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Full text of "Wissenschaftliche Grundlagen der Erdölverarbeitung"

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Wissenschaftliche 
Grundlagen der Erdölbearbeitung 



Dr. L. Gurwitsch 



Hit 12 Texteguren und 4 Tafeln 



Berlin 

Verlag von Julius Springei 
1913 






Alle Rechte, insbesondere das der 
Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. 



• • • 



• 



. . 5 , ♦ 

• • . . . • • • . 



Vorwort. 

Die Aufgabe, die ich mir beim Verfassen dieses Buches gestellt 
habe, war, dem sich für die Erdölindustrie interessierenden Chemiker 
einen allgemeinen Überblick über die wissenschaftliche Seite des 
Gebietes zu geben. Dementsprechend sind alle praktisch-technischen 
Fragen (wie verschiedene Ausführungsweisen der chemischen Prozesse, 
konstruktive Aufgaben u. dgl.) ganz unberücksichtigt geblieben. Eine 
erschöpfende Vollständigkeit in der Zusammenstellung der Literatur 
lag um so weniger in meiner Absicht, als zur Zeit, wo ich meine 
Arbeit begonnen habe, das großartige Werk von Engler und Höf er 
angezeigt und zum Teil bereits erschienen war. Das Wesentliche 
aber habe ich mich überall bestrebt eingehend zu besprechen und 
womöglich kritisch, zum Teil auch durch eigene Erfahrungen, zu 
beleuchten. 

St. Petersburg, im Dezember 1912. 

Der Verfasser. 



3Sti;} 



Inhaltsverzeichnis. 

Erster Abschnitt. Rohmaterial. 

A. Chemie. Seite 

1. Allgemeines über die Untersuchung der chemischen Zusammensetzung 

der Erdöle 1 

2. Bestandteile der Erdöle 9 

a) Kohlenwasserstoffe 9 

Grenzkohlenwasserstoffe 11 

Naphthene 16 

Aromatische Kohlenwasserstoffe 20 

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe 22 

b) Chemisches Verhalten der Kohlenwasserstoffe ...,.....*. 24 

Einwirkimg von Haloiden . 26 

„ „ Sauerstoff 26 

„ „ Ozon ; '. 34 

„ verschiedenen Oxydationsmitteln 35 

Dehydrogenisation. ., 37 

Einwirkung von Salpetersäure 37 

„ „ Schwefelsäure . . . . ; . 43 

„ „ Schwefel 44 

Reaktion von Gustavson 45 

!EViedel-Crafftssche Beaktioh 45 

Formolitreaktion 46 

Polymerisation 48 

Lichtwirkung . • • ? 50 

c) Sauerstoffverbindungen 52 

Erdölsäuren 53 

Asphalt- und Harzstoffe 63 

Verschiedene Sauerstoffverbindungen .............. 66 

d) Schwefelverbindungen 67 

e) Stickstoffverbindungen ..................... 69 

f) Mineralische Bestandteile 71 

g) Wassergehalt 71 

B. Physik. 

1. Spezifisches Gewicht 72 

2. Zähigkeit 75 

3. Optische Eigenschaften • 77 

Farbe und Fluoreszenz 77 

Lichtbrechung , 77 



VI Inhattsverzeiolmis. 

Seite 

Optische Aktivität 78 

Das Rakusinsche Phänomen 81 

4. Thermische Eigenschaften 8? 

Spezifische Wärme 83 

Verdampfnngswärme 84 

Wärmeansdehnung 85 

Wärmeleitnngsfähigkeit 87 

Verbrennungswärme 87 

Verdamphrng und Sieden 90 

Erstarrmig 92 

5. Innere Beschaffenheit 98 

6. Löslichkeit mid Lösmigsvermögen 97 

C. Kurze Charakteristik der wichtigsten Erdöle. 

1. Europa 102 

2. Amerika 105 

3. Asien 106 

D. Anhang: Entstehung des Erdöls 107 

Zweiter Abschnitt. Fabrikation. 

A. Destillation. 

1. Dampfdestillation 116 

2. Vakuumdestillation 124 

3. Kombinierte Destillation mit Wasserdampf und Vakuum 127 

4. Destillation mit Benzindampf, inerten Gasen u. dgl 130 

5. Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. destruktiven Destillation. 133 

Anhang: Pyrogene Zersetzimg 149 

6. Raffinierende Destillation 155 

7. Wärmeökonomische Verhältnisse bei der Destillation 157 

8. Fraktionierte Destillation 162 

B. Raffination. • 

1. Schwefelsäurereinigimg 178 

Einwirkung auf Paraffine und Naphthene * 178 

aromatische Kohlenwasserstoffe 180 

ungesättigte Kohlenwasserstoffe 181 

Asphalt- und Harzstoffe 183 

Sauerstoff Verbindungen 187 

Schwefel Verbindungen 188 

Einfluß der Menge der Säure 188 

fraktionierten Zusatzes der Säure 189 



>> 
»> 
>> 



„ ., Stärke der Säure 190 

>» >> 

99 » 

>> t9 



Temperatur 192 

Art der Mischung 195 

Wirkungsdauer ^ 196 

Lichtwirkung 196 

Venmreinigungen der Säure 197 

„ „ Zusammensetzung des Rohprodukts ........ 198 

Absetzen des Säureteers 199 



Inhaltsverzeichnis. VII 

Seite 

2. Alkalische Reinigung 200 

Emulsionbildung 201 

Hydrolyse 208 

3. Besultate der Baffination 211 

4. Verwertung der Baffinationsabfälle 214 

Säureabfälle 215 

Alkalische AbfäUe 221 

5. Baffination durch auswählende Löslichkeit 222 

ß, Baffination durch Adsorption 229 

Dritter Abschnitt. Produkte. 

1. Benzine 245 

2. Leuchtöle 247 

3. Schmieröle : ... 254 

4. Paraffin 268 

6. Vaseline 272 



• 



, • - • ' 






Erster Absclinitt. 

BohiuateriaL 

A, Chemie. 

1. Allgemeines über die Untersuchung der chemischen 

Zusammensetzung der Erdöle. 

Die große Verschiedenartigkeit und die ungemein komplizierte Zu- 
sammensetzung der Erdöle machen die nähere Erforschung ihi'er Be- 
standteile zu einer der schwierigsten Aufgaben der Chemie. Nicht nur, 
daß wir es hier mit Gemischen von verschiedensten chemischen Gruppen : 
allerlei Kohlenwasserstoffen, Säuren, Phenolen, Basen, Schwefel- 
verbindungen usw. zu tun haben, sondern auch innerhalb jeder einzelnen 
Gruppe treten so viele isomere und homologe Verbindungen auf, daß 
ihre Trennung voneinander und Isolierung in chemisch reinem Zustande, 
dort, wo sie überhaupt möglich ist, die größte Mühe kostet, in den meisten 
Fällen aber sich bis heute als einfach undurchführbar erwies. Die 
Schwierigkeiten der Trennung — und somit der genaueren Untersuchung 
— der Erdölbestandteile werden natürlich um so größer, je weiter in den 
einzelnen Gruppen der Verbindungen wir fortschreiten, d. h. je höhere 
Fraktionen des Erdöls wir in Untersuchung nehmen. Denn einerseits 
wächst mit dem Molekulargewicht die Zahl der möglichen und auch der 
wirklich vorhandenen Isomere, andererseits versagt bei höheren Tem- 
peraturen, infolge unvermeidlicher Zersetzungen, die wichtigste Tren- 
nungsmethode — die fraktionierte Destillation. So kommt es, daß, 
trotz sehr zahlreicher Untersuchungen auf diesem Gebiete, wir nur 
über die Zusammensetzung der niedrig siedenden Fraktionen verschie- 
dener Erdöle einigermaßen orientiert sind, die chemische Natur der 
höher siedenden uns dagegen in den meisten Fällen noch so gut wie ganz 
verschlossen bleibt. 

Sowohl quantitativ, wie auch qualitativ (d. h. in bezug auf die 
praktische Verwendungen) bilden die Kohlenwasserstoffe den bei 
weitem wichtigsten Bestandteil der Erdöle. Es ist auch — besonders 
in den niederen Fraktionen — meist nicht schwer, die Kohlenwasser- 
stoffe von den anderen Bestandteilen der Erdöle zu trennen, da man die 
Bauren Stoffe durch Alkalien, die basischen durch Säuren ausscheiden 

Gurwitsch. 1 



2 ■ * » ■ Chemie. 

kann. Es hinterbleibt nach solcher Behandlung ein wesentlich aus Kohlen- 
wasserstoffen bestehendes öl, das als Beimengungen nur noch sog. 
Asphalt- und Harzstoffe und — im Falle von schwefelhaltigen Roh- 
ölen — Schwefel Verbindungen enthält. Im allgemeinen ist der Gehalt 
an letzteren so g'^ring, daß er bei der Untersuchung — soweit man sich 
eben nicht für diese Schwefelverbindungen speziell interessiert — ver- 
nachlässigt werden kann. Auch ist der Gehalt an den hochsiedenden 
Asphalt- und Harzstoffen in den niederen Erdölfraktionen (inklusive 
Leuchtöle) sehr gering, so daß die Untersuchung dieser Fraktionen 
sich meist nur mit Kohlenwasserstoffen zu befassen hat. 

Je nach der Provenienz des Erdöls in verschiedener 'Projxjrtion 
finden wir darin alle vier Hauptklassen der Kohlenwasserstoffe: die 
gesättigten, ungesättigten, aromatischen und Naphthene durch zahl- 
reiche Glieder vertreten. Der rationelle Weg zu ihrer Trennung ist 
einerseits in der Behandlung mit verschiedenen chemischen Reagenzien, 
andererseits in wiederholter, systematischer Anwendung der fraktio- 
nierten Destillation gegeben. Da bisher keine allgemeine Trennungs- 
methode ausgearbeitet worden ist, die für alle Rohöle und alle Destillate 
als die beste anerkannt werden könnte, sondern je nach den Umständen 
diese oder jene sich als die zweckmäßigere erweist, so wird es wohl 
am Platze sein, einige, von verschiedenen Forschem ausgeübte Arbeits- 
weisen einzeln zu beschreiben. 

Bei ihren bekannten Untersuchungen über das amerikanische 
(pennsylvanische) Erdöl gingen Pelouze und Cahours^) folgender- 
maßen vor. Nach mehrmaliger Fraktionierung der Rohprodukte 
wurden die einzelnen Fraktionen mit rauchender Schwefelsäure be- 
handelt, mit Sodalösung und Wasser gewaschen, mittels Chlorkalzium 
entwässert, über metallischem Natrium destilliert und schließlich 
rektifiziert. Da das pennsylvanische Erdöl in seinen niedrigeren Frak- 
tionen hauptsächlich aus gesättigten Kohlenwasserstoffen besteht, ge- 
lang es Cahours und Pelouze schon auf diese, verhältnismäßig ein- 
fache Arbeitsweise eine ganze Reihe von Körpern — angefangen mit 
Butan C4H10 und bis Hexadekan CiJtl^ — zu isolieren. Die weit- 
meisten dieser Körper erwiesen sich allerdings später als nicht reine 
Verbindungen von normaler Struktur, für die sie ursprünglich gehalten 
wurden, sondern als Gemische von normalen mit Iso-Kohlenwasserstoffen. 

Statt Schwefelsäure benutzte Schorlemmer^) zur Vorbehand- 
lung der Fraktionen des pennsylvanischen Benzins konzentrierte Sal- 
petersäure. Dank einer besseren Fraktionierung gelang es ihm, neben 
wirklich normalen Pentan, Hexan, Heptan und Oktan auch die ent- 
sprechenden Isoverbindungen zu isolieren. 

Lemoine^) bediente sich zur Entfernung der ungesättigten Ver- 
bindungen aus den pennsylvanischen Destillaten des Broms; Le-Bel*), 



1) Compt. rend. 66, 505; 67, 62. 

2) Lieb. Ann. 161, 263. 

3) Bull. soc. Chim. Paris 1884. 61, 161. 

4) Compt. rend. 73, 499; 81, 976; 76, 267. 



Allgemeines über die Untersuchung der Erdöle. 3 

bei der Verarbeitung der Destülate des dicken Pechelbronner Erdöls, 
behandelte diese mit alkoholischer Salzsäure oder, was sich als noch 
wirksamer erwies, leitete die Kohlenwasserstoff dämpfe zusammen mit 
Salzsäuregas durch auf 180® erhitzte Röhren; die Äthylenkohlenwasser- 
stoffe wurden dabei in entsprechende Chlorüre übergeführt, die, dank 
ihren viel höheren. Siedepunkten, sich von den unangegriffenen ge- 
sättigten Kohlenwasserstoffen durch Destillation leicht trennen ließen. 

Noch mehr Schwierigkeiten als das pennsylvanische bot für eine 
genaue chemische Untersuchung das kaukasische Erdöl. Deiin einer- 
seits ist die Zusammensetzung dieses Erdöls komplizierter, als die des 
pennsylvanischen; andererseits hatte man es hier nicht mit den auch 
sonst schon bekannten Kohlenwasserstoffen der Paraffinreihe, sondern 
vorwiegend mit einer ganz neuen und eigenartigen Klasse der Naphthene 
zu tun. Die wichtigsten, grundlegenden Arbeiten auf diesem Gebiete — 
und deren Bedeutung ist um so größer, als Naphthene nicht nur im 
kaukasischen, sondern auch in den meisten anderen Erdölen enthalten 
sind — gehören Markownikow^) und seiner Schule . Der Gang der 
Untersuchungen war folgender. Das von einer Naphthafabrik bezogene 
Destillat wurde mit Natronlauge vorgewaschen und 3 bis 4 mal aus 
einer geräumigen, mit Le Belschem Dephlegmator versehenen Kupfer- 
blase umdestüliert, wobei die einzelnen Fraktionen in Intervallen von 
je 10® gesammelt wurden. Diese Destillate wurden mit 10 bis 30yo 
rauchender Schwefelsäure behandelt, mit Sodalauge und Wasser ge- 
waschen, über Chlorkalzium getrocknet und wiederum fraktioniert, 
jetzt aber in engeren Intervallen von je 5®. Nach 5 bis 6 solchen Destil- 
lationen wurden die einzelnen 5®-Fraktionen wiederum mit rauchender 
Schwefelsäure gereinigt (3 mal zu je 10®/o)j gewaschen, getrocknet und 
nun der definitiven systematischen Rektifikation unterworfen, wobei 
die Fraktionen innerhalb je 2® und zum Schluß innerhalb je P auf- 
gefangen wurden; das Produkt galt als rein, sobald nicht weniger als 
90^0 davon biei konstanter Temperatur übergingen und der Siede- 
beginn nicht mehr als um y^ nach unten, der Siedeschluß nicht mehr 
als Yg^ nach oben von dieser Temperatur abwich. Ein solches Resultat 
wurde gewöhnlich erst nach 20 bis 30 Fraktionierungen erreicht. 

In vielen Fällen bediente sich Markownikow, neben Schwefel-, 
auch der Salpetersäure, und der Gang der Arbeit war folgender: 1. vor- 
läufige Fraktionierung innerhalb je 10^; 2. Reinigung mit IO^q kon- 
zentrierter Schwefelsäure (wodurch hauptsächlich die ungesättigten 
Kohlenwasserstoffe und Harze entfernt werden); 3. Behandlung mit 
einem Gemisch von 1 Volumen rauchender Salpetersäure und 2 Volumina 
Schwefelsäure ; dabei soll die Menge des Säuregemisches nicht weniger 
als die Hälfte des Volumens des zu reiaigenden Destillates betragen, 
denn nur dann werden die zu entfernenden aromatischen Kohlenwasser- 
stoffe zu den wenig löslichen Dinitroverbindungen nitriert, während 



1) Zusammenfassende Veröffentlichung s. Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1883 
und Lieb. Ann. 801, 157. 

1* 



4 Chemie. 

bei kleinerer Proportion des Nitrierungsgemisches hauptsächlich Mono- 
nitroderivate gebildet werden, die im Kohlenwasserstoffgemische ge- 
löst bleiben. In manchen Fällen, wo auch diese Behandlung zur Aus- 
scheidung von aromatischen Kohlenwasserstoffen nicht genügt, emp- 
fiehlt Markownikow, das Destillat mit sehr starker Salpetersäure bei 
0*^ zu oxydieren, wobei allerdings auch Naphthene, besonders die 
verzweigten, angegriffen werden. Besonders hartnäckig bleibt an 
Naphthenen und gesättigten Kohlenwasserstoffen das Benzol haften, 
das merkwürdigerweise hauptsächlich mit den um ca. 10® niedriger 
(also bei ca. 70°) siedenden Fraktionen übergeht; es läßt sich mittels 
Triphenylmethan, mit dem es eine schwerlösliche Doppelverbindung 
bildet, ausscheiden. 4. Nach Nitrierung wird mit schwacher Lauge ge- 
waschen, von den Nitroverbindungen abdestilliert und schließlich: 
5. fraktioniert, zuerst über metallischem Natrium, innerhalb je 5®, 
dann, bis zum konstanten Siedepunkt, innerhalb je 2°. 

Bei der Benutzung von Schwefel- oder Salpetersäure oder beider 
zusammen lassen sich somit Grenzkohlenwasserstoffe und Naphthene 
von den aromatischen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen trennen. 
Der Übelstand der Methode ist der, daß dabei einerseits ungesättigte 
Kohlenwasserstoffe zerstört werden und für die Untersuchung ver- 
loren gehen (die aromatischen können in Form von Sulfo- und Nitro- 
derivaten isoliert werden); andererseits auch manche Grenzkohlen- 
wasserstoffe und Naphthene (besonders die mit tertiärem Kohlenstoff) 
gegen diese Reagenzien nicht widerstandsfähig sind und sich ebenfalls 
sulfonieren, oxydieren und zerstören lassen. Frei von diesen Übel- 
ständen ist dagegen der von Engler^) eingeschlagene Weg. Zur quan- 
titativen Ausscheidung von ungesättigten Kohlenwasserstoffen bedient 
sich Eng 1er des bereits früher von Balbiano zur Ausscheidung von 
Olefinen aus Petroleum benutzten Merkuriazetats. Beim Schütteln des 
Kohlenwasserstoffgemisches mit konzentrierter wäßriger Merkuri- 
azetatlösung in der Kälte werden die ungesättigten Kohlenwasserstoffe 
in Form von Quecksilberdoppelverbindungen zum größten Teil heraus- 
gelöst und können dann aus der Lösung nach Zusatz von Salzsäure 
abdestilliert werden. Aus diesem Rohgemisch der regenerierten un- 
gesättigten Kohlenwasserstoffen — Olefinen und zyklischen (Terpenen 
u. dgl.) — können die letzteren mittels Formaldehyd und Schwefelsäure in 
Form von sog. Formoliten (s. w.) ausgeschieden, die Olefine in üblicher 
Weise, z. B. in Form von Bromüren u. dgl., identifiziert werden. Der 
kleine Rest der ungesättigten Verbindungen, der bei der Behandlung 
mit Merkuriazetat in der Kälte nicht herausgelöst wird, läßt sich durch 
Kochen mit frischer Merkuriazetatlösung zerstören. Nach dieser Be- 
handlung hinterbleibt somit ein Gemisch von Grenzkohlenwasser- 
stoffen, Naphthenen und aromatischen Kohlenwasserstoffen. Diese 
letzteren werden mittels Formaldehyd und Schwefelsäure in Form von 
Formoliten ausgeschieden, wonach nun ein Gemisch von Grenzkohlen- 



1) Verhandlungen der Internat. Petrol.-Kom. Wien 1912. 



Allgemeines über die Untersuchung der Erdöle. 5 

Wasserstoffen und Naphthenen zurückbleibt. Aus diesem Gemische 
lassen sich schließlich die einen Sechsring enthaltenden Naphthene 
(Hexamethylenverbindungen) auf die Weiße ausscheiden, daß man die 
Dämpfe der Kohlenwasserstoffe nach Sabatier und Senderens 
bei etwa 300*^ über fein verteiltem Nickel, oder besser, nach Zelinsky, 
bei 200*^ über Palladiumschwarz leitet; die Hexamethylenverbindungen 
spalten dabei nahezu quantitativ die Hälfte des an den Ring gebundenen 
Wasserstoffs ab, d. h. gehen in entsprechende aromatische Kohlen- 
wasserstoffe über, die wiederum in Form von Formoliten ausgeschieden 
werden können. Das nun zurückbleibende Gemisch von Grenzkohlen- 
wasserstoffen und fünfgliedrigen Naphthenen (d. h. Pentamethylen- 
derivaten, s. w. 2a) kann weiter nur mittels fraktionierter Destillation 
in einzelne Individua geschieden werden. 

Diese von Eng 1er ausgearbeitete (und von ihm und seinen Schülern 
am Benzin ausprobierte) Methode ist sehr rationell, soweit die Grenz- 
kohlenwasserstoffe, Naphthene und ungesättigten Kohlenwasserstoffe in 
Betracht kommen. Für die genauere Untersuchung verloren gehen 
dagegen dabei die aromatischen Kohlenwasserstoffe, da sie sich aus 
den Formolitverbindungen nicht regenerieren lassen. Dort, wo es sich 
um Ausscheidung in corpore und Untersuchung gerade dieser Kohlen- 
wasserstoffe handelt, verspricht das Verfahren von Edeleanu einen 
guten Erfolg. Dieses Verfahren besteht in der Verwendung von ver- 
flüssigter schwefliger Säure als Lösungsmittel für aromatische und un- 
gesättigte Kohlenwasserstoffe, während die Grenzkohlenwasserstoffe 
und Naphthene darin sehr wenig löslich sind. Allerdings ist solche 
Trennung, wie alle auf partieller Lösung beruhenden Trennungen, nicht 
quantitativ, d. h. es bleibt einerseits ein Teil der aromatischen und 
ungesättigten Kohlenwasserstoffen mit den Grenzkohlenwasserstoffen 
und Naphthenen zurück, andererseits werden kleine Mengen dieser 
letzteren von Schwefligsäure mit aufgenommen. Die kleinen Reste der 
aromatischen Kohlenwasserstoffe können aber meist bequem in Form 
von kristallinischen Doppelverbindungen mit Triphenylmethan oder 
Pikrinsäure ausgeschieden werden. 

Wie man aus dem Vorhergehenden ersieht, bleiben nach der Be- 
handlung der Erdöldestillate mit verschiedenen chemischen Reagenzien 
Gemische von Grenzkohlenwasserstoffen und Naphthenen zurück, die 
dann voneinander nur mittels fraktionierter Destillation geschieden 
werden können^). Diese bildet nun den mühsamsten und langwierigsten 
Teil der ganzen Arbeit bei der Darstellung von reinen Kohlenwasser- 

1) Interessiert man sich nur für Grenzkohlenwasserstoffe und verzichtet auf 
Naphtene, so kann man die ersteren von den letzteren durch Behandlung mit über- 
schüssiger rauchender Salpetersäure in der Kälte ziemUch vollständig befreien; 
so z. B. hat Heusler (Berichte 1897, 2747) aus einem zwischen 149 und 154® 
siedenden Gemisch von Grenzkohlenwasserstoffen und Naphtenen, durch Ein- 
tropfenlassen in das vierfache Volumen rauchender Salpetersäure, einen Körper 
mit 15,79 7o H und 84,38 o/o C erhalten; das bei 150o siedende Nonan enthält 
15,66 ^/q H und 84,34 % C. Neuerdings ist diese Methode auch von Ubbelohde 
empfohlen worden. 



6 Chemie. 

Stoffen. Es ist daher von besonderer Wichtigkeit, für die Fraktionierung 
gleich das richtige Schema herauszufinden, d. h. für die Trennung der 
einzelnen Fraktionen die richtigen Temparaturgrenzen zu wählen. Greht 
man von vornherein auf die Suche nach einer oder nach mehreren Ver- 
bindungen aus, deren Siedepunkte man bereits kennt, so ist die Fest- 
stellung des Destillationsschema nicht schwierig; man nimmt nämlich 
die Fraktionen so ab, daß ihre unteren und oberen Siedegrenzen gleich 
weit von den Siedetemperaturen der betreffenden reinen Verbindungen 
liegen, und läßt nun diese Siedegrenzen bei nachfolgenden Destillationen 
immer näher aneinander rücken, bis die gewünschte konstante Siede- 
temperatur erreicht ist. 

Anders ist es, wenn man zur Untersuchung herantritt, ohne solche 
bestimmte Anhaltspunkte zu haben, oder wenn man das Produkt, an 
dem man arbeitet, möglichst vollständig untersuchen will. Da kann 
man durch unzweckmäßige Auslese der Fraktionen viel Mühe un- 
nützerweise verlieren und Körper, die nur in geringer Proportion vor- 
liegen, leicht ganz übersehen. Um dies zu vermeiden, verfährt man in 
solchen Fällen so, daß man bei den ersten Destillationen die Fraktionen 
z. B. innerhalb je 10° oder je 5® sammelt und dabei sich gleich merkt, 
in welchen Intervallen größere Mengen überdestillieren ; bei den folgen- 
den Destillationen werden nun diese Intervalle in engere geteilt und 
wiederum nachgesehen, welchen Temperaturen die größten Destillat- 
mengen entsprechen usw. 

Sehr bequem zu solcher systematischen Arbeit ist das graphische 
Verfahren von S. Young^), welches ermöglicht, auch die in kleine- 
ren Mengen anwesenden Körper nicht unbemerkt zu lassen. Young 
zeichnet Destillationskurven, indem er auf der Ordinatenachse — die 
Temperaturgrenzen der nacheinander folgenden Fraktionen, auf der 
Abszissenachse — die Quotienten von den Fraktionsgewichten A w 
durch die entsprechenden Temperaturintervalle A t ablegt. Je weiter 
die Trennung der einzelnen Verbindungen fortschreitet, um so ausge- 
sprochener nehmen einzelne Teilstücke dieser Kurve einen horizon- 
talen Verlauf an ; ganz horizontalen Teilstücken entsprechen eben reine 
Verbindungen (oder eventuell auch konstant siedende Gemische), denn 
hier geht eine gewisse Menge Destillat über, ohne daß dabei die Tem- 
peratur steigt. Ein gutes Beispiel zum Verfahren von Young gibt seine 
Untersuchung der zwischen ca. 27° imd 4P siedenden Fraktion des ameri- 
kanischen Benzins. Auf dem Diagramm (Fig. 1) sind die Fraktionierungen 
NN. I, IV, VII, X und XIII aufgetragen. Die Kurve N. I macht den 
Eindruck, daß man hier hauptsächlich eine um ca. 33° herum siedende 
Substanz vor sich hat, die durch niedriger und höher siedende Körper 
verunreinigt ist. Wäre dem so, so müßte die Kurve bei den folgenden 
Fraktionierungen im Gebiet um 33° herum immer mehr horizontalen 
Verlauf nehmen. Nun zeigt die Kurve IV ein ganz anderes Bild: die 
Strecke um 33° ist sogar steiler, und die Linie zwischen 30° und 37° ist 



1) Fractional Destillation S. 139. 



Allgemeines über die Untersuchung der Erdöle. 7 

nahezu eine Gerade geworden. Das erste Anzeichen zur neuerlichen 
Annäherung gegen Horizontale kommt bei der siebenten Fraktionierung 
zum Vorschein, wo das obere Ende der Kurve sich gegen Abszissenachse 
neigt; diese Neigung wird sehr deutlich in der Kurve X, und in der Kurve 
XIII sehen wir einen ziemlich scharfen Übergang -von der sehr steilen 
Strecke 30® — 35® zu einer nahezu horizontalen Strecke bei 36,3®: dies 
ist die Siedetemperatur des normalen Pentans, das somit den schwerer 
flüchtigen Teil der betreffenden Benzinfraktion ausmacht. Die Kurve 
XIII zeigt auch in ihrem imteren Ende eine deutliche Neigung gegen 
Horizontale bei ca. 28®; durch weitere Fraktionierungen gelang es, auch 
hier einen scharfen Übergang von dem sehr steilen Mittelstück zu einer 
Horizontale zu erzielen, und auf diese Weise wurde als zweiter Bestand- 
teil der Benzinfraktion das Isopentan mit dem Siedepunkt 27,95® isoliert. 



35' 



30* 



25' 




Fig. 1. 



Nützliche Fingerzeige bei der Fraktionierung mancher Erdöle gibt 
auch die Feststellung der spez. Glewichte der Fraktionen. Bei den ersten 
Destillationen steigen die spez. Gewichte ununterbrochen mit den 
Siedetemperaturen der Fraktionen; ist aber die Fraktionierung bereits 
einigermaßen vorgeschritten, so zeigen sich, wie esMendelejew^) zum 
erstenmal beobachtet hat, in der Kurve: spez. Gewichte/Siedetempe- 
raturen, mehr oder weniger ausgesprochene und in manchen Fällen sogar 
sehr scharfe Maxima und Minima. So fand Mendelejew folgende 
Werte für Siedetemperaturen und spez. Gewichte der mehrfach um- 
destillierten Fraktionen des Bakuschen Benzins: 



Siedegrenzen Spez. Gewicht 
55 bis 57® 0,675 



Siedegrenzen Spez. Gewicht 



79 



>j 



81® 



99 „ 101® 
119 „ 121® 



0,7483 



0,7609 
0,7659 



61 bis 63® 



89 „ 91® 
109 „ 111® 



0,672 

0,7337 

0,7539 



1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1883, 189. 



8 Chemie. 

Augenscheinlich hat man es hier mit zwei verschiedenen Reihen 
von Kohlenwasserstoffen zu tun, und zwar, wie es sich aus späteren 
Untersuchungen erwies, in der rechten Reihe mit gesättigten Kohlen- 
wasserstoffen der Paraffinreihe, in der linken mit Naphthenen. In den 
Temperaturintervallen dieser Maxima und Minima ' oder jedenfalls 
nahe bei diesen Intervallen müssen die einzelnen Glieder der beiden 
Reihen gesucht werden. 

Der Prozeß der Isolierung von reinen chemischen Individuen kann 
bedeutend beschleunigt werden, wenn man bei den letzten Fraktionie- 
rungen neben geeigneten Dephlegmatoren noch von den zuerst von 
Warren^) vorgeschlagenen temperierten Ktihlbädem Gebrauch macht. 
Bei dieser Arbeitsweise läßt man die Dämpfe nach ihrem Austritt aus dem 
Dephlegmator durch ein in ein Wasser- oder Ölbad gelegtes Schlangen- 
rohr passieren; die Temperatur des eventuell mit einem Thermostaten 
versehenen Bades wird so reguliert, daß sie stets etwas imter der Tem- 
peratur des aus dem Dephlegmator austretenden Dampfes liegt; beim 
Erreichen der Temperaturen, die den Siedepunkten der vermuteten 
chemischen Individuen nahe liegen, läßt man die Temperatur des Bades 
konstant bei diesen Punkten stehen. 

Das Erreichen eines konstanten Siedepunktes kann noch nicht 
als ein sicheres Gewähr für die vollständige Reinheit der ausgeschie- 
denen Substanz gelten. Denn erstens kann es ein Gemisch von zwei 
verschiedenen, aber bei derselben Temperatur siedenden chemischen 
Individuen sein; zweitens können auch Verbindungen, deren Siede- 
punkte an und für sich ziemlich weit voneinander liegen, in bestimmten 
Proportionen zusammengebracht, Gemische von konstanter Siede- 
temperatur bilden. Bei der Untersuchung der Erdöle stößt man häufig 
auf solche Fälle. So z. B. wurde von Miß E. Forte y^) aus dem galizischen 
Benzin in ziemlich großer Menge eine bei konstanter Temperatur von 
80,8® siedende Fraktion isoliert, die ihrem gesamten chemischen Ver- 
halten nach als das reine Hexamethylen aufgefaßt werden mußte; als 
aber später diese Substanz der Wirkung einer Kältemischung aus- 
gesetzt wurde, erwies es sich, daß sie nicht in ihrer ganzen Masse, sondern 
nur teilweise gefror, und auf diese Weise gelang es schließlich, das wirk* 
lieh reine Hexamethylen mit dem Siedepunkt 80,85® zu gewinnen; 
der andere, in kleinerer Menge vorhandene Bestandteil konnte nicht 
sicher identifiziert werden, ist aber höchstwahrscheinlich ein Heptan. 
Ebenso scheint die konstant bei ca. 50® siedende Fraktion der amerika- 
nischen, galizischen und russischen Benzine ein Gemisch von Penta- 
methylen und Trimethylethylmethan zu sein. 

Ein Beispiel von konstant siedenden Geraischen aus zwei Verbin- 
dungen mit verschiedenen Siedepunkten findet man in Gemischen von 
Hexan mit Benzol; obwohl reines Hexan bei 68,95®, reines Benzol aber 
bei 80,2® siedet, kann dem Hexan bis 10®/o Benzol zugemischt werden, 



1) Lieb. Ann. 1866, Suppl. 4, 51. 

2) Trans, ehem. Soc. 1898, 73, 932; 1899, 75, 873. 



Bestandteile der Erdöle. 9 

ohne daß sein Siedepunkt auch nur ein wenig steige^). Benzol wird auch 
von den niedriger siedenden isomeren Hexanen leicht mitgerissen, 
und so kommt es, daß, wenn man kaukasisches oder amerikanisches 
Benzin fraktioniert und die einzelnen Fraktionen z. B. mit Nitrierungs- 
gemisch behandelt, man die Hauptmenge von Dinitrobenzol nicht aus 
der Fraktion um 80° herum, sondern aus der zwischen 60*^ und 70® 
siedenden gewinnt; ebenso findet sich die Hauptmenge von Dinitro- 
toluol in der Fraktion 90 bis 100*^, obwohl reines Toluol an und für sich 
bei 110,6» siedet. 

Gute Dienste für die Trennung der aus nahe siedenden Kompo- 
nenten bestehenden Gemische verspricht das neuerdings von Golodetz* 
ausgearbeitete Verfahren zu leisten, das darin besteht, daß man zu dem 
betreffenden Gemisch eine Flüssigkeit zusetzt, die mit einer der Kom- 
ponenten ein bei einer niedrigeren Temperatur konstant siedendes 
Gemisch bildet. So z. B. siedet ein aus 60,45yo Benzol und 39,55yQ 
Methylalkohol bestehendes Gemisch (unter 760 mm Druck) konstant 
bei 58,35«; ein Gemisch aus 60,5 g CeH«, 242 g G^K^ und 39,5 g CH3OH 
ergab nun bei der ersten Destillation folgendes : 



Urad 


gr 


58,2 


83 


58,2 bis 59,8 


11 


59,8 „ 64 


1 


64 „ 105 


3,5 


105 „ 110,3 


15 


Rest 


228,5; 



es sind somit gleich beim ersten Destillationsgang 94,4»/^ des Toluols in 
reinem Zustande gewonnen worden. 

Als sicheres Kriterium bei der Beurteilung der chemischen Rein- 
heit der ausgeschiedenen Verbindung wird man immerhin das konstante 
Sieden nicht betrachten dürfen; sondern nur nachdem man den betreffen- 
den Körper einer partiellen chemischen Umwandlung (z. B. Nitrierung, 
Oxydation u. dgl.) unterworfen und nun den unangegriffenen Rest mit 
dem ursprünglichen Körper ganz identisch gefunden hat, wird man der 
chemischen Individualität des Körpers sicher sein können. 

2. Bestandteile der Erdöle. 

a) Kohlenwasserstoffe. 

Kohlenwasserstoffe bilden sowohl quantitativ, wie qualitativ den 
weitaus wichtigsten Bestandteil der Erdöle, und man kann sagen, daß 
das Wesen der bearbeitenden Erdölindustrie in der Aussonderung ge- 
wisser Gruppen dieser Kohlenwasserstoffe ia möglichst reinem Zustande 
besteht. Eine nähere Kenntnis der Natur der Erdölkohlenwasserstoffe 



1) Jackson und S. Young, Joum. ehem. Soc. 1898, 78, 922. 

2) Joum. russ. ehem. Ges. 1911, 1041. 



10 Chemie. 

ist bisher nur an den verhältnismäßig niedrig siedenden Fraktionen 
erreicht worden, und auch da ist sie bei weitem nicht vollständig. 
Wohl nur von den niedrigst (etwa bis 100 — 120°) siedeüden, sog. 
Benzinfraktionen kann behauptet werden, daß ihre chemische Natur 
wesentlich aufgeklärt ist, wenn auch hier nur ein Teü der Kohlen- 
wasserstoffe einzeln in reinem Zustande ausgeschieden und identifiziert 
ßind und für die übrigen nur ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Reihen 
festgestellt ist. Aus den nachfolgenden, bis etwa 300® siedenden, sog. 
Kerosinfraktionen konnten bisher nur vereinzelte Kohlenwasserstoffe 
in wirklich reinem Zustande isoliert werden, sonst aber, für einen großen 
Teil der Gresamtfraktion ist sogar die Zugehörigkeit zu bestimmten 
Kohlenwasserstoffreihen zweifelhaft. Je weiter wir dann bei der De- 
stillation der Erdöle vordringen, um so dürftiger werden unsere Kennt- 
nisse über die Zusammensetzung der Destillate, und bei den höchst - 
siedenden Schmierölfraktionen müssen wir uns vorläufig im besten 
Falle mit mehr oder weniger wahrscheinlichen Vermutungen bescheiden. 
Besser als die anderen sind noch die hochsiedenden Destillate der nord- 
amerikanischen Erdöle diu'ch Mabery und seine Mitarbeiter unter- 
sucht worden ; aber auch hier ist es bisher eigentlich nur gelungen, diese 
Destillate in sehr eng siedende Fraktionen zu scheiden ; die chemische In- 
dividualität dieser Fraktionen ist sehr zweifelhaft, und die von Mabery 
gefundenen Molekulargewichte und auf Grund dieser Gewichte und der 
Elementaranalysen aufgestellten Formeln können streng genommen 
nur die Bedeutung von Mittelwerten beanspruchen ; von einer Kenntnis 
der Struktur dieser Kohlenwasserstoffe kann "aber vorläufig erst recht 
keine Rede sein. 

Als einzig sicheres und für alle bekannte Erdöle gültiges Resultat 
hat sich bisher nur herausgestellt, daß die bei der Destillation aufeinander 
folgenden Fraktionen immer kohlenstoffreicher und wasserstoffärmei 
werden. So z. B. sind die bis etwa 280® (bei 760 mm Hg) siedenden 
Fraktionen des pennsylvanischen Erdöls zum weitgrößten Teil aus ge- 
sättigten Kohlenwasserstoffen der Methanreihe CnH2n+2 zusammen- 
gesetzt ; aus den folgenden Fraktionen (etwa von 240 bis 280® bei 50 mm 
Hg) ließen sich hauptsächlich Kohlenwasserstoffe der Formel CnHgn (von 
^21^42 his C26H52) ausscheiden, und weiter (zwischen 290® und 312® 
bei 50 mm Hg) folgten die noch Wasserstoff ärmeren Kohlenwasserstoffe 
CnHän— 2 (^^27052 und CgftHg^).^) Eine ähnliche Abnahme des Wasser- 
stoff- und Zunahme des Kohlenstoffgehaltes finden wir auch in den 
aufeinander folgenden Fraktionen des Baku-Erdöls, wie die folgende 
TabeUe^) zeigt: .^^^ „^^^ 

Benzin (Fraktion von 75 bis 85®) . . 84,86 15,14 

Maschinenöl 0,909 86,2 13,8 

Zylinderöl 0,929 87,3 12,7 



1) Mabery, Amer. Chem. Journ. 1905, 231. 

2) Die Prozentzahlen sind aus den Angaben der Autoren auf lOO'^/o (C -}- H) 
berechnet. 



Bestandteile der Erdöle. H 

Es muß allerdings betont werden, daß derartige fortschreitende 
Änderung der elementaren Zusammensetzung nur beim Vergleich ziem- 
lich grober und nicht allzunahe aneinander liegender Fraktionen zum 
Vorschein kommt; bei genauerer Fraktionierung kann auch umgekehrt 
vorkommen, daß eine eng siedende Fraktion einen höheren Kohlenstoff- 
und niedrigeren Wasserstoff gehalt aufweist als die ihr folgende; einen 
solchen Fall haben wir z. B. im Bakuschen Benzin, dessen Fraktion 
48 bis 500 wesentlich aus Pentamethylen mit 85,7yo C und 14,37oH, 
die höhere Fraktion 60 bis 62 ® dagegen aus Düsopropyl mit 83,7^0 ^ 
und 16,30/0 H besteht. 

Ein anderes ganz allgemeines Resultat, das sich aus der näheren 
Untersuchung verschiedenster Erdöle ergeben hat, ist, daß in jedem 
Erdöl nicht nur irgendeine, sondern stets sehr viele Kohlenwasserstoff - 
reihen vertreten sind ; so z. B. war früher die allgemeine Meinung, daß das 
pennsylvanische Erdöl ganz vorwiegend und in seinen niederen Frak- 
tionen so gut wie ausschließlich aus Kohlenwasserstoffen der Methan- 
reihe bestehe ; genauere Untersuchungen zeigten aber, daß im pennsylva- 
nischen Erdöl auch Naphthene, aromatische und andere Kohlenwasser- 
stoffe enthalten sind, allerdings meist in viel kleineren Mengen, als die 
gesättigten. Andererseits enthält das Balachanysche Erdöl, das als das 
Prototyp der naphthenischen Erdöle gilt, in seinen niederen Fraktionen 
bedeutende Mengen gesättigter und mehrere Prozente aromatischer 
Kohlenwasserstoffe, die höheren Fraktionen aber bestehen überhaupt 
nur zum geringsten Teil aus eigentlichen Naphthenen. 

Bevor ich nun zur Besprechung der einzelnen Gruppen der Erdöl- 
kohlenwasserstoffe übergehe, will ich noch auf die interessante Tat- 
sache hinweisen, daß in den hochsiedenden Fraktionen der Erdöle 
Kohlenwasserstoffe von so enormer Molekulargröße enthalten sind, wie 
sie anderswo noch nicht nachgewiesen werden konnten; das mittlere 
Molekulargewicht eines amerikanischen Zylinderöls wurde nämlich von 
Normann 1) nach der Gefrierpiinktmethode für schwache Konzentration 
der BenzollÖBung gleich 645 gefunden; zieht man in Betracht, daß 
alle technischen Mineralöle aus ziemlich vielen Fraktionen zusammen- 
gestellt werden, so daß die äußeren Glieder des Gemisches ziemlich 
weit vom Mittel abstehen, so muß man annehmen, daß in dem von 
Normann untersuchten öle Kohlenwasserstoffe mit Molekulargewicht 
bis ca. 700, d. h. mit einer Anzahl von ca. 50 Kohlenstoffatomen ent- 
halten sind. 

Gesättigte Kohlenwasserstoffe CnH2n + 2 (Methan- oder Paraffin- 
reihe). Besonders reich an diesen Kohlenwasserstoffen sind die Erd- 
öle von Pennsylvanien, Tegernsee, Galizien u. a. Wie schon oben 
betont, konzentrieren sich die gesättigten Kohlenwasserstoffe haupt- 
sächlich in den niederen Fraktionen der Erdöle. Aus ganz frischen, 
nicht verwitterten Erdölen konnten die ersten, bei gewöhnlicher Tem- 
peratur gasförmigen Glieder der Reihe ausgeschieden werden. Von 

1) Chem. Ztg. 1907, 117. 



12 Chemie. 

Butan angefangen sind bekanntlieh verschiedene Tsomerien möglich, 
und zwar um so zahlreichere, je größere Zahl der Kohlenstoffatome das 
Molekül einschließt; für Butan, Pentan und Hexan sind denn auch 
alle theoretisch möglichen Isomere in verschiedenen Erdölen aufgefunden 
worden; weiter in der Reihe aber werden unsere Kenntnisse immer 
mangelhafter; von 9 theoretisch möglichen Heptanen hat man bisher 
aus Erdölen nur 4, von 18 möglichen Oktanen nur 2, ebenso nur 2 Nonane 
und 2 Dekane isoliert, wobei es noch sehr zweifelhaft ist, ob man hier 
wirklich reine Individua und nicht Gremische von isomeren und sogar 
homologen Verbindungen in Händen hatte. Die noch höheren Glieder — 
von Ci^H24 bis C35H72 — sind von Mab er y^) aus dem pennsylvanischen 
Erdöl in nur je einer Modifikation ausgeschieden und als Kohlen- 
wasserstoffe normaler Struktur aufgefaßt worden. Es ist aber kaum 
daran zu zweifeln, daß die Mab er y sehen Produkte keine chemisch 
reine Individua waren; sie zeigen nämlich fast durchweg niedrigere 
Siede- und Schmelzpunkte und höhere spezifische Grewichte, als die von 
K rafft auf synthetischem Wege sukzessive aufgebauten, sicherlich 
reine normale Kohlenwasserstoffe, was auf eine Beimischung von ver- 
zweigten, sog. Isoparaffinen hinweist. 

Von etwa Pentadekan C^iH.22 (Schmelzpunkt 10®) angefangen sind 
die normalen Kohlenwasserstoffe der Methanreihe bei gewöhnlicher Tem- 
peratur feste Körper. Gemische dieser festen Kohlenwasserstoffe bilden 
das, was gemeiniglich mit dem Namen Paraffin schlechthin bezeichnet 
wird. Wenn somit, vom rein chemischen Standpunkte aus, das Paraffin 
in eine Klasse mit den flüssigen gesättigten Kohlenwasserstoffen der 
niederen Erdölfraktionen gehört, so nimmt es innerhalb dieser Klasse 
doch, dank seiner festen Konsistenz, sowie seinen von den übrigen 
Kohlenwasserstoffen ganz abweichenden Grewinnungsmethoden und 
An wendungs weisen, eine besondere Stellung ein und erfordert eine Be- 
sprechung für sich. 

Der Umstand, daß wir es in Paraffin nicht mit einem chemischen 
Individuum, sondern mit Gemischen vieler Kohlenwasserstoffe zu tun 
haben, hat natürlich zur Folge, daß Paraffine aus verschiedenen Erd- 
ölen in ihren Eigenschaften (spez. Gewicht, Schmelzpunkt, Härte usw.) 
ziemlich weit differieren, ja, daß selbst aus ein und demselben Erdöl, 
je nach der Gewinnungsmethode, verschiedene Produkte erhalten 
werden. Diese Sachlage muß man stets auch bei der Beurteilung der An- 
gaben über den Paraffingehalt verschiedener Erdöle im Auge behalten. 
Die Methoden und Arbeitsweisen, die zur Ausscheidung von niedrig 
schmelzenden, weicheren Paraffinen hinreichen, bewirken k fortiori 
auch das Ausscheiden der höher schmelzenden, harten, denn diese sind 
in verschiedenen Lösungsmitteln weniger löslich, lassen sich leichter 
ausfrieren usw.; dort dagegen, wo man höher schmelzende, harte Pa- 
raffine ausgeschieden hat, kann man noch nicht sicher sein, daß die 
weicheren, niedrig schmelzenden nicht in Lösung geblieben sind. Da 



1) Proc. Amer. Philos. Soc. 1908, 36; Amer. Chem. Joum. 1906, 251. 



Bestandteile der Erdöle. 13 

aber leider die meisten in der Literatur zerstreuten Daten über den 
Paraffingehalt verschiedener Erdöle weder genaue Angaben der Be- 
stimmungsweise, noch solche über die Eigenschaften des ausgeschiedenen 
Paraffins enthalten, so sind sie untereinander immer nur mit größter 
Vorsicht zu vergleichen. 

Das Handelsparaffin, wie es durch Destillation der paraffinhaltigen 
E-ohöle und nachfolgendes Auspressen imd Raffination gewonnen wird, 
ist ein ziemlich harter, kristallinischer Körper; versucht man aber das 
Paraffin aus dem Erdöle direkt, ohne Destillation, auszuscheiden (z. B. 
nach der Methode von Zaloziecki, durch Auflösen des Erdöls in 
Amylalkohol und Fällen mit Äthylalkohol), so erhält man es in Form 
einer weichen, salbenartigen und ganz amorph aussehenden, niedrig 
schmelzenden Masse. Scheinbar amorph ist auch das Ozokerit, das, 
ebenso wie Paraffin, aus höheren Homologen der Methanreihe besteht 
und genetisch in nahe Beziehung zu den Erdölen gestellt werden muß. 
Wie läßt sich nun dieser Unterschied erklären und in welcher Beziehung 
steht das eigentliche, also das Destillationsparaffia zum Ozokerit und 
zu den weichen ,, amorphen** Bestandteilen der Erdöle? Vollständige 
Lösung dieser Frage bleibt leider noch aus; wichtige Beiträge dazu 
haben aber bereits vor mehr als 20 Jahren die Untersuchungen Zalo- 
zieckis^) ergeben. 

Vor allem gelang es Zaloziecki nachzuweisen, daß in dem „amor- 
phen** Ozokerit kristallinische Paraffine bereits enthalten sind; durch 
10 maliges Umkristallisieren eines »Zeresins^) vom Schmelzpunkt 65® 
aus warmem Amylalkohol wurde ein bei 69*^ schmelzendes, kristallinisches 
Paraffin isoliert; die alkoholischen Auszüge ergaben dagegen nach Ab- 
dampfen des Alkohols eine salbenartige Masse, die in verschieden hoch 
schmelzende, amorphe Fraktionen zerlegt werden konnte. Ebenso 
wurde auch aus den salbenartigen ErdÖlrtickständen von Klentischany 
ohne Destillation, nur durch 5 malige Behandlung mit Amylalkohol 
(wobei jedesmal der feste Rückstand auf poröser Platte vom anhaftenden 
öl befreit wurde) ein kristallinisches Paraffin vom Schmelzpunkt 59® er- 
halten. Damit ist bewiesen, daß sowohl Ozokerit, wie auch Rohöle 
kristallinische Paraffine bereits vorgebildet enthalten, daß aber da- 
neben auch solche feste Bestandteile vorkommen, die nicht nur selbst 
kolloidal sind, sondern auch auf die ersteren kristallisationshindemd 
wirken, so daß Gemische beider Arten stets als amorph erscheinen. 
Da man durch Destillation des Ozokerits und der paraffinhaltigen Erd- 
öle kristallisierte Paraffinmassen direkt, also ohne systematische Schei- 
dung mit Lösungsmitteln, erhält, so nimmt Zaloziecki an, daß die 
kolloidalen, kristallisationshindernden Stoffe dabei entweder eine Zer- 
störung oder eine Umwandlung in kriystallinischen Zustand erleiden. 
Nach Zaloziecki gehören die kristallinischen Paraffine der Erdöle und 
des Ozokerits zur Reihe der normalen Kohlenwasserstoffe, haben also 



1) Zeitschr. f. angew. Chem. 1888, 261 und 318. 

2) Zeresin ist das gereinigte, von Asphaltstoffen u. dgl. befreite Ozokerit. 



14 Chemie. 

die allgemeine Struktur CHg . (CH2)n • CHg ; die kolloidalen dagegen sollen 
Isoparaffine sein, z. B. nach der Formel 

^{J»)>CH.(CH,)„.CH<(g5«; 

3 8 

bei der Destillation könnten diese Isoparaffine 'sich in folgenderWeise 
spalten: 

g J»^H . (CH,)„ . CH<^ch' = ^^^^* + ^^« • <^^^)" • ^^» • 

3 8 

es würden somit normale Paraffine mit kleinerer Kohlenstoffatomenzahl 
entstehen; da aber die Isokohlenwasserstoffe allgemein bedeutend 
niedriger als die normalen schmelzen, so könnte dabei der Schmelz- 
punkt dennoch steigen. Als Resultat der Destillation haben wir somit 
eine Umwandlung des amorphen niedrig schmelzenden ,,Protoparaffin8" 
des Rohöls in hartes, kristallinisches ,,Pyroparaffin", das nach ent- 
sprechender chemischer Reinigung das bekannte Handelsparafffin 
ergibt. 

Neben dieser Umwandlung konnte Zaloziecki bei der Destillation 
der von ihm untersuchten galizischen Erdöle auch eine Neubildung des 
Paraffins nachweisen. Als er nämlich aus dem dunklen Rohöl von 
Lipinki alles Protoparaffin durch Alkohol gefällt und die leichten 
Fraktionen abdestilliert hatte, erhielt er ein dickes öl, das mit Alkohol 
keinen Niederschlag mehr abschied; bei der trocknen Destillation 
dieses entparaffinierten Öles wurde aber dennoch ein Destillat erhalten, 
aus welchem ziemlich viel Paraffin kristallisierte; dasselbe Resultat 
ergab ein dunkles Erdöl von Kryg, während das gelbe, asphaltfreie 
Rohöl von Klentschany nach vorherigem Entparaffinieren bei der 
nun folgenden Destillation kein Paraffin mehr bildete ;Jauch das dunkle 
Rohöl von Lipinki, wenn es zuerst mittels Schwefelsäure und Kohle 
entfärbt und dann schon entparaffiniert und destilliert wurde, ergab 
im Destillate kein Paraffin mehr. || Wenn schon diese Versuche den Ge- 
danken nahe legen, daß ein Teil des Destillationsparaffins sich erst im 
Laufe der Destillation aus anderen Stoffen neubildet, so muß dem fol- 
genden Versuche Zalozieckis eine noch größere Beweiskraft zuge- 
sprochen werden. Aus einem dunklen Rohöle wurden mit Äthyl- 
Amylalkoholgemisch Protoparaffin und Asphaltpech gefällt, und der 
Fällung durch lOfaches Auskochen mit Alkoholgeraisch und etwas 
Bienzin das gesamte Paraffin entzogen ; daß die Extraktion des Paraffins 
vollständig war, konnte dadurch bewiesen werden, daß der Rückstand 
beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure ganz verkohlte und 
verschiedenen Extraktionsmitteln kein Paraffin mehr abgab; bei der 
Destillation dieses paraffinfreien Asphaltpechs wurde aber ziemlich viel 
Paraffin gewonnen. Auch der Säuregoudron, der bei der Behandlung 
eines dunklen paraffinhaltigen Erdöls mit konzentrierter Schwefel- 
säure entstanden war, ergab nach Auswaschen der Säure bei der Destil- 
lation eine Menge Paraffin. Die von Zaloziecki auf Grund dieser Ver- 
suche angenommene Möglichkeit der teilweisen Neubildung von Paraffin 



iiwltBoh, ErdOlbeBTbdtung. 



Bohol von Tscheieken. 
Polaris. Lioht. Vergr. ca. 2f 



OlgoudroQ aus Bokuschem Rohöl. 
Polaris. Lioht, Vergr, ca. 250. 



VcrUg von Juiiua Springet In Berlin. 



:'::.::-V 



Bestandteile der Erdöle. 15 

bei der Destillation der Erdöle durch Zersetzung asphaltartiger Sauer- 
stoffverbindungen findet Analogien auch in anderen Bildungsweisen von 
Paraffin ; bei der Fabrikation des Paraffins aus Braunkohle wird fast das 
gesamte Paraffin erst bei der Destillation durch Zersetzung von sauer- 
stoffhaltigen, verseif baren wachsartigen Verbindungen neu gebildet; 
eine Neubildung von Paraffin findet auch bei der Destillation der Stearin- 
und anderer Fettpeche statt usw. 

Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der eingehenden und grund- 
legenden Untersuchungen Zalozieckis; unaufgeklärt bleibt noch die 
Natur der kristallisationshindernden Bestandteile der Erdöle, sowie 
auch der sauerstoffhaltigen paraffinbildenden Körper. Zalozieckis 
Annahme, daß diese letzteren asphaltartige Verbindungen seien, kann 
nicht als genügend begründet gelten, da man z. B. aus einem (gut aus- 
gewaschenen) Säuregoudron, das aus einem paraffinarmen Masut er- 
halten worden, bei der Destillation kein Paraffin sich bilden sieht ; wenn 
somit Zaloziecki eine solche Bildung dennoch konstatierte (und ganz 
ähnliche Resultate auch bei der Destillation des Säuregoudrons aus 
paraffinhaltigen Rohölen von Tscheieken und Tschimion von Herrn 
Dolgow im Nob eischen Laboratorium in Baku erhalten wurden), 
so kann es nur auf die Weise erklärt werden, daß die schwefelsäure- 
löslichen paraffinbildenden (sauerstoffhaltigen?) Körper, von denen 
Zaloziecki spricht, von den gemeiniglich als Asphaltstoffe bezeich- 
neten Verbindungen verschieden sind. Die Aufklärung dieser ganzen 
Angelegenheit ist gewiß der Mühe einer weiteren Untersuchung wert. 

Die Vorexistenz des kristallinischen Paraffins kann übrigens an 
manchen Erdölen auch ohne Behandlung mit irgendeinem Lösungs- 
mittel nachgewiesen werden. Die beiliegenden Bilder zeigen die von 
mir gemachten raikrophotographischen Aufnahmen (im polarisierten 
Lichte, mit gekreuzten Nicolprismen) eines Ölgoudrons (aus Balachany- 
Erdöl) und eines bei gewöhnlicher Temperatur abgedunsteten Erdöls 
von Tscheieken. Da auch verschiedene, allgemein für amorph ge- 
haltene Natürvaseline sich bei der mikroskopischen Betrachtung als 
kristallinisch erweisen^), und zwar um so feiner kristallinisch, je weiter 
das Rohöl bei ihrer Herstellung konzentriert worden war (vgl. weiter im 
Kapitel über Destillation), so glaube ich, daß die Totalität der festen 
Paraffinkohlenwasserstoffe der Rohöle darin als kristallinische Körper 
enthalten sind, daß aber der Grad der Kristallausbildung durch die^ 
Viskosität der anderen Bestandteile der Erdöle bedingt wird ; dasselbe 
gilt wahrscheinlich auch für die Paraffinkohlenwasserstoffe des Ozokerits. 
Damit würde der übliche Begriff „Protoparaffine" seinen Gehalt ver- 
lieren oder sich höchstens noch auf Gemische von Paraffinen mit kristal- 
lisationshindernden viskosen Stoffen beziehen können. 

Was die einzelnen festen Paraffinkohlenwasserstoffe des Erdöls 
betrifft, so hat Mabery^) aus einem käuflichen amerikanischen Erdöl- 



1) Vgl. auch Riedels Berichte 1911. 

2) Proc. Amer. Acad. 1902, 37, 565. 



16 Chemie. 

paraffin die Glieder von CgaH^g (Schmelzpunkt 48®) bis CggH^^ (Schmelz- 
punkt 62 bis 63*^) und aus dem Rod-wax (einer wachsartigen Masse, die 
sich an dem Gestänge mancher Bohrlöcher absetzt) bis C35H72 (Schmelz- 
punkt 76®) ausgeschieden. Noch höhere Glieder, mit Schmelzpunkt bis 
85 bis 93® und 48 bis 50 Atomen Kohlenstoff im Molekül, hat Kraf f t ^), 
allerdings nicht in reinem Zustande, aus sächsischem Braunkohlen- 
hartparaffin isoliert. Ein hochschmelzender Paraffinkohlenwasserstoff 
CggH,^ (Schmelzpunkt 79,4®) findet sich in Galizien (in Bonarka bei 
Krakau) als Mineral Hatchettin, ist perlweiß und in einer Fläche 
vollkommen spaltbar, d. h. kristallinisch*). 

Naphthene. Die Naphthene oder Kohlenwasserstoffe der Poly- 
methylenreihen CnH2n bilden, neben den Paraffinkohlenwasserstoffen, 
den wichtigsten Bestandteil verschiedener Erdöle, wenigstens soweit 
Kohlenwasserstoffe von bekannter Konstitution in Frage kommen. 
Besonders reich an Naphthenen sind die Erdöle der verschiedenen um 
Baku gelegenen Felder*) (Bibi-Eybat, Balachany, Ssurachany usw.), 
auch viele galizische, japanische usw. ; aber auch solche typisch paraffi- 
nische Erdöle, wie das pennsylvanische, enthalten verschiedene Ver- 
treter der Naphthengruppe. Die Naphthene sind, ebenso wie die 
Kohlenwasserstoffe der Methanreihe, vorwiegend in den niederen Frak- 
tionen der Erdöle konzentriert und treten in den höheren immer mehr 
zurück, ohne allerdings auch hier ganz zu verschwinden ; durch energische 
Behandlung eines Bakuschen Maschinenöls mit Schwefelsäure und 
Formaldehyd, sowie mit rauchender Schwefelsäure (wobei also höchst- 
wahrscheinlich ein Teil der Naphthene mitangegriffen wurde) erhielt 
Herr*) 13,3^0 eines Öles, das beim Schütteln mit rauchender Schwefel- 
säure am Volumen nicht mehr abnahm und nach Umdestillieren über 
metallischem Natrium die Zusammensetzung 85,05^0 ^ ^^^ 14,81 °/o H 
aufwies, also ein Gemisch von gesättigten Kohlenwasserstoffen mit 
Naphthenen vorstellte. 

Die Aufklärung der Struktur der Naphtenkohlenwasserstoffe ge- 
hörte zu den schwierigeren Aufgaben der organischen Chemie. Zwei 
Umstände haben hier besonders verwirrend gewirkt: einerseits, daß 
die Gruppe der Erdölnaphthene nicht ein, sondern zum wenigsten zwei 
Ringsysteme — das fünf- und das sechsgliedrige — in sich einschließt ; 
andererseits die irrigen Vorstellungen, die lange Zeit über die Struktur 
der hexahydrierten Benzolderivate geherrscht hatten. Als nämlich 
durch Untersuchungen verschiedener Forscher^) festgestellt wurde, ( 
daß die von Markownikow als Naphthene genannten Erdölkohlen- 
wasserstoffe der allgemeinen Formel CnH2ii, trotz ihrer gleichen ele- 

1) Berichte 1907, 4779. 

2) Chem.-Ztg. Rep. 1909, 146. 

*) Die von Markownikow aufgestellte und in die Literatur ohne weiteres 
übergegangene Behauptung, die Bakuschen Erdöle enthielten ca. 80®/o Naphtene, 
entbehrt allerdings jeder Begründung. 

*) Zeitschr. f. angew. Chem. 1910, 1302. 

5) S. besonders Beilstein und Kurbatow, Berichte 1880, 1818 und 2028; 
Schützenberger und Jonine, Compt. rend. 41, 823. 



Bestandteile der Erdöle. 17 

mentaren Zusammensetzung mit Olefinen, in ihrem gesamten chemischen 
Charakter von Olefinen grundverschieden sind und sich vielmehr wie 
gesättigte Kohlenwasserstoffe der Methanreihe verhalten (jiäheres dar- 
über folgt weiter unten) ; als dann noch unter den Einwirkungsprodukten 
der rauchenden Salpetersäure auf diese Naphthene auch Nitroderivate 
der. Benzolkohlenwasserstoffe aufgefunden wurden (was übrigens in den 
meisten Fällen wohl der Verunreinigung der Naphthene mit Benzolen zu 
verdanken war), lag der Gfedanke nahe und wurde zum erstenmal von 
Beilstein und Kurbatow ausgesprochen, daß die Erdölnaphthene 
mit den hexahydrierten Benzolderivaten identisch seien. Diese, durch 
Reduktion der Benzolkohlenwasserstoff^ mittels Jodwasserstoff er- 
haltenen und besonders eingehend von Wreden untersuchten Körper 
haben ja auch die elementare Zusammensetzung CnH2n, verhalten sich 
gegen Haloide und andere Reagenzien ebenfalls nicht wie Olefine, 
sondern wie gesättigte Kohlenwasserstoffe imd sollten sich durch 
Salpetersäure auch in Nitroderivate der Benzole überführen lassen 
(diese letztere Angabe hat sich allerdings später als irrtümlich erwiesen). 
Da aber die hexahydrierten Benzole (sog. Wreden sehe Kohlenwasser- 
stoffe) ohne weiteres von allen Forschern als sechsgliedrige Ringsysteme, 
d. h. als Derivate des sog. Hexamethylens 

CH, 

/\ 
HgC CHg 



HgC CHg 



CH, 

aufgefaßt wurden, so mußten folgericjitig auch die Erdölnaphthene zu 
Hexamethylenen zugezählt werden. ''Nun aber gelang es Bayer, das 
Hexamethylen (oder Zyklohexan) S3mthetisch, vermittelst Reaktionen 
darzustellen, die über die Struktur dieses Körpers keine Zweifel übrig 
lassen konnten (nämlich durch Reduktion der Succinylbemsteinsäure), 
und ganz unerwarteterweise zeigte sich dieser Körper von dem Hexa- 
hydrobenzol Wredens und dem Hexanaphthen Markownikows ver- 
schieden. Der Widerspruch wurde aufgeklärt erst, als Kishner durch 
erneute Untersuchung des Wredenschen Hexahydfobenzols zeigte, daß 
dieses nicht einen sechs-, sondern einen fünfgliedrigen Ring üi sich ein- 
schließt und die Struktur eines Methylpentamethylens 

CHo — CHgv 

CH2 — CHg 

hat. Somit wurde auch das mit dem Wredenschen Produkt identische, 
bei ca. 72® siedende Hexanaphthen als ein Pentamethylenderivat er- 
kannt, während ein anderes, bei ca. 80® siedendes, von Markownikow 
ebenfalls aus Bakuschem Benzin isolierte Hexanaphthen mit dem 
Bay ersehen Hexamethylen identifiziert werden konnte. Damit war 
also die Anwesenheit von zwei Ringsystemen der Polymethylene im 

Gurwitsch. 2 



18 Chemie. 

BakuBchen Erdöl nachgewiesen, und durch spätere Forschungen, be- 
sonders die von Markownikow^), Zelinsky undAschan, ist eine 
größere Zahl der Derivate sowohl des Penta-, wie des Hexamethylens 
aus den Erdölen von Baku isoliert worden. Auch in anderen Erdölen 
sind Vertreter dieser beiden Ringsysteme aufgefunden und zum Teil mit 
synthetisch dargestellten Verbindungen von zweifellos feststehender 
Struktur identifiziert worden; besonders wichtige Arbeiten auf diesem 
Gebiete verdanken wir Zelinsky, der, von methylierten zweibasischen 
Säuren ausgehend, durch trockene Destillation ihrer Kalziumsalze und 
Reduktion der dabei entstehenden Ringketone zu entsprechenden 
methylierten Polyraethylenen gelangte 2); so z. B. erhielt er ein mit 
dem Oktonaphthen Markownikows identisches Dimethylhexamethylen 
aus der Dimethylpimelinsäure : 

CH3 CH3 CH3 



/CH„— CH . COOK /CH„-CH. .CHg-CR 

X^Hg-CH . COOK ^CK^-CW ^CH^-CH^ 

I I I 

CH3 CH3 CH3 

ein mit dem Markownikowschen Heptanaphthen identisches Methyl- 
hexamethylen aus der Methylpimelinsäure, ein mit diesem Hepta- 
naphthen isomeres, ebenfalls in Erdölen vorkommendes Dimethyl- 
pentamethylen aus der Dimethyladipinsäure usw. 

Es ißt bisher die chemische Struktur nur folgender Naphthene 
aufgeklärt worden: 

Sdp. Spez. Gew. 

Peiitanaphthen = Pentamethylen C5H1Q. . . 50 — 51^ ^»'70120 5 
Hexanaphthen = Hexamethylen C5H12 . . . 80,8» 0,7788f '^ 



>> 



Methylpentamethylen 



21 



24 



CH3.C5H5 72» 0,7474^ 

Heptanaphthen = Methylhexamethylen 

CHa.CftHii 1030 0,7662f-^ 

„ = 1 . 3-Dimethylpentamethylen 

(CH3)2.C5H« 91—91,50 0,7410^ 
Oktonaphthen = 1 . 3-Dimethylhexamethylen 

(CH3)2.CeHio 120« 0,7736f 

Die Struktur der höheren Naphthene ist entweder gar nicht oder 
nicht mit Sicherheit bekannt; aus den russischen Erdölen sind noch 
Glieder (zum Teil verschiedene Isomere) bis C15H3Q, aus dem pennsylva- 
nischen bis C26H52 ausgeschieden worden. Ob in Erdölen auch Vertreter 
noch anderer Ringsysteme vorkommen, ist unentschieden; das zu hohe 
spez. Gewicht der Noimalpentanfraktion des russischen Petroläthers 
ließ Markownikow vermuten, daß hier vielleicht eine Beimengung 

1) Ann. Chim. Phys. 1884, H, 372; Lieb. Ann. 801, 154; 802, 37; 807, 342. 

2) Berichte 28, 780. 



Bestandteile der Erdöle. 19 

von Tetramethylen vorliege ; bisher ißt es aber bei bloßer Vermutung 
geblieben. Ebenso unsicher ist das von Markownikow angenommene 
Vorkommen des siebengliedrigen Suberans 

CHg — CHg — CHgv 

I ^H, 

CHg — CH2 — CH2 

in der 115 bis 120® Fraktion des kaukasischen Erdöls. 

In naher Verwandtschaft zu den Naphthenen scheinen auch die- 
jenigen aus verschiedenen Erdölen isolierten Kohlenwasserstoffe der 
Reihen CnH2n— 2» CnH2n--4 usw. zu stehen, die weder Brom addieren, 
noch von Salpeter- und Schwefelsäure in der Kälte angegriffen werden 
und somit weder Doppelbindungen enthalten, noch zu den aromatischen 
Kohlenwasserstoffen gezählt werden können. Hierher gehören z. B. 
die von Coates^) aus dem Louisiana-Erdöl isolierten, terpenartig 
riechenden Kohlenwasserstoffe CiqHiq bis C13H24 (und wahrscheinlich 
auch C8H14 und CgHi^), die von Mabery (1. c.) aus dem pennsylvanischen 
Erdöl ausgeschiedenen C27H52 und C28H54 usw. Die Struktur solcher, 
keinen ungesättigten oder aromatischen Charakter zeigender Kohlen- 
wasserstoffe kann auf zweierlei Weise zu derjenigen der Naphthene in 
Beziehung gebracht werden: entweder sind zwei oder mehrere Poly- 
methylenringe miteinander durch einfache Bindungen gebunden, 
wie z. B. 



CM, 
H^C CH - 


CH, 

/\ 

HC CH„ 

1 ^ 


H,C CH, 


H,C CH, 



\/ \/ 

CH2 CHg 

oder aber es findet eine partielle Verschmelzung zweier oder mehrerer 
Polymethylenringe statt, wie z. B. 

CH2 CH2 



\ 



H /\ 



\ 



HgC ' CH, 



H„C 



CH< 



CHg C/H2 

Die Kohlenwasserstoffe des ersten Typus (Di- und Poljniaphthene) 
würden hydrierten Diphenylderivaten, die der zweiten den hydrierten 
Naphthalin-, Anthrazen-, Phenantren- u. dgl. Verbindungen entspre- 
chen. Kohlenwasserstoffe beider Typen sind synthetisch dargestellt 
und den in Rede stehenden Erdölkohlenwasserstoffen zum Teil sehr 



1) Joum. amer. ehem. Soc. 1906, 384. 

2* 



20 Chemie. 

ähnlich gefunden worden. So z. B. entstehen Dihexamethylen 
CeHji . CeHji und Dimethyldihexamethylen CHg . C^Hio . C^Hio . CHg durch 
Einwirkung von metallischem Natrium auf Hexamethylenjodid 
CßHiiJ resp. Methylhexamethylenjodid GH^.CJS^i^, als ölige, gegen 
Brom, Salpeter- und Schwefelsäure, sowie gegen Permanganat be- 
ständige, in der flüssigen Luft glasartig erstarrende Flüssigkeiten 
(Kursanow)^). Andererseits haben Liebermann und Spiegel 2) 
durch Reduktion von Acenaphthen CigHio» Fluoren CigH^o, Phenanthren 
C14H10, Chrysen Oi8Hi2> Reten CigHi4 und Picen C22H3^ entsprechende 
Perhydrüre, zum Teil als feste, zum Teil als ölige, gegen Ragenzien 
beständige Körper erhalten; so z. B. ist das Retenperhydrür C^^g-^ao 
ein ziemlich dickes, bei 336® siedendes öl, wird von Schwefel- und 
Salpetersäure, sowie von Brom bei gewöhnlicher Temperatur nicht 
angegriffen und besitzt auch, wie die Schmieröle, eine (bläuliche) 
Fluoreszenz. Der direkte Nachweis der Polynaphthene in Erdölen 
(abgesehen von dem, von Roß und Leather^) aus dem Bomeoerdöl aus- 
geschiedenen und von ihnen für Dekahydronaphthalin gehaltenen 
Kohlenwasserstoff CioHjg) ist bisher noch nicht gelungen. 

Aromatische Kohlenwasserstoffe sind in allen bisher imtersuch- 
ten Erdölen aufgefunden worden; in den meisten Fällen ist aller- 
dings ihr Gehalt nicht groß; es sind aber auch Erdöle bekannt ge- 
worden, die an aromatischen Kohlenwasserstoffen sehr reich sind; so 
vor allem verschiedene Erdöle der Sundainseln (z. B. dasjenige von 
Java und Bomeo), auch einige rumänische usw. Durch Behandlung ver- 
schiedener Erdöldestillate mit Salpeterschwefelsäure haben Edeleanu 
und Gane*) folgende Ausbeuten an Nitroverbindungen erhalten: 

Java 

% 

29 

55 

110 

Allerdings ist es nur für die niederen Fraktionen (Benzin und ge- 
wissermaßen auch Kerosin) als sicher anzunehmen, daß es eben in erster 
Linie aromatische Kohlenwasserstoffe sind, aus denen sich diese Nitro - 
Produkte gebildet haben, denn einerseits konnten diese Nitroprodukte 
mit bekannten Nitro- und Polynitroderivaten der aromatischen Kohlen- 



Ij>«aM^«B .«-k 1 «« «^ «« 


Penn- 


Bustenari 


Moreni 


tiiraol aus 


sylvanien 


(Rumänien) 


(Rumänien) 




0/ 

/o 


0/ 
/o 


% 


Benzin . . 


. 5,5 


8,6 


11 


Kerosin . 


. 13 


43 


39 


Gasöl . . 


. 41 


78 


82 



1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1902, 221. 

2) Berichte 1889, 135 und 779. 

3) Analyst 1906, 31, 284; dieser Kohlenwasserstoff ist aus der bei ca. 200<* 
siedenden Fraktion des Bomeoöls nach Behandlung mit rauchender Salpeter- 
säure, rauchender Schwefelsäure und Brom erhalten worden, als ein bei 169,5® 
siedendes öl, vom Mol.-Gewicht 133,4 (bez. 138), spez. Gewicht 0,84315** und 
n = 1,4507; das durch Reduktion des Bambergerschen Tetrahydronaphtalins 
dargestellte Dekahydronaphtalin siedete bei 170 bis 173®, hatte spez. Gewicht 
0,842615** und n = 1,4486. Aus dem Produkt der Nitrierung derselben Fraktion 
konnte ein Dinitrotetrahydronaphthalin ausgeschieden werden. 

*) Rev. g^n. p^tr. 1910, 393. 



Bestandteile der Erdöle. 21 

Wasserstoffe identifiziert werden, andererseits ließen sieh die aroma- 
tischen Kohlenwasserstoffe aus den Benzin- und Kerosinfraktionen 
verschiedener Erdöle auch durch Einwirkung von Schwefelsäure in 
Form von Sulfosäuren ausscheiden und identifizieren. Ob aber die aus 
den höheren Fraktionen gewonnenen Nitroprodukte nur oder auch 
vorzugsweise Derivate der aromatischen Kohlenwasserstoffe sind, muß 
stark bezweifelt werden; so z. B. ist die von Edeleanu und Gane aus 
dem pennsylvanischen Gasöl erhaltene Ausbeute an Nitroprodukten 
viel höher, als man es auf Grund der Zusammensetzung des pennsylva- 
nischen Erdöls erwarten sollte, falls sich an ihrer Bildung nur aroma- 
tische Kohlenwasserstoffe beteiligen würden. 

Es wurden früher Zweifel ausgesprochen^), ob denn die aromatischen 
Kohlenwasserstoffe bereits in den Rohölen vorgebildet enthalten seien 
und nicht vielmehr erst bei der Destillation als Zersetzungsprodukte 
anderer Verbindungen entstünden. Daß diese Zweifel unbegründet 
sind, wurde von Poni^) überzeugend nachgewiesen; er destillierte ein 
Campina-Bohöl bei 30 bis 40 mm Vakuum aus einem Glaskolben im 
Sandbade und untersuchte die bis 70® übergehenden Fraktionen; da die 
Temperatur des Sandbades nicht m«hr als um 8 bis 10® die der siedenden 
Flüssigkeit überstieg, konnte von einer Überhitzung und Zersetzung 
während der Destillation keine Rede sein; nichtsdestoweniger wurden 
aus diesen Destillaten durch Nitrierung mit Salpeterschwefelsäure in der 
Kälte (also unter Bedingungen, unter denen Naphthene sich nicht 
nitrieren lassen) Nitroderivate von Toluol, m-Xylol, Methylen und ps- 
Cumol erhalten, und zwar betrug die Gewichtsabnahme der Fraktionen 
0,775 bis 0,792 im Durchschnitt 23,6Vo. 

Was die nähereArt der in Erdölen enthaltenen aromatischen Kohlen- 
wasserstoffe betrifft, so sind bisher hauptsächlich Benzol und seine 
Derivate, sowohl methylierte (Toluol, Xylol, Pseudocumol, Durol, 
Isodurol), wie auch solche mit längeren Seitenketten (Äthylbenzol, 
Diäthylbenzol, Diäthyltoluol, Isoamylbenzol usw.) aufgefunden wor- 
den; auch Naphthalin, sowie Methyl- imd Dimethylnaphthaline*) sind 
in verschiedenen Erdölen mit Sicherheit nachgewiesen worden ; die von 
Mabery*) erhaltene Fraktion 220 bis 222® eines kalifornischen Erdöls 
erwies sich sogar so reich an Naphthalin, daß sie im Kühler, infolge der 
Ausscheidung der Naphthalinkristalle, fest wurde; das Bomeorohöl 
soll nach Jones und Wootton^) ca. 6 bis I^q Naphthalinkohlen- 
wasserstoffe enthalten. Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, daß 
in Erdölen auch Vertreter noch anderer polyzyklischen, nicht hydrierten 
Kohlenwasserstoff reihen enthalten sind; durch Behandlung der über 
200® siedenden Fraktionen des Balachany-, resp. des Bustenari-Erdöls 



1) Z. B. von Aschan, Lieb. Ann. 324, 1. 

2) Monit. p6tr. 1907, 569. 

3) Tamann, D.R.P. 95579; Krämer, Verhandl. d. Ver. Gewerbefl. 1886, 
288 und Berichte 1887, 599 u. a. 

*) Joum. Soc. ehem. Ind. 1900, 502. 
ß) Joum. Chem. Soc. 1907, 91, 1146. 



22 Chemie. 

mit rauchender Schwefelsäure und Spaltung der gebildeten Sulfo- 
säuren mit Salzsäure oder überhitztem Wasserdampf haben Mar- 
kownikow^) einerseits, Edeleanu*) andererseits Kohlenwasserstoffe 
der Reihen CnH2n— lo (CiiH,2 und C12H24) und CnH2n— 12 (CiaH,^) 
ausgeschieden; die nähere Struktur dieser Verbindungen ist noch nicht 
aufgeklärt. 

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe. Unter diesem gemeinsamen 
Namen will ich hier alle diejenigen, sonst sehr verschiedenartigen 
Erdölkohlenwasserstoffe zusammenfassen, die wenigstens eine Doppel- 
oder dreifache Bindung enthalten. Hierher müssen somit sowohl 
Olefine, Azetylene und ähnliche Reihen, wie auch teilweise hydrierte 
zyklische Kohlenwasserstoffe, wie z. B. Terpene, gezählt werden. 
Solches Zusammenfassen rechtfertigt sich dadurch, daß alle diese 
Kohlenwasserstoffe, trotz der Verschiedenheit ihrer Struktur, sich in 
ihrem chemischen Verhalten in vielen Punkten sehr ähnlich sind ; so vor 
allem in der Fähigkeit, Haloide glatt zu addieren, in ihrem Verhalten 
gegenüber konzentrierter Schwefelsäure, sowie in der verhältnismäßig 
leichten Oxydierbarkeit und Neigung zur Polymerisation. Das Additions- 
vermögen für Brom und Jod kann somit als ein relativer Masßtab für 
den Gehalt der Erdöle und Erdöldestillate an ungesättigten Ver- 
bindungen dienen, wobei allerdings nicht zu vergessen ist, daß auch die in 
Erdölen enthaltenen und später zu besprechenden Sauerstoff- resp. 
schwefelhaltigen Asphalt- und Harzstoffe ungesättigter Natur sind und 
Haloide zu addieren vermögen. 

Die sog. Brom- und Jodzahlen der nacheinanderfolgenden Destillat- 
fraktionen eines und desselben Erdöles nehmen ganz allgemein stark zu, 
wie es z. B. aus folgender Tabelle zu ersehen ist, die die im hiesigen 
Laboratorium bestimmten Jodzahlen (nach Hübl) einer Reihe von 
Destillaten, gereinigten ölen und Destillatrückständen aus russischem 
(Balachany-) Rohöl angibt: 

Kerosindestillat 0,75 

Spindelöldestülat 6,32 

Maschinenöldestillat 2,82 

Zylinderöldestillat 8,00 

Kerosin, gereinigt 0,31 

Spindelöl, gereinigt 1,18 

Maschinenöl, gereinigt 4,44 

Zvlinderöl, gereinigt 5,81 

Rohöl 1,86 

Masut^) 2,90 

ölgoudron*), spez. Gewicht 0,925 . 6,70 

ölgoudron, spez. Gewicht 0,950 . 8.95 



1) lieb. Ann. 284, 89. 

2) Monit. p6tr. 1908, 493. 

8) d. h. Erdölrückstände nach Abtreiben von Benzin und Kerosin. 
*) d. h. Rückstände nach Abtreiben von Schmierölen. 



Bestandteile der Erdöle. 23 

Da eine und dieselbe Brom- oder Jodzahl einer um so größeren 
Prozentmenge von ungesättigten Verbindungen entspricht, je größer 
das Molekulargewicht dieser letzteren, d. h. je höher die Siedegrenzen 
einer Fraktion, so kann man im allgemeinen sagen, daß die höheren 
Erdölfraktionen viel reicher an ungesättigten Verbindungen (und 
höchstwahrscheinlich auch an ungesättigten Kohlenwasserstoffen) sind 
als die niederen. Sehr groß ist aber der Grehalt an ungesättigten Kohlen- 
wasserstoffen auch in den hochsiedenden Erdöldestillaten kaum an- 
zunehmen, wenigstens wenn man die Additionsfähigkeit für Haloide, 
als eine stets obligatorische Eigenschaft von Doppelbindungen betrachtet. 
So z. B. entspricht die soeben angeführte Jodzahl des russischen Ma- 
schinenöldestillates, in Berücksichtigung des von Nor mann gefundenen 
durchschnittlichen Molekulargewichts der Maschinenöle gleich 350 
bis 400 und in der Annahme, daß nur eine Doppelbindung im Molekül 
enthalten ist, einem Gehalt von etwa 12,5 bis M^/q an ungesättigten 
Verbindungen, woran noch, wie soeben betont, auch die Asphalt- und 
Harzstoffe beteiligt sind. Wenn man sich der leichten Polymerisierbar- 
keit und Oxydierbarkeit der ungesättigten Kohlenwasserstoffe erinnert, 
so wird es Mar, daß ein bedeutender Gehalt an solchen Verbindungen, 
besonders in den niederen Fraktionen der Erdöle, auch gar nicht zu 
erwarten ist. 

Was die nähere Natur der in Erdölen enthaltenen ungesättigten 
Kohlenwasserstoffe betrifft, so ist darüber noch äußerst wenig bekannt. 
Von den Vertretern der Äthylenreihe sind von Le-BeP) in den Destil- 
laten des Pechelbronner Erdöls Amylen, zwei isomere Hexylene und 
höhere Homologe nachgewiesen worden; Le-Bel selbst aber hält diese 
Verbindungen für Zersetzungsprodukte der Destillation. Kleine Mengen 
Olefine haben Balbiano undPaolini^) in amerikanischen (pennsylva- 
nischen) Leuchtölen mittels Quecksilberacetat (Olefine geben damit 
kristallinische Doppelverbindungen) nachgewiesen; auch hier wird es 
sich wohl um Zersetzungsprodukte handeln, was um so wahrscheinlicher 
ist, als dieselbe Reaktion in russischen Kerosinen versagte und 
bei der Fabrikation der pennsylvanischen Kerosine von der zersetzenden 
Destillation (sog. Craking) weitgehender Gebrauch gemacht wird; die 
amerikanischen Leuchtöle haben aus diesem Grunde auch viel höhere 
Brom- und Jodzahlen als die russischen (für diese fand Graefe^) Jod- 
zahlen bis 1,6, für galizische 0,1, amerikanische 5,5 bis 16,5). In klei- 
neren Mengen sind verschiedene Olefine — Hexylen, Heptylen, Oktylen 
usw. von Mabery und Quayle*) auch aus kanadischen Destillaten 
ausgeschieden und in Form von Bromüren identifiziert worden. 

Einiges scheint auch auf das Vorhandensein von Azetylenkohlen- 
wasserstoffen in Erdölen (richtiger in Erdöldestillaten, möglicherweise 
also auch infolge von Zersetzung) hinzuweisen; so z. B. fand Markow- 

1) Compt. rend. 76, 267; 81, 967. 

2) Chem.-Ztg. 1901, 932. 

3) Chem. Rev. 1905, 270. 

*) Amer. Chem. J. 1906, 404. 



24' Chemie. 

nikow^) in einer leichten Benzinfraktion eine sehr merkbare weißliche 
Trübung bei Behandlung mit ammoniakalischer Silbemitratlösung 2) ; 
Charitschkoff^) glaubt durch Behandlung des Grosny-Kerosins mit 
Sublimat ein Gemisch von Merkaptiden mit Azetyleüquecksilber- 
verbindungen erhalten zu haben. 

Auch das Vorkommen von Terpenen resp. anderen teilweise hy- 
drierten zyklischen Kohlenwasserstoffen in Erdölen kann vorläufig 
nur vermutungsweise angenommen werden. In der Literatur finden 
sich allerdings auf Zalozieckis*) Versuche gestützte Angaben über das 
Vorkommen von Terpenen im galizischen Erdöl; die Natur der von 
Zaloziecki aus den alkalischen Abfallaugen eines galizischen Benzins 
isolierten Kohlenwasserstoffe kann aber nicht als sicher festgestellt 
betrachtet werden, wenn auch ihr terpenartiger Greruch, leichte Poly- 
merisierbarkeit und hohe Additionsfähigkeit für Brom, wobei kristal- 
linische Produkte entstehen, ihre Verwandtschaft zu den Terpenen 
wahrscheinlich machen; abgesehen von der noch nicht aufgeklärten 
Struktur dieser Kohlenwasserstoffe, müßte aber noch untersucht 
werden, ob sie sich nicht erst bei der Destillation, resp. bei der Schwefel- 
säurereinigung oder nachfolgender Behandlung der Abfallaugen ge- 
bildet haben : wurden ja diese, zwecks der Spaltung der darin enthaltenen 
Schwefelsäureverbindungen, einer energischen Behandlung mit über- 
hitztem Wasserdampf unterworfen. Ähnlicher Natur scheint auch das 
neutrale, leicht verharzende, schwach terpenartig riechende öl zu sein, 
das sich aus der nach der Kalkreinigung des Bakuschen Kerosins ab- 
fallenden Kalkseifenmasse mit Äther extrahieren läßt^). 

Ein höchst interessantes, an ungesättigten Kohlenwasserstoffen 
und anderen ungesättigten Verbindungen besonders reiches Erdöl wurde 
in Grise auf Java gefunden®). Das Rohoel ist sehr schwer (0,970), 
sirupdick, nelkenbraun, besitzt einen terpenartigen Geruch und trocknet 
in dünnen Schichten an der Luft ein; mit Wasserdampf ließen sich daraus 
etwa 10°/o eines zwischen 180 bis 265® siedenden Gemisches von Kohlen- 
wasserstoffen (mit 82,2^0 C und 13,5yo H) abtreiben, die Brom lebhaft 
ahsorbierten. Leider ist die Natur dieser Kohlenwasserstoffe nicht 
näher untersucht worden. 

b) Chemisches Verhalten der Erdölkohlenwasserstoffe. 

Wir wollen uns nun zur Besprechung der Frage wenden, wie sich die 
Hauptgruppen der Erdölkohlenwasserstoffe gegenüber verschiedenen 

1) Lieb. Ann. 801, 154. 

2) Auch die Bildung von gallertartigen Körpern beim Kochen verschiedener 
Erdöldestillate mit metallischem Natrium faßt Markownikow als ein Indizium 
für das Vorhandensein von Acetylenderivaten; diese Gallerte dürfte aber viel- 
mehr aus Natronseifen der Naphthensäuren bestehen. 

3) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1887, 270. 

*) Dinglers Joum. 290, 258; Berichte 1894, 2081. 
6) Stepanow, Trudi Bakuer Techn. Ges. 1898, 300. 
«) Zaloziecki, Naphtha 1900, 222. 



Bestandteile der Erdöle. 25 

chemischen Reagenzien verhalten. Eine detaillierte Behandlung dieser 
Trage gehört in reine organische Chemie und würde auch viel mehr 
Raum in Anspruch nehmen, als er hier zu Gebote steht. Ich werde mich 
daher nur bei den wichtigsten Reaktionen aufhalten und vor allem die- 
jenigen Resultate zur Sprache bringen, die direkt an verschiedenen 
Erdölfraktionen gewonnen worden sind. 

Will man das chemische Verhalten der vier Hauptgruppen der 
Erdölkohlenwasserstoffe im allgemeinen charakterisieren, so müssen sie, 
nach abnehmendem Grade ihrer Reaktionsfähigkeit, in folgende Reihe 
geordnet werden: ungesättigte (d. h. wenigstens eine Doppel- oder 
dreifache Bindung enthaltenden), aromatische, alizyklische (Naphthene 
und Polynaphthene) und paraffinische. Mit wenigen Ausnahmen lassen 
sich die ersteren am leichtesten oxydieren, reduzieren, kondensieren, 
halogenisieren usw., wobei stets eben die Doppelbindung den ersten An- 
griffspunkt bildet. Bei den drei übrigen Gruppen kann man im all- 
gemeinen beobachten, daß einerseits die Zunahme der Molekülgröße, 
andererseits die Anhäufung von Methylgruppen und überhaupt von 
Seitenketten die Reaktionsfähigkeit bedeutend erhöht; dieser Einfluß 
ist so stark, daß selbst in der Gruppe der paraffinischen Kohlenwasser- 
stoffe, die doch für die widerstandsfähigste gilt, die Glieder mit tertiärem 
Kohlenstoff sich leicht nitrieren, sulfonieren und oxydieren lassen. 
Dieser Umstand erschwert sehr stark die Trennung und Identifizierung 
der verschiedenen Erdölkohlenwasserstoffe, besonders in den höheren 
Fraktionen, und zwar um so mehr, als man bei der Behandlung ver- 
schiedener Kohlenwasserstoffe häufig auch noch auf sog. Induktions- 
wirkungen stößt, d. h. findet, daß eine Verbindung, die an und für sich 
gegen ein Reagens indifferent ist, von diesem angegriffen wird, sobald 
sie mit einer anderen Verbindung gemischt ist, die ihrerseits mit diesem 
Reagens in Wechselwirkung tritt. So z. B. fand Marko wnikow^), 
daß das quaternäre Hexan (Trimethyläthylmethan) sich in reinem Zu- 
stande von Salpetersäure 1,235 bei 100® kaum angreifen läßt; ist es 
dagegen mit dem viel leichter angreifbaren Pentamethylen verun- 
reinigt, so wird es unter denselben Bedingungen ziemlich energisch 
nitriert. Wenn daher zwei Forscher mit Produkten verschiedenen Rein- 
heitsgrades arbeiten, so können sie leicht zu widersprechenden Re- 
sultaten gelangen. 

Man muß somit bei der Beurteilung der bei der Behandlung selbst 
enger Fraktionen erhaltenen Resultate sehr vorsichtig sein, d. h. darf 
hier nicht ohne weiteres Schlüsse verwerten, die für chemisch reine 
Individua gelten. Weiß man z. B., daß niedere Paraffine und Naphthene 
in reinem Zustande von Salpeterschwefelsäure bei nicht zu hoher Tem- 
peratur nicht angegriffen werden, und findet andererseits bei der Be- 
handlung irgendeiner Erdölfraktion, daß 50yo derselben in Nitro- 
verbindungen übergeführt werden, so kann man noch nicht sicher sein, 
daß diese Fraktion zur Hälfte aus aromatischen Kohlenwasserstoffen 



) Berichte 1899, 1445. 



26 Chemie. 

besteht, sondern muß auch mit der Möglichkeit einer Beimischung 
von verzweigten Grenzkohlenwasserstoffen und Naphthenen rechnen. 
Dieser Umstand ist besonders bei der Untersuchung der höheren Erdöl- 
fraktionen zu beachten, da eben die Reaktionsfähigkeit oder, besser viel- 
leicht zu sagen, die Angreifbarkeit der meisten chemischen Verbindungen 
mit ihrem Molekulargewicht zunimmt. Die Untersuchung der höheren 
Erdölfraktionen wird dadurch zu einer der schwierigsten chemischen 
Aufgaben. 

Haloide. In ihrem Verhalten gegenüber den Haloiden lassen sich 
die ungesättigten, also wenigstens eine Doppelbindung enthaltenden 
Kohlenwasserstoffe von den drei übrigen Gruppen (paraffinischen, aro- 
matischen und gesättigten alizyklischen) ziemlich scharf unterscheiden ; 
während nämlich in diesen letzteren durch Haloide entweder einfache 
Substitution, d. h. ein Ersatz von einem oder mehreren Wasserstoff - 
atomen durch gleiche Zahl Haloidatome, oder eine Substitution mit 
Spaltung des Moleküls stattfindet, werden Haloide von ungesättigten 
Kohlenwasserstoffen einfach fixiert^), indem sich an jede Doppelbindung 
zwei Haloidatome anlagern. Die Aufnahmefähigkeit für Haloide, 
speziell für Brom und Jod, gilt daher im allgemeinen als ein Kriterium 
für den Gehalt einer Fraktion an ungesättigten Verbindungen. 

Was die Substitution der Wasserstoffatome durch Haloide innerhalb 
der Gruppen der paraffinischen, naphthenischen und aromatischen 
Kohlenwasserstoffe betrifft, so nimmt ihre Leichtigkeit in eben dieser 
Reihenfolge zu, und zwar wirkt Chlor im allgemeinen bedeutend ener- 
gischer ein, als Brom oder gar Jod. 

Erwähnenswert ist noch, daß die Einwirkung von Brom auf Naph- 
thene, falls sie durch hohe Temperatur oder solche Katalysatoren wie 
Aluminiumbromid aktiviert, wird, gleichzeitig zur Umwandung des 
Hexamethylen in den Benzolring führt; so z. B. wurde von Konowalow 
aus dem Nononaphthen durch Einwirkung von Brom und Aluminium- 
bromid das Tribrompseudocumol , von Zelinsky aus Hexamethylen 
durch Erhitzen mit Brom bei 150 bis 200^ das sym. Tetrabrombenzol 
erhalten usw. 

Eine sehr energische Halogenisierung (bei hohen Temperaturen in 
Gegenwart von Metallchloriden) kann auch innerhalb der sonst so 
resistenten paraffinischen Kohlenwasserstoffe Spaltungen hervorrufen; 
durch solche erschöpfende Cnlorierung des pennsylvanischen Kerosins 
mit Antimonpentachlorid bei 450® hat Hartmann 2) hauptsächlich 
Hexachlormethan, Hexachlorbenzol, daneben Tetrachlormethan und 
Perchlormeesol erhalten. 

Sauerstoff. Die leichte Oxydierbarkeit der Rohöle an der Luft 
ist eine längst bekannte Erscheinung; in sog. ,, freien Austritten", d. h. 
Stellen, wo es auf die Erdoberfläche hindurchsickert oder auch kleinere 



1) Unter besonderen Bedingungen vermögen übrigens auch aromatische 
Kohlenwasserstoffe Haloide zu addieren. 

2) Berichte 1891, 1019. 



Bestandteile der Erdöle. 27 

oder größere Seen bildet, ist das Rohöl stets nicht nur durch Verdunstung 
verdickt, sondern auch stark sauerstoffhaltig und reich an Asphalt- 
stoffen. Der Einwirkung des Luftsauerstoffs unterliegen, selbst schon 
bei gewöhnlicher Temperatur, auch alle Erdölprodukte : sie vergilben und 
trüben sich, scheiden flockenartige Niederschläge aus, erlangen mehr 
oder weniger stark saure Reaktion. Leider ist weder das Verhalten der 
einzelnen Kohlenwasserstoffgruppen, noch der Mechanismus dieser 
Oxydationsprozesse irgendwie genau untersucht worden, so daß man 
aus den wenigen diesbezüglichen Arbeiten höchstens einige vorläufige 
Fingerzeige, aber keine sichere Schlüsse gewinnen kann. 

Schon a priori muß man als wahrscheinlich annehmen, daß es vor- 
zugsweise ungesättigte, sowie hochmolekulare und verzweigte Kohlen- 
wasserstoffe der anderen Gruppen sind, die sich durch den Luftsauerstoff 
oxydieren lassen. In der Tat ist es eine allgemeine Regel, daß unraffi- 
nierte Destillate sich viel schneller als die raffinierten oxydieren; die 
Reinigung mit Alkalien allein, d. h. Ausscheidung nur von Säuren 
und Phenolen, genügt nicht, um die Oxydation eines Destillates be- 
deutend abzuschwächen, sondern es ist dazu auch die Reinigung mit 
konzentrierter Schwefelsäure, die die ungesättigten Kohlenwasserstoffe, 
sowie Asphaltstoffe in sich aufnimmt, durchaus nötig; und zwar ist die 
Widerstandsfähigkeit eines Erdölprodukts gegen Luftsauerstoff um 
so größer, je gründlicher es mit Schwefelsäure gereinigt worden war. 
Auch lassen sich überhitzte und zum Teil zersetzte, d. h. an ungesättigten 
Verbindungen reiche Destillate viel leichter oxydieren als normale, 
unzersetzte. Andererseits oxydieren sich die höheren, d. h. an ver- 
zweigten und hochmolekularen Kohlenwasserstoffen reicheren Frak- 
tionen im allgemeinen leichter als die niederen; so z. B. absorbierte 
(aus der Luft) 1 kg russisches Spindelöl, mit freier Oberfläche von ca. 
ISO qcm, in 12 Stunden bei 120® 303 ccm Sauerstoff, 1 kg Zylinderöl, 
unter gleichen Bedingungen, 605 ccm. Die Luftoxydation wird durch 
Licht sehr stark beschleunigt, resp. erst überhaupt eingeleitet ; beim Aus- 
setzen einer offenen Flasche mit gereinigtem Kerosin an direktes Sonnen- 
licht beobachtete streik o ^) schon am Ende desselben Tages eine Opale- 
szenz, am zweiten Tage Trübung, nach mehreren Tagen einen braunen 
Niederschlag, und nach Verlauf einiger Wochen betrug die Menge des 
Niederschlages ca. 0,6 g (aus 300 g Kerosin), wovon 0,2 g wasserlöslich, 
0,4 g in Wasser unlöslich, in Alkohol und konzentrierter Schwefelsäure 
löslich waren; gleichzeitig verfärbte sich Kerosin stark gelb und er- 
langte einen stechenden Geruch und eine stark saure Reaktion. Nach 
Oharitschkoffs Meinung sind die Körper, die sich bei der Luft- 
oxydation des Kerosins bei gewöhnlicher Temperatur bilden, mit den 
später zu besprechenden Asphaltogensäuren identisch. 

Eine größere Beständigkeit gegen Luftoxydation besitzen die 
niedriger siedenden, aus Grenzkohlenwasserstoffen bestehenden Frak- 
tionen der Erdöle; aber auch an diesen geht die längere Einwirkung 

1) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1895, Nr. 2. 



28 Chemie. 

von Luft, bei gleichzeitiger Belichtung, nicht spurlos vorbei. So hat 
MarshalP) aus einem zwischen 20® und 50® siedenden pennsylvanischen 
Petroläther, nach 30 Tage langem Stehen an diffusem Sonnenlicht in 
einer verschlossenen, aber einen Luftraum enthaltenden Flasche, nach 
Abdunsten einen gelblichen wachsartigen Rückstand (0,0072 g aus 
200 ccm) enthalten, der sich beim Erhitzen bis 100® schwärzte und hart 
wurde. 

Eine ziemlich starke Oxydation durch Luftsauerstoff im Sonnen- 
lichte hat Weg er 2) auch an reinen Kohlenwasserstoffen gesättigten 
Charakters beobachtet; so z. B. zeigte Hydrinden nach solcher Behand- 
lung eine Zunahme des spez. Gewichts von 0,807 auf 1,002, stark saure 
Reaktion, gelbe Farbe und 8,8®/q Sauerstoff gehalt ; im Dunkeln blieb 
es dagegen so gut wie unverändert, ebenso wie im Lichte bei Abwesen- 
heit von Luft; da der Säuregrad der im Lichte oxydierten Produkte 
nur sehr klein war und in keinem Verhältnis zu dem Sauerstoffgehalt 
stand, müssen dabei vorwiegend andere Sauerstoff Verbindungen als 
Säuren sich gebildet haben, was wohl durch Abwesenheit der Seiten- 
ketten in Hydrindenmolekül erklärt werden kann. 

In einer anderen Richtung — unter reichlicher Bildung von Säuren — 
geht bei gewöhnlicher Temperatur die Luftoxydation der aromatischen 
Kohlenwasserstoffe mit Seitenketten vor sich. Aus Toluol konnten 
Ciamician und Silber^), nach 1 Jahr langem Stehen im Lichte, neben 
etwas Benzaldehyd, 12®/o Benzoesäure, aus m-Xylol (neben etwas 
Ameisensäure und m-Phthalsäure) sogar 31®/o Toluylsäure erhalten. 

Interessante Versuche über die Luftoxydation von Schmierölen 
bei gewöhnlicher Temperatur am Sonnenlicht verdanken wir Waters *). 
Nach Verlauf von 22 Tagen hat das öl um l,83®/o an seinem Gewichte 
zugenommen und hinterließ nun beim Auflösen in Ligroin ca. l®/o Rück- 
stand — ein hellbraunes Pulver, löslich in starkem Alkohol und noch 
leichter in alkoholischer Kalilauge. Die elementare Zusammensetzung 
dieses Oxydationsproduktes war: 72,7®/o C, 7,8®/o H und 19,5®/o ^> 
die des ursprünglichen Öls: 86,4®/q C und 13,7 Vo H; bei der Bildung 
dieses Produkts ging somit die Oxydation hauptsächlich auf Kosten 
des Wasserstoffs vor sich, da das Verhältnis von Kohlenstoff zu Wasser- 
stoff dabei von 6,3 auf 9,3 stieg. Das vom Niederschlag abfiltrierte öl 
zeigte dagegen fast dasselbe Verhältnis von Kohlenstoff zu Wasserstoff, 
wie das ursprüngliche öl, enthielt aber jetzt ca. 2,1^0 ^ ^^^ sein Säure- 
gehalt war von 0,08^0 auf 3,7®/o i^^^ Oleinsäure berechnet) gestiegen. 
Daß aber auch der Kohlenstoff bei der Luftoxydation des Öls schon 
bei gewöhnlicher Temperatur sich beteiligt, beweist die Tatsache, daß 
im Laufe des beschriebenen Prozesses neben 0,89^0 Wasser auch 
0,37^0 Kohlensäure (auf das ursprüngliche Gewicht des Öls bezogen) 
entwickelt wurden. 



1) Chem. Zentralbl. 1907, II, 838. 

2) Berichte 1908, 309. 
8) Berichte 1912, 38. 

*) Joum. ind. eng. Chem. 1910, 451. 



Bestandteile der Erdöle. 29 

Die Luftoxydation des Erdöls und seiner Produkte wird natürlich 
durch Erhöhung der Temperatur stark beschleunigt, und die meisten 
Versuche über diesen Prozeß sind daher unter Erhitzung angestellt 
worden. Bereits im Jahre 1880 fanden Engler und Bock^), daß beim 
längeren Durchblasen von Luft durch heißes entsäuertes Erdöl dieses 
in ein dickes, teeriges Produkt von stark saurer Reaktion verwandelt 
wird; gleichzeitig wird viel Kohlensäure und Wasser abdestilliert, 
und in dem wässrigen Destillat ließ sich Buttersäure nachweisen; die 
Oxydation des Rohöls erfuhr eine starke Beschleunigung durch Gegen- 
wart von etwas Ätznatron. Auf diese letztere Beobachtung stützte sich 
dann E. SchaaP), um ein Verfahren zur Umwandlung von Erdöl- 
destillaten in seifenbildende Säure auszuarbeiten; das Destillat soll in 
Gegenwart von einigen Prozent feingepulverten Ätznatron oder Kalk 
unter Sieden in einem mit Rückflußkühler versehenen Kessel mit Luft 
oder reinem Sauerstoff behandelt werden; die sich bildenden Säuren 
verbinden sich mit Alkali zu Seife, die abgeschöpft und durch frisches 
Alkali ersetzt wird usw. Man kann auch das öl zusammen mit Ätz- 
natron oder Soda (und ev. auch einem Sauerstoffüberträger, wie z.B. 
Kupfersulfat) mit gepulvertem Bimstein, Infusorienerde u. dgl. innig 
zusammenmischen und dann diese halbtrockene poröse Masse unter 
Erhitzen mit Luft durchbtasen. Eine praktische Bedeutung hat übrigens 
das Schaalsche Verfahren, soviel bekannt, nicht erworben, z. T. 
wegen seiner relativen Kostspieligkeit, z. T. auch wegen der Minder- 
wertigkeit der erzeugten Produkte. 

Gewissermaßen eine Modifikation des Schaalschen Verfahrens 
stellt dasjenige von Boleg^) vor; die Oxydation wird hier in einem 
Autoklaven mit Druckluft ausgeführt und durch Gegenwart von stark 
alkalischer Harzseife beschleunigt; die sog. „Boleg-Öle" lassen sich in 
Wasser lösen. 

Im Zusammenhange mit diesen Arbeiten sei noch der interessanten, 
leider nicht näher verfolgten, Beobachtung Donaths*) bedacht, der 
bemerkte, daß nach der Luftoxydation eines entsäuerten Erdöls in 
Gegenwart von Ätznatron bei 120° an den Glaswänden des Kolbens 
eich beim Abkühlen ein fester, wachsartiger Körper absetzte, der 
mit überschüssigem Erdöl sofort in Lösung ging; der Haupteffekt der 
Oxydation war aber Asphaltisierung des Rohöls. 

In den letzten Jahren ist die Luftoxydation der Erdöldestillate 
bei höheren Temperaturen von Charitschkoff^) eingehend unter- 
sucht worden. Bei der Oxydation des Kerosins und seiner einzelnen 
Fraktionen bei 150® in Gegenwart von Alkalien konstatierte er, neben 
geringeren Mengen gewöhnlicher Naphthensäuren, hauptsächlich die 



1) Berichte 12, 2186. 

2) D. R. P. 32705; Chem.-Ztg. 1885, 1520. 

3) D. R. P. 122461 und 129480. 
*) Chem.-Ztg. 1892, 590. 

5) Joum. niss. phys.-chem. Ges. 1908, 1413 und 1757; 1909, 345; Chem.- 
Ztg. 1909, 1165. 



30 Chemie. 

Bildung von Säuren, die von diesen ganz verschieden sind imd sich durch 
folgende Eigenschaften charakterisieren. Das spez. Gewicht ist größer 
als 1 ; die Säuren sind in Alkohol, Äther, CHCI3, C^H^ und CSg leicht, in 
Petroläther und Benzin sehr wenig löslich; sie geben die Lega Ische 
Ketonreaktion (Rotfärbung mit Nitroprussidnatrium in Gegenwart 
von Alkali), reduzieren ammoniakalische Silberlösung, beim Kochen, 
auch die Fehlingsche Lösung (imter Ausscheidung von Kohle), rea- 
gieren aber weder mit Hydroxylamin, noch mit Phenylhydrazin oder 
Semikarbazid, werden durch HNO3 (sp^z. Gewicht 1,5) nitriert, geben 
Ester mit Essigsäureanhydrid; die alkalischen Salze sind in Wasser 
löslich, die übrigen nicht ; die Kupfersalze unterscheiden sich von den 
Cu-Salzen der Naphthensäuren durch ihre Unlöslichkeit in Benzin; 
durch konzentrierte Alkalien werden die Säuren schon in der Kälte unter 
Ausscheidung von Kohle zersetzt; da sie sich auch sonst unter Harz- 
bildung leicht zersetzen, schlägt Charitschkoff für sie den Namen 
,,A8phaltogensäuren" vor; auch der Name ,,Polynaphthensäuren" 
wird in Vorschlag gebracht, da sie nach Charitschkoffs Auffassung 
durch Oxydation je zweier Moleküle Naphthens gebildet werden. Die 
Chloranhydride der Säuren zersetzen sich leicht zu Kohlenwasserstoff- 
chlorüren, die ihrerseits unter Abspaltung von Salzsäure in terpen- 
artige Körper übergehen. 

Um die Natur der Asphaltogensäuren aufzuklären, hat Charitsch- 
koff auch engere, bestimmten Naphthenen entsprechende Fraktionen 
der Luftoxydation unterworfen. Leider sind Charitschkoffs quanti- 
tativen Angaben so mangelhaft und zum Teil einander widersprechend, 
daß seinen theoretischen Schlußfolgerungen fester Boden ganz fehlt, 
besonders da weder die chemische Individualität des Ausgangsmate- 
rials, noch viel weniger die der erhaltenen Produkte irgendwie gewähr- 
leistet wird. Bei der Behandlung der Fraktion 164 bis 166® (die dem sog. 
a-Dekanaphthen entsprechen soll) mit Luft während 20 Tage bei 150® 
in Gegenwart von 0,5^0 NaOH erhielt Charitschkoff ca. 4^0 eines 
sirupartigen Säuregemisches; es ließ sich daraus mit Benzin eine kleine 
Menge einer einbasischen Naphthensäure extrahieren, und es hinter- 
blieb ein öl vom spez. Gewicht 1,025, mit 8,42 bis 9,33yo H und 
74,87 bis 75,00®/o C und mittlerem Molekulargewicht (kryoskopisch in 
C^Hq bestimmt) 397, was ungefähr der Bruttoformel C24H34O4 ent- 
spricht. Indem Charitschkoff diesen Körper als ein chemisches 
Individuum betrachtet und weiter findet, daß er bei direkter Titration 
ca. 15^0 NaOH (= ca. 1,4 Mol.), bei der Rückverseifung seines Essig- 
esters ca. 18^0 (= ca. 1,7 Mol.) NaOH verbraucht, spricht er ihn als 
eine einbasische, dreiatomige Säure an. Diese Behauptungen Cha- 
ritschkoffs scheinen mir, wie gesagt, ganz unbegründet zu sein und 
sowohl die Natur, wie der Bildungsmechanismus der Asphaltogensäuren 
der weiteren Aufklärung bedürftig; aus den Angaben Charitschkoffs 
läßt sich aber der interessante Schluß ziehen, daß die Luftoxydation 
der niederen Erdöldestillate wenigstens zum Teil ein synthesierender 
Prozeß ist; ob dieses auch bei den höheren Fraktionen der Fall ist, muß 



Bestandteile der Erdöle. 31 

erst noch genauer untersucht werden. Bei der Luftoxydation eines rus- 
sischen Maschinenöls, spez. Gewicht 0,909, erhielt Charitschkoff 
ca. 6,5®/o eines Säuregemisches mit mittlerem Molekulargewicht 404; 
da die russischen Schmieröle, wie wir oben gesehen haben, mittlere 
Molekulargewichte von 300 bis 400 haben, scheint es, daß hier keine 
synthetische Oxydation stattgefunden hat. 

Derselben Behandlungsweise — der Luftoxydation in Gegenwart 
von Alkalien — wurden von Charitschkoff auch andere Klassen der 
Erdölkohlenwasserstoffe unterworfen. Am leichtesten geht diese Reak- 
tion mit Terpenen vor sich, die unter diesen Bedingungen schon bei 
gewöhnlicher Temperatur sich schnell oxydieren lassen. Sehr langsam 
dagegen verläuft die Luftoxydation von Paraffinen und aromatischen 
Kohlenwasserstoffen. Nach 10 Tage langem Durchleiten von Luft bei 
150® durch Paraffin (in Gegenwart von 2^^ NaOH) erhielt Charitsch- 
koff weniger als ly^ Säuren, deren Verhalten von demjenigen der 
Polynaphthensäuren ganz verschieden war (ein Teil ließ sich aus dem 
flüssigen Rohgemisch auskristallisieren). Aromatische Kohlenwasser- 
stoffe (Cymol, ps-Cumol und Mesithylen) ergaben kleine Mengen kristal- 
linischer Säuren, wahrscheinlich als Produkte der Oxydation der Seiten- 
ketten zu Karboxylen. 

Die bereits erwähnte Asphaltisierung des Erdöls bei seiner Oxy- 
dation mit Luftsauerstoff hat eine große Bedeutung für die Herstellung 
von künstlichem Asphalt aus Erdöl erlangt. Das erste diesbezügliche 
Verfahren wurde von Mabery und Byerley^) ausgearbeitet. Durch 
4 bis ötägige Behandlung eines schweren (spez. Gewicht ca. 0,93) Ohio- 
ölrückstandes mit Luft zuerst bei ca. 230®, dann bei ca. 340® C erhielten 
sie, je nach der Wirkungsdauer, vier verschiedene asphaltartige Pro- 
dukte von folgenden Eigenschaften: 

Spez. Ver- ^ 
o/oC o/oH o/^s o/oN 0/^0 Gew. flüssigt ™ 

bei 20® sich bei 

Asphalt 86,22 10,91 0,30 0,18 2,39 0,9560 25» 14,18 

roofing Asphalt 86,48 10,33 0,40 0,61 2,18 1,00 135» 14,93 

paving Asphalt 86,90 10,20 0,39 0,63 1,88 165» 14,40 

Byerlite 87,44 9,31 0,41 0,64 2,20 1,04 260» 18,93 

Das härteste von diesen Produkten, Byerlite, ist in Schwefel- 
kohlenstoff ganz, in Ligroin (Schmelzpunkt 75 bis 110®) zu 62,45^0 
löslich und ist in seinem ganzen Charakter dem natürlichen Bitumen 
,,Gilsonite" sehr ähnlich. Wenn man die elementare Zusammensetzung 
dieser künstlichen Asphalte genauer betrachtet, so fällt es vor allem auf, 
daß der Sauerstoffgehalt aller vier, in ihrem sonstigen Verhalten doch 
so verschiedenen Produkte ziemlich derselbe ist, d. h. daß bei der 
fortschreitenden Oxydation keine Anreicherung des Asphalts an Sauer- 
stoff stattfindet; der Oxydationsprozeß verläuft somit hier wesentlich 
anders als bei der Luftbehandlung der Destillate, wo uns als Haupt- 



1) Amer. Chem. Joum. 1896, 141. 



32 Chemie. 

effekt stets eine Bildung von Säuren entgegentritt. Beachtenswert ist 
weiter das Steigen der Bromzahl in der letzten Phase der Oxydation, 
was natürlich auf Neubildung von Doppelbindungen hinweißt; daraus 
ist der Schluß zu ziehen, daß die Oxydation wenigstens zum Teil nach 
dem Schema, auf welches Höfer aufmerksam gemacht hat, verläuft, 
nämlich : 

\CH — CH<^4- O = HgO +^C = C/') 

Im Anfange des Prozesses bleibt dagegen die Bromzahl ziemlich 
konstant, und es ist hier wohl das Oxydationsschema: 

RH + HR' 4- O = HgO 4- RR' 

anzunehmen. 

Die ganz enorme Zunahme an Konsistenz und Härte bei der Bil- 
dung der Kunstasphalte aus Rohölrückständen läßt es als wahrschein- 
lich erscheinen, daß hier auch eine Polymerisierung stattfindet; leider 
haben Mabery und Byerley keine Angaben über Molekulargrößen 
gemacht. Während der Oxydation wurde, neben Wasserbildung, auch 
Entwicklung von schwefliger, resp. Schwefelsäure beobachtet; ein Teil 
von Schwefel war aber im Asphalt zurückgehalten, und zwar blieb sein 
Verhältnis zur Summe von C und H ziemlich unverändert, was darauf 
hinweist, daß der Schwefel nicht aus dem intakten organischen Molekül 
wegoxydiert, sondern zusammen mit dem ganzen Molekül verbrannt 
wurde. Schließlich sei noch auf die prozentualisch sehr starke Zu- 
nahme von Stickstoff im Laufe der Oxydation aufmerksam gemacht, 
die auf eine Fixierung des Luftstickstoffes hinzuweisen scheint. 

Die Oxydation der Erdölkohlenwasserstoffe durch Luftsauerstoff 
stellt einen exothermischen Prozeß vor. Diesen Umstand hat sich 
die ,,Soc. Anon. des Combustibles*' auf sinnreiche Weise zu Nutzen 
gemacht^), indem sie das in Asphalt umzuwandelnde Rohprodukt 
nur bis etwa 200® erhitzt und dann die Außenfeuerung abstellt; die 
Wärme, die nun beim Durchblasen von Luft entbunden wird, genügt, 
um den Prozeß weiter im Gange zu halten; und zwar findet dabei, 
je nach der Intensität der Luftblasen, entweder nur Asphaltisierung 
oder gleichzeitig auch Abtreiben von oxydierten Oldestillaten statt. 

Die Oxydierbarkeit der Erdölkohlenwasserstoffe durch den Luft- 
sauerstoff kann auch bei der Destillation der Erdöle eine gewisse Rolle 
spielen. Wie leicht solche Oxydation vor sich geht, zeigen die Versuche 
Lissenkos^),.der fand, daß bei der Destülation eines ganz neutralen 



1) Es ist höchst wahrscheinlich, daß auch die langsame Luftoxydation und 
Asphaltisierung der Erdöle bei gewöhnlicher Temperatur zum Teil nach diesem 
Schema verläuft; so z. B. fand Graefe (Petroleum 2,278) bei einem Elsässer Rohöl 
die Jodzahl 8,1, bei dem aus diesem Rohöl mit Alkoholäther gefällten Asphalt 
Jodzahl 30,9, also eine sehr bedeutende Zunahme von Doppelbindungen, was 
doch unmöglich wäre, wenn die Asphaltisierung durch Polymerisation oder An- 
Jagerung von Sauerstoff hervorgerufen worden wäre. 

2) Franz. Priv. 349214. 

3) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1893, Nr. 2. 



Bestandteile der Erdöle. 33 

Kerosins sowohl sauer reagierendes Destillat, wie auch ein saurer Rück- 
stand erhalten werden; daß aber die saure Reaktion hier das Resultat 
einer Oxydation und nicht irgendeiner Spaltung von sauerstoffhaltigen 
Körpern war, bewies der Umstand, daß die Erscheinung bei der Destil- 
lation im Kohlensäurestrom ausblieb. Bei der Destillation von Erdöl 
und Erdölprodukten in Luft-, und in noch höherem Maße in Sauerstoff - 
Strom erhielt Zaloziecki^) reichliche Mengen sauren Wassers, das 
u. a. Essigsäure enthielt und stechend nach Fettsäuren roch; im Kühl- 
rohr setzte sich eine dunkle zähe Substanz ab; in Destillaten wurden 
neben Karbonsäuren auch solche gefunden, die auf Methylorange sauer 
reagierten, also wahrscheinlich Sulfosäuren. 

Bevor ich nun diesen Paragraph schließe, will ich noch einige 
Worte über die von Eng 1er 2) aufgestellte Theorie der Luftoxydation 
(oder, wie diese gewöhnlich genannt wird, der Autoxydation) sagen. 
Das Wesentliche dieser Theorie besteht in der Annahme, daß ,, der Sauer- 
stoff als ungesättigtes Molekül auftritt und als solches sich an die zu 
oxydierenden additionsfähigen Körper anlagert. Hieraus folgt, daß nur 
solche Stoffe Autoxydation zeigen, die additionsfähig sind oder doch 
unter bestimmten Bedingungen die Bildung additionsfähiger Systeme 
herbeiführen und darbieten. Der eigentliche Autoxydationsprozeß ist 
sonach ein solcher, bei dem molekularer Sauerstoff sich an einen anderen 
Körper anlagert. Dabei bilden sich superoxydartige Verbindungen, die 
den Sauerstoff auch als Atompaare, also molekular gebunden ent- 
halten". 

Es müssen nun zwei Arten der Autoxydation — direkte und in- 
direkte — unterschieden werden. Im ersten Falle, wo man es mit einem 
additionsfähigen Körper zu tun hat, lagert sich der molekulare Sauer- 
stoff an diesen, unter Bildung einer super oxydartigen Verbindung, an. 
Ist aber der der Autoxydation ausgesetzte Körper gesättigt und nicht 
additionsfähig, so vermag er nicht den Sauerstoff direkt an sich zu bin- 
den ; die Oxydation geht vielmehr in solchen Fällen so vor sich, daß der 
betreffende Körper zwei Wasser stoffatome von sich abspaltet, die mit 
dem molekularen Sauerstoff zu Wasserstoffsuperoxyd zusammen- 
treten. Für beide Arten der Autoxydation hat Eng 1er, in Gemeinschaft 
mit seinen Schülern, zahlreiche Belege gefunden; es sind einerseits 
superoxydartige Verbindungen von ungesättigten Kohlenwasserstoffen 
(Amylen, Hexylen, Terpentinöl usw.) in Form von ätherisch-kampfer- 
artig riechenden Sirupen erhalten worden ; andererseits ist in zahlreichen 
Fällen der Autoxydation von gesättigten Verbindungen das Auftreten 
von Wasserstoffsuperoxyd direkt nachgewiesen worden. 

Beiderlei Vorgänge treten zweifellos auch bei der Autoxydation von 
Erdölen und Erdölprodukten auf. So hat Charitschkoff*) die Bil- 
dung von Wasserstoffsuperoxyd bei der Luftoxydation von Erdöl- 
destillaten bei gewöhnlicher Temperatur festgestellt. Es ist aber nicht 

1) Zeitschr. f. angew. Chem. 1891, 416. 

2) Eng 1er und Weißberg, Kritische Studien über die Autoxydation 1904. 

3) Nephtjanoje Djelo 1911, Nr. 8. 

Gurwitsch. ^ 



34 Chemie. 

zu vergessen, daß die Engl er sehe Theorie nur den primären Vorgang 
der Autoxydation aufdeckt; die weiteren Umwandlungen der super- 
oxydartigen Verbindungen, resp. der nach der Abspaltung von zwei 
Wasserstoffatomen zurückbleibenden Beste müssen aber für jeden 
konkreten Fall einzeln studiert werden, und in dieser Richtung ist bisher 
überhaupt wenig, auf unserem Gebiete noch gar nichts getan worden. 

Ozon. Die, besonders in den letzten Jahren von Harri es und 
Molinari durchgeführten Untersuchungen über die Einwirkung von 
Ozon auf verschiedene Kohlenwasserstoffe haben zu dem sehr inter- 
essanten Ergebnis geführt, daß sowohl echte Doppelbindungen, wie auch 
solche der Art der in den Benzolkohlenwasserstoffen enthaltenen, je 
ein Molekül Ozon zu addieren vermögen ; die durch solche glatte Addition 
gebildeten Verbindungen, sog. ,, Ozonide", der allgemeinen Formel: 

II II II 

-C C -, oder C-C-, oder C-C 

II II II 

0-0 = = 

o 

sind mehr oder weniger unbeständige, zum Teil leicht explodierende 
Körper und erheischen daher zu ihrer Darstellung gewisser Vorsicht, 
vor allem niedriger Temperatur und Abwesenheit von Feuchtigkeit, da 
sie im allgemeinen in Gegenwart von Wasser an der Stelle der früheren 
Doppelbindung eine Spaltung und Oxydation erleiden. Eine Unter- 
suchung der Einwirkung von Ozon speziell auf einige Erdöldestillate 
verdanken wir Molinari und Fenaroli^). Durch die Einwirkung des 
Ozons bei 8 bis 10® auf zwischen 135 bis 260® siedende Kemfraktion 
des russischen Kerosins erhielten sie ca. 12yo> ^^^ d®^ Fraktion 295 bis 
300® ca. 32®/o eines Ozonids in Form von gelblichen Flocken, die sich 
in Äther, Chloroform und Benzol auflösen und auf Zusatz von Petrol- 
äther unverändert wieder ausfallen. Das Ozonid löst sich zum Teil auch 
in wässerigen Alkalien unter Braunfärbung und Entwicklung eines 
terpenartigen Geruches. In der Kälte läßt es sich einige Tage imzer- 
setzt aufbewahren; bei 20® zersetzt es sich schon in wenigen Minuten, 
bei 35 bis 50® geht es in eine weiche, rotgefärbte Substanz über, die 
sich ihrerseits bei 105® in eine harzige Masse verwandelt. Elementar- 
analyse und Molekulargewicht des Ozonids entsprechen der Formel 
CiyHgoOß, so daß es sich nach der Meinung der Autoren vom Kohlen- 
wasserstoffe Ci7H2o mit zwei Doppelbindungen ableiten läßt. Dasselbe 
Ozonid wurde auch aus der zwischen 275® und 300® (bei 35 mm Vakuum) 
siedenden Fraktion eines rumänischen Erdöls erhalten, und zwar mit 
einer Ausbeute von 80®/o. Ein italienisches Petroleum von Velleja 
ergab dagegen ein Ozonid Gi^ü-^fi^, dem ein Kohlenwasserstoff CigHjß 
derselben Reihe CnH2n— 14 zugrunde liegen soll. Die von Molinari 
und Fenaroli auf Grund der Ozonidbildung angenommene Vorexistenz 



•) Berichte 1908, 3704. 



Bestandteile der Erdöle. 35 

von Kohlenwasserstoffen der Reihe CiiH2n— 14 in Kerosinfraktionen 
muß übrigens bis auf weiteres stark angezweifelt werden; dem Kohlen- 
w^asserstoff C17H20 entspricht der Gehalt von nur 8,9^0 H; wenn man 
aber sich vergegenwärtigt, daß selbst ein schweres russisches Zyliüderöl 
nach der Analyse von Eiigler und Haimai 12,7^0 H enthielt, so wird 
man kaum das Vorhandensein von so großen Mengen Ci^Hg© in Kerosin- 
fraktionen als wahrscheinlich bezeichnen dürfen; viel eher wäre hier 
an eine gleichzeitig mit der Ozonidbildung stattgefundene Oxydation 
zu denken. 

Verschiedene OxydationsmitteL Die Einwirkung von Oxydations- 
mitteln auf einzelne Kohlenwasserstoffe — geschweige denn auf deren 
Gemische — ist im allgemeinen so kompliziert, daß irgendwelche 
Regelmäßigkeiten sich hier kaum aufstellen lassen. Ein guter Teil des 
Kohlenwasserstoffs wird meist unter Spaltung des Moleküls zu niederen 
ein- oder zweibasischen Säuren oxydiert und auch ganz zu Kohlensäure 
verbrannt; häufig findet auch eine Verharzung statt, und einzelne wohl- 
definierte Oxydationsprodukte lassen sich nur schwierig und mit kleiaen 
Ausbeuten isolieren. Es läßt sich daher leicht begreifen, warum dieses 
Gebiet noch sehr wenig bearbeitet ist. Für weitere Forschungen scheint 
immerhin die Naphthengruppe ein dankkareres Feld, als die übrigen 
Erdölkohlenwasserstoffe zu bieten. Hier gelang es bereits Aschan mit- 
tels Salpetersäure einen ganz glatt verlaufenden Oxydationsprdzeß zu 
erzielen," wobei gut kristallisierte zweibasische Säuren mit guter Aus- 
beute erhalten wurden (diese Einwirkung der Salpetersäure wird weiter 
im Zusammenhange mit Nitrierung näher besprochen werden). Ziem- 
lich glatt scheint auch die Oxydation der Naphthene in Dampfform mit 
Oxyden und Superoxyden zu aromatischen Kohlenwasserstoffen zu ver- 
laufen. Schließlich sei auf eine interessante, näher nicht verfolgte Be- 
obachtung Marko wniko WS ^) hingewiesen, welcher fand, daß bei der 
Oxydation der Naphthene mit Permanganat u. a. auch neutrale sauer- 
stoffhaltige, nach Menthon riechende Verbindungen gebildet werden; 
andererseits scheint unter der Etawirkung von Permanganat auch eine 
oxydative Polymerisation stattzufinden, denn z. B. wurde aus eiaer 
Fraktion des russischen Petroleums, die bei 185 bis 190® siedete und 
hauptsächlich aus Cj^IIgg bestand, ein über 340® siedendes Produkt 
erhalten. 

Die oben (S. 29) besprochene Oxydation der Erdöldestillate zu 
seifenbildenden Säuren kann auch durch verschiedene Oxydationsmittel 
erzielt werden. So z. B. fand Schaal*), daß gewisse Destillate sich 
mittels Chlorkalk bei 130 bis 200® leichter als mit Luftsauerstoff oxy- 
dieren lassen. Haack^) will aus einem schweren Miaeralöl (spez. Ge- 
wicht 0,900) mittels Braunstein und Schwefelsäure unter Druck sogar 
biß 60 bis 80®/o verseifbare Fraktionen erhalten haben. 



1) Ann. Chim. Phys. (6) 2, 467. 

2) D. R.P. 32705. 

3) Chem.-Ztg. 1892, 694. 

3* 



36 Caiemie. 

Ziemlich glatt verläuft die Oxydation von Naphthenen (vielleicht 
daneben auch von paraffinischen Kohlenwasserstoffen) in Dampf- 
form zu aromatischen Kohlenwasserstoffen mittels Eisenoxyd, Blei- 
oxyd, Braunstein, auch solcher Salze wie Eisensulfat u. dgl. Nach 
dreimaligem Durchleiten über glühendem Eisenoxyd eines von aroma- 
tischen Kohlenwasserstoffen vorbefreiten galizischen Benzins erhielten 
Haus man und v. Pilat^) durch Nitrierung desselben 64,7^0 Nitro - 
Produkte. Der Grad der Aromatisierung stieg mit der Siedetemperatur 
der Fraktion; die zwischen 61 bis 63® siedende Fraktion ergab nach 
zweimaligem Durchleiten über glühendem Mangansuperoxyd keine 
Nitroverbindungen; aus der 60 bis 80® Fraktion wurden 13,5®/o, aus der 
80 bis 100® Fraktion 69,98®/o Nitroverbindungen erhalten. Um gute 
Ausbeuten an aromat sehen Kohlenwasserstoffen zu erzielen, muß man 
gleichzeitig mit Benzindämpfen über den Oxyden auch noch Luft durch- 
leiten, da sonst bei der Reaktion Wasserstoff gebildet wird, der einen 
Teil der aromatischen Kohlenwasserstoffe wieder zu Naphthenen 
reduziert : 

CnHgn + 3 MnOg = CnHgo-^ + 3 MnO + 3 HgO ; 
3 MnO -f 3 H^O = 3 MnOg + 3 K^; 

OnH2n— 6 -p ^ -^2 ^^ ^n^Zw 

Man hat es hier eben mit einer umkehrbaren Reaktion zu tun, 
deren Gleichgewicht durch Gegenwart von freiem Sauerstoff zu Gunsten 
der aromatischen Kohlenwasserstoffe verschoben wird. 

Ähnliche Oxydationsversuche hat J. Walter 2) mittels fein ver- 
teilten Kupferoxyd angestellt; ein über 300® siedendes Petroleum- 
destillat (leider unbekannter Provenienz) wurde in einem mit Wasser- 
dampf verdünnten Luftstrom zerstäubt und über glühendem Kupfer- 
oxydasbest geleitet; bei richtiger Regulierung von Luft und Dampf 
blieb das Asbest auch ohne äußere Luftzufuhr glühend. Die wässerige 
Schicht des Kondensats enthielt Essigsäure und deren Homologen, aus 
der ölschicht ließen sich eine bei 0® festwerdende Säure und ein nach 
Pfefferminze riechender Aldehyd ausscheiden; als Hauptmenge blieb 
ein öl zurück, das bei 140® zu sieden anfing und von dem bis 300® un- 
gefähr die Hälfte überdestillierte. Es scheint hier somit neben oxyda- 
tiven Prozessen eine weitgehende Spaltung vor sich gegangen zu sein. 

Interessante Oxydationsprodukte scheinen aus den Erdölkohlen- 
wasserstoffen unter der Einwirkung von Chromylchlorid (sog. Etard- 
sches Reagens) zu entstehen. Sehr glatt, unter Bildung von Aldehyden, 
verläuft diese Reaktion mit verzweigten aromatischen Kohlenwasser- 
stoffen. Von den paraffinischen wurde sie von Etard nur am Hexan 
versucht und daraus ein Cnlorhexylketon erhalten. Neuerdings unter- 
suchte Schulz^) die Einwirkung von Chromylchlorid auf verschiedene 
Fraktionen des Boryslawer Rohöls; es bilden sich dabei mehr oder 



1) Compt. rend. du III. Congräs du P^trole k Bouckarest, 579. 

2) D. R. P. 168291. 

3) Petroleum 6, 189. 



Bestandteile der Erdöle. 37 

weniger dunkle, ockergelbe Pulver, die sich mit Wasser sofort zu stark, 
meist pfefferminzartig riechenden ölen zersetzen; die Ausbeute an diesen 
Produkten steigt mit spezifischem Grewicht der Erdölfraktion; aus 
Petroläther (spez. Gewicht 0,654) wurden 10,7 ^/o Pulver erhalten, aus 
Benzin (0,680) 27,7«/o> aus Kerosin (0,819) 67,6Vo, aus Schmieröl 
(0,912) 100,9 y^,; Paraffin dagegen ergab nur 12,5 ^^ des Reaktions- 
produkts. Die höheren Fraktionen (von. Kerosin an) reagieren mit 
Chromylchlorid so heftig , daß man letzteres zur Verhütung von Ex- 
plosion mit irgendeinem indifferenten Lösungsmittel (z. B. CCI4) ver- 
dünnen muß. 

Dehydrogenisation. In ihrer berühmten Arbeit über die kataly- 
tische Wirkung der feinverteilten Metalle auf die Reduktion mittels 
Wasserstoff haben Sab atier und Sende rens gezeigt, daß dieser Prozeß 
umkehrbar ist und daß während z. B. Benzol in Gegenwart von fein- 
verteiltem Nickel bei etwa 180® glatt zu Hexamethylen reduziert wird, 
dieses letztere bei höheren Temperaturen durch Einwirkung von Nickel 
sich umgekehrt in Benzol und Wasserstoff spaltet. Wie nun Zelinsky^) 
neuerdings gefunden hat, geht solche Spaltung besonders leicht in 
Gegenwart von Palladiumschwarz vor sich. Bereits beim einmaligen 
Durchleiten von Hexamethylendämpfen über Palladiumschwarz bei 300® 
wurden über 80^0 der Theorie von Wasserstoff abgespaltet, und nach 
dem dritten Durchleiten war die Abspaltung von Wasserstoff quanti- 
tativ; die Ausbeute an Benzol (das ganz rein war und bei 0® kristalli- 
sierte) betrug ca. 80^0 (das übrige scheint infolge der Verflüchtigung 
verloren gegangen zu sein). Besonders interessant aber ist der Umstand, 
daß weder Hexan, noch Pentamethylen oder Methylpentamethylen 
sich auf diese Weise dehydrogenisieren lassen, so daß die Methode von 
Zelinsky für die Isolierung einzelner Kohlenwasserstoffe in reinem 
Zustande von großem Werte sein kann. 

Salpetersäure. Wohl die Wirkung keines anderen Reagens auf Erd- 
ölkohlenwasserstoffe ist so vielfach untersucht worden, wie die der 
Salpetersäure. Wenn sie trotzdem noch bei weitem nicht erschöpfend 
aufgeklärt ist und die Angaben verschiedener Forscher auf diesem Ge- 
biete von Widersprüchen nicht frei sind, so liegt es einerseits an der 
bereits wiederholt betonten komplizierten Zusammensetzung der Erdöl- 
fraktionen und der enormen Schwierigkeit, aus ihnen wirklich reine 
chemische Individua zu isolieren, anderseits an der Vieldeutigkeit der 
Einwirkung der Salpetersäure in Abhängigkeit von ihrer Konzentration, 
Temperatur usw.; schließlich kommt noch die oben erwähnte Er- 
scheinung der chemischen Induktion hinzu, die unter Umständen das 
richtige Bild einer Reaktion stark verzerren kann. 

Die Einwirkung der Salpetersäure auf Kohlenwasserstoffe erstreckt 
sich fast immer nach zwei verschiedenen Richtungen: sie ist zum Teil 
nitrierend, zum Teil oxydierend. Welcher dieser beiden Effekte über- 
wiegt, hängt sowohl vom Kohlenwasserstoff ab, wie von der Stärke der 

1) Berichte 1912. 



38 Chemie. 

Säure, Temperatur usw. Am glattesten geht die Nitrierung bei den 
aromatischen Kohlenwasserstoffen vor sich, und die Behandlung mit 
konzentrierter Salpetersäure oder Salpeterschwefelsäure ist das beste 
Mittel zur Ausscheidimg dieser Körper aus Kohlenwasserstoffgemischen 
in Form von Nitroverbindungen. Im Gegenteil bildet die Oxydation, 
imter Spaltung des Moleküls, den Haupteffekt der Ein «Wirkung von 
Salpetersäure auf ungesättigte Kohlenwasserstoffe. Was die paraffi- 
nischen und Naphthene betrifft, so wird hier im allgemeinen die Nitrie- 
rung diu'ch Mäßigung der Einwirkung (also geringere Konzentration 
der Säure und niedrigere Temperatur), die Oxydation dagegen durch 
Überschuß von Säure, längere Einwirkungszeit und Erhitzung be- 
günstigt. Es wird daher oft die Meinung ausgesprochen, daß unter der 
Einwirkung von Salpetersäure primär Nitroverbindungen entstehen, 
die schon dann weiter oxydiert werden. Die neueren Untersuchungen 
von Namjetkin^) lassen es als wahrscheinlicher erscheinen, daß primär 
nicht Nitro-, sondern Isonitrokohlenwasserstoffe RONOOH gebildet 
werden, die sich zum Teil zu Nitrokohlenwasserstoffen RCHNOg um- 
lagern, zum Teil die Nef sehe Spaltung in Stickoxydul und Aldehyde 
(resp. Ketone) erleiden, die nun ihrerseits weiter zu Säuren oxydiert 
werden. Zu Gunsten dieser Auffassung spricht der Umstand, daß 
Namjetkin bei der Nitrierung von Naphthenen die Entwicklung von 
Stickoxydul in einer der Theorie sehr nahe entsprechenden Menge kon- 
statieren konnte; auch wiu'de bei der Nitrierung des Nonanaphthens 
die intermediäre Bildung eines, näher allerdings nicht untersuchten, 
Aldehyds nachgewiesen; schließlich fand Namjetkin bei der Nitrierung 
des Hexamethylens mit Aluminiumnitrat u. a. etwas Hexamethylen- 
keton^dessen Bildung sich nach den Gleichungen 

CH2 OH2 



HaC CH^ H2C C = NOOH 



+ NO-H= I +H,0; 



HgC CHg HgC CH2 

CH2 GHg 

CHg OH2 

/\ -\ 

HgC C = NOOH Kß CO 



2 i I =2 11 +N20 + H20 






am einfachsten erklären läßt. 

Die Nitrierung von paraffinischen Kohlenwasserstoffen auf glatte 
Weise gelang zum erstenmal M. Konowalow^) durch Erhitzen in 



1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1908, 184 und 1570; 1909, 145; 1910, 581 
und 691; 1911, 1603; Berichte 1909, 1372. 

2) Berichte 1892, 1244; 1895, 1852; 1896, 2199. 



Bestandteile der Erdöle. 39 

zTigeschmolzenen Röhren mit schwacher Salpetersäure (1,025 bis 1,075) 
bei 115 bis 125®; es bilden sich dabei vorwiegend sekundäre resp. tertiäre 
Nitroprodukte^). Bequemer ist die Arbeitsweise von WorstalP), 
der rauchende Salpetersäure, resp. Säure 1,42 oder auch Salpeter- 
scKwefelsäure auf Kohlenwasserstoffe bei deren Siedetemperatur (also 
am Rückflußkühler) einwirken läßt; die Reaktion dauert mehrere Tage 
und ergibt, neben Oxydationsprodukten auch Mono- und Dinitro- 
verbindungen; interessanterweise sind die unter diesen Bedingungen 
gebildeten Mononitroverbindungen hauptsächlich primäre Nitroderivate, 
und auch in den Dinitroverbindungen scheinen beide Nitrogruppen in 
Methyl-, und zwar in dieselbe Methylgruppe einzutreten, da diese Di- 
nitrokörper bei der Reduktion mit Zinn und Salzsäure Hydroxylamin, 
resp. Ammoniak entwickeln. Die Nitrierung geht um so leichter vor sich, 
je größer das Molekül des Kohlenwasserstoffs ist; das n-Hexan gibt 
beim Kochen mit rauchender NO3H ca. 6^/0 ^^r Theorie Monon tro- 
und 4^0 Dinitrohexan, ca. 5^/0 Säuren (Essig-, Oxal- und Bemstein- 
säure), und das übrige wird zu COg verbrannt; NO3H mit spez. Gre wicht 
unter 1,45 wirkt beim Kochen ohne Druck auf das n-Hexan nicht 
merklich ein. Mit n-Heptan gibt schon NO3H (1,42) lö^/o der Theorie 
Mono- und 24^0 Dinitroverbindungen, mit n-Oktan gibt NO3H (1,14) 
17,5^0 Mono- und 250/0 Dinitro, mit n-Nonan NO3H (1,03) 22<yo 
Mono- und 98^0 Dinitroderivate ; die Ausbeute und die Zusammen- 
setzung der nebenbei gebildeten Säuren bleiben merkwürdigerweise 
dieselben. 

Starke Salpetersäure kann auch, wie es scheint, die Moleküle der 
paraffinischen (wahrscheinlich sekundärer und tertiärer) Kohlen- 
wasserstoffe gleichzeitig spalten und nitrieren; so z. B. erhielten Beil- 
stein und Kurbatow^) bei der Behandlung der 40 bis 50®- Fraktion 
des Erdöls aus Zarskikolodez (das hauptsächlich aus paraffinischen 
Kohlenwasserstoffen besteht) mit NO3H (1,52) ein Dinitrobutan ; da 
das Butan bei P siedet und somit in der 40 bis 50^-Fraktion kaum in 
nennenswerter Menge enthalten sein konnte, hat hier wahrscheinlich 
gleichzeitig mit Nitrierung noch eine Spaltung des Moleküls eines 
höheren Kohlenwasserstoffs stattgefunden. 

Bei gewöhnlicher Temperatur lassen sich die normalen paraffi- 
nischen Kohlenwasserstoffe von konzentrierter und selbst rauchender 
Salpetersäure so gut wie gar nicht angreifen; die sekundären dagegen 
und namentlich die tertiären reagieren sehr leicht, unter Selbsterwär- 
mung und Bildung von Kohlensäure, niederen Säuren und tertiären 
Nitroderivaten. 

Viel beständiger als gegen reine Salpetersäure sind die paraffinischen 
Kohlenwasserstoffe gegen sog. Salpeterschwefelsäure, die Marko w- 



^) Interessant ist die Beoba.chtiing Konowalows, daß gebrauchte Salpeter- 
säure, durch Zusatz von frischer bis zum ursprünglichen Gehalt an NO3H verstärkt, 
größere Ausbeute an Nitroprodukten als frische Säure gibt. 

2) Amer. Chem. Joum. 1898, 20, 202 und 664; 1899, 21, 210. 

3) Berichte 1881, 1620. 



40 Chemie. 

nikow als eine Lösung von Nitroschwefelsäure S0«<; in Schwefel- 

\ONO2 

säure betrachtet und die auch sonst, z. B. gegenüber Naphthenen und 
aromatischen Kohlenwasserstoffen, eine mildere Einwirkung als reine 
konzentrierte Salpetersäure ausübt. Nach Markownikow^) vermag 
Schwefelsalpetersäure (1 Vol. NO3H (1,53) + 2 Vol. konz. SO^H^) selbst 
die sonst am leichtesten angreifbaren tertiären Kohlenwasserstoffe 
(sowohl paraffinische, wie Naphthene) und selbst beim mäßigen Er- 
wärmen nicht merkbar anzugreifen; es konnten z. B. Diisopropyl 
(Siedepunkt 58®) und Methylpentamethylen (Siedepunkt 72®) von 
dieser Säure ohne Zersetzung abdestilliert werden. Diesen Angaben 
stehen allerdings die von Zaloziecki und Frash entgegen, die bei der 
Behandlung von engen Fraktionen eines galizischen Benzins mit Sal- 
peterschwefelsäure bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich viel Trinitro- 
produkte und unter diesen auch ein Derivat des Isohexans erhielten^); 
möglich, daß in diesen Versuchen die oben erwähnte Erscheinung der 
chemischen Induktion mitgespielt hat, da die von Zaloziecki und 
Frash nitrierten Fraktionen jedenfalls keine reinen chemischen 
Individua waren. 

Die Regelmäßigkeiten, die sich bei der Untersuchung der Einwir- 
kung der Salpetersäure auf Naphthene ergeben haben, sind den bei den 
paraffinischen Kohlenwasserstoffen gefundenen ganz analog. Auch 
hier lassen sich die verzweigten, d. h. ein tertiäres Kohlenstoff atom 
enthaltenden Kohlenwasserstoffe am leichtesten angreifen, und zwar 
um so energischer, je größer das Molekül ; die Einwirkung von Salpeter- 
schwefelsäure ist wiederum viel weniger energisch (nach Markow- 
nikow bleibt sie sogar beim nicht zu starkem Erwärmen selbst bei 
verzweigten Naphthenen ganz aus) als die der rauchenden Salpetersäure, 
durch die alle Naphthene schon in der Kälte angegriffen (s. oben S. 5) 
und die verzweigten sogar in kurzer Zeit vollständig oxydiert werden; 
auch äußerst sich der Einfluß des Säureüberschusses, Temperatur- 
erhöhung usw. bei Naphthenen in derselben Richtung der Begünstigung 
der Oxydationsprozesse zum Nachteil der Nitrierung, wie bei den paraf- 
finischen Kohlenwasserstoffen. Im allgemeinen kann man nur sagen, 
daß die Einwirkung der Salpetersäure auf Naphthene etwas leichter 
vor sich geht. 

Die ersten erfolgreichen Versuche zur Nitrierung von Naphthenen 
sind von M. Konowalow auf die oben beschriebene Weise durch- 
geführt worden. Es bilden sich dabei sekundäre und tertiäre Mono- 
nitro- und auch kleine Mengen Dinitroprodukte. Neuerdings ist die 
Konowalow sehe Methode, die ja nur mit sehr kleinen Substanz- 
mengen zu operieren erlaubt, von Namjetkin (1. c.) verbessert worden; 
es erwies sich als möglich, unter Anwendung einer stärkeren Säure 
(etwa 1,3) ohne Druck auszukommen und dabei gute Ausbeuten an 



1) Berichte 1902, 1584. 

2) Berichte 1902, 386. 



Bestandteile der Erdöle. 41 

Nitroprodukten zu erhalten, wenn nur das Mengenverhältnis der Sal- 
petersäure zu Naphthen richtig bemessen wird; es wird am Rückfluß- 
kühler gekocht und das Stoßen durch Eintragen eines kleinen Stückes 
Aluminiumdraht vermieden. Beim Kochen einer gut dephlegmierten, 
dem Nononaphthen entsprechenden Fraktion 142 bis 144® des Ba- 
lachanyschen Kerosin mit lYgfachem Volumen Salpetersäure (1,3) wäh- 
rend 6 Stunden war etwa Yg des Naphthens in Reaktion getreten, 
^3 waren unverändert geblieben; von diesem Drittel fanden sich 46^0 
als Mono-, 31,8^0 als Polynitroprodukt wieder. Bei der Anwendung 
vom 3 fachen Volumen NO3H nahm wiederum etwa Yg des Naphthens 
an der Reaktion teil; davon gingen aber nur 34,5^0 in Mono- und 16,4^0 
in Polynitroprodukte über, und das übrige wurde oxydiert. 

Noch bessere Resultate erzielte Namjetkin, als er freie Salpeter- 
säure durch salpetersaure Tonerde A1(N03)3 • ^ HgO ersetzte ; dieses 
Salz beginnt bereits bei 73® zu hydrolysieren, und bei 140® ist seine 
Spaltung in Säure und Tonerde vollständig. Durch Erhitzen von 
100 ccm Hexamethylen mit 240 g Aluminiumnitrat bei 110 bis 120® 
erhielt Namjetkin 56,7 ®/o der theoretischen Ausbeute an Nitro- 
hexamethylen ; eine noch bessere Ausbeute — 72®/^ der Theorie — an 
Mononitroderivat wurde bei der Behandlung des Methylhexamethylens 
erhalten; es wird dabei hauptsächlich das tertiäre Nitroprodukt, also 

H3C NO2 



C 



I I 

HjjC CIL 



CH, 
gebildet, daneben auch das primäre 



CH^NOj 

•I 
CH 



HjC CHj 



HjC CHg 



CH, 
und, in noch kleinerer Menge, das sekundäre 

CH- 

I ' 
CH 

/\ 
H^C CHj 



HgC CHNO2 

^ / 
CH, 



42 Chemie. 

Interessant ist zu bemerken, daß die Nitrogruppe hier, im Gegensatz 
zu dem, was in der aromatischen Reihe die Regel ist, nicht in Ortho- 
und Para-, sondern in die Metastellung zum Methyl eintritt ; das Methyl- 
pentamethylen ergibt dagegen bei ähnlicher Behandlung das o-Xitro- 
derivat. 

Bei der Behandlung des Hexamethylens mit Aluminiumnitrat 
wurde im Reaktionsgemisch auch noch das Dinitrodüiexamethylen 
^12^20(^03)2 nachgewiesen; es hat hier somit gleichzeitig mit Nitrierung 
eine Oxydation, und zwar eine synthesierende Oxydation stattgefunden. 
Gleichzeitige Nitrierung und Oxydation der Naphthene kann auch zur 
Bildung von Nitrokarboxylsäuren führen, deren Bildung z.B. von Herr *) 
beobachtet wurde. 

Bei energischer Behandlung der Naphthene mit Salpetersäure 
(großer Überschuß der Säure, längeres Erhitzen usw.) ist die Oxydation 
•der Haupteffekt der Reaktion; neben großen Mengen Kohlensäure 
bilden sich hauptsächlich kristallinische zweibasische Säuren, auß 
methylsubstituierten Naphthenen auch Essigsäiu^; durch längeres 
(50 bis 60 stündiges) Kochen der Hexamethylenfraktion (78 bis 82**) 
des Balachany-Benzins mit 10 f acher Menge NO3H ( 1 ,42) erhielt A s e h a n -) 
17 bis I8V0 reiner Adipinsäure; in kleineren Mengen werden dabei 
auch Glutarsäure und Bemsteinsäure gebildet. Noch größere Aus- 
beuten (24 bis 28^0) an denselben Säuren (hauptsächlich Adipinsäure) 
wurden von Herr*) aus der 98 bis 102^-Fraktion des Ssurachany-Erdöls 
erzielt. Wie es scheint, kann die Oxydation der höheren Fraktionen 
mit Salpetersäure auch zur Bildung von höhermolekularen Säuren 
führen; so z. B. erhielt Peska*) aus einer Fraktion 150 bis 200® des 
galizischen Erdöls, durch 6 stündiges Erhitzen unter Druck bei 150^ 
mit gleichem Volumen NO3H (I, 2) u.a. eine kristallinische, in Wasser 
sehr wenig, in Alkohol sehr leicht lösliche Säure CioHgOi* 

Bevor ich den Paragraph abschließe, ist noch die Einwirkung der 
Salpetersäure auf jene hochmolekularen Kohlenwasserstoffe zu be- 
sprechen, aus denen die sog. Zwischenöl- und Schmierölfraktionen be- 
stehen und deren Konstitution noch ganz unbekannt ist. Diese Kohlen- 
wasserstoffe lassen sich im allgemeinen verhältnismäßig leicht nitrieren ; 
bei der Behandlung mit dreifachem Volumen Salpeterschwefelsäure 
haben z. B. Edeleanu und Gane^) aus der Gasölfraktion des pennsyl- 
vanischen Erdöls (also eines Erdöls, das an eigentlichen aromatischen 
Kohlenwasserstoffen sehr arm ist) 41^0 Nitroprodukte erhalten; und 
noch viel weitgehender werden die höheren Fraktionen von solchen 
Erdölen nitriert, die schon in ihren niedrigeren Fraktionen an aroma- 
tischen Kohlenwasserstoffen reich sind; so z. B. geben die höheren 
Fraktionen einiger rumänischer Erdöle bis OO^q, die Gasölfraktion des 



1) Trudi' Bakuer Techn. Ges. 1909, Nr. 5. 

2) Berichte 1899, 1769. 

3) 1. c. 

4) Chem.-Ztg. Rep. 1898, 126. 
ß) Rev. g6n. petr. 1910, 393. 



Bestandteile der Erdöle. 43 

Java-Erdöls gar IIO^q Nitroprodukte. Interessante Resultate hat 
Edeleanu^) bei der Nitrierung rumänischer Erdölfraktionen mit 
konzentrierter Salpetersäure, resp. mit Salpetersäure-Schwefelsäure 
erKalten; es bilden sich im ersten Falle Mono-, im zweiten Di- und 
Triiiitroderivate ; in Gegenwart von Schwefelsäure läuft die Reak- 
tion ruhiger ab und ist die Oxydation schwächer. Die Nitroprodukte 
sind, je nach der Fraktion, hart oder plastischweich, gelb bis dunkel- 
braun gefärbt, lösen sich leicht in Alkohol, Benzol u. dgl. und bleiben 
beim Verdunsten des Lösungsmittels in Form von festen, elastischen, 
glänzenden und von Säuren nicht angreifbaren Häutchen zurück; der 
Stickstoff gehalt variiert zwischen 9 und 13 y^; sie lassen sich schwer 
reduzieren; gegen verdünnte Alkalien sind sie in der Kälte beständig; 
beim Erhitzen dagegen und durch konzentrierte Alkalien schon bei ge- 
'wöhnlicher Temperatur werden sie sehr heftig angegriffen, unter Bildung 
von braunen bis braunschwarzen Farbstoffen; verschiedene Farbstoffe 
können aus diesen Nitroprodukten auch durch Verschmelzen mit Schwefel 
und Schwefelnatrium erhalten werden. Die Hoffnung Edeleanus, 
daß diese Nitrokörper eine vielseitige technische Verwendung (als Lacke 
und Farbstoffe, zur Fabrikation von Sicherheitssprengstoffen, Zelluloid 
u. dgl.) finden könnten, hat sich allerdings bisher noch nicht erfüllt. 
Ähnliche Resultate sind neuerdings auch von Marcusson^), sowie 
von Freund^) gefimden worden. Marcusson nitrierte russische und 
amerikanische Schmieröle und erhielt aus den ersteren 23 bis 25,5^0» 
aus den letzteren 28,1 bis 45,3^0 Nitro-, nach dem Stickstoff gehalt zu 
urteilen, Dinitroprodukte, als gelbe Staubpulver, die sich durch Fällung 
mit Benzin aus Benzollösungen je in zwei Teile — unter und über 100® 
schmelzend — scheiden ließen. Zur Linderung der Reaktion wurden 
die öle mit Benzin verdünnt und bei — 10® in rauchende Salpetersäure 
(1,52) eingetropft. 

Freund arbeitete mit galizischen Destillaten und fand auch hier, 
daß die Ausbeute an Nitroprodukten mit der Höhe der Fraktion stark 
zunimmt (aus einem Destillat 0,858 wurden 5,8®/q, aus eiaem konzen- 
trierten Destillat 0,940 — bis 48, 8®/o Nitroprodukte erhalten). Sehr 
interessant ist die Beobachtung, daß die Ausbeute an Nitroprodukten 
bei eiaer bestimmten Temperatur ein Maximum erreicht; aus der Frak- 
tion 0,940 sind nämlich (mit 3 Teilen eines Gemisches von 1 Volumen 
NO3H 1,492 und 5 Volumen SO^Hg (1,836)) folgende Ausbeuten an 
Nitroprodukten erzielt worden: 

Temperatur 20« 40^ 50^ 60^ 70<^ 

Ausbeute in Vo 2 60 43 12 9 

Schwefelsäure. Die Einwirkung von Schwefelsäure bildet die 
Grundlage der üblichen Raffination der Erdölprodukte und wird da- 
her im Abschnitte über die Fabrikation eingehend besprochen werden. 

^) Compt. rend. du II. Congr^s de pötrole ä Liöge 1905. 

2) Chem.-Ztg. 1911, 742. 

3) Zeitsohr. f. angew. Cham. 1912, 358. 



44 Chemie. 

Sehwefel. Die Einwirkung von Schwefel auf Kohlenwasserstoffe 
ist noch sehr wenig untersucht worden, es scheint aber, daß selbst 
naphthenische und paraffinische Kohlenwasserstoffe ihr verhältnis- 
mäßig leicht unterliegen. Allerdings scheinen die niederen Paraffin- 
kohlenwasserstoffe gegen Schwefel ziemlich widerstandsfähig zu sein; 
denn z. B. konnte Spanier i) selbst nach 24 stündigem Erhitzen von 
n-Hexan mit Schwefel im zugeschmolzenen Rohr bei 210® so gut wie 
keine Wirkung konstatieren. Dagegen reagieren die höheren Paraffine 
und besonders das Vaselin mit Schwefel verhältnismäßig leicht. Pro- 
thiere*) erhielt beim Zusammenschmelzen von 30 g Vaselin mit 70 g 
Schwefel über 48 Liter Schwefelwasserstoff und empfiehlt sogar diese 
Reaktion als eine Darstellungsweise für dieses Gas ; leider gibt er nicht 
an, was dabei aus dem Paraffin, resp. Vaselin wird. Naphthene werden 
beim Erhitzen mit Schwefel in zugeschmolzenen Röhren in entsprechende 
Benzolderivate übergeführt; auf diese Weise erhielt z. B. Markowni- 
kow^) mit guter Ausbeute m-Xylol aus Oktonaphthen. Relativ leicht 
reagieren mit Schwefel die ungesättigten Kohlenwasserstoffe, selbst 
die niedrigmolekularen. Nach 24 stündigem Erhitzen des Hexylens 
mit Schwefel bei 210® fand Spanier, daß fast die ganze Menge des 
Kohlenwasserstoffes in die Reaktion eingetreten war. Es bildete sich 
sehr viel Schwefelwasserstoff, der dann auch weiter während der ganzen 
Dauer der Destillation des Reaktionsproduktes entwich; es destillierte 
eine widerlich riechende, braungelbe, teerige Flüssigkeit über, und es 
hinterblieb ein kohliger Rückstand. Noch leichter, bereits bei 180*^, 
reagieren mit Schwefel die höheren Erdölfraktionen, die Schmieröle. 
Interessant ist auch die Beobachtung V. Meyers, daß beim Durch- 
leiten von Petroleumbenzindämpfen über glühenden Schwefelkies sich 
Thiophen bildet*). 

Die Einwirkung von Schwefel auf Erdölprodukte scheint auch von 
technischer Seite Interesse zu bieten. So stellte Jacobsen^) in den 
achtziger Jahren durch Erhitzen von Mineralölen mit Schwefel bei 
215® sog. ,,Thiole" dar, die stark antiseptische Eigenschaften besitzen; 
es sind meist geblich gefärbte, je nach dem Ausgangsprodukt flüssige 
oder feste, schwefelhaltige, in Wasser unlösliche, in Alkohol, Benzin usw. 
leicht lösliche Körper ; der Schwefel ist in den Thiolen sehr fest gebunden ; 
durch Behandlung mit konzentrierter Schwefelsäure oder Chlor- 
sulfonsäure in der Kälte lassen sie sich in ebenfalls antiseptische, wasser- 
lösliche Sulfo säuren überführen. 

Vor einigen Jahren erhielt Seidenschnur®) auf ähnliche Weise, 
durch Destillation von Rohöl in Gegenwart von Schwefel, schwefel- 
haltige Produkte (,,S-öle"), die gegen die holzzerstörenden Pilze starke 



1) Karlsruher Dissertation 1910, 31. 

2) Chem. Zentralbl. 1903, I, 492. 

3) Berichte 1887, 1850. 
*) Berichte 1885, 217. 

ß) D. R. P. 38416; Dingl. Journ. 264, 144. 
6) Chem.-Ztg. 1909, 701. 



Bestandteile der Erdöle. 45 

axitiseptische Kraft besitzen und sich daher zur Holzkoiiservierung gut 
eignen sollen. 

Schließlich sei erwähnt, daß man sich in Amerika der Einwirkung 
des Schwefels auf Erdölrückstände zur Herstellung von künstlichem 
Asphalt bedient. Näheres über diesen Prozeß ist nicht bekannt geworden. 

Reaktion von Gustavson^). Diese höchst interessante, wenn auch 
leider bisher noch sehr unvollständig untersuchte Reaktion besteht 
iii der Einwirkung des gasförmigen Bromwasserstoffs auf Kohlen- 
wasserstoffe in Gegenwart von Aluminiumbromid. Wenn man Alu- 
miniumbromid in verschiedenen Erdölprodukten (in der 67 bis 70®- 
Fraktion des pennsylvanischen Benzins, in Paraffin, in verschiedenen 
Fraktionen des gewöhnlichen russischen Kerosins) auflöst und Brom- 
^wasserstoffgas einleitet, so tritt die Reaktion schon bei gewöhnlicher 
Temperatur ein, und es bilden sich bald zwei Schichten. Merkwürdiger- 
vi^eise hat die untere Schicht — ein dickes, orangegefärbtes, in Kohlen- 
wasserstoffen und auch in Schwefelkohlenstoff unlösliches öl — in 
allen Fällen wesentlich eine und dieselbe, der Bruttoformel AlBr3C4Hg 
entsprechende Zusammensetzung. Mit Wasser zusammengebracht, 
erleidet das öl eine weitgehende Zersetzung und ergibt ein kampfer- 
artig riechendes Gemisch, das zwischen 150 bis 300^ und darüber 
siedet, und mit Brom energisch reagiert. Die Bromwasserstoffsäure 
findet sich nach der Zersetzung des Öles mit Wasser in unveränderter 
Menge wieder. Neben Öligen Reaktionsprodukten werden auch gas- 
förmige Kohlenwasserstoffe, hauptsächlich gesättigte, aber auch un- 
gesättigte, gebildet. Je komplizierter die Kohlenwasserstoffmoleküle, 
also je höhere Erdölfraktion man nimmt, um so leichter geht die be- 
schriebene Reaktion vor sich. Dasselbe Reaktionsprodukt scheint auch 
bei der Einwirkung von Aluminiumbromid und Bromwasserstoff oder 
auch Aluminiumbromid und Athylbromid auf das Äthylen zu entstehen. 

Friedel-Crafftsche Reaktion. Die große Bedeutung dieser Reak- 
tion für verschiedene Synthesen in der aromatischen Reihe ist wohl 
genügend bekannt. Hier mag nur darauf hingewiesen werden, daß 
sie auch bei den Naphthenen ausgeführt werden kann. So z. B. 
wurden von Zelinsky^) aus der 119 — 120^ Fraktion des Bakuschen 
Kerosins ein Keton C^Hi^COCHg, aus der 100—1020 Fraktion ein 
Keton CyHigCOCHg, aus der 80 — 82 ^ Fraktion zwei isomere Ketone 
CßHijCOCHg (ein Hexamethylen- und ein Methylpentamethylenderivat) 
dargestellt. Auch olefinische Kohlenwasserstoffe vermögen mit Säure- 
chloriden in Gegenwart von Aluminiumchlorid Kondensationsprodukte 
zu bilden; so gelang es Zelinsky, Trimethyläthylen (CH3)C = CHCH3 
in das entsprechende ungesättigte. Keton 

. ... ^ ''' \COCH3 

überzuführen. 



1) Journ. russ. phys.-chem. Ges. 1881, 149; 1884, 214; J. prakt. Ch. 04, 161. 

2) Journ. russ. phys.-chem. Ges. 1899, 402. 



46 Chemie. 

Formolitreaküon. Mit diesem Namen bezeichnete Nastjukow^j 
die von ihm aufgedeckte, sehr interessante Reaktion der Kohlen- 
wasserstoffe mit Formaldehyd und konzentrierter Schwefelsäure. 
Wird eine Erdölfraktion in Gegenwart von 1 Volumen konzentrierter 
SO4H2 in kleinen Portionen und unter Schütteln mit Vg Volumen 
Formalin versetzt, so entsteht sofort ein Niederschlag, der nach Aus- 
waschen mit viel Benzin, Wasser und Ammoniak ein gelbbraun bis 
dunkelbraun gefärbtes, in üblichen Lösungsmitteln höchstens spuren- 
weise lösliches Pulver darstellt. Die Ausbeute an solchem „Formolit" 
oder, wie Nastjukow diese Ausbeute nennt, die „Formolitzahl" wächst 
mit der Höhe der Fraktion; aus russischen Maschinenölen erhielt 
Nastjukow 42,6 bis 60,3, aus Zylinderölen 58,6 bis 81,3Vo Formolit; 
die amerikanischen Schmieröle ergaben noch größere Formolitzahlen: 
Maschinenöle 72,7 bis 86,3, Zylinderöle sogar bis 97. Es muß aber be- 
merkt werden, daß die Formolitzahl eines und desselben Öles nicht nur 
mit dem Mengenverhältnis der Reagenzien, sondern auch mit solchen 
Versuchsbedingungen, wie Temperatur, Art der Mischung u. dgl., sehr 
stark variiert, und daher verschiedene Autoren für gleichartige Produkte 
ganz andere, nämlich viel niedrigere Formolitzahlen, als Nastjukow 
selbst, gefunden haben, so z. B. Marcusson^) für russische Schmieröle 
10,4 bis 24,4, für amerikanische 28,9 und 30,0. Sehr gut übereinstim- 
mende Zahlen lassen sich nach folgender, von Schmitz^) angegebener 
Arbeitsweise erhalten: man versetzt 50 ccm öl mit 25 ccm Formalin 
und läßt, unter Kühlung bis — 5® und unter ständigem Mischen, z. B. 
mit dem Witt sehen Rührer, 60 ccm SO4H2 vom spez. Gewicht 1,84 
während ca. V-/^ Stunden zutropfen; man läßt einige Stunden in Eis 
stehen, neutralisiert mit Ammoniak, wäscht gut mit Wasser und Benzin 
aus und trocknet. Man erhält auf diese Weise selbst aus schweren ölen 
nur hellgelb (und nicht braun) gefärbte Niederschläge. Marcusson 
empfiehlt, das mit Formalin und Schwefelsäure zu behandelnde öl mit 
Benzin zu verdünnen. 

Die nach der von Nastjukow angegebenen Arbeitsweise ohne 
Kühlung dargestellten festen Formolite enthalten viel Schwefel und 
Sauerstoff (z. B. hatte ein Formolit aus Spindelöl die Zusammen- 
setzung : 75,860/0 C, 10,400/0 H, 6,980/0 S und 6,66 Vo 0) ; durch Mäßigung 
der Reaktion, nämlich durch Verringerung der Mengen von Formalin 
und Schwefelsäure und durch Kühlung des Gemisches gelang es 
Nastjukow*), auch flüssige und schwefelfreie Kondensationsprodukte 
zu erhalten. Aus einer zwischen 200 bis 250® siedenden Kerosinfraktion 
vom spez. Gewicht 0,8414 und mit Formolitzahl 12 wurde z. B. auf 
diese Weise ein über 250^ siedendes flüssiges, in Benzol u. dgl. lös- 
liches Formolit, mit einer Ausbeute von etwa 19^/^^, gewonnen; wieder- 

1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1904, 881; Trudi Bakuer Techn. Ges. 1908, 
Nr. 6. 

2) Chem.-Ztg. 1911, 729. 

3) Monit. p6tr. roum. 1911, 935; vgl. auch Severin, ibid., 797. 
*) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1910, 1596. 



Bestandteile der Erdöle. 47 

holte FraktioDierung dieses Produktes in vacuo ergab ein ziemlich 
konstant bei 186 bis 188® (bei 50 mm Hg) siedendes Ol vom spez. Ge- 
Avicht 0,8498 ; Elementaranalyse und Molekulargewichtsbestimmung 
dieser Verbindung stimmen gut mit der Formel C^f^B.2s; gegen Jod, 
Brom und Permanganat verhält sie sich wie eine gesättigte Verbindung; 
mit Formalin und Schwefelsäure reagiert sie weiter, unter Bildung 
eines, dem zuerst besprochenen Typus angehörenden, d. h. festen und 
unlöslichen Formolits. Neben diesem flüssigen Formolit bildet sich auch 
etw^as des festen, das aber von den zuerst erwähnten festen Formoliten 
insofern verschieden ist, als es sich in Benzol u. dgl. leicht auflöst imd 
keinen Schwefel enthält. Die Reaktion zwischen den Erdölkohlen- 
wasserstoffen und Formalin und Schwefelsäure ist somit eine sehr 
komplizierte und die Konstitution und Bildungsweise der Formolite 
noch ganz unbekannt. Selbst das einfachste soeben beschriebene For- 
molit CigHoj^ kann nicht nach einem einfachen Schema 

entstanden sein, da die Fraktion 200 bis 250® keine Kohlenwasserstoffe 
mit 7 Atomen Kohlenstoff enthält. 

Der Wert der Formolitreaktion liegt darin, daß sie, wenigstens für 
die niederen Glieder der homologen Reihen, spezifisch ist; es reagieren 
nämlich mit Formalin unter Niederschlagbildung weder paraffinische 
Kohlenwasserstoffe, noch Naphthene, noch Olefine^), sondern nur 
aromatische und teilweise hydrierte aromatische Kohlenwasserstoffe 
(also Terpene, Naphthenylene usw.) ; die Formolitreaktion kann somit 
zur Identifizierung und Scheidung verschiedener Kohlenwasserstoff- 
gruppen von großem Nutzen sein ; allerdings ist nicht zu vergessen, daß 
solcher spezifische Charakter der Reaktion eben nur an den niederen 
Gliedern der homologen Reihen festgestellt wurde ; ob auch die höheren, 
besonders die verzweigten Glieder sich dieser Regelmäßigkeit fügen, ist 
durchaus nicht als erwiesen zu betrachten. Die Schlüsse, die von verschie- 
denen Autoren aus dem Verhalten der höheren Erdölfraktionen gegen For- 
malin in bezug auf die chemische Natur dieser Fraktionen gezogen werden, 
müssen daher vorläufig mit großer Reserve aufgenommen werden. 

Nach den Untersuchungen von Herr^) kann das Formaldehyd 
vorteilhaft durch Methylal (nicht aber durch Benzaldehyd!) ersetzt 
werden, da dieses in Mineralölen löslich ist und daher glatter und regel- 
mäßiger reagiert. Mit allen Mineralölen ergibt Methylal größere Aus- 
beute am Kondensationsprodukt als Formalin; so z. B. bildet es einen 
Niederschlag mit Bakuschem Benzin (0,715,) während Formalin mit 
diesem gar nicht reagiert*); im ganz leichten, bis öO® siedenden Benzin 

1) Diese vermögen übrigens, wie Severin gefunden hat, mit Formalin 
flüssige Kondensationsprodukte zu bilden. 

2) Chem.-Ztg. 1910, 893. 

3) Diese Angabe Herrs kann ich keineswegs bestätigen; vielmehr entstehen 
auch in gut gereinigtem, leichtem Bakuschen Benzin bei der Behandlung mit 
Formalin und Schwefelsäure eine intensive Botfärbung, und es scheidet sich 
ein allerdings spärUcher Niederschlag aus. 



48 Chemie. 

ruft Methylal schon nach Zusatz von nur ÜjOSy^ Benzol eine lebhafte 
Rotfärbung hervor. Wie mit Forraaldehyd verläuft auch hier die Reak- 
tion verschieden, je nachdem, ob man mit oder ohne Kühlung arbeitet: 
im ersten Falle bildet sich das Kondensationsprodukt in kleinerer Menge, 
als im zweiten, ist in Chlorbenzol löslich und enthält weniger Schwefel 
und Sauerstoff. 

Polymerisation. Die Fähigkeit zur chemischen Polymerisation, d. h. 
zum Verschmelzen zweier oder mehrerer Moleküle zu einem größeren 
Molekül von komplizierterer Struktur, kommt nur ungesättigten 
Kohlenwasserstoffen und überhaupt ungesättigten Verbindungen zu, 
da es eben die Doppel- (oder die dreifachen) Bindungen sind, die durch 
ihre Lösung und gegenseitige Absättigung solche Verschmelzung er- 
möglichen. Manche ungesättigte Kohlenwasserstoffe vermögen schon 
bei gewöhnlicher Temperatur und ohne Mitwirkung irgendwelcher 
Reagenzien zu polymerisieren ; so z. B. geht Zyklopentadien 

CR 



'2 



/ 



HC CH 

II- II 
HC-CH 

beim Stehen bei gewöhnlicher Temperatur in Dizyklopentadien 

CHg CHg 

HC CH-HC CH 

II I I II 

HC-CH— HC — CH 

über ; die Polymerisation von Styrol C^HjCH = CHj, zu Metastyrol 
geht so energisch vor sich, daß sie unter bedeutender Temperatiu"- 
steigerung geschieht. Durch Erwärmung wird die Polymerisation im 
allgemeinen stark beschleunigt und auch weiter getrieben; so z. B. 
läßt sich das Dizyklopentadien durch Erwärmen und höheren Druck 
weiter, bis zur Bildung eines harten, dem Bernstein täuschend ähnlichen 
Harzes polymerisieren. Auch ungesättigte Kohlenwasserstoffe der 
Fettreihe vermögen oft schon ohne Mitwirkung von chemischen Rea- 
genzien zu polymerisieren; so wurde z. B. von Engler ^) aus einem 
Hexj^en mit spez. Gewicht 0,6870 und Siedepunkt 67 bis 68** durch 
14tägiges Erhitzen bei 360 bis 365® im zugeschmolzenen Rohre ein 
Produkt vom spez. Gewicht 0,7282 und mit Siedegrenzen 67 bis 240° 
erhalten; die Bromzahl war dabei von 32 auf 21,1 gesunken, was auch 
auf stattgefundene Polymerisation, d. h. gegenseitige partielle Ab- 
sättigung der Doppelbindungen hinweist. 

Die Polymerisation von ungesättigten Kohlenwasserstoffen, die 
an und für sich bei gewöhnlicher Temperatur nicht polymerisieren, kann 
durch verschiedene Katalysatoren hervorgerufen, resp. sehr stark be- 



1) Petroleum 2, 915. 



Bestandteile der Erdöle. 49 

schleunigt werden; als solche Katalysatoren sind seit langem Schwefel- 
säure, Aluminiumchlorid u. a. bekannt. Wie ich gefunden habe^), ver- 
mögen die ungesättigten Kohlenwasserstoffe auch in Gegenwart von 
feinporösen Stoffen, wie sog. Bleicherde, Blutkohle u. dgl., bei ge- 
"wöhnlicher Temperatur zu polymerisieren ; so z. B. geht Amylen sehr 
leicht in Di- und Triamylen über. 

Was nun die Polymerisationserscheinungen innerhalb der eigent- 
lichen Erdölderivate betrifft, so muß zugestanden werden, daß wir 
hier nur über Indizien solcher Vorgänge verfügen, die Vorgänge selbst 
aber noch ganz unaufgeklärt sind. So fand Eng 1er 2), daß das spez. 
Gewicht eines galizischen Destillats beim Aufbewahren in einer gut 
verschlossenen Flasche im Laufe einiger Tage von 0,8601 auf 0,8612 
gestiegen war; noch viel bedeutender — von 0,8912 auf 0,9008 — war 
das Steigen des spezifischen Gewichts bei einem anderen Destillat, aus 
Java-Erdöl. Ubbelohde beobachtete beim Aufbewahren eines frisch 
destillierten Mineralschmieröls in verschlossener Flasche nach drei 
Monaten ein Wachsen der Zähigkeit um 2^0, nach einem weiteren Monat 
noch um 0,4^0*). Ähnliche Veränderimgen können nach sehr langem 
Aufbewahren auch in gereinigten ölen auftreten; an einem, seit dem 
Jahre 1889 in einer gut verschlossenen Flasche und im Dunkeln auf- 
bewahrten, gut gereinigten Maschinenöl habe ich das Anwachsen des 
spez. Gewichts von 0,906 auf 0,9091 und der Viskosität von 7,72 auf 
7,86 (nach Nobel-Lamansky) konstatiert. Condrea*) stellte an 
verschiedenen rumänischen Kerosindestillaten eine rapide und ziem- 
lich bedeutende Abnahme der Bromadditionsfähigkeit fest; die Ab- 
nahme war, wie auch zu erwarten, um so stärker, je höher die ursprüng- 
liche Bromzahl und betrug schon nach Verlauf von 40 Stunden bis 
13^0 des ursprünglichen Wertes. Meyerheim*) wies in dunklen 
Eisenbahnölen nach längerem Aufbewahren eine beträchtliche Zu- 
nahme des Asphaltgehalts nach®). Wenn somit alle diese Beobachtungen 
beweisen, daß die ungesättigten Verbindungen der Erdölprodukte zur 
Selbstpolymerisation neigen, so ist über den Verlauf dieser Vorgänge 
selbst noch gar nichts bekannt. Auch ist die Frage noch nicht aufgeklärt, 
inwieweit die eigentliche Polymerisation bei den Erdölprodukten von 
praktischer Bedeutung ist; es ist wahrscheinlich, daß ihre Rolle jeden- 
falls hinter derjenigen der Oxydationsprozesse weit zurückbleibt; so 

1) Zeitschr. Kolloidch. 11, 17. 

2) Berichte 1897, 2358. 

3) Petroleum 2, 915. 

*) Rev. p6tr. 1911, 61. 

s) Chem..Ztg. 1910, 454. 

^) Ähnliche Zunahme des Gehaltes an benzinunlöslichem Asphalt hat Holde 
nach längerem Aufbewahren in einem Rohöl von Wietze konstatiert; es erscheint 
aber als wenig wahrscheinlich, daß in einem Rohöl, dessen Geschichte ja nach 
Jahrtausenden zählt, noch solche Verbindungen geblieben sein sollen, die dann 
noch zur weiteren Polymerisation innerhalb weniger Jahre fähig wären; es ist viel 
wahrscheinlicher (auf welche Möglichkeit übrigens auch Holde selbst hinweist), 
daß die Asphaltzunahme durch den Luftsauerstoff, der in der zeitweilig zur Probe- 
entnahme geöffneten Flasche über dem Erdöl vorhanden war, bewirkt wurde. 

Gurwibsch. 4 



50 Chemie. 

z. B. ißt die bei den Zylinderölen gefürchtete und besonders bei schlecht 
gereinigten ölen vorkommende Asphaltisierung und Bildung von Rück- 
ständen wesentlich als ein synthetisch oxydativer und nicht rein poly- 
merisierender Prozeß aufzufassen; denn z. B. Schreiber^) stellte fest, 
daß ein Zylinderöl, das nach 24 stündigem Erhitzen bei 280® unter 
Luftzutritt zu einer festen, pergamentartigen Schicht verharzte, unter 
gleichen Bedingungen ohne Luftzutritt, in reiner Wasserdampfatmo- 
sphäre, ganz flüssig und auch sonst fast unverändert geblieben war. 
Eine sehr wichtige Rolle scheinen dagegen die Polymerisationsvorgänge 
in der Bildungsgeschichte der Erdöle gespielt zu haben, da die hoch- 
siedenden Schmierölfraktionen sich höchstwahrscheinUch durch Polv- 
merisation der ungesättigten Kohlenwasserstoffe des Protopetroleums 
gebildet haben. 

Ganz neuerdings haben Zaloziecki und Zielinsky^) interessante 
Versuche über die Polymerisierung und Asphaltbildung in Erdölen 
angestellt. Das Ausgangsprodukt war ein asphaltfreies galizisches 
Rohöl vom spez. Gew. 0,8539, mit 85,29% C, 14,41 % H, 0,19 %S 
und 0,11^ Iq O. Das öl wurde mit 5^/^ eines Reagens versetzt und 
folgenderweise behandelt: a) 4 Wochen lang bei gew. Temp. im Dunkeln 
gehalten; b) 80 Tage bei gew. Temp. dem Sonnenlicht ausgesetzt; 
c) 156 Stunden im Wasserbade erhitzt; d) 35 Stunden in zuge- 
schmolzenem Rohr bei 140® C erhitzt. Folgende Resultate sind er- 
halten worden: 



Beagei 


OS 


a 


b 


-/Q uco xw 



UVJ0 

d 


FeCa, 


0,87 


2,12 


1,13 


0,64 


CijHj.ONa 


0,28 


0,322 


0,70 




AlCl, 


1,28 


3,46 


7,94 


6,28 


ZnClj 


0,63 


3,06 


2,10 


2,48 


P.O. 


4,44 


3,17 


5,37 


3,80 


Cu,Cl, 


0,86 


1,12 


1,24 


0,96 


A1C1,H 


hS 








6,37 


AlCl, - 


-P 








6,33 



Als wirkungslos erwiesen sich dagegen: Na, Na^COg, MnOg, NagS, 
S, BaS, BagOa ^^^ P- ^^^ größte Ausbeute an Asphalt — 10,28 ^/^ — 
wurde erhalten durch 60 stündiges Erhitzen bei 150 — 155® mit 5^0 
AICI3. Von diesem Asphalt lösten sich 6,04®/^ in Benzol auf, 0,14^0 
in CS2, 4,10Vo ^ CHCI3. 

Lichtwirkung. Alle Erdölprodukte sind dem Einflüsse des 
Lichtes mehr oder weniger leicht zugänglich. Dieser Einfluß erstreckt 
sich sowohl auf verschiedene Reaktionen der Mineralöle mit anderen 
chemischen Körpern, wie auch auf reine Mineralöle an und für sich. Was 
den ersten Punkt betrifft, so sind es hauptsächlich Oxydationsprozesse, 
die, wie wir schon gesehen haben, durch Lichtwirkung stark beschleunigt 

1) Zeit, angew. Ch. 1910, 454. 

2) Verb. Intern. Kongr. Ang. Ch. 1912; nach Joum. Soo. Chem. Ind. 1912, 863. 



Bestandteile der Erdöle. 



51 



Tverden (vgl. auch weiter Kapitel über die Schwefelsäureraffination). 
Aber auch in Abwesenheit von Sauerstoff oder jedenfalls ohne freien 
Luftzutritt übt das Sonnenlicht einen ziemlich bedeutenden Einfluß 
auf viele Mineralöle aus. Das allgemeine Resultat einer längeren Licht- 
wirkung, sowohl mit, wie ohne freien Luftzutritt, ist stets ein Vergilben 
der Mineralöle. Dauert aber die Belichtung nur kurze Zeit, so kann sie 
umgekehrt eine Aufbesserung der Farbe des Mineralöls zur Folge haben. 
Sehr interessante Versuche hat darüber Ostrejko^) angestellt. Ein 
Kerosin, dessen Farbe ursprünglich mit 115 mm einer bestimmten 
Farbenskala bemessen wurde, zeigte nach verschiedener Belichtungs- 
dauer (direktes Sonnenlicht) folgende Farbenwerte: 

nach 



V4 Stunde 


132 mm 


V2 » 


133 „ 


¥4 » 


139 „ 


1 


133 „ 


IV. ,, 


120 „ 


1V2 ,, 


111 „ 


2 


96 „ 


3 


71 „ 



usw. 

Nach y 4 stündiger Belichtung war somit eine ziemlich bedeutende 
Farbenaufbesserung eingetreten, der aber dann eine Vergilbung folgte. 
Besonders interessant ist aber, daß das Kerosin, das gleich nach Er- 
reichen der maximalen Farbenaufbesserung durch Belichtung, wieder 
ins Dunkle gebracht wurde, hier dennoch nachdtmkelte und nach 3 Tagen 
sogar viel gelber wurde, als es vor der Belichtung war: die ursprüng- 
liche Farbe des Kerosins betrug 121 mm, nach 35 Minuten im Sonnen- 
lichte 152 mm, dann im Dunkeln über Nacht 115 mm, nach weiteren 
24 Stunden 106 mm, nach folgenden 24 Stunden 96 mm; wir haben 
hier einen interessanten Fall einer sehr nachhaltenden photochemischen 
Induktion vor uns. 

Wird die Belichtung fiüher unterbrochen, als das Maximum der 
Entfärbung erreicht worden ist, so kann diese photochemische Induktion 
auch ausbleiben und das belichtete Produkt den erreichten Grad der 
Entfärbung dauernd behalten. Es ist ja bekannt, daß das Bleichen 
mittels Sonnenlicht in der Industrie der Wachse, vegetabilischen öle 
usw. eine bedeutende Rolle gespielt hat und zum Teil noch spielt. In der 
Erdölindustrie ist diese Methode weniger verbreitet, wird aber doch hie 
und da (z. B. in Nordamerika bei der Herstellung von hellen Schmier- 
ölen) benutzt. Der Chemismus der sich hier abspielenden Prozesse ist 
leider noch ganz unbekannt; daß die Mitwirkung von Sauerstoff dabei 
nicht unumgänglich ist, zeigen Versuche von S t o b b e *) , der fand, daß durch 
die Lichtwirkung solche Prozesse, bei denen ungesättigte Verbindungen 
sich unter Aufhebung der Doppelbindungen dimerisieren, beschleunigt. 



1) Tnidi Bakuer Techn. Ges. 1896, Nr. 2—4. 

2) Berichte 1911, 960. 



4* 



52 Chemie. 

resp. erst realisiert werden können. Da die Doppelbindungen zu den 
Chromophoren gehören, so kann solche Dimensation eine Entfärbung 
zur Folge haben; so z. B. fand Stobbe, daß das gelbe Cinnamylidenace- 
tophenon C5H5COCH2CH = CHC^Hg unter der Lichteinwirkung in 
das farblose dimere Diketon 

CeHjOOCHjjCH-CHCeH, 

I I 
C.H^COCHaCH-CHCeH, 

übergeführt wird. 

Durch die Einwirkung von Licht können auch andere Reaktionen 
realisiert oder befördert werden, so z. B. die Absorption durch Petroleum 
von Stickstoff und Wasserstoff (Ostrejko, 1. c.) ; ob dabei eine einfache 
Lösung oder auch chemische Bindung stattfindet, ist übrigens nicht 
bekannt. 

Auf sehr dunkle Öle scheint die Belichtung unter gewöhnlichen 
Umständen keinen Einfluß auszuüben; wenigstens fand Meyerheim ^) 
nach achtmonatlichem Aufbewahren zweier dunkler Eisenbahnöle im 
Dunkeln und im zerstreuten Tageslichte fast dieselbe Zimahme des 
Asphaltgehaltes; die Belichtung wäre somit hier ohne Einfluß auf den 
Polymerisationsvorgang geblieben; dieses läßt sich wohl dadurch 
erklären, daß das Licht, eben infolge der sehr dunklen Farbe der öle, 
nur in die äußersten Schichten durchdringen konnte ; es wäre daher inter- 
essant, ähnliche Versuche mit dunklen ölen in dünnen Schichten oder 
in Bewegung zu wiederholen. 

Was die spezifische Wirkungsweise verschiedener Lichtstrahlen- 
arten betrifft, so scheint aus den wenigen Versuchen von Ostrejko 
zu folgen, daß hier, wie bei den meisten photochemischen Reaktionen, 
die blaue Hälfte des Spektrums viel aktiver ist als die rote. Es wäre 
daher höchst interessant, auch den Einfluß der vermutlich noch viel 
aktiveren ultravioletten Strahlen auf Erdöle und Erdölprodukte zu 
untersuchen. 

c) Sauerstoffverbindungen. 

Der Sauerstoffgehalt der Erdöle unterliegt, selbst bei ölen derselben 
Provenienz, sehr großen Schwankungen, was in der leichten Oxydier- 
barkeit der Rohöle seine Erklärung findet. Ein gutes Beispiel solcher 
Oxydation durch Luftsauerstoff geben die Analysen der Hannoverschen 
öle von St. -Ciaire Deville; im Rohöl von Wietze aus 50 m Tiefe 
fand dieser Forscher 2,4^0 0, im öl von Oberg aus 12 m Tiefe 4,1^0 ö> 
im öl von Eddesse, von der Oberfläche geschöpft, 6,9®/o' I^i® Angaben 
über Sauerstoffgehalt können daher nur dann von Bedeutung sein, 
wenn man weiß, daß das betreffende öl frisch, oder jedenfalls unter 
Luftabschluß aufbewahrt, analysiert wurde. Leider kann man dies 
von den meisten, besonders älteren Literaturangaben nicht sagen, 
wodurch ihr Wert für die Kenntnis der Zusammensetzung der Rohöle 

1) Chem.-Ztg. 1910, 454. 



Bestandteile der Erdöle. 53 

bedeutend beeinträchtigt wird. Dieses um so mehr, als die Zahlen für 
den Sauerstoffgehalt nicht auf direktem Wege, sondern als Differenzen 
zwischen 100 und den Summen von C, H, N und S, oft sogar nur von 
und H, ermittelt werden, so daß alle Fehler der Analysen auf Rechnung 
von Sauerstoff fallen^). Es mag daher unnütz sein, hier die Analysen- 
daten verschiedener Autoren anzuführen ; der Sauerstoffgehalt von nicht 
oberflächlich gelegenen Rohölen ist im allgemeinen gering, nicht über 

Erdolsänren. Neben ganz kleinen Mengen Ameisensäure, Essig- 
säure und vielleicht noch anderer Säuren der Fettreihe bilden die sog. 
Naphthensäuren den bei weitem überwiegenden Bestandteil dieser 
Gruppe. Zum ersten Male wurden diese Verbindungen im Erdöl von 
Surachany von Eichler 2) nachgewiesen, der 12 verschiedene, näher 
aber nicht untersuchte, Säuren isolierte und ihnen die allgemeine 
Formel der Fettsäuren CmH2m02 beilegte. Fast gleichzeitig mit Eichler 
befaßten sich Hell und Meidinger*) mit dem sauren Bestandteil 
des rumänischen Erdöls, aus dem sie, nach Überführung mittels HCl- 
Gas in Äthylester, wiederholter Fraktionierung des Estergemisches und 
Verseifung des Esters, eine bei 250 bis 260® unzersetzt siedende Säure 
von Zusammensetzung C11H20O2 isolierten. Da diese Verbindung die 
Eigenschaften von ungesättigten Säuren der ölsäurereihe nicht besaß, 
eine verhältnismäßig schwache Azidität zeigte und bei der Oxydation 
mit Chromsäure oder verdünnter Salpetersäure neben Essigsäure eine 
gegen Brom beständige Säure CgHi^Og ergab, haben Hell und Mei- 
dinger für sie eine der beiden Formeln: 

O 
/ \ 
C8Hi5.CO.CH(OH).CH3 oder CgHis.CH — CH(0H).CH3 

vorgeschlagen. 

Als Laktoalkohole, z. B. nach der Formel 

CH yCJH^v 

1 >CH(CHJnCH< >CHOH 

ch/ \q/ 

wurden die, inzwischen von Markownikow mit dem Namen Naphthen- 
säuren belegten Säuren auch von Zaloziecki*) und Charitschkoff *) 



1) Die indirekten älteren Bestimmungen des Sauerstoffs in den Erdölen und 
ihren Derivaten sind um so weniger zuverläßlich, als Naphthene bei ihrer Ver- 
brennung im Analysierofen ungemein leicht Acetylen abspalten, das dann durch 
das Kupferoxyd unverändert passiert; dieser Umstand ist aber erst im Jahre 1887 
von Baeyer bemerkt worden. Durch üngenauigkeit der Analyse kann wahrschein- 
lich auch die sehr sonderbare Behauptung Markownikows und Ogloblins 
erklärt werden, die in der zwischen 220 und 230® siedenden Fraktion aus Ba- 
lachany-Erdöl nach Auswaschen mit Alkali noch 5,21®/o Sauerstoff gefunden 
haben wollen. 

2) Bull. Soc. Natural. Moscou 1874, 46, 274. 

3) Berichte 1874, 1216 und 1877, 455. 

*) Berichte 1891, 1808; Chemi-Ztg. 1892, 905. 
*) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1897, 691. 



54 Chemie. 

aufgefaßt. Den Hauptbeweis für das Vorhandensein einer alkoholischen 
Hydroxylgruppe in den Naphthensäuren sieht Zaloziecki, neben dem 
schwach sauren Charakter dieser Verbindungen, in dem Umstände, daß 
sie mit Jod und rotem Phosphor Jodide — z. B. CioH^^JO — bilden; 
außerdem lösen sie sich in konzentrierter Schwefelsäure und werden 
beim Verdünnen mit Wasser wieder ausgeschieden, was Zaloziecki 
durch Bildung von labilen Schwefelsäureestem und Rückspaltung 
dieser durch Wasser erklärt. Charitschkoff wollte die LaktonformeJ 
außerdem dadurch stützen, daß die Naphthensäuren die Bosenthaler- 
sche Reaktion zeigen und daß ihre Chiorüre gegen Wasser und Alkalien 
ziemlich beständig sind, bei der Hydrolyse aber, neben ursprünglichen 
Säuren, auch noch aromatisch riechende Verbindungen unbekannter 
Zusammensetzung ergeben. 

Diese Argumente werden aber den Gegenbeweisen von Aschan 
und Marko wnikow, die zugunsten der wahren Karboxylsäurennatur 
der Naphthensäuren sprechen, kaum Stand halten können. Mar- 
kownikow^) faßte bereits in seiner ersten Arbeit die Naphthensäuren. 
deren Zusammensetzung sich durch die allgemeine Formel CnH2n— 2O2 
darstellen ließ, als Karboxylderivate der Naphthene auf, ohne allerdings 
positive Beweise dafür vorbringen zu können. Seine späteren Arbeiten^) 
aber, sowie die Untersuchungen von Aschan^), Zielinsky*) u. a., 
lassen an dem Vorhandensein der Karboxylgruppe in den Naphthen- 
säuren kaum noch zweifeln. Vor allem spricht dafür die leichte Bildung 
von Amiden aus Naphthensäurechloriden oder Estern mit Ammoniak, 
d. h. unter Umständen, die eine molekulare Umlagerung so gut wie aus- 
schließen; daß man aber dabei wirklich Säureamide erhält und nicht 
Amidoketone oder Oxysäureamide, die sich auch aus Laktoalkoholen 
bilden könnten, beweist ihre leichte Überführbarkeit in Amide nach 
der Hofmannschen Reaktion (Einwirkung von Hypobromit) ; aus dem 
Amid der Oktonaphtensäure C7H13.CONH2 hat Aschan auf diese 
Weise ein Heptanaphthenamin C7H13NH2 erhalten; ebenso konnte 
Markownikow die Heptanaphthensäure CgHu.COgH durch das Amid 
CgHii.CONHg in ein Hexanaphthenamin CgHiiNHg überführen, das 
sich mit dem aus Methylpentamethylen durch Nitrierung und Re- 
duktion erhaltenen Amin CH3.C5Hg.NH2 als identisch erwies. Die 
Amide können auch durch Destillation mit Phosphorsäureanhydrid 
in entsprechende Nitrile übergeführt werden, die beim Kochen mit 
verdünnter SO^H^ die ursprünglichen Säuren wieder ergeben. 

Nicht weniger schwer wiegt zugunsten der Karboxylformel die 
Tatsache, daß die Naphthensäuren mit so großer Leichtigkeit 
mit Alkoholen zu Estern und mit Glyzerin zu i^lyzeriden zusammen- 
treten, was. weder Alkohole, noch Laktoalkohole tun. Schließlich 

spricht das ganze Verhalten der Naphthensäuren bei der Salzbil- 

" 

1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1888. 

2) Berichte 1897, 1224; Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1887, 156; 1899, 241. 

3) Berichte 1890, 867; 1891, 2710; 1892, 3661. 
*) Berichte 86, 2687. 



Bestandteile der Erdöle. 55 

düng für ihre Karboxylsäurenatur: sie lassen sich in alkoholischer 
Lösung in Gegenwart von Phenolphthalein mit fixen Alkalien ziem- 
lich scharf titrieren; ihre Alkalisalze ähneln in ihrem Seifencharakter 
<iexi Alkalisalzen der Fettsäuren ; durch doppelten Umsatz mit Salzen der 
Erdalkalien oder der Schwermetalle lassen sich die Alkalisalze in ent- 
sprechende Salze anderer Metalle überführen; alle Schwermetallsalze 
sind sehr beständig, lassen sich mit Wasser Tinzersetzt kochen usw. 
Was die schwache Azidität der Naphthensäuren betrifft, so ist zu berück- 
sichtigen, daß auch die höheren Fettsäuren keine starke Azidität besitzen 
und daher in wässriger Lösung mehr oder weniger bedeutende Hydrolyse 
zeigen; allerdings werden die wässrigen Lösungen der Fettsäuresalze 
d-Tirch Kohlensäure unter Atmosphärendruck nicht zersetzt, während 
die Lösungen der Naphthensäuresalze dabei eine partielle Zersetzung 
erleiden; dies braucht aber nicht durchaus als das Zeichen einer viel 
schwächeren Azidität zu gelten, sondern kann auch verschiedene Lös- 
lichkeitsverhältnisse zur Ursache haben; die Tatsache, daß Naphthen- 
säuren umgekehrt aus kohlensauren Salzen Kohlensäure vertreiben und 
sogar aus trocknen Chloriden bei gewöhnlicher Temperatur etwas Salz- 
säure verdrängen, beweist vielmehr, daß ihre Azidität nicht abnorm 
schwach ist. 

Wenn man nun noch bedenkt, daß Naphthensäuren weder Brom- 
oder Chlorwasserstoff addieren, noch der Einwirkung vom kalten 
Permanganat unterliegen, noch zu entsprechenden Laktonen sich 
oxydieren lassen und überhaupt in ihrem Verhalten der Laktoalkohol- 
formel in keiner Beziehung entsprechen, so wird man diese zugunsten 
der Karboxylsäureformel wohl aufgeben müssen. 

Eine andere, bisher noch nicht endgültig gelöste Frage ist die über die 
Natur des mit dem Karboxyl verbundenen Restes. Markownikow 
faßte Naphthensäuren als Karboxylsäüren der Naphthene, also 
CnH2n— 1.CO2H, auf. Als bester Beweis dafür kann der oben erwähnte 
Übergang von Naphthensäuren zu Naphthenylaminen gelten: 

01111211— iCOgH — ► CnH2n— 1CONH2 — ► CnH2n— 1NH2 ; 

auch spricht dafür die Möglichkeit, Naphthensäuren durch Erhitzen 
mit Phosphor und Jodwasserstoff zu entsprechenden Naphthenen zu 
reduzieren; so erhielt Asch an durch Reduktion der Oktonaphthensäure 
ein mit dem Oktonaphthen von Markownikow identisches Naphthen ; 
allerdings ist diese Umsetzung nicht streng beweisend, denn erstens er- 
gibt sie keine hohen Ausbeuten, zweitens sind dabei molekulare Um- 
lagerungen nicht ausgeschlossen. Jedenfalls scheinen die bisher iso- 
lierten Naphthensäuren nicht zu der Hexamethylengruppe anzuge- 
hören, denn sie haben das spez. Gewicht unter 1, sind flüssig und er- 
starren nicht selbst weit unterhalb 0®, während die unzweifelhaften 
Karbonsäuren des hexahydrierten Sechsringes, wie sie Markownikow 
und Asch an durch Reduktion der Benzoesäure mittels Natrium- 
amalgam, Zielinsky synthetisch aus Hexamethylenhalioden mittels 
Magnesium und CO2 usw. darstellten, kristallinische Körper sind und 



56 Chemie. 

Bpez. Gewichte über 1 haben. Flüssig und auch in größerer Kälte nicht 
erstarrend sind dagegen die von verschiedenen Forschern synthetisch 
dargestellten Karbonsäuren des Pentamethylenringes ; und als solche 
faßte daher Asch an die Naphthensäuren auf. Für das niedrigste 
bisher isolierte Glied der Reihe, die Heptanaphthensäure, ist die Zuge- 
hörigkeit zum Pentamethylenring von Markownikow mit sehr großer 
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden; dieser Forscher konnte näm- 
lich aus dem Heptanaphthensäureamid, wie oben gezeigt, das Amin 
C^HjjNHg darstellen, das mit dem Amin des Methylpentamethylen 
identisch ist; der Heptanaphthensäure kommt demnach die Formel 
CH3 . CgHg . COH2 zu, und zwar, da die von Perkin synthetisch gewon- 
nene Ortho-Methylpentamethylenkarbonsäure das spez. Gewicht 1,02 
hat, die Heptanaphthensäure aber nur 0,950, stehen in dieser das 
Methyl und das Karboxyl höchstwahrscheinlich in der Metastellung 
zueinander. 

Der Umstand, daß auch die anderen bekannten, synthetisch dar- 
gestellten Karbonsäuren des Pentamethylenringes schwerer sind als 
Wasser, die Naphthensäuren dagegen leichter, kann in verschiedenen 
Struktur- oder vielleicht auch sterischen Verhältnissen seinen Grund 
haben. Diese Verschiedenheit der spezifischen Gewichte hat letzthin 
Charitschkoff^) bewogen, für Naphthensäuren die allgemeine Formel 
von Naphthenessigsäuren in Vorschlag zu bringen^) . Eine solche Sämre — 
CHg.CgHio.CHg.COgH — wurde vor 10 Jahren von Zielinsky und 
Alexandrowa*) aus Brommethylhexamethylen und Natriummalon- 
säureester nach dem Schema: 

CH3:C6Hio Br + CHNa(C02R)2-->CH3.C,H,„.CH(C02H)2 --> 

CHg . CgHj Q . CH2 . CO2H. , 

als ein öl vom spez. Gewicht 0,9827, erhalten. Leider sind die Naphthen- 
essigsäuren sonst nicht näher untersucht worden, so daß ihre Verwandt- 
schaft mit Naphtensäuren jedenfalls noch unsicher ist. 

Die meisten Forscher, die sich mit der Untersuchung von Naphthen- 
säuren befaßt haben, benutzten dazu Säuregemische, die nicht direkt 
aus den Rohdestillaten, sondern aus diesen erst nach vorangegangener 
Raffination mit konzentrierter Schwefelsäure ausgelaugt wurden. 
Es sind daher Behauptungen aufgestellt worden, daß solche Säuren mit 
den ursprünglichen Naphthensäuren des Erdöls gar nicht identisch 
seien. So kam Schultz*) auf Grund seiner Versuche mit galizischen 
Kerosindestillaten zum Schlüsse, daß diejenigen Säuren, die im Rohöl 
enthalten sind und bei der Destillation in die Rohdestillate übergehen, 
bei der Behandlung der letzteren mit konzentrierter Schwefelsäure von 
dieser vollständig aufgelöst werden, und daß die Naphthensäuren, die 



1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1909^ 1150. 

2) Bruhn (Chem.-Ztg. 1898, 900) hatte übrigens schon vor Charitschkoff 
für die Heptanaphthensäure die Formel C6H9.CH2.CO2H vorgeschlagen. 

8) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1901, 741. 
*) Chem.-Ztg. 1908, 55 und 729. 



Bestandteile der Erdöle. 57 

bei der Natronreinigung der mit Schwefelsäure vorbehandelten Destil- 
late in Natronlauge übergehen, durch Oxydation der Kohlenwasser- 
stoffe durch Schwefelsäure neu entstehen. Der wichtigste Versuch 
von Schultz war folgender: je 100 g eines Destillats verbrauchten bei 
der Neutralisation vor der Säuerung 63 mg NaOH, nach der Reinigung 
mit 3^0 konzentrierter Schwefelsäure und gründlichem Auswaschen 
mit Wasser 26 mg NaOH; andererseits verbrauchten 100 g desselben 
Destillats, das zuerst von seinen Säuren durch Auslaugen mit NaOH 
befreit, dann mit 3^0 konzentrierter SO4H2 behandelt und mit Wasser 
ausgewaschen worden war, auch 24 mg NaOH. Man müsse daraus 
schließen, daß die diesem Verbrauch von Alkali entsprechenden 
Säuren durch Einwirkung von Schwefelsäure, und zwar — da Sulfo- 
säuren sich mit Wasser leicht auswaschen lassen — , durch Oxydation 
der Erdölkohlenwasserstoffe neugebildet seien. 

Demgegenüber ist schon Aschan^) mit der schwerwiegenden Be- 
merkung aufgetreten, daß eine Oxydation der Kohlenwasserstoffe 
mittels Schwefelsäure zu Karbonsäuren in der organischen Chemie 
sonst noch nie beobachtet wurde und deshalb auch hier recht un- 
wahrscheinlich ist. Auch konnte ich an Rohdestillaten aus Baku die 
von Schultz angegebenen Resultate keineswegs bestätigen; vielmehr 
zeigte sich, daß ein mit Natronlauge entsäuertes Kercsindestillat nach 
Behandlung, nicht nur mit konzentrierter, sondern selbst mit 3,6^© 
rauchender Schwefelsäure (mit 10®/q SO3) und gründlichem Auswaschen 
mit Wasser nur ganz unbedeutende Mengen Säure enthielt ; andererseits 
erwies sich das Säuregemisch, das aus dem Kercsindestillat nach voran- 
gegangener Behandlung mit konzentrierter SO4H2 ausgelaugt und durch 
Auswaschen mit Wasser von den gebildeten Sulfosäuren befreit wurde, 
mit dem aus dem ungesäuerten Rohdestillat direkt erhaltenen in allen 
Eigenschaften wesentlich identisch: die Säurenzahlen waren 287, 
resp. 291; die spez. Gewichte 0,976 resp. 0,977; die entsprechenden 
Salze dieser und jener Säuren waren nicht voneinander zu unterscheiden. 
Dadurch wird — wenigstens für die Naphthensäuren der Kerosin- 
fraktionen — auch die von Pyhälä^) aufgestellte Behauptimg wider- 
legt, daß die aus den mit Schwefelsäure raffinierten Destillaten ausge- 
laugten Naphthensäuren nicht mit den in den Rohdestillaten vor- 
handenen Säuren identisch, sondern ihre Sulfo- resp. Oxyderivate seien. 
Die Naphthensäuren der höheren Erdölfraktionen scheinen allerdings 
der sulfonierenden Einwirkung der konzentrierten Schwefelsäure viel 
leichter zu unterliegen. 

Bevor ich nun zur näheren Beschreibung der Naphthensäuren 
übergehe, will ich noch einige Worte über die Nomenklatur dieser 
Säuren sagen. Etwas verwirrend wirkt hier der Umstand, daß zwei ver- 
schiedene Benennungsweisen im Gebrauche sind, die beide sich auf die 
Zahl der Kohlenstoff atome beziehen. Während aber die eine die Ge- 



1) Chem.-Ztg. 1908, 596 und 772. 

2) Petroleum 3, 1313. 



58 Chemie. 

«amtzahl der Kohlenßtoffatome berücksichtigt, zieht die andere nur 
die Zahl der Kohlenstoffatome des mit Karboxyl verbundenen Restes 
in Betracht. So z. B. heißt die Saure C7H13O2 nach der ersten Be- 
nennungsweise Heptanaphthensäure, nach der zweiten Hexanaphthen- 
karbonsäure; die Säure CgHjgOg heißt Oktonaphthensäure, resp. Hepta- 
naphthenkarbonsäure usw. In solchen Fällen, wo man auch über die 
Struktur des mit dem Karboxyl verbundenen Restes aussagen kann, 
wird die Benennung der Säure von dem Namen des ihr zugrunde liegen- 
den Polymethylens abgebildet, wie wir es oben an der Methylpenta- 
methylenkarbonsäure gesehen haben. Die Säure C7H13O2 hat somit 
drei verschiedene Namen: Methylpentamethylenkarbonsäure oder 
Hexanaphthenkarbonsäure oder Heptanaphthensäure. 

Was schließlich die Unterscheidung der oft nebeneinander ge- 
brauchten Gattungsnamen Naphthen- und Petrolsäuren betrifft, so 
wird man wohl den Vorschlag Aschans (1. c.) gut heißen können, der 
den ersten Namen nur für die Säuren gesättigten Charakters und der 
allgemeinen Formel CnH2n— iCOgH reserviert, als Petrolsäuren dagegen 
alle Erdölsäuren überhaupt bezeichnet. 

Die Ausscheidung der Säuren aus Erdöl oder Erdöldestillaten ist 
eine verhältnismäßig leichte Operation und erfolgt durch Behandlung 
mit Natronlauge; aus den leichten Destillaten (Benzin, Kerosin) lassen 
sich die Säuren schon in der Kälte vollständig extrahieren; schwere 
Destillate, Rohöle und Rohölrückstände müssen unter Umständen mit 
Natronlauge unter häufigem Schütteln mehr oder weniger lange Zeit 
auf dem Wasserbade digeriert werden. Der alkalische Auszug der Naph- 
thensäuren hält stets eine gewisse Menge Kohlenwasserstoffe im gelösten 
oder emulgierten Zustande in sich zurück. Bei der Behandlung der 
niederen Destillate des Erdöls (Benzin-, Kerosinfraktionen) können diese 
jnitgelösten Kohlenwasserstoffe durch Kochen des alkalischen Auszuges 
unter Durchleiten von Wasserdampf abgetrieben werden ; die alkalischen 
Auszüge der höheren Fraktionen oder des Erdöls selbst können von den 
Kohlenwasserstoffen nach dem Verfahren von Spitz und Honig, 
d. h. durch Versetzen mit Alkohol und Ausschütteln mit Benzin (oder, 
nach dem Vorschlage von Sadtler,-mit Äther) befreit werden. In der 
wässrigen Lösung bleiben dann Naphthensäuren und ev. noch Phenole 
zurück. Die Trennung dieser zwei Klassen von Sauerstoff Verbindungen 
ist noch von niemandem systematisch bearbeitet worden. Markow- 
nikow und Ogloblin erwähnen allerdings in kurzen Worten, daß es 
ihnen gelungen war, Phenole aus den Rohgemischen der Naphthen- 
säuren auszuscheiden, indem sie diese in Natriumkarbonat auflösten 
oder durch die Lösung des Rohgemisches in Natronlauge Kohlensäure 
durchleiteten. Wenn man sich aber erinnert, daß auch naphthensaure 
Salze durch Kohlensäure partiell zersetzt werden und daß die niederen 
Phenole im Wasser, besonders in Gegenwart von Seifen, ziemlich lös- 
lich sind, so wird man die Methode der genannten Forscher kaum 
zweckentsprechend und zuverläßlich heißen können. Die Trennung 
der Naphthensäuren von Phenolen ließe sich vielleicht noch am ehesten 



Bestandteile der Erdöle. 59 

durch Überführung der ersteren in Ester oder in Amide und Extrahieren 
der Phenole mit verdünnter Natronlauge bewerkstelligen. 

Die bequemste Quelle für die Darstellung von Naphthensäuren 
bilden die sog. Natronabfälle der Kerosin- und Schmierölraffinerien, 
d. h. die Laugen, mit denen die Destillate nach der Säurenbehandlung 
gewaschen wurden und die nun neben überschüssigem Natron, Sulfat 
usw. hauptsächlich Naphthenseifen enthalten. Am besten sind bisher 
die Säuren der russischen Kerosindestillate untersucht worden. Das 
Rohgemisch dieser Säuren, wie es durch Ansäuern der alkalischen Laugen 
gewonnen wird, ist ein rötliches, verhältnismäßig dünnes öl von pene- 
trantem und unangenehmem Geruch. Das spezifische Gewicht variiert 
von 0,950 bis 0,980, die Säurezahl von 240 bis 270, die Jodzahl ist sehr 
klein, unter 4, woraus zu schließen ist, daß jedenfalls die Hauptmasse 
der Kerosinnaphthensäuren gesättigten Charakters ist. Die Naphthen- 
säuren der anderen Erdöle scheinen mit den kaukasischen identisch 
zu sein, gehören jedenfalls derselben Reihe an; natürlich wird der Ge- 
halt verschiedener Rohsäuregemische an einzelnen Gliedern der Reihe 
verschieden sein können (so z. B. hatte das von Fuchs und Schif f i) aus 
galizischem Kerosindestillat ausgeschiedene Säuregemisch eine Säure- 
zahl 339,2). 

Der beste Weg zur Ausscheidung der einzelnen Naphthensäuren 
aus dem Rohgemisch, der Weg, den die meisten Forscher wirklich 
benutzt haben, ist die Esterifizierung des Säuregemisches und fraktio- 
nierte Destillation der Ester, die um ca. 50® niedriger als die freien Säuren 
und Ulizersetzt sieden. Übrigens können auch die Säuren der niederen 
Fraktionen selbst, falls sie zuerst in Vakuo umdestilliert worden sind, 
dann weiter zum Teil auch unter gewöhnlichem Luftdruck ohne nennens- 
werte Zersetzung fraktioniert werden. Auf solche Weise hat z. B. 
Wischin*) aus dem Rohgemisch der Bakuschen Kerosinnaphthensäuren 
14 innerhalb je 4® siedende Fraktionen in den Grenzen von 230 bis 286® 
erhalten. Für genaue Fraktionierung, sowie für Auf Scheidung höherer 
Glieder der Reihe, wird man jedenfalls zum Vakuum Zuflucht nehmen 
müssen und am besten mit den Estern arbeiten. 

Statt die Ester durch Destillation zu fraktionieren, schlug Eich 1er 
(1. c.) einen anderen Weg ein: er verseifte das Esterrohgemisch sukzessive 
mit Natriumkarbonat, starker Natronlauge und alkoholischer Kali- 
lauge, wobei sich herausstellte, daß nach jeder dieser Behandlungen ein 
Teil der Ester unverseift blieb; die auf solche Weise erhaltenen Frak- 
tionen wurden dann durch Überführung in wasserlösliche und unlösliche 
Magnesiasalze weiter geschieden. 

Schließlich sei noch der Methode Charitschkoffs zur Frak- 
tionierung der Naphthensäuren auf „kaltem" Wege durch sukzessive 
Fällung der alkoholischen Lösung mit Wasser erwähnt. Aus dem Roh- 
gemisch der Naphthensäuren aus leichtem Kerosin von Grosny wurden 
auf diese Weise folgende Fraktionen erhalten: 

1) Chem.-Ztg. 1896, 1469. 

2) Petroleum II, 387. 



60 Chemie. 

Aus- o» Mittleres Mittlere Zu- 

beute ^^i Molekular- sammen- 
®/o gewicht Setzung 

I. unlöslich in 70 Voigen Alkohol 50 251 ,8 223 C13H24O2 u. 

II. „ „ 400/0 »» 18,75 276 203,3 CigHg^Og 

I. „ „ Wasser 25 336,2 166,8 C^H^eO^ 

IV. lösHch in Wasser 1,25 362 154,1 CgHißOg u. 

Von den in reinem Zustande isolierten niedrigeren Naphthensäuren 
sind von verschiedenen Autoren Salze der Alkali- und Erdalkalimetalle 
in Kristallform dargestellt worden. So z. B. erhielt Aschan (1. c.) die 
Kaliumsalze von Hepta- und Oktonaphthensäuren in Form von Nadeln, 
Bariumsalze derselben Säuren in Form von Blättern; das Natriumsalz 
der Heptanaphthensäure bildet undeutliche, zerfließliche Prismen, das 
Natriumsalz der Oktonaphthensäure Nadeln usw. In Wasser sind die 
Kalzium-, Barium- und Magnesiumsalze der niederen Naphthensäuren 
nicht unbedeutend löslich. 

Hat man es mit Rohgemisch von Kerosinsäuren zu tun, so erhält 
man die Salze in amorpher, höchstens undeutlich krystallinischer Form. 
Die Natron- und Kalisalze der Kerosinsäuren bilden Schmierseifen, 
die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind und in wässriger Lösung 
gut schäumen^); das Ammoniumsalz ist sehr unbeständig und läßt 
sich nicht unzersetzt einkochen. Neutrale Alkalisalze sind in Erdöl- 
destillaten sehr wenig löslich (z. B. wird in 1 Liter Kerosin nach der 
Bestimmung von Tiedemann^) nur 0,293 g wasserfreie Kerosin- 
naphthenseife gelöst); saure Seifen lassen sich dagegen von Erdöl- 
destillaten in sehr großen Mengen aufnehmen. Salze von Kalzium und 
Barium sind in Wasser schwer löslich und scheiden sich in Form von 
kompakten, undeutlich kristallinischen, faserigen Massen aus; in 
Benzin und Alkohol sind sie unlöslich, in Äther löst sich das Kalzium- 
salz merkwürdigerweise leicht auf. Die Salze der Schwermetalle büden 
z. T. harte, zum Teil mehr oder weniger weiche, klebrige (Blei- und 
Zinnsalz) Massen und sind in Wasser und Alkohol unlöslich, in Benzin und 
meist auch in Äther dagegen leicht löslich (das Silbersalz ist übrigens 
auch in Benzin unlöslich); die Bildung einer blaugrünen Lösung des 
Kupfersalzes in Benzin soll nach Charitschkoff eine charakteristische 
Unterscheidungsreaktion für Naphthensäuren bilden; demgegenüber 
aber muß darauf hingewiesen werden, daß einerseits nicht alle Naph- 
thensäuren diese Reaktion zeigen, andererseits z. B. auch das Ölsäure 
Kupfer mit Benzin eine blaugrüne Lösung gibt. Bei der Prüfung der 

1) Dank dieser Eigenschaft und großer Reinigungskraft haben die durch 
direkte Aussalzung aus den Ablaugen der Kerosinreinigung gewonnenen Natron- 
seifen in Bußland eine sehr weitgehende Verwendung für die Fabrikation von 
billigen Seifen gefunden; für bessere Sorten eignen sie sich nicht wegen ihres 
unangenehmen, nicht zu verdeckenden Geruchs. Näheres über die Gewinnung 
dieser Seifen findet man bei Py hälä, Petroleum 8^ 571. 

2) Trudi Bakusche Techn. Ges. 1893. 



Bestandteile der Erdöle. g]^ 

synthetischen Polymethyleükarbonsäuren von Zielinsky fand Cha- 
ritschkoff, daß die Fähigkeit, blaugrüne benzinlösliche Kupfersalze zu 
geben, nur den Pentamethylen-, nicht aber den Hexamethylenkarbon- 
sä'uren zukommt. 

Eine merkwürdig elastische Konsistenz hat das entwässerte Alu- 
miniumsalz der Naphthensäuren; auch vermag es Benzin und Benzol, 
selbst in verdünnten Lösungen, stark zu gelatinieren; diese Eigenschaft 
kommt auch dem Mangansalz zu. 

Mit Alkoholen treten die Naphthensäuren mit großer Leichtigkeit — 
unter der Einwirkung von Salzsäuregas oder konzentrierter Schwefel- 
säure, teilweise sogar schon einfach beim Stehen — zu Estern zu- 
sammen. Die Ester bilden leicht bewegliche Flüssigkeiten, von aroma- 
tischem, früchtenähnlichem, beim Einatmen aber ekelerregendem Ge- 
ruch ; die Methylester sieden um etwa 40 bis 50® niedriger, als die ent- 
sprechenden Säuren selbst. 

Durch längeres Erhitzen mit Glyzerin bei 240 bis 260® entstehen 
aus Kerosinsäuren Glyzeride — dunkle, dicke und sehr viskose öle, die in 
Äthylalkohol schwer löslich sind und daher durch Auswaschen mit 
Alkohol von den ungebunden gebliebenen Glyzerin und Säure befreit 
werden können; das spezifische Gewicht des von Charitschkoff^) dar- 
gestellten Glyzerids-war 1,008 bei 16®, die Verseif ungszahl 180, Jod- 
zahl 1,1; die dunkle Farbe ließ sich weder durch Filtration durch 
Knochenkohle, noch mittels chemischer Reagenzien beseitigen. Wi- 
schin^) empfiehlt, zuerst durch Einwirkung von Salzsäuregas aus Naph- 
thensäure und Glyzerin das Dichlorhydrinester 

CHgCl 



CHOCOCnHzn-i 

I 
CH2CI 

und dann schon aus diesem, durch Erhitzen mit 2 Molekülen Natrium- 
salz, das Triglyzerid darstellen. Auf diese Weise wurden von Wisch in 
auch gemischte Glyzeride der Kerosinsäuren mit öl- oder Stearin- 
säure, in Form von dicken ölen oder auch talgartigen Fetten, erhalten. 
Die rohen Glyzeride können nach Auswaschen und Trocknen in vacuo 
destilliert werden. 

Durch Einwirkung von Phenol auf Säurechloride erhielt Charitsch- 
kow*) auch Phenolester der Naphthensäuren, ein in Wasser fast im- 
lösliches, stark antiseptisches öl vom spez. Gew. 0,9707. 

Sehr glatt geht die Bildung von Naphthensäurechloriden vor sich, 
namentlich wenn man die Säuren mit Phosphortrichlorid am Wasser- 
bade erwärmt oder auch mit Phosphorpentachlorid verreibt. Die Chlo- 
ride bilden gelbliche, penetrant riechende Flüssigkeiten, die etwa 50® 

1) Petroleum 8, 102. 

2) Petroleum 89 1066. 

») Neftjaaoje Djelo 1911, Nr. 1. 



62 . Chemie. 

niedriger als die entsprechenden Säuren unzersetzt sieden und gegen 
Wasser beständig sind. 

Amide der Naphthensäuren können auf mehrfache Weise dargestellt 
werden: aus Chloriden durch Eintragen in überschüssiges Ammoniak 
und Stehenlassen während einiger Tage unter häufigem Mischen; 
aus Chloriden und trocknem Ammoniumkarbonat; aus Estern durch 
Erhitzen mit starkem Ammoniak bei 150®; aus freien Säuren durch 
Schmelzen mit Rhodanammonium usw. Amide, aus dem Roh- 
gemisch der Kerosinsäuren erhalten, bilden eine ziemlich scharf und 
eigenartig riechende kristallinische Masse, die sich aus heißem Wasser, 
Benzol, Azeton usw. Umkristallisieren läßt; in Benzin sind Naphthen- 
säureamide unlöslich. Gegen kochende Alkalien sind die Amide sehr 
beständig, lassen sich durch Säiu^n dagegen leicht spalten. Beim 
Destillieren mit Phosphorsäureanhydrid konnte Asch an aus dem 
Oktonaphthensäureamid das entsprechende Nitrü erhalten. 

In konzentrierter Schwefelsäure lassen sich Naphthensäuren, 
unter Selberwärmung , sehr leicht auflösen; eine Sulfonierung findet 
aber dabei in sehr begrenztem Maße statt; so z. B. fand ich, daß nach 
einer 1 stündigen Behandlung der Kerosinsäuren mit lOO^o Schwefel- 
säure 1,84, bei Zimmertemperatur nur IjS^q Sulfosäuren sich gebildet 
haben; die übrige Masse der ursprünglichen Säuren erwies sich, nach 
Auswaschen der Sulfosäuren mit Wasser, als schwefelfrei. 

Die trockne Destillation der naphthensäuren Salze ist noch sehr 
wenig untersucht worden. Lidow^) hat durch trockene Destillation 
der entwässerten Natriumseifen der Kerosinsäuren 45 bis 60^0 ®^^^ 
Destillats vom spez. Gewicht 0,865 erhalten, das zum Teil aus Ketonen 
bestehen soll. Kraemer und Boettcher^) destillierten Kalksalze 
der Naphthensäuren zusammen mit Natronkalk und erhielten dabei, 
statt der erwarteten Naphthene, Wasserstoff ärmere Kohlenwasserstoffe 
von stark ungesättigtem Charakter. 

Im Gegensatz zu den bisher behandelten Naphthensäuren der 
Kerosindestülate sind die Naphthensäuren der höheren Fraktionen 
noch sehr wenig untersucht worden, so daß selbst die Frage, ob es auch 
Karboxylsäuren sind, zurzeit noch nicht beantwortet werden kann. Die 
Säurezahl ist bedeutend niedriger als bei den Kerosinsäuren, und zwar 
um so niedriger, je schwerer die ölfraktion, aus der die Säuren aus- 
geschieden wurden. Die Säurezahl der aus leichtem russischen Solaröl 
ausgeschiedenen Naphthensäuren beträgt ca. 180, der aus Maschinenöl 
nur ca. 110; noch niedrigere Säurezahlen, 49 bis 61, fand R. Albrecht ^) 
für Säuren des Maschinenöldestülats aus Texas, die auch eine hohe 
Jodzahl (14,6 bis 16,9) aufwiesen; nimmt man an, daß auch diese Säuren 
einbasisch sind, so käme man zu sehr hohen Werten für ihre Molekular- 
gewichte; den Säuren aus russischem Maschinenöldestillat müßte man 
das Molekulargewicht von ca. 500, den Texasschen gar von ca. 1000 

1) Chem. Rev. 1903, 288. 

2) Berichte 1887, 598. 

3) Chem. Rev. 1911, 152 und 189. 



Bestandteile der Erdöle. 63 

zuschreiben. Die Destillation dieser Säuren scheint selbst im starken 
Vakuum nicht ohne bedeutende Zersetzimg vor sich zu gehen, da die 
Säurezahl dabei stark sinkt, die Jodzahl zunimmt. 

Asphalt- und Harzstoffe. Wenn man auch von den meisten an- 
deren Bestandteilen der Erdöle bekennen muß, daß ihre chemische 
Natxir nicht genug sicher und genau festgestellt ist, so nehmen doch die 
sog. Asphalt- und Harzstoffe der Erdöle insofern eine besondere Stellung 
ein, als man über ihre chemische Natur so gut wie gar nichts weiß und 
ihre Eingliederung in besondere Gruppen nicht auf Griuid einer Kennt- 
nis ihrer chemischen Funktionen, sondern auf grob empirischer Basis 
verschiedener Löslichkeitsverhältnisse geschieht. Holde^), dem wir 
das wenige, was wir über diese Stoffe wissen, in erster Linie zu verdanken 
haben, unterscheidet drei Gruppen Asphalt- oder harzartiger Stoffe: 
1. in Äther- Alkohol und in Petroläther unlösliche harte Asphalte; 2. in 
Petroläther lösliche, in Äther- Alkohol unlösliche weiche Asphaltpeche; 
3. in Äther-Alkohol und auch in lO^/oigeia Alkohol lösliche, in Petrol- 
äther zum Teil vollständig, zum Teil unvollkommen lösliche Harze. 
Chemisch läßt sich, wie gesagt, keine dieser Gruppen charakterisieren 
und besonders die erste Gruppe der äther-alkoholunlöslichen Asphalt- 
peche müßte konsequenterweise auch solche Bestandteile mancher 
Erdöle in sich einschließen, die notorisch in andere, wohldefinierte 
Klassen chemischer Verbindungen gehören; dieses ist z. B. der Fall mit 
gewissen, gut gereinigten, dunklen russischen Schmierölen, Wo bei der 
Behandlung mit Äther- Alkohol neben Asphaltpechen auch ein großer 
Teil der flüssigen Kohlenwasserstoffe ungelöst bleibt. Auch werden bei 
der Behandlung mit Äther- Alkohol paraffin- und erdwachsartige Stoffe 
mitgefällt (Engler und E. Albrecht). Für praktische Zwecke hat 
immerhin die von Holde vorgeschlagene Klassifikation einen gewissen 
Wert. Im allgemeinen kann man von Vertretern aller drei Gruppen 
sagen, daß sie Sauerstoff- und unter Umständen auch schwefelhaltige 
Verbindungen von ungesättigtem Charakter sind und, als solche, große 
Neigung zu verschiedenen Veränderungen zeigen, u. a. auch verhältnis- 
mäßig leicht — besonders in dünnen Schichten an der Luft und beim 
Erhitzen — eintrocknen, worauf ihr schädlicher Einfluß beim Schmieren 
beruht ; durch konzentrierte Schwefelsäure werden sie mehr oder weniger 
leicht angegriffen und finden sich daher in fertigen Produkten in um 
so kleineren Mengen, je besser das Produkt gereinigt worden war. 

1. Asphalte. Als Asphalte bezeichnet Holde diejenigen Stoffe 
der Erdöle und ihrer Produkte, die im sog. Normalbenzüi (spez. Gewicht 
0,695 bis 0,705; Siedegrenzen 65 bis 95®) unlöslich sind; wie rein kon- 
ventionell diese Gruppierung ist, ersieht man am besten aus dem Um- 
stände, daß verschiedene Benzine sehr verschiedene Mengen asphalt- 
artiger Stoffe ungelöst lassen, und zwar um so mehr, je niedriger das 
Benzin siedet; so z. B. erhielt Holde aus einem Elsässer öl bei ganz 



M Petroleum 2, Nr. 24; Mitt. Marterialprüf. 1907, Nr. 3; Compt. rend. du 
III. Congres du p6trole. 



64 Chemie. 

gleicher Behandlungsweise 2,iyQ Asphaltstoffe mit einem Benzin, das 
zwischen 60 und 80® siedete, während ein bis 50® siedendes Benzin 
5,5®/o solcher Stoffe ergab. 

Ein Lösungsmittel, das sich zum Ausscheiden von hartem Asphalt 
aus Mineralölen besser als Alkoholäther eignen soll, hat neuerdings 
Schwarz^) im Methyläthylketon („Butanon**) gefunden. Da das reine 
Butation in der Hitze auch asphalthaltige öle ohne Rest auflöst, 
wird es mit Wasser gesättigt, resp. mit so viel Wasser versetzt, daß 
ein Gemisch vom spez. Gew. 0,812 entsteht. Mit solchem Butanon 
kocht man das zu untersuchende Ol aus und erhält aus manchen 
ölen, die mit Normalbenzin gar kein oder nur Spuren Asphalt hinter- 
lassen, bis 1,2 ^Iq harten und spröden Asphalts. 

Die aus Erdöl oder ungereinigten Destillaten mit Leichtbenzin 
abgeschiedenen Asphaltstoffe sind bei gewöhnlicher Temperatur fest 
und ziemlich hart, haben ein spez. Gewicht über 1,0, schmelzen oberhalb 
100®, lassen sich in Benzol, Chloroform und Schwefelkohlenstoff ziem- 
lich leicht lösen; interessant ist übrigens, daß die Löslichkeit in Benzol 
beim längeren Stehen etwas abnimmt, was auf eine fortschreitende 
Selbstpolymerisation hindeutet. 

2. Asphaltpeche. Die in Äther- Alkohol unlöslichen weichen 
dunklen Asphaltpeche scheinen eine Übergangsstufe von den eigent- 
lichen ölen zu dem harten, in Benzin unlöslichen Asphalt zu bilden. Diese 
Beziehung wird z. B. durch folgende, Holdes Untersuchungen ent- 
nommene Tabelle illustriert: 





C 


H 





Asche 


C+H 




'lo 


Vo 


% 


Vo 


% 


Ursprüngliches öl . 


86,03 


12,70 


1,1 





98,9 


Mit Alkoholäther 4 : 3 












gefällter Asphalt . 


85,73 


12,29 


1,65 


0,33 


98,02 


Mit Alkohaläther 3:4 












gefällter Asphalt . 


84,19 


12,06 






96,25 


Mit Benzin 0,70 ge- 












fällter Asphalt . . 


84,44 


10,74 


3,47 


1,35 


95,18 



Ähnlicher Natur scheinen auch die Asphaltpeche zu sein, die nach 
dem von Daeschner^) vorgeschlagenen Verfahren mit Amylalkohol 
gefällt werden. Der Gehalt der Erdöle und ihrer Destillate an Asphalt- 
pechen ist stets viel größer als an benzinunlöslichen, harten Asphalten, 
was übrigens leicht zu begreifen ist, da durch Äther-Alkohol auch diese 
letzteren mitgefällt werden. So z. B. fand Graefe') in zwei Elsässer 
Rohölen l,74yo resp. 4,3^0 harten Asphalt und lljö^/o. resp. 17,3yo 
weichen Asphaltpech; bei einem dieser Asphaltpeche wurde die ziem- 
lich hohe Jodzahl 30,9 gefunden, was auf stark ungesättigten Charakter 
der Asphaltpeche hinweist. 



,1) Chem.-Ztg. 1911, 1417. 
2) D. R. P. 124980. 
8) Petroleum 2, 278. 



Bestandteile der Erdöle. 65 

3. Harzstoffe. Mit ^O^f^gem. Alkohol lassen sich auch aus hellen 
und gut raffinierten Mineralölen sauerstoffhaltige Verbindungen aus- 
ziehen, die in mancher Beziehung (Konsistenz, Farbe, Geruch, Lös- 
lichkeitsverhältnisse usw.) an Pflanzenharze erinnern und daher wohl 
mit Recht als Harzstoffe bezeichnet werden^). Um ein Bild von diesen 
interessanten Verbindungen zu geben, will ich die einschlägigen Un- 
tersuchungen Holdes etwas eingehender besprechen. Holde unter- 
warf ein helles gereinigtes russisches Mineralschmieröl vom spez. Ge- 
wicht 0,9004 einer 40 maligen Extraktion mit TOVoig^i^ Alkohol; 
alle Auszüge (nach Abdampfen von Alkohol) hatten ein speZi Gewicht 
über 1, waren bräunlichrot bis bräunlichgelb gefärbt, die ersten Aus- 
züge hatten zähf adenziehende, die späteren dickölige Konsistenz. 
Während das ursprüngliche öl 86,5yo C, 13Vo H und 0,50/o enthielt, 
betrug der C-Gehalt der Auszüge 82 bis 84,4^0, der H-Gehalt 8,7 bis 
10,6yo d^r 0-Gehalt 4 bis Sy^; die ersten Auszüge waren sauerstoff- 
reicher und hatten ein größeres spezifisches Gewicht als die späteren; 
die Jodzahl der ersten 11 Auszüge lag zwischen 15 und 26, während 
das ursprüngliche öl eine Jodzahl 7,5 aufwies. Alle Auszüge vereinigt 
hatten folgende Zusammensetzung: 83,7 Vo ^; 9,9 Vo H; 4,7^0 0; 
0,80/o S und 0,90/0 Asche (CaS04 und Na2S04); die Jodzahl war 13,4. 
Die Gesamtmenge der Harzstoffe betrug ca. 4^0 vom ölgewicht*) ; durch 
Verseif ung konnten daraus 11,8^0 Säuren von tief dunkelbrauner Farbe 
und äußerst zäher fadenziehender Konsistenz ausgeschieden werden; 
ihr mittleres Molekulargewicht (titrimetrisch bestimmt und auf eine 
einbasische Säure bezogen) betrug 387, die Elementaranalyse ergab 
75,7^0 C; 9,3 Vo ^^^ ^^Vo ^> entsprechend etwa einer Formel CasHjjgO^. 
Stellt man diese von Holde gefimdenen Analysendaten zusammen, 
so sieht man, daß dem Aschengehalt des Harzes etwa 5^0 ^®r Säuren 
als Seifen entsprechen ; diese Seifen konnten im öle durch ungenügendes 
Auswaschen geblieben sein; die übrigen etwa 6^0 Säuren mußten im 
ölharz entweder im freien Zustande oder in Form von Estern enthalten 
sein. 

Ein viel bequemerer Weg zum Isolieren von Harzstoffen aus Mi- 
neralölen als die Extraktion mit Alkohol ist die Behandlung der Öle 
mit Tierkohle oder Floridaerde; die Harzstoffe werden dabei von dem 
betreffenden Pulver adsorbiert und können dann daraus im Soxhlet 
durch verschiedene Lösungsmittel extrahiert werden. Das Phänomen 
der Adsorption wird weiter den Gegenstand eines besonderen Kapitels 
bilden; hier mag nur betont werden, daß wohl das Mineralöl selbst, 
nicht aber die von Kohle oder Floridaerde adsorbierten Harzstoffe 
durch Benzin extrahiert werden können. Man kann somit zuerst das 
gesamte öl aus dem Pulver mit Benzin, dann die Harzstoffe für sich 



1) Die charakteristische Morawskische Kolophoniumreaktion geben aber 
diese Harze nicht. 

^) Im allgemeinen ist der Gehalt der Mineralöle an natürlichen Harzstoffen 
viel kleiner: in hellen meistens nicht über 0,6<^/o, in dunklen nicht über l®/o und 
nur in schlecht raffinierten steigt der Harzgehalt bis 3,5^^/0 (Holde). 

Gurwitsch. 5 



66 Chemie. 

mit anderen Lösungsmitteln extrahieren. Holde und Eickmann 
behandelten auf solche Weise verschiedene Mineralöle und ertrahierten 
die von ihnen zur Adsorption benutzte Tierkohle nacheinander mit 
Benzin, Äther, Benzol und Chloroform; in dieser Reihenfolge der Ex- 
traktionsmittel fanden sie allmähliches Ansteigen des spezifischen 
Gewichtes der extrahierten Harze, Ansteigen der Zähigkeit bis zu 
zähef adenziehender Beschaffenheit, Abfallen des C- und H-Grehaltes und 
Zunahme des 0- und S-Gehaltes und der Jodzahl. 

Yerschiedene Sauerstoffverbindungen. Neben freien Säuren schei- 
nen in verschiedenen Erdölen auch nicht unbedeutende Mengen 
esterartiger Verbiudungen vorzukommen. Bei der Untersuchung 
zweier Erdöle aus Grosny, resp. Petrowsk fand Lidow^), daß die Ver- 
seif ungszahlen bedeutend höher als die Säurezahlen waren; es mußten 
somit in Erdölen nichtsaure verseifbare Körper zugegen sein. Das- 
selbe fand einige Jahre später Kraemer*) bei der Untersuchung der 
Rohöle von Wietze und Oelheim, in welch letzteren er den Gehalt an 
solchen esterartigen Verbindungen zu 3,95^0 schäzten konnte. Nach 
Kraemers Ansicht hätte man es hier mit wachsartigen Körpern zu 
tun, die dem Montanwachs der Braunkohlen analog wären und zu dem 
als Urstoff der Erdöle angenommenen Algenwachs in nächster Beziehung 
stünden. Solche wachsartige Körper sollen sich bei der Destillation 
zum Teil zersetzen, zum Teil in das Destillat übergehen und sich ev. 
zusammen mit den Weichparaffinen ausscheiden; in der Tat erwiesen 
sich die bei 0® ausgeschiedenen Weichparaffine zum gewissen Grade 
verseif bar, während das bei -["1^® kristallisierte Paraffin keine Ver- 
seif u&gszahl ergab. 

Verschiedene Forscher haben das Vorkommen von Phenolen in Erd- 
ölen nachgewiesen, bisher allerdings nur auf indirektem Wege (Geruch, 
Reaktion mit Bromwasser usw.); in corpore scheint sie Mabery^) aus 
einigen kalifornischen Erdölen isoliert zu haben, obwohl auch darüber 
keine näheren Angaben vorliegen. Die Phenole können den Erdöl- 
destillaten, zusammen mit Naphthensäuren, mittels Alkalien entzogen 
werden; die Trennung dieser beiden Körperklassen ist aber keine ganz 
einfache Operation; der von Markownikow und Ogloblin dazu 
vorgeschlagene Weg — Zersetzung der alkalischen Lösung mittels 
Kohlensäure, wobei sich nur Phenole ausscheiden sollten — führt nicht 
zum Ziele, da ja auch die Naphthensäuren von der Kohlensäure aus 
ihren Salzen zum Teil verdrängt werden. 

Schließlich sei noch der Beobachtung Robinsons*) erwähnt, 
der das Vorkommen im pennsylvanischen Erdöl von Azetaldehyd 
(ca. 0,001^0) durch charakteristische Reaktionen nachgewiesen haben 
will. 



1) Wjestrik jirowich-weschtchestw 1900, 65. 

2) Chem.-Ztg. 1907, 675. 

8) Proc. Amer. Phil. Soc. 1903, 36; vgl. auch Bichardson, Journ. Frankl. 
Inst. 162, 57. 

*) Joum. Soc. Chem. Ind. 1899, 232. 



Bestandteile der Erdöle. 57 

d) Schwefelverbindungen. 

Der Schwefelgehalt der meisten Erdöle ist sehr gering und beträgt 
nur in wenigen Fällen l^o oder mehr; zu den schwefelreicheren ölen — 
die manchmal in eine besondere „Maberjrt "-Gruppe i) untergeordnet 
werden — gehören besonders verschiedene Erdöle von Nordamerika, 
wie die von Ohio, Kanada, Lima, Texas, Kalifornien; der Schwefel- 
gehalt der letzteren soll nach Jones 2) bis 4^0 betragen, und in einem 
mexikanischen Erdöl hat Lohmann^) sogar 4, 6^0 Schwefel gefunden. 
Sehr schwefelarm sind dagegen die Erdöle von Pennsylvanien, Baku, 
Hannover, die meisten rumänischen usw. 

In vielen Erdölen findet sich Schwefel im freien Zustande ; bei der 
Destillation solcher Erdöle wird Schwefelwasserstoff entwickelt, und 
zwar nicht nur im Anfange, wo das ev. ursprünglich vorhandene Gas 
entweichen könnte, sondern auch mit den höheren Fraktionen, in denen 
es nur als Reaktionsprodukt zwischen Kohlenwasserstoffen und freiem, 
resp. sehr lose gebundenem Schwefel auftreten kann. Bei der Destil- 
lation schwefelhaltiger Erdöle tritt übrigens auch Schwefeldioxyd auf. 
In dem Erdöl von Beaumont (Texas) konnte freier Schwefel direkt nach- 
gewiesen werden: in den höheren Destillaten dieses Öles fanden 
Richardson und Wallace 0,25^0 Schwefel in Kriställf orm *) ; ein 
von Thiele ^) untersuchter, aus demselben Rohöl ausgeschiedener Boden- 
satz enthielt, neben 29,59^0 öl, 63,63^0 freien Schwefel im amorphen 
und 6,81^0 im kristallinischen Zustande. 

Die in den Erdölen vorkommenden Schwefelverbindungen sind am 
eingehendsten von Mab er y untersucht worden. Ihre Isolierung aus 
Ohio-RohöP) geschah auf folgende Weise. Das öl wurde mit konzen- 
trierter Schwefelsäure behandelt, die Säure, nach Verdünnen mit Wasser, 
mit Bleikarbonat oder Kalk gesättigt und die von unlöslichen Sulfaten 
u. dgl. getrennten Salze in Wasserlösung mit Dampf destilliert: es ging 
dabei ein hellgelbes öl vom spez. Gewicht 0,9245 mit 14,97^0 Schwefel 
über, das nun einer vielfachen Fraktionierung bei 100 mm Hg-Druck 
unterworfen luid in mehrere, innerhalb je 5® siedende Fraktionen zerlegt 
wurde. Mit alkoholischer Sublimatlösung bildeten diese Destillate 
kristallinische Doppelverbindungen, die nach Umkristallisieren, z. B. 
aus Benzol, analysiert und als Verbindungen des Quecksilberchlorids mit 
Alkylsulphiden erkannt wurden; auch Doppelverbindungen mit Platin- 
chlorid sind dargestellt und analysiert worden. Keine der erhaltenen 
Fraktionen zeigte charakteristische Reaktionen von Thiophen oder 
Merkaptanen. Auf diese Weise isolierten Mabery und Smith die 



1) Nach dem Namen des um die Untersuchung der Schwefelverbindungen 
besonders verdienten amerikanischen Forschers Mabery. 

2) Petroleum 5, 533. 

8) Chem.-Ztg. 1911, 1120. 

*) Joum. Soc. Chem. Ind. 1902, 316. 

ß) Chem. -Ztg. 1902, 896. 

«) Ämer. Chem. Journ. 1891, 263 und 1894, 83; Berichte 1889, 3303. 

5* 



QS Chemie. 

Methyl-, Äthyl-, n. Propyl-, n- und iso-Butyl-, Pentyl-, Äthylpentyl-, 
Butylpentyl- und Hexylsulfide. 

Zu etwas anderen Resultaten gelangten Mabery und Quayle*) bei 
der Untersuchung der Schwefelverbindungen des Kanada-Erdöles; 
durch Behandlung dieses Öles mit Schwefelsäure, Destillation des ver- 
dünnten und neutralisierten Säureauszuges, Fällung mit Sublimat, 
Zersetzung der Quecksilberdoppelverbindungen mit Schwefelwasserstoff 
und Rektifikation der Schwefelverbindungen in vacuo wurde eine Reihe 
von Körpern erhalten von C7H14S (Siedepunkt 71 bis 73® bei 50 mm Hg) 
bis Ci^jHgeS (Siedepunkt 198 bis 200<» bei 50 mm Hg). Bei der Oxydation 
dieser Körper mit Permanganat bildeten sich entsprechende Sulfone, 
die auch analysiert wurden. Mit der Sulfidformel stimmt aber schlecht 
das Verhalten dieser Verbindungen gegen Brom : während Sulfide dabei 
bekanntlich kristallinische Doppelverbindungen des Typus RgS.Brg 
bilden, reagieren die in Rede stehenden Schwefelkörper mit Brom 
explosionsartig heftig, ohne wohldefinierte Verbindungen zu geben. 
Dieser Umstand, sowie die elementare Zusammensetzung veranlassten 
Mabery, die Schwefelkörper des Kanadarohöls als hydrierte Thiophene 
(oder ,,Thiophane") zu betrachten. 

Die gleichen Schwefelverbindungen wurden übrigens von Mabery 
auch aus den Ohio- und Kanada-Destillaten selbst, ohne den Umweg 
über das Säuregoudron, durch Ausschütteln mit alkoholischen Sublimat- 
lösungen ausgeschieden ; ein großer Teü des Schwefels bleibt aber dabei 
im öl zurück und scheint demnach im Rohöl in anderer Form als in 
Sulfiden, resp. Thiophanen enthalten zu sein. 

Merkwürdigerweise konnten Käst und Lagai^) die Angaben von 
M a b e r y in keinem Punkte bestätigen ; bei der Behandlung eines 1 ®/o S ent- 
haltenden Ohioöles wurde nur ein kleiner Teil der Schwefelverbindungen 
von konzentrierter Schwefelsäure aufgenommen und, nach Verdünnen der 
Säure mit Wasser und Sättigen mit Kalk, konnten durch Destillation 
keine Schwefelverbindungen erhalten werden. Auch ist z. B. das reine 
Äthylsulfid nicht fähig, mit konzentrierter oder selbst rauchender 
Schwefelsäure Sulfosäuren zu bilden; es löst sich zwar in der Säure, 
scheidet sich aber beim Verdünnen mit Wasser in unveränderter Form 
wieder aus. Bei der Destillation ihres Ohio- Öles in vacuo bei 150® 
erhielten Käst und Lagai ein gelbliches, stark nach Zwiebeln riechendes 
öl; bei der Behandlung mit Sublimat gab dieses öl einen weißen, 
käsigen, in den meisten organischen Lösungsmitteln unlöslichen Nieder- 
schlag, der in Wasser suspendiert und mit Schwefelwasserstoff zersetzt, 
ein äußerst unangenehm riechendes, schwefelhaltiges öl ausschied. 
Diese Sublimatdoppelverbindung ist somit von den analogen Verbin- 
dungen der Alkylsulfide und Merkaptane ganz verschieden. Ob diese 
Widersprüche zwischen Mabery und Käst nur darin ihre Erklärung 
finden, daß der letztere, wie Mabery meint, kein Ohio- öl in Händen 



*) Amer. ehem. Joum. lOOO, 404. 
2) Dinglers Polyt. Joum. 284, 69. 



Bestandteile der Erdöle. QQ 

hatte (das Ohio-Erdöl enthält in maximo O^^/q Schwefel, Käst gibt 
für sein öl l^o S an), mag dahin gestellt werden. 

In Form von Quecksilberdoppelverbindungen sind schwefelhaltige 
Körper auch aus anderen Erdölen von verschiedenen Forschem aus- 
geschieden worden. Eine genauere Untersuchung ihrer chemischen 
Natur bleibt noch aus. 

In vielen Fällen scheint Schwefel in Erdölen zum Teil auch in Form 
von Thiophenverbindungen enthalten zu sein. So konnte Edeleanu^) 
an den aus rumänischen Erdölen isolierten schwefelhaltigen Körpern, 
Charitschkoff^) am Benzin von Grosny die charakteristischen 
Thiophenreaktionen nachweisen; allerdings ergab eine kolorimetrische 
Bestimmung der Indopheninreaktion, daß im Grosnyschen Benzin nur 
ca. 0,0001^0 Thiophen enthalten ist; Girard^) will in russischen 
ölen auch Thiotolen und Dimethylthiophen gefunden haben. Da, wie 
V. Meyer *) gezeigt hat, Benzindämpfe beim Durchleiten über glühendem 
Schwefelkies Thiophen bilden, ist die Anwesenheit thiophenartiger 
Verbindungen in verschiedenen Erdölen sehr wahrscheinlich. 

Ganz vereinzelt steht die Angabe Hagers ^) über die Anwesenheit 
von Schwefelkohlenstoff im amerikanischen Petroleumäther; da Hager 
empfiehlt, den Äther zum Entfernen von Schwefelkohlenstoff mit 
Quecksilber kräftig zu schütteln, und man andererseits jetzt weiß, daß 
durch Schütteln mit Quecksilber der Schwefelkohlenstoff selbst von 
den ihm anhaftenden übelriechenden Schwefelverbindungen gereinigt 
werden kann, so ist es wahrscheinlich, daß Hager bei der Konstatierung 
der Anwesenheit des Schwefelkohlenstoffs im Petroleumäther sich nur 
durch den schlechten Geruch des letzteren leiten ließ und der von ihm 
untersuchte Äther somit nicht Schwefelkohlenstoff, sondern andere, 
diesen gewöhnlich begleitende Schwefelverbindungen enthielt. 

Was schließlich die Verteilung der Schwefelkörper in verschiedenen 
Fraktionen ein und desselben Erdöls betrifft, so konzentriert sich der 
Schwefelgehalt in den meisten Fällen in den höheren Destillaten und in 
den Destülationsrückständen. 

e) Stickstoffverbindungen. 

Wie der Schwefel-, ist auch der Stickstoff gehalt der meisten Erdöle 
sehr klein;, die*' deutschen (Kraemer und Boettcher®) scheinen 
überhaupt Stickstoff rei zu sein; das kaukasische Erdöl enthält nach 
Beilby ') 0,05^0 Stickstoff (die Zahl scheint aber eher zu hoch zu sein), 
das rumänische 0,09 bis 0,12^0, das pennsylvanische nur 0,008^0 ^^w. 
Zu den stickstoffreicheren gehören die Erdöle Japans, Ohios und be- 

1) Monit P6tr. 1909, Nr. 21. 

2) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1887, 272. 

3) Joum. P6tr. 1906, Nr. 129. 
*) Berichte 1886, 27. 

ß) Dinglers Polyt. Joum. 188, Ißö. 

«) Berichte 1887, 699. 

») Joum. Soc. Chem. Ind. 1891, 120. 



70 Chemie. 

sonders Kaliforniens, wo Mabery^) bis 2,35yo N fand, was einem Ge- 
halt von 30 Vo Stickstoffverbindungen entspricht. Interessant ist zu 
bemerken, daß die stickstoffreichen Erdöle oft auch einen besonders 
hohen Schwefelgehalt aufweisen. 

Der Stickstoff findet sich in den Erdölen in Form von basischen 
Verbindungen, deren Ausscheidung mittels verdünnter Schwefelsäure 
auf sehr leichte Weise geschieht. Durch Rektifikation in vacuo der aus 
den sauren Auszügen mit Alkali in Freiheit gesetzten Basen konnten 
Mabery und Hudson 2) aus dem kalifornischen Erdöl sechs verschie- 
dene Körper von CigH^^N tis Ci7H2jN isolieren; die Formeln wurden 
durch Analysen und Molekulargewichtsbestimmungen festgestellt, der 
Wasserstoffgehalt ist aber zum Teil nicht ganz sicher. Die Körper haben 
einen durchdringenden Nikotingeruch, sind schwache Basen, bilden 
keine gut definierte Salze ; durch Chromsäure werden sie völlig oxydiert, 
zum Teil unter Essigsäurebildung; mit Äthyljodid geben sie Additions- 
verbindungen, wohl Jodide der quatemären Basen. Nach dem ge- 
samten Verhalten der Basen glaubt Mabery sie als Tetrahydropyridin- 
und Chinolinderivate auffassen zu können. Nach Peckhams Unter- 
suchungen der Basen des kalifornischen Erdöls sind diese nicht im freien 
Zustande, sondern an schwache organische Säuren (also wohl Naphthen- 
säuren) gebunden im Erdöl enthalten. 

Stickstoffhaltige Basen sind auch in vielen anderen Erdölen auf- 
gefunden worden: von Bandrowsky^) und Zaloziecky*) in galizi- 
schen, von Griffits^) in rumänischen, von Ghlopin*) und Schesta- 
koff ') in russischen ölen usw. Alle diese Körper scheinen zu hydro- 
genisierten Pyridin- und Chinolinderivaten zu gehören, sind in Wasser 
wenig, in verdünnten Säuren leicht löslich, geben Doppelverbindungen 
mit Platinchlorid usw. Das aus dem russischen Kerosindestillat von 
Schestakoff isolierte Basengemisch (nur 0,006^0 vom Rohöl) siedete 
bei 260 bis 370», enthielt 85,72yo C; 8,09^/0 H und 6,60/0 N, hatte das 
mittlere Molekulargewicht 225, war optisch inaktiv. Ein ähnliches, 
scharf nach Pyridin riechendes, Basengemisch, mit 85,12^0 C; 9,32^0 H 
und 5,56 Vo N und mittlerem Molekulargewicht 249 gewann Chlopin 
aus russischem Masut (mit Ausbeute von ca. 0,008 auf Rohöl). Durch 
fraktionierte Fällung mit Platinchlorid wurde das Gemisch in 6 ver- 
schiedene aber noch nicht reine, Basen zerlegt, mit Molekulargewichten 
von 104 bis 308. 

Eine diesen Körpern nahe Zusammensetzung scheint auch die von 
Zaloziecky aus galizischem Erdöl isolierte Base zu besitzen; viel 
reicher an Stickstoff ist dagegen die Base, dieGriffits aus einem rumä- 



1) Joum. Soc. ehem. Ind. 1900, 502. 

2) Amer. Joum. Seienee 1894, 250. 

3) Monatsh. Chem. 1887, 8, 224. 
*) Monateh. Chem. 1892, 18, 498. 

ß) BuU. Soc. Chim. Paris 1901, 26, 725. 

•) Beriehte 1900, 2837. 

'') Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1898, 873. 



Bestandteile der Erdöle. 71 

nischen Erdöl gewann und die neben lößö^Q G und 6,65Vo H, 
17,80/0 N enthielt. r 

Neben alkaloidartigen Basen sind in verschiedenen Erdölen auch 
Ammoniumsalze (wohl der Naphthensäuren?) nachgewiesen worden; 
bei der Destillation der kalifornischen Erdöle wird bei 200 bis 250® 
starker Ammoniakgeruch merkbar. Im Wasser aus einem Tiefbrunnen 
in Grosny wies Charitschkow^) Methylamin nach und glaubt, daß 
dieses vom Wasser aus dem benachbarten Erdöl ausgelaugt worden war ; 
in sog. Bohrwässem der Ölfelder sind auch Ammoniumsalze gefunden 
worden. 

f) Mineralische Bestandteile. 

Die mineralischen Bestandteile kommen in Erdölen — insofern 
diese vom mechanisch beigemengten Schmutz frei sind — nur in sehr 
kleinen Mengen vor, in erster Linie wohl als Salze der Naphthensäuren. 
Durch Verbrennung eines filtrierten Masut (Erdölrückstand nach Ab- 
treiben von Benzin und Kerosin) aus Balachany (Baku) fanden Mar- 
kownikow und Ogloblin^) 0,14% Asche, was ca. 0,09% ^^ ^^^ 
Rohöl ausmacht; die Asche bestand hauptsächlich aus Kalciumoxyd 
und Eisenoxyd (dieses wohl zum Teil aus dem Eisen der Destillier- 
kessel stammend) und enthielt außerdem kleine Mengen Tonerde, 
Kupfer und Silber. Verhältnismäßig sehr viel Kupfer (0,19^0) hat 
Benignus^) im Rohöl von Patagonien gefunden. Dasselbe Rohöl 
enthielt auch 0,05^/^ Phosphor. Phosphor und Schwefelarsen, neben 
größeren Mengen freien Schwefels wurden von Thiele*) auch im 
Erdöl aus Beaumont (Texas) nachgewiesen. 

g) Wasser. 

Wie wir in einem späteren Kapitel sehen werden, ist die Löslichkeit 
von Wasser in den Erdölkohlenwasserstoffen sehr klein. Der eigent- 
liche Wassergehalt der Erdöle ist somit stets nur sehr gering. Wohl 
aber enthalten die meisten Erdöle, neben diesen kleinen, praktisch 
bedeutungslosen Mengen gelösten Wassers, mehr oder weniger große 
Mengen Wasser in feinverteilter Form als Suspension. Oft scheidet sich 
dieses Wasser beim Stehen des Erdöls, besonders unter Anwärmen, 
von selbst aus. Es kommen aber auch Fälle vor, wo die Suspension, 
selbst beim Anwärmen, Tage, ja^ Monate lange erhalten bleibt, resp. 
nur einen Teil des Wassers ausscheidet. Auch wird dieser Teil des Wassers 
nicht in reinem Zustande, sondern mit Erdöl zu einer Emulsion ver- 
mischt, ausgeschieden. Nach den Untersuchungen von Kwitka^) kann 
die Büdung solcher hartnäckigen Suspensionen und Emulsionen durch 

1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. I9O69 1275. 

2) Joum. russ. phy8.-chem. Ges. 1883, 263. 

3) Petroleum 6, 456. 

*) Chem.-Ztg. 1902, 896. 

«) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1906, Nr. 3. 



72 Physik. 

einen Gehalt des Wassers an Naphthensäureseifen hervorgerufen sein, 
und lassen sich solche^uspensionen durch Ansäuerung zum Teil zer- 
stören; in anderen Fällen bleibt auch die Ansäuerung wirkungslos. 
Im Fabrikbetriebe wird ein einigermaßen (ein paar Zehntel Prozent 
übersteigender) Wassergehalt als höchst lästig empfunden, da erstens 
die Gegenwart von Wasser beim Destillieren ein starkes Schäumen und 
sehr leicht sog. Überwürfe zur Folge hat, zweitens die im Wasser stets 
enthaltenen Salze schädliche Kesselsteine bilden. Ein schönes, theo- 
retisch und praktisch gleich interessantes Verfahren zur Ausscheidung 
des fein suspendierten' Wassers aus Erdöl ist neuerdings von Cottrell^) 
vorgeschlagen worden und besteht wesentlich in der Behandlung des 
Öles mit hochgespanntem elektrischen Strom. Die bis dahin ordnungs 
los zerstreuten mikroskopisch kleinen Wassertröpfchen reihen sich 
nach den Kraftlinien des elektrischen Feldes und fließen dabei in größere 
Tropfen zusammen. Um die Ausscheidung dieser Tropfen noch mehr 
zu beschleunigen, läßt Cottrell das mit dem Strom behandelte öl 
längs einiger mit Wasser getränkten Stücke Kanevasstoffes fließen, wobei 
die Tropfen durch den feuchten Stoff aufgefangen und festgehalten 
werden. 

ß. Physik. 
1. Spezifisches Gewicht 

Das spezifische Gewicht der bekannten Erdöle variiert von etwa 
0,730 bis über 1. Richardson und Mackenzie^) beschreiben ein 
Erdöl aus Kuba mit spez. Gewicht 0,732; ein öl mit spez. Gewicht 0,735 
ist inTulsa (N.-A. V. St.) aufgefunden worden^). Das größte bisher be- 
obachtete spez. Gewicht 1,06 wird von Redwood*) für ein mexika- 
nisches Rohöl angegeben; bei einem anderen mexikanischen öl fand 
derselbe Autor das spez. Gewicht 1,04, bei einem persischen 1,016; 
ein von Baskakow^) untersuchtes gurisches Rohöl (Kaukasus) hatte 
das spez. Gewicht 1,038 usw. Wenn somit das Vorkommen von Erd- 
ölen mit spez. Gewicht über 1 nicht bestritten werden kann, so sind 
diese ganz schweren Produkte so stark verharzt und dick, daß sie schon 
an der Grenze von Asphalten stehen, und man kann daher wohl behaup- 
ten, daß die typischen Erdöle leichter als Wasser sind. Erdöle mit 
spez. Gewicht über 0,£00 sind schon zu den schweren zu zählen; sie 
sind meist ziemlich dickflüssig, dunkelbraun bis schwarz gefärbt, haben 
einen hohen Flammpunkt (s. w.), enthalten keine oder nur sehr wenig 
leichtflüssige Bestandteile und viel Asphaltstoffe. Von den europäischen 
Erdölen gehören zu dieser Gruppe die öle von Hannover, einige rumä- 

1) Petroleum, 6, 2076; 7, 296. 

2) Joum. Soc. Chem. Ind. 1910, 681. 
8) Petroleum 3, 1208. 

*) Petroleum a. its Products 198. 

ö) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1889, 109. 



Spezififiiches Gewicht. 73 

nische (z. B. Tzintea), galizische (Plooze), kaukasische (Binagady und 
Heilige Insel bei Baku u. ä.) ; von den außereuropäischen sind besonders 
schwer die Erdöle von Mexiko, Texas, Kalifornien, Südamerika, Algerien, 
Japan u. a. In den meisten dieser Naphthagebiete finden sich aber so- 
wohl schwere, wie leichte Erdöle; so z. B. variieren die spezifischen 
(Gewichte der Erdöle von Ostgalizien von 0,750 bis 0,950, der japanischen 
von 0,£05 bis 0,988 usw. Nicht nur auf ein und demselben Gebiete, 
sondern sogar in fast unmittelbarer Nachbarschaft kommen öle von 
verschiedenen spezifischen Gewichten vor: so z, B. fand Edeleanu^) 
in zwei nur 120 m voneinander entfernten und fast gleich tiefen Bohr- 
löchern von Pacurretzi öle von epez. Gewichten 0,798 und 0,900; 
das Erdöl von Tzintea gehört zu den schwersten in Rumänien; vor 
einiger Zeit hat man aber hier ein sehr leichtes öl mit spez. Gewicht 
0,765 aufgefunden^) usw. 

In vielen Fällen läßt sich ein Zusammenhang zwischen dem spezi- 
fiischen Gewicht und der Tiefe, aus der das Erdöl kommt, nachweisen. 
Dieser Zusammenhang kann sich aber auf zweierlei Weise äußern. 
Auf einigen Naphthagebieten (Pennsylvanien, Wietze in Hannover, 
Grosny im Kaukasus u. a.) findet man das spezifische Gewicht des Erdöls 
um so kleiner, je tiefer man bohrt; in Pennsylvanien z. B. existieren 
nach Höf er ^) drei Erdöl führende Sandschichten, von denen der tiefsten 
öle mit spez. Gewichten von 0,7777 bis 0,8000, der mittleren um 0,8235, 
der obersten von 0,8760 bis 0,8484 entspringen. 

Andererseits hat man auf den ölfeldern von Balachany, Bibi-Eibat, 
Elsaß u. a. das umgekehrte Verhältnis — das spezifische Grewicht der 
öle nimmt hier beim Eindringen in die Tiefe zu. Ein sehr interessanter 
Fall solcher Abhängigkeit wurde vor mehreren Jahren bei der Ges. 
Gebr. Nobel in Balachany beobachtet: ein Bohrloch funktionierte 
hier während mehrerer Jahre und gab, von einer Tiefe von ca. 420 m, 
ein öl vom spez. Gewicht 0,867; durch irgendeinen Umstand wurde 
nun das Bohrlochrohr auf der Tiefe von ca. 300 m durchbrochen — 
die Folge davon war, daß das spezifische Gewicht des Erdöls auf 0,812 
sank! 

Das Auftreten von solchen zwei diametral entgegengesetzten Regel- 
mäßigkeiten läßt sich wohl am einfachsten durch folgende Annahmen er- 
klären. Die Erdöle sind, selbst in den tieferen Erdschichten, insofern 
diese porös und für die Luft durchlässig sind, einer Verdunstung und 
Oxydation unterworfen; da beide diese Prozesse eine Zunahme des 
spezifischen Gewichts zur Folge haben, so ist zu erwarten, daß das 
spezifische Gewicht der Rohöle eines und desselben Feldes in der Rich- 
tung von unten nach oben zunimmt. Andererseits aber wird für viele 
Erdöle angenommen, daß sie in ihrer Vorgeschichte eine Wanderung 
erlitten und dabei durch poröse Schichten filtriert haben; bei solcher 
Filtration werden, wie weiter ausführlich auseinandergesetzt sein wird, 

1) Monit. Petr. 1909, Nr. 21. 

2) österr. Chem.-Techn. Ztg. 1910, 128. 

3) Das Erdöl, S. 38. 



74 Physik. 

die schwersten Bestandteile der Erdöle in der Filtrationsschicht am 
meisten zurückgehalten ; in den Fällen — und solche werden wohl die 
häufigsten sein — wo solche Filtration unter dem Drucke der Gase 
im Erdinnern von unten nach oben stattfand, muß das spezifische Ge- 
wicht eines Erdöls in den oberen Schichten kleiner sein als in der Tiefe. 

Die großen Unterschiede in den spezifischen Gewichten verschiede- 
ner Erdöle stehen im Zusammenhange einerseits mit ihrem verschiedenen 
Gehalt an niedrig siedenden — leichten und hochsiedenden — schweren 
Kohlenwasserstoffen, sowie an schweren Asphalt- und Harzstoffen, 
andererseits aber auch mit der Zugehörigkeit der Kohlenwasserstoffe 
zu verschiedenen chemischen Reihen. Wenn man nämlich gleich 
hochsiedende gesättigte (paraffinische), naphthenische und aromatische 
Kohlenwasserstoffe miteinander vergleicht, so findet man, daß die 
ersteren das kleinste, die letzteren das größte spezifische Gewicht haben, 
während Naphthene in der Mitte stehen. Erdöle, die, wie die pennsylva- 
nischen, an gesättigten Kohlenwasserstoffen besonders reich sind, 
haben daher im allgemeinen ein niedrigeres spezifisches Gewicht als 
die naphthenischen (wie z. B. die Erdöle von Baku) oder gar als die, 
die viel aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten. Dieser durch die 
chemische Natur der Kohlenwasserstoffe bedingte Unterschied in den 
spezifischen Gewichten, der in den Rohölen selbst durch verschiedenen 
Gehalt an Asphalt- und anderen Stoffen verdeckt sein kann, kommt 
bei den Destillaten besonders klar zum Vorschein. Die pennsylva- 
nischen Benzine, Leuchtöle und Schmieröle sind daher bedeutend leichter 
als die kaukasischen, und noch schwerer als das russische Benzin ist 
z.B. das an aromatischen Kohlenwasserstoffen besonders reiche Benzin 
von den Sundainseln. 

Die Veränderungen der spezifischen Gewichte der Erdöle und Erd- 
öldestillate beim Vermischen untereinander sind noch nicht irgendwie 
gründlich untersucht worden. Im allgemeinen nimmt man an — und 
für praktische Zwecke trifft dies meist mit genügender Genauigkeit zu — 
daß die öle dabei weder eine Dilatation, noch eine Kontraktion erleiden, 
so daß das spezifische Gewicht eines Gemisches nach der einfachen 
Mischregel aus den Bestandteilen berechnet werden kann. Für die Fälle 
aber, wo das eine der zu mischenden öle paraffinhaltig ist, gilt diese 
Regel sicherlich nicht, denn es findet dabei eine teilweise Lösung der 
festen Paraffinteüchen des ersten Öles in den Kohlenwasserstoffen des 
zweiten statt, und da die Auflösung von Paraffin von bedeutender 
Ausdehnung begleitet wird, muß das spezifische Gewicht des Gemisches 
kleiner ausfallen, als es sich nach der Mischregel berechnen läßt. 
Solches wurde denn auch wirklich zum erstenmal von Grotowsky 
für technische Paraffinöle beobachtet; einen weiteren sehr prägnanten 
Fall beschrieben dann Eng 1er und Boehm^): aus einem Vaselin 
vom spez. Gewicht 0,8785 schieden sie durch Fällung mit Alkoholäther 
40,8 Vq eines festen Paraffins mit spez. Gewicht 0,8836 aus, und es war 



1) Dinglers Journ. 262, 469. 



Zähigkeit. 75 

ein öl vom spez. Gewicht 0,8809 hinterblieben — das spezifische Gewicht 
des Gemisches war somit bedeutend kleiner als das jedes einzelnen 
Bestandteiles. 

Es scheint, daß auch beim Vermischen von flüssigen, paraffinfreien 
Erdölprodukten Volum Veränderungen eintreten können; so fanden 
Jackson und Young^) beim Vermischen von Benzol und n-Hexan 
eine Expansion bis ca. 0,4^0) o^ solches auch in anderen Fällen vor- 
kommt, ist nicht bekannt 

2. Zähigkeit 

Unter Zähigkeit oder Viskosität oder Koeffizient der inneren 
Reibung versteht man in der Physik diejenige Eigenschaft von fließ - 
baren Stoffen, die, neben der Größe der reibenden Fläche und der 
Verschiebungsgeschwindigkeit, den beim Fließen zu tiberwindenden 
inneren Reibimgswiderstand bestimmt. Man unterscheidet zwischen 
der absoluten und relativen oder spezifischen Zähigkeit, indem die erste 
in absoluten Maßeinheiten (Zentimeter, Gramm, Sekunde), die zweite 
in bezug auf die Zähigkeit des Wassers (gewöhnlich bei 0®) ausgedrückt 
wird. Die absolute Zähigkeit von Flüssigkeiten läßt sich, nach dem 
Gesetze von Poiseuille, durch Messen der aus einer Kapillare aus- 
fließenden Menge bestimmen; ist r der Radius, l die Länge der Ka- 
pillare (beide in Zentimeter), p der zur Überwindung des Reibungs- 
widerstandes in der Kapillare verwendete Druck, v das Volumen der 
in t Sekunden ausgeflossenen Menge Flüssigkeit (in Kubikzentimetern), 
so ist die absolute Zähigkeit 

Tipr^t 

Da diese Bestimmungsmethode sehr zeitraubend und umständlich 
ist, sieht man von ihr in der Praxis der Erdölindustrie ganz ab ; da aber 
die Zähigkeit hier, wie wir besonders bei der Besprechung von Leucht- 
und Schmierölen sehen werden, dennoch eine hervorragend wichtige 
Rolle spielt, hat man eine viel einfachere Methode ausgearbeitet, die 
gestattet, statt der Zähigkeit eine andere, zu ihr in Beziehung stehende 
Größe genug genau auf einfache Weise zu messen. Man hat zu diesem 
Zwecke verschiedene Viskosimeter konstruiert, in denen die Ausflußzeit 
von ölen unter genau definierten Bedingungen gemessen wird; es ist 
klar, daß von zwei Flüssigkeiten diejenige, deren Zähigkeit kleiner 
ist, aus einem beliebigen Viskosimeter schneller ausfließen wird; das 
quantitative Verhältnis der Ausflußzeiten wird aber in verschiedenen 
Viskosimetem sehr verschieden ausfallen, und die mittels verschiedenen 
Viskosimeter gefundenen Größen werden zu den wahren Zähigkeiten in 
verschiedenem und im allgemeinen keinem einfachen Verhältnis stehen. 
Für die praktische Bewertung des Zähigkeitsgrades eines Erdöls oder 



1) Joum. Soc. Chem. 1898, 78, 922. 



76 Phyak. 

EIrdölprodukts wird die Bestimnmng der Ausflußzeit aus einem be- 
kannten Viskcsimeter im allgemeinen für ausreichend gehalten; bei 
der Benutzung des am meisten verbreiteten Viskosimeters von Eng 1er 
wird gewöhnlich diese Ausflußzeit zur Ausflußzeit von Wasser bei 20" C 
in Beziehung gebracht (sog. Englergrade). Für die wissenschaftliche 
Behandlung verschiedener Fragen — und, wie wir im dritten Abschnitt 
sehen werden, hat solche Behandlung auch einen hohen praktischen 
Wert — ist aber die Kenntnis dieser rein konventionellen Größen un- 
zureichend, und ist es nötig, zur wahren Zähigkeit zurückzugreifen. 
I3s muß daher als ein großer Verdienst Ubbelohdes bezeichnet werden, 
eine Formel und spezielle Tabellen^) ausgearbeitet zu haben, die erlauben, 
aus den Viskositätsgraden des Engl ersehen Viskosimeters die wahre 
spezifische Zähigkeit (z) zu berechnen. Diese Formel lautet; 




3,513 



T J' 



8 bedeutet hier das spezifische Gewicht des Öles, T seine Ausflußzeit 
aus dem Engl ersehen Viskosimeter, T^ die Ausflußzeit des Wassers 
aus demselben Viskosimeter. Wie groß die Unterschiede zwischen 
den Englerschen Viskcsitätsgraden (oder, wie man gewöhnlich kurz- 
weg sagt, ,, Viskositäten") imd den wahren Zähigkeiten sind, zeigen 
folgende Zahlen (berechnet aus den üb bei oh de sehen Tabellen für 
ein öl vom spez. Grewicht 0,900 und einen Viskosimeter mit 51'' Wasser- 
äusflußzeit) : 



Englergrade 


Spez. Zähigkeit 


1 


0,504 


2 


5,75 


3 


9,94 


4 


13,86 


5 


17,69 


10 


36,36 


20 


73,17 


30 


109,8 


40 


146,5 


50 


183,2 


60 


219,6 



Wie man sieht, sind die Werte der spezifischen Zähigkeit bei den 
höheren Viskositätsgraden (von etwa 10 angefangen) diesen proportional; 
für dünnere öle dagegen hört diese Proportionalität ganz auf, und die 
Werte der spezifischen Zähigkeit wachsen viel schneller als die Engler- 
grade. 

Im dritten Abschnitt dieses Buches, bei der Besprechung von 
Leucht- und Schmierölen, werde ich auf die Zähigkeit dieser Produkte 
näher eingehen. Für die Rohöle selbst ist die Zähigkeit nur insofern 



1) Tabellen zum Englerschen Viskosimeter 1907. 



Optische Eigenschaften. 77 

von Bedeutung, als sehr zähe öle schwerer als die dünnflüssigen sich 
durch Pumpen befördern lassen. Im allgemeinen geht die Zähigkeit 
von Rohölen ihrem spezifischen Gewicht parallel, und Rohöle mit 
spezifischem Grewicht unter 0,600 sind noch bei gewöhnlicher Temperatur 
ganz dünnflüssig; eine Ausnahme machen paraffüihaltige öle, die 
schon bei viel niedrigerem spezifischen Gewicht bei gewöhnlicher Tem- 
peratur ziemlich viskos, resp. salbenartig sein: können. 

3. Optische Eigenschaften. 

Farbe. Die Farbe der meisten Erdöle ist braun, rotbraun oder 
schwarzbraun bis schwarz. Seltener kommen hellgelbe, strohgelbe und 
hellbraune Rohöle vor, und nur als große Seltenheit trifft man auch 
ganz farblose an (z. B. in Ssurachany bei Baku, wo neben sog. ,, weißer", 
aber in Wirklichkeit nur sehr hellbrauner Naphtha auch vollständig 
wasserklare Erdöle gewonnen werden). Im allgemeinen kann man 
sagen, daß die leichteren Rohöle heller gefärbt sind als die schweren, 
was in Zusammenhang mit der oben erwähnten Fitration gebracht wird; 
es sind aber auch Ausnahmen aus dieser Regel bekannt geworden; 
so z. B. war das von NawratiP) untersuchte Rohöl von Paseczna 
(Galizien) vom spez. Gewicht 0,765 braunschwarz und undurchsichtig, 
dagegen das viel schwerere öl von Repa mit spez. Gewicht 0,803 braimrot 
und durchsichtig, das Rohöl von Kienczany mit spez. Gewicht 0,779 
durchsichtig und lichtrotgelb. 

Die meisten Erdöle zeigen eine mehr oder weniger starke Fluores- 
zenz, die auch ihren meisten Destillaten eigen ist. Ohne Fluoreszenz 
sind nur einerseits die niedrigen Destillate (Benzin, Ligroin), anderer- 
seits das vom öl befreite Paraffin; Kerosin, Vaselin- und Solaröl, 
Schmieröle und Destillationsrückstände fluoreszieren alle, sowohl in 
reinem Zustande, wie auch in verschiedenen organischen Flüssigkeiten 
gelöst. Die Farbe der Fluoreszenz ist verschieden, z. B. blau in russischen 
Erdölprodukten, grünlich in pennsylvanischen. Die Fluoreszenz wider- 
steht der gewöhnlichen chemischen Behandlung der Erdölprodukte mit 
konzentrierter Schwefelsäure und Alkalien und wird erst durch wieder- 
holte energische Einwirkung von rauchender Schwefelsäure zerstört. 
Durch Zusatz von stark lichtbrechenden Körpern (z.B. Nitronaphthalin) 
kann die Fluoreszenz der Erdölprodukte aufgehoben werden, tritt aber 
nach Ausscheidung solcher ,,Entscheinungsmittel" wieder auf. Die 
chemischen Träger der Fluoreszenz der Erdölprodukte sind noch ganz 
unbekannt. 

Lichtbrechung. Das Lichtbrechungsvermögen verschiedener Erd- 
öle oder, richtiger gesagt, ihrer Destillate ist von mehreren Forschern 
untersucht worden. In der Reihe der Destillate eines und desselben 
Erdöles steigt im allgemeinen der Refraktionskoeffizient mit der Siede- 
temperatur; beim Vergleich der Lichtbrechung gleichartiger Produkte 



1) Dinglers Joum. 240, 328. 



78 Physik. 

verschiedener Erdöle findet man, daß sie parallel ihren spezifi- 
schen Gewichten gehen, da eben die gesättigten Kohlenwasserstoffe 
kleinere Refraktionskoeffiziente aufweisen als gleich hoch siedende 
naphthenische und diese ihrerseits kleinere als die entsprechenden 
aromatischen. 

Optische Aktivität^). Die Fähigkeit, die Ebene des polarisier- 
ten Lichtes zu drehen, wnrde bei einem Erdölderivat*) zum ersten 
Male im Jahre 1835 vom Entdecker der optischen Aktivität, Biot, beo- 
bachtet. Diese Beobachtung, weil in keinem Zusammenhange mit 
anderen bekannten Tatsachen stehend, konnte für jene Zeit kein wei- 
teres Interesse bieten und sollte daher bald in Vergessenheit geraten. 
Es vergingen über 60 Jahre, bevor das Vermögen der Lichtdrehung 
an einigen Erdölderivaten von neuem nachgewiesen wurde'). Jetzt 
aber kam die Neuentdeckung zur rechten Zeit; denn die Erscheinung 
der optischen Aktivität der Erdöle und ihrer Produkte sollte nun nicht 
wieder als vereinzelte Tatsache einfach registriert werden, sondern 
konnte sofort eine theoretische Verwertung finden — nämlich in den 
Kontraversen um die gerade aktuelle Frage über den Ursprung der 
Erdöle. Die Bedeutung der optischen Aktivität nach dieser Richtung 
wird weiter zur Sprache kommen. Hier sollen vorläufig nur die wich- 
tigsten experimentellen Ergebnisse der Forschungen von Rakusin, 
Eng 1er mit seinen Schülern, Marcusson u. a. mitgeteilt werden. 

Die meisten untersuchten Erdöle drehen die Polarisationsebene 
nach rechts, einige (Java, Borneo) nach links, viele sind optisch in- 
aktiv oder, richtiger gesagt, so schwach aktiv, daß ihr Drehungsver- 
mögen unter der Grenze des Beobachtungsbereiches liegt und nur an 
höheren Destillaten zum Vorschein kommt. Der direkten Beobachtung 
der optischen Aktivität an Rohölen selbst kommt übrigens in den 
meisten Fällen ein Umstand störend entgegen — ihre Undurchsichtig- 
keit für das polarisierte Licht, Undurchsichtigkeit, die ajieh dann noch 
bestehen bleibt, wenn man das Rohöl z.B. mit Benzol so weit verdünnt, 
daß das mit ihm gefüllte Polarimeterrohr das gewöhnliche, nicht pola- 
risierte Licht schon gut durchläßt (auf dieses von Rakusin entdeckte 
Phänomen werden wir noch weiter zurückkommen). 

Keine Schwierigkeiten bietet dagegen die Untersuchung der op- 
tischen Aktivität der Erdöldestillate. Die niederen, hellen können 
direkt, die höheren, dunkel gefärbten — nach entsprechender Ver- 
dünnung mit einem indifferenten Lösungsmittel, z. B. Benzol, auf ihr 
Drehungsvermögen untersucht werden. Es ergab sich dabei die inter- 
essante Regelmäßigkeit, daß das Drehungsvermögen bei allen bisher 
untersuchten Fällen in den niederen Fraktionen Null oder nur sehr 



^) S. besonders Rakusin, Polarisation der Erdöle. 

2) Es ist übrigens nicht ganz sicher, ob das von Biot unter dem Namen „le 
naphte" untersuchte Produkt wirklich ein Erdölderivat war. 

3) Das Verdienst, die vergessene Beobachtung Biots ans Tageslicht gebracht 
und die Bedeutung der optischen Aktivität für die Frage der Erdölbildung er- 
kannt zu haben, gehört Waiden. 



Druck Drehung (Sachar.*^ 


mm b. 20 om Bohr länge) 


15 




h 4,8» 


13 




h 10,40 


12,5—13 




r 170 


15 




[- 22,8» 


17,5 




h 14,30 


12 




\- 22» 


14 




h 1,0« 



Optische Eigenschaften. 79 

schwach ist, mit der Siedetemperatur der Destillate allmählig steigt, 
bei höheren Fraktionen ganz bedeutende Werte^) erreichen kann, dann 
aber, nach Erreichung eines Maximums, wieder fällt. Das interessanteste 
aber ist, daß diese Maxima, obwohl ihrer Größe nach für verschiedene 
Erdöle sehr verschieden, dennoch in allen untersuchten Fällen in Frak- 
tionen von ziemlich übereinstimmenden Siedetemperaturen auftreten, 
wie die folgende Tabelle von Eng 1er und Albrecht^) zeigt: 

Herkunft Destillationsgrenzen 

Wietze, leicht 230 bis 276» 

Wietze, schwer 265 „ 267 » 

Baku (Bibi Eybat) . . . 230,5,, 278» 

Galizien (Schodnica) ... 260 „ 285» 

Java 282 „ 286» 

Rumänien 250 „ 270« 

Pennsylvanien 255 „ 297 ^ 

Auch Zaloziecki fand die maximale Drehung bei den von ihm 
untersuchten galizischen Erdölen in den Fraktionen, die bei 12 mm 
Druck zwischen 250^ bzw. 270^^ und 300^^ siedeten. 

Auf diese Übereinstimmung sich stützend, stellte Engler den 
Satz auf, daß die Erdöle verschiedenster Provenienz ihre optische Ak- 
tivität denselben Substanzen verdanken. Welcher Natur können nun 
diese aktiven Substanzen sein? 

Kakusin und Marcusson fanden, daß Naphthensäuren optisch 
aktiv sind, und zwar die Schmierölsäuren in stärkerem Grade als die 
Kerosinsäuren ; dieser Umstand veranlaßte Baku sin zur Vermutung, 
daß das Substrat der optischen Aktivität der Erdöle möglicherweise die 
Naphthensäuren seien. Diese Vermutung wurde aber von Albrecht 
widerlegt, der fand, daß ein russisches Zylinderöl, welches eine Aktivität 
von -|- 11,2® (Sacch.) zeigte, auch nach längerer Behandlung mit Kali- 
lauge und Rektifikation in vakuo um -|- 10,4® drehte; übrigens ist der 
Gehalt der gut raffinierten Schmieröle an Naphthenseifen so gering, 
daß das Drehungsvermögen dieser minimalen Mengen das optische 
Verhalten des Öles gar nicht beeinflussen kann. 

Um weiter zu prüfen, ob die optische Aktivität nicht durch schwefel- 
haltige Verbindimgen bedingt sei, suchte Albrecht diese durch Be- 
handlung eines stark aktiven Destillats mit Calcium auszuscheiden: 
die Aktivität erwies sich nach solcher Behandlung als unverändert^ 
obwohl der Schwefelgehalt von 0,45^0 ^^^^ 0,295^0 gefallen war. 

Da schließlich das von Albrecht untersuchte aktive Destillat 



1) Merkwürdigerweise sind diese Werte bei den beiden Forschem, die sich 
um die Erkenntnis der optischen Aktivität der Erdöle am meisten verdient haben. 
Engler und Bakusin, sehr verschieden angegeben: z. B. war das von Bakusin 
gefundene Maximum der Drehung beim Bibi-Eibater Erdöl 3,4® (Sacchar.), bei 
Engler dagegen 17®! 

2) Albrecht, Dissertation; Engler, Petroleimi 2, Nr. 20 bis 23. 



80 Physik. 

des galizischen Erdöls Stickstoff rei war^), so folgert der genannte Autor, 
daß die optische Aktivität des galizischen und somit auch anderer 
Erdöle auf die Anwesenheit eines oder mehrerer innerhalb enger Gren- 
zen siedenden Kohlenwasserstoffe zurückgeführt werden muß. Die 
große Mannigfaltigkeit der chemischen Zusammensetzung der Erdöle 
läßt vermuten, daß diese einheitliche optisch-aktive Substanz nicht 
einer der Hauptreihen der Kohlenwasserstoffe angehöre^), sondern ge- 
wissermaßen als ständiger Begleiter der eigentlichen Erdölmasse auf- 
trete. Am meisten Wahrscheinlichkeit scheint die Annahme Mar- 
cusson's und Engler 's für sich zu haben, nach welcher die optische 
Aktivität der Erdöle durch Umwandlungsprodukte des Cholesterins 
(resp. des Phytosterins) hervorgerufen werden soll. Diese Annahme 
steht im engsten Zusammenhange mit der bekannten Engler'schen 
Theorie der Erdölbildung aus animalischen Fetten. Denn weder die 
reinen Glyzeride dieser Fette selbst, noch ihre Destillations- und Zer- 
setzungsprodukte sind optisch aktiv, wohl aber das mit den meisten 
Fetten zusammen auftretende Cholesterin. Eine starke Stütze erhielt 
diese Annahme durch die von Eng 1er veranlaßten Versuche Albrechts, 
welcher fand, daß das Cholesterin, obwohl selbst links drehend, bei lang- 
samer Destillation ein stark rechtsdrehendes Destillat bildet; durch 
Beimischung dieses Destillates zu einem aus inaktiven Komponenten 
(Kaiseröl, Schmieröl usw.) hergestellten inaktiven ,,Rohpetrolejm" 
wurde ein aktives künstliches ,, Rohpetroleum" bereitet, dessen optische 
Aktivität sich bei der Vakuumdestillation in ganz ähnlicher Weise auf die 
einzelnen Fraktionen verteilt, wie bei den natürlichen Erdölen, sich 
insbesondere auch in der Fraktion 240 bis 290® (bei 14 mm Hg) an- 
reichert. Der Parallelismus zwischen dem optischen Verhalten der 
Erdöle und demjenigen des Cholesterindestillats geht aber noch weiter; 
beim raschen Destillieren des Cholesterins unter gewöhnlichem Druck 
kann ein schwach linksdrehendes Produkt erhalten werden, das bei der 
Rektifikation im Vakuum zuerst leichter siedende linksdrehende, dann 
inaktive, zuletzt hochsiedende, stark rechtsdrehende Destillate liefert; 
genau ebenso verhält sich aber auch das Erdöl von Java ! Eine Stütze 
der Cholesterintheorie wollte man auch in einigen koloristischen Reak- 
tionen (z.B. der von Tschugajew angegebenen: Rosa- bis Violett- 
färbung mit Trichloressigsäure) erblicken, die den Cholesterindestil- 
laten und Erdölprodukten gemeinsam sind; nachdem aber Charitsch- 
koff^) solche Reaktionen auch an den von ihm nach der Methode von 
Sabatier und Sendereus dargestellten künstlichen Erdölen nach- 
gewiesen hat, wird man ihnen nur wenig Bedeutung zumessen können. 
Neuerdings hat Koss, auf Veranlassung von Steinkopf ^), das 

1) Übrigens waren die von Schestakow aus russischem Kerosin isolierten 
Stickstoffbasen optisch inaktiv. 

2) Es sei hier immerhin bemerkt, daß Zielinsky optisch aktive Naphthene 
(1.3-Dimethylpentamethylen, l-Methyl-3-Äthylpentamethylen usw.) synthetisch 
dargestellt hat. 

8) Chem. Rev. 1907, 120. 

*) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1911, 697; Steinkopf, Chem. -Ztg. 1912, 72. 



Optische Eigenschaften. 81 

Verhalten verschiedener Fraktionen zweier javanischer Erdöle gegenüber 
Digitonin untersucht, welches sowohl mit Cholesterin, wie auch mit dessen 
hydroxylhaltigen Zersetzungsproduktsn eine Fällung gibt. Da keine 
der untersuchten Erdölfraktionen eine Fällung mit Digitonin zeigte, 
schließt Koss, daß weder Cholesterin selbst, noch seine Zersetzungs- 
produkte die Ursache der optischen Aktivität, wenigstens bei den 
untersuchten javanischen ölen, sein könnten. Es ist aber durch die Ver- 
suche von Koss die Möglichkeit noch gar nicht ausgeschlossen, daß 
unter anderen Versuchsbedingungen das Cholesterin auch hydroxyl- 
freie, mit Digitonin nicht reagierende Zersetzungsprodukte ergibt. 

Der Vollständigkeit halber sollen auch die Hypothesen von Zalo- 
ziecki^) und Neuberg^) kurz erwähnt ^werden. Der erste erblickt das 
Substrat der optischen Aktivität der Erdöle in Stoffen pflanzlichen Ur- 
sprunges, Harzen und Terpenen, der zweite in Spaltungsprodukten 
der Eiweißstoffe, wie Amidovalerian- und Amidocapronsäuren. Zalo- 
ziecki gegenüber bemerkt aber Marcusson^) mit Recht, daß auch die 
mit rauchender Schwefelsäure gereinigten, also harz- und terpenfreien 
Destillate optisch aktiv sein können. Derselbe Grimd, wie auch der 
verschwindend kleine Stickstoffgehalt vieler Petroleumdestillate spre- 
chen gegen die Annahme Neubergs in ihrer Allgemeinheit. Daß aber 
neben einer mehr oder weniger einheitlichen, allen Erdölen gemeinsamen 
aktiven Substanz in verschiedenen Erdölen noch verschiedene andere 
lichtdrehende Verbindungen vorkommen und somit an der Gesamt- 
aktivität teilnehmen, kann nicht bestritten werden; sind ja z.B. die 
Naphthensäuren aktiv, wahrscheinlich auch die Erdölharze; Rein- 
hard und Bottez*) erhielten aus Sulfosäuren eines rumänischen Erdöles 
linksdrehende aromatische Kohlenwasserstoffe usw. 

Schließlich muß bemerkt werden, daß die optische Aktivität der 
Erdöldestillate sehr beständig ist und z. B. durch Erhitzen auf ziem- 
lich hohe Temperaturen nicht zerstört wird. So konnte Rakusin*) 
ein Vaselinöl direkt über dem Bunsenbrenner bis zum Beginn des Sie- 
dens erhitzen, ohne daß sich die Rotationskonstante des Öles ver- 
ändert hätte; Albrecht stellte an einem galizischen Destillat fest, daß 
die Zerstörung der optischen Aktivität bei der Druckerhitzung erst 
zwischen 290 und 320® erfolgt, wobei gleichzeitig auch die Viskosität 
und das spezifische Gewicht des Öles abnehmen. 

Das Bakusinsche Phänomen. Bei der Untersuchung der opti- 
schen Aktivität der Erdölderivate machte Rakusin die höchst inter- 
essante Beobachtung, daß schon wenige Tröpfchen Erdöl, in einer 
farblosen Flüssigkeit, wie z. B. Benzol, gelöst, das Gesichtsfeld im 
Polarisationsapparate zu verdecken vermögen, obwohl dieselbe Lösung 
im gewöhnlichen Lichte ganz durchsichtig und nur schwach gelb ge- 

1) Chem.-Ztg. 1907, Nr. 93 und 94. 

2) Petroleum 3, Nr. 14 und 16. 
8) Chem.-Ztg. 1908, 377. 

*) Rev. petr. 1, Nr. 1. 
«) Petroleum 3, 436. 

Gurwitsch. 6 



82 Physik. 

färbt erscheint. Rakusin selbst hat diese Erscheinung mit dem sog. 
Tyndal Ischen Phänomen für identisch gehalten, das darin besteht, 
daß ein unpolarisierter Lichtstrahl beim Eiofalleii in gewisse (meist 
kolloidale) Flüssigkeiten teilweise diffus zerstreut und dabei pola- 
risiert wird; beim Beobachten dieses zerstreuten Lichtes durch ein 
Nicolprisma tritt also, wie im Bakusinschen Versuche, eine Verdunke- 
lung des Gesichtsfeldes ein. Wie Zsigmondy') aber nachgewiesen 
hat, müssen die beiden Erscheinungen in ihrem Wesen dennoch ver- 
schieden sein; denn falls man den Tynd all sehen Versuch mit den 
Bohöllösungen anstellt, so findet man, daß das darin zerstreute Licht 
so gut wie gar nicht polarisiert ist. Die Erklärung, die man dem Tyn- 
d all sehen Phänomen gibt — ^^ nämlich, daß die Lichtwellen an den 
ultramikroskopischen Teilchen einer kolloidalen Lösung reflektiert wer- 
den und dabei eine Polarisation erleiden, diese Erklärung, die Rakus in 
auch für seine Beobachtimg angenommen hat, muß also hier aufgegeben 
werden. Das Wesen des Rakus in sehen Phänomens ist somit noch 
ganz dunkel. Daß es aber mit dem Gehalt der Erdöle an kohlenstoff- 
reichen (, .kohligen", wie Rakusin sie nennt) Substanzen in engstem 
Zusammenhange steht, folgt zweifellos aus der von ihm weiter fest- 
gestellten Tatsache, daß je reicher ein Rohöl an Asphaltstoffen u. dgl. 
ist, um so größer der Grad der Verdünnung seiner Lösungen sein muß, 
damit diese das polarisierte Licht durchlassen. Auch hat Marcusson 
aus einem optisch undurchsichtigen Erdöl von Wietze nach Ausfällen 
der benzollöslichen Asphalte ein für das polarisierte Licht ganz durch- 
lässiges öl erhalten. Rakusin nennt den Prozentgehalt von Erdöl in 
der für den polarisierten Strahl eben durchlässigen Benzollösung seine 
Karbonisationskonstante {K) und unterscheidet drei Klassen von Erd- 
ölen: 1. optisch leeren, mit K= 100, d. h. solche, die bereits in unver- 
dünntem Zustande in einer Schicht von 200 mm Länge für das polari- 
sierte Licht durchlässig sind; zu dieser Klasse gehören die hellen Erd- 
öle, wie sie in verschiedensten Erdteilen, aber teils in untergeordneten 
Mengen, vorkommen (Ssurachany bei Baku, Veleija und Montechino 
in Italien, einige Erdöle von Galizien, Rumänien usw.) ; 2. optisch un- 
durchsichtigen, mit K = y32 bis y2; in diese Gruppe gehören die weit 
meisten bekannten Erdöle; 3. optisch halbdurchsichtigen, mit K = 
2 bis 3 und mehr, wie z.B. die Erdöle von Pennsylvanien, Anapa, Tegem- 
uee usw. Rakusin knüpft an diese Einteilung weitere Spekulationen 
über den Zusammenhang zwischen der Karbonisationskonstante imd dem 
geologischen Alter der Erdöle, über verschiedene Perioden der Erd- 
ölbildung usw. dar. Da aber diese Spekulationen einerseits mehr von 
geologischem, als von chemischem Interesse sind und andererseits nicht 
ohne wohlbegründeten Widerspruch geblieben sind, können sie hier 
unerörtert bleiben. 



^) s. Rakusin, Polarimetrie der Erdöle, S. 134. 



Thermische Eigenschaften. 83 



4, Thermische Eigenschaften. 

Die thermischen Eigenschaften einzelner Erdöle und ihrer Deri* 
vate sind von verschiedenen Forschern untersucht worden; leider tra- 
gen die meisten betreffenden Arbeiten und Messungen mehr zufälligen 
Charakter; systematische, vergleichende Untersuchungen stehen uns 
noch nicht zur Verfügung. Es fehlen Werte für viele Erdöle und noch 
mehr für die einzelnen Fraktionen; wir besitzen keine Daten über das 
chemische Verhalten bei höheren Temperaturen usw. Dies ist um so 
mehr zu bedauern, als die thermischen Daten auch für die Praxis einen 
großen Wert haben. 

Spezifische Wärme (Wärmekapazität). Die in der Literatur zer- 
streuten Angaben über die spezifische Wärmen verschiedener Erdöle 
und Erdölprodukte sind recht spärlich und z.T. einander widersprechend» 
Für einige Rohöle geben Mabery und Goldstein^) folgende Zahlen an: 

Provenienz Spez. Gewicht Spez. Wärme 

Pennsylvanien 0,810 0,600 

Japan 0,862 0,463 

Rußland 0,£08 0,435 

Kalifornien 0,9€0 0,398 

Der hier zutage kommende Parallelismus zwischen spezifischen 
Wärmen und spezifischen Gewichten ist allerdings rein zufällig, und 
z. B. das von Graefe^) untersuchte Erdöl von Wietze mit spez. 
Gew. 0,888 und spez, Wärme 0,403 kann in dieser Reihe keinen Platz 
finden. Merkwürdig niedrige und wohl revisionsbedürftige Zahlen 
(0,228 bis 0,389) führt Pawlewski^) für verschiedene galizische Erd- 
öle an. 

Es ist auch schwer, bestimmte Regelmässigkeiten für dis spezi- 
fischen Wärmen verschiedener Fraktionen eines und desselben Erdöls 
festzustellen. Syniewski*) fand bei der Untersuchung der zweimal 
undestillierten Fraktionen eines galizischen Erdöls, daß ihre spezifische 
Wärme mit der Siedetemperatur regelmäßig abnahm; sie war 0,5671 
für die zwischen 110 bis 130® siedende Fraktion und 0,4767 für die 
Fraktion 230° bis 250®. Eine regelmäßige Abnahme der spezifischen Wärme 
mit der Siedetemperatm* zeigen auch die von Mabery und Goldstein 
untersuchten Kohlenwasserstoffe der Methanreihe (Hexan — 0,627, 
Hexadekan — 0,496). Dagegen haben die Messungen Kuklins^) an 
kaukasischen Produkten für die zwischen 100 und 240° siedenden Frak- 
tionen (spezifisches Gewicht von 0,762 bis 0,869) keine wesentlichen 
Unterschiede (0,468 bis 0,483), für das Maschinenöl dagegen eine be- 

1) Proc. Amer. Acad. 1902, 37, 369. 

2) Petroleum 2, 521. 

8) Kosmos (polnisch) 1893, 229. 

*) Zt. f. angew. Chem. 1898, 621. 

*) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1883, 106. 

6* 



84 Physik. 

deutende Zunahme (0,559) ergeben. Auch die von Graefe an Braun- 
kohlenteerölen gefundenen Zahlen weisen vom Benzin (spez. Gew. 0,810) 
zum Rohöl (spez. Gew. 0,875) eine regelmäßige Zunahme (von 0,415 bis 
0,453), dann aber wieder eine Abnahme der spezifischen Wärme auf. 
Von großem Interesse für kalkulatorische Behandlung verschie- 
dener, mit der Destillation der Erdöle verbundenen Fragen wäre eine 
Kenntnis der Veränderungen der spezifischen Wärme eines und des- 
selben Öles in Abhängigkeit von der Temperatur. Es ist bekannt, daß 
die spezifische Wärme von Flüssigkeiten mit der Temperatur ganz all- 
gemein und nicht unbedeutend wächst; aus den Messungen von Kuklin, 
die sich allerdings nur auf wenig entfernte Temperaturbereiche er- 
strecken (von 15 bis 20® und bis 35 — 40®), ergibt sich eine Zunahme von 
etwa 0,0010 bis 0,0016 pro PC. Werte von derselben Größenordnung 
ergeben sich auch aus dem Vergleich der spezifischen Wärmen von 
Oktan und Dekan nach den Messungen von Mabery und Goldstein 
einerseits und Louguinine^) andererseits: 

T® -Intervall Spez. Wärme T^-Intervall Spez. Wärme 

Oktan ... bis 50® 0,505 (M. u. G.) 20 bis 123» 0,578 (L) 
Dekan ... „ 50» 0,498 (M. u. G.) 21 „ 154» 0,590 (L) 

Man sieht somit, daß die Zunahme der spezifischen Wärme der 
Kohlenwasserstoffe mit der Temperatur eine recht bedeutende ist. 

Yerdampfungswärme. Unsere Kenntnisse über die Verdampfungs- 
wärmen von Erdölprodukten sind noch ärmer als die über ihre 
spezifische Wärmen. Von Erdölen selbst kann hier natürlich keine 
Rede sein; denn, mit ganz verschwindenden Ausnahmen, können sie 
gar nicht ohne Zersetzung und Bildung von festen Rückständen voll- 
ständig verdampft werden. Aber auch an verschiedenen Destillaten 
sind Messungen der Verdampfungswärme nur in sehr wenigen Fällen 
ausgeführt worden. 

Man unterscheidet bekanntlich zweierlei Verdampfungswärmen: 
latente und totale. Unter der ersten versteht man diejenige Wärme- 
menge, die zur Überführung von 1 Kilo Flüssigkeit in Dampf derselben 
Temperatur erforderlich ist; diese Wärmemenge ist nicht nur von der 
Natur der Flüssigkeit, sondern auch von der Verdampfungstemperatur 
abhängig, und zwar fällt sie mit steigender Temperatur. Spricht man 
einfach von latenter Verdampfungswärme, so wird sie auf die Siede- 
temperatur unter normalem Atmosphärendruck bezogen. In homologen 
Reihen fällt die latente Wärme beim Übergang von niederen zu höheren 
Gliedern der Reihe. 

Als totale Verdampfungswärme wird dagegen die Gesamtwärme 
bezeichnet, die zur Überführung von 1 Kilo Flüssigkeit von 0® (oder 
auch von Zimmertemperatur) in den Dampf von der Siedetemperatur 
der betreffenden Flüssigkeit nötig ist; sie addiert sich somit aus der 
latenten Wärme und der zur Erwärmung der Flüssigkeit von 0® (resp. von 



1) Landolt-Boernstein-Meyerhoffer, Tabellen. 



Thermische Eigenschaften. 85 

15® oder 20®) bis zur Siedetemperatur erforderlichen zusammen. Diese 
totale Verdampfungswärme ist um so größer, je weiter in einer homo- 
logen Reihe wir steigen. 

Jm Laboratorium der Naphthaproduktions A.-G. Gebr. Nobel in 
Baku sind für die latente Wärme verschiedener Fraktionen folgende 
Werte gefunden worden: 

Spez. Gewicht Siedetemperatur Kai. pro 1 kg 



0,640 


40« 


80,6 


0,6982 


72,80 


74,95 


0,7428 


92,20 


68,25 


0,7615 


100,70 


66,63 


0,7968 


155,70 


53,6 


0,8129 


175,50 


51,6 



Bei der Bestimmung der latenten Wärme der höheren Fraktionen 
können, infolge von Zersetzung, die gefundenen Werte leicht zu hoch 
ausfallen; so fand die Physikalisch-Technische Reichsanstalt^) für die 
Fraktion 110 bis 130« eines galizischen Erdöls die latente Wärme gleich 
63,5 Kai., für die Fraktion 170 bis 170o, 60 Kai., dann aber für die 
Fraktion 230 bis 250o wieder 62,5 Kai. 

Für die totale Verdampfungswärme verschiedener Fraktionen aus 
Wietzer Erdöl fand die P.-T.-R. Werte von 130 bis 190 Kai. Bei der 
Destillation der höheren Fraktionen erfordert somit die Erwärmung 
von Zimmertemperatur bis zum Sieden bedeutend mehr Wärme als 
die Überführung der erhitzten Flüssigkeit in Dampfzustand. 

Schließlich sei erinnert, daß man die latente Verdampfungswärme 
eines Öles annähernd nach der bekannten Formel von Trouton: 

— = 22 berechnen kann ; A bedeutet hier die latente molekulare Ver- 
dampfungswärme, T die Siedetemperatur in absoluter Skala. 

Wärmeausdehnung. Wie in den meisten anderen Fällen, kann 
auch bei den Erdölen und ihren Derivaten die allgemeine Formel für 
die Wärmeausdehnung: 

^.= n(l + at + bt2+...) 
mit genügender Genauigkeit in die einfachere Beziehung: 

abgekürzt werden. Für diesen Ausdehnungskoeffizienten a haben sich 
aus zahlreichen Untersuchungen verschiedener Forscher folgende Regel- 
mäßigkeiten ableiten lassen: 

1. Der Wärmeausdehnungskoeffizient eines Erdöls ist im allge- 
meinen um so kleiner, je größer das spezifische Gewicht des Erdöls. 
Dies wird z. B. durch folgende, von Eng 1er*) hauptsächlich nach den 
Daten von H. St. Claire-Deville zusammengestellte Tabelle gut illustriert : 

1) Syniewski, Zt. f. angew. Chem. 1898, 621. 

2) Verh. Gewerbefl. 1887, 637. 



86 



Physik. 



Ausdehnungskoeffizieiit 
Spez. Gewicht zwischen 0^ und 50® C 

Pennsylvanien 0,816 0,000840 

Canada 0,828 843 

Schwabweüer (Elsaß) . . . 0,829 843 

Virginien 0,841 839 

Schwabweiler 0,861 858 

Walaehien 0,862 808 

Ost-Galizien 0,870 813 

Rangoon 0,875 774 

Kaukasus 0,882 817 

West-Galizien 0,885 775 

Ohio 0,887 748 

Baku 0,890 784 

Oedesse (Hannover) .... 0,892 772 

Pechelbronn 0,892 792 

Walaehien 0,901 748 

Oberg (Hannover) 0,944 662 

Wietze (Hannover) .... 0,955 647 

2. Beim Übergang von den niedrigen zu den höher siedenden 
Destillaten eines und desselben Erdöls fällt der Wärmeausdehnungs- 
koeffizient; so fand Singer^) für die Destillate des Campina-Erdöleß 

(Rumänien) : 

Spez. Gewicht Ausdehnungskoeffizient 

Leichtes Benzin 0,716 0,001251 

Schweres Benzin 0,751 0,001146 

Kerosin 0,8145 0,000954 

Solaröl 0,873 0,000811 

Für Destillate des Baku-Erdöls gibt Mendelejew^) folgende 
Werte an: 

Spez. Gewicht Ausdehnungskoeffizient 

Benzin 0,700 bis 0,720 0,000820 

Kerosin 0,820 „ 0,830 0,000750 

Spindelöl 0,895 „' 0,903 0,000640 

Maschinenöl .... 0,905 „ 0,910 0,000620 

Zylinderöl 0,910 „ 0,920 0,000600 

3. Da der zweite Koeffizient b der unverkürzten Ausdehnungs- 
gleichung für die meisten Flüssigkeiten einen positiven Wert hat, so 
ist in der abgekürzten Gleichung V^ = Fq (1 -f- at) der Koeffizient a 
nicht konstant, sondern steigt bei ein und demselben Erdölprodukt 
mit der Temperatur; z. B. fand Huchmann^) für ein Erdöl von Baku, 
von spez. Gew. 0,8737 bei 15», für den Koeffizient a die Werte: 0,000614 

1) Chem. Rev. 3, 265. 

*) Vgl. Rakusin, Untersuchung des Erdöles, S. 28. 

») Trudi Bakuer Teohn. Ges. 1886. 






Thermische Eigenschaften. g7 

bei 6,8» und 0,000700 bei 75». Wie man sieht, ist die Veränderung 
des Koeffizienten sehr klein und kann für die gewöhnlich in Betracht 
kommenden Temperaturen vernachlässigt werden. 

Es sei schließlich des interessanten Einflusses erwähnt, den der 
Paraffingehalt auf die Wärmeausdehnung der Erdöle und ihrer Produkte 
ausübt. Da das Paraffin sich sowohl beim Schmelzen, wie auch beim 
Auflösen stark ausdehnt (nach Graefe beträgt diese Ausdehnung 
11 bis ISVo), ^^^ ^^s i^ Rohölen oder Destillaten suspendierte Paraf- 
fin schon bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen schmilzt, resp. 
sich in öl auflöst, so ist der Ausdehnungskoeffizient von paraffinhal- 
tigen ölen im Gebiete der Schmelz-, resp. der Auflösungstemperatur 
des Paraffins größer als bei den darauf folgenden Temperaturen; so 
z.B. haben Gruszkiewicz und Bartoszewicz^) für die Ausdehnungs- 
koeffizienten eines paraffinreichen galizischen Erdöles (spez. Gew. 
0,8428220) folgende Werte gefunden: 

zwischen 0» und 10» 0,001081 bis 0,001095 

10 „ 20» 0,001103 „ 0,001105 

20 „ 30« 0,0009346,, 0,000^43 

30 „ 40« 0,0008306,, 0,0008587 

Wärmeleitungsfähigkeit. Über diese Eigenschaft der Erdöle und 
Erdölprodukte finden sich nur ein paar Angaben, die ich nach den 
Landoltschen Tabellen, wiedergebe: 

Petroleum bei 13» 0,000355 (Graetz) 

(Kaiseröl) . . 0—34» 0,000382 (R. Weber) 

Paraffinöl 0—34» 0,000346 

Zylinderöl ...... 72— 90» 0,000290 

Die Zahlen geben absolute Wärmeleitungsfähigkeit an, d. h. die 
Zahl von Kalorien, die durch eine 1 cm dicke Schicht von 1 cm Quer- 
' schnitt bei einem Temperaturgefälle von 1® C in einer Sekunde durch- 
gehen; die absolute Wärmeleitungsfähigkeit des Wassers bei 10 bis 
180 ist 0,00154. 

Yerbrennungswärme. Die Verbrennungswärme einer chemischen 
Verbindung muß nach dem Energieprinzip der Summe der Ver- 
brennungswärmen ihrer Elemente mit Abzug ihrer Bildungswärme aus 
diesen Elementen gleich sein. Nun sind die Bildungswärmen der orga- 
nischen Verbindungen, besonders der Kohlenwasserstoffe, im Vergleich 
zu den Verbrennungswärmen klein, und wird dieses Verhältnis mit stei- 
gendem Molekulargewicht immer kleiner. Es ist daher möglich, für 
verschiedene Heizmaterialien, und somit auch für Erdöle und ihre 
Destillate, die Verbrennungswärmen oder, wie man es auch nennt, den 
Heizeffekt auf Grund ihrer elementaren Zusammensetzung mit einer 
für praktische Zwecke genügenden Genauigkeit zu berechnen. Man 
kann hierzu die Formel von Du long: 

^) Petroleum 2, 525. 



88 Physik. 

Q*) = 81 C + 290 (h— ^] + 25 B — 6 TT, 

oder auch die von Mendelejew: 

Q*) = 81 C + 300 jy — 26 (0 — iS) 

gebrauchen ; C bedeutet hier den Prozeütgehalt von Kohlenstoff, H von 
Wasserstoff, Sauerstoff, 8 Schwefel. 

Wie man aus diesen Formeln sieht, ist der Heizeffekt eines Erdöls 
um so größer, je reicher es an Wasserstoff ist und je weniger Schwefel 
und besonders Sauerstoff es enthält; da mit größerem Wasserstoff- 
gehalt das spez. Gewicht der Erdöle gewöhnlich kleiner wird, kann man 
auch sagen, daß im allgemeinen der Heizwert eines Erdöls um so größer 
ist, je leichter das öl. Dieselbe Regelmässigkeit zeigt sich auch in den 
verschiedenen Fraktionen eines und desselben Erdöls: mit steigenden 
Siedepunkten und spezifischen Gewichten der Fraktionen wird ihr 
Heizeffekt kleiner. 

Auf Grund ihrer Untersuchungen von 64 Erdölprodukten aus ver- 
schiedenen Orten von Ver. Staaten stellten S her man und Kropf) 
eine empirische Formel auf, die die Beziehung der Verbrennungswärme 
zum spezifischen Gewicht für diese Produkte sehr gut wiedergibt. In 
englischen Maßeinheiten^) lautet die Formel: 

B.T. C7. = 18,650 + 40(^6 — 10); 

setzt man statt B, T. ü. — Kalorien, und statt Beaumegraden — spezi- 
fische Gewichte ein, so erhält man die Formel: 



Q = 10360 + 5600 (^— l)- 



In den von den Autoren untersuchten 64 Erdölen und Erdölpro- 
dukten waren die Abweichimgen der gemessenen Werten von den be- 
rechneten nur in 7 Fällen größfer als I^q und nur in zwei größer als 2yo> 
aber kleiner als 3^0- Ei^® allgemeinere Bedeutung wird die Formel 
von Sh. und Kr. trotzdem nicht haben, denn von zwei gleich schweren 
Erdölen kann das eine dennoch ZT-reicher imd 0-ärmer sein als das 
andere, und dann wird es auch eine größere Verbrennungswärme zeigen 
müssen. 

Die experimentell gefundenen Daten für die Verbrennungswärmen 
anderer Erdöle sind sehr mangelhaft. In allen Handbüchern findet man 
noch immer nur die veraltete Tabelle von H. St. Claire-Deville wieder, 
und in Ermangelung eines neueren Materials muß sie auch hier benutzt 
werden : 



*) Sowohl der Heizwert dieser Formel, wie auch die weiteren Zahlenangaben 
beziehen sich auf die Bildung — bei der Verbrennung — von Wasser in Dampfform. 

1) Journ. amer. ehem. Soc. 1908, 30, 1626. 

2) B. T. U. = British Thermal Unit ist die Wärmemenge, die erforderlich 
ist, um ein Pfund Wasser von öO^ Fahr, auf öl® Fahr, zu erwärmen. 



Thermische Eigenschaften. 



89 



West-Virginien 
Pennsylvanien 



j> 



Parma . . . 
Pechelbrona . 



99 



Schwabweiler 
Ost-Galizien 
West-Galizien 
Baku. . . . 



>> 



Java 



Spez. Gewicht Chem. 

0,8412 84,3 

0,873 83,5 

0,816 82,0 

0,886 84,9 

0,786 84,0 

0,892 85,7 

0,912 86,9 

0,861 86,2 

0,870 82,2 

0,885 85,3 

0,882 87,4 

0,884 86,3 

0,938 86,6 

0,923 87,1 



Zusammensetzung 
H 



14,1 1,6 

13.3 3,2 
14,8 3,21) 

13.7 1,4 

13.4 1,8 

12.0 2,3 

11.8 1,3 
13,3 0,5 

12.1 5,7 
12,6 2,1 (Nu. 0)10231 

12.5 0,1 11700 

13.6 0,1 11460 
12,3 1,1 10800 
12,0 0,9 10831 



Heizwert 

10223 cal 
10180 
9963 1) 
10672 
10121 
10020 
9708 
10458 
1Ö005 



Zu neuerer Zeit ist eine größere Zahl von Heizwertmessungen nur 
von Sherman und Kropf (1. c.) an verschiedenen amerikanischen 
Erdölen ausgeführt worden und folgende Resultate erhalten: 



Pennsylvanien 

Ohio !' . . . 
,, • . . ■ 
West-Virginien 

Texas 



>» 



99 



>> 



99 



>> 



Califomien 



>> 



9 9 



J> 



Spez. Gewicht 


Heizwert 


0,8059 


11143 cal 


0,8324 


10990 , 




0,8048 


11149 , 




0,8418 


10950 , 




0,8237 


10981 , 




0,8261 


11123 , 




0,8914 


10690 , 




0,9137 


10571 , 




0,9153 


10692 , 




0,9155 


10560 , 




0,9336 


10600 , 




0,9158 


10318 , 




0,9179 


10433 , 




0,9182 


10547 , 




0,9644 


10327 , 





Aus diesen Tabellen wäre zu schließen, daß der größte Heizwert 
den Erdölen von Baku zukommt, dann folgen die Rohöle von Penn- 
sylvanien, Ohio und West-Virginien. 

Um das Sinken des Heizwertes beim Übergang zu den höher sie- 
denden Fraktionen eines und desselben Erdöles zu illustrieren, seien 



1) Diese Zahlen sind für d€bs pennsylvanische Erdöl so sehr anormal — 
der Sanerstoffgehalt viel zu hoch, der Brennwert viel zu klein — daß man eine 
Erklärung hierfür nur darin finden kann, daß D6ville in diesem Falle kein 
pennsylvanisches, sondern irgendein anderes öl in Händen hatte. 



90 Physik. 

schließlich die Messungen Sokolows^) an den Destillaten des Baku- 
Erdöles wiedergegeben: 

Benzin 11230 cal 

Kerosin 11059 

Pyronaphth 10972 

Solaröl 10914 

Spindelöl 10893 

Maschinenöl 10889 

ZyHnderöl 10883 

Masut 10843 






Yerdampfen und Sieden. Die komplizierte Zusammensetzung der 
Erdöle und Erdölprodukte hat zur Folge, daß man hier vom strengen 
Gebrauch des Begriffes ,, Siedepunkt" absehen muß und die Temperatur 
des Siedebeginns nur annähernd und konventionell angeben kann; 
nach dem Vorschlage der Internationalen Kommission für Verein- 
heitlichung der Untersuchung von Petroleum soll als Siedebeginn 
derjenige Punkt gelten, bei dem der erste Tropfen vom Ende des Wasser- 
kühlers abfällt; die Destillation muß dabei in einem genau dimensio- 
nierten Apparat und unter streng festgelegten Bedingungen vorgenom- 
men werden. 

Die Temperatur des Siedebeginns eines Erdöls wird natürlich um 
so niedriger Hegen, je reicher es an an und für sich leicht siedenden 
Stoffen ist, und da solche Stoffe meist auch spezifisch leichter als die 
ihnen homologen schwer siedenden sind, so fangen im allgemeinen die 
spezifisch leichten Erdöle eines und desselben Grebiets bei niedrigeren 
Temperaturen als die schweren zu sieden an. Zieht man aber Erdöle 
verschiedener Grebiete zum Vergleich, so tritt eine solche Abhängigkeit 
nur beim großen Abstand von spezifischen Grewichten hervor; denn 
wie wir oben gesehen haben, sind z.B. die Kohlenwasserstoffe der Naph- 
thengruppe bedeutend schwerer als die gleich hochsiedenden Grenz- 
kohlenwasserstoffe; oder, vice versa: Naphthene sieden bei niedrigerer 
Temperatur als Grenzkohlenwasserstoffe vom gleichen spezifischen Ge- 
wicht; ein naphthenreiches Erdöl wird also im allgemeinen einen nied- 
rigeren Siedebeginn zeigen als ein gleich schweres Erdöl des paraffi- 
nischen Tjrpus. Der Parallelismus zwischen spezifischen Grewichten 
und Temperaturen des Siedebeginns wird sehr oft auch durch verschie- 
denen Grad der Verwitterung der Erdöle gestört, denn ein Verlust 
durch Verdampfung von wenigen Prozenten leichtflüchtiger Bestand- 
teile kann den Siedebeginn stark erhöhen, ohne sich auch am spezi- 
fischen Gewicht bedeutend zu äußern. Im allgemeinen läßt es sich daher 
nur sagen, daß Erdöle mit spezifischem Gewicht unter 0,ßOO bei Tem- 
peraturen unter 100® (meist zwischen 50 und 100®), Erdöle schwerer 
als 0,900 über 100® zu sieden beginnen, wobei aber auch diese sehr 
weit gefaßte Regel auf Ausnahmen stößt. 



1) Zapiski russ. Techn. Ges. 1904, 550. 



Thermische Eigenschaften. Ql 

Im engen Zusammenhang mit Siedebeginn stehen sog. Flamm- 
punkte imd Entzündungspunkte. Unter Flammpunkt versteht man 
diejenige Temperatur, bei der ein öl so intensiv verdampft, daß seine 
Dämpfe in einem nach Vereinbarung dimensionierten, offenen oder ge- 
schlossenen und in bestimmten Zeitintervallen gelüfteten Grefäß ein 
explosives Gemisch mit der Luft bilden und daher beim Annähern 
einer kleinen Flamme verpuffen. Der Entzündungspunkt stellt die- 
jenige Temperatur vor, bei der die Intensität der Verdampfung so 
stark ist, daß auch das Ol selbst beim Annähern einer Flamme 
zu brennen anfängt. Die Flammpunkte der Erdöle liegen gewöhn- 
lich 40 bis 50® unterhalb den Temperaturen des Siedebeginns, die 
Entzündungstemperaturen sind meist etwa 20° höher als die Flamm- 
punkte. Es können aber auch viel größere Unterschiede vor- 
kommen, nämlich in den Fällen, wo der Glehalt an leicht flüch- 
tigen Bestandteilen sehr klein ist; denn schon äußerst kleine Mengen 
flüchtiger Stoffe, die zum Auftreten einer Destillation nicht ausreichen, 
können zur Bildung von explosiven Dampfgemischen genügen. So 
z. B. wurde von Schwarz^) gefunden, daß der Flammpunkt eines 
Zylinderöls durch Zusatz von nur VeoVo Benzin (Siedepunkt 100 bis 
140«) von 277 bis 278« (nach Martens-Pensky) auf 254 bis 264«, 
nach Zusatz von VioVo Benzin sogar auf 182® gefallen war. Was für 
imerwartete Werte die Flamm- imd Entzündungspunkte der Erdöle 
manchmal aufweisen, zeigen z. B. die von Langobardi^) unter- 
suchten argentinischen Rohöle: ein sehr schweres (0,9570) und dickes 
(Viskosität bei 35® nicht bestimmbar) öl entflammte bei 40® und fing 
bei 80® zu brennen an, während ein viel leichteres (0,9088) und dünn- 
flüssigeres (Engler 35® = 9,6) einen Flammpunkt von 85® und Ent- 
zündungspunkt gar von 160® hatte. Der überwiegende Einfluß der 
leichter siedenden Bestandteile eines Öles auf seine Entflammung 
äußerst sich auch darin, daß der Flammpunkt eines Gemisches zweier 
öle stets niedriger ist, als es sich nach der einfachen Mischungsregel 
aus den Flammpunkten der beiden öle berechnen läßt, und zwar sind 
die Abweichungen beim Zusatz kleiner Mengen eines leichter ent- 
flammbaren Öls zu einem schweren bedeutend größer als im umgekehrten 
FaUe3). 

Die Verdampfung von Erdölen bei gewöhnlicher Temperatur ist 
ein Faktor, mit dem die Praxis sehr zu rechnen hat ; selbst die schwereren, 
an niedrigsiedenden Bestandteilen armen Rohöle können unter Um- 
ständen — bei großen freiliegenden Oberflächen und starken Winden, 
im warmen Klima usw. — ziemlich stark verdunsten oder, wie man 
es auch nennt, verwittern. Da natürlich bei solchem Verwittern die 
leichter siedenden Bestandteile sich verflüchtigen, so hat dieses ein 
Anwachsen des Siedebeginns, resp. des Flammpunkts zur Folge; bei 
Versuchen mit Baku-Kerosin, sowohl im Glaskolben, wie auch in einem 

1) Mitt. Materialprüf. 1909, 19. 

2) Chem.-Ztg. 1910, 1150. 

^) Sherman, Gray und Hammersohlag,Joum. ind. eng. Chem. 1909, 12. 



92 , Physik. 

großen Reservoir, fand Majstrowic^), daß der Flammpunkt bei einer 
Verdunstung von je ca. 0,113^0 ^^^ ^»^^ zunahm. 

Einen sehr interessanten und lehrreichen Fall der Verdunstung 
im scheinbar geschlossenen Räume beschrieb NawratiP). Ein gaii- 
zisches Rohöl vom spez. Gewicht 0,800, enthaltend 9,3^0 ^^^ 100® 
siedenden Benzins zeigte nach Versand in einem eichenen Faß das 
spez. Gewicht 0,853 und enthielt nur noch 0,5^0 ^^ 1^^ siedende 
Anteile ; bei demselben öl war das spezifische Gewicht nach zweistunden- 
langem Stehen in einem weiten offenen Bottich von 0,800 auf 0,815 
gestiegen. Interessant ist auch der folgende von Mab er y") beschriebene 
Versuch: ein pennsylvanisches Rohöl vom spez. Gewicht 0,815, das 
bei der Destillation bis 300® ^^Vo Rückstand ergab, wurde in einer 
flachen Schale einen Monat lang einem starken Luftzug ausgesetzt; 
das spezifische Gewicht war auf 0,862 gestiegen, und der Rückstand 
betrug nur 33,33®/,,, war also kleiner als nach einer bis 300® getriebenen 
Destillation ! 

Für die praktischen Verhältnisse interessant sind schließlich fol- 
gende Versuche von Panieff*), wobei die Änderungen der spezifischen 
Gewichte und der Flammpunkte an 2 Erdölen, und zwar das eine im 
offenen, das andere im gedeckten Erdreservoir, gemessen wurden: 

t® der Luft Spez. Gewicht Flammpunkt Dauer der Aufbewahrung 

Aufbewahrung im offenen Erdreservoir 

20® 0,8769 32® — 

20® 0,8869 49® 4 Tage 

21® 0,9013 83® 8 „ 

Aufbewahrung im geschlossenen Erdreservoir 

20® 0,8639 13® — 

22® 0,8820 40® 4 Tage 

22® 0,8965 70® 8 „ 

Leider sind weder die Tiefen der Reservoire angegeben, noch, ob 
die ölproben aus verschiedenen Schichten oder nur von der Oberfläche 
aus entnommen wurden. Jedenfalls ersieht man aus dem Mitgeteilten, 
wie wichtig die Verdunstung sowohl für die Praxis, wie auch für die 
wissenschaftliche Untersuchung der Erdöle werden kann; dies um so 
mehr, als bei der Verdunstung stets auch die bereits besprochenen 
Oxydationserscheinungen mitspielen . 

Erstarrung. Die Temperatur der Erstarrung (sog. Cold-Test) 
hat eine große Bedeutung sowohl für die Erdöle selbst (ein leicht er- 
starrendes Rohöl kann in der Kälte nicht gepumpt werden), wie auch 
für die meisten Erdölprodukte. In den meisten Fällen steht die Erstar- 
rungstemperatur des Erdöls und seiner Destillate in engstem Zu- 
sammenhange mit dem Paraffingehalt des Rohöls; paraffinreiche Erd- 

1) Cham,. Ztg. 29, 1282. 

2) Dingl. Joum. 246, 423. 

3) Amer. ehem. Journ. 1905, 276. 

*) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1898, Ö6. 



i 



Innere BeschaflEenheit. 93 

öle können schon bei gewöhnlicher Temperatur zu «albenartigen Massen 
erstarren und ergeben auch Destillate mit schlechtem Cold-Test. Die 
Kältebeständigkeit — besonders die der Schmierölfraktionen — scheint 
aber auch von anderen, noch nicht genauer bekannten Faktoren ab- 
hängen zu können. So z. B. werden aus dem Bibi-Eybater Rohöl, 
das 0,75 bis l^o Paraffin enthält, Schmieröle mit ganz bedeutend 
niedrigerem Cold-Test erhalten, als aus dem Balachanyschen, dessen 
Paraffingehalt nur 0,5 bis 0,6^^ beträgt. 

Die folgende kleine Tabelle zeigt die Erstammgstemperaturen 
einiger Produkte aus Balachanyschem Erdöl: 



Benzin 

Kerosin 0,825 . 
Pyronaphth 0,860 
Solaröl 0,88 . . 
Spindelöl 0,90 . 
Maschinenöl . . 
Zylinderöl . . . 



bei — 80® ganz flüssig. 

— 80*^ etwas dick, aber noch flüssig. 

—80® erstarrt 

—64® 

—350 

— 13 bis — 10 erstarrt, 

-|-1 bis -j-4 erstarrt. 



9} 



5. Innere Beschaffenheit. 

Wie wir gesehen haben, bestehen die meisten Erdöle wesentlich 
aus Kohlenwasserstoffen, denen aber stets verschiedene andere Körper 
beigemengt sind. Die wichtigste Stelle unter diesen, nicht zu Kohlen- 
wasserstoffen gehörenden Bestandteilen der Erdöle nehmen sog. asphalt- 
artige und harzige Körper ein. Ihre chemische Natur ist bereits be- 
sprochen worden; hier will ich nur einiges über den physikalischen 
Zustand, in dem sich diese Stoffe in den Erdölen befinden könnten, 
sagen. 

Von verschiedenen Seiten ist die Meinung ausgesprochen worden, 
daß man es hier mit kolloidalen Lösungen zu tun hätte. Nun ist der 
Begriff der kolloidalen Lösung durch die Forschungen des letzten 
Jahrzehnts etwas wankend und verschwommen geworden, da, wie 
Wo. Ostwald hervorhebt, „stetige Übergänge einerseits zwischen 
kolloiden und krystalloiden Systemen, andiererseits zwischen kolloiden 
und grob heterogenen Systemen, wie z. B. Suspensionen, existieren". 
Man ist daher wohl gezwungen, auf die Schärfe der Definition zu ver- 
zichten. Will man aber, von den Übergangsfällen absehend, sich nur 
an typisch kolloidale Lösungen halten, so wird man wohl folgende zwei 
Eigenschaften, als für solche Lösungen am meisten charakteristisch, 
hervorheben können: ultramikroskopische Inhomogenität und eine, 
sich selbst bei gleichbleibender Konzentration betätigende Fähigkeit 
zu Zustandsänderungen (Koagulation, Ausflockung u. dgl.). Sollten 
also Erdöle als kolloidale Lösungen von Asphalt- und Harzstoffen 
aufgefaßt werden, so müssen in ihnen diese beiden Eigenschaften nach- 
gewiesen werden können. 

In beiden Richtungen ist bisher leider noch sehr wenig getan 



94 Physik. 

worden. Auf Rakusins Veranlassung hin hat Zsygmondi^) einige 
Erdöle und ein Bakuer ölgoudron (d. h. einen Destillationsrückstand 
nach dem Abtreiben der Schmierölfraktionen) ultramikroskopisch 
untersucht und darin allerdings ultramikroskopische Teilchen (sog. 
Submikronen) gefunden; die Zahl derselben war aber, selbst in den 
Lösungen des Olgoudrons, sehr gering und unwesentlich im Vergleich 
zur außerordentlich ki'äftigen Fluoreszenz der Lösungen. Ebenso 
konnte Holde 2) in rötlichgelben Maschinenmineralölen, sowie in Benzol- 
lösungen von dunklen Eisenbahnölen nur Fluoreszenzlichtkegel be- 
obachten, einzelne ultramikroskopische Teilchen waren aber darin nicht 
zu unterscheiden. Ähnliche negative Resultate erhielt, wie wir oben 
gesehen haben, Zsygmondi, als er verschiedene Erdöle der Prüfung 
mit dem Lichtkegel und Nicolprisma nach Tyndall unterzog. 

Gehen wir zur zweiten charakteristischen Eigenschaft der Kolloid- 
lösungen — der Fähigkeit der Zustandsänderung — über, so finden 
wir ebensowenig positive Beweise zur Beantwortung der Frage über 
die innere Beschaffenheit der Erdöle. Als Ausflockung der kolloidal 
gelösten Asphaltstoffe betrachtet Schulz die Einwirkung der konzen- 
trierten Schwefelsäure bei der Raffination; wir werden aber später 
sehen, wie wenig begründet diese Ansicht ist. Holde (1. c.) beob- 
achtete, daß beim genügend großen Alkoholzusatz zu Benzollösungen von 
dunklen asphalthaltigen Mineralölen, in der makroskopisch noch völlig 
klar durchsichtigen Flüssigkeit unter Ultramikroskop Submikronen 
erscheinen; da in der ursprünglichen Benzollösung im Ultramikroskop 
keine einzelnen Teilchen zu sehen waren, so muß durch Zusatz von 
Alkohol eine Zusammenballung der Asphaltmoleküle zu größeren 
Komplexen stattgefunden haben. Diese Beobachtung beweist aber 
natürlich nicht die kolloide Natur der ursprünglichen Erdöllösimg, 
sondern eben nur, daß die mit Alkohol versetzte Lösung kolloidal 
geworden ist. 

Beim Zusatz größerer Mengen Amylalkohol, Petroläther u. dgl. 
zu Erdölen werden Asphalt- und Harzstoffe im festen oder halbfesten 
Zustande ausgefällt; da diese Stoffe in Benzin schwer oder ganz unlös- 
lich sind, so betrachtet man oft diesen Prozeß als eine irreversible 
Fällung, was die kolloide Natur der Asphalterdöllösung beweisen soll. 
Demgegenüber ist zu bemerken, daß erstens aus der Nichtlöslichkeit 
der gefällten Asphalte in Benzin noch nicht geschlossen werden darf, 
daß sie sich auch im Muttererdöl nicht wieder auflösen würden, was 
meines Wissens bisher noch nicht untersucht worden ist; dann aber 
sind die zur Fällung nötigen Mengen Alkohol u. dgl. so groß, daß von 
einer typischen Koagulation oder Ausflockung, als Gegensatz zu einer 
auch bei nichtkolloiden Stoffen möglichen Fällung, schwerlich die Rede 
sein kann. Anders wäre es, wenn man die Erdölasphaltstoffe auch mit 
kleinen Mengen z. B. Schwermetallsalze zur Ausflockung bringen 



1) Rakusin, Polarimetrie der Erdöle, S. 125. 

2) KoUiodzeitschr. 1908, 274. 



Innere Beschaffenheit. 95 

könnte. Day^) behauptet allerdings, mittels verschiedener Elektrolyte 
Ausflockungen von kolloidal gelösten Asphaltstoffen aus Erdölen 
bewirkt zu haben; diese Behauptung ist aber ganz flüchtig, ohne jeden 
weiteren Beleg gemacht worden und bedarf einer näheren Bestätigung. 
Bei der Behandlung eines Rohöls aus Balachany mit einer ätherischen 
Lösung von Sublimat konnte ich keine Spur einer Fällung von Asphalt- 
stoffen nachweisen. 

Als Stützen der Annahme von der kolloidalen Natur und der In- 
homogenität der Erdöle führt Rakusin seine Versuche über das Zentri- 
fugieren^) und Filtration '*) der Erdöle an. Ein, wie Rakusin es nennt, 
hochkarbonisiertes Rohöl aus Grosny wies nach zweistündigem Zentri- 
fugieren (ca. 3000 Touren pro Min.) folgende Änderungen der Eigen- 
schaften auf: 

vor dem Zentrifugieren nach dem Zentrifugieren 
Färbung kaffeebraun 

Dichroismus deutlich 

Spez. Gewicht 0,8791 0,8768 

Karbonisationskonstante y^g y q Yg y q 

Noch bedeutender waren die Eigenschaftsänderungen eines Rohöls 
aus Ramany nach der Filtration durch sog. Chamberlandsche Kerze: 

vor der Filtration nach der Filtration 

Färbung braungrün 

Dichroismus stark deutlich 

Spez. Gewicht 0,8575 0,8404 

Karbonisationskonstante \j ^^/sVo/ii ^V^Vo 

Diese an und für sich interessanten Versuche können aber für 
die Beantwortung der Frage, ob Erdöle kolloidale Lösungen seien, 
kaum ein großes Gewicht haben. Denn einerseits, was das Zentrifu- 
gieren betrifft, so war es Lobry de Bruyn und van Calcar schon 
vor Rakusin gelungen, durch Anwendung von Zentrifugalkraft in 
verschiedenen echten Salzlösungen bedeutende Konzentrationsände- 
rungen hervorzurufen und bei einer gesättigten Glaubersalzlösimg 
einen beträchtlichen Teil des Salzes sogar zur Kristallisation zu 
bringen. Andererseits ist es durch nichts erwiesen, daß wir es 
im zweiten Versuche Rakusins mit Filtrationswirkung und nicht viel 
eher mit der später zu besprechenden Adsorption zu tun haben; 
ist aber das letztere der Fall, so weiß man, daß auch nichtkolloid 
gelöste Stoffe sehr leicht adsorbiert werden können. Es ist aber sehr 
wenig wahrscheinlich, daß die unter Mikroskop ganz unsichtbaren 
Asphaltteilchen der Erdöle durch die Poren der Chamberlandschen 
Kerze rein mechanisch zurückgehalten werden. Es wäre sehr inter- 
essant, die Filtration der Erdöle mittels sog. ültrafilter, unter Berück- 
sichtigung der Adsorptionserscheinungen, näher zu untersuchen. 

^) Joum. ind. eng. Chem. 1909^ 449. 
2) 1. c. S. 176. 
») 1. c. S. 174. 



96 Physik. 

Nach allem Gresagten wird man zugeben müssen, daß wir bisher 
so gut wie gar kein experimentelles Material zur Beantwortung der Frage 
über die innere Beschaffenheit der Erdöle als kolloider oder nicht- 
kolloider Lösungen besitzen. Sieht man sich aber die aus den Erdölen 
ausgeschiedenen festen und halbfesten Asphalt- und Harzstoffe näher 
an, wie sie ausgesprochen amorph sind, wie sie, mit kleinen Mengen 
Mineralöl zusammengemischt, diese in sich ganz homogen aufnehmen 
und dabei allmählich erweichen usw., so wird man nicht zögern, diese 
Asphaltstoffe für kolloid zu erklären. Der scheinbare Widerspruch 
läßt sich hier aufhellen, wenn wir uns auf den besonders von v. Wei- 
marn entwickelten Standpunkt stellen, daß man nicht kolloide imd 
nichtkolloide Stoffe, sondern kolloide und nichtkolloide Zustände zu 
unterscheiden hat, und daß die allgemein als kolloid bezeichneten Stoffe 
sich von den kristalloiden nur durch die Leichtigkeit des Überganges 
in den kolloidalen Zustand unterscheiden. Ob aber ein Stoff kolloide 
oder nichtkolloide Lösungen bildet, hängt von verschiedenen Umständen, 
u. a. auch von der Konzentration der Lösung, sowie von der Natur 
des Lösungsmittels ab; im allgemeinen ist mit steigender Verdünnung 
eine Zunahme des sog. Dispersitätsgrades, d. h. ein Übergang vom 
kolloiden in den molekulardispersen Zustand zu erwarten. Wenn man 
bisher im Ultramikroskop keine optische Inhomogenität in Erdölen 
und Erdöldestillaten feststellen konnte, so liegt dies möglicherweise 
daran, daß man nicht Erdöle selbst, sondern ihre Lösungen untersuchte; 
eine direkte Beobachtung von Rohölen, besonders der asphaltreichen, 
kann aber ganz andere Bilder zeigen. Und noch wahrscheinlicher ist 
es, daß bei der Destillation der Erdöle die ursrpünglich molekular- 
dispersen Asphaltstoffe in dem Maße, als sie sich in dem Rückstande 
anreichern, zu größeren Molekülkomplexen zusammentreten und kol- 
loidale Lösungen bilden. Ein Übergang aus nichtkolloidem in kolloiden 
Zustand ist auch durch Zusatz von kleinen Mengen solcher Mittel 
möglich, die in größeren Mengen eine Fällung der Asphaltstoffe hervor- 
rufen ; ein solches Beispiel für eine Benzollösung haben wir im Versuche 
Holdes angetroffen; auf • derselben Erscheinung des Überganges aus 
nichtkolloidem in kolloiden Zustand ist auch ein interessantes Ver- 
fahren von Diamand^) basiert, der fand, daß man zur Ausscheidung 
von Asphaltstoffen aus Mineralölen mit viel geringeren Mengen Amyl- 
alkohol oder Benzin, als sonst dazu nötig ist, auskommt, falls man das 
öl gleichzeitig zentrifugiert. 

Interessante Erscheinungen, die nur durch Veränderungen der 
inneren Struktur erklärt werden können, lassen sich beim Erstarren 
von vielen Mineralölen beobachten. Wenn man nämlich ein öl einmal 
so wie es ist, ohne jede Vorbehandlung, das anderemal nach vorher- 
gehender Erwärmung auf 50^ sich abkühlen läßt, so findet man, daß 
es im zweiten Falle schon bei bedeutend höheren Temperaturen als 
im ersten erstarrt, und zwar bleibt der Einfluß der Vorerwärmung 



1) D. R. P. 176468. 



Löslichkeit und Lösungsvermögen. 



97 



ziemlich lange Zeit eilialten. So z. B. fand Holde^) für ein russisches 
mittelschweres Maschinenöl (spez. Gewicht 0,904; E^q — 5,5) folgendes: 



Aufstieg im 6 mm U-Rohr bei 50 mm 
Wasserdruck 



Konsistenz im 15 mm Reagenzglas 



unerhitztes öl: 
10 _i50 _i2o _ioo _70 

mm 10—13 20 25 27 



unerhitztes öl: 

— 150 —12» —100 

fließend fließend fließend 



auf 30® erhitzt unverändert 



auf 50® erhitzt und dann 1 Tag bei Zimmerwärme gestanden: 
10 _i50 _i20 _ioo —70 

mm 4 10 20 



— 150 —12» —10^ 

sämtlich nicht fließend 



Andererseits weiß man, daß, falls man ein öl beim Abkühlen be- 
wegt, es bei wesentlich niedrigerer Temperatur als in Ruhe erstarrt. 
Man erklärt dies dadurch, daß die Bewegung des Öles die bei der Ab- 
kühlung sich bildenden mikroskopisch feinen netzartigen Ausscheidungen 
von Paraffin oder Asphaltstoffen zerstört, diese Ausscheidungen aber 
der ölmasse einen gewissen Halt geben und daduich das Erstarren er- 
leichtem. Analog zu dieser Erklärung könnte man sich vielleicht 
auch den Einfluß der Vorerwärmung deuten ; die Paraffin- oder Asphalt- 
teilchen könnten eventuell durch Erwärmung in einen stärker dispersen 
Zustand übergeführt werden, wodurch dann beim Abkühlen ein feineres 
und dichteres Netzwerk als im unvorbehandelten öle sich bilden 
könnte. 



6. Löslichkeit und Lösungsvermögen. 

Sowohl Erdöle selbst, wie auch ihre Destillate und Rückstände 
sind in Wasser nur sehr wenig löslich ; immerhin werden diesem durch 
Schütteln mit Erdölprodukten der eigenartige Naphthageruch und 
Geschmack erteilt, und mit Permanganat läßt sich dann im Wasser 
die Anwesenheit von gelöster organischer Substanz nachweisen 2). In 
Äthylalkohol, selbst absolutem, lösen sich Erdöle nicht vollständig, 
sondern geben nur ihre leichteren Bestandteile ab. Viel besser als in 
Äthyl-, lösen sich Erdöle in Amylalkohol auf, worin — bei genügender 
Menge — nur die Asphaltstoffe ungelöst bleiben. Mit Äther, Benzol, 
Schwefelkohlenstoff, Chloroform u. dgl. sind die meisten Erdöle und 
alle ihre Destillate in jedem Verhältnis mischbar. 

Gegen Lösungsmittel, in denen ihre Löslichkeit beschränkt ist, 
verhalten sich verschiedene Erdöle verschieden ; im allgemeinen sind die' 

^) Untersuchung der Mineralöle 1909^ 126. 

2) Die niederen Erdölfraktionen scheinen übrigens in Wasser nicht ganz so 
schwer löslich zu sein: für Ligroin vom spez. Gewicht 0,6646 fand Herz (Berichte 
1898, 2669) eine Löslichkeit von 0,227 g in 100 g Wasser. 

Ourwitsch. « 7 



98 Physik. 

an aromatischen Kohlenwasserstoffen reichen (wie z. B. die rumä- 
nischen) bedeutend leichter löslich als die aus Grenzkohlenwasserstoffen 
bestehenden, wie das pennsylvanische ; die naphthenreichen Erdöle 
des Baku-Typus scheinen in der Mitte zu stehen. Andererseits ist die 
Löslichkeit der niederen Fraktionen stets größer als die der höheren, 
und der Unterschied in der Löslichkeit verschiedener Erdöle wird beim 
Übergang zu höheren Destillaten immer größer. Alle diese Verhält- 
nisse lassen sich z. B. durch folgende von Chercheffsky^) für gleich 
schwere Fraktionen verschiedener Erdöle zusammengestellte Tabelle 
gut illustrieren. 



Herkunft Spez. Siede- Löslichkeits- Kritische Trübimgs- 

n Gewicht temperatur index nach Lösungs- temperat.in 

der (d. h. Bichennd temperatur in Essigsäure- 

Fraktion Siedebeginn) Halphen^) Äthylalkohol^) anhydrid*) 

oc oc oc 



Erdöles 



Amerikanisches 0,780 191 93 50 78,5 

(wohl penn^ 0,800 227 117 68,5 91 

^ sylvanisches) 0,820 266 154 87 104,5 

Russisches 0,780 158,5 75 36 [66 

0,800 182 85 47,5 72 

0,820 219,5 92 60 79,5 

Rumänisches 0,780 153 73 Bei gew. T» klar 53 



0,800] 179 79,5 30 57 

0,820 207,5 90,5 42 63,5 

GalizLsches 0,780 166 74 31 60 

0,800 202 94 53 75,5 

0,820 242 125,5 72,5 89,5 

Auf Grund der Löslichkeit einzelner Fraktionen in verschiedenen 
Lösungsmitteln läßt sich daher oft die Charaktersierung eines Erdöls 
und Feststellung seines Ursprungs, sowie die Unterscheidung von 
Braun- und Steinkohlenteerölen u. dgl. ausführen^). 

Das Lösungsvermögen der Erdöle und Erdölprodukte für andere 
Flüssigkeiten ist, wie auch von vornherein zu erwarten, um so kleiner, 
je weniger die öle ihrerseits in den betreffenden Flüssigkeiten sich lösen 
lassen. Immerhin ist selbst Wasser in Mineralölen nicht ganz unlöslich; 
und ist die Löslichkeit von Wasser in Erdölprodukten nur sehr gering 



1) Joum. P^tr. 1910, 210. 

2) Zahl der Kubikzentimeter eines Gemisches gleicher Volumina von Chloro- 
form und Äthylalkohol (93^), die zur Auflösung von 100 ccm Destillat nötig sind. 

8) Temperatur, bei der ein Gemisch gleicher Volumina von Destillat und 
96,5-grädigem Äthylalkohol, nachdem es durch Erhitzen im verschmolzenen Bohr 
klar gemacht wurde, sich beim Abkühlen wieder trübt. 

*) Temperatur, bei der ein bis zum Klarwerden in offenem Rohr erhitztes 
Gemisch gleicher Volumina von Destillat und Essigsäureanhydrid sich heim 
Abkühlen wieder trübt. 

5) Über die Löslichkeit von Erdölprodukten in Methylsulfat s. Valenta, 
Chem.-Ztg. 1906, 671 und Graefe, Chem. Rev. 1907, 112. 



Löslichkeit und Lösungsvermögen. 99 

(nach Groschuffi) ca. 0,005Vo imLeuchtöl und ca. 0,003yo im Pa- 
raffinöl), so kann sie doch in einigen Spezialfällen, nämlich für sog. 
Transformatorenöle, praktisch von großer Bedeutung sein, da schon 
Spuren von Feuchtigkeit genügen, um die sog. Durchschlagsfestigkeit 
eines Öles gegen elektrische Spannungen ganz bedeutend herab- 
zudrücken. Mit der Temperatur nimmt diese Löslichkeit zu, so daß ein 
öl, das im warmen Zustande ganz durchsichtig und blank aussieht, 
sich beim Abkühlen durch Ausscheidung von Wasser trüben kann*). 
Trotz ihres geringen Lösungsvermögens für Wasser sind Mineralöle, 
besonders im warmen Zustande, sehr hygroskopisch; ein warmes, gut 
entwässertes öl wird beim Stehenlassen an feuchter Luft beim Abkühlen 
fast immer trübe ; es nimmt nämlich aus der Luft etwas Feuchtigkeit auf 
und scheidet sie beim Abkühlen wieder aus. Es ist wahrscheinlich, daß 
das Lösungsvermögen der öle für Wasser und ihre Hygroskopizität 
mit dem Grehalt an unausgewaschen geblieMfenen Seifen steigt. 
Ganz bedeutend ist das Lösungsvermögen der Erdöle und ihrer 
Derivate für manche Gase, in erster Linie natürlich für gasförmige 
Kohlenwasserstoffe. Frisches Erdöl, so wie es aus der Erdtiefe kommt, 
enthält fast immer Gase in sich gelöst, und mit sog. Erdölfontänen 
strömen gewöhnlich auch gewaltige Mengen Gas mit. Aus 1 Liter 
leichten Erdöles von Tegemsee hat z. B. Kraemer^) durch längeres 
Kochen am Rückflußkühler ca. 5 Liter Gase der Methanreihe aus- 
geschieden. Aus pennsylvanischen Erdölen hat Ronald*) ziemlich 
bedeutende Mengen Äthan, Propan und Butan gewonnen. Markow- 
nikow undOgloblin*) haben das Lösungs vermögen von verschiedenen 
Destillaten des kaukasischen Erdöles für das gasförmige Isobutylen 
untersucht und gefunden, daß sowohl Kerosin, wie auch höher siedende 
Fraktionen (z. B. Maschinenöl vom spez. Gewicht 0,906) ungefähr 
das 220 fache ihres Volumens von diesem Gas bei gewöhnlicher Tem- 
peratur absorbieren. Die Ausscheidimg des gelösten Gases durch Er- 
wärmung geschieht zuerst ganz leicht, wird aber zum Schluß stark 
verlangsamt, und die letzten Reste Butylen in den Versuchen von 
Markownikow und Ogloblin konnten erst durch Erhitzen des 
Öles bis 280® verjagt werden. Niedrigere Kohlenwasserstoffe als 
Butylen lassen sich natürlich in Erdölen in kleinerem Umfange lösen') 
und mit größerer Leichtigkeit durch Erwärmen wieder austreiben. 



1) Zeitßchr. f. Elektrochemie 1911, 348. 

^) Die Trübung beim Abkühlen eines Mineralöls kann auch durch Aus- 
scheidung von Paraffin oder unausgewaschenen Seifen stammen; Wasser scheidet 
sich aber in mikroskopischen runden Tröpfchen, Paraffin und Seifen in Flocken aus. 

3) Gewerbefl. 1885, 288. 

*) Joum. ehem. Soc. [2] 8, 68. 

*) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1888. 

•) Russisches Kerosin löst in sich bei 10» C nur 0,144 Vol. CH^ und 0,164 Vol. 
C2H4, bei 20» 0,131 Vol. CH4, resp. 0,142 Vol. C2H4 auf; merkwürdigerweise er- 
weist sich somit die Löslichkeit von Äthylen im Kerosin kleiner als im Wasser, 
da dieses bei 20^ 0,149 Vol. C2H4 in sich aufnehmen kann (Gniewosz und 
Walfisz). 

7* 



100 



Physik. 



Das Erdöl hat eine gewisse Lösimgsf äliigkeit auch für anorganische 
Gase. Quantitative Bestimmungen darüber für russisches Kerosin 
haben Gniewosz und Walfisz^) ausgeführt und folgende Werte 
gefunden : 



Absorptionskoeffizient bei 


20» 


10» 


Wasser bei 20» 


H 


0,0582 


0,0652 


0,0193 


N 


0,117 


0,135 


0,0140 





0,202 


0,229 


0,0284 


NgO 


2,11 


2,49 


0,670 


COg 


1,17 


1,31 


0,901 


CO 


0,123 


0,134 


0,0231 



Ganz merkwürdig ist der Umstand, daß alle diese Gase, selbst 
Kohlensäure, im Keiosin leichter — und zum Teil sogar um ein Viel- 
faches leichter — löslich sind als im Wasser*); da es sich hier um ge- 
reinigtes, d. h. von ungesättigten Verbindungen weitgehend befreites 
Kerosin handelt, so ist die Bildung von Additionsverbindungen mit den 
Gasen ausgeschlossen, und man hat es wohl mit einfacher Absorption 
zu tun. Unter Lichteinwirkung steigt die Aufnahmefähigkeit der 
Mineralöle für anorganische Gase noch mehr, wie es Ostrejko an Roh- 
ölen und verschiedenen Erdöldestillaten beobachtet hat (s. o.); in 
diesem Falle hat man es aber wahrscheinlich auch mit chemischer 
Wirkung zu tun, was schon daraus hervorgeht, daß die Absorptions- 
fähigkeit eines JDestillates für Sauerstoff, Stickstoff u. dgl., nach der 
Reinigung des Destillates mit Schwefelsäure, d. h. nach Ausscheidung 
von ungesättigten, zur Addition befähigten Verbindungen, abnimmt. 
Ganz merkwürdig sind die von Charitschkow^) imtersuchten Lös- 
lichkeitsverhältnisse von Ammoniak in Kerosin. 1 Volumen gereinigten 
und sorgfältig neutralisierten Kerosins absorbierte bei 22® C 0,4982 
Volumen NH3, bei 0® dagegen nur 0,4162; eine mit einem bei 22® mit 
NH3 gesättigten Kerosin gefüllte und fest zugekorkte Flasche wurde 
daher in einer Eismischung infolge Ammoniakgasentwicklung zur 
Explosion gebracht. Bei 105® löste das Kerosin noch 0,208 Volumen 
NHg in sich auf. 

Sehr interessant ist auch die verhältnismäßig große Aufnahme- 
fähigkeit der Erdöle und Erdölprodukte für sog. Emanationen der 
radioaktiven Elemente; nach Versuchen von Himstedt und Klaus*) 
wird die Emanation des Thoriums durch Kerosin ca. 5 mal, die des 
Radiums 20 mal mehr absorbiert als durch Wasser; infolgedessen ist an 
verschiedenen frischen Rohölen eine starke Radioaktivität nachgewiesen 
worden^). 



1) Zeitschr. f. physik. Chem. 1889, 70. 

2) Ähnliches hat auch Jost für einzelne Kohlenwasserstoffe konstatiert. 
8) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1898, Nr. 5. 

*) Physik. Zeitschr. 6, 210; 6, 820. 

^) Himstedt, 1. c; Hurmuzeschu, Chem. Zentralbl. 1908, 1, 1862. 



i * m 9 



Löslichkeit und Lösungsvennögeri, : ,- , - 101 

Die Erdöle und Erdöldestillate, besonders diejenigen, die an aro- 
matischen Kohlenwasserstoffen reich sind, sind gute Lösungsmittel für 
die meisten Fette und öle und lassen sich mit vielen ölen sogar in jeder 
Proportion mischen (schwerlöslich in Mineralölen ist dagegen das 
Kizinusöl!); ziemlich gut ist auch das Lösungs vermögen für Schwefel, 
Jod, viele Harze usw.; merkwürdig ist die Löslichkeit in den hoch- 
siedenden Erdölfraktionen des sonst in den meisten organischen Lö- 
sungsmitteln schwer löslichen Ladigo. 

Das Lösungsvermögen der Erdöle für Metalloxyde wurde von 
Engler und Kneis^) untersucht. Bei gewöhnlicher Temperatur 
erwies sich dieses Vermögen als sehr schwach : in einer flachen Schale, 
mit zerkleinerten Metallen (Blei, Kupfer, Zink, Zinn und Magnesium) 
zusammengemischt und der Luft ausgesetzt, hat das amerikanische 
Erdöl nach 1 Monat keine nachweisbaren Mengen, nach 4 Monaten 
nur Spuren von Blei und Kupfer gelöst; größer war das Lösungsver- 
mögen der höheren Fraktionen desselben Erdöls: während die bis 230® 
siedende Fraktion unter diesen Umständen nach 4 Monaten noch keine 
bestimmbaren Mengen Metall in sich aufnahm, löste die 230 bis 300® 
Fraktion 0,0026yo, ^d der über 300® gebliebene Rest sogar 0,0244yo 
Blei. Beim Erwärmen wird der Angriff der Metalle durch Erdöl und 
besonders durch seine höheren Fraktionen bedeutend stärker; nach 
14tägigem Durchleiten von Luft bei 130 bis löO® hat die über 300® 
siedende Fraktion 6,493®/o Blei als Oxyd und 0,324®/o metallisches 
Blei aufgelöst. Bei weiterem Erhitzen wächst das Lösungsvermögen 
des Öles noch weiter, erreicht aber dann merkwürdigerweise ein Maxi- 
mum und ist z. B. bei 300® etwa 4mal schwächer als bei 200®. Engler 
ist geneigt diese Erscheinung durch Zwischenbildung von Ozon zu er- 
klären, das bei Temperaturen über 200® zu schnell zerfällt. 

In den Versuchen von Eng 1er und Kneis geschah die Auflösung 
von Blei nicht direkt durch das ursprüngliche Erdöl oder seine De- 
stillate, sondern durch Zwischenwirkung von Luft, die einerseits das 
Metall zu Oxyd, andererseits einen Teil der Erdölkohlenwasserstoffe 
zu Säuren oxydierte. Ob die Erdölkohlenwasserstoffe auch an und für 
sich befähigt sind, Metalle und Metalloxyde in sich zu lösen, erscheint 
sehr zweifelhaft; wie Markownikow bemerkt, lassen sich die durch 
längeres Kochen mit metallischem Natrium entoxydierten Erdöl- 
destillate durch Eisen- oder Kupferoxyd nicht mehr färben. Derselbe 
Autor fand, daß auch Schwefelblei in Erdölprodukten löslich ist. Auf 
dem Lösungsvermögen der Erdöldestillate für Metalloxyde beruht 
übrigens die bekannte Verwendung von Kerosin und sog. Putzöl als 
Rostreinigungsmittel. 



^) Dinglers Joum. 263, 193. 



102 ' ' '-Kaise X'h8rak.t«ristik der wichtigsten Erdöle. 

C. Knrze Charakteristik der wichtigsten 

Erdöle. 

Das Erdöl gehört zu den verbreitetsten Mineralien der Erdkugel. 
Es ist kaum ein Land zu nennen, wo man es nicht — wenn auch nur in 
kleineren Mengen — aufgefunden hätte. Es gibt aber auch sicher kein 
anderes Mineral, das, je nach der Herkunft, so verschieden in seiner 
Zusammensetzung und seinen Eigenschaften wäre, wie das Erdöl. 
Diese Mannigfaltigkeit der Erdöle erklärt es, warum alle Versuche, 
sie in ein System zu klassifizieren, bisher erfolglos geblieben sind. 
Ich werde daher auf die Wiedergabe dieser Versuche verzichten und mich 
mit ganz kurzer Charakteristik der einzelnen wichtigsten Rohöle be- 
gnügen. 

L Europa. 

Rußland^). Die Erdölproduktion von Rußland nimmt bekannt- 
lich in Europa die erste, in der ganzen Welt die zweite Stelle ein. Das 
wichtigste russische Erdölgebiet ist dasjenige von Baku, dem dann 
dasjenige von Grosny folgt.. In letzter Zeit sind noch viele andere 
erdölführende Gtebiete entdeckt und zum Teil schon industriell erschlossen 
worden, wie dasjenige von Maikop, Emba, Uchta usw. 

In Baku selbst kann man drei ziemlich verschiedene Erdölfelder 
unterscheiden: Balachany, Bibi-Eybat und Ssurachani. Das Erdöl 
von Balachany, das als Rohmaterial zur Erzeugung verschiedener 
Produkte, speziell der Schmieröle, in erster Linie in Betracht kommt, 
läßt sich durch folgende Eigenschaften charakterisieren. Das spezi- 
fische Gewicht schwankt gewöhnlich zwischen 0,86 bis 0,88; die Vis- 
kosität bei 20*^ zwischen 2 bis 4 E®. Der Gehalt an Schwefel und Stick- 
stoff ist minimal, an Sauerstoff sehr klein; Paraffingehalt ca. 0,5^0» 
„Harz"gehalt ca. 10 bis 12^0^)- I^i® niedrigsten Benzinfraktionen be- 
stehen hauptsächlich aus Grenzkohlenwasserstoffen und Naphthenen, die 
schwereren Benzine und Leuchtölfraktionen vorzugsweise aus Naphthe- 
nen; auch verschiedene aromatische Kohlenwasserstoffe fehlen nicht. Bei 
der Destillation ergibt das Erdöl von Balachany durchschnittlich : 3 bis 
4^0 Rohbenzin (aus dem aber bei der Rektifikation nur ca. lO^o leichten 
Benzins — spez. Gewicht ca. 0,715 — gewonnen werden), bis Sö^/o 
Kerosin und ca. 62^/^ Rückstände (,, Masut") vom spez. Gewicht ca. 
0,912, E50 = 8,5 bis 10, Flammpunkt nach M.-P. 150 bis 170^, „Harz"- 



1) Zusammenfassende Arbeiten über russische Erdöle: Engler, Das Erdöl 
von Baku; Charitschkow, Russische Erdölfundorte. 

*) unter „Harz"gehalt eines Mineralöles versteht man in Rußland den Gehalt 
an Stoffen, die bei der Behandlung des mit doppeltem Volumen Benzin verdünnten 
Öles mit 20 Vol.®/o konzentrierter Schwefelsäure (spez. Gewicht 1,84) von dieser 
aufgenommen werden. 



Europa. 103 

gehalt 20 bis 25^0- ^®i weiterer Destillation gibt dieser Masut: ca. 
25Vo Zwischenöle („Solaröle"), T^ö^/o Spindelöl, 24Vo Maschinenöl, 
1,5^0 Zylinderöl und 4(^/o sog. Ölgoudron (spez. Gewicht 0,935 bis 
0,945; Ejoo = 8 bis 10; Flammpunkt in offenem Tiegel 280 bis 290», 
„Harz"gehalt 70 bis S0%). 

Das Rohöl von Bibi-Eybat unterscheidet sich von demjenigen 
von Balachany hauptsächlich dadurch, daß seine niedrig siedenden 
Fraktionen reicher an Grenzkohlenwasserstoffen und daher spezifisch 
leichter, der Masut imd die Schmierölfraktionen dagegen viel schwerer 
und viskoser sind als die entsprechenden Balachanyschen Produkte; 
auch ist der Gehalt an schwefelsäurelöslichen Bestandteilen („Harz") 
bedeutend größer; der Masut aus Bibi-Eybater Rohöl (sog. „schwarzer" 
Masut — im Gegensatz zu dem dunkelgrünen Balachanyschen) hat 
folgende Eigenschaften: spez. Gewicht ca. 0,930; Ego == ca. 20, Flamm- 
punkt nach M.-P. ca. 160<^, „Harz"gehalt 50 bis 60Vo- 

Das dritte charakteristische Erdöl des Bakugebietes — das von 
Ssurachany — zeichnet sich von den übrigen aus durch das niedrige 
spezifische Gewicht (unter 0,830), helle Farbe, außerordentlich hohen 
Gehalt an niedrig siedenden Fraktionen (bis 75^0 Benzin und Kerosin), 
fast vollständige Freiheit von „Harz"gehalt. Interessant ist der Um- 
stand, daß, während das Kerosin aus dem Ssurachany-Erdöl bedeutend 
leichter ist als der von Balachany, die Benzinfraktionen des ersteren 
wesentlich schwerer sind als die entsprechenden Balachanyschen, was 
auf ihren größeren Gehalt an Naphthenen hinweist. 

Während die drei wichtigsten Erdölarten von Baku zu den 
leichten oder mittelschweren gehören, finden sich nicht weit von die- 
sem Gebiete (in Binagady, auf der Insel Swjatoj usw.) auch sehr 
schwere Rohöle mit spez. Gewicht bis 0,930 und mit sehr hohem 
„Harz"gehalt. 

Auf dem Erdölgebiet von Grosny lassen sich zwei Felder unter- 
scheiden. Das Rohöl des einen hat das spez. Grewicht 0,870 bis 0,880 
und steht in vielen Beziehungen dem Rohöl von Bibi-Eybat nahe; 
es zeichnet sich durch großen Gehalt an Benzinfraktionen (7 bis lO^o 
bis 100® siedender Destillate mit spez. Gewicht unter 0,700) und durch 
sehr hohes spezifisches Grewicht, Viskosität und großen „Harz"gehalt 
des Masuts (spez. Gewicht 0,940 bis 0,950; E5o = 20,5; 62^^ „Harz"- 
gehalt); auch sind die daraus zu gewinnenden Schmieröle bedeutend 
schwerer und viskoser, dabei auch reicher an ungesättigten, durch 
SO4H2 absorbierbaren Stoffe als die entsprechenden Balachanyschen 
Destillate. Der Schwefelgehalt ist, obwohl nicht sehr hoch (ca. 0,12°/o), 
doch bedeutend größer als in den Rohölen von Baku, weshalb auch die 
Benzin- und Kerosindestillate einen sehr unangenehmen Geruch haben 
und sich verhältnismäßig schwer raffinieren lassen. 

Das zweite Erdölfeld von Grosny gibt ein Rohöl von niedrigerem 
spezifischen Gewicht (0,840 bis 0,850), das sich von allen übrigen russi- 
schen Erdölen durch seinen großen Paraffingehalt (4 bis 5^© Hart- 
paraffin) unterscheidet. 



104 Kurze Charakteristik der wichtigsten Erdöle. 

Bumänieii^). Die rumänifichen Erdöle lassen sich in zwei Haupt- 
klassen einteilen: paraffinreichen und paraffinarmen. Die ersteren 
(Rohöle von Policiori, Glodeni, ein Teil von Cämpina) haben 
spez. Gewichte unter 0,860, Viskosität £20= 1,1 bis 1,8, bestehen in ihren 
niedrigeren Fraktionen zu gleichen Teilen aus Grenzkohlenwasseretoff en 
und Naphthenen und enthalten bis ^y^ Hartparaffin ; der Benzingehalt 
ist relativ nicht groß; der Gehalt an Kerosin beträgt dagegen 40 bis 
öOVo. Die Rohöle der zweiten Gruppe (ein Teil von Cämpina, Bu- 
stenari, Moreni) haben ein höheres spezifisches Gewicht (0,8C0 bis 
0,880), Viskosität E2o==l,ö bis 2, enthalten aber wenig Paraffin; 
die niederen Fraktionen bestehen vorzugsweise aus Naphthenen \md 
sind, wie auch die höheren, sehr reich an aromatischen und ungesät- 
tigten Kohlenwasserstoffen ; die Kerosine aus den Rohölen diesei Gruppe 
haben daher ein viel höheres spezifisches Gewicht (0,840 bis 0,860) als 
die aus den Rohölen der ersten (unter 0,820) und lassen sich schwer 
raffinieren; die Ausbeuten an Kerosindestillat betragen etwa 30 bis 
35^0- Interessant ist es, daß diese Rohöle, obwohl sie schwerer als die 
der ersten Gruppe sind, bedeutend mehr der leichten Benzinfraktionen 
enthalten; nach Versuchen von Edeleanu beträgt der Gehalt an 
den bis 150® siedenden Fraktionen in den paraffinfreien Rohölen 
23 bis 26^0» während in den ölen der paraffinhaltigen Gruppe nur 15 bis 
17Vq, und nur bei dem ganz leichten paraffinhaltigen Rohöl von Parjol- 
Gämpina (spez. Gewicht 0,7965) 35^0 gefunden wurden. Verschiedene 
Rohöle der paraffinfreien Gruppe eignen sich auch zur Herstellung 
von Schmierölen; aus den Rückständen des Bustenari-Öles soll man 
30 bis 50^0 Maschinenöle und 10 bis 15yQ Zylinderöle gewinnen können, 
die von den russischen sich durch ihr hohes spezifisches Gewicht unter- 
scheiden. 

Oalizien^). Auch hier, wie in Rumänien, kann man die verschie- 
denen Rohöle in zwei Hauptgruppen — die paraffinreichen (Bo- 
ryslaw-Tustanowice) und paraffinarmen (Krosno-Schodnica) — 
einteilen. Die letzteren unterscheiden sich von den entsprechenden 
rumänischen durch einen kleineren Gehalt an aromatischen Kohlen- 
wasserstoffen; dagegen findet sich auch hier die Erscheinung wieder, 
daß die leichteren paraffinhaltigen Rohöle im allgemeinen benzin- 
ärmer sind, als die etwas schwereren paraffinfreien. Das wichtigste 
galizische Rohöl — das von Boryslaw — enthält 5 bis O^o Benzin, 
40 bis 45^/0 Kerosin und 8 bis 9®/q Paraffin. Die Benzin- und Kerosin- 
fraktionen des Boryslawer Rohöls enthalten sowohl Naphthene, wie 
auch viel Grenzkohlenwasserstoffe und stehen etwa in der Mitte zwischen 
den entsprechenden pennsylvanischen und kaukasischen. 



1) Edeleanu, Monit. P6tr. 1908, Nr. 21 bis 23; Edeleanu und Filiti, 
Bull. Soc. Par. 1900, 382; Aisinman, Petroleum 3, 565. 

2) Lenartowisz, Allg. Chem.-Techn. Zeitschr. 1908, 131 und 1908, 55; 
Nawratil, Dinglers Joum. 246, 338, 423; Zaloziecki und Hausmann, Naph- 
tha 1907, 290. 



Amerika. 105 

Deutschland^). Das schwere (0,940 und darüber) Rohöl von 
Hannover (Wietze, ölheim) ist reich an Asphaltstoffen und Schmier- 
ölen ; die niederen Fraktionen enthalten viel Naphthene ; die öle sind 
frei von Stickstoff und sehr arm an Schwefel. Das Rohöl von Pechel- 
bronn (Elsaß) hat das spez. Gewicht um 0,88 hemm, enthält bis \^/^ 
Paraffin, ist schwefelhaltig (bis 0,67Vo S). 

2. Amerika. 

N.-Am.-Ver.-8taaten^). In der Welterdölproduktion nehmen be- 
kanntlich die Ver. Staaten die erste Stelle ein. Auf dem kolossalen 
Grebiete dieses Landes sind so zahlreiche Erdölfelder gefunden worden, 
daß es hier unmöglich wäre, die einzelnen Rohöle auch nur kurz zu 
besprechen. In großen Zügen kann man sie aber in folgende vier Klassen 
gruppieren. 

I. Appalachisches Gebiet (Pennsylvanien, West-Vir- 
ginia, East-Ohio, East-Kentucky). Die Erdöle dieses Gebietes 
sind diejenigen, die man oft kurzweg als ,, amerikanische" bezeichnet. 
Es sind wohl die wertvollsten der bisher überhaupt bekannten Erdöle, da 
sie in ihren niederen Fraktionen zum weitgrößten Teil aus Grenzkohlen- 
wasserstoffen bestehen, nahezu Schwefel- und stickstoffrei, an Asphalt- 
und Harzstoffen sehr arm sind und, neben ein paar Prozent Paraffin, 
auch wertvolle Schmier-, besonders Zylinderöle enthalten. Das spezi- 
fische Gewicht dieser Erdöle liegt meist um 0,80 bis 0,82 (es finden sich 
aber auch solche mit 0,77); bei der Destillation (ohne Zersetzung) 
ergeben sie ca. 20^0 Rohbenzin (bis löO®) und ca. 45^© Kerosin (150 
bis 320®); die Rückstände haben dann das spez. Gewicht etwa 0,920 
und geben bei der weiteren Verarbeitung etwa 12^0 (auf das Rohöl 
gerechnet) Schmieröle. 

II. Ohio-Indiana. Diese Rohöle sind etwas schwerer (das spez. 
Gewicht 0,82 bis 0,85) und enthalten mehr Naphthene als die öle der 
ersten Gruppe. Besonders charakteristisch für sie ist aber ein ziemlich 
hoher Schwefelgehalt (0,35 bis l,lVo)> ^^^ ^® Verarbeitung lange 
Zeit, bis Frash mit seinem Entschwefelungsverfahren (s. w.) hervor- 
getreten war, außerordentlich erschwerte. 

III. Texas-Louisiana. Die Rohöle dieser Gruppe haben meist 
das spez. Gewicht über 0,910 bis 0,920 imd höher. Grenzkohlenwasser- 
stoffe scheinen darin nicht enthalten zu sein; neben Naphthenen be- 
stehen diese öle hauptsächlich aus wasserstoffärmeren Kohlenwasser- 
stoffen. Der Schwefelgehalt beträgt bis 2^0- 

IV. Kalifornien. Die kalifornischen Rohöle gehören zum Teil 
zu den mittelschweren, zum Teil zu den ganz schweren (spez. Gewicht 

1) Kraemer, Verh. Gewerbefl. 1886, 288; Engler, ibid. 1887, 637; Krae- 
mer und Boettcher, Berichte 1887, 599; Graef^, Petroleum 2, 278; Ahrens 
und Riemer, Zeitschr. f. angew. Chem. 1907, 1Ö57. 

*) Eine zusammenfassende Arbeit über die amerikanischen Rohöle: Ri- 
chardson, J. Frankl. Inst. 1906, 2, 57 und 81. 



X06 Kurze Charakteristik der wichtigsten Erdöle. 

biß 0,985). Sie enthalten keine Grenzkohlenwasserstoffe, sind reich an 
Naphthenen, aromatischen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen, 
sowie Asphaltstoffen. Die meisten enthalten viel Schwefel und — was 
für diese Gruppe besonders charakteristisch ist — viel (bis 2,4^^) 
Stickstoff in Form von pyridin- und hydropyridinartigen Basen; auch 
phenolartige Verbindungen scheinen in diesen Rohölen in größerer 
Menge enthalten zu sein. 

Mexiko. Die mexikanischen Rohöle stehen den texanischen nahe, 
sind zum Teil noch schwerer (spez. Gewicht bis 1,06!) und schwefel- 
reicher (bis 4,6^0 S), enthalten auch viel ungesättigte kohlenstoff reiche 
Verbindungen und Asphaltstoffe, weshalb sie sich zur Herstellung von 
künstlichem Asphalt besonders gut eignen. 

Kanada. Die Rohöle von Kanada gehören zu den mittelschweren 
(das spez. Grewicht meist 0,84 bis 0,88), sind aber arm an Benzinfrak- 
tionen (etwa 2,75^0 bis 150®) und auch nicht sehr reich an Leuchtölen 
(ca. 25^0 von 150 bis 350®). Die niederen Fraktionen bestehen meist 
aus Naphthenen, aromatischen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen. 
Der Schwefelgehalt beträgt bis 1®/q. 

3. Asien. 

Sunda-Inseln^). Die Rohöle von Sumatra haben meist das 
spez. Gewicht unter 0,800 und sind sehr reich an Benzin (bis 35®/o) 
und Kerosin (bis l^y^^i die Natur der Kohlenwasserstoffe ist noch 
nicht genauer untersucht worden. Einige öle sind auch paraffinhaltig, 
andere wiederum enthalten sehr viel Asphalt- und Harzstoffe. 

Die Rohöle von Borneo sind zum großen Teil schwerer als die 
von Sumatra (etwa 0,860 bis 0,880) und zeichnen sich besonders durch 
ihren hohen Gehalt an aromatischen Kohlenwasserstoffen aus, weshalb 
die aus ihnen hergestellten Benzin und Kerosin außerordentlich hohe 
spezifische Gewichte zeigen (Benzin bis 0760, Kerosin 0,840 bis 0,850). 

Japan ^). Es lassen sich im ganzen zwei Typen japanischer Erd- 
öle unterscheiden: leichte öle von Ojiya, Kara usw., mit spez. Ge- 
wicht unter 0,820, enthaltend bis 50^0 Benzinfraktionen; und schwere 
von Higashiyama (spez. Gewicht ca. 0,900, gibt im Großbetriebe 
lOVo Benzin, SO^/o Leuchtöl, I50/0 Mittel- und 40yo Schweröl), Nishi- 
yama usw. Die Rohöle der ersten Gruppe enthalten wenig oder gar 
keinen Stickstoff und Schwefel; die schwereren sind ziemlich schwefel- 
und Stickstoff reich (bis 0,34^^ S und 1,32^0 N); auch sind die Jodzahl 
und der Gehalt an Asphaltstoffen in den schweren bedeutend größer 
als in den leichten (z. B. 22,5^0 Asphalt und Jodzahl 9,9 im Rohöl 
von Higashiyama gegenüber 5^^ Asphalt und Jodzahl 1,5 in öl von 
Kara). 



1) Gurgenian, Petr. Rev. 1904, 263, 283. 

2) Kobayashi, Petr. Rev. 1909, 143 und 173. 



Anhang: Entstehung des Erdöls. 107 

Mittelasien^). Die Rohöle von Tchimion (Fergana-Gebiet) 
gehören zu den mittelschweren (spez. Gewicht meist 0,860 bis 0,880) 
und enthalten ziemlich viel leichten Benzin (bis 12^0 his 126® siedend) 
und Paraffin (ca. 4^^ und mehr). Das Kerosin aus diesen Rohölen hat 
ein niedrigeres spezifisches Gewicht als das Bakusche, die Schmieröl- 
fraktionen dagegen sind viel- schwerer. Der Schwefelgehalt beträgt 
bis 0,46^0. Nahe zu diesen Rohölen (ebenso benzin- und paraffinreich) 
steht dasjenige von der Insel Tscheieken (an der asiatischen Küste 
des Kaspischen Meeres). 

Schließlich sei die von D. Day zusammengestellte Statistik der 
Weltproduktion von Erdöl für die Jahre 1909 und 1910 angeführt: 

N.-A.-V. von Amer 24 422 783 27 940 806 

Rußland 8 796 047 9 378 210 

Galizien 2 076 740 1762 560 

NiederL-Indien 1 472 247 1 495 715 

Rumänien 1297 257 1352 289 

Britisch-Indien 890 203 818 400 

Mexiko 331832 444 374 

Japan 251 941 257 421 

Peru 175 482 177 347 

Deutschland 143 244 145 168 

Kanada 56 101 42 119 

ItaUen 7 088 5 895 

Andere Staaten (schätzungsweise) 4 000 4 000 

D. Anhang: Entstehung des Erdöls. 

Um keine andere Frage der Erdölwissenschaft war und wird noch 
heute so viel gestritten, wie um die über den Ursprung und die Bildungs- 
weise des Erdöls. Kein Wunder: handelt es sich ja hier um Vergangen- 
heit, und wie in so mancher Frage geschichtlichen Charakters müssen 
statt Beweise — Indizien, statt Beobachtungen wirklichen Greschehens — 
nach Analogien zielende Versuche vorgeschoben werden; als Resultat 
wird eine durch subjektive Argumente gestützte Wahrscheinlichkeit 
und nicht irgendwie allgemein gültige Gewißheit gewonnen. Der am 
Kampfe verschiedener Meinungen direkt nicht Beteiligte wird da- 
durch am ehesten zu einem Eklektizismus getrieben und, allen vor- 
gebrachten Hypothesen gegenüber mehr oder weniger skeptisch sich 
verhaltend, geneigt sein, für verschiedene Fälle verschiedene Er- 
klärungsversuche als möglich zuzugeben. 

Die Frage nach dem Ursprünge des Erdöls ist sowohl eine chemische, 
wie geologische. Dem Chemiker fällt die Aufgabe zu, nachzuweisen, 
welche chemischen Prozesse erdölbildend seien, d. h. welche Stoffe und 

unter welchen Bedingungen Produkte vom Charakter der Erdöle liefern 
* ■ ■ » — 

1) Andrej ew, Petroleum 4, 207; Ackermann, Chem.-Ztg. 1910, 440. 



108 Anhang: Entstehung des Erdöls. 

können. Der Geologe hat dann zu prüfen, ob die vom Chemiker für 
seine Synthesen der Erdöle benutzten Stoffe in genügend großen, den 
gewaltigen Erdölvorräten entsprechenden Mengen in der Natur vor- 
kommen imd ob die vom Chemiker stipulierten Reaktionsbedingungen 
in der ihm bekannten Erdgeschichte auch tatsächlich realisiert waren. 
Das letzte Wort in der ganzen Angelegenheit kommt daher schließlich 
doch dem Geologen zu. Für uns Chemiker haben allerdings auch solche 
Synthesen der Erdöle Interesse und Wert, die vom geologischen Stand- 
punkte verworfen werden müssen; und so will ich wenigstens die wich- 
tigsten Erdölsynthesen in unsere Betrachtungen einschließen, unab- 
hängig davon, wieweit sie den wirklichen Ursprung des Erdöls erklären. 

Je nach dem Ausgangsmaterial müssen zweierlei Arten von Erdöl- 
synthesen unterschieden werden: anorganische und organische, wobei 
unter organischem hier nur ein aus pflanzlichen oder tierischen Organis- 
men stammendes Material gemeint wird. 

Die anorganischen Erdölsynthesen haben als ihren Ausgangspunkt 
die altbekannte Tatsache, daß beim Auflösen von Gußeisen in Säuren 
neben Wasserstoff auch organische Gase entweichen, sowie flüssige, 
petrolartig riechende Kohlenwasserstoffe entstehen. Diese Reaktion 
ist besonders eingehend von Cloez untersucht worden, der bei der 
Behandlung von Gußeisen mit verdünnter Schwefelsäure beträchtliche 
Mengen gesättigter und ungesättigter flüssiger Kohlenwasserstoffe 
erhielt; durch Abscheidung der Olefine mittels Brom, Reinigung des 
Restes mit konzentrierter Schwefelsäure und Fraktionierung konnte 
Cloez ^) Dekan CjoHgg und folgende Glieder der Methanreihe bis 
Hexadekan C16H34 isolieren. Auf diese Versuche stützte sich haupt- 
sächlich Mendelejew^) bei der Auf Stellung seiner bekannten Hypo- 
these, nach welcher sich das Erdöl durch Einwirkung des überhitzten 
Wasserdampfes auf die in der Barysphäre der Erde höchstwahrschein- 
lich vorhandenen Eisenkarbide gebildet haben soll; diese Bildung sei 
in sehr tiefen Schichten der Erdkugel, wo die Karbide sich in glühendem 
Zustande befinden, vor sich gegangen, und die Dämpfe der gebildeten 
Kohlenwasserstoffe seien in höheren kälteren Regionen zum flüssigen 
Erdöl kondensiert worden. Ahn liehe Ansichten hat schon etwas früher 
Byasson ausgesprochen, der erdölartige Kohlenwasserstoff gemische 
durch Einwirkung von Wasserdampf, Schwefelwasserstoff und Kohlen- 
säure auf Eisen in Weißglühhitze erhalten hat. 

Die Bildimg von erdölähnlichen Kohlenwasserstoffgemischen kann 
auch, wie Charitschkow^) später zeigte, ohne Säuren und ohne 
Zuhilfenahme der Weißglühhitze erreicht werden; dieser Autor konnte 
nämlich solche Produkte aus kohlenstoffreichem Gußeisen durch Er- 
hitzen unter Druck mit Lösungen von Magnesiumchlorid oder Mag- 
nesiumsulfat und Kochsalz erhalten; es scheinen dabei hauptsächlich 



1) Compt. rend. 86, 1003; 86, 484. 

2) Erdölindustrie in Pennsylvanien und auf dem Kaukasus 1877. 

3) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1897, 151. 



Anhang: Entstehung des: Erdöls. 109 

ungesättigte Kohlenwasserstoffe zu entstehen, da das gebildete öl 
sich in Schwefelsäure größtenteils auflöst. 

Sehr interessant ist auch die von Moissan^) entdeckte, resp. näher 
untersuchte Bildung verschiedener Kohlenwasserstoffe schon durch 
Einwirkung von Wasser bei gewöhnlicher Temperatur auf verschiedene 
Karbide ; aus dem Elarbid des Calciums bildet sich bekanntlich Azetylen, 
aus dem Aluminiumkarbid-Methan, aus den Karbiden von Uran und 
seltenen Erden-Gemische von verschiedenen flüssigen Kohlenwasser- 
stoffen. 

Ein erdölähnliches Produkt ist auch von Ip at j ew ^) durch Erhitzung 
des Äthylens oder auch Isobutylens unter hohem Druck erhalten 
worden. Die Polymerisation des Äthylens begann bereits bei 325® 
und ging bei 380 bis 400® sehr energisch vor gich. Das flüssige Produkt 
dieser Polymerisation siedete von 24® an imd enthielt in den ersten 
Fraktionen neben Olefinen ca. 50yo Methankohlenwasserstoffe, in 
folgenden auch Naphthene und dann auch wasserstoffärmere Kohlen- 
wasserstoffe ; der über 280® siedende Anteil (etwa 21®/q) wurde in Wasser 
umdestilliert und stellte ein dickes öl dar, wovon sich 20®/o in konzen- 
trierter Schwefelsäure auflösten; aromatische Kohlenwasserstoffe sind 
nicht gefunden worden. Ähnlicherweise verlief die Reaktion auch in 
Gegenwart von Aluminiumoxyd; es bildete sich aber in diesem Falle eine 
viel größere Menge (44,7®/o) von über 280® siedenden Stoffen. Ohne 
Anwendung von Druck, durch bloßes Erhitzen, konnte Ipatjew eine 
ähnliche Polymerisation des Äthylens nicht erreichen. Die Poly- 
merisation von Isobutylen ergab im allgemeinen analoge Resultate. 

Die wichtigsten Versuche zur Synthese von Erdölen auf an- 
organischem Wege sind aber zweifellos die von Sabatier und S en- 
de rens^). Die Bildung von künstlichen Erdölen nach Sabatier und 
Senderens gründet sich auf der Anwendung ihrer so sehr fruchtbaren 
und eleganten Methode der Reduktion mittels Wasserstoff in Gegen- 
wart von fein verteilten Metallen als Katalysatoren. Als Ausgangs- 
produkt diente in den Versuchen der Erdölsynthese das Azetylen. 
Es erwies sich nun, daß seine Reduktion mit Wasserstoff, je nach den 
Versuchsbedingungen, sehr verschiedenartige Produkte liefert, und zwar 
kommen diese Produkte in ihrer Zusammensetzung verschiedenen 
Typen der Erdöle sehr nahe. Bei der Behandlung des Azetylens mit 
Wasserstoff in Gegenwart von fein verteiltem Nickel bei Temperaturen 
unterhalb 180® entsteht eine lichtgelbe Flüssigkeit, vom spez. Gewicht 
0,791, mit einer prächtigen Fluoreszenz und ausgesprochenem Naphtha- 
geruch; mit Schwefel-Salpetersäure reagiert das öl sehr schwach, 
besteht hauptsächlich aus Kohlenwasserstoffen der Methanreihe und 
steht somit dem pennsylvanischen Erdöl nahe. Wird Azetylen allein, 
ohne Wasserstoff, über Nickel bei 200® geleitet, so entsteht ein öl, 
das sich von Salpeterschwefelsäure stark angreifen läßt. Läßt man 

1) Compt. rend. 72, 1462. 

2) Journ. prakt. Chem. 1911, 84, 800. 

8) Compt rend. 84, 1185; vgl. auch Mailhe, Chem.-Ztg. 1908, 244. 



110 Anhjtfig: Entstehung dea Erdöls. 

die Dämpfe dieser Massigkeit zusammen mit Wasserstoff nochmals 
über Nickel bei 210® streichen, so erhalt man ein Ol, das sich gegen 
Salpeterschwefelsaure sehr widerstandsfähig erweist mid, neben 
kleineren Mengen Grenzkohlenwasserstoffe, hauptsächlich aus Naph- 
thenen besteht — ein Erdöl des kaukasischen Typus. Bei schnellem 
Durchleiten des Gasgemisches über Nickel bei ca. 300® wird ein wesent« 
lieh aus Grenzkohlenwasserstoffen und Naphthenen bestehendes, also 
den galizischen Erdölen ähnliches Produkt erhalten. Ersetzt man 
Nickel durch fein verteiltes Kobalt, so entsteht ein an aromatischen 
und ungesättigten Kohlenwasserstoffen reiches Produkt, das somit 
dem kanadischen Erdöl nahekonmit usw. Ist im Azetylenwasserstoff- 
gemisch auch noch Stickstoff zug^^n, so wird dieser, wie Gharitsch- 
kow^) gezeigt hat, zum Teil gebunden, so daß man stickstoffhaltiges 
Kunsterdöl erhält; leider gibt Charitschkow nichts Näheres über 
seine Yersuchsbedingungen an, noch über die Natur der gebildeten 
Stickstoffverbindungen — wir erfahren nur, daß das in Gegenwart 
von Stickstoff erhaltene Produkt beim Glühen mit Natronkalk Spuren 
Ammoniak und vielleicht auch Methyl- und Aethylamin entwickelte. 

Zu ähnlichen Resultaten wie Sabatier und Senderens gelangten 
schon etwas früher Erdmann und Köthner^), als sie Azetylen 
bei 230® über Kupferpulver leiteten und die dabei entstehende Ver- 
bindung von der vermutlichen Formel C44HJ4CU3 mit Zinkstaub destil* 
Herten; sie erhielten ein gelbes, hauptsächlich zwischen 190 bis 260® 
siedendes und aus Naphthenen bestehendes, d. h. den entsprechenden 
Destillaten der kaukasischen Erdöle nahe kommendes öl; bei der Er- 
höhung der Destillationstemperatur nahm der Gehalt an aromatischen 
Kohlenwasserstoffen zu. 

Gehen wir nun zu den Erdölsynthesen aus organischem Material 
über, so haben wir uns vor allem mit den Versuchen von Engler^) 
und seiner Schüler zu befassen. Der grundlegende Charakter und die 
interessanten Ergebnisse dieser Arbeiten werden es wohl rechtfertigen, 
daß ich mich hier etwas länger aufhalte. Als Ausgangsmaterial dienten 
in diesen Versuchen verschiedene Fette, vor allem Fischfett (Tran), 
Da es bekannt war, daß bei der Destillation der Fette unter Atmo- 
sphärendruck starke Verkohlung und Vergasung eintritt, im Vakuum 
aber die Fette ziemlich unzersetzt destillieren, so wurde von Engler 
das Fett einer Destillation unter Überdruck xmterworfen und dabei 
schon gleich im Anfange die Bildung von flüssigen Kohlenwasserstoffen 
in sehr guten Ausbeuten konstatiert. Es wurden nun in einem Krey- 
sehen Apparat 492 kg Tran beim Überdruck von 10 Atm. und Tem- 
I)eraturen bis 900° destilliert; neben brennbaren Gasen und Wasser 



1) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1906, 1276. 

2) Zeitschr. f. anorgan. Chem. 1898, 64. 

3) Berichte 1888, 1816; Engler und Singer, ib. 1898, 1449; Engler und 
Lehmann, ib. 1897, 2366; Engler, Zeitschr. f. angew. Chem. 1908, 1586; Be- 
richte 1909, 4610; Engler und Routala, ib. 4613 und 4620 und 1910, 388; Engler 
und Haimai, ib. 1910, 954; Zeitschr. f. angew. Chem. 1912, S. 4. 



Anhang; Entstehung des Erdöls. Hl 

ging ein öl über, dessen einzelne Fraktionen noch erhebliche 
Mengen Fett und Fettsäuren enthielten und daher noch einmal re- 
destilliert wurden; auf diese Weise erhielt Engler im ganzen 299 kg 
(also ca. 60,8 Vo vom Ausgangsmaterial) öl vom spez. Gewicht 0,8105; 
das öl bestand nun zu '/jq aus Kohlenwasserstoffen, hatte eine bräun- 
liche Farbe mit starker grüner Fluoreszenz imd einen nicht unange- 
nehmen Geruch (kein Akroleingeruchl), Die fraktionierte Destillation 
des mit Schwefelsäure gereinigten Öles ergab in niederen Fraktionen 
hauptsächlich gesättigte Kohlenwasserstoffe, von welchen n-Pentan, 
n-Hexan, Heptan, Oktan und Nonan isoliert werden konnten; zweifellos 
sind auch sekundäre Kohlenwasserstoffe in diesen Fraktionen enthalten. 
Aus den über 300® siedenden Fraktionen konnten einerseits durch 
langes Ausfrieren und wiederholte Auflösimg in Ligroin und Fällung 
mit Alkohol krystallinisches Paraffin^) vom Schmelzpunkt 49 bis 61®, 
andererseits auch Schmieröle gewonnen werden. Eine nähere Unter- 
suchung des Destillationsprodukts ergab, daß darin auch Olefine, 
aromatische Kohlenwasserstoffe und höchstwahrscheinlich Naphthene 
enthalten sind; Olefine wurden mittels Brom ausgeschieden und im 
Reaktionsgemisch Hexylen- sowie Heptylenbromüre identifiziert; Ben- 
zol, Toluol und m-Xylol wurden in Form von NitroverJ)indimgen 
isoliert, Naphthene indirekt durch Analysen der von imgesättigten 
und aromatischen Kohlenwasserstoffen befreiten Fraktionen, allerdings 
nicht mit voller Sicherheit, nachgewiesen. 

Ganz ähnliche Resultate sind auch bei der Druckdestillation 
anderer tierischer und pflanzlicher Fette imd öle, sowie reiner synthe- 
tischer Trioleins und Stearins oder auch freier Olein- imd Stearinsäure 
erhalten worden; schließlich erwies sich noch, daß eine Destillation bei 
diesem Prozeß entbehrlich ist: Kunsterdöle ließen sich auch durch ein- 
faches Erhitzen von Fetten unter Druck bei etwa 3ö0® darstellen. 
Nach Versuchen von Künkler^) soll schon das Erhitzen von Fetten 
allein, ohne Druck, erdölähnliche Produkte ergeben; so z. B. wurde beim 
Erhitzen von Olein bei 370^ ein braunschwarzes öl vom- spez. Gewicht 
0,919 mit Verseifungszahl 4 (also fast vollständig fettfrei!) erhalten; 
bei der Destillation dieses Öls gingen petrolartig riechende Destillate 
über, der Rückstand stellte eine asphaltähnliche Masse vor. 

Dieses wären die wichtigsten Versuche zur synthetischen Darstellung 
von Kunsterdölen. Welche Schlüsse lassen sich nun daraus zur Be- 
antwortung der Frage über die vermutliche Bildungsweise der Erdöle 
in der Natur ziehen? Die Möglichkeit, Kunsterdöle im Laboratorium 
sowohl aus organischem, wie aus anorganischem Ausgangsmaterial 
zu erhalten, ließ natürlicherweise zwei grundverschiedene Hypothesen 
oder, richtiger gesagt, Hypothesengruppen auftauchen. Nach der einen, 
von Mendelejew, Berthelot u. a. verfochtenen Ansicht sollen sich 

1) Allerdings stimmen die für dieses „Paraffin" angeführten Analysendaten: 
87,77®/o C und 13,10<>/o H keineswegs mit der Formel C5nH2n-f2, die bei 
. n = etwa 24 einen Wasserstoffgehalt von 14,8®/o fordern würde. 
8) Seifensiederztg. 1910, 291. 



112 Anhang: Entstehung des Erdöls. 

die Erdöle auf rein anorganischem Wege gebildet haben; das nötige 
Material dazu wäre in den in den tiefen Schichten der Erdkugel höchst- 
wahrscheinlich reichlich vorhandenen Metallkarbiden zu suchen; wie 
wir soeben gesehen haben, sind die Möglichkeiten zur Bildung von erdöl- 
ähnlichen Produkten aus Metallkarbiden sehr mannigfaltig; und die 
von verschiedenen Autoren aufgestellten Hypothesen der mineralischen 
Erdölbildung gehen eben in diesem Punkte auseinander. Nach Mendele- 
jew soll sich das Erdöl durch Einwirkung des in die Tiefe der Erdkugel 
durchsickernden Wassers auf glühende Karbide, vor allem auf das 
Eisenkarbid, gebildet haben. Sabatier und Senderens nehmen an, 
daß in den tiefen Schichten der Erde freie Alkali- und Erdalkalimetalle, 
sowie deren Karbide vorkommen; das durch die Spalten der Erdkruste 
henmtersickemde Wasser entwickelt mit freien Metallen Wasserstoff, 
mit Karbiden Azetylen; beim Zusammentreffen der Gremische beider 
Gase mit den in der Tiefe der Erdkugel sicherlich vorhandenen freien 
Metallen (Eisen, Nickel, Kobalt) findet nun die Bildung der verschieden- 
artigen Erdöle statt, usw. 

Die andere Hypothesengruppe, als deren wichtigster und erfolg- 
reichster Vertreter Eng 1er zu nennen ist, erblickt das zum Aufbau des 
Erdöls in der Natur dienende Material in den Überresten der tierischen 
oder pflanzlichen Organismen. In der Präzisierung dieses Materials 
gehen die Meinungen verschiedener Forscher noch mehr auseinander 
als bei den Vertretern der anorganischen Hypothesen, und zwar sowohl 
was die Art der Organismen (ob Tiere oder Pflanzen oder Protophyten), 
wie auch die chemische Natur des Ausgangsmaterials (ob Fette oder 
Eiweiß oder Harze usw.) betrifft. 

Da der Raum hier ein tieferes Eingehen in all diese Fragen nicht 
gestattet, will ich kurz nur die wichtigsten Punkte berühren. Und 
vor allem: welche der beiden Haupthypothesen — anorganische oder 
organische — steht im besseren Einklänge mit unseren tatsächlichen 
Kenntnissen über die Natur der Erdöle? Als ich oben von der Synthese 
der Erdöle sprach, habe ich die wichtige Frage unterlassen: sind die 
dabei erhaltenen Produkte wirkliche Kunsterdöle, sind sie in allen 
wesentlichen Punkten mit Naturerdölen identisch, oder handelt es sich 
hier nur um eine Nachahmung, die das Wesen der Sache nicht erschöpft? 
Solange man nur bei dem Hauptbestandteil der Erdöle — den Kohlen- 
wasserstoffen — stehen bleibt, wird man geneigt sein, die Frage nach 
der Identität der Kunst- mit den Naturprodukten positiv zu beant- 
worten, denn, wie wir gesehen haben, ist es möglich, Kimsterdöle mit 
allen in den Naturerdölen vorkommenden Kohlenwasserstoffarten zu 
erhalten. Die Kohlenwasserstoffe bilden aber nur den wichtigsten, nicht 
den einzigen Bestandteil der Erdöle, und es muß geprüft werden, ob 
die Prozesse, die ims die besprochenen Kunsterdöle ergeben haben, 
auch die Bildung der anderen, quantitativ weniger wichtigen, aber 
dennoch für Naturerdöle ganz charakteristischen Bestandteile ermög- 
licht haben konnten. Als solche Bestandteile der Erdöle sind zu nennen: 
sauerstoffhaltige Verbindimgen (Säuren, Phenole, Wachsarten), Stick- 



Anhang: Entstehung des Erdöls. 113 

Stoff basen (Pyridin- und Hydropyridinreihe u. dgl.), Schwefelverbin- 
dungen, Asphalt- und Harzstoffe. Keiner dieser Körper war in den oben 
besprochenen Kunsterdölen enthalten ; Säuren und Phenole können sich 
allerdings durch Oxydation, Asphalt- und Harzstoffe durch Oxydation 
und Selbstpolymerisation, Schwefelverbindungen durch Einwirkung 
von Schwefel aus Kohlenwasserstoffen nachträglich gebildet haben, 
so daß ihr Vorkommen in den Erdölen keiner der behandelten Hypo- 
thesen Schwierigkeiten bietet. Aber Wachsarten und Stickstoff basen? 
Die Bildimg von Wachsatten durch Oxydation von Kohlenwasserstoffen 
ist sehr wenig wahrscheinlich und jedenfalls tatsächlich bisher nicht 
beobachtet worden; ganz ausgeschlossen ist die nachträgliche Um- 
wandlung von Kohlenwasserstoffen in pyridinartige Basen, — diese 
mußten sich gleich beim Entstehen des Erdöls gebildet haben. Hier 
haben wir eine der Hauptschwierigkeiten für die anorganische Hypo- 
these der Erdölbildung ; die organische pariert ihr leicht und ungezwungen 
mit dem Hinweis darauf, daß die Stickstoffbasen der Erdöle in den 
animalischen oder pflanzlichen Eiweißstoffen ihren Ursprung haben, 
ebenso wie auch das Vorkommen von Wachsarten in den Erdölen für 
organische Hypothesen keine Schwierigkeiten verursachen konn. Aller- 
dings versuchte Charitschkow, einer der eifrigsten Verfechter der 
anorganischen Theorie, durch direktes Experiment nachzuweisen, 
daß bei der Synthese nach Sabatier und Senderens in Gegenwart 
von Stickstoff auch die direkte Bildung von stickstoffhaltigen Erdölen 
möglich ist; er hat nur leider die Prüfung der wichtigsten Frage: in 
welcher Form dabei der Stickstoff gebunden wird — unterlassen; es 
ist aber sehr wenig wahrscheinlich, daß solche komplizierte und hoch- 
molekulare Basen, wie sie in den meisten Erdölen aufgefunden wurden, 
bei dieser Synthese entstehen. Jedenfalls muß zugegeben werden, 
daß in der Aufklärung der tatsächlichen Zusammensetzung der Erdöle 
die organische Hypothese vor der anorganischen den großen Vor- 
zug der Ungezwungenheit und Übereinstimmung mit direkt bekannten 
Tatsachen besitzt, während die anorganische bezüglich des Vorkommens 
von Wachsarten und besonders Stickstoffbasen zu experimentell noch 
nicht bewiesenen Annahmen Zuflucht nehmen muß. 

Dasselbe gilt auch für das Verhalten beiderlei Hypothesen gegen- 
über einer physikalischen Eigenschaft, die in der letzten Zeit zum Prüf- 
stein verschiedener Erdölbildungshypothesen geworden ist — der 
optischen Aktivität. Fast alle bisher untersuchten Erdöle sind nämlich 
entweder schon selbst optisch aktiv, oder ergebeö optisch aktive Destil- 
late. Nun ist bisher in der gesamten Chemie kfein Fall bekannt, daß 
bei der Synthese einer Verbindung aus optisch nicht aktivem Material 
ohne Eingreifen eines asymmetrisch wirkenden Faktors ein optisch 
aktives Produkt entstehe. Keine der erwähnten Erdölsynthesen aus 
Karbiden, Azetylen u. dgl. kann daher ein optisch aktives Produkt 
ergeben haben, und alle aus anorganischem Material gewonnenen Kunst- 
erdöle sind in dieser Beziehung von Naturerdölen verschieden. Aller- 
dings sind auch die aus reinen Fetten und ölen gewonnenen Kunst- 

Qarwitsch. o 



114 Anhang: Entstehung des Erdöls. 

erdöle optisch inaktiv ; es genügt aber des Hinweises darauf, daß sowohl 
in tierischen, wie in pflanzlichen Organismen große Menge verschiedener 
optisch-aktiver Substanzen enthalten sind (Eiweißstoffe und Produkte 
ihres Abbaues, Cholesterin, resp. Phytosterin, Harze usw.), um die Mög- 
lichkeit des Vorkommens von optisch-aktiven Stoffen in den aus orga- 
nischem Material gebildeten Erdölen ohne weiteres einzusehen; es sind 
übrigens tatsächlich viele Synthesen von optisch-aktiven Kunsterdölen 
durch Destillation von Fetten im Gemisch mit Cholesterin oder mit Ab- 
bauprodukten des Eiweißes u. dgl. ausgeführt worden^). Den Hypo- 
thesen der Erdölbildung aus anorganischem Material wären dagegen 
nur zwei Auswege zur Erklärung der optischen Aktivität möglich: 
diese Eigenschaft sei zufällig und stamme nicht von Erdölen selbst, 
sondern von fremden, während der Migration der Erdöle gelösten 
animalischen oder pflanzlichen Zersetzungsprodukten; oder aber: 
die optische Aktivität der Erdöle sei eine sekundäre, durch Einfluß 
irgendwelcher asymmetrischer Faktoren bedingte Eigenschaft. Was 
die erste, vonChardin^) vorgeschlagene Erklärung betrifft, so ist sie 
schon aus dem Grunde hinfällig, daß für viele Erdöle eine Migration 
überhaupt ausgeschlossen ist; und dann wäre es wirklich mehr als ein 
Zufall, sollte allen Erdölen Gelegenheit gegeben werden, mit organischen 
Zersetzimgsprodukten in Berührung zu kommen. Was die zweite Er- 
klärung betrifft, so muß hier das Eingreifen der bekannten asymmetri- 
schen Faktoren, die sonst die Synthesen von optisch-aktiven Substanzen 
im Laboratorium ermöglichen, als höchst unwahrscheinlich bezeichnet 
werden, denn, abgesehen von künstlicher Auslese der enantiomorphen 
Kristalle, sind diese Faktoren: Einwirkung von Mikroorganismen und 
Kristallisation in Gegenwart einer asymmetrischen chemischen Ver- 
bindung; es ist schwerlich anzunehmen, daß diese Faktoren in der Ge- 
schichte der Erdöle eine Rolle mitgespielt hätten. 

Wir sehen somit, daß nur die Hypothese des organischen Ursprungs 
der Erdöle sowohl deren chemische Zusammensetzung, wie auch die 
merkwürdige Tatsache der optischen Aktivität ganz ungezwungen 
erklärt, während die anorganischen Hypothesen ohne Krücken der 
speziell ad hoc konstruierten, experimentell nicht begründeten und wenig 
wahrscheüilichen Hilfsannahmen nicht auskommen können. Wir 
werden daher, vom chemischen Standpunkte aus, nicht zögern, der 
organischen Theorie den Vorzug zu geben, und auch die meisten Geo- 
logen scheinen im allgemeinen dieselbe Stellung gegenüber den beiden 
rivalisierenden Haupthypothesen einzunehmen. Der anfangs betonte, 
stets etwas problematische Charakter aller historischen Rückblicke 
in der Naturwissenschaft erlaubt aber nicht, die Möglichkeit in einzelnen 
Fällen auch der anorganischen Bildungsweise der Erdöle ganz in Abrede 
zu stellen; solchen Ursprung vertritt z. B. Moissan für das in Riom 
(Limagne) in der Tiefe von 1200 m gefundene Erdöl, da dieses mit 

1) Z. B. Lewko witsch, Berichte 1907, 2125; Neubersj, Petroleum 8, 
Nr. 14 u. 16; Marcusson, Chem. Ztg. 1908, 377 u. 391. 

2) Joum. mss. phys.-chem. Ges. 1909, 2, 284. 



Anhang: Entstehung des Erdöls. 215 

eruptiven Gesteinen in engstem Zusammenhange steht ; auch ist die oben 
erwähnte Annahme Chardins wohl in ihrer Allgemeingültigkeit, nicht 
aber auch in jedem einzelnen Falle ganz zu verwerfen. 

Innerhalb der organischen Hypothese der Erdölbildung entstehen 
nun weitere Fragen: Welche Organismen haben das Rohmaterial zur 
Erdölbildung geliefert? Ausweichen chemischen Stoffen bestand dieses 
Rohmaterial? Welcher Weg hat zur Umwandlung des Rohmaterials 
in das Erdöl geführt? Eine irgendwie eingehende Besprechung dieser 
Fragen würde uns in ein Dickicht von Kontroversen verschiedener 
Hypothesen führen, und da uns der Raum dazu fehlt, will ich mich mit 
einer kurzen Skizzierung der am besten durchgearbeiteten und wohl 
auch der verbreitetsten Theorie von Engler begnügen. Auf seine 
experimentellen Arbeiten sich stützend, erblickt Engler das bei weitem 
wichtigste Rohmaterial zur Erdölbildung in verschiedenen Fettstoffen 
(feste und flüssige Fette, Fettwachse und Wachse) untergegangener 
tierischer und pflanzlicher Lebewesen. Indirekt können daran auch — 
doch nur in geringem Maße — die Eiweißstoffe durch Abspaltung von 
Fettsäuren beteiligt sein. Die Hauptmenge der Eiweißstoffe, sowie die 
übrigen organischen Bestandteile der Tiere und Pflanzen haben sich 
durch Fäulnis und Verwesung zersetzt, wodurch auch der niedrige 
Stickstoffgehalt der meisten Erdöle zu erklären ist. Der erste Vorgang 
des Abbaues der eigentlichen Fette (Glyzeride) bestand wahrschein- 
lich in der Abspaltung des Glyzerins durch Wirkung von Wasser oder 
Fermenten und in der Ausscheidung freier imlöslicher Fettsäuren. Der 
Übergang der Fettsäuren, sowie der unzersetzten Fette imd Wachse 
in Erdöl voUzog sich in zwei Stadien: 1. in einer primären, wahrschein- 
lich langsam verlaufenden gewaltsamen Zersetzung derselben, entweder 
nach Analogie der Druckdestillation, oder unter Wärmedruckwirkung 
ohne Destillation ; 2. in einem sekundären ganz allmählich vor sich gehen- 
den Wiederaufbau komplexer Moleküle (Schmieröle) durch Poly- 
merisation und Addition, sowie der Bildung von Naphthenen durch 
Umlagerung aus ungesättigten Spaltstücken der primären Zersetzung, 
eventuell auch noch der Bildung asphaltartiger Produkte durch An- 
lagerung von Sauerstoff und von Schwefel. Das primär gebildete, 
an ungesättigten Verbindungen reiche Produkt der Zersetzung der Fette 
und Fettsäuren nennt Engler „Protopetroleum". 

Die Engler sehe Theorie der Erdölbildung hat wohl den größten 
Anklang bei den Erdöltheoretikern gefunden; ich möchte aber nicht 
unerwähnt lassen, daß viele maßgebende Forscher, die auch auf dem 
Boden der organischen Theorie der Erdölbildimg stehen, die Engler- 
schen Ansichten bestreiten oder nicht in allen Stücken teilen ; so erblicken 
Zaloziecki und Waiden in pflanzlichen Harzen einen der wichtigsten 
Urstoffe der Erdöle; auch in der Deutung des Umwandlimgsprozesses 
der Erdölurstoffe in Erdöl gehen die Meinungen auseinander usw. Be- 
vor ich die Frage über die Erdölbildung verlasse, will ich noch einige 
Worte über die Schicksale sagen, die die nun „fertigen" Erdöle weiter 
erleiden können. Von der Verdampfung und Luftoxydation der Erdöle 

8* 



X16 Anhang; Entstehung des Erdöls. 

ist bereits oben die Rede gewesen; es ist sehr wahrscheinlich, daß diese 
Prozesse schließlich zur Bildung von Asphalten und (im Falle von 
paraffinreichen Erdölen) von Ozokerit führen. Ein anderer, wie es 
scheint/ ziemlich häufig vorkommender, Umwandlungsprozeß der Erd- 
öle stellt sich als Folge ihrer Migration ein; wird nämlich ein Erdöl 
aus seiner Bildungsstätte durch den Druck der unterirdischen Gase 
oder durch Wasser usw. herausgedrängt, und hat es dabei den Weg 
durch andere poröse Erdschichten zu machen, so treten in ihm 
infolge solcher Filtration tie^hende Veränderungen auf: die schweren, 
asphaltartigen, ungesättigten, sauren, geschwefelten und gefärbten 
Bestandteile werden in der Filtrierschicht mehr oder weniger stark 
zurückgehalten, und das filtrierte Erdöl ist leichter, heller, ärmer an 
ungesättigten u. dgl. Verbindungen ab das Muttererdöl^). Nach 
der zuerst von Day ausgesprochenen Ansicht soll sich auf diese Weise 
das leichte, helle, an gesättigten Kohlenwasserstoffen reiche pennsylva- 
nische Erdöl aus dem schweren, dunklen, schwefel* und asphaltreichen 
Erdöl von Ohio gebildet haben; Kwitka, Herr, Rakusin u. a. nehmen 
einen ähnKchen Ursprung des sog. „weißen" (zum TeU wirkUch ganz 
farblosen, gewöhnlich aber nur lichtgelben bis braunen) Erdöles von 
Ssurachany aus demjenigen von Bibi-Eybat an, usw. Hier muß ich 
aber wiederum darauf hinweisen, daß auch die Migrationstheorie nicht 
allerseits anerkannt ist und z. B. in Höf er einen auf rein geologische 
Gründe sich stützenden GJegner gefunden hat*). 

Schließlich sei noch einer, allerdings bisher nur selten angetroffenen 
und auch wenig ergiebigen Bildungsweise von leichten Erdölen erwähnt: 
durch Destillation der niedrig siedenden Bestandteile der tief gelegenen 
Erdöle und Kondensation der Dämpfe in oberen, kälteren Schichten. 
Einen solchen Fall beobachtete vor einiger Zeit Strijow^) in Grosny, 
wo er im Separator eines mit Gasausnutzung arbeitenden Bohrloches 
ein wasserklares, zum größten Teil bis 120^ siedendes Ol vom spez. 
Gewicht 0,724 auffand. 



^) Die Filtration der Erdöle nnd Erdölprodukte durch poröse Schichten wird 
weiter eingehend besprochen werden. 

') Auch vom rein chemischen Standpunkte aus ist eine große Vorsicht bei der 
Anwendung der Migrationstheorie geboten. Gegen die im Text »wähnte Annahme 
des Urspnmges des Ssurachany-Erdöls aus dem Erdöl von Bibi-Eybat spricht 
z. B. der relativ hohe Gehalt des ersteren an aromatischen Kohlenwasserstoffen, 
die sonst bei der Filtration zurückgehalten werden; auch der Umstand, daß die 
Benzinfraktionen des Ssurachany-Erdöles bedeutend schwerer sind, als die ent- 
sprechenden des Bibi-Eybatschen Rohöls. 

») Petr. Rev. 1010, 303. 



Zweiter Abschnitt. 

Fabrikation» 

A. Destillation. 

Die Destillation ist die Hauptgrundlage der Erdölbearbeitung. 
Die Ausscheidung aller Erdölprodukte aus dem Rohöl geschieht gegen- 
wäjrtig fast ausschließlich durch Destillation, und wenn die verschiedenen 
Destillate und Destillationsrückstände, um den Wert der fertigen Pro- 
dukte zu erlangen, noch den chemischen Prozessen der Raffination 
unterworfen werden müssen, so hängen doch sowohl der Verlauf und die 
Kosten dieser Raffinationsprozesse, wie die Güte der fertigen Produkte 
wesentlich vom Gange der Destillation ab. Die Destillation ist zm'zeit 
auch der kostspieligste Prozeß bei der Fabrikation der meisten Erdöl- 
produkte, so daß hier dem Techniker für seine Bestrebungen zur Ver- 
besserung der ökonomischen Verhältnisse der Erdölindustrie noch ein 
weites Feld offen steht. Schließlich ist die Destillation auch ein Prozeß, 
an den sich viele interessante wissenschaftliche Fragen knüpfen, von 
denen so manche noch ungenügend durchgearbeitet geblieben ist. 
Ich werde mich daher im folgenden bemühen, die Theorie der verschie- 
denen Destillationsmethoden sowie die bei der Destillation sich ab- 
spielenden Vorgänge möglichst vollständig zu besprechen. Die kon- 
struktiven Fragen werde ich allerdings, dem allgemeinen Plane des 
Buches gemäß, beiseite lassen. 

1. Dampfdestillation. 

Unter Dampfdestillation versteht man diejenige Arbeitsweise, bei 
der die Destillation eines Öles durch Einleiten von Dampf einer anderen 
Flüssigkeit, gewöhnlich von Wasserdampf, befördert wird. Diese Be- 
förderung äußert sich einerseits in der Beschleunigung des Prozesses, 
andererseits in der Erniedrigung der Destillationstemperatur. Da die 
Erdölkohlenwasserstoffe beim Erhitzen, wie wir weiter näher sehen 
werden, verschiedenartige Zersetzungen erleiden, und zwar um so mehr, 
je höher die Temperatur, so ist die Möglichkeit der Erniedrigung der 
Destillationstemperatur von sehr großer Bedeutung, besonders für die 



118 Destillation. 

hochsiedenden öle. In der Erdölindustrie wird daher die Destillation 
im allgemeinen nur bei den niedrig siedenden, Benzin- resp. Gasolin- 
fraktionen ohne Wasserdampf ausgeführt, für höhere Fraktionen da- 
gegen (von Kerosin angefangen) zur Dampfdestillation Zuflucht ge- 
nommen. 

Die Ansichten über die Wirkungsweise des Wasserdampfes bei der 
Destillation sind noch sehr geteilt. Ich werde zuerst diejenige ausein- 
andersetzen und begründen, die ich für richtig halte, dann auch die 
anderen zu Worte konmien lassen und prüfen. 

Vor allem zwei Worte über die Art und Weise, wie man den Wasser- 
dampf zur Wirkung gelangen läßt. Dies geschieht so, daß man am 
Boden des Destillierkessels durchlöcherte, der Form des Bodens ange- 
paßte Röhren legt und diese mit der Dampfleitung verbindet. Ein vor 
dem Eintritt des Rohres in den Kessel in die Leitung eingeschaltetes 
Ventil erlaubt, die Dampfzufuhr genau zu regulieren. Der Wasserdampf 
tritt somit in das öl unten in Form von zahlreichen kleinen Blasen ein 
und steigt sofort nach oben, die ganze Dicke der ölschicht durchstreifend. 
Jede Wasserdampfblase stellt nun einen Raum vor, in den hinein eine 
Verdampfung des seine Wandungen bildenden Öles stattfinden kann; 
nach dem Gesetze von Dal ton spielt die Wasserdampf blase für die 
öldämpfe die Rolle eines Vakuums, d. h. kann in sich so viel öldämpfe 
aufnehmen, als es der Dampftension des Öles bei der gegebenen Tem- 
peratur entspricht. Nehmen wir an, das öl habe bei der gegebenen 
Temperatur eine Dampftension von 400 mm Hg und die Ver- 
dampfung des Öles gehe außerordentlich schnell vor sich, so daß der 
Druck der öldämpfe gleich 400 mm innerhalb der Wasserdampfblase 
sich momentan beim Eintritt der letzteren in das öl bilde. Da der 
Wasserdampf, um aus den Röhrenöffnungen in den Destillierkessel 
hineintreten zu können, den auf dem Boden des Kessels lastenden Druck 
zu überwinden hat, muß seine Tension im Moment der Blasenbildung 
etwas größer sein als der Atmosphärendruck -|- Gewicht der Ölsäule 
im Kessel, also z. B. gleich 820 mm Hg. Würde die Wasserdampfblase 
unausdehnbar sein, so würde in ihr, nach der Sättigung mit den öl- 
dämpfen, der Gesamtdruck 1220 mm Hg betragen (einen ähnlichen 
Überdruck beobachten wir z. B. beim öffnen einer mit Äther, Benzin 
u. dgl. zum Teil gefüllten Flasche). In Wirklichkeit dehnt sich natürlich 
die Blase aus, bis in ihr der Totaldruck der Wasser- und Öldämpfe auf 
760 mm gefallen ist. Ist dies aber geschehen, so beträgt die Partialtension 
der öldämpfe in der Blase nicht mehr 400, sondern nur 

400 • 760 

-322o--249mm; 

das Öl muß also, dem Daltonschen Gesetze gemäß, weiter in die Blase 
hineinverdampfen, bis die Tension seiner Dämpfe wiederum 400 mm 
erreicht hat. Die Gesamttension innerhalb der Blase steigt somit wieder 
von 760 auf 760 + (400— 249) = 911 mm, die Blase dehnt sich von 
neuem aus usw., bis sich schließlich innerhalb der Blase eine Totaltension 



Dampf destillation. 1X9 

von 760 mm, mit Partialtensionen : 400 mm für die öl- mid 360 mm für 
den Wasserdampf eingestellt haben wird. Mit dieser Zusammensetzung 
der sie bildenden Dämpfe gelangt die Blase an die freie Oberfläche des 
Öles, platzt hier und läßt die Dämpfe in den freien Kesselraum und von 
hier aus in den Kühler strömen^). In Wirklichkeit geht natürlich der 
Prozeß nicht so vor sich, daß erst innerhalb der Blase ein Druck von 
1220 mm gebildet wird und nur dann die Blase sich ausdehnt, sondern 
die Ausdehnung findet kontinuierlich und gleichzeitig mit der ölver- 
dampfung statt; das Resultat — die Bildimg eines Dampf gemisches 
mit 400 mm öl- und 360 mm Wasserdampf tension — wird aber dadurch 
nicht geändert. 

Bei der soeben durchgeführten Berechnung habe ich angenommen, 
daß die ölverdampfung so schnell geschieht, daß die öldämpfe ihre volle, 
der gegebenen Temperatur entsprechende Tension zu erreichen Zeit 
haben, bis die Dampf blase an der freien Oberfläche angelangt ist. Ob 
dies in Wirklichkeit geschieht, werde ich weiter besprechen. Hier will 
ich nur betonen, daß die Zusammensetzung des Dampfgemisches, wie 
sie soeben berechnet worden, die ideale Grenze zugunsten des ölgehaltes 
vorstellt. Der dieser Grenze entsprechende prozentualische Grehalt des 
destillierenden Gemisches an öl kann leicht berechnet werden, wenn 
uns das Molekulargewicht (resp. das mittlere Molekulargewicht) des Öles 
bekannt ist : beträgt es z. B. 300, so ist das Verhältnis des Öles zu Wasser, 
wie 400.300 zu 360.18, und das destillierende Gewicht enthält ca. 
94,90/0 öl und 5,10/0 Wasser. 

Die Wirkungsweise des Wasserdampfes läßt sich somit folgender- 
maßen deuten: die Bildung imzähliger kleiner Wasserdampf blasen bringt 
eine enorme freie Oberfläche innerhalb der ölmasse zustande, eine 
Oberfläche, von der aus eine Verdampf ung des Öles von sich geht; die 
gebildeten öldämpfe, die an und für sich keine genügende Tension haben 
würden, um den Atmosphärendruck überwinden, d. h. destillieren zu 
können, addieren ihre Tension mit der Tension des dazwischen expan- 
dierten Wasserdampfes, und da nun die Totaltension des Dampfgemisches 
den Atmosphärendruck übersteigt, kann sich eine regelrechte Destillation 
einstellen. Mit anderen Worten: dank der enormen Vergrößerung der 
Verdampfungsoberfläche und der „Mithilfe" der Wasserdampf tension 
kann eine Destillation des Öles bei Temperaturen vor sich gehen, bei 
denen die Dampftension des Öles den Atmosphärendruck bei weitem 
nicht erreicht, die also tief unterhalb der eigentlichen Siedetemperatur 
des Öles liegen. 

Der praktische Erfolg der Dampfdestillation besteht also in der 
Erniedrigung der Destillationstemperatur, was für die mögliche Ver- 
meidung jeglicher Zersetzung von großer Wichtigkeit ist. Ein anderes 



1) Damit diese Strömung stattfinde, muß natürlich die Totaltension der öl- 
und Wasserdämpfe im Destillierkessel den äußeren Atmosphärendruck um so viel 
übersteigen, als es zur Überwindung der Bewegungswiderstände in den Kühlem 
erfordert wird; da dieser Überdruck unter gewöhnlichen Umständen nicht bedeu- 
tend ist, rechne ich hier, der Einfachheit halber, mit 760 mm. 



120 Destillation. 

Moment kommt noch hier helfend mit. Der Wasserdampf ruft ein 
äußerst lebhaftes Wallen der ganzen ölmasse hervor, wodurch jeglicher 
Stauung und dem Anbrennen der äußeren ölschichten an den heißen 
Kesselwandungen vorgebeugt wird; um diesen Effekt zu erhöhen, gibt 
man den Öffnungen der Dampfröhre eine solche (etwas schräge) Rich- 
tung, daß die Dampfstrahlen gegen die Kesselwandungen anprallen 
und sie gewissermaßen bespülen. Zum Teil vielleicht erstreckt sich diese 
schützende Wirkung des Wasserdampfes auch auf den Dampfraum des 
Kessels, indem hier eine kleinere Anzahl ölmoleküle mit den heißen 
Kesselwandungen in Berührung kommt. 

Sehe ich somit in der Dampfdestillation nichts anderes als eine 
enorm gesteigerte Verdampfung mit Nachschub der öldämpfe diurch 
den Druck des Waeseidampfes, so stehen die meisten Autoren auf einem 
ganz anderen Standpunkte. Am meisten verbreitet ist die letzthin von 
Graf e^) vertretene Ansicht, nach der wir es bei der Dampf destillation 
nicht mit Verdampfen, sondern mit Sieden des Öles zu tun hätten. Wie 
z. B. Gräfe sich ausdrückt, „beruht die Dampf destillation darauf, daß 
sich die Spannungen von Dämpfen, die in entsprechenden Flüssigkeiten 
nicht löslich sind, addieren, jede Flüssigkeit also nur einen geringeren 
Druck nötig hat, um im Gemische zu sieden." 

Das Wesen der Differenz zwischen dieser Ansicht und der von mir 
vertretenen wird klar, sobald wir den Unterschied zwischen Verdampfen 
und Sieden richtig erfassen. Diese beiden Prozesse lassen sich folgender- 
maßen definieren: das Verdampfen ist Bildung von Dämpfen einer 
Flüssigkeit (oder auch eines festen Körpers) von ihrer freien Oberfläche 
aus; das Sieden ist Bildung von Dämpfen einer Flüssigkeit innerhalb 
ihrer ganzen Masse, gewöhnlich vom Boden aus, wo die Wärmezufuhr 
am stärksten ist. Verdampfung geht — mit verschiedener Intensität — 
bei jeder Temperatur vor sich ; Sieden erfordert bei gegebenem äußeren 
Druck eine ganz bestimmte Temperatur, bei der eben die Dampftension 
der Flüssigkeit dem äußeren, auf der Oberfläche der Flüssigkeit lastenden 
Druck gleich wird oder, strenger gesagt, diesen Druck um ein ganz 
weniges übersteigt. Nimmt man daher an, daß bei der Dampfdestillation 
ein Sieden des Öles stattfindet, so gibt man damit zu, daß der nun auf 
der Oberfläche lastende Druck entsprechend kleiner geworden, in un- 
serem oben durchgeführten Beispiele also von 760 auf 400 mm gefallen 
ist. Diese Entlastung soll eben durch die Zufuhr des Wasserdampfes 
hervorgerufen werden. Wenn man sich aber erinnert, daß nach der kine- 
tischen Gastheorie der Druck eines Gases oder eines Dampfes durch den 
Anprall seiner Moleküle hervorgerufen wird; daß dieser Druck dem 
Quadrat der Molekülgeschwindigkeit proportional ist; daß die mittlere 
Geschwindigkeit der Wasserdampfmoleküle z. B. bei 200® etwa 800 m 
pro Sekunde erreicht, während die Geschwindigkeit des Wasserdampf- 
stromes in der Destillierblaee etwa 25 m pro Sekunde ist, so wird man 
zugeben müssen, daß^ die druckentlastende Wirkung der Dampfbewe- 



1) Petroleum 8, 1128. 



Dampf destillation. 121 

gung minimal ist. Es katm aber von solcher Wirkung nur in bezug auf 
die Bewegung, nicht auf die Tension des Wasserdampfes die Bede 
sein; denn für das öl bleibt sich gleich, ob der freie Raum über seiner 
Oberfläche mit Luft oder Wasserdampf gefüllt ist, und der Umstand, 
daß Wasserdampf durch das öl und durch diesen Raum hindurch- 
streicht, kann (abgesehen von der soeben zugegebenen minimalen Wir- 
kung) auf das Verhalten der nicht in Berührung mit den Dampf blasen 
kommenden ölteilchen keinen Einfluß ausüben. Mit anderen Worten: 
auch bei der Wasserdampfzufuhr kann eine Verdampfung nur an der 
freien Oberfläche des öles^), nicht aber in der übrigen ölmasse statt- 
finden, d. h. kann sich kein Sieden einstellen, solange nicht die eigene 
Dampftension des Öles den Atmosphärendruck erreicht hat. Es genügt 
übrigens, die Dampfdestillation in einem Glaskolben zu beobachten, 
um sich von der Richtigkeit des Gesagten zu überzeugen; man tauche zu 
dem Zweck das dampfzuführende Rohr bis etwa in die Mitte der öl- 
schicht ein; man wird da sehen, daß, während die Destillation ganz flott 
vor sich geht, keine einzige Dampfblase vom Boden des Kolbens hinauf- 
steigt. 

Es könnte manchem scheinen, daß die Frage, ob die Dampfdestilla- 
tion eine Verdampfung oder ein Sieden sei, ganz unwesentlich und 
eigentlich nichts weiter als ein Wortstreit ist. Ich glaube es nicht. 
Denn erstens ist es immer gut, nicht nur die äußere Seite eines Prozesses, 
sondern womöglich auch seinen „inneren Mechanismus*' zu kennen. 
Zweitens aber lassen sich auf Grund dieser oder jener Beantwortung der 
hier gestellten Frage auch verschiedene praktische Schlußfolgerimgen 
ziehen. Besteht die Wirkung des Wasserdampfes in der Vermindenmg des 
auf der öloberfläche lastenden Atmosphärendruckes, so würde es möglich 
sein, denselben Effekt auch beim Verlegen der Dampfröhren an die freie 
Oberfläche des Öles zu erreichen, was aber durchaus nicht der Fall ist ; 
die Wirkung des Wasserdampfes auf die Destillation ist vielmehr bei 
solcher Anordnung sehr schwach ; der Wasserdampf kann eben hier nur 
die an der Oberfläche des Öles sich bildenden öldämpfe mit sich reißen. 

Ein anderer Punkt, wo die Differenz der beiden Ansichten zu ver- 
schiedenen Schlußfolgerungen führt, betrifft den Einfluß der Intensität 
der Heizung auf den Verlauf der Destillation. Wenn eine Flüssigkeit 
siedet, können wir die Intensität der Heizung in ziemlich weiten Grenzen 
variieren, wobei die Temperatur der Flüssigkeit, wenn man für die Ver- 
meidung der sogenannten Überhitzung sorgt, fast konstant bleibt; die 
größere Intensität der Heizung hat ein stärkeres Sieden und eine schnellere 
Destillation zur Folge und umgekehrt. Ganz anders ist es bei der Dampf- 
destillation ; hier zieht eine stärkere Heizung sofort eine Temperatur- 
steigerung des Öles nach sich, und weim wir die Destillation, ohne die 
Temperatur steigen zu lassen, beschleunigen wollen, so können wir es 
nur auf die Weise erreichen, daß wir gleichzeitig energischer heizen und 



^) Zur freien Oberfläche der Ole sind aber natürlich auch die die Dampf- 
blasen begrenzenden Flächen zu zählen! 



122 I>estillation. 

entsprechend größere Mengen Wasserdampf durch das öl streichen 
lassen: dann erst wird die in erhöhtem Maße zugeführte Wärme zur 
Verdampfung des Öles ohne Temperatursteigerung verbraucht werden 
können. Und umgekehrt: bleibt bei der Dampfdestillation die Intensität 
der Heizung unverändert, so zieht eine erhöhte Dampfzufuhr ein Fallen, 
eine verminderte Dampfzufuhr ein Steigen der Temperatur des Öles 
nach sich; denn im ersten Falle steigt die Intensität -der Verdampfung, 
und ein größerer Teil der zugeführten Wärme wird in Form von latenter 
Wärme der öldämpfe gebunden; im zweiten — geht die Verdampfung 
zurück, und ein größerer Teil der Wärme wird zur Temperaturerhöhung 
des flüssigen Öles verbraucht. 

Wie ich schon oben bemerkt habe, ist die vollständige Sättigung 
der Wasserdampf blasen mit öldämpfen nur ein idealer Grenzfall; um 
die Praxis möglichst nahe dieser Grenze zu bringen, wüßte die Siede- 
theorie der Dampfdestillation folgerichtig nur ein Mittel zu empfehlen — 
ein stärkeres Erhitzen, da eben dadurch das Sieden intensiver wird. 
Wenn man aber eine Temperatursteigerung vermeiden will, so ist auf 
diesem Wege nichts zu erreichen; umgekehrt: wir würden dann ge- 
zwungen sein, die Dampfzufuhr zu verstärken, wodurch die Sättigung 
natürlich sich noch unvollständiger gestalten müßte. Die von mir ver- 
tretene Ansicht findet dagegen den Ausweg, in einer möglichst weit- 
gehenden Vergrößerung der verdampfenden Oberfläche, also z. B. in 
der Zerstäubung des ölgutes u. dgl., worauf verschiedene Destillations- 
verfahren tatsächlich hinzielen^). 

Der berühmte Schöpfer der russischen Schmierölindustrie, V. 
Kagosin, hat bei der Beurteilung der Wirkungsweise des Wasser- 
dampfes ein anderes Moment hervorgehoben: die saugende, vakuum- 
bildende Wirkung der Dampf blasen, analog z. B. der bekannten Kör- 
tingschen Düse. Wenn man aber bedenkt, daß im Körtingschen Vakuum- 
apparat ein Arbeitsdruck von 60 Pfund nötig ist, um ein Vakuum von 
ca. 6C0 mm Hg hervorzurufen, so werden wir den mit einem Überdruck 
von etwa 2 Pfund aus den Rohröffnungen austretenden und in ihrem 
Auftriebe durch die ölschicht sofort gehemmten Dampfblasen keine 
irgendwie bedeutende saugende Kraft zuerteilen dürfen. Wie leicht man 
aber aus irrigen theoretischen Ansichten zu falschen praktischen Schluß- 
folgerungen gelangt, zeigt die von Ragosin auf Grund seiner Annahme 
der Saugwirkung aufgestellte Forderung, daß die Temperatur des 
Wasserdampfes stets unterhalb derjenigen des Öles liege; der Dampf 
erwärme sich dann während seines Durchganges durch die ölschicht, 
d. h. seine Blasen expandieren sich, wodurch ihre saugende Wirkung 
verstärkt werden soll! In Wirklichkeit läßt sich von einem derartigen 
günstigen Einfluß der niedrigen Temperatur des Wasserdampfes gar 
nichts merken. 

Die Zuhilfenahme von Wasserdampf gibt uns die Möglichkeit, 



1) Vgl. z. B. die Verfahren von Adiassewitch, Seidenschnur, Koehn 
u. a. in Singers „Technologie des Erdöls". 



Dampf destillation. ] 23 

öle bei Temperaturen zu deßtillieren, die tief unter ihren Siedetempera- 
turen liegen. Von dem Punkte an, wo das öl sichtbare Dämpfe zu ent- 
wickeln beginnt, und bis zu seinem Siedepunkt können wir eine beliebige 
Temperatur als Destillationstemperatur wählen, und die praktische 
Wahl hat sich nur nach zwei Punkten zu richten: einerseits ist es gut, 
um Zersetzungen zu vermeiden, bei möglichst niedriger Temperatur 
zu destillieren; andererseits ist der Verbrauch an Wasserdampf um so 
kleiner, je höher die Temperatur. Wenn wir beim idealen Grenzfalle 
bleiben, so enthält das von der Oberfläche austretende Wasseröldampf* 
gemisch . wie oben gezeigt wurde, so viel öldampf , daß es der Dampf tension 
des Öles bei der betreffenden Temperatur entspricht, das übrige ist 
Wasser. Ist uns die Dampftensionskurve eines Öles bekannt, so können 
wir die theoretische Zusammensetzung des ölwasserdampfgemisches 
für jede Temperatur berechnen. Gewöhnlich ist es in der Praxis nicht 
der Fall, und man sucht einfach den Wasserdampfverbrauch auf das 
Minimum zu reduzieren, d. h. läßt die Temperatur des Öles so hoch 
steigen, als es eben noch ohne zu starke Zersetzung geht. Da das Erdöl 
kein chemisches Individuum, sondern ein Gemisch sehr zahlreicher 
Körper ist, so bleibt natürlich seine Dampftension während der Destilla- 
tion bei gleichbleibender Temperatur nicht konstant, sondern nimmt 
stetig ab. Die Dampf destillation des Erdöls kann daher auf dreierlei 
Weise geführt werden: 1. isothermisch, d. h. durch Einhalten einer kon- 
stanten Temperatur — dann nimmt der ölgehalt im ölwasserdestillat 
stetig, und zwar schnell ab, d.h. der Wasserdampf verbrauch, bezogen 
auf einen Gewichtsteü des abdestillierten Öles, nimmt für höhere Frak- 
tionen stark zu; 2. durch Einhalten eines konstanten Gewichts Verhält- 
nisses von Wasser zum öl — dann nimmt die Temperatur während der 
Destillation schnell zu, und bei höheren Fraktionen treten leicht Zer- 
setzungen ein; 3. durch allmähliches Steigen sowohl der Temperatur 
wie des Wasserverbrauchs — dies ist die übliche Arbeitsweise in der 
Praxis. So wird z. B. in Baku meist so destilliert, daß der Wasserdampf - 
verbrauch für Kerosin ca. 25^0 (vom Kerosingewicht), für leichte 
Schmieröle ca. öO^q; für Zylinderöle lOOVo ^^^ mehr beträgt, während 
die Temperatur innerhalb der Flüssigkeit von 150 bis ca. 400® steigt. 
Ich will aber noch einmal ausdrücklich betonen, daß wir Zylinderöle 
auch bei niedrigeren Temperaturen oder mit kleinerem Wasserdampf* 
verbrauch abdestillieren können — falls wir im ersten Falle einen größeren 
Wasserdampfverbrauch, im zweiten — eine höhere Temperatur mit 
in Kauf nehmen wollen. 

Eine interessante, wissenschaftlich bisher noch gar nicht unter- 
suchte Frage der Dampfdestillation ist die, auf welche Temperatur der 
Wasserdampf vor seinem Eintritt in den Destillierkessel überhitzt 
werden soll. Daß eine Überhitzung überhaupt nötig ist, wird allgemein 
anerkannt; denn erstens ist beim gesättigten Dampf immer die Gefahr 
da, daß er verflüssigtes Wasser mit sich in den Kessel hineinbringt, das 
hier dann momentan verdampft und dadurch sogenannte Überwürfe 
des Öles und selbst Explosionen verursachen kann; zweitens würde ein 



124 



Destillation. 



gar nicht oder nur sehr schwach überhitzter Waeserdampf das Ol im 
Kessel iinnützerweise abkühlen. Theoretisch konrmen aber hier noch 
zwei Punkte in Betracht. Je heißer der Wasserdampf, um so größer ist 
unter gleichem [Drucke das Volumen seiner Grewichtseinheit, d. h. um so 
kleiner das Gewicht eines gegebenen Volumens; da aber bei der Wirkung 
des Wasseidampfes beim gleichen IXruck nur sein Volumen und nicht 
das Gewicht in Betracht kommt (eine Blase bestimmter Größe kann, 
unabhängig von ihrem Gewicht, eine bestinunte Menge öldampf in 
sich aufnehmen), so muß der Verbrauch an Wasserdampf ceteris paribus 
mit steigendem Grade seiner Überhitzung abnehmen. Zweitens muß 
mit steigender Temperatur des Wasseidampfes die Greschwindigkeit, 
mit der die Olmoleküle in die Dampfblase hineindiffundieren, zu- 
nehmen^), d. h. die Zusammensetzung des Wasserdampf gemisches sich 
dem idealen Grenzfalle nähert. Von beiden Gesichtspunkten aus ist 
somit zu erwarten, daß eine und dieselbe Menge Wasserdampf um so 
größere Arbeit leistet (d. h. um so mehr öl mit sich nimmt), je höher 
sein Überhitzungsgrad ist. Andererseits sind von sehr hohen Über- 
hitzungsgraden auch manche praktische Übelstände zu befürchten, 
so z. B. der Angriff der Rohrleitungen durch Einwirkung des stark über- 
hitzten Wasserdampfes auf Eisen; solcher Angriff ist an den Rohr- 
leitungen der mit überhitzung arbeitenden Dampfmaschiuen (also bei 
Temperaturen von etwa 300 bis 350®) wiederholt konstatiert worden. 
Im allgemeinen läßt man den Wasserdampf (wenigstens in Baku) nicht 
über 250® überhitzen. 



2. Yaknnmdestillation. 

Ein zweites Hilfsmittel, das auf die Destillation fördernd wirkt, 
ist sogenanntes Vakuum oder, besser gesagt, Verminderung des äußeren 

Druckes. Da das Sieden einer 
Flüssigkeit sich dann einstellen 
kann, wenn ihre Dampf tension 
den äußeren, auf der Oberfläche 
der Flüssigkeit lastenden Gas- 
druck um ein geringes über- 
steigt, so versteht sich von 
selbst, daß die Siedetempera- 
tur um so mehr fällt, je ge- 
ringer dieser Druck, oder 
wie man sich gewöhnlich aus- 
drückt, je stärker das Vakuum 
ist. Die. Erniedrigung der 
Temperaturen Siedetemperatur für eine be- 

Fig. 2. stimmte Abnahme des äuße- 




1) Der Diffusionskoeffizient Bt eines Gases oder Dampfes relativ zu einem und 
demselben Medium bei der Temperatur t® ist gleich Do (1 + 1/273)™, wo m sowohl 
von der Natur des diffundierenden Dampfes, wie von dem Medium abhängt. 



Vakuumdestillation . 125 

ren Druckes ist aber auch bei einer und derselben Flüssigkeit 
nicht für alle Druckgebiete konstant, sondern nimmt mit fallendem 
I>rucke stark zu. Dieses läßt sich aus dem Verlaufe der sogenannten 
Dampftensionskurven leicht verstehen. Trägt man nämlich auf 
der Abszissenachse die Temperaturen, auf der Ordinatenachse die 
entsprechenden Dampftensionen einer Flüssigkeit auf, so erhält man 
zwar für verschiedene Flüssigkeiten sehr verschiedene, zum Teil 
sogar sich durchkreuzende Kurven, die aber insofern einen und den- 
selben charakteristischen Verlauf zeigen, als sie alle gegen die Ab- 
szissenachse sehr stark gewölbt sind. Man ersieht daraus, daß bei kleinen 
Drucken das Steigen der Dampftension mit wachsender Temperatur 
sehr schwach, bei hohen Drucken dagegen sehr stark ist. Daraus aber 
folgt umgekehrt, daß die Erniedrigung der Siedetemperatur bei der 
Abnahme des äußeren Druckes um einen und denselben Betrag bei 
höheren Drucken viel schwächer ist als bei den niedrigen, und daß diese 
Erniedrigung bei sehr kleinen Drucken ganz enorm seiri muß. So z. B. 
fand Kraff t^) für das n-Heptadekan folgende Werte für Siedepunkte 
unter verschiedenen Drucken: 



Druck 




Siedetemperatur 


760 mm 


Hg 


303» 


100 „ 




223« 


50 „ 




201,50 


30 


> 


187,60 


20 „ 




1770 


10 




1610 


Kathodenlichtvakuum 


810 



Die Druckemiedrigung von nur 10 mm Hg hat somit bei der 
äußersten Evakuierung die Siedetemperatur um denselben Betrag 
sinken lassen, wie die Verminderung des Atmosphärendruckes um 
660 mm Hg, d. h.war 66 mal effektiver 1 Mit Hilfe eines solchen äußersten 
Vakuums gelang es Kr äff t , nicht nur viele sehr hochsiedende organische 
Körper, sondern sogar solche Metalle wie Kupfer zu destillieren. 

Wie ich soeben sagte, sind die Dampfspannungskurven verschiedener 
Flüssigkeiten im allgemeiaen sehr verschieden und lassen sich nicht 
einem allgemeinem Gesetze unterwerfen. Vergleicht man aber nur 
chemisch verwandte Körper — wie wir sie in den Kohlenwasserstoffen 
der Erdöle vor uns haben — , so kann meist mit genügender Annäherung 
von einer von Dühring aufgestellten Formel 

f —t 

a a TT 

-7 = JV. 



1) Berichte 1896, S. 1317. Als Kathodenlichtvakuum bezeichnet Kraff t 
jene höchsten Stufen der Verdünnung (etwa 1 .10-^ Atm.), bei denen die Erschei- 
nungen des Kathodenlichtes auftreten. Da aber das Vakuum in diesen Versuchen 
erst hinter dem Kühler gemessen wurde, so muß der Druck im Destillierkolben 
selbst, wie Rechenberg (Theorie der Gewinnung imd Trennung der ätherischen 
öle durch Destillation S. 486 ff.) nachweist, größer gewesen sein. 



126 Destillation. 

Gebrauch gemacht werden, wo t^ und t^ die Siedetemperaturen der 
einen, i^^ und tj^ der anderen Flüssigkeit bei den Drucken p' resp. p be- 
zeichnen und K eine Konstante ist. Werden die Temperaturen, in Gra- 
den der absoluten Skala gerechnet, so nimmt die IHihriogsche Regel, 
wie Ramsay und Joung gezeigt haben, eine bequemere Form an: 

Diese Formel erlaubt, die Siedetemperaturen eiaer Flüssigkeit 
für einen beliebigen Druck zu berechnen, wenn nur ihre Siedetemperatur 
für einen einzigen bestimmten Druck bekannt ist und man außerdem 
über die Dampfspannungskurve irgendeiner anderen, dieser Flüssigkeit 
chemisch nahestehenden Verbindung verfügt. 

Für Kohlenwasserstoffe (und somit auch Erdöle und Erdölfraktionen) 
kann man sich z. B. der von Joung und Thomas^) gut untersuchten 
Dampfspannungskurve des n-Oktans bedienen, deren einzelne Werte 
folgende sind: 

Dampfspannung 760 100 50 30 20 10 ömmHg 

Temperatur») . 125,8« 65,6« 50,2« 39,3» 31,3<> 19,1» 7,7« 
Erniedrigung der 

Siedetemperatur 60,2« 75,2» 86,5» 94,5» 106,7» 118,1» 

Um die Anwendbarkeit der Formel von Ramsay-Joung zu 
illustrieren, wollen wir z. B. die Siedetemperaturen des w-Nonadekanß 
für verschiedene Drucke berechnen. Die Siedetemperatur des n- Nonade- 
kans bei 760 mm ist 330» oder im absoluten Maße 603». Das Verhältnis 
zur absoluten Siedetemperatur des Oktans ist somit rund 1,5; in diesem 
Verhältnis müssen somit auch die Erniedrigungen der Siedetemperaturen 
des Nonadekans und des Oktans für dieselben Diuckabnahmen zueinander 
stehen, und es lassen sich nun folgende Werte für die Siedetemperatiu*en 
des Nonadekans berechnen: 

Druck 760 100 

Siedetemperatur berechnet 240» 

gefunden. . 330» 248» 

Wie man sieht, stehen die berechneten Werte den voü Kr äfft 
direkt gefundenen ziemlich nahe. Eine, jedenfalls nicht schlechtere 
Übereinstimmung mit der Berechnung ergibt sich auch für Kohlen- 
wasserstoffe anderer Reihen. Wir können daher auch für verschiedene 
Erdölfraktionen den Einfluß verschiedener Vakuumgrade auf die Siede- 
temperatur annähernd berechnen: 



50 


30 


20 


10 mm Hg 


216» 


200» 


188» 


170» 


226» 


212» 


200» 


178» 



1) Jom-n. ehem. Soc. 1900, 77, 1145. 

2) In gewöhnlicher Skala ausgedrückt. 



Kombinierte Destillation mit Wasserdampf und Vakuum. 127 

Siedetempera- 
tur derFr€^tion 
unter Atmo- 
sphärendruck: 200» 2600 300» 3600 400« 460» 600^ 

£miedri&:ung 
der Siedetem- 
peratur für 
Druck von: 

100 mm Hg 71« 78,9^ 86,4» 93,9« 101,4^ 108,9« 116,40 

50 „ 89,1« 98,6« 108« 117,3« 126,5« 136,7« 144,9» 

30 „ 102,5« 113,4« 124,2« 135«, 145,8« 156,6« 167,4« 

20 „ 112« 123,9« 135,7« 147,5« 159,3« 171,1« 182,9« 

10 „ 126,4« 139,8« 153,2« 166,6« 180« 193,4« 206,8» 

5 „ 139,9« 154,8« 169,6« 184,4« 199,2« 214« 228,8» 

Wir sehen aus dieser Tabelle, daß mit Hilfe eines guten Vakuums 
die Destillationstemperatur, besonders der hochsiedenden öle, ganz 
enorm heruntergedrückt werden kann. Trotzdem scheint eine solche 
Arbeitsweise — d. h. Destillation ohne Wasserdampf, nur in hohem 
Vakuum — bisher keinen Eingang in die Erdölindustrie gefunden zu 
haben. Dieses läßt sich aus verschiedenen Gründen erklären. Vor 
allem hat man konstruktive Schwierigkeiten zu berücksichtigen: denn 
einerseits ist es gar nicht leicht, in großen Destillierkesseln mit ihren 
Systemen von Dephlegmatoren (s. u.) und Kühlem ein hohes Vakuum 
zu unterhalten; mit einem mäßigen läßt sich aber nicht viel erreichen. 
Zweitens hat man die Glefahr des Anbrennens der öle an den heißen 
Kesselwandungen zu befürchten, eine Gefahr, der bei der Dampf- 
destillation durch die energische Bewegung des Öles durch den Dampf 
selbst vorgebeugt wird; bei reiner Vakuumdestillation wären dagegen 
spezielle Vorrichtungen zur Vermeidung solchen Anbrennens unbedingt 
nötig. Und schließlich hat man mit Schwierigkeiten zu rechnen, die 
in den physikalischen Eigenschaften der öldämpfe wurzeln. Ich meine 
in erster Linie die große innere Reibung der Dämpfe der hochmole- 
kularen Kohlenwasserstoffe, dann eben ihre schlechte Wärmeleitfähig- 
keit. Der erste Umstand erschwert das Entweichen der Dämpfe aua 
dem Destillierkessel und wirkt stark verlangsamend auf die Destillation. 
Der zweite erschwert die Verflüssigung der Dämpfe und macht eine 
Vergrößerung der Kühloberfläche nötig. 

3. Kombinierte Destillation mit Wasserdampf und 

Yakunm. 

Die beiden bisher einzeln analysierten Hilfsmittel zur Beförderung 
der Destillation — Wasserdampf und Vakuum — können auch gleich- 
zeitig benutzt werden. Vom Standpunkte der oben entwickelten An- 
sichten ißt der Mechanismus der kombinierten Vakuum- Wasserdampf- 
destillation folgendermaßen zu deuten. Es sei T die maximale Tem- 
peratur, die wir aus Rücksicht auf mögliche Zersetzungen nicht über- 



128 Destillation. 

fichreiten wollen ; p die dieser Temperatur entsprechende Dampftension 
des Öles und M sein Molekulargewicht. Destillieren wir mittels Wasser- 
dampf beim Atmosphärendruck, so ist die ideale Zusammensetzung des 
destillierenden Öl-Wassergemisches, wie oben gezeigt wurde: 

pM Öl-f- (760 — j>) 18 Wasser, 

oder es werden pro 1 Teil destillierten Öles — Teile W^aeser- 

dampf verbraucht. ^ 

Läßt man jetzt den inneren Gesamtdruck im Destillationskessel 
auf P heruntersinken, so wird die Zusammensetzung des destillierenden 
Öl-Wassergemisches gleich 

pM Öl 4- (P — p) 18 Wasser, 

/p /«j\ 1 Q 

oder pro 1 Teil öl destillieren — Teile Wasser mit: der Wasser- 

pM 

dampfverbrauch verringert sich somit um iZ^^Ü! _ i^^IZ^« 
lg (7^0 p\ pM pM 

= --, Teile pro 1 Teil öl. Wir sehen daraus, daß man durch 

pM 

Benutzung des Vakuums am Wasserdampf um so mehr spart, je größer 
das Vakuum (was selbstverständlich ist) und je geringer die eigene "( 
Dampftension des Öles, d. h. je niedriger die Temperatur, bei der 
destilliert werden soll. 

Hat man umgekehrt den Wasserdampfverbrauch fixiert, so läßt 
sich durch gleichzeitiges Vakuum die Destillationstemperatur ent- 
sprechend erniedrigen. Die Durchrechnung dieses Falles ist etwas 
komplizierter, lohnt aber der Mühe in Anbetracht der Wichtigkeit 
des Gegenstandes. Ich nehme an, wir fixieren den Dampf verbrauch 
mit a Teilen pro 1 Teil öl, dessen Molekulargewicht M beträgt. Ge- 
schieht die Destillation unter Atmosphärendruck, so entspricht die 
angenommene Zusammensetzimg des Öl-Wasserdampfgemisches den 
Partialdrucken : 



( 



Wird gleichzeitig mit Wasserdampf und unter vermindertem Druck 
F mm Hg destilliert, wobei der Dampf verbrauch relativ zum destillierten 
öl wiederum auf a fixiert bleibt, so berechnet sich die Partialtension 
der öldämpfe ganz analog zu 



MJ \M ' 18/ 18 -faJif' 

d. h. kann die Destillationstemperatur um so niedriger, als ohne Mit- 
hilfe des Vakuums, gehalten werden, als es dem Sinken der öldampf- 



Kombinierte Destillation mit Wasserdampf und Vakuum. 129 

18 " /'•IS 
tension von 760 • r^r— j — auf -— — — mm Hg entspricht. Ich will nun 

diese Rechnung mit einem konkreten Beispiele illustrieren. Ich nehme an, 

wir wollen ein öl abdestillieren, dessen mittleres Molekulargewicht 400 

beträgt und dessen Dampftension den Atmosphärendruck erst bei 600° 

erreichen würde ; wir hätten uns außerdem vorgenommen, auf einen Teil 

Oidestillats 5 Teile Wasserdampf zu verbrauchen. Soll die Destillation 

unter Atmosphärendruck geschehen, so muß die Tension der öldämpfe 

18 
zum mindesten 760 • - _— r— --^— == 6,7 mm Hg erreichen, wozu (wie es 

sich aus den Versuchen von Kr äfft schätzen läßt) die Temperatur von 

etwa 300° erforderlich ist. Wird dagegen mit einem guten Vakuum, z. B. 

unter Druck von 50 mm Hg gearbeitet, so fällt die erforderliche öldampf - 

18 
tension auf 50» ^^ — ca.0,4mmHg. Berücksichtigen wir die oben 

erwähnten Einwände Rechenbergs gegen die von Kr äfft gemachte 
Schätzung seines Kathodenlichtvakuums, so werden wir annehmen 
dürfen, daß die Tension von 0,4 mm nicht mehr sehr weit von derjenigen 
ist, die in den K rafft sehen Versuchen im liinern des Destillations- 
kolbens herrschte; mit anderen Worten, es ist zu erwarten, daß das 
Herunterdrücken der zur Destillation erforderlichen öldampftension 
von 6,7 auf 0,4 mm eine sehr bedeutende, den von Kr äfft beobachteten 
schon nahe kommende Temperatumiedergang zur Folge haben muß, 
d. h. daß das öl nicht weit über 210® destillieren wird^). ^Da nun, 
bekanntlich allerlei Zersetzungen um so leichter sich einstellen, je kom- 
plizierter der Molekularbau, so kann eine Erniedrigung der Destillations- 
temperatur von 300*^ auf etwa 210® oder selbst 220® von sehr großer 
Bedeutung werden. Würde man aber denselben Effekt nur mit Hilfe 
von Wasserdampf, ohne Vakuum, erreichen wollen, so müßte man den 
Verbrauch an Wasserdampf, wie eine leicht zu machende Berechnung 
zeigt, auf 86 Teile pro 1 Teil öl steigen lassen. Die kombinierte An- 
wendung von Wasserdampf und energischem Vakuum scheint bisher 
in der Erdölindustrie und überhaupt in der Technik keine irgendwie 
bedeutende Verbreitung gefunden zu haben. Interessante Laboratoriums- 
versuche in dieser Richtung führte vor mehreren Jahren Steinkopf*) 
aus; es gelang ihm z. B. Anilin (Sdp. 184®) mittels Wasserdampf unter 
einem Druck von 20 mm Hg bei 23®, Nitrobenzol (Sdp. 208®) unter 
einem Druck von 19 mm bei 22,5® zu destillieren. 

Bei dieser Arbeitsweise fallen alle Schwierigkeiten, die oben der 
Arbeit im äußersten Vakuum entgegengehalten wurden, ganz oder zum 
großen Teil weg. Denn ein Vakuum von 30 bis 50 mm Hg läßt sich auch 
in der Technik erreichen; ein energisches Umrühren des Öles durch 



1) Diese Berechnung stimmt übrigens sehr gut mit den sofort mitzuteilenden 
Resultaten Steinkopfs und läßt sich auch aus jenen Versuchen mit Hilfe der 
Dühring-Bamsay-Youngschen Regel ableiten. 

2) Chem.-Ztg. 1908, 1083. 

Gurwitsch. 9 



130 Destillation. 

Wa48ßerdampf verhütet das Anbrennen; die Bewegung der schweren 
öldämpfe in den Kühlrohren wird durch den Wasserdampf beschleunigt 
und die Wärmeleitung des Dampfgemisches erhöht. Allerdings ist hier 
eine sehr energische Kühlung der abgehenden Dämpfe die notwendige 
Bedingung dafür, daß der nötige Grad der Evakuierung im Innern des 
Kessels überhaupt erreicht wird. Zu berücksichtigen ist, daß die eigene 
Dampftension des Wassers bei 16" 12,7 mm, bei 20" 17,4 mm, bei 
25" 23,6 mm und bei*30" 31,6 mm Hg beträgt und daß die Temperatur 
des im Kühler kondensierten Destillats praktisch wenigstens um 10 
bis 20" die Temperatur des Kühlwassers übersteigt ; da nun die Dampf - 
tension des Wassers im Innern des Destillationssystems jedenfalls er- 
halten bleibt (die Dampftension der hochsiedenden öle bei niedriger 
Temperaturen ist natürlich zu vernachlässigen), so kann von einer 
wirklich erfolgreichen Anwendung der Dampfvakuumdestillation nur 
dort die Rede sein, wo recht kaltes Kühlwasser zur Verfügung steht. 
Sehr verbreitet dagegen ist die kombinierte Destillation der höheren 
Erdölfraktionen mit Wasserdampf und schwachem Vakuum (z. B. unter 
Druck von etwa 700 bis 740 mm Hg). Die Ansichten, die über die 
Wirkung solcher Arbeitsweise herrschen, sind noch recht unklar. Be- 
deutende Wasserdampfökonomie oder Temperaturemiedrigung sind 
da nicht zu erwarten. Der Nutzen des schwachen Vakuums wird, wie 
es scheint, darin zu suchen sein, daß der Strom der Wasseröldämpfe 
aus dem Kessel in den Kühler dadurch beschleunigt wird; allerdings 
würde man mit einem entsprechend (d. h. etwa 6 bis 10 "/q) größeren 
Wasserdampfverbrauch denselben Erfolg erzielen müssen. Vielleicht 
kommt hier auch die absaugende Wirkung auf die bei der Destillation 
der höheren Fraktionen stets auftretenden Zersetzungsgase in Betracht. 

4. Destillation mit Benzindampf, inerten Gasen u. dgl. 

Es würde sich wohl kaum lohnen, die verschiedenen Vorschläge 
zum Ersatz von Wasserdampf bei der Destillation von Erdölprodukten 
durch andere Dämpfe und Gase einzeln zu besprechen. Die Wirkungs- 
weise dieser Agenzien ist wesentlich dieselbe, wie die des Wasserdampfes, 
und eine weitere Verbreitung scheint keiner dieser Vorschläge gefunden 
zu haben. Wenn ich mich dabei dennoch etwas aufhalte, so geschieht 
es hauptsächlich in der Absicht, in diesem Zusammenhange die für 
die Destillation sehr wichtige Frage der Verdampfungsgeschwindig- 
keit zu besprechen. 

Das Gesetz von Dal ton, das allen vorhergehenden Betrachtungen 
über die Dampf destillation zugrunde gelegt wurde, ist ein statisches 
Gesetz und, als solches, bezieht sich nur auf die Gleichgewichtszustände. 
Für diese Zustände sagt es aus, daß eine bestimmte Flüssigkeit bei einer 
bestimmten Temperatur in den umgebenden Raum von bestimmten 
Dimensionen immer eine und dieselbe Menge Dampf abgibt, unab- 
hängig davon, ob es ein leerer Kaum ist, oder ob bereits irgendwelche 
andere Dämpfe oder Gase sich in diesem Räume befinden. Mit welcher 



/ 

/ 



Destillation mit Benzindampf, inerten Gasen u. dgl. 131 

Greschwindigkeit diese Dampfabgabe geschieht, davon sagt das Dal- 
tonsche Gesetz gar nichts. Für die Dampf destillation ist aber die Ge- 
schwindigkeit der Verdampfung von eminenter Bedeutung, denn nur 
dann, wenn sie so groß ist, daß die die Flüssigkeit durchstreifenden 
fremden Dampf- oder Gasblasen Zeit hätten, die ihnen nach dem Dal- 
toiischen Gesetz zukommende Menge Dampf in sich aufzunehmen, nur 
dann kann von einer vollständigen Ausnutzung dieses fremden Dampfes 
resp. Gases gesprochen werden. Bei der gewöhnlichen Wasserdampf - 
destillation, wenigstens so wie sie in Baku geführt wird, ist dieses, wie 
ich a. a. 0. gezeigt habe^), bei weitem nicht der Fall. Die praktische 
Bedeutung einer größeren Verdampfungsgeschwindigkeit würde aber 
nicht nur in der Ersparnis am fremden Dampf resp. Gas, sondern 
auch in der Beschleunigung des ganzen Destillationsprozesses liegen. 
Die Frage über die Geschwindigkeit der Verdampfung verschiedener 
Flüssigkeiten unter verschiedenen Bedingungen ist bisher leider noch sehr 
wenig untersucht worden. Nach der Auffassung von Stefan^) ist „un- 
mittelbar an der Oberfläche der Flüssigkeit der Baum als mit Dampf 
gesättigt zu betrachten und ist die Flüssigkeit imstande, jederzeit so 
viel Dampf zu entwickeln, als davon fortdiffundiert". Die Verdampfungs- 
geschwindigkeit einer Flüssigkeit würde somit nur vom Diffusions- 
vermögen ihres Dampfes abhängen. Nun kann aus der kinetischen 
Gastheorie gefolgert werden und ist durch Untersuchungen von Winkel- 
mann u. a. direkt nachgewiesen, daß einerseits die Diffusionsgeschwin- 
digkeit verschiedener Dämpfe ceteris paribus mit der Zunahme ihres 
Molekulargewichtes abnimmt, andererseits die Diffusion von Dämpfen 
einer und derselben Flüssigkeit um so schneller vor sich geht, mit je 
leichterem Gas der Baum, in den hinein die Diffusion stattfindet, gefüllt 
ist. Man muß somit erwarten, daß auch bei der Dampf destillation von 
Erdölprodukten die Verdampfung dieser um so schneller vor sich geht, 
d. h. die Ausnutzung des fremden Dampfes oder Gases als Destillations- 
erleichterer um so vollständiger,/ je kleiner das Molekulargewicht der 
letzteren ist. Versuche über diese mteressante Frage sind in der Literatur 
nicht bekannt geworden. Man kann aber als sicher annehmen, daß 
Wasserstoff als das weitleichteste Gas die Verdampfung von Erdöl- 
produkten am meisten befördern würde. Auch Methan wird sich wohl 
dazu eignen, und in Nordamerika, wo bekanntlich dieses Gas als Erdgas 



1) Petroleum 4, 618. Bei der Untersuchung der betr. Verhältnisse auf der 
Fabrik der Gebr. Nobel in Baku habe ich nämUch folgendes gefunden. Die 
Temperatur des Masuts im letzten Kessel der Kerosinfabrik war ca. 340^; die 
Destillation dieses Masuts ohne Wasserdampf trat bei dieser Temperatur bei 
Erniedrigung des Druckes um 410 mm Hg ein, d. h. ist die Dampftension des 
Masuts bei 340® gleich ca. 350 mm Hg. Das mittlere Molekulargewicht des 
aus dem betreffenden Kessel destillierenden Solaröls ist zu ca. 250 zu schätzen. 
Die theoretisch zum Abtreiben dieses Öles nötige Menge Wasserdampf würde 

somit ^ —ca. 9% vom ölgewicht betragen, während man in Wirklich- 

keit auf dieser Stufe der Destillation ca. 30 o/^ Dampf verbraucht. 

2) Ber. Wien. Akad. Wiss. 1879, 68, 386. 

9* 



132 Destillation. 

besonders reichlich vorkommt, scheint man sich seiner statt Wasser- 
dampf tatsächlich zur Destillation von Erdölprodukten zu bedienen^). 
Von Kohlensäure dagegen ist eine , verdampf ungsbeschleunigende Wir- 
kinig nicht zu erwarten, und dieses Gas würde zum Ersatz von Wasser- 
dampf eventuell nur vom Standpunkte der größeren Billigkeit (z. B. 
als Rauchgas) in Betracht kommen. 

Etwas abseits von den Verfahren, die den Ersatz des Wasserdampfes 
durch dieses oder jenes Gas empfehlen, steht dasjenige von Ragosin^), 
der sich zur Beförderung der Destillation von Erdölprodukten des 
Benzindampfes bedient. Zur theoretischen Begründung dieses Ver- 
fahrens haben sowohl Ragosin selbst wie auch andere Autoren die 
Annahme gemacht, daß man hier mit einer lösenden Wirkung des 
Benzüidampfes auf Erdölkohlenwasserstoffe zu tun hätte ; im Gegensatz 
zu diesen sollen sich die Asphaltstoffe der Erdöle, sowie Protoparaffine 
durch den Benzindampf nicht lösen lassen^). Während also das Durch- 
leiten von Wasserdampf nur ein Herunterdrücken der Destillations- 
temperatur und eine schnelle Abfuhr der sich bildenden öldämpfe aus 
der Blase in den Kühler bewirkt, soll man bei der Anwendung von Benzin- 
dampf gleichzeitig ein Herauslösen der wertvollen Kohlenwasserstoffe 
unter Zurücklassung von Asphalt- u. dgl. Stoffen erzielen. Diese Er- 
klärung muß nun mit größtem Zweifel aufgenommen werden. Sie würde 
einer Verneinung des Daltonschen Gesetzes für diesen Fall gleichkommen, 
denn mit ihr behauptet man, daß Benzindampf nicht nur so viel öl- 
dämpfe in sich aufnimmt, wie es der Dampfspannung des gegebenen Öles 
bei betreffender Temperatur entspricht, sondern viel mehr. (Nun ist es 
allerdings wahr, daß das Daltonsche Gesetz kein ganz strenges ist und 
kleine Abweichungen zuläßt; es sind aber für gewöhnlich eben nur sehr 
kleine Abweichungen, die gewiß nicht ausreichen, um die von Ragosin 
für sein Verfahren behaupteten Vorteile zu erklären. Größere Ab- 
weichungen vom Daltonschen Gesetz sind nur bei sehr hohen Drucken 
beobachtet worden; wie Villard*) nämlich gefunden, läßt sich z. B. 
Paraffin in Methan oder Äthylen bei einem Druck über 150 Atmosphären 
schon bei gewöhnlicher Temperatur in ziemlich bedeutenden Mengen 
auflösen, verdampft also unvei^leichlich intensiver, als es seiner 
sonstigen Dampf tension bei gewöhnlicher Temperatur entspricht ; beim 
Nachlassen des Druckes scheidet er sich in glänzenden Blättchen wieder 
aus. Diese merkwürdige Beobachtung wäre der einzige Anhaltspunkt 
für denjenigen, der die Ragosin sehe Annahme nicht für ganz unmöglich 
erklären möchte ; und es wäre gewiß interessant, das Daltonsche Gresetz 
für den uns beschäftigenden Fall direkt zu prüfen. 



1) Vgl. z. B. das Verfahren von Wells- Wells, Petroleum 3, 1018. 

2) „Die rationelle Destillation und Verarbeitung von Erdölen verschiedener 
Provenienz", 1899, Ähnliche Vorschläge sind übrigens auch von anderen Autoren 
gemacht worden. 

3) Vgl. z. B. S. Ais in mann, die destruktive Destillation in der Erdölindustrie, 
S. 34. 

*) Joum. phys. 1896, 5, 453. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. „destrukt. Destillation.^ 133 

Eine andere Frage ist es, ob nicht der Ersatz von Wasser- durch 
Benzindampf die Geschwindigkeit der Verdampfung von schweren 
Schmierölkohlenwasserstoffen (um diese handelt es sich beim Rago- 
sinschen Verfahren in erster Linie) beschleunige. Allerdings läßt das 
bedeutend größere mittlere Molekulargewicht des Benzins gegenüber 
Wasser erwarten, daß die Diffusion der öldämpfe in Benzinatmosphäre 
langsamer als in den Wasserdampf hinein vor sich gehe. Es scheint aber, 
daß die oben zitierte Auffassung Stefans, wonach die Verdampfungs- 
geschwindigkeit einer Flüssigkeit nur durch das Diffusionsvermögen 
ihrer Dämpfe bedingt sein soll, nicht immer zutrifft. So hat Phookan^) 
bei der Untersuchung der Verdampfungsgeschwindigkeit von Propyl- 
alkohol gefunden, daß diese sich in verschiedenen Gasen den theoretischen 
Erwartungen gemäß verändert, also iu'Wasserstoff größer ist, als in Luft, 
in dieser größer als in Kohlensäure ./Öagegen erwies sich die Verdamp- 
fungsgeschwindigkeit desselben Alkohols in Atmosphären von Flüssig- 
keitsdämpfen von sehr verschiedenen Molekulargewichten (wie Methyl- 
alkohol mit Molekulargewicht 32 und Tetrachlorkohlenstoff mit Mole- 
kulargewicht 154) nahezu gleich, und zwar verdämpfte der Alkohol 
in der Tetrachlorkohlenstoffatmosphäre schneller als in der Luft. 
Es ist daher möglich, daß Schmieröle sich in der Atmosphäre des Benzin- 
dampfes schneller als in der des Wasserdampfes verflüchtigen und darin 
könnte der Grund liegen, weshalb man, wie Bagosin*), angibt, nach 
seinem Verfahren mit öO^o Benzindampf (auf das Destillat gerechnet) 
auskommt, während man gewöhnlich zum Abtreiben von Schmierölen 
lOOYo Wasserdampf und mehr benötigt. 

5, Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. 

„destruktive Destillation'* ^). 

Die Destillation der Erdöle ist stets von eiaer partiellen, je nach 
den Umständen mehr oder weniger bedeutenden Zersetzung ihrer 

^) Dasselbe, was über das Rago sin sehe Verfahren, läßt sich auch bezüglich 
des neuerdings von Seidenschnur vorgeschlagenen Destillationsprozesses 
(Petroleum 7, 1165) sagen. Das Wesen dieses, wie es scheint sehr rationellen, 
Verfahrens besteht darin, daß das vorgewärmte öl in ein hocherhitztes (380 bis 
400** C) unter Vakuum stehendes und von hochüberhitztem Wasserdampf (450 bis 
600® C) durchströmtes Gefäß an mehreren Stellen in dünnem Strahl eingeführt wird. 
Es erfolgt momentan eine gleichzeitige Verdampfung aller verdampfbaren Stoffe. 
Die Dämpfe werd^i unmittelbar nach ihrer Erzeugung aus dem Destillations- 
gefäß abgeführt und in den Vorlagen fraktioniert gekühlt. Das Verfahren selbst 
ist, wie gesagt, höchst interessant und beachtenswert; die Erklärung aber, die 
Seidenschnur dem hier sich abspielenden Vorgange gibt, kann kaum als richtig 
bezeichnet werden. Er nimmt nämlich an, daß der Siedepunkt der verschiedenen 
Bestandteile durch die gleichzeitige .^erdampfimg der niedrigsiedenden Anteile 
stärker herabgedrückt wird, als es durch Anwendung von hochüberhitztem 
Wasserdampf möglich wäre. Man sieht ohne weiteres, daß diese Erklärung der von 
Bagosin für sein Verfahren gegebenen verwandt ist. 

2) Zeitschr. f, anorgan. Chem. 1892, 2, 7. 

') s. Aisinmann, Destruktive Destillation. 



134 Destillation. 

Bestandteile begleitet. Diese Zersetzongsprozesse werden bei gewöhn- 
licher Destillation als höchst unliebsame Erscheinungen empfunden, 
da teilweise zersetzte Destillate sich schlecht raffinieren lassen und auch 
sonst gegenüber den unzersetzten minderwertig sind (zersetzte Schmier- 
öle z. B. niedrigere Viskosität und Flammpunkt haben usw.). Die 
wichtigste Aufgabe des Destillateurs bei gewöhnlicher Arbeitsweise 
ist es daher, jede Zersetzimg möglichst zu vermeiden oder jedenfalls 
auf das Minimum zu beschränken. 

Es gibt aber auch Fälle, wo die Zersetzung der Erdölkohlenwasser- 
stoffe nicht nur kein Übel ist, sondern geradezu den Zweck und das 
Wesen der Destillation ausmacht — es ist die sog. destruktive Destil- 
lation (oder Kraking-Prozeß), bei der es sich darum handelt, hoch- 
molekulare, schwere Kohlenwasserstoffe in leichte, niedrigmolekulare 
zu spalten. 

Die experimentellen Untersuchungen über die Einwirkung von Hitze 
auf Erdöle und Erdölkohlenwasserstoffe beziehen sich hauptsächlich 
auf die Krakingdestillation, sowie noch weitergehendere Zersetzungs- 
prozesse bei ganz hohen Hitzegraden. Die Spaltungsprozesse, die bei 
den verhältnismäßig niedrigen Temperaturen der gewöhnlichen Dampf- 
destillation vor sich gehen, sind für sich kaum untersucht worden. 
Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß sie von den beim Kraking statt- 
findenden Vorgängen mehr graduell als prinzipiell verschieden sind 
und daß Reaktionen, die das Wesen des Krakings ausmachen, in be- 
schränkterem Umfange bereits bei der gewöhnlichen Destillation 
einsetzen. Ich glaube daher, alle diese Fragen am besten in einem Zu- 
sammenhange besprechen zu können. 

Die Temperatur, bei der die Zersetzung beginnt, wird von verschie- 
denen Forschern verschieden angegeben, wird wohl auch jedesmal 
von der Natur des Erdöles stark abhängen. Mabery^) kochte fast 
ununterbrochen (unter vollständigem Luftabschluß!) während 16 Mo- 
naten eine zwischen 124® und 198<* abdestillierte Fraktion des pennsylva- 
nischen Erdöles und konnte zum Schluß nur eine äußerst schwache 
Zersetzung konstatieren. Thorpe und Joung^) destillierten bei 
ca. 255" ein Gemisch von Paraffinen und etwas Olefinen in einer ge- 
schlossenen Schenkelröhre hin und her und haben selbst nach 21 Destil- 
lationen keine Spur von Zersetzung bemerkt, die Bromzahl nahm 
sogar ein wenig — von 31,2 auf 30,0 — ab. Auch Kraemer») konnte 
bei der Destillation verschiedener Erdöle über freiem Feuer, ohne Zu- 
fuhr von Wasserdampf, unterhalb 270® keine merkliche Zersetzung 
beobachten. Andererseits aber fand Engler*), bei der Destillation 
eines galizischen Erdöls, daß die Zersetzung bereits bei ca. 200® begann. 
Beim Erhitzen verschiedener Schmieröle ließ sich die beginnende Zer- 
setzung durch Abnahme der Zähigkeit sogar bereits unterhalb 200® 

k 

1) Proc. Amer. Acad. 37, 568. 

2) Liebigs Ann. 166, 1. 

3) Petroleum 3, 894. 

*) Berichte 1897, 2908. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. „destrukt. Destillation." 135 

erkennen, wie denn überhaupt die Zersetzung im allgemeinen um so 
leichter vor sich geht, je größer und komplizierter die Moleküle sind^). 

Die chemischen Vorgänge, die bei der Einwirkung der Hitze auf 
Erdölkohlenwasserstoffe stattfinden, bestehen in erster Linie in der 
Spaltung der größeren Moleküle in kleinere Stücke, welch letztere 
ihrerseits weiteren Veränderungen unterliegen können. Soweit der 
Mechanismus dieser Vorgänge aufgeklärt ist, kann man im allgemeinen 
sagen, daß im Anfange des Zersetzungsprozesses die .Kohlenwasserstoff - 
moleküle sich nur, oder wenigstens vorwiegend, in größere Stücke 
spalten, mit steigender Temperatur aber immer kleinere und leichter 
flüchtige Spaltstücke und andererseits, durch sekundäre Polymeri- 
sation, hochmolekulare Reste bilden. So z. B. fanden Eng 1er und 
Jezioranski^), daß eine ohne Vakuum aus einem galizischen Erdöl- 
rückstand von 200 bis 221" abgetriebene Fraktion bei 130" zu sieden 
begann und 50yo ^is 200" siedende Anteile ergab; es hat somit schon 
beim Abtreiben dieser Fraktion eine Zersetzung stattgefunden, wobei 
aber noch ziemlich große Spaltstücke gebildet worden waren. Eine 
höhere, von 295 bis 304" abgetriebene Fraktion desselben Rückstandes 
hatte aber einen Siedebeginn bereits bei 70", mußte somit schon viel 
kleinere Spaltstücke der ursprünglichen Moleküle enthalten. 

Für die fortschreitende Abspaltung immer kleinerer Moleküle im 
Verlaufe der gewöhnlichen Dampf destillation spricht auch folgende, 
im Bakuschen Laboratorium der Gebr. Nobel ausgeführte Unter- 
suchung der „Zersetzungsöle" (d. h. der Produkte der Zersetzung beim 
Abtreiben von Schmierölen, die leichter flüchtig als diese letztere sind 
und daher sich erst in den Vakuumexhaustoren kondensieren lassen). 
Für die Zersetzungsöle aus verschiedenen Kesseln einer ununterbrochen 
arbeitenden ölbatterie sind nämlich folgende Zahlen gefunden worden: 

Spez. Gewicht Viskosität ^5 o Flammpunkt M.-P. 

Kessel Nr. 6 0,8959 1,91 66" 

„ 11 0,8880 1,58 44" 

„ 16 0,8452 1,38 unter 30" 






Währcxid also spezifisches Gewicht, Viskosität und Flammpunkt 
sowohl bei dem durch die Batterie zirkulierenden Rohöl, wie auch 
bei den unzersetzt destillierenden Schmierölen mit dem Fortschreiten 
der Destillation, d. h. vom ersten Kessel der Batterie bis zum letzten, 
ständig zunehmen, ist bei den Zersetzungsölen gerade das Umgekehrte 
der Fall; und dieses beweist natürlich, daß je weiter die Destillation 
getrieben wird, um so kleiner die von den ursprünglichen ölmolekülen 
abgespaltene Stücke werden. 

Bei etwa 300" beginnt auch die Abspaltung von Gasen, und wird 
die Gasentwicklung bei der Destillation von Schmierölfraktionen (auch 
unter Anwendung von Wasserdampf) gewöhnlich so bedeutend, daß 



^) Engler und Haimai, Berichte 1910, 397. 
2) Berichte 1897, 2911. 



136 Destillation. 

es sich lohnend erweist, diese Gase zu sammehi und zum Heizen zu 
verwerten. Die Untersuchung dieser Gase im Bakuschen Laboratorium 
der Gebr. Nobel ergab folgende Daten (auf luftfreien Zustand um- 
gerechnet) : 

I n ni 

CO2 5,OVo 8,1% ö,8% 

CO 1,1,, 0,6 „ — 

Ungesättigte C^H„ 17,3 „ 15,7 „ 20,9 „ 

Durch Brom nicht absorbierbare, 

brennbare Gase 76,6 „ 75,7 „ 73,2 „ 

' Bei der Krakingdestillation — wo also öle absichtlich einer länger 
andauernden Hitzewirkung und zum Teil auch höheren Temperatur- 
graden ausgesetzt werden — tritt auch die Abspaltung von freiem 
Wasserstoff ein. Die Frage der Wasserstoff abspaltung und überhaupt 
der Gasbildung beim Erhitzen von Erdölen ist besonders eingehend im 
Eng 1er sehen Laboratorium untersucht worden^) und haben sich 
folgende interessante Resultate ergeben. Beim Kochen eines galizischen 
Rohöls konnte unterhalb 260^ in den Zersetzungsgasen überhaupt kein 
Wasserstoff gefunden werden; bei 260® traten die ersten Spuren davon 
auf; in der über 300® entwickelten Gasen ließen sich 0,1 ®/o, in den über 
340® gebildeten l,5®/o Wasserstoff nachweisen; das Gasgemisch, das beim 
Abdestillieren eines russischen Öles bis zum Verkoken, also zuletzt 
unter starker Erhitzung, erhalten wurde, enthielt 8,8®/^ Wasserstoff. 
Aber nicht nur die Höhe der Temperatur, sondern auch die Dauer der 
Erhitzung und besonders auch die Zusammensetzung des Öles üben 
einen großen Einfluß auf die Gasbildung und speziell auch auf die Abspal- 
tung von Wasserstoff aus. In den soeben besprochenen Versuchen 
(die von Kolshorn bei Eng 1er ausgeführt worden sind) dauerte das 
Erhitzen 10 Stunden, und es wurden Destillationsrückstände des Erdöls, 
also Produkte, die auch hochmolekulare, leicht zersetzliche Kohlen- 
wasserstoffe enthalten, gekocht. Beim Erhitzen von reinen niederen, 
zwischen 150® und 180® siedenden Fraktionen des amerikanischen 
Leuchtöles konnte dagegen Spanier unterhalb 470® keine Wasser- 
stoff abspaltung beobachten. Auch ungesättigte Kohlenwasserstoffe 
traten im Gasgemische erst bei höheren Temperaturen, etwa von 450® 
angefangen, in größerer Menge auf, und erst bei etwa 580® überwog ihre 
Menge die des Methans und dessen Homologe. Wie schließlich Ub- 
belohde und Woronin^) gezeigt haben, wird die Gasabspaltimg 
auch durch katalytische Substanzen und durch Partialdruck von 
Wasserstoff stark beeinflußt. In Gegenwart von fein verteiltem Nickel 
wächst die Gasentwicklung schon von 260® angefangen sehr stark an, 
wobei auch bei diesen relativ niedrigen Temperaturen die Wasserstoff- 
abspaltung über die der anderen Gase bedeutend vorherrscht. 

Die Spaltung der Kohlenwasserstoffmoleküle muß notwendiger- 

1) Vgl. die Karlsruher Dissertation von Spanier 1910. 

2) Petroleum 7, Nr. 1 und 7. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. „destnikt. Destillation." 137 

weise primär das Entstehen, resp. eine Zunahme von Doppelbindungen 
zur Folge haben. Das Molekül eines gesättigten Kohlenwasserstoffs 
kann sich im einfachsten Falle, wo es sich nur in zwei Stücke spaltet, nur 
nach dem Schema: 

zersetzen, wovon das Stück C^Hg^ eben ein Olefin ist; erst sekundär 
ist dann eine Polymerisation dieses Olefins oder auch seine Umwandlung 
zu einem isomeren Poljmaethylenderivat möglich. 

Bei der Spaltung von Olefinen können auch gesättigte Kohlen- 
wasserstoffe entstehen, nach dem allgemeinen Schema: 

^n^2n "^^ ^m^2m+2 "T" ^n-»i-"^2(n-»n)- 2 

Der Grad der Ungesättigkeit des ganzen Reaktionsgemisches (also z. B. 
die Additionsfähigkeit für Haloide) muß aber auch in diesem Falle, 
sofern nicht sekundäre Vorgänge der Polymerisation hinzukommen, 
zunehmen, da das Spaltstück C^_^H2(„_^)_2 entweder eine drei- 
fache oder (was im allgemeinen eher zutreffen wird) zwei Doppel- 
bindungen enthält. 

Daß eine solche Anreicherung an ungesättigten Verbindungen, als 
Folge der Spaltung, auch bei gewöhnlicher Destillation der Erdöle 
stattfindet, beweist die ganz bedeutende Zunahme der Jodzahl im Laufe 
der Destillation; so z. B. hat Graefe^) bei der Destillation eines ameri- 
kanischen Rohöles, mit der Jodzahl 5,27, 80yo ©uies Destillats mit der 
Jodzahl 10,9 und den Rückstand mit der Jodzahl 24,5 erhalten. Wie 
die von mir oben angegebenen Jodzahlen verschiedener russischer 
Destillate und Rückstände zeigen, ist die Zunahme an ungesättigten 
Verbindungen um so größer, je weiter in der Destillation wir fort- 
schreiten. 

Eine noch bedeutendere Abspaltung flüssiger und zum Teil auch 
verhältnismäßig hochsiedender Kohlenwasserstoffe von ausgesprochen 
ungesättigtem Charakter hat auch Mendelejew bei der Destillation des 
ölgoudrons aus Balachany-Erdöl festgestellt. Bei ca. 300® und unter 
Zufuhr von hochüberhitztem Wasserdampf erhielt Mendelejew^), 
neben ca. 25^0 „Sebonaphth** (eine halbfeste, schmierige, paraffin- 
haltige Masse) und 15yQ Paraffinöl, sowie großen Mengen Gase (haupt- 
sächlich ungesättigte, aber auch Grenzkohlenwasserstoffe) 35^0 flüs- 
sige Zersetzungsprodukte, die sich mit Permanganat leicht oxydieren 
ließen, Brom addierten usw. Durch wiederholte Fraktionierung dieser 
, ,Sebonaphthkohlenwasserstoff e" konnte Tischtschenko^) zwei Reihen 
von Verbindungen ausscheiden, deren spezifische Gewichte mit Zunahme 
des Siedepunktes abwechselnd steigen und fallen: 



1) Petroleum 1, N. 1 und 3. 

') Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1881, 78. 

^) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1893, 48. 



138 





Destillation. 




Siedet. 


Spez. Gewicht 


Siedet. 


Spez. Gewicht 


94 bis 96« 


0,7100 










106 bis 1080 


0,7726 


120 „ 122» 


0,7275 










134 „ 136» 


0,7750 


146 „ 148« 


0,7468 










160 „ 162» 


0,7786 


170 „ 172« 


0,7695 










182 „ 1840 


0,7943 


190 „ 1920 


0,7823 







Die Analyse der Vertreter der ersten Reihe ergab 14,8 bis 14,00/q H 
und 84,7 bis 85,40/o C, was, ebenso wie die spezifischen Gewicht«, für 
die Zugehörigkeit dieser Verbindungen zu Olefiuen spricht. Die Glieder 
der zweiten Reihe sind bedeutend Wasserstoff ärmer (13,3 bis 13,9°/^ H). 
Eiue nähere Untersuchung der „Sebonaphthkohlenwasserstoffe" ist 
leider ausgeblieben. 

. .---'^ ' Neben Spaltungsprozessen finden beim Erhitzen der Erdöle auch 

Polymerisationsvorgänge statt, wobei sich sowohl die im öl ursprüng- 
lich vorhandenen, wie auch die durch Spaltung gebildeten ungesättigten 
Verbindungen polymerisieren können. Für die Polymerisation der 
ursprünglichen ungesättigten Verbindungen der Rohöle spricht z. B. 
folgender Versuch Zalozieckis^). Dieser Forscher destillierte ver- 
schiedene Erdöle bis 300® ab, vereinigte die Destillate mit Rückständen 
und prüfte nun das Verhalten der öle gegen 100®/ o^g® Schwefelsäure. 
Es ergab sich bei fünf untersuchten Erdölen (zwei galizischen und drei 
russischen) eine Abnahme der in Schwefelsäure löslichen Anteile; 
so z. B. nahm die Säure vom ursprünglichen Bibi-Eybater Rohöl 21, ^y^, 
nach der Destillation aber nur 22,0^0 in sich auf. Wurde aber die 
Destillation mehrmals wiederholt, so trat umgekehrt eine Zunahme 
der schwefelsäurelöslichen Anteile ein. Da Schwefelsäure hauptsäch- 
lich ungesättigte Verbindungen in sich aufnimmt, so zieht Zaloziecki 
aus seinen Resultaten den Schluß, daß bei der ersten Destillation unter 
der Wärmewirkung eine Polymerisation der ungesättigten Verbin- 
dungen zu gesättigten, in Schwefelsäure unlöslichen stattfindet, bei 
längerer Erhitzung dagegen, d. h. bei wiederholter Destillation, der 
entgegengesetzte Prozeß der Zersetzung der gesättigten Verbindungen 
zu ungesättigten überhandnimmt. 

Die Polymerisation der bei der Hitzezersetzung entstehenden un- 
gesättigten Spaltstücke zu hochmolekularen Verbindungen wird sehr 
gut durch folgende Versuche von Eng 1er und Halmai^) illustriert. 
1850 ccm eines russischen Zylinderöls vom spez. Gewicht 0,929 wurden 
im Autoklaven während 10 Stunden bei 420 bis 430® erhitzt, wodurch 
der Gasdruck bis 120 bis 128 Atmosphären anstieg; es hinterblieben, 
nach zweimaligem Auslassen der Gase, 1830 ccm Ol, dessen spez. Ge- 

1) Zeitschr. f. angew. Chem. 1897, 619. 

2) 1. c. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. „destrukt. Destillation." 139 

, wicht nur 0,858 betrug; von diesem öl destillierten 540 com (mit spez. 
Grewieht 0,755) bis ISO® über; der Rest aber hatte ein bedeutend höheres 
spezifisches Gewicht als das Ausgangsöl, nämlich 0,942; bei weiterem 
Druckerhitzen dieses Öles bildeten sich neue Mengen leichter, bis 180® 
siedender Fraktionen, der Bückstand aber wurde fest und asphalt- 
artig und zum Teil „verkohlt'*. Daß auch die gewöhnliche Dampf - 
destillation von solchen Polymerisationsprozessen begleitet wird, muß 
aus dem Umstände geschlossen werden, daß in den Destillations- 
kesseln, besonders in denjenigen, aus denen die hochsiedenden Schmier- 
ölfraktionen abgetrieben werden, sich stets mehr oder weniger schnell 
sog. ,,Koks'* absetzt* und dieser Koks als das Produkt einer weitgehenden 
Polymerisation aufgefaßt werden muß. 

Die ungesättigten Spaltstücke der ursprünglichen größeren Kohlen- 
wasserstoffmoleküle können auch verschiedene Isomerisationsprozesse 
erleiden. Daß sie es wirklich tun, kann mit einiger Wahrscheinlichkeit 
daraus geschlossen werden, daß die ölgemische, die beim Druck- 
«rhitzen verschiedener Mineralöle entstehen, stets auch Naphthene 
enthalten, deren Ursprung am einfachsten durch die Ringschließung 
aus isomeren olefinischen Spaltstücken erklärt werden kann. 

Ebenso wie Kohlenwasserstoffe können bei der Destillation auch 
andere Bestandteile der Erdöle Zersetzungen erleiden. In erster Linie 
gehört hierzu die Spaltung der in Erdölen meist vorhandenen Wachse. 
Nach Kraemer^) „spalten die freien hochmolekularen Fettsäuren dieser 
Wachse einfach Kohlensäure ab, und es resultieren Paraffine, deren 
lange Kohlenstoffketten aber in Paraffine mit kürzeren Ketten, darunter 
selbst Methan, und Olefine zerfallen. Die mit den Fettsäuren das 
Wachs ausmachenden Ester, vielleicht auch noch ein Teil der freien 
Fettsäuren selbst, zerfallen in anderer Richtung. Anstatt Kohlensäure 
wird Kohlenoxyd und Wasser abgespalten, und es entstehen nunmehr 
aup dem Kohlenwasserstoffreste durch Ringschluß die Naphthene, 
daneben die entsprechenden Säuren und ungesättigte Kohlenwasser- 
stoffe**. 

In hohem Maße sind auch die sog. Asphaltstoffe der Zersetzung 
durch Hitze unterworfen, was schon aus der allgemeinen Tatsache er- 
hellt, daß die Koksbildung bei der Destillation um so reichlicher auf- 
tritt, je asphaltreicher das Rohöl ist. Über den Chemismus dieser 
Zersetzungsprozesse ist noch gar nichts bekannt. 

Schließlich unterliegen auch die Stickstoff- und Schwefelverbin- 
dungen der Erdöle während der Destillation verschiedenen, näher nicht 
untersuchten Zersetzungsprozessen, wie es das Auftreten von Am- 
moniak-, resp. von Schwefelwasserstoff- oder Schwefligsäuregeruch, 
oder auch die häufige Ablagerung von Schwefelblumen in den Kühl- 
röhren beweist. 

Im Zusammenhange mit den bei der Destillation der Erdöle sich 
abspielenden chemischen Prozessen will ich noch die Frage der Um- 



•) Petroleum 3, 894. 



140 Destillation. 

Wandlung von sog. „Protoparaffinen" in die „Pyroparaffine" besprechen. 
Ich habe schon oben, im Kapitel über die Paraffinkohlenwasserstoffe der 
Erdöle darauf hingewiesen, daß die noch immer verbreitete Ansicht, 
nach der die festen Paraffinkohlenwasserstoffe in den Rohölen im amor- 
phen Zustande enthalten seien und sich erst bei der Destillation zu 
kristallinischen Körpern isomerisieren ließen, den Tatsachen nicht 
entspricht, daß vielmehr das Paraffin bereits im Rohöl kristallisiert 
sich vorfindet. Nun bleibt es allerdings Tatsache, daß man das Paraffin 
erst nach einer Destillation des Rohöls aus demselben in deutlich 
kristallinischem Zustande ausscheiden kann, und zwar um so leichter, 
je höher die Destillationstemperatur^war, d. h. je gunstiger die Verhält- 
nisse für eventuelle Zersetzungsprozesse lagen. Sehr interessant sind die 
diesbezüglichen Versuche von Sava^), der fand, daß man um so leichter 
und um so mehr Paraffiu aus einem Paraffinöldestillat erhält, je höher 
der zur Destillation benutzte Wasserdampf überhitzt wurde. In Über- 
einstimmung mit der allgemeinen Ansicht zieht er daraus den Schluß, 
daß die hohe Temperatur die Umwandlung der amorphen Paraffin- 
kohlenwasserstoffe in kristallinische hervorruft, resp. begünstigt. 

Ich konnte nun durch direkte Versuche nachweisen, daß eine solche 
Umwandlung von Paraffinkohlenwasserstoffen bei der Destillation 
nicht stattfindet und daß das verschiedene Kristallisationsvermögen 
des ParaffiQs in Destillaten und in Rohölen nicht auf verschiedener 
Struktur der Paraffinmoleküle selbst beruht, sondern durch die Ver- 
schiedenheit der das Paraffin begleitenden öle bedingt wird. Ich habe 
nämlich aus einem ,, amorphen" (d. h. mikrokristallinischen) Natur- 
vaselin mittels Wasserdampf etwa 75^0 abdestilliert und sowohl das 
ursprüngliche Vaselin, wie die Produkte der Destillation — also das 
Destillat und den Rückstand — mikroskopisch untersucht. Die bei- 
liegenden mikrophotographischen Abbildungen lassen die Unterschiede 
in der Kristallisation ohne weiteres erkennen und bestätigen die ,, Um- 
wandlung" des Vaselinparaffins in viel gröbere Kristalle des Destillat- 
paraffins. Als aber das Destillat mit dem Rückstande wieder verschmol- 
zen wurde, ergab das Produkt ein mikroskopisches Bild (Abb. 4), das 
von dem des ursprünglichen Vaselius nicht zu unterscheiden war. 
Auch sonst waren alle Eigenschaften des durch Verschmelzen von 
Destillat und Rückstand erhaltenen Vaselins — wie spezifisches Gewicht, 
Flammpunkt, Tropfpunkt, Viskosität, Konsistenz — mit denjenigen 
des ursprünglichen Vaselins ganz identisch. Es war somit bei der Destil- 
lation überhaupt keine Zersetzung, resp. chemische Umwandlung ein- 
getreten, und die gröber kristallinische Form des destillierten Paraffins 
erklärt sich sehr einfach dadurch, daß gerade die viskosesten, die 
Kristallisiation am meisten hindernden öle (oder vielleicht auch kolloi- 
dale feste Körper) im Rückstande zurückgeblieben waren .^)^an kann 
mit diesem Rückstande das bestkristallisierte, hochschmelzende Paraffin, 
ja selbst Stearinsäure zusammenschmelzen und erhält scheinbar 



1) Rev. petr. 1911, 56. 



ich, ErdSlbesTbeitung. 



Russischee Naturraselin. Destillat des russ. Vaselins. 

Gew. licht. Vergr. ca. 200. Gew. Licht. Vergr. ca. 200. 



Konzentrat des itibb. Vaaeline. Konzentrat und Destillat. 

Gew. licht. Vergr. ca. 200. Gew. Licht. Vergr. ca. 200. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. ^^destrukt. Destillation.'' 141 

amorphe, fadenziehende Gemische. Der günstige Einfluß der hohen 
Destillationstemperatur auf die Kristallisation des Paraffins muß somit 
durch Zersetzung der begleitenden viskosen, die Ausbildung von 
größeren Kristallen verhindernden ölen, nicht aber des Paraffins selbst 
erklärt werden. 



Der Zweck und das Wesen des „Kraking"prozesses besteht, wie 
gesagt, in der Spaltung der hochmolekularen ErdölbestandteUe in 
kleinere Moleküle, also in der Umwandlung der schweren, hochsiedenden 
öle in leichtere und niedriger siedende Destillate. Es hat früher all- 
gemein die Meinmig geherrscht, daß solche Spaltung nur durch eine 
starke Überhitzung der öldämpfe zustande gebracht werden könne; 
man hatte dementsprechend die Krakkessel als hohe stehende Zylinder 
konstruiert, die mit dem zu krakenden öl nur etwa zur Hälfte gefüllt 
und deren Oberteil bis zur Rotglut erhitzt wurde, damit sich hier die 
öldämpfe schneller zersetzen könnten. Durch besseres Verfolgen des 
Prozesses hat man sich aber überzeugt, daß ein so hoher Grad der Über- 
hitzung nicht nur unnötig, sondern direkt schädlich ist. Denn, wie wir 
oben schon gesehen haben, werden die ölmoleküle bei verhältnismäßig 
niedrigen Temperaturen in relativ große Spaltstücke zerrissen, während 
bei höheren Hitzegraden eine Abspaltung von ganz kleinen Molekülen 
(Methan, Äthylen usw., dann auch Wasserstoff) überwiegt. Beim 
gewöhnlichen Krakingprozeß, wo man auf Kerosin oder Benzin hin- 
arbeitet, bedeutet die Bildung solcher kleinen Spaltstücke nur unnützen 
Verlust in Form von Gasen. Da aber bei weniger hohen Temperaturen 
die Spaltung nur langsam vor sich geht, so muß das zu krakende Öl 
einer nicht zu starken, dafür aber genug lange Zeit dauernden Erhitzung 
unterworfen werden. Zu diesem Zwecke werden die sich entwickelnden 
öldämpfe, die sowohl Spaltungsprodukte, wie auch noch imzersetzte 
ölmoleküle enthalten, nicht, wie bei der gewöhnlichen Dampf destillation, 
möglichst schnell in die Kühler abgeführt, sondern an dem hohen 
Oberteil des Kessels oder in speziell angesetzten Domen und Dephleg- 
matoren einer partiellen Abkühlung, sog. ,,Dephlegmation", unter- 
worfen. Die leichten Produkte der Spaltung gehen unkondensiert 
weiter; die schweren unzersetzten öle dagegen werden hier kondensiert 
und fließen in den Kessel zurück, wo sie von neuem der Hitzewirkung 
unterüegen. 

Wie verhältnismäßig niedrige Temperaturen bei genügender Wir- 
kungsdauer zur erfolgreichen Durchführung des Krakingprozesses 
ausreichen, zeigen z. B. folgende interessante Versuche L. Singers^). 
Ein rumänischer paraffinhaltiger Rückstand wurde in einem stehenden 
Kessel der Krakingdestillation unterworfen, und zwar bei der Tem- 
peratur der abziehenden öldämpfe einmal gleich durchschnittlich 235®, 
das andere Mal gleich durchschnittlich 205 bis 210® (die Temperaturen 
im öl selbst sind leider nicht angegeben worden, dürften aber etwa 

1) Chem. Rev. 1908, 271 und 1904, 3. 



142 Destillation. 

um 50® höher liegen). Die Destillation (unter Dephlegmation der Dämpfe 
und Rücklauf des Phlegmas in den Kessel) dauerte im ersten Falle 30, 
im zweiten 51 Stunden. Folgende Resultate sind erhalten worden: 

1. Operation: 2. Operation: 

52,85^0 leichtes Destillat, spez. 55,8^0 leichtes Destillat, spez. 
Gewicht 0,867, bei Frak- Gewicht 0,861, bei Frak- 
tionierung 330/0 bis 300^ tionierung 40yo ^^ 300» 
siedend ; siedend ; 

16,64^0 schweres Destillat, spez. 15,4^0 schweres DestiQat, spez. 
Gewicht 0,897. Gewicht 0,898. 

Der Krakingprozeß wird meist mit der gewöhnlichen Destillation 
kombiniert. Wenn man nämlich, wie es meist geschieht, vom Rohöl aus- 
geht, so destillieren zuerst die niederen, Benzin- und Kerosinfraktionen 
ohne Zersetzung über, wobei die spezifischen Gewichte und Siedepunkte 
der aufeinanderfolgenden Fraktionen stetig wachsen und daher unter den 
Kesseln im Laufe der Destillation immer stärker geheizt werden muß. 
Sind aber diese Destillate abgetrieben und will man, statt der der Reihe 
nach nun folgenden schwereren öle, mehr Kerosin erhalten, so geht 
man zum Kraken über, zu welchem Zwecke es genügt, das Feuer unter 
dem Kessel, statt zu stärken, zu mäßigen und den Wasserdampf, der 
zur Beschleunigung der Destillation gedient hat, abzustellen, resp. 
stark zu reduzieren. Dadurch hört die flotte einfache Destillation auf 
und unter der andauernden Einwirkung der Erhitzung nimmt die Spal- 
tung der großen ölmoleküle stark zu. Die weitere Destillation geht nur 
in dem Maße vor sich, als diese Spaltung neues, genug niedrig siedendes 
Material liefert. So kommt es, daß der Übergang von der gewöhnlichen 
Destillation zum Kraking von einem mehr oder weniger starken Abfall 
des spezifischen Gewichts der Destillate und ^n einer außerordent- 
lichen Verlangsamung der Destillation begleitet wird; so z. B. dauert 
nach einer Angabe von Lossen^) die Destillation einer 600-Faß-Charge 
des pennsylvanischen Rohöls insgesamt 76 — 78 Stunden, wobei die 
ersten, ohne Kraking destillierenden, 54^^ in ca. 18 Stunden, die nächsten 
30^/0 (Krakdestillate) dagegen in ca. 54 Stunden übergehen. 
^ Alle Rohöle lassen sich kraken, aber nicht alle gleich gut, da die 
Hitzespaltung verschiedener Klassen von Kohlenwasserstoffen mit ver- 
schiedener Leichtigkeit und in verschiedener Weise vor sich geht. Nähere 
Untersuchungen über diese wichtige Frage sind leider nicht bekannt ge- 
worden; man weiß aber, daß die Kohlenwasserstoffe der Paraffinreihe sich 
am leichtesten und glattesten spalten lassen^) und daß daher die Rohöle dea 
pennsylvanischen Typus sich zur Verarbeitung mittels Krakingprozesses 
viel besser als die naphthenreichen eignen, d. h. weniger langdauemde 
Erhitzung erfordern und größere Ausbeuten an nützlichen Spaltungs- 
produkten ergeben. Immerhin ist es möglich, auch aus dem Balachany- 

1) Singer, Technologie des Erdöls, S. 867. 

2) s. z. B. Kraemer, Petroleum 3, 894. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. „destrukt. Destillation." 143 

sehen Masut (spez. Gewicht 0,907 bis 0,910) durch Kraking bis ÖÖ^q 
Kerosinfraktionen vom spez. Gewicht 0,760 bis 0,845, durchschnittlich 
0,814, zu gewinnen; und selbst aus dem schweren ölgoudron (spez. 
Gewicht ca. 0,940) konnten 25^^ Kerosin vom spez. Gewicht 0,816 
erhalten werden^). 

Was die Zusammensetzung der Produkte des Krakings betrifft, 
so hat Engler^) mit seinen Schülern nachgewiesen, daß sie alle vier 
Hauptgruppen der Kohlenwasserstoffe enthalten, und zwar bestehen 
die niedrigst siedenden Anteile vorwiegend aus gesättigten Kohlen- 
wasserstoffen, neben kleineren Mengen von Olefinen und Naphthetien, 
während mit dem steigenden Siedepunkt Olefine, Naphthene und auch 
aromatische Kohlenwasserstoffe überhandnehmen. Da Naphthene schon 
in den leicht siedenden Fraktionen vorkommen, so nimmt Engler 
an, daß sie erst sekundär aus den Spaltstücken, wahrscheinlich durch 
Polymerisation von Äthylenkohlenwasserstoffen entstehen. 

Eine interessante, näher noch nicht untersuchte Frage ist die, ob 
bei dem Kjrakingprozeß eine Neubildung von Paraffin, wie es von vielen 
Seiten angenommen wird, stattfinden kann. Tatsache ist es, daß man 
beim vorsichtigen Verkraken paraffinhaltiger Rohöle mehr Paraffin 
als mittels gewöhnlicher Dampfdestillation erhalten kann, ebenso 
kann man bedeutende Mengen Paraffin durch Verkrakung solcher 
Ölgoudrone gewinnen, die scheinbar paraffinfrei oder jedenfalls paraffin- 
arm sind. Nach dem aber, was ich oben über die vermutliche Umwand- 
lung von Protoparaffin in Pyroparaffin mitgeteilt habe, scheint es mir 
auch hier mehr als wahrscheinlich, daß die erhöhten Ausbeuten an 
kristallinischem Paraffin beim Verkraken von Rohölen und ölrück- 
ständen nicht einer Neubildung von Paraffin, sondern der Zersetzung 
der kristallisationshindemden viskosen öle zu verdanken sind (vgl. 
S. 137 die Versuche Mendelejews). 

Gleichzeitig mit der Abspaltung der abdestillierenden kleineren 
Stücke geht beim Kraking, wie schon oben gezeigt wurde, eine Poly- 
merisation der zurückbleibenden Reststücke zu größeren Molekülen vor 
sich. Nachdem nun die gekrakten Kerosindestillate, sowie eventuell 
Paraffinöle oder auch unzersetzte Schmieröle^) abgetrieben worden sind, 
bleibt in dem Kessel eine asphaltartige Masse zurück, die zum Teil aus 
den ursprünglich im Rohöl vorhandenen Asphaltstoffen, zum Teil aus 
den durch Polymerisation neu gebildeten Verbindungen besteht. Treibt 
man die Destillation noch weiter, so treten in Destillaten sehr interes- 
sante hochschmelzende und hochmolekulare kristallinische Körper auf, 
die der Gruppe der aromatischen polyzyklischen Kohlenwasserstoffe 
anzugehören scheinen. Aus dem sog. „Petrozen" — prachtvoll grünen 
Kristallgemenge, das von Tweddle in den Helmen und Abzugsrohren 

^) Semjenow, Technitscheski Sbomik 1893^ 169. 

2) Berichte 30, 2908 und 2915. 

3) Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, daß ein Teil der beim Kraking zu 
gewinnenden Schmieröle während des Prozesses selbst, durch Polymerisation der 
ungesättigten Spaltstücke, neugebildet wird. 



144 Destillation. 

der Krakingkessel aufgefunden und in verschiedene Fraktionen, wie 
„Viridin", „Karbozen", „Karbopetrozen" u. dgl. zerlegt wurde, haben 
Prunier und David ^), neben hochschmelzenden Paraffinen (Schmelz- 
punkt bis 85®), durch Behandlung mit verschiedenen Lösungsmitteln, 
Fällen mit Pikrinsäure u. dgl.( Anthrazen, Phenanthren, Chrysen u. dgl. 
polyzyklische Kohlenwasserstoffe isoliert ; der KohlenstoÖgehalt der 
höchsten Glieder dieser Gruppe erreichte 96yQ und der Schmelzpunkt 
300®. Ähnliche Körper, u. a. das Picen C22H14 (Schmelzpunkt 350®) 
und Craken C24H18 (Schmelzpunkt 308®) sind von Klaudy und Fink*) 
als Zersetzungsprodukte des galizischen Erdöls aufgefunden worden; 
da sich diese Körper nitrieren und bromieren, sowie mit Chromsäure 
zu Chinonen oxydieren lassen, ist ihre Zugehörigkeit zu polyzyklischen 
aromatischen Kohlenwasserstoffen nicht zu bezweifeln. Dasselbe läßt 
sich auch von den von Divers und Nakamura^) bei der Destillation 
des japanischen Erdöles erhaltenen hochschmelzenden Körpern der all- 
gemeinen Formel (C^Hg)^ sagen, da auch diese zu Chinonen oxydiert 
werden. Dagegen konnten Zaloziecki und Gans*) durch wieder- 
holte Extraktion und Kristallisation eines galizischen Petrozens 10 ver- 
schiedene, konstant schmelzende Fraktionen (mit Schmelzpunkt von 
140 bis 250® und Kohlenstoffgehalt von 91,8 bis 94,4®/o) ausscheiden, die 
alle bei der Behandlung mit Chromsäuregemisch nur Kohlensäure, aber 
keine Chinone, und auch mit Salpetersäure nur kleine Mengen Nitrb- 
produkte ergaben und somit nicht zu polyzykÜschen aromatischen 
Kohlenwasserstoffen gezählt werden dürften. Es wäre sehr interessant, 
diese divergierenden Resultate nochmals zu prüfen, um den Grund 
der Divergenz aufzuklären. Sehr interessant und einer näheren Unter- 
suchung wert ist auch der hierher gehörende Befund Mortons^), 
nach welchem verschiedene gefärbte, gut kristallisierte, ziemlich kon- 
stant schmelzende und somit scheinbar einheitliche Körper dieser Gruppe 
in je zwei zerlegt werden können, von denen der eine ungefärbt und 
gewöhnlich fluoreszierend ist, der andere dagegen die Rolle des Pig- 
ments spielt; so z. B. gelang es Morton, das Viridin von Tweddle 
in farbloses Petroleszen und das schön grün gefärbte Thalien zu spalten. 
Die gleiche Erscheinung bestätigen Divers und Nakamura an ihren 
Produkten, die sich in farblose und gefärbte (letztere, wie bei Morton, 
in viel kleineren Mengen) zerlegen ließen; die Zusammensetzung dieser 
und jener erwies sich gleich. 

Als letztes Produkt bleibt beim Kraking im Destillierkessel sog. 
Petroleumkoks, ein harter, poröser, glänzender Körper, zurück. Man 
begegnet oft der Meinung, dieser Koks (wie auch der Koks aus Stein- 
kohlen) sei wesentlich eine Modifikation des elementaren Kohlenstoffs, 
und die Gegenwart kleiner Mengen anderer Elemente, vor allem Wasser- 

1) Compt. rend. 86, 991. 

2) Monatshefte 21, 118. 

3) Joum. Chem. Soc. 1885, 47, 924. 
*) Chem.-Ztg. 24, 535, 653. 

ß) Joum. Frankl. Inst. 64, 273. 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. „destrukt. Destillation.'' 145 

Stoff und Sauerstoff, sei so zu sagen zufällig. Dies ist jedenfalls ^un- 
richtig. Der Koks ist vielmehr als ein Gemenge von sehr hochmoleku- 
laren, wasserstoffarmen Kohlenwasserstoffen, wahrscheinlich poly- 
zyklischen Charakters, aufzufassen. Aus dem pennsylvanischen Petro- 
leumkoks (mit einem Gehalt von ca. 97^0 C) haben Prunier und 
Varenne^) bereits vor vielen Jahren mittels Schwefelkohlenstoff 
einen in der Durchsicht blutroten Körper mit 93 bis 95^/q extrahiert 
und diesen mittels anderer Lösungsmittel in verschiedene Fraktionen 
zerlegt, darunter eine gelbe, viskose Substanz mit ca. 25^/q Sauerstoff. 
Der Rest nach der Extraktion des Koks mit Schwefelkohlenstoff (dieser 
wird übrigens von der behandelten Substanz so hartnäckig zurück- 
gehalten, daß seine vollständige Austreibung erst bei 200 bis 250^ ge- 
lingt!) enthält bei 98 Vo C (der Formel (C7H2)^ entsprechen 97,67yo C)- 
Einen noch Wasserstoff reicheren Petroleumkoks hat Markownikow 
analysiert und darin 90,7^0 C und 4,98yo H gefunden. 



Eine dem soeben behandelten Krakingprozeß nahestehende Aus- 
führungsweise der destruktiven Destillation ist die sog. Druckdestil- 
lation. Das Wesen dieses, zum erstenmal von Joung in Schottland 
zur Verarbeitung von sog. Schief ferölen eingeführten Verfahrens be- 
steht darin, daß in der Destillierblase während der ganzen Destillations- 
dauer ein bestimmter Überdruck eingehalten wird und die Spaltungs- 
produkte aus der Blase durch ein spezielles Ventil nur in dem Maße 
entweichen, als die Tension ihrer Dämpfe diesen Überdruck übersteigt. 

Der Effekt der Druckdestillation im Vergleich zum gewöhnlichen 
Krakingprozeß scheint im allgemeinen der zu sein, daß die Spaltung 
der Moleküle symmetrischer verläuft, d. h. die Stelle, an der ein Molekül 
in zwei Stücke gesprengt wird, sich mehr nach seiner Mitte verschiebt. 
Die niedrigmolekularen gasförmigen und sehr hochmolekularen Asphalt- 
und koksartigen Zersetzungsprodukte werden daher bei der Druck- 
destillation in kleüierer, die flüssigen Produkte von mittlerer Molkular- 
giöße dagegen in größerer Menge erhalten, als beim gewöhnlichen 
Krakingprozeß unter Atmosphärendruck. Dieser charakteristische 
Verlauf der Druckdestillation ist besonders schön aus den Versuchen 
von Thorpe und Young*) zu ersehen. Diese Forscher destillierten ein 
bei 46« schmelzendes Paraffüi (mit 85,14o/o C und 14,81Vo H) ™t«r 
Überdruck von 20 bis 25 Pf. Neben kleinen Mengen Gas wurden 
wesentlich zwischen 100® und 300® siedende flüssige Produkte erhalten 
(nur etwa 7®/o des Ganzen siedete von 18 bis 100®). Beim Fraktionieren des 
erhaltenen Gemisches und näherer Untersuchung der einzelnen Frak- 
tionen erwies sich nun, daß diese aus ca. gleichen Teilen von Paraffin- 
und entsprechenden Olefinkohlenwasserstoffen bestanden, also z, B. 
die Fraktion 65 bis 68® aus gleichen Teilen Hexan und Hexylen, Fraktion 
94 bis 97® aus gleichen Teilen Heptan und Heptylen usw. Das weist 



1) BulL Soc. Par. 1884, 38, 587. 

2) Liebigs Ann. 166, 1. 

Gurwitsch. 10 



X46 Destillation. 

darauf hin, daß die ursprünglichen Paraffinmoleküle sich gerade in 
der Mitte ihrer Ketten spalten ließen, z. B.: 

CH3 — CH2 — CH2 — CH2 — CH2 — CI12 ~r~ CH2 — CH2 — CH2 — Cxi2 — CHä= 

CH3 — CH.2 — CII2 — ^CH2 — CH2 — CH3— j— CH2=^CH — CjEi2 — CH2 — CH2 — CH^ 

Solche symmetrische Spaltung ließ sich bis zu der Fraktion 193 bis 
196®, aus gleichen Mengen Undekan und Undecylen bestehend, nach- 
weisen; in den höheren Fraktionen herrschten allerdings die gesättigten 
Kohlenwassersk)ffe über den Olefinen vor, was auf eine weniger sym- 
metrische Spaltung hinweist. 

Ähnliche symmetrische Spaltungen bei der Druckdestillation von 
polyaromatischen Kohlenwasserstoffen haben Kraemer und Spilker^) 
beschrieben. So z. B. erhielten sie aus Xylostyrol beim Destillieren 
unter Druck von 10 Atm. in ziemlich guter Ausbeute Toluol und Pseudo- 
cumol, wohl nach der Gleichung: 

CßHg — CH — CeH3(CH3)2 -|- Hg = CeHßCHg -f» 0^,113(0113)3. 

CH3 

Der bei dieser Spaltung mitwirkende Wasserstoff war bei der anderen 
hier vor sich gehenden Reaktion in Freiheit gesetzt, nänüich bei der 
Ringschließung des Xylostyrols zu Methylanthrazen nach der Gleichung: 

H 

OeHg — CH — CeH3(CH3)2 = CgH^ ( \ / C^HgCHg -|- CH4 -|- H2. 
I ' 

OH3 H 

Daß die primären Prozesse der Spaltung von sekundären Poly- 
merisations- und Isomeritationsvorgängen begleitet werden, braucht — 
nach dem, was bereits oben mitgeteilt wurde — nicht wieder erörtert 
zu werden. 

Bei der Druckdestillation von Erdölprodukten findet der symmetri- 
sche Verlauf der Spaltung seine Äußerung, wie gesagt, darin, daß bei 
richtiger Führung des Prozesses nur relativ wenig Gase und Pech, 
dagegen viel flüssige Spaltungsprodukte von mittlerer Molekulargröße 
entstehen. So z. B. konnte auf den Rieb eckschen Montanwerken, 
nach dem Druckdestillationsverfahren von Krey^), aus einem schweren 
Paraffinöl (spez. Gewicht 0,912 bei 17,5) bis 8OV0 eines Leuchtöl- 
destillats vom spez. Gewicht 0,800 bis 0,820 erhalten werden. Höchst 
interessant ist es, daß das Destillat dabei während des ganzen Prozesses 
sich wesentlich gleich blieb, und man somit dasselbe Produkt erhielt, 
einerlei, ob 30 oder ob 80^0 der Charge aus der Blase abgenommen 
I l 

1) Berichte 1900, 2265. 

2) D.R. P. 37728. 



^ Abgenornirien 
' Destülat in Vo 


Verlust 


25—30 


4 


50 


7 


80 


15—18 



Chemische Prozesse bei der Destillation und sog. ^^destrukt. Destillation." 147 

wurden. Die Gasverluste dagegen stiegen mit dem Fortschreiten des 
Prozesses, auch wurde der in der Blase zurückbleibende Rest immer 
dicker und näherte sich dem Koks, wie die folgende Zusammenstellimg 
zeigt : 

lommen 

Rest 

Gutes Schmieröl 930—950; Ego = 7— 10. 
Glänzendes, schwarzes Asphaltöl 1,005. 
Kokiger Asphalt. 

Ahnliche Resultate hat auch Eneler^) bei der Prüfung des Krey- 
schen Verfahrens enthalten. Aus Olheimer Erdölrückständen vom 
spez. Gewicht 0,923 wurden bei 2 bis 5 Atm. Druck, neben 8yQ Gas- 
verlust und 17yQ Koks, 75^^ Destillat vom spez. Gewicht 0,800 er- 
halten, wovon ca. 24^^ bis 150<^, ca. 61,50/0 von 150» bis 300« siedeten; 
einzelne Fraktionen dieses Destillats enthielten 27 bis 40®/ ungesättigter, 
von Schwefelsäure absorbierbarer Kohlenwasserstoffe. Eine nähere 
Untersuchung eines Druckdestillates von schwerem Braunkohlenteeröl 
seitens Engler und Schneider zeigte, daß darin sowohl Grenzkohlen- 
wasserstoffe und Olefine, wie auch Naphthene und schließlich auch 
aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten waren. 

Die physikalisch-chemischen Grundlagen des Druckdestillations- 
prozesses sind noch sehr wenig aufgeklärt. Wenn man die Bedeutimg des 
Druckes, wie es meist geschieht, darin erblickt, daß dadurch Kohlen- 
wasserstoffe über ihren Siedepunkt hinaus, ohne daß sie verdampfen, 
erhitzt werden können, wodurch sie verschiedene Zersetzungen erleiden, 
die beim Sieden unter Atmosphärendruck, also bei niedrigerer Tem- 
peratur, ausbleiben, — so trifft man damit nur eine — imd zwar die am 
wenigsten wichtige — Seite der Gesamterscheinung. Denn das sowohl 
theoretisch, wie auch praktisch interessanteste Moment an dem Druck- 
destillationsprozeß liegt darin, daß hochmolekulare und schon beim 
Atmosphärendruck sehr hoch und nicht unzersetzt siedenden Verbin- 
dungen bei gleich hohem Erhitzen unter Druck auf andere Weise, 
als ohne Druck sich spalten lassen, daß also neben der Temperatur 
auch der Druck als solcher auf den Verlauf des Spaltungsvorganges 
einen bedeutenden Einfluß auszuüben scheint. 

Nun weiß man, daß der Einfluß des Druckes auf die nur in flüssiger 
Phase verlaufenden chemischen Prozesse recht unbedeutend ist. Man 
nimmt daher gewöhnlich mit Peckham^) an, daß die Spaltungsprozesse 
bei der Druckdestillation der Erdölprodukte nicht im flüssigen öl, 
sondern im Dampfraume verlaufen. Diese Frage verdient gewiß noch 
näher untersucht zu werden. Daß die Ansicht von Peckham keine 
ausschließliche Gültigkeit hat, daß vielmehr die Spaltung auch in Ab- 
wesenheit der Dampfphase hervorgerufen werden kann, scheint aus 



^) Dinglers Polyt. Joum. 268, 88; Engler und Schneider, Berichte 
30 2919. 

2) Dinglers Journ.- 198, 173. 

10* 



X48 Destillation. 

dem Verfahren von Testelin und Renard ^) geschlossen werden zu 
müssen. Denn nach diesem Verfahren soll die Umwandlung von schwe- 
reren Mineralölen in leichtere dadurch erreicht werden können, daß 
man das öl bei 400 bis 450® durch enge Schlangenröhren fließen läßt, 
wobei innerhalb des Rohrsystems ein so hoher Druck unterhalten wird, 
daß das Ol das Rohrsystem ohne zu verdampfen, nur in flüssigem Zu- 
stande, durchströmt. 
sj Der Einfluß des Druckes ließe sich vielleicht durch die Annahme 

erklären, daß die Hitzespaltung der organischen Moleküle ein — im 
Momente der Spaltung — umkehrbarer Vorgang ist und z. B. der 
bekannten Dissoziation des Kalziumkarbonats zu CaO und CO2 in Paral- 
lele gesetzt werden kann. Daß, im Gegensatz zum letzteren Fall, die 
Umkehrbarkeit bei der Spaltung der organischen Moleküle nicht er- 
halten bleibt, läßt sich aus den sofort nach der Dissoziation des Moleküls 
eintretenden Umlagerungen der Affiaitäten verstehen. So z. B. könnte 
in dieser Annahme ein Paraffinmolekül primär nach dem Schema: 

R — CH2 — CH2 — CXI3 wh^ R — CH.2 — CH.<Ci^ — j— H — 0x13 

dissoziieren, der Rest R — CH2 — CH2<C würde sich dann zu R — CH=CH2 
umlagern. 

Sollten aber wirklich auf diese Weise die Spaltungsprozesse der 
organischen Moleküle im ersten Moment umkehrbare Vorgänge sein, 
so müssen sie sich durch die Druckerhöhung um so mehr zurückdrängen 
lassen, je höher die Dampftension der Spaltstücke ist. Es müssen 
mit anderen Worten die mit Entbindung von gasförmigen Sp^tstücken 
verknüpften Zersetzungsprozesse infolge der Druckerhöhung gegenüber 
den nur flüssige Produkte ergebenden zurücktreten^). 

Ein anderes Moment, das eventuell auch im^inne einer größeren 
Ergiebigkeit der Druckdestillation an flüssigen Produkten auf Kosten 
von Gasen wirken kann, ist in der Polymerisation und Kondensation der 
primär entbundenen ungesättigten gasförmigen Spaltstücke zu flüssigen 
Produkten unter der Einwirkung von Überdruck zu suchen. Auf diese 
Weise wäre vielleicht die folgende merkwürdige, bereits ältere und 
leider nicht näher verfolgte Beobachtung von Hayes^) zu erklären. 
Ein leichtes (spez. Gewicht ca. 0,640) und leichtsiedendes, keinen festen 
Fleck auf Papier hinterlassendes (also ölfreies) pennsylvanisches Benzin 
wurde in stehenden eisernen Zylindern mit Wasserdampf bei ca. 100® C 
und unter 50 Pf. Druck während längerer Zeit, unter zeitweiser Nach- 
füllung von fi:ischem Benzin, durchgeblasen. Es wurde nun nach solcher 
Operation in den Kesseln 2 bis lOyo eines gelbbraimen Öls gefunden, 

1) D. R. P. 226958. 

2) Ich bin mir natürlich bewußt, daß diese Erklärung der Wirkungsweise 
des Überdrucks recht hypothetisch ist, wage aber sie vorzubringen erstens, weil 
sie einigen neuerdings von E. Fischer u. a. ausgesprochenen Annahmen über 
den Mechanismus organischer Reaktionen (z. B. der sog. Wal den sehen üm- 
lagerung) gewissermaßen analog ist, zweitens weil sie zu verschiedenen weiteren 
experimentellen Fragestellungen führen kann. 

*) Amer. Joum. Science 1871, 2, 194. 



Pyrogene Zersetzung. 149 

das nach Abtreiben des Benzins ein spez. Gewicht 0,8ö0 bis 0,860 hatte, 
über 200® siedete und bei der Destillation u. a. Paraffin auschied. Der 
Verfasser schreibt das Entstehen dieses Öles einer Zersetzung des ur- 
sprünglichen Benzins zu. Mir scheint die Annahme viel wahrscheinlicher, 
daß das Ausgangsbenzin (Hayes erwähnt, daß es- ,,of the cheapest 
kind" war) ungesättigte, durch ungenügende Raffination nicht aus- 
geschiedene Zersetzungsprodukte enthielt, die sich durch längere Er- 
wärmung unter Druck zu öligen Verbindungen polymerisiert haben. 
Zum Schluß noch einige Worte über den Charakter der durch den 
Krakprozeß, resp. durch die Druckdestillation zu erhaltenden Destil- 
late. Wie wir gesehen haben, ist die Spaltung der Kohlenwasserstoffe 
primär stets von einer starken Zunahme des Grades der Ungesättigkeit 
begleitet. Wenn die sekundären Vorgänge der Polymerisation und 
Kondensation dieser Zunahme auch entgegenarbeiten, so erweisen sich 
die durch destruktive Destillation erhaltenen Produkte immerhin stets 
bedeutend reicher an ungesättigten Kohlenwasserstoffen, enthalten 
auch größere Mengen gefärbter Stoffe, als die entsprechenden Produkte 
der gewöhnlichen Dampfdestillation und lassen sich daher im allge- 
meinen viel schwerer als die letzteren raffinieren. Dieses — in Ver- 
bindung mit unvermeidlichen Gasverlusten und großem Heizmaterial- 
verbrauch — erklärt es, warum die destruktive Destillation viel weniger 
als die gewöhnliche Dampfdestillation verbreitet ist. 



Anhang. Pyrogene Zersetzung. 

Unter pyrogener Zersetzung versteht man bekanntlich die Summe 
der Reaktionen, die an einem Stoffe unter der Einwirkung von sehr 
hohen Hitzegraden ablaufen. Die eigentliche Erdölindustrie selbst hat 
von derartigen Reaktionen bisher keinen weitgehenden Gebrauch ge- 
macht und weiß von ihnen nur insofern einen Nutzen zu ziehen, als sie 
der auf der pyrogenen Zersetzung basierten Gasindustrie das nötige 
Rohmaterial zu liefern hat. Auch die mit der pyrogenen Zersetzung 
verknüpfte und eventuell für die Erdölindustrie selbst interessante 
Aufgabe der sogenannten Aromatisierung, d. h. der Überführung der 
Erdölkohlenwasserstoffe in Benzol, Toluol u. dgl. technisch wertvolle 
aromatische Kohlenwasserstoffe, hat bisher trotz vieler Bemühungen 
keine praktische Lösung erfahren, hat auch in der letzten Zeit infolge 
der enormen Verbilligung der Gewinnung dieser Kohlenwasserstoffe 
aus Steinkohlenteer einen großen Teil ihrer praktischen Bedeutung ver- 
loren^). Immerhin . glaube ich, daß eine kurze Besprechung der pyro- 

1) Es muß übrigens bemerkt werden, daß aus den Erdölen viel größere Aus- 
beuten an aromatischen Kohlenwasserstoffen als aus dem Steinkohlenteer erzielt 
werden können. Während das letztere höchstens 1^/q Rohbenzol und Toluol, 
und 4®/o Anthrazen und Naphthalin ergibt, kann man aus dem bei der pyrogenen 
Zersetzung von Erdölen gebildeten Goudron bis 20^/q Benzol und Toluol, bis 
0,8®/o Anthrazen und 7®/o Naphthalin gewinnen. Wenn nun trotzdem das Stein- 



150 • Destillation. 

genen Zersetzung der Erdölkohlenwasserstoffe dem auf dem Gebiete 
der Erdölchemie sich orientieren wollenden Chemiker willkommen sein 
wird. 

Die grundlegenden Untersuchungen über die pyrogene Zersetzung 
von Kohlenwasserstoffen gehören Bertelot^) und sind schon über 
40 Jahre alt. Berthelot erhitzte verschiedene Kohlenwasserstoffe 
in Glasglocken bis zur beginnenden Erweichung des Glases (etwa 600 
bis 700®), verfolgte die dabei stattfindenden Veränderungen und kam 
nun zu folgenden Resultaten. Durch die Einwirkung von hohen Hitze- 
graden finden zweierlei diametral entgegengesetzte Prozesse statt: 
einerseits synthetische („Synthese pyrog6n6e"), andererseits analytische 
(„anal3rse pyrogenee). Sowohl diese wie jene können auf dreierlei Weise 
verlaufen, nämlich: 

pyrogenetische Synthese; pyrogenetische Analyse : 

1. molekulare Kondensation, z.B. 1. molekulare Zersetzung, z.B. 
von C2H2 zu CßHß, CgHg (Sty- von Styrol CgH^ in CgHg und 
rol) usw. CgHg; 

2. direkte Vereinigung von Koh- 2. direkter Zerfall von Kohlen- 
lenwasserstoffen mit Wasser- Wasserstoffen unter Abspal- 
stoff, z. B. von C2H4 -j- Hg zu tung von Wasserstoff, z. B. von 
CgHe; CgHe in C2H4 und H^; 

3. direkte Vereinigung von Koh- 3. direkte Spaltung von Kohlen- 
lenwasserstoffen unter sich, z. Wasserstoff en in kleinere Stücke 
B. von CßH^j -f- C2H.2 zu CgHg. z.B. von CgHg in C2H2 und 

CgHg. 

Eine direkte Spaltung eines Kohlenwasserstoffmoleküls in reine 
Elemente ist dagegen ausgeschlossen. Die wichtigste Rolle bei den Kon- 
densationen fällt dem Azetylen zu, als dessen Kondensationsprodukte 
aromatische und polyaromatische Kohlenwasserstoffe entstehen. 

Zwischen jeder Art der synthetischen und der ihr entsprechenden 
analytischen Reaktion kann sich ein mit der Temperatur verschiebbarer 
Gleichgewichtszustand einstellen. Da aber dieses Grenzgleichgewicht 
erst nach einer gewissen für jede Reaktion verschiedenen Zeit erreicht 
werden kann, so kommt es, daß manche Verbindungen auch bei solchen 
Temperaturen gleichzeitig bestehen oder sich bilden können, deren 
länger dauernde Einwirkung sie ganz zerstören würde. Je höher die 
Temperatur, um so mehr überwiegen die Abspaltung von Wasserstoff 
und die Kondensation der ungesättigten Reste zu hochmolekularen, 
schwerflüssigen kohlenstof freichen Verbindungen, „Diese nacheinander 

kohlenteer seine Bedeutung als nahezu ausschließliche Gewinnungsquelle für aro- 
matische Kohlenwasserstoffe behält und voraussichtlich noch lange Zeit behalten 
wird, so kommt es daher, daß es von der Koksindustrie in ungeheuren Mengen 
als äußerst billiges Abfallprodukt produziert wird, während das Erdölteer nebenbei 
nur bei der ziemlich beschränkten ölgasfabrikation gewonnen werden kann, 
sonst aber eben ein Hauptprodukt der Fabrikation bilden müßte. 
^) Ann. Chim. Phys. 1866, 9, 445. 



Pyrogene Zersetzung. 151 

folgenden Kondensationen führen wahrscheinlich zur Bildung von 
asphaltartigen und bituminösen Karbüre und laufen aus in der Bildung 
von Kohle, eines noch wasserstoffhaltigen Produktes, dessen Wasser- 
stoffgehalt um so größer ist, bei je niedrigerer Temperatur die Kohle sich 
gebildet hat. Die Kohle ist somit nicht mit echten einfachen Körpern 
vergleichbar, sondern ist mit den höchst kondensierten, sehr wasser- 
stoffarmen und außerordentlich hochmolekularen Kohlenwasserstoffen 
in eine Reihe zu setzen. Der reine Kohlenstoff ist gewissermaßen ein 
Grenzzustand, der auch durch die höchsten von uns produzierten Hitze- 
grade kaum realisiert werden kann." 

Diese Hauptergebnisse der Untersuchungen von Berthelot haben 
im wesentlichen bis heute ihre Bedeutung erhalten, obwohl sie in man- 
chen Piuikten von verschiedenen Seiten angegriffen worden sind. 
Besonders viele Einwände sind gegen die Berthelotsche Annahme 
von Gleichgewichtszuständen gebracht worden^); aber auch hier, 
obwohl ein direkter Nachweis solcher Zustände von Berthelot selbst 
nicht erbracht worden war und obwohl die Durchkreuzung verschieden- 
artiger Reaktionen, wie es besonders Haber zeigte, der Berthelotschen 
Annahme sehr große Schwierigkeiten verursacht, kann seine Idee 
nicht als ganz widerlegt betrachtet werden. So z. B. haben Worstall 
und BurwelP) gefunden, daß die pyrogene Zersetzung verschiedener 
Kohlenwasserstoffe immer die gleichen Produkte ergibt, wenn nur die 
Bedingimgen der Zersetzung dieselben bleiben, was doch für die Aus- 
bildung von Gleichgewichtszuständen spricht. 

Von den späteren Untersuchungen über die pyrogene Zersetzung 
von Kohlenwasserstoffen sind besonders die von Haber®) hervorzuheben, 
der diesen Prozeß mit den oben besprochenen, bei niedrigeren Tempera- 
turen verlaufenden Spaltungen insofern verband, als er zeigte, daß der 
Charakter des Zerfalls der Moleküle in beiden Fällen derselbe ist. Es 
findet nämlich auch bei hohen Temperaturen keine direkte Wasserstoff- 
abspaltung statt, sondern eine Wasserstoffverschiebung von einem 
Kohlenstoff atom zum andern, unter gleichzeitiger Auflösung der Bindimg 
zwischen den betreffenden Kohlenstoffatomen, also unter Spaltung der 
Moleküle in zwei Teile. Während aber das Molekül bei den niederen 
Temperaturen in zwei annähernd große Stücke zerfällt (vgl. oben die 
Versuche von Thorpe undYoung), sind die Spaltstücke bei der pyro- 
genen Zersetzung von etwa 600® an durchaus ungleich ; und zwar werden 
ein oder höchstens zwei Kohlenstoffatome als Grenzkohlenwasserstoffe 
— also als CH4, resp. CgHg — abgespalten, während das größere Spalt- 
stück als Olefin zurückbleibt; Kohlenwasserstoffe mit zwei Doppel- 
bindungen, sowie Azetylen und seine Homologe werden unter gewöhn- 
lichen Bedingungen nur in untergeordneter Menge gebildet (und die 
letzteren zum größten Teil zu aromatischen Kohlenwasserstoffen poty- 

1) Vgl. Lewes, Journ. Soc. ehem. Ind. 1892, 584; Haber, Experimentelle 
Untersuchungen über Zersetzung von Kohlenwasserstoffen 1895« 

2) Amer. Chem. Journ. 1897, 19, 815. 

3) 1. c.; auch Berichte 1896, 2691. 



152 Destillation. 

merisiert). Bei noch höheren Temperaturen (900 bis 1000®) wird auch 
kein Äthan, sondern Methan abgespalten, und auch von den niederen 
Olefinen nur Äthylen gebildet, daneben wird auch viel Wasserstoff 
abgesprengt^). Dieses alles bezieht sich auf Kohlenwasserstoffe der 
Paraffinreihe; die aromatischen dagegen verhalten sich anders, da hier 
die C-C-Bindung gegen die Hitzewirkung beständiger ist als die C-H- 
Bindung. Die aromatischen Kohlenwasserstoffe zerfallen daher in der 
Hitze schwerer als die Grenzkohlenwasserstoffe, spalten dagegen viel 
leichter Wasserstoff ab; so wird z. B, aus Benzol Diphenyl gebildet 
u. dgl. 

Die pyrogene Zersetzung von Naphtenen einzeln für sich ist leider 
bisher noch nicht untersucht worden; es ist aber höchstwahrscheinlich, 
daß sie sich, ebenso wie beim Krakingprozeß, auch bei den sehr hohen 
Hitzegraden schwerer als Grenzkohlenwasserstoffe zersetzen lassen. 

Für die Gasbereitung eignen sich daher diejenigen Erdöle und Erd- 
öldestillate am besten, die an Grenzkohlenwasserstoffen reich, an 
Naphthenen, aromatischen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen arm 
sind; der Wasserstoffgehalt eines Öles kann daher im allgemeinen als 
ein zur ersten Orientierung über seinen Vergasimgswert geeignetes 
Kriterium dienen. Auch kann die Gasausbeute erheblich vergrößert 
werden, falls man den öldämpfen bei der pyrogenen Zersetzung Wasser- 
stoff beimischt; in diesem Falle wird wahrscheinlich aus dem nach der 
ersten Methanabspaltung zurückbleibenden olefinischen Rest durch 
Wassefstoffanlagerung ein neuer Grenzkohlenwasserstoff gebüdet, der 
sich wiederum in Methan und Olefin spaltet usw. ; auch wird bei solcher 
Arbeitsweise weniger Teer gebildet und ist dieser leichtflüssiger als bei 
der gewöhnüchen Vergasung^). 

Die soeben mitgeteilten Hauptergebnisse Berthelots und Habers 
bilden eigentlich nur allgemeine Schemata für den Verlauf der pyrogenen 
Zersetzungen. Zu welchen reellen Resultaten die pyrogene Zersetzung 
in jedem konkreten Falle führen wird, ist daraus natürlich nicht zu 
ersehen. Auch aus zahlreichen anderen Untersuchungen über diese 
Frage kann man eigentlich nur den Schluß ziehen, daß der Verlauf 
— sowohl der qualitative, wie ganz besonders der quantitative — einer 
pyrogenen Zersetzung durch verschiedene Versuchsbedingungen, in 
erster Linie durch Temperatur, Dauer und Gegenwart von festen, 
katajytisch mrkenden Stoffen, in so hohem Grade beeiaflußt wird, 
daß man auch bei der pyrogenen Behandlung desselben Ausgangs- 
materials zu sehr verschiedenen, von vornherein kaum vorauszusagenden 
Resultaten gelangen kann. So z. B. haben Haber und Öchselhauser ') 



1) Wie wir oben gesehen haben, beginnt die Wasserstoffabspaltung auch bei 
viel niedrigeren Temperaturen, wenn nur die Erhitzung leuttge genug dauert; 
dieses hatte bereits Vohl (Dinglers Journ. 177, 58) in seinen vom Jahre 1865 
datierenden Versuchen erkannt. 

2) s. Hempel, Journ. Gasbeleuchtung 1910, N. 3ff.; übbelohde u. Stür- 
mer, in Englers „Erdöl", Bd. I, S. 581. 

3) Berichte 1896, 2691. 



Pyrogene Zersetzung. 153 

beim Diirchleiten von Hexandämpfen durch eine Porzellanröhre bei 
900 bis 1000® folgendes erhalten: 



27,77Vo Methan 

22,140/0 Olefine 

1,1 Vo Azetylei 



1,1 7o Azetylen 
2,447o Wasserstoff 
6,76^/0 Benzol 
29,220/0 Goudron 
3,170/0 Koks. 



>5 

5? 

J? 
5J 



Dagegen haben Worstall und BurwelP), bei der Behandlung 
eines zwischen 90 bis 139® siedenden pennsylvanischen Gasolins (haupt- 
sächUch Heptan und Oktan) im Pintsch-Ofen, ein Gas gewonnen, das, 
neben 43,80/o Methan, ll,30/o Azetylen und 18,40/o Wasserstoff enthielt. 
Im Goudron, dessen Ausbeute stark variierte und bis 25® erreichte, dessen 
Zusammensetzung aber sehr konstant blieb, haben sie gefunden: 

ca. 18 0/0 Benzol 
12 0/0 Toluol 

14 0/0 Xylole und andere aromatische Kohlen- 
wasserstoffe 
ll,80/o Naphtalin 
3 0/0 Anthrazen 
0,40/0 Phenanthren 
0,40/0 Chrysen usw. 

Neben Goudron und Gas ließen sich ca. lOO/o eines sehr leichtsie- 
denden Öles gewinnen, das hauptsächlich aus ungesättigten Kohlen- 
wasserstoffen bestand. 

Durch Einwirkung von Katalysatoren kann einerseits die zur 
pyrogenen Zersetzung erforderliche Temperatur erniedrigt, andererseits 
ein von dem sonstigen stark abweichender Verlauf der Zersetzung erreicht 
werden. So z. B. haben Ostromisslenski und Bujanadse*) ge- 
funden, daß das Balachansche Rohöl in Gegenwart von Nickel, Nickel- 
oxyd u. dgl. sich nur in Gas und Koks, ohne Bildung von flüssigen oder 
teerartigen Produkten, zersetzt; bei 600 bis 7000 haben sich ca. 40o/o 
Koks gebildet, das Gas erwies sich als ungemein reich an Wasserstoff 
(72 bis 750/0) und enthielt im übrigen nur noch Grenzkohlenwasserstoffe 
(22,4 bis 26,80/o); der Gehalt an Azetylen betrug nur 0,70/o. 

Einen interessanten Fall der katalytischen Einwirkung bei der 
pyrogenen Zersetzung von ziemlich reinen zwischen 200 bis 2600 sieden- 
den Naphthenen aus Balachanschem Rohöl haben auch Schützen- 
berger und Jonine^) beschrieben. Beim Durchleiten der Dämpfe 
dieser Kohlenwasserstoffe durch bis zur Rotglut erhitzte Eisenröhren 
war die Kohleabscheidung so stark, daß die Röhre in kurzer Zeit 

1) 1. c. 

2) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1910, 195. 

3) Compt. rend. 41, 823. 



154 Destillation. 

sich verstopfte; die Kohle war, selbst in der Mitte des gebildeten 
Pfropfens, stark eisenhaltig. In einer Kupferröhre war dagegen nichts 
dergleichen zu beobachten. 

Die Versuche zur Ausnutzung der pyrogenen Zersetzung behufs 
Gewinnung von Benzol und anderen aromatischen Kohlenwasserstoffen 
haben bisher trotz ihrer großen Anzahl sehr wenig allgemeinere Gesichts- 
punkte ergeben. Daß aromatische Kohlenwasserstoffe bei jeder pyro- 
genen Zersetzung entstehen, kann als sicher festgestellt betrachtet 
werden. Die Faktoren aber, die ihre Entstehung begünstigen, sind bisher 
noch sehr unvollständig aufgeklärt und können daher auch hier nur in 
großen Zügen besprochen werden. 

Temperatur. Es kann als ziemlich sicher angenommen werden, 
daß Benzol bei den pyrogenen Prozessen durch Polymerisation von 
Azetylen entsteht und daß diesem auch bei der Bildung anderer aroma- 
tischer Kohlenwasserstoffe die wichtigste Rolle zukommt; denn selbst 
für die pyrogene Büdung von Benzol aus n-Hexan, wo man ja am ehesten 
einen direkten Ringschluß von CßHi4 zu CqKq unter Wasserstoffab- 
spaltung vermuten könnte, hat es Haber wahrscheinlich gemacht, 
daß Benzol dennoch auf dem Umwege über Azetylen entsteht, da es unter 
gleichen Bedingungen in ziemlich gleicher Ausbeute auch aus Trimethyl- 
äthylen gewonnen werden kann. Nun aber haben Bone und Co war d^) 
nachgewiesen, daß, einerseits bei Temperaturen über 800® Methan be- 
ständiger als Azetylen ist, andererseits die Polymerisation von Azetylen 
zu Benzol sein Maximum bei 600 bis 700® erreicht. Dieses ungefähr 
dürfte darnach das für die Bildung von aromatischen Kohlenwasser- 
stoffen günstigste Temperaturbereich sein. Auch Guchman^) gibt an, 
in seinen Versuchen über die Aromatisierung von Rohölen bei 800° 
größere Ausbeuten an Benzol als bei 1000® erhalten zu haben, vne 
denn auch bei der Herstellung von Steinkohlenteers der Gehalt des 
Teers an aromatischen Kohlenwasserstoffen durch zu starke Er- 
hitzung beeinträchtigt wird. 

Dauer der Erhitzung. Die Verlängerung der Dauer der Er- 
hitzung scheint im allgemeinen in derselben Richtung wie eine Tempera- 
turerhöhung zu wirken. Damit lassen sich wahrscheinlich die Resultate 
von Letny^) erklären, der in seinen Aromatisierungsversuchen mit 
glühenden Laboratoriumsröhren von 4 Fuß Länge, resp. mit 7 Fuß langen 
Retorten mit letzteren viel bessere Ausbeuten erreichen konnte. 

Zusammensetzung des Ausgangsöles. Über diese praktisch 
gewiß wichtige Frage habe ich in der Literatur nur eine kurze Angabe 
von Dvorkpwitz*) finden können, wonach schwere öle mehr Teer 
und mit einem größeren Gehalt an aromatischen Kohlenwasserstoffen, 
als die leichteren ergeben sollen. Diese Angabe bedarf einer eingehenden 

1) Chem. Soc. Trans. 1908, 93, 1197. 

2) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1902, 53. 

3) Dinglers Journ. 229, 353; Berichte 1878, 1210. 

4) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1894, 70. 



Raffinierende Destillation. 155 

Prüfung; es ist sehr wahrscheinlich, daß gewisse Mittelfraktionen der 
Erdöle sich für die Aromatisierung am besten eignen. 

Druck. Die Versuche von Nikiforow^) und von Zelinsky*) 
haben ergeben, daß die Anwendung eines Überdruckes bei der pyrogenen 
Zersetzung der Mineralöle die Bildung von aromatischen Kohlenwasser- 
stoffen günstig beeinflußt. Nach dem von Nikiforow ausgearbeiteten 
Verfahren wird das Erdöl zweimal der pyrogenen Zersetzung unter- 
worfen. Die erste Behandlung geschieht bei etwa 500® unter dem 
Atmosphärendruck; das aus den Zersetzungsprodukten unterhalb 
200® kondensierte öl (bis 38®/o vom Rohöl) wird ein zweites Mal bei 
etwa 1000® und unter einem Drucke von etwa 2 Atm. zersetzt. Die 
Aromatisierung soll hauptsächlich in dieser zweiten Phase des Prozesses 
geschehen, und es werden (auf das Rohöl gerechnet) ca. 12®/o Benzol 
und Toluol, 2 bis 3®/o Naphthalin und l®/o Anthrazen erhalten. 

Katalytische Wirkungen. Mit der katalytischeü Beförderung 
der Umwandlung von Naphthenen in Benzolkohlenwasserstoffe durch 
direkte Wasserstoff abspaltung resp. durch Oxydation haben wir uns 
bereits oben bekannt gemacht. Auch die Aromatisierung durch pyro- 
gene Zersetzung läßt sich durch katalytisch wirkende Stoffe in hohem 
Maße beeinflussen. Dies ist schon von den Forschern, die sich mit der 
Frage der Aromatisierung zuerst befaßt haben, Letny^) einerseits 
und Liebermann und Burg*) andererseits, konstatiert worden; sie 
fanden nämlich, daß, wenn man die Erhitzungsröhren mit einem porösen 
Stoff wie Kohle, Bimsstein u. dgl. füllt, man größere Ausbeuten an 
aromatischen Kohlenwasserstoffen als mit leeren Röhren erzielen kann. 
Die genannten Forscher haben allerdings die Wirkung dieser Stoffe 
falsch gedeutet, indem sie dieselbe nur der Vergrößerung der Heiz- 
fläche zuschrieben. Daß solche Vergrößerung allein hier noch nicht 
ausreichend ist, sollte eigentlich schon die von Liebermann selbst 
erwähnte Tatsache zeigen, daß Holzkohle einen größeren Effekt, als 
Koks oder Bimsstein ausübt. Daß es hierbei wirklich nicht so sehr auf 
die Größe der Heizfläche, sondern vor allem auf spezifisch katalytische 
Wirkungen ankommt, beweist die neuerdings von Ostromißlensky 
und Bujanadse^) gefundene Tatsache, daß die Ausbeute von aroma- 
tischen Kohlenwasserstoffen sich durch Glegenwart von Eisendrahtnetz, 
dessen Oberfläche ja gar nicht so groß ist, bedeutend, z. B. von 7,75 
auf 10,9®/o, erhöhen läßt. 

6. Raffinierende Destillation. 

Unter diesem Namen will ich einige Prozesse besprechen, bei denen 
gleichzeitig mit der Destillation auch eine chemische Reinigung oder 

1) D. R. P. 85884; vgl. auch Pantjuchow, Naphtha 1902, 381. 

2) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1902, 2, 1. 

3) 1. c. 

*) Berichte 1878, 723. 

^) Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1910, 195. 



156 Destillation. 

Veredelung der Destillate stattfindet. Das bei weitem wichtigste Ver- 
fahren dieser Art ist dasjenige von Fr a seh zur Entschwefelung von 
schwefelhaltigen Rohölen, in erster Linie derjenigen von Ohio und 
Kanada. Die Aufgabe der rationellen Verarbeitung dieser Rohöle hat 
sehr viel Mühe und Geld gekostet, da ihre Destillate einen äußerst 
unangenehmen Greruch besitzen und zahlreiche Versuche zur Ent- 
schwefelung der Destillate und Beseitigung ihres Gestankes entweder 
ganz fehlschlugen oder sich als zu kostspielig erwiesen. Erst als es Fr a seh 
gelang, die Destillation mit chemischer Reinigung auf sehr einfache 
Weise zu kombinieren, hat die Aufgabe eine praktische Lösung gefunden. 
Die Entschwefelung nach Frasch geschieht durch Behandlung der 
öle mit verschiedenen Metalloxyden, hauptsächlich, wie Lunge^) 
angibt, mit einem Gemisch von 16^^ CuO, lö^/o ^^fiz ^»d ^^Vo ^^O. 
Diese Behandlung kann auf zweierlei Weise durchgeführt werden; ent- 
weder so, daß das Metalloxydgemisch zum siedenden Rohöl in den 
Destillierkesseln zugesetzt wird („Mischprozeß"), oder aber so, daß nicht 
das flüssige Rohöl selbst, sondern die Dämpfe der Destillate in eigens 
konstruierten Apparaten der Einwirkung der Metalloxyde ausgesetzt 
werden ( „Dampf prozeß"). Li beiden Fällen werden die Oxyde zu 
Metallsulfiden umgewandelt, die dann durch Rösten wieder zu Oxyden 
regeneriert werden können. Welchem Schicksale dabei die organischen 
Reste der ursprünglichen Schwefelverbindungen unterliegen, darüber 
ist leider nichts verlautet worden; Oxydationsprozesse werden hier 
jedenfalls mit im Spiele sein. Der Schwefelgehalt der Destillate fällt 
nach Behandlung nach Frasch von 0,75^0 auf 0,08yo- 

Interessant — falls sich die Angaben des Erfinders bestätigen 
sollten — ist auch das Entschwefelungs verfahren von Blackmore^), 
der die heißen Destillatdämpfe der Einwirkung von Calciumkarbid 
aussetzt; es soll sich dabei Calciumsulfid bilden und der Kohlenstoff 
des Karbids mit dem organischen Reste der Schwefelverbindung zu- 
sammentreten; so soll z.B. aus dem Methylsulfid ein Gemisch von 
Äthylen und Azetylen entstehen: 

(CH3)2 S 4- CaCg = CaS + CgH^ + CgHg . 

Auch für andere, nicht schwefelreiche Rohöle sind verschiedene 
Vorschläge gemacht worden, die eine Vereinigung der Destillation mit 
der Raffination der Destillate in einem Prozeß erstreben. Hierher 
gehören die Versuche Aisinmanns^) über die Reduktion der aroma- 
tischen Kohlenwasserstoffe durch Behandlung der Destillatdämpfe 
nach Sabatier. Die Dämpfe eines Bustenari-Kerosindestillates vom 
spez. Gewicht 0,826 wurden, mit Wasserstoff vermischt, über redu- 
ziertem Kupfer bei ca. 220^ geleitet; das spezifische Gewicht des De- 
stillates veränderte sich dadurch zwar sehr wenig (von 0,826 auf 0,822), 
die Zusammensetzung zeigte aber einen anderen Charakter; der Siede- 

1) Zeitschr. f. angew. Chem. 18d4, 69. 

2) Chem.-Ztg. Rep. 1907, 473. 

3) Petr. -Kongreß zu Bukarest, S. 549. 



Wärmeökonomische Verhältnisse bei der Destillation. 157 

beginn war von 110 auf 150® gestiegen, und während das spezifische 
Grewioht des bis 250® siedenden Anteils des Kerosindestillates (87,7®/o) 
0,8192 betrug, hatte die entsprechende Fraktion des behandelten Öles 
(69 Vo) ein spez. Gew. 0,8026; der über 250® siedende Rückstand des 
Destillates vor der Behandlung (I2,3®/q) hatte spez. Gew. 0,8869, nach 
der Behandlung (3I®/q) 0,8435. Auch Sabatier selbst in Gemein- 
schaft mit Haller und Senderens schlägt vor^), sein Reduktions- 
verfahren zur Desodorierung von Erdöldestillaten, speziell von Benzin 
und Leuchtölen, zu benutzen. Die Destillatdämpfe werden, mit Wasser- 
stoff gemischt, über fein verteiltem Nickel (oder Kobalt u. dgl.), bei 
Temperaturen zwischen 150 und 350®, geleitet. Um die Kontakt- 
substanz gegen die ,, Vergiftung" durch manche (z. B. schwefelhaltige) 
Verunreinigungen der Destillatdämpfe zu schützen, werden diese 
zuerst über erhitztem Kupfer streichen gelassen, wobei die schädlichen 
Bestandtteile zerstört werden. 

Bemerkenswert sind schließlich einige Vorschläge, die Destillat- 
dämpfe mittels des physikalisch-chemischen Prozesses der Adsorption 
zu reinigen. Der Prozeß der Adsorption wird weiter im Kapitel der 
Raffination der flüssigen Destillate eingehend besprochen werden. 
Eine Vereinigung der Adsorption mit Destillation wird nach dem Ver- 
fahren von Tweddle und Vakuum Oil Works^) dadurch bewirkt, daß 
man die Destillatdämpfe durch Tierkohle, Tonerde, kalzinierte Austern- 
schale u. dgl. poröse Stoffe streichen läßt. Neuerdings hat die „Terpol- 
Akt.-Ges."*) zu demselben Zweck auch Torf vorgeschlagen; das mit 
adsorbierten Verunreinigungen der Destillatdämpfe bereicherte Torf 
soll als ein gutes Heizmaterial verwertet werden. 

7. Wärmeökonomische Verhältnisse bei der 

Destillation. 

Eine möglichst gute Ausnutzung der Wärme bildet die Grundlage 
der ökonomischen Gestaltung des Destillationsprozesses. Eine aus- 
führliche Behandlung dieser wichtigen Frage würde ein tieferes Ein- 
gehen in die konstruktiven Verhältnisse erfordern und liegt außerhalb 
des Rahmens dieses Buches. Wohl aber wird es hier am Platze sein, die 
Prinzipien der rationellen Wärmeausnützung bei der Destillation in 
aller Kürze zu besprechen. 

Die Wärme, die dem siedenden Rohöl von außen zugeführt wird, 
teilt sich zwischen dem flüssigen öl und den Destillatdämpfen. Der erste 
Teil läßt sich durch die einfache Formel ausdrücken: 

Q^ = (100 — P) c (T—t^) 

wo Qj die Wärmemenge bezeichnet, die zum Anwärmen der die Destillier- 



') Chem. Rev. 1907, 319. 

2) Singer, Technologie des Erdöls 641. 

3) Pto. Joum. 1911, 36. 



158 Destillation. 

blase verlassenden Erdölrückstände von der ursprünglichen Temperatur 
des Rohöls ^q bis zur Endtemperatur der Destillation T theoretisch er- 
fordert wird, wenn c die spezifische Wärme des Öles und P das Prozent 
des abgetriebenen Destillates (auf das Rohöl bezogen) bedeuten. Ist c 
bekannt, so läßt sich Q-^ ohne weiteres mit aller Grenauigkeit berechnen. 
Viel schwieriger dagegen ist die Berechnung der Wärmemenge, die zum 
Abtreiben der P Prozente Destillates verbraucht wird; denn einerseits 
geht die Destillation nicht bei einer bestimmten Temperatur, sondern 
innerhalb eines weiten Temperaturintervalles vor sich; andererseits 
sind die spezifischen und die latenten Verdampfungswärmen verschie- 
dener Fraktionen verschieden. Wollte man daher diese Wärme genau 
berechnen, so müßte man das Destillat in möglichst engen Fraktionen 
auffangen und, neben der Menge (p^) jeder Fraktion, die entsprechende 
Destillationstemperatur (t^ (in Flüssigkeit gemessen!), sowie die spezi- 
fische (c^) und die Verdampfungswärme (/^) bestimmen; die zum Ab- 
treiben des Destillates theoretisch erforderliche Wärmemenge Q^ wäre 
dann : ^ ^ ^ . v i ^ -. 

und die gesamte bei der Destillation verbrauchte Wärme: 

<2 = <?i + <2. = [lOO-P] c (T — <o) +\2 pjc„ (« -<o) + g. 

Eine Auswertung dieser Formel stößt in der Praxis auf sehr große 
Schwierigkeiten, von denen die Trennung des Destillates in viele einzelne, 
in möglichst engen Temperaturintervallen siedende Fraktionen noch 
die geringste wäre. Was aber hier einer genauen Kalkulation am meisten 
im Wege steht, ist die äußerst mangelhafte Kenntnis der spezifischen 
und der Verdampfungswärmen der einzelnen Erdölfraktionen. Man 
setzt daher gewöhnlich nur je einen Wert für die spezifische und für 
die Verdampfungswärme aller Erdölfraktionen ein, und zwar 0,5 für 
die spezifische und 75 bis 80 für die Verdampf ungswärme^). Demgegen- 
über ist zu bemerken, daß die erste Zahl jedenfalls zu niedrig ist; die 
spezifische Wärme verschiedener Kohlenwasserstoffe und Erdölfrak- 
tionen beträgt ca. 0,5 bei gewöhnlicher Temperatur, wächst aber, wie 
es bei allen Flüssigkeiten der Fall ist, mit steigender Temperatur; 
nimmt man den Temperaturkoeffizienten der spezifischen Wärme gleich 
0,001 an (vgl. S. 84) so gelangt man für c bei etwa 250® zu einem viel 
größeren Wert als 0,5, nämlich zu ca. 0,7, so daß man als den Mittelwert 
der spezifischen Wärme zwischen 20 und 250® etwa 0,6 annehmen kann. 
Andererseits sind die Werte 75 bis 80 für die latente Wärme der De- 
stillate, wenn man von den niedrigst siedenden Fraktionen absieht, ent- 
schieden zu hoch, denn schon das bei 160® siedende Dekan hat Ver- 
dampfungswärme gleich 71 und für die zwischen 170 bis 190® siedende 
Fraktion des galizischen Erdöls wurde in der P. T. R. die Verdampfungs- 
wärme gleich 60 gefunden. Man wird daher die latente Wärme der 



^) Vgl. z. B. Halaceanu, Les Fabriques de p^trole de Roumanie, 35 ff. 



Wärmeökonomische Verhältnisse bei der Destillation. 159 

Kerosinfraktionen etwa mit 60, die der Schmieröle noch niedriger 
schätzen müssen. 

Solange also die mangelnde Kenntnis der thermischen Grundwerte 
eine genaue Auswertung der vollständigen Formel unmöglich macht, 
wird es sich auch nicht lohnen, das Destillat als in enge Fraktionen zer- 
legt zu betrachten, und man wird sich mit der annähernden Formel 
begnügen müssen: 

(2 = [ioo — P]c(T — g + P[c(T, — g + q, d) 

wo T' die durchschnittliche Temperatur der Destillation, c und l die 
durchschnittliche spezifische, resp. Verdampfungswärme bedeuten. 

Wird, wie es allgemein geschieht, mit Wasserdampf destilliert und 
dabei auf 1 Teil Destillat n Teile Wasserdampf verbraucht, so kommt 
noch die zum Verdampfen und Überhitzen von Pn Teilen Wasserdampf 
nötige Wärmemenge hinzu, und die Totaldestillationswärme wird gleich: 

c (100 — P) (T—Iq) -j-P[c (T^—to) + q + Pri [636 — t^ 

+ 0,48(^2 — 100)], (II) 

wo Tg den Überhitzungsgrad des Wasserdampfes bedeutet. 

Sowohl die Destillatdämpfe wie die ölrückstände müssen nach dem 
Verlassen der Destülierblase abgekühlt werden und geben die während 
der Destillation aufgenommene Wärme dem Kühlmittel wieder ab. 
Es liegt nun nahe, als solches Kühlmittel das Rohöl selbst zu benutzen, 
um dadurch, indem das Rohöl durch Destülatdämpfe oder Rückstände 
vorgewärmt wird, an der zur Destillation erforderlichen Wärme zu 
sparen. Dieser Gedanke liegt verschiedenen sogenannten ,,Regenerativ- 
systemen"der Erdöldestillation zugrunde. Es kann dabei sowohl die 
Wärme der ölrückstände, wie die der Destillatdämpfe, und schließlich 
diese und jene gleichzeitig zum Vorwärmen des Rohöls benutzt werden. 
Sehen wir nun zu, wie sich die wärme-ökonomischen Verhältnisse in diesen 
verschiedenen Fällen gestalten. 

Die ölrückstände haben in der Destillierblase c (100 — P) (T — t) 
Kai. in sich aufgenommen und aufgespeichert; tritt nun dieses öl im 
sogenannten Vorwärmer mit frischem Rohöl zusammen, so gibt es dem 
letzteren seine aufgespeicherte Wärme ab. Dieser Wärmeaustausch 
geht um so intensiver vor sich, je größer der Temperaturunterschied 
beider öle ist, und geschieht am zweckmäßigsten nach dem sogenannten 
Gegenstromprinzip, d. h. so, daß die heißen ölrückstände und das kalte, 
vorzuwärmende Rohöl sich in entgegengesetzter Richtung bewegen. 
Aber selbst beim besten Wärmeaustausch bleibt die Temperatur der 
aus dem Vorwärmer abfließenden abgekühlten ölrückstände höher 
als die des eintretenden kalten Rohöls; ist diese letztere gleich Iq, so 
wird die Temperatur der aus dem Vorwärmer abfließenden Rückstände 
gleich tQ-\-A, d. h. geben die Rückstände im Vorwärmer c (100 — P) 
(T—(tQ^A)) Kai. ab. 

Bei der Schätzung des Anteils (von einer irgendwie genauen Be- 
rechnung kann hier keine Rede sein), der von der aufgespeicherten 



160 Destillation. 

Wärme der Destillatdämpfe ausgenutzt werden kann, muß ein Umstand 
hervorgehoben werden, der bei derartigen Betrachtungen häufig außer 
acht gelassen wird; nämlich, daß die Temperatur der Destillatdämpfe 
stets, und nicht unbedeutend, niedriger liegt als die des entsprechenden 
Öles im Destillierkessel. Wenn ich also die Durchschnittstemperatur 
des Öles in* der Destillierbatterie gleich T-^ angenommen habe, so muß 
die Temperatur der Destillatdämpfe beim Eintritt in den Vorwärmer 
um zfj niedriger gesetzt werden, und die zum Vorwärmen von Rohöl 
zur Verfügung stehende Wärmemenge der Destillatdämpfe wird be- 
tragen : 

P[c(Ti— zli—(<o + ^)) + q + ^^[036 +100- («0+^) + 

0,48(^1— 4— (<o+^))] Kai., (III) 

falls der Wärmeaustausch so vollständig ist, daß die Temperatur der 
Destillatdämpfe im Vorwärmer bis unter 100°, d. h. bis zur Verflüssigung 
von Wasserdampf erniedrigt werden kann. Ist dies nicht der Fall, d. h. 
verläßt das Destillationswasser den Vorwärmer noch in Dampfform, 
so sinkt der Betl'ag der auszunutzenden Destillatwärme auf 

P[c(yi— 4— (<o+^))+q+0,48Pn[T,— zl, — (<o+^)] Kai.. .(IV) 

Wie man aus diesen Formeln ersieht, hängt die Vollständigkeit 
der Wärmeausnützung bei den regenerativen Destillationssystemen 
ganz wesentlich von der Größe A ab, d. h. vom Temperaturgefälle 
zwischen den aus dem Vorwärmer abfließenden Rückständen, resp. 
Destillaten und dem in den Vorwärmer eintretenden Rohöl. Theoretisch 
kann dieses Gefälle — durch entsprechende Vergrößerung der Wechsel- 
wirkungsoberiläche und der Menge des kühlenden Rohöls — beliebig 
klein gemacht werden. In Wirklichkeit aber ist man einerseits an ge- 
wisse Grenzen in der Dimensionierung des Vorwärmers und seiner wirk- 
samen Oberfläche gebunden, andererseits hat man, beim kontinuier- 
lichen Arbeitsgang, zum Abkühlen von P Teilen Destillatdämpfen und 
(100 — P) Teilen Rückstände eben nur 100 Teile frischen Rohöls zur 
Verfügung. Diese Umstände werden häufig bei der Diskussion der Vor- 
teile der regenerativen Destillation außer acht gelassen, und will ich 
daher unsere allgemeinen Formeln an einem wirklichen Falle praktisch 
auswerten. Ich nehme dazu das Rohöl von Baku, aus dem man in den 
letzten Jahren etwa 25^0 Benzin- und Kerosiadestillate abzutreiben 
pflegt (die Schmieröldestillation lasse ich der Einfachheit halber bei- 
seite). Die ölrückstände (Masut) verlassen bei solchem Arbeitsgange 
die Destillationsbatterie mit einer Temperatur von etwa 270® und 
werden im Vorwärmer, bei der Temperatur des kalten Rohöls von 20®, 
bis auf etwa 110® abgekühlt. Die Durchschnittstemperatur des Erdöls 
in der Destillationsbatterie kann etwa gleich 230®, die der Desti lat- 
dämpfe bei ihrem eventuellen Eintritt in den Vorwärmer etwa gleich 
200® gesetzt werden, die Temperatur des überhitzten Wasserdampfes 
betrage 200®, seine Menge 25®/^, vom Destillat. Setzen wird diese Werte 
in unsere Formel (II) ein, so kommen wir für den Wärmeverbrauch bei 



Wärmeökonomische Verhältnisse bei der Destillation. Igl 

der Destillation von 100 kg Rohöl ohne jede Vorwärmung zu dem Werte 
von: 

0,6 . 75 . (270—20) + 25 [0,6 (230—20) + 60] + 25 • 0,25 [636—20 + 
0,48 . (200—100)] = 11250 + 4650 + 4150 = 20050 Kai. 

Bei der Regeneration der Masutwärme allein können davon 0,6.75 

(270 — 110) = 7200 Kai, an das frische Rohöl im Vorwärmer abgegeben, 

d. h. ca. 64^0 der Masut-, resp. 36^^ der Gesamtwärme wiedergewonnen 

"werden. Durch diese Wärme würden sich 100 Teile frischen Rohöls 

7200 
theoretisch um , _^ ^ ^ = 144®, d. h. auf eine Temperatur von etwa 

100 • 0,5 

165® vorwärmen lassen. In Wirklichkeit ist allerdings die Vorwärmung 

infolge von Wärmeverlusten durch Strahlung sowie von Verdampfung 

der leichtest siedenden Fraktionen um einiges niedriger und beträgt 

im allgemeinen etwa 135®. 

Nun wollen wir zusehen, wie sich die weitere Wärmeökonomie 
— durch Ausnutzung der Destillatwärme — gestalten würde. 

Vor allem ist es klar, daß, falls man die Vorwärmung mit De- 
stillaten nach derjenigen mit Masut durchführen wollte, man auf die 
Ausnutzung der latenten Wärme der Wasserdämpfe verzichten müßte, 
da eben das „kühlende", aus dem Masutvorwärmer kommende Rohöl 
bereits eine Temperatur von 135® hat. Weiter ist zu bedenken, daß der 
Wärmeaustausch in Kondensatoren und also auch in Vorwärmern nicht 
einfach dem Unterschiede, sondern dem Quadrate des Unterschiedes 
der beiderseits von der Wand herrschenden Temperaturen gleich ist^). 
Soll also die Oberfläche des Destillatvorwärmers nicht ungebührend 
groß werden, so dürfen wir den Unterschied der Temperaturen der aus 
dem Vorwärmer austretenden Destülate und des eintretenden „küh- 
lenden" Rohöls kaum kleiner als 40® annehmen, unter welcher Annahme 
die Destillate den Vorwärmer mit einer Temperatur von etwa 175® 
verlassen würden. Bei dieser Temperatur würde ein großer Teil, etwa 
30®/o, der Destillate unverflüssigt bleiben, so daß die im Destillat- 
vorwärmer wiederzugewinnende Wärme laut der Formel IV etwa 

25 . 0,7 [0,6 (200— 175)-[- 60]-[- 25 • 0,3 [0,6 (200 — 175)] + 0,48 • 25 • 0,25 

(200 — 175) = 1500 Kai. 

betragen würde. Wie man sieht, ist die durch die Ausnutzung der 
DestUlatwärme zu erreichende Wärmeökonomie recht unbedeutend 
und würde die dazu erforderliche Komplikation der DestiUationsanlage 
kaum kompensieren können. In Baku wird denn auch tatsächlich nur 
die Wärme der ölrückstände ausgenutzt und auf die Regeneration der 
Destillatwärme verzichtet. 

Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse dort, wo man nicht 
25 ®/q, sondern bedeutend größere Mengen Benzin und Kerosin abtreibt; 
es ist ja ohne weiteres klar, daß die Ausnutzung der Destillatwärme 

1) Vgl. z. B. E. Weiss, Kondensation, S. 75, 
Gurwitsch. 11 



162 Destillation. 

in diesem Falle viel größere Wärmeökonomie geben kann. Und in der 
Tat sehen wir, daß z. B. in Rumänien und Galizien, wo man bis 55®/o 
und mehr Benzin- und Kerosindestillate abtreibt, die gut eingerichteten 
Betriebe sowohl die Rückstände- wie auch die Destillatwärme regenerieren. 
Bei der Destillation der Kerosinfraktionen, wobei der Wasser- 
dampfverbrauch nicht groß ist, spielt auch die zur Bildung dieses Wasser- 
dampfes erforderliche Wärme keine hervorragende Rolle in der allge- 
meinen Wärmebalance. Anders ist es bei der Destillation der höheren 
Schmierölfraktionen, wo man vorteilhaft mit großen Mengen Wasser- 
dampf arbeitet. Hier kann die zur Bildung von Wasserdampf nötige 
Wärme, die zum Verdampfen des Öles erforderliche um vieles über- 
steigen, so daß die Wiederausnutzung dieser Wärme zu einer sehr wich- 
tigen ökonomischen Frage werden kann. Ihre rationelle Lösimg scheint 
diese Frage auf Grund folgender zwei Überlegungen zu finden. Einerseits 
haben die Schmierölfraktionen so hohe Siedepunkte, daß sie bereits 
bei Temperaturen über 100° sich so gut wie vollständig verflüssigen 
lassen. Andererseits übertrifft die latente Verdampfungswärme des 
Wassers um vieles diejenige W^ärme, die zum Überhitzen des gesättigten 
Wasserdampfes auf höhere Temperaturen nötig ist. Wenn man daher 
die Dämpfe der Schmieröldestillate nur so weit abkühlen läßt, bis sich 
eben alles öl verflüssigt hat, der Wasserdampf aber noch imverflüssigt 
bleibt, so kann man diesen Wasserdampf wieder durch die Überhitzer 
gehen lassen und dann immer wieder zur Destillation verwenden. Einen 
auf diesem Prinzip basierten Destillationsapparat hat z.B. Kubier sky^) 
vorgeschlagen. Es wäre dabei nur der Umstand nicht außer acht 
zu lassen, daß die Verflüssigung von öldämpfen aus einem Gasstrom 
(also auch aus dem Strom des noch überhitzten Wasserdampfes) bei 
weitem nicht so leicht wie bei gleichzeitiger Wasserverflüssigung vor 
sich geht; man müßte daher bei der soeben besprochenen Arbeitsweise 
um solche Konstruktion der Kühler sorgen, daß der Wasserdampf kein 
öl mit sich fortreißen könne. Weiter wäre noch zu imtersuchen, ob 
solcher Kreislauf von Wasserdampf die Eigenschaften der öle nicht 
ungünstig beeinflusse. Es müssen sich nämlich bei solcher Arbeitsweise 
im Wasserdampf die Zersetzungsprodukte, von denen oben die Rede 
war, anreichem, und es ist nicht unmöglich, daß sie die Eigenschaften 
der Destillate, eventuell schon durch einfaches Auflösen in diesen, ver- 
schlechtem. 

8. Fraktionierte Destillation*). 

^AUe Erdölprodukte sind, wie ich schon mehrfach betont habe, 
Gremische von vielen chemischen Individuen, und beim gegenwärtigen 

1) Petroleum 6, 2303. 

2) Vgl. Kuenen, Theorie der Verdampfung und Verflüssigung von Ge- 
mischen; Rechenberg, Theorie der Gewinnung imd Trennung der ätherischen 
öle durch Destillation; Hausbrand, Wirkungsweise der Kektifizierapparate; 
S. Young, Fractional Destillation. 



Fraktionierte Destillation. 



163 



Stande der Erdölindustrie hätte es auch gar keinen Siiin diese Individua 
für sich in reinem Zustande fabrikmäßig herstellen zu wollen. Immerhin 
aber sucht man die Inhomogenität jedes Erdölproduktes möglichst zu 
beschränken und nur solche Individua darin zu belassen, deren physi- 
kalische Eigenschaften nicht zu weit auseinandergehen. 

Bei Benzinen z. B., wo vollständige Verdampfbarkeit bis zu einer 
bestimmten (je nach dem Gebrauchszweck verschiedenen) Temperatur- 
grenze von größter praktischer Wichtigkeit ist, muß ein Gtehalt an höher 
siedenden Kohlenwasserstoffen ausgeschlossen werden; andererseits 
aber wird in vielen Fällen auch der Gehalt an sehr niedrig siedenden 
Anteilen wegen Feuergefährlichkeit als unzulässig betrachtet. Bei 
Leuchtölen muß um möglichste Ausschaltung von schwereren und 
viskoseren Bestandteilen gesorgt werden. Bei Schmierölen hat die 
Homogenität einen wesentlichen Einfluß auf den Verlauf der Zähigkeits- 
temperaturkurve und somit auch auf das Schmiervermögen des Öles; 
auch ist es ökonomisch wichtig, die kostbareren hochentflammbaren 
Zylinderölkohlenwasserstoffe von den billigeren Maschinenölen mög- 
lichst vollständig zu scheiden usw. Die Destillation von Erdölprodukten 
wird dadurch zu einer fraktionierten Destillation, und die Aufgabe einer 
guten Destillationsanlage ist es, die Destillate in möglichst enge Frak- 
tionen scheiden zu können. 

Um die Theorie der fraktionierten Destillation in ihren wichtigsten 
Zügen zu beleuchten, glaube ich am besten zur graphischen Darstellungs- 
weise greifen zu müssen, und zwar unter Zugrundelegung eines Ge- 
misches von nur zwei Komponenten. Die Schlüsse, die sich aus dieser 
Betrachtung ziehen lassen werden, sind — sofern es sich um den all- 
gemeinen Gang der fraktionier- 
ten Destillation handelt — 
auch auf komplizierte Gemische 
anwendbar. 

Wenn wir sogenannte Ge- 
mische mit Minimum- resp. 
Maximumsiedepunkten beiseite 
lassen^), so kann der Zusam- 
menhang zwischen den Siede- 
temperaturen aller möglichen 
Gremische zweier Individuen 
einerseits und ihrer quantitati- 
ven Zusanmiensetzung anderer- 
seits durch die Kurve AGB 
(Fig. 3) dargestellt werden*). 
Die Prozentgehalte der Ge- 




O 'foo%^ 



'fOO% ß 



Fig. 3. 



1) Bei der Ausscheidung einzelner Individuen in reinem Zustaoide würden 
wir auch auf dem Gebiete der Erdölchemie mit solchen Gemischen treffen — vgl. 
oben das Verhalten von Benzol und Hexamethylen; für die gröbere gewöhnliche 
Fraktionierung von Erdölprodukten kommen aber diese Fälle nicht in Betracht. 

2) Vgl. Kuenen, 1. c, S. 92. 

11* 



] Q4: Destillation. 

mische an der niedriger siedenden Komponente B sind hier auf der 
Abszissenachse, die entsprechenden Siedetemperaturen (d. h. Tempera- 
turen des Siedebeginnes) auf der Ordinatenachse aufgetragen. Wird 
nun ein auf dieser Kurve liegendes Gemisch zum Sieden gebracht, so 
hat der sich entwickelnde Dampf nicht dieselbe Zusammensetzung wie 
die Flüssigkeit, sondern ist an der niedriger siedenden Komponente 
relativ reicher. Lassen wir nun einen verschwindend kleinen Teil des 

Gemisches verdampfen, so können wir sagen, daß das Verhältnis— in der 

Flüssigkeit so gut wie unverändert bleibt, in der kleiner entwickelten 

Dampf menge dagegen gleich c • -j- wird, wo c^l. Die Zusammensetzung 

des Dampfes, der mit dem Gemische p im Gleichgewicht steht, läßt 
sich also durch irgendeinen Punkt q darstellen; seine Temperatur 
ist, wie der Versuch zeigt, etwas niedriger als die des siedenden Ge- 
misches p; da aber dieser Unterschied nicht bedeutend und für die wei- 
teren Betrachtungen belanglos ist, kann er vernachlässigt und die 
Linie pq als zur Abszissenachse parallel betrachtet werden. Ich sprach 
soeben von Bildung einer verschwindend kleinen Dampf menge; diese 
Beschränkung ist gemacht worden, damit wir die Zusammensetzung 
der Flüssigkeit als unverändert betrachten können. Selbstverständlich 
aber kommt es hier wie bei allen chemischen Gleichgewichten auf abso- 
lute Mengen nicht an; wir könnten zu unserem Gemisch p von der Zu- 

sammensetzung -j und Temperatur t^ eine beliebige Menge Dampf von 

der Zusammensetzung c-— und derselben Temperatur i® von außen 

her zuführen, ohne daß das Gleichgewicht gestört werden würde. Mit 
anderen Worten wir können sagen: bei der Temperatur t^ stehen das 

flüssige Gemisch p= — und der Dampf q= C'-r^ im Gleichgewicht, 

oder, wie man es auch ausdrückt, bilden koexistierende Phasen. Auf 
ähnliche Weise können wir zu jedem beliebigen -<4-5-Gemische die 
entsprechende koexistierende Dampfphase angeben, und so erhalten 
wir die zweite Kurve ADB — die sogenannte Dampfkurve. Alle 
Schnittpunkte der beiden Kurven AOB und ADB mit parallel zur 
Abszissenachse verlaufenden Geraden stellen paarweise koexistierende 
Flüssigkeits- und Dampfphasen vor, und zwar bei Temperaturen, die 
durch die entsprechenden Ordinaten angegeben sind. 

Wir können zu demselben Kurvenpaar ADB und AGB auch auf 
anderem Wege gelangen. Nehmen wir einen gemischten -<4-J5-Dampf 
von der Zusammensetzung q und Temperatur T ; sein Zustand wird auf 
auf unserem Diagramm durch den Punkt Q dargestellt. Lassen wir diesen 
Dampf sich abkühlen, so tritt, solange seine Temperatur oberhalb t 
bleibt, keine weitere Veränderung ein; wird aber die Temperatur t 
erreicht, so beginnt die Rückkondensation des Dampfes. Wir können 
nun theoretisch die weitere Abkühlung so beschränken, daß die kon- 



Fraktionierte Destillation. 



165 



sierte Menge im Verhältnis zur Dampfmenge verschwindend klein ist. 
Dann bleibt die Zusammensetzung des Dampfes unverändert, das 
Kondensat muß aber an der höher siedenden, d. h. leichter konden- 
sierenden Komponente reicher sein. Da dieses Kondensat und der 
Dampf bei betreffender Temperatur t im Gleichgewicht untereinander 
stehen, und da das Gleichgewicht, wie gesagt, nur von Zusammen- 
setzung der Phasen und nicht von deren Mengen abhängt, so muß 
dem Dampfe q dieselbe flüssige Phase entsprechen, welche ihrerseits 
beim beginnenden Sieden einen Dampf von der Zusammensetzung q 
bilden würde. Mit anderen Worten müssen die Flüssigkeiten, die aus 
den gerade im Kondensationsbeginn befindlichen Dampfphasen sich 
ausscheiden, auf derselben Kurve ACB liegen, die bei der umgekehrten 
Betrachtung die Siedetemperatur darstellt. Die Kurve ÄDB kann da- 
her auch Kondensations-, AGB auch Flüssigkeitskurve genannt werden. 

Wollen wir nun das Sieden irgendeines Gemisches genauer verfolgen 
und zu diesem Zwecke zwei Grenzfälle betrachten: 1. eine kleine Menge 
Flüssigkeit siedet in einem relativ sehr großen Gefäß ; 2. die Menge der 
Flüssigkeit ist groß, das Siedegefäß klein. Im ersten Falle kann es nun 
vorkommen, daß die gesamte Flüssigkeit verdampft, noch ehe das Siede- 
gefäß sich mit Dämpfen so weit füllt, daß eine Destillation beginne; 
der entwickelte Dampf wird also dieselbe 
Zusammensetzung wie die ursprüngliche 
Flüssigkeit haben, seine Temperatur wird 
aber notwendigerweise höher sein müssen, 
da während des Siedens eines Gemisches 
in dem Maße, als die niedriger siedende 
Komponente entweicht und die weniger 
flüchtige sich in der flüssigen Phase an- 
reichert, die Temperatur ununterbrochen 
steigen muß. Der Zustand im Siede- 
gefäß nach dem Verdampfen der ge- 
samten Flüssigkeit wird sich somit 
durch den Punkt q (Diagramm Fig. 4) 
darstellen lassen. Aber ganz unmittelbar 

bevor dieser Zustand erreicht sein wird, wird die letzte Spur der noch 
flüssigen Phase gemäß dem oben Gesagten die Zusammensetzung p' 
haben. Mit anderen Worten: wenn wir den Siedeprozeß so führen, 
daß der gesamte gebildete Dampf mit dem flüssigen Rest in Berührung 
bleibt, so ist der maximale Grenzwert für die Anreicherung der Kom- 
ponente Ä in dem letzten Rest der Flüssigkeit durch den Punkt p' 
gegeben, in dem eine aus q zur Abszissenachse geführte Parallele die 
Siedekurve schneidet. 

Im zweiten Falle, der der früher behandelten Fiktion von der 
unendlich kleinen Dampfbildung nahe kommt, wird die zum Anfüllen 
des Siedegefäßes und Beginn der Destillation nötige Dampf menge relativ 
sehr klein sein, die Zusammensetzung der Flüssigkeit wird sich nach 
der Abgabe dieser kleinen Dampfmenge nur wenig ändern und die 




Fig. 4. 



166 



Destillation. 



Temperatur nur wenig steigen; der Zustand im Siedegefäße beim Be- 
ginne der Destillation wird sich somit durch Punkte p^ (Zusammen- 
setzung der Flüssigkeit) und g^ (Zusammensetzung des Dampfes) dar- 
stellen lassen (Diagramm Fig. 5). 

Das Gemisch p^ siedet nun weiter, d. h. gibt seinerseits eine kleine 
Menge Dampf ab, die die erste Dampfportion aus dem Gefäße verdrängt 
und mit dem sich nun die Flüssigkeit ins Gleichgewicht setzt ; die Tem- 
peratur steigt dadurch auf t^, die Zusammensetzung der flüssigen Phase 

wird P2y die der Dampfphase 
^2. Dann, nach Abfuhr auch 
dieses Dampfes aus dem Siede- 
gefäß, führt die Fortsetzung 
des Prozesses zu den koexistie- 
renden Phasen p^ und q^, bei 
der Temperatur t^ usw. Auf 
diese Weise rückt im Laufe der 
Destillation die Zusammenset- 
zung des flüssigen Restes längs 
dem aufsteigenden Aste der 
Kurve pA nach links hinauf 
und, während im ersten Falle 
für die Anreicherung der Kom- 
ponente Ä in der flüssigen 
Phase ein Grenzwert p' gegeben war, kann hier, wo der Dampf stän- 
dig abgeführt wird, die letzte Spur des flüssigen Restes in ihrer Zu- 
sammensetzung dicht an die reine Komponente A heranrücken. 




Fig. 5. 





Fig. 6. 



Fig. 7. 



Ganz analoge Fälle haben wir auch beim umgekehrten Prozeß 
der Dampfkondensation. Wenn wir vom Dampfe q ausgehen (Dia- 
gramm Fig. 6), können wir ihn durch einmalige Abkühlung bis t^ zur 
totalen Kondensation bringen ; wir erhalten dann ein flüssiges Gemisch p 
von derselben Zusammensetzung wie der Dampf q, und eine verschwin- 
dend kleine Menge Dampf von der Zusammensetzung, die dem Punkte g' 
entspricht. Wir können aber die Kondensation auch stufenweise vor 



Fraktionierte Destillation. 167 

sich gehen lassen, indem wir den Dampf q zuerst auf t, abkühlen (Dia- 
gramm Fig. 7), die dabei ausgeschiedene kleine Menge Flüssigkeit p^ ab- 
leiten, den Dampf 7^ wiederum auf t^ abkühlen, die kondensierte 
Flüssigkeit pg a^bleiten, den Dampf ^2 ^uf t^ abkühlen usw. Die Zusammen- 
setzung der Dampfphase bewegt sich längs dem absteigenden Aste qB 
nach rechts, bei jedesmaliger Abkühlung nimmt der Gehalt an der 
Komponente B im Dampfe zu, und während bei der einmaligen totalen 
Kondensation der Grehalt an B auch in den letzten Spuren von Dampf 
nicht über q' steigen kann, tritt bei der zweiten Behandlungsweise 
die Zusammensetzung der letzten Portion Dampf dicht an die reine 
Komponente B heran. Man sieht somit, daß die stufenweise Destillation 
die Ausscheidung in reinem Zustande der schwerer siedenden, die 
stufenweise Kondensation die der leichter siedenden Komponente 
begünstigt!). 

Beide Operationen aber sind in dieser primitiven Form sehr wenig 
ergiebig, d. h. liefern im besten Falle nur sehr kleine Ausbeuten der einen 
oder der anderen Komponente. Will man greifbarere Resultate er- 
zielen, so müssen die beiden Operationen — Destillation und Konden- 
sation — möglichst viele Male wiederholt und miteinander kombiniert 
werden. Dieses auf einfachste Weise zu bewerkstelligen, ist die Aufgabe 
der sogenannten Rektifizierapparate. 

Das Prinzip der Rektifizierapparate besteht darin, daß die Dämpfe 
aus der Destülierblase nicht direkt in den Kühler gelangen, sondern 
in eine vertikale Kolonne geleitet werden, die eine mehr oder weniger 
große Anzahl von sogenannten Tellern oder Böden in sich enthält. In 
dem Maße, als der Dampf in der Kolonne nach oben steigt, tritt in ihm 
infolge der Abkühlung eine stufenweise Kondensation ein; die Konden- 
sate sammeln sich auf den Tellern und, nachdem sie hier eine gewisse 
Höhe erreicht haben, fließen durch spezielle Röhrchen nach unten ab. 
Der aus der Blase neu nachkommende Dampf findet aber keinen freien 
Durchgang in der Kolonne, sondern kann jeden Boden nur so passieren, 
daß er dabei das hier angesammelte Kondensat („Phlegma") durch- 
streift. Dabei wärmt der heiße Dampf das kältere Phlegma wieder auf, 
so daß dieses von neuem aufkocht, d. h. seine leichter siedende Bestand- 
teile als Dampf abgibt, während umgekehrt aus dem frischen Dampf, 
indem er sich durch das Phlegma abkühlen läßt, die schwerer siedende 
Bestandteile kondensiert und auf dem Teller zurückgelassen werden. 

Um die Wirkungsweise einer Rektifizierkolonne besser zu ver- 
stehen, wollen wir wieder zu unserer graphischen Darstellungsweise 
zurückgreifen. Ich muß aber zuerst auf eine noch nicht erwähnte Eigen- 
tümlichkeit dieser Darstellungsweise hindeuten, die darin besteht, daß 
die betreffenden Diagramme nicht nur die Zusammensetzung, sondern 



^) Die Stufen können natürlich infinitesimal klein gewählt werden, wo< 
durth die Destillation (resp. Kondensation) zu einer kontinuierlichen wird; der 
wesentliche Unterschied gegenüber den Schemen II und IV liegt hier eben nur 
darii, daß ^ie Dämpfe (resp. Koidennate) unmittelbar nach ihrer Ausscheidung 
aus dem Siederaum (resp. Kühler) abgeführt werden. . 



168 



Destillation. 



auch die relativen Mengen der beiden Phasen in jedem Momente des 
des Siedens, resp. der Kondensation veranschaulichen^). Es sei nändich 

M die Gesamtmenge der Komponenten A 
und Bj die sich im gegebenen Momente 
im Siedegefäße befindet, m die Menge 
der flüssigen, n der Dampfphase; P sei 
die Zusammensetzung des Gesamtge- 
^ misches (also des Gemisches, bevor es zu 
sieden begonnen und sich in zwei Phasen 
gespalten hat); p die Zusammensetzung 
der flüssigen, q die der Dampfphase (Dia- 
gramm Fig. 8); aus den beiden Glei- 
chungen : 

M = m-\-n, und 

MP = mp -\-nq 




p* P 



Fig. 8. 



folgt, daß: 



m 



n 



p~p 



d. h. die relativen Mengen der flüssigen und der Dampfphase können 
durch die Schnittstücke aq, resp. pa, das Verhältnis der Dampfmenge 

7X1 ■ 

zur Menge des Gesamtgemisches diuxjh — , das Verhältnis der Menge 



pq 



aq 



der flüssigen Phase zur Menge des (Sesamtgemisches durch — dar- 
gestellt werden. ^ 

Für die Betrachtung der Wirkungsweise der Rektifizierkolonne 
wähle ich nun wieder ein binäres Gemisch von A und B und nehme an, 
daß der Dampf die Destillierblase mit der Temperatur t und Zusammen- 
setzung q verläßt, so daß sein Zustand durch den Punkt q dargestellt 
werden kann (Diagr. Fig. 9). Ich nehme weiter an, daß die Kolonne nur 
10 Böden enthält. Da der Dampf die Kolonne als nahezu reine Kompo- 
nente B verlassen muß (nahezu — weil die Ausscheidung der letzten 
Spuren von A gewöhnlich außerhalb der eigentlichen Kolonne, im soge- 
nannten Kondensator, geschieht, wovon weiter mehr), so kann die 
Temperatur auf dem letzten Boden die Siedetemperatur des reinen B 
nur um weniges übersteigen; sie sei ^^q, und der letzte Boden kann 
durch die Linie p^o q^Q dargestellt werden. Zwischen diesen beiden 
eirtremen Temperaturen — t und t^^ — sind nun die Temperaturen 
aller übrigen Böden begriffen, und es liegt ganz in unserer Hand, durch 
verschiedene Verteilung der Böden oder durch entsprechende Wärme- 
isolation diesen Temperaturintervall t — <io zwischen den einzelnen 
Böden nach Belieben zu verteilen. Ich nehme nun zuerst an, daß die 
Abkühlung der Kolonne auf ihrer ganzen Höhe eine gleichmäßige, d. h. 
der Temperaturabfall zwischen je zwei benachbarten Böden der gleiche 
ist. Dann lassen sich alle Böden durch die gleich weit voneinander 



1) Kuenen, 1. c, S. 52, 92. 



Fraktionierte Destillation. 



169 



abstehenden Linien PiÖ'i > 2^2 9'2 usw., und der Gang der Rekti- 
fikation durch die mit Pfeilen versehenen Linien qm^ , q^iWig , 

resp. Pi^i, ^2^1 darstellen; die Linien gm^, gjWg beziehen 

sich auf den hinaufsteigenden Dampf, die Linien p^n , pg^i • • • • ^^ 
das hinabfließende Phlegma. Der Prozeß geht folgendermaßen vor 
sich. Der Dampf q wird auf dem ersten Boden in Dampf gj und Phlegma 
Pi zerlegt; nach der oben bewiesenen Gleichung verhält sich die Menge 




Fig. 9. 



des ersten zu der Menge des zweiten wie Pi^^i zu m^ql oder, wenn die 
Menge des zuerst entwickelten Dampfes q gleich M ist, beträgt die Menge 

von qj^ = M , -^— ^ , die Menge des Phlegma p.==M, -^^, Der Dampf 

q^ steigt weiter hinauf und wird auf dem zweiten Boden seinerseits in 

2>2^2 



P2^2 



Dampf q^ und Phlegma p^ zerlegt; die Menge von q^ ist gleich ^i 

= jf.^^.??ÜL2, die Menge von p^ gleich M — '^--^, So geht'es 

Vi<li V2Q2 Pi9i 2>2?2 

weiter, bis schließlich der zuerst entwickelte Dampf auf den letzten 

Boden gelangt imd sich hier in Dampf q^Q und Phlegma p^Q zerlegt. 

Die Menge des nunmehr der reinen Komponente B nahen Dampfes 



ist M' = M, 



Vl^l 2>2^2 



Pio^io 



Dieser Dampf wird in den 



Kondensator geleitet. Die Phlegmen aber fließen von einem Boden 
zum andern herunter und schließlich wieder in die Blase zurück und 
werden auf jedem Boden durch den von unten entgegenströmenden 
heißen Dampf wieder zum Sieden gebracht. So bildet das Phlegma Pio 
auf dem neunten Boden den Dampf ^9 und das Phlegma ^9, das Phlegma 
Pg siedet auf dem Boden 8 usw. Auch die Mengen dieser sekimdären 



170 



Destillation. 



Dämpfe und Phlegmen lassen sich leicht angeben, z. B. ist die Menge 
des auf dem neunten Boden aus dem Phlegma pio gebildeten Dampfes 

gleich Pio' -^> usw. Um aber die Sache nicht unnütz zu komplizieren, 

will ich nur bei der Betrachtung des primären Dampfes stehen bleiben, 
da ja die aus den Phlegmen auf verschiedenen Böden sekundär, tertiär 
usw. gebildeten Dämpfe denselben Weg zurückzulegen haben luid sich 
somit beim Aufsteigen ebenso wie der primäre verhalten. 

Bei genauerer Betrachtung der Formel und des Diagramms sieht 
man, daß die Größe M', die die relative Menge des in der Kolonne rekti- 
fizierten Dampfes B angibt, aus Faktoren besteht, deren Wert vom 
ersten bis zum zehnten ständig, und zwar zuletzt ganz besonders stark 
abnimmt. Dies will sagen, daß in unserem FaUe auch die relative 
Ausbeute an rektifiziertem Dampfe auf den letzten Böden ganz enorm 
abnimmt, wodurch die ganze Arbeit der Kolonne zu einer sehr wenig 
effektiven wird. 




Fig. 10. 

Verteilen wir nun die Temperaturintervalle zwischen den Böden 
auf andere Weise, indem wir sie im Anfange der Kolonne größer, am 
oberen Ende kleiner wählen, wie es das Diagramm Fig. 10 zeigt. Die 
Menge des rektifizierten Dampfes wird jetzt durch das Produkt if" 

gleich M. -- , , , , , ^ angegeben, dessen erste Faktoren 

Vx Ql V2 ?2 Pio ?10 

zwar etwas kleiner, die letzten dafür um vieles größer sind als 
die entsprechenden Faktoren des Produktes M\ Es ließe sich nun mathe- 
matisch beweisen, ist aber schon ohne weiteres einleuchtend, daß das 
Produkt M'' größer als das Produkt M' ist. Mit anderen Worten: die 
Ergiebigkeit einer Rektifizierkolonne steigt, wenn man durch ent- 



Fraktionierte Destillation. 



171 



sprechende Verteilung der Böden und Isolation der Kolonne dafür sorgt, 
daß die Temperaturintervalle zwischen den Böden im oberen Teil der 
Kolonne möglichst klein werden. 

Dieselbe Betrachtungsweise führt uns auch zum Verständnis der 
Bedeutung des sogenannten Kondensators (auch „Dephlegmator" 
genannt). Die Ausscheidung der Komponente B im reinen Zustande 
mittels der Kolonne allein würde eine Anhäufung von einer sehr großen 
Anzahl Böden im oberen Teile der Kolonne erfordern, da ja die Dephleg- 
mation auf Böden stufenweise geschieht und, wie wir soeben gesehen 
haben, diese Stufen um so kleiner gemacht werden müssen, je mehr 
wir uns der reinen Komponente B nähern. In diesem Stadium des 
Prozesses ist es daher vorteilhaft, auf die Rektifikation des hier sich 
bildenden Phlegmas an Ort und Stelle zu verzichten und statt dessen 
zu der kontinuierlichen einfachen Dephlegmation des Schemas V zu- 
rückzugreifen. Dieses eben ist die Aufgabe des Kondensators, der nichts 
anderes ist als ein Kühler mit regulierter Temperatur; und zwar wird 
hier eine Temperatur eingehalten, die der Siede- d. h. auch der Konden- 
sationstemperatur des reinen B nahezu gleich ist. Je genauer die Tem- 
peratur des Kondensators reguliert wird und je näher sie der Konden- 
sationstemperatur des B kommt, um so vollständiger ist der Reinheits- 
grad des Endproduktes. 

Auf den Diagrammen Fig. 9 und 10 hatten wir ein Gemisch vor 
uns, das an der Komponente B bereits reich war. Für solche Fälle 
dagegen, wo das Ausgangsgemisch an B sehr arm ist, läßt sich auf ganz 
analoge Weise zeigen, daß eine Verkleinerung des Temperaturgefälles 
auch im unteren Teile der Ko- 
lonne für die Ergiebigkeit der ^ 
Kolonne günstig ist. 

Aus unserem Diagramm ist 
auch die Bedeutung der Anzahl 
von Böden für die Ergiebigkeit 
einer Kolonne leicht zu ersehen. 
Daß eine Kolonne um so besser 
arbeiten muß, je mehr Böden 
sie enthält, ist selbstverständlich, 
da sie ja eben diesen Böden ihre 
Wirksamkeit verdankt. Es wird 
aber nicht unnütz sein, den 
Sinn dieses „besser" genauer zu 
analysieren. Nehmen wir an, daß 
wir einen Boden, z. B. den ersten, 
weglassen; der aus der Destillierblase kommende Dampf ergibt nun 

auf dem zweiten Boden den Dampf ^g ^^ einer Menge gleich M 




Fig. 11. 



P2?2 



(Diagr. Fig. 11), während die Menge des gleichen Dampfes ^g i^i ersten 
Falle, beim Vorhandensein auch des ersten Bodens, gleich M--—-^— — 



172 Destillation. 

war; es läßt sich leicht nachweisen, daß der letztere Ausdruck der größere 
ist^). Dasselbe wird sich auch beim Weglassen weiterer Böden ergeben; 
d. h. es wird um so weniger Dampf den obersten Boden der 
Kolonne erreichen und, umgekehrt, um so mehr Phlegma wird in die 
Destülierblase zurückfließen, je kleiner die Anzahl der Böden ist. Dieses 
Phlegma wird in der Blase wieder verdampft werden müssen, und so 
kommen wir zum Schluß, daß, je weniger Böden eine Kolonne enthält, 
um so mehr Heizstoff wird verbraucht werden müssen, um denselben 
Grad der Rektifikation und dieselbe Menge des Rektifikats zu erzielen. 
Von diesem Standpunkte aus erscheint es in vielen Fällen sehr zweck- 
mäßig, die Rektifizierkolonne statt Böden und Tellern mit einer soge- 
nannten „Füllung" zu versehen, als die man Glasscherben, Metall- 
kugeln, mit Rippen versehene Metallstäbe u. dgl. benutzt. Jedes einzelne 
Stück wirkt hier als Kondensationszentrum, so daß das Ganze einer mit 
sehr großer Anzahl von Böden versehenen Kolonne gleichkommt. Es 
ist hier nicht der Ort, die Vor- undNachteüe dieser beiden Kolonnentypen 
zu diskutieren. Ich werde mich mit der Bemerkung begnügen, daß die 
Kolonnen mit Füllung, die für den Laborariumsgebrauch wohl die 
bequemsten sind, im Fabrikbetriebe die Gefahr bieten, daß der untere 
Teil der Kolonne sich leicht mit dem Phlegma vollfüllt, was den Durch- 
gang der Dämpfe sehr erschwert und die Arbeit zu einer unregelmäßigen 
macht. Auch ist der Einfluß der Wärmeleitfähigkeit des Füllmaterials 
auf die Verteilung des Temperaturgefälles innerhalb der Kolonne zu 
berücksichtigen; eine zu große Wärmeleitfähigkeit kann nämlich eine, 
unerwünschte Vergrößerung des Temperaturgefälles im oberen Teile 
der Kolonne nach sich ziehen. Daß — bei gleichen äußeren Dimensionen 
— eine Bödenkolonne größere Mengen Dampf in der Zeiteinheit durch- 
lassen kann, als eine solche mit Füllung, ist ohne weiteres klar. 

Die Betrachtung unserer- Diagramme erlaubt noch weitere Schlüsse 
über die Prinzipien der Rektifizierkolonnen zu ziehen. Es war z. B. 
mehrfach die Frage aufgeworfen, ob es nicht vorteilhaft wäre, das 
Phlegma aus dem Kondensator, statt es insgesamt dem obersten Boden 
zuzuführen, auf mehrere Böden zu verteilen, oder, im allgemeinen, 
ob es ratsam ist, den Strom des Phlegma einen oder mehrere Böden 
überspringen zu lassen^). Diese Frage muß negativ beantwortet werden. 
Denn z. B. beim Ableiten des Phlegma p^ statt des 7. auf den 6. Boden 

erhalten wir hier den Dampf q^ in einer Menge gleich Ps-—— und durch 

1) Man kann nämüch statt der [Größen M-P^^'^^^und M-^!^' die 
Größen ^"^ und ?^ in Vergleich ziehen; nun ist ?^^ = P2W +Pin . ^ 

Pl^l P2Wi2 Piqi P2^2+Pin 

aber 'E±!l!l. ein echter Bruch ist, so erfährt seine Bedeutung bei Zugabe eines und 

desselben Addendums zum Zähler und zum Nenner eine Vergrößerung. 

2) Dieses findet z. B. in dem bekannten Laboratoriumsdephlagmator von 
Glinsky statt. 



Fraktionierte Destillation. 



173 



partielle Kondensation dieses Dampfes auf dem Boden 'p^^ den Dampf 



q^ in einer Menge gleich pg 



p^n.p^m 



(Diagr. Fig. 12). Kommt dagegen das 



Phlegma p^ zuerst auf den 7. Boden, so werden hier aus ihm der Dampf q^ 

in einer Menge Ps'—— und das Phlegma p^ = p^ ^gebildet; dieses 

^7^' ^7^7 oqp^.paV 
letztere bildet dann auf dem 6. Boden den Dampf g« =V% 

und dieser auf dem 7. Boden wiederum den Dampf q^ in einer Menge 

oqm.p^r.pmfn t^. ^ , ,-,>,, i m i x 

Pb — • Die Gesamtmenge des aus dem Phlegma pg gebildeten 

Pi^i'Pe^ü'Pi^i p o 
Dampfes q^ ist somit : beim Passieren des Bodens p^q^ gleich pg 

P7^7 

I oq^.p^r.p^m , . tYu • a- t> a i • v. Pe^Py^ 
-f-Pfi — , bemiUbersprmgen dieses Bodens gleich«« . — . 

^^ p,q,'P,q^'P,q, ^ ^ ^ '^'' Pt^Pi^i 

!Es läßt sich aber leicht zeigen, daß die erste Größe größer als die zweite 
isti). 

Des weiteren sind Behauptungen aufgestellt worden, daß es nicht 
richtig sei, den aufsteigenden Dampf mit dem Phlegma in direkte Be- 
rührung zu bringen, sondern daß es 
sich vielmehr empfehle, das Anwär- 
men der Phlegmen durch den neu 
zuströmenden Dampf ohne solche 
Berührung zu bewerkstelligen^). Die- 
sen Vorschlägen liegt die Annahme 
zugrunde, daß das Phlegma, indem 
es an der niedrig siedenden Kompo- 
nente B ärmer ist als der mit ihm in 
Berührung kommende Dampf , diese 
Komponente aus dem Dampf in 
sich aufnehme und auflöse. Ein 
Blick auf unser Diagramm genügt 
aber, um das Irrtümliche dieser 
Grundannahme klarzulegen. Denn z. B. der vom ersten Boden hinauf - 
strömende Dampf q-^ scheidet bei der Temperatur des Zweiten Bodens 
das Phlegma p^ und den Dampf ^g a^s ; beide — das Phlegma p^ und der 
Dampf q^ — befinden sich mit anderen Worten im Gleichgewichte. 



A 




ß 



Fig. 12. 



/ 1) Statt der Größen ps-^-'"' + p«. niVf^r^y^m ^^^^.V^n^Virr^ lassen 

sich nämlich die Größen p-jO • p-jq-j p^q^ -\-oqi- Pe** • Vi''^ ™^^ P6^ * Vi^ ' Vi9i 
in Vergleich ziehen; nun ist 

PiOp-jqi'Vsifi +oqTPfirpjm =pyqn*PiO'p-jm -{-p^q-jpjop^r -{-oq^'p^fpjm; 

Pen'pjmpTq^ = pjfnpjqipjo + p?»» • ^^7 • pe** 

^Pi^'Piqi'PiO -\-P7fn>'PQr'p^o +P7m-per-og7; 

p^qTpjO'p^r ist aber größer als p^m*pTO'p^r, 

^ 2) Vgl. z. B. das D.R.P. 193216 von Ponomavjew. 



174 Destillation. 

Nun fließen von oben, d. h. vom dritten Boden aus, das Phlegma p^ 
henmter, dieses aber ist an der flüchtigeren Komponente B reicher als 
das Phlegma ^2 > ^^^^ war dieses letztere mit dem Dampfe gg i^a Gleich- 
gewicht, so kann das 5-reichere Phlegma p^ erst recht kein B aus dem 
Dampfe ^g hinauslösen, sondern muß einen Teil der in ihm enthaltenen 
Komponente B an den Dampf ^g abgeben. Die direkte Berührung von 
Dampf und Phlegma ,weit davon, schädlich zu sein, muß also umgekehrt 
als ein die Rektifikation höchst förderndes Moment betrachtet und daher 
möglichst innig gemacht werden. 

Bei allen bisherigen Betrachtungen wurde angenommen, daß das 
Sieden des zu fraktionierenden Gemisches immer mit derselben Ge- 
schwindigkeit geschieht. Ich will nun einige Worte über den Einfluß 
der verschiedenen Destillationsgeschwindigkeit auf den Verlauf des 
Fraktionierungsprozesses sagen. Man hört oft die Meinung aussprechen, 
daß die Rektifikation um so vollständiger ist, je langsamer man de- 
stilliert. In dieser allgemeinen Form ist der Satz entschieden zu weit- 
gehend. Es ist wahr, daß ein gegebener Rektifizierapparat, solange seine 
Wärme unverändert bleibt, nur bei einer bestimmten Geschwindigkeit 
des Siedens gut funktioniert ; diese Geschwindigkeit muß nämlich eine 
solche sein, daß der Dampf bis zu seinem Austritt aus der Kolonne sich 
auf die dem Siedepunkte der Komponente B nahekommende Tem- 
peratur abzukühlen gerade Zeit hat. Läßt man das Gemisch langsamer 
sieden, so fällt die Temperatur innerhalb der Kolonne so stark ab, daß 
ein großer Teil der Komponente B sich verflüssigt und als Phlegma 
in die Blase zurückfließt. Wird umgekehrt schneller destilliert, so ist 
die Abkühlung des Dampfes ungenügend, so daß der Dampf die Kolonne 
mit einer höheren Temperatur und folglich mit einem größeren Gehalt 
an der Komponente A verläßt. Daraus folgt aber nicht, daß man mit 
der gegebenen Kolonne die gewünschte Rektifikation bei einem schnelleren 
Arbeitsgang überhaupt nicht erzielen kann, sondern nur, daß man 
Hand in Hand mit dem Tempo der Destillation auch/die Wärmeisolation 
der Kolonne ändern muß. Für den Erfolg der Dephlegmation ist eben 
— bei gegebener Konstruktion der Kolonne — nur die Verteilung des 
Temperaturgefälles auf verschiedenen Böden maßgebend ; wird — beim 
schnelleren Gang der Destillation — durch stärkere Abkühlung der 
Kolonne dafür gesorgt, daß diese Verteilung unverändert bleibt und 
daß somit die Dämpfe aus der Kolonne mit derselben Temperatur wie 
beim langsamen Arbeitsgange entweichen, so bleiben sowohl der Reinheits- 
grad der rektifizierten Dämpfe wie auch ihre relative Ausbeute (d. h. 
das Verhältnis ihrer Menge zur Menge des gleichzeitig gebildeten Phleg- 
mas) unverändert^) . Eine Benachteiligung der Rektifikation wird erst dann 
eintreten, wenn das Sieden so intensiv wird, daß die Dämpfe durch 
die Phlegmen zu stürmisch passieren oder die Phlegmen nicht Zeit 

1) Dies allerdings unter der Voraussetzung, daß die Geschwindigkeit der 
Dampfbildung aus einem Müssigkeitsgemische auf die Zusammensetzung des 
Mischdampfes keinen Einfluß hat; ob äeses wirklich zutrifft, scheint noch nicht 
untersucht worden zu sein. 



Fraktionierte Destillation. 175 

finden, regelmäßig nach unten abzufließen usw. Es folgt daraus, daß 
die verbreitete Meinung — es sei unter allen Umständen vorteilhaft, 
für eine möglichst gute Wärmeisolation der Kolonne zu sorgen 
— nicht als richtig anerkannt werden kann; sondern daß jeder 
Kolonne und für jeden konkreten Gebrauchsfall ein bestimmtes Opti- 
mum der Wärmeisolation entspricht, bei dem sowohl der Rektifikations- 
grad und relative Ausbeute, wie auch die Ergiebigkeit der Kolonne 
(d. h. die absolute Ausbeute am Rektifikat) ihr Maximum erreichen.* ' 

Um die Besprechung der allgemeinen Theorie der fraktionierten 
Destillation abzuschließen, muß ich noch einige Worte über den Einfluß 
des Vakuums und der Dampfdestillation auf die Fraktionierung sagen. 
Beiden Arbeitsweisen — Fraktionierung im Vakuum, resp. unter Durch- 
leiten von Wasserdampf ^) — ist der wesentliche Umstand gemeinsam, 
daß die Dampfentwicklung des Gemisches bei niedrigerer Temperatur 
als unter gewöhnlichem Atmosphärendruck, resp. ohne Dampfdurchleiten 
geschieht. Die Frage über den Einfluß der genannten Faktoren auf den 
Erfolg der Fraktionierung muß daher zu einer einfacheren zugespitzt 
werden: wie ändert sich die Zusammensetzung des von einem flüssigen 
Gemisch entwickelten Dampfes mit der Temperatur, bei der die Ver- 
dampfung stattfindet. Nur solches Zurückgehen auf den elementaren 
Vorgang der einfachen Verdampfung kann uns eine sichere Antwort 
auf die oben gestellte Frage geben, nicht aber Fraktionierungsversuche 
mit diesem oder jenem Rektifizierapparat. Denn die Leistimg dieser 
hängt, wie wir gesehen haben, von vielen Faktoren ab; mit einem 
Rektifizierapparat und einem bestimmten Flüssigkeitsgemisch kann 
man im Vakuum oder mit Wasserdampf bessere Resultate erzielen 
als unter gewöhnlichen Bedingungen; mit einem anderen Apparat oder 
einem anderen Gemisch wird man zu diametral entgegengesetztem 
Resultat gelangen können. Dieses ist auch die Ursache, warum die 
Untersuchungsergebnisse verschiedener Forscher, die sich mit dieser 
Frage befaßt und sie auf dem Wege der direkten Rektifizienmgsversuche 
behandelt haben*), auseinandergehen. 

Die Frage über den Einfluß der Temperatur der Dampfentwicklung 
auf die Zusammensetzung des Mischdampfes wird theoretisch durch 
folgende thermodynamische Formel von Margules und Wrewski*) 
beantwortet : 



i ^ ^) Es wird vielleicht nicht unnütz sein zu bemerken, daß man bei niedrig 
siedenden Flüssigkeiten, statt Wasserdampf von außen her einzuleiten, flüssiges 
Wasser in die Destillierblase selbst einfüllen und es hier zusammen mit dem öl 
sieden lassen kann. 

' ' ■ 2) So z. B. haben Ubbelohde und Mecklenburg (Engler-Höf ers Erdöl, 
Bd. I, S. 148) beim Fraktionieren eines Gasöls mit und ohne Vakuum wesentlich 
gleiche Resultate erzielt, Hardy imd Bichens (Analyst, 1907, 197) konnten 
dagegen einen günstigen Einfluß des Vakuums beim Fraktionieren eines Gemisches 
von Citral und Limonen konstatieren. Der Einfluß des Wasserdampfes wurde 
von Tichwinsky (Mitt. des Polytechn. zu Kiew 1909) als direkt schädlich, von 
Göltodetz (Zeitschr. f. phys. Chem. 78, 641) als höchst nützlich befunden. 

f] ' 3) Joum. russ. phys. -chem. Ges. 1910, 702. 

/ 



V 



176 Destillation. 

dt'y RT^ 

y = -^ bedeutet hier das Verhältnis der Molekülzahl {n^ der einen 

Substanz zu derjenigen (Wg) der zweiten im Dampfe; L^ die latente 
molekulare Verdampfungswärme der ersten, Lg ^® ^^^ zweiten Sub- 
stanz; Q die Wärme, die beim Vermischen von x Molekülen der ersten 
Substanz mit (1 — x) Molekülen der zweiten entwickelt wird. Nun 
kann diese Wärme beim Vermischen von chemisch nahen Substanzen 

— und mit solchen haben wir es auf unserem Gebiete zu t\m -;— gleich 
Null gesetzt werden. Andererseits wissen wir, daß die molekulare 
Verdampfimgswärme in der Reihe homologer Kohlenwasserstoffe und 
auch in der aufsteigenden Reihe der Erdölfraktionen zunimmt. Be- 
zeichnen wir a'so mit n^ die leichter, mit n^ die schwerer siedende Sub- 

stanz (resp. Erdölfraktion), so muß das Verhältnis — bei steigender 

Temperatur der Verdampfung abnehmen, bei fallender — also bei der 
Destillation in Vakuo, resp. mit Wasserdampf — zunehmen. Mit an- 
deren Worten müssen das Vakuum resp. die Dampf destillation an und 
für sich einen günstigen Einfluß auf die Rektifikation von Erdöldestillaten 
ausüben. Diesen theoretischen Schluß habe ich für die Dampfdestilla- 
tion von Leuchtöl auch experimentell bestätigt gefunden. Als nämlich aus 
einem Leuchtöl ein und derselbe Prozentteil unter Vermeidung jeg- 
licherDephlegmation einmal ohne, das andere Mal mit Wasserdampf 
abgetrieben wurde, erwies sich das zweite Destillat leichter und an 
niedrig siedenden Substanzen reicher als das erste. Ich will aber noch 
einmal ausdrücklich betonen, daß man aus diesen Resultaten nicht den 
Schluß ziehen darf, daß eine gegebene Rektifizierkolonne unter Bei- 
behaltung der übrigen Bedingimgen in Vakuo oder mit Wasserdampf 
besser als sonst arbeiten wird. Es müssen vielmehr für jeden einzelnen 
Eall die Verhältnisse der Wärmeisolation, der Durchlaßfähigkeit der 
Kolonne usw. untersucht werden. 

Um nun zu unserem eigentlichen Gegenstand — Destillation von 
Erdölen und Erdölprodukten — zurückzukehren, muß ich vor allem 
darauf hinweisen, daß von einer echten Rektifizierimg, mit speziellen 
Kolonnen u. dgl. Apparaten, nur in der Fabrikation von Benzinen Ge- 
brauch gemacht wird. Bei der Herstellung der übrigen Erdölprodukte 
wird allerdings aus oben angegebenen Gründen gesucht, die Destillate 
in möglichst engen Fraktionen aufzufangen. Die Rektifikation aber, 
die dabei vor sich geht, geschieht auf primitivste Weise und ist daher 
äußerst mangelhaft. 

Wie wir oben gesehen haben, wird eine wirksame Rektifikation 
durch wiederholtes Aufkochen der Phlegmen bedingt; man kann sagen, 
daß sie um so vollständiger ist, je länger das Destillat in der Kolonne 

— und da es von hier aus ununterbrochen in die Blase zurückfließt — 



Fraktionierte Destillation. 177 

je länger es in der letzteren verweilt. Nun aber wissen wir, wia leicht sich 
die höher siedenden Erdöldestillate durch Erhitzen zersetzen lassen. 
Der nützliche Effekt der Rektifikation würde daher bei den höheren 
Erdölprodukten (bei den meisten Erdölen wohl schon bei höheren 
Kerosinfraktionen) durch den schädlichen Effekt der Hitzezersetzung 
mehr als aufgehoben werden — und dieses ist der Hauptgrund, weshalb 
man bei anderen Erdölprodukten als Benzin auf die echte Rektifikation 
verzichtet. Es bleibt aber noch der — allerdings unvergleichlich weniger 
wirksame — Weg der stufenweisen Kondensation übrig, und die soge- 
nannten Dephlegmatoren der Erdöldestillationsanlagen haben eben 
den Zweck, die Destillatdämpfe, deren Zusammensetzung bei ihrem 
Austritt aus der Destillierblase sehr inhomogen ist, auf ihrem Wege 
zum eigentlichen Kühler durch allmähliche Kondensation in mehrere 
Fraktionen zu scheiden. Diese Kondensate kommen aber nicht in die 
Blase oder in eine Kolonne zurück und treffen nicht mit frischem Dampf 
wieder zusammen, sondern werden entsprechenderweise unter sich 
und mit Kondensaten der Nachbarblasen der Batterie kombiniert und 
ergeben direkt nur noch chemisch zu raffinierende Fabrikate. So z. B. 
wird in Baku das gewöhnliche Kerosindestillat aus Fraktionen vom 
spez. Gew. ca. 0,790 angefangen und bis etwa zum spez. Gew. 0,850 
zusammengestellt, durch deren Vermischen man ein Destillat von ca. 
0,825 erhält. Ein gewisser Austausch der Bestandteile zwischen den 
Phlegmen und Frischdampf ist allerdings auch hier ohne Rückkehr 
der Phlegmen in die Blase möglich, wird zum Teil auch durch ent- 
sprechende Konstruktionen der Dephlegmatoren tatsächlich bewerk- 
stelligt. Näher darauf einzugehen halte ich aber hier nicht für ange- 
bracht. Auch werde ich mich nur mit dem Hinweis darauf begnügen, 
daß die Dephlegmatoren der Erdöldestillationsanlagen zum Teil noch 
die wichtige Aufgabe erfüllen, aus den Destillatdämpfen das vom 
Wasserdampf in Form von äußerst kleinen, hohlen und leichten Bläschen 
mitgerissene Rohöl zmückzuhalten und auszuscheiden. 

Einen teilweisen Ersatz für die bei den Leuchtöl- und höheren 
Destillaten undurchführbare Rektifikation hat man in der sogenannten 
doppelten Destillation gefunden. Ein bei der gewöhnlichen Destillation 
erhaltenes öl („primäres" Destillat) wird einer zweiten Destillation 
unterworfen, wobei man die zuerst übergehenden Fraktionen (sog. 
,, Vorlauf") ausscheidet und nur die in mehr oder weniger engen Grenzen 
destillierenden Kemfraktion zu dem eigentlichen ,, sekundären" 
Produkt vereinigt; die schwersten Anteile bleiben in der Destillierblase 
zurück. Man gewinnt natürlich dadurch ein um so mehr homogenes 
Produkt, in je engeren Grenzen die Fraktionen ausgelesen werden. 
Sehr interessant ist der Einfluß, den die doppelte Destillation auf die 
physikalischen Eigenschaften der öle ausübt. Beim Vermischen zweier 
oder mehrerer öle ist das spezifische Gewicht des Gemisches dem 
arithmetischen Mittelwerte der einzelnen spezifischen Gewichte nahezu 
gleich; die Zähigkeit und noch mehr der Flammpunkt des Gemisches 
sind dagegen immer kleiner, als es sich nach der Mischungsregel berechnen 

Garwitsch. 12 



178 Raffination. 

läßt. Da nun durch die doppelte Destillation eine größere Homogenität 
der Destillate erreicht wird, so hat ein sekundäres Destillat bei gleichem 
spezifischem Gewicht eine größere Zähigkeit und besonders einen höheren 
Flammpunkt als das primäre ; oder, von zwei ölen mit gleicher Zähigkeit 
hat das zweimal destillierte ein kleineres spezifisches Grewicht und einen 
höheren Flammpunkt, als das durch einfache Destillation gewonnene. 
Schließlich sei noch bemerkt, daß auch die sogenannte Konzen- 
tration der öle eine Art der fraktionierten Destillation ist. Der Prozeß 
der Konzentration besteht darin, daß man die flüssigen Fraktionen eines 
Öles abtreibt, bis der Rest die gewünschte Zähigkeit und Flammpunkt 
erlangt hat. Auf diese Weise werden in den Vereinigten Staaten aus 
gewissen asphaltarmen Rohölen sogenannte „reduzierte" Schmieröle 
gewonnen; in den Vereinigten Staaten, Galizien usw. benutzt man den 
Konzentrationsprozeß, um Schmieröle aus sogenannten Paraffinölen 
nach Ausscheidung des Paraffins herzustellen usw. 



B. Raffination. 

Asphalt- xmd Harzstoffe, Sauerstoff-, schwefel- und stickstoffhaltige 
Verbindungen, die in verschiedenen Mengen in allen Erdölen als Be- 
gleiter ihres Hauptbestandteiles — der Kohlenwasserstoffe — auf- 
treten, sowie auch Zersetzimgsprodukte, die sich bei der Destillation 
bilden, — alle diese Körper sind für die weitmeisten Verwendungen 
der Erdölprodukte nicht indifferent, sondern in mehr oder weniger 
hohen Grade schädlich. Die Ausscheidung solcher Stoffe bildet den 
Gegenstand der chemischen Bearbeitung der Erdölprodukte, der sog. 
Raffination. Die Zahl der vorgeschlagenen Raffinationsmethoden ist 
sehr groß ; in der Praxis haben sich nur wenige eingebürgert, und von 
diesen wenigen hat die weitgrößte Bedeutung und Verbreitung die 
Reinigung mit Schwefelsäure und Ätznatron gefunden. 

1. Schwefelsäurereinigung. 

Die Einwirkung der konzentrierten (resp. rauchenden) Schwefel- 
säure auf Erdölprodukte stellt einen der kompliziertesten Vorgänge der 
gesamten chemischen Technik vor. Dieser Umstand macht es begreif- 
lich, daß der Mechanismus der Schwefelsäureraffination, trotzdem der 
Prozeß selbst schon mehrere Jahrzehnte alt ist, noch sehr unvollständig 
und nur in gröbsten Zügen aufgeklärt ist. Um das darüber gesammelte 
Material möglichst systematisch zu sichten, wollen wir vor allem die 
Schicksale der einzelnen Stoffklassen bei der Schwefelsäureraffination 
verfolgen. 

Die beiden wichtigsten Kohlenwasserstoffreihen der Erdöle — 
Paraffine und Naphthene — sind in reinem Zustande gegenüber 
Schwefelsäure sehr resistent und lassen sich bei Temperaturen, bei 
denen gewöhnlich raffiniert wird, weder von konzentrierter, noch von 



Schwef elsäurereinigung. 179 

rauchender Schwefelsäure chemisch angreifen oder in Lösung bringen^). 
Anders aber steht die Sache, wenn diese Kohlenwasserstoffe mit solchen 
Stoffen zusammen auftreten, die ihrerseits von Schwefelsäure an- 
gegriffen oder gelöst werden. Ob unter diesen Umständen Paraffine 
und Naphthene auch chemische Veränderungen mit erleiden, ist aller- 
dings nicht untersucht worden; wohl aber läßt sich nachweisen, daß 
sie dabei in nicht unbedeutenden Mengen von Schwefelsäure gelöst 
werden können. Es spricht dafür folgendes. Nach der Vorschrift 
der russischen Akzisebehörde wird der sog. Asphaltgehalt in den Erdöl- 
produkten in der Weise bestimmt, daß man das öl in doppeltem Volumen 
Benzin auflöst und mit 20 Volumprozenten konzentrierter Schwefel- 
säure schüttelt; die Volumzunahme der Schwefelsäure g It als Maß für 
den Asphaltgehalt des Öls. Nun habe ich gefunden, daß manche öl- 
rückstände bei solcher Bestimmung über lOO^o Asphaltgehalt zeigen, 
daß aber andererseits beim Abdampfen von Benzin aus der mit Säure 
behandelten Lösung stets viel mehr öl zurückbleibt, als es nach Abzug 
der von Schwefelsäure absorbierten Menge „Asphalt" bleiben sollte; 
so z. B. betrug die Volumabnahme einer Lösung von 60 ccm ölgoudron 
in 100 ccm Benzin nach Behandlung mit 10 ccm Schwefelsäure 28 ccm; 
als n\m Benzin aus der Benzinlösung abgetrieben wurde, hinterblieben 
nicht 22 ccm öl, sondern 36 ccm ; dieses kann nur dadurch erklärt werden, 
daß Schwefelsäure nicht allein Bestandteile des ölgoudrons, sondern 
auch noch 14 ccm Benzin in sich aufgenommen hatte; und in der Tat 
konnten aus dem Schwefelsäureteer, nach Verdünnen mit Wasser 
und Neutralisation mit Natronlauge, ca. 14 ccm Benzin abgetrieben 
werden. Ähnliches findet man, wenn man statt Benzin gereinigtes 
Kerosin nimmt; für sich aber lassen sich weder Benzin, noch Kerosin 
(ich spreche von gereinigten Balachanschen, wesentlich aus Paraffinen 
und Naphthenen bestehenden Produkten) in Schwefelsäure merklich 
lösen. Im Baffinationsprozeß, wo viel kleinere Mengen Schwefelsäure 
genommen werden, ist die Mitauflösung der Paraffine und Naphthene 
natürlich viel schwächer; daß sie aber in gewissem Grade stattfindet, 
ist nach dem Gesagten mehr als wahrscheinlich. Es ist übrigens anzu- 
nehmen, daß hierbei nicht eine gewöhnliche Auf lösimg der Kohlenwasser- 

1) Beim Erwärmen mit rauchender Schwef elsäm-e am Rückflußkühler hat 
dagegen Wor stall (Amer. ehem. Joum. 1898, 23, 654) aus n-Hexan, n-Heptan 
und n-Oktan bis 30 — 40 ^/o entsprechender Sulfosäuren erhalten. Naphthene 
sollen nach Markownikow (Joum. russ. phys.-chem. Ges. 1892, 141) mit rauchen- 
der Schwefelsäure, unter gleichzeitiger Oxydation und Sulfonierung, entsprechende 
aromatische Sulfosäuren ergeben; da aber diese letzteren nur in kleinen Aus- 
beuten erhalten wurden, ist es nicht ausgeschlossen, daß sie von den bereits ur- 
sprünglich beigemischt gewesenen aromatischen Kohlenwasserstoffen stammten. 
Ganz neuerdings (Chem.-Ztg. 1912, 872) verööentlichte Mc Kee eine Beobachtung, 
daß bei sehr starkem Rühren (900 Umdrehungen pro Min.) Paraffinkohlenwasser- 
stoffe (der bei ca. 200® C siedende Teil des „gewöhnlichen", also wohl pennsyl- 
vanischen, Kerosins) schon bei Zimmertemperatur und mit gewöhnhoher Schwefel- 
säure unter Bildung von Disulfosäuren teilweise angegriffen werden. Es wäre 
höchst interessant, diese Angabe, unter strenger Identifizierung des Ausgangs, 
materials, nachzuprüfen. 

12* 



\gQ Haffination. 

Stoffe in Schwefelsaure, sondern eine Aufnahme des Öles, resp. des Ben- 
zins, durch den halbfesten Säureteer^) stattfmdet, wobei dieser, als ein 
kolloidaler Stoff, aufquillt. Das Mitauflösen von an sich in Schwefei- 
saiure unlöslichen Kohlenwasserstoffen findet auch in Gegenwart von 
Naphthensauren statt, die ihrerseits mit konzentrierter Schwefelsaure 
in jedem Verhältnis mischbar sind. 

Die aromatischen Kohlenwasserstoffe werden bekanntlich von 
konzentrierter Schwefelsäure bei gewöhnlicher Temperatur selbst in 
reinem Zustande so langsam angegriffen, daß ihre Sulfoniemng bei 
gewöhnlichem Raffinationsprozeß, wenigstens was die niederen Glieder 
der Gruppe betrifft, nur ganz unbedeutend sein kann. Die Sulfosäiuren, 
die bei der Raffination von Erdöldestillaten mit gemäßigten Mengen 
konzentrierter Schwefelsäiure bei gewöhnlicher oder wenig erhöhter 
Temperatur — und dies ist ja eben die gewöhnliche Arbeitsweise — 
entstehen, haben somit höchstwahrscheinlich einen anderen Ursprung, 
als aus den eigentlichen aromatischen Kohlenwasserstoffen; und in der 
Tat konnte Hausmann^) durch Verschmelzen solcher Sulfosäuren 
aus galizischem Kerosindestillat mit Ätznatron und Ätzkali keiae oder 
fast keiae Phenole erhalten. Auch ist nicht zu vergessen, daß die ge- 
wöhnlich als „Sulfosäuren'^ bezeichneten wasserlöslichen Reaktions- 
produkte der gewöhnlichen Schwefelsäure auf Erdöldestillate wohl 
zum größten Teil aus bald zu besprechenden Ätherschwefelsäuren 
bestehen*). 

Ganz anders ist es, wenn man die Erdöldestillate, wie es in vielen 
speziellen Fällen geschieht, mit rauchender Schwefelsäure oder gar mit 
solcher Säure bei höherer Temperatur behandelt. Der Säureteer nach 
solcher Behandlung besteht zum größten Teil aus verschiedenen Sulfo- 
säuren, und in dem Rohgemisch der Sulfosäiu^n lassen sich viele Säuren 
der aromatischen Kohlenwasserstofife auff laden. Edeleanu und 
Gane*) haben bei der Behandlung verschiedener Fraktionen des 
Bustenari-Kerosins mit 12^0 rauchender Schwefelsäure bei 80® Verluste 
an raffinierten ölen von 6,23 bis 10,96, durchschnittlich von TjöSy^, ge- 
funden. Durch Destillation der Säureteere mit überhitztem Wasser- 
dampf ließen sich dann durchschnittlich 4,6®/q aromatischer Kohlen- 
wasserstoffe (Xylol, Mesitylen, Pseudokumol, auch Kohlenwasserstoffe 
unbekannter Struktur, wie Gi^Kiq, C12H18, CgH^Q, C^^'K^^ ^^^^ CJi2Hi4) 
wiedergewinnen. Der Betrag der aromatischen Kohlenwasserstoöe war 
in den Teeren der verschiedenen Fraktionen verschieden; aus den Mittel- 
fraktionen ließen sich bis 86^0 ^^^ ^^n Schwefelsäure aufgenommenen 

1) Bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf Erdölprodukte nixumö sie aus 
diesen verschiedene Bestandteile in sich auf, verdickt sich dabei mehr oder weniger 
stark und bildet das. was man Säureteer nennt. 

2) Petroleum 6, 2301; auch Pilat und Starkel, ibid. 2177. 

*) Interessant sind die Beobachtungen von Kraemer und Spilker (Berichte 
1890, 3169) und Brochet (Bull. Soc. Chim. I8989 687), wonach sich aromatische 
Kohlenwasserstoffe mit den eine Doppelbindung enthaltenden in G^enwart 
von S0.|H2 kondensieren lassen. 

*) Monit. roum. 1908, 493. 



Schwefelsäurereinigung. 131 

Stoffe als aromatische Kohlenwasserstoffe wiedergewinnen, aus der 
höchsten (258 bis 292®) Fraktion dagegen nur 10,6^0» während das 
übrige, unter reichlicher SOg-Entwicklung, eine vollständige Zersetzung 
erlitt. Durch Überführung der Sulfosäuren in Chloride und Suifamide 
ließ sich nachweisen, daß im Säureteer auch Disulfosäuren (z. B. m-Xylol- 
disulfosäure) enthalten waren. 

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe sind wohl diejenigen, die beim 
Baffinationsprozeß von der Schwefelsäure am meisten angemiffen wer- 
den. Vor allem kommen hier zwei Wirkungen in Betracht ^1. Bildung 
von Ätherschwefelsäuren, resp. von neutralen Schwefelsäiureestem, 
durch Anlagerung der Schwefelsäure an Doppelbindungen unc^ 2. Poly- 
merisation. Höchstwahrscheinlich sind es auch vorzugsweise die un- 
gesättigten Verbindungen, die der oxydativen Wirkung der Schwefel- 
säure am leichtesten anheimfallen. Was die Bildung von Ätherschwefel- 
säuren und Schwefelsäureestem betrifft, so geschieht sie nach den 
bekannten Schemata: 

1 . >C = C< + H2SO4 = >CH— C— • SO3H ; 



I I 
OC— CH 

2. 2>C = C< + H3S04 = S02/ I p 

\0C— CH 

1 I 

L Die Ätherschwefelsäuren und neutrale Schwefelsäureester sind 
bekanntlich wenig beständig und zerfallen beim Kochen mit Wasser 
in betr. Alkohole und Schwefelsäure. . Solchen Zerfall hat Markow- 
nikow bei der Untersuchung eines Säureteers konstatiert, der aus der 
Fraktion 220 bis 230® des Balachanschen Erdöls erhalten wurde; 
nach Versetzen des Säureteers mit großem Überschuß von Wasser ließ 
sich beim Destillieren mit Wasserdampf ein gelbliches, in Wasser un- 
lösliches, in Alkohol leicht lösliches, stark nach Kampfer riechendes 
öl abtreiben; das öl bestand aus 81,787o C, ll,36Vo H und 6,86Vo 0, 
was ziemlich nahe der Formel Ct^^Bl^J} entspricht, und wurde von 
Markownikow als ein tertiärer Alkohol aufgefaßt^). Die Ätherschwefel- 
säuren und neutrale Ester gehen zum größten Teil in den Säureteer 
über, ein kleiner Bruchteil aber bleibt im raffinierten öl gelöst und wird 
darin so hartnäckig zurückgehalten, daß selbst sehr gut raffinierte und 
mit Natronlauge wiederholt ausgewaschene öle von diesen Säuren, 
resp. Estern, nicht frei sind. Die Anwesenheit dieser Verbindungen 
in raffinierten Kerosinen wurde zum erstenmal von F. Heußler und 
M. Dennstedt*) durch Erwärmen mit Anilin nachgewiesen; es findet 
dabei Abspaltung von Schwefelsäure in Form von Anilinfulfat statt. 



1) Nach einer Privatmitteilung von Tischwinsky entstehen bei der Be- 
handlung des Säureteers mit Wasserdampf auch Ketone. 

2) Zeitsohr. f. angew. Chem. 1904, 264. 



1 82 Raffination. 

Der Gehalt an Schwefelsäurederivaten in raffinierten Erdölprodukten 
steigt mit dem Molekulargewicht der letzteren; es wurden z. B. in gut 
raffinierten Produkten der Firma Nobel folgende relative Mengen 
dieser Verbindungen (in SO3 ausgedrückt) gefunden: 

Kerosin 0,0068Vo 

Maschinenöl 0,02160/o 

Zylinderöl 0,02887o 

Besonders groß aber ist der Glehalt an Schwefelsäureestem in den raffi- 
nierten Produkten der Krakingdestillation, da gekrakte Destillate, wie 
wir gesehen haben, an Olefinen und anderen ungesättigten Kohlen- 
wasserstoffen sehr reich sind. In amerikanischen gekrakten' Kerosinen 
konnte daher seinerzeit Vohl^) bis 3,1^0 Schwefelsäure (höchstwahr- 
scheinlich in Form von Estern) nachweisen. 

Die polymerisierende Wirkung der Schwefelsäure auf ungesättigte 
Erdölkohlenwasserstoffe ist direkt sehr wenig untersucht worden und 
muß eigentlich nur aus dem allgemeinen Verhalten der ungesättigten 
Verbindungen gegenüber Schwefelsäure gefolgert werden. Als Indizien 
für solche Wirkung können auch einzelne Beobachtungen über Verände- 
rungen der spezifischen Gewichte der Erdöldestillate bei Einwirkung 
von Schwefelsäure betrachtet werden; so z. B. fand Markownikow, 
daß das spezifische Gewicht eines DestUlates nach längerem Mischen 
mit Schwefelsäure von 0,7950 auf 0,7960 stieg; eine ähnliche Beobach- 
tung machte Lissenko^) an einem Kerosin, das über Nacht in Be- 
rührung mit Schwefelsäure gestanden hat. Da Schwefelsäure bei der 
Einwirkung auf Erdölprodukte hauptsächlich die schwereren Bestand- 
teile in sich aufnimmt, so ist die wahrscheinlichste Erklärung für solche 
Zunahme des spezifischen Gewichtes die, daß eine Polymerisation von 
ungesättigten Kohlenwasserssoffen, unter Bildung von schwereren, in 
Schwefelsäure unlöslichen Körpern, stattgefunden hat. Diese Annahme 
wird auch dadurch gestützt, daß man bei der Raffination der durch Kra- 
king erhaltenen, also an ungesättigten Kohlenwasserstoffen reichen 
Kerosine eine ganz bedeutende Zunahme des spezifischen Gewichts 
(z. B. von 0,815 auf 0,820) beobachtet hat^). Zaloziecki*) schreibt 
der polymerisierenden Wirkung der Schwefelsäure einö große Be- 
deutung für die sog. ,, Vorreinigung" des Erdöls zu; nach seiner Mei- 
nung soll nämlich die Behandlung des Rohöls mit Schwefelsäure vor 
der Destillation für die Schmierölgewinnung sehr nützlich sein, weil 
„ein ansehnlicher Teü der sonst zu Schmierzwecken untauglichen Pro- 
drukten in schwerere viskose Produkte durch Polymerisation übergeführt 
wird und ebenso zweifellos ein Teil der ursprünglich als leichtere Schmier- 
öldestillate erhaltenen Kohlenwasserstoffe eine Kondensation in dem- 
selben Sinne erfährt'' ; durch Säurebehandlung der Rohöle soll man somit 

1) Dinglers Journ. 1875, 216, 47. 

2) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1896, Nr. 1. 

») Semjenow, Technitscheski Sbomik 1898, 169. 
*) Zeitschr. f. angew. Chem. 1897, 590. 



Schwefelsäurereinigung. J g3 

bei der Destillation mehr Maschinen- und Zylinderöle auf Kosten der 
leichteren Solaröle erhalten. Diese Ansicht will Zaloziecki durch 
folgende Versuche stützen; es wurden einerseits ursprüngliche, anderer- 
seits mit gleichem Volumen konzentrierter Schwefelsäure vorbehandelte 
Rohöle im Englerschen Kolben fraktioniert imd die bis 300® über- 
gehenden Fraktionen gesammelt; es erwies sich nun, daß die Mengen 
dieser Fraktionen fast in allen mit Säure behandelten Rohölen kleiner 
ausfielen, als es dem Grehalt an diesen Fraktionen in den ursprüng- 
lichen Rohölen entsprach; so z. B. destillierten aus dem Balachany- 
Rohöl bis 300® 35®/o über, die Abnahme bei der Schwefelsäurebehand- 
lung war 26,2®/q; der Gehalt an bis 300® siedenden Fraktionen im ge- 

reinigten Rohöl sollte somit = 46,95®/o betragen, es wurden aber 

nur 37,37®/o erhalten; die fehlenden 9,58®/o haben eben nach Zalo- 
zieckis Meinung eine Polymerisation zu höher siedenden Verbindungen 
erfahren. Ähnliche Resultate wurden auch mit mehreren anderen Roh- 
ölen erhalten. Diese Versuche sind gewiß sehr interessant, und es ist 
zu bedauern, daß sie nicht weiter verfolgt und vertieft wurden; gegen 
Zalozieckis Schlußfolgerungen läßt sich allerdings manches ein- 
wenden. Vor allem sind auch in den bis 300® siedenden Fraktionen des 
ursprünglichen Rohöls ungesättigte u. dgl. Bestandteile enthalten, die 
von konzentrierter Schwefelsäure angegriffen und ganz weggelöst 
werden, dann nimmt der Säureteer, wie oben gezeigt wurde, auch leicht- 
siedende Paraffine und Naphthene in ziemlich großen Mengen unver- 
ändert in sich auf ; schließlich läßt sich in den bis 300® ohne Zersetzung 
abdestillierten Erdöldestillaten eine so weitgehende Polymerisation, 
wie es den Zaloziecki sehen Resultaten entsprechen würde, auch im 
entfernten nicht nachweisen. 

Die Wirkung der Schwefelsäure auf Harz- und Asphaltstoffe 
der Erdöle wird auf zweierlei Weise gedeutet. Nach einer — wohl der 
verbreitetsten — Annahme ist die Reaktion polymerisierender Natur; 
nach der anderen soll man es hier nicht mit gewöhnlicher chemischer, 
sondern mit physikalisch-chemischer Wirkung der Ausflockung von 
kolloid gelösten Stoffen, resp. deren Adsorption durch Schwefelsäure, 
zu tun haben. Diese letztere Ansicht ist neuerdings besonders eingehend 
von F. Schulz^) verteidigt worden. Als Hauptstütze für die Adsorp- 
tionstheorie führt Schulz den Umstand an, daß die Abnahme des 
Asphaltgehalts eines von ihm untersuchten galizischen Kerosindestil- 
lates bei Behandlung mit verschiedenen Mengen Schwefelsäure nach 
einer Gleichung: 

Cp = 0,0267 C8®>*®ö 

vor sich ging (Cp bedeutet hier die Konzentration der Asphaltstoffe 
im Kerosin, C» in der Säure; der relative Gehalt an Asphaltstoffen 
im Destillat nach Reinigung mit verschiedenen Mengen Schwefelsäiu'e 
wurde kolorimetrisch ermittelt, in der Annahme, daß die Konzentration 

1) Petroleum 5, Nr. 4 und 8. 



1 34 Raffination. 

der Asphaltstoffe dem Färbungsgrad des Destillats direkt proportional 
ist). Da diese Gleichung mit der sog. Adsorptionsisotherme ^) zusammen- 
fällt, glaubt Schulz daraus schließen zu müssen, daß auch die Wirkung 
der Schwefelsäure auf Asplialtstoffe der Erdöle einen Adsorptions- 
vorgang vorstellt, bei dem die Oberflächenwirkungen den entscheidenden 
Einfluß haben. Dafür soll auch der Umstand sprechen, daß ,,die Raf- 
fination der Mineralöle mit Schwefelsäure zu einem Gleichgewichts- 
zustand führt, der nach beiden Richtungen hin verschiebbar ist. Das 
Destillat, das bereits einmal raffiniert wurde, kann durch die Behand- 
lung mit einer neuen Menge Schwefelsäure wiederum von den vorhan- 
denen kolloid gelösten Asphaltstoffen teilweise befreit werden. Eben- 
falls kann die Schwefelsäure, die beim Schütteln mit einer Probe von 
Destillat aus diesem keine Asphaltstoffe mehr aufnimmt, beim Ver- 
mischen mit einer neuen Probe desselben Destillates immer neue und 
neue Mengen der Kolloide aufnehmen. . . . Verdünnt man die mit Asphalt- 
stoffen beladene, mit dem Destillat im Gleichgewicht stehende Säure mit 
Wasser, so löst sich ein Teil der Asphaltstoffe im Destillate zurück, bis 
das der neuen Konzentration der Säure entsprechende Gleichgewicht ein- 
tritt". Diesen Ausführungen Schulzs muß folgendes entgegengehalten 
werden. Die Tatsache, daß ein mit bestimmter Menge Schwefelsäure 
behandeltes Destillat bei Einwirkung . neuer Portionen frischer Säure 
weiter gereinigt wird, sowie daß der Säureteer von der Heinigung eines 
Destillates beim Zusammenbringen mit frischen Portionen desselben 
Destillats neue Mengen Asphalt in sich aufnimmt, ist kein Beweis 
für den Adsorptionscharakter der Reaktion, da diese Erscheinimgen 
sowohl bei einfacher Lösungsverteilung der Asphalte zwischen Destillat 
und Säure, wie auch bei einer chemischen Wirkung der Säure auf As- 
phalte sich zeigen müßten, resp. könnten. Die Beobachtung von Schulz, 
daß der Säureteer beim Verdünnen mit Wasser und Schütteln mit dem 
Destillat, aus dem er stammt, an diesen einen Teil der aufgenommenen 
Asphalte wieder abgibt, so daß derselbe Reinigungseffekt sich einstellt, 
der der neuen Konzentration der Säure von vornherein entsprechen 
würde, ist gewiß sehr interessant, ist aber erstens wiederum kein Beweis 
für die Adsorptionswirkung und bedarf andererseits weiterer Prüf img 
und Bestätigung,'" an russischen Kerosin- und Solaröl-Destillaten konnte 
ich eine derartige Erscheinung nicht beobachten ; vielmehr war die Farbe 
eines Destillates nach der einfachen Behandlimg mit SO^o^g®' Schwefel- 
säure jedesmal heller als nach der Reinigung mit der entsprechenden 
Menge Oö^^iger Säure, entsprechendem Verdünnen des Säureteers mit 
Wasser und Schütteln des Destillates mit dem verdünnten Teer. Was 
schließlich die Schulz sehe Gleichung betrifft, so kann auch diese für 
die Erkermtnis des Wesens des Säurereinigungsprozesses nicht als 
ausschlaggebend betrachtet werden; sie müßte z. B. auch für den Fall 
gelten, daß es sich um einfache Lösungsverteilung des Asphalts zwischen 
Destillat und Säure, unter Verdoppelung der Asphaltmoleküle in der 



) Über die Adsorptionsisotherme vgl. weiter im Kapitel über die Adsorption. 



Schwefelsäurereinigung. 185 

Säurelösting, handeln würde; auch ist die Gültigkeit der Gleichung 
nur an einem Destillat geprüft worden, was für die Entscheidung der 
Frage doch kaum ausreicht. 

Wenn somit die Adsorptionstheorie in Schulzs Versuchen keine 
stichhaltende Beweise für sich finden kann, so spricht eine Reihe Tat- 
sachen direkt gegen sie und für wesentlich chemische Natur des Raöi- 
nations Vorganges. Vor allem der hohe Gehalt des aus dem Säureteer 
isolierten Goudrons^) an Schwefel; in dieser Richtung sind die von 
Condrea^) mitgeteilten Zahlen sehr lehrreich; bei der Säurebehand- 
lung von drei rumänischen schwefelarmen Destillaten (vom spez. 
Gewicht 0,8225; 0,8655 und 0,9152) erhielt er 0,12^^, resp. 1,07 V<> 
und 13,330/0 Säureteer mit 12,35Vo, resp. 17,80Vo ^nd 26,5Vo Goudron- 
gehalt; der Schwefelgehalt dieser Goudrone war 6,75^0, resp. 8,95 ®/^^ 
und 9,00^0 5 zieht man aber den Schwefelgehalt der Destillate vor und 
nach der Säurebehandlung in Betracht (vor der Raffination: 0,0022; 
0,0032 und 0,0041 Vo S; nach der Raffination: 0,0012; 0,0014 und 
0,0020Vo) ^^^^d macht selbst die gewiß übertriebene Annahme, daß die 
ganze aus den Destillaten durch Säure weggeschaffte Menge Schwefel 
sich in Goudronen konzentriert hat, so könnte diese nur 1,12^0, resp. 
0,95 und 0,06^/0 Schwefel enthalten. Die Goudrone können somit 
unmöglich aus den Asphaltstoffen der Rohdestillate durch einfache 
Adsorption entstanden sein, sondern stellen Produkte der chemischen 
Wechselwirkung zwischen Asphaltstoffen^) und Säure vor, wobei 
der Schwefel der letzteren von den organischen Molekülen aufgenommen 
wurde. 

Der wesentlich chemische Charakter der Einwirkung von Schwefel- 
säure auf Asphaltstoffe wird weiter durch bedeutende Abnahme der 
freien Säure während des Raffinationsprozesses bewiesen. Bei der üb- 
lichen Arbeitsweise, wo man zur Erzielung eines guten Raffinations- 
effektes gezwungen ist, relativ große Mengen Säure zu nehmen, bleibt 
allerdings ein großer Teil dieser chemisch unverändert und dient zum 
Binden des durch chemische Vorgänge der Sulfonierung, Oxydation und 
Polymerisation freiwerdenden Wassers, sowie zum Auflösen der Poly- 
merisations- u. dgl. Produkte. Immerhin läßt sich z. B. aus den Be* 
triebsdaten der Nobe Ischen Fabrik berechnen, daß bei der Raffination 
von Kerosin (mit ca. 0,35®/o SO4H2) etwa 25^0, bei der Raffination von 
Maschinenöl (mit ca. 3^0 SO4H2) etwa 45^0 ^©r in Arbeit genommenen 
Schwefelsäure als solche verschwinden, d. h. sich chemisch betätigen. 
Nimmt man aber weniger Säure, so findet man, daß dieser chemisch 
tätige Anteil noch bedeutend größer ist. So z. B. habe ich bei der Behand- 
lung von Maschinenöldestillat mit 0,0915^0 Schwefelsäure (94,0®/ o^g) 



1) Als Säuregoudron bezeichnet man den organischen Teil des Säureteers, 
der sich beim Verdünnen des letzteren mit Wasser ausscheidet und von Schwefel- 
säure ausgewaschen worden ist. 

2) Rev. pötr. 1911, 61. 

3) Höchstwahrscheinlich sind an dieser Bildung von schwefelhaltigen Gou- 
dronen auch hochmolekulare ungesättigte Kohlenwasserstoffe beteiligt. 



1 86 Raffination. 

gefunden, daß nur 17,l®/o derselben unverändert geblieben waren, also 
82,9^0 an verschiedenen, rein chemischen Reaktionen teilgenommen ha- 
ben. Natürlich hängt der Grad der chemischen Ausnutzung der Schwefel- 
säure nicht nur von ihrer Menge, sondern auch vom Gehalt des be- 
handelten Öles an Asphalt- u. dgl. reaktionsfähigen Stoffen ab; so z. B. 
habe ich nach der Behandlung eines ölgoudrons mit lOyo Schwefelsäure 
nur 30,7yo dieser in freier Form wiederfiaden können, das übrige hat 
sich chemisch betätigt. 

Auch die Entwicklung der Schwefligsäure während des Raffi- 
nationsprozesses beweist, daß dabei rein chemische oxydative Reaktionen 
stattfinden. Bei manchen ölen kann diese Entwicklung einen recht 
hohen Betrag erreichen; so z. B. fand Condrea bei der Behandlung 
eines Bustenari-Kerosindestillats mit ^^1 ^ Schwefelsäure (97,5yQ 
SO4H2) bei 15® C und Luftmischung ca. 0,4 g SO2 pro 1 Liter öl. Bei 
der Raffination anderer, z. B. russischer, öle ist allerdings die Bildung 
von Schwefligsäiu« bedeutend schwächer. 

Dieselben Eiawände, wie gegen die Adsorptionshypothese, lassen 
sich auch gegen die z. B. von übbelohde^) ausgesprochene Annahme 
richten, daß die Wirkung der Schwefelsäure auf Asphaltstoffe der Erd- 
öle in der Ausflockung der kolloidal gelösten Teilchen bestehe. Mit 
dieser Annahme sind noch einige weitere Tatsachen schwer vereinbar, 
so z. B. der große Einfluß der Menge und der Konzentration der Säure 
auf den Reaktionsverlauf. Auch habe ich beobachtet, daß, wenn man 
ein asphaltreiches Rohprodukt mit kleiaen Mengen konzentrierter 
Schwefelsäure behandelt, nahezu gar keine Ausscheidung von Säureteer 
stattfindet, sondern umgekehrt die Säure vom öl sich auflösen läßt. 
So z. B. wurden 100 g neutralen ölgoudrons, mit gleichem Volumen 
Benzin verdünnt, bei gewöhnlicher Temperatur mit 2,36 g Schwefel- 
säure 1,84 (= ca. 2,24 g SO4H2) behandelt und über Nacht stehen 
gelassen; es zeigte sich nun nach dieser Zeit nur eine ganz unbedeutende 
Ausscheidimg, während der Säuregrad des ganz klaren Öles einem Ge- 
halte von 2,03 g SO4H2 entsprach. Nach Ausschütteln des Öles mit 
heißem Wasser ließen sich 1,29 g SO4H2 als Bariumsulfat ausfällen; 
dieser Teil der Schwefelsäure war also vom öl in Form von lockeren 
Estern aufgenommen, während der Rest entweder echte Sulfosäuren oder 
beständigere Ätherschwefelsäuren gebüdet hat. Von einer Ausflockung 
konnte aber hier natürlich keine Rede sein. 

Der wesentlich chemische Charakter der Wirkung von konzentrierter 
Schwefelsäure auf Asphaltstoffe und hochmolekulare ungesättigte Ver- 
bindungen der Erdöle kann somit als bewiesen betrachtet werden. 
Es stellt sich nun die Frage auf, welcher Art diese chemische Wechsel- 
wirkung ist. Im allgemeinen wird sie als Polymerisation bezeichnet; 
da man aber sonst unter dieser Bezeichnimg solche Reaktionen versteht, 
bei denen nur eine Verschmelzung von zwei oder mehreren Molekülen 
einer Substanz zu größeren Molekülen stattfindet, in unserem Falle 



1) Petroleum 4, 1395. 



Schwefelsäurereinigung. 187 

dagegen die Asphaltmoleküle auch noch Schwefel in sich aufnehmen, 
so ist die übliche Bezeichnung jedenfalls nicht korrekt. Eine bedeutende 
Zunahme des mittleren Molekulargewichtes scheint allerdings bei der 
Einwirkung von Schwefelsäure auf Asphaltstoffe stattzufinden; so 
z. B. hatte ein von Condrea aus einem rumänischen Destillat mittels 
Hydrosilikat in Menge von 0,035^0 ausgezogener Asphalt ein mittleres 
Molekulargewicht 345,5; das Molekulargewicht des aus demselben De- 
stillat stammenden, aus dem Säureteer isolierten Groudrons war dagegen 
495,3, obwohl die Menge dieses Goudrons (0,157®/ o) bedeutend größer 
war, als die des ersten Asphalts, und an seiner Bildung somit höchst- 
wahrscheinlich auch noch weniger hochmolekulare Stoffe teilgenommen 
haben. 

Sauerstoff Verbindungen — Naphthensäuren und phenolartige 
Körper, die sich an und für sich von Schwefelsäure sehr leicht auf- 
nehmen lassen, werden beim Raffinieren der Erdölprodukte — da 
sie darin nur in kleinen Mengen enthalten sind — verhältnismäßig 
wenig angegriffen ; ein kleiner Teil von Naphthensäuren geht, wie es 
scheint, ohne chemische Veränderung in den Säureteer über ; ein anderer 
Teü und Phenole werden wahrscheinlich dabei sulfoniert. Aus dem 
Säureteer der Kerosinreinigung wnrden Naphthensäuren zum ersten- 
mal von Zaloziecki^) durch Destillation des gut ausgewaschenen 
Teeres mit Wasserdampf und Ausziehen des Destillats mit Natronlauge 
isoliert und durch Überführung in Salze und Ester mit gewöhnlichen 
Naphthensäuren identifiziert. Der beim Raffinieren in den Säureteer 
übergehende Teil der Naphthensäuren ist immerhin klein ; bei der Unter- 
suchung des Raffinationsvorganges an rumänischen ölen fand Condrea 
folgendes. Der Säureteer wurde mit Wasser verdünnt, die Goudron- 
schicht nach gutem Abstehen bis zum Verschwinden der Schwefel- 
säurereaktion mit Wasser gewaschen, in Äther aufgenommen, mit 
Chlorkalium getrocknet und in Vakuum eingedampft; in solchen 
wasserfreien Groudronen wurde der Gehalt an Naphthensäuren durch 
Titration, unter Zugrundelegen der Säurezahlen der ursprünglichen 
Naphthensäuren der entsprechenden Destillate, bestimmt und folgende 
Werte gefunden: 

im Goudron des Destillates (spez. Gew. 0,8225) 3,132^0 Naphthensäuren. 
„ „ „ „ ( „ „ 0,8655)4,375 „ „ 

( „ „ 0,9152)6,682 „ 

Auf Destillate umgerechnet, gibt dies folgende Werte für aufgelöste 
Naphthensäuren : 

aus dem Destülat 0,8225 0,00276Vo 

0,8655 0,0083 
0,9152 0,235 

Leider ist der ursprüngliche Säuregehalt der Destillate nicht ange- 
geben, so daß man nicht weiß, welcher Bruchteil der Naphthensäuren 

1) Chem.-Ztg. 1892, 905. 



„ „ „ 0,9152 0,235 „ 



188 



Raffination. 



bei der Raffination in Lösung ging; jedenfalls ist er bei den ersten 
zwei Destillaten (die mit 0,5yo, resp. 0,6Vo SO4H2 raffiniert wurden) 
sehr klein und nur beim dritten, schweren Destillat, das mit 6^/0 SO4H2 
gereinigt wurde, erreicht er einen ziemlich hohen Wert. 

Schwefelverbindungen gehen bei der Raffination der Erdöl- 
produkte nur zum Teil in Schwefelsäure über; die Mannigfaltigkeit der 
in Erdölen vorkommenden Schwefelverbindungen macht es begreifHch, 
daß die Entschwefelung bei der üblichen Rafifination in verschiedenen 
Fällen verschieden weit vor sich geht; für schwefelarme Destillate von 
Bustenari fand Condrea: 



Destillat 0,8225 
0,8656 
0,9152 



vor Raffination 

0,00220/0 s 

0,0032,, „ 
0,0041,, „ 



nach Raffination mit 

0,0012 Vo S 0,50/0 SO4HJ 

0,0014,, „ 0,6 „ „ 

0,0020,, „ 6,0 „ „ 



In den von Mabery und Smith ^) untersuchten schwefelreichen 
Destillaten von Ohio mit 0,51 ^/o S war der Schwefelgehalt nach zwei- 
inaliger Behandlung mit Schwefelsäure immer noch 0,13o/o- Robinson^) 
fand, daß gewisse Schwefelverbindungen des Lima-Petroleums, die in 
gewöhnlicher konzentrierter Schwefelsäure unlöslich sind, sich durch 
98yoige Säure ausscheiden lassen; es soll auf diese Weise möglich sein, 
den Schwefelgehalt von 0,346^0 *^ 0,050/o zu bringen. Im allgemeinen 
aber erfordert die Raffination schwefelreicher Erdölprodukte andere 
Reagenzien als Schwefelsäure. 

Was das Schicksal der von Schwefelsäure aufgenommenen Schwefel- 
verbindungen betrifft, so ist darüber so gut wie gar nichts bekannt. 
Condrea beobachtete beim Verdünnen des Säureteers vom Bustenari- 
Kerosin mit Wasser reichliche Gasentwicklung ; durch Abkühlung dieses 
Gases in Peligot-Vorlagen wurde eine gelbe Kristallmasse (0,16^^ 
vom Säureteer) erhalten, die zu einer gelben Flüssigkeit von unerträg- 
lichem scharfen Geruch zusammenschmolz ; die Flüssigkeit war löslich 
in Benzin, Alkohol, Äther u. dgl. und gab Fällungen mit alkoholischem 
Quecksilberchlorid und Bleiazetat; bei der Erwärmung der Flüssigkeit 
schieden sich im Dampfraum und Kühler reichliche Mengen Schwefel 
aus, und große Mengen Schwefelwasserstoff strömten aus dem Kühler; 
es scheint somit, daß hier ein Gemisch von Sulfiden und Sulfonen vor- 
lag, welch letztere sich durch Oxydation von Sulphiden gebildet haben 
konnten. 



Nachdem wir uns nun mit dem Mechanismus der Schwefelsäure- 
raffination, soweit es eben beim jetztigen Stande unserer Kenntnisse 
möglich ist, bekannt gemacht haben, will ich den Einfluß verschiedener 
Faktoren auf den quantitativen Verlauf dieses Vorganges besprechen. 

1. Menge der Schwefelsäure. Der Reinigimgseffekt nimmt mit 
der Menge der zugesetzten Säure zu, ist ihr aber nicht proportional, 

1) Amer. ehem. Journ. 1894, 88. 

2) Chem.-Ztg. Rep. 1907, 194. 



Schwefelsäurereinigung. X89 

sondern wächst viel langsamer. Bei der Untersuchung des Raffinations- 
prozesses an einem galizischen Petroleumdestillat (0,819) fand z. B. 
Schulz ^), daß die Farbe des Destillates bei wachsender Menge Sflhwefel- 
säure sich in folgender Weise veränderte: 

Menge der Säure (93,72o/o S04He) Farbe des Raffinats 



in ®/o von Destillat: 


in % K2Cr204: 


0,0 


0,0087 


0,1 


0,0048 


0,5 


0,0033 


0,75 


0,00255 


1,0 


0,00195 


1,5 


0,0018 


2,0 


0,00165 


3,0 


0,0015 



Man sieht somit, daß die erste 0,1^0 Säure eine stärkere Farben- 
abnahme als die weiteren 2,9^^ bewirkt hat. Ja es scheint, daß die 
Farbe der Erdöldestillate bei einmaliger Behandlung mit zu großen 
Mengen Schwefelsäure gegenüber den mit normalen Mengen behan- 
delten sogar verschlechtert werden kann. 

Ähnlicherweise erhielt Graef e*) aus einem amerikanischen Kerosin- 
destillat mit der Jodzahl 10,9 durch Behandlung mit 20 VoL-^o Säure 
ein Raffinat mit der Jodzahl 6,85, mit weiteren 50 VoL-^/o Säure ein 
solches mit der Jodzahl 6,75. Es lassen sich eben die am meisten angreif- 
baren Bestandteile der Erdöldestillate schon durch verhältnismäßig 
kleine Mengen Schwefelsäure ausscheiden; die zurückbleibenden da- 
gegen sind bedeutend widerstandsfähiger und erfordern zu ihrer Aus- 
scheidung eine viel energischere Behandlung. 

2. Fraktionierter Zusatz von Säure hat meistenfalls einen 
sehr günstigen Einfluß auf den Raffinationsvorgang, d. h. es bewirkt 
dieselbe Menge Säure im allgemeinen eine bessere Reinigung, falls man 
sie in mehreren Portionen, wobei jedesmal abgestanden, und der Säure- 
teer abgezogen wird, als wenn man sie gleich auf einmal zusetzt. Be- 
sonders stark ist dieser Einfluß beim Raff inieren mit rauchender Säure; 
so z. B. erhielten Edeleanu, Pfeiffer, Many und Gane^) aus einem 
rumänischen Petroleumdestillat 0,8185 nach 6stündiger Einwirkung 
von 20^0 rauchender Schwefelsäure (1,92) bei 70® ein Raffinat mit 
spez. Gewicht 0,8145; wurde aber, unter sonst gleichen Bedingungen, 
dieselbe Säure in vier gleichen Portionen zugesetzt, so war das spez. 
Gewicht auf 0,8105 gefallen. Ebenso äußert sich der Einfluß des frak- 
tionierten Zusatzes auch auf die Abnahme der Farbe. Die Ursache da- 
von ist noch nicht genügend aufgeklärt. Mit gewisser Wahrscheinlich- 
keit kann man sie darin suchen, daß die Wirkung der Schwefelsäure 
auf Asphaltstofife und hochmolekulare ungesättigte Verbindungen in 

1) 1. 0. 

2) Petroleum 1, Nr. 1. 
») Monit. p6tr. 1910, 918. 



190 Raffination. 

mehreren Phasen ablaufen kann und daß schon im Anfange der Wirkung 
Reaktionsprodukte aus den Destillaten ausgeschieden werden, die 
dann Äit überschüssiger Säure weiter reagieren ; ich habe nämlich beim 
Raffinieren gewisser Erdölprodukte in der Tat beobachtet, daß schon 
beim Zusatz von kleinen Mengen Säure ein ganz schwach saurer Teer 
ausgeschieden wird, der sich in Benzin zum weitgrößten Teil auflöst; 
wird dieser Teer weiter mit Schwefelsäure behandelt, so reagiert er mit 
dieser und büßt seine Löslichkeit in Benzin fast vollständig ein ; derselbe 
benzinunlösliche Säureteer wird aber auch gebildet, falls man das rohe 
Erdölprodukt gleich mit größeren Mengen Säure behandelt. In Fällen, 
wie dieser, ist es leicht einzusehen, daß fraktionierter Zusatz von Säure 
einen stärkeren Effekt ausüben muß als einmaliger, da ja beim ein- 
maligen Zusatz ein Teil der Säure auf die ganz unnütze Arbeit der 
weiteren Veränderung der bereits ausgeschiedenen Verbindungen ver- 
braucht wird. Ob aber diese Erklärung verallgemeinert werden kann, 
läßt sich zurzeit nicht sagen. 

In. den Fällen, wo es mit großen Mengen rauchender Säure raffiniert 
wird und wo es hauptsächlich auf möglichst weitgehende Entfärbung 
der Produkte ankommt, hat der portionsweise Zusatz von Säure noch 
die Bedeutung, daß dadurch eine zu starke und für die Entfärbung 
sehr schädliche Temperaturerhöhung vermieden wird. 

Schließlich sei noch des sehr allgemeinen Falles gedacht, wo das zu 
raffinierende Produkt etwas wasserhaltig ist; da die Stärke der Säure, 
wie wir bald sehen werden, einen ganz gewaltigen Einfluß auf den 
Reinigungseffekt ausübt, so wird es stets vorteilhaft sein, mit einer 
kleinen Portion Säure das Destülat von letzten Spuren Wasser zu be- 
freien, bevor mit der Hauptreinigung begonnen wird; man bedient 
sich oft zu solcher ,, Vortrocknung" des zum Binden von Wasser noch 
genug starken Säureteers der vorgehenden Operation. 

3. Stärke der Säure ist einer der wichtigsten Faktoren bei der 
Raffination der Erdölprodukte. Seine Bedeutung erstreckt sich nach 
zwei Richtungen: einerseits nach der quantitativen, indem die Pro- 
portion der zur Erzielung eines bestimmten Effekts erforderlichen Säure 
mit der Abnahme ihrer Stärke rapide zunimmt; andererseits nach der 
qualitativen, indem unter gewissen Grenzkonzentrationen der Säure ihre 
spezifische Wirkungen überhaupt ausbleiben. So z. B. fand Hirsch^), 
daß 6^0 einer 92,35yQigen Schwefelsäure bei einem Bakuschen Destillat 
0,8542 den Gehalt an ungesättigten, Jod addierenden Verbindungen um 
denselben Betrag verminderten, wie IO^/q einer Säure mit 90,26yo> 
und die Wirkung von IO^q einer rauchenden Säure mit 13^0 SOg erwies 
sich stärker als die von 25^0 einer Säure mit 92,35^0 SO4H2. Der 
gewaltige Einfluß der Säurekonzentration auf den Verlauf der Raffi- 
nation der Erdölprodukte wird sehr gut auch durch folgende von 
Condrea (1. c.) bei der Raffination eines Bustenari-Kerosindestillates 
gewonnenen Zahlen illustriert: 



1) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1889, Nr. 2. 



Schwefelsäurereinigung. 191 

Raffiniert bei 200 C 100 o/^ 50/^^ 20o/o 

mit 2«/o Säure mit: 90Vo 95Vo 97 Vo SO4H2 SO3 lOVo löVo SO» 

Farbe in mm 

Stammer . . 135 175 230 290 285 270 250 240 

SOo in g pro 1 Li- 
ter Destülat . 0,157 0,294 0,426 0,67 1,30 1,76 2,11 2,87^) 

Goudrongehalt d. 

Säureteers Vo- '^,30 8,40 12,70 14,30 10,50 5,70 3,30 2,10 

Schwefelgehalt d. 

Gondron Vo • 4,10 4,70 5,65 6,51 4,15 3,25 2,05 1,70 

Sulfosäuregehalt 

d.Säm-eteersVo 1»30 2,57 4,20 7,30 12,45 16,77 21,33 35,00 

Man sieht hier vor allem, wie die Farbe des Raffinates durch Be- 
nutzung von 100- statt ^Oy^^ger Säure mehr als um zweimal heller 
wird; ebenso stark wächst der Gehalt des Säureteers an gelösten 
und zu Goudron polymörisierten ungesättigten und asphaltartigen 
Verbindimgen. Beim Übergang von konzentrierter Säure zur rau- 
chenden nahm dagegen in Condreas Versuchen beides — sowohl 
Farbe, wie Goudrongehalt des Säureteers ab ; das letztere wird erklärlich, 
sobald man den rapiden Anstieg des Sulfosäurengehalts des Säure- 
teers, sowie der Schwefelsäureentwicklung berücksichtigt: energische 
Sulfonienmg ist eben für die Wirkung der rauchenden Schwefelsäure 
ganz allgemein charakteristisch, ebenso wie energische Oxydation, so 
daß Körper, die sich durch konzentrierte Schwefelsäure polymerisieren 
lassen, von rauchender sulfoniert oder oxydiert werden. Weniger 
durchsichtig und eindeutig ist der Einfluß des Schwefelsäureanhydrids 
auf die Farbe der Erdöldestillate; in Condreas Versuchen war solcher 
Einfluß entschieden ungünstig; dieses aber läßt sich nicht verallge- 
meinern. Die Fabrikation von ganz entfärbten, wasserhellen, geruch- 
und geschmacklosen Mineralölen (,,paraffinum liquidum", „Weiß- 
öle" usw.) kommt bekanntlich mit konzentrierter Schwefelsäure allein, 
ohne rauchende, nicht aus, und wenn Condrea mit rauchender Säure 
eine schlechtere Farbe als mit konzentrierter erhielt, so wird es wohl da- 
her kommen, daß die entfärbende Kraft der rauchenden Schwefelsäure 
erst dann zur vollen Geltung kommt, wenn zuerst die am leichtesten 
angreifbaren Stoffe aus dem Destillat mittels konzentrierter Säure aus- 
geschieden worden sind. Unter Umständen kann rauchende Schwefel- 
säure, neben ihrer wesentlich raffinierenden Wirkung, auch zur Bildung 
von gefärbten imd schlecht riechenden, im Mineralöl löslichen Sulfurie- 
rungsprodukten Veranlassung geben; in solchen Fällen müssen die öle, 
nach Behandlung mit rauchender Säure, noch mit kleinen Mengen 
konzentrierter Säure, die solche Stoffe aus dem öl extrahiert, nach- 
gewaschen werden*). 

^) Die in dem Originalartikel von Condrea angegebenen, 5 mal größere 
Zahlen beziehen sich, wie ich aus einer liebenswürdigen brieflichen Mitteilung des 
Verfassers entnehme, nicht auf 1, sondern auf 6 Liter. 

2) Badische Anilin u. Soda-Fabrik, D. R. P. 93702. 



192 Raffination. 

Die spezifische Wirkung der rauchenden Schwefelsäure äußert 
sich auch im leichteren Angriff von fluoreszierenden Stoffen, die sich 
durch konzentrierte Säure allein überhaupt kaum ausscheiden lassen. 

Neuerdings ist statt rauchender Säure das Schwefelsäureanhydrid 
selbst, in Dampfform, mit indifferenten Gasen verdünnt, in Vorschlag 
gebracht worden^) ; Näheres über seine Wirkungsweise ist noch nicht 
bekannt geworden. 

Was die untere Konzentrationsgrenze betrifft, von der an die Schwe- 
felsäure ihre reinigende Wirkung auf Mineralöle ganz einbüßt, so ist 
diese für verschiedene Wirkungen verschieden, da z. B. für die Sulfonie- 
rung von aromatischen Kohlenwasserstoffen eine viel höhere Konzen- 
tration der Säure als für die Polymerisation von ungesättigten Ver- 
bindungen erforderlich ist. Bei der Untersuchung eines galizischen 
Kerosindestillates fand Schulz (1. c), daß noch Säure mit 62,iyQ SO4H2 
einen Teil der färbenden Stoffe in sich aufnehmen konnte, so daß die 
Farbe des Destillats (bei Anwendung von «2^0 Säure) von 0,0087yQ 
auf 0,0061^0 K2Cr04 gefallen war. Interessant sind auch folgende 
Zahlen, die Condrea bei der Behandlung eines mit seinem y^ Vol. 
Benzin verdünnten schweren Bustenari-Destillates (0,920) mit je 
50 VoL-^Yo Schwefelsäure erhalten hat: 

Stärke der Säure Vo • • • 1^0 97 95 92 87 82 75 71 65 
Zimahme der VoL-^q der 

Säureschicht 25 23 20 15,5 10 7 5 

Die Wirkung der Säure auf das Destillat hat aber beim G«halt von 
TI^/q SO4H2 noch nicht ganz aufgehört; obwohl die Säure in sich schein- 
bar nichts mehr aufnehmen konnte, befand sich über der Säure eine 
tiefgefärbte Schicht (2,5 VoL-^/o bei 7iyoiger und 1,75 VoL-^/o ^i 
65yQiger Säure) von geschwefelten Polymerisationsprodukten^) ; das 
Lösungsvermögen wurde somit von der Schwefelsäure früher als die 
Polymerisierungsfähigkeit eingebüßt. 

4. Temperatur. Der Einfluß der Temperatur auf den Raffi- 
nationsprozeß muß verschieden beurteüt werden, je nachdem, welcher 
Effekt dabei erzielt werden soll. Hat man vor allem eine möghchst 
vollständige Entfärbung des Produktes im Auge, so ist es fast immer 
vorteilhaft, bei möglichst niedriger Temperatur zu arbeiten; handelt 
es sich dagegen hauptsächlich um Ausscheidung von Asphaltstoffen 
und überhaupt von schweren, kohlenstoffreichen Verbindungen, so wird 
wohl in vielen Fällen das Umgekehrte richtig sein. Gewöhnlich gilt 
die Farbe der raffinierten Erdölprodukte als eines der wichtigsten 
Kriterien ihrer Güte; ob aber dieses stets zutrifft, ist sehr fraglich, 
denn die minimalen Spuren färbender Substanzen, die das Raffinat 
schon ganz bedeutend verdunkeln können, brauchen keineswegs für seine 

1) J. Black, N. A. V. St. P. 968640. 

^) Daß auch diese Substanz nicht durch einfache Ausflockung der ursprüng- 
lich vorhandenen kolloidalen Stoffe entstehen konnte, hat Condrea durch 
Schwefelbestimmungen usw. nachgewiesen. 



Seh wef elsäurereinigung. 193 

Verwendungen nachträglich zu sein. Nun wird allerdings durch Tem- 
peratursteigerung die oxydative Büdung von färbenden Substanzen 
oder auch die Löslichkeit von dunklen Asphaltstoffen im Destillate 
erhöht; gleichzeitig aber steigt auch die Wirkung der Säure auf aroma- 
tische Kohlenwasserstoffe, auf ungesättigte kohlenstoffreiche Ver- 
bindungen usw.; wenn somit die Farbe des Raffinates nicht von ent- 
scheidender Bedeutung ist, so kann sich der Einfluß der erhöhten 
Temperatur im ganzen als ein günstiger erweisen. So z B. ist der hohe 
Gehalt der rumänischen Destillate an aromatischen Kohlenwasserstoffen 
für gutes Brennen von Kerosin in gewöhnlichen Lampen sehr nach- 
träglich; diese Destillate werden daher vorteilhaft bei höheren Tem- 
peraturen raffiniert. 

Eine eingehende interessante Studie über den Temperatureinfluß 
bei der Schwefelsäureraffination verdanken wir Zaloziecki^); ein 
galizisches Kerosindestillat (0,8148) wurde bei verschiedenen Tem- 
peraturen mit je 50 g Schwefelsäure (98,94yQ SO4H2) auf 1 Liter öl 
gereinigt und die Mengen der unverbrauchten Schwefelsäure, der ge- 
bildeten Sulfosäuren, der Polymerisationsprodukte, sowie der Säure- 
grad und die Farbe des gereinigten Kerosins bestimmt. Die erhaltenen 
Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestellt: 









Sulfosäuren 


Polymeri- 


Säuregrad 






1 Säure- 


Unverbrauchte 


als SO4H2 


sations- 


des Kerosins 


Farbe 


to 


teer g 


SO4U2 


her. 


produkte 


als SO4H2 


in mm2) 





61,6 


47,91 


1,45 


5,25 


0,86 


193 


5 


62,0 


46,82 


1,55 


5,02 


1,42 


166,5 


10 


62,5 


46,53 


1,65 


5,13 


1,56 


143,0 


15 


63,5 


45,72 


1,93 


5,40 


1,76 


112,5 


20 


64,3 


44,37 


2,22 


4,93 


2,45 


89,5 


25 


64,8 


43,52 


2,68 


5,62 


2,63 


80,5 


30 


65,2 


41,87 


3,72 


5,43 


3,65 


52,0 


35 


65,8 


40,42 


4,90 


6,18 


4,15 


gelb 


40 


66,0 


39,03 


5,62 


5,78 


4,83 


>> 


45 


66,4 


38,62 


5,76 


5,21 


5,62 


ji 


50 


67,0 


37,26 


4,81 


4,81 


5,91 


)} 



Wie man sieht, wird Schwefelsäure mit steigender Temperatur 
in immer wachsendem Grade ausgenutzt, wobei besonders der Sulfo- 
nierungsprozeß an Intensität gewinnt; die Bildung von Polymeri- 
sationsprodukten ist hier dagegen von Temperatur so gut wie unabhängig. 
Die bedeutende Verschlechterung der Farbe bei erhöhter Temperatur 
erklärt Zaloziecki durch intensivere Bildung von gefärbten Oxy- 
dationsprodukten, sowie durch reichlichere Wasserbildung, d. h. Ver- 
dünnung des Säureteers und — als Folge davon — Ausscheidung von 
petrpleumlöslichen Asphaltstoffen. 

Interessante Versuche über dieselbe Frage hat auch Condrea 

1) Chem.-Ztg. 1896, 875. 

2) Verglichen mit willkürlich gewähltem Glase. 

Gurwitsch. 13 



194 



Raffination. 



an einem rumänischen Destillat ausgeführt; im Gregensatz zu Zaloziecki 
fand er, daß auch die Bildung von Polymerisationsprodukten bei er- 
höhter Temperatur steigt, allerdings nicht in so starkem Grade wie die 
von Sulfosäuren. Sehr stark ist auch der Einfluß der Temperatur auf 
die oxydativen Prozesse, wie es sich in der Entwicklung von schwefliger 
Säure äußert. Condreas Resultate sind in folgender Tabelle zu- 
sammengestellt. In allen diesen Versuchen wurde das Destillat (spez. 
Gewicht 0,8225) mit je 2Vo Säure (97 ,50/0) gereinigt. 

Mischen mit Sauerstoff 
Raffinationstemperatur .... 



SOg g pro 1 Liter Destillat . . 
Farbe des Raffinats in mm StW 
Goudrongehalt des Säureteers Vo 
Sulf osäurengehalt des Säureteersy q 
Schwefelgehalt des Goudrons y^ 

Raffinationstemperatur 

SO2 g pro 1 Liter Destillat . . 
Farbe des Raffinats in mm StW 
Goudrongehalt des Säureteers ^q 
Sulf osäurengehalt des Säureteersy q 
Schwefelgehalt des Goudrons y^ 



Raffinationstemperatur 

SO2 g pro 1 Liter Destillat . . 
Farbe des Raffinats in mm StW 

Goudrongehalt des Säureteers y^ 11,40 

Sulf osäurengehalt des Säureteers^ 2 ,00 

Schwefelgehalt des Goudrons y^ 6,05 

Der Einfluß der Temperatur auf den Raffinationsverlauf ist üb- 
rigens nicht immer so stark, wie wir es in den Versuchen von Zaloziecki 
und Condrea sehen; so z. B. fand Schulz einen kaum merkbaren 
Unterschied in der Farbe der Raffinate bei Behandlung eines galizischen 
Kerosindestülates mit je 2Vo Säure (93,22<yo) bei 15« und 50^, und erst 
bei 60® wurde die Farbe wesentlich verschlechtert. 

Die Temperatur hat auch einen großen Einfluß auf die Geschwindig- 
keit, mit der der Säureteer sich absetzt; da die Zähigkeit von Mineral- 
ölen mit fallender Temperatur schnell zunimmt, so geht im allgemeinen 
das Absetzen des Säureteers um so langsamer vor sich, je niedriger die 
Temperatur des Destillats ist ; bei Schmierölen ist man daher gezwungen, 
die Reinigung mit schwach (etwa bis 35 bis 40® C) angewärmten De- 
stillaten vorzunehmen. Vereinzelt steht die Beobachtung Zalozieckis, 
nach der das Absetzen des Säureteers aus galizischen Kerosindestillaten 
bei 0® schneller und vollständiger als bei gewöhnlicher Temperatur 
vor sich gehe; dies soll nach Zaloziecki darin seine Erklärung finden, 



0« 


50 


10« 


150 


350 


1,773 


1,901 


1,988 


2,305 


5,584 


270 


260 


250 


230 


170 


10,44 


10,95 


11,30 


11,95 


14,37 


3,42 


3,53 


3,78 


4,05 


6,37 


5,52 


5,40 


5,25 


5,05 


4,33 




MiRchen mit Luft 




0« 


50 


10« 


150 


350 


1,584 


1,730 


1,813 


1,975 


4,303 


290 


270 


260 


250 


210 


10,80 


11,20 


11,70 


12,30 


15,95 


2,97 


3,05 


3,40 


3,85 


5,20 


5,70 


5,65 


5,50 


5,30 


5,05 




Mechanisches Mischen 




0« 


50 


10« 


150 


35« 


1,021 


1,100 


1,203 


1,372 


2,920 


340 


325 


300 


285 


275 


11,40 


11,78 


12,17 


12,95 


17,55 


2,00 


2,55 


2,90 


3,01 


9,03 


6,05 


5,93 


5,85 


5,72 


5,59 



Schwefelsäurereinigung. 1 95 

daß der Säureteer bei 0® fester und weniger zähe wird; an russischen 
Destillaten konnte ich einen solchen Einfluß der niedrigen Temperatur 
nicht bestätigen. 

6. Art der Mischung. Ein gutes Mischen des zu raffinierenden 
Erdölprodukts mit Schwefelsäure ist für den Erfolg der Raffination sehr 
wesentlich. Vom Standpunkte der Adsorptionshypothese aus ist dies 
selbstverständlich, da erst durch heftiges Mischen die Säure in feinere 
Tröpfchen zerteilt, d. h. ihre Wirkungsoberfläche entsprechend ver- 
größert wird. Aber auch die chemische Theorie der Raffination läßt 
einen solchen Einfluß der Mischung erwarten, da wir es hier mit einem 
zweiphasigen System zu thun haben. 

In den ersten Zeiten der Erdölindustrie hat man sich zum Mischen 
von Erdölprodukten mit Säure und anderen Reagenzien mechanischer 
Rührwerke bedient; später sind diese fast ganz allgemein durch sog. 
Luftagitatoren, d. h. Apparate, in denen die Flüssigkeit mittels kom- 
primierter Luft nahezu beliebig heftig durcheinandergemischt werden 
kann, verdrängt worden. Der Ersatz der mechanischen durch Luft- 
mischung ist allerdings chemisch nicht gleichgültig, da die Luft sich 
gegen Erdölprodukte nicht ganz indifferent verhält, sondern oxydierend 
wirkt. Daß diese oxydierelide Wirkung unter Umständen recht be- 
deutend werden kann, sieht man z. B. aus den in der Tabelle S. 194 
zusammengestellten Angaben von Condrea. Ein zu langes Mischen 
mit Luft in Gegenwart von Säure kann nicht nur eine Verschlechterung 
der Farbe des Produktes, sondern noch eine andere unliebsame Er- 
scheinung — nämlich Bildung von sauren, bei nachfolgender Alkali- 
behandlung sehr lästige Emulsionen verursachenden Verbindungen zur 
Folge haben^). Andererseits wirkt der Luftsauerstoff auch auf 
die Bleiauskleidung der Agitatoren oxydierend und beschleunigt auf 
diese Weise das Zerfressen des Bleis durch Säure. 

Eine andere nachteilige Wirkung der Luftmischung ist die, daß 
die Säure durch die Feuchtigkeit der Luft verdünnt wird und dement- 
sprechend einen Teil ihrer raffinierenden Kraft einbüßt. Daß dieser 
schädliche Einfluß bei einigermaßen feuchter Luft recht stark ist, zeigen 
folgende im Laboratoriom der Gebr. Nobel in Baku ausgeführten Ver- 
suche, wobei das Kerosindestillat jedesmal mit 0,5^0 Schwefelsäure 
von 93,8^0 S04H2-Gehalt während 1 Stunde bei 27 ^ mittels Luftstrom 
durchgemischt wurde: 



Endkonzentration Farbe 
der Säure des Raffinats 



Relative Feuchtigkeit der Luft SO^o • • 

Luft mit SO4H2 vorgetrocknet 

Luft zirkulieren gelassen und getrocknet 

JJ JJ JJ JJ JJ 



ee.evo 


120 mm 


64,6 „ 


70 „ 


74,6 „ 


180 „ 


72,3 „ 


160 „ 


72,4 „ 


160 „ 



1) s. Schestopal, Chem.-Ztg. 1891, 353; Haack, ib. 1892, 6^. 

13* 



20» 


30» 


0,024yo 


0,068Vo 


0,048 „ 


0,126 „ 


0,080 „ 


0,167 „ 


0,104 „ 




0,130 „ 





196 Raffination. 

Schließlich sei darauf hingewiesen, daß man beim Mischen der 
niedrigeren Destillate mit Luft mit Verlusten infolge der Verdampfung 
zu rechnen hat; so z.B. wurden im Laboratorium der Gebr. Nobel in 
Baku folgende Verluste beim Durchblasen von Kerosin mit Luft er- 
mittelt : 

Temperatur 10<* 

öfaches Volumen Luft 0,01 l^/o 

10 „ „ „ 0,026,, 

15 „ „ „ 0,036 „ 

20 „ „ „ 0,045,, 

-^ö ,, ,, ,, 

Bei noch leichteren Destillaten (Benzin) sind die Verluste beim 
Luftmischen so groß, daß man sich hier ganz allgemein der mechanischen 
Mischung bedient. Zur mechanischen Mischung greift man häufig auch 
in den Fällen, wo es in erster Linie auf möglichst helle Farbe des Raf- 
finates ankommt. Li den meisten Fällen aber bietet die Luftmischung, 
neben den beschriebenen Mängeln, so viele praktische Vorteile (Billig- 
keit, Einfachheit des Betriebes, Leichtigkeit der Regulierung usw.), 
daß sie wohl als die weitverbreitete Methode bezeichnet werden muß. 
Die Verdünnung der Säure durch Luftfeuchtigkeit und Verluste infolge 
von Verdampfung können übrigens vermieden werden, wenn man 
die Agitatoren hermetisch abschließt und die ganze Operation mit dem- 
selben Quantum Luft ausführt, indem man die eingepreßte Luft aus 
dem oberen Teü des Agitators absaugt, sie wiederum von unten ein- 
preßt und auf diese Weise während der ganzen Zeit zirkulieren läßt^). 

6. Wirkungsdauer. Die Qualität der raffinierten Erdölprodukte 
kann sowohl durch zu kurze, wie auch durch zu lange Wirkungsdauer 
der Schwefelsäure ungünstig beeinflußt werden. Im ersten Falle ist 
natürlich die Reinigung unvollständig und setzt sich der Säureteer 
schlecht ab ; in Laboratoriumsversuchen bei sehr energischem Schüttebi 
genügt im allgemeinen eine Wirkungsdauer von 5 bis 10 Minuten, 
um den vollen Raffinationseffekt zu erzielen; im Großbetriebe braucht 
man dazu viel mehr Zeit, etwa Yg bis 1 Stunde. Zu lange Wirkungsdauer 
ist dagegen dadurch schädlich, daß erstens die Oxydation (bei Luft- 
mischung) erhöht wird, zweitens die durch Schwefelsäure gebildeten ge- 
färbten Asphaltstoffe zum kleinen Teil wieder in Lösung gehen können. 
Da die schweren, viskosen öle sich schlecht mischen lassen, zieht man es 
im allgemeinen vor, solche Destillate, um die Wirkungsdauer nicht 
übermäßig verlängern zu müssen, bei etwas erhöhter Temperatur zu 
raffinieren. 

7. Lichtwirkung. Der Einfluß der Belichtung beim Schwefel- 
säureraffinationsprozeß wurde von Zaloziecki^) an einem galizischen 
Kerosindestillat untersucht und als merklich schädlich gefunden, 
wie folgende Zahlen zeigen: 

1) Choohlow, Russ. Priv. 6343; Naphtha 1902, 460. 

2) 1. 0. 



Schwef elsäurereinigung. 197 

Säuregrad des Kerosins (als SO4H2) 
Temperatur O» 5^ lO» 16» 20o 25» SO» 35» 

Reinigen im diffusen 

Licht 1,00 1,62 1,76 2,20 2,63 2,93 4,21 4,79 

ReinigenimDunkeln 0,86 1,72 1,66 1,76 2,48 2,63 3,65 4,15 

Reinigen im diffusen Farbe in mm 

licht 175 160,5 130,5 108,5 85,0 77,6 61,0 45,5 

ReinigenimDunkeln 193 166,5 143,0 112,5 89,5 80,5 52,1 gelb 

Nach Beobachtungen von Wischin verändern sich die durch Ein- 
wirkung von Schwefelsäure auf Erdölprodukte gebildete Asphalt- 
stoffe in dem Sinne, daß sie ihre Unlöslichkeit im Petroleum einbüßen; 
je größer der Gehalt des Asphalts an Schwefel, um so größer soll seine 
Lichtempfindlichkeit sein. Diese Behauptungen Wischins verdienen 
um so mehr einer Nachprüfung und weiterer Untersuchung, als die 
Naturasphalte bekanntlich unter der Lichteinwirkung ihre Löslichkeit 
in Mineralölen umgekehrt einbüßen. 

8. Verunreinigungen der Schwefelsäure. Der Einfluß ver- 
schiedener Verunreinigungen der Schwefelsäure auf den Raffinations- 
effekt ist noch wenig untersucht worden. Allgemein bekannt ist der 
schädliche Einfluß der Nitrose auf die Farbe der Raffinate, was sich durch 
Bildung von gefärbten Nitroprodukten erklären läßt. Wie groß dieser 
Einfluß sein kann, zeigen folgende im Laboratorium der Gebr. Nobel 

in Baku ausgeführten Versuche: 

Kerosin gereinigt Pyronaphtha 

^ ^ gereinigt 

mit 0,5Vo l»00/o mit 5,07o 

Farbe mm Säure mm Säure mm 

Weiße Fabriksäure 92,6Vo 140 175 48 

0,10/0 NaOß 140 158 26 

0,1 Vo N2O3 104 100 8 

—0,050/0 N2O3 130 130 8 

— 0,01Vo N2O3 135 176 30 t/ 

Neuerdings hat Schulz^) nachgewiesen, daß auch der Gehalt der 
Schwefelsäure an Selen, resp. seleniger Säure einen sehr schädlichen 
Einfluß auf den Raffinationsvorgang ausübt und daß selbst ein bereits 
raffiniertes Destillat beim Schütteln mit selenhaltiger Säure nachdunkelt. 
So z. B. war die Farbe eines raffinierten Kerosins durch Behandlung 
mit 0,50/0 Selen enthaltender Schwefelsäure von 0,0020 auf 0,00290/o, 
und durch Behandlung mit einer mit 0,50/o seleniger Säure versetzten 
Säure sogar auf 0,0044o/o K2Cr04 gestiegen. Das durch selenhaltige 
Säuren verfärbte Kerosin läßt sich dann mit reiner Säure nur sehr schwer 
wieder entfärben. Da in solchem Kerosin Selen nicht nachweisbar ist, 
nimmt Schulz an, daß die Vergilbung hier durch eine, von der selenigen 
Säure hervorgerufene Oxydation verusacht wird (beim Auflösen von 
Selen in Schwefelsäure wird er bekanntlich zum Teil zu Se03H2 oxydiert). 



>> >5 



1) Chem.-Ztg. 1911, 1129. 



198 Raffination. 

Eine ähnliche verfärbende Wirkung übt auch der Zusatz von Mn02 zu 
SO4H2 aus (andere Oxydationsmittel, wie z. B. Chromsäure, können 
dagegen die entfärbende Wirkung der Schwefelsäure unterstützen). 
9. Zusammensetzung des Rohprodukts. Es ist selbstver- 
ständlich, daß die Raffination um so leichter vor sich geht, d. h. um so 
weniger Säure erfordert imd besseres Raffinat ergibt, je ärmer das zu 
reinigende Produkt an schädlichen, zu entfernenden Substanzen ist. 
Der Raffinationsverlauf steht daher in engster Abhängigkeit vom Gange 
der Destillation ; Je sorgfältiger die letztere geleitet wurde, um so ärmer 
ist das Destillat an gefärbten und schlecht riechenden Zersetzungs- 
produkten und in entsprechendem Maße wird die Raffinationsarbeit 
erleichtert. Jeder Fortschritt in der Destillation äußert sich daher in 
einer Verminderung des Säureverbrauchs bei der Reinigung, und daraus 
hauptsächlich erklärt sich z. B. der Umstand, daß man in Baku gegen- 
wärtig bei der Raffination von Leuchtöl mit ca. 0,4 bis 0,5®/o5 von 
Schmierölen mit 2,5 bis 4®/© Säure auskommt, während in früheren 
Jahren für Leuchtöle bis 2^0, für Schmieröle bis lO^o verbraucht 
wurden. 

[ ' Aber auch abgesehen von schädlichen Stoffen, die als Verunreini- 
gungen betrachtet werden können imd deren Ausscheidimg eben der 
Zweck der Raffination ist, hängt der Verlauf der letzteren von der 
näheren Zusammensetzung des Destillates, nämlich vom Grade seiner 
Homogenität in starkem Maße ab. Wie wir oben gesehen haben, wird 
jedes im Betriebe erhaltene Erdöldestillat aus vielen Fraktionen zu- 
sammengestellt, und jede dieser Fraktionen ist wiederum ein Gemisch 
von sehr vielen chemischen Individuen. Zwei Destillate, die in ihren 
physikalischen Eigenschaften ziemlich nahe übereinstimmen, können 
daher in ihrer chemischen Zusammensetzung stark voneinander ab- 
weichen, wenn das eine aus einer größeren Anzahl von Fraktionen be- 
steht als das andere; das erste Destillat schließt in sich das zweite als 
sog. „Kern" ein, erhält aber außerdem einerseits leichtere, anderer- 
seits auch .schwerere Fraktionen. Solcher Unterschied in der Homo- 
genität ist für den Verlauf der Raffination von großer Bedeutung. 
Denn erstens nimmt der Gehalt an Asphaltstoffen, färbenden Sub- 
stanzen, Zersetzungsprodukten usw. in aufsteigender Reihe der Frak- 
tionen zu. Zweitens aber lassen sich auch die wertvollen Kohlenwasser- 
stoffe der Erdöle mit steigendem Molekulargewicht immer leichter 
durch Schwefelsäure angreifen. Wenn wir somit zwei scheinbar gleiche 
Destillate zu reinigen haben, von denen das eine aus eng gewählten, 
das andere aus viel weiteren Fraktionen besteht, so wird das zweite 
mehr Säure erfordern und größere Reinigungsverluste ergeben als das 
erste, da es eben an schweren, durch Schwefelsäure angreifbaren Kohlen- 
wasserstoffen reicher ist. Ein gutes Beispiel dazu gibt die Fabrikation 
von Leuchtölen in Baku ; neben gewöhnlichem Kerosin wird hier, unter 
dem Namen ,, Meteor", eine, von der Ges. Gebr. Nobel eingeführte, 
höhere Sorte Leuchtöl fabriziert, zu deren Herstellung ein aus den Kem- 
fraktionen des gewöhnlichen Kerosins bestehendes Destillat benutzt 



Schwefelsäurereinigung, 199 

wird ; obwohl nun beide — sowohl das Kerosin-, wie auch das Meteor- 
destillat — mit gleicher Proportion Säure gereinigt werden, ist die 
Farbe des Meteors bedeutend heller als die des Kerosins imd sind die 
Reinigungsverluste im ersten Falle kleiner als im zweiten. 

Ein noch eklatanteres Beispiel für die Bedeutung der Homogenität 
der zu raffinierenden Destillate entnehme ich einer Arbeit von Edeleanu 
und seiner Mitarbeiter (1. c). Es wurden zwei Leuchtöldestillate von 
Bustenari mit je SO^/q rauchender Säure raffiniert; das eine Destillat, 
vom spez. Gewicht 0,819, ergab bei der fraktionierten Destillation (in 
20 gleichen Volumfraktionen) in der ersten Fraktion das spez. Gewicht 
0,786, in der letzten 0,899; das zweite Destillat, vom spez. Gewicht 
0,823, gab entsprechend spez. Gewichte 0,765 und 0,915, bestand somit 
aus viel weiteren Fraktionen als das erste; nach der Reinigung fiel 
nun das spez. Gewicht des ersten Destillats auf 0,813, des zweiten 
auf 0,804, d. h. die Abnahme im spez. Gewicht des ersten betrug nur 
0,006, des zweiten aber 0,019, was eben durch einen starken Angriff 
der schwersten Fraktionen bedingt war. 

Es ergibt sich aus dem Gesagten die allgemeine Regel, daß es für die 
Raffination vorteilhaft ist, Destillate aus möglichst engen Fraktionen 
zusammenzustellen. In solchen Fällen, wo die Raffination möglichst 
weit getrieben werden soll, wo man also mit großem Säureverbrauch und 
großen Reinigungsverlusten zu rechnen hat, wie z. B. bei der Fabrikation 
von sog. Weißölen, zieht man häufig sogar vor, doppelt destillierte 
Destillate in Reinigung zu nehmen, da diese, wie wir oben gesehen haben, 
reiner und viel homogener als gewöhnliche Destillate sind, so daß die 
Kosten der doppelten Destillation durch Ökonomie an Säure und ge- 
ringere Reinigungsverluste meist mit Überschuß kompensiert werden. 



Der bei der Schwefelsäurebehandlung von Erdölprodukten sich 
bildende Säureteer entsteht, infolge des unumgänglich energischen 
Rührens während der Reinigung, in Form von kleinsten Flöckchen, die 
in einem einigermaßen zähen öle sehr lange Zeit suspendiert bleiben 
können. Das langsame Absetzen des Säureteers hat eine entsprechende 
Verschleppung des ganzen Prozesses zur Folge; auch kann dadurch, 
infolge von partieller Wiederauflösung der ausgeschiedenen gefärbten 
Substanzen in öl, eine Farbenverschlechterung des letzteren eintreten. 
Man hat daher nach verschiedenen Mitteln gesucht, die das Absetzen des 
Säureteers beschleunigen sollten. Man hat zu diesem Zwecke den Zusatz 
von feinem Sand, Mehl u. dgl. fein verteilten Stoffen empfohlen, um die 
einzelnen Teerpartikelchen durch die Körnchen dieser Stoffe zu größeren 
Flocken zusammenkleben zu lassen; auch hat man versucht, die Teer- 
ausscheidung mittels Zentrifugen zu beschleunigen. Am besten hat 
sich — wenigstens in Baku — das sehr einfache Verfahren bewährt, 
das darin besteht, daß man zum ,, sauren", d. h. mit Schwefelsäure be- 
handelten öl direkt, d. h. ohne das Absetzen von Säureteer abzuwarten, 
eine kleine Portion starker Natronlauge gibt und nun noch einige 
Minuten schwach umrührt; man sieht dann bald, daß der Säureteer, 



200 ' Raffination. 

der vor dem Laugenzusatz im öl in Form von unzähligen kleinen 
Pünktchen umhersehwamm, sich zu ziemlich großen Flocken zusammen- 
ballt, die sich nunmehr viel schneller zum Boden setzen. Die Wirkung 
der Lauge scheint hier darin zu bestehen, daß ihre Tropfen beim Um- 
rühren der ganzen Olmasse die kleinen Teerpartikelchen auffangen und 
agglomerieren. Statt Natronlauge kann übrigens (allerdings, wie es 
scheint, mit weniger gutem Erfolg) auch reines Wasser genommen 
werden. 

Zwei sich auf das Absetzen von Säureteer beziehenden Beobach- 
tungen verdienen hier hervorgehoben zu werden, obwohl ihnen eine, 
selbst hypothetische Erklärung zurzeit noch fehlt. Nach einer Angabe 
von Rakitin^) läßt sich die Ausscheidung des Säureteers nach der Rei- 
nigung des mit Benzin verdünnten ölgoudrons außerordentlich beschleu- 
nigen, falls man zum sauren öl 1®/q Ölsäure zusetzt; denselben Dienst 
tun auch Kerosinnaphthensäuren, die direkt aus dem Kerosindestülat, 
vor dessen Behandlung mit Schwefelsäure, ausgelaugt worden waren; 
die aus dem mit Schwefelsäure gereinigten Kerosindestillat gewonnenen 
(also kleine Mengen Sulfosäuren enthaltenden) Naphthensäuren bleiben 
dagegen ganz wirkungslos. 

Die andere Beobachtung ist neuerdings von Seidenschnur 2) 
bei der Raffination von öldestillaten aus Hannoverschem Rohöl ge- 
macht worden; es erwies sich nämlich, daß beim Reinigen von Ge- 
mischen zweier verschiedener Rohdestülate (z. B. Zylinder- und Petro- 
leumdestillate) der gemischte Säureteer sich sehr schlecht absetzte; 
waren aber die teerbildenden Stoffe an dem einen öl bereits vor dem 
Vermischen mit dem anderen durch Schwefelsäure entfernt worden, 
so ging das Absetzen des reinen Säureteers des anderen Bestandteils des 
Gemisches sehr glatt vor sich. 

2. Alkalisehe Reinigung. 

Das sog. saure, d. h. mit Schwefelsäure raffinierte öl enthält noch, 
als schädliche Verunreinigungen, einerseits den größten Teil der ur- 
sprünglichen Naphthensäuren und Phenole, andererseits Ätherschwefel- 
und Sulfosäuren, die sich bei der Säurebehandlung gebildet haben, 
sowie schließlich kleine Mengen suspendierter Schwefelsäure. Die Aus- 
scheidung dieser sauren Bestandteile bildet den Gegenstand der zweiten 
Hauptoperation des gewöhnlichen Raffüiationsprozesses — der alka- 
lischen Behandlung. Das Alkali — als das man fast ausschließlich Ätz- 
natron gebraucht — führt die sauren Verbindungen in Salze über, die 
zum Teil sofort von der Lauge aufgenommen, zum Teil bei weiteren 
Auswaschungen des neutralisierten Öles aus diesem ausgeschieden 
werden. So einfach aber dieses Schema auch ist, so wird seine praktische 
Ausführung durch zwei Umstände kompliziert und in vielen Fällen be- 



1) Trudi Tersky Techn. Ges. 1909, 8, 129. 

2) Petroleum 7, 1172. 



Alkalische Reinigung. 201 

deutend erschwert : erstens durch Emulsionbildung und zweitens durch 
Hydrolyse der Seifen. 

Beim innigen Vermischen der sauren öle mit alkalischen Laugen 
bilden sich stets Emulsionen, d. h. milchige oder dicke rahmartige 
Flüssigkeiten, die dem unbewaffneten Auge gewöhnlich homogen er- 
scheinen, unter Mikroskop dagegen sich als Aufschwemmungen von 
unzähligen Tröpfchen öl in wässriger Lauge, resp. Lauge im öl er- 
weisen. Je nach dem Charakter des Öles, seiner Viskosität und Dichte, 
Natur und Menge seiner sauren Bestandteile, Stärke der Lauge, Tem- 
peratur usw. geht die Bildung von Emulsionen mehr oder weniger leicht 
vor sich, und sind die gebildeten Emulsionen mehr oder weniger be- 
ständig. Obwohl der Frage der Emulsionbildung bei der alkalischen 
Behandlung von Erdölprodukten die größte Wichtigkeit für den ganzen 
Raffinationsprozeß zugesprochen werden muß, ist sie bisher wissen- 
schaftli<^ noch gar nicht untersucht worden; die verschiedenen Kunst- 
griffe, die zur Verhütung der Emulsionbildung in der Praxis üblich 
sind, tragen rein empirischen Charakter und sind vielmehr der Kunst 
des praktischen Raffineurs, als der Wissenschaft des Chemikers zu ver- 
danken. Um so mehr Wert und Interesse bieten auch für den Erdöl- 
chemiker diejenigen rein wissenschaftlichen Untersuchungen über 
Emulsionen, die, obwohl bei anderen Gelegenheiten und zum Teil mit 
anderen ölen ausgeführt, auch für das Verständnis der Emulsionbildung 
bei der Reinigung von Erdölprodukten nützliche Winke geben können. 
Für das Verständnis der Emulsionbildung ist es, glaube ich, nötig, 
zwei Seiten dieser Erscheinung auseinanderzuhalten und getrennt zu 
analysieren: die eigentliche Emulsionentstehung und die Emulsion- 
erhaltung. Die Emulsionentstehung wird hauptsächlich durch zwei 
Momente bewirkt: 1. heftige mechanische Bewegung (Schütteln, Zer- 
stäubung); 2. partielle Auflösung. Daß das erste Moment schon allein 
ausreichen kann, um die feinsten Emulsionen zustande zu bringen, 
beweisen z. B. die Versuche von W. Lewis, der durch 48 stündiges 
heftiges Schütteln eines gereinigten, neutralen Mineralöles (spez. Ge- 
wicht 0,9) mit reinem Wasser eine höchst feine und beständige Emulsion, 
mit der durchschnittlichen Größe der öltröpfchen gleich 4 10"^ cm, 
erhalten hat^). Bei der alkalischen Reinigung von Erdölprodukten, 
wo nicht so heftig und andauernd gemischt zu werden braucht, haben 
wir aber in viel höherem Grade mit dem zweiten Moment — der partiellen 
Auflösung — zu rechnen. 

Wenn man unter Mikroskop, bei mittlerer Vergrößerung, einen 
Tropfen Maschinenöldestillat (roh oder mit Schwefelsäure vorbe- 
handelt) mit einem Tropfen verdünnter Natronlauge zusammenstoßen 
läßt, so sieht man, daß die Grenzlinie zwischen beiden momentan ver- 
schwindet und vom öl zahlreiche, heftige Strömungen in die Lauge 
hinein entstehen ; diese wirbelnden Fontanellen zerfallen alsbald an ihrem 
freien Ende in unzählige äußerst kleine Tröpfchen, während ihnen 



1) KoUoid-Zeitschr. 4, 211. 



V 



202 Raffination. 

andererseits an ihrer Ursprungsstelle neues öl zufließt, so daß der ur- 
sprüngliche öltropfen sehr schnell aus dem Gesichtsfelde verschwindet 
und erst beim Nachschieben des Trägerglases wieder sichtbar wird. 
Ähnliche Erscheinungen sind bereits vor vielen Jahren von Quincke^) 
an sauren vegetabilischen ölen beim Zusammenbringen mit alkalischen 
Lösungen beobachtet und folgendermaßen gedeutet worden: bei der 
Berührung von saurem öl mit Sodalösung bildet sich an der Oberfläche 
des Öles Seife; ,,die flüssige Seifenlösung breitet sich an der Grenze 
von öl imd wässriger Flüssigkeit aus und reißt die ungelösten Seifen- 
teilchen und anhängende ölmassen mit fort; dabei werden ölfäden 
abgerissen und in die wässrige Flüssigkeit hineingezogen, wo sie in 
Kügelchen zerfallen." Diese Erklärung des Vorganges scheint mir aller- 
dings nicht zutreffend zu sein, da dieselbe Erscheinung der freiwilligen 
Emulsionierung auch ohne Seifenbildmig stattfinden kann, wenn z. B. 
einem säurefreien öle eine genügende Menge Alkohol oder einer ^nderen 
wasserlöslichen Flüssigkeit zugesetzt worden war. Die Entstehung der 
Fontanellen mit nachfolgendem Zerfall in einzelne Tröpfchen ist daher 
vielmehr als eine Folge von Diffusionsströmen aus dem Inneren des 
öltropfens in das umgebende Medium, also von Säure in alkalische 
Lauge (oder von Alkohol in Wasser) aufzufassen; die Strömungen 
bilden sich mehr oder weniger senkrecht zur ursprünglichen ölober- 
f lache, während, wenn es sich nach Quinckescher Auffassung um 
Abreißen der bereits gebildeten Seifenschicht handeln würde, die öl- 
fäden sich sozusagen von der Tropfenoberfläche abwickeln müßten. 
Die soeben beschriebene Erscheinung der freiwilligen, durch keine 
mechanische Bewegung bedingten Emulsionierung gibt, glaube ich, 
auch den Schlüssel zum Verständnis eines bekannten, bei der Raffi- 
nierung von Mineralölen häufig benutzten Kunstgriffes, der darin 
besteht, daß man zu dem zu neutralisierenden öl noch etwas Ölsäure 
(resp. auch Naphthensäuren) zusetzt. Wenn man einen Tropfen solchen 
mit Ölsäure versetzten öldestillats wiederum unter Mikroskop mit einem 
Tropfen Alkali zusammenbringt, so sieht man ein ganz anderes Bild 
als vorher. Statt der wirbelnden, heftigen Fontanellen entstehen an 
der öloberfläche wurstartige Auswüchse, die sich von dieser langsam 
abrollen und dann in verhältnismäßig große Tropfen zerfallen: es sind 
sog. Myelinformen, die bereits von Quincke (1. c.) beobachtet wurden 
und bei deren Zustandekommen die von ihm angenommene inter- 
mediäre Bildung einer dünnen Seifenhaut an der öloberfläche in der Tat 
das bewirkende Moment der Erscheinung zu sein scheint; denn diese 
Haut verlangsamt den Zufluß neuer Mengen Alkalilösung und verhindert 
das Entstehen von Wirbelbewegungen; indem dann Wasser von außen 
durch die Haut in den öltropfen hineindiffundiert, findet hier eine 
Quellung der äußeren Schicht und ihre Loslösung in Form von wurst- 
artigen Auswüchsen statt. Da nun die Seifenhaut an der öloberfläche 
sich nur dann bilden kann, wenn der Gehalt an seifenbildenden Säuren 



1) Wied. Ann. 35, 580. 



Alkalische Reinigung. 203 

einen gewissen Betrag erreicht hat, so muß ein Zusatz von Ölsäure 
zu solchen Mineralöldestillaten, die an und für sich nur schwach sauer 
sind, die sonst eintretende freiwillige Emulsionierung verhindern und 
somit die Emulsionbildung überhaupt abschwächen. 

Es ist ohne weiteres klar, daß eine intensive mechanische Be- 
wegung, indem sie immer frische ölflächen freilegt, auch die frei- 
willige Emulsionierung stark befördert; es wird sich daher immer 
empfehlen, bei der alkalischen Reinigung der viskosen Destillate, die 
zur Emulsionbildung besonders stark neigen, die Intensität der Mi- 
schung, besonders im Anfange des Prozesses, zu mäßigen. 

Die zweite Frage, die zur Aufklärung der Emulsionbildung imter- 
sucht werden muß, ist die der Weitererhaltung der im Verlaufe des eigent- 
lichen Neutralisationsprozesses entstandenen Emulsion. Es ist ja klar, 
daß, falls die feinzerteilten öltröpfchen nach Ablauf dieses Prozesses 
sofort oder in kurzer Zeit und vollständig untereinander wieder ver- 
schmelzen würden, daß dann die Emulsionbildung wissenschaftlich wenig 
und praktisch überhaupt kein Interesse bieten würde. Mit solchem 
vorübergehenden Zerfall der ölmassen in einzelne kleine Tropfen haben 
wir z. B. bei der Neutralisation von Benzindestillaten zu tun, wo man 
daher von einer Emulsionbildung überhaupt gar nicht spricht. Sehr 
wenig beständig ist gewöhnlich auch die Emulsion bei der alkalischen 
Reinigung von Kerosindestillaten. Beständige Emulsionen entstehen 
dagegen bei der alkalischen Behandlung höherer Destülate, und bei 
diesen wollen wir uns etwas länger aufhalten. 

Wenn man ein soeben mit der alkalischen Lauge gut durchgeschüt- 
teltes öldestillat luiter Mikroskop betrachtet, so sieht man folgendes. 
Den zusammenhängenden Grund, die sog. ,, äußere" Phase der Emulsion 
bildet das öl. Auf diesem Grunde sieht man zahlreiche, aus der Lauge 
bestehende Inseln verteilt, die zum Teil sehr klein und kugelförmig, 
zum Teil aber ziemlich groß und dann meist ovaler Form sind. Das 
Innere dieser letzteren ist aber wiederum mit unzähligen Tröpfchen öl 
gefüllt, so daß man hier nicht eine einfache, sondern eine zusammen- 
gesetzte Emulsion: öl in Lauge und dann wiederum Lauge in Öl vor 
sich hat. Beim Stehenlassen dieses ursprünglichen Gemisches finden 
daher zwei parallele Vorgänge statt: einerseits das Heruntersinken der 
Laugentropfen im öl, andererseits das Aufsteigen der öltröpfchen 
in der Lauge. Die Geschwindigkeit v dieser beiden Bewegungen ist 
durch die bekannte Formel 

2rHs'—s)g 

bestimmt, wo r den Radius des fallenden oder des hinaufsteigenden 
Tropfens, s das spezifische Gewicht von öl, s' dasjenige von Wasser, 
9 die Gravitationskonstante, rj die innere Reibung der zusammen- 
hängenden Phase bezeichnen. Fiör die heruntersinkenden Laugentropfen 
ist 7} die innere Reibung des Öles — viel größer als r} für die innerhalb 
der Laugentropfen hinaufsteigenden Tröpfchen öl ; da aber der Unter- 



204 Raffination. 

schied zwischen den Radien dieser letzteren und der Laugentropfen 
noch bedeutender ist, und die Radien in die Bewegungsformel mit 
zweiter Potenz eingehen, so schreitet das Absetzen der Lauge aus dem 
öl — besonders beim Anwärmen, wobei iy stark abnimmt — viel 
schneller fort als das Aufsteigen der innerhalb der Laugentropfen 
eingeschlossenen winzigen Tröpfchen öl. Das mit alkalischer Lauge 
vermischte öldestillat trennt sich daher nach einiger Zeit ruhigen 
Stehens in zwei Schichten: oben das durch die kleinsten und daher in 
Schwebe gebliebenen Laugentröpfchen noch ungetrübte öl; unten eine 
milchig aussehende Emulsion von öl in Lauge (sog. „weiße Wässer"). 
Die ölige Schicht bietet weiter nichts Merkwürdiges; durch genügend 
langes Anwärmen ließe sie sich wohl auch ganz klären; gewöhnlich 
aber wird sie erst ein paar Mal mit ganz verdünnter Lauge ausge- 
waschen (wovon bald noch weiter die Rede sein wird) und dann schon ge- 
klärt. Interessant ist dagegen die untere milchige Schicht, die eigent- 
liche Emulsion. 
i- Bei genügend langem Stehen scheidet sich auch diese Emulsion 
ihrerseits in drei Schichten: oben öl, unten durchsichtige oder nur 
opaleszierende Seifenlösung, dazwischen eine dicke, nahezu breiige 
Schicht, die sich unter Mikroskop wesentlich als eine sehr dichte Emul- 
sion von öl in Lauge erweist, eine Emulsion, deren unzählige winzige 
öltröpfchen, ohne zu verschmelzen, aneinanderstoßen. Welcher Um- 
stand verhindert nun das Zusammenschmelzen dieser öltröpfchen 
und somit die Ausscheidung des Öles aus der Lauge ? 

Wir haben es hier mit einer der vielen Äußerungen der sog. Ad- 
sorption zu tun, einer Erscheinung, die ich weiter ausführlich zu be- 
handeln Gelegenheit haben werde und deren Wesen, kurz gefaßt, darin 
besteht, daß ein gelöster Stoff sich an der freien Oberfläche der Lösung 
oder an den Grenzflächen dieser Lösung mit einer anderen festen, flüs- 
sigen oder gasförmigen Phase anreichert. Am stärksten tritt diese Er- 
scheinung an kolloidalen Lösungen hervor, zu denen auch die Lösungen 
der Naphthenseifen gehören, und, als Folge davon, überziehen sich die 
in der Neutralisationslauge schwimmenden öltröpfchen mit dünnen 
Seifenhäutchen, die das Verschmelzen der selbst in unmittelbare Be- 
rührung miteinander kommenden Tröpfchen verhindern. Alle Ein- 
griffe, durch die diese Seifenhäutchen aufgelöst werden, bewirken daher 
auch die Zerstörung der Emulsion. Dazu gehört vor allem die Ansäue- 
rung der Emulsion, also die Überführung der Seife in öllösliche Naphthen- 
säurefi; zu diesem Hilfsmittel wird manchmal in der Praxis Zuflucht 
genommen, in den Fällen nämlich, wo das öldestillat beim Zusammen- 
bringen mit der Natronlösung im ganzen zu einer dicken, sich gar nicht 
trennen wollenden Emulsion koaguliert. Die Ursachen dieser, übrigens 
auch bei den Kerosindestillaten (wenn auch nur sehr selten) vorkom- 
menden Erscheinung sind noch nicht aufgeklärt; man weiß nur, daß 
sie viel weniger von der Art der Behandlung (also Stärke der Mischung, 
Konzentration der Lauge usw.), als von der Natur des Destillates ab- 
hängt. Wahrscheinlich steht sie im Zusammenhange mit der von 



Alkalische Beinigung. 



205 



Robertson festgestellten^) Existenz des kritischen Verhältnisses 
von Lauge und öl bei der Emulsionbildung. Das Charakteristische 
dieses Verhältnisses läßt sich z. B. aus folgender Tabelle ersehen: 



Xomponenten der Emulsion 




Oel2) 


Wasser 


V4n. NaOH- 


Charakter der Emulsion 


com 


ccm 


Lösung ccm 




91 


8 1 


„Öl- Wasser"- ÖP), flüssig, unstabil. 


89 


10 


1 


„öl- Wasser"- öl, flüssig von körniger 




1 


Struktur, sieht wie geronnen aus. 


87 


12 


1 


„öl- Wasser"- öl, flüssig, von körniger 
Struktur, sieht wie geronnen aus. 


86 


13 


1 


„Öl"-Wasser, überaus viskos, rahm- 
artig weiß. 


86 


14 


1 


„Öl"-Wasser, rahmartig weiß, viskos. 


84 


15 


1 


„Öl"-Wasser, rahmartig weiß, leicht 
flüssig. 



Man sieht somit, daß beim Verhältnis von öl zur Lauge gleich 
86:14 eine besonders viskose, dicke Emulsion gebildet wird, die sich 
sowohl mit mehr Öl, wie auch mit mehr Wasser verflüssigen läßt. 
Nach Robertsons Meinung ,,ist bei dem kritischen Mengenverhältnis 
von Wasser imd öl gerade so viel Seife vorhanden, daß sie die Oberfläche 
der öltröpfchen zu umhüllen vermag, ohne daß dabei Zwischenräume 
von mehr als molekularer Dimension entstehen. . . . Jeder Vorgang, 
der darauf abzielt, diese Tröpfchen zu deformieren, z. B. eine Flüssig- 
keitsströmung, müßte deren Oberfläche notwendigerweise vergrößern, 
da ja ein Körper als Kugel die geringste Oberfläche hat; dadurch 
würden, wenn eine Flüssigkeitsströmung stattfände, in den Seifen- 
hüllen der Tröpfchen Risse entstehen und an diesen Stellen hohe Ober- 
flächenspannungen zur Geltimg kommen, die die Seifenpartikel 
wieder aneinander zu bringen suchten, um die Kugelform der Tröpfchen 
wieder herzustellen imd so dem deformierenden Agens einen Widerstand 
entgegenzusetzen" . 

Ganz steife, cremeartige Emulsionen, die sich mit dem Messer zu 
Würfeln schneiden lassen und dann ihre Form lange Zeit aufbewahren 
können, beschreibt auch Pickering*); er hat sie durch heftiges Durch- 
schütteln einer Leuchtölemulsion mit allmählich weiter zugesetzten 
Portionen öl erhalten; die steife Emulsion enthielt schließlicfi OO^/o 
Leuchtöl, und der Rest bestand aus l^/^gev Seifenlösung; wurde noch 
mehr öl zugesetzt, so entmischte sich die ganze Emulsion. Mit derartigen 
Erscheinungen trifft man manchmal auch in der Praxis, bei der Neutra- 

1) KoUoid-Zeitschr. 7, 7. 

2) OUvenöl. 

3) D. h. Emulsion von Wasser in öl, wobei in den suspendierten Wasser- 
tropfen wiederum öltröpfchen emulgiert enthalten sind. 

*) KoUoid-Zeitschr. 7, 11. 



206 Raffination. 

lisation von Leuchtöldestillaten; eine solche steife Kerosinemulsion, 
die ich einmal näher zu betrachten Gelegenheit hatte, war von einer 
ausgesprochen wabigen Struktur, wobei die Wabenlamellen augen- 
scheinlich aus Seifenlösimg bestanden. 

Wie gesagt, lassen sich sowohl die gewöhnlichen, wie auch die 
zuletzt besprochenen ganz dicken, resp. steifen Emulsionen durch 
Ansäuerunff zerstören. Dabei aber wird natürlich wiederum ein Ge- 
misch von Ol und Naphthensäuren, resp. das ursprüngliche saure Destil- 
lat erhalten. Ein Mittel, das die Zerstörung von Emulsionen, ohne 
daß die Seife zersetzt werde, bewirkt oder durch dessen Zusatz zur 
Natronlauge die Bildung von Emulsion bei der Neutralisation sich von 
vornherein vermeiden läßt, ist Alkohol. Die Bedeutimg des Alkohol- 
zusatzes scheint folgende zu sein. Die Untersuchungen von Krafft^) 
haben erwiesen, daß die alkoholischen Salze der höheren Fettsäuren, 
etwa von der Laurinsäure angefangen, zur Bildung von kolloiden 
Lösungen in Wasser neigen, und zwar um so mehr, je höher das Mole- 
kulargewicht der Säure und je größer die Konzentration der Lösung 
sind. Wie die Seifen der Fettsäuren, verhalten sich in ihren Lösungen 
auch die alkalischen Seifen der höheren Naphthensäuren. Nun ist es 
bekannt, daß die kolloid gelösten Stoffe sich im allgemeinen viel leichter 
als die normal gelösten adsorbieren lassen, und da das Verschmelzen 
der in einer Emulsion verteilten öltröpfchen durch die ihre Oberfläche 
überziehenden Häutchen eines fremden Stoffes verhindert wird, so ist 
es zu erwarten, daß stabile Emulsionen besonders leicht in kolloiden 
Lösungen entstehen. In der Tat weiß man, daß ein Zusatz von Gummi, 
Eiweiß, Gelatine u. dgl. kolloiden Stoffen zur Stabilisierung von öl- 
emulsionen sehr stark beiträgt; auch hat Donnan^) nachgewiesen, 
daß die Emulgierfähigkeit der wässrigen Lösimgen der Natronsalze 
der Fettsäuren für öle erst von der Laurinsäure an, also eben zusammen 
mit dem kolloiden Charakter der Lösung, beginnt. Andererseits aber 
hat Krafft (1. c.) gefunden, daß die Seifen der höheren Fettsäuren 
in Alkohol sich völlig normal, nicht kolloid, auflösen lassen; da die 
Naphthenseifen in ihrem gesamten physikalisch-chemischen Verhalten 
den Fettseifen außerordentlich nahe stehen, so ist es höchstwahr- 
scheinlich, daß auch sie in Alkohol normale Lösungen bilden, 
und eine solche Aufhebung des kolloiden Zustandes der Naphthen- 
seife durch Zusatz von Alkohol muß das Aufhören der Häutchen- 
ausscheidung an der Oberfläche der öltropfen, resp. das schnelle Ver- 
schmelzen der letzteren unter sich zur Folge haben. Für die Fabrikation 
von gewöhnlichen Schmierölen ist der Gebrauch von Alkohol zu teuer; 
bei der Herstellung von sog. Weißölen, die mit rauchender Schwefelsäure 
gereinigt werden imd daher (s. w.) zur Emidsionbildung bei der Neu- 
tralisation besonders stark neigen, ist dagegen der Alkoholzusatz all- 
gemein üblich; neben der Verhütung von Emulsion wird übrigens 



1) Berichte 1899, 1595. 

2) Zeitschr. f. phys. Chem. 1899, 81, 42. 



Alkalische Reinigung. 207 

dadurch auch eine Extraktion gewisser färbender Stoffe aus dem 
öle erreicht. 

Ich habe schon oben erwähnt, daß die Emulsionbildung bei der 
Neutralisation von sauren Erdöldestillaten im allgemeinen um so leichter 
eintritt, mit je viskoserem Öl man es zu tun hat. Es muß aber noch 
hervorgehoben werden, daß manchmal Destillate von gleicher Vis- 
kosität sehr verschiedene Neigung zur Emulsionbildung aufweisen und 
daß diese somit noch von verschiedenen, bisher noch nicht aufgeklärten 
Faktoren abhängig sein muß. Es scheint z. B., daß Destillate, bei deren 
Abtreibung eine partielle Zersetzung stattgefimden hatte, bei der 
Neutralisation besonders leicht Emulsionen bilden. Möglich, daß hier 
der Umstand maßgebend ist, daß solche, an imgesättigten Zersetzungs- 
produkten reiche Destillate bei der Schwefelsäureraffination anormal 
viel Ätherschwefelsäuren und Sulfosäuren bilden. Daß aber diese 
letzteren die Emulsionbildung besonders stark begünstigen, ist auch 
sonst bekannt; da diese Sulfosäuren, im Gegensatz zu den Naphthen- 
und Fettsäuren, nicht nur in Form von Alkalisalzen, sondern auch in 
freiem Zustande wasserlöslich sind, und ihre Lösungen kolloiden Cha- 
rakter zu besitzen scheinen (die Sulfosäuren lassen sich z. B. aus der 
wässrigen Lösung leicht aussalzen), so lassen sich saure Erdöldestillate 
nicht nur durch alkalische Laugen, sondern schon durch reines Wasser 
emulgieren, imd zwar um so leichter, je mehr Sulfosäuren sich bei der 
Säureraffination gebildet hat; die mit rauchender Schwefelsäure ge- 
reinigten Destillate zeigen daher eine besonders starke Tendenz zur 
Emulsionbildung sowohl bei der Neutralisation, wie schon beim Waschen 
mit Wasser. 

Neben der Natur des Destillates ist die Emulsionbildung noch von 
manchen anderen Faktoren: Temperatur, Stärke der Mischimg, Kon- 
zentration, Reinheit der Lauge usw. — abhängig. Die Temperatur- 
erhöhung schwächt im allgemeinen die Emulsionbildung ab und 
erleichtert die Scheidung der einmal gebildeten Emulsion. Daß 
das starke Mischen die Emulsionbildung befördert, ist nach dem 
oben auseinandergesetzten ohne weiteres klar. Viel weniger durch- 
sichtig ist die Bedeutung der Konzentration der alkalischen 
Lauge. Im allgemeinen wird die Emulgierung durch stärkere 
Konzentrationen der Natronlauge, besonders bei den höheren Destil- 
laten, ganz bedeutend begünstigt; die Benzin- und auch Kerosin- 
destillate lassen sich auch mit starker Lauge (20® Be und selbst darüber) 
reinigen; bei den Schmieröldestillaten ist man dagegen genötigt, mit 
möglichst verdünnter Lauge zu arbeiten, da sonst die Bildung von 
oben erwähnten dicken, rahmartigen Emulsionen leicht auftritt, was 
wohl mit der stärkeren Neigung der höheren Naphthenseif en zur Bildung 
von kolloiden Lösungen im Zusammenhange steht. Gewisse, allerdings 
nicht bei der Untersuchung der üblichen Neutralisation der Erdöl- 
destillate gewonnenen Erfahrungen lassen es als möglich erscheinen, 
daß jedem sauren Destillat eine Konzentration und Menge der Natron- 
lauge entsprechen, bei denen die Emulsion besonders leicht gebildet wird. 



203 Raffination. 

Solche Optimumkonzentrationen für die Emulgierung eines Mineralöls 
durch Lösungen verschiedener Fettseifen haben einerseits Donnan 
und Potts ^), andererseits Pickering 2) konstatiert. Es wäre gewiß 
sehr interessant, diese Frage, sowie auch den Einfluß von Salzen und 
anderen Fremdstoffen in der Lauge auf die Emulsionbildung bei der 
Neutralisation von Erdöldestillaten näher zu untersuchen. 



Der zweite Umstand — neben der Emulsionbildung — der die alka- 
lische Reinigung der Erdölprodukte erschwert, ist die Hydrolyse der 
Salze der Naphthensäuren (vielleicht auch der Sulfosäuren). Es ist 
schon oben auf die große Ähnlichkeit dieser Salze mit den Salzen der 
höheren Säuren der Fettreihe, d. h. mit Seifen, hingewiesen worden. 
Wie diese, neigen auch die Seifen der Naphthensäuren sehr leicht zur 
Hydrolyse, d. h. werden in wässriger Lösung nach der Gleichung: 

RCOgNa + H2O T^ RCO2H + NaOH 

in freie Säure und Alkali teilweise zerlegt. Hat man allein eine wässrige 
Seifenlösung vor sich, so ist die Hydrolyse nur gering, da ja die 
gebildete freie Säure und Alkali das Bestreben haben, sich wieder 
zu Seife zu vereinigen. Ist aber noch eine zweite Phase zugegen 
in der die Säure leicht löslich ist, so wird nach dem Massenwirkungs- 
gesetz der Gleichgewichtszustand der hydrolysierten Seifenlösung auf- 
gehoben, und es muß eine weitere Menge Seife hydrolysieren. Auf diese 
Weise konnte z. B. Krafft*) durch wiederholte Behandlung einer 
wässrigen Lösung von Palmitinseife mit Toluol der Lösung die gesamte 
Palmitinsäure entziehen, während freies Ätznatron in Lösung zurück- 
geblieben war. Die Hydrolyse kann auch umgekehrt, durch Ausschei- 
dung des gebildeten Alkali, zum progressiven Fortschreiten gebracht 
werden; so haben z.B. Bottazi und Victorow*) aus einer neutralen 
Lösung von Marseiller Seife durch Dialyse eine milchige Emulsion von 
freien Fettsäuren und sauren Seifen erhalten. 

Mit solchem Zusammentreffen zweier Phasen haben wir es bei der 
alkalischen Reinigung der Erdölprodukte zu tun; die Folge davon ist, 
daß das mit Alkali behandelte öl stets gewisse Mengen saurer Seifen^) 
in sich aufnimmt und somit durch weitere Auswaschungen von dieser 
befreit werden muß. Die Hydrolyse wird, dem Massenwirkungsgesetz 
gemäß, durch überschüssige freie Alkali zurückgedrängt, aber selbst 
in Gegenwart von viel Alkali bleibt sie noch ganz merkbar. Interessante, 

1) Kolloid-Zeitschr. 7, 208. 

2) Ibid. 7, 11. 

8) B?riohte, 1894, 1747. 

*) Chem. Cbl. 1910. 

5) Bei der Behandlung von Palmitinseifelösiingen mit Toluol fand Krafft, 
daß nur reine freie Palmitinsäure, ohne Seife, in Toluol übergeht; in Mineralölen 
dagegen findet man nach ihrer ersten Behandlung mit Natronlauge stets viel 
Asche, d. h. saure Seifen. Es wäre höchst interessant, die Hydrolyse und die Lö- 
sungsvorgänge bei der alkaUschen Reinigung der Erdölprodukte näher zu unter- 
fiuchen. 



Alkalische Reinigung. 209 

obwohl in quantitativer Richtung nicht ganz einwandfreie Versuche hat 
darüber Lissenko*) angestellt. Eine auf Lakmus und Phenolphthalein 
neutral reagierende Lösung von Naphthenseifen (2,76 g in 100 ccm) 
wurde in Gegenwart verschiedener Mengen ca. normaler Natronlauge 
mit neutralem Solaröl (spez. Gewicht 0,866) unter Erwärmen geschüttelt 
und der relative Gehalt des Öls an sauren Seifen durch Titration mit 
Phenolphthalein bestimmt ; zu jedem Versuch wurden 5 ccm Seifenlösung 
und 100 ccm öl genommen und folgende Resultate erhalten: 



Zugesetzte Natronlauge 


Vio 


n-NaOH Verbrauch des Öls 







1,23 ccm 







1,13 „ 


1,35 ccm 




0,68 „ 


2,75 „- 




0,23 „ 


5,00 „ 




0,13 „ 


10,00 „ 




0,13 „ 




Man sieht somit, daß der Gehalt von sauren Seifen im öl durch 
viel überschüssiges Alkali stark heruntergedrückt, aber nicht zum Ver- 
schwinden gebracht wird. Statt einen großen Überschuß freien Ätz- 
natron bei der ersten alkalischen Behandlung (sog. Neutralisation) 
des sauren Öles zu nehmen, ist es vorteilhafter, sich mit einem schwachen 
Überschuß zu begnügen, um dann die bei dieser ersten Operation im 
Öl zurückgehaltenen sauren Seifen durch nachfolgende Auswaschungen 
mit verdünnter Natronlauge auszuscheiden. Daß man diese Aus- 
waschungen nicht mit reinem Wasser durchführen kann, ist nach dem 
soeben Gesagten selbstverständlich. 

Der Grad der Hydrolyse der Naphthenseifen bei der Reinigung ist 
natürlich von vielen Umständen abhängig, wie: Konzentration der 
Natronlauge, Temperatur usw. ; diese Verhältnisse sind leider noch gar 
nicht untersucht worden, und man kann k priori nur im allgemeinen 
sagen, daß die Hydrolyse mit der Konzentration der Lauge herunter- 
geht, mit der Temperatur dagegen steigt. Von diesem Standpunkte 
aus wäre es daher vorteilhaft, die Neutralisation und die Auswaschungen 
bei möglichst niedriger Temperatur und mit möglichst starken Laugen 
vorzunehmen; wir haben aber oben gesehen, daß wegen der Gefahr der 
Emulsionbildung gerade das Umgekehrte geboten wird, und da es 
immerhin viel weniger Mühe kostet, ein öl von Natronseifen zu befreien, 
als eine Emulsion zu zerstören, so muß schließlich doch der letzteren 
Forderung Rechnung getragen werden. Von beiden Gesichtspimkten 
aus gleich günstig wirkt dagegen der Zusatz von Alkohol zu Natronlauge, 
denn dadurch wird sowohl die Emidsionbildung vermieden, wie auch die 
Hydrolyse stark heruntergedrückt; mittels alkoholischer Natronlauge 
(etwa öOVo Alkohol) lassen sich daher seifenfreie Öle viel leichter her- 
stellen als mittels gewöhnlicher wässriger; der hohe Preis des Alkohols 



1) Trudi der Techn. Ges. Baku 1893. Vgl. auch Zaloziecki, Chem. Rev. 
1897, 25 und 36. 

Gurwltsch. 14 



210 Baffination. 

macht allerdings seine Verwendung nur bei der Fabrikation von teureren 
Produkten, wie z. B. von Weißölen, rentabel. 

Sowohl bei der Neutralisation der sauren öle, wie bei den nach- 
folgenden Auswaschungen muß auf die Reinheit der alkalischen Laugen 
größte Acht gegeben werden. Als schädliche Verunreinigungen kommen 
hier Kalk-, Magnesia- und Eisensalze, resp. Hydroxyde in Betracht. 
Da nämlich die Naphthenseifen dieser Metalle in Wasser sehr schwer, 
resp. unlöslich, in Mineralölen dagegen leichter löslich sind, und sie, 
einmal im Mineralöl gelöst, sich nur schwer mit Natronlauge zu Natron- 
seifen umsetzen, lassen sie sich aus dem öl nur mit sehr großer Mühe 
wieder ausscheiden ; es muß daher jeder Möglichkeit zur Bildung solcher 
Seifen von vomheriein vorgebeugt, d. h. zum Auslaugen der sauren öle 
nur ganz reines Wasser benutzt werden. 
Vj Die beschriebene Ordnung des Raffinationsprozesses : erst Reinigung 
mit Schwefelsäure, dann Neutralisation und Auswaschen mit Natron- 
lauge kann in manchen Fällen mit Vorteil umgekehrt werden, oder rich- 
tiger gesagt: man kann vor der Reinigung mit Schwefelsäure noch eine 
Behandlung mit Natronlauge, sog. „Vorlaugen", einschalten. Man 
entzieht dadurch dem Destillat alle Naphthensäuren und Phenole, 
sowie eventuell auch einen Teil der Schwefelverbindungen (besonders 
wenn man — im Falle von schwefelreichen Destillaten — zur Natron- 
lauge Bleioxyd zusetzt); arbeitet man dabei mit starker Natronlauge, 
so kann dem Destillat auch ein Teil der teerigen und färbenden Sub- 
stanzen entzogen werden. Daß man durch solches Vorlaugen der eigent- 
lichen Raffination mit Schwefelsäure vorarbeitet und dadurch an der 
zur Erzielung eines bestimmten Raffinationseffektes nötigen Menge 
Schwefelsäure spart, liegt an der Hand; denn alle genannten durch das 
Vorlaugen aus dem Destillate auszuscheidenden Stoffe würden sonst eine 
entsprechende Menge Schwefelsäure für sich in Anspruch nehmen. 
Weniger klar ist der Einfluß des Verlangens auf den Verbrauch von 
Natronlauge. Da bei dem gewöhnlichen Arbeitsgange ein Teil der 
Naphthensäuren und Phenole von der Schwefelsäure gelöst werden, 
sollte man erwarten, daß das Vorlaugen, indem es diesen Vorgang 
ausschaltet, einen entsprechend größeren Verbrauch an Ätznatron 
nach sich ziehen würde. In Wirklichkeit aber läßt sich der Verbrauch 
an Ätznatron, wenigstens bei der Reinigung von Kerosin und soweit die 
Praxis einiger Fabriken in Baku in Betracht kommt, durch das Vor- 
laugen sogar nicht unbedeutend heruntersetzen. Der Grund dieses 
unerwarteten Ergebnisses scheint darin zu liegen, daß das Auswaschen 
des sauren Destillates mit Wasser, (das gewöhnlich vor der Neutralisation 
vorgenommen wird) bei vorgelaugten Destillaten besser als bei nicht 
vorgelaugten vor sich geht, so daß man bei der nun folgenden Neutra- 
lisation im ersten Falle mit weniger Natronlauge auskommt. Wodurch 
aber eine solche Erleichterung des Auswaschens bei vorgelaugten sauren 
Destillaten bedingt wird, ist noch unaufgeklärt; wahrscheinlich sind es 
die in kleinen Mengen gebildeten sulfonierten Naphthensäuren, die bei 
den nicht vorgelaugten Destillaten das Auswaschen erschweren. 



Resultate der Raffination. 211 

Das vorgelaugte und mit Säure gereinigte Destillat muß, wie ge- 
sagt, noch mit Wasser und dann mit Natronlauge nachgewaschen 
werden, da sich bei der Säurereiaigung verschiedene Sulfosäuren und 
Ätherschwefelsäuren bilden, die sich durch Wasser allein nicht aus- 
scheiden lassen. Der ganze Raffinationsprozeß verläuft somit beim 
Vorlaugen nicht in zwei, sondern in drei Phasen, und erfordert dem- 
entsprechend drei übereinanderstehende Agitatoren, resp. muß das 
saure Destillat in den ersten Agitator zurückgepumpt und hier von 
neuem mit Wasser und Natronlauge behandelt werden. Diese Kom- 
plikation des Prozesses ist der Grund, weshalb die Raffination mit 
Vorlaugen, trotz der erwähnten Vorzüge, sich im allgemeinen nicht 
eingebürgert hat. 

Nun noch einige Worte über das andere Reagens, das statt Ätz- 
natron zur Ausscheidung der sauren Bestandteile aus den. Erdöl- 
destillaten vorgeschlagen wurde: der Ätzkalk. Ungelöschter Kalk 
reagiert mit sauren Destillaten äußerst schwach oder auch gar nicht, 
wohl aber gelöschter, und dieser zwar sowohl in Form von Kalkmilch, 
wie auch in trocknem Zustande. Der Vorteil des Ätzkalks im Vergleich 
zu Ätznatron wäre seine große Billigkeit; demgegenüber ist aber auf 
eine ganze Reihe Nachteile hinzuweisen, die in einem Berichte der 
Kommission der Technischen Gesellschaft von Baku (1894) folgender- 
maßen formuliert wurden: durch ü^zkalk allein läßt sich kein gut 
brennendes Leuchtöl erzielen, da die Kalksalze der Naphthensäuren 
sich in Kerosin auflösen und durch Wasser allein sich nicht auswaschen 
lassen; der Neutralisation mit Ätzkalk muß also eine Nachbehandlung 
mit etwas Natronlauge folgen^); der Reinigungsprozeß mit Ätzkalk 
beansprucht viel mehr Zeit als mit Ätznatron; der Kalkschlamm setzt 
sich langsam ab und läßt sich schwierig aus dem Agitator entfernen; 
der Ätzkalkverbrauch ist so groß (etwa 3^0 ^^m Destillatgewicht im 
Sommer und 5 bis 6^0 i'^ Winter), daß dieser Kostenpunkt, trotz des 
niedrigen Preises des Produkts, nicht ganz unbedeutend ist; die Kalk- 
seifen halten sehr viel (bis Ö^o) Kerosin in sich zurück. Die Reinigung 
mit Ätzkalk scheint daher überall außer Gebrauch gekommen zu sein. 

3. Resultate der Raffination. 

Im vorhergehenden sind die Veränderungen besprochen worden, 
die die Erdölprodukte bei der Behandlung mit Schwefelsäure und Natron- 
lauge in ihrer chemischen Zusammensetzung erleiden. Es muß nun 
noch einiges darüber gesagt werden, welchen Einfluß die Raffination 
auf die physikalischen Eigenschaften der Erdölprodukte ausübt, sowie 
welche Verluste am Ausgangsmaterial sie nach sich zieht. 

Die physikalischen Eigenschaften, die für die Beurteilung der Erdöl- 

^) Demgegenüber ist allerdings zu bemerken, daß neuerdings Schulz (Pe- 
troleum 5, 86) bei der Behandlung eines sehr schwach sauren Kerosindestillates 
von Boryslaw mit Ätzkalk allein, ohne Natronlauge, ein ganz normal brennendes 
Leuchtöl erhalten hat. 

14* 



212 Raffination. 

Produkte in Frage kommen und durch Raffination sich verändern lassen, 
sind: Farbe, spezifisches Gewicht, Flammpunkt und Zähigkeit. 

Die Farbe der raffinierten öle ist immer bedeutend heller als die 
der Rohprodukte, und zwar im allgemeinen um so mehr, mit je größeren 
Mengen und je stärkerer Säure gereinigt wurde, so daß man gewöhn- 
lich die Farbe eines Öles als ein Kriterium seines Reinheitsgrades an- 
sieht. Sehr interessant sind die Farbenveränderungen, die während des 
Raffinationsprozesses selbst auftreten. Das sog. saure, d. h. mit Schwefel- 
säure behandelte, aber noch nicht neutralisierte öl ist nämlich noch 
sehr dunkel und hat einen stark blauen Stich, der besonders schön bei 
den russischen Schmierölen hervortritt; erst bei der nachfolgenden 
Neutralisation schlägt die Farbe um und hellt sich das öl auf. Die 
Ursache dieser Erscheinung ist noch nicht aufgeklärt; ich glaube, sie 
in den winzig kleinen, im Ol suspendierten Partikelchen von Säureteer 
suchen zu müssen, da der erwähnte Farbenumschlag auch durch Schüt- 
teln des sauren Destillats mit Wasser, oder auch durch Filtrieren er- 
reicht werden kann. 

Das spezifische Grewicht nimmt im allgemeinen bei den Produkten 
der normalen Destillation nach der Raffination ab, und zwar um so 
mehr, je reicher das Rohprodukt an hochmolekularen ungesättigten 
Kohlenwasserstoffen oder Asphaltstoffen ist. Bei gewöhnlicher Raffi- 
nation mit konzentrierter Schwefelsäure ist diese Abnahme nicht groß 
und beträgt z. B. für Kerosindestillat aus Bakuschem Rohöl etwa 
0,0005, für Schmieröle 0,003 bis 0,004; bei der Reinigung von Benzin- 
destillaten kann sogar das spezifische Gewicht infolge von Verdunstung 
eine kleine Zunahme erfahren. Viel größer ist natürlich die Abnahme 
des spezifischen Gewichts bei energischerer Behandlung der Erdöl- 
destillate mit rauchender Schwefelsäure; so z. B. fällt das spezifische 
Gewicht des Maschinenöldestillates bei erschöpfender Behandlung mit 
rauchender Säure zwecks Umwandlung in ganz farbloses „Weißöl" 
von etwa 0,905 auf etwa 0,885. Sehr groß ist auch die Abnahme des 
spezifischen Gewichts bei solchen Leuchtöldestillaten, die an aromati- 
schen Kohlenwasserstoffen reich sind; so z. B. war das spezifische Ge- 
wicht eines rumänischen Kerosindestillats nach der Behandlung mit 
30^0 rauchender Säure von 0,819 auf 0,804 gefallen. 

Theoretisch viel interessanter sind jene Fälle, wo die Behandlung 
mit Schwefelsäure nicht eine Ab-, sondern eine Zunahme des spezifischen 
Gewichts nach sich zieht, was bei den Produkten der destruktiven 
Destillation zu beobachten ist. So z. B. fand Semjenow^) bei der 
Reinigung eines durch das Kraken von Masut erhaltenen Kerosins mit 
lOyo konzentrierter Schwefelsäure ein Anwachsen des spez. Gewichts 
von 0,815 auf 0,820. Solches Verhalten kann, wie schon oben gesagt, 
durch Polymerisierung der bei dem Kraking gebildeten ungesättigten 
Verbindimgen erklärt werden, wobei schwerere, in konzentrierter Schwe- 
felsäure unlösliche Produkte gesättigten Charakters entstehen. Zum 



) Teohnitsoheski Sbomik 1898, 169. 



Resultate der Baffination. 213 

Teil kann auch die Ausscheidung der leichten Zersetzungsprodukte 
durch Schwefelsäure die Ursache der Zunahme des spez. Gew. sein. 

Der Flammpunkt der Produkte der normalen Destillation bleibt 
nach gewöhnücher Reinigung mit konzentrierter Schwefelsäure ent- 
weder unverändert oder — bei den Schmieröldestillaten — wächst um 
einige Grade infolge der Ausscheidung der flüchtigeren ungesättigten 
Zersetzungsprodukte. Bei der Behandlung mit größeren Mengen 
rauchender Säure nimmt der Flammpunkt dagegen um einige Grade ab, 
da in diesem Falle ein großer Teil der höher molekularen und schwer 
flüchtigen Bestandteile von der Säure weggelöst wird. Sehr groß ist die 
Zunahme des Flammpunkts bei der Raffination der Produkte der de- 
struktiven Destillation, die viel niedrig siedende ungesättigte Kohlen- 
wasserstoffe enthalten und von diesen bei der Reinigung befreit werden ; 
nach einer Beobachtung Semjenows (1. c.) ist dieser Einfluß der Raf- 
fination um so größer, um je leichteres Produkt es sich handelt; so z. B. 
war der Flammpunkt bei einem Krakingdestillat vom spez. Grewicht 
0,750 von 10 auf 20®, dagegen bei einem Destillat 0,832 nur von 78 auf 
83® gestiegen. 

Die Zähigkeit nimmt bei der gewöhnlichen Raffination merklich 
ab, und zwar um so mehr, je viskoser das Destillat ist, wie es z. B. 
aus folgenden Zahlen für Bakusche Schmieröldestillate zu ersehen ist: 

roh raffiniert 

Spez. Gewicht ^50 Spez. Gewicht ^50 

Spindelöl 0,9011 3,02 0,8980 2,98 

0,9040 3,16 0,9000 3,10 

Maschinenöl 0,9119 6,89 0,9085 6,77 

Zylinderöl 0,9170 16,77 0,9122 14,45 

Noch viel stärker fällt die Zähigkeit bei der Reinigung von asphalt- 
reichen Erdölrückständen, sowie auch bei der Behandlung von Destil- 
laten mit rauchender Schwefelsäure. 



Die Raffination der Erdölprodukte ist natürlich, wie jede Raffi- 
nation, schon deshalb mit Verlusten im Gewichte des zu reinigenden 
Produktes verbunden, weil eben die Ausscheidung der schädlichen 
Bestandteile das Wesen dieses Prozesses ausmacht. Bei dem allgemein 
üblichen, oben beschriebenen Raffinationsprozeß Init Schwefelsäure 
und Ätznatron hat man aber leider nicht nur mit diesen unvermeidlichen, 
zum Erfolg des Prozesses gehörenden Verlusten, sondern auch mit 
solchen des wertvollen Produktes selbst zu rechnen. Es reißen nämlich 
sowohl die Säureteere, wie die alkalischen Laugen mehr oder weniger 
bedeutende Mengen des gereinigten Öles mechanisch mit, die im all- 
gemeinen nur zum kleinen Teil durch Abstehenlassen der Teere resp. 
Laugen wiedergewonnen werden können. Bei den Säureteeren ist der 
Gehalt an mitgerissenen (resp. kolloidal aufgenommenen) ölen fast gar 
nicht untersucht worden, scheint aber im allgemeinen nicht so ganz 
kleüi zu sein. 



214 Raffination. 

Noch mehr ist dies der Fall bei den alkalischen Laugen. Diese 
— also alkalische Naphthenseifenlösungen — vermögen ganz be- 
deutende Mengen Kohlenwasserstoffe in Lösung zu halten, und ist dieses 
Vermögen um so größer, je höher in der Reihe der Destillate wir hinauf- 
steigen. Vollständig gut abgestandene und klare (resp. schwach opa- 
leszierende, aber durch Filtrieren nicht weiter zu klärende) Laugen 
von der Kerosinreinigung enthalten bis 12 Teile Kerosin, ebensolche 
Laugen von der Maschinenölreinigung — bis 60 und mehr Teile öl auf 
100 Teile Naphthensäuren in Lösung. Das Lösungs vermögen für 
Kohlenwasserstoffe steigt mit der Konzentration der Seifenlauge; hat 
man z. B. ein Kerosindestillat mit starker Natronlauge gereinigt und 
versetzt die klare, gut abgestandene Lauge mit Wasser, so scheidet 
sich ziemlich viel Kerosin ab; aus diesem Grunde ist es vorteilhafter, 
Kerosin mit nicht zu starker Natronlauge zu reinigen. Bei den Laugen 
von der Schmierölreinigung kommen noch die Mengen öl hinzu, die in 
Form von Emulsion aufgenommen und zurückgehalten werden, so daß 
hier das öl gewöhnlich das Mehrfache der eigentlich allein auszu- 
scheidenden Naphthensäuren ausmacht. Die Totalverluste bei der Raf- 
fination der Erdölprodukte hängen stark ab einerseits von der Qualität 
des Ausgangsmaterials, anderseits von der Stärke und Proportion 
der Schwefelsäure. In Baku betragen sie durchschnittlich für : 

Benzin. . . ca. l^o 

Kerosin . . 2 bis 2y2 ,, 

Spindelöl. . 13 ,, 15 ,, davon entfallen 5 bis 6^0 *^ Verluste bei 

Maschinenöl 11 ,, 12 „ der Säurereinigung, das übrige auf die Neu- 

Zylinderöl . ca. 10 ,, tralisation und Auswaschungen. 

Ähnliche Zahlen werden auch von Halaceanu für rumänische 
öle angegeben. Die größeren Verluste bei der Reinigung von Spindelöl 
in Vergleich zu höheren Schmierölen erklären sich durch stärkere Emul- 
sionbildung bei der alkalischen Reinigung, was seinerseits vom höheren 
Gehalt des Spindelöls an Naphthensäuren abzuhängen scheint. 

4. Verwertung der Raffinationsabfälle. 

Die Vollständigkeit der Verwertung sog. Abfälle kann fast immer als 
ein Maßstab für. den Entwicklungsgrad einer Industrie gelten. Eine 
neue Industrie, solange sie noch in den Kinderschuhen steckt, richtet 
ihre Aufmerksamkeit auf die rationelle Ausbildung der Verfahren zur 
Herstellimg ihrer eigentlichen Produkte. Die Stoffe, die nebenbei als 
sog. Abfälle erhalten werden, fangen erst in dem Maße an Bedeutung 
zu gewinnen, als die steigende Konkurrenz und andere ökonomische 
Umstände eine möglichst weitgehende Verbilligung der Fabrikation 
zur dringenden Notwendigkeit machen; dann lenkt die Industrie ihr 
Augenmerk auf die früher ihr nur lästig gewesenen Abfallstoffe und findet 
hier sehr oft eine ganz wesentliche Grewinnsquelle. Eklatante Beispiele 
eines solchen Entwicklungsganges zeigt uns die Geschichte der Erdöl- 



Verwertung der Raffiinationsabfälle. 215 

Industrie in Baku. Solange man aus dem Erdöl nur Kerosin zu ge- 
winnen verstand und bevor die Vorrichtung zum Verheizen des flüssigen 
Heizmaterials, die sog. Forsunka, erfunden worden war, hat man die 
Erdölrückstände (Masut) als einen höchst lästigen Abfallstoff angesehen, 
mit dem man nichts anzufangen wußte und den man daher entweder 
ins Meer fließen oder in tresonderen Gruben verbrennen ließ. Jetzt ist 
bekanntlich Masut einerseits als Ausgangsprodukt zur Herstellung 
von Schmierölen, andererseits als Heizstoff eines der wichtigsten Er- 
zeugnisse der Erdölindustrie geworden, und in den letzten Jahren hat 
es die Konstellation der ökonomischen Verhältnisse in Baku mit sich 
gebracht, daß man meist nicht die gesamten Kerosinfraktionen aus dem 
Rohöl abtreibt, sondern einen guten Teil davon mit Absicht im Masut 
beläßt und somit als solches auf den Markt bringt. Dieselbe Geschichte 
wiederholte sich mit den leichtesten, sog. Gasolinfraktionen des Erdöls. 
Noch vor 10 Jahren war Gasolin in Baku meist als ein störender, feuer- 
gefährlicher Abfall betrachtet und im besten Falle zum Heizen ver- 
wendet. Gegenwärtig ist die Verarbeitung von Gasolin zu Benzin einer 
der gewinnreichsten Zweige der Erdölindustrie. Der „Abfallstoff" 
von gestern ist heute zum wertvollen Handelsprodukt geworden. 

In folgenden Zeilen will ich nun die wichtigsten Vorschläge be- 
sprechen, die eine ähnliche Metamorphose der als Abfälle der Raffi- 
nation bezeichneten Stoffe zu wertvollen Produkten bezwecken. Die 
Zahl dieser Vorschläge ist sehr groß; mehrere davon haben sich in der 
Praxis bewährt und eingebürgert, und gegenwärtig können wohl die 
meisten Abfallstoffe der Raffination eine nützliche Verwertung finden. 
Im allgemeinen ist aber die Art solcher Verwertung noch recht primitiv, 
und die Aufgabe der weiteren Durcharbeitung dieses Gebietes scheint 
mir sehr aussichtsreich zu sein. 

Säureabfälle. Die Abfälle, die man bei der Säurereinigung von 
Erdölprodukten erhält, sog. Säureteere, sind sehr verschieden, in Ab- 
hängigkeit einerseits von der Art des Mineralöls, andererseits von der 
Stärke der Schwefelsäure. Man kann drei Hauptgruppen der Säure- 
teere unterscheiden: 1. Abfälle der Benzin- und Kerosinreinigung nach 
Behandlung mit konzentrierter Schwefelsäure; 2. Abfälle der Schmier- 
öle und anderer schwerer Erdölprodukte nach Reinigung mit konzen- 
trierter Schwefelsäure; 3. Abfälle nach Reinigimg verschiedener Erdöl- 
produkte mit rauchender Schwefelsäure. 

1. Die Abfälle der Kerosinreinigung stellen gewöhnlich ziem- 
lich leicht fließende, schwarz gefärbte Teere vor, mit stechendem sauren 
Geruch. Da der Teer sehr viel freie Schwefelsäure enthält, so findet 
beim Verdünnen mit Wasser eine Trennung in zwei, resp. drei Schichten 
statt; unten sammelt sich die durch gelöste organische Bestandteile 
braun gefärbte Säure, oben schwimmt ein mehr oder weniger dickes öl 
auf, das aus polymerisierten, verharzten, geschwefelten und anderen 
Produkten der Einwirkung der Schwefelsäure auf das Rohdestillat be- 
steht; zwischen diesen beiden Hauptschichten können sich, als eine 
dünne dritte Schicht, die schwarzen, zähen, wasserlöslichen Sulfo- imd 



216 Raffination. 

Ätherschwefelsäuren einlagern; ein Teil dieser Säuren, sowie eventuell 
die Stickstoffbasen bleiben in der unteren Schwefelsäureschicht gelöst, 
und wenn der Teer mit einer genügenden Menge Wasser versetzt worden 
war, so bleibt diese Mittelschicht überhaupt aus. t . 

Die nähere Zusammensetziuig kann natürlich bei den Säureteeren 
verschiedener Provenienz sehr verschieden sefti. Nach einer Angabe von 
Pilat und StarkeP) enthalten die Säureteere von der Raffination der 
galizischen Kerosindestillate 10 bis 30yo organischen Groudrons, 52,1 
bis 62,8 Yo freier Schwefelsäure (durch Barium fällbar) und bis Sy^ 
Schwefelsäure in Form von Sulfosäuren. Diese Zusammensetzung 
der Säureteere änderte sich weder nach 30 stündigem Durchblasen mit 
Luft, noch nach einem 1 Monat langen Aufbewahren. In einem Säure- 
teer von der Raffination des russischen Kerosindestillates fand ich 16,4^0 
organischen Goudrons, 62,4^0 freier Schwefelsäure und nur 2,1^0 
SO4H2 in Form von Sulfosäuren, resp. Ätherschwefelsäuren ; beim Kochen 
des mit Wasser versetzten Säureteers ließen sich mit Wasserdampf 
7,7^0 eines angenehm pfefferminzartig riechenden Öles abtreiben; 
das Ol reagierte energisch mit Brom, Salpetersäure, ILMn04 u. dgl., 
und dürfte zum Teil den auf ähnlichem Wege von Marko wnikow er- 
haltenen sauerstoffhaltigen Verbindungen — wahrscheinlich tertiären 
Alkoholen^) — verwandt sein. Daß dieses öl zum größten Teil durch 
Zersetzung von Sulfo- und Ätherschwefelsäuren entstanden war, folgt 
daraus, daß die Menge des Groudrons nach dem Kochen nahezu un- 
verändert geblieben, während der Grehalt an freier Schwefelsäure (na- 
türlich nach Herstellung des ursprünglichen Volumens) von 62,4 auf 
64,1^0 gestiegen war. Beim Fraktionieren dieses Öles gingen 12,4^0 
bis 150^ und 59,5Vo von 150 bis 200» über. 

Die leichte Scheidung des Säureteers in Schwefelsäure einerseits 
und den organischen Rest andererseits erlaubt eine getrennte Verwertung 
dieser beiden Teerbestandteile. 

Es könnte nun scheinen, daß die Verwertung der Säure keine weite- 
ren Schwierigkeiten biete und am einfachsten auf dem Wege der direkten 
Konzentration geschehen würde. In Wirklichkeit aber stößt die Aus- 
führung dieses Prozesses auf nicht unerhebliche Hindernisse, die dadurch 
bedingt sind, daß die mit Wasser ausgeschiedene Säure, neben Sulfo- 
säuren und Salzen der Stickstoffbasen, auch noch beträchtliche Mengen 
Teerstoffe in sich gelöst enthält. Beim Eindampfen der Säure scheiden 
sich diese Teerstoffe allmählich aus und müssen fortwährend abgeschöpft 
werden; diese Ausscheidung ist aber bei weitem nicht vollständig, 
und die durch direkte Konzentration erhaltene Schwefelsäure ist daher 
ganz dunkel gefärbt und noch reich an Teerstoffen. Während der Kon- 
zentration der Säure findet auch eine Oxydation der organischen Stoffe 
unter reichlicher Entwicklung von schwefliger Säure statt; je weiter 
man konzentriert, um so energischer geht natürlich diese Oxydation 



1) Petroleum 6, 2177. 

2) oder, nach Tichwinsky, Ketonen. 



Verwertung der Baifinationsabfälle. 217 

vor sich, und da die vollständige Oxydation einer organischen Substanz 
auf je 1 Teil Kohlenstoff über 16 Teile Schwefelsäure verbraucht, 
werden die Verluste an Säure allmählich so groß, daß man auf diese Weise 
zu höheren Konzentrationen praktisch nicht gelangen kann. Man ist 
daher gezwungen, die einigermaßen konzentrierte Säure wiederum mit 
Wasser zu verdünnen, wobei sich von neuem Teerstoffe ausscheiden 
lassen, dann von neuem zu konzentrieren und diese Operation eventuell 
mehrmals zu wiederholen. Es müssen somit beim Regenerations- 
prozeß der Schwefelsäure aus dem Säureteer ganz merkwürdige Ver- 
änderungen mit den gelösten Teerstoffen vor sich gehen, da die Stoffe, 
die nach dem ersten Versetzen des Säureteers mit Wasser in der ver- 
dünnten Säure in Lösung zurückbleiben, ihre Löslichkeit während der 
Konzentration einbüßen; leider sind die dabei sich abspielenden che- 
mischen Vorgänge noch gar nicht untersucht worden. 

Aber auch durch wiederholtes Versetzen der Säure mit Wasser lassen 
sich nicht alle Teerstoffe ausscheiden, so daß man selbst nach mehrfacher 
Wiederholung der Operation eine dunkle Säure erhält. Es sind daher 
verschiedene Vorschläge gemacht worden, die Abfallsäure nach Ver- 
dünnen mit Wasser und Abscheidung der Hauptmenge von Teerstoffen, 
mittels Elektrolyse oder Dialyse oder Kohle u. dgl. zu entfärben; 
mit verdünnter Säure gelingt dieses ganz gut ; beim weiteren Eindampfen 
tritt aber wieder eine Färbung auf, als Folge von Oxydation der gelösten 
organischen Stoffe durch Schwefelsäure. Immerhin findet die regene- 
rierte, sog. „schwarze" Schwefelsäure Anwendung zur Reinigung von 
Erdölprodukten und, wie es scheint, kann man sie besonders zur Raf- 
fination von Schmierölen ganz gut gebrauchen. Bei der Reinigung von 
Kerosindestillaten bietet die Verwendung der schwarzen Säure, wie 
Hausmann^) berichtet, den übelstand, daß ein Teil der in der Säure 
noch vorhandenen Sulfosäuren sich in Kerosin auflöst, was bei der 
nachfolgenden Neutralisation einen größeren Verbrauch an Natron- 
lauge nach sich zieht. Bei der Analyse einer solchen regenerierten 
Schwefelsäure vom spez. Gtewicht 1,846 fand Hausmann: 94,64^0 
SO4H2, 2,10/0 Sulfosäuren und 0,82yo Asphaltstoffe. 

Ein geistreiches Verfahren zur Darstellung von ganz reiner 
konzentrierter Schwefelsäure aus Säureteer haben Blacher und 
Stenzel ausgearbeitet^) : man läßt die auf ca. 60® Be konzentrierte 
schwarze Säure in eine Retorte mit reiner, über 300° erhitzter Schwefel- 
säure langsam einfließen und leitet gleichzeitig Luft durch; es findet 
eine vollständige Verbrennung der organischen Stoffe zu CO2 statt und 
ganz reine Schwefelsäure destilliert über ; da dabei nur Spuren schwefliger 
Säure entstehen, muß entweder die Oxydation der organischen Stoffe 
direkt durch den Luftsauerstoff geschehen oder auf Kosten der Schwefel- 
säure vor sich gehen, dann aber das gebildete Schwefeldioxyd durch den 
Luftsauerstoff sofort wieder oxydiert werden. Dieser Prozeß geht 

1) Petroleum 6, 2301. 

2) D. R. P. 221655 der Steaua-Romana-Ges. ; vgl. auch Wispek, Petroleum 
6, 1045. 



218 Raffination. 

noch viel glatter vor sich, wenn man nach dem Vorschlage v. Pilats^) 
der destillierenden Säure etwas Quecksilbersulfat, resp. Quecksilber, 
zusetzt; die günstige katal3rtische Wirkung des Quecksilbers bei der 
Oxydation von organischen Stoffen durch Schwefelsäure ist ja übrigens 
auch aus dem Kjeldalschen Stickstoff bestimmungsverfahren, sowie 
aus dem Verfahren der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik zur Her- 
stellung von Phthalsäure aus Naphthalin bekannt. 

Die schwarze Säure kann in vielen Fällen auch direkt, statt reiner 
konzentrierter Schwefelsäure; Verwendung finden, so zur Herstellung 
von Superphosphat, allerlei Salzen u. dgl. 

Der organische Teil des Säureteers, der sich aus diesem durch 
Zusatz von Wasser ausscheiden läßt, besteht aus Polymerisierungs- 
und anderen Produkten der Einwirkung der Schwefelsäure auf unge- 
sättigte Kohlenwasserstoffe, Asphalt- und Harzstoffe usw. Seine 
nähere Zusammensetzung ist bisher kaum untersucht worden. Die 
einzige Verwertung, die dieser Teer bisher gefunden hat, ist die Dar- 
stellung von künstlichem Asphalt durch Abtreiben der flüchtigen 
Bestandteile, eventuell unter gleichzeitiger Oxydation mit Luftsauer- 
stoff ; im letzteren Falle soll man ein elastisches, als Kautschuksurrogat 
geeignetes Produkt erhalten können. 

Sehr interessant ist der Umstand, daß der aus dem Kerosinsäureteer 
mit Wasser ausgeschiedene, halbflüssige Goudron sich bei längerem 
Stehen stark verdickt; war er dagegen mit Wasser gründlich ausge- 
waschen und von Schwefelsäure vollständig befreit, so tritt die Ver- 
dickung nicht ein. Einen solchen ausgewaschenen Goudron haben Pilat 
und Starkel untersucht und gefunden: spez. Gewicht 0,948; Flamm- 
punkt nach Brenken 55®; Viskosität £50= 1,3; fraktionierte Destil- 

Temperatur % Spez. Gew. 

85 bis 200» 23,66 0,830 

200 „ 250» 26,50 0,906 

250 „ 280« 14,03 0,960 

weiter trat Zersetzung unter reichlicher Entwicklung von Schwefel- 
wasserstoff ein. 

Die Abfallsäure der Benzinreinigimg steht im allgemeinen dem 
Kerosinsäureteer nahe, ist aber bedeutend ärmer an organischen Be- 
standteilen, daher viel heller und dünnflüssiger. 

2. Die Abfälle der Schmierölreinigung unterscheiden sich von 
den Kerosinabfällen durch ihre dicke, zähe Konsistenz, weshalb sie sich 
mit Wasser in zwei Schichten nicht scheiden lassen. Die Schwefelsäure 
läßt sich daher aus diesem Säureteer nur durch widerholte Auskochungen 
mit Wasser auswaschen, und wird in solcher Verdünnung erhalten, daß 
ihre Regeneration sich im allgemeinen als nicht lohnend erweist. Der 
organische Teil des Säureteers von der Schmierölreinigung eignet sich 
dagegen, dank eben seiner Zähigkeit, sehr gut zur Fabrikation von 



^) Privatmitteilung. 






Verwertung der Raffinationsabfälle. 219 

künstlichem Asphalt. Die Säureteere von der Paraffinreinigung stehen 
der Schmierölen nahe. 

Die Säureteere von der Schmierölraffination verändern sich beim 
Aufbewahren ziemlich schnell, und zwar werden sie nicht nur fester, 
sondern es ändert sich auch ihr Glehalt an freier Schwefelsäure. So z. B. 
habe ich in einem von der Raffination eines ölgoudrons mit lO^o SO4H2 
gewonnenen Säureteers folgende Mengen freier Schwefelsäure gefunden : 

am 1. Tage 6,57o 
3. ,, 2,4 ,, 

7. „ 0,47,, 

Ein sehr hübsches Verfahren zur Aufarbeitung von Säureteeren 
der Schmierölraffination haben neuerdings, unabhängig voneinander, 
Schmitz^) und Seidenschnur^) ausgearbeitet. Das Verfahren be- 
ruht darauf, daß die organischen Anteile der gewöhnlichen Säureteere, 
die in Benzin u. dgl. Mineralölen sehr wenig löslich sind, sich von ge- 
wissen Lösungsmitteln, wie z. B. Mittel- und Schwerölen des Stein - 
kohlenteers usw. leicht aufnehmen lassen. Man erhält also bei der 
Behandlung der Säureteere mit diesen Lösungsmitteln einerseits die 
freigebliebene Schwefelsäure, die nach entsprechender Reinigung 
und Konzentrierung wieder gebraucht werden kann, andererseits 
eine Lösimg von organischen Polymerisationsprodukten, die sich, 
nach Abtreiben des Lösungsmittels, zu verschiedenen Zwecken (als 
Bindemittel für Kleinkohle, Dachpappenimprägnierung, Herstellung 
von künstlichem Asphalt usw.) eignen. Höchst merkwürdig ist die von 
Seidenschnur gemachte Beobachtung, daß der Schmierölsäureteer, 
wenn man ihn mit kleinen Mengen von Wasser fortgesetzt durchknetet 
und jedesmal vor Einbringen neuer Wassermengen die zur vorher- 
gehenden Behandlung benutzte entfernt, nach 8 bis 12 maliger Wieder- 
holung derartiger Behandlung vollständig wasserlöslich wird; aus der 
wässrigen Lösung soll sich das Wasser wieder verdampfen und dabei 
wieder ein wasserlösliches öl gewinnen lassen. Über die Natur dieses 
ganz eigenartigen Produktes wird leider nichts mitgeteilt. 

3. Die Abfälle nach Reinigung mit rauchender Schwefel- 
säure unterscheiden sich wesentlich von den bisher besprochenen 
Säureteeren dadurch, daß sie zum großen Teil aus wasserlöslichen Sulfo- 
säuren bestehen. Durch verschiedene Salze, sowie Säuren u. dgl. wer- 
den die Sulfosäuren aus wässriger Lösung gefällt; es ist daher mög- 
lich, durch geeigneten, nicht zu großen Zusatz von Wasser die freie 
Schwefelsäure des Säureteers gerade so weit zu verdünnen, daß der 
Säureteer sich in zwei Schichten trennt; nach Ablassen der unteren 
Schwefelsäureschicht können die ausgeschiedenen schwarzen, zähen 
Sulfosäuren in Wasser gelöst werden. 

Die Zusammensetzung dieser Sulfosäuren ist je nach dem Aus- 
gangsöl sehr verschieden. Stammt der Teer von der Behandlung der 



1) Privatmitteilimg. 

2) Petroleum 3, 1175. 



220 Raffination. 

niederen, an aromatischen Kohlenwasserstoffen mehr oder weniger 
reichen Erdölfraktionen, so bestehen die Sulfosäuren zum großen Teil 
aus Derivaten dieser Kohlenwasserstoffe. Neben diesen — und zwar 
hauptsächlich bei der Behandlung der mittleren und höheren Erd- 
ölfraktionen — werden aber auch andere, eigenartige Sulfosäuren 
erhalten, die von SpiegeP) mit dem Namen Thumenolsulfosäuren 
bezeichnet und von Dieckhoff^) näher untersucht worden sind. 
Sie sind, wie auch ihre Alkalisalze, in Wasser ziemlich leicht löslich, 
lassen sich aber aus der Lösung durch Salze und Säuren aussalzen; 
die Salze der ErdalkaUen und Schwermetalle sind in Wasser unlöslich. 
Die Thumenolsulfosäuren wirken stark reduzierend, führen z. B. Eisen- 
oxyd- in Eisenoxydulsalze über, absorbieren leicht Brom, reduzieren 
Benzoylchlorid in alkalischer Lösung unter Wärmeentwicklung zu 
Benzaldehyd. Aus wässriger Leimlösimg wird durch Thumenolsulfo- 
säure ein elastischer, fadenziehender, kautschukähnlicher Niederschlag 
gefällt. Neben Thumenolsulfosäuren werden auch entsprechende Sulfone 
gebildet, dunkelbraune öle, die in Ligroin, Äther imd Benzol leicht lös- 
lich sind ; in Wasser sind Sulfone selbst unlöslich, lassen sich aber leicht 
von wässrigen Thumenolsulf osäurelösungen aufnehmen ; sie werden daher 
beim Versetzen des Säureteers mit Wasser mitgelöst und können aus 
der Lösung nach Neutralisieren der Säure ausgeäthert werden; durch 
rauchende Schwefelsäure werden sie in Thumenolsulfosäuren über- 
geführt ; der Säureteer ist daher um so reicher an Sulfosäuren und ärmer 
an Sulfonen, je stärker die zur Raffination benutzte rauchende Schwefel- 
säure, je länger die Einwirkungsdauer und je höher die Temperatur 
bei der Reinigung war. Sehr interessant ist der Umstand, daß verschie- 
dene Erdölfraktionen mit rauchender Schwefelsäure Thumenolsulfone 
und -sulfosäuren mit ganz gleichen Eigenschaften ergeben; auch sind 
dieselben Thumenolkörper von Dieckhoff bei der Behandlung der 
Destillate des Kunsterdöls aus Tran mit rauchender Schwefelsäure er- 
halten worden. Spiegel und Dieckhoff schreiben daher den Thu- 
menolsulfonen aus verschiedenen ölen dieselbe Formel (C4iHg7O)2S02, 
den Thumenolsulfosäuren die Formel C4iHß202S03 zu; sowohl aber 
diese Formel selbst, wie auch die Behauptung, daß man es hier mit 
einheitlichen und für verschiedene Fraktionen gleichen Produkten zu 
tun hat, sind sehr zweifelhaft. Eine nähere Untersuchung dieser merk- 
würdigen Produkte wäre jedenfalls von sehr großem Interesse. 

Was die Verwertung des nach der Raffination mit rauchender 
Schwefelsäure abfallenden Säureteers betrifft, so ist wohl das von 
Berguer ausgearbeitete und von der Ges. Gebr. Nobel patentierte 
Verfahren^) an erster Stelle zu nennen: der Säureteer wird mit gleicher 
Menge Wasser versetzt und etwa 8 Stunden bei 150 bis 180® im Auto-' 
klaven erhitzt; es findet dabei eine Spaltung der Sulfosäuren (in erster 
Linie wohl der Thumenolsulfosäuren) in Kohlenwasserstoffe und freie 

1) D. R. P. 56401; Chem.-Ztg. 1891, 772. 

2) Dinglers Journ. 287, 41. 

3) Russ. Priv. 10416. 



J 



Verwertung der Baffinationsabfälle. 221 

Schwefelsäure statt. Nach Frasch^) sollen die durch Überführung 
in Calciumsalze gereinigten Thumenolsulfosäuren sich zum Färben 
von Wolle und Seide (gelb bis braun) eignen. Die Gewerkschaft Messel 
und Helmers*) wollten die Tumenolsulfone und Sulfosäuren zu phar- 
mazeutischen Zwecken benutzen. 

Natronabfälle. Die Zusammensetzung der Abfallaugen, die man 
bei der alkalischen Reinigung der Erdölprodukte erhält, ist bereits 
oben besprochen worden. Für die Verwertimg dieser Abfälle kommen 
natürlich in erster Linie die Naphthensäuren in Betracht. Die Gewinnung 
dieser Säuren aus Abfallaugen kann am einfachsten mittels Schwefel- 
säure geschehen, wobei aber das Natron der Seifen in Form von wert- 
losen Natriumsulfatlösungen verloren geht. Will man diese Verluste 
vermeiden, so kann man die Seifen der Naphthensäuren, nach den, 
unabhängig voneinander, von Berg u er und von mir gemachten Vor- 
schlägen, durch indirekte Elektrolyse in freie Säuren und Ätznatron 
spalten. Eine direkte Elektrolyse der Abfallaugen stößt auf die Schwie- 
rigkeit, daß die an der Anode sich abscheidenden Naphthensäuren hier 
eine nichtleitende Schicht bilden. Man kann aber, statt der Abfall- 
laugen, eine Natriumsulfatlösiuig elektrolysieren, bis sich darin einige 
Prozente freier Schwefelsäure gebildet haben, dann mit dieser sauren 
Lösung eine entsprechende Portion Abfallauge behandeln, wobei die 
Naphthensäuren dieser letzteren in Freiheit gesetzt und die freie Schwe- 
felsäure in Sulfat übergeführt wird, die Sulfatlösung nun wiederum 
elektrolysieren usw. Die Elektrolyse wird entweder in Diaphragmen- 
apparaten (Berguer) oder mittels vertikaler Quecksilberkathoden 
(Gur witsch') ausgeführt; in letzterem Fall wird das Ätznatron der 
Abfallaugen in ganz reinem Zustande regeneriert. 

Es ist auch möglich, Naphthenseifen mittels Kohlensäure (unter 
Druck) in Natriumkarbonat und Naphthensäuren zu spalten*); diese 
Spaltung ist aber nicht vollständig: es bleiben einerseits ziemlich viel 
Naphthenseifen (hauptsächlich die der niedrig molekularen) in der 
Karbonatlösung, andererseits werden nicht freie Naphthensäuren 
allein, sondern im Gemische mit Naphthenseifen (oder vielleicht saure 
Seifen?) ausgeschieden. 

Die freien Naphthensäuren haben übrigens bisher nur eine be- 
schränkte Verwendung finden können. Die bisher wichtigsten der 
Naphthensäuren — die Kerosinsäuren — würden sich allerdings einer- 
seits zum Kattundruck, andrerseits zur Fabrikation von guten Schmier- 
seifen ausgezeichnet eignen, wenn dem nicht ihr ekelhafter und äußerst 
festhaftender Geruch im Wege stünde ; die zahlreichen Versuche, diesen 
Geruch zu vernichten, sind bisher erfolglos geblieben. Die Haupt- 
menge der Abfallaugen wird daher nicht auf freie Naphthensäuren, 
sondern auf Naphthenseifen verarbeitet, was sehr einfach durch Aus- 

1) D. R. P. 87974. 

2) D.R. P. 56401, 65850 und 76128. 
«) D. R. P. 145749. 

*) Otto, Petr. Rev. 1900, 284. 



222 Raffination. 

salzen mit Kochsalz geschieht; diese Naphthenseifen haben in Ruß- 
land eine sehr weitgehende Verwendung zur Fabrikation von billigen 
Seifen (als Zusatz zu tierischen und Pflanzenfetten) gefunden. 

Wegen der zahlreichen anderen Vorschläge zur Verwertung der 
Naphthensäuren (Antiseptika, Holzimprägnation, Lacke, Kautschuk*- 
Surrogate usw.) sei auf die Broschüre von Cherchefsky^) verwiesen. 

Die Natronabfälle von der Schmierölreinigung sind so reich an 
emulgierten Kohlenwasserstoffen, daß man daraus direkt durch An- 
säuern nicht Naphthensäuren selbst, sondern nur sog. ,, Seifenöle", 
d. h. Gemische von Säuren mit großem Überschuß von Mineralöl, 
gewinnt, die übrigens bisher nur eine beschränkte Verwendung gefimden 
haben. 

5. Raffination durch auswählende Lösliehkeit und 

^kalte Fraktionierung*'. 

« 

Die bisher behandelten Fabrikationsmethoden der Erdölprodukte — 
Destillation und Reinigung mit Schwefelsäure und Natronlauge — 
haben, dank ihrer Einfachheit und relativen Billigkeit, die ganze Erdöl- 
industrie erobert. Dies will aber noch nicht heißen, daß sie in allen Fällen 
als rationell angesehen werden müssen. Beiden Methoden haften viel- 
mehr Übelstände an, die sich in vielen speziellen Fällen sehr fühlbar 
machen und das Ausarbeiten neuer Methoden höchst wünschenswert 
erscheinen lassen. Der Übelstand der Destillation liegt in der Empfind- 
lichkeit der Erdölkohlenwasserstoffe gegen hohe Temperaturen; die 
leichte Zersetzbarkeit der schweren Schmierölfraktionen bei den zum 
Abtreiben dieser Fraktionen erforderlichen Hitzegraden macht hier die 
Verwendung von sehr großen Wasserdampf mengen oder hohen Vakuums 
u. dgl. nötig, was natürlich die Arbeit kompliziert und verteuert und den- 
noch die Möglichkeit von Zersetzung nicht ganz ausschließt. Anderer- 
seits läßt auch die Raffination mit Schwefelsäure, die bei gewöhnlicher 
Benzin- und Kerosindestillaten als geradezu ideal genannt werden kann, 
bei der Behandlung von schwereren Fraktionen, sowie auch von ver- 
schiedenen speziellen Kerosinsorten sehr viel zu wünschen übrig. 
Bei der Raffination von Kerosindestillaten, die z. B. an aromatischen 
Kohlenwasserstoffen reich sind, sowie bei der Fabrikation von sog. 
Vaselin- oder Weißölen kommt man nur unter Verbrauch von sehr 
großen Mengen rauchender Schwefelsäure zum Ziel, was um so mehr 
empfindlich ist, als dabei auch die Verluste am öl sehr groß werden. 
Bei der Fabrikation von Schmierölen wird ein großer Teil der zähesten 
und, wie es scheint, zum Schmieren am besten geeigneten Kohlen- 
wasserstoffe von Schwefelsäure weggelöst; auch lassen sich die bei der 
Schwefelsäurereinigung gebildeten Sulfosäuren nur schwer vollständig 
mit Natronlauge auswaschen, die zurückbleibenden Seifen verur- 



1) Les acides du naphthe 1910. 



Raffination durch auswählende Löslichkeit und ,,kalte Fraktionierung". 223 

Sachen aber beim Lagern der öle Trübungen und flockenartige Aus- 
scheidungen usw.| 

Die Bestrebungen zur Vervollkommnung der Darstellungsweise 
der Erdölprodukte können sich daher nach zwei Richtungen erstrecken. 
Erstens kann versucht werden, die verschiedenen hochsiedenden Schmier- 
ölfraktionen, statt durch Destillation, durch irgendwelche andere 
Fraktionierungsart, ohne Zuhilfenahme von hohen Temperaturen,, 
auszuscheiden. Zweitens wäre die Aufgabe zu lösen, konzentrierte 
Schwefelsäure durch andere Reinigungsmittel zu ersetzen, deren Ein- 
wirkung sich möglichst nur auf die schädlichen Bestandteile der De- 
stillate erstrecken und deren Grebrauch gegenüber Schwefelsäure öko- 
nomische Vorteile bieten würde. Da es sich, in beiden Fällen um Schei- 
dung und Isolierung verschiedener Körpergruppen handelt, lassen sich 
beide Aufgaben gemeinsam besprechen. Zwei verschiedene Methoden 
sind bisher auf diesem Gtebiete versucht worden: 1. auswählende Lös- 
lichkeit oder fraktionierte Fällung und 2. Behandlung mit Bleicherde, 
Kohle u. dgl. porösen, leicht adsorbierenden Körpern. Da beide Me- 
thoden sowohl theoretisch, wie praktisch vom hohen Interesse sind^ 
will ich sie etwas eingehender besprechen. 

Die Methode der kalten Fraktionierung gründet sich auf der un- 
gleichen Löslichkeit verschiedener Erdölbestandteile in verschiedenen 
Lösungsnaitteln und läßt sich auf zweierlei Weise durchführen: 1. das 
zu fraktionierende Gemisch wird mit solchem Mittel behandelt, welche» 
vorwiegend nur seine gewissen Bestandteile in sich aufnimmt, die übrigen 
aber ganz oder zum größten Teil ungelöst läßt; oder aber 2. wird das 
ganze Gremisch in einer Flüssigkeit gelöst und dann durch eine zweite 
partiell gefällt. In beiden Fällen findet die Bildung von zwei Schichten 
statt, und die Verteilung verschiedener Stoffe zwischen den beiden 
Phasen geschieht nach dem bekannten Löslichkeitsverteilungsgesetz : 

— = konst., 

wo Cj die Volumkonzentration des Stoffes in der ersten, c^ in der zweiten 
Phase bedeutet, vorausgesetzt, daß das Molekulargewicht des Stoffes 
in beiden Phasen dasselbe ist (für die uns hier interessierenden Fälle 
wird wohl diese Voraussetzung im allgemeinen zutreffen). Auf Grund 
dieses Gesetzes ist es leicht, die Formeln für die Extraktion eines Stoffes 
aus einer Lösung durch ein zweites Lösungsmittel aufzustellen. Ist 
der Prozentgehalt der Lösung p, das Volum des Extraktionsmitte la 
(auf das Volum der Lösung bezogen) m und c die Verteilungskon staute 
zwischen dem Extraktionsmittel und dem ersten Lösungsmittel, so 
beträgt die extrahierte Menge: 

pm c 



1— l-\-mc' 

Verfährt man aber so, daß man nicht die ganze Menge m des Ex- 
traktionsmittels auf einmal verwendet, sondern sie in n gleiche Per- 



224 Raffination. 

tionen teilt und die zu extrahierende Lösung systematisch mit je einer 
Portion behandelt, so läßt sich die Menge 



H^'V 



- cmj _ 



extrahieren. Es läßt sich zeigen, daß ej stets größer als e ist, und zwar 
um so mehr, je größer n, d. h. je öfter man die Extraktion wiederholt. 
Behandelt man z. B. eine pVo^® Lösung eines Stoffes mit gleichem 
Volumen eiaes Extraktionsmittels, einerseits mit der ganzen Menge 
auf einmal, andererseits in 5 gleichen Portionen, und ist c = 5, so ist 
die in der behandelten Lösung noch zurückbleibende Menge des Stoffes, 
im ersten Falle gleich y^p» i^^ zweiten dagegen nur y^^p, also ist die 
Extraktion im zweiten Falle mehr als um das Fünffache vollständiger. 

Es wird sich daher stets, wo dies nur praktisch durchführbar ist, 
empfehlen, die Extraktion methodisch, mit möglichst kleinen Portionen 
der extrahierenden Flüssigkeit, eventuell auch in kontinuierlich arbei- 
tenden Extraktionsapparaten, auszuführen. Da man in der Erdöl- 
industrie stets mit Gemischen und Lösungen sehr vieler Stoffe, deren 
Löslichkeitsverhältnisse verschieden siad, zu tun hat, so wird durch 
solche methodische Arbeitsweise, neben einer größeren Vollständigkeit 
der Extraktion, gleichzeitig auch eine Fraktionierung erreicht. 

Bevor ich zur Besprechung einzelner Verfahren übergehe, ist noch 
eine allgemeine Bemerkung zu machen. Die Lösungsmittel, die zur 
Behandlung von Mineralölen sich eignen, sind im allgemeinen ihrer- 
seits bis zum gewissen Grade in ölen löslich, wie denn überhaupt die 
Löslichkeit zweier nicht mischbarer Flüssigkeiten füreinander stets 
gegenseitig, wenn auch quantitativ verschieden ist. Beide Phasen, 
die bei dieser Arbeitsweise entstehen, enthalten somit das zur Extraktion 
benutzte Lösungsmittel, und dieses letztere muß aus beiden Phasen 
regeneriert werden. 

Gewöhnlich kann dieses nur durch Destillation geschehen, wobei 
die letzten Reste des Lösungsmittels im behandelten, resp. dem ex- 
trahierten Teil des Mineralöls sehr hartnäckig zurückhaften und meist 
nur mit HUfe von Dampf- oder Luftstrom ausgetrieben werden können. 
Von diesem Standpunkte aus muß bei der Wahl eines praktisch ge- 
eigneten Lösungsmittels solchen mit möglichst niedrigem Siedepunkt 
der Vorzug gegeben werden. 

Das älteste Verfahren der kalten Fraktionierung der Mineralöle 
ist dasjenige von Aisinmann^). 

Ai s i n m a nn bediente sich zur partiellen Lösung von Erdölprodukten 
des Äthylalkohols; da die Löslichkeit der Erdölkohlenwasserstoffe in 
Alkohol (wie übrigens auch in vielen anderen Lösungsmitteln) mit 
steigendem Molekulargewicht stark abnimmt, so lassen sich damit 
die leichteren Bestandteile der Erdöle von den schwereren scheiden. 
Durch Behandlung eines russischen Masuts (sx>ez. Gewicht 0,913) mit 



^) Dinglers Joum. 297, 44. 



Baffination durch auswählende Löslichkeit und ,,kalte Fraktionierung". 225 

lOfachem Volumen 96grädigen Alkohols ließen sich 35^0 in Lösung 
überführen; nach Reinigung mit ß^Q SO4H2 wurde daraus ein öl 
gewonnen, dessen Eigenschaften im Vergleich zum ursprünglichen Masut 
und zu dem ungelöst gebliebenen Rest aus folgender Tabelle zu ersehen 
sind : 

Spez. Gew. ^200 -^so^a Flammpkt. Coldtest 

Masut 0,913 47,8 7,67 174« bei lö» C 9 mm 

Extrahiertes öl. . 0,905 12,18 2,7 168» bei lö» C 00 
Ungelöster Teil . .0,930 115,5 14,6 196« bei 2« C 2 mm 

Man sieht somit, daß durch Behandlung mit Alkohol eine Frak- 
tionierung des Masuts in zwei Teile stattgefunden hat, von denen der 
eine, lösliche, viel leichter, dünnflüssiger und kältebeständiger, der andere, 
unlösliche, umgekehrt schwerer und dicker als das ursprüngliche Masut 
war. So sehr interessant diese Resultate auch sind, vom praktischen 
Standpunkte aus können sie nicht vielverheißend genannt werden; 
denn erstens ist die Löslichkeit der Erdölkohlenwasserstoffe in Alkohol 
schon in den mittleren Fraktionen sehr gering, weshalb auch ein so 
großer Überschuß an Alkohol genommen werden mußte. Zweitens er- 
weist sich die Fraktionierung, trotz der großen Unterschiede der Brütto- 
zahlen, beim näheren Zusehen als recht mangelhaft. Denn das extrahierte 
öl, das das spezifische Gewicht eines Maschinenöles, die Viskosität eines 
Spindelöles und den Flammpunkt eines Solaröles hat, muß sehr inhomo- 
gen sein und alle möglichen Fraktionen in sich einschließen. Auch vom 
ökonomischen Standpunkte aus sind die Versuche Ais in man ns nicht 
ermutigend, da er, um die mitgeteilten Resultate zu erzielen, sehr große 
Mengen Alkohol anwenden mußte. 

Des Alkohols haben sich auch L. Singer und Pauli ^) bedient, 
um das Rohparaffin, durch Innehaltung bestimmter Kristallisations- 
temperaturen, in Fraktionen mit verschiedenen Schmelzpunkten zu 
zerlegen; um an Alkohol zu sparen, ist es dabei vorteilhaft, unter er- 
höhtem Druck zu arbeiten. 

Die Versuche Aisinmanns sind später von Charitschkow^) 
weiter geführt worden, wobei aber die Arbeitsweise bedeutend geändert 
wurde. Charitschkow löst nämlich das Rohprodukt in Amylalkohol 
auf und fällt es fraktionsweise mit Äthylalkohol. Aus einem Masut 
von Grosny mit spez. Gewicht 0,925 erhielt er auf diese Weise eine 
Reihe Fraktionen, angefangen mit spez. Gewicht 0,930 und bis zum 
spez. Gewicht 0,908; leider sind diese Fraktionen auf ihren Homo- 
genitätsgrad nicht geprüft worden. Ebenso fehlt jeglicher Beweis für 
die chemische Individualität der auf dieselbe Weise ausgeschiedenen 
und von Charitschkow für reine Kohlenwasserstoffe C^gllgg bis 
CgsHgg erklärten Verbindungen. 



1) D. R. P. 140546. 

2) Die Naphthafraktionierung auf kaltem Wege (russisch) 1903; auch Chem. 
Rev. 1903, 251 und 281. 

Gurwitäch. 15 



226 Raffination. 

Die Versuche Aisinmaniis und Charitschkows scheinen die 
einzigen zu sein, die die eigentliche Fraktionierung der Mineralöle, 
d. h. eine Scheidung von verwandten Kohlenwasserstoffen in engere 
Gruppen zum Zweck hatten. Die anderen Arbeiten auf diesem Grebiete 
befassen sich mit eigentlicher Raffination, d. h. Trennung der wertvollen 
Kohlenwasserstoffe von schädlichen Bestandteilen. Solche Bestrebungen 
haben natürlich viel mehr Aussicht auf Erfolg als die ersteren, da die 
Scheidung ungleichartiger Körper meist leichter als die der gleich- 
artigen durchgeführt werden kann. Die Zahl der hierher gehörenden 
Verfahren ist ziemlich groß. Ich will mit dem originellsten und aus- 
sichtsreichsten beginnen, demjenigen von Edeleanu^). Dieses Ver- 
fahren macht Gebrauch von flüssiger Schwefligsäure als Lösungsmittel 
für aromatische und kohlenstoff reiche ungesättigte Kohlenwasserstoffe, 
während Naphthene und Paraffinkohlenwasserstoffe darin nur schwer 
löslich sind. Die Löslichkeit von flüssiger Schwefligsäure und Erdöl- 
kohlenwasserstoffen ist gegenseitig, d. h. ist Schwefligsäure im Erdöl 
und Erdöldestillaten in gewissem Grade löslich. Man muß daher soviel 
Schwefligsäure nehmen, daß sich zwei Schichten bilden: unten eine 
Lösung von aromatischen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen in 
flüssiger Schwefligsäure, oben eine Lösung der letzteren in Naphthenen 
und gesättigten Kohlenwasserstoffen. Indem man die Schichten von- 
einander trennt und aus beiden die schweflige Säure abtreibt, lassen 
sich die beiden Gruppen Kohlenwasserstoffe jede für sich erhalten. 
Auf diese Weise war es z. B. möglich, ein schlecht -brennendes 
rumänisches Kerosindestillat vom spez. Gewicht 0,820 durch Be- 
handlung mit y4 Gewichtsteilen und zweimaliges Nachwaschen 
mit je y4 Gewichtsteil Schwefligsäure einerseits in ein sehr gut 
brennendes, aus Naphthenen und Grenzkohlenwasserstoffen be- 
stehendes Brennöl vom spez. Gewicht 0,802 bis 0,803, andererseits 
in ein Gemisch von aromatischen und ungesättigten Kohlen- 
wasserstoffen vom spez. Gewicht 0,860 bis 0,880 zu zerlegen. Der 
große Vorteil des Verfahrens von Edeleanu gegenüber anderen, auf 
partieller Lösung beruhenden und bald zu besprechenden Prozessen 
liegt einerseits in der äußersten, von anderen Lösungsmitteln bei weitem 
nicht zu erreichenden Billigkeit der Schwefligsäure, andererseits in der 
Leichtigkeit, mit der beide zerlegte Fraktionen des ursprünglichen Öles 
sich vollständig vom Lösungsmittel befreien lassen; demgegenüber 
scheint die Komplikation, die die Verwendung eines verflüssigten 
Gases mit sich bringt und die in der Notwendigkeit des Arbeitens bei 
niedrigen Temperaturen und der \Piederverf lüssigimg der abgetriebenen 
Schwefligsäure liegt, nicht wesentlich zu sein. 

Während das Verfahren von Edeleanu in erster Linie zur Ausschei- 
dung von aromatischen und ungesättigten Kohlenwasserstoffen aus 
Kerosindestillaten bestimmt und ausprobiert worden ist, haben die 
meisten anderen in dieses Kapitel gehörenden Prozesse die Ausschei- 



1) D. R. P. 216459; Rev. p^tr. 1909, 481. 



Raffination durch auswählende Löslichkeit und ,,kalte Fraktionierung". 227 

düng von Harz- und Asphaltstoffen aus Schmieröldestillaten oder Rück- 
ständen zum Ziel. 

Es lassen sich zweierlei Methoden unterscheiden. Entweder werden 
die Harz- und Asphaltstoffe aus dem Rohprodukt durch Zusatz eines ge- 
eigneten Mittels gefällt, während das Schmieröl in dem zugesetzten 
Mittel gelöst bleibt. Oder aber sind es die Asphaltstoffe, die sich durch 
das Lösungsmittel extrahieren lassen, während das Schmieröl sich darin 
nicht oder nur wenig löst. 

Eines der ersten Verfahren zur Ausscheidung von Asphaltstoffen 
aus Schmierölen — speziell aus schweren Rückständen des Hannover- 
schen Rohöls — war dasjenige von Daeschner^), der sich zu diesem 
Zwecke des Amylalkohols (Fuselöl) bediente ; dabei gehen die Schmieröl- 
kohlenwasserstoffe in Lösung, während Asphaltstoffe ungelöst zurück- 
bleiben. Das Verfahren von Daeschner, das seinerzeit große Auf- 
merksamkeit auf sich gelenkt hat, scheint hauptsächlich am hohen 
Preise des Amylalkohols gescheitert zu sein; weitere Übelstände des 
Verfahrens liegen darin, daß die höheren Schmierölfraktionen in Amyl- 
alkohol verhältnismäßig schwer löslich sind, so daß ein Teil der wert- 
vollsten öle leicht mit Asphalt im Rückstande zurückbleiben kann 
und eine vollständige Ausfällung von Asphaltstoffen daher sehr große 
Mengen Amylalkohol benötigt. Eine Vervollkommnung des Verfahrens 
in letzterer Beziehung bedeuten zwei Vorschläge Diamands. Nach 
dem einen^) soll, statt Amylalkohol allein, ein Gemisch von Fuselöl mit 
Benzin zur Verwendung gelangen. Nach dem zweiten^) wird die zur 
vollständigen Ausscheidung von Asphalt nötige Menge Alkohol durch 
gleichzeitiges Zentrifugieren bedeutend heruntergesetzt; so z. B. sollen 
zur Ausscheidung von 18% Asphalt beim gleichzeitigen Zentrifugieren 
schon Sö^/o Fuselöl (auf Ol bezogen) genügen, während dazu sonst, 
ohne Zentrifugieren, etwa 300^0 erforderlich waren. Die Wirkung des 
Zentrifugierens besteht wahrscheinlich darin, daß Asphaltmoleküle 
schon bei verhältnismäßig geringem Zusatz von Amylalkohol zu größeren 
Komplexen zusammentreten, die zwar noch zu klein sind, um von sich 
selbst aus eine Fällung zu bilden, wohl aber durch die Zentrifugalkraft 
nach der Peripherie zusammengeballt werden können. 

Von anderen Reagenzien, die man zur einfachen Fällung (ohne 
chemische Veränderung) von Asphaltstoffen aus Mineralölen vorgeschla- 
gen hat, sind noch Benzin und Alkoholester zu nennen. In Benzin sind, 
wie Holde*) gezeigt hat, die Asphaltstoffe um so weniger löslich, je 
niedriger es siedet; ein leichtes und niedrig siedendes Benzin kann 
daher zur Ausscheidung von Asphaltstoffen aus sehr schweren Mineral- 
ölen benutzt werden. Ein praktischer Nachteil des Verfahrens von 
Holde liegt in großen zur Ausscheidung von Asphalt nötigen Mengen 
Benzin (ca. das öfache vom öl). Noch vollständiger als mit Benzin 

1) D. R. P. 124980. 

2) D. R. P. 173616. 

3) D. R. P. 170468. 
*) D. R. P. 186690. 

15* 



228 Raffination. 

sollen sich nach einem Patent von Koettnitz^) die Asphaltstoffe mit 
Alkoholestern, in erster Linie mit Äthylazetat, ausfällen lassen; auch 
sollen die Ester nur Asphaltstoffe und nicht, wie Amylalkohol, auch die 
höheren Schmierölfraktionen aus der Lösung in Mineralölen ausscheiden. 
Weitere Vorteile des Äthylazetats ergeben sich aus seiner Homogenität, 
seinem niedrigen Siedepunkt (77°), sowie verhältnismäßig kleiner, zur 
Ausscheidung von Asphalt erforderlichen Menge (1 bis 2 Grewichtsteile 
vom öl). 

Wird in dem Verfahren von Daeschner, Diamand, Holde 
und Koettnitz von solchen Lösungsmitteln Gebrauch gemacht, die das 
Schmieröl in sich aufnehmen und die Asphaltstoffe ungelöst zurück- 
lassen, so kann man auch umgekehrt nach solchen Mitteln suchen, 
die aus dem Rohschmieröl Asphaltstoffe, resp. andere schädliche Be- 
standteile nicht fällen, sondern herauslösen würden. Hierher gehört z. B. 
das von Landsberg 2) zur Reinigung von Mineralöl patentierte Azeton. 
Allerdings gab Landsberg selbst an, daß man mittels Azetons Schmier- 
öle in Lösung bringen und Asphaltstoffe niederschlagen könne. Spätere 
eingehende Untersuchungen von Charitschkow^), Predit und 
Jagubow*) und Schwarz und Schlüter^) haben aber gezeigt, daß 
Schmieröldestillate in Azeton verhältnismäßig schwer löslich sind 
und daß sie dabei dem Azeton vorzugsweise ihre schwereren und un- 
gesättigteren Bestandteile abgeben. Sehr instruktiv in dieser Beziehung 
ist die folgende kleine Tabelle von Predit und Jagubow (die öle sind 

mit gleichem Grewicht Azeton behandelt worden). 

Jodzahl 



'% J^ '*^ 

Fmp. des Löslich Spez. Gewicht Fmp. des 3 ^ 'S 

Spez. Gewicht Destillats in des ungelösten « d° ^ 

des Destillats nachM.-P. Azeton ungelösten M.-P. p p ^ 

0,888 1450 21,730/0 0,8827 löS« 4,3 3,1 7,3 

0,9036 185« 13,88,, 0,8981 185» 6,0 4,0 9,9 

0,9084 1950 11,48,, 0,9034 199» 7,3 5,9 15,6 

0,9144 1950 10,29,, 0,9083 215» 15,4 13,3 27,3 

Masut 0,906 135» 19,0 „ 0,9024 147» 6,9 5,6 11,8 

Die ungelöst gebliebenen Anteile wiesen auch größere Viskosität auf. 
Ähnliche Resultate erhielten auch Schwarz und Schlüter, die die 
Behandlung mit Azeton zur Veredelimg von Schmierölen, speziell von 
Automobilölen, vorschlagen; es hat sich nämlich erwiesen, daß es vor- 
zugsweise die schwereren und ungesättigten Bestandteile solcher öle 
sind, die in Automobilmotoren unvollständig verbrennen und den aus- 
puffenden Gasen den bekannten unangenehmen, beizenden Geruch er- 



1) D. R. P. 191839. 

2) D. R. P. 166462. 

«) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1906, Nr. 4. 

*) Ibid. Nr. 7. 

ß) Chem.-Ztg. 1911, 413. 



Raffination durch Adsorption« 



229 



teilen ; die mit Azeton behandelten öle entwickelten dagegen beim Aus- 
puff fast gar keinen Geruch und gaben grauweißen Dampf, während der 
Dampf des ursprünglichen, obwohl mit Schwefelsäure gereinigten 
Öles schmutziggrau war. Der Einfluß der Behandlung mit Azeton 
auf die Eigenschaften von Schmierölen sind aus folgender Tabelle 
von Schwarz und Schlüter zu ersehen (wobei ein deutsches Auto- 
mobilöl zur Behandlung gelangte): 

















Nach 508td. 
















Erhitzen bei 




Gew. 


Spez. 


•Sfo 


^M 


Fmp. 


Brenn- 


150«unlÖ8l.i. 


- 


7« 


Grew. 


nach Br. 


punkt 


Leichtbenzin! 


Ursprüngliches öl 




0,9169 


37,7 


5,9 


208« 


252« 


0,31 «/o 


öl nach 3 mal. Be- 
















handlung mit Aze- 
















ton (gleiche Vol.) 


66 


0,8969 


43,6 


6,9 


215« 


257« 


0,04 „ 


1. Extrakt . . . 


14 


0,9657 


48,4 


6,3 


198» 


241« 


1,46:„ 


2. Extrakt . . . 


12 


0,9552 


43,6 


5,7 


191« 


237« 




3. Extrakt . . . 


8 


0,9471 


40,1 


5,5 


196» 


246« 





Eine Mittelstellung zwischen allen diesen, ohne chemische Ver- 
änderung verlaufenden Prozessen und der mit tiefen chemischen Ein- 
griffen verbundenen Schwefelsäureraffination scheint das von Daesch- 
ner^) vorgeschlagene Verfahren einzunehmen, nach dem asphaltreiche 
Obückstände mit alkoholischer Natronlauge (3 Vol. TOVo^g^r Alkohol -|- 
1 Vol. Natronlauge 38® B6) behandelt werden sollen; die Behandlung 
geschieht bei ca. 70®, wobei Asphaltstoffe, dank, wie es scheint, ihrem 
ganz schwach sauren Charakter, von der Lauge aufgenommen werden 
und damit eine dunkle, klebrige Flüssigkeit bilden, aus der nach Ab- 
treiben von Alkohol teerartige Stoffe sich niederschlagen. Ahnliche 
Erscheinungen sind übrigens schon früher von Markownikow bei der 
Behandlung des Masuts mit alkoholischer Kalilauge beobachtet worden. 
Möglich, daß hier auch verschiedene Polymerisationsprozesse mit im 
Spiele sind. 

Schließlich seien noch einige Verfahren erwähnt, die die Ausschei- 
dung von festem Paraffin aus Rohöl, Rückständen u. dgl. mittels ver- 
schiedener Lösungsmittel bezwecken; die Mineralöle und ein Teil von 
Asphaltstoffen sollen dabei in Lösung gehen, die festen Paraffine ge- 
fällt werden. Als solche Lösungsmittel sind Eisessig*), Tetrachlorkohlen- 
stoff^), Alkoholester*) usw. vorgeschlagen worden. 

6. Raffination durch Adsorption. 

Die seit Jahrzehnten bekannte entfärbende Fähigkeit von Knochen- 
kohle, Floridaerde u. dgl. feinporösen Stoffen gewinnt eine stets wach- 

i\ j)^ j^^ p^ 121690. 

2) Tanne und Oberländer, D. R. P. 217187, 226136, 227334. 

3) Tanne und Oberländer, D. R. P. 236050, 236051, 238489. 
*) Landsberg und Wolter, D. R. P. 241628. 



230 ' Baffination. 

sende Anwendung in der Erdölindustrie, und sind solche Stoffe bei der 
Herstellung mancher Erdölprodukte (Paraffin, Vaselin, Vaselinöle usw.) 
zu unentbehrlichen Hilfsmitteln geworden. Der physikalisch-chemische 
Prozeß der sog. „Adsorption", der der Einwirkung von feinporösen 
Stoffen zugrunde liegt, ist, besonders in den letzten Jahren, von vielen 
Forschern sehr eingehend studiert worden, und es würde uns zu weit 
führen, wollte ich hier auch nur die wichtigst3n diesbezüglichen Arbeiten 
allgemeinen Charakters einzeln besprechen. Ich will daher den Leser, 
der sich mit der Adsorptionslehre vertraut machen möchte, auf die 
zusammenfassenden Darlegungen von H. Freundlich „Kapillar- 
chemie" und Wo. Ostwald „Grundriß der Kolloidchemie" verweisen 
und werde, die Grundlagen der Theorie ganz flüchtig streifend, nur bei 
solchen Fragen, die in das spezielle Gebiet der Erdölchemie gehören, mich 
länger aufhalten. 

Unter der Adsorption versteht man gewöhnlich die Erscheinung, 
daß ein fester Körper, in eine Lösung hineingebracht, dieser einen Teil 
der gelösten Substanz entzieht. Der intime Mechanismus dieser Er- 
scheinung ist Gegenstand mehrerer Hypothesen geworden, ohne daß 
man von einer vollständigen Aufklärung des Vorganges sprechen 
könnte. Am besten durchgearbeitet ist die Hypothese von Freund- 
lich, der in der soeben als Adsorption defmierten Erscheinung einen 
Spezialfall der viel allgemeineren sieht, die er eben als Adsorption be- 
zeichnet und die darin besteht, daß die freie Oberflächenschicht einer 
Lösung eine andere Konzentration als die ganze übrige Masse der 
Lösung besitzt. Die Konzentrationsändenmg geschieht immer im 
Sinne einer möglichst großen Abnahme der Oberflächenspannung; 
wird diese beim Lösungsmittel durch Zusatz resp. durch Erhöhung der 
Konzentration der gelösten Substanz erniedrigt, so sucht die letztere 
sich in der Oberflächenschicht anzureichern, wobei dieses nur durch den 
entgegengesetzten Prozeß der Rückdiffusion in die Lösung begrenzt 
wird („positive Adsorption"); und umgekehrt: wird die Oberflächen- 
spannung des Lösungsmittels durch die gelöste Substanz erhöht, so 
tritt eine Verarmung der Oberflächenschicht an dieser Substanz ein 
(„negative Adsorption"). Unter Oberfläche ist aber hier nicht nur die 
gewöhnlich als solche gemeinte, an die Atmosphäre grenzende Flüssig- 
keitsfläohe, sondern jede Trennungsfläche zwischen der Lösung und einer 
anderen — sei es fester, flüssiger oder gasförmiger — Phase zu ver- 
stehen. Bringen wir nun einen festen Körper in eine Lösung hinein, 
so schaffen wir ihr damit eine neue Oberfläche; und läßt sich die Ober- 
flächenspannung der Lösung an der Berührungsfläche mit dem hinein- 
gebrachten Körper durch die gelöste Substanz so beeinflussen, daß sie 
mit deren Konzentrationszunahme kleiner wird, so tritt an der Berüh- 
rungsfläche eine Anreicherimg der gelösten Substanz ein. Bei der Tren- 
nung der Lösung vom festen Körper bleibt diese, an der gelösten Sub- 
stanz reicher gewordene Schicht am festen Körper haften — mit anderen 
Worten hat der feste Körper einen Teil der gelösten Substanz in sich 
,, adsorbiert" und erweist sich die zurückbleibende Lösung ärmer, als 



Raffination durch Adsorption. 231 

es die ursprüngliche gewesen. Dies ist nach Freundlich der primäre 
Verlauf des Adsorptionsprozesses, der somit nichts „Chemisches" an 
sich hat. Auf die in vielen Fällen zweifellos nachfolgenden, sehr wich- 
tigen sekundären Vorgänge werde ich bald weiter zu sprechen kommen. 

Es ist nun klar, daß die Adsorption einerseits um so stärker sein 
muß, je größer die Berührungsfläche zwischen der Lösung und dem 
festen Körper ist. Andererseits aber ist sie auch von dem spezifischen 
Einflüsse des fremden Körpers auf die Veränderungen der Oberflächen- 
spannung der Lösung abhängig. Im allgemeinen wird man daher eine 
bedeutende Adsorptionskraft nur an sehr fein zerteilten oder sehr fein 
porösen Körpern, deren Oberfläche also sehr groß ist, antreffen ; aber es 
kann sich auch ein solcher Körper als wenig wirksam erweisen, falls er 
die Abhängigkeit der Oberflächenspannung von der Konzentration der 
Lösung nur wenig beeinflußt. Wenn man daher auch gefunden hat, daß 
ein Stoff in einigen Fällen eine starke adsorbierende Kraft äußert, so 
kann man noch nicht sicher sein, daß er auch in anderen Fällen ebenso 
aktiv sein wird ; und es empfiehlt sich, für jeden neuen Fall verschiedene 
Adsorptionsstoffe zu probieren. 

Die Tatsachen, daß es poröse Stoffe gibt, die trot^ ihrer großen 
Oberfläche schwach adsorbieren, sowie daß ein und derselbe poröse 
Stoff auf verschiedene Substanzen verschieden stark adsorbierend 
wirkt, können somit nicht, wie einige Autoren^) glaubten, als Stützen 
für eine chemische Theorie der Adsorption gelten. Sie beweisen nur, daß 
die Adsorption sowohl zu der chemischen Zusammensetzung des Ad- 
sorbens, wie auch der zu bearbeitenden Lösungen in gewisser Beziehung 
steht ; daraus zu schließen, daß man es hier mit einem chemischen Vor- 
gang zu tun hat, ist ebenso unberechtigt, wie etwa aus der Tatsache, 
daß nur gewisse Metalle und Metallegierungen magnetisch sind, die 
chemische Natur des Magnetismus folgern zu wollen. 

Ein größeres Gewicht zugunsten der chemischen Natur des Ad- 
sorptionsprozesses könnte man geneigt sein, der folgenden Erscheinung 
beizumessen. ^Wenn man ein benzinlösliches Erdölprodukt mit einem 
Entfärbungspulver behandelt hat und dann das Pulver mit Benzin 
extrahiert, so findet man, daß die Farbe des aus dem Extrakt wieder- 
gewonnenen Öles immer noch heller, als die des ursprünglichen und die 
Menge des Extraktes bedeutend kleiner als die Menge des vom Pulver 
aufgenommenen Öles ist. Ein Teil der ölsubstanz wird somit vom Pulver 
so fest zurückgehalten, daß es sich durch Benzin nicht extrahieren 
läßt, und man könnte an eine Art chemischer Bindung zwischen dem 
Pulver und der adsorbierten Substanz denken. Beim näheren Zusehen 
kann aber auch dieses Argument nicht aufrecht erhalten werden. 
Denn die nach einer erschöpfenden Benzinextraktion noch im Pulver 
zurückbleibenden Stoffe lassen sich durch andere Lösungsmittel, wie 
Äther, Benzol usw., extrahieren und erweisen sich von den Bestandteilen 
des Adsorbens frei; und selbst in demjenigen Falle, wo eine chemische 



1) Z. B. Lob, Chem. Rev. 1908, 80. 



232 Raffination. 

Wechselwirkung zwischen dem Adsorbens und dem adsorbierten Stoffe 
noch am ehesten zu erwarten wäre, nämlich bei der Adsorption von 
organischen Säuren (Naphthensäuren, sowie Stearinsäure) durch Hydro- 
silikate^), ist, wie ein direkter Versuch mir zeigte, keine Spur von Seifen- 
bildung zu konstatieren. 

Wenn es somit als sicher betrachtet werden kann, daß zwischen dem 
Adsorbens und den adsorbierten Stoffen keine chemische Wechsel- 
wirkung stattfindet, so ist dadurch die Möglichkeit von sekundären 
chemischen Prozessen in den adsorbierten Stoffen selbst durchaus 
noch nicht ausgeschlossen. Im allgemeinen ist dies allerdings nicht der 
Fall, und die Adsorption von Paraffin, aromatischen Kohlenwasser- 
stoffen, Schmierölkohlenwasserstoffen u. dgl. ist ein reversibler Prozeß; 
d. h. wenn man z. B. Benzinlösungen dieser Stoffe mit einem adsor- 
bierenden Pulver behandelt hat, so kann man sie aus dem Pulver wieder- 
um quantitativ im unveränderten Zustande mit Benzin extrahieren. 
Anders aber verhalten sich gewisse andere Bestandteile der Erdöle, 
vor allem die Harz- und Asphaltstoffe; ihre Adsorption ist, wie wir 
soeben gesehen haben, irreversibel, und man muß annehmen, daß sie 
bei der Adsorption gewissen sekundären Veränderungen unterliegen. 
Es ist möglich, daß wir es hier mit einem Übergang von Sol- in Gel- 
zustand zu tun haben, wie er bei den kolloiden Stoffen bei starkem 
Konzentrieren ihrer Lösungen häufig stattfindet. Daß aber die Ad- 
sorption sekundär auch von rein chemischen Prozessen, nämlich von 
einer Polymerisation der ungesättigten Verbindungen begleitet werden 
kann, habe ich durch direkte Versuche nachgewiesen 2). Das Amylen 
z. B. läßt sich durch Einwirkung von Hydrosilikaten oder Blutkohle 
zu Diamylen und anderen, näher bisher nicht untersuchten Verbin- 
dungen polymerisieren ; ähnlich verhält sich auch Hexylen ; daß auch bei 
den ungesättigten Verbindungen der Erdöle ähnliche Polymerisations- 
vorgänge in Begleitung von Adsorption auftreten, folgt daraus, daß 
ein mit Floridin behandeltes öl nach Vereinigung mit allen aus dem 
Pulver mittels Benzol, Äther u. dgl. wiedergewonnenen Extrakten eine 
dunklere Farbe, als das ursprüngliche öl aufwies. Auf solchen se- 
kundären Polymerisationsprozessen mag vielleicht die für die Ent- 
färbung manchmal ungünstige Wirkung einer zu lange dauernden Be- 
handlung mit Entfärbungspulver (besonders bei höheren Temperaturen) 
beruhen. 

Sehr merkwürdig verhalten sich gegen die Extraktion mit ver- 
schiedenen Lösungsmitteln die vom Floridin adsorbierten Naphthen- 
säuren. Von einer eventuellen Seifenbildung mit den basischen Bestand- 
teilen des Floridins ist, wie gesagt, auch keine Spur zu entdecken; 
andererseits ist hier die bei den Asphaltstoffen erwähnte Möglichkeit 
eines Überganges aus Sol- in Gelzustand ausgeschlossen. Nichts- 



1) Es sei betont, daß hier nur von Adsorption in Erdölprodukten die Bede 
ist; in wässrigen Lösungen können wohl Adsorption und chemische Wechsel- 
wirkung zwischen dem Adsorbens und dem Adsorbierten Hand in Hand gehen. 

2) KoUoid-Zeitschr. 11, 17. 



Ouiwitach, ErdeibearbeituDg. 



Floridin, grobgemahlen. 
Gew. Licht. Vergr. ca. 40. 



Gefälltes Kolziumksrbonat. 
Polaris. Licht. Vergr. ca. 250. 



Floridin, feingemahlen. 
Gew. Licht. Vergr. ca. 250, 



Floridin, feingemahlen. 
Gew. Licht. Vergr, ca. 250. 



Vwlag von Julius Sprlniier in Beil 



Raffination durch Adsorption. 233 

destoweniger fand ich^) daß die Adsorption von Naphthensäuren gegen 
Benzin vollständig irreversibel ist; wenn Floridin in genug großem 
Überschuß genommen wird, läuft das Benzin beim Extrahieren des mit 
Naphthensäuren beladenen Floridins so gut wie neutral ab. Durch 
Äther oder Benzol lassen sich dagegen die adsorbierten Naphthensäuren 
quantitativ wiedergewinnen. Es muß vorläufig daraus nur geschlossen 
werden, daß zwischen der ganz lockeren Kraft der gewöhnlichen, frei 
reversiblen Adsorption und der festen, gar nicht reversiblen „echt 
chemischen" Bindung verschiedene Zwischenstufen möglich sind. 

Für die Raffination von Erdölprodukten durch Adsorption kommen 
gegenwärtig im allgemeinen nur zwei Gruppen von feinporösen Stoffen 
in Betracht: 1. amorphe Kohlenarten (Knochenkohle, Blutkohle u. dgl.) ; 
2. verschiedene Arten von Hydrosilikaten oder sog. „Pullererden" 
(Floridin, Frankonit usw.). Während in früheren Jahren hauptsäch* 
lieh verschiedene Kohlenarten als Entfärbungsmittel verwendet wur- 
den, nimmt in der letzten Zeit deren Verbrauch ab, derjenige von 
Hydrosilikaten dagegen ganz enorm zu. 

Eine eingehende Untersuchung verschiedener Sorten von Florida- 
erde (Floridin) seitens J. Porter 2) ergab für sie folgende Zusammen- 
setzung : 

SiOg von 44,0 bis 72,OVo 

-AJ2O3 ,, 

FegO., „ 

CaO 

CaO 

MgO 

KgO und NagO. . . ,, 

H2O „ 

PgOg, SO3 usw. . . . 

Wie Porter annimmt, haben sich Floridine durch Verwitterung 
und Zersetzung von Hornblenden und Augiten — und nicht, wie Tone 
aus Feldspaten — gebildet. Ähnliche Zusammensetzung, und wahr- 
scheinlich auch ähnlichen Ursprung, hat auch die sog. Pfirschinger 
Erde (Frankonit 3). 

Das hohe Adsorptionsvermögen der H ydrosilikate hängt in erster 
Linie mit ihrer inneren Struktur zusammen. Die beiliegenden Photo- 
graphien sind Abbildungen von 1. grobgemahlenem Floridin; 2. fein- 
gemahlenem Floridin in gewöhnlichem Lichte; 3. demselben in polari- 
siertem Lichte ; 4. gefälltem Kalziumcarbonat in polarisiertem Lichte. 
Der Vergleich der Bilder 2 und 3 (beide stellen dasselbe Feld dar!) 
zeigt deutlich, daß auch die kleinen Körnchen der feingemahlenen Erde 
nicht massiv sind, sondern eine sehr feine Mikrostruktur besitzen, 
indem das amorphe Substrat durch winzige Kriställchen — wohl un- 

1) Petroleum 8, Nr. 2. 

2) Chem. Revue 1908, Nr. 10 und 11. 

3) Hvid, Petroleum 6, 429. 



99 
99 



5,0 , 


, 33,0,, 


1,2 , 


, 15,0,, 


0,3 , 


, 7,4 „ 


0,3 , 


, 7,4 „ 


0,4 , 


, 4,3 „ 


0,4 , 


9 0,0 ,, 


4,3 , 


, 25,0,, 


kleine 


Mengen. 



234 Raffination. 

verändert gebliebene Reste des ursprünglichen Minerals — durch- 
schossen ist. Dem amorphen Teil kommt eben das Adsorptionsvermögen 
zu, was mit großer Wahrscheinlichkeit daraus geschlossen werden muß, 
daß das rein kristallinische Kalziumcarbonat, obwohl seine einzelnen 
Teilchen viel kleiner als die des Floridins sind, eine — wenigstens 
den Erdölprodukten gegenüber — ganz minimale Ädsorptionskraft 
besitzt; ebenso unwirksam sind den Erdölprodukten gegenüber auch 
andere feinkristallinische Pulver, wie Bariumsulfat usw. Es kann als 
sicher angenommen werden, daß die inhomogenen Floridinkömchen 
von unzähligen mikroskopischen und vielleicht auch ultramikroskopi- 
flchen Kanälchen durchsetzt sind, wodurch ihre adsorbierende Fläche 
ganz enorme Vergrößerung erfährt. Denn bei der Behandlung ver- 
schiedener Erdölprodukte, einmal mit grob-, das andere Mal mit fein- 
gemahlenem Floridin (beide in gleichen Mengen genommen), habe ich 
gefunden^), daß allerdings der Prozeß der Adsorption mit dem zweiten 
schneller als mit dem ersten verläuft, daß aber das Endresultat in beiden 
Fällen dasselbe ist; da die gesamte „äußere" Oberfläche des feinen 
Floridins die des groben (natürlich bei gleichen Gewichten) um sehr 
vieles übertrifft, so kann die Adsorptionswirkung sich bei den beiden 
nur dann ausgleichen, wenn das bearbeitete öl in das Innerste der ein- 
zelnen Kömchen Zutritt findet, wenn es diese ganz intim durchdringen 
kann, wenn, mit anderen Worten, das Floridin durch und durch porös 
ist. Vielleicht kann man sogar von einer micellaren oder wabigen 
Struktur des Floridins (und wohl auch anderer aktiven Hydrosilikate) 
sprechen und in der Adsorption eine der Quellung von Kolloiden ver- 
wandte Erscheinung erblicken. 

Sehr interessant, wenn kausal auch noch gar nicht aufgeklärt, 
sind die Veränderungen im Adsorptionsvermögen der Hydrosilikate 
nach ihrer Behandlung mit verschiedenen chemischen Agenzien. Die 
folgende Tabelle gibt einige der von Porter ^) an verschiedenen Floridin- 
arten erhaltenen Resultate wieder. ^ . 



-ö-S ^ 



SiOa AlaOsFegOa CaO MgO COg H«0 P2O5 'S^ 

Floridinsorte 0/^ 0/^ 0/^ 0/^ oj^ 0/^ 0/^ 0/^ ^ß 

Owl Ck) 48,2 17,8 2,09 10,84 3,33 7,93 8,91 1,20 12 

do. behandelt m.kon- 

zentrier HCl . . 90,88 3,40 — 0,05 — — 5,14 — 16 

Fairbank 59,4 19,9 7,14 3,29 2,90 0,04 6,75 0,06 12 

,, behandelt m. kon- 
zentrierter HCl . 86,8 5,95 0,90 0,27 0,27 — 4,55 — 12 
Eimer & Amend . . .60,2 21,0 7,8 2,8 2,6 — 7,5 — 13 
do. behandelt m.kon- 

zentrierter HCl. 75,3 17,2 5,04 — 2,46 — — — 5 
do. behandelt m. 5^0" 

igerNaOH. ..— — — _ — — — _ 15 



1) Zeitschr. Kolloidch. 11, 17. 

2) 1. c. 



Raffination durch Adsorption. 235 

Die Grade der Entfärbung sind hier in einer willkürlich gewählten 
Skala ausgedrückt, wobei die höheren Nummern einer stärkeren Fär- 
bung entsprechen. Man sieht aus diesen Zahlen, wie schwer es ist, die 
Entfärbungswirkung (und im allgemeinen das Adsorpiionsvermögen) 
der Hydrosilikate mit ihrer chemischen Zusammensetzung in irgend- 
welchen Zusammenhang zu bringen. Aber auch wenn man sich der 
inneren Struktur zuwendet, bleibt es vorläufig ganz unverständlich, 
warum eine und dieselbe Behandlungsweise bei so nahen Produkten, 
wie es die verschiedenen Ploridinsorten sind, ihr Adsorptionsvermögen 
das eine Mal erniedrigen, das andere erhöhen. Sollte man doch glauben, 
daß die Behandlung mit allen chemischen Agenzien, durch welche gewisse 
Bestandteile der Silikate sich herauslösen lassen, die Porosität und 
demnach auch das Adsorptionsvermögen des zurückbleibenden Teiles 
erhöhen müßte. Daß es nicht immer und sogar meist nicht der Fall ist, 
sondern die chemische Behandlung für das Adsorptionsvermögen auch 
nachteilig sein kann, spricht eben, wie ich glaube, wiederum für das Vor- 
handensein in den betreffenden Stoffen von ganz feinen und delikaten 
inneren Strukturen, die gegen chemische Eingriffe sehr empfindlich 
sind und deren Abhängigkeiten gegen verschiedene Behandlungsweisen 
uns kausal noch ganz unbekannt bleiben. Hierher gehören auch die 
Veränderungen, die verschiedene Hydrosilikate durch das Glühen er- 
leiden. Viele Hydrosilikate erlangen ihr größtes Adsorptionsvermögen 
erst nach schwachem Glühen, wobei nicht nur das hygroskopische, 
sondern zum Teil auch das konstitutionelle Wasser ausgetrieben wird; 
ein zu starkes Glühen wirkt dagegen sehr nachteilig (vielleicht infolge 
einer Abschmelzung und Zusammensinterung, obwohl unter Mikroskop 
auch nach einem sehr starken Glühen keine Veränderungen im Cha- 
rakter der Oberfläche zu merken sind). Andere Hydrosilikatsorten er- 
fordern wiederum kein Glühen oder selbst kein Trocknen ; jafür einige Fran- 
konite wird sogar ein Zusatz von kleinen Mengen Wasser zu dem zu 
raffinierenden öle empfohlen^). Schließlich sei ein Stoff erwähnt, dessen 
adsorbierende Kraft auch nach sehr starkem Glühen unvermindert 
bleibt; es ist die auch sonst sehr interessante ,, gewachsene" Tonerde 
von Wislicenus^), die aus Aluminiumgries und Wasser unter der 
katalytischen Wirkung von kleinen Mengen Aluminiumamalgam sich 
bildet und eine außerordentlich feinfaserige und voluminöse Substanz 
von sehr großer Adsorptionskraft vorstellt. Dieses Präparat gibt üb- 
rigens ein eklatantes Beispiel dafür, daß das Adsorptionsvermögen eines 
Stoffes vielmehr durch seine innere Struktur als durch chemische Zu- 
sammensetzung bedingt wird, denn das Entfärbungsvermögen für Erd- 
öle der auf gewöhnliche Weise gefällten (ebenfalls amorphen) Tonerde 
ist sehr schwach. 

Die Behandlung der Erdölprodukte mit feinporösen Stoffen kann 

1) Über den Einfluß des Glühens auf die Entfärbungskraft verschiedener 
Bleicherden vgl. Graefe, Petroleum 3, 438; Scholz, ibid. 437; Porter, 1. c. 

2) Abhandl. zur Kolloidchemie 11 (1908); Zeitschr. f. angew. Chem. 1907, 
801 und 1676. 



236 



Raffination. 



auf zweierlei Weise geschehen. Entweder mischt man eine bestimmte 
Menge Pulver (in diesem Falle möglichst feingemahlen) dem öle zu 
und läßt es unter fortwährendem Umrühren und evenetuellem Er- 
wärmen eine Zeitlang einwirken; oder aber läßt man das öl durch eine 
mehr oder weniger hohe Schicht grobkörnigen Pulvers langsam filtrieren. 
Im ersten Falle wird das ganze Quantum öl gleichmäßig entfärbt 
erhalten; bei der zweiten Behandlüngsweise dagegen bleibt die Ent- 
färbung des allmählich abfließenden Filtrates nicht dieselbe, sondern 
nimmt stetig ab, so daß die erste Fraktion eventuell ganz farblos er- 
halten werden kann, die nachfolgenden aber immer stärker gefärbt 
erscheinen. 

Es was das große Verdienst D. Days, zum erstenmal nachgewiesen 
zu haben, daß die Filtration der Erdöle durch feinporöse Media nicht 
nur ihre Entfärbung, sondern auch eine Scheidung in Fraktionen von 
verschiedenen spezifischen Gewichten, Siedetemperaturen, Viskosität 
usw. zur Folge haben kann (sog. Daysches Phänomen). Die erste Fil- 
terfraktion kann nämlich bedeutend leichter sein und niedriger sieden 
als die zweite, diese als die dritte usw., wie es z. B. die folgende einer 
Arbeit von Herr^) entnommene Tabelle zeigt. Das Ausgangsprodukt 
war hier ein Rohöl von Binagady (bei Baku) mit folgenden Eigen- 
schaften: spez. Gewicht 0,916; Flammpunkt 46°; Viskosität EgQ 2,35 ; 
Verharzung (mit Schwefelsäure) 38^0 5 Formolitzahl 63,3. Die Eigen- 
schaften der durch Filtration erhaltenen Fraktionen waren nun folgende. 



Nr. der 








Formolit- 


Fraktion Spez. Gewicht 


■^50 


Flp. 


zahl 


1 


0,8565/140 C 


1,4 


470 


1,0 


2 


0,8568/17» C 


1,4 


480 




3 


0,862/170 C 


1,4 


490 




4 


0,874/17« C 


1,55 


470 




5 


0,884/170 C 


1,55 


470 




6 


0,885/170 C 


1,55 


470 




7 


0,891/180 C 


1,55 


490 




8 


0,892/180 C 


1,60 


480 




9 


0,893/180 C 


1,60 


480 


16,6 


10 


0,896/150 C 


1,60 


490 




11 


0,894/180 C 


1,60 


490 




12 


0,897/190 C 


1,60 


500 




13 


0,899/180 C 


1,60 


500 




14 


0,900/180 C 


1,60 


500 




15 


0,900/180 C 


1,60 


500 


40,0 



Farbe 



farblos 



,, 



gelblich 



,, 



zitronengelb 
rötlich zitronengelb 



die Farbe der Fil- 
trate geht durch alle 
Abtönungen von rot 
allmählich in dieFär- 
bung der stark fluo- 
reszierenden Bala- 
chany-Naphtha über 



Dieser charakteristische Verlauf der Filtration von Erdölprodukten 
und besonders der Umstand, daß es vorwiegend die leichtflüssigen, 
weniger viskosen Bestandteile sind, die in den ersten Filterfraktionen 
erscheinen, während ihnen viskosere, d. h. schwerer bewegliche Frak- 



1) Petroleum 4, 1286. 



Raffination durch Adsorption. 237 

tionen nachfolgen, machen es begreiflich, daß für die Erklärung des 
Prozesses noch immer ganz allgemein die bereits von Day ausgesprochene 
Ansicht als richtig anerkannt wird, die dahin hinausläuft, daß wir es 
hier mit einem imgleich schnellen Aufstieg verschiedener Bestandteile 
der Erdöle in den kapillaren Gängen der Filtrierschicht zu tun hätten ; 
die leichtflüssigen sollen voraneilen, die viskosen nachbleiben — ein 
Analogon zum bekannten Prozeß der Scheidung verschiedener Gase 
durch Ausströmen aus engen Offnungen oder aus Kapillaren. 

Wenn nun diese von Day u. a. vorgehaltene Analogie schon durch 
Berücksichtigung der inneren Verschiedenheit des flüssigen und des 
Gaszustandes hinfällig wird (weshalb z. B. W. Ostwald die der Fil- 
tration ähnliche Erscheinung des Kapillaraufstieges von Lösungen 
im Filtrierpapierstreifen ohne weiteres als einen Adsorptionsprozess 
auffaßte), so habe ich*) es doch für nicht überflüssig erachtet, die An- 
sicht von Day durch direkte Versuche zu prüfen, wobei sich ihre voll- 
ständige Unhaltbarkeit ergab. Mit ihr ist z. B. die Tatsache unvereinbar, 
daß der Effekt der Filtration von Erdölen und ihren Derivaten auch 
durch den feinsten Sand ein äußerst schwacher und gegenüber dem 
Wirkungseffekt eines viel gröber gemahlenen Floridins nahezu ver- 
schwindend klein ist; dieses ließe sich vom Standpunkte Days nur auf 
die Weise deuten, daß der Filtrationsvorgang im Floridin hauptsäch- 
lich in den unzähligen mikroskopischen Kanälchen innerhalb der ein- 
zelaen Floridinkömer stattfinde, während im Sande, dessen Kömer 
nicht porös sind, die Filtration nur durch die verhältnismäßig groben 
und daher viel weniger wirksamen Kanäle zwischen den Körnern mög- 
lich sei. Solche von Day u. a. wirklich vorgeschobene Erklärung kann 
aber nicht als stichhaltig anerkannt werden, denn auch im Floridin- 
filter geht die fortschreitende Bewegung des Öles so gut wie ausschließ- 
lich in den Kanälen zwischen den Körnern und nicht innerhalb der 
Kömer vor sich; dies folgt ganz unzweideutig aus der Tatsache, daß, 
falls man den Filter statt des groben mit ganz fein gemahlenem Floridin 
füllt, die Filtration des Öles außerordentlich verlangsamt wird, resp. 
praktisch aufhört. 

Gegen die Annahme Days spricht auch folgendes. Wäre die Frak- 
tionierung des fütrieronden Öles eine Folge von ungleich schneller Be- 
wegungverschiedener ölbestandteile, so müßten den ersten, an schweren, 
langsam sich bewegenden Substanzen verarmten Filterfraktionen solche, 
die sich umgekehrt mit diesen nachhinkenden Stoffen angereichert haben, 
folgen. Der direkte Versuch unter richtig gewählten Bedingungen zeigte 
aber auch keine Spur einer solchen Anreicherung, und die scheinbar ent- 
gegengesetzten Resultate von Day u. a. können, wie wir bald sehen 
werden, nicht als Beweise für die Hypothese von Day gelten. 

Weiter wurde der Effekt der Filtration mit demjenigen der wieder- 
holten Behandlimg durch Mischen und Rühren verglichen ; sobald beide 
Behandlungen in bezug auf das Floridin erschöpfend waren, konnte 



1) Petroleum 8, Nr. 2. 



238 ' Raffination. 

bei beiden Behandlungsweisen kein Unterschied konstatiert werden, 
d. h, nahm das Floridin sowohl beim Filtrieren, wie beim Mischen die- 
selben Mengen schwerer und färbender Stoffe in sich auf. 

Schließlich habe ich gefunden, daß selbst die viskosesten Kohlen- 
wasserstoffe der Zylinderöle von ungesättigten Verbindungen, Asphalt - 
Stoffen usw. gut gereinigt und in Benzin gelöst, beim Filtrieren 
durch das Floridin nur sehr schwach adsorbiert werden, während 
z. B. das unvergleichlich weniger viskose und leichter bewegliche 
Benzol sich bei gleicher Behandlungsweise ziemlich stark adsor- 
bieren läßt; die Viskosität und Schwerbeweglichkeit haben somit mit 
der Adsorbierbarkeit und Filtrationsfähigkeit nichts zu tun. 

Man kann es daher als erwiesen betrachten, daß bei der Filtration 
durch poröse Media keine Trennung der Bestandteile des filtrierenden 
Öles infolge ihrer verschiedenen Beweglichkeit stattfindet, sondern 
daß das Wesen der Filtration, ebenso wie der Mischung, nur in der Ad- 
sorption gewisser Stoffe durch das poröse Medium besteht. Die Spaltung 
des filtrierenden Öles in verschiedene Filterfraktionen von steigenden 
spezifischen Gewichten, Viskositäten usw. ist aber leicht zu verstehen, 
wenn man bedenkt, daß die adsorbierende Kraft des Pulvers im Laufe 
der Filtration sich allmählich erschöpft, so daß immer größere Mengen 
von schweren, gefärbten u. dgl. Substanzen frei durchgelassen werden. 

Der Vorgang der Adsorption beim Filtrieren der Rohöle oder De- 
stillate durch feinporöse Stoffe muß also, ebenso wie beim Misch ver- 
fahren, folgenderweise gedacht werden. Das z. B. mit Floridin zusam- 
mentretende Öl wird von diesem aufgesaugt. Die in den Naphthenen 
und flüssigen Grenzkohlenwasserstoffen .gelösten Pigmente, Säuren, 
Asphalt- und Harzstoffe u. dgl. werden bei der Berührung mit Floridin- 
mizellen von diesen höchstwahrscheinlich momentan adsorbiert. In 
den kapillaren Gängen und intermizellaren Räumen des Floridins 
bleibt dann reines, resp. sehr verarmtes „Lösungsmittel" zurück. 
Neue Moleküle der adsorbierbaren Stoffe diffundieren nun in diese 
Räume aus dem umgebenden Öl hinein, wodurch auch dieses, nicht in 
das Innere der Floridinkörnchen aufgesaugte öl an betreffenden Stoffen 
verarmt; die hineindiffundierten Moleküle werden ihrerseits adsorbiert, 
wodurch der Diffusionsstrom von neuem einsetzt, usw. — bis eben die 
adsorbierende Kraft des Floridins erschöpft worden ist. Die Zeit- 
spanne, die zum Erreichen dieses Grenzzustandes erforderlich ist, 
hängt einerseits von der Natur des Floridins, d. h. dessen innerer Struk- 
tur, sowie Korngröße, andererseits von der Natur der zu adsorbierenden 
Stoffe, sowie von der Temperatur ab. Die Sättigung findet natürlich 
um so schneller statt, je feiner das Adsorbens gemahlen ist, je kleiner 
die Moleküle der zu adsorbierenden Verbindungen, je weniger zähe 
das öl, je höher die Temperatur usw. 

Bei der Beurteilung des Filtrationsprozesses ist noch eine weitere 
Erscheinung zu berücksichtigen, die darin besteht, daß die der Ad- 
sorption fähigen Stoffe sich gegenseitig aus dem Floridin verdrängen 
können; wenn man z. B. Floridin mit reinen Sehnnerölkohlenwasser- 



Raffination duich Adsorption. 239 

Stoffen gesättigt hat und es dann etwa in eine Lösung von Asphalt- 
stoffen hineinbringt, so lassen sich die ersteren durch die letzteren ver- 
drängen. Bei der Filtration von Erdölen und Erdölprodukten durch 
poröse Stoffe ist es daher sehr wohl möglich, daß z. B. die Viskosität 
die in den ersten Filterfraktionen kleiner als die des Ausgangsöles ist, 
in den folgenden über diese hinauswächst. Die Adsorption von Schmier- 
ölkohlenwasserstoffen durch das Floridin ist nämlich bedeutend schwä- 
cher als die von Asphalt- und Harzstoffen u. dgl. Im Anfange des Fil- 
trationsprozesses, wo die ersten Filterfraktionen die ganze Höhe des noch 
frischen Filtriermaterials passiert haben, wo also das Floridin dem öl 
gegenüber in großem Überschusse ist, können zuerst, in unteren Schich- 
ten^), Asphalt- und Harzstoffe, dann, in den höheren Filterschichten, 
auch die schwerer adsorbierbaren Schmierölkohlenwasserstoffe zur 
Adsorption gelangen; in dem Maße aber, wie die Adsorptionskraft des 
Floridins in den unteren Schichten des Füters sich erschöpft, gelangen 
die Asphalt- u. dgl. Stoffe in die höheren Schichten und verdrängen 
hier die zuerst adsorbierten Schmierölkohlenwasserstoffe. Und so kann 
es kommen, daß die späteren Filterfraktionen sich mit Schmieröl- 
kohlenwasserstoffen über deren Gehalt im ursprünglichen öle hinaus 
anreichem ^). Auf ähnliche Weise muß auch die Beobachtung Days^) er- 
klärt werden, wonach man bei der Filtration von dünnflüssigem penn- 
sylvanischen Rohöl durch Fullererde zuerst benzinartige, zuletzt aber 
dicke, vaselinähnliche (also paraffinreiche) Fraktionen erhält. 

Wir wollen uns nun die Veränderungen näher ansehen, die die Erd- 
öle, resp. Erdölprodukte, luiter der Einwirkung von adsorbierenden 
Stoffen, speziell Hydrosilikaten, erleiden. Als die augenfälligste tritt- 
hierbei die Abnahme der ursprünglichen Färbung, resp. gänzliche Ent- 
färbung des Öles hervor — eine Folge von Adsorption sowohl der eigent- 
lichen Pigmente, wie auch der gefärbten Asphalt- und Harzstoffe. Das 
Adsorptionsvermögen der Hydrosilikate für diese letzteren ist verhältnis- 
mäßig sehr groß ; bei der Behandlung von Ölgoudronlösungen in Benzin 
mit Floridin betrug z. B. die Menge der von diesem aufgenommenen 
Asphalt- luid Harzstoffen bis ca. lO^o» ^^^ weitgrößte Teil davon läßt 
sich nicht durch Benzin wieder in Lösung bringen, sondern kann nur 
durch Äther, Benzol usw. extrahiert werden; ein ganz kleiner Teil 
der adsorbierten Substanz scheint übrigens auch diesen Lösungsmitteln 
Widerstand zu leisten. Neben den Asphalt- und Harzstoffen lassen 
sich auch andere ungesättigte Verbindungen von Hydrosilikaten ziem- 
lich leicht adsorbieren, so daß nach solcher Behandlung die Jodzahl 
stark abnimmt, resp. ganz zu Null wird. Des weiteren werden mehr 
oder weniger leicht adsorbiert: aromatische Kohlenwasserstoffe, 



1) Vorausgesetzt, daß die Filtration, wie es meist üblich ist, von unten nach 
oben geschieht, 

2) Dieselbe Erklärung für die Anhäufung gewisser Erdölbestandteile in 
den letzten Filterfraktionen gibt auch übbelohde (Engler-Höfers, Erdöl, 
Bd. I, S. 126). 

•) Naphtha 1901, 12; die Originalarbeit von Day liegt mir leider nicht vor. 



240 Raffination. 

Naphthensäuren, Stickstoff- und Schwefelverbindungen und feste 
Paraffine. Dagegen ist das Adsorptions vermögen der Hydrosilikate 
für die eigentlichen viskosen Kohlenwasserstoffe der Schmieröle, ent- 
gegen der allgemein herrschenden Ansicht, ausserordentlich schwach. 
Bei der Behandlung einer lO^o^g®^ Benzinlösung von erschöpfend 
gereinigtem, wasserklarem Zylinderöl mit doppeltem Gewicht (auf öl 
gerechnet) Floridin wurden von diesem nur 0,6^0 öl adsorbiert, während 
die Adsorption von Paraffin — das als relativ schwer adsorbierbar 
gilt — aus ö^oiger Benzinlösung ca. Syo (auf Floridin gerechnet) betrug. 
Bei der Behandlung eines gereinigten, weißen Vaselins mit 40^^ Floridin 
(auf dem Wasserbade) fand ich daher, daß der Paraffingehalt desselben 
von 9,35 auf 6,8^0 gefallen und die Viskosität von E50 = 6,69 auf 
E50 == 12,6 gestiegen war. Die Zunahme der Viskosität nach Behand- 
lung mit Floridin läßt sich natürlich durch die Abnahme des Paraffin- 
gehalts erklären, da das geschmolzene Paraffin eine kleinere Viskosität 
als Maschinen- u. dgl. Schmieröle hat. In den meisten Fällen dagegen, 
wo es sich bei der Behandlung mit porösen Stoffen hauptsächlich um 
Ausscheidung von Asphalt- und Harzstoffe u. dgl. hochmolekularen un- 
gesättigten und viskosen Substanzen handelt, läßt sich nach der Ad- 
sorption eine mehr oder weniger bedeutende Abnahme der Viskosität 
konstatieren. 

Ich habe soeben die verschiedenen Erdölbestandteile aufgezählt, 
die eine Tendenz zum Adsorbiertwerden durch feinporöse Stoffe be- 
sitzen und bei genügendem Überschuß der letzteren wirklich alle 
adsorbiert werden. Reicht aber die Menge des Adsorbens zur Aus- 
scheidung aller adsorbierbaren Verbindungen nicht aus, so findet 
zwischen diesen so zu sagen ein Wettkampf um das Adsorbens statt. 
Die komplizierten Vorgänge und die Gleichgewichtszustände, die daraus 
resultieren, sind noch gar nicht untersucht worden und liegen voll- 
ständig im Dunkeln, obwohl ihre Kenntnis von sehr großem Interesse 
wäre. Vorläufig, aus den Untersuchungen über die allgemeine Theorie 
der Adsorption, kann man eben nur schließen, daß die verschiedenen 
Bestandteile der Erdölprodukte bei ungenügender Menge des Adsorbens 
gegenseitig in der Adsorption beschränken müssen; es empfiehlt sich 
daher aus praktischen Rücksichten, solche Bestandteile, die sich auf 
billige Weise durch rein chemische Behandlung ausscheiden lassen 
(z. B. Naphthensäuren durch Alkalien, Stickstoff basen durch verdünnte 
Säiu*e usw.), vor der Behandliuig mit adsorbierenden Stoffen auf diese 
Weise wirklich zu entfernen. Es ist daher ganz allgemein üblich, der Be- 
handlung mit Hydrosilikaten. u. dgl. die gewöhnliche Raffination mit 
Schwefelsäure und Natronlauge vorangehen zu lassen. 

Wie wir gesehen haben, kann die Behandlung der öle mit adsor- 
bierenden Stoffen auf zweierlei Weise: durch Mischen oder Filtration 
vorgenommen werden. Nach dieser und jener Methode kann ein be- 
liebiger Grad der Raffination erreicht werden, und die Wahl zwischen 
den beiden geschieht nach rein praktischen Rücksichten, in erster 
Linie in Abhängigkeit davon, ob man das gesamte Ausgangsprodukt 



Raffination durch Adsorption. 241 

nur bis zu einem bestimmten Grade raffinieren oder es in mehrere Frak- 
tionen von verschiedenem Raffinationsgrade scheiden will; im ersten 
Falle wird man meist zur Mischmethode, im zweiten zur Filtration 
greifen. Der große Vorzug der Mischmethode gegenüber der Filtration 
liegt in der viel größeren Geschwindigkeit des Prozesses ; dies um so mehr, 
als für die Filtration nur grobkörnige poröse Stoffe, für das Mischen die 
feinst gemahlenen Pulver benutzt werden können, in denen die Adsorption 
und speziell die Adsorption von gefärbten Substanzen viel schneller als 
in den groben vor sich geht : im allgemeinen kann man sich mit y 2 bis 
1 stündigem Mischen begnügen. Die Kurve der Adsorptionsgeschwindigkeit 
(wenn man die Zeiten auf der Abszissenachse, die entsprechenden Adsorp- 
tionsgrade auf der Ordinatenachse auf trägt) hat nämlich einen „logarith- 
mischen'' Charakter, fällt also im Anfange steil herunter, macht aber 
dann — je nach den Umständen, mehr oder weniger schnell — eine 
Biegimg und nähert sich nun, mit einer schwachen Neigung gegen die 
Abszissenachse, dieser asymptotisch an. 

Der Vorzug der Filtration besteht dagegen in einer besseren Aus- 
nutzung, resp. geringerem Gebrauch des Adsorbens für einen bestimmten 
Entfärbungsgrad, was durch folgende zwei Umstände bedingt wird. 

Für die Fälle der umkehrbaren Adsorption werden die quantitativen 
Verhältnisse im allgemeinen ziemlich gut durch die sog. Adsorptions- 
isotherme von Freundlich wiedergegeben:] 

— =^.cP; 
m 

X bedeutet hier die adsorbierte Menge, m die Menge des Adsorbens, 
c die Konzentration der bearbeiteten Lösung, K und p Konstanten, die 
von der Natur des Adsorbens, der adsorbierten Substanz und des Lö- 
sungsmittels abhängen. Aus dieser Gleichung kann leicht der Schluß 
gezogen werden, daß bei der Behandlung einer bestimmten Lösung mit 
einer bestimmten Menge Adsorbens ein um so größerer Grad der Ad- 
sorption erreicht werden kann, in je kleineren Portionen das Adsorbens 
zugesetzt wird (vorausgesetzt, daß man die Lösung nach jeder Behand- 
lung vor dem Zusätze einer neuen Portion des Adsorbens vom Pulver 
abfiltriert). Da aber bei der Filtration das öl sukzessive mit einer 
sehr großen Anzahl sehr dünner Schichten des Adsorbens in Berührung 
gelangt, so daß die Filtration einer äußerst weitgehend fraktionierten 
Mischung gleichkommt, so muß der Effekt der Filtration auf die um- 
kehrbar adsorbierten Stoffe ein größerer sein als derjenige einer, selbst 
in mehrere Operationen geteilten Mischung mit der gleichen Menge des 
Adsorbens. 

Em zweiter Umstand, der in demselben Sinne maßgebend ist und 
sowohl bei den umkehrbar, wie auch nicht umkehrbar adsorbierbaren 
Stoffen in Betracht kommt, ist der, daß das poröse Pulver neben der 
eigentlichen Adsorption eine gewisse Menge öl als solches, ohne jede 
weitere Veränderung, in sich aufsaugt („absorbiert") ; wenn man daher 
eine bestimmte Menge Adsorbens portionsweise, unter Filtration nach 

Ourwitsch. 16 



242 Raffination . 

jeder Behandlung, zusetzt, so läßt man die nachfolgenden Portionen 
auf immer kleiner werdende Mengen öl einwirken, d. h. erhöht dadurch 
den Wirkungseffekt der Behandlung. 

Ich habe bisher nur von der Adsorption aus Lösungen, also von der 
Behandlung der öle in flüssiger Form gesprochen. Die Adsorption im 
allgemeinen und speziell auch die von Asphalt- und Harzstoffen, fär- 
benden Stoffen usw. aus Erdölprodukten geht aber auch bei der Behand- 
lung von öldämpfen mit porösen Körpern vor sich; es kann daher, 
wie wir schon gesehen haben, die Destillation mit der Reinigung in 
einen Prozeß vereinigt werden, wenn man die Destillatdämpfe durch 
poröse, adsorbierende Stoffe streichen läßt. Sehr wahrscheinlich ist 
es schließlich, daß die Adsorption auch bei den oben besprochenen 
katalytischen Vorgängen bei der pyrogenen Zersetzung, bei der Reduk- 
tion nach Sabatier -Senderens u. dgl. mit im Spiele ist. 

Es bleibt mir nun noch einiges über die Regeneration von 
adsorbierenden Substanzen zu sagen. Ein Teil der adsorbierbaren 
Substanzen läßt sich daraus mittels Benzin extrahieren, wozu 
man sich gewöhnlich spezieller Extraktionsapparate, mit ununter- 
brochener Zirkulation von Benzin, bedient. Ein großer Teil der ad- 
sorbierten Substanzen widersteht aber, wie wir wissen, solcher Behand- 
lung; die weitere Extraktion mit energischeren Lösungsmitteln wird, 
soviel mir bekannt, nirgend ausgeführt, und die Befreiung des Ad- 
sorbens von den organischen Verunreinigungen geschieht gegenwärtig 
ausschließlich durch Ausglühen unter freiem Zutritt von Luft. Das 
Adsorptionsvermögen des porösen Stoffes nimmt übrigens durch solche 
Behandlung mehr oder weniger stark ab, augenscheinlich infolge von 
Verstopfung der feinsten inneren Kanälchen durch Kohle u. dgl. Ver- 
änderungen der inneren Struktiu-. 

Sehr interessant ist auch eine andere Behandlungsweise des mit 
öl und adsorbierten Substanzen beladenen porösen Stoffen — näm- 
lich durch Einwirkung von Wasser. Dieses verdrängt nämlich nicht nur 
das in den Poren des Adsorbens mechanisch eingeschlossene öl, sondern 
zum Teil auch die adsorbierten Substanzen. So z. B. habe ich aus einem 
Floridin, durch das ein Solaröl vom spez. Gewicht 0,882, Farbe 22 mm 
(willkürliches Glas) und Säuregrad = 0,312Vo SO3 filtriert worden 
war, durch Behandhmg mit heißem Wasser ein öl vom spez. Gewicht 
0,899, Farbe 7,5 mm und Säuregrad =0,640Vo SO3 ausgeschieden. 
Bemerkenswert ist dabei, daß Naphthensäuren, die sich, wie oben er- 
wähnt, aus dem Floridin mit Benzin so gut wie gar nicht extrahieren 
lassen, durch Wasser ziemlich leicht verdrängt werden. Wie Day 
und Gilpin^), sowie Gilpin und Bransky^) gefunden haben, kann 
diese Verdrängung der adsorbierten Stoffe, falls Wasser in kleinen Por- 
tionen zugesetzt wird, auch fraktionsweise vor sich gehen, so daß bei 
sukzessiver Zugabe von Wasser immer schwerere öle, mit zunehmendem 



1) Joiim. industr. a. engin. Chem. 1909, 449. 

2) Amer, Chem. Joum. 1910, 44, 261. 



Raffination durch Adsorption. 243 

Gehalt an ungesättigten Verbindungen, an Schwefel u. dgl. in Freiheit 
gesetzt werden. Es sind somit die am leichtesten adsorbierbaren Stoffe, 
die der Verdrängung durch Wasser am meisten widerstehen. Durch 
Behandlung mit Wasser läßt sich dem porösen Stoffe ein größerer Teil 
der adsorbierten Substanzen als mit Benzin entziehen (so werden z. B. 
die Naphthensäuren, die der Benzinextraktion widerstehen, durch 
Wasser aus dem Floridin verdrängt); es hinterbleibt aber immer noch 
ein bedeutender Teil des Adsorbierten im porösen Stoffe zurück. So 
z. B. fanden Day und Gilpin in ihren Filtrationsversuchen mit einem 
Erdöl vom spez. Gewicht 0,810, daß 100 g Floridin ca. 100 ccm öl in 
sich zurückgehalten haben; durch fraktionsweise Behandlung mit 
Wasser wurden aus dem Floridin öle mit spez. Gewichten 0,821, 0,818, 
0,818, 0,821, 0,824 und 0,827, im ganzen ca. y^ der absorbierten Menge, 
ausgeschieden. Bei weiterer Behandlung mit Wasser kam kein öl 
mehr heraus, auch dann nicht, als unter einem Drucke von 200 t 
prol Quadratzoll gepreßt wurde. Durch 3bis6stündigesErhitzen bei 166® 
ließen sich, zusammen mit Wasser, noch ca. 6,3^0 ^^^ ursprünglich absor- 
bierten Öles abdestillieren, imd mittels Äther weitere 10,7 Vq extrahieren, 
so daß das Floridin nach dieser ganzen Behandlung noch ca. Iö^q 
organischer Substanz in sich zurückgehalten hat. 



16* 



Dritter Abschnitt. 

Produkte. 

Kaum eine andere mit der Erdölindustrie verknüpfte Frage ist 
bisher so wenig durchgearbeitet geblieben wie die der Klassifikation 
und Nomenklatur der Erdölprodukte. Nicht nur in verschiedenen 
Ländern, sondern oft von verschiedenen Produzenten desselben Landes 
werden diese Produkte verschieden eingeteilt und besonders mit ver- 
schiedenen Namen belegt. Eine rationelle Klassifikation stößt hier auf 
um so größere Schwierigkeiten, als es an einem allgemein anerkannten 
einheitlichen Prinzip der Einteilung mangelt und es sich als bequem 
erweist, bald die physikalischen Eigenschaften, bald die Verwendungs- 
art der Produkte ihrer Klassifikation zugrundezulegen. Auch kann man 
sich nicht einer und derselben physikalischen Eigenschaft als Einteilungs- 
prinzip für alle Gruppen von Erdölprodukten bedienen, sondern ist ge- 
zwungen, für verschiedene Gruppen verschiedene Eigenschaften als 
besonders maßgebend zu wählen. So z, B. wird man Benzine in erster 
Linie nach ihren Siedegrenzen, Leuchtöle und Schmieröle nach den 
Flammpimkten und Zähigkeiten, Paraffine nach den Schmelzpunkten 
usw. charakterisieren. Als der am leichtesten zu bestimmenden und für 
Produkte bekannter Provenienz (aber auch nur für solche!) charakteri- 
stischen Eigenschaft, kommt auch dem spezifischen Gewichte bei der 
Klassifikation der Erdölprodukte eine wichtige Rolle zu. 

Näher auf alle diese Fragen einzugehen, erachte ich hier nicht für 
angebracht, um so mehr als die Ausarbeitung einer einheitlichen Klassi- 
fikation und Nomenklatur neuerdings von der Internationalen Petro- 
leum-Kommission in Angriff genommen worden ist, deren Beschlüsse 
wohl für alle betreffenden Kreise maßgebend sein werden. Der Be- 
sprechimg der einzelnen wichtigsten Erdölprodukte werde ich aber 
folgende Einteilung zugrunde legen; 

Benzine, 

Leuchtöle, 

Schmieröle, 

Paraffin, 

Vaselin. 



Benzine. 245 

1. Benzine. 

Mit dem Sammelnamen Benzine bezeichnet man gewöhnlich die- 
jenigen Erdölprodukte, die bei der Destillation bis etwa 150 bis 180® C 
sieden. Bei der Einteilung dieser Gruppe in einzelne Glieder pflegt man 
sich vor allem — als der bei weitem wichtigsten Eigenschaft — der 
Siedetemperatur oder, besser gesagt, der Siedetemperaturgrenzen zu 
bedienen. Die Anforderungen bezüglich dieses Punktes sind je nach der 
Verwendungsart des Benzins sehr verschieden. 

Die niedrigst siedenden Benzine — sog. Cymogen und Rhigolen — , 
die zur Kälteerzeugung (z. B. zu Anästhesierungszwecken in der Chi- 
rurgie, zur Fabrikation von künstlichem Eis usw.) benutzt werden, 
fangen schon bei 0**, resp. bei Zimmertemperatur zu sieden an. 

Möglichst niedrig siedende Benzine werden auch zur Erzeugung 
von sog. „Gasolingas" („Aerogengas" u. dgl.) benutzt, das aus einem 
Gemisch von Benzindämpfen mit Luft besteht imd als Ersatz von 
Leuchtgas dient. Hier ist es wesentlich, daß das Benzin bei der Karbu- 
rierung der Luft bei Zimmertemperatur vollständig verdampfe und 
seine Dämpfe sich aus dem Luftgemisch auch bei einiger Temperatur- 
emiedrigung nicht wieder ausscheiden. Nach Redwood ^) können 
100 Volumina Luft folgende Mengen eines leichten amerikanischen 
Benzins, sog. „Gasolins"^) (spez. Gewicht 0,66, Siedetemperatur ca. 30^ 
hauptsächlich aus Pentan bestehend) in sich aufnehmen: 

bei 0» 10» 200 

10,7 17,5 27,0 Volumina. 

Da zum guten Brennen in Glühstrumpflampen bereits ein Gehalt 
von etwa 3 Vol.-Proz. Kohlenwasserstoffdämpfe in der Luft ausreicht, 
so kann das mit dem genannten leichten Benzin hergestellte Gas einer 
ziemlich starken Abkühlung ausgesetzt werden, ohne daß sich Benzin- 
dämpfe aus ihm ausscheiden. 

Für chemischeWäschereien, Gummifabriken (wo man es zum Auflösen 
von Kautschuk benutzt) u. dgl. wird gewöhnlich ein nicht über 100® 
siedendes Benzin gewünscht (damit es sich möglichst leicht abtreiben 
lasse), wobei aber gleichzeitig — wegen der Feuergefahr — stets 
auch auf einen möglichst hohen Siedebeginn Wert gelegt wird. 

Verhältnismäßig niedrig — häufig nicht über 100® — siedende 
Benzine werden für Luxus- und Rennautomobile, sowie besonders für 
Luftfahrzeuge gefordert, da die Motoren dieser Maschinen mit solchen 
Benzinen am regelmäßigsten arbeiten und, infolge sehr vollständiger 
Verbrennung, am wenigstens verschmutzt werden.^ Es scheint übrigens, 
daß hier nicht so sehr die obere Siedegrenze, als vielmehr der Siede- 

1) Petroleum and its Produkte 1906, 2, 674. 

2) Interessant ist es zu bemerken, daß man in Rußland mit dem Namen 
„Gasolin** nicht das leichte Benzin, sondern entweder das aus dem Erdöl bei der 
ersten Destillation gewonnene, unrektifizierte Benzin oder auch die schweren 
Benzinsorten bezeichnet. 



246 Produkte. 

beginn in Betracht kommt, da in Abwesenheit von leicht flüchtigen 
Bestandteilen das Ingangsetzen der Motoren erschwert wird. Daß aber 
sonst ein Gehalt bis 25 bis SO^q ^^ zwischen 100 bis 130® siedenden 
Fraktionen der Verwendmig des Benzins selbst in schnellgehenden 
Automobilen nicht hindernd ist, kann durch die Praxis als erwiesen 
betrachtet werden; auch hat z.B.Blount^)in allen Automobilbenzinen 
der bekannten englischen Firma Pratt nicht weniger als 30®/q solcher 
Fraktionen gefunden. Für langsamer gehende Lastautomobile ist es 
in der letzten Zeit, dank entsprechend konstruierten Karburatoren, 
möglich geworden, Benzine mit noch höheren Siedegrenzen (bis löO*^ 
und darüber) zu benutzen. 

Für Extraktion von Pflanzenölen aus Ölsaaten oder Preßkuchen 
eignet sich am besten ein Benzin, das in möglichst engen Grenzen um 
100® herum siedet. Mit solchem Benzin läßt sich nämlich erreichen, 
daß der entölte Rückstand, aus dem mm das Benzin abgetrieben werden 
muß, was am besten mittels Durchblasens von Wasserdampf geschieht, 
bereits beim Beginne dieses Ausdämpfens ca. 100® warm sei. Ist dieses 
nicht der Fall, so wird die in dem entölten Rückstande enthaltene Stärke 
durch das sich kondensierende Wasser leicht verkleistert*). Aber auch 
eine zu hohe obere Siedegrenze des Benzins ist unerwünscht, da sonst 
das Abtreiben der letzten Portionen Benzin zu viel Zeit beansprucht. 

Die höchsten Siedegrenzen weisen diejenigen Benzine auf, die zur 
Lackfabrikation als „Terpentinsurrogate", allein oder mit Terpentinöl 
gemischt, gebraucht werden. Von solchen Lackbenzinen wird meist 
ein Siedebeginn nicht unterhalb 125 bis 130® gefordert, da sie sonst zu 
feuergefährlich sind imd außerdem eine zu schnelle Verdampfimg ein 
Schrumpfen der Lackschicht zur Folge haben kann. Ein Lackbenzin 
soll aber andererseits auch nicht zu hoch sieden, z. B. keine oberhalb 
180® siedende Bestandteile enthalten, da es sonst das Eintrocknen der 
Lake zu stark verlangsamen würde. Neben den Siedegrenzen kommt 
l^ei den Lackbenzinen auch ihr Gehalt an aromatischen Kohlenwasser- 
stoffen in Betracht, da diese ein viel größeres Lösungsvermögen für 
Harze u. dgl. besitzen als Naphthene imd Grenzkohlenwasserstoffe. 
Aus diesem Grunde eignen sich die rumänischen und besonders die 
Benzine der Sundainseln zur Fabrikation von Lacken im allgemeinen 
besser als die amerikanischen und russischen. Der Gehalt verschiedener 
Benzinsorten an aromatischen Kohlenwasserstoffen hat Marcusson*) 
durch Nitrierung mit rauchender Salpetersäure bei 10® bestimmt und 
folgendes gefunden (die Zahlen geben die Verluste bei solcher Be- 
handlung in Prozenten an): 

Pennsylvanisches Benzin 100 bis 150® 10 

Russisches Balachany-Benzin 100 bis 180® .... 10 
Galizisches (Schodnika-) Benzin 100 bis 180® .... 16 



1) Joum. Soo. Chem. Ind. 1909, 418. 

•) Vgl übbelohde, Handbuch d. Öl-Industrie, S. Ö06. 

») Chem.-Ztg. 1909, 979. 



Leuohtöle. 247 

Galizisches Lackbenzin des Handels 100 bis 180® . 20 

„ 100 „ 180» . 18 

Bomeo-Benzin löO bis 180® 40 

Schweres Sumatra-Benzin löO bis 180® 35 

Leichtes Sumatra-Benzin 120 bis 170® 23 

2. Leuchtöle. 

Wenn man vom Leuchtöl kurzweg spricht, pflegt man ein öl zu 
verstehen, das sich zum Brennen in gewöhnlichen Zimmerlampen 
mit Docht eignet. Diese Leuchtöle können durch folgende Eigenschaften 
charakterisiert werden: 

Siedegrenzen wesentlich von 150 bis 300®; 

spezifische Zähigkeit bei 20® 1,5 bis 2,0; 

spezifisches Gewicht je nach der Provenienz 0,790 bis 0,830. 

Neben diesen, hauptsächlich für den Hausgebrauch bestimmten 
Leuchtölen (Kerosin) werden auch bedeutend schwerere und höher 
siedende Leuchtöle (Solaröle, Pyronaphtha usw.) hergestellt, die nur 
in speziellen Lampen benutzt werden können und auch in diesen nicht 
ganz tadellos brennen, dafür aber, dank ihren viel höheren Flamm- 
punkten, dort, wo es auf besondere Feuersicherheit ankommt, mit 
Vorteil Verwendung finden; sie werden allerdings durch elektrische 
Beleuchtung immer mehr verdrängt. 

Für das gute Brennen von Leuchtölen — und unter solchem ist 
zu verstehen: genügende Lichtstärke und ihre Konstanz bei längerem 
Brennen, kleiner Verbrauch von Kerosin, möglichst weiße Farbe der 
Flamme, Brennen ohne Geruch, Flackern, Rauch und Ruß — sind fol- 
gende Eigenschaften maßgebend: 1. Zähigkeit und Kapillaritätskon- 
stante; 2. Zusammensetzung; 3. Raffinationsgrad. 

1. Zähigkeit und Kapillaritätskonstante. Ein gutes und 
regelmäßiges Brennen von Leuchtölen in Dochtlampen ist natürlich 
nur bei genügend reichlichem und regelmäßigem Zuflüsse des Öles zu 
dem Verbrennungsherd, d. h. bei richtiger Aufstieggeschwindigkeit des 
Öles im Dochte möglich. Daß diese Auf Stieggeschwindigkeit in erster 
Linie durch die Zähigkeit bedingt wird, haben Engler und Levin^) 
bereits im Jahre 1886 richtig erkannt. Aber erst 10 Jahre später hat 
Stepanow^), in seiner ausgezeichneten Untersuchung über die Lam- 
pentheorie, die Frage mathematisch behandelt und die folgende Glei- 
chung aufgestellt: 

wo Q die im Dochte auf eine gewisse Höhe in der Zeiteinheit gehobene 



1) Dinglers Polyt. Joum. 261, 29. 

^) Grundlage der I^ampentheorie, deutsch von S. Aisinman. 



248 Produkte. 

ölmenge, a die Kapillaritätskonstante des Öles, z seine Zähigkeit und 
A einen ziemlich komplizierten Faktor bezeichnet ; dieser Faktor schließt 
zwar auch das spez. Gewicht des Öles in sich ein, dieses spielt aber darin 
eine so kleine Rolle, daß für jeden gegebenen Docht und gegebene 
Hubhöhe des Öles die Größe A ohne großen Fehler als konstant be- 
trachtet werden kann. Man sieht vor allem, daß das spezifische Gewicht 
eines Leuchtöles, entgegen der immer noch ziemlich verbreiteten An- 
sicht, für seine Aufstieggeschwindigkeit im Dochte so gut wie ganz be- 
langlos ist. Nur wenn man es mit mehreren Leuchtölen derselben 
Provenienz zu tun hat, kann man sagen, daß, je schwerer das öl, um 
so langsamer es im Dochte hinaufsteigen wird; dies aber nur aus dem 
Grunde, weil eben bei verschiedenen Fraktionen eines und desselben 
Erdöls spezifische Grewichte und Zähigkeiten parallel verlaufen. Beim 
Vergleichen von ölen verschiedener Provenienz trifft dieses dagegen 
im allgemeinen nicht zu (vgl. die Tabelle). 

Mit der Temperaturerhöhung nimmt die Zähigkeit der Leuchtöle 
natürlich stark ab; so z. B. hat Pe troff für das russische (Nobe Ische) 
Kerosin d^^^ =-0,8215 folgende Zahlen gefimden: 



Temperatur 


Zähigkeit 


16,52 


0,01954 


17,3 


0,01910 


21,85 


0,01745 


28,3 


0,01556 


35,15 


0,001380 


43,8 


0,01203 



Dieser Umstand ist insofern von großer Bedeutung, als das Öl im 
Dochte während des Brennens, durch Vermittlung der metallischen 
Brennerhülse, sich ziemlich stark anwärmen läßt, wodurch seine Zähig- 
keit immer mehr abnimmt. In dem Maße also, als durch das Sinken des 
ölniveaus in Lampenbehälter das Öl beim Hinaufsteigen im Dochte einen 
größeren Reibungswiderstand zu überwinden hat, wirkt die Abnahme 
der Zähigkeit des Öles in entgegengesetzter Richtung, wodurch ein zu 
starkes Sinken der Flamme vermieden wird. Die Anwärmung des 
Brenners wirkt somit auf den ölzufluß regulierend, und für Leuchtöle 
von größerer Zähigkeit (und dem entsprechend von höherem Flamm- 
punkt) pflegt man die Brennerhülse nach unten so zu verlängern, daß 
ihr Ende in das Leuchtöl eintauche und es besser vorwärme. 

Der zweite Faktor der Stepanow sehen Grundgleichimg — die 
Kapillaritätskonstante a — ändert sich sowohl bei Leuchtölen ver- 
schiedener Provenienz, wie auch mit Temperaturerhöhung bei einem und 
demselben öle viel weniger stark als die Zähigkeit, wie aus folgenden 
Zahlen^) zu ersehen ist: 



1) Tabellen von Landolt-Börnstein-Meyerhoffer, S. 108 und 109. 



Leuchtole. 249 



Temp. 



Russisches Leuchtöl 0,822 18<> 

Amerikanisches öl 0,766 18^ 

Petroleum (Provenienz nicht angegeben) 0,8467 0® 

0,8467 25« 

0,8467 50« 



9i ti )) »> 



dynen 

a—^ — 
cm * 


30,6 bis 32,a 


29,4 „ 30,4 


28,9 


26,4 


24,2 



Obwohl also die Kapillarität die treibende Kraft ist, die das Hinauf- 
steigen von Leuchtöl im Dochte bewirkt, ist die Kapillaritätskonstante 
für die Charakterisierung von Leuchtölen viel weniger wichtig als die 
Zähigkeit. 

2. Zusammensetzung. Bei der Beurteilung des Einflusses der 
Zusammensetzung der Leuchtöle auf ihre Brennfähigkeit ist zweierlei 
zu berücksichtigen: erstens der Grad der Homogenität des Öles, d. h. 
seine Zusammensetzung aus Fraktionen von verschiedenen Siede- 
temperaturgrenzen; zweitens die Zugehörigkeit der Kohlenwasserstoffe 
des Öles zu bestimmten homologen Reihen. 

Der große Einfluß der Siedetemperatur des Öles auf seine Leucht- 
kraft und den Ölverbrauch erhellt sehr gut aus folgenden Versuchen 
von Zaloziecki^). Ein galizisches Kerosin vom spez. Gewicht 0,8128, 
das eine Lichtstärke von 7,6 Normalkerzen, unter Verbrauch von 
40,68 mg pro 1 Kerzen-Minute ergab, wurde fraktioniert und das Brenn- 
vermögen der einzelnen Fraktionen untersucht: 

Verbrauch 
pro 1 Kerzen- 
Spez. Gewicht Lichtstärke Minute mg 



Prakti 


onen 1. 


bis 150« 


0,7523 


14,8 


39,5 




2. 


150 „ 1700 


0,7803 


12,6 


38,2 




3. 


170 „ 190<> 


0,7911 


11,4 


40,0 




4. 


190 „ 210» 


0,8040 


8,4 


43,0 




5. 


210 „ 230« 


0,8170 


4,3 


72,0 




6. 


230 „ 250» 


0,9290 


2,3 


107,9 




7. 


250 „ 270« 


0,8353 


1,1 


178,7 




8. 


270 „ 300« 


0,8423 








Daß es auch die hochsiedenden Fraktionen sind, die das Sinken 
der Leuchtkraft während des Brennens verursachen, zeigen z. B. die 
Zahlen Alftans^), der die bis 150®, von 150 bis 270^ und über 210^' 
siedenden Fraktionen des russischen Kerosins in verschiedener Propor- 
tion zusammenmischte und dabei nun folgendes fand : 



1) Dinglers Polyt. Joum. 260, 127. 

2) Trudi Bakuer Techn. Ges. 1886, 1, 117. 



250 



Produkte. 



Das Gemisch 


__j_ .... 
enthielt Fraktionen, siedend 


Lichtstarke 


Sinken der Licht- 


unter 150<> 


von 150» bis 270» 

% 


über 210^ 


bei Beginn des 
Brennens 1) 


stärke in % nach 
ca. 8Std. Brennen 




100 




9,6 


7,3 


5,34 


84,66 


10 


9,5 


9,5 


8,01 


76,99 


15 


9,6 


9,5 


10,68 


69,32 


20 


10,1 


22,8 


13,35 


61,65 


25 


9,8 


25,5 


21,36 


38,64 


40. 


10,4 , 


48,0 



Die Ursachen des schädlichen Einflusses der hochsiedenden Fraktionen 
«ind in zwei Umständen zu suchen. Erstens in der zu großen Zähigkeit 
des an solchen Fraktionen reichen Öles, wodurch das Hinaufsteigen 
dieses im Dochte und der Zufluß zum Verbrennungsherd verlangsamt 
wird. Zweitens in der starken Dochtverkohlung und Verstopfung der 
Poren des Dochtes durch Kohle. Der Vorgang der Dochtverkohlung 
ist noch nicht genügend aufgeklärt, da man nicht mit Sicherheit weiß, 
ob die sich beim Brennen von Leuchtöl bildende Kohlenkruste nur (wie 
es z. B. Stepanow annimmt) aus der Zellulose des Dochtes oder auch 
^us den Oxydations- und Polymerisierungsprodukten des Leuchtöles 
stammt. Wie es aber auch sei, es ist schon von vornherein klar, daß 
ein großer Gehalt an hochsiedenden Fraktionen in jedem Falle die 
Verkohlung des Dochtes begünstigen muß. Denn die hoch siedenden 
Kohlenwasserstoffe neigen stärker zu Asphaltisierung als die niedrig 
siedenden, und der Docht wird beim Verdampfen der hoch siedenden 
Fraktionen einer entsprechend höheren Temperatur ausgesetzt; auch 
muß der verlangsamte Zufluß von öl die Verkohlung des Dochtes 
selbst verstärken. Wie stark die Verkohlung des Dochtes mit der oberen 
Sied^grenze des Kerosins zunimmt, zeigen folgende Zahlen von Engler 
und Levin: während nach 61 stündigem Brennen der zwischen 150 bis 
200® siedenden Fraktion eines amerikanischen Kerosins sich nur un- 
wägbare Mengen Kohle bildeten, haben sich beim Brennen der 200 bis 
250® Fraktion bereits nach 5 Stunden 0,059 g und beim Brennen der 
250 bis 300® Fraktion nach 6 Stunden 0,102 g Kohle gebildet. 

Aus dem Gesagten folgt nun, daß es für die Brenngüte des Leucht- 
öles wesentlich ist, daß es möglichst wenig der hoch siedenden Bestand- 
teile enthalte. Nach unten aber wird die Siedetemperaturgrenze durch 
die Rücksichten der Feuersicherheit beschränkt, die in allen Kultur- 
staaten zur gesetzlichen Festlegimg des minimalen Flammpunktes für 
Leuchtöle geführt haben; so z. B. dürfen nicht in Deutschland Leucht- 
öle mit einem Flammpunkt unter 21® (nach Abel-P.), in Rußland 
solche mit Flammpunkt unter 28® usw. auf den Markt gebracht werden. 
Ohne in Einzelheiten einzugehen, will ich noch darauf hinweisen, daß nach 

^) Die ursprüngliche Lichtstärke war in dieser Versuchsreihe, durch ent- 
sprechendes Herausragenlassen des Dochtes aus dem Brenner, auf ziemlich gleiche 
■Größe eingestellt worden. 



^ Leuohtöle. 251 

den Untersuchungen vonEngler*) die Temperatur, bei der sich in gewöhn- 
lichen Lampenh^hältem explosive Dampfgemische bilden , etwa 8^ über 
dem mit dem Abelschen Prüfer bestimmten Flammpunkt des Öles liegt. 

Ein größerer Gehalt an niedrig siedenden Fraktionen kann auch die 
Folge haben, daß das Leuchtöl beim Brennen, infolge der Verdampfung 
dieser Fraktionen, seine Zusammensetzung ändert, wobei seine Zähig- 
keit zu-, die Leuchtkraft abnimmt. Eine früher vielfach vermutete 
Veränderung des Leuchtöles beim Brennen infolge des schnelleren Auf- 
stiegs der leichten Fraktionen im Dochte findet dagegen nicht statt. 

Auch die Zugehörigkeit deü Kohlenwasserstoffe zu bestimmten 
Reihen übt einen großen Einfluß auf das gute Brennen von Leuchtölen 
aus. Es sind nämlich die aromatischen imd andere kohlenstoffreiche, 
in überschüssiger konzentrierter Schwefelsäure sich auflösenden Kohlen- 
wasserstoffe (sog. „Karbüre"), die dem Brennen von Leuchtölen in 
gewöhnlichen Lampen sehr nachträglich sind. Ein größerer Gehalt 
an solchen Karbüren hat vor allem eine bedeutende Abnahme der Licht- 
stärke, sowie eine ebenso große Zunahme des Ölverbrauchs pro 1 Licht- 
einheit zur Folge. So z. B. haben Edeleanu, Many, Pfeiffer und 
Gan6 gefunden, daß die rumänischen Leuchtöle, je nach dem Gehalt 
an aromatischen Kohlenwasserstoffen sich in zwei Gruppen einteilen 
lassen. Die I^uchtöle von Glodeni, Policiori und andere, die nur wenig 
aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten, ergaben mit dem W" Kos- 
mosbrenner 9,7 bis 12,97 Normalkerzen, wobei pro 1 Kerzen-Stunde 
3,31 bis 4,00 g verbraucht werden. Die an aromatischen Kohlen- 
wasserstoffen reichen Leuchtöle von Bustenari, Moreni usw. entwickelten 
dagegen mit demselben Brenner nur 5,74 bis 8,1 Normalkerzen, unter 
Verbrauch von 4,23 bis 5,15 g pro 1 Kerzen-Stunde. Wurde aber das 
Leuchtöl von Bustenari nach dem Verfahren Edeleanus mit flüssiger 
Schwefligsäure unter Ausscheidung der aromatischen Kohlenwasserstoffe 
gereinigt, so stieg die Lichtstärke von 5,94 auf 14,85 Kerzen. 

Die Gregenwart von Karbüren in Leuchtölen äußert sich auch 
darin, daß die Flamme leicht flackert, rußt und eine rötliche Farbe 
annimmt. Wie die Untersuchungen Wegers 2) zeigen, ist es besonders 
die Farbe der Flamme, die durch die Karbüre leicht beeinflußbar ist. 
Denn in seinen Versuchen war das Brennen — soweit die Konstanz 
der Lichtstärke und der Ölverbrauch in Betracht kamen — auch 
bei ziemlich karbürenreichen ölen ganz gut (vgl. die Tabelle); die 
rötliche Färbung der Flamme erwies sich dagegen nicht der photo- 
metrischen Lichtstärke, sondern im allgemeinen dem Karbürengehalt 
parallel; wUrde das rotbrennende rumänische öl von Karbüren befreit, 
so brannte es mit einer rein weißen Farbe. Aus den Versuchen Aisin - 
mans^) ist übrigens zu schließen, daß auch karbürreiche Leuchtöle in 
geeigneten Lampen — bei stärkerer Luftzufuhr, Luftvorwärmung und 
guter Mischimg der öldämpfe mit Luft — ganz gut brennen können. 

1) Chem. Ind 1882, 106. 

2) Chem, IndL 1906, Nr. 2. 

^) in. Jjatem. Petr. -Kongreß in Bukarest. 



UntersDchungsergebnis» 

I. Nach Engler und Ubbelohdi 



Water White 

2. AmenkaDJsches FetroleUDi 

Standard White . . . . 

3. Rn38iscb«8 Petroleum 

„Met«or" 

i. BuBsiBchee Petroleum 

„Nobel" 

5, GolizischeB Petroleum . . 

6. Deutsches Petroleum . . 







ngl 


er 






zwischen dea Siedegradea 




bis 

150 


150 
bia 

175 


175 
bis 

200 


200 

bis 

225 


225 

bis 

250 


250 
bis 

275 


275 
bis 

300 


300 
bis 
325 


Übe 
325 


153 




U 


21,1 


19,5 


16,8 


13,1 


9,4 


9,< 




126 


10,9 


13,4 


12,0 


8,9 


8,8 


10,6 


12,3 


11,0 


12,0 


145 


1,2 


16,0 


24,0 


17,0 


15,0 


11,5 


7,0 


Kest 

8,0 




U4 


2,0 


14,0 


18,0 


16,6 


17,9 


14,3 


8,0 


8,0 




133,5 


3,0 


12,7 


14,0 


14,9 


17,0 


15,8 


10,2 


Beat 

12,0 




134,0 


2,6 


12,6 


13,6 


14,9 


17.6 


16,0 


11,0 


Best 

11,5 





I! 



^1 



destjUieren 
zwischen 



Standard Whit«, 

Aurora, rumänisch . 
Edelweiß, „ 
Dimubia, „ 
Meteor, russisch . . 
Nobel, „ . . 



Ezportöl Lipinki, galiziech 

„ Gorlice, „ 
Saloudl Gorlioe, ^ 

„ Lipinki, „ 
Grabow, deutsch 



155—298 
125—332 



135—284 
141—247 

143—289 



136—309 
134—316 
136-336 

135—270 



gelblioh i 

fast farblos 
gelblioh 

faat farblos 
gelblich 



SO'KhriU« 
IS» BfginD ia 
PammiDaiuMtaFidsi«, 

b«! — 30* eUrr 
bei — SCklirn.llO!.'^ 



) In die FetroleumbaBBins von 10 cm Durchmesaei wurden 400 g eingefüllt. Tkt 
) f ^ Kosmoebrenner 14'" von Wild und Weesel und Kosmoszylinder, 
ü ^ Reformbrenner 14'" der Deutecb-ruBsisoben Naphtha-Importgesellscbaft Beriin 



Leuchtöle. 



253 



mehrerer Leuchtole. 

{Post's Analyse, 1907, S. 307). 



Ä §iH 

©'S© 

A So 

o .« 

Sil 



Brennversuch^) 



«'S 






Lichtstärke in Hefnerkerzen nach Brenn- 
dauer in Stunden 






8 







«'S 

s-sa 



«5d 






o u c 



o _ 
mg 



a 





1,69 

1,89 
1,46 
1,69 
1,80 
1,82 



K 
R 


15,6 
14,6 


15,0 
12,6 


14,7 
11,6 


14,2 
9,3 


13,0 
7,5 


12,6 
6,2 


12,0 

5,8 


11,4 
5,5 


13,6 
9,1. 


26,9 


K 
R 


13,6 
17,0 


12,8 
14,0 


12,3 
12,6 


11,8 
10,3 


11,6 
8,1 


10,5 
6,5 


9,8 
6,0 


9,0 
5,4 


11,4 
10,0 


33,8 


K 
R 


12,9 
17,1 


12,7 
16,6 


12,2 
16,3 


11,8 
15,0 


11,0 
13,3 


10,8 
11,9 


10,0 
11,3 


9,7 
11,0 


11,4 
14,1 


24,7 


K 
R 


11,3 
17,0 


10,8 
16,4 


10,6 
16,3 


10,5 
15,0 


10,5 
14,0 


10,0 
12,5 


9,0 
11,9 


8,1 
11,0 


10,1 
13,0 


28,3 


K 
R 


11,6 

18,0 


11,1 
15,5 


10,6 
14,6 


10,1 
12,7 


9,8 
11,0 


9,0 
9,5 


8,5 
8,6 


8,0 
7,8 


9,8 
12,2 


31,0 


K 
R 


10,9 
17,6 


10,9 
17,2 


10,7 
17,0 


10,4 
16,1 


10,0 
13,6 


9,5 
11,5 


9,0 
11,0 


8,2 
9,1 


9,95 
14,1 


24,8 



3,6 
4,2 

3,65 
3,8 

3,55 
3,1 

3,85 
3,05 

3,7 
3,07 

3,9 
3,0 



18 
28 

60 

80 

24 
33 

11 
33 

35 
33 

27 
29 



(Chem. Ind. 1906, Nr. 2). 



Raffinationsgrad, geprüft 
mit SO4H2 


Brom- 
zahl 


Brechungs- 
Koeffizient 
bei 20« 


Karbüren- 
gehalt ' 


3pez. Gewicht 

nach der 
Ausscheidung 
der Karbüre 


AbfaU der 

Lichtstärke nach 

5 Stunden 


Ölverbrauch pro 

1 Normalkerze 

in 1 Stunde 


[urchschnittllche 
elligkeit in den 
sten 2 Stunden 


bei 660 Be 


bei 50« B6 










•/• 


g 


AHg 


1 

hellbraun 


fast farblos 


6,1 


1,4402 


10,7 


7790 


16,5 


3,9 


13,3 


> dunkelbraun 
hellbraun \ 


hellgelb 


13,5 


1,4464 


14,6 


7880 


23,4 


4,1 


12,8 


fast farblos 


5,1 


1,4506 


24,4 


7830 





3,9 


11,9 


n 


rosa 


5,5 


1,4482 


21,4 


7810 


22,4 


3,9 


13,4 


braun 


n 


4,9 


1,4567 


22,1 


7915 


20,2 


4,0 


12,4 


dunkelorange 


fast farblos 


1,6 


1,4457 


10,4 


8000 


7,3 


3,6 


13,7 


hellbraun 


n n 


2,0 


1,4510 


12,2 


8065 


10,9 


3,7 


12,9 


[ braun 


gelb 


5,7 


1,4542 


23,3 


7895 


6,7 


3,6 


13,2 


1 hellbraun 


fast farblos 


2,5 


1,4536 


22,3 


7900 


1,6 


3,6 


12,6 


n 


n n 


2,5 


1,4548 


21,9 


7940 


0,8 


3,7 


12,5 


dunkelbraun 


dunkelgelb 


6,1 


1,4597 


24,4 


7960 


22,0 


4,0 


12,7 


dunkelorange 


gelb 


2,6 


1,4472 


16,2 


7865 


6,8 


3,7 


13,3 



Abstand zwischen der Oberfläche des Petroleums und dem Brennerrande betrug zu Beginn 

[des Versuches 11,5 cm. 
und Reformzylinder. 



254 Produkte. 

3. Raffinationsgrad. Es wird ganz allgemein, und wohl mit 
Recht, angenommen, daß ein Leuchtöl um so besser brennt, je gründ- 
licher es raffiniert worden war. Allerdings brennen frische Rohdestil- 
late nicht schlechter als raffinierte, und Charitschkoff *) behauptet 
sogar, an verschiedenen Rohdestülaten ein besseres Brennen als nach 
ihrer Reinigung beobachtet zu haben (was ich übrigens nicht bestätigen 
konnte). Aber abgesehen davon, daß ungereinigte Kerosindestillate 
ein ungefälliges Aussehen und einen sehr unangenehmen Geruch haben, 
werden sie beim Lagern in viel stärkerem Grade als die gereinigten öle 
unter Oxydation und Asphaltisierung verändert; die kleinsten Mengen 
Asphalt u. dgl. Stoffen genügen aber, indem sie die Poren des Dochtes 
verstopfen, um die Brennfähigkeit eines Leuchtöls ganz bedeutend 
herunterzusetzen; so z. B. fand ich beim Zusatz von nur OjIVq 
ölgoudron zu einem sehr guten Kerosin, daß die Lichtstärkeab- 
nahme nach 3 stündigem Brennen 41 y^, nach 4 Stunden ÖO^o ®^" 
reicht hat. 

Nicht weniger nachteilig für die Brennfähigkeit als schlechte 
Säm*ereinigung ist auch ungenügendes Auswaschen nach der Neutra- 
lisation, da die im Leuchtöle ziu'ückbleibenden Seifen sich im Dochte 
anhäufen, zersetzen und eine Kruste bilden. Besonders schädlich ist, 
nach den Versuchen von Alf tan 2), die Gegenwart von Magnesium- 
\md Kalziumseifen, die schon beim Gehalt von nm* 0,02 g auf 1000 g 
öl das Sinken der Leuchtkraft um 30 bis 40^0 bewirken; viel weniger 
stark ist der Einfluß von Eisenseifen, was Alf tan dadiu'ch erklärt, 
daß das Eisenoxyd sich als nicht schmelzendes Pulver ausscheidet, 
während in Anwesenheit von Kalk oder Magnesia die Asche zu einer 
homogenen, den Docht besonders leicht verstopfenden Masse zu- 
sammensintert.. 

Daß schließlich ein größerer Schwefelgehalt der Leuchtöle sehr 
unerwünscht ist, indem er beim Brennen die Entwicklung von Schweflig- 
säm*e zm* Folge hat, ist ohne weiteres klar. Nach Kißling und Engler ^) 
beträgt der Schwefelgehalt in russischen Leuchtölen 0,027 bis 0,030, 
galizischen 0,039 bis 0,062, pennsylvanischen 0,027 bis 0,029, Ohioölen 
0,04 bis 0,5yQ. Zu vermerken ist noch die Beobachtung Kobayashis*), 
wonach sich beim Brennen eines schwefelhaltigen japanischen Leucht- 
öls am Lampenzylinder ein weißer, am Glase festhaftender, wie es 
scheint aus Naphthalinsulfosäiu'e bestehender Anflug bildete. 

3. Schmieröle. 

Für das richtige Verständnis der Anforderungen, die an Schmieröle 
gestellt werden müssen, ist es nötig, die Grundlagen der Theorie der 



1) Trudi Bakuer Teohn. Ges. 1895, Nr. 1. 

2) Sapiski Russ. Techn. Ges. 1887, 107. 

3) Chem. Rev. 1906, 168. 
*) Petr. Rev. 1909, 143. 



Schmieröle. 25& 

Maschinenschmierung^), wenn auch in ganz allgemeinen Zügen, kennen 
zu lernen. 

Die Aufgabe jedes Schmiermittels ist, zwischen zwei sich an- 
einanderreibenden festen Flächen eine zusammenhängende Schicht zu 
bilden, die zweierlei bewirken soll: erstens den Ersatz der sog. trockenen 
Reibung durch die im allgemeinen unvergleichlich kleinere innere 
Reibung des Schmiermittels; zweitens eine geringere Abnutzung und 
bessere Erhaltung der Reibflächen. 

Die trockne Reibung — also die Reibung zwischen zwei festen 
Körpern in Abwesenheit von Schmiermitteln — unterliegt dem sog. 
Coulombschen Gesetz: 

S=qP, (1> 

wo R die Größe der Reibungskraft (also derjenigen Kraft, die zur 
Erhaltung einer gleichförmigen Bewegung des auf einem anderen festen 
Körper gleitenden Körpers nötig ist), P den auf dem gleitenden Körper 
lastenden Totaldruck und q eine für das betreffende Körperpaar kon- 
stante Größe (sog. Reibungskonstante) bedeuten. 

Wird zwischen die beiden Reibflächen so viel Schmieröl hinein- 
gebracht, daß es eine zusammenhängende Schicht bildet und die Reib- 
flächen sich in keinem Punkte direkt berühren können, so läßt sich die 
Größe der Reibungskraft R durch die von Petrof f aufgestellte Gleichung 
ausdrücken : 

R^ i^J:--; (2) 

rj bedeutet hier die innere Reibung (Zähigkeit) des Schmieröls, i^ 
und ^2 die äußeren Reibungen des Öles an den beiden Reibflächen, 
8 die Größe der Berührungsfläche, V die Bewegimgsgeschwindigkeit. 

Wenn schließlich die ölschicht zwischen den Reibflächen so dünn 
ist, daß sie die direkte Berührung der Flächen stellenweise verhindert, 
stellenweise aber auch nicht, so ist die Reibung kleiner, als es der For- 
mel (1), jind größer, als es der Formel (2) entspricht. 

Man sieht somit, daß sich die Reibung ceteris paribus um so stärker 
herabsetzen läßt, je dicker die ölschicht zwischen den Reibflächen. 
Durch welche Momente wird nun diese Dicke bestimmt? 

Die Ausbildung der öligen Zwischenschicht ist vor allem, worauf 
zum erstenmal Ubbelohde ausdrücklich hingewiesen hat, an das Be- 
netzen der Reibflächen durch das Schmieröl gebunden. Denn bekannt- 
lich dringt eine Flüssigkeit in einen Kapillarraum nur dann hinein, 
wenn sie die Wandungen des Raumes benetzt. Ist dies nicht der Fall, 
so vermag nicht nur die Flüssigkeit in den Kapillarraum (z. B. Queck- 
silber in eine Glaskapillare) von selbst nicht einzudringen, sondern es 



1) Vgl. besonders Petrof f. Neue Theorie der Reibung 1888; und Ubbelohde, 
Zur Theorie der Reibung gesohmierter Maschinenteile, Petroleum 7, Nr. 14, lÖ 
und 17. 



256 Produkte. 

stellt sich diesem Eindringen ein um so größerer Widerstand entgegen, 
je enger der Kapillarraum ist. Die Kraft, mit der eine benetzende Flüs- 
sigkeit in den Kapillarraum hineinzudringen sucht, steht bekanntlich 
mit ihrer Oberflächenspannmig in engstem Zusammenhange und 
läßt sich entweder mittels dieser Konstante oder auch mittels sog. 
Kapillaritätskonstante ausdrücken. 

Betrachten wir jiun ein Maschinenlager und einen darauf ruhen- 
den Zapfen. Da der Zapfenradius immer um ein ganz weniges kleiner 
ist als der Radius der entsprechenden Lagerschale, so bleiben zu beiden 
Seiten des Zapfens sehr schmale und nach der Mittellinie sich ver- 
jüngende kapillare Spalten. Bringen wir an der Mündung einer solchen 
Spalte einen Tropfen Schmieröl an, das — wie alle öle — trockne Me- 
talle leicht benetzt, so zerfließt es zum Teil auf den benachbarten 
Stellen des Lagers und des Zapfens, zum Teil aber wird es in die kapillare 
Spalte hineingezogen. Je größer die Kapillaritätskonstante des Öles 
und je enger die Spalte, um so weiter sucht das öl in diese hinein- 
zudringen, und ist die Länge der Spalte kleiner als die ihrem Durch- 
messer entsprechende Aufstieghöhe des Öles, so sucht das öl sich den 
Weg noch weiter zu schaffen, indem es den Zapfen etwas zu heben, 
resp. nach der entgegengesetzten Seite zu verschieben sich bestrebt. 
Es ist klar, daß dies um so eher möglich ist, je kleiner der auf dem Zapfen 
lastende Druck und je größer die Oberflächenspannung oder die Ka- 
pillaritätskonstante des Öles. 

Lassen wir nun den Zapfen laufen, so kommt ein neues Moment 
hinzu, das dem Eindringen des Öles in die Spalte mitverhilft. Es ist 
das Mitreißen des Öles durch die von ihm benetzte Zapfenoberfläche. 
Je schneller die Drehung des Zapfens, um so größer natürlich ist diese 
mitreißende Kraft; bei gleicher Drehungsgeschwindigkeit muß aber 
die Menge des mitgerissenen Öles auch mit der Zähigkeit des Öles 
zunehmen. Denn das Mitreißen kommt eben nur dadurch zustande, 
daß der Zapfen zunächst die unmittelbar an seine Oberfläche haftende 
ölschicht mitnimmt, dann aber, infolge der Reibung einer ölschicht an 
die andere, immer weitere Schichten in Mitleidenschaft gezogen 
werden: in einer Flüssigkeit von imendlich kleiner Zähigkeit würde ein 
sich bewegender Körper überhaupt keine Flüssigkeit mit sich reißen 
können. 

Wir sehen somit, daß (neben den Dimensionen der Lagerschale 
und des Zapfens) folgende Paktoren die Dicke der ölschicht d bestimmen : 
der auf dem Zapfen lastende Druck, die Geschwindigkeit der Zapfen- 
bewegung, die Kapillaritätskonstante des Schmieröles und seine Zähig- 
keit. Mit der Zunahme des Druckes nimmt d ab, mit der Zunahme der 
drei letzteren Faktoren zu. 

Nun aber üben die Geschwindigkeit und die Zähigkeit nicht nur 
einen mittelbaren Einfluß auf die Größe der Reibung aus, indem sie 
die Dicke der Schmierölschicht mitbestimmen, sondern sind auch in 
der Formel (2) für die Reibungsgröße direkt enthalten. Und zwar 
äußert sich dieser unmittelbare Einfluß gerade in entgegengesetzter 



Schmierole. 257 

Richtung als der soeben besprochene; denn bei gleicher Dicke der 
Schmierölschicht nimmt die Reibtmg mit Geschwindigkeit und Zähig- 
keit zu. Die quantitative Abhängigkeit der Größe d von F und 9; ist 
noch nicht mit Sicherheit bekannt; jedenfalls aber ist d den Größen 
V und 97 nicht direkt proportional, sondern nimmt langsamer als diese 
zu (nach Petroff z. B. soll d proportional der Quadratwurzel aus v 
wachsen). Aus diesem Grunde müßte man also stets dem öle mit der 
kleinsten Zähigkeit den Vorzug geben. Wenn man sich aber erinnert, 
daß der Zweck der Schmierung in einer möglichst vollständigen Ver- 
hütung der trockenen Reibung besteht und daß dazu eben eine mini- 
male Dicke der Olschicht notwendig ist, so kommen wir zum Schluß, 
daß ein Minimum der Reibung in einer gegebenen Maschine gerade dann 
erreicht wird, wenn die Geschwindigkeit der Zapfendrehung und die 
Zähigkeit des Schmieröles gewisse, zur Herstellung dieser Schicht eben 
nötigen und ausreichenden Werte besitzen, daß aber sowohl größere, 
wie auch kleinere Geschwindigkeiten und Zähigkeiten die Reibung 
vergrößern. Da in den meisten Fällen in jeder gegebenen Maschine der 
Druck und die Tourenzahl, d. h. die Geschwindigkeit der Zapfen- 
bewegung mehr oder weniger konstant sind, so wird die Größe der 
Reibung nur durch das Schmieröl bestimmt. Je größer der Druck 
oder je kleiner die Geschwindigkeit, um so zäher muß das Schmieröl 
sein, damit es die erforderliche zusammenhängende Schicht von der mini- 
malen Dicke d bilden könne. Und umgekehrt : ist der Druck klein oder die 
Tourenzahl groß, so reißt der Zapfen schon vom dünnflüssigen öle 
so viel mit, daß zwischen ihm und der Lagerschale eine zusammen- 
hängende olschicht sich bildet. Die Zähigkeit über diese „kritischen" 
Größen hinaus wachsen zu lassen, wäre in jedem Falle nur nachteilig, 
da, wie gesagt, die Größe 6 im Nenner der Formel (2) langsamer als die 
Größe rj im Zähler zunimmt. 

Bei der Besprechung der Aufstieggeschwindigkeit von Leucht- 
ölen in Dochten habe ich bereits darauf hingewiesen, daß die Kapillari- 
tätskonstanten verschiedener öle viel weniger als ihre Zähigkeiten 
voneinander abweichen und auch in viel geringerem Grade von der 
Temperatur abhängig sind. Über die ' Kapillaritätskonstanten der 
Schmieröle liegen keine Untersuchungen vor ; es ist aber sehr wahrschein- 
lich, daß das Gesagte auch hier zutrifft. Schon aus diesem Grunde 
muß der Zähigkeit bei der Auswahl des geeigneten Schmieröles eine 
viel größere Bedeutung als der Oberflächenspannung beigemessen 
werden. Aber auch abgesehen davon dürfte die Oberflächenspannung 
auf die Größe der Reibung im allgemeinen einen viel geringeren Einfluß 
als die Zähigkeit ausüben, wenigstens soweit nicht ganz kleine Ge- 
schwindigkeiten in Betracht kommen. 

Li der Formel von Petroff sehen wir schließlich noch einen Faktor, 
der die Größe der Reibung bei der Maschinenschmierung mitbestimmen 
soll — die äußere Reibung L Schon Petroff selbst hat die Vermutung 
ausgesprochen — und zum Teil dafür auch experimentelle Beweise 
erbracht — , daß diese äußere Reibimg die innere stets um so vieles 

Garwitsch. 1« 



258 Produkte. 

übertrifft, daß die ^Brüche -^ und .- wegen ihrer Kleöiheit vernach- 
lässigt werden können. Die Belanglosigkeit der äußeren Reibung 
für den Schmiervorgang hat neuerdings Ubbelohde nahezu zwingend 
nachgewiesen. Als er nämlich mit der Martensschen Schmierprüf- 
maschine eine Reihe von Versuchen anstellte, wobei jedesmal öle ver- 
schiedenster Provenienz, aber von derselben (natürlich bei der Arbeits- 
temperatur gemessenen) Zähigkeit miteinander verglichen wurden, 
so erwies sich die Größe der Reibimg, bei gleichen Drucken und Ge- 
schwindigkeiten, mit allen ölen innerhalb der Versuchsfehler gleich. 
Es konnten hier somit weder die äußere Reibung, noch die anderen, 
von verschiedenen Autoren für die Schmienmg als maßgebend be- 
zeichneten Faktoren — wie Adhäsion, Klebrigkeit, Schlüpfrigkeit 
usw. — irgendwie wesentlich mitgespielt haben, denn diese Faktoren 
müßten bei solchen verschiedenen ölen, wie die von Ubbelohde 
untersuchten raffinierten und unraffinierten, amerikanischen, galizi- 
schen luid rumänischen, Destillate und Rückstände, recht verschieden 
sein und dementsprechend die Reibung verschieden beeinflussen. 

Wir kommen somit zum Schluß, daß die einzige Eigenschaft, die 
das reibungsvermindemde Vermögen eines Schmieröles bestimmt, 
seine Zähigkeit ist: zwei öle, die bei der Arbeitstemperatur dieselbe 
Zähigkeit haben, müssen, solange sie unverändert bleiben, un- 
geachtet ihrer sonstigen physikalischen und chemischen Eigenschaften, 
denselben Schmierwert besitzen. 

Nun ist hier die ganze Zeit von der Zähigkeit des Öles bei der Ar- 
beitstemperatur die Rede gewesen. Wir wissen aber, daß einerseits 
nach dem Ingangsetzen einer Maschine die Temperatm* im Lager in- 
folge der Reibung allmähhch steigt und erst nach einer gewissen Zeit 
(oft nur nach ein paar Stunden) eine bestimmte Größe erreicht; anderer- 
seits, daß die Zähigkeit der Schmieröle, wie aller Flüssigkeiten über- 
haupt, mit steigender Temperatur abnimmt. Jedes Schmieröl ist daher 
beim Ingangsetzen einer Maschine stets bedeutend zäher, als nachdem 
die dem regelmäßigen Gange der Maschine entsprechende Temperatur 
sich eingestellt hat. Da aber jene zu erreichende Zähigkeit eben die 
optimale ist, so muß die Reibung beim Ingangsetzen der Maschine 
und bis zum Erreichen der Gleichgewichtstemperatur um so größer sein, 
je stärker die Zähigkeit des Öles mit abnehmender Temperatur wächst, 
d. h. je steiler die Zähigkeitstemperaturkurve ist. 

Die Bedeutung dieser Kurve kommt beim Schmieren noch auf 
eine andere Weise zur Äußerung. Die Arbeitstemperatur im Lager 
einer Maschine bleibt nämlich in der Regel nicht ganz konstant, sondern 
schwankt um einen Mittelwert bald nach unten, bald nach oben. Da- 
durch nimmt die Zähigkeit des Schmieröls bald zu, bald ab; imd da 
beides die Reibung vergrößert, so sind die daraus entstehenden Rei- 
bimgsverluste um so größer, je stärker die Zähigkeit des Öles von 
seiner Temperatur abhängt. 

Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß die Speisung der 



k 



Schmieröle. 259 

Schmiervorrichtungen mit sehr dicken ölen meist sehr mibequem ist. 
Von zwei ölen, die bei der Arbeitstemperatur dieselbe Zähigkeit 
besitzen, von denen aber das eine bei der Zimmertemperatur flüssig, 
das andere sehr zähe ist, wird man auch aus diesem Grunde dem ersten 
den Vorzug geben. 

Ein Ol eignet sich daher zum Schmieren um so besser, je weniger 
steil seine Zähigkeitstemperaturkurve ist, und diese Kurve muß somit als 
eine sehr wichtiges Charakteristikum jedes Schmieröls betrachtet werden. 
In dem viel günstigeren Verlauf dieser Kurve muß man den Grund 
sehen, weshalb die vegetabilischen und animalischen öle eine bessere 
Schmierfähigkeit besitzen als die mineralischen. Der günstige Einfluß 
der sog. Compoundierung, d. h. der Beimischung von vegetabilischen 
und animalischen zu den Mineralölen, läßt sich auch durch entspre- 
chende Verbesserung der Zähigkeitstemperaturkurven erklären. Schließ- 
lich können auch reine Mineralschmieröle verschiedener Provenienz, 
oder selbst derselben Provenienz, aber verschiedener Herstellungsweise 
verschieden verlaufende Zähigkeitstemperaturkurven aufweisen. So 
sind diese KiArven bei den amerikanischen Schmierölen im allgemeinen 
weniger steil als bei den russischen^). Andererseits sind die Kurven 
bei Ölen derselben Klasse und derselben Provenienz um so weniger 
steil, je homogener die Zusammensetzung des Öles; so z. B. habe ich 
beim Vergleich eines gewöhnlichen Maschinenöls mit einem, bei 60® 
gleich zähen, Gemische von leichterem Spindelöl mit schwererem 
Zylinderöl (alle aus demselben Bakuschen Erdöl gewonnen) folgende 
Werte für spezifische Zähigkeit erhalten: 



to 


Maschinenöl 


GemiFch v. Spindel- u. Zylinderöl 


20 


168,0 


184,0 


30 


77,2 


88,0 


40 


42,0 


45,4 


50 


23,4 


23,1 


60 


14,5 


14,0 


70 


9,65 


8,94 


80 


6,74 


6,08 


90 


5,06 


4,01 


100 


4,05 


2,74 



Ein Schmieröl wird daher um so besser sein, aus je engeren Frak- 
tionen es zusammengestellt worflen war, und ein doppelt destilliertes 
Öl wird dem einfach destillierten stets vorzuziehen sein. 

Beim Vermischen zweier öle verschiedener Zähigkeit entspricht 



1) Bei niedrigeren Temperaturen müssen allerdings, umgekehrt die Kurven 
der amerikanischen Ole steiler als die der russischen verlaufen, da die ersteren 
infolge ihres Paraffingehalts im allgemeinen bei höheren X^inperaturen als die 
letzteren erstarren. In dem niedrigen „Coldtest" liegt eben der wichtigste Vorzug 
der russischen Spindel- imd Maschinenöle vor den amerikanischen; die russischen 
Maschinenöle erstarren unterhalb — 10®, Spindelöle imterhalb —20® ; dieamerika- 
nisohen, je nach dem Grade der Entparaffinierung, bereits von 0® an. 

17* 



260 Produkte. 

die Zähigkeit des Gemisches nicht dem nach der gewöhnhchen Mi- 
schungsregel berechneten Werte, sondern ist stets kleiner. Für die 
Berechnung der Viskosität solcher Gemische (in Englergraden) hat 
Pyhälä^) die folgende Formel abgeleitet und als der Wirklichkeit 
ziemlich gut entsprechend gefunden: 

(m-\-n)'a'b , 
mo -\-na 

wo m und n die Mengen der Bestandteile, a und 6 deren Viskosi- 
täten und k das Verhältnis der spez. Gewichte des Gemisches und 
des weniger viskosen Bestandteiles bedeuten. Interessant ist auch 
die Beobachtung von Sherman, Grey und Hammerschlag^), wo- 
nach die Abweichungen von den nach der Mischungsregel berech- 
neten Werten der Viskosität beim Vermischen der Mineralschmieröle 
mit vegetabihschen oder animalischen' bedeutend kleiner sind, als 
beim Vermischen nur der Mineralöle unter sich. 

Eine sehr interessante, bisher noch sehr wenig imtarsuchte Frage 
ist die über den Zusammenhang zwischen der Zähigkeit und der che- 
mischen Zusammensetzung der Schmieröle. Mit Sicherheit kann man 
nur sagen, daß die Grenzkohlenwasserstoffe eine bedeutend kleinere 
Zähigkeit besitzen als Naphthene oder ungesättigte Kohlenwasserstoffe 
mit derselben Zahl von C- Atomen oder von derselben Siedetemperatur. 
So haben Mabery und Mathews 3) für gleich hochsiedende Fraktionen 
pennsylvanischen Rohöls folgende Werte gefunden: 

Zusammen- Siedepunkt bei Spez. i] bei 60** (bezogen 

setzimg öO mm Hg Gewicht zum Wasser von 60*^) 

CnH2n+2 294 bis 2960 0,781 10,88 

^n^2n^2 294 „ 296» 0,841 21,23 

^n^2n+2 274 „ 276» 0,775 8,51 

C„H2„ 274 „ 2760 0,835 15,63 

Merkwürdig klein ist die Zähigkeit des geschmolzenen Paraffins; 
so habe ich für das russische Paraffin (Schmelzpunkt 56,5®) folgende 
Werte erhalten: 

t^ 58» 60» 80» 100^ 

Viskosität nach Engler. 1,8 1,64 1,42 1,29 

also bereits 1,5® über seinem Schmelzpunkt ist das Paraffin ganz 
dünnflüssig. 

Der Gehalt von Paraffin erniedrigt daher die Zähigkeit von Schmier- 
ölen, wie es z. B. folgende Zahlen von Mabery und Mathews zeigen: 



1) Petroleum 7, 267; vgl. auch Schultz, Chem. Rev. 1909, 297. 

2) J. ind. eng. Chem. 1909, 12. 

«) Joum. Amer. Chem. Soc. 1908, 992. 



k 



Schmieröle. 261 

Siedeiemp. Spez. 

bei 60 mm Hg Gewicht 17 bei 20<> 

a) Fraktion C^H,„_, 312 biß 314« 0,868 87,42 

b) Basselbe bis — 10« abgekühlt 

und vom Paraffin abfiltriert. . — — 88,16 

c) 6 -f 2,36% Paraffin — — 82,30 

Beim Zusammenschmelzen eines Zylinderöles mit 20«/^ Paraffin 
fand ich, daß die Viskosität bei 60« von 14,8 auf 5,62 und bei 100« 
von 2,02 auf 1,66 abgefallen war. 

Daß der Übergang einer einfachen in eine Doppelbindung die 
Zähigkeit im allgemeinen erhöht, folgt auch aus den neuesten Unter- 
suchungen von Dun^tan und Hilchitch^); so z. B. ist 

für CeHj • CHjj • CH,' ly " = 0,006076 
„ CeHj-CH^CHa iy "^0,01 1090. 



Andererseits aber scheint es, daß weder die eigentlichen ungesät- 
tigten, d. h. eine Doppelbindung enthaltenden, noch die aromatischen 
oder polyaromatischen Kohlenwasserstoffe die Hauptträger der Zähig- 
keit von Schmierölen sind. Denn sowohl bei der Behandlung der Schmier- 
öle mit Formalin, wie mit Azeton findet man (vgl. S. 46 und 228), 
daß die behandelten öle kleinere Jodzahlen, aber höhere Zähigkeiten 
als die ursprünglichen besitzen. Diese Unterschiede sind zum Teil 
sehr bedeutend; so z. B. fand Marcusson, daß die Viskosität eines 
russischen Maschinenöles nach der Behandlung mit Formalin, obwohl 
dabei nur 17,l«/o Formolit ausgeschieden wurden, von E20 = 42,5 
auf £20 = 64,2 gestiegen, die Jodzahl dagegen von 6,0 auf 1,4 gefallen 
war. Da sich die aromatischen Kohlenwasserstoffe mit Formalin 
ausfällen lassen, so scheinen diese Resultate darauf hinzudeuten, 
daß die Hauptträger der Zähigkeit von Mineralschmierölen Naphthene 
und Polynaphthene (vgl. S. 000) sind. Ich will aber ausdrücklich 
betonen, daß dieser Schluß nur als ein provisorischer zu gelten hat 
und noch einer eingehenden weiteren Prüfung bedarf. Denn einerseits 
ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Einwirkung von Formalin 
in den Marcussonschen Versuchen u. a. auch eine Bildung von vis- 
kosen, in Lösimg gebliebenen Polymerisationsprodukten (vgl. S. 46) 
zur Folge gehabt hat. Andererseits hat Marcusson bei der Behand- 
lung derselben Schmieröle mit rauchender Salpetersäure — wobei ja 
auch eine Ausscheidung von aromatischen und ungesättigten Kohlen- 
wasserstoffen stattgefunden hat — eine bedeutende Abnahme der 
Viskosität (z. B. bei einem russischen Maschinenöl von E20 = 62,3 auf 
Ego = 48,6) konstatiert ; da aber bei dieser Behandlung das öl viel 
mehi an seinem Gewicht als mit Formalin verloren hatte, so ist es wie- 
derum möglich, daß hier auch die viskosen Polynaphthene mitangegriffen 
wurden und die Viskosität der zurückbleibenden öle aus diesem Grunde 



) Zeitechr. f. Elektrochem. 17, 929. 



262 Produkte. 

abgenommen hat. Man sieht somit, wie wenig die ganze Frage noch 
aufgeklärt ist. 

Bei der Besprechung des Schmiervorganges habe ich mich bisher 
nur an den Fall der Reibung des rotierenden Zapfens gehalten. Wesent- 
lich dieselben Resultate ergeben sich auch für den Fall, wo ein Körper 
auf einem anderen hin und her gleitet. Ein neuer Gesichtspunkt 
kommt dagegen beim Schmieren von Dampfzylindem, besonders beim 
Arbeiten mit überhitztem Dampf hinzu. Bei den hohen Temperaturen, 
die in den Dampfzylindem herrschen, sind nämlich alle Schmieröle so 
dünnflüssig, daß sie sich an geneigten oder gar vertikalen Flächen nur 
ganz kurze Zeit halten und es zm* Ausbildung einer öligen Schicht 
zwischen dem Kolben und den Zyliiiderwandungen auf dem Wege der 
bisher angenommenen Schmierweise gar nicht kommen kann. Die 
Schmierung der Heißdampfzylinder geschieht daher ganz allgemein 
so, daß das öl nicht direkt auf die zu schmierende Fläche, sondern in 
den strömenden Dampf — meist noch vor dessen Eintritt in den Zy- 
linder — zugeführt wird. Infolge der immer sehr bedeutenden Geschwin- 
digkeit des Dampfes in den Rohrleitungen werden die in den Dampf 
abfallenden öltropfen zerstäubt, so daß der Dampf sich mit feinsten 
öltröpfchen beladet. Da diese Tröpfchen beim Anprallen an die Zy- 
linderwandungen von diesen festgehalten werden und hier, ohne nach 
imten abzufließen, um so länger haften bleiben, je feiner sie sind, so 
bewirkt eine gute Zerstäubung des Öles eine gleichmäßigere Beschmie- 
rung des Zylinders. Es folgt daraus, daß für den Schmierwert eines 
Zylinderöles seine Fähigkeit, im Dampf ströme zu zerstäuben, von 
größter Wichtigkeit ist. Leider sind die Schmieröle von diesem Ge- 
sichtspunkte aus noch sehr wenig untersucht worden^). Es scheint, 
daß die Compoundierung mit vegetabilischen oder animalischen ölen 
zur Zerstäubung von Mineralölen viel beträgt ; wohl aus dem Grunde, 
weil sie sich durch den Dampf hydrolysieren lassen und die Hydrolyse, 
wie jeder an der Grenze zweier Phasen stattfindender chemische Vor- 
gang, die Oberflächenspannimg des Öles erniedrigt. 

Neben der Zähigkeit (resp. Viskosität) wird gewöhnlich der Flamm- 
punkt als die wichtigste phj^ikalische Konstante der Schmieröle 
betrachtet. Für eine richtige Beurteilung der Bedeutung dieser Kon- 
stante muß man aber zwischen den Spindel-, Maschinen- und dgl. 
ölen einerseits, Zylinderölen andererseits unterscheiden. Bei den erste- 
ren, da sie sich bei normaler Arbeit nur relativ wenig erwärmen, muß 
der Flammpunkt an und für sich überhaupt als ganz belanglos be- 
zeichnet werden. Für die Bewertung dieser öle kann die Bestimmung 
des Flammpunktes nur indirekt und insofern von Nutzen sein, als ein 
höherer Flammpunkt ceteris paribus einer größeren Homogenität 
des Öles entspricht (vgl. S. 178) und diese wiederum, wie wir schon 

1) Eine Vorrichtung zur Untersuchung der Zerstäubungsfähigkeit von 
Schmierölen hat auf dem H. Internat. Petroleum-Kongreß in Lidge Tayart 
vorgeschlagen, leider aber keine Versuchsresultate mitgeteilt. 



Schmieröle. 



263 



^nssen, einen weniger steilen Verlauf der Zähigkeitstemperaturkurve 
zur Folge hat. 

Die größte Bedeutung kommt dagegen dem Flammpunkte bei der 
Bewertung von Zylinderöien zu, da mit steigenden Flammpunkten 
die Verdampfbarkeit der öle im allgememen abnimmt. Ganz strenge ist 
diese Abhängigkeit allerdings nicht, und bei nicht allzugroßen Unter- 
schieden der Flammpunkte kann ein Öl mit dem niedrigeren Flamm- 
punkte langsamer als ein anderes mit dem höheren verdampfen. So 
fanden Archbutt und Deeley ^) bei einstündigem Erhitzen auf 370° F 
bei vier verschiedenen amerikanischen Zylinderölen folgende Gewichts- 
verlaste : 

I II III IV 

Flammpunkt in geschlossenem Gefäß 

in F« 372 3ö8 356 346 

Gewichtsverlust nach 1 Stunde bei 

3700 F in Vo Ö>1 45,2 18,9 26,7 

Das öl Nr. II hatte somit viel mehr, als es seinem Flammpunkte im 
Vergleich zu den anderen ölen entsprechen würde, durch Verdampfung 
verloren. 

Im allgemeinen kann man immerhin — besonders da die direkte 
Bestimmung der Verdampfbarkeit viel zeitraubender ist — den Flamm- 
punkt als einen genügenden Anhaltspunkt zur Bestimmung der Ver- 
dampfungsfähigkeit des Schmieröles betrachten. Daß aber eine einiger- 
maßen bedeutende Verdampfbarkeit des Schmieröles bei der Arbeits- 
temperatur schon deshalb unerwünscht ist, weil die verdampfenden 
Anteile für die Schmierung verloren gehen, ist ohne weiteres klar. 
Auch kann eine starke Verdampf img des Schmieröls, indem sich das 
zurückbleibende öl entsprechend verdickt, zur Bildung von sog. 
Ruckständen viel beitragen. 

Von einem anderen Standpimkte aus wiederum muß die Bedeu- 
tung des Flammpunkts bei den zur Schmierung von Gasmotoren- 
zylindern bestimmten ölen beurteilt werden. In diesen Maschinen 
werden nämlich bei jeder Explosion so hohe Temperaturen (über 1000^) 
entwickelt, daß jedes Schmieröl dabei nicht nur verdampft, sondern 
auch mitverbrannt wird. Ein sehr hoher Flammpunkt kann daher in 
diesem Falle von keinem Nutzen sein. Nun lassen sich die ganz schweren, 
hochentflammbaren öle weniger vollständig als die leichteren ver- 
brennen; sie bilden leicht harte Rückstände, verrußen Zylinder- 
wandungen, Kanäle usw. Aus diesem Grunde muß ein zu hoher Flamm- 
punkt bei den Gasmotorenölen nicht nur unnütz, sondern direkt als 
nachteilig angesehen werden, und für den bezeichneten Zweck eignen 
sich am besten Schmieröle mit einem Flammpunkt von ca. 180 bis 200®. 

Es bleibt noch einiges über die Bildung von sog. „Rückständen" 
zu sagen. Als Rückstände bezeichnet man pechartige, mehr oder we- 
niger harte, manchmal auch sandige oder gallertartige Massen, die 

1) Lubrication and the Lubricants 1909, 310. 



264 



Produkte. 



sich beim Schmieren in den Dampfzylindem, Schiebern, Kompressor- 
zylindem n. dgl. ansammeln. Die Hauptlirsache solcher Bückstands- 
bildung liegt in der oxydativen Polymerisation der Schmieröle. Im 
Wasserdampfe ist stets, wenn auch nur in kleinen Mengen, freier Sauer- 
stoff enthalten, und bei den hohen hier in Betracht kommenden Tem- 
peraturen ist die Oxydationsfähigkeit der Schmieröle so groß, daß schon 
Spuren Sauerstoff genügen, um den Oxydations Vorgang einzuleiten. 
Die ausschlaggebende Rolle des Sauerstoffgehalts des Wasserdampfes 
für die Bildimg von Rückständen erhellt sehr prägnant aus folgenden 
Versuchen Schreibers^). Ein und dasselbe Zylinderöl (Flammpunkt 
318^) wurde unter denselben Bedingungen während 24 Stunden bei 
280® erhitzt, und zwar 1. im Luftstrome, 2. im Wasserdampf ströme, 
3. im Strome von Kohlensäure, die 0,25^0 Sauerstoff enthielt. Im ersten 
Falle verdickte sich das öl zu einer festen, pergamentartigen Masse 
mit einem Gehalt von 15,1^0 benzinunlöslichen und 13,53yo benzol- 
unlöslichen Asphalts; im zweiten war das öl ganz flüssig geblieben, 
löste sich in Benzol vollständig auf und hinterließ in Benzin nur 0,09^0 
des unlöslichen; im dritten schließlich haben sich 0,92^0 des benzin- 
unlöslichen und 0,23®/q des benzolunlöslichen Asphalts gebildet. 

Der Chemismus der Rückstandsbildung durch Asphaltisierung 
steht wohl dem oben (S. 31 ff.) besprochenen Vorgange der Luftoxydation 
von Erdölen sehr nahe. Interessant ist immerhin zu notieren, daß 
während bei der Asphaltbildung aus Rohölen nach den oben mit- 
geteilten Versuchen von Mab er y und Beyerley der Sauerstoff von 
den sich kondensierenden Molekülen nicht aufgenommen wird, hier 
wohl eine solche Aufnahme stattfindet, wie es z. B. aus folgender inter- 
essanter, von Holde ^) ausgeführten Analyse eines Rückstandes (aus 
einem Luftkompressorzylinder) zu ersehen ist: 



. 


%c 


% H 


VoO(a.d. 
Differ.) 


VoS 


o/o Asche 


Ursprüngliches öl ... . 


83,9 


13,4 


2,52 


0,18 


Spuren 


In Benzin löslicher Teil des 












Rückstandes (51 Vo) • 


82,6 


13,1 


4,1 




Desgl. 


Nur in Benzol löslicher Teil 












des Rückstandes . . . 


82,5 


12,8 


4,57 


0,13 


Desgl. 


In Benzin und in Benzol 












unlöslicher Teil: 












a) des aus harten u . weichen 












TeilengemischtenRück- 










\ 


standes 


70,2 


7,5 


>15 


0,54 




b) der harten Masse des 












Rückstandes 


6,74 


7,1 


>20 


0,63 


4,05* 



♦ hauptsächlich Eisenoxyd mit wenig Gangart. 



1) Zeitschr. f. angew. Chem. 1910, 99. 

2) Untersuchung der Mineralöle und Fette 1999, 196. 



Ob bei der Rückatandabildung auch ein mechanischer Angriff < 
Metalls der Zylinderwandungen durch das (eventuell sich oxydieren 
Schmieröl mit im Spiele ist, ist mit Sicherheit nicht zu sagen. Ni 
meinen Erfahrungen iat dies nicht der Fall ; denn selbst in Rückstand 
die beim Schmieren von Heißdampfzylindem mit compoundier 
ölen erbalten wurden, habe ich nur eehr wenig Asche und noch weni 
freier, resp. zu Seifen gebundener Säuren finden können; so z. B. ] 
ein solcher Rückstand folgendes ergeben: 

Loslich in Benzin 39,8 "/o 

Löslich nur in Benzol 7,7 ,, 

Asche (hauptsächlich Fe^Oj) 0,24 „ 

Freie Sauren 0,0 ,, 

Gebundene Säuren (mit S.-Z. 46) ... 0,08 „ 
Der geringe Eisengehalt stammt hier somit wesentlich von mechanisc 
Abreibung der Zylinderwandungen. Dagegen erwähnt Holde'), in ab 
arbeiteten Zylinderölen viel freie Säuie imd Eisenseifen gefunden zu hab 
Die Abhängigkeit der Rückstands bildung von der chemiscl 
Zusammensetzimg der Schmieröle ist noch sehr wenig untersu 
worden. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß im allgemeinen 
Neigui^ zur Rückstandsbildung mit dem Gehalt des Öls an im 
sättigten, asphalt- mid harzartigen Verbindungen u. dgl. steigt, und ( 
jedenfalls von verschiedenen, aus demselben Destillat durch verschie< 
weitgehende Raffination hergestellten ölen das am besten raffinie 
die kleinste Menge Rückstand ergeben wird. Hat man aber öle \ 
»chiedener Provenienz vor sich, so braucht die Fähigkeit zur Rü 
standsbildung durchaus nicht mit dem Asphaltgehalt u. dgl. gleicl 
Schritt zu halten. Sehr instruktiv in dieser Beziehung ist 
folgende für fünf verschiedene Zylinderöle zusammengestellte Tabi 
von Schreiber: 





^ 


3 : ti 

S o.| l 


Asphalt 


Verandernngen nach 16 stt 




1 


unlöslich in 






Ben- Alkoh.- 


Oew,-; imlöclich in 




i 




i'.in , Äther 


hei Verl. Benzm 1 Benz 




E 1 « 


% a:2n. 


•/. , </. 1 % 


öl Nr. 1 


0,904 2,05 i 317" 


362" 


0,16 1,07 


250" 13,6 


10,8 dgräOte 


.. „ 2 


0,905 2,30 33P 


372" 


0,04 


0,54 


250"; 8,78 


5,13 4,0 


-, ,. 3 


0,906 2,34 338» 


382» 


0,05 


1,.59 


280" 1.15 


1,26 1,0: 


.., „ 4 


0,91« 2,34 319" 


374" 


0,64 


1,65 


280" 3,66 


1,84 1 l,4i 


„ „ 5 


0,908 


2,51 1 332" 


378" 


0,05 


2,29 


280" ■ 1,35 


1.28 1 0,9 



Das erste öl wurde nach dem Erhitzen ganz fest und pei^am« 
artig, das zweite sehr zähe, teigartig, die übrigen drei blieben flüi 
ohne merkliehe Veränderung. 



"266 Produkte. 

In vielen Fällen kommt die Rückstandsbildimg nicht durch Asphal- 
tisierung des Schmieröles, sondern durch rein äußerliche, nicht in der 
chemischen Veränderung des Öles liegenden Ursache zustande. Be- 
sonders häufig trifft man derartige Rückstände in den ZyUndem der 
mit hoch überhitztem Dampf arbeitenden Maschinen, und sehr cha- 
rakteristisch für sie ist ein sehr großer Aschengehalt, wobei die Asche 
hauptsächlich aus magnetischem Eisenoxyd besteht. Die Bildungs- 
weise solcher Rückstände ist durch Worral und Southcombe^) 
klargelegt worden; sie zeigten, daß den Anstoß dazu die Partikelchen 
des magnetischen Eisenoxyds geben, die in den Dampfrohrleitungen 
durch Einwirkung des hochüberhitzten Dampfes auf das Eisen ent- 
stehen und sich durch den Dampfstrom in den Zylinder mitreißen 
lassen; hier werden diese Partikelchen durch das — infolge partieller 
Verdampfung verdickte — Schmieröl zu einer ölig-sandigen Masse 
zementiert; in einem derartigen von ihnen untersuchten Rückstande 
haben Worral und Southcombe, neben 13,5^0 organischer Stoffe, 
S^jöVo magnetischen Eisenoxyds gefunden. 

Ähnlicherweise wird die Rückstandsbildung in den Gaskraft- 
maschinen durch den Luftstaub gefördert, worauf LoebelP) auf- 
merksam gemacht hat, indem er zeigte, daß solche Rückstände stets 
freie und gebundene Kieselsäure enthalten. 

Auch die Speisung des Dampfkessels mit sehr hartem Wasser kann, 
beim Arbeiten mit gesättigtem Dampf, infolge des Mitreißens von Was- 
sertröpfchen und Ablagerung von Salzen im Dampfzylinder, eine Rück- 
standsbildung zur Folge haben, die sonst nicht eintreten würde. So z. B. 
habe ich bei der Untersuchung eines derartigen Rückstandes 39,36^0 
Asche, hauptsächlich aus CaSO^ imd CaO bestehend, erhalten, und bei 
weiterer Nachforschung ergab sich, daß das Speisewasser nichts taugte, 
das öl aber an der Rückstandsbildung gar keine Schuld trug. 

Viel weniger intensiv als bei den einer starken Erhitzung ausge- 
setzten Zylinderölen sind die chemischen Veränderungen bei den 
Spindel-, Maschinen- u. dgl., nur bei relativ niedrigen Temperaturen 
Arbeitenden ölen. Immerhin kann auch hier eine Verharzung statt- 
finden, die dann zu verschiedenen Betriebsstörungen führen kann. Daß 
diese Verharzung nicht nur durch mangelhafte Säureraffination, son- 
dern auch durch Gegenwart von selbst sehr kleinen Mengen Alkali, 
resp. Seifen, also durch schlechtes Auswaschen des Öles befördert 
wird, läßt sich z. B. aus folgenden Versuchen von Letchford*) schlie- 
ßen: ein Spindelöldestillat gab nach 75 stündigem Erhitzen bei 95 bis 98^ 
0,56^0 benzinunlöslichen Asphalts; dasselbe Destillat, nach üblicher 
Reinigimg und gutem Auswaschen, konnte derselben Behandlung 
ohne jegliche Asphaltbildung ausgesetzt werden; nachdem schließlich 
das gereinigte öl mit einer Spur Ätzkali versetzt wurde, betrug die 
Asphaltbildung nach dem gleichen Erhitzen 0,91^0. 

1) Joum. Soc. ehem. Ind. 1Ö08, 308. 

2) Chem.-Ztg. 1911, 496. 

3) Seifensiederztg. 1908, Nr. 42. 



Schmieröle. 



267 



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268 Produkte. 

Eine andere Veränderung, die nach einer längerer Arbeit in Spindel-, 
Maschinen- u. dgl. ölen auftritt, ist die Entstehung von freien Säuren 
und, als Folge davon, die Bildung von Seifen durch den Angriff des 
Lagermetalls. Auch dieser Prozeß wird, wie oben (S. 29) ausführb'ch 
auseinandergesetzt, durch Gegenwart von Alkali — also auch durch 
schlechtes Auswaschen der alkalischen Seifen bei der Raffination — 
bedeutend beschleunigt; auch Gegenwart von Feuchtigkeit ist der 
Säurebildung und der Einwirkung der Säuren auf das Lagermetall 
günstig, weshalb sich die genannten Veränderungen besonders leicht 
beim Schmieren von Dampfturbinen zeigen. 

Um das Kapitel über Schmieröle zu schließen, will ich noch die 
Eigenschaften einiger typischen öle verschiedener Provenienz in einer 
Tabelle zusammenfassen (s. Seite 267). 

4- Paraffin- 

Die Fabrikation von Paraffin nimmt in der Erdölindustrie insofern 
eine Sonderstellung ein, als sie, neben Destillation und Raffination, 
noch ganz eigenartige, die Ausscheidimg der öligen und leichtschmel- 
zenden Anteile bezweckende Prozesse einschließt. Über die Destillation 
der paraff inhaltigen öle und Umwandlung des „amorphen" in kristal- 
linisches Paraffin ist bereits oben die Rede gewesen. Das Paraffinöl 
wird durch Abkühlen auf entsprechende Temperaturen zur Kristalli- 
sation gebracht, die Paraffinkristalle in Filterpressen (eventuell auch 
noch in hydraulischen Pressen) vom öl getrennt, die Paraffinkuchen 
dem sog. Schwitzprozeß unterworfen, d. h. in geeigneten Apparaten 
mehr oder weniger lange Zeit bei solchen Temperaturen erwärmt, bei 
denen die öligen und niedrig schmelzenden Anteile allmählich aus der 
Kristallmasse durch- und heraussickern. Da diese Prozesse theoretisch 
noch kaum studiert worden sind — wenigstens in der Literatur dar- 
über nichts Wesentliches zu finden ist^) — liegt eine nähere Beschreibung 
derselben außerhalb des Planes dieses Buches. 



1) Zu nennen wäre hier nur die Arbeit von Pyhälä über „die nadeiförmigen 
Paraffinkristalle und ihre Bedeutung für das schottische Schwitz verfahren" 
(Petroleum 4, 1396). Wie der Verfasser ausführt, ist die Bildung von blättrigen 
Kristallen für das Schwitzen von Paraffin außerordentlich schädlich, kann sogar 
unter Umständen das Verfahren undurchführbar machen. Die in Blättchen 
kristallisierende Masse bildet nämlich beim schnellen Abkühlen in Trögen eine 
homogene Masse, die beim Schwitzen durchweg weich und schmierig wird; beim 
langsamen Kühlen bilden sich schöne große Blätter, die sich aber horizontal legen 
imd von den umhüllenden öligen Bestandteilen stark angegriffen werden; das 
Schwitzen dauert daher sehr lange (2 bis 3 Wochen) und ergibt trotzdem nicht ganz 
reines Paraffin. Wird dagegen die Kristallisation richtig durchgeführt, so bilden 
sich 15 bis 20 mm lange und 0,5 bis 1 mm dicke, blendend weiße Paraffinnadeln, 
die die ganze Masse des Kuchens durchdringen, während die Zwischenräume 
mit erstarrtem öl und Weichparaffin erfüllt sind; diefe fließen dann beim Schwitzen 
leicht heraus, und das fertige Produkt ist vollkommen weiß und transparent. 
Leider aber hat Pyhälä gerade die wichtigste und auch theoretisch interessanteste 
Frage über die Bediagimgen der Kristallisation unerörtert gelassen. 



Paraffin. 269 

I>ie Eigenschaft, die bei den meisten Verwendungen des Paraffins 
in erster Linie in Betracht kommt, ist sein Schmelz-, resp. Erstammgs- 
ponkt. Die Bedeutung dieser Konstante ist hier um so größer, a)s sie 
nicht nur die Temperatur anzeigt, bei der eben das Paraffin schmilzt, 
sondern auch die Konsistenz des Paraffins bei viel niedrigeren Tem- 
peraturen bestimmt. Die niedrig (um 40^ herum) schmelzenden Paraf- 
fine sind nämlich bei Zimmertemperatur viel weicher und plastischer 
als die über 60® schmelzenden, welch letztere z. T. so hart sind, daß 
sie beim Anklopfen einen hellen Klang erzeugen. Man unterscheidet 
daher zwei Haupttypen von Paraffinen: Weich- und Hartparaffine, 
und da für viele Verwendungen (vor allem für die Kerzenindustrie, 
Papierimprägnierung u. a.) nur die letzteren sich eignen, wird der 
Wert eines Paraffins ceteris paribus um so höher bemessen, bei je 
höherer Temperatur es schmilzt. 

Nim ist der Schmelzpunkt bei Paraffinen, als Gemischen von vielen 
chemischen Körpern, kein so einfacher Begriff wie bei einem einzelnen 
reinen Individuum. Im letzteren Falle bedeutet der Schmelzpunkt die 
Temperatur, bei der einerseits — bei Wärmezufuhr — die ganze Masse 
des festen Körpers schmilzt, andererseits — bei Wärmeabnahme — 
die ganze Menge des verflüssigten Körpers erstarrt. Bei Gemischen 
zweier oder mehrerer Körper ist aber ein solches isotherme Schmelzen, 
resp. Erstarren bekanntlich nur in zwei Fällen möglich: 1. bei sog. 
eutektischen Gemischen, d. h. solchen Gemischen von ganz bestimmter 
Zusammensetzung, deren Bestandteile bei der betreffenden Tem- 
peratur gleichzeitig schmelzen, resp. nebeneinander erstarren; 2. bei 
Gemischen isomorpher und zugleich chemisch nahe verwandter Stoffe, 
wobei die Komponenten beim Erstarren als isomorphe Mischimgen 
(oder gegenseitige feste Lösimgen) ausgeschieden werden. Ist aber 
weder das eine, noch das andere der Fall, so verliert der Begriff des 
Schmelzpunktes seine Eindeutigkeit, weil da« Schmelzen (resp. das 
Erstarren) der ganzen Masse nicht bei einer bestimmten Temperatur, 
sondern innerhalb eines mehr oder weniger weiten Intervalls vor sich 
geht und es nur durch Konvention bestimmt werden kann, welcher 
Punkt dieses Intervalls als die Schmelztemperatur zu gelten hat. So 
z. B. wird als Erstarrungs- (Gefrier-) punkt der Lösungen diejenige 
Temperatur angenommen, bei der die erste Ausscheidung des Lösungs- 
mittels in festem Zustande stattfindet, obwohl die ganze übrige Masse 
der Lösung dabei noch flüssig bleibt. 

Das Schmelzen und Erstarren von Paraffin nimmt nun eine eigen- 
artige Stellung ein. Die einzelnen, das „Paraffin" bildenden Individuen 
gehören alle zu der normalen Reihe der Grenzkohlenwasserstoffe an 
und sind höchstwahrscheinlich unter sich isomorph. Es ist daher 
von vornherein anzunehmen, daß beim Erstarren des geschmolzenen 
Paraffins nicht einzelne reine Individua, sondern deren isomorphe 
Gremische (feste Lösimgen) ausgeschieden werden. Andererseits aber 
ist die Zahl der chemischen Komponenten des gewöhnlichen Paraffins 
so groß, daß es nicht zu erwarten ist, daß sie alle gleichzeitig zu einer 



270 Produkte. 

festen Lösung erstarren. Man wird es daher von vornherein als wahr- 
scheinlich betrachten, daß beim Erstarren von Paraffin verschiedene 
feste Lösiuigen nacheinander ziu: Ausscheidung gelangen, so daß da& 
Erstarren oder Schmelzen des Paraffins nicht bei einer bestimmten^ 
konstant bleibenden Temperatur, sondern innerhalb eineSj je nacK 
dem Grade der Homogenität des Paraffins mehr oder weniger engen,. 
Temperaturintervalls vor eich geht. Diese Veraussetzung wird nun durch 
die Erfahrung vollauf bestätigt, und man sieht sich daher gezwungen,, 
den Begriff des Schmelz- (resp. Erstarrungs-)punktes für das Paraffin, 
durch irgendeine Konvention festzulegen. Am zweckmäßigsten hat 
sich der Vorschlag erwiesen, die Erstarrungstemperatiu: durch Be- 
obachtimg der Zeit-Abkühlungskurve zu bestimmen. Wenn man näm- 
lich die Temperaturen eines geschmolzenen imd in einem gut isolierten 
Gefaßt) sich selbst überlassenen Paraffins z. B. jede Minute abliest, 
so findet man, daß, sobald die erste Ausscheidung von festem Paraffin 
stattgefunden hat, die Temperatur langsamer als bis dahin abzu- 
nehmen beginnt; die Ursache davon ist das Freiwerden der latenten 
Schmelzwärme des erstarrenden Paraffins. Dann sieht man gewöhn- 
lich die Temperatur während einer mehr oder weniger langen Zeit ziem- 
lich konstant bleiben, wonach wieder ein langsames und dann ein 
schnelleres Abfallen der Temperatur folgt. Da nun das Stehenbleiben 
resp. der langsamste Abfall der Temi)eratur der Erstarrung der Haupt- 
masse des Paraffins entspricht, so ist man übereingekommen, diese 
Temperatur als den Erstarrungs- (resp. auch als Schmelz)punkt de& 
Paraffins zu bezeichnen. Es muß aber durchaus nicht vergessen werden, 
daß dieser Punkt nur das Erstarren (resp. Schmelzen) der Hauptfraktion . 
nicht aber der Gesamtmasse des Paraffins angibt, daß ein Teil des 
Paraffins bereits oberhalb dieser Temperatur fest wird, ein anderer 
dagegen auch unterhalb derselben noch flüssig bleibt, imd daß man 
streng genommen, nur von einem Erstarrungs-, resp. Schmelzbereich,, 
nicht aber von Erstarrungs-, resp. Schmelzpunkt des Paraffins sprechen 
kann. Bei wiederholten Bestimmungen des „Erstarrungspunktes" 
mit einer und derselben Paraffinschmelze kann man daher, je nach 
der Arbeitsweise, bis um 0,3^ differierende Werte finden. Um so 
interessanter ist die von Graefe gemachte Erfahrung, daß der 
„Schmelzpunkt" einer aus Weich- und Hartparaffin hergestellten 
Mischung mit dem nach der gewöhnüchen arithmetischen Mischungs- 
regel aus den Schmelzpunkten der beiden Bestandteile berechneten, 
gut übereinstimmt. 

Das Bestreben, den Schmelzpmikt des Paraffins möglichst zu er- 
höhen, hat einige Verfahren ins Leben gerufen, die dieses Ziel durch 
Zusatz verschiedener Ingredienzien zum Paraffin zu erreichen suchen. 
Das interessanteste dieser Verfahren ist dasjenige von Liebreich 2), 



1) Als sehr zweckmäßig hat sich der kleine, von Shukoff vorgeschlagene 
Apparat erwiesen, worin die Wämieisolation mittels des De war sehen evakuierteiv 
Hohlmantels bewirkt wird. 

2) D. R. P. 136917. 



Paraffin. 



271 



wonach das Paraffin mit einem Fetteäureamid oder Anilid versetzt 
wird; der Schmelzpunkt eines Weichparaffins soll z. B. nach Zu^ 
satz von IO^q Stearinsäureaniüd von 40 bis 42^ auf etwa 70® steigen. 
ELne eingehende Untersuchung von Graefe^) hat aber gezeigt, daß> 
die Sache nicht so einfach ist, wie man aus den Schmelzpunktbestim- 
mungen in der Kapillare oder nach einer anderen optischen Methode 
ächließen könnte. Wenn man nämlich den Erstarrungspunkt eines mit 
lOVo Stearinsäureanilid versetzten Paraffins (Schmelzpunkt 50,6^) 
nach der Shukoff sehen Methode bestimmt, so findet man zwei Halte- 
punkte: bei 70,4® und bei 50,6®. Der erste erklärt sich auf die Weise, 
daß das Anilid sich bei höheren Temperaturen in geschmolzenem 
Paraffin auflöst, beim Abkühlen aber sich wieder ausscheidet — und 
der Haltepunkt bei 70,4® entspricht eben dieser Ausscheidung des 
Anilids. Das Paraffin selbst bleibt dagegen auch noch weiter flüssig 
und erstarrt erst bei der Temperatur von 50,6®, die eben seine Erstar- 
rungstemperatur auch in reinem Zustande ist. In der Tat könnte 
das Anilid den Schmelzpunkt von Paraffin nur in dem Falle erhöhen, 
wenn es mit ihm eine feste Lösung bilden würde; dieses ist aber nicht 
der Fall, da man unter Mikroskop in dem mit^ Anilid verschmolzenen 
Paraffin, nach Auswaschen des Paraffins mit Benzol, deutliche Anilid« 
kristalle sieht; auch konnte Graefe aus einer scheinbar (nach der 
Kapillarmethode) bei 70® schmelzender Komposition von Weichparaffin 
(Schmelzpunkt 42®) und 10®/o Anilid schon bei 50® fast 90®/o Paraffin 
auspressen, während ca. 10®/o fast reinen Anilids zurückgeblieben 
waren. Der Umstand, daß man bei der Bestimmung in der Kapillare 
u. dgl. für die in Rede stehenden Kompositionen viel höhere Schmelz- 
punkte findet, erklärt sich daher, daß das Anilid bei der Schmelz- 
temperatur des Paraffins noch fest bleibt imd ein netzartiges Gemisch 
bildet, dessen Maschen das schmelzende Paraffin ausfüllt. Dieser Um- 
stand erklärt auch, warum ein mit Anilid versetztes Paraffin im prak- 
tischen Gebrauche sich so verhält, wie wenn sein Schmelzpunkt tat- 
sächlich erhöht worden wäre; denn das feste Anilidgerüst verleiht 
dem Paraffin einen Halt und Festigkeit noch bei einer Temperatur, 
bei der das Paraffin selbst bereits ganz erweichen würde. Allerdings 
entspricht dieser Einfluß von Anilid quantitativ bei weitem nicht 
dem, was man nach der scheinbaren Schmelzpunkterhöhung erwarten 
würde; so fand Gräefe, daß Kerzen aus einem mit 10®/o Anilid ver- 
setzten Weichparaffin (Schmelzpunkt 42®) die Biegeprobe zwar viel 
besser als solche aus diesem Paraffin allein, aber etwas schlechter als 
Kerzen aus reinem Hartparaffin aushielten, obwohl der Schmelzpunkt 
des letzteren nur 53®, der scheinbare Schmelzpunkt der Komposition 
aber ca. 70® betrug. 

Der neben dem Schmelzpunkte zweite wichtige Faktor bei der Be- 
wertung von Paraffin ist sein Aussehen, worunter nicht nur die Farbe,. 



1235. 



1) Chem.-Ztg. 1904, 1144; 1907, 100; vgl. auch Spiegel, Chem.-Ztg. 1906^ 



272 Produkte. 

sondern auch der Grad der Durchsichtigkeit zu verstehen ist. Zwei im 
geschmolzenen Zustande bis zum gleichen Grade entfärbte Paraffine 
können nämlich nach Erstarren ganz verschieden aussehen: das eine 
durchscheinend, in dünnen Schichten transparent, das andere opak 
bis milchig. Der Grund des opaken Aussehens des Paraffins liegt nach 
den Versuchen von Mittler und Lichtenstern^) in einem zu großen 
ölgehalt. Sie haben z. B. beim Verschmelzen eines transparenten 
Paraffins (Schmelzpimkt ö7®) mit verschiedenen Mengen eines raffi- 
nierten Paraffinöls folgende Resultate erhalten: 

^/q des zugesetzten Öls: Aussehen des Paraffins: 

0,25 transparent 

0,5 wenig fleckig 

1 fleckig 

3 milchig. 

Beim Verschmelzen desselben Paraffins mit gleichem Gewicht eines 
transparenten Weichparaffins vom Schmelzpunkt 42® konnte dagegen 
keine Veränderung der Transparenz beobachtet werden, was gegen 
die von verschiedenen 'Autoren ausgesprochene Meinung spricht, wo- 
nach der Grund des opaken Aussehens in der Zusammensetzung des 
Paraffins aus Kohlenwasserstoffen von sehr verschiedenen Schmelz- 
punkten liege. Es ist übrigens zu bemerken, daß nach neueren Ver- 
suchen von L. Singer*) auch transparente Paraffine bis 3^0 öl ent- 
halten können. 

5. Vaseline. 

Vaseline sind salbenartige, gewöhnlich bei 35 bis 40® schmelzende 
Gemische von festen Paraffinkohlenwasserstoffen und Mineralölen. 
Nach der Herstellungsweise unterscheidet man natürliche und künst- 
liche, nach dem Verwendungszweck pharmazeutische und technische 
Vaseline. Die natürlichen Vaseline werden aus paraff inhaltigen Erd- 
ölen selbst gewonnen und stellen bis zur bestimmten Konsistenz 
eingedickte und entsprechend gereinigte Rückstände vor. Die Kunst- 
vaseline erhält man durch Verschmelzen von Paraffin oder Zeresin 
mit entsprechend gereinigten Mineralölen. 

Die wichtigsten Anforderungen, die an Vaseline gestellt werden, 
betreffen ihre Konsistenz (für pharmazeutische Vaseline ist auch ein 
hoher Raffinationsgrad von wesentlicher Bedeutung, worüber aber 
weiter nichts Besonderes zu sagen ist). Ein gutes Vaselin muß ganz 
homogen, transparent und nicht kömig aussehen, sich leicht in Faden 
ziehen lassen, bei längerem Aufbewahren, selbst in mäßiger Wärme, 
kein öl ausscheiden ; beim Zerreiben zwischen den Fingern muß es nicht 
dünnflüssig werden, sondern eine gewisse ,, Fettigkeit" und „Schlüpfrig- 



1) Chem. Rev. 1906, 104. 

2) Petroleum 4, 1038. 



Spezielles Ku 

Polaris. Licht. \ 



VniBg von JuUna Spil 



Vaseline. 



273 



keit" behalten. Im allgemeinen findet man alle diese Eigenschaften 
bei natürlichen Vaselinen, während sie den künstlichen fehlen. Man 
pflegt zur Erklärung solcher Verschiedenheit beider Vaselinarten 
anzunehmen, daß die festen Paraffinkohlenwasserstoffe der Natur- 
vaseline in amorphem, in Kunstvaselinen dagegen in krystallinischem 
Zustande enthalten seien. Ich habe schon oben (S. 140) Gelegenheit 
gehabt, diese Auffassung als unrichtig zu bezeichnen. Hier will ich 
nur noch drei mikrophotographische (im polarisierten Lichte mit ge- 
kreuzten Nikols gemachte) Aufnahmen reproduzieren, die, wie ich 
glaube, besonders überzeugend dafür sprechen, daß die Verschieden- 
heit der Konsistenz der Natur- und Kunstvaseline nur durch die Ver- 
schiedenheit ihrer öligen Anteile und — als Folge davon — verschie- 
denartige Kristallausbildung, nicht aber durch Umwandlung des amor- 
phen Protoparaffins in das kristallinische Pyroparaffin bedingt wird. 
Die Aufnahme 1 zeigt ein Naturvaselin ; die Aufnahme 2 ein Kunst- 
vaselin aus Paraffin und einem gereinigten Zylinderöl hergestellt; 
die Aufnahme 3 ebenfalls ein Kunstvaselin, und zwar mit derselben 
Proportion deselben Paraffins erhalten; der ölige Anteil bestand aber 
in diesem Falle nicht aus einem Destillat, sondern aus einem entsprechend 
eingedickten, asphaltreichen Rohöl. Dieses zweite Kunstvaselin war 
nicht nur in seinem mikroskopischen Bilde dem natürlichen ähnlich, 
sondern sah auch ganz homogen aus und ließ sich in Faden ziehen, 
während das mit Zylinderöl hergestellte ein körniges Aussehen hatte 
und keinen Faden gab. 

Man sieht somit, daß verschiedene Kunstvaseline sehr verschiedene 
Konsistenz haben können. Die aus Zeresin und zähen ölen herge- 
stellten sind homogener und kommen den natürlichen näher als die 
aus Paraffin und dünnflüssigeren ölen erhaltenen. Da aber die ersteren 
bedeutend teurer zu stehen kommen, so sind die künstlichen Vaseline 
des Handels meist von den natürlichen sehr verschieden und schon auf 
den ersten Blick leicht zu erkennen. 

Aber auch bei Natiurvaselinen ist die Konsistenz nicht bei allen 
die gleiche, und z. B. sind die amerikanischen homogener und glänzender, 
geben auch bessere Fäden als die russischen. Worin die Ursache dieses 
Unterschieds liegt, ist schwer zu sagen. Während die Inhomogenität 
der künstlichen Vaseline, in Gegensatz zu den natürlichen, einer viel 
stärkeren Ausbildimg der Paraffinkristalle zugeschrieben werden muß, 
scheint dieses Moment hier abzufallen. Denn obwohl die mikro- 
skopischen Bilder der amerikanischen und russischen Naturvaseline 
etwas verschieden aussehen (indem nur in den letzteren sternförmige 
Kristallverfilzungen vorkommen), sind die Paraffinkristalle in diesen 
und jenen gleich fein und zart. Um die Eventualität zu prüfen, ob nicht 
das amerikanische Vaselin seine „amorphere" Konsistenz einem Ge- 
halt an wachsartigen Stoffen verdanke, ließ ich die Verseifungszahlen 
eines amerikanischen und eines russischen Vaselins bestimmen, wobei 
aber wesentlich derselbe Wert — 0,1 mg KOH pro lg — gefunden 
wurde. Sehr verschieden erwiesen sich dagegen die Jpdzahlen : 3,5 beim 



Gurwitsch. 



18 



274 Produkte. 

amerikanischen und nur 0,55 beim russischen; dies spricht dafür, daß 
die Verschiedenheit der Konsistenz durch die öligen Bestandteile der 
Vaseline bedingt wird. 

Neben verschiedener Konsistenz sieht man gewöhnlich einen 
wesentlichen Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Vase- 
linen in ihrem Verhalten beim Schmelzen, worauf zuerst Engler 
und Böhm^) hingewiesen haben. Künstliches Vaselin ^oU nämlich 
beim Erwärmen plötzlicher aus der breiigen in die flüssige Form über- 
gehen und vor der Verflüssigimg bedeutend dickere, nach der Verflüssi- 
gimg dünnere Konsistenz als Naturvaselin haben. Zur Bekräftigung 
dieser Ansicht wird gewöhnlich folgende kleine Tabelle von Engler 
und Böhm zitiert: 

Viskosität bei 45« 50» 80» 100 <> 

Natürliches amer. Vaselin 4,8 3,7 2,1 1,6 

Künstliches Vaselin. . . lauf t nicht aus läuft nicht aus 1,5 1,2 

Demgegenüber muß aber folgendes bemerkt werden. Erstens 
braucht nicht jedes künstliche Vaselin nach dem Schmelzen dünnflüs- 
siger als ein Naturvaselin zu werden, sondern hängt sein Flüssigkeits- 
grad natürlich von der Zähigkeit des zu seiner HersteUung genommenen 
Mineralöls ab. Zweitens sind verschiedene Naturvaseline auch in 
ihrem Verhalten beim Schmelzen sehr verschieden, und das russische 
z. B. steht in dieser Beziehung den künstlichen näher als den amerika- 
nischen Naturvaselinen, wie aus folgender Tabelle zu ersehen ist: 

Schmelzpkt. 

nach Viskosität nach Eng 1er 

Ubbelohde bei400 41» 450 60« 80» 100» 

Amerikanisches natürl. Läuft nur 

VaseUn 36^ ^,9^^'^, 31,5 11,4 5,14 2,94 2,07 

Russisches natürl. Va- Läuft nur 

sehn 39<^ w*JÄs 30,5 8,12 3,56 2,20 1,72 

Künstliches VaseHn Nr. 1 39^ 40,0 7,00 3,84 2,24 1,66 

Künstliches Vaselin Nr. 2 39» 50,7 25,7 11,0 5,02 2,76 

Man sieht somit, daß beim amerikanischen Naturvaselin zwischen 
dem nach Ubbelohde bestimmten Tropf punkt und dem Beginn des 
eigentüchen Flüssig werdens ein Intervall von 5®, beim russischen 
Naturvaselin ein solcher von nur 2® vorhanden ist, während die künst- 
lichen Vaseline bereits 1® oberhalb ihres Tropf punktes aus dem Engler - 
sehen Apparat ziemlich frei ausfließen. 

Der Gehalt der Naturvaseline an festen Paraffinkohlenwasser- 
stoffen ist nicht hoch. Durch Auflösen in Äther und Fällen mit Äthyl- 
alkohol haben Engler und Böhm ein galizisches Naturvaselin (vom 
Schmelzpunkt 30/3P) in einen festen, bei 40® schmelzenden Teil und 



1) Dinglers Joum. 262, 469 und 524. 



Vuelme. 

«in bei — lO" noch ganz flfissiges Ol zerlegt^). Di( 
betrug 40,8''/o; da aber in diesem festen Anteile 
Wasserstoff gdtunden wurden, während z. B. d« 
CjjH,j 14i9Vo H entoprechen, so muß darin, i 
kohlenwasaerstoffen, noch sehr viel öl enthalten 
Bestimmung (nach Zaloziecki) des Paraffingel 
destilUeiten Vaselinen habe ich dagegen in ru 
nicht mehr als 12,6yo, in amerikanischem nur 9,( 
punkt ca. 56") gefunden. 

Schließlich noch einige Worte über die 0: 
natürlichen und künstlichen Vaseline. Sowohl F 
auch Engler und Boehm haben gefimden, d 
sondere bei hohen Temperaturen, bedeutend m 
künstlichen absorbieren und dabei dementsprech 
werden. Dieser Unterschied rührt wohl daher, i 
Stellung von Kunstvaselinen gewöhnlich der 
bedient, während in Natur vaselinen auch di 
d. h. leichter oxydierbaren Die enthalten sind, 
die leichtere Oxydationfifäbigkeit der Naturvat 
Bedeutung, da Bie nur bei höheren Temperatui 
Sonnenlichte einen merkbaren Grad erreicht. 

^) Da das spezifische Gewicht des festen Anteils 
des arBprünglicheD Vaselins aber nur 0,878S betrag, imd i 
wie auch sein Schmelzen, von einer starken VolumKunah 
ein bedeutender Teil der Paraffinkohlenwasserstoffe im 
BtADde enthalten sein; bei der Behandlung mit Atheral 
Scheidung des testen von dem öligen Teile, sondern am 
Ol gelösten Paraffin stattgefunden. 



Sachregister. 



Abfallaugen 221. 

Abfälle 214. 

Adsorption 157. 229 flf. 

Adsorptionsgesehwindigkeit 241. 

Adsorptionsisotherme 241. 

Aetherschwefelsäüre 181. 

Aethylalkohol 224. 

Alkoholestem 228. 

Aluminiumnitrat 42. 

Ammoniak, Löslichkeit in Kerosin 100. 

Amylalkohol 225. 227. 

Aromatische Kohlenwasserstoffe 3. 20.180. 

Aromatisierung 36. 154. 

Art der Mischung 195. 

Asche 254. 

Asphalt 45. 63 flf. 

Asphaltherstellung aus Erdöl 31. 

Asphaltisierung der Erdöle 32. 

Asphaltogensäuren 30. 

Asphaltpeche 64. 

Auswählende LösUchkeit 222 flf. 

Automobilbenzine 246. 

Autoxydation 33. 

Azeton 228. 

Azetaldehyd 66. 

Azetylenkohlenwasserstofife 23. 

Benzine 227. 245. 

Brennfähigkeit der Leuchtöle 247 flf. 

-Chemische Prozesse bei der Destillation 

133 flf. 
Cholesterin 80. 
Chromylchlorid 36. 
Cold-Test 96. 259. 

G5ompoundierung der Schmieröle 259. 
Cymogen 245. 

Daltonsches Gesetz 118. 132. 
Dampf destillation 117. 
Daysches Phänomen 236. 
Dehydrogenisation 37. 
Dephlegmator 8. 171. 
Destillation 117 flf. 
— mit Benzindampf 132. 



Destillation, chemische Prozesse bei der — 
133. 

— destruktive 141. 

— doppelte 177. 

— unter Druck 145. 

— fraktionierte 3. 6. 162. 

— mit inerten Gasen 131. 

— im Vakuum 124. 

— mit Wasserdampf 117. 

— mit Wasserdampf und Vakuum 127. 

— raffinierende 155. 
Dinaphthene 19. 
Druckdestillation 145. 
Dürings Formel 125. 

dektrolyse der Abfallaugen 221. 
Elementare Zusammensetzung 10. 
Emulsionen 201. 
Entscheinungsmittel 77. 
Entschwefelung der Destillate 156. 
Entzündungspunkt 91. 
Erdöl-Entstehung 107. 
Erdölsynthesen 108. 
Erdölsäuren 53. 
Erstarrungstemperatur 92. 96. 259. 269. 

Farbe 77. 212. 

Filtration 235. 

Flammpunkt 91. 213. 263. 

Floridin 233. 

Fluoreszenz 77. 

Formalin 46. 261. 

Formalinreaktion 46. 

Fraktionierte Destillation 3. 6 flf. 162 flf. 

Fraktionierter Zusatz von Säure 189. 

Fraktionierung auf „kaltem Wege" 222. 

— im Vakuum 175. 

— mit Wasserdampf 175. 
Frankonit 230. 
FuUererde 233. 

Oase bei der Destillation 136. 
Gasolin 245. 
Gasolingas 245. 

Gemische mit konstanter Siedetempe- 
ratur 8. 



Saohregüter. 



277 



GSesättigte Kohlenwasserstoflfe 5. 11. 179. 
Geschwindigkeit der Rektifikation 174. 
Gewachsene Tonerde 235. 
Glyzeride der Naphthensäuren 61. 
Grenzkohlenwasserstoffe 5. 11. 179. 

Haloide 2. 26. 
Harzstoffe 65. 183. 
Hatchettin 16. 
Hydrolyse 208. 
Hydrosilikate 233. 

Induktion, chemische 25. 

— photochemische 51. 
Innere Beschaffenheit 93. 

— Reibung 75. 255. 259. 
Jodzahl 22. 137. 189. 228. 261. 
Isolierung chemischer Individua 2 ff. 10. 
Isomerisationsprozesse 139. 

Kalkreinigung 211. 

Kalte Fraktionierung 222 ff. 

Kapillaritätskonstante 247. 248. 256. 

Karbüre 251. 

Katalytische Wirkungen 155. 

Kerosin 247. 

Koks 145. 

Kolloidale Lösungen 93. 

Kondensator 171. 

Konstant siedende Gemische 8. 

Konzentration der öle 178. 

KraMng 137. 141. 

Künstlicher Asphalt 218. 

Lackbenzine 246. 

Leuchtkraft 249. 

Leuchtöle 247. 

Lichtbrechung 77. 

Lichtwirkung 50. 196. 

Löslichkeit und Lösungsvermögen 97 ff, 

Luftozydation 26 ff. 

Maschinenöle 267. 

Masut 22. 

Meteor 198. 

Mineralische Bestandteile 71. 

Molekulargewichte 10. 11. 

Myelinformen 202. 

Xaphthene 5. 16 ff. 179. 
Xaphthensauren 53 ff. 79. 221. 
Natronabfälle 221. 
Xatronreinigung 200 ff. 
Nitrierung 38. 

Oelgoudron 22. 
Olefine 3. 4. 22. 181. 
Optische Aktivität 78 ff. 
Oxydation 26 ff. 



Ozokerit 13. 
Ozon 34. 

Paraffin 12. 140. 143. 178. 268 ff. 

Paraffinum liquidum 191. 

Permanganat, Einwirkung des — auf 
Erdölkohlenwasserstoffe 35. 

Petrozen 143. 

Phenole 66. 

Photochemische Induktion 51. 

Polymerisation 48. 192. 

Polymerisationsprodukte 193. 

Polymerisierende Wirkung der Schwefel- 
säure 182. 

Polymethylene, s. Ni4)hthene. 

Polynaphthene 19. 

Polynaphthensäuren 30. 

Protoparaffin 14. 15. 

Protopetroleum 115. 

Pyrogene Zersetzung 149. 

Pyronapht 247. 

Pyroparaffin 14. 

Raffination 178 ff. 
Raffinationsgrad 254. 
Raffinierende Destillation 155. 
Rakusinsches Phänomen 81. 
Rauchende Schwefelsäure 179. 189. 191. 

192. 
Reaktion von Friedel-Craffts 45. 

— von Gustavson 45. 
Reduzierte Schmieröle 178. 
Regeneration von adsorbierenden Stoffen 

242. 
Regeneration von Schwefelsäure 215. 
Regenerativsystem 159. 
Rektifizierapparate 167. 

Salpetersäure 3. 5. 37 ff. 
Sauerstoff 26 ff. 

Sauerstoffverbindungen 52. 187. 
Säureabfälle 215. 
Säureteer 194. 199. 215. 
Schmelzpunkt von Paraffin 269. 
Schmieröle 254 ff. 

Schwefel, Einwirkung des — auf Erdöl- 
produkte 44. 
Schwefelgehalt der Rohöle 67. 

— der Leuchtöle 254. 
Schwefelkohlenstoff 69. 
Schwefelsäure, Einwirkung der — auf 

Erdölprodukte 3. 178 ff. 

— regenerierte 217. 
Schwefelsäureanhydrid, Einwirkung de» 

— auf Erdölprodukte 192. 
Schwefelverbindungen 67. 188. 
Schwefligsäure, Raffination mittels — 226. 
Schwitzverfahren 268. 
Sebonaphth 137. 



278 



Sachregister. 



Sebonaphthkohlenwasserstoffe 137. 
Sekundäres Destillat 177. 
Selen in Schwefelsäure 197. 
Sieden 90. 120. 
Solaröle 247. 

Spez. Gewicht 7. 72fif. 182. 212. 
Spez. Wärme 83. 
Spindelöle 267. 
Stickstofihrerbindungen 69. 
Sulfonaphthensäuren 57. 
Sulfonierung 57. 191. 
Sulfosäuren 180. 191. 193. 219. 

Temperatur, Einfluß der — auf die 

Säurereinigung 192. 
Terpene 24. 

Terpentinsurrogate 246. 
Theorie der Maschinenschmierung 254. 
Thiole 44. 

Thiophenverbindungen 68. 69. 
Thumenole 220. 
Thumenolsulfosäuren 220. 

XJltramikroskopie 93. 

Ungesättigte Verbindungen 2. 4. 22. 81. 

Vakuumdestillation 124. 
Vaseline 140. 272 fif. 
Verbrennungswärme 87. 
Verdampf barkeit von Rohölen 91. 



Verdämpfbarkeit von Schmierölen 263. 
Verdampfungswärme 84. 
Verkohlung des Dochtes 250. 
Verluste bei der Raffination 213. 
Verunreinigungen der Schwefelsäure 197. 
Verwertung der alkalischen Raffinations- 
abfälle 221. 

— der sauren Raffinationsabfälle 215. 
Viskosität 76. 

Vorlaugen 197. 210. 
Vorreinigung des Rohöls 182. 
Vortrocknung 190. 
Vorwärmung des Rohöls 159. 

Wachsartige Körper 66. 
Wärme, latente 84. 

— spezifische 83. 
Wärmeausdehnüng 85. 
Wärmeausnützung 157ff. 
Wärmeisolation bei der fraktioniertea 

Destillation 174. 
Wärmeleitungsfähigkeit 87. 

Zähigkeit 247. 261. 

Zersetzung der Erdölkohlenwasserstoffe 

137. 
Zersetzungsgase 136. 
Zersetzungsöle 135. 
Zerstäubung des Öles 262. 
Zylinderöle 267. 



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