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Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Alterthumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrath.
Neunter Band.
Dresden 1888,
Wilhelm Baeuscli Verlagshandlung.
Tue fCTTV PCMTCD
Inhalt.
Sfiite
I. Das alte Archivgebäude am Tascheuberge zu Dresden.
(Mit 4 Tafeln Alibildungeu.) Vom Herausgeber ... 1
II. Die Laieubrüder oder Conversen der beiden sächsischen
Cisterzieuserinnenklöster Marienstern und Marienthal. Von
Professor Dr. Hermann Knothe in Dresden 29
III. Heirathspläne König Erichs XIV. von Schweden. Von
Dr. L. Schwabe in Dresden 38
IV. Andreas Möller, der Chronist von Freiberg. 1098—1660.
Von Dr. Reinhard Kade in Dresden . . • 59
V. Die Meissner Porzellanmanufaktur unter Böttger. Von
Regierungsrath Dr. W. von Seidlitz in Dresden . . .115
VI. Kleinere Mittheilungen • . . 137
]. Hofnachrichten über Herzog Georg und seinen Sohn
Friedrich (1539). Von Oberarchivar Archivrath Dr.
Burkhardt in Weimar. S. 137. — 2. Bericht über
das Ende des Herzogs Heinrich von Sachsen. Von
Archivrath Dr. Th. Distel in Dresden. S. 139. —
3. Zwei Urkunden zur Geschichte des Kurfürsten
Moritz von Sachsen aus dem Monat Juli 1553. Von
demselben. S. 141. — 4. Die Frühmesse zu Pausa
und ihre Folgen. Von Pfarrer M. J. Herz in Pausa.
S. 144. — 5. Meister Wendel Rosskopfs Parlierer.
Von Dr. E. Wernicke in Breslau. S. 151. — 6. Sieben
strafrechtsgeschichtliche Findlinge. Von Dr. Th. Distel.
S. 153.
Literatm- 161
VII. Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna auf
Grund der Stadtrechuungen des 15. und 16. Jahrhunderts.
Von Oberlehrer Reinhoid Hofmann in Pirna 185
VIII. Die Eroberung Nordböhmens und die Besetzung Prags
durch die Sachsen im Jahre 1631. Von Professor Dr.
Arnold Gaedeke in Dresden 232
IX. Zur Geschichte der Stadt Zwickau während des dreissig-
jährigen Krieges 1639/1640. Von Oberlehrer Dr. M. Schil-
ling in Zwickau 271
X. Über die Asiatische Banise. Zur Erinnerung an den ersten
Druck im Jahre 1688. Von Oberlehrer Dr. Georg Müller-
Frauenstein in Hannover 322
IV Inhalt.
Seite
XI. Kleinere Mittheilungeii 334
1. Zaubersprüche und Segen aus sächsischen Visitations-
akteu. Von Üherlehrer Dr. Georg Müller in Dresden
S. 334. — 2. Strafrechtsgeschichtliche Findlinge. Mit-
getheilt von Archivrath Dr. Th. Distel in Dresden.
S. 337. — 3. Eine Inschrift aus der Regierungszeit
des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen. Mit-
getheilt von demselben. S. 339.
Literatur 840
Register 347
Besprochene Schriften.
am Ende, Der Königl. Grosse Garten bei Dresden (Knothe) . 178
Codex diplomat. Saxon. regiae s. Ermisch.
Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Freiberg i./S. (Schuni) . . . 161
n Das Sächsische Bergrecht des Mittelalters (Schnm) . .161
Hasse, Geschichte der Sächsischen Klöster (G. Müller) . . . 340
V. Mülverstedt, Regesta Stolbergia (Schnm) 172
Pöble, Der Seminargedanke in Kursachsen (G. Müller) . . . 176
Schmidt, Urkundenbuch der A^ögte von Weida, Gera und Plauen
Bd. I. (Schum) 168
Steche, Beschreibende Darstellung der alten Bau- und Kunst-
denkmäler des Königr. Sachsen. Heft VIII. (A. Schultz) 176
Das alte Arehivgeb
ie vor seinem Abbruch.
I.
Das alte iVrchivgebäude am Taschenberge
in Dresden.
Von
Hubert Ermiscli.
JIdvTa QsT.
Binnen wenigen Monaten wiid aller Wahrscheinlich-
keit nach wiederum ein Stück des alten Dresden spurlos
verschwinden, ein Gebäude, welches noch die glänzenden
Tage der Johann George und der polnischen Auguste ge-
sehen, ja gewissermassen mit durchlebt hat, welches, so
schlicht und schmucklos, um nicht zu sagen unschön, es
sich jetzt den Augen der Beschauer darbietet, doch auf
eine so Wechsel volle und interessante Geschichte zurück-
blickt, dass manches weit bedeutendere und prächtigere
Bauwerk unserer Stadt es um dieselbe beneiden könnte.
Für seine Erhaltung hat sich bisher keine Stimme er-
hoben, und es ist kaum anzunehmen, dass sich noch ein
Ritter für das unscheinbare Haus finden wxrde, welches
unseren prächtigen Theaterplatz und die einzige den
Charakter der Erbauungszeit noch einigermassen rein
zeigende Front unseres Königsschlosses entschieden ver-
unziert. Wohl aber möchte es gerechtfertigt erscheinen.
Bekanntes und Unbekamites aus seiner Geschichte zu
einem Gedenkblatte zusammenzufassen, und das ist der
Zweck der folgenden Zeilen.
Die grossen Umgestaltungen, welche das alte meiss-
nische Markgraf enschloss im 16. Jahrhundert durch Herzog
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 1. 2. 1
2 Huhert Ermiscli:
Georg' und durch Kurfürst Moritz erfahren hat, sind
neuerdings in der Hauptsaclie abschliessend dargestellt
worden^). Für die heutige Form des Schlosses ist na-
mentlich der Umhau von massgebender Bedeutung ge-
worden, welchen Kurfürst Moritz 1547 beginnen Hess
und der unter Oberleitung des Hans von JJehn - Roth-
felser wohl hauptsächlich durch den Oberzeug- und Bau-
meister Caspar Vogt von Wierandt etwa bis 1556 voll-
endet worden ist. Bildete bis dahin der Schlossthurm
(Hausmannssthurm) die nordwestliche Ecke des Schloss-
baues, indem der VVesttrakt sich unmittelbar in südlicher
Richtung an diesen Thurm anschloss, also sich etwa quer
über die Mitte des gegenwärtigen Schlosshofes hinzog,
so wurde nunmehr dieser Westtrakt abgetragen und etwa
um die Breite des bisherigen Hofes weiter westlich er-
baut ; der Nord- und der Südflügel wurden entsprechend
verlängert, so dass der Schlossthurm jetzt die Mitte des
ersteren bildete.
Schon in älterer Zeit umgab das Schloss auf der
Westseite ein durch einen Graben von demselben ge-
trennter Garten; ein Schreiben vom 23. Februar 1549
bemerkt, der neue Westflügel werde „allenthalben in den
Garten kommen'-)". Auch später schlössen sich an den
Westflügel Gartenanlagen, der sogenannte Zwingergarten,
an"^). Noch heute sehen wir die mit einer kleinen Frei-
treppe versehene Pforte, welche aus einem Saale des
Erdgeschosses, der spätestens seit dem 17. Jahrhundert
den Namen des „grünen Gewölbes" trug, in diesen Lust-
garten führte. Ein anderer Garten befand sich auf der
Südseite des Schlosses, nach dem Taschenberge zu; der-
selbe wüxl auf einem um 1586 aufgenommenen Plane ^)
als „der Kurfürstin Garten" bezeichnet. Von dem Zwinger-
garten trennte ihn ein Säulengang, der eine von dem
') Vevgl. insbesondere R. Steche, Hans von Dehn- Rothf eiser
(Drestlcu 1877) und in: Die Bauten etc. von Dresden, herausg. vom
Sachs. Ingenieur- u. Architektenverein, S. 32 flg. C. üurlitt, Das
Kgl. Schloss zu Diesden und seine Erhauei-, in den Mitth. des Kgl.
Sachs. Alterthumsvereins XXVIIT, 1 flt>-.
-) Gurlitt a. a. 0. 11.
2) V. Friesen in den Mitth. des Kgl. Sachs. Altertliumsvereins
XVin, 27.
•*) Kgl. Oberhofmarschallamt I A 32. „M [einer] G [nädigen]
F [rauen] Garten" auf einem Plane von 1591 in der Plankamraer
des Kgl. Kriegsministeriums (Kopie in der im Besitze Si'. Kgl.
Hoheit des Prinzen Georg befindlichen Asterschen Plansammlung).
Das alte Arehivgebäude. 3
ersten Stockwerke des Schlosses aus nach dem ungefähr
an der Stelle der jetzigen Hauptwache befindlichen Gold-
oder Probierliause führende Galerie trug'^). In diesem
„Hofgarten hinter dem Schlosse" fand am 19. Januar 1586
zur Feier der Vermählung der Prinzessin Anna mit dem
Herzog Johann Casimir von Sachsen-Gotha ein Ringrennen
statt **). Kurfürst Christian I. , ein Freund ritterlicher
Künste, liess bald nach seinem Regierungsantritt in dem-
selberi eine „verlorene Rennbahn" mit einem „verlorenen
hölzernen Judizier hause, auf welchem man den geübten
Ritterspielen zusehen können", errichten^). Dieses Judi-
zierhaus war das erste Gebäude, welches an der Stelle
des jetzigen Hauptstaatsarchivs gestanden hat. Es war
ein leichter Bau, der bereits 10 Jahre später so verfallen
war, dass sein Abbruch nothwendig wurde®).
Damals führte bekanntlich Herzog Friedrich Wilhelm
von Weimar die Regentschaft für den noch unmündigen
Kurfürsten Christian IL Letzterer neigte schon als
Knabe zu grosser Körperfülle; dies mag dazu beigetragen
haben, dass der Administrator die Errichtung eines Ball-
hauses anbefahl'*). In wie hohem Grade das Ballspiel,
namentlich seit dem 16. Jahrhundert, bis in die höchsten
^) Diese Galerie ist auf dem von Paul Buchner herrührenden
Modell der durch Kurfürst Moritz angelegten Festungswerke (im Kgl.
Historischen Museum) und auf dem Plane der Plankammer von 1591
(oben N. 4) deutlich erkennbar. Auch das grosse, wohl aus dem
17. Jahrh. herrührende Schlossmodell des Histor. Museums, von dem
Gurlitt a. a. 0. Aufnahmen gegeljen hat, zeigt in der I. Etage —
über dem gegenwärtigen Korridorfeuster des Grünen Gewölbes —
die in diese Galerie führende Tliür. Gurlitt bezeichnet diese Galerie
als „Gang nach dem Badhause" ; doch habe ich auf keinem der von
mir eingesehenen Pläne ein Badehaus an Stelle des Gold- oder
Probierhauses gefunden. „M. G. F. Badstube" lag zwischen dem
Garten der Kurfürstin und dem kleinen Schlosshofe.
*^) Vergl. die Befehle des Kurfürsten an den Hausmarschall
und Hauszeugmeister vom 26., 28. und 31. Dez. 1586 und 6. Jan.
1587. H.-St-A. Cop. 501 fol. 353 b, 357 b, 358, 165, 182.
■) Vergl. H.-St.-A. Loc. 7305, Cammersachen 1597. I. fol. 31.
Hier, „hintter dem Schlofse im Garten", fand z. B. am 19. Febr. 1588
ein Ringrennen statt; vergl. H.-St.-A. Loc. 10526, Ritterspiel etc.
fol. 277.
^) „Solches Haus aber ist nuhmehr wegen des Geräthes sehr
verfaulet und eingangen, das es ohne das muste abgebrochen werden."
H.-St.-A. Loc. 7305, "Cammersachen 1597. I. fol. 31.
^) „weil solches Baispiel sonderlich Hertzogk Christiano
zu Abwendung uberleier Feyste ein nutzlich Exercitium corporis
geben wirdet." Bericht des Hans Georg von Ponickau vom 9. Jan.
1597. H.-St.-A. Loc. 7305 a. a. 0. fol. 30. Dass bei der Erziehung des
1*
4 Hubert Ermisch:
Ejreise der Gesellschaft und gerade besonders in diesen
beliebt war, wie an fast allen Höfen Deutschlands, Frank-
reichs und Italiens und auch in den grösseren Städten
eigene Gebäude für die Ausübung dieses Sports errichtet
wuixlen, ist ja zur Genüge bekannt.
Der Oberhof- und Stallmeister Hans Georg von
Ponickau, mit Vorschlägen für Errichtung eines solchen
Hauses beauftragt, setzte sich mit dem Landzeugmeister
Paul Buchner und dem vielseitigen Italiener Johann
Maria Nosseni in Vernehmen. Auf Grund eines Gut-
achtens des ersteren empfahl er eben jenen Raum, auf
welchem bisher das Judizierhaus stand, als geeigneten
Bauplatz; man brauche, so heisst es, von hier nur 10 bis
12 junge Obstbäume fortzunehmen, um den erforderlichen
Platz für das „Ballenhaus" zu gewinnen. Buchner fügte
zwei Anschläge bei, von denen der eine die Errichtung
emes hölzernen Ballhauses, der andere die eines solchen
von Stein betraf^'*); in beiden war eine Länge von 28,
eine lichte Weite von 24, eine Höhe von 20 Ellen an-
genommen^'). Der Administrator entschied sich für den
ersteren.
So entstand hier ein leicht in Holz aufgeführtes Ball-
haus, dessen Lage wir aus dem 1651 von dem Landfeld-
messer Samuel Nienborg gezeichneten Plane der Stadt
Dresden^-) ersehen. Es nahm weit weniger Raum ein,
als die später dort befindlichen Gebäude. Christian IL
und seine Brüder Johann Georg und August und später
Johann Georgs Kinder haben sich unter Aufsicht ihrer
„Ballmeister" hier wacker getummelt. Der erste, der
diese Stellung bekleidete, war wohl Jean Pimbault aus
Metz; wenigstens giebt derselbe in einem Unterstützungs-
gesuche vom 13. Juli 1G41 an, dass er „in die 46 Jahre"
dem kurfürstlichen Hause gedient habe^"). Im Jahre
1681 wurde Jacques Pointel, vorher fürstlich sächsischer
jungen Kurfürsten auf Leibesübungen grosses Gewicht gelegt wurde,
beweist auch z. B. die Educatiousordiiung vom IH. Juni i59ti, ebenda
Loc. 8017, Des Churf. jungen Herrschaft Education betr.
'") Die zu dem letzteren geliörigen Pläne sind wohl die, welche
sich unter 1 B 47a-k im Kgl. Üherhofmarschallamt belinden.
") Befehl vom 12. Jan. 1597. li.-St.-A. Loc. 7305 fol. 29 f.
Vergl. auch den Befehl an Kammerrath und Hentraeister, ebenda
(FA.) Speziaireskripte 1597 Nr. 87.
'•-) Eine Kopie im H.-St.-A. Kissschr. XI F. YIU Nr. 17.
*■') H.-St.-A. Loc. 9835, Acta unterschiedene herrschaftl. Ge-
bäude etc. 1590—1696 fol. 28.
Das alte Archivgebäudo. 5
„B'illenscliläger" in Weimar, und neben ihm 1632 Pompejo
Molinari als Ballmeister angestellt^*); von ihnen liegen
uns Schreiben aus den Jahren 1684 und 1638 vor, in
welchen sie sich beklagen, dass ihnen weder ihr Gehalt
gereicht, noch ihre Auslagen ersetzt würden ^■^). Molinari
verliess dann wohl bald seine Stellung, während uns
Pointel noch bis 1660 ^'^) begegnet. —
InzAvischen hatten die ritterlichen Spiele des Mittel-
alters, mit denen es schon dem 16. Jahrhundert nicht
mehr Ernst war, andern Vergnügungen weichen müssen ;
mehr als das kampfesfrohe Lanzensplittern im scharfen
Rennen und den wuchtigen Schwerthieb un Fusstm^-
niere liebte man jetzt jene Kopf-, Ring-. Quintanrennen
und Carrousels, welche weniger die Körperkraft und
den Muth der Streitenden, als ihre Eleganz und Gewandt-
heit hervortreten Hessen. Der farbenfreudige Sinn der
Zeit brachte diese Spiele gern in Verbindung mit präch-
tigen, phantastischen Aufzügen, die sich oft zu panto-
mimischen Darstellungen von Scenen aus der Mythologie,
der Geschichte und Sage oder von Allegorien gestal-
teten^'). Es waren dies die sogenannten Inventionen, zu
deren Veranstaltung nicht selten namhafte Künstler ihren
Beistand leihen mussten; so ist namentlich von Nosseni
bekannt, dass er sich nach semem Bestallungsdekret
„auch zu Inventionen von Triumphen, Mummereien und
dergl. gebrauchen lassen solle".
Mit diesen Inventionen und den ihnen verwandten
AVirthschaften , Königreichen oder Maskeraden traten
feinere künstlerische Genüsse in Verbindimg. Die Mu-
sik war stets am kursächsischen Hofe ein gern ge-
sehener Gast gewesen ; schon zur Zeit Johann Georgs I.
galt die kurfürstliche Kapelle, die lange Jahre hindurch
unter der Leitung des bedeutendsten Musikers seiner Zeit,
Heinrich Schütz, stand, für die beste in Deutschland. So
1^) Bestallungsurkimdeu vom 9. Jiüi 1631 u. 27. Mai 1632 ebenda
Loc. 83346, Bestallungen 1630—1633 fol. 126. 210.
>■') Ebenda Loc. 9835 fol. 10. Loc. 8698, Die Bestallung Pompejo
Molinari betr.
16) Schreiben vom 14. März 1639 und 27. Febr. 1641 ebenda
Loc. 9835 fol. 14. 20. Eine neue Bestallungsurkunde vom 6. Juli
1660, ebenda Loc. 33348, Bestallungen 1659-1662 fol. 53.
1") Vergl. für das Folgende namentlich M. Fürsten au, Zur
Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe der Kurfürsten
von Sachsen I (Dresden 1861), 82 flg.
() Hubert Ermisch:
ist es denn begreiflich, dass auch auf jene Festlichkeiten
die Musik veredelnd einwirkte. Die in Frankreich seit
dem Ende des 16. Jalnhunderts aufkommende Verbindung
von Invention und musikalischer Auttiihrung, das Ballet,
wurde auch am sächsischen Hofe eingeführt. Mehr und
mehr trat in demselben neben dem Tanze der Gesang
hervor; so entstand aus dem Ballet das Singspiel und die
Oper, auf welche dann die höher entwickelte italienische
Musik bald massgebenden Einfluss gewann.
Johann Georg II., ein ebenso kunstsinniger als pracht-
liebender Herr, hatte selbst eine gründliche musikalische
Bildung genossen und schon als Kurprinz lebhaften An-
theil an den künstlerischen Bestrebungen der Zeit ge-
nommen; sogar persönlich wirkten er und die Kurprin-
zessin nebst den anderen Mitgliedern des kurfürstlichen
Hauses vielfach bei den theatralischen Darstellungen mit,
und die Erfindung neuer Stoffe für dieselben war eine
Lieblingsbeschäftigung der höchsten Kreise geworden.
Seit dem Regierungsantritte des Kurfürsten wurden die
Vorstellungen häufiger. Sie fanden damals in verschie-
denen Gemächern des kurfürstlichen Schlosses statt; be-
durfte man einer grösseren Bühne, so wählte man den
berühmten Riesensaal im zweiten StockAverk des nach
der Schlossstrasse gelegenen Flügels, sonst das daran
stossende Riesengemach oder den Ecksalon, beide in der
zweiten Etage des Nordflügels, oder auch den ül)er der
Schlosskapelle gelegenen Kirchensaal oder endlich die
Pavillons der Lustgärten. Indes diese improvisierten
Bühnen genügten bald nicht mehr den Ansprüchen der
damaligen Zeit, die nicht bloss musikalische Genüsse, son-
dern namentlich auch glänzende Ausstattung und über-
raschende Scenerien verlangte. Noch kannte man in
Deutschland kehie stehenden Theater; nur in Wien war
bereits 1651 ein Opernhaus erbaut worden. Dresden
folgte. Am 1. August 1664 früh nach 8 Uhr wurde an
der Stelle des bisherigen Ballhauses der Grundstein zu
einem neuen Komödienhause gelegt.
Diese Grundsteinlegung wurde die Geburtsstunde des
Hauses, in welchem sich gegenwärtig das Hauptstaats-
archiv befindet. Der Kurfürst und der Kurprinz thaten
die üblichen Hammerschläge; der Zeugobrist Joh. Sigm.
von Liebenau, Festungskommandant von Dresden, der
Oberlandbaumeister AVolf Kaspar Kiengel, der Er-
bauer des Hauses, sowie verscliiedene andere Baubeamte
Das alte Arcliivs'ebäude. 7.
woliiiteii dem feierlichen Akte bei. In den Grundstein
wnrde ein knpfernes Kästchen eingelassen, in welchem
sich die verschiedenen damals gangbaren Münzsorten, eine
Aufzeichnnng über die Grundsteinlegung und über die
damaligen Zeitumstände, endlich ein Fläschlein rother
und ein Fläschlein weisser Wein befanden^^).
Der Bau, über welchen uns nur Avenig Einzelheiten
überliefert sind^'^), nahm fast 2^/„ Jahre in Anspruch.
Am 27. Januar 1667 konnte das neue Theater eröffnet
werden. Man wählte als erste Vorstellung die Oper
,,I1 Teseo" -^). Von nun an fanden alle grösseren thea-
tralischen Aufführungen im neuen Hause statt; für klei-
nere wurden aber nach wie vor vielfach die Gemächer
des Schlosses benutzt.
Das prächtige Gebäude erregte allgemeine Be"\vim-
derung. Nach den Beschreibungen der Zeitgenossen"-^)
sowie einigen Bissen--) und Abbildungen--^) vermögen
1®) Das Protokoll über die Grrnndsteinlegung- (H.-St.-A. Loc.
4452. Acta den Bau u. Reparatur unterschiedener herrschattl. Gebäude
1559—1695 fol. 15—21) bei Fürstenau a. a. 0. I, 321 flg., vergl.
Distel in der Zeitschr. f. Museologie VIII, 27.
'**) Ein Bericht des Zeugobristeu von Liebenau vom 5. Nov. 1665
enthält den Vorschlag", wegen der „anhaltenden grossen Kälte und
Bahrfröste " den Bau einzustellen und im Frühjahr um so zeitiger
damit zu beginnen. „Das erst gehobene Stück Tach auff diesen
Baue wirdt hoffeudt diese instehende Woche undt mit Ende derselben
gentzlich gehoben viudt mit solchen Ziegeln einzuhängen, auch der
fordere Giebel gegen dem Wetter mit Brettern zu verschlagen etc."
H.-St.-A. Loc. 8008, 13. Buch Landesverfassung fol. 5b. Vgl. Für-
st e n all I, 217. — Ein Befehl au den Amtsrentverwalter zu Stolpen vom
1. Okt. 1668, er solle die „zur Bedeckung des neuen Perspectiv an
dem Comoedienhause" erforderlichen 18 Zentner „schwarzer eiserner
Blecher" im Muldenhammer baldigst verfertigen lassen, ebenda
(Fin.-Ai-ch.) Oammer-Cop. 1668 fol. I83b.
-**) „27. Jan. 1667 Avurde ordentlicher Gottesdienst und hernach
von Churf. sämtlichen Herrschaften bey der Durchl. Churfürstin in
dero Vorgemach Taffei, auch darauff in den neuerbauten Comoedien-
hause die Opera von Theseo gehalten." H.-St.-A. Loc. 8681, Churf.
Sachs. Hof- Diarium 1662—1667 fol. 288 ^
-1) A. Weck. Chronik Dresdens (1679) S. 68; danach Müller,
Annales S. 459. Tob. Beutel, Cedernwald (1671). G. Leti, Ritratti
historici (1687) S. 578 f. Fürstenau I, 220 f. theilt die betreffenden
Stellen mit.
-2) Kgi. Oberhofmarschallamt I B 33 (danach der Grundriss
auf Taf. I), 34, 35.
-^) Eine von Job. Osw. Harms (vgl. über ihn Distel in der
Kunstchronik XIX, 728 f.) in Kupfer gestochene Abltildung des
Zuschauerraums im Textbuche des bei der Zusammenkunft Jo-
hann Georgs II. mit seinen Brüdern am 3. Febr. 1678 aufgeführten
8 Hubert Ermiscli:
wii" uns ein zienilicli deutliclies Bild von demselben zu
machen.
Weck schildert es folgendermassen : „Dieser Bau ist
von Pirnischen harten Steinen von Grund aus nach Ita-
lienischer Structur so hoch und g'rols antgeflihrt , dals
2000 Menschen füglich darinnen zuschauen können, das
Theatrum, ürchestra auch so geraum, danebenst die
Maschinen und Verwendungen so leicht und auf so viel-
fältige Art zu bewegen, als einig ausländischer Orte zu
befinden. In dieses Comoedienhaus und Fürstliche Loggia
gehet man von den Churfürstlichen Gemächern über einen
ganz steinernen breiten Gang von ohngefähr 50 Schritten
mit eisernen künstlichen Geländern, welcher auf Dorisch-
Rustischen steinernen Säulen ruhet, deren jedwede von
einem einzigen Stücke ist, und ist dieser Bau mit be-
sonderer Kunst ohne darunter geschlossenen Bogen auf-
geführt." Noch heute sehen wir von dem kleinen
nach dem Taschenberge zu gelegenen Garten wenig-
stens einen Theil dieser, Galerie gekuppelter Säulen; die
Fortsetzung ist gegenwärtig vermauert und daher un-
sichtbar-^). "Wie stattlich er sich im 17. Jahrhundert
ausnahm, davon giebt ein Kupferstich in dem bekannten
grossen Werke des Dresdener Bürgermeisters Gabriel
Tzschimmer einen klaren Begriff-'). Hier ist auch die
Südwestecke des Komödienhauses abgebildet; wir sehen,
dass ein kleines (einstöckiges) Gebäude mit einem ziem-
lich hohen Schornstein, welches der auf Tafel I mitge-
theilte Grundriss als „die alte Scheierbute" bezeichnet,
sich an die abgeschrägte Südwestecke und das Schloss
so anlehnte, dass der erwähnte Gang aus dem Schlosse
durch das Oberstockwerk desselben hin durchführte. Wie
diese Seite des Theaters einen durchaus schmucklosen
Eindruck macht, so war auch im Übrigen das Äussere
desselben ziemlich einfach gehalten.
Ballets „Von Zusamiiieiikunft und Wirknni>- der Vll Planeten" (da-
uacli Taf. II; eine kleine Nachbildung in liilschers Sammler f. Gesch.
u. Alterth. S. 576), eine andere in dem Textbuche des „Opera-Ballet
von dem Judicio Paridis und der Helenae Kaub" Dresden 1679
(danach die Lithographie; bei Fürstenau Bd. 1). Beide Textbücher
befinden sich in der Kgl. üft'entl. Bibliotliek zu Dresden, ^'ergl.
Fürstenau I, 250 f., 324.
"*) Steche in den Bauten von Dresden S. 47.
'■') Tzschimmer, Die durchlauchtigste Zusammenkunft (Nürn-
berg 1680) Abb. Nr. 5 (bei S. 67).
Das alte Aichivgebäude. 9
Um SO reicher war das Innere ausgestattet. Der
Zuschauerraum hiklete den an das Schloss stossenden
Theil des Gebäudes und bestand aus ehiem Parterre und
zwei Logenreihen. Die kurfürstlichen Herrschaften ge-
langten, wenn sie von jenem Gange aus das Theater be-
traten, zunächst in die mit Teppichen behangene Mittel-
loge des ersten Ranges; bei festlichen Gelegenheiten
scheinen sie jedoch nicht diese benutzt zu haben —
auf den beiden N. 23 erwähnten Abbildungen ist sie
leer — , sondern sassen dann wohl in der Regel auf
den durch eine Balustrade vom übrigen Publikum
geschiedenen Plätzen in den vordersten Reihen des
Parterre. Die Treppenaufgänge zu den Logen be-
fanden sich zwischen diesen Plätzen und dem Proscenium.
Prächtige Statuen und Bilder schmückten das Innere
und den Plafond. Die Bühne, welche die grössere
Hälfte des Gebäudes einnahm, war durch einen weiten
Zwischenraum von dem Parterre geschieden. Unmittel-
bar vor dem Vorhange befand sich das Orchester, das
autfallend tief und für die Zuschauer fast unsichtbar
angebracht war; nur die Hoftrompeter und Hofpauker
sassen über demselben in den Prosceniumslogen. Die
xlbbildungen des Vorhangs und des Prosceniums, welche
die beiden genannten Textbücher bringen, weichen be-
deutend von einander ab, sei es, dass in der That zwi-
schen 1678 und 1679 eine w^esentliche Veränderung vor-
genommen worden war, sei es, dass der Zeichner seiner
Phantasie freien Spielraum gelassen hat. Im Textbuche
von 1678 zeigt der Vorhang einen auf Wolken schwe-
benden Merkur, während er in dem von 1679 aus einem
gemusterten Stoffe zu bestehen scheint. Über ersterem
befindet sich ein Wappenschild mit den Kurschwertern,
über letzterem der Namenszug des Kurfürsten, umrahmt
von der Devise des Hosenbandordens ; beide sind bekrönt
von dem Kurhute. Auch der bildnerische Schmuck des
Prosceniums ist ganz verschieden.
Wie es während der Aufführungen auf der Bühne
aussah, das können wir aus den Darstellungen der Haupt-
scenen in den beiden Textbüchern entnehmen-'^). Hat auch
hier der gefällige Grabstichel des Künstlers vielleicht ein
-") Die 9 von Harms gestocheneu Abbildungen zu dem Ballet
von den sieben Planeten linden sich auch bei Tzsch immer a. a. O.
Abb. 6—14.
lO Hul»ert Ermisch:
wenig gescliineicliolt, so darf man doch iiiclit daran zwei-
feln, dass schon damals das sächsische Hoftheater gross-
artige sccnische Wiikungen hervorzubringen vermochte.
Es mag schliesslich noch erwähnt werden, dass sich
im Innern, veninithlich auf dem Boden, auch Wohnräume
für den „Architekten", d. h. den Oberaufseher des Thea-
ters, befanden-').
Mit Recht hat Fürstenau die Erbauung des Opern-
hauses , das auch Haupttheatrum oder grosses Thea-
trum genannt wurde, als einen der wichtigsten Ab-
schnitte in der Theatergeschichte Dresdens bezeichnet.
Fanden auch noch keine regelmässigen Vorstellungen in
demselben statt und war vor allem die Öffentlichkeit
noch immer eine sehr beschränkte, da ausser der Hof-
gesellschaft nur geladene Personen aus der Bürgerschaft
Zutritt erhielten, so bewirkten doch schon die stattlichen
Räume, dass weit grössere Kreise als früher den thea-
tralischen Aufführungen beiwohnten, und dass daher das
Interesse für dieselben ein viel allgemeineres wui'de.
Wesentlich trug dazu bei, dass wie Johann Georg II.
so auch seine Nachfolger Johann Georg III. und IV. das
lebhafteste Interesse für Musik und dramatische Kunst
hatten. Johann Georg III. begründete im Jahre 1685
eine italienische Oper, in Avelcher namentlich die berühmte
Primadonna Margherita Salicola glänzte; der Wettkampf
zwischen deutscher und italienischer Musik, der für die
Musikgeschichte des 17. Jahrhunderts bezeichnend ist,
spielte sich zum guten Theil in den Räumen des neuen
Komödienhauses ab. Die Hof Journale berichten von zahl-
reichen glänzenden Vorstellungen; doch sehen wir davon
ab, im einzelnen auf dieselben einzugehen, da Fürstenaus
mehrfach angeführtes Buch gerade diese Periode sehr
ausführlich behandelt. — IJbrigens fanden auch noch nach
Errichtung des Opernhauses nicht selten in den Sälen
des Schlosses, namentlich dem Riesensaale und dem Eck-
saale, sowie in dem 1677 vollendeten neuen Schiesshause
Aufführungen statt ; besonders wählte man diese kleineren
-') Yergl. z. B. die Bestalluni;- für den „theatralischen Ingenieur
und Prin(i])al->Iahler lieim Opernhause" Martin Klotze! (6. Mai 1695)
H.-St.-A. Loc. 3B345, Bestallungen 1694, 1695 fol. 22, sowie den
Klötzeis Nachfolger, den Hofmaler Fritzsche, l)etreffenden Befehl
vom 14. Juni 1699, el)enda Loc. 379 Maler, Bildhauer, Musiker 1698
bis 1732 fol. 34.
Das alte Arclüvgebäude. 11
Bühnen für die meln^ und mein- in Aufnahme kommenden
Komödien.
Einen Wendepunkt in der Theaterg-eschichte Dres-
dens bildete der Regierungsantritt des Kurfürsten Fried-
rich August I.'-^) Dieser \ielseitig g'ebildete Fürst, den
an Kunstsinn wohl kaum einer seiner Zeitgenossen über-
traf, hatte auch für Musik und Theater das lebhafteste
Interesse; seine ganze Geschmacksrichtung aber führte
ihn mehr der französischen dramatischen Poesie und der
französischen Musik zu, als der deutschen und italie-
nischen. Während er bei seinem Regierungsautritte sämt-
liche beim Theater angestellten Italiener entliess, erschien
schon während des Karnevals 1696 eine französische
Schauspielergesellschaft in Dresden; dieselbe stand im
Dienste des Kurfürsten von Hannover und hatte von
diesem zu Gastspielen in Dresden Urlaub erhalten. Sie
spielte anfangs im Opernhause, dann auf einer im Riesen-
saale erbauten Bühne; doch entsprachen beide nicht den
Bedürfnissen des Schauspiels. In einem an den Ober-
inspektor der Zivilgebäude, v. Wackerbarth, gerichteten
Befehl vom 10. Nov./ 31. Okt. 1696 bemerkt der Kurfürst,
„dafs unser gewöhnliches Theatrum in dem so genandten
Operenhause hiezu nicht dienlich, indem in solchem alleine
die Singstimmen ihren Effect thun, die redenden Actores
aber es mit ihren Stimmen ohne sonderliche Beschwerung
nicht ausfüllen können"; er befahl deshalb, für die im
nächsten Karneval aufzuführenden „fremden Komödien"
ein eigenes Theater nächst dem Schiesshause (wohl etwa
da, wo jetzt der mittlere Theil des Museums steht) zu
erbauen-^); dasselbe sollte bis Neujahr 1G97 fertig sein,
war also jedenfalls ein leichter Holzbau.
In demselben Jahre 1697 erfolgte der Übertritt des
Kurfürsten zur katholischen Kiixhe und die Annahme
der polnischen Königskrone. Diese für die Geschichte
Sachsens so folgenreichen Ereignisse sollten auch bedeu-
tungsvoll für die Schicksale unseres Hauses werden.
-*) Für das Folgende vergl. Fürstenau a. a. 0. Bd. II.
-") H.-St.-A. Loc. 983r>, Acta unterschiedene herrscliaftl. Ge-
bäude in der ßesidentzstadt Dresden bei. I.ö90— 1696 fol. 72. Yergl.
auch den Befehl vom 7. Xov. '28. Okt. 1696 an den Oberhofjäger-
meister von Erdmannsdorf wegen einer Holzlief erung für den Bau
des neuen Theaters, ebenda Loc. 7335, Allerhand Memorialia fol, 46 ;
vergl. fol. 59.
12 Hubert llnnisch:
Die häutige Abwesenheit des Kurfürsten, der uauient-
licli iu den ersten Jahren seüies pohiisehen Königthums
sich genüthigt sah, mehr in den pohlischen Residenzen
als in Dresden zu weilen, dann auch der finanzielle
Ruin, den der nordische Krieg über Sachsen herauf-
beschwor, bewirkten einen empfindlichen Stillstand im
Theaterleben Dresdens. Zwar liess der König im Jahre
1699 durch Constantini eine eigene französische Gesell-
schaft zur iVuffülirung \o\\ Schauspielen, Oi)ern und Bal-
lets in Paris anwerben'"'); allein dieselbe gab fast aus-
schliesslich iu Warschau und Krakau Vorstellungen. Erst
im Jahre 1705 wurde der Karneval wieder einmal in
Dresden gefeiert; die Franzosen spielten damals theils
im Opern-, theils im neuen Komödienhause. Dies scheinen
die letzten Vorstellungen in ersterem gewesen zu sein;
die Gesellschaft, die erhebliche Besoldungsrückstände zu
fordern hatte, wurde aufgelöst und zerstob in alle Winde.
Das Opernhaus stand unbenutzt. Wenn man sich ent-
schloss, es als solches überhaupt nicht weiter zu erhalten,
so w^aren hierfür nicht allein die augenblicklichen Zeit-
verhältnisse, sondern ebenso die veränderte Geschmacks-
richtung massgebend. Jene Ballets und Opern des 17.
Jahrhunderts, die an den Text nur geringe Anforderungen
stellten, um so grössere aber an Dekorationen und Ma-
schinen, jene pomphaften mythologischen und allegorischen
Darstellungen fingen an sich zu überleben. Auf diese
aber war die alte Hofbühne hauptsächlich berechnet ge-
wesen; je w^eniger man sie liierfür gebrauchte, um so
bemerkbarer wurden ihre Übelstände.
Zunächst scheint man an die Umwandlung des Opern-
hauses in ein Ballhaus gedacht zu haben. Zwar stand
seit 1668 ein solches auf einem Theile des Raumes, wel-
chen jetzt das Prinzenpalais einnimmt; aber im Zusam-
menhange mit den gewaltigen Bauplänen, Avelche nament-
lich seit dem Schlossbrande vom 25. März 1701 die
künstlerische Phantasie des Königs beschäftigten, war
die Entfernung dieses Gebäudes damals w'ohl schon be-
schlossene Sache. Mehrere Risse im Kgl. Oberhofmar-
schallamt ^^) betreffen diesen Umbau des Opernhauses in
'■^) Befehle Wackevbarths an das Kaminerkolleg, betr. die aii-
befolileiie Herstelhing' eines neuen Theatrum auf dem liiesensaale zu
Dresden für die französischen Komödianten vom 11. u. 18. Okt. 1699.
H.-St.-A. Loc. 8698, Die Hotf-Comoedianten betr. 1686 flg.
■") I B 46a-f.
Das alte Archivgeliände. 13
ein Ballhaus; einer derselben, der aus dem Febniar 1707
herrührt, trägt die Aufschrift: „Auf den Grundt vom
Comedien-Hauise ist nach Sr. Kgl. Maj. Gedanken und
Eintheilung ein Ballhauls gerichtet, so aber kleiner als
das jetzige; der Platz wehre auch so beschaffen nach
der jetzigen Grösse es einzurichten."
Allein dieser Plan Avich schnell einem andern.
►Seit dem Konfessionswechsel des Kurfürsten war
während seiner Anwesenheit in Dresden der katholische
Hofgottesdienst in einem Saale der zweiten Etage des
ßesidenzschlosses abgehalten worden, in welchem sonst
den auswärtigen Gesandten Audienz ertheilt worden war;
derselbe war in der i)rächtigsten Weise ausgeschmückt
und in eine Kapelle verwandelt worden"-). Im Jahre
1699 wurde dann die Schlosskirche zu Moritzburg für
die Zwecke des katholischen Kultus eingerichtet. Ein
weit wichtigerer Schritt war es, dass der König sich im
Jahre 1707 entschloss, das frühere Opernhaus in eine
katholische Hofkapelle umzugestalten. Die erste
Nachricht darüber findet sich, soviel mir bekannt, in einem
Briefe des Erzbischofs von Neapel, Franz Pignatelli, vom
24. März 1707, in welchem derselbe dem König für seine
löbliche Absicht dankt und ihn darin ermuntert ■'•^). Eigen-
händig entwarf der König die — meines Wissens leider
nicht erhaltenen — Pläne für den Umbau des Hauses
und selbst die Zeichnungen für die architektonischen Ver-
zierungen des Innern, die Altäre, die königliche Tribüne,
die Chöre und Galerien, die Säulengänge und die Sa-
kristei"^); in eigener Person überwachte er die Aus-
führung.
■'-) Für das Folgende vergl. TL ein er, Geschichte der Znrück-
kehr der i'egierenden Häuser von Braunschweig u. Sachsen in den
Schooss der kathol. Kirche (1845) S. 120 flg. Derselbe schöpft aus
den Quellen des Vatikanischen Archivs, namentlich den Jahresberich-
ten der katholischen Mission in Dresden, deren Konzepte oder Ab-
scüriften sich im Gedenkbuche des kathol. geistlicuen Haiises zu
Dresden befinden; ihre Benutzung wurde mir freundlichst gestattet.
Ferner W. Schäfer, Die kathol. Hofkirclie zu Dresden etc. Nebst
einer Einleitung: Die Geschichte der ersten kath. Hofcapellc am
Taschenberge (Dresden 1851). F. A. Forwerk, Gesch. und Be-
schreibung der kgl. kath. Hof- u. Pfarrkirche zu Dresden (Dres-
den 1851). Die ältere Literatur bei Schäfer S. I flg.
"'•■=) The in er, Urk. Nr. 68-, vergl. S. 130.
'■^) Yergl. das unten zu erwähnende Schreiben des Königs vom
13. Febr. 1708.
14 Hubert Ermisch:
Audi Leim Bau der Hofkapelle sind französische
Einflüsse bemerkbar; namcntlicli hat sie der spätere
Oberlandbaumeister Eaimond le Plat, dem die Leitung
des Baues übertragen ^vurde ■'"''), vermittelt. Die Kapelle
ist wohl ebenso "wie die spätere katholische Hofkirche
als eine bewusste Nachahmung der 1GV)9 — 171U erbauten
Schlosskapelle zu Versailles anzusehen. Es zeigt sich
dies namentlich in der unmittelbaren Verbindung der
landesheiiiichen Betstübchen mit dem Schlosse und in
der Emporenanlage: es entsprach dem auf strenges Zere-
moniell gerichteten Geiste der Zeit, dass dem Herrscher
und seiner nächsten Umgebung bequem zugängliche,
erhöhte und von der im Schiffe versammelten Schar
der andern Andächtigen getrennte Plätze geschaffen
wurden "").
Am 1. Januar 1708 wurde dem Kgl. Kammerherrn
und Kämmerer von Haugwitz befohlen, die Bühne und
die sonstigen „inwendigen Gebäude" im Opernhause ein-
reissen zu lassen"'). Die theatralischen Geräthschaften
wurden auf den Boden geschafft und dort in einer Kam-
mer niedergelegt; der Hofmaler Fritzsche, der Inspektor
des vormaligen Opernhauses, beschwerte sich im Septem-
ber 1708, dass die Arbeiter mit Leitern hinaufstiegen,
und sprach die Befürchtung aus, dass von den inventari-
sierten Gegenständen manches abhanden kommen Averde"*'*).
Am 13. Februar 1708 konnte der König dem Papst
Clemens XL mittheilen, dass die Eröffnung der Kirche
nahe bevorstehe; dieselbe fasse mehrere tausend Men-
schen, stosse an seine Gemächer und werde auch für
das katholische Publikum mehrere öffentliche Eingänge
haben '^'M.
Li der That wurde l)ereits am Gründonnerstage
(5. April) 1708 die Kapelle dem öffentlichen Gottesdienste
übergeben; am Tage vorher war die provisorische Auf-
stellung eines Altars und einer Kanzel, die sich beide
^■•) Wenis;steiis fiiliren die Hcntkamnierreclinungen der Jalire
1708 \\. 1709 (Finanzarchiv) verschiedene an ihn ausgezalilte Sainmen
^zu Ausbaunng der neneu Hofkapelle im Grossen Opei-nhause" auf.
3ö) A'ergl. C. Gnrlitt, Gesell, des Barokstiles II, 186 f. H.-
St.-A. Loc. 773, Das Schloss zu Dresden etc. fol. 38.
^■') Nach dem „Gedenkbuch" p. 1 scheint die Ausräumung erst
am 3. und 4. April erfolgt zu sein.
•'^) Ebenda Bl. 40.
«") Theiner, TTi-k. Xr. 69; vergl. S. 131 flg.
Das alte Archiv gebäude. 15
im „Mutterhause" (auf der Kreuzstrasse) vorfanden,
erfolgt^''). Der künigliche Beichtvater P. Vota, der
apostolische Präfekt der Missionen von Sachsen, nahm
unter Assistenz der Kapuziner J. Ch. Paldam und J. Vitzk
die feierliche Einweihung vor. Die Kirche wurde der
heil. Dreieinigkeit gewidmet^^).
"Wir erfahren, dass der Papst in hohem Grade über
diesen Akt erfreut war. Der damalige sächsische Bot-
schafter in Kom, Baron v. Schenck, schrieb am 28, April
1708 darüber an den Grafen von Lagnasco: „Le Pape
m'a temoigne une tres grande joye dans les deux audiences
que j'eus hier et ce matin, m'assurant que s'etoit quasi
l'uniciue lenitif qu'il recevoit dans les grans embaras c]ui
Taffligeoient de tous cotes principalement du Roj^aume
de Naples et Duche de Milan, ou on vouloit proceder
contre l'immunite ecclesiastique. Monseigneur Albany en
a conceu aussi une joye tout ä fait particuliere etc' ^-).
Zwei päpstliche Schreiben vom 12. Mai und 18. August
1708^'') geben weitere Belege dafür, wie hoch man in
Rom den allerdings mit manchen Schwierigkeiten ver-
bundenen Schritt des Kurfürsten aufnahm.
Noch in demselben Jahre erliess der König die be-
kannten Reglements über den Gottesdienst in der neuen
Kirche, ihr Personal, ihre Rechte und Pflichten u. s. w.^"').
So war die Stätte, die vierzig Jahre früher Kurfürst
Johann Georg IL weltlicher Lust und Pracht bereitet
hatte, nunmehr den Zwecken der Kirche gewidmet. Eine
Stätte der Kunst blieb sie jedoch auch ferner. Wie noch
heute, so führte auch damals schon die vortreffliche Kir-
chenmusik allsonntäglich zahlreiche Zuhörer, unter denen
sich viele Nichtkatholiken befanden, in die Räume der
Hoflvapelle, und die Zeitgenossen, wie Iccander (Grell)
in seiner 1723 erschienenen Beschreibung Dresdens und
Schräm in seinem Europäischen Reiselexikon (1744), sind
einstimmig im Lobe der herrlichen Klänge.
Aber nicht allein das Ohr, auch das Auge der Kunst-
verständigen konnte sich an der neuen Kapelle erfreuen.
•10) Vergl. „Gedeiikbuch" p. 1.
■*^) Näheres über die Einweihiuig bei The in er S. 134 f. For-
werk S. 11 f.
*-) H.-St.-A. Loc. 3312, Lettres de M. le baron de Schenck au
Cte. de Lagnasco sur toiites sortes de matieres etc. \'ol. II.
•»3) Clementis XI. opera omnia (Francof. 1729) Sp. 509. 559.
*^) Gedrackt bei Theiner a. a. 0. Urk. 70. Yergl. S. 137 flg.
16 Huliprt Enniscli:
Trotz der Eile, mit welcher sie eingerichtet worden war,
verdiente sie es wohl, wenn man sie ihrer reichen und
geschmackvollen Ausstattung wegen den schönsten Kir-
chen Italiens an die Seite stellte. Wir kennen diese
Einrichtung theils aus den Beschreibungen Iccanders,
tlieils aus einer das am 3. September 1719 aus Anlass
der Vermählung des Kurprinzen abgehaltene Tedeum dar-
stellenden Tuschzeichnung im Kgl. Kupferstichkabinett'*^)
und einem zu derselben Zeit von dem französischen
Zeichner und Kupferstecher Antoine iVveline^*'') in Kupfer
gestochenen Grund- und Aufrisse*').
Wo früher die Bühne war, also auf der nach dem
Zwinger zu gelegenen Westseite, befand sich jetzt das
Orgelchor, auf welchem seit 1709 eine von Job. Heinr.
Gräbner gebaute kleine Orgel mit 11 klingenden Stimmen,
zwei Nebenregistern und einem Manualklavier angebracht
war*^), sowie das etwas vorgebaute Chor für die Kapell-
knaben und die Kapellmusik; die Pauker und Hoftrompeter
hatten ihren Platz in der ersten Halle der nördlichen Em-
pore. Die jetzige Hauptehigangsthür an der schmalen
Westseite war damals nur für die Musiker bestimmt ; im
Vestibül lagen zu beiden Seiten Gemächer für die Auf-
bewahrung kirchlicher Gegenstände und für die. Noten
und Instrumente der Kapelle, sowie auch ein Übungs-
zimmer für die letztere. Dem Orgelchor gegenüber, auf
der an das Schloss stossenden Schmalseite, befand sich
'•'*) „Petes et solemiiites ä la cour iiii])eriale ä loccasioii du
niaria<?e etc. 1719." Vergl. Taf. III. Eine kleinere Nachltildnng
in Hilschci's Sammler f. (iesth. u. Alterth. S. lOH.
'") Veru;!. übci' ihn Le Blano. i\Iannel de TAmatcnr 1, 108.
''') „Plan Coupe et Eleuation de la Chapelle Koyale de Dresden,
Oll Ton a chante le Te Denm laudamus. A. Aveline. c." Exemplare
befinden sich in dem Kgl. IvnpiVrstichkahinett u. in der Kgl. Biblio-
thek zu Dresden. Vergl. mich die Pläne des Kgl. Oberhol'marschall-
amts I A. 1. 4. ;'>. und einen Riss in den Akten desselben A. 20
fol. 26 (danach der ürnndriss Taf. 1).
•**) Fürsten an, Zur Gesch. d. Musik und des Theaters II, 37
und in den Mitth. d. Kgl. Sachs. Alterthum.svereins XIII, 49 flg.
Dazu wurde im .lahre 1712 noch ein Positiv erworben (oder sind
die folgenden Angaben auf eben diese Oigel zu beziehen ?):_ „Hoc
anno in templo erexinius Organum seu potius melius aliquod positivum
cum aliquot mutationibus et pedali. Fabricavit illud organifex et
consularis vir von Pühmisch-Käninitz. Contractus erat ])ro IHO thl.,
dati sunt illi 170 thl. et soluta a nobis vectura. In coUocando illo
laboravit cum sociis 14 diebus, habitans in aedibus nostris." Gledenk-
buch p. 53.
Das alte Archivgebäude. 17
in einem gewölbten Chore und unisclilossen von einer
orliöliten Balustrade der wolil bald nach der Einweihung
errichtete, von einer strahlenden Sonne und einem darüber
schwebenden Baldachin bekrönte, sonst aber sehr einfach
gehaltene Hochaltar; derselbe wurde erst im Jahre 1725
durch einen prächtigeren ersetzt, den eine von einem
Italiener gemalte Darstellung der Dreifaltigkeit zierte"*^).
Nördlich vom Altarplatze Avar seit 1712 an einer frei-
stehenden Säule, welche auch die Empore trug, die Kanzel
angebracht, eine Arbeit Balthasar Permosers (f 1732)'^'^).
Unter den von acht viereckigen Pfeilern getragenen Em-
poren befanden sich noch vier Nebenaltäre "). Beson-
ders reich ausgestattet waren die in gleicher Höhe mit
den Emporen gelegenen vier Betstübchen der könig-
lichen Familie, zu welchen Gänge aus den Zimmern
des Königs im Erdgeschosse des Schlosses und aus denen
der Kurprinzessin im zweiten Stockwerke desselben führ-
■"') ,Adhuc dum annus aurea Aurorae luce illustrabatur, quando
capella regia nova majore ara miro artificio elaborata est condeco-
rata; corde illius velut clarissimo sole imagine videlicet sanctissimae
trinitatis penicillo italico expresso refulgente. Habuit illa, autequam
perfecta cousisteret, non modicas adversitates, dum aures Serenissimi
regis continuo iuquietabautur ab eo, qui priorera aram anno 1708 adeo
indifferentem etiigiaverat, ut in Calvini hora (sie!) aeque ac in Syna-
goga judaica stare potuerit. Aures inquam regiae continuo inquie-
tabantur, quod jam isto jam alio ara nova deforraata staret errore.
Uude rex seren. capellam ipse bis est iugressus consideratisque bene
Omnibus acceptoque a primariis artiticibus calculo taudem declaravit,
opus Omnibus numeris esse absolutum. Ab eo tempore stat livido
zoilorum dente superior." G-edenkbuch p. 175. Vollendet wurde dieser
Altar am n. Jan. 1725. Oberbofmarsch. A. 17. fol. 15. Wohin das
Altarbild und viele andere nach dem Inventar von 1722 [K. Gemälde-
galerie) früher in der Kapelle befindliche Gemälde gekommen, ist un-
bekannt; die K. Galerie besitzt davon nur eine Himmelfahrt von Seb.
Ricci (No. 548) und Cranachs Christus und die Ehebrecherin (No. 1926).
^^) „Accessit templo nova umbona affabre facta a sculptore catholico
regio, aestimat opus BOüimperialibus, dati sunt illi Interim 100 thl. manet-
que opus idcirco imperfectum." Gedenkbuch p. 34. Im J. 1722 v^urde
an der Kanzel die Figur eines sie tragenden Engels angebracht,
ebd. p. 127. Yergl. Schäfer S. 2 f. Forwerk ö. 88 f. Ob die
Kanzel, die übrigens auf Avelines Kupferstich ganz anders aus-
sieht wie auf der Abbildung Taf. III, mit der in der jetzigen kathol.
Kirche befindlichen identisch ist, wie Schäfer annahm (vergl. auch
Gustav Müller im Dresd. Anz. 1885 No. 145), nmss dahingestellt
bleiben.
''^) „Curata pro capella duo nova altaria, unum pro serenissimo
rege, alterum pro serenissimis principibus ; hoc jam ex integro in-
dutum coloribus et auro investitum, alterum adhuc sub manu pic-
toris est " Gedenkbuch p. 134.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 1. 2. 2
18 Hubert Ennisch:
ten. Ein anderer Gang verband die an das Prinzen-
palais und das Ballhaus sich anschliessende Öchlossbau-
schreiberei mit der nordwestlichen Ecke der Kapelle''"-).
Den Haupteingang für das Publikum bildete die noch
jetzt vorhandene Thür an der Südseite des Gebäudes.
Seit dem Jahre 1719 machten sich namentlich der
Kurprinz und seine Gemahlin Maria Josepha um die
Ausschmückung der Kirche verdient. Knüpften sich
doch fast alle frohen und traurigen Ereignisse ihrer Ehe
an dieses Gebäude an, seit dem Einzüge des jungen
Paares in Dresden, der seine kirchliche Weihe am 3. Sep-
tember 1719 durch ein feierliches Tedeum in der Hof-
kapelle erhielt. Bald darauf schenkte die Kurprinzessin
der Kirche prachtvolle Messgewänder und Ornate und
im Jahre 1720 ein Silbermannsches Positiv, welches nach
Einweihung der neuen Kirche in die Kaiserkapelle nach
Dresden-Neustadt gelangte, von wo es 1813 die Russen
mitgenommen haben ■^•^). Die Geburt des Prinzen Joseph
August (24. Oktober 1721) gab den Anlass zur Stiftung
eines schönen Taufsteins aus karrarischem Marmor ■^'^).
Über ihm fand auch am 18. Oktober 1722 die feierliche
Einsegnung des späteren Kurfürsten Friedrich Christian
statt, bei welcher die Kirche mit den (zur evangelischen
Hofkapelle gehörigen) „kostbaren und andern von bibli-
schen Historien gewirkten Tapeten behenget wurde" ''•'');
noch mehrere andere Prinzen und Prinzessinnen aus der
mit Kindern reich gesegneten Ehe Friedrich Augusts II.''*'')
und als letzter am 2. Februar 1751 sein Enkel, der künf-
■^2) Pläne des Oberliofmarschallamts I A 1 •\ 1 'i. 4. 5.
'■'») Fürstenau II, B9.
^*) „Capellae vegiae doiio obvenere sequentia. Ex niunificentia regis
Dovura e iiiarraore baptisteriuni marinorea flagellati Christi statua iiiilie
imperialibiis oxoluta." üedenkbuch p. 121. Vcrgl. H.-St.-A. Dr. Loc.
1U)80, Ein Convolut Wiener nnd Dresdner Diarien (znm 20. Nov.
1721). Nach Eorwerk S. 99 soll es derselbe Tanfstein sein, der
noch gegenwärtig' in der kathol. Kirche steht; doch passt der Fuss
nicht zu der obigen Beschreibung.
■'■>) H.-St.-Ä. Loc. 7(j5, Geburt etc. Fricdr. Christians betr. Vol.
II fol. 198 flg. 212 flg. Vergl. ()l)erhofmarschallamt A. 17. fol. 9.
A. 16. Bl. 17.
'"'") Nämlich die Prinzessinnen Marie Ainalie Christine (6. Jan.
172.5), Margarethe (2H. Okt. 1727), Marie Anna (10. Okt. 1728),
Maria .losepha (15. Dez. 1731) und die Prinzen Xaver (7. Okt. 1730)
und Karl (23 Aug. 1733). Oberhofmarschallamt A. 17—20. Die
eigentliche Taufe fand stets bald nach der Grebiirt im Schlosse statt.
Das alte Archivgebäude. 19
tige Friedricli August III."), wurden hier eingesegnet.
Aber es fehlte auch nicht an traurigen Erinnerungen,
die sich an diese Räume knüpften. Als das erstgeborne
Söhnchen des Kurprinzen im Alter von 9 Wochen am
21. Januar 1721 starb, wurde unter dem Hochaltar eine
Gruft eingerichtet, in welcher dasselbe am 25. Januar in
aller Stille beigesetzt wurde ■'^). Diese Gruft nahm später
noch die irdischen Eeste des 1728 verstorbenen Prinzen
Joseph und der 1734 verstorbenen Prinzessin Margarethe
auf. Auch das Herz des Erbauers der Kirche, des Kö-
nigs August, dessen Leib bekanntlich in der polnischen
Königsgruft zu Krakau schlummert, fand zunächst hier
seine Ruhestätte ■''■'). Die Exequien, die dem Könige in
den Tagen vom 15. bis 17. April 1733 in der Hofkapelle
gehalten wurden und zu denen ein prächtiges Castrum
doloris erbaut worden war, Avaren wohl die grossartigste
Trauerfeierlichkeit, welche hier stattgefunden hat*^*^).
Die Umwandlung in eine Kapelle hatte das alte Ko-
mödienhaus vor dem Schicksale geschützt, welchem eben
zu jener Zeit die meisten andern das Schloss umgeben-
den Gebäude zum Opfer fielen. Zur Zeit Wecks, also
Ende des 17. Jalu^hunderts, lag gegenüber dem damaligen
Opernhause, etwa an der Stelle der heutigen Hauptwache,
das sogenannte Gold- oder Probierhaus. An dieses schlös-
sen sich, einen Winkel nach dem Schlosse zu bildend
und das letztere von dem Taschenberge trennend, das
Rauchhaus, dessen oberen Räume Korn-, Futter- und Mehl-
böden enthielten, dann das Hofbrau- und -malzhaus, end-
lich die an das Schloss stossende Hofapotheke an, in wel-
cher sich auch das Hofbackhaus und die sonstigen Ge-
schäfts- und Wohnräume des Hofmundbäckers befanden,
meist Bauten des 16. Jahrhimderts, theil weise vielleicht
s^) H.-St.-A. Loc. 771, Geburt, Taixfe u. Einsegnung; des Prinzen
Friedr. August 17.50/51. fol. 6°, vergl. fol. IS«".
"^) „In aptata recens sub ara majore sumptibus regiis crypta."
Gedenkbuch p. 113. Vergl. Iccander ö. 47. Eine genaue Beschrei-
bung der Beisetzung Oberhofmarschallamt A. 15 fol. 48.
•^^) Die Beisetzung war am 14. April in aller Stille, selbst
ohne Vorwissen des Oberhofmarschallamts, das erst bei dem Be-
gräbnis der Prinzessin Margarethe davon erfuhr, erfolgt. Ebenda
C. 27 fol. 5 und C. 34 fol. 3''.
60) Vergl. ebenda C. 27 fol. 232. Ebenda fol. 236 ein Kupfer-
stich des Castrum doloris (Joh. Battista Grone delin. et inv.). Das
nach dem Tode der Kaiserin Amalie 1742 für ihre Bxeqiiien von
Chiaveri errichtete Castrum doloris ebenda C. 38 fol. 46.
20 Hubert Ermisch:
Eeste des ältesten Markgrafenschlosses. Auch das nörd-
lich vom Schlosse, etwa zwischen der katholischen Hoi-
kirche und der Elbe gelegene MUnzgebäude stannnte ans
dem 16. Jahrhundert. Hierzu kamen im 17. Jahrhundert
die prächtigen Bauten Kiengels: ausser dem Opernhause
das oben erwähnte Ballhaus, dann auf dem jetzigen Thea-
terplatze ein grosses, 1672 — 1677 entstandenes ßeithaus
nebst einem sich daran schliessenden Schiesshause. Diese
letztgenannten Gebäude mussten schon 1712 und 1713
den Zwingerbauplänen des Königs weichen. Dann wurde,
um einen freien Platz vor der Kapelle zu schaffen,
1718 das Gold- oder Probierhaus nebst den anstossenden
Gebäuden bis zur Hofapotheke niedergelegt. Auf den
Abbruch des Ballhauses (1756), dessen namentlich wegen
seiner alten Feigenbäume'^^) berühmter Garten schon 1718
zerstört worden W'ar, werden wir noch zurückkommen.
An seiner Stelle erhob sich der Westflügel des Prin-
zenpalais, dessen mittlerer Theil schon 1710 erbaut worden
wai". Das Bauwerk, welches die Phj'siognomie des weiten
Baumes westlich vom Schlosse am meisten veränderte,
war der Zwinger, der bekanntlich in den Jahren 1711 bis
1722 entstanden ist. An seine südöstliche Ecke lehnte
sich das 1718 — 1719 erbaute grosse Opernhaus an, wäh-
rend ein kleineres Theater 1754—1755 auf dem jetzigen
Theaterplatze (nach Hotel Bellevue zu) entstand. Letz-
terer war mit zahlreichen kleinen Häusern bedeckt, die
man als das italienische Dorf bezeichnete und die grossen-
theils erst in unserm Jahrhundert verschwunden sind.
Eine der bedeutendsten Veränderungen aber erfuhr
der Platz nördlich vom Schlosse.
Kaum 3U Jahre waren seit der EiuAveihung der Hof-
kapelle verflossen, als sie nicht mehr den Bedürfnissen
genügte; man fand, dass sie „sehr enge und unbequehm,
dazu von denen Zinnnern, w^elche Iliro Majestät der
König und die Königin Mürklich bewohnen, weit abge-
legen sei"^-). Am 28. Juli 1739 erfolgte die Grundstein-
legung der gegenwärtigen katholischen Hofkirche. Fast
zwölf Jahre vergingen, bevor dieses prächtige Bauwerk
"') Die.selben kamen in der „Herzogin Garten" anf der Ostra-
Aliee.
'*-) Sclireilx'ii des Grafen von Schönburg namens des Geheimen
Consiliums an den sächs. Gesandten zu llegensburg vom 1. Juli 1751.
H.-St.-A. Loc. 30223, Fascikel Coirespondenzen etc.
Das altp Anliivffebände. 21
Chiaveris vollonclet war*'-'). Am 29. Juni 1751 wurde
die neue Kirche, die ebenfalls der h. Dreifaltigkeit ge-
widmet ward, feierlich eingeweiht. Am Abend des 1. Juli
begaben sich König und Königin nebst dem ganzen kö-
niglichen Hause in die bisherige Kapelle und begleiteten
das Venerabile, das der Pater Superior Gruber trug, bis
in die neue Kirche ; der Zug nahm nach Vortritt einiger
Geistlichen in Chorhemden, doch ohne weitere Zere-
monien seinen Weg durch die königlichen Zimmer und über
eine kleine nächst der königlichen Garderobe angebrachte
Galerie, wohl dieselbe, welche noch jetzt die Verbindung
zwischen dem Schlosse und der Kirche bildet *^^). Damit
hatte der Gottesdienst in der alten Kirche sein Ende.
Am Abend des 3, Juli fand sodann die Überführung der
in der bisherigen Gruft ruhenden drei prinzlichen Leichen
sowie des in einer silbernen herzförmigen und vergoldeten
Kapsel befindlichen Herzens des Königs August in die
neue Kirche statt. Um 8 Uhr begaben sich der Ober-
schenk Böse und der Hofmarschall v. Schönberg nebst
dem Hofrat und Hofsekretär Müldner, dessen Protokoll wir
die Einzelheiten entnehmen, zur alten Gruft mit der beim
Oberhofmarschallamt verwahiien Hälfte der Schlüssel;
die andere Hälfte brachte der P. Superior Gruber, der
nebst dem kgl. Beichtvater P. Rauch, dem,.P. Kirstan
und dem Oberlandbaumeister Knoefel der Überführung
Iteiwohnte; auch ein Kommando der Schweizergarde unter
Eilhrung des Major du Brechet war anwesend. Nach
ÖÖnung der Gruft ergab sich, dass zw^ei der Särge
wegen ihrer Grösse nicht zur Thür hinaus gebracht wer-
den konnten, weshalb die Mauer durchbrochen wurde.
Auf zwei schwarz behangenen Leichen-Brancards, jeder
mit einem Kanzleizuge bespannt, Avurden die hohen
Leichen nach der neuen Kirche überführt und dort in
einer interimistischen Gruft beigesetzt.
Das nunmehr leer stehende Haus beabsichtigte man
anfangs zum Schlosse zu ziehen und Zimmer in demsel-
ben einzurichten *''^). Wären die grossartigen Schlossbau-
*"') Über die Baugeschichte vergl. R. Steche in: Die Bauten
von Dresden S. 107 flg.
**) Vergl. das N. 55 angeführte Schreiben des Grafen v. Schön-
burg und das Protokoll des Hofraths und Hofsekretärs Job. Chr.
Müldner im H.-St.-A. Loc. 774, Acta die Erbauung etc. fol. 143 flg.
^^) Wenigstens sagt das Graf Schönburg in dem oben N. 62
angeführten Schi-eiben.
22 Huliert Eiiuisch:
plane Augusts III. zur Ausführung gekommen, so Aväre
es ihnen wolil zum Opfer gefallen"*').
Vorläufig aber verwandte man es zu einem anderen
Zwecke. Man überwies es nänüich dem Hof- und Land-
orgelbauer Gottfr. Silbermann, mit welchem am 27. Juli
1750 ein Vertrag wegen Erbauung einer grossen Orgel
für die neue katholische Kirche abgeschlossen worden
war^'), als Werkstatt und Wohnung für sich und seine
Gesellen. Hier arbeitete der weitberühmte Meister in
den letzten Jahren seines Lebens an seinem letzten
grossen Werke, und in diesen Räumen hat er am
4. August des Jahres 1753 abends in der neunten Stunde
seine Augen zum ewigen Schlummer geschlossen. Zwar
berichteten wenige Tage nach seinem Tode die Dresdner
Frag- und Anzeigen *^^), er sei in dem Hause seines
Vetters, des Tischlermeisters Michael Silbermann, auf der
Grossen Brüdergasse gestorben. Aber diese Angabe,
die neuerdings mehrfach wiederholt worden ist*'^), wird
widerlegt durch ein im Archiv des hiesigen Kgl. Amts-
gerichts'*^) befindliches Instrument des Notarius Langbein
vom 16. Oktober 1753. Dieser war unmittelbar nach
dem Ableben Silbermanns zur Versiegelung seines Nach-
lasses gerufen worden; er berichtet, „dalis er sich in des
Defuncti allhier in der alten ehemaligen katholischen
Kirche innen gehabtes Quartier und in das daselbst eine
Treppe hoch befindliche Zimmer, dessen Fenster auf die
Gallerie- Haupt -Wacht und den Wall zugehet, begeben
habe, woselbst er den entseelten Leichnam Gottfried
Silbermanns annoch im Bette liegend angetroffen".
So wurde das Haus, das fast ein Jahrhundert lang
im Dienste der edlen Frau Musika gestanden, noch zu-
letzt das Sterbehaus eines würdigen Dieners derselben.
"") Vergl. Steche in: Die Bauten von Dresden S. 76 f.; ins-
besondero den Plan bei S. 78.
"') H.-St.-A. Loc. 774, Acta die Erbauung einer neuen Kirche
etc. fol. 216''. Es sollten danach Silbermann „allhier in Dresden so
viel gelegene geräumliche Behältnisse als vor 10 Personen zu arbeiten
erforderlich sind, auf 2 Jahre lang" unentgeltlich eingeräumt werden.
Vergl. Wissensch. Beilage der Leipz. Ztg. 1883 No. 4 S. 17.
öS) Jahrg. n.'iS Nr. XXXIII. Hiernach Gautsch in Mosch-
kaus Saxonia II, 114.
ö") So auch von Dibelius in den Mittheilungen des Freiberger
Alterthumsvereins XIX, 103.
™) Acta commiss., des verstorbenen Hoforgelmachers Gottfried
Silbermann Nachlass betr. 1753. Vergl. Wissensch. Beilage der
Leipz. Ztg. a. a. 0. S. 19.
Das alte Aichivgebäude. 23
Im folgenden Jahre wurde die Orgel vollendet. Da
um dieselbe Zeit der Abbruch des alten Ballhauses und
der Hofbauschreiberei beschlossen worden war, so ent-
schied man sich dafür, die ehemalige Kapelle zu einem
Ballhause umzugestalten, in welchem auch der Ball-
inspektor eine Dienstwohnung haben sollte'^). Man trug
daher 1755 den oben erwähnten Yerbindungsgang und
einen grossen Tlieil der Kapelle ab^"-). Um 1757 scheint
das neue Ballhaus fertig gewesen zu sein.
Allein das Ballspiel erfreute sich nicht mehr lange
seiner alten Beliebtheit. Die Stelle eines Ballinspektors
mirde nach dem Tode des Michael Fleischmann (1772),
der als solcher neben freier Wohnung und einem Holz-
deputat 360 Thaler Gehalt bezog, nicht wieder besetzt.
Einer der letzten eifrigen Freunde des Spiels war der
Herzog Karl von Kurland; derselbe stellte, nachdem im
Jahi-e 1776 das Gebäude einer umfänglichen Dachrepa-
ratur unterworfen worden Avar '=^), einen Franzosen namens
Louis Fradin mit 266 Thlr. 16 Gr. Gehalt und 36 Thlr.
Holz- und Lichtgeld als Ballmeister an, dem ebenfalls
freie Wohnimg im Ballhause gewährt wurde. Als der
Herzog aber 1796 starb, nahm man Anstand, seinem
letztwilligen Wunsche nach'^) den Fradin in kurfürstliche
Dienste zu übernehmen; der Hausmarschall Freiherr von
Racknitz wandte ein, dass gegenwärtig keine der höch-
sten Herrschaften mit dem Ballspiel sich beschäftige,
dass 11 bis 12 Jahre vergehen würden, bevor einer der
Prinzen das Ballspiel Avürde erlernen w^ollen, und dass
daher die Beibehaltung des Ballmeisters und die Unter-
haltung des Ballhauses lediglich dazu diene, den Fremden
und einigen einheimischen Kavalieren das Vergnügen des
Ballspiels zu gewähren''). So erfolgte denn die Ent-
lassung des Ballmeisters und die Kündigung seiner bis-
''i) Bericht des Jul. Heinr. Schwartz vom 28. Dez. 1754 Loc.
35763 (Fin.-Arch.), Rep. VIII Geu. Nr. 140 <=. fol. 70.
"•2) Vergl. dasselbe Akteustück fol. 136. 140d. „Anno 1755 hat man
dieses Gebäude gäutzlich niedergerissen, auf dessen Platz nunmehro
ein neues Ballhaufs von Stein aufgebauet wird." Neu-revid. und
accurate Drefsdnische Addresse fDresden 1756) S. 41 ; vergl. S. 9.
■'") Loc. 35775, Anschläge auf das Jahr 1776 VII fol. 78.
"^) Yergl. Loc. 2695, Acta des Prinzen Karl Christian Joseph
Absterben etc. betr. Vol. I fol. 9''.
^ö^ Vergl. die Vorträge des Frh. v. Racknitz vom 15. Sept. ixnd
des Geh. Kabinetts vom 22. Nov. 1796. H.-St.-A. Loc. 2447 Acta, die
Erweiterung des Geh. Archivs betr. 1788 Üg. fol. 67 flg. 77 flg.
24 lhil>ert Enniscli:
her iimei^elialtten Woh]miig'*'j. Dieselbe befand sich auf
den Bodenräumen des Hauses, wo auch der Sakristan
Mengemann, die Witwe des ehemaligen Sakristans Minetti
und die Tochter des ehemaligen Ballinspektors Fleisch-
mann freie Quartiere hatten").
Der Hausmarschall machte ferner den Vorschlag'"),
das Gebäude zur Unterbringung der Hofapotheke und
des Hofbackhauses zu verwenden. Das schon oben S. 24
erwähnte am Taschenberg gelegene Haus, in welchem
sich seit 1581 die Hofapotheke befand, war durch ein
kleines Gärtchen und durch Holzschuppen, in denen die
Brennholz vorräthe für das Schloss lagerten, von letzterem
getrennt. Die Nachbarschaft war eine entschieden feuer-
gefährliche, und auch der Geruchssinn der hohen Herr-
schaften mochte nicht selten durch die Düfte der nahen
Offizin beleidigt werden. Gleichwohl stiessen die Vor-
schläge des Hausmarschalls, der die alte Hofapotheke
entweder abbrechen und an ihre Stelle die Holzscliuppen
setzen oder zu Aufnahme der Holzvorräthe einrichten
wollte, auf Bedenken.
Bereits seit einer Reihe von Jahren waren Klagen
über die durchaus ungenügende Unterbringung des Ge-
heimen Archivs laut geworden'^). Der Grundstock
desselben befand sich seit dem Jahre 1579 in den Ge-
wölben des Kanzleihauses, welche jetzt die Hofapo-
theke enthalten; bereits 1703 musste ein Theil, das so-
genannte „Neue Archiv", in den Parterreräundichkeiten
des Schlosses untergebracht werden, und dazu kam später
noch ein drittes Depot, das gemiethete Weiss'sche Haus
auf der Wilsdruffer Gasse. Alle diese Lokalitäten reichten
bei Weitem nicht mehr aus; zudem waren die Gewölbe
im Kanzleihause feucht und baufällig. Die Überweisung
des Lokals der Kammerkreditkasse im Schlosse, Avelche
ebenso wie die Kunstakademie in das 1789 — 1791 um-
gebaute vormals gräflich Brühl'sche Bibliotheksgebäude
übersiedelte, machte zwar die Räumung des bisher inne-
gehabten Privathauses möglich, half aber auf die Dauer
den Übelständen nicht ab.
•ö) Geh. Kab.-Iieski-. vom 26. Nov. 1796 ebenda fol. 83.
") Ebenda fol. 115. 214 »>.
'8) Ebenda fol. 69 flg.
'ö) Vergl. zum Folgenden K. V. Weber, Das Haviptstaatsarchiv
zu Dresden : Archiv f. d. Sachs. Gesell. II, 9 flg. und die oben N. 75
angeführten Akten.
Das alte Arcliivg'ebände. 25
Da regte der damalige Geheime x\rcliivai', der ener-
gische und thätige Hof- und Justizienrath Günther, die
Verwendung des Ballliauses zur Unterbringung des Ge-
heimen Archivs an. Zuerst geschah dies in einem Vor-
trage vom 9. Mai 1797**'). Allein der Hausmarschall
stand diesem Plane nicht sympathisch gegenüber; er
brachte vielmehr die alte Hofapotheke für die Zwecke
des Archivs in Vorschlag. So wurde einstweilen (1797)
das Ballhaus zur Aufbewahrung der Brennholzvorrätlie
für das Schloss eingerichtet'*'). Indessen sollte diese wenig
glänzende Phase der Geschichte des Hauses nur kurze
Zeit dauern. Denn es gelang der Energie Günthers
doch, nach einigen Jahren sein Ziel zu erreichen. Durch
Reskript des Geheimen Kabinetts vom 13. Februar 1802*"-)
wurde die Einrichtung des Ballhauses zum Geheimen Ar-
chiv angeordnet.
Der Oberlandbaumeister Hauptmann, dem der Umbau
übertragen wurde, hatte bereits am o. August 1801 ein
Gutachten über denselben eingereicht*-'). Er schlug vor,
zur Erzielung der nöthigen Feuersicherheit das Gebäude
in beiden Etagen mittels Autführung steinerner Schäfte
zu überwölben, das Erdgeschoss zur Sicherung gegen
l Jberschwemmungen zu erhöhen, die Wendeltreppe, welche
sich an der Südseite des Gebäudes dem Prinzenpalais
gegenüber in einem kleinen Thürmchen befand und nur
bis zur ersten Etage reichte, sowie das an dieselbe an-
stossende Wasserhäuschen abzutragen und letzteres am
Gebäude der Hofapotheke anzubringen, statt der ersteren
aber eine steinerne Treppe im Gebäude selbst zu bauen.
Günther betheiligte sich lebhaft an der ilusgestaltung
diese]" Pläne ; namentlich ging von ihm der Vorschlag aus,
die Expeditionsräume in die Westseite des Gebäudes
zu verlegen und nur die Seitengalerien in beiden Etagen
zu wölben, den Mittelraum aber nicht durch die Ein-
ziehung von Gewölben zu theilen; es erhöhte dies wesent-
lich das stattliche Aussehen des Innern, ohne doch all-
zuviel Haum wegzunehmen.
Durch iVusführung dieser Entwürfe, so bemerkte
Günther in einem Vortrage vom 9. Februar 1802, werde
^) Vergl. die angef. Akten fol. 95 '' flg.
^^) Vortrag des Hausmarschalls vom 15. Juni 1797 ebenda ful.
110 flg. Befehl des Geh. Kabin. vom 28. Juli 1757 ebenda fol. 124.
*2) Vergl. die angeführten Akten fol. 201.
88) Ebenda fol. 174.
26 Hubert Ermiscli:
nicht nur seiner äussern Lage, sondern auch seiner inneren
Einiiclitung- nach ein Archivgebäude zu Stande gebracht,
dergleichen es zur Zeit wenig geben möchte *^^).
Der Umbau maelite mehr Mühe und namentlich be-
deutend grössere Kosten, als man vermuthet hatte. Beim
Graben des Grundes zu den iinieren Mauern und Schäf-
ten fand man viel altes, aus verfallenen und verschütteten
Gewölben bestehendes Mauerwerk, das herausgehoben
werden musste; nach seiner Entfernung ergab sich,
dass man wegen des schlechten Baugrundes die Grund-
mauern viel tiefer herausmauern musste, als man an-
genommen hatte. Ferner musste man eine aus der ersten
in die zweite Etage des Schlosses führende, innerhalb
des Ballhauses gelegene Verbindungstreppe ^■'), welche
weder entbehrt noch verlegt werden konnte, theils abtra-
gen, theils absteifen und mit derselben zugleich die an-
stossenden Schlossgebäude durch eine Brandmauer vom
Archiv separieren. Endlich zeigte sich bei Durchbrechung
der nötigen Fenster und einer Thüre nach dem Bären-
garten, dass die Mauer nur aus einer hölzernen mit
Steinen verblendeten Wand bestand und für das Gewölbe
^ael zu schwach war; sie musste theilweise ganz neu auf-
geführt werden^''). Gleichwohl konnte Hauptmann schon
am 9. März 1804 melden, dass das Gebäude bis auf die
innere Einrichtung fertig sei. Die Kosten stellten sich
mit dieser letzteren auf etwa 40000 Thlr.^').
Immerhin konnte erst im Jahre 1808 der Umzug
beginnen. Über seine voraussichtliche Dauer spricht sich
Günther in einem Vortrage vom 27. März 1808^^) fol-
gendermassen aus: „Schon die blosse Handlangerarbeit,
das Fortschaffen von mehr als 12000 Urkunden und
6000 Aktenlokaten, wenn es mit gehöriger Vorsicht und
Ordnung geschehen soll, erfordert nicht einige Wochen^
oder Monate, sondern wohl Jahre, zumal da es hierbei
nicht bloss auf das Wegnehmen von einem und Hinlegen
an einen andern Ort, sondern zugleich auf eine ganz an-
^') Ebenda fol. 189''.
^■>) Dieselbe war wohl 1719 zur Verbindung der Gemächer des
Kurprinzen und der Kurprinzessin angelegt worden ; vergl. die Pläne
des Hofmiirschallamts I A. 1^. Id. 4. 5.
8«) Vortrag vom 21. Apr. 1803 in oben angef. Akten fol. 211.
«■') H.-St.-A. Log. 2447 Acta, die Überlassung und Einrichtung
des Ballhauses etc. Vol. II fol. 4.
«8) H.-St.-A. Loc. 6. Abschn. XVI Nr. 35 fol. 114.
Das alte Archivgebäiule, 27
(lere und bessere Einrichtung ankommt." Es sind dies
Worte, die wohl geeignet wären, uns Jüngeren, die etwa
40000 Urkunden und über 40000 Lokate Akten um-
räumen müssen, ein gelindes Grausen zu erregen; allein
wir hoflt'en doch in sehr viel kürzerer Zeit den Umzug
bewerkstelligen zu können. Noch im Jahre 1808 wurde
die Expedition in das umgebaute Haus verlegt. Die
weiteren Arbeiten hemmte der Kampf mit dem Ober-
Militär-Bau-x\mt um eine Steinmetzbude, welche für den
Bau der Hauptwache unweit der Fenster der Expedition
angelegt wurde; der Energie des streitbaren Archivvor-
standes gelang es, die Wegreissung dieser Bude im Ok-
tober 1809 zu bewirken ^^). Im Dezember 1809 war der
Umzug beendet''-').
So waren nunmehr die Räume, die in ihrem Äussern
freilich kaum noch den Glanz der Inventionen des 17.
und der kirchlichen Festlichkeiten des 18. Jahrhunderts
ahnen Hessen, den Doppelzwecken des Staatslebens und
der Wissenschaft gewidmet. Dass die letzteren bei Ein-
richtung des Gebäudes durchaus als Nebensache ange-
sehen wurden, daran erinnert noch heute der karg be-
messene und ungünstig vertheilte Raum für die Benutzer;
der prächtige Arbeitssaal im neuen Archivgebäude spricht
es mit deutlicher Sprache aus, wie w^esentliche Verände-
rmigen seit dem Umzüge von 1809 in den Ansichten
über Wesen und Zweck eines Archivs vorgegangen sind.
Und doch haben auch in den alten Räumen eine lange
Reihe wackerer Vertreter der Geschichtswissenschaft,
unter denen sich manche Grösse ersten Ranges beündet,
gesammelt und geforscht, namentlich seit der ebenso
kenntnisreiche als gefällige und liebenswürdige Karl von
Weber (1849) die Leitung des Archivs übernommen und
ihm den Ruf eines der am besten geordneten und am
liberalsten verwalteten Institute dieser Art verschatft hat.
Auch in anderer Hinsicht hat das Landesarchiv
Sachsens während der 80 Jahre, die es im ehemaligen
Ballhause zugebracht hat, gewaltige Änderungen erfahren.
Aus dem „Geheimen Archive", als w^elches es einzog,
wurde im Jahre 1834 bei der neuen Organisation der
Staatsverwaltung durch Hinzuziehung der Archive des
***) Der betr. Befehl an das Militär -Departement vom 21. Ükt,
1809 Loc. 2447 Vol. II fol. 34; vergl. fol. 26 flg.
^) Bericht Günthers vom 18. Dez. 1809 ebenda fol. 38.
28 Hubert Ermisch: Das alte Archivgebäude.
Geheimen Konsilium, des Geheimen Kabinetts, der Lan-
desregierung-, des Oberhofgerichts und mehrerer anderer
damals aufgehoben ei- Behörden das Hauptstaatsarchiv;
und dieses erweiterte sich, abgesehen von vielen kleine-
ren Vermehrungen, ganz ausserordentlich, als auch das
bisher gesondert verwaltete Finanzarchiv im Jahre 1873
mit ihm vereinigt wurde. Man kaini wohl behaupten,
dass seit dem Jahre 1809 der Bestand des Archivs sich
um das Siebenfache vermehrt habe. Natürlich reichte
das Gebäude am Taschenberg für diesen ZuA\aclis bei
weitem nicht aus; das Finanzarchiv behielt seine alten
überaus ungünstigen Räume in der Schössergasse; ein
Beiarchiv befand sich erst im Erdgeschoss des Königl.
Schlosses, später und bis jetzt in zwei Lokalen des
Kanzleihauses. Trotzdem sind schon seit langen Jahren
alle Räume in hohem Grade überfüllt.
Dies. .waren jedoch nicht die einzigen Gründe, die
für eine Änderung sprachen. Gerade in der ersten Hälfte
unseres Jahrhunderts gestaltete sich der Platz westlich
vom Schlosse durch die Entfernung der auf dem jetzigen
Theaterplatze stehenden Häusergruppen, durch die gross-
artigen Semper'schen Bauten, das Museum und das 1869
abgebrannte Hoftheater, und dui'ch die Errichtung der
Hauptwache so vollständig um, dass das alte unschein-
bare Archivgebäude in der neuen Umgebung immer un-
angenehmer auffiel. Schon in den fünfziger Jahren wurde
wiederholt geltend gemacht, dass seine Beseitigung so-
wohl aus ästhetischen als aus allgemein polizeilichen
Gründen so wünschensAverth wie nothwendig sei. Die be-
nachbarte Hofapotheke wurde 1858 abge1)roclien ; aber
das Hauptstaatsarchiv hat noch Jahrzehnte lang allen
Angriffen Trotz geboten, bis endlich im Jahre 1884 der
Umbau des ehemaligen Zeughauses an der Brühl'schen
Terrasse für die Zwecke des Archivs und der Museums-
verwaltung beschlossen wurde.
Dieser Umbau ist nahezu vollendet und in wenigen
Wochen werden die Räume, deren wechselvolle Schick-
sale wir behandelten, wiederum leer stehen, zum vierten
und wahrscheinlich zum letzten Male. Denn ihre Ge-
schichte ist wohl abgeschlossen. Bald wii'd nichts niehr
von ihnen vorhanden sein als die Erinnerung.
II.
Die Laieiibrüder oder Conversen
der beiden säclisischeii Cisterzienseriiinen-Klöster
Mariensteril und Marientlial.
Von
Herniauu Kiiothe.
Wie bei den meisten Mönchsorden, so gab es auch
bei den Cisterziensern eine Art Klosterbrüder zweiter
Klasse , die sogenannten Laienbrüder oder Conversen.
Auch sie hatten sich, wie die eigentlichen Mönche, von
der Welt mit ihrer Lust abgeAvendet und zum klöster-
lichen Leben bekehrt^) und mussten ein Probejahr be-
stehen, bevor sie in den Orden aufgenommen wurden.
Auch sie hatten hierbei allem persönlichen Eigenthume
zu entsagen und dem Abte Keuschheit und Gehorsam
bis zum Tode zu geloben. Sie trugen fast ganz dieselbe
Kleidung wie die eigentlichen Mönche, wurden ebenso
wie diese beköstigt, waren ursprünglich ebenfalls an das
Gebot des Schweigens gebunden, aber nicht geweiht; ja
sie durften sich sogar mit wissenschaftlicher Arbeit durch-
aus nicht beschäftigen, konnten auch niemals wirkliche
Mönche werden. Sie standen unter eiuem „Conversen-
1) Köhler, Cod. dipl. Lusat. sup. S 71: personas a seonlo fn-
gientes ad eouversionem lecipere.
30 Hermann Knothe:
oder Brüdermeister"-), einem Mönche, der sie zunächst
in der Klosterordnung zu unterrichten hatte und später-
liin ihr geistlicher Berather und Beichtvater war-').
Als solche Laienbrüder oder Conversen liessen sich
nun, zumal in den ersten Zeiten nach der Gründung des
Cisterzienserordens, sowohl Männer höherer Lebensstel-
lung, ritterlichen, ja fürstlichen Standes, als auch schlichte
Handwerker aus den Städten und Bauern vom Lande
aufnehmen. Während die ersteren, die dem Kloster in
der Regel einen Theil ihrer bisherigen Güter zugebracht
hatten, jetzt in demselben wesentlich nur verpflegt, der
guten Werke des Ordens theilhaft und endlich in der
geweihten Erde des Klosters bestattet wurden, also als
„Pfründner" eine Ausnahmestellung genossen^), benutzte
das Kloster die letzteren theils zu gewerblichen Arbeiten,
nämlich als Schuster, Schneider, Stellmacher, Bäcker,
Wollenweber, theils zu der Bewirthschaftung der Meier-
höfe, welche es auf den ihm gehörigen Dörfern entweder
bereits vorgefunden oder neu angelegt hatte.
So war es denn auch in dem Cisterzienserkloster
Altzelle. Häufig werden in den Urkunden desselben
die Conversen- oder Brüdermeister erwähnt. Für die
Laienbrüder gab es einen besonderen Hörsaal mit Ka-
pelle und Altar, in der Kirche ein eigenes Chor, für
welches 1334 eine besondere ewige Lampe gestiftet ward;
auch für die Bekleidung derselben mit neuen „Czeppelern"
und Böcken in bestimmten Fristen wurden Stiftungen
gemacht'"'). Die Wollen weber oder Tuchmacher hatten
zu ihrer Werkstätte ein besonderes Haus, auch eine
Walkmühle und standen unter einem besonderen „Weber-
meister"; die Schuster besassen eine besondere „Schuste-
rei", die Fleischer ihr Schlachthaus, die Büttner ihre
„Büttnerei" etc.*').
-) Beyer, Alt-Zello S. 56 unterscheidet irrthtimliclier Weise
zwischen den Conversen und den Laienbrüdern. Auch Tittniann,
Heinrich d. Erlauchte I, 291 täuscht sich, wenn er meint, dass „die
Bedeutung des Wortes fratres conversi namentlich auf das richter-
liche Geschäft eine Beziehung habe." Pescheck, Cölestiner des
Oyhins S. 33 erwähnt nur, dass es auch in diesem Kloster Laien-
brüder gegeben habe.
^) Nach Winter, Die Oistercienser des nordöstlichen Deutsch-
lands I, 100 flg.
-*) Beyer a. a. O. S. 59.
'•') Beyer S. 58. 590 (Nr. 303). 643 (Nr. 522).
") Ebenda S. 510. 563 (Nr. 187).
Die Laienbrüder oder Conversen etc. 31
Da die beiden oberlausitzisclien Cisterzienserinnen-
klöster Marienstern (gestiftet 1248) und Marientlial
(gestiftet kurz vor 1234) unter dem Abte von Altzelle
als ihrem „Visitator" standen, so wurden ihnen aus letz-
terem Kloster iiicht nur die zum Kirchendienst mient-
behrlichen Mönche, also der Propst und seine Kapläne,
sondern ebenso die zu den verschiedenen wirthschaftlichen
Zwecken nöthigen Laienbrüder zugesendet. Die letzteren
werden daher in den Urkimden mit gleichem Rechte bald
als Conversen von Zelle, bald als solche von Marienstern
bez. Marienthal bezeichnet. Es scheint uns nicht über-
flüssig, auch einmal der stillen und bescheidenen Wirk-
samkeit dieser Männer nachzugehen in einer Zeit, wo
überall auf dem platten Lande und zumal mitten in einer
durchaus wendischen Bevölkerung Gew^erbe wie Ackerbau
noch auf niedrigster Stufe standen, und wo selbst Frauen-
klöster immerhin zu Pflanzstätten deutscher Kultur und
Bildung wurden.
Wie es scheint, gab es auch in Marienstern imd
Marienthal Laienbrüder nicht blos von niederer, sondern
auch von höherer einstiger Lebensstellung. Wir vermögen
es zwar nicht zu erAveisen, halten es aber für sehr wahr-
scheinlich, dass einzelne Personen aus dem Adel der Um-
gegend, Avelcher ohnehin seine Töchter in diese Klöster
zu bringen, denselben reiche Schenkungen an liegenden
Gründen und Renten zu machen, vielfach auch seine der-
einstige Bestattung im Kloster anzuordnen pflegte^), ent-
weder (natürlich in Zelle) als Laienbrüder in den Orden
eintraten und sich später in ihre Heimathsgegend ver-
setzen, oder dass sie sich mittels Schenkung oder Ver-
mächtnis von Einkünften sofort in eins dieser Klöster als
„Pfründner" aufnehmen Hessen. Von Marienthal steht
es mindestens fest, dass es um 1329^) einen solchen
Pfründner hatte. Eine im Kloster von der Abbatissin
ausgestellte Urkunde aus diesem Jahre führt nach den
Namen der dasigen Laienbrüder unter den Zeugen auch
auf „Herrn Johannes unsern Pfründner" (dorn. Johannes
praebendarius noster). Dass es aber auch in Marienstern
Laienbrüder oder Conversen von höherem Bildungsgrade
gegeben habe, darauf weisen wenigstens folgende Bei-
■') Knothe, Marienstern 8.5.
**) Cod. Lns. S. 288.
32 Hermann Knotlie:
spiele deutlicli hin. Im Jahre 1301 wollte sich dieses
Klostei' mehrere in letzter Zeit gemachte neue Güter-
erwerbungen von dem damaligen Landesherrn, dem Mark-
grafen Otto von Brandenburg, bestätigen und sicli wo-
möglich diese Güter aus Lehn- in Eigengut verwandeln
lassen. Zu diesem Zwecke sendete es „den Conversus
Siefried von Cella" nach Spandau an das damalige Hof-
lager des Markgrafen. Der Abgesandte erledigte das
Geschäft in erwünschtester Weise und wird mm in der
darüber ausgestellten Urkunde (vom ^ö. Juli) neben zahl-
reichen ritterlichen Mannen, wenn auch an letzter Stelle,
als „der Sendbote für dieses Geschäft" (qui istius negotii
nuncius existebat) bezeichnet"). Es fällt uns scliwer, zu
glauben, dass dieser „Sendbote", welcher am Hofe des
Landesherrn mit diesem selbst und seinen Käthen in einer
weltliche Geschäftskenntnis voraussetzenden Angelegen-
heit zu verhandeln hatte, ein ehemaliger schlichter Hand-
werker oder Bauer solle gewesen sein. — Im Jahre 1290
mussten die Brüdei' Bernhard und Otto von Kamenz,
Söhne eines der Stifter von Marienstern, welche zuerst
ihre Güter bei Bernstadt dem Kloster verkauft, von
diesem die Kaufsumme erhalten, später aber sich gewalt-
sam wieder in den Besitz der Güter gesetzt hatten, zu
Bautzen vor dem Landvogt und dem Adel des Landes
auf die Reliquien schwören, dass sie nun keine Ansprüche
mehr erheben Avollten. Zu diesem feierlichen Rechtstage
hatte das Kloster und der Propst Bernhard von Meissen,
der Hauptstifter desselben und Onkel jener Brüder, ein-
mal den Pfarrer Heinrich zu Kamenz, Erzpriester des
„Stuhles" Kamenz, und ausserdem „die Brüder Hleinrich|
und Hleinrich], Conversen des Klosters Marienstern",
nach Bautzen abgeordnet, und „hi deren Hände" mussten
nun die Brüder von Kamenz jenen „körperlichen Eid ab-
legen", welchen die drei Abgeordneten des Klosters „im
Namen und anstatt des ehrwürdigen Propstes Bernhard
von Meissen und des Klosters" in Empfang nahmen
(recipere) '"). Sollte man zur Vertretung des Klosters
hierbei gerade diese Conversen ausersehen, sollte man
den beiden jungen, dem hohen Adel des Landes angehö-
") Archiv Marieustern Nr. 18. Vergl. Xnothe, Marienstern S. 41 .
'") Laus. Magazin 1870. S 58. Knothe, Gesch. des Eigenschen
Kreises S. 58.
Die Laienbrüder oder Conversen etc. 33
rigen „Herren" von Kamenz zugemuthet haben, ihren Eid
in die Hände dieser Laienbrüder zu leisten, wenn letztere
nur schlichte Handwerker, Schuster oder Weber gewesen
wären ?
In der Regel freilich werden die in den Urkunden
vorkommenden Conversen dieser beiden Fraueuklöster
ausdrücklich entweder als solche Handw^erker oder als
Verwalter der Klosterhöfe bezeichnet. Nur selten übri-
gens geschieht ihrer überhaupt Erwähnung, meist nur,
wenn im Kloster selbst oder in dessen unmittelbarer
Nähe vom Konvent eine Urkunde ausgestellt werden
sollte und andere Zeugen für dieselbe nicht zur Hand
waren. Als 1317^^) Wittego Herr von Kamenz auf seiner
Burg Kamenz zu Gunsten von Marienstern auf das Pa-
tronatsrecht über die Pfarrkirche in der Stadt Kamenz
verzichtete, waren als Vertreter des Klosters zugegen
„Bruder Dietrich von Cella und Bruder Johannes Meister
der Schuhmacher in Marienstern" (magister sutorum).
Ersterer war nicht Laienbruder, sondern Mönch. Li
einer Urkunde von 1319^-) über eine dem Kloster ge-
machte Schenkung werden als Zeugen aufgeführt „Theo-
dericus et Otto domiui de Cella, Johannes magister
sutorum, Johannes magister textorum, Albertus magister
pistorum, fratres et conversi claustri prefati." Die bei-
den erstgenannten werden durch das Prädikat „Herr" als
Priester gekennzeichnet. In den übrigen aber lernen wir
die Vorsteher der wichtigsten im Kloster selbst betrie-
benen Handwerke kennen. Freilich erfahren wir nicht,
ob ausser ihnen noch andere Laienbrüder, und wie viele
etwa, in der Werkstätte der Schuster, der Weber imd
in der Bäckerei beschäftigt waren. Eine andere Urkunde
von demselben Tage (21. Okt. 1319) und in derselben An-
gelegenheit^-^) nennt dieselben Zeugen: Johannes sutor,
Johannes textor. Allein wir sollten glauben, dass zur
Herstellung und Instandhaltung des gesamten Schuhwerks,
sowie zur Anfertigung der gesamten, die Ordenstracht
bildenden Wollenkleidung für- die Nonnen, die Geistlichen
und die Laienbrüder ein einziger „Bruder Schuster" und
„Bruder Weber" kaum werde ausgereicht haben. Wir
") Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, 7.
^-) Archiv Marienstern Nr. 203. Vgl Knothe, ilarienstern S.40.
13) Archiv Marienstern Xr. 202.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 1. 2. 3
34 Hermann Knothe:
wissen nicht, inwieweit die Tuclimacherwerkstatt im
Kloster zur Vervollkommnung der Tuchmaclierei auch in
der Umgegend beigetragen habe. Die Lehrzeit, welche
Tuchmacherlehrlinge im Kloster Altzelle durchgemacht
hatten, Avurde von den Handwerksmeistern im ganzen
Lande anerkannt^'). — Noch 1370 wird in einem vom
Konvent Marienstern ausgefertigten Innungsbriefe für die
Tuchmacher zu Bernstadt ^'') neben sonstigen Kloster-
beamten ein „Genczil Schzumeister", jedenfalls wohl ein
Laienbruder, als Zeuge aufgeführt.
Wie aus den bürgerlichen Kreisen der Handwerker,
so traten aber auch aus der bäuerlichen Bevölkerung des
platten Landes zahlreiche Personen als Laienbrüder in
die Klöster, und diese wurden nun vornehmlich zur Ver-
waltung der den letzteren gehörigen Meierhöfe verAvendet.
Sie führten die Bezeichnung „Hofmeister" (magister
curiae) oder „Hofverwalter" (provisor curiae), und
wohnten natürlich auf diesen Höfen, wälu^end die übrigen
Laienbrüder innerhalb der Umfassungsmauern des Klosters
wohnen mussten.
Dergleichen finden wir nun auch bei den Cisterzien-
serinnenklöstern Marienstern und Marienthal. Je länger
bei der wendischen Landbevölkerung die althergebrachte
Bestellung der Äcker mittels des zerbrechlichen hölzernen
Hakenpfluges fortbestand, welche eine tiefergehende Um-
wendung des Bodens unmöglich machte, daher auch nur
einen geringen Ertrag an Feldfrüchten gewährte, eine
Gewinnung von Neuland aber durch Urbarmachung von
bisher waldbedecktem oder steinigtem Lande völlig aus-
schloss, so dürfte der von den Deutschen überallhin mit-
gebrachte eiserne Pflug und die mit demselben verbun-
dene rationellere Betreibung der Landwirthschaft in der
That auch von diesen Frauenklöstern aus einen kultu-
rellen Einfluss auf die Umgebung geübt haben. — Unter
den oben in der zweiten Urkunde vom 2L Okt. 1319
als Zeugen aufgeführten „Brüdern und Conversen des
Klosters Marienstern" wird auch ein „Johann von Kukau"
genannt. Es war dies ohne allen Zweifel der Verwalter
des Meierhofes in dem dicht bei Marienstern gelegenen
") Beyer S. 58.
'^) Knothe, Gesch. des Tuchmacherhaudwerks in der Ober-
lausitz S. lOrS.
Die Laienbnifler oder Conversen etc. 35
Dorfe Kukau, welches bereits 1248 dem Kloster von
dessen Stiftern überwiesen worden war^^). Um die nö-
thigen i\.rbeitskräfte zur Bestellung dieses Vorwerks sich
zu sichern, hatte das Kloster das wendische Dorf nach
deutscher Weise umgestaltet, d. h. die nach altslavischer
Sitte hier und dort gelegenen Ackerparzellen der ein-
zelnen, bisher hörigen Dorfbewohner zusammengeworfen
und die so zusammengelegten Felder neu in Gärtner-
nahrungen aufgetheilt. Zu jeder derselben gehörte jetzt
ein geradliniger Streifen von Acker- und Wiesenland in
der Grösse von ^j^ */^ ^/4 Scheffeln. Dafür hatten die
neuen Inhaber, je nach der Grösse ihres Gartens, jähr-
lich 10 bis 16 Groschen Erbzins zu zahlen und jährlich
2 bis 4 Tage während der Ernte ganz umsonst Hand-
arbeit zu thun. Für alle sonstige Arbeit auf dem Kloster-
vorwerk, zu welcher sie allerdings ausdrückhch verpflichtet
waren, erhielten diese Gärtner nebst ilu-en Weibern eine
tägliche Mittagsmahlzeit im Kloster und je ein Pfund
Brot; ebenso durften sie sämtlich ihr Vieh, d. h. ihre
Kuh oder Ziege, mit auf die herrschaftliche Weide treiben,
die Bachränder abweiden. Streu und Brechholz einsam-
meln etc.^'). Man wird heutzutage vielleicht die Stellung
dieser Klosterunterthanen in Kukau nicht für beneidens-
werth erklären. Immerhin aber war dieselbe eine bei
weitem günstigere, als die der Gutsunterthanen auf an-
deren wendischen Dörfern, welche an ihren kleinen Güt-
chen keinerlei Eigenthumsrecht besassen, also von iliren
adligen Gutsherren einfach daraus vertrieben werden
konnten und letzteren jede Art von Arbeit sowohl auf
den Feldern mit ihrem eigenen Zugvieh, als auf dem
Hofe, ebenfalls umsonst, zu leisten hatten. Die Anlegung
jener Kolonie erblicher Gärtner in Kukau war daher in
damaliger Zeit ein entschiedener kultureller Fortschritt;
sie bedeutete die Freimachung der Dorfbewohner aus der
bisherigen altslavischen „Knechtschaft". — Die Verwal-
tung eines solchen Klostervorwerkes aber war stets einem
Laienbruder übertragen.
1*^) Preterea in eadem villa [Kucov] jara sepe dicta isdem con-
tulimus domiuabus allodium cum quatuor mansis liberis proprio sub
aratro excolendum. Laus. Magazin 1866 S. 384.
^'j Knothe, Die Stellung der Gutsunterthanen in der Ober-
lausitz etc. S. 37. Laus. Magazin 1885 S. 195.
36 Hermann Knothe:
Das Kloster Marien thal besass solcher Vorwerke
mehrere. Das wichtigste war das unmittelbar neben
den Klosterg-ebäuden selbst gelegene. Der Verwalter
desselben wird, weil an Ort und Stelle wohnhaft, in den
zu Marienthal selbst ausgestellten Urkunden verhältnis-
mässig am häufigsten erwähnt, 1329 (8. Okt.) werden
in einer solchen ^^) nach zwei durch das Prädikat „Herr"
als Priester gekennzeichneten Personen genannt: frater
Conradus provisor nostre curie, frater x\lbertus magister
molendini in Ostros. Unter ersterem haben wir den Ver-
walter jenes Vorwerks im Kloster selbst zu verstehen;
1334 heisst dieselbe Person niu' mit anderer Bezeichnung:
frater Conradus provisor dominarum, und 1311 war frater
Hermannus provisor dicti claustri gewesen'-'). 1334-'^)
werden aufgezählt: frater Conradus magister nostre cu-
rie, frater Joannes magister curie in Schlegel, frater
Joannes magister curie in Sift'ridisdorö', frater Nicolaus
magister molendini in Ostros. — Das Dorf Schlegel (süd-
westlich bei Marien thal) hatte das Kloster kurz vor 3 284
von zwei Brüdern von Opal erkauft und liess nun den bis-
herigen Herrenhof durch einen seiner Laienbrüder be-
wirthschaften. Wahrscheinlich erAvies sich dies mit der
Zeit als wenig vortheilhaft ; w'enigstens machte das
Kloster später aus den sämtlichen herrschaftlichen Ackern
daselbst drei bäuerliche Lehngüter, nämlich einen Lehn-
kretscham und zwei Lehnbauergüter'-'), die es nun ver-
kaufte und von denen es fortan gewisse xlbgaben bezog.
— Das Dorf (Ober-) Seifersdorf (N. von Zittau) war
1267 von dem Ritter Senibro von Temritz an das Kloster
verkauft worden--); auch hier also wurde der ehemalige
Herrenhof mit seinen Feldern von einem Laienbruder ver-
waltet. — ,.Mühlmeister-' in der ebenfalls dem Kloster
gehörigen Mühle zu Ostritz war, dem Obigen nach, 1329
„Bruder Albert", 1334 „Bruder Nicolaus". 1337;3) wer-
den ohne nähere Bezeichnung ihres speziellen Wirkungs-
kreises erwähnt : frater Conradus, frater Nicolaus et frater
■'->
1«) Cod. Lus. S. 288.
^») Ebenda S. 3C5. 202.
20) Ebenda S. 306.
-') Knothe, Gesch. von Burkersdorf u. Schlegel (1862), S. 61.
22) Cod. Lus. S. 91.
■-•') Ebenda S. 320.
Die Laienbrüder oder Conversen etc. 37
Felix, item frater Joliainies, iiostri monasterii provisores.
— Eine ebenfalls im Kloster ausgestellte Urkunde von
1369-^) nennt unter den Zeugen einen „Henczil Stencz,
Hofmeister im Kloster zu Syfirstorf" (d. h. Marienthal).
Da derselbe nicht als „Bruder" und nicht, wie sonst auch
bei den Conversen üblich, bloss mit seinem Vornamen,
sondern auch mit seinem Familiennamen bezeichnet wird,
so glauben wir, dass derselbe kein Laienbruder mehr,
sondern ein rein weltlicher Verwalter des Klostervor-
werkes in Marienthal gewesen sei.
■') V. Kyaw, Familien-Chronik S. 42.^.
ni.
Heiratlispläue
König Erichs XIV. von Schweden.
Von
L. Schwabe.
Im Jahre 1560 sassen auf den Thronen der vier
nordischen Königreiche England, Schottland, Dänemark
und Schweden vier junge Monarchen, sämtlich unvermählt:
in England und Schottland die beiden Königinnen Elisa-
beth und Maria Stuart, in Dänemark Friedrich IL und
in Schweden Erich XIV. Man kann sich denken, dass
diese seltene Konstellation den politischen Heirathsstiftern
der Zeit einen fruchtbaren Stoff zu den verschiedensten
Kombinationen geliefert haben muss. In der That ist
jede der unter diesen vier Personen denkbaren Verbin-
dungen ein Gegenstand ernsthaftester diplomatischer Er-
wägungen gewesen, und der Geschichtsschreiber jener
Zeit würde sich schwerlich der Aufgabe entziehen können,
jedem dieser Heirathspläne von sehien Anfängen über die
mancherlei Hindernisse hinweg bis zu seinem schliess-
lichen Scheitern nachzugehen. Denn — bezeichnend ge-
nug für die Persönlichkoiten wie für ihre Epoche — alle
diese Pläne, deren Ausführung durch die Verhältnisse so
geboten und zum Theil wenigstens so einfach erscheinen
musste, sind Pläne geblieben.
Unsere sächsische Politik ist unter den diesbezüg-
lichen Verhandlungen wohl nur durch das schwedisch-
englische Heirathsprojekt direkt und m einem wichtigen
L.Schwabe: Heiiaths])läne Erichs XIV. 39
Punkte berührt worden. Aber nicht nur aus diesem
Grunde oder der berühmten Persönlichkeiten wegen,
welche dabei in Fva^e kommen, verlohnt es sich der
Mühe, die AVerbungen König- Erichs XIV. an dieser
Stelle in allen ihren Einzelheiten darzustellen: ihre Ge-
schichte gewährt auch an sich selbst ein eigenthümliches
und spannendes Interesse. Dieses letztere beruht, um es
schon hier kurz zu bezeichnen, im wesentlichen darin,
dass König Erich zu derselben Zeit, als er ziemlich stür-
misch um die Hand der jungfräulichen Königin warb,
auch an einer anderen Stelle, beim Landgrafen Philipp
dem Grossmüthigen von Hessen, um dessen Tochter
Christine anhielt, ein doppeltes Spiel, welches er volle
zwei Jahre hindurch fortgesetzt hat und welches um so
bedenklicher erscheinen muss, als er die hessische Heii-ath
unter Zustimmung des Landgrafen von vorneherein als
eine abgemachte Sache behandelte, während er doch nie
aufhörte, der englischen Fürstin die Ausschliesslichkeit
seiner Neigung nur für sie zu betheuern. Kurfürst
August von Sachsen, der unermüdlichste und vielleicht
umsichtigste politische Beobachter seiner Zeit, dem die
schwedische Verbindung mit Hessen gründlich entgegen
war, verfolgte den Gang dieser Dinge mit gespannter
Aufmerksamkeit, nährte geflissentlich in Hessen ein be-
rechtigtes Misstrauen und, als ihm schliesslich ein eigener
Zufall die Beweise der schwedischen Doppelwerbung in
die Hände spielte, war er es, der im wesentlichen eine
Lösung der schwedisch-hessischen Verbindung herbeiführte
oder Avenigstens vermittelte. Wir erzählen im Folgenden
diese Heii-athsgeschichte mit stetig vorwiegender Berück-
sichtigung der sächsischen und hessischen Begebenheiten^).
*) Die wichtigsten Unterlagen für das im Folgenden Berichtete
enthalten die Archivalien des Dresdner Hauptstaatsarchivs, nament-
lich ein Konvolut „Henndel und brieve konig Erichen zu Schweden
belangend" Loc. 10426 (im Folgenden zitiert „Händel K. Erichs"),
sowie das 6. und 7. der sogen. „Dänischen Bücher" (im Folgenden
zitiert „D. B. VI und VII"). Gedruckt ist von alledem nur, soweit
mir bekannt, der sogen. Buhlenbrief König Erichs an Elisabeth vom
17. Okt. 1563 in Ledderhose, Kleine Schriften 1789, III, 216 f.,
Landgraf Philipps Antwort an den schwedischen Sekretär Chr.
Schieffer vom 25. April 1563 im Göttingischen Historischen Magazin
1788, III, 703 — 716 und die Definitiv-Antwort des Landgrafen an
die schwedischen Gesandten vom 18. Febr. 1564, ibid., 716 — 740. Die
relativ korrekteste Darstellung besonders der hessischen Verhand-
lungen giebt Rommel, Geschichte von Hessen III, 2, 452—456.
40 . L- Schwabe:
König Erich liatte im September die scln\edisclie
Ki'one aus der Hand Gustav AVasas empfaugeu. Er
durfte damals für einen der gliickliclisten Monarchen
seines Zeitalters gelten; denn sein Vater hatte ihm einen
grossen und reinen Namen hinterlassen, er gebot über
ein in Glauben und politischer Gesinnung geeinigtes Volk,
die Ver^^•altung des Staats und der Stand der schwedi-
schen Finanzen bildeten einen Gegenstand neidischer Be-
wunderung unter seinen Nachbarn. Dazu war der junge
König mit persönlichen Vorzügen verschwenderisch be-
gabt. Aber leider standen diese geistigen Kräfte, wie
man weiss, in keinem geordneten und haimonischen Ver-
hältnis. In dem Vielerlei phantastischer Entwürfe und
sich kreuzender Berechnungen verflüchtigte sich Erich dem
XIV. die eine politische Idee, welche seinem Handeln
die Richtung und ihm selbst die königliche Haltung hätte
geben können. Es ist bekannt, wie die Ziel- und Zucht-
losigkeit seines Geistes ihn zuletzt mit grausamer Kon-
sequenz dem Wahnsinn in die Arme geführt hat.
Unter den vielfachen Plänen Erichs nun spielt seine
Werbung um Elisabeth eine bedeutende und traurige
Rolle. Er hatte sie schon zu Lebzeiten seines Vaters
begonnen, als auch Elisabeth noch von ihrer Schwester,
der blutigen Maria, hinter den Wänden des Tower fest-
gehalten Avurde; als sie beide die ererl)ten Thi'öne be-
stiegen, verfolgte er seinen Plan mit verdoj)pelter Energie.
Gewiss mögen ihn auch Erwägungen politischer Natur,
welche eine Verbindung mit dem protestantischen Nach-
barstaat zumal in Hinblick auf die antidänischen Tendenzen
der schwedischen Politik als recht erwünscht erscheinen
lassen mussten, zu diesem Heirathsprojekt hingezogen
haben : im letzten Grunde war es doch eine Laune seiner
romantischen Einbildungskraft. So sind denn auch seine
Beiläufig- berichtet über die Sache K. v. Weber im Archiv f. d.
Sachs. (Teschichte II (18ß4\ 270 f. [Yergl. auch v. Weber. Aus
vier JiihrJiunderteii, Neue Folge I, 28.) Divs in den „Dänischen
Büchern" Enthaltene referiert (iust. Droy.sen in v. Webers Archiv
11(186-1), 345 flg. und V (18Ö7), 1 flg., weder vollständig noch richtig.
Neue Aufschlüsse gewähicn auch in dieser Sache die Calendars of
State papers. Foreign series of the reign of Elizabeth, 1.559— 15ß4.
Im _ allgemeinen sind zu vergleichen die bekannten Werke von
Geijer, Geschichte Schwedens, Kanke, Engl. Geschichte im 16.
u. 17. Jahrb., Fronde, History of England from the fall of Wolsey
to the death of Elizabeth, Bd. 7 u. 8.
Heirathspläno Erichs XIV. • 41
vielen Briefe an Elisabeth von einem überscliwengiichen
Liebespatlios erfüllt, welclu^s sich mit den trockenen Wen-
dungen einer recht nüchternen politischen Berechnung
fast erg()tzlich verniischt. Die Werlmngen sollten mit
möglichstem Pomp in Szene ^-esetzt Averden; seine Ge-
sandten und namentlich sein Bruder Johaim von Finnland
streuten zu London mit vollen Händen die reichen Schätze
aus, Avelche Gustav Wasa in einer langen Regierung ge-
sammelt. Alles sollte einen fabelhaften und grossartigen
Anstrich haben. Wolle sie nicht im guten kommen, Hess
sich Erich vernehmen, so sei er auch zu einer gewalt-
samen Entführung entschlossen. Den Grafen Leicester,
gegen den er eine wohl berechtigte Eifersucht nährte,
forderte er feierlich zum Zweikampf heraus"). Zweimal
rüstete er sich selbst mit ungeheurem Aufwand und nach
feierlichem Abschied von seinen Ständen zur Reise nach
England. Vielleicht hat es ihm eine schwere Enttäu-
schung erspart, dass ihn das eine Mal der Tod seines
Vaters, das andre Mal ungünstige Witterung von der
Fahrt zurückgehalten haben. Denn Elisabeth war aus
vielen Gründen wenig geneigt, sich durch die roman-
tischen Manieren dieses königlichen Liebhabers überriun-
peln zu lassen. So lange sie noch Prinzessin Avar, ver-
schanzte sie sich, hinter den Willen ihrer Schwester.
Selbst Königin, begehrte sie ihren Freier erst von An-
gesicht zu sehen. tJnd als diese Eventualität in gefähr-
liche Nähe trat, beeilte sie sich zu versichern, dass doch
auch die Freundschaft ein erhabenes Gefühl sei, mit dem
sich Erich begnügen möge. Es scheint, dass Erich
schliesslich selbst an der Wahrscheinlichkeit eines Er-
folgs verzweifelte. Ohne die Werbungen um Elisabeth
aufzugeben, fing er doch nach seinem zweiten Versuch
nach England zu reisen (1561) an, sich auch anderswo
umzusehen.
Uns interessieren hier nur die Werbmigen um die
hessische Prinzessin, die einzigen, welche zugleich zu
einer Art von Abschluss gelangten. Hier wurden Erichs
Massnahmen sicherlich nui' durch politische Erwägungen
bestimmt: ich zweifle, dass irgend ein Brief Erichs an
die Prinzessin Christine, die ilun doch förmlich verlobt
geAvesen, noch vorhanden oder überhaupt je geschrieben
worden ist. Dagegen mit wie viel liebewerbenden Billets
-) Greijer, Gesch. Schwedens 11, 160, Note 1.
42 L- Sfliwalte:
liat er Elisabeth bestürmt ! Die politischen ßeweggrüude
Erichs liegen auf dei' Hand : der däniscli - schwedische
Konflikt, welcher mit dem Jahre 1562 in immer nähere
Aussicht trat, musste ihm die Nothwendigkeit nahe
legen, gegen den starken liücklialt, welchen König Fried-
rich durch seine Freundschaft und Öchwägerschaft mit
Kurfürst August unter den deutschen protestantischen
Reichsständen besass, ein Gegengewicht zu suchen. Er
fasste den Plan, sich in ähnlicher Weise dem Landgrafen
von Hessen zu verbinden. Zuerst im Juli 1562 finden
wir seinen Sekretär Claudius Collart in Kassel, um für
seinen Herrn bei Philipp um die Hand der 19jälirigen
Prinzessin Christine anzuhalten-^). Philii)p hatte einen
hohen Begriff von dem Werth, welchen eine Verbindung
mit diesem königlichen BeAverber haben müsse; er gab
eine zusagende Antwort und vertraute dem schwedischen
Sekretär eine „Contrafactur" seiner Tochter an. Bis zum
Oktober hörte er nichts w^eiter über die Sliche; da er-
schien eine schwedische Gesandtschaft, bestehend aus
demselben Claudius Collart, dem Freiherrn Georg Geraw
und dem Sekretär Christoph Schieffer, mit der Vollmacht,
endgültig abzuschliessen^). Die Heirathsurkunde wurde
aufgesetzt und unterfertigt, mit der Bestimmung, dass
sich König Erich bis Weihnachten über die Art der Ab-
holung und Heimführung der Prinzessin erklären solle.
Nunmehr konnte die Sache für abgemacht gelten; sie
wurde in der Öffentlichkeit bekannt und von den poli-
tischen Parteien in ihren Kombinationen verrechnet. Um
so autfälliger und peinlicher musste es für Philipp sein,
dass noch 6 Wochen nach dem ausgemachten Termine
die verabredete Erklärung Erichs nicht eingetrotfen war!
Aufs höchste beunruhigt schickte er endlich am 8. Febr.
einen eilenden Boten nach Stockholm, um nach dem
Grund dieser Verzögerung zu fragen und eine endliche
Erklärung einzuholen'). Der Bote war schon abgegangen,
als die Nachricht nach Kassel gelangte, dass allerdings eine
schwedische Gesandtschaft unterwegs gewesen, aber in
Dänemark aufgehalten und festgenommen worden sei.
Dies konnte Philipp — w'enn sclion die Gesandtschaft
viel zu spät von Stockholm abgegangen sein musste —
3) Gott. Hist. Ma£?azin III, 703.
•») Ibid. 704.
f^) Ibid. 717.
Heirathspläiio Erichs XIV. 43
wenigstens vorläufig- über den Ernst der schwedischen
Absichten beruhigen; er beeilte sich zunächst, an Däne-
mark um Befreiung der Gesandten zu schreiben und dann
an Scliweden, wo er nachsuchte, ihm die Aufträge der
gefangenen Bevollmächtigten durch andere Personen über-
bringen zu lassen. Von Dänemark lief die Antwort schon
Ende April ein*'). König Friedrich erklärte, die Ge-
sandten seien nicht, um die Heirathsverhandlungen, denen
er vielmelu' den besten Fortgang wünsche, zu unter-
brechen, sondern des ungebührlichen Verhaltens des Frei-
herrn Sten Erikson, des Führers der Gesandtschaft,
halber festgehalten worden; dieser sei in Kopenhagen
mit den Tlionvachen in Konflikt gerathen, habe bei dieser
Gelegenheit die Walle gezückt und alle dänischen Na-
mens beschimpft ; man sei in Dänemark nicht in der Lage,
Erikson und seine Genossen freizugeben. Erich hingegen
schrieb'), dass die Aufträge der Gesandten nunmehr an
Christoph Schieffer übertragen seien, der sich schon auf
dem Wege nach Kassel befinde. Zugleich aber fügte er
hinzu, dass die Heimfahrt spätestens bis Pfingsten statt-
zufinden habe — wo dies nicht geschehe, müsse er, ge-
zwungen durch seine gegenwärtige Lage, das Beilager
bis auf den Herbst verschieben. Dieser Brief war am
9. März in Stockholm abgegangen — man muss gestehen,
dass für die Ausführung von Erichs Wunsch eine sehr
kurze Zeit gelassen Avar! Und diese Eile musste um so
wunderlicher erscheinen, als der zurückkehrende hessische
Gesandte berichten konnte, dass er den Christoph Schieffer
ganz behaglich in Lübeck angetroffen habe, woselbst sich
derselbe auch noch weitere drei Wochen aufgehalten
haben muss*). Der Landgraf scheint diese unerhörte
Verzögerung einzig auf Rechnung des nachlässigen Sekre-
tärs gesetzt zu haben; denn am 6, April schrieb er an
ihn und mahnte ihn zur Eile, nachdem er schon am Tage
vorher im besten Glauben an Erichs ernste i^bsichten
durch Andreas Schütz und einen andern Diener die Mit-
theilung nach Stockholm hatte abgehen lassen, dass er
seine Tochter am 3. Mai von Kassel abreisen und am 20.
in Rostock eintreffen lassen werde '^). Sämtliche Vorbe-
«) Ibid. 717. — D. B. VI, 140, 142, 138, 225.
') D. B. VI, 307, 308. Veigl. Gott. Hist, Mag. 717 f.
8) Gott. Hist. Mag. 718 f.
■') Ibid. 719.
44 L- Schwabe:
loitiing-e]! zu dieser Reise wurden mit fürstlichem Auf-
\\aiid getroÖeu, die Begleiter der rriuzessin bestimmt,
unter ihnen als vornehmster der junge Landgraf Wil-
helm^"). Der Termin der Abreise stand kaum noch eine
Woche aus, als endlich am 28. April der längst erwartete
Schieffer mit der Instruktion der in Kopenhagen festge-
haltenen schwedischen Käthe eintraf. Da muss allerdings
das Erstaunen des alten Landgrafen gross gewesen sein,
als er jetzt erfuhr, dass die Heirath, welche er für fertig
bis zur Einsegnung hielt, nach Erichs Auffassung noch
im weiten Felde lag. Schon der Form nach erschien es
ihm höchst bedenklich, dass in Schieffers Instiaiktion
Christine nicht mit der für solche Fälle üblichen Bezeich-
nung als Vertraute des Königs benannt wurde; weiter
war an den Mitgifts- und Witthumsbestimmungen der
früheren Heirathsnotel von demselben Erich, dessen un-
ermessener Reichthum so prahlerisch aller Welt verkündet
wurde, in wahrhaft kleinlicher Weise gemäkelt worden;
um die Heirath als eine wesentlich politische Verbindung,
von der der Schwede vor allem einen reellen Machtzu-
Avaclis zu erwarten habe, zu charakterisieren, wurde die
Ehescliliessung von einer vorausgehenden hessisch-schwe-
dischen Konföderation abhängig gemacht. Das stärkste
Stück war aber doch, dass Erich Christinen ruhig nach
Schweden kommen lassen, daselbst besichtigen und sich
alsdann das Recht gewahrt wissen wollte, sie nach seinem
Gefallen dazubehalten oder wieder zurückzuschicken").
Man wundert sich, dass Philipp auf diese wahrhaft be-
leidigende Zumuthung hin die Verhandlungen nicht ein-
fach abgebrochen hat. Wenigstens schob er nun die Ab-
reise auf. Er liess sich in seiner Antwort an Schieffer
hören, dass Erichs Verlangen unziemlich und unter deut-
schen Fürsten nicht der Brauch sei. Hinsichtlich der
Mitgift erklärte er sich zu einer Erhöhung der ursprüng-
lich festgesetzten Summe um 5000 Gulden bereit; dagegen
sei er nicht imstande, auf die schwedischen Vorschläge
betreffs des Witthums einzugehen. Ein Defensivbündnis
mit Schweden zu schliessen, sei er nicht abgeneigt, doch
müssten die Verhandlungen hierüber ganz unabhängig
von den Heirathsverhandlungen geführt werden: er wolle
10) liommel III, 2, 453.
1^) Vergl. die an Schieffer gegebene Antwort, Gott. Hist. Mag.
m, 703-716.
Heirathspläni^ Erichs XIV. 45
bis Bartholomäi einer Erklärung Erichs entgegensehen,
ob er einen Tag zu Rostock, Wismar oder Hamburg an-
setzen werde, um über diese politischen Dinge zu ver-
handeln. AVas das Fräulein angehe, so möge doch Erich,
um sich ein gelroftenes Bildnis zu verschatten, einen ge-
schworenen Maler schicken, sie auch noch einmal durch
seine geheimen und vertrauten Käthe besichtigen lassen.
In der That ein weitgehendes Entgegenkommen, welches
beweist, dass Philipp damals noch an der Holfiiung
auf die schwedische Heirath mit Bestimmtheit festge-
halten hat.
Uns freilich, die wir aus den englischen Publikationen
einen Einblick in Erichs Verhandlungen mit England
haben, möchte dieses Vertrauen geradezu kurzsichtig er-
scheinen. Wie wir schon erwähnten, hatte Erich trotz
seiner anderweitigen Werbungen (er hatte auch in Loth-
ringen Verhandlungen angeknüpft) die Beziehungen zu
England nicht vollständig gelöst. Und Elisabeth sorgte
nach ihrer Art dafür, dass der schwedische König nicht
alle Hoffnung verlor '"-). Ob letzterer nun diese Koketterie
nur mit gleicher Münze zurückgeben wollte, oder ob er
wirklich wieder bestimmtere Hoffnungen gefasst — ge-
nug, zu derselben Zeit, als seine Gesandten in Kassel
endgültig abschlössen, Hess er ein Schreiben nach Lon-
don abgehen, in dem er aufs neue der Engländerin sein
Glück, sein JReich und sein Leben zu Füssen legte ^■^).
Dieser Schritt muss der damaligen Diplomatie Geheimnis
geblieben sein, sonst hätte das spätere Schreiben Erichs,
welches er ein Jahr darauf an Elisabeth richtete und
welches ähnlichen Inhalts war, bei seinem Bekanntwerden
keine so überraschende Wirkung erzielen können.
Unterdessen \vurden alle Schritte, die der Schwede
that, von zwei wachsamen Beobachtern misstrauisch ver-
folgt: in Dänemark in unmittelbarer Nähe seines Geg-
ners von König Friedrich II., auf Hessen hatte Fried-
richs Bundesgenosse August von Sachsen seüie Blicke
geheftet. Ihm war die schw^edische Verbindung mit
Hessen ein Dorn im Auge. Gerade damals lebte er
unter dem beständigen Drucke, welchen die Unruhe vor
den Grumbachischen Umtrieben ihm auferlegte, und mit
sicherem Instinkte fühlte er, den von allen Seiten das
12) Calendar of State papers. For. series. 1562, 437, 5 u. a. m.
") Schreiben vom 31. Okt., ibid. 948.
46 L. Schwalto:
Schreckbild uulieinilicher Allianzen quälte, dass der Gang
der Ereignisse im Falle eines grossen Kontlikts seine
ernestinischen Vettern der schwedischen Partei entgegen-
führen werde, wenn beide nicht vielleicht jetzt schon in
geheimer Verbindung standen. Sollte nun Hessen in den
Verein seiner Gegner treten als ein neues Glied, welches
das Vordringen jener wenn nicht unterstützen, so doch
gewiss auch nicht zurückzuhalten helfen würde? Mit
der unermüdlichen Umsicht und der geräuschlosen Rück-
sichtslosigkeit, die ihn charakterisieren, machte er sich
ans Werk, die ihm verhasste Verbindung zu lockern und
endlich zu lösen. Die erste Kunde von dem Heiraths-
plan erhielt er, als er sich zufällig im Oktober 1562 nach
dem Frankfurter Wahltage gerade zu der Zeit in Mar-
burg aufhielt, als sich auch die schwedischen Gesandten
daselbst befanden. Er sah damals die Heirath für so
gut wie geschlossen an und meldete das Ereignis in dem
Sinne noch von Marburg aus dem dänischen König ^*);
auch dieser hatte schon Nachricht davon erhalten, und
obschon er sich den Anschein gab, als gönne er diese
Verbindung seinem Vetter Erich von Herzen, werden wir
doch nicht allzuweit fehlgehen, wenn wir das Gegentheil
für das Wahrscheinlichere halten. Wenigstens hätte
Friedrich alsdann die schwedischen Gesandten, welche
im Anfang des Jahres 1563 dieselbe Instruktion über-
brachten, die später Schleifer anvertraut wurde, nicht
festhalten dürfen. August war der erste, dem von der
Gefangennahme dieser Käthe Mittheilung gemacht wurde ;
längst, ehe Mahnung von Hessen aus, für die Freilassung
der .schwedischen Gesandten in Dänemark einzutreten,
an August gelangte, war er von allen Einzelheiten dieser
Gefangennahme genau unterrichtet^')- Es ist nun in der
That bezeichnend für seine berechnende Vorsicht, dass
er in seiner Antwort an Hessen diese seine Kenntnis des
Thatbestandes vollständig und mit Absicht ignoriert : da-
mit ja nicht der in Wirklichkeit berechtigte Verdacht
aufsteigen könne, als suche er der hessisch-schwedischen
Verbindung entgegenzuarbeiten, verbirgt er sein Einver-
ständnis mit Dänemark. Ob die Festnahme der schwe-
dischen Räthe, schrieb er an Philipp, mit Hecht oder
Unrecht geschehen sei, könne er von der Ferne nicht
") D. B. VI, 50.
''') Tbid. 04.
Heirathsplänn Erichs XIV. 47
beurtheilen; doch wenn sie sein Schwager von Dänemark
gefangen gesetzt hätte, so würde er wohl seinen Grund
dazu gehabt haben. Gleichwohl versprach er, bei Däne-
mark für Freilassung der schwedischen Gesandten Für-
bitte einzulegen und führte dies auch aus^*^). Dieses
Verhalten entsprach durchaus den politischen Intentionen
Augusts, welchem in seiner unerschütterlichen Friedens-
liebe — wie viel ihm auch an einer Schwächung der
schwedischen Partei gelegen sein mochte — zugleich und
noch mehr am Herzen lag, jeden kriegerischen Zusam-
menstoss soweit nur irgend möglich zu verhüten. Und
er hatte nicht unrecht, wenn er in der brüsken Behand-
lung der schwedischen Räthe ein Vorspiel zu dem künf-
tigen blutigen Konflikt erblickte. Schweden hat später
ausdrücklich und wiederholt erklärt, dass die Verletzung
der durch das Völkerrecht geschützten Gesandten eine
wesentliche Veranlassung zu dem bald darauf entbrannten
Kriege gegeben hätte, während sich Dänemai'k, natürlich
unter der sich fortwährend steigernden Erbitterung gegen
Schweden, erst recht nicht veranlasst sah, die einmal In-
haftierten ihres Gewahrsams zu entledigen, zum sichern
Zeichen, dass auch von seiner Seite der Krieg gewünscht
werde. Was halfen alle Interpositionen unseres deutschen
Friedensfürsten! In den beiden jungen Monarchen lebte
der Wille zum Krieg, und Landgraf Philipp hatte guten
Grund, wenn er klagte, sie seien beide noch junge Herren
und hitzigen Geblüts, seien auch nicht schlechte Könige
und möchte einer den andern „understeen zu uberdoplen".
August hat diese Sachlage schliesslich mit schwerem
Herzen einsehen müssen. Wenn er auch an den Vermit-
telungs versuchen, welche während der ganzen Dauer des
dänisch-schwedischen Krieges von deutscher Seite aus in
Szene gesetzt wurden, seinerseits redlich theilnahm, so
erkannte er doch allmählich ihre Erfolglosigkeit, lioifte
im Stillen auf einen entscheidenden kriegerischen Erfolg
Dänemarks und war von Deutschland aus geschäftig,
einen solchen herbeizuführen. Es war begreiflich, dass
er dabei in erster Linie sein Augenmerk auf eine Lösung
der schwedisch-hessischen Beziehungen richtete.
Eine bestimmte Holfnung, diese herbeizuführen, er-
wuchs ihm zuerst im Mai 1563. Freundschaftlich, wie
er trotz alledem mit Hessen stand, hatte er dem jungen
16
') Ihiil. 91, 95, 98, 102, 132, 138.
48 L. Seliwabe:
Landgrafen auf dessen Bitte zu seiner Heise nach Rostock
Pferde zugescliickt. Diese schickte ihm — es Avar in-
dessen Schietter in Kassel gewesen — Wilhehn mit dem
Bemerken zurück, dass die Reise aufgeschoben werden
müsse ^'). Bahl darauf lief eüi zweites eigenhändiges
Schreiben des jungen Landgrafen ein^^), nach welchem
er zunächst den Aufschub auf die drohenden Kriegsläufte
und die damit verbundene Gefahr zu reisen schob, aber
schliesslich hinzufügte, dass die ganze Heirathsangelegen-
heit noch im Ungewissen schwebe und sich überhaupt,
wenn nicht gewisse Artikel verglichen würden, noch zer-
schlagen könnte. Diese Andeutungen mussten Augusts
höchstes Interesse und zugleich den Wunsch, das Nähere
über die Angelegenheit zu erkunden, wachrufen. Er
entschloss sich deshalb, den vielgewandten Hans Jenitz
nach Kassel zu senden, nach der offiziellen Listruktion,
um über die Modalitäten eines Literpositionsversuchs
zwischen den feindlichen Königen zu verhandeln, im Ge-
heimen aber gewiss mit der Weisung, nach den Ursachen
der Verstimmung mit Schweden zu forscheu. Er kam
am 21. Mai nach Kassel und traf dort — der alte Land-
graf war auf der Hochzeit seines Sohnes Ludwig — zu-
nächst nur Wilhelm an. Dieser kam aou selbst auf die
Heiiathsaugelegenheit zu sprechen und bemerkte, dass
sie noch im weiten Felde stehe. Er führte die Ditferenz
über die Konföderation, das Witthum, die Mitgift an; die
demüthigende Zunmthung, dass seine Schwester, im Falle
sie das xUisfallen ihres königlichen Freiers erregen würde,
Avieder zurückgeschickt werden solle, behielt er für sich.
Als aber der alte Landgraf zurückkam, gelang es dem
unermüdlichen Jenitz, nachdem der Landgraf „oftmals
doch dunkel-' der wegen der Heirath vorgefallenen Hin-
dernisse gedacht, nach vielem Drängen und xlnhalten
eine vollständige xlbschrift der an Schieft'er gegebenen
Antwort zu erhalten; ja, als der Landgraf bemerkte, dass
sie Jenitz etwas lange bei sich behielt und otfenbar Aus-
züge daraus machte, gestattete er ihm sogar, eine voll-
ständige Kopie an August mitzunehmen. Nun allerdings
konnte dieser das schwedische Verhalten in seiner ganzen
Bedenklichkeit erkennen, und der Landgraf scheint ge-
fühlt zu haben, dass er dem Kurfürsten damit eine Waife in
1^) Ibid. 145.
'-*) vom n. :\rai. l). B. \1, U'3. Vergl. v. Webers Archiv TI, 295.
Heirathspläne Erichs XIV. 49
die Hände gespielt hatte ; wenigstens sprach er gegen Jenitz
die Bitte aus, die Abschrift dem Dänen nicht ihm zum
ünglimpf mitzutlieilen. In Dresden fasste man die un-
erhörte Zumuthung, die Erich an Hessen gestellt, in aller
ihrer Schärfe auf und Jenitz schrieb noch von Kassel
aus an seinen Herrn: man sehe aus der Antwort an
Schiefer, dass König Erich die Prinzessin erst sehen und,
wenn sie ihm nicht gefiele, einen Absprung thun wollte;
es sei aber unter deutschen Fürsten nicht Herkommens,
dass man einem „die fräleins also fürziehe". Jetzt durfte
in August die Hoffnung aufsteigen, Hessen und Schweden
nicht nur einander zu entfremden, sondern auch sie mit
einander zu entzweien ^^).
Noch einmal kam in dieser Entwickelung ein Rück-
schlag, als neue Briefe von Schweden in Kassel eintrafen,
welche den Glauben des Landgrafen an die schwedischen
Absichten einigermassen aufzurichten imstande waren.
Zunächst ein Schreiben Erichs vom 2. April, in welchem
er die früher gestellte Bedingung, dass die Ankunft der
Prinzessin in Stockholm bis spätestens Pfingsten stattzu-
finden habe, aufhob und Christine auch im Mai oder Juni
zu empfangen sich bereit erklärte-*^). Dann aber vor
allem der Bericht des Andreas Schütz und seines Be-
gleiters, die Philipp vor dem Eintreffen Schiefters mit
der Mittheilung nach Schweden geschickt hatte, dass das
Fräulein am 3. Mai aufbrechen und am 20. in Rostock
eintreffen solle-'). Nach Andreas Schütz hatte König
Erich diese Nachricht mit Freuden aufgenommen und sich
sofort in Bereitschaft gesetzt, die feierliche Abholung der
Prinzessin zu bewirken. In Person kümmerte er sich um
die Ausrüstung der Fahrzeuge und liess ein stattliches
Schiff ausrüsten, den „Schwan", mit Tapeten und Bett-
werk, welches zum Empfang der fürstlichen Gäste be-
stimmt war. Da er aber (so immer der Bericht Schützens)
von den hessischen Boten selbst und auch von anderer
Seite gehört hatte, dass man in Dänemark gegen ihn
rüste, glaubte er gleichfalls sich vorsehen zu müssen und
gab dem „Schwan" 19 Kriegsschiffe zur Bedeckung mit.
Auf dem Admiralschiff' „Elefant" liess er die Seeoffiziere
19) D. B. VI, 151, 158. 162. Vergl. Droysen in v. Webers
Archiv II, 397 flg.
20) D. B. VI, 308.
-') Ibid. 262.
Neues Archiv f. S. G. h. A. IX. 1. 2. 4
50 L. Schwabe:
unter Beisein der hessischen Gesandten zusammenkommen,
theilte ihnen ihre Aufgabe mit und schärfte ihnen ein,
sich durchaus friedlich zu verhalten — höchstens wenn
sie angegTiifen würden, möchten sie zur Gegenwehr
greifen. So segelte dann die Flottille, die hessischen
Gesandten an Bord, mit gutem Winde ab. x^ls sie aber
auf die Höhe von Bornholm kamen, gewahrten sie um
2 Uhr Mittags ein dänisches Geschwader, darunter das
Admiralschiff „Herkules", geführt vom dänischen Admiral
Jakob Brückenhusen. Links, erzählt Andreas Schütz,
habe ihnen das Land gelegen und rechts die dänische
Flotte, „in Gestalt einer Wagenburg umb. uns hero
schwebende". Was vorauszusehen war, geschah: das
Gefecht entwickelte sich und zwar auf eine eigenthüm-
liche Weise. Der schwedische Admiral Jakob Bage
Hess, wie der hessische Bericht lautet, zum Beweise
seiner friedlichen Mission die Musik, Heer])auken und
Trompeten, spielen. Das dänische Admiralschitf aber
segelte allein den übrigen dänischen Schiffen voraus und
löste seine Geschütze, wie man später auf dänischer
Seite behauptete, um nach altem Seebrauch das Herr-
scherrecht seiner Flagge auf die Gewässer, die es be-
segelte, darzuthun. Die Schweden jedoch erl)lickten
hierin die Eröffnung des von König Erich vorausbe-
dachten Angriffs. Ihre drei grossen Schiffe „Elefant",
„Schwan" und „Engel" machen klar zum Gefecht. In
kurzer Zeit ist der Hauptmast des dänischen „Herkules"
über Bord gelegt, und nach dreistündiger Kanonade er-
geben sich die drei dänischen Schiffe „Herkules", „Hek-
tor" und „Hirsch", während die andern vor den nach-
drängenden Schweden zurückweichen und sich glücklich
retten. Den Siegern fielen mit den Schiften gegen 900
Gefangene in die Hände, unter diesen Brückenhusen
selbst. Das w^ar die Seeschlacht von Bornholm, der blu-
tige Anfang des schwedisch -dänischen Kriegs; und wir
zweifeln, dass wir mit dem Landgrafen nichts w-eiter in
ihr zu erblicken haben, als den zufälligen Zusammenstoss
einer Küstenwache und eines Hochzeitsgeleites.
Nichtsdestoweniger entsprach das weitere Verhalten
der schw^edischen Flotte scheinbar gänzlich dem Auftrag,
den sie in Gegenw^art der hessischen Boten erhalten hatte.
Ohne sich mit einer Ausnutzung ihres Sieges w^eiter auf-
zuhalten, segelte sie bis Warnemünde, woselbst die Ge-
sandten w^arteten, um die hessische Prinzessin für die
Heirathspläno Erichs XIV. 51
Überfahrt in Empfang zu nehmen. Erst als die Nach-
richt zu ihnen gedrungen war, dass die Abreise Chris-
tinens durch die Sendung Schieffers rückgängig gemacht
worden sei, entschlossen sie sich, nachdem sie an den
Landgrafen ihre Kredenzbriefe und einen Bericht über
den ihnen gewordenen Auftrag abgesandt hatten, zur
Rückfahrt. Diesen Schreiben waren den Gesandten noch
in Schweden anvertraute Briefe Erichs und seines Schwa-
gers, des Pfalzgrafen Georg Johann von Veldenz, beige-
legt, welche natürlich noch die feste Erwartung aus-
sprachen, dass die Prinzessin zu dem von Philipp ange-
setzten Termine in Rostock eintreffen werde--).
Landgraf Philipp mochte einen Augenblick Arger
empfinden, dass er seine Tochter nun doch nicht abge-
schickt habe. Dass die Schweden auf sein Anerbieten
so schleunig eingegangen und die Abholung seiner Tochter
dem Anschein nach mit solcher Energie betrieben, machte
ihn ganz und gar irre. Er wusste nicht mehr, was er
denken sollte: „Wir können uns aus dem König von
Schweden nit wohl richten, was sein Gemüth sei", klagt
er in einem Schreiben vom 15. Juni. Schleunigst schickte
er den Bericht des Andreas Schütz und die Schreiben
der schwedischen Gesandten, König Erichs und des
Pfalzgrafen an August. Dieser war minder geneigt, den
Schweden ohne weiteres Glauben zu schenken. Li seiner
Autwort vom 24. Juni bemerkt er, der Bericht des hes-
sischen Boten sei so gefasst, dass er ebensogut von einem
schwedischen Seki^etär herrühren könne. Er, August,
habe von Dänemark — wie dies in Wahrheit auch der
Fall gewesen-") — eine ganz andere Schilderung des
Vorganges erhalten. Überhaupt halte er das schwedische
Vorgeben, als ob die Schiffe zur Abholung der Prinzessin
abgeschickt seien, nur für eine Beschönigung des unmoti-
vierten Überfalls auf dänische Schifte in dänischen Ge-
wässern. Zum Schluss regt er das alte Bedenken wieder
auf, dass Erich in seinem Briefe Philipp nicht Oheim und
Christine nicht seine Vertraute nenne-*). Es half ihm
nichts : der Landgraf hielt mit Hartnäckigkeit au seinem
Vertrauen zu Erich fest: in einem neuen Schreiben vom
3. Juli erwidert er, es scheine ihm durchaus glaublich,
2-) Ibid. 255, 257, 259, 260, 261.
-*) Ibid. 315, 500.
-*) Ibid. 272.
4*
52 Tj- Schwahe:
dass die schwedischen Schiffe zur Abholung seiner Tochter
abgesandt seien; wie wären auch sonst die Gesandten
bis Rostock gefahren? und wie hätte Erich die Briefe
schreiben können, die man doch zu Kassel in den Händen
habe--^)?
Man muss gestehen, dass die Dinge nunmehr l)is zu
einem Punkt gediehen waren, welcher der endlichen Ent-
scheidung nicht mehr fern sein konnte. Dem Landgrafen
mnsste es aus mehr als einem Grunde nicht lange mehr
thunlich erscheinen, so — wie sicli sein Sohn einmal aus-
drückt - inter spem et metum zu schweben. Ander-
seits erzeugte die Spannung der politischen Situation die
Tendenz, das Unbestimmte dieses Verhältnisses schnell
und energisch zu klären. Gerade die bekannt gewordenen
Vorschläge des Schweden über eine Konföderation mit
Hessen erzeugten in den Häuptern der dänisch - sächsi-
schen Politik die beunruhigende Vorstellung einer grossen
Allianz jener beiden Mächte mit Frankreich, Lothringen
und den Ernestinern. Mehr als einmal weist König
Friedrich in seinen Briefen an August auf die Gefahren
hin, die seiner holsteinischen Südgrenze von dieser Seite
drohen-"). So wenig August an derlei Absichten Hessens
glauben mochte, so wenig war er in der Lage, über den
Stand der hessisch-schwedischen Verhandinngen Auskunft
zu geben; er kannte ihn selbst nicht. So weit ich sehen
kann, hatte ihm Philipp seit dem Bericht über die Vor-
gänge von Bornholm keine weiteren Nachrichten von Be-
lang aus Schweden zukommen lassen.
Jedenfalls sprach aber schon damals die so lange
hinausgezögerte Entscheidung gegen einen günstigen Ver-
lauf der Heirathsverhandlungen. In solchen Vernmthungen
musste Kurfürst August durch den Bericht eines direkt
aus Schweden Gekommenen bestärkt werden, der sich
unter vielem andern auch über diesen Punkt ausliess,
über den er verhältnismässig gut unterrichtet sein musste:
es war dies der Pfalzgraf Georg Hans, der sich, wie wir
schon oben erwähnten, mit einer Schwester Erichs ver-
heirathet hatte. Dieser, mit Erich wegen der Mitgift
seiner Frau in Zwist gerathen, hatte Stockholm verlassen
25) Ibid. 287.
=") Vergl. z. B. Friedrichs Schreiben vom 4. Januar 1564,. D.
B. VIT. 4.
Heirathspläne Eiifh.s XIV. 53
und auf seiner Rückreise auch Sachsen berührt. Hier
liatte er sich ganz offen und zwar sehr missmuthig- über
seinen königlichen Schwager geäussert, so dass August,
aufmerksam geworden, seinen Rath Hans von Ponickau
aussandte, mit der Weisung, den Pfalzgrafen über die
Verhältnisse des schwedischen Königs auszufragen und
soviel als möglich aus ihm herauszulocken. Ponickau traf
mit Jörg Hans in Leipzig zusammen und sandte an den
Kurfürsten einen Bericht über seine Unterredung, welche
für die Geschichte Erichs XIV. nach vielen Richtungen
hin einen werthvollen Beitrag liefern würde. Der junge
Herr war, wie der sächsische Rath fand, sehr beschwatzt
und redete viele Dinge. Er liess sich weitläufig über die
politische, militärische und finanzielle Lage des schwedi-
schen Königs aus. Was des letzteren Person angeht, so
stand der Bericht des Pfalzgrafen offenbar unter dem
mächtigen Eindruck einer überlegenen, reichbegabten, aber
moralisch ungebundenen Natur. Vergeblich sucht er mit
einer Fülle von Bezeichnungen diesen unfassbaren Geist,
über den schon damals die Schatten des Wahnsinns zogen,
zu umschreiben. Von seinen glänzenden Eigenschaften
wusste er so viel zu reden, dass Ponickau sich nicht
überwinden kann, diese Hyperbeln seinem Herrn zu wie-
derholen. Er pries seine edle Persönlichkeit, seine Ge-
schicklichkeit, seinen hohen Muth und Verstand. Dabei
sei er aber gar seltsam, spitzfindig, misstrauisch, unbe-
ständig, wollüstig und so begehrlich, dass, wenn er gleich
die ganze Welt erlangte bis auf die Hölle, so würde er
die gewiss auch noch haben wollen. Was die hessische
Prinzessin betrefte, so zweifelte der Pfalzgraf nicht, dass
sie, wäre sie im Frühjahr nach Schweden gekommen, von
Erich königlich aufgenommen sein würde. Doch sollte
er sich freilich haben vernehmen lassen, wenn sie nicht
hübsch wäre, wollte er sie einem andern geben. Dass
der König noch jetzt fortfahi'en würde, die Ehe mit der
etwas hageren"-') Christine zu betreiben, schien dem Pfalz-
grafen unwahrscheinlich. Denn, so sagte Jörg Hans, der
König will frisches Fleisch und hübsche Leute haben. —
Den sächsischen Herren mochte es nicht unangenehm be-
dünken, dass der Pfalzgraf äusserte, genau dasselbe wolle
er dem Landgrafen wiederholen. x4.ugust säumte nicht.
") Yergl. Cal. of State papers, For. series 1562, 897, 4.
54 L. Schwalle:
den Bericht des Ponickau nach Dänemark zu über-
senden -^).
Es sollte jedoch in nicht zu ferner Zeit ein Ereignis
eintreten, welches — geschickt benutzt — die Verhält-
nisse mit einem Schlage klärte. Wir haben oben die
auch während der Verhandlungen mit Hessen fortge-
setzten Werbungen Erichs um Elisabeth von England ins
Auge gefasst. Auch im folgenden Jahr finden wir einen
ununterbrochenen Verkehr zwischen den beiden Höfen-'-').
In England waren die Pläne Erichs auf Christine von
Hessen längst bekannt-^*'): setzte er nun den Landgrafen
durch seine zweideutige Haltung in Verlegenheit, so
wurde ihm das von England aus reichlich zurückgegeben.
In Gegenwart der schwedischen Gesandten zeigte Elisa-
beth recht geflissentlich ihre Neigung zu Dudlej^; man
mag sich denken, welchen Emdruck alsdann die Berichte
dieser Szenen auf den stolzen Schweden machten, der
schon einmal den Grafen zum Zweikampf gefordert hatte
und schliesslich seinen Gesandten den Auftrag gab, ihm
Mörder zu dingen-'^)! Andrerseits kursierten unaufhör-
lich Gerüchte über die englischen Zustände, welche seine
Bewerbung in einem hoffnungsvolleren Lichte erscheinen
Hessen. Diese Ungewissheit zu steigern, trug die dänische
B^okade bei, welche den Seeverkehr nach England fast
unmöglich nmchte. Ihr und schwerlich einem andern
Grunde wird man es zuzuschreiben haben, dass man bis
zum Oktober 1563 nichts wesentliches über schwedische
Werbungen in London hört. Eine schwedische Gesandt-
schaft ist freilich auch in diesen Monaten in England
gewesen, die man auch in dieser Sache für thätig hielt"-).
Ob sie das wirklich gewesen, vermag ich nicht zu sagen.
Nun geschah es aber Ende Oktol)er dieses Jahres, dass
sich in Stockholm ein englischer Kaufmann aufhielt, An-
ton AVastlin mit Namen, der namentlich auch an den
schwedischen Hof seine Waaren absetzte. Dieser begehrte
aus dem unruhigen, mit Kriegslärm erfüllten Lande her-
auszukommen. Da ihm dies, wie er später behauptete,
»
-*) Bericht Ponickaus, „Händel K. Erichs". 84—93. Vergl. D.
B. \I, 644''. — Instruktion und Kreditiv für Ponickau H.-St.-A.
Dresden Cop. 321, toi. 171 flg.
2») Vergl. z. B. Cal. of st. p. 1562, Nov. 12. 1043.
«0) Ibid. 897, 4, 909, 6 u. a. m.
«1) Geijer III, 159 f.
3-) Cal. of St. p. 1563, 938.
Heimthspläue Erichs XIV. 55
nicht anders erreichbar, erkaufte er die Möglichkeit hierzu
durch einen Kaperbrief und durch das Versprechen an
Ericli, diesem gewisse Briefe an die Königin Elisabeth
zu besorgen. Er erhielt die letzteren am 31. Oktober
eingehändigt, Anfang November ging er mit einem könig-
lichen Schitfer in die See. Bei Gothland stösst er auf
dänisclie Schilfe. Der sclnAcdische Schiffer, vermuthlich
von dem wichtigen Inhalt der Schreiben unterrichtet,
nimmt sie Wastlin ab, um sie ins Wasser zu werfen und
so der dänischen Einsichtnahme zu entziehen. Wastlin
aber verhindert das rechtzeitig, um den Dänen nicht neue
Verdachtsgründe zu geben, und liefert die ihm anver-
trauten ScJiriften bei der nunmehr erfolgenden Gefangen-
nahme aus. Auf diese Weise fiel der in jenen Jahi^en be-
rühmt gewordene „Buhlenbrief" des schwedischen Königs
an Elisabeth von England in die Hände der Dänen ■''•^).
Sein Inhalt war freilich verfänglich genug: wie alle
früheren Briefe an Elisabeth, bewegt auch er sich in
Redensarten, die eines Amadis würdig wären. Viel
schlimmer aber war die Art und Weise, in der er seiner
Beziehungen zu Hessen gedachte; „er denke gar nicht
di'an, eine andere zu lieben als Elisabeth; seine Wer-
bungen um Chiistine seien nui' in Szene gesetzt, um die
Eifersucht jener zu erregen"^*)! Diesem Schreiben war
ein anderes politischen Inhalts beigefügt, in welchem er
um ihre Freundschaft während seiner Verwicklungen mit
Dänemark nachsuchte. König Friedrich erkannte die
Wichtigkeit besonders des ersteren Schreibens sofort und
benutzte es in so wirksamer Weise, dass er sich das
Lob Augusts, er habe „bedächtig" gehandelt, wolil an-
nehmen konnte. Nach Sachsen schickte er das Original,
nach Hessen und England Kopien der aufgefangenen
Briefe '^■^); zur Sendung nach Kassel verwendete er seinen
geheimen Sekretär Kaspar Paselick, den er auch mit
noch anderen wichtigen Aufträgen an den Landgrafen
betraute, deren wir unten zu gedenken haben werden. '
Kurfürst August sekundierte seinem dänischen Schwager
so gut wie möglich, xlm 23. Januar hatte er die Nach-
richt von dem glücklichen Fange erhalten und noch am
■^^) Vergl. die Aussagen Wastlins in der Rathsstube zu Kopen-
hagen, D. B. Vn, 110 flg.
»*) Gedr. Ledderhose, Kleine Schi-iften HI, 216.
35) Händel K. Erichs, 28-33.
56 Ij- Scliwiihr:
selben Tage liess er — wie beiläufig — als Nachschrift
in einem Schreiben an Wilhelm einfliessen: der Landgraf
werde nun wohl aus dem ihm von llantzau ziit;esandten
Briefe Erichs ersehen haben, wie ernst dessen Absichten
auf Christine seien"**). So sehr hatte er sich mit dieser
Bemerkung beeilt, dass sie in Hessen noch vor der däni-
schen Botschaft eintreffen konnte. Dort, avo man durch
die andauernde Ungewissheit in eine Avenig behagliche
Stimnuuig versetzt sein mochte, rief diese Nachricht die
grösste Bestürzung hervor. Umgehend bat Landgraf
Wilhelm, ihm den Inhalt des Briefes mitzutheilen und
Rekognition des Originals durch einen hessischen Sekre-
tär zu gestatten-^"). Kurz darauf erscliien Paselick mit
der Kopie aus Dänemark. Maji erkannte jetzt in Kassel
die Wichtigkeit des Schreibens in ihrem ganzen Umfange,
und die Landgrafen wünschten nunmehr, das Original
selbst mit anderweitigen Schreiben Erichs zu kollatio-
nieren^^). Kaum war ein Brief, der diesen neuen Wunsch
ausdrückte, abgegangen, als recht congrue et ad propo-
situm, wie der Landgraf sagte, eine schwedische Gesandt-
schaft in Kassel eintraf mit neuen Vorschlägen wegen
der Heirath und mit dem geheimen Ersuchen, in Hessen
schwedische Werbungen zu gestatten. Nichts natürlicher,
als dass der Landgraf wünschte, diesen Gesandten das
corpus delicti selbst „rechtschaifen unter die Nase zu
reiben". Zu dem Ende war es freilich nöthig, dasselbe
so bald wie irgend möglich in den Händen zu haben. So
schickte nun der Landgraf einen neuen Boten — es war
l)ereits der dritte — an Kurfürst August mit dem Ersuchen,
das ominöse Schriftstück ihm doch ohne jeden Verzug zu
übersenden; denn alles liege ihm daran, es den Schweden
selbst originaliter vorhalten zu können''^). August hatte
keinen Grund zur Weigerung ; er betraute seinen Sekre-
tär Valerius Crakau mit der heiklen Sendung. Dieser
kam nach einer eiligen Reise trotz grosser Wasser und
böser Wege bereits am 16. Februar in Kassel an. Da
der alte Landgraf durch ein zu Ehren der Hochzeit seines
Marschalls Rultzhausen veranstaltetes Turnier aufgehalten
war, kam er zunächst nur mit Wilhelm in Unterredung.
3«) H.-St.-A. Dresden Cop. 321, 1664, fol. 9.
") Händel K. Erichs, 41.
38) Ibid. 42.
«f') ibid. 43, 46.
Heiiathspläne Erichs XIV. 57
Er zeigte diesem in Gegenwart des hessischen Sekretärs
Pflüger den Brief, den der Landgraf nicht für unecht
halten konnte. Während sie noch nnterhandehi, schickt
Landgraf Philipp zu ihnen und lässt sie alle vor sich
fordern. Auch er i)rüfte das Schreiben und als er sich
von seiner Echtheit überzeugt hatte, gerieth er in keinen
geringen Unwillen, so dass Crakau nunmehr seine Stunde
für gekommen hielt, auf den Ton des Landgrafen einging
und den König Erich weidlich lästerte: schon sein leib-
licher Vater habe solche Unart an ihm gespürt und ihn
der Krone für unwürdig geachtet, die er auf seinen Bru-
der, den Herzog von Finnland, habe übertragen wollen.
Da fuhr der alte Herr heraus : „Es mag ihn Potz Märten
haben, ich wollte ihm nunmehr keinen Hund geben!"
Er befahl seinem Sekretär Pflüger, die Antwort an die
schwedischen Gesandten aufzusetzen und nahm sich vor,
sie auch für ihre Person „redlich lausen zu lassen" ^•^).
Die Antwort ist bei alledem ziemlich milde gehalten;
nach einer ausführlichen Erzählung des Hergangs werden
erst sämtliche andere Gründe (namentlich auch neuer-
dings entstandene Weiterungen wegen des Reiseweges)
gegen die "^-"erlobung ins Treften geführt, um sclüiesslich
mit der Erwähnung des Briefes an Elisabeth jede Mög-
lichkeit einer weiteren Verständigung aufzuhebend^). Die
schwedischen Gesandten behielten nun wohlweislich ihre
anderen Aufträge für sich und man hätte in Hessen
schwerlich etwas davon erfahren, wäre nicht nach der
Abreise dieser Gesandtschaft ein neuer schw^edischer Bote
eingetroffen, der, unbekannt mit der unglücklichen Ver-
richtung seiner Vorgängei-, die Aufträge derselben wieder-
holte. Philipp Hess ihm eine Kopie der Antwort an die
früheren Gesandten zustellen und wiederholte in einem
Schreiben an Erich seine runde Weigerung, fürderhin
über die Heirath noch irgend ein Wort zu verlieren^'-).
Er musste dies um so mehr, als er durch den dänischen Be-
vollmächtigten Paselick zugleich mit dem englischen Briefe
einen neuen Antrag für Christine erhalten hatte, dem er
sich auch geneigt erklärt, nämlich von dem Vetter des
Königs Friedrich, Herzog Adolf von Holstein^'). Der
'0) Bericht Crakaus. Händel K. Erichs, 48 f.
") Uedr. Gott. Hist. Mag. III, 716-740. Im Dresd. H.-St.-A..
in dreifacher Abschrift vorhanden.
•*2) D. B. VII, 11, 12, 14.
'3) Ibid. 111.
58 l '• Schwabe : Heiraths])läiic Erichs XIY.
(länisclie König hatte somit meisterhaft operiert und ein
Doj)i)eltes erreicht: der Schwede war um einen wichtigen
Bundesgenossen ärmer, dieser letztere von nun an an das
königliche Haus von Dänemark gefesselt. Auch sonst
sucliten er und i\.ugust den glücklichen Zufall möglichst aus-
zunutzen. Dass mit dem Briefe bei der englischen Königin,
Avelche durch die Konüskation des an sie gerichteten
Schreibens gereizt sein musste, wenig erreicht werden
konnte, w^ar vorauszusehen und liewies ihre kiihle und
zurückhaltende Antwort ' '). Dagegen mochte er gewiss
den kaiserlichen Hof, dem er sehr bald nach seiner Kon-
fiskation durch den sächsischen Rath Mordeisen kommu-
niziert wurde, in seiner Abneigung gegen Schweden be-
stärken^'*). Ursprünglich hatte König Friedrich die Ab-
sicht, diese Skandalgeschichte zur Verunglimpfung seines
Gegners in dem von ihm am Ende desselben Jahres gegen
Schweden gedruckten Ausschreiben zu erzählen ^*') ; wahr-
scheinlich aus Schonung für Hessen hat er aber schliess-
lich davon abgesehen.
Um das schwerwiegende Dokument, an dessen Au-
thentie alles hing und von dem man mit Recht vermuthete,
dass seine Echtheit sofort von den Schweden bestritten
W' erden würde^'), fortwährend zur Hand zu haben, bat
Landgraf Philipp den dänischen König, es in Sachsen zu
deponieren. Nach einem kurzen Schwanken gab Fried-
rich, der ursprünglich die Absicht gehabt, es seiner
Adressatin in England zugehen zu lassen, hierzu seine
p]inwilligung '^). So liegt es noch heute im Dresdner
Hauptstaatsarchiv, an sich selbst ein Stück Geschichte,
und verräth in seinen klaren, zierlichen Schriftzügen
nichts von dem unruhigen, ja dämonischen Geiste seines
königlichen Verfassers, der so unglücklich um die grosse
Elisabeth von England geworben.
^1) Ihid. 30.
■''>) H,-St.-A. J)resden, Cop. 321, 1564, fol. 20''.
"') Händel K. Erichs, 30, 36. D. B. VII, 16.
17) Vero-l. D. B. A'II, 169.
'«) H.-St.-A. Dresden, Loc. 10426, „Des Landgrafen zu Hessen
Antwort etc.", fol. 22. D. B. YII, 80, 105i".
IV.
Andreas Möller, der Chronist von Freiberg
1598 — 1660.
Von
Reinhard Kade.
Schon von vielen ist es versucht worden, das Leben
des Freiberger Chronisten Andreas Möller darzustellen.
War es doch ein Mann, der um Freibergs Stadtgeschichte
unendlich viel Verdienst sich erworben, der durch 40
Jahre unermüdlich daselbst gedacht und geschafft und
das Werden und Wesen der erzgebirgischen Bergstadt
mustergiltig aufgezeichnet hat. Preist man heute viel-
fach den Wurzener Schöttgen, so hat auch der fast 100
Jahre ältere Möller das Anrecht, rühmend und ausführ-
licher hervorgehoben zu werden, als es den früheren
BiogTaplien gelungen ist.
Unter diesen stehen der Domprediger Gottfried
Starck^), Samuel Grübler-) und Christian Wilisch^)
oben an, und ihre Angaben entbehren zwar nicht der
Genauigkeit, aber der nötliigen Ausführlichkeit. Zudem
stützt sich diese Trias fast nur auf Möllers eigene kurze
^) a. Ehrenpreifs . . . des . . Hrn. Andreae Möllers . . . und
dessen Frau Regynae . Freiberger Gj'mna8.-Bibl. Leichpred. Bd. 5.
1660. — b. Leichpredigt beim Tode Johannis Andreae Wanckels.
Beiither. 1669.
") Ehre der Freiberger Todtengrtifte, ed. Leipz. 1731.
3) Kirchenhistorie der Stadt Freiberg . . . Leipz. 1737. S. 369.
(')() Ivoinlianl Kadc:
Notizen^), ohne (.'iiigelicndeie Forschungen zu versuchen.
Auch die gelehrten Lexika"') nützen Avenig, ein so be-
wegtes Leben khirzulegen. Um nun diesem fühlbaren
Mangel abzuhelfen, machte der Freiberger Konrektor
Fl ade zu Anfang unsres Jahrliunderts Anstalt, einen
Lebensabriss Möllers zu entwerfen'^j. Aber leider steht
das Meiste viel knapper und klarer in AVilischens Kirchen-
liistorie, und unartige Betrachtungen stören das Bild.
So ruhte die Angelegenheit, wenn wir Ansätze Avie in
Dietrichs Lnmortellen ') als belanglos übergehen, bis
zum Jahre 1870, in welchem zwei tüchtige kleine Auf-
sätze des damaligen Gymnasiallehrers Dr. Zimmer über
Möller^) erschienen. Aber obwohl sich besonders durch
die Entdeckung des Möllerschen Briefwechsels '') das Ma-
terial unendlich gemehrt, besass man trotzdem bis jetzt
noch keine umfassende Darstellung von dem Leben eines
der grössten Gelehrten Freibergs im 17. Jahrhundert,
der weit über das Weichbild der Stadt hinaus die höchste
Achtung genoss. Dies veranlasste mich zu dem nach-
stehenden Versuche. Die Bibliotheken von Dresden, von
Leipzig, Halle ^*^) und Hamburg, dazu alle AVinkel Frei-
bergs vom Eathsarchiv an bis zum Gymnasialboden Avur-
den zum ersten Mal auf diesen Mann hin durchwühlt,
jedes Blättchen, jeder Brief, deren beinahe ein halbes
Tausend erhalten ist, wurde gesammelt, und so gelang es,
einen Überl)lick über die weitverzweigte Gelehrtenthätig-
keit dieses Geistes zu gewinnen, der in der Philosophie,
') 'Ji'Tine'AuQyiu sive debitum parentale. 1659. Seite D. 3. Im
Folgenden citiert mit \ivn:i. Aixsserdem werden die nachstehenden
Abkürzungen angewandt: Ann. = Möllers Annaleu (2. Theil der
Chronik). Chr. = Möllers Chronik. FGB. ^ Freiberger (Tymnasial-
Bibliothek, FöN. = Freiberger Gemeinnützige Nachrichten. HB. =
Hamburger Briefsammlung. LP. = Leichpredigt. MFA. =
Mittheilungen des Freiberger Alterthumsvereins. KP. = Raths-
protokoU. SVN. = Sammlung vermischter Nachrichten zur Sachs.
Geschichte ed. Grundig und Klotzsch. UFRA. = Unteres Freiberger
liathsarchiv.
•'') Zedlers Universal-Lex. von 1739. s. v.; Jöchers Gel. Lex.
III. col. 569.
") Freiberger Gemeinnützige Nachrichten. 1801.
') E. V. Dietrich. Immortellen um Freibergs Bürgerkrone. 1827.
*) Freiberg. Anzeiger. 1870. No. 88. S. 695. — Dresdn. Journal.
1870. No.94. 27. April.
») Hoff mann. Mittheil, über einige Briefsammluugen der
Hamburgischen Stadtbibl.: Serapeum. 1856. No. 17. S.263.
10) Die Ponickausche Bibliothek. Vgl. über dieselbe MFA.
16, 77. 5, 458.
Andreas Möller. 61
Philologie, Theologie, Medizin, Astronomie, Astrophysik,
Historie gleich gut im Sattel sass und keine Frage un-
beantwortet Hess.
Das Geschlecht der Müller oder Möller ^^) stammt
ursprünglich aus Freiberg und lässt sich hier bis in die
Mitte des XV. Jahrhunderts zurück verfolgen. Möller
sagt es selber: „Meine Voreltern sind aus dieser Stadt
bürtig"^-). Der Stammvater Michael Möller war in
Freiberg sesshaft und seine 3 Söhne lebten auch da.
Der eine, Andreas, hatte um 1450 das Pfarramt an
St. Nicolai inne; des zweiten Sohnes Paul Nachkomme
bekleidete längere Zeit die Senatorenwürde ^■^) und der
dritte Sohn Petrus hielt sich anfänglieh auch in Frei-
berg auf. Aber durch die Anmuth eines Mädchens, der
Tochter eines Wagners zu Wilsdruff, angezogen, wanderte
er 1475 dahin aus, wurde der dortigen Wagnergilde bei-
geschrieben, erhielt 1494 den Titel „senior in literis"
und starb 1505. Sein männlicher Spross Paulus Mol-
lerus ward als Senator später in Wilsdruff geschätzt und
verheirathete sich mit Hedwig Eivina, einer geborenen
Bach, die ihn mit 9 Kindern beschenkte, unter denen
Gregorius unser Interesse beansprucht, während die
übrig'en Brüder Paulus, Benedikt und Matthaeus und des
letzteren Söhne Michael und Thomas nicht weiter in
Betracht kommen. Dieser Gregorius in Wilsdruff aber
vermählte sich wieder mit einer Freibergerin namens
Anna Dachsei, Tochter des Pfarrers der Petrikirche, die
ihm in Wilsdruff 3 Söhne gebar: Martin, Johann und
Andreas, welch' letzterer später der Vater unseres
Chronisten werden sollte.
Schon aus diesem Grunde verdient er ein paar
erinnernde Worte. 1560 geboren und 1576 Schüler in
der Grossenhainer Schule, kam er als Informator zum
Geheimrath von Bock, welcher ihm nach Beendigung
seiner Lehrjahre inPforta und seiner Studien in Leipzig ^^)
im Jahre 1589 eine Stelle am Nosocomium zu St. Georg
beim Ranstädter Thor in Leipzig verschaffte. In dieser
Stellung lernte er die jüngste Tochter des General-
superiutendenten Petrus Hess aus Emden in Ostfriesland,
") Über den Namen vgl. Freib. Osterprogr. 1886. S. 31.
MFA. 22, 98-, 23, 15.
'-) VorbericM zur Chr.
1") Chr. S. 376.
1') 1586 Baccalanreus ; 1588 Magister.
62 Heinhaid Kado:
Salome, kennen, und ein Jalii' darauf schlössen beide in
Halle, wo der Vater damals in Yerbannung lebte ^•''), den
Ehebund. Am 3. Februar lf)90 feierten sie auch in
Leipzig die Hochzeit, und nicht viel später bekam der
Gatte eine Vokation nach Pegau, wohin er am 13. Sep-
tember 1591 übersiedelte, um nun während 31 Jahren
treu daselbst seines Amtes zu walten und der Dichtkunst
wie den Wissenschaften obzuliegen. Die Ehe war eine
ebenso glückliche wie reich gesegnete, denn 12 Kinder
brachte tSalome ihrem Manne: 7 Knaben und 5 Mädchen,
von denen die ersten 4 Knaben frühzeitig starben'").
Nach solchen Verlusten tröstete sie in etwas ein fünftel-
Sohn Salomon^'), noch mehr aber am 22. März 1598
wieder ein kleiner Weltbürger, der abends 5 Uhr das
Tageslicht in Pegau ''') erblickte. Er erhielt am folgenden
Tage nach seinem Vater den Namen Andreas in der
Taufe (vgl. Pegauer Taufbuch pag. 82.) Seine Pathen
waren der Stadtkämmerer Johann Müller und der Schul-
meister (ludi moderator) Jac. Fabricius. Das ist nun
unser Mann.
Ganz besonders er, der kleine Andreas, besass so
recht die Liebe der Eltern. Der Vater hatte gleich
grosse Pläne mit ihm im Kopfe. Das Wickelkind wurde
nach damals üblicher Gepflogenheit am 15. Mai 1598 zu
Leipzig inscribiert und vom Rektor Wolffgang Corvinus
ins Album eingetragen"'), wofür der Vater 6 Groschen
zu entrichten hatte.
In Frömmigkeit wuchsen die Kinder auf. Das Haus
'•^) Vgl. Zach. Schneider: Leipz. Chronik. S. 195.
1") Ich vcrtheile sie so: 1590 Johannes; 1591 Rudolph; 159'2
Elisab., t 1607; 1593 Adolph; 1.594 Anna; 1595 Gregor: 15»« Sa-
lome, t 1597; 1597 Salomon, f 1020; 1.598 Andreas; c. 1600
Maria, f 1(»'25; c. 1605 Peter; 1(512 Esther, f 1():{1. Die fett
gedruckten Zahlen sind beglaubigt.
1') Derselbe besuchte später die Schule zu (irininia, erhielt hier
als .Jüngling von 17 Jahren eine \'erwundung und starli im Eltern-
hause 1620.
1«) Eine Randbemerkung des :\lag. Hübsch (1725—1773) zu
seinen CoUectanea Albi Portensis pars I. (Eibl. zu Schulpforta.
Mscrpt. Bd. 10.) besagt: „eigentl. Clroetschii natus". Möglich,
dass sich die Mutter grade in dem nahen Groitzsch aufhielt. Möller
selbst nennt sich nur Pegaviensis.
^o) Vgl. die Leipz. Matrikel: „N(on) I(uratus) Andreas Müller
Pegauiensis. 6 gl." Sommersem. 1598. Dazu Hamb. B. I. fol. 18b:
„annis ab hinc 20, Mai d. 15. Rectore . . . Corvino albo universi-
tatis post usitatum depositionis rituni insertus sum".
Andreas Möller. 63
des alten Andreas glich einem Heiligtliume. Jeden
Naclimittag um 4 Ulir wurde ein kurzes Gebet gehalten,
bei dem sich die ganze Hausgemeinde versammeln musste.
— Das Lieblingskind zeigte bald auffallende Sprach-
talente. Der Vater unterrichtete ihn schon als ganz
kleinen Knaben und brachte ihm spielend die Anfangs-
gründe des Griechischen, Lateinischen und Hebräischen
bei, so dass er noch halb lallend eine Reihe Bibelverse
in drei Mundarten, ja ganze Kapitel der Bibel hebräisch
hersagen konnte. Dann kam er in die Pegauer Stadt-
schule. Aber der Lehrer, der dortige Kantor, rechnete
nach alter Sitte zu sehr auf die „durchschlagende" Me-
thode. Der Vater merkte dies und behielt den Sohn mit
der Erlaubnis der übrigen Lehrer zu Hause, unterrichtete
ihn als gewandter Philolog und Theolog selbst in der
Logik, Rhetorik, Stilübung und Lektüre der Klassiker,
so dass der Knabe innerhalb zweier Jahre schon alle
meist älteren Schüler der Stadtschule bei der Schluss-
prüfung übertraf und deshalb ohne die übliche Verloo-
suhg die Freistelle auf der berühmten Schulpforta durch
den Pegauer Rath erlangte. Das war bis dahin nur dem
hochgelahrten Herrn Professor Johann Mülmann in Leipzig
zu theil geworden. Der hocherfreute Vater brachte ihn
Ende 1612 selbst auf die Anstalt. Er empfiehlt ihn
seinem Freunde Justinus Bertuchius, derzeitigem Rektor,
und übergiebt dem 13jährigen Knaben ein sog. Propem-
tikon, einen Geleitsbrief fürs Leben, in welchem er ihm
eins besonders ans Herz legt"-"): „Sis pius et bene mo-
ratus, sis promptus ad artes". Dazu warnt er ihn ein-
dringlich vor der Calvinischen Lehre, die recht in Auf-
schw^ung gekommen.
Die erste Zeile von Möllers eigener Hand rührt aus
dieser Schulzeit her: die Eintragung seines Namens in
das Pförtner Album unterm 21. Januar 1613: , .Andreas
Mollerus Pegauiensis", zu welcher der Mag. Hübsch am
Rande bemerkt, „alt 14^2 Jalir"-^). Von nun mehren
sich die erhaltenen Aufzeichnungen in lateinischer
Sprache , aus denen wir ersehen , wie eifrig der Junge
seine Sache angefasst hat. Sein erstes grösseres
Schreiben--) richtet er an Balthasar Glück, den Sohn
'**) In Möllers 'AvxineXaQyiu.
21) Genauer 14 J. 10 M.
--) 26. Mai 1614. HB. I. 1.
64 Heinliiiid Knde:
(los Pegauer Senators , in doiii or ilini zui' Verlo-
bung gratuliert und ihm ein „sii)ariuni votivuni'' über-
reicht. Schon in dieser Erstlingsgal)e des Knaben be-
kundet sich Geschick und Gewandtheit des Ausdrucks.
Es folgen Gedichte an Polycarp Leyser in Leipzig -='■), mit
dem er mütterlicherseits verw andt war, und am 24. Juni
1615 ein Brief an den Sekretär Wiklvogel mit emigen
Versen, „diversis Unguis in natalicium honorem Joh.
Georgii petens, ut benevolentiae suae aura me paupe-
rioreni sublevare et ad telam studiorum meorum pertex-
endam stipendio theologico in Academia Lipsiensi benig-
uissime donare velit"-'). Kurz, er that sich in litteris so
hervor, dass der Pegauer Rektor seinen Sohn dem Privat-
unterricht und der Aufsicht des Jünglings anvertraute'-"').
Die Jahre vergingen. Sehi letztes in Plbrta verfertigtes
Gedicht trägt das Datum des 24. Juli IG 15. Nach
Leipzig stand sein Sinn. ,,Gliscit enini mens niea intra
annum triviali carcere exire"-'^J. Studieren wollte er. Das
war klar. Er reiste deswegen schon im Sommer 1615
nach Leipzig und leistete dem Rector Magn. Curtius den
Eid-'), blieb aber noch ein Halbjahr in Pforta. Denn
woher das Geld nehmen? Des Vaters Sorge war zwischen
dem geldheischenden Andreas und mehreren später gebo-
renen Kindern getheilt. Die Bitte des Knaben beim
Kurfürsten hatte zwar eine Zusage erzielt; doch nur
wenn ein Stipendium frei würde. 1615 ging zu Ende:
alles stumm. Er kann nicht länger in Pforta bleiben,
und mit dem Zeugnis: „omnia in hoc probantur" -*^) aus-
gerüstet, sagt er am 10. April 1616'-") seiner Schule
Lebewohl und trifft bei magerem Geldbeutel am 16. April
in der Pleissenstadt ein.
Wenige Tage darauf, am 20. April, richtete er ein
direktes Gesuch an den Kurfürsten. Er legte ihm die
beschränkten Geldverhältnisse des Vaters klar, die kaum
23) 5 Cal. Nov. 1615. Ibid 2.
2'^) HB. I. 3. — =••) Ibid. I 4. — 2") Ibid. I. 3.
2''; Leipz. Matrikel. Eintrag bei 1598: juravit Rectore D. Curtio
a. 1615. Dieser war Jlcktor im Sdinmersemester.
28) Eandbemerk. des Mag. Hübsch im Pförtii. Alb. fürs .lahr 1616.
2») Hübsch (a. a. 0.) sagt zwar: „Valed. 1617". Offenbar aber
falsch. Das ergeben die Briefe: I. 16: „ao 1616 ad academiam ad-
ieci". Ferner die llrrnn'/.. Danach ernährt ihn der A'ater vor der
Frankfurter Reise 1617 „per integrum annum" in_Lei])zig. — Möller
seiher weicht zwar ab. \trinit'A.: quadriennio; Briefe: qnin-
qneiinio. Im letzteren Falle rechnet er Ende 16 lü noch mit.
Andreas Möller. 65
ein längeres Studinm erlaubten. Er erinnerte ihn an die
gegebene Zusage. Aber alles vergebens. Er holte sich
deshalb (22. Mai) Empfehlungsbriefe von seinem Vater
und eilte damit zu dem berühmten Mediziner Dr. Sig-
licius, der ihm Wcährend des lateinisch und griechisch
geführten Gesprächs für 12 Groschen wöchentlich den
Mittagstisch und Wohnung gewähren und die Famulatur
bei ihm zuweisen sollte, sofern er seine medizinischen
Kollegs hörte und nachschriebe. Das liess sich mein
Möller nicht zweimal heissen. Nur dürfe er nicht an seinen
philosophischen Kollegien behindert sein. Treulich zahlte
der Vater die schwerwiegende Wochensumme und ver-
schaffte dadurch dem Sohne gar viele Vortheile. Denn
einmal konnte dieser die Bibliothek des Herrn Professor
mitbenutzen, zweitens musste er gedrungen erweise sein
geheimes Lieblingsstudium der Medizin betreiben, und
drittens kam er von seiner entsetzlichen Hauswirthin
Madame Klessin, die er spassend „die vierte Furie"
nennt ^^), auf anständige Art weg.
So verging unter philosophischen und nebenher be-
triebenen medizinischen Studien das erste Jahr. Von
keiner Seite Hülfe!
Da führte die Ostermesse am 12. Mai 1617 einen
Frankfurter Kaufmann in das Haus des Professor Sig-
licius. Derselbe wollte gern einen in den Sprachen
geübten jungen Mann für seinen 16jährigen Sohn haben,
um diesen in dessen Obhut sicherer auf die hohe Schule
schicken zu können. Der Professor schlägt Möllern vor ;
durch ein anständiges Draufgeld wird der Pakt ge-
schlossen. Siegesfreudig meldet der Jüngling diese frohe
Kunde nach Hause, Aveil er die häusliche Dürftigkeit
kennt. Dazu verspricht der Frankfurter Bürger seiner-
seits, dass die beiden jungen Leute nach Altdorf auf die
Universität gehen sollten. Darauf kam dem alten luthe-
rischen Vater viel an. Altdorf war eine gut luthe-
rische Hochschule. Noch vor Ablauf von 8 Tagen waren
Möllers Vater und Mutter nach Leipzig gekommen, und
nachdem beide Parteien die Bedmgungen genehmigt
hatten, ging am 22. Mai 1617 die Reise aus Leipzig
fort. Mit schwerem Herzen! Möller verhehlte sich
nicht, dass er in dem vergangenen Jahre grosse Fort-
"") HB. I. 18 an den Vater. Dat. Lipsiae in aedibus Leon-
hardi Döhnens sartoris.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX, 1. 2.
6ß Reinhard Kade-
schritte gemacht habe und leichtlich m der Fremde mit
Lob zu bestehen glaubte ■^^).
Ohne Unfall ging die Reise von Statten =^-). „Nachdem
ich am 22. Mai dir, lieber Vater, und der Mutter Lebe-
wohl gesagt hatte, kam ich nach Naumburg und traf da
glückiich meinen neuen Frankfurter Herrn wieder, den Hrn.
Christian Seidel, der fast zur selben Stunde dort nach
einigen Geschäftsbesuchen angelangt war. Von da nahm
mich am folgenden Tage dessen eigener Wagen auf, und
ganz zeitig wandten wir uns gen Erfurt, das wir
gegen Abend auch, obA\ohl sehr müde, erreichten. Denn
an diesem Tage hatten wir 7 Meilen zurückgelegt. Gern
hätte ich die berühmte Stadt, besonders die Universität
und das Gymnasium im Augustinerkloster mir angesehen,
vorzüglich gern die grosse Glocke in der Marienkirche
untersucht, die 14 Fuss im Umfang haben soll; aber
gleich früh um fünf sind Mir am 24. Mai abgefahren und
um Mittag in Gotha angekommen, allwo ich die Euine
Grimmen stein im Vorbeifahren erschaute. Nach auf-
gehobener Mahlzeit eilten mv noch am selben Tage nach
Eisen ach und übernachteten dort. Am nächsten Tage,
einem Sonntag, legten wir 5 Meilen zurück und kamen
über Heinfeld nach Fulda, wo Avir zu Mittag asseu,
und langten abends in Steinach an. Am 27. Mai
kamen wir wieder 7 Meilen vorwärts und erreichten
Gelnhausen, daselbsten wir uns ein Aveuig erholten.
Nachmittags in Hanau, das nur 2 Meilen von Frank-
furt abliegt. Hier fuhren wir am 28. frühzeitig ein und
ich wurde ehrenvoll empfangen. Es wohnt aber mein
Wii-th nicht in der grösseren Stadt, sondern diesseits ='■')
des Maüis in Sachsenhausen, das gleichwohl ein und
dasselbe Stadtrecht besitzt. Am 30. Mai begann ich
meine Stunden bei mehiem einzigen, 17jährigen Schüler,
der im Lateinischen geübt ist, aucli wohl im Griecliischen.
.... Die Freistunden habe ich meist dazu benutzt, mir
die Kirchen, die Häuser, das Rathhaus und den Markt
anzusehen. Ich verstumme vor der Schönheit des deut-
schen Hauses, der Karmeliterkirche, die mit schönen
Gemälden ausgeschmückt ist. Auch Italiener, Spanier,
31) HB. I. 21.
^-) Sie ist noch nicht näher bekannt; deshalb gel)e..ich sie nach
dem Hamb. Original, nur etwas verküizt, in genauer Übersetzung.
HB. I. 8., 17. Aug. 1617. Heidelberg.
■'•'•) Von Heidelbeig aus gerechnet.
Andreas Möller. 67
Franzosen, Engländer . . . habe ich — nnd welche Na-
tionen nicht? — gesehen! Denn Frankfurt ist wii'klich
ein Weltmarkt. (Est etenim Francofurtum revera totius
orbis emporium compendium.)"
„Eines verdriesst mich. Denn du weisst doch, dass
der Fremde mich unter der Bedhigung warb, wenn er
mich nach Altdorf oder G-iessen schickte. Das hat er
auch in deiner Gegenwart mit Handschlag bekräftigt.
Aber das konnte ich absolut nicht durchsetzen. Denn
nach 5 AVochen Hess er anschirren und expedierte mich
und seinen Johannes nach Heidelberg und bekundete
ziemlich deutlich damit — was ich auch schon vorher
bemerkt hatte — , dass er der Calvinischen Lehre mehr
als der unsrigen zugethan sei. Wenn ich dem Willen
meines Wirthes widerstanden hätte, so wäre ein anderer
an meine Stelle getreten und ich stünde allein da in der
Fremde und ohne Reisegeld. Am 3. Juli verliessen wii^
Frankfmt und ohne nur Mainz zu streifen, davon mir
die Thürme in die Augen stachen, kamen wir direkt über
Darmstadt . . . Heppenheim hier in Heidelberg am 5. Juli
an, wo wir im Hause von meines Schülers Onkel, der
Senator und Kaufmann ist, Aufnahme fanden und noch
wohnen. Dieser ist mii- nun gar nicht gewogen, obwohl
er mich mit den süssesten Worten anfasst; denn ich,
bringe meinem Schüler öfter und besonders beim Mittag-
essen etwas von der lutherischen Lehre bei und verthei-
dige meinen Glauben männlich gegen die Phantasien
eines Grynaeus und Scultetus. Kaum omal bin ich erst
im theologischen Kolleg gewesen. AVegen der Schmäh-
ungen gegen den allgegenwärtigen Gott bleibe ich von
nun an ganz weg. Philosophische und philologische A'^or-
lesungen höre ich jedoch eifrig und habe auch neulich
bei einem Zusammensein Freundschaft mit dem berühmten
Gelehrten Gruterus gemacht, der versprochen hat, uns
beiden bei Gelegenheit die Bibliothek zu zeigen". . . .
Das war nun das wichtigste bei der ganzen Reise, die-
sen Mann „von wahrhaft göttlicher Gelehrsamkeit" kennen
zu lernen, Janus Gruterus, den grossen Philologen aus
den Niederlanden, jenen Begründer der modernen Epi-
graphik. AVegen Glaubeusverscliiedenheiten aus Witten-
berg nach Rostock gewandert, war er 1602 nach Heidel-
berg als Bibliothekar an die pfälzische Bücherei berufen
worden. Hier traf ihn unser Möller, und er durfte von
Glück sagen, dass 1617 diese Büchersannnlung noch nicht
68 Reinhard Kade:
vom Neckar an den Tiher geschleppt war. Die stattliche
Anzahl von Tausenden der schönsten Handschriften, der
älteste Druck der Ofticien des Cicero von ! 466, den ihm
Gruter zeigte ■^^), alles das muss einen tiefen Eindruck
auf Möller gemacht und in ihm liinterlassen haben. Öfter
denkt er Bekannten gegenüher an diesen Moment seines
Lebens zurück, und wenn Müller selbst später als ein
so praktischer Bücherwart erscheint, so dankt er jenem
Einblick in die Bibliotheca Palatina wohl einen guten
Theil seiner Kenntnis.
Neben diesem Eindruck galt es gleichviel, ob er bei
einem D. Petrus de Spina •^■"') oder Ludovicus Bravius
medizinische Vorlesungen mit anhörte. Für seine Theo-
logie ferner i)rofitierte er hier recht wenig ■^*'). Glaubte
er doch hier die theologische Seekrankheit zu kriegen!
Auch dem lutherischen Vater sagte Heidelberg gar nicht
zu, und dringend wünschte er die Rückkehr. Die Um-
geking, die Kaiserstadt Speier sahen sich die jungen
Leute an. Eine Mondfinsternis am 6. August regte
Möllern zu 3 Distichen air"). Das Semester nahte
seinem Ende ; der Kontrakt lief ab. Wenn er nur dies-
mal in Leipzig ein theologisches Stipendium erlangen
könnte '^^j.
Um Michaelis herum verliess er Heidelberg. „Huius
([uidem peregrinationis nie non poenitet: spero enim tantum
ex ea me hausisse emolumenti et adhuc hausurum esse,
ut per omnes meae vitae dies co uti (lueam. "'•"). Jena
suchte er auf, gewiss auch andere beiühmte Städte und
langte Ende Oktober 1617 wieder in Leipzig an, fand
aber leider alles verändert und misslich^"). Zwar konnte
er wieder bei Prof. Siglicius wohnen, aber die Famulatur
war bereits vergeben. Ein Volkmarsches Stipendium
fürchtete er ebensowenig wie ein kurfürstliches zu er-
halten. „Lidignarer ferme, ((uod e tam commoda statione,
(lua Heidelbergae fruebar, me evocare passus fuerim."
L)azu hatte ihn ein hitziges Fieber gepackt ; viel fürchter-
licher plagte ihn die böse Geldnoth. Kläglich bat er
3*) HB. IV. 94.
'■■■') Es kann nur der Vater jj-ewesen sein. Sein gleichnamiger
Sohn wurde erst 1620 Professor medicinae.
"") Er sowohl wie sein Schüler Joh. Seidel waren nicht als
Studenten inskribiert. Vgl. Toepke Matrik. der Univ.Heidelb.il.
"') Ann. 411.
**) Vgl. HB. I. 9. — ^^) Tl.id, — '") Ibid. T. 22.
88\
Andreas Möllei'. 69
den Vater: „Subleva et succurre Musis derelictis, siic-
curre, ini rationem, qua ab interitu vindicer" '*^). Nur
6 Groschen wöclientlicli !
Wie eine Botschaft künftiger Freude traf es ihn
daher, als der Pegauer Schuhneister Piscator ihm seinen
8ohn als „contubernio" anempfohlen sein liess^-) und er
zu Anfang des Dezember 1617 dem Pegauer Rathe
13 Gulden bescheinigen konnte ^■^). Eine Chrie für das
Winterexamen über „die Unbeständigkeit der mensch-
lichen Dinge" hielt er fertig, aber doch wurmt es ihn,
dass er der Medizin ganz abtrünnig werden musste.
„Heu duram et diram paupertatem, (juae a tarn commodo,
jucundo et amicabili meaeque naturae congruo studio,
quäle medicum est, divellit"'*^). Durch Arbeit in der
Theologie, durch Vorbereitungen zum angesetzten Bacca-
laureatexamen täuschte er sich über den Schmerz hin-
weg, denn schon auf den 2. März 1618 war es anbe-
raumt und auf den 20. Juni ward es vertagt. Am
27. Mai reichte er seine petitio ein. Tüchtige Lectionen
hatte er besucht ^■^), bei Friedrich den gallischen Krieg,
allgemeine Weltgeschichte und Theokrits Thyrsis gehört,
bei Curtius Rhetorik, bei Preibisius die partes corporis
humanae, Himmelslehre bei L. Müller, Horazens Briefe
bei Bavarus, Dialektik bei Lisca. Mit den besten Zeug-
nissen aller seiner Lehrer gewappnet, hielt er am 20. Juni
vor den spectatores eine metrische Rede, in welcher er
im Namen aller Mitkandidaten zu danken hatte. Am
30. Juni erfolgte seine Inscription für 1 Groschen, und
jetzt endlich tiel ihm auch die Stelle eines kurfürstlichen
Alumnus in Leipzig zu, die ihm "mit 30 Gulden jälirlich
erhebhch weiter half, um so mehr, da auch eine gemsse
Frau Dr. Freywald das Nährgeld bezahlte und der
Vater für die Kleidung eintrat^'*). Er war seelenvergnügt,
und nun gings auf den Doktor los. Am schwarzen Brett
kündigte er zu dem Behuf Disputationen über „meteoro-
logicae impressiones" imPaulinum an^'). Er gab die Woh-
nung bei Siglicius auf und zog ins Collegium Paulinum,
um die theologischen Vorlesungen regelmässiger hören
zu können^-). Er wohnte anderen Promotionen bei und
*i) HB. I. 24. — *-^) Ibid. I. 22. — «) Ibid. I. 13. — ") Ibid.
I. 25.
*^) Ibid. I. 16. Vgl. über Möllers Leipz. Studentenzeit meine
Mittheilung in der Leipz. Zeitg. Wiss. Beil. 1887. No. 48.
«j HB. I. 26. — ") Ibid. I. 30. — *^) Ibid. 1. 14.
7() IJriiiliiiiil Kuilc:
liess sich die Armuth niclit anfecliteii, obwohl der Vater
zu wünschen schien, dass der Sohn eine Korrektorstelle
l)eim Leipziger Buchhändler Oswald annehme. Dagegen
sträubte sich der Jüngling, und nachdem er unter Sorgen
,,tam praesidendo ([uam resi)ondendo'' ''*) zu unterschiedenen
Malen disputationes physicas gehalten, bat er am 13. Dez.
1619 um seine Zeugnisse füi'S Examen und l)ekam am
27. Januar 1620 unter 35 Competitores das Magisterium.
Seine Doktordisputation fand jedoch erst am 22. Juni
statt und handelte de dysenteria, von der Leipzig
1614 stark heimgesucht worden war''^'). Dazu lud er
Vater und Mutter, den Pegauer Senat und eine statt-
liche x^nzahl Befreundeter ein, denen er in den letzten
Jahren viel Unterstützungen verdankte, und in Gegen-
Avart des Leipziger Bürgermeisters Friedrich Mayer und
des Stadtricliters Forberger traf ihn die neue Ehre. Sein
Vater überreichte ihm dazu ein lateinisches Ehrengedicht,
in welchem er dem Sohne gratulierte und ihn auf seine
gfdehrte Verwandtschaft hinwies"'^). Möller bewahrte es
als theures Andenken bis in sein spätes Alter auf und
liess es wenige Zeit vor seinem Tode drucken. Der
Doktorschmaus verlief glänzend, 45 Einladungen hatten
zugesagt und die ganze Zeche kostete ungefähr 50 Thaler!
Nun gedachte der junge Gelehrte die akademische
Laufbahn einzuschlagen und schon am 3. Juli sollte sein
hebräisches Kolleg anheben, zu dem 12 Studenten sich
meldeten'"-). Ziemlich ein ganzes Jahr fristete er müh-
selig sein Piivatdozentenleben, in dem er den Schmerz
erfuhr, seinen lieben Lehrer Siglicius zu verlieren. „Mihi
certe verba desunt nee exprimere satis possum jacturam,
(luani haec clades mihi importat"'''^). Er hatte ihm viel
zu danken. ,, Siglicius — schreibt er später — hermam
mihi signaverat et deviantem ad viam regiam reduxerat,
cui viro unice acceptum fero, ([uod firma basi praemissa
ain'mnm ad medicinam applicuerim"''').
Eine scheinbar gleichgültige Bekanntschaft mit Chri-
stoph Ellinger, dem Leipziger Oberbibliothekar, half jetzt
mit einem Schlage Möllers Lage verändern. Dieser
suchte nämlich für einen reichen Gutsbesitzer einen ge-
'") Speciniinu aliquot typis publicis iinpressa sunt. HB. I. 32.
['0) HB. I. 45.
■'■■•■^) HB. T. 45. — ■^•') Ibid. I. 54. — ''j ibid. IV. 92.
Andreas Möller. 71
bildeten Mann, am liebsten einen Orientalisten — nnd
auf Möller fiel die Walil""^).
Der reiche Herr von Mosdorff auf Obereula'*'), dessen
Güter in der Nähe von Nossen''^) lagen, suchte einen sol-
chen Gelehrten zum Theil als Erzieher für seinen Enkel
Johann Theodor von Schönberg' zum Reichenbrandt, haupt-
sächlich aber für sich selber. Schon ein Sechziger und
von der Büi-de des Alters gedrückt, fühlte der generosus
et oninis literaturae callentissimns heros ■''*), der auch das
Dänische beherrschte ■^■'), Jugendnnith in sich, einmal das
alte Testament im Urtext des Hebräischen zu lesen.
Möller geht darauf ein, weil 56 Gulden neben freier
Kost und Fahrt nicht zu verachten waren. Nachdem
er also eiligst seine Abschiedsrede in Leipzig publice
gehalten"*^), tritt er nach Ablauf der Ostermesse im Juni
1621 auf Obereula zunächst für ein Jahr an. Denn er
beabsichtigte nach dieser Frist sein theologisches Studium
fortzusetzen und sicherte sich"^) sein kurfürstliches Sti-
pendium. Aber mehr als V/.^ Jahre verweilte Möller
auf dem Gute des gelehrten Landmannes, der ihn wie
seinen Freund, wie einen Sohn in Gunst hielt. Hebräisch
wurde getrieben. Doch das A\ar eine Heidenarbeit mit
dem alten Herrn. Alle Buchstaben mussten ihm deut-
lich und armlang vorgemalt werden und langsam rückte
das Lesen vor. Allein es glückte. Schon nach zwei
Monaten sind sie im 18. Kap. der Genesis. — Was
mögen die beiden Männer in stiller Einsamkeit des Land-
lebens gedacht, gesprochen, gelesen haben! Hier der
Greis in weissem Haar, dort der Jüngling mit dem
braunen Auge und den noch brauneren Locken, die er
lang trug, dem Latein und Griechisch süss überredend
vom Munde floss und der von Wissen strotzte. Da-
bei fein humoristisch, gern ein geistreiches Wortspiel
machend; der die Laute zu eigenen Gedichten schlagen
konnte^'-) und dazu gern ein Gläschen trank, besonders
■") HB. I. 55
■"') Möller in der 'Aynu. und in der HB. IV. fol. 2 nennt auch
noch Gnamihoff. Nicht auffindbar.
") HB. I. 120. — 5S) l4vrineX.
•^0) HB. IV. 36. — ö") Ibid. I. 59.
''^) Schon am 23. Juni 1621. „Er soll das erste vacirende Stii».
erhalten, da seines bereits vergeben". Ibid. I 60. Vgl. UFRA..
geistl. Sach. 14 b: „und neulicher Zeit überdies ein neues Special
Diplom meines stipendii wegen erlangete".
ö2) HB. I. 84. Vgl. MFA. 23, 10
72 Jleiiihiiiil Kiidc
ein gutes Glas Freiberger Doppelbier"-^); der auch als
echter Deutscher ein junges schönes Mädchen fürs Leben
gerne sah.
Hier bildete sich aucli ^Möller zum Charakter. Eine
kleine Pastorstelle bot man ilnu an, weil man seine Tüch-
tigkeit im Predigen vielerorts bemerkt hatte, in Deutschen-
bora. „Ich mag sie nicht — schreibt er an seinen Vater
— denn höh're Regungen fühl' ich in meiner Brust und
fühle mich durch die Fühi'ung der Natur zu grösserem
Berufe vorbehalten"*'^). Schnell verging die Zeit. Um
Michaelis 1622 rief ihn plötzlich ein sehr ehrenvoll ab-
gefasster Brief*'"') nach Treib er g, wo er nun in un-
unterbrochener Folge über ein Menschenalter bleiben
sollte. Ein grosser Wendepunkt!
Das Schreiben hatte kein geringerer verfasst, als
der damalige Superintendent Abraham Gensreff,
der ihn für die Zeit nach der Schule als Erzieher seines
einzigen 12 jährigen Sohnes David wünschte. Und Möller
sagte zu, am 15. Oktober sein Amt zu beginnen. „Fores
meae tibi patebunt quavis luce et praesertim Candida
illa 15. Oct." So geschah's. Schon am 26. Oktober
vorfertigte er ein Gedicht auf den Tod des in jenen
Tagen verstorbenen Bürgermeisters Schönlebe *"'") und ent-
faltete gleich in dem ersten Erzeugnis seines Freiberger
Aufenthaltes seine ganze Sprachkenntnis: 5 Sprachen
lässt er auf einmal spielen. Lateinisch, Griechisch, He-
bräisch, Chaldäisch und Syrisch, und bringt den guten
Buchdrucker Beuther in kerne kleine Verlegenheit. So
schuf er sich, der bescheidene SS. Theologiae Studiosus
et p. t. sobolis Gensreffianae Informator*'') gleich gebüh-
rende Achtung und lebte sich schnell in das Freiberg des
XVII. Jahrhunderts ein.
Und wie sah es dazumal in Freiberg aus?
"'') Möllers Lustspiel Cleaeret:
Auch eine Doime Fr eibergisch Bier,
Es war gut, wir lipprteu gewaltig siehr,
V^'^ir trunckens gschwind rümb aus den Topf:
Warlich Gott, es stieg uns in Kopf.
"^) HB. I. 75; vgl. ibid.: „si lubido raea fuisset, pastorem agere
paganum, jani ante annum optimo sacerdotio Leubae Vandalicae sub-
stitui potuissem".
6^) HB. I. 81 = IV. 26 b.
68) FGB. Leichpr. Bd. 1.
*") So unterzeichnete er sich a. a. 0. und ebenfalls unter den
Leicbgedd. am 13. Jan. und 28. Dez. 162B.
Andreas Möller. 73
Freiberg war zu jener Zeit noch die blühende, von
den Fürsten hochbegnadete zweite Hauptstadt Sachsens.
Ein alter urkräftiger Patrizierstamm lebte hier. Ein tüch-
tiges Bergvolk stand ihm zur Seite. Man war stolz auf
die Errungenschaften des ergiebigen Bergbaues und freute
sich neben dem guten Leben an der Gnade des Hofes.
Dabei blühten die Künste. Ehren werthe Musiker, wie
Christophorus Demantius, hielten auf saubere Musik-
pflege. Das Kunsthandwerk bestand fort, indem es sich
an herrlichen alten Denkmälern bildete, die in der gol-
denen Pforte gipfelten. Gekrönte Dichter wie Haus-
mann, Gelehrte wie Schellenberg, Ärzte wie Thorschmied
zählte Freiberg mit Stolz zu seinen Bürgern. — Alle
die verscliiedenen Zweige des geistigen Lebens schienen
sich aber in einer Person zu vereinigen, in Abraham
Gensreff. Philosoph, Dichter ''*), Orator, kunstreicher
Musikus*^"), Theolog verkörperten sich in ihm. Selbst die
orientalischen Sprachen gewann er jetzt durch Möller
lieb. Wir können uns nun denken, was in seiner liebens-
würdigen Familie für em Ton gCAvaltet habe, können uns
aus ihm das Freiberger Geistesleben in nuce vorstellen.
Möller fühlte sich unendlich wohl. Aber kaum war
er in seiner neuen Heimath einige Monate heimisch ge-
worden, als den Ärmsten ein furchtbarer Schicksalssclilag
betraf. Der sonst so gesunde Vater hatte schon im
voraufgehenden Jahre zu kränkeln angefangen und sich
genöthigt gesehen, den geschickten Leipziger Arzt Sultz-
berger zu befragen. Dem Übel war durch ihn noch
einmal Einhalt gethan, aber es kam mit erneuter Gewalt
wieder. Der Vater wandte sich ohne Wissen des Sohnes
an einen Zeitzer Charlatan: ein verfehltes Mittel ver-
mehrte das asthmatische Leiden, ein hitziges Fieber
brach aus und am 26. November 1622 erlag er seiner
Krankheit. Ehrenvoll bestattete man ihn in der Pegauer
Lorenzkirche, ja die Stadträthe trugen selber die Bahre.
Aber was Möller so sehr schmerzlich später berührte:
er konnte nicht bei dem Tode, nicht bei dem Begräbnis
zugegen sein. Schlechter Briefverkehr vermittelte ihm
die Kunde zu spät.
"*) Laureatus von Dr. Hoe. Taubmann in Wittenberg rieth
ihm Dichter zu bleiben.
'*'') Er war Diskantist in der Dresdener Hofkapelle gewesen
und in der Kompositionslehre Schüler des Kapellmeisters Rogier
Michael, der diesem Institut 1587 — 1619 vorstand.
74 Uciiilianl Kiiilc;
Damit beginnt die laiig'e Eeilie lierbsten Ungliicks,
die den armen Müller l)etrelfen sollte. Viel Liebe hat
er in seinem Erdenwallen in den Sarg- gelegt! Noch am
6. November'") hatte er einen Brief des Vaters bekom-
men, den letzten, in welchem jener dem Sohne das „ex-
tremnm vale" todesahnend zurief „Christus spes animae
sola solusque meae" ... so schloss jenes Schreiben. Nun
war er tot. „Verwaist sah ich mich des besten Vaters,
von dem ich erzogen und belehrt war, vor dessen Hin-
scheiden mich schon in Gedanken geschaudert hatte.
Keine Hülfe erschien mir, von dem tiefen Falle mich
wieder aufzurichten"'^). — Dem Vater zu Ehren beab-
sichtigt er, dessen Leben zu beschreiben, und beendet in
kindlicher Liebe dies „debitum parentale", zu dem er
nur schwer die Unterlagen gesammelt'-). Aber zum
Druck kam das schöne Zeugnis reinster Verehrung da-
mals nicht, weil die Perfidie eines Leipziger Druckers
die Sache niederdrückte. Noch zweimal in schwersten
Prüfungen legte er Hand an dies Werk, den klarsten
Abglanz einer schönen Seele.
In der Arbeit suchte er Trost, und wenigstens Arbeit
fand er. Schon mit der Beisetzungsfeierlichkeit der Kur-
fürstin-Witwe Sophia'-^) gab es mancherlei zu thun —
„ego sum occupatissimus" '^) — und eine Supplicatio, die
Dr. Hoe dem Kurfürsten überreichen sollte, aber nicht
konnte'-'), musste aufgesetzt werden. Sodann lag ihm
jetzt auch die Sorge für seinen jüngeren Bruder Peter
auf den Schultern, den ihm noch der Vater dringend ans
Herz gelegt hatte '*^), und vor allem schien sich ein
weites Arbeitsfeld an der Freiberger Stadtschule auf-
zuthun. Der Rektor des Gymnasiums Joh. Schellenberg
stand auf der Höhe seines verdienten Eulimes. Ener-
gisch, tüchtiger Pädagog, zielbewusst, rücksichtslos im
richtigen Fortschicken hatte er der heruntergekommenen
Schule einen neuen Geist eingehaucht, und der Super-
intendent Helvicus Garthius ihn dabei so redlich unter-
stützt, dass selbst die langversäumte Bibliothek in Auf-
'ö '
nähme gebracht werden konnte. Vorzüglich hatte es
fe
ferner der Schule zu unberechenbarem Nutzen gereicht,
'<>) '^rrni. Msch : 16. Nov. Siehe HB. I. 87. — '0 'Jtnm.
"•^) HB. IL 173. — '0 28. Jan 1623.
■'*) HB. I. 99. Vgl. I. 120: concionibus habendis.
"*) Ibid. I. 101. — '«) Ibid. I. 87.
Andreas Möller. 75
dass sich Garthiiis") bereit erklärte, w üclieutlicli des
Dienstags zu Mittag von 2 bis 3 Uhr hebräische Gram-
matik gratis zu lesen und damit jene alte Wellersche,
in Vergessenheit gerathene ,.lectio theologica-' zu er-
neuern. Der Rath bemerkte es beifällig, dass nicht nur
der Schulcoetus , sondern auch Pfarrer und andere Ge-
lehrte diesen Stunden beiwohnten, bedauerte aber, dass
dies schöne Unternehmen mit Garths "Weggang nach
Prag 1(313 eingeschlafen und dem Rektor Schellenberg
eine solche Zugkraft abhanden gekommen war.
Jetzt schien durch Abdankung des Konrektors Loe-
ser eine grosse Veränderung an der Schule bevorzustehen,
und Möller liatte schon am 19. Mai 1623, um dem Ratli
„sein freudig Gemüth bei öffentlicher Proclamation merk-
lichen an Tag zu geben" '^), demselben „eine geringe
Gratulation in 4 Sprachen überreicht", leider nur schrift-
lich'^), weil sie aus Mangel an geeigneten Lettern nicht
gedruckt werden konnte. Darin hatte er gebeten, „man
wolle ihn unter die Clienten willigiich aufnehmen: wel-
ches E. Wolw. auch nicht ausgeschlagen, sondern gross-
günstige promission getan, meiner in fürfallender Ge-
legenheit in bestem zu gedenken"*"). — Im September
gewann es immer mehr den Anschein, als wollte Loeser
vom Konrektorat zurücktreten, inmassen er sich schon
auf das Studium der Rechte gelegt '^^). Gensreff ver-
wendete sich darum für seinen Hauslehrer Möller beim
Konsistorium in einem deutschen Briefe*-), worin er er-
klärte , dass Möller anderer Beförderung bedürfe „und
solcher Stelle werth sei, nicht allein weil er im Leben
fromm und eingezogen . . . ., sondern weil er in den
orientalischen Sprachen solche Wissenschaft erlanget und
zuvörderst, weil die hebräische Lectur auf dem Conrec-
torat beruhet" *^). Auf diese Kenntnis berief sich auch
Möller selbst in einem Schreiben an das Konsistorium
(17. Sept. 23)*^), dem er ein Carmen pentaglottum bei-
legte*'). Eine hohe Interzession blieb nicht aus mit dem
Vermerk (19. Sept.): „Ihr wollet Supplicanten, so viel
") 29. Okt. 1610. — '«) HB. I. 114.
•9) UFRA. Geistl. Sach. Uli. 2. vom 24. Sept. 1623. — ^) Ibid.
— ^1) Ibid. — «-) HB. I. 121. — 8") Ibid. _ 81) ITFRA., 1. c.
^) „quo per prosopoeiam deo trinuni pro pacato imperio . . .
principis J. Georgii . . . gratias agit Sophia. — vnofptjrogi A. Mol-
lero." üFRA.
7(; Hciuliiird Kiulf:
geschehen müglich, in Acht nehmen und unserer Vorbitt-
schrift fruchtbarlich geniessen lassen". Allein — Loeser
— praeter spem — resignierte nicht ! Von anderer Seite
jedoch wurde Luft, indem der Tertius G. Hausmann
als Rektor nach Dresden übersiedelte und Möller sich
nun ums Tertiat bewerben konnte „ob domicilium et
alias commoditates, quibus tertius conrectoris vice fruitur
et quod Gensreffius me hinc vix dimitteret"*"). Und
richtig, unterm 24. März 1624 „ist ihm das Tertiat, bis
etwa das Conrectorat sich verledigen möchte, zuzusagen
befohlen worden"^'). Er nimmt an, sagt auch ^'*) _ „als
lector Hebraeus" die gewünschten hebräischen Lektionen
und seine Dienste für das exercitium disputatorium zu''^)
und empfängt am 3. Juli seine ordentliche Vokation
nebst der Weisung, beim Konsistorium um Konfirmation
einzukommen, die am 7. Juli „nach gehaltenem examine"
ankam. „Dagegen soll die Besoldung, so sein antecessor
gehabt, unabbrüchig gegeben werden"^*').
So verliess er das Haus des Superintendenten. Li
dem Bewerbungswirrwarr vergass er schnell eines kleinen
Zufalls, der ihm 1623 noch als Hauslehrer den einen
geschriebenen Band einer breitspurig angelegten Frei-
berger Chronik von Georg Agricola, Frühprediger an
S. Nikolai, in die Hände spielte. Nur beiläufig und ohne
grosse Achtung las er das etwas langweilige Machw^erk
durch, weil er damals noch nicht wissen konnte, dass er
einstmals ein Chronicon Freibergs zu schreiben auf sich
nehmen würde ^^). Er zog in das Gymnasium und ant-
wortete auf die Einführungsrede des Superintendenten
(27. Juli) in längerer freier Ansprache vor grosser Ver-
sammlung, über den Werth der Schule und Lehrer han-
delnd «•-).
Eifrig las er anfangs bei den älteren Schülern 4
Stunden w^öchentlich^^^), und dazu kamen auf sein Be-
treiben die exercitia logica und rhetorica in Schwung.
Alle 14 Tage fand im Beisein Gensreffs öffentliche Dis:
putation statt, dergestalt, dass durch alle diese Mass-
nahmen die Schule eine „rühmliche Frequentz" zu ver-
zeichnen hatte, in- und ausländische Zöglinge wieder wie
8«) HB. I. 134. — s7) RP.
*ä) Sonderbarer Weise schon unterm 23. März. HB. I. 135 a.
«») Chr. 308. — ^) UFßA. — «i) Chr. Vorher, c. 2.
"2) HB, I. 159. — "») Chr. 314.
Andreas Möller. 77
sonst herbeiströmten und sogar 1631 es räthlich schien,
das auditorium theologicum, welches man seit 1604 der
Bibliothek eingeräumt hatte, Avieder dem Schuldienst zu
überweisen.
Freilich blieb die Schattenseite nicht aus. Der Herr
Konrektor Loeser verspürte unverhohlen wärmere Neigung
zur Rechtsgelahrtheit denn zur Kindererziehung und
halste als Notarius publicus dem armen Möller alle Ver-
richtungen des Konrektorats und die Stunden in der
Prima auf, während er in der leichteren Tertia fort-
amtierte und Titel und Gehalt behielt. Er deckte sich
hinter ein Reskript des Kurfürsten, „seine praxim juris
nebenst dem Schuldienste zu exerciren"^*). Das Hess
sich aber der jugendliche Möller nicht verdriessen, wenn
auch nur wenig Zeit für seine dichterische Bethätigung
übrig blieb. Vielmehr dachte er jetzt daran, sich einen
eigenen Hausstand zu gründen und Umschau unter den
schönen Freibergerinnen zu halten. Schnell und sicher
war gewählt und am Tage seines Antritts (27. Juli)
hatte man sich verlobt '*'^).
Wenn in der Wahl des Weibes der Charakter des
Mannes sich bewährt, so traf es bei Möller zu. Nicht
unter seiner Bildung stand die Erwählte : die nachgelas-
sene'**') Tochter Michael Köhlers, der sich als Schicht-
meister bei der Stadt gerechte Ehre erworben hatte.
Die Mutter nannte sich stolz eine Buch führ er, deren
Geschlecht zu den ältesteii Freibergs gehörte : es brauchte
sich die Tochter Salome ihrer Vorfahren nicht zu schämen.
Ihr Geburtstag fiel mit dem ihres zukünftigen Mannes
auf den 22. März, nur dass sie diesem um 8 Jahre im
Alter nachstand'''). Ihre Mutter begünstigte den Bund,
die „Gefreundeten" schienen ihn auch zu wünschen, und
so begab sie sich am 21. September 1624 mit Herrn Mag.
A. Müller'*^) in den Ehestand. Sorglich hatte der Herr
Gemahl alles vorbereitet. „Euer Gnaden — schreibt er
an einen Wildmeister ^••) — wolle einen Rehbock schiessen
lassen, damit ich ihn auff künftigen Montag den 20. haben
möge zu meiner Hochzeit" ^"-*).
"0 UFRA. Geistl. S. 14 b.
»') HB. I. 159.
»8) LP. Möllers; FGB. Band 5. — '■") Geb. 1606. ,
"*) Gensreffs LP. für Regina Moller nennt ihn schon „Conrector".
»■') HB. T. 166. - i"o) Kostete 2 Thlr. 6 Gr.
78 Reinhard Kade:
Wälireud er nun eine „freundliche, friedliche, lieb-
liche Ehe^"^) zu führen begann und sich ihres Mannes
Herz auf sie verlassen durfte", liess sein Streben für die
Schule nicht nach. Ein Jahr darauf^"'-) hielt Möller,
,, wegen Lesung und Profitirung der hebräischen Sprache
und derselben Mühwaltung unib einen Schrägen hart
Holz an , welcher ihme auch zu Verehrung zugesagt
worden", und am 10. Juli 1626 gab man ihm auch ,,das
Fuhrlohn von dem Holze aus dem Kasten". Daneben
ward um des Gelderwerbs willen frisch weiter gedichtet.
Wir besitzen aus dem Jahre 1625 zwei Epicedien, unter
ilinen ein längeres deutsch-lateinisches Gedicht auf Re-
gula Schönlebe, Frau des Bürgermeisters, in dem wieder
grosse Gewandtheit zu Tage tritt. Jedes wollte sich von
Möller ein Gedicht machen lassen, und selbst aus Dresden
liefen Bestellungen ein.
Daher lag es nahe, dass ihn Gensreff aufforderte,
seine polyglotten Gedichte dem Dr. Hoe von Hoenegg
in Dresden vorzulegen, dem nicht nur der Superintendent
bekannt, sondern auch Möller bei der Leichenfeier der
Sophia vorgestellt war. Das thut Möller (20. Februar
1626) ^"■'), Gensretf fügt ein empfehlendes Wort bei, den
Jungen sprachgewandten Mann mit dem Dichterlorbeer
zu schmücken, den er vom Pfalzgrafen leicht erhalten
könnte, lieber jedoch aus der Hand euies Geistlichen
nehmen würde ^"'). Hoe willfahrt, und unterm 17./18. März
erwählt er Möllern auf Befehl Ferdinands II. zum kaiser-
lichen gekrönten Dichter und giebt ihm das Dekret und
die Facultas „omnibus in urbibus, universitatibus ....
totius Rom. Imperii in poetica artis scientia i)ublice
legendi et docendi"» Einen üvid, Tullius und Tibull hatte
Hoe ihn genannt und hinzugesetzt: ,,profecto doctissimus
vir est"^"'^). Und ehrender konnte wohl kaum ein Lob
klipgen, als wenn er auf lim dichtet (> '"'*'):
„Ein Menscb reichet oft kaum liir eine Si)raclie; jedoch l)n
Müller zeichnest dich aus in der ]\Iuiularten sechs,
Schreibest Gedichte sowohl in lateinischer Spi'ache und Uriechisch.
Schreibest Chaldäisch dazu, schreibst gar in syrischer Sprach".
Nicht ist zu schwer nach arabischei' Art die Worte zu zwingen,
Schaffst — du bist es im Stand — selbst ein heliräisches Lied!"
1. — '"•') Ibid. II. 2.
'0«) HB.
"^") Über
— ^"■-) RP.
II. fol. 3 a.
setzt; ibid.
1.
iL.
Aug.
o
•J.
1625.
Ibid. II.
Andreas Möller. 79
o
Möller bezeigte bald darauf (1627j zum Geburtstag
seinem hohen Gönner den Gegendank durch ein grösseres
lateinisches Gedicht, das er ,Colossus Hoeneccius" be-
nannte^'''). 26 Tafeln hat Fama in einer Ruhmeshalle
zu Ehren Hoes angebracht; 26 Jahre aus seinem Leben
stehen darauf verzeichnet; der Dichter will sie gelesen
haben und giebt deren Inhalt in glänzendem Latein der
Verse und in begeisterten Worten wieder.
Von nun an hat er wacker sein ganzes Leben hin-
durch den kaiserlichen Pegasus, den er sich für drei
Joachimsthaler ^''®) erkaufte, geritten. Keine fröhliche,
keine traurige Gelegenheit verging, die nicht seine Muse
verschönte. Die fröhlichen Lieder hat uns die Zeit
bis auf eine Ausnahme des Jahres 1627 leider nicht
aufbewahrt. Dies eine Lied pulst aber von so frischem
Leben, dass sich die Angesungenen wohl über ihr „Ga-
melion"^*'") in lateinischer Sprache mit deutscher Über-
setzung freuen konnten. Allerdings waren die Hoch-
zeitsleute auch keine geringen Personen: Er der Herr
Rath Michael Prager; Sie Jungfer Elisabeth, eine
Tochter des Arztes Thorschmied, den er darin mit den
schönen Worten besang:
„Wer hat nicht hören sagen,
Wie ihn Apollo frei,
Selbst den Tod zu verjagen,
Gelehret die Arznei."
Reichlicher sind uns Möllers Trauerlieder erhalten,
sie fliessen in den meisten Leichpredigten zwischen 1G22
und 1659 ununterbrochen fort. Eine ziemlich genaue Be-
rechnung ergiebt die stattliche Zahl von LoOU lateinischen
Versen, ohne dass neun längere lateinische Gedichte mit
deutscher Übersetzung hier mitgerechnet Avurden. —
Rüstig wurde für das Wohl der Familie bis ins Jahr
1627 weiter gearbeitet. Stand doch deren Vergrösserung
bevor. Wie gerufen kam es darum, dass der Konrektor
Loeser um Michaelis sich entschloss, mit Ostern 1627
gänzlich zu resignieren „wegen seiner vorfallenden Rei-
sen"^^°). Man fragte Gensreff, ob er damit einverstanden
wäre, wenn Möller zum Konrektor, Schleiffentag zum
^ö") Siehe Anhang: A. 2.
los) HB. II. 2. (vel aareum ungaricum cum und imperiali.)
10") Vgl. Anhang A. 3. - "«) UFRA.
<iQ "Reinhard Tvade:
Tertius befördert würde. Der wars zufrieden'"), und
am 5. März wollte der Ratli ihn „zu obgedaehtem Con-
rectorat ordenliclierweise vociret haben" "'-). Am 16. März
willigte das Konsistorium ein, am 8. Mai sprach Möller
zum ersten Male als wirklicher Konrektor zu seinen
Schülern ''"). Erstens galt es ihm, seinen discipulis in-
corruptae et orthodoxae pietatis mysteria sedulo instil-
lare; sie ferner ab improba licentia divellere und sie zu
bilden cognitione artium dicendi, cuniprimis diligentiore
exercitio divinae logices, tum etiam culturae linguarum,
Latinae, Graecae et Hebraicae.
Aber das Glück nach aussen konnte nicht den
schweren Kummer in der Familie überglänzen. Die
Zwillingssölme, die ihm seine Frau am 0. Oktober"^)
brachte, starben beide schon 10 Tage nach der Geburt.
„Dens mens magno me vulnere et ad vitalia usque pene-
trante percussit" ^^■'). Andreas und Michael hatte man sie
getauft. Theophil Lehmann hielt die Grabrede""). —
Dazu war das. Geld knapp. Er bittet um einen Schrä-
gen Holz, der ihm bewilligt wird, „jedoch dass er ihn
selber fahren lassen soll"^'^). Zu thun hatte er auch
genug, sowohl mit der Zusammenstellung seines Krö-
nungsaktes für den Druck "^), als auch mit der Druck-
legung einiger Dekaden seiner Polyglotta, die zwar schon
1Ü25 nach Dresden geschickt waren, aber lange auf
Lager blieben, sogar nach Wittenberg gehen sollten"''),
endlich am 15. März 1627 in der Residenz ferme sub
prelo calent; noch 1630 wurde an ihnen gedruckt.
Aber Schmerz und die kleinen Sorgen des Lebens
Hessen den wackern Mann nicht den Muth verlieren.
Gerade in der Zeit der Trauer arbeitete er, wie um
sich zu zerstreuen, an heitern Stoffen. Denn nachdem
er das Geistesleben und die Exercitien bei der Schule
wieder in guten Gang gebracht, will er „in Bedenkung
seines ihm anbefohlenen Amtes es nicht unterlassen,
die Comoedien wieder herfürzusuchen". Dramata und
"1) RP. 13. Febr. 1627.
"-) UFRA. Beworben hatte sich auch Bolieinu.-^ aus Witten-
berg. HB. II. 77—80. - i'3) Ibid. I. 160.
"\) LP. falsch 6. Sept., vgl. HB. II. 112 und das Totenbuch
des Freib. Domes. Darnach begraben 19. Okt. — "') Iliid.
"«) Ibid. II. 113. — "^) KP. 10. Dez. 1627.
"^) Siehe Anhang: A. 1.
"") HB. U. 99. 100; 98, 203. 186.
Andioas Möller. 81
Comoedien sind gar nützliche Uebungen, dadurch die stu-
dirende Jugend zu löblichen Tugenden, Meidung der
Laster, zu zierlichen Actionen, frischer Aussprache, Ex-
cülirung des Gedächtnisses und Unerschrockenheit bei
öÖentlichen Zusammenkünften zu reden aufgemuntert
wird'-*'). Seit 1G24 hatten solche Schulautführungen ge-
ruht, und deshalb schien dem Rath die Aufnahme einer
alten lieben Gewohnheit recht angebracht. Er gewährte
für den 11. und 12. August'-^) eine Bühne im Rathhause,
denn dort im historischen Eckzimmer wurde ehemals
immer Theater gespielt.
Nun aber Stolfe schaifen. Als Philolog griff Möller
zunächst zu Plautus und zu dessen bestem Stücke, der
Topfkomödie oder Aulularia, die auch Meliere in seinem
Geizhals 30 Jahre später verwendete. Da aber dgi-
Schluss im Original bekanntlich fehlt, so benutzte er "die
Bearbeitung des Codrus Urceus, setzte auch vorn noch
einen Akt aus Gilda Sapiens Britanniens voran, fügte
lateinische Prologe und Argumente hinzu und nannte
diesen contaminierten Brei : Querulo-Euclio. Aber Möller
kannte sein Publikum. Rathspersonen mit holden Ge-
mahlinnen und Töchtern standen zu erwarten, von denen
die ersteren ihr bischen Latein gewiss sehr zusammen-
suchen mussten, die letzteren fast gar nichts verstanden.
Was thut er? Die lateinischen Prologe werden in deut-
scher Sprache wiederholt. Dann füllt er die Zwischen-
akte nach Art des Satyrdrama der Alten immer durch
einen Akt aus einem kleinen deutschen Lustspiel: Cleaeret,
das leichtverständlich war. Ein Sohn überschreitet die
vom Vater ihm gegebenen Lehren; Bauern, die ihr ge-
wöhnliches Sächsisch reden ^-■-), treten auf, und Hiebe
regnet es förmlich. — Am folgenden Tage kam ein län-
geres deutsches Stück „Areteugenia", nach Daniel Gramer
bearbeitet, zur Darstellung. (Die handschriftliche Be-
arbeitung desselben Stückes von Burchard Grossmann
aus dem Jahre 1603 hat Möller nicht gekannt und be-
nutzt. Sie liegt in der Königl. Bibliothek zu Dresden.
M. 226.) Romantisch, ja phantastisch könnte man
'-'') Dedikation an den Rath vor seinen Dramen. FGB. X. 4*^. 50.
1-1) Vgl. Ann. 4.n4.
1--) Vorrede : Opitianam elegantiani in germanicis his rliytmis
nemo a nobis hie exiget. Verba personis accommodauda erant et
idiotismura uniusvis observare Vdlumus.
Neues Archiv f. S. (;. u. A. IX. 1. 2. ß
32 Keinhard Kade:
das Machwerk nennen, dessen Inhalt ist, wie ein Ge-
schwisterpaar in den gefährlichsten Lebenslagen auf dem
Wege der Tugend bleibt. Um auch dies auf realem
Boden zu gründen , legte Möller in die Pausen einige
ludiones der Musen, Nymphen, Bergleute, Bauern ein,
die gesungen oder mit Instrumenten begleitet wurden. —
Hier ging der Dichter soweit in der Realistik, dass er
ein Liebeslied mit einem bisher nicht bemerkten Akro-
stichon auf seine Gattin, seine „Kolerin", gleich unter
die Gesänge aufnahm und nur ihren Vornamen „Salome"
in Eugenia umänderte. Ganz artig klingt sein Sang:
Korn, kom, Eugenia werth,
Dich jedermaim hoch ehrt,
Dein hoklselig gestalt
Und Tugend mannigfalt
Mein'n Sinn berührt,
Mein Herz inovirt,
Dein eigen will es sein.
0 sieh, du schönste Zier,
Was ich für Leben t'ünr!
Sieh an mein tiaurig herz,
Was es emptind für Schmerz,
Ich heul, ich wein.
Ach werstu mein.
Dein eigen wollt' ich sein.
Lass mich, Eugenia zart.
Nicht in der Pein so hart.
Du kannst durch Freundlichkeit
Verjagen all mein leid.
Ach kom und eil.
Ach hilf und heil,
Dein eigen lass mich sein.
Ehrn will ich dich und nehrn,
Mein huld gegen dir stets mehrn,
Was ich hab, das soll dein,
Was dein ist, wird sein mein.
Ich hoff in Freud
Der fröhlichen zeit,
Mein eigen soUtu sein.
Recht wird alsdann mein leid
Verkehrt werden in Freud,
Dein euglein werd ich hahn.
Mein hertz damit zu labn.
Mich wird dein mund
Machen gesund,
Mein eigen wird er sein.
Andreas Möller. 83
Ich will in ewigkeit
Nicht scheiden von deiner seit,
Mein Herz deim Herz, mein händ
Dein'n händen sind verpfend.
Du mein, ich dein
Durch Gott allein,
Mein eigen wirstu sein.
Kun kom, o kom bald an.
Sonst ist's umb mich getan,
Gott wend' ab unser Leid
Und geb' dir frohe zeit,
Dass du allein
Ohn falsch und schein
• Mein eigen wollest sein!
Ein ernstes Zeitstück über die jesuitischen Be-
strebungen in Böhmen ums Jahr 1625 genehmigte der
Rath aus begreiflichen Gründen nicht zur Aufführung ^-•^j.
— Die Arbeit, die Möller oblag, besonders bei der kurzen
Zeit der Einstudierung, war erstaunlich. „Verum moro-
sissima illa dramatum cui^a me mihi quasi subtraxit"^-^).
Aber der Beifall belohnte die Anstrengung. An nichts
hatte man es für die „Herren Schüler" fehlen lassen,
und 1 Thaler 12 Groschen kostete allein der Flachs für
die Perücken ^^■^).
Nach solchen Erfolgen konnte Möllers Ruhm in Frei-
berg als gesichert erscheinen. Hoch und niediig, jung
und alt bat ihn in allen wissenschaftlichen Fragen um
Auskunft und keinem versagte der eifrige Mann seine
geistige Hilfe. Studenten, Hochgelahrte, Niedriggestellte,
sie galten ihm alle gleich, und jeder Brief fand meist
schon am selbigen Tage Erledigung^"-'').
Wir wissen nun aus den Jahren 1629 — 1630 nicht
viel direktes. Wir erfahren nur, dass er einmal an einem
heftigen Herzleiden, dem Vorboten spätem Unwohlseins,
erkrankte^"-''), dass er sich schon damals mit geschicht-
123) De ilvii^iuati Jebusitarum. Vgl. meine Angaben im Freib.
Osterprogr. 1886. S. 26. u. MFA. 23, 17.
1-^) HB. II. 139. — 1-'^) Vgl. Freib. Progr. 1886. S. 26.
i26j Vgl. die hochbedeutende Möller sehe Briefsammlung in
Hamburg, die hier zum ersten Male für Möllers Leben verwerthet
wii'd. Für die gütige Erlaubnis dazu sage ich der Hamb. Stadtbibl.
meinen besten Dank.
1-') HB. II. 154. 25. April 1629 an Thorschmied: „ingenti
y.aoöah/ia heri laborabam". Spätere Nachschrift : „Me et virum hunc
sapientissimum maluiu illud fefellit, quod tamen postea signi.s clari-
oribus se meu cum malo exseruit."
6*
34 Reinhard Kade:
licher Erforschung einzelner altfreibergischer Geschlechter
beschäftigte^-**), dass ihm sein etwas unsolider Bruder
Peter^-**), für den er die verschiedenartigsten lateüiischen
Gesuche schrieb, viel Sorge machte Wii' hören ferner,
dass er pro maioribus discipulis iiiforniatorii seine ,,ableg-
mina logica"^=^^j um diese Zeit drucken liess^=") und auf
x\inathen seiner Freunde seine „epistolae philologicae"
sammelte und in Ordnung brachte zur Veröffentlichung,
die aber leider nie erfolgen sollte^ ='"-). AVir vernehmen
endlich, dass er zum Jubelfest der Augsbuigischen Kon-
fession auf Anrathen vieler Hochgestellten eine Rede in
Prosa am 28. Juni 1630 hielt, die den Titel führte: de
mirando effectu primam Augustanae confessionis promul-
gationem consequente^-^''). Es war dies für lange Zeit
der letzte, hochfeierliche Tag für die Schule, den er
durch seine Rede denkwürdig machte. Dieselbe führte
erst in die Zeit vor dei- Reformation zurück und beleucli-
tete dann die Jahre um 1537, als der neuen Lehre die
Kirchen Freibergs sich öffneten.
Aber oft sind die Jahre eines Mannes die arbeit-
reichsten und fruchtbarsten, von denen wir verhältnis-
mässig wenig Avissen. So auch hier. Denn Andeutungen
verrathen uns, dass sich seit 1628 sein Geist auf ein
neues Ziel richtete : Freibergs Geschichte zu ertbrschen
und zu beschreiben, weil ihm von den Inspektoren der
Schule aufgetragen war, „nt aliquid de situ Freibergae
publici juris faceret"^-"^). Er erkundigt sich zu dem Ende
bei Licent. Müller und Avianus in Leipzig über die geo-
graphische Lage Freibergs '^'^j, will von Raspius erfahren,
wann der Freiberger Rektor P. Mosellanus Professor in
^-ä) HB. II. 151. Cum vero Buchführeroruin vitae cursum
scire pervellem.
'■'») Ibid. II. 163: „er soll zieinlicli auffgeborget und wacker
/.um Dameu gegangen sein." Aus Dresden von Joli. Einer. 1629.
'•*; So der richtige Titel; weder „ableganiiua" (Waguer Series
collegarum Freiberg. 1715) noch „absegmiua" sind beglaubigt.
'"') Ibid. 193. Vollst. Titel siehe Anhang. Er wohnte bei-
läutig an den Cal. Oet. 1630 „iu aedibus socrus (Köhlerin) ob oertas
causa.s, a libris sejunctus, ]am tertium mensem."
'"-) Nach HB. IL 203 (10. Sept. 1030) tiele die Sammlung dieser
Briefe ius Jahr 1629: ,quas ante annum elaboravi". Nach den
Notizen in HB. IV. fol. i b. und Brief 82 gehört die Kollektion ins
.lahr 1628. Siehe Anhang: B. I, 4.
'*') Aiui. 459 (29. Juni) vgl. HB. II. 203, 217 u. Anhang: A. 4.
'•") HB. II. 198. 6. Dez. 1630; vgl. IV. 91. — '•■•) Ibid. 201.
Andreas Möller. 85
Leipzig worden'-'"): kurz, totus est in descriptione Frei-
bergae. Vor allem aber sucht er sich in Freiberg selbst
die Quellen zu erschliessen. Um aus der älteren Raths-
matrikel einiges zu excerpieren oder in den Kopf zu
bringen''''), benutzte er das Rathsarchiv, freilich an-
fangs nur stundenweise und unter Aufsicht eines Raths-
herrn und der Kämmerer. Aus diesen Studien ergaben
sich zunächst genauere Aufzeichnungen über einzelne
Punkte, werthvoll für Freiberg. Aber die Aufgabe ver-
tiefte sich. Ein flüchtiger Gedanke von einem allgemeinen
„Theatrum Fribergae", in der Vorrede seiner Dramata
1628^"^) einmal geäussert, gewann an Gestaltung, und
schon 1630^"^^) schreibt er an den Altenburger Rektor
Clauder: „Totus sum in adornando Theatro meo." Nur
rückte die Ausarbeitung immer weiter in die Ferne, je
mehr Quellen er fand.
Dazu zählte aber in erster Linie die alte Schul-
bibliothek, die ihn mit einemmale gefangen nahm.
Früher hatte sie im Dome gesteckt, dann war sie
in das Gymnasium gebracht, einigemal auch oberfläch-
lich aufgezeichnet^*"), doch seit 1611 mehr als 20
Jahre ganz geschlossen gehalten. Möller entdeckt die
Schätze^ sieht die Verwahrlosung und w^iss einige „lite-
rati" zu einer Bitte beim Rath um Wiedereröönung zu
bewegen ^*^). Es wird ein Schultag unter Gensreffs Vor-
sitz abgehalten; man kommt zu der Einsicht, dass die
alte Unordnung einzig und allein daher entstanden sei,
dass keine bestimmten Bibliothekare eingesetzt gewesen
seien und beschliesst, dass Georg Plattner, der Stadt-
richter, und der Konrektor Andr. Möller zu Bibliothe-
karen geordnet Avürden ^^■■^) : sie sollten alles in Recht
und Richtigkeit bringen und Averden am 14. November
1630 als bibliothecarii bestätigt.
Mit diesem Tage schliesst der erste Theil des Möl-
lerschen Lebens. Lassen auch w^eiterhin die faktischen
Angaben über seinen Lebensgang nach, so können wir
doch aus den Ergebnissen folgern, dass die zweite Hälfte
13Ö) HB. II. 202 u. 185. — i") jijid 205. 29. Nov. 1630.
13S) 30. Jul. 1628 „wie ich in meinem Freib. Theatro künftig
mit mehreren berichten werde".
^^■>) So in HB. II. 205, wo sich aus dem Antwortschreiben
Clauders vom 16. Jan. 1631 nur 1630 erschliessen lässt. Falsch da-
tiert mit 1632 in HB. IV. 93. — i") Vgl. Chr. 129.
1*^) Elenchuri. Vgl. Anhang; Freiberg a. 4. — "-; Ibid.
gß l^einhard Kade:
nicht minder reich (hnch wissenschaftliche Arbeit ausge-
füllt gewesen sei, als die erste. Zunächst hiess es Biblio-
thekar sein. Gross war die Sammlung noch nicht: 9G7
Stück umfasste sie. Das alte, hintere Konklave der
Schule reichte aus. Dahin wurde dieser Stamm auch
gleich im März 1631 transferiert und viel „Rohmaterial"
eingebunden. Das Geld ergab der Verkauf alten Perga-
ments aus Büchern, die theils defekt und unvollkommen,
theils von geringer Wichtigkeit waren'*'"). Nun aber die
Hauptsache: der Befund musste verzeichnet, die zweimal
vorhandenen editiones abgesondert und die andern alle in
10 ordentliche Klassen abgetheilt und in einen gewissen
Katalog gebracht werden. „Der eine Bibliothecarius
hat aus gutem Willen und dem bono publico zum besten
diese langwierige Mühe auf sich genommen" ^^^) : der Un-
genannte war Möller. Kaum war der Originalkatalog in
Ordnung, so liess er 3 Abschriften anfertigen, deren eine
dem Superintendenten, die andre dem Rath überantwortet
wurde, die dritte der Bibliothek verblieb ^^■^). Täglich ein
bis zw^ei Stunden setzte er für diese „indigesta moles"
an^^") und kämpfte mit Motten und Würmern bis in den
Sommer 1631 hinein, „obwohl das Corpus immer noch
ziemlich schwach war". Man interzedierte deshalb bei
Gelehrten und andern vornehmen Leuten um eine milde
Beisteuer^''); man erinnerte an die Verdienste derer, die
früher der Bibliothek auf eigene Kosten redlich geholfen
und den Werth der Bücher erkannt hatten. Eine Tafel
habe man jetzt aufgehängt, darauf die Namen dieser
Förderer zu lesen. Diesen Brief an den Adel der Stadt
verbreitete man durch den Druck ^^*^); doch hatte er bei
den „turbis bellicis'' des oOjähr. Krieges wenig Wirkung.
Daher denn ein Buch mit der gleichen Aufforderung in
lateinischer und deutscher Sprache umlief, die Bürger
sollten doch etwas verehren, damit die Bibliothek wirk-
lich ein castellum et armamentarium doctrinae werde ^*'').
So gelang es, etliche schöne autores einigen Gönnern der
Wissenschaft zu entlocken und im Oktober die Bibliothek
in neuer Ordnung mit einem Anfangsbestand von 1079
Werken zu eröff"nen.
143) Ygl. N. Archiv für ältere deutsche Gesch.-Kuude 5, 210.
i'i) Elenchus. — 'i') Alle vier in der FGB. — "") HB. U. 217.
"^) Ibid. n. 215-, vgl. Eleuchus. — "^) Ibid. II. 216.
"») Douatorenverz. 21. Sept. 1631.
Andreas Möller. 87
Für all die Arbeit bat Möller um einen Schrägen
hartes Holz ^''^^) und erhielt darauf zur Antwort: „obwohl
der Rath in willens gewesen, ein Jahr mit Verehrung
des Holzes zurückzuhalten, damit nicht ein Recht draus
gemacht werde, er aber dennoch den Catalogum über
die Bücher in der Bibliothek mit ziemlicher Mühe und
Arbeit gefertiget, so soll ihm deswegen 1 Schrägen holzs
verehret werden."
Solche Knausrigkeit erklärt sich aus der bedrängten
Kriegslage Freibergs, die alle Kassen erschöpfte. Die
armen Schuldiener wurden in den berüchtigten „Schrecken-
bergern" ausgezahlt, die weder Fleischer noch Bäcker
für voll nehmen wollte. Klagen um Änderung fanden
den trostlosen Bescheid: „anderes, besseres Geld sei nicht
vorhanden". Nun auch noch der schreckliche Krieg,
Missernten, Stockung allen Handels, Einquartierung,
Blockaden, Drangsale: wie sollten es die Kämmerer
möglich machen, die Beamten richtig zu besolden? „Man
solle sich gedulden", lautete das ewige Echo aus dem
leeren Säckel. Dieser Missstand traf gerade unsern
Möller besonders schwer, wenn auch in seinen Druck-
werken nie eine persönliche Klage unterläuft. Wie von
selber reifte von jetzt ab der Gedanke in ihm, aus seinen
medizinischen Studien Kapital zu schlagen und nach und
nach die Schule abzuschütteln. Schon um die Wende
des Jahres 1631^-^^) schreibt er an Zacharias Brendel,
Med. Doct. et Profess. in Jena, und fragt für einen
Freund, unter dem er sicherlich sich selbst versteht, ver-
stohlen an, ob man zum medizinischen Doktorexamen wohl
zugelassen werden könne, wie die Prüfung gehandhabt
werde und mit wie viel Kosten sie verbunden sei. Doch
vorläufig drohte ja noch nicht das äusserste: die Zahl
seiner Schüler war noch so gross, dass er keinen mehr
an seinen Tisch oder in Wohnung nehmen konnte ^■'^-).
Nun kam aber die erste Beschiessung der Stadt, kam
die unsägliche Angst, das Elend und Verderben^'^'^), kam
grosse Trauer in Möllers Haus. Die Mutter seiner Frau
hatte den Kriegslärm nicht mehr erlebt; drei Wochen
darauf gebar ihm seine Salome fast noch unter dem Don-
ner der kaiserlichen und schwedischen Kanonen ein totes
1^) RP. 30. Nov. 1631.
151) HB. III. 1. - 152) Ibid. III. 3.
"3) Ann. 483.
83 Ileinliard Kadc:
Sölinleiii, und Aveiiige Tage liernacli erlag auch sie (17.
Oktober). Am 21. Oktober 1632^-^^) begrub er sie auf
dem grüuen Kirchhof nahe bei der Unterthür^ '•'•). Wieder
eine tiefe Wunde: keine Zeit kann aus seinem Herzen
die Erinnerung an ein Weib von so seltener Tugend Meg-
tilgen ''•"), nicht genug kann er das thränenfeuchte Antlitz
abtrocknen, kaum den Geist aus der ersten Bestürzung
zurückrufen^"'^). Ein Grablied dichtet er ihr, nennt sie
„cordis gemmula chara sui", „tu melligo mei vitaque cordis
eras". Zugleich gedenkt er wieder an den Tod sehies
Vaters und an das, was er damals aufgeschrieben, trägt
mancherlei nach in diesen Andrealia^^^) und schreibt
es aufs neue um, damit sein Bruder Peter sich dran er-
freue. In so ernster Stimmung hört er, dass der Tod
auch die Frau seines besten Gönners und Freundes Thor-
schmied ereilt habe (7. Mai 1633) und fühlte die frische
Wunde schmerzlich aufgerissen^'''-'). Da lag denn aller
Schaifenstrieb darnieder und nur für der geliebten Gattin
Ehrengedächtnis bittet er die Freunde um poetische
Gaben, sie im Drucke alsbald herauszugeben^''"). Sein
Trost blieb ihm sein Briefwechsel mit gelehrten Männern.
Ein glücklicher Zufall hat uns aus dieser Zeit ein hüb-
sches Heft mit 13 solcher gelehrter epistolae in Abschrift
erhalten^.'"). Welche Vielseitigkeit entfaltet er darin
allein. Über die „Schatten" schreibt er in flüssigem La-
tein an Gensreif, über die „Erdschwämme" an Gabriel
Wagner, über den „Ursprung der Metalle" an Paul Rein-
hold in Würzen,
Es ist eine bei leidenschaftlichen Menschen häufige
Erscheinung, dass sie ein jäher Schmerz zwar tief, aber
nicht garzulange bewegt. Es klingt fast unglaublich, wie
sich schon im Juli des Jahres 1633 die Studenten in
Wittenberg erzählen konnten, Möller gehe wieder auf
Freiers Füssen^""-), Möller selber leugnete seinem Zög-
ling David Gensretf gegenüber: de sponsalibus meis falsus
es; annus luctus mei nondum est completus^'''''), somnia sunt.
Und doch war es so! Des Arztes Thorschmied zweite
Tochter Regina hatte es ihm angethan und um sie hielt
1'^) LP. falsch: 2ö. Nov. 1633. Dies ist vielmelu- der 2. Hoch-
zeitstag. — ^^^) Vgl. Totenbuch des Doms.
i'"ö) HB. 111. 17. - "'-') Ibid. IV. 97. — '"^) Ibid. i\. 9S. —
i"^») Ibid. III. 13. — 1««) Ibid. III. 5.
^"i) Vgl. Anhang: Freiberg a. 2.
'"•^) David Gcnsreft-, C. Lincke. HB. lli. 9. U. — '^") Ibid. 10.
Andreas Möller. 89
er im August feierlichst in einem feinstilisierten latei-
nischen Briefe bei dem Vater an^ "'^), da er sich mehr mit
der Feder als mit der Zunge getraut. „Was nicht zu
ändern, muss der Mensch ertragen. Drum hab" ich es
für nicht gottlos erachtet. Avenn ich dem heiligen Na-
turgesetz folge und, wie Welle auf Welle, die alten Sor-
gen durch neue vertreibe. Zu lieben nämlich halt' ich
angefangen Eure Tochter Regina, ein reizendes und be-
scheidenes Mädchen, und ich liolfe, Gott wird mir durch
sie eine rechte Linderung meines Leids geben" ^"'^). Nur
des Vaters Zustimmung miichte er zunächst haben, damit
er nicht etwa zum allgemeinen Gelächtei' werde, umso-
mehr, als ja das Trauerjahr noch nicht zu Ende. — Wir
haben ein Schreiben Thorschmieds nicht : aber er gewährte
den Wunsch. Schon Hess Möller sich in Pegau auf-
bieten^''*^), schon war die Hochzeit für den 15. Oktober^"'')
anberaumt: da starb plötzlich der berühmte Thorschmied
und machte alle Pläne zu nichte. Den Helfer und Rather,
den Freund und Vater hatten sie verloren; nun blieb wieder
weiter nichts, als Grabgedichte zu machen, und in zwölfen
derart beruhigte sich sein Gram^*^^). Dann fand im
Hause Thorschmieds ^*^'') die stille Hochzeit am 25. Nov.
1633 nachmittags um 4 Uhr statt, bei der sie der alte
Freund Gensreff ein segnete ^^"). Der Rath hatte dem
Hochzeiter „drei Eymer Wein zu seiner Wirtschaft steuer-
frey passiren zu lassen verwilliget" ^^^).
Kaum wieder zur Ruhe gekommen, strengt er alle
seine Kräfte im Dienste der verkommenden Schule an,
deren Schüler durch die feindlichen Einfälle theils vom Stu-
dieren abgeschreckt, theils und zwar die meisten verjagt
worden waren ^"-). Die Erklärungen der principia physica
und sphaerica für die maiores, wie auch die lectiones he-
braeae wollten nicht mehr verfangen, und Literesse konnte
nur noch durch die rhetorischen Lectionen erweckt Averden.
Diese betrieb er mehrere Jahre hindurch mit regem Eifer,
mid ein Heft von ihm lässt uns einen guten Einblick
thun""). Er erläutert darin die rednerischen Regeln
durch Beispiele, handelt über die Chrie, kommt auf das
genus didascalicum, demonstrativum, judiciale und gibt
1") HB. 17. — «0 Ibid. — i«ß) Ibid. III. 18. - '«t) ibid. III. f. 48.
i«8) LP. Band 11. der FGB.
^*'^) „Adhuc in aedibus soceri piae memoriae haereo". HB. III. 22.
"0) Ibid. III. 19. — "») RP. 17. Nov. 1633. — "^j Chi'. 309.
"") Collegium rbetoricum. Vgl. Anhang: Freiberg a 3.
90 Koiiihard Kade:
iiniiier zu jedem Abscliuitt allerliebst disponierte Themata,
ja selbst eine deutsche Ausarbeitung, „ob einem Christen
zuzulassen sei, über andere zu herrschen". Ein höchst
schätzenswerthes Heft, auf das noch kein neueres Ge-
lehrtenauge gefallen ist.
Die übrige Zeit füllten Geschichtsstudien aus, die
ihn tiefer und tiefer in die Vergangenheit Freibergs ver-
sinken Hessen. Neben den „Euchführern" lockten ihn
die „Molsdorflfs genannt von Weller", deren Alm Hiero-
nymus, der Freund Luthers, gewesen war. Aber ein
Buch, wie manche glauben, hat er über sie nicht ge-
schrieben, am wenigsten dasjenige, welches den Titel
trägt: „Historie von dem alten . . . Geschlechte derer von
Molsdorf.. .'* Irrthümlich geht es unter Möllers Namen ^■*)
und soll noch überdies ein „autographum auctoris" sein.
Eine x4.bschrift ist's nach dem gleichnamigen Druck des
Cyriacus Spangenberg ^ '■'•), die Theophil Lehmann (f 11.
Okt. 33), Amtsprediger an St. Nikolai, auf Wunsch dem
forschenden Möller hatte anfertigen lassen ^■'^). Nur die
zahlreichen Randbemerkungen und Beilagen rülu'en von
Möller her, die meist aus dem Freiberger Rathsarchiv
geschöpft sind^"), und das einzige, was aus dem Büch-
lein herausspringt, beschränkt sich darauf, dass Möller
um diese Zeit sich viel mit den Gentes Freibergenses
beschäftigt hat. Das bestätigen auch die übrigen, un-
endlich fleissigen Materialien '"''). Gaben doch die Genea-
logien der alten Familien auch den besten Stamm zu
einer eingehenden Stadtgeschichte. Von solchen histo-
rischen Stadtforschungen zeugt auch ein Brief an Dav.
Quellmalz und Joh. Kraft, denen er — sicher um 1633
— auslülirlicher, als es früher auf Antrieb der Scliul-
inspektoren hatte geschehen können, über die Lage und
die alten Einwohner Freibergs"'-*) berichtete.
Aber schlechter wurden die Zeiten. Die Bibliothek
warf so wie so nichts ab. „Die Schule", so klang es
aus unterschiedlichen Kreisen, „war anjetzo auch gar
1") Halle. Bibl. Vgl. FGN. 1801. 25. Juui. — ^'■^) Erfurt. 1590.
"") Vgl. einen Zettel Lehmanns in dem Hallens. Exemplar.
"') Sie setzen Thorschmieds Tod voraus, also nach 22. Sept. 1633.
"*) Ponick. Bibl. in Halle u. Dresdener Bibl. L. 380.
1"») Malle Hist. Q. 72 = SVN. I. 97. Hier wird er „lange
vor 1652" datiert. Der darin zitierte Brief M's. an Piscator, den
Klotzsch vermisst, das. S. 106, befindet sich HB. I. 210—212 =
IV. 29—31.
Andreas Möller. 91
Übel bestellet." Sie drohte einzugehen. Der Rektor war
ein Greis von 72 Jahren. Die Besoldung blieb aus. So
erwog Möller denn, ob er nicht wirklich ganz zur Medi-
zin übergehen und sich durch ein Universitätsexamen die
Erlaubnis des Praktizierens verschaffen sollte. Freunde
riethen ihm allseitig zu und empfahlen Jena, das mehr
Anknüpfungspunkte für ihn bot, als Leipzig, avo die me-
dizinischen Gelehrten aus Möllers Studentenzeit das Zeit-
liche bereits gesegnet hatten. Mit dem Professor Medi-
cinae Brendel in Jena stand er überdem schon in Be-
ziehung^""^) und der Dekan Werner Rolfinck schien ein
gemütlilicher Mann. Nachdem auch schon alles einge-
leitet und von dem berühmten Sennert in Wittenberg ein
Attest eingeholt war^*^), sollte die Promotion gegen Ende
163.5 vor sich gehen'*-). Wieder stellten sich ungeahnte
Schwierigkeiten entgegen. Kriegstrubel machte die Wege
ungangbar, so dass Möller erst „zur nächsten Leipziger
Messe" (1636) hoff'te, seinen Zusagen nachkommen zu
können. Diese Hoffnung zerstörte grausam der Tod
seiner geliebten Mutter, die sich bei Möllers Bruder
Peter, damaligem Pastor in Grünborg '^•^), aufhielt und
als Witwe kümmerlich die letzten Jahre verlebt hatte ^*^).
Wenig mochte ihn da die Geburt eines kleinen Mädchens
erfreuen, das sicherlich nur noch mehr häusliche Unruhe
brachte ^^■''). Verschoben also musste die Promotion wer-
den: im Herbst (1636) sollte sie nunmehr stattfinden.
Aber als hätte sich alles verschworen, so brach jetzt die
Pest in Jena aus und ging heftig um'-*^). „Omnia ergo
dilata sunt usque ad sequentis anni mensem primum."
Doch nochmals sperrten Kriegswirren den Weg und er
sieht nicht ab, wie er zum Johannisfeste^'^') nach Jena
gelangen soll, wünscht vielmehr, man möge ihn in ab-
sentia promovieren, was in früheren Fällen zuAveilen ge-
nehmigt worden sei. Darauf ging die Fakultät nicht eüi,
setzte ihm aber den Dezember als Termin. Endlich war
alles in Ordnung, selbst eine Erleichterung von den Arbeiten
der Schule erreicht^*''). Nur der Geldpunkt machte Kopf-
zerbrechen, und unterm 4. Okt. 1637 heisst es im Raths-
i«o) HB. III. 1. — 181) Ibid. III. 39. 40. — 1«-) Ibid. 33: „actum
indictum audio".
^'^^) „sub inspectione Waldheimensi". 'JpTintl.
>«^) HB. IL 173. (t 18. März 1636.) A^gl. ibid. III. 34. 35. —
185) Ibid. III. 35. (geb. 30. März.) — '«s) Ibid. III. 37. — i«^) Ibid.
III. 44. — "^) Ibid. III. 44.
92 Rcinlianl Kade:
Protokoll : „Hrn. Aiidreae Müllers schreiben, darinnen er
zu seiner proniution etwas vom Gelde nffgekiindigt, ist
den Hrn. Cänimei-ern übergeben und ))efohlen worden, so.
viel möglich ihme etwas zu entrichten und nicht zu hin-
dern". Zum Dank dafür sah er sich veranlasst, den
Eath zu seinem Doktorat (nnzuladen^^") und bekam die
]öl)liche Rückantwort: „Man soll an Hrn. Petr. Gardina-
vium in Jnridica facnltate schreiben, dass er an des
Raths Statt als ein Gesandter erscheinen wolde und den
Doctorand zu ehren dem Acte beiwohnen, mit Vertröst-
ung, das wegen des Presents Ihme, wenn er wieder an-
hero mit Gott gelanget, die Rechnung — wegen Un-
sicherheit auf der Strassen — alliier überantwortet wer-
den solle."
Den Verlauf der Promotion schildern am besten die
Eintragungen in den Papieren der Jenaer medizinischen
Fakultät unter dem Dekanat W. Rolfincks^'*"), in denen
er merkwürdigerweise mit dem Vornamen seines Onkels
als Johannes Müller auftritt.
a) Erste Notiz vom 4. Novbr.: JI. Johannes MULLERUS
olim rector^"') et orientalium linguarum scientissimns, nunc practicus
Freibcrgensis nomeu iledit facnltati. examina sustinuit, doctriuam
suam practicam et theoreticam uberrime declaravit. Cum autem
difficultate nuditns laboraret, loco disputationis publicae
elegantem habuit in auditoiio maiori orationem de contagio *"-).
Tres candidati ordinariam pecuuiam statutis praettxam promti ex-
solvere. Ut autem innotescat, qnibus rationibus permota Facultas
medica consultnm aestimavit, Mullero .... a^isignare orationem in-
auguralem loco disputationis publicae, adnotai'e licet, quod commu-
nicata res cum Magnifico Rectore et seuatu Academico senatu ('?)
placuerit " — b) Z^veite Notiz vom 11. Dez.: „J. Mullerus . . .
G. Heinsius . , . H. Psancns . . . M. Stösselius. . . . A. Birnbaum
renunciati sunt publice in doctores medicinae . . Sumtus uumerales
et convivales tenues fuerunt: qnilibet doctor novellus expendit 25
imperiales. "
Zum z weitenmale Doktor, kehrte er wegen Geld-
mangel direkt über Zeitz und Rochlitz nach Freiberg
zurück und traf hier wohlbehalten am 20. Dez. ein^^^).
Ungeheurer Ruhm zog mit ihm in Freiberg ein. So
etwas war seit urdenklichen Zeiten nicht dagewesen.
"») HP. 6. Dez. 1637. — '•") 4. Aug. 1637 bis Febr. 1638.
^"^j Falsch: conrector.
^"2) Grübler, Totengr 1. 266: „de c. pestilentiali". In HB.
III 47 noch eiue „resolutio Aphorismi lect. 5 in examine memoriter
recitata" u. eine quaestio „de usu metallorum in medicina".
'"■•) HB. III. 52.
Andreas Möller. 93
Alles sprach von dem Ereignis, Ein junger Student, der
älteste Sohn des Domkantors, Christoph Demantius,
fühlte sich zu einem Gedichte ^^^) begeistert, in welchem
er den neuen Doktor mit dem alten Hippokrates verglich.
Ein Akrostichon auf „Andreas Müller D.", das ich glück-
lich entdeckte, lässt keinen Zweifel aufkommen, wer ge-
meint sei mit den Lobpreisungen, die den Geschmack des
XVn. Jahrhunderts nur zu deutlich an der Stirn tragen :
,[AJ Niemand ergrieff an Ihm so leicht ein fehlerlein,
Von der A'ollkommeiiheit war er genommen ein.
Die gantze Wissenschaft war gleich Personen Lenge,
Proportion bestund in seiner Glieder Menge,
Raus glintzerten aus ihm des Wissens Aedeilein,
Sein gantzer Leib, der roch nach der Medusen Wein.
Er schien natürlich aus, als dass er sey entsprossen
Von dreyen gratien, die ihn so schön gegossen,
[A] Subtile Neides Gunst war gantz an ihm verstrichen,
Und hette man da.-< Bild den Göttern selbst vergliclien."
's^
Nun handelte es sich um völlige Loslösung von der
Schule. Einmal fiele, so sagte er, ihm wegen seiner
schweren Leibeskonstitution die stete, sauere Schularbeit
zu hart, und sein Gehörübel Hess das glaubhaft erschei-
nen ^''"''). Namentlich aber wurde ihm das Ausbleiben
seines Gehalts überdrüssig, um den eme ordentliche Katz-
balgerei entstand. In den Akten heisst es^^^): „Hrn. D.
Andreae Möllers suchen und gethaner Vorschlag wegen
seiner rückstendigen Besoldung ist abgelesen, undt mit
den Vorstehern geistlichen Einkommens communiciret." So
viel nun den ersten Punkt, die Benehmung derer 200 Thlr.
auf seinem Hause ^■*'), betreffend, erklären sich die Kasten-
lierren :
„dafs sie dieselben Zinsgelder nicht auf sich nehmen könnten,
denn sie sonsten die Hm. Geistlichen und Schuldiener wöchentlich
nicht zu besolden wisseten. Undt do gleich der Rath sie auf sich
nehmen möchten, woferne lierüite Kastenherrn sie an ihren Zinfseu
hey dem Käthe wollen abkürzen lassen, so verweegern sie solches
sich gleicher gestalt aus vorgedachter Ursachen, Sondern seindt er-
hötig, ihn an die aufgewachsenen Kosten beym Rath undt Schösser
zu Cliemnitz ingleichen, oder bey dem Rathe alleine oder andern
ortten anzuweisen. Sonsten wisseten Sie kein ander mittel. Was
aber der Rath an gestiften, undt andern zu thun ihme schuldig
wehre, Avolten die Cämmerer durch umbsetzung wohl mittel finden
19^) Zittauer Bibl. Philol. 8" 276: Medusenbächlein. 1646.
^^'^) Er war auch deswegen einmal in Teplitz. III. 58.
1''«) 7. Jan. 1638.
"'^) Wahrscheinlich sein später erkauftes Haus.
94 Keinbard Kade:
undt richtigkeit tieften. Die 16 gr. 9 pf. bawkosten wolten die
Kastenherrn nicht passiven hissen; und weil er seit ao. 16:}2 die
hebräische Lection und Sprache wenig wirdt getrieben
liaben und gelesen, könnte ihiiie jährlich der Schragea holz
auch nicht gegeben werden."
Er bittet wieder um sein Gehalt: er soll zu Geduld
vermahnet werden oder sich bei einem oder dem andern
Kasten anweisen lassen ; denn die Kastenherrn wissen kein
ander Mittel zur Zahlung vorzuschlagen^'*''). Kurz —
„wegen Möllers restirender Besoldung bleibet darbey,
class in Gassen kein Geld vorhanden ; sonst soll ihme eine
Verehrung wegen beschehener Invitation zu seinem Doc-
torat getan Averden"^'***). Nochmals bittet er wenigstens
um das Holz: es wird ihm, dem verdienten Manne, rund-
Aveg abgeschlagen, weil sie nicht viel zu verschenken
hätten-""), Gut und Geld war eben nicht vorhanden
„wegen kundbarer Verhinderung": darum Geduld und
wieder Geduld! Solche Verzögerung liel auf die Dauer
unerträglich, und noch ehe der Kampf sich endete, hatte
er, auf alle weitere Ehre verzichtend, am 21). Jan. I(:i38
„das Conrectorat resignirt und ist seine Stelle mit dem
bisher gewesenen Tertio Hornicaeus ersetzet worden" ^"^).
Unerwartet traf in diesen Geld wirren eine schrift-
liche Vokation von Chemnitz her zum Physikat bei Möller
ein-"-). Weil aber dieser Ort durch die Feinde sehr mit-
genommen war, so entschloss sich der Getreue, lieber in
Freiberg seine Praxis zu treiben und da seine Kräfte an
Adel und Unadel auszubieten. Denn stets mitzufühlen
war (!r da. Freunde aus der Stadt, wie auch die armen
Schüler des Gymnasiums, denen er unentgeltlich half,
Einheimische und Fremde mussten ihm das nachrülimen.
Der arme Studiosus Demaiitius, Sohn des Freiberger Doni-
kantors, steht, wenn ärztlicher llath notli war, nicht zu-
rück vor dem kaiserl. Kichter in Teplitz, dem er Pillen
verschreibt-"'^), so dass seine zwar mühselige Praxis doch
bald sichtlich anwuchs und Chemnitz um so mehr ver-
schmerzt werden konnte, als ihm ja „promiss geschehen
und grossgönstige Vertröstung getan" war'-"'), bei Er-
ledigung des Stadtphysikats in Freiberg Berücksichtigung
zu finden.
if«) RP. 8. Jan. 1638. ~ '»") Ibid. 17. Jan. 1638. — -'^) 24. u.
26. Sept. 1638. — -"•) RP. 29. .Tan. — -"-) LP. — '-«") HB. TU. 54.
58. — =0^) Schon 1637. RP. 23. Apr. 1653.
Andreas Möller. 95
Von nun an setzen die Nachricliten über Möller zeit-
weise ganz aus, und sein Leben gleicht einem Strome,
der im Strahle der Abendsonne nur hier und da silbern
erglänzt und uns dadurch seine Laufbahn im grossen und
ganzen verräth, seine kleineren Windungen aber in Dunkel
verhüllt.
Das unablässige Mühen trug endlich auch für den
Geldbeutel erfreuliche Früchte, und als Möller uns wie-
derbegegnet-*^''), empfiehlt er sich als wohlbestallten Haus-
wirth, der sich am 24. Mai 1641 mitten in der Stadt ein
Häuschen am Obermarkt -*'*^) erworben hatte. Nach vorn
genoss er nun die schöne Aussicht auf das alte Rathhaus
und auf den grossen Röhrkasteu, der gerade vor seiner
zierlichen gothischen Hausthür stand. Nach hinten hin-
aus auf dem Peterskirchhof schloss sich ein kleines Gärt-
chen an, um dessentwillen er 10 Jahre später beinahe
in einen gar ärgerlichen Zwist mit dem Rath gerieth,
weü er das Stacket zwei Ellen zu weit herausgerückt
hatte ^*^"). Nun war er sein eigener Herr, nun förderte
er seine chronikalischen Arbeiten im neuen Heim, für die
sich auch allgemach der Rath zu interessieren begann.
Denn 1643 wünschte derselbe, Möller möge eine histo-
rische Relation der Torstensohnschen Belagerung ent-
werfen, „weil — wie Möller darin bemerkt — die vorige
in Druck ausgeflohene Scartecke nicht allein gantz un-
vollkommen, sondern auch voller Ungrunds und Lügen
gewesen war". Sie gelang, kam auch neben dem „Kupfer-
Patent" alsbald nach Abzug der Feinde in Druck --'^)
und fand zum grössten Theile von Wort zu Wort Auf-
nahme in Merlans Theatrum Europaeum-'^'*). Sie trug
ihm auch die Vergünstigung ein, „dass ihm an Statt
seines Recompenses die 1^/., Thlr. wöchentlicher Contri-
bution vor die inliegende Guarnison erlassen würden und
es bei 18 gr. blieb"-'").
In den nächsten Jahren beschäftigte ihn wieder mehr
die Bibliothek, die in den Kriegsnöthen „ersitzen ge-
blieben" und so sehr in Verfall gerathen war, dass die
Bibliothekare verzweifelten, sie ohne namhafte Zuschüsse
-0'') Petrigeschossbuch fol. 273. Num. 283. Freib. Stadtbasse.
Vgl. MFA. 16. 73.
20«) Jetzt No. 12. — -'>■) Vgl. MFA. 23.
20S) Freilich ohne Namensnennung auf dem Titel. Sielie An-
hang A. 6. - 2"»j V. fol. 18. — ;-i") RP. 10. April 1643.
96 Reinhard Kade:
in gewünschten Stand zn bringen. Die Thüre schloss
nicht, die Fenster entbehrten der Gitter, die Feuchtig-
keit griff die Bücher an, Geld bekam sie auch nicht.
Das sollte nun, so bat Möller -^^), anders werden, von
den Hochzeitgeldern des Singechores ein Drittheil in die
Bibliothek laufen, die Bergge werken sollten wie früher
beisteuern, die Zinsen des Holeweinschen Legates-^-) aus-
lielfen. So \\^eit man den Wünschen willfahren konnte,
kam man entgegen und liess sogar alle Donnerstage
nachmittag die Bibliothek durch den Rektor öftnen, da-
mit „nunmehr jedermann sich nach Begehren darinnen
ersehen und ein oder das andere Buch brauchen" -'")
könnte. Nur mit dem Holeweinsclien Gestift, dessen
Zinsen schon etliche Jahre von der Stadtgemeinde inne-
behalten und nicht einmal an die Geistlichen und Lehrer
ausbezahlt wurden -^^), drang Möller trotz mehrfachen An-
suchens nicht durch. Aber gleichwohl nahm die Biblio-
thek durch viele freiwillige Schenkungen und billige Ein-
käufe erfreulich zu und zählte im Laufe der Jahre 1763
Stücke, also fast noch einmal soviel, als anfänglich sich
darin befunden ^^''•).
Nun war der Krieg zu Ende. Li allen Kirchen
dankte man Gott. Ob Möller wegen dieses erhebenden
Ereignisses oder weil er gerade 50 Jahre alt geworden
war, sich.. von einem geschickten, leider unbekannten
Maler in Öl porträtieren liess: wir wissen es nicht. Aber
das treffliche Bild, das aus seinem Erbe an seine geliebte
Bibliothek kam, besitzen wir'-^*^). Ein schöner, männlich-
ernster Kopf, dem Entschiedenheit aus dem sichern brau-
nen Auge leuchtet. Tiefe Furchen hat das Leben in das
Antlitz eingegraben, die dem Ausdruck wohl etwas
scharfes, aber nichts abschreckendes zu geben vei'mögen.
Wellige Haare umfliessen das Haupt, die goldene Dichter-
kette hängt unter dem weissen Spitzenkragen auf der
Brust. Die Rechte, mit den beiden Trauringen ge-
schmückt, hält die Bibel.
2»i) Memorial FGB. 4. Sept. 1G43.
"2) Chr. 388. — -i') Chr. 132.
211) RP. 19 Juli 1641; 4. April 1642.
-1'^) Acta von 1650. FGB. ao. 1656: 1776 Stück.
-^'') Es wurde von mir entdeckt und neu aufgehängt in der
Freib. Bibliothek. Einen verkleinerten Lichtdruck, der aber nur
den Kopf hauptsächlich berücksichtigt, sehe mau in MFA. 23. 1886
Andreas Möller. 97
Das war der Mann, hinter dessen eckiger Stirn eine
so gelehrte Welt sich bewegte, der trotz des vielen Welt-
schmerzes bis in sein Alter sich einen ruhigen Gleich-
muth bewahrte und sich öfter hinweghalf mit dem Trost-
wort: quae miitari nequeunt, opus est feramus-"); dies
der Mann, der einem fröhlichen Spass sich nicht ver-
schluss und seinen eiteln Freund und Pastor David
Wagner aus Somsdorf grimmig auf den Leim führte, als
er ihm einen ehrenden Platz in der Chronik versprochen
hatte und — eine leere Seite darin reservierte'-^^)! Das
war der schlichte Mann, der auch mal erst um 11 Uhr
abends etwas angesäuselt nach Hause kam und am
nächsten Tag seinen Brummschädel bejammerte'-^''), dies
der Gutschmecker, der gern einen Lachs verspeiste, am
liebsten einen geschenkten--*^).
16 Jahre Avaren nunmehr ins Land gegangen, seit
man Mölleni das Physikat bei der Stadt versprochen
hatte. Endlich erledigte sich durch Absterben des D.
Caspar Hörn (25. März 1G53) abermals eine Ordinariats-
stelle, um die Möller sich mit der Bitte bewarb, ihm „in
Betrachtung seiner in die 30 Jahr dieser Stadt geleisteten
treuen Dienste"'-'-^) beförderlich zu sein. Zwar verschob
man noch einige Zeit die Entscheidung'-"-'-), doch am 6.
Mai las man Möllers Gesuch aufs neue ab und erkannte,
dass „Hr. Dr. Joh. Caspar Hörn das vacirende Physicat,
Hr. Dr. Andreas Müller aber erstgemelten Joh. Casp.
Horns Stelle überkommen solle". Am 18. Mai erfolgte
die definitive Anstellung mit der Bemerkung bei Möllers
Urkunde: „hat jährlich 50 Tlilr." Welch eine Wandlung!
Den man vor 16 Jahren als Philolog entlassen hatte, den
stellte man jetzt als städtischen Arzt an und gab ihm
dadurch sein Ansehen vor den Leuten wieder. Dass er
sich auch hier gut verwenden liess, zeigte sich gleich in
der berühmten Fehde zwischen den Apothekern und den
„Crahmern und Barbieren", die dem Eathe beständig in
den Ohren lagen, bis Möller endlich sein massgebliches
Urtheil fällte. Er musste die Kohlen herausholen und
21^) HB. II. 70.
21«) S. 508; vgl. Horus Handbibl. VII, 794.
-1'^) HB. II. 2'-i4. Am Mittag des folgenden Tages schrieb er:
,caIeo adhuc ab hesterno convivio."
220) HB. III. 46. — 221) UFRA., P. 19. 6. April 1653.
222) EP. 23. April 1653.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 1. 2. 7
98 Reinhar.l Kode:
schrieb nun sein vernichtendes „medicinalisch Bedencken
contra die Barbierer, das ihnen das Wasserbrennen und
Verkauften nicht zugestatten"---'). Das Wasserbrennen
gehöre zur Pharinacie, nicht zur Chirurgie; nur Apo-
theker könnten die Schlagwasser und den Kinderbalsam
gut bereiten; was aber in Winkel gebraut würde, sei
werth, zum Fenster hinausgeworfen zu Averden.
Das Jahr 1653 bleibt aber noch in anderer Bezieh-
ung nicht nur für Möllers Leben, sondern auch für die
Stadtgeschichte Freibergs ein ewig denkwürdiges. Am
1./18. Juni trat Möllers bedeutendstes und unvergäng-
liches Werk ans Tageslicht: seine Chronik oder wie er
es nannte: „Theatrum Freibergense, Beschreibung
der alten löblichen Berghauptstadt Freyberg in
Meissen."
Hier müssen wir etwas verweilen, auf die Entsteh-
ungsgeschichte zurückblicken und den Werth der Leistung
ins Auge fassen.
Die äussere Veranlassung gab die Zufälligkeit, dass
ihm — schon 1631 t- der Freiberger Rath ein ziemliches
Konvolut der ältesten lateinischen „Archive", in ver-
zogener Mönchsschrift geschrieben, „ins Reine zu ver-
setzen" auftrug. Er unterzog sich aus Liebe zu Anti-
quitäten willig dieser Bemühung und fand dabei, dass
von diesen ältesten Freiberger Nachrichten fast nichts
im Druck zu befinden. Das erweckte in ihm die sonder-
liche Begierde, etw^as schriftliches darüber aufzusetzen
und das Dürftige zu ergänzen, was frühere Geschichten-
sehreiber über Freiberg, wie Bocerus, Fabricius u. a.,
vo'öftentlicht hatten. Nicht viel reichlicher flössen die Pri-
vatnotizen einzelner Historiker, wie die Aufzeichnungen
eines Hirschvogel (1480—1519), Lorenz Fleischer (1526
bis 1575), Ulrich Gross (1587), Jakob Frankenberger
(1533—1561), Georg Greiss (1552—1580), Bellmann (1568
bis 1591), Hempel (1558-1609) und die handschriftliche
Chronik des Georg Agricola"-'-') von Radeburg. Von
des letzteren mehrbändigem Werke hatte Möller ja schon
bei Gensreif einen Band gesehen und später einen Aus-
zug aus allen Theilen benützt, den Tliorschmied sich an-
gelegt hatte.
2-'») UFEA. 3 I.it. C. 3 a. 15. Dez. 1653.
--') Urkundenbuch der Stadt Froilierg I. (-- Cod. dipl. Sax.
ir. 12.), XIV; MFA. 19, 61.
Andreas Möller. 99
Das alleSj weder die Druckschriften noch Agricolas
und der andern Arbeiten, konnte ihn nicht befriedigen, weil
sie die reichhaltigen Archive lange nicht genau genug
ausgebeutet hatten, auf die er sich jahrelang warf.
Älteste Matrikeln, Rathsbücher, die Urkunden, Archive
in der Kastenstube, im Stadtgericht, in der Bergkanzlei
und Knappschaft, alte Monumente durchsuchte er mit
heissem Bemühen uud brachte alles in „weiligen Stunden"
in gewisse capita. Als weitere Vorstudien dienten ihm
die Auslassungen über einzelne Freiberger Geschlechter
und die schon erwähnte Relation der Schwedenbelage-
rung. Vor allem durch die letztere kam die Beschreibung
wieder gehörig in Fluss, Freunde wünschten dringend die
Fortführung und Beendigung, obwohl sie sich nicht ver-
hehlten, dass er ja eigentlich Arzt und kein Historiker
von Fach sei. Möller folgte dem Drängen und entwarf
das ganze Werk in lateinischer Sprache, die ihm
leichter zu Gebote stand und, wie er hoffte, den Ge-
lehrten angenehmer wäre. Das wollte nun etlichen treu-
meinenden Patrioten durchaus nicht belieben, und sie
baten, er solle es ins Deutsche zurückbringen, damit es
jedermann lesen könnte. Und gottlob — Möller versetzte
alles in unsere geliebte Muttersprache, dadurch den
Naclilebenden den schönsten Dienst erweisend. Alles
Avar endlich fertig, aber er glaubte nach den schlechten
Erfahrungen mit den Buchdruckern, die Herausgabe nicht
zu erleben und beauftragte den Rektor David Quellmalz,
nach seinem Tode alles, wie auch seine übrigen druckreifen
Schriften und opera medica zu edieren--'). Zum Glück
kam es anders. Der Rath wendete „ansehnliche" Kosten
auf die Bekanntwerdung und war überhaupt mit der
ganzen Arbeit einverstanden, so dass eiligst das Konzept
in die Druckerei Georg Beuthers wandern und nach kur-
zer Zeit"-"-'') aus der Presse hervorgehen konnte. Den
ersten Theil, die eigentliche Chronik, hatte er dem
Kurfürsten Johann Georg, den zweiten, die Annalen,
dem Rathe gewidmet und „für diese dedication, wie auch
vor 25 Exemplare sollen ihm 50 Thlr. dergleichen ein
mehreres gegeben und verrechnet Averden" "--'). Damit
konnte der Verfasser sich zufrieden geben, wenngleich die
Summe den geschichtlichen Werth lange nicht aufwog.
■ 225) SVK I, 97. — --26) Ohr. Vorb. 5 K
--') KP. 4. Juli.
7*
100 Reinhard Kade:
Dieser Werth beruht zunäclist auf der Wahrheit
und Genauigkeit, mit der Müller — kleine Versehen ab-
gerechnet — jedes Hauptereignis aus früheren und eige-
nen Zeiten treulich gebucht hat, ohne sich dabei in Klein-
lichkeiten zu verlieren, ohne die Kometen, Unglücksfälle
und Missgeburten alle zu verzeichnen und einer Gefahr
anheimzufallen, die vorzüglich in den Annalen so nahe
lag. Der grosse Zug bleibt überall gewahrt und erreicht
in der grossen Zeit, die Möller, ein Kind des 30jährigen
Krieges, durch Autopsie kannte, den Höhepunkt. Hier
haben wir ein Zeitbild vor uns, das mit fast photogra-
phischer Treue den ganzen Jammer des deutschen Vater-
landes in kleinem Rahmen so scharf wiederspiegelt, wie
kaum ein zweites.
Sodann ist es die übersichtliche, praktische Anord-
nung, die namentlich in der Chronik selbst hervortritt
und liier ein Register beinahe entbehrlich macht. Land
und Lage bilden den naturgemässen Eingang, die Leute,
ihr Gewerbe, ihre Stadt schliessen sich an, die einzelnen
Theile Freibergs ergeben sich daraus von selber. Hier-
auf werden in logischer Folge die fürstlichen Personen,
der Kirchenzustand, die Reformationszeit, Kirchen- und
Schuldiener, Rathspersonen und schliesslich das Bergweik
abgehandelt. Alles knapp, nirgends grossmütterliche
Breite. Und noch dazu in einem für damalige Zeit so
vortrefflichem Stil, der in seiner Körnigkeit an Luthei'sche
Diktion gemahnt und sich mit vollem Bewusstsein von
der alamodischen Manier freihält, Fremdwörter nicht viel
ins Deutsch einmengt und die herrliche Muttersprache in
Ehren hält--«).
Diesen Vorzügen verdankt das Werk seine geradezu
grundlegende Bedeutung für die nachfolgende vaterlän-
dische Chronikenlitteratur während des 17. und 18. Jahr-
hunderts. Sie richten sich fast alle in der Anlage nach
Möllers Muster: so mit täuschender Nachahmung Tobias
Schmidt in seiner Zwickauer Chronik von 165G --''), so
1716 Carpzov in seiner Zittauer Chronik, so 1717 der
Wurzener Chronist Schöttgen--^").
22*) Ende des Vorberichts zur Chr.
2-») Quod I Freibergae Molitoi' ceruitur tribuisso ofäcium | Nunc
Faber praestat. Thomasius bei Schmidt.
2'"') Zitiert Möllern an gewichtigen Stellen S. 5. 99. 552.
Andreas Möller. 101
Alle die Vorzüge hätte aber das Werk nicht auf-
weisen können, wenn sie nicht sein Verfasser glänzend
besass. Genauigkeit, Wahrheit, Klarheit, praktischer
Sinn sind Müllers schönste Charaktereigenschaften, zu
denen sich eine Polyhistorie gesellt, die für eine Zeit
Staunen erregt, wo noch kein Conring, Morhof oder
Christian Weise lebte.
Wie Kopernikus verband er astronomische Studien
mit medizinischer Praxis. Wie Keppler vereinigte er
Astronomie und Astrologie, der er, einem Aberglauben
der Zeit folgend, Einfluss auf den Heihmgsprozess^-^^)
und auf die Sterbestunde-^'^) zuschrieb. Wie Gruterus
eignete er sich gleich gut zum Philologen, wie zum
Bibliothekar, und büsste im Staube der Bücher seme
schöne poetische Gabe nicht ein. Seine etymologischen
Versuche über sächsische Städtenamen, wie über den von
Pegau '-""), gehen bereits von linguistischen Grundsätzen,
von Entwicklungen aus dem Urbegriff der Wurzel aus,
die eine viel jüngere Zeit für sich in Anspruch nimmt.
Über alle dem liegt aber ein wohlthuender, streng
lutherischer Kernglaube ausgebreitet, der jener biblisch-
hebraisierenden Richtung insbesondere des Fabricius ent-
schieden entgegentritt. Er hatte sich das „Sis pius" von
seinem Vater gut gesagt sein lassen.
Von seiner Bescheidenheit ganz zu schweigen-^*),
die alle grossen Menschen auszeichnen soll. Er hielt
seine Chronik gar nicht einmal für seine beste Schöpfung
und meinte, seine observationes und andere opera medica
würden einst genugsam zeigen, was sein Haupt- und was
sein Nebenwerk gewesen.
Mit einem Worte: bei tiefster Gründlichkeit alles
zu erfassen und zu umfassen, alles wissen zu wollen, da-
für gab er sein Leben. Er tritt damit aus dem be-
schränkten Ej-eise eines einfachen Geschichtsschreibers
in das Bereich der hervorragendsten Gelehrten und
Denker seiner Zeit, in das der Universaltalente hinüber,
so dass, wer Sachsens Gelehrteugeschichte im XVII. Jahr-
hundert zum Gegenstand seiner Forschung macht, vor
231) Verlorne Schriften von ihm beschäftigten sich mit Astro-
sophia iatrica. (Anhang: B. VI. 4.)
-3'-) Besonders das 63. Jahr sei ein annus fatalis. HB. II. 76.
Vgl. IV. f)3.
233) HB. I. 212 u. 'Ji'Tinsk — ^si) Ibid. IV. 95.
102 Reinhard Karte:
Möller iiiclit mehr gleichgültig- vorübergehen darf und
dann vielleicht, als erstem Anhalt, zu dieser Würdigung
seines Lehens greift -='"'').
Als wollte die Glückssonne dem alternden Möller
nachholen, was sie dem jungen Manne so oft in der
eigenen Familie versäumte: so begehrte „im I.Jahre nach
der Chronik" ein eben in Freiberg anfangender Arzt, Dr.
Wilhelm Wanckel, die einzige, geliebte Tochter Möllers,
seine Salome ■-■''•'), zur Frau. Was konnte einem Physikus
lieber sein, als ein Medikus zum Schwiegersohn: er gab
sie hin und richtete ihnen am 28. November 1G54 feier-
lich die Hochzeit aus, wobei sich auch der K,ath frei-
gebig benahm. Auf Möllers beschehenes Ersuchen sollen
ihm 6 Eimer Frankenwein frei passiret werden'"''^), und
als er den ßath zur Hochzeit geladen hatte, will der-
selbe zum Hochzeitsgeschenk 6 Rthlr. dazugeben'^**).
Auch diesmal sollte er mit Entsetzen wahrnehmen,
dass die Sonne wieder nur ein lügnerisches Licht ge-
worfen habe. Nach eüier kurzen Ehe von 1 Jahr und
18 Wochen gab die junge Frau, die lielje Tochter, einem
Knäblein zwar das Leben, gab aber ihr Lebeji dafür mit
hin 2=^»).
Der Vater grämte sich nicht weniger wie der Gatte.
Zwar findet jener im Verein mit dem gebeugten Wanckel
und Dr. Samuel Quellmalz noch einmal Spannkraft gepug,
um gegen Joh. Casp. Hörn, seinen Kollegen im Physikat,
und gegen den Apotheker Casp. Hennig aufzutreten und
23-') Um diese Zeit findet sicli unterm 10. Juli 16.54 noch fol-
gende Eintragung in den KathsprotokoUen, die icli niclit in das
Gesamthild hahe einfügen können:
,Hr. D. A. Müller suchet in einem Schreiben und bittet, denen
beiden Sperlingischen hinterl. Kindern erster Ehe zu ietzig erle-
digter Verlassenschaft verstorbener p. c. Abraham Hilleiin all's
Gh'ofsmutter iemanden anders zu Vormund zu bestellen, weil es ihm
als einem ohne dil's mit Verrichtung bey gemeiner Stadt belegten
Manne nicht zuzumuthen sei und weil in Betrachtunti' unter diesem
Vermögen gröfsten Theils die Verwaltung und liestellung an Äcker
und gütter !)eruhete:
Couclus. Weil Hr. Müller ohne einzige Bedingung und re-
servat bemelten beyden Sperlingischen Kindern sich vorhin zum
Vormund bestetigen lassen, als behielte es auch voriez noch sein
verbleiben hiermit, er könnte denn jemandes ander hierzu für-
schlagen."
230) Geb. 2. Juni 1637.
2") liP. 11. Okt. 1654. — "-'^) Ibid. 15. Nov.
'30) f 1. April 1656.
Andreas Möller. 103
sie durch den Eath zwingen zu lassen, „dass keine Arz-
ney von ihnen den Hrn. Medicis praepariret und zum
Verkaufen Aveg-g-egeben werden solle" -^^). Aber seine
Kraft erlahmt doch sichtlich. Und ganz bricht sein ar-
mes Herz, als der Schwiegersohn selber schwer an den
Masern erkrankt und der Gattin in den Tod folgt ■-^^).
Mit gebeugter Seele nimmt er zum zweitenmal die Denk-
schrift auf den Tod seines Vaters hervor, die er als 24-
jähriger Mann begonnen und 1633 nach seiner ersten
Frau Hinscheiden überarbeitet hatte, gibt ihr am 26.
November, dem Todestage seines Vaters-^-), die letzte
Gestaltung, fügt auch von sich einen kurzen Lebens-
lauf und ein Bild des Vaters mit ein und sucht in
ernster Arbeit vergebliche Beruhigung. Die Eingangs-
Avorte sind das ergreifendste, was Möllers Hand je
entflossen. Sein Vater, seine Mutter, erste Gattin, seine
acht Kinder lässt er an seinem Geist vorüberziehen!
„Ganze Tage, ganze Nächte fast hab ich mit Thrä-
nen hingebracht. Und wer könnte trockenen Auges
auf die Gräber so vieler geliebter Häupter hinschauen?
In Thränen liegt Linderung des Leides!" — Selbst
seinen alten Kommentar auf den Hymnus des Pru-
dentius von der Geburt Christi, den er vor 30 Jahren in
der Schule vorgelesen hatte, kramt er in dieser Trauer-
zeit aus seinen Papieren heraus und schickt ihn seinem
Freunde, dem Rektor Greflus^^"): er möge damit machen,
was ihm beliebe. Ihn selber herauszugeben, hat er keine
Lust mehr, während er im folgenden Jahre 1658 den
Druck der ^AvtmsXaQyla noch eigenhändig leitet, ihr auch
eine sprachwissenschaftliche, früher geplante '-^^) Studie
über seine Vaterstadt Pegau für den Rath daselbst vor-
anschreibt.
Seine Kranken und die Schulbibliothek, die er wie
immer unermüdlich versah, hielten ihn aufrecht. Uner-
wartet verlor er da auch seinen ältesten Bibliothekge-
nossen Georg Plattner, der 28 Jahre lang mit ihm treu
der Bibliothek gehütet hatte ^^■^). Allein mochte Möller
210) EP. 28. Jul. 1656.
2") 19. Juni 1657.
242) Vorrede an seinen Bruder. 26. Nov. 1657.
-lä) 4. Jd. Nov. 1657. Die deutsche Übersetzung ist von Otto
Bennewitz, Amtsprediger an St. Nicolai.
^) HB. I. 212.
2*5) 29. Okt. 1658.
104 Iloinliard Ka<lc:
sie nicht weiterfiiliren und gab ein schriftliche^^ Anerin-
nern ein „nmb Ersetzung seiner Stelle bei der JBil»lio-
thek" -'%
Es war zu Ende. Seine letzten gedruckten Worte
lauten schon wie ein Grabgesang auf sich selbst: „De-
functo optamus requiem"-''). Dazu plagten Steinschmerzen
den Greis. Er fühlte seinen Tod nahen und hatte bereits
seinen Lebenslauf-'-) und den Leichentext über Ephes.
3. 19, wie auch seine Grabschrift'-'*') aufgesetzt. Die
zunehmende Krankheit warf ihn aufs Lager, an dem ihn
sein früherer Tertius Schleifentag häufig besuchte. Als
er sich einst wieder zur Ruhe schleppte, seufzte er:
„Ach, wie einen hohen Berg habe ich zu steigen. Gott
helfe mir hinüber!" Und das waren seine letzten Worte.
Sanft entschlief er am 2L Januar 1660 abends ^/^lO Uhr.
Eni edler Kämpfer auf dem Geistesfelde.
Alle trauerten, denen er geholfen, um seines milden
Herzens willen. Drum liess er auch keine Schätze zu-
rück. „Frau Andreas Müller soll zu Ihres seel. verstor-
benen Herrns bevorstehenden Begräbniss so viel möglich
etwas zu Ausrichtung an die Hand gegangen werden" -■'•^*).
Sie richtete es selber nicht aus. Wie sie beide un-
zertrennlich gelebt hatten, so konnte sie auch der Tod
nicht scheiden. Sie erlag der Vereinsamung 8 Tage dar-
auf. Der letzte Bruder Möllers, Peter, drückte ihr die
Augen zu. Sie wurden beide an einem Tage, am 2.
Februar, im Dome begraben, eine Rede vom Super-
mtendent Starck den beiden gehalten und dem Chronisten
ein ehrendes Grabmal erbaut"-'"').
Möllers Testament, darin er der Schulbibliothek 200
Thaler vermachte, trat nicht in Kraft. Die Vormünder
des Enkels, Andreas Wanckel, forderten Geld. Den
letzten Wunsch aber, in lateinischer Ehrenrede gefeiert
zu werden, erfüllte ihm zu sehiem Geburtstage 1661 der
Rektor Grefius '-•^-).
2^«) EP. 8. Nov. 16fi8.
=") 24. .Tun. 1659. Epiced. auf Willi. Bentzinger.
-'^) Niclit vorhanden.
-»») Parentalia MoUeri s. u.
""^O) KP. 23. Jan. 1660.
251) Grübler I, 260; MFA. 6, 655.
-■^•-) Ad Parentalia manibus Andr. Molleri . . . invitat Nie.
Gretins. 1661. Freiberg. Gymna.s.-Bibl.
Andreas Möller. 105
Auch der Enkel starb schon im Jahre 1669. Mit
ihm erlischt Müllers Linie in Freiberg. Aber nimmer
hört auf der Ruhm des Möllerschen Namens, und Frei-
berg war stolz, das neuentdeckte Haus dieses braven
Mannes mit einer steinernen Tafel schmücken zu können.
„Er war ein Mann, nehmt alles nur in allem."
Sechzehn Jahre nach Möllers Tode kam des ge-
lehrten Mannes Bibliothek, wie auch diejenige seines
Schwiegervaters Daniel Thorschmied, nach Kamenz in
der Lausitz -■''■^). Gewiss trieb Geldmangel nach Möllers
Ableben die hinterbliebenen, Aveitläufigen Verwandten zu
diesem betrübenden Schritt, der Freiberg wieder eines
so denkwürdigen Eigenthums beraubte. Ln Jahre 1676
ward die schöne Sammlung — 900 Stück an Zahl — für
angeblich 200 Thlr. vom Kamenzer Bürgermeister Ehren-
fried Reichel angekauft und der dortigen Stadtbibliothek
zu beliebiger Benutzung übergeben. Alles sind Druck-
werke; Handschriften von Möllers Hand befinden sich
nicht unter den erkauften Büchern.
Im zweiten Stockwerke des Kamenzer Rathhauses
ist dieser Büchervorrath in einem kleinen, einfenstrigen
Zimmer an den Wänden und auf zwei Repositorien auf-
gestellt, doch so, dass man dem Format dabei Rechnung
trug, also die kleinsten oben, unten die grössten. Spätere
Erwerbungen stellte man unter die älteren Schätze nach
diesem Gesichtspunkt ein. Die wissenschaftlichen Fächer
erleichtern die Übersichtlichkeit. Die alten Bände stechen
sofort durch ihren Einband hervor, der meist die Hand
des Freiberger Buchbinders deutlich verräth. Wenn auch
nicht der frühere reichere Bestand vollständig heute noch
vorhanden ist, so ergeben sich doch mehr Werke aus
Freibergs Mauern in Kamenz, als man dort annimmt.
Es mögen wohl gegen 200 Werke des Thorschmiedschen
Nachlasses vorliegen.
Diese tragen äusserlich die Einpressung: „D. T. D.",
d. i. Daniel Thorschmied Doctor, oder führen auf dem
Titelblatt die saubere Inschrift : „Ex libris Daniel Thor-
schmied", so dass gar kein Zweifel an die Herkunft übrig
-'f) Das Ergebnis dieser Nachricht, die ich Herrn Oberlehrer
Klix in Kamenz verdanke, konnte für die Biographie verwerthet
werden.
IQQ Reinhard Kade:
bleibt. Unter den Büchern Thorschinieds ist auch bei-
spielsweise die „Sarepta oder Bergpostilla" von 1564, in
die der alte Kreisphysikus selber die Worte eingetragen
hat: „Daniel Thorschmid Doctor zu tlbung wahrer Gottes-
furcht seiner lieben Tochter Elisabeth verehret diss buch."
(Sign. T. D. b. 9.)
Nacli Thorschmieds Tode IG33 ging dessen medizi-
nische Bibliothek zunächst in Möllers Hände über, der
jedoch seine eigenen Werke zum Unterschiede entweder
mit seinem vollen Namen oder mit den Anfangsbuchstaben
auf dem äusseren Deckel versah: „A. M. P." oder „A. M.
P. C." (= Andreas Mollerus Poeta Caesareus). Das er-
gibt der Befund in Kamenz.
Auch ein Buch, von Mollers Vater eigenhändig ver-
merkt, habe ich dort aufgefunden, die Disput ationes Theo-
logicae per omnes fere locos. (I. E. 12.)
Sogar ein paar AVerke, die Johannes Wanckel, der
Vater des späteren Möllerschen SchAviegersohnes, besass,
sind mir bei meiner Suche begegnet. Es sind dies:
Grammatices Ebraicae sanctae tres partes, Witeb. 1575
(Sign. I. A. b. 13) und Primera Seyunda y tercera partes
de la Araucana . . . Dirigides Alrev . . . en Auvers 1597
(XVI. 16).
Was uns aber am meisten interessiert, bleibt eben
die Möllersche Bibliothek selber, weil wir aus ihr auf die
Arbeit des Mannes noch einmal einen Schluss ziehen
können. Und wie er vielseitig, so auch seine Bücher-
werkstätte. In der Eile der Zeit konnte ich nur folgende
Werke als aus Möllers Händen und direktem Besitz
stammend feststellen :
Theologie.
Calvinus .Judaizans. ed. Aegid. Hunnius. Witeb. 1595. (I. B. b. 42.)
Facnltatis theologicae Almae universitatis tleidelbergeusis . . .
Witeb. 1585. (I. B. b. 39.)
D. Aurelii Hiiipenensis liber de haeresibus. Genevae. 1596. (I, C. a.8.)
Ecdesiasticae sive de latione coiicionaudi liljri auctore Erasmo Ro-
terodamo. Basil. 1599. (1. D. a. 4.)
Disputatio iUustiiiim quaestionum Theologicarum. X. auct. Grauero.
(I. E. 7.)
Methodu.s concionandi. Witeb. 1595. (I. D. a. 6.)
Philologie.
Commentarius Pauli Mauutii in Ciceronis ei)istolas. Fraucofurt. 1580.
(IV. B. b. 18.)
Terentii comediae. ed. Weitz. Lipsiae. 1610. (IV. B. a. 3.)
Andreas Möller. 107
Medizin.
Zacuti Lusitani Medici et Philosophi praestantissimi . . Amstelod.
1637. 3 Bde. (III. c. 6 a b c.)
Pliilosophie.
Ethicae Doctrinae elementa et eiiarratio libri Quinti ethicoriim.
auct. Phil Melan. 1562. (V. A. 5.)
Geschichte.
Novae Saxonum historiae progvmuasmata a Petro Albino. Witeb.
1585. (XL c. 12.)
Ausserdem 2 dicke Bände Leichpredigten (L. D. b.
16c, d) von 1628 aus verschiedenen Städten und häufig
aus der Druckerei von Georg Hofroann in Freiberg. In
diesen Bänden sind die „contenta vokimine" von Möllers
eigener Hand angegeben. Dass eine genauere Unter-
suchung in der Bibliothek der Lessingstadt noch man-
cherlei ergeben würde, bin ich fest überzeugt. Hier
musste ich mich begnügen, die Anregung gegeben zu
haben.
Anhang.
Möllers Schriften.
A. Drucke 25*).
*1. Actus poeticus quo Caesarea laui'us manu viri Hoe . . Dres-
dae 18. März 1626 . . . impouebatur Andr eae JMullero. Freibergae.
Hoffmann. 1626. (dtirt in HB. II, 16.)
2. Colossus Hoeneccius sive Tabellae in publieo famae
templo subrectae de scriptis viginti sex annos huc usque divulgatis
viri admodnm reverendi et Magnifici Splendore Generis, zelo Reli-
gionis, politiore doctrina, virtute omnigena, plurimoque plurimarum
rerum usu vere celsi et excellentis Dn. Mattbiae Hoe ab Hoenegg
in Gönssdorf, Ober et Nieder-Rachwitz ect. S. S. Theol. Doctoris
-^) Die mit * versebenen Nummern sind bislang unauffindbar
gewesen. — Ausgeschieden sind die ungefähr 90 Epicedien in deut-
scher und lateinischer Sprache.
108 Reiiihanl Kade:
. . . Comitis . . . Patroni literarum et literatoruiii loiigc litteratissimi
transsciiptae, in lias Chartas aestn rausico relafae et eidem . . . uatalem
smiiii quadrac^esinnim octavum boiio cum deo felicitcr perageuti die
]\Iiitthiae Anno Clirlstiano U)27 Xatalitidiiini loco subniisso et g'ra-
tulaliundo auimo oblatae a M. Andrea Moll er o Pcgav. Poet.
Laur. Caesario. Ad Lectorein. (Folgen 2 Distichen.) Freibergae
llernmn luroruni. Typis Georgii Hoft'inaniii. [Kainenzer ßibl. TU.
B. 41k. ]S^o. 34.] 4". 8 Bli. Rislier unbekannt.
3. (ramelion M. Andreae Molleri Poet. Laur. (!aesarii, Scho-
lae Freiberg. Conrectoris, ad Yiruni Musarum et Themidos sacra
docti.-<simuni Dominum Michaelem Pragerum, Freilerga Misnicum,
. . . praetoi'em et Senatoren! consultissinuim cum virgine Ensebies et
gratiarum dotibus ditissima Elisabetha, Eximio longeque praecellenti
Yiro Dn. Daniele Thorschmidio . . . doctore celeberrimo . . . prognata,
Secundis auspiciis secunda connubii pacta contralientem Freibergae
3I. Novembr. D. VI. Anno . . 1B27, Freibergae Heimunduroium.
Typiis (jteorgii Hoffmanni. [Kamenzer Stadtbibl. 111. B. 41 k.
No. SSb. Lat. u. Deutsch. 8 Ell.] Bisher unbekannt.
4. Confessio Augustana vere Augu.sta sive oratio ecclesiastico-
historica de eÜectu priniam Augustanae Confessiunis promulgationem
consequente . . . . Accessit ad finem brevis dissertatio de anno, quo
exercitium purioris religionis Freibergae ci^vibus permitti et confessio
Augustana primum in templis proponi coepit. Ibidem in Panegyri
.Tubilaeo Anno 1630 die 28. Junii recitata ab And. MoUero ... Frei-
bergae. Tvpis et sumptibus (i. Beutheri. 1631. 4". [Halle. Q. K.
100s. 24 ßU.] Vgl. HB. IV. 84. 75. — Voran die Worte Hoes:
„Hat sie gelesen und des Drucks würdig erachtet; bittet, dass das
recht schnell geschehe. Dresdae. 24. Aug. 1630". Vorrede datiert:
postridie festum Michaelis 1630.
*o. Ablegmiua logica ex organo Aristotelis fere selecta, graeco-
lat. 1630. Freibergae. 12".
6. a) Theatrum Freibergense Chronicum, Beschreibung der alten
löblichen Berg Haupt Stadt Freyberg in Meissen . . . Alles mit Fleifs
aus alten monumenten, Raths Archiven, Stadt- und (.Terichtsbüchern,
Historien und andern beglaubten uhrkunden und Schrifften zusammen-
getragen und zum Druck verfertiget von Andr. Mollero Pega-
vio, Philos. et Med. D. Physico Ordinario daselbst. Freybergk.
Georg Beuther. 1653. (Kupfer vor dem Titel in vielen Exemplaren:
16.52.) — [Werthvolle Exemplare mit hs. Notizen in der freiherrlich
(Bosischen) von Zehmen'schen Biblioth. in Schleinitz bei Lom-
raatzsch (vgl. Hörn, Handbibl. VJI, 794.), in Kamenz, Dresden, Halle,
Leipzig.]
b) Theatri Freibergensis Chronici Pars Posterior. Beschrey-
bung der alten löblichen Bergk Haupt Stadt Freyberg in Meissen
Ander Buch, darinnen ordentliche Annales und Jahrverzeichnüsse
vieler denck würdigen Sachen ...ibid. 1653. — [Hierin die Torsten-
sohnsche Belagerung = sog. Relation, deren Titel lautet: „Gründ-
liche und ausführliche Relation, von der sehr harten, w^eitbeschrie-
benen und denkwürdigen Plocquada und Belagerung der . . . Bergk-
stadt Freybergk, wie dieselbe ... unter dem Generalfeldmarschall
Herrn L. Torstensohn den 27. Dec. des 1642. .Tahrs berennet...
neben einem besonderen Kupffer Abriss (von S. Weishun) in Druck
gegeben... Georg Beuther. " Ein Gedicht auf Bl. !'• „in laudem
Freibergae" von A. Mollerus. Exemplare dieses höchst seltenen
Andreas Möller. 109
Druckes iu Halle Q. K. 101 und Dresden, Bist. Sax. H. 240 und
229m. Darnach in Theatr. Eui-op. Y. fol. 18. Neudruck 1674 bei
Zach. Becker, in Freiberg.]
7) Andreae Moller i Pegavii Comraentarius super hym-
nuui Prudentianum ad octavum calendas Januarias. Olim in Lyceo
Freiberg-ensi publice praelectus et nunc cum indice gemino editus
opera M. Nicolai Grefii . . . rectoris. 1659. Freibergae. 8*'. Beuther.
Vorrede dat. 4. Id. Nov. 1657. — Die deutsche beigegebene Über-
setzung ist von Otto Bennewitz. (Exempl. Dresden ßibl. Patr. Lat.
466; Leipzig Univ. Bibl.) Bisher unbekannt.
8) 'Ji'Ti7if>MQyu'. sive debitum parentale quod patri suo . . . A.
MoUerus solvit. Adduntur . . . monumenta et antiquitates quaedam
de urbe Pegavia . . . Freibergae. Beuther. 1659. 4".
*9) Polyglotta. [Vgl. HB. II. 98, 99. 109. 110. 186.]
10) Epistola ad D. Quelluialz de situ et incolis Freibergae. in
SVN. I, 97. 1767.
11) Nachricht von dem Geschlecht der Gunterrode. Ibid. I.
327. Vgl. Kreysig, Beiträge ziir Historie .... IV, 41.
12. Nachricht von dem Geschlecht der Alnpecke. Ibid. II. 185.
Vgl. Curiosa Saxonica. 1760.
13. Epistola ad Paul Reinhold: de metallornm causis. Juni
1633. In Weller: Altes aus allen Theileu. I. 311. 176<.
14. Epistola ad Gabriel Wagner: de fungis. 6. id. Nov. 1633.
Ibid. IL 510.
15. Siehe die Geschlechter unter Halle. B. 4.
B. Handschriften-''').
I. Hamburg.
Stadtbibliothek.
Möllers Briefwechsel. 4 Bände. Der Freiberger Amtsprediger
Wilisch hatte sie von Bergrath Henkel und schenkte sie an Joh.
Chr. Wolf, Pastor in Hamburg, i 1739. Von mir zuerst ein-
gehend benutzt.
1. Vol. prim. [Sup. epistol. LXVIII. Moll, epist. L] episto-
licas exercitationes sive literas juveniles continens. 1614—1626. 213
Stück, fol. (Brief IL 172 gehört in diesen Band zum Jahre 1619;
fol. 23: ,,Literae selectiores ad patrem, quarum autographa inter lite-
ras patris . . . peculiari fasce continentur.")
2. Vol. sec. [Sup. epistol LXIX. Moll, epist. IL] — 1632.
230 Stück, fol. (fol. 87 u. 213 werden die epistol. philol. erwähnt:
siehe 4.)
3. Vol. tert. [Sup. epistol. LXX. Uffenbach et Wolf. Moll,
epistol. IIL] — 1644. 66 Stück, folio. (No. 52 fehlt.)
4. Vol. quart. [Sup. epist. Uff. et Wolf. X. 40.] „Centu-
ria prima epistolarum philologicarum, in quibus ex variis
disciplinis et Unguis non pauca . . . discutiuntur . . . quaestiones .
theolog., juridic, medicae, physicae, mathematicae, historicae, criticae,
poeticae." 1H17 — 1633. (f. !'•: Collegi quiuque priores decadas
harum epistolarum ao. 1628, ab amicis ... ad editiouem stimulatus.
Disposui eas juxta annos exceptis prioribus tribus, quas ob certas
-•^^) Ausgeschieden sind verschiedene einzelne Aktenstücke.
wo Reinhard Kade:
causas aliis praemisi. Ao. 1627 . . . destinaveram eas: Hoeo, Mos-
dorfero in Gnamihoft' (V), Gensrefüo, Sennerto. Darauf Notiz \\m
1656: Jani si .. editionem ... curare potuero insciibam eas Wellero,
uieo genero. — Kleist Abschriften aus den vorigen Bänden. Neu
sind: No. 2. 3. 15. 20—23. 32. 30. 37. 40-42. 45. 50. 53. 56. 57.
60. 65, 66. 71. 72. 87. 90. 99. 100.
Yergl. Serapeum 1856. 17, 263. — Wilisch, Kirchenhistorie.
I, 369. — MFA. 10, 924.
II. Freiberg.
a) Gj'mnasialbiblioth ek.
1. Dramata tria Couiica ... publice producta 1628. 567 Bll. 4*^.
Apographum. Unhekanut. Vgl. Freib. Osterprogr. 1886 S. 26 u.
MFÄ. 23, 17. (Das Original für den Kath scheint verloren.)
2. XIII Epistolae anioebeae cum viris quibusdam eruditis sui
temporis. 50 Bll. 4". 1. Ad Pleisnerum = Hb. 111. 4; 2. Ad Gens-
reft'^ II. 175; 3. Ad Thorschmied = 111. 13; 4. 5. Ad Walther =
II. 199 u. 218; 6. Ad Lincke = III. 12; 7. Ad Keinhold = Weller,
Altes ect. 1, 311; 8. Ad Lennert = III. fol.48; 9. Ad Ruling; 10. Ad
Kirchltach; 11. Ad Wagner- Weller a. (). II. 510; 12. Ad Gensretf
= III. 19; 13. Ad Quellmalz = III. 22. Copie. Bisher unbe-
kannt.
3. Collegium rhetoricum habitura Freibergae. Febr. 1634. („ex
dono Wilischii 1747.") 44 Bll. 4«. Copie. Bisher unbekannt.
4. Elenchus librorura oder Memorial über die neu eingebrach-
ten Bücher in die Bibl. 91 Bll. fol. (Darin die Anuales Biblio-
thecae ; — Bl. 9 von Möllers Hand.)
5. Cdtalog der Bibliothek. 130 Bl. fol. Papier; von 1631—1651.
6. Donatorenverzeichnis. Von M. angelegt. Oiiginalbs. nur
auf Bl. 17'' und 30. Vgl HB. II. 215.
s^
b) Bibliothek des Alterthumsvcreins.
1. A. a. 23: Bruchstück der Chronik. Originalhs. C^). Von
mir entdeckt. 12 Bll. 4". =^ Chr. S. 171—185.
2. Küchenmeisters (Amtsprediger 1732 — 1810) Abschriften:
A. a. 3. Alte Nachrichten von S. Jacob 4 Bll. (Siehe Dresden.)
A. a. 5. „ „ „ „ Petri 18 „
A. a. 7. „ „ „ „ Nicolai 5 „
A. a. 6. \'on verschiedenen Merkwürdigkeiten der Domkirche. 31 Bll.
c) Unteres Rathsarchiv.
1. Lit. C. No. 3 : Medicinalisches Bedencken contra die Barbierer.
15. Dez. 1653. 8 Bll. fol. Originalhs.
III. Halle.
Ponickausche Bibliothek. (Vgl MFA. .5, 458; 16, 77.)
1. Hist. 4". 233. Annales Bibliothecae Freiberg, in gratiam
posteriorum collect! et adsignati — 17t>.i und andere daliin gehörige
Nachrichten, fol. 26. Copie. Bis 1664 ziemlich übereiustinimend mit
dem Freiberger Elenchus (s. d.) doch unter Weglassungen. 1735 bis
1760 ist ganz anders dargestellt. Bl. 14 '> beginnt die Fortsetzung,
die in Freiberg fehlt. Verfasser: eine Person, die mit Grundig
und Klotzsch in Beziehung stand; circa 1766 geschrieben. \g\.
Hist. Q. 241 dasselbe nebst noch andern Nachrichten. 410 S.
Andreas Moller. 111
2. Hist. 4". 72: Epistola ad Qnellmalz de situ Freibergae =
SVN. I. 97. „Nach 2 Abschriften, deren eine von des Verfassers
eigener Hand sehr verbessert und erweitert ist". 14 Ell.
3. Hist. 4*'. 76. Eigenhändige Collectanea und Excerpta, die
Belagerung, Defension . . . von 1633—1650 betreffend, fol. 73. (Vgl.
Chr. S. 8.) Aehnlich wie die Annales angelegt. Für die Entstehungs-
geschichte sehr instruktiv.
4. Hist. 4^'. 259. Nachricht von den alten Freiberg. Ge-
schlechtern, derer Alnpecke, Auerbache . . . (25.) Meistentheils Auto-
grapha Anctoris. Einiges Abschriften, fol. 131. (Vgl. Wilisch,
Kirchenhistorie.) Es ist dies offenbar der l.Theil des 5., vergebens
in Hamburg gesuchten Bandes, der über Freib. Familien handeln
sollte. MFA. 10, 924.
Hiernach sind veröffentlicht: Alnpeck = SVN. IL 185 ; Auer-
bach = FGN. 1809, 31 (durch Gerlach); Börner = ibid. 1812, 51;
Buchführer = ibid. 1812, 49. SO: Eberhart, Budewitz, Eckel = ibid.
1813, 16; Emeriche = 1813. 19; am Ende = 1809, 30; Freiberger,
Fleischer ^ 1813, 19; Gosswein, Gerhard, Glassberg, Grieben —
1813, 23; Grossen =- 1813, 43; Böcke = 1813, 14; Berbisdorf =^
1809, 49; Binholz = 1812, 60; Löhser =: 1813, 43; Gimterrode =
siehe „Drucke" 11; Zeuner = 1814, 47. Ulmann, Hörn (durch Kade)
MFA 24.
Nachweislich in Halle vorhanden gewesen, jedoch seit der Be-
lagerung von Wittenberg 1813/14 veiloren:
5. Hist. 4**. 73. Eigenhändige Collectanea, annotationes, ex-
cerpta aus alten Nachrichten . . ., welche derselbe zur Abfassung
seines Theatri gebraucht, fol. 486.
6. Hist. 4'\ 74. Chronicon mit dessen eigenhändigen Ver-
besserungen, fol. 409.
7. Hist. 4". 75. Freili. Annalen von ao. 1156-1599 u. 1610
bis 1650 mit des autoris eigenhändigen Zusätzen .'. vol. I f. 318;
vol. 2 f. 267.
8. Möllers Autographum rem metallicam praecipue Freibergens.
concernentes aliquot quaestiones nebst derselben Beantwortung fol. 3.
(Vergl. Küchenmeisters Verz. der Pon. Bibl. in der Freil). Alt.
Ver. Bibl)
IV. Dresden.
Öffentliche Kgl. Bibliothek.
1. L. 338. (Schnorr v. Carolsfeld, Cat. II, 379.) „E bibliotheca
Klotzschii". Concept der Freib. Chronik. 282. fol. Cap. 1—41. Ori-
ginalhs. vgl. MFA. 5, 512. Die fortlaufende Cap.-einteiluug ist noch
vorhanden; Cap. 12 ist hinter Chr. Cap. 14 eingeordnet. Cap. 18
u. 19; 20 u. 21 = Chr. Cap. 18 und 19. Chr. Sectio II, 8; III. 4, 5;
IV, 3 sind neu. (Cap. 36 ist 1632 geschrieben; pag. 244.)
2. L. 380. (Schnorr v. Carolsfeld, Cat. II, 394 „Consules et
senatores, Vorsteher des Fernesiechen, Spitalmfister, Richter . . . aus
der Matrikel, Gerichtsbüchern . . . extrahiret ..." 335 BU. Vgl. MFA.
5, 508. — Studien: Bl. 52-66 enthält die umgearbeiteten Capp. 18, 40,
12, 13, 14 der Chron. Von Bl. 192: Geschlechter: Dies sind die
vermisst geglaubten Geschlechter. Offenbar der 2. Theil des ge-
suchten 5. Hamburger Bandes. Grübler, Totengrüfte (1731). An-
merkg. vor der 1. Seite des 2. Theiles kennt sie noch. Hierin auch
112
Reinliard iCade:
die liume gesuchten (SVN. I, 328 und FGN. 1801, 25.) Schönlebe
(294 »^), Träger (278), Horu (2391'), Marschall (268)! Hieraus abge-
druckt No. 726 des Cod. dipl. Sax. reg. IL 12.
V. Leipzig.
Stadtbibliothek.
1. „Verzeicliuis des alten hochlöbl. Geschlechts derer von G-un-
terrodc". Pap. hs. 538 aus Kreysigs Bibl. fol. 34», 41^ (A'gl. Nau-
mann, Cat. der Stadtbibl. S. 151.)
Ratlisarchiv.
1. Brief Möllers vom 3. Okt. 1636 an den Leipziger Rath
wegen Geld zur Promotion in Jona.
yi. Nicht aufflndbar.
1. „Eine Sammlung allerlei Responsorum mcdicin. und Briefe,
dass die Aerzte befugt sind. Arzneien selbst auszugeben'-. — Wilisch,
Kirchenhistorie 1, 369. (Ein Theil offenbar = Freiberg c 1; vgl. S. 97 flg.)
2. „Sj'Ilabus operationum Obyniicarum pro])ria observatione ex-
pertarura". Ibid.
3. „Allerlei medicinalische Processe". Ibid.
4. „Eine Sammlung von allerlei Observationibus und wirklichen
Speciminibus zur Astrosophia iatrica gehörig". Ibid.
5. „Volumen curationum E. fol. 269" (citiert in HB. III. 60.)
Möllers Briefe an Verwandte und Freunde.
Die meist in der Hamburger Sammlung erhaltenen Briefe
(vgl. auch oben unter Freiberg a 2) sind gerichtet an-""'):
A.
G. Arnold p. II. 35. 36.
Assessores protosynediii Dresd.
I. 158. II. 52. 98.
"W. Avianus rect. schol. Lips.
II. 198.
B.
Chr. BentzingerDicograph II. 188.
Joh. Biner 1. 128 ^ 169. 191. 200.
11.11. 19i>. 29. 164.165.
IV. 37. 65. 66.
Chr. Biner IL IK bK 14. 26. 39.
86. 94 (IV. 521'). 109. HO. 116.
(IV. 55). 146 (IV. 62). 150 227.
El. Birnstiel poet. laur. IL 224
(IV. 95).
•loh. Bohemus II. 54. 77. 79. 99
(IV. 39).
Sara. Böiner p. I. 192.
Joh. liötticher diac. Said. I 148.
149. 154. 208, 9 (IV. 34. 5).
IL 137. IV. 20. 21. 45.
Chr. Brauer IL 69. 70 (IV. 46. 47)
Zach. Brendel III. 1. IV. 87.
C. K.
.loh. Cellarius p. I. 64 (IV. 17).
72. 82. 138.
Jos. Clauder rect. Altenb. IL 100.
205 (IV. 93). 217 (IV. 89).
Erb. Cobuld I. 37.
M. Cochlius I. 112. IL 85.
P. Coler Annab. eccles. IL 38.
Mich. Colerus I. 68. 70. 71. 91.
124. 131. 133—135. 140. 145.
173. 194. IV. 32.
Barth. Crebsius IL 81.
Sam Kilmann IL 190. 193 (IV.
86).
Kirchbach p. HL 5.
Sig. Koler I. 129.
Frid. Kolerus senat. Cygn. IL 153.
H. Köttner IL 189.
Burk. Kühn p. I. 176. 178. 180
II. 17. IV. 60.
") p. =r pastor.
Andreas Möller etc.
113
D.
Chr. Demantius sen. II. 207 (IV.
91).
Chr. Demantius jun. III. 54. 56.
G. Dexelius p. II. 128''.
Joh. Drabitius III. 8.
E.
ad Electorem I. 7. 60.
Joh. Ehrenberger p. II. 49.
Jac. Fabricium Ilect. Pegav. I. 4.
(lY. 7).
Balt. Eischer I. 189.
For.ster p. I. 136. II. 128. (IV. 50).
Balt. Frischmaun II. 63.
G.
Abr. Gensreff I. 80. IL 33. 91.
92 (IV. 51. 63). 158. 175. III.
19. 25.
Dav. Gensreff III. 10.
Balt. Glück. I. 1. 38.
H. Graul p. I. 66. 163.
Mich. Greffius II. 97.
Gritius 1. 202.
H.
Hänichius p. II. 50.
G. Hausmmann ßect. Dresd. II.
28.. 128 b. 130. 223. III 44.
IV. 100.
G. Heil I. 40.
Zach. Hennig p. I. 207.
Urb. Hess p. I. 6. 9. 53. 59 (IV.
16).
Aug. Hess p. I. 10. 28 b. 44. 50.
II. 172 (IV. 8).
Petr. Hess I. 61.
Mag. Hoe II. la. 4. 23 (IV. 1).
46 (IV. 1).
Hoffmann p II. 67.
Höpfner I. 161.
Homilius p. IL 43.
Casp. Hörn III. 28.
L.
David Lange IL 212.
G. Langevoith. IL 222.
Theoph. Lehmann p. I. 77. 79 1>.
97 (IV. 27). 167. IV. 23. 42.
IL 18 112. 144.
Card. Lincke IL 230. III. 12.
Lindner I. 157.
Loeffler U. 40. 58. 60. 61. 85»>.
IV. 57.
Gabr. Loeser L 74. IL 19 b. 42.
IV. 22.
Polyc. Lyser prof. Lips. I. 2.
M.
Mager consul I. 156.
Joh. Major Jenens. III. 52.
P. Mayer I. 165. IL 186 (IV. 79).
B. V. Maltitz I. 122.
Arn. Mengering III. 60.
Chi-. Mollerus patruel. I. 49 (IV.
13).
Joh. Mosdorffer L 55. 56 a. 57. 58.
93. 94. 117. 119. IL 32. IV. 2.
Moser secret. elect. I. 125.
Joh. MuUerus cons. I. 39.
Phü. MuUerus Lic. I. 164 (IV.
33). 184. 186. IL 89. 139. 181.
197 (IV. 83). 208.
Chr. Mulmannus: superint. Peg.
IL 173 (IV. 78). IIL 18.
Tob. Musculus p. L 193.
N.
Andr. Nietner I. 103.
0.
Hier. Opitz I. 197—199. IL 47
(IV. 43). IV. 90.
ad Parentem I. 8. 18—22 (IV. 4).
23 (IV. 9). 24—28. 44 (IV.
10). 45. 54 (IV. 14). 75. 76
(IV. 25). 78 (IV. 19). IV. 15-
Ben. Piscator I. 29. 99. 106. 152.
168. 171. 182b. 210—212 (IV.
29—31).
P. Pleisner IL 184 (IV. 74). III. 4.
M. Prager I. 96.
Chr. Pyrlaeus p. I. 101. 143. 144.
Joh. Pzibramski III. 58.
Q.
Dav. Quelhnalz III. 22. u. SVN.
I. 97.
R.
Rackelmann p. IL 124. 126 (IV.
48).
G. Raspius dec Lips. IL 185.
202. 203 (IV. 80—82).
G. Rehefeld p. IL 156.
Reich p. IL 141. 142. 174.
G. Reiche consil. IV. 3.
Neues Ari-liiv f. .S. G. u. X. IX. 1. 2.
114
Reinh. Kade: Andreas Möller etc.
Gottfr. Reinhold I. 108''. II. IfiO.
167. 168. 171 (IV. 67. 68. 69.
70). III. 15.
Paul lleinhoUl: Altes aus allen
Theilen I. 311.
Ant. Kichtzeuliain cousul. I. 141.
W. Uolünck Med. Doct. Jen. III.
33. 42.
P. Rudingcr poet. laur. II. 151.
Küling Archidiac. Dresd. II. 10.
S.
Jac. Sfhaffratli I. 172.
Rect. Schellenberg II. 17i>.
Ben. Scheuchler p. III. 3.
D. Schiimer IL 178 (IV. 76).
Schleifentag I. 205b H. 64. 111.
Dav. Sclimid II. 213.
Schmuck, doct. I. 33—35.
.loh. Schneider phys. Misn. I. 8.5.
Petr. Schütz I. 195.
G. Schöllerus II. 117. IV. 99.
Elias Scholz I. 132.
Senat. Pegaviens. I. 36.
„ Freib. I. 114. 135».
„ Said. I. 126.
Dan. Senneit, Witteberg. I. 46
(IV. 12). III. 29. 31. III. 37.
39.
Senssius secret. II. 5. 24.
Wolf Sigel praef. I. 213.
Job. Siglicius Med prof. Lips.
I. 14 (IV. 6). 48. IV. 11.
Eus. Simonis I. 62.
P. Sperling III. fi9. IV. 73.
.Joh. Sperling III. 64.
Sam. Stark p. I. 113. IL 131.
Rup. Sultzberger Med. prof. Lips.
I. 73 (IV. 18j. 89 flV. 28).
IL 133 (IV. 58).
Superintend. Pegav. I. 41. 105.
115. 127. 203.
Superintend. Grimm. I. 42.
T.
R. Teuffei IL 210. 220.
D. Thorschmied IL 12. 145 (IV.
64). 154. 179 (IV. 77). IIL
13. 17. IV. 36.
Thurmius poliater Dresd. IL 8.
25. IV. 53. 56.
Joh. Timoreus p. IV. 40.
Mart. Ti'ostius IL 195 (IV. 85).
G. Trübsbach IL 66.
Gabr. Tuncelius concil. IL 7.
U. V. w.
Alb. [Jlmann senat. IL 107. 136.
Joh. Verberius IL 13. 30. IV. 41.
And. Vilitius IL 44.
H. Volckmal' I. 51.
Balth. Wagner IL 115. 135 (IV.
.59).
Gabr. Wagner p. 111. 26 und
Altes aus allen Theilen IL
510.
Chr. Walpurger paedag. I. 83.
162.
Mich. Walther IL 199. 218.
Benj. Wageuitius p. L 201. IL
i47.
Joh. Weckius I. 175.
Aug. Wildius III. 35. 46.
G. "Wildvogel secret. L 3.
anonym. Wildmeister 1. 166.
Dan.^ Wratislavius IL 120.
Z.
Chr. Zahn IL 72. 73.
Raph. Zorler Aiinab. Tert. IL
102-104 (IV. 38).
V.
Die Meissner Porzellanmamifaktiir
unter Böttger'X
Von
W. V. SeidUtz.
Bei der Untersuchung über die Anfänge des Meissner
Porzellans muss unterschieden werden zwischen der brau-
nen, sogen. Böttgerware, die in Wahrheit Steingut ist,
und dem eigentlichen, weissen Porzellan. Die braune
Ware wurde gleich von Begründung der Manufaktur an
hergestellt, während das weisse Porzellan in den ersten
Jahren nur in Gestalt von unzureichenden Probestücken
auftritt und auch späterhin durch längere Zeit hindurch
in weit geringerer Anzahl als das braune Gut angefertigt
wurde. Dass aber die Manufaktur, welche durch König
liches Dekret vom 20. Nov. 1707 (VI) in Dresden er
richtet wurde (die Überführung nach Meissen erfolgte
bekanntlich erst im Jahre 1710), thatsächlich die Her-
stellung von Porzellan bezweckte — wie Engelhardt
S. 355 dies betont hat — und nicht etwa Goldmacherkünsten
zum Deckmantel dienen sollte, wird durch alle Angaben
o
^) Benutzte Akten des Hauptstaatsarchivs: (I) Böttger betr.
Vol. I. 1707-19. Loc. 1339. (11) Böttger betr. Vol. II. 1719. 20.
Loc. 1389. (III) Varia Böttger betr. 1701—30. Loc. 1340. (IV) Varia
Böttger betr. Vol. I. 1708—39. Loc. 1340. (V) Varia Böttger betr.
Vol. IL 1701—19. Loc. 1340. (VI) Sammlung. 1707—11. Loc. 1341.
(VII) Varia Böttger betr. 1701 flg. Loc. 1341. — (E): 0. A. Engel-
hardt, J. F. Böttger, Leipzig 1837. 8".
8*
116 W. V. Seidlitz:
bestätigt. Ebenso stand, wenn ancli vorerst nnv braune
Ware gefertigt werden konnte, doch von Anfang' an die
Herstellung des weissen Porzellans als Ziel, Avelcheni
man zustreben müsse, fest (s. weiter unten das Jurament
des Dr. Bartelmaei vom 14. Juli 1708).
Am 22. Sept. 1707 war Böttger vom Königstein, wo
er reiclilicli ein Jahr vor den Schweden versteckt ge-
halten worden war, abgeholt und nach Dresden über-
geführt worden. Dort wurde ihm auf der stark be-
wachten Jungfernbastei, in der Nähe des jetzigen Belve-
dere der Brülilschen Terrasse, ein Haus mit Laboratorium
erbaut (E. 243), vom 1. Oktober ab ein monatliches Ge-
halt von 400 Thlr., welches vom 1. Febr. 1708 an auf
550 Thlr. und durch lleskript vom 21. April dess. Jahres
auf 750 Thlr. erhöht wurde (I, 28; E. 279), gezahlt,
welche Summe wesentlich zur Unterhaltung des ihm bei-
gegebenen Personals bestimmt gewesen zu sein scheint,
da sein eigenes Monatsgehalt im Jahre 1711 nur auf
50 Thlr. angegeben wird (s. weiter). Unter den vier im
Laboratorium auf der Festung beschäftigten Arbeitern,
welche gleichfalls schon vom Oktober 1707 an ihre Be-
soldung von 8 Thlr. monatlich erhielten, befand sich
gleich von i\.nfang an der spätere Arkanist (d. h. Masse-
bereiter) David Köhler, welcher sich stets als Böttgers
beste Stütze bei der Vervollkomnnumg des Porzellans
erwiesen und noch nach Böttgers Tode der Fabrik we-
sentliche Dienste geleistet hat.
Dem Besoldungsetat vom 12. Jan. 1708 (VI; E. 260
Anm.) ist ferner zu entnehmen, dass der Rath von
Tschirnhaus in seinem Laboratorium im Fürstenbergschen
Hause (einem Theil des jetzigen Finanzministeriums) zwei
Arbeiter mit 8 Thlr. monatlicher Besoldung beschäftigte,
darunter bereits seit dem Oktober jenen Samuel Kämpfte,
welcher späterhin die brandenburgische Fabrik rothen Por-
zellans in Plane a. d. Havel einrichten half.
Der Leibmedikus Dr. Jak. Bartelmaei war anfäng-
lich nur als Arzt Böttgers angestellt, wurde jedoch um
die Wende des Jahres 1707 aufgefordert, sich an dem
Porzellanwerk zu betheiligen (III). Leicht fiel es ihm
nicht, sich dazu zu entschliessen, da er wohl wusste,
dass er sich durch seine Verbindung mit diesem äusserst
geheim gehaltenen Unternehmen in eine verantwortungs-
volle Lage begab; aber schliesslich machte er sich mit
Eifer an die Sache, unternahm eine längere Reise, um
Die Meissner Porzellaumannfaktnr etc. 117
den Betrieb der Töpferwerkstätten in Sachsen und den
angrenzenden Ländern kennen zu lernen, legte den Eid
ab, die ihm von Böttger mitzutheilenden Geheimnisse
treu zu bewahren und beschäftigte in den Jahren 1708
und 1709 von sicli aus nicht weniger als drei Töpfer
(Peter Geitner, Krumbholz und Gottfr. Lose), zwei Bild-
hauer (Müller und Stange) und den Glasschneider Spiller.
Er ist also als ein wesentlicher Helfer bei dem Unter-
nehmen Böttgers anzusehen; doch ging er hierbei ohne
die erforderliche Deckung vor, woher es denn auch kam,
dass ihm seine Auslagen noch im Jahre 1735 nicht zu-
rückerstattet waren (III; E. 276).
Die Angabe, dass Böttger bereits 1704 das Porzel-
lan, nämlich die rothe Ware, bei einem Versuch, den
rothen Thon von Okrilla unweit Meissen zu Schmelz-
tiegeln zu verwenden (G. Kolbe, Gesch. der K. Porz.-
Manuf. zu Berlin, 1863, S. 76), erfunden habe, düifte
auf missverständliche Auslegung der Nachricht zurückzu-
führen seüi, dass er sich am 30. Juli d. J. anheiscliig
machte, dem Bergrath Pabst in Freiberg sein Arcanum
oder lapis philosophorum zu lehren (V). Der früheste
Hinweis auf eine Beschäftigung Böttgers mit ähnlichen
Gegenständen findet sich in einem von Engelhardt S. 253
angeführten Briefe vom 6. Okt. 1707, wonach ihn Tschirn-
haus auf die Idee gebracht habe, den holländischen
Delfter, d. h. Fayence, nachzumachen. Die Drohung des
Königs, Böttger möge ihm zurecht thun (E. 249, Anfang
Oktober), kann sich auf das Porzellan bezogen haben,
doch ist nicht ausgeschlossen, dass hiermit seine Gold-
macherkunst gememt war, denn noch am 30. Januar und
21. April 1708 wurde die Auszahlung von Extra-Summen
(450, bezw. 600 Thlr.) an ihn „zu einer gewissen extra-
ordinären Bedürfnifs" und „zu einer gewissen Sache, so
Uns allein bewulst" angeordnet (1,28; E. 279); im Sep-
tember 1709 erhoffte noch der König einen Schatz von
60 Millionen, die Universalmedizin u. s. w. (III); und erst
zu Weihnachten d. J. erklärte sich Böttger endgültig für
unvermögend, diese Wünsche auszuführen (E. 295).
Steht somit für den Schluss des Jahres 1707 niu' so-
viel fest, dass damals bereits diejenigen Arbeiter, Avelche
späterhin wesentlich bei der Porzellanbereitung betheiligt
waren, Verwendung fanden, so mehren sich vom März
1708 an die Nachrichten über die Förderung des Be-
triebes selbst. Unter dem 6. dieses Monats ist davon
llS W. V. S.-idlitz:
die Rede, wie man Molil die Verwendung von Kreide
verlieindichen solle; man müsse dieselbe unter dem Namen
Tlion einfulu'en; Vorrätlie von Kreide wären bei ver-
schiedenen Kaufleuten zu kaufen und dort auf Lager zu
belassen, bis man sie brauche (III). Es handelte sich
also dabei nicht, wie Engelhardt S. 278 meinte, um eine
Verheimlichung des weissen Thons als Hauptbestandtheiles
der Porzellanmasse, sondern man glaul)te anfangs that-
sächlich Kreide hierfür verwenden zu können. Ebenso
bezog man im Juli d. J. 9 Fässer Alabaster (III), welche
dem gleichen Zweck dienen sollten^). — In einem Re-
skript vom 12. März 1708 wird die Erbauung einer ge-
Avissen Grube (für die Masse) an eüieni sichern und
darzu bequemen Orte anbefohlen ; den Ort soll der Leib-
medikus Bartholomeo aussuchen und die Art der Er-
l)auung angeben; für die Öfen war damals noch kein
Ort bestimmt (I). Unterm 26. Juli dess. J. ist noch von
einer „wegen errichtender Porcelainmanufactur auf der
Festung zu Dresden" auszuführenden Thongrube die Rede
(ibid.), doch wird es sich hierbei wohl schon um eine
neue Grube gehandelt haben.
Ende März 1708 wurde befohlen, dass 2000 Zentner
puren Thons, so nicht mit Erde oder Sand vermischt, in
Colditz gegraben Avürden. Von diesem weissen Thon,
der auf der Strasse zwischen der Stadt Colditz und dem
Dorf Terpitzsch in mehreren Adern offen lag, wird ge-
sagt, dass er für die Gefässe nicht zu brauchen gewesen
sei, wohl aber „zum Anstreichen, da er alle Farben au
sich nimmt". Ausser zu den Kapseln wurde er also auch
zur Glasur verwendet. Eine grössere Sendung im Au-
gust dess. J. erwies sich nicht mehr so gut und rein, wie
die frühere Probe (III). Auch aus Waidenburg (an der
Mulde), einem Orte, der selbst Töpferindustrie besass,
wurde Thon bezogen (I).
Ende Mai begab sich Dr. Bartelmaei von Leipzig
aus auf eine Informationsreise, die ihn nach Colditz, dann
weiterhin bis nach Braunschweig führte, und auf der er
-) In einem aus den ersten Zeiten der Mannfaktur ^itammenden
Aufsatz „Kiniiit; Xacbricht vom Poi'cellan", in 4" (VII), ist gesagt,
Alabaster sei (lasjcnige, welches durch proportionirlichen Zusatz die
Durchscheinigkcit causiret, oder selu' weisser Gips, oder in dessen
Ermangelung ein zu Stein gebi'annter Borax. — Als eine gute
Mischung wird daselbst empfohlen : Schnorrsche Erde 4 Theile, Col-
ditzer Thon 2, zarter Kiesel V/., Alaln\ster P/a Theile.
Die Meissner Porzellauinanufaktur etc. 119
Erden und Glasuren kennen zu lernen und Gescliirrproben
einzukaufen beabsichtigte (III). Im Juli berichtet ein
Christian Peschelt von Freiberg aus über eine ähnliche
Reise nach Waidenburg, wo er sich die Einrichtung der
Öfen ansah und durch die Töpfer ihre Arcana offenbaren
Hess, und weiter ins illtenburgische, wo er eine ausser-
ordentlich zarte weisse Erde, wie Pomade, fand (IV).
Nach solchen Vorbereitungen wurde nun Dr. Bartelmaei
unterm 12. Juli 1708 mit einer Instruktion versehen, des
Inhalts, dass er nach Böttgers Angaben die Proben
machen solle, nach welchen sich der König entscheiden
würde, ob man nun in grösserem Massstab beginnen
könne (III). Unterm 14. dess. Mts. leistete Bartelmaei
endlich sein Jurament (ibid.), wonach er das, was ihm
Böttger „wegen Zubereitung unterschiedener dem ost-
indianischen sich zur Durchsichtigkeit gleich brennenden
Porcellan Massen, als auch was zu dessen gänzlicher
Verfertigung, an braunen Glasuren und zu Bereitung der
Farben gehörig sagen und erlernen wird", nicht weiter
verbreiten will. Hieraus geht hervor, dass Böttger gleich
von vornherein die Herstellung des weissen Porzellans,
ferner die braune Glasur und endlich die Bemalung der
Gefässe im Auge hatte (cf. E. 276 flg.).
Weiterhin ist aus dem Jahre 1708 nur der am 11.
Oktober erfolgte Tod des Raths von Tschiruhaus zu be-
richten. An seiner Stelle übernahm, nach Engelhardt
S. 284, der Hofrath von Seebach die Überwachung
Böttgers.
Unter dem 11. April 1709 wurde auf Böttgers An-
suchen eine Kommission zur Untersuchung seiner ver-
schiedenen Erfindungen eingesetzt. Der Eingang des
betr. Commissoriale lautet:
„An Geh. Eath Zecli, Kamnierprät;. Freih. von Löwendal, Kam-
merrath Nelimitz, Geli. Kriegsrath von Holtzbringk, Hofrath Döring
nnd Bergrath Pabst. P. P. Vermittelst Anschlusses giebet uns
Johann Friedrich Böttiger unter andern zu vernehmen, welcher-
gestalt er 1. den guten weifsen Porcellan mit der allerfeinsten Glasur
und behörigen Malwerk in solcher Perfection zu machen wisse, dafs
er dem ostindianischen wo nicht übertreffen, doch gleichkommen
solle ^), 2. ein Gefäfs von allerhand schönen Farben, härter als Por-
phyr, so wegen der hellen Politur und unveränderlichen Beständig-
keit ganz etwas neues in der Welt sein, ingleichen 3. ein rothes
sehr feines Gefäfs, welches dem rothen ostindischen Porcellan in
^) Böttger hatte bereits in einem Vortrage vom 8. März 1709
das weisse Porzellan unter „seine ersten Inventa" gesetzt (E. 412).
120 ^V. V. Soiillitz:
allen gleich kommen würde, 4. auch eine Art von Steinen, welche
nach eines jeden Licliliahci-s Gefiilli.nkeit von allerhand Farben zu-
gerichtet, und in zieiuliclicr Gröi'se praepariret werden könnten, an-
henebst aber an Schönheit und Härte dem Porphyr und Marmor
vorgehen sollten. Hierüber und 5. habe er auch eine Zubereitung
des Boraxes, der in allen Proben und Nutzungen dem bcrul'enen
venetianischen gleichkommen sollte und würde, Avic nicht weniger
eine ganz neue Art von massiven Glasstücken, aus welcher schätz-
bare Sachen, so aller Welt Admiration verdienen sollten und nur
wegen Mangel guter Gefäfse und Formen bis. anhero hätten unter-
bleiben müssen, gearbeitet werden könnte. Überdies habe er auch
die holländische Steinbackerei bereits in ziemlich gangbaren Staude,
wolle auch die Schraelztiegel und andere chymische Gefäfse, welche
sonst mit grofsen Kosten aus dem Hessischen geholet werden müssen,
von elieu der Güte machen, auch endlich von denen in Unsern Lan-
den befindlichen ]\Iaterialien, die als ein todter Schatz zeither un-
lirauchbar liegen l)lieben, oder zu unnützen Sachen angewendet, wo
nicht gar von Fremden fast ohne Bezahlung veiführet worden, ent-
decken, dafs dem Lande daraus ein höchstersprielslicher Nutzen ge-
schaffet werden sollte; Bittet zugleich um eine Commission, vor
welcher er dieses Alles klar zu dcmonstriren, und dergestalt auszu-
führen gedenket, dafs obige Erzählung nur als eine Schale, worinnen
der beste Kern annoch verborgen läge, l)is annoch zu betrachten
sei" (L 58).
Am 17. April hielt diese Kommission im Berggemacli
ihre erste Sitzung ab (E. 284). Mit dem weissen Por-
zellan kam man noch für längere Zeit nicht über die
Proben hinaus; an der Herstellung der rothen Ware muss
dagegen in dieser Zeit fleissig gearbeitet worden sein,
da zur Ostermesse des folgenden Jahres bereits ein
beträchtliches Quantum zum Verkauf gebracht werden
konnte ^).
*) Gleichzeitig wurde die Wiedererrichtung einer Schleif-
und Poliermüiile an der Weisseritz, namentlich wegen dei' Be-
arbeitung der inländischen Edelsteine, unter reger Betheiligung
Böttgers in Aussicht genommen. Die von Tschirnhaus angelegte
Mühle war abgebrochen und zu einer ]\Iahlmiihle adaptiert worden;
unterm 6. Aug. 1709 ist daven die Kede, die neue Mühle „hinter
der Grotte in dem Aegidischen Garten" anzulegen (1,65); im Januar
1710 wurde dagegen dieser Platz aufgegel)en tmd statt dessen der
dem Kammeri-ath Wichmanshausen gehörende Berghannner gewählt;
))isJohanni sollte die Mühle fertig sein. Aber wie über allen Unter-
nehmungen Böttgers — die JMühle war seiner Administration unter-
stellt — waltete auch übei' dieser ein missgünstiges Geschick : wohl
wurde 1711 ein Mühleninspektor, Job. Friedr. Schmidt, angestellt,
der 1500 Thlr. zur Anlegung der Mühle erhielt (I, Keskr. v. 25. Juli
1711); Wohl verwendete Böttger, wie er am 13. Juli 1713 an den
Kammerrath Nehmitz schrieb (IV), die 100 Thlr., welche er monat-
lich für sich aus der Kammer erhielt, auf die Mühle : immerhin war
sie Mitte 1714 noch nicht völlig eingerichtet und scheint dann immer
mehr in Verfall geratheu zu sein.
Die Meissner Porzellanniauufaktnr etc. 121
Unterm 19. Okt. 1709 schreibt Böttger dem König:
„Ich verstehe nnter dem was fertig ist erstlich den
weissen durchsiclitigen Porcellaii, 2. den rothen in unter-
schiedenen Sorten, 3. den Borax, 4. die schönen Steine
auf Porphyr- und andere schöne Arten, 5. das sogen,
holländische Gut sowohl in Platgen als runden Gefässen,
welche beide letzteren Sorten auch von solcher Schönheit
sein, dass sie nicht allein den Delfter, sondern ausser
der Pellucidität gar den ostindianischen an Schönheit
übergehen" (III; E. 413). — In dem auf die förmliche
Gründung einer Porzellanfabrik bezüglichen wichtigen
Dekret vom 23. Jan. 1710 wird daun erwähnt, dass neben
den rothen Gefässen ,,so die indianischen, von sogenannter
terra sigillata gemachten, weit übertreffen" und „aller-
hand besonders kolorirtem und auch von diversen Farben
künstlich melirtem Geschirr und Tafeln, welche insge-
sammt nebst ihrer Zärtlichkeit von so ungemeiner Härte
sind, dass sie sich gleich dem Jaspis und Porphyr
schleifen, schneiden und poliren lassen", „auch bereits
ziemliche Probestücken von dem weissen Porzellan, so-
wohl glasurt als unverglasurt, vorgelegt" worden seien,
wobei die Hoffnung ausgesprochen wird, dass dieses in-
ländische Porzellan dem indianischen „an allerhand Fa-
Qons und grossen auch massiven Stücken, als Statuen,
Kolumnen, Servicen u. s. w. weit übergehen möchte" (I;
E. 301). — Das Jahr 1709 kann somit mit Sicherheit
als das der Herstellung des weissen Porzellans ange-
geben werden.
Am 24. Jan. 1710 wurde ein Manufakturdirektorium
eingesetzt, bestehend aus dem Kammer- und Bergrath
Michael Nehmitz, welcher gleich von Anfang an die
Hauptaufsicht über Böttger zu führen hatte, und dem
geheimen Kommerzienrath Christoph Mathie; seinen
Sitz hatte dieses Direktorium in dem Boseschen Hause
auf der Wilsdruffergasse (E. 307). Durch Reskript vom
7. März d. J. wurde die Verlegung der Fabrik auf die
Albrechtsburg zu Meissen angeordnet (E. 315), Aveil
man an diesem leicht abzusperrenden Ort das Geheimnis
der Porzellanbereitung am sichersten wahren zu können
hoffte, und am 6. Juni erfolgte die Überführung dorthin.
Über die erste Leipziger Osterraesse, welche in dieser
Zeit mit den neuen Waren bezogen wurde, ist einem
Bericht des Direktoriums vom 28. Okt. 1710 Folgendes
zu entnehmen:
122 ^V- V. Seidlitz :
„NhcIkU'iu Ew. Könii^l. Majt. im Jaimari« dieses Jahres von
liior nach Dcio Köni^reicli Pohlen Sich erhoben, liel's der Inventor,
Johann Friedrich ]5üttger, seine einzige Sorge sein, wie zu der da-
mals lievorstelienden Leipziger Ostermesse eine gute Quantität rother,
theils schlecliter, thoils geseluiitten und jjolirter, nicht weniger
scliwartz glasurter und laccirtei' Gefafse verfertiget, und durcli öftent-
liclien ^'erkauf in sothauer Messe, von Kealität derer in SachCsen
neuerfundenen Manufacturen, die Welt, so es alle mal vor unmöglich
gelialten, ülierzeuget, auch die darinnen fahricirte Waaren zugleich
bekannt yomacht Averden möchten. Es reussirte auch gedachter
inventor duich angewandten unermüdlichen Fleils so glücklich, dafs
er von ol)l)enanuteu Sorten eine ziemliche Anzahl, deren Werth sich
in die 4000 Thlr. erstreckte, wirklich zur Leipziger Messe sandte,
Ew. König!. Majt. Allergnädigst bestalltes Manufactur-Directoriura
aber dei'cn Versill)eruug zu besorgen ersuchte, und. dais nach ge-
endigter Messe an dasselbe er die nunmehro zu Stande gebrachte
Manufactur von rothen Gefäfsen, um solche nach der von Ew. Königl.
Majt. uns vorgeschriebenen Instiuction zu administriren, übergeben
Avoile, sich entschlösse. Ob nun wohl damals ein nicht allzugrosser
Abzug denen Umständen nach gehoffet werden konnte, indem diese
neue Waren, so zureden, im A'erborgenen gefertiget, und, weil
Niemand etwas davon gesehen, folglich unter Standespersonen so
wenig als unter Kaufleuten von deren Schönheit weder geredet noch
geschrielien werden können, fast bei Jedermann unbekannt, diejenigen
aber, so ja noch etwas davon gehöret, durch den grofsen Haufen
derer, so keine Liel)e zu dergleichen IVlanufacturen hegen, prae-
occupiret, ein oder den andern Versuch zu thun intinndiret,_ viel-
leicht auch ganze Kaufmannscliaften, wie wir aus einigen Circum-
stantien nicht unbillig muthmalsen, jedoch nicht vor gewifs behaupten
wollen, aus besonderer Absicht in totura davon zu abstrahiren beredet
worden: So hat dennoch bey augenscheinlich Avahrgenommener kalt-
sinnigen AuftÜhrung derer einheimischen, die Curiosität derer aus-
wäi'tigen das Waren-Lager bis zur Hälfte geräumet, und uns die
Hoffnung zurückgelassen, dafs hiesige neue Eabriqucn, wenn sie erst
überall bekannt, mehr Liebhaber an fremden ausländischen Orten,
als in ihrem eigenen Vaterlande finden würden" (V).
Einer Registratur vom 5. April 1710 zufolge be-
schlossen Nelimitz, Böttger und Matliie, jeder 400 Thlr.
vorzuschiessen, damit nicht nur rothes, sondern auch
weisses Porzellan'^), Borax, Schmelztiegel, holländische
Plattgen und runde Gefässe für die Messe hergestellt
werden könnten (lY). Einer Notiz zufolge ^\urden auch
am 20. April d. J. dem König vier Stück Aveissen Por-
zellans, sechs „Plattgens" und daneben verschiedenes
rothes Geschirr geschickt, als Bierkrüge, zum Theil mit
Silber beschlagen, viereckige Theekrügel mit Blumen ge-
schnitten, schwarz lackierte mit indianischen (chinesi-
•'^) Engelhardt S. 413 berichtet, es seien, jedoch blos zur
Ausstellung, 9 Eichelblätter, 1 Schüssel, 1 Tabakskästchen und 6 un-
glasierte Schälchen zur Ostermesse gesendet worden.
Die Meissner l'orzellaumamü'aktur etc. 123
scheu) güldenen Figuren gezierte runde Glocken, tür-
kische Kaffeekännchen , Theebüchsen, Zuckerbüchsen,
rundes Geschirr (III). — Dass schon frühzeitig die Ver-
wendung des Kobalt, der bereits seit dem XVI. Jahrh.
aus dem Erzgebirge über Holland nach China ausgeführt
wurde (E. 250 Anm.), in Frage kam, geht aus einem
Briefe des Bergraths Pabst d. d. Freiberg, 5. Mai 1710
an den Kammerrath Nehmitz hervor, wonach Böttger
„^/,^ Ctr. der allerbesten und feinsten Handsteine von der
Kobolt-Minera" zu erhalten wünscht (V). Irrig aber ist
Engelhardts (S. 343) Annahme, dass anfangs die Malerei
meist in blau bestanden habe. Bis zu Böttgers Tode
handelte es sich, wie aus dem Folgenden hervorgehen
wird, immer nur um Proben solcher Blau mal er ei. Zum
erstenmal Avird eine am 28. Juni 1710 erwähnt. Damals
schickte Georg Edler von Holtzbrinck, der auch weiter-
hin als in naher Beziehung zu der Manufaktur stehend
erwähnt wird, dem König zwei Gefässe von weissem
Porzellan, das eine glasiert, das andere nicht; auf letz-
teres sei viel Farbe aufgetragen, auch ungewöhnliche
Zeichnung, doch hätten die Farben nicht alle gleich-
massig den Brand vertragen. „Wenn man aber vom
Blauen allein was machet", soll es bei nächster Gelegen-
heit folgen (I). Einem Bruder des Kammerraths Neh-
mitz, dem Arzt Dr. Wilh. Heinr. Nehmitz, war ziemlich
von den ersten Zeiten an das Secretum derer sämmt-
lichen Glasuren und das Direktorium des Feuers und
Zubereitung der Öfen anvertraut. Dass aber doch
Böttger der thatsächliche Leiter des Ganzen gewesen,
geht aus einem Berichte Holtzbrincks vom 28. Juni 1710
hervor, wonach damals eine Eeise Böttgers nach Meissen
nöthig wurde, da „ausser diesem .selbst niemand die be-
quemen Örter zu Anlegung der Ofen auch zu Präpari-
rung der Massen anweisen kann" (I, 114).
Unterm 1. Sept. 1710 schreibt Holtzbrinck dem Kö-
nig, er würde nur dann zu demselben nach Polen reisen,
wenn Böttger „solche vollständige Proben des weissen
Porcellains in allem seinen Lüster und blauen Farben,
wie es sein soll und muss, mitgeben würde". „Zwar
habe von dem weissen ohne Farbe so schöne und von so
zarter Lasur Gefässe gesehen, dass es von keinem in-
dianischen (zum wenigsten so viel mir vorkommen) zu
unterscheiden ist . . ." (IV). Aus dem bereits angeführten
Bericht von Nehmitz und Mathie vom 28. Okt. d. J.
124 ^^'- V. Seidlitz:
(V) gellt hervor, dass Büttger sich grosse Mülie gab, die
Manufaktur in Stand zu erhalten, eine ziemliche Quanti-
tät Porzellans nach Karlsbad, dann auch nach Berlin
und Hamburg sandte, es alxM- nicht liabe verhüten können,
dass „die meisten schon abgerichteten Arbeiter, weil aus
Mangel des Geldes, so ohne Arbeit gelassen werden
müssen, aus einander gegangen". Da er sich infolge
dessen ausser Stande sah, die Manufaktur weiterzuführen,
bot er dem Direktorium den auf ßWO Thlr. geschätzten
Vorrath zur Übernahme an. Ein rascher Entschluss
musste gefasst werden. In Erwartung, dass unter dem
Namen einer Kompagnie der Debit besser erfolgen
möchte, bediente sich das Direktorium eines Kaufmanns
Schwartze', um mit dessen gutem Willen die Waren unter
dem Namen Schwartze & Co. zu debitieren. Unterm
23. September w-urde ein Scheinkontrakt aufgesetzt (IV).
In der That hatte der Kammerrath Nehmitz dazu ^/.,,
eiif Privater ^',, vorgeschossen; Matliie besorgte das Ge-
schäftliche; diese fingierte Kompagnie verglich sich mit
dem Direktorium, dieses aber mit Böttger wegen einer
gewissen Lieferung der Waren, die namentlich in rechtem
Kaufmannsgut bestehen sollten, für ca. 4000 Thlr. bis
Ostern. Auch von der altdresdnischen Steinbäckerei (in
der jetzigen Neustadt) ist hierbei die Rede. — Engel-
hardt S. 414 giebt an, dass am 8. Okt. 1710 zum ersten-
mal die Schnorrsche weisse Erde erwähnt Avird, w ährend
die regelmässigen Lieferungen derselben erst im November
1711 begannen (ibid. 419). Die folgende Äusserung Ma-
thies in einem Bericht an Nehmitz vom 21. Okt. 1710
bezieht sich al»er wahrscheinlich noch auf die rothe
Ware: des Herrn Inventoris rühmliche Studien seien
„vornehmlich auf grosse Stücke und solche Sachen, wie
Indien noch nie geliefert hat, gerichtet"; das Gelingen
aber sei nicht leicht. Damals fehlte es noch immer an
Fond und Del)it; man fürchtete, dass die Manufakturen
ins Stocken gerathen könnten. Borax und Schmelztiegel
hält er, als kurante Waren, für die relevantesten im
Debit (IV). Am 12. Nov. d. J. kann Holtzbrinck von
Danzig aus an Nehmitz melden, dass das rothe Polierte
dem König gefallen habe, so dass derselbe auf den Ge-
danken verfallen sei, es sollte davon nicht viel gemacht,
sondern nur zu Geschenken für grosse Potentaten ver-
wendet werden (ibid.). Am 11. Dezember schreibt Neh-
mitz einem Freunde, wahrscheinlich Holtzbrinck: „Hier-
Die Meissner Porzellamnaniifaktur etc. 125
nächst so melde auch, dass Böttger beide Ofen zum
weissen Porzellan verfertiget, die Proben auch gebrannt
hat, weil aber das blaue noch nicht vollkommen gewesen,
welches er der Farbe, so er aus dem Gebirg erst besser
bekommen soll, schuld gegeben, so hat er solch Proben
nicht überschicken mögen, indess soll mein Bruder der
Doktor mit dem Brennen continuiren, welches er auch
darum thut, dass Ihre Majt. zugleich versichert sein
möge, dass die Wissenschaft auch ein anderer besitzt . . .
Die Schnielztiegel sind wohl gerathen, wie auch was die
weisse Masse betrifft auch ziemlich die Glasur, die
Malerei aber war inwendig und wenn man die Gefässe
gegen das Licht hält, ganz deutlich zu sehen, ausserhalb
aber waren die Farben noch nicht recht durchgebrochen"
(ibid.).
Dass zu Ende des Jahres 1710 nur das rothe Por-
zellan zur Vollkommenheit gebracht war, wird in einem
Dekret vom 29. Dezember d. J., durch welches die Ad-
mmistration zum Zeichen der Zufriedenheit Böttger allein
übergeben Avird, ausdrücklich gesagt. In solcher Eigen-
schaft hatte er über die Annahme und Entlassung des
Personals allein zu entscheiden. Nehmitz, der unterm
25. Januar 1711 zum Generaldirektor der Manufakturen
ernannt wurde (E. 335), hatte ilmi in Justizsachen bei-
zustehen, die Yerpflichtungen vorzunehmen, die vorhan-
denen Waren nach den von Böttger bestimmten Preisen
zu verkaufen u. s. w. (VI). Aus einem Reskript vom
12. März 1711 geht übrigens hervor, dass Böttger die
Administration nur „für eine Zeit lang"' übergeben worden
war, wobei ihm eine neue Kommission beigesetzt wurde,
da die Mitglieder der früheren Kommission theils ab-
wesend, theils anderweitig beschäftigt waren (E. 345;I).
In dieser Kommission treten die beiden Männer zum
erstenmal auf, deren Namen durch länger als ein Jahr-
zehnt stets wiederkelu-en : der wirkl. Geheimrath von
Seebach und der Kammerherr Graf von Lesgewang; aus
der ersten Kommission sind herübergenommen: Döring
und Pabst; neu hinzugetreten ist der wirkl. Geheimrath
Graf von Wackerbarth *^). Durch Reskript vom 13. Okt.
1711 wurde die Kommission für perpetuierlich erklärt.
<*) Bei den späteren Kommissionen (E. 347, 349, 3n9) kommt
der Xame des geheimen Kriegsraths und späteru polnischen Krou-
postmeisters Georg Edler von Holtzbrinck häutiger vor. Im Jahre
j^2G W. V. Seidlitz:
Unterm 5. Februar 1711 wird erwähnt, class „die
jaspisgleichen rothen Gefässe in vorzüglicher Vollkommen-
heit, die von weissem Porzellan aber in erwünschtem
Wachsthume" sich befänden. „Bei der wenigen Ein-
nahme, so Ew. Maj. hierzu destiniret, mag ein Mehreres
nicht prästiret werden." Weiterhin nochmals : „die schon
sehr weit avancirten weissen Purcellaine sollen vollends
in Perfection gesetzt werden". Die Manufakturen für
Borax und besonders für feuerfeste Schmelztiegel waren
damals erst noch zu etablieren (IV). Zur Ostermesse
entnahm der König für 35U Thlr. Porzellan und schenkte
es dem König von Dänemark. Durch Reskript vom
23. Mai 1711 wurde angeordnet, dass Böttger für die
Einrichtung der Borax- und der Schmelztiegelfabrik
lUUO Thlr. als Abschlagszahlung einer Gesamtsumme
von 6000 Thlr. gezahlt werden sollen; auch sollen Holz
und Colditzer Thon unentgeltlich angeführt werden (I).
Ein halbes Jahr später war letzteres noch nicht ge-
schehen, und von den verbleibenden 5000 Thlr. wurden
nur 500 ausgezahlt. Das von allen Seiten bedrängte
Kammerkolleg sträubte sich mit Recht dagegen, für eine
neue Einrichtung das schwer zu beschaffende Geld her-
zugeben, während die ältere noch nicht in rechten Gang
gekonunen war. Daneben unterstand die Schleif- und
Poliermühle an der Weisseritz der Administration Bött-
gers. Letzterer machte sich anheischig anzugeben, wie
in Freiberg neue Schmelzöfen für Erz mit seinen weissen
Thon -Ziegeln aus der Dresdner Steinbäckerei gebaut
werden könnten. Er konstruierte (Ende 1714) Oefen für
Bierbrauereien, legte 1711 eine Tabakspfeifenfabrik an,
kurz beschäftigte sich mit dem Verschiedenartigsten, ohne
doch die Hauptsache, die Porzellanmanufaktur, zu rechter
Blüthe bringen zu können, tlieils aus Mangel an Geld,
theils weil die Versuche zur Herstellung des weissen
Porzellans noch zu keinen befriedigenden Resultaten
führen wollten.
171.T kehrte, neben Lesgewangs Namen, deijenige des Obeihofuiar-
scballs KannneiiträsideQten und Oberbergdirektors Frbrn. von Lö-
wendal wieder, daneben erscheinen diejenigen des geb. I{aths und
A'icebergdirektors J. E. von Alemann [f 1720) und von E. Titt-
mann; im Oktober 1717 sind Kommissionsmitglieder: Löwendal,
Watzdorf, Alemann, Holtzbiincdv (I); im Jahre 1720: Aleman, See-
bach und Lesgewang (II).
Die Meissner Porzellanmanufaktnr etc. 127
Ein am 28. Mai 1711 aufgenommenes Inventar
über das Dresdner Lager von mehr als 2000 Stück')
beweist dies zur Genüge, indem es nur braune Ware
aufführt, diese aber in all den Verschiedenartigkeiten,
welche noch jetzt in der Kgl. Porzellansammlung zu
Dresden wahrgenommen werden können (IV). Es handelt
sich dabei um Trinkkrüge, Theekannen, Theebüchsen,
Thee-Koppchen und -Schälchen, Zuckerbüchsen, Auf-
sätze (auch als Bouteillen bezeichnet), „Strausseneier",
„Glocken", „Brunnen" (Weihkessel), Messerschalen, Kon-
f ektschälchen , Spülnäpfe, Salzfässchen, Tabakspfeifen-
köpfe, Stabknöpfe, Messerklingen mit Gabeln (wohl die
Griffe gemeint) ^) ; daneben kommt ein rundes Giess-
kännchen mit grossem Giessbecken, godronniert, vor
(ersteres zum Preise von 2^/.. Thlr., letzteres zu 2 Thlr.),
ferner „Baumäste" (P/- Thlr., emailliert 3 bis ö^- Thlr.),
Schnecken (2^.., emailliert 3 Thlr.), Eichelblätter (zu 3,
4 und 5 Gr.) ; besonders interressant sind die Angaben
über einige figürliche Darstellungen, die sich zum Theil
noch jetzt in der Dresdner Sammlung nachweisen lassen:
so werden 73 Stück Vitelliusköpfe (zu 9 Gr., glasiert
16 Gr.), 60 Apolloköpfe (ebenso), 55 Kinderköpfe (zu
21 Gr.), 672 Stück kleüie römische Köpfchen (zu 2 Gr.)
aufgeführt; ferner ein „Confucius" (5 Thlr., somit schwer-
lich die häufig vorkommende kleine hockende Chinesen-
figur), 2 Bilder (zusammen 5 Thlr., vielleicht die Judith
und die heilige Familie mit dem Johannesknaben, in der
Porzellansammlung) , eine Platte mit einem Kaiserkopf
(12 Gr., vielleicht das kleine kameoartige Profilbildnis
nach links, ebendort), eine Muschel mit Bildern (7 Thlr).
■') In Meissen waren in der zweiten Hälfte d. J. 12—13000
rohe und gebrannte Geschirre vorhanden, dazu 270 Ctr. an rohen
Materialien und Massen (I).
*) Die Triukkrüge "/.. bis 1 Thlr., reicher verziert 3 bis n, ja
7 Thlr.-, Theekannen, rund, viereckig', achteckig, meist 2 bis 4 Thlr.,
mit Silber beschlagen 1 Thlr. mehr, reichere 6 bis 10 Thlr.; Thee-
büchsen 2 bis 5 Thlr.; Theeschälchen rund 8 Gr., achtpafsig 12 Gr.;
Zuckerbüchsen IVo bis 2 Thlr. ; Aufsätze rund und viereckig, klein
2 bis 3 Thlr., gross bis 6 Thlr.; dabei auch kleine mit Köpfchen an
den Seiten erwähnt; Strausseneier 2 bis 6, auch 10 und 12 Thlr.;
in schwerer Masse -/s bis 1 Thlr.; Glocken 3 bis 7 Thlr.; Brunnen,
mit und ohne Bügel, 2 bis 7 Thlr.; Messerschalen 27-2 bis 5 Thlr.;
durchbrochener grosser Spülnapf 3 Thlr.; Salzfässchen schwarz
glasiert 8 Gr.; Tabakspfeifenköpfe poliert zu IVs Thlr.; Stabknöpfe,
poliert rmd geschliffen 12 Gr. ; Messerklingen 4 Gr.
128 W. V. Seidlitz :
Die einzelnen Stücke sind bald ganz, bald nur
an den Extremitäten poliert; Verzierungen werden ein-
gesclililfen, aus ausgesparten Schildern werden Blumen-
bouquets und Architekt uren herausgeschnitten ; mehrfach,
wenn auch noch nicht häufig, finden sich Glasuren erwähnt
und dann stets entweder mit geschnittenen Ornamenten,
namentlich an Theekannen, oder mit Bemalung in Gold;
auch schwarze Glasur kommt bereits vor, einmal an
einem grossen runden Aufsatz mit goldner Marmorierung,
daim an einem Trinkkrug mit theilweiser Politur, endlich
an einem Theeschälchen, von dem es lieisst: in Venedig
emailliert. Ein Paar runde Aufsätze, der eine gemuschelt,
der andere marmoriert, w-erden als gelblich bezeichnet.
Auch erhabene, also nicht geschnittene, sondern plastisch
aufgesetzte Blumen und Zweige kommen schon vor. An
einer Theekanne wii^d ein Adlerschnäuzchen erwähnt.
Sehr häufig findet sich die Bezeichnung: genmschelt
(ornamentiert?), ein Trinkkrug A\ird als oben und unten
gemuschelt, ein anderer bauchiger als ganz genmschelt
aufgeführt.
Ebenso häufig kehren die Worte: emailliert und lackiert
wieder, daneben auch: marmoriert. Bei der Email-
lierung wird es sich nicht um Verwendung richtiger
Porzellanfarben, die bereits auf der Meissner Manufaktur,
jedoch erst um 1720, als Schmelze bezeichnet wurden,
wde sie jetzt noch bei den Franzosen emaux heissen,
gehandelt haben, sondern um eine undurchsichtige Email-
oder (>1-Farbe, da sonst die bereits erwähnte in Venedig
erfolgte Dekorierung eines schwarz glasierten Schälchens
nicht als Emaillierung hätte bezeichnet w^erden können'*).
Unter Lackierung scheint die Auftragung der lack-
artigen Gold- oder Silber -Farbe verstanden zu werden:
das Wort kommt gewöhnlich in der Verbnidung: laccirt
mit Gold oder: mit Gold laccirt, einmal auch mit Silber
1., ferner: 1. mit Gold und Farben, vor. Die Marmo-
rierung bezieht sich wohl auf die Färbung der Masse
") Es werden Tlieekauueu mit WeinraiikfU emailliert erwähnt;
emaillierte Stücke kommen bisweilen mit Steinen versetzt vor; von
einer Bouteille lieisst es : weiss emailliert, wobei die Farbe wohl auf
die Bemalung, nicht auf das üefäss zu beziehen ist, da es sonst in
der langen Liste das einzige weisse Stück wäre, ohne sich docli
durch seinen Preis vor den tibiigon auszuzeichnen. Unter Eiuail-
licrung kann also nicht, wie ich früher annahm, Bemalung in Gold
verstanden werden.
Die Meissner Porzellanmamifaktur etc. 129
und kommt gleichfalls in Verbindung mit goldenen Ver-
zierungen vor.
Nach diesem längeren Verweilen bei den Formen
des damals hergestellten Porzellans kann in dem Bericht
über die Geschicke der Manufaktur fortgefahren werden.
Zu Anfang des Jahres 1712 hatte Böttger um seine
Enthebung von der Administration nachgesucht, der König
zeigte sich in einem Reskript vom 24. Februar d. J.
dazu geneigt, da „Uns derselbe in anderen ihm beiwoh-
nenden Wissenschaften getreue und angenehme Dienste
leisten kann" (I), doch kam es nicht dazu. Wohl aber
konnte Böttger zu Ende dieses Jahres schon der Hoff-
nung Ausdruck geben, dass ihm endlich seine Freiheit
geschenkt werden würde, was denn auch 1715 geschah.
Diese Äusserung findet sich in einem Bericht Böttgers,
der einem Briefe desselben an Nehmitz vom 18. Oktober
1712 beigegeben ist und sich mit der Frage beschäftigt,
wie die monatlichen Ausgaben, die sich auf 1057 Tldr.
16 Gr. für Besoldungen, 209 Thlr. 18 Gr. für Material
u. s. w. und 254 Thlr. für Böttgers Unterhalt beliefen
und die Einnahmen fast um die Hälfte überstiegen,
namentlich durch Streichung überflüssiger Angestellten
verringert werden könnten ^'') (IV). An Besoldungen
^'*) Es waren damals angestellt mit folgendem Monatsgehalt:
Böttger, Administrator, .50 Thlr.; Leibmediciis Dr. Jak. Bartelmaei
20 Thlr. (damals nur noch als Arzt für Böttger angestellt)-. Dr.
WiDi. Heiur. Nehmitz 30 Thlr. (der Bruder des Direktors); Secre-
tarius Eman. Jacobi 20 Thlr.; Inspector Joh. Melch. Steinbrück
20 Thlr. ; Commercien-Commissai'ius Joh. Gottfr. Meerheim 2.5 Thlr. ;
Inspector der Schleif- und Poliermühle Joh. Friedr. Schmidt 20 Thlr. ;
Joh. Jac. Irminger 16 Thlr. (der Dresdner Goldschmied, der Modelle
für neue Formen anfertigte und damals „bei Continuation des weissen
Porzellans" unterschiedliche neue Formen herzustellen im Begriff'
stand). Ferner je ein Buchhalter, Kondixkteur, Bettmeister, Materialien-
schreiber und zwei andere Bedienstete. An Künstlern: der Lackirer
Martin Schnell mit einem monatlichen Verdienst von ca. 100 Thlr. ;
Joh. Karl Bahr, Goldarbeiter; Joh. Christoph Schäffler, Maler;
Stefky, Filigranarbeiter (die drei Letzteren, mit je 12 Thlr. besoldet,
wurden nur zeitweilig beschäftigt). An Glasschneidern wurden 6 in
Dresden, 3 in Meissen, 10 in Böhmen beschäftigt. 4 Massebereiter
(Arkanisten): Joh. Georg Schubarth, Dav. Köhler, Christoph Wiedeu,
Samuel Stölzel: 3 Brenner und Maurer, 8 Töpfer, 3 Kapselmacher,
3 Dreher des holländischen Guts, darunter Peter Eggebrecht, der die
altdresdner Steinbackerei gepaclitet hatte, mit 20 Thlr., Joh. Dav.
Krazenburg 16 Thlr., Christoph Rothe 9 Thlr. 4 Fliesenmacher,
2 Schlemmer des Kapselthons. Als Schilderer des guten Porzellans
werden aufgeführt: Joh. Dav. Stechmann mit 16, Aushelm Bader
mit 8 Thh'., wobei bemerkt wird, dass zui' „Schilderung des weissen
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 1. 2. 9
130 ^^'- "f- Seidlitz:
sollten 310 Thlr. gestrichen werden. Im Jahre 1716
betrugen dieselben überhaupt nur noch 274 Thlr. 12 Gr.
monatlich (III, 461) ^i).
Endlich zur Ostermesse 1713 konnte auch eine
grössere Menge weissen Porzellans gehefert werden,
welches raschen Absatz fand, aber doch nicht, wie Engel-
hardt S. 418 behauptet, das braune Porzellan fast ganz
in den Hintergrund drängte. Wie aus einem Briefe
Böttgers an Nehmitz vom 25. Mai 1713 hervorgeht
(IV), wurden ca. 500 Thlr. gelöst, doch wäre dieser
Betrag noch grösser gewesen, ..wofern die Welt nicht
durch des Buchhalter Meyers Glas präoccupiret gewesen
wäre". Das mögen die bunten Theeservice von einer
Art Milchglas gewesen sein , von denen Engelhardt
S. 441 redet. Am 16. Juli kann übrigens Böttger be-
reits berichten (IV), dass die Dresdner Glashütte „nunmehr
gänzlich in Decadenz gerathen, indem der Buchhalter
Meyer sich Schulden halber unsichtbar machen müssen,
Avie denn auch vergangene Woche die besten Arbeiter
sich aus Noth von dannen begeben". Zugleich beklagt
er, dass die Spiegelfabrik sich in gleichem Zustande be-
finde, und möchte das verhindert sehen. — In dem an-
geführten Briefe vom 25. Mai entschuldigt er sich übri-
gens gegenüber dem König, dass die Stücke noch klein
seien, doch soll ein grösserer Ofen gemacht werden. Die
Bemerkung, dass das holländische Commercium in De-
cadence gebracht zu sein scheint, könnte sich übrigens
auch auf die Erzeugnisse der Dresdner Steinbackerei
beziehen, da er gleich hinzufügt, dass zAvei Holländer
„auf die 200 Dutzend Thon-G eschirre mit erhabenen
Blumen" bestellt und noch andere Bestellungen gemaclit
hätten, wobei er aber anführt, dass grössere Lieferungen
für die Zukunft wegen fehlender Mittel nicht versprochen
werden könnten^-).
Porzellans" noch einige Personen erforderlich sein werden. Endlich
2 Tischler, 6 Domestiken, 5 Arbeiter im Laboratorium, 3 bei der
Schleif- nnd l'oliermühle, sowie Büttii'ers Bruder Christoph Dietiich
und sein Stiefbruder .Tust Friedr. Tiemann, l)ei denen keine Bescbiif-
tigiiDg erwähnt wird. (Vgl. den Besoldungsetat für 1711 bei Engel-
hardt S. 343.)
^') Es waren damals nur 5 selbständige Beamte, 4 Masseberei-
ter, 4 Brenner, 4 Dreher, 5 Former, 1 Handlanger und Joh. Gottf)'.
Mehlhoni (der jüngere) als Schilderer angestellt.
^-) Diese Steinbackerei, Avelche gleichfalls Büttger unter-
stand, befand sich damals in den Händen des um 1711 aus Berlin
Die Meissner Porzellanraamifaktur etc. 131
Für den Zustand der Manufaktur in dieser Zeit ist
ein Brief Steinbrücks an Nelimitz, Dresden 25. Juni 1713
datiert und nach Warschau adressiert, sehr bezeichnend
(IV). Da heisst es: „Die rothen und weissen Stücke
nebst denen embellirten haben gezeiget, dass sie nicht
allein schöner und faconuirter als ehedem, sondern auch
wohlfeiler worden, und wird überdies die Fabriciue des
weissen feinen Porzellans ihre Vollkommenheit sowohl
als die rothe erhalten haben, so dass daran fast nichts
mehr zu fehlen scheinet und nur noch blos auf deren
Conservation zu gedenken sei." Freilich fehle es jetzt
sowohl an Colditzer Thon, daher keine weissen Kapseln
zum Brennen des weissen Gescliirrs vorräthig seien, wie
an Holz ; zu Böttgers grossem Kummer sehe man sich
genöthigt, die für die Herstellung eines grösseren Vor-
raths günstige Jahreszeit ungenutzt vorübergehen zu
lassen; die Fabrik neige sich in Folge dessen dem Euin
zu. Zu Böttgers Charakteristik während dieser kritischen
Periode diene folgender Brief Steinbrücks an Nehmitz :
„. . . und dienen die Bedrängnisse, in denen er sich wegen
Geldmangels befindet, nur zu seiner desto gröfsern Mortification, dafs
er auch seiner bisherigen Verrichtungen, seiner Administration, ja
des Lebens selbst überdrüssig zu sein scheinet; wenigstens sich so
aufführet. Da gehet er den ganzen Tag allein herum in seinen Me-
ditationen, da ist keine Lust noch Muntrigkeit mehr in ihm: er ist
zu allen Dingen verdiiesslich und darf man ihm öfters von vorfal-
lenden Affairen nichts gedenken, bis der alzugrofse Chagrin wieder
vorüber. In Summa es jammert einen recht, wenn man siebet, wie
er sich unaufhörlich martert und ängstiget, ohne dafs er dadurch
etwas ausrichten kann. Dargegen es besser wäre, wenn dergleichen
Sorgen andere hätten und er nui- nach Plaisir oder Trieb seiner
Genie ohne allen Chagrin arbeiten könnte; es würde solches sonder
Zweifel Ihro Majestät Selbsten zu mehreren Nutzen gereichen, nach-
demmal gewifs, dafs er in Naturalibus ein ungemeines hat; und
weil er die beiderlei Porcellaine erfunden; es auch sonsteu heifset:
Qui potest plus, potest minus ; wohl kein ZAveifel sein kann, er werde
auch noch ein und ander neues erfinden, wenigstens dasjenige prä-
stiren können, was er versprechungsweise ehemals ad ProtocoUum
verschriebenen Peter Eggebrecht, der anfangs Böttger bei den Ver-
suchen, das weisse Porzellan herzustellen, geholfen zu haben scheint,
dann aber die Fabrikation der Delfter AVaare und zwar auf eigene
Rechnung und Gefahr aufnahm, da ihm sein monatlicher Gehalt von
20 Thlr. nicht aufgebessert werden konnte. Am 16. Juli 1713
schreibt der Insp. Steinbrttck an Nehmitz, dass Böttger mit Egge-
brecht nicht zufrieden sei (IV). Da dieser Geschäftszweig nicht in
Blüthe kam, überliess Eggebrecht die Leitung desselben seiner Frau
und ging selbst 1717 nach St. Petersburg (siehe seineu Brief an den
König, d. d. St. Petersburg 10. Dec. 1719, II, 374).
9*
132 W. V. Seidlitz:
gegeben, wodurch dann Ibro Majestät er weit besser dienen würde, als
durch seine jetzige Mühseligkeit, da er sieh nur abmartert, und doch
seinen Zweck nicht erreichet, wobei noch zu befürchten, dals solcher-
gestalt und wenn er seinen Chagriu, wie wohl eher geschehen, ver-
trinken wollte, er vor der Zeit alt und grau werden, oder wohl gar
sein Leben praeniaturiren möchte, zum gröl'sten Verlust dessen, was
er noch hätte thun können, gestalt dergleichen Ingenia nicht aller
Urten auch nicht zu allen Zeiten wieder anzutreffen sein. Nur
mül'ste er jetzo mit Ehren aus seinen Angustiis gezogen werden, er
würde Gott danken, wenn er einmal heraus wäre und sich künftig
davor hüten: wie er denn der gänzlichen Meinung ist, aller Sorgen
und Att'airen, so andere verrichten können, sich zu entschlagen, und
blol's darauf zu appliciren, wozir ihn sein Naturel treibet, dadurch
er dann auf was nützliches zukommen, und Ihro Majt. jezuweil ein
Plaisir machen zu können nicht zweifelt" (V. 25. Juni 1713).
In einem an Nelimitz nach Warschau gerichteten
Briefe vom 2. Juli 1713 (IV) ist von sechs „im Feuer
gemalten Schälchen" die Rede, die überschickt werden
und „zu den Koppchen wolil passen werden". Ob es
sich dabei um blau oder andere Farben handelte, ist
nicht zu ersehen ; immerhin erhellt aus der kleinen An-
zahl der Stücke, dass es immer noch Versuche waren.
Bereits in einem Briefe Böttgers an Nehmitz vom 12. Ok-
tober 1711 wird das Blau erwähnt (IV): Die Gräfin von
Coseln ist bei ihm gewesen, „es ist aber wegen der blau
Farbe Sachen nicht ein Wort erwähnet worden". — Mit
dem Dr. Nehmitz, dem Bruder des Kammerraths, scheint
Böttger in stetigen Differenzen gelebt zu haben und so
auch mit Dr. Bartelmaei, freilich, fügt der Kammerrath
(in einem Bericht vom 12. März 1721, IV) hinzu, na-
mentlich dann, „wenn sie ihn zur Haltung seines Worts,
davon er aber, wie bekannt, kein Sclave war, anhielten."
Diese Unzufriedenheit erstreckte sich dann auch auf den
Kammerrath, dem hierdurch das undankbare Geschäft,
über Böttgers Person zu wachen, ungemein erschwert
wurde.
Unterm 15. Juli 1713 berechnete die Kammer (I),
dass für die Porzellanmanufaktur im Ganzen 27,427 Thlr.
21 Gr. 4^2 Bf. aufgewendet worden seien, wobei die Be-
soldungen, "der laufende Unterhalt Böttgers u. s. w. nicht
einbegriffen waren'"). Böttger freilich schätzte um die
^") Einen beträchtlichen Aufwand verursachten audi die Be-
suche, welche Böttger mit Begleitung in Meissen abstattete, die aber
freilich auffallend selten erfolgten und zwar nur 1711 im Aug.,
Nov. und Dec. 1712 im März, April, Juli und Sept., 1713 im Febr.
und April.
Die Meissner Porzellanmanufaktur etc. 133
gleiche Zeit das Inventar und den Vorratli auf etwa
60,000 Thlr. Die gescliäftliclie Lage wäre also keine so
gar schlechte gewesen, wenn sich nur das füi^ die Fort-
führung des Betriebes erforderliche Kapital hätte finden
lassen. Musste sich doch noch am 29. November 1713
der verdiente Dresdner Goldschmied Joh. Jak. Irminger
(der ältere) mit einem Schreiben an den König wenden,
worin er um Auszahlung seiner rückständigen Besoldung
bat (I, 213). Der König hatte ihm „bereits vor ohn-
gefähr drei Jahren mündlich anzubefehlen geruht, bei
Dero Porcellain-Fabrique hülfreiche Hand zu leisten und
auf solche Inventiones zu denken, damit theils ausser-
ordentlich grosse, theils andere Sorten sauberer und
künstlicher Geschirre möchten gezeuget werden". Dem-
nach habe er „unterschiedliche Arten verzierter und un-
verzierter Modelle ausgesonnen", dafür aber bisher nichts
erhalten. Auf dem Besoldungsetat stand er freilich, aber
Böttger scheint das für ihn bestimmte Geld zurückbehal-
ten zu haben, da er auf andere Weise die Kosten der
Manufaktur nicht zu decken wusste. Welchen Werth
iibrigens letzterer auf Irminger legte, geht aus einer
Äusserung, die er im Jahre 171<S that (I), hervor: der-
selbe habe „aus schlechten Töpfern gute Künstler ge-
macht und sich Mühe gegeben, dem Werk durch Eath
und That von Zeit zu Zeit zu assistiren". Auch nach
Böttgers Tode wurde Irminger mit der Fortführung der
Beaufsichtigung über die Fagons betraut (Kommissions-
bericht vom 21. Oktober 1719, II, 198).
Aus dem Jahre 1714 findet sich nur die bereits mit-
getheilte Notiz, dass Böttger damals Öfen für Bier-
brauereien konstruiert habe (I).
Ein Erlass vom 31. März 1715, an den Statthalter
und die geheimen Räthe gerichtet, sagt aus, dass dem
König berichtet worden sei „was gestalt die Ursach, dafs
bis anhero die blaue Farbe auf den Porcellaine-Ge-
schirren sich nicht vöUig ergeben wollen, unter andern
auch daher rühre, weil die hiezu gebrauchten Kobalt-
Erze unterschiedlicher Güte und Eigenschaft, auch einige
derselben wegen des vielen darin befindlichen Arsenici
nicht so wohl als die übrigen im starken Feuer bestün-
den" (I). Böttger verwahrt sich eifrig dagegen, dass
ihm solches imbekannt geblieben sei: er habe schon
vormals alle Sorten zur Probe bekommen und wisse die
Eigenschaft einer jeden insonderheit; er habe auch an
134 W. V Seidlitz:
Vorrätlien mehr als 3 Ctr., die er in 3 Jahren und län-
gerer Zeit nicht verthun könne (I, 289). — Interessant
ist dabei namentlich die Angabe, dass man damals mit
der blauen Farbe noch nicht zurecht gekommen war. —
Um grössere Stücke herstellen zu können, ist Böttger
bald darauf im Begriff, eine Glasurmaschine einzurichten
(französ. Brief an den König vom 22. Juni d. J. I, 303 c).
— Über die Versuche des preussischen Ministers von
Görne, für seine in Flaue an der Havel errichtete Por-
zellanfabrik Arbeiter aus Meissen lieranzuziehen, wird
an anderer Stelle zu berichten sein. — Am 5. Dezember
1715 wurde endlich die Meissner Manufaktur Böttger
zu freier Verfügung auf Lebenszeit übergeben, unter der
anf T.pl^piiQ'/pit. iihovo-phpn iintpr
Bedingung^ dass er sie ohne Zuschuss wenigstens ni statu
^o"
quo erhalte (E. 258). Damit war jede Aussicht auf
eine Hebung des Betriebes abgeschnitten; bis zu Bött-
gers im Jahre 1719 erfolgten Tode mangeln denn auch
die Nachrichten so gut wie ganz.
Von 1717 an geräth Böttgers Gesundheitszustand
immer mehr ins Schwanken; am 22. März d. J. erhält
von Holtzbrinck vom Könige Vollmacht, sich durch
Böttger in die Geheimnisse des Betriebes einweihen zu
lassen, und wird am 8. April 1718 nach Meissen gesandt,
um sich zusammen mit Böttger über den Zustand der
Fabrik zu vergewissern (IV). — Nach Engelhardt prä-
sentierte Nehmitz am 2S. August 1717 dem König die
ersten Schälchen von blauem Porzellan. Dies ist nun
nicht richtig, denn oben bereits wurde angeführt, dass
Versuche in dieser Richtung weit früher angestellt wor-
den sind; andererseits aber lässt sich selbst von diesem
Zeitpunkte an die völlige Ausbildung der Blaumalerei
noch nicht datieren, da dieselbe erst in die Zeit nach
Böttgers Tode fällt. Es ergiebt sich daraus, dass keine
der blauen Marken unter Glasur vor das Jahr 1719
fallen kann, da dieselben aufs engste mit der Malerei zu-
sammenhängen ; noch weniger die Marken über Glasur, die
einer besonders hoch entwickelten Kunststufe angehören.
Dass noch zu Anfang des Jahres 1719 das braune
Porzellan im Vordergründe der Interessen stand, geht
aus einem Bericht 8teinl)rücks vom 9. Februar d. J.
hervor (I), wonach „das sächsische braune Porzellan dem
indianischen braunen an Schönheit und Güte allbereits
weit vorgehe", und gleich hieran die Bemerkung geknüpft
wii'd, dass alle Messen wenigstens 1000 Thlr. mehren-
Die Meissner Porzellanmanufaktur etc. 135
theils von Fremden für hiesiges Porzellan gehoben werden,
während die brandenbiirgische Fabrik — die überhaupt
nur braune Ware geliefert hat — in sich selbst zer-
gangen und nie auf die Kosten gekommen sei. — Der-
selbe Steinbrück hatte am 17. Januar d. J. (lY) an
Nehmitz darüber zu berichten gehabt, dass der Arbeiter
Samuel Stölzel, der durch sechs Jahre hindurch und zwar
beim Brennhause und dem Schlammgebäude gedient hatte,
soeben nach Wien desertiert sei, wo einer, dem Böttger
das Geheimnis in trunkenem Zustande anvertraut habe,
mit der Absicht umgehe, Porzellan zu machen. Mehl-
horn aber gebe an, dass er das Porzellanmachen besser
als Herr Böttger verstehe (aus einem Bericht des Kom-
missarius Joh. Gottfr. Meerheim vom 16. März (I) geht
hervor, dass es sich hierbei um die Anbringung des Blau
auf den Geschirren handelte, die damals noch nicht in
rechten Gang gebracht war), und gleichfalls drohe, nach
Wien zu gehen, zu welchem Zweck er bereits 100 Thlr.
von dort erhalten habe. Da er sich stets geweigert,
seine Pflicht abzulegen, so sei es schwer, ihn zu halten.
Diese Desorganisation aber sei dadurch herbeigeführt,
dass Böttger alles selbst an sich zu ziehen suche, so
gegenüber ihm dem Inspektor, dem Dr. Nehmitz und dem
Kammerrath Nehmitz. „Wer siehet also nicht, dass der
gute Herr die Welt nur zu amüsii-en suche, und dadurch,
dals er bei der Manufactur mit Fleils alles in Confusion
gerathen lasset und andere, die ihre Pflicht gern beob-
achten, daran hindert, nichts besseres intendire, als glau-
ben zu machen, er habe bei dieser Manufactur bereits
so viel zu Schäften, dals man ihn mit mehrerer Arbeit
verschonen müsse." Diese Schilderung findet ihre Be-
stätigung in einer Darlegung der Ursachen des Verfalls
der Manufaktur (II, 230), worin es heisst:
„Böttgers fast unartiger und sehr veränderlicher Sinn, auch
üble Wirthschaft habe zuförderst wohl das meiste beigetragen, er
habe keine Ordnung noch Disposition gehalten, seine eigne übel ein-
gerichtete Subsistence mit der Manufactur Casse vermenget und aus
selbiger sich jedes Mal erholet, dahero sei die Casse immer mangel-
haft blieben; er habe bald diesem bald jenem viel Sachen anvertrauet,
aucli bald wieder changiret; einige, so um ihn gewesen, haben sich
einzudringen und ihren privat Nutzen zu erlangen intendiret, und
seien so viel wiedrige und interessirte Absichten untergelaufen; bald
im Anfange sei das Werk allzugi-ofs und kostbar gefüliret, und Dis-
liarmonien, Zänkerei, Jalousien und Verwirrungen veriirsachet wor-
den. In den letztern Jahren sei Böttger fast täglich trunken und wenig
bei Verstände gewesen. Die an ihn sich gehengte zum Theil un-
136 \V. V. Soidlitz: Die Meissner Porzellaiimanufaktiir etc.
treue Leute hätten davon profitiret; einige, wenn sie die Ai'caua
ziemlich abgelernet, hatten sich, raehrentheils durch Böttgers eigne
Schuld, absentiret."
Daneben muss man freilich die ausserordentlichen
Eigenschaften, die ihm nach desselben Steinbrück Zeug-
niss anhafteten (E. 469), nicht vergessen. Am 13. März
1719 fand endlich seine unglückliche Existenz einen Ab-
schluss und nun stand einer völligen Reorganisation der
Manufaktur nichts mehr im Wege.
VI.
Kleinere Mittheihmgen.
1. Hofuachrichten über Herzog Georg und seinen
Solin Friedrich (1539).
Von 0. A. H. Burkhardt
Bei Einleitung des Prozesses, den der gefangene
Kurfürst Johann Friedrich gegen semen Kämmerer Hans
V. Ponickau wegen Fahnenflucht und Untreue anstrengen
Hess, gelangte ein grosser Theil der Ponickauschen Kor-
respondenzen in die Hände des Kurfürsten; dieselben be-
finden sich noch heute in dem S. Ernestinischen Gesamt-
Arcliive. In einem Theile dieser Korrespondenzen, welche
mit der vortrefflichen Mutter des Kämmerers, Elisabeth,
einer gebornen v. Carlowitz, gewechselt wurden, liegen
interessante Nachrichten über Georg und Friedrich vor,
die um so glaubhafter sind, als Elisabeth von Ponickau
mit der Harnischmeisterin v. Carlowitz am Dresdner
Hofe, welche sich der höchsten Gunst des Herzogs Georg
und seines blöden Sohnes Friedrich erfreute, in engster
verwandtschaftlicher Beziehung stand. Es ist hinlänglich
bekannt, dass Georg nach dem Ableben seines älteren
Sohnes Johannes aus religiösen Gründen und mit beson-
derer Rücksicht auf das Verhältnis zu Herzog Heinrich
und Moritz, grosse Eile hatte, eine fruchtbare Ehe seines
blöden Sohnes zu Stande zu bringen. Bereits im De-
zember 1537 berichtet Elisabeth von Ponickau, dass aller
Wahrscheinlichkeit nach der Prinz Friedrich schon
Fastnacht des kommenden Jahres sich verheirathen
werde, obwohl sie Bestimmtes zur Zeit nicht anzugeben
wusste. Interessanter ist, was sie unmittelbar nach ihrem
Dresdner Aufenthalt, der in die Zeit des Todes von
Herzog Friedrich fällt, über diesen wie über Herzog
Georg mittheilt. Die Familie v. Carlowitz war bei dem
138 Kleinere Mittheilniii^en.
Wolilbcliiuleii des jungen Herzogs sehr interessiert, da
sie damals das Zustandekommen einer Anfallsverschrei-
bung aufs eifrigste betrieb, die denn auch vor dem Ab-
leben Herzog Friedrichs sich darin gipfelte, dass der
Herzog dem Georg v. Carlowitz Ortrand schenkte. In-
dess musstcn bei diesem doch Bedenken rechtlicher Na-
tur entstanden sein, welche bewirkten, dass v. Carlowitz
am Todestage Friedrichs bei dem Herzog Georg die An-
nahme des Geschenks deshalb beanstandete, um sich nicht
einen „ungenädigen" Herrn zu machen. Denn er wie
Carlowitzens Verwandtschaft lebte des Glaubens, dass
Herzog Friedrich wohl seines Geldes, nicht aber des un-
beweglichen Vermögens Herr sei, viel weniger Land und
Leute verschenken könne.
Herzog Georg war, wie Elisabeth v. Ponickau be-
lichtet, über den Tod seines Sohnes (f 2G. Febr. 1539)
in hohem Masse unglücklich, zumal er, durch die Todes-
nachricht erschüttert, in Krankheit verfiel. Reichen
Trost gab ihm nur das schöne Verhältnis zur jungen
Herzogin Elisabeth (geb. Gräfin v. Mansfeld) und deren
Mutter, die er mit allen Auszeichnungen behandelte.
Der jungen Wittwe versicherte er getreue Vaterschaft;
er widmete ihr den Ehrenplatz bei Tafel, nannte sie nur
sein frommes Töchterlein, sprach ilu' Muth in ihren
schweren bekümmerten Tagen zu mid beschenkte sie mit
allem, womit or ihr Freude zu bereiten hoffen konnte.
Tharandt und 3000 Gulden waren ihr zum Leibgedinge
verschrieben, wobei er wiederholt die Versicherung gab,
dass er sie nie von sich gehen lassen werde. Herzog
Georg gestaltete ihr Leben so prunkhaft wie möglich
und stellte ihr allein 10 Jungfrauen zur dienstlichen
Verfügung.
Bekanntlich starb der junge Herzog schon nach
Verlauf von vier Wochen (26. Febr. Lo39) seiner Ehe,
die durch nichts als den Tod desselben getrübt wurde.
Nach den Mittheilungen der v. Carlowitz stand es in
Aussicht, dass die Ehe eine gesegnete war und Herzog
Georg auf längst erselinte Nachkommenschaft hoffen
durfte, wenn nicht der Kummer der jungen Herzogin,
die nach dem Zeugnis aller ihrem Gemahl aufs herz-
lichste zugethan war, die frohe Aussicht getrübt hätte').
') Das sie sagen, das die hcrczogiii schwer gchett, i.st nicht,
dauu die Karlewitzin hat mirs gesagtt, das es nichts sey, dan es hat
Kleinere Mittheilinigeu. 139
Wie ganz anders hätte sich der Lauf der Dinge gestaltet,
Avenn ein erbfolgefähiger Sohn aus dieser Ehe hervor-
gegangen wäre. Dass sich der Wunsch Georgs nicht
erfüllte, war auch für seine letzten Tage von Bedeutung.
Er kränkelte und war niedergeschlagen, aber um so fester
gegen die, welche seinen Glaubensstandpunkt nicht theilten.
Gerade damals wurde von ihm ein Buch verbreitet, das
nach dem Urtheil seiner Glaubensgenossen über alle Bücher
gehe, während die Gegner aus jenem die Überzeugung
geAvannen, dass er ungebeugt dastand und „wie ein
scheytt starret" -).
An Theilnahme bei dem Tode Friedrichs fehlte es
dem Herzog Georg nicht, der wohl schwerlich sich der
landläufig gewordenen Ansicht jener Zeit angeschlossen
hat, dass die Verehelichung zu dem frühen Tode Friedrichs
beigetragen habe. Vor allem war es Herzog Heinrich,
der seinen Beileidsbesuch brieflich in Aussicht stellte,
falls dieser dem Herzog Georg erwünscht sei. Georg
aber soll ihm erwidert haben, er möge kommen, wenn er
zum alten Glauben zurückkehren wolle. Dann werde er
ihn auch und seinen Sohn Moritz gern haben und in
allen Ehren halten. Worauf Heinrich geäussert haben
soll, das werde er, so lange er lebe, nicht thun, und
habe dazu „übel gescholten".
iJ. Bericht über das Ende des Herzogs Heinrich
von Sachsen.
Mitgetheilt von Theodor Distel.
Am Donnerstag den 18. August 1541 verschied Her-
zog Heinrich der Fromme. Im kgl. sächs. Hauptstaats-
arcliive') befindet sich das (undatierte) Originalschreiben
des Hofpredigers und Superintendenten Mag. Johann Cel-
larius'-) an die verwittwete Herzogin Katharina, geb. Her-
wol mögen ein solch gestallt seynn, das sie schwer ginge, aber yn
dem grofseu leyde vnnd härm den sie gehabtt ist es gar vmbgekartt
vnd das sie nicht schwer gehett vnd sie ist iezo hartt krank. Die
Karlewitzin sagt auch nicht anders, sie wurde sich müssen gar nider-
legen, da wirtt sich der aide heir sehr vmb grehmen, dan es ist kein
tag, so sagt die Karlewitzin, er khome ober die zcehn mahl zum
frauenzimnier. — -) Der Titel des Buchs ist nicht angegeben.
1} III., fol. 4 No. 1 Bl. 79.
") Vgl. über ihn besonders Schlegel, Lebensbeschreibungen
der Dresdner Superintendenten (1697) S. 4—121-, Jöcher, Gelehrten-
X40 Kleinere Mittheilungen.
zogin zu Mecklenburg-, Heinrichs Gemahlin, in welchem
der erste lutherische Superintendent zu Dresden über
sein am Tage zuvor mit dem Verstorbenen gehabtes Ge-
spräch berichtet. Es ist dies einer der ältesten bisher
bekannt gewordenen Fälle praktischer Theologie. Auf der
Rückseite des Briefes stehen von Katharinas Hand die
Worte: „den lesten abscheyt wnsers leib h. vnde gemall
seyleyg". Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
Erstlich als ich am luitwoch den nechsten für ihn-r f. g. selif^em
abschied zu ir genadcn khani, sagt ihr f. g. : „Liter w pifarrer, ich
fule mich schwach und krank, hitt euch, Avollet mich mit gottes wort
underweiseun, das will ich gern hören und folgen, was ir mich daraus
zu meiner seelen Seligkeit underriclitcn werdet*. Und da ich ihr
f. g. mit wenig wortten erinnert ettlicher gewiser anzeigung, an
denen ihr f. g. den gnedigen gottes willen gegen sich erkhennen
mochten und sich der hertzlich trösten etc., fieng ihr f. g. selbs an
iren glauben zu l)ekennen ungeferlich mit disen worten: ,Ich glauli
allein an unseru herrn .Thesum Christum, das er mein einiger heiland
und .seligmacher ist, und weis von keinem andern, der soll allein mein
proeurator und helffer bleiben; ich weis auch, das der teut'el kein
macht und gewitlt an mir hatt, dann ich bin getauift uff den namen
Christi und hab im heiligen tauff dem teuffei widersagt." Fordert
also E. f. g. und kynder und widerholet el)en diese bekantnus und
batt alle die gegenwertigen waren, das sie solchs seines glaubens
und bekenntnus zeugen sein weiten für gott und der wellt.
Zum andern als ihr gnad bege}te, das E. f. g. herfur ime under
äugen dretten weiten sambt Augusto unserm g. h. und gnedigen
freulin^j, sagt ir g. diese wort: „Mein libes weih und lieben kynder,
ich vermane und bitt euch, ir wollet l)ey der leer des evangeli bleiben
und davon nicht weichen euer leben lang, sonder getreulich fordern
und handhaben und wollet euern underthanen gnedig sein".
Zum (bitten redet mein g. h. E. f. g. mit disen worten an:
„Mein liebes frommes weih, ich hal) dir nit viel grofser guter und
reichtum zu lassen, aber das will ich dir zur letze lassen, das ich,
ol) gott will, wie ein ehrlicher fürst in reclitem christlichen glauben
an unseru lierrn Jhesum Christum bis an mein ende bleilien und
sterben will, das soltu von mir zur letze haben", und das redet ihr
gnad furwar mit grofsem ernn.st mit zusamm gefaltenn hennden,
lexikon (1726) Sp. 605; Zedier, Universallexikon V, (1733), 1791;
Glafey, Kern etc. (1753) S. 124/5. Im K. S. Hauptstaats-
archive betreffen folgende Akten Cellarius: Copial 181 Bl. 201,
Cop. 386 Bl. 5361) und 599i- (den Druck seiner Schriften 1574 an-
langend); seine Witwe, Margaretha, bittet in einem eigenhändigen
Schreiben 1542 den Herzog Moritz zu Sachsen um eine Wohnung:
111, 24 fol. 37 No. 1 Bl. 20.
'^) Gremeint ist die damals noch unvermählte Piinzessin Sidonia,
geboren am 8. März 1518, welche am 17. Mai 1.545 die Gemahlin de.s
Herzogs Eiich 11. von Braunschweig, später jedoch von demselben
— ohne ihr Verschulden — geschieden wurde und am 4. Januar 1575
im Kloster zu Weissenfeis verstorben ist.
Kleinere Mittheilungen. 141
fordert abermals von uns allen des zeugknus und begerte, man solls
in sein testament schreibenn, fragt auch nach den retten, wie dann
darauff E. gnad. nach etllichen schickten.
Auch begert ihr f. g. von mir und den andern, das wir öffent-
lich iun predigten fui- ihr f. g. fleifsig und treulich bitten sollen,
befalhe sich dem gemeinen gebeth mit viel worttcn und das wir mit
anzeigen solten, da ihr f. g. je iemand beleidiget hette, das man ims
wolte umb gottes willenu verzeihenn.
Soviel hab ich, gnedige furstin, ungeferlich behallten von meins
gnedigen und liben herren seligen reden, dann für rechten freuden
meines hertzen über solichem christlichen bekeutnus hab ich die
schonen trostlichen reden, die ir gnad so fein vorstendig und richtig
thatten, nit alle mögen behalten. Dem liben gott sey lob und ehr
über diser so herlicher gnad und gabenn.
E. F. G.
undertheniger
Magister Job. Cellarius
Pfarrer zu Dresden.
3. Zwei Urkunden zur Oeschiclite des Kurtürsten
Moritz von Saclisen aus dem Monat Juli 1553.
Mitgetheilt von Theodor Distel.
Im Folgenden biete ich zwei interessante Schrift-
stücke zur Geschichte des Kurfürsten Moritz dar, indem
ich bemerke, dass v. Langenn (Moritz I, 577/8) No. 1 (das
icli unter k)sen Blättern im Hauptstaatsarchive fand)
nicht gekannt, No. 2 aber nur theil weise (I, 591) mitge-
theilt hat.
1553 Juli 5.
Kurfürst Moritz an seine Räthe : Sicherem gsmassregeln gegen
Markgraf Albrecht. Nach dem Konzept im K. S. Hauptstaatsarchive
Loc. 10041 Verschiedene Schriften etc. Bl. 8.
Reth und lieben getrewen. Wir können euch gnediger mey-
nung nicht vorhalten, das uns glaubwirdige kundschafft einkommen,
wie das marggraf Albrecht und sein anhang nach entpfangner vor-
warnungsschriefft, die ime den andern ditz monats von wegen der
Rom. zu Hungarn und Behem kon. mat. , auch unser und anderer
unser mitvorwanten in seins damals gewesen lager vor Peteirshagen
ankundigen lassen, iingeachtet seins zuentbitens, das er unser des
orts erwarten wolle, do wir den inen zu suchen willens und gereit
bis auf funff meilen nahe zu ime komen gewest, vor zweien tagen
aufgebrochen und die vorgangen nacht zu ader bey Hanober gelegen
sein soll, daraus zu vormuten, do er sonst sein gelegenheit nit werde
findenn kennen, das er sich widerumb noch dem stieft Halberstadt
ader Meideburg und volgents durch unser laud Duringen ader
Meisen nach dem land zu Francken wenden möcht. Wiewol wir nue
ungezweivelt diser hoffnung sein, das wir ime disfals zuvorkommen
und solchen zug auf obgemelte unsere lande weren, ader doch zum
wenigsten im uf dem fuesstapfen nachhangen und diselbige unsere
142 Kleinero Mittheiliingen.
lande (vorniittels göttliclioi- gnaden) vor ime beschiiinen wollen, so
haben wir doch ans gnedigeni willen , doniit wir ench nnd andere
nnsere nnderthane meinen, encli dessen nf eine Vorsorge nicht nnvor-
warnet wollen lassen, hinnit gnediyiichcn begerent, ir wollet samlit
andern nnsern underthanen euer itzt bevolenen kreiss, denen ir solchs
gleichergestalt anzeigen möcht, euer farendc haab nnd gutter nnd
was ir nit gerne vorlieren wolt, auf den vahl, das ir gewislich vor-
nciiien wci'det, das der feindt seinen zng nach obberurten nnscni
landen nenien wirdet, in unsere negst angelegne vhestunge schicken,
auch das vhie, pferd und anders auf solchen obbestimpten vahl in
zelten aus dem weg und auf jenscit der negst anrurenden wasser,
wie es die gelegenheit geben wirt, vorschaften , domit solches alles
des feindes halben unib sovil desto sicherer sey und ime nit zu gutt
kommen möcht. Dorneben wolt auch vorigem imserm ausschreiben
nach alle und jede furtt, so in euerm kreis, und sonderlich über
die milde JNlulda, schwartz nnd weiss Elster, ader ander flnss. so in
luisern landen gehen, vorgralien, auch die vheren vorsencken und
die brücken allenthalben aliAverften lassen. Solchs wirdet euch und
inen solcher ol)gesetzten velle halben selbst zu guten geraichen, nnd
geschieht daran unser gantz wolmeinlicher wille. Datum in nnserm
veltlager bei Elitzen^), den oten Julj' anno etc. liij.
[1553] .Juli 10.
Die Universität Wittenberg an Statthalter und Räthc zu
Tortjnn über den Tod des Kurfürsten Moritz-). Xach dem Original
int K. S. Haupt Staatsarchiv Locat 4381 Obitus etc. Bf. 69 flcj.
Gottes gnad durch seinen eingebornen son Jhesum Christum
unnsern heiland unnd wai'haft'iigen helffer zuvor, wolgeborne edle
graven, ernveste, gestrenge, gnedige unud günstige herren. Nachdem
uns ettliche henen unnd freund voi' ewer gnaden unnd e. ernveste
sclu'ilften anzeigung gethan, wie die grosse harte Schlacht bey Bein")
zu rettung diser land geschehen sey, unnd das darinnen der durch-
leuchtist hochgeborn fürst unnd heri', herr Moritz hertzog zu Sachsen,
des heiligen römischen reichs ertzmarschall unnd churiürst, landgrave
in Türingen, niarggrave zu Meisseii. unnd lairggrave zu Meidburg etc.
unser gnedigster hei'r, als ehr j'ittei'lich gestritten hatt unnd die feind
entlich nnt gottes hülff in die flucht geschlagen, hart verwundet wor-
den, doch seien die Avunden nicht tödtlich, wiewol wir in grosser
sorgteltigkelt gewesen, halicu wir doch noch hottnung gehabt unnd
gott angernffen, das ehr seine c. f. g. gnediglich stercken unnd nocii
lenger in disem leben zu schütz des vatterlands unntl gemeine)'
Christenheit ei'halden Avolte.
V E/ze am Deisfergebirye. Vyl. diese Zeitschr. VIII, 93 f.
— Das Schreiben ist zivar nicht unterzeichnet, dürfte aber doch
für die Originalausfertifjujifj zu halten sein.
-) Vergl. über das Ende des Kurfürsten Moritz auch meine
Aufsätze in' v. Webers Archiv f. die Sachs. Gesch. N.F. VI, 108 flg.
und in der Zeitschrift f. Museologie etc. 1885 S. 19.
") Peine, tvestlicli nach Hannover zu gelegen, njL v. Langenn,
Moritz I, .')80. Diese Zeitschr. VfTI, 95.
Kleinere Mittlieilungen. 14B
Als wir aber ewer gnaden unnd ewer eriiveste weittern bericlit
empfangen haben, sind wir alle hoch betrübt M^oi'den, unnd ist uns
auss vileu grosswichtigen Ursachen diser todt unnd landschad sehr
schmertzlich , erstlich in betrachtung, das es an im selb erl)ernilich
ist, das ein solcher löblicher fürst, der von gott mit hohem verstand
unnd mit aller geschickligkeit, die zur regirung unnd zum krieg
uottig ist, unnd mit gerechtigkeit, grossmütigkeit uimd andern
vielen tugenden gezieret gewesen, also in der schijnen blüt weg ge-
noraen wirt.
Darüber ist sein c. f. g. umiser herr unnd landsfürst gewesen,
hatt christliche lahr geliebet unnd verstanden unnd ist ernstlich ge-
sindt gewesen, dieselbige zu erhalden unnd in seinem beruft wider
Türeken unnd andre vervolger zu schützen, hat auch andere löbliche
künsten geehret, wert gehalden unnd helffen erhalden unnd hat unns
in gemein unnd in Sonderheit viel gnaden unnd wolthaten erzeigt,
dafür wir ewige danckbarkeit schuldig sind, unnd sollen billich ein
mittleiden unnd hertzliche traurigkeit liaben.
Über dises alles betrachten wir auch, das gemeine teutsche
nation ein solchen fürsten verloren hat, der wider die Türeken unnd
wider maucherley uft'rurn unnd tyranney ein schütz hett sein mögen,
dafür man sich hette fürchten unnd schewen müssen.
So bedencken wir auch mit hertzlichem mittleiden den grossen
schmertzen der durchleuchtisten fürstin s. c. f. g. gemahel unnd des
jungen freulins.
Aus disen unnd vielen mehr Ursachen haben wir ein hertzlich
unnd gross betrübnis, das wir disen hochlöblichen herrn unnd lands-
fürsten verlohren haben.
Dabey aber sollen wir als christliche menschen gottes willen
gehorsamlich tragen, sollen auch dise zwey ding für ein grossen trost
achten, nemlich, das s. c. f. g. zu disem zug oftentlich unnd unge-
zweifelt rechte unnd nöttige ursach gehabt hat, zu rettung seines
vatterlands unnd schütz der armen unterthanen, die seiner c. f. g.
durch göttliche Ordnung bevolhen gewesen. Dazu haben s. c. f g.
gott in rechtem glauben zum herrn Christo angeruffen unnd sich gott
bevolhen vor unnd nach der Schlacht.
Wie nu s. c. f. g. sich selb mit disem warhafftigen unnd ewigen
trost gesterckt haben, nemlich, das s. c. f. g. in rechtem glauben zum
herrn Christo gott angeruffen unnd in ihrein ampt von gott bevolhen
gedient haben, also sollen unns dise zwo Ursachen auch trost geben,
das wir derwegen hoffen, s. c. f. g. lebe nu in der ewigen himlischen
kirchen unnd habe freud an göttlicher anschawung unnd Weisheit
unnd an teglicher bey wohnung des herrn Christi, der heiligen engein
unnd hohen propheten unnd könig.
Zu dem ist dise ehrliche rittcrschafft für das vatterland bey
allen menschen ein lob, welches auch tröstlich ist.
Unnd nachdem wir sehen, das dise land noch in grosser fdhr-
ligkeit sind, wollen wir gott umb gnad uiul schütz ernstlich bitten
unnd andere zu bitten vermanen.
Wollen unns auch in unterthenigem gehorsam gegen dem durch-
leuchtisten hochgeboruen fürsten unnd herrn, herrn Augusto, hertzogen
zu Sachsen, des heiligen Römischen reichs ertzmarschall unnd chur-
fürsten, landgraven in Turingen, marggraven zu Meissen unud burg-
graven zu Meidburg, unnserm gnedigsten herrn gebürlich halden uniul
gott umb selige regirung bitten, der wolle auch die durchleuchtige
]^44 Kleinere Mittlieilungen.
hocligeborue churfürstiu uuinl (l;is jung fieulin, auch cwer gnaden
unnd ewer ernvesten gnediglich trösten, stercken , regiin unnd be-
vvaren. Amen. Datum 16. July.
E. gnad unnd e. ernveste willige
Rector, magistri und doctores der uuiversitet zu Witeberg.
[EigenhändigJ : Jobannes Bugenhagen Pomcr. 1). — Dies ista
dies irae etc. Christus vicissim consolabitur nos.
[Adresse] : Den Wolgebornen edlen graven unnd herren iiinul
den ernvesten uimd gestrengen, den verordenten statthaldern iiimd
redten zu Torga, unnseru gnedigen unnd günstigen herren.
[Das Siegel ist abgefallen.]
4. Die Friihniesse zu Pausa und ilire Folgten.
Aus den Akten mitgetheilt von M. J. Herz.
Im 14. Jahrluiiidert gehörte die Stadt Pausa den
Herren von Plauen. Diese, von beständiger Geldnoth
lieimgesuclit, besassen ein wunderbares Geschick, sich in
Ermangelung eines geordneten Steuerwesens auf andere
Weise von iliren Unterthanen Geld zu verschaffen. So
hatten auch die Bürger von Pausa ihrem Herrn Geld
darleihen müssen. Um sie dafür zu entschädigen, wurden
ihnen auf ihre Bitte im Jahre 1402 zur Begründung
einer Frühmesse eine Anzahl Grundstücke, die dem
Herrn von Plauen bisher zinspflichtig gewesen waren,
überlassen. Der Stiftsbrief hierüber, der noch in be-
glaubigter Abschrift vorhanden ist, lautet:
Wir Heinrich herr zu Blauen, Heinrich unser son und alle
unsere erben thun kundt mit diesem unseren offen brilt' allen denen,
dy ine sehen oder boren lesen, alls die arme leuth gemeiniglich
unsere lieben getrewen Inirger der Stadt zu Pausa eyn ewige fru-
mel'fse gott zw eynem lobe und Marion unser lieben frawen und zu
ehren aller gottis lieben heyligen in der kirclien zu Bausa geczeuget
und gestiff't haben und darczu gekauff't und gegeben haben czinse,
dy neiiiliilicn bernacli geschriben stehen. Zum Schonpe rge ')
Heinczeii Bocliinans gute zu sant l^lichelstage an drey heller acht-
zehn Schillinge heller und zu sant \Val])urgentage auch so vill. Des
Raben gutern jhe zu eynem zcinls iii beller und czwelft' Schillinge.
Des Kei's gutern czehen Schillinge und funtf heller jhe zum czinfs.
Frischgesellen gutter jhe zum czinfs vhirzehen Schilling. Karelfs
gutter czehen Schilling heller jhe zum cziiils. Zu Oberen brick^)
Heinrich .Tuff'an vhier Schilling jhe zum czinfs. Zu Pausa Mathes
Scbmidel von czwayhen gerten siben Schilling heller jhe zum czinfs,
dy bailstulie vierthalben Schilling heller jhe zum czinls, Hans Stieger
von eyner wysen czwehen Schilling heller jhe zum czinls, Heinrich
Senge czwehen und dreifsigk heller jhe zum czinfs und (lerte
') Sehöiiberg bei Pausa.
-) Oberiiirk bei Mehltheuer.
Kleinere MittheiliTiigen. 145
Eusteriu sechs und czwenckzick heller jhe zum czinfs, Kunue
Hofferin siben und czwenckzick heller jhe zum czinfs. Dy lauge
Kuune vhier Schilling und funff heller jhe zum czinfs, Rudolff vhier
Schilling und fünft' heller jhe zum czinfs, Gutte Weberin vhier Schil-
ling und fünft' heller jhe zum czinfs. Pucher vhier Schilling und
fünft heller jhe zum czinfs. Die Hesin vhier Schilling und fünft
heller jhe zum czinfs. Ludewick Weber czwehen Schilling heller
jhe zum czinfs. Flanderer acht heller jhe zum czinfs. Zu Nieder
ßeychenau") Herman Schwarze au vhier heller neuen Schilling
heller jhe zum czinfs. Zu Eb erharts grüne ■*) die Sterzlin vhier
heller mid fünft Schilling jhe zum czinfs, Conradt Kost vhier heller
und fünft' Schilling jhe zum czinfs. Nickel Freundt vhierthalben
Schilling heller jhe zum czinfs. Des sindt mit fleyfsiger bett an uns
komen dy obgenanten arme leuthe von Pausa unsere lieben getreweu,
das wir die czinfs und gutter eygen wollen zu der meffse, als oben
geschriben steth. Nun thun wir das gott zu eynem lobe Marien
unser lieben frawen und czu ehern aller gotts lieben heyligen und
haben auch angesehen der armen leuth üeyfsige bitt und getrewe
dinste, die sy unfs oft willigiich gethan haben und noch in zukunff-
tigen czeyten thun mügen, und in dem nome gottis haben wir ge-
eygent und aygen mit crafft dicz brifts die obgenanter giitter und
czinse zu der vorgenanten frumesse, die ewicklich weren soll und
die gutter und czinse dabey bleyben sollen, und vorczeyhen uns an
den obgenanten guttern aller der recht, die wir daran hetten oder
gehaben mochten, mit solchem underscheyde. Alle die recht, die wir
zu Blauen in unser herschaft haben uff andere gotzheusern und
pfaften guttern, die wollen wir auff den guttern auch haben und ge-
brauchen und vergeben unfs der nicht. Auch ob den noch geschee,
das dy gutter wüste wurden eins oder meher, da got fiu' sey, so
sohle man den pfarrer zii Pausa daruffen bestellen czinse alfs vill
sich jerlich davon geburthe, oder man salte dem pfarrer gunnen, das
er der wüsten gutter genöse vor seyne czinfs bifs also lange das die
gutter wider besaczt wurden. Der eygenschaft zu Urkunde und zu
rechter bestetigung gebe wir diesen unsern often brieft' mit unserm
anhangenden jnsigel, der geschriben ist nach Cristi gebuith vhiercze-
hundert jar darnach in dem andern jar an dem negsten sontage vor
saut Laurenzen tag des heyligin mertererfs.
Diu'cli diesen Stiftsbrief wurde der Pfarrer zu Pausa
Lehnsherr über die in demselben genannten Grrundstücke
zu Schönberg, Oberpirk, Pausa, Unterreichenau und Ebers-
grün. Das will sagen, er hatte das Recht, alle Besitz-
veränderungen, Erbregulierungen und Hypothekenbestel-
lungen bei diesen Gütern und Häusern zu bestätigen.
Auch stand ihm das weitere Recht zu, die von den je-
weiligen Besitzern ihm zu zahlenden Erbzinsen, sowie
auch die Schuldforderungen anderer an diese Lehnsleute
in eigener Person ohne Yermittelung einer Gerichtsbehörde
einzutreiben und im Nothfalle darum zu pfänden. Zu
''^) Unterreichenau bei Pausa.
*) Ebersgxün bei Pausa.
Neues Archiv t. S. ü. u. A. IX. 1. 2. 10
146 Kleinere Mittheilungen.
diesem Zwecke mussten ihm auf sein Verlangen vum
Ratli zu Pausa jederzeit die nötliige Anzahl bewaffneter
Mannschaften zur A^erfügung gestellt werden. Von die-
sem Rechte ist namentlich einigen böswilligen Schuldnern
in Schönberg gegenüber von den Pfarrern Michael Eudolli,
Nikolaus Leuschner und Nikolaus Mühlig, den letzten
katholischen Priestern in Pausa, ausgiebiger Gebrauch
gemacht worden. Das führte zu einer Zeit, da alles in
gährender Bewegung sich befand, zu einem eigenartigen
Prozess.
Schönberg, dessen sämtliche Güter dem Pfarrer in
Pausa lehns- und zinspflichtig waren, gehörte unter die
Gerichtsbarkeit des Amtes Plauen. Als nun im Jahre
1515 der damalige Pfarrer Nikolaus Mühlig •'^) mit 24 oder
25 ihm vom Rathe zur Verfügung gestellten, mit Helle-
barden bewaffneten Männern nach Schönberg gezogen
war, um die rückständigen Erbzinsen bei einem Guts-
besitzer Hans Bochmann und einer Witwe Herdegen ein-
zutreiben, leisteten die Schönberger Widerstand und
wurden infolge dessen von den Leuten des Pfarrers ge-
schlagen und überwältigt. Nun zog zwar der Pfarrer
siegreich mit seiner gepfändeten Beute ab, die braun und
blau geschlagenen Schönberger aber liefen zum Land-
richter Peter Wenigel nach Plauen und verklagten ihren
Lehnsherrn. Der Landrichter nahm diese Klage an und
verfügte durch sein Schöffengericht eine Gegenpfändung
des Pfarrers Mühlig. Dieser Eingriff" aber in einen
fremden Machtkreis — Pausa besass ein eigenes Amt —
sollte ihm theuer zu stehen kommen.
Auf eingelegte Beschwerde des Pfarrers verfügte
der Kurfürst Friedrich der Weise an das Amt Weida,
das damals die Oberbehörde für Pausa gewesen sein
muss, den Handel zu untersuchen. Der damalige Haupt-
mann (Oberamtmann) Ritter von Feilitzsch in Weida lud
nun den Pfarrer und den Landrichter vor sich und er-
öffnete ihnen einen kurfürstlichen Bescheid, nach welchem
der Pfarrer klagfrei sein solle, sobald er sein Recht als
Lehnsherr über die Schönberger Güter nachweisen könne.
Darauf erbot sich Pfarrer Mühlig, dieses sein Recht vor
einem ordentlichen geistlichen Gerichte schriftlich und
^) MüWig trat um 1510 das Pfarramt in Pausa an, wurde 1529
wegen Unfähigkeit zum Predigen von den Visitatoreu zwangsweise
emeritiert und starb als Emeritus 1550 in Pausa.
Kleinere Mittheilungen. 147
mündlich durch Zeugen nachzuweisen. Dagegen konnte
natürlich der Landrichter nichts einwenden. Und so be-
vollmächtigte denn Hauptmann von Feilitzsch in Weida
und der Biscliof von Naumburg den Pfarrer Engelschall
in Reinsdorf als geistlichen Richter, vor dem Pfarrer
Mühlig sein Recht nachweisen solle.
Mit grosser Umständlichkeit wurden nun durch einen
besonderen vereideten Boten, Georg Völkel aus Pausa,
der Landrichter Wenigel in Plauen mit den von ihm be-
schützten Schönbergern und die von Pfarrer Mühlig be-
zeichneten Zeugen (der Pfarrer Leuschner in Thierbach,
der früher in Pausa Pfarrer gewesen war, der Altarist
Jakob Phaum in Pausa, der Amtmann Rudolf von Bünau
in Pausa, der Bürgermeister Nikol. Wagner mit seinen
3 Geschwornen, 8 Bürger aus Pausa, der Richter Weiss
in Theuma, der vorher Schulmeister und Richter in Pausa
gewesen war, und der Richter Summerer in Unter-
reichenau) geladen, sich am Donnerstag, den 7. August
1516 in der Pfarre zu Ebersgrün in der Frühe einzu-
finden. Der Landrichter Wenigel verhöhnte den Boten
und erschien im Termine nicht; ebenso blieben die Schön-
berger aus. Dagegen waren die geladenen Zeugen sämt-
lich persönlich erschienen; nur der Amtmann von Bünau
hatte einen Bevollmächtigten gesandt. Nachdem nun die
sämtlichen Zeugen vereidet waren, wurde zunächst das
vom Amtmann von Pausa übersandte Erbbuch vorgelegt
und daraus die Stellen, welche die Pausaer Frühmesse
betrafen, verlesen. Dreizehn Zeugen sagten alsdann
übereinstimmend aus, dass, so lange sie denken könnten,
die Pfarrer in Pausa das ihnen zustehende Lehnsrecht
über die Schönberger Güter ohne Widerspruch ausgeübt
hätten. Der Rath von Pausa erklärte unter Vorlegung
des oben mitgetheilten Stiftsbriefes über die Frühmesse,
dass er wie bisher so auch ferner gewillt sei, den Pfarrer
bei seinem Rechte zu erhalten und zur Erhaltung seiner
Gerechtigkeit Leute zu stellen. Endlich wurden aus dem
Pfarrlehnsbuch die das Bochmannsche Gut in Schönberg
betreffenden, durch den Pfarrer vorgenommenen Besitz-
titeleintragungen vorgelesen. Damit hatte der Pfarrer
Mühlig dem kurfürstlichen Befehle völlig entsprochen und
sein Lehnsrecht glänzend nachgewiesen.
Als man aber dem Landrichter Peter Wenigel die
Akten des Prozesses vorlegte, erklärte dieser, den vom
Pfarrer Mühlig geführten Beweis nicht für genügend und
10*
148 Kleinere Mittheilungen.
rechtsgiltig- anerkennen zu können ; er behalte sich einen
schriftlichen Protest vor, auf den der Pfarrer dann ebenso
antworten könne. Da Hauptmann von Feilitzscli dies
annahm, so ging- der Prozess weiter und wurde durch
geschickte Advokaten von 1517 bis 1519 hingeschleppt.
Wenigel erklärte in seinen Protesten, er wisse gar nichts
von einem kurfürstlichen Befehl, nach dem der Termin
in Ebersgriin angeblich abgehalten worden sei, und über-
dem habe der Bischof von Naumburg gar kein Recht
gehabt, ihn zu diesem Ternüne zu laden, da sein ordent-
licher geistlicher Richter nicht der Bischof von Naum-
burg, sondern der Komthur in Plauen sei. Sollte aber
auch das ein Irrthum sein, so könne er nimmermehr zu-
geben, dass der Pfarrer zu Pausa ein Recht zur Pfän-
dung auf den Schönberger Gütern habe, vielmehr müsse
dieser, wie andere Leute im Amte Plauen, bei Zinsrück-
ständen sich der Hilfe des Amtes bedienen; solch eigen-
mächtiges Handeln des Pfarrers sei ein Eingriff in die
landesherrlichen Rechte, auf welche die Worte des Stifts-
briefes hindeuteten, nach denen der Herr von Plauen sich
alle die Rechte vorbehalte, die er auf den Pfaffengütern
habe. Weiter machte der Landi-ichter geltend, dass der
ganze Prozess in Ebersgrün eine Menge Formfehler ent-
halte; so seien z.B. die Zeugen gar nicht über ihre Per-
sonalien befragt. Einer der Zeugen sage, er gedenke,
dass die Güter den Herren von Plauen gehört hätten
und von diesen dem Pfarrer zu Pausa übergeben worden
seien, aber das sei doch 119 Jahre her, und so alt könne
doch der Zeuge unmöglich sein. Aber gesetzt, der Pfarrer
habe wirklich das von ihm behauptete Recht besessen,
so sei er dessen nunmehr verlustig gegangen, da er dieses
Recht ganz schnöde gemisbraucht und die Leute in Schön-
berg geschlagen habe, wobei es ganz einerlei sei, ob
letzteres vom Pfarrer selbst oder durch seine Leute ge-
schehen sei. Solche Handhmg sei eines Priesters völlig
unwürdig und könne nimmermehr von der übrigkeit ge-
duldet werden. Viel besser hätte Pfarrer Mühlig gethan,
wenn er, statt in Schönberg mit seiner bewaffneten Schar
einzubrechen, seine Nase in die Bücher gesteckt und die
Bibel studiert hätte; dann hätte er nicht das Wort des
Heilands an Petrus: „Stecke dein Schwert in die Scheide;
denn wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert
umkommen", so völlig vergessen können. Scliliesslich
beantragt Wenigel, den Pfarrer in alle Unkosten zu ver-
Kleinere Mittheilnngen. 149
urtheilen und ihm ausserdem eine Busse für den Unfug
in Schönberg und Strafe wegen Verletzung der Amts-
gerechtigkeit aufzuerlegen.
Pfarrer Mühlig blieb die Antwort nicht schuldig.
In sehr geschickter Weise hat sein Rechtsanwalt das
Recht des Pfarrers aus dem kirchlichen und weltlichen
Rechte nachgewiesen, wobei es an wuchtigen Schlägen
auf Wenigeis Haupt nicht fehlt. Mit feiner Ii^onie weist
Mühlig darauf hin, wie alle vom Landrichter erhobenen
Einwendungen nicht ihn, sondern den kurfürstlichen Kom-
missar, im letzten Grunde aber den Kurfürsten selbst
träfen. Er könne doch nichts dafür, dass er nicht blos
Pfarrer, sondern auch Lehnsherr sei; und wenn ihm ein
schweres Unrecht daraus gemacht werde, dass die wider-
spenstigen Schönberger von seinen Leuten geschlagen
worden seien, so solle doch der Landrichter bedenken,
dass derselbe Vorwurf den Pfarrer treifen würde, wenn
das Amt auf seinen Antrag die Pfändung vorgenommen
und Gewalt mit Gewalt vertrieben hätte. Was er ge-
than, das habe er in Befolgung seines Amtsgelübdes, sich
von seiner Pfarrlehnsgerechtigkeit nichts mindern zu lassen,
gethan, und sei er davon fest überzeugt, dass sein oberster
Lehnsherr (der Kurfürst) ihn nicht ungeschützt lassen
werde. Er erhoffe vielmehr, dass der Landrichter zum
Lohne für den „Ungiimpf, den er zu Mist gebracht" habe,
die gerechte Strafe empfange, und dies um so mehr, als
der Pfarrer jederzeit „der heiligen Schrift nachzukommen
hochbegierig" gewesen sei und darum in keiner Weise
den Hohn des Landrichters verdient habe.
Nachdem der Prozess ziemlich vier Jahre (1516 bis
1519) gespielt hatte, erfolgte endlich der kurfürstliche
Schlussbescheid, der, in verständliches Deutsch übertragen,
folgenden Wortlaut hat:
Wie aus allen ergangenen Handlungen klar i;nd eigentlich er-
funden wird, ist Herr Nikolaus Mühlig, Pfarrer zu Pausa, durch
den ehrenfesten und gestrengen Herrn Philipp von Feilitzsch, Pitter,
Hauptmann zu Weida, kurfürstlichen und fürstlichen Kommissar,
angewiesen worden, schriftlich nachzuweisen, ob der gewaltsame
Eingriff, dessen man ihn beschuldigt, wirklich, wie der Pfarrer be-
hauptet, auf der Gerechtigkeit beruhe, die er auf etlichen Gütern in
Schönberg habe. Könne er dies, so solle er hierbei geschützt und
aller Beschwerde und Einhaltung entledigt sein. Darauf hat jedoch
Peter Wenigel, Landrichter zu Plauen, als Widerpart, solchen von
ihm selbst bewilligten Rechtsnaclnveis nicht nur abgelehnt, sondern
ohne allen Grund den Pfarrer dazu gezwungen, seine Gerechtigkeit
in Form eines rechtlichen Zeugnisses nachzuweisen. Deshalb war
150 Kleinere Mittheilungeu.
Peter Wenigel weder berechtigt noch viel weniger genöthigt, den
Pfarrer, nachdem er den verlangten Rechtsnachweis erbracht, zur
Portsetzung des Prozesses zu zwingen und ungeachtet der ihm vom
kurfiirstliclien Kommissar gewordenen Weisung gegen des Pfarrers
Zeugnis zu protestieren.
Wenn aber nun Peter Wenige! in seinem vormeintliihen lern-
test vermeldet, dass gedachter Pfai'rer Schmähungen, Verhöhnungen
und andere Ungebülirlichkeiten sich erlaubt habe, so gesteht dies
der Pfarrer nicht zu, indem er sich auf die Akten beruft und die
Frage aufwirft, ob AVenigel in seinen eigenen Schiiften Schmähungen
und Injurien vermieden habe.
Es hat weiter der Pfarrer nicht aus eigenem Vornehmen das
Zeugenverhör und alle übrigen llechtsliandlungen angestellt, sondern
er ist dazu gezwungen worden, wie aus den Akten zu ersehen. Es
ist auch Peter Wenigel zu Weida vor dem Hauptmann erschienen
und hat dessen Weisung angenommen; er hat ferner auf des Pfarrers
Zeugnis mit einer Protestschrift geantwortet. Da ei' nun nicht eher
und zu rechter Zeit der Sache sich entschlagen und gegen des kur-
fürstlichen Kommissars Weisung protestiert hat, so folgt daraus, dass
er der Sache anhängig geworden ist, und ob nun der Befehl des
fürstlichen Kommissars den Akten nicht mit beigefügt war, so hat
das nicht der Pfarrer, sondei'u der Kommissar und der Notar zu
verantworten gehabt. Daraus ist biederlich abzunehmen, ob ge-
nannter Herr Philipp von Feilitzsch Ritter pp. nach beider Parteien
Einwilligung ein Zeugenverhör anzustellen, ingleichen mein gnädiger
Herr von Naumburg seligen Gedäclitnisses den Befehl dazu zu er-
lassen genuysam Gewalt gehabt hat oder nicht. Sonach sind alle
diese Weiterungen von Peter Wenigel ohne allen Grund und ledig-
lich zur Verschleppung der Sache veranlasst worden. Dass aber
vom Pfarrer, wie vorgewendet, die Leute zu Schönberg blutrünstig
gestossen oder geschlagen seien , oder dass derselbe , wie Pete)'
Wenigel meldet, sich irgendwelche ungebührliche Gerechtigkeit an-
gemasst habe, gesteht der Pfai'rer nicht nur nicht ein, sondern unter
Hinweis auf alle früheren Vorgänge erklärt er, dass er um rück-
ständige Erbzinsen aus althergebrachter Gerechtigkeit und zwar
öffentlich uiul nicht heimlich, wie der Widerpart behauptet, gepfändet
habe, und damit, wie es Eibgerichten zusteht, aiich ferner zu ver-
fahren entschlossen sei, und dass er daran vom Landrichter Wenigel
ohne einen Schein von Grund oder Recht lediglich durch Gewalt
gehindert werde. Solches aber halio er, der Pfarrer, lediglich zur
Erhaltung seiner Gerechtsame und keineswegs, wie der Widerpart
angiebt, in böswilliger Absicht, oder gar zu dem Zwecke unter-
nommen, um gnädigster und gnädiger Herren Obrigkeit Abbruch zu
thun; letztere solle in alle Wege verschont und imangetastet bleiben.
Und wenn nun der Pf airer die Entscheidung unter Berufung auf
die Akten in des durchlauchtigen hochgeborenen Fürsten und Herrn,
Herni Johann"), Herzogs zu Sachsen, seines gnädigen Herrn, mäch-
tige Hand gestellt hat, wohin denn der Herr Kommissar diese Sache
mit untertliäniger Bitte berichtet hat, so worden -hiermit Peter
Wenigeis, Landrichters zu Plauen, unfreundliche Vorwände und
Einwendungen, so allein zur Verschle])pung der Sache vorgebracht,
hiermit vei-worfen, dessen er hiermit öffentlich beschieden wird.
*) Es ist Johann der Beständige gemeint, der öfters den Kur-
fürsten Friedrich den Weisen vertreten hat.
Kleinere Mittheilungen. 151
5. Meister Wendel Rosskopfs Parlierer.
Von E. Wernicke.
In dem nämlichen Jahre, wo der erst seit diesem
Dezennium bekannt gewordene und geAvürdigte Bahn-
l)recher der Renaissance in der Lausitz und in Schlesien
zu Görlitz Bürgerrecht erwarb (1520), wurde auch der
Name eines Berufsgenossen in den Bürgerkatalog em-
getragen, den man als seinen Gehilfen zu betrachten ein
Recht hat. „ Hans Richter von Paulsdorf bei Berewtte,
Steinmetz und Parlier; ist [sc. die übliche Einzahlung]
ihm geschanckt", so lautet die lakonische Anführung, der
wir wenigstens die Angabe seiner Herkunft verdanken.
Er stammte demnach aus der Gegend von Lob au her,
und eins von den beiden dort liegenden Paulsdorf muss
seine Heimath gewesen sein; denn dass bei der aben-
teuerlichen Namensform hinterher nicht an Bayreuth,
sondern an ein Baruth zu denken, braucht kaum erwähnt
zu werden. Wie der obengenannte Meister schon eine
Zeitlang (mindestens seit 1518) in Görlitz thätig gewesen
war, ehe er sich zu bleibendem Aufenthalte bequemte, zu
welchem Entschlüsse ihn wohl die um Neujahr 1519 mit
der Stadtbaumeisterswitwe Marg. Stieglitz eingegangene
Ehe endgiltig veranlasst haben wird, so finden wir auch
Richter, wenn auch nur schlechtweg als „Hans Parliuer"
bezeichnet, bereits in dem städtischen liber exactionum
vom Jahre 1519 (f. 6 b.). Da gleichzeitig sonst keiner
seiner Handwerksverwandten dieses Titels gewürdigt wird,
so sind wir befugt, ihn in dem ungenannten Parlierer zu
erblicken, welcher in demselben Jahre Rosskopf beim
Umbau der ältesten Stadtpfarrkirche zu St. Nikolaus
behilflich gewesen, worüber man den ausführlichen Be-
richt in Hass' Görlitzer Rathsannalen vergleichen wolle.
Über Richters sonstige künstlerische Thätigkeit war aus
Urkundenbüchern nichts zu ermitteln, und die diesen
Zeitraum behandelnden städtischen Rechnungsbücher sind
verschwunden und wahrscheinlich nach dem schmalkal-
dischen Kriege ins Ausland verschleppt worden. Dass
Richter seines Berufs jedoch wohl erfahren war, kenn-
zeichnet genugsam der seiner Eintragung folgende bedeu-
tungsvolle Zusatz, dessen sich auch Rosskopf zu erfreuen
hatte. Bis zum Jahre 1527 vernimmt man über den
Parlierer nichts weiter. Da wii'd ihm am 26. Februar
seitens des Görlitzer Magistrats ein Leumundsattest
152 Kleinere ]\[ittheihiiigon.
leichtfertigen Leuten gegenüber ausgestellt, Avelche ver-
breitet hatten, er wäre wegen ungeziemenden Wandels
ausgewiesen und erst wieder aus Gnaden in die Stadt
aufgenommen worden. Ich scliliesse daraus auf seine
zeitweilige AbAvesenheit. Versuchen wir zu bestimmen,
wo, so haben wir, selbstverständlich immer noch unter
der Voraussetzung, dass er Rosskopf assistiert habe, zu
fragen, wo dieser sich um dieselbe Zeit aufgehalten.
JSTun gilt es als ziemlich ausgemacht, dass Meister Wendel
zwischen 1525 und 1530, so viele Arbeiten auch seiner
daheim harrten, Aufträge für die Stadt Breslau über-
nommen hat, wo er sich im Juli 1530 zuletzt aufliielt.
Lübke (Geschichte der deutschen Renaissance, 2. Aufl.
II., 163 ff.) macht es in hohem Grade wahrscheinlich,
Rosskopf sei der Urheber gewisser Partien am dortigen
Rathhause, eine Meinung, in der er sich um so mehi-
bestärkt glaubte, als an einem Portale von vollendeter
Behandlung (1528) der ausführende Künstler sich mit
dem Buchstaben R. verewigt hat. Freilich geht diesem
ein H. voraus, was sich beim besten Willen nun einmal
nicht durch Substitution eines W. wegleugnen lässt. Ich
hatte schon vor Jahren an die Möglichkeit gedacht, hier
unsern Hans Richter eintreten zu lassen, und diesen
Gedanken auch gelegentlich eines Vortrags über Ross
köpf im Museum für schlesische Alterthümer ausge-
sprochen ; aber dies öffentlich zu thun, mangelte die V er-
anlassung, bis H. Lutsch, Die Kunstdenkmäler der Stadt
Breslau (1886, S. 111), erhebliche Bedenken gegen einen
Antheil der Rosskopfschen Schule an den Breslauer
Bauten überhaupt äusserte, wozu in der Abgelegenheit
der von Lübke verwertheten Mittheilungen einiger Grund
vorgelegen haben dürfte. Es genüge vorläufig die Er-
klärung, dass ich den urkundlichen Nachweis ül)er Wen-
deis Anwesenheit in Breslau an anderer Stelle nicht
schuldig bleiben will; an dieser aber, da es sich um
einen Abkömmling aus einer Ortschaft des jetzigen Kö-
nigreichs Sachsen^) handelt, möchte ich doch mit dem
Vorschlage nicht zurückhalten, ob man, vielleicht gestützt
auf Material, das mir entgangen, nicht geneigt sein sollte,
den Hans Richter für ein Werk zu reklamieren, das ihm
^) Auch Eosskopf war ein Lausitzer von Geburt, da sein Fa-
milienname um die Zeit seines ersten Auftretens in Hermsdorf bei
Görlitz angetroffen wird.
Kleinere ilittlieilmigen. 153
alle Ehre macht. Unter den schlesisuhen Künstlern, so
viele ich ihrer aus der einschlagenden Zeit kenne, be-
findet sich keiner, dessen Name so tretflich in die frag-
lichen Namensanfänge hineinpasste, wie seiner, wiewohl
ich meine Unbekanntschaft damit eingestehen muss, in-
wieweit bei unsern Künstlern der Gebrauch, Hans mit
H. bezw. I. abzukürzen, überwogen habe. Dass Richter
sich übrigens so verewigen durfte, dazu berechtigte ihn
der Titel „Meister", welchen ihm die Ehrenerklärung
vom Jahre 1527 giebt.
Bezüglich seiner äussern Lebensumstände habe ich
nur noch in Erfahrung zu bringen vermocht, dass er
(nach einem Görlitzer Stadtbuche) im Januar 1536 ein
Stück von seinem Garten auf der Consulstrasse dem
Goldschmiede Oswald Folkelt um baare 50 Mark ver-
kauft habe.
Ich verlasse ihn mit dem Wunsche, dass man sich
mit seiner Persönlichkeit noch weiter beschäftigen möge.
6. Sieben strafrechtsgescliiclitliche Findlinge.
Mitgetheilt Yon Th. Distel.
Spruch der Schoppen auf dem Berge vor dem
Rolande zu Halle (1576).
Im k. s. Hauptstaatsarchive ^) befindet sich das Ori-
ginal eines Spruches der Schoppen des Gerichts auf dem
Berge vor dem Rolande zu Halle, betr. die Diffamation
Hans von Elterbachs gegen die am 7, Oktober 1571 ver-
storbene Königin Dorothea von Dänemark, die Mutter
der Kurfürstin Anna von Sachsen. Gerichtet ist der
Spruch an den Amtmann zu Walda, Heinrich von Lieben-
born, das Siegel auf der Rückseite des Spruches fehlt.
Forschungen haben nun zu dem interessanten Resultate
geführt, dass Hans von Elterbach und Heinrich von Lieben-
born zu Walda fingierte Namen sind Für ersteren ist
der Jägermeister Cornelius von Rüxleben zu Zscho-
pau, füi' letzteren der Bürgermeister zu Leipzig, Hierony-
mus Rauscher, zu setzen. Der Kurfürst August wollte
den ganzen Fall möglichst geheim behandelt wissen und
schrieb deshalb unterm 9, November 1576 an Rauscher,
er solle die Boten instruieren, „avo und unter weme das
Ambt Walda gelegenn" sei, me er auch die Frage an
die Schoppen habe zurückdatieren lassen, „damit es das
') Loc. 9665, Sammlung etc.
154 Kleinere Mittheilungon.
Ansehen hätte, alis Avan solche Frage von ferne kom-
men". Auf dieselbe Frage ergangene Sprüche liegen
sonst noch in der angezogenen Sammlung von den Schop-
pen zu Leipzig, der Juristenfakultät zu Jena und von
den kurfürstlichen sächsischen geheimen und Appella-
tionsräthen vor. Die in der von Rüxlebenschen Sache
geführten Akten desselben Archivs behandeln ebenfalls
den Gegenstand des Vergehens, und ein in der Sache
nach Erweisung weiterer Injurien von Rüxlebens auf
eine abermalige Frage vom 8. Dezember 1576 (ebenda
Loc. 9667, Schriften betr. etc. Bl. 39 flg.) ergangener
Spruch der Schoppen zu Leipzig an den Amtsschösser
zu Dresden Ludwig Kynast (ebenda) nennt den rich-
tigen Namen des Kulpaten. Ich ül)ergehe die schweren
Injurien von Rüxlebens und theile nur den Rechtsspruch
der Halleschen Schoppen selbst mit, mit welchem die
übrigen im wesentlichen übereinstimmen. In demselben
lieisst es am Schlüsse:
„Mochte vielei'weiiter von Elterbach solcher ausgeg-osseneu
reden imndt diffaraation durch die zwene nnhcseholtene vom adell-),
die es von inie gehört, wie sichs zu rechte eigenet nnndt geburet.
uherwiesen werden, oder er es sonst frey willig bekennet, undt bette
ilokegen nichts erlieblichs fuitzuwenden, so weh]'e ebi- schuldigk
einen öffentlichen wiederuf zu thun, unndt koute dorubor wilkülir-
lich mit zeitlichem gefengknus oder ewigei' Vorweisung des landes
gestrafft werden, unndt hatt disfalles die tortur Avieder inen nicht
Stadt. Alles vonn Rechts wegen etc."
Am 19. Dezember 1576 widerrief von Rüxleben in
der Hofstube zu Dresden, wurde seiner Güter verlustig
erklärt (angez. Akten: Loc. 9667. Bl. 45b flg.) und kam
in das Gefängniss in der Pleissenburg zu Leipzig, wo-
selbst er — inzwischen waren noch viele andere Ver-
brechen von ihm bekannt geworden — bis zu seinem
Tode (11. Nov. 1590) verblieb.
Spruch der Schoppen zu Leipzig wegen
Majestätsbeleidigung (1588).
Im k. s. Hauptstaatsarchiv (Locat 9665: Sammlung
etc.) befindet sich das Original des folgenden Spruches
der Schö])pen zu Leipzig an den Amtsschösser Michael
Kronbergk zu Dresden. Das Urtel ist auf eine Frage
desselben aus dem Anfang des Jahres 1588 ergangen.
Der darin erwähnte Kurfürst ist Christian I.
^) Kaspar von Korvvitz und Paul Gröbel. Ueber letzteren und
über von Rüxleben sell)st vergleiche diese Zeitschr. VII, 154%.
Kleinere Mittheiluiigen. 155
„Unser fremidlicli dienst zuvorn. Namhafftiger. guter fronndt.
Denienach ihr uns etliche verl's ^), so in discessum doctoris Policariii
Leisers, gewesenen snperinteudentens nnd pfarherns zav Wittenbergk
geschrieben, und etliche artickel und zweier gefangenen, als uiagister
Michael Eosins-) imd seines vettern Nicol Rosins dorauff gethane
zweyerley underschiedeue gixtliche aussagen beneben einer fragen
zugeschickt und euch des rechten darüber zu belernen gebeten hapt,
als sprechen wir churfürstliche sechsische schöppen zw Leiptzigk
dorauff vor recht.
Hat gedachter uiagister Michael Rosin in gueten bekaut, das
er vorbemelte verfs, ane jemandts einrathen, vor sich selbst alleine
gemacht und voifertiget, darinne der churfurst zw Sachsen etc. und
burggraff zw Magdeburgk etc. unser gnedigster herr mit gautz ehr-
vorletzlichen werten und hochbeschwerlithcn injurieu angegriffen und
beschuldiget, als selten bei seiner churfürstlichen gnaden die vorrether
und Schmeichler angenehmer sein dan getrewe diener, und seine chur-
fürstliche gnaden mehr uff hirschen, als uff kirchendiener, auch mehr uff
pferde, dan uff die justicien halten und dero gemut allein zum kriege,
ane gottes furcht, geueiget sein, das auch seine churfürstliche gnade in
dero herrn vaters christlicher und hochlöblichster gedechtnus aschen
durch annehmung frembder religion bissen weiten, und über das an-
gezogene verfs, zu seiner churfürstlichen gnaden feruerra schimpff
und vorunglimpfung, andern, und sonderlich vorgedachtem seinem
Vetter Nicol Rosin mitgeteilt und deme bevohlen, dieselben weiter
zu spargiren, wie dan itztgemelter Xicol Rosin gleicher gestalt in
gueten gestanden, das er mehrerwente verfs dorauff spargiret, öffent-
lich über tisch gelesen, auch andern zukommen lassen, nach fernerm
inhalt angezogener ihrer aussage, so seint seiner churfürstlichen
gnaden solcher zugefugten injurien halber obgenante beyde injurian-
ten einen öffentlichen widerruff'^) zu thun schuhligk und werden dar-
über mit stauppenschlegen biilich des landes ewigk vorwiesen, es
wolten dan seine churfürstliche gnaden Nicol Rosinen, in ansehung
seines minderjehrigen alters und vorgewanter entschuldigung, das
ers soweit nicht vorstanden, das es so ein grosses hinter sich bette,
gnade erzeigen, uff den fall möchte er, mit der stauppe verschonet
und mit ewiger landesvorweysung in straff genommen werden. Von
rechts wegen. Zw urkundt mit unserm insigel vorsigelt*). Chur-
fürstliche sechsische schöppen zu Leiptzigk-^)."
^) Dieselben befinden sich in Abschrift ebenda: Loc. 9669,
Schriften etc. El. 5-8.
^) In deu Anm. 3 zitierten Akten befindet sich ein Gnaden-
gesuch desselben vom 14. Dezember 1594 an den Administrator Kur-
sachsens, den Herzog Friedrich Wilhelm, in welchem er sich also
unterzeichnet: .... Rosfeld Wurcensis, illustris comitis ac domini
Orientalis Frisiae praeceptor; Nie. R. pastoris in Saxonia filius.
^) In den Akten ebenda Loc. 9710 Mich. Rosinus etc. befindet
sich das Konzept des Widerrufs vom 21. Januar 1588.
0 Vergl. über dasselbe den nächsten Eand der Zeitschrift der
Savigny-Stiftung (Germ. Abth.).
^) Im Stuhle sassen damals: Andreas Sieber, cons. reg., Dr.
Georg Kost, senior, Wolff Priligke, consul, Dr. Marcus Scipio, Dr.
Daniel Müller, Dr. Joh. Eossbach (adjunctus), Georg Eothe, aedilis,
Eeinhard Backofen, substitutus für den verstorbenen Bürgermeister
Paul Franckstein. El. 109'». Fundatio elect. (ebenda Loc. 10368), El. 96.
156 Kleinere Mittheilungen.
Spruch der Schuppen zu Leipzig auf Reissen
mit glühenden Zangen und Lebendigverbrennen
(1599).
Jakob Berger, aus Klotzsche bei Dresden, welcher
schon 1582 wegen Diebstahls- „und anderer Verbrechen"
auf zwei Jahre des Landes verwiesen worden war, kam
1599 abermals wegen noch schwererer Verbrechen in
Untersuchung und Avurde wegen derselben am 26. Oktober
genannten Jahres zu Dresden verbrannt. Die betreifende
Reclitsbelehrung, welche in der Sache von den kurfürstl.
sächsischen Schoppen zu Leipzig eingeholt Murde, liegt
mir im Originale vor^). Dieselbe lautet also:
^Adresse:/ „Dem nanihiifftigen Michael Kronbergk aiuptscliö.s-
sern zw Drefsden, unserm guten Freunde.
f Spruch:] Unser freundlich dienst zuvorn. Namhaili'tiger, guter
freundt. Als ihr uns des gefangenen Jacob Berg er s urgicht, he-
neben einer frage zugeschickt und euch des rechten darüber zube-
lernen gebeten hapt, demnach sprechen wir churfurstliche scchsische
Schoppen zw Leiptzigk dorauff vor recht. Hat der gefangene Jacob
Berger in scharffer frage, damit er, auf unser jungstgesproclienes
ui'tel, angegriffen, bekant und ausgesagt, das er nicht allein Pauln
Bruckman-) zu Alten Dresden seine scheune mit feuer ange-
steckt, sondern auch vor achtnndzwantzigk jharen seinen stieff-
vater erhcnckt, auch dabey gewesen, als vor dreyen jharen in
der Dresdnisrhen heyde ein weih von seinem gesellen Pfaffhansen
ermordert und beraubet worden, item, das er neben itzbemeltem Pfatf-
hansen etzliche kirchen erbrechen und berauben helffen
und ferner, das er vor sechszehn jharen, als er zu Wittgenaw in
sterbensleufften todtengreber gewesen, neben dreyen seiner gesellen
in die dreyfsigk krancke persohnen, das sie, was sie an gelde und
fahrnus betten, bekennen mufsen, zuerst marttei-n und hernach mit
den kleidern vollents erstccken helffen, nach fernerm iuhalt
obangezogener seiner urgicht. Do nuhn obangezogenev brandtschade
gewiis und in warheit also geschehen und auch im erkundigen sich
belinden wui'de, das er vor sechzehn Jahren zu Wittgenaw todten-
grcl)cr gewesen und krauckeii i)ersoluien deigleiclien gewaldt, wie
er bekant, geschehen, und er wurde auff seinem gethanen bekentnus
vor gerichte freywiUig vorharren oder des sousten, wie lecht, über-
wiesen, so möchte er, Avegen dero an den krancken persohnen be-
gangenen und bekanten mordthatten. mit drey oder vier gluen-
deii Zangengriffen gerifsen und alsdan. oder auch, do sich
gleich in der crkundigung Aveitter nichts Ijefinden wirdt, des began-
genen und bekanten brandtschadens halben, mit dem feuer vom
leben zum thode gestrafft werden. Von Rechts wegen. Zw
ui'kundt mit uustM-m insigill vorsigidt. Churfurstliche sechsische
Schoppen zw Leiptzigk."
') Sie befindet sich im K. S. Hauptstaatsarchive: Sammlung etc.
Log. 9665; z. vgl. die ebenda befindlichen Akten: Jakob Berger etc.
Luc. 9713. In den letzteren ist u. a. auch die Frage enthalten.
-) Derselbe war der Bruder des Pfarrers zu Wilschdorf
(-Klotzsche), Crcorg- Prockmanns.
Kleinere Mittheilnngeii. 157
Sächsische Scharfrichter in den Jahren
1GÜ5 nncl 1723.
Nachdem der Scharfrichter Polster') 1723 in Borna
einmal jedem der drei Delinqnenten -) anf einen Hieb den
Kopf vom Leibe getrennt hatte, wendete er sich mit
einer kurzen Rede an das Volk, welche also endete:
„Kuiz, ich wünsche, dass eiu Jeder also lebe,
Damit er nicht au diesem kalten Eisen klebe" '^).
Einem andern Aktenstücke des k. s. Hauptstaats-
archivs ^) entnehme ich einen Passus des Exekutions-
berichtes, Avelchen die Diakonen M. Tobias Rudolph und
Heinrich Mittelstadt in Dresden über die Hinrichtung-
Michael Heinrichs, welcher ein Attentat auf den Kur-
fürsten Christian II. beabsichtigt hatte, an den Kurfürsten
erstatteten. Es heisst daselbst:
„Indem er sich auf den Tisch geleget, darauf er
sollte in vier Stücke geschnitten werden und Meister
Conrad den Schnitt gethan und das Herze herausgenom-
men, so hat er ihm dasselbige vor die Augen gehalten
und gesagt: Da siebest du dein loses schelmisches Herz,
das den frommen Kurfürsten hat erscliiessen sollen, und
hat ihm dasselbige dreimal in das Gesichte geschmissen".
Bestimmungen über die Todesstrafe bei Kindes-
mord (1680 flg.).
Das k. s. Hauptstaatsarchiv besitzt (Loc. 9718)
eine eigenhändige Bestimmung des Kurfürsten Johann
Georg IL betreffs der Todesstrafe bei Kindesmord (vom
18. März 1680). Die bezüglichen Akten haben sich
zwar nicht ermitteln lassen, doch dürfte ein in Dresden
begangener Kindesmord vorgelegen haben, auf welchen
die Schoppen zu Leipzig die Strafe des Sacks aus-
gesprochen hatten, und dem Kurfürsten alsdann ein
Gnadengesuch um Verwandlung der Strafe in die des
Schwertes überreicht worden sein.
Die Niederschrift des Kurfürsten lautet wörtlich also:
„Den herin director uiid semplicheu herrn geheimbteu rähteu
berichte Jch hirbey, wie das leiter, gott erbarmes, der kiudermortt,
1) Die Familie Polster lieferte Jahrhunderte hiudm-ch sächsische
Scharfrichter. Ein Bruder des hier Erwähnten „aus Altenberg" war
ebenfalls bei der oben besprochenen Hinrichtung thätig.
-) Xergl. unten S. löS f.
3) K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc. 9718 Piecen etc. Bl. 88b.
*) Loc. 9676 Yol. IL Bl. 128 K
158 "Kleinere Mittheilungen.
iiisonderheitt auch bey hiesiger residens , dero mafscn uberhandt
uieniet, als habe Jch mich aus christlichen eufer darhin resolvieret,
keine nicht mehi' zum schwertt kommen zu lassen, sondein zu or-
trencken, jedoch stdiett es zu ihren [der geheimen JiätheJ gefallen,
ob sie die straffe wegen der diiu wollen compensiret lassen. Den
18. Martii 1680. Johann (leoi'g Churfürst."
In späterer Zeit, so 1602, wurde die erkannte Strafe
des Sackes durch den Kurfürsten Johann Georg IV. auf
Bericht des Kanzlers und der Räthe in die Strafe des
Schwertes verwandelt. Die Kindesmürderin war Regma
Oelschlegel in den von Feilitzsch'schen Gerichten zu
Treuen oberen Theils. Betrett's ihrer heisst es ausdrück-
lich in dem Begnadigungsberichte vom 16. Juni 1692,
dass bei der Exekution des Säckungsurtels „Seelengefahr
zu besorgen sey". (Ebenda Loc. 9719, Verwandlung etc.
Bl. 5b.) Unterm 11. November 1692 baten die Kanzler
und Räthe (ebenda Bl. 8 b) abermals den Kurfürsten
wegen der Kindesmörderin Anna Marie Meister aus
Hain um Gnade, bemerkten dabei jedoch, dass „solch un-
natürlich delictum" den kurfürstlichen Landen „vorjetzo
sehr gemein" werden wolle. Johann Georg IV. reskri-
bierte unter demselben Tage, dass er die Strafe der
Säckung in Gnaden in die des Schw^ertes verwandeln
wolle. Aehnlich berichten dieselben Räthe auch unterm
19. Oktober desselben Jahres (ebenda Bl. 6b) betreffs
eines bei den Dresdener Amtsgerichten begangenen Mor-
des Carl Hans Peters an seiner Ehefrau, „dals die säck-
ung gar leicht eine desperation und seelengefahr nach
sich ziehen könte". Der Kurfürst übte die erbetene Gnade
aus (ebenda Bl, 7).
Die Leiche eines Hingerichteten für die Ana-
tomie zu Leipzig (1723).
Unterm 13. November 1723 richtete der Professor
Dr. August Friedrich Walther (anatom. et chir.) zu Leip-
zig ein Gesuch an den Kuifürsten Friedrich August L,
in welchem er um einen der am nächsten Freitag zu
Borna zur „Abthuung" gelangenden drei armen Sünder^)
für das theatrum anatomicum l)at. Er zog dabei das
Mandat vum 12. April 1723 an, in welchem „nicht ex-
presse enthalten" sei, dass auch die durchs Schwert
oder den Strang Gerichteten, welche alsdann auf das
Rad geflochten werden sollten, „auf Verlangen der Fakul-
') Johann Gotthelf Griinther (Quittenbaum), Michael Schmidt
(Fleischer liezw. Kühmichel) und Petei' Kahnt. Vergl. oben S. 157.
Kleinere Mittheilungen. 159
tat oder der Anatomici vom Rade sollen abgenommen
und zur Section abgefolget werden." Waltlier erbot sich
gleichzeitig, auf eigene Kosten Leute zur Abholung des
Körpers abzusenden. Vom 18. desselben Monats datiert
das kurfürstliche Reskript hierauf an den Amtmann zu
Borna des Inhaltes, dass einer der drei zum Tode ver-
urtheilten Diebe sogleich nach der Hinrichtung, ohne
dass er zuvor aufs Rad geflochten worden — nur die
Leiche des sogen. Quittenbaum dürfe es nicht sein — ,
dem Boten „ohne Abforderung einiger Unkosten
abgefolget werde."
Am 26. November 1723 fand die Exekution statt.
Michael Schmidts Leiche war die für die Anatomie zu
Leipzig bestimmte; olme erst aufs Rad gebracht worden
zu sein, kam sie dahin'-). Bemerkt sei hier noch, dass,
als bei Hegung des peüüichen Halsgerichtes der Land-
richter Dieter die Worte „von Rechtswegen" ausgespro-
chen hatte, er das in der rechten Hand gehaltene weisse
Stäbchen zerbrach und es alsdann den armen Sündern
vor die Füsse warf; die Theile sind später zu den Akten
genommen worden, liegen aber nicht mehr dabei"). Die
Köpfe der Diebe wurden so auf die Räder genagelt, dass
die Gesichter nach der Gegend sahen, in welcher die
Verbrecher die meisten Diebstähle begangen hatten (Bl.
S^^ der unten angef. Akten). Der Bericht des Aktuar
Schulter (ebenda Bl. 89) schliesst mit den seltsamen
Worten, dass sich „diese ganze Execution, Gott Lob,
ganz glücklich und in der schönsten Ordnung (!) ge-
endet" habe.
Das Trinken von Blut eines Enthaupteten
seitens eines Fallsüchtigen (1755).
Bekannt ist der Volksglaube, dass das Trinken
warmen Blutes eines Enthaupteten von der Epilepsie be-
freie. Zedier erwähnt dieses Mittel gegen die Fallsucht
in seinem Universallexikon unter „Epilepsie". Weiteres
darüber, msbesondere über die völlige Erfolglosigkeit
dieses schrecklichen Mittels, lese man nach in der Samm-
lung von Natur- und Medizin-, Kunst- und Literatur-
geschichte — Breslauer Sammlungen 1721 Juni, Winter-
quartal 1721, S. 654—657, class. IV, art. 17 — vergl.
2) Bl. 57—59 Akten des K. S. Hauptstaatsarchivs : Piecen etc.
Loc. 9718*. — 3j Ebenda Bl. 53''.
160 Kleinere Mittheihmgen.
aucli mens- Oct. 1720 class. IV, art. 9; es wird hier
sogar erzählt, dass ein vorlier nie fallsüchtig gewesener
Mensch, anf das Blnttrinken eines Dekollierten hin, die
Epilepsie bekommen habe. Sobald das warme Blut eines
in der grössten Todesangst Enthaupteten getrunken sei,
soll der furchtsame archaeus, so in des Sünders warmem
Blute gewesen, mit dem rasenden archaeo des epileptici
einen Streit anfangen und ihn besiegen. Der hier mit-
zutheilende Fall ist bereits kurz erwähnt in v. Webers:
Aus vier Jahrhunderten I (1857), 418/9. Merkwürdig
dabei ist, dass sogar die höchste Obrigkeit das Trinken
solchen Menschenblutes auf Ansuchen genehmigte, also
dem grassen Aberglauben nur Vorschub leistete.
Freitags, dm 6. Juni 1755 wurde Karl Gottlob
Zeibig, welcher in der Trunkenheit am 7. Januar zuvor
einen Menschen ermordet hatte, auf dem Rabensteine zu
Dresden, welcher vor dem Wilsdruffer Thore lag'), durch
den Scharfrichter Joh. Gottlob Polster jun. mit ehiem
Schwertstreich enthauptet '-'). Die Erkenntnisse des
Schöppenstuhls zu Leipzig'^) und das auf die eingewendete
Defension hin von dem Hofgerichte zu Wittenberg *) ein-
geholte bestätigende Urtel befinden sich originaliter bei
den Akten des k. s. Hauptstaatsarchivs: Loc. 10119,
Akten c/a. Zeibig etc. Am 3. Juni vor der Exekution
baten nun zwei Altgesellen der Schneiderbrüderschaft zu
Dresden den Premierminister lieichsgrafen Heinrich von
Brühl für ihren Mitgesellen Johann Georg Wiedemann,
welcher stark an Epilepsie litt, darum, dass derselbe
von dem am Freitag, den 6. genannten Monats, zu recht-
fertigenden Mörder Carl Gottlob Zeibig zu seiner Ge-
nesung das Blut trinken dürfe. Eine Registratur meldet,
dass Brühl dem Suchen stattgegeben, auch Wiedemann
des Dekollierten Blut getrunken habe und darnach „fort-
gelaufen" sei*^).
1) Vgl. Lmdiui, Dresden II. Aufl. (188.5; S. 70.5.
-) Deiselbe berechnet 2 Thlr. 12 Gr. für die Dekollierung imd
16 Gr. für IJäuimmg des llaheiisteines. — ") Angez. Akten Bl. 80 tig.
— ') Ebciidu 111. 137 flg. — •-) Ebenda Bl. 164/5.
Literatur.
Urkuudenbuch der Stadt Freiberg in Sachsen. Im Auftrage der
Königlich Sächsischen Staatsregierung herausgegeben von Hubert
Ermiscli. II. Band : Bergbau, Bergrecht, Münze. Mit einer Tafel.
(A. u. d. T. : Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der
Königlich Sächsischen Staatsregierung herausgegeben von Otto
Posse und Hubert Ermisch. II. Haupttheil, XIII. Bd.) Leipzig,
üiesecke & Devrient. 1886. LXVIII, 530 SS. 4°.
Das Sächsische Bergrecht des Mittelalters. Von Dr. Hubert
Ermisch. Mit einer Tafel. Leipzig, Giesecke «St Devrient. 1887,
CLXIV, 249 SS. 80.
Wer in dem vorliegenden zweiten Bande des Freiberger Ur-
kuudenbuches auch die übrigen städtischen Urkunden bis zum Jahre
1485 zu finden erwartet hat, wird denselben etwas enttäuscht aus
der Hand legen; Urkunden, die der Stadt als solcher, ihrer Ver-
waltungseinrichtungen, amtlichen Orgaue und Bewohner in dieser
besonderen Eigenschaft gedenken, liegen hier nur wenige vor. Wer
aber bedenkt, dass Freiberg eben nicht bloss eine Stadt im gewöhn-
lichen Sinne, sondern vornehmlich eine Berg- und Bergwerksstadt
war und eine besondere Bedeutung als solche während eines grossen
Theiles des Mittelalters in Deutschland mit einer gewissen Aus-
schliesslichkeit behauptete, der wird es begreiflich finden, wenn dieser
Stellung durch eine gesonderte, umfängliche Quellenpublikation Rech-
nung getragen und die Mittheilung der weiteren Urkunden zur
städtischen Ofeschichte einem dritten Bande vorbehalten geblieben ist.
Selbst vom engsten ortsgeschichtlichen Standpunkte aus gesehen, muss
dieser Schritt der Herausgeber des Codex diplomaticus Saxoniae regiae
entschieden gebilligt und anerkannt werden; in noch höherem Mass-
stabe werden jedoch die verschiedensten wissenschaftlichen Kreise
ausserhalb Freibergs und Sachsens dies Vorgehen mit Beifall be-
grüssen und willkommen heissen: ist doch auf dem Boden der Frei-
berger Berg-Gewohnheiten und -Satzungen nicht nur das sächsische
Bergrecht, sondern durch dieses wiederum das gemeine deutsche Berg-
recht und damit auch ein Theil der verschiedenen europäischen Berg-
rechte emporgewachsen; waren es doch die Freiberger Silbergruben
mit der ihrer Zeit einzig dastehenden, gewaltigen Ausbeute, aus
denen die Glieder des Hauses Wettin die Mittel gewannen, eine
hervorragende Stellung in der deutschen Fürstenhierarchie zu er-
kämpfen und zu behaupten. Ausser dem Interesse, welches man da-
her von Seiten der Rechtsgeschichte an der Entwickelung des Berg-
baues in Freiberg nehmen muss, ist die Bedeutung desselben für die
Finanzgeschichte Sachsens eine ganz hervorragende; da aber ferner
ähnliche Verhältnisse kaum anderweit in Deutschland nachweisbar
sind, so dürfte der Werth dieser Mittheilungen über den Bergbau,
das Bergrecht und die Münze in Freiberg für unsere Kenntnis der
deutschen Wirthschafts- und Rechtsgeschichte noch ganz besonders
hoch anzuschlagen sein.
Neues Arcbiv f. S. G. u. A. IX. 1. 2. 11
162 Literatur.
Es sind freilich nicht ansschliesslich Uikunden im eugi-ren
Sinne, die der zweite Band dos Freiberger Urkunden-Baches liringt;
im (xegentheil treten dieselben neben anderem, zum Theil ukten-
mässigem (^uelleumateriale zurück: es sind nur wenig mehr als 'ZüO
Nummern der ersteren Art, die die ersten 266 Seiten des Bandes
einnehmen; ein grosser Theil derselben ist überdies in die Form
von Regesten und Auszügen gekleidet, da vielfach die Bergwerks-
und Münzangelegenheiten nur nebensächlich bei der Beurkundung-
anderer Rechtsvei'hältnisse beiiihrt und die betreffenden Stücke vor-
aussiclitlich noch im vollen AVortlaute in anderen Bänden des Codex
diplomaticus Saxoniae regiae folgen werden; der llerausgel)er ist
in jener Hinsicht hierbei unleugbar mit einer rühmlich i)lanmässigen
Ökonomie zu Werke gegangen und hat sich in der Befolgung solcher
Grundsätze selbst dadurch kaum beii'ren lassen, dass es ihm grosse
und schwere Mühe gemacht haben muss, die einschlägigen Zeugnisse
aus einer grossen Zerstreuung und aus einer gewaltigen Masse an-
deren Stoffes zusammen zu suchen.
]\lit lebhaftem Interesse wird jeder Benutzer des Werkes gleich
die ersten beiden Nummern des Ürkundentheiles begrüssen, deren
eine imter dem Jahre 1233 das Freiberger Bergrecht als Grundlage
für die Bergwerksverhältnisse in den eben durch deutsche Kraft
eroberten preussischen Landen hinstellt, während in der anderen von
1258 zunächst dem Kloster Leubus und damit dem ganzen schlesischen
Bergbaubetriebe die Freiberger Gewohnheiten als Richtschnur ge-
geben werden. Leider sind neben diesen Stücken nicht allzu viel
weitere uikuudliche Zeugnisse über den Bergbau des 13. Jahrhunderts
erhalten und leidei' treten auch später vielfach mehr die auf die
Münzangelegenheiten sicli Ijeziehenden Aktenstücke in den \'order-
grund, da auf dem zuerst genannten Gebiete wohl viel länger noch
als anderwärts der mündlichen Abmachung vor der schriftlichen Auf-
zeichnung der Vorzug gegeben worden ist. Verleihungen von Schmelz-
hütten, Bestallungen von Bergbeamten durch den Landesherrn, deren
älteste, 1328 gegebene mit einer auch von letzterer Stelle ausgehenden
deutschen Bergwerksordnung verbunden ist, Vergleiche und Ab-
machungen über Grubenantheile, Entscheidinigen über kleinere, nament-
lich zwischen Gewei'keu vorgekommene llechtsstreitigkeiten, zumeist
vor dem Freibergei- Hath v(>ihandelt, Verträge mit Persönlichkeiten,
die sich anheischig machen durch Anlage von ]\las(hinen die gefahr-
drohenden Gewässer aus den Schächten zu entfernen oder ein er-
giebigeres Vei-hüttungsverfahren einzuführcsn , Veihandlungen über
die Anlage grossartiger Stollen, die Betheiligung der Landesherren
an den Kosten dieser Bauten sowie an sonstigen Betriebslasten, Er-
örterungen über di(! Lohnfragen iler Heuei' und über die genossen-
schaftlichen Verbindungen unter denselben bilden den (t rundstock
dieser Abtbeilung des Bandes. Fiue grosse Zahl recht weitschich-
tiger Aktenstücke, die zum giiisseren Theile hier zum ersten Male
zum Abdruck gelangt sind, gehören dem- mittleren 15. Jahrhundert
an und drehen sich um eine Reihe von allen Seiten hin und her er-
wogener Massnahmen zur Hebung des Bei'gwerkbetriebes, der nach
Abbau der leichter erreichbaren Schicliten trotz grossartiger und
kostsi)ieliger Anlagen immer schwieriger und weniger ertragreich
wurde und schliesslich unter dem Drucke wirthschaftlicher Krisen
und politischer Wechselfällc. die namentlich auf die Silberpreise
drückten, geradezu darnieder zu liegen begami. Auch hier hat der
Hei'ausgeber mit gutem Geschicke in der Ausscheidung iles unter-
Literatur. Jßß
geordneten Materiales und in Aufnahme alles dessen, wovon die
Rechtswissenschaften, Geschichte und Vollvswirthschaftslehre irgend
einen nutzbaren (iebraucli machen können, wohl das Rechte getroffen.
Noch ergiebiger waren die zahlreichen von Ermisch dui'cli-
forschten Archive an urkundlichem Stoffe zur Geschichte des frei-
bergisch - meissnischen Münzwesens; unter demselben finden sich
freilich überzahlreiche Instrumente über Verpfändungen der Münze
und einzelner Theile derselben seitens der Herren; mehr als einmal
sehen wir dabei, dass über die Erträge der Münze schon längere
Zeit, bevor der Umfang derselben feststand, durch Anweisungen ver-
fügt wird ; andererseits begegnen viele Bestallungsbriefe für die an-
genommeneu Münzmeister, unter denen sich einmal sogar zwei
Florentiner Geldwechsler l)efinden, ferner Verträge mit denselben
über die Ausmünzung, die Silberkäufe und die Vereiunahmung ge-
wisser Gewinnantheile und Einkünfte der Herren aus den Berg-
werken und endlich auch zahlreiche Abrechnungen, die an Dienst-
verhältnisse vorbezeichneter Art anknüpfen; es ist hierbei sehr
bemerkenswerth, dass diese Übertragungen der Münze an einzelne
Münzmeister recht frühzeitig den Charakter von Verpachtungen an-
nehmen und dass diesen Pächtern wie in No. 922 vom J. 1371 1)
die Besetzung des Freiberger Stadtrathes tibertragen wird. Von
noch hervorragenderem Werthe für die Gewinnung eines lebendigen
Bildes von diesen wirthschaftlich nach mehr als einer Seite hin be-
deutsamen und lehrreichen Vorgängen sind die Seite 375 — 455 in
einem 1, Theile des Anhanges zum Urkundenbuche gebotenen Abrech-
nungen der Freiberger Münzmeister und Zehntner aus den J. 1353
bis 1485, von denen bisher nur einige wenige bekannt und für na-
tional-ökonomische Studien verwerthet waren; die Hauptmasse der-
selben harrt also noch der Durcharbeitung und einer gewiss überaus
ergiebigen weiteren Erschliessung. Was Ermisch als Herausgeber
hierzu beitragen keimte, hat er natürlich gethan, und es rauss rühm-
lichst anerkannt werden, dass er den trockenen und spröden Stoff' so
muthig in Augriff" genommen und ihn in eine leidlich bequeme und
handliche Form umzuschmieden verstanden hat. Auch über die edi-
torische Behandlung des übrigen urkundlichen Materiales des vor-
liegenden Bandes braucht nach dem, was wir über die früheren
Arbeiten E.'s in diesen Blättern gesagt haben, hier kein Wort ver-
loren zu werden. Kleinigkeiten anlangend, möchte ich bemerken,
dass auch hier durchgängig in der mir nicht sympathischen Weise
21'., mit ij, 150 mit i|<: wiedergegeben ist, dass die eigenthümliche
Namensform „Anargus" statt „Unargus" in No. 972 einer Hervor-
hebung bedurft hätte, dass in No. 991 „bein assche" und „ober
pregere" wohl eher als einheitliche Worte aufzufassen waren und
mehrmals, wie z. B. in No. 997, das urkundliche „ysengreber" im
Regest eher mit „Stempelschneider" wiedergegeben werden konnte.
Doch ist hiermit noch lauge nicht der reiche Inhalt des um-
fänglichen neuen Bandes ausreichend geschildert; es ist vor allem
noch des gleichfalls nicht beschränkten Theiles desselben, der der
Herausgabe einer Reihe hochwichtiger Rechtsdenkmäler gewidmet
ist, zu gedenken. Obenan unter denselben stehen die beiden Re-
1) Sollten die bei dieser und den voraufgehenden Nummern
vorkommenden mehrfachen Überlieferungen ein und derselben Stücke
mit abweichenden Tagesdaten nicht auf verschiedene Beurkundungen
zurückgehen?
11*
1 64 [Literatur.
zensioneu des Freiberger Bergrechtes, denen sich eine Gerichts-
ordnung und ein Theil der J?"reiberger Bergurtheile anschliessen ;
zwischen die beiden ersteren Stücke ist ferner noch das Iglauer
Bergrecht eingeschaltet und im Anhange folgen die unter landes-
herrlicher Autorität in der Zeit von 1466— 15u9 erlassenen Ord-
nungen für die übrigen sächsischen Bergwerke, namentlich für
hJchneeberg und Annaberg; anscheinend ist mit dem Eingehen auf
die letzteren die zeitliche und örtliche Grenze eines l'reiberger
ürkundenbuches überschritten, aber der innere Zusammenhang dieser
Stücke mit den vorgenannten ist ein so inniger, dass das Ver-
ständnis und die "Würdigung dieser ohne eine Kenntnis jener nur
unvollkommen und unvollständig sein würde. Vom Iglauer Berg-
recht hatte ja E. überdies vor mehreren Jahi-en schon in diesen
Blättern älteren Anschauungen entgegen den Beweis geführt, dass
es auf Grundlagen, die von Ereiberg dorthin gelangt waren, entstand,
später eine Aufzeichnung desselben wiederum von Freiberg aus er-
beten Anirde und die jüngere, umfänglichere Freiberger Kechtsauf-
zeichnung sich von der kürzeren älteren, die vielleicht nur Entwurf
bliel», durch die Vermischung mit der aus Igiau gewonneneu Über-
lieferung unterscheidet ; hiermit war zugleich ein wichtiges Moment
für die Beurtheilung der Entstehungszeit der beiden Quellen des
Freibergei- E,echtes gewonnen, und ist nunmehr der Ursprung der
älteren in die allerletzte Zeit des IB. Jh., der der jüngeren in die
Mitte des 14. zu setzen, während die Kechtweisuug aus Iglau Avohl
kurz vor 1328 nach Freiberg gelangt sein muss. Das in obiger
Weise gefasste Verwandtschafts- und Abhängigkeitsverhältnis jener
Rechtsquellen tritt uns durch den zur Verfügung gestellten Neuab-
druck derselben noch deutlicher entgegen als sich nach allen bis-
herigen theoretischen Ausführungen absehen Hess, namentlich sind
die aus der einen Quelle in die andere übergegangenen Stellen dmxh
Anwendung kleineren Druckes in bequemer und augenfälliger Weise
gekennzeicimet. Wie angedeutet ist dieser Abdruck nicht der erste,
der den Freiberger Bergrechtsaufzeichnungen zu Theil geworden
ist; es liegt sogar eine Editio princeps vor, die kurz vor 1519 zum
Druck gelangt sein könnte ; aber alle früheren Ausgaben zeigen nicht
nur viele grössere und kleinere, durch geringe Sorgfalt beim Abdruck
entstandene Fehler, sondern leiden vor allem an dem Mangel, dass
sie entweder nur nach einer einzelnen handschriftlichen Grundlage ge-
arbeitet sind, oder, wenn auch einmal mehrere handschriftliche Über-
lieferungen benutzt und verglichen wurden, doch das Verhältnis der-
selben unter einander nicht geiüigcnd erkannt und richtig beurtheilt
war. Den Anforderungen der Jetztzeit entsprechend hat Ermisch
mit der ihm eigenen Gründlichkeit nun nicht weniger als 7 Hand-
schriften des 14. und 15. Jh. zusammengebracht, unter denen Theile
eines Freiberger Codex die erste Stelle einnehmen; derselbe ist frei-
lich, wie die der Ausgabe beigefügte Abbildungs-Tafel zeigt, in einer
Miuuskelschrift, die nicht gerade leicht eine nähere Bestinnnung der
Entstellungszeit gestattet, geschrieben ; ich weiche daher in den
einschlägigen Ansetzungen um eine Kleinigkeit von Ermisch ab;
nach meinen Erfahrungen und nach Vergleich der gegebenen Schiift-
proljen mit den verschiedenen Theilen der gleichfalls in Minuskel-
charakteren angefertigten Hallischen SchöÄenbücher möchte ich die
Niederschrift der Kecensio A des Freiberger liechtes mehr nach dem
Anfange als nach der Mitte des 14. Jh. zu rücken und auch die
Stücke mit der Recensio B entschieden noch dem ausgehenden 14.
Literaüir. 165
Jh. zusclu'eiben. Leider hat Ermisch trotz aller aufgewandten Mühe
das Verwandtschaftsverhältnis jener 7 Handschriften, zu denen noch
eine in der Editio princeps benutzte, jetzt verlorene kommen wüi'de,
nicht mit grösserer Genauigkeit bestimmen können, namentlich nicht
wie fern oder wie nahe jede einzelne derselben der nicht mehr vor-
handenen Urquelle steht, denn trotz seines Alters ist das Freiberger
Stück der Recensio A nicht bei Herstellung der in demselben Bande
befindlichen Aufzeichnuna: der Recensio B benutzt, da letztere mehr-
fach aus A entlehnte Sätze besser wiedcrgiebt als jenes, und um
die Yermcklung noch vollständiger zu machen, ergeben sich auch
ähnliche Verhältnisse unter den Überlieferungen der Iglauer Rechts-
weisung. Was es heisst, unter solchen erschwerenden Umständen
eine Ausgabe herzustellen, kann eigentlich nur der im vollen Um-
fange ermessen und beurtheilen, der selbst einmal vor einer ähnlichen
Aufgabe gestanden hat; das, was trotz solcher Schwierigkeiten ge-
leistet und erreicht worden, und wie hoch der Werth der neuen
Ausgabe anzuschlagen ist. lehrt jeder Blick auch nur auf eine Seite
des Textes nebst dem umfäno-lichen kritischen Apparate: bei der Un-
beholfenheit der Sprache und des Stiles des 14. Jh. kann es ja von
der Stellung und der Fonn eines einzigen Wortes abhängen, ob die
oft recht umständlich und nicht allzu deutlich ausgedrückten Rechts-
bestimmuDgen in diesem oder jenem Sinne auszulegen sind. Von
grösseren erklärenden Bemerknngen hat der Herausgeber aus Grün-
den, die sich hören lassen, abgesehen, hat jedoch, wie wir unten
noch näher auszuführen haben, in anderer Weise dem etwaigen Be-
dürfnisse nach einem sachlichen Kommentare abzuhelfen versucht.
Endlich müssen wir auch noch mit einigen Worten auf die be-
reits erwähnten Bergurtheile, von denen trotz des ihnen innewohnen-
den Interesses der älteste Theil hier zum ersten Male an die Öffent-
lichkeit tritt, mit einigen Worten zurückkommen; die S. 303—373
gegebenen 133 Auszüge aus den Bergurtheilsbüchern gehören aller-
dings erst der Zeit vom Jahre 1476 ab an. seitdem fing man aber
eben überhaupt erst an über gerichtliche Verhandlungen regelmässige
Aufzeichnungen zu machen; sie betreffen ferner auch weniger Frei-
berger Angelegenheiten im engeren Sinne, sondern Streit- und Rechts-
fragen aus anderen, einem 2. (Ober-) Bergmeister unterstellten berg-
bauenden Distrikten Sachsens, aber sie zeigen, wie man einmal die
vorhandenen Rechtsaufzeichnungen gegebenen Falles praktisch zu ver-
werthen Avusste, und sodann, wie man, wenn diese versagten, mit
Hülfe der in Freiberg in weitereu Kreisen lebendigen Anschaiuxngen
und Überlieferungen über bergrechtliche Verhältnisse ergänzend und
bessernd eingriff. Die editorische Behandlung dieser Stücke war
gleichfalls nicht leicht ; man hat es bei den Urtheilsbüchern nicht mit
einer allzu genau chronologisch geordneten Aufzeichnung zu thun,
sondern mit mehr willkürlich von einzelnen Stadtschreibern ange-
legten Sammlungen theils von Konzepten theils von Abschriften
abgegebener Gutachten, die vielfältig näherer Datumsangaben ent-
l)ehren. Das Nöthige über die hierbei berücksichtigten handschrift-
lichen Grundlagen ist in der Einleitung S. XXXVI — XXXVni
gesagt, ebenso finden sich hier eine Reihe bemerkeuswerther Notizen
über das bei Einholung solcher Urtheile beobachtete Verfahren, sowie
über die urtheilende Thätigkeit des Freiberger Rathes auch in den
die heimischen Verhältnisse betreffenden Fragen. Auffällig ist es
hierbei, dass nach diesen Ausführungen ein jätrlich wechselndes
Schöffenkollegium im Stadtgerichte erst seit dem Anfange des 15. Jh.
I ßß Literatur.
nachw(Msl)ar sein soll und bis daliin der Uiitervogt bei Stellung der
Urtlieilsfras^-e nicht an einen enfforen Kreis von Personen gebunden
gewesen sei, seine Frage daher an jeden im Ding anwesenden (ie-
richtsangehörigen liabe richten können. Nach allem, was man sonst
von der mittelalterlichen Gerichtsverfassung weiss, will es mir eher
scheinen, dass docli schon seit älterer Zeit ein urtheilendes und
rechtfindendes Kollegium vorhanden gewesen sein müsse, wenn auch
seine Mitglieder nicht gerade als Schöffen bezeichnet werden; es
war doch ein seit ka]-olingischer Zeit geltender Gebrauch, dass die
gesammte Gerichtsgenieinde sich höchstens zu drei Gerichtsversamm-
hmgen im Jahre zusammenzufinden brauchte, während zu den in
kürzeren Zwischenräumen stattfindenden Rechtstagen mir ein l)e-
stimmter, nicht zu hoch bemessener Theil dessellien als Urtheilshnder
zu erscheinen verpflichtet war. Wenn nun nach Ermischs eigenen
Mittheilungen, sowie nach der alten Schott'schen Ausgabe des Frei-
berger Stadtrechtes jeder innerhalb der 4 Bänke sich Ijefindende
Gerichtsangehörige auf Befragen um ein Urtheil bei Strafe Antwort
geben musste, während die ausserhalb der Bänke stehenden eine
solche Verpflichtung nicht traf, so müssen wir in den ersteren ent-
schieden die besonders berufenen Urtheiler oder Schöffen erblicken.
So viel Anerkennung auch den hier geschilderten Verdiensten
Ermisch's um die Beschaffung einer geläuterten Sammlung der ur-
kundlichen und aktenmässigen Grundlagen der Freiberger Bergwerks-
und Bergrechtsverhältnisse zu zollen ist, hat er sich lueran noch
nicht genügen lassen, sondern hat auch durch eine dem Urk.-B. als-
bald folgende Sonderausgabe die oben erwähnten bergrechtlichen
Denkmäler den weiteren Kreisen der Juristen und Bergfachmänner
noch bequemer zugänglich zu machen gesucht; dieselbe ist ausser-
dem einmal mit einem, so viel mir scheint, sorgfältigen und umfas-
senden Verzeichnisse von erklärungsbedürftigen technischen Aus-
drücken, dann aber mit einer sehr umfangreichen und mir reclit
zusagenden Einleitung ausgestattet; das erstere dürfte wohl im 3.
Bande des Urkundenbuches eine AViedeiliolung finden, während die
erwähnte Einleitung in ihrer Eigenschaft als wohlgelungener Ver-
such einer Geschichte des sächsischen Bergwerkswesens eine grosse
Reilie von Aufklärungen und Erläuterungen l)ringt, die man w^ohi,
wie oben angedeutet, schon bei dem 2. Bande des Urk.-B. erwartet
hätte, auf deren Beigabe der Herausgeber aber verzichtete, um nicht
den Umfang allzusehr auszudehnen und das Erscheinen nicht zu
lange Zeit noch zu verzögern; besonders kann der IV. Abschnitt
S. LXXXVII — XCII über den Inhalt des Freilierger Bergrechtes B
nach jener Richtung hin jedem Benutzer des Urk.-B. zum Studium
empfohlen werden. Auch mit den anderen Theilen der Einleitung
hat E. entschieden eine in der einschlägigen Litteratur bestehende
empfindliche Lücke, die freilich eben durch den bisherigen Mang-el
einer kritischen Ausgabe der Freiberger Eechtsdenkmäler veiursacht
war, ausgefüllt. So kann es, nnclidem in einem ersten Kapitel die
Anfänge des Bergbaues in der Mark Meisscn l)is zum Tode Hein-
richs des Erlauchten unter genauer Prüfung des vorhandenen Mate-
rials dargestellt worden sind, an zweiter Stelle unternommen werden,
die Grundzüge des alten meissnischen Bergrechts klar zu legen.
Unter Abweisung mancher älteren und unsicheren Annahme wird es
hierbei wahrscheinlich gemacht, dass in Freiberg zuerst innerhalb
der Mark Meissen Bergbau getrie])en wurde und die Entdeckung der
dortigen Erzlager in die Jahre 1160-1170 fällt, sowie dass der erste
Literatur. 1 ß7
Betrieb jedenfalls durch niedersäclisische Bergleute ans Goslar ein-
gerichtet wurde; ferner erscheint es als glaublich, dass die Mark-
grafen das Bergregal von Anfang an als ein ihnen mit der Mark
vom Reiche verliehenes Recht übten, daneben aber eine gewisse
Freiheit des Schürfens und Bauens bestand, endlich aber beide ein-
ander entgegenstehende Prinzipien eine Vereinigung darin fanden,
dass der Entdecker eines bauwürdigen Ganges mit der weiteren
Ausbeute von selten des Landesherrn beliehen, den Rechten des
letzteren aber durch eine gewisse Mitbetheiligung desselben am Baue
und durch die Erhebung eines Zehnten für denselben Rechnung ge-
tragen wui-de. Gleichgültig konnte es hierfür eigentlich sein, ob das
Bergwerksregal römischen Ursprungs ist oder nicht; Referent würde
sich wenigstens an Stelle des Herausgebers nicht in den wenig
fruchtltaren Streit hierüber eingelassen haben; denn, wenn auch wirk-
lich das Bergregal erst durch die deutschen Könige im U. Jh. in
imserem Yaterlande zur Geltung gebracht wäre, ist damit nicht aus-
geschlossen, dass italienische Verhältnisse das Vorbild zu jenem Ge-
brauche gegeben haben iind diese ihrerseits doch wiederum auf
römische Grundlagen zurückgehen.
Lassen sich auch in der sog. Recensio A des Freiberger Berg-
rechts an der Hand der Fassimg derselben verschiedene Entwicke-
lixno'sstufen und namentlich einzelne dem., früheren und mittleren
13. Jahrh. angehörende Theile durch die Übereinstimmung mit den
älteren Iglauer Überlieferungen erkennen, so ist es doch nicht mög-
lich, das "nur annähernd zu bestimmen, was an RechtsgCAvohnheiten
und Gebräuchen schon von Goslar aus nach Freiberg gelangt sein
könnte. Mit um so besseren Ergebnissen kann sich dagegen E. über
die Codifikationen, die in Freiberg selbst erfolgt sind, aussprechen
und er ist hinsichtlich dieses Punktes hier im 3. Kapitel noch weit
au.sführlicher als in der Einleitung zum Urk.-B.; er bringt nament-
lich die Aufzeichnung des ersten Entwurfs eines Bergrechts, den
man als Recensio A bezeichnet, in Verbindung mit der Codifikation
des Freiberger Stadtrechts, die, da sie einen König als Landesherrn
nennt, nur in den Jahren 1296 — 1307 erfolgt sein kann, während
für die Niederschrift B nach eingehenderer Begründung die Jahre
1346 — 137.5 in Anspruch genommen werden. Der sich hieran
schliessende, oben bereits hervorgehobene IV. Abschnitt gipfelt so-
dann in den Ausführungen, dass die Recensio B vornehmlich an dem
Stollenrechte erhebliche Änderungen gegenüber den älteren Anschau-
ungen zeige, sowie in dem Beweise, dass das Freil)erger Bergrecht
in seiner damaligen Fassung nicht allein für Freiberg hätte Gültig-
keit haben sollen, sondern zugleich als Landesbergrecht anzusehen
war. Das führt, nachdem im V. Abschnitt das Kapitel über Hand-
schriften und Ausgaben des Freiberger Rechts aus dem Urk.-Buch
wiederholt ist, an 6. Stelle zu einer den übrigen Theilen in keinem
Punkte nachstehenden Übersicht über die Weiterentwicklung des
sächsischen Bergbaues bis zur Entdeckung der Schneeberger Lager,
wobei unter mancherlei Berichtigungen der Entwicklung der ausser
Freiberg in der Mark Meissen noch vorhandenen, zumeist auch nicht
unansehnlichen Bergwerke gedacht wird. Das Hauptgewicht dieses
Abschnittes liegt indes in der gründlichen Erörterung des ungüns-
tigen Wendepunktes, der in dem ergiebigen Betriebe der Freiberger
Werke mit Anfang des 15. Jh. eintrat und gegen Mitte desselben
seinen Höhepunkt erreichte; deutlicher als im Urk.-B. treten uns
hier die Elemente, die jenen Umschwung veranlassten, sowie die
■[gg Literatur.
laugwierigen und verwickelten Versuche , Abhilfe zu schaffen,
entgegen, und ganz besonders vordienstlich sind die Auseinander-
setzungen über die Konkurrenz der mit landesherrlicher Unter-
stützung arbeitenden sog. Steuergruben mit den ganz auf sich selbst
angewieseneu .,freien Gniben", denen die mit dem Einkaufsmonopole
ausgestattete Münze höhere Silberpreise bewilligen konnte, während
die ersteren ihre Erträge Jahrzehnte hindurch zu einem gleichen
und ziemlich niedrigen Preis einznliefern verpflichtet waren, bis end-
lich eine Aufliebung der herrschaftlichen Steuer eintrat und der
Mehrzahl der auf eigene Kosten arbeitenden Gewerkschaften soga)-
Münzfreiheit gewährt wurde. Leider ist es Ermisch trotz aller Be-
mühungen nicht beschieden gewesen, eine im vorigen Jahrhundert
noch vorhandene Aufzeichnung der Freiberger Bergrechtsgebräuche,
die gerade aus jener kritischen Zeit, aus dem J. 1458, stammen soll,
wieder aufzufinden, und die Darstellung musste daher mit dem Hin-
weise auf die nach 1466 erlassene, aber nur wenige Seiten der ver-
wickelten Verhältnisse berührende Berggerichtsordnung schliessen.
— In einem V. und Schluss-Abschnitt der Einleitung kommt Ermisch
dann auf die Schneeberger und Aunaberger Bergordnungen zu
sprechen, die zwar eigentlich eine Weiterbildung der im Ereiberger
Rechte gegebenen Grundlagen enthalten, aber im Gegensatze zu
diesen Rechtsgewohnheiten ganz den Charakter der sich allmählich
weiter und weiter entwickelndi^n Gesetzgebung des Tevritorialstaates
an sich tragen. Verdrängten dieselben in ihrer Eigenschaft als „ge-
meines Bergrecht" schliesslich auch die Freiberger Satzungen in
ihrer eigenen Heimath, so geschah damit dem bestellenden Abhängig-
keitsverhältnis jener von diesen kein Eintrag und rauss die von
Ermisch zum Schluss hervorgekehrte Bemerkung eines der ange-
sehensten Bergrechtslehrer der Jetztzeit, dass „die Annaborger Ord-
nung von 1509 die Mutter fast aller neueren Landes-Bcrgordnungen
für Nord- und Mitteldeutschland geworden sei", auch die Zuerken-
nung eines gleichen Ruhmes fü)- Freiberg enthalten.
Ist diese Anzeige der beiden neueren Arb(dten Ermischs hier-
mit auch etwas über das gewöhnliche Mass hinaus ausgedehnt wor-
den, so konnte sie trotzdem nur ein ungefähres und oberflächliches
Bild all der durch ihn zu Tage geförderten, interessanten Einzel-
beobachtungen und Ausführungen geben; doch darf getrost auf ein
weitei'es Eingehen verzichtet Averden: die künftige Litteratur zur
sächsischen Spezialgeschichte, wie die der deutschen Wirthschafts-
geschichte und des Bergrechts wird ja durch ausgiebige Verarbeitung
des von E. in so guter Form gebotenen Stoffes baldigst von dem
Werthe desselben und von den gediegenen Bemühungen des Be-
arbeiters in berufenster und ausgedehntester Weise Zeugnis ablegen.
Halle a./S. W. Schum.
TIrkundenbiicli der Vögte von Weida, Gera und Plauen, sowie
ihrer Hausklöstor Mildenfurth, Cronschwitz, Weida und z. h. Kreuz
bei Saalbnrg. Erster Band. 1122 — 1356. Namens des Vereines
für thüringische Geschichte und Alterthumskunde herausg. von
Dr. Berthold Schmidt, fürst. Rcuss. J. L. .Archivar u. Bibliothekar
in Schleiz. (A. u. d. T. : Thüringische Geschichtsquellen. Neue
Folge. II. Bd. Der ganzen Folge fünfter Band.) Jena, Gustav
Fischer. 1885. XXIII, 630 SS. 8°.
Leider ist es dem Unterzeichneten erst jetzt, nachdem bereits
zwei Jahre seit der Herausgabe des vorgenannten Werkes verflossen
Literatur. 169
sind, möglich über dasselbe zu berichten ; er bedauert das um so mehr,
als man dem Erscheinen dieses ersten Bandes, nachdem das Unter-
nehmen seit längerer Zeit zuerst vom Archivar Dr. Wülkcr in Wei-
mar, dann von Sclmiidt selbst vorbereitet worden war, aiich in weiteren
Kreisen mit Spannung entgegengesehen hat. — Wie klein auch die
Anfänge der Reussischen Hausmacht waren wohl keines der heute
in Deutschland noch regierenden Fürstenhäuser darf sich eines so
bescheidenen Ursprunges rühmen — , so gelang es doch den ältesten
Trägern und Vertretern desselben in verhältnismässig kurzer Zeit
einen solchen Bestand an Lehen- und Eigenbesitz , an vogteilichen
und sonstigen Regalien -Rechten, an gerichtlichen und beamtlichen
Befugnissen in ihrer Hand zu vereinigen und waren diese Besitz-
stücke geographisch so belegen, dass bis znr Mitte des 14. Jh. auch
in weiterer Entfernung von den eigentlichen Stammsitzen derselben
nicht leicht ein Vorgang friedlicher oder kriegerischer Natur sich
vollzog, an dem sie nicht betheiligt gewesen wären. Ausser den Be-
ziehungen zum Reiche, die durch den öfteren Wechsel in den Personen
der Reichsregenten und deren Familien eine überaus mannigfaltige
Gestaltung erfahren, linden wir die Ahnherren des Reussischen
Fürstenhauses in verschiedenen und zum Theil eigenartigen Ver-
bindungen mit der Quedlinburger Abtei, den Bischöfen von Naumburg,
den Thüringer Landgrafen, den Markgrafen von Meissen, den böh-
mischen Königen, den Bamberger Bischöfen und den Nürnberger
Burggrafen a\is Hohenzollerschem Stamme; die Vorgänge im Vogt-
lande und die Schicksale desselben bilden recht eigentlich ein Ver-
bindungs- und Mittelglied zwischen der historischen Entwickelung im
Westen und im Osten, wie im Süden und Norden unseres deutschen
Vaterlandes; dazu gibt das geistliche Leben und Treiben in den
aus dem Familienbesitze gestifteten Klöstern Weida, Mildenfurth,
Cronschwitz und Saalbxwg mehrfach Anlass zu Berührungen mit allerlei
niederen und höheren Vertretern der Hierarchie, sogar mit dem Haupte
derselben; finden die letzteren namentlich in dem vorliegenden Bande
durch eine Reihe bisher unbekannter, hier zum erstenmale abge-
druckter Bullen Ausdruck, so führt uns, wie zum Ueberfluss, der
Eintritt eines der älteren Glieder des einen Familienzweiges in den
deutschen Orden mehr als einmal tief in die ersten Kämpfe und die
Kulturthätigkeit der Ordensrepublik im äussersten Nordosten unseres
Vaterlandes.
So laufen eben in dem vorstehenden Werke Urkunden der ver-
schiedensten Art und Bedeutung, sowie von allerhand Provenienz neben
einander her und manchmal anscheinend auch etwas durcheinander,
aber bei aller vermeintlichen Biintscheckigkeit des Materiales bilden
doch immer die verschiedenen Zweige des späteren fürstlichen Hauses
den festen und sicheren Mittelpunkt, um den sich alles gruppiert und
kristallisiert; ja es würde iedenfalls weniger angenehm berührt und
manchen Nachtheil für die Nutzbarmachung mit sich gebracht haben,
wenn man die Urkunden der obengenannten Klöster ausgeschlossen
und einer besonderen Publikation vorbehalten hätte; die Schicksale
der Familien der Vögte waren doch zu eng mit den Anfängen und
der weiteren Entwickelung dieser Hausstiftungen verbunden. Auch
eine weitere Fassung des Edition.splanes, die Erweiterang des Werkes
zu einem vogtländischen Urkundenbuche hätte, abgesehen von dem
erheblich grösseren Aufwand an Zeit und Kosten, auch durch den
Mangel einer recht festen territorialen Begrenzung der Unterlage
viel Missliches gehabt.
170 Literatur.
Ein grosser Theil des hier zum erstenmale gegelienen Uv-
kundenmatfriales — von 1000 Nummern ungefähr ein Drittel — be-
zieht sich gerade auf jene Hausstiftungen. Avährend viele von den
Aktenstücken, die von den Vögten ausgestellt sind und ihren sonstigen
Besitz lietreft'en, vor nicht allzu langer Zeit erst tlieils durch Joh.
Müller in den Scliriften des Yogtländischen Alterthums -^'ereines,
theils durch Dr. Alberli in einer selbständigen Publikation heiaus-
gegeben waren; freilich war hierbei nicht immer alles im vollen
Wortlaut und auch nicht stets im geti-eusten Anschlüsse an die ur-
sjjrünglicheren Ueberlieferungen gegeben. Es blieb daher dem Bear-
beiter der neuen Gesamt - rul)likation nicht erspart hier Nach-
prüfnngen anzustellen und eine grössere Reihe der im Besitze ein-
schlägiger Stücke befindlichen Archive zu besuchen; in der Einleitung
Avird hierüber gebührend gewissenhafte Kechenschnft abgelegt; an
manchen Orten ist bei dieser Gelegenheit auch noch dieses oder jenes
Neue zu Tage gefördert worden, namentlich haben die Archive zu
Dresden und Weimar vielerlei Ergänzungen geliefert, sodann wohl,
soweit die Ausdehnung der Macht und Besitzungen dei' Vögte nach
Franken, nach Hof und dem Regnitzlande, in Betracht kamen, am
meisten das Münchener Allgemeine Reichs - Archiv; bedauerlicher-
weise sind einzig aus engherzigen Rücksichten der leitenden Be-
amten die Schätze des Egerer Archives Herrn Schmidt verschlossen
geblieben. Gern hätte letzterer wohl noch mehr bisher ungedrucktes
Material geliefert; man sieht das daran, dass er sich verleiten lässt.
in No. 87 eine Urkunde des Deutschordenslandmeisters Heinrich von
Weida vom 12. Mai 1244. die sich ausschliesslich auf preussische
Ordensangelegenheiten bezieht, im vollen Wortlaute abzudrucken.
Anderweit sind sonst unter vielen Nnmmcrn nur Regesten und zwar
zumeist unter Anschluss der vollständigen Zeugenverzeichnisse in
der Urform geliefert; das beruht zum Theil darauf, dass No. 37 aus
der Zeit von 1209— 1238 die erste Urkunde ist, die von einer zur Fa-
milie der Vögte gehörigen Persöinlichkeit selbständig ausgestellt wurde,
während vorher und auch in der späteren Zeit die Vögte vornehmlich
in ihrer Eigenschaft als Heichsministerialen und Reichsbeamte in den
Zeugenreihen königlicher und fürstlicher Urkunden auftauchen; auch
in solchen Fällen, selbst da, wo ein Vogt in solcher Eigenschaft
eine letzte Stelle einnahm, hat man die Zeugen wörtlich, wie in der
Urform, wiedergegel)en ; oh das durchaus nothwendig war, kann vom
Standpunkte der Oekonnmie aus billig angezweifelt werden , doch
ist es eben kein Schaden, dass es geschieht, wenn ein Herausgeher
nicht durch die lästigen und drückenden Kücksichten auf Raum und
Kostenersparnis dazu angewiesen ist. Vollständigkeit in diesen Zeugen-
regesten zu erreichen, hat Schmidt nach Möglichkeit in lobenswerther
Weise angestrebt, doch lässt sich, wie zu ei-warten, für eine absolute
Erschöpfung des Stoffes nach diesei' Seite hin eine Bürgschaft nicht
gehen; das Bestrehen, hier bis zur höchsten Vollendung zu gelangen,
kann es aber nur gewesen sein . welches den Herausgeber an einer
Stelle zu einem kleinen Missgrift'e verleitet hat. Es werden unter
N(i. 96—99 eine Reihe von Deutschordens-Urkunden aus den Jahren
1248 — 1249 aufgeführt, in denen ein Vizelandmeister Frater Hen-
ricus vorkommt, und Avird letzterer mit Heinrich von Weida, der
vorher seit 1241 als Landmeister (in No. 75 ff.) genannt wird, iden-
tifiziert, ohne dass das Zurücktreten desselben von letzterer Stellung
in die des Vizelandmeisters recht erklärt wäre ; hierdurch bedenklich
und zweifelnd, finde ich in der That bei weiteren Nachforschungen
Literatur. 171
in der prcnssischen Monatsschrift XII, 579, dass lang'e vor der Be-
arbeitimy- des Reussischen Urkundonlniches die obige, wohl auf Cohns
Studien lieruhende Annahme widerlegt und die Zugehörigkeit des
später vorkommenden Fr ater Henri cus zu einer Familie „de Hoinstein"
nachgewiesen worden ist.
Auch ein Theil der Urkunden, die in den oben erwähnten Pub-
likationen von Müller und Alberti jüngst abgedruckt worden waren,
ist hier bei der wiederholten Aufführung mit Regesten al)gefunde)i
worden; das finde ich beispielsweise für Stücke wie No. 130, 134
und 141 berechtigt, aber nicht für No. 132, 139, 140 und 142, für
die man bei dem Vorhandensein eines Reussischen Urkundenbuches
nicht gez^mngen sein will, die obigen, nicht überall bequem zugäng-
lichen Publikationen nachzuschlagen; noch weniger zutreffend ist es,
l)ei den bisher noch gar nicht gedruckten Ablassbullen No. 103, 104,
189 und 239 für Cronschwitz nur dürftige Regesten zu geben ; haben
solche Urkunden in der Regel auch einen typischen Wortlaut, was
an späterer Stelle in ähnlichen Fällen der Wiedergabe des ziemlich
gleichlautenden Textes nicht entgegengestanden hat, so hätte bei den
erwähnten Nummern wenigstens eine Aufzählung der mit dem Ablasse
begnadeten Feste im Regest stattfinden müssen. Sonst möchte ich
aus dem Bestände des bisher ungedruckten, hier zum erstenmale
gegebenen Materiales — abgesehen von den ol)en bereits hervorge-
hobenen Bullen — __ die Leser des „Neuen Archivs" auf No. 764
(Bündnis Heinr. d. Alteren von Gera mit dem Markgrafen Friedrich
von Meissen gegen Erfurt 1336 März 10), 8.50 (Schiedsspruch zwischen
Kaiser Ludwig und dem Markgrafen einer- und dem Erzbischof von
Mainz andererseits 1342 Dez. 14) und 950 (Dienstrevers Heinr. des
Älteren von Weida gegen die Markgr. Friedr. und Balthasar 1354
Dez. 4), die voraussichtlich in einem der späteren Bände des Cod.
dipl. Sax. reg. Aufnahme finden werden, aufmerksam machen; selbst-
verständlich fehlt es auch an weiteren für den Spezialforscher der
thüringisch - sächsischen Geschichte interessanten und bedeutsamen
Stücken nicht; eine nicht unansehnliche Zahl sind auch im 2. Bande des
Freiberger Urk.-B. vollständig abgedruckt oder auszugsweise gegeben.
So wenig auf Grund der Punkte, in denen wir bi.sher unserer
abweichenden Ansicht Ausdruck gaben, ernstliche Vorwürfe gegen den
Herausgeber zu erheben sind, so viel seinem Eifer und Fleiss in der
Herbeischaffung und Sammlung des Materiales, sowie dem Bestreben,
dasselbe kritisch zu sichten, Anerkennung gezollt werden muss, trägt
doch seine Ausgabe manchmal noch deutlich die Spuren einer Er.stlings-
leistung auf diesem Gebiete an sich. Das Verzeichnis von Berichti-
gungen, w^elches 0. Dobenecker in der Zeitschrift des die Ausgabe lei-
tenden Thüringischen Geschichts-Vereins (N. F. IV, 565—582, V, 137
bis 140, 344— 351) unter Zustimmung Schmidts gegeben hat, hat einen
grösseren Umfang, als man für solche Arbeiten erwarten und wün-
schen darf; selbst für das umfängliche und anscheinend mit Sorgfalt
imd Liebe zur Sache angelegte Personen- und Ortsverzeichnis des
Urkundenbuches (S. 524—624) hat Dobenecker noch vielerlei Ergän-
zungen und Verbesserungen nachgetragen; fi-eilich hat D. hierbei
manchen Druckfehler, der sich sofort als solcher erkennen lässt,
aufgeführt und manchem kleinen Versehen, welches der Leser sich
leicht selbst berichtigen kann, grossen Werth beigelegt, wie z. B.
bei No. 512 dem Fehlen eines „(!)" hinter „in die b. Marcelli", avo
letzteres Wort statt „Marci" steht, aber durch das folgende „et Mar-
celliani" und das voraufgehende „XVII. Kai. Julii" jeder weitere
X72 Literatur.
Zweifel ausgeschlossen ist; dennocli ist noch immer einiges selbst
der minutiösen Prüfung D.'s entgangen; so „de oantatione" statt
„decantationc" in Xo. 132 und der Umstand, dass in No. 208 aus
der Schlussbemoikung ..Totuni ut su])ra anno jjrimo" auch das gleiche
Tagesdatum wie in No. 206 (1. Scptemlier 1281) herausgelesen
werden muss; ebenso wai'cn die entstellten Namen der römischen
Kardinalskirchen (Sancti Aucti, Sancti Gregorii) in No. 57. auch
wenn die Fehler auf die handschiiftliche Überlieferung zniiickgehen
sollten, ohne weiteres zu verbessern oder wenigstens mit einer kri-
tischen Note zu versehen; letzteres Avar entschieden nöthiger, als in
No. 8*i die Bemerkung „lrä3" zu „litteram", wenn anderweit die
Entstehung des Stückes im 14. Jahihundert verbürgt ist. Der Her-
ausgeber hat sicli manchmal eben selbst Schwierigkeiten bereitet, wo
keine vorlinndcii waren, und oft gi-össere da, wo sie sich in anderer
AVeise leichter beseitigen Hessen; in No. (^2 war es doch einfacher
..in [loco] quocunque" zu schreiben statt ,.in (!) quocunque". in No. 94
Recensio B Ing es doch näher „karactere" zu setzen statt „karca-
tem (?!)" und in No. 745 heisst es doch besser „mit allem dem
rechte als aller vrawen leipgeding recht ist" statt „mit — rechte
und aller — ist (?.')". — In einigen anderen Dingen, die mir wenig-
stens als kleine Übelständc erscheinen, möchte ich mich Avenicer
an den Herausgeber, als an die. denen die allgemeine Leitung der
Ausgabe der Thüringischen Geschichtsquclb'ii obliegt, wenden; mir
kann wenigstens in den neueren Urkundenbüchciu die Wiedergabe
von 2V2 durch ij und von 4V? durch V nicht behagen, ebensowenig
wie die Beibehältung der Punkte, die bei den an ein Amt ererich-
teten Schreiben an Stelle des Namens stehen, im Drucke der Texte;
in No. 7R9 linden sich soffar Punkte neben dem Namen, ohne dass
eine Erklärung dieser auffalligen Erscheinung gegeben wird. Un-
berechtigt scheint mir auch im Datum die Trennung der Monats-
und Tagesangabe von der des Jahres durch ein Semikolon, und end-
lich möchte ich eine etwas andere Einrichtung der dem Texte vor-
aufgehenden Bemerkungen über die tU)erlieferungen eines Stückes
befürworten; in No. 10, 08 und 86 z. B. stört es nämlich recht, an
der Spitze die Mittheilung „Hdschr. : Orig. Perg. etc." und dann
einige Zeilen später, nachdem eist von den Drucken gehandelt Avar,
die Bezeichnung dieser handschriftlichen Ülterlieferung als gefälscht
oder zweifelhaft zu finden; in solchem Falle ist es doch besser,
gleich an erster Stelle zu bemerken „Hdschr.: angebliches oder an-
fechtbares Orig. Perg. etc." — Hoffentlich erscheint ein beabsich-
tigter 2. Band "des Werkes auch frei von den hier erörterten kleineren
Mängeln. Dass der vorliegende 1. mit dem Jahre 1356 abbricht, ist
Avohl mehr durch technische Gründe und Rücksichten bedingt ge-
wesen; die Beirründung dieses Abschlusses in der über die Be-
schallung des Urkundenmateriales und die Entstehung der Reus-
sischen Hansmacht gut orientierenden Voi'rede mit den Worten „bis
zu diesem Zeitpunkte hatten die verschiedenen Linien des Yogts-
geschleciites — noch keine Avirklichen Gebietsverluste erlitten;
ü'leich in der nächsten Zeit dann Aveiden ihnen einzelne Stücke
ihres Besitzes entrissen" ist mir in ihrer unbestinmiten Fassung
nicht allzu überzeugend.
Halle a./S. W. Schum.
Regesta Stolbergioa. Quellensamralung zur Geschichte der Grafen
A^on Stolberg im Mittelalter. Veranstaltet und bearbeitet von
Literatur. 173
Botho Grafen zu Stolberg -Wernigerode. Neu bearbeitet und
unter Beifügung einer Landkarte und Siegeltafei , sowie einer
Abhandlung vom Ursprünge der (rrafeu zu Stolberg herausgegeben
von (i. A. von Mülverstedt, K. Freuss. Staatsarchivar und üe-
heimem Ai-chivratbe. Magdeburg 1885. E. Baensch jun. XI,
115U SS. 8".
Wenn alle Glieder hoher und niederer Adelsfamilien, die es
je unternahmen eine Cxeschichte ihres Hauses und ihrer Familien zu
schreiben, neben der Liebe zu letzteren mit einem so hervorragenden
historischen Sinne und (jefühle für wissenschaftliche Kritik aus-
gestattet gewesen wären, wie der am 4. August 1881 verstorbene
Graf Botüo von Stolbeig-VVeruigerode, so würde die Wissenschaft
aus ihren Leistungen in noch weit höherem Masse, als es bis jetzt
möglich war, fruchtbringenden Nutzen zu ziehen im stände gewesen
sein. Die 1883 erschienene „Geschichte des Hauses Stolberg vom
Jahre liJlü bis zum Jahre 15 U", in deren Bearbeitung der Ver-
ewigte eine Hauptaufgabe seines späteren Lebens erblickt hatte,
die ihm zwar auch zu vollenden, aber nicht der Öffentlichkeit zu
übergeben vergönnt war, legt von jenen trefllichen Eigenschaften
ihres Bearbeiters ein ebenso mirdiges als unanfechtbares Zeugnis
ab: auf Schritt und Tritt sieht mau es dem umfänglichen Werke
an, dass ebensowohl ein unendlicher Eleiss und Eifer auf die Samm-
lung des erforderlichen weitschichtigeu und wtitzerstreuteu Materiales
verwendet worden sein muss, wie dass es nicht an vorsichtiger und
umsichtiger Kritik bei der Durchforschung, Sichtung und Ver-
werthung desselben gefehlt haben kann. Trotzdem über diese
Punkte an der Hand des Werkes selbst kein Zweifel bestehen
konnte, musste man an demselben doch den Mangel an Hinweisen
auf die bei den verschiedeneu Stellen benutzten (Quellen schmerzlich
vermissen; überdies lag ja auf der Hand, dass bei der hervorragenden
Stellung, die das Haus Stolberg in der historischen und politischen
Entwickelimg des Harzes tiud seiner Nachbargebiete einnahm, das
benutzte Qtiellenmaterial nicht nur die Grundlagen für die Geschichte
der Grafen, sondern auch eine ergiebige weitere Ausbeute für
Forschungen über alle die Faktoren, die je mit der Stolbergschen
Familie in Berührung gekommen waren, enthalten musste. Das
wusste in der That niemand mehr zu würdigen, als der jetzt re-
gierende erlauchte Graf, der, wenn auch selbst nicht Forscher, doch
mit dem lebhaftesten Interesse auf die Förderung aller Bestrebungen
zum Besten der heimathlichen und vaterländischen Geschichte be-
dacht ist; derselbe war daher eigentlich schon bei der von ihm
veranlassten Veröffentlichung der Hausgeschichie entschlossen, die
Quellenbeläge zu derselben m einem besonderen Bande nachfolgen zu
lassen, und so liegt nun nach \'erlauf dreier Jahre in dem beinahe
VZOü S. starken Bande eine Sammlung von nahezu 3UUU vorwiegend
urkundlichen, zum Theil auch annalistischen Kegesten vor, die selbst
nach einer in Zukunft zu veranstaltenden Ausgabe eines Urk.-B. der
Stoiberger Grafen ihren Nutzen und Werth uiclit verlieren wird. Da
der gräfliche Autor der Hausgeschichte selbst dem Gedanken an eine
Herausgabe jener Stücke nicht näher getreten war, so konnte freilich
die quellenlitterarische Hinterlassenschaft nicht ohne Weiteres der
Öffentlichkeit übergeben werden; dieselbe bedmfte vielmekr einer
immerhin zeitraubenden und mühevollen Überarbeitung, um manche
durch die Natur der Sammlung entstandene Ungleicbmässigkeiten zu
beseitigen und noch vollere Bürgschaften für die Vollständigkeit und
1 74 Literatni'.
Zuverlässigkeit der gegebenen Notizen bieten zu können. Dieser
Auf),^iibe hat sich mit ebensoviel Saolikenntnis und Eifer als pietät-
voller Selbstverläugnung Geh. Arehivrath von ilülverstedt unter-
zogen; derselbe hatte ja bereits die letzte Hand an die vom Grafen
Botho verfasste Ilausgeschichte gelegt, und nmss überhaupt auch den
früheren Sammlungen und Vorarbeiten des letzteren nicht fern ge-
standen haben, denn sonst würde es in jenem, für eine solche Über-
arl)eitnng doch nicht sehr grossen Zeiträume nicht gelungen sein,
das Ganze in der äusseren Form den Kegesta archiepiscopatus
Magtleburgensis so ähidich zu gestalten. Manches, was mir bei
aller Werthschätzung der letzteren nicht ganz an der daselbst
eingehaltenen Behandlungsweise zusagt, würde daher auch von den
Stoiberger Regesten gelten, doch kann hier nicht der Ort sein,
auf solche Einzellieiten einzugehen. Die Leser des „Neuen Ar-
chivs^ dürfte es wohl eher interessieren zu wissen, dass der Be-
ziehungen der Stoiberger Grafen zu ehemals und heute nach säch-
sischen Landestheilen und den Gebietern derselben überaus zahlreiche
und lebhafte waren, und dass dem entsprechend ein grosser Theil
der Kegesten, zumal von noch ungediuckten Urk., dem K. Haupt-
staatsarchive in Dresden verdankt wird; beinahe ein Drittel der
32 ungedruckten Urkunden, die die Regestensammlung aus dem 13. .Jh.
aufführt, sind von dort entlehnt, und mit der späteren Zeit wächst
nicht nur dieser Antheil, sondern zugleich auch das Verhältnis des
Gesamtvorrathes , denn während für das 13. Jh. überhaupt nur
250 Regestennummern vorliegen, hebt sich die Zahl derselben für
das 14. .Th. auf 450, für das 15. auf 1800 und sind die Jahre 1500
l)is 1535 durch 500 Stück vertreten.
Eine recht erspriessliche Ausnutzung dieses Urkundenschatzes
wird freilich für die, deren Studien nicht gerade unmittelbar auf
die gräflich Stolbergsche Familie und deren Besitzungen gerichtet
sind, erst dann möglich sein, wenn der noch in Aussicht gestellte
Registerband ersc'hienen sein wird; ich für meinen Theil würde es
lieber gesehen haben, wenn die erforderlichen Naniensverzeichnisse
gleich dem Hauptwerke beigefügt worden wären, selbst um den
Preis, dass die vom Herausgeber den Regesteu angeschlossene Ab-
handlung über den Urspiung der Grafen von Stolberg hierüber hätte
erheblicher gekürzt werden müssen. Wer weiss, ob diese treuliche
Zugabe und Ergänzung der Hausgeschichte, auf die einzugehen der
Verfasser der letzteren anfangs durch kritische Bedenken, später
durch die mit dem Tode endende Krankheit abgehalten worden war,
durch eine möglichst knappe (iestaltung nicht für weitere Kreise an
Übersichtlichkeit und durchschlagender Beweiskraft erheblich ge-
wonnen hätte? Namentlich die negative Seite der Beweisführung,
die Abweisung älterer Ansichten, die sich gleich auf den ersten
Blick als unhaltl)ai- kennzeichnen, durfte getrost mehrfach stärker
gekürzt werden und konnte der Herausgeber sich und dem Leser
das Eingehen auf vielerlei einschlägige Einzelheiten ersparen; auch
ohne diese wäre z. B. die Unglaubwürdigkeit des früher behaupteten
genealogischen Zusammenhanges der Stoiberger Grafen mit dem
römischen Colonnas scharf genug hervorgetreten, nicht minder auch
die der Annahme von Beziehungen zu einem fränkischen und rheini-
schen Dynastengeschlechte von Stallierg, von einer Alikunft von den
Grafen von Klettenberg, den Grafen von Beichlingen odci- den
Herren von AUerstedt und Beilstedt, die sich meistentheils auf an-
gebliche Gleichheit der Vornamen und der Wappen stützte. Weniger
Literatur. 175
hätte dagegen die positive Seite jener Ausführungen, der Beweis
einer Verbindung der Stoiberger Grafen mit dem Hause der Grafen
von Hohenstein, der Kürzungen bedurft. Ganz neu ist allerdings
die Aufstellung einer solchen Behauptung nicht, aber in der Art
und Weise, wie sich von Mülverstedt diesen Zusammenhang zurecht-
legt und begiündet, Aveiclit er doch erheblich und in vortheilhafter
Weise von der älteren Litteratur ab. Die überaus verwickelten
Ausführungen fussen in erster Linie darauf, dass bei einer Theilung
des Stoiberger Grafengeschlechtes sich der eine Zweig mit den
70er Jahren des 13. Jh. Grafen von Vockstedt (Yogtstedt) zu
ueimen beginnt; es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass ein
Edellierr Heinrich von Vockstedt, der 1200 in einer landgräflichen
und 1204 in einer königlichen Urk. als Zeuge erscheint, zur Stol-
bergschen Familie gehört ; da dieser Heinrich später nicht wieder vor-
kommt, dagegen an ganz entsprechenden Stellen seit 1210 ein Heinrich
von Stolberg auftritt, so hat man es sicherlich mit ein und derselben
Person und einer durch den Wechsel des Wohnsitzes herbeigeführten
Änderung des Namens zu thun. Sodann lässt sich von dem Territorium,
in dessen Mittelpunkt Vockstedt liegt und das sich mit letzterem
später in den Händen der Grafen von Stolberg befindet, zeigen, dass
es zu den ehemaligen landgräflicheu Gütern, die durch Eibschaft an
die Grafen von Hohenstein-Ilfeld kamen, geholte, wogegen nach-
weislich die um Stolberg selbst sich gruppierenden Gebiete einer-
seits in älterer Zeit durchaus in keiner Verbindung zu irgend einem
der benachbarten Grafenhäuser stehen, andererseits daselbst und vor-
nehmlich an den Grenzen die dinglichen Berechtigungen der hohen-
steiner und stolberger Grafen in ganz eigenartiger Weise und Aus-
dehnung durch- und ineinander laufen: selbst das Grafengericht zu
Vockstedt wird lange Zeit hindurch durch beide Familien gemein-
schaftlich geübt und erst 1298 findet der Rücketwerb des stolberger
Antheils durch die Hohensteiner statt. Mau ist daher berechtigt an-
zunehmen, dass der obenerwähnte Heinrich von Vockstedt ein Hohen-
steiner war und zu Anfang des 13. Jh. zwischen ihm und einem
Bruder oder Vatersbruder eine sog. Todttheilung eingetreten sein
muss, bei welcher dem letzteren der alte Stammname und das alte
Familieuw^appen blieb, während sich der erstere zu einer Änderung
nach diesen beiden Seiten hin entschloss. Hierfür ergiebt sich in
der That noch ein erhärtendes und bestätigendes Zeugnis durch ein
ganz neuerdings nachgewiesenes Regest einer leider verlorenen Ur-
kunde : obwohl dasselbe erst durch die Schwarzburgsche Chronik
des Jovius überliefert wird, so ist nach dem Inhalte desselben nicht
daran zii zweifeln, dass nicht lauge vor 1201 eine Theilung der
hohensteinschen Hausgüter zwischen dem Grafen Elger und den
ungenannten Söhnen seines Bruders Friedrich stattfand, und würde
Heinrich von Vockstedt als einer der letzteren anzusehen sein. Ln
Anschluss hieran wird endlich mit nicht minderem Nachdrucke und
Geschicke den Verwandtschafts- Verinuthungeu, die ältere und jüngere
Forscher an der Hand der Stolberger Wappen und Siegel aufstellten,
entgegengetreten, und man kann von Mülverstedt nur beistimmen,
wenn er das Siegelemblem des ältesten Stolberger Grafen Heinrich
für eine ]\Iuschel hält, die derselbe in Verfolg der Todtheilung aller-
dings nur für seine Person mit Rücksicht auf die Theilnalime am
Kreuzzug von 1227 angenommen habe ; erst sein Sohn Friedrich be-
dient sich seit 1252 des Hirsches als Abzeichen, wählend das gleiche
von seinem älteren Bnider seit 1267 nachweisbar ist; ein von diesem
176 Literatur.
abweichendes Siegel, das beide Brüder geraeinschaftlicb führen, ge-
hört dagegen dem .lahre 1253 an und kann daher durch dasselbe die
Priorität des Hirsches als Wappenthier nicht erschüttert werden;
wenn nach 100 Jahren dann ganz vereinzelt drei dem geistlichen
Stande angehörige Glieder des Grafenhauses das Hirschwappen
mit jenem der Brüder zusammenstellen, so ist das wohl darauf
zurückzuführen, dass der älteste von ihnen irgendwo das alte ge-
meinschaftliche Siegel fand und es fälschlich für ein zweites Ge-
schlechtswappen hielt, die Iteiden and(!ren hierin aber mechanisch
nachfolgten. Was aber jenes gemeinschaftliche Siegel von 1253 an-
geht, so weist von Müiverstcdt unumstüsslich nach, dass es aus
einem gespaltenen Schilde besteht und die auf den beiden Hälften
angebrachten Verzierungen mir die Bedeutung haben, die eine Seite
als farbig, die andere als metallisch erscheinen zu lassen, aber
durchaus nicht als Wappenltilder aufgefasst werden dürfen.
in diesen genealogischen und heraldischen Darlegungen, die
überdies durch die Siegeltafel und eine treffliche Karte unterstützt
werden, zeigt sich der Herausgeber als ein Meister auf diesen Ge-
bieten. Gross ist sein Schatz von Erfahrungen und Kenntnissen
innerhalb derselben und nicht geringer ist sein Geschick, sich der
liier gebotenen Hülfsmittel und Handhaben zu einer gesunden wissen-
schaftlichen Kritik zu bedienen. Die Herausgabe der werthvollen
Quellensammlung aus dem Nachlasse des Gi'afen Botho konnte eben
in keine besseren Hände gelegt werden.
Halle a./S. W. Seh um.
Beschreibende Darstellung der älteren Hau- und Kuustdenk-
niäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der Kgl. Staats-
regierung herausgegeben vom Kgl. Sachs. Alterthumsvereiu. Achtes
I Heft: Amtshauptmannschalt Schwarzenberg. Bearbeitet von Dr.
K. Steche. Dresden, in Kommission bei C. C. Meinhold u. Söhne.
1887. 68 SS. 8<*.
Es liegt in der Natur eines so gross angelegten Unternehmens,
dass nicht alle Abschnitte desselben ein gleiches Interesse darbieten,
und wer die Bearbeitung eines derartigen Stoffes übernimmt, nuiss
damit rechnen, dass auch minder werthvolle Denkmäler in seinem
Werke Aui'nahme riuden. Gegen die früheren Hefte sticht das achte
aus diesen Gründen etwas ab; die Arbeit des Herausgebers ist die-
selbe treue, zuverlässige geblieben, aber die Monumente der Amts-
hau])tiiiannschaft Schwarzeiiberg bieten wenig Bemerkenswerthes. Was
jedoch zu finden war, das ist gut ])eschrieben, zum Theil durch schöne
und weithvoUe Keprodukfioiien bekannt gemacht worden. Zu den
wichtigsten Denkmälern möclife ich die Sgrafüti an der Klosterkirche
zu Klösterlein aus dem 13. Jahrhundert zählen, den grossen Hoch-
altar der St. Wolfgangskirclie zu Schneeberg, von Lukas Cranach
d. Ä. gemalt, der in fünf zum Theil recht guten Lichtdrucken wieder-
gegeben ist, endlich den schon oft besprochenen Tristanteppich von
Schwarzenberg, von dem auch ein guter Lichtdruck uns geboten
wird. So sind wir auch für diese Publikation dem K. S. Alter-
thumsvereiu zu giösstem Danke verpflichtet.
Prag. Alwin Schultz.
J)er Seminargedanke in Kursaclisen und seine erste staatliche Ver-
wirklichung. Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens
des Königi. Sehullehrer- Seminars zu Dresden - Friedrichstadt am
Literatur. 177
23, September 1887 von Dr. Emil Tolile, Seminardirektor. Bei-
gaben: Zeittafel bemerkenswerther Tliatsachen aus der Geschiclite
des Seminars. Lelu'erverzeiehnis, Verzeicbnis der früheren Schüler,
geordnet nach der Zeit des Abgangs. Verzeichnis der gegenwär-
tigen Schüler. Abbihlungen des früheren und des jetzigen Seminar-
gebäudes. Dresden, Huhle. 1887. 211 SS. S".
G-. \. Lechler hat in dem Vorworte der Beiträge zui" sächsischen
Kirchengeschichte ausgeführt, dass die Geschichte des Dresdner Schul-
wesens ein der Bearbeitung würdiger Stoff sei. Wie fruchtbar dieser
Hinweis gewesen, zeigt vorliegende Arbeit, welche ziu- Kenntnis
jenes Gebietes wichtige Beiträge liefert, namentlich aber die erste
erschöpfende Geschiclite der Entstehung des hiesigen Friedrichstädter
Seminars und im Zusammenhange damit eine Darstellung des Ent-
Avickelungsganges des kursächsischen Seminarwesens bietet. Sie be-
handelt den Stoff weit über die auf dem Titel genannte Grenze hin-
aus und darf von niemand unbeachtet bleiben, welcher sicli mit
der Entstehung des Seminarwesens überhaupt beschäftigt. Mit stei-
gendem Interesse verfolgt man, wie das Problem der Lehrerbildung
erst sprunghaft, dann organisch zur Verwirklichung gelangt. Inso-
fern ist von den drei Perioden, in die der Verfasser die Geschichte
des sächsischen Seminarwesens eintheilt (S. 153), die erste die wich-
tigste und fesselndste.
Vor kurzem ist eine Äusserung des Oberhofpredigers Dr. Rein-
hard bekannt geworden (Zeitschrift für Gymnasialwesen, 1888, Januar-
heft, S. 19), in welcher derselbe hei Gelegenheit eines Gesprächs mit
dem Erfurter, später Berliner Rektor Johann .Joachim Bellermann
die Fürsorge der kurfürstlich sächsischen Regierung für die Lehrer-
bildungsanstalten hervorhob: „Unsere Fürstenschulen und Lehrer-
seminarien hält unser Kurfürst für die Edelsteine seines Kurhutes.
Durch sie l)ehaupten wir Kursachsen die Überlegenheit in den
Wissenschaften der alten Litteratur nicht nur über das südliche
Deutschland, sondern auch über Brandenburg und selbst Hannover."
Für dieses Wort finden sich in dem vorliegenden Buche die werth-
vollsten urkundlichen Belege. Aus ihnen geht deutlich hervor, wel-
cher imermüdlichen Fürsorge und energischen Massregeln es von
selten der kurfürstlichen Regierung, namentlich des Oberkonsistoriums,
bedurfte, lam die verschiedenartigsten Schwierigkeiten zu überwinden.
Besondere Anerkennung verdient das lebhafte, persönliche Interesse
der leitenden Persönlichkeiten der letztgenannten Behörde. Nanient-
lich tritt uns in dieser Richtung die unermüdliche Thätigkeit des
Grafen Peter Hohenthal entgegen, dessen Verdienste um Hebung des
Schulwesens und Wohlstandes in Sachsen Verfasser zum erstenmale
würdigt und mit warmer Anerkennung zur Darstellung bringt. Es
Aväre eine dankbare Aufgabe, die Thätigkeit dieses edlen Mannes
auf sozialpolitischem und religiösem Gebiete (vergl. die prächtige
Ausführung S. 76. 77) genauer nachzugehen, Avie auch sonst in dei'
Schrift eine Reihe fruchtbarer Winke für weitere Forschung gegeben
werden, z. B. bezüglich des langjährigen, unermüdlichen Dresdner
Superintendenten V. E. Löscher. "Vielleicht lässt sich Verfasser zu
weiteren Studien um so mehr bereit finden, als seine Bemühungen
mit so reichem Erfolge gekrönt worden sind. Über die Methode ist
noch hervorzuheben, dass der zerstreute Stoff mit glücklichem Griffe
aus einer Reihe kleiner Einzeldrucke und umfangreicher Zeitschriften,
sowie aus den Akten des hiesigen Kgl. Hauptstaatsarchivs und des
Neues ArchW f. S. C. ii. A.. IX. 1. 2. 12
lYS Literatur.
Kgl. Kultusministeriums gesaiumelt uud mit grosser Sorgfalt ver-
arbeitet ist.
Dresden. Georg Müller.
Der Köiii|?l. Orosse dJarton bei Dresden in Vergangenheit und
Uegeiiwart. Von E. am Ende. Dresden, v. Zahn u. Jaensch. 1887.
36 SS. 8".
Wir empfehlen das kleine, anspruchslose, aber nach den Akten
und sonstigen zuverlässigsten Quellen gearbeitete Büchlein all den
/ahlreichen Freunden des Grossen Gartens auf das angelegentlichste.
Sie werden darin nicht nur über die ursprüngliche Anlage, die viel-
fachen Erweiterungen, die wechselnden Bestimnumgen und Schick-
sale desselben, sondern auch ülier alle darin befindlichen Gebäude,
Statuen, Wirthschaften, die verschiedenartigen darin abgehaltenen
Feste und Lustbarkeiten aller Art, sowie über den gegenwärtigen
Zustand desselben, einschliesslich des Zoologischen Gartens, genaue
und sichere Auskunft finden.
Dresden. Knothe.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Alterthumskunde^).
Arndt, Wilh. Die Sendung des Grafen Schlippenbach zu Kur-
brandenburg und Kursachsen im Jahre 1654 : Zeitschr. für Gesch.
u. Politik. 1888. S. 11-32.
Auerbach, Bertr. La Diplomatie et la cour de Saxe (1648—1680).
These presentee ä la facultö des lettres de Paris. Paris, Ha-
chette et ci«. 1887. XXIV, 491 SS. 8».
Berling s. Gurlitt.
B((rfsch, L. Hat Barbara Uttmann in der That das Klöppeln im
Erzgebirge eingeführt ? Wissenschaftliche Beilage der Leipziger
Zeitung. 1887. No. 96. S. 577—582.
Ih-efscinuider, E. Heimatkunde von Limbach und Umgegend.
Für Schule und Haus bearbeitet. Mit 16 Abiiilduugen, einem
Stadtplane und einer Karte der Umgegend. Limbach, Ulbricht.
1887. 45 SS. 80.
1) Da über die thüringische Litteratur, welche wir bisher an
dieser Stelle ebenfalls berücksichtigten, in Zukunft die Zeitschrift
des A't-reins für Thüringische Geschichte und Alterthumsknnde biblio-
graphische Übersichten bringen wird (vgl. diese Ztschr. K. F. V,
362 flg.), so beschränken sich unsere Angaben fortan auf das engere
Gebiet des Neuen Archivs. Um auf diesem die wünschenswerthe
Vollständigkeit zu erreichen, bittet der Herausgeber die
Herren Verfasser, Verleger und Redaktionen ange-
legentlich, ihn durch Zusendung der neu erscheinen-
den Publikationen auf dem Gebiete der sächsischen
Geschichte, namentlich solcher, die leicht der Beach-
tung entgehen (Gelegenheitsschriften, Programme, klei-
nere Aufsätze in Zeitschriften und Zeitungen), gefäl-
ligst nnti' rstiitz en zu wullen.
Literatur. ' 1 79
Frhr. v. Bicdcrmnnn. (ioetlies Briefweclisel mit Friedrich Rochlitz.
Mit Bilduiss luid Handscliriftnachbildung. Leipzig, v. Bieder-
mann. 1887. XXYI, .525 SS. 8».
Buchwald. Beiträge zur Geschichte des vogtländischen Adel.s (VII.
Die Familie von Schönfels): Wissenschaftliche Beilage zur Leip-
ziger Zeitung. 1887. No. 100. S. 609—611.
Distel, Th. Gedicht zur Vermähhuig des Herzogs Johann Georg (I.)
von Sachsen: ebenda No. 89. S. .536.
— Verfahren Kurfürst Augusts gegen Wilddiebe: Waidmann. Bd.
XIX. S. 67.
— Bildwerke aus dem Nachlasse Katharinas, Herzogin zu Sachsen,
geb. Herzogin zu Mecklenburg: Kunstchronik (Beiblatt zur Zeit-
schrift für bildende Kunst). Jahrg. XXIII. (1888.) Sp. 245 f.
Berichtigung dazu: ebenda Sp. 294.
— Das Modell des Tempels Salomonis und ein angebliches Werk
Michelangelos in Dresden: ebenda Sp. 347— 350.
— Zwei eigenhändige Schreiben Mag. Joh. Schreckenfuchs' (1607):
Colditzer Wochenblatt vom 15. Febn;ar 1888.
Elterich, J. G. Die geschichtliche Entwickelung der sächsischen
Seminare und ihre zu erhoffende Weiterentwicklung. Denkschrift
zum 100jährigen Jubiläum des Kgl. Lehrerseminars zu Friedrich-
stadt-Dresden. Leipzig, Brandstetter. 1887. 40 SS. 8«.
Erbstein, Jiil. und Alb. Der kurfürstlich sächsische Eisenschneider
Paul Walter und seine Arbeiten. Mit Vorbemerkungen über die
älteren Dresdner Künstler Namens Walter. Mit einer Tafel.
Dresden. 1886. 18 Sp. 4P.
Falckenheimer, Wilh. Philipp der Grossmüthige im Bauernkriege.
Marburg, N. G. Elwert. 1887. 142 SS. 8^.
Gess, Fei. Die Klostervisitationen des Herzog Georg von Sachsen.
Nach ungedruckten Quellen dargestellt. Leipzig. Th. Grieben.
1888. IV, 54 SS. 8f.
Gurlitt, C. Aus den sächsischen Archiven. III. Goldschmiede im
16. Jahrhundert am sächsischen Hofe. IV. Drechsler am säch-
sischen Hofe: Kunstgewerbeblatt. Jahrg. III. (1887.) S. 177
bis 179, 216—218, 240 f. Jahrg. IV. (1888.) S. 78-81.
Gwlitt, C, und Berliny, K. Daniel Bretschneider: Kunstchronik
(Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst). Jahrg. XXIII.
(1888.) Sp. 239—241.
V. Hase, 0. Die Entwickelung des Buchgewerbes in Leipzig. Vor-
trag, gehalten in der 28. Hauptversammlung des Vereins deutscher
Ingenieure zu Leipzig am 15. August 1887. Leipzig, Hedeler.
1887. 56 SS. 8».
Hasse, G. Geschichte der sächsischen Klöster in der Mark Meissen
und Oberlausitz. Gotha. Perthes. 1888. VIII, 317 SS. 8».
Hcliander. Das erste deutsche Colleg zu Leipzig am 24. Oktober
1687. Zur Erinnerung au Christian Thomasius: Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 84. S. 501 f.
Hertcl, Gustav. Die Hallischen Schöffenbücher. Zweiter Theil.
(1401 — 1460.) Herausgegeben von der Historischen Kommission
der Provinz Sachsen. (A. u. d. T. : Geschichtsquellen der Provinz
Sachsen und angrenzender Gebiete. 14. Bd. 2. Theil.) Halle,
Hendel. 1887. VIII, 639 SS. 8».
Hiller, Bob. Bad Linda -Pausa. Mit zwei Illustrationen in Licht-
di-uck und einer Karte der Umgebung. Plauen. Kell. (1887.)
24 SS. 8'^'.
12*
1 so Literatur.
Hülssc, Fr. Der Streit Kardinals Albrecht, Erzbischufs vuii 3lagde-
Inirg', mit dem Kurt'ürst(Mi Johann Friedrich von Sachsen um die
magdeburgische Burygrafschatt : Goschichtsblätter fü}' Stadt und
Land Magdeburg. 22. Jahrg. (1887). S. 113—152, 2H1— 288,
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Jentsch, J. A. Der Name Sebnitz : Über Berg und Thal. 1887.
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Johne, Alb. Geschichte der Sächsischen Pferdezucht. Auf akten-
mässigen Gnuidlagen unter Mitwirkung des Oberstlieutenant
Adolf Schlaberg zusammengestellt und bearbeitet. Mit zwei
Lichtdi'ucktafelu und sechs Holzschnitten. Leipzig. Volckmar.
1888. XVI, 241 u. 107 SS. 8".
Kirchhoff', Albr. Die Leipziger Büchermesse von 1550 bis 1650 :
Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels. XI. (Leipzig
1888.) S. 183—203.
— Leipziger Sortinientshändler im 16. Jahrhundert und ihre Lager-
vorräthe: ebenda S. 204—282.
— Metallschnitt im Buchdruck: ebenda S. 358.
— Zu Christoph Kirchners Concurs: ebenda S. 359.
Klix-Kamenz, F. F. Die Familie von Lessing: Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung. 1888. No. 6. S. 33 f.
Kohl, Dietrich. Die Politik Knrsachsens während des Interregnums
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Kolde, Th. Das zweite Breve Adrians an Friedrich den Weisen
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Korscheit, G. Die Strafen der Vorzeit in der Oberlausitz: Neues
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— Kriegsdrangsale von Görlitz und Umgegend zur Zeit des dreissig-
jährigen Krieges: ebenda S. 332—350.
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Heft 1. Leipzig, Rossberg. 1888. 63 SS. 8'\
Küppers, Paul. Ein Beitrag zur Geschichte des Musik - Instru-
mentenmacher-Gewerbes mit besonderer Rücksicht auf Leipzig.
Inaug.-Diss. Leipzig. 1886. 48 SS. 8^.
Larrass. Geschichte des Königl. Sachs. 6. Infanterie -Regiments
No. 105 und seine A^orgescliichte 1701—1887. Mit Benutzung
officieller Quellen bearbeitet. Leipzig, Giesecke u. Devrient.
1887. IX, 603 SS. 8».
-Lawe s. Schum...
Lehmann, 0. Überblick über die Thätigkeit des Gebirgs- Vereins
für die sächsisch-böhmische Schweiz in den ersten zehn .Jahren
seines Bestehens: Jahrbuch des Gebirgs-Vereins etc. III. (1887.)
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schrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthums-
kunde. N. F. Bd. V. S. 340—343.
Lobe. Über Friedrich den Freidigen und das Pleissnerland zu seiner
Zeit, nebst Anhang über die Vormundschaft des Vogts Heinrich
Reusä von Plauen für Markgraf Friedrich den Ernsthaften : Mit-
theilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesell-
schaft des Osterlandes. Bd. 9. Heft 3. (1886.) S. 326—356.
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zu ihrer Geschichte, besonders in Sachsen: Archiv für Geschichte
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MüUer, Joh. Adam Ernst Senfft von Pilsach: Wissenschaftliche
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Oertcl, G. Zur Geschichte der sächsischen Lotterie: Wissenschaft-
liche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 87. S. 521 f.
— Einiges vom Aberglauben in unserem Volke: ebenda No. 103.
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— Zui- Geschichte des Weinbaues in Sachsen: ebenda 1888. No. 21.
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Otto, YUdor. Das Recht der Lchngüter in den Erblanden des Kö-
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C. V. H.faah]. Auszüge aus den Kirchenbüchern der im sächsischen
Vogtlande gelegeneu Pfarren zu Altensalz (1586—1800), Bergen
(1589—1635 und 1723-1772), Theuma mit Filial Tirpersdorf
(1632—1800) und Werda (1599-1765): Vierteljahrsschrift für
Heraldik, herausgegeben vom Verein Herold. Jahrg. XIV. (1886.)
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No. 76, 78, 88, 102. S. 457— 4.'-)9. 468-470, 527—529, 630 bis
632. 1888. No. 6. S. 34—36.
Enge, S. Rede auf Uützinger: Jahrbuch des (lelnrgs- Vereins für
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(leschlec'htern. Merseburg, Steffenhagen (Komm). 1887. 365 SS.
mit 3 Tafeln und 7 genealogisclien Tabellen 8".
Schönermark, Gustav. Beschreibende Darstellung der älteren Bau-
und Kunstdenkmäler der Stadt Halle und des Saalkreises (A. u.
d. T. : Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler der Pi-ovinz Sachsen und angrenzenden Gebiete. Her-
ausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz Sachsen.
Neue Folge. 1. Bd.) Mit 32 Tafeln und gegen 400 in den Text ge-
druckten Abbildungen. Halle a./S., Hendel. 1886. VIII, 619 SS. 8^
Schön icählcr. Das Quellgebiet der Görlitzer Neisse oder der Zagost
und seine Bevölkerung (Schluss) : Neues Lausitzer Magazin.
n888.) Bd. LXIIL S. 197—250.
V. Schubert. Charakteristik der Kriegführung im 7jährigen Kriege,
mit besonderer Beziehung auf den Kriegsschauplatz in Sachsen.
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ausgegeben von J. Hermann und J. Jastrow, VI. Jahrg. (1883.)
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nordböhmischen Genealogie, nach Urkunden bearbeitet : Viertel-
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Werl, Adolph. Das Vorkommen von Gold in Sachsen einst und
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Will, K. P. Sanet Benno, Bischof von Meissen. Quellenniässige
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Mit einem Bildnisse des heiligen Benno. Dresden, P. Schmidt
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Witfcr, JnJ. Die Beziehungen und der Verkehr des Kurfürsten
Moritz von Sachsen mit dem römischen Könige Ferdinand seit
dem Abschlüsse der Wittenberger Kapitulation bis zum Passauer
Vertrage. Neustadt a./d. Haardt. 1886. 88 SS. 8».
Woermann, K. Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Dres-
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lungen für Kunst und Wissenschaft. Grosse Ausgabe. Dresden.
1887. XXVIII, 887 SS. 8".
Literatur. 183
Wustmann, G. Wilhelm Dilicli: Zeitschrift für bildende Kunst.
Jahrg. XXIII. (1888.) S. 110—116.
Frhr. v. Zedtwitz, Arthur. [Die Wappen der im Königreiche Sach-
sen blühenden Adelsfamilien : von der Crone — von Funcke] : Dres-
dener Residenz-Kalender für 1888. Dresden, Warnatz & Leh-
mann. S. 1.59-170.
Zimmermann, Paul. Heinrich Gödings Gedicht von Heinriih dem
LöAven: Beiträge zur üescliichte der deutschen Sprache und
Litteratur. Bd. XIII. S. 278-310.
Zöllner, C. W. Geschichte der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz
von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Chemnitz, Troitzsch.
1888. VIII, 504 SS. 8».
Chronik, kurze, der Stadt Chemnitz. Vom Entstehen bis zur
neuesten Zeit 1136—1887 mit freiem Raum zur Fortführung bis
zum Jahre 1900. Mit dem kolorierten Stadtwappen von Chemnitz,
entworfen von E. Doepler dem Jüngeren. Ein Gedenkbuch für
jede Chenmitzer Familie. Chemnitz, Focke. (1887.) 23 SS. 4P.
Flugblätter, das Leben Wilhelm Leberecht Götziugers betreffend:
Jahrbuch des Gebirgs- Vereins für die sächsisch-böhmische Schweiz.
III. (1887.) S. 38—46.
Sächsische Volksschullehrer vor der Zeit der Seminare: Wissen-
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 75. Seite
449—457.
Mansfeläer Blätter. Mittheilungen des Vereins für Geschichte und
Alterthümer der Grafschaft Mansfeld zu Eisleben. Herausgegeben
von H. Grössler. Erster Jahrg. 1887. Eisleben. 1887. 2 Ell.
132 SS. B».
Inhalt: Grössler, Nachlese von Sagen und Gebräuchen der
Grafschaft Mansfeld und ihrer nächsten Umgebvmg. Rembe, H.,
Der Briefwechsel des M. Cyrianus Spangenberg. (1. Hälfte.)
Mittheilwtyen des Alterthumsvereins zu Plauen i./V. Sechste
Jahresschrift auf die Jahre 1886—87. Herausgegeben von Joh.
Müller. Plauen. 1887. XCV, 107 SS. 8".
Inhalt: Joh. Müller, Die Protokolle der Kirchenvisitationen
in den Ämtern Vogtsberg und Plauen vom 15. Februar bis 6. März
1629 und vom 23. März bis 13. April 1533, bez. in Elsterberg
vom 19. bis 20. September 1533. C. v. R[aab], Beiträge zur
Geschichte des Vogtländischen Adels. Ders., Das Rittergut
Pohl und seine früheren Besitzer. J. Müller, Eine Predigt
Paul Rebhuns nebst Bemerkungen über seine Schriften. Ders.,
Kirchliche Landesordnung des Kurfürsten Johann von Sachsen
vom Jahi-e 1527. A. Neupert, Zur Geschichte der Tischler-
und Glaser-Innung in Plauen i./V. C. v. R[aab], Vogtlän-
dische Heirathsausstattungen im 16. Jahrhundert.
Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte and Alter-
thumskundc. Band V. Heft 2. Dessau. 1887. S. 65—136. S''.
Inhalt: Stenzel, Wahlsprüche Anhaltischer Fürsten und
Fürstinnen und ihrer nächsten Anverwandten. Suhle, Greff,
Schulmeister in Dessau, der Verfasser des Dramas vom Patriarchen
Jacob. R. Köhler, Ergänzungen zu G. Krause, Urkunden,
Aktenstücke und Briefe zur Geschichte der Anhaltischen Lande
und ihrer Fürsten. (Leipzig. 1866.) Ho saus. Dichter und
Dichterinnen aus dem Hause der Askanier. Blume, Littera-
rische Xachweise zur Geschichte und Landeskunde Anhalts.
\^^ Literatur.
MiWieihinqcn des Yerriris für Geschichte Dresdens. Achtes Heft.
Dresden, Tittmami (Komm.). 1888. 110 SS. 8».
Inhalt: Neidliard t , Der Xafhlass des knrsiichs. Preniier-
ministers Reichsgrafen Heinrich von Biiihl. Hantzsch, Ge-
schichte des Dresdner Christmarkts. Ders., Der lleisewitzische
(iai'ten in PLanen hei ])resden. „Verehrungen" des Jlathes zn
Dresden an hoho Beamte 1680 his 1718. Gr. Müller, Die (Geist-
lichkeit der Siiperintendentur Dresden im Jahre 1578.
Berichtigungen und Ergänzungen.
Zu der in Band VIII dieser Zeitschrift erschienenen Studie
über Heinrich Giiding d. Ä. füge ich — einer gütigen Mittheilung
des Herrn Kathsarchivar Dr. Kichter gemäss — ergänzend hinzu,
dass von den (S 334) Ijesprochencn 18 von Clöding geraalten Bildern,
welche ehemals die Frauenkirche, später die Sophienkirche zu Dres-
den schmückten, sich heute noch, freilich in ziemlich schlechtem Zu-
stande, zehn in der Stadtbibliothek zu Dresden befinden.
K. Berling.
Band VIII S. 121 N. 10 lies: 1574 statt 1754 (in der Überschrift).
„ 128 ist Anmerlamg 28 zu streichen; Rudolf Hilde-
brand theilte mir nämlich neuerdings mit, dass
unter „Kabelhau" eher das Hauen in einem
bestimmten Waldstücke (Kabel) zu verstehen
sein dürfte.
Zu ,. „ ,. 148 Anm. 3 trage ich noch nach: J. u. A. Erbstein,
Paul Walther etc. (1886.) Sp. 4 flg.
„ 149 (vüL auch die Berichtigung am Ende des betr.
Bandes) ist das Datum „26. November 1599"
richtig, doch ging die dort erwähnte Erlaubnis
nicht voin Kurfürsten August, sondern vom
Administrator Friedrich Wilhelm aus.
„ Ebenda Anm. 5 lies: Loc. 7341 statt Loc. 3741.
„ ,, „6 . B1.271'-.
„ 7 und S. 1.50 Anm. 8 lies: Anm. 4 cit.
statt Anm. 1 cit.
Th. Distel.
Grundriss des kurfürstlichen Opernhauses 1664.
el I.
Grundriss der katholischen Hofkapelle 1708.
Das Innere c
fei II.
Opernhauses 1678.
i«^s«:-:
Das Inner
1 III.
er Hofkapelle 1719.
vn.
Beiträge
zur Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna
auf Grund der Stadtreclinungen des
15. und 16. Jahrhunderts.
Von
Reinhold Hofmann.
Die Stadt Pirna, günstig- gelegen und schon im
13. Jahrhundert — zwei Jahrhunderte früher als Dresden
— mit dem gewinnbringenden Niederlagsrecht (Stapel-
recht) ausgestattet, hatte bereits in früher Zeit eine
reichliche Anzahl von Archivalien, die sich infolge des
weitverzweigten Geschäftsverkehrs rasch anhäuften, eine
wachsende Menge von Schieden, Rezessen, von immer
wieder erneuerten Privilegienbriefen ^). Sie wurden auf
dem Eathhause aufbewahrt und als werthvolle Beweis-
stücke von Rechten und Freiheiten mit ängstlicher Sorg-
falt bewacht und geheim gehalten. Als der Konrektor
der Pirnaer Stadtschule Salomon Petermann am Ende
des 17. JaMmnderts, wie schon vorher sein Vater, Rektor
1) Die durch Brand zerstörten Privilegienbriefe, die Markgraf
Heinrich der Stadt verliehen hatte, erneuerte im Jahre 1325 König
Johann von Böhmen, namentlich das Recht der Niederlage und La-
dung, die Zollrolle, sowie Bestimmungen ü]}er Ausübung der Gerichts-
barkeit und über das IMarktrecht. Die umfängliche und interessante
Urkunde ist abgedruckt im Cod. dipl. Sax. Eeg. II. 5, 337 tlg. nach
dem lateinischen. .Original im Rathsarchiv zu Pirna. Zahlreiche
Abschriften und Übersetzungen finden sich ebenda.
186 Reinhold Hofmann:
Tobias Petermann der Altere, im Auftrage des Rathes
schwer lesbare Urkunden abschrieb und lateinische „in
ein gut Deutsch" übersetzte, musste er schAvören, dass er
„mit denenjenigen Urkunden und Briefschaften, als welche
E. E. Ilatlies und der ganzen Stadt allhier Privilegia,
Freiheiten und Gerechtigkeiten betreffen und ihm jetzo
nach und nach zum glaubwürdigen Abkopieren des vorfal-
lenden Bedürfnisses halber originaliter anvertraut sollen
werden, getreulich, gebührend und vorsichtig wolle um-
gehen, die Originalia, wie sie ihm würden zugehändiget,
ganz im geringsten nicht verfälschet, radieret und kor-
rigieret allemal wieder ausstellen, davon nichts abhanden
kommen, keine sonderliche Abschriften vor ilni oder vor
andere machen lassen oder niemandem andern dergleichen
einigerlei zu tlmn gestatten, dieselben auch nicht gefähr-
licher Weise divulgieren, sondern verschwiegen halten
wolle"-). Das schrecklichste Jahr der Geschichte Piinas,
das Jahr des „Pirnaischen Elends" 1639-^), wurde ver-
hängnisvoll auch für die Urkundenschätze der Stadt.
„Gleichermafsen hatte", so berichtet ein Augenzeuge, „diese
feindlirlie rabies auch des Rathhauses nicht verschonet,
indem alle brietiiche Urkunden an Privilegien, Pechnungen,
(^)uittungen, Kaufbüchern und andei-e Sachen mehr aufu
Markt lieruntergeworfen worden, welche, als der nächst
anwohnende Bürgei-meister Christoph Werner gesehen, dass
die Soldaten viel darvon zu Patronen und anderm zer-
rissen und hinweggetragen hatten, der llatli bei General
Banner ausgebeten und in Tragekörben und Butten wie-
derum!) liinauf in ein „ Samosorrium " eilfertig bringen
und werfen lassen"'*). Gerettet wurde glückliclierweise
-) Dies berichtet Tobias Petermann d. .)., des Salonion
l'rndor, in seiner im ersten Dritttd des 18. .lahrhnntlerts verfasston
Clironik von Pirna (Handsclirift des Kathsandnvs). Baurechnnnü:
1567: 13 Gr. Lnx. — (V) von 1 .Schloss, ßandt nnd lieberinge an
den Gasten, dar ein die Privilegia zu b^gen.
"_) In dem „Untertbänigsteu Lanilesbcricbt an Knrf. Dnrchl.
von dem Elend des ganzen Landes auf dem Landtage 1640" heisst
es: „Pirna beklagt sich buchst, dafs sie an Kriegsschaden
93675 Tliater zu s])ecilizieren und dafs ao. 1639 die ganze N'or.städt
an 380 Häusern, die Kirchen (Xikolaikircbe), das H(»si)ital, nebst
allen Seheuneii, X'iirwcrkeii, 6 ]\Iüblen, 2 Ziegelüfcn, dem iJorf Co])itz,
wie auch in der Sta<U 3 Pfarr- und 70 Wohnhäuser in die Asche
geleget, die Stadt V(im Feinde gestiirmet, erobert, dreimal geplündert
und 23 Wochen bniu- in des Feindes (Jewalt gewesen."
"*) Kigentliche |]Vacbri(bt|ung . . . . Wie der Cron Schweden Ge-
neral und Feld Marschall Herr .Johann Banner, dem 16. April ao.
Beiträge znr Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna. 187
aiicli (las geographisch -liistorischo, bis zum Jahre 1530
reichende Sammelwerk des „Pirnaischeii Mönchs" Johann
Tjindner. „Dieses Manuscriptum", so steht auf einem an
die Innenseite des vorderen Einbanddeckels angeklebten
Quart blatte, „ist im dreiisigj ährigen Kriege in der Stadt
Pirna von denen Soldaten, so Geld in Büchern gesucht,
nebst anderen ausgestankert und hingeworfen, sodann zu
einem Wiirzkrämer gebracht worden, welcher es zu
Tüten brauchen wollen, auch bereits einen Anfang damit
gemacht, bis ungefähr ein alter Geistlicher unweit Pirna
in selbigen Laden gekommen und als ein curieuser Phi-
lister es vom Untergange noch errettete'-. Den noch über
700 Blätter enthaltenden Codex überliess Johann Konrad
Knauth (1662 — 1732) „als eine Rarität in die zahlreiche
llathsbibliothek in Leipzig"'^), wo er sich noch heute als
einer ihrer werthvollsten Schätze befindet*^). Im letzten
Drittel des 17. Jahrhunderts hat der Syndikus Samuel
Lufft „die in voller Konfusion beim Archivis befundenen
Documenta nach Unterscheid derer mancherlei Materien
lociert, kurz, aber möglichst vollkommen extrahiert und
sie unter gewisse titulos in ein Repertorium gebracht".
Zu dieser mühevollen Arbeit hat ihn „einzig und allein
sein aufrichtig gutherziges Gemüthe bewogen und die
Liebe zu des gemeinen Stadtwesens herrlichen Verfass-
und Ordnungen, wie auch den darauf fmidierten vortreff-
lichen Freiheiten". 1685 war die vierzehnjährige, ver-
dienstvolle Arbeit vollendet"). Als Lufft 1671, 17. Mai,
sein Jurament als Stadt- und Gerichtsschreiber leistete,
hatte er ausnahmsweise die Erlaubnis erhalten, Acta,
Register, Missiven u. a. dem Rath und den Gerichten
zugehörige Sachen mit nach Hause nehmen zu dürfen,
1639 die Stadt Pirna .... Bloquiret am 23. April eingenommen.
(Handschrift des Kathsarchivs.)
•') Dies versichert Knauth selbst in einer eigenhändigen Notiz
bei Wilisch, Vorrath zur Pirn. Historie (Auuaberg 1724) S. 3 quer
am Kande ..(Exemplar in der Kgl. Bibl. zu Dresden, Hist. Sax.
H. 571). Über den „Pirn. Mönch" und sein Werk s. meine Ab-
handlung: Die kirchlichen Zustände der Stadt Pirna vor der Ein-
führung der Reformation im Jahre 1539 (Beigabe zu dem Programm
der Realschule mit Progymnasium zu Pirna. Ostern 1887) S. 63 flg.
") „....iure suo in pretiosissimis bibliothecae codicibus lESS.
liabitus." Naumann, Catalogus libr. mscr. qui in bibl. senat. civ.
Lips. asservantur ((ärimae 1838) p. 135.
') Sie wird in 2 Exemplaren (darunter eine Abschrift aus dem
Ende des vorigen Jahrhunderts) im Rathsarchiv aulljewahrt. Eine
Abschrift auch in der Kgl. Bibliothek zu Dresden.
188 Rcinhold Hofmaim:
aber „aiiiser Gebrauch soll er sie iiiclit in sseiiier Piivat-
wolimiiig' liegen bleiben lassen, sondern wieder in den
p:eliüri<2;en Ort befürderii". (Ratlis])rut.) Lnttts Nacli-
folger, der Syndikus Dr. Tobias IJartli, eni[»ralil 1701
dem llatli die Anlegung' eines feuerfesten (jieniaclis für
die Akten und das Archiv*^). 218 (Julden wurden hierzu
aus der Kammer bewilligt. Im Jahre 1706 rettete man
bei der Nachricht von dem Heranrücken der Schweden
die städtischen Urkunden in zAvei Laden auf den König-
stein''}. Infolge eines kurfürstlichen Reskripts vom 3. De-
cember 1728 sollte der Syndikus Dr. Johann Nathanael
Barth die seit 1701 ergangenen Acta und Protokolle u. a.
im Aerario i)ul)lico voi-liandenen Schriften und Documenta
durchgehen, und wo bei einem otler dem andern etwas
zu erinnern sei, solle er dies in ein Verzeichnis bringen,
damit in zweifelhaften Fällen hölieren Orts angefragt
werden könne. Darauf wurde der „Syndikus als Archi-
varius" nochmals auf seine des StempeliJapiers wegen
geleistete Ptiicht gewiesen und dem Bürgermeister Gott-
schalch darüber der Haudsclüag abgestattet^"). In der
Mitte des voiigen Jahrhunderts haben zwei Pirnaer Schul-
männer, Kantor ('hristian Heckel und Rektor M. Karl
Gottfried Zaake, die Urkunden der Stadt lleissig studiert,
aber Zaakes Plan, eine auf diesen Forschungen beruhende
Geschichte Piiinis zu schreiben, ist leider nicht zur Voll-
endung gekommen ^^). Die Klage K. A. Engelhai'dts,
des A^'erfassers einer „historischen Skizze von der Stadt
Pirna", aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts'-): ,.Die
meisten Städte Sachsens haben ihre Annalisten gefunden,
Avelche voluminöse Chroniken hinterliessen, und gerade
Pirna, eine in jeder Rücksicht so merkwürdige Stadt,
kann bis jetzt noch keine nur mittelmässige Chronik, viel
weniger eine historisch -kritische Darstellung ihrer Ge-
schiclite aufweisen", hat noch heute ihre Berechtigung.
Die städtischen Urkunden bis zum Jahre 1483 (die
das Dominikanerkloster betretf enden bis zum Jahre 1548)
8) Rathsprotokoll 1701, 5. April.
ö) Rathsprotokoll 1706, 7. Sept. — „1707, 14. Sept. ist das
Archiv von der Eestung Avieder anhero gebracht worden." (Raths-
protokoll d. d.)
10) Rathsprotokoll vom 24. Febr. 1729.
") S. meine obenerwähnte rrogrammabhandlung S. 12.
12) In AVeisses Museum für die Sächsische (jreschichte, Lit-
teratur imd Staatskuude. III, 195—222.
Beiträge zur Verfassungsgesdiichte der Sttult Pirna. 189
sind — mit Ausiialime von aclii - zum eisten Mal f;"c-
(Iriickt worden (1875) im Codex Diploniaticus Saxoniae
Ivcgiae, II. Hani)ttlieil, 5. Band, S. 328 — 493, nachdem
Dr. Pfotenliauer, jetzt Kgl. Areliivar zu ]>i'eslau, im
Jahre 1808 einen Theil des mittlerweile halb vergessenen
städtischen Archivs wieder ans Tageslicht gezogen hatte.
Die Pergamenturkunden (darunter die älteste vom Jahre
1294) fand er in der dunklen und unriihndichen Tiefe
zweier Kartotfelsäcke auf einem rinstei'en Bodenraum des
alten Kathhauses. Erst in den letzten Jahren ist dem rüli-
menswerthen und pietätvollen Eifer des Stadtrathes, die
reiche Vergangenheit unserer interessanten alten Stadt
den Herzen der gegenwärtigen Stadtbewohner wieder
näher zu bringen, ein erfreulicher Aufschwung des ge-
schichtlichen Sinnes zu danken. Zeugen dieser wieder-
erwachten Liebe zur Geschichte der Vaterstadt, die schon
in der Brust des wackeren Sj^ndikus Samuel Lufft so
warm gele1)t und aus seinem Munde so treuherzigen Aus-
druck gefunden hatte, sind die Schöpfung eines städtischen
Kustosamtes und die Begründung eines Geschichtsvereins.
Das Archiv und städtische Museum steht seit mehreren
Jahren unter der umsichtigen Leitung des Herrn Keal-
schuldirektor Dr. Muth. Die Schätze des Arcliivs sind
trotz mancher Verluste, die Kriegsdrangsale und ver-
ständnislose Gleichgültigkeit gebracht haben, noch heute
recht beachtenswerthe und reichhaltige.
Die Stadtreclmuiigeu des 15. und IG. Jahrhunderts.
Eine wichtige Quelle für Städtegeschichte sind die
S t a d t r e c h n u n g e n ( Kämmereii'echnungen, Kammerrech-
nungen [K. R.] : die Kammer Avar der Aufbewahrungsort
des städtischen Vermögensbestandes). Sie sind die amt-
lichen Einnahme- und Ausgabeverzeichnisse des Käm-
merers, des mit der Leitung des städtischen Rechnungs-
wesens betrauten Rathsherrn , der sein Amt gewöhnlich
mehrere Jahre hinter einander bekleidete. Für die Ge-
schichte Pirnas sind die Stadtreclmungen noch nicht nutz-
bar gemacht^'), und doch verbreiten sie bei der Lücken-
haftigkeit imserer schriftlichen Überlieferung über viele
'*) In meiner oben erwähnten Programmabhaudlung: Die kii'ch-
liclieu Zustände etc. habe ich die Stadtrecbnungen zum ersten Mal
herangezogen und eine Anzahl ihrer Notizen zum Abdruck gebracht.
190 Kciiihold Hofmann:
Zweige des städtisclien Lebens lii'llcs Licht ; ;ius den
kurzen, S[)röden Notizen taucht durch Zusammcnstclhinji'
und Yergleichung nach und nach niancli lebensvolles Bild
emi)or; in vielen Fällen sind sie geradezu die einzigen
Quellen. Erhalten sind uns die llechnungen der Jahre
1479, 1490, 1503—5, 1512—15^=^"), 1517—20 und von
1529 an ziendicli vollständig.
Ich werde im folgenden versuchen , die AVichtigkeit
der Kämniereirechnungen des 15. und IG. Jahrhunderts
für die Geschichte Pirnas zu zeigen, besonders für Ge-
biete der Verfassungs- und Kulturgeschichte. Zur Er-
gänzung werde ich auch andere zuverlässige Quellen '*)
heranziehen.
Die Angaben der Kämmerer sind, zumal in den
älteren Rechnungen, häufig mit lateinischen Wendungen
untermischt: die lateinische Sprache war ja damals fast
noch eine lebende; Gewerbtreibende benutzten sie zu-
weilen im schriftlichen Geschäftsverkehr; wandernde Hand-
werksgesellen schrieben nicht selten lateinische Sprüche
und Verse in die Gesellenbücher ein. Die Aufzeichnungen
der Kämmerer sind nicht immer leicht lesbar, doch in
der Hauptsache immer noch besser geschrieben, als die
ältesten (erst mit dem Jahre 1603 beginnenden) ßatlis-
protokolle.
Die Kammerbücher haben sämtlich Ganzfolioformat
und umfassen mit Ausnahme der beiden ältesten (1479
und 1490) mehrere Jahre. Die einen, so die sechs ältesten
(bis 1541), haben weichen Pergamentumschlag, der zum
Theil beschrieben ist: entweder mit Notizen der Käm-
merer^"') oder mit lateinischen Sprüchen und Sätzen reli-
^3'') Die Stadtrcclmmis-en der Jahre 1503—5 und 1512— 15 sind
erst, naclidem icli den vorliegenden Aufsatz zum Druck abgeliefert
hatte, auf dem llatlihausboden zu Pirna aufg-efunden worden. Ich
halu! niu' einige ihrer Aufzeichnungen hier abgedruckt. Der erste
Jiand enthält die .lahie 1503 l)is 1505, das Format ist HoelKjuart,
der Umschlag abgerissen. Der zweite Band, Folio mit Tergauieut-
umschlag, umfasst die Jahre 1512 bis 1515.
1') So besonders die Stadt bücher (Schöffenbücher), Avichtige
Beweismittel für die meisten privatrcchtliehen Verhältnisse der Stadt-
bewohner. Die ältesten drei (von 1432 bis 1512) tindet man jetzt
im Kgl. Hauptstaatsarchiv Loc. 9901 Justizsachen als „Cierichts-
protokoUe der St. Pirna 1«, l^ 1^". Die folgenden von 1512 au
liegen noch im Archiv des Kgl. Amtsgerichts zu Pirna.
lö) So l)emerkt der Kämmerer des Jahres 1479: dafs er der Her-
zogin Elisabeth von Sachsen, unser gu. Fraweu am 5. post Mis. dorn.
Beiträge zur Verfassungsgeschiehte der Stadt Pirna. 191
giösen Inhalts mit kunstvoll verzierten bnnten Initialen.
Die übrigen Reclinnngen des IG. Jahrliunderts haben Holz-
einband mit Überzng- von gepresstem Leder: ein solches
Kammerbuch (10 bis 12 Buch Papier) kostete c. 1 Gulden,
einschliesslich des Buchbinderlohnes (c. 10 Gr.). Das „An-
stechen der Klausuren" (Schliessen) , die zmn Theil be-
schädigt oder abgerissen sind, kostete ^/o bis 1 Gr. Die
Kämmerer rechnen durchgängig noch nach Schock Gro-
schen: 1 (neues) Schock = 60 Gr., 1 Gr. = 12 Pfennige,
1 Pf . = 2 Heller. Daneben findet sich häufig die Umrech-
nung nach dem (meissnischen) Gulden, der seit c. 1500
die Umlaufsmünze geworden war: 1 fl. = 21 Gr.^*').
Seltener findet sich die neuere Rechnung nach Thalern:
1 Thlr. = 24 Gr.
Die Rechnungen sind sämtlich auf Papier ge-
schrieben. Unter der Rubrik „Ausgabe Schreibekost"
verzeichnen die Kämmerer die Ausgaben des Ratlies für
Pergament, Papier (Herrenpapier, Schreibepapier, Aus-
sclmss), rothes Siegel wachs ^^), Bindfaden, Steppseide,
Tintenzeug, Schreibkalender. Das Papier'^) wurde be-
zogen aus Bautzen, Leipzig, Freiberg, Aussig, König-
stein, einmal kommt auch Dittersbacher und Gorknitzer
Papier vor, 1593/94: ..Durckisch Pappier". 1591 u. f. wird
„der Papiermacher zum Lohmen" erwähnt. 1 Ries Pa-
pier kostete gewöhnlich 20 Gr. (Herrenpapier 40 Gr.).
1 Pfd. Siegelwachs 12 Gr. (1 Pfd. gewöhnliclies Wachs
c. 3V2 Gr.). 1539 bekommt der Drechsler V-2 Grr. für
3 „Buclisen (Kapseln, bullae), die man über die grossen
Siegel schleusst". Das „Tintenzeug" bestand aus „Kop-
perwasser" (l Pfd. 12 Pf.), „Victril", Essig, Gummi und
„Durckisch Galles" (das Pfd. zu 7 Gr. G Pf.).
(29. April) 30 rli. CTuldeu geliehen, die sie wedder wil geben uff
Montag nach .Tohaunis (28. Juni).
'*') Ein meis.sn. GuUlen hatte 4V5 M. jetzigen Geldes Silberwerth
und unter Berücksichtigung des Cletreide-Durchschnittspreises einen
wirklichen ^^'erth von 15'Vj M. So hereclmet Bnrkhardt, Ge-
schichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitutioiieii S. XXIV f.
'"') Das dem Rathe von Herzog ]\Ioritz verliehene Kecht, mit
rotheni Wachs zu siegeln, bestätigt König Ferdinand im .lahre 1549,
zuoieich verändert, zieret und bessert er der Stadt l'irna ihr alt
Wappen und Kleinod. Der W'appenlirief mit dem farldg ansi;eführten
Stadtwappen (das 3. der Zeit nach: Birnbaum mit 2 Löwen) und des
Königs eigeidjündiger Unterschrift im Rathsarchiv.
^■"j Vgl. Job. Falke, Zur Geschichte der Papierfabrikation
im Kurf. Sachsen, in v. Webers Archiv für Sachs. Gesch. I, 329 flg.
192 Reinliold Hofmann:
Das Rechnungsjahr erstreckt sich seit der Neu-
ordnung der Rathswahl durch Herzog Georg im Jahre
1519 (bis 1642) von Walpurgis bis Walpurgis ; vorher von
Weihnachten bis Weihnachten. Die Anlage der Recli-
nungen ist, besonders seit 1544, ziendich übersichtlich:
erst sind alle Einnahmen, dann alle Ausgaben verzeichnet;
die verwandten Posten sind zu Kapiteln vereinigt^'').
Der Rath. Das Ratlihans.
Die Einträge der Kämmerer beginnen gewöhnlich
mit dem liathsverzeichnis und der Angabe der
Ämter, welche die einzelnen Eathsherren während ihres
Amtsjahres bekleideten. Pirna wird urkundlich zum
ersten Mal 1269 als Stadt erwähnt: möglicherweise hat
es von Markgraf Heinrich Stadtrecht erhalten. An der
Spitze des Rathes erscheint im Jahre 1292 ein Bürger-
meister (magister civium); die Mitglieder des Rathes
heissen consules et iurati, später (urkundlich seit 1365)
geschworne Rathmannen und Rathleute, in den Stadt-
büchern öfters „Richter und (geschworene) Schoppen".
Pirna hatte sonach kein SchüftenkoUeg neben dem Raths-
kollegium, sondern die Rathleute übten zugleich das
Schötfenamt aus, was in kleineren Städten, wo nur wenige
rathsfähige oder schötfenbare Geschlechter waren, öfters
vorkommt'-''). Der Erbrichter (advoi-atiis oder index
liereditarius), der von Anfang an vor dem Bürgermeister
und den Rathmannen verzeichnet steht, verschwindet am
Schlüsse des 14. Jahrhunderts. Im 17. Jahrhundert be-
stand das Rathskollegium „ordinarie in achtzehn Per-
sonen, gleich denen anderen vornehmen Städten dieses
Kurfürstenthums, als Leipzig, Dresden u. dergl. Darunter
sind über Menschengedenken jederzeit drei Bürgermei-
stere'^^), deren einer je nach den andern im Regiment
ö
^'') Von den nngefähr 100 Kapiteln nehmen folgende den
grössten Kaum ein: Einnahme Geschofs nnd Wachgeld. Neu
Bürgerrecht. Wegegeld. Eisengeld. Niederlage auf der Wage.
Schrötergeld. Bodengeld. Messegeld auf der Elbe oder Miederlage
an Getreide. ]\Ialz, so aus der Stadt geladen wird. Gerichtslinfscn.
Statutenhufsen. — Ausgabe auf gewisse Zeit. Botenlohn. Auf
Xachreisen. Fremden Gästen verehrt. Armen Leuten und elenden
Kindern. Gemeine oder zufällige Ausgabe.
2ö) V. Webers Archiv für Sachs. Gesch. N. F. II, 200, 202.
-') Das Ansuchen des Bürgers Nikol Heber, dass nur zwei
Bürgermeister sein sollten (Recessbuch 1, 221'')) wird als gegen das
Beiträge zur Verfassungsgescliichte der Stadt Pirna. 193
succedieret , dann 3 oder 4 Seniores und übrigens die
andern Rathsmembra gewesen. Und wie sie stets in der
Stadtkirche, als eiiisdem Patroni, in dreien unterscliie-
denen Bänken oder Stühlen dermafsen gesessen, auch es
bis dato (= c. 1680) darbei verblieben, d.als in der ersten
die Bürgermeister und Seniores, in andern beiden aber
die andern Rathspersonen sich befunden, also ist es dar-
neben stets also gehalten worden, dafs die in der ersten
Bank continue und unveränderlich in sessione et admini-
sti'atione geblieben, die andern beiden Bänke aber unter
sich immer ein Jahr um das andere beim Regiment umb-
ge wechselt und dergestalt aus denen 18 Rathsmembris
ordentlich des Jahres 12 Personen gesessen und das
Stadtregiment gubernieret haben". Diese Darstellung
des langjährigen Syndikus Samuel Lufft wird durch die
vorhandenen Rathsverzeichnisse bestätigt, ebenso durch
ein landesherrliches Reskript vom Jahre 1600, 22. April :
„Weil es denn über Menschengedenken also gehalten
worden, dafs die zwölf Rathspersonen , so ein Jahr im
Regiment gewesen, umb Walpurgis die sechs liinterstel-
ligen Personen, so dasselbe Jahr nicht mit gesessen,
wieder zu ihrem Mittel erwählet, und dieselben neu er-
wählten sechs Rathsverwandten haben alsdann Macht
gehabet, aus den zwölfen andere sechs Personen zu sich
zu wählen, damit also der Rathsstuhl "wiederumb mit
zwölf Personen ersetzt werde, also lassen wir es auch
bei solchem Gebrauch verbleiben . . . ." In Wirklichkeit
waren also alljährlich nur 12 Rathsherren im Amte. Der
neue Rath bedurfte der landesherrlichen Bestätigung--),
für die eine Gebühr von einem Schock in die fürstliche
Kanzlei zu zahlen war. Die Zeit der Raths wähl war
1519 vom Herzog Georg geändert worden, wie die ein-
leitende Bemerkung des Kämmerers dieses Jahres lehrt:
1519 Montag nach Walpurgis (2. Mai) ist auf Befehl
des erlauchten und hochgeborn Fürsten Herrn Hzg. Ge-
org die Khore eines nauen Raths geschehen, die zuvor
auf Weihnachten ergangen und gehalten worden. 1520
alte Herkommen verstossend im Jahre 1558 durch kurfürstl. Reskript
zurückgewiesen. Nach demselben Erlass sollen im Hathe wohl
Schwäher und Eidam, doch nicht Vater und Sohn zugleich sitzen
dürfen. — Die Kämmerer nennen Hebers „Artikel" gegen den Kath
„un wahrhaftige, ungegründete, ungerechte, verlogene". Der Streit
zieht sich mehrere Jahre hin.
2'-) S. Cod. dipl. II. 5, 456 zum Jahr 1490.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 3. 4. 13
j^94 Reinhold Hof mann:
geschah die Walü Montags nach Jubilate (30. Aprils, am
12. Mai erfolgte die landesherrliche Bestätigung.
Beim Amtsantritte miisste nach der in mehreren Ab-
schriften noch vorhandenen, ältesten Rathsordnnng (R.O.)
vom Jahre 1520, Art. '\P> der sitzende Ilatli dem neuen
von allen der Stadt Einnahmen und Ausgaben in Gegen-
wärtigkeit sechs beständiger Personen aus der Ge-
meine Rechnung ablegen: was man dabei vertrunken,
findet sich in den Rechnungen unter „gemeine Ausgabe"
verzeichnet-'*). Die Rechnungen wurden zuweilen vom
Landesherrn geprüft-*). Derartige Prüfungen hatten oft
den Zweck, die betreffende Stadt höher zu besteuern.
Die Rathsmitgliedschaft war, wie es scheint, ur-
sprünglich ein unbesoldetes Ehrenamt, doch genossen
die Verwalter besonderer Amter, wie des Bürgermeister-,
Kämmerer-, Baumeister-, Spitalamtes etc. gewisse Ein-
künfte (Trankgeld) als Entschädigung für ihren Zeit-
aufwand-^). In der Rathsordnung d(^.s Jahres 1520 be-
stimmte der Herzog, „dals nun limfür alle Essen und
23) K. R. 1559: 5 Schock 28 Gr. Der iiaw viul alte Roth
sanipt den 6 Keclihern in der Stadtreclinung verzehrt do der alte
Rat dem neuen überrechnet hat. K, R. 1570: „die Rechhern als die
Eisten ans der CTonieine". Diese „Rechherron" führen später (im
17. .Taluhnndert) den Namen „Sechser". 1698 wurde ihre Zahl auf
4 herabgesetzt: sie führen seitdem den Namen „(.xcmeinälteste" oder
„Yiertelsmeister" (nicht zu verwechseln mit den „^'iermeistern"
[Obci'meistorn] der Handwerke). Die Handwerker hatten sich sdion
im lö. .laln hundert eine Mitentscheidung, nicht bloss in Vermögens-
an.i4elegcnhciten der Stadt, gesichert. 1418 vergiebt der Bürger-
meister mit seinen Eidgenossen, den gesclnvornen Rathmannen, die
Stelle des Hospitalverwalters „mit wohlbedachtem Mute und ein-
trächtigem Rate unserer Ältesten und der Zechmeister unserer Hand-
werker". (Cod. dijjl. S. 394 flg.) Mehrfach wird die Übereinstimmung
von „arm und reich" hervorgehoben. 1490 sind die Herren, die
Ältesten und die Viermeister „bei einander gewest, der Münz und
anderer Ciebrechen hall)er". (K. R. dieses .Jahres.) — Über die
Viertelsmeister vgl. B. Muth in der Sonntagsbeilage des Pirnaer
Anzeigers 1887, No. 6.
"*) Auf dem vorderen Einbanddeckel der K. R. der Jahre 1517
bis 1520 steht die Bemerkung: Illustriss. Princeps Dux Georgius
Saxonie lantgraf. Thorin : et Marchio Misnensis praesentera lil)rum
calculatum perlustravit et propriis maniltus habuit. — K. R 1555:
2 Seh. 10 Gr. 6 Pf. vorczert zw Drefsen do Avir dei- Rath von v. g. H.
Kurfürsten gefordert zw berechnen die Stadi'echnunge, vom 48Jhar
bis uff das 55 .Thares, vnd seinth also, Got lob, bey v. g. H. Rethen
erlich befunden.
"-') K. R. 1479: 1 Seh. 30 Gr. dem Bürgermeister vor 1 Fafs Bier
und vor seine Mühe an der Fastnacht etc. etc.
Beiträge zur Verfassiingsgeschichte der Stadt Pirna. 195
Saufereien von gemeinem Gute sollen abgestellt werden",
class der sitzende Bürgermeister 30 Gulden (10 Schock)
und jeder Ratlisfreund 10 Gulden (S^« Schock) jährliche
Besoldung- haben sollte. (B. 0., Art. 10 und 11.) Doch
sind nach 1520 ausser diesem festen „Jalu^sold" („Eafhs-
geld", „vom llathsstuhl") regelmässig weitere Besoldungen
für die arbeitsreicheren Ämter (30 Gr. — c. 3 Seh.) in den
Rechnungen unter den Kapiteln „Ausgabe Raths- und
Ämtersold" oder „Versorgern der Stadtämter" einge-
stellt.
Die Rathsämter wurden auf die Rathsfreunde ver-
theilt nach Erkenntnis des Raths, zu welchem ein jeg-
licher tauglich und geschickt erkannt wird (R. 0. Art. 11).
Nach der Rechnung des Jahres 1520 theilte der Bürger-
meister allein die Ämter aus-*'). Die Ämtervertheilung
war nach Angabe der Kammerrechnung im Jahi^e 1544/45
folgende :
Friedrich Hofmann, Bürgermeister; Antonius Hon-
dorf, requiescat in pace-^); Lam^entius Fuchs, Zinsherr;
Georg Tenler, Retardatenmahner, Steuereinbringer und
Fleisch würdiger; Nikol Nack, Weinherr, Aufseher auf
der Elbe-^) und Retardatenmahner; Balthasar Kittel,
Bierherr, Salzabschüttegeldeinnehmer, auf der Eiben Auf-
seher und Retardatenmahner; Jakob Süssemilch, Bau-
meister; Hans Rische, Richter; Franz Bartisch, Ziegel-
herr und Fleischschätzer; Alex Walter, Kämmerer und
Brotwäger; Simon Borschbergk, Kornherr und Zeug-
meister; Georg Kadner, Weiuzeichenausgeber, Brotwäger
und Spitalmeister. Dazu kommt noch der Stadtsclu-eiber
2ß) K. R. 1520: folgende habt der Burgermeyster dy Ampt
aufsgeteylet, wie ernach folget.
-') Die während des Amtsjahres erledigten Rathssitze blieben
für die Dauer dieses Jahres unbesetzt.
-^) Wegen der Niederlage. Die Bemerkungen, die sich airf das
Niederlagsprivileg beziehen, spielen in den Rechnungen eine grosse
Rolle. Benachtheiligungen und BescliAverden ohne Ende! K. R.
1593/94: 2^/n Gr. Babsten Botlohn alfs dem Raht zu Drefsden ge-
schrieben wurde, dafs sie die Burgerschaft wegen defs Gleites vnd
Niederlage hoher dann ziivorn beschweret hatten. — 1593 hatte der
Rath zu P. auch mit Leipzig einen Streit wegen der Niederlage:
s. Rathsarchiv Repert. I. Kap. II. No. 1. — Mit den mannigfachen
Angriffen hängt offenbar folgender Eintrag desselben .Jahres (1593/94)
zusammen : 8 Seh. an 20 gntten neuen Churf. Talern in die Canzley
wegen gemeiner Stadt privilegia, so von V. G. Herschafft ist confir-
miret undt bestettigt worden. 16. Sept.
13*
196 Reinhold Hofmaiiii:
Joh. Schumann, der erst später (1555, s. u. S. 197) in den
Katli aufgenommen wurde.
Die Bezeichnung" und Verbindung der einzehien
Ämter ist in den verschiedenen Jahren verschieden.
1554 ist z. E. Hans Pusch Baumeister, Stein- und der
Fischplätze Zinse Einbringer und der Stadtwasser Ver-
sorger. Für das Jahr 1558 wird als Aufgabe des Rath-
niannes Nikol Nack angegeben: auszureisen-") wann es
von nöten und uft' die Strafen gut Achtunge zu haben,
damit sie recht innegehalten, und Zeugherr.
Der regierende Bürgermeister (consul regens)
hatte die Leitung des gesamten Stadt regiments, die Aufsicht
über dessen einzelne Geschäftszweige und den Vorsitz
in den Rathsversammlungen und zwar so, dass er (imch
der R. 0. 1520, Art. o) in einer jeglichen Sachen einen
jeden Rathsfreund nach der Ordnung, vom ersten anzu-
heben, bis auf den letzten fragen und hören und alsdann
seine Bedenken auch sagen und mit den meisten und
besten Stimmen beschliessen soll. Ferner hatte er die
Vertretung der Stadt nach aussen hin, besonders auf den
Landtagen. Im 16. Jahrhundert war Pirna auf den Land-
tagen, deren Ursprung in die zweite Hälfte des 14. Jahr-
hunderts fällt ■'**), gewöhnlich durch drei Rathsherren ver-
treten. Die Reise wurde zu Wagen gemacht, so 1539
auf den Landtag zu Chemnitz mit Wagen, 5 Pferden
und 2 Knechten. Die Reisekosten wurden aus der Stadt-
kasse bestritten (1539: 6 Seh. 39 Gr. 9 Pf.). Li dem er-
wähnten Jahre, dem Jalu-e der Einführung der Refor-
mation in Pirna, und oft nachher (bis 1559) war Lau-
rentius Fuchs Bürgermeister-^^). Er muss akademisch ge-
bildet gewesen sem, denn er wird wiederholt Magister
-'') In allen Rechnungen lindet sich die Ruhrik „Ausgabe auf
Nachreisen".
^") ü. Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden
S. 260. — Das treffliche Buch bot mir, da ich mich auf keine, die
verfassungsgescliichtlicheu Verliältnisse Pirnas behandelnde Vor-
ai'l)cit{;n stützen konnte, vielfache B('lehruni>- und Anregung. Des
Syndikus Lufft Darstellung in dem zweiten Theil seines oben (S. 187)
erwähnten Werkes, der den besondern Titel „Der Stadt V. Gecrünter
P>irnbauni mit seinen eingepfroi)ften Früihten etc." führt, behandelt
vorwiegend die Zustände des 17. .lahrhunderts und besonders das,
was mit den l'rivilegien zusamnieuhängt.
"') Sein schönes Brustbild in Stein, der Rest eines zerstörten
Portals, ist seit einigen .Tahren an der Südseite des Rathhauses
einuemauort.
Beiträge zur Verfassiiugsgeschichte der Stadt Pirna. 107
genannt. Sonst war meist die einzige gelehrte Person
im Stadtregiment der Stadtsclireiber, der darum auch
die Stadt mit auf den Landtagen und oft hei der llegie-
rung vertritt. Er hatte eine Stimme im Rathe (Lufft),
olme Mitglied desselben zu sein. Zuweilen wurde er
schliesslich in den Rath aufgenommen , wie 1558 Hans
Schumann, der schon 1544 Stadtschreiber gewesen Avar.
Im 16. Jahrhundert besoroten vielfach Schulmänner die
'■»'
Stadtschreiberei, wie die Schulmeister Joli. Schumann und
Mag. Stephanus Tannenberg, der Quartanus Basilius
Tenler und der Organist Georg Tenler. Sie bekamen
jährlich 5^4 bis I8V4 Schock für die „Stadtschreiberei",
bezw. das „Sindicat" ; dazu Beiträge von Salz und Holz
und von der Niederlage, Opfer- und Striezelgeld, von der
Kiüi- und Schweinepfründe, vom Bankzins; ferner in
Kriminalfällen Kopial- und Citationsgebühren und Ge-
bühren von „Inrotiüatiou der Akten". Infolge der Zu-
nahme der Geschäfte wurde 1585 ausser dem Stadt-
sclu-eiber noch ein juristischer Syndikus (Dr. Johann
Freisteiu) angestellt, der einen wesentlich höheren Gehalt
(52V, Schock) bezog^^-).
Die Sitzungen des ßaths fanden nach Art. 2 der
Rathsordnung vom Jahre 1520 (bis zum Jahre 1642)
Mittwochs und Freitags statt. Die Rathsfreunde hatten
im Sommer um 7, im Winter um 8 Ulu- auf dem Räth-
hause zu erscheinen: damit ein jeder der angesetzten
Stunde vergewissert sei, soll der Frone eine halbe Stunde
zuvor die Rathsglocke läuten (Art. 4). Ohne „Laube"
des Bürgermeisters durfte keiner das Rathhaus verlassen,
sondern musste der Händel auswarten (Art. 5). Ver-
spätetes Erscheinen kostete 1 Gr. Busse (Art. 4), unent-
schuldigtes "Wegbleiben 2 Gr., die vom Solde „abgekürzt"
Avurden (Art. 6). Die Rathsherren, die an einem Sitz-
"-) Gelegentlich liesorgten avoIü zur Uuterstütziiug des Stadt-
schreibers Stuhl schreib er (Elemeutarlehrer) Schreibergeschäfte
für den Rath : mehrfach findeu sich in deu Rechnungen Verehrungen
für sie verzeichnet. K. R. 1553: 24 Gr. vor 1 Schran Holz dem
Stulschreiber zur Voreruuge. — K. R. 1555: 12 Gr. dem Stuel-
schi-eiber vorehret. — 1593/94: 1 Seh. 12 Gr. dem neuen Stuhlschr. uf
sein bitt zu Hiüff seines Baurahts hieher zu bringen vorehret,
9. Nov. — 1594/95: dem Tischer 6 Gr. von des Stuhlschreibers Schrift
einzufassen, damit er E. E. Rat vorehret. — 1597/98: 2 Seh. Melcher
Berner dem Stuhlschr. alhier, welcher dem Rath etzliche schone
Schiifteu mit Goldt vnd Silber uff Bergameut geschrieben vorehret
hatt, deu 7. Octobr. —
198 Reiiüiüld Ilofmaun:
iiii.Q:stage die Stadt verlassen wollten , konnten dies nur
,,niit Laub und Gunst" des Jüirgeinieisters (Art. 7). Die
Sitzungen fanden in der Ratlisstube (Kojnniissionsstube)
statt; Ausstattungsgegenstände etc. für diesell^e und für
das llatliliaus win-den in den Keclmungen häufig nam-
haft geniai-lit. So K.lv. 1470: 32 Gr. für zwei neue riTihle
in die liatlistube von Leipzig gebracht. 1541 : 8 Gr. das
Breth yn der Rothstube zu machen zum Buchern. 1563:
vor Geldsegke ins Stadtschreibers Kasten. 1582 '83: 2 Scli.
10 Gr. 8 Pf. kostet die neue Bankpfilhl aufs llatlihaus
mit der von Farben „geworgten" Decke mit des liaths
AYappeu. 1594: 1 Scli. 15 Gr. für 25 Pfd. Gänsefedern in
zwei neue Bankpfülde. 1595: 7 Seh. vor die 8 Brostbilder,
so in der vordem Bahtstube stehen. Baurechnung 1597/98:
3 Seil. Wolf dem Maler gegeben von der Kommissionsstul)e
auf dem Rathhaus zu malen, [aucli?] ein Tafel werk übern
Bänken, auch die J3änke und Thür zugericlitet. Häutig
sind Ausgaben für Sclireil)kalender, Practica und Pro-
gnostica aufs Ilathhaus ; mehrmals aucli für llauclipulver
(Beuch Kertzen), Baumöl für die Thüren und Schlösser,
Sandseiger, Lostafebr'"'). Li die hässliche Zeit der
Kryptokalvinistenverfolgung versetzen uns folgende Ein-
träge: K.B.1597: ;>1 Gr. 6 Pf. Jakob und Kasi)ar Bichter,
Maler zu Dresden, welche dem Kath ein Kunststück,
der Kalvinisten Himmelfahrt genannt, verehret. Ebenda:
2 Gr. 6 Pf. dem Scldosser für die Hekel (Häkchen), so
zum Bilde kommen in die llathsstube, da die Kalvinisten
auf der Leiter zum Himmel reiten und auf der Leine
wieder in die Hölle faln^en. Zahlreich sind Geschenke
von Passionen und von Bildern, auf denen Fürsten, sowie
Aufzüge, Kindtaufen und Begängnisse am Fürsteidiof dar-
gestellt waren. K. K. 1555 : 1 Seh. Gr. vor u. g. H. Moritz
Abcontrafaccion. 1583/84: 42 Gr. dem Maler von Dres-
den, welcher dem Rath mit Conterfeit in Kupperstichen,
wie es mit dem Hennen und Turnieren auf u. g. H. Her-
zog Christian Beilager gebraucht und gehalten worden,
verehret. — Ebenda: 21 Gr. Bartel John, dass er dem
^^) Diese stehen wohl mit dem Bierbraiien in Zusammeuliang :
die Brauenden wurden jedesmal durchs Los bestimmt. X. Ji. 1595/96:
1 Gr. Chiistoff Hertlink zum Tope vnd Zwirn zum Lofsen des
Breiens. — Vgl. K. 11. 1594/95: 6 Gr. Christof Nuthart vorehret,
alfs er dem Raht 12 Exemplai- böse Bier gutt zu machen vorehret,
prabens ihme wieder 3. Juni 95. — 1567: 6 Gr. Greger Hiersch von
Urthiandt, hat augeben, er wil am Brauen Holz ersparen.
Beiträge zur Verfassimgsgescliichte der Stadt Pirna. 199
Ratli mit der Stadt Dresden „Conterfeit und ein Scliuzel-
bucliel" verehrt hat. Ebenda: 21 Gr. Andres Just dem
Maler von des Sattlers Kindern, derselben Milsgeburt
abzuconterfeien auf E. E. Ratlis Befehl.
Im Rathliause befand sich auch die Trinkstube-^*),
in welche oftmals AVeingläser und vom Goldschmied ver-
goldete und mit des llaths Wappen gezierte Kannen und
Becher geliefert wurden. K. R. 1519: 24 Gr. für einen
Leuchter mit einem Hirfsgeweyhe , soll in die Sclienk-
stube. 1535: 8 Gr. . . . geljen vor eyn Brethspil uif dy
Trinkstube. — Ebenda: 1 Gr. 3 Pf. zu beschlohen das
Brethspil. — 3 Gr. 9 Pf. vor Zeichen geben. 1597: Lei-
sten an die Bänke in der Trmkstube auf dem Rathliause.
Im Jahre 15G1 wird nach dem Stadtbuch D der Wage-
meisterin Hans Leichtin die Wage und der Schank im
Keller abermals auf ein Jahr zugesagt. Sie soll für das
Inventarium (3 silberne Becher, 4 zinnerne Leuchter,
1 Hängeleuchter, 2 messingene Leuchter, 1 grosse Sclienk-
kanne, 3 halbe Zubufskannen, 6 Viertelskannen, 7 Känn-
chen und 2 hall)e Kännchen), auch für die Gebühr, so
der Schank dem Rathe zu geben schuldig, als von einem
jeden Fals Wein 30 Groschen und von einem Fals Bier
3 Groschen, soviel dessen beiden verzapft wird, Vorstand
sein^'^).
Trotz des Verbotes der gemeinsamen Essen und
Saufereien vom gemeinen Gute fanden auch nach 1520
noch regelmässige Kollationen auf Stadtkosten statt.
So alljährlich das „Stadtessen" (1591: 28 Seh. 29 Gr. kost
das Stadtessen mit dem Rheinischen Weine und anderen
Getränken) ; ferner trank man bei Ablegung der Jahres-
rechnung'^®), wenn die Herren die Geschosse und Zinse
si) S. Cod. dipl. II. 5, 454 flg.
3-^) 1.521 ward Stephan Pauerbacli zu einem Weinschenken
angenommen und ihm überantwortet : 107 Pafs Wein und ein kleines
Fälschen. Ferner 1 silberner Becher, 4 Zweiviertelkannen, 9 Schenk-
mid 2 Mefskännchen, 3 halbe Kannen, 6 Weingläser, 1 Kj'eisel, 20
Mulden unterzusetzen, 3 eichene ledige Fafs, 4 eichene Viertel, 2
kleine eichene Fafs, 2 fichtene Fafs Kotzschberger, 1 Fafs böhmisch,
3 Viertel böhmisch, 1 eichene Tonne, 3 fichtene Tonnen, 1 fichtene
Tonne, 14 Hähne, 1 Blechtrichter, 1 Ohmtrichter, 1 Koster, 1 Leuch-
terchen, darauf man ein Licht steckt, 1 Steckeleuchterchen, 5 Bohr-
eisen mit einem Gebrüste und 1 Zwickerlein. (Stadtbuch No. 4,
fol. 111).
36) K. R. 1548: 38 Gr. 6 Pf. hot der Roth alt und nau sampt
den verordenten 6 Perschonen nach getaner Rechnunge uff der Woge
200 Reinhold Hofuiaiin:
bereclineieii , wenn sie die Musterung'''') hielt en („am
Heerschauen"), auf Hochzeiten, an den Jahiinärktcn, an
der „kirniyssen" (1490). Zu Pfing'sten kam man regel-
mässig auf dem mit Maien geschmückt en Iviitldiause zur
Schützenkollation zusammen, an der aucli Ficmde theil-
nahmen. Alljährlich gab man dem Edelleuten Wein und
Bier „zum Lobetanz" auf dem liathhause, desgleichen
vornehmeren Gästen bei den dramatischen Si)ielen, die
von Jiürgern oder Schülern auf dem Markte oder
auf dem llathhausboden — dies ist wohl der mehr-
mals genannte llathhaus t a n z b o d e u — abgehalten
Avurden-'^).
Ausser diesen Gelagen auf dem Kathhause kanuMi
die Herren zu einer Kollation in den Osteiheiligentagen
(Osterfiaden) und Weihnachten zu »Striezeln beim Bürger-
meister zusammen, jedoch, wie es scheint, nicht regel-
mässig. Man trank bei diesen Zusannnenkünften meist
Wein und Freibergisches Bier. Das Pirnaische Bier
scheint in dieser Zeit, ebensowenig wie das Dresdener,
sonderlich gut gewesen zu sein, doch wurde streng an
dem alten Privilegium festgehalten, dass innerhalb der
Bannmeile kein anderes als Pirnaisches Bier getrunken
wurde''"*). Zu dem Zweck wurde öfter die Meile gemessen.
vurzecht. — K. 11. 1593/94: 13 Lh: 3 Pf. die Jlerreu de.s ilahts vor-
zeclit, alfe isie die Musterung gehaltten. — K. R. 1594/95: 21 Gr. iu
heidf'ii /eltteii die 7 Mosteilierreii vurdnuicken viid vor Paiierliasen
(ein (iel);ick).
"') ^'un den in Pirna im l(i. .lalu'lmuilert aufgeführten Stücken
werden uns in den Ueelmungen folgende mit Namen genannt: Die
Comedv vom verkirnen Solm (153(5). (!oniedia Teri;ntii Phurmio
(1.060)." Tdliia.sspiel (1593). Adam und Effa (1597, Juli). Passion
und I tinnnelfalirt (1.597, Sept.).
"**) Im Jahre 1552, 11. Okt. hefiehlt der Kurfürst den Schössern
zu Dresden und Pirna, den in ihren .\mtein gesessenen Kretzsehmern
und Schenken auf dem Laude, in iler Meile AVegs um Pirna gelegen,
die nicht anderes als Pirnisch Bier schenken S(dlen, aufzuerlegen
und zu gchieten, dafs sie sich Wein einzukaufen und zu vcrsciienken,
weUdies ilnien noeh viel weniger gehühren will, dem aufgerichteten
Recefs gemäfs fürder gänzlich enthalten sollen. Im Ühertretungs-
falle ist dem Rate zu P. nachgelassen, mit A^jrwissen des Amts
auszufallen und solchen eingelegten Wein wegzuncdiuicn und iu die
Stadt zu führen. Wenn etliclie von den Kretzsehmern eigenen
Weiuwachs hätten, so mögen sie den Wein, welcher ihnen erwachsen,
und sonst keinen andern ausschenken (Stadtbuch C, vorn auf dem
1. Blatte). Häutig wird im Beisein des Landknechtes fremdes Bier
ausgetninken , weggenommen oder „zerhauen", besonders au der
Pastuacht.
Beiträge zur Verfassuiigsgeschichte der Stadt Pirna. 201
K. R. 1553 unter der Rubrik „Geschenke den Gästen" :
„4 Seil. 43 Gr. den Cummissarii und den andern, da man die
Meile gemessen gen der Dobra, Sturza, auch Borkers-
dorf Montag nach Michael, Dienstag und Mittwoch dar-
nach". Vom Ilathe dabei gewest Hans Risch, Erosius
Jhon und Hans Foncke. Ist auf die 3 Kretzschmare
keines 1 Meile Weges befunden worden. Im Stadtbuch C,
fol. Ib steht ein ausführlicher Bericht darüber: gemessen
wurde hiernach von der Rathhaustreppe zu Pirna bis an
des betr. Richters Schwelle. Als Entfernungen sind fol-
gende angegeben: von Pirna bis Rathewalde 22 570 Ellen,
bis Burkersdorf 21330, bis Stürza 23033, bis Döbra 20030
Ellen. Petermann erwähnt in seiner Chronik S. 4G8 die
Messungen gleichfalls und giebt die Entfernungen in ab-
gerundeten Zahlen an. — K. R. 1556: 1 Tlialer zur Ver-
ehrung, da die Meile gemessen gegen He seli cht. Unter
dem Eintrag im Stadtbuch C ist von anderer Hand die
Meilenlänge angegeben: Eine Meüe soll haben CO Feld-
wegs und jeder Feldweg soll haben 60 Ruthen und soll
jede Ruthe ausgemessen werden auf 7^/« Elle, so betrifft
27000 Ellen auf eine deutsche Meile.
Das weitaus am häufigsten genannte Bier ist das
Freibergische: in den „Rechnungen findet sich die
ständige Einnahmerubrik „Überlauft vom Freiberg. Biere."
(1535: 52 Seh. 9 Gr.). 1519 kostete ein Fass Freib. Bier
1 Seh. 25 Gr., 1 Fass Pii-naisches 54 Gr. Nach dem Frei-
bergischen ist das am öftesten erwähnte das Torgauische,
dann das Königsteiner, gelegentlich kommt auch Do-
nisch, AVilisch und einige Male Pulsnitzer Bier vor.
1591 wird von dem Landknecht auf einer Hochzeit zu
Meusslitz 1^/2 Fass Dresdnisches Bier weggenommen,
„waren wohl 3 fafs gewesen, aber l^oVafs war schon
aufsgedrunken gewesen". Nach Knauth, Misniae illu-
strandae Prodromus (1692) S. 125 flg. gab es die Sprich-
wörter : ,,Es kützelt einem in der Nasen wie Freibergisch
Bier". „Torgauisch Bier, der Armen Malvasier". Bel-
grana est omnibus sana" („Beigern hat ein bequemes
Bier", sagt der Pirn. Mönch). Unter den von Knauth
aufgeführten 18 sächsischen Städten, „die vor andern gut
Bier brauen", ist Pirna nicht zu finden, von den Nach-
barstädten nur Königsteiu,
Von den heimischen Weinen werden in den Rech-
nimgeu des 15. imd 16. Jahrhunderts erwähnt Kötzsch-
202 Reiuliold Hofmaun:
berger (d. 1. Kötzsclieiibrudaer'"'^); ferner Post aer,Wach-
witzer, Loscliwitzer und Landwein; oft auch Most,
einige Male Metli. Viel häufiger wird lllieinwein ge-
nannt, fei-ner spanisclier (mehrmals Alikant, 1597
„Seekte"), böhmischer'") und griechischer Wein, un-
garischer (1563) und französischer Wein (1596), Mal-
V a s i e r, M u s k a t e 1 1 e r. Ziemlich häufig G e w ü r z w e i n :
Alandt, Negele und Traminer, Wernmthwein, Salljenwein,
Ziltwer; Beerwein und Schlehenwein. Nach Petermainis
Chronik 8. 469 wurdc^n im Jalire 1560 Avüste und bisher
nur als Viehtrift benutzte Ackerstiickchen am Haus-
berge in Pirna zu Weinbergen angerichtet; zu Vor-
ziehung einer Mauer musste jeder Interessent einen Gro-
schen kontribuieren.
Der llath hielt im Rathskellcr Vorräthe von
Bier und Wein, theils zum eigenen Verbrauch, tlieils
zum Verkauf und Ausschank^'). Nach der Ämterrech-
nung des Jahres 1538 übernahm der neue Weinherr vom
alten 63'/4FassWein im Keller. Dazu kaufte er 2472Fass
Kotzschberger und Loscliwitzer: kosten erstes Kaufs 114
Seh. 43 Gr. 9 Pf. Ferner Rheinischen Wein 3 Fass: kosten
allenthalben 30 Seh. 14 Gr. Böhmischen Wein 8 Fass zu
29 Seh. 38 Gr. Summa des vorräthigen uiul erkauften
Wehies: 109 Fass. Von dem im Jahre 1521 demAVein-
schenken Pauerbach (s. o. Anm. 35) ül)erantwortcten 107
Fass Wein waren 92 '/4 Fass neuer kotschber (Kötz-
sclienl)rodaer) AVein, 8 Fass und 1 Fässchen von 21 Kannen
alter kotschber AVein, der Rest alter und neuer böh-
mischer AVein. In einer 1534 beim Herzog eingereichten
Bescliwerdeschrift gegen den Ratli heisst es u. a. : „Den
"^) 1412 wh'd ein „win])ere:, den man nennet die Thasclie, mit
einem pressehusc gelegen czu Koczbrode vnder dem Aldenberge" er-
wähnt. (Cod. di])l. II. 5, 127.) Kotzschebroda hat viel Weinwachs,
da thäten die Hussiten grofsen Schaden mit Brennen und sonst.
(Zusätze zum Pirn. Mönch bei Schott gen und Kreysig, Diplo-
matische und curieuse Nachlese der Historie von Ohersachsen I, 238.)
'0) Die Kanne liöhm. Wein kostete 1546 (K. K.) 14—16 Pf.,
Kützschenhrodaer und Postacr 16 Pf., Beerwein 18 Pf., Hheinweiu
28 Pf. Die Kanne griechischer Wein 1592 6 Gr., 1 Kanne unga-
rischer 1563 2 Gr.
") Kurfürst Ernst hatte 1476 dem Rathe aufgegeben, auch die
weniger bemittelten, aber angesessenen Stadtbewohner an der Brau-
berechtiguug theilnchmen zu lassen, einen Stadtkeller mit Aus-
schank guter fremder Biere einzurichten und für das Vorhandensein
eines genügenden Weinvorrathes Sorge zu tragen. (Cod. dipl.
IL 5, 45411g.)
Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna. 203
g-uten Wein trinken die Herren und Reichen, den sauern
die Annen. AVie denn um gleiclien Pfeiniig der gute Wein
den Herren und Reichen nacli Gunst ist gegeben worden
und den Armen der böse und saure" ^').
Am liathhause hatten die Tuchmacher, Schu-
ster, Bäcker und Fleischer iln^e Bänke. 1550 gab
es je oß Tuchmacher- und Öchuhmacherbänke und 20
Bäckerbänke. 1567: 26 Fleischbänke. Den Tuchmachern
wurde 1549 (Ötadtbuch B, erste Seite) auf ihr bittlich
Ansuchen nachgelassen, den Sonnabend wie den Dienstag
ihr Tuch auf dem liathhause feil zu halben und zu ver-
schneiden.
In Petermanns Chronik (S. 423) findet sich die An-
gabe, dass 1555 und 1556 das Rathhaus guten Theils
abgetragen, verändert und wiederum aufgeführt Avorden
sei. Dieser Umbau wird bestätigt durch die Kammerrech-
nung des Jahres 1555/56, nach welcher „368 Seh. 42 Gr.
11 Pf. auf des Rathes Baw gangen aufs Rothhaus". Der
bisher unljekannt gewesene Baumeister war nach der
K. R. des Jahres 1558 Meister Wolf Blech Schmidt,
dem der Rath in diesem Jahre 2 Seh. 8 Gr. „vor Gewand
zu eynem Klede von wegen des Baues an dem Roth-
hausse vorehrt". Es ist derselbe geniale Meister, der,
wie aus den Kammerrechnungen und aus der Kircli-
kastenrechnung des Jahres 1542 unzweifelhaft hervor-
geht, das herrliche Gewölbe unserer Stadtkirche gebaut
hat"^^). Somit hat die mündliche, durch eine handschrift-
liche Notiz verstärkte Überlieferung Recht behalten, die
den an dem schönen Portal Niedere Burgstrasse No. 1
(jetzt Gasthof „zum Deutschen Haus") mit den Attributen
der Baukunst dargestellten W. B. als Kirchenbaumeister^*)
^-) Gebrechen zwischen Joh. Zimler .... mit dem Rate zu
Pirna 1534. Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 9900.
*^) Vgl. meine Abhandlung: Die kirchl. Zustände etc. S. 37 flg.
Die dort aufgestellte Vernmthung, ^Meister Wolf" sei am Kirchenbau
betheiligt, hat sich also bestätigt. Den Pamiliennamen „Blech-
schmidt" habe ich nach Veröffentlichung der Prpgrammabhandlung
in den Kammerrechnungen 1539 flg. gefunden. — Über die Erbauung
des ßathhauses s. meinen Aufsatz im Pirnaer Anzeiger 1888
No. 87.
") Im Anfang des 16. Jahrhunderts mag ein älterer Meister den
Kirchenbau, der 1502 oder 1504 begann, geleitet haben: Peter von
Pirna, Meister des Steiumetzhandwerks und Baumeister des Her-
201 l^oinhoM Hofinaiin:
bczeiclinet. Der in einigen J^iicliern*"') nnd in meh-
reren neneren im hiesigen llatlisarchiv anfbewahrten
liandscliriftliclien Aufzeiclmungen als miitlimassliclier Er-
bauer unserer »Stadtkii-elu^ genannte; IJcrnliard Scliwarz
ist irrthi'imlich zu der Ehre gekommen, der Erbauer einer
der schönsten und grüssten Kirelien Sachsens zu sein^").
Er war wiederliolt llathmann und „IJauherr", d. li. das
mit der Aufsicht über das städtische IJauwesen, beson-
ders mit der Eidirung der Baurechnung betraute Mit-
glied des llathes und hatte als solcher mit der künst-
lerischen Bauthätigkeit gar nichts zu thun.
zo.<>-s Georj? von Sacliseii. Peter v. P. rauss sith wenigstens im
Jahre 1512 als ausübender Künstler in P. aufoel)alten haben.
(E. W ernicke, Bachs. Künstler in Gürlitzer Greschichtsqnellen,
in dieser Ztsclir. VI, 259 üg.) Diese Vernnitbuiiu- i^'cwiniit an Wahr-
sclieinlichkeit durch eine Stelle in der kürzlicli wiedeji^etundenen
K. 11. des Jahres 1503: 52 Gr. Meister Peter Parlierer an
seinen Geschossen und Wachgeld (erlassen von der Kirch und Stadt
Gebäuden wegen. 1514 und 1515 hat der Polierer Markus Ki-
bisch den Kirchenbau geleitet. K. 11. 1514: „5 Gr. Marcus dem
Steyniiieczen gegeben zur Zcei'imge, das er von Urefsden gegen
Pirna des Kirchenbaues halben gezcogen ist." „10 Gr. dein Steyn-
ineciien, das er zcii Leutel)ercz und Aussigk gewest nach (iescllen.
Actum 4=1 post oculi." K. R. 1515: „Marcus Eibisch der Pollirer ist
Buigci' wurden und seynen Eyd eingenommen, sal 1 Schock geben
hinc et Martini. Fidejussoi' Bartel llenel. Art. 4=1 infra octavas
corporis Cliristi." (Am llande: „Ded. Bartel Henel pro eo, ist an
iler Austeilunge ine behalten 0=1 ])()st Lucie.") Vgl. auch Stadtbucli IV,
fol. 135'': „Mai'cus lliliisch der l'olirer" tauscht 1522 mit Bewilligung
des Rathes und der Ältesten die Glöcknerei gegen ein anderes Haus
ein und gielit d('r Kirche (i gute Schock zu. — Die bisher unbekannt
g(nves(^nen Erbauer der Pirnaer Stadtkirche düri'tcn also der Reihe
iiacli gewesen sein: Peter von Pii'ua, Markus Ribisch und
Wolf Blechschmidt.
''■'■*) So in Dietmann, 1 'riesterschaft Sachsens S. 1015.
'*") Im Jahre 154(j war der Kirchenbau beendigt. Der Thurm
ist älter: er wurde nach dem Pirn. Mönch 1466 angehoben zu bauen
(s. darüber Cod. dipl. II. 5, 445, No. 160) und scheint im .lahre
1470 in der Ilauijtsaehe fertig gewesen zu sein. Dies geht hervor
aus Einträgen in der K. R. 1479: 4 Gr. den Herren vor («eschenke,
dafs sie den Glockturm beschaueten Dominica post Martini (14. Nov.)
— Stephan 20 (ir. Zusteucr, dals er auf dem Turme läute 6. p. Lucie
(17. Dez.). — Stephan der Glückner 10 Gr. Zusteuer gegelien, da er
lange nicht Arbeit hatte 5. j), Maurici (23. Sept.). — 2 rheia. Gulden
Greifen zu vertrinken, als er dem Therm gebawethe. 6. p. Reminisc.
(12. März). S. meine Kirchl. Zustände etc. S. 27 Üg. und meinen
Aufsatz ül)er die Erbauung der Stadtkirche zu Pii'na im Pirnaer
Anzeiger 1888 No. 47 u. 48.
Beiträge znr Verfassungsgesclüchte der Stadt Pirna. 205
Ratlislbeamte") und Ratlishandwerker.
Der Fi'oiibote (Stockmeister, Büttel. 1571:
„Brizscliineister") bezog' einen Jahiiolm von 5 Scli.
12 Gr. (uff 52 Freitage, jeden Freitag' 6 Groschen). Das
Gesclioss (jährlich 10 Gr.) wurde für ihn, wie für andere
niedere Vollzugsbeanite des Eathes aus der Stadtkasse
bezahlt. Zu Weihnachten und Ostern bezog er Opfer-,
Striezel- und Quarkgeld; ferner Beträge für Ausrufen
der „Kuhpfründe" (Stadtweide) und jedesmal 5 Gr. „vom
Halsgericht auszurufen". Er hatte freie Wohnung und
Heizung in der Büttelei (j. Fronfeste). 1527 wurde
ein neues „Gefängnis" gebaut, da das alte weggebrannt
w^ar^^). Die Auslagen für die Gefangenen wurden dem
Fronboten vergütet. Tortur und Hinrichtungen besorgte
der gewöhnlich von „des Amtes Laudknecht" bestellte
„Meister" von Dresden, welcher dafür einen Jahrsold von
1 Seh. 24 Gr. (4 fl.) bekam, und mehrmals „Verzehrung"
oder „Trankgeld" und 1 Scheffel Hafer. Nach des Her-
zogs Georg Verordiunig vom Jahre 1493 hatte der Dresd-
ner Henker in den Städten und Ämtern Dresden, Frei-
berg, Hain, Meissen, Pirna, Badeberg, Dippoldiswalde
und Lommatzsch zu richten gegen eine Jahrbesoldung
von 50 fl., w^ozu die Stadt Freiberg 8, Dresden und Hain
je 6, Meissen und Pirna je 4, Radeberg, Dippoldiswalde
und Lommatzsch je 2 fl. und den Rest die herzogliche
Kammer beizutragen hatten ^^). Das zur Strafvollstreck-
ung Nöthige wurde ihm geliefert. Baurechnung 1527:
3 Ellen Leymath der Frau zu einem Sacke. ^/., Gr. vom
Sack zu machen (Kindesmörderin!). In der im Amte
Dresden 1555 für den Scharfrichter gegebenen und den Ge-
richten zu Pirna vorgelegten Bestallung heisst es: „Wenn
irgend jemand sich in Verzweiflung selbst hängt oder
sonsten in andere Wege entleibet, so ist der Scharfrichter
nicht pflichtig, einen solchen in der Besoldung, die man
ihm von denen giebt, welche durch Urtel und Recht
verdammet worden, wegzuthun, denn in solchen Fällen
ist der Teufel Richter, Ankläger und Exekutor gewest
und muls der Scharfrichter dem Teufel nacharbeiten. Und
wenn er einem solchen wegthut und man giebt ihm ein
*'') Den vornehmsten Beamten des Raths, den Stadt Schrei-
ber, habe ich oben in dem Abschnitt „Der liath" behandelt.
*'*) Dies geht ans der Baurechnnng- dieses Jahres hervor.
^'*) Otto Richter, Verfassnngsgesch. der St. Dresden S. 137.
20G Tleinhold Hofmann:
Pferd dazu, so gebe man ihm desto weniger Lohn, er
behält aber gleichwohl das Pferd. Thut er aber die
Arbeit mit seinem Pferde, so muls man ihm desto mehr
Lohn geben nnd solches alles nach Gelegenheit und Ferne
des Weges nnd die Zehiiing auch dazu" (Stadtbuch F,
letztes Platt). JJarunt(!r stellt die Nachschrift von anderer
Hand: ,.Solchem zufolge hat man ihm ao. 1555, als ei- einen
Gefangenen imd sich selbst Entleibten aus der Sclndd-
kammer weggethan, geben müssen 5 Thaler 12 Gr., vermüge
des Kammerbuches des Jahres". In diesem findet sich auch
wirklich die Bestätigung: „2 Seh. 12 Gr. dem Henker, den
geliangen nauls zu schicken". „Item ao. 1571 den — No-
vembris, als sich ein Leinwebergesell bei Thomas Windisch
erstochen, hat man ihm wegzuthun geben müssen: ein
Pferd, so Brosio Mollern umb 2 Thaler zahlt ward, und
2 Seh. dazu und 24 Gr. zur Zehrung, 6 Gr. dem Knechte
Trankgeld". (Weitere Nachschrift unter dem Eintrag im
Stadtbut-li F.) Has „Gericht" (Hochgericht) war 1535
und 1539 nach Stadtbuch A „auf dem Hausberge neben
dem S[)ittelfelde". Vor einer Hinrichtung wurde der
Richtplatz durch eine Umzäunung abgeschlossen: K. R.
1597 „Ausgabe dem Rohrmeister": 32 Gr. dals er
den Schrank gesatzt uffn Markt, wie man Gretzscheln
gehangen. Nacli Petermanns Chronik wurde 1578 der
Rabenstein vor dem Oberthor erbaut, 1587 aber wegge-
rissen und in die Sandgasse gebaut. Im Anfang des Jahres
1888 wurden an der hoch gelegenen alten Sandgasse 13
Skelette ausgegraben, vermuthlich sind es die von Hin-
gerichteten. Für „Hinrichtung" kommt hier wie ander-
wärts der Euphemismus „Rechtfertigung" vor. Baurech-
nung 1594 unter „gemeine Ausgabe": Üb man den Zimmer-
leuten wohl ein Fais Bier geben müssen, so haben die
Gemeine zu Copitz auch ^4 I^ier bezahlt, dieweil das
Gerichte zu Copitz verfaulet, derowegen sie einen neuen
mit aufrichten lassen, damit der gefangene Dieb Blals
Rischen Sohn von Copitz daran hat können gerechtfertiget
werden. In dem Amtsjahr 1591/92 fanden nach der
K. R. drei Hinrichtungen' in dem Ratlisdorfe Copitz statt;
der Kämmerer dieses Jahres verzeichnet nicht unbeträcht-
liche Auslagen für Spenden an Speise, Rheinwein und
Bier, die dem Richter und den Abgesandten des Rathes
dabei verehrt wurden.
In Dresden verrichtete der Scharfrichter zugleich
das Amt des Schinders. In Pirna hatte man dafür einen
Beiträge znr Verfassiingsgescbichte der Stadt Pirna. 207
Caviller, Abclecker, der auch die herrenlosen Hunde
von den Strassen wegzufangen und zu tiJten hatte; daher
führt er auch den Namen „Hundeschläger". 1598
bekommt er 43 Gr. von 129 Hunden, die er das Jahr
über (1597/98) gefangen hatte, von jedem 4 Pf., als 81
alten und 48 jungen Hunden. Er erhält 18 Gr. jährliche
Besoldung von wegen der toten „Eliser" auf den Gassen
aufzuräumen und rein zu halten; 1593 bekommt er eine
besondere Vergiitung von 9 Gr., „dals er die Gassen ge-
räumt und die Äser weggeräumt, als die Herzogin her-
kam". Die Sauberkeit der Strassen ^Yar auch im alten
Pirna, wie anderwärts, eine sehr fragwürdige: wiederholt
linden sich Pathsverordnungen in den Protokollen noch
des vorigen Jahrhunderts, dass Mist- und Holzhaufen
nicht länger als acht Tage auf den Gassen liegen dürfen ;
in den ältesten Stadtrechnungen lautet eine besondere
Einnahmerubrik: „Von Holz- und Mistbulsen". Der Ca-
viller besorgte auch das Peinigen „heimlicher Gemächer"
(„Kloak"). Baurechnuug 1597/98 unter Ausgabe dem
Aptecker oder Caviller u. a.: (3 mal je 9 Gr.) von Falisen
von Kirchthorm gelassen und hinausgeschaift. Des Ab-
deckers Stellung in der büi^gerlichen Gesellschaft Avurde
erst spät eine bessere: 1655 starb der Schinder in Pirna,
und da ihn niemand begraben wollte, wurde er durch den
Schinderknecht auf den (1564 angelegten) „weiten Kirch-
hof" am Hauptberg (an der jetzigen Reitbahnstrasse)
hinausgeführt (Petermanns Chronik S. 486).
Dem Stadtrichter waren, hauptsächlich zur Ausübung
der Polizeiaufsicht, mehrere Gerichtsknechte, Ge-
richtsdiener beigegeben •'°), gewöhnlich drei, doch wurde
ihre Zahl bei besonderen Gelegenheiten, so an den Jahr-
märkten, verstärkt ■^^). 1593: 12 Gr. Steffann Bawerbach
^) Häufig sind in den Keclinungen Beträge („Trankgeld") ein-
gesetzt für- den Richter, dafs er mit den Knechten die Stadt be-
gangen; desgleichen für Wiudlichter oder Fackeln dem Richter.
— K. R. 1479: 14 Gr. 3 Heller der Richter verzehrt 8 Tage um-
gegangen an der Hochzeit Herrn Rudolf v. Bünau Tochter mit den
Handwerkern und mit den Knechten. — K. R. 1544: 5 Gr. den
Knechten, dafs sie auf den Tanz gesehen. Ebenda: 5 Gr. den
Knechten gegeben, dafs sie ihr 5 angesagt, die sich verdreht haben.
^^) 1583: 2V2 Scb. 2 Personen gegeben auf 5 Wochen zu wachen,
dafs sie von Morgen bis Abend die 8trafsen begangen, damit sich
nicht leichtfertige oder verdächtige Leute [einschleichen], alldieweil
man hin und wieder mit Feuer angesteckt bat. — 1537 des Richters
Ausgabe : 1 Seh. 26 Gr. der Richter samt den Knechten und Suldenern
Jahrmarkt, Ablafs und das Jahr über vorzehrt.
208 Reinliold Hofmanii:
Vonii Meifsenn voreliret, dehn man zum Gerichtsknechte
Anliero braiiclien wollen, Aber seiner geliabtenn Befleck-
unge halben ist ihme wieder abgedanckt wordenn. —
Wochenlohn ist für die Gerichtsknechte nicht angegeben :
unter „Ausgabe den Gerichtsknechten" ist regelmässig
verzeichnet der Betrag des aus der Kammer zu Wal-
purgis und Michaelis bezahlten Geschosses, Opfer- und
Ötriezelgeld (zusammen c. 1 Schock); ferner in einer be-
sonderen lüibrik jährlich 4 Schock 40 Gr. für Kleidung
den Gerichtsknechten. Diese war schwarz, nur die Ärmel
bunt (roth und gelb). Die Knechte trugen Joppen, Har-
nische und Pickelhauben. Ein „Pigkelheybel" kostete
(1544) 7 Groschen"^").
Die beiden Ausreuter, Stadtknechte, reitende
Knechte (den Namen „Ausreuter" führten sie bis in
unser Jahrhundert) waren berittene Boten des Eathes,
die dessen Schreiben nach auswärts besorgten und vor
allem zur Aufrechterhaltung der städtischen Niederlags-
und Schankprivilegien die Strassen und Herbergen ausser-
halb der Stadt visitierten. Tagelang „liegen" sie beson-
ders in Schandau und Weiden, um „auf die Ausschiffung
zu warten". Den „Städtlein" (Wehlen, Gottleuba, Dohna,
Königstein) bringen sie des liathes Bestimmung, wann
sie mit dem Brauen anfangen und aufhören sollen. Dies
musste mit Pirna gleichzeitig geschehen"'-^). Zugleich
hatten sie auf die Bettler Achtung zu geben und fanden
bei der Jagd als Treiber Verwendung'"'^). Die Ausreuter
bekamen je 3 Gr. Wochenlohn, Geschossgeld, zu Wal-
purgis und Michaelis jeder 10 Gr. Stiefelgeld, beide zu-
■'-) K. R. 1479: 54 Gr. für Parchym und Leymath den Knechten
zu .Toi)en. — K. R. 1544 „Zufällin-e Ausgabe": 8 Gr. den Dyneni vor
dy Buclistabcii in dy Kleydunye. 1544 des Richters Ausgal)e: 8 Gr.
denen die in Harnisch gangen auf die Markt und Aplas. Die oben
erwälmte Kleidung (Joppen, Harnische, Pickelhauben) könnte aller-
dings auch die der Stadtknechte (Ausreuter) sein: bestimmte
Angaben habe ich in den Rechnungen nicht gefunden.
'■■») Vgl. Codex dipl. IL. 5, 464, No. 186.
■'!) K. R. 1571: Wolf Morre, dem Knecht, 12 Gr., dafs er
6 Wochen auf die Betteljnngen und Medell, so nicht Zechen haben,
Aihtnug geben. Ein Bettelvogt wurde nach Petermanns
('lironik, 8. 432, 1680 zum ersten Mal angenommen. K. R. 1597:
6 Gr. für 6 Klap])ern dem Ausreuter zur Hasenjagd zu gebrauchen.
(u. ö.) „Auf denen Jlats- und Bürgergütern, oder gemeiner Stadt
Feldern, worauf der Rat Gerichte, Lehen und Zinse hat, ist derselbe
biebevorn zu jagen, hetzen und Weidwink zu treiben jiefugt ge-
wesen." 1556, 2. Nov. vom Landesherrn bestätigt. (Luift.)
Beiträge zur Verfassungsgeschiclite der Stadt Pirna. 209
sammen jährlich 37.2 Schock für die Kleidung ^■^), Qiiar-
talgeld (jeder 1 Seh.' 20 Gr. Trinitatis, Crucis, Luciä, Re-
miniscere: Summa 10 Seh. 40 Gr.), zu Weihnachten und
Ostern Striezel- und Quarkgeld (je 50 Gr.), jeder 3 Gr.
Martini von der Kuhpfründe, beide zusammen 12 Gr. Pul-
vergeld für 2 Pfund, und jeder 2 Gr. „vom leinenen Garn
auf dem Rathhaus vom Stättegeld" im Osterablafs.
Für die Sicherheit der Stadt wachten 4 Mau er-
wacht er, von denen jeder im Sommer 5, im Winter
8 Gr. Wochenlohn erhielt (1552: 12 Gr. vor ein Wächter-
horn). Daneben gab es Thorhüter und Thorschliesser
an den 4 Thoren. (Das Thorgeld vom Eibthor bezog
der Fährmeister, der in der Nähe des Thores im Fähr-
hause wohnte). Zur Zeit der vier Märkte, die min-
destens 3 bis 4 Tage dauerten, und „in Sterbensläuften"
wurden die Wachen verstärkt ■^*^) und die Thorhüter be-
kamen eine besondere Vergütung: 1550 am Fastnachts-
jahrmarkt jeder 18 (statt 10) Gr. für die Woche mit der
Begründung: „ist hart Wetter". In den Markttagen
wurden besondere Wächter besoldet, „so an den Thoren
und Pforten in der Vorstadt warten". 1585 wurde „des
Sterbens halber" von der Bürgerschaft Wache gehalten.
1596 zahlte der Wächter am Oberthore 1 Gr. Strafe,
weil er ohne Vorwissen des Bürgermeisters einen Mann
mit allerlei Wurzeln zum Thore hereingelassen.
Der „Nachtrichter samt seinen zugeordneten
Nachtwächtern" bezog jährlich 22 Schock 45 Gr.
1595/96 sind 7 Nachtwächter aufgefülu^t, unter ihnen
auch „Hans der Fronbote". Der Nachtschreier")
(im 17. Jahrhundert auch Stundenrufer genannt) bekam
von Michaelis bis Ostern 10 Gr. Wochenlohn, in der
°^) K. R. 1520: 32 Gr. vor Parchem vnd Leynwandt 2 reytenden
Knechten. »
^^) K. R. 1597/98: Ausgabe den Wäclitern, so an den Thoren
gewacht wegen dafs sich Sterbens halben hien und wieder beschwer-
lichen angelassen, damit sie gntt Auffsehen gehabt, damit niemandt
von denselben Enden in die Stadt eingeschleigt : 20 Seh. 32 Gr. vor 22
Wochen ihre vier jeden wöchentlich 14 Gr. von den 19. Augusti
biefs nff 13. Jan. 98. — Darunter: 3 Seh. 44 Gr. vor 4 Wochen E. E.
Rath die Woche von 9. April biefs 30. April wieder angeordnett.
Sa. 24 Seh. 16 Gr. — K. R. 1583/84: 42 Gr. dem Richter, dafs er 7
Wochen bei Nacht vor die Stadt gangen und die Waclien besich-
tiget hat, wie sie von den Wächtern gehalten. . . ., jede W'oche 6 Gr.
5') K. R. 1591/92: 2 Gr. Gregor Huhl vor ein Nachthorn dem
Nachtschreier.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 3. i. 14
210 Reinhold Hofmaim:
Übrigen Zeit 8 Gr.; in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts je einen Groschen weniger.
Der Thürnier oder Hausmann, der zugleich Stadt-
pfeifer war, soll Tag und Nacht auf alle Viertel der
Stadt ein Üeilsiges Aufnu^rkcn haben, ob irgend ein
Feuer in oder vor der Stadt entstünde, dals er das mit
der grolsen Glocke mit Stürmen warnen und anzeigen
solle und am Tage ein Fähnlein, des Nachts eine Laterne
mit einem brennenden Liclite darin gegen den Ort, wo
das Feuer entstanden, zum Tluirme herausrecken. Des-
gleichen soll er morgens, mittags und abends unabbrüch-
lich mit der Drommete drei Bulsen blasen. Auch hat
ihm E. E. Rath zu hofieren und zu spielen zugesagt und
es soll kein anderer Spielmann auf Hochzeiten in der
Stadt hofieren noch spielen ■^^). Dafür bekommt er wöchent-
lich 18 Gr., auf ein Jahr einen Schrägen Holz und auf
itzlich Quartal einen Scheifel Korn; ferner ein Geschenk
(12 oder 21 Gr.) zu Neujahr. Von 1590 an findet sich
in den Rechnungen eine Einnahmerubrik von Strafen, die
die Mauer Wächter, Nachtschreier und der Stadtpfeifer
bezahlen . „wegen der Stunden, so sie verschlafen". Die
Wächter zahlen für die Stunde 6 Pf., der Stadtpfeifer
1 Gr., 1Ö96 flg. alle 1 Groschen Strafe. 1596/97 hatte
ein Wächter 13, ein anderer 10 Stunden verschlafen, der
Thürmer eine Stunde.
Der aus dem „gemeinen Kasten" besoldete Glöckner
bekam jälu^lich vom Rath 10 Gr. „von der Bierglocke
zu läuten". Mehrfach ist (vor 1539) die gleiche Summe
„vom Wetterläuten" für ihn eingesetzt, desgleichen 10 Gr.
„von der Fleischglocke zu läuten". 1519: 3 Gr. dem
Glöckner Traukgeld, „dals er dem Kaiser geläutet" (1519
f Maximilian I.).
Die Stadt hatte einen (zuweilen zwei) Flurschützen,
der einen Jahrlohn von 3 Schock bezog.
Der Hut mann hütete die Rinder und Schweine der
Stadt (5 Schock Jahrlohn). Der Hutmannsstall war in
''") Aus dem i. J. 1544 vom Rath mit dem Thürmer abge-
schlossenen Vertrag im Stadtbuch B, fol. 41''. Es sollen ihm gege-
ben werden von einer grofsen Hochzeit, es seien so viel Tische und
Tage zu hofieren als wollen : 21 Gr. — Von einer Hochzeit mit einer
vorgehenden Kollation, die über 7 Tische zum rechten Mittagsmahl
nicht hat, \n Gr. — Von einer Hochzeit auf einen Tag: 11 Gr. —
Von einer Ahendhochzeit: 4 Gr, — Nachschrift: Ist geändert Montag
nach Jubilate 1549: 15 Gr. von einer vollen Hochzeit, 8 Gr. von
einer kleinen Hochzeit, 4 Gr. von einer Ahendhochzeit.
Beiträge zur VerfassungsgescWchte der Stadt Pirna. 211
dem 1539 säkularisierten Dominikanerkloster. Das Gras
auf dem Nikolaikirehliofe vor dem Dohnaischen Thor be-
kam der Hutmann für die Rinder, der Totengräber er-
hielt 12 Gr. dafür '^).
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wird mehrmals
der Pfänder erwähnt. 1548 bekam er 16 Wochenlang
wöchentlich 5 Gr. Ihm wurde sein Geschoss und Wach-
geld (5 Gr.) nachgelassen, „dieweil er Pfänder ge-
wesen".
Der Säuschneider wohnte um 1550 in der Säu-
schneiderei unmittelbar vor dem Oberthore.
Der Rath hielt 6 (1597/98 bloss 3) Pferde im Mar-
stall im Kloster, welchen der oder die Mar st eller zu
beaufsichtigen hatten. Eins von den Pferden war der
„Lehnklepper", den Pirna wie andere Städte zur Ver-
richtung der Post- und Botendienste etc. für die Regie-
rmig zu halten hatte*'**). Gelegentlich werden Kommete,
Reitscheyden, Sättel für den Marstall angeschafft und
ein Beilskorb vom Schlosser wiederum zugerichtet. Die
Marsteller bekommen Lichtgeld und 16 Seh. 48 Gr. Jahr-
lohn. 1518 kaufte der Rath eine Wiese für 28 silb.
Schock, „die soll gebraucht und behalten sein gemeiner
Stadt zum Marstall, denn der Stadt Wiesewachs mangelt".
Die Marstall w eiber räumten vor und nach den Jahr-
märkten die Klosterkirche aus, in der die Kürschner feil
hielten, und bekamen dafür 2 Gr. 1598 bewilligte der
Rath Michel, dem alten Marsteller, 6 Gr. wöchentlich,
dieweil er ein alter Diener und der Gemeine nhun (9?)
Jahre gedienet. Dem Marsteller und dem Hutmann gab
der Rath jährlich zu Martini ein „Essen" (Brot und
Bier).
Von 1581 an wird auch ein Eutterschneider als
Rathsdiener genannt.
^^) Nach der Baurechnung des Jahres lo67/68 betrugen die
Ausgaben für den Hutmannsstall (Kleie, Stroh, Treber) 8 Seh. 16 Grr.
(l Scheffel Kleie 1 Seh. 22 ür. — 1 Viertel Treber 12—14 Gr. —
Ein Schock Schütten und 15 Gebunde Heu vor die Ochsen 39 Gr.)
**") Die Verpflichtung zur Stellung dieses Pferdes bestand seit
1481 (s. Cod. dipl. II. 5, 4(52 flg.). Das ßitter- oder Lehupferd wurde
nach Lufft im Jahre 1619 mit 18 fl. abgelöst. — Baurechuung 1567:
12 Gr. vor ein Muudstückzaum zu dem Leneklepper. — 12 neue
Hufeisen vor den Lehnklepper, das Paar 1 Gr. — 1 neues Commet
in den Marstall 14 Gr. — Ausg. für Hafer in den Marstall c. 45 Seh.
für 191 Scheffel. — für Heu und Stroh in den M. c. 8 Seh.
14*
212 Reinhold Hofmann:
Dem Zeugmeister oder Zeuglierrn war der Zeiig-
wärter, auch Haruiscliwischer genannt, zur Unter-
stützung beigegeben (3 ISch. Jahrlohn). Das Zeughaus''^)
war im Kloster untergebracht: wie es nach einer Angabe
scheint, in der alten Klosterliberei. In der Kammerrech-
nung des Jahres 1585/8G findet sich die höchste Ausgabe
für das Zeughaus (84 Seh.) mit interessanten Anschaf-
fungen, z. B. rothe und gelbe Binden und Federn für die
Hauptleute, Befehlshaber und den Fähndrich.
Dem Marktmeister"-), der 4 Gr. Wochenlohn er-
hielt, stand Avohl die Marktpolizei und die Yertheilung
der Verkaufsstellen zu. Die Einnahme des Stätte- und
Brettergeldes ist in den Baurechnungen, den Einnahme-
und Ausgaberegistern des Bauherrn, spezifiziert: Markt-
meister und Röhrmeister , sowie die Kathshandwerker
waren dem Bauherrn unterstellt. Die Einnahme vom
Stätte- und Brettergeld betrug jährlich 14 — 25 Schock.
Die Bretter lagen im Bathskeller.
Din Bediensteten des Bierherrn waren die Bier-
schröter, gewöhnlich waren es drei.
Das Messen von Korn, Malz, Salz etc., ehe es zum
Verkauf kommen durfte, an der Niederlage auf der Elbe
und auf der Stadtwage besorgte der Messer oder
Schütter (1591/92 „die 2 Messer und Sackträger").
Nach dem im Stadtbuch A (1512—31) aufgezeichneten
Eide**^) schwur der Messer, „dals er arm und reich recht
messen und schütten wolle". Das Schüttgeld von einem
Fässchen Salz betrug für die Einheimischen 9 Pf., für
die Fremden 1 Gr.***)
«1) S. HauptstaatsarcMv Loc. 9128 Inventariiim der Zeugheuser
zu Drefsden, Wittenberg-, Leipzig, Zwickau, Pirna, Stolpen und
Magdel)urg. Michaelis löfiS. Endet sich Mich. 1566.
«2) Er hatte nach der K. K. 1597/98 Stube und Kammer im
Oberthor. — Pirna hatte 4 Märkte: den Matthänsmarkt (1392 von
König Wenzel der Stadt verliehen), den .Tulirmarkt vor Fastnacht,
den üsterablafs und den Herbstablafs : über die Fundation der beiden
letzteren weiss schon Lufft nichts mehr anzugeben. Der besuchteste
scheint der Osterablafs (Uarnmarkt) gewesen zu sein. Vgl. K. R.
1560/61 : 22 (xr. Botenlohn den Städten Stolpeu, Bischofswerde, Seb-
nitz, Schluckenau, Königsberg (V), Neustadt den Garnmarkt ange-
kündiget. — Einnahme Garngeld im Osterablafs 1594 2 Seh. 6 Gr. 4 Pf.
von 1516 Stücken Garn ä 1 Pf.
"ä) Die Eide, die die städtischen Beamten in späterer Zeit zu
leisten hatten, sind aufgezeichnet in dem in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts angelegten llezessl)uch (Rathsarchiv).
»*) Das Privileg des freien Salzschankes und Salzmarktes in
der Bannmeile, das „dem Rathe um des gemeinen Gutes willen vor
Beiträge zur Verfassnngsgeschiclite der Stadt Pirna. 213
In Diensten des Eatlies standen eine Anzahl Hand-
werker und Arbeiter („gemeine Arbeiter"), wohl nur
zur Ausführung bestimmter Aufträge, wie Steinsetzer für
Pflasterarbeiten, Schmiede, Büttner, Sattler, Wagner,
Seiler, Töpfer, Schlosser. Die Ausgaben für ihre Leist-
ungen sind in den Baurechnungen spezifiziert. K. R.
1541: Dem Büttner dies Jahr sein Erbet nach seinem
Kerbholz 1 Seh. 50 Gr.
Fest angestellt und besoldet war der Röhrmeister
(5 Schock Jahrlohn), dem hauptsächlich die Unterhaltung
der beiden städtischen Röhr Wasserleitungen (des „Ober-
und Niederwassers" oder „oberen und niederen Gerinnes")
oblag. 1511 wird das Rohrhaus vor dem Schiffthor er-
wähnt. 1597 wohnte der Röhrmeister im Kloster unter
den Marstellern.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird
unter des Raths Dienern auch der mit 2 Schock Jahrlohn
besoldete S c h ü t z e n m e i s t e r aufgeführt. Ein „Schützen-
könig" und „der Schützen Viermeister" werden zuerst
im Jahre 1466 namhaft gemacht *'-^). Ausser der „nach
alter Gewohnheit auf Pfingsten zum Vogel" gereichten
Jahresgabe von 40 Gr. schenkte der Rath den Schützen
zuweilen auch Scheiben und Kleinode; ferner Bier und
Wein zum „Pfingstschielsen" („Königsschiefsen"), das
vor dem Schiffthor abgehalten wurde, und Getränke „ufn
Abent ufs Rahthauls". 1591/92: 1 Seh. 12 Gr. den jungen
Schuczen zum Fortteln uf 12 Sontage, jeden Sontagk
6 Gr. 1593/94: 1 Seh. 12 Gr. den jungen Burgern und
Handtwergern, so zur Scheibe geschossen ieden Sontagk
6 Gr. am 6. Decemb. — 1594/95: 1 Seh. 36 Gr. den jungen
Burgern uff 16 Sontag, so zur Scheiben geschossen. —
1595/96: 24 Gr. der Gesellschaft der Schuzen zum Apschuls.
— Mehi-mals giebt der Rath Geldspenden „zu Hülf" an
Schützen, die aufs Schiefsen nach Bautzen, Dresden,
Meifsen, Altenberg, Pegau, Freiberg, Wittenberg, Halle etc.
etwan vielen Jahren fast menschlich Gedächtnis übertreffende zu-
gestellet" (Herzog Georg an den Rath zu P. 1526), wurde 1520 und ö.
erneuert. 1572 betrug die Einnahme von „Salzfässelgeld" 52 Seh. 27 Gr.
6 Pf. für 366 Fässel zu 9 Pf. und 3173 F. zu 1 Gr. — Nach der
Bestimmung des Herzogs Georg in der Rathsordnung vom Jahre
1520 Art. 14, „soll mau hinfürder zwei Salzmeister verordnen:
einen aus dem Rate, der das Salz einkauft, und einen aus der
Gemeine, der dasselbe in Fäfslein verkaufen soll".
65) S. Cod. dipl. IL 5, 443, No. 156.
214 Reinhold Hofmaiin:
gezogen'^''). Am Schluss des 16. Jahrlnmderts wurde für
die „Könige" das Gesclioss aus der Kammer bezahlt
„wegen ihres (Vogel) Königesreichs". In der zweiten
Hälfte des 16. Jahrliunderts trat zu der alten Gesell-
schaft der Armbrust schützen noch die der Büchsen-
schützen hinzu"'), beiden Gesellschaften giebt der liath
jährlich je 5 Schock.
1569 fand ein grosses „Ehren -Schiessen" („Haupt-
schissen", „Fallsgraite Schissen") in Pirna statt, welches
der Stadt laut dem Kammerbuch 322 Seh. 57 Gr. 10 Pf. 1 Hl.
Zubusse kostete. Den besten Gewinn erschoss nach
Petermanns Chronik der Kurfürst August, welcher links
schoss, für den Pfalzgrafen.
Da sich die Schützen auf Schiessübungen beschränkten,
w-ar es im 16. Jahrhundert sogenannten Freifechtern ge-
stattet. Fechtschulen zur Einübung der jungen Leute
in den Hieb- und Stichwaffen zu halten *^^). Eine solche
Fechtschule war auch in Pirna *''''').
Im Fährhause vor dem Brüderthore wohnte der
städtische Fährmeister mit den Fährknechten. 1497
wird „das neue Fährhaus auf dem Graben hinter dem
Kloster" erwähnt. Der Fährmeister war zugleich Thor-
wächter. Er und seine Fährknechte (zusammen 18 Seh.
Jahreslohn) wurden bei grossem Winde und Wasser von
Fischern u. a. unterstützt, die dafür vom Rathe Aus-
lösung bekamen. 1533 ff. wird eine obere (Postaer) und
eine niedere (Copitzer) Fähre unterschieden-, 1575 eine
ö") K. R. 1593/94: 2 Seh. den Armbrustsclmczen, so ken Poraa
ienseit Lcipzigk sicli ufs Vogelschisscn gebrauch eii Hessen. 2 Angusti.
*'■') Nach kurfürstl. Verordnimg vom Jahre 1566, 18. Febr.,
sollen den Schützen und Schiessgesellen zu Pirna jälirlich 10 fl. aus
dem Amte gereicht werden, der Ruth abei' dagegen soll bei der
Büigerschaft daran sein, dafs sie sich niclit alleinc mit Armbrüsten,
sondern auch mit Büchsen zu schiefsen üben und also gefafst machen,
dafs sie auch auf den Fall der Not zu gelirauchen. (K R. 1559
Ausg. auf gewisse Zeit: 40 (Jr. den Armltrustschützen Pfingsten,
12 Gr. den Bogenschützen Pfingsten).
ö») 0. Richter a. a. ü. S. 301. Über die Geschichte und
Bedeutung der Fechtschulen für die Städte s. M. Jahns, Gesch.
des Kriegswesens S. 926.
''■>) K. R. 1590/91: (Gerichtsbufse zahlen, jeder I2V2 Gr.):
Balthasar Susscmilch und Hans Bartzsch, das sie uff der Fechtschuel
den Fechtmeister niedergeleget , ihme in die Haar gefallen, die
Krause abgerissen undt im Tumult den Fechter mit dem ( ?)
übern Kopff geschmissen.
Beiträge zur Verfassiingsgeschiclite der Stadt Pirna. 215
kleine und eine grosse'^"). Die Fährrechnung des Jahres
1593/94 weist eine Einnahme von c. 53 und eine Aus-
gabe von c. 33 Schock auf. In den Fährregistern sind
33 Dörfer als bezahlende eingetragen. (1545 Einn. von
Dörfern Jahrlolm c. 3^6 Seh.)
Aus den Einnahmen der Fähre mussten an den
Eath jährlich 37« Seh. Erbzins, 5^/.^ Seh. an den gemeinen
Kasten, 28 Gr. "an die Stadtkirche und 28 Gr. an den
Pfarrer zu Röhrsdorf Erbzins gezahlt werden '^^). Alle
Ware, die von der Elbe ausgeschifft wurde, musste auf
dem Ufer vor der Stadt, nicht auf dem jenseitigen aus-
geschifft werden. 48 Gr. bezog der Fährmeister jährlich
„von Absetzen von Holz und Mühlsteinen von der Nieder-
lage zu Copitz und Posta". Aus dem fürstlichen Geleite
bekam er eine Geldbelohnung, „dafs er mit getreuem
Fleilse die Wegezeichen'-) von denen, so über die Elbe
fahren, einfordert, desgleichen von denen, die mit Flölsen,
Kähnen, Schiffen etc. vorüberfahren, muls er die Zeichen
einfordern, giebt der Gleitsmann allhier allewege einem
jeden einen Zettel mit gen Dresden"'^). Die Stadt Pirna,
die bis in die Neuzeit herein einen regeren Handels-
verkehr gehabt hat als Dresden, musste sich bis 1875
mit einer Fähre begnügen. Diese war 1326 durch Kauf
in Besitz der Stadt übergegangen'^).
Einen Versuch vom Jahre 1563, über die Elbe eine
Brücke zu bauen, berichtet Tobias Petermann in seiner
Chronik (S. 424): „Anno 1563, Dienstags nach der
Kreuzwoche, ward durch Herrn Mattheus Heintzen vor
der Pforte am Erdhübel eine Brücke über die Elbe bis
an das Wehrt ''^) mit einer Schnur abgemessen unter der
Regierung Jakob Sülsemilchs und Benno Kleditzens.
Die Brücke aber ist noch nicht fertig." Diese wenig
™) K. R. 1595/96: 58 Seil. 48 Gr. Martin Wecken zaUt vor eine
naue Flöfse vnd nauen FelirKann, alls den Fehrkau umb 22 Taler
und die Flefse nmb 125 Taller vordingett. — K. E. 1533: 18 Gr.
vor Segel und Rudel.
''^) Der Fälirgeldtarif und die jährlichen Abgaben des Fähr-
meisters nach einer Aufzeichnung vom Jahre 1451 gedruckt im Cod.
dipl. IL 5, 427 flg.
''^) K. R. 1570: 5 Gr. dem Klempner vor 1 Schock Wegezechenn.
■^^) Nach der „Geleitstafel zu Firn", (c. 1545.) Abschrift im
Rathsarchiv.
'*) Die Urkunde darüber gedruckt im Cod. dipl. II. 5, 342.
■^5) An das Wehrt, vielleicht eine Elbinsel, erinnert heute noch
das „Werthaus" in Copitz.
216 Reinhold Hof mann:
bekannte und leicht ungläubig- belächelte Mittheilung be-
ruht nach den amtlichen Autzeichnungen der Känimerei-
rechnung des genannten Jahres auf Wahrheit. Daruach
waren wiederholt Eathsherren in Dresden, um dem Kur-
fürsten „eine. Supplikation wegen eines Brückenbaues
über die Elbe" zu überreichen. Den 13. Mai war Mat-
theus Heinze, der von 1566 bis 1584 im Eathe sass, in
Dresden, um die dortige Brücke abzumessen. Am 26.
August überantwortete er, begleitet von drei Raths-
herren, dem Kurfürsten „die Visirung und den Anschlag"
der Brücke. Den 10. Mai war die Elbe von Fischern,
die 6 Gr. für ihre Arbeit bekamen, gemessen worden,
und es wurden befunden 357 Ellen von der Pfortenmauer
bis an das Werd über Wasser und von dannen an 194
Ellen bis an die Copitzer Gasse. 66 Klafter Schnur,
über die Elbe zu messen, kosteten b^j.-, Groschen. 12
Schiifknechte erhielten 15 Gr. Trankgeld", „dals sie den
Eibgrund an der Pforten bestochen". Die Brücke sollte
wohl nur eine hölzerne werden: in derselben Jahres-
rechnung sind 2^2 Gr. Lohn für einen Boten verrechnet,
der des Eathes Schreiben um Gehölz zur Holzbrücke an
den Schösser zu Hohnstein getragen und 1^'.. Gr., dais
er Antwort bracht; desgleichen an die Schösser zu
AVeesenstein und Kreischa, möglicherweise mit Schreiben
gleichen Inhalts. Den Grund, weshalb das Brücken-
unternehmen nicht ins Leben getreten ist, habe ich nicht
ermitteln können.
Die Kinder- oder Wehemutter (um 1550 sind es 2)
bekam 2 Gr. Wochenlohn, halbjährlich 18 Gr. Hauszins
und jälu'lich 6 Gr. zu Holze. Nach der Baurechnung des
Jahres 150.7/98 wurden von E. E. Rathes Holz, so man
jährlich im Vogelgesange^") und an der Viehleitc hauen
lälst, 9 Schrägen ausgetheilt und zwar 2 Schrägen dem
Syndikus, je • l^/„ Schrägen dem Stadtpfeifer und Mar-
steller, je einer der Wehmutter, dem Hutmann, Toten-
gräber und Fronboten. — Die „verpflichtete Wehmutter"
w^ohnte im 17. Jahi^hundert im Kloster über dem
Marstall.
'ö) Dieses heute noch der Stadt gehörige Gehölz heisst Jetzt
die „Elbleite", in früherer Zeit führte es den Namen „Zinzerling".
(1402: das holcz obwennyg Pinie gelegen der Czynczerling genant.
Cod. dipl. II. 5, 377, No. «2. — 1412: iuit der Steyn mulen vor dem
thore gelegen mit wassern vud mit einem hulczechin genannt der
Czinczerlin. Ebenda 387, No. 74.)
Beiträge zur YerfassimgsgescMchte der Stadt Pirna. 217
Sanitätswesen.
Eiu „ Stadt medikus" wurde erst 1572 angestellt
mit 52 Seh. 30 Gr. Jahrlolm für sein „Stadtphysikat"").
Die vier ältesten Stadtärzte (16. Jahrhundert) waren
Dr. Johann Bens, neben welchem noch Dr. Zacharias
Stark jährlich 10 Seh. bekommt, Dr. Peter Sibelinus, Dr.
Samuel Meliss und Dr. Gregorius Heiland. Letzterer
starb 1603. Sein auf Holz gemaltes Bildnis befindet sich in
der Stadtkirche. Früher hatten die Bader die medizinische,
bes. die chirurgische Praxis betrieben. Nach einem Ein-
trag am Schlüsse des Stadtbuchs No. 3 vom Jahre 1512
soll „der von der Stadt obligierte Barbier alle Jahre bei
einem neuen Rathe um seinen Dienst werben, item die
Personen des Raths und der Stadt Diener ohne Entgelt
heilen, auch so jemand in der Stadt Gefängnis zu Ge-
brechen kommt, desgleichen arme Leute, die des Ver-
mögens nicht sein." Sehr häufig finden sich in den
Rechnungen Ausgaben (gewöhnlich 20 Gr.) für die Bader,
dass sie Personen geheilt, die das „Stadtschwein" „ge-
bissen" oder „gehauen".
Eine Apotheke ward in Pirna im Jahre 1578 er-
richtet. Li Dresden bestand eine solche schon seit 1467.
Die Entstehung der Apotheken fällt in das Ende des
14. Jahrhunderts. 16 Jahre vor i^ufrichtung der Apo-
theke, 1562, wurde Kaspar Koppen vom Rathe der Stadt
Pirna die Gebühr für die Erlangung des Bürgerrechts
geschenkt, „weil er ein Apothekergeselle ist und der
Stadt dienlich sein A\ill". Der erste Apotheker war
Kaspar Milich, dessen Witwe in den 90 er Jahren das
Geschäft fortführte und sich 1595 mit Dr. Heiland ver-
heirathete. Zahlreich sind in den Rechnungen Ausgaben
verrechnet für Marzipan, Konfekt, Rosinen, Pomeranzen,
Spritzkuchen, Nürnberger Kuchen, Mandeln, Räucher-
pulver, Wachs, Fackeln, Windlichter, die man aus der
Apotheke bezogen hatte. 1583 zahlt der Rath ab-
schlägiich 35 fl. in die Apotheke für roth und gelb
Siegelwachs, für Konfekt und Zucker, die er auf Hoch-
zeiten geschenkt hatte, item für die Präservatift', so im
■'') In der K. R. 1541 wird unter den Communes Inquilini
„der Arczt Judeus" erwähnt. — Nach derselben K. R. hat man „SlVa Gr.
einen Zins gegeben dem Zuckermacher zu einer Vorehruuge, dafs
er den armen Leuten in der Arznei gütlich thun soll". — K. E,.
1559: 36 Gr. Magister Johannes Schütteier, dem Rathe eyn Buchlin
und kurzen Auszugk der Erzney.
ö
218 Roinliold Hofmaiin :
Sterben dem Herrn Superintendenten und den beiden
Diaconis worden. K. it. 1597/98 : 7 Gr. 6 Pf., so Herr
Valten Gerhard Diacs. in der Apotheken an Kichelgen
genolimen, alls ehr zu Herr Hans Gottschalgk gangen
in seiner Leibes Schwachheidt. Vgl. K. R. 1531: 3 Seh.
51 Gr. t'acit Hfl. vor das Polver, das vor die pestilentis
dienen soll.
In Pestzeiten Avurden eine Anzahl besonderer Beam-
ten angestellt: Ein Pestprediger, Pestilentialis;
gewöhnlich übertrug man dieses Amt für die Dauer der
Seuche dem Quartanus an der Stadtschule. Im Jahre
1659 wurde die Stelle zu einer beständigen erhoben und
der Inhaber war der jeweilige Hospitalprediger.
Ferner wurden besondere P esttoten träger (Toten-
gräber), Wärterinnen und (wenigstens von 1607 an
nachweisbar) ein Pestbalbierer angenommen. 1588
auch ein Essenträger mit 14 Gr. Wochenlohn, der den
Totengräbern und Pestkranken Essen zutrug, 22 Wochen
lang. Von der Pest, dieser Geissei des Mittelalters,
wurde Pirna wiederholt heimgesucht: so 1496, wobei nach
der Versicherung des Pirn. Mönchs auch „18 Brüder im
Kloster stürben". Das grösste Sterben des 16 Jahr-
hunderts war nach der unverdächtigen Mittheilung des
Stadtbuchs A, fol. 20 im Jahre 1532: „In diesem Jahre
hat sich Sonntags nach Maria Magdalena (28. Juli) das
Sterben der fährlichen Plage der Pestilenz an der Chri-
stoph Wernerin angefangen und hat gewährt bis auf
folgende Weihnachten, und sind bei 1300 Menschen ge-
storben, und in solcher Zeit ist viel Volks aus der Stadt
geflohen". In der K. P. dieses Jahres steht „Einnahme
Stätte- und Brettergeld" nur für Fastnachtsmarkt und
Osteral)lass verzeichnet; „die andern Merck hat das Ster-
ben verhindert". Am Schlüsse des Stadtbuchs A schreibt
der Stadtschreiber des Jahres 1543: ,,Zu merken, dals
E. E. Rath, dieweil er vermerkt, dals es spöttisch mit
den Leichen der Verstoi-benen hat wollen mit dem Be-
gräbnis zugehen, auf Wege gedacht, dals man ilirer vier
ausgerichtet, die der Verstorbenen Leichen zu Grabe
tragen sollen (folgen die Namen), denen man jeg-
lichem aus gemeinem Kasten jährlich ein silbern Schock
geben soll, als auf jegliches Quartal 15 Groschen, und
haben das ehrliche Handwerk der Tuchmacher jeglichem
zween Mals Gewand ' zu einem Rocke gegeben. Und
wenn die Fährlichkeit [des Sterbens angehet, will Ein
Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna 219
Rath mit ihnen eins werden, was man einem itzlichen die
Woche, oder was einer ihnen von einer Leiche geben
solle." Am Schlüsse des Stadtbuchs C sind ,,Toten-
gTäbers Artikel" verzeichnet (1556): „Wenn er den Sarg
dazu bringt und ohne Sarg ein Altes begraben wird, ge-
bührt ihm 4 Gr. Wenn aber ein Altes mit einem Sarge
begraben wird, gebührt ihm 6 Gr., darum dafs er das
Grab tiefer und länger machen muss. Von einem Kinde
unter 8 Jahren 1 Gr. Von einem 8 jährigen 2 Gr. Von
einem Kinde, so über 8 Jahre, 4 Gr. Es soll auch ein
Grab 3 Ellen tief sein am wenigsten. Und weil ihm
vom Kastenherrn alle Quartal 1 Scheffel Korn gegeben
wird, soll er dargegen die, so ganz arm sein, umsonst
begraben. Es hat auch Kroner, da ihn ein Eath Freitag
nach Trium Hegum des 56. Jahres angenommen , zuge-
sagt, dafs er sich in fährlichen Zeiten alles Gehorsams,
was ihm vom Eath auferleget und geboten, verhalten
wolle."
Die Totengräber wohnten vor dem Dohnaischen Thore
in einem zum Hospital gehörigen Häuschen ^*^). 1597
wurde ein neues Siechhaus, Pestil enzhaus, auf dem
„weiten Kirchhof" erbaut ; von diesem Siechhaus wurden
durch eine Mauer getrennt ,.der Totengräber Häuser".
(K. R. 1597/98.) Im 17. Jahrhundert (1607 flg.) Avaren
„die Pestilenzialhäuser" im Kloster; Pestilentialpfarrer
und Pestbarbier hatten dort ihr „Losament". Die nach
dem Hof herausliegenden düsteren Räume gegenüber der
Klosterkirche heissen heute noch im Volksmunde die
„Pesthäuser".
Die Handwerke.
Auf das Verzeichnis der „Amter und Rathspersonen"
folgt in den Rechnungen des 16. Jahrhunderts das der
Viermeister (Ober- und Viermeister) der Hand-
werke: 4 Namen unter jedem Handwerk. In den beiden
ältesten der vorhandenen Rechnungen (1479, 1490) stehen
sie auf der Aussenseite des vorderen pergamentenen Ein-
'*) 1545 wird ein Häuschen zwischen dem Spittelhäuschen,
darin der Totengräber wohnt, und Anton Mönchs Hause vor dem
Dohnaischen Thor erwähnt. (Stadtbuch B, fol. 109.) — 1583 werden
für 3 Weiber im Spittal, so sich haben müssen innen halten und
unter die Leut nicht haben dürfen gehen, alklieweil sie fast bei den
Totengräbern unter ihnen gewohnet, 6 Gr. auf eine Woche bewil-
ligt. (K. R.)
220 Reinhold Hofinann:
banddeckels nach dem Namen des (vom Ratli allein an-
gegebenen) Bürgermeisters, der hier Proconsul genannt
ist. Im Jahre 1479 und 1490 gab es 7 Innungen in
Pirna: die Tuchmacher, Bäcker, Fleischer,
Schuster, Schneider, Schmiede und Büttner. Es
sind dies die zünftigen oder sogenannten grossen Hand-
werke, denen sich in Sachsen 1472 (in Pirna zwischen
1490 und 1512) noch die Leineweber '") hinzugesellten, wäh-
rend die übrigen erst im 16. Jalirhundert und manche
noch später Innungsverband erhielten ^'^). Die nachweis-
bar älteste Innung unserer Stadt ist die der Schuh-
macher: sie wird 1292 vom Bischof Withego von Meissen
bestätigt^'). Die vornehmste und zahlreichste war lange
die der Tuchmacher oder Wollenweber, bis sie in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von den Leinewebern
und mehrmals auch von den Schustern an Zahl erreicht
und in manchen Jahren übertrotfen wurde; wenigstens
sind in dieser Zeit die Inquilini, d. h. die zur Miethe woh-
nenden Leineweber (und Schuster) mit Bürgerrecht an Zahl
den „Tuchmacher Inquilini" meist überlegen ^'-). Die Zahl
der hausbesitzenden Handwerksmeister lässt sich aus den
ßechnungen nicht ermitteln. Für die Erlangung des
Meisterrechts waren 5 Groschen an die Kammer zu zahlen
(Rubrik „Einnahme Meisterrecht"). Die Tuchmacher,
'*') Diese galten anderwärts nuch viel später für unehrlich. In
der Lade der Schneiderinnung zu Pirna ist ein Geburtsbrief des
Joh. Baelmann von der Schneidergilde der Neuenstadt Osnabrück
vom Jahre 1623 mit dem Passus: „weilen Zeiger keines Zolners,
Müllers, Balbirers, Baders, Leinweib ers, Schäfers, pfciffcrs,
Schweinschneiders oder sonsten einiger anderer meitlichen art und
geschlechts". — Auch in Pirna scheinen die Leineweber noch lange
Zeit nicht für voll angesehen Avorden zu sein : vgl. K. R. 1 594/95 :
1 Seh 50 (Ir. (Gerichtsbuise) Macz Miczscheringk, das er das Handt-
Avergk der Leinweber vbel gescholdten. Nach der K. R. 1597/98
musste der Rath zu P. 105 Schock Strafe zahlen, „Aveil er das Hand-
Averk der Leineweber und Barl)iere beleidigt."
80) Otto Richter a. a. O. S. 209 flg.
81) Cod. dipl. JI. 5, 329, No. 4.
8=) In der K. R. 1593/94 „Einnahme Geschofs und Wachgeld"
stehen unter „Inquilini" die Namen von 54 Leinewebern, 43 Schustern
und 39 Tuchmaclicrn. — Den Tuchmachei'u gehörte seit dem 15.
Jabiliundert die Walkmühle. 1553 wird das Färbehaus der Tnch-
macher vor dem Brüderthor erwähnt. — Auf 3 in der K. R. 1490
liegenden losen Blättei-n (Schmalfolio) linden sich die Namen, von
47 Meistern der Tuchmacher (magistri laniüc.) unter der Über-
schrift der „Tuchmacher Rchme und Bang czinfse" und die Namen
von 36 Meisterndes Schuhmacherhandwerks (magistri sutor.)
unter „der Schuster bangkcziufse".
Beiträge zui- Verfassiingsgeschichte der Stadt Pirna. 221
Bäcker und Schuster hatten einen jährlichen Zms für die
Bänke *^") am Rathhaus an die Stadt zu zahlen: ihre Vier-
meister bekamen vom Eath eine Geldspende, „die Bank-
zinse einzumahnen". Im Jahre 1546 gab es 11 Hand-
werke: es waren noch die Leineweber, Schützen, Kürsch-
ner und Hutmacher (Hutter) hinzugekommen, die letzteren
beiden seit 1518 nachweisbar.
1570 ist die Zahl der Innungen auf 14 gestiegen;
Tischler, Seiler, Töpfer sind hinzugekommen. 1597 werden
Ober- und Viermeister von 21 Handwerken mit Namen
aufgeführt; schwächere und verwandte Innungen hatten
sich zusammengethan. Die 7 seit 1570 begründeten Inn-
ungen sind die der Fischer, der Nadler, Biemer, Sattler,
Gürtler, Beutler und Schwertfeger, der Steinmetzen und
Meuerer, der Glaser, Drechsler und Kleinbinder, der Gold-
schmiede, Seifensieder, Kandelgiesser und Kupferschmiede,
der Zimmerleute; endlich die der Lohgerber, Schwarzfärber
und Weissgerber.
Von Unruhen und Kämpfen zmschen Patriziern und
Handwerkern, wie sie so viele deutsche Städte des Mittel-
alters erschüttert haben, finden wir in Piina nur geringe
Spuren aus den Rechnungen, so 1519, da die Gemeine
conspirationes gehalten^*). Infolge iimerer Zwistigkeiten
hat dann wohl Herzog Georg im nächsten Jahre der
Stadt eine Rathsordnung gegeben.
Geschoss und Wachgeld.
Nach einer kurzen Angabe der Rückstände (Re-
tardaten) und der Bestände an barem Gelde, meist
auch der an Korn und Wein, beginnen die eigentlichen
Rechnungen mit der Namensliste der Geschosspflich-
83) KR. 1548 Schixsterbankzins 2 Seh. 24 Gr. jährl von 36
Bänken zu je 4 Gr. — 3 Seh. 36 Gr. Tuehmaeherbankzin.s (36
Bänke), dazu Tuchmacher Rähmezins 2 Seh. — Bäckerbankzins
6 Seh. 40 Gr. (19 Bänke ä 10 Gr. und 2 Bänke ä 5 Gr.).
^*) K. ß. 1512: 15 Gr. vorczert und vor Lichte aufsgegeben
und vorthon auff Freitagk am Tage Elizabet, do unfser genediger
Herre alhy zcu Byrne gewest und dy Irrunge und Zweylaafi't so
zcwischen dem Rathe Hantwergern und gemeinen Manne gewest
anno etc. duodecimo. — K. R. 1519 Ausgabe auf gewisse Zeit: 6 Gr.
uff die Khore des Raths uff Weihnacht, quem priuceps noluit con-
firmare. — ib. Ausg. Nach Reisen: 36 Gr. 8 Pf. vorczehrt in Drefs-
den der Burgermeyster salb X Persohnen und 8 Pferden in Vor-
bescheid u. g. H. die gemeyne Clage anzuhören am Tage Thimo-
thei. — 10 Gr. 2 Pf. Simon ezu Drefsden uff 4 Reisen vorczert
222 Reinhold Hofraann:
tigen nach den vier Stadtvierteln (Quartalen). Die
Termine für die Zahlung" des Geschosses (exactio) , der
städtischen Hauptabgabe , waren seit 1519 Walpurgis
und Michaelis. Das niedrigste Geschoss eines haus-
besitzenden Bürgers in der »Stadt betrug hall)jährlich 2,
der höchste, selten vorkommende, 50 Groschen. In den
vorhandenen liechnungen des 16. Jahrhunderts ist 48 Gr.
halbjährlich das höchste. Darauf folgt das Geschoss-
verzeichnis der zur Miethe Avohnenden Bürger, Inquilini,
nach Handwerken geordnet; darauf die Communes In-
quilini (zur Miethe wohnende Bürger, die nicht Hand-
werker waren). Ferner die Geschossliste der „Haus-
genossen, so nicht Bürgerrecht haben", der Bewohner
der Häuser vor den Thoren („Vorstetter") und der „uff
der Ewendt" (Ebenheit bei Pirna) , d. h. der geschoss-
ptlichtigen „Bauern, so Bürgergüter haben". Um die
Mitte des 16. Jahrhunderts gab es innerhalb der inneren
Stadt etwas über 250 schosspflichtige Häuser ; die meisten
und zahlungskräftigsten Hausbesitzer wohnten im ersten
Viertel. Die wohlhabendsten Bürger um diese Zeit
waren die Nacke, Funke, Promnitz, Zeibig, Kittel,
Tenler, Sülsmilch, Arnold, Schumann, Engelmann, Fuchs,
Meiisner "^''j. Das höchste Geschoss in der Stadt zahlte
1548 der Bürgermeister M. Lorenz Fuchs: im ganzen
120 Gr. für das Jahr von seinem Hause im ersten und
einer Hofstatt im zweiten Viertel. Die Gesamteinnahme
an Geschoss betrug 1553: 146 Seh. 20 Gr. von den haus-
besitzenden Bürgern „innerhalb der llingmauer".
Dazu kommen die Hausgenossen (Inquilini), jeder jähr-
licli 4 Gr. : 49 Tuchmacher, 15 Bäcker, 21 Fleischer,
13 Schmiede, Kürschner, Wagner, Hutter, 9 Büttner,
26 Leineweber, 17 Schuster, 7 Schneider, 24 Communes
Inquilini, 60 vor dem Oberthor und dem Dohnaischen
Thor, 20 vor dem Brüdeiihor, 25 vor dem Schitfthor,
123 Hausgenossen zu jährlich 2 Gr. Summa 23 Seh. 20 Gr.
Summa die Geschois in alles: 169 Seh. 40 Gr.
in Irrungen saclis der Gemeync . . . Yielleiclit gehört auch eia Ein-
trag in der K. ii. 1555 „Einnahme (Jericlitshufsen" hierher: 34 Gr.
die Hutter, dafs sie eine Widerwärtigkeit und Meuterei unter dem
Handwerk geniaclit.
') Der römische König Ferdinand übernachtete den 17. Mai
1538 bei der Oleitsnianniu Faul Meissnerin und der Hei'zog Georg
beim Bürgermeister Euchs. (Stadtl)iich A, vorderer Einbanddeckel.
Seide m a n n , Keformationszeit in Sachsen von 1517 — 39. S. XI flg.)
Beiträge zur Verfassiingsg-eschichte der Stadt Pirna. 223
Hinter dem Geschoss, in den späteren Rechnnngen
auf gleicher Linie rechts von demselben , steht das als
Beisteuer zur Unterhaltung der Wachmannschaft zu ent-
richtende Wachgeld (jährlich im ganzen c. 30 Schock).
Von der Zahlung des Geschosses und Wachgeldes befreit
waren der Stadtschreiber, die Rathsdieuer -"), die jewei-
ligen zwei Könige der beiden Schützengesellschaften
„wegen ihres Königreichs" und zwei Kirchväter „wegen
ihres Kirchenambtes mit dem Seckell". Nach Lufft waren
infolge der durch Kurfürst Moritz (15.52, 10. März) und
Johann Georg I. (1620, 22. Januar) ertheilten Begna-
digungen auch die Eathspersonen beneben dem Stadt-
schreiber aufi^r den Fall sonderbarer Noth befreit von
allen Einquartierungen, sowie von Geschoss, Wachtgeld
und Wachten. Die Sechser seien dieses letzteren von
undenklichen Jahren her ebenermafsen theilhaftig gewesen,
von der Einquartierung sollten sie verschont bleiben, so-
viel möglich und soweit es ohne sonderbare Beschwerung
der übrigen Bürger geschehen könne. Im 16. Jahrhun-
dert waren die Rathsherren vom Geschoss nicht befreit:
ihre Namen stehen in den Geschosslisten aufgezeichnet,
durchgängig als die der Höchstbezahlenden.
Bevölkerung und wirthschaftliclie Lage der Stadt.
Aus der Zahl der Geschosspflichtigen allein einen
Schluss auf die Bevölkerungszahl Pirnas in der hier be-
handelten Zeit zu machen, hat seine Bedenken. Zur
Unterstützung lässt sich aber vielleicht folgendes heran-
ziehen. Im Jahre 1566 schenkte nach einer Notiz in der
Rechnung dieses Jahres der Rath zum Pflngstschiessen
der jungen Bürgerschaft 2 Schock Gr. und 3 Schei-
ben : der Kämmerer bemerkt dazu : „es seind 207 Bürger
gewesen". Nach einer Mittheilung des meist gut unter-
richteten Petermann (Chronik S. 466) schickte im Jahre
1547 der Rath dem Kurfürsten Moritz 300 Mann Be-
waffnete, „die Hälfte der gesamten Bürgerschaft." Die
Zahl von gegen 600 Bürgern würde nach den Geschoss-
*") K. E. 1S41 zufällige Ausgabe: 10 Gr. Hans Sussemilchauf
2 Termin sein Gesclios und Wachgelt, derweil er defs Kath Diner
ist. — Vgl. K. R. 1534: 5 Gr. Merthen (einem Knechte) geben zu
Seimen, das ehr die Geschos belaufft einzumaneu. — ebenda: 5 Gr.
Thomas geben zu Sehnen, das ehr hatt umbgelauffen die Leut auifs
Haus zu foderu.
224 Reinhold Hofmaiin:
registern für diese Zeit ungefähr stimmen und man
könnte für die Zeit von 1550 eine Einwohnerzalil von
nahe an 4000 Seelen annelimen. Dabei ist noch zu be-
denken, dass 1532 gegen 1300 Menschen an der Pest
gestorben und viele, manche gewiss auch für immer,
aus der Stadt geflohen waren. Otto llichter nimmt für
das Jahr 1546 für Alt- und Neudresden zusammen 6500
Einwohner an^^). Pirna war noch im 16. Jahrhundert
zweifellos eine wohlhabende Stadt: die Jahresausgaben
werden von den Einnahmen meist um ein beträchtliches
übertroffen '^'^). Das Stadtgebiet war durch die Umsicht
des Rathes schon im 15. Jahrhundert wesentlich erwei-
tert Avorden. Die Holdergasse, die der Schlosskapelle
zu ßadeberg gehört hatte, war 1429 an die Stadt ge-
bracht worden. 1452 erwarb die Stadt von Heinrich
von Bünau auf Weesenstein Zinse, Güter und Rechte auf
der Neuen Gasse, der . Vogelgasse, der Dresdnischen und
Breiten Gasse nebst Ackern und Wiesen auf dem Haus-
berg und in der Aue. 1465 belehnte der Bischof von
Meissen die Lehnsträger des Eathes mit Ackern in der
Aue und am Egelsee. 1504 erkaufte der liath das Dorf
Copitz nebst allem Zubehör, mit Gerichten etc. vom
Herzog Georg für 2600 rhein. Gulden, 1513 die Fluren
der „wüsten Dorfschaft Mannewitz" von dem Abt zu
Altenzella, 1519 unterhandelte der Rath mit dem Herrn
von Salhausen zu Tetzschen, „ob das Dorf Cunnersdorf
feil wäre" (K. R.), freilich ohne Erfolg. 1532 tauscht
die Stadt von Georg von Bernstein zu Ottendorf gegen
das Dorf Gabel (Obergersdorf) das Dorf Doberitz '^■•) mit
^■') Verfassungsgesch. Dresdens, S. 194. — Im Jahre 1474 stell-
ten Dresden und Tirna zum Heeresaufgebot die gleiche Anzahl von
Bewaffneten: je einen Hauptmann mit 10 Pferden und 100 Fuss-
knechte. (von Langenn, Herzog Albreclit der Beherzte, S. 413).
^*) K. K. 1.^19: Bargeld der aide Both dem nauen uberantworth :
257 Seh. 11 Gr. 5 Pf. — 1Ö2(): 147 Seh. 11 Gr. — K. B. 1577/78: Ein-
nahme 2970 Seh. Ausgabe 1815 Seh. - K. B. 1591/92: Einn. 3696 Seh.
Ausg. 2338 Seh. Dei' alte Kämmerer übergiebt dem nenen 849 Seh.
bar. — Peckenstein sagt im Theatrum Saxonieum (1608) II, 58:
die alte Stadt Pirna sei zu einem gedeililicben Aufnehmen gerathen
und habe ihr reieliliehes Auskommen jederzeit gehabt.
"") Einnahmen vom Doife Copitz 1593/9-1: 3 Seh. 23 Gr. Erb-
zins Walpurgis, 17 Scli. 37 Gr. Erbzins jiliehaelis; 14 Gr von 14 Haus-
genossen Walp., 13 Gr. von 13 Hausgen. Mich., 43 Sichelgroschen
von 43 Sicheln. Jährlich hielt der Bath Gericht (Ding) in Copitz:
was er dabei getrunken, ist in den K. BB. verzeichnet, fast regel-
Beiträge zur Veifassungsgeschichte der Stadt Pirna. 225
allen Gerechtsamen ein. Eine kurze Zeit besass sie
auch Rottwerndorf, welches der Rath 1554 gegen Zu-
sicherung des Vorkaufsrechtes an Dam von Sebottendorf
verkaufte. 1570 kam das Dorf Pratzschwitz, doch nur
für einige Jahre, um den Preis von 1050 Schock (c. 3000 fl.)
an die Stadt, Ein Beweis von dem Wohlstand der Stadt
im 16. Jahi'hundert ist auch das im Verhältnis ziu^ Ein-
wohnerzahl der Gemeinde grossartige Kirchenbauunter-
nehmen, sowie die Abtragung und Wiedererbauung des
Rathhauses (s. o. S. 203 flg.). Dass auch unter der
Bürgerschaft Geld vorhanden war, lehren die noch zahl-
reich erhaltenen werthvollen Architekturen vom Ende
des 15. bis nach der Mitte des 16. Jahrhunderts^''). Die
Landesherren genossen oftmals die Gastfreundschaft der
Stadt und fanden in Geldverlegenheiten häufig bei ihr
Hilfe. Erst das Jahr 1639, das traurige Jahr des „Pir-
naischen Elends", hat den Wolilstand der durch Rührig-
keit, Glück und günstige Lage emporgekommenen Stadt
auf lange hinaus vernichtet.
Das Bürgerrecht.
Neue Bürger wurden jährlich 20 bis 30 und mehr
aufgenommen: die Gebühr dafür, kurz „das Bürgerrecht"
genannt, ist von den Kämmerern des hier behandelten
Zeitraumes unter der Rubrik „Einnahme Bürgerrecht"
aufgezeichnet. Wer im Weichbilde der Stadt wohnen und
ein bürgerliches Gewerbe betreiben wollte, musste das
Bürgerrecht erwerben ^^). Ein Haupterforderuis für die
Erlangung war der Nachweis ehelicher " Geburt. Die
mäfsig auch , Butter und andere Brezeln" (1592/93: 12 Gr. vor Pretzehi
sambt der Putter denn Herrn uflfs Ehegedienge kegeun Copitz). —
Einnahme vom Dorfe Doberitz c. 476 Schock.
ö'') Siehe R. Steche, Beschreibende Darstellung der älteren
Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. I. Heft.
^^) „Wie bei Euch ein alt Statutum, dass ein jeder, der allda
freiet und wohnen, auch bürgerliche Nahrung treiben will, das
Bürgerrecht zum längsten binnen vier Wochen nach seinem Kirch-
gang gewinnen muss", schreibt der Kurfürst an den Rath zu Pirna
1637, 11. März. (Urk. im R. A. Repert. I, Kap. I, No. 27.) —
K. R. 1562: Blasius Hain ist Burger worden, hatt seinen Aidt ein-
genommen, hatt seiner Gebmtt und Wandels Zeugnus brachtt unnd
ist ime aufferlegett , das er in Jaresfrist sich alhier sesshaftigk
machen solle, sonsten aber, do es vorbliebe, solle ime nicht gestattet
werden, seine Hantierunge alhier zu treiben. Actum etc.
Neues Archiv f. S. Ü. u. A. IX. 3. 4. 15
226 Reinhold Hofmann:
Auswärtigen"-) bedurften „ gnügliclier Kundschaft der
Geburt und Handwerkslehre und Verhaltens". Diese
„Briefe" waren binnen Jahresfrist beizubringen (K. R.
1544). Häufig wurde von Bürgern Bürgschaft geleistet.
Der Aufzunehmende hatte einen Eid zu schwören"-^),
„Jahr und Tag bei der Stadt Guts und Übles zu leiden
(gewarten)". Bürgersöhne erlangten das Bürgerrecht
unentgeltlich, die übrigen zahlten 1 Schock, seit 1553
1 Schock 42 Groschen. Zuweilen verzichtete der Eath
auf die Gebühr (1555: „Dieweil er arm ist, auf Vor-
bitt") oder ermässigte sie, doch bedurfte es dazu einer
Füi'sprache: einem „Depper" wurden 1570 42 Gr. ge-
schenkt „uff Vorbid des von Rotha und ander Leutte
und dieweil er gutte Arbeidt sol machen." Ausser dem
oben (S. 217) erwähnten „Apothekergesellen" nahm der
Rath 1541 einen Zeugmacher, „dieweil es ein sunderlich
Handwerk", unentgeltlich zum Bürger an. Matthes
Schmidt wurden 40 Gr. (^/g des Betrags) erlassen, ,,da-
rumb dals er viel Fleils an der Kii'chen Bau gelegt, des-
gleichen in allen Feuern sehre fleilsig gewest" (1548).
Handwerker konnten die Gebühr auch abarbeiten®"*).
1559 ist Bartel Weller Bürger worden, „hat seinen Eid
eingenommen, ist eines Bürgers Sohn , giebt nichts —
und ist ihme mit Ernst vorgehalten, dals er sich alles
Gehorsams gegen dem Rathe verhalte, besser denn er
hiebevorn gethan".
«2) K. R. 1592/93: Elias Möller 1 Scli. 42 Gr. (dedit). Ist den
12. Februarii Bürger wordeun, hatt seinen Eidt eingenommen und
weill ehr eines Büi'gers Sohn, keinen Gebührts Brief bedürfft, und
ob er wohll der Clebühre wie Andere eingebohme Bürgers Kinder
vorschonet sein wollenn, so hadt es doch darümb nicht geschehen
können, das seidt seines Vätern Tode das Bürgerrecht nicht ist vor-
leget wordenn. — K. K 1569/70: Sigmund Lob ein Schiftknecht,
1 Seh. 42 Gr. am 30. Martii sein Eid eingenommen und nach dem er
hir geborn, hatt er nicht Kundschaft gedorft.
»3) K. R. 1533: Hans Stil der Junge ist Burger worden, hat
getreu zu sein geloht, sal 1 Seh. geben, und wen er mundigk
wirdt, sol er sein Aidt einnehmen. Actum Freitags nach
Invocavit. fid. iussor Günther Petzsch.
»') K. R. 1539: Josep Behr Ziegeidecker ist Bürger worden,
hat sein Aidt eingenohmen, sol 1 Seh. geben und an der Kirchen
aberbethen. — Desgl. Peter Gebhardt, der Kleinschmied, soll auch
1 Scb. geben oder abarbeiten. — ebenda: Nikol Hofmann, der Stein-
metz, hat zugesagt, gemeine Stadt mit seiner Arbeit zu „federn".
— K. R. 1567: Christoph Kramer, Bildenhauer, ist Bürger worden,
hat Kundschaft bracht, seinen Eid eingenommen, an das Schiffthor
ein Wappen für das Büi'gerrecht gemacht.
Beiträge zur Verfassungsgescliichte der Stadt Pirna. 227
Nach der Mitte des 16. Jahrliunderts sind anstatt
oder ausser der Geldgeblilir häufig Gaben von Haken
und Eimern als Leistung für die Erhmgung des Bürger-
rechts in den Rechnungen verzeichnet. Die Erklärung
finden wir in einem Eintrag des Jahres 1553: „Blasius
Hippsch ist Bürger worden, hat seinen Eid eingenommen,
hat 1 Seh. und 2 11. (= 42 Gr.) vor die Rüstunge und Eimer
geben und soll forder stettiges (forthin stets) also ge-
halten werden und soll in des, der Bürger wird, Willen
stehen, ob er das Geld oder Rüstunge, Haken und
Eimer geben wiU".
Kirchendiener wurden unentgeltlich als Bürger aut-
genommen, oder es wurde ihnen ein Theil der Gebühr
geschenkt, doch blieb beides wohl in das Ermessen des
Raths gestellt. 1558: Klemens Goldammer, Diaconus
Pirnensis, ist Bürger worden, hat seinen Eid eingenom-
men und dem Rath gegeben 1 Schock. Die 2 Gulden
hat ihme ein Rath erlassen, weil er ein Kirchendiener
allhier gewesen. — Mag. Antonius Lauterbach, der als
der erste Superintendent 1539 nach Pirna kam, wurde
erst 24 Jahre später Bürger. In der Rechnung des
Jahres 1563 findet sich darüber folgende Angabe: Ma-
gister Anthonius Lauterbach, Pfarher vnd Superintendens,
Ist Burger worden, hatt uf Erzelunge des gewonlichen
Aides zugesagt, alles zuthuen, was Ime gebureth vnd sich
also gegen dem Radt vnd gemeine Stadt zuvorhalten
wie billich. Ist seines Aidts erlassen. Die Gebuer ist
Ime geschangt. Actum den 15. Decembris Anno etc. 63".
Seinem Bruder Baltasar, der 1539 Bürger wurde, schenkte
der Rath 30 Gr. (die Hälfte) an seinem Bürgerrecht,
„dem Pfarr zu Ehren". Der Schulmeister Johann Schu-
mann musste 1545 den vollen Betrag für die Erlangung
des Bürgerrechts zahlen '^^). Niederen Rathsdienern wurde
je nach der Entscheidung des Raths das ganze „Bürger-
recht" oder ein Theil erlassen^*^).
^^) K. R. 1544/45: Johann Scliuman, der Zceit Schulmeister,
ist Burger wurden, hat seyn Eidt eiugenomen, sal 1 Seh. zwischen
hier und Weynacht geben. Act. 4ta post Andvee, portavit recog-
nit(ionem) 4** p. Quasimodogen. ao. XLV.
"^) K. R. 1556: Peter Aruolt ist Burger worden, hat seinen
Aid eingenommen, hat geben 1 Seh. unnd 2 fl. seint Line als einem
alten Diener des Rats nachgelassenn. — K. R. 1561: Benno Reyff
ist Bürger worden, hat seine Kundschaft bracht, hat seinen Eid ein-
genommen und weil er in des Rats Dienst, ist auch fleifsig, hat man
15*
228 Reinbold Hofinann:
Von Interesse für die Anfänge zweier Handwerke
in Pirna sind folgende zwei Einträge nnter „Einnahme
Büi'gerreclit". K. R. 1550: Kaspar Hirsch von Löwen-
burg, ein Seiler, ist Bürger worden, hat seinen Eid
eingenommen, hat Haken und Eimer bar gegeben, soll
1 Seh. geben halb Weihnachten, halb Ostern, portavit re-
cognitionem, hat zugesagt, sein Handwerk und „Endhald"
vor der Stadt zu treiben, dan (weil) der Eat keinen
Seiler in der Stadt haben will. Solchs er selbst und
auch sem Bürge zugesagt und dem Bürgermeister an die
Hand angelobt. — Nach dem Zeugnis des Kammer-
buches wurde im Jahre 1559 der erste Lohgerber
Bürger, Jakob Schneider von Dresden. „Nota : Obgemelter
Lohegerber ist zum Bürger aufgenommen dergestalt, dafs
er an keinem Orte der Wasser sein Lohegerben treiben
soll, dan an der Eiben, do yme der Eat einen Ort an-
weisen wü^d. Welches er auch gewilliget und angenommen."
Mit derselben Beschränkung zu Gunsten der Fischerei
wird 1567 einem andern Lohgerber das Bürgerrecht er-
theilt^'). Bürgersühne, welche nach des Vaters und der
Mutter Tod „das Burgerrecht nicht vorlegt gehabt",
mussten dies von neuem erwerben, doch war die Gebülu*
eme geringere^^). Nach der K. E,. 1597/98 „sind fol-
gende (15) Personen, weil sie zum Theil verstorben, auch.
zum Theil sich unter andere Herrschaft begeben, mit
Beliebung E. E. Eathes aus dem Bürgerrecht ausgelest
worden, damit man sie nicht ins Eetardat setzen dürfen.
31. März 1598".
ihn „ahne Entgeltnus" zum Bürger aufgenommen. (Die Formel
„hat seine Kundschaft bracht" wechselt mit „portavit recognitio-
nem" ab.)
»'') K. ß. 1567: Donat Hörn von Dresden, 1 Seh. 42 Gr. gegeben,
einen Eid gethan, zum Burger [nach] ^'erlegung seines Grelmrts-
briefes aufgenommen worden, doch anders nicht, denn dafs er seine
Werkstatt, dieweil er ein Lohegerber, an der Eiben und sonst in
keinem andern Fisclnvasser haben solle.
ö8) K. R. 1569/70: Hans Frenzel ist Bürger worden, hat seinen
Eid eingenommen, ist eines Büi-gers Sohn, „allein das ers 3 Jahr
das Burgerrecht nicht vorlegt gehabt (mufs er 12 Gr. für die Er-
langung des B. zahlen). Act. den 7. Sept. anno 69." — Ebenda:
48 Gr. Nickel Barth zu Bürgerrecht, weil er seit der Mutter
Tode dasselbe nicht verleget und hat also den 6. Dezember (1569)
seinen Eid eingenommen und ist Büi-ger worden. — Vgl. oben
Anm. 92,
Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna. 229
Gerichtslbarkeit.
„Im schwarzen grofsen Amt serb buche ^'') steht ge-
schrieben, dalis der Rath von Pirna auf Kanzleischrift
sitze, und es ist nii^gends zu befinden, dals er jemals
amtssässig gewesen wäre" (Lufft in seinem „Gecrönten
Bii^nbaum"). Die Stadt Pirna besass die niederen Ge-
richte (später Erbgerichte genannt), die sich auf büi'-
gerliche Rechtssachen, Irrungen und kleinere Vergeh-
ungen bezogen, und die Obergerichte, d. h. die pein-
liche Gerichtsbarkeit über Hals und Hand. Letztere
war dem Rath im Jahre 1491 vom Herzog Georg „an-
statt und in voller Macht" seines Vaters Albrecht gegen
50 rhein. Gulden Jahrgeld (vorläufig auf sechs Jahre)
pachtweise überlassen ^*''^). Dieses Jahrgeld ist in den
Rechnungen als „Gerichtsgeld" (halbjährlich 8 Seh. 24 Gr.),
immer in Verbindung mit der Jahrrente (halbjährlich
24 Seh. 5 Gr.), stets auf der zweiten Seite der Ausgaben
verzeichnet. Die Gerichtsbarkeit übte der Stadtrichter
im Auftrag des Raths. Jährlich hielt er in den Raths-
dörfern Gerichtstag ab (Ding, Ehegeding). Die Ein-
nahmen an Gerichtsgefällen sind in den Rechnungen unter
„Einnahme Gerichtsbulsen" spezifiziert, die Einnahmen
von Vergehungen gegen die Statuten der Stadt unter
„Einnahme Statutenbulsen". Nach der Rathsordnung vom
Jalu-e 1520 bekamen die Richter und Schoppen den Klage-
groschen u. a. dergleichen Gebühr, so ihnen von Gerichts-
wegen zuständig, wie vor alters. In zweifelhaften Fällen
wandte man sich an die Leipziger Schöppen^^^) (ein
^^) Das schwarze Amtsbuch (schwarz genannt nach der Farbe
des Einbandes), ein unbehilflich dicker Folioband, liegt im Kgl.
Amtsgericht zu Pii-na.
1"^) Der Eezess vom Jahre 1491, Nov. 24 (am Abend Katharina
Vii'ginis) mit genauer Abgrenzung des Gerichtsbezii'ks (^IMahlstedte")
abschriftlich erhalten im Rezessbuch und in einer alten Kopie im
Rathsarchiv. — Im Jahre 1619, 30. Nov. überträgt Kurf. Johann
Georg I. der Stadt in ihrem Weichbilde mit Ausnahme des Schlosses
die Obergerichte gegen ein Kapital von 3000 Gulden und einen
jährlichen Erbzins von 10 Gulden, mit der Verpflichtung, die Wege
und Strassen zu bauen und zu erhalten. Der Kurfürst wahrt sich
das ins superioritatis.
101) V. Webers Archiv für- Sachs. Geschichte N. F. II, 200 (vil
stete in der marggrafsch. zu 3Ieichszen, dy ir vollbort dez rechten
nemen zu Lipzig). „Wie das ein alter Gebrauch allhier (in Pirna)
bei uns ist, wenn ihrer zwei zu Urteilsgesetzen kommen und wenn
"die Urteilssprüche geholet werden sollen, leget jeder Part Urteilgeld
und Botenlohn, und wenn die Urteil geoffent sein, welchem das Recht
230 ßeinhold Hofmann:
Urtel derselben kostete meistens 18 Groschen, doch auch
mehr ^"-), oder auch nach Wittenbergs"'^).
Ein Ortstatut mit privatrechtlichen Bestimmungen
für die Stadtbewohner in der Zeit bis zum Schluss des
16. Jalirhunderts ist im Rathsarchiv nicht erhalten, das
Vorhandensein eines solclien Stadtrechtsbuches, gemei-
niglich Willkür genannt, scheint aber bezeugt durch
das stehende Kapitel „Statutenbulsen" in den Käm-
mereirechnungen und einige Stellen in den Rechnungen
und in dem Stadtbuch des Jahres 1524 s*'*). Die Sta-
tuten hatten wohl nur einen geringen Umfang und waren
auf einer Tafel verzeichnet^'^'). Um die Mitte des 16. Jahr-
beifället, der empfahet sein Geld wieder, des anderen Parts Geld
gebet man vor Urteil mid Botenlohn. — Der Rat habe allezeit
das Geld den Schoppen gegen Leipzig geschickt." H.-St-A. Loc.
9900 Schriften vor Herzog Georgen eigangen, Irrungen und Gebre-
chen Bl. 3.
i"2) K. R. 1595/96: 18 Gr. den Schöpen zu Leupzigk Urttel
Gebur so . . . das Mall Staupeun schlagen und ewige Lauzvorweisung
zu ehrkandt worden. — K. R. 1590/91: 42 Gr. den Schoppen zu
Leipzig, darin (dafs er einen ci'stochen) das Schwert ist zuer-
kannt. — K. R. 1594/95: 2 Seh. den kurf Sachs. Schoppen zu Leipzig
von einem Urtel zu sprechen. — K. R. 1551: 55 Gr. von einem Urtel
von Leipzig Jocof Hasse den Tuchliändler belangend. — K. R. 1519:
19 Gr. für das Urteil, die Aiifgabe belangend, ob ein Weib ihr Dritteil,
so sie von ihrena vorigen Mann l)ekoramen, „au Erben lawbe" (ohne
Erlaubnis der Erben) vorgeben möge. — K. R. 1561 : 15 Gr. Anton
Rulle Botenlohn, dafs er die Akten gen Leipzig getragen. —
K. R. 1554: (auf den gefangenen Nickel Rudeloff) 5 Scb. 2 Gr. Syndico
und Peter auf der Leipziger Reise ist verzehrt, da man das consi-
lium gefordert.
103) K. R. 1597/98: 1 Seh. 3 Gr. Urtelgeldt den Schoppen zu
Widtenbergk, darinnen Merten Gülzen die Torthur zu erkandt
worden. 27. Dec. (1597). — Ebenda 44 Gr. Christof Lose in Clusis
4 Tage stille gelegen, so mit der Frage nach AVidtenbei'gk, ins
Hoff'gericht abgeferdiget worden. — Ebenda: 1 Seh. 3 Gr. den vor-
ordenden Her Doctoribus und Beysitzern des Churfl. S. Überhoif-
gerichtes zu "NVidtenbergk, vom Endt Urteil darinnen Geizen der
Strangk zugesprochen worden.
i<») K. R. 1479 Gemeine Ausgabe: 5 Gr. die Herrn vortruncken
als man den Rat bestetigit hat und dii Gemeyne besandt und dii
alden Gebot vornauet imd bestetigit. In die circumcis. Dni
(1. Januar). — Nach dem Stadtbuch IV, fol. 1691^ (1524) wird eine
Ordnung für die Büttner mit "Wissen des Landvogts ins Stadtbuch
geschrieben. Sie enthält das Gebot der Vorsicht „mit Gehölze und
Spänen", „desgleichen sich ein jeder mit Holz, Heu und Stroh,
wie in der Willkür begriffen, sich auch halten soll bei auf-
gesetzter Pön".
10'^) K. R. 1597 Gemeine Ausgal)e: 2 Gr. 6 Pf. Hans Unger
der Daffel Pappier auffzumachen, darauff die „Stadt Stuthen" vor-
zeichnet.
Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Pirna. 231
liunderts scheint ebenso, wie in Dresden (vgl. 0. Eicliter
a. a. 0. S. 256), infolge der Vielgestaltigkeit des in Pri-
vilegien, Willküren, Schöffenurtheilen nnd Rechtsbüclieru
enthaltenen ßechtsstoffes Unsicherheit in der Rechtsprech-
ung entstanden zu sein, wenigstens Hess sich im Jahre
1557 nach einer Notiz in der Kammerrechnung der Rath
in der fürstlichen Kanzlei Abschriften von „etlichen Städte-
wülküren" fertigen und zuschicken. Nach derselben Jahres-
rechnung sind auch 1 Schock 12 Groschen bezahlt worden
flu- „Sachsenspiegel und Weichbild".
VIII.
Die Eroberung Nordböhmeus
1111(1 die Besetzung Prags durch die Sachsen
im Jahre 1631.
Von
Arnold Gaedeke.
Über den Zug der Sachsen nach Böhmen und die
Besetzung Prags im Jahre 1631 sind die Meinungen bis-
her sehr auseinander gegangen. Dass Wallenstein die
Hand dabei im Spiele gehabt und an Arnim die Auffor-
derung habe ergehen lassen, sich mit raschem Hand-
streiche der wehrlosen Hauptstadt zu bemächtigen, ist
vielfach bestritten worden. Khevenhüller spricht sich
sehr kurz über die sächsische Okkupation aus, seine Dar-
stellung ist dabei nicht frei von Ii-rthümern. Andere
haben gemeint, die energische Kurlürstni Magdalena
Sybilla habe in ihrem Glaubenseifer ihren schwankenden
Gemahl zum Einmarsch veranlasst. In Wahrheit hat
sich die Sache doch anders verhalten.
In meiner Schrift „Wallensteins Verhandlungen mit
den Schweden und Sachsen" (1885) habe ich an der
Hand der mir damals vorliegenden Aktenstücke die An-
sicht ausgesprochen, dass Arnim emer Besetzung des
Landes durch die Emigranten habe zuvorkommen wollen
und nachdem er den Einmarsch gewagt, ermunternde
Botschaften Wallensteins erhalten habe. Ich wies ferner
nach, dass der Kurfüi-st sich zuerst ablehnend verhalten
habe, und dass Arnim schliesslich, indem er einer Zu-
A. Gaedeke: Die Eroberung Nordböhmens 1631. 233
sammenkimft mit Johann Georg auswicli, anf eigene
Faust vorgegangen sei.
In einem jüngst erschienenen Aufsatze hat Max
Lenz^), indem er die gelieferten neuen Beiträge für
„recht fragmentarisch" erklärt, es beklagt, dass wir auch
jetzt „über den Einmarsch der Sachsen in Böhmen und
die ilm begleitenden oder ihm nachfolgenden Verhand-
lungen recht ungenügend unterrichtet bleiben". Ich habe
daraufhin noch "einige restierende Bestände des Jahres
1631 im Königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv durchgesehen
und in der That ergänzende Korrespondenzstücke gefun-
den, zu deren Mittheilung ich mich um so lieber ent-
schlossen habe, als dieselben, wie ich hoffe, manchen
Zweifeln ein Ende machen werden. Unsicher bleibt nur
die Frage, wie weit sich Wallenstein Arnim gegenüber
„ausgelassen" hat.
Die Unterhandlungen Wallensteins mit Gustav Adolph
unter Thui'us Yermittelung waren im Sommer 1631 dahin
gegangen, dass der Schwedenkönig dem Herzog von
Friedland, sobald dieser den Moment für gekommen er-
klären werde, ein schwedisches Hülfscorps von 12000
Mann mit 18 Geschützen unterstellen sollte, wogegen
dieser eine Erhebung Böhmens ins Werk zu setzen und
nach Abfall emzelner kaiserlicher Regimenter und Er-
richtung eigener Werbeplätze einen Angriff auf die kaiser-
lichen Erblande selbst zu machen gedachte. Nach der
Schlacht bei Breitenfeld hatte sich die Situation indessen
zum grössten Leidwesen des alten Grafen Thurn und der
böhmischen Emigranten völlig geändert. Wallenstein
hatte damals den Moment füi' günstig erklärt, der König
aber, von Misstrauen erfasst oder durch andere Pläne
beeinflusst, erwidert, er könne nicht mehr als 3 Regi-
menter abgeben, und ihn an Arnim und die Sachsen ver-
wiesen.
Die Hoffnungen der böhmischen Emigranten hatten
damit einen schweren Schlag erhalten. Thurn beabsich-
tigte jetzt, eine eigene Expedition auszurüsten und nach
Unterstellung einiger tausend Mann sächsischer Truppen,
^) Zui- Kritik Sesyma Rasins: Historische Zeitschrift. N. F.
Bd. 33.
234 -Ä.. Gaedeke:
Avozii dann noch 3 schwedische Regimenter gekommen
Avären, eine Erhebnng in Böhmen zu veranlassen. Er
eilte Mitte Oktober mit dahin bezüglichen Schreiben
Gustav Adolphs nach Dresden, um den Kurfürsten und
Arnim für sein Unternehmen günstig zu stimmen. Er
bat um die Erlaubnis, Werbeplätze an der böhmischen
Grenze zu errichten; alsdann wollte er Arnim disponieren,
den General Tiefenbach in Schlesien anzugreifen und
von Böhmen fern zu halten, ausserdem aber den säch-
sischen Oberbefehlshaber zu einer Zusammenkunft mit
Wallenstein in Schloss Eriedland zu vermögen; auch
Bubna, der alte von Wallenstein hochgeschätzte Waffen-
gefährte, der sich bereits heimlich in Böhmen befand,
sollte sich dort einfinden. In Dresden sammelten sich in
diesen Tagen die vornehmsten böhmischen Emigranten
um Thurn und entwickelten eine fieberhafte Thätigkeit
Eine einflussreiche Partei am sächsischen Hofe, alte
Geheime Räthe, welche dem Kaiser ergeben waren und
an dem Kurfürsten selbst eine Stütze hatten, hatte sich
indessen gegen eine offene Unterstützung der böhmischen
Rebellen ausgesprochen. Hierin wurde der sächsische
Hof durch Wallensteins Haltung, auf die ich sogleich
zurückkommen werde, und durch die politische Lage
bestärkt.
Den kaiserlichen Ministern war dieses sehr wohl
bekannt; gerade damals hoffte man in Wien, durch Wallen-
steins Vermittelung Kursachsen auf die kaiserliche Seite
zu ziehen. Questenberg erhielt den Auftrag, Wallenstein
zu dahin bezüglichen Verhandlungen mit Araim zu ver-
mögen. Dieser ergriff den Auftrag mit Begierde, da er
ihm als Vorwand zu den Unterhandlungen bei seinen
eigenen Racheplänen ausserordentlich zu statten kam.
Die Kurfürstin Magdalena Sybilla Avar weit eher
geneigt als ihr Gemahl, für die evangelische Sache und
die Herstellung eines selbständigen Königreichs Böhmen
etwas zu wagen, ja es ist zweifellos, dass sie ihren Ge-
mahl mit schwedischer Hülfe am liebsten auf dem böh-
mischen Throne gesehen hätte. Sie hat deshalb das un-
aufhaltsame Vordringen Gustav Adolphs ins westliche
Deutschland sehr ungerne gesehen. Als die Trägeriu
einer kühnen und entschlossenen evangehschen Eroberungs-
politik kann man sie indessen auch nicht bezeichnen.
Wohl bricht der tödliche Hass gegen Tilly und die Liga
in allen ihren Briefen durch; ebensosehr jedoch auch die
Die Eroberung Nordböhmeiis 1631. 235
Besorgnis, man könne sich an einem zu gefährlichen Un-
ternehmen betheiligt haben.
Arnim endlich war der Ansicht, jede Chance des
Krieges mit Vorsicht aber nachdrücklichst zu benutzen;
zudem musste eine Besetzung des Eibgebietes und Egers
die Position Sachsens wesentlich verstärken. Wallen-
steins Haltung und das Benehmen der böhmischen Emi-
granten haben nun Arnim zweifellos in seinem Verhalten
ebenfalls beeinflusst. Von Gustav Adolph zurückgewie-
sen, war Wallenstein Willens, sich mit den Sachsen in
Verbindung zu setzen und dieselben für seine Zwecke
zu benutzen.
Verschiedene Gesichtspunkte werden ihn dazu ver-
anlasst haben. Er musste vor allem sein Augenmerk
darauf gerichtet halten, dass seine ausgedehnten Besitz-
ungen, auf denen schliesslich doch sein Reichthum und
seine Macht beruhte, genügend geschützt und radikale
Umwälzungen in Böhmen seitens der Emigranten ver-
hindert wurden. Deshalb hatte er auch 12O0O Mann
zuverlässiger, schAvedischer Truppen verlangt. Er traf
sofort mit Arnim Abmachungen, welche dieser später
auch eingehalten hat. Böhmen lag wehrlos da, die Emi-
granten konnten, falls Tiefenbach von den Sachsen in
Schach gehalten wurde, mit geworbenen Truppen und
einigen schwedischen Regimentern einen Aufstand erregen,
welcher die gesamten Besitzverhältnisse in Böhmen aber-
mals verändert haben würde. Dieses musste verhindert
werden. Alsdann aber wollte Wallenstein, unter Verta-
gung seiner Rachepläne, die Sachsen benutzen, um auf
den Kaiser eine derartige Pression auszuüben, dass er
sich zur Annahme seiner Bedingungen für Wiederauf-
nahme des Generalats bereit erklärte. Vielleicht mag
Wallenstein anfangs auch an eine gemeinsame Operation
mit den Sachsen gedacht haben; eine Idee, welche er
nach näherer Prüfung wieder hat fallen lassen. Jeden-
falls hat er mit arger List die sächsische Armee zum
Vormarsche und in den Besitz von Prag gebracht. Seit
langer Zeit stand Arnim mit Wallenstein in intimen und
geheimen Beziehungen. Ich erinnere nur daran, dass
Oberst Wengersky am 14. November 1630 an Wallen-
stein geschrieben hatte: „Vor 3 Tagen habe E. F. Gn.
ich die Schreiben, so der König in Schweden an den
von Arnim schreiben lassen, überschickt, miterdessen
hat er, Arnim, mir auch das andere Schreiben sammt
236 A. Gaedeke:
dem Alpliabet, durch welches er korrespondiren solle,
überschickt, welches ich E. F. Gn. beiliegend überschicke.
Der von Arnim wird auch selbst, sobald er Gewissheit
hat, dafs E. F. Gn. zu Gitschiu sein, sich bei demselben
gesteilen." Am 19. Januar 1631 hatte AVallenstein an
seinen Landesliauptmann Kaunitz geschrieben: „Demnach
der von Arnim zum üftern uns hinfüro zu schreiben, und
seine Briefe allezeit Euch zuschicken wird, dannenherro
von nöthen, dais zu schleuniger Ueberbringnng derselben
von Euch eine gewisse Anstellung gcnmcht Averde, damit
sothane Schreiben olme Verlierung einiger Stundt bei
Tag und Nacht fortgeschickt werden mögen. Also be-
fehlen wir, des von Arnim an uns haltende Schreiben
dieselbe Stunde, wenn sie bei Euch ankommen, uns un-
aufgehalten zu Tag und Nacht zugeschickt werden."
Es bedarf Avohl keines Hinweises, dass es sehr wichtige
und sicher dem Hause Oesterreich nicht gerade förder-
liche Schreiben gewesen seni müssen, welche m Ziffern
und zur selbigen Stunde bei Tag und Nacht überschickt
Averden sollten. Wer Avollte darnach noch bezAveifeln,
dass die Aufträge an Sesyma liaschin von Wallenstein
ausgegangen sein Averden! Arnim selbst bittet Wallen-
stein schon am 29. Dezember 1630 von Boitzenburg aus,
um schneller korrespondieren zu können , auf halbem
Wege einen Kurier zu bestellen. Wann sich nun Wallen-
stein im Herbste des Jahres 1631 zuerst wieder an
Arnim geAvendet hat, Avissen Avir nicht. Aus einer Mit-
theilung Kirchners müsste man entnehmen, dass dieses
bereits im August geschehen ist, AVohl in der Absicht, die
projektierte Verl)indung mit Gustav Adolph zu besprechen
und einen gemeinschaftlichen Feldzug zu verabreden, so-
Avie durch ihn den Kurfürsten von Sachsen für den gan-
zen Plan zu geAvinnen"-). Es AA^ar damals zu kenier Zu-
sammenkunft gekommen, und es ist nicht ersichtlich, ob
Arnim in die gelieimen Verhandlungen Wallensteins mit
Gustav Adolph und Tlim-n schon damals eingcAveiht Avor-
den ist. Die Absicht dazu wird in einem Briefe Thurns
erwähnt; Thurn scheint aber Dresden damals nicht ver-
lassen zu haben, Avie seine Briefe bezeugen. Er Avurde
hier sogleich von Emigranten umringt und vom Kur-
^) Kirchner bemerkt, Wallenstein habe am 7. August 1631 an
Arnim geschrieben, dass er sich mit ihm zu unterreden Avünsche;
Arnim sei aber nicht gekommen. Die Aktenstücke sind leider in
Boitzenbiirg nicht mehr vorhanden.
Die Eroberung- Nordböhmeus 1631. 237
füi'sten zu seinem hüclisten Missvergniigen hingehalten.
Er beschwert sich ausdrücklich, dass er kalt und nicht
im Schlosse aufgenommen worden sei"). Dagegen muss
Arnim kurze Zeit darauf einmal nach Dresden gekom-
men sein.
Verfolgte nun der Kurfürst von Sachsen nach der
Breitenfelder Schlacht eine zielbewusste Invasionspolitik,
und wie ist der Einmarsch in Böhmen ins Werk gesetzt
worden ?
Gustav Adolph war unmittelbar nach der Schlacht
mit dem Kurfürsten in Halle zusammengekommen. Hier
wurde im allgemeinen festgesetzt, dass sich der König
gegen die Liga, Arnim gegen Tiefenbach wenden solle.
Nöthigenfalls sollte Bauer Arnim unterstützen, daneben
gegen Magdeburg operieren und die Oderpositionen be-
setzt halten. Der König marschierte sogleich am 17./27.
September los, der Kurfürst blieb dagegen 14 Tage in
Leipzig, um sich zu erholen.
Arnim rieth nach der Schlacht sogleich, die grösste
Vorsicht zu beobachten und erhebliche Rüstungen vor-
zunehmen. Er war jetzt auf sich allein angewiesen und
scheint mit den Truppen nicht gerade zufrieden gewesen
zu sein. „Im Ganzen sei der Feind noch überlegen",
schrieb er dem Kurfürsten, „da Schweden und Sachsen
allein im Felde ständen, und die anderen evangelischen
Fürsten sich noch nicht mit dem Könige verbunden
hätten, seine Stärke beruhe allein auf der Armee, das
geringste Unglück, so derselben zustolset, werde hindern,
dals er nimmer wieder auf die Beine kommen könne.
Der König könne sterben und dann sei man allein mid
so tief drinnen^), dass man sich einiger guter composition
nicht vertrösten könne. Bei der Niederlage der Katho-
lischen werde vielleicht zu einem allgemeinen Frieden zu
gelangen sein, daneben aber müsse man sich stärken und
rüsten, Brandenburg auf die Beine helfen, dals es
8—10 000 Mann unterhalte, den Feind verfolgen, schon
um des Unterhalts willen und die Truppen in andere
Oerter führen, damit das sächsische Land nicht verderbt
werde." Er trat alsdann seinen Marsch gegen das em-
zige noch starke und intakte kaiserliche Korps unter
Tiefenbach, welches mit den Garnisonen etwa aus 10000
Mann bestand, an. Tiefenbach war soeben in die Lau-
^) No. 22 der Aktenstücke. — ■*) No. 1 der Aktenstücke.
238 A. Gaedeke:
sitz eingebrochen und hatte am 26. September Herzberg
angezündet. Arnim ging zunächst nach Torgau ; er liess
verbreiten, dass er 32 000 Mann unter seinem Befehle
habe''*). In Wahrheit werden es etwa 12 000 Mann ge-
wesen sein. Am 28. September finden wir ihn in Herz-
berg, am 30. in Uebigau; am 30. schlägt er dem Kur-
fürsten vor, Schlesien zu okkupieren. Dann heisst es
weiter: „Denn bei jetziger Beschaffenheit sowohl der Zeit
als auch der Umstände, sich weiter etwas nach Böh-
men zu begeben, sei wohl zu erwägen". Wenn der Kur-
fürst sich verstärken wolle, so würde es gut sein, sich
bis Leitmeritz zu begeben und sich des Eibstroms zu
bemächtigen, aber der Kurfürst möge nicht zaudern und
sich rasch entschliessen, da der Winter vor der Thüre sei").
Die feindliche Armee hatte sich langsam zurück-
gezogen, Arnim war in der Übermacht; möglicherweise
hat aber auch bald eine auf Wallensteins Veranlassung
ergangene kaiserliche Ordre dabei mitgewirkt. Gleich-
wohl trat Arnim seiner Gewohnheit nach sehr ängstlich
und vorsichtig auf; er überschätzte den Feind, als der-
selbe plötzlich wieder einen Einfall in die Oberlausitz
machte.
Am 2. und 3. Oktober ist Arnim in Ortrand, um den
Kurfürsten, der sich endlich mit seinen Regimentern von
Leipzig nach Dresden in Bewegung gesetzt hatte, und
den Geheimen Rath von Brandenstein zu treffen und
die Winterokkupationspläne definitiv zu regeln. „Die
Sache könne", schrieb Arnim, „wenn der Kurfürst dabei
sei, so viel schleuniger zu seiner Richtigkeit gebracht
werden""). Nach der Zusammenkunft begiebt sich Ar-
nim nacli Bautzen, um den Feind hinauszuwerfen; eine
dauernde Okkupation der Lausitzer Städte fürchtet er
nicht, da sich der Feind alsdann durch Abgabe der noth-
wendigen Garnisoüen zu sehr schwächen würde; nur
brandschatzen wolle er, um dann nach Böhmen zu gehen
und von hier in Sachsen selbst ehizufallen oder sich mit
Aldringen zu vereinigen. Arnim setzte in einem dui'ch
•■■') No. 2 der Aktenstücke. Die Sach.sen waren zu Beginn des
Feldzuges etwa 21 000 Mann stark gewesen. Rechnet man die Ver-
luste und dazu einige Garnisonen ab, so werden mit den sehr star-
ken Leibregiraentern (28 Kompagnien), welche der Kurfürst stets
bei sich hatte, später 14 — 16 000 Mann dispositionsfähig ge-
wesen sein.
«) No. 6 der Aktenstücke. — '') No. 12 der Aktenstücke.
Die Eroberung Nordböhmens 1631. 239
Vitzthiim übergebenen Memorial sein Vorhaben ausein-
ander, und suchte dem Kurfürsten den Einmarsch in
Böhmen plausibel zu machen. „Er wolle dem Vorhaben
des Feindes zuvorkommen und darauf Acht geben, indem
er den Leitmeritzer Pass besetze, den Marsch verhindere
und sich in Böhmen festsetze, wo er sich auch Eger
bemächtigen wolle, damit die kurfürstlichen Lande gegen
jeden Einfall gesichert seien" '^). An die Hauptstadt Prag
denkt er keineswegs. Am 8. Oktober ist Arnim in
Bischofswerda. Als er in Erfahrimg bringt, dass die
Kaiserlichen Bautzen verlassen haben, schickt er 2000
Mann gegen Görlitz vor. Am 10. Oktober ist er in
Bautzen; er schreibt von hier aus dem Kurfürsten:
„sowie die Regimenter komplet seien, wolle er nach
Böhmen, denn eher werde der Kurfürst keine Ruhe
haben" ^).
"VVallenstein muss nun, bereits ehe er Questenbergs
Aufforderung (vom 8. Oktober) erhielt, mit Arnim in
Verbindung zu treten, Briefe an den sächsischen Ober-
befehlshaber gerichtet haben. Denn Eggenberg schreibt,
als er den Pass schickt: „weiln I. M. durch E. L. an
die Hand gegeben worden ist, dals sie mit den von Arn-
heimb darüber Handlung zu pflegen bedacht, und sie des-
wegen vermeinen, mit ihm auf den conflnen zusammen zu
kommen". Am 14. Oktober sandte Eggenberg einen Pass
für Arnim, den WaUenstein am 17. für zu kaltsinnig er-
klärte; am 18. sandte dann Wallenstein eine Kopie des
ersten Passes und einen Entwurf des zAveiten an Arnim.
Ich sollte glauben, dass Arnim am 10. Oktober bereits
im Besitze einiger Mittheilungen von Wallenstein ge-
wesen ist.
Am 11. Oktober ist er noch in Bautzen, der Feind
in Zittau ^'^). Arnim wollte sich nach Bodenbach wenden,
der Kurfürst schrieb ihm am 11. Oktober, dass der Feind,
^) No. 13 der Aktenstücke.
^) Gaedeke, Wallensteins Verhältnis mit den Schweden und
Sachsen. S. 109 (No. 3).
^*') Questenberg schrieb am 11. Oktober an WaUenstein: „Dem
von Teuffenbach hat man ordinanz gegeben, sich nit zu vertieffen,
sondern sicher und also gewarsamb zu gehen, dafs ihm der Feind
nit in rucken korab oder sonst abbruch thue, defswegen er dann mit
bester Sicherheit Schlesingen und Böhemben copriren solte, ain raeh-
reres von ihm nit begehrt werde". Dudik, Wakisteins Correspondenz.
Eine Nachlese aus dem k. k. Kriegsarchiv. Archiv für Gest. Gesch.-
QueUen. Bd. 32. (Wien 1865.)
240 A. Gaedeke:
wie es scheine, von Zittau nach Böhmen zu gelien be-
ginne, er sclilage vor, Ainini möge über Hainsbach nach
Tetschen marschieren.
Li diesem Briefe meklet der Kurfürst die Ankunft
Timms und des kaiserlichen Obersten Paradis in Dres-
den, dessen Vorschläge bekanntlich abschlägig beschieden
wurden ^^). Am 13. Oktober befand sich nun abermals em
Trompeter Wallensteins im sächsischen Hauptciuartier
bei Arnim, der auf Antwort wartete; zweifellos hatte
derselbe dem General ausser der Einladung zur Zusam-
menkunft nach Friedland noch andere Botschaft gebracht.
„Obwohl AVallenstein unwohl sei", schreibt Thurn au
Gustav Adolph, „wolle er nach Friedland, er habe Arnim
durch Trzka schreiben lassen, dass er eilends nach Fried-
land kommen solle, der Herzog nehme die kaiserliche
Vollmacht als schönen praetext" ^- j. Dieses Schreiben
Trzkas erhielt Arnim durch Thurn. Arnim schickte nun
sofort den Obersten Eustaclüus Loeser zum Kurfürsten
nach Dresden. Er begehi'te erhebliche Verstärkungen,
bat um die Leibregimenter und auch dass der Kurfürst
das Brandenburgische Volk fordere. Es sollte also ein
Einmarsch im grösseren Stile stattfinden. Loeser über-
brachte daneben ein wichtiges Schreiben^'').
Der Kurfürst antwortete am folgenden Tage, er
werde die Regimenter selbst mitbringen, dabei bleibe es.
Man sieht also, dass er die Regimenter nicht sofort
schicken wollte. „Wegen des letzten Punktes (7), lieisst
es dann, haben der Kurfürst die Antwort dem Obersten
Loeser mündlich gegeben, könnten weiter nichts dabei
") Der Kurfürst antwortete damals dem Unterhändler: „mit
Partikulartraktaten scheine ihm nicht gedient zu sein, er könne
Separatverhandhmgen weder vor Schweden noch vor den Evange-
lischen Mitgliedern verantworten".
'-) Wallcnstein hatte zu diesem Zwecke eine Besatzung für-
Schloss Friedland verlangt. Am 22. Üktoher herichtet Heinrich
von liiessel, sein Hauptmann zu Friedland, dass die Teuf['enbachschen
Truppen in Friedland eingetroffen seien, am 28. Oktober, dass die
Sachsen 18 000 Mann stark seien. Dudik, Wallensteins Korrespon-
denz. Eine Nachlese aus dem k. k. Kriegsarchiv in Wien. Archiv
für Oest. Gesell. -(^R'Ueii. Bd. 32. (Wien 1865.)
") Memorial was mit Churf. D. zu Sachsen was pnncta auf
befehlich des Herrn Feldniaischallen untertenigst zu reden, den
14. October ülicrgelieu. J'uiikt 7: „so werden sich I. D. wegen des
vornehmsten punctes inhabenden und von mir überreichten auch för-
derlich zu resolviren wissen, mafsen der abgefertigte trompeter bei
Herrn Feldmarschalien darauf warten thut". No. 18 der Aktenstücke.
Die Eroberung Nordböhmens 1631. 241
tliun, sie haben mit Herrn Feldmarschall selbst darüber
geredet. Es könnte dieses lieissen, dass der Kurfürst
nichts dabei thun wolle, als bis er mit Arnim darüber
geredet habe. Doch liegt es näher, dem Wortlaute zu
folgen und anzunehmen, dass Arnim kurz vor Ankunft
des Trompeters bereits in Dresden gewesen war und sich
mit dem Kurfürsten unterredet hatte. Es würde dadurch
auch bestätigt werden, dass Wallenstein schon vorher
wegen einer Zusammenkunft im Briefwechsel mit Arnim
gestanden hat.
Am 20. Oktober schreibt dann Arnim an Wallen-
stein: „Weil ich annehme, dafs I. D. sich solches nicht
zuwider sein lassen, will ich möglichsten Fleils anwen-
den, dafs E. F. Gn. ich untertenigst zum allerersten
aufwarten könne". Punkt 7 ist jedenfalls geheimnisvoll
behandelt worden, das wichtige Schreiben liegt nicht bei
den x\kten, dürfte also vernichtet worden sein. Am
16. Oktober ist Arnim in Görlitz; er lässt den Feind
bis Zittau verfolgen, „der sich wieder nach Schlesien
wendet". Zittau und Schloss Grafenstein werden von
den Sachsen besetzt. Vitzthum habe ihm, schreibt Arnim
dem Kurfürsten, des Kurfürsten Gedanken überbracht,
er wolle also mit der ganzen Kavallerie und 4000 Mann
guter Truppen fort, der Kurfürst möge die Leibregimeuter
dazu schicken. Einen Haupttheil seines Korps Hess Arnim
somit in Görlitz zurück.
Am 17. Oktober schreibt er aus Görlitz: „Den be-
wufsten Pafs habe ich zurückgeschickt, damit er voll-
zogen, E. Ch. D. lassen sich solche Zusammenkunft gne-
digst belieben, denn ich sehe, dals zu derselben Dienst
viel Gutes daraus erspriefsen kann", wie er mündlich be-
richten werde. Er überschickt die Schreiben vom 16.
und 17. durch Rittmeister Schoenf eiser, deren Empfang
der Kurfürst am 20. Oktober bestätigt. Johann Georg
fügt hinzu, er werde mit den Leibregimentern kommen,
wenn er erst wisse, wohin er kommen solle. Zur selben
Zeit wird Thurn in Dresden ablehnend beschieden.
Aruim hatte mit dem Kurfüi'sten in Schloss Stolpen
zusammenkommen wollen; plötzlich schickte er semen
Hofmeister und sagte ab. Am 20. schreibt er aus Gör-
litz, das Fussvolk sei marode, der Feind noch bei Lam-
bergk, die Gefangenen berichten, dass Tiefenbach in
Schlesien überwintern werde, er schlage vor, dass Baner
mit seinen Truppen sich gegen Tiefenbach wenden und
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 3. 4. 16
242 ^- Graedeke:
nach Schlesien gehen solle, „damit wir unser vorhaben
so viel besser effectuiren und einen gewissen Fuls erst-
lich setzen könnten"^''). Am 22. Oktober schreibt er
bereits aus Loebau, er marschiere, es sei jetzt keine Zeit
zu verlieren, der Kurfürst möge nach Stolpen aufbrechen,
wo er sich eintinden werde. Der Kurfürst antwortet am
23. Oktober, er werde am nächsten Tage nach Stolpen
kommen, um wegen der Expedition (nach Böhmen) zu
beschliessen. Am 24. Oktober ist Arnim in Kreibitz.
„Er sei nur bis hierher gekommen", schreibt er dem Kur-
fürsten, „und nicht an den Ort, auf den sein intent ge-
richtet sei, der kui'fürstliche Dienst erfordere den Verzug
in der Zusammenkunft. Er erschien daher zu des Kur-
fürsten nicht geringer Verwunderung nicht in Stolpen,
sondern rückte in grösster Eile in Böhmen ein ; mit Ent-
schiedenheit hatte er vorher Thurns Forderung und Ba-
uers Assistenz abgelehnt. Am 25. Oktober ist Arnim
bei Tetschen. Er erstürmt den Ort und verlangt sofort
kurfürstliche Zollbeamte, um die Einnahmen zu regeln.
Er gehe weiter, meldet er dem Kurfürsten, um Leitmeritz
und Raudnitz und damit die Elbe zu gewinnen, er werde
alsdann zum Kurfürsten kommen, „da mir auch solche
Sachen vorkommen, welche E. Gh. D. nothwendig eröffnet
werden müssen, damit sie ihi-e consilia darnach dirigiren".
Der Kurfürst, welcher inzwischen mit seinen Käthen nach
Stolpen gekommen war, schrieb ihm von dort am 27. Ok-
tober, dass er seme Fortschritte gerne vernommen habe.
Wie ängstlich trotzdem der Kurfürst geworden war,
zeigt ein Brief, den er an demselben Tage^'^), an den
Geheimen Rath von Werther gerichtet hat. Die Konse-
quenzen aus diesen Aktenstücken habe ich schon oben
angedeutet. Auch der schwedische Resident in Dresden,
Nicolai, schreibt, dass Arnim den Einmarsch auf eigene
Faust gewagt habe. Das Attest des Kurfürsten besagt
sehr wenig. „Etliche meinen", schreibt dann Nicolai
weiter, „dass Wallenstein das grolse Rad in diesem Werke
") An demselben Tage, der Grenze nahe, antwortete er Wallen-
stein; er entschuldigt sein Säumen damit, dass er den Willen des
Kurfürsten habe erkunden müssen.
^'■') Der Präsident des Geheimen Raths, von Loss, war gegen
die l)öhmische Expedition; er nannte dieselbe im Dezember über-
stürzt und sagte einen schlechten Ausgang voraus. Nicolai an
Gnibbe, 26. Dez. 1631. Irmer, Die Verhandlungen Schwedens und
seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser 1631 — 1634 I, 84.
Die Eroberung Nordböhmens 16B1. 243
sei, und dafs alles von einer heimlichen intelligence mit
ihm dependire" ^**).
Von Leitmeritz aus bittet alsdann Arnim am 28. Ok-
tober noch einmal um Verstärkung, er verlangt Patente
für drei neue Regimenter und schleunigste Übersendung
der Leibregimenter, er habe 40U Gefangene gemacht,
Eaudnitz besetzt und wolle nach Brandeis. Inzwischen
war Thurn Arnim in die Lausitz nachgereist und, als er
ihn nicht melii^ vorfand, nach Dresden zurückgekehrt,
übel zufrieden, dass man ihn nicht von allem benachrich-
tigt hatte. Er wandte sich von neuem an den Kurfür-
sten. In Folge dessen schrieb Johann Georg am 28. Ok-
tober an Arnim, Thurn erkläre, der König von Schweden
habe ihm den Einmarsch in Böhmen befohlen, Arnim
möge sich äussern, was man dem Grafen antworten solle.
Am 29. fügt er hinzu, er wolle Arnim nicht irre machen
und ihm Hindernisse in den Weg legen, aber es sei die
höchste Nothdurft, sich mit ihm zu unterreden, Arnim
möge das Memorial, welches Vitzthum bringe, beantwor-
ten, er werde nunmehr selbst aufbrechen und nach Aussig
marschieren.
Am 30. Oktober antwortet Arnim aus Leitmeritz:
„Thurns Sachen seien von so weitläufigem Nachdenken,
und grolser Consequenz, dafs nicht zu antworten; je mehr
Thurn den Einmarsch der Sachsen billige, desto mehr
kämen ihm seine Sachen verdächtig vor, um so viel mehr
müsse ohne Zeitverlust vorwärts gegangen werden. Ar-
nim deutet also geradezu an, dass Thurns Pläne mit den
Interessen des Kurfürsten in Kollision ständen. Am
l./ll. November war dann Arnim bis Aussig zurück-
gegangen, um dort endlich mit seinem Herrn zusammen-
zutreffen. Er hatte den Befehl erhalten, hier den Kur-
fürsten zu erwarten. Die sächsische Armee hatte sich
inzwischen der böhmischen Hauptstadt bis auf vier kleine
Meilen genähert, An demselben Tage nun erhielt Arnim
die überraschende Nachricht, dass die kaiserlichen Trup-
pen sämmtlich Prag verlassen hätten.
Hier hatten sich wunderbare Szenen abgespielt. Don
Balthasar Marradas , der Landeskommandierende von
Böhmen, hatte nur sehr wenige Truppen zu seiner Ver-
^•5) Sehr bemerkenswert!! ist auch eine Stelle in einem Briefe
der Kurfürstin Magdalena Sybilla: „wer weifs, worauf der von Fried-
land es spielet". No. 37 der Aktenstücke.
16*
244 ^- Gaedeke:
fügung, 1100 Mann zn Fuss mid 7 Kompagnien Reiter^').
Er war somit niclit im Stande, der säclisischen Armee
im Felde entgegenzutreten. Ein Versuch, die Hauptstadt
zu halten, konnte indessen gemacht werden, wenn jeder
seine Pflicht that und Wallenstein etAva die Vertheidigung
übernommen hätte. Dieser verhielt sich aber ganz passiv ;
er soll Anträge der Bürger, Prag zu vertheidigen , mit
den "Worten zurückgewiesen haben, dass er dazu keinen
Auftrag habe. Was half es daher, dass die Regierung
den Bürgern die Waffen auslieferte, welche man ihnen
nach der Schlacht am weissen Berge abgenommen hatte.
Die Furcht vor der Bache der Evangelischen, vor Mord
und Plünderung, musste ebenso wie der Gedanke an
Magdeburgs Schicksal die Einwohner beherrschen und
widerstandslos machen. Zudem wurde die Anzahl der
Feinde übertrieben; Wallensteins Hauptmann hatte die
sächsische Armee auf 18000 Mann angegeben, Gallas
schreibt, es seien 15 000 Mann zu Fuss und 4000 Pferde
gewesen.
Als Leitmeritz gefallen war, begab sich am 8. No-
vember eine Deputation von Prager Bürgern zum Herzog
von Friedland, welche ihn um Bath und Hülfe anging.
Wallenstein sagte ihnen, er sehe es ungerne, dass die
Statthalter die Stadt verlassen hätten und geflohen seien,
es schmerze ihn dies mehr als seine Ej^ankheit. Er hatte
einen Trompeter Arnims bei sich, der die Antwort wegen
der Zusammenkunft überbringen sollte. Zwei Tage dar-
auf verliess Marradas mit der Besatzung die Stadt;
Wallenstein folgte unmittelbar darauf.
Er gab vor seiner Abreise jetzt selbst den Pragern
den Bath, die Stadt an Arnim zu übergeben. „Ich er-
kenne es selbst", sagte er, „dass Ihr Prag schwerlich wer-
det halten und Euch der Macht erwehren können. So-
bald Arnim, wie das Brauch, einen Feldtrompeter an
Euch absendet, habe ich nicht nöthig, Euch zu belehren ;
Ihr selbst werdet sehen, was zu thun; ich kenne Arnim
gar wohl, er war mein Marschall, und ist ein guter Mann
und diskret; er nimmt kein Dorf und kein Städtchen,
ohne es gefragt zu haben, ob man sich wehren oder er-
geben wolle, geschweige denn Prag". Als die kaiser-
") Vergl. für das Folgende Hall wich, Wallenstein und die
Sachsen in Böhmen, 1631—1632. Forschungen zur Deutschen Gesch.
Bd. 21.
Die Eroberung Nordböhmens 1631. 245
liehe Regierimg und die Generäle so die Hauptstadt
ilirem Schicksale überlassen hatten, erfolgte ohne Wider-
stand die Übergabe.
Arnim war anfangs, seiner vorsichtigen Natur nach,
durchaus nicht willens gewesen, wie Raschln auch richtig
bemerkt, einen Handstreich auf Prag zu wagen. Am
l./ll. November erhielt er durch einen Fähnrich Trzkas
und durch seinen Trompeter die entscheidenden Nach-
richten. Er schickte an demselben Tage dem Kurfürsten
durch zwei verschiedene Boten folgende zwei gleichlautende
Schreiben: „Weil mir gleich diese Stunde Sachen zu-
kommen, welche gar keinen Aufschub leiden können,
bitte ich untertenigst , E. Ch. D. wollen ihr Volk aller
Möglichkeit nach fortziehen lassen, mir auch verständigen,
wo ich dieselbe vor gewils anzutreffen, denn es ist E.
Ch. D. sehr hoch und viel daran gelegen". Der Kur-
fürst war am 2./12. November noch immer in Dresden,
von der Gegenpartei zurückgehalten! Arnim wandte
sich jetzt voller Unmuth in einem beweglichen Schreiben
an die Geheimen Räthe, die den Kurfürsten zurückhielten,
und bat sie auf das dringendste, das Ihiige zu dem
Werke thun zu wollen ^^). In der Nacht um 2 Uhr reiste
er denn, ohne den Kurfürsten zu erwarten, von Aussig
ab, nachdem er nochmals dringend um Verstärkung ge-
beten hatte. Prag stehe in des Kurfürsten Hand, schrieb
er, nie wieder Averde sich eine gleiche Gelegenheit bieten.
Diese Worte und seine Eile deuten an, dass Wallenstein
und Arnim eine Rückkehr der geflüchteten kaiserlichen
Besatzung gefürchtet haben. Und in der That war diese
Furcht eine sehr begründete.
Inzwischen waren die Bürgermeister von Prag be-
reits mit den Schlüsseln der sächsischen Armee entgegen-
gezogen und nur der aufrührerischen Bauern wegen, wie
Vitzthum am 3./13. November berichtet, wieder umge-
kehrt. Als Arnim endlich vor der Stadt erscheint , er-
folgt die Übergabe unter den bekannten Bedingungen;
von den Führern der Emigranten war nur Johann
von Bubna zugegen. Der Kurfürst war inzwischen end-
lich am 3./13. November von Dresden aufgebrochen; am
6./16. erfuhr er in Lowositz die Übergabe Prags.
Als Graf Thurn von den Ereignissen Kunde erhielt,
18) Gaedeke, Die Verhandlungen Wallensteins mit den Schwe-
den und Sachsen. S. 121. (No. 20.)
246 -A- Gaedeke:
war er über das Verhalten Kursachsens und Arnims in
die äusserste Bestürzung gerathen. Auch AVallensteins
Benehmen musste ihn enttäuschen. Soeben hatte ihm
ßaschin die dürre Mittheihnig des Herzogs gebracht:
„da der König von Schweden nicht wolle, und die Sachen
so weit gekommen seien, es jetzt anders gehen müsse;
er müsse sehen, dass Arnim mit dem sächsischen Volke
hereinrücke".
Seine Hoffnungen, an die Spitze eines böhmischen
Aufstandes und einer Invasion zu treten und eine lie-
stauration im grossen Stile vorzunehmen, waren mit einem
Male vernichtet. Falls Arnim sich gegen Tiefenbach ge-
wendet, hätte bei einigem Wohlwollen des sächsischen
Hofes den Plänen der Emigranten kaum etwas im Wege
gestanden. Er wollte zuerst an das Geschehene nicht
glauben, er fragte bei Arnim an, ob man eine wirkliche
Okkupation beabsichtige, oder nur die Grenzen sichern
wolle. Gott möge das Unternehmen segnen, wenn er die
Rückführung der armen Verfolgten im Auge habe, die
Okkupation laufe aber gegen die Interessen der Schwe-
den, der heimliche Einmarsch sei gegen die Allianz, die
zu guter und vertraulicher Kommunikation verpflichte;
der König habe ihm befohlen, nach Böhmen zu gehen,
sein Unternehmen würde dem Kurfürsten zur höchsten
Wohlfahrt gereicht haben. Er spricht es geradezu aus,
was er in Böhmen für Veränderungen vorgenommen
haben würde. „Die armen und verzagten Emigranten
wären zu dem Ihrigen gekommen, die gottlosen Landes-
verräther gestraft und die Tyrannen unterdrückt worden."
Er sorgt jetzt, dass man sich dem widersetzen werde.
„Wehe uns ehrlichen Leuten", ruft er aus, „so für die
christliche Religion soviel ausgestanden haben, wenn wir
auf solche Weise beraubt und das schöne Königreich
verwüstet werden sollte"; er droht, dass Gustav Adolph
„etwas Widriges gegen frühere Zusagen" ahnen werde.
Bubna fand sich bei Arnim ein, um die Interessen der
Emigranten wahrzunehmen. Diese hielten während dessen
in Dresden Rath. Caplir von Sulevic, Rupa, Kinsky
und Thurn gaben ihrer Entrüstung so lebhaften Aus-
druck, dass die Kurfürstin sehr erregt darüber ihrem
Gemahl berichtete und um Entfernung der Verräther
aus der Hauptstadt bat^"). Thurn wandte sich jetzt
1») No. 32 und 33 der Akteustücke.
. Die Eroberung Nordböhmens 1631. 247
nach allen Seiten um Intervention und Vermittelung;
bei dieser Gelegenheit wii^d er auch den kompromittie-
renden Brief an die Gräfin Trzka abgeschickt haben,
der den Kaiserlichen in die Hände fiel. Aus den Briefen
der Kurfürstin ersehen wir aber, dass ihi' lebhafter
Wunsch dahin geht, dass die böhmischen Stände ihrem
Gemahl die böhmische Krone antragen möchten. Sie
warnt den Kurfürsten vor Thurn und seinen Freunden.
Sie hätten beschlossen, schreibt sie, dass Thurn Statt-
halter werden, allen Emigranten die Güter restituiert und
die Privilegien wiederhergestellt werden sollten; sie wür-
den dem Kurfürsten „eine Nase drehen", man berathe, ob
man Gustaph Adolph als Schutzherrn nehmen oder
Friedrich V. Avieder einsetzen solle. Der Kurfürst möge
die Krone annehmen und sich nicht weigern, er möge
zuverlässige Menschen um sich in Prag versammeln,
welche die Praktiken der Emigranten zu nichte machen
hülfen. Am 18. November wiederholt sie ihre War-
nungen, am 21. bittet sie ihren Gemahl, die Kunstkammer
in Prag an sich nehmen zu wollen.
Thurn, der sich bei ruhiger Überlegung doch sagen
musste, dass der Kurfürst den Feind angreifen durfte, wo
es ihm am zweckmässigsten erschien, reiste indessen
nicht zu Gustav Adolph, wie er Arnim gedroht hatte,
sondern begab sich mit seinen Genossen jetzt nach Prag,
um für die Emigranten zu retten, was noch zu retten war.
Hier versuchte er sogleich, Emigrantenpolitik auf
eigene Faust zu treiben, was Arnim und der Kurfürst
nicht dulden konnten. Eine abermalige, völlige Umwäl-
zung der böhmischen Besitzverhältnisse musste sächsischer-
seits durchaus vermieden werden. Selbst wenn man das
Land nur vorübergehend zu okkupieren gedachte, würde
eine Verbitterung des kaiserlichen Hofes die Folge ge-
wesen sein. Auch ohnedies hatte in Prag eine sehr arge
Wirthschaft begonnen. Die sächsischen Offiziere raubten
der Kapitulation entgegen nach Kräften -''), jetzt kamen
die Emigranten hinzu und bemächtigten sich der schön-
sten Quartiere; sie erhoben Forderungen aller Art, be-
drohten diejenigen, welche sich im Besitze alten Emi-
grantengutes befanden und verübten eine Reihe schlimmster
Gewaltthätigkeiten ^^). Sie nannten sich „die 3 evange-
^) Die Kurfurstin spricht sich in ihren Briefen im höchsten
Grade darüber entrüstet aus.
21) HaUwich, a. a. 0.
248 ^- Graedeke:
lischen Stände des Königreichs Böhmen" und erwählten
ihren bisherigen Prediger in Pirna, den Magister Samuel
von Drazow, zum geistlichen Administrator, der auf
Tliurns Befehl die Hauptkirche Teyn in der Altstadt,
von 66 protestantischen Predigern gefolgt, in Besitz nahm.
Auch wurden von ihnen die Schädel der am 21. Juni
1621 Hingerichteten vom Brückenthurme abgenommen
und feierlich beerdigt. Weitere Gewaltthätigkeiten wur-
den durch Arnim verhindert, als der Erzbischof sich auf
das Wort des Kurfürsten berief.
Man befand sich sächsischerseits in einer schwierigen
Lage, da alle Emigranten in ihr kontisziertes Eigenthum
wieder eingesetzt zu werden und demgemäss die einfache
Verjagung der Eigenthümer verlangten. Sehr viele nah-
men auch geradezu von ihren einstigen Gütern, ja von
anderen Herrschaften „in Ihrer Churf. Durchl. zu Sachsen
Namen" Besitz. Selbst bei einzelnen Friedländischen
Besitzungen ist dieses vorgekommen ; so besetzte Johann
von Wartenberg Neuschloss und Böhm. Leipa, ähnliches
ereignete sich in Hirschberg. Wie es zugegangen wäre,
wenn Thurn mit 12 — 15 000 Mann Truppen als Ober-
befehlshaber eingerückt und Arnim in Schlesien geblieben
wäre, lässt sich denken. Überall erhoben die Protestan-
ten ihr Haupt, auch auf der Wallensteinschen Herrschaft
Münchengrätz empörten sich die Bauern'--).
Inzwischen war der Brief Thurns an die alte Gräfin
Trzka von den Kaiserlichen aufgefangen und in Prag
verbreitet worden--'). Wallenstein stand vor der Ent-
scheidung, ob er ihn desavouieren sollte oder nicht. Unter
diesen Eindrücken kam er mit Arnim in Schloss Kaunitz
zusammen und offenbarte ihm hier die Gründe, warum
er gezwungen sei, wieder das Genei'alat zu übernehmen.
Er bezeichnete den Brief Thurns und „dass er sich nicht
mit blossen Worten rechtfertigen müsse", als die Haupt-
ursaclie, aber er fügte hinzu, dass er „in der guten affec-
tion gegen den König von Schweden beharre und in
22) Hallwich, S. 140. Dudik, S. 127.
23) Thuni wird den Bi'ief am 4. November geschrieben haben,
am 7. wird derselbe dann bekannt geworden sein, da der Prager
Stadtrath einen Brief Arnims an Wallcnstein vom 11. November er-
brach, worüber sich Wallenstein sehr ungehalten zeigte. Am 7. No-
vember hatte sich Wallenstein, wie jemand am 8. November an
Eggeuberg schrieb, geäussert, dass er das Geueralat auf sich nehmen
würde, falls ihm Satisfaktion geschehe.
Die Eroberung Nordböhmens 1631. 249
seinem Vorhaben'' ; der Kaiser solle „schmerzlicli empfin-
den, dass er einen Kavalier beleidigt habe". Er hielt
sich somit eine Hinterthüre für die Zukunft offen. Als
Arnim den Entschluss des Herzogs vernahm, wurde ihm
die prekäre Lage der sächsischen Armee bei der Ent-
fernung des Schwedenkönigs sofort klar. Er verlangte
eine ganz andere Einrichtung des sächsischen Kriegs-
wesens, erhebliche Verstärkungen und den unbeschränkten
Oberbefehl, im anderen Falle seine Entlassung"-^). So-
eben war Tiefenbach in Böhmen eingerückt, und eine
einfache Verjagung desselben bei Limburg missglückt;
von Passau waren kaiserliche Truppen im Anmarsch,
Pappenheim mit seinen Regimentern sollte gleichfalls dem
bedrohten Königreich zu Hülfe kommen ; .. mit Tiefenbach
vereinigt, waren sie in erdrückender Übermacht. Nur
die Witterung verhinderte weitere Verluste, und die
Sachsen konnten die eroberten Gebiete bis Eger als
Winterquartiere beziehen. Als die Kurfürstin jetzt eben-
falls ihren Gemahl mit ängstlichen Briefen bestürmte-'),
erfolgte die Rückkehr des unkriegerischen Fürsten nach
seiner Hauptstadt, ohne dass Anstalten zur genügenden
Ausrüstung der Armee während Arnims Beurlaubung ge-
troffen worden wären. Durch seine weiteren Verhandlungen
hat Wallenstein alsdann den Kurfürsten nur hinhalten
und von allen Aveiteren ernstlichen Rüstungen abbringen
wollen. Der Effekt war ein derartiger, dass Arnim im
Frühjahre eine von allem entblösste, halb in der Auf-
lösung begriffene Armee vorfand und sogleich bekannte,
dass man Böhmen werde räumen müssen. Nur wider-
^) „Der Feind verstärke sich, der Kurfürst nicht, von Passau
seien etliche tausend Mann nach Budvveis gezogen, Pappenheim mit
18 Regimentern im Anzüge, Tiefenbach habe 10 000 Mann, er selbst
kaum ebensoviel, 5000 Mann müfsten als Besatzung in Prag bleiben,
1500 in Leitmeritz, somit blieben niu: 3200 Mann; die Stimmung in
Prag sei schlecht, die Soldaten schwierig, ohne Sold und ohne Klei-
dung, die Obersten wollten abdanken, nach der Breitenfelder Schlacht
sei nicht genügend geworben worden, daher die Lage so gefährlich,
dafs er gehen müsse, wenn nichts geändert und seine Bedingungen
nicht angenommen würden." No. 36 der Aktenstücke.
''''') „Sachsen sei entblösst", schrieb sie in grosser Sorge, „Tillys
Macht gross, der König von Schweden habe sich zu weit vorgewagt,
der Kurfürst möge sich um Gottes willen in Acht nehmen, die kai-
serlichen Truppen hätten ihren Weg Itereits nach Böhmen genommen.
Die Böhmen würden ihn verrathen; die ärgsten Verräther seien die
Gefangenen, welche Dresden noch in Brand stecken würden". No. 35
der Aktenstücke.
250 A. Gaedeke:
willig, unter bestimmten Bedingungen und nur auf drei
Monate hatte er das Kommando wieder übernommen.
Der Kurfürst hatte vergebens dasselbe dem Herzoge
Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg angeboten.
Sobald Arnim dann einsah, dass der Kurfürst bei
der schwedischen Allianz zu bleiben entschlossen war,
zog er die Unterhandlungen mit Wallenstein nur hin,
um den Rückzug des sächsischen Heeres ungefährdet be-
werkstelligen zu können. Er rieth dem Kurfürsten da-
mals, scheinbar auf den Wunsch einer persönlichen Zu-
sammenkunft mit Wallenstein einzugehen, „denn ziehe der
Herzog vorwärts'', schrieb er dem Kurfürsten, „so sehe ich
nichts anderes zu thun, als dass ich mich nach Leitmeritz
mache und das Volk in Sicherheit bringe". Wallenstein
aber war noch schneller, er nahm Prag und trieb die säch-
sische Armee vor sich her. Am 7. Juni 1632 überschritt
Arnim wieder die sächsische Grenze, er Avar froh der
Vernichtung entronnen zu sein und eine Vereinigung der
Truppen bei Pirna ohne wesentliche Verluste zu Stande
gebracht zu haben.
So endigte die so glänzend begonnene Invasion der
Sachsen in Böhmen.
No. 1. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
20. September 1631. (Original.)
Durchleuchtigster Hochgebohrener Culirfürst, gnedigster Her.
Dafs der liebe fromme undt gruntgütige Gott seiner hochbedrengeten
Kii-che durch die nechst crlangetc herrliche Victorie solches grofses
Hein zugeschickt, davohr Seindt wihr allerseitz schuldigk, seiner
gettlichen Almacht hertzlich zu dancken, zwahr ist es nicht ohne,
dafs die gefehrlichkeitt dadurch ein wenigk geniindert, aber vohr
gewonnen wil es gleichwol bey wcitten luicli nicht zu halten sein,
den zwey starke armeen in der Schlesien undt Reiche noch auf den
beinen. Dadurch ist schon die Diversion gemachet, dafs von Ihrer
Konig. May. E. C. D. sich separiren mufs, da wirdt nuhn ein ieder
so viel zu schaffen finden, dafs so geschwinde sich keiner ohne grofse
gefahr, kuenlich wirdt weitt avanziren können, damitt gewinnet der
kegenteil Zeitt, sich in ihren orttern wiederumb zu Sterken, dazu
werden ihnen keine mittel gebrechen, den sie uns in dehme noch
weitt überlegen, in erwegung, dafs noch zuhr zeitt auf diese party
keine mehr alfs Ihr. May. der Konnigk in Schweden undt E. C. D.
den es so leicht nicht geschehen wirdt, dafs die andern evangelischen
Stende, denen vorige gefahr noch vor aiigen, und sich grofse hoff-
nung auff' dem frankfurter tagk geraachet, sich mitt dem Konige in
Scliweden conjungiren werden, Solten sie ia durch furcht oder
hoft'uuug sich dahin bewegen lafsen, so würde es doch so geschwinde
Die Eroberung Norclböhmens 1631.. 251
nicht daher gehen, dafs solches von den nachdruck, dadurch dem
wergk grofs geholffen,
Wafs nuhn vohr Mittel bey Ihr. May. dem Könige solches ist
E. C. D. Selbsten bekant, sein ganzes fundament bestehet auff die
armee, dafs geringste unglück, so derselben zustofset, wirdt hindern,
dafs er nimmer auff die beiue wieder kommen kann, I. May. seindt
menschlichen feilen undt unglück insonderheitt der Sterblichkeit
unterworffen , wen nuhn sie umbkommen, lafsen sie gewifs keinen
hinter sich, der dafs Werk führen konte,
E. C. D. landen sollte es entlichen auch zue schwehr fallen,
ginge es übel, so seindt E. C. D. so tieff darin, dafs sie schwehr-
lichen alfs Einiger guetten composition sich zue getroesten, dahero
hoch von nothen, dafs E. C. D. sich der Zeit so noch ubrigk, gahr
woll gebrauchen und dafs wergk mitt guetten und reiffen vohrbedacht
fafsen. So weitt meine wenige gedanken sich erstrecken, Sehe Ich
nur zwey mittel, dafs beste wehre, dafs mau sich bemuhe, bey
des Kegenteills widrigem glueke, und, ehe E. C. D. dafs Werk ganz
aufs henden genommen, einen guetten bestendigen und algemeinen
christlichen frieden zu machen, den dafs ganze Romische Reich und
defsen Status beydes bei grofsen glueck und unglueck in höchster
gefahr. Solche fridens gedancken mufsen aber nicht hindern, dafs
man nicht darauff mitt höchsten fleifse bedacht, den statum belli
immer befser firmiren, welches meinem wenigen beduenken nach
solcher gestallt geschehen konte, wen der Überrest, des Kegenteills
armee verfolgett undt 2 da in dafs glueck auff' dieser Seitten aber-
mahl sich wiederlich erzeigen wollte, dafs darumb die ganze sache
nicht fallen dorffte, So wehre mein schlechter rahtt, dafs ohne einige
zeitverliehrung man sich bemühete, I. M. den Könige in Denemarck
ins Werck zu ziehen, ein gleiches bey dem Nidersechsischen Krayse,
damitt E. C. D. dieselben auch nicht entzogen. So wurde auch nott-
wendigk I. D. der Cuhrfurst von Brandenburgk auff die beine zu
helffen sein, den obgleich die Margk in zimblichen ruin gerahten, so
ist gleichwohl dieselbe noch nicht so grofs, dafs sie nicht 8 oder
10000 Mann zur notturft unterhalten kente. So haben I. D. in
Preufsen noch viele unverdorbene Ortter, davon sie auch einen gutten
zuschufs haben können, E. C. D. wurde notigk sein, dafs sie sich
nach aller muglichkeit sterckte, damitt aber ihre lande nicht ver-
derbt, erfordert ratio belli, dafs Volck in andere ortters zu führen,
daraufs sie ihren unterhalt, in defsen konten E. C. D. dafs ienige
wafs von ihren getreuen landtstenden sie zu erheben, beylegen ixnd
sich defsen zum eufsersten und höchsten nottfahl gebrauchen, diese
ein feltige gedanken haben meine Pflicht erfordert, E. C. D. unter-
tenigst zu eröffnen, verbleibe
E. C. D. untertänigst gehorsambster
Den 20 7bris Ao 1631. H. G. v. Arnimb.
No. 2. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Torgau 27. Sept. 1631. (Original.)
Wafs vom Eeinde neues einkommen haben E. C. D. aufs dem
einschlufs zu vernehmen, gestern habe Ich die reutterey bifs an Fal-
ckenberg vohran gehen lafsen, von daher berichtet der Obristwacht-
meister Rochow, dafs der Feindt allten Herzbergk angestecket, ist
auch vohr der Statt gewefsen, daraufs ich mutmafse, dafs sie von
uns nicht wifsen, itzo diese Stunde marschirt das Fuefsvock übel habe
252 A. Gaedeke:
dafs General rende vons zu Falkenbergk, daselbst verhoffe ich weiter
aviso zu bekommen, ob ich auf Herzbergk oder Ubigeu ziehe, Es
were notigk dal's E. C. D. am landt vogt in der lauseuitz schreibe,
da£s proviante verschaffet, Ich habe ihm schon za wilsen gethan, dafs
die armee von z\\cy und dreifsigk tausend ]\Lan schon im anzage,
wehre gut dals E. ij. auch so hoch schreiben, wen es vleicht dem
feindt in henden kehme etc. H. G. v. Arnimb.
Torgau 27 7bris morgents umb
drey Uhr 1631.
No. 3. Notiz über das kaiserliche Corps unter Feldmarscliall
Tiefenbach. 1631.
Umb Crossen au ff den umbliegenden Dörftern logiren an Fufs-
volck: dcfs Fcldmarschallen Tieffenbach Regiment 1000 Mann stark,
des jungen Wallenstein Regiment 1500 Mann, Schauenburgs Regi-
ment 300 Mann, dtfs von Dohna Regiment 3000 Mann, Baron
Fornemouä Regiment 300 Mann, Churtenbachs Regiment 800
Mann, Aldt Sachs. Regiment 500 Mann, ßuttlafs Regiment
500 Mann, Und noch zwey Regimenter, So in allem thuen 8400 Mann;
an Cavallerie: defs übristen Gözens Regiment fiOO Pferde, Obristen
Sparrcs Regiment 700 Pferde, Obrist de la Fore Regiment 800 Pferde,
Obrist Montecucoli Regiment 300 Pferde, Coloredos Regiment 560
Pferde, des Feldtmarschalls Leib Compagnie 200 Pferde, Obrist
Schaffgoczscli Regiment 1000 Pferde, und 6000 Ungern und Croaten,
deren Summa mit 10 100 sich erstrecken.
No. 4. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Herzberg 28. September 1631. (Original.)
E. C. D. befeligk zu Folge soll foederlichst der Herrn Ober-
sten bedenken ufgesezet undt deroselben zugeschicket werden, den
es anitzo alsofort nicht geschehen können, weil man mitt den feinde
noch occupirct. Wie starck derselbe eigentlich , kan man noch zuhr zeitt
nicht wifsen zwahr hatt der Her von Hoffkirchen gefangene zurück-
geschickt, aber es seindt polen, wifsen nicht anders zu sagen, alfs
dafs sie aufsgeschickt die Päfse im lande zu recognosciren , die
Schelme brennen gewaltigk, haben Allten Herzbergk sambt der
muelen etc. ganz abgebrant, haben sich zerteilet, dafs man nicht
woU Parteien antreffen kan, heutte wil ich in Gottes Namen ver-
suchen, ob etzliche zum stände zu bringen, Sonsten wehre woll guett
dafs E. C. D. beide Regimenter ehestes zur armee kehmen den der
feindt auf 10 000 Man zum wenigsten geschezet, dafs Volck ist
zimblich schwierich , die officier so wol alfs die Soldaten , wens
miiglich wehre, dafs ihnen edtwas an geld gewehret, so erfordert es
wol die höchste notturfft, den sonsten getraue Ich mich nicht edtwas
guettes mit ihnen zu verrichten, der Bau von der neuen schanze zu
Wittenbergk bleibet ganz liegen, ist woll grofser schade, scheinet
fast, dafs er vohrsätzlich gehindert, bitte unterth. E. C. D. aufs neue
mitt ernste befehlen wollen, damitt ei' verfertiget, den Ich Versicherer
E. D. dafs sie kein befser ^\'erck im ganzen lande hal)en werden,
wenn es zu seiner perfection. Wenn E. D. mihr die befelige zu-
schicken wil ich sie schon fortschaffen, wirdts aber nicht bald befer-
dert, so fürchte Ich Aven dafs grofse Walser kombt die schöne arbeitt
ist ganz verlohren etc. H. G. v. Arnimb.
Hertzberg den 28 7bris Ao 1631.
Die Eroberung Nordböhmens 1631. 253
No. 5. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Herzberg 2S. September 1631. (Original.)
Demnach dafs Volck so insolent und unbendig weil es kein
geltt undt nicht mehr als dafs trockene brot und auch solches unter-
weilen in drey tagen nicht eins bekombt, So befinde Ich dafs Ich
gewifsen und Ehre halben bei ihme nicht lenger sein weniger mihr
getrauen kan, E. C. D. damit einigen Dienst zq tuhn, den Ich mufs
es bekennen, dafs sie aufser dem brantt viel grofsen schaden, als der
feind thun, bitte derwegen unterth. E 0. D. die gnedige Verord-
nung tuhn wollen, damitt dafs Volck contentiret, im widrigen falle
stehet gewifs E. 0. D. landt in gefahr und wihr verlihren bey so
gestalten Sachen, unsere Ehre E. C. D. werden es nicht ungnedig
vernehmen den E. C. D. Dienste und meine pliicht erfordert es
E C, D. unterth. zu berichten etc. H. ö. von Arnimb.
Hertzbergk den 29 Vbris Ao 1631.
No. 6. Sans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Uebigau 30. September 1631. (Original.)
E. C. D. habe Ich meine wenige gedancken eröffnet, wie Ich
vermaine, dafs diefs hohe schwere und wichtige Werck ferner mitt
solcher Vohrsichtigkeit geführett werden mechte, damitt E. C. D. in
höchster gefahr schwebender undt nuhumehr dem gluck untergebener
Status conserviret und E. C. D. hohes und lange berühmtes haufs
bey voriger Dignitet, Wolstandt, land und leutte conserviret werden
möge, dabey lafs Ichs allerdinge noch bewenden, beruffe mich auch
darauff, wie E. C. D. Ich solches zu leipzigk untertenigst überreichet,
Befinden nun E. C. D. derselben beywohnenden hohen Discretion
nach ein heiseres, so werden sie sich dennoch meine getreue und
auffrichtige Intention nicht mifsfallen lafsen, Nuhn mehr werde Ich
davohr nichts weiteres erinnern. Besondern nuhn allein wie diese
itzige armee zu conserviren. Insonderheitt weil der Winter herein
tritt, darumb duncket mihr, dafs darauff zu gedencken, wie sie mitt
solchen quartiren versehen werden mochte, dafs sich die Soldaten ein
wenig recoUigiren, und die Regimenter wiederumb complet können
gemacht werden, E. C. D. Erblande damit zu beschweren, were
gar nicht zu rahten sein, weil dieselbe an teils ortter schon ziemb-
lich ruinirt, auch in höchsten nottfall, vor die reserve zu halten,
derwegen liefs Ich mich bedüncken, dafs es am sichersten, wenn 4
Regimenter in der Lausenitz und den Überrest nach der Schlesien
so weit sich solche diefseit der Oder erstrecket eiuquartiret und
solche Verordnung dabey machete, dafs E. C. D. bei ieden Regiment
commissarien verordnet die nebenst den heren Obersten mit den landt-
stenden tractiret, dafs sie ihnen vier Monatt Sollt nebenst den ordi-
nari servicen geben, damit nicht einem ieden freygestellt, die lande
nach seinem beliben zu schezen, Solehergestallt betten nicht allein
die officirer, sondern auch die Soldaten und vohrnemblichen E. C. D.
die quartir am höchsten zugewiefsen, undt wen die Contribution
richtig erfolget, mufse den Obersten hoch eingebunden werden; dafs
die leutte darüber nicht beschweret, worauff der Commissarius guett
acht zu haben, damit würden wihr beweifsen, dafs wir begehreten
christlicher zu handeln, würde es aber so bunt übergehen, wie bey
dem Kegenteil geschehen, so haben wihr zu befuerchten, dafs Gottes
straffe, aufs neue über uns erwachen mochte, wen wihr dergleichen
254 A. Gaedeke:
tehten, so hetten wihr es am Kegcnteill auch wieder zu improbiren,
wie nulm aber die quartir in der Schlesien zu erlangen, darauff
were voruemblich zu sehen, meines wenigen erachtens, wen E. C. D.
sich nicht zu weit in dafs werck intriciren wolte, mochte es nicht
uudienstlichen sein, dals Ich solches zu anfangs an sie gesonnen,
Demonstrirte ihnen, wafs E. C. D. loebliche intention Avie sie und
alle Evangelische solchs zu promoviren schuldig vernehme dara,uff
was Ihre erkleruugk, wehre dieselbe also beschaffen, dafs man sich
darauff fundiren konte, were es so viel befser, wo nicht, dafs die
armee edtwafs avangiret, und sie daraufs den Ernst spühreten, so
vermainete Ich, wen sie nuhn etzlicher malsen, einen honestum
praetextum sie würden sichs nicht lange verweigern, Insonderheitt
wen ü-limpff und Ernst bey einander, den bey itziger beschaflenheit
so woU der Zeitt alfs auch der Umbstende sich weiter und edtwas
nach Böhmen zu begeben, wil woU zu erwegen sein, wen aber
E. C. D. mit der Werbung fortfuhren, diese armee auch verstercket.
So wolte nicht undienstlich sein, sich nach leutmeritz zu begeben,
und zu bemüben, dafs man des Egerstromes sich bemechtigte, damit
von Böhmen her E. C. D. lande auch versichert, mitt diesem wercke
aber wil nicht zu cunctiren sein, damit uns der Winter nicht über-
falle, Bitte derwegen untertenigst E. C. D. sich darauff ehest gnedigst
resolviren oder wafs sonsten zu tuhn niihr befehlen wollen. In defsen
will Ich mich umb bautzen und dahrumb mitt der armee auff-
halten etc. H. Gr. von Aruimb.
Ubigen, den 30 7bris Ao 1631.
No. 7. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
üebigau 30. September 1631. (Original.)
Dem Feinde Bin Ich nachgewefsen aber nicht antreffen können,
weil Er sich die nacht schon davon gemachet. Gestern hatt er sich
umb Finsterwalde sehen lafsen, so baldt er aber ersehen, dafs E._ D.
Volck inn marche, hatt er sich gahr starck retiriret. Ich vermeinte
es Avehre aus allerhandt uhrsachen gutt, dafs man sich der Sprepefee
versichere, wafs weiter vorgeht sol E. D. alfsbuld avisiret werden etc.
Ubichen, den 30 7bris Ao 1631. H. (j. v. Arnimb.
No. 8. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
30. September 1631. (Original.)
Diesen augenblick bekomme Ich Kuntschafft, dafs der feindt,
sich nach Oberlaufsnitz gewendet, ezliche Ungern hatt der Oberste
Goetze bei sich. Ich vermeine auft' deme sei nicht so viel zu sehen,
alfs auft' die armee. Wen der General Bannier denselben auffhaltten
konte, wehre den Sachen nach wohl zu rahten, verbleibe etc.
H. G. V. Arnimb.
Bitte untertenigst E. C. D. schicken mihr
ordenence wie weit dem Feinde nachzufolgen,
des Volcks so Ich bei milir ist nicht 10 000 Man.
Den 30 7bris Ao 1631.
umb 10 Uhren zur mittage, der feindt ist bei Ubigen
15 000 Man starck.
Die Eroberung Nordböhtnens 1631. 255
No. 9. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen^
Uebigau 30. September 1631. (Original.)
Des hern von Hoffkirchen Verrichtungen werden E. C. D.
aufs seinem schreiben vernehmen, die gefangenen berichten, wie sie
von der armee gezogen, haben sie dieselbe zum Sagan gelafsen, also
dafs diese mitt der vorigen übereinstimmet, dafs die armee schon
vohr 8 tagen fortt. Ich wil ferner fleifs ankehren, mich zu erkun-
digen, wo dieselbe anitzo eigentlichen logire, gestern habe Ich Kund-
schafft bekommen, dafs ?ie nach Böhmen gehe, vleicht haben wihr
sie alfs dan wieder bei Egern, verbleibe etc. H G. v. Arnimb.
Ubigen den 30 Septemb. umb 11 Uhren
zu Mittag Ao 1631.
No. 10. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Ortrand 2. Oktober 1631. (Original.)
E. Ch. D. befelig zu gehohrsambster folge wollte Ich mich
gerne Milberg genehert haben, dieweil Ich aber Kundtschaft bekom-
men, dafs der feindt bei Senfftenbergk, auch eine meile von hier
sich ziemblichen starck sehen lafset, habe Ich nicht befinden können
wie solches ohne verseumnifs edtwas wichtiges geschehen können;
Ich schicke wiederumb diese nacht 600 Pferde und 500 Mufsquetierer
aufs, sehe Ich dafs es ohne Verlierung einiger Zeitt zu tuhn, wil
E. C. D. Ich gehorsambst auffwartten oder iemandts anders dahin
abfertigen. Mitt Dresten soll es so gefehrlichen nicht sein, wie es
berichtet und nicht mehr alfs 8 Scheunen abgebrannt, wie mir der
Schöfser vom grofsen Han berichtet, verbleibe etc.
Ortrant den 2 7bris Ao 1631. H. G. v. Arnimb.
No. 11. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Ortrand 3. Oktober 1631. (Original.)
Dennach Ich vernehme, dafs E. C. D. heute anhero anlangen
werden, wil Ich derselben damit es ohne grofse gefahi- geschehen
möge, heutten alhier abwarten, Morgen aber mitt den frühesten werde
Ich aufbrechen müssen, damit bey Bauzen nichts verabseumet, ver-
bleibe etc. H. G. V. Arnimb.
Ortrant den 3 7bris Ao 1631.
No. 12. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Ortrand 3. Okiober 1631. (Original.)
Dieweil E. C. D. wegen des heren graffen Brandenstein es
durch den von Vitztuhm erinnerung tuhn lafsen, habe Ich alfsbaldt
von hier aufs an ihme geschrieben, und anhero verbeten, hoffe dafs
er sich heutten auch noch gewlfs einstellen werde, gefeit es E. 0.
D. alfsdan selbsten mitt ihme zu reden, konte die sache so viel
schleuniger zu seiner Richtigkeit gelangen, befeie etc.
Ortrant, den B 7bris Ao 1631. H. G. v. Arnimb.
256 A. Gaedeke:
No. 13. Memorial Arnim fi an den Knrfiirsten von Sachsen,
3. Oktober 1631. (Copie.)
Memorial
der Puncta so E. Chui-fl. D. wegen des Herrn FeldtMarsclialkes zu
proponiren.
1. Weil der Herr FeldtMarsehalck nhumehr gewifse Nachricht
das der Feindt in die Ober Laulsnitz marchire, als habe ehr resol-
viret gleich auf Budissin mitt Ihr Churf. D. annee zuzunehmen,
vndt so viel muglichen dieselben Lande für den feindt zu verwliaren
viidt ob wliol zu fürchten, das der feindt sicli der Statte in Ober-
lausnitz zu bemechtigen sich vntterstehen mochte, so seyn doch der
Herr FeldtMarsehalck nicht der Meinung, weil ehr erstlich viel Zeit
zubringen würde, auch hernach viel Fulsvolck zur besatzung hintter-
lalsen müste, das solches des feindes intent sey, sondern viel Ehr
auf eine brandschatzung oder Contrihution angesehen sey, vndt die
Marche auf Böhmen, entweder Ihr Chui-fl. D. landen von daraufs zu
vberfallen, oder zu dem Altringer zustofsen, oder das ehr sich be-
fhare. Ihr Churti. D. mochten mitt dero armee in Böhmen gehen, im
fall uhun des feindes Intent näher Eohmen zu gehn, vndt seinen
weg auf Leutmeritz, so der einige nehiste Pafs vher die Elbe, so
sey der H. FeldtMarsehalck willens solches Pafses sich zu bemech-
tigen vndt den Feindt zu vorhindern zu pafsiren, vndt sich aldan
fest zumachen, vndt hernach Eger womüglich sich bemechtigen, da-
mit Ihr Churti. D. für Einfall in deroselbeu Landen dero ortten ver-
sichert sein mochten.
2. Nachdem zu befliaren, indem der Oberste Götze noch etzlich
Volck zu Cotbus beisammen, es mochte derselbe vntterdelsen Ihr
Churfl. D. armee in Ober Laufsnitz sich befinden theten, sich ver-
suchen, ahn der Elster oder andern ortten einfallen, als sehe der
Herr FeldMarschalck für gutt ahn, dem General Bannier zu erfoddern
vndt den ortten mitt seinen trouppen zu legen, den Feind zu ver-
hindern, vnterdefsen aber die Ritterpferde so zu Wittenberg vndt
daherumb itzo logiren, dahin zu commandiren.
3. Dieweil der herr FeldtMarsehalck sich mitt dem Volck so
ehr itzo bei sich nicht bastant befinde etwas gegen den Feindt für-
zunehmen, als woltte Ehr E. Churfl. D. gantz vnterthenigst erinnert
haben, mehr Volck zu werben, damitt die armee gestärcket werde,
vnterdefsen aber E. Churti. D. Leib Compagnien zu Hofs vndt Fuefs
schleunig zu hülfe zu schicken, der Herr FeldtMarsehalck wolte für
seine Pershon auch darauf bedacht sein, sich selbst zu starcken, so
baldt ehr an ortte gelangete, Contrihution anzulegen.
4. Erinnert der Herr FeldtMarsehalck vntterthenigst E. Chui-fl.
D. weiten gnedigst Verordnung thun lafsen damitt die Soldatesca
mit Vivres mochten versehen werden, auch wo muglichen Ihren
Sold erlangen mochten, oder den ()l)ersten vndt Ofticiren zu helffen,
damitt die trouppen wieder complet gemacht werden kontten, damit
nicht allein die disciplin vntter der Soldatesca zu erhalten. Sondern
Ihro Churti. J). dienste desto befser belürdert wurden.
5. Befindet der Herr FeldtMarsehalck vor rhatsham auf Mittel
zu gedencken, die Statt Breslau auf Ihr Churfl. D, seifen zu brin-
gen. Ingleichen die andern Schlesischen Stende, damitt B. Churfl.
I). parti desto mehr dardiu-ch gestercket würde etc.
Wilh. V. Vitzthumh.
Die Eroberung Nordbölimens 1631. 257
No. 14. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Bischofsiverda 8. Oktober 1631. (Original.)
Wie Ich gestriges tages eine meile von liinnen logiret liatt der
feindt bischoffswerde angefallen, der leutenant, so wider ordre darin
gebliben und sich mitt dem feinde im scharmutziren eiugelafsen,
hatt sich retiriren mufsen, da ist der feindt mit ihme zugleich in die
Statt kommen, bey die 15 burger niedergemacht und dafs Stetigen
so viel er in der Eile tuhn können geplündert Wie Ich aber solches
erfahren undt etzliche reutter voraus gescbicket hatt er sich in der
flucht zurucke nach bauzen gemacht, also dafs die Statt vom brande
noch salviret, sonsten habe Ich Kuntschafit dafs der feindt etzliches
Volck auf Sitta geschicket, Ich vermaine es wird nicht undinstlich
sein, dafs Ich mich dem Feinde bifs Wittechenau nehere, damit E.
D. lande befreit und Ich also befser dem feinde auf seine actionen
acht geben könne, sehe Ich dafs es rahtsam sein wirdt, wil ich
weiter gehen, doch mitt gottes hulffe so behutsahm, dafs die armee in
keinen hazardt gsezet etc. H. G. v. Arnimb.
Bischoffswerde, den 8 8bris Ao 1631
No. 15. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Bischofsiverda 8. Oktober 1631. (Original.)
E. C. D. ersehen gnädigst, dafs der feindt Bautzen wieder ver-
lafsen, wie es mitt Goerlitz, davon habe Ich keine nachricht, schicke
itzo den Heren von Hott'kirchen mitt 800 pferden und 1200 Mufs-
quetieren nebenst den Ob. Klitzingk dahin, habe ihnen befohlen erst-
lichen vohran zu schicken, damit kein betrug dahinder sein möge,
Ist alles richtig, so gehe Ich starck auff Görlitz seindt noch etzliche
drinn, Wil Ich sehen, Avie sie durch gottes gnade zum accordo zu
bringen etc. H. G. v. Arnimb.
Bischofswerde, den 8 Octob. Ao 1631.
No. 16. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Bautzen 11. Oktober 1631. (Original.)
Der her Oberster Steiner heltt wieder an, ist erbitend auff
genugsahme Versicherung, dafs ers auff den Musterplatz wider be-
kommen soll, die Werbegelder vohr zu schifsen, wen E. D. ihme den
musterplatz in der Graffschafft hennebergk geben, oder bei derselben
Hern Vetter erhalten konten, dafs im Coburgschen ihme einer assig-
niret. Wen es E. D. also belibet, wehre notig, dafs die resolution
förderlichst erfolge, beigeschlofsenes sclu'eiben an heren von Dona
ist intercipiret, haltte aber dafs es expressu also angestelt, dafs es
hat aufgefangen werden sollen.
Ich bitte untertenigst, dafs der Monat Soltt erfolge, hoffe alsdan
zu Gott B. D. befsern Dienste mitt dem Volcke zu thun.
Der Feindt hatt wider Standt gefafset bey Sitta, heute marchire
ich nach Reichenbach nach dem die Kuntschaft auskommen wird
alfsdan weiter zu resolviren sein etc. H. G. v. Arnimb.
Baudifsin, den 11 8bris Ao 1631.
No. 17. Kurfürst Johann Georg an Arnim, 11. Oktober 1631.
(üoncept.)
Vester lieber getreuer, verschinne Nacht hat uns der Ritt-
meister Vizthumb euer gestriges tags datirtes schreiben zubracht,
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 3. 4. 17
258 -^- Gae<3eke:
welches wir verlesen und daraus sowohl des Rittmeisters mündlichen
Bericht eure Ankunfft zu Budifsin auch was mit den Keyserlichen
fürgangen, sonderlich die vrsachen, worunib Ir nicht rathsam zu sein
erachtet, dem Feind ferner nachzusezeu, demnach für das beste an-
sehet, mit der armee alsbalden uf Goerliz und nach der Schlesien
zu gehen und was es sonsten umb unsere arm6e für eine beschaffen-
heit habe, nottürfftig vernommen;
Nun lafsen wir uns eure gedancken und vorschlagk gar nicht
mifsfallen, sondern befinden solche vernunfftig und guth, Ir werdet
aber nunmehr aus unserm gestrigen schreiben und dem ienigen, so
von Halle cinkommen, befunden haben, wie es das ansehen gewinnen
will, als ob die Keyserlichen von allen ortten sich nach denn Gre-
neral Tylly wenden wolten, welchs dann in heiligenden Zeitungen
continuirt, weil mann mm alhier nachrichtuug hat, dafs die Keyser-
lichen aus Laufsniz sich nach der Eiben zu begeben, auch uberzu-
sezen und in Böhmen zu rücken beginnen, will uns, jedoch ohne
mafsgebcn, beduncken, wann die Keyserlichen die Laufsniz Verliesen,
mann solte sich unsers teils darumb auch nich alzu gi'ofs anzunehmen
haben, sondern mit theils der armee auch nach der Eiben, gegen
Haiusbach und deren ortte, mit dem andern teil aber hieiiiber nach
Tetschen und um dieselbe gegent gehen und doselbsten Quartir
machen. Also würde mann doch aus der Lausiz imd Schlesien sich
der contribution zugebrauchen oder mit der zuschickung des Volks
sie zu bedrohen haben, inmafsen der Rittmeister Vizthumb noch
mundlich darüber berichten wirdt. Wir stellen aber diesen unsem
Vorschlagk zu eurer und der Obersten erwegung und nachsinnen,
und werden uns den ienigen wegk belieben lafsen, welchen Ir für
den besten erachtet. Allein wollet uns berichten, an welchen ortt
wir mit den bey uns habenden Volck zu euch stofsen, ob wir mehi*
munition mitbringen, oder die anhero gebrachten Wägen abladen
lafsen und dieselben ziu* Proviant gebrauchen sollen, denn zu mehr
wagen wir sonsten anizo wie hoch wir uns auch darumb bemühen,
nicht gelangen können. Und nachdem der spanische subdeligirte
Gesandte Oberst Paradys alhir ankommen, und mit seiner Werbung
gehört, Als thun wir euch beiliegend copiam seines memorials über-
senden. Wegen der Koen. M. inn Schweden ist der herr Graff'von
Thurn nunmehr auch ankommen, den wollen wir morgen geliebts
Gott hören und von seinen anbringen euch gleichergestalt andeutung
thun. Und sein Euch etc.
Datum Drefsden am XI Octobris 1631.
No. 18. Memorial Arnims an den Kurfürsten von Sachsen,
14. Oktober 1631. (Copie.)
Memorial was mit Chuif. Durchl. zu Sachsen vor puncta, auf be-
felich des herrn Feldtmarschallen untertenigst zu reden.
den 14 Octobris übergeben. (1631.)
1. begerde der her feldtmarschall ihr. Ch. d. regementer zu
Rofs undt Fufs weil mit den bey sich habenden Volck allein fast
nichts weiteres mit bestände vorgenohmen werden möge
2. sehe ehr gerne das binoffische Regement den hoffkircher,
undt des hoffkirchers den Obcrstleutenant Einhausen, jedoch das der
hertzog Uhlrich von Dennemarck Oberster darüber sein solte vorge-
staldt wurde
Die Eroberung Nordbölimens 1631. 259
3. das doch der versprochene monadt sohlt vor Keiiter und
fufsvolck förderlich möge ausgezahlt werden
4. die Proliant zu befordern das sie nachgeschafft werden oder
die Soldaten verderben hungers halben, darzu die übrigen Artolory
Wagen zu gebrauchen
5. mit den nidersachsen Krais zu tractiren undt sich zu con-
jungiren womit sie förderlich Werbung anstellen mögen
6. das brandenburgische Volck anstadt des paniers zu erfordern
undt das ihre durchl. auch mehr Werbung anstellen möchten welches
aber förderlich gehen mufste
7. so werden sich ihr Durchl. wegen des vornehmsten punctes
inhabenden undt von mir über Reichten schreiben auch förderlich zu
resolviren wissen masen der abgefertigette trompeter bey heren
feldt Marschallen darauff warten thut.
Eustachius Löser.
No. 19. Kurfürst Johann Georg von Sachsen an Arnim,
13. Oktober 1631. (Copie.)
Vernehme sonsten gerne, dafs Ir uf den Feind gute achtung
gebet und zu dem ende nach Reichenbach marchiret, zweiffle an
euerer Vigilanz und sorgfeltigkeit ganz nicht, und werdet nunmehr
aus unserm dem Rittmeister Vizthumb mitgegebenen schreiben ver-
standen haben, was difsfalls unsere gedancken sind.
Datum Drefsden am 13 Octobris Ao 1631.
No. 20. Resolutio uff des Obr. Eustachii Loesers Punkten.
15. Oktober 1631. (Copie.)
Der durchlauchtigste Churfurst zu Sachsen etc. erklert sich uff
die wegen dero hern Feldtmarschalls Hanns Georgen von Arnimb
durch den Obersten Eustachium Lösern angebrachte Punkten wie
folget.
1. Was den ersten Punkt betrifft, haben Sich Ire Ch. D. vor
zweyen tagen in schrifften undt durch den von Vizthumb bereit er-
kleret, wenn Ire C. D. zu dem heren Feldtmarschall kommen, dafs
Sie das Volck mitbringen wollen, darbey hat es sein bleibens.
2. Wegen des andern Punkts haben sich I. Ch. D. auch bereits
inn schrifften resolviret, dafs Sie dem Obersten heren von Hoffkirchen
den Mustermonat ehest richtig machen, u. s. w.
3. Uff den dritten Punkt haben Sich I. Ch. D. bereit erkleret,
dafs Sie täglich damit umbgehen, wie die armee contentii-et werde.
4. Wann sich der Feldtmarschall erkleret, ob die Artolory-
wagen etc.
5. I. Ch. D. haben bey der K. M. in Dennemarck undt des
herzogs zu Holstein etc.
6. Sonsten ist dem heren Feldtmarschall wifsend was I. Ch. D.
an König in Schweden wegen des Baniers geschrieben, und hat der-
selbe aus mitkommender Abschrifft zu ersehen, was I. Ch. D. auch
an den Sanier anderweit gelangen lafsen, der Vorschlagk mit dem
Churbrandenburgischen Volck ist I. Ch. D. zwar annehnilich, Sie
wifsen aber nicht, was noch zur Zeit für Volck uff den beinen oder
wie viel balden zusammenzubringen, und ob Churbrandenburgk das
Volck in Soldt halten werde, erwartten demnach difsfalls Berichts.
Wegen mehrerer Werbung haben sich I. Ch. D durch Vizthumen
17*
260 A. Gaedeke:
lind schrifftlicli erkleret, dafs der Oberst Steiiia ein mehrers werben
fcollo, Im übrigen mül'sen sich I. Ch. D. noch zur Zeit nach der ein-
kunftl der gelder richten und Averden difcfalls thun, was müglich.
7. Wegen des lezereu Punkts haben Ire C. D. dem Obersten
Löser Ihre meinung mündlich entdeckt, können weiter nichts dorbey
thun, Sie haben mit dem Herrn Fcldmarschall selbst draus geredet.
Signatum Drefsden am 15 Octobris Ao 1631.
No. 21. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Görlitz 16. Oktober 1631. (Orhjinal.)
Dieweil die Eingekommene Kuntschafften, mihr so viel an die
Handt geben, habe Ich den Feindt ferner bifs nach der Sitta ver-
folget, wie Er defsen iniie worden, hatt Er sich gewendet, ohne
Zweiffl, dafs Er durch solchen Engen pas sich nicht getrauet, vnter
wegen seindt die parteien an Einander gestofsen. vnd eczliche vom
Feinde gebliben, teiles auch gefangen, Nuhnmehr lencket Er sich
wieder nach der Schlesien, hatt vergangene nacht zu lembergck ge-
legen, ist in groefser Confusion, aber dafs Yolck von E. Durchl.
armee ist so müde, dafs Ich ihn so geschwinde nicht verfolgen kan,
mufs noettwendigk Ein pahr tage rasten, Sitta und dafs schlofs
Grafstein habe Ich beseczet, Dieweyll Ich vom Rittmeister Vitztuhm
E. Durchl. gedancken vernommen, wil Ich die anstellung machen,
doch kan Ich mitt allem Fuefs Volck nicht fortt, sonsten gehet es
zu gründe, wil einen aufsschufs von 4000 guetter manschafft machen
vnd die ganze Cavallerie dazue nehmen. Wen E. Churf. Durchl.
mihr hernochmalen ihre leib Kegimenter dazu schicken, Wil Ich im
Namen Gottes fortgehen, vndt solche verordenung hinterlaefsen, wen
die Regimenter wieder gestercket, dafs sie mir nachfolgen sollen,
Beigeschlofsen vberschicke E. Cuhrf. Durchl. Ich die Verordnung
Wie es in den Quartieren soll gehalten werden. Gefeilet Es der-
selben kan Es gedrucket vnd in ilu-en Nahmen Publiciret Averden etc.
Goerlitz den 16 Octobris H. G. v. Ainimb
Ao 1631.
No. 22. Ornf Heinrich Mathias Timm an den Kurfürsten von
Sachse», Dresden 17. Oktober 1631. {Original.)
Dui'chlauchtiger hochgeborener Churfürst
Gnedigster herr Euer D. solte Ich ganz ])illich unangcmandt
lassen wegen der uberheult'ten gescheht. So besorg Ich mich aber
das mein Allergn. Khönnig möcht Ihn ungleiche gedankhen gerathen,
Biett derwegen Euer D. woUens mit gnaden vermercken, das Ich
gehorsamist ankhlopff, untertenigst eine Audienz sueche, dieweil Ich
khein Losoment hal) bies Dato erlangen kbünnen. Sondern Ihn
Offnen Wierttshaufs zehren mues So bien Ich nottgedruugen mit ain
Consentirung E. Ch. D. Ortt und Losirung bequemer zue suechen
verbleibe getreuer gehorsamer unther.
Dat. Drefsen den 17 Octob. 1631 Diener
Heinrich Mathes Graf von Thurn
No. 23. Kurfürst Johann Georg von Sachsen an Arnim, Dresden
20. Oktober 1631. (Concept.)
Johann Georg etc.
Vester lieber getreuer. Wir haben euer den 16 und 17 huius
datirte schreiben von dem Rittmeister Schönfelfser empfangen und
Die Eroberung Nordböhmeus 1631. 261
deren innhalt vemoramen, erfahren gerne, daft Ir den Feind bifs
nach der Sitta verfolget, auch solche Stadt und das Schloss Gräfen-
stein besezt, haben darbey verstanden, was Ir nunmehr für anstel-
lung machen und mit dem Aufsschufs vom Fufsvolck und der Cavalery
fürnehmen wollet, welches wir uns dann gnedigst gefallen lassen,
Soll auch an fortschickung unsere Leib Regimenter kein mangel
sein, wann wir nur vernehmen, wohin wir mit ihnen kommen sollen,
Mit der verfafsten Ordnung wie es inn den Quartiren soll ge-
halten werden, seind wir gleichergestalt gnedigst zufrieden und
haben beuel gethan, dafs solche zum Druck befördert werden soll,
doran mann dann izo arbeitet, So balden dieselbe ferttig, wollen wir
euch die exemplaria zur publication übersenden, Wie wir auch gerne
vernommen, dafs Ir euch nachm Stolpen begeben und doselbst mit
uns euch underreden wollen. Also ist es gleich, als euer Hofmeister
Lauerwaldt mit euerem lezern schreiben ankommen, darauff gestan-
den, dafs wir aufbrechen und uns auch dahin verfügen wollen, halten
euch aber der verenderuug halben, aus denen von Euch angeführten
Ursachen, gnedigst und wol entschuldigt, und wollen nunmehr er-
wartten, wann Ir anderweiten tag und ortt zu unserer zusammen-
kunfft bestimmen werdet etc.
verbleiben Euch mit Churf. gnaden wol gewogen
Datum Drefsden am 20 Octobris Ao 1631.
No. 24. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Görlitz 30130. Oktober 1631. (Original.)
E. Ch. D. gnedigsten befeligk zu Folge habe ich die heren
Obersten des Obleut. Pforten wie Haubt. Vopelii Sachen lafsen erwegen,
haben auch ihre gedancken aufgesezet, wil solches dui'ch einen
eigenen ti'ompeter E. Ch. D. überschicken, wegen der gefangenen
lafsen sie sich bedunckhen dafs es nicht ausfszuschlagen , wenn bei
itziger gelegenheit mit dem heren General Tilli konte solcher accord
gemachet werden, dafs die gefangenen auff beiden parten kegen
einen Monat Sollt ranzioniret, doch müsste solches mit ratification
I. Kay. May. geschehen dafs es ins künftige so lange der Krieg
wehret also sollte gehaltten werden, damit dafs avocatorium ein
wenig cassiret.
Der Peindt lieget noch bei Lembergk stille, habe mitt den
heren Obersten communiciret, wafs E. C. D. durch den von Vitz-
tuhm mihr befehlen lafsen, Sie seindt auch in den gedancken,
Breche damit auff und marchire der ortten, doch kau Ich alles
Fuefsvulck nicht mittnehmen, den es ist gahr zu matt, habe aber
solche Verordnung gemacht, dafs innen zehn tagen sie Complet wie-
der sein und aufs den quartiren dafs Werbegeltt nehmen sollen alfs
dan können sie folgen, hoffe kegen Montagk zu Stolpe bey E. C. D.
mich untertenigst zu gesteilen, den soll der Kriegk continuiren so
mufs er änderst angestellet werden.
Gleich itzo bekomme Ich zwey gefangene, des Feldtmarschalcks
Tieffenbachs Edelknaben, seindt zimblich bei Jahren, können in allen
gutten bericht von sich geben, sagen aufs dafs die Armee derer
örtter so ligen wirdt, bifs von I. May. Ordonnanz kombt wohin sie
sich wenden sollen, hieltte aber davohr, dafs ihre Winterquartii- in
Schlesien umb Liegnitz und schweinitz haben würden, Es wehre
262 •^- Gaedeke:
gutt der Gen. Baiüer ginge anff Schlesien, damit wihr nnfser vohr-
haben so viel befser effcctuireu undt einen gcwifsen Fnofs erstlich
sezen konteu, die Ungern und Pulen sollen abgedanket werden etc.
Goerlitz den 20/30 üctob. Ao 1631. H. G. v. Arnimb.
No. 25. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Löbau 22. Oct./l. Nov. 1631. (Original.)
Anf E. C. D. befclig habe ich mich auf die marche begehen,
dieweil nnhn keine Zeitt' mehr zu verseumen, Wie ich denn yer-
hoffe morgenden tages, gelibts Gott, an dem ortt, davon der von Vitz-
tuhm wird Meldung getiihn haben, anzulangen, derwegen hochnotig,
dafs ohne Verlin;ng einiger Zeitt E. C. 1). beide Regimenter zu
Stolpe alsbaldt anlangen undt von daraufs weiter zu mihr stofsen
mochten, vohr meine Persohn verhoffe ich künftigen Montagk gelibts
Gott, wen dessen almacht und E. C. D. Dienst mich daran nicht
hindert, kegeu abendt anzulangen, befehle etc.
Leba, den 22 8bris / 1 9bris Ao 1631. H. G. v. Arnimb.
No. 26. Eans Georg von Arnim an den Kurfürsten von SacJisen,
Krcihitz (24). October 1631. (Original.)
Wiewol Ich vermeinet, etwas zeitiger an dem ortte, dahin Ich
mein intent gerichtet, zu kommen, so ist doch der Wegk so über-
aufs büfse, dafs Ich kaum Kreibitz erreichen können. Breche gleich
dieser Stunde auff in giietter Hoffnung desto zeitiger zuhr stelle zu
gelangen. So baltt E. C. D. Dienst Ich verriebt, will Ich mich alfs-
baltt auch in der Nacht fortmachen, Bitte In defsen untertemgsten,
weil mich daran nichts den E. C. D. Dienst hindert, Sie den Ver-
zugk nicht ungnedigk vermerken wollen, befeie dieselbe etc.
Creibitz morgen umb H. G. v. Arnimb
4 Uhren Ao 1631.
No. 27. Hans Georg von Arnim an den Kurfürsten von Sachsen,
Tetschen 25. October 1631. (Original.)
Alhier zu tetzschen habe Ich 130 Mufsquetirer vom kayserlichen
Volck in Besatzung angetroffen, habe alfsballt hineingeschickt die
Statt undt dafs schlofs auffordern lafsen, der Hauptmann aber hatt
mihr andtwortten lafsen, dafs es ihm darumb nicht anvertrauet, dafs
ers so schlechter weifse auffgeben sollte, dai-auff habe Ich kegen
Abend die Statt mitt der Keuterwache so starck besezen lafsen. dafs
niemandt ein oder aufsgekont, undt mitt 200 Mufsquetirer den Kirch-
hoff welcher hartt am tohre gelegen, einnehmen lalsen und kegen
der Nacht noch 600 hingeschickt, wie die in der Statt den Ernst
gesehen haben sich die Soldaten auft" dafs Hauls retiriret worüber
die Bürger in schrecken gerathen dafs sie die Statt übergeben, Bin
alfsbaltt weiter gangen, undt am schlofse ein Stacket eingenommen
und mich hartt bey der Brücken geleget, daselbst Ich einen lauf-
graben machen lafsen, zwahr haben sie zimblich heraufs geben und
solches hindern wollen, aber nicht gckont, kegen dem tage habe Ich
beim schlofse, ihnen alle fehren und schiffe wegk nehmen lafsen undt
darauff abermahl durch einen Trommelschleger ihnen angedeutet weil
sie sehen, dafs sie nuhnmehr gesperret und ihnen also die Hoffnung
Die Eroberung Nordböliraens 1631. 263
zuhm sucurs benommen derwegen begehrett dafs hanfs innerhalb
zwey Stunden auffzugeben, oder wen es mitt gewalt erobert sollte
keines beschonet besonderu alles niedergehauen werden, darauff hatt
er geisein heraufs geschickt imdt solcher gestalt aecordiret, dafs er
mihr dafs haufs mit allem wafs an munition oder sonsten darin vor-
handen gewefseu, übergeben undt mit seinen Soldaten abgezogen ist
ein sehr vestes haufs, habe es mit 200 Man besetzt, Nuhn erfordert
die Notturfft dafs E. C. D. iemandt schicken, der der Zolle halben,
weil alhier einer verlegt anordnung mache, und diefselbe einnehme
die wie Ich verstehe Soll er noch wol Edtwas tragen, demnach Ich
mihr teglich sehne und andere böse wetter besorgen mufs. Befinde Ich
notigk, dafs dafs Volck in sicherheitt gebracht, wefswegen Ich den
unumbgenglichen fortt nach leutmeritz mufs, ob dem lieben Gotte
gefallen mochte, dafs Ich derselben Statt mich bemechtigen konte,
wen dieselbe und Raudtenitz besezet, hatten I. D. sich dadiu'ch der
Elbe versichert, welcher man sich ins künftige mitt grofsen frommen
zu gebrauchen, alfsdan wil bey tagk undt Nacht Ich mich zu E. C. D.
begeben, den mihr auch solche Sachen vohrkommen, welche E. C. D.
notwendigk eröffnet werden müfsen, damitt sie ihre Consilia darnach
zu dirigiren, E. D. spühreu, dafs mich nichts alfs deroselben Dienst
hindert, dafs Ich mich so schleunig nicht gesteilen kan, Bitte dero-
wegen untertenigst E. C. D. solches nicht ungnedigk vermerken
Avollen, Befeie etc. H. Gr. v. Arnimb
Tetzschen, den 25 8bris Ao 1631.
No. 28. Kurfürst Johann Georg v. Sachsen an Arnim, Stolpen
27. Oct. 1631. (Goncept.)
Vester lieber getreuer, Unserm beschehenen zuschreiben nach,
seind wir am verschinen Montag Abends mit unsern Geheimen Rähten
und Dienern anhero gelanget, do wir dann euer schreiben mit welchem
der von Schönfells abgeferttigt, zu unserer ankunfft vorgestern
Dinstags zu mittage aber das andere, so Ir dem von der Sahla mit-
gegeben, empfangen und aus beiden vernommen was euch verhin-
dert, dafs Ir zu gedachter Zeit nicht alhier sein können, wie wir
nun befunden, dafs unsere Dienste euch davon abgehalten, auch gerne
erfahren, dafs Ir das fürhabende werck fortgesazt, also ist uns der
Verzugk nicht zuwieder und patientiren uns difsfalls mit allem willen,
dieweil wir aber nunmehr sieder deme so gedachter von der Sahla
gebracht, kein schreiben oder mündlich zu entbieten von euch ferner
bekommen, Seind wir bewogen worden, zeigern difses wider abzu-
ferttigen und uns dadiu'ch des zustands zu erkundigen, Gnedigl. be-
gerend, wofern im wechfsel nicht etwas an uns abgangen, uns balden
zu berichten, wo Ir euch befindet und wie es allenthalben bewandt,
ob wil' euer alhier noch erwartten sollen, oder ein ander ortt zu
unserer Zusammenkunfft euch besser gelegen sein möchte.
Datum Stolpen am 27 Octobris Ao 1631.
Vormittags umb 6 Uhi'.
No. 29. Kurfürst Johann Georg v. Sachsen an Georg von Werther,
Stolpen 27. October 1631. (Goncept.)
Vester Rath und lieber getreuer,
Wir fügen euch gn. zu wifsen, dafs zu unserer anherkunfft wir
ein schreiben von unserm Feldmarschall Hanns Georgen von Arnim,
264 A. Gaedeke:
und Dinstags zu mittage wiederuinb eins von demselben empfangen
\and er in beiden die Ursache andeutet, worumb er weder Montags
nocli Dinstags anhero gelangen können, darneben umb entschuldignng
underthgst bittet, inn dem lengern aber vermeldet, dafs so baldt un-
ser dienst verrichtet, er sich in der Nacht fortmachen wolle, Sieder-
dofsen aber hat uns er weder geschrieben noch etwas zu entbieten
lafsen, dafs wir also nicht wissen, wo er oder das Volck ist, welches
uns wunderlich vorkombt, haben aber izo zwene seiner Abgeferttig-
ten, welche seiner alliier erwaittct, wieder fortgeschickt, sich zu er-
kundigen wie es umb Ihn und das Volck beschaffen, welchs wir euch
zu dem ende gnedigst vermelden wollen, damit Ir die Ursachen un-
sers aufsenbleibens wifsen müget, und begeren gnedigst, Ir wollet
unsern Rentmeister erfordern und von ime vernehmen, ob sich die
Schöfser vollends eingestellet, iind ob, auch wie viel sie von Steuer
oder andern geldern mitgebracht, und uns defsen untertenigst be-
richten, und sind euch etc.
Datum Stolpen am 27 Octobris 1631.
Ko. 30. Hans Georg von Arnim an den Ktirfürsten von Sachsen,
Leitmeritz 28. Oct. 1631. (Original.)
Mitt E. C. D. Armee bin ich gestriges tags alhier angelangett,
auch willens da es dem lieben (Tott also gefeliig fürder an dem Ortte
davon llittmeister Goltacker wird bericlit getahn haben, zu gehen,
der Allmechtige wolle E. C. D. lerner glück und gnaden verleihen,
Nuhn erfordert es die unura])gengliche Nottduiff't dafs man sich
versterke, S. Fürstl. gn. Fürst Ernst von Anhalt, welcher bey der
kaj'serl. armee ein Regiment geliabt, ist eine Zeitt lang bey mihr
gewesen, erbeut sich ein Regiment Pferde zu werben, wann E. C. D.
es gnedigst belibete, und begehrete, wil ich das Werbegellt alfs
10000 Thaler vohrschiefsen, Wen ich nuhr Versicherung dafs Ichs
kegen Neuen Jahrsmark in leipzig wieder bekommen soll, auff wafs
Condition I. f. gn. werben wollen, ist hierbey verwehnett.
Weil es aber daran nicht genugk, bitte Ich untertenigst E. C.
D. auff 2 Regimenter zu Fuefs und eins zu Pferde noch darüber
patenta mihr zu schicken und vollmaclit erteilen wollen dieselbe zu
vergeben, weil gewifs E. C. D. solche leute bestellen, damit dero-
selben dienst wol versehen, wen E. C. D. beide Regimenter Ich bey
mihr gehabt, sollte durch Gottes gnade wul etwas mehr verrichtet
sein, bitte untertenigst E. C. D. wollen mihr doch dieselbe unver-
lengcrt zu schicken, damit dieser orten niclits übersehen.
Es wehre sehr guett dafs Bauzen Görlitz und Sitta mit landt
Volck besezet, damit Ich das geworbene Volck wieder zu mihr er-
fördern kann, die lausenitz konten E. C. D. zu Musterplatzen ge-
brauchen und Bautzen u. Görlitz wen es derselben also gnedigst ge-
fclligk 1. f. gn. Fürsten von Anhalt assigniren.
Alhier haben wihr bei die vier hundert gefangene bekommen,
Her Oberster Löfser wie auch H. Ol). Hoffkirchen und Steina haben
sich sehr fleifsig in I D. Dienst, weil Ich dieselben aufsgeschickt
alhier vor leutmeritz und Kaudenitz, erzeiget, wenn notig dafs E.
C. D. durch einen gnedigen schreiben sich defswegen kegen ihnen
bedanketen, damit sie und andere ins kunfftige ferner sich also zu
verhalten dadurch angeregett. Ich Idtte untertenigst E. C. D. halten
mich mit den beiden Regimentern nicht auff, da Ich füchte Es
mechte in I. D. dienst edtwas verabsäumet werden. Befehle etc.
Leutmeritz den 28 8bris Ao 1631. H. G. v. Arnimb.
Die Eroberung Xorflbölimens 1631, 265
No. 31. Kurfürst Johann Georg von Sachsen an Hans Georg von
Arnim, Sfoljien 29. Od. 1631. (Concepf.)
Vester lieber getreuer, Wir haben Euer Scbreil)en am dato
Tetzschen den 25 dieses zurücklautf enden Monats Octobris empfangen
und daraus welchergestalt Ir die Stadt Tetzschen mit Accord ein-
genommen, wie stark Ir solche besezt, des Zolls halben erinnert und
wie Ir entschlolsen, mit der Armee fort uff Leutmariz zu marchiren
zu versuchen, ob Ir vermittelst Göttliches Beistandes auch dieser
Stadt Euch bemäclitigen und wann solche wie auch ßauteniz besezt,
wir dadurch der Elbe versichert sein möchten und dafs Ihr alsdann
bey tag und nacht zu uns zur Unterredung aus nothwendigen Sachen
Euch unterthenigst begeben wollet mit mehrerenn gnedigst ver-
standen.
Nun haben wii- diese Zeitung ganz gerne vernommen, verspü-
ren daraus eure Treue gegen uns, gute Vorsichtigkeit und Sorgfaltt
in dieser schweren Sach und rühmliche Tapfferkeit, vermerken auch
solches mit besondern Chmfürstlichen gnaden,
Und in dem wir nun Eurer Ankunfft mit Verlangen erwarttet,
Kömpt gleich zu uns heute frühe gegen vier Schlägen der von euch
abgeordnete Rittmeister Uoldtacker mit diesem Bericht, dafs Ir Leut-
mariz und Rautenitz auch einbekommen, dieselben ortter besezt und
nunmehr mit der Armee uff Brandifs zu gehen inn Vorhabens, Aller-
mafsen wir nun, dafs Ir durch Gottes gnad euch auch dieser Pläze
bemächtiget und uns dadurch des Eibstroms im Königreich Böheimb
versichert, gleichfalls gern verstanden, Alfs ist uns daran zu gne-
digstenn gefallen geschehen und seint nicht gemeint Euch in con-
tinuir und fortsezung eurer genommenen Resolution Irr zu machen
oder zu verhindern. Allein belinden wir- nochmals vor eine hohe Not-
turfft uns mit euch inn der Person aus unterschiedlichen Punkten
förderlichst zu besprechen, haben derhalben innmittelst etliche memo-
rialsweise zu Papier bringen lafsen und unsern bestalten Rittmeister
Friedrich Wilhelm Vizthumben zugestellet, Gnedigst begerend, den-
selben nachzudenken und uns Euer Guttachten darüber untertenigst
zu eröffnen. Sonsten sind wir entschlofsen mit unsern zwey Regi-
mentern ehist auffzubrechen und unsere Reise anzustellen, dafs wir
uff nechstkommenden Montag oder längst Dienstag sofern es immer
möglich sein wirdt zu Töpliz oder Aufsigk, geliebts Gott, anlangen
mögen, wie wir dannen unsern wegk von Drefsden auff Peterswalde
zu nehmen und von dannen weiter uns naher Töpliz oder Aufsigk
zu erheben, fürgenommen, uffen fall Ir a1)er für rathsamer erachten
thetet, dafs wir auff dieser selten der Elbe blieben, und an derselben
hinauf nach Tetschen marchiren sollen, wollen wir unsern weg uf
Pilniz, Lohmen und Schanda anstellen, Soltet Ir aber dafür halten,
unsern Weg uf Pirn, Königstein und von dannen uf Aufsigk nehmen,
wollen wir uns solches auch nicht lafsen mifsfallen, Seind demnach
hierüber und sonst eures ferneren zuschreibens, wann und wie baldt
Ir zu uns werdet kommen können gnedigst gewertig, Entzwischen
wollen wir die übrigen Erinnerungs Punkte inn Acht nehmen und
darauff gepürende schleunige Verordnung thun.
Wolten wir Ev^ch zu gnedigster resolution vermelden, und seind
Euch mit Churf. gnaden wolgewogen.
Datum Stolpen am 29 Octobris Anno 1631.
26G A. Gaedeke:
No. 32. Knrß&stin Magdalena Sybilla von Sachsen an Kurfürst
Johann Georg, Dresden 11. November 1631. (Original.)
Gott lielffe weiter zu ahleii theilen und gebe, das E. L. mit
grosser saloiiitet und freuden die mertens gans licitte dato ihn präg
essen mögen, und es ahlrs schleinig nach E L. liertzen wunscli er-
gehen mack, und E. L. das künnigreich für sich zur heitte hirlbn
bringen, bihn wohl foni liertzen froh, das präg über ist, werden E. L.
durch gottes hilf Ihres zugefigten Schadens und landes verterbung
wieder Erstattung bekohmen, dazu gott genadt geben wohlte,' bitte
E. L. lesen hirbeygelegttes poscriptuni unbeschwert, denn ich es hir-
bey aus gutter meinung erinnert habe, den sich E. L. hirihn wohl
haben forzusehen, bitte nach Verlesung dasselbe solches dem feiher
zu befehlen, bey sich solches behalten, und es ihn acht zu haben,
mich nicht zu melden, die obgemeltten nahmen derjenigen auszu-
zeichnen, und es zu rechter zeidt werden wissen es ihn acht zu
haben, den es sich wohl forzusehen die prattiken und anschlege, die
hirihnen kegen E. L. hinterucks geubet werden, denselben zu be-
gegnen, undt sich nuhr freindtlich und genedig kegen die grofsen
bansen erweisen, dennen doch mit grofsen Ehren fihl gedint ist, man
raus unter zeitten dem henger ein licht aufstecken, wenne man sie
gewinen wihl, werden E. L. hirdurch tibi auf Ihre seiften bringen;
verlanget mich wohl von hertzen schreiben fon E. L. zu bekohmen,
sindt E. L. bei dem feldtmarschalck gewest, auf was mas E. L.
recht präg haben Einbekohmen etc.
Dresten den 11 Nofember Anno 1631. Magdalena Sybilla
Churfirstin.
P. S.
berichte hirbey zur nachrichtung, das mahn sich wegen der republica
ihn einem und dem anderen gar wohl furzusehen hadt, den fom
fiehlen ahlerley diskurs gefahlen, das mau ihn fiehlen nachrichtung
habe, ahls ob sohlt hir ihn drefsen ahn Einem gutten doch unge-
nannten ordt fihl abendt untterschiedtlich von untten benantten per-
schonen sein zusamenkunften gehaltten, haben heimlich rat gehaltten,
und geschrielien und untterschrieben und gesigelt, nemlichen — das
der von duhreu [Thurn] ihn liehemen Ihr M. des könniges guberna-
tor sohltte sein, und E. L. sohltten das landt ahlso ahne schwert-
schlack Einnehmen, und der von fuhren [Thurn] sohltte ahlen den-
jehnigen Ihre gütter wieder Einreimen, sie Ihr prieffilegum kriegen,
wie sies für fiehlen zeidten gehabet, E. L. wirden sie so Eine nase
drehen, und durch das mittel, wen der von ruppe [Rupa] sein alte
dienst und ampt .vertreten möchte, firchte ich sich darof ausgehen,
damit sich endtweder gar frey gemacht und den könnig wie für Ein
Schutzherrn hieltten, oder aber die weihl das meiste kahlfenisten ihm
spihl sindt, den friederiko, wie man es aus Ihren diskurs niemet,
wieder für ihren könnig setzen möchten, und ahlso hintter E. L. und
den Ihrigen teihl felschlicbcn hintterginyen, derwegen gutte warnung
hiriliu gutter obacht zu haben und bir ahn zu spiehren, wie gemeldt,
da man meinem herren wirde die krolin anbitten, sich ihn kein weg
zu wegern, sondern dasselbe ahnzunehmen, wo das nicht geschieht,
ist falschheidt zum teihl hinter behmen, und wen mein herr nach
S. L. abreisen doch sich ratten lis und ein oder 5J redlichen hoch-
verständige leitte, den Ehr trauhen dirfte, stetig ahldar zu präg
hiltte, darmit nicht mehr fahlscheit mul hinderung möchte fortlauffen
Die Eroberang Nordböhmens 1631. 267
und der anderen pratieken E. L. nicht schaden können, bitte es bei
sich gut gemeint zu behaltten und nicht zu melden meine treue er-
inerung, d.ie hir ahn tag geben wirdt.
Die bewusten perschonen, die die nacht bis 10 und 11 Uhr sindt
zusammen gewest, untterschrieben und gesiegelt, sindt diese untten
gemeltte, ahls 1. der graf von Dorren [Thurn], 2. graf kinske [Wil-
helm Kinsky], 3. der herr von rupa ist der fornemste ihm bredt
(Wenzel von Kupa], 4. der schlief [Oberst Schlief], 5. der kepeler
[Kaplir von Sulevicl, 6. und Sahlhaussen. Magdalena Sybilla
C. z. S.
No. 33. luirfürstin Magdalena Sybilla von Sachsen an den Kur-
fürsten, Dresden 18. November 1631. (Original.)
Bitte E. L. die vergessen doch die gefangenen hir ihn Dresten
nicht, den sie so bei der nacht zusamengehen ihn hertzog Augustus
Haus lind andere örtter das mihr seltsam forkohmet, ach wenn E. L.
dieselben leit die ihu der Stadt hir sindt nuhr los Hessen, firchte sie
haben nur bösses ihm sin und schreiben nuhr kundtschaft aus, gott
behitte uns hir für unglick und uberfahl, weren sie nicht gut hir ihn
der Stadt; gestern haben sie wieder hir in Dresten ein gros auflauf
gehabet, den ein geschreih ihn alt Dresten kohmen, der Götze war
mit 6000 mahn ihm der höden an der langen brücken, wohlen die
nacht alt Dresten uberfahlen; haben die leitte betten, Kinder, ahles
herrein getragen, ist zu alt Dresten eine hochzeit gewest, ist braut
und breitgam neben den hochzeitsgesten ausem haus gelauffen, ahles
stehen und liegen lassen, herrein in die Stadt gelauffen, sind ahlso
ihn der Stadt verschlossen, wie man die thor geschlossen, ist ein
leben unter den leitten gewest, das nicht zu sagen, habe wohl dar-
über must lachen etc.
Geben Dresten den 18 nofember Anno 1631.
Magdalena Sybilla
C. z. S.
No. 34. Kurfürstin Magdalena Sybilla von Sachsen an den Kur-
fürsten, Dresden 21. November 1631. (Original.)
Das E. L. aber zu präg so schlechte traktazion gefunden, das
mahn und ros derwegen profüaut und futerung hunger leidt, ist wohl
gott zu erbarmen, das sies so übel mit E. L. machen u. ahles da
weck genohmen haben, haltte wohl die schult E. L. eigen krieges-
volckes ist, den, wie ich sehe, E. L. obersten und befehlichhaber
weitte ermel haben und übele einforyhrer für E. L. sein, E. L. missen
sorg und mibe haben, den Unkosten ausstehen, sie E. L. ahles für
der nas weg nehmen, hechlich darfon zu sagen, beitte liren, ist recht
gestohlen gut, fragen fihl darnach, ob E. L. zu essen oder zu trinken
finden, bei dem auskehrich wirt mans finden, ist nidt zu glauben,
was aus behmen die obersten befehlichhaber herausflogen, glaube
nicht, das E. L. das erste theil erfahren; E. L. lassen es doch nicht
zuh, umb gottes willen; sie richten E. L. nur fihl übel und wider-
wihlen, damit ahn wihlen gehrn ahle reich werden, fragen fihl nach
ihrem herrn, dem sih dienen, ist nicht redlich gehandelt, verdriest
mich wohl von hertzen, belanget die kunstkahmer können E. L. mit
gutem gewisen neben dem zeighaus nehmen, werden E. L. doch
ihres Schadens darahn noch derjenige nicht haben,_gott helff, das
9f)R A. Gaedeke:
trcw hcrr trow kneclit niack werden, E. L. zum böhmischen Könnig
gewehlt und bU'ibou mögen, wünsche ich von hertzen, ich wihl
E. L. für meine persohn dinstlich gebetten haben, E. L. die lassen
jah nicht die kunstkahmer ihn präg, nehmen sie jah weck, wer weiss
wes sich sonsten für schlimme hudeler nochfohlendt plündern und
eins hier das andere doch wegstehlen, hoffe der spiegel mit dem fns,
der hir aus E. L. kunstkamer ist, wirt nocli ahldar bey banden sein,
den nemen E. L. jah für ahlen Dingen wieder ihn ihre kunst-
kahmer etc. Magdalena Sybilla.
GebenDresten, den 21 November Ao 1631. C. z. S.
No. 35. Kurfürstin Magdalena Syhilla von Sachsen an den Kur-
fürsten, Dresden 2. Dezember 1631. (Original.)
Bit, E. L. verlassen uns doch nicht, das land ist für des tilly
macht zu blos, wir möchten in die gröste gefalir gesezet Averden,
E. L. nehmen sich in aclit, denn das wessen itzt auf behmen und
auf dies landt bei den kaiserschen angesehen ist, gott stehe uns bey,
beliit für verreterey, die E L. auf allen ecken nachschleichet, E. L.
bitte ich durch gott, sie erlösen uns hir von den gefangenen, den sie
die ergsten verreter sein, gnug draus Avort austheilen, die ihn der
Stadt sindt, möchten E. L. uns undt die festung verraten und wohl
gar eiumahl in brandt stecken etc. Magdalena Sybilla
Dresten ihn eihl den 2 Dezember Anno 1631 C. z. S.
No. 36. Des Herrn Feldtmarschalls [Arnim] Erklerung den
3. Decembris Ao 1631. (Copie.)
Sein Scopus sey, der Kirche Gottes und dem evangelischen
Wesen zu dienen, von diesem scopo wolte Er nicht abweichen, ob-
gleich bei Olmrf. D. uns. gn. Herrn, er seine Notturfft untertenigst
in scbrifften anbracht, und umb gnedigste Erlaubnifs gebethen, die
Ursachen, worumb er umb Dimission ansuchete, wai'en diese:
1. dafs seine Schwester und etliche andere Anverwandte todes
verfahren und nun ein ganz Jahr unbegraben über der Erde stünden.
2. dafs bey Ch. D. zu Brandenburgk Er sehr angelegene Sachen
zu verrichten, darzu denn
3. kehmc di(! Beschwerung, so Ihn umb diese Zeit des Jahres
gemeinlich zustünde, da Ihrer Ch. D. er dann ohn das keine Dienste
thun köndte, die vornehmbste Ursach aber
4. sei diese, dafs die Sachen ie lenger ie sorglicher gefehr-
licher und sdiwerer würden, da er dann keine oder wenig Assistenz
bette, ohne von Gott, und were die Weltt also beschaffen, dafs sie
mehr sehe uff den Exitura als die Circumstantias der Sachen, Es
stünde vor Augen, dafs der Feind sich sehr verstärke und mächtig
wüide, von Pafsau vveren etlich tausent Mann zu Budeweifs ankom-
men, Pappenheiuil) were mit 18 Regimentern im Anzüge, Tiefenbach
habe auch ein 10 000 Mann, Wie nun dargegen unsere .'Vrmee be-
schaffen gebe der Augenschein, Wir betten nicht über 9700 Mann,
wann nun darvon etwa 5000 zur Besazuug der Prager Städte und
1500 zu Leiitmei'iz genommen, Blieben 3200 übrig wormit kegen
einen so mächtigen Feind nichts köndt ausgerichtet werden, Die
Affection in der Stadt bey der Bürgerschafft were schlecht, und
düi-ffte mann an lenen selbst einen Feind haben, die Soldatesca
würde schwürig, kriegten nicht ihren Sohlt, Averen übel bekleidet
Die Eroberung Nordböhmens 1631. 269
müfsen eines teils erfrieren, darüber klagten die Herrn Obersten
denn sie kehmen dergestalt selbst umb ihre Ehre, der Obriste Kli-
zing were fast schwürig, liefse sich vernehmen, dafs er wolte ab-
danken, dessen er aber von der Infanterie nicht entrathen köndte,
An seinen ortt hett er gerne gesehen, dafs nach der Leipzigischen
Schlacht mehr und mehr Volck geworben were, denn es darsieder
nie nötiger gewesen, Mann müfse sich stärker machen, als der
Feind were, damit mann Ihm überlegen, sonst würde er zu seinem
scopo nicht kommen können, dahere seine Ehre periclitiren thette.
Hieraus erschiene nun, dafs der Status militiae inn sehr gefähr-
lichen Terminis begriffen, würde er nicht remediret, wolte er entschul-
diget sein, wie Er dann bethe, Ire C. D. geruheten gn. Ihm einen
Schein zu ertheilen, do es anders ausschlüge, als ihm lieb were, 1. dafs
man ihme nicht imputiren wolte, ersuchte uns solches insonderheit
ad notam zu nehmen, und 2. dann zum Andern, dafs die inn seinem
Schreiben gesagte Conditiones möchten adimpliret und erfüllet wer-
den, nemlich dafs 1. der Armee uffs eheste ein Mouat-Soldt und das
AVerbegeldt möchte ausgezahlt, wie auch 2. hiufüro alle 3 Monaten
ein Monat entrichtet und darüber eine Versicherung ausgeantworttet
werden, zum 3. solte Ihm nachgelafsen sein, so viel als er dienst
notturft zu sein befinden würde, zu werben, desgleichen 4. die
Obristen, so er bedürften würde, seines beliebens künfftig zu be-
stellen, Er wolte uff gute Subjecta wolbedacht sein, alles zu Irer
C. D. Dienst und inn deio Nahmen, ohne einige Ambition und
suchung seiner eigenen Autoritet. Ferner 5. dafs Ihm soll frey
stehen, wenn ers nötig erachtete, die IVIusterpläze in der Schlesien,
Ober- und Nieder Lausiz anzuordnen. 6. hochnötig were, die Ge-
neralämpter wiederumb und zum allerförderlichsten, zAvei General
Wachtmeister zu bestellen, darneben 7. ihme einen wolformirten
Krigsrath zuzuordnen, von 12 oder 8 Personen, welche ob sie
gleich nicht alle inn Kriegssachen erfahren, niüsteu sie doch mit
Weifsheit, gutem Verstände luid anderen Qualiteten begäbet sein,
diese müsten nebst den General Personen und sonderlich der Kriegs
Commissarius stets bey der Armee sein, 8. wolte Er an keine gewifse
Zeitt verbunden sein, sondern Ihm vorbehalten haben, seiner gelegen-
heit nach zu resignü-en, 9. über die punctem alle bete er eine
schriftliche Erklerimg.
No. 37. Kiirfnrstin Magdalena Syhüla von Sachsen an den Kxu-
fürsten, Dresden 4. Dezember 1631. (Original.)
Bitte E. L. durch gott und so lieb ich E. L. und Ihre Kinder
sindt, sie wohlen meine treue erklerung und flehentliches bitten nicht
ihn wint schlagen, sondern sich hierihu halt resoluzion fassen und
sich wohl ihn acht haben, denn den katolischen teuff'eln nicht zu
trauhen ist, und sich wohl forsehen, damit E. L. nichl etwah, da
got gnedig und vetterlich behitten wohlte, ihn ungluck kohmen, und
das verzweiffeite kaisserliche fohlck E. L. umbringet und E- L.
etwah erhaschten, gott weis, ihn was angst hirüber ich bin, bitte
nochmahls umb gottes willen E. L. die wenden sich wieder hier ins
landt, nemen ihr selber wahr, lassen uns nicht so blos, wer weis
worauf der fom friedtlandt es spület mit dem accord und stiehlstandt,
damit die thillischen desto eher ihn behmen untterdessen kohmen
möchten und E. L. ein einfahl nicht allein dar, sondern auch hir
270 A. Gaedeke: Die Eroljenmg Nordböhmens 1631.
ins landt thun und wir allhir kein eintzigen endtsatz hetten, ach
E. L. die kommen doch wieder nach Uresten, sie können hir mehr
und besser vei-richten und hillffe tuhn, den zu präg, man wil liir für
gewis sagen, der thilli sohlte koberg belagert haben, wer nicht gut,
got steiher dem tihrannen und bluthundt, stirtze ihn foblendt zum
Schlaftrunk ihn die grübe die uns schuldt machen, das die gottlosen
erkennen, das uns gott beistehet, E. L. vergessen der gefangenen
hir nicht, sie sind los, lassen sich lose wortte verlautten mit droli-
Avortten, sie sind hir nichts nutz etc. Magdalena Sybilla
r)resteninEihlden4Dezember Ao 1631 C. z. S.
die Nacht umb 11 uhr.
No. 38. Kurfürstin Magdalena Sybilla von Sachsen an den Kur-
fürsten, Dresden 7. Dezember 1631. (Original.)
Man hat hir gestern gesaget ahls sohlte der papenheimer Eger
eingenohmen haben, das nicht gut gewest wehre, bin ich darkegen
wieder glücksehlig gewest, gewifsheit zu haben, das es, gott sey loh
gesaget, nicht des papenheimers, sondern E. L. fohlck sohlte bekoh-
men haben, man hatt hir von uürrenberg geschrieben, ahls sohlte
des tliilly fohlck zum teihl fast bey 30 taussend den gilden steg
nach behmen gehen, teihls hir nach K. L. landt, gott behitt uns und
gebe das nicht wahr sein mack etc. Magdalena Sybilla
Dresten den 7 Dezember Anno 1631. C. z. S.
IX.
Zur Geschichte
der Stadt Zwickau während des dreissig-
jährigeii Krieges 1639 1 1640.
Von
M. Schilling.
I. Generalfeldmarschall Baner und die Stadt Zwickau.
Derjenige Abschnitt des dreissigj ährigen Krieges, in
welchem gewaltige Männer mit gewaltigen Mitteln weit-
ausschauende, kühne Pläne durchzuführen strebten, war
vorüber. Gustav Adolf war im Getünmiel der Schlacht
gefallen, Wallenstein ein Opfer unheimlicher Mächte ge-
worden. Die Akten über letzteren sind noch nicht ge-
schlossen; doch scheint es — wenn seine eigenen Worte
nicht trügen — eine Zeit gegeben zu haben, in der er
den Bund mit Sachsen und Brandenburg, den Zwangs-
alliierten des Schwedenkönigs, suchte, um den Frieden
zwischen den deutschen Fürsten, den Evangelischen wie
den Katholischen zum Besten, herbeizuführen und sodann
mit vereinten Kräften die Schweden aus Deutschland zu
vertreiben. Wie unnatürlich auch ein Bündnis zwischen
Parteien, welche aus konfessionellem Gegensatz in Streit
gerathen waren, sein mochte, so war es nach Wallen-
stein's Überzeugung doch der einzige Ausweg, dem zer-
tretenen Vaterlande den Frieden wiederzugeben, zumal
ja der Kampf sich mehr und mehr des religiösen Cha-
rakters entkleidete. Der weitere Verlauf scheint denn
272 M. Schilling:
auch die Riclitigkeit der Wallensteinschen Ansicht zu
bestätigen. Ein und ein viertel Jahr nach Wallensteins
Ermordung schloss das protestantische Sachsen mit dem
Kaiser Frieden. In dem Friedensinstrument heisst es
wörtlicli: „Denn dieser Friede wird zu dem Ende gemacht,
damit die werthe deutsche Nation zu voriger Integrität,
Tranquillität, Libertät und Sicherung reducieret und die
Rom. Kais. Majestät und Dero hohes Erzhaus, auch alle
Kurfürsten und Stände des Reichs, so nicht davon aus-
genommen und sich dazu bekennen, ohne Unterschied der
katholischen Religion und augsburgischen Konfession zu
dem Ihrigen restituiert und dabei erhalten werden." Einem
jeden Fürsten war die Möglichkeit, diesem Frieden bei-
zutreten, offengehalten. Brandenburg und fast alle nord-
deutschen Fürsten thaten dies bald. Schweden suchte
und fand Anschluss an Frankreich. Diese Parteiengrup-
pierung war die Folge des Prager Friedens vom 30. Mai
1635. Durch denselben verlor der Krieg den letzten
Schein eines Religionskrieges.
Das Oberkonmiando über die schwedische Heeres-
macht in Norddeutschland führte damals und bis zu sei-
nem Tode der Feldmarschall Johann Bauer. Bereits im
Oktober 1635 erklärte der Kurfürst von Sachsen den
Krieg an Schweden. Seine Truppen kämpften nicht glück-
lich in Norddeutschland. Im Dezember ging Bauer, nach-
dem er sich mit Torstenssohn vereinigt hatte, zur Offensive
über. Am 1. Februar 1636 hatte er sich der Stadt Halle
bemächtigt. Grauenvoll verwüsteten die ehemaligen Bundes-
genossen die nördlichen Gebiete des Kurfürsten thums; war
es doch Sachsen gewesen, das durch den Prager Frieden
die Schweden in Deutschland vollständig isoliert hatte.
Bauer musste sich jedoch bald wieder nach Norddeutsch-
land zurückziehen. Am 4. Oktober n. St. kam es zu
der blutigen Schlacht bei Wittstock. Die vereinigten
kaiserlichen und kurfürstlichen Truppen erlitten eine voll-
ständige Niederlage. Der Kurfürst von Sachsen rettete
sich mit 400 Pferden über Magdeburg nach Leipzig^).
Bald darauf erschien Bauer wieder in Sachsen und nahm
am 15. Januar 1(537 die Festung Torgau ein; am 13, Ja-
nuar schon hatte er auch die Belagerung der mit kur-
fürstlichen Truppen w^ohl besetzten Stadt Leipzig be-
*) Thcatr, Eiir. III, 709 ; vcrgl. auch Chemnitz, Königl. schwe-
discher in Deutschland geführter Krieg, III, 39 flg.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 273
gönnen. Der Obrist Trandorf gebot dort über 3 Regi-
menter^).
Zwickau blieb damals von den Schweden verschont,
um so mein- aber wurde es von dem nach der Schlacht
bei Wittstock in die Stadt gelegten kurfürstlichen Eegi-
mente des Obristen von Böse belästigt. Der Zwickauer
Bürger Matthäus Winter berichtet in seinen Annalen^)
unter dem 10. Oktober 1636, ein jeder Bürger habe von
einem guten Schock 3 Pf. geben müssen; das habe in
die 12 Wochen gewährt. Es sei grosses Elend und
Lamentieren in der Stadt gewesen. Wer die Abgaben
nicht habe entrichten können, zu dem seien die Tribu-
lierer und Soldaten ins Haus gefallen und hätten ge-
nommen, was sie hätten bekommen können. Die Bemer-
kungen Matthäus Winters werden durch die chronisti-
schen Aufzeichnungen bestätigt, welche auf Befehl des
Käthes im Jahre 1647 bei Gelegenheit einer Reparatur
in den oberen Knopf des Zeigerthürmchens auf dem Kauf-
hause (jetzt Gewandhause) gelegt wurden'*). Von dem
Obristen Karl von Böse heisst es daselbst, dass er der
Stadt und Bürgerschaft (ungeachtet er ein Nachbar und
kurfürstlicher Vasall wäre) mit Auflegung schwerer Kon-
tribution und dergleichen grosse Bedrängnis bereitet habe,
wie er schon 1634 gethan. Bei seinem Abzüge habe er
noch einen grossen Schuldenrest auf die Stadt gewälzt,
worüber ihm eine Obligation (wie dies Obrist Taube 1633
auch erzwungen) habe gegeben werden müssen, die bis
jetzt (also 1647) noch nicht habe eingelöst werden können.
Der Abzug des Boseschen Regiments erfolgte ganz plötz-
lich auf eine kurfürstliche Ordre vom 7. Januar 1637
hin Sonntag am 8. Januar früh. Weil Bauers Truppen
die Ebene von Leipzig beherrschten und weit hinauf ins
Gebirge streiften, war Obrist von Böse genöthigt, seinen
Weg nach Dresden über das Gebirge zu nehmen'^). Der
Obrist hatte alle Vorkehrungen getroffen, welche eine
erfolgreiche Vertheidigung der Stadt gegen den erwar-
teten Angriif Bauers erheischte'^). Als Besatzung Hess
er jedoch nur einen Hauptmann mit etwa 100 Mann zu-
2) Theatr. Eur. HI, 740, 43.
3) Handschrift der Rathsschulbibl. zu Zwickau TTTT, VI.
*) Abschriftlich im Rathsaichiv, Grünes Buch A, fol. 191 — 199.
^) Vergl. M. W^inters Annalen und die Zwickauer Chronik von
Tob. Schmidt II, 576.
«) Vergl. Grünes Buch A, fol. 184 u. Tob. Schmidt.
Neues Archiv f. 8. G. u. A. IX. 3. i. 18
274 M. Schilling:
rück. Schwedische Abtheüungen von 10 bis 30 Mann
brandschatzten die kleineren Städte der Umgebung.
Im Januar 1637 (also während der Belagerung
Leipzigs) gelangte ein „Erfurt, den 24. Dezember 1636"
datiertes Patent Bauers an den E,ath zu Zwickau').
Dieses Patent erging an alle Stände des Kurfiirstenthums.
Es wurde darin aufgefordert, Kommissarien an den Eeld-
marschall zu schicken, Salva- Gardien aufzunehmen und
über die Verpflegung der schwedischen Truppen mit ihm
in Unterhandlung zu treten. Am Schlüsse des Patentes
hiess es: „Dieweil ich dann dieses vor das einige Mittel
befunden, dadurch euer, als viel unzeliliger vornehmer,
redlicher und unschuldiger Leuthe total Untergang und
Verderben abgewendet werden kan, als zweitfei ich nicht,
ilu- werdet auft" diese euch angedeutete Bescheydenheit
und gute Intention bey mir erscheinen, auff euern Gütern
und Häusern unerschrocken verbleiben, euer Bestes selber
prüfen und alles anordnen helft'en, was ihr zu euerer
selbst eygenen Conservation dienlich befinden werdet, im
widiigen Fall aber, da ihr in dem eurigen nicht ver-
bleiben, mich auch mit abgeordneten Commissarien nicht
beschicken soltet, so will ich an allem dem Unheyl und
unordentlichen procedere, so vorgehen möchte, entschul-
diget seyn ..."
Kaum hatte der Kurfürst Kenntnis von dem Patent
erlangt, als er, und zwar schon am 5. Januar 1637, an
alle Stände den Befehl ergehen Hess, dass alle Unter-
sassen, Stifts- und Schutzverwandten, Beamte, Räthe in
Städten und alle Unterthanen dem Kaiser und Reich,
sowie dem Vaterlande die pflichtschuldige Treue und
Devotion bewahren sollten. Das Patent gelangte auch
an den Rath zu Zwickau. Es wurde eingeschärft, alle
Vorkehrungen zur Gegenwehr zu treffen, und eröffnet,
dass der Kurfürst, so weit ihm irgend möglich, der Stadt
Zwickau Beihülfe gewähren wolle '^). Laut Rathsprotokoll
vom 16. Januar 1637 wurde das kurfürstliche Patent der
verordneten Bürgerschaft publiziert.
Offenbar hing es von Bauers Erfolg vor Leipzig ab,
ob Zwickau belagert werden würde oder nicht. Gelang
') Vergl. Theatr. Eur. IH, 744 u. Chemnitz III, 74.
^) Dieses Verwaniimgspatent hefindet sicli im Zwickauer Kaths-
archiv, Grünes Buch B, fol. 67, 68-, abgedruckt in Tob. Schmidts
Chronik II, 578 flg., Theatr. Eur. III, 751 und zum Theil bei Chem-
nitz in, 74/75.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 275
es ihm, Leipzig einzunehmen, so war es selbstverständ-
lich, dass er sich alsbald der Strasse nach Böhmen und
Bayern versichern musste, als deren Schlüssel Zwickau
nicht in der Gewalt des Gegners gelassen werden durfte.
Als jedoch zahlreiche kaiserliche Truppen aus Böhmen
zum Entsatz herbeizogen, musste am 7. Februar 1637 die
Belagerung Leipzigs aufgehoben werden. Die Schweden
setzten sich zunächst wieder in Torgau fest, von da aus
die Umgegend furchtbar verwüstend. M. Winters An-
nalen berichten, dass sich Bauer nach der Einnahme von
Leipzig mit seiner ganzen Armee vor Zwickau habe
legen wollen. Da aber der Kaiser dem Kurfürsten viel
Volk geschickt habe, sei Baners Absicht vereitelt worden.
Derselbe habe sich nach Aufliebung der Belagerung
Leipzigs nach Torgau begeben und sei dort so lange ge-
blieben, bis er wegen Hungersnoth die Stadt habe ver-
lassen müssen. So war es auch.
Bauer behauptete sich in Torgau bis Mitte Juni.
Allein Mangel an Proviant, sowie die Gefahr, von den
Kaiserlichen eingeschlossen zu werden, veranlassten ihn,
am 18. Juni von Torgau aufzubrechen. Mit meisterhaftem
Geschick bewirkte er seinen Rückzug über die Oder
nach Pommern^). Dort wurde er eine Reihe von Mo-
naten vom kaiserlichen General Gallas in Schach ge-
halten. Als jedoch Ende 1638 Gallas nach der Lausitz,
Schlesien und Böhmen zurückweichen musste, drang
Bauer wieder nach Sachsen vor. Er nahm die Stadt
Halle ein. Leipzig füixhtete eine zweite Belagerung. Ein
Schrecken ergriff die ganze Gegend. Aus Naumburg,
Zeitz und Leipzig flüchteten viele mit ihrer besten Habe
nach Zwickau. Bald zeigten sich streifende kaiserliche
Truppen in der Nähe der Stadt. Der kaiserliche Ge-
neral-Feldzeugmeister von Salis zog mit sieben schwachen
Regimentern heran ; er wollte sich zum Schutze Böhmens
durchs Vogtland nach Eger begeben. Die Städte und
Dörfer in Zwickaus Umgebung waren indes ebenso übel
daran, als wenn eine feindliche Armee das Land über-
schwemmt hätte. Die Freunde hausten in Crünmitschau
und von da bis ZAvickau in entsetzlicher Weise ^^).
Zwickau selbst blieb verschont. Es scheint nicht in von
Salis' Absicht gelegen zu haben, sich der Stadt zu be-
9) Vergl. Theatr. Eur. HI, 789, 805 flg.
^0) Vergl. Tob. Schmidt u. Grünes Buch A, fol. 192b.
18*
276 M. Schilling
& ■
mächtigen und Baners Angriff abzuwarten. Am 19. Fe-
bruar 1639 zog er sich vor der anrückenden schwedischen
Armee in die Gegend von Eeichenbach zurück. Am
folgenden Tage schon wurde das kaiserliche Corps zwi-
schen Elsterberg und Reichenbach vollständig aufgerieben ;
der Feldzeugmeister selbst fiel in die Hände des Feindes").
Bauer wandte sich hierauf gegen Zwickau; die Stadt,
ein wichtiger Stützpunkt, musste gewonnen werden.
Unmittelbar nach der Einnahme von Halle wurden
vom Zwickauer ßathe die erforderlichen Vertheidigungs-
massregeln getroffen. Die Stadt war ohne alle militä-
rische Besatzung, demnach lediglich auf die Bürgerwehr
angewiesen. Es wui'den mehrere Thore geschlossen und
die Bürger zur grössten Wachsamkeit auf den Thoren
und Thürmen der Stadt ermahnt. Am 14. Februar hält
der Amtsschösser Salomo Gerhard laut Rathsprotokoll
beim Rath an, dass noch ein Thor geschlossen werden
möchte; der Rath erachtet es jedoch nicht für noth-
wendig. Mehr schon leuchtet ihm die Nützlichkeit des
anderen Vorschlags ein, Zugbrücken an den Thoren an-
bringen zu lassen und zur Bestreitung der Unkosten
dieser Neuerung die in die Stadt geflohenen fremden
Leute von Adel und Unadel heranzuziehen. Die Bürger
werden deshalb aufgefordert, die fremden Leute anzu-
zeigen, dem Rathe auch Mittheilung von den in die Stadt
geretteten fremden Gütern zu machen, da es vorkam, dass
Fremde ihre Habe in die Stadt brachten und darnach
dieselbe wieder verliessen. Der Rath scheint sich von
der beabsichtigten Besteuerung fremder Leute und Güter
eine gute Einnahme versprochen zu haben, denn sie sollte,
wie den Bürgern eröffnet wurde, nicht nur zur Erbauung
einer Zugbrücke, sondern auch zu „anderen Nothwendig-
keiten" verwendet werden. Ferner wurden die Bürger,
die zu viel Waren bei sich hätten, aufgefordert, einen
Theil derselben aufs Rathhaus zu geben, damit andere
nicht zu sehr damit belästigt würden. Die Thorwachen
erhoben von denen, die ihre Habe in den Schutz der
Mauern bergen wollten, eine Abgabe ingestalt einer
„Verehrung". Ob dieselbe, wie man nach der Bezeich-
nung vermuthen könnte, in die Taschen der Thorwächter
floss oder dem Gemeindewesen zugute kam, ist aus den
protokollarischen Aufzeichnungen nicht ersichtlich. Die
") Yergl. Tlieatr. Eur. IV, 94.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 277
Wachen wurden angewiesen, die Benachbarten nicht so
sehr mit Anforderung der „Verehrung" zu beschweren.
Weiter wurde der verordneten Bürgerschaft anbefohlen,
die Musketen und Haken bereit zu halten, damit sie im
Bedarfsfalle gebraucht werden könnten; sich auch mit
Kraut und Loth genügend zu versehen und Getreide in
Vorrath mahlen zu lassen; den Seilern wurde aufgegeben,
für Vorrath an Lunten zu sorgen. Mit Hinweis auf die
vielen Fremden in der Stadt und die aufgehäuften Heu-
und Strohvorräthe ermahnte der ßath ganz besonders zur
Vorsicht im Umgange mit Feuer und Licht. Die wehr-
haften Bürger waren in der Eegel nur zur Vertheidigung
der Stadt verpflichtet ; zu Ausfällen brauchten sie sich
nur in ISTothlagen verwenden zu lassen. Daher vermeldet
auch der Rath der Bürgerschaft: „Weil wegen der
streifenden Rotten Ausfälle geschehen sollen, darzu die
von Adel ihre Knechte auch herleihen imd in 30 Pferde
ausstaffieren wollen, so sollten sich die Bürger dazu
wiUig gebrauchen lassen ; es sollte ihnen die Beute bleiben
und noch ein Viertel, oder ein Fass Bier gegeben werden."
Durch die streifenden Rotten wurden nicht nur die städti-
schen Besitzungen ausserhalb der Mauern, sowie die
Vorräthe an Getreide, Vieh und Futter in den benach-
barten Dörfern geschädigt, sondern es wurde auch die
Sicherheit der Strassen und somit der Verkehr der be-
nachbarten Ortschaften mit der Stadt und die Zufuhr
von Lebensmitteln beemträchtigt. Die Chronisten be-
richten bei verschiedenen Gelegenheiten, dass infolge der
Unsicherheit der Strassen der Getreidepreis in der Stadt
sich steigerte^").
So stand es am 14. Februar in der Stadt. Am 20.
erschien Bauer vor den Thoren und forderte die Bürger
zur Übergabe des Ortes auf; sie wurde verweigert.
Nach einigem zwecklosen Hin- und Herschiessen schickte
sich Baner zu ernsthafter Belagerung an^^). Angesichts
solcher Massregeln hielt es der Rath für geboten, mit
dem Feldmarschall, der sein Hauptquartier in Marienthal
hatte, zu accordieren. Derselbe Hess sich aber auf Un-
terhandlungen nicht ein ; zuletzt gab er den Abgeordneten
den Bescheid, weil die Stadt keine Besatzung hätte, so
wäre es wider Kriegsmanier; auch liefe es ihrer Repu-
") Vergl. M. Winters Annalen unter 18. Februar 1637.
") Einzelheiten bei Tob. Schmidt.
278 M. Schilling:
tation zuwider, mit Tuchmachern und Schmieden zu ac-
cordieren. In den zur Einhige in den oberen Knopf des
Kaufliausthürmchens bestimmten, oben bereits erwähnten
clironistischen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1647^^) wird
über diese Angelegenheit folgendes berichtet: „Auno
1639 am 20. Februar kam der schwedische General-
Feldmarschall Johann Baner . . . mit der Armee vor die
Stadt, und weil dieselbe gleich dazumal der Besatzung
entblösst, und der nach dem grossen Sterben Anno 1633
noch etwa 300 übrigen wenigen Bürgerschaft unmöglich
war, solcher Gewalt zu widerstehen, ungeachtet man
sich etliche Tage aufspielte und mit Gegenwehr, soviel
möglich war, dem streifenden Feind ziemlichen Schaden
that, musste man ihm den 24. das Thor ötfnen und ohne
einigen Accord seines Gefallens einlassen." Die Stadt
musste sich also auf Gnade und Ungnade ergeben ^^).
Um Plünderung, Brand und Verwüstung abzuwehren,
mussten dem Feldmarschall 12000 Thlr. für die Plünde-
rung und dem Generalmajor Pfuhl 10000 Thlr. Brand-
") Vergl. Grünes Buch A, fol. 191—199.
'^) Über die Vorgänge in jenen Tagen finden sich Rathsproto-
kolle nicht vor. Der Band, welcher die Protokolle von Mauritius
1638 bis 1641 enthält, zeigt zwischen dem 14. Februar und dem 10. April
eine grosse Lücke. Dagegen kommen ausser den „Grünen Büchern"
in Betracht: 1) ein Aktenfascikel mit der Aufschrift: „Das Ba-
wirrsche Schwedische Regiment belaugende. Anno 1639 vndt 1640 etc.
Die Belagerungen und Contributionen von 1639 u. 1640 betreffend.
No. 22. Militaria" (A); 2) ein Fascikel mit der Aufschrift: „Kriegs-
schäden in Zwickaus Belagerungen während des dreissigjährigeu
Kriegs betr." Ohne Signatur (B); 3) ein Fascikel ohne Aufschrift
und Signatur, welches Kriegsrechuungen aus den Jahren 1639 und
1640 enthält (C); 4) ein Fascikel mit der Aufschrift: „Anlage- und
Einuahm-Register vnd darauff gethane richtige Rechnung der 8: 9:
10: vnd 11: Lehnung zu Verpflegung des Königl. Schwedischen Ba-
wyrischen Regiments zu fufs den 2. 12. 22. Junij vnd 2. Julij An-
no 1639" (D). — Vielversprechend lautet der Titel eines Manu-
skriptes der Rathsschulbibliothek (Fascikel TTTT) : „Discursus poli-
ticus. Dorinnen die quaestio Ob E. E. Rath vnd Burgerschaftt zue
Zwickaw bey Schwedischer belägerung Ao. 1639 vnd aufgebung der
Stadt einige culpa zue imputiren, oder nicht, pro et contra tractiret,
vnd respective resolviret wirdt. Bestellet vnd verfasset von Johann
Gebharden. I. V. Doctore." Joh. Gebhard, der Sohn des 1633 ge-
storbenen Stadtvogts Joh. Gebhard, Avar Rathsherr, von 1651 ab
Bürgermeister von Zwickau. Sicherlich war er genau über jene
Verhältnisse unterrichtet, nur schade, dass wir eben nur das Titel-
blatt seines discui'sus politicus besitzen; im Manuskriptenschatz der
Rathsschulbibliothek wenigstens scheint der Kern zur Schale nicht
mehr zu sein. Nicht unmöglich jedoch ist es, dass Gebhards Schrift
im Rathsai'cliiv verborgen liegt.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 279
Schätzung gegeben werden; ausserdem musste man dem
Obrist Billingshausen über 7500 Thlr. Rekrutengelder be-
willigen^*^). Was an Pferden und Geschirr, an Getreide,
Bier und Unterhaltungsgeldern aufgebracht werden musste,
belief sich ebenfalls auf viele Tausende von Thalern"). In
einem Schreiben des Haths an Bauer vom 30. März 1639 ^^)
wird darauf liingewiesen, dass die Stadt binnen 5 Wochen
an Geld, Silberwerk, goldenem Geschmeide und Waren,
ungerechnet, was an Proviant, Pferden, Wagen, Geschirr
u. a. abgeholt worden und aufgegangen, etliche 30000 Thlr.
hat aufbringen müssen. Die Einnahme für die Banersche
Ranzion, für die Brandschatzung und die Billingshausen-
schen Rekrutengelder betrug 30017 Tlilr. 20 Gr. 1 Pf.^^).
Die Kontribuenten mussten tief in den Beutel greifen.
Der Bürgermeister David Reier hatte 400 Thlr. Ranzion
und 75 Thlr. 9 Pf. Reknitengeld zu zahlen; der Raths-
herr Stephan Stepner 726 Thlr. und 25 Thlr. 12 Gr. 6 Pf.;
der Oberstadtsclu^eiber Augustus Thiel 100 Thlr. 16 Gr.
und 44 Thlr. 3 Gr.; der Bürgermeister David Pitzsch
400 Thlr. und 146 Thlr. 10 Gr., dazu noch 250 Thlr. zur
Glockenranzion. So mussten die einzelnen Bürger je
nach ihrem Vermögen mehr oder weniger beisteuern.
Die Stadt genoss immerhin noch einen ansehnlichen Cre-
dit ; es finden sich unter den einzelnen Posten nicht wenig
„vorgesatzte" (vorgeschossene) Summen, so z. B. 2433 Thlr.
10 Gr. zur Ranzion und 333 Thlr. zu den Rekrutengeldern ;
1750 Thlr. zur Ranzion, 800 Thlr. zur Glockenranzion,
508 Thlr. 10 Gr. zui^ Ranzion, desgl. 408 Thlr. Der
Amtsschösser lieh zur Ranzion 1400 Thlr. her-"). In
dem Ausgabenverzeichnis zu den eingenommenen Geldern'-^)
^*) Nach dem Ausgabenverzeichnis zu den eingenommenen Kon-
tributionsgeldern (Fascikel 0, fol 17 flg.) erhielt Bauer 10000 Thh-.
Wenn anderwärts 12000 Thlr. angegel)en werden, sind oifenbar
die 2000 Thlr. für die Glockenranzion mit eingerechnet, die je-
doch nicht dem Feldmarschall, sondern den Konstabein und Artillerie-
verwandten zuflössen. Die Schweden scheinen übrigens sorgfältig
Buch und Rechnung über ihre Forderungen geführt zu haben; denn
es wurden der Stadt jetzt noch 60 Thlr. Interessen berechnet für die
von Herzog Bernhards Einnahme der Stadt im Jahre 1632 her re-
stierenden 1000 Thh'. Glockem-anzion.
") Fascikel A, fol. 57 flg. u. fol. 31 ; Fascikel C, fol. 17 flg. •,
Grünes Buch A, fol. 192 flg.
18) Fascikel A, fol. 8, Konzept.
19) Vergl. Fascikel C, fol. 1—10.
«0) Vergl RathsprotokoU vom 17. Oktober 1639.
") Fascikel C, fol. 17 flg.
280 M. Schilling:
finden sich ausser den grossen Summen für die Befehls-
haber viele „Verehrungen" an höhere Offiziere sowohl,
als an Untergebene derselben bis zu den Exekutoren und
Köchen herab. In den liechnuiigen stehen die Posten
alle so friedlich neben und unter einander, bei der Ein-
treibung der Gelder ging es aber oft hart genug zu ; und
dass bei Einnahme einer Stadt nicht nur offizielle For-
derungen gestellt, sondern auch noch Erpressungen geübt
wurden, ist eine bekannte Sache, Bei der Einnahme
Zwickaus 1639 knüpft sich eine solche Scene an den
Namen des Quartiermeisters Julius Scheffer vom Billings-
hausenschen Eegiment. In den schon mehrfach erwähnten
chronistischen Aufzeichnungen in dem Grünen Buch A,
fol. 191 flg. wird darüber folgendes berichtet: „Quartier-
meister Julius Scheffer ängstete Adel und Unadel,
Schössei-, Bürgermeister und Rathspersonen dermassen,
dass es nicht zu beschreiben, massen er einst die von
Adel, so in die Stadt geflohen, übertrotzte, dass sie ihre
Seitenwehren in der Stadtschreiberei ablegen mussten;
darauf wollte er sie in die Gerichtsstube sperren, heiss
einheizen lassen, ihnen Heu zu fressen geben und sie so
lange quälen, bis sie ihm, was er haben wollte, bewilligen
würden ; brachte es damit auch dahin , dass ihm über
vorher empfangene 12000 Thlr. noch ferner 16000 Thlr.
zu erlegen versprochen und darüber eine überaus scharfe
Obligation gegeben werden musste . . • , welche Obliga-
tion aber hernach der General Bauer wegen selbst be-
fundener Unmöglichkeit wieder kassierte und den Quar-
tiermeister reformierte." Es wird ferner berichtet, dass
während Bauers Aufenthalt in der Stadt eine Visitation
aller Häuser veranstaltet Avurde, Avobei weggenommen
wurde, ohne eine Entschädigung zu gewähren, was die
Armee gebrauchen konnte Der Verlust wird geschätzt
über 6000 Thlr. an Pferden, Wagen und Geschirr, 2000 Thlr.
an Gewehren, 7600 Thlr. an 1600 Scheffel Korn und Gerste,
1150 Thlr. an 600 Scheffel Hafer, 1632 Thlr. an 102
Eimern Wein, 3760 Thlr. an 376 Fass Bier, 300 Thlr. an
Salz, 2300 Thlr. an Scheitholz'--). Summa 24742 Thlr.
Nach dreitägigem Aufenthalte in Zwickau brach
Bauer, eine nur scliwaclie Besatzung unter Kapitän Bil-
lingshausen zurücklassend, am 27. Februar mit seiner
Armee nach Chemnitz auf, das sich nach kurzer Gegen-
^) Grünes Buch A, fol. 193.
Zur Geschichte der Stadt Zwickai; 1639—1640. 281
wehr ebenfalls ergeben mnsste. Hierauf belagerte er
Freiberg vergeblich; er Avandte sich wieder nach Chem-
nitz zurück, um dort die Kaiserlichen zu erwarten -=^).
Von hier aus wies er in einer vom 23. März datierten
Ordre '-^) den Regimentern der Obristen von Mortaigne
und Bawyr Stadt und Amt Zwickau als Verpflegungs-
quartier an. Am 24. März schon kam das Mortaignesche
Regiment in Zwickau an--^), und an demselben Tage be-
zog auch Obrist Bawyr die Quartiere'-^'). Der Obrist
Mortaigne verfuhr nicht säuberlich mit den Oberhäuptern
und Vätern der Stadt. Die Bürgermeister und Senatoren
Hess er mit 20, ja 30 Soldaten tribulieren und erpresste
auf diese Weise in 3 Tagen 3000 Thlr.-'). Nach der
Ordre vom 23. März hatte vom Amt und von der Stadt,
doch nicht von dem inkorporierten Adel, des Obristen
von Bawyr Regiment, das als Besatzung am Orte ver-
bleiben sollte, den nothdürftigen Unterhalt an Futter und
Mehl, das Mortaignesche Regiment, das sich bei der
Armee befinde, die Löhnung laut der Königlich Schwedi-
schen Kammerordnung für die bei dem Regiment effek-
tive sich befindenden Offiziere und Soldaten zu fordern.
Gleichzeitig wurden durch die Ordre alle alten Präten-
sionen gänzlich kassiert und den derzeit in Zwickau
liegenden königlich schwedischen Offizieren mit den
50 Musketieren befohlen, sich nach Vorzeigung dieser
Ordre sofort zur Armee zu begeben, und ferner verord-
net, dass ausser ihrem Traktament die bezeichneten Re-
gimenter von Amt und Stadt Zwickau, sowie den inkor-
porierten Adeligen keinerlei Geldpressm^en oder sonst
etwas zu exequieren sich unterstehen sollen. Dafern
etwas dergleichen vorgehen sollte, möchten die Unter-
thanen ihre Zuflucht kühnlich zu Sr. Excellenz nehmen;
die kommandierenden Offiziere würden unausbleiblich von
Sr. Excellenz zu Rede und Antwort gefordert werden.
Auf diese Ordre wurde umgehend eine vom 24. März
datierte Supplikation des Amtes, des Rathes und der
Bürgerschaft an den Feldmarschall geschickt ^*^). Darin
AATirde der Empfang der Ordre bestätigt und Se. Excellenz
um Gottes Barmherzigkeit willen ersucht, die arme Stadt
23) Vergl. Theatr. Eur. IV, 95.
2*) Ahschriftlich Fascikel A, fol. 1.
25) Fascikel 0, fol. 77. — "-ß) Ib. A, fol. 8.
") Giünes Buch A, fol. 193.
28) Fascikel A, fol. 2, Konzept.
282 M. Schilling:
und das Amt mit gnädigen Augen anzusehen, und sowohl
die Garnison zu mindern, als auch die Verpflegung des
Mortaigneschen Regiments von der Stadt zu nehmen.
Begründet wird die Supplikation damit, dass die Stadt
durch die erlegte grosse Eanzion, durch die Brandschat-
zung und die Eekrutengelder aufs äusserste erschöpft
worden sei. So seien auch alle Amtsdörfer dermassen
ruiniert, dass daselbst weder Einwohner, noch Vieh und
Fütterung zu linden seien, infolgedessen auch weder
Futter, noch Getreide in die Stadt gebracht werde^.
Bevor wir diese Angelegenheit weiter verfolgen,
wollen wir einen Blick in die königlich schwedische
Verptlegungsordnung tliun, auf welche in der Ordre vom
23. März hingewiesen wird-''). Sie war für die im Stift
Halberstadt einquartierte königlich schwedische Solda-
teska bestimmt und gegeben im Haupt (juartier Schanders-
leben den 13. Februar 1639. Auf Grund derselben sind
die Verptiegungsordnungen für das Mortaignesche und
Bawyrsche Regiment entworfen'^*^). Sie lauten sämtlich
auf Geld, nur die Leistungen an Pferdefutter sind in
Gewicht ausgedrückt. Das Mortaignesche Regiment er-
hielt die Verpflegung in 10 tägigen Löhnungen ausgezahlt ;
die Verpflegung des Bawyrschen Regiments aber geschah
in den ersten Monaten so, dass die Soldaten von den
Bürgern beköstigt wiu-den und die Quartierwirthe nach
den in der gedruckten Ordnung aufgestellten Sätzen dem
Rathe liquidierten"^).
Nach der Mortaigneschen Verpflegungsordnung
kam auf den Regimentsstab aller 10 Tage zusammen
112 Thlr. 18 Gr., und zwar erhielt der Obrist 30 Thlr.,
des Obristen Lieutenant 15 Tiilr., der Major 12 Thlr.,
der Regimentsquartiermeister 6 Thlr.; der Regiments-
sekretär, der Schultheiss, Priester und Barbier l3ekamen
gleichviel , nämlich 5 Thlr. 6 Gr. ; Profoss , Gerichts-
schreiber, Gerichtswebel, Wagenmeister und Trommel-
schläger hatten ebenfalls gleich hohe Löhnung: 4 Thlr.
12 Gr.; der Henker erhielt 3 Thlr. 18 Gr., der Stecken-
knecht 2 Thlr. 12 Gr. Sie alle gehörten zum Regiments-
stabe. Das Mortaignesche Regiment selbst zählte 1085
Mann und bezog in 10 tägigen Löhnungen 1823 Thlr.
2») AbscMft im Akteiifascikel A, fol. 15—17.
30) Ib. fol. 18 flg.
31) Fascikel C, foL 170-, Rathsprot. v. 10. April u. 8. Juli 1639.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639-1640. 283
21 Gr. 9 Pf. Auf jeden der 565 Gemeinen wm^deu
täglich 2 Pfund Brod, 1 Pfund Fleisch und 2 Feldmass
Bier nach den ortsüblichen, bez. normierten Preisen ge-
rechnet. Von den 12 Kapitänen erhielt jeder 7 Thlr.
9 Gr., von den 24 Lieutenants und Fähnrichen der Mann
5 Thlr. 13 Gr.; für jeden der 48 Unteroffiziere Avurden
gefordert 2 Thlr. 6 Gr., für jeden der 24 Sergeanten
2 Thlr. 18 Gr. 6 Pf., für jeden der 72 Korporale 1 Thlr.
5 Gr., für die 24 Trommelschläger zusammen 39 Thlr.,
für die 100 Oberrottmeister 121 Thlr. 3 Gr.. die 100
ünterrottmeister 104 Thlr. 2 Gr. 9 Pf., für die il6 „Pass-
volantz" 104 Thlr. 16 Gr. Das macht für das ganze
Eegiment einschliesslich des Stabes 1936 Thlr. 15 Gr. 9 Pf.
Dazu kam das Futter für die Pferde, deren 241 auf das
Regiment berechnet wurden, und zwar für den Obristen 18,
den Obristlieutenant 12, den Major 8, den Regiments-
quartiermeister 3, für den Sekretär, Schultheiss, Priester
und Barbier zusammen 8, für die 12 Kapitäns 48 und
ebensoviel für die 24 Lieutenants und Fähnriche. Ferner
hatte jede der 12 Kompagnien 8 Bagagepferde. Die
Fütterung für die 10 tägige Löhnung betrug 482 Scheffel
halberstädtisches Mass'^-).
Ähnlich gestaltete sich die Berechnmig für das in
Zmckau liegende Bawy r sehe Regiment, nur dass ein-
zelne Posten theils höher, theils niedriger angesetzt
waren ^"). Für jede Löhnung mussten circa 1800 Thlr.
inkl. der Servisgelder für die Offiziere aufgebracht werden ;
die Summe schwankte indes je nach der Regimeutsstärke.
Nehmen wir nun nach dieser Abschweifung den Faden
der Verhandlungen der Stadt mit dem Generalfeldmar-
schall wieder auf.
Es wurde zuletzt die auf Bauers Ordre vom 23. März
eingereichte Supplikation vom 24. März erwähnt. Am
26. wenden sich Amt, Rath und Bürgerschaft in einem
Schreiben an den Obrist Kaspar Kornelius von Mor-
taigne^^) und bitten in den beweglichsten Ausdrücken um
Fürsprache bei Bauer, dass für sein Regiment eine an-
dere und austräglichere Assignation erfolgen möchte. In
einem zweiten Schreiben vom 30. März"^-^) Aviederholen
sie ihre Bitte und machen sogar Vorschläge, auf welche
2-) 4 Halberst. Scheffel = 1 grossen zwickauischen Scheffel,
vergl. Fascikel A, fol. 157.
33) Vergl. unten S. 304.
31) Fascikel A, fol. 4. — «s) ib. fol. 5.
284 M. Schilling:
Weise die Stadt entlastet werden könnte. In einem
eigenhändigen Schreiben-^") verspricht der Obrist, das
Seine thun zn wollen, erklärt aber gleichzeitig, dass er
bis zur Entscheidung des Feldmarschalls mit aller Strenge
auf seinen Forderungen bestehen müsse.
Eine Antwort auf die Supplikation vom 24. März
scheint nicht erfolgt zu sein; Bauer war um diese Zeit
gerade mit den Vorbereitungen zu einem entscheidenden
Schlage gegen die Kaiserlichen beschäftigt. Am 30. März
richteten Amt, Rath und Bürgerschaft ein zweites Gesuch
an den Feldmarschair"). Nachdem sie auf die bereits
erfüllten hohen Leistungen für die Banersche Armee, auf
die Stockung aller Erwerbsthätigkeit, sowie auf den Um-
stand hingewiesen haben, dass nicht über 300 angesessene
Einwohner mehr in der Stadt vorhanden seien, erklären
sie es für unmöglich, die gegen 2000 Thlr. betragende
zehntägige Löhnung für das Mortaignesche Regiment auf-
bringen zu können. Die unerträgliche Last würde ge-
mildert werden, wenn Se. Excellenz geruhen wollte, dem
engbegrenzten Quartier der beiden Regimenter die In-
korporierten vom Adel, die Städtlein Werdau, Reichen-
bach, Wildenfels, Planitz und Wiesenburg, welche durch
den Fortzugdes Billingshausenschen Regiments (d. C.März)
frei geworden, wiederum in Gnaden beizulegen. Der
höchste Gott werde solche gnädige Verfügung Sr. Ex-
cellenz mit erwünschtem Success Ihrer christeifrigen
Kriegsexpedition mildiglich vergelten. Zur Unterstützung
dieser Supplikation richteten am 1. April Amt, Rath und
Bürgerschaft zum dritten Mal die Bitte um Fürsprache
an den Obrist en von Mortaigne; und als der Bote ohne
eine gnädige Resolution Bauers zurückgekehrt war, er-
suchten sie auch den Kommandanten von Bawyr am
2. April, sich für Erweiterung der Quartiere bemühen zu
wollen-'^). Da kam denn endlich ein vom 2. April da-
tiertes Schreiben Bauers aus Zeitz an, in welchem Aus-
sicht auf Erleichterung der Kriegslasten gemacht wurde^'').
Der Feldmarschall sprach die Absicht aus, eine billige
Veränderung wegen der Quartiere und der Kontribution
anstellen zu wollen, und erbat sich zu diesem Zwecke
eine genaue Spezifikation der auf das Billingshausensche
Regiment verwendeten baren Gelder, auch sollte bemerkt
'8) Fascikel A, fol. 6. — 3') Ib. fol. 8, 9. — as) b. fol. 24 u. 28.
^^) Ib. fol. 29, Original mit Bauers eigenhändiger Unterschrift.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 285
werden, wem und gegen wessen Quittung die einzelnen
Posten ausgezahlt worden seien; ausdrücklich aber wird
hervorgehoben, die Leistungen auszuschliessen , welche
nicht in barem Gelde, sondern nur in Geldeswerth erfolgt
seien. Ferner bat der Feldmarschall, zur Beförderung
seines Intents auch ein Verzeichnis darüber einzusenden,
wie viel Pferde, Sättel, Pistolen, Stiefeln, Tuch- und
andere Waren für das Regiment hergegeben worden
wären. Beide „Designationen" sollten mit „beweislichen
Obrigkeitsunterschriften und Siegeln" versehen sein, auch
möchte nicht lange damit verzogen werden.
Umgehend übersandte der ßath mit einem vom
4. April datierten Begleitschreiben das gewünschte Ver-
zeichnis der dem Obristen Billingshausen entrichteten
baren Gelder; die Summe belief sich auf 7664 Thlr. 22 Gr.^«).
Das andere Verzeichnis hatte jedoch nicht aufgenommen
werden können, da die vom Adel, die Bauern und andere,
welche sich bei der Annäherung der schwedischen Armee
im Februar aus fremden Orten in die Stadt geflüchtet
hatten, meistens wieder fortgezogen waren. Auch hatte
der Eath die Handwerker nicht zusammenbringen und
noch viel weniger das, was an Sätteln, Pistolen, Stiefeln,
Tuch- und anderen Waren geliefert worden war, spezi-
fizieren können, weil — schi^eibt der Eath — die verarmte
und an Anzahl nur noch geringe Bürgerschaft wegen der
jetzigen schweren Einquartierung ganz perplex sei. Er
bittet unterthänig, ihm deshalb nichts in Ungnaden im-
putieren, sondern nach so lange und vielfältig ausge-
standenem Elend, das nunmehr über 6 Wochen gewährt,
die Stadt mit Erleichterung gnädig erquicken zu wollen.
Wie in dem Schreiben vom 30. März fügt auch hier der
Eath den zwar sehr höflüshen, aber nicht praktischen
Wunsch bei, Gott der Allerhöchste möge Se. Excellenz
mit glücklichem Success reichlichst belohnen.
Bis zum 8. April war auf die eingesandte Spezifi-
kation der für das Billingshausensche Eegiment aufge-
brachten Gelder eine Eesolution Bauers noch nicht ein-
getroffen; denn unter diesem Datum richtete der Eath
abermals ein Schreiben an den Feldmarschall, worin mit
Hinweis auf die Zusage desselben dringend gebeten wurde,
für das Mortaignesche Eegiment eine andere Assignation
verfügen und die Quartiere für das Bawyrsche Eegiment
*<») Fascikel A, fol. 30, 31.
286 M. Schilling:
erweitern zu wollen. Neben der Verpflegung der Garnison
hätte die Stadt mit höchster Angst noch zwei Löhnungen
für das Mortaignesche Regiment zusammengebracht, aber
damit zu kontinuieren sei keine Möglichkeit vorhanden.
In den nächsten Tagen erfolgte denn auch die Resolution,
dass es bei den zwei Löhnungen sein Bewenden haben
solle. Im ganzen hatten auf die zwei Löhnungen, also
auf 20 Tage, für dieses Regiment 3000 Thlr. gezahlt
werden müssen"*^).
Wie oben bemerkt, wurde Bauer Ende März und
Anfang April durch die Bewegungen der feindlichen
Armee sehr in Anspruch genommen; er beabsichtigte,
dem Gegner eine Schlacht anzubieten. Aus diesem Grunde
hatte er auf die Bittschriften des Rathes vornächst keine
Rücksicht nehmen können. Zwar sandte er demselben
von Zeitz aus am 31. März ein Schreiben; darin war
jedoch von etwas ganz anderem als der Erleichterung
der Ki'iegslasten die Rede. Er theilte dem Rathe mit,
dass er Kundschaft erlangt habe, der Feind sei mit einer
Armee, die indes nicht so stark sei, als ihnen vorge-
spiegelt werden möchte, auf dem Marsche gegen Zwickau
begriifen, um die Stadt zu belagern. Er setze das Ver-
trauen in sie, dass sie schon aus eigenem und natürlichem
Antrieb die Wohlfart der Stadt, wie auch ihrer Kinder
und Frauen bedenken und sich weder an dem Komman-
danten, dem Obrist- Lieutenant Sandthoff, noch an einem
Offizier und Soldaten vergreifen, viel weniger an denselben
zu des Feindes Vortheil Untreue und Verrath üben, oder
sich von jemand dazu überreden lassen würden. Sollten
sich trotzdem die Bewohner Zwickaus zu irgend einer
Feindseligkeit verleiten lassen, so müsste die ganze Stadt
mit Feuer und Schwert zerstört werden. Er wolle sie
hiermit vor ihrem Unglück treuherzig gewarnet und er-
mahnt haben, im geringsten keine Praktiken gegen die
königlich schwedische Garnison vorzunehmen, auszuüben,
noch anderen zu gestatten. Denn darauf könne man sich
verlassen, dass er alsbald mit der gesamten schwedischen
Macht, die er in Zeitz habe und dahin zusammenzuziehen
gedenke, vor Zwickau rücken und den Ort entsetzen
werde. Würden sie aber Treue beweisen, so sollte ihnen
das zu allerhand Erquickung gereichen*^).
«) Fascikel C, fol. 77, 164.
*^) Fascikel A, fol. 10, Original mit Baners eigenhändiger Un-
terschrift.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 287
Am 2, April bewirkte Baner die Vereinigung mit
dem damaligen Leiter des scliwedisclien Artilleriewesens,
dem 36 jährigen General Torstenssohn ^''). Am 3. April
brach er von Zeitz auf und rückte bis in die Gegend von
Chemnitz vor. Am 4. April a. St. früh 8 Uhr bewegte
sich der Bagagezug der ganzen schwedischen Armee
vom Windberg und von Weissenborn her auf Zwickau
zu. Der Schwärm Hess sich in der Stadt und Umgebung
nieder. Bauers Gemahlin nebst vielen Offiziersfrauen
und Stabspersonen nalmien mit mehreren hundert Wagen
Quartier in der Stadt. Nachmittag gegen 4 Uhr kam
ein schwedischer Reiter von Chemnitz her durch das
Tränkthor herein ; er überbrachte einen Brief Bauers an
dessen Gemahlin. Es entstand eine grosse Bewegung in
der Stadt; eine zahlreiche Menschenmenge versammelte
sich vor der Wohnung der Feldmarschallin ; man erwar-
tete wichtige Botschaft. Da trat Bauers Gemahlin an
das Fenster und las den Brief vor. Der Inhalt desselben
erweckte unter dem schwedischen Kriegsvolk hellen Jubel,
die Bürger aber gingen betrübt nach Hause. Die kai-
serlich-kurfürstliche Armee war in der Schlacht bei
Chemnitz total geschlagen worden ^*). Am 6. April wurden
gegen 600 Gefangene eingebracht, die zum Theil der
Garnison einverleibt wurden; eine neue Last für die
Stadt.
Nach der Schlacht bei Chemnitz hatte denn auch
Baner seiner Zusage vom 31. März gemäss : „würde die
Stadt Treue beweisen, so sollte ihr das zu allerhand
Erquickung gereichen" — die Stadt von der Löhnung
des Mortaigneschen Regiments befreit ^■^).
Baner nahm nunmehr die Belagermig Freibergs
wieder auf, das ihm im März so hartnäckigen Wider-
stand geleistet hatte. Schon am 12. April a. St. sandte
er aus dem Hauptquartier Freiberg seinen „ehrenvesten,
achtbahren vndt wollweisen Herren vnd Freunden etc."
zu Zwickau den am 14. daselbst eingegangenen Befehl
zu, für seine Armee bei Tag und Nacht Proviant an
Brod und Bier und für seine „Hoffstaat" eine Quantität
Brod, Bier und Pferdefutter ins Lager bei Freiberg zu
") Theatr. Eur. IV, 96.
^) Vergl. Tob. Sclimidt II, 597 und Bauers Bericht im Theatr.
Eur. IV, 96, 97.
*^) Vergl. auch Rathsprotokoll vom 10. April.
288 ^- Schilling:
schaffen ; wofern nicht genug Wagen aufzutreiben wären,
sollte der Proviant auf Karren transportiert werden***).
Es mag der Stadt nicht leicht geworden sein, doch
kam sie bereitwilligst der Forderung nach. Es wurden
G Fass Bier (das Fass im Werth von 10 Tlilr.), 10000
Pfund Brod und 10 Schefiel Hafer zusammengebracht.
Der Transport geschah theils auf Wagen, theils auf
Schubkarren. In dem Begleitschreiben vom 14. April
wird aber die Bitte ausgesprochen, die Stadt mit weiterer
Abführung von Proviant zu verschonen, damit der Gar-
nison und Bürgerschaft der noth wendige Lebensunterhalt
nicht entzogen werde").
Was die Erleichterung der Garnisonlast betraf, so
schien die Erfüllung der so oft wiederholten Bitte um
Erweiterung der Quartiere nahe zu sein. Der Feldmar-
schall hatte. in der Tliat einige umliegende Herrschaften,
Städte und Ämter zur Kontribution und Verpflegung des
Bawyrschen Regiments assigniert, wie aus einem Schreiben
des ßathes vom 3. Mai an den Feldmarschall hervor-
geht*^). Die Erleichterung war bis dahin aber nur eine
papierene gewesen, denn in dem ebenerwähnten Schreiben
vom 3. Mai zeigt der Rath dem Feldmarschall an, dass
die assignierten Quartierleute so unchristlich seien, dass
sie entweder gar nichts, oder so wenig nur und 'das
Wenige so saumselig beitrügen, dass Sr. Excellenz wohl-
gemeinte Intention nicht verwirklicht werde. Mit bren-
nenden Augen und seufzenden Herzen beklagt sich die
Stadt darüber und sieht sich gedrungen, „eine Abschick-
ung zu tliun" und Se. Excellenz um Gottes Barmherzig-
keit willen flehentlich zu bitten, verordnen zu wollen,
dass die assignierten Quartierleute eine genügende
Summe zur Unterhaltung und Verpflegung des Bawyr-
schen Regiments beitragen sollten. Die Ungehorsamen
möchten durch militärische Exekution dazu gezwungen
werden; denn wenn die Stadt, welche ihr ganzes Ver-
mögen hergegeben habe, keine Erleichterung erfahre, so
werde sie in gänzliche Verzweiflung gerathen und voll-
ständig zu Grunde gehen, während die ungehorsamen
assignierten Quartierleute bei dem Iffiigen erhalten blieben,
was doch Se. Excellenz nimmermehr billigen und gestatten
■*«) Fascikel A, fol. 41, Original mit Bauers eigenhändiger Un-
törsclinft.
") Fascikel A, fol. 42. — *«) ib. fol. 68 üg.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 289
werde. Die Stadt, welche bereits in die 80000 Thlr. an
Geld und Geldeswertli hergegeben habe, möchte doch
künftig mit Geldbeiträgen und anderen Leistungen ver-
schont bleiben.
Eine aus 3 Bürgern bestehende Deputation begab
sich mit diesem Schreiben ins Hauptquartier des Feld-
marschalls. Bauer befand sich Anfang Mai nicht mehr
in Sachsen. Nachdem er Freiberg zum dritten Male
vergeblich belagert und bestürmt hatte, bemächtigte er
sich den 23. April a, St. der Stadt Pirna an der Elbe
und verlegte sodann den Kriegsschauplatz nach Böhmen"^^).
Die Deputation musste bis Leitmeritz reisen, wo sich das
Hauptquartier damals befand. Sie erhielt indes keinen
dü^ekten Bescheid in der fraglichen Angelegenheit. In
der von der Kriegskanzlei unter Leitmeritz, den 14. Mai
1639 (also fünf Tage vor der Niederlage der Kaiserlichen
bei Braudeis) ausgestellten Bescheinigung über den Em-
pfang des Schreibens vom 3. Mai ist bemerkt, dass die
Remedierung an den Kommandanten verwiesen worden
sei^"). Die Deputierten hatten jedoch von dem Sekretär,
der ihnen die betreffende Ordre des Feldmarschalls an
den Kommandanten Bawyr übergab, auf inständiges Bitten
erfahren, dass der Obrist angewiesen worden sei, die
Verpflegung der Garnison von den assignierten Orten
einzubringen und die Stadt nicht zu belästigend^). Als
nun die Abgeordneten, nach Zwickau zurückgekehrt, die
Ordre abgegeben und dem Bathe über den Inhalt der-
selben auf Grund der Mittheüung des Sekretärs Bericht
erstattet hatten, wurden am 20. Mai die Rathsherren
Dr. Limmer, Wolfg. Albrecht und Stephan Stepner zu
dem Kommandanten geschickt, um die Publizierung der
Ordre zu erbitten. Da erfuhren sie freilich, ganz ab-
weichend von dem, was ihnen der Sekretär mitgetheilt
hatte, dass der Feldmarschall die Kontribution aus den
früher für die Garnison assignierten Orten zu anderen
Ausgaben bestimmt habe, und dass er das Amt und die
Stadt zur Verpflegung des Regiments für hinlänglich
leistungsfällig (bastant) erachte. Der Obrist machte
mehrere Vorschläge zur Erleichterung der Stadt und er-
bat sich die Erklärung des Rathes dazu. Auf das drüig-
liche Anhalten der Bürgerschaft ersuchte der Rath den
*9) Theatr. Eur. IV, 98, 100.
«>) Fascikel A, fol. 71, Original. — ") Ib. fol. 80b.
Neues Archiv f. 8. G. u. A. IX. 3. 4. 19
290 M. Schilling:
Kommandanten um eine Abscluift, oder wenigstens einen
Auszug jener Ordre. Gleichzeitig bemerkte der Ratli in
demselben Schreiben, dass es der Bürgerschaft nicht
verdacht werden könne, wenn sie sich nochmals an Se.
Excellenz wenden würde, falls die Ordre dem mündlichen
Berichte der Abgeordneten widersprechen sollte. Schliess-
lich kam es doch noch zu einer vorläufigen Verständigung
zwischen dem Kommandanten und der Stadt. Es scheint,
als ob der Sekretär der Kriegskanzlei den Deputierten
die erwähnte hofi'nungerregeude Mittheilung über den In-
halt der Ordre gemacht hatte lediglich in der Absicht,
eine ansehnliche „Verehrung" zu erhalten.
Die Stadt machte zunächst von dem Erbieten des
Obristen, betreffs der Verpflichtung gegen seine Person
und seine Offiziere eine Erleichterung gewähren zu wollen,
dankbaren Gebrauch''-).
Bereits nach 14 Tagen aber befinden sich schon
wieder drei Bürger mit einem Schi^eiben vom 5. Juni auf
dem Wege nach dem Hauptquartiere Bauers ■'^■^). Unter
Bezugnahme auf die Supplikation vom 3. Mai und die
vom Obristen Bawyr kundgegebene Ordi^e, sowie unter
Darlegung des trostlosen Zustandes der Stadt ersucht
der Rath den Feldmarschall, sich gnädigst seiner Eeso-
lution vom 2. April zu erinnern, durch welche der Stadt
Erweiterung der Quartiere und Befreiung von Kontribu-
tionen in Aussicht gestellt worden waren. Se. Excellenz
möchte doch die aufs äusserste erschöpften Einwolmer
bei der blossen Einquartierung belassen, die Verpflegungs-
lieferungen und Geldbeiträge aber den angrenzenden
Ämtern Plauen, Vogtsberg, Neustadt, Weida, Schwar-
zenberg und Grünhain und den darin bezii^kten Städtlein
auferlegen.
Das Bawyrsche Regiment, welches bei der Belage-
rung und Bestürmung Freibergs im März grosse Verluste
erlitten hatte, war, als es nach Zwickau in Garnison
gelegt wurde, nicht viel über 300 Mann stark ; nach der
Schlacht bei Chemnitz wurde ein Theil der eingebrachten
600 Gefangenen dem Regiment zuertheilt, und gegen-
wärtig, also im Juni, bezifferte sich seine Stärke ohne
die nach Chemnitz und in Salvagardien gelegten Soldaten
auf 550 Mann'"'"').
"^2) Fascikel A, fol. 79—84. — »s) ib. fol. 104 u. 107.
") Fascikel A, fol. 104 u. 108.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 291
Der Eath wandte sich auch mit einem Gesuch um
Fürbitte an Baners Gremahlin Elisabeth Juliana, geborene
Gräfin von Erbach, von der bekannt war, dass sie nicht
geringen Einfluss auf den Peldmarschall auszuüben ver-
stand. Schon während ihres Aufenthaltes in Zwickau
zur Zeit der Schlacht bei Chemnitz war sie durch eine
Deputation um gnädige Literzession und Fürbitte ersucht
worden, und sie hatte die Deputation nicht ohne tröst-
liche Zusage von sich gelassen '^■^).
Der Erfolg dieser Supplikationen und persönlichen
Sendungen war, obwohl eüie Erleichterung der Kontri-
butionen eintrat, nicht ganz unähnlich dem des Schreibens
vom 3. Mai. Die Abgesandten kamen mit der Versiche-
rung des Sekretärs der Kriegskanzlei zurück, dass der
Feldmarschall die Kontributionen gänzlich aufgehoben
und dem Kommandanten die Ordre ertheilt habe, das
Regiment von den in dem Schreiben des Rathes bezeich-
neten Ämtern und Städten verpflegen zu lassen. In ihrer
ersten Freude hatten die Deputierten dem Sekretär für
seine Mittheilung ein Präsent gemacht. Der Komman-
dant eröffnete aber dem Rathe, dass zwar die Verpfle-
gung der Garnison von den benachbarten Herrschaften,
Städten imd Ämtern aufgebracht werden sollte, die Stadt
jedoch der Kontribution nicht gänzlich überhoben bleiben
könnte; es sollte künftig eme monatliche Geldzahlung
von 1000 Thlr. geleistet werden'^^). Der Rath richtete
am 8. Juli die Bitte an den Sekretär der Kriegskanzlei,
ihm die Ordre, soweit sie die Erlassung der Kontribu-
tion betreffe, abschriftlich zuzusenden"), wahrscheinhch
in dem Argwohn, die Forderung von 1000 Thlr. monat-
lich möchte eine Erfindung des Kommandanten sein.
Ob dem Rathe diese Abschrift zugestellt worden ist,
oder nicht, darüber schweigen die Akten.
Weniger der Wichtigkeit des Stückes, als vielmehr
der Vollständigkeit halber, mit welcher über das vor-
handene, Baners Beziehungen zu Zwickau betreffende
archivalische Material berichtet werden soll, sei hier mit-
getheilt, dass Bauer in diesen Tagen einen Schutzbrief
(Salva Guardi) für einen Zwickauer, als Feldtrompeter
in schwedischen Diensten stehenden Hausbesitzer Namens
55) Fascikel A, fol. 108, 109, 183.
56^ Vergl. Rathsprotokoll vom 8. Juli 1639.
") Fascikel A, fol. 134, 135. .
19'
292 M. Schilling:
Hans Fritzsch ausstellte ''^^). Es wird darin allen unter
dem Kommando Sr. Excellenz stehenden hohen und nie-
deren Offizieren und Befehlshabern, wie auch sämtlichen
Soldaten zu Ross und Euss anbefohlen, das Haus des
Betreifenden mit allen Pertinentien, als Personen, Ge-
bäuden, Pferden, Gross- und Kleinvieh, Getreide und
dergleichen Mobilien, auch allen Zubehörungen, welchen
Namen sie auch haben mögen, im geiingsten nicht be-
trüben, pressieren, noch beleidigen, viel weniger mit Ein-
quartierung und Einlogierung, noch Kontribution oder
Kriegszulagen, Brandschatzung oder andrer Exaktion etc.
etc. beschweren, sondern diese Salva Guardi oder deren
vidimierte Kopie bei Vermeidung schwerer Verantwortung,
auch, nach Befinden des Verbrechens, unausbleiblicher
Leibes- und Lebensstrafe gebührlich zu respektieren etc.
Signat. im Hauptquartier zu Altbunzlau, den 20. Juli 1639.
Zurück nun zu den Angelegenheiten, welche das
Wohl und Wehe der ganzen Stadt betrafen. Die Hoff-
nung, .dass die Verpüegung der Garnison den benach-
barten Ämtern und Städten ganz auferlegt werden würde,
war nicht in Erfüllung gegangen. Die Stadt musste sich
zu einer monatlichen Geldleistung von 1000 Thlr. ver-
stehen. Dazu kam im August eine neue Forderung:
Amt und Stadt sollten auf Anordnung des Kommandanten
4000 Scheffel Getreide im Schloss, Zeughaus und Korn-
haus aufschütten'^^). Der Obrist ging zwar mit seiner
Forderung an die Stadt etwas zurück; trotzdem aber
sah sich die Stadt noch gezwungen, am 16. September
eine Eingabe an Bawyr zu machen und ihm unter Dar-
legung der Verhältnisse die Unmöglichkeit einer solchen
Leistung zu erklären"''). Der Kommandant fuhr indes
fort, auf die Getreidelieierung zu dringen; wahrscheinlich
handelte er streng nach den Befelilen des Feldmarschalls,
wenn er nicht nur die weitere Befestigmig der Stadt mit
grösstem Eifer betrieb, sondern auch möglichst viel Pro-
viant in den Magazinen aufspeicherte. Denn über kurz
oder lang konnte Bauer aus Böhmen zurückgedrängt
werden; es war alsdann von grösster Wichtigkeit, in
Saclisen gefüllte Magazine zu finden. Andererseits frei-
lich musste die Getreideforderung für die Bürger, welche
"58) Fascikel A. fol. 141 flg. Abschiift,
"^ö) Vergl. RathsprotokoU vom 29. August 1639.
60) Fascikel A, fol. 156.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 293
bereits thatsächlich Mangel litten, furcMbar sein. Am
16. September schon hatte die anf das Rathhaus gefor-
derte Bürgerschaft beschlossen, eine Supplikation an
Baner zu senden. Als der Kommandant gegen alle wei-
teren Bitten um Ermässigung der Forderung taub blieb,
beschloss am 17. Oktober auch der Rath, an den Feld-
marschall zu supplizieren, doch mit Vorwissen des Obristen.
In der Rathssitzung am 21. Oktober wurde das Konzept
vorgelesen und genehmigt. Am 22. Oktober war die
Reinschrift fertig gestellt, der Bote aber weigerte sich
(wahrscheinlich der Unsicherheit der Strassen wegen),
das Gesuch fortzutragen*^^). In dem Schreiben wurde
unter anderm darauf hingCAviesen, dass die Stadt den seit
etlichen Jahren aufgespeicherten Getreidevorrath von
1200 grossen Zwickauer Schelf ein theils schon an das
Magazin, theils an die Armee geliefert habe und nur
noch ein geringer Theil in Vorrath liege. Es hätte dies
Jahr kaum der zehnte Theil der Felder besät werden kön-
nen, dazu sei auch die Ernte sehr schlecht ausgefallen, und
von anderen Orten werde nichts zu Markte gebracht.
Es müsse Theuerung und Hungersnoth entstehen, wenn
die Stadt gezwungen werde, des Kommandanten Forde-
rung zu erfüllen. Dann heisst es weiter: „Deshalb haben
zu Eurer Excellenz wii' unsere Zuflucht nehmen müssen,
und gelanget an dieselbe unser unterthäniges und um
Gottes ^Villen flehentliches Bitten, dieselbe geruhe gnädig
zu erwägen, was eine solche lange Zeit her diese arme
Handwerksstadt . . . ertragen müssen . . . , und uns die
angekündigte Erschüttung der 500 Scheffel Getreide in
Gnaden zu erlassen, damit die wenigen, so Ackerbau
haben, ihrem nothleidenden Nächsten zur Erhaltung
seiner und der Seinigen mit einem Stücklein Brodes aus-
helfen und nächst Gott beim Leben erhalten helfen können,
denn auf den widrigen Fall ihrer viele in grosse Hungers-
noth gerathen würden, was Eure Excellenz hoffentlich
nimmermehr begehren, noch belieben werden . . ." Dat.
Zwickau, den 21. Oktober 1639«'0-
Obwohl sich die Abschickung dieses Schi^eibens et-
was verzögerte, erfolgte sie endlich doch noch.
Während der zwischen der Stadt und der Komman-
dantui^ gepflogeneu Verhandlungen wegen der Getreide-
") Vergl. Rathsprotokoll vom 24. Oktober 1639.
«2) Fascikel A, fol. 158.
294 M. Schilling:
lieferung hatte Baner von Bölimen aus eine Expedition
nach Pirna unternommen. Im August 1639 hatte sich
der kaiserliche General Hatzfeld der schwedischen Mu-
nition in Chemnitz bemächtigt *^-^). hierauf seine Truppen
mit den kurfürstliclien vereinigt und das von den Schwe-
den besetzte Pirna belagert. Im Schloss Sonnen stein
hatten sich die Sachsen seit der Erstürmung der Stadt
durch die Schweden (23. April) bis jetzt behauptet.
Baner brach, um die Stadt Pirna nicht in des Feindes
Hände fallen zu lassen, mit einem Heer von 12 000 Mann
zu Ross und Fuss und mit 20 Gescliützen aus seinem
Lager bei Brandeis (Altbunzlau) nach Sachsen auf. Der
gegen Chemnitz dirigierte Obrist Schlang bemächtigte
sich glücklich wieder der schAvedischen Munition. Dar-
nach wandte sich Baner direkt gegen Pirna. Die unge-
fähr 9000 Mann starke kaiserlich - kurfürstliche Armee
zog sich, ohne Widerstand geleistet zu haben, nach
Dresden zurück. Baner zerstörte die Befestigungswerke,
steckte die Stadt in Brand und kehrte Anfang Oktober
nach Böhmen zurück. In Schloss Sonnenstein behaup-
teten sich die Sachsen nach wie vor.
In Böhmen wurde Baner durch die von allen Seiten
gegen ihn andrängenden feindlichen Truppen vollauf be-
schäftigt. Daher mag es kommen, dass clas Gesuch der
Stadt Zwickau vom 21. Oktober olme Antwort blieb ^*).
Liz wischen hatten sich infolge einer kriegerischen
Massregel des Kurfürsten die Verhältnisse für Zwickau
so ungünstig gestaltet, dass überhaupt auf Berücksichti-
gung eines derartigen Gesuchs gar nicht zu rechnen war.
Um Zwickau in seine Gewalt zu bekommen, hatte der
Kurfürst Befehl gegeben, dass durch streifende Truppen-
abtheilungen der Zwickauer Garnison. .die von den um-
liegenden Herrschaften, Städten und Ämtern geleisteten
Kontributionen abgeschnitten werden sollten""'). Die
Folgen dieser Massregel musste Zwickau tragen. Die
flehentlichsten Bitten, selbst ein Fussfall vermochten es
nicht abzuwenden, dass der Kommandant — und was
sollte er anderes thun, da er die Magazine nicht an-
greifen durfte — die volle Verpflegung des Regiments
«3) Theatr. Eur. lY, 102.
**) Wenigstens war laut RathsprotokoU vom 11. November und
9. Dezember bis dahin eine liesolution noch nicht erfolgt.
"'■•) Fas(dkel A, fol. 175: Schreiben des Käthes an den Kurf. v.
18. Dezember, Kathsprotokoll v. 17. u. 18. Dezember 1639.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 295
der Stadt aufbürdete. Wer niclit in der Stadt bleiben
wolle, äusserte er auf diesbezügliche Vorstelhmgen hin,
möge immer hinlaufen. Man solle sich darüber schlüssig
werden, ob man die Soldaten speisen, oder eine Löhnung
zuwege bringen wolle. Durch seinen Sekretär liess er
dem Rathe schliesslich erklären, dass er „bei Cavalliers
Würden" von einer Verpflegungssumme von 1000 Thlr.
nicht abgehen werde. Er wolle des Kurfürsten Land
und Leute nicht schonen, sondern verderben und dem
pirnaischen Kreise gleich machen. Mit Feuer und Schwert
wolle er die lässigen Kontribuenten zu finden wissen.
Da man eine Verpflegung in Geld immer noch für er-
träglicher hielt, als die Naturalverpflegung, so beschlossen
Kath und Bürgerschaft gemäss der Forderung des Kom-
mandanten 500 Thlr. gleich und die andere Hälfte in
5 Tagen zu zahlen.
Die Stadt bat den Kurfürsten, seinen Befehl zu
kassieren. Es geschah jedoch nichts zur Erleichterung
der Bedrängnis. In höchster Angst wandte man sich
wiederum an den Feldmarschall, und zwar ohne Vor-
wissen des Kommandanten, da derselbe die Supplikation
leicht verhindern könnte *^*^). Eine Deputation von vier
Personen sollte dem Feldmarschall ein vom 20. Dezember'
datiertes Schreiben nebst einem Memorial, in welchem
der Stadt Angst und Noth geschildert war, und einer
Spezifikation überreichen*^'). In einem Schreiben vom
19. Dezember ersuchte die Stadt die Gräfin, den abge-
sandten Rathspersonen und Bürgern bei dem Feldmar-
schall eine gnädige Audienz erwirken, Fürbitte einlegen
zu wollen und eine gnädige Resolution zuwege bringen
zu helfen ^^).
Der Feldmarschall befand sich um diese Zeit noch
in Böhmen. Die Deputation musste mit Geldmitteln
versehen werden. Bei dem erschöpften Zustande der
Stadt sah sich der Rath gezwungen, die kurfürstliche
Tranksteuer anzugreifen*^^). So begab sich denn die
Deputation auf den Weg. Was für Aufnahme sie beim
Feldmarschall gefunden, darüber geben unsere Quellen
keine Auskunft. Im RathsprotokoU vom 13. Januar 1640
steht zwar die Bemerkung: „Peter Winter (Rathsherr
®*) Eathsprotokoll vom 20. Dezember.
6') Fascikel A, fol. 184, 188. — «s) Ib. fol. 183.
^») RathsprotokoU vom 20. Dezember.
296 M. Sdiilling:
und Mitglied der Deputation) liat referiert, wie seine
und seiner Konsorten Abscliickung- und Verrichtung ab-
gelaufen"; etwas Näheres jedoch wird nicht mitgetheilt.
Wohl aber wird berichtet, dass der Obrist die Abschik-
kung sehr übel aufgenommen liabe. Der Umstand, dass
der Obrist immer neue Furdurungen erhob ^"^j und die
Stadt zur Erfüllung derselben zwang, lässt vermuthen,
dass die Deputation ohne günstige Eesolution zurückge-
kommen war. In den Verhandlungen, die wegen Er-
füllung jener Forderungen zwischen dem Kommandanten
und dem Rath geführt wurden, findet sich unter anderm
der Vorschlag der Bürgerschaft vom 21. April 1640, es
möchte der Herr Obrist sein Regiment aus den Magazi-
nen verpflegen, man wolle den Herrn Generalfeldmarschall
bitten, dass er es thun dürfe. Allein diese Möglichkeit
einer Erleichterung war durch ein Schreiben Bauers sub
dato Böhmisch-Leipa, den 22. Februar 1640 bereits ab-
geschnitten, in welchem der Kommandant die Weisung
erhielt, seinen Unterhalt von der Stadt zu nehmen und
das Magazin ohne äusserste Noth nicht anzugreifen'^^).
Dies ist die letzte auf Zwickau bezügliche Kmid-
gebung Bauers aus dem vorliegenden Aktenmaterial des
liathsarchivs mit Ausschluss der ßathsprotokolle. Von
jetzt ab stützt sich unsere Darstellung in der Haupt-
sache auf letztere und das Theatrum Europaeum.
Ende Februar hatte Bauer also sein Hauptquartier
zu Böhmisch-Leipa'-). Die Kaiserlichen näherten sich
ihm bis auf wenige Meilen. Er zog sich westwärts und
überschritt in der ersten Hälfte des März die Elbe bei
Leitmeritz. Dort schlug er sein Haupt(iuartier auf, in-
dem er nur etwa fünf Regimenter Fussvolk und etwas
Reiterei bei sich hatte. In der zweiten Hälfte des Mo-
nats war er gezwungen, Böhmen zu verlassen; den
nachrückenden kaiserlichen Truppen geschickt ausweichend,
gelangte er glücklich durch die Pässe des Gebirges und
erreichte am 23. März n. St. Chemnitz und Zwickau.
Bereits vor seiner Ankunft in Zwickau hatte er auf des
Obristen von Billingshausen Antrag Ordre ertheilt, die
restierenden Rekrutengelder bei Vermeidung militärischer
Exekution au das betreffende Regiment abzuführen'-').
70) Vergl. Rathsprotükoll vom 29. Dezember.
'1) Fascikel A, fol. 209, Extrakt.
72) Vergl. auch Theatr. Bur. IV, 364.
■'=') RathsprotokoU vom 18. März 1640.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 297
Der Obrist hatte auch selbst an die Stadt geschrieben.
Dem Feldmarschall, wie auch dem Obristeu wurde Ant-
wort ertheilt; man sandte einen Boten und hoffte auf
guten Bescheid. Wir erfahren indes aus unseren Quellen
über diese Angelegenheit nichts weiter. Von Bauers
Anwesenheit erzählt das Theatr. Eur. (IV, 366 flg.) nur,
dass seine Generäle und Obristen bei armen Handwerks-
leuten vorlieb nehmen mussten, und dass es diesen über
die Massen schwer gefallen sei, solche Personen zu
speisen. Brod und Getränk wäre kaum für Geld zu be-
kommen gewesen. Fourage und Hafer, wie auch etwas
von anderen Früchten (Getreide), hätte man zwar vom
Lande und dem Adel haben können, es sei aber Mangel
an Mahlwerk gewesen. Ähnliches berichtet Tob. Schmidt.
In manchem Hause hätten 60, 70, auch 100 Pferde ge-
legen, und mancher Hausvater hätte 4 bis 6 Tische
speisen müssen. In den Unterlagen zu den Kämmerei-
rechnungen vom Jahre 1640 liegt eine Liquidation für
die Verpflegung des Generalmajors Wrangel; sie beläuft
sich für die Zeit von 12 Tagen (vom 23. März bis zum
4. April) auf nicht weniger als 511 Fl. 3 Gr. 6 Pf.
Bald nach seiner Ankunft forderte Bauer von der
Stadt 4000 Thlr.; sie war aber nicht in der Lage, eine
so hohe Summe aufzubringen. Bauer wiederholte die
Forderung. Auf die an ihn und seine Gemahlin gerich-
teten Bittschreiben erfolgte der Bescheid, dass die Zah-
lung am 30. März zu bewirken sei'^). Trotzdem wurde
noch ein Versuch gewagt. Das Unglück verlieh den
Bedrückten grosse Zähigkeit. Es wurden zwei Raths-
personen an die Feldmarschallin abgeordnet. Sie kamen
zurück und referierten, die Frau Gräfin habe ihnen auf
ihre um Gottes und des jüngsten Gerichts willen ge-
schehene Bitten folgende mündliche Antwort ertheilt:
ihr Herr begehre von der armen Stadt und Bürgerschaft
durchaus nichts, sondern der Kommissarius Flandrin hätte
Befehl, durch und bei einem Kaufmann hier etliche Gel-
der auf Wechsel an andere Orte zu übermachen und
nicht von der Stadt etwas zu fordern.
Diese milde Wendung der Angelegenheit hatte man
sicher in erster Linie der Gräfin zu verdanken; denn
nach all den Vorgängen zu urtheilen, war es doch wohl
'*) Vergl. Rathsprotokoll vom 29. März 1640.
298 M. Schilling:
Tliatsache, dass Bauer das Ansinnen einer Kontribution
von 4000 Thlr. an die Stadt gestellt hatte.
Die Stadt wollte sich für die gänzliche Remittierung
der geforderten Geldsumme dankbar erweisen. In be-
sonderer Ratlissitzung (den 31. März) verhandelte man
darüber, ob es nicht angezeigt sei, der Kammerjungfrau
der Feldmarschallin, w^eil sie das Ihrige dazu beigetragen,
eine Verehrung zum Andenken zu geben. Auch müsste
man, da des Herrn Feldmarschalls Hofhaltung sehr viel
kostete, auf Mittel denken, wie Geld zusammengebracht
und der nothdürftige Unterhalt in die Küche geschatft
würde, damit man nicht mit Schimpf bestehen möchte.
Man beschloss, 100 Thlr. aufzubringen. Davon sollten
50 Thlr. dem Hofmeister des Feldmarschalls gegeben
werden, damit er nicht auf Forderungen bestehe, die
man mit Glimpf ablehnen könne; 30 Thlr. wollte man
der Kammerjungfrau verehren; der Rest von 20 Thlr.
sollte in Vorrath zu allerhand Ausgaben zurückbehalten
werden. Gewiss ein bescheidener Vorrath; ein noch
sprechenderes Zeugnis aber für die hilflose Lage der
Stadt ist die später nachgetragene Bemerkung am Schlüsse
des Protokolls: „Ist aber keines nicht geschehen."
Die Zeit seines Aufenthaltes in Zwickau benutzte
Bauer, um seine Armee wieder in Kriegsbereitschaft zu
setzen. Er liess Königsmark und Pfuhl im Lande um-
herziehen, Rekruten und Geld zu schaffen. Dem Gene-
ralmajor Wittenberg gab er das Kommando über neun
Regimenter, die in der Gegend von Plauen i. V. lagen.
Als der kaiserliche Generalwachtmeister von Bredau
erkundet hatte, dass die Banersche Armee zerstreut um-
herlag, beschloss er, mit Kürassieren und leichter Reiterei,
mit deutschem und kroatischem Fussvolk die unter Wit-
tenbergs Befehl stehenden Regimenter im Vogtlande zu
überfallen. Die Schweden wurden von diesem Plane
rechtzeitig unterrichtet und erwarteten den Feind in
Schlachtordnung bei Plauen. Sie erlitten jedoch, von
zwei Seiten angegriffen, eine vollständige Niederlage und
wurden in wirrer Flucht auf Zwickau zurückgeworfen.
(4. April a. St.). Drei von Bauer schleunigst zu Hilfe
gesandte Regimenter kamen zu spät, um das Unheil ver-
hüten zu können. Die schwedischen Regimenter verloren
fast aUe Standarten und mussten die ganze Bagage im
Stiche lassen. Der kaiserliche Obrist Hennensee hatte
Befehl, keinem Schweden Quartier (Pardon) zu geben;
Ziu- Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 299
desgleichen tliaten die Eakowitzsclien Kroaten, welche
200 schwedische Reiter in der Verfolgung bis auf 60
niedermetzelten. Die Kaiserlichen machten gegen 700
Gefangene, unter denen sich auch der junge Gustav Hörn
befand'-^).
Die Trümmer der schwedischen Regimenter sammel-
ten sich bei Zwickau. Am folgenden Tage (den 5. April)
brach Bauer nach Jena und Erfurt auf, den Obristen
Schlieben mit seinem schwachen Regimente von 300 Mann
in Zwickau zurücklassend.
An dieser Stelle möge der Gemahlin Bauers noch
einmal gedacht werden. Es ist erwähnt worden, dass
die Stadt Zwickau wiederholt ihre Fürbitte anrief und
stets freundliches, theilnehmendes Gehör fand. Diese
Frau ist eine wohlthuende Erscheinung inmitten der
Rücksichtslosigkeiten des Krieges. Die Feldmarschallin
starb bald nach Baners Abzug aus Zwickau im Lager
vor Salfeld am 29. Mai (8. Juni) 1640. Das Theatr. Eur.
IV, 365 sagt im Anschluss daran:
„Der Frau Bäuerin Todfall ist nicht allein vom Herrn
General zu vorderist gar heftig selbst, sondern auch von
allen vornehmen Kavallieren und der gemeinen Soldateska,
die sie für ihre Mutter gehalten, betrauert worden, wie
denn Ilire Gnaden durch dero guten Verstand in den
Landschaften viel Unheils verhindert, beim Herrn Gene-
ral durch Vorbitten viel erhalten, viel Arges abgewendet,
manches Gute gepflanzt, manichem Offizier und andern
aus Nöthen und Unglück geholfen, deswegen männiglich
sie sehr ungern verloren."
Die schwedische Besatzung behauptete sich in dem
Besitz der Stadt trotz wiederholter Versuche des Feindes,
Zwickau zu entsetzen. Diese Versuche erhöhten nur die
Bedrängnis der Stadt, so dass selbst zu dem auf den
31. Juli nach Dresden ausgeschriebenen Landtage nicht
einmal Abgeordnete geschickt werden konnten ; Matthäus
Winter bemerkt: „wegen des Kriegsvolcks, das hie lag."
Die Stadt Chemnitz wurde durch ein Schreiben des Rathes
mit der Vertretung beauftragt.
Im Laufe des Jahres vereinigte sich Bauer mit der
französisch-weimarischen x4.rmee unter Marschall Guebriant
und unternahm im Winter 1640/41 den bekannten Zug
■'^) Vergl. Bredaus Bericht an deu Feldmarschall Piccolomini
im Theatr. Eur. IV, 368.
300 M Schilling:
gegen Regensburg , um den dort eben versammelten
Reichstag aufzuheben. Der Streich misskmg. Bauer
trennte sich wieder von Guebriant, indem er die Ober-
pfalz besetzt hielt. Die Separation Bauers veranlasste
die Kaiserlichen, alle Truppen aus Bayern, Schwaben,
Böhmen und Schlesien zusammenzuziehen und eiligst
nach der Nab zu dirigieren. Der Feldmarschall hatte
sein Hauptciuartier in Cham. Sobald er Kunde von des
Feindes Absicht erhielt, gab er dem zu Schwandorf
liegenden Obrist Schlang Befehl, mit allen zu Schwan-
dorf, Vilseck, Auerbach und Burglengenfeld befindlichen
Truppen unverzüglich zu ihm zu stossen'**). Am 7. März
1641 nachts 3 Uhr kam Schlang mit seinem Regiment
in Neuenburg (zwischen Schwandorf und Cham) an; er
erwartete hier die beiden schwedischen Regimenter von
Nabburg. Schlang wurde aber samt diesen beiden Re-
gimentern von der feindlichen Kavallerie eingeschlossen.
Das bewog Bauer, am 9. März in grösster Eile seinen
Rückzug nach Sachsen anzutreten. Auf dem Fusse folgte
ihm eine feindliche Kavallerieabtheilung von 1000 Reitern
und dahinter Piccolomini mit Fussvolk und Geschütz.
Doch wurde die feindliche Avantgarde von dem schwe-
dischen Nachtrapp stets in gewisser Entfernung gehalten,
so dass es zu einem Gefecht nicht kam. Dieser Rück-
zug ist nicht unähnlich dem, welchen Baner 1637 von
Torgau aus über die Oder nach Pommern bewirkte.
Glücklich gelangte er bis nach Kaaden an der Eger.
Von hier aus erreichte er eine halbe Stunde vor der
feindlichen „Reiterei den Pass von Pressnitz. Er war
gerettet. Über Annaberg und Chemnitz kam Baner am
20./30. März glücklicli in Zwickau an, fast um dieselbe
Zeit wie ein Jahr zuvor. Im Vogtlande vereinigte sich
Bauer wiederum mit dem französisch-weimarischen Heere.
Über Bauers Flucht und seinen Verlust in der Ober-
pfalz herrschte in Dresden grosser Jubel. Am 27. März
a. St. Hess der Kurfürst von allen Wällen Feuer geben
und die Garnison Salve schiessen. An demselben Tage
wurde ein grosses Bankett gehalten und am nächsten
Tage, einem Sonntage, in Alt- und Neu-Dresden und in
der Schlosskirche das Te Deum laudamus celebriert.
Über Bauers Zwickauer Aufenthalt in diesen Tagen
'«) Theatr. Eur. IV, 618 flg.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 301
schweigen die Rathsprotokolle, und M. Winters Annalen
reichen nur bis zum 30. November 1640. Tob. Sclimidt
berichtet von starker Einquartierung- und Mangel an
Lebensmitteln. Ausser Bauer hatten die hervorragend-
sten Heerführer und Offiziere in der Stadt Quartier ge-
nommen. Auch der Herzog von Guebriant lag in Zwickau.
Die Umgebung litt furchtbar unter den Anforderungen
der schwedischen und französisch -weimarischen Armee.
Am 22. März a. St. bereits brach ein Theil der schwe-
dischen Armee nach Altenburg zu auf. Am folgenden
Tage verliess auch Bauer die Stadt. Sein dreimaliger
Aufenthalt hatte derselben über 16000 Thh\ gekostet").
Von Schmölln verlegte er sein Hauptquartier bald nach
Altenburg, wo er bereits am Fieber litt. Am 6./16. April
zog er weiter nach Zeitz ; er musste das Bett mit in die
Kutsche nehmen, streckenweis sich in der Sänfte tragen
lassen. Nichtsdestoweniger setzte er seinen Marsch über
Naumburg und Weissenfeis nach Mersebui'g fort. Wegen
Proviantmangels Hess er seine Armee getrennt marschie-
ren ; ein Theil derselben zog das Elster- und Muldenthal
entlang.
In Hof hielten, nachdem Bauer durch den Pressnitzer
Pass entkommen war, die Kaiserlichen Rendezvous ; hier-
auf gingen sie in starken Abtheilungen gegen Zwickau
vor. Zwischen Plauen und Ölsnitz veranstaltete General
Piccolomini, der von jetzt an Stelle des Erzherzogs
Leopold Wilhelm den Oberbefehl führte, ein General-
rendezvous (12./22. April).
Der Abzug des schwedischen Heeres von Zwickau
wurde von der weimarischen Armee gegen die Verfolgung
der Kaiserlichen gedeckt. Piccolominis Ankunft in Weis-
senfels war für den 8./18. Mai angesagt. Da fühlte sich
Bauer in Merseburg nicht mehr sicher. Li einer Sänfte
reisend, begab er sich gegen den Rath der Ärzte am
6./16. Mai nach Eisleben. Auch hier fand er vor dem
Andringen der Kaiserlichen keine Ruhe. Am 7./17. Mai
schon brach er nach Quedlinburg und von da nach Hal-
berstadt auf, wo er am 10./20. Mai bereits früh zwischen
4 und 5 Uhi- nach achtwöchentlicher Krankheit starb '^).
") Grünes Buch A, fol. 194.
'8) Vergl. Theatr. Eur. IV, 625.
302 M. Schilling:
IT. Innere Zustünde.
Bis zum Jahre 1632 hatte Zwickau von den Einwir-
kungen des Krieges, der Deutschland schon über ein
Jahrzehnt verheerte, wenig zu leiden gehabt. Die Neu-
tralität des Kurfürsten schützte das Land. Anders aber
^vurde es, als sich Sachsen dem König von Schweden
angeschlossen hatte. Nach dem Siege bei Breitenfeld
verlegten die Verbündeten den Kriegsschauplatz nach
Böhmen und Süddeutschland. Nachdem aber Wallenstein
die Sachsen aus Böhmen gedrängt hatte, scliien ilin nichts
zu hindern, das Kurfürstenthum mit seinen Schaaren zu
überschwemmen. Ol) aus politischer Rücksicht gegen
den Kurfürsten, den man vielleicht durch schonende Be-
handlung noch für den Kaiser zu gewinnen hoffte, oder
wegen der bedrohlichen Fortschritte des Schwedenkönigs
in Bayern, von wo aus demselben der Weg in die öster-
reichischen Erblande offen stand: kurz. Wallenstein
wandte sich nach Franken und schien es auf das prote-
stantische Nürnberg abgesehen zu haben. Vergeblich
bestürmte Gustav Adolf Wallen stein in seiner vorzüglich
gewählten Stellung; da spielte letzterer den Krieg hin-
über auf kursächsisches Gebiet. Bereits Anfang August
1632 hatte er den Feldmarschall-Lieutenant Holke aus
der Gegend von Bamberg nach Sachsen entsandt. Am
18. August musste ihm Zwickau die Thore öffnen. Von
da an sollte die Stadt länger als zehn Jahre hindurch
alle Schrecknisse des Krieges erfahren. Im Oktober
passierte Wallenstein selbst mit zweitägigem Aufent-
halte die Stadt auf seinem Zuge aus Bayern nach der
Ebene von Leipzig und Lützen. Seit dem August hatte
Zwickau eine kaiserliche Besatzung zu unterhalten. Nach
der Schlacht bei Lützen suchten starke Abtheilungen der
geschlagenen Wallensteinschen Armee Zuflucht innerhalb
der Mauern der Stadt. Die Vorstädte und die weitere
Umgebung glichen einer Wüstenei. Im folgenden Jahre
wüthete die Pest in entsetzlicher Weise. Der Schade,
den die Stadt innerhall) eines Jahres an fahrender und
liegender Habe erlitten hatte, wurde von amtlicher Seite
auf mehr als 100000 Thlr. geschätzt. Krieg und Pest
hatten den grössten Theil der Bevölkerung hiuAveggerafft.
Auf die kaiserliche Besatzung war im Dezember 1632
die schwedische gefolgt, nach deren Abzug im Januar
1633 die Stadt mehrere Jahre hindurch fast ununter-
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 303
brochen eine anspruchsvolle, kurfürstliche Besatzung mit
schweren Opfern unterhalten musste^). Und nach dem
Prager Frieden 1635 kamen die Schweden als Feinde
ins Land.
Im Februar 1639 fiel die Stadt in Baners Hände. Die
ihr von jetzt an auferlegten Lasten") musste der ein-
zelne im Vergleich zum Jahre 1632 um so mehr em-
pfinden, als seit jener Zeit die Stadt beständig unter
schwerem Druck gestanden hatte, Handel und Gewerbe
vollständig darnieder lagen und seit dem Pest jähre 1633
die Zahl der steuerpflichtigen Bürger nur unwesentlich
sich erhöht hatte.
So lagen die Verhältnisse, als Bauer nach der miss-
glückten Belagerung Freibergs die im Februar in Zwickau
zurückgelassene schwedische Besatzung unter Kapitän
Billingshausen (nicht zu verwechseln mit dem Obrist
Billingshausen) durch die Ordre vom 23. März abberief
und das bei Freiberg stark mitgenommene Regiment des
Obristen von Bawyr als Besatzung dahin kommandierte.
Die nun folgende Darstellung bezieht sich auf
die Zeit der schwedischen Besatzung unter Obrist
von Bawyr, vom 24. März 1639 bis zum 24. März
1640. Sie stützt sich ausschliesslich auf das Mate-
rial des Zwickauer Rathsarchivs^) und sucht die zer-
streuten Thatsachen in einem Bilde zu vereinigen, das
vielleicht eine Anschauung gewährt von den inneren Ver-
hältnissen der Stadt während einer Zeit schwerer Be-
drückung: von den Bemühungen des Stadtregiments, die
Forderungen der Besatzung zu erfüllen, oder abzumin-
dern, oder ganz abzulehnen; von den Massregeln, das
nöthige Geld zur Bestreitung der laufenden Ausgaben
aufzubringen; von der Willfährigkeit oder der Wider-
spenstigkeit der Bürgerschaft, in treuem, verfassungs-
mässigem Zusammenwirken mit dem ßath das gemein-
same Unglück tragen zu helfen ; von dem Verhältnis des
Kommandanten zu Rath und Bürgerschaft u. s. w.
Die Besatzung musste selbstverständlich den Bestim-
mungen der schwedischen Verpflegungsordnung gemäss
^) Vergl. oben S. 273. Die Gravamiua specialia der Stadt Zwickau
vom Jahre 1634, welche den Landtagsakten 1634/35 beiliegen, be-
haupten, dass auf die Jahre 1632—34 über 300 000 fl. spezifiziert
werden könnten.
2) Yergl. oben S. 278 flg.
8) Vergl. oben S. 278 No. 15.
304 ^- Schilling:
verpflegt werden. Auf die Dauer der ersten 11 Löh-
nungen (vom 25. März bis 2. Juli) wurden die Soldaten
von den Bürgern gespeist. Da die Löhnungen nur nach
dem Effektivbestand berechnet werden durften, so wech-
selte mit der Stärke der Besatzung die Höhe der ein-
zelnen Löhnungen; unglücklicherweise aber bedeutete ein
solcher Wechsel für Zwickau stets eine Steigerung der Zahl
der Besatzungstruppen. So war z. B. das Regiment bei
seinem Einzug etwa 300 Mann stark ; zur Zeit der 8. Löh-
nung jedoch (am 2. — 11. Juni) zählten die 12 Kompag-
nien, deren Stärke zwischen 19 und 98 differierte, zu-
sammen 487 Knechte; dazu kamen noch die hohen Offi-
ziere und der Stab, sowie die Konstabier, Sergeanten
und Unteroffiziere. Auf einen Knecht wurde aller 10
Tage 1 Thlr. 2 Gr., auf einen Unteroffizier 1 Thlr. 18 Gr.,
einen Sergeanten und Konstabier (Artilleristen) je 2 Thlr.
gerechnet. Der Obrist erhielt auf dieselbe Zeit 363 Thlr.
20 Gr., der Obristlieutenant 24 Thlr., 1 Kapitän 15 Thlr.
u. s. w. Ausserdem mussten den hohen Offizieren Servis
gelder (für Wohnung, Feuerung und Licht) gewährt werden,
und zwar dem Obrist für 10 Tage 27 Thlr. 21 Gr., dem
Wachtmeister 6 Thlr. 19 Gr. u. s. w.^). Nach einer amt-
lichen Zusammenstellung waren für die ersten 11 Löh-
nungen, also vom 25. März bis zum 2. Juli, an barem
Gelde ausgegeben worden 19295 Thlr.'^). Nachdem Bauer,
um die Stadt zu entlasten, dem Bawyrschen Regimente
auf wiederholte Supplikationen der Stadt hin vom Juli
ab andere Orte zur Verpflegung assiguiert hatte, musste
die Stadt immerhin noch monatlich 1000 Thlr. für das
Regiment autljringen, ausschliesslich der Servisgelder für
die hohen Offiziere; und selbstverständlich nmsste die
Bürgerschaft die Servisen in natura für die Soldaten
nach wie vor tragen. Wenn aber die Verpflegung der
Besatzung aus hegend einem Grunde durch die assignierten
Orte nicht erfolgte, musste die Stadt den Ausfall decken.
Nach diesem Überblick wollen wir den einschlägigen
Verhältnissen etwas näher treten.
Schon nach der 3. Löhnung, im April 1639, reichten
die laufenden Einkünfte der Stadt nicht mehr zur Be-
streitung des Verptiegungsaufwandes aus**). Der RatU
*) Vergl. Fascikel C, fol. 88 flg., 139 flg. und 170.
6) Ib. fol. 164.
®) Vergl. Ratlisprot. vom 19. April.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 305
ei^og die Erhebung einer Extrasteuer , gerieth aber in
bezug auf den Besteuerungsmodus in Differenz mit der
Bürgerschaft. Absehend von einer gleichzeitigen Be-
steuerimg des Handels, schlug der ßath die Besteuerung
nach Schocken vor (eine Grundsteuer). Nach Massgabe
des Werthes der emgeschätzten Grundstücke in der Stadt
sollten vom Schock 8 Pf., fiii' die Felder und Güter vor
der Stadt vom Schock 4 Pf. erlegt werden. Die Bürger-
schaft aber bedankte sich für diese „Vorsorge" des
Eathes. Eine Anlage auf die Schocke kam ihr nicht
nur befremdlich, sondern sogar unerträglich vor, denn
dieselbe sei ungleich und zu hoch. Die meisten, welche
Ackerbau trieben, hätten zwar viel Schocke, in gegen-
wärtiger Kriegsnoth jedoch keinen, oder nur einen ge-
ringen Ertrag von ihren Feldern. Die ablehnende Äeusse-
rung der Bürgerschaft wurde auch von einem Misstrauen
gegen die gewissenhafte Amtsführung des Eathes dik-
tiert, indem man unverhohlen die Meinung aussprach,
dass diejenigen, welche die Steuerregister in den Händen
hätten, damit umgehen könnten, wie sie wollten, dem
einen viel, dem andern wenig zuschrieben, und niemand
erführe, wie hoch sich die Schocke beliefen. Gegen die
Besteuerung nach Schocken wurde ferner eingewendet,
dass nicht nur viele Eeldgrundstücke, sondern auch viele
Häuser in der Stadt keinen oder nur geringen Ertrag
lieferten, da sie infolge der vom Kommandanten ver-
fügten Füllung des Grabens voll Wasser stünden. Zu-
letzt theilten die Abgeordneten der Bürgerschaft dem
Rathe den Beschluss mit, wegen der neuen Anlage einen
Ausschuss der Zünfte zu berufen und darnach die Mei-
nung der Bürgerschaft zu referieren. Das geschah denn
auch. Als Resultat der Berathung wurde die Erklärung
abgegeben, dass es die Bürger am liebsten sehen wür-
den, wenn die Stadt durch Erweiterung der Quartiere
eine Erleichterung erfahren könnte ; der Rath möchte
hierüber mit dem Kommandanten verhandeln. Anderer-
seits mochte wohl aber die Bürgerschaft zu der Über-
zeugung gelangt sein, dass eine Extrasteuer nicht zu
umgehen sei, ferner auch schien man keinen besseren
Anlagemodus gefunden zu haben, und so verstand man
sich schliesslich zu der Besteuerung nach Schocken, indem
man gleichzeitig die Bitte an den Rath richtete, zu der
Anlage der 5. Löhnung den Bürgern die Steuerschocke
auszuant Worten, damit eiu jeder wüsste, wie viel Schocke
Neues Archiv f. S. ü. u. A. IX. 3. 4. 20
306 M. Schilling
er zu versteuern hätte; indes möchten dieselben nicht
der gesamten Bürgerschaft, sondern jedem einzeln bekannt
gegeben werden. Um Felder und Häuser ertragfähiger
zu machen, wurde der Rath weiter ersucht, bei dem
Kommandanten dahin wirken zu wollen, dass die Bestel-
lung der Felder wieder gestattet, und die Stadtgräben
um eine Elle abgelassen werden möchten.
Bei diesem Besteuerungsmodus blieb es in der Haupt-
sache auf die ganze Dauer der schwedischen Besatzung.
Was nützt jedoch die verständigste, gerechteste und
billigste Art der Besteuerung, wenn die Steuerkraft mehr
und mehr schwindet und die Ansprüche an dieselbe sich
steigern? Und das war in Zwickau thatsächlich der
Fall. Hatten bereits in den Jahren 1632 und 1633 Krieg
und Pest die Kraft gebrochen, so vermochte sich die
Stadt, wie oben bereits bemerkt wurde, in den folgenden
Jahren nicht so weit zu erholen, dass sie im Jahre 1639
eine Besatzung monatelang zu erhalten imstande gewesen
wäre, welche cfie Zahl der steuerpflichtigen Bürger über-
stieg'). Die Zahl der angesessenen Bürger wird in dem
Sclireiben des Eaths an Baner vom 30. März 1639 auf
etwa 300 angegeben, in dem Schreiben vom 20. Dezember
desselben Jahres auf ca. 350; nach einem amtlichen Ver-
zeichnisse der Quartierwirthe gab es 1640 gegen 500
steuerpflichtige Bewohner^).
Obwohl nach Bauers Ordre vom 23. März für die
Verpflegung des Bawyrschen Regimentes Amt und Stadt
zugleich aufzukommen hatten, so lag doch in der Haupt-
sache, und in den ersten 30 Tagen ausschliesslich") die
Last auf der Stadt allein. Sonnabend den 13. April
war die 3. Löhnung fällig^"). Der Rath erklärte dem
Kommandanten den Tag vorher, dass es unmöglich sei,
von der „ausgegeldeten" Bürgerschaft die Summe zu erlan-
gen; er möge das wenige, das etliche von ihnen, die nicht
mit Einquartierung belegt seien, zusammengebracht hätten,
annehmen^'). Weiter ersuchte der Rath den Komman-
danten , die Stadt von der 3. Löhnung zu dispensieren,
und bat, um die Einkünfte der Stadt zu erhöhen, die in
') Vergl. oben S. 290.
^) Vergl. Rathsarchiv Pascikel B.
ö) Fascikel A, fol. 57 und 111. — ^^) Ib. fol. 4.5.
") Zu den qnartieifnäen Leuten gehörten: Kirchen- und
Schuldiener, Bürgermeister, Richter, Rathspersonen, Stadt- und Ge-
richtsschreiber, Witwen und Waisen. Fascikel A, fol. 55, 56.
Zur Geschichte der Stadt Zwickai; 1639—1640. 307
die Stadt geflohenen Adeligen, Landsassen und andere
Fremde zur Kontribution heranziehen zu dürfen. Letzteres
wurde denn auch versucht. Schon am 15. April eiiiess
der B,ath mit Einwilligung des Kommandanten^^) ein
Zirkular an sämtliche von Adel und andere fremde Per-
sonen, worin dieselben emgeladen wurden, sich Dienstag
den 16. April aufs Rathhaus zu bemühen betreffs der
ihnen aufzuerlegenden Kontributionen; es wurde gleich-
zeitig angedeutet, dass sie nicht nur zur künftigen Löh-
nung, sondern auch zu den zwei verflossenen beitragen
sollten. Von den 32 im Zirkular aufgeführten Personen
bescheinigten den Empfang des Patents jedoch nur sechs,
und alle setzten dem Rathe einen passiven Widerstand
entgegen. Am 18. April bereits ersuchte der Rath den
Kommandanten, etliche Soldaten von den hochbedrängten
Bürgern aus- und bei den Fremden einquartieren zu
lassen. Die Rechtmässigkeit seines Verfahrens begrün-
dete der Rath durch eine später wiederholt imd zuletzt
im Jahre 1635 erneuerte Begnadung des Kurfürsten
Moritz vom Jahre 1552. Hiernach sollten zu Zeiten der
Besatzung sowohl die Freihäuser, als auch die Adeligen
und andere, die Büi^gerhäuser besässen, die gleiche Bürde
mit den andern tragen. Dasselbe galt auch für alle
Nichtbürger, die zu solchen Zeiten in Frei- oder Bürger-
häusern wohnten oder eingemiethet hatten, sowie für
jedermann ohne Unterschied des Standes, der das Seine
in die Stadt geflüchtet hatte. Es scheint jedoch wäh-
rend der gegenwärtigen Besatzung dem Rathe nicht
möglich geworden zu sein, jener Begnadung Rechtskraft
zu verleihen ^•^).
Wie schon bemerkt, erfulir die Stadt auch wenig
Unterstützung durch die Amtsdörfer. Nach einem Ver-
zeichnisse der Löhnungen, welche für das Mortaignesche
und Bawyrsche Regiment bis zum 2. Juli 1639 hatten
aufgebracht werden müssen, kommen auf die Stadt
22 245 Tlilr., auf das Amt nur 3775 Thlr. 3 Gr. Von
letzterer Summe sind an Mortaigne und Bawyr selbst
800 und 900 Thlr., zusammen also 1700 Thlr. gegeben
worden, so dass auf das Rathhaus nur 2075 Thlr. 3 Gr.
abgeliefert worden waren ^■*). Wenn sich auch der Amts-
^^) Fascikel A fol. 48.
") Vergl. Fascikel A," fol. 45 flg. Grünes Buch B, fol. 67.
") Vergl. Fascikel A, fol. 111 und 164.
20*
308 M- Schilling:
schösser schriftlich verpflichtete, der Stadt künftig wieder-
zuerstatten, was sie auf die Löhnungen für das Amt er-
legen würde ^■'), so fiel diese Verpflichtung doch nicht im
geringsten ins Gewicht, wenn es sich darum handelte,
die Verpflegungsgelder aufzubringen und bar zu ent-
richten. Ja , diese Erklärung des Amtsschössers wurde
ganz illusorisch, als sich derselbe bereits im Mai mit dem
Kommandanten auf eine monatliche Geldleistung von
1000 Thlr. verglichen hatte ^^) ; und als selbst dieser Zu-
schuss zui^ Verpflegung des Regiments von den Amts-
dörfern nicht aufgebracht wurde, so hielt sich der Kom-
mandant für den Ausfall doch wieder an die Stadt, in-
dem er z. ß. im August aus diesem Grunde das Ansinnen
an den Rath stellte, ausser den laufenden Verpflegungs-
geldern täglich 4 Fass Bier und lOUO Pfd. Brod zu lie-
fern"). Bei einer Regimentsstärke von 500 Mann belief
sich die zehntägige Löhnung auf ca. 1500 Thlr., das be-
trägt auf den ganzen Monat 4500 Tlilr.^^). Angenom-
men, das Amt wäre seinen Verpflichtungen regelmässig
nachgekommen, so hätte die Stadt monatlich ünmerhin
die bedeutende Summe von 3500 Thlr. aufbringen müssen.
Der Schösser hatte auch versucht, mit der Stadt ein Ab-
kommen dahingehend zu treffen, dass Adel und Amt zu-
sammen Ve f^6i' Verpflegungssumme leisten wollten (früher
hatte man sich sogar zu Vs verstanden); der Rath war
aber, auf Bauers schon mehrfach erwähnte Ordre sich
berufend, nicht darauf eingegangen^^); er wollte es auf
die Entscheidung des Feldmarschalls ankommen lassen.
Der Schösser gab zur Antwort, „wollte die Stadt ihr
Gutes nicht erkennen, möchte sie es künftig mit Schaden
erfahren ; er könnte niemand zur Vollziehung des Rezesses
zwingen; die Hälfte könnten Amt und Edelleute nicht
tragen, da es noch ungewiss sei, ob die Edelleute dem
Bawyrschen Regiment assigniert blieben". In der That
lautete die Resolution des Feldmarschalls auf des Raths
Bittschrift vom 3. Mai nicht günstig. Amt und Stadt
Zwickau hatten die Verpflegung des Regimentes immer
noch allein zu tragen ^^''}.
">) Vergl. Rathsprot. vom 16. Mai 1639.
lö) Vergl. Kathsprot. vom 16. Mai 1639.
") Vergl. Rathsprot. vom 27. August.
18) Vergl. Fascikei B, fol. 88 flg.
10) Rathsprot. vom 16. Mai 1639.
loa) Vergl. oben S. 288 flg.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 309
Der Ratli befand sich in einer üblen Lage. Dazu
wurde das Regiment von Woche zu Woche stärker-*^),
und die Bürgerschaft fing wiederum an, schwierig zu
werden. Es liefen Gesuche von Bürgern an den Rath
ein um Yerschonung mit weiterer Abforderung der Kon-
tribution, und andererseits gelangten Beschwerden über
den Rath an den Kommandanten wegen ungerechten
Verfahrens bei Auferlegung der Steuern. So entspann
sich ein langwieriger und hartnäckiger Streit zwischen
dem Dr. jur. Dav. Boicke und dem Rathe"^). Er be-
hauptete, dass der Rath viel zu viel von ihm und anderen
armen Bürgern zu extorquieren sich anmasse, und be-
schuldigte den Rath, dass er der Bürgerschaft so viel
auferlege, um sich von den Lasten möglichst zu befreien.
Der Rath habe viele tausend Thaler, die der Stadt ge-
hörten, bisher hi seinem Nutzen gehabt und seines Ge-
fallens gebraucht, ohne Rechenschaft davon abgelegt zu
haben. Ausserdem wären die Rathspersonen von ihren
eigenen Gütern zu kontribuieren noch schuldig, obgleich
sie behaupteten, von dem Ihrigen viel hergegeben zu
haben. Der Rath suche gegen die arme Bürgerschaft
seinen verderblichen und schändlichen Eigennutz all-
zusehr.
Der Kommandant übermittelte dem Rathe diese ge-
harnischte Beschwerdeschrift zur Kenntnisnahme, bez.
Rückäusserung, Derselbe äusserte sich dem Komman-
danten gegenüber folgendermassen : Aus der Klagschrift
erkenne man Boickens bösen „Humor" von neuem. Ähn-
liches sei von ihm wiederholt „practiciret" worden, damit
er mit seiner schuldigen Kontribution durchschlüpfen
könne und den Gehorsamen und Willigen die Last allein
auferlegt werde. Der Rath bat den Obrist, seinen Hof-
meister und Sekretär auf das Rathhaus schicken zu
wollen, um die bisher zur Kontribution gemachten An-
lagen prüfen zu lassen. Ferner mderlegte er einige
Punkte der Anklage-'^). Es war übrigens nicht unbedeu-
tend, was Dr. Boicke bis zum April 1639 an Ranzion
und Kontribution hatte zahlen müssen; die emzelnen
Posten beliefen sich auf zusammen 734 Thlr. 12 Gr.-^).
Ausser Gesuchen um Erlass oder Abminderung der
Kontribution gelangten auch solche um Befreiung von
2*>) Vergl. Fascikel A, fol. 54; Rathsprot. vom 8. August.
21) Fascikel A, fol. 63. - ^2) Ib. fol. 63 flg. — ^s) fol. 112.
310 M. Schilling:
Einquartierung, wenigstens um zeitweilige, an den Rath.
Mehrere Bürger bitten, der Ratli möchte doch eine Zeit-
lang die Soldaten denen in die Häuser legen, die bisher
Geld gegeben, dafür aber Ruhe in ihren Häusern gehabt
hätten. Dieser Wunsch erscheint nicht unbillig, obschon
er gegen die Privilegien der quartierfreien Leute ver-
stösst. Selbst in den bedrücktesten Zeiten zog es die
Bürgerschaft vor, eine Summe Geldes aufzubringen, wenn
sie auf diese Weise eine Vermehrung der Einquartierung
abwenden konnte. Das wussto der Kommandant auch
gar wohl und scheint einigemal von dieser seiner Wissen-
schaft Nutzen gezogen zu haben, wenn er sich in Geld-
verlegenheit befand.
Auf der einen Seite die steigenden Bedürfnisse der
Garnison, auf der anderen Seite die zunehmende Ver-
armung der Bürgerschaft: was sollte der Rath thun!
Wandte er sich auch an den Obrist mit dem dringenden
Ersuchen, die Landbevölkerung scliärfer zur Kontribution
heranzuziehen, so erlangte er nichts als die Vertröstung
auf bessere Zeiten. Der Kommandant wies auf den
kläglichen Zustand der Landbevölkerung hin, die jüngst
durch Durchzüge von Freund und Feind viel gelitten
habe. Seine erhöhten Forderungen seien ja nur auf ein
Interim gestellt, und sobald der Zustand der Amtsdörfer
sich gebessert habe, sollte eine Erleichterung eintreten.
So stand es im August 1639-^).
Dieser Monat war ein besonders harter. Die For-
derungen der Garnison steigerten sich bis zum Unerträg-
lichen, so dass die Bürgerschaft dem Rathe in einem
Memoriale rundweg erklärte, zur Erfüllung dieser For-
derungen nichts beitragen zu können-'"'). Unter anderem
erklärte man, es wären viele hundert gute Schock an
Landsteuer bisher dem Rathe über J. Ch. D. Gebührnis
versteuert worden ; die sollte der Rath jetzt wieder her-
geben (d. h. wohl: der Rath habe mehr Landsteuer er-
hoben , als der Kurfürst zu fordein gehabt). Ferner
hätte der Obrist 900 Thlr. an der Kontribution erlassen ;
die sollte man auch hergeben. Sodann griif die Bürger-
schaft die Privilegien der Rathspersonen und anderer
quartierfreier Leute an, indem sie forderte, es sollte
24) Vergl. Fascikel A, fol. 148.
26J Vergl. itathsprot. vom 29. August.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 311
ausser dem regierenden Bürgermeister niemand mit Ein-
quartierung verschont bleiben.
Es ist recht wohl erklärlich, wie die bis aufs Blut
gequälte Bürgerschaft dazu kam, gegen den Rath sich
aufzulehnen; indes würde man sich irren, wenn man an-
nehmen wollte, der Rath sei besser daran gewesen, als
die Bürgerschaft. Hinter dem die Einquartierungslast
betreffenden Punkte des Memorials steht in dem Raths-
prot. vom 29. Aug. die Bemerkung : „Es hätten der Herr
Konsul und alle Herren über ihre schweren Kontribu-
tionen und gethane Auslagen auf etliche tausend Thaler
Sorge, Noth, Mühe und Angst mehr als genug, so dass
mancher von ihnen die Einquartierung lieber wünschte,
als deren Befreiung." Wir haben keinen Grund an der
vollen Wahrheit dieser Äusserung zu zweifeln. Es sei
hier nur auf dies eine hingewiesen: Im September 1639
beklagte sich der Bürgermeister Dr. Pitzsch in öffent-
licher Rathssitzung darüber, dass er von seinen Kollegen
nicht gehörig unterstützt werde ;.. dass sich manche vom
Rathhause fern hielten und ihrer Amter nicht warteten -^).
In der Umfrage zu der Beschwerde gegen einen gewissen
Rathsherrn erklärte einer der Anwesenden, man sollte
dem Betreffenden ernstlich zureden und ihm etwas auf-
tragen, damit er nicht meine, es wäre eitel Hummelseim,
ein Rathsherr zu sein. Auf das alle Punkte der Raths-
proposition ablehnende, bez. mit undurchführbaren Gegen-
vorschlägen beantwortende Memoriale der Bürgerschaft
resolvierte sich der Rath kurz und bündig dahin, dass
es bei der durch Anlage aufzubringenden Yerpflegungs-
summe sein Bewenden haben sollte. Wer sich nicht
dazu bequemen wolle, möge seine Soldaten speisen.
Hierauf wurden der versammelten Bürgerschaft die Hul-
digungspflichten vorgelesen, nach denen die Bürger schul-
dig waren, sich dem, was der Rath für das Beste er-
kannt hatte, nicht zu widersetzen, sondern in solches zu
willigen. Das energische Auftreten des Rathes impo-
nierte der Bürgerschaft dermassen, dass sie sich bis auf
einen Schneider, der durchaus einen anderen Anlage-
modus haben wollte, dem Rathsbeschlusse fügte. Hans
Müller entging der Haft nur dadurch, dass ihn seine
guten Freunde für „vollgesoffen" erklärten.
2ö) Vergl. Eathsprot. vom 7. September, sowie vom 13. Dezember
1639 und vom 10. Februar 1640.
312 M. Schilling:
Der Rath schritt zur rasclien Yollziehimo; seines
Beschlusses, die Löhnung- durcli Anlagen aufzubringen.
An demselben Nachmittag bereits wurde die Rathsglocke
geläutet, und die aus Eathspersonen und Vertretern der
Rürgerschaft zusammengesetzte Kommission harrte der
kommenden Steuerzahler. Viele erschienen aber nicht.
Unter solchen Differenzen rückte der Tennin der
Eathsneuwahl heran (Michaelis). Anfang September er-
innerte der regierende Bürgermeister daran, dass die
Neuwahl nun in die Hand genonnnen werden müsste.
In den Kirchen wurde dafür gebetet. Doch stiegen Be-
denken auf, ob wohl während der schwedischen Besatzung
die kurfürstliche Konfirmation des neuen Käthes einge-
holt werden dürfte; man fürchtete dadurch den Kom-
mandanten zu „ofFendieren", zumal gerüchtweise verlautete,
der Feldmarschall wolle nicht haben, dass in den Kirchen
öifentlich für den Kaiser und den Kurfürsten gebetet werde.
Man äusserte sich dahin, dass der neue Rath die Regie-
rung vielleicht ohne Konfirmation übernehmen könnte;
der Kurfürst werde unter Berücksichtigung der schwie-
rigen Lage diese Unterlassung der Stadt nicht anrechnen
und die Konfirmation nachträglich ertheilen. Da jedoch
wegen der zutage getretenen Widersetzlichkeit der Bür-
gerschaft die Erlangung der Konfirmation als höchst wün-
schenswerth, ja geboten erscheinen musste, und andrer-
seits sich unter den obwaltenden Verhältnissen schwer-
lich jemand bereit gefunden hätte, ohne kurfürstliche
Konfirmation die Ratlisgeschäfte zu übernehmen, so be-
schloss man, mit Vorwissen des Kommandanten die Kon-
firmation nachzusuchen'-^). Nachdem der Obrist erklärt
hatte, die Rathswahl und die Konfirmation nicht hindern
zu wollen, richtete der Rath das betreffende Gesuch an
den Kurfürsten"^).
Unterdes dauerte die Spannung zwischen Rath und
Bürgerschaft fort; der Rath konnte letzterer Avenig zu
Dank machen. Als es sich darum handelte , eine vom
Obrist geforderte Getreidelieferung von 600 Schefi'el
zu realisieren, konnte man sicli nur schwer darüber
einigen, ob die Lieferung auf die einzelnen nach
Steuerschocken vertheilt, oder nur denen auferlegt
werden sollte, die Feldbau trieben. Die Vertheilung
27) Vergl. Rathsprot. vom 7. September 1639.
2*) Vergl. Ratbsprot. vom 16. September uud Fascikel A, fol. 154,
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639 -1640. 313
nach Steiierschocken war für den Kleinbürger ung-ün-
stiger, als die Vertheilung der Last auf die Ackerbau-
treibenden allein. Deshalb erklärte die Bürgerschaft,
wer Feld hätte , sollte das Getreide geben ; man könnte
nicht einsehen, wie die anderen dazu kämen, dass es^
nach Schocken gehen sollte. So wurde es denn auch*
schliesslich: die Getreidelieferung wurde auf die Feld-
besitzer vertheilt"-^).
Am 25. September kam der Bote mit der kurfürst-
lichen Konfirmation des neuen Eathes zurück'^^). Mitte
Oktober wurde die Bürgerhuldigung vorgenommeu. Ausser
den geschwornen Meistern waren nur wenige Personen
dazu erschienen. Nach einer Ansprache las der Bürger-
meister die Konfirmation ab, that des grossen Ungehor-
sams und Widerwillens unter der Bürgerschaft Erwäh-
nung und ermahnte dieselbe, sich künftig gehorsamer
zu bezeigen, damit nicht das Stadtregiment, das ohnehin
Mühe und Last genug verursache, dem Rathe noch
schwerer gemacht werde. Li Anspielung auf die geringe
Zahl der erschienenen Bürger bemerkte der Bürger-
meister, dass der Ungehorsam der Abwesenden zu deren
eigener Verantwortung gestellt werden müsste. Von der
Ablesung der Huldigungseide wurde abgesehen, von den
Anwesenden aber die Huldigungspflicht abgelegt; auch
wurden die geschworenen Meister in Pflicht genommen ^^).
So war die Bürgerschaft zum Gehorsam gebracht;
eine praktische Wirkung in finanzieller Beziehung hatte
aber natürlich dieser Erfolg nicht. Die Geldnoth dauerte
fort. Eine auf Drängen der Bürgerschaft im Oktober
an Baner gesandte Supplikation blieb ohne Antwort. (Vgl.
oben S. 293 flg.) Fast zur Verzweiflung getrieben wurde
die Stadt, als im Dezember, während Bauer mit seiner
Armee in Böhmen lag, kuifürstliche Truppenabtheilungen
der Stadt alle Zufuhr abschnitten. Eine an den Kurfürst
gerichtete Bittschrift schaff'te keinen Wandel, und eine
in demselben Monate ohne des Kommandanten Vorwissen
abermals an den Feldmarschall gesendete Supplikation
zog dem Eate die Ungnade des Kommandanten zu^-).
Gerade in dieser schwersten Zeit wurden der Stadt Ver-
legenheiten bereitet, denen zu begegnen sie jetzt am
29) Verg-1. Rathsprot. vom 23. September, 5. imd 8. Oktober.
^°) Vergl. Rathsprot. vom 26. September.
ä^) Vergl. Rathsprot. vom 14. Oktober.
3-) Vergl. Rathsprot. vom 18. Januar 1640 und oben S. 295.
314 M. Schilling:
allerwenigsten in der Lage war. Es wurden ihr Kapi-
talien gekündigt; in dem einen Falle wurde die Rück-
zahlung unter Androhung militärischer Exekution gefor-
dert, in einem anderen Falle hatte der Gläubiger seine
Forderung an den Major der schwedischen Besatzung
abgetreten ='"). Alle Bitten an den Kurfürsten, vermit-
telnd einzugreifen, blieben erfolglos. Jegliche Hantie-
rung lag darnieder, die Wochenmärkte waren zerstört,
die Wege unsicher, so dass kein Getreide in die Stadt
geschafft werden konnte ; die Ernte war schlecht gerathen,
und trotzdem musste Getreide in die Magazine geliefert
werden; eine Hungersnoth in Sicht. Dass unter solchen
Umständen soAVohl des Käthes, wie der Bürgerschaft eine
gewisse Gleichgültigkeit sich bemächtigte, ein stumpfes
Übersichergehenlassen jeglichen Unglücks an die Stelle
des Kampfes ums Dasein trat, ist recht wohl erklärlich.
So kam es vor, dass in den ßathssitzungen kein Mensch
etwas dazu sagte, wenn die Proposition an nächstens
fällig werdende Geldleistungen erinnerte. Hin und wieder
machte die Bürgerschaft in dumpfer Angst ihrem Herzen
durch ohnmächtige Angriffe auf die Privilegien des Rathes
Luft. Das war alles. Der Rath mochte votieren oder
nicht, die Bürgerschaft stumm ertragen oder räsonnieren :
das änderte an der Sachlage nicht das geringste. Die
Schweden w^ollten essen und trinken, wohnen und sich
wärmen; sie brauchten Munition, Materialien und Menschen-
kräfte zur Anlage von Befestigungswerken: alles musste
die Stadt schaffen; wie? darnach fragte weder Kom-
mandant, noch gemeiner Knecht.
Fassen wir im folgenden das Verhältnis zwischen
dem Kommandanten Obrist von Bawyr und der Stadt
näher ins Auge! Die Situation der schwedischen Be-
satzung war keine beneidenswerthe. In feindlichem Lande
liegend, durch das Gebirge von der Armee getrennt,
musste der Befehlshaber der schärfsten Wachsamkeit
sich befleissigen. Dazu kam die strategische Wichtigkeit
des Platzes, der zu behaupten war. Nachdem sich Baner
der Stadt bemächtigt hatte, operierte er hauptsächlich
in Böhmen und in der Oberpfalz. Selbstverständlich
dirigierte der Gegner seine Hauptmacht ebendahin. Das
feindliche Sachsen im Rücken, komite Baner, zum Rück-
'^s) Vergl. Fascikel A, fol. 169, 178, 206; Rathsprot. vom 13. De-
zember 1639, vom 6. und 10. Februar 1640.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 315
zug gezwungen, in eine höchst gefährliche Lage gerathen,
wenn er sich nicht am nördlichen Abhänge des Gebirges
Stützpunkte sicherte. Solche Avaren Chemnitz und Zwickau;
der wichtigere der beiden Punkte aber war Zwickau.
Daher erging an den Kommandanten wiederholt der Be-
fehl, die Magazine mit Proviant und Munition wohl zu
versorgen und auf weitere Befestigung der Stadt durch
Schanzen eifrig Bedacht zu nehmen. So ist es erklär-
lich, weshalb in Zeiten, wenn durch umherschwärmende
kurfürstliche Truppen die Zufuhr an Lebensmitteln abge-
schnitten wurde, der Kommandant durch die flehent-
lichsten Bitten und die augenscheinliche grosse Noth der
Bürgerschaft sich nicht bewegen liess, die Magazine an-
zugreifen. Wir besitzen noch mehrere Gesuche des
Eaths und der Bürgerschaft an den Kommandanten, die
auf dem Rande die Resolutionen des Obristen auf die
vorgebrachten Klagen und Bitten tragen, sowie auch aus-
führliche Antwortschreiben des Kommandanten"^). Die
Resolutionen lassen deutlich erkennen, dass die angedeu-
teten Rücksichten ihn bestimmten, alle auf Öffnung der
Magazine, Beschränkung der Schanzarbeiten und Sluni-
tionslieferungen sich beziehenden Bitten abschläglich
zu bescheiden. Die Folge lehrte denn auch, dass die
schwedischerseits getroffene Vorsorge eine kluge und
nothwendige war; zweimal musste Zwickau den zum
Rückzuge gezwungenen Feldmarschall mit seiner Armee
aufnehmen.
Die Stadt freilich war dieser Erkenntnis schwer zu-
gänglich, musste sie doch übrigens auch zum grössten
Theil die Kosten der schwedischen Vorsichtsmassregeln
tragen. Es regte sich wiederholt der Verdacht gegen
den Obrist von Bawyr, dass gewisse Forderungen un-
gerechtfertigte und von Eigennutz diktierte seien. So
ersuchte z. B. der Rath im November 1639^'), von den
Bürgern gedrängt, den Rath zu Chemnitz um Aufschluss
über die Leistungen der dortigen Bevölkermig füi^ die
Garnison , da das Gerücht entstanden sei , Chemnitz
werde mit manchem verschont, was von Zwickau gefor-
dert werde. In seiner Auskunft hierüber bittet der
Chemnitzer Rath, sein Antwortsclu-eiben vor dem Kom-
mandanten geheim zu halten. Bald darauf gelaugte ein
3*) Vergl. Fase. A, fol. 110, 139 flg., 149 flg., 181.
35) Ib. fol. 163 flg.
316 M. Schilling:
Memorial des Ratlies zu Zwickau an den Kommandanten,
in welchem anf die Cliemnitzer Verhältnisse Bezug ge-
nommen wurde. Es hat aber alles niclits geholfen. Die
Verhältnisse mochten in Zwickau ja auch anders liegen,
als in Chennütz. Es sei hier jedoch gleich bemerkt,
dass der Obrist von Rawyr auf manche Beschwerde des
Rathes hin Abliülfe schaffte, wenn es ihm möglich war''**).
Wenn ^\^r ferner nun auch, gestützt auf die Begrün-
dungen, welche Bawyr seinen Forderungen gab, annehmen
dürfen, dass er im allgemeinen seinen Instruktionen ge-
mäss handelte, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass er
sich Gelegenheiten nicht entgehen liess, bez. solche her-
beizuführen wusste, sich einen Vortheil zuzuwenden.
Obwohl die schwedische Verpflegungsordnung dergleichen
Operationen streng verbot, und der Feldmarschall in der
Ordre vom 23. März der Stadt noch besonders versicherte,
dass die kommandierenden Offiziere von Sr. Exzellenz
unausbleiblich zu Eede und Antwort gefordert werden
würden, wenn Beschwerden über Pressuren bei ihm ein-
gingen, so ist es andererseits bekannt genug, wie sich in
früheren Jahrhunderten und besonders im dreissigj ährigen
Kriege die Praxis der Offiziere und Soldaten zu der-
gleichen Forderungen der Humanität, die ja nicht selten
von oberster Stelle ausgingen, verhielt. Auch Obrist
von Bawyr scheint sich nicht immer in Gegensatz zu
jener beliebten und einträglichen Praxis der Erpressungen
gestellt zu haben. So versetzte er einst (es war im
August) den Rath durch die Beschuldigung in grossen
Schrecken, es seien auf dem Boden des Rathhauses Vor-
räthe an Pulver, Lunten und Gewehren aufgespeichert,
bez. seinerzeit nicht ausgeliefert worden. Zur Strafe
für diese gefährliche und verrätherische Handlung sollten
noch sechs Komi)agnien Reiter in die Stadt gelegt und
von derselben verpflegt, sowie seinem Regimente 6000 Thlr.
Rekrutengelder gegeben werden. Doch der Kommandant
war bei alledem kein Unmensch; gnädig legte er das
Schicksal in des Rathes väterliche Hand, indem er zu
verstehen gab, dass durch eine an ihn zu zahlende Dis-
kretionssumme von 3000 Thlr. die fatale Angelegenheit
aus der Welt ß-eschaift werden könnte.
Da gab es sehr erregte Debatten in der Raths-
sitzung vom 2. August. Ein jeder betheuerte seine Un-
36
) Vergl. z. B. Fase. A, fol. 110.
Zur Geschichte der. Stadt Zwickau 1639—1640. 317
schuld, und die gememschaftliche Sitzung des Eathes,
der Viertelsmeister, der geschworenen Meister und an-
derer von der Bürgerschaft mag viele Stunden gedauert
haben; wir besitzen darüber ein langes, inhaltreiches
Protokoll. Es wurde u. a. auch der Modus des Inquisi-
toriums zur Entdeckung des Schuldigen vereinbart. Als
praktisches Resultat ergab diese gemeinschaftliche Sitzimg
den Beschluss, dem Kommandanten eine Michaelis des
laufenden Jahres zalilbare Obligation auf 800 Thlr. zu
geben. Der Major Lohhausen vom Besatzungsregiment
hatte die Vermittelung übernommen. Nach langem Feil-
schen wurde in der That vom Kommandanten das Aner-
bieten angenommen. Der Major erhielt für seine Dienste
eine silberne Kanne. Als aber in der Rathssitzung vom
23. September erwogen werden sollte, woher das Geld
für den Obrist zu nehmen sei, erklärten verschiedene
kaltblütig, dass sie kein Geld hätten. Am 5. Oktober
liess der Obrist dem Eathe sagen, w^enn nun die 800 Tlilr.
nicht ohne Verzug gezahlt würden, sollten die Herren
Consules und der Kämmerer mit militärischer Exekution
belegt werden. Trotzdem versuchte man, noch 8 Tage
Frist zu erlangen. Schliesslich musste die Smnme eben
doch aufgebracht werden. Dass der Kommandant seine
Drohung ernst meinte, dessen waren sich die Herren
wohl bewusst, waren sie doch bereits im Laufe des Som-
mers mit schimpflichem Arrest belegt worden, weil eine
Löhnung nicht zu der bestimmten Frist entrichtet wor-
den war^').
Welche Bewandtnis hatte es denn nun eigentlich mit
diesen Munitionsvorräthen ? Sie bestanden aus c. 4 Pfd.
Musketenpulver in einem 'Butterfässchen, 8 Pfd. desgl.
in einem eichenen Fässchen und gegen 68 Pfd. Stück-
pulver in einer neuen Tonne, über 100, meist aber zer-
brochenen Musketen und gegen 4 Ztr. Lunten. Das alles
war bei einer Visitation auf dem Boden des Rathhauses
gefunden worden. Sicherlich hätte mit diesen Vorräthen
die Stadt der Garnison kaum gefährlich werden können.
Die vom Pathe aufgesetzten Entschuldigungsgründe klin-
gen so überzeugend, dass sie jeden Argwohn zerstreuen
mussten'^*). Dass sich trotzdem Rath imd Bürgerschaft
für Erlegung einer Strafsumme entschieden, deutet darauf
3') Vergl. Prot, vom 5. August.
38) Vergl. Rathsprot. vom Jahre 1639, fol. 101.
318 M. Schilling:
hin, dass man, die eigentliclie Absicht des Obristen er-
ratliend, darauf verzichtete, ihn durch Vernunftgründe
zu überzeugen. So waren die Entschuldigungspunkte
Avohl mehr darauf berechnet, den Rath der Bürgerschaft
gegenüber zu rechtfertigen. Die ursprünglich so hoch
gestellte Forderung des Kommandanten war nur ein
Öchreckschuss, denn sonst hätte er sich schwerlich zuletzt
mit dem vierten Theil der Strafsumme begnügt. Das
Handeln und Feilschen war übrigens an der Tagesordnung,
deshalb tliat auch der Rath das Seinige, den Komman-
danten bei guter Laune zu erhalten. Als mit Erlaubnis
des Kommandanten der Teich gefischt worden war, ver-
anstaltete man auf dem Rathhause einen solennen
Fischereischmaus, zu dem der Obrist, des Obristen Lieu-
tenant und der Major eingeladen w^urden. Der aus-
gesprochene Zweck der Einladung ging dahin, den Obrist
günstig zu stimmen, damit „künftig ein mehreres von ihm
zu erhalten sein möchte"; oder, Avie eine andere Wen-
dung lautet: „damit man ganzer gemeiner Stadt zum
besten einen favorem bei dem Herrn Obristen erlangen
möchte" •^^). Als Neujahrsgeschenk überreichte man dem
Kommandanten 250 Thlr.'*"). Darauf Hess er am 7. Ja-
nuar durch seinen Sekretär dem ßathe erklären, so lange
er durch die in der Umgegend liegenden kurfürstlichen
Völker an seiner Kontribution aus den benachbarten
Orten gehindert sei, müsse er Avider Willen die Stadt
beschweren; indes wolle er sich doch mit der halben
Löhnung (500 Thlr.) begnügen. Der ßath erkannte das
mit grossem Danke an und vermeldete es der Bürger-
schaft. Die Servisgelder aber mussten nach wie vor ent-
richtet werden.
Bald darauf trat jedoch wieder eine Missstimmung
zwischen dem Kommandanten und der Stadt ein wegen
der ohne Vorwissen des Kommandanten an den Feld-
marschall gesandten Supplikation^'). Es scheint aber
dem Rathe gelungen zu sein, ihn darüber zu ])eruhigen^-), .
so dass der Kommandant seine Drolnmg, die liaths-
personen mit starker Einquartierung zu belegen und ihnen
30) Rathsprot. vom 28. und 31. Oktober.
***) Rathsprot. vom 8. Januar 1H40 und fol. 65.
•") Veryl. oben S. 295 flg.
■) Vergl. Fase. A, fol. 199.
42
Ziir Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 319
sonst allerlei Ungelegenlieiten zu bereiten'*^), nicht aus-
geführt hat.
Wer von den Rathspersonen es irgend ermöglichen
konnte, den militärischen Angelegenheiten sich zu ent-
ziehen, that es. Am allerschlimmsten war daher der
regierende Bürgermeister daran, der einfach aushalten
musste. Aus diesem Grunde hatte auch bei der letzten
Rathswahl Dr. David Pitzscli, ein siebzigjähriger Greis,
gebeten, ihn mit dem Amte des Bürgermeisters zu ver-
schonen ; ginge das aber nicht an, so möchte man wenig-
stens die Kriegsexpeditionen anderen Personen auftragen.
Als jedoch schliesslich alle Last auf ihm sitzen bUeb,
wandte er sich in einem Gesuche an den Kurfürsten,
bittend, ihn seines Amtes zu entheben. Das Gesuch
wurde abschlägig beschieden. Da brachte er seine An-
gelegenheit in der Rathssitzung vom 25. Januar zur
Sprache. Er beantragte und bat, sein Gesuch samt des
Kurfürsten Resolution vorzulesen und sodann einen Be-
richt zu erstatten, der ihm zum Yortheile gereichen
möchte. Die anwesenden Rathsherren erkannten die
volle Wahrheit der in der Bittschrift angegebenen Gründe
an, erklärten aber, keine andere zu diesem Amte quali-
fizierte Person zu kennen. Dr. David Pitzscli musste
bleiben. Tobias Schmidt sagt in seiner Zwickauer Chro-
nik I, 459 von ihm : „Hat die Gnade gehabt, dass er am
längsten Burgermeister gewesen, nämlich über die vierzig
Jahre, dergleichen Exempel hier nicht gewesen. Er hat
in seinem Amt, fürnemlich da die Schwedischen ihre Be-
satzung innen gehabt, viel müssen ausstehen."
Der Kommandant von Bawyr Hess es bis zu seinem
Abzüge aus der Stadt bei der halben Löhnung von
500 Thlr. bcAvenden. Einem Gesuch der Bürgerschaft
aber vom Februar 1640, auch die zweite Hälfte zu er-
lassen, gab er nicht Folge. Li seiner Antwort betonte
er abermals, dass er strengen Befehl habe, die Magazine
nicht anzugreifen ; daher müssten die Bürger die Soldaten
entweder speisen, oder Löhnung zahlen. Man zog, wie
gewöhnlich, letzteres vor.
Als Bauer auf dem Rückzuge aus Böhmen mit einem
Theil seiner Armee im März in Zwickau eintraf, ^vurden
natürlich die Magazine geöfthet. Am 25. März, noch
während Bauers Aufenthalt, verliess der Kommandant
■»3) Rathsprot. vom 13. Jan. 1640.
320 H. Schilling;
Obrist von Bawyr mit seinem 800 Mann starken Regi-
mente die Stadt. Dasselbe hatte genau ein Jahr liier
gelegen. Nach Baners Ankunft war es den unter Ge-
neralmajor Wittenbergs Befehl stehenden Truppen im
Vogtland zuertheilt worden. Bei dem Überfall durch den
Generalwachtmeister von Bredau erreichten die Kaiser-
lichen den Obristen Bawyr in Öchünfels und nahmen ihn
mit seinem ßegiment gefangen.
Es wird berichtet ^^). dass Bawyr mit etwas Un-
willen aus der Stadt gethan Avorden sei; weshalb? das
wird nicht angegeben. Tob. Schmidt bemerkt nur, er
sei „wegen etlicher Verbrechung, welche für den Bür-
gern in Geheim gehalten worden, umbs Regiment gekom-
micn". In den benutzten Akten ist mir keine auf diesen
Punkt bezügliche Andeutung vorgekonmien.
Die Besatzung hatte der Stadt über 26433 Thlr.
gekostet '*'^). Ob in dieser Summe die Lieferungen an
Munition, Baumaterialien, Getreide etc. mit berechnet
sind, ist nicht ersichtlich. Innnerhin muss es Wunder
nehmen, wie die Stadt, w^elche bis zum Einzüge dieser
Besatzung schon 7 Jahre lang mit geringen Unter-
brechungen alle Drangsale des Kriegs erduldet, welche
vom März bis Dezember 1639 für die schwedische Armee
insgesamt über 100000 Thlr. hatte aufbringen müssen*"),
überhaupt noch im stände war, irgend welche Summen
zu beschaffen. Diese Frage ist schwer zu beantworten.
Es sei hier nur auf einiges hingewiesen. Vom Jahi^e
1632—1640 sind die städtischen Abgaben von den Bür-
gern zum grössten Theil nicht entrichtet worden ■^^). Auch
die an den Kurfürsten zu entrichtenden Steuern, die
Tranksteuer, welche nach Scliocken angelegt war, und
die Landsteuer, die das Mobiliarvermügen und die Ge-
werbe traf, gingen seit 1632 äusserst spärlich ein. So
konzentrierte sich die Steuerkraft auf die Leistungen
für das Militär. Und als die Einzelkräfte so geschwächt
waren, dass das Resultat ihrer Konzentration nicht mehr
hinreichte, die Forderungen von Feind und Freund zu
erfüllen, setzte der Rath allen Vorrath an Geld und
Geldeswerth zu. Die Schatzkammer, welche eine an-
sehnliche Zahl süberner und vergoldeter Pruukgefässe
*••) Theatr. Eur. IV, 367.
•«■') ürüues Buch A, fol. 193.
^ö) Fascikel A, fol. 189.
^') Oiünes Buch C. fol. 18 flg.
Zur Geschichte der Stadt Zwickau 1639—1640. 321
barg, darunter solche von 4 und 6 Pfd., wurde nach und
nach geleert ^^). Das alles aber genügte bei weitem
nicht, die Kriegsfurie zu sättigen. Es mussten Kapitale
in der Höhe von vielen tausend Thalern aufgenommen
werden^^). Nicht unwahrscheinlich ist es ferner, dass in
Zeiten grösster Bedrängnis eingegangene kurfürstliche
Steuern im Interesse der Stadt verwendet wurden ■''*^).
Infolgedessen lastete denn auch später eme schier
erdrückende Abgabenlast auf der Stadt. Nach einer
Zusammenstellung aus dem Jahre 1647'^^) hatten die
Bürger 38 verschiedene Abgaben zu entrichten, die
durchweg allein zur Tilgung der Kriegsschulden verwen-
det werden mussten, darunter z. B. auch noch Abgaben
auf die Wallensteinischen und schwedischen Ranzions-
und Brandschatzungsreste. Die meisten Nummern jenes
Verzeichnisses aber beziehen sich auf die Tilgung der
Kontributionsreste für die in den dreissiger und vierziger
Jahren in der Stadt gelegenen kurfürstlichen Besatzungen.
In der Begräbnisordnung vom 20. März 1654 wird darauf
liingewiesen , dass sich seit 1633 die Stadtbevölkerung
nicht wesentlich vermehrt habe, da wegen der hohen auf
der Stadt liegenden Kontributionslasten fremde Leute
sich scheueten, nach Zwickau zu ziehen'^^).
*8) Vergl. Urkundenrepert. Alme 3, fol. 22 b und Grünes Buch A,
fol. 193 b.
49) Fascikel A, fol. 148 und 189.
50) Grünes Buch C, fol. 178-, fol. 2, Punkt 9 und 19; Rathsprot.
vom 20. Dezember 1639.
51) Grünes Buch A, fol 196.
52) Rathsschulbibl. Mise. T. IV.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 3. 4. 21
X.
über die Asiatische Banise.
Zur Erinnerung an den ersten Druck im Jahre 1688.
Von
Georg Müller-Frauenstein.
Unter den Romanen, welche im Jahrhundert des
grossen deutschen Krieges innerhalb der Grenzen Kur-
sachsens das Licht der Welt erblickten, mag wohl die
„Asiatische Banise oder blutiges, doch muthiges Pegu"
der bedeutendste sein; der am meisten gelesene ist es
jedenfalls. Seine Beliebtheit in unserem Vaterlande,
welche von 1688 bis 1766 nicht weniger als 10 Auflagen
veranlasste, die Fortsetzungen, Nachahnuuigen, Umarbei-
tungen in Operntexte, Trauerspiele und Novellen müssen
schon an und für sich der Kulturhistoriker Aufmerksam-
keit erwecken. Konnte doch Gottsched 45 Jahre nach
dem Erscheinen dieses Werkes sagen, bis auf ilm habe
sich noch kein Mensch daran gemacht und seine Fehler
nachgewiesen.
Für unser engeres Vaterland liat er nun ein beson-
deres Interesse insofern, als der Verfasser, Heinrich
Anselm von Zigler und Kliphausen, zu den Lan-
deskindern gehörte, sein ganzes Leben hier zubrachte
und- diese berühmteste seiner Schriften dem Kurprinzen
Johann Georg, dem späteren Kurfürsten Johann Georg IV.,
widmete. So sind wohl zur Erinnerung an die vor gerade
200 Jahren erfolgte Veröftentlichung einige Bemerkungen
über diese, den Eomanstil jener Tage neben Daniel
G. Müller-Frauenstein : Über die Asiatische Banise. 323
von Lohensteins Arminius und Thusnelda am besten ver-
körpernde, Dichtung nicht ganz unangebracht. Wirft
doch ein solches Werk Licht nicht nur auf den geistigen
Zustand des Verfassers, sondern auch der Lesewelt der
Zeit, und muss doch bei einem so seltenen Romanerfolge
die Frage nicht etwa so gestellt werden : Was wagte der
Verfasser seinem Publikum zu bieten? sondern: Was
verlangte es selbst, worin liegen im einzelnen die Gründe,
dass gerade diese Dichtergabe so ausserordentlichen
Jubel erregte? Eine, sorgfältige Untersuchung der Art
wird einerseits die Überzeugung erwecken, dass auch
diese Blume unseres litterarischen LTgartens, die in einer
besonders wüsten Ecke steht, ihren Duft hat und trotz
ihres grellen Farbentones das Ansehen verlohnt, andrer-
seits die kulturhistorisch wichtigen Wandlungen klar-
stellen, welche der Geschmack in unserem Vaterlande
seit 200 Jahren erfahren hat. Die Rücksicht auf die
Zwecke dieser Zeitschrift verbietet ein genaueres Ein-
gehen auf das erstgenannte Gebiet, erlaubt aber auf dem
zweiten das Hervorheben der allgemeiner wichtigen zeit-
geschichtlichen Anspielungen. Darin soll der Charakter
unseres km^zen Aufsatzes liegen.
In betreff der Person des Dichters verweise ich hier
nur auf die Einleitung Bobertags zu der neuesten, 1883
erschienenen Ausgabe der Banise, in Kürschners Deutscher
National -Litteratur Bd. 21, und auf Jördens Lexikon
Deutscher Dichter. Die Quellen fliessen nicht reichlich;
es ist aber kaum anzunehmen, dass in seinem Geburts-
orte Radmeritz in der Oberlausitz oder in Görlitz und
Frankfurt an der Oder, wo er die Schule und die Uni-
versität besuchte, sich neue erschliessen lassen, eher viel-
leicht in Probsthain und Liebertwolkwitz , deren Ritter-
güter er besass und wo er 1684 — 97, bis in sein Todesjahr,
sich aufhielt, oder endlich in Würzen, dessen Stift er als
Domherr angehörte. Als reicher, unat3hängiger Edelmann
lebte er ganz seinen Neigungen, die, weit ernster als die
der Kavaliere seiner Zeit, sich auf Wissenschaft und
Litteratur richteten ; er muss ausserordentlich viel gelesen
und eine Art einsiedlerischen Gelehrten- und Schriftsteller-
lebens geführt haben.
Die Früchte desselben liegen in dem Schauspiel „Der
tapfere Heraclius", dem historischen Roman „Asiatische
Banise", den zwei historisch-genealogischen Sammelwerken
„Täglicher Scliauplatz der Zeit" und „Historisches La-
21*
324 ö. Müller- Fraueustein:
byrintli der Zeit" und in dem wunderlichen, aber zwisdien
1G91 und 1734 viermal aufgelegten Buche „Heldenliebe
der Schrift alten Testaments" vor, einer Sammlung von
Liebesbriefen, von Adam und Eva an, mit erklärenden
Prosaeinleitungen. Die beiden zuerst genannten Werke,
das Schauspiel und der historische lioman, erschienen in
zwei aufeinander folgenden Jalu-en, 1687 und 1688; der
Dichter hat sie aber in noch engere Verbindung treten
lassen, indem er am Schlüsse des letzteren, als gross-
artige Hochzeitsfeierlichkeiten die endliche Vereinigung
Banises und ihres getreuen Balacin begleiten, das ganze
Theaterstück abdruckt, welches die Portugiesen in Pegu
auf „einem prächtig kostbaren Schauplatz nach Euro-
päischer Art" aus Dankbarkeit dafür auffühi^ten, dass
ihnen „ein fre3'-er Handel durch das gantze Reich zuge-
lassen w^orden". Dies Stück ist natürlich „die Handlung
der listigen Bache oder der tapfere Heraclius", es ist
nicht besser und nicht schlechter als die Durchschnitts-
w'are der zw^eiten schlesischen Schule und von dem Dich-
ter offenbar nur dem Gefolge der Asiatischen Banise
durch einen sehr einfachen Kunstgriff einverleibt, um es
bekannter zu maclien. Denn wenn auch ein gewisser
Parallelismus der Personen im Roman und in dem Schau-
spiel vorhanden ist, „wenn auch dieselben Mittel: Verklei-
dung, plötzlicher Überfall des im Augenblick wehrlosen
GeW' althabers, Unterstützung des kühnen Angreifers durch
von aussen eindringende Freunde, welche die Leibwache
des Tyrannen unschädlich machen, angewendet W' erden,
so ist doch der Kern der Fabel des Stückes insofern
ein anderer, als der Held hier selbst als Weib sich ver-
kleidet und in dieser Gestalt die Begehrlichkeit seines
Feüides entzündet. Die Befreiung einer heldenmüthigen
Braut und die Rache füi' einen ermordeten Kaiser ist aller-
dings in beiden Dichtungen das Endergebnis.
Doch wir kommen nicht weiter, wenn nicht eine ge-
drängte Inhaltsangabe des Romans die nothwendige Unter-
lage verschafft. Von den Namen, welche man der ganzen
Gattung gegeben hat, ist derjenige der heroisch-galanten
der am meisten bezeichnende. Heroisch und galant sind
aUe Helden und Heldinnen; von einer schärferen Tren-
nung der Charaktere, wie man sie in den guten epischen
und dramatischen Dichtungen der Gegenwart verlangt,
ist bei den Hauptpersonen nur insofern die Rede, als sie
in zwei Gruppen, die guten und die schlechten, zerfallen.
über die Asiatische Banise. 325
An der Spitze der ersteren steht nun hier der Prinz
Balacin von Ava in Hinterindien, welcher Banise, die
Tochter des Kaisers von Pegu, liebt, an der Spitze der
letzteren der Gewaltherrscher ChaumigTem, welcher durch
seinen Ehrgeiz eine Kriegsflamme, die ganz Hinterindien
erfasst, anfacht. Er ist zunächst ünterthan des Kaisers
von Pegu, erobert aber mit seinen Bramanern Martaban,
dann Pegu selbst, Prom und Slams Hauptstadt Odia,
alle unter den fürchterlichsten Greueln, indem er nur
ganz wenige Glieder der Fürstenfamilien verschont. Unter
diesen ist die schöne Banise in fast wunderbarer Weise
nach der grausamen Hinrichtung ihres Vaters gerettet
worden und befindet sich in Chaumigrems Gefangenschaft,
seinen Bewerbungen und den Zudringlichkeiten anderer
von ihrem Liebreiz entzündeten einflussreichen Personen
ausgesetzt. Auf dem Rückmarsche von Odia trifft des
Tyrannen Heer in einer furchtbaren Schlacht am Passe
Abdiara mit ihrem Bräutigam Balacin, der schon vorher
einen verunglückten Rettungsversuch gemacht hat, zu-
sammen und wird bis auf klägliche Trümmer, welche
sich nach Pegu retten, vernichtet. Um diese Stadt zieht
sich jetzt das Kriegs wetter zusammen, doch scheint der
unglücklichen Gefangenen Schicksal besiegelt, da Chau-
migrem, dessen Liebe in Hass umgeschlagen ist, sie dem
Kriegsgotte Carcovita zu opfern befiehlt. Der davon be-
nachrichtigte Balacin macht sich unkenntlich, schleicht
sich in die von ihm belagerte Stadt ein und befreit, von
treuen Freunden und unzufriedenen Dienern des neuen
Kaisers unterstützt, die Braut in demselben Augenblicke,
wo sie vor dem Altare den Tod erwartet, tötet den auf
ihn losstürmenden Chaumigrem und stellt den allgemeinen
Frieden wieder her. Nicht weniger als drei glänzende
Hochzeitsfeste, welche von dem neuen Fürsten Hinter-
indiens gemeinsam in Pegu gefeiert werden, bilden den
erlösenden Abschluss und einen befriedigenden Gegensatz
zu dem blutigen Schlachtgetümmel und dem verrätheri-
schen Doppelspiel, das unter Chaumigrem auf der Halb-
insel geherrscht hat.
Man sieht: an Handlung fehlt es dem Romane nicht,
der Schriftsteller kann sich vielmehr nicht genug thun,
neue Schwierigkeiten zu erfinden, welche das glückliche
Ende hinausschieben. Die Masslosigkeit , die Übertrei-
bung ist also, wenn wir die schöpferische Phantasie des
Di.chters als ersten Punkt genauer umgrenzen wollen,
326 ^- Müller-Frauenstein:
schon hier als augenfälligster Umstand festzustellen.
Wir verlangen heute weniger Einzelgerichte bei dem
Mahle, das uns vorgesetzt wird, aber besser zubereitete.
Es ist aber wirklich die Arbeit Ziglers selbst, nicht
etwa nur eine Umgiessung eines in fremder Sprache be-
handelten Stoffes, was als die eigentliche Eabel des
Buches angesehen werden muss. Und darin, wie in der
allgemeinen epischen Brauchbarkeit derselben werden
wir zwei anerkeunenswerthe Vorzüge finden, um derent-
willen Zigler aus den ßomanschrift stellern seiner Zeit
hervorgehoben zu werden verdient.
In den von ihm aufgezählten und von mir genau
verglichenen Quellen zu diesem Werke wird die (unge-
naunte) Tochter des Kaisers von Pegu, die Braut eines
(ebenfalls ungenannten) Prinzen von Ava „auf dem
Rucken ihres Vatters, den sie umhälsete, erwürgt".
Alles, was Zigler von den beiden Hauptpersonen zu er-
zählen weiss — und das ist doch eben der Inhalt seines
Buches — , ist Austiuss seiner frei waltenden Dichter-
kraft. Die beiden anderen fürstlichen Liebespaare, deren
Schicksal mit dem ihrigen eng verknüpft ist, sind in den
Quellen gar nicht vorhanden. Chaumigrom ist eine ge-
schichtliche Persönlichkeit; wie gewaltig ist diese aber
von dem Dichter umgewandelt! Aus einem Bruder des
grossen Königs von Brama, der diesem gesetzlich nach-
folgt, wird er zu einem Emporkömmling, auf den fast
alle Kriege und die Verwirrung in Ava, Martaban, Prom,
Slam und Pegu zurückzuführen sind. Er wächst dadurch,
dass ihm seines Bruders Thaten mit übertragen werden,
zu einem Napoleon Hinterindiens empor, zu einer gross-
artigen, wenn auch für unsern Geschmack zu grell ge-
zeichneten Persönlichkeit. Eine kunstvolle Steigerung
seiner Erfolge ist bewirkt, indem historische Feldzüge
aus den Jahren 1540—1585 ihm beigelegt sind und mit
dem grössten Siege, der Eroberung Siams, der Höhepunkt
erreicht wird. In Wirklichkeit trat aber erst unter einem
seiner Nachfolger, welcher zwar Ava bestrafte, aber vor
dem abgefallenen Siam abziehen musste, eine Art Rück-
schlag ein, während Zigler, den Forderungen der poetischen
Gerechtigkeit folgend, ihn selbst eine furchtbare Nemesis
erreichen lässt. So ist in wirklich kühner Weise aus den
verschiedensten Bausteinen ein gewaltiges, einheitliches Ge-
bäude aufgeführt, vor dem man nicht daran erinnert wird,
aus welchen Steinbrüchen das Material herbeigeholt ist.
über die Asiatische Banise. 327
Seine Quellen hat Zigler in grösserer Abhängigkeit
benutzt zur Lokalfärbung, also mit der künstlerischen
Absicht aller neueren Romanschriftsteller, die Leser in
die Örtlichkeiten und die Zeit der Handlung zu versetzen.
Die belehrende Absicht liegt dabei heute ebenso mit zu
Grunde wie vor 200 Jahren, nur dass die Schriftsteller
es damals offen aussprachen und die heutigen das leugnen,
auch wohl scharf getadelt werden, wenn sie „der Curieu-
site" ihrer Leser zu viel Beiwerk vorsetzen. Wer un-
befangen vergleicht, wird gestehen, Zigler versetzt that-
sächlich mehr als irgend einer seiner zeitgenössischen
Zunftgenossen in die Zeit und den Ort, wohin er die
Fabel nun einmal verlegt hat. Er sagt selbst in seiner
Einleitung: „Der Innhalt gleichet sich mehr einer histo-
rischen Beschreibung, als Helden-Gedichte", und auch
Cholevius stimmt mir bei in den Worten, „die Banise
verdiene allein einigermassen den Namen eines ethno-
graphischen Romanes". Wenn wii^ die Mischung des
Europäischen und Orientalischen in betreff der Ver-
kehrsformen, Kriegsereignisse u s. w. ausnehmen, so
bleibt von Anfang bis zu Ende das Hinterindien vor un-
seren Augen, welches in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts durch gewaltige Erschütterungen bewegt wurde.
Die Natur, die Pflanzen- wie Thierwelt, die Kleidung,
die Religion u. s. w. entsprechen dem; die Portugiesen
sind geschickt verwerthet, sie handeln in den verschie-
densten Städten mit europäischen Waren, lavieren zwischen
den einheimischen Parteien hin und her, lehren die bessere
Benutzung der Geschütze und geben durch ihren An-
schluss an die gute Sache, durch die Unterstützung Ba-
lacins, zwar nicht den Ausschlag in der Fabel, spielen
aber wenigstens eine auch uns Europäer befriedigende
angemessene Rolle.
An den Beschreibungen der Städte und Gegenden,
der Tempel und religiösen Ceremonien, der Einzüge und
Schaustellungen, der Schiffwettfalu'ten und Elefanten-
jagden können die Leser der., neueren historischen Ro-
mane, die mit Vorliebe nach Ägypten führen, unmöglich
Anstoss nehmen, zumal unser Held Balaciu in der Regel
dabei nicht nur einen müssigen Zuschauer spielt, sondern
Bewegung und Handlung in den Episoden herrscht und
neben der Lokalfärbung auch die Charakterzeichnung
gewinnt. Li Ägypten ermüden ebenso wie am Menam
oder an der L-awaddy die Paradestücke schliesslich die
328 G- Müller-Frauonstein :
leistungsfähigste Phantasie. Zugeben müssen wir nur,
dass die Anforderungen an die Thränendrüsen uns bei
Zigler doch unangenehmer werden; er arbeitet dabei
noch zu viel mit den Foltermitteln der Carolina. Muster-
stücke der Art sind die Schihlcrung der Feuerprobe in
Siam, der Menschenopfer in Pegu, der Hinriclitungeu in
Martaban, der grausamen Ermordung des Kaisers Xe-
mindo, des Vaters der Banise; eine fast henkermässige
Lust an der Ausmalung der Qualen stösst uns da ebenso
zurück wie die Vorliebe, mit der in manchen der berühm-
testen Novellen unserer Zeit ungewöhnliche, krankhafte,
den unbetheiligten Zuschauer geradezu nervös aufregende
und peinigende Seelenzustände in den Vordergrund ge-
stellt werden.
Füge ich noch hinzu, dass die Vertheilung des Stoffes
in die drei Bücher des Komans sehr schwerfällig ist, in-
dem fast die Hälfte des Buches aus Erzählungen der
Vorgeschichte am Bette des verwundeten Balacins be-
steht und in diese wie in die zweite Hälfte eine Menge
von Gedichten und Bliefeu eingeüochten sind, dass aber
in dem inneren Ausbau der Fabel der Dichter eine nicht
gewöhnliche Gewandtheit verräth, so habe ich für unse-
ren Zweck genug gesagt; die Begründung besonders des
letzten schwerAviegenden Urtheils gehört an einen an-
deren Ort.
Dagegen wird es von Interesse sein, die direkten
Anspielungen des Verfassers auf europäische Verhältnisse
seiner Zeit zu mustern. Da fällt zunächst die aus 132
Alexandi'inern bestehende, vom 16. August 1688 datierte
Widmung an den Kronprinzen Johann Georg in die
Augen. Sie ist in überschwänglichem Tone gelialten,
preist den Empfänger in den wärmsten Worten und setzt
den Werth des Romans übertrieben herab. So heisst es:
Schau nicht die Würdigkeit des schlechten Werkgens an,
Die Unvollkommenheit hat solches auferzogen.
Der Sonnen Majestät zeucht von der Erden-bahn
Den Dunst, und schafft daraus die schönsten Regenbogen:
Und ein dui'chlauchter Blick vergöttert Werk und Kiel,
Das seinem Wesen nach nur Finsterniss verdienet.
Die Verehrung des Fürstenhauses sprechen am kräf-
tigsten die Zeilen aus:
Des Vaters Helden Art, der Mutter Tugend-Glut,
Hat sich genau in Dil', Du grosser Printz verbunden.
Es quillt, es flammt, es brennt, das theare Sachsen- Blut,
Das sich zum vierdten mahl hat rühmlichst eingefunden,
über die Asiatische Bauise. 329
Im Nahmen, welcher längst mit diamantner Schrift
Den Sternen einverleibt. So kann ein Held nicht sterben,
Wenn GOtt, Natur und Er ein solches Denckniahl stifft.
Das in gevierdter Zahl die tugend pflegt zu erben. ■
Es jauchtzt das frohe Land, der treue Unterthan
Lässt sich mit Nektar-kost der süssen Hoffnung speisen:
Die hohe ßaute sey befreyt vom Todeszahn,
"Weil noch der werthe Stock kann Printz und Zweige weisen. . .
Bellona leget sich den Blitz der Waffen an.
Und will durch Heldenart dem Printzen sich vermählen.
Denn weil des Dritten Ruhm besiegt der Sternen Bahn,
So kan unmöglich es ihr bey dem Vierdten fehlen.
Der Umstand nun, dass gerade dem Sohne des säch-
sischen Mars, der leider durch einen plötzlichen Tod
1694 am 24. April im 26. Lebensjahre nach nur zwei-
undeinhalbj ähriger Regierung seinem Lande entrissen
wurde, unser Buch von einem kursächsischen Edelmanne
gewidmet wurde, lässt die politischen Bemerkungen in
demselben von besonderem Werthe erscheinen; sie sind
nicht selten von einem Freimuthe, dass sie sich über das
Zeitalter Ludwigs XIV. zu erheben scheinen. Des
Schriftstellers eigenste Ansicht ist es zweifellos, die der
ehrwürdige Oberpriester Korangerim, der sich schon
früher durch kluge Rathschläge hervorgethan hat, bei
der Kaiserkrönung in einer langen Rede an den dem
Namen nach „gewählten" neuen Fürsten Balacin aus-
spricht. Er warnt ihn vor Begünstigungen, vor Zorn,
(denn „der Zorn ist eine Motte, welche den Purpur ver-
derbet"), vor Neid und besonders vor unbesonnenen
Reden. „Der Fürsten Worte sollen, weil sie von jedem
erwogen werden, zuförderst wohl auf der Wageschale
der Bedachtsamkeit abgewogen seyn". Dann fährt er
fort: „Haltet dieses vor gewiss, dass die Laster eines
Fürsten mit tausend Augen bemercket werden. Ja der
Vorwitz ist das Fern- wo nicht Vergrösserungsglafs, wo-
durch auch die geringsten Finsternisse der Regierungs-
sterne aufgezeichnet werden. Denn was sind die Fürsten
anders als irdische Planeten, in welchen sich die gött-
liche Sonne der Gerechtigkeit zur Regierung des Erd-
bodens ausbreitet? Den guten Nahmen haltet höher, als
das Leben, denn dieser ist eine Fackel, welche auch im
Tode brennet". Dann mahnt er ihn, durch die „zwey
Flügel der Tugend und Tapferkeit" sich über seine Vor-
eltern empor zu schwingen und auf seine Nachkommen
Rücksicht zu nehmen. „Vor allen Dingen aber befestiget
eure Majestät durch die Gesetze mit Gerechtigkeit:
330 G. Müller Frauenstein:
denn das Gesetze ist eine schweigende Majestät und
die Majestät ein redendes Gesetze. Diesem allen nun
soll die Gottseligkeit, wie das Gold dem Silber, vor-
gehen: denn in derselbigen bestehet des Reiches Feste
und die Hoffnung aller Siege". Weitere gute Regeln
lauten: „Fället euch etwas ungemeines und schweres
vor, so l3erathet euch mit den Gelehrten, und verachtet
solche nicht: denn die AVeilsheit ist des Reiches Ancker
und ein Compali^ der Fürsten". „Die Liel)e der Unter-
thanen ist die beste Festung und die Furcht eine Stütze
der Majestät". Der Kenner des Hofes spricht aus den
AVorten: „Die geheimen Anschläge eures Hertzens ver-
trauet euch allein, und lernet die Klugheit von der
Schlange, welche durch ijfftere AVendung ihren Lauff un-
wissende macht. Denn ein Mensch ist das unbeständigste
Tliier, welchem niemahls zu trauen. Ja ein Hoffmann
schreibet die Wohlthaten in Wachs, die Schmach in
Marmel, und was er andern gutes erwiesen in Ertzt.
Daher schlafet unter euren Leuten mit offenen Augen,
weil sich offt die Heucheley unter den Mantel der Tugend
verstecket. Liebet getreue Rätlie, und befördert die
alten: denn ein Fürst, welcher so viel reden und hören
nmss, sollte billich von lauter Augen und Ohren zu-
sammengesetzet seyn". Endlich kommt er zu dem
menschenfreundlichen Schlüsse : „Beschweret die getreuen
Unterthanen nicht mit allzu grossen Auflagen, und be-
denket, dass dieses kein Hirte, sondern ein Tyrann ist,
welcher sich nur selbst weidet, und den armen Schafen
das Futter entzeucht. Handel und Wandel erhaltet als
die Angeln des Reiches, in welchem die Tliür des Reich-
thums auff- und zugehet; und wie solcher durch Friede
am besten unterhalten wird, also suchet selbigen durch
Stahl oder Gold, und fanget keinen Krieg an, als nur
den Frieden zu erlangen, welches denn öffters mehr durch
Rath als Waffen geschiehet".
Dass diese Rede bei Balacin auf einen guten Boden
fallen werde, können wir schon aus der vorhergehenden
Proklamation sehen, die er durch seine Herolde in-den
noch von Blut rauchenden Strassen Pegus bekannt machen
lässt. Sie klingt, als sei sie in Deutschland, 40 Jahre
vor dem Erscheinen der Banise, nach dem dreissigj ährigen
Kriege erlassen worden. „Heute sollen sich alle Sebel
in Pflugschaaren, die Spiese in Egen und die Lantzen in
AVeinpfähle verkehren. Der Friede soll unsere Mauern
über die Asiatische Bauise. 331
besitzen, und die Sicherheit soll vor jedem Hause ihre
Fahne aufstecken. Nun soll der Pflug getrieben, Handel
und Wandel fortgesetzet, und die Handwercke vor die
Hand genommen werden. Was vergraben und verborgen
gewesen ist, soll herfür gezogen werden, und durch alle
Hände gehen . . . Die bilshero schweigenden Gesetze
und die schlafende Gerechtigkeit soll hingegen ihr Schwert
wiederum ergreilfen, und nur die Laster bekriegen. Die
Väter, welche bishero wider den Lauf der Natur ihre
Kinder begraben haben, sollen nunmehro von ihren Kin-
dern in Frieden zur Euhe gebracht werden. Der Adel
soll nunmehro vor dem gemeinen Volcke erkennet, alle
Verwirrung abgethan, und alles in friedliche Ordnung
gesetzet werden". Eine allgemeine Amnestie schliesst
diese Bekanntmachung.
In offenbar beabsichtigtem Gegensatze zu diesen
guten Plänen der neuen Regierung steht, was Zigler
von dem Verfahren des Unholdes Chaumigrem erzählt.
Diesem hatte der frühere Oberpriester auch einmal ins
Gewissen zu reden gesucht mit den Worten: „Alle Herr-
schafften, darinnen man allzu viel Schärffe brauchet, be-
stehen nicht lange. Wo Recht ist, da muls auch Gnade
seyn; diese beyden zieren einen Monarchen wie Sonne
und Mond den blauen Himmel, und hierdurch kann er
nur den Göttern am nechsten kommen. Ein Regente
ist auch an die Gesetze gebunden, dals er nicht allent-
halben frey zu verfahren hat. Ratio Status aber ist liie-
gegen die verdammte Rathgeberin, dafs man weder Vater
noch Mutter, weder Kinder noch Geschwister, weder
Treu noch Glauben, weder göttliches noch weltliches Ge-
setze verschonet, sondern dui'ch List, Falschheit und
Tyranney alle Rechte unterdrucket, die Unterthanen ins
Elend stürtzet, sich aber selbst ein schreckliches Ende
auff den Hals zeucht". Chaumigrems Gesinnung dagegen
macht sich in den Worten Luft: „Was Rechte? Was
Treu und Glauben? Vermaledeyet sei das Gesetze,
welches die Macht eines freyen Königes einzuschrencken
sich bemühet. Ratio Status ist die eintzige Richtschnur
grosser Herren, und hat die Gerechtigkeit zur Stieff-
schwester".
Bei anderen Gelegenheiten verräth Zigler üi seinen
Anschauungen über die verschiedenen Stände das etwas
verbitterte Gemüth oder wenigstens die melancholische
Stimmung des Einsiedlers. Scandor, der treueste Diener
332 G. Müller-Frauenstein:
Balacins, die am lebensvollsten gezeichnete Figur des
Romans, sagt z. B.. er habe sich am allermeisten ge-
liiitet „vor der gemeinen Hofpest, ungemessener Einbil-
dung". Andrerseits klagt Talemon, der älteste und er-
gebenste Anliänger Banisens, einmal, bei dem Einzüge
Chaumigrems habe er „ein rechtes Beyspiel des wancken-
den Pübels gesehen, wie wenig auf dero beständige
Treue zu verlassen sey". Klagen über die Verletzungen
der Sitten gesetze sind überliaupt etwas so häufig Einge-
streutes, dass man deutlich erkennt, es war Zigler ernst
damit, seine Leser vom Busen abzuschrecken. Er ist
entschieden nicht frivol; ebenso wenig wie er in seiner
Sprache den Franzosen nachläuft, ebenso wenig thut er
es in der Gesinnung. Klingt es niclit wie eine breitere
Ausführung eines Epigrammes von Logau, nur dass man
die Worte mehr auf Europa als Asien beziehen muss,
wenn Balacins Schwester Higvanama sagt: „Freylich ist
es zu beklagen, ja mit blutigen Thränen zu beweinen,
dass unser asiatisclies Frauenzimmer fast mehr Cometen
als reine Sterne blicken lasset; da eine bereits durch
das Band der Liebe gebundene Venus den Wechsel der-
massen liebet, dafs öffters die sämtlichen Planeten nicht
gnugsam sind, sie durch ihren Einfluls zu stillen. Und
brennet ja noch wo ein reines Licht, welches sich keine
Lasterwolcke will schwärtzen lassen, so heissen dessen
Stralen einfältig". In den zahllosen Gesprächen, die
über Geschlechtsliebe in dem Romane vorkommen, spie-
gelt sich die Zügellosigkeit der Zeit in dieser Beziehung
ebenso wieder wie des Schriftstellers lebhafter Wider-
wille dagegen. Der ebengenannte Scandor weiss darüber
wie über die Liebe der Geschwister unter einander und
zu den Eltern, über Ehe und Jnnggesellenthum am inter-
essantesten Ziglers Ansichten wiederzugeben. „Eine
Grundregel der heutigen Welt" klingt, als ob sie auch
auf die Junggesellen des 19. Jahrhunderts passte: „Ein
Pfund Gold mufs im Heyrathen einen Zentner Tugend
überwiegen". Und das Bild, das uns von der Denk- und
Handlungsweise der Frauen entworfen wird, stimmt ganz
zu der Mätressen wirthschaft des 17. Jahrhunderts; als
leuchtende Gegenbilder stellt unser Buch aber in den
drei Bräuten Banise, Higvanama und Fylane Muster an
Keuschlieit und Treue auf. Endlich müssen wir als einer
besonders bezeichnenden Gestalt dieses vor 200 Jahren
geschriebenen Romans dem liebenswürdigen Schwerenöther
über die Asiatische ßanise. 333
Scandor einige Worte widmen. Er fühlet wie keine an-
dere unmittelbar in die Zeit ein, wo höfische Gewandt-
heit und selbstlose Unterwürfigkeit unter eines Füi^sten
Gebot und Literessen das höchste äussere Glück ver-
anlassten. Er stammt aus einem alten adeligen Ge-
schlechte von Ava, muss das väterliche Haus meiden,
weil eine junge Stiefmutter ilmi nachstellt, macht sich
im ersten Kriege als „Hellebardierer" bei der Leibwache
um den damals fünlzehnj ährigen Prinzen Balacin ver-
dient, indem er ihm das Leben rettet, wird sofort zum
Hauptmann ernannt und erlangt nun durch die Gunst
des Prinzen ein solches Glück, dass er zuletzt als festeste
Säule des neugegründeten liinterindischen Kelches neben
dem Throne der unvergleichlichen Banise und ihres Bala-
cin steht, in alles, was diese beiden Hauptpersonen be-
trifft, eingeweiht wie niemand sonst, ihres Vertrauens
aber auch in jeder Hinsicht werth. Denn er hat seinen
Herrn nicht nur das eine Mal, sondern mehrmals aus
Lebensgefalu^ befreit, opfert sich blind füi" ihn auf, lässt
sich zwei Mal für ihn gefangen nehmen und windet sich
aalglatt durch alle Verwickelungen hindurch. Seine
frische, leichtlebige Natur, sein scharfer Blick, seine
Entsclilossenheit in entscheidenden Lagen, seine Menschen-
kenntnis und seine Kühnheit machen es erklärlich, wenn
ihm schliesslich alles gut ausfallen muss, so oft auch der
Himmel über ihm einzustürzen droht. Die ganze Erschei-
nung dieses Mannes, welche Gottscheds Zorn 1730 ganz
besonders auf sich zog, legt die Vermuthung nahe, dass
dem Dichter füi^ sie eine historische Persönlichkeit vor-
schwebte. Wer kann sie finden?
XL
Kleinere Mittheilimgen.
1. Zaubersprüche und Sej?en aus sächsischen
Tisitationsakten.
Von Georg Müller.
Unter den schweren Sclicäden des sittlich -religiösen
Lebens, welche die kursächsische Yisitationsordnung vom
Jaln^e 1578 in überaus ernster Weise beklagt, wird auch
die Zauberei genannt^). Welche Verbreitung sie genoss,
welche Rolle sie in der Bevölkerung, namentlich des
Erzgebirges und Vogtlandes, spielte und welch viel-
gestaltige Form sie annalun, davon geben uns die Akten
der unmittelbar vorausgegangenen Visitationen zahlreiche
Belege-). Ist der Bericht auch oft sehr allgemein ge-
halten, so gestatten uns doch eine Keihe von Angaben
einen Einl)lick in die mannigfachen Erscheinungen des
Volksaberglaubens.
Meistens sind es Frauen^), die mit ihren Zauber-
^) Dresdner Rathsarchiv A. II. 66. Des (liirchlauclitigsten . . .
Herrn August! .... Verordnung vnd Befehl .... auff die neg.'^t ge-
haltene zwo Visitationcs Drefsden. 1578. Bd. 195 'j; „Zauherey,
Drachenhalten, Segensprechen, vnd diesen Abgöttischen künstlern
vnd Verführern, one einige strafte anhengen vnd zulauften, werde
gantz gemein erfahren".
") Log. 2012. A' isitationsprotokoUe des Konsistoriums Dresden.
1578. (Im folgenden angeführt unter der Ahkürzung D mit bei-
gefügter Blattzalil.) Loc. 2002. Extrakt aus der Visitation der in
das Konsistorium Jjoipzig gehörigen Sui)erintendeiituren. Anno 1578.
(Angeführt unter der Alikürzung E mit beigefügter Blattzahl.)
Loc. 1994. Visitation des Leipziger Creyfses. (Angeführt unter
der Bezeichnung L mit beigefügter Blattzahl.)
2) Ausserordentliclies Ausehen genoss eine Wahrsagerin zu
Waldkirchen bei Crimmitschau. E 98^ 101 a. 105«. 177». 132-\
Vergl. auch 166''. 177^ 180''. Ausserdem wird sie erwähnt L 157".
Kleinere Mittheilungen. 335
klmsten den Bedürfnissen namentlich der ländlichen Be-
völkerung entgegenkommen. Die einen können Mütter
in Kindesnöthen schützen^), kranke Kinder messen^') und
Wunden '^X Rheumatismus'), sowie Zahnschmerz *) heilen ;
andere verstehen Verzauberungen des Viehes zu heben ^)
und Verhexungen der Milch entgegenzuwirken^*^); noch
andere wissen Verlorenes durch das Laufen des Siebes
wieder herbeizuschaffen^^), oder mit dem „Alraunichen"
verborgene Schätze zu heben ^-j. Natürlich wird der
Drache mehrfach erwähnt ^^). Auf das Geisterreich selbst,
namentlich die Eiben ^^), erstreckt sich ihre Thätigkeit.
Werden diese Wunderthäterinnen zur Rede gesetzt oder
gefänglich eingezogen ^^), so suchen sie sich wohl „mit
weinenden Augen" zu entschuldigen^'^), während andere
sich darauf berufen, die Welt wolle betrogen sein^'). In
der Regel bleibt es bei emer Verwarnung; einmal wird
ein silbernes Schock Groschen als Strafe bezeichnete^).
Neben diesen Angaben finden sich eine Reihe von
Zaubersprüchen und Segen, die ich unter kurzem Hinweis
auf die einschlagende Litter atur^'') zum Abdruck bringe.
I. jyiorgensegen^").
Ich greiff heut an diese vberthur,
Alle meine Sachen gehen mir heut für,
Es begegneten mir heut drey menner,
Das ein war Gott der Vatter,
Das ander Gott der Sohn,
Das dritte Gott der heilige Geist,
Der behüt mir heut mein blut und fleisch.
291 1^- Eine Wahrsagerin aus Böhmen wird genannt B llSa- D 354 1^-,
eine „aus dem wendischen Lande" D 160''- Ein Mann unterstützt
seine Frau E 331 1»- Zu Oberreichstädt giebt ein vertriebener Prä-
dikant, der junge Lasius, vor, wahrsagen zu könnenE 267 b. Ausser-
dem beschäftigten sich die Zigeuner mit Zauberei L 64''- L 511 »•
i\ E 1751'- — ■•) E 331b- E 338b. _ 0) E 328a. — ') L 566b.
— 8) E 176 b. L 480 a. _ 9) E 331b. _ lO) l 666 b. E 309 b.
D 432. — ") E 310 a. E 135 a. _ 12) E 328 «• E 214 a. _ iS) E 116 a.
D 520b. Der Pfarrer zu Cranzahl sagt aus: „De magis nihil habet,
hatt manchmals den Drachen sehen selber fliegen; weis aber nicht,
wo er hienkomme oder von wannen".
1*) „Die Blbenn segnen" E 308 b. E 338 b. in Heroldshausen
, schüren sie noch das Johannisfeuer , hencken rosen, blumen vnd
kreuter aufs vnd vff Walpurgis krenze, dorn und meyen wieder die
Hexin^ E 369 b. Dies wird verboten. E 373 a.
15) E 278 • — 16) D .536. - ") E 347a. _ "s) d 197a.
19^ Vergl. W. Scherer, Geschichte der deutschen Litteratur.
Berlin 1883. S. 7. 724. 15. 16. 725.
20) L 613 b. —
336 Kleinere Mitthoiluiigon.
IL Kindessegen"^).
0 liebe Maria,
verleihe mir dein weises kleidt
zu meiner sauren arl»eitt.
Ich wil dirs wieder heimsenden mit sieben Vaterunser etc.
III. Segen für kranke Kinder22).
Zwene die mich sahen, vnd einer der mich wiedersähe, der
eine (rott Vater, der ander Got Sohn, der dritte Gott der heilige
Geist, die geben dier wieder dein blut und fleisch. Im namen des
Vaters etc.
IV. Elbenvertreiben-»).
Die heilige Dreifaltigkeit, Gott Vater, Solm vnd heiliger Geist
vnd Sunt Johans Evangelien müssen Dier Deine Eiben vertreiben.
Im namen des Vaters etc. Darauf müssen drey Vaterunser gebetet
werden.
V. Blutsegen-i).
Das waltt gott vnd die heiligen fünf wunden.
Das die sechste weder schwere noch schwelle.
Das zalile ich dir zur bufse im namen des Vaters, des Sohnes
und heiligen Geistes.
Gott behüte vnd beware vns.
Bilbes schusse'-") lege dich, zeuch naus in
Steinfels vnd komme nimmer mehr in mein
Haufs, das sei dir N. zur bufs gelegt. Im
namen des Vaters, Sohnes vnd heiligen Geistes etc.
VII. Für die Schüsse und wehthun der zehne").
Ihr Biblitze-^), habt ihr mich geschossenn, so wollen wir euch
wieder suchenn vnd mit mistwasser begissenn. Das zahle ich dir
zur bufse im namen des Vaters, Sohnes vnd heiligen Geistes.
VIII. Gegen ZahnwehS").
Fare aus im namen des Vaters, Sohns vnd heiligen Geistes
inn ein steinkluflt, das es niemandts schade.
IX. Das man das viehe nicht bezaubern könne^").
Ich nim ein sichel in meine band vnd sprech:
Ich schlage dich mit meiner taufschwingen.
Das keine Zauberinnen
Meine Milch kan gewinnen,
Weder aussen noch innen.
") E 175 b. _ 22) E 331b.
2») E 338b. Vergl. über die Eiben K. Simrock, Handbuch
der deutschen Mythologie mit Einschluss der nordischen. 10. Aufl.
Bonn 18H4. S. 456 flg.
*■*) E 183 "• — s"') E 168 •'.
2") Über Bilbes schusse vergl. J. Grimm, Deutsche Mythologie.
14, 391. IU4, 137.
2') E 176« — 28) Yergl. Anm. 26. — 2») L 480 "• — »o) L 613 b.
Kleinere Mittheihingen. 337
Als wenig als vnser liebe fraw ein andern söhn kan gewinnen,
Als wenig das heylige creutz kan zubrechen,
Als wenig soll dich ein falscher mensch vbersprechen.
X. Zur Heilung des Viehes^^).
Kj-öt'^'^), du hast dich vermessen,
dein eigen haus hastu besessen,
du wollest werden wie ein haus;
verschwindt wie der schwarzman verschwant,
der die wind wandt, vnd Gott den Herren bandt.
Das zahl ich dir zu lob und bufs.
Im nahmen des Vaters, Sons vnd des heiligen Geists.
XI. Item wenn one (eine) kue der vnflat hat^^).
Kröte, du hast der kue ihr blut und fleisch besessen.
du hast in willens zu werden
So gross als himel und erdeu,
das bufse dir der man,
der am heyligen Creutze hang^^).
2. Strafrechtsgeschichtliche Findlinge.
Mitgetheilt von Th. Distel.
Ehebruchsstrafe für einen Pfarrer (1552).
Der Pfarrer zu Schönbrunn bei Wolkenstein in
Sachsen, Georg Thiel, war verheirathet und hatte sechs
Kinder. Mit einer in seinem Hause als Magd dienenden
Verwandten pflegte er 1553 verbotenen Umgang und
schwängerte dieselbe. Er wurde abgesetzt und zum
Tode verurtheilt. Auf vielseitiges Bitten milderte der
Kurfürst Moritz jedoch diese Strafe in Landesverweisung
nach abgeleistetem Urfrieden. Bevor Thiel das Land ver-
liess, musste er am 23. Oktober genannten Jahres und
an den zwei folgenden Soimtagen während der Predigt
vor der Kirche zu Wolkenstein mit einem weissen Stabe
m der Hand, weitere drei Sonntage in der Kirche vor
dem hohen Altar stehen und des dortigen Pfarrers „mit
ihm zu haltenden procefs abwarten". Am letzten der
sechs Sonntage wurde ihm Absolution ertheilt und das
Abendmahl gereicht^).
81) L 166 b.
32) Vergl. C. Meyer, Der Aberglaube des Mittelalters und der
nächstfolgenden Jahrhunderte. Basel 1884. S. 79 flg.
33) L 613 1--
3*) A. Kulm erwähnt einen Zauberspruch nach einer sächsischen
Aufzeichnung, die von der Hagen aus Dresden mitgetheilt worden
war. Vergl. A. Kuhn, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung.
XIII (1864), 55.
1) K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc. 9703, Georg Thielen etc.
Neues Arcüiv 1". S. G. u. A. IX. 3. 4. 22
338 Kleinere Mittlieilungen.
Eine metallene Gerichtshand.
Im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit (Nr. 8
von 1881) machte ich Mittheilungen über die 1 Kilo
schwere messingene Gerichtshand zu Geising und deren
zwiefache Verwendung nach den Statuten genannten
Ortes vom Jahre 1G90. Der Richter hatte dieselbe
immer bei sich zu führen, um den Gehorsam der Par-
teien daran geloben zu lassen, bez. dem Ungehorsamen
„einen guten Streich" damit zu geben. Vor einiger Zeit
kam mir abermals eine metallene Gerichtshand in der
Sammlung des Wirthes Münzberg auf der Burgruine
Tollenstein in Böhmen zu Gesicht, welche Eigenthum
der Stadtgemeinde St. Georgenthal an der böhmischen
Nordbahn ist. Dieselbe ist ein wenig kleiner und leichter
als die früher von mir beschriebene und hat einen etwas
längeren geschnittenen Holzgritf als jene. Überhaupt
scheinen an der sächsisch-böhmischen Grenze die Gerichts-
hände häufig vorzukommen ; so soll eine solche auch noch
in dem Städtchen Bensen aufbewahrt werden. (Vergl.
übrigens auch den angezogenen Anzeiger 1882, No. 3 u. 10.)
Nachrichten
über die Wurzener „Schandflaschen".
Das Tragen der Flaschen (Büttelsflaschen, des Pag-,
Laster- oder Klapp erstein s , des Schandkorbs ^) , der
Katze u. s. w.), zu welcher Strafe Frauen Avegen ehren-
kränkender und verläumderischer Reden sowie verursach-
ter Zänkereien und Baufereien verurtheilt zu werden
pflegten, findet ein Seitenstück in den Wurzener
„ S Chan df laschen"^). Noch im Jahre 1740 hat der
Rath genannter Stadt diese Strafe verhängt und sie
durch öffentlichen Anschlag bekannt gegeben. Derartige
Massnahmen wurden ihm jedoch unterm 14. August
des gedachten Jahres ernstlich verwiesen. Die Wur-
zener Flaschen waren aus Stein^), nicht, wie z. B. die
1) VergL Grimm, Deutsche Reclitsalterthümer (1828) S. 726.
-) Vergl. Carpzov, Pract. nov. (1652), Ind. s. v. „numellae"
und üengler, Deutsche Stadtrechtsalterthümer (1882) S. 134 flg.
3) "Welches Gewicht und welche Ahzeichen sie hatten, konnte
ich leider nicht ermitteln; die Bautzner „Büttelsflaschen"
wiegen ca. lö kg, die zu Dortmund und Halberstadt wogen nach
den Statuten von 1348 „einen Centner". Die Bautzner Fla-
schen und die Mühlhausener (i. E.) „Xlappersteine" — noch
1798 im Gebrauche — haben, bezw. hatten entsprechende Inschriften
in Versen (vergl. Moschkau, Saxonia 1876).
Kleinere Mittheilungen. 339
ZU Kalau, aus Holz. Die Delinquentinnen mussten
dieselben eine gewisse Strecke weit öifentlicli tragen.
Noch in späterer Zeit befanden sie sich auf dem Rath-
hause zu Würzen; wohin sie alsdann gelangt seien, ver-
mochte mir der Rath der genannten Stadt, der von
dem früheren Vorhandensein dieser Flaschen überhaupt
nichts wusste, nicht anzugeben. Unterm 3. August
1741 kam die Stiftsregierung daselbst bei dem Kur-
fürsten Friedrich August II. zu Sachsen darum ein, dass
dem Stadtrathe erlaubt werde, „das Laster der Hure-
rey mit dem sogenannten Flaschentragen, die Garten-
deuben aber mit Ausstellung der Delinquenten am
Pranger, wie vor diesen gewöhnlich gewesen, zu
bestrafen. Der Kurfürst befahl hierauf der Landesregie-
rung (20. Mai 1743), sich gutachtlich in der Sache zu
äussern, wonach dieselbe unterm 19. Juni 1743 vorschlug,
„diesem Gesuche keineswegs statt zu geben"*). Über
andere dergleichen Flaschen in Sachsen und anderwärts
berichtet Moschkau in der „Saxonia" 1876, SS. 53, 59.
3. Eine Inschrift ans der Regieruugszelt des Kur-
fürsten Johann Georg I. von Sachsen.
Mitgetheilt von Theodor Distel
Auf einem 3 Meter 23 Centimeter langen Streifen
im K. S. Hauptstaatsarchive ^) befinden sich di-ei Zeilen,
welche in 'd'-^j^ cm hohen Initialen folgende Inschrift auf
ein von Johann Georg I. erneuertes Festungswerk (wel-
ches und wo?) ohne Zeitangabe enthalten:
Diix avus augustam hanc Angnstiis condidit arcem,
Ensiger imperii patriae in Misnensibus arvis,
Cura bis ensigerum haue fecit reparare nepotum,
Ex jussu primum Christiani nempe secundi,
Jamque iterum jussit janus renovare Georgus,
Ensiger imperii sacrique vicarius olira
Imperii, ut Caesar Rndolphus liqiiit habenas,
Et nondum Caesar Matthias sumsit habenas.
*) Nach den Akten des K. S. Hauptstaatsarchivs: III. 25.
fol. 115. No. 5.
^) K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc. 4447 Inschrift etc.
%V
Literatur.
Geschichte der Sächsischen Klöster in der Mark Meissen und
Oborlaiisitz. Von Hermann Gustav Hasse, Lic. theol., Dr. phil.,
em. Pfarrer und Superintendent, Kircheurath etc. Gotha, ¥. A.
Perthes. 1888. VIII und 317 SS. 8".
Seitdem Chr. G. Fix in dem dritten Theile seines Könighch
Sächsischen Kirchenstaates (Freyberg, 1807) S. 97 — 211 eine Zu-
sammenstellung der sächsischen Klöster gegeben, ist für die Kenntnis
der Geschichte derselben dui-ch Veröffentlichung urkundlichen Mate-
rials, wie durch Verarbeitung desselben in monographischer Darstel-
lung so viel geschehen, dass eine zusammenfassende Behandlung als
eine verlockende und dankbare Aufgabe erscheinen muss. Freilich
würde dieselbe nur dann ihren Zweck ei-füUen, wenn sie ausser den
gedruckten Urkunden die noch nicht verwertheteu Schätze der Archive
ausbeutete, eine umfangreiche Arbeit, deren Schwieiigkeit sich deut-
lich zeigt, wenn man die stattlichen Eegisterbände des hiesigen
Hauptstaatsarchivs durchblättert, abgesehen von den Schätzen, welche
die Kathsarchive einzelner Städte bergen.
Prüft man auf Grund dieser Forderung die vorliegende Schrift,
so ist man überrascht zu sehen, dass Verfasser auf eine Ausbeutung
uugedruckter urkundlicher Quellen fast durchweg verzichtet. Es
muss daher die Darstellung sebr ungleichmässig ausfallen, indem die
Klöster, über welche die Urkunden im Codex diplomaticus Saxoniae
regiae noch nicht publiziert und andere Quellen nicht eröftiiet sind,
nur skizzenhaft behandelt werden können. Aber auch die Benutzung
der l)ekanntcn Urkunden und der in Zeitschriften verstreuten ]\lono-
graphien und Beiträge ist eine unvollständige. Ausser den in Lut-
hardts theologischem Litteraturblatt bezüglich des besonders wich-
tigen Franziskanerordens gegebenen Verweisen greift lleferent einige
Beispiele heraus.
Verfasser kennt den 4. Band der 2. Abtheilung des Cod. dipl.
Sax. reg. nicht, wiewohl derselbe bereits 1873 erschienen ist und das
reichhaltige Urknndeubuch der Stadt Meissen und ihrer Klöster ent-
hält. Infolge dessen ist z. ß. die Geschichte des Augustiner- Chor-
herrenstifts zu Meissen nur dürftig ausgefallen, und doch ist dieses
Kloster besonders reich mit einer Reihe von wichtigen Uikunden
vertreten, SS. 102—271, Nr. 147—360. Ich verAveise auf das um-
fangreiche Schriftstück Nr. 239, SS. 179—189, welches das Zins-
register enthält und uns einen interessanten Einblick in die Ver-
mögensverhältnisse des Klosters bietet; oder auf das Notariatsinstru-
ment, die Visitation und Reformation des Afraklosters betreffend, aus
dem Jahre 1452, welches uns ein anschauliches Bild der Zeitströmung
vor Augen führt; oder aul' die Urkunden, welche die Ausgestaltung
Literatur. 341
des Kultus lietreffeu, unter andern Nr. 323, S. 253 vom Jalu'e 1503.
Ob wirklich das S. 74 erwähnte Anniversarium so unbedeutend und
werthlos ist, wie Verfasser meint, möchte Referent dahingestellt sein
lassen. Wie auch solche Ijlosse Namen für die kritische Geschichts-
schreibung von Bedeutung werden können, hat Ermisch in seiner
Studie über die Geschichte des Benediktinerklosters zu Chemnitz in
V. Webers Archiv für die Sächsische Geschichte, Neue Folge, IV
(1878), 8.261 — 263 gezeigt. Dem Verfasser ist jene Abhandlung
nicht bekannt. Die Benutzung derselben hätte ihm manche Ausfüh-
rungen ers^iart, ihn auf manche xtnbeacbtete interessante Seite auf-
merksam gemacht und ihm den Vorzug der kritischen und pragma-
tischen Behandlung vor der von ihm gewählten aunalistischen be-
wiesen. Auch andere Monographien sind nicht erwähnt. S. 76 fehlt
Fr. S. Sachse, das Thomaskloster zu Leipzig, Leipzig 1877. — S. 222
war zu vergleichen der Aufsatz von K. A. Seidemann, das Kloster
Eiche bei Namihof, in der Saxonia I (1876), Nr. 20, S. 156—158. —
Zu 229 war hinzuzufügen: Die Geschichte der Cölestiner auf dem
Königstein von K. A. Seidemann, Saxonia I (1876) und 0. Lehmann,
Das Cölestiner- Kloster auf dem Königstein. Jahresbericht der Sek-
tion Dresden des Gebirgsvereins für die sächsisch-böhmische Schweiz
über die Jahre 1885 und 1886. S. 3-20. — S. 247 war zu berück-
sichtigen K. Seeliger, Das Kloster zum heiligen Kreuz. Mitth. des
Vereins für Gesch. der Stadt Meissen 1, 25—50; 2, 1—32. In der-
selben Zeitschrift I, 83 flg.: Loose, Meissner Ansichten: G.Klöster:
Nonnenkloster Ord. S. Benedicti zum heiligen Kreuz Nr. 6 a— 11. S.
83. Vgl. S. 88 Nr. 1.
Man wird daher beim Gebrauche des Hasseschen Werkes gut
thun, die Angaben desselben in jedem Falle auf ihre Vollständigkeit
und Zuverlässigkeit zu prüfen.
Dresden. Georg Müller.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften nnd Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Alterthumskunde.
Angermann, Const. Die männlichen Namen des Hauses Wettin:
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1888. Nr. 47.
S. 261—264.
Beck, Feäor. Sprachliche Erläuterungen zu den im Programm von
1887 gebrachten Beiträgen aus Pegauer Handschriften: Programm
des Königl. Stifts-Gymnasiums zu Zeitz. (Zeitz 1888, 4P.) S. 1—10.
Berling s. Gurlitt.
Börner, Emil Richard. Die Entwicklung des sächsischen Volks-
schulwesens im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte
des Erziehungs- und Unterrichtswesens. Leipziger Inaug.-Diss.
Schönefeld. [1888.] 46 SS. 8».
Boerner, G. Zur Kritik der Quellen für die Geschichte der heiligen
Elisabeth, Landgräfin von Thüi'ingen: Neues Archiv der Gesell-
schaft für ältere deutsche Geschichtskunde Bd. XIII. (1888.)
S. 431—515.
Brecher, Adolf. Darstellung der Gebietsveränderungen in den Län-
dern Sachsens imd Thüringens von dem 12. Jahrhundert bis heute.
Berlin, Dietr. Reimer. 1888. (Karte.)
342 Literatur.
V. Bremen, W. Die Schlacht bei Kesselsdorf am 15. Dezember
1745. Vortrag, gehalten in der 3Iilitärischen Gesellschaft zu
Berlin am 14. Dezember 1887. Mit einem Plane imd zwei Skizzen.
Berlin, E. S. Mittler und Sohn. 1888. 51 SS. 8"^.
BuchivaJd, G. Zwei Jahrzehute einer sächsischen Pfarre in der
Reformationszeit: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung
1888. No. 71. S. 359 flg.
— Beiträge zur Geschichte des Vogtländischen Adels. (VIII. Die
Familie von Winkelmann): ebenda. No. 83. S. 411 flg.
— Allerlei aus drei Jahrhunderten. Beiträge zur Kirchen-, Schul-
und Sittengeschichte der Ephorie Zwickau. I. Auerbach, Bären-
walde, Bockwa, Crossen, Culitzsch. Zwickau, Paul Werner
(Komm.) 144 SS. 8».
— Böhmische Exulanten im sächsischen Erzgebirge zur Zeit des
dreissigjährigeu Krieges. Barmen, Klein o. J. 26 SS. 8°.
Distel, Th. Ein altes Jügerlied, komp. für den Herzog Job. Georg (I.)
zu Sachsen von Samuel Völckell : Waidmann Bd. XIX. S. 229.
— Die verkämpften Hirschgeweihe der Moritzburg: ebenda. S. 369.
— Notenmanuskripte aus den Jahren 1604 — 1610: Monatshefte für
Musikgeschichte. Jahrg. XX. (1888.) No. 5. S. 59—61. (No. 6
a. E.)
— Nachrichten über den Dresdener Dichter und Komponisten Caspar
Füger jr. (f 1617): ebenda. Nr. 7. S. 108.
— Ueber "den lustrumeutisten Joh. Gökeritz: ebenda. No. 7. S. 113.
— Zwei Bildnisse der Herzogin Katharina zu Sachsen von Luc.
Kranach d. Ä.: Kunstchronik. Jahrg. 23. No. 32. S. 515.
— Nachrichten über Werke des Bildhauers Hans Walther (1572).
Blättrr für Architektur u. Kunsthandwerk. Jahrg. I. No. 4. S. 47.
— Beihilfe Kurfürst Augusts zu Sachsen für Kirchen und Schulen:
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. Jahrg. IL S. 282.
— Extrakt aus einer spanischen Zeitung für Kurfürst August zu
Sachsen (1579): Zeitschr. für Geschichte u. Politik. 1888. S.329flg.
— Einige ältere Leipziger Schöppensprüche in Strafsachen und
Ähnliches: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.
Bd. VIII. (1888.) S. 589-596.
— Schreiben Gottscheds an Friedrich August II. zu Sachsen:
Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte. I. S. 253—255.
Dittrich, Max. Unter König Albert von Sachsen im Felde 1849,
1866, 1870/71. Vaterländische Gedenkblätter. Dresden, Albanus'sche
Buchdruckerei (Teich). 1888. VIII, 96 SS. mit 4 Tafeln. 8».
Eckstein. Die Feier des Gregoriusfestes am Gymnasium zu Zittau.
Beilage zum Jahresberichte desselben. Zittau. 1888. 19SS. 4».
Fabian, Ernst. Aus Zwickaus Vorzeit. Mittheiluugen aus alten
Akten. 1. Zwickauer Gelegeuheitspoesie im 16. Jahrqundert:
Zwickauer Wochenblatt 1886. No. 129. 147. 170. 218.
— Aus Zwickaus Vorzeit. Beiträge zur Reformationsgeschichte
Zwickaus: ebenda. 1887. No. 197.
— Aus Zwickaus Vorzeit. Zwickauer Tanzbussen: ebenda. 1888. No.208.
Francke, F. A. Über die allmäliliche Entwickelung der deutschen
Militärmusik mit besonderer Rücksicht auf Sachsen : Jahrbücher
für die deutsche Armee und ]\[arine. Bd. LXVI. (1888.) Heft 2.
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Freytag, E. E. Über das Alter und die Entstehungsgeschichte einiger
Ortschaften des östlichen Vogtlandes : Vogtl. Anzeiger und Tage-
blatt. 1888. No. 93. Erste Beilage.
Literatur. 343
Gess, F. Luthers Thesen und Herzog Georg- von Sachsen : Zeit-
schrift für Kirchengeschichte. Bd. IX. (1888.) S. 590 flg.
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fünfzigjährigen Jubelfeier des Militär-Knaben-Erziehungs-Instituts
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gegebenen erläuternden Ansichten und Plänen. Berlin, Haebringer.
1888, 4 Bll., 199 SS. 8".
Gurlitt, C. und K. Berling. Aus den sächsischen Archiven. V.
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mit Wallenstein und dem Kaiser von 1631 bis 1634. Th. I. 1631
und 1632. (A. u. d. T.: Publikationen aus den königl. preussischen
Staatsarchiven. Veranlasst und unterstützt durch die königliche
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LXXXVIII, 316 SS. 8".
Israel, Aug. M. Valentin Weigels Leben und Schriften. Nach den
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seiner Handschrift. Zschopau, Raschke. 1888. II, 167 SS. 8».
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Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1888. No. 36.
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Mit zahlreichen ungedruckten Briefen. Dresden und Leipzig,
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hold und Söhne. (Komm.) 1888. 15, 33 u. 88 SS. 8".
— August der Stai'ke und Dresden: Neue Monatshefte des Daheim
1886/87. Bd. II. S. 417—436.
— Über ältere Bau- und Kunstwerke im sächsischen Vogtlande:
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1888. No. 13.
S. 73—76.
(Tietze, Rud. Ahv.) Von der Besiedelung und den wesentlichsten
Veränderungen in der Kirchgemeinde Neuhausen von 1617 ab:
Parochial-Nachrichten für die evangelisch-lutherischeKirchgemeinde
Neuhausen auf das Doppeljahr 1886/87. S. 4—22.
V. Ti'tinpling^ Wolf. Geschichte des Geschlechtes von Tümpling.
Bd. I (bis 1Ö51). Mit dem Wappen, einer Siegeltafel, zAvei Stein-
tafeln, einer Karte der Grafschaft Caraburg', andern Kunstbeilagen
und Register. Weimar, Böhlau. 1888. XXIII, S.H SS. 8^'.
Vogel, Jul. Die Geschichte der Reformation in Plauen im Vogt-
land: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1888.
Nr. 54. S. 289 flg.
VöJkel, A. F. Zur Geschichte des deutschen Ritterordens im Vogt-
lande. Ein Beitrag zur Heimathskunde. Plauen. (Hansel). 1888.
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Wolf, G. Zur Geschichte der deutschen Protestanten 1555 — 1559.
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Wolf, B. Die obererzgebirgische Bauernbewegung vom Jahi'e 1525:
„Glückauf", Organ des Erzgebirgsvereins. VII. Jahrg. (1887.)
S. 46—48, 54—56, 65-69, 80—83.
V. Zeschau, Willi. Die Germanisierung des vormals tschechischen
Glatzer Landes im 13. und 14. Jahrhunderte und die Stammes-
zugehörigkeit der deutschen Einwanderer: Vierteljahresschrift
für Geschichte und Heimathskunde der Grafschaft Glatz. Jahrg.
VII. (1887/88.) S. 1—15, 97—108, 19:3-221, 296—328.
Zöllner. Das Zollregal der deutschen Könige bis zum Jahre 1235
mit besonderer Berücksichtigung der auf die Mark Meissen be-
züglichen Verhältnisse : Programm des städtischen Realgymnasiums
zu Chemnitz. 1888. 4». S. 3—37.
Zschille, Cam. Ehreg. und G. Schuberth. Chronik der Stadt Grossen-
hain mit Zugrundelegung der Chronik von Th. Chladenius vom
Jahre 1240' bis auf die Gegenwart. Lfg. 1—7. Mit 8 Abbil-
dungen. Grossenhain, Starke. S. 1 — 72. 4^
Waldheim ufid seine Umgebung. Wegweiser für Einheimische und
Fremde. Herausgegeben vom Verschönerungs- Verein 1887. Mit
einer Karte des Zschopauthales. 35 SS. S**.
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im Auf-
trage der Gesellschaft für sächische Kirchengeschichte von Franz
Dibelius und Gotthard Lechler. 4. Heft. Leipzig, Barth. 1888.
234 SS. 80.
Inhalt: Dibelius, Zur Geschichte und Charakteristik Nikolaus
Selneckers. Knothe, Nachtrag zur Geschichte des Franzis-
kanerklosters zu Kamenz. Seifert, Johann Pfeffinger, der erste
lutherische Pastor zu St. Nikolai und Superintendent in Leipzig.
346 Literatur.
Buch Aval (1, Die Lehre des Johann Sylvius WiUlnauer Egranus
in ihrer Beziehung zur Ueforniation, dargestellt aus dessen Pre-
digten. Poet seh, Aus der Geschichte der Kirche und der
llittergutsherrschaften zu .Tahnishausen. Buchwald, Selbst-
biographie eines 83jährigen erzgehirgischen Pfarrers aus dem 17,
.lahihuiiilert.
MiWicUungcn des Vereins für Anhaltische Geschichte iind Alter-
thumskunde. Bd. V, Heft 3. Dessau 1888. S. 137—200.
Inhalt: Ho saus, Joh, Kasp. Häfeli in Wörlitz. Blume,
zur Geschichte der Stadt Köthen. St rose, Beiträge zur Anhalt-
schen lleimatliskunde. Ho saus. Dichter und Dichterinnen aus
dem Hause der Askanier. Stenzel, die neuesten Münzfunde in
Anhalt. Schulze, Erklärung des Wortes Lausehügel. Ders.,
Erkläuing der Namen Hobehai, Magdsteilie und llubenborn.
Kind sc her, Ergänzungen und Berichtigungen. Blume, Litte-
rarische Nachweise zur Geschichte und Landeskunde Anhalts.
Mittheihnujen des Vereins für Geschichte der Stadt Meissen.
Bd. IL Heft 2. Meissen. 1888. S. 99-296. 8».
Inhalt: Langer, Bischof Benno von Meissen (Schluss).
Seeliger, Johann Elias Schlegel. K adestock. Die Meissner
Schuster. Loose, Lebensläufe Meissner Künstler.
Mitflieilunqen vom Freiberqer Älterthumsverein, herausgegeben von
Heinrich Gerb^ch. Heft 24. 1887. Freiberg i. S. 1888. IV,
96 SS. 8".
Inhalt: Friedrich, Die Kirche St. Nikolai zu Freiberg.
Ger lach, Bilder aus Freibergs Vergangenheit. (No. 7. Der
Schmelzer- Altar zu St. Nikolai.) Kade, Johann Bocer und sein
Lobgedicht auf Freiberg l.=i53. Ger lach, Freibergs Goldene
Pforte. Kleinere Mittheilungen. Freiberger Gedenkbuch. Knauth,
Litterarische Umschau 1887.
Berichtigungen.
Bd. VIII S. 105 No. 4 Z. 2 lies: Leonhard Oelhaffe.
„ IX S. 20, 21 No. 62, 64 lies: Schönberg.
„ „ S. 151 Z. 9. Unter „Berewtte" ist wohl eher Ber-
reuth bei Dippoldiswalde zu verstehen und eines der
beiden in der Nähe dieser Ortschaft gelegenen Pauls-
dorf als Heimath von Wendel Kosskopfs Parlierer
Hans Kichter anzusehen. (Nach freundl. Mittheilung
des Herrn Gustav Preusser.)
., „ S. 155 No. 5 lies: Peiligke.
„ , S. 157 No. 1 „ Alten bürg.
„ S. 159 Z. 26 v. 0. lies: Schatter.
Eegister')'
Adolf, Herzog- zu Holstein 57.
Agricola, Geo., Prediger zu Frei-
berg 76. 98.
Albreclit, Markgraf von Branden-
burg-Culmbach 141.
Albrecbt, Wolfg. , Rathsberr zu
Zwickau 289.
Aldringen, Job., kais. General
238. 256.
V. Aleraann, J. E., Geb. Rath u.
Vicebergdirektor 1 26.
Altdorf, Universität 65. 67.
Altenburg 301.
Altzelle, Kloster 30 f. 33 f. 224.
Amalie, Gem. Kaiser Josepb 1. 19.
Anbalt s. Ernst.
Anna, Tochter des Kurf. August 3.
V. Arnim, Hans Georg, Feldraar-
scball 232 ff.
Asiatische Banise 322 ff.
August, Kurf. V. Sachsen 39. 41.
45 ff. 140. 143. 153 f. 214. 334.
August, Bruder Kurf. Johann
Georg I. 4.
— II. s. Friedrich August.
Aussig 191. 243. 245. 265.
Aveline, Antoine, Zeichner und
Kupferstecher 16.
Bage, Jac, schwed. Admiral 50.
Bahr, Joh. Karl, Goldarbeiter 129.
Bauer, Job., schwed. Feldmarschall
237. 241 f. 254. 256. 259. 262.
271 ff.
— Elisabeth Juliane, geb. Gräfin
Erbach, seine Gemahlin 287.
291. 295. 297 ff.
Bartelmaei , Jac. , Leibmedicus
116 ff. 129. 132.
Barth, Joh. Nath., in Pirna 188.
— Tob., Syndicus in Pirna 188.
Bautzen 191. 288 f. 255 ff. 264. 338.
Bawyr, schwed. Oberst 281 ff.
Beigern 201.
Bennewitz, Otto 109.
Bens, Job., Arzt in Pirna 217.
Pensen in Böhmen 338.
Bernstadt 32. 84.
V. Bernstein, Georg, zu Otteudorf
224.
Bertuchius , Justinus , Eector zu
Schulpforta 63.
Beuther, Buchdrucker zu Frei-
berg 72. 99. 108 f.
Billingshausen , schwed. Oberst
279. 284 f. 296 f.
— schwed. Capitän 280. 303.
Bischofswerda 239. 257.
Blechschmidt, Wolf, Baumeister
zu Pirna 203.
V. Bock, Geh. Rath 61.
Bodenbach 239.
Böhmen 282 ff. s. a. Friedrich,
Johann.
Boicke, Dav., Dr. jur. zu Zwickau
309.
Borna 157 ff.
Bornholm, Seegefecht 50.
V. Böse, Oberschenk 51.
— Karl, Oberst 273.
Böttger, Christoph Dietr. 130.
— .Job. Friedr. 115 ff.
Brandeis in Böhmen 243. 265.
289. 294.
Brandenburg 237. 240. 251. 259.
268. 271 f.
— s. a. Albrecht, Otto.
V. Brandenstein, Graf, Geh. Rath
238. 255.
Braunschweig s. Sidonia.
Bravius, Ludw., med. Prof. zu
Heidelberg 68.
du Brechet, Major 21.
1) Vergi. auch das hier nicht wiederholte Verzeichnis S. 112—1 14.
348
Register.
V. Bicdau, kais. Geiieralwacht-
meister 298. 320.
Breit enfeld, Schlacht 23.3. 237.
250.
Brendel , Zach., med. Prof. in
Jena 87. 91.
Breslau 152. 25H.
Brückenhusen, Jak., diin Ad-
Hiiral 50.
V. Bulina, .loh. 234. 245 f.
Buchner, Paul, Laiidzeugmstr. 3 f.
Buffenhagen, Joh. 144. \
V. Bünau, Heinr. , auf Weesen- I
stein 224.
— Kud., Amtmann in Pausa 147.
— „ 207.
Burkersdorf bei Pirna 201.
V. Carlowitz, Georg 138.
— die Harnischmeisterin 137 ff.
Carpzov, Zittauer Chronik 100.
Cellarius, Joh., Superintendent zu
Dresden 139 ff.
— Marg., seine Gem. 140.
Chemnitz 93 f. 280 f. 287. 290.
294. 296. 299. 315 f.
Chiaveri, Architekt 19. 21.
Christian I., Kurf. von Sachsen
3. 154. 198.
— II. Kurf. V. Sachsen 3 f. 157.
Christine, Tochter des Landgr.
Philipp von Hessen 39. 41 ff.
Clemens XL, Papst 14 f.
Colditz 118. 126. 131.
Collart, Claudius, schwed. Se-
kretär 42.
Constantini 12.
Copitz bei Pirna 224.
Corvinus, Wolfg., Rector in Leip-
zig 62.
Crakau, Valer., Sekret, des Kurf.
August 56 f.
Crimmitschau 275.
Cunnersdorf bei Pirna 224.
Curtius, Rect. magn. in Leipzig
64.
Dänemark 251. 259. s. a. Dorothea,
Friedrich, Ulrich.
V. Dehn-l{othfelser, Hans 2.
Demantius, Chrpli., Musiker 73.
— — 93 f.
Dippoldiswalde 205.
Dittersbacher Papier 191.
Döbra bei Pirna 201.
Dobritz bei ]\[eissen 224.
Dohna 201. 208.
Döring, Hofrath 119. 125.
Dorothea, Königin v. Dänemark
153.
V. Drazow, Sam , Mag. 248.
Dresden 199 f. 205. Archivgebäude,
Kgl. Schloss, Hofkirche u. s.w.
1 fgg. Kgl. Bibliothek Ulf.
Porzellanmanufaktur 116 ff.
Ebersgrün bei Pausa 145. 147 f.
Eger 235. 239. 255 f. 270.
Eggebrecht , Peter , Porzellan-
dreher 129. 131.
Eggenberg 239.
Einhausen, Oberstlieut. 258.
Elisabeth (Gräfin von Mansfeld),
Gem. Herzog Friedrichs, Soh-
nes des Hrz. Georg von Sach-
sen 138.
— Königin v. England 38 ff.
EUinger, Chrst., Öberbibliothekar
in Leipzig 70.
Elze a./Leine 142.
Engelschall, Pfarrer zu Reins-
dorf 147.
England s. Elisabeth, Maria.
V. Erdmannsdorf, Oberhofjäger-
meister 11.
Erfurt 66,
Erich XIV., König v. Schweden
38 ff.
Erikson, Sten, Freiherr 43.
Ernst, Kurf v. Sachsen 202.
— Fürst von Anhalt 264.
Falkenberg 251 f
v. Feilitzsch, Phil., Hauptmann
zu Weida 146 ff.
Ferdinand L, König 191. 222.
Finnland s. Johann.
Finsterwalde 254.
Flade, Konrektor in Freiberg 60.
Fleischmann, Mich., Ballinspektor
23 f.
Folkelt, Osw., Goldschmied 153.
Fradin, Louis, Ballmeister 23.
Frankfurt a. M. 66 f.
Frankreich 272.
Franz Albrecht, Herz. v. Sachsen -
Lauenburg 250.
Freiberg 59ff. 126. 161 ff. 191. 200f.
205. 281. 287. 289. 290. 303.
Gymnas. 74 ff. Bibliothek 74.
Kegister.
349
85 ff. 90. 95. Chronik 84 f. 90.
98 ff. 108.
Freistein, Dr. Job., Syndicus zu
Pirna 197.
Friedland, Schloss 240.
Friedrich (d. Weise), Kurf. von
Sachsen 146 ff.
— Sohn des Hrz. Q-eorg von
Sachsen 137 ff.
— (V.), König V. Böhmen 247.266.
— (II.), König von Dänemark
38. 43. 45 ff. 51 f. 55 ff'.
Friedrich August I., Kurf. von
Sachsen, König von Polen 11 ff.
19. 21. 117 ff. 158.
— — IL, Kurf. V. Sachsen, König
von Polen 18. 22. 339.
III (I.), Kurf., dann König
von Sachsen 19.
Friedrich Christian, Kurf. von
Sachsen 18.
Friedrich Wilhelm, Herzog von
Sachsen - Altenburg , Admini-
strator 3 f.
Fritzsche, Hofmaler 10. 14.
Fuchs, Laurentius, Bürgermeister
zu Pirna 195 f. 222.
Gabel s. Obergersdorf.
Gallas, kais. General 244. 275.
Garthius,Helvicus, Superintendent
zu Freiberg 74 f.
Gebhard, Job., Rathsherr und
Bürgermeister zu Zwickau 278.
Geitner, Peter, Töpfer 117.
Gensreff', Abrah., Superintendent
zu Freiberg 72 ff: 85 ff.
— David 72. 88.
Georg, Hrz. v. Sachsen 2. 137 ff'.
1921 205. 213. 221 f. 224. 229.
Georg Johann, Pfalzgraf v. Vel-
denz 51 ff.
Georgenthal in Böhmen 338.
Geraw, Georg, Freiherr 42.
Gerhard, Salomo, Amtschösser zu
Zwickau 276.
— Valten, Diaconus zu Pirna 218.
Glück, Balthasar 63.
Goldammer, Klemens, Diaconus
zu Pirna 227.
Goltacker, Rittmeister 264 f.
Gorknitzer Papier 191.
Görlitz 151. 153. 239. 241. 257.
260. 262. 264.
V. Görne, Minister 134.
Gotha 66.
Gottleuba 208.
Götze, Oberst 252. 254. 256. 267.
Gräbner, Job. Heinr., Orgelbauer
16.
Grafenstein, Schloss 241. 260 f.
Grefius, Nico!., Rektor in Frei-
berg 103. 109.
Gröbel, Paul 154.
Grone, Job. Bapt., Zeichner 19.
Grossenhain 61. 205.
Gruber, Pater Superior 21.
Grübler, Samuel 59.
Grünhain 290.
Gruterus, Janus 67 f.
V. Guebriant, Hrz., französ. Mar-
schall 299 ff.
Günther, Hof- u. Justizienrath,
Geh. Archivar 25 ff.
Gustav (IL) Adolph, König von
Schweden 233 ff. 302.
Gustav (I.) Wasa, König von
Schweden 40 f. ■
Halle, Ponikausche Bibl. 110 f.
Roland 153 f.
Hamburg, Stadtbibl. 109 f.
Harms, Job. Osw. 7.
V. Hatzfeld, kais. General 294.
V. Haugwitz, kgl. Kammerherr
u. Kämmerer 14.
Hauptmann, Oberlandbaumeister
25 f.
Hausmann, G., Tertius zu Frei-
berg, dann Rektor zu Dresden
73. 76.
Heckel , Christian , Kantor zu
Pirna 188.
Heeselicht bei Pirna 201.
Heidelberg 67 f.
Heiland, Gregorius, Arzt zu Pirna
217.
Heinrich (d. Frl.), Markgraf v.
Meissen 185. 192.
— Herzog v. Sachsen 1 39 ff.
Heinrich, Pfarrer zu Kameuz 32.
Heinze, Mattheus, Rathmaun zu
Pirna 215 f.
Henkel, Bergrath 109.
Heunensee, kais. Oberst 298.
Hennig, Casp., Apotheker zu Frei-
berg 102.
Herzberg 238. 251 ff'.
Hess, Peter, Generalsuperint. zu
Emden 61.
350
Reg-ister.
Hessen s. Christine, Ludwig, Phi-
lipp, Wilhelm.
Hirschberg in Böhmen 248.
Hoe. V. Hoenegg, Super int. zu
Dresden 74. 78 f. 107 f.
V. Hoffkirchen, Oberst 252. 255.
257 ff". 264.
Hofmanu, Friedr., Bürgermeister
zu Pirna Ut.ö.
— Georg, Buchdrucker zu Frei-
berg 107 ff:
Heike, kais. Feldmarschall-Lieut.
302.
Holstein s. Adolf.
V. Holzltriugk, Georg Edler, Geh.
Kriegsrath 119. 123 ff. 134.
Hörn, Gustav 299.
— .loh. Casp., Stadtphvsicus zu
Freiberg 97. 102.
Hornicaeus, Tertius zu Freiberg
94.
Hübsch, Mag. zu Schulpforta 63.
Jacobi, Em., Sekretär der Por-
zellanmanuf. 1 29.
Jena 91 f. 154.
Jenitz, Hans 48 f.
Johann (d. Best.), Kurfürst von
Sachsen löO.
— Sohn des Hrz. Georg 137.
— König V. Böhmen 185.
— V. Finnland 41. 57.
.Johann Casimir, Hrz. v. Sachsen-
Gotha B.
Johann Friedrich (d. Grossm.),
Kurf. V. Sachsen 137.
Johann Georg I., Kurf. v. Sach-
sen 4 f. 64. 99. 223. 229. 232 ff.
271 f. 339.
-■ — II., Kurf. V. Sachsen 6.
157 f.
III., Kurf. V. Sachsen 10.
IV., Kurf. V. Sachsen 10.
158. 322. 328 f.
Joseph August, Sohn Friedr.
Aug. II. V. Sachsen 18 f.
» Irminger, Joh. Jac, Goldschmied
129. 133.
Kalau 339.
Kamenz 32 f. 105 ff.
V. Kamenz, Bernhard 32.
— Otto 32.
— Witego 33.
Kämpffe, Samuel, Porzellanmacher
116.
Karl, Hrz. v. Kurland 18. 23.
Katharina, Gem, Hrz. Heinrichs
V. Sachsen 139 f.
Kaunitz, Schloss 248.
V. Kaunitz, Landeshauptmann 236.
Kinsky, Graf Wilh. 246. 267.
Kirstan, Pater 21.
Kiengel, Wolf Casp., Oberland-
baumeister 6. 20.
Klitzingk, Oberst 257. 269.
Klotze!, Martin, Oberaufseher des
Theaters 10.
Kuoefel, Oberlandbaumeister 21.
Kobnrg 270.
Köhler, David, Arkanist 116. 129.
— Mich., Schichtmeister 77.
Königsmaili, schwed. General 298.
Köuigstein 116. 188. 191. 201. 208.
Koppen, Casp., Apotheker zu Pirna
217.
V. Korvpitz, Casp., 154.
Kötzschenbrodaer Wein 201 f.
Kraft, Joh. 90.
Krazenburg, Joh. Dav., Porzellan-
dreher 129.
Kreibitz 242. 262.
Kronbcrgk, Mich., Amtschösser
zu Dresden 154. 156.
Krumbholz, Töpfer 117.
Kukau bei Marienstern 34 f.
Kurland s. Karl.
Kynast, Ludw., Amtschösser zu
Dresden 154.
V. Lagnasco, Graf 15.
Langbein, Notar 22.
Lasius, Prädicant 33.'^.
Lauterbach, Anton., Superint. zu
Pirna 227.
— Balthasar 227.
Lehmann, Theophil, Prediger zu
Leipzig 80. 90.
V. Leicester, Dudley, Graf 41. 54.
Lcipa, Böhm.- 248. 296.
Leipzig 191. 272. 274 f. Messe
119 f. Nosocomium zu S- Georg
61. Univ. 62. 64 f. 68 ff. 91.
Schöffen 154 ff 160. 229 f.
Stadtbild, u. Kathsarchiv 112.
Leitmeritz 238 f. 242 ff. 250. 254.
256. 263 ff'. 289. 296.
Leplat, Ilaimond, Architekt 14.
Eegister.
851
V. Lesgewang, Graf, Kammerherr
125 f.
Leuschner,Nicol. , Pfarrer zuPausa,
dann zu Thierbach 146 f
Leyser, Polycarp, Sup. zu Witten-
berg 155.
zu Leipzig 6-i.
V. Liebeuau, Job. Sigra., Zeug-
oberst 6 f.
Liebertwolkwitz 323.
Limburg in Böhmen 249.
Limmer, Dr., Eathsberr zu
Zwickau 289.
Lindner, Job. (der pirnaische
Mönch) 187.
Löbau 242. 262.
Lohmen, Papiermühle 191.
Lommatzscb 205.
Loschwitzer Wein 202.
Lose, Gottfr., Töpfer 117.
Loeser, Eustacb., kursächs. Oberst
240. 259. 264.
— Konrektor in Freiberg 75 ff.
V. Loss, Präsident des Geh. Raths
242.
Löwenberg i. Schi. 260 f.
V. Löwen^al, Oberhof marschall,
Kammerpräsident 119. 126.
Ludwig, Landgraf v. Hessen 48.
Lufft, Sam, Syndikus zu Pirna 187.
Magdalena Sybilla, Gem. Kurf.
Johann Georg I. 232. 234.
246 f. 249. 266 ff.
Gem. Kurf. Job. Georg IL 6.
Magdeburg 237.
Mannewitz, Wüstung 224.
Margarethe, T. Friedr. August IL
V. Sachsen 18 f.
Maria, Königin v. England 40 f
Marie Amalie, Tochter Friedr.
Aug. IL V. Sachsen 18.
Marie Anna, desgl. 18.
Marie Josepha, desgl. 18.
Marie Josepha, Gem. Friedr.
August IL 18.
Marienstern, Kloster 29 ff.
Marienthal, Kloster 29 ff.
Marradas,Balth. ,Landeskommand.
V. Böhmen 243 f.
Mathie, Geh. Comm.-Rath 121 ff.
Meerbeim, Job. Gottfr., Com-
mercien-Commissar 129. 135.
Mehlborn, Joh. Gottfr., Schilderer
130. 135.
Meisseu 205. Porzellanmanufactur
115 ff.
— Markgr. s. Heinrich.
— Bisch, s. Withego.
Meissner, Paul, zu Pirna 222.
Meliss, Sam., Arzt zu Pirna 217.
Mengemann, Sakristan 24.
Meyer, Buchhalter 130.
Michael, Rogier, Musiker 73.
Milich, Casp., Apotheker zu Pirna
217.
Minetti, Sakristan 24.
Mittelstadt, Heinr., Diaconus zu
Dresden 157.
Molinari, Pompejo, Ballmeister 5.
Möller, Andr., Pfarrer zu Pegau
61 ff. ';3f 88. 103.
Dr. 59 ff. Schriften 107 ff.
Pfarrer zu Freiberg 61.
— Gregorius 61.
— Michael 61.
— Paul, Ratbmann z. Wilsdruff 61.
— Peter 61.
Pastor in Grünberg 62. 74.
84. 88. 91. 104.
— Regina, 2. Gem. des Chronisten
88. 104.
— Salome, 1. Gem. desselben 77 f.
87 f.
Mutter des Chronisten 61 f. 91 .
Mordeisen, kursächs. Rath 58.
Moritz, Kurf. von Sachsen 2 f. 141
ff. 191. 198. 223. 337.
V. Mortaigne,Casp. Cornel., schwed.
Oberst 281 ff'. 307.
V. Mosdorff auf Obereula 7L
Mühlberg 255.
Mühlig, Nico!., Pfarrer zu Pausa
146 ff
Müldner, Joh. Chr., Hofrath u.
Hofsekretär 21.
Müller, Bildhauer 117.
Mülmann, Joh, Prof. z. Leipzig 63.
Münchengrätz 248.
Naumburg, Bischof 147 ff.
Nehmitz, Wilh. Heinr., Arzt 123.
129. 132. 135.
— Kammer- u. Bergrath 119 ff".
Neuschloss in Böhmen 248.
Neustadt 290.
Nicolai, sclnved. Resident in Dres-
den 242.
Nienburg, Sam., Landfeldmesser 4.
Nosseni, Joh. Maria 4.
352
Register.
Obergersdorf (Gabel) bei Pirna
224.
Oberpirk bei MeWtbeuer 144 f.
Okrilla bei Meissen 117.
V. Opal, Gebr. B6.
Ortraiid 138. 238. 255.
Ostritz 36.
Otto Markgr. v. Braiidenbi;rg 32.
Pabst, Bergrath zu Freiberg 117.
119. 123. 125.
Paldam, J. Ob., Kapuziner 15.
V. Pappenheim, H. G., kais. Feld-
marschall 249. 268. 270.
Paselick, Casp., dän. Geheim-
sekretär 55 ff.
Paradis, kais. Oberst 240. 258.
Passau 249. 268,
Paulsdorf bei Löbau (Dippoldis-
walde) 151. 346.
Pausa 144 ff.
Pegau 62 ff. 69 f. 101. 103. .
Peine 142.
Permoser, Balth. 17.
Peschelt, Christian 119.
Petermann, Salom., Kom-ektor zu
Pirna 185.
— Tob., Rektor zu Pirna 186.
Petershagen bei Minden 141.
Pfalz Veldenz s. Georg Johann.
Pfliiger, hess. Sekretär 57.
Pfuhl, schwed. Generalmajor 278.
298.
Phaum, Jak., Altarist zu Pausa
147.
Philipp, Landgr. v. Hessen 39.
42 ff:
Piccolomini, Ott., kais. General
800 f.
Pignatelli, Franz, Erzbisch, v.
Neapel 13.
Pirna 185 ff. 289. 294.
— Peter von, Baumeister 203 f.
Piscator, Schulmeister z. Pegau 69.
Pitzsch, Dav., Bürgermeister zu
Zwickau 279. 311. 319.
Planitz bei Zwickau 284.
Plattner, Geo., Stadtrichter in
Freiberg 85. 103.
Plane a. Havel, Porzellanfabrik
116. 134 f
Plauen 290. 298.
— die Herren von 144 ff.
Pointel, Jacques, Ballmeister 4 f.
Polster, Scharfrichter 157. 160.
V. Ponickau, Elisabeth 137 f.
— Hans, Kämmerer 137.
— Hans 5o f.
— Hans Georg 3 f.
Postaer Wein 202.
Prag 232. 235. 239. 243 ff". 266 ff.
Prager, Mich., Rath 79. 108.
— Elisabeth s. Gem. 79. 108.
Pratzschwitz bei Pirna 225.
Probsthain 323.
Pulsnitzer Bier 201.
Quellmalz, Dav., Rektor 90. 99.
102. 109. 111.
Questenberg 234. 239.
V. Racknitz, Frhr., Hausmarschall
23 ff
Radeberg 205. 224.
Radmeritz i. d. Oberiausitz 323.
Raschln, Sesyma 236. 246.
Rauch, P., kgl. Beichtvater 21.
Raudnitz 242 f. 263 ff
Rauscher, Hieron., Bürgermeister
zu Leipzig 153.
Regensburg 300.
Reichel, Ehrenfried, Bürgermeistr.
zu Kauienz 105.
Reicheubach i. Vogtland 276. 284.
— in der Oberlaus. 257. 259.'
Reier, Dav., Bürgermeister in
Zwickau 279.
Reinhold, Paul, in Würzen 88. 109.
Ribisch, Marcus, Baumeister zu
Pirna 204.
Ricliter, Hans, v. Paulsdorf, Stein-
metz 151 ff. 346.
V. Riessel, Heinr., Hauptm. zu
Friedland 240.
Rimbault, Jean, aus Metz, Ball-
meister 4.
Röhrsdorf bei Pirna 215.
Roltinck, Werner, med. Professor
in Jena 91 f.
Rosin (Rosfeld), Mich., Magister
155.
— Nicol. 155.
Rosskopf, Wendel, Meister 151 f.
346.
Rothe,Chrph., Porzellandreh. 129.
Rottwerndorf bei Pirna 225.
Rudolti,Mi('li., Pfarrer z.PdUsal46.
Rudolph, Tob., Diaconus zu Dres-
den 157.
Rultzhauseu, hess. Marschall 66.
Register.
353
V. Riipa, Wenzel 246. 266 f.
V. Rüxleben, Coruel, Jägermeister
153 f.
Sachsen s. Anna, August,Christian,
Elisabeth, Friedrich, Friedr.
Aug., Friedr. Christian, Georg,
Heinrich, Johann, Joh. Friedr.,
Joh. Georg, Joseph August,
Katharina, Magdalena Sybilla,
Margarethe , Marie Amalie,
Marie Anna, Marie Josepha,
Moritz, Sidonia, Sophia, Xaver.
Sachsen- Aiteulflirg s. Friedr. Wilh.
Sachsen-Gotha s. Johann Casimir
Sachsen-Naumburg siehe Franz
Albrecht.
Sagan 255.
V. Salhausen z. Tetzschen 224. 267.
Salicola, Margherita, Sängerin 10
V. Salis, kais. Generalfeldzeug-
meister 275.
Sandthoff, schwed. Oberstlieut.286.
Schäffler, Joh. Chrph., Maler 129.
Schandau 208.
V. Schenck, Baron, sächs. Bot-
schafter in Rom 15.
'** Schellenberg, Joh., Rektor zu
Freiberg 73 ff.
Schieffer, Chiph., schwed. Sekre-
tär 39. 42 ff. 48 ff.
Schlang, schwed. Oberst 294. 300.
Schlegel bei Marienthal 36.
Schleiffentag, Tertius in Freiberg
79. 104.
Schlieben, schwed. Oberst 299.
Schlief, Oberst 267.
Schmidt, Joh. Fr., Inspekt. der
Schleif- u. Porzellanraühle 129.
— Tobias, zu Zwickau 100.
Schnell,- Martin, Lackirer 129.
Schönberg bei Pausa 144 ff.
V. Schönberg, Heinr. Max., Hof-
marschall 21.
— Joh. Theod. , zu Reichen-
brand 71.
— Joh., Graf, Wirkl. Geheimer
Rath 20 f.
Schönf eiser, Rittmeister 241. 260.
263.
Schönlebe, Jonas, Bürgermeister
in Freiberg 72.
— Regina 78.
Schöttgen, Christ. 100.
Schubarth, Joh. Geo., Arkanistl29.
Neues Archiv f. S. G. u. A. IX. 3. 4.
Schulpforta 63 f.
Schumann, Hans, Schulmeister u.
Stadtschreiber zu Pii-na 197.
227. *
Schütz, Andreas 43. 49. ff.
— Heinr., Kapellmeister 5.
Schwartze, Kaufmann 124.
Schwarz, Beruh., Rathsherr zu
Pirna 204.
Schwarzeuberg 290.
Schweden 271 ff. s. a. Erich,
Gustav Adolph, Gustav Wasa.
V. Sebottendorf, Dam. 225.
V. Seebach, Wirkl. Geh. Rath
119. 125 f.
Seidel, Christian 66 ff.
— Joh. 67.
Seifersdorf (Ober-) bei Zittau 36.
Senftenberg 255.
Seuuert, med. Prof. in Witten-
berg 91.
Sibelinus, Peter, Arzt zu Pirna
217.
Sidonia, Tochter des Herz. Hein-
rich V. Sachsen, spätere Her-
zogin V. Braunschweig 140.
Siglicius, med. Prof. in Leipzig
65. 68 ff
Silbermann, Gottfr. , Hof- und
Landorgelbauer 22.
— Michael, Tischlermeister 22.
Sophia, Gemahlin de.s Kurfürsten
Christian I. 74.
Spiller, Glasschneider 117.
de Spina, Petrus, med. Professor
zu Heidelberg 68.
Stange, Bildhauer 117.
Starck, Gottfr., Superint. in Frei-
berg 59. 104.
Stark, Zach., Arzt zu Pirna 217.
Stechmaun, Joh. Dav., Schilderer
129.
Stefky, Filigranarbeiter 129.
Steina, Oberst 257. 260. 264.
Steinbrück, Joh. Melch., Insp. der
Porzelh-Manuf. 129. 131. 133 ff".
Stepner, Stephan, Rathsherr zu
Zwickau 279. 289.
Stolpen 241 f. 261 ff.
Stölzel, Sam., Arkanist 129. 135.
Stürza bei Pirna 201.
V. Sulevic, Caplir 246. 267.
Sultzberger, Arzt in Leipzig 73.
Summerer, Richter in Unter-
reichenau 147.
23
354
Register.
Taimeuberg, Steph., Schulmeister
iiud StadtschreiberzuPirna 197.
Taube, kuisüchs. Ober.st 273.
V. Temritz, Sembio B6.
Tenler, Basilius, Quaitus uud
Stadtschreiber zu Pirna 197.
— Georg, Organist und Stadt-
schreiber zu Pirna 197.
Tetschen 240. 242. 258. 262 f. 265.
Tharaudt 138.
Thiel, Georg, Pfarrer zu Schöu-
bruun bei Wolkenstein 337.
— Aug. , Oberstadtschreiber zu
Zwickau 279.
Thorschmied, Dan., Arzt zu Frei-
berg 73. 88 f. 98. 105 f. 108.
V. Thurn, Heinr. Matth , Graf 233 ff.
Tiefenbach, kaiserl. General 234 ff.
Tiemann, Just. Friedr. 130.
Tilly, kaiserl. General 234. 249.
258. 261. 268 ff
Tollenstein i. Böhmen 338.
Torgau 142 ff. 201. 238. 272. 275.
Torstenssohn , schwed. General
272 287
Trandorf, Oberst 273.
Trzka, Graf 240. 245.
— Gräfin 247 f.
V. Tschirnhaus, Rath 116 ff.
Türkisch Papier 191.
Übigau 238. 262. 254 f.
Ulrich, Hrz. v. Dänemark 258.
Unterreichenau b. Pausa 145. 147.
Vitzk, J., Kapuziner 15.
V. Vitztlmm, Friedr. Willi., Ritt-
meister 239. 241 . 243. 245. 255 ff'.
Vogt von Wierandt, Casp., Ober-
zeug- und Baumeister 2.
Vogtsberg 290.
Vota, P., Königl. Beichtvater 15.
Wachvk^itzer Wein 202.
V. Wackerbarth, Graf, Wirkl.
Geh. Rath 125.
— Oberinsp. d. Civilgebäude 11 f.
Wagner, Dav., Pastor in Soms-
dorf 97.
— Gabriel 88. 109.
— Nikol., Bürgerm. in Pausa 147.
Waidenburg i. S. 118 f.
WaldkircliL'nb.Crimmitzschau334.
Wa]lenstein 232 ff 271 f. 302.
Walther, Aug. Friedr., med. Prof.
in Leipzig 158 f.
Wanckel, Andr 104 f
— Joh. 106.
— Salome, Frau des Wilh. 102.
— Wilhelm, Dr. med. zu Frei-
berg 102 f.
V. W'artenberg, Job., 248.
Wastlin, engl. Kaufmann 54 f.
V. Watzdorff 12(>.
V.Weber, Karl, Geheimer Rath 27.
Wehlen 208.
Weida 146. 290.
Weiss, Richter in Theuma 147.
Weller von Molsdorf 90.
Wengersky, Oberst 235.
Wenigel, Peter, Landrichter zu
Plauen 146 ff'.
Werdau 284.
Werner, Chrph. , Bürgermeister
in Pirna 186.
V. Werther, Georg, Geh. Rath
242. 263.
Wieden, Chrph., Arkanist 129.
Wiesenburg 284.
Wildeufels 284.
Wildvogel, Sekr. 64.
Wilhelm, Landgraf von Hessen
44. 48. 56 f. •
Wilisch, Christian 59. 109.
Wilsiü-uff 61. 201.
Winter, Matthäus, in Zwickau
273 ff
— Peter, Rathsherr in Zwickau
296.
Withego, Bischof v. Meisseu 220.
Wittenberg 142. 160. 230. 252.
— schwed. Generalmajor 298. 320.
Wittstock, Schlacht bei 272.
Wolf, Christian, Pastor in Ham-
bui-g 109.
Wolkenstein 337.
Wrangel, schwed. Generalmajor
297.
Würzen 323. 338 f.
Xaver, Prinz 18.
Zaake, Karl Gottfr.. Rektor in
Pirna 188.
Zech, Geh. Rath 119.
v. Zigler u. Kliphansen, Heinr.
Anselm 322 ff.
Zittau 239 ff'. 257 ff'.
Zwickau 271 ff'.
Officio : Wilhelm Baeuscb. Dresden.
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