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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Geschichte 


und 


Alterthumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrath. 


Neunter   Band. 


Dresden  1888, 
Wilhelm  Baeuscli  Verlagshandlung. 


Tue  fCTTV  PCMTCD 


Inhalt. 


Sfiite 

I.  Das  alte  Archivgebäude  am  Tascheuberge  zu  Dresden. 
(Mit  4  Tafeln  Alibildungeu.)     Vom  Herausgeber      ...       1 

II.  Die  Laieubrüder  oder  Conversen  der  beiden  sächsischen 
Cisterzieuserinnenklöster  Marienstern  und  Marienthal.  Von 
Professor  Dr.  Hermann  Knothe  in  Dresden 29 

III.  Heirathspläne  König  Erichs  XIV.  von  Schweden.  Von 
Dr.  L.  Schwabe  in  Dresden 38 

IV.  Andreas  Möller,  der  Chronist  von  Freiberg.  1098—1660. 
Von  Dr.  Reinhard  Kade  in  Dresden  .     .     • 59 

V.  Die  Meissner  Porzellanmanufaktur  unter  Böttger.  Von 
Regierungsrath  Dr.  W.  von  Seidlitz  in  Dresden      .     .     .115 

VI.  Kleinere  Mittheilungen • .     .  137 

].  Hofnachrichten  über  Herzog  Georg  und  seinen  Sohn 
Friedrich  (1539).  Von  Oberarchivar  Archivrath  Dr. 
Burkhardt  in  Weimar.  S.  137.  —  2.  Bericht  über 
das  Ende  des  Herzogs  Heinrich  von  Sachsen.  Von 
Archivrath  Dr.  Th.  Distel  in  Dresden.  S.  139.  — 
3.  Zwei  Urkunden  zur  Geschichte  des  Kurfürsten 
Moritz  von  Sachsen  aus  dem  Monat  Juli  1553.  Von 
demselben.  S.  141.  —  4.  Die  Frühmesse  zu  Pausa 
und  ihre  Folgen.  Von  Pfarrer  M.  J.  Herz  in  Pausa. 
S.  144.  —  5.  Meister  Wendel  Rosskopfs  Parlierer. 
Von  Dr.  E.  Wernicke  in  Breslau.  S.  151.  —  6.  Sieben 
strafrechtsgeschichtliche  Findlinge.  Von  Dr.  Th.  Distel. 
S.  153. 

Literatm- 161 

VII.  Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna  auf 
Grund  der  Stadtrechuungen  des  15.  und  16.  Jahrhunderts. 
Von  Oberlehrer  Reinhoid  Hofmann  in  Pirna 185 

VIII.  Die  Eroberung  Nordböhmens  und  die  Besetzung  Prags 
durch  die  Sachsen  im  Jahre  1631.  Von  Professor  Dr. 
Arnold  Gaedeke  in  Dresden 232 

IX.  Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  während  des  dreissig- 
jährigen  Krieges  1639/1640.  Von  Oberlehrer  Dr.  M.  Schil- 
ling in  Zwickau 271 

X.  Über  die  Asiatische  Banise.  Zur  Erinnerung  an  den  ersten 
Druck  im  Jahre  1688.  Von  Oberlehrer  Dr.  Georg  Müller- 
Frauenstein  in  Hannover 322 


IV  Inhalt. 

Seite 

XI.  Kleinere  Mittheilungeii 334 

1.  Zaubersprüche  und  Segen  aus  sächsischen  Visitations- 
akteu.  Von  Üherlehrer  Dr.  Georg  Müller  in  Dresden 
S.  334.  —  2.  Strafrechtsgeschichtliche  Findlinge.  Mit- 
getheilt  von  Archivrath  Dr.  Th.  Distel  in  Dresden. 
S.  337.  —  3.  Eine  Inschrift  aus  der  Regierungszeit 
des  Kurfürsten  Johann  Georg  I.  von  Sachsen.  Mit- 
getheilt   von    demselben.     S.  339. 

Literatur 840 

Register 347 

Besprochene  Schriften. 


am  Ende,  Der  Königl.  Grosse  Garten  bei  Dresden  (Knothe)     .  178 
Codex  diplomat.  Saxon.  regiae  s.  Ermisch. 

Ermisch,  Urkundenbuch  der  Stadt  Freiberg  i./S.  (Schuni)  .     .     .  161 

n        Das  Sächsische  Bergrecht  des  Mittelalters  (Schnm)  .     .161 

Hasse,  Geschichte  der  Sächsischen  Klöster  (G.  Müller)      .     .     .  340 

V.  Mülverstedt,  Regesta  Stolbergia  (Schnm) 172 

Pöble,  Der  Seminargedanke  in  Kursachsen  (G.  Müller)     .     .     .  176 
Schmidt,  Urkundenbuch  der  A^ögte  von  Weida,  Gera  und  Plauen 

Bd.  I.  (Schum) 168 

Steche,    Beschreibende  Darstellung   der    alten  Bau-  und  Kunst- 

denkmäler  des  Königr.  Sachsen.    Heft  VIII.    (A.  Schultz)  176 


Das  alte  Arehivgeb 


ie  vor  seinem  Abbruch. 


I. 


Das  alte  iVrchivgebäude  am  Taschenberge 

in  Dresden. 


Von 
Hubert  Ermiscli. 


JIdvTa  QsT. 

Binnen  wenigen  Monaten  wiid  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  wiederum  ein  Stück  des  alten  Dresden  spurlos 
verschwinden,  ein  Gebäude,  welches  noch  die  glänzenden 
Tage  der  Johann  George  und  der  polnischen  Auguste  ge- 
sehen, ja  gewissermassen  mit  durchlebt  hat,  welches,  so 
schlicht  und  schmucklos,  um  nicht  zu  sagen  unschön,  es 
sich  jetzt  den  Augen  der  Beschauer  darbietet,  doch  auf 
eine  so  Wechsel  volle  und  interessante  Geschichte  zurück- 
blickt, dass  manches  weit  bedeutendere  und  prächtigere 
Bauwerk  unserer  Stadt  es  um  dieselbe  beneiden  könnte. 
Für  seine  Erhaltung  hat  sich  bisher  keine  Stimme  er- 
hoben, und  es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  sich  noch  ein 
Ritter  für  das  unscheinbare  Haus  finden  wxrde,  welches 
unseren  prächtigen  Theaterplatz  und  die  einzige  den 
Charakter  der  Erbauungszeit  noch  einigermassen  rein 
zeigende  Front  unseres  Königsschlosses  entschieden  ver- 
unziert. Wohl  aber  möchte  es  gerechtfertigt  erscheinen. 
Bekanntes  und  Unbekamites  aus  seiner  Geschichte  zu 
einem  Gedenkblatte  zusammenzufassen,  und  das  ist  der 
Zweck  der  folgenden  Zeilen. 

Die  grossen  Umgestaltungen,  welche  das  alte  meiss- 
nische  Markgraf enschloss  im  16.  Jahrhundert  durch  Herzog 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    IX.  1.  2.  1 


2  Huhert  Ermiscli: 

Georg'  und  durch  Kurfürst  Moritz  erfahren  hat,  sind 
neuerdings  in  der  Hauptsaclie  abschliessend  dargestellt 
worden^).  Für  die  heutige  Form  des  Schlosses  ist  na- 
mentlich der  Umhau  von  massgebender  Bedeutung  ge- 
worden, welchen  Kurfürst  Moritz  1547  beginnen  Hess 
und  der  unter  Oberleitung  des  Hans  von  JJehn  -  Roth- 
felser  wohl  hauptsächlich  durch  den  Oberzeug-  und  Bau- 
meister Caspar  Vogt  von  Wierandt  etwa  bis  1556  voll- 
endet worden  ist.  Bildete  bis  dahin  der  Schlossthurm 
(Hausmannssthurm)  die  nordwestliche  Ecke  des  Schloss- 
baues,  indem  der  VVesttrakt  sich  unmittelbar  in  südlicher 
Richtung  an  diesen  Thurm  anschloss,  also  sich  etwa  quer 
über  die  Mitte  des  gegenwärtigen  Schlosshofes  hinzog, 
so  wurde  nunmehr  dieser  Westtrakt  abgetragen  und  etwa 
um  die  Breite  des  bisherigen  Hofes  weiter  westlich  er- 
baut ;  der  Nord-  und  der  Südflügel  wurden  entsprechend 
verlängert,  so  dass  der  Schlossthurm  jetzt  die  Mitte  des 
ersteren  bildete. 

Schon  in  älterer  Zeit  umgab  das  Schloss  auf  der 
Westseite  ein  durch  einen  Graben  von  demselben  ge- 
trennter Garten;  ein  Schreiben  vom  23.  Februar  1549 
bemerkt,  der  neue  Westflügel  werde  „allenthalben  in  den 
Garten  kommen'-)".  Auch  später  schlössen  sich  an  den 
Westflügel  Gartenanlagen,  der  sogenannte  Zwingergarten, 
an"^).  Noch  heute  sehen  wir  die  mit  einer  kleinen  Frei- 
treppe versehene  Pforte,  welche  aus  einem  Saale  des 
Erdgeschosses,  der  spätestens  seit  dem  17.  Jahrhundert 
den  Namen  des  „grünen  Gewölbes"  trug,  in  diesen  Lust- 
garten führte.  Ein  anderer  Garten  befand  sich  auf  der 
Südseite  des  Schlosses,  nach  dem  Taschenberge  zu;  der- 
selbe wüxl  auf  einem  um  1586  aufgenommenen  Plane  ^) 
als  „der  Kurfürstin  Garten"  bezeichnet.  Von  dem  Zwinger- 
garten trennte  ihn  ein  Säulengang,    der   eine   von   dem 


')  Vevgl.  insbesondere  R.  Steche,  Hans  von  Dehn- Rothf eiser 
(Drestlcu  1877)  und  in:  Die  Bauten  etc.  von  Dresden,  herausg.  vom 
Sachs.  Ingenieur-  u.  Architektenverein,  S.  32  flg.  C.  üurlitt,  Das 
Kgl.  Schloss  zu  Diesden  und  seine  Erhauei-,  in  den  Mitth.  des  Kgl. 
Sachs.  Alterthumsvereins  XXVIIT,  1  flt>-. 

-)  Gurlitt  a.  a.  0.  11. 

2)  V.  Friesen  in  den  Mitth.  des  Kgl.  Sachs.  Altertliumsvereins 
XVin,  27. 

•*)  Kgl.  Oberhofmarschallamt  I  A  32.  „M  [einer]  G  [nädigen] 
F  [rauen]  Garten"  auf  einem  Plane  von  1591  in  der  Plankamraer 
des  Kgl.  Kriegsministeriums  (Kopie  in  der  im  Besitze  Si'.  Kgl. 
Hoheit   des  Prinzen   Georg  befindlichen  Asterschen  Plansammlung). 


Das  alte  Arehivgebäude.  3 

ersten  Stockwerke  des  Schlosses  aus  nach  dem  ungefähr 
an  der  Stelle  der  jetzigen  Hauptwache  befindlichen  Gold- 
oder Probierliause  führende  Galerie  trug'^).  In  diesem 
„Hofgarten  hinter  dem  Schlosse"  fand  am  19.  Januar  1586 
zur  Feier  der  Vermählung  der  Prinzessin  Anna  mit  dem 
Herzog  Johann  Casimir  von  Sachsen-Gotha  ein  Ringrennen 
statt  **).  Kurfürst  Christian  I. ,  ein  Freund  ritterlicher 
Künste,  liess  bald  nach  seinem  Regierungsantritt  in  dem- 
selberi  eine  „verlorene  Rennbahn"  mit  einem  „verlorenen 
hölzernen  Judizier  hause,  auf  welchem  man  den  geübten 
Ritterspielen  zusehen  können",  errichten^).  Dieses  Judi- 
zierhaus  war  das  erste  Gebäude,  welches  an  der  Stelle 
des  jetzigen  Hauptstaatsarchivs  gestanden  hat.  Es  war 
ein  leichter  Bau,  der  bereits  10  Jahre  später  so  verfallen 
war,  dass  sein  Abbruch  nothwendig  wurde®). 

Damals  führte  bekanntlich  Herzog  Friedrich  Wilhelm 
von  Weimar  die  Regentschaft  für  den  noch  unmündigen 
Kurfürsten  Christian  IL  Letzterer  neigte  schon  als 
Knabe  zu  grosser  Körperfülle;  dies  mag  dazu  beigetragen 
haben,  dass  der  Administrator  die  Errichtung  eines  Ball- 
hauses anbefahl'*).  In  wie  hohem  Grade  das  Ballspiel, 
namentlich  seit  dem  16.  Jahrhundert,  bis  in  die  höchsten 


^)  Diese  Galerie  ist  auf  dem  von  Paul  Buchner  herrührenden 
Modell  der  durch  Kurfürst  Moritz  angelegten  Festungswerke  (im  Kgl. 
Historischen  Museum)  und  auf  dem  Plane  der  Plankammer  von  1591 
(oben  N.  4)  deutlich  erkennbar.  Auch  das  grosse,  wohl  aus  dem 
17.  Jahrh.  herrührende  Schlossmodell  des  Histor.  Museums,  von  dem 
Gurlitt  a.  a.  0.  Aufnahmen  gegeljen  hat,  zeigt  in  der  I.  Etage  — 
über  dem  gegenwärtigen  Korridorfeuster  des  Grünen  Gewölbes  — 
die  in  diese  Galerie  führende  Tliür.  Gurlitt  bezeichnet  diese  Galerie 
als  „Gang  nach  dem  Badhause" ;  doch  habe  ich  auf  keinem  der  von 
mir  eingesehenen  Pläne  ein  Badehaus  an  Stelle  des  Gold-  oder 
Probierhauses  gefunden.  „M.  G.  F.  Badstube"  lag  zwischen  dem 
Garten  der  Kurfürstin  und  dem  kleinen  Schlosshofe. 

*^)  Vergl.  die  Befehle  des  Kurfürsten  an  den  Hausmarschall 
und  Hauszeugmeister  vom  26.,  28.  und  31.  Dez.  1586  und  6.  Jan. 
1587.     H.-St-A.  Cop.  501  fol.  353  b,  357  b,  358,  165,  182. 

■)  Vergl.  H.-St.-A.  Loc.  7305,  Cammersachen  1597.  I.  fol.  31. 
Hier,  „hintter  dem  Schlofse  im  Garten",  fand  z.  B.  am  19.  Febr.  1588 
ein  Ringrennen  statt;  vergl.  H.-St.-A.  Loc.  10526,  Ritterspiel  etc. 
fol.  277. 

^)  „Solches  Haus  aber  ist  nuhmehr  wegen  des  Geräthes  sehr 
verfaulet  und  eingangen,  das  es  ohne  das  muste  abgebrochen  werden." 
H.-St.-A.  Loc.  7305, "Cammersachen  1597.  I.  fol.  31. 

^)  „weil  solches  Baispiel   sonderlich  Hertzogk  Christiano 

zu  Abwendung  uberleier  Feyste  ein  nutzlich  Exercitium  corporis 
geben  wirdet."  Bericht  des  Hans  Georg  von  Ponickau  vom  9.  Jan. 
1597.  H.-St.-A.  Loc.  7305  a.  a.  0.  fol.  30.    Dass  bei  der  Erziehung  des 

1* 


4  Hubert  Ermisch: 

Ejreise  der  Gesellschaft  und  gerade  besonders  in  diesen 
beliebt  war,  wie  an  fast  allen  Höfen  Deutschlands,  Frank- 
reichs und  Italiens  und  auch  in  den  grösseren  Städten 
eigene  Gebäude  für  die  Ausübung  dieses  Sports  errichtet 
wuixlen,  ist  ja  zur  Genüge  bekannt. 

Der  Oberhof-  und  Stallmeister  Hans  Georg  von 
Ponickau,  mit  Vorschlägen  für  Errichtung  eines  solchen 
Hauses  beauftragt,  setzte  sich  mit  dem  Landzeugmeister 
Paul  Buchner  und  dem  vielseitigen  Italiener  Johann 
Maria  Nosseni  in  Vernehmen.  Auf  Grund  eines  Gut- 
achtens des  ersteren  empfahl  er  eben  jenen  Raum,  auf 
welchem  bisher  das  Judizierhaus  stand,  als  geeigneten 
Bauplatz;  man  brauche,  so  heisst  es,  von  hier  nur  10  bis 
12  junge  Obstbäume  fortzunehmen,  um  den  erforderlichen 
Platz  für  das  „Ballenhaus"  zu  gewinnen.  Buchner  fügte 
zwei  Anschläge  bei,  von  denen  der  eine  die  Errichtung 
emes  hölzernen  Ballhauses,  der  andere  die  eines  solchen 
von  Stein  betraf^'*);  in  beiden  war  eine  Länge  von  28, 
eine  lichte  Weite  von  24,  eine  Höhe  von  20  Ellen  an- 
genommen^'). Der  Administrator  entschied  sich  für  den 
ersteren. 

So  entstand  hier  ein  leicht  in  Holz  aufgeführtes  Ball- 
haus, dessen  Lage  wir  aus  dem  1651  von  dem  Landfeld- 
messer Samuel  Nienborg  gezeichneten  Plane  der  Stadt 
Dresden^-)  ersehen.  Es  nahm  weit  weniger  Raum  ein, 
als  die  später  dort  befindlichen  Gebäude.  Christian  IL 
und  seine  Brüder  Johann  Georg  und  August  und  später 
Johann  Georgs  Kinder  haben  sich  unter  Aufsicht  ihrer 
„Ballmeister"  hier  wacker  getummelt.  Der  erste,  der 
diese  Stellung  bekleidete,  war  wohl  Jean  Pimbault  aus 
Metz;  wenigstens  giebt  derselbe  in  einem  Unterstützungs- 
gesuche vom  13.  Juli  1G41  an,  dass  er  „in  die  46  Jahre" 
dem  kurfürstlichen  Hause  gedient  habe^").  Im  Jahre 
1681  wurde  Jacques  Pointel,  vorher  fürstlich  sächsischer 


jungen  Kurfürsten  auf  Leibesübungen  grosses  Gewicht  gelegt  wurde, 
beweist  auch  z.  B.  die  Educatiousordiiung  vom  IH.  Juni  i59ti,  ebenda 
Loc.  8017,  Des  Churf.  jungen  Herrschaft  Education  betr. 

'")  Die  zu  dem  letzteren  geliörigen  Pläne  sind  wohl  die,  welche 
sich  unter  1  B  47a-k  im  Kgl.  Üherhofmarschallamt  belinden. 

")  Befehl  vom  12.  Jan.  1597.  li.-St.-A.  Loc.  7305  fol.  29  f. 
Vergl.  auch  den  Befehl  an  Kammerrath  und  Hentraeister,  ebenda 
(FA.)  Speziaireskripte  1597  Nr.  87. 

'•-)  Eine  Kopie  im  H.-St.-A.  Kissschr.  XI  F.  YIU  Nr.  17. 

*■')  H.-St.-A.  Loc.  9835,  Acta  unterschiedene  herrschaftl.  Ge- 
bäude etc.  1590—1696  fol.  28. 


Das  alte  Archivgebäudo.  5 

„B'illenscliläger"  in  Weimar,  und  neben  ihm  1632  Pompejo 
Molinari  als  Ballmeister  angestellt^*);  von  ihnen  liegen 
uns  Schreiben  aus  den  Jahren  1684  und  1638  vor,  in 
welchen  sie  sich  beklagen,  dass  ihnen  weder  ihr  Gehalt 
gereicht,  noch  ihre  Auslagen  ersetzt  würden  ^■^).  Molinari 
verliess  dann  wohl  bald  seine  Stellung,  während  uns 
Pointel  noch  bis  1660  ^'^)  begegnet.  — 

InzAvischen  hatten  die  ritterlichen  Spiele  des  Mittel- 
alters, mit  denen  es  schon  dem  16.  Jahrhundert  nicht 
mehr  Ernst  war,  andern  Vergnügungen  weichen  müssen ; 
mehr  als  das  kampfesfrohe  Lanzensplittern  im  scharfen 
Rennen  und  den  wuchtigen  Schwerthieb  un  Fusstm^- 
niere  liebte  man  jetzt  jene  Kopf-,  Ring-.  Quintanrennen 
und  Carrousels,  welche  weniger  die  Körperkraft  und 
den  Muth  der  Streitenden,  als  ihre  Eleganz  und  Gewandt- 
heit hervortreten  Hessen.  Der  farbenfreudige  Sinn  der 
Zeit  brachte  diese  Spiele  gern  in  Verbindung  mit  präch- 
tigen, phantastischen  Aufzügen,  die  sich  oft  zu  panto- 
mimischen Darstellungen  von  Scenen  aus  der  Mythologie, 
der  Geschichte  und  Sage  oder  von  Allegorien  gestal- 
teten^'). Es  waren  dies  die  sogenannten  Inventionen,  zu 
deren  Veranstaltung  nicht  selten  namhafte  Künstler  ihren 
Beistand  leihen  mussten;  so  ist  namentlich  von  Nosseni 
bekannt,  dass  er  sich  nach  semem  Bestallungsdekret 
„auch  zu  Inventionen  von  Triumphen,  Mummereien  und 
dergl.  gebrauchen  lassen  solle". 

Mit  diesen  Inventionen  und  den  ihnen  verwandten 
AVirthschaften ,  Königreichen  oder  Maskeraden  traten 
feinere  künstlerische  Genüsse  in  Verbindimg.  Die  Mu- 
sik war  stets  am  kursächsischen  Hofe  ein  gern  ge- 
sehener Gast  gewesen ;  schon  zur  Zeit  Johann  Georgs  I. 
galt  die  kurfürstliche  Kapelle,  die  lange  Jahre  hindurch 
unter  der  Leitung  des  bedeutendsten  Musikers  seiner  Zeit, 
Heinrich  Schütz,  stand,  für  die  beste  in  Deutschland.    So 


1^)  Bestallungsurkimdeu  vom  9.  Jiüi  1631  u.  27.  Mai  1632  ebenda 
Loc.  83346,  Bestallungen  1630—1633  fol.  126.  210. 

>■')  Ebenda  Loc.  9835  fol.  10.  Loc.  8698,  Die  Bestallung  Pompejo 
Molinari  betr. 

16)  Schreiben  vom  14.  März  1639  und  27.  Febr.  1641  ebenda 
Loc.  9835  fol.  14.  20.  Eine  neue  Bestallungsurkunde  vom  6.  Juli 
1660,  ebenda  Loc.  33348,  Bestallungen  1659-1662  fol.  53. 

1")  Vergl.  für  das  Folgende  namentlich  M.  Fürsten  au,  Zur 
Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  am  Hofe  der  Kurfürsten 
von  Sachsen  I  (Dresden  1861),  82  flg. 


()  Hubert  Ermisch: 

ist  es  denn  begreiflich,  dass  auch  auf  jene  Festlichkeiten 
die  Musik  veredelnd  einwirkte.  Die  in  Frankreich  seit 
dem  Ende  des  16.  Jalnhunderts  aufkommende  Verbindung 
von  Invention  und  musikalischer  Auttiihrung,  das  Ballet, 
wurde  auch  am  sächsischen  Hofe  eingeführt.  Mehr  und 
mehr  trat  in  demselben  neben  dem  Tanze  der  Gesang 
hervor;  so  entstand  aus  dem  Ballet  das  Singspiel  und  die 
Oper,  auf  welche  dann  die  höher  entwickelte  italienische 
Musik  bald  massgebenden  Einfluss  gewann. 

Johann  Georg  II.,  ein  ebenso  kunstsinniger  als  pracht- 
liebender Herr,  hatte  selbst  eine  gründliche  musikalische 
Bildung  genossen  und  schon  als  Kurprinz  lebhaften  An- 
theil  an  den  künstlerischen  Bestrebungen  der  Zeit  ge- 
nommen; sogar  persönlich  wirkten  er  und  die  Kurprin- 
zessin nebst  den  anderen  Mitgliedern  des  kurfürstlichen 
Hauses  vielfach  bei  den  theatralischen  Darstellungen  mit, 
und  die  Erfindung  neuer  Stoffe  für  dieselben  war  eine 
Lieblingsbeschäftigung  der  höchsten  Kreise  geworden. 
Seit  dem  Regierungsantritte  des  Kurfürsten  wurden  die 
Vorstellungen  häufiger.  Sie  fanden  damals  in  verschie- 
denen Gemächern  des  kurfürstlichen  Schlosses  statt;  be- 
durfte man  einer  grösseren  Bühne,  so  wählte  man  den 
berühmten  Riesensaal  im  zweiten  StockAverk  des  nach 
der  Schlossstrasse  gelegenen  Flügels,  sonst  das  daran 
stossende  Riesengemach  oder  den  Ecksalon,  beide  in  der 
zweiten  Etage  des  Nordflügels,  oder  auch  den  ül)er  der 
Schlosskapelle  gelegenen  Kirchensaal  oder  endlich  die 
Pavillons  der  Lustgärten.  Indes  diese  improvisierten 
Bühnen  genügten  bald  nicht  mehr  den  Ansprüchen  der 
damaligen  Zeit,  die  nicht  bloss  musikalische  Genüsse,  son- 
dern namentlich  auch  glänzende  Ausstattung  und  über- 
raschende Scenerien  verlangte.  Noch  kannte  man  in 
Deutschland  kehie  stehenden  Theater;  nur  in  Wien  war 
bereits  1651  ein  Opernhaus  erbaut  worden.  Dresden 
folgte.  Am  1.  August  1664  früh  nach  8  Uhr  wurde  an 
der  Stelle  des  bisherigen  Ballhauses  der  Grundstein  zu 
einem  neuen  Komödienhause  gelegt. 

Diese  Grundsteinlegung  wurde  die  Geburtsstunde  des 
Hauses,  in  welchem  sich  gegenwärtig  das  Hauptstaats- 
archiv befindet.  Der  Kurfürst  und  der  Kurprinz  thaten 
die  üblichen  Hammerschläge;  der  Zeugobrist  Joh.  Sigm. 
von  Liebenau,  Festungskommandant  von  Dresden,  der 
Oberlandbaumeister  AVolf  Kaspar  Kiengel,  der  Er- 
bauer des  Hauses,  sowie  verscliiedene  andere  Baubeamte 


Das  alte  Arcliivs'ebäude.  7. 

woliiiteii  dem  feierlichen  Akte  bei.  In  den  Grundstein 
wnrde  ein  knpfernes  Kästchen  eingelassen,  in  welchem 
sich  die  verschiedenen  damals  gangbaren  Münzsorten,  eine 
Aufzeichnnng  über  die  Grundsteinlegung  und  über  die 
damaligen  Zeitumstände,  endlich  ein  Fläschlein  rother 
und  ein  Fläschlein  weisser  Wein  befanden^^). 

Der  Bau,  über  welchen  uns  nur  Avenig  Einzelheiten 
überliefert  sind^'^),  nahm  fast  2^/„  Jahre  in  Anspruch. 
Am  27.  Januar  1667  konnte  das  neue  Theater  eröffnet 
werden.  Man  wählte  als  erste  Vorstellung  die  Oper 
,,I1  Teseo"  -^).  Von  nun  an  fanden  alle  grösseren  thea- 
tralischen Aufführungen  im  neuen  Hause  statt;  für  klei- 
nere wurden  aber  nach  wie  vor  vielfach  die  Gemächer 
des  Schlosses  benutzt. 

Das  prächtige  Gebäude  erregte  allgemeine  Be"\vim- 
derung.  Nach  den  Beschreibungen  der  Zeitgenossen"-^) 
sowie   einigen   Bissen--)   und   Abbildungen--^)   vermögen 


1®)  Das  Protokoll  über  die  Grrnndsteinlegung-  (H.-St.-A.  Loc. 
4452.  Acta  den  Bau  u.  Reparatur  unterschiedener  herrschattl.  Gebäude 
1559—1695  fol.  15—21)  bei  Fürstenau  a.  a.  0.  I,  321  flg.,  vergl. 
Distel  in  der  Zeitschr.  f.  Museologie  VIII,  27. 

'**)  Ein  Bericht  des  Zeugobristeu  von  Liebenau  vom  5.  Nov.  1665 
enthält  den  Vorschlag",  wegen  der  „anhaltenden  grossen  Kälte  und 
Bahrfröste "  den  Bau  einzustellen  und  im  Frühjahr  um  so  zeitiger 
damit  zu  beginnen.  „Das  erst  gehobene  Stück  Tach  auff  diesen 
Baue  wirdt  hoffeudt  diese  instehende  Woche  undt  mit  Ende  derselben 
gentzlich  gehoben  viudt  mit  solchen  Ziegeln  einzuhängen,  auch  der 
fordere  Giebel  gegen  dem  Wetter  mit  Brettern  zu  verschlagen  etc." 
H.-St.-A.  Loc.  8008,  13.  Buch  Landesverfassung  fol.  5b.  Vgl.  Für- 
st e  n  all  I,  217.  —  Ein  Befehl  au  den  Amtsrentverwalter  zu  Stolpen  vom 
1.  Okt.  1668,  er  solle  die  „zur  Bedeckung  des  neuen  Perspectiv  an 
dem  Comoedienhause"  erforderlichen  18  Zentner  „schwarzer  eiserner 
Blecher"  im  Muldenhammer  baldigst  verfertigen  lassen,  ebenda 
(Fin.-Ai-ch.)  Oammer-Cop.  1668  fol.  I83b. 

-**)  „27.  Jan.  1667  Avurde  ordentlicher  Gottesdienst  und  hernach 
von  Churf.  sämtlichen  Herrschaften  bey  der  Durchl.  Churfürstin  in 
dero  Vorgemach  Taffei,  auch  darauff  in  den  neuerbauten  Comoedien- 
hause die  Opera  von  Theseo  gehalten."  H.-St.-A.  Loc.  8681,  Churf. 
Sachs.  Hof- Diarium  1662—1667  fol.  288 ^ 

-1)  A.  Weck.  Chronik  Dresdens  (1679)  S.  68;  danach  Müller, 
Annales  S.  459.  Tob.  Beutel,  Cedernwald  (1671).  G.  Leti,  Ritratti 
historici  (1687)  S.  578  f.  Fürstenau  I,  220  f.  theilt  die  betreffenden 
Stellen  mit. 

-2)  Kgi.  Oberhofmarschallamt  I  B  33  (danach  der  Grundriss 
auf  Taf.  I),  34,  35. 

-^)  Eine  von  Job.  Osw.  Harms  (vgl.  über  ihn  Distel  in  der 
Kunstchronik  XIX,  728  f.)  in  Kupfer  gestochene  Abltildung  des 
Zuschauerraums  im  Textbuche  des  bei  der  Zusammenkunft  Jo- 
hann Georgs  II.  mit  seinen  Brüdern  am  3.  Febr.  1678   aufgeführten 


8  Hubert  Ermiscli: 

wii"   uns    ein    zienilicli   deutliclies  Bild  von  demselben  zu 
machen. 

Weck  schildert  es  folgendermassen :  „Dieser  Bau  ist 
von  Pirnischen  harten  Steinen  von  Grund  aus  nach  Ita- 
lienischer Structur  so  hoch  und  g'rols  antgeflihrt ,  dals 
2000  Menschen  füglich  darinnen  zuschauen  können,  das 
Theatrum,  ürchestra  auch  so  geraum,  danebenst  die 
Maschinen  und  Verwendungen  so  leicht  und  auf  so  viel- 
fältige Art  zu  bewegen,  als  einig  ausländischer  Orte  zu 
befinden.  In  dieses  Comoedienhaus  und  Fürstliche  Loggia 
gehet  man  von  den  Churfürstlichen  Gemächern  über  einen 
ganz  steinernen  breiten  Gang  von  ohngefähr  50  Schritten 
mit  eisernen  künstlichen  Geländern,  welcher  auf  Dorisch- 
Rustischen  steinernen  Säulen  ruhet,  deren  jedwede  von 
einem  einzigen  Stücke  ist,  und  ist  dieser  Bau  mit  be- 
sonderer Kunst  ohne  darunter  geschlossenen  Bogen  auf- 
geführt." Noch  heute  sehen  wir  von  dem  kleinen 
nach  dem  Taschenberge  zu  gelegenen  Garten  wenig- 
stens einen  Theil  dieser,  Galerie  gekuppelter  Säulen;  die 
Fortsetzung  ist  gegenwärtig  vermauert  und  daher  un- 
sichtbar-^). "Wie  stattlich  er  sich  im  17.  Jahrhundert 
ausnahm,  davon  giebt  ein  Kupferstich  in  dem  bekannten 
grossen  Werke  des  Dresdener  Bürgermeisters  Gabriel 
Tzschimmer  einen  klaren  Begriff-').  Hier  ist  auch  die 
Südwestecke  des  Komödienhauses  abgebildet;  wir  sehen, 
dass  ein  kleines  (einstöckiges)  Gebäude  mit  einem  ziem- 
lich hohen  Schornstein,  welches  der  auf  Tafel  I  mitge- 
theilte  Grundriss  als  „die  alte  Scheierbute"  bezeichnet, 
sich  an  die  abgeschrägte  Südwestecke  und  das  Schloss 
so  anlehnte,  dass  der  erwähnte  Gang  aus  dem  Schlosse 
durch  das  Oberstockwerk  desselben  hin  durchführte.  Wie 
diese  Seite  des  Theaters  einen  durchaus  schmucklosen 
Eindruck  macht,  so  war  auch  im  Übrigen  das  Äussere 
desselben  ziemlich  einfach  gehalten. 


Ballets  „Von  Zusamiiieiikunft  und  Wirknni>-  der  Vll  Planeten"  (da- 
uacli  Taf.  II;  eine  kleine  Nachbildung  in  liilschers  Sammler  f.  Gesch. 
u.  Alterth.  S.  576),  eine  andere  in  dem  Textbuche  des  „Opera-Ballet 
von  dem  Judicio  Paridis  und  der  Helenae  Kaub"  Dresden  1679 
(danach  die  Lithographie;  bei  Fürstenau  Bd.  1).  Beide  Textbücher 
befinden  sich  in  der  Kgl.  üft'entl.  Bibliotliek  zu  Dresden,  ^'ergl. 
Fürstenau  I,  250  f.,  324. 

"*)  Steche  in  den  Bauten  von  Dresden  S.  47. 

'■')  Tzschimmer,  Die  durchlauchtigste  Zusammenkunft  (Nürn- 
berg 1680)  Abb.  Nr.  5  (bei  S.  67). 


Das  alte  Aichivgebäude.  9 

Um  SO  reicher  war  das  Innere  ausgestattet.  Der 
Zuschauerraum  hiklete  den  an  das  Schloss  stossenden 
Theil  des  Gebäudes  und  bestand  aus  ehiem  Parterre  und 
zwei  Logenreihen.  Die  kurfürstlichen  Herrschaften  ge- 
langten, wenn  sie  von  jenem  Gange  aus  das  Theater  be- 
traten, zunächst  in  die  mit  Teppichen  behangene  Mittel- 
loge des  ersten  Ranges;  bei  festlichen  Gelegenheiten 
scheinen  sie  jedoch  nicht  diese  benutzt  zu  haben  — 
auf  den  beiden  N.  23  erwähnten  Abbildungen  ist  sie 
leer  — ,  sondern  sassen  dann  wohl  in  der  Regel  auf 
den  durch  eine  Balustrade  vom  übrigen  Publikum 
geschiedenen  Plätzen  in  den  vordersten  Reihen  des 
Parterre.  Die  Treppenaufgänge  zu  den  Logen  be- 
fanden sich  zwischen  diesen  Plätzen  und  dem  Proscenium. 
Prächtige  Statuen  und  Bilder  schmückten  das  Innere 
und  den  Plafond.  Die  Bühne,  welche  die  grössere 
Hälfte  des  Gebäudes  einnahm,  war  durch  einen  weiten 
Zwischenraum  von  dem  Parterre  geschieden.  Unmittel- 
bar vor  dem  Vorhange  befand  sich  das  Orchester,  das 
autfallend  tief  und  für  die  Zuschauer  fast  unsichtbar 
angebracht  war;  nur  die  Hoftrompeter  und  Hofpauker 
sassen  über  demselben  in  den  Prosceniumslogen.  Die 
xlbbildungen  des  Vorhangs  und  des  Prosceniums,  welche 
die  beiden  genannten  Textbücher  bringen,  weichen  be- 
deutend von  einander  ab,  sei  es,  dass  in  der  That  zwi- 
schen 1678  und  1679  eine  w^esentliche  Veränderung  vor- 
genommen worden  war,  sei  es,  dass  der  Zeichner  seiner 
Phantasie  freien  Spielraum  gelassen  hat.  Im  Textbuche 
von  1678  zeigt  der  Vorhang  einen  auf  Wolken  schwe- 
benden Merkur,  während  er  in  dem  von  1679  aus  einem 
gemusterten  Stoffe  zu  bestehen  scheint.  Über  ersterem 
befindet  sich  ein  Wappenschild  mit  den  Kurschwertern, 
über  letzterem  der  Namenszug  des  Kurfürsten,  umrahmt 
von  der  Devise  des  Hosenbandordens ;  beide  sind  bekrönt 
von  dem  Kurhute.  Auch  der  bildnerische  Schmuck  des 
Prosceniums  ist  ganz  verschieden. 

Wie  es  während  der  Aufführungen  auf  der  Bühne 
aussah,  das  können  wir  aus  den  Darstellungen  der  Haupt- 
scenen  in  den  beiden  Textbüchern  entnehmen-'^).  Hat  auch 
hier  der  gefällige  Grabstichel  des  Künstlers  vielleicht  ein 


-")  Die  9  von  Harms  gestocheneu  Abbildungen  zu  dem  Ballet 
von  den  sieben  Planeten  linden  sich  auch  bei  Tzsch immer  a.  a.  O. 
Abb.  6—14. 


lO  Hul»ert  Ermisch: 

wenig  gescliineicliolt,  so  darf  man  doch  iiiclit  daran  zwei- 
feln, dass  schon  damals  das  sächsische  Hoftheater  gross- 
artige  sccnische  Wiikungen  hervorzubringen  vermochte. 

Es  mag  schliesslich  noch  erwähnt  werden,  dass  sich 
im  Innern,  veninithlich  auf  dem  Boden,  auch  Wohnräume 
für  den  „Architekten",  d.  h.  den  Oberaufseher  des  Thea- 
ters, befanden-'). 

Mit  Recht  hat  Fürstenau  die  Erbauung  des  Opern- 
hauses ,  das  auch  Haupttheatrum  oder  grosses  Thea- 
trum  genannt  wurde,  als  einen  der  wichtigsten  Ab- 
schnitte in  der  Theatergeschichte  Dresdens  bezeichnet. 
Fanden  auch  noch  keine  regelmässigen  Vorstellungen  in 
demselben  statt  und  war  vor  allem  die  Öffentlichkeit 
noch  immer  eine  sehr  beschränkte,  da  ausser  der  Hof- 
gesellschaft nur  geladene  Personen  aus  der  Bürgerschaft 
Zutritt  erhielten,  so  bewirkten  doch  schon  die  stattlichen 
Räume,  dass  weit  grössere  Kreise  als  früher  den  thea- 
tralischen Aufführungen  beiwohnten,  und  dass  daher  das 
Interesse  für  dieselben  ein  viel  allgemeineres  wui'de. 
Wesentlich  trug  dazu  bei,  dass  wie  Johann  Georg  II. 
so  auch  seine  Nachfolger  Johann  Georg  III.  und  IV.  das 
lebhafteste  Interesse  für  Musik  und  dramatische  Kunst 
hatten.  Johann  Georg  III.  begründete  im  Jahre  1685 
eine  italienische  Oper,  in  Avelcher  namentlich  die  berühmte 
Primadonna  Margherita  Salicola  glänzte;  der  Wettkampf 
zwischen  deutscher  und  italienischer  Musik,  der  für  die 
Musikgeschichte  des  17.  Jahrhunderts  bezeichnend  ist, 
spielte  sich  zum  guten  Theil  in  den  Räumen  des  neuen 
Komödienhauses  ab.  Die  Hof  Journale  berichten  von  zahl- 
reichen glänzenden  Vorstellungen;  doch  sehen  wir  davon 
ab,  im  einzelnen  auf  dieselben  einzugehen,  da  Fürstenaus 
mehrfach  angeführtes  Buch  gerade  diese  Periode  sehr 
ausführlich  behandelt.  —  IJbrigens  fanden  auch  noch  nach 
Errichtung  des  Opernhauses  nicht  selten  in  den  Sälen 
des  Schlosses,  namentlich  dem  Riesensaale  und  dem  Eck- 
saale, sowie  in  dem  1677  vollendeten  neuen  Schiesshause 
Aufführungen  statt ;  besonders  wählte  man  diese  kleineren 


-')  Yergl.  z.  B.  die  Bestalluni;-  für  den  „theatralischen  Ingenieur 
und  Prin(i])al->Iahler  lieim  Opernhause"  Martin  Klotze!  (6.  Mai  1695) 
H.-St.-A.  Loc.  3B345,  Bestallungen  1694,  1695  fol.  22,  sowie  den 
Klötzeis  Nachfolger,  den  Hofmaler  Fritzsche,  l)etreffenden  Befehl 
vom  14.  Juni  1699,  el)enda  Loc.  379  Maler,  Bildhauer,  Musiker  1698 
bis  1732  fol.  34. 


Das  alte  Arclüvgebäude.  11 

Bühnen  für  die  meln^  und  mein-  in  Aufnahme  kommenden 
Komödien. 

Einen  Wendepunkt  in  der  Theaterg-eschichte  Dres- 
dens bildete  der  Regierungsantritt  des  Kurfürsten  Fried- 
rich August  I.'-^)  Dieser  \ielseitig  g'ebildete  Fürst,  den 
an  Kunstsinn  wohl  kaum  einer  seiner  Zeitgenossen  über- 
traf, hatte  auch  für  Musik  und  Theater  das  lebhafteste 
Interesse;  seine  ganze  Geschmacksrichtung  aber  führte 
ihn  mehr  der  französischen  dramatischen  Poesie  und  der 
französischen  Musik  zu,  als  der  deutschen  und  italie- 
nischen. Während  er  bei  seinem  Regierungsautritte  sämt- 
liche beim  Theater  angestellten  Italiener  entliess,  erschien 
schon  während  des  Karnevals  1696  eine  französische 
Schauspielergesellschaft  in  Dresden;  dieselbe  stand  im 
Dienste  des  Kurfürsten  von  Hannover  und  hatte  von 
diesem  zu  Gastspielen  in  Dresden  Urlaub  erhalten.  Sie 
spielte  anfangs  im  Opernhause,  dann  auf  einer  im  Riesen- 
saale erbauten  Bühne;  doch  entsprachen  beide  nicht  den 
Bedürfnissen  des  Schauspiels.  In  einem  an  den  Ober- 
inspektor der  Zivilgebäude,  v.  Wackerbarth,  gerichteten 
Befehl  vom  10.  Nov./ 31.  Okt.  1696  bemerkt  der  Kurfürst, 
„dafs  unser  gewöhnliches  Theatrum  in  dem  so  genandten 
Operenhause  hiezu  nicht  dienlich,  indem  in  solchem  alleine 
die  Singstimmen  ihren  Effect  thun,  die  redenden  Actores 
aber  es  mit  ihren  Stimmen  ohne  sonderliche  Beschwerung 
nicht  ausfüllen  können";  er  befahl  deshalb,  für  die  im 
nächsten  Karneval  aufzuführenden  „fremden  Komödien" 
ein  eigenes  Theater  nächst  dem  Schiesshause  (wohl  etwa 
da,  wo  jetzt  der  mittlere  Theil  des  Museums  steht)  zu 
erbauen-^);  dasselbe  sollte  bis  Neujahr  1G97  fertig  sein, 
war  also  jedenfalls  ein  leichter  Holzbau. 

In  demselben  Jahre  1697  erfolgte  der  Übertritt  des 
Kurfürsten  zur  katholischen  Kiixhe  und  die  Annahme 
der  polnischen  Königskrone.  Diese  für  die  Geschichte 
Sachsens  so  folgenreichen  Ereignisse  sollten  auch  bedeu- 
tungsvoll für  die  Schicksale  unseres  Hauses  werden. 


-*)  Für  das  Folgende  vergl.  Fürstenau  a.  a.  0.  Bd.  II. 

-")  H.-St.-A.  Loc.  983r>,  Acta  unterschiedene  herrscliaftl.  Ge- 
bäude in  der  ßesidentzstadt  Dresden  bei.  I.ö90— 1696  fol.  72.  Yergl. 
auch  den  Befehl  vom  7.  Xov. '28.  Okt.  1696  an  den  Oberhofjäger- 
meister von  Erdmannsdorf  wegen  einer  Holzlief erung  für  den  Bau 
des  neuen  Theaters,  ebenda  Loc.  7335,  Allerhand  Memorialia  fol,  46 ; 
vergl.  fol.  59. 


12  Hubert  llnnisch: 

Die  häutige  Abwesenheit  des  Kurfürsten,  der  uauient- 
licli  iu  den  ersten  Jahren  seüies  pohiisehen  Königthums 
sich  genüthigt  sah,  mehr  in  den  pohlischen  Residenzen 
als  in  Dresden  zu  weilen,  dann  auch  der  finanzielle 
Ruin,  den  der  nordische  Krieg  über  Sachsen  herauf- 
beschwor, bewirkten  einen  empfindlichen  Stillstand  im 
Theaterleben  Dresdens.  Zwar  liess  der  König  im  Jahre 
1699  durch  Constantini  eine  eigene  französische  Gesell- 
schaft zur  iVuffülirung  \o\\  Schauspielen,  Oi)ern  und  Bal- 
lets  in  Paris  anwerben'"');  allein  dieselbe  gab  fast  aus- 
schliesslich iu  Warschau  und  Krakau  Vorstellungen.  Erst 
im  Jahre  1705  wurde  der  Karneval  wieder  einmal  in 
Dresden  gefeiert;  die  Franzosen  spielten  damals  theils 
im  Opern-,  theils  im  neuen  Komödienhause.  Dies  scheinen 
die  letzten  Vorstellungen  in  ersterem  gewesen  zu  sein; 
die  Gesellschaft,  die  erhebliche  Besoldungsrückstände  zu 
fordern  hatte,  wurde  aufgelöst  und  zerstob  in  alle  Winde. 
Das  Opernhaus  stand  unbenutzt.  Wenn  man  sich  ent- 
schloss,  es  als  solches  überhaupt  nicht  weiter  zu  erhalten, 
so  w^aren  hierfür  nicht  allein  die  augenblicklichen  Zeit- 
verhältnisse, sondern  ebenso  die  veränderte  Geschmacks- 
richtung massgebend.  Jene  Ballets  und  Opern  des  17. 
Jahrhunderts,  die  an  den  Text  nur  geringe  Anforderungen 
stellten,  um  so  grössere  aber  an  Dekorationen  und  Ma- 
schinen, jene  pomphaften  mythologischen  und  allegorischen 
Darstellungen  fingen  an  sich  zu  überleben.  Auf  diese 
aber  war  die  alte  Hofbühne  hauptsächlich  berechnet  ge- 
wesen; je  w^eniger  man  sie  liierfür  gebrauchte,  um  so 
bemerkbarer  wurden  ihre  Übelstände. 

Zunächst  scheint  man  an  die  Umwandlung  des  Opern- 
hauses in  ein  Ballhaus  gedacht  zu  haben.  Zwar  stand 
seit  1668  ein  solches  auf  einem  Theile  des  Raumes,  wel- 
chen jetzt  das  Prinzenpalais  einnimmt;  aber  im  Zusam- 
menhange mit  den  gewaltigen  Bauplänen,  Avelche  nament- 
lich seit  dem  Schlossbrande  vom  25.  März  1701  die 
künstlerische  Phantasie  des  Königs  beschäftigten,  war 
die  Entfernung  dieses  Gebäudes  damals  w'ohl  schon  be- 
schlossene Sache.  Mehrere  Risse  im  Kgl.  Oberhofmar- 
schallamt ^^)  betreffen  diesen  Umbau  des  Opernhauses  in 


'■^)  Befehle  Wackevbarths  an  das  Kaminerkolleg,  betr.  die  aii- 
befolileiie  Herstelhing'  eines  neuen  Theatrum  auf  dem  liiesensaale  zu 
Dresden  für  die  französischen  Komödianten  vom  11.  u.  18.  Okt.  1699. 
H.-St.-A.  Loc.  8698,  Die  Hotf-Comoedianten  betr.  1686  flg. 

■")  I  B  46a-f. 


Das  alte  Archivgeliände.  13 

ein  Ballhaus;  einer  derselben,  der  aus  dem  Febniar  1707 
herrührt,  trägt  die  Aufschrift:  „Auf  den  Grundt  vom 
Comedien-Hauise  ist  nach  Sr.  Kgl.  Maj.  Gedanken  und 
Eintheilung  ein  Ballhauls  gerichtet,  so  aber  kleiner  als 
das  jetzige;  der  Platz  wehre  auch  so  beschaffen  nach 
der  jetzigen  Grösse  es  einzurichten." 

Allein  dieser  Plan  Avich  schnell  einem  andern. 

►Seit  dem  Konfessionswechsel  des  Kurfürsten  war 
während  seiner  Anwesenheit  in  Dresden  der  katholische 
Hofgottesdienst  in  einem  Saale  der  zweiten  Etage  des 
ßesidenzschlosses  abgehalten  worden,  in  welchem  sonst 
den  auswärtigen  Gesandten  Audienz  ertheilt  worden  war; 
derselbe  war  in  der  i)rächtigsten  Weise  ausgeschmückt 
und  in  eine  Kapelle  verwandelt  worden"-).  Im  Jahre 
1699  wurde  dann  die  Schlosskirche  zu  Moritzburg  für 
die  Zwecke  des  katholischen  Kultus  eingerichtet.  Ein 
weit  wichtigerer  Schritt  war  es,  dass  der  König  sich  im 
Jahre  1707  entschloss,  das  frühere  Opernhaus  in  eine 
katholische  Hofkapelle  umzugestalten.  Die  erste 
Nachricht  darüber  findet  sich,  soviel  mir  bekannt,  in  einem 
Briefe  des  Erzbischofs  von  Neapel,  Franz  Pignatelli,  vom 
24.  März  1707,  in  welchem  derselbe  dem  König  für  seine 
löbliche  Absicht  dankt  und  ihn  darin  ermuntert ■'•^).  Eigen- 
händig entwarf  der  König  die  —  meines  Wissens  leider 
nicht  erhaltenen  —  Pläne  für  den  Umbau  des  Hauses 
und  selbst  die  Zeichnungen  für  die  architektonischen  Ver- 
zierungen des  Innern,  die  Altäre,  die  königliche  Tribüne, 
die  Chöre  und  Galerien,  die  Säulengänge  und  die  Sa- 
kristei"^); in  eigener  Person  überwachte  er  die  Aus- 
führung. 


■'-)  Für  das  Folgende  vergl.  TL  ein  er,  Geschichte  der  Znrück- 
kehr  der  i'egierenden  Häuser  von  Braunschweig  u.  Sachsen  in  den 
Schooss  der  kathol.  Kirche  (1845)  S.  120  flg.  Derselbe  schöpft  aus 
den  Quellen  des  Vatikanischen  Archivs,  namentlich  den  Jahresberich- 
ten der  katholischen  Mission  in  Dresden,  deren  Konzepte  oder  Ab- 
scüriften  sich  im  Gedenkbuche  des  kathol.  geistlicuen  Haiises  zu 
Dresden  befinden;  ihre  Benutzung  wurde  mir  freundlichst  gestattet. 
Ferner  W.  Schäfer,  Die  kathol.  Hofkirclie  zu  Dresden  etc.  Nebst 
einer  Einleitung:  Die  Geschichte  der  ersten  kath.  Hofcapellc  am 
Taschenberge  (Dresden  1851).  F.  A.  Forwerk,  Gesch.  und  Be- 
schreibung der  kgl.  kath.  Hof-  u.  Pfarrkirche  zu  Dresden  (Dres- 
den 1851).     Die  ältere  Literatur  bei  Schäfer  S.  I  flg. 

"'•■=)  The  in  er,  Urk.  Nr.  68-,  vergl.  S.  130. 

'■^)  Yergl.  das  unten  zu  erwähnende  Schreiben  des  Königs  vom 
13.  Febr.  1708. 


14  Hubert  Ermisch: 

Audi  Leim  Bau  der  Hofkapelle  sind  französische 
Einflüsse  bemerkbar;  namcntlicli  hat  sie  der  spätere 
Oberlandbaumeister  Eaimond  le  Plat,  dem  die  Leitung 
des  Baues  übertragen  ^vurde ■'"''),  vermittelt.  Die  Kapelle 
ist  wohl  ebenso  "wie  die  spätere  katholische  Hofkirche 
als  eine  bewusste  Nachahmung  der  1GV)9 — 171U  erbauten 
Schlosskapelle  zu  Versailles  anzusehen.  Es  zeigt  sich 
dies  namentlich  in  der  unmittelbaren  Verbindung  der 
landesheiiiichen  Betstübchen  mit  dem  Schlosse  und  in 
der  Emporenanlage:  es  entsprach  dem  auf  strenges  Zere- 
moniell gerichteten  Geiste  der  Zeit,  dass  dem  Herrscher 
und  seiner  nächsten  Umgebung  bequem  zugängliche, 
erhöhte  und  von  der  im  Schiffe  versammelten  Schar 
der  andern  Andächtigen  getrennte  Plätze  geschaffen 
wurden ""). 

Am  1.  Januar  1708  wurde  dem  Kgl.  Kammerherrn 
und  Kämmerer  von  Haugwitz  befohlen,  die  Bühne  und 
die  sonstigen  „inwendigen  Gebäude"  im  Opernhause  ein- 
reissen  zu  lassen"').  Die  theatralischen  Geräthschaften 
wurden  auf  den  Boden  geschafft  und  dort  in  einer  Kam- 
mer niedergelegt;  der  Hofmaler  Fritzsche,  der  Inspektor 
des  vormaligen  Opernhauses,  beschwerte  sich  im  Septem- 
ber 1708,  dass  die  Arbeiter  mit  Leitern  hinaufstiegen, 
und  sprach  die  Befürchtung  aus,  dass  von  den  inventari- 
sierten Gegenständen  manches  abhanden  kommen  Averde"*'*). 
Am  13.  Februar  1708  konnte  der  König  dem  Papst 
Clemens  XL  mittheilen,  dass  die  Eröffnung  der  Kirche 
nahe  bevorstehe;  dieselbe  fasse  mehrere  tausend  Men- 
schen, stosse  an  seine  Gemächer  und  werde  auch  für 
das  katholische  Publikum  mehrere  öffentliche  Eingänge 
haben '^'M. 

Li  der  That  wurde  l)ereits  am  Gründonnerstage 
(5.  April)  1708  die  Kapelle  dem  öffentlichen  Gottesdienste 
übergeben;  am  Tage  vorher  war  die  provisorische  Auf- 
stellung eines  Altars   und  einer  Kanzel,    die   sich  beide 


^■•)  Wenis;steiis  fiiliren  die  Hcntkamnierreclinungen  der  Jalire 
1708  \\.  1709  (Finanzarchiv)  verschiedene  an  ihn  ausgezalilte  Sainmen 
^zu  Ausbaunng  der  neneu  Hofkapelle  im  Grossen  Opei-nhause"  auf. 

3ö)  A'ergl.  C.  Gnrlitt,  Gesell,  des  Barokstiles  II,  186 f.  H.- 
St.-A.  Loc.  773,  Das  Schloss  zu  Dresden  etc.  fol.  38. 

^■')  Nach  dem  „Gedenkbuch"  p.  1  scheint  die  Ausräumung  erst 
am  3.  und  4.  April  erfolgt  zu  sein. 

•'^)  Ebenda  Bl.  40. 

«")  Theiner,  TTi-k.  Xr.  69;  vergl.  S.  131  flg. 


Das  alte  Archiv gebäude.  15 

im  „Mutterhause"  (auf  der  Kreuzstrasse)  vorfanden, 
erfolgt^'').  Der  künigliche  Beichtvater  P.  Vota,  der 
apostolische  Präfekt  der  Missionen  von  Sachsen,  nahm 
unter  Assistenz  der  Kapuziner  J.  Ch.  Paldam  und  J.  Vitzk 
die  feierliche  Einweihung  vor.  Die  Kirche  wurde  der 
heil.  Dreieinigkeit  gewidmet^^). 

"Wir  erfahren,  dass  der  Papst  in  hohem  Grade  über 
diesen  Akt  erfreut  war.  Der  damalige  sächsische  Bot- 
schafter in  Kom,  Baron  v.  Schenck,  schrieb  am  28,  April 
1708  darüber  an  den  Grafen  von  Lagnasco:  „Le  Pape 
m'a  temoigne  une  tres  grande  joye  dans  les  deux  audiences 
que  j'eus  hier  et  ce  matin,  m'assurant  que  s'etoit  quasi 
l'uniciue  lenitif  qu'il  recevoit  dans  les  grans  embaras  c]ui 
Taffligeoient  de  tous  cotes  principalement  du  Roj^aume 
de  Naples  et  Duche  de  Milan,  ou  on  vouloit  proceder 
contre  l'immunite  ecclesiastique.  Monseigneur  Albany  en 
a  conceu  aussi  une  joye  tout  ä  fait  particuliere  etc'  ^-). 
Zwei  päpstliche  Schreiben  vom  12.  Mai  und  18.  August 
1708^'')  geben  weitere  Belege  dafür,  wie  hoch  man  in 
Rom  den  allerdings  mit  manchen  Schwierigkeiten  ver- 
bundenen Schritt  des  Kurfürsten  aufnahm. 

Noch  in  demselben  Jahre  erliess  der  König  die  be- 
kannten Reglements  über  den  Gottesdienst  in  der  neuen 
Kirche,  ihr  Personal,  ihre  Rechte  und  Pflichten  u.  s.  w.^"'). 

So  war  die  Stätte,  die  vierzig  Jahre  früher  Kurfürst 
Johann  Georg  IL  weltlicher  Lust  und  Pracht  bereitet 
hatte,  nunmehr  den  Zwecken  der  Kirche  gewidmet.  Eine 
Stätte  der  Kunst  blieb  sie  jedoch  auch  ferner.  Wie  noch 
heute,  so  führte  auch  damals  schon  die  vortreffliche  Kir- 
chenmusik allsonntäglich  zahlreiche  Zuhörer,  unter  denen 
sich  viele  Nichtkatholiken  befanden,  in  die  Räume  der 
Hoflvapelle,  und  die  Zeitgenossen,  wie  Iccander  (Grell) 
in  seiner  1723  erschienenen  Beschreibung  Dresdens  und 
Schräm  in  seinem  Europäischen  Reiselexikon  (1744),  sind 
einstimmig  im  Lobe  der  herrlichen  Klänge. 

Aber  nicht  allein  das  Ohr,  auch  das  Auge  der  Kunst- 
verständigen konnte  sich  an  der  neuen  Kapelle  erfreuen. 


•10)  Vergl.  „Gedeiikbuch"  p.  1. 

■*^)  Näheres  über  die  Einweihiuig  bei  The  in  er  S.  134  f.  For- 
werk S.  11  f. 

*-)  H.-St.-A.  Loc.  3312,  Lettres  de  M.  le  baron  de  Schenck  au 
Cte.  de  Lagnasco  sur  toiites  sortes  de  matieres  etc.  \'ol.  II. 

•»3)  Clementis  XI.  opera  omnia  (Francof.  1729)  Sp.  509.  559. 

*^)  Gedrackt  bei  Theiner  a.  a.  0.  Urk.  70.    Yergl.  S.  137  flg. 


16  Huliprt  Enniscli: 

Trotz  der  Eile,  mit  welcher  sie  eingerichtet  worden  war, 
verdiente  sie  es  wohl,  wenn  man  sie  ihrer  reichen  und 
geschmackvollen  Ausstattung  wegen  den  schönsten  Kir- 
chen Italiens  an  die  Seite  stellte.  Wir  kennen  diese 
Einrichtung  theils  aus  den  Beschreibungen  Iccanders, 
tlieils  aus  einer  das  am  3.  September  1719  aus  Anlass 
der  Vermählung  des  Kurprinzen  abgehaltene  Tedeum  dar- 
stellenden Tuschzeichnung  im  Kgl.  Kupferstichkabinett'*^) 
und  einem  zu  derselben  Zeit  von  dem  französischen 
Zeichner  und  Kupferstecher  Antoine  iVveline^*'')  in  Kupfer 
gestochenen  Grund-  und  Aufrisse*'). 

Wo  früher  die  Bühne  war,  also  auf  der  nach  dem 
Zwinger  zu  gelegenen  Westseite,  befand  sich  jetzt  das 
Orgelchor,  auf  welchem  seit  1709  eine  von  Job.  Heinr. 
Gräbner  gebaute  kleine  Orgel  mit  11  klingenden  Stimmen, 
zwei  Nebenregistern  und  einem  Manualklavier  angebracht 
war*^),  sowie  das  etwas  vorgebaute  Chor  für  die  Kapell- 
knaben und  die  Kapellmusik;  die  Pauker  und  Hoftrompeter 
hatten  ihren  Platz  in  der  ersten  Halle  der  nördlichen  Em- 
pore. Die  jetzige  Hauptehigangsthür  an  der  schmalen 
Westseite  war  damals  nur  für  die  Musiker  bestimmt ;  im 
Vestibül  lagen  zu  beiden  Seiten  Gemächer  für  die  Auf- 
bewahrung kirchlicher  Gegenstände  und  für  die.  Noten 
und  Instrumente  der  Kapelle,  sowie  auch  ein  Übungs- 
zimmer für  die  letztere.  Dem  Orgelchor  gegenüber,  auf 
der  an  das  Schloss  stossenden  Schmalseite,   befand  sich 


'•'*)  „Petes  et  solemiiites  ä  la  cour  iiii])eriale  ä  loccasioii  du 
niaria<?e  etc.  1719."  Vergl.  Taf.  III.  Eine  kleinere  Nachltildnng 
in  Hilschci's  Sammler  f.  (iesth.  u.  Alterth.  S.  lOH. 

'")  Veru;!.  übci'  ihn  Le  Blano.  i\Iannel  de  TAmatcnr  1,  108. 

''')  „Plan  Coupe  et  Eleuation  de  la  Chapelle  Koyale  de  Dresden, 
Oll  Ton  a  chante  le  Te  Denm  laudamus.  A.  Aveline.  c."  Exemplare 
befinden  sich  in  dem  Kgl.  IvnpiVrstichkahinett  u.  in  der  Kgl.  Biblio- 
thek zu  Dresden.  Vergl.  mich  die  Pläne  des  Kgl.  Oberhol'marschall- 
amts  I  A.  1.  4.  ;'>.  und  einen  Riss  in  den  Akten  desselben  A.  20 
fol.  26  (danach  der  ürnndriss  Taf.  1). 

•**)  Fürsten  an,  Zur  Gesch.  d.  Musik  und  des  Theaters  II,  37 
und  in  den  Mitth.  d.  Kgl.  Sachs.  Alterthum.svereins  XIII,  49  flg. 
Dazu  wurde  im  .lahre  1712  noch  ein  Positiv  erworben  (oder  sind 
die  folgenden  Angaben  auf  eben  diese  Oigel  zu  beziehen ?):_  „Hoc 
anno  in  templo  erexinius  Organum  seu  potius  melius  aliquod  positivum 
cum  aliquot  mutationibus  et  pedali.  Fabricavit  illud  organifex  et 
consularis  vir  von  Pühmisch-Käninitz.  Contractus  erat  ])ro  IHO  thl., 
dati  sunt  illi  170  thl.  et  soluta  a  nobis  vectura.  In  coUocando  illo 
laboravit  cum  sociis  14  diebus,  habitans  in  aedibus  nostris."  Gledenk- 
buch  p.  53. 


Das  alte  Archivgebäude.  17 

in  einem  gewölbten  Chore  und  unisclilossen  von  einer 
orliöliten  Balustrade  der  wolil  bald  nach  der  Einweihung 
errichtete,  von  einer  strahlenden  Sonne  und  einem  darüber 
schwebenden  Baldachin  bekrönte,  sonst  aber  sehr  einfach 
gehaltene  Hochaltar;  derselbe  wurde  erst  im  Jahre  1725 
durch  einen  prächtigeren  ersetzt,  den  eine  von  einem 
Italiener  gemalte  Darstellung  der  Dreifaltigkeit  zierte"*^). 
Nördlich  vom  Altarplatze  Avar  seit  1712  an  einer  frei- 
stehenden Säule,  welche  auch  die  Empore  trug,  die  Kanzel 
angebracht,  eine  Arbeit  Balthasar  Permosers  (f  1732)'^'^). 
Unter  den  von  acht  viereckigen  Pfeilern  getragenen  Em- 
poren befanden  sich  noch  vier  Nebenaltäre ").  Beson- 
ders reich  ausgestattet  waren  die  in  gleicher  Höhe  mit 
den  Emporen  gelegenen  vier  Betstübchen  der  könig- 
lichen Familie,  zu  welchen  Gänge  aus  den  Zimmern 
des  Königs  im  Erdgeschosse  des  Schlosses  und  aus  denen 
der  Kurprinzessin  im  zweiten  Stockwerke  desselben  führ- 

■"')  ,Adhuc  dum  annus  aurea  Aurorae  luce  illustrabatur,  quando 
capella  regia  nova  majore  ara  miro  artificio  elaborata  est  condeco- 
rata;  corde  illius  velut  clarissimo  sole  imagine  videlicet  sanctissimae 
trinitatis  penicillo  italico  expresso  refulgente.  Habuit  illa,  autequam 
perfecta  cousisteret,  non  modicas  adversitates,  dum  aures  Serenissimi 
regis  continuo  iuquietabautur  ab  eo,  qui  priorera  aram  anno  1708  adeo 
indifferentem  etiigiaverat,  ut  in  Calvini  hora  (sie!)  aeque  ac  in  Syna- 
goga  judaica  stare  potuerit.  Aures  inquam  regiae  continuo  inquie- 
tabantur,  quod  jam  isto  jam  alio  ara  nova  deforraata  staret  errore. 
Uude  rex  seren.  capellam  ipse  bis  est  iugressus  consideratisque  bene 
Omnibus  acceptoque  a  primariis  artiticibus  calculo  taudem  declaravit, 
opus  Omnibus  numeris  esse  absolutum.  Ab  eo  tempore  stat  livido 
zoilorum  dente  superior."  G-edenkbuch  p.  175.  Vollendet  wurde  dieser 
Altar  am  n.  Jan.  1725.  Oberbofmarsch.  A.  17.  fol.  15.  Wohin  das 
Altarbild  und  viele  andere  nach  dem  Inventar  von  1722  [K.  Gemälde- 
galerie) früher  in  der  Kapelle  befindliche  Gemälde  gekommen,  ist  un- 
bekannt; die  K.  Galerie  besitzt  davon  nur  eine  Himmelfahrt  von  Seb. 
Ricci  (No.  548)  und  Cranachs  Christus  und  die  Ehebrecherin  (No.  1926). 

^^)  „Accessit  templo  nova  umbona  affabre  facta  a  sculptore  catholico 
regio,  aestimat  opus  BOüimperialibus,  dati  sunt  illi  Interim  100  thl.  manet- 
que  opus  idcirco  imperfectum."  Gedenkbuch  p.  34.  Im  J.  1722  v^urde 
an  der  Kanzel  die  Figur  eines  sie  tragenden  Engels  angebracht, 
ebd.  p.  127.  Yergl.  Schäfer  S.  2  f.  Forwerk  ö.  88  f.  Ob  die 
Kanzel,  die  übrigens  auf  Avelines  Kupferstich  ganz  anders  aus- 
sieht wie  auf  der  Abbildung  Taf.  III,  mit  der  in  der  jetzigen  kathol. 
Kirche  befindlichen  identisch  ist,  wie  Schäfer  annahm  (vergl.  auch 
Gustav  Müller  im  Dresd.  Anz.  1885  No.  145),  nmss  dahingestellt 
bleiben. 

''^)  „Curata  pro  capella  duo  nova  altaria,  unum  pro  serenissimo 
rege,  alterum  pro  serenissimis  principibus ;  hoc  jam  ex  integro  in- 
dutum  coloribus  et  auro  investitum,  alterum  adhuc  sub  manu  pic- 
toris  est "     Gedenkbuch  p.  134. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX.  1.  2.  2 


18  Hubert  Ennisch: 

ten.  Ein  anderer  Gang  verband  die  an  das  Prinzen- 
palais und  das  Ballhaus  sich  anschliessende  Öchlossbau- 
schreiberei  mit  der  nordwestlichen  Ecke  der  Kapelle''"-). 
Den  Haupteingang  für  das  Publikum  bildete  die  noch 
jetzt  vorhandene  Thür  an  der  Südseite  des  Gebäudes. 

Seit  dem  Jahre  1719  machten  sich  namentlich  der 
Kurprinz  und  seine  Gemahlin  Maria  Josepha  um  die 
Ausschmückung  der  Kirche  verdient.  Knüpften  sich 
doch  fast  alle  frohen  und  traurigen  Ereignisse  ihrer  Ehe 
an  dieses  Gebäude  an,  seit  dem  Einzüge  des  jungen 
Paares  in  Dresden,  der  seine  kirchliche  Weihe  am  3.  Sep- 
tember 1719  durch  ein  feierliches  Tedeum  in  der  Hof- 
kapelle erhielt.  Bald  darauf  schenkte  die  Kurprinzessin 
der  Kirche  prachtvolle  Messgewänder  und  Ornate  und 
im  Jahre  1720  ein  Silbermannsches  Positiv,  welches  nach 
Einweihung  der  neuen  Kirche  in  die  Kaiserkapelle  nach 
Dresden-Neustadt  gelangte,  von  wo  es  1813  die  Russen 
mitgenommen  haben  ■^•^).  Die  Geburt  des  Prinzen  Joseph 
August  (24.  Oktober  1721)  gab  den  Anlass  zur  Stiftung 
eines  schönen  Taufsteins  aus  karrarischem  Marmor  ■^'^). 
Über  ihm  fand  auch  am  18.  Oktober  1722  die  feierliche 
Einsegnung  des  späteren  Kurfürsten  Friedrich  Christian 
statt,  bei  welcher  die  Kirche  mit  den  (zur  evangelischen 
Hofkapelle  gehörigen)  „kostbaren  und  andern  von  bibli- 
schen Historien  gewirkten  Tapeten  behenget  wurde" ''•''); 
noch  mehrere  andere  Prinzen  und  Prinzessinnen  aus  der 
mit  Kindern  reich  gesegneten  Ehe  Friedrich  Augusts  II.''*'') 
und  als  letzter  am  2.  Februar  1751  sein  Enkel,  der  künf- 


■^2)  Pläne  des  Oberliofmarschallamts  I  A  1  •\  1  'i.  4.  5. 

'■'»)  Fürstenau  II,  B9. 

^*)  „Capellae  vegiae  doiio  obvenere  sequentia.  Ex  niunificentia  regis 
Dovura  e  iiiarraore  baptisteriuni  marinorea  flagellati  Christi  statua  iiiilie 
imperialibiis  oxoluta."  üedenkbuch  p.  121.  Vcrgl.  H.-St.-A.  Dr.  Loc. 
1U)80,  Ein  Convolut  Wiener  nnd  Dresdner  Diarien  (znm  20.  Nov. 
1721).  Nach  Eorwerk  S.  99  soll  es  derselbe  Tanfstein  sein,  der 
noch  gegenwärtig'  in  der  kathol.  Kirche  steht;  doch  passt  der  Fuss 
nicht  zu  der  obigen  Beschreibung. 

■'■>)  H.-St.-Ä.  Loc.  7(j5,  Geburt  etc.  Fricdr.  Christians  betr.  Vol. 
II  fol.  198  flg.  212  flg.  Vergl.  ()l)erhofmarschallamt  A.  17.  fol.  9. 
A.  16.  Bl.  17. 

'"'")  Nämlich  die  Prinzessinnen  Marie  Ainalie  Christine  (6.  Jan. 
172.5),  Margarethe  (2H.  Okt.  1727),  Marie  Anna  (10.  Okt.  1728), 
Maria  .losepha  (15.  Dez.  1731)  und  die  Prinzen  Xaver  (7.  Okt.  1730) 
und  Karl  (23  Aug.  1733).  Oberhofmarschallamt  A.  17—20.  Die 
eigentliche  Taufe  fand  stets  bald  nach  der  Grebiirt  im  Schlosse  statt. 


Das  alte  Archivgebäude.  19 

tige  Friedricli  August  III."),  wurden  hier  eingesegnet. 
Aber  es  fehlte  auch  nicht  an  traurigen  Erinnerungen, 
die  sich  an  diese  Räume  knüpften.  Als  das  erstgeborne 
Söhnchen  des  Kurprinzen  im  Alter  von  9  Wochen  am 
21.  Januar  1721  starb,  wurde  unter  dem  Hochaltar  eine 
Gruft  eingerichtet,  in  welcher  dasselbe  am  25.  Januar  in 
aller  Stille  beigesetzt  wurde ■'^).  Diese  Gruft  nahm  später 
noch  die  irdischen  Eeste  des  1728  verstorbenen  Prinzen 
Joseph  und  der  1734  verstorbenen  Prinzessin  Margarethe 
auf.  Auch  das  Herz  des  Erbauers  der  Kirche,  des  Kö- 
nigs August,  dessen  Leib  bekanntlich  in  der  polnischen 
Königsgruft  zu  Krakau  schlummert,  fand  zunächst  hier 
seine  Ruhestätte  ■''■').  Die  Exequien,  die  dem  Könige  in 
den  Tagen  vom  15.  bis  17.  April  1733  in  der  Hofkapelle 
gehalten  wurden  und  zu  denen  ein  prächtiges  Castrum 
doloris  erbaut  worden  war,  Avaren  wohl  die  grossartigste 
Trauerfeierlichkeit,  welche  hier  stattgefunden  hat*^*^). 

Die  Umwandlung  in  eine  Kapelle  hatte  das  alte  Ko- 
mödienhaus vor  dem  Schicksale  geschützt,  welchem  eben 
zu  jener  Zeit  die  meisten  andern  das  Schloss  umgeben- 
den Gebäude  zum  Opfer  fielen.  Zur  Zeit  Wecks,  also 
Ende  des  17.  Jalu^hunderts,  lag  gegenüber  dem  damaligen 
Opernhause,  etwa  an  der  Stelle  der  heutigen  Hauptwache, 
das  sogenannte  Gold-  oder  Probierhaus.  An  dieses  schlös- 
sen sich,  einen  Winkel  nach  dem  Schlosse  zu  bildend 
und  das  letztere  von  dem  Taschenberge  trennend,  das 
Rauchhaus,  dessen  oberen  Räume  Korn-,  Futter-  und  Mehl- 
böden enthielten,  dann  das  Hofbrau-  und  -malzhaus,  end- 
lich die  an  das  Schloss  stossende  Hofapotheke  an,  in  wel- 
cher sich  auch  das  Hofbackhaus  und  die  sonstigen  Ge- 
schäfts- und  Wohnräume  des  Hofmundbäckers  befanden, 
meist  Bauten  des  16.  Jahrhimderts,  theil weise  vielleicht 


s^)  H.-St.-A.  Loc.  771,  Geburt,  Taixfe  u.  Einsegnung;  des  Prinzen 
Friedr.  August  17.50/51.  fol.  6°,    vergl.  fol.  IS«". 

"^)  „In  aptata  recens  sub  ara  majore  sumptibus  regiis  crypta." 
Gedenkbuch  p.  113.  Vergl.  Iccander  ö.  47.  Eine  genaue  Beschrei- 
bung der  Beisetzung  Oberhofmarschallamt  A.  15  fol.  48. 

•^^)  Die  Beisetzung  war  am  14.  April  in  aller  Stille,  selbst 
ohne  Vorwissen  des  Oberhofmarschallamts,  das  erst  bei  dem  Be- 
gräbnis der  Prinzessin  Margarethe  davon  erfuhr,  erfolgt.  Ebenda 
C.  27  fol.  5  und  C.  34  fol.  3''. 

60)  Vergl.  ebenda  C.  27  fol.  232.  Ebenda  fol.  236  ein  Kupfer- 
stich des  Castrum  doloris  (Joh.  Battista  Grone  delin.  et  inv.).  Das 
nach  dem  Tode  der  Kaiserin  Amalie  1742  für  ihre  Bxeqiiien  von 
Chiaveri  errichtete  Castrum  doloris  ebenda  C.  38  fol.  46. 


20  Hubert  Ermisch: 

Eeste  des  ältesten  Markgrafenschlosses.  Auch  das  nörd- 
lich vom  Schlosse,  etwa  zwischen  der  katholischen  Hoi- 
kirche  und  der  Elbe  gelegene  MUnzgebäude  stannnte  ans 
dem  16.  Jahrhundert.  Hierzu  kamen  im  17.  Jahrhundert 
die  prächtigen  Bauten  Kiengels:  ausser  dem  Opernhause 
das  oben  erwähnte  Ballhaus,  dann  auf  dem  jetzigen  Thea- 
terplatze ein  grosses,  1672 — 1677  entstandenes  ßeithaus 
nebst  einem  sich  daran  schliessenden  Schiesshause.  Diese 
letztgenannten  Gebäude  mussten  schon  1712  und  1713 
den  Zwingerbauplänen  des  Königs  weichen.  Dann  wurde, 
um  einen  freien  Platz  vor  der  Kapelle  zu  schaffen, 
1718  das  Gold-  oder  Probierhaus  nebst  den  anstossenden 
Gebäuden  bis  zur  Hofapotheke  niedergelegt.  Auf  den 
Abbruch  des  Ballhauses  (1756),  dessen  namentlich  wegen 
seiner  alten  Feigenbäume'^^)  berühmter  Garten  schon  1718 
zerstört  worden  W'ar,  werden  wir  noch  zurückkommen. 
An  seiner  Stelle  erhob  sich  der  Westflügel  des  Prin- 
zenpalais, dessen  mittlerer  Theil  schon  1710  erbaut  worden 
wai".  Das  Bauwerk,  welches  die  Phj'siognomie  des  weiten 
Baumes  westlich  vom  Schlosse  am  meisten  veränderte, 
war  der  Zwinger,  der  bekanntlich  in  den  Jahren  1711  bis 
1722  entstanden  ist.  An  seine  südöstliche  Ecke  lehnte 
sich  das  1718 — 1719  erbaute  grosse  Opernhaus  an,  wäh- 
rend ein  kleineres  Theater  1754—1755  auf  dem  jetzigen 
Theaterplatze  (nach  Hotel  Bellevue  zu)  entstand.  Letz- 
terer war  mit  zahlreichen  kleinen  Häusern  bedeckt,  die 
man  als  das  italienische  Dorf  bezeichnete  und  die  grossen- 
theils  erst  in  unserm  Jahrhundert  verschwunden  sind. 

Eine  der  bedeutendsten  Veränderungen  aber  erfuhr 
der  Platz  nördlich  vom  Schlosse. 

Kaum  3U  Jahre  waren  seit  der  EiuAveihung  der  Hof- 
kapelle verflossen,  als  sie  nicht  mehr  den  Bedürfnissen 
genügte;  man  fand,  dass  sie  „sehr  enge  und  unbequehm, 
dazu  von  denen  Zinnnern,  w^elche  Iliro  Majestät  der 
König  und  die  Königin  Mürklich  bewohnen,  weit  abge- 
legen sei"^-).  Am  28.  Juli  1739  erfolgte  die  Grundstein- 
legung der  gegenwärtigen  katholischen  Hofkirche.  Fast 
zwölf  Jahre  vergingen,   bevor  dieses  prächtige  Bauwerk 


"')  Die.selben  kamen  in  der  „Herzogin  Garten"  anf  der  Ostra- 
Aliee. 

'*-)  Sclireilx'ii  des  Grafen  von  Schönburg  namens  des  Geheimen 
Consiliums  an  den  sächs.  Gesandten  zu  llegensburg  vom  1.  Juli  1751. 
H.-St.-A.  Loc.  30223,  Fascikel  Coirespondenzen  etc. 


Das  altp  Anliivffebände.  21 

Chiaveris  vollonclet  war*'-').  Am  29.  Juni  1751  wurde 
die  neue  Kirche,  die  ebenfalls  der  h.  Dreifaltigkeit  ge- 
widmet ward,  feierlich  eingeweiht.  Am  Abend  des  1.  Juli 
begaben  sich  König  und  Königin  nebst  dem  ganzen  kö- 
niglichen Hause  in  die  bisherige  Kapelle  und  begleiteten 
das  Venerabile,  das  der  Pater  Superior  Gruber  trug,  bis 
in  die  neue  Kirche ;  der  Zug  nahm  nach  Vortritt  einiger 
Geistlichen  in  Chorhemden,  doch  ohne  weitere  Zere- 
monien seinen  Weg  durch  die  königlichen  Zimmer  und  über 
eine  kleine  nächst  der  königlichen  Garderobe  angebrachte 
Galerie,  wohl  dieselbe,  welche  noch  jetzt  die  Verbindung 
zwischen  dem  Schlosse  und  der  Kirche  bildet *^^).  Damit 
hatte  der  Gottesdienst  in  der  alten  Kirche  sein  Ende. 
Am  Abend  des  3,  Juli  fand  sodann  die  Überführung  der 
in  der  bisherigen  Gruft  ruhenden  drei  prinzlichen  Leichen 
sowie  des  in  einer  silbernen  herzförmigen  und  vergoldeten 
Kapsel  befindlichen  Herzens  des  Königs  August  in  die 
neue  Kirche  statt.  Um  8  Uhr  begaben  sich  der  Ober- 
schenk Böse  und  der  Hofmarschall  v.  Schönberg  nebst 
dem  Hofrat  und  Hofsekretär  Müldner,  dessen  Protokoll  wir 
die  Einzelheiten  entnehmen,  zur  alten  Gruft  mit  der  beim 
Oberhofmarschallamt  verwahiien  Hälfte  der  Schlüssel; 
die  andere  Hälfte  brachte  der  P.  Superior  Gruber,  der 
nebst  dem  kgl.  Beichtvater  P.  Rauch,  dem,.P.  Kirstan 
und  dem  Oberlandbaumeister  Knoefel  der  Überführung 
Iteiwohnte;  auch  ein  Kommando  der  Schweizergarde  unter 
Eilhrung  des  Major  du  Brechet  war  anwesend.  Nach 
ÖÖnung  der  Gruft  ergab  sich,  dass  zw^ei  der  Särge 
wegen  ihrer  Grösse  nicht  zur  Thür  hinaus  gebracht  wer- 
den konnten,  weshalb  die  Mauer  durchbrochen  wurde. 
Auf  zwei  schwarz  behangenen  Leichen-Brancards,  jeder 
mit  einem  Kanzleizuge  bespannt,  Avurden  die  hohen 
Leichen  nach  der  neuen  Kirche  überführt  und  dort  in 
einer  interimistischen  Gruft  beigesetzt. 

Das  nunmehr  leer  stehende  Haus  beabsichtigte  man 
anfangs  zum  Schlosse  zu  ziehen  und  Zimmer  in  demsel- 
ben einzurichten  *''^).    Wären  die  grossartigen  Schlossbau- 


*"')  Über  die  Baugeschichte  vergl.  R.  Steche  in:  Die  Bauten 
von  Dresden  S.  107  flg. 

**)  Vergl.  das  N.  55  angeführte  Schreiben  des  Grafen  v.  Schön- 
burg und  das  Protokoll  des  Hofraths  und  Hofsekretärs  Job.  Chr. 
Müldner  im  H.-St.-A.  Loc.  774,    Acta  die  Erbauung  etc.  fol.  143  flg. 

^^)  Wenigstens  sagt  das  Graf  Schönburg  in  dem  oben  N.  62 
angeführten  Schi-eiben. 


22  Huliert  Eiiuisch: 

plane  Augusts  III.  zur  Ausführung  gekommen,  so  Aväre 
es  ihnen  wolil  zum  Opfer  gefallen"*'). 

Vorläufig  aber  verwandte  man  es  zu  einem  anderen 
Zwecke.  Man  überwies  es  nänüich  dem  Hof-  und  Land- 
orgelbauer Gottfr.  Silbermann,  mit  welchem  am  27.  Juli 
1750  ein  Vertrag  wegen  Erbauung  einer  grossen  Orgel 
für  die  neue  katholische  Kirche  abgeschlossen  worden 
war^'),  als  Werkstatt  und  Wohnung  für  sich  und  seine 
Gesellen.  Hier  arbeitete  der  weitberühmte  Meister  in 
den  letzten  Jahren  seines  Lebens  an  seinem  letzten 
grossen  Werke,  und  in  diesen  Räumen  hat  er  am 
4.  August  des  Jahres  1753  abends  in  der  neunten  Stunde 
seine  Augen  zum  ewigen  Schlummer  geschlossen.  Zwar 
berichteten  wenige  Tage  nach  seinem  Tode  die  Dresdner 
Frag-  und  Anzeigen *^^),  er  sei  in  dem  Hause  seines 
Vetters,  des  Tischlermeisters  Michael  Silbermann,  auf  der 
Grossen  Brüdergasse  gestorben.  Aber  diese  Angabe, 
die  neuerdings  mehrfach  wiederholt  worden  ist*'^),  wird 
widerlegt  durch  ein  im  Archiv  des  hiesigen  Kgl.  Amts- 
gerichts'*^) befindliches  Instrument  des  Notarius  Langbein 
vom  16.  Oktober  1753.  Dieser  war  unmittelbar  nach 
dem  Ableben  Silbermanns  zur  Versiegelung  seines  Nach- 
lasses gerufen  worden;  er  berichtet,  „dalis  er  sich  in  des 
Defuncti  allhier  in  der  alten  ehemaligen  katholischen 
Kirche  innen  gehabtes  Quartier  und  in  das  daselbst  eine 
Treppe  hoch  befindliche  Zimmer,  dessen  Fenster  auf  die 
Gallerie- Haupt -Wacht  und  den  Wall  zugehet,  begeben 
habe,  woselbst  er  den  entseelten  Leichnam  Gottfried 
Silbermanns  annoch  im  Bette  liegend  angetroffen". 

So  wurde  das  Haus,  das  fast  ein  Jahrhundert  lang 
im  Dienste  der  edlen  Frau  Musika  gestanden,  noch  zu- 
letzt das  Sterbehaus  eines  würdigen  Dieners  derselben. 


"")  Vergl.  Steche  in:  Die  Bauten  von  Dresden  S.  76  f.;  ins- 
besondero  den  Plan  bei  S.  78. 

"')  H.-St.-A.  Loc.  774,  Acta  die  Erbauung  einer  neuen  Kirche 
etc.  fol.  216''.  Es  sollten  danach  Silbermann  „allhier  in  Dresden  so 
viel  gelegene  geräumliche  Behältnisse  als  vor  10  Personen  zu  arbeiten 
erforderlich  sind,  auf  2  Jahre  lang"  unentgeltlich  eingeräumt  werden. 
Vergl.  Wissensch.  Beilage  der  Leipz.  Ztg.  1883  No.  4  S.  17. 

öS)  Jahrg.  n.'iS  Nr.  XXXIII.  Hiernach  Gautsch  in  Mosch- 
kaus  Saxonia  II,  114. 

ö")  So  auch  von  Dibelius  in  den  Mittheilungen  des  Freiberger 
Alterthumsvereins  XIX,  103. 

™)  Acta  commiss.,  des  verstorbenen  Hoforgelmachers  Gottfried 
Silbermann  Nachlass  betr.  1753.  Vergl.  Wissensch.  Beilage  der 
Leipz.  Ztg.  a.  a.  0.  S.  19. 


Das  alte  Aichivgebäude.  23 

Im  folgenden  Jahre  wurde  die  Orgel  vollendet.  Da 
um  dieselbe  Zeit  der  Abbruch  des  alten  Ballhauses  und 
der  Hofbauschreiberei  beschlossen  worden  war,  so  ent- 
schied man  sich  dafür,  die  ehemalige  Kapelle  zu  einem 
Ballhause  umzugestalten,  in  welchem  auch  der  Ball- 
inspektor eine  Dienstwohnung  haben  sollte'^).  Man  trug 
daher  1755  den  oben  erwähnten  Yerbindungsgang  und 
einen  grossen  Tlieil  der  Kapelle  ab^"-).  Um  1757  scheint 
das  neue  Ballhaus  fertig  gewesen  zu  sein. 

Allein  das  Ballspiel  erfreute  sich  nicht  mehr  lange 
seiner  alten  Beliebtheit.  Die  Stelle  eines  Ballinspektors 
mirde  nach  dem  Tode  des  Michael  Fleischmann  (1772), 
der  als  solcher  neben  freier  Wohnung  und  einem  Holz- 
deputat 360  Thaler  Gehalt  bezog,  nicht  wieder  besetzt. 
Einer  der  letzten  eifrigen  Freunde  des  Spiels  war  der 
Herzog  Karl  von  Kurland;  derselbe  stellte,  nachdem  im 
Jahi-e  1776  das  Gebäude  einer  umfänglichen  Dachrepa- 
ratur unterworfen  worden  Avar '=^),  einen  Franzosen  namens 
Louis  Fradin  mit  266  Thlr.  16  Gr.  Gehalt  und  36  Thlr. 
Holz-  und  Lichtgeld  als  Ballmeister  an,  dem  ebenfalls 
freie  Wohnimg  im  Ballhause  gewährt  wurde.  Als  der 
Herzog  aber  1796  starb,  nahm  man  Anstand,  seinem 
letztwilligen  Wunsche  nach'^)  den  Fradin  in  kurfürstliche 
Dienste  zu  übernehmen;  der  Hausmarschall  Freiherr  von 
Racknitz  wandte  ein,  dass  gegenwärtig  keine  der  höch- 
sten Herrschaften  mit  dem  Ballspiel  sich  beschäftige, 
dass  11  bis  12  Jahre  vergehen  würden,  bevor  einer  der 
Prinzen  das  Ballspiel  Avürde  erlernen  w^ollen,  und  dass 
daher  die  Beibehaltung  des  Ballmeisters  und  die  Unter- 
haltung des  Ballhauses  lediglich  dazu  diene,  den  Fremden 
und  einigen  einheimischen  Kavalieren  das  Vergnügen  des 
Ballspiels  zu  gewähren'').  So  erfolgte  denn  die  Ent- 
lassung des  Ballmeisters  und  die  Kündigung  seiner  bis- 


''i)  Bericht  des  Jul.  Heinr.  Schwartz  vom  28.  Dez.  1754  Loc. 
35763  (Fin.-Arch.),  Rep.  VIII  Geu.  Nr.  140  <=.  fol.  70. 

"•2)  Vergl.  dasselbe  Akteustück  fol.  136. 140d.  „Anno  1755  hat  man 
dieses  Gebäude  gäutzlich  niedergerissen,  auf  dessen  Platz  nunmehro 
ein  neues  Ballhaufs  von  Stein  aufgebauet  wird."  Neu-revid.  und 
accurate  Drefsdnische  Addresse  fDresden  1756)  S.  41 ;  vergl.  S.  9. 

■'")  Loc.  35775,  Anschläge  auf  das  Jahr  1776  VII  fol.  78. 

"^)  Yergl.  Loc.  2695,  Acta  des  Prinzen  Karl  Christian  Joseph 
Absterben  etc.  betr.  Vol.  I  fol.  9''. 

^ö^  Vergl.  die  Vorträge  des  Frh.  v.  Racknitz  vom  15.  Sept.  ixnd 
des  Geh.  Kabinetts  vom  22.  Nov.  1796.  H.-St.-A.  Loc.  2447  Acta,  die 
Erweiterung  des  Geh.  Archivs  betr.  1788  Üg.  fol.  67  flg.  77  flg. 


24  lhil>ert  Enniscli: 

her  iimei^elialtten  Woh]miig'*'j.  Dieselbe  befand  sich  auf 
den  Bodenräumen  des  Hauses,  wo  auch  der  Sakristan 
Mengemann,  die  Witwe  des  ehemaligen  Sakristans  Minetti 
und  die  Tochter  des  ehemaligen  Ballinspektors  Fleisch- 
mann freie  Quartiere  hatten"). 

Der  Hausmarschall  machte  ferner  den  Vorschlag'"), 
das  Gebäude  zur  Unterbringung  der  Hofapotheke  und 
des  Hofbackhauses  zu  verwenden.  Das  schon  oben  S.  24 
erwähnte  am  Taschenberg  gelegene  Haus,  in  welchem 
sich  seit  1581  die  Hofapotheke  befand,  war  durch  ein 
kleines  Gärtchen  und  durch  Holzschuppen,  in  denen  die 
Brennholz vorräthe  für  das  Schloss  lagerten,  von  letzterem 
getrennt.  Die  Nachbarschaft  war  eine  entschieden  feuer- 
gefährliche, und  auch  der  Geruchssinn  der  hohen  Herr- 
schaften mochte  nicht  selten  durch  die  Düfte  der  nahen 
Offizin  beleidigt  werden.  Gleichwohl  stiessen  die  Vor- 
schläge des  Hausmarschalls,  der  die  alte  Hofapotheke 
entweder  abbrechen  und  an  ihre  Stelle  die  Holzscliuppen 
setzen  oder  zu  Aufnahme  der  Holzvorräthe  einrichten 
wollte,  auf  Bedenken. 

Bereits  seit  einer  Reihe  von  Jahren  waren  Klagen 
über  die  durchaus  ungenügende  Unterbringung  des  Ge- 
heimen Archivs  laut  geworden'^).  Der  Grundstock 
desselben  befand  sich  seit  dem  Jahre  1579  in  den  Ge- 
wölben des  Kanzleihauses,  welche  jetzt  die  Hofapo- 
theke enthalten;  bereits  1703  musste  ein  Theil,  das  so- 
genannte „Neue  Archiv",  in  den  Parterreräundichkeiten 
des  Schlosses  untergebracht  werden,  und  dazu  kam  später 
noch  ein  drittes  Depot,  das  gemiethete  Weiss'sche  Haus 
auf  der  Wilsdruffer  Gasse.  Alle  diese  Lokalitäten  reichten 
bei  Weitem  nicht  mehr  aus;  zudem  waren  die  Gewölbe 
im  Kanzleihause  feucht  und  baufällig.  Die  Überweisung 
des  Lokals  der  Kammerkreditkasse  im  Schlosse,  Avelche 
ebenso  wie  die  Kunstakademie  in  das  1789  — 1791  um- 
gebaute vormals  gräflich  Brühl'sche  Bibliotheksgebäude 
übersiedelte,  machte  zwar  die  Räumung  des  bisher  inne- 
gehabten Privathauses  möglich,  half  aber  auf  die  Dauer 
den  Übelständen  nicht  ab. 

•ö)  Geh.  Kab.-Iieski-.  vom  26.  Nov.  1796  ebenda  fol.  83. 

")  Ebenda  fol.  115.  214  »>. 

'8)  Ebenda  fol.  69  flg. 

'ö)  Vergl.  zum  Folgenden  K.  V.  Weber,  Das  Haviptstaatsarchiv 
zu  Dresden :  Archiv  f.  d.  Sachs.  Gesell.  II,  9  flg.  und  die  oben  N.  75 
angeführten  Akten. 


Das  alte  Arcliivg'ebände.  25 

Da  regte  der  damalige  Geheime  x\rcliivai',  der  ener- 
gische und  thätige  Hof-  und  Justizienrath  Günther,  die 
Verwendung  des  Ballliauses  zur  Unterbringung  des  Ge- 
heimen Archivs  an.  Zuerst  geschah  dies  in  einem  Vor- 
trage vom  9.  Mai  1797**').  Allein  der  Hausmarschall 
stand  diesem  Plane  nicht  sympathisch  gegenüber;  er 
brachte  vielmehr  die  alte  Hofapotheke  für  die  Zwecke 
des  Archivs  in  Vorschlag.  So  wurde  einstweilen  (1797) 
das  Ballhaus  zur  Aufbewahrung  der  Brennholzvorrätlie 
für  das  Schloss  eingerichtet'*').  Indessen  sollte  diese  wenig 
glänzende  Phase  der  Geschichte  des  Hauses  nur  kurze 
Zeit  dauern.  Denn  es  gelang  der  Energie  Günthers 
doch,  nach  einigen  Jahren  sein  Ziel  zu  erreichen.  Durch 
Reskript  des  Geheimen  Kabinetts  vom  13.  Februar  1802*"-) 
wurde  die  Einrichtung  des  Ballhauses  zum  Geheimen  Ar- 
chiv angeordnet. 

Der  Oberlandbaumeister  Hauptmann,  dem  der  Umbau 
übertragen  wurde,  hatte  bereits  am  o.  August  1801  ein 
Gutachten  über  denselben  eingereicht*-').  Er  schlug  vor, 
zur  Erzielung  der  nöthigen  Feuersicherheit  das  Gebäude 
in  beiden  Etagen  mittels  Autführung  steinerner  Schäfte 
zu  überwölben,  das  Erdgeschoss  zur  Sicherung  gegen 
l Jberschwemmungen  zu  erhöhen,  die  Wendeltreppe,  welche 
sich  an  der  Südseite  des  Gebäudes  dem  Prinzenpalais 
gegenüber  in  einem  kleinen  Thürmchen  befand  und  nur 
bis  zur  ersten  Etage  reichte,  sowie  das  an  dieselbe  an- 
stossende  Wasserhäuschen  abzutragen  und  letzteres  am 
Gebäude  der  Hofapotheke  anzubringen,  statt  der  ersteren 
aber  eine  steinerne  Treppe  im  Gebäude  selbst  zu  bauen. 
Günther  betheiligte  sich  lebhaft  an  der  ilusgestaltung 
diese]"  Pläne ;  namentlich  ging  von  ihm  der  Vorschlag  aus, 
die  Expeditionsräume  in  die  Westseite  des  Gebäudes 
zu  verlegen  und  nur  die  Seitengalerien  in  beiden  Etagen 
zu  wölben,  den  Mittelraum  aber  nicht  durch  die  Ein- 
ziehung von  Gewölben  zu  theilen;  es  erhöhte  dies  wesent- 
lich das  stattliche  Aussehen  des  Innern,  ohne  doch  all- 
zuviel Haum  wegzunehmen. 

Durch  iVusführung  dieser  Entwürfe,  so  bemerkte 
Günther  in  einem  Vortrage  vom  9.  Februar  1802,  werde 


^)  Vergl.  die  angef.  Akten  fol.  95 ''  flg. 

^^)  Vortrag  des  Hausmarschalls   vom  15.  Juni  1797  ebenda  ful. 
110  flg.    Befehl  des  Geh.  Kabin.  vom  28.  Juli  1757  ebenda  fol.  124. 
*2)  Vergl.  die  angeführten  Akten  fol.  201. 
88)  Ebenda  fol.  174. 


26  Hubert  Ermiscli: 

nicht  nur  seiner  äussern  Lage,  sondern  auch  seiner  inneren 
Einiiclitung-  nach  ein  Archivgebäude  zu  Stande  gebracht, 
dergleichen  es  zur  Zeit  wenig  geben  möchte  *^^). 

Der  Umbau  maelite  mehr  Mühe  und  namentlich  be- 
deutend grössere  Kosten,  als  man  vermuthet  hatte.  Beim 
Graben  des  Grundes  zu  den  iinieren  Mauern  und  Schäf- 
ten fand  man  viel  altes,  aus  verfallenen  und  verschütteten 
Gewölben  bestehendes  Mauerwerk,  das  herausgehoben 
werden  musste;  nach  seiner  Entfernung  ergab  sich, 
dass  man  wegen  des  schlechten  Baugrundes  die  Grund- 
mauern viel  tiefer  herausmauern  musste,  als  man  an- 
genommen hatte.  Ferner  musste  man  eine  aus  der  ersten 
in  die  zweite  Etage  des  Schlosses  führende,  innerhalb 
des  Ballhauses  gelegene  Verbindungstreppe  ^■'),  welche 
weder  entbehrt  noch  verlegt  werden  konnte,  theils  abtra- 
gen, theils  absteifen  und  mit  derselben  zugleich  die  an- 
stossenden  Schlossgebäude  durch  eine  Brandmauer  vom 
Archiv  separieren.  Endlich  zeigte  sich  bei  Durchbrechung 
der  nötigen  Fenster  und  einer  Thüre  nach  dem  Bären- 
garten, dass  die  Mauer  nur  aus  einer  hölzernen  mit 
Steinen  verblendeten  Wand  bestand  und  für  das  Gewölbe 
^ael  zu  schwach  war;  sie  musste  theilweise  ganz  neu  auf- 
geführt werden^'').  Gleichwohl  konnte  Hauptmann  schon 
am  9.  März  1804  melden,  dass  das  Gebäude  bis  auf  die 
innere  Einrichtung  fertig  sei.  Die  Kosten  stellten  sich 
mit  dieser  letzteren  auf  etwa  40000  Thlr.^'). 

Immerhin  konnte  erst  im  Jahre  1808  der  Umzug 
beginnen.  Über  seine  voraussichtliche  Dauer  spricht  sich 
Günther  in  einem  Vortrage  vom  27.  März  1808^^)  fol- 
gendermassen  aus:  „Schon  die  blosse  Handlangerarbeit, 
das  Fortschaffen  von  mehr  als  12000  Urkunden  und 
6000  Aktenlokaten,  wenn  es  mit  gehöriger  Vorsicht  und 
Ordnung  geschehen  soll,  erfordert  nicht  einige  Wochen^ 
oder  Monate,  sondern  wohl  Jahre,  zumal  da  es  hierbei 
nicht  bloss  auf  das  Wegnehmen  von  einem  und  Hinlegen 
an  einen  andern  Ort,  sondern  zugleich  auf  eine  ganz  an- 


^')  Ebenda  fol.  189''. 

^■>)  Dieselbe  war  wohl  1719  zur  Verbindung  der  Gemächer  des 
Kurprinzen  und  der  Kurprinzessin  angelegt  worden ;  vergl.  die  Pläne 
des  Hofmiirschallamts  I  A.  1^.  Id.  4.  5. 

8«)  Vortrag  vom  21.  Apr.  1803  in  oben  angef.  Akten  fol.  211. 

«■')  H.-St.-A.  Log.  2447  Acta,  die  Überlassung  und  Einrichtung 
des  Ballhauses  etc.  Vol.  II  fol.  4. 

«8)  H.-St.-A.  Loc.  6.  Abschn.  XVI  Nr.  35  fol.  114. 


Das  alte  Archivgebäiule,  27 

(lere  und  bessere  Einrichtung  ankommt."  Es  sind  dies 
Worte,  die  wohl  geeignet  wären,  uns  Jüngeren,  die  etwa 
40000  Urkunden  und  über  40000  Lokate  Akten  um- 
räumen müssen,  ein  gelindes  Grausen  zu  erregen;  allein 
wir  hoflt'en  doch  in  sehr  viel  kürzerer  Zeit  den  Umzug 
bewerkstelligen  zu  können.  Noch  im  Jahre  1808  wurde 
die  Expedition  in  das  umgebaute  Haus  verlegt.  Die 
weiteren  Arbeiten  hemmte  der  Kampf  mit  dem  Ober- 
Militär-Bau-x\mt  um  eine  Steinmetzbude,  welche  für  den 
Bau  der  Hauptwache  unweit  der  Fenster  der  Expedition 
angelegt  wurde;  der  Energie  des  streitbaren  Archivvor- 
standes gelang  es,  die  Wegreissung  dieser  Bude  im  Ok- 
tober 1809  zu  bewirken ^^).  Im  Dezember  1809  war  der 
Umzug  beendet''-'). 

So  waren  nunmehr  die  Räume,  die  in  ihrem  Äussern 
freilich  kaum  noch  den  Glanz  der  Inventionen  des  17. 
und  der  kirchlichen  Festlichkeiten  des  18.  Jahrhunderts 
ahnen  Hessen,  den  Doppelzwecken  des  Staatslebens  und 
der  Wissenschaft  gewidmet.  Dass  die  letzteren  bei  Ein- 
richtung des  Gebäudes  durchaus  als  Nebensache  ange- 
sehen wurden,  daran  erinnert  noch  heute  der  karg  be- 
messene und  ungünstig  vertheilte  Raum  für  die  Benutzer; 
der  prächtige  Arbeitssaal  im  neuen  Archivgebäude  spricht 
es  mit  deutlicher  Sprache  aus,  wie  w^esentliche  Verände- 
rmigen  seit  dem  Umzüge  von  1809  in  den  Ansichten 
über  Wesen  und  Zweck  eines  Archivs  vorgegangen  sind. 
Und  doch  haben  auch  in  den  alten  Räumen  eine  lange 
Reihe  wackerer  Vertreter  der  Geschichtswissenschaft, 
unter  denen  sich  manche  Grösse  ersten  Ranges  beündet, 
gesammelt  und  geforscht,  namentlich  seit  der  ebenso 
kenntnisreiche  als  gefällige  und  liebenswürdige  Karl  von 
Weber  (1849)  die  Leitung  des  Archivs  übernommen  und 
ihm  den  Ruf  eines  der  am  besten  geordneten  und  am 
liberalsten  verwalteten  Institute  dieser  Art  verschatft  hat. 

Auch  in  anderer  Hinsicht  hat  das  Landesarchiv 
Sachsens  während  der  80  Jahre,  die  es  im  ehemaligen 
Ballhause  zugebracht  hat,  gewaltige  Änderungen  erfahren. 
Aus  dem  „Geheimen  Archive",  als  w^elches  es  einzog, 
wurde  im  Jahre  1834  bei  der  neuen  Organisation  der 
Staatsverwaltung  durch  Hinzuziehung   der  Archive   des 


***)  Der  betr.  Befehl  an  das  Militär -Departement  vom  21.  Ükt, 
1809  Loc.  2447  Vol.  II  fol.  34;  vergl.  fol.  26  flg. 

^)  Bericht  Günthers  vom  18.  Dez.  1809  ebenda  fol.  38. 


28  Hubert  Ermisch:    Das  alte  Archivgebäude. 

Geheimen  Konsilium,  des  Geheimen  Kabinetts,  der  Lan- 
desregierung-, des  Oberhofgerichts  und  mehrerer  anderer 
damals  aufgehoben ei-  Behörden  das  Hauptstaatsarchiv; 
und  dieses  erweiterte  sich,  abgesehen  von  vielen  kleine- 
ren Vermehrungen,  ganz  ausserordentlich,  als  auch  das 
bisher  gesondert  verwaltete  Finanzarchiv  im  Jahre  1873 
mit  ihm  vereinigt  wurde.  Man  kaini  wohl  behaupten, 
dass  seit  dem  Jahre  1809  der  Bestand  des  Archivs  sich 
um  das  Siebenfache  vermehrt  habe.  Natürlich  reichte 
das  Gebäude  am  Taschenberg  für  diesen  ZuA\aclis  bei 
weitem  nicht  aus;  das  Finanzarchiv  behielt  seine  alten 
überaus  ungünstigen  Räume  in  der  Schössergasse;  ein 
Beiarchiv  befand  sich  erst  im  Erdgeschoss  des  Königl. 
Schlosses,  später  und  bis  jetzt  in  zwei  Lokalen  des 
Kanzleihauses.  Trotzdem  sind  schon  seit  langen  Jahren 
alle  Räume  in  hohem  Grade  überfüllt. 

Dies. .waren  jedoch  nicht  die  einzigen  Gründe,  die 
für  eine  Änderung  sprachen.  Gerade  in  der  ersten  Hälfte 
unseres  Jahrhunderts  gestaltete  sich  der  Platz  westlich 
vom  Schlosse  durch  die  Entfernung  der  auf  dem  jetzigen 
Theaterplatze  stehenden  Häusergruppen,  durch  die  gross- 
artigen Semper'schen  Bauten,  das  Museum  und  das  1869 
abgebrannte  Hoftheater,  und  dui'ch  die  Errichtung  der 
Hauptwache  so  vollständig  um,  dass  das  alte  unschein- 
bare Archivgebäude  in  der  neuen  Umgebung  immer  un- 
angenehmer auffiel.  Schon  in  den  fünfziger  Jahren  wurde 
wiederholt  geltend  gemacht,  dass  seine  Beseitigung  so- 
wohl aus  ästhetischen  als  aus  allgemein  polizeilichen 
Gründen  so  wünschensAverth  wie  nothwendig  sei.  Die  be- 
nachbarte Hofapotheke  wurde  1858  abge1)roclien ;  aber 
das  Hauptstaatsarchiv  hat  noch  Jahrzehnte  lang  allen 
Angriffen  Trotz  geboten,  bis  endlich  im  Jahre  1884  der 
Umbau  des  ehemaligen  Zeughauses  an  der  Brühl'schen 
Terrasse  für  die  Zwecke  des  Archivs  und  der  Museums- 
verwaltung beschlossen  wurde. 

Dieser  Umbau  ist  nahezu  vollendet  und  in  wenigen 
Wochen  werden  die  Räume,  deren  wechselvolle  Schick- 
sale wir  behandelten,  wiederum  leer  stehen,  zum  vierten 
und  wahrscheinlich  zum  letzten  Male.  Denn  ihre  Ge- 
schichte ist  wohl  abgeschlossen.  Bald  wii'd  nichts  niehr 
von  ihnen  vorhanden  sein  als  die  Erinnerung. 


II. 

Die  Laieiibrüder  oder  Conversen 

der  beiden  säclisischeii  Cisterzienseriiinen-Klöster 

Mariensteril  und  Marientlial. 

Von 
Herniauu  Kiiothe. 


Wie  bei  den  meisten  Mönchsorden,  so  gab  es  auch 
bei  den  Cisterziensern  eine  Art  Klosterbrüder  zweiter 
Klasse ,  die  sogenannten  Laienbrüder  oder  Conversen. 
Auch  sie  hatten  sich,  wie  die  eigentlichen  Mönche,  von 
der  Welt  mit  ihrer  Lust  abgeAvendet  und  zum  klöster- 
lichen Leben  bekehrt^)  und  mussten  ein  Probejahr  be- 
stehen, bevor  sie  in  den  Orden  aufgenommen  wurden. 
Auch  sie  hatten  hierbei  allem  persönlichen  Eigenthume 
zu  entsagen  und  dem  Abte  Keuschheit  und  Gehorsam 
bis  zum  Tode  zu  geloben.  Sie  trugen  fast  ganz  dieselbe 
Kleidung  wie  die  eigentlichen  Mönche,  wurden  ebenso 
wie  diese  beköstigt,  waren  ursprünglich  ebenfalls  an  das 
Gebot  des  Schweigens  gebunden,  aber  nicht  geweiht;  ja 
sie  durften  sich  sogar  mit  wissenschaftlicher  Arbeit  durch- 
aus nicht  beschäftigen,  konnten  auch  niemals  wirkliche 
Mönche   werden.     Sie  standen  unter  eiuem  „Conversen- 


1)  Köhler,  Cod.  dipl.  Lusat.  sup.  S    71:  personas  a  seonlo  fn- 
gientes  ad  eouversionem  lecipere. 


30  Hermann  Knothe: 

oder  Brüdermeister"-),  einem  Mönche,  der  sie  zunächst 
in  der  Klosterordnung  zu  unterrichten  hatte  und  später- 
liin  ihr  geistlicher  Berather  und  Beichtvater  war-'). 

Als  solche  Laienbrüder  oder  Conversen  liessen  sich 
nun,  zumal  in  den  ersten  Zeiten  nach  der  Gründung  des 
Cisterzienserordens,  sowohl  Männer  höherer  Lebensstel- 
lung, ritterlichen,  ja  fürstlichen  Standes,  als  auch  schlichte 
Handwerker  aus  den  Städten  und  Bauern  vom  Lande 
aufnehmen.  Während  die  ersteren,  die  dem  Kloster  in 
der  Regel  einen  Theil  ihrer  bisherigen  Güter  zugebracht 
hatten,  jetzt  in  demselben  wesentlich  nur  verpflegt,  der 
guten  Werke  des  Ordens  theilhaft  und  endlich  in  der 
geweihten  Erde  des  Klosters  bestattet  wurden,  also  als 
„Pfründner"  eine  Ausnahmestellung  genossen^),  benutzte 
das  Kloster  die  letzteren  theils  zu  gewerblichen  Arbeiten, 
nämlich  als  Schuster,  Schneider,  Stellmacher,  Bäcker, 
Wollenweber,  theils  zu  der  Bewirthschaftung  der  Meier- 
höfe, welche  es  auf  den  ihm  gehörigen  Dörfern  entweder 
bereits  vorgefunden  oder  neu  angelegt  hatte. 

So  war  es  denn  auch  in  dem  Cisterzienserkloster 
Altzelle.  Häufig  werden  in  den  Urkunden  desselben 
die  Conversen-  oder  Brüdermeister  erwähnt.  Für  die 
Laienbrüder  gab  es  einen  besonderen  Hörsaal  mit  Ka- 
pelle und  Altar,  in  der  Kirche  ein  eigenes  Chor,  für 
welches  1334  eine  besondere  ewige  Lampe  gestiftet  ward; 
auch  für  die  Bekleidung  derselben  mit  neuen  „Czeppelern" 
und  Böcken  in  bestimmten  Fristen  wurden  Stiftungen 
gemacht'"').  Die  Wollen weber  oder  Tuchmacher  hatten 
zu  ihrer  Werkstätte  ein  besonderes  Haus,  auch  eine 
Walkmühle  und  standen  unter  einem  besonderen  „Weber- 
meister"; die  Schuster  besassen  eine  besondere  „Schuste- 
rei", die  Fleischer  ihr  Schlachthaus,  die  Büttner  ihre 
„Büttnerei"  etc.*'). 


-)  Beyer,  Alt-Zello  S.  56  unterscheidet  irrthtimliclier  Weise 
zwischen  den  Conversen  und  den  Laienbrüdern.  Auch  Tittniann, 
Heinrich  d.  Erlauchte  I,  291  täuscht  sich,  wenn  er  meint,  dass  „die 
Bedeutung  des  Wortes  fratres  conversi  namentlich  auf  das  richter- 
liche Geschäft  eine  Beziehung  habe."  Pescheck,  Cölestiner  des 
Oyhins  S.  33  erwähnt  nur,  dass  es  auch  in  diesem  Kloster  Laien- 
brüder gegeben  habe. 

^)  Nach  Winter,  Die  Oistercienser  des  nordöstlichen  Deutsch- 
lands I,  100  flg. 

-*)  Beyer  a.  a.  O.  S.  59. 

'•')  Beyer  S.  58.  590  (Nr.  303).  643  (Nr.  522). 

")  Ebenda  S.  510.  563  (Nr.  187). 


Die  Laienbrüder  oder  Conversen  etc.  31 

Da  die  beiden  oberlausitzisclien  Cisterzienserinnen- 
klöster  Marienstern  (gestiftet  1248)  und  Marientlial 
(gestiftet  kurz  vor  1234)  unter  dem  Abte  von  Altzelle 
als  ihrem  „Visitator"  standen,  so  wurden  ihnen  aus  letz- 
terem Kloster  iiicht  nur  die  zum  Kirchendienst  mient- 
behrlichen  Mönche,  also  der  Propst  und  seine  Kapläne, 
sondern  ebenso  die  zu  den  verschiedenen  wirthschaftlichen 
Zwecken  nöthigen  Laienbrüder  zugesendet.  Die  letzteren 
werden  daher  in  den  Urkimden  mit  gleichem  Rechte  bald 
als  Conversen  von  Zelle,  bald  als  solche  von  Marienstern 
bez.  Marienthal  bezeichnet.  Es  scheint  uns  nicht  über- 
flüssig, auch  einmal  der  stillen  und  bescheidenen  Wirk- 
samkeit dieser  Männer  nachzugehen  in  einer  Zeit,  wo 
überall  auf  dem  platten  Lande  und  zumal  mitten  in  einer 
durchaus  wendischen  Bevölkerung  Gew^erbe  wie  Ackerbau 
noch  auf  niedrigster  Stufe  standen,  und  wo  selbst  Frauen- 
klöster immerhin  zu  Pflanzstätten  deutscher  Kultur  und 
Bildung  wurden. 

Wie  es  scheint,  gab  es  auch  in  Marienstern  imd 
Marienthal  Laienbrüder  nicht  blos  von  niederer,  sondern 
auch  von  höherer  einstiger  Lebensstellung.  Wir  vermögen 
es  zwar  nicht  zu  erAveisen,  halten  es  aber  für  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  einzelne  Personen  aus  dem  Adel  der  Um- 
gegend, Avelcher  ohnehin  seine  Töchter  in  diese  Klöster 
zu  bringen,  denselben  reiche  Schenkungen  an  liegenden 
Gründen  und  Renten  zu  machen,  vielfach  auch  seine  der- 
einstige Bestattung  im  Kloster  anzuordnen  pflegte^),  ent- 
weder (natürlich  in  Zelle)  als  Laienbrüder  in  den  Orden 
eintraten  und  sich  später  in  ihre  Heimathsgegend  ver- 
setzen, oder  dass  sie  sich  mittels  Schenkung  oder  Ver- 
mächtnis von  Einkünften  sofort  in  eins  dieser  Klöster  als 
„Pfründner"  aufnehmen  Hessen.  Von  Marienthal  steht 
es  mindestens  fest,  dass  es  um  1329^)  einen  solchen 
Pfründner  hatte.  Eine  im  Kloster  von  der  Abbatissin 
ausgestellte  Urkunde  aus  diesem  Jahre  führt  nach  den 
Namen  der  dasigen  Laienbrüder  unter  den  Zeugen  auch 
auf  „Herrn  Johannes  unsern  Pfründner"  (dorn.  Johannes 
praebendarius  noster).  Dass  es  aber  auch  in  Marienstern 
Laienbrüder  oder  Conversen  von  höherem  Bildungsgrade 
gegeben   habe,   darauf  weisen   wenigstens  folgende  Bei- 


■')  Knothe,  Marienstern  8.5. 
**)  Cod.  Lns.  S.  288. 


32  Hermann  Knotlie: 

spiele  deutlicli  hin.  Im  Jahre  1301  wollte  sich  dieses 
Klostei'  mehrere  in  letzter  Zeit  gemachte  neue  Güter- 
erwerbungen von  dem  damaligen  Landesherrn,  dem  Mark- 
grafen Otto  von  Brandenburg,  bestätigen  und  sicli  wo- 
möglich diese  Güter  aus  Lehn-  in  Eigengut  verwandeln 
lassen.  Zu  diesem  Zwecke  sendete  es  „den  Conversus 
Siefried  von  Cella"  nach  Spandau  an  das  damalige  Hof- 
lager des  Markgrafen.  Der  Abgesandte  erledigte  das 
Geschäft  in  erwünschtester  Weise  und  wird  mm  in  der 
darüber  ausgestellten  Urkunde  (vom  ^ö.  Juli)  neben  zahl- 
reichen ritterlichen  Mannen,  wenn  auch  an  letzter  Stelle, 
als  „der  Sendbote  für  dieses  Geschäft"  (qui  istius  negotii 
nuncius  existebat)  bezeichnet").  Es  fällt  uns  scliwer,  zu 
glauben,  dass  dieser  „Sendbote",  welcher  am  Hofe  des 
Landesherrn  mit  diesem  selbst  und  seinen  Käthen  in  einer 
weltliche  Geschäftskenntnis  voraussetzenden  Angelegen- 
heit zu  verhandeln  hatte,  ein  ehemaliger  schlichter  Hand- 
werker oder  Bauer  solle  gewesen  sein.  —  Im  Jahre  1290 
mussten  die  Brüdei'  Bernhard  und  Otto  von  Kamenz, 
Söhne  eines  der  Stifter  von  Marienstern,  welche  zuerst 
ihre  Güter  bei  Bernstadt  dem  Kloster  verkauft,  von 
diesem  die  Kaufsumme  erhalten,  später  aber  sich  gewalt- 
sam wieder  in  den  Besitz  der  Güter  gesetzt  hatten,  zu 
Bautzen  vor  dem  Landvogt  und  dem  Adel  des  Landes 
auf  die  Reliquien  schwören,  dass  sie  nun  keine  Ansprüche 
mehr  erheben  Avollten.  Zu  diesem  feierlichen  Rechtstage 
hatte  das  Kloster  und  der  Propst  Bernhard  von  Meissen, 
der  Hauptstifter  desselben  und  Onkel  jener  Brüder,  ein- 
mal den  Pfarrer  Heinrich  zu  Kamenz,  Erzpriester  des 
„Stuhles"  Kamenz,  und  ausserdem  „die  Brüder  Hleinrich| 
und  Hleinrich],  Conversen  des  Klosters  Marienstern", 
nach  Bautzen  abgeordnet,  und  „hi  deren  Hände"  mussten 
nun  die  Brüder  von  Kamenz  jenen  „körperlichen  Eid  ab- 
legen", welchen  die  drei  Abgeordneten  des  Klosters  „im 
Namen  und  anstatt  des  ehrwürdigen  Propstes  Bernhard 
von  Meissen  und  des  Klosters"  in  Empfang  nahmen 
(recipere) '").  Sollte  man  zur  Vertretung  des  Klosters 
hierbei  gerade  diese  Conversen  ausersehen,  sollte  man 
den  beiden  jungen,  dem  hohen  Adel  des  Landes  angehö- 


")  Archiv  Marieustern  Nr.  18.  Vergl.  Xnothe,  Marienstern  S.  41 . 
'")  Laus.  Magazin  1870.  S  58.    Knothe,  Gesch.  des  Eigenschen 
Kreises  S.  58. 


Die  Laienbrüder  oder  Conversen  etc.  33 

rigen  „Herren"  von  Kamenz  zugemuthet  haben,  ihren  Eid 
in  die  Hände  dieser  Laienbrüder  zu  leisten,  wenn  letztere 
nur  schlichte  Handwerker,  Schuster  oder  Weber  gewesen 
wären  ? 

In  der  Regel  freilich  werden  die  in  den  Urkunden 
vorkommenden  Conversen  dieser  beiden  Fraueuklöster 
ausdrücklich  entweder  als  solche  Handw^erker  oder  als 
Verwalter  der  Klosterhöfe  bezeichnet.  Nur  selten  übri- 
gens geschieht  ihrer  überhaupt  Erwähnung,  meist  nur, 
wenn  im  Kloster  selbst  oder  in  dessen  unmittelbarer 
Nähe  vom  Konvent  eine  Urkunde  ausgestellt  werden 
sollte  und  andere  Zeugen  für  dieselbe  nicht  zur  Hand 
waren.  Als  1317^^)  Wittego  Herr  von  Kamenz  auf  seiner 
Burg  Kamenz  zu  Gunsten  von  Marienstern  auf  das  Pa- 
tronatsrecht  über  die  Pfarrkirche  in  der  Stadt  Kamenz 
verzichtete,  waren  als  Vertreter  des  Klosters  zugegen 
„Bruder  Dietrich  von  Cella  und  Bruder  Johannes  Meister 
der  Schuhmacher  in  Marienstern"  (magister  sutorum). 
Ersterer  war  nicht  Laienbruder,  sondern  Mönch.  Li 
einer  Urkunde  von  1319^-)  über  eine  dem  Kloster  ge- 
machte Schenkung  werden  als  Zeugen  aufgeführt  „Theo- 
dericus  et  Otto  domiui  de  Cella,  Johannes  magister 
sutorum,  Johannes  magister  textorum,  Albertus  magister 
pistorum,  fratres  et  conversi  claustri  prefati."  Die  bei- 
den erstgenannten  werden  durch  das  Prädikat  „Herr"  als 
Priester  gekennzeichnet.  In  den  übrigen  aber  lernen  wir 
die  Vorsteher  der  wichtigsten  im  Kloster  selbst  betrie- 
benen Handwerke  kennen.  Freilich  erfahren  wir  nicht, 
ob  ausser  ihnen  noch  andere  Laienbrüder,  und  wie  viele 
etwa,  in  der  Werkstätte  der  Schuster,  der  Weber  imd 
in  der  Bäckerei  beschäftigt  waren.  Eine  andere  Urkunde 
von  demselben  Tage  (21.  Okt.  1319)  und  in  derselben  An- 
gelegenheit^-^) nennt  dieselben  Zeugen:  Johannes  sutor, 
Johannes  textor.  Allein  wir  sollten  glauben,  dass  zur 
Herstellung  und  Instandhaltung  des  gesamten  Schuhwerks, 
sowie  zur  Anfertigung  der  gesamten,  die  Ordenstracht 
bildenden  Wollenkleidung  für-  die  Nonnen,  die  Geistlichen 
und  die  Laienbrüder  ein  einziger  „Bruder  Schuster"  und 
„Bruder  Weber"  kaum   werde   ausgereicht  haben.     Wir 


")  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  7,  7. 

^-)  Archiv  Marienstern  Nr.  203.  Vgl  Knothe,  ilarienstern  S.40. 

13)  Archiv  Marienstern  Xr.  202. 

Neues  Archiv   f.  S.  G.  u.  A.     IX.  1.  2.  3 


34  Hermann  Knothe: 

wissen  nicht,  inwieweit  die  Tuclimacherwerkstatt  im 
Kloster  zur  Vervollkommnung  der  Tuchmaclierei  auch  in 
der  Umgegend  beigetragen  habe.  Die  Lehrzeit,  welche 
Tuchmacherlehrlinge  im  Kloster  Altzelle  durchgemacht 
hatten,  Avurde  von  den  Handwerksmeistern  im  ganzen 
Lande  anerkannt^').  —  Noch  1370  wird  in  einem  vom 
Konvent  Marienstern  ausgefertigten  Innungsbriefe  für  die 
Tuchmacher  zu  Bernstadt  ^'')  neben  sonstigen  Kloster- 
beamten ein  „Genczil  Schzumeister",  jedenfalls  wohl  ein 
Laienbruder,  als  Zeuge  aufgeführt. 

Wie  aus  den  bürgerlichen  Kreisen  der  Handwerker, 
so  traten  aber  auch  aus  der  bäuerlichen  Bevölkerung  des 
platten  Landes  zahlreiche  Personen  als  Laienbrüder  in 
die  Klöster,  und  diese  wurden  nun  vornehmlich  zur  Ver- 
waltung der  den  letzteren  gehörigen  Meierhöfe  verAvendet. 
Sie  führten  die  Bezeichnung  „Hofmeister"  (magister 
curiae)  oder  „Hofverwalter"  (provisor  curiae),  und 
wohnten  natürlich  auf  diesen  Höfen,  wälu^end  die  übrigen 
Laienbrüder  innerhalb  der  Umfassungsmauern  des  Klosters 
wohnen  mussten. 

Dergleichen  finden  wir  nun  auch  bei  den  Cisterzien- 
serinnenklöstern  Marienstern  und  Marienthal.  Je  länger 
bei  der  wendischen  Landbevölkerung  die  althergebrachte 
Bestellung  der  Äcker  mittels  des  zerbrechlichen  hölzernen 
Hakenpfluges  fortbestand,  welche  eine  tiefergehende  Um- 
wendung  des  Bodens  unmöglich  machte,  daher  auch  nur 
einen  geringen  Ertrag  an  Feldfrüchten  gewährte,  eine 
Gewinnung  von  Neuland  aber  durch  Urbarmachung  von 
bisher  waldbedecktem  oder  steinigtem  Lande  völlig  aus- 
schloss,  so  dürfte  der  von  den  Deutschen  überallhin  mit- 
gebrachte eiserne  Pflug  und  die  mit  demselben  verbun- 
dene rationellere  Betreibung  der  Landwirthschaft  in  der 
That  auch  von  diesen  Frauenklöstern  aus  einen  kultu- 
rellen Einfluss  auf  die  Umgebung  geübt  haben.  —  Unter 
den  oben  in  der  zweiten  Urkunde  vom  2L  Okt.  1319 
als  Zeugen  aufgeführten  „Brüdern  und  Conversen  des 
Klosters  Marienstern"  wird  auch  ein  „Johann  von  Kukau" 
genannt.  Es  war  dies  ohne  allen  Zweifel  der  Verwalter 
des  Meierhofes  in  dem  dicht  bei  Marienstern  gelegenen 


")  Beyer  S.  58. 

'^)  Knothe,   Gesch.  des  Tuchmacherhaudwerks   in    der  Ober- 


lausitz S.  lOrS. 


Die  Laienbnifler  oder  Conversen  etc.  35 

Dorfe  Kukau,  welches  bereits  1248  dem  Kloster  von 
dessen  Stiftern  überwiesen  worden  war^^).  Um  die  nö- 
thigen  i\.rbeitskräfte  zur  Bestellung  dieses  Vorwerks  sich 
zu  sichern,  hatte  das  Kloster  das  wendische  Dorf  nach 
deutscher  Weise  umgestaltet,  d.  h.  die  nach  altslavischer 
Sitte  hier  und  dort  gelegenen  Ackerparzellen  der  ein- 
zelnen, bisher  hörigen  Dorfbewohner  zusammengeworfen 
und  die  so  zusammengelegten  Felder  neu  in  Gärtner- 
nahrungen aufgetheilt.  Zu  jeder  derselben  gehörte  jetzt 
ein  geradliniger  Streifen  von  Acker-  und  Wiesenland  in 
der  Grösse  von  ^j^  */^  ^/4  Scheffeln.  Dafür  hatten  die 
neuen  Inhaber,  je  nach  der  Grösse  ihres  Gartens,  jähr- 
lich 10  bis  16  Groschen  Erbzins  zu  zahlen  und  jährlich 
2  bis  4  Tage  während  der  Ernte  ganz  umsonst  Hand- 
arbeit zu  thun.  Für  alle  sonstige  Arbeit  auf  dem  Kloster- 
vorwerk, zu  welcher  sie  allerdings  ausdrückhch  verpflichtet 
waren,  erhielten  diese  Gärtner  nebst  ilu-en  Weibern  eine 
tägliche  Mittagsmahlzeit  im  Kloster  und  je  ein  Pfund 
Brot;  ebenso  durften  sie  sämtlich  ihr  Vieh,  d.  h.  ihre 
Kuh  oder  Ziege,  mit  auf  die  herrschaftliche  Weide  treiben, 
die  Bachränder  abweiden.  Streu  und  Brechholz  einsam- 
meln etc.^').  Man  wird  heutzutage  vielleicht  die  Stellung 
dieser  Klosterunterthanen  in  Kukau  nicht  für  beneidens- 
werth  erklären.  Immerhin  aber  war  dieselbe  eine  bei 
weitem  günstigere,  als  die  der  Gutsunterthanen  auf  an- 
deren wendischen  Dörfern,  welche  an  ihren  kleinen  Güt- 
chen keinerlei  Eigenthumsrecht  besassen,  also  von  iliren 
adligen  Gutsherren  einfach  daraus  vertrieben  werden 
konnten  und  letzteren  jede  Art  von  Arbeit  sowohl  auf 
den  Feldern  mit  ihrem  eigenen  Zugvieh,  als  auf  dem 
Hofe,  ebenfalls  umsonst,  zu  leisten  hatten.  Die  Anlegung 
jener  Kolonie  erblicher  Gärtner  in  Kukau  war  daher  in 
damaliger  Zeit  ein  entschiedener  kultureller  Fortschritt; 
sie  bedeutete  die  Freimachung  der  Dorfbewohner  aus  der 
bisherigen  altslavischen  „Knechtschaft".  —  Die  Verwal- 
tung eines  solchen  Klostervorwerkes  aber  war  stets  einem 
Laienbruder  übertragen. 


1*^)  Preterea  in  eadem  villa  [Kucov]  jara  sepe  dicta  isdem  con- 
tulimus  domiuabus  allodium  cum  quatuor  mansis  liberis  proprio  sub 
aratro  excolendum.     Laus.  Magazin  1866  S.  384. 

^'j  Knothe,  Die  Stellung  der  Gutsunterthanen  in  der  Ober- 
lausitz etc.  S.  37.     Laus.  Magazin  1885  S.  195. 


36  Hermann  Knothe: 

Das  Kloster  Marien thal  besass  solcher  Vorwerke 
mehrere.  Das  wichtigste  war  das  unmittelbar  neben 
den  Klosterg-ebäuden  selbst  gelegene.  Der  Verwalter 
desselben  wird,  weil  an  Ort  und  Stelle  wohnhaft,  in  den 
zu  Marienthal  selbst  ausgestellten  Urkunden  verhältnis- 
mässig am  häufigsten  erwähnt,  1329  (8.  Okt.)  werden 
in  einer  solchen ^^)  nach  zwei  durch  das  Prädikat  „Herr" 
als  Priester  gekennzeichneten  Personen  genannt:  frater 
Conradus  provisor  nostre  curie,  frater  x\lbertus  magister 
molendini  in  Ostros.  Unter  ersterem  haben  wir  den  Ver- 
walter jenes  Vorwerks  im  Kloster  selbst  zu  verstehen; 
1334  heisst  dieselbe  Person  niu'  mit  anderer  Bezeichnung: 
frater  Conradus  provisor  dominarum,  und  1311  war  frater 
Hermannus  provisor  dicti  claustri  gewesen'-').  1334-'^) 
werden  aufgezählt:  frater  Conradus  magister  nostre  cu- 
rie, frater  Joannes  magister  curie  in  Schlegel,  frater 
Joannes  magister  curie  in  Sift'ridisdorö',  frater  Nicolaus 
magister  molendini  in  Ostros.  —  Das  Dorf  Schlegel  (süd- 
westlich bei  Marien  thal)  hatte  das  Kloster  kurz  vor  3  284 
von  zwei  Brüdern  von  Opal  erkauft  und  liess  nun  den  bis- 
herigen Herrenhof  durch  einen  seiner  Laienbrüder  be- 
wirthschaften.  Wahrscheinlich  erAvies  sich  dies  mit  der 
Zeit  als  wenig  vortheilhaft ;  w'enigstens  machte  das 
Kloster  später  aus  den  sämtlichen  herrschaftlichen  Ackern 
daselbst  drei  bäuerliche  Lehngüter,  nämlich  einen  Lehn- 
kretscham und  zwei  Lehnbauergüter'-'),  die  es  nun  ver- 
kaufte und  von  denen  es  fortan  gewisse  xlbgaben  bezog. 
—  Das  Dorf  (Ober-)  Seifersdorf  (N.  von  Zittau)  war 
1267  von  dem  Ritter  Senibro  von  Temritz  an  das  Kloster 
verkauft  worden--);  auch  hier  also  wurde  der  ehemalige 
Herrenhof  mit  seinen  Feldern  von  einem  Laienbruder  ver- 
waltet. —  ,.Mühlmeister-'  in  der  ebenfalls  dem  Kloster 
gehörigen  Mühle  zu  Ostritz  war,  dem  Obigen  nach,  1329 
„Bruder  Albert",  1334  „Bruder  Nicolaus".  1337;3)  wer- 
den ohne  nähere  Bezeichnung  ihres  speziellen  Wirkungs- 
kreises erwähnt :  frater  Conradus,  frater  Nicolaus  et  frater 


■'-> 


1«)  Cod.  Lus.  S.  288. 

^»)  Ebenda  S.  3C5.  202. 

20)  Ebenda  S.  306. 

-')  Knothe,  Gesch.  von  Burkersdorf  u.  Schlegel  (1862),  S.  61. 

22)  Cod.  Lus.  S.  91. 

■-•')  Ebenda  S.  320. 


Die  Laienbrüder  oder  Conversen  etc.  37 

Felix,  item  frater  Joliainies,  iiostri  monasterii  provisores. 
—  Eine  ebenfalls  im  Kloster  ausgestellte  Urkunde  von 
1369-^)  nennt  unter  den  Zeugen  einen  „Henczil  Stencz, 
Hofmeister  im  Kloster  zu  Syfirstorf"  (d.  h.  Marienthal). 
Da  derselbe  nicht  als  „Bruder"  und  nicht,  wie  sonst  auch 
bei  den  Conversen  üblich,  bloss  mit  seinem  Vornamen, 
sondern  auch  mit  seinem  Familiennamen  bezeichnet  wird, 
so  glauben  wir,  dass  derselbe  kein  Laienbruder  mehr, 
sondern  ein  rein  weltlicher  Verwalter  des  Klostervor- 
werkes in  Marienthal  gewesen  sei. 


■')  V.  Kyaw,  Familien-Chronik  S.  42.^. 


ni. 


Heiratlispläue 
König  Erichs  XIV.  von  Schweden. 


Von 
L.  Schwabe. 


Im  Jahre  1560  sassen  auf  den  Thronen  der  vier 
nordischen  Königreiche  England,  Schottland,  Dänemark 
und  Schweden  vier  junge  Monarchen,  sämtlich  unvermählt: 
in  England  und  Schottland  die  beiden  Königinnen  Elisa- 
beth und  Maria  Stuart,  in  Dänemark  Friedrich  IL  und 
in  Schweden  Erich  XIV.  Man  kann  sich  denken,  dass 
diese  seltene  Konstellation  den  politischen  Heirathsstiftern 
der  Zeit  einen  fruchtbaren  Stoff  zu  den  verschiedensten 
Kombinationen  geliefert  haben  muss.  In  der  That  ist 
jede  der  unter  diesen  vier  Personen  denkbaren  Verbin- 
dungen ein  Gegenstand  ernsthaftester  diplomatischer  Er- 
wägungen gewesen,  und  der  Geschichtsschreiber  jener 
Zeit  würde  sich  schwerlich  der  Aufgabe  entziehen  können, 
jedem  dieser  Heirathspläne  von  sehien  Anfängen  über  die 
mancherlei  Hindernisse  hinweg  bis  zu  seinem  schliess- 
lichen  Scheitern  nachzugehen.  Denn  —  bezeichnend  ge- 
nug für  die  Persönlichkoiten  wie  für  ihre  Epoche  —  alle 
diese  Pläne,  deren  Ausführung  durch  die  Verhältnisse  so 
geboten  und  zum  Theil  wenigstens  so  einfach  erscheinen 
musste,  sind  Pläne  geblieben. 

Unsere  sächsische  Politik  ist  unter  den  diesbezüg- 
lichen Verhandlungen  wohl  nur  durch  das  schwedisch- 
englische Heirathsprojekt  direkt   und  m  einem  wichtigen 


L.Schwabe:  Heiiaths])läne  Erichs  XIV.  39 

Punkte  berührt  worden.  Aber  nicht  nur  aus  diesem 
Grunde  oder  der  berühmten  Persönlichkeiten  wegen, 
welche  dabei  in  Fva^e  kommen,  verlohnt  es  sich  der 
Mühe,  die  AVerbungen  König-  Erichs  XIV.  an  dieser 
Stelle  in  allen  ihren  Einzelheiten  darzustellen:  ihre  Ge- 
schichte gewährt  auch  an  sich  selbst  ein  eigenthümliches 
und  spannendes  Interesse.  Dieses  letztere  beruht,  um  es 
schon  hier  kurz  zu  bezeichnen,  im  wesentlichen  darin, 
dass  König  Erich  zu  derselben  Zeit,  als  er  ziemlich  stür- 
misch um  die  Hand  der  jungfräulichen  Königin  warb, 
auch  an  einer  anderen  Stelle,  beim  Landgrafen  Philipp 
dem  Grossmüthigen  von  Hessen,  um  dessen  Tochter 
Christine  anhielt,  ein  doppeltes  Spiel,  welches  er  volle 
zwei  Jahre  hindurch  fortgesetzt  hat  und  welches  um  so 
bedenklicher  erscheinen  muss,  als  er  die  hessische  Heii-ath 
unter  Zustimmung  des  Landgrafen  von  vorneherein  als 
eine  abgemachte  Sache  behandelte,  während  er  doch  nie 
aufhörte,  der  englischen  Fürstin  die  Ausschliesslichkeit 
seiner  Neigung  nur  für  sie  zu  betheuern.  Kurfürst 
August  von  Sachsen,  der  unermüdlichste  und  vielleicht 
umsichtigste  politische  Beobachter  seiner  Zeit,  dem  die 
schwedische  Verbindung  mit  Hessen  gründlich  entgegen 
war,  verfolgte  den  Gang  dieser  Dinge  mit  gespannter 
Aufmerksamkeit,  nährte  geflissentlich  in  Hessen  ein  be- 
rechtigtes Misstrauen  und,  als  ihm  schliesslich  ein  eigener 
Zufall  die  Beweise  der  schwedischen  Doppelwerbung  in 
die  Hände  spielte,  war  er  es,  der  im  wesentlichen  eine 
Lösung  der  schwedisch-hessischen  Verbindung  herbeiführte 
oder  Avenigstens  vermittelte.  Wir  erzählen  im  Folgenden 
diese  Heii-athsgeschichte  mit  stetig  vorwiegender  Berück- 
sichtigung der  sächsischen  und  hessischen  Begebenheiten^). 


*)  Die  wichtigsten  Unterlagen  für  das  im  Folgenden  Berichtete 
enthalten  die  Archivalien  des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs,  nament- 
lich ein  Konvolut  „Henndel  und  brieve  konig  Erichen  zu  Schweden 
belangend"  Loc.  10426  (im  Folgenden  zitiert  „Händel  K.  Erichs"), 
sowie  das  6.  und  7.  der  sogen.  „Dänischen  Bücher"  (im  Folgenden 
zitiert  „D.  B.  VI  und  VII").  Gedruckt  ist  von  alledem  nur,  soweit 
mir  bekannt,  der  sogen.  Buhlenbrief  König  Erichs  an  Elisabeth  vom 
17.  Okt.  1563  in  Ledderhose,  Kleine  Schriften  1789,  III,  216  f., 
Landgraf  Philipps  Antwort  an  den  schwedischen  Sekretär  Chr. 
Schieffer  vom  25.  April  1563  im  Göttingischen  Historischen  Magazin 
1788,  III,  703 — 716  und  die  Definitiv-Antwort  des  Landgrafen  an 
die  schwedischen  Gesandten  vom  18.  Febr.  1564,  ibid.,  716 — 740.  Die 
relativ  korrekteste  Darstellung  besonders  der  hessischen  Verhand- 
lungen giebt   Rommel,   Geschichte   von  Hessen  III,  2,  452—456. 


40  .  L-  Schwabe: 

König  Erich  liatte  im  September  die  scln\edisclie 
Ki'one  aus  der  Hand  Gustav  AVasas  empfaugeu.  Er 
durfte  damals  für  einen  der  gliickliclisten  Monarchen 
seines  Zeitalters  gelten;  denn  sein  Vater  hatte  ihm  einen 
grossen  und  reinen  Namen  hinterlassen,  er  gebot  über 
ein  in  Glauben  und  politischer  Gesinnung  geeinigtes  Volk, 
die  Ver^^•altung  des  Staats  und  der  Stand  der  schwedi- 
schen Finanzen  bildeten  einen  Gegenstand  neidischer  Be- 
wunderung unter  seinen  Nachbarn.  Dazu  war  der  junge 
König  mit  persönlichen  Vorzügen  verschwenderisch  be- 
gabt. Aber  leider  standen  diese  geistigen  Kräfte,  wie 
man  weiss,  in  keinem  geordneten  und  haimonischen  Ver- 
hältnis. In  dem  Vielerlei  phantastischer  Entwürfe  und 
sich  kreuzender  Berechnungen  verflüchtigte  sich  Erich  dem 
XIV.  die  eine  politische  Idee,  welche  seinem  Handeln 
die  Richtung  und  ihm  selbst  die  königliche  Haltung  hätte 
geben  können.  Es  ist  bekannt,  wie  die  Ziel-  und  Zucht- 
losigkeit  seines  Geistes  ihn  zuletzt  mit  grausamer  Kon- 
sequenz dem  Wahnsinn  in  die  Arme  geführt  hat. 

Unter  den  vielfachen  Plänen  Erichs  nun  spielt  seine 
Werbung  um  Elisabeth  eine  bedeutende  und  traurige 
Rolle.  Er  hatte  sie  schon  zu  Lebzeiten  seines  Vaters 
begonnen,  als  auch  Elisabeth  noch  von  ihrer  Schwester, 
der  blutigen  Maria,  hinter  den  Wänden  des  Tower  fest- 
gehalten Avurde;  als  sie  beide  die  ererl)ten  Thi'öne  be- 
stiegen, verfolgte  er  seinen  Plan  mit  verdoj)pelter  Energie. 
Gewiss  mögen  ihn  auch  Erwägungen  politischer  Natur, 
welche  eine  Verbindung  mit  dem  protestantischen  Nach- 
barstaat zumal  in  Hinblick  auf  die  antidänischen  Tendenzen 
der  schwedischen  Politik  als  recht  erwünscht  erscheinen 
lassen  mussten,  zu  diesem  Heirathsprojekt  hingezogen 
haben :  im  letzten  Grunde  war  es  doch  eine  Laune  seiner 
romantischen  Einbildungskraft.     So  sind  denn  auch  seine 


Beiläufig-  berichtet  über  die  Sache  K.  v.  Weber  im  Archiv  f.  d. 
Sachs.  (Teschichte  II  (18ß4\  270  f.  [Yergl.  auch  v.  Weber.  Aus 
vier  JiihrJiunderteii,  Neue  Folge  I,  28.)  Divs  in  den  „Dänischen 
Büchern"  Enthaltene  referiert  (iust.  Droy.sen  in  v.  Webers  Archiv 
11(186-1),  345  flg.  und  V  (18Ö7),  1  flg.,  weder  vollständig  noch  richtig. 
Neue  Aufschlüsse  gewähicn  auch  in  dieser  Sache  die  Calendars  of 
State  papers.  Foreign  series  of  the  reign  of  Elizabeth,  1.559— 15ß4. 
Im  _  allgemeinen  sind  zu  vergleichen  die  bekannten  Werke  von 
Geijer,  Geschichte  Schwedens,  Kanke,  Engl.  Geschichte  im  16. 
u.  17.  Jahrb.,  Fronde,  History  of  England  from  the  fall  of  Wolsey 
to  the  death  of  Elizabeth,  Bd.  7  u.  8. 


Heirathspläno  Erichs  XIV.  •  41 

vielen  Briefe  an  Elisabeth  von  einem  überscliwengiichen 
Liebespatlios  erfüllt,  welclu^s  sich  mit  den  trockenen  Wen- 
dungen einer  recht  nüchternen  politischen  Berechnung 
fast  erg()tzlich  verniischt.  Die  Werlmngen  sollten  mit 
möglichstem  Pomp  in  Szene  ^-esetzt  Averden;  seine  Ge- 
sandten und  namentlich  sein  Bruder  Johaim  von  Finnland 
streuten  zu  London  mit  vollen  Händen  die  reichen  Schätze 
aus,  Avelche  Gustav  Wasa  in  einer  langen  Regierung  ge- 
sammelt. Alles  sollte  einen  fabelhaften  und  grossartigen 
Anstrich  haben.  Wolle  sie  nicht  im  guten  kommen,  Hess 
sich  Erich  vernehmen,  so  sei  er  auch  zu  einer  gewalt- 
samen Entführung  entschlossen.  Den  Grafen  Leicester, 
gegen  den  er  eine  wohl  berechtigte  Eifersucht  nährte, 
forderte  er  feierlich  zum  Zweikampf  heraus").  Zweimal 
rüstete  er  sich  selbst  mit  ungeheurem  Aufwand  und  nach 
feierlichem  Abschied  von  seinen  Ständen  zur  Reise  nach 
England.  Vielleicht  hat  es  ihm  eine  schwere  Enttäu- 
schung erspart,  dass  ihn  das  eine  Mal  der  Tod  seines 
Vaters,  das  andre  Mal  ungünstige  Witterung  von  der 
Fahrt  zurückgehalten  haben.  Denn  Elisabeth  war  aus 
vielen  Gründen  wenig  geneigt,  sich  durch  die  roman- 
tischen Manieren  dieses  königlichen  Liebhabers  überriun- 
peln  zu  lassen.  So  lange  sie  noch  Prinzessin  Avar,  ver- 
schanzte sie  sich,  hinter  den  Willen  ihrer  Schwester. 
Selbst  Königin,  begehrte  sie  ihren  Freier  erst  von  An- 
gesicht zu  sehen.  tJnd  als  diese  Eventualität  in  gefähr- 
liche Nähe  trat,  beeilte  sie  sich  zu  versichern,  dass  doch 
auch  die  Freundschaft  ein  erhabenes  Gefühl  sei,  mit  dem 
sich  Erich  begnügen  möge.  Es  scheint,  dass  Erich 
schliesslich  selbst  an  der  Wahrscheinlichkeit  eines  Er- 
folgs verzweifelte.  Ohne  die  Werbungen  um  Elisabeth 
aufzugeben,  fing  er  doch  nach  seinem  zweiten  Versuch 
nach  England  zu  reisen  (1561)  an,  sich  auch  anderswo 
umzusehen. 

Uns  interessieren  hier  nur  die  Werbmigen  um  die 
hessische  Prinzessin,  die  einzigen,  welche  zugleich  zu 
einer  Art  von  Abschluss  gelangten.  Hier  wurden  Erichs 
Massnahmen  sicherlich  nui'  durch  politische  Erwägungen 
bestimmt:  ich  zweifle,  dass  irgend  ein  Brief  Erichs  an 
die  Prinzessin  Christine,  die  ilun  doch  förmlich  verlobt 
geAvesen,  noch  vorhanden  oder  überhaupt  je  geschrieben 
worden  ist.    Dagegen  mit  wie  viel  liebewerbenden  Billets 


-)  Greijer,  Gesch.  Schwedens  11,  160,  Note  1. 


42  L-  Sfliwalte: 

liat  er  Elisabeth  bestürmt !  Die  politischen  ßeweggrüude 
Erichs  liegen  auf  dei'  Hand :  der  däniscli  -  schwedische 
Konflikt,  welcher  mit  dem  Jahre  1562  in  immer  nähere 
Aussicht  trat,  musste  ihm  die  Nothwendigkeit  nahe 
legen,  gegen  den  starken  liücklialt,  welchen  König  Fried- 
rich durch  seine  Freundschaft  und  Öchwägerschaft  mit 
Kurfürst  August  unter  den  deutschen  protestantischen 
Reichsständen  besass,  ein  Gegengewicht  zu  suchen.  Er 
fasste  den  Plan,  sich  in  ähnlicher  Weise  dem  Landgrafen 
von  Hessen  zu  verbinden.  Zuerst  im  Juli  1562  finden 
wir  seinen  Sekretär  Claudius  Collart  in  Kassel,  um  für 
seinen  Herrn  bei  Philipp  um  die  Hand  der  19jälirigen 
Prinzessin  Christine  anzuhalten-^).  Philii)p  hatte  einen 
hohen  Begriff  von  dem  Werth,  welchen  eine  Verbindung 
mit  diesem  königlichen  BeAverber  haben  müsse;  er  gab 
eine  zusagende  Antwort  und  vertraute  dem  schwedischen 
Sekretär  eine  „Contrafactur"  seiner  Tochter  an.  Bis  zum 
Oktober  hörte  er  nichts  w^eiter  über  die  Sliche;  da  er- 
schien eine  schwedische  Gesandtschaft,  bestehend  aus 
demselben  Claudius  Collart,  dem  Freiherrn  Georg  Geraw 
und  dem  Sekretär  Christoph  Schieffer,  mit  der  Vollmacht, 
endgültig  abzuschliessen^).  Die  Heirathsurkunde  wurde 
aufgesetzt  und  unterfertigt,  mit  der  Bestimmung,  dass 
sich  König  Erich  bis  Weihnachten  über  die  Art  der  Ab- 
holung und  Heimführung  der  Prinzessin  erklären  solle. 
Nunmehr  konnte  die  Sache  für  abgemacht  gelten;  sie 
wurde  in  der  Öffentlichkeit  bekannt  und  von  den  poli- 
tischen Parteien  in  ihren  Kombinationen  verrechnet.  Um 
so  autfälliger  und  peinlicher  musste  es  für  Philipp  sein, 
dass  noch  6  Wochen  nach  dem  ausgemachten  Termine 
die  verabredete  Erklärung  Erichs  nicht  eingetrotfen  war! 
Aufs  höchste  beunruhigt  schickte  er  endlich  am  8.  Febr. 
einen  eilenden  Boten  nach  Stockholm,  um  nach  dem 
Grund  dieser  Verzögerung  zu  fragen  und  eine  endliche 
Erklärung  einzuholen').  Der  Bote  war  schon  abgegangen, 
als  die  Nachricht  nach  Kassel  gelangte,  dass  allerdings  eine 
schwedische  Gesandtschaft  unterwegs  gewesen,  aber  in 
Dänemark  aufgehalten  und  festgenommen  worden  sei. 
Dies  konnte  Philipp  —  w'enn  sclion  die  Gesandtschaft 
viel  zu  spät  von  Stockholm   abgegangen   sein  musste  — 


3)  Gott.  Hist.  Ma£?azin  III,  703. 
•»)  Ibid.  704. 
f^)  Ibid.  717. 


Heirathspläiio  Erichs  XIV.  43 

wenigstens  vorläufig-  über  den  Ernst  der  schwedischen 
Absichten  beruhigen;  er  beeilte  sich  zunächst,  an  Däne- 
mark um  Befreiung  der  Gesandten  zu  schreiben  und  dann 
an  Scliweden,  wo  er  nachsuchte,  ihm  die  Aufträge  der 
gefangenen  Bevollmächtigten  durch  andere  Personen  über- 
bringen zu  lassen.  Von  Dänemark  lief  die  Antwort  schon 
Ende  April  ein*').  König  Friedrich  erklärte,  die  Ge- 
sandten seien  nicht,  um  die  Heirathsverhandlungen,  denen 
er  vielmelu'  den  besten  Fortgang  wünsche,  zu  unter- 
brechen, sondern  des  ungebührlichen  Verhaltens  des  Frei- 
herrn Sten  Erikson,  des  Führers  der  Gesandtschaft, 
halber  festgehalten  worden;  dieser  sei  in  Kopenhagen 
mit  den  Tlionvachen  in  Konflikt  gerathen,  habe  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Walle  gezückt  und  alle  dänischen  Na- 
mens beschimpft ;  man  sei  in  Dänemark  nicht  in  der  Lage, 
Erikson  und  seine  Genossen  freizugeben.  Erich  hingegen 
schrieb'),  dass  die  Aufträge  der  Gesandten  nunmehr  an 
Christoph  Schieffer  übertragen  seien,  der  sich  schon  auf 
dem  Wege  nach  Kassel  befinde.  Zugleich  aber  fügte  er 
hinzu,  dass  die  Heimfahrt  spätestens  bis  Pfingsten  statt- 
zufinden habe  —  wo  dies  nicht  geschehe,  müsse  er,  ge- 
zwungen durch  seine  gegenwärtige  Lage,  das  Beilager 
bis  auf  den  Herbst  verschieben.  Dieser  Brief  war  am 
9.  März  in  Stockholm  abgegangen  —  man  muss  gestehen, 
dass  für  die  Ausführung  von  Erichs  Wunsch  eine  sehr 
kurze  Zeit  gelassen  Avar!  Und  diese  Eile  musste  um  so 
wunderlicher  erscheinen,  als  der  zurückkehrende  hessische 
Gesandte  berichten  konnte,  dass  er  den  Christoph  Schieffer 
ganz  behaglich  in  Lübeck  angetroffen  habe,  woselbst  sich 
derselbe  auch  noch  weitere  drei  Wochen  aufgehalten 
haben  muss*).  Der  Landgraf  scheint  diese  unerhörte 
Verzögerung  einzig  auf  Rechnung  des  nachlässigen  Sekre- 
tärs gesetzt  zu  haben;  denn  am  6,  April  schrieb  er  an 
ihn  und  mahnte  ihn  zur  Eile,  nachdem  er  schon  am  Tage 
vorher  im  besten  Glauben  an  Erichs  ernste  i^bsichten 
durch  Andreas  Schütz  und  einen  andern  Diener  die  Mit- 
theilung nach  Stockholm  hatte  abgehen  lassen,  dass  er 
seine  Tochter  am  3.  Mai  von  Kassel  abreisen  und  am  20. 
in  Rostock   eintreffen  lassen  werde '^).     Sämtliche  Vorbe- 


«)  Ibid.  717.  —  D.  B.  VI,  140,  142,  138,  225. 

')  D.  B.  VI,  307,  308.    Veigl.  Gott.  Hist,  Mag.  717  f. 

8)  Gott.  Hist.  Mag.  718  f. 

■')  Ibid.  719. 


44  L-  Schwabe: 

loitiing-e]!  zu  dieser  Reise  wurden  mit  fürstlichem  Auf- 
\\aiid  getroÖeu,  die  Begleiter  der  rriuzessin  bestimmt, 
unter  ihnen  als  vornehmster  der  junge  Landgraf  Wil- 
helm^"). Der  Termin  der  Abreise  stand  kaum  noch  eine 
Woche  aus,  als  endlich  am  28.  April  der  längst  erwartete 
Schieffer  mit  der  Instruktion  der  in  Kopenhagen  festge- 
haltenen schwedischen  Käthe  eintraf.  Da  muss  allerdings 
das  Erstaunen  des  alten  Landgrafen  gross  gewesen  sein, 
als  er  jetzt  erfuhr,  dass  die  Heirath,  welche  er  für  fertig 
bis  zur  Einsegnung  hielt,  nach  Erichs  Auffassung  noch 
im  weiten  Felde  lag.  Schon  der  Form  nach  erschien  es 
ihm  höchst  bedenklich,  dass  in  Schieffers  Instiaiktion 
Christine  nicht  mit  der  für  solche  Fälle  üblichen  Bezeich- 
nung als  Vertraute  des  Königs  benannt  wurde;  weiter 
war  an  den  Mitgifts-  und  Witthumsbestimmungen  der 
früheren  Heirathsnotel  von  demselben  Erich,  dessen  un- 
ermessener  Reichthum  so  prahlerisch  aller  Welt  verkündet 
wurde,  in  wahrhaft  kleinlicher  Weise  gemäkelt  worden; 
um  die  Heirath  als  eine  wesentlich  politische  Verbindung, 
von  der  der  Schwede  vor  allem  einen  reellen  Machtzu- 
Avaclis  zu  erwarten  habe,  zu  charakterisieren,  wurde  die 
Ehescliliessung  von  einer  vorausgehenden  hessisch-schwe- 
dischen Konföderation  abhängig  gemacht.  Das  stärkste 
Stück  war  aber  doch,  dass  Erich  Christinen  ruhig  nach 
Schweden  kommen  lassen,  daselbst  besichtigen  und  sich 
alsdann  das  Recht  gewahrt  wissen  wollte,  sie  nach  seinem 
Gefallen  dazubehalten  oder  wieder  zurückzuschicken"). 
Man  wundert  sich,  dass  Philipp  auf  diese  wahrhaft  be- 
leidigende Zumuthung  hin  die  Verhandlungen  nicht  ein- 
fach abgebrochen  hat.  Wenigstens  schob  er  nun  die  Ab- 
reise auf.  Er  liess  sich  in  seiner  Antwort  an  Schieffer 
hören,  dass  Erichs  Verlangen  unziemlich  und  unter  deut- 
schen Fürsten  nicht  der  Brauch  sei.  Hinsichtlich  der 
Mitgift  erklärte  er  sich  zu  einer  Erhöhung  der  ursprüng- 
lich festgesetzten  Summe  um  5000  Gulden  bereit;  dagegen 
sei  er  nicht  imstande,  auf  die  schwedischen  Vorschläge 
betreffs  des  Witthums  einzugehen.  Ein  Defensivbündnis 
mit  Schweden  zu  schliessen,  sei  er  nicht  abgeneigt,  doch 
müssten  die  Verhandlungen  hierüber  ganz  unabhängig 
von  den  Heirathsverhandlungen  geführt  werden:  er  wolle 


10)  liommel  III,  2,  453. 

1^)  Vergl.  die  an  Schieffer  gegebene  Antwort,  Gott.  Hist.  Mag. 


m,  703-716. 


Heirathspläni^  Erichs  XIV.  45 

bis  Bartholomäi  einer  Erklärung  Erichs  entgegensehen, 
ob  er  einen  Tag  zu  Rostock,  Wismar  oder  Hamburg  an- 
setzen werde,  um  über  diese  politischen  Dinge  zu  ver- 
handeln. AVas  das  Fräulein  angehe,  so  möge  doch  Erich, 
um  sich  ein  gelroftenes  Bildnis  zu  verschatten,  einen  ge- 
schworenen Maler  schicken,  sie  auch  noch  einmal  durch 
seine  geheimen  und  vertrauten  Käthe  besichtigen  lassen. 
In  der  That  ein  weitgehendes  Entgegenkommen,  welches 
beweist,  dass  Philipp  damals  noch  an  der  Holfiiung 
auf  die  schwedische  Heirath  mit  Bestimmtheit  festge- 
halten hat. 

Uns  freilich,  die  wir  aus  den  englischen  Publikationen 
einen  Einblick  in  Erichs  Verhandlungen  mit  England 
haben,  möchte  dieses  Vertrauen  geradezu  kurzsichtig  er- 
scheinen. Wie  wir  schon  erwähnten,  hatte  Erich  trotz 
seiner  anderweitigen  Werbungen  (er  hatte  auch  in  Loth- 
ringen Verhandlungen  angeknüpft)  die  Beziehungen  zu 
England  nicht  vollständig  gelöst.  Und  Elisabeth  sorgte 
nach  ihrer  Art  dafür,  dass  der  schwedische  König  nicht 
alle  Hoffnung  verlor '"-).  Ob  letzterer  nun  diese  Koketterie 
nur  mit  gleicher  Münze  zurückgeben  wollte,  oder  ob  er 
wirklich  wieder  bestimmtere  Hoffnungen  gefasst  —  ge- 
nug, zu  derselben  Zeit,  als  seine  Gesandten  in  Kassel 
endgültig  abschlössen,  Hess  er  ein  Schreiben  nach  Lon- 
don abgehen,  in  dem  er  aufs  neue  der  Engländerin  sein 
Glück,  sein  JReich  und  sein  Leben  zu  Füssen  legte  ^■^). 
Dieser  Schritt  muss  der  damaligen  Diplomatie  Geheimnis 
geblieben  sein,  sonst  hätte  das  spätere  Schreiben  Erichs, 
welches  er  ein  Jahr  darauf  an  Elisabeth  richtete  und 
welches  ähnlichen  Inhalts  war,  bei  seinem  Bekanntwerden 
keine  so  überraschende  Wirkung  erzielen  können. 

Unterdessen  \vurden  alle  Schritte,  die  der  Schwede 
that,  von  zwei  wachsamen  Beobachtern  misstrauisch  ver- 
folgt: in  Dänemark  in  unmittelbarer  Nähe  seines  Geg- 
ners von  König  Friedrich  II.,  auf  Hessen  hatte  Fried- 
richs Bundesgenosse  August  von  Sachsen  seüie  Blicke 
geheftet.  Ihm  war  die  schw^edische  Verbindung  mit 
Hessen  ein  Dorn  im  Auge.  Gerade  damals  lebte  er 
unter  dem  beständigen  Drucke,  welchen  die  Unruhe  vor 
den  Grumbachischen  Umtrieben  ihm  auferlegte,  und  mit 
sicherem  Instinkte   fühlte   er,    den  von  allen  Seiten  das 


12)  Calendar  of  State  papers.  For.  series.  1562,  437,  5  u.  a.  m. 
")  Schreiben  vom  31.  Okt.,  ibid.  948. 


46  L.  Schwalto: 

Schreckbild  uulieinilicher  Allianzen  quälte,  dass  der  Gang 
der  Ereignisse  im  Falle  eines  grossen  Kontlikts  seine 
ernestinischen  Vettern  der  schwedischen  Partei  entgegen- 
führen werde,  wenn  beide  nicht  vielleicht  jetzt  schon  in 
geheimer  Verbindung  standen.  Sollte  nun  Hessen  in  den 
Verein  seiner  Gegner  treten  als  ein  neues  Glied,  welches 
das  Vordringen  jener  wenn  nicht  unterstützen,  so  doch 
gewiss  auch  nicht  zurückzuhalten  helfen  würde?  Mit 
der  unermüdlichen  Umsicht  und  der  geräuschlosen  Rück- 
sichtslosigkeit, die  ihn  charakterisieren,  machte  er  sich 
ans  Werk,  die  ihm  verhasste  Verbindung  zu  lockern  und 
endlich  zu  lösen.  Die  erste  Kunde  von  dem  Heiraths- 
plan  erhielt  er,  als  er  sich  zufällig  im  Oktober  1562  nach 
dem  Frankfurter  Wahltage  gerade  zu  der  Zeit  in  Mar- 
burg aufhielt,  als  sich  auch  die  schwedischen  Gesandten 
daselbst  befanden.  Er  sah  damals  die  Heirath  für  so 
gut  wie  geschlossen  an  und  meldete  das  Ereignis  in  dem 
Sinne  noch  von  Marburg  aus  dem  dänischen  König  ^*); 
auch  dieser  hatte  schon  Nachricht  davon  erhalten,  und 
obschon  er  sich  den  Anschein  gab,  als  gönne  er  diese 
Verbindung  seinem  Vetter  Erich  von  Herzen,  werden  wir 
doch  nicht  allzuweit  fehlgehen,  wenn  wir  das  Gegentheil 
für  das  Wahrscheinlichere  halten.  Wenigstens  hätte 
Friedrich  alsdann  die  schwedischen  Gesandten,  welche 
im  Anfang  des  Jahres  1563  dieselbe  Instruktion  über- 
brachten, die  später  Schleifer  anvertraut  wurde,  nicht 
festhalten  dürfen.  August  war  der  erste,  dem  von  der 
Gefangennahme  dieser  Käthe  Mittheilung  gemacht  wurde ; 
längst,  ehe  Mahnung  von  Hessen  aus,  für  die  Freilassung 
der  .schwedischen  Gesandten  in  Dänemark  einzutreten, 
an  August  gelangte,  war  er  von  allen  Einzelheiten  dieser 
Gefangennahme  genau  unterrichtet^')-  Es  ist  nun  in  der 
That  bezeichnend  für  seine  berechnende  Vorsicht,  dass 
er  in  seiner  Antwort  an  Hessen  diese  seine  Kenntnis  des 
Thatbestandes  vollständig  und  mit  Absicht  ignoriert :  da- 
mit ja  nicht  der  in  Wirklichkeit  berechtigte  Verdacht 
aufsteigen  könne,  als  suche  er  der  hessisch-schwedischen 
Verbindung  entgegenzuarbeiten,  verbirgt  er  sein  Einver- 
ständnis mit  Dänemark.  Ob  die  Festnahme  der  schwe- 
dischen Räthe,  schrieb  er  an  Philipp,  mit  Hecht  oder 
Unrecht   geschehen    sei,   könne  er  von   der  Ferne  nicht 

")  D.  B.  VI,  50. 

''')  Tbid.  04. 


Heirathsplänn  Erichs  XIV.  47 

beurtheilen;  doch  wenn  sie  sein  Schwager  von  Dänemark 
gefangen  gesetzt  hätte,  so  würde  er  wohl  seinen  Grund 
dazu  gehabt  haben.  Gleichwohl  versprach  er,  bei  Däne- 
mark für  Freilassung  der  schwedischen  Gesandten  Für- 
bitte einzulegen  und  führte  dies  auch  aus^*^).  Dieses 
Verhalten  entsprach  durchaus  den  politischen  Intentionen 
Augusts,  welchem  in  seiner  unerschütterlichen  Friedens- 
liebe —  wie  viel  ihm  auch  an  einer  Schwächung  der 
schwedischen  Partei  gelegen  sein  mochte  —  zugleich  und 
noch  mehr  am  Herzen  lag,  jeden  kriegerischen  Zusam- 
menstoss  soweit  nur  irgend  möglich  zu  verhüten.  Und 
er  hatte  nicht  unrecht,  wenn  er  in  der  brüsken  Behand- 
lung der  schwedischen  Räthe  ein  Vorspiel  zu  dem  künf- 
tigen blutigen  Konflikt  erblickte.  Schweden  hat  später 
ausdrücklich  und  wiederholt  erklärt,  dass  die  Verletzung 
der  durch  das  Völkerrecht  geschützten  Gesandten  eine 
wesentliche  Veranlassung  zu  dem  bald  darauf  entbrannten 
Kriege  gegeben  hätte,  während  sich  Dänemai'k,  natürlich 
unter  der  sich  fortwährend  steigernden  Erbitterung  gegen 
Schweden,  erst  recht  nicht  veranlasst  sah,  die  einmal  In- 
haftierten ihres  Gewahrsams  zu  entledigen,  zum  sichern 
Zeichen,  dass  auch  von  seiner  Seite  der  Krieg  gewünscht 
werde.  Was  halfen  alle  Interpositionen  unseres  deutschen 
Friedensfürsten!  In  den  beiden  jungen  Monarchen  lebte 
der  Wille  zum  Krieg,  und  Landgraf  Philipp  hatte  guten 
Grund,  wenn  er  klagte,  sie  seien  beide  noch  junge  Herren 
und  hitzigen  Geblüts,  seien  auch  nicht  schlechte  Könige 
und  möchte  einer  den  andern  „understeen  zu  uberdoplen". 
August  hat  diese  Sachlage  schliesslich  mit  schwerem 
Herzen  einsehen  müssen.  Wenn  er  auch  an  den  Vermit- 
telungs versuchen,  welche  während  der  ganzen  Dauer  des 
dänisch-schwedischen  Krieges  von  deutscher  Seite  aus  in 
Szene  gesetzt  wurden,  seinerseits  redlich  theilnahm,  so 
erkannte  er  doch  allmählich  ihre  Erfolglosigkeit,  lioifte 
im  Stillen  auf  einen  entscheidenden  kriegerischen  Erfolg 
Dänemarks  und  war  von  Deutschland  aus  geschäftig, 
einen  solchen  herbeizuführen.  Es  war  begreiflich,  dass 
er  dabei  in  erster  Linie  sein  Augenmerk  auf  eine  Lösung 
der  schwedisch-hessischen  Beziehungen  richtete. 

Eine  bestimmte  Holfnung,  diese  herbeizuführen,  er- 
wuchs ihm  zuerst  im  Mai  1563.  Freundschaftlich,  wie 
er  trotz  alledem  mit  Hessen  stand,  hatte  er  dem  jungen 


16 


')  Ihiil.  91,  95,  98,  102,  132,  138. 


48  L.  Seliwabe: 

Landgrafen  auf  dessen  Bitte  zu  seiner  Heise  nach  Rostock 
Pferde  zugescliickt.  Diese  schickte  ihm  —  es  Avar  in- 
dessen Schietter  in  Kassel  gewesen  —  Wilhehn  mit  dem 
Bemerken  zurück,  dass  die  Reise  aufgeschoben  werden 
müsse ^').  Bahl  darauf  lief  eüi  zweites  eigenhändiges 
Schreiben  des  jungen  Landgrafen  ein^^),  nach  welchem 
er  zunächst  den  Aufschub  auf  die  drohenden  Kriegsläufte 
und  die  damit  verbundene  Gefahr  zu  reisen  schob,  aber 
schliesslich  hinzufügte,  dass  die  ganze  Heirathsangelegen- 
heit  noch  im  Ungewissen  schwebe  und  sich  überhaupt, 
wenn  nicht  gewisse  Artikel  verglichen  würden,  noch  zer- 
schlagen könnte.  Diese  Andeutungen  mussten  Augusts 
höchstes  Interesse  und  zugleich  den  Wunsch,  das  Nähere 
über  die  Angelegenheit  zu  erkunden,  wachrufen.  Er 
entschloss  sich  deshalb,  den  vielgewandten  Hans  Jenitz 
nach  Kassel  zu  senden,  nach  der  offiziellen  Listruktion, 
um  über  die  Modalitäten  eines  Literpositionsversuchs 
zwischen  den  feindlichen  Königen  zu  verhandeln,  im  Ge- 
heimen aber  gewiss  mit  der  Weisung,  nach  den  Ursachen 
der  Verstimmung  mit  Schweden  zu  forscheu.  Er  kam 
am  21.  Mai  nach  Kassel  und  traf  dort  —  der  alte  Land- 
graf war  auf  der  Hochzeit  seines  Sohnes  Ludwig  —  zu- 
nächst nur  Wilhelm  an.  Dieser  kam  aou  selbst  auf  die 
Heiiathsaugelegenheit  zu  sprechen  und  bemerkte,  dass 
sie  noch  im  weiten  Felde  stehe.  Er  führte  die  Ditferenz 
über  die  Konföderation,  das  Witthum,  die  Mitgift  an;  die 
demüthigende  Zunmthung,  dass  seine  Schwester,  im  Falle 
sie  das  xUisfallen  ihres  königlichen  Freiers  erregen  würde, 
Avieder  zurückgeschickt  werden  solle,  behielt  er  für  sich. 
Als  aber  der  alte  Landgraf  zurückkam,  gelang  es  dem 
unermüdlichen  Jenitz,  nachdem  der  Landgraf  „oftmals 
doch  dunkel-'  der  wegen  der  Heirath  vorgefallenen  Hin- 
dernisse gedacht,  nach  vielem  Drängen  und  xlnhalten 
eine  vollständige  xlbschrift  der  an  Schieft'er  gegebenen 
Antwort  zu  erhalten;  ja,  als  der  Landgraf  bemerkte,  dass 
sie  Jenitz  etwas  lange  bei  sich  behielt  und  otfenbar  Aus- 
züge daraus  machte,  gestattete  er  ihm  sogar,  eine  voll- 
ständige Kopie  an  August  mitzunehmen.  Nun  allerdings 
konnte  dieser  das  schwedische  Verhalten  in  seiner  ganzen 
Bedenklichkeit  erkennen,  und  der  Landgraf  scheint  ge- 
fühlt zu  haben,  dass  er  dem  Kurfürsten  damit  eine  Waife  in 


1^)  Ibid.  145. 

'-*)  vom  n.  :\rai.  l).  B.  \1,  U'3.     Vergl.  v.  Webers  Archiv  TI,  295. 


Heirathspläne  Erichs  XIV.  49 

die  Hände  gespielt  hatte ;  wenigstens  sprach  er  gegen  Jenitz 
die  Bitte  aus,  die  Abschrift  dem  Dänen  nicht  ihm  zum 
ünglimpf  mitzutlieilen.  In  Dresden  fasste  man  die  un- 
erhörte Zumuthung,  die  Erich  an  Hessen  gestellt,  in  aller 
ihrer  Schärfe  auf  und  Jenitz  schrieb  noch  von  Kassel 
aus  an  seinen  Herrn:  man  sehe  aus  der  Antwort  an 
Schiefer,  dass  König  Erich  die  Prinzessin  erst  sehen  und, 
wenn  sie  ihm  nicht  gefiele,  einen  Absprung  thun  wollte; 
es  sei  aber  unter  deutschen  Fürsten  nicht  Herkommens, 
dass  man  einem  „die  fräleins  also  fürziehe".  Jetzt  durfte 
in  August  die  Hoffnung  aufsteigen,  Hessen  und  Schweden 
nicht  nur  einander  zu  entfremden,  sondern  auch  sie  mit 
einander  zu  entzweien  ^^). 

Noch  einmal  kam  in  dieser  Entwickelung  ein  Rück- 
schlag, als  neue  Briefe  von  Schweden  in  Kassel  eintrafen, 
welche  den  Glauben  des  Landgrafen  an  die  schwedischen 
Absichten  einigermassen  aufzurichten  imstande  waren. 
Zunächst  ein  Schreiben  Erichs  vom  2.  April,  in  welchem 
er  die  früher  gestellte  Bedingung,  dass  die  Ankunft  der 
Prinzessin  in  Stockholm  bis  spätestens  Pfingsten  stattzu- 
finden habe,  aufhob  und  Christine  auch  im  Mai  oder  Juni 
zu  empfangen  sich  bereit  erklärte-*^).  Dann  aber  vor 
allem  der  Bericht  des  Andreas  Schütz  und  seines  Be- 
gleiters, die  Philipp  vor  dem  Eintreffen  Schiefters  mit 
der  Mittheilung  nach  Schweden  geschickt  hatte,  dass  das 
Fräulein  am  3.  Mai  aufbrechen  und  am  20.  in  Rostock 
eintreffen  solle-').  Nach  Andreas  Schütz  hatte  König 
Erich  diese  Nachricht  mit  Freuden  aufgenommen  und  sich 
sofort  in  Bereitschaft  gesetzt,  die  feierliche  Abholung  der 
Prinzessin  zu  bewirken.  In  Person  kümmerte  er  sich  um 
die  Ausrüstung  der  Fahrzeuge  und  liess  ein  stattliches 
Schiff  ausrüsten,  den  „Schwan",  mit  Tapeten  und  Bett- 
werk, welches  zum  Empfang  der  fürstlichen  Gäste  be- 
stimmt war.  Da  er  aber  (so  immer  der  Bericht  Schützens) 
von  den  hessischen  Boten  selbst  und  auch  von  anderer 
Seite  gehört  hatte,  dass  man  in  Dänemark  gegen  ihn 
rüste,  glaubte  er  gleichfalls  sich  vorsehen  zu  müssen  und 
gab  dem  „Schwan"  19  Kriegsschiffe  zur  Bedeckung  mit. 
Auf  dem  Admiralschiff'  „Elefant"  liess  er  die  Seeoffiziere 


19)  D.  B.  VI,  151,  158.  162.      Vergl.  Droysen   in    v.  Webers 
Archiv  II,  397  flg. 

20)  D.  B.  VI,  308. 
-')  Ibid.  262. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  h.  A.    IX.   1.  2.  4 


50  L.  Schwabe: 


unter  Beisein  der  hessischen  Gesandten  zusammenkommen, 
theilte  ihnen  ihre  Aufgabe  mit  und  schärfte  ihnen  ein, 
sich  durchaus  friedlich  zu  verhalten  —  höchstens  wenn 
sie  angegTiifen  würden,  möchten  sie  zur  Gegenwehr 
greifen.  So  segelte  dann  die  Flottille,  die  hessischen 
Gesandten  an  Bord,  mit  gutem  Winde  ab.  x^ls  sie  aber 
auf  die  Höhe  von  Bornholm  kamen,  gewahrten  sie  um 
2  Uhr  Mittags  ein  dänisches  Geschwader,  darunter  das 
Admiralschiff  „Herkules",  geführt  vom  dänischen  Admiral 
Jakob  Brückenhusen.  Links,  erzählt  Andreas  Schütz, 
habe  ihnen  das  Land  gelegen  und  rechts  die  dänische 
Flotte,  „in  Gestalt  einer  Wagenburg  umb.  uns  hero 
schwebende".  Was  vorauszusehen  war,  geschah:  das 
Gefecht  entwickelte  sich  und  zwar  auf  eine  eigenthüm- 
liche  Weise.  Der  schwedische  Admiral  Jakob  Bage 
Hess,  wie  der  hessische  Bericht  lautet,  zum  Beweise 
seiner  friedlichen  Mission  die  Musik,  Heer])auken  und 
Trompeten,  spielen.  Das  dänische  Admiralschitf  aber 
segelte  allein  den  übrigen  dänischen  Schiffen  voraus  und 
löste  seine  Geschütze,  wie  man  später  auf  dänischer 
Seite  behauptete,  um  nach  altem  Seebrauch  das  Herr- 
scherrecht seiner  Flagge  auf  die  Gewässer,  die  es  be- 
segelte, darzuthun.  Die  Schweden  jedoch  erl)lickten 
hierin  die  Eröffnung  des  von  König  Erich  vorausbe- 
dachten Angriffs.  Ihre  drei  grossen  Schiffe  „Elefant", 
„Schwan"  und  „Engel"  machen  klar  zum  Gefecht.  In 
kurzer  Zeit  ist  der  Hauptmast  des  dänischen  „Herkules" 
über  Bord  gelegt,  und  nach  dreistündiger  Kanonade  er- 
geben sich  die  drei  dänischen  Schiffe  „Herkules",  „Hek- 
tor"  und  „Hirsch",  während  die  andern  vor  den  nach- 
drängenden Schweden  zurückweichen  und  sich  glücklich 
retten.  Den  Siegern  fielen  mit  den  Schiften  gegen  900 
Gefangene  in  die  Hände,  unter  diesen  Brückenhusen 
selbst.  Das  w^ar  die  Seeschlacht  von  Bornholm,  der  blu- 
tige Anfang  des  schwedisch -dänischen  Kriegs;  und  wir 
zweifeln,  dass  wir  mit  dem  Landgrafen  nichts  w-eiter  in 
ihr  zu  erblicken  haben,  als  den  zufälligen  Zusammenstoss 
einer  Küstenwache  und  eines  Hochzeitsgeleites. 

Nichtsdestoweniger  entsprach  das  weitere  Verhalten 
der  schw^edischen  Flotte  scheinbar  gänzlich  dem  Auftrag, 
den  sie  in  Gegenw^art  der  hessischen  Boten  erhalten  hatte. 
Ohne  sich  mit  einer  Ausnutzung  ihres  Sieges  w^eiter  auf- 
zuhalten, segelte  sie  bis  Warnemünde,  woselbst  die  Ge- 
sandten  w^arteten,   um    die   hessische  Prinzessin   für  die 


Heirathspläno  Erichs  XIV.  51 

Überfahrt  in  Empfang  zu  nehmen.  Erst  als  die  Nach- 
richt zu  ihnen  gedrungen  war,  dass  die  Abreise  Chris- 
tinens  durch  die  Sendung  Schieffers  rückgängig  gemacht 
worden  sei,  entschlossen  sie  sich,  nachdem  sie  an  den 
Landgrafen  ihre  Kredenzbriefe  und  einen  Bericht  über 
den  ihnen  gewordenen  Auftrag  abgesandt  hatten,  zur 
Rückfahrt.  Diesen  Schreiben  waren  den  Gesandten  noch 
in  Schweden  anvertraute  Briefe  Erichs  und  seines  Schwa- 
gers, des  Pfalzgrafen  Georg  Johann  von  Veldenz,  beige- 
legt, welche  natürlich  noch  die  feste  Erwartung  aus- 
sprachen, dass  die  Prinzessin  zu  dem  von  Philipp  ange- 
setzten Termine  in  Rostock  eintreffen  werde--). 

Landgraf  Philipp  mochte  einen  Augenblick  Arger 
empfinden,  dass  er  seine  Tochter  nun  doch  nicht  abge- 
schickt habe.  Dass  die  Schweden  auf  sein  Anerbieten 
so  schleunig  eingegangen  und  die  Abholung  seiner  Tochter 
dem  Anschein  nach  mit  solcher  Energie  betrieben,  machte 
ihn  ganz  und  gar  irre.  Er  wusste  nicht  mehr,  was  er 
denken  sollte:  „Wir  können  uns  aus  dem  König  von 
Schweden  nit  wohl  richten,  was  sein  Gemüth  sei",  klagt 
er  in  einem  Schreiben  vom  15.  Juni.  Schleunigst  schickte 
er  den  Bericht  des  Andreas  Schütz  und  die  Schreiben 
der  schwedischen  Gesandten,  König  Erichs  und  des 
Pfalzgrafen  an  August.  Dieser  war  minder  geneigt,  den 
Schweden  ohne  weiteres  Glauben  zu  schenken.  Li  seiner 
Autwort  vom  24.  Juni  bemerkt  er,  der  Bericht  des  hes- 
sischen Boten  sei  so  gefasst,  dass  er  ebensogut  von  einem 
schwedischen  Seki^etär  herrühren  könne.  Er,  August, 
habe  von  Dänemark  —  wie  dies  in  Wahrheit  auch  der 
Fall  gewesen-")  —  eine  ganz  andere  Schilderung  des 
Vorganges  erhalten.  Überhaupt  halte  er  das  schwedische 
Vorgeben,  als  ob  die  Schiffe  zur  Abholung  der  Prinzessin 
abgeschickt  seien,  nur  für  eine  Beschönigung  des  unmoti- 
vierten Überfalls  auf  dänische  Schifte  in  dänischen  Ge- 
wässern. Zum  Schluss  regt  er  das  alte  Bedenken  wieder 
auf,  dass  Erich  in  seinem  Briefe  Philipp  nicht  Oheim  und 
Christine  nicht  seine  Vertraute  nenne-*).  Es  half  ihm 
nichts :  der  Landgraf  hielt  mit  Hartnäckigkeit  au  seinem 
Vertrauen  zu  Erich  fest:  in  einem  neuen  Schreiben  vom 
3.  Juli  erwidert  er,   es   scheine   ihm   durchaus  glaublich, 


2-)  Ibid.  255,  257,  259,  260,  261. 
-*)  Ibid.  315,  500. 
-*)  Ibid.  272. 

4* 


52  Tj-  Schwahe: 

dass  die  schwedischen  Schiffe  zur  Abholung  seiner  Tochter 
abgesandt  seien;  wie  wären  auch  sonst  die  Gesandten 
bis  Rostock  gefahren?  und  wie  hätte  Erich  die  Briefe 
schreiben  können,  die  man  doch  zu  Kassel  in  den  Händen 
habe--^)? 

Man  muss  gestehen,  dass  die  Dinge  nunmehr  l)is  zu 
einem  Punkt  gediehen  waren,  welcher  der  endlichen  Ent- 
scheidung nicht  mehr  fern  sein  konnte.  Dem  Landgrafen 
mnsste  es  aus  mehr  als  einem  Grunde  nicht  lange  mehr 
thunlich  erscheinen,  so  —  wie  sicli  sein  Sohn  einmal  aus- 
drückt -  inter  spem  et  metum  zu  schweben.  Ander- 
seits erzeugte  die  Spannung  der  politischen  Situation  die 
Tendenz,  das  Unbestimmte  dieses  Verhältnisses  schnell 
und  energisch  zu  klären.  Gerade  die  bekannt  gewordenen 
Vorschläge  des  Schweden  über  eine  Konföderation  mit 
Hessen  erzeugten  in  den  Häuptern  der  dänisch  -  sächsi- 
schen Politik  die  beunruhigende  Vorstellung  einer  grossen 
Allianz  jener  beiden  Mächte  mit  Frankreich,  Lothringen 
und  den  Ernestinern.  Mehr  als  einmal  weist  König 
Friedrich  in  seinen  Briefen  an  August  auf  die  Gefahren 
hin,  die  seiner  holsteinischen  Südgrenze  von  dieser  Seite 
drohen-").  So  wenig  August  an  derlei  Absichten  Hessens 
glauben  mochte,  so  wenig  war  er  in  der  Lage,  über  den 
Stand  der  hessisch-schwedischen  Verhandinngen  Auskunft 
zu  geben;  er  kannte  ihn  selbst  nicht.  So  weit  ich  sehen 
kann,  hatte  ihm  Philipp  seit  dem  Bericht  über  die  Vor- 
gänge von  Bornholm  keine  weiteren  Nachrichten  von  Be- 
lang aus  Schweden  zukommen  lassen. 

Jedenfalls  sprach  aber  schon  damals  die  so  lange 
hinausgezögerte  Entscheidung  gegen  einen  günstigen  Ver- 
lauf der  Heirathsverhandlungen.  In  solchen  Vernmthungen 
musste  Kurfürst  August  durch  den  Bericht  eines  direkt 
aus  Schweden  Gekommenen  bestärkt  werden,  der  sich 
unter  vielem  andern  auch  über  diesen  Punkt  ausliess, 
über  den  er  verhältnismässig  gut  unterrichtet  sein  musste: 
es  war  dies  der  Pfalzgraf  Georg  Hans,  der  sich,  wie  wir 
schon  oben  erwähnten,  mit  einer  Schwester  Erichs  ver- 
heirathet  hatte.  Dieser,  mit  Erich  wegen  der  Mitgift 
seiner  Frau  in  Zwist  gerathen,  hatte  Stockholm  verlassen 


25)  Ibid.  287. 

=")  Vergl.  z.  B.  Friedrichs   Schreiben   vom  4.  Januar  1564,.  D. 
B.  VIT.  4. 


Heirathspläne  Eiifh.s  XIV.  53 

und  auf  seiner  Rückreise  auch  Sachsen  berührt.  Hier 
liatte  er  sich  ganz  offen  und  zwar  sehr  missmuthig-  über 
seinen  königlichen  Schwager  geäussert,  so  dass  August, 
aufmerksam  geworden,  seinen  Rath  Hans  von  Ponickau 
aussandte,  mit  der  Weisung,  den  Pfalzgrafen  über  die 
Verhältnisse  des  schwedischen  Königs  auszufragen  und 
soviel  als  möglich  aus  ihm  herauszulocken.  Ponickau  traf 
mit  Jörg  Hans  in  Leipzig  zusammen  und  sandte  an  den 
Kurfürsten  einen  Bericht  über  seine  Unterredung,  welche 
für  die  Geschichte  Erichs  XIV.  nach  vielen  Richtungen 
hin  einen  werthvollen  Beitrag  liefern  würde.  Der  junge 
Herr  war,  wie  der  sächsische  Rath  fand,  sehr  beschwatzt 
und  redete  viele  Dinge.  Er  liess  sich  weitläufig  über  die 
politische,  militärische  und  finanzielle  Lage  des  schwedi- 
schen Königs  aus.  Was  des  letzteren  Person  angeht,  so 
stand  der  Bericht  des  Pfalzgrafen  offenbar  unter  dem 
mächtigen  Eindruck  einer  überlegenen,  reichbegabten,  aber 
moralisch  ungebundenen  Natur.  Vergeblich  sucht  er  mit 
einer  Fülle  von  Bezeichnungen  diesen  unfassbaren  Geist, 
über  den  schon  damals  die  Schatten  des  Wahnsinns  zogen, 
zu  umschreiben.  Von  seinen  glänzenden  Eigenschaften 
wusste  er  so  viel  zu  reden,  dass  Ponickau  sich  nicht 
überwinden  kann,  diese  Hyperbeln  seinem  Herrn  zu  wie- 
derholen. Er  pries  seine  edle  Persönlichkeit,  seine  Ge- 
schicklichkeit, seinen  hohen  Muth  und  Verstand.  Dabei 
sei  er  aber  gar  seltsam,  spitzfindig,  misstrauisch,  unbe- 
ständig, wollüstig  und  so  begehrlich,  dass,  wenn  er  gleich 
die  ganze  Welt  erlangte  bis  auf  die  Hölle,  so  würde  er 
die  gewiss  auch  noch  haben  wollen.  Was  die  hessische 
Prinzessin  betrefte,  so  zweifelte  der  Pfalzgraf  nicht,  dass 
sie,  wäre  sie  im  Frühjahr  nach  Schweden  gekommen,  von 
Erich  königlich  aufgenommen  sein  würde.  Doch  sollte 
er  sich  freilich  haben  vernehmen  lassen,  wenn  sie  nicht 
hübsch  wäre,  wollte  er  sie  einem  andern  geben.  Dass 
der  König  noch  jetzt  fortfahi'en  würde,  die  Ehe  mit  der 
etwas  hageren"-')  Christine  zu  betreiben,  schien  dem  Pfalz- 
grafen unwahrscheinlich.  Denn,  so  sagte  Jörg  Hans,  der 
König  will  frisches  Fleisch  und  hübsche  Leute  haben.  — 
Den  sächsischen  Herren  mochte  es  nicht  unangenehm  be- 
dünken, dass  der  Pfalzgraf  äusserte,  genau  dasselbe  wolle 
er  dem  Landgrafen  wiederholen.     x4.ugust   säumte  nicht. 


")  Yergl.  Cal.  of  State  papers,  For.  series  1562,  897,  4. 


54  L.  Schwalle: 

den   Bericht    des    Ponickau    nach   Dänemark    zu    über- 
senden -^). 

Es  sollte  jedoch  in  nicht  zu  ferner  Zeit  ein  Ereignis 
eintreten,  welches  —  geschickt  benutzt  —  die  Verhält- 
nisse mit  einem  Schlage  klärte.  Wir  haben  oben  die 
auch  während  der  Verhandlungen  mit  Hessen  fortge- 
setzten Werbungen  Erichs  um  Elisabeth  von  England  ins 
Auge  gefasst.  Auch  im  folgenden  Jahr  finden  wir  einen 
ununterbrochenen  Verkehr  zwischen  den  beiden  Höfen-'-'). 
In  England  waren  die  Pläne  Erichs  auf  Christine  von 
Hessen  längst  bekannt-^*'):  setzte  er  nun  den  Landgrafen 
durch  seine  zweideutige  Haltung  in  Verlegenheit,  so 
wurde  ihm  das  von  England  aus  reichlich  zurückgegeben. 
In  Gegenwart  der  schwedischen  Gesandten  zeigte  Elisa- 
beth recht  geflissentlich  ihre  Neigung  zu  Dudlej^;  man 
mag  sich  denken,  welchen  Emdruck  alsdann  die  Berichte 
dieser  Szenen  auf  den  stolzen  Schweden  machten,  der 
schon  einmal  den  Grafen  zum  Zweikampf  gefordert  hatte 
und  schliesslich  seinen  Gesandten  den  Auftrag  gab,  ihm 
Mörder  zu  dingen-'^)!  Andrerseits  kursierten  unaufhör- 
lich Gerüchte  über  die  englischen  Zustände,  welche  seine 
Bewerbung  in  einem  hoffnungsvolleren  Lichte  erscheinen 
Hessen.  Diese  Ungewissheit  zu  steigern,  trug  die  dänische 
B^okade  bei,  welche  den  Seeverkehr  nach  England  fast 
unmöglich  nmchte.  Ihr  und  schwerlich  einem  andern 
Grunde  wird  man  es  zuzuschreiben  haben,  dass  man  bis 
zum  Oktober  1563  nichts  wesentliches  über  schwedische 
Werbungen  in  London  hört.  Eine  schwedische  Gesandt- 
schaft ist  freilich  auch  in  diesen  Monaten  in  England 
gewesen,  die  man  auch  in  dieser  Sache  für  thätig  hielt"-). 
Ob  sie  das  wirklich  gewesen,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 
Nun  geschah  es  aber  Ende  Oktol)er  dieses  Jahres,  dass 
sich  in  Stockholm  ein  englischer  Kaufmann  aufhielt,  An- 
ton AVastlin  mit  Namen,  der  namentlich  auch  an  den 
schwedischen  Hof  seine  Waaren  absetzte.  Dieser  begehrte 
aus  dem  unruhigen,  mit  Kriegslärm  erfüllten  Lande  her- 
auszukommen.   Da  ihm  dies,   wie  er  später  behauptete, 


» 


-*)  Bericht  Ponickaus,  „Händel  K.  Erichs".  84—93.  Vergl.  D. 
B.  \I,  644''.  —  Instruktion  und  Kreditiv  für  Ponickau  H.-St.-A. 
Dresden  Cop.  321,  toi.  171  flg. 

2»)  Vergl.  z.  B.  Cal.  of  st.  p.  1562,  Nov.  12.  1043. 

«0)  Ibid.  897,  4,  909,  6  u.  a.  m. 

«1)  Geijer  III,  159  f. 

3-)  Cal.  of  St.  p.  1563,  938. 


Heimthspläue  Erichs  XIV.  55 

nicht  anders  erreichbar,  erkaufte  er  die  Möglichkeit  hierzu 
durch  einen  Kaperbrief  und  durch  das  Versprechen  an 
Ericli,  diesem  gewisse  Briefe  an  die  Königin  Elisabeth 
zu  besorgen.  Er  erhielt  die  letzteren  am  31.  Oktober 
eingehändigt,  Anfang  November  ging  er  mit  einem  könig- 
lichen Schitfer  in  die  See.  Bei  Gothland  stösst  er  auf 
dänisclie  Schilfe.  Der  sclnAcdische  Schiffer,  vermuthlich 
von  dem  wichtigen  Inhalt  der  Schreiben  unterrichtet, 
nimmt  sie  Wastlin  ab,  um  sie  ins  Wasser  zu  werfen  und 
so  der  dänischen  Einsichtnahme  zu  entziehen.  Wastlin 
aber  verhindert  das  rechtzeitig,  um  den  Dänen  nicht  neue 
Verdachtsgründe  zu  geben,  und  liefert  die  ihm  anver- 
trauten ScJiriften  bei  der  nunmehr  erfolgenden  Gefangen- 
nahme aus.  Auf  diese  Weise  fiel  der  in  jenen  Jahi^en  be- 
rühmt gewordene  „Buhlenbrief"  des  schwedischen  Königs 
an  Elisabeth  von  England  in  die  Hände  der  Dänen  ■''•^). 
Sein  Inhalt  war  freilich  verfänglich  genug:  wie  alle 
früheren  Briefe  an  Elisabeth,  bewegt  auch  er  sich  in 
Redensarten,  die  eines  Amadis  würdig  wären.  Viel 
schlimmer  aber  war  die  Art  und  Weise,  in  der  er  seiner 
Beziehungen  zu  Hessen  gedachte;  „er  denke  gar  nicht 
di'an,  eine  andere  zu  lieben  als  Elisabeth;  seine  Wer- 
bungen um  Chiistine  seien  nui'  in  Szene  gesetzt,  um  die 
Eifersucht  jener  zu  erregen"^*)!  Diesem  Schreiben  war 
ein  anderes  politischen  Inhalts  beigefügt,  in  welchem  er 
um  ihre  Freundschaft  während  seiner  Verwicklungen  mit 
Dänemark  nachsuchte.  König  Friedrich  erkannte  die 
Wichtigkeit  besonders  des  ersteren  Schreibens  sofort  und 
benutzte  es  in  so  wirksamer  Weise,  dass  er  sich  das 
Lob  Augusts,  er  habe  „bedächtig"  gehandelt,  wolil  an- 
nehmen konnte.  Nach  Sachsen  schickte  er  das  Original, 
nach  Hessen  und  England  Kopien  der  aufgefangenen 
Briefe '^■^);  zur  Sendung  nach  Kassel  verwendete  er  seinen 
geheimen  Sekretär  Kaspar  Paselick,  den  er  auch  mit 
noch  anderen  wichtigen  Aufträgen  an  den  Landgrafen 
betraute,  deren  wir  unten  zu  gedenken  haben  werden. ' 
Kurfürst  August  sekundierte  seinem  dänischen  Schwager 
so  gut  wie  möglich,  xlm  23.  Januar  hatte  er  die  Nach- 
richt von  dem  glücklichen  Fange  erhalten  und  noch  am 


■^^)  Vergl.  die  Aussagen  Wastlins  in  der  Rathsstube  zu  Kopen- 
hagen, D.  B.  Vn,  110  flg. 

»*)  Gedr.  Ledderhose,   Kleine  Schi-iften  HI,  216. 
35)  Händel  K.  Erichs,  28-33. 


56  Ij-  Scliwiihr: 

selben  Tage  liess  er  —  wie  beiläufig  —  als  Nachschrift 
in  einem  Schreiben  an  Wilhelm  einfliessen:  der  Landgraf 
werde  nun  wohl  aus  dem  ihm  von  llantzau  ziit;esandten 
Briefe  Erichs  ersehen  haben,  wie  ernst  dessen  Absichten 
auf  Christine  seien"**).  So  sehr  hatte  er  sich  mit  dieser 
Bemerkung  beeilt,  dass  sie  in  Hessen  noch  vor  der  däni- 
schen Botschaft  eintreffen  konnte.  Dort,  avo  man  durch 
die  andauernde  Ungewissheit  in  eine  Avenig  behagliche 
Stimnuuig  versetzt  sein  mochte,  rief  diese  Nachricht  die 
grösste  Bestürzung  hervor.  Umgehend  bat  Landgraf 
Wilhelm,  ihm  den  Inhalt  des  Briefes  mitzutheilen  und 
Rekognition  des  Originals  durch  einen  hessischen  Sekre- 
tär zu  gestatten-^").  Kurz  darauf  erscliien  Paselick  mit 
der  Kopie  aus  Dänemark.  Maji  erkannte  jetzt  in  Kassel 
die  Wichtigkeit  des  Schreibens  in  ihrem  ganzen  Umfange, 
und  die  Landgrafen  wünschten  nunmehr,  das  Original 
selbst  mit  anderweitigen  Schreiben  Erichs  zu  kollatio- 
nieren^^). Kaum  war  ein  Brief,  der  diesen  neuen  Wunsch 
ausdrückte,  abgegangen,  als  recht  congrue  et  ad  propo- 
situm,  wie  der  Landgraf  sagte,  eine  schwedische  Gesandt- 
schaft in  Kassel  eintraf  mit  neuen  Vorschlägen  wegen 
der  Heirath  und  mit  dem  geheimen  Ersuchen,  in  Hessen 
schwedische  Werbungen  zu  gestatten.  Nichts  natürlicher, 
als  dass  der  Landgraf  wünschte,  diesen  Gesandten  das 
corpus  delicti  selbst  „rechtschaifen  unter  die  Nase  zu 
reiben".  Zu  dem  Ende  war  es  freilich  nöthig,  dasselbe 
so  bald  wie  irgend  möglich  in  den  Händen  zu  haben.  So 
schickte  nun  der  Landgraf  einen  neuen  Boten  —  es  war 
l)ereits  der  dritte  —  an  Kurfürst  August  mit  dem  Ersuchen, 
das  ominöse  Schriftstück  ihm  doch  ohne  jeden  Verzug  zu 
übersenden;  denn  alles  liege  ihm  daran,  es  den  Schweden 
selbst  originaliter  vorhalten  zu  können''^).  August  hatte 
keinen  Grund  zur  Weigerung ;  er  betraute  seinen  Sekre- 
tär Valerius  Crakau  mit  der  heiklen  Sendung.  Dieser 
kam  nach  einer  eiligen  Reise  trotz  grosser  Wasser  und 
böser  Wege  bereits  am  16.  Februar  in  Kassel  an.  Da 
der  alte  Landgraf  durch  ein  zu  Ehren  der  Hochzeit  seines 
Marschalls  Rultzhausen  veranstaltetes  Turnier  aufgehalten 
war,  kam  er  zunächst  nur  mit  Wilhelm  in  Unterredung. 


3«)  H.-St.-A.  Dresden  Cop.  321,  1664,  fol.  9. 
")  Händel  K.  Erichs,  41. 


38)  Ibid.  42. 
«f')  ibid.  43,  46. 


Heiiathspläne  Erichs  XIV.  57 

Er  zeigte  diesem  in  Gegenwart  des  hessischen  Sekretärs 
Pflüger  den  Brief,  den  der  Landgraf  nicht  für  unecht 
halten  konnte.  Während  sie  noch  nnterhandehi,  schickt 
Landgraf  Philipp  zu  ihnen  und  lässt  sie  alle  vor  sich 
fordern.  Auch  er  i)rüfte  das  Schreiben  und  als  er  sich 
von  seiner  Echtheit  überzeugt  hatte,  gerieth  er  in  keinen 
geringen  Unwillen,  so  dass  Crakau  nunmehr  seine  Stunde 
für  gekommen  hielt,  auf  den  Ton  des  Landgrafen  einging 
und  den  König  Erich  weidlich  lästerte:  schon  sein  leib- 
licher Vater  habe  solche  Unart  an  ihm  gespürt  und  ihn 
der  Krone  für  unwürdig  geachtet,  die  er  auf  seinen  Bru- 
der, den  Herzog  von  Finnland,  habe  übertragen  wollen. 
Da  fuhr  der  alte  Herr  heraus :  „Es  mag  ihn  Potz  Märten 
haben,  ich  wollte  ihm  nunmehr  keinen  Hund  geben!" 
Er  befahl  seinem  Sekretär  Pflüger,  die  Antwort  an  die 
schwedischen  Gesandten  aufzusetzen  und  nahm  sich  vor, 
sie  auch  für  ihre  Person  „redlich  lausen  zu  lassen"  ^•^). 
Die  Antwort  ist  bei  alledem  ziemlich  milde  gehalten; 
nach  einer  ausführlichen  Erzählung  des  Hergangs  werden 
erst  sämtliche  andere  Gründe  (namentlich  auch  neuer- 
dings entstandene  Weiterungen  wegen  des  Reiseweges) 
gegen  die  "^-"erlobung  ins  Treften  geführt,  um  sclüiesslich 
mit  der  Erwähnung  des  Briefes  an  Elisabeth  jede  Mög- 
lichkeit einer  weiteren  Verständigung  aufzuhebend^).  Die 
schwedischen  Gesandten  behielten  nun  wohlweislich  ihre 
anderen  Aufträge  für  sich  und  man  hätte  in  Hessen 
schwerlich  etwas  davon  erfahren,  wäre  nicht  nach  der 
Abreise  dieser  Gesandtschaft  ein  neuer  schw^edischer  Bote 
eingetroffen,  der,  unbekannt  mit  der  unglücklichen  Ver- 
richtung seiner  Vorgängei-,  die  Aufträge  derselben  wieder- 
holte. Philipp  Hess  ihm  eine  Kopie  der  Antwort  an  die 
früheren  Gesandten  zustellen  und  wiederholte  in  einem 
Schreiben  an  Erich  seine  runde  Weigerung,  fürderhin 
über  die  Heirath  noch  irgend  ein  Wort  zu  verlieren^'-). 
Er  musste  dies  um  so  mehr,  als  er  durch  den  dänischen  Be- 
vollmächtigten Paselick  zugleich  mit  dem  englischen  Briefe 
einen  neuen  Antrag  für  Christine  erhalten  hatte,  dem  er 
sich  auch  geneigt  erklärt,  nämlich  von  dem  Vetter  des 
Königs  Friedrich,   Herzog  Adolf  von  Holstein^').     Der 


'0)  Bericht  Crakaus.  Händel  K.  Erichs,  48  f. 
")  Uedr.  Gott.  Hist.  Mag.  III,  716-740.     Im  Dresd.  H.-St.-A.. 
in  dreifacher  Abschrift  vorhanden. 
•*2)  D.  B.  VII,  11,  12,  14. 
'3)  Ibid.  111. 


58  l  '•  Schwabe :   Heiraths])läiic  Erichs  XIY. 

(länisclie  König  hatte  somit  meisterhaft  operiert  und  ein 
Doj)i)eltes  erreicht:  der  Schwede  war  um  einen  wichtigen 
Bundesgenossen  ärmer,  dieser  letztere  von  nun  an  an  das 
königliche  Haus  von  Dänemark  gefesselt.  Auch  sonst 
sucliten  er  und  i\.ugust  den  glücklichen  Zufall  möglichst  aus- 
zunutzen. Dass  mit  dem  Briefe  bei  der  englischen  Königin, 
Avelche  durch  die  Konüskation  des  an  sie  gerichteten 
Schreibens  gereizt  sein  musste,  wenig  erreicht  werden 
konnte,  w^ar  vorauszusehen  und  liewies  ihre  kiihle  und 
zurückhaltende  Antwort ' ').  Dagegen  mochte  er  gewiss 
den  kaiserlichen  Hof,  dem  er  sehr  bald  nach  seiner  Kon- 
fiskation durch  den  sächsischen  Rath  Mordeisen  kommu- 
niziert wurde,  in  seiner  Abneigung  gegen  Schweden  be- 
stärken^'*). Ursprünglich  hatte  König  Friedrich  die  Ab- 
sicht, diese  Skandalgeschichte  zur  Verunglimpfung  seines 
Gegners  in  dem  von  ihm  am  Ende  desselben  Jahres  gegen 
Schweden  gedruckten  Ausschreiben  zu  erzählen  ^*') ;  wahr- 
scheinlich aus  Schonung  für  Hessen  hat  er  aber  schliess- 
lich davon  abgesehen. 

Um  das  schwerwiegende  Dokument,  an  dessen  Au- 
thentie  alles  hing  und  von  dem  man  mit  Recht  vermuthete, 
dass  seine  Echtheit  sofort  von  den  Schweden  bestritten 
W' erden  würde^'),  fortwährend  zur  Hand  zu  haben,  bat 
Landgraf  Philipp  den  dänischen  König,  es  in  Sachsen  zu 
deponieren.  Nach  einem  kurzen  Schwanken  gab  Fried- 
rich, der  ursprünglich  die  Absicht  gehabt,  es  seiner 
Adressatin  in  England  zugehen  zu  lassen,  hierzu  seine 
p]inwilligung  '^).  So  liegt  es  noch  heute  im  Dresdner 
Hauptstaatsarchiv,  an  sich  selbst  ein  Stück  Geschichte, 
und  verräth  in  seinen  klaren,  zierlichen  Schriftzügen 
nichts  von  dem  unruhigen,  ja  dämonischen  Geiste  seines 
königlichen  Verfassers,  der  so  unglücklich  um  die  grosse 
Elisabeth  von  England  geworben. 


^1)  Ihid.  30. 

■''>)  H,-St.-A.  J)resden,  Cop.  321,  1564,  fol.  20''. 
"')  Händel  K.  Erichs,  30,  36.    D.  B.  VII,  16. 
17)  Vero-l.  D.  B.  A'II,  169. 

'«)  H.-St.-A.  Dresden,  Loc.  10426,  „Des  Landgrafen  zu  Hessen 
Antwort  etc.",  fol.  22.     D.  B.  YII,  80,  105i". 


IV. 

Andreas  Möller,  der  Chronist  von  Freiberg 

1598  —  1660. 

Von 

Reinhard  Kade. 


Schon  von  vielen  ist  es  versucht  worden,  das  Leben 
des  Freiberger  Chronisten  Andreas  Möller  darzustellen. 
War  es  doch  ein  Mann,  der  um  Freibergs  Stadtgeschichte 
unendlich  viel  Verdienst  sich  erworben,  der  durch  40 
Jahre  unermüdlich  daselbst  gedacht  und  geschafft  und 
das  Werden  und  Wesen  der  erzgebirgischen  Bergstadt 
mustergiltig  aufgezeichnet  hat.  Preist  man  heute  viel- 
fach den  Wurzener  Schöttgen,  so  hat  auch  der  fast  100 
Jahre  ältere  Möller  das  Anrecht,  rühmend  und  ausführ- 
licher hervorgehoben  zu  werden,  als  es  den  früheren 
BiogTaplien  gelungen  ist. 

Unter  diesen  stehen  der  Domprediger  Gottfried 
Starck^),  Samuel  Grübler-)  und  Christian  Wilisch^) 
oben  an,  und  ihre  Angaben  entbehren  zwar  nicht  der 
Genauigkeit,  aber  der  nötliigen  Ausführlichkeit.  Zudem 
stützt  sich  diese  Trias  fast  nur  auf  Möllers  eigene  kurze 


^)  a.  Ehrenpreifs  .  .  .  des  .  .  Hrn.  Andreae  Möllers  .  .  .  und 
dessen  Frau  Regynae  .  Freiberger  Gj'mna8.-Bibl.  Leichpred.  Bd.  5. 
1660.  —  b.  Leichpredigt  beim  Tode  Johannis  Andreae  Wanckels. 
Beiither.  1669. 

")  Ehre  der  Freiberger  Todtengrtifte,  ed.  Leipz.  1731. 

3)  Kirchenhistorie  der  Stadt  Freiberg  .  .  .  Leipz.  1737.  S.  369. 


(')()  Ivoinlianl  Kadc: 

Notizen^),  ohne  (.'iiigelicndeie  Forschungen  zu  versuchen. 
Auch  die  gelehrten  Lexika"')  nützen  Avenig,  ein  so  be- 
wegtes Leben  khirzulegen.  Um  nun  diesem  fühlbaren 
Mangel  abzuhelfen,  machte  der  Freiberger  Konrektor 
Fl  ade  zu  Anfang  unsres  Jahrliunderts  Anstalt,  einen 
Lebensabriss  Möllers  zu  entwerfen'^j.  Aber  leider  steht 
das  Meiste  viel  knapper  und  klarer  in  AVilischens  Kirchen- 
liistorie,  und  unartige  Betrachtungen  stören  das  Bild. 
So  ruhte  die  Angelegenheit,  wenn  wir  Ansätze  Avie  in 
Dietrichs  Lnmortellen ')  als  belanglos  übergehen,  bis 
zum  Jahre  1870,  in  welchem  zwei  tüchtige  kleine  Auf- 
sätze des  damaligen  Gymnasiallehrers  Dr.  Zimmer  über 
Möller^)  erschienen.  Aber  obwohl  sich  besonders  durch 
die  Entdeckung  des  Möllerschen  Briefwechsels '')  das  Ma- 
terial unendlich  gemehrt,  besass  man  trotzdem  bis  jetzt 
noch  keine  umfassende  Darstellung  von  dem  Leben  eines 
der  grössten  Gelehrten  Freibergs  im  17.  Jahrhundert, 
der  weit  über  das  Weichbild  der  Stadt  hinaus  die  höchste 
Achtung  genoss.  Dies  veranlasste  mich  zu  dem  nach- 
stehenden Versuche.  Die  Bibliotheken  von  Dresden,  von 
Leipzig,  Halle ^*^)  und  Hamburg,  dazu  alle  AVinkel  Frei- 
bergs vom  Eathsarchiv  an  bis  zum  Gymnasialboden  Avur- 
den  zum  ersten  Mal  auf  diesen  Mann  hin  durchwühlt, 
jedes  Blättchen,  jeder  Brief,  deren  beinahe  ein  halbes 
Tausend  erhalten  ist,  wurde  gesammelt,  und  so  gelang  es, 
einen  Überl)lick  über  die  weitverzweigte  Gelehrtenthätig- 
keit  dieses  Geistes  zu  gewinnen,  der  in  der  Philosophie, 


')  'Ji'Tine'AuQyiu  sive  debitum  parentale.  1659.  Seite  D.  3.  Im 
Folgenden  citiert  mit  \ivn:i.  Aixsserdem  werden  die  nachstehenden 
Abkürzungen  angewandt:  Ann.  =  Möllers  Annaleu  (2.  Theil  der 
Chronik).  Chr.  =  Möllers  Chronik.  FGB.  ^  Freiberger  (Tymnasial- 
Bibliothek,  FöN.  =  Freiberger  Gemeinnützige  Nachrichten.  HB.  = 
Hamburger  Briefsammlung.  LP.  =  Leichpredigt.  MFA.  = 
Mittheilungen  des  Freiberger  Alterthumsvereins.  KP.  =  Raths- 
protokoU.  SVN.  =  Sammlung  vermischter  Nachrichten  zur  Sachs. 
Geschichte  ed.  Grundig  und  Klotzsch.  UFRA.  =  Unteres  Freiberger 
liathsarchiv. 

•'')  Zedlers  Universal-Lex.  von  1739.  s.  v.;  Jöchers  Gel.  Lex. 
III.  col.  569. 

")  Freiberger  Gemeinnützige  Nachrichten.  1801. 

')  E.  V.  Dietrich.  Immortellen  um  Freibergs  Bürgerkrone.  1827. 

*)  Freiberg.  Anzeiger.  1870.  No.  88.  S.  695.  —  Dresdn.  Journal. 
1870.    No.94.    27.  April. 

»)  Hoff  mann.  Mittheil,  über  einige  Briefsammluugen  der 
Hamburgischen  Stadtbibl.:    Serapeum.  1856.  No.  17.  S.263. 

10)  Die  Ponickausche  Bibliothek.  Vgl.  über  dieselbe  MFA. 
16,  77.      5,  458. 


Andreas  Möller.  61 

Philologie,  Theologie,  Medizin,  Astronomie,  Astrophysik, 
Historie  gleich  gut  im  Sattel  sass  und  keine  Frage  un- 
beantwortet Hess. 

Das  Geschlecht  der  Müller  oder  Möller  ^^)  stammt 
ursprünglich  aus  Freiberg  und  lässt  sich  hier  bis  in  die 
Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  zurück  verfolgen.  Möller 
sagt  es  selber:  „Meine  Voreltern  sind  aus  dieser  Stadt 
bürtig"^-).  Der  Stammvater  Michael  Möller  war  in 
Freiberg  sesshaft  und  seine  3  Söhne  lebten  auch  da. 
Der  eine,  Andreas,  hatte  um  1450  das  Pfarramt  an 
St.  Nicolai  inne;  des  zweiten  Sohnes  Paul  Nachkomme 
bekleidete  längere  Zeit  die  Senatorenwürde  ^■^)  und  der 
dritte  Sohn  Petrus  hielt  sich  anfänglieh  auch  in  Frei- 
berg auf.  Aber  durch  die  Anmuth  eines  Mädchens,  der 
Tochter  eines  Wagners  zu  Wilsdruff,  angezogen,  wanderte 
er  1475  dahin  aus,  wurde  der  dortigen  Wagnergilde  bei- 
geschrieben,  erhielt  1494  den  Titel  „senior  in  literis" 
und  starb  1505.  Sein  männlicher  Spross  Paulus  Mol- 
lerus  ward  als  Senator  später  in  Wilsdruff  geschätzt  und 
verheirathete  sich  mit  Hedwig  Eivina,  einer  geborenen 
Bach,  die  ihn  mit  9  Kindern  beschenkte,  unter  denen 
Gregorius  unser  Interesse  beansprucht,  während  die 
übrig'en  Brüder  Paulus,  Benedikt  und  Matthaeus  und  des 
letzteren  Söhne  Michael  und  Thomas  nicht  weiter  in 
Betracht  kommen.  Dieser  Gregorius  in  Wilsdruff  aber 
vermählte  sich  wieder  mit  einer  Freibergerin  namens 
Anna  Dachsei,  Tochter  des  Pfarrers  der  Petrikirche,  die 
ihm  in  Wilsdruff  3  Söhne  gebar:  Martin,  Johann  und 
Andreas,  welch'  letzterer  später  der  Vater  unseres 
Chronisten  werden  sollte. 

Schon  aus  diesem  Grunde  verdient  er  ein  paar 
erinnernde  Worte.  1560  geboren  und  1576  Schüler  in 
der  Grossenhainer  Schule,  kam  er  als  Informator  zum 
Geheimrath  von  Bock,  welcher  ihm  nach  Beendigung 
seiner  Lehrjahre  inPforta  und  seiner  Studien  in  Leipzig ^^) 
im  Jahre  1589  eine  Stelle  am  Nosocomium  zu  St.  Georg 
beim  Ranstädter  Thor  in  Leipzig  verschaffte.  In  dieser 
Stellung  lernte  er  die  jüngste  Tochter  des  General- 
superiutendenten  Petrus  Hess  aus  Emden  in  Ostfriesland, 


")  Über  den  Namen  vgl.  Freib.  Osterprogr.     1886.     S.  31. 
MFA.  22,  98-,  23,  15. 

'-)  VorbericM  zur  Chr. 

1")  Chr.  S.  376. 

1')  1586  Baccalanreus ;  1588  Magister. 


62  Heinhaid  Kado: 

Salome,  kennen,  und  ein  Jalii'  darauf  schlössen  beide  in 
Halle,  wo  der  Vater  damals  in  Yerbannung  lebte  ^•''),  den 
Ehebund.  Am  3.  Februar  lf)90  feierten  sie  auch  in 
Leipzig  die  Hochzeit,  und  nicht  viel  später  bekam  der 
Gatte  eine  Vokation  nach  Pegau,  wohin  er  am  13.  Sep- 
tember 1591  übersiedelte,  um  nun  während  31  Jahren 
treu  daselbst  seines  Amtes  zu  walten  und  der  Dichtkunst 
wie  den  Wissenschaften  obzuliegen.  Die  Ehe  war  eine 
ebenso  glückliche  wie  reich  gesegnete,  denn  12  Kinder 
brachte  tSalome  ihrem  Manne:  7  Knaben  und  5  Mädchen, 
von  denen  die  ersten  4  Knaben  frühzeitig  starben'"). 
Nach  solchen  Verlusten  tröstete  sie  in  etwas  ein  fünftel- 
Sohn  Salomon^'),  noch  mehr  aber  am  22.  März  1598 
wieder  ein  kleiner  Weltbürger,  der  abends  5  Uhr  das 
Tageslicht  in  Pegau ''')  erblickte.  Er  erhielt  am  folgenden 
Tage  nach  seinem  Vater  den  Namen  Andreas  in  der 
Taufe  (vgl.  Pegauer  Taufbuch  pag.  82.)  Seine  Pathen 
waren  der  Stadtkämmerer  Johann  Müller  und  der  Schul- 
meister (ludi  moderator)  Jac.  Fabricius.  Das  ist  nun 
unser  Mann. 

Ganz  besonders  er,  der  kleine  Andreas,  besass  so 
recht  die  Liebe  der  Eltern.  Der  Vater  hatte  gleich 
grosse  Pläne  mit  ihm  im  Kopfe.  Das  Wickelkind  wurde 
nach  damals  üblicher  Gepflogenheit  am  15.  Mai  1598  zu 
Leipzig  inscribiert  und  vom  Rektor  Wolffgang  Corvinus 
ins  Album  eingetragen"'),  wofür  der  Vater  6  Groschen 
zu  entrichten  hatte. 

In  Frömmigkeit  wuchsen  die  Kinder  auf.    Das  Haus 


'•^)  Vgl.  Zach.  Schneider:    Leipz.  Chronik.    S.  195. 

1")  Ich  vcrtheile  sie  so:  1590  Johannes;  1591  Rudolph;  159'2 
Elisab.,  t  1607;  1593  Adolph;  1.594  Anna;  1595  Gregor:  15»«  Sa- 
lome,  t  1597;  1597  Salomon,  f  1020;  1.598  Andreas;  c.  1600 
Maria,  f  1(»'25;  c.  1605  Peter;  1(512  Esther,  f  1():{1.  Die  fett 
gedruckten  Zahlen  sind  beglaubigt. 

1')  Derselbe  besuchte  später  die  Schule  zu  (irininia,  erhielt  hier 
als  .Jüngling  von  17  Jahren  eine  \'erwundung  und  starli  im  Eltern- 
hause 1620. 

1«)  Eine  Randbemerkung  des  :\lag.  Hübsch  (1725—1773)  zu 
seinen  CoUectanea  Albi  Portensis  pars  I.  (Eibl.  zu  Schulpforta. 
Mscrpt.  Bd.  10.)  besagt:  „eigentl.  Clroetschii  natus".  Möglich, 
dass  sich  die  Mutter  grade  in  dem  nahen  Groitzsch  aufhielt.  Möller 
selbst  nennt  sich  nur  Pegaviensis. 

^o)  Vgl.  die  Leipz.  Matrikel:  „N(on)  I(uratus)  Andreas  Müller 
Pegauiensis.  6  gl."  Sommersem.  1598.  Dazu  Hamb.  B.  I.  fol.  18b: 
„annis  ab  hinc  20,  Mai  d.  15.  Rectore  .  .  .  Corvino  albo  universi- 
tatis  post  usitatum  depositionis  rituni  insertus  sum". 


Andreas  Möller.  63 

des  alten  Andreas  glich  einem  Heiligtliume.  Jeden 
Naclimittag  um  4  Ulir  wurde  ein  kurzes  Gebet  gehalten, 
bei  dem  sich  die  ganze  Hausgemeinde  versammeln  musste. 
—  Das  Lieblingskind  zeigte  bald  auffallende  Sprach- 
talente. Der  Vater  unterrichtete  ihn  schon  als  ganz 
kleinen  Knaben  und  brachte  ihm  spielend  die  Anfangs- 
gründe des  Griechischen,  Lateinischen  und  Hebräischen 
bei,  so  dass  er  noch  halb  lallend  eine  Reihe  Bibelverse 
in  drei  Mundarten,  ja  ganze  Kapitel  der  Bibel  hebräisch 
hersagen  konnte.  Dann  kam  er  in  die  Pegauer  Stadt- 
schule. Aber  der  Lehrer,  der  dortige  Kantor,  rechnete 
nach  alter  Sitte  zu  sehr  auf  die  „durchschlagende"  Me- 
thode. Der  Vater  merkte  dies  und  behielt  den  Sohn  mit 
der  Erlaubnis  der  übrigen  Lehrer  zu  Hause,  unterrichtete 
ihn  als  gewandter  Philolog  und  Theolog  selbst  in  der 
Logik,  Rhetorik,  Stilübung  und  Lektüre  der  Klassiker, 
so  dass  der  Knabe  innerhalb  zweier  Jahre  schon  alle 
meist  älteren  Schüler  der  Stadtschule  bei  der  Schluss- 
prüfung übertraf  und  deshalb  ohne  die  übliche  Verloo- 
suhg  die  Freistelle  auf  der  berühmten  Schulpforta  durch 
den  Pegauer  Rath  erlangte.  Das  war  bis  dahin  nur  dem 
hochgelahrten  Herrn  Professor  Johann  Mülmann  in  Leipzig 
zu  theil  geworden.  Der  hocherfreute  Vater  brachte  ihn 
Ende  1612  selbst  auf  die  Anstalt.  Er  empfiehlt  ihn 
seinem  Freunde  Justinus  Bertuchius,  derzeitigem  Rektor, 
und  übergiebt  dem  13jährigen  Knaben  ein  sog.  Propem- 
tikon,  einen  Geleitsbrief  fürs  Leben,  in  welchem  er  ihm 
eins  besonders  ans  Herz  legt"-"):  „Sis  pius  et  bene  mo- 
ratus,  sis  promptus  ad  artes".  Dazu  warnt  er  ihn  ein- 
dringlich vor  der  Calvinischen  Lehre,  die  recht  in  Auf- 
schw^ung  gekommen. 

Die  erste  Zeile  von  Möllers  eigener  Hand  rührt  aus 
dieser  Schulzeit  her:  die  Eintragung  seines  Namens  in 
das  Pförtner  Album  unterm  21.  Januar  1613:  , .Andreas 
Mollerus  Pegauiensis",  zu  welcher  der  Mag.  Hübsch  am 
Rande  bemerkt,  „alt  14^2  Jalir"-^).  Von  nun  mehren 
sich  die  erhaltenen  Aufzeichnungen  in  lateinischer 
Sprache ,  aus  denen  wir  ersehen ,  wie  eifrig  der  Junge 
seine  Sache  angefasst  hat.  Sein  erstes  grösseres 
Schreiben--)   richtet  er  an  Balthasar   Glück,   den  Sohn 


'**)  In  Möllers  'AvxineXaQyiu. 
21)  Genauer  14  J.  10  M. 
--)  26.  Mai  1614.     HB.  I.  1. 


64  Heinliiiid   Knde: 

(los  Pegauer  Senators ,  in  doiii  or  ilini  zui'  Verlo- 
bung gratuliert  und  ihm  ein  „sii)ariuni  votivuni''  über- 
reicht. Schon  in  dieser  Erstlingsgal)e  des  Knaben  be- 
kundet sich  Geschick  und  Gewandtheit  des  Ausdrucks. 
Es  folgen  Gedichte  an  Polycarp  Leyser  in  Leipzig -='■),  mit 
dem  er  mütterlicherseits  verw  andt  war,  und  am  24.  Juni 
1615  ein  Brief  an  den  Sekretär  Wiklvogel  mit  emigen 
Versen,  „diversis  Unguis  in  natalicium  honorem  Joh. 
Georgii  petens,  ut  benevolentiae  suae  aura  me  paupe- 
rioreni  sublevare  et  ad  telam  studiorum  meorum  pertex- 
endam  stipendio  theologico  in  Academia  Lipsiensi  benig- 
uissime  donare  velit"-').  Kurz,  er  that  sich  in  litteris  so 
hervor,  dass  der  Pegauer  Rektor  seinen  Sohn  dem  Privat- 
unterricht und  der  Aufsicht  des  Jünglings  anvertraute'-"'). 
Die  Jahre  vergingen.  Sehi  letztes  in  Plbrta  verfertigtes 
Gedicht  trägt  das  Datum  des  24.  Juli  IG  15.  Nach 
Leipzig  stand  sein  Sinn.  ,,Gliscit  enini  mens  niea  intra 
annum  triviali  carcere  exire"-'^J.  Studieren  wollte  er.  Das 
war  klar.  Er  reiste  deswegen  schon  im  Sommer  1615 
nach  Leipzig  und  leistete  dem  Rector  Magn.  Curtius  den 
Eid-'),  blieb  aber  noch  ein  Halbjahr  in  Pforta.  Denn 
woher  das  Geld  nehmen?  Des  Vaters  Sorge  war  zwischen 
dem  geldheischenden  Andreas  und  mehreren  später  gebo- 
renen Kindern  getheilt.  Die  Bitte  des  Knaben  beim 
Kurfürsten  hatte  zwar  eine  Zusage  erzielt;  doch  nur 
wenn  ein  Stipendium  frei  würde.  1615  ging  zu  Ende: 
alles  stumm.  Er  kann  nicht  länger  in  Pforta  bleiben, 
und  mit  dem  Zeugnis:  „omnia  in  hoc  probantur" -*^)  aus- 
gerüstet, sagt  er  am  10.  April  1616'-")  seiner  Schule 
Lebewohl  und  trifft  bei  magerem  Geldbeutel  am  16.  April 
in  der  Pleissenstadt  ein. 

Wenige  Tage  darauf,  am  20.  April,  richtete  er  ein 
direktes  Gesuch  an  den  Kurfürsten.  Er  legte  ihm  die 
beschränkten  Geldverhältnisse  des  Vaters  klar,  die  kaum 


23)  5  Cal.  Nov.  1615.     Ibid    2. 

2'^)  HB.  I.  3.  —  =••)  Ibid.  I   4.  —  2")  Ibid.  I.  3. 

2'';  Leipz.  Matrikel.  Eintrag  bei  1598:  juravit  Rectore  D.  Curtio 
a.  1615.     Dieser  war  Jlcktor  im  Sdinmersemester. 

28)  Eandbemerk.  des  Mag.  Hübsch  im  Pförtii.  Alb.  fürs  .lahr  1616. 

2»)  Hübsch  (a.  a.  0.)  sagt  zwar:  „Valed.  1617".  Offenbar  aber 
falsch.  Das  ergeben  die  Briefe:  I.  16:  „ao  1616  ad  academiam  ad- 
ieci".  Ferner  die  llrrnn'/..  Danach  ernährt  ihn  der  A'ater  vor  der 
Frankfurter  Reise  1617  „per  integrum  annum"  in_Lei])zig.  —  Möller 
seiher  weicht  zwar  ab.  \trinit'A.:  quadriennio;  Briefe:  qnin- 
qneiinio.     Im  letzteren  Falle  rechnet  er  Ende  16 lü  noch  mit. 


Andreas  Möller.  65 

ein  längeres  Studinm  erlaubten.  Er  erinnerte  ihn  an  die 
gegebene  Zusage.  Aber  alles  vergebens.  Er  holte  sich 
deshalb  (22.  Mai)  Empfehlungsbriefe  von  seinem  Vater 
und  eilte  damit  zu  dem  berühmten  Mediziner  Dr.  Sig- 
licius,  der  ihm  Wcährend  des  lateinisch  und  griechisch 
geführten  Gesprächs  für  12  Groschen  wöchentlich  den 
Mittagstisch  und  Wohnung  gewähren  und  die  Famulatur 
bei  ihm  zuweisen  sollte,  sofern  er  seine  medizinischen 
Kollegs  hörte  und  nachschriebe.  Das  liess  sich  mein 
Möller  nicht  zweimal  heissen.  Nur  dürfe  er  nicht  an  seinen 
philosophischen  Kollegien  behindert  sein.  Treulich  zahlte 
der  Vater  die  schwerwiegende  Wochensumme  und  ver- 
schaffte dadurch  dem  Sohne  gar  viele  Vortheile.  Denn 
einmal  konnte  dieser  die  Bibliothek  des  Herrn  Professor 
mitbenutzen,  zweitens  musste  er  gedrungen  erweise  sein 
geheimes  Lieblingsstudium  der  Medizin  betreiben,  und 
drittens  kam  er  von  seiner  entsetzlichen  Hauswirthin 
Madame  Klessin,  die  er  spassend  „die  vierte  Furie" 
nennt  ^^),  auf  anständige  Art  weg. 

So  verging  unter  philosophischen  und  nebenher  be- 
triebenen medizinischen  Studien  das  erste  Jahr.  Von 
keiner  Seite  Hülfe! 

Da  führte  die  Ostermesse  am  12.  Mai  1617  einen 
Frankfurter  Kaufmann  in  das  Haus  des  Professor  Sig- 
licius.  Derselbe  wollte  gern  einen  in  den  Sprachen 
geübten  jungen  Mann  für  seinen  16jährigen  Sohn  haben, 
um  diesen  in  dessen  Obhut  sicherer  auf  die  hohe  Schule 
schicken  zu  können.  Der  Professor  schlägt  Möllern  vor ; 
durch  ein  anständiges  Draufgeld  wird  der  Pakt  ge- 
schlossen. Siegesfreudig  meldet  der  Jüngling  diese  frohe 
Kunde  nach  Hause,  Aveil  er  die  häusliche  Dürftigkeit 
kennt.  Dazu  verspricht  der  Frankfurter  Bürger  seiner- 
seits, dass  die  beiden  jungen  Leute  nach  Altdorf  auf  die 
Universität  gehen  sollten.  Darauf  kam  dem  alten  luthe- 
rischen Vater  viel  an.  Altdorf  war  eine  gut  luthe- 
rische Hochschule.  Noch  vor  Ablauf  von  8  Tagen  waren 
Möllers  Vater  und  Mutter  nach  Leipzig  gekommen,  und 
nachdem  beide  Parteien  die  Bedmgungen  genehmigt 
hatten,  ging  am  22.  Mai  1617  die  Reise  aus  Leipzig 
fort.  Mit  schwerem  Herzen!  Möller  verhehlte  sich 
nicht,   dass   er  in   dem  vergangenen  Jahre  grosse  Fort- 


"")  HB.  I.  18  an  den  Vater.    Dat.   Lipsiae  in  aedibus  Leon- 
hardi  Döhnens  sartoris. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX,  1.  2. 


6ß  Reinhard  Kade- 

schritte  gemacht  habe  und  leichtlich  m  der  Fremde  mit 
Lob  zu  bestehen  glaubte  ■^^). 

Ohne  Unfall  ging  die  Reise  von  Statten  =^-).   „Nachdem 
ich  am  22.  Mai  dir,  lieber  Vater,  und  der  Mutter  Lebe- 
wohl gesagt  hatte,  kam  ich  nach  Naumburg  und  traf  da 
glückiich  meinen  neuen  Frankfurter  Herrn  wieder,  den  Hrn. 
Christian  Seidel,  der  fast  zur  selben  Stunde  dort  nach 
einigen  Geschäftsbesuchen  angelangt  war.     Von  da  nahm 
mich  am  folgenden  Tage  dessen  eigener  Wagen  auf,  und 
ganz    zeitig    wandten    wir   uns    gen   Erfurt,    das    wir 
gegen  Abend  auch,  obA\ohl  sehr  müde,  erreichten.     Denn 
an  diesem  Tage  hatten  wir  7  Meilen  zurückgelegt.    Gern 
hätte  ich  die  berühmte  Stadt,  besonders  die  Universität 
und  das  Gymnasium  im  Augustinerkloster  mir  angesehen, 
vorzüglich   gern  die  grosse  Glocke   in  der  Marienkirche 
untersucht,    die    14    Fuss    im  Umfang  haben  soll;    aber 
gleich  früh  um  fünf  sind  Mir  am  24.  Mai  abgefahren  und 
um  Mittag  in  Gotha  angekommen,  allwo  ich  die  Euine 
Grimmen  stein  im  Vorbeifahren  erschaute.    Nach  auf- 
gehobener Mahlzeit  eilten  mv  noch  am  selben  Tage  nach 
Eisen  ach  und  übernachteten  dort.     Am  nächsten  Tage, 
einem  Sonntag,   legten  wir  5  Meilen  zurück  und  kamen 
über   Heinfeld   nach   Fulda,    wo    Avir  zu  Mittag  asseu, 
und    langten    abends    in   Steinach    an.    Am   27.   Mai 
kamen   wir   wieder   7   Meilen   vorwärts   und   erreichten 
Gelnhausen,    daselbsten    wir  uns   ein  Aveuig  erholten. 
Nachmittags   in  Hanau,    das  nur  2  Meilen  von  Frank- 
furt abliegt.     Hier  fuhren  wir  am  28.  frühzeitig  ein  und 
ich    wurde    ehrenvoll    empfangen.     Es    wohnt  aber  mein 
Wii-th  nicht  in  der  grösseren  Stadt,  sondern  diesseits  ='■') 
des  Maüis  in  Sachsenhausen,  das  gleichwohl  ein  und 
dasselbe   Stadtrecht    besitzt.     Am    30.   Mai    begann    ich 
meine  Stunden  bei  mehiem  einzigen,  17jährigen  Schüler, 
der  im  Lateinischen  geübt  ist,  aucli  wohl  im  Griecliischen. 
....  Die  Freistunden  habe  ich  meist  dazu  benutzt,  mir 
die  Kirchen,    die  Häuser,   das  Rathhaus  und  den  Markt 
anzusehen.    Ich  verstumme  vor  der  Schönheit  des  deut- 
schen Hauses,    der    Karmeliterkirche,    die    mit    schönen 
Gemälden   ausgeschmückt   ist.     Auch  Italiener,  Spanier, 


31)  HB.  I.  21. 

^-)  Sie  ist  noch  nicht  näher  bekannt;  deshalb  gel)e..ich  sie  nach 
dem  Hamb.  Original,  nur  etwas  verküizt,  in  genauer  Übersetzung. 
HB.  I.  8.,  17.  Aug.  1617.     Heidelberg. 

■'•'•)  Von  Heidelbeig  aus  gerechnet. 


Andreas  Möller.  67 

Franzosen,  Engländer  .  .  .  habe  ich  —  nnd  welche  Na- 
tionen nicht?  —  gesehen!  Denn  Frankfurt  ist  wii'klich 
ein  Weltmarkt.  (Est  etenim  Francofurtum  revera  totius 
orbis  emporium  compendium.)" 

„Eines  verdriesst  mich.  Denn  du  weisst  doch,  dass 
der  Fremde  mich  unter  der  Bedhigung  warb,  wenn  er 
mich  nach  Altdorf  oder  G-iessen  schickte.  Das  hat  er 
auch  in  deiner  Gegenwart  mit  Handschlag  bekräftigt. 
Aber  das  konnte  ich  absolut  nicht  durchsetzen.  Denn 
nach  5  AVochen  Hess  er  anschirren  und  expedierte  mich 
und  seinen  Johannes  nach  Heidelberg  und  bekundete 
ziemlich  deutlich  damit  —  was  ich  auch  schon  vorher 
bemerkt  hatte  — ,  dass  er  der  Calvinischen  Lehre  mehr 
als  der  unsrigen  zugethan  sei.  Wenn  ich  dem  Willen 
meines  Wirthes  widerstanden  hätte,  so  wäre  ein  anderer 
an  meine  Stelle  getreten  und  ich  stünde  allein  da  in  der 
Fremde  und  ohne  Reisegeld.  Am  3.  Juli  verliessen  wii^ 
Frankfmt  und  ohne  nur  Mainz  zu  streifen,  davon  mir 
die  Thürme  in  die  Augen  stachen,  kamen  wir  direkt  über 
Darmstadt  .  .  .  Heppenheim  hier  in  Heidelberg  am  5.  Juli 
an,  wo  wir  im  Hause  von  meines  Schülers  Onkel,  der 
Senator  und  Kaufmann  ist,  Aufnahme  fanden  und  noch 
wohnen.  Dieser  ist  mii-  nun  gar  nicht  gewogen,  obwohl 
er  mich  mit  den  süssesten  Worten  anfasst;  denn  ich, 
bringe  meinem  Schüler  öfter  und  besonders  beim  Mittag- 
essen etwas  von  der  lutherischen  Lehre  bei  und  verthei- 
dige  meinen  Glauben  männlich  gegen  die  Phantasien 
eines  Grynaeus  und  Scultetus.  Kaum  omal  bin  ich  erst 
im  theologischen  Kolleg  gewesen.  AVegen  der  Schmäh- 
ungen gegen  den  allgegenwärtigen  Gott  bleibe  ich  von 
nun  an  ganz  weg.  Philosophische  und  philologische  A'^or- 
lesungen  höre  ich  jedoch  eifrig  und  habe  auch  neulich 
bei  einem  Zusammensein  Freundschaft  mit  dem  berühmten 
Gelehrten  Gruterus  gemacht,  der  versprochen  hat,  uns 
beiden  bei  Gelegenheit  die  Bibliothek  zu  zeigen".  .  .    . 

Das  war  nun  das  wichtigste  bei  der  ganzen  Reise,  die- 
sen Mann  „von  wahrhaft  göttlicher  Gelehrsamkeit"  kennen 
zu  lernen,  Janus  Gruterus,  den  grossen  Philologen  aus 
den  Niederlanden,  jenen  Begründer  der  modernen  Epi- 
graphik.  AVegen  Glaubeusverscliiedenheiten  aus  Witten- 
berg nach  Rostock  gewandert,  war  er  1602  nach  Heidel- 
berg als  Bibliothekar  an  die  pfälzische  Bücherei  berufen 
worden.  Hier  traf  ihn  unser  Möller,  und  er  durfte  von 
Glück  sagen,  dass  1617  diese  Büchersannnlung  noch  nicht 


68  Reinhard  Kade: 

vom  Neckar  an  den  Tiher  geschleppt  war.  Die  stattliche 
Anzahl  von  Tausenden  der  schönsten  Handschriften,  der 
älteste  Druck  der  Ofticien  des  Cicero  von  !  466,  den  ihm 
Gruter  zeigte  ■^^),  alles  das  muss  einen  tiefen  Eindruck 
auf  Möller  gemacht  und  in  ihm  liinterlassen  haben.  Öfter 
denkt  er  Bekannten  gegenüher  an  diesen  Moment  seines 
Lebens  zurück,  und  wenn  Müller  selbst  später  als  ein 
so  praktischer  Bücherwart  erscheint,  so  dankt  er  jenem 
Einblick  in  die  Bibliotheca  Palatina  wohl  einen  guten 
Theil  seiner  Kenntnis. 

Neben  diesem  Eindruck  galt  es  gleichviel,  ob  er  bei 
einem  D.  Petrus  de  Spina  •^■"')  oder  Ludovicus  Bravius 
medizinische  Vorlesungen  mit  anhörte.  Für  seine  Theo- 
logie ferner  i)rofitierte  er  hier  recht  wenig  ■^*').  Glaubte 
er  doch  hier  die  theologische  Seekrankheit  zu  kriegen! 
Auch  dem  lutherischen  Vater  sagte  Heidelberg  gar  nicht 
zu,  und  dringend  wünschte  er  die  Rückkehr.  Die  Um- 
geking,  die  Kaiserstadt  Speier  sahen  sich  die  jungen 
Leute  an.  Eine  Mondfinsternis  am  6.  August  regte 
Möllern  zu  3  Distichen  air").  Das  Semester  nahte 
seinem  Ende ;  der  Kontrakt  lief  ab.  Wenn  er  nur  dies- 
mal in  Leipzig  ein  theologisches  Stipendium  erlangen 
könnte '^^j. 

Um  Michaelis  herum  verliess  er  Heidelberg.  „Huius 
([uidem  peregrinationis  nie  non  poenitet:  spero  enim  tantum 
ex  ea  me  hausisse  emolumenti  et  adhuc  hausurum  esse, 
ut  per  omnes  meae  vitae  dies  co  uti  (lueam. "'•").  Jena 
suchte  er  auf,  gewiss  auch  andere  beiühmte  Städte  und 
langte  Ende  Oktober  1617  wieder  in  Leipzig  an,  fand 
aber  leider  alles  verändert  und  misslich^").  Zwar  konnte 
er  wieder  bei  Prof.  Siglicius  wohnen,  aber  die  Famulatur 
war  bereits  vergeben.  Ein  Volkmarsches  Stipendium 
fürchtete  er  ebensowenig  wie  ein  kurfürstliches  zu  er- 
halten. „Lidignarer  ferme,  ((uod  e  tam  commoda  statione, 
(lua  Heidelbergae  fruebar,  me  evocare  passus  fuerim." 
L)azu  hatte  ihn  ein  hitziges  Fieber  gepackt ;  viel  fürchter- 
licher plagte   ihn  die  böse  Geldnoth.     Kläglich  bat  er 


3*)  HB.  IV.  94. 

'■■■')  Es  kann  nur  der  Vater  jj-ewesen  sein.    Sein  gleichnamiger 
Sohn  wurde  erst  1620  Professor  medicinae. 

"")  Er  sowohl  wie   sein  Schüler  Joh.  Seidel   waren  nicht  als 
Studenten  inskribiert.     Vgl.  Toepke  Matrik.  der  Univ.Heidelb.il. 

"')  Ann.  411. 
**)  Vgl.  HB.  I.  9.  —  ^^)  Tl.id,  —  '")  Ibid.  T.  22. 


88\ 


Andreas  Möllei'.  69 

den  Vater:  „Subleva  et  succurre  Musis  derelictis,  siic- 
curre,  ini  rationem,  qua  ab  interitu  vindicer" '*^).  Nur 
6  Groschen  wöclientlicli ! 

Wie  eine  Botschaft  künftiger  Freude  traf  es  ihn 
daher,  als  der  Pegauer  Schuhneister  Piscator  ihm  seinen 
8ohn  als  „contubernio"  anempfohlen  sein  liess^-)  und  er 
zu  Anfang  des  Dezember  1617  dem  Pegauer  Rathe 
13  Gulden  bescheinigen  konnte ^■^).  Eine  Chrie  für  das 
Winterexamen  über  „die  Unbeständigkeit  der  mensch- 
lichen Dinge"  hielt  er  fertig,  aber  doch  wurmt  es  ihn, 
dass  er  der  Medizin  ganz  abtrünnig  werden  musste. 
„Heu  duram  et  diram  paupertatem,  (juae  a  tarn  commodo, 
jucundo  et  amicabili  meaeque  naturae  congruo  studio, 
quäle  medicum  est,  divellit"'*^).  Durch  Arbeit  in  der 
Theologie,  durch  Vorbereitungen  zum  angesetzten  Bacca- 
laureatexamen  täuschte  er  sich  über  den  Schmerz  hin- 
weg, denn  schon  auf  den  2.  März  1618  war  es  anbe- 
raumt und  auf  den  20.  Juni  ward  es  vertagt.  Am 
27.  Mai  reichte  er  seine  petitio  ein.  Tüchtige  Lectionen 
hatte  er  besucht  ^■^),  bei  Friedrich  den  gallischen  Krieg, 
allgemeine  Weltgeschichte  und  Theokrits  Thyrsis  gehört, 
bei  Curtius  Rhetorik,  bei  Preibisius  die  partes  corporis 
humanae,  Himmelslehre  bei  L.  Müller,  Horazens  Briefe 
bei  Bavarus,  Dialektik  bei  Lisca.  Mit  den  besten  Zeug- 
nissen aller  seiner  Lehrer  gewappnet,  hielt  er  am  20.  Juni 
vor  den  spectatores  eine  metrische  Rede,  in  welcher  er 
im  Namen  aller  Mitkandidaten  zu  danken  hatte.  Am 
30.  Juni  erfolgte  seine  Inscription  für  1  Groschen,  und 
jetzt  endlich  tiel  ihm  auch  die  Stelle  eines  kurfürstlichen 
Alumnus  in  Leipzig  zu,  die  ihm  "mit  30  Gulden  jälirlich 
erhebhch  weiter  half,  um  so  mehr,  da  auch  eine  gemsse 
Frau  Dr.  Freywald  das  Nährgeld  bezahlte  und  der 
Vater  für  die  Kleidung  eintrat^'*).  Er  war  seelenvergnügt, 
und  nun  gings  auf  den  Doktor  los.  Am  schwarzen  Brett 
kündigte  er  zu  dem  Behuf  Disputationen  über  „meteoro- 
logicae  impressiones"  imPaulinum  an^').  Er  gab  die  Woh- 
nung bei  Siglicius  auf  und  zog  ins  Collegium  Paulinum, 
um  die  theologischen  Vorlesungen  regelmässiger  hören 
zu  können^-).    Er  wohnte  anderen  Promotionen  bei  und 


*i)  HB.  I.  24.  —  *-^)  Ibid.  I.  22.  —  «)  Ibid.  I.  13.  —  ")  Ibid. 
I.  25. 

*^)  Ibid.  I.  16.  Vgl.  über  Möllers  Leipz.  Studentenzeit  meine 
Mittheilung  in  der  Leipz.  Zeitg.  Wiss.  Beil.    1887.    No.  48. 

«j  HB.  I.  26.  —  ")  Ibid.  I.  30.  —  *^)  Ibid.  1.  14. 


7()  IJriiiliiiiil   Kuilc: 

liess  sich  die  Armuth  niclit  anfecliteii,  obwohl  der  Vater 
zu  wünschen  schien,  dass  der  Sohn  eine  Korrektorstelle 
l)eim  Leipziger  Buchhändler  Oswald  annehme.  Dagegen 
sträubte  sich  der  Jüngling,  und  nachdem  er  unter  Sorgen 
,,tam  praesidendo  ([uam  resi)ondendo''  ''*)  zu  unterschiedenen 
Malen  disputationes  physicas  gehalten,  bat  er  am  13.  Dez. 
1619  um  seine  Zeugnisse  füi'S  Examen  und  l)ekam  am 
27.  Januar  1620  unter  35  Competitores  das  Magisterium. 
Seine  Doktordisputation  fand  jedoch  erst  am  22.  Juni 
statt  und  handelte  de  dysenteria,  von  der  Leipzig 
1614  stark  heimgesucht  worden  war''^').  Dazu  lud  er 
Vater  und  Mutter,  den  Pegauer  Senat  und  eine  statt- 
liche x^nzahl  Befreundeter  ein,  denen  er  in  den  letzten 
Jahren  viel  Unterstützungen  verdankte,  und  in  Gegen- 
Avart  des  Leipziger  Bürgermeisters  Friedrich  Mayer  und 
des  Stadtricliters  Forberger  traf  ihn  die  neue  Ehre.  Sein 
Vater  überreichte  ihm  dazu  ein  lateinisches  Ehrengedicht, 
in  welchem  er  dem  Sohne  gratulierte  und  ihn  auf  seine 
gfdehrte  Verwandtschaft  hinwies"'^).  Möller  bewahrte  es 
als  theures  Andenken  bis  in  sein  spätes  Alter  auf  und 
liess  es  wenige  Zeit  vor  seinem  Tode  drucken.  Der 
Doktorschmaus  verlief  glänzend,  45  Einladungen  hatten 
zugesagt  und  die  ganze  Zeche  kostete  ungefähr  50  Thaler! 

Nun  gedachte  der  junge  Gelehrte  die  akademische 
Laufbahn  einzuschlagen  und  schon  am  3.  Juli  sollte  sein 
hebräisches  Kolleg  anheben,  zu  dem  12  Studenten  sich 
meldeten'"-).  Ziemlich  ein  ganzes  Jahr  fristete  er  müh- 
selig sein  Piivatdozentenleben,  in  dem  er  den  Schmerz 
erfuhr,  seinen  lieben  Lehrer  Siglicius  zu  verlieren.  „Mihi 
certe  verba  desunt  nee  exprimere  satis  possum  jacturam, 
(luani  haec  clades  mihi  importat"'''^).  Er  hatte  ihm  viel 
zu  danken.  ,, Siglicius  —  schreibt  er  später  —  hermam 
mihi  signaverat  et  deviantem  ad  viam  regiam  reduxerat, 
cui  viro  unice  acceptum  fero,  ([uod  firma  basi  praemissa 
ain'mnm  ad  medicinam  applicuerim"'''). 

Eine  scheinbar  gleichgültige  Bekanntschaft  mit  Chri- 
stoph Ellinger,  dem  Leipziger  Oberbibliothekar,  half  jetzt 
mit  einem  Schlage  Möllers  Lage  verändern.  Dieser 
suchte  nämlich   für  einen  reichen  Gutsbesitzer  einen  ge- 


'")  Speciniinu   aliquot  typis  publicis  iinpressa  sunt.    HB.  I.  32. 
['0)  HB.  I.  45. 

■'■■•■^)  HB.  T.  45.  —  ■^•')  Ibid.  I.  54.  —  ''j  ibid.  IV.  92. 


Andreas  Möller.  71 

bildeten  Mann,   am   liebsten  einen   Orientalisten  —  nnd 
auf  Möller  fiel  die  Walil""^). 

Der  reiche  Herr  von  Mosdorff  auf  Obereula'*'),  dessen 
Güter  in  der  Nähe  von  Nossen''^)  lagen,  suchte  einen  sol- 
chen Gelehrten  zum  Theil  als  Erzieher  für  seinen  Enkel 
Johann  Theodor  von  Schönberg'  zum  Reichenbrandt,  haupt- 
sächlich aber  für  sich  selber.  Schon  ein  Sechziger  und 
von  der  Büi-de  des  Alters  gedrückt,  fühlte  der  generosus 
et  oninis  literaturae  callentissimns  heros  ■''*),  der  auch  das 
Dänische  beherrschte ■^■'),  Jugendnnith  in  sich,  einmal  das 
alte  Testament  im  Urtext  des  Hebräischen  zu  lesen. 
Möller  geht  darauf  ein,  weil  56  Gulden  neben  freier 
Kost  und  Fahrt  nicht  zu  verachten  waren.  Nachdem 
er  also  eiligst  seine  Abschiedsrede  in  Leipzig  publice 
gehalten"*^),  tritt  er  nach  Ablauf  der  Ostermesse  im  Juni 
1621  auf  Obereula  zunächst  für  ein  Jahr  an.  Denn  er 
beabsichtigte  nach  dieser  Frist  sein  theologisches  Studium 
fortzusetzen  und  sicherte  sich"^)  sein  kurfürstliches  Sti- 
pendium. Aber  mehr  als  V/.^  Jahre  verweilte  Möller 
auf  dem  Gute  des  gelehrten  Landmannes,  der  ihn  wie 
seinen  Freund,  wie  einen  Sohn  in  Gunst  hielt.  Hebräisch 
wurde  getrieben.  Doch  das  A\ar  eine  Heidenarbeit  mit 
dem  alten  Herrn.  Alle  Buchstaben  mussten  ihm  deut- 
lich und  armlang  vorgemalt  werden  und  langsam  rückte 
das  Lesen  vor.  Allein  es  glückte.  Schon  nach  zwei 
Monaten  sind  sie  im  18.  Kap.  der  Genesis.  —  Was 
mögen  die  beiden  Männer  in  stiller  Einsamkeit  des  Land- 
lebens gedacht,  gesprochen,  gelesen  haben!  Hier  der 
Greis  in  weissem  Haar,  dort  der  Jüngling  mit  dem 
braunen  Auge  und  den  noch  brauneren  Locken,  die  er 
lang  trug,  dem  Latein  und  Griechisch  süss  überredend 
vom  Munde  floss  und  der  von  Wissen  strotzte.  Da- 
bei fein  humoristisch,  gern  ein  geistreiches  Wortspiel 
machend;  der  die  Laute  zu  eigenen  Gedichten  schlagen 
konnte^'-)  und  dazu  gern  ein  Gläschen  trank,   besonders 


■")  HB.  I.  55 

■"')  Möller  in  der  'Aynu.  und  in  der  HB.  IV.  fol.  2  nennt  auch 
noch  Gnamihoff.    Nicht  auffindbar. 

")  HB.  I.  120.  —  5S)  l4vrineX. 

•^0)  HB.  IV.  36.  —  ö")  Ibid.  I.  59. 

''^)  Schon  am  23.  Juni  1621.  „Er  soll  das  erste  vacirende  Stii». 
erhalten,  da  seines  bereits  vergeben".  Ibid.  I  60.  Vgl.  UFRA.. 
geistl.  Sach.  14  b:  „und  neulicher  Zeit  überdies  ein  neues  Special 
Diplom  meines  stipendii  wegen  erlangete". 

ö2)  HB.  I.  84.     Vgl.  MFA.  23,  10 


72  Jleiiihiiiil  Kiidc 


ein  gutes  Glas  Freiberger  Doppelbier"-^);  der  auch  als 
echter  Deutscher  ein  junges  schönes  Mädchen  fürs  Leben 
gerne  sah. 

Hier  bildete  sich  aucli  ^Möller  zum  Charakter.  Eine 
kleine  Pastorstelle  bot  man  ilnu  an,  weil  man  seine  Tüch- 
tigkeit im  Predigen  vielerorts  bemerkt  hatte,  in  Deutschen- 
bora. „Ich  mag  sie  nicht  —  schreibt  er  an  seinen  Vater 
—  denn  höh're  Regungen  fühl'  ich  in  meiner  Brust  und 
fühle  mich  durch  die  Fühi'ung  der  Natur  zu  grösserem 
Berufe  vorbehalten"*'^).  Schnell  verging  die  Zeit.  Um 
Michaelis  1622  rief  ihn  plötzlich  ein  sehr  ehrenvoll  ab- 
gefasster  Brief*'"')  nach  Treib  er  g,  wo  er  nun  in  un- 
unterbrochener Folge  über  ein  Menschenalter  bleiben 
sollte.     Ein  grosser  Wendepunkt! 

Das  Schreiben  hatte  kein  geringerer  verfasst,  als 
der  damalige  Superintendent  Abraham  Gensreff, 
der  ihn  für  die  Zeit  nach  der  Schule  als  Erzieher  seines 
einzigen  12  jährigen  Sohnes  David  wünschte.  Und  Möller 
sagte  zu,  am  15.  Oktober  sein  Amt  zu  beginnen.  „Fores 
meae  tibi  patebunt  quavis  luce  et  praesertim  Candida 
illa  15.  Oct."  So  geschah's.  Schon  am  26.  Oktober 
vorfertigte  er  ein  Gedicht  auf  den  Tod  des  in  jenen 
Tagen  verstorbenen  Bürgermeisters  Schönlebe  *"'")  und  ent- 
faltete gleich  in  dem  ersten  Erzeugnis  seines  Freiberger 
Aufenthaltes  seine  ganze  Sprachkenntnis:  5  Sprachen 
lässt  er  auf  einmal  spielen.  Lateinisch,  Griechisch,  He- 
bräisch, Chaldäisch  und  Syrisch,  und  bringt  den  guten 
Buchdrucker  Beuther  in  kerne  kleine  Verlegenheit.  So 
schuf  er  sich,  der  bescheidene  SS.  Theologiae  Studiosus 
et  p.  t.  sobolis  Gensreffianae  Informator*'')  gleich  gebüh- 
rende Achtung  und  lebte  sich  schnell  in  das  Freiberg  des 
XVII.  Jahrhunderts  ein. 

Und  wie  sah  es  dazumal  in  Freiberg  aus? 


"'')  Möllers  Lustspiel  Cleaeret: 

Auch  eine  Doime  Fr eibergisch  Bier, 
Es  war  gut,  wir  lipprteu  gewaltig  siehr, 
V^'^ir  trunckens  gschwind  rümb  aus  den  Topf: 
Warlich  Gott,  es  stieg  uns  in  Kopf. 
"^)  HB.  I.  75;  vgl.  ibid.:  „si  lubido  raea  fuisset,  pastorem  agere 
paganum,  jani  ante  annum  optimo  sacerdotio  Leubae  Vandalicae  sub- 
stitui  potuissem". 

6^)  HB.  I.  81  =  IV.  26  b. 
68)  FGB.  Leichpr.  Bd.  1. 

*")  So  unterzeichnete   er  sich  a.  a.  0.  und  ebenfalls  unter  den 
Leicbgedd.  am  13.  Jan.  und  28.  Dez.  162B. 


Andreas  Möller.  73 

Freiberg  war  zu  jener  Zeit  noch  die  blühende,  von 
den  Fürsten  hochbegnadete  zweite  Hauptstadt  Sachsens. 
Ein  alter  urkräftiger  Patrizierstamm  lebte  hier.  Ein  tüch- 
tiges Bergvolk  stand  ihm  zur  Seite.  Man  war  stolz  auf 
die  Errungenschaften  des  ergiebigen  Bergbaues  und  freute 
sich  neben  dem  guten  Leben  an  der  Gnade  des  Hofes. 
Dabei  blühten  die  Künste.  Ehren werthe  Musiker,  wie 
Christophorus  Demantius,  hielten  auf  saubere  Musik- 
pflege. Das  Kunsthandwerk  bestand  fort,  indem  es  sich 
an  herrlichen  alten  Denkmälern  bildete,  die  in  der  gol- 
denen Pforte  gipfelten.  Gekrönte  Dichter  wie  Haus- 
mann, Gelehrte  wie  Schellenberg,  Ärzte  wie  Thorschmied 
zählte  Freiberg  mit  Stolz  zu  seinen  Bürgern.  —  Alle 
die  verscliiedenen  Zweige  des  geistigen  Lebens  schienen 
sich  aber  in  einer  Person  zu  vereinigen,  in  Abraham 
Gensreff.  Philosoph,  Dichter ''*),  Orator,  kunstreicher 
Musikus*^"),  Theolog  verkörperten  sich  in  ihm.  Selbst  die 
orientalischen  Sprachen  gewann  er  jetzt  durch  Möller 
lieb.  Wir  können  uns  nun  denken,  was  in  seiner  liebens- 
würdigen Familie  für  em  Ton  gCAvaltet  habe,  können  uns 
aus  ihm  das  Freiberger  Geistesleben  in  nuce  vorstellen. 

Möller  fühlte  sich  unendlich  wohl.  Aber  kaum  war 
er  in  seiner  neuen  Heimath  einige  Monate  heimisch  ge- 
worden, als  den  Ärmsten  ein  furchtbarer  Schicksalssclilag 
betraf.  Der  sonst  so  gesunde  Vater  hatte  schon  im 
voraufgehenden  Jahre  zu  kränkeln  angefangen  und  sich 
genöthigt  gesehen,  den  geschickten  Leipziger  Arzt  Sultz- 
berger  zu  befragen.  Dem  Übel  war  durch  ihn  noch 
einmal  Einhalt  gethan,  aber  es  kam  mit  erneuter  Gewalt 
wieder.  Der  Vater  wandte  sich  ohne  Wissen  des  Sohnes 
an  einen  Zeitzer  Charlatan:  ein  verfehltes  Mittel  ver- 
mehrte das  asthmatische  Leiden,  ein  hitziges  Fieber 
brach  aus  und  am  26.  November  1622  erlag  er  seiner 
Krankheit.  Ehrenvoll  bestattete  man  ihn  in  der  Pegauer 
Lorenzkirche,  ja  die  Stadträthe  trugen  selber  die  Bahre. 
Aber  was  Möller  so  sehr  schmerzlich  später  berührte: 
er  konnte  nicht  bei  dem  Tode,  nicht  bei  dem  Begräbnis 
zugegen  sein.  Schlechter  Briefverkehr  vermittelte  ihm 
die  Kunde  zu  spät. 

"*)  Laureatus  von  Dr.  Hoe.  Taubmann  in  Wittenberg  rieth 
ihm  Dichter  zu  bleiben. 

'*'')  Er  war  Diskantist  in  der  Dresdener  Hofkapelle  gewesen 
und  in  der  Kompositionslehre  Schüler  des  Kapellmeisters  Rogier 
Michael,  der  diesem  Institut  1587 — 1619  vorstand. 


74  Uciiilianl   Kiiilc; 

Damit  beginnt  die  laiig'e  Eeilie  lierbsten  Ungliicks, 
die  den  armen  Müller  l)etrelfen  sollte.  Viel  Liebe  hat 
er  in  seinem  Erdenwallen  in  den  Sarg-  gelegt!  Noch  am 
6.  November'")  hatte  er  einen  Brief  des  Vaters  bekom- 
men, den  letzten,  in  welchem  jener  dem  Sohne  das  „ex- 
tremnm  vale"  todesahnend  zurief  „Christus  spes  animae 
sola  solusque  meae"  ...  so  schloss  jenes  Schreiben.  Nun 
war  er  tot.  „Verwaist  sah  ich  mich  des  besten  Vaters, 
von  dem  ich  erzogen  und  belehrt  war,  vor  dessen  Hin- 
scheiden mich  schon  in  Gedanken  geschaudert  hatte. 
Keine  Hülfe  erschien  mir,  von  dem  tiefen  Falle  mich 
wieder  aufzurichten"'^).  —  Dem  Vater  zu  Ehren  beab- 
sichtigt er,  dessen  Leben  zu  beschreiben,  und  beendet  in 
kindlicher  Liebe  dies  „debitum  parentale",  zu  dem  er 
nur  schwer  die  Unterlagen  gesammelt'-).  Aber  zum 
Druck  kam  das  schöne  Zeugnis  reinster  Verehrung  da- 
mals nicht,  weil  die  Perfidie  eines  Leipziger  Druckers 
die  Sache  niederdrückte.  Noch  zweimal  in  schwersten 
Prüfungen  legte  er  Hand  an  dies  Werk,  den  klarsten 
Abglanz  einer  schönen  Seele. 

In  der  Arbeit  suchte  er  Trost,  und  wenigstens  Arbeit 
fand  er.  Schon  mit  der  Beisetzungsfeierlichkeit  der  Kur- 
fürstin-Witwe Sophia'-^)  gab  es  mancherlei  zu  thun  — 
„ego  sum  occupatissimus" '^)  —  und  eine  Supplicatio,  die 
Dr.  Hoe  dem  Kurfürsten  überreichen  sollte,  aber  nicht 
konnte'-'),  musste  aufgesetzt  werden.  Sodann  lag  ihm 
jetzt  auch  die  Sorge  für  seinen  jüngeren  Bruder  Peter 
auf  den  Schultern,  den  ihm  noch  der  Vater  dringend  ans 
Herz  gelegt  hatte '*^),  und  vor  allem  schien  sich  ein 
weites  Arbeitsfeld  an  der  Freiberger  Stadtschule  auf- 
zuthun.  Der  Rektor  des  Gymnasiums  Joh.  Schellenberg 
stand  auf  der  Höhe  seines  verdienten  Eulimes.  Ener- 
gisch, tüchtiger  Pädagog,  zielbewusst,  rücksichtslos  im 
richtigen  Fortschicken  hatte  er  der  heruntergekommenen 
Schule  einen  neuen  Geist  eingehaucht,  und  der  Super- 
intendent Helvicus  Garthius  ihn  dabei  so  redlich  unter- 
stützt, dass  selbst  die  langversäumte  Bibliothek  in  Auf- 


'ö  ' 


nähme   gebracht  werden   konnte.     Vorzüglich   hatte    es 


fe 


ferner  der  Schule   zu  unberechenbarem  Nutzen  gereicht, 

'<>)  '^rrni.  Msch :  16.  Nov.     Siehe  HB.  I.  87.  —  '0  'Jtnm. 

"•^)  HB.  IL  173.  —  '0  28.  Jan    1623. 

■'*)  HB.  I.  99.    Vgl.  I.  120:  concionibus  habendis. 

"*)  Ibid.  I.  101.  —  '«)  Ibid.  I.  87. 


Andreas  Möller.  75 

dass  sich  Garthiiis")  bereit  erklärte,  w üclieutlicli  des 
Dienstags  zu  Mittag  von  2  bis  3  Uhr  hebräische  Gram- 
matik gratis  zu  lesen  und  damit  jene  alte  Wellersche, 
in  Vergessenheit  gerathene  ,.lectio  theologica-'  zu  er- 
neuern. Der  Rath  bemerkte  es  beifällig,  dass  nicht  nur 
der  Schulcoetus ,  sondern  auch  Pfarrer  und  andere  Ge- 
lehrte diesen  Stunden  beiwohnten,  bedauerte  aber,  dass 
dies  schöne  Unternehmen  mit  Garths  "Weggang  nach 
Prag  1(313  eingeschlafen  und  dem  Rektor  Schellenberg 
eine  solche  Zugkraft  abhanden  gekommen  war. 

Jetzt  schien  durch  Abdankung  des  Konrektors  Loe- 
ser  eine  grosse  Veränderung  an  der  Schule  bevorzustehen, 
und  Möller  liatte  schon  am  19.  Mai  1623,  um  dem  Ratli 
„sein  freudig  Gemüth  bei  öffentlicher  Proclamation  merk- 
lichen an  Tag  zu  geben" '^),  demselben  „eine  geringe 
Gratulation  in  4  Sprachen  überreicht",  leider  nur  schrift- 
lich'^), weil  sie  aus  Mangel  an  geeigneten  Lettern  nicht 
gedruckt  werden  konnte.  Darin  hatte  er  gebeten,  „man 
wolle  ihn  unter  die  Clienten  willigiich  aufnehmen:  wel- 
ches E.  Wolw.  auch  nicht  ausgeschlagen,  sondern  gross- 
günstige promission  getan,  meiner  in  fürfallender  Ge- 
legenheit in  bestem  zu  gedenken"*").  —  Im  September 
gewann  es  immer  mehr  den  Anschein,  als  wollte  Loeser 
vom  Konrektorat  zurücktreten,  inmassen  er  sich  schon 
auf  das  Studium  der  Rechte  gelegt '^^).  Gensreff  ver- 
wendete sich  darum  für  seinen  Hauslehrer  Möller  beim 
Konsistorium  in  einem  deutschen  Briefe*-),  worin  er  er- 
klärte ,  dass  Möller  anderer  Beförderung  bedürfe  „und 
solcher  Stelle  werth  sei,  nicht  allein  weil  er  im  Leben 
fromm  und  eingezogen  .  .  .  .,  sondern  weil  er  in  den 
orientalischen  Sprachen  solche  Wissenschaft  erlanget  und 
zuvörderst,  weil  die  hebräische  Lectur  auf  dem  Conrec- 
torat  beruhet"  *^).  Auf  diese  Kenntnis  berief  sich  auch 
Möller  selbst  in  einem  Schreiben  an  das  Konsistorium 
(17.  Sept.  23)*^),  dem  er  ein  Carmen  pentaglottum  bei- 
legte*'). Eine  hohe  Interzession  blieb  nicht  aus  mit  dem 
Vermerk  (19.  Sept.):    „Ihr  wollet  Supplicanten,   so   viel 


")  29.  Okt.  1610.  —  '«)  HB.  I.  114. 

•9)  UFRA.  Geistl.  Sach.  Uli.  2.  vom  24.  Sept.  1623.  —  ^)  Ibid. 
—  ^1)  Ibid.  —  «-)  HB.  I.  121.  —  8")  Ibid.  _  81)  ITFRA.,  1.  c. 

^)  „quo  per  prosopoeiam  deo  trinuni  pro  pacato  imperio  .  .  . 
principis  J.  Georgii  .  .  .  gratias  agit  Sophia.  —  vnofptjrogi  A.  Mol- 
lero."     üFRA. 


7(;  Hciuliiird  Kiulf: 

geschehen  müglich,  in  Acht  nehmen  und  unserer  Vorbitt- 
schrift fruchtbarlich  geniessen  lassen".  Allein  —  Loeser 
—  praeter  spem  —  resignierte  nicht !  Von  anderer  Seite 
jedoch  wurde  Luft,  indem  der  Tertius  G.  Hausmann 
als  Rektor  nach  Dresden  übersiedelte  und  Möller  sich 
nun  ums  Tertiat  bewerben  konnte  „ob  domicilium  et 
alias  commoditates,  quibus  tertius  conrectoris  vice  fruitur 
et  quod  Gensreffius  me  hinc  vix  dimitteret"*").  Und 
richtig,  unterm  24.  März  1624  „ist  ihm  das  Tertiat,  bis 
etwa  das  Conrectorat  sich  verledigen  möchte,  zuzusagen 
befohlen  worden"^').  Er  nimmt  an,  sagt  auch ^'*)  _  „als 
lector  Hebraeus"  die  gewünschten  hebräischen  Lektionen 
und  seine  Dienste  für  das  exercitium  disputatorium  zu''^) 
und  empfängt  am  3.  Juli  seine  ordentliche  Vokation 
nebst  der  Weisung,  beim  Konsistorium  um  Konfirmation 
einzukommen,  die  am  7.  Juli  „nach  gehaltenem  examine" 
ankam.  „Dagegen  soll  die  Besoldung,  so  sein  antecessor 
gehabt,  unabbrüchig  gegeben  werden"^*'). 

So  verliess  er  das  Haus  des  Superintendenten.  Li 
dem  Bewerbungswirrwarr  vergass  er  schnell  eines  kleinen 
Zufalls,  der  ihm  1623  noch  als  Hauslehrer  den  einen 
geschriebenen  Band  einer  breitspurig  angelegten  Frei- 
berger  Chronik  von  Georg  Agricola,  Frühprediger  an 
S.  Nikolai,  in  die  Hände  spielte.  Nur  beiläufig  und  ohne 
grosse  Achtung  las  er  das  etwas  langweilige  Machw^erk 
durch,  weil  er  damals  noch  nicht  wissen  konnte,  dass  er 
einstmals  ein  Chronicon  Freibergs  zu  schreiben  auf  sich 
nehmen  würde  ^^).  Er  zog  in  das  Gymnasium  und  ant- 
wortete auf  die  Einführungsrede  des  Superintendenten 
(27.  Juli)  in  längerer  freier  Ansprache  vor  grosser  Ver- 
sammlung, über  den  Werth  der  Schule  und  Lehrer  han- 
delnd «•-). 

Eifrig  las  er  anfangs  bei  den  älteren  Schülern  4 
Stunden  w^öchentlich^^^),  und  dazu  kamen  auf  sein  Be- 
treiben die  exercitia  logica  und  rhetorica  in  Schwung. 
Alle  14  Tage  fand  im  Beisein  Gensreffs  öffentliche  Dis: 
putation  statt,  dergestalt,  dass  durch  alle  diese  Mass- 
nahmen die  Schule  eine  „rühmliche  Frequentz"  zu  ver- 
zeichnen hatte,  in-  und  ausländische  Zöglinge  wieder  wie 


8«)  HB.  I.  134.  —  s7)  RP. 

*ä)  Sonderbarer  Weise  schon  unterm  23.  März.    HB.  I.  135  a. 

«»)  Chr.  308.  —  ^)  UFßA.  —  «i)  Chr.  Vorher,  c.  2. 

"2)  HB,  I.  159.  —  "»)  Chr.  314. 


Andreas  Möller.  77 

sonst  herbeiströmten  und  sogar  1631  es  räthlich  schien, 
das  auditorium  theologicum,  welches  man  seit  1604  der 
Bibliothek  eingeräumt  hatte,  Avieder  dem  Schuldienst  zu 
überweisen. 

Freilich  blieb  die  Schattenseite  nicht  aus.  Der  Herr 
Konrektor  Loeser  verspürte  unverhohlen  wärmere  Neigung 
zur  Rechtsgelahrtheit  denn  zur  Kindererziehung  und 
halste  als  Notarius  publicus  dem  armen  Möller  alle  Ver- 
richtungen des  Konrektorats  und  die  Stunden  in  der 
Prima  auf,  während  er  in  der  leichteren  Tertia  fort- 
amtierte und  Titel  und  Gehalt  behielt.  Er  deckte  sich 
hinter  ein  Reskript  des  Kurfürsten,  „seine  praxim  juris 
nebenst  dem  Schuldienste  zu  exerciren"^*).  Das  Hess 
sich  aber  der  jugendliche  Möller  nicht  verdriessen,  wenn 
auch  nur  wenig  Zeit  für  seine  dichterische  Bethätigung 
übrig  blieb.  Vielmehr  dachte  er  jetzt  daran,  sich  einen 
eigenen  Hausstand  zu  gründen  und  Umschau  unter  den 
schönen  Freibergerinnen  zu  halten.  Schnell  und  sicher 
war  gewählt  und  am  Tage  seines  Antritts  (27.  Juli) 
hatte  man  sich  verlobt '*'^). 

Wenn  in  der  Wahl  des  Weibes  der  Charakter  des 
Mannes  sich  bewährt,  so  traf  es  bei  Möller  zu.  Nicht 
unter  seiner  Bildung  stand  die  Erwählte :  die  nachgelas- 
sene'**')  Tochter  Michael  Köhlers,  der  sich  als  Schicht- 
meister bei  der  Stadt  gerechte  Ehre  erworben  hatte. 
Die  Mutter  nannte  sich  stolz  eine  Buch  führ  er,  deren 
Geschlecht  zu  den  ältesteii  Freibergs  gehörte :  es  brauchte 
sich  die  Tochter  Salome  ihrer  Vorfahren  nicht  zu  schämen. 
Ihr  Geburtstag  fiel  mit  dem  ihres  zukünftigen  Mannes 
auf  den  22.  März,  nur  dass  sie  diesem  um  8  Jahre  im 
Alter  nachstand''').  Ihre  Mutter  begünstigte  den  Bund, 
die  „Gefreundeten"  schienen  ihn  auch  zu  wünschen,  und 
so  begab  sie  sich  am  21.  September  1624  mit  Herrn  Mag. 
A.  Müller'*^)  in  den  Ehestand.  Sorglich  hatte  der  Herr 
Gemahl  alles  vorbereitet.  „Euer  Gnaden  —  schreibt  er 
an  einen  Wildmeister  ^••)  —  wolle  einen  Rehbock  schiessen 
lassen,  damit  ich  ihn  auff  künftigen  Montag  den  20.  haben 
möge  zu  meiner  Hochzeit"  ^"-*). 


"0  UFRA.  Geistl.  S.  14  b. 

»')  HB.  I.  159. 

»8)  LP.  Möllers;  FGB.  Band  5.  —  '■")  Geb.  1606.     , 

"*)  Gensreffs  LP.  für  Regina  Moller  nennt  ihn  schon  „Conrector". 

»■')  HB.  T.  166.  -  i"o)  Kostete  2  Thlr.  6  Gr. 


78  Reinhard  Kade: 

Wälireud  er  nun  eine  „freundliche,  friedliche,  lieb- 
liche Ehe^"^)  zu  führen  begann  und  sich  ihres  Mannes 
Herz  auf  sie  verlassen  durfte",  liess  sein  Streben  für  die 
Schule  nicht  nach.  Ein  Jahr  darauf^"'-)  hielt  Möller, 
,, wegen  Lesung  und  Profitirung  der  hebräischen  Sprache 
und  derselben  Mühwaltung  unib  einen  Schrägen  hart 
Holz  an ,  welcher  ihme  auch  zu  Verehrung  zugesagt 
worden",  und  am  10.  Juli  1626  gab  man  ihm  auch  ,,das 
Fuhrlohn  von  dem  Holze  aus  dem  Kasten".  Daneben 
ward  um  des  Gelderwerbs  willen  frisch  weiter  gedichtet. 
Wir  besitzen  aus  dem  Jahre  1625  zwei  Epicedien,  unter 
ilinen  ein  längeres  deutsch-lateinisches  Gedicht  auf  Re- 
gula Schönlebe,  Frau  des  Bürgermeisters,  in  dem  wieder 
grosse  Gewandtheit  zu  Tage  tritt.  Jedes  wollte  sich  von 
Möller  ein  Gedicht  machen  lassen,  und  selbst  aus  Dresden 
liefen  Bestellungen  ein. 

Daher  lag  es  nahe,  dass  ihn  Gensreff  aufforderte, 
seine  polyglotten  Gedichte  dem  Dr.  Hoe  von  Hoenegg 
in  Dresden  vorzulegen,  dem  nicht  nur  der  Superintendent 
bekannt,  sondern  auch  Möller  bei  der  Leichenfeier  der 
Sophia  vorgestellt  war.  Das  thut  Möller  (20.  Februar 
1626) ^"■'),  Gensretf  fügt  ein  empfehlendes  Wort  bei,  den 
Jungen  sprachgewandten  Mann  mit  dem  Dichterlorbeer 
zu  schmücken,  den  er  vom  Pfalzgrafen  leicht  erhalten 
könnte,  lieber  jedoch  aus  der  Hand  euies  Geistlichen 
nehmen  würde  ^"').  Hoe  willfahrt,  und  unterm  17./18.  März 
erwählt  er  Möllern  auf  Befehl  Ferdinands  II.  zum  kaiser- 
lichen gekrönten  Dichter  und  giebt  ihm  das  Dekret  und 
die  Facultas  „omnibus  in  urbibus,  universitatibus  .... 
totius  Rom.  Imperii  in  poetica  artis  scientia  i)ublice 
legendi  et  docendi"»  Einen  üvid,  Tullius  und  Tibull  hatte 
Hoe  ihn  genannt  und  hinzugesetzt:  ,,profecto  doctissimus 
vir  est"^"'^).  Und  ehrender  konnte  wohl  kaum  ein  Lob 
klipgen,  als  wenn  er  auf  lim  dichtet (> '"'*'): 

„Ein  Menscb  reichet  oft  kaum  liir  eine  Si)raclie;  jedoch   l)n 
Müller  zeichnest  dich  aus  in  der  ]\Iuiularten  sechs, 

Schreibest  Gedichte  sowohl  in  lateinischer  Spi'ache  und  Uriechisch. 
Schreibest  Chaldäisch  dazu,  schreibst  gar  in  syrischer  Sprach". 

Nicht  ist  zu  schwer  nach  arabischei'  Art  die  Worte  zu  zwingen, 
Schaffst  —  du  bist  es  im  Stand  —  selbst  ein  heliräisches  Lied!" 


1.  —  '"•')  Ibid.  II.  2. 


'0«)  HB. 
"^")  Über 

—  ^"■-)  RP. 
II.  fol.  3  a. 
setzt;  ibid. 

1. 
iL. 

Aug. 

o 

•J. 

1625. 
Ibid.  II. 

Andreas  Möller.  79 


o 


Möller  bezeigte  bald  darauf  (1627j  zum  Geburtstag 
seinem  hohen  Gönner  den  Gegendank  durch  ein  grösseres 
lateinisches  Gedicht,  das  er  ,Colossus  Hoeneccius"  be- 
nannte^'''). 26  Tafeln  hat  Fama  in  einer  Ruhmeshalle 
zu  Ehren  Hoes  angebracht;  26  Jahre  aus  seinem  Leben 
stehen  darauf  verzeichnet;  der  Dichter  will  sie  gelesen 
haben  und  giebt  deren  Inhalt  in  glänzendem  Latein  der 
Verse  und  in  begeisterten  Worten  wieder. 

Von  nun  an  hat  er  wacker  sein  ganzes  Leben  hin- 
durch den  kaiserlichen  Pegasus,  den  er  sich  für  drei 
Joachimsthaler ^''®)  erkaufte,  geritten.  Keine  fröhliche, 
keine  traurige  Gelegenheit  verging,  die  nicht  seine  Muse 
verschönte.  Die  fröhlichen  Lieder  hat  uns  die  Zeit 
bis  auf  eine  Ausnahme  des  Jahres  1627  leider  nicht 
aufbewahrt.  Dies  eine  Lied  pulst  aber  von  so  frischem 
Leben,  dass  sich  die  Angesungenen  wohl  über  ihr  „Ga- 
melion"^*'")  in  lateinischer  Sprache  mit  deutscher  Über- 
setzung freuen  konnten.  Allerdings  waren  die  Hoch- 
zeitsleute auch  keine  geringen  Personen:  Er  der  Herr 
Rath  Michael  Prager;  Sie  Jungfer  Elisabeth,  eine 
Tochter  des  Arztes  Thorschmied,  den  er  darin  mit  den 
schönen  Worten  besang: 

„Wer  hat  nicht  hören  sagen, 
Wie  ihn  Apollo  frei, 
Selbst  den  Tod  zu  verjagen, 
Gelehret  die  Arznei." 

Reichlicher  sind  uns  Möllers  Trauerlieder  erhalten, 
sie  fliessen  in  den  meisten  Leichpredigten  zwischen  1G22 
und  1659  ununterbrochen  fort.  Eine  ziemlich  genaue  Be- 
rechnung ergiebt  die  stattliche  Zahl  von  LoOU  lateinischen 
Versen,  ohne  dass  neun  längere  lateinische  Gedichte  mit 
deutscher  Übersetzung  hier  mitgerechnet  Avurden.  — 
Rüstig  wurde  für  das  Wohl  der  Familie  bis  ins  Jahr 
1627  weiter  gearbeitet.  Stand  doch  deren  Vergrösserung 
bevor.  Wie  gerufen  kam  es  darum,  dass  der  Konrektor 
Loeser  um  Michaelis  sich  entschloss,  mit  Ostern  1627 
gänzlich  zu  resignieren  „wegen  seiner  vorfallenden  Rei- 
sen"^^°).  Man  fragte  Gensreff,  ob  er  damit  einverstanden 
wäre,    wenn  Möller    zum  Konrektor,    Schleiffentag  zum 


^ö")  Siehe  Anhang:  A.  2. 

los)  HB.  II.  2.  (vel  aareum  ungaricum  cum  und  imperiali.) 

10")  Vgl.  Anhang  A.  3.  -  "«)  UFRA. 


<iQ  "Reinhard  Tvade: 

Tertius  befördert  würde.  Der  wars  zufrieden'"),  und 
am  5.  März  wollte  der  Ratli  ihn  „zu  obgedaehtem  Con- 
rectorat  ordenliclierweise  vociret  haben"  "'-).  Am  16.  März 
willigte  das  Konsistorium  ein,  am  8.  Mai  sprach  Möller 
zum  ersten  Male  als  wirklicher  Konrektor  zu  seinen 
Schülern ''").  Erstens  galt  es  ihm,  seinen  discipulis  in- 
corruptae  et  orthodoxae  pietatis  mysteria  sedulo  instil- 
lare;  sie  ferner  ab  improba  licentia  divellere  und  sie  zu 
bilden  cognitione  artium  dicendi,  cuniprimis  diligentiore 
exercitio  divinae  logices,  tum  etiam  culturae  linguarum, 
Latinae,  Graecae  et  Hebraicae. 

Aber  das  Glück  nach  aussen  konnte  nicht  den 
schweren  Kummer  in  der  Familie  überglänzen.  Die 
Zwillingssölme,  die  ihm  seine  Frau  am  0.  Oktober"^) 
brachte,  starben  beide  schon  10  Tage  nach  der  Geburt. 
„Dens  mens  magno  me  vulnere  et  ad  vitalia  usque  pene- 
trante percussit"  ^^■').  Andreas  und  Michael  hatte  man  sie 
getauft.  Theophil  Lehmann  hielt  die  Grabrede"").  — 
Dazu  war  das.  Geld  knapp.  Er  bittet  um  einen  Schrä- 
gen Holz,  der  ihm  bewilligt  wird,  „jedoch  dass  er  ihn 
selber  fahren  lassen  soll"^'^).  Zu  thun  hatte  er  auch 
genug,  sowohl  mit  der  Zusammenstellung  seines  Krö- 
nungsaktes für  den  Druck  "^),  als  auch  mit  der  Druck- 
legung einiger  Dekaden  seiner  Polyglotta,  die  zwar  schon 
1Ü25  nach  Dresden  geschickt  waren,  aber  lange  auf 
Lager  blieben,  sogar  nach  Wittenberg  gehen  sollten"''), 
endlich  am  15.  März  1627  in  der  Residenz  ferme  sub 
prelo  calent;  noch  1630  wurde  an  ihnen  gedruckt. 

Aber  Schmerz  und  die  kleinen  Sorgen  des  Lebens 
Hessen  den  wackern  Mann  nicht  den  Muth  verlieren. 
Gerade  in  der  Zeit  der  Trauer  arbeitete  er,  wie  um 
sich  zu  zerstreuen,  an  heitern  Stoffen.  Denn  nachdem 
er  das  Geistesleben  und  die  Exercitien  bei  der  Schule 
wieder  in  guten  Gang  gebracht,  will  er  „in  Bedenkung 
seines  ihm  anbefohlenen  Amtes  es  nicht  unterlassen, 
die  Comoedien  wieder  herfürzusuchen".     Dramata  und 


"1)  RP.  13.  Febr.  1627. 

"-)  UFRA.  Beworben  hatte  sich  auch  Bolieinu.-^  aus  Witten- 
berg.    HB.  II.  77—80.  -  i'3)  Ibid.  I.  160. 

"\)  LP.  falsch  6.  Sept.,  vgl.  HB.  II.  112  und  das  Totenbuch 
des  Freib.  Domes.    Darnach  begraben  19.  Okt.  —   "')  Iliid. 

"«)  Ibid.  II.  113.  —  "^)  KP.  10.  Dez.  1627. 

"^)  Siehe  Anhang:  A.  1. 

"")  HB.  U.  99.  100;  98,  203.  186. 


Andioas  Möller.  81 

Comoedien  sind  gar  nützliche  Uebungen,  dadurch  die  stu- 
dirende  Jugend  zu  löblichen  Tugenden,  Meidung  der 
Laster,  zu  zierlichen  Actionen,  frischer  Aussprache,  Ex- 
cülirung  des  Gedächtnisses  und  Unerschrockenheit  bei 
öÖentlichen  Zusammenkünften  zu  reden  aufgemuntert 
wird'-*').  Seit  1G24  hatten  solche  Schulautführungen  ge- 
ruht, und  deshalb  schien  dem  Rath  die  Aufnahme  einer 
alten  lieben  Gewohnheit  recht  angebracht.  Er  gewährte 
für  den  11.  und  12.  August'-^)  eine  Bühne  im  Rathhause, 
denn  dort  im  historischen  Eckzimmer  wurde  ehemals 
immer  Theater  gespielt. 

Nun  aber  Stolfe  schaifen.  Als  Philolog  griff  Möller 
zunächst  zu  Plautus  und  zu  dessen  bestem  Stücke,  der 
Topfkomödie  oder  Aulularia,  die  auch  Meliere  in  seinem 
Geizhals  30  Jahre  später  verwendete.  Da  aber  dgi- 
Schluss  im  Original  bekanntlich  fehlt,  so  benutzte  er  "die 
Bearbeitung  des  Codrus  Urceus,  setzte  auch  vorn  noch 
einen  Akt  aus  Gilda  Sapiens  Britanniens  voran,  fügte 
lateinische  Prologe  und  Argumente  hinzu  und  nannte 
diesen  contaminierten  Brei :  Querulo-Euclio.  Aber  Möller 
kannte  sein  Publikum.  Rathspersonen  mit  holden  Ge- 
mahlinnen und  Töchtern  standen  zu  erwarten,  von  denen 
die  ersteren  ihr  bischen  Latein  gewiss  sehr  zusammen- 
suchen mussten,  die  letzteren  fast  gar  nichts  verstanden. 
Was  thut  er?  Die  lateinischen  Prologe  werden  in  deut- 
scher Sprache  wiederholt.  Dann  füllt  er  die  Zwischen- 
akte nach  Art  des  Satyrdrama  der  Alten  immer  durch 
einen  Akt  aus  einem  kleinen  deutschen  Lustspiel:  Cleaeret, 
das  leichtverständlich  war.  Ein  Sohn  überschreitet  die 
vom  Vater  ihm  gegebenen  Lehren;  Bauern,  die  ihr  ge- 
wöhnliches Sächsisch  reden  ^-■-),  treten  auf,  und  Hiebe 
regnet  es  förmlich.  —  Am  folgenden  Tage  kam  ein  län- 
geres deutsches  Stück  „Areteugenia",  nach  Daniel  Gramer 
bearbeitet,  zur  Darstellung.  (Die  handschriftliche  Be- 
arbeitung desselben  Stückes  von  Burchard  Grossmann 
aus  dem  Jahre  1603  hat  Möller  nicht  gekannt  und  be- 
nutzt. Sie  liegt  in  der  Königl.  Bibliothek  zu  Dresden. 
M.   226.)       Romantisch,    ja    phantastisch    könnte    man 


'-'')  Dedikation  an  den  Rath  vor  seinen  Dramen.    FGB.  X.  4*^.  50. 

1-1)  Vgl.  Ann.  4.n4. 

1--)  Vorrede :  Opitianam  elegantiani  in  germanicis  his  rliytmis 
nemo  a  nobis  hie  exiget.  Verba  personis  accommodauda  erant  et 
idiotismura  uniusvis  observare  Vdlumus. 

Neues  Archiv  f.  S.  (;.  u.  A.     IX.  1.  2.  ß 


32  Keinhard  Kade: 

das  Machwerk  nennen,  dessen  Inhalt  ist,  wie  ein  Ge- 
schwisterpaar in  den  gefährlichsten  Lebenslagen  auf  dem 
Wege  der  Tugend  bleibt.  Um  auch  dies  auf  realem 
Boden  zu  gründen ,  legte  Möller  in  die  Pausen  einige 
ludiones  der  Musen,  Nymphen,  Bergleute,  Bauern  ein, 
die  gesungen  oder  mit  Instrumenten  begleitet  wurden.  — 
Hier  ging  der  Dichter  soweit  in  der  Realistik,  dass  er 
ein  Liebeslied  mit  einem  bisher  nicht  bemerkten  Akro- 
stichon auf  seine  Gattin,  seine  „Kolerin",  gleich  unter 
die  Gesänge  aufnahm  und  nur  ihren  Vornamen  „Salome" 
in  Eugenia  umänderte.     Ganz  artig  klingt  sein  Sang: 

Korn,  kom,  Eugenia  werth, 
Dich  jedermaim  hoch  ehrt, 
Dein  hoklselig  gestalt 
Und  Tugend  mannigfalt 

Mein'n  Sinn  berührt, 

Mein  Herz  inovirt, 
Dein  eigen  will  es  sein. 

0  sieh,  du  schönste  Zier, 
Was  ich  für  Leben  t'ünr! 
Sieh  an  mein  tiaurig  herz, 
Was  es  emptind  für  Schmerz, 

Ich  heul,  ich  wein. 

Ach  werstu  mein. 
Dein  eigen  wollt'  ich  sein. 

Lass  mich,  Eugenia  zart. 
Nicht  in  der  Pein  so  hart. 
Du  kannst  durch  Freundlichkeit 
Verjagen  all  mein  leid. 

Ach  kom  und  eil. 

Ach  hilf  und  heil, 
Dein  eigen  lass  mich  sein. 

Ehrn  will  ich  dich  und  nehrn, 
Mein  huld  gegen  dir  stets  mehrn, 
Was  ich  hab,  das  soll  dein, 
Was  dein  ist,  wird  sein  mein. 

Ich  hoff  in  Freud 

Der  fröhlichen  zeit, 
Mein  eigen  soUtu  sein. 

Recht  wird  alsdann  mein  leid 
Verkehrt  werden  in  Freud, 
Dein  euglein  werd  ich  hahn. 
Mein  hertz  damit  zu  labn. 

Mich  wird  dein  mund 

Machen  gesund, 
Mein  eigen  wird  er  sein. 


Andreas  Möller.  83 

Ich  will  in  ewigkeit 
Nicht  scheiden  von  deiner  seit, 
Mein  Herz  deim  Herz,  mein  händ 
Dein'n  händen  sind  verpfend. 

Du  mein,  ich  dein 

Durch  Gott  allein, 
Mein  eigen  wirstu  sein. 

Kun  kom,  o  kom  bald  an. 
Sonst  ist's  umb  mich  getan, 
Gott  wend'  ab  unser  Leid 
Und  geb'  dir  frohe  zeit, 

Dass  du  allein 

Ohn  falsch  und  schein 
•  Mein  eigen  wollest  sein! 

Ein  ernstes  Zeitstück  über  die  jesuitischen  Be- 
strebungen in  Böhmen  ums  Jahr  1625  genehmigte  der 
Rath  aus  begreiflichen  Gründen  nicht  zur  Aufführung  ^-•^j. 
—  Die  Arbeit,  die  Möller  oblag,  besonders  bei  der  kurzen 
Zeit  der  Einstudierung,  war  erstaunlich.  „Verum  moro- 
sissima  illa  dramatum  cui^a  me  mihi  quasi  subtraxit"^-^). 
Aber  der  Beifall  belohnte  die  Anstrengung.  An  nichts 
hatte  man  es  für  die  „Herren  Schüler"  fehlen  lassen, 
und  1  Thaler  12  Groschen  kostete  allein  der  Flachs  für 
die  Perücken  ^^■^). 

Nach  solchen  Erfolgen  konnte  Möllers  Ruhm  in  Frei- 
berg als  gesichert  erscheinen.  Hoch  und  niediig,  jung 
und  alt  bat  ihn  in  allen  wissenschaftlichen  Fragen  um 
Auskunft  und  keinem  versagte  der  eifrige  Mann  seine 
geistige  Hilfe.  Studenten,  Hochgelahrte,  Niedriggestellte, 
sie  galten  ihm  alle  gleich,  und  jeder  Brief  fand  meist 
schon  am  selbigen  Tage  Erledigung^"-''). 

Wir  wissen  nun  aus  den  Jahren  1629  — 1630  nicht 
viel  direktes.  Wir  erfahren  nur,  dass  er  einmal  an  einem 
heftigen  Herzleiden,  dem  Vorboten  spätem  Unwohlseins, 
erkrankte^"-''),    dass  er  sich   schon  damals  mit  geschicht- 


123)  De  ilvii^iuati  Jebusitarum.  Vgl.  meine  Angaben  im  Freib. 
Osterprogr.  1886.  S.  26.  u.  MFA.  23,  17. 

1-^)  HB.  II.  139.  —  1-'^)  Vgl.  Freib.  Progr.  1886.  S.  26. 

i26j  Vgl.  die  hochbedeutende  Möller  sehe  Briefsammlung  in 
Hamburg,  die  hier  zum  ersten  Male  für  Möllers  Leben  verwerthet 
wii'd.  Für  die  gütige  Erlaubnis  dazu  sage  ich  der  Hamb.  Stadtbibl. 
meinen  besten  Dank. 

1-')  HB.  II.  154.  25.  April  1629  an  Thorschmied:  „ingenti 
y.aoöah/ia  heri  laborabam".  Spätere  Nachschrift :  „Me  et  virum  hunc 
sapientissimum  maluiu  illud  fefellit,  quod  tamen  postea  signi.s  clari- 
oribus  se  meu  cum  malo  exseruit." 

6* 


34  Reinhard  Kade: 

licher  Erforschung  einzelner  altfreibergischer  Geschlechter 
beschäftigte^-**),  dass  ihm  sein  etwas  unsolider  Bruder 
Peter^-**),  für  den  er  die  verschiedenartigsten  lateüiischen 
Gesuche  schrieb,  viel  Sorge  machte  Wii'  hören  ferner, 
dass  er  pro  maioribus  discipulis  iiiforniatorii  seine  ,,ableg- 
mina  logica"^=^^j  um  diese  Zeit  drucken  liess^=")  und  auf 
x\inathen  seiner  Freunde  seine  „epistolae  philologicae" 
sammelte  und  in  Ordnung  brachte  zur  Veröffentlichung, 
die  aber  leider  nie  erfolgen  sollte^  ='"-).  AVir  vernehmen 
endlich,  dass  er  zum  Jubelfest  der  Augsbuigischen  Kon- 
fession auf  Anrathen  vieler  Hochgestellten  eine  Rede  in 
Prosa  am  28.  Juni  1630  hielt,  die  den  Titel  führte:  de 
mirando  effectu  primam  Augustanae  confessionis  promul- 
gationem  consequente^-^'').  Es  war  dies  für  lange  Zeit 
der  letzte,  hochfeierliche  Tag  für  die  Schule,  den  er 
durch  seine  Rede  denkwürdig  machte.  Dieselbe  führte 
erst  in  die  Zeit  vor  dei-  Reformation  zurück  und  beleucli- 
tete  dann  die  Jahre  um  1537,  als  der  neuen  Lehre  die 
Kirchen  Freibergs  sich  öffneten. 

Aber  oft  sind  die  Jahre  eines  Mannes  die  arbeit- 
reichsten und  fruchtbarsten,  von  denen  wir  verhältnis- 
mässig wenig  Avissen.  So  auch  hier.  Denn  Andeutungen 
verrathen  uns,  dass  sich  seit  1628  sein  Geist  auf  ein 
neues  Ziel  richtete :  Freibergs  Geschichte  zu  ertbrschen 
und  zu  beschreiben,  weil  ihm  von  den  Inspektoren  der 
Schule  aufgetragen  war,  „nt  aliquid  de  situ  Freibergae 
publici  juris  faceret"^-"^).  Er  erkundigt  sich  zu  dem  Ende 
bei  Licent.  Müller  und  Avianus  in  Leipzig  über  die  geo- 
graphische Lage  Freibergs '^'^j,  will  von  Raspius  erfahren, 
wann   der  Freiberger  Rektor  P.  Mosellanus  Professor  in 


^-ä)  HB.  II.  151.  Cum  vero  Buchführeroruin  vitae  cursum 
scire  pervellem. 

'■'»)  Ibid.  II.  163:  „er  soll  zieinlicli  auffgeborget  und  wacker 
/.um  Dameu  gegangen  sein."     Aus  Dresden  von  Joli.  Einer.  1629. 

'•*;  So  der  richtige  Titel;  weder  „ableganiiua"  (Waguer  Series 
collegarum  Freiberg.  1715)  noch  „absegmiua"  sind  beglaubigt. 

'"')  Ibid.  193.  Vollst.  Titel  siehe  Anhang.  Er  wohnte  bei- 
läutig  an  den  Cal.  Oet.  1630  „iu  aedibus  socrus  (Köhlerin)  ob  oertas 
causa.s,  a  libris  sejunctus,  ]am  tertium  mensem." 

'"-)  Nach  HB.  IL  203  (10.  Sept.  1030)  tiele  die  Sammlung  dieser 
Briefe  ius  Jahr  1629:  ,quas  ante  annum  elaboravi".  Nach  den 
Notizen  in  HB.  IV.  fol.  i  b.  und  Brief  82  gehört  die  Kollektion  ins 
.lahr  1628.     Siehe  Anhang:  B.  I,  4. 

'*')  Aiui.  459  (29.  Juni)  vgl.  HB.  II.  203,  217  u.  Anhang:  A.  4. 

'•")  HB.  II.  198.  6.  Dez.  1630;  vgl.  IV.  91.  —  '•■•)  Ibid.  201. 


Andreas  Möller.  85 

Leipzig  worden'-'"):  kurz,  totus  est  in  descriptione  Frei- 
bergae.  Vor  allem  aber  sucht  er  sich  in  Freiberg  selbst 
die  Quellen  zu  erschliessen.  Um  aus  der  älteren  Raths- 
matrikel  einiges  zu  excerpieren  oder  in  den  Kopf  zu 
bringen''''),  benutzte  er  das  Rathsarchiv,  freilich  an- 
fangs nur  stundenweise  und  unter  Aufsicht  eines  Raths- 
herrn  und  der  Kämmerer.  Aus  diesen  Studien  ergaben 
sich  zunächst  genauere  Aufzeichnungen  über  einzelne 
Punkte,  werthvoll  für  Freiberg.  Aber  die  Aufgabe  ver- 
tiefte sich.  Ein  flüchtiger  Gedanke  von  einem  allgemeinen 
„Theatrum  Fribergae",  in  der  Vorrede  seiner  Dramata 
1628^"^)  einmal  geäussert,  gewann  an  Gestaltung,  und 
schon  1630^"^^)  schreibt  er  an  den  Altenburger  Rektor 
Clauder:  „Totus  sum  in  adornando  Theatro  meo."  Nur 
rückte  die  Ausarbeitung  immer  weiter  in  die  Ferne,  je 
mehr  Quellen  er  fand. 

Dazu  zählte  aber  in  erster  Linie  die  alte  Schul- 
bibliothek,  die  ihn  mit  einemmale  gefangen  nahm. 
Früher  hatte  sie  im  Dome  gesteckt,  dann  war  sie 
in  das  Gymnasium  gebracht,  einigemal  auch  oberfläch- 
lich aufgezeichnet^*"),  doch  seit  1611  mehr  als  20 
Jahre  ganz  geschlossen  gehalten.  Möller  entdeckt  die 
Schätze^  sieht  die  Verwahrlosung  und  w^iss  einige  „lite- 
rati"  zu  einer  Bitte  beim  Rath  um  Wiedereröönung  zu 
bewegen  ^*^).  Es  wird  ein  Schultag  unter  Gensreffs  Vor- 
sitz abgehalten;  man  kommt  zu  der  Einsicht,  dass  die 
alte  Unordnung  einzig  und  allein  daher  entstanden  sei, 
dass  keine  bestimmten  Bibliothekare  eingesetzt  gewesen 
seien  und  beschliesst,  dass  Georg  Plattner,  der  Stadt- 
richter, und  der  Konrektor  Andr.  Möller  zu  Bibliothe- 
karen geordnet  Avürden  ^^■■^) :  sie  sollten  alles  in  Recht 
und  Richtigkeit  bringen  und  Averden  am  14.  November 
1630  als  bibliothecarii  bestätigt. 

Mit  diesem  Tage  schliesst  der  erste  Theil  des  Möl- 
lerschen  Lebens.  Lassen  auch  w^eiterhin  die  faktischen 
Angaben  über  seinen  Lebensgang  nach,  so  können  wir 
doch  aus  den  Ergebnissen  folgern,  dass  die  zweite  Hälfte 


13Ö)  HB.  II.  202  u.  185.  —  i")  jijid   205.  29.  Nov.  1630. 

13S)  30.  Jul.  1628  „wie  ich  in  meinem  Freib.  Theatro  künftig 
mit  mehreren  berichten  werde". 

^^■>)  So  in  HB.  II.  205,  wo  sich  aus  dem  Antwortschreiben 
Clauders  vom  16.  Jan.  1631  nur  1630  erschliessen  lässt.  Falsch  da- 
tiert mit  1632  in  HB.  IV.  93.  —  i")  Vgl.  Chr.  129. 

1*^)  Elenchuri.     Vgl.  Anhang;  Freiberg  a.  4.  —  "-;  Ibid. 


gß  l^einhard  Kade: 

nicht  minder  reich  (hnch  wissenschaftliche  Arbeit  ausge- 
füllt gewesen  sei,  als  die  erste.    Zunächst  hiess  es  Biblio- 
thekar sein.     Gross  war  die  Sammlung  noch  nicht:    9G7 
Stück    umfasste    sie.      Das    alte,    hintere  Konklave   der 
Schule   reichte   aus.     Dahin    wurde   dieser  Stamm  auch 
gleich  im  März  1631  transferiert  und  viel  „Rohmaterial" 
eingebunden.    Das  Geld  ergab  der  Verkauf  alten  Perga- 
ments aus  Büchern,  die  theils  defekt  und  unvollkommen, 
theils  von  geringer  Wichtigkeit  waren'*'").     Nun  aber  die 
Hauptsache:    der  Befund  musste  verzeichnet,  die  zweimal 
vorhandenen  editiones  abgesondert  und  die  andern  alle  in 
10  ordentliche  Klassen  abgetheilt  und  in  einen  gewissen 
Katalog    gebracht    werden.     „Der    eine    Bibliothecarius 
hat  aus  gutem  Willen  und  dem  bono  publico  zum  besten 
diese  langwierige  Mühe  auf  sich  genommen"  ^^^) :  der  Un- 
genannte war  Möller.    Kaum  war  der  Originalkatalog  in 
Ordnung,  so  liess  er  3  Abschriften  anfertigen,  deren  eine 
dem  Superintendenten,  die  andre  dem  Rath  überantwortet 
wurde,  die  dritte  der  Bibliothek  verblieb  ^^■^).   Täglich  ein 
bis  zw^ei  Stunden    setzte   er  für  diese  „indigesta  moles" 
an^^")  und  kämpfte  mit  Motten  und  Würmern  bis  in  den 
Sommer  1631   hinein,    „obwohl   das  Corpus    immer    noch 
ziemlich    schwach    war".     Man  interzedierte  deshalb  bei 
Gelehrten   und  andern  vornehmen  Leuten  um  eine  milde 
Beisteuer^'');  man  erinnerte  an  die  Verdienste  derer,  die 
früher  der  Bibliothek  auf  eigene  Kosten  redlich  geholfen 
und  den  Werth  der  Bücher  erkannt  hatten.     Eine  Tafel 
habe   man  jetzt   aufgehängt,    darauf   die  Namen   dieser 
Förderer  zu  lesen.    Diesen  Brief  an  den  Adel  der  Stadt 
verbreitete  man  durch  den  Druck  ^^*^);    doch  hatte  er  bei 
den  „turbis  bellicis''  des  oOjähr.  Krieges  wenig  Wirkung. 
Daher  denn   ein  Buch  mit  der  gleichen  Aufforderung  in 
lateinischer   und   deutscher  Sprache   umlief,    die  Bürger 
sollten  doch  etwas  verehren,   damit  die  Bibliothek  wirk- 
lich ein  castellum  et  armamentarium  doctrinae  werde  ^*''). 
So  gelang  es,  etliche  schöne  autores  einigen  Gönnern  der 
Wissenschaft  zu  entlocken  und  im  Oktober  die  Bibliothek 
in  neuer  Ordnung   mit   einem  Anfangsbestand  von  1079 
Werken  zu  eröff"nen. 


143)  Ygl.  N.  Archiv  für    ältere  deutsche  Gesch.-Kuude  5,  210. 

i'i)  Elenchus.  —  'i')  Alle  vier  in  der  FGB.  —  "")  HB.  U.  217. 

"^)  Ibid.  n.  215-,  vgl.  Eleuchus.  —  "^)  Ibid.  II.  216. 

"»)  Douatorenverz.  21.  Sept.  1631. 


Andreas  Möller.  87 

Für  all  die  Arbeit  bat  Möller  um  einen  Schrägen 
hartes  Holz  ^''^^)  und  erhielt  darauf  zur  Antwort:  „obwohl 
der  Rath  in  willens  gewesen,  ein  Jahr  mit  Verehrung 
des  Holzes  zurückzuhalten,  damit  nicht  ein  Recht  draus 
gemacht  werde,  er  aber  dennoch  den  Catalogum  über 
die  Bücher  in  der  Bibliothek  mit  ziemlicher  Mühe  und 
Arbeit  gefertiget,  so  soll  ihm  deswegen  1  Schrägen  holzs 
verehret  werden." 

Solche  Knausrigkeit  erklärt  sich  aus  der  bedrängten 
Kriegslage  Freibergs,  die  alle  Kassen  erschöpfte.  Die 
armen  Schuldiener  wurden  in  den  berüchtigten  „Schrecken- 
bergern"  ausgezahlt,  die  weder  Fleischer  noch  Bäcker 
für  voll  nehmen  wollte.  Klagen  um  Änderung  fanden 
den  trostlosen  Bescheid:  „anderes,  besseres  Geld  sei  nicht 
vorhanden".  Nun  auch  noch  der  schreckliche  Krieg, 
Missernten,  Stockung  allen  Handels,  Einquartierung, 
Blockaden,  Drangsale:  wie  sollten  es  die  Kämmerer 
möglich  machen,  die  Beamten  richtig  zu  besolden?  „Man 
solle  sich  gedulden",  lautete  das  ewige  Echo  aus  dem 
leeren  Säckel.  Dieser  Missstand  traf  gerade  unsern 
Möller  besonders  schwer,  wenn  auch  in  seinen  Druck- 
werken nie  eine  persönliche  Klage  unterläuft.  Wie  von 
selber  reifte  von  jetzt  ab  der  Gedanke  in  ihm,  aus  seinen 
medizinischen  Studien  Kapital  zu  schlagen  und  nach  und 
nach  die  Schule  abzuschütteln.  Schon  um  die  Wende 
des  Jahres  1631^-^^)  schreibt  er  an  Zacharias  Brendel, 
Med.  Doct.  et  Profess.  in  Jena,  und  fragt  für  einen 
Freund,  unter  dem  er  sicherlich  sich  selbst  versteht,  ver- 
stohlen an,  ob  man  zum  medizinischen  Doktorexamen  wohl 
zugelassen  werden  könne,  wie  die  Prüfung  gehandhabt 
werde  und  mit  wie  viel  Kosten  sie  verbunden  sei.  Doch 
vorläufig  drohte  ja  noch  nicht  das  äusserste:  die  Zahl 
seiner  Schüler  war  noch  so  gross,  dass  er  keinen  mehr 
an  seinen  Tisch  oder  in  Wohnung  nehmen  konnte  ^■'^-). 
Nun  kam  aber  die  erste  Beschiessung  der  Stadt,  kam 
die  unsägliche  Angst,  das  Elend  und  Verderben^'^'^),  kam 
grosse  Trauer  in  Möllers  Haus.  Die  Mutter  seiner  Frau 
hatte  den  Kriegslärm  nicht  mehr  erlebt;  drei  Wochen 
darauf  gebar  ihm  seine  Salome  fast  noch  unter  dem  Don- 
ner der  kaiserlichen  und  schwedischen  Kanonen  ein  totes 


1^)  RP.  30.  Nov.  1631. 

151)  HB.  III.  1.  -  152)  Ibid.  III.  3. 

"3)  Ann.  483. 


83  Ileinliard  Kadc: 

Sölinleiii,  und  Aveiiige  Tage  liernacli  erlag  auch  sie  (17. 
Oktober).  Am  21.  Oktober  1632^-^^)  begrub  er  sie  auf 
dem  grüuen  Kirchhof  nahe  bei  der  Unterthür^ '•'•).  Wieder 
eine  tiefe  Wunde:  keine  Zeit  kann  aus  seinem  Herzen 
die  Erinnerung  an  ein  Weib  von  so  seltener  Tugend  Meg- 
tilgen ''•"),  nicht  genug  kann  er  das  thränenfeuchte  Antlitz 
abtrocknen,  kaum  den  Geist  aus  der  ersten  Bestürzung 
zurückrufen^"'^).  Ein  Grablied  dichtet  er  ihr,  nennt  sie 
„cordis  gemmula  chara  sui",  „tu  melligo  mei  vitaque  cordis 
eras".  Zugleich  gedenkt  er  wieder  an  den  Tod  sehies 
Vaters  und  an  das,  was  er  damals  aufgeschrieben,  trägt 
mancherlei  nach  in  diesen  Andrealia^^^)  und  schreibt 
es  aufs  neue  um,  damit  sein  Bruder  Peter  sich  dran  er- 
freue. In  so  ernster  Stimmung  hört  er,  dass  der  Tod 
auch  die  Frau  seines  besten  Gönners  und  Freundes  Thor- 
schmied ereilt  habe  (7.  Mai  1633)  und  fühlte  die  frische 
Wunde  schmerzlich  aufgerissen^'''-').  Da  lag  denn  aller 
Schaifenstrieb  darnieder  und  nur  für  der  geliebten  Gattin 
Ehrengedächtnis  bittet  er  die  Freunde  um  poetische 
Gaben,  sie  im  Drucke  alsbald  herauszugeben^''").  Sein 
Trost  blieb  ihm  sein  Briefwechsel  mit  gelehrten  Männern. 
Ein  glücklicher  Zufall  hat  uns  aus  dieser  Zeit  ein  hüb- 
sches Heft  mit  13  solcher  gelehrter  epistolae  in  Abschrift 
erhalten^.'").  Welche  Vielseitigkeit  entfaltet  er  darin 
allein.  Über  die  „Schatten"  schreibt  er  in  flüssigem  La- 
tein an  Gensreif,  über  die  „Erdschwämme"  an  Gabriel 
Wagner,  über  den  „Ursprung  der  Metalle"  an  Paul  Rein- 
hold  in  Würzen, 

Es  ist  eine  bei  leidenschaftlichen  Menschen  häufige 
Erscheinung,  dass  sie  ein  jäher  Schmerz  zwar  tief,  aber 
nicht  garzulange  bewegt.  Es  klingt  fast  unglaublich,  wie 
sich  schon  im  Juli  des  Jahres  1633  die  Studenten  in 
Wittenberg  erzählen  konnten,  Möller  gehe  wieder  auf 
Freiers  Füssen^""-),  Möller  selber  leugnete  seinem  Zög- 
ling David  Gensretf  gegenüber:  de  sponsalibus  meis  falsus 
es;  annus  luctus  mei  nondum  est  completus^'''''),  somnia  sunt. 
Und  doch  war  es  so!  Des  Arztes  Thorschmied  zweite 
Tochter  Regina  hatte  es  ihm  angethan  und  um  sie  hielt 

1'^)  LP.  falsch:  2ö.  Nov.  1633.  Dies  ist  vielmelu-  der  2.  Hoch- 
zeitstag. —  ^^^)  Vgl.  Totenbuch  des  Doms. 

i'"ö)  HB.  111.  17.  -  "'-')  Ibid.  IV.  97.  —  '"^)  Ibid.  i\.  9S.  — 
i"^»)  Ibid.  III.  13.  —  1««)  Ibid.  III.  5. 

^"i)  Vgl.  Anhang:    Freiberg  a.  2. 

'"•^)  David  Gcnsreft-,  C.  Lincke.    HB.  lli.  9.  U.  —  '^")  Ibid.  10. 


Andreas  Möller.  89 

er  im  August  feierlichst  in  einem  feinstilisierten  latei- 
nischen Briefe  bei  dem  Vater  an^ "'^),  da  er  sich  mehr  mit 
der  Feder  als  mit  der  Zunge  getraut.  „Was  nicht  zu 
ändern,  muss  der  Mensch  ertragen.  Drum  hab"  ich  es 
für  nicht  gottlos  erachtet.  Avenn  ich  dem  heiligen  Na- 
turgesetz folge  und,  wie  Welle  auf  Welle,  die  alten  Sor- 
gen durch  neue  vertreibe.  Zu  lieben  nämlich  halt'  ich 
angefangen  Eure  Tochter  Regina,  ein  reizendes  und  be- 
scheidenes Mädchen,  und  ich  liolfe,  Gott  wird  mir  durch 
sie  eine  rechte  Linderung  meines  Leids  geben"  ^"'^).  Nur 
des  Vaters  Zustimmung  miichte  er  zunächst  haben,  damit 
er  nicht  etwa  zum  allgemeinen  Gelächtei'  werde,  umso- 
mehr,  als  ja  das  Trauerjahr  noch  nicht  zu  Ende.  —  Wir 
haben  ein  Schreiben  Thorschmieds  nicht :  aber  er  gewährte 
den  Wunsch.  Schon  Hess  Möller  sich  in  Pegau  auf- 
bieten^''*^), schon  war  die  Hochzeit  für  den  15.  Oktober^"'') 
anberaumt:  da  starb  plötzlich  der  berühmte  Thorschmied 
und  machte  alle  Pläne  zu  nichte.  Den  Helfer  und  Rather, 
den  Freund  und  Vater  hatten  sie  verloren;  nun  blieb  wieder 
weiter  nichts,  als  Grabgedichte  zu  machen,  und  in  zwölfen 
derart  beruhigte  sich  sein  Gram^*^^).  Dann  fand  im 
Hause  Thorschmieds  ^*^'')  die  stille  Hochzeit  am  25.  Nov. 
1633  nachmittags  um  4  Uhr  statt,  bei  der  sie  der  alte 
Freund  Gensreff  ein  segnete  ^^").  Der  Rath  hatte  dem 
Hochzeiter  „drei  Eymer  Wein  zu  seiner  Wirtschaft  steuer- 
frey  passiren  zu  lassen  verwilliget"  ^^^). 

Kaum  wieder  zur  Ruhe  gekommen,  strengt  er  alle 
seine  Kräfte  im  Dienste  der  verkommenden  Schule  an, 
deren  Schüler  durch  die  feindlichen  Einfälle  theils  vom  Stu- 
dieren abgeschreckt,  theils  und  zwar  die  meisten  verjagt 
worden  waren  ^"-).  Die  Erklärungen  der  principia  physica 
und  sphaerica  für  die  maiores,  wie  auch  die  lectiones  he- 
braeae  wollten  nicht  mehr  verfangen,  und  Literesse  konnte 
nur  noch  durch  die  rhetorischen  Lectionen  erweckt  Averden. 
Diese  betrieb  er  mehrere  Jahre  hindurch  mit  regem  Eifer, 
mid  ein  Heft  von  ihm  lässt  uns  einen  guten  Einblick 
thun"").  Er  erläutert  darin  die  rednerischen  Regeln 
durch  Beispiele,  handelt  über  die  Chrie,  kommt  auf  das 
genus    didascalicum,    demonstrativum,  judiciale   und  gibt 


1")  HB.  17.  —  «0  Ibid.  —  i«ß)  Ibid.  III.  18.  -  '«t)  ibid.  III.  f.  48. 
i«8)  LP.  Band  11.  der  FGB. 

^*'^)  „Adhuc  in  aedibus  soceri  piae  memoriae  haereo".  HB.  III.  22. 
"0)  Ibid.  III.  19.  —  "»)  RP.  17.  Nov.  1633.  —  "^j  Chi'.  309. 
"")  Collegium  rbetoricum.    Vgl.  Anhang:    Freiberg  a  3. 


90  Koiiihard  Kade: 

iiniiier  zu  jedem  Abscliuitt  allerliebst  disponierte  Themata, 
ja  selbst  eine  deutsche  Ausarbeitung,  „ob  einem  Christen 
zuzulassen  sei,  über  andere  zu  herrschen".  Ein  höchst 
schätzenswerthes  Heft,  auf  das  noch  kein  neueres  Ge- 
lehrtenauge gefallen  ist. 

Die  übrige  Zeit  füllten  Geschichtsstudien  aus,  die 
ihn  tiefer  und  tiefer  in  die  Vergangenheit  Freibergs  ver- 
sinken Hessen.  Neben  den  „Euchführern"  lockten  ihn 
die  „Molsdorflfs  genannt  von  Weller",  deren  Alm  Hiero- 
nymus,  der  Freund  Luthers,  gewesen  war.  Aber  ein 
Buch,  wie  manche  glauben,  hat  er  über  sie  nicht  ge- 
schrieben, am  wenigsten  dasjenige,  welches  den  Titel 
trägt:  „Historie  von  dem  alten  . . .  Geschlechte  derer  von 
Molsdorf..  .'*  Irrthümlich  geht  es  unter  Möllers  Namen ^■*) 
und  soll  noch  überdies  ein  „autographum  auctoris"  sein. 
Eine  x4.bschrift  ist's  nach  dem  gleichnamigen  Druck  des 
Cyriacus  Spangenberg  ^ '■'•),  die  Theophil  Lehmann  (f  11. 
Okt.  33),  Amtsprediger  an  St.  Nikolai,  auf  Wunsch  dem 
forschenden  Möller  hatte  anfertigen  lassen ^■'^).  Nur  die 
zahlreichen  Randbemerkungen  und  Beilagen  rülu'en  von 
Möller  her,  die  meist  aus  dem  Freiberger  Rathsarchiv 
geschöpft  sind^"),  und  das  einzige,  was  aus  dem  Büch- 
lein herausspringt,  beschränkt  sich  darauf,  dass  Möller 
um  diese  Zeit  sich  viel  mit  den  Gentes  Freibergenses 
beschäftigt  hat.  Das  bestätigen  auch  die  übrigen,  un- 
endlich fleissigen  Materialien '"'').  Gaben  doch  die  Genea- 
logien der  alten  Familien  auch  den  besten  Stamm  zu 
einer  eingehenden  Stadtgeschichte.  Von  solchen  histo- 
rischen Stadtforschungen  zeugt  auch  ein  Brief  an  Dav. 
Quellmalz  und  Joh.  Kraft,  denen  er  —  sicher  um  1633 
—  auslülirlicher,  als  es  früher  auf  Antrieb  der  Scliul- 
inspektoren  hatte  geschehen  können,  über  die  Lage  und 
die  alten  Einwohner  Freibergs"'-*)  berichtete. 

Aber  schlechter  wurden  die  Zeiten.  Die  Bibliothek 
warf  so  wie  so  nichts  ab.  „Die  Schule",  so  klang  es 
aus   unterschiedlichen   Kreisen,   „war   anjetzo   auch   gar 

1")  Halle.  Bibl.    Vgl.  FGN.  1801.  25.  Juui.  —   ^'■^)  Erfurt.  1590. 

"")  Vgl.   einen  Zettel  Lehmanns   in  dem  Hallens.  Exemplar. 

"')  Sie  setzen  Thorschmieds  Tod  voraus,  also  nach  22.  Sept.  1633. 

"*)  Ponick.  Bibl.  in  Halle  u.  Dresdener  Bibl.     L.  380. 

1"»)  Malle  Hist.  Q.  72  =  SVN.  I.  97.  Hier  wird  er  „lange 
vor  1652"  datiert.  Der  darin  zitierte  Brief  M's.  an  Piscator,  den 
Klotzsch  vermisst,  das.  S.  106,  befindet  sich  HB.  I.  210—212  = 
IV.  29—31. 


Andreas  Möller.  91 

Übel  bestellet."  Sie  drohte  einzugehen.  Der  Rektor  war 
ein  Greis  von  72  Jahren.  Die  Besoldung  blieb  aus.  So 
erwog  Möller  denn,  ob  er  nicht  wirklich  ganz  zur  Medi- 
zin übergehen  und  sich  durch  ein  Universitätsexamen  die 
Erlaubnis  des  Praktizierens  verschaffen  sollte.  Freunde 
riethen  ihm  allseitig  zu  und  empfahlen  Jena,  das  mehr 
Anknüpfungspunkte  für  ihn  bot,  als  Leipzig,  avo  die  me- 
dizinischen Gelehrten  aus  Möllers  Studentenzeit  das  Zeit- 
liche bereits  gesegnet  hatten.  Mit  dem  Professor  Medi- 
cinae  Brendel  in  Jena  stand  er  überdem  schon  in  Be- 
ziehung^""^) und  der  Dekan  Werner  Rolfinck  schien  ein 
gemütlilicher  Mann.  Nachdem  auch  schon  alles  einge- 
leitet und  von  dem  berühmten  Sennert  in  Wittenberg  ein 
Attest  eingeholt  war^*^),  sollte  die  Promotion  gegen  Ende 
163.5  vor  sich  gehen'*-).  Wieder  stellten  sich  ungeahnte 
Schwierigkeiten  entgegen.  Kriegstrubel  machte  die  Wege 
ungangbar,  so  dass  Möller  erst  „zur  nächsten  Leipziger 
Messe"  (1636)  hoff'te,  seinen  Zusagen  nachkommen  zu 
können.  Diese  Hoffnung  zerstörte  grausam  der  Tod 
seiner  geliebten  Mutter,  die  sich  bei  Möllers  Bruder 
Peter,  damaligem  Pastor  in  Grünborg '^•^),  aufhielt  und 
als  Witwe  kümmerlich  die  letzten  Jahre  verlebt  hatte  ^*^). 
Wenig  mochte  ihn  da  die  Geburt  eines  kleinen  Mädchens 
erfreuen,  das  sicherlich  nur  noch  mehr  häusliche  Unruhe 
brachte ^^■'').  Verschoben  also  musste  die  Promotion  wer- 
den: im  Herbst  (1636)  sollte  sie  nunmehr  stattfinden. 
Aber  als  hätte  sich  alles  verschworen,  so  brach  jetzt  die 
Pest  in  Jena  aus  und  ging  heftig  um'-*^).  „Omnia  ergo 
dilata  sunt  usque  ad  sequentis  anni  mensem  primum." 
Doch  nochmals  sperrten  Kriegswirren  den  Weg  und  er 
sieht  nicht  ab,  wie  er  zum  Johannisfeste^'^')  nach  Jena 
gelangen  soll,  wünscht  vielmehr,  man  möge  ihn  in  ab- 
sentia  promovieren,  was  in  früheren  Fällen  zuAveilen  ge- 
nehmigt worden  sei.  Darauf  ging  die  Fakultät  nicht  eüi, 
setzte  ihm  aber  den  Dezember  als  Termin.  Endlich  war 
alles  in  Ordnung,  selbst  eine  Erleichterung  von  den  Arbeiten 
der  Schule  erreicht^*'').  Nur  der  Geldpunkt  machte  Kopf- 
zerbrechen, und  unterm  4.  Okt.  1637  heisst  es  im  Raths- 


i«o)  HB.  III.  1.  —  181)  Ibid.  III.  39.  40.  —  1«-)  Ibid.  33:  „actum 
indictum  audio". 

^'^^)  „sub  inspectione  Waldheimensi".    'JpTintl. 

>«^)  HB.  IL  173.  (t  18.  März  1636.)  A^gl.  ibid.  III.  34.  35.  — 
185)  Ibid.  III.  35.  (geb.  30.  März.)  —  '«s)  Ibid.  III.  37.  —  i«^)  Ibid. 
III.  44.  —  "^)  Ibid.  III.  44. 


92  Rcinlianl  Kade: 

Protokoll :  „Hrn.  Aiidreae  Müllers  schreiben,  darinnen  er 
zu  seiner  proniution  etwas  vom  Gelde  nffgekiindigt,  ist 
den  Hrn.  Cänimei-ern  übergeben  und  ))efohlen  worden,  so. 
viel  möglich  ihme  etwas  zu  entrichten  und  nicht  zu  hin- 
dern". Zum  Dank  dafür  sah  er  sich  veranlasst,  den 
Eath  zu  seinem  Doktorat  (nnzuladen^^")  und  bekam  die 
]öl)liche  Rückantwort:  „Man  soll  an  Hrn.  Petr.  Gardina- 
vium  in  Jnridica  facnltate  schreiben,  dass  er  an  des 
Raths  Statt  als  ein  Gesandter  erscheinen  wolde  und  den 
Doctorand  zu  ehren  dem  Acte  beiwohnen,  mit  Vertröst- 
ung, das  wegen  des  Presents  Ihme,  wenn  er  wieder  an- 
hero  mit  Gott  gelanget,  die  Rechnung  —  wegen  Un- 
sicherheit auf  der  Strassen  —  alliier  überantwortet  wer- 
den solle." 

Den  Verlauf  der  Promotion  schildern  am  besten  die 
Eintragungen  in  den  Papieren  der  Jenaer  medizinischen 
Fakultät  unter  dem  Dekanat  W.  Rolfincks^'*"),  in  denen 
er  merkwürdigerweise  mit  dem  Vornamen  seines  Onkels 
als  Johannes  Müller  auftritt. 

a)  Erste  Notiz  vom  4.  Novbr.:  JI.  Johannes  MULLERUS 
olim  rector^"')  et  orientalium  linguarum  scientissimns,  nunc  practicus 
Freibcrgensis  nomeu  iledit  facnltati.  examina  sustinuit,  doctriuam 
suam  practicam  et  theoreticam  uberrime  declaravit.  Cum  autem 
difficultate  nuditns  laboraret,  loco  disputationis  publicae 
elegantem  habuit  in  auditoiio  maiori  orationem  de  contagio  *"-). 
Tres  candidati  ordinariam  pecuuiam  statutis  praettxam  promti  ex- 
solvere.  Ut  autem  innotescat,  qnibus  rationibus  permota  Facultas 
medica  consultnm  aestimavit,  Mullero  ....  a^isignare  orationem  in- 
auguralem  loco  disputationis  publicae,  adnotai'e  licet,  quod  commu- 
nicata  res  cum  Magnifico  Rectore  et  seuatu  Academico  senatu  ('?) 
placuerit "  —  b)  Z^veite  Notiz  vom  11.  Dez.:  „J.  Mullerus  .  .  . 
G.  Heinsius  .  ,  .  H.  Psancns  .  .  .  M.  Stösselius.  .  .  .  A.  Birnbaum 
renunciati  sunt  publice  in  doctores  medicinae  .  .  Sumtus  uumerales 
et  convivales  tenues  fuerunt:  qnilibet  doctor  novellus  expendit  25 
imperiales. " 

Zum  z weitenmale  Doktor,  kehrte  er  wegen  Geld- 
mangel direkt  über  Zeitz  und  Rochlitz  nach  Freiberg 
zurück  und  traf  hier  wohlbehalten  am  20.  Dez.  ein^^^). 

Ungeheurer  Ruhm  zog  mit  ihm  in  Freiberg  ein.  So 
etwas    war   seit   urdenklichen  Zeiten    nicht   dagewesen. 


"»)  HP.  6.  Dez.  1637.  —   '•")  4.  Aug.  1637  bis  Febr.  1638. 

^"^j  Falsch:  conrector. 

^"2)  Grübler,  Totengr  1.  266:  „de  c.  pestilentiali".  In  HB. 
III  47  noch  eiue  „resolutio  Aphorismi  lect.  5  in  examine  memoriter 
recitata"  u.  eine  quaestio  „de  usu  metallorum  in  medicina". 

'"■•)  HB.  III.  52. 


Andreas  Möller.  93 

Alles  sprach  von  dem  Ereignis,  Ein  junger  Student,  der 
älteste  Sohn  des  Domkantors,  Christoph  Demantius, 
fühlte  sich  zu  einem  Gedichte  ^^^)  begeistert,  in  welchem 
er  den  neuen  Doktor  mit  dem  alten  Hippokrates  verglich. 
Ein  Akrostichon  auf  „Andreas  Müller  D.",  das  ich  glück- 
lich entdeckte,  lässt  keinen  Zweifel  aufkommen,  wer  ge- 
meint sei  mit  den  Lobpreisungen,  die  den  Geschmack  des 
XVn.  Jahrhunderts  nur  zu  deutlich  an  der  Stirn  tragen : 

,[AJ  Niemand  ergrieff  an  Ihm  so  leicht  ein  fehlerlein, 

Von  der  A'ollkommeiiheit  war  er  genommen  ein. 
Die  gantze  Wissenschaft  war  gleich  Personen  Lenge, 

Proportion  bestund  in  seiner  Glieder  Menge, 
Raus  glintzerten  aus  ihm  des  Wissens  Aedeilein, 

Sein  gantzer  Leib,  der  roch  nach  der  Medusen  Wein. 
Er  schien  natürlich  aus,  als  dass  er  sey  entsprossen 

Von  dreyen  gratien,  die  ihn  so  schön  gegossen, 
[A]  Subtile  Neides  Gunst  war  gantz  an  ihm  verstrichen, 

Und  hette  man  da.-<  Bild  den  Göttern  selbst  vergliclien." 


's^ 


Nun  handelte  es  sich  um  völlige  Loslösung  von  der 
Schule.  Einmal  fiele,  so  sagte  er,  ihm  wegen  seiner 
schweren  Leibeskonstitution  die  stete,  sauere  Schularbeit 
zu  hart,  und  sein  Gehörübel  Hess  das  glaubhaft  erschei- 
nen ^''"'').  Namentlich  aber  wurde  ihm  das  Ausbleiben 
seines  Gehalts  überdrüssig,  um  den  eme  ordentliche  Katz- 
balgerei entstand.  In  den  Akten  heisst  es^^^):  „Hrn.  D. 
Andreae  Möllers  suchen  und  gethaner  Vorschlag  wegen 
seiner  rückstendigen  Besoldung  ist  abgelesen,  undt  mit 
den  Vorstehern  geistlichen  Einkommens  communiciret."  So 
viel  nun  den  ersten  Punkt,  die  Benehmung  derer  200  Thlr. 
auf  seinem  Hause ^■*'),  betreffend,  erklären  sich  die  Kasten- 
lierren : 

„dafs  sie  dieselben  Zinsgelder  nicht  auf  sich  nehmen  könnten, 
denn  sie  sonsten  die  Hm.  Geistlichen  und  Schuldiener  wöchentlich 
nicht  zu  besolden  wisseten.  Undt  do  gleich  der  Rath  sie  auf  sich 
nehmen  möchten,  woferne  lierüite  Kastenherrn  sie  an  ihren  Zinfseu 
hey  dem  Käthe  wollen  abkürzen  lassen,  so  verweegern  sie  solches 
sich  gleicher  gestalt  aus  vorgedachter  Ursachen,  Sondern  seindt  er- 
hötig,  ihn  an  die  aufgewachsenen  Kosten  beym  Rath  undt  Schösser 
zu  Cliemnitz  ingleichen,  oder  bey  dem  Rathe  alleine  oder  andern 
ortten  anzuweisen.  Sonsten  wisseten  Sie  kein  ander  mittel.  Was 
aber  der  Rath  an  gestiften,  undt  andern  zu  thun  ihme  schuldig 
wehre,   Avolten  die  Cämmerer  durch  umbsetzung  wohl  mittel  finden 


19^)  Zittauer  Bibl.  Philol.  8"  276:  Medusenbächlein.     1646. 
^^'^)  Er  war  auch  deswegen  einmal  in  Teplitz.     III.  58. 
1''«)  7.  Jan.  1638. 
"'^)  Wahrscheinlich  sein  später  erkauftes  Haus. 


94  Keinbard  Kade: 

undt  richtigkeit  tieften.  Die  16  gr.  9  pf.  bawkosten  wolten  die 
Kastenherrn  nicht  passiven  hissen;  und  weil  er  seit  ao.  16:}2  die 
hebräische  Lection  und  Sprache  wenig  wirdt  getrieben 
liaben  und  gelesen,  könnte  ihiiie  jährlich  der  Schragea  holz 
auch  nicht  gegeben  werden." 

Er  bittet  wieder  um  sein  Gehalt:  er  soll  zu  Geduld 
vermahnet  werden  oder  sich  bei  einem  oder  dem  andern 
Kasten  anweisen  lassen ;  denn  die  Kastenherrn  wissen  kein 
ander  Mittel  zur  Zahlung  vorzuschlagen^'*'').  Kurz  — 
„wegen  Möllers  restirender  Besoldung  bleibet  darbey, 
class  in  Gassen  kein  Geld  vorhanden ;  sonst  soll  ihme  eine 
Verehrung  wegen  beschehener  Invitation  zu  seinem  Doc- 
torat  getan  Averden"^'***).  Nochmals  bittet  er  wenigstens 
um  das  Holz:  es  wird  ihm,  dem  verdienten  Manne,  rund- 
Aveg  abgeschlagen,  weil  sie  nicht  viel  zu  verschenken 
hätten-""),  Gut  und  Geld  war  eben  nicht  vorhanden 
„wegen  kundbarer  Verhinderung":  darum  Geduld  und 
wieder  Geduld!  Solche  Verzögerung  liel  auf  die  Dauer 
unerträglich,  und  noch  ehe  der  Kampf  sich  endete,  hatte 
er,  auf  alle  weitere  Ehre  verzichtend,  am  21).  Jan.  I(:i38 
„das  Conrectorat  resignirt  und  ist  seine  Stelle  mit  dem 
bisher  gewesenen  Tertio  Hornicaeus  ersetzet  worden"  ^"^). 

Unerwartet  traf  in  diesen  Geld  wirren  eine  schrift- 
liche Vokation  von  Chemnitz  her  zum  Physikat  bei  Möller 
ein-"-).  Weil  aber  dieser  Ort  durch  die  Feinde  sehr  mit- 
genommen war,  so  entschloss  sich  der  Getreue,  lieber  in 
Freiberg  seine  Praxis  zu  treiben  und  da  seine  Kräfte  an 
Adel  und  Unadel  auszubieten.  Denn  stets  mitzufühlen 
war  (!r  da.  Freunde  aus  der  Stadt,  wie  auch  die  armen 
Schüler  des  Gymnasiums,  denen  er  unentgeltlich  half, 
Einheimische  und  Fremde  mussten  ihm  das  nachrülimen. 
Der  arme  Studiosus  Demaiitius,  Sohn  des  Freiberger  Doni- 
kantors,  steht,  wenn  ärztlicher  llath  notli  war,  nicht  zu- 
rück vor  dem  kaiserl.  Kichter  in  Teplitz,  dem  er  Pillen 
verschreibt-"'^),  so  dass  seine  zwar  mühselige  Praxis  doch 
bald  sichtlich  anwuchs  und  Chemnitz  um  so  mehr  ver- 
schmerzt werden  konnte,  als  ihm  ja  „promiss  geschehen 
und  grossgönstige  Vertröstung  getan"  war'-"'),  bei  Er- 
ledigung des  Stadtphysikats  in  Freiberg  Berücksichtigung 
zu  finden. 


if«)  RP.  8.  Jan.  1638.  ~  '»")  Ibid.  17.  Jan.  1638.  —  -'^)  24.  u. 
26.  Sept.  1638.  —  -"•)  RP.  29.  .Tan.  —  -"-)  LP.  —  '-«")  HB.  TU.  54. 
58.  —  =0^)  Schon  1637.    RP.  23.  Apr.  1653. 


Andreas  Möller.  95 

Von  nun  an  setzen  die  Nachricliten  über  Möller  zeit- 
weise ganz  aus,  und  sein  Leben  gleicht  einem  Strome, 
der  im  Strahle  der  Abendsonne  nur  hier  und  da  silbern 
erglänzt  und  uns  dadurch  seine  Laufbahn  im  grossen  und 
ganzen  verräth,  seine  kleineren  Windungen  aber  in  Dunkel 
verhüllt. 

Das  unablässige  Mühen  trug  endlich  auch  für  den 
Geldbeutel  erfreuliche  Früchte,  und  als  Möller  uns  wie- 
derbegegnet-*^''),  empfiehlt  er  sich  als  wohlbestallten  Haus- 
wirth,  der  sich  am  24.  Mai  1641  mitten  in  der  Stadt  ein 
Häuschen  am  Obermarkt -*'*^)  erworben  hatte.  Nach  vorn 
genoss  er  nun  die  schöne  Aussicht  auf  das  alte  Rathhaus 
und  auf  den  grossen  Röhrkasteu,  der  gerade  vor  seiner 
zierlichen  gothischen  Hausthür  stand.  Nach  hinten  hin- 
aus auf  dem  Peterskirchhof  schloss  sich  ein  kleines  Gärt- 
chen  an,  um  dessentwillen  er  10  Jahre  später  beinahe 
in  einen  gar  ärgerlichen  Zwist  mit  dem  Rath  gerieth, 
weü  er  das  Stacket  zwei  Ellen  zu  weit  herausgerückt 
hatte ^*^").  Nun  war  er  sein  eigener  Herr,  nun  förderte 
er  seine  chronikalischen  Arbeiten  im  neuen  Heim,  für  die 
sich  auch  allgemach  der  Rath  zu  interessieren  begann. 
Denn  1643  wünschte  derselbe,  Möller  möge  eine  histo- 
rische Relation  der  Torstensohnschen  Belagerung  ent- 
werfen, „weil  —  wie  Möller  darin  bemerkt  —  die  vorige 
in  Druck  ausgeflohene  Scartecke  nicht  allein  gantz  un- 
vollkommen, sondern  auch  voller  Ungrunds  und  Lügen 
gewesen  war".  Sie  gelang,  kam  auch  neben  dem  „Kupfer- 
Patent"  alsbald  nach  Abzug  der  Feinde  in  Druck  --'^) 
und  fand  zum  grössten  Theile  von  Wort  zu  Wort  Auf- 
nahme in  Merlans  Theatrum  Europaeum-'^'*).  Sie  trug 
ihm  auch  die  Vergünstigung  ein,  „dass  ihm  an  Statt 
seines  Recompenses  die  1^/.,  Thlr.  wöchentlicher  Contri- 
bution  vor  die  inliegende  Guarnison  erlassen  würden  und 
es  bei  18  gr.  blieb"-'"). 

In  den  nächsten  Jahren  beschäftigte  ihn  wieder  mehr 
die  Bibliothek,  die  in  den  Kriegsnöthen  „ersitzen  ge- 
blieben" und  so  sehr  in  Verfall  gerathen  war,  dass  die 
Bibliothekare  verzweifelten,  sie  ohne  namhafte  Zuschüsse 


-0'')  Petrigeschossbuch  fol.  273.  Num.  283.  Freib.  Stadtbasse. 
Vgl.  MFA.  16.  73. 

20«)  Jetzt  No.  12.  —  -'>■)  Vgl.  MFA.  23. 

20S)  Freilich  ohne  Namensnennung  auf  dem  Titel.  Sielie  An- 
hang A.  6.  -  2"»j  V.  fol.  18.  —  ;-i")  RP.  10.  April  1643. 


96  Reinhard  Kade: 

in  gewünschten  Stand  zn  bringen.  Die  Thüre  schloss 
nicht,  die  Fenster  entbehrten  der  Gitter,  die  Feuchtig- 
keit griff  die  Bücher  an,  Geld  bekam  sie  auch  nicht. 
Das  sollte  nun,  so  bat  Möller -^^),  anders  werden,  von 
den  Hochzeitgeldern  des  Singechores  ein  Drittheil  in  die 
Bibliothek  laufen,  die  Bergge werken  sollten  wie  früher 
beisteuern,  die  Zinsen  des  Holeweinschen  Legates-^-)  aus- 
lielfen.  So  \\^eit  man  den  Wünschen  willfahren  konnte, 
kam  man  entgegen  und  liess  sogar  alle  Donnerstage 
nachmittag  die  Bibliothek  durch  den  Rektor  öftnen,  da- 
mit „nunmehr  jedermann  sich  nach  Begehren  darinnen 
ersehen  und  ein  oder  das  andere  Buch  brauchen"  -'") 
könnte.  Nur  mit  dem  Holeweinsclien  Gestift,  dessen 
Zinsen  schon  etliche  Jahre  von  der  Stadtgemeinde  inne- 
behalten  und  nicht  einmal  an  die  Geistlichen  und  Lehrer 
ausbezahlt  wurden -^^),  drang  Möller  trotz  mehrfachen  An- 
suchens nicht  durch.  Aber  gleichwohl  nahm  die  Biblio- 
thek durch  viele  freiwillige  Schenkungen  und  billige  Ein- 
käufe erfreulich  zu  und  zählte  im  Laufe  der  Jahre  1763 
Stücke,  also  fast  noch  einmal  soviel,  als  anfänglich  sich 
darin  befunden ^^''•). 

Nun  war  der  Krieg  zu  Ende.  Li  allen  Kirchen 
dankte  man  Gott.  Ob  Möller  wegen  dieses  erhebenden 
Ereignisses  oder  weil  er  gerade  50  Jahre  alt  geworden 
war,  sich.. von  einem  geschickten,  leider  unbekannten 
Maler  in  Öl  porträtieren  liess:  wir  wissen  es  nicht.  Aber 
das  treffliche  Bild,  das  aus  seinem  Erbe  an  seine  geliebte 
Bibliothek  kam,  besitzen  wir'-^*^).  Ein  schöner,  männlich- 
ernster Kopf,  dem  Entschiedenheit  aus  dem  sichern  brau- 
nen Auge  leuchtet.  Tiefe  Furchen  hat  das  Leben  in  das 
Antlitz  eingegraben,  die  dem  Ausdruck  wohl  etwas 
scharfes,  aber  nichts  abschreckendes  zu  geben  vei'mögen. 
Wellige  Haare  umfliessen  das  Haupt,  die  goldene  Dichter- 
kette hängt  unter  dem  weissen  Spitzenkragen  auf  der 
Brust.  Die  Rechte,  mit  den  beiden  Trauringen  ge- 
schmückt, hält  die  Bibel. 


2»i)  Memorial  FGB.  4.  Sept.  1G43. 

"2)  Chr.  388.  —  -i')  Chr.   132. 

211)  RP.  19    Juli  1641;  4.  April  1642. 

-1'^)  Acta  von  1650.     FGB.  ao.  1656:  1776  Stück. 

-^'')  Es  wurde  von  mir  entdeckt  und  neu  aufgehängt  in  der 
Freib.  Bibliothek.  Einen  verkleinerten  Lichtdruck,  der  aber  nur 
den  Kopf  hauptsächlich  berücksichtigt,  sehe  mau  in  MFA.  23.  1886 


Andreas  Möller.  97 

Das  war  der  Mann,  hinter  dessen  eckiger  Stirn  eine 
so  gelehrte  Welt  sich  bewegte,  der  trotz  des  vielen  Welt- 
schmerzes bis  in  sein  Alter  sich  einen  ruhigen  Gleich- 
muth  bewahrte  und  sich  öfter  hinweghalf  mit  dem  Trost- 
wort: quae  miitari  nequeunt,  opus  est  feramus-");  dies 
der  Mann,  der  einem  fröhlichen  Spass  sich  nicht  ver- 
schluss und  seinen  eiteln  Freund  und  Pastor  David 
Wagner  aus  Somsdorf  grimmig  auf  den  Leim  führte,  als 
er  ihm  einen  ehrenden  Platz  in  der  Chronik  versprochen 
hatte  und  —  eine  leere  Seite  darin  reservierte'-^^)!  Das 
war  der  schlichte  Mann,  der  auch  mal  erst  um  11  Uhr 
abends  etwas  angesäuselt  nach  Hause  kam  und  am 
nächsten  Tag  seinen  Brummschädel  bejammerte'-^''),  dies 
der  Gutschmecker,  der  gern  einen  Lachs  verspeiste,  am 
liebsten  einen  geschenkten--*^). 

16  Jahre  Avaren  nunmehr  ins  Land  gegangen,  seit 
man  Mölleni  das  Physikat  bei  der  Stadt  versprochen 
hatte.  Endlich  erledigte  sich  durch  Absterben  des  D. 
Caspar  Hörn  (25.  März  1G53)  abermals  eine  Ordinariats- 
stelle, um  die  Möller  sich  mit  der  Bitte  bewarb,  ihm  „in 
Betrachtung  seiner  in  die  30  Jahr  dieser  Stadt  geleisteten 
treuen  Dienste"'-'-^)  beförderlich  zu  sein.  Zwar  verschob 
man  noch  einige  Zeit  die  Entscheidung'-"-'-),  doch  am  6. 
Mai  las  man  Möllers  Gesuch  aufs  neue  ab  und  erkannte, 
dass  „Hr.  Dr.  Joh.  Caspar  Hörn  das  vacirende  Physicat, 
Hr.  Dr.  Andreas  Müller  aber  erstgemelten  Joh.  Casp. 
Horns  Stelle  überkommen  solle".  Am  18.  Mai  erfolgte 
die  definitive  Anstellung  mit  der  Bemerkung  bei  Möllers 
Urkunde:  „hat  jährlich  50  Tlilr."  Welch  eine  Wandlung! 
Den  man  vor  16  Jahren  als  Philolog  entlassen  hatte,  den 
stellte  man  jetzt  als  städtischen  Arzt  an  und  gab  ihm 
dadurch  sein  Ansehen  vor  den  Leuten  wieder.  Dass  er 
sich  auch  hier  gut  verwenden  liess,  zeigte  sich  gleich  in 
der  berühmten  Fehde  zwischen  den  Apothekern  und  den 
„Crahmern  und  Barbieren",  die  dem  Eathe  beständig  in 
den  Ohren  lagen,  bis  Möller  endlich  sein  massgebliches 
Urtheil  fällte.    Er  musste   die  Kohlen  herausholen  und 


21^)  HB.  II.  70. 

21«)  S.  508;  vgl.  Horus  Handbibl.  VII,  794. 
-1'^)  HB.  II.  2'-i4.    Am  Mittag  des  folgenden  Tages  schrieb  er: 
,caIeo  adhuc  ab  hesterno  convivio." 

220)  HB.  III.  46.  —  221)  UFRA.,  P.  19.    6.  April  1653. 
222)  EP.  23.  April  1653. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX.  1.  2.  7 


98  Reinhar.l  Kode: 

schrieb  nun  sein  vernichtendes  „medicinalisch  Bedencken 
contra  die  Barbierer,  das  ihnen  das  Wasserbrennen  und 
Verkauften  nicht  zugestatten"---').  Das  Wasserbrennen 
gehöre  zur  Pharinacie,  nicht  zur  Chirurgie;  nur  Apo- 
theker könnten  die  Schlagwasser  und  den  Kinderbalsam 
gut  bereiten;  was  aber  in  Winkel  gebraut  würde,  sei 
werth,  zum  Fenster  hinausgeworfen  zu  Averden. 

Das  Jahr  1653  bleibt  aber  noch  in  anderer  Bezieh- 
ung nicht  nur  für  Möllers  Leben,  sondern  auch  für  die 
Stadtgeschichte  Freibergs  ein  ewig  denkwürdiges.  Am 
1./18.  Juni  trat  Möllers  bedeutendstes  und  unvergäng- 
liches Werk  ans  Tageslicht:  seine  Chronik  oder  wie  er 
es  nannte:  „Theatrum  Freibergense,  Beschreibung 
der  alten  löblichen  Berghauptstadt  Freyberg  in 
Meissen." 

Hier  müssen  wir  etwas  verweilen,  auf  die  Entsteh- 
ungsgeschichte zurückblicken  und  den  Werth  der  Leistung 
ins  Auge  fassen. 

Die  äussere  Veranlassung  gab  die  Zufälligkeit,  dass 
ihm  —  schon  1631  t-  der  Freiberger  Rath  ein  ziemliches 
Konvolut  der  ältesten  lateinischen  „Archive",  in  ver- 
zogener Mönchsschrift  geschrieben,  „ins  Reine  zu  ver- 
setzen" auftrug.  Er  unterzog  sich  aus  Liebe  zu  Anti- 
quitäten willig  dieser  Bemühung  und  fand  dabei,  dass 
von  diesen  ältesten  Freiberger  Nachrichten  fast  nichts 
im  Druck  zu  befinden.  Das  erweckte  in  ihm  die  sonder- 
liche Begierde,  etw^as  schriftliches  darüber  aufzusetzen 
und  das  Dürftige  zu  ergänzen,  was  frühere  Geschichten- 
sehreiber  über  Freiberg,  wie  Bocerus,  Fabricius  u.  a., 
vo'öftentlicht  hatten.  Nicht  viel  reichlicher  flössen  die  Pri- 
vatnotizen einzelner  Historiker,  wie  die  Aufzeichnungen 
eines  Hirschvogel  (1480—1519),  Lorenz  Fleischer  (1526 
bis  1575),  Ulrich  Gross  (1587),  Jakob  Frankenberger 
(1533—1561),  Georg  Greiss  (1552—1580),  Bellmann  (1568 
bis  1591),  Hempel  (1558-1609)  und  die  handschriftliche 
Chronik  des  Georg  Agricola"-'-')  von  Radeburg.  Von 
des  letzteren  mehrbändigem  Werke  hatte  Möller  ja  schon 
bei  Gensreif  einen  Band  gesehen  und  später  einen  Aus- 
zug aus  allen  Theilen  benützt,  den  Tliorschmied  sich  an- 
gelegt hatte. 


2-'»)  UFEA.  3  I.it.  C.  3  a.     15.  Dez.  1653. 
--')  Urkundenbuch   der    Stadt   Froilierg   I.    (--  Cod.  dipl.  Sax. 
ir.  12.),  XIV;  MFA.  19,  61. 


Andreas  Möller.  99 

Das  alleSj  weder  die  Druckschriften  noch  Agricolas 
und  der  andern  Arbeiten,  konnte  ihn  nicht  befriedigen,  weil 
sie  die  reichhaltigen  Archive  lange  nicht  genau  genug 
ausgebeutet  hatten,  auf  die  er  sich  jahrelang  warf. 
Älteste  Matrikeln,  Rathsbücher,  die  Urkunden,  Archive 
in  der  Kastenstube,  im  Stadtgericht,  in  der  Bergkanzlei 
und  Knappschaft,  alte  Monumente  durchsuchte  er  mit 
heissem  Bemühen  uud  brachte  alles  in  „weiligen  Stunden" 
in  gewisse  capita.  Als  weitere  Vorstudien  dienten  ihm 
die  Auslassungen  über  einzelne  Freiberger  Geschlechter 
und  die  schon  erwähnte  Relation  der  Schwedenbelage- 
rung. Vor  allem  durch  die  letztere  kam  die  Beschreibung 
wieder  gehörig  in  Fluss,  Freunde  wünschten  dringend  die 
Fortführung  und  Beendigung,  obwohl  sie  sich  nicht  ver- 
hehlten, dass  er  ja  eigentlich  Arzt  und  kein  Historiker 
von  Fach  sei.  Möller  folgte  dem  Drängen  und  entwarf 
das  ganze  Werk  in  lateinischer  Sprache,  die  ihm 
leichter  zu  Gebote  stand  und,  wie  er  hoffte,  den  Ge- 
lehrten angenehmer  wäre.  Das  wollte  nun  etlichen  treu- 
meinenden Patrioten  durchaus  nicht  belieben,  und  sie 
baten,  er  solle  es  ins  Deutsche  zurückbringen,  damit  es 
jedermann  lesen  könnte.  Und  gottlob  —  Möller  versetzte 
alles  in  unsere  geliebte  Muttersprache,  dadurch  den 
Naclilebenden  den  schönsten  Dienst  erweisend.  Alles 
Avar  endlich  fertig,  aber  er  glaubte  nach  den  schlechten 
Erfahrungen  mit  den  Buchdruckern,  die  Herausgabe  nicht 
zu  erleben  und  beauftragte  den  Rektor  David  Quellmalz, 
nach  seinem  Tode  alles,  wie  auch  seine  übrigen  druckreifen 
Schriften  und  opera  medica  zu  edieren--').  Zum  Glück 
kam  es  anders.  Der  Rath  wendete  „ansehnliche"  Kosten 
auf  die  Bekanntwerdung  und  war  überhaupt  mit  der 
ganzen  Arbeit  einverstanden,  so  dass  eiligst  das  Konzept 
in  die  Druckerei  Georg  Beuthers  wandern  und  nach  kur- 
zer Zeit"-"-'')  aus  der  Presse  hervorgehen  konnte.  Den 
ersten  Theil,  die  eigentliche  Chronik,  hatte  er  dem 
Kurfürsten  Johann  Georg,  den  zweiten,  die  Annalen, 
dem  Rathe  gewidmet  und  „für  diese  dedication,  wie  auch 
vor  25  Exemplare  sollen  ihm  50  Thlr.  dergleichen  ein 
mehreres  gegeben  und  verrechnet  Averden" "--').  Damit 
konnte  der  Verfasser  sich  zufrieden  geben,  wenngleich  die 
Summe  den  geschichtlichen  Werth  lange  nicht  aufwog. 


■  225)  SVK  I,  97.  —  --26)  Ohr.  Vorb.  5  K 
--')  KP.  4.  Juli. 


7* 


100  Reinhard  Kade: 

Dieser  Werth  beruht  zunäclist  auf  der  Wahrheit 
und  Genauigkeit,  mit  der  Müller  —  kleine  Versehen  ab- 
gerechnet —  jedes  Hauptereignis  aus  früheren  und  eige- 
nen Zeiten  treulich  gebucht  hat,  ohne  sich  dabei  in  Klein- 
lichkeiten zu  verlieren,  ohne  die  Kometen,  Unglücksfälle 
und  Missgeburten  alle  zu  verzeichnen  und  einer  Gefahr 
anheimzufallen,  die  vorzüglich  in  den  Annalen  so  nahe 
lag.  Der  grosse  Zug  bleibt  überall  gewahrt  und  erreicht 
in  der  grossen  Zeit,  die  Möller,  ein  Kind  des  30jährigen 
Krieges,  durch  Autopsie  kannte,  den  Höhepunkt.  Hier 
haben  wir  ein  Zeitbild  vor  uns,  das  mit  fast  photogra- 
phischer  Treue  den  ganzen  Jammer  des  deutschen  Vater- 
landes in  kleinem  Rahmen  so  scharf  wiederspiegelt,  wie 
kaum  ein  zweites. 

Sodann  ist  es  die  übersichtliche,  praktische  Anord- 
nung, die  namentlich  in  der  Chronik  selbst  hervortritt 
und  liier  ein  Register  beinahe  entbehrlich  macht.  Land 
und  Lage  bilden  den  naturgemässen  Eingang,  die  Leute, 
ihr  Gewerbe,  ihre  Stadt  schliessen  sich  an,  die  einzelnen 
Theile  Freibergs  ergeben  sich  daraus  von  selber.  Hier- 
auf werden  in  logischer  Folge  die  fürstlichen  Personen, 
der  Kirchenzustand,  die  Reformationszeit,  Kirchen-  und 
Schuldiener,  Rathspersonen  und  schliesslich  das  Bergweik 
abgehandelt.  Alles  knapp,  nirgends  grossmütterliche 
Breite.  Und  noch  dazu  in  einem  für  damalige  Zeit  so 
vortrefflichem  Stil,  der  in  seiner  Körnigkeit  an  Luthei'sche 
Diktion  gemahnt  und  sich  mit  vollem  Bewusstsein  von 
der  alamodischen  Manier  freihält,  Fremdwörter  nicht  viel 
ins  Deutsch  einmengt  und  die  herrliche  Muttersprache  in 
Ehren  hält--«). 

Diesen  Vorzügen  verdankt  das  Werk  seine  geradezu 
grundlegende  Bedeutung  für  die  nachfolgende  vaterlän- 
dische Chronikenlitteratur  während  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts. Sie  richten  sich  fast  alle  in  der  Anlage  nach 
Möllers  Muster:  so  mit  täuschender  Nachahmung  Tobias 
Schmidt  in  seiner  Zwickauer  Chronik  von  165G --''),  so 
1716  Carpzov  in  seiner  Zittauer  Chronik,  so  1717  der 
Wurzener  Chronist  Schöttgen--^"). 


22*)  Ende  des  Vorberichts  zur  Chr. 

2-»)  Quod  I  Freibergae  Molitoi'  ceruitur  tribuisso  ofäcium  |  Nunc 
Faber  praestat.     Thomasius  bei  Schmidt. 

2'"')  Zitiert  Möllern  an  gewichtigen  Stellen  S.  5.  99.  552. 


Andreas  Möller.  101 

Alle  die  Vorzüge  hätte  aber  das  Werk  nicht  auf- 
weisen können,  wenn  sie  nicht  sein  Verfasser  glänzend 
besass.  Genauigkeit,  Wahrheit,  Klarheit,  praktischer 
Sinn  sind  Müllers  schönste  Charaktereigenschaften,  zu 
denen  sich  eine  Polyhistorie  gesellt,  die  für  eine  Zeit 
Staunen  erregt,  wo  noch  kein  Conring,  Morhof  oder 
Christian  Weise  lebte. 

Wie  Kopernikus  verband  er  astronomische  Studien 
mit  medizinischer  Praxis.  Wie  Keppler  vereinigte  er 
Astronomie  und  Astrologie,  der  er,  einem  Aberglauben 
der  Zeit  folgend,  Einfluss  auf  den  Heihmgsprozess^-^^) 
und  auf  die  Sterbestunde-^'^)  zuschrieb.  Wie  Gruterus 
eignete  er  sich  gleich  gut  zum  Philologen,  wie  zum 
Bibliothekar,  und  büsste  im  Staube  der  Bücher  seme 
schöne  poetische  Gabe  nicht  ein.  Seine  etymologischen 
Versuche  über  sächsische  Städtenamen,  wie  über  den  von 
Pegau '-""),  gehen  bereits  von  linguistischen  Grundsätzen, 
von  Entwicklungen  aus  dem  Urbegriff  der  Wurzel  aus, 
die  eine  viel  jüngere  Zeit  für  sich  in  Anspruch  nimmt. 

Über  alle  dem  liegt  aber  ein  wohlthuender,  streng 
lutherischer  Kernglaube  ausgebreitet,  der  jener  biblisch- 
hebraisierenden  Richtung  insbesondere  des  Fabricius  ent- 
schieden entgegentritt.  Er  hatte  sich  das  „Sis  pius"  von 
seinem  Vater  gut  gesagt  sein  lassen. 

Von  seiner  Bescheidenheit  ganz  zu  schweigen-^*), 
die  alle  grossen  Menschen  auszeichnen  soll.  Er  hielt 
seine  Chronik  gar  nicht  einmal  für  seine  beste  Schöpfung 
und  meinte,  seine  observationes  und  andere  opera  medica 
würden  einst  genugsam  zeigen,  was  sein  Haupt-  und  was 
sein  Nebenwerk  gewesen. 

Mit  einem  Worte:  bei  tiefster  Gründlichkeit  alles 
zu  erfassen  und  zu  umfassen,  alles  wissen  zu  wollen,  da- 
für gab  er  sein  Leben.  Er  tritt  damit  aus  dem  be- 
schränkten Ej-eise  eines  einfachen  Geschichtsschreibers 
in  das  Bereich  der  hervorragendsten  Gelehrten  und 
Denker  seiner  Zeit,  in  das  der  Universaltalente  hinüber, 
so  dass,  wer  Sachsens  Gelehrteugeschichte  im  XVII.  Jahr- 
hundert  zum  Gegenstand   seiner  Forschung   macht,   vor 


231)  Verlorne  Schriften  von  ihm  beschäftigten  sich  mit  Astro- 
sophia  iatrica.     (Anhang:  B.  VI.  4.) 

-3'-)  Besonders  das  63.  Jahr  sei  ein  annus  fatalis.  HB.  II.  76. 
Vgl.  IV.  f)3. 

233)  HB.  I.  212  u.  'Ji'Tinsk  —  ^si)  Ibid.  IV.  95. 


102  Reinhard  Karte: 

Möller  iiiclit  mehr  gleichgültig-  vorübergehen  darf  und 
dann  vielleicht,  als  erstem  Anhalt,  zu  dieser  Würdigung 
seines  Lehens  greift -='"''). 

Als  wollte  die  Glückssonne  dem  alternden  Möller 
nachholen,  was  sie  dem  jungen  Manne  so  oft  in  der 
eigenen  Familie  versäumte:  so  begehrte  „im  I.Jahre  nach 
der  Chronik"  ein  eben  in  Freiberg  anfangender  Arzt,  Dr. 
Wilhelm  Wanckel,  die  einzige,  geliebte  Tochter  Möllers, 
seine  Salome ■-■''•'),  zur  Frau.  Was  konnte  einem  Physikus 
lieber  sein,  als  ein  Medikus  zum  Schwiegersohn:  er  gab 
sie  hin  und  richtete  ihnen  am  28.  November  1G54  feier- 
lich die  Hochzeit  aus,  wobei  sich  auch  der  K,ath  frei- 
gebig benahm.  Auf  Möllers  beschehenes  Ersuchen  sollen 
ihm  6  Eimer  Frankenwein  frei  passiret  werden'"''^),  und 
als  er  den  ßath  zur  Hochzeit  geladen  hatte,  will  der- 
selbe zum  Hochzeitsgeschenk  6  Rthlr.  dazugeben'^**). 

Auch  diesmal  sollte  er  mit  Entsetzen  wahrnehmen, 
dass  die  Sonne  wieder  nur  ein  lügnerisches  Licht  ge- 
worfen habe.  Nach  eüier  kurzen  Ehe  von  1  Jahr  und 
18  Wochen  gab  die  junge  Frau,  die  lielje  Tochter,  einem 
Knäblein  zwar  das  Leben,  gab  aber  ihr  Lebeji  dafür  mit 
hin  2=^»). 

Der  Vater  grämte  sich  nicht  weniger  wie  der  Gatte. 
Zwar  findet  jener  im  Verein  mit  dem  gebeugten  Wanckel 
und  Dr.  Samuel  Quellmalz  noch  einmal  Spannkraft  gepug, 
um  gegen  Joh.  Casp.  Hörn,  seinen  Kollegen  im  Physikat, 
und  gegen  den  Apotheker  Casp.  Hennig  aufzutreten  und 


23-')  Um  diese  Zeit  findet  sicli  unterm  10.  Juli  16.54  noch  fol- 
gende Eintragung  in  den  KathsprotokoUen,  die  icli  niclit  in  das 
Gesamthild  hahe  einfügen  können: 

,Hr.  D.  A.  Müller  suchet  in  einem  Schreiben  und  bittet,  denen 
beiden  Sperlingischen  hinterl.  Kindern  erster  Ehe  zu  ietzig  erle- 
digter Verlassenschaft  verstorbener  p.  c.  Abraham  Hilleiin  all's 
Gh'ofsmutter  iemanden  anders  zu  Vormund  zu  bestellen,  weil  es  ihm 
als  einem  ohne  dil's  mit  Verrichtung  bey  gemeiner  Stadt  belegten 
Manne  nicht  zuzumuthen  sei  und  weil  in  Betrachtunti'  unter  diesem 
Vermögen  gröfsten  Theils  die  Verwaltung  und  liestellung  an  Äcker 
und  gütter  !)eruhete: 

Couclus.  Weil  Hr.  Müller  ohne  einzige  Bedingung  und  re- 
servat bemelten  beyden  Sperlingischen  Kindern  sich  vorhin  zum 
Vormund  bestetigen  lassen,  als  behielte  es  auch  voriez  noch  sein 
verbleiben  hiermit,  er  könnte  denn  jemandes  ander  hierzu  für- 
schlagen." 

230)  Geb.  2.  Juni  1637. 

2")  liP.  11.  Okt.  1654.  —  "-'^)  Ibid.  15.  Nov. 

'30)  f  1.  April  1656. 


Andreas  Möller.  103 

sie  durch  den  Eath  zwingen  zu  lassen,  „dass  keine  Arz- 
ney  von  ihnen  den  Hrn.  Medicis  praepariret  und  zum 
Verkaufen  Aveg-g-egeben  werden  solle"  -^^).  Aber  seine 
Kraft  erlahmt  doch  sichtlich.  Und  ganz  bricht  sein  ar- 
mes Herz,  als  der  Schwiegersohn  selber  schwer  an  den 
Masern  erkrankt  und  der  Gattin  in  den  Tod  folgt  ■-^^). 
Mit  gebeugter  Seele  nimmt  er  zum  zweitenmal  die  Denk- 
schrift auf  den  Tod  seines  Vaters  hervor,  die  er  als  24- 
jähriger  Mann  begonnen  und  1633  nach  seiner  ersten 
Frau  Hinscheiden  überarbeitet  hatte,  gibt  ihr  am  26. 
November,  dem  Todestage  seines  Vaters-^-),  die  letzte 
Gestaltung,  fügt  auch  von  sich  einen  kurzen  Lebens- 
lauf und  ein  Bild  des  Vaters  mit  ein  und  sucht  in 
ernster  Arbeit  vergebliche  Beruhigung.  Die  Eingangs- 
Avorte  sind  das  ergreifendste,  was  Möllers  Hand  je 
entflossen.  Sein  Vater,  seine  Mutter,  erste  Gattin,  seine 
acht  Kinder  lässt  er  an  seinem  Geist  vorüberziehen! 
„Ganze  Tage,  ganze  Nächte  fast  hab  ich  mit  Thrä- 
nen  hingebracht.  Und  wer  könnte  trockenen  Auges 
auf  die  Gräber  so  vieler  geliebter  Häupter  hinschauen? 
In  Thränen  liegt  Linderung  des  Leides!"  —  Selbst 
seinen  alten  Kommentar  auf  den  Hymnus  des  Pru- 
dentius  von  der  Geburt  Christi,  den  er  vor  30  Jahren  in 
der  Schule  vorgelesen  hatte,  kramt  er  in  dieser  Trauer- 
zeit aus  seinen  Papieren  heraus  und  schickt  ihn  seinem 
Freunde,  dem  Rektor  Greflus^^"):  er  möge  damit  machen, 
was  ihm  beliebe.  Ihn  selber  herauszugeben,  hat  er  keine 
Lust  mehr,  während  er  im  folgenden  Jahre  1658  den 
Druck  der  ^AvtmsXaQyla  noch  eigenhändig  leitet,  ihr  auch 
eine  sprachwissenschaftliche,  früher  geplante '-^^)  Studie 
über  seine  Vaterstadt  Pegau  für  den  Rath  daselbst  vor- 
anschreibt. 

Seine  Kranken  und  die  Schulbibliothek,  die  er  wie 
immer  unermüdlich  versah,  hielten  ihn  aufrecht.  Uner- 
wartet verlor  er  da  auch  seinen  ältesten  Bibliothekge- 
nossen Georg  Plattner,  der  28  Jahre  lang  mit  ihm  treu 
der  Bibliothek  gehütet  hatte ^^■^).     Allein  mochte  Möller 


210)  EP.  28.  Jul.  1656. 
2")  19.  Juni  1657. 

242)  Vorrede  an  seinen  Bruder.    26.  Nov.  1657. 
-lä)  4.  Jd.  Nov.  1657.    Die  deutsche  Übersetzung  ist  von  Otto 
Bennewitz,  Amtsprediger  an  St.  Nicolai. 
^)  HB.  I.  212. 
2*5)  29.  Okt.  1658. 


104  Iloinliard  Ka<lc: 

sie  nicht  weiterfiiliren  und  gab  ein  schriftliche^^  Anerin- 
nern ein  „nmb  Ersetzung  seiner  Stelle  bei  der  JBil»lio- 
thek"  -'% 

Es  war  zu  Ende.  Seine  letzten  gedruckten  Worte 
lauten  schon  wie  ein  Grabgesang  auf  sich  selbst:  „De- 
functo  optamus  requiem"-'').  Dazu  plagten  Steinschmerzen 
den  Greis.  Er  fühlte  seinen  Tod  nahen  und  hatte  bereits 
seinen  Lebenslauf-'-)  und  den  Leichentext  über  Ephes. 
3.  19,  wie  auch  seine  Grabschrift'-'*')  aufgesetzt.  Die 
zunehmende  Krankheit  warf  ihn  aufs  Lager,  an  dem  ihn 
sein  früherer  Tertius  Schleifentag  häufig  besuchte.  Als 
er  sich  einst  wieder  zur  Ruhe  schleppte,  seufzte  er: 
„Ach,  wie  einen  hohen  Berg  habe  ich  zu  steigen.  Gott 
helfe  mir  hinüber!"  Und  das  waren  seine  letzten  Worte. 
Sanft  entschlief  er  am  2L  Januar  1660  abends  ^/^lO  Uhr. 
Eni  edler  Kämpfer  auf  dem  Geistesfelde. 

Alle  trauerten,  denen  er  geholfen,  um  seines  milden 
Herzens  willen.  Drum  liess  er  auch  keine  Schätze  zu- 
rück. „Frau  Andreas  Müller  soll  zu  Ihres  seel.  verstor- 
benen Herrns  bevorstehenden  Begräbniss  so  viel  möglich 
etwas  zu  Ausrichtung  an  die  Hand  gegangen  werden"  -■'•^*). 

Sie  richtete  es  selber  nicht  aus.  Wie  sie  beide  un- 
zertrennlich gelebt  hatten,  so  konnte  sie  auch  der  Tod 
nicht  scheiden.  Sie  erlag  der  Vereinsamung  8  Tage  dar- 
auf. Der  letzte  Bruder  Möllers,  Peter,  drückte  ihr  die 
Augen  zu.  Sie  wurden  beide  an  einem  Tage,  am  2. 
Februar,  im  Dome  begraben,  eine  Rede  vom  Super- 
mtendent  Starck  den  beiden  gehalten  und  dem  Chronisten 
ein  ehrendes  Grabmal  erbaut"-'"'). 

Möllers  Testament,  darin  er  der  Schulbibliothek  200 
Thaler  vermachte,  trat  nicht  in  Kraft.  Die  Vormünder 
des  Enkels,  Andreas  Wanckel,  forderten  Geld.  Den 
letzten  Wunsch  aber,  in  lateinischer  Ehrenrede  gefeiert 
zu  werden,  erfüllte  ihm  zu  sehiem  Geburtstage  1661  der 
Rektor  Grefius  '-•^-). 


2^«)  EP.  8.  Nov.  16fi8. 

=")  24.  .Tun.  1659.  Epiced.  auf  Willi.  Bentzinger. 
-'^)  Niclit  vorhanden. 
-»»)  Parentalia  MoUeri  s.  u. 
""^O)  KP.  23.  Jan.  1660. 
251)  Grübler  I,  260;  MFA.  6,  655. 

-■^•-)  Ad   Parentalia   manibus   Andr.    Molleri    .  .  .    invitat   Nie. 
Gretins.  1661.  Freiberg.  Gymna.s.-Bibl. 


Andreas  Möller.  105 

Auch  der  Enkel  starb  schon  im  Jahre  1669.  Mit 
ihm  erlischt  Müllers  Linie  in  Freiberg.  Aber  nimmer 
hört  auf  der  Ruhm  des  Möllerschen  Namens,  und  Frei- 
berg  war  stolz,  das  neuentdeckte  Haus  dieses  braven 
Mannes  mit  einer  steinernen  Tafel  schmücken  zu  können. 

„Er  war  ein  Mann,  nehmt  alles  nur  in  allem." 


Sechzehn  Jahre  nach  Möllers  Tode  kam  des  ge- 
lehrten Mannes  Bibliothek,  wie  auch  diejenige  seines 
Schwiegervaters  Daniel  Thorschmied,  nach  Kamenz  in 
der  Lausitz -■''■^).  Gewiss  trieb  Geldmangel  nach  Möllers 
Ableben  die  hinterbliebenen,  Aveitläufigen  Verwandten  zu 
diesem  betrübenden  Schritt,  der  Freiberg  wieder  eines 
so  denkwürdigen  Eigenthums  beraubte.  Ln  Jahre  1676 
ward  die  schöne  Sammlung  —  900  Stück  an  Zahl  —  für 
angeblich  200  Thlr.  vom  Kamenzer  Bürgermeister  Ehren- 
fried Reichel  angekauft  und  der  dortigen  Stadtbibliothek 
zu  beliebiger  Benutzung  übergeben.  Alles  sind  Druck- 
werke; Handschriften  von  Möllers  Hand  befinden  sich 
nicht  unter  den  erkauften  Büchern. 

Im  zweiten  Stockwerke  des  Kamenzer  Rathhauses 
ist  dieser  Büchervorrath  in  einem  kleinen,  einfenstrigen 
Zimmer  an  den  Wänden  und  auf  zwei  Repositorien  auf- 
gestellt, doch  so,  dass  man  dem  Format  dabei  Rechnung 
trug,  also  die  kleinsten  oben,  unten  die  grössten.  Spätere 
Erwerbungen  stellte  man  unter  die  älteren  Schätze  nach 
diesem  Gesichtspunkt  ein.  Die  wissenschaftlichen  Fächer 
erleichtern  die  Übersichtlichkeit.  Die  alten  Bände  stechen 
sofort  durch  ihren  Einband  hervor,  der  meist  die  Hand 
des  Freiberger  Buchbinders  deutlich  verräth.  Wenn  auch 
nicht  der  frühere  reichere  Bestand  vollständig  heute  noch 
vorhanden  ist,  so  ergeben  sich  doch  mehr  Werke  aus 
Freibergs  Mauern  in  Kamenz,  als  man  dort  annimmt. 
Es  mögen  wohl  gegen  200  Werke  des  Thorschmiedschen 
Nachlasses  vorliegen. 

Diese  tragen  äusserlich  die  Einpressung:  „D.  T.  D.", 
d.  i.  Daniel  Thorschmied  Doctor,  oder  führen  auf  dem 
Titelblatt  die  saubere  Inschrift :  „Ex  libris  Daniel  Thor- 
schmied", so  dass  gar  kein  Zweifel  an  die  Herkunft  übrig 


-'f)  Das  Ergebnis  dieser  Nachricht,  die  ich  Herrn  Oberlehrer 
Klix  in  Kamenz  verdanke,  konnte  für  die  Biographie  verwerthet 
werden. 


IQQ  Reinhard  Kade: 

bleibt.  Unter  den  Büchern  Thorschinieds  ist  auch  bei- 
spielsweise die  „Sarepta  oder  Bergpostilla"  von  1564,  in 
die  der  alte  Kreisphysikus  selber  die  Worte  eingetragen 
hat:  „Daniel  Thorschmid  Doctor  zu  tlbung  wahrer  Gottes- 
furcht seiner  lieben  Tochter  Elisabeth  verehret  diss  buch." 
(Sign.  T.  D.  b.  9.) 

Nacli  Thorschmieds  Tode  IG33  ging  dessen  medizi- 
nische Bibliothek  zunächst  in  Möllers  Hände  über,  der 
jedoch  seine  eigenen  Werke  zum  Unterschiede  entweder 
mit  seinem  vollen  Namen  oder  mit  den  Anfangsbuchstaben 
auf  dem  äusseren  Deckel  versah:  „A.  M.  P."  oder  „A.  M. 
P.  C."  (=  Andreas  Mollerus  Poeta  Caesareus).  Das  er- 
gibt der  Befund  in  Kamenz. 

Auch  ein  Buch,  von  Mollers  Vater  eigenhändig  ver- 
merkt, habe  ich  dort  aufgefunden,  die  Disput ationes  Theo- 
logicae  per  omnes  fere  locos.    (I.  E.  12.) 

Sogar  ein  paar  AVerke,  die  Johannes  Wanckel,  der 
Vater  des  späteren  Möllerschen  SchAviegersohnes,  besass, 
sind  mir  bei  meiner  Suche  begegnet.  Es  sind  dies: 
Grammatices  Ebraicae  sanctae  tres  partes,  Witeb.  1575 
(Sign.  I.  A.  b.  13)  und  Primera  Seyunda  y  tercera  partes 
de  la  Araucana  .  .  .  Dirigides  Alrev  .  .  .  en  Auvers  1597 

(XVI.  16). 

Was  uns  aber  am  meisten  interessiert,  bleibt  eben 
die  Möllersche  Bibliothek  selber,  weil  wir  aus  ihr  auf  die 
Arbeit  des  Mannes  noch  einmal  einen  Schluss  ziehen 
können.  Und  wie  er  vielseitig,  so  auch  seine  Bücher- 
werkstätte.  In  der  Eile  der  Zeit  konnte  ich  nur  folgende 
Werke  als  aus  Möllers  Händen  und  direktem  Besitz 
stammend  feststellen : 

Theologie. 

Calvinus  .Judaizans.  ed.  Aegid.  Hunnius.  Witeb.  1595.  (I.  B.  b.  42.) 
Facnltatis    theologicae   Almae    universitatis    tleidelbergeusis   .  .  . 

Witeb.  1585.     (I.  B.  b.  39.) 
D.  Aurelii  Hiiipenensis  liber  de  haeresibus.  Genevae.  1596.  (I,  C.  a.8.) 
Ecdesiasticae  sive  de  latione   coiicionaudi   liljri  auctore  Erasmo  Ro- 

terodamo.     Basil.     1599.    (1.  D.  a.  4.) 
Disputatio  iUustiiiim  quaestionum  Theologicarum.  X.   auct.  Grauero. 

(I.  E.  7.) 
Methodu.s  concionandi.  Witeb.  1595.  (I.  D.  a.  6.) 

Philologie. 

Commentarius  Pauli  Mauutii  in  Ciceronis  ei)istolas.  Fraucofurt.  1580. 

(IV.  B.  b.  18.) 
Terentii  comediae.  ed.  Weitz.  Lipsiae.  1610.  (IV.  B.  a.  3.) 


Andreas  Möller.  107 


Medizin. 


Zacuti   Lusitani   Medici  et  Philosophi  praestantissimi  .  .  Amstelod. 
1637.     3  Bde.    (III.  c.  6  a  b  c.) 

Pliilosophie. 

Ethicae   Doctrinae    elementa    et    eiiarratio   libri   Quinti    ethicoriim. 
auct.  Phil   Melan.  1562.  (V.  A.  5.) 

Geschichte. 

Novae   Saxonum   historiae   progvmuasmata   a  Petro  Albino.  Witeb. 
1585.     (XL  c.  12.) 

Ausserdem  2  dicke  Bände  Leichpredigten  (L.  D.  b. 
16c,  d)  von  1628  aus  verschiedenen  Städten  und  häufig 
aus  der  Druckerei  von  Georg  Hofroann  in  Freiberg.  In 
diesen  Bänden  sind  die  „contenta  vokimine"  von  Möllers 
eigener  Hand  angegeben.  Dass  eine  genauere  Unter- 
suchung in  der  Bibliothek  der  Lessingstadt  noch  man- 
cherlei ergeben  würde,  bin  ich  fest  überzeugt.  Hier 
musste  ich  mich  begnügen,  die  Anregung  gegeben  zu 
haben. 


Anhang. 

Möllers    Schriften. 
A.    Drucke 25*). 

*1.  Actus  poeticus  quo  Caesarea  laui'us  manu  viri  Hoe  . .  Dres- 
dae  18.  März  1626  . .  .  impouebatur  Andr  eae  JMullero.  Freibergae. 
Hoffmann.     1626.     (dtirt  in  HB.  II,  16.) 

2.  Colossus  Hoeneccius  sive  Tabellae  in  publieo  famae 
templo  subrectae  de  scriptis  viginti  sex  annos  huc  usque  divulgatis 
viri  admodnm  reverendi  et  Magnifici  Splendore  Generis,  zelo  Reli- 
gionis,  politiore  doctrina,  virtute  omnigena,  plurimoque  plurimarum 
rerum  usu  vere  celsi  et  excellentis  Dn.  Mattbiae  Hoe  ab  Hoenegg 
in  Gönssdorf,  Ober  et  Nieder-Rachwitz  ect.    S.  S.  Theol.  Doctoris 


-^)  Die  mit  *  versebenen  Nummern  sind  bislang  unauffindbar 
gewesen.  —  Ausgeschieden  sind  die  ungefähr  90  Epicedien  in  deut- 
scher und  lateinischer  Sprache. 


108  Reiiihanl  Kade: 

. . .  Comitis  . . .  Patroni  literarum  et  literatoruiii  loiigc  litteratissimi 
transsciiptae,  in  lias  Chartas  aestn  rausico  relafae  et  eidem  . . .  uatalem 
smiiii  quadrac^esinnim  octavum  boiio  cum  deo  felicitcr  perageuti  die 
]\Iiitthiae  Anno  Clirlstiano  U)27  Xatalitidiiini  loco  subniisso  et  g'ra- 
tulaliundo  auimo  oblatae  a  M.  Andrea  Moll  er  o  Pcgav.  Poet. 
Laur.  Caesario.  Ad  Lectorein.  (Folgen  2  Distichen.)  Freibergae 
llernmn  luroruni.  Typis  Georgii  Hoft'inaniii.  [Kainenzer  ßibl.  TU. 
B.  41k.    ]S^o.  34.]     4".    8  Bli.     Rislier  unbekannt. 

3.  (ramelion  M.  Andreae  Molleri  Poet.  Laur.  (!aesarii,  Scho- 
lae  Freiberg.  Conrectoris,  ad  Yiruni  Musarum  et  Themidos  sacra 
docti.-<simuni  Dominum  Michaelem  Pragerum,  Freilerga  Misnicum, 
. . .  praetoi'em  et  Senatoren!  consultissinuim  cum  virgine  Ensebies  et 
gratiarum  dotibus  ditissima  Elisabetha,  Eximio  longeque  praecellenti 
Yiro  Dn.  Daniele  Thorschmidio  . .  .  doctore  celeberrimo  . . .  prognata, 
Secundis  auspiciis  secunda  connubii  pacta  contralientem  Freibergae 
3I.  Novembr.  D.  VI.  Anno . .  1B27,  Freibergae  Heimunduroium. 
Typiis  (jteorgii  Hoffmanni.  [Kamenzer  Stadtbibl.  111.  B.  41  k. 
No.  SSb.    Lat.  u.  Deutsch.     8  Ell.]     Bisher  unbekannt. 

4.  Confessio  Augustana  vere  Augu.sta  sive  oratio  ecclesiastico- 
historica  de  eÜectu  priniam  Augustanae  Confessiunis  promulgationem 
consequente  .  . . .  Accessit  ad  finem  brevis  dissertatio  de  anno,  quo 
exercitium  purioris  religionis  Freibergae  ci^vibus  permitti  et  confessio 
Augustana  primum  in  templis  proponi  coepit.  Ibidem  in  Panegyri 
.Tubilaeo  Anno  1630  die  28.  Junii  recitata  ab  And.  MoUero  ...  Frei- 
bergae. Tvpis  et  sumptibus  (i.  Beutheri.  1631.  4".  [Halle.  Q.  K. 
100s.  24  ßU.]  Vgl.  HB.  IV.  84.  75.  —  Voran  die  Worte  Hoes: 
„Hat  sie  gelesen  und  des  Drucks  würdig  erachtet;  bittet,  dass  das 
recht  schnell  geschehe.  Dresdae.  24.  Aug.  1630".  Vorrede  datiert: 
postridie  festum  Michaelis  1630. 

*o.  Ablegmiua  logica  ex  organo  Aristotelis  fere  selecta,  graeco- 
lat.     1630.     Freibergae.     12". 

6.  a)  Theatrum  Freibergense  Chronicum,  Beschreibung  der  alten 
löblichen  Berg  Haupt  Stadt  Freyberg  in  Meissen  . . .  Alles  mit  Fleifs 
aus  alten  monumenten,  Raths  Archiven,  Stadt-  und  (.Terichtsbüchern, 
Historien  und  andern  beglaubten  uhrkunden  und  Schrifften  zusammen- 
getragen und  zum  Druck  verfertiget  von  Andr.  Mollero  Pega- 
vio,  Philos.  et  Med.  D.  Physico  Ordinario  daselbst.  Freybergk. 
Georg  Beuther.  1653.  (Kupfer  vor  dem  Titel  in  vielen  Exemplaren: 
16.52.)  —  [Werthvolle  Exemplare  mit  hs.  Notizen  in  der  freiherrlich 
(Bosischen)  von  Zehmen'schen  Biblioth.  in  Schleinitz  bei  Lom- 
raatzsch  (vgl.  Hörn,  Handbibl.  VJI,  794.),  in  Kamenz,  Dresden,  Halle, 
Leipzig.] 

b)  Theatri  Freibergensis  Chronici  Pars  Posterior.  Beschrey- 
bung  der  alten  löblichen  Bergk  Haupt  Stadt  Freyberg  in  Meissen 
Ander  Buch,  darinnen  ordentliche  Annales  und  Jahrverzeichnüsse 
vieler  denck würdigen  Sachen  ...ibid.  1653.  —  [Hierin  die  Torsten- 
sohnsche  Belagerung  =  sog.  Relation,  deren  Titel  lautet:  „Gründ- 
liche und  ausführliche  Relation,  von  der  sehr  harten,  w^eitbeschrie- 
benen  und  denkwürdigen  Plocquada  und  Belagerung  der  . . .  Bergk- 
stadt  Freybergk,  wie  dieselbe  ...  unter  dem  Generalfeldmarschall 
Herrn  L.  Torstensohn  den  27.  Dec.  des  1642.  .Tahrs  berennet... 
neben  einem  besonderen  Kupffer  Abriss  (von  S.  Weishun)  in  Druck 
gegeben...  Georg  Beuther. "  Ein  Gedicht  auf  Bl.  !'•  „in  laudem 
Freibergae"   von   A.   Mollerus.     Exemplare   dieses   höchst   seltenen 


Andreas  Möller.  109 

Druckes  iu  Halle  Q.  K.  101  und  Dresden,  Bist.  Sax.  H.  240  und 
229m.  Darnach  in  Theatr.  Eui-op.  Y.  fol.  18.  Neudruck  1674  bei 
Zach.  Becker,  in  Freiberg.] 

7)  Andreae  Moller i  Pegavii Comraentarius  super  hym- 

nuui  Prudentianum  ad  octavum  calendas  Januarias.  Olim  in  Lyceo 
Freiberg-ensi  publice  praelectus  et  nunc  cum  indice  gemino  editus 
opera  M.  Nicolai  Grefii . .  .  rectoris.  1659.  Freibergae.  8*'.  Beuther. 
Vorrede  dat.  4.  Id.  Nov.  1657.  —  Die  deutsche  beigegebene  Über- 
setzung ist  von  Otto  Bennewitz.  (Exempl.  Dresden  ßibl.  Patr.  Lat. 
466;  Leipzig  Univ.  Bibl.)     Bisher  unbekannt. 

8)  'Ji'Ti7if>MQyu'.  sive  debitum  parentale  quod  patri  suo  . . .  A. 
MoUerus  solvit.  Adduntur  . . .  monumenta  et  antiquitates  quaedam 
de  urbe  Pegavia  . . .  Freibergae.     Beuther.     1659.     4". 

*9)  Polyglotta.     [Vgl.  HB.  II.  98,  99.  109.  110.  186.] 

10)  Epistola  ad  D.  Quelluialz  de  situ  et  incolis  Freibergae.  in 
SVN.  I,  97.  1767. 

11)  Nachricht  von  dem  Geschlecht  der  Gunterrode.  Ibid.  I. 
327.     Vgl.  Kreysig,  Beiträge  ziir  Historie ....  IV,  41. 

12.  Nachricht  von  dem  Geschlecht  der  Alnpecke.  Ibid.  II.  185. 
Vgl.  Curiosa  Saxonica.     1760. 

13.  Epistola  ad  Paul  Reinhold:  de  metallornm  causis.  Juni 
1633.     In  Weller:  Altes  aus  allen  Theileu.    I.  311.     176<. 

14.  Epistola  ad  Gabriel  Wagner:  de  fungis.  6.  id.  Nov.  1633. 
Ibid.  IL  510. 

15.  Siehe  die  Geschlechter  unter  Halle.    B.  4. 

B.  Handschriften-'''). 

I.  Hamburg. 

Stadtbibliothek. 
Möllers  Briefwechsel.    4  Bände.     Der  Freiberger  Amtsprediger 
Wilisch  hatte   sie   von   Bergrath   Henkel  und   schenkte  sie  an  Joh. 
Chr.   Wolf,  Pastor   in   Hamburg,     i  1739.     Von   mir   zuerst    ein- 
gehend benutzt. 

1.  Vol.  prim.  [Sup.  epistol.  LXVIII.  Moll,  epist.  L]  episto- 
licas  exercitationes  sive  literas  juveniles  continens.  1614—1626.  213 
Stück,  fol.  (Brief  IL  172  gehört  in  diesen  Band  zum  Jahre  1619; 
fol.  23:  ,,Literae  selectiores  ad  patrem,  quarum  autographa  inter  lite- 
ras patris  . . .  peculiari  fasce  continentur.") 

2.  Vol.  sec.  [Sup.  epistol  LXIX.  Moll,  epist.  IL]  —  1632. 
230  Stück,  fol.  (fol.  87  u.  213  werden  die  epistol.  philol.  erwähnt: 
siehe  4.) 

3.  Vol.  tert.  [Sup.  epistol.  LXX.  Uffenbach  et  Wolf.  Moll, 
epistol.  IIL]  —  1644.     66  Stück,  folio.     (No.  52  fehlt.) 

4.  Vol.  quart.  [Sup.  epist.  Uff.  et  Wolf.  X.  40.]  „Centu- 
ria  prima  epistolarum  philologicarum,  in  quibus  ex  variis 
disciplinis  et  Unguis  non  pauca  . .  .  discutiuntur  . .  .  quaestiones  . 
theolog.,  juridic,  medicae,  physicae,  mathematicae,  historicae,  criticae, 
poeticae."  1H17  — 1633.  (f.  !'•:  Collegi  quiuque  priores  decadas 
harum  epistolarum  ao.  1628,  ab  amicis  ...  ad  editiouem  stimulatus. 
Disposui   eas  juxta    annos    exceptis   prioribus  tribus,  quas  ob  certas 


-•^^)  Ausgeschieden  sind  verschiedene  einzelne  Aktenstücke. 


wo  Reinhard  Kade: 

causas  aliis  praemisi.  Ao.  1627  . . .  destinaveram  eas:  Hoeo,  Mos- 
dorfero  in  Gnamihoft'  (V),  Gensrefüo,  Sennerto.  Darauf  Notiz  \\m 
1656:  Jani  si ..  editionem ...  curare  potuero  insciibam  eas  Wellero, 
uieo  genero.  —  Kleist  Abschriften  aus  den  vorigen  Bänden.  Neu 
sind:  No.  2.  3.  15.  20—23.  32.  30.  37.  40-42.  45.  50.  53.  56.  57. 
60.  65,  66.  71.  72.  87.  90.  99.  100. 

Yergl.  Serapeum   1856.   17,  263.  —  Wilisch,   Kirchenhistorie. 

I,  369.  —  MFA.  10,  924. 

II.  Freiberg. 

a)    Gj'mnasialbiblioth  ek. 

1.  Dramata  tria  Couiica ...  publice  producta  1628.  567  Bll.  4*^. 
Apographum.  Unhekanut.  Vgl.  Freib.  Osterprogr.  1886  S.  26  u. 
MFÄ.  23,  17.     (Das  Original  für  den  Kath  scheint  verloren.) 

2.  XIII  Epistolae  anioebeae  cum  viris  quibusdam  eruditis  sui 
temporis.  50  Bll.  4".  1.  Ad  Pleisnerum  =  Hb.  111.  4;  2.  Ad  Gens- 
reft'^  II.  175;  3.  Ad  Thorschmied  =  111.  13;  4.  5.  Ad  Walther  = 

II.  199  u.  218;  6.  Ad  Lincke  =  III.  12;  7.  Ad  Keinhold  =  Weller, 
Altes  ect.  1,  311;  8.  Ad  Lennert  =  III.  fol.48;  9.  Ad  Ruling;  10.  Ad 
Kirchltach;  11.  Ad  Wagner- Weller  a.  ().  II.  510;  12.  Ad  Gensretf 
=  III.  19;  13.  Ad  Quellmalz  =  III.  22.  Copie.  Bisher  unbe- 
kannt. 

3.  Collegium  rhetoricum  habitura  Freibergae.  Febr.  1634.  („ex 
dono  Wilischii  1747.")    44  Bll.  4«.     Copie.     Bisher  unbekannt. 

4.  Elenchus  librorura  oder  Memorial  über  die  neu  eingebrach- 
ten Bücher  in  die  Bibl.  91  Bll.  fol.  (Darin  die  Anuales  Biblio- 
thecae ;  —  Bl.  9  von  Möllers  Hand.) 

5.  Cdtalog  der  Bibliothek.    130  Bl.  fol.  Papier;  von  1631—1651. 

6.  Donatorenverzeichnis.  Von  M.  angelegt.  Oiiginalbs.  nur 
auf  Bl.  17''  und  30.     Vgl  HB.  II.  215. 


s^ 


b)  Bibliothek  des  Alterthumsvcreins. 

1.  A.  a.  23:  Bruchstück  der  Chronik.  Originalhs.  C^).  Von 
mir  entdeckt.     12  Bll.  4".  =^  Chr.  S.  171—185. 

2.  Küchenmeisters  (Amtsprediger  1732 — 1810)  Abschriften: 

A.  a.  3.  Alte  Nachrichten  von   S.  Jacob      4  Bll.     (Siehe  Dresden.) 

A.  a.  5.     „  „  „     „    Petri     18     „ 

A.  a.  7.     „  „  „     „    Nicolai     5     „ 

A.  a.  6.  \'on  verschiedenen  Merkwürdigkeiten  der  Domkirche.  31  Bll. 

c)   Unteres  Rathsarchiv. 
1.  Lit.  C.  No.  3 :  Medicinalisches  Bedencken  contra  die  Barbierer. 
15.  Dez.  1653.     8  Bll.  fol.  Originalhs. 

III.  Halle. 

Ponickausche  Bibliothek.    (Vgl  MFA.  .5,  458;  16,  77.) 

1.  Hist.  4".  233.  Annales  Bibliothecae  Freiberg,  in  gratiam 
posteriorum  collect!  et  adsignati  —  17t>.i  und  andere  daliin  gehörige 
Nachrichten,  fol.  26.  Copie.  Bis  1664  ziemlich  übereiustinimend  mit 
dem  Freiberger  Elenchus  (s.  d.)  doch  unter  Weglassungen.  1735  bis 
1760  ist  ganz  anders  dargestellt.  Bl.  14 '>  beginnt  die  Fortsetzung, 
die  in  Freiberg  fehlt.  Verfasser:  eine  Person,  die  mit  Grundig 
und  Klotzsch  in  Beziehung  stand;  circa  1766  geschrieben.  \g\. 
Hist.  Q.  241  dasselbe  nebst  noch  andern  Nachrichten.     410  S. 


Andreas  Moller.  111 

2.  Hist.  4".  72:  Epistola  ad  Qnellmalz  de  situ  Freibergae  = 
SVN.  I.  97.  „Nach  2  Abschriften,  deren  eine  von  des  Verfassers 
eigener  Hand  sehr  verbessert  und  erweitert  ist".     14  Ell. 

3.  Hist.  4*'.  76.  Eigenhändige  Collectanea  und  Excerpta,  die 
Belagerung,  Defension  . . .  von  1633—1650  betreffend,  fol.  73.  (Vgl. 
Chr.  S.  8.)  Aehnlich  wie  die  Annales  angelegt.  Für  die  Entstehungs- 
geschichte sehr  instruktiv. 

4.  Hist.  4^'.  259.  Nachricht  von  den  alten  Freiberg.  Ge- 
schlechtern, derer  Alnpecke,  Auerbache  . . .  (25.)  Meistentheils  Auto- 
grapha  Anctoris.  Einiges  Abschriften,  fol.  131.  (Vgl.  Wilisch, 
Kirchenhistorie.)  Es  ist  dies  offenbar  der  l.Theil  des  5.,  vergebens 
in  Hamburg  gesuchten  Bandes,  der  über  Freib.  Familien  handeln 
sollte.     MFA.  10,  924. 

Hiernach  sind  veröffentlicht:  Alnpeck  =  SVN.  IL  185 ;  Auer- 
bach =  FGN.  1809,  31  (durch  Gerlach);  Börner  =  ibid.  1812,  51; 
Buchführer  =  ibid.  1812,  49.  SO:  Eberhart,  Budewitz,  Eckel  =  ibid. 
1813,  16;  Emeriche  =  1813.  19;  am  Ende  =  1809,  30;  Freiberger, 
Fleischer  ^  1813,  19;  Gosswein,  Gerhard,  Glassberg,  Grieben  — 
1813,  23;  Grossen  =-  1813,  43;  Böcke  =  1813,  14;  Berbisdorf  =^ 
1809,  49;  Binholz  =  1812,  60;  Löhser  =:  1813,  43;  Gimterrode  = 
siehe  „Drucke"  11;  Zeuner  =  1814,  47.  Ulmann,  Hörn  (durch  Kade) 
MFA  24. 

Nachweislich  in  Halle  vorhanden  gewesen,  jedoch  seit  der  Be- 
lagerung von  Wittenberg  1813/14  veiloren: 

5.  Hist.  4**.  73.  Eigenhändige  Collectanea,  annotationes,  ex- 
cerpta aus  alten  Nachrichten . . .,  welche  derselbe  zur  Abfassung 
seines  Theatri  gebraucht,     fol.  486. 

6.  Hist.  4'\  74.  Chronicon  mit  dessen  eigenhändigen  Ver- 
besserungen,    fol.  409. 

7.  Hist.  4".  75.  Freili.  Annalen  von  ao.  1156-1599  u.  1610 
bis  1650  mit  des  autoris  eigenhändigen  Zusätzen .'.  vol.  I  f.  318; 
vol.  2   f.  267. 

8.  Möllers  Autographum  rem  metallicam  praecipue  Freibergens. 
concernentes  aliquot  quaestiones  nebst  derselben  Beantwortung  fol.  3. 
(Vergl.  Küchenmeisters  Verz.  der  Pon.  Bibl.  in  der  Freil).  Alt. 
Ver.  Bibl) 

IV.  Dresden. 

Öffentliche    Kgl.    Bibliothek. 

1.  L.  338.  (Schnorr  v.  Carolsfeld,  Cat.  II,  379.)  „E  bibliotheca 
Klotzschii".  Concept  der  Freib.  Chronik.  282.  fol.  Cap.  1—41.  Ori- 
ginalhs.  vgl.  MFA.  5,  512.  Die  fortlaufende  Cap.-einteiluug  ist  noch 
vorhanden;  Cap.  12  ist  hinter  Chr.  Cap.  14  eingeordnet.  Cap.  18 
u.  19;  20  u.  21  =  Chr.  Cap.  18  und  19.  Chr.  Sectio  II,  8;  III.  4,  5; 
IV,  3  sind  neu.    (Cap.  36  ist  1632  geschrieben;  pag.  244.) 

2.  L.  380.  (Schnorr  v.  Carolsfeld,  Cat.  II,  394  „Consules  et 
senatores,  Vorsteher  des  Fernesiechen,  Spitalmfister,  Richter  . . .  aus 
der  Matrikel,  Gerichtsbüchern  . . .  extrahiret  ..."  335  BU.  Vgl.  MFA. 
5,  508.  —  Studien:  Bl.  52-66  enthält  die  umgearbeiteten  Capp.  18,  40, 
12,  13,  14  der  Chron.  Von  Bl.  192:  Geschlechter:  Dies  sind  die 
vermisst  geglaubten  Geschlechter.  Offenbar  der  2.  Theil  des  ge- 
suchten 5.  Hamburger  Bandes.  Grübler,  Totengrüfte  (1731).  An- 
merkg.  vor  der  1.  Seite  des  2.  Theiles  kennt  sie  noch.     Hierin  auch 


112 


Reinliard  iCade: 


die  liume  gesuchten  (SVN.  I,  328  und  FGN.  1801,  25.)  Schönlebe 
(294  »^),  Träger  (278),  Horu  (2391'),  Marschall  (268)!  Hieraus  abge- 
druckt No.  726  des  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IL  12. 

V.   Leipzig. 

Stadtbibliothek. 
1.  „Verzeicliuis  des  alten  hochlöbl.  Geschlechts  derer  von  G-un- 
terrodc".     Pap.  hs.  538  aus  Kreysigs  Bibl.  fol.  34»,  41^    (A'gl.  Nau- 
mann, Cat.  der  Stadtbibl.  S.  151.) 

Ratlisarchiv. 
1.    Brief  Möllers    vom   3.  Okt.   1636    an   den   Leipziger   Rath 
wegen  Geld  zur  Promotion  in  Jona. 

yi.   Nicht  aufflndbar. 

1.  „Eine  Sammlung  allerlei  Responsorum  mcdicin.  und  Briefe, 
dass  die  Aerzte  befugt  sind.  Arzneien  selbst  auszugeben'-.  —  Wilisch, 
Kirchenhistorie  1, 369.  (Ein  Theil  offenbar  =  Freiberg  c  1;  vgl.  S.  97  flg.) 

2.  „Sj'Ilabus  operationum  Obyniicarum  pro])ria  observatione  ex- 
pertarura".    Ibid. 

3.  „Allerlei  medicinalische  Processe".     Ibid. 

4.  „Eine  Sammlung  von  allerlei  Observationibus  und  wirklichen 
Speciminibus  zur  Astrosophia  iatrica  gehörig".     Ibid. 

5.  „Volumen   curationum  E.   fol.  269"  (citiert  in  HB.  III.  60.) 

Möllers  Briefe  an  Verwandte  und  Freunde. 

Die  meist  in  der  Hamburger  Sammlung  erhaltenen  Briefe 
(vgl.  auch  oben  unter  Freiberg  a  2)  sind  gerichtet  an-""'): 


A. 

G.  Arnold  p.  II.  35.  36. 
Assessores    protosynediii    Dresd. 

I.  158.  II.  52.  98. 

"W.    Avianus    rect.    schol.    Lips. 

II.  198. 

B. 

Chr.  BentzingerDicograph  II.  188. 

Joh.  Biner  1. 128  ^  169.  191.  200. 

11.11.  19i>.  29.  164.165. 

IV.  37.  65.  66. 

Chr.  Biner  IL  IK  bK  14.  26.  39. 

86.  94  (IV.  521').  109.  HO.  116. 

(IV.  55).  146  (IV.  62).  150  227. 
El.  Birnstiel  poet.   laur.  IL  224 

(IV.  95). 
•loh.  Bohemus  II.  54.  77.  79.  99 

(IV.  39). 
Sara.  Böiner  p.  I.  192. 
Joh.  liötticher  diac.  Said.  I  148. 

149.   154.  208,  9    (IV.  34.  5). 

IL  137.  IV.  20.  21.  45. 


Chr.  Brauer  IL  69.  70  (IV.  46.  47) 
Zach.  Brendel  III.  1.  IV.  87. 

C.  K. 

.loh.  Cellarius  p.  I.  64  (IV.  17). 

72.  82.  138. 
Jos.  Clauder  rect.  Altenb.  IL  100. 

205  (IV.  93).  217  (IV.  89). 
Erb.  Cobuld  I.  37. 
M.  Cochlius  I.  112.  IL  85. 
P.  Coler  Annab.  eccles.  IL  38. 
Mich.  Colerus  I.    68.  70.  71.  91. 

124.  131.  133—135.  140.   145. 

173.  194.  IV.  32. 
Barth.  Crebsius  IL  81. 
Sam    Kilmann  IL  190.  193  (IV. 

86). 
Kirchbach  p.  HL  5. 
Sig.  Koler  I.  129. 
Frid.  Kolerus  senat.  Cygn.  IL  153. 
H.  Köttner  IL  189. 
Burk.  Kühn  p.  I.  176.  178.  180 

II.  17.  IV.  60. 


")  p.  =r  pastor. 


Andreas  Möller  etc. 


113 


D. 

Chr.  Demantius  sen.  II.  207  (IV. 

91). 
Chr.  Demantius  jun.  III.  54.  56. 
G.  Dexelius  p.  II.  128''. 
Joh.  Drabitius  III.  8. 

E. 

ad  Electorem  I.  7.  60. 
Joh.  Ehrenberger  p.  II.  49. 


Jac.  Fabricium  Ilect.  Pegav.  I.  4. 

(lY.  7). 
Balt.  Eischer  I.  189. 
For.ster  p.  I.  136.  II.  128.  (IV.  50). 
Balt.  Frischmaun  II.  63. 

G. 

Abr.  Gensreff  I.  80.  IL   33.  91. 

92  (IV.  51.  63).  158.  175.  III. 

19.  25. 
Dav.  Gensreff  III.  10. 
Balt.  Glück.  I.  1.  38. 
H.  Graul  p.  I.  66.  163. 
Mich.  Greffius  II.  97. 
Gritius  1.  202. 

H. 

Hänichius  p.  II.  50. 

G.  Hausmmann  ßect.  Dresd.  II. 

28..   128  b.    130.  223.    III   44. 

IV.  100. 
G.  Heil  I.  40. 
Zach.  Hennig  p.  I.  207. 
Urb.  Hess  p.   I.  6.  9.  53.  59  (IV. 

16). 
Aug.  Hess  p.  I.  10.  28  b.  44.  50. 

II.  172  (IV.  8). 
Petr.  Hess  I.  61. 
Mag.  Hoe  II.  la.  4.  23  (IV.  1). 

46  (IV.  1). 
Hoffmann  p   II.  67. 
Höpfner  I.  161. 
Homilius  p.  IL  43. 
Casp.  Hörn  III.  28. 

L. 

David  Lange  IL  212. 
G.  Langevoith.  IL  222. 
Theoph.  Lehmann  p.   I.  77.  79 1>. 

97  (IV.  27).    167.  IV.  23.  42. 

IL  18    112.  144. 
Card.  Lincke  IL  230.  III.  12. 
Lindner  I.  157. 


Loeffler  U.  40.  58.  60.  61.  85»>. 

IV.  57. 
Gabr.  Loeser  L   74.  IL  19  b.  42. 

IV.  22. 
Polyc.  Lyser  prof.  Lips.  I.  2. 

M. 

Mager  consul  I.  156. 

Joh.  Major  Jenens.  III.  52. 

P.  Mayer  I.  165.  IL  186  (IV.  79). 

B.  V.  Maltitz  I.  122. 

Arn.  Mengering  III.  60. 

Chi-.  Mollerus  patruel.  I.  49  (IV. 

13). 
Joh.  Mosdorffer  L  55.  56  a.  57.  58. 

93.  94.  117.  119.  IL  32.  IV.  2. 
Moser  secret.  elect.  I.  125. 
Joh.  MuUerus  cons.  I.  39. 
Phü.  MuUerus  Lic.    I.    164  (IV. 

33).  184.  186.  IL  89.  139.  181. 

197  (IV.  83).  208. 
Chr.  Mulmannus:   superint.  Peg. 

IL  173  (IV.  78).  IIL  18. 
Tob.  Musculus  p.  L  193. 

N. 
Andr.  Nietner  I.  103. 

0. 

Hier.  Opitz   I.    197—199.   IL  47 
(IV.  43).  IV.  90. 


ad  Parentem  I.  8.  18—22  (IV.  4). 

23   (IV.  9).    24—28.    44  (IV. 

10).    45.    54   (IV.  14).    75.  76 

(IV.  25).  78  (IV.  19).  IV.  15- 
Ben.  Piscator  I.  29.  99.  106.  152. 

168.  171.  182b.  210—212  (IV. 

29—31). 
P.  Pleisner  IL  184  (IV.  74).  III.  4. 
M.  Prager  I.  96. 
Chr.  Pyrlaeus  p.  I.  101.  143.  144. 
Joh.  Pzibramski  III.  58. 

Q. 

Dav.  Quelhnalz  III.  22.  u.  SVN. 

I.  97. 

R. 
Rackelmann  p.  IL  124.  126  (IV. 

48). 
G.   Raspius   dec    Lips.    IL  185. 

202.  203  (IV.  80—82). 
G.  Rehefeld  p.  IL  156. 
Reich  p.  IL  141.  142.  174. 
G.  Reiche  consil.  IV.  3. 


Neues  Ari-liiv  f.  .S.  G.  u.  X.     IX.  1.  2. 


114 


Reinh.  Kade:  Andreas  Möller  etc. 


Gottfr.  Reinhold  I.  108''.  II.  IfiO. 

167.  168.  171  (IV.  67.  68.  69. 

70).  III.  15. 
Paul  lleinhoUl:    Altes    aus   allen 

Theilen  I.  311. 
Ant.  Kichtzeuliain  cousul.  I.  141. 
W.  Uolünck  Med.  Doct.  Jen.  III. 

33.  42. 
P.  Rudingcr  poet.  laur.  II.  151. 
Küling  Archidiac.  Dresd.  II.  10. 

S. 

Jac.  Sfhaffratli  I.  172. 
Rect.  Schellenberg  II.  17i>. 
Ben.  Scheuchler  p.  III.  3. 
D.  Schiimer  IL  178  (IV.  76). 
Schleifentag  I.  205b   H.  64.  111. 
Dav.  Sclimid  II.  213. 
Schmuck,  doct.  I.  33—35. 
.loh.  Schneider  phys.  Misn.  I.  8.5. 
Petr.  Schütz  I.  195. 
G.  Schöllerus  II.  117.  IV.  99. 
Elias  Scholz  I.  132. 
Senat.  Pegaviens.  I.  36. 
„       Freib.  I.  114.  135». 
„       Said.  I.  126. 
Dan.   Senneit,  Witteberg.   I.  46 

(IV.  12).  III.  29.  31.  III.  37. 

39. 
Senssius  secret.  II.  5.  24. 
Wolf  Sigel  praef.  I.  213. 
Job.    Siglicius   Med    prof.  Lips. 

I.  14  (IV.  6).  48.  IV.  11. 
Eus.  Simonis  I.  62. 
P.  Sperling  III.  fi9.  IV.  73. 
.Joh.  Sperling  III.  64. 
Sam.  Stark  p.  I.  113.  IL  131. 
Rup.  Sultzberger  Med.  prof.  Lips. 

I.    73    (IV.  18j.    89   flV.  28). 

IL  133  (IV.  58). 


Superintend.  Pegav.    I.  41.    105. 

115.  127.  203. 
Superintend.  Grimm.  I.  42. 

T. 

R.  Teuffei  IL  210.  220. 

D.  Thorschmied  IL  12.  145  (IV. 

64).    154.    179    (IV.  77).    IIL 

13.  17.  IV.  36. 
Thurmius  poliater  Dresd.  IL  8. 

25.  IV.  53.  56. 
Joh.  Timoreus  p.  IV.  40. 
Mart.  Ti'ostius    IL  195  (IV.  85). 
G.  Trübsbach  IL  66. 
Gabr.  Tuncelius  concil.  IL  7. 

U.  V.  w. 

Alb.  [Jlmann  senat.  IL  107.  136. 

Joh.  Verberius  IL  13.  30.  IV.  41. 

And.  Vilitius  IL  44. 

H.  Volckmal'  I.  51. 

Balth.  Wagner  IL  115.  135  (IV. 

.59). 
Gabr.    Wagner    p.    111.    26    und 

Altes   aus   allen   Theilen  IL 

510. 
Chr.    Walpurger   paedag.    I.  83. 

162. 
Mich.  Walther  IL  199.  218. 
Benj.  Wageuitius  p.   L  201.   IL 

i47. 
Joh.  Weckius  I.  175. 
Aug.   Wildius  III.  35.  46. 
G.  "Wildvogel  secret.  L  3. 
anonym.  Wildmeister  1.  166. 
Dan.^  Wratislavius  IL  120. 

Z. 

Chr.  Zahn  IL  72.  73. 
Raph.    Zorler    Aiinab.  Tert.    IL 
102-104  (IV.  38). 


V. 


Die  Meissner  Porzellanmamifaktiir 
unter  Böttger'X 

Von 
W.  V.  SeidUtz. 


Bei  der  Untersuchung  über  die  Anfänge  des  Meissner 
Porzellans  muss  unterschieden  werden  zwischen  der  brau- 
nen, sogen.  Böttgerware,  die  in  Wahrheit  Steingut  ist, 
und  dem  eigentlichen,  weissen  Porzellan.  Die  braune 
Ware  wurde  gleich  von  Begründung  der  Manufaktur  an 
hergestellt,  während  das  weisse  Porzellan  in  den  ersten 
Jahren  nur  in  Gestalt  von  unzureichenden  Probestücken 
auftritt  und  auch  späterhin  durch  längere  Zeit  hindurch 
in  weit  geringerer  Anzahl  als  das  braune  Gut  angefertigt 
wurde.  Dass  aber  die  Manufaktur,  welche  durch  König 
liches  Dekret  vom  20.  Nov.  1707  (VI)  in  Dresden  er 
richtet  wurde  (die  Überführung  nach  Meissen  erfolgte 
bekanntlich  erst  im  Jahre  1710),  thatsächlich  die  Her- 
stellung von  Porzellan  bezweckte  —  wie  Engelhardt 
S.  355  dies  betont  hat  —  und  nicht  etwa  Goldmacherkünsten 
zum  Deckmantel  dienen  sollte,  wird  durch  alle  Angaben 


o 


^)  Benutzte  Akten  des  Hauptstaatsarchivs:  (I)  Böttger  betr. 
Vol.  I.  1707-19.  Loc.  1339.  (11)  Böttger  betr.  Vol.  II.  1719.  20. 
Loc.  1389.  (III)  Varia  Böttger  betr.  1701—30.  Loc.  1340.  (IV)  Varia 
Böttger  betr.  Vol.  I.  1708—39.  Loc.  1340.  (V)  Varia  Böttger  betr. 
Vol.  IL  1701—19.  Loc.  1340.  (VI)  Sammlung.  1707—11.  Loc.  1341. 
(VII)  Varia  Böttger  betr.  1701  flg.  Loc.  1341.  —  (E):  0.  A.  Engel- 
hardt, J.  F.  Böttger,  Leipzig  1837.  8". 

8* 


116  W.  V.  Seidlitz: 

bestätigt.  Ebenso  stand,  wenn  ancli  vorerst  nnv  braune 
Ware  gefertigt  werden  konnte,  doch  von  Anfang'  an  die 
Herstellung  des  weissen  Porzellans  als  Ziel,  Avelcheni 
man  zustreben  müsse,  fest  (s.  weiter  unten  das  Jurament 
des  Dr.  Bartelmaei  vom  14.  Juli  1708). 

Am  22.  Sept.  1707  war  Böttger  vom  Königstein,  wo 
er  reiclilicli  ein  Jahr  vor  den  Schweden  versteckt  ge- 
halten worden  war,  abgeholt  und  nach  Dresden  über- 
geführt worden.  Dort  wurde  ihm  auf  der  stark  be- 
wachten Jungfernbastei,  in  der  Nähe  des  jetzigen  Belve- 
dere  der  Brülilschen  Terrasse,  ein  Haus  mit  Laboratorium 
erbaut  (E.  243),  vom  1.  Oktober  ab  ein  monatliches  Ge- 
halt von  400  Thlr.,  welches  vom  1.  Febr.  1708  an  auf 
550  Thlr.  und  durch  lleskript  vom  21.  April  dess.  Jahres 
auf  750  Thlr.  erhöht  wurde  (I,  28;  E.  279),  gezahlt, 
welche  Summe  wesentlich  zur  Unterhaltung  des  ihm  bei- 
gegebenen Personals  bestimmt  gewesen  zu  sein  scheint, 
da  sein  eigenes  Monatsgehalt  im  Jahre  1711  nur  auf 
50  Thlr.  angegeben  wird  (s.  weiter).  Unter  den  vier  im 
Laboratorium  auf  der  Festung  beschäftigten  Arbeitern, 
welche  gleichfalls  schon  vom  Oktober  1707  an  ihre  Be- 
soldung von  8  Thlr.  monatlich  erhielten,  befand  sich 
gleich  von  i\.nfang  an  der  spätere  Arkanist  (d.  h.  Masse- 
bereiter) David  Köhler,  welcher  sich  stets  als  Böttgers 
beste  Stütze  bei  der  Vervollkomnnumg  des  Porzellans 
erwiesen  und  noch  nach  Böttgers  Tode  der  Fabrik  we- 
sentliche Dienste  geleistet  hat. 

Dem  Besoldungsetat  vom  12.  Jan.  1708  (VI;  E.  260 
Anm.)  ist  ferner  zu  entnehmen,  dass  der  Rath  von 
Tschirnhaus  in  seinem  Laboratorium  im  Fürstenbergschen 
Hause  (einem  Theil  des  jetzigen  Finanzministeriums)  zwei 
Arbeiter  mit  8  Thlr.  monatlicher  Besoldung  beschäftigte, 
darunter  bereits  seit  dem  Oktober  jenen  Samuel  Kämpfte, 
welcher  späterhin  die  brandenburgische  Fabrik  rothen  Por- 
zellans in  Plane  a.  d.  Havel  einrichten  half. 

Der  Leibmedikus  Dr.  Jak.  Bartelmaei  war  anfäng- 
lich nur  als  Arzt  Böttgers  angestellt,  wurde  jedoch  um 
die  Wende  des  Jahres  1707  aufgefordert,  sich  an  dem 
Porzellanwerk  zu  betheiligen  (III).  Leicht  fiel  es  ihm 
nicht,  sich  dazu  zu  entschliessen,  da  er  wohl  wusste, 
dass  er  sich  durch  seine  Verbindung  mit  diesem  äusserst 
geheim  gehaltenen  Unternehmen  in  eine  verantwortungs- 
volle Lage  begab;  aber  schliesslich  machte  er  sich  mit 
Eifer  an  die  Sache,    unternahm   eine  längere  Reise,    um 


Die  Meissner  Porzellaumannfaktnr  etc.  117 

den  Betrieb  der  Töpferwerkstätten  in  Sachsen  und  den 
angrenzenden  Ländern  kennen  zu  lernen,  legte  den  Eid 
ab,  die  ihm  von  Böttger  mitzutheilenden  Geheimnisse 
treu  zu  bewahren  und  beschäftigte  in  den  Jahren  1708 
und  1709  von  sicli  aus  nicht  weniger  als  drei  Töpfer 
(Peter  Geitner,  Krumbholz  und  Gottfr.  Lose),  zwei  Bild- 
hauer (Müller  und  Stange)  und  den  Glasschneider  Spiller. 
Er  ist  also  als  ein  wesentlicher  Helfer  bei  dem  Unter- 
nehmen Böttgers  anzusehen;  doch  ging  er  hierbei  ohne 
die  erforderliche  Deckung  vor,  woher  es  denn  auch  kam, 
dass  ihm  seine  Auslagen  noch  im  Jahre  1735  nicht  zu- 
rückerstattet waren  (III;  E.  276). 

Die  Angabe,  dass  Böttger  bereits  1704  das  Porzel- 
lan, nämlich  die  rothe  Ware,  bei  einem  Versuch,  den 
rothen  Thon  von  Okrilla  unweit  Meissen  zu  Schmelz- 
tiegeln zu  verwenden  (G.  Kolbe,  Gesch.  der  K.  Porz.- 
Manuf.  zu  Berlin,  1863,  S.  76),  erfunden  habe,  düifte 
auf  missverständliche  Auslegung  der  Nachricht  zurückzu- 
führen seüi,  dass  er  sich  am  30.  Juli  d.  J.  anheiscliig 
machte,  dem  Bergrath  Pabst  in  Freiberg  sein  Arcanum 
oder  lapis  philosophorum  zu  lehren  (V).  Der  früheste 
Hinweis  auf  eine  Beschäftigung  Böttgers  mit  ähnlichen 
Gegenständen  findet  sich  in  einem  von  Engelhardt  S.  253 
angeführten  Briefe  vom  6.  Okt.  1707,  wonach  ihn  Tschirn- 
haus auf  die  Idee  gebracht  habe,  den  holländischen 
Delfter,  d.  h.  Fayence,  nachzumachen.  Die  Drohung  des 
Königs,  Böttger  möge  ihm  zurecht  thun  (E.  249,  Anfang 
Oktober),  kann  sich  auf  das  Porzellan  bezogen  haben, 
doch  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  hiermit  seine  Gold- 
macherkunst gememt  war,  denn  noch  am  30.  Januar  und 
21.  April  1708  wurde  die  Auszahlung  von  Extra-Summen 
(450,  bezw.  600  Thlr.)  an  ihn  „zu  einer  gewissen  extra- 
ordinären Bedürfnifs"  und  „zu  einer  gewissen  Sache,  so 
Uns  allein  bewulst"  angeordnet  (1,28;  E.  279);  im  Sep- 
tember 1709  erhoffte  noch  der  König  einen  Schatz  von 
60  Millionen,  die  Universalmedizin  u.  s.  w.  (III);  und  erst 
zu  Weihnachten  d.  J.  erklärte  sich  Böttger  endgültig  für 
unvermögend,  diese  Wünsche  auszuführen  (E.  295). 

Steht  somit  für  den  Schluss  des  Jahres  1707  niu'  so- 
viel fest,  dass  damals  bereits  diejenigen  Arbeiter,  Avelche 
späterhin  wesentlich  bei  der  Porzellanbereitung  betheiligt 
waren,  Verwendung  fanden,  so  mehren  sich  vom  März 
1708  an  die  Nachrichten  über  die  Förderung  des  Be- 
triebes  selbst.     Unter  dem  6.  dieses  Monats   ist   davon 


llS  W.  V.  S.-idlitz: 

die  Rede,  wie  man  Molil  die  Verwendung  von  Kreide 
verlieindichen  solle;  man  müsse  dieselbe  unter  dem  Namen 
Tlion  einfulu'en;  Vorrätlie  von  Kreide  wären  bei  ver- 
schiedenen Kaufleuten  zu  kaufen  und  dort  auf  Lager  zu 
belassen,  bis  man  sie  brauche  (III).  Es  handelte  sich 
also  dabei  nicht,  wie  Engelhardt  S.  278  meinte,  um  eine 
Verheimlichung  des  weissen  Thons  als  Hauptbestandtheiles 
der  Porzellanmasse,  sondern  man  glaul)te  anfangs  that- 
sächlich  Kreide  hierfür  verwenden  zu  können.  Ebenso 
bezog  man  im  Juli  d.  J.  9  Fässer  Alabaster  (III),  welche 
dem  gleichen  Zweck  dienen  sollten^).  —  In  einem  Re- 
skript vom  12.  März  1708  wird  die  Erbauung  einer  ge- 
Avissen  Grube  (für  die  Masse)  an  eüieni  sichern  und 
darzu  bequemen  Orte  anbefohlen ;  den  Ort  soll  der  Leib- 
medikus  Bartholomeo  aussuchen  und  die  Art  der  Er- 
l)auung  angeben;  für  die  Öfen  war  damals  noch  kein 
Ort  bestimmt  (I).  Unterm  26.  Juli  dess.  J.  ist  noch  von 
einer  „wegen  errichtender  Porcelainmanufactur  auf  der 
Festung  zu  Dresden"  auszuführenden  Thongrube  die  Rede 
(ibid.),  doch  wird  es  sich  hierbei  wohl  schon  um  eine 
neue  Grube  gehandelt  haben. 

Ende  März  1708  wurde  befohlen,  dass  2000  Zentner 
puren  Thons,  so  nicht  mit  Erde  oder  Sand  vermischt,  in 
Colditz  gegraben  Avürden.  Von  diesem  weissen  Thon, 
der  auf  der  Strasse  zwischen  der  Stadt  Colditz  und  dem 
Dorf  Terpitzsch  in  mehreren  Adern  offen  lag,  wird  ge- 
sagt, dass  er  für  die  Gefässe  nicht  zu  brauchen  gewesen 
sei,  wohl  aber  „zum  Anstreichen,  da  er  alle  Farben  au 
sich  nimmt".  Ausser  zu  den  Kapseln  wurde  er  also  auch 
zur  Glasur  verwendet.  Eine  grössere  Sendung  im  Au- 
gust dess.  J.  erwies  sich  nicht  mehr  so  gut  und  rein,  wie 
die  frühere  Probe  (III).  Auch  aus  Waidenburg  (an  der 
Mulde),  einem  Orte,  der  selbst  Töpferindustrie  besass, 
wurde  Thon  bezogen  (I). 

Ende  Mai  begab  sich  Dr.  Bartelmaei  von  Leipzig 
aus  auf  eine  Informationsreise,  die  ihn  nach  Colditz,  dann 
weiterhin  bis  nach  Braunschweig  führte,  und  auf  der  er 


-)  In  einem  aus  den  ersten  Zeiten  der  Mannfaktur  ^itammenden 
Aufsatz  „Kiniiit;  Xacbricht  vom  Poi'cellan",  in  4"  (VII),  ist  gesagt, 
Alabaster  sei  (lasjcnige,  welches  durch  proportionirlichen  Zusatz  die 
Durchscheinigkcit  causiret,  oder  selu'  weisser  Gips,  oder  in  dessen 
Ermangelung  ein  zu  Stein  gebi'annter  Borax.  —  Als  eine  gute 
Mischung  wird  daselbst  empfohlen :  Schnorrsche  Erde  4  Theile,  Col- 
ditzer  Thon  2,  zarter  Kiesel  V/.,  Alaln\ster  P/a  Theile. 


Die  Meissner  Porzellauinanufaktur  etc.  119 

Erden  und  Glasuren  kennen  zu  lernen  und  Gescliirrproben 
einzukaufen  beabsichtigte  (III).  Im  Juli  berichtet  ein 
Christian  Peschelt  von  Freiberg  aus  über  eine  ähnliche 
Reise  nach  Waidenburg,  wo  er  sich  die  Einrichtung  der 
Öfen  ansah  und  durch  die  Töpfer  ihre  Arcana  offenbaren 
Hess,  und  weiter  ins  illtenburgische,  wo  er  eine  ausser- 
ordentlich zarte  weisse  Erde,  wie  Pomade,  fand  (IV). 
Nach  solchen  Vorbereitungen  wurde  nun  Dr.  Bartelmaei 
unterm  12.  Juli  1708  mit  einer  Instruktion  versehen,  des 
Inhalts,  dass  er  nach  Böttgers  Angaben  die  Proben 
machen  solle,  nach  welchen  sich  der  König  entscheiden 
würde,  ob  man  nun  in  grösserem  Massstab  beginnen 
könne  (III).  Unterm  14.  dess.  Mts.  leistete  Bartelmaei 
endlich  sein  Jurament  (ibid.),  wonach  er  das,  was  ihm 
Böttger  „wegen  Zubereitung  unterschiedener  dem  ost- 
indianischen sich  zur  Durchsichtigkeit  gleich  brennenden 
Porcellan  Massen,  als  auch  was  zu  dessen  gänzlicher 
Verfertigung,  an  braunen  Glasuren  und  zu  Bereitung  der 
Farben  gehörig  sagen  und  erlernen  wird",  nicht  weiter 
verbreiten  will.  Hieraus  geht  hervor,  dass  Böttger  gleich 
von  vornherein  die  Herstellung  des  weissen  Porzellans, 
ferner  die  braune  Glasur  und  endlich  die  Bemalung  der 
Gefässe  im  Auge  hatte  (cf.  E.  276  flg.). 

Weiterhin  ist  aus  dem  Jahre  1708  nur  der  am  11. 
Oktober  erfolgte  Tod  des  Raths  von  Tschiruhaus  zu  be- 
richten. An  seiner  Stelle  übernahm,  nach  Engelhardt 
S.  284,  der  Hofrath  von  Seebach  die  Überwachung 
Böttgers. 

Unter  dem  11.  April  1709  wurde  auf  Böttgers  An- 
suchen eine  Kommission  zur  Untersuchung  seiner  ver- 
schiedenen Erfindungen  eingesetzt.  Der  Eingang  des 
betr.  Commissoriale  lautet: 

„An  Geh.  Eath  Zecli,  Kamnierprät;.  Freih.  von  Löwendal,  Kam- 
merrath  Nelimitz,  Geli.  Kriegsrath  von  Holtzbringk,  Hofrath  Döring 
nnd  Bergrath  Pabst.  P.  P.  Vermittelst  Anschlusses  giebet  uns 
Johann  Friedrich  Böttiger  unter  andern  zu  vernehmen,  welcher- 
gestalt  er  1.  den  guten  weifsen  Porcellan  mit  der  allerfeinsten  Glasur 
und  behörigen  Malwerk  in  solcher  Perfection  zu  machen  wisse,  dafs 
er  dem  ostindianischen  wo  nicht  übertreffen,  doch  gleichkommen 
solle  ^),  2.  ein  Gefäfs  von  allerhand  schönen  Farben,  härter  als  Por- 
phyr, so  wegen  der  hellen  Politur  und  unveränderlichen  Beständig- 
keit ganz  etwas  neues  in  der  Welt  sein,  ingleichen  3.  ein  rothes 
sehr  feines  Gefäfs,   welches   dem  rothen   ostindischen  Porcellan  in 


^)  Böttger   hatte   bereits  in  einem  Vortrage  vom  8.  März  1709 
das  weisse  Porzellan  unter  „seine  ersten  Inventa"  gesetzt  (E.  412). 


120  ^V.  V.  Soiillitz: 

allen  gleich  kommen  würde,  4.  auch  eine  Art  von  Steinen,  welche 
nach  eines  jeden  Licliliahci-s  Gefiilli.nkeit  von  allerhand  Farben  zu- 
gerichtet, und  in  zieiuliclicr  Gröi'se  praepariret  werden  könnten,  an- 
henebst  aber  an  Schönheit  und  Härte  dem  Porphyr  und  Marmor 
vorgehen  sollten.  Hierüber  und  5.  habe  er  auch  eine  Zubereitung 
des  Boraxes,  der  in  allen  Proben  und  Nutzungen  dem  bcrul'enen 
venetianischen  gleichkommen  sollte  und  würde,  Avic  nicht  weniger 
eine  ganz  neue  Art  von  massiven  Glasstücken,  aus  welcher  schätz- 
bare Sachen,  so  aller  Welt  Admiration  verdienen  sollten  und  nur 
wegen  Mangel  guter  Gefäfse  und  Formen  bis.  anhero  hätten  unter- 
bleiben müssen,  gearbeitet  werden  könnte.  Überdies  habe  er  auch 
die  holländische  Steinbackerei  bereits  in  ziemlich  gangbaren  Staude, 
wolle  auch  die  Schraelztiegel  und  andere  chymische  Gefäfse,  welche 
sonst  mit  grofsen  Kosten  aus  dem  Hessischen  geholet  werden  müssen, 
von  elieu  der  Güte  machen,  auch  endlich  von  denen  in  Unsern  Lan- 
den befindlichen  ]\Iaterialien,  die  als  ein  todter  Schatz  zeither  un- 
lirauchbar  liegen  l)lieben,  oder  zu  unnützen  Sachen  angewendet,  wo 
nicht  gar  von  Fremden  fast  ohne  Bezahlung  veiführet  worden,  ent- 
decken, dafs  dem  Lande  daraus  ein  höchstersprielslicher  Nutzen  ge- 
schaffet  werden  sollte;  Bittet  zugleich  um  eine  Commission,  vor 
welcher  er  dieses  Alles  klar  zu  dcmonstriren,  und  dergestalt  auszu- 
führen gedenket,  dafs  obige  Erzählung  nur  als  eine  Schale,  worinnen 
der  beste  Kern  annoch  verborgen  läge,  l)is  annoch  zu  betrachten 
sei"  (L  58). 

Am  17.  April  hielt  diese  Kommission  im  Berggemacli 
ihre  erste  Sitzung  ab  (E.  284).  Mit  dem  weissen  Por- 
zellan kam  man  noch  für  längere  Zeit  nicht  über  die 
Proben  hinaus;  an  der  Herstellung  der  rothen  Ware  muss 
dagegen  in  dieser  Zeit  fleissig  gearbeitet  worden  sein, 
da  zur  Ostermesse  des  folgenden  Jahres  bereits  ein 
beträchtliches  Quantum  zum  Verkauf  gebracht  werden 
konnte  ^). 

*)  Gleichzeitig  wurde  die  Wiedererrichtung  einer  Schleif- 
und Poliermüiile  an  der  Weisseritz,  namentlich  wegen  dei'  Be- 
arbeitung der  inländischen  Edelsteine,  unter  reger  Betheiligung 
Böttgers  in  Aussicht  genommen.  Die  von  Tschirnhaus  angelegte 
Mühle  war  abgebrochen  und  zu  einer  ]\Iahlmiihle  adaptiert  worden; 
unterm  6.  Aug.  1709  ist  daven  die  Kede,  die  neue  Mühle  „hinter 
der  Grotte  in  dem  Aegidischen  Garten"  anzulegen  (1,65);  im  Januar 
1710  wurde  dagegen  dieser  Platz  aufgegel)en  tmd  statt  dessen  der 
dem  Kammeri-ath  Wichmanshausen  gehörende  Berghannner  gewählt; 
))isJohanni  sollte  die  Mühle  fertig  sein.  Aber  wie  über  allen  Unter- 
nehmungen Böttgers  —  die  JMühle  war  seiner  Administration  unter- 
stellt —  waltete  auch  übei'  dieser  ein  missgünstiges  Geschick :  wohl 
wurde  1711  ein  Mühleninspektor,  Job.  Friedr.  Schmidt,  angestellt, 
der  1500  Thlr.  zur  Anlegung  der  Mühle  erhielt  (I,  Keskr.  v.  25.  Juli 
1711);  Wohl  verwendete  Böttger,  wie  er  am  13.  Juli  1713  an  den 
Kammerrath  Nehmitz  schrieb  (IV),  die  100  Thlr.,  welche  er  monat- 
lich für  sich  aus  der  Kammer  erhielt,  auf  die  Mühle :  immerhin  war 
sie  Mitte  1714  noch  nicht  völlig  eingerichtet  und  scheint  dann  immer 
mehr  in  Verfall  geratheu  zu  sein. 


Die  Meissner  Porzellanniauufaktnr  etc.  121 

Unterm  19.  Okt.  1709  schreibt  Böttger  dem  König: 
„Ich  verstehe  nnter  dem  was  fertig  ist  erstlich  den 
weissen  durchsiclitigen  Porcellaii,  2.  den  rothen  in  unter- 
schiedenen Sorten,  3.  den  Borax,  4.  die  schönen  Steine 
auf  Porphyr-  und  andere  schöne  Arten,  5.  das  sogen, 
holländische  Gut  sowohl  in  Platgen  als  runden  Gefässen, 
welche  beide  letzteren  Sorten  auch  von  solcher  Schönheit 
sein,  dass  sie  nicht  allein  den  Delfter,  sondern  ausser 
der  Pellucidität  gar  den  ostindianischen  an  Schönheit 
übergehen"  (III;  E.  413).  —  In  dem  auf  die  förmliche 
Gründung  einer  Porzellanfabrik  bezüglichen  wichtigen 
Dekret  vom  23.  Jan.  1710  wird  daun  erwähnt,  dass  neben 
den  rothen  Gefässen  ,,so  die  indianischen,  von  sogenannter 
terra  sigillata  gemachten,  weit  übertreffen"  und  „aller- 
hand besonders  kolorirtem  und  auch  von  diversen  Farben 
künstlich  melirtem  Geschirr  und  Tafeln,  welche  insge- 
sammt  nebst  ihrer  Zärtlichkeit  von  so  ungemeiner  Härte 
sind,  dass  sie  sich  gleich  dem  Jaspis  und  Porphyr 
schleifen,  schneiden  und  poliren  lassen",  „auch  bereits 
ziemliche  Probestücken  von  dem  weissen  Porzellan,  so- 
wohl glasurt  als  unverglasurt,  vorgelegt"  worden  seien, 
wobei  die  Hoffnung  ausgesprochen  wird,  dass  dieses  in- 
ländische Porzellan  dem  indianischen  „an  allerhand  Fa- 
Qons  und  grossen  auch  massiven  Stücken,  als  Statuen, 
Kolumnen,  Servicen  u.  s.  w.  weit  übergehen  möchte"  (I; 
E.  301).  —  Das  Jahr  1709  kann  somit  mit  Sicherheit 
als  das  der  Herstellung  des  weissen  Porzellans  ange- 
geben werden. 

Am  24.  Jan.  1710  wurde  ein  Manufakturdirektorium 
eingesetzt,  bestehend  aus  dem  Kammer-  und  Bergrath 
Michael  Nehmitz,  welcher  gleich  von  Anfang  an  die 
Hauptaufsicht  über  Böttger  zu  führen  hatte,  und  dem 
geheimen  Kommerzienrath  Christoph  Mathie;  seinen 
Sitz  hatte  dieses  Direktorium  in  dem  Boseschen  Hause 
auf  der  Wilsdruffergasse  (E.  307).  Durch  Reskript  vom 
7.  März  d.  J.  wurde  die  Verlegung  der  Fabrik  auf  die 
Albrechtsburg  zu  Meissen  angeordnet  (E.  315),  Aveil 
man  an  diesem  leicht  abzusperrenden  Ort  das  Geheimnis 
der  Porzellanbereitung  am  sichersten  wahren  zu  können 
hoffte,  und  am  6.  Juni  erfolgte  die  Überführung  dorthin. 
Über  die  erste  Leipziger  Osterraesse,  welche  in  dieser 
Zeit  mit  den  neuen  Waren  bezogen  wurde,  ist  einem 
Bericht  des  Direktoriums  vom  28.  Okt.  1710  Folgendes 
zu  entnehmen: 


122  ^V-  V.  Seidlitz : 

„NhcIkU'iu  Ew.  Könii^l.  Majt.  im  Jaimari«  dieses  Jahres  von 
liior  nach  Dcio  Köni^reicli  Pohlen  Sich  erhoben,  liel's  der  Inventor, 
Johann  Friedrich  ]5üttger,  seine  einzige  Sorge  sein,  wie  zu  der  da- 
mals lievorstelienden  Leipziger  Ostermesse  eine  gute  Quantität  rother, 
theils  schlecliter,  thoils  geseluiitten  und  jjolirter,  nicht  weniger 
scliwartz  glasurter  und  laccirtei' Gefafse  verfertiget,  und  durcli  öftent- 
liclien  ^'erkauf  in  sothauer  Messe,  von  Kealität  derer  in  SachCsen 
neuerfundenen  Manufacturen,  die  Welt,  so  es  alle  mal  vor  unmöglich 
gelialten,  ülierzeuget,  auch  die  darinnen  fahricirte  Waaren  zugleich 
bekannt  yomacht  Averden  möchten.  Es  reussirte  auch  gedachter 
inventor  duich  angewandten  unermüdlichen  Fleils  so  glücklich,  dafs 
er  von  ol)l)enanuteu  Sorten  eine  ziemliche  Anzahl,  deren  Werth  sich 
in  die  4000  Thlr.  erstreckte,  wirklich  zur  Leipziger  Messe  sandte, 
Ew.  König!.  Majt.  Allergnädigst  bestalltes  Manufactur-Directoriura 
aber  dei'cn  Versill)eruug  zu  besorgen  ersuchte,  und.  dais  nach  ge- 
endigter  Messe  an  dasselbe  er  die  nunmehro  zu  Stande  gebrachte 
Manufactur  von  rothen  Gefäfsen,  um  solche  nach  der  von  Ew.  Königl. 
Majt.  uns  vorgeschriebenen  Instiuction  zu  administriren,  übergeben 
Avoile,  sich  entschlösse.  Ob  nun  wohl  damals  ein  nicht  allzugrosser 
Abzug  denen  Umständen  nach  gehoffet  werden  konnte,  indem  diese 
neue  Waren,  so  zureden,  im  A'erborgenen  gefertiget,  und,  weil 
Niemand  etwas  davon  gesehen,  folglich  unter  Standespersonen  so 
wenig  als  unter  Kaufleuten  von  deren  Schönheit  weder  geredet  noch 
geschrielien  werden  können,  fast  bei  Jedermann  unbekannt,  diejenigen 
aber,  so  ja  noch  etwas  davon  gehöret,  durch  den  grofsen  Haufen 
derer,  so  keine  Liel)e  zu  dergleichen  IVlanufacturen  hegen,  prae- 
occupiret,  ein  oder  den  andern  Versuch  zu  thun  intinndiret,_  viel- 
leicht auch  ganze  Kaufmannscliaften,  wie  wir  aus  einigen  Circum- 
stantien  nicht  unbillig  muthmalsen,  jedoch  nicht  vor  gewifs  behaupten 
wollen,  aus  besonderer  Absicht  in  totura  davon  zu  abstrahiren  beredet 
worden:  So  hat  dennoch  bey  augenscheinlich  Avahrgenommener  kalt- 
sinnigen AuftÜhrung  derer  einheimischen,  die  Curiosität  derer  aus- 
wäi'tigen  das  Waren-Lager  bis  zur  Hälfte  geräumet,  und  uns  die 
Hoffnung  zurückgelassen,  dafs  hiesige  neue  Eabriqucn,  wenn  sie  erst 
überall  bekannt,  mehr  Liebhaber  an  fremden  ausländischen  Orten, 
als  in  ihrem  eigenen  Vaterlande  finden  würden"  (V). 

Einer  Registratur  vom  5.  April  1710  zufolge  be- 
schlossen Nelimitz,  Böttger  und  Matliie,  jeder  400  Thlr. 
vorzuschiessen,  damit  nicht  nur  rothes,  sondern  auch 
weisses  Porzellan'^),  Borax,  Schmelztiegel,  holländische 
Plattgen  und  runde  Gefässe  für  die  Messe  hergestellt 
werden  könnten  (lY).  Einer  Notiz  zufolge  ^\urden  auch 
am  20.  April  d.  J.  dem  König  vier  Stück  Aveissen  Por- 
zellans, sechs  „Plattgens"  und  daneben  verschiedenes 
rothes  Geschirr  geschickt,  als  Bierkrüge,  zum  Theil  mit 
Silber  beschlagen,  viereckige  Theekrügel  mit  Blumen  ge- 
schnitten,   schwarz   lackierte   mit   indianischen    (chinesi- 


•'^)  Engelhardt  S.  413  berichtet,  es  seien,  jedoch  blos  zur 
Ausstellung,  9  Eichelblätter,  1  Schüssel,  1  Tabakskästchen  und  6  un- 
glasierte Schälchen  zur  Ostermesse  gesendet  worden. 


Die  Meissner  l'orzellaumamü'aktur  etc.  123 

scheu)    güldenen  Figuren   gezierte   runde  Glocken,   tür- 
kische   Kaffeekännchen ,     Theebüchsen,     Zuckerbüchsen, 
rundes  Geschirr  (III).  —  Dass  schon  frühzeitig  die  Ver- 
wendung des  Kobalt,   der  bereits   seit  dem  XVI.  Jahrh. 
aus  dem  Erzgebirge  über  Holland  nach  China  ausgeführt 
wurde   (E.  250  Anm.),    in  Frage  kam,    geht    aus    einem 
Briefe    des   Bergraths  Pabst  d.  d.  Freiberg,  5.  Mai  1710 
an    den  Kammerrath  Nehmitz    hervor,    wonach  Böttger 
„^/,^  Ctr.  der  allerbesten  und  feinsten  Handsteine  von  der 
Kobolt-Minera"  zu  erhalten  wünscht  (V).    Irrig  aber  ist 
Engelhardts  (S.  343)  Annahme,  dass  anfangs  die  Malerei 
meist   in    blau    bestanden    habe.     Bis  zu  Böttgers  Tode 
handelte    es   sich,   wie    aus   dem  Folgenden  hervorgehen 
wird,  immer  nur  um  Proben  solcher  Blau  mal  er  ei.    Zum 
erstenmal  Avird  eine  am  28.  Juni  1710  erwähnt.    Damals 
schickte  Georg  Edler  von  Holtzbrinck,  der  auch  weiter- 
hin  als   in   naher  Beziehung  zu  der  Manufaktur  stehend 
erwähnt   wird,    dem  König   zwei  Gefässe   von   weissem 
Porzellan,  das  eine  glasiert,  das  andere  nicht;    auf  letz- 
teres   sei   viel   Farbe    aufgetragen,    auch   ungewöhnliche 
Zeichnung,    doch   hätten    die   Farben   nicht    alle    gleich- 
massig    den   Brand   vertragen.     „Wenn    man    aber   vom 
Blauen  allein  was  machet",  soll  es  bei  nächster  Gelegen- 
heit folgen   (I).      Einem  Bruder  des  Kammerraths  Neh- 
mitz,   dem  Arzt  Dr.  Wilh.  Heinr.  Nehmitz,   war  ziemlich 
von    den    ersten  Zeiten    an    das  Secretum   derer  sämmt- 
lichen  Glasuren   und   das  Direktorium   des  Feuers   und 
Zubereitung    der    Öfen    anvertraut.       Dass    aber    doch 
Böttger    der   thatsächliche  Leiter   des  Ganzen   gewesen, 
geht  aus  einem  Berichte  Holtzbrincks  vom  28.  Juni  1710 
hervor,  wonach  damals  eine  Eeise  Böttgers  nach  Meissen 
nöthig  wurde,  da  „ausser  diesem  .selbst  niemand  die  be- 
quemen Örter  zu  Anlegung   der  Ofen   auch   zu  Präpari- 
rung  der  Massen  anweisen  kann"  (I,  114). 

Unterm  1.  Sept.  1710  schreibt  Holtzbrinck  dem  Kö- 
nig, er  würde  nur  dann  zu  demselben  nach  Polen  reisen, 
wenn  Böttger  „solche  vollständige  Proben  des  weissen 
Porcellains  in  allem  seinen  Lüster  und  blauen  Farben, 
wie  es  sein  soll  und  muss,  mitgeben  würde".  „Zwar 
habe  von  dem  weissen  ohne  Farbe  so  schöne  und  von  so 
zarter  Lasur  Gefässe  gesehen,  dass  es  von  keinem  in- 
dianischen (zum  wenigsten  so  viel  mir  vorkommen)  zu 
unterscheiden  ist . . ."  (IV).  Aus  dem  bereits  angeführten 
Bericht  von   Nehmitz  und  Mathie   vom   28.  Okt.  d.  J. 


124  ^^'-  V.  Seidlitz: 

(V)  gellt  hervor,  dass  Büttger  sich  grosse  Mülie  gab,  die 
Manufaktur  in  Stand  zu  erhalten,  eine  ziemliche  Quanti- 
tät Porzellans  nach  Karlsbad,  dann  auch  nach  Berlin 
und  Hamburg  sandte,  es  alxM-  nicht  liabe  verhüten  können, 
dass  „die  meisten  schon  abgerichteten  Arbeiter,  weil  aus 
Mangel  des  Geldes,  so  ohne  Arbeit  gelassen  werden 
müssen,  aus  einander  gegangen".  Da  er  sich  infolge 
dessen  ausser  Stande  sah,  die  Manufaktur  weiterzuführen, 
bot  er  dem  Direktorium  den  auf  ßWO  Thlr.  geschätzten 
Vorrath  zur  Übernahme  an.  Ein  rascher  Entschluss 
musste  gefasst  werden.  In  Erwartung,  dass  unter  dem 
Namen  einer  Kompagnie  der  Debit  besser  erfolgen 
möchte,  bediente  sich  das  Direktorium  eines  Kaufmanns 
Schwartze',  um  mit  dessen  gutem  Willen  die  Waren  unter 
dem  Namen  Schwartze  &  Co.  zu  debitieren.  Unterm 
23.  September  w-urde  ein  Scheinkontrakt  aufgesetzt  (IV). 
In  der  That  hatte  der  Kammerrath  Nehmitz  dazu  ^/.,, 
eiif  Privater  ^',,  vorgeschossen;  Matliie  besorgte  das  Ge- 
schäftliche; diese  fingierte  Kompagnie  verglich  sich  mit 
dem  Direktorium,  dieses  aber  mit  Böttger  wegen  einer 
gewissen  Lieferung  der  Waren,  die  namentlich  in  rechtem 
Kaufmannsgut  bestehen  sollten,  für  ca.  4000  Thlr.  bis 
Ostern.  Auch  von  der  altdresdnischen  Steinbäckerei  (in 
der  jetzigen  Neustadt)  ist  hierbei  die  Rede.  —  Engel- 
hardt  S.  414  giebt  an,  dass  am  8.  Okt.  1710  zum  ersten- 
mal die  Schnorrsche  weisse  Erde  erwähnt  Avird,  w  ährend 
die  regelmässigen  Lieferungen  derselben  erst  im  November 
1711  begannen  (ibid.  419).  Die  folgende  Äusserung  Ma- 
thies  in  einem  Bericht  an  Nehmitz  vom  21.  Okt.  1710 
bezieht  sich  al»er  wahrscheinlich  noch  auf  die  rothe 
Ware:  des  Herrn  Inventoris  rühmliche  Studien  seien 
„vornehmlich  auf  grosse  Stücke  und  solche  Sachen,  wie 
Indien  noch  nie  geliefert  hat,  gerichtet";  das  Gelingen 
aber  sei  nicht  leicht.  Damals  fehlte  es  noch  immer  an 
Fond  und  Del)it;  man  fürchtete,  dass  die  Manufakturen 
ins  Stocken  gerathen  könnten.  Borax  und  Schmelztiegel 
hält  er,  als  kurante  Waren,  für  die  relevantesten  im 
Debit  (IV).  Am  12.  Nov.  d.  J.  kann  Holtzbrinck  von 
Danzig  aus  an  Nehmitz  melden,  dass  das  rothe  Polierte 
dem  König  gefallen  habe,  so  dass  derselbe  auf  den  Ge- 
danken verfallen  sei,  es  sollte  davon  nicht  viel  gemacht, 
sondern  nur  zu  Geschenken  für  grosse  Potentaten  ver- 
wendet werden  (ibid.).  Am  11.  Dezember  schreibt  Neh- 
mitz einem  Freunde,  wahrscheinlich  Holtzbrinck:   „Hier- 


Die  Meissner  Porzellamnaniifaktur  etc.  125 

nächst  so  melde  auch,  dass  Böttger  beide  Ofen  zum 
weissen  Porzellan  verfertiget,  die  Proben  auch  gebrannt 
hat,  weil  aber  das  blaue  noch  nicht  vollkommen  gewesen, 
welches  er  der  Farbe,  so  er  aus  dem  Gebirg  erst  besser 
bekommen  soll,  schuld  gegeben,  so  hat  er  solch  Proben 
nicht  überschicken  mögen,  indess  soll  mein  Bruder  der 
Doktor  mit  dem  Brennen  continuiren,  welches  er  auch 
darum  thut,  dass  Ihre  Majt.  zugleich  versichert  sein 
möge,  dass  die  Wissenschaft  auch  ein  anderer  besitzt . . . 
Die  Schnielztiegel  sind  wohl  gerathen,  wie  auch  was  die 
weisse  Masse  betrifft  auch  ziemlich  die  Glasur,  die 
Malerei  aber  war  inwendig  und  wenn  man  die  Gefässe 
gegen  das  Licht  hält,  ganz  deutlich  zu  sehen,  ausserhalb 
aber  waren  die  Farben  noch  nicht  recht  durchgebrochen" 

(ibid.). 

Dass  zu  Ende  des  Jahres  1710  nur  das  rothe  Por- 
zellan zur  Vollkommenheit  gebracht  war,  wird  in  einem 
Dekret  vom  29.  Dezember  d.  J.,  durch  welches  die  Ad- 
mmistration  zum  Zeichen  der  Zufriedenheit  Böttger  allein 
übergeben  Avird,  ausdrücklich  gesagt.  In  solcher  Eigen- 
schaft hatte  er  über  die  Annahme  und  Entlassung  des 
Personals  allein  zu  entscheiden.  Nehmitz,  der  unterm 
25.  Januar  1711  zum  Generaldirektor  der  Manufakturen 
ernannt  wurde  (E.  335),  hatte  ilmi  in  Justizsachen  bei- 
zustehen, die  Yerpflichtungen  vorzunehmen,  die  vorhan- 
denen Waren  nach  den  von  Böttger  bestimmten  Preisen 
zu  verkaufen  u.  s.  w.  (VI).  Aus  einem  Reskript  vom 
12.  März  1711  geht  übrigens  hervor,  dass  Böttger  die 
Administration  nur  „für  eine  Zeit  lang"'  übergeben  worden 
war,  wobei  ihm  eine  neue  Kommission  beigesetzt  wurde, 
da  die  Mitglieder  der  früheren  Kommission  theils  ab- 
wesend, theils  anderweitig  beschäftigt  waren  (E.  345;I). 
In  dieser  Kommission  treten  die  beiden  Männer  zum 
erstenmal  auf,  deren  Namen  durch  länger  als  ein  Jahr- 
zehnt stets  wiederkelu-en :  der  wirkl.  Geheimrath  von 
Seebach  und  der  Kammerherr  Graf  von  Lesgewang;  aus 
der  ersten  Kommission  sind  herübergenommen:  Döring 
und  Pabst;  neu  hinzugetreten  ist  der  wirkl.  Geheimrath 
Graf  von  Wackerbarth  *^).  Durch  Reskript  vom  13.  Okt. 
1711  wurde  die  Kommission  für  perpetuierlich  erklärt. 


<*)  Bei  den  späteren  Kommissionen  (E.  347,  349,  3n9)  kommt 
der  Xame  des  geheimen  Kriegsraths  und  späteru  polnischen  Krou- 
postmeisters   Georg  Edler  von  Holtzbrinck  häutiger  vor.     Im  Jahre 


j^2G  W.  V.  Seidlitz: 

Unterm  5.  Februar  1711  wird  erwähnt,  class  „die 
jaspisgleichen  rothen  Gefässe  in  vorzüglicher  Vollkommen- 
heit, die  von  weissem  Porzellan  aber  in  erwünschtem 
Wachsthume"  sich  befänden.  „Bei  der  wenigen  Ein- 
nahme, so  Ew.  Maj.  hierzu  destiniret,  mag  ein  Mehreres 
nicht  prästiret  werden."  Weiterhin  nochmals :  „die  schon 
sehr  weit  avancirten  weissen  Purcellaine  sollen  vollends 
in  Perfection  gesetzt  werden".  Die  Manufakturen  für 
Borax  und  besonders  für  feuerfeste  Schmelztiegel  waren 
damals  erst  noch  zu  etablieren  (IV).  Zur  Ostermesse 
entnahm  der  König  für  35U  Thlr.  Porzellan  und  schenkte 
es  dem  König  von  Dänemark.  Durch  Reskript  vom 
23.  Mai  1711  wurde  angeordnet,  dass  Böttger  für  die 
Einrichtung  der  Borax-  und  der  Schmelztiegelfabrik 
lUUO  Thlr.  als  Abschlagszahlung  einer  Gesamtsumme 
von  6000  Thlr.  gezahlt  werden  sollen;  auch  sollen  Holz 
und  Colditzer  Thon  unentgeltlich  angeführt  werden  (I). 
Ein  halbes  Jahr  später  war  letzteres  noch  nicht  ge- 
schehen, und  von  den  verbleibenden  5000  Thlr.  wurden 
nur  500  ausgezahlt.  Das  von  allen  Seiten  bedrängte 
Kammerkolleg  sträubte  sich  mit  Recht  dagegen,  für  eine 
neue  Einrichtung  das  schwer  zu  beschaffende  Geld  her- 
zugeben, während  die  ältere  noch  nicht  in  rechten  Gang 
gekonunen  war.  Daneben  unterstand  die  Schleif-  und 
Poliermühle  an  der  Weisseritz  der  Administration  Bött- 
gers.  Letzterer  machte  sich  anheischig  anzugeben,  wie 
in  Freiberg  neue  Schmelzöfen  für  Erz  mit  seinen  weissen 
Thon -Ziegeln  aus  der  Dresdner  Steinbäckerei  gebaut 
werden  könnten.  Er  konstruierte  (Ende  1714)  Oefen  für 
Bierbrauereien,  legte  1711  eine  Tabakspfeifenfabrik  an, 
kurz  beschäftigte  sich  mit  dem  Verschiedenartigsten,  ohne 
doch  die  Hauptsache,  die  Porzellanmanufaktur,  zu  rechter 
Blüthe  bringen  zu  können,  tlieils  aus  Mangel  an  Geld, 
theils  weil  die  Versuche  zur  Herstellung  des  weissen 
Porzellans  noch  zu  keinen  befriedigenden  Resultaten 
führen  wollten. 


171.T  kehrte,  neben  Lesgewangs  Namen,  deijenige  des  Obeihofuiar- 
scballs  KannneiiträsideQten  und  Oberbergdirektors  Frbrn.  von  Lö- 
wendal  wieder,  daneben  erscheinen  diejenigen  des  geb.  I{aths  und 
A'icebergdirektors  J.  E.  von  Alemann  [f  1720)  und  von  E.  Titt- 
mann; im  Oktober  1717  sind  Kommissionsmitglieder:  Löwendal, 
Watzdorf,  Alemann,  Holtzbiincdv  (I);  im  Jahre  1720:  Aleman,  See- 
bach und  Lesgewang  (II). 


Die  Meissner  Porzellanmanufaktnr  etc.  127 

Ein  am  28.  Mai  1711  aufgenommenes  Inventar 
über  das  Dresdner  Lager  von  mehr  als  2000  Stück') 
beweist  dies  zur  Genüge,  indem  es  nur  braune  Ware 
aufführt,  diese  aber  in  all  den  Verschiedenartigkeiten, 
welche  noch  jetzt  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu 
Dresden  wahrgenommen  werden  können  (IV).  Es  handelt 
sich  dabei  um  Trinkkrüge,  Theekannen,  Theebüchsen, 
Thee-Koppchen  und  -Schälchen,  Zuckerbüchsen,  Auf- 
sätze (auch  als  Bouteillen  bezeichnet),  „Strausseneier", 
„Glocken",  „Brunnen"  (Weihkessel),  Messerschalen,  Kon- 
f ektschälchen ,  Spülnäpfe,  Salzfässchen,  Tabakspfeifen- 
köpfe, Stabknöpfe,  Messerklingen  mit  Gabeln  (wohl  die 
Griffe  gemeint)  ^) ;  daneben  kommt  ein  rundes  Giess- 
kännchen  mit  grossem  Giessbecken,  godronniert,  vor 
(ersteres  zum  Preise  von  2^/..  Thlr.,  letzteres  zu  2  Thlr.), 
ferner  „Baumäste"  (P/-  Thlr.,  emailliert  3  bis  ö^-  Thlr.), 
Schnecken  (2^..,  emailliert  3  Thlr.),  Eichelblätter  (zu  3, 
4  und  5  Gr.) ;  besonders  interressant  sind  die  Angaben 
über  einige  figürliche  Darstellungen,  die  sich  zum  Theil 
noch  jetzt  in  der  Dresdner  Sammlung  nachweisen  lassen: 
so  werden  73  Stück  Vitelliusköpfe  (zu  9  Gr.,  glasiert 
16  Gr.),  60  Apolloköpfe  (ebenso),  55  Kinderköpfe  (zu 
21  Gr.),  672  Stück  kleüie  römische  Köpfchen  (zu  2  Gr.) 
aufgeführt;  ferner  ein  „Confucius"  (5  Thlr.,  somit  schwer- 
lich die  häufig  vorkommende  kleine  hockende  Chinesen- 
figur), 2  Bilder  (zusammen  5  Thlr.,  vielleicht  die  Judith 
und  die  heilige  Familie  mit  dem  Johannesknaben,  in  der 
Porzellansammlung) ,  eine  Platte  mit  einem  Kaiserkopf 
(12  Gr.,  vielleicht  das  kleine  kameoartige  Profilbildnis 
nach  links,  ebendort),  eine  Muschel  mit  Bildern  (7  Thlr). 


■')  In  Meissen  waren  in  der  zweiten  Hälfte  d.  J.  12—13000 
rohe  und  gebrannte  Geschirre  vorhanden,  dazu  270  Ctr.  an  rohen 
Materialien  und  Massen  (I). 

*)  Die  Triukkrüge  "/..  bis  1  Thlr.,  reicher  verziert  3  bis  n,  ja 
7  Thlr.-,  Theekannen,  rund,  viereckig',  achteckig,  meist  2  bis  4  Thlr., 
mit  Silber  beschlagen  1  Thlr.  mehr,  reichere  6  bis  10  Thlr.;  Thee- 
büchsen 2  bis  5  Thlr.;  Theeschälchen  rund  8  Gr.,  achtpafsig  12  Gr.; 
Zuckerbüchsen  IVo  bis  2  Thlr. ;  Aufsätze  rund  und  viereckig,  klein 
2  bis  3  Thlr.,  gross  bis  6  Thlr.;  dabei  auch  kleine  mit  Köpfchen  an 
den  Seiten  erwähnt;  Strausseneier  2  bis  6,  auch  10  und  12  Thlr.; 
in  schwerer  Masse  -/s  bis  1  Thlr.;  Glocken  3  bis  7  Thlr.;  Brunnen, 
mit  und  ohne  Bügel,  2  bis  7  Thlr.;  Messerschalen  27-2  bis  5  Thlr.; 
durchbrochener  grosser  Spülnapf  3  Thlr.;  Salzfässchen  schwarz 
glasiert  8  Gr.;  Tabakspfeifenköpfe  poliert  zu  IVs  Thlr.;  Stabknöpfe, 
poliert  rmd  geschliffen  12  Gr. ;  Messerklingen  4  Gr. 


128  W.  V.  Seidlitz : 

Die  einzelnen  Stücke  sind  bald  ganz,  bald  nur 
an  den  Extremitäten  poliert;  Verzierungen  werden  ein- 
gesclililfen,  aus  ausgesparten  Schildern  werden  Blumen- 
bouquets  und  Architekt uren  herausgeschnitten ;  mehrfach, 
wenn  auch  noch  nicht  häufig,  finden  sich  Glasuren  erwähnt 
und  dann  stets  entweder  mit  geschnittenen  Ornamenten, 
namentlich  an  Theekannen,  oder  mit  Bemalung  in  Gold; 
auch  schwarze  Glasur  kommt  bereits  vor,  einmal  an 
einem  grossen  runden  Aufsatz  mit  goldner  Marmorierung, 
daim  an  einem  Trinkkrug  mit  theilweiser  Politur,  endlich 
an  einem  Theeschälchen,  von  dem  es  lieisst:  in  Venedig 
emailliert.  Ein  Paar  runde  Aufsätze,  der  eine  gemuschelt, 
der  andere  marmoriert,  w-erden  als  gelblich  bezeichnet. 
Auch  erhabene,  also  nicht  geschnittene,  sondern  plastisch 
aufgesetzte  Blumen  und  Zweige  kommen  schon  vor.  An 
einer  Theekanne  wii^d  ein  Adlerschnäuzchen  erwähnt. 
Sehr  häufig  findet  sich  die  Bezeichnung:  genmschelt 
(ornamentiert?),  ein  Trinkkrug  A\ird  als  oben  und  unten 
gemuschelt,  ein  anderer  bauchiger  als  ganz  genmschelt 
aufgeführt. 

Ebenso  häufig  kehren  die  Worte:  emailliert  und  lackiert 
wieder,  daneben  auch:  marmoriert.  Bei  der  Email- 
lierung wird  es  sich  nicht  um  Verwendung  richtiger 
Porzellanfarben,  die  bereits  auf  der  Meissner  Manufaktur, 
jedoch  erst  um  1720,  als  Schmelze  bezeichnet  wurden, 
wde  sie  jetzt  noch  bei  den  Franzosen  emaux  heissen, 
gehandelt  haben,  sondern  um  eine  undurchsichtige  Email- 
oder (>1-Farbe,  da  sonst  die  bereits  erwähnte  in  Venedig 
erfolgte  Dekorierung  eines  schwarz  glasierten  Schälchens 
nicht  als  Emaillierung  hätte  bezeichnet  w^erden  können'*). 
Unter  Lackierung  scheint  die  Auftragung  der  lack- 
artigen Gold-  oder  Silber -Farbe  verstanden  zu  werden: 
das  Wort  kommt  gewöhnlich  in  der  Verbnidung:  laccirt 
mit  Gold  oder:  mit  Gold  laccirt,  einmal  auch  mit  Silber 
1.,  ferner:  1.  mit  Gold  und  Farben,  vor.  Die  Marmo- 
rierung bezieht  sich   wohl  auf  die  Färbung  der  Masse 


")  Es  werden  Tlieekauueu  mit  WeinraiikfU  emailliert  erwähnt; 
emaillierte  Stücke  kommen  bisweilen  mit  Steinen  versetzt  vor;  von 
einer  Bouteille  lieisst  es :  weiss  emailliert,  wobei  die  Farbe  wohl  auf 
die  Bemalung,  nicht  auf  das  üefäss  zu  beziehen  ist,  da  es  sonst  in 
der  langen  Liste  das  einzige  weisse  Stück  wäre,  ohne  sich  docli 
durch  seinen  Preis  vor  den  tibiigon  auszuzeichnen.  Unter  Eiuail- 
licrung  kann  also  nicht,  wie  ich  früher  annahm,  Bemalung  in  Gold 
verstanden  werden. 


Die  Meissner  Porzellanmamifaktur  etc.  129 

und  kommt  gleichfalls  in  Verbindung  mit  goldenen  Ver- 
zierungen vor. 

Nach  diesem  längeren  Verweilen  bei  den  Formen 
des  damals  hergestellten  Porzellans  kann  in  dem  Bericht 
über  die  Geschicke  der  Manufaktur  fortgefahren  werden. 
Zu  Anfang  des  Jahres  1712  hatte  Böttger  um  seine 
Enthebung  von  der  Administration  nachgesucht,  der  König 
zeigte  sich  in  einem  Reskript  vom  24.  Februar  d.  J. 
dazu  geneigt,  da  „Uns  derselbe  in  anderen  ihm  beiwoh- 
nenden Wissenschaften  getreue  und  angenehme  Dienste 
leisten  kann"  (I),  doch  kam  es  nicht  dazu.  Wohl  aber 
konnte  Böttger  zu  Ende  dieses  Jahres  schon  der  Hoff- 
nung Ausdruck  geben,  dass  ihm  endlich  seine  Freiheit 
geschenkt  werden  würde,  was  denn  auch  1715  geschah. 
Diese  Äusserung  findet  sich  in  einem  Bericht  Böttgers, 
der  einem  Briefe  desselben  an  Nehmitz  vom  18.  Oktober 
1712  beigegeben  ist  und  sich  mit  der  Frage  beschäftigt, 
wie  die  monatlichen  Ausgaben,  die  sich  auf  1057  Tldr. 
16  Gr.  für  Besoldungen,  209  Thlr.  18  Gr.  für  Material 
u.  s.  w.  und  254  Thlr.  für  Böttgers  Unterhalt  beliefen 
und  die  Einnahmen  fast  um  die  Hälfte  überstiegen, 
namentlich  durch  Streichung  überflüssiger  Angestellten 
verringert   werden   könnten  ^'')    (IV).      An   Besoldungen 


^'*)  Es  waren  damals  angestellt  mit  folgendem  Monatsgehalt: 
Böttger,  Administrator,  .50  Thlr.;  Leibmediciis  Dr.  Jak.  Bartelmaei 
20  Thlr.  (damals  nur  noch  als  Arzt  für  Böttger  angestellt)-.  Dr. 
WiDi.  Heiur.  Nehmitz  30  Thlr.  (der  Bruder  des  Direktors);  Secre- 
tarius  Eman.  Jacobi  20  Thlr.;  Inspector  Joh.  Melch.  Steinbrück 
20  Thlr. ;  Commercien-Commissai'ius  Joh.  Gottfr.  Meerheim  2.5  Thlr. ; 
Inspector  der  Schleif-  und  Poliermühle  Joh.  Friedr.  Schmidt  20  Thlr. ; 
Joh.  Jac.  Irminger  16  Thlr.  (der  Dresdner  Goldschmied,  der  Modelle 
für  neue  Formen  anfertigte  und  damals  „bei  Continuation  des  weissen 
Porzellans"  unterschiedliche  neue  Formen  herzustellen  im  Begriff' 
stand).  Ferner  je  ein  Buchhalter,  Kondixkteur,  Bettmeister,  Materialien- 
schreiber und  zwei  andere  Bedienstete.  An  Künstlern:  der  Lackirer 
Martin  Schnell  mit  einem  monatlichen  Verdienst  von  ca.  100  Thlr. ; 
Joh.  Karl  Bahr,  Goldarbeiter;  Joh.  Christoph  Schäffler,  Maler; 
Stefky,  Filigranarbeiter  (die  drei  Letzteren,  mit  je  12  Thlr.  besoldet, 
wurden  nur  zeitweilig  beschäftigt).  An  Glasschneidern  wurden  6  in 
Dresden,  3  in  Meissen,  10  in  Böhmen  beschäftigt.  4  Massebereiter 
(Arkanisten):  Joh.  Georg  Schubarth,  Dav.  Köhler,  Christoph  Wiedeu, 
Samuel  Stölzel:  3  Brenner  und  Maurer,  8  Töpfer,  3  Kapselmacher, 
3  Dreher  des  holländischen  Guts,  darunter  Peter  Eggebrecht,  der  die 
altdresdner  Steinbackerei  gepaclitet  hatte,  mit  20  Thlr.,  Joh.  Dav. 
Krazenburg  16  Thlr.,  Christoph  Rothe  9  Thlr.  4  Fliesenmacher, 
2  Schlemmer  des  Kapselthons.  Als  Schilderer  des  guten  Porzellans 
werden  aufgeführt:  Joh.  Dav.  Stechmann  mit  16,  Aushelm  Bader 
mit  8  Thh'.,  wobei  bemerkt  wird,  dass  zui'  „Schilderung  des  weissen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX.  1.  2.  9 


130  ^^'-  "f-  Seidlitz: 

sollten  310  Thlr.  gestrichen  werden.  Im  Jahre  1716 
betrugen  dieselben  überhaupt  nur  noch  274  Thlr.  12  Gr. 
monatlich  (III,  461)  ^i). 

Endlich  zur  Ostermesse  1713  konnte  auch  eine 
grössere  Menge  weissen  Porzellans  gehefert  werden, 
welches  raschen  Absatz  fand,  aber  doch  nicht,  wie  Engel- 
hardt  S.  418  behauptet,  das  braune  Porzellan  fast  ganz 
in  den  Hintergrund  drängte.  Wie  aus  einem  Briefe 
Böttgers  an  Nehmitz  vom  25.  Mai  1713  hervorgeht 
(IV),  wurden  ca.  500  Thlr.  gelöst,  doch  wäre  dieser 
Betrag  noch  grösser  gewesen,  ..wofern  die  Welt  nicht 
durch  des  Buchhalter  Meyers  Glas  präoccupiret  gewesen 
wäre".  Das  mögen  die  bunten  Theeservice  von  einer 
Art  Milchglas  gewesen  sein ,  von  denen  Engelhardt 
S.  441  redet.  Am  16.  Juli  kann  übrigens  Böttger  be- 
reits berichten  (IV),  dass  die  Dresdner  Glashütte  „nunmehr 
gänzlich  in  Decadenz  gerathen,  indem  der  Buchhalter 
Meyer  sich  Schulden  halber  unsichtbar  machen  müssen, 
Avie  denn  auch  vergangene  Woche  die  besten  Arbeiter 
sich  aus  Noth  von  dannen  begeben".  Zugleich  beklagt 
er,  dass  die  Spiegelfabrik  sich  in  gleichem  Zustande  be- 
finde, und  möchte  das  verhindert  sehen.  —  In  dem  an- 
geführten Briefe  vom  25.  Mai  entschuldigt  er  sich  übri- 
gens gegenüber  dem  König,  dass  die  Stücke  noch  klein 
seien,  doch  soll  ein  grösserer  Ofen  gemacht  werden.  Die 
Bemerkung,  dass  das  holländische  Commercium  in  De- 
cadence  gebracht  zu  sein  scheint,  könnte  sich  übrigens 
auch  auf  die  Erzeugnisse  der  Dresdner  Steinbackerei 
beziehen,  da  er  gleich  hinzufügt,  dass  zAvei  Holländer 
„auf  die  200  Dutzend  Thon-G eschirre  mit  erhabenen 
Blumen"  bestellt  und  noch  andere  Bestellungen  gemaclit 
hätten,  wobei  er  aber  anführt,  dass  grössere  Lieferungen 
für  die  Zukunft  wegen  fehlender  Mittel  nicht  versprochen 
werden  könnten^-). 


Porzellans"  noch  einige  Personen  erforderlich  sein  werden.  Endlich 
2  Tischler,  6  Domestiken,  5  Arbeiter  im  Laboratorium,  3  bei  der 
Schleif-  nnd  l'oliermühle,  sowie  Büttii'ers  Bruder  Christoph  Dietiich 
und  sein  Stiefbruder  .Tust  Friedr.  Tiemann,  l)ei  denen  keine  Bescbiif- 
tigiiDg  erwähnt  wird.  (Vgl.  den  Besoldungsetat  für  1711  bei  Engel- 
hardt S.  343.) 

^')  Es  waren  damals  nur  5  selbständige  Beamte,  4  Masseberei- 
ter, 4  Brenner,  4  Dreher,  5  Former,  1  Handlanger  und  Joh.  Gottf)'. 
Mehlhoni  (der  jüngere)  als  Schilderer  angestellt. 

^-)  Diese  Steinbackerei,  Avelche  gleichfalls  Büttger  unter- 
stand,  befand   sich   damals   in  den  Händen  des  um  1711  aus  Berlin 


Die  Meissner  Porzellanraamifaktur  etc.  131 

Für  den  Zustand  der  Manufaktur  in  dieser  Zeit  ist 
ein  Brief  Steinbrücks  an  Nelimitz,  Dresden  25.  Juni  1713 
datiert  und  nach  Warschau  adressiert,  sehr  bezeichnend 
(IV).  Da  heisst  es:  „Die  rothen  und  weissen  Stücke 
nebst  denen  embellirten  haben  gezeiget,  dass  sie  nicht 
allein  schöner  und  faconuirter  als  ehedem,  sondern  auch 
wohlfeiler  worden,  und  wird  überdies  die  Fabriciue  des 
weissen  feinen  Porzellans  ihre  Vollkommenheit  sowohl 
als  die  rothe  erhalten  haben,  so  dass  daran  fast  nichts 
mehr  zu  fehlen  scheinet  und  nur  noch  blos  auf  deren 
Conservation  zu  gedenken  sei."  Freilich  fehle  es  jetzt 
sowohl  an  Colditzer  Thon,  daher  keine  weissen  Kapseln 
zum  Brennen  des  weissen  Gescliirrs  vorräthig  seien,  wie 
an  Holz ;  zu  Böttgers  grossem  Kummer  sehe  man  sich 
genöthigt,  die  für  die  Herstellung  eines  grösseren  Vor- 
raths  günstige  Jahreszeit  ungenutzt  vorübergehen  zu 
lassen;  die  Fabrik  neige  sich  in  Folge  dessen  dem  Euin 
zu.  Zu  Böttgers  Charakteristik  während  dieser  kritischen 
Periode  diene  folgender  Brief  Steinbrücks  an  Nehmitz : 

„.  .  .  und  dienen  die  Bedrängnisse,  in  denen  er  sich  wegen 
Geldmangels  befindet,  nur  zu  seiner  desto  gröfsern  Mortification,  dafs 
er  auch  seiner  bisherigen  Verrichtungen,  seiner  Administration,  ja 
des  Lebens  selbst  überdrüssig  zu  sein  scheinet;  wenigstens  sich  so 
aufführet.  Da  gehet  er  den  ganzen  Tag  allein  herum  in  seinen  Me- 
ditationen, da  ist  keine  Lust  noch  Muntrigkeit  mehr  in  ihm:  er  ist 
zu  allen  Dingen  verdiiesslich  und  darf  man  ihm  öfters  von  vorfal- 
lenden Affairen  nichts  gedenken,  bis  der  alzugrofse  Chagrin  wieder 
vorüber.  In  Summa  es  jammert  einen  recht,  wenn  man  siebet,  wie 
er  sich  unaufhörlich  martert  und  ängstiget,  ohne  dafs  er  dadurch 
etwas  ausrichten  kann.  Dargegen  es  besser  wäre,  wenn  dergleichen 
Sorgen  andere  hätten  und  er  nui-  nach  Plaisir  oder  Trieb  seiner 
Genie  ohne  allen  Chagrin  arbeiten  könnte;  es  würde  solches  sonder 
Zweifel  Ihro  Majestät  Selbsten  zu  mehreren  Nutzen  gereichen,  nach- 
demmal gewifs,  dafs  er  in  Naturalibus  ein  ungemeines  hat;  und 
weil  er  die  beiderlei  Porcellaine  erfunden;  es  auch  sonsteu  heifset: 
Qui  potest  plus,  potest  minus ;  wohl  kein  ZAveifel  sein  kann,  er  werde 
auch  noch  ein  und  ander  neues  erfinden,  wenigstens  dasjenige  prä- 
stiren können,    was   er  versprechungsweise   ehemals  ad  ProtocoUum 


verschriebenen  Peter  Eggebrecht,  der  anfangs  Böttger  bei  den  Ver- 
suchen, das  weisse  Porzellan  herzustellen,  geholfen  zu  haben  scheint, 
dann  aber  die  Fabrikation  der  Delfter  AVaare  und  zwar  auf  eigene 
Rechnung  und  Gefahr  aufnahm,  da  ihm  sein  monatlicher  Gehalt  von 
20  Thlr.  nicht  aufgebessert  werden  konnte.  Am  16.  Juli  1713 
schreibt  der  Insp.  Steinbrttck  an  Nehmitz,  dass  Böttger  mit  Egge- 
brecht nicht  zufrieden  sei  (IV).  Da  dieser  Geschäftszweig  nicht  in 
Blüthe  kam,  überliess  Eggebrecht  die  Leitung  desselben  seiner  Frau 
und  ging  selbst  1717  nach  St.  Petersburg  (siehe  seineu  Brief  an  den 
König,  d.  d.  St.  Petersburg  10.  Dec.  1719,  II,  374). 

9* 


132  W.  V.  Seidlitz: 

gegeben,  wodurch  dann  Ibro  Majestät  er  weit  besser  dienen  würde,  als 
durch  seine  jetzige  Mühseligkeit,  da  er  sieh  nur  abmartert,  und  doch 
seinen  Zweck  nicht  erreichet,  wobei  noch  zu  befürchten,  dals  solcher- 
gestalt und  wenn  er  seinen  Chagriu,  wie  wohl  eher  geschehen,  ver- 
trinken wollte,  er  vor  der  Zeit  alt  und  grau  werden,  oder  wohl  gar 
sein  Leben  praeniaturiren  möchte,  zum  gröl'sten  Verlust  dessen,  was 
er  noch  hätte  thun  können,  gestalt  dergleichen  Ingenia  nicht  aller 
Urten  auch  nicht  zu  allen  Zeiten  wieder  anzutreffen  sein.  Nur 
mül'ste  er  jetzo  mit  Ehren  aus  seinen  Angustiis  gezogen  werden,  er 
würde  Gott  danken,  wenn  er  einmal  heraus  wäre  und  sich  künftig 
davor  hüten:  wie  er  denn  der  gänzlichen  Meinung  ist,  aller  Sorgen 
und  Att'airen,  so  andere  verrichten  können,  sich  zu  entschlagen,  und 
blol's  darauf  zu  appliciren,  wozir  ihn  sein  Naturel  treibet,  dadurch 
er  dann  auf  was  nützliches  zukommen,  und  Ihro  Majt.  jezuweil  ein 
Plaisir  machen  zu  können  nicht  zweifelt"  (V.  25.  Juni  1713). 

In  einem  an  Nelimitz  nach  Warschau  gerichteten 
Briefe  vom  2.  Juli  1713  (IV)  ist  von  sechs  „im  Feuer 
gemalten  Schälchen"  die  Rede,  die  überschickt  werden 
und  „zu  den  Koppchen  wolil  passen  werden".  Ob  es 
sich  dabei  um  blau  oder  andere  Farben  handelte,  ist 
nicht  zu  ersehen ;  immerhin  erhellt  aus  der  kleinen  An- 
zahl der  Stücke,  dass  es  immer  noch  Versuche  waren. 
Bereits  in  einem  Briefe  Böttgers  an  Nehmitz  vom  12.  Ok- 
tober 1711  wird  das  Blau  erwähnt  (IV):  Die  Gräfin  von 
Coseln  ist  bei  ihm  gewesen,  „es  ist  aber  wegen  der  blau 
Farbe  Sachen  nicht  ein  Wort  erwähnet  worden".  —  Mit 
dem  Dr.  Nehmitz,  dem  Bruder  des  Kammerraths,  scheint 
Böttger  in  stetigen  Differenzen  gelebt  zu  haben  und  so 
auch  mit  Dr.  Bartelmaei,  freilich,  fügt  der  Kammerrath 
(in  einem  Bericht  vom  12.  März  1721,  IV)  hinzu,  na- 
mentlich dann,  „wenn  sie  ihn  zur  Haltung  seines  Worts, 
davon  er  aber,  wie  bekannt,  kein  Sclave  war,  anhielten." 
Diese  Unzufriedenheit  erstreckte  sich  dann  auch  auf  den 
Kammerrath,  dem  hierdurch  das  undankbare  Geschäft, 
über  Böttgers  Person  zu  wachen,  ungemein  erschwert 
wurde. 

Unterm  15.  Juli  1713  berechnete  die  Kammer  (I), 
dass  für  die  Porzellanmanufaktur  im  Ganzen  27,427  Thlr. 
21  Gr.  4^2  Bf.  aufgewendet  worden  seien,  wobei  die  Be- 
soldungen, "der  laufende  Unterhalt  Böttgers  u.  s.  w.  nicht 
einbegriffen   waren'").     Böttger  freilich  schätzte  um  die 


^")  Einen  beträchtlichen  Aufwand  verursachten  audi  die  Be- 
suche, welche  Böttger  mit  Begleitung  in  Meissen  abstattete,  die  aber 
freilich  auffallend  selten  erfolgten  und  zwar  nur  1711  im  Aug., 
Nov.  und  Dec.  1712  im  März,  April,  Juli  und  Sept.,  1713  im  Febr. 
und  April. 


Die  Meissner  Porzellanmanufaktur  etc.  133 

gleiche  Zeit  das  Inventar  und  den  Vorratli  auf  etwa 
60,000  Thlr.  Die  gescliäftliclie  Lage  wäre  also  keine  so 
gar  schlechte  gewesen,  wenn  sich  nur  das  füi^  die  Fort- 
führung des  Betriebes  erforderliche  Kapital  hätte  finden 
lassen.  Musste  sich  doch  noch  am  29.  November  1713 
der  verdiente  Dresdner  Goldschmied  Joh.  Jak.  Irminger 
(der  ältere)  mit  einem  Schreiben  an  den  König  wenden, 
worin  er  um  Auszahlung  seiner  rückständigen  Besoldung 
bat  (I,  213).  Der  König  hatte  ihm  „bereits  vor  ohn- 
gefähr  drei  Jahren  mündlich  anzubefehlen  geruht,  bei 
Dero  Porcellain-Fabrique  hülfreiche  Hand  zu  leisten  und 
auf  solche  Inventiones  zu  denken,  damit  theils  ausser- 
ordentlich grosse,  theils  andere  Sorten  sauberer  und 
künstlicher  Geschirre  möchten  gezeuget  werden".  Dem- 
nach habe  er  „unterschiedliche  Arten  verzierter  und  un- 
verzierter  Modelle  ausgesonnen",  dafür  aber  bisher  nichts 
erhalten.  Auf  dem  Besoldungsetat  stand  er  freilich,  aber 
Böttger  scheint  das  für  ihn  bestimmte  Geld  zurückbehal- 
ten zu  haben,  da  er  auf  andere  Weise  die  Kosten  der 
Manufaktur  nicht  zu  decken  wusste.  Welchen  Werth 
iibrigens  letzterer  auf  Irminger  legte,  geht  aus  einer 
Äusserung,  die  er  im  Jahre  171<S  that  (I),  hervor:  der- 
selbe habe  „aus  schlechten  Töpfern  gute  Künstler  ge- 
macht und  sich  Mühe  gegeben,  dem  Werk  durch  Eath 
und  That  von  Zeit  zu  Zeit  zu  assistiren".  Auch  nach 
Böttgers  Tode  wurde  Irminger  mit  der  Fortführung  der 
Beaufsichtigung  über  die  Fagons  betraut  (Kommissions- 
bericht vom  21.  Oktober  1719,  II,  198). 

Aus  dem  Jahre  1714  findet  sich  nur  die  bereits  mit- 
getheilte  Notiz,  dass  Böttger  damals  Öfen  für  Bier- 
brauereien konstruiert  habe  (I). 

Ein  Erlass  vom  31.  März  1715,  an  den  Statthalter 
und  die  geheimen  Räthe  gerichtet,  sagt  aus,  dass  dem 
König  berichtet  worden  sei  „was  gestalt  die  Ursach,  dafs 
bis  anhero  die  blaue  Farbe  auf  den  Porcellaine-Ge- 
schirren  sich  nicht  vöUig  ergeben  wollen,  unter  andern 
auch  daher  rühre,  weil  die  hiezu  gebrauchten  Kobalt- 
Erze  unterschiedlicher  Güte  und  Eigenschaft,  auch  einige 
derselben  wegen  des  vielen  darin  befindlichen  Arsenici 
nicht  so  wohl  als  die  übrigen  im  starken  Feuer  bestün- 
den" (I).  Böttger  verwahrt  sich  eifrig  dagegen,  dass 
ihm  solches  imbekannt  geblieben  sei:  er  habe  schon 
vormals  alle  Sorten  zur  Probe  bekommen  und  wisse  die 
Eigenschaft   einer  jeden  insonderheit;    er  habe  auch  an 


134  W.  V  Seidlitz: 

Vorrätlien  mehr  als  3  Ctr.,  die  er  in  3  Jahren  und  län- 
gerer Zeit  nicht  verthun  könne  (I,  289).  —  Interessant 
ist  dabei  namentlich  die  Angabe,  dass  man  damals  mit 
der  blauen  Farbe  noch  nicht  zurecht  gekommen  war.  — 
Um  grössere  Stücke  herstellen  zu  können,  ist  Böttger 
bald  darauf  im  Begriff,  eine  Glasurmaschine  einzurichten 
(französ.  Brief  an  den  König  vom  22.  Juni  d.  J.  I,  303  c). 
—  Über  die  Versuche  des  preussischen  Ministers  von 
Görne,  für  seine  in  Flaue  an  der  Havel  errichtete  Por- 
zellanfabrik Arbeiter  aus  Meissen  lieranzuziehen,  wird 
an  anderer  Stelle  zu  berichten  sein.  —  Am  5.  Dezember 
1715  wurde  endlich  die  Meissner  Manufaktur  Böttger 
zu  freier  Verfügung  auf  Lebenszeit  übergeben,  unter  der 


anf  T.pl^piiQ'/pit.   iihovo-phpn     iintpr 

Bedingung^  dass  er  sie  ohne  Zuschuss  wenigstens  ni  statu 


^o" 


quo  erhalte  (E.  258).  Damit  war  jede  Aussicht  auf 
eine  Hebung  des  Betriebes  abgeschnitten;  bis  zu  Bött- 
gers  im  Jahre  1719  erfolgten  Tode  mangeln  denn  auch 
die  Nachrichten  so  gut  wie  ganz. 

Von  1717  an  geräth  Böttgers  Gesundheitszustand 
immer  mehr  ins  Schwanken;  am  22.  März  d.  J.  erhält 
von  Holtzbrinck  vom  Könige  Vollmacht,  sich  durch 
Böttger  in  die  Geheimnisse  des  Betriebes  einweihen  zu 
lassen,  und  wird  am  8.  April  1718  nach  Meissen  gesandt, 
um  sich  zusammen  mit  Böttger  über  den  Zustand  der 
Fabrik  zu  vergewissern  (IV).  —  Nach  Engelhardt  prä- 
sentierte Nehmitz  am  2S.  August  1717  dem  König  die 
ersten  Schälchen  von  blauem  Porzellan.  Dies  ist  nun 
nicht  richtig,  denn  oben  bereits  wurde  angeführt,  dass 
Versuche  in  dieser  Richtung  weit  früher  angestellt  wor- 
den sind;  andererseits  aber  lässt  sich  selbst  von  diesem 
Zeitpunkte  an  die  völlige  Ausbildung  der  Blaumalerei 
noch  nicht  datieren,  da  dieselbe  erst  in  die  Zeit  nach 
Böttgers  Tode  fällt.  Es  ergiebt  sich  daraus,  dass  keine 
der  blauen  Marken  unter  Glasur  vor  das  Jahr  1719 
fallen  kann,  da  dieselben  aufs  engste  mit  der  Malerei  zu- 
sammenhängen ;  noch  weniger  die  Marken  über  Glasur,  die 
einer  besonders  hoch  entwickelten  Kunststufe  angehören. 

Dass  noch  zu  Anfang  des  Jahres  1719  das  braune 
Porzellan  im  Vordergründe  der  Interessen  stand,  geht 
aus  einem  Bericht  8teinl)rücks  vom  9.  Februar  d.  J. 
hervor  (I),  wonach  „das  sächsische  braune  Porzellan  dem 
indianischen  braunen  an  Schönheit  und  Güte  allbereits 
weit  vorgehe",  und  gleich  hieran  die  Bemerkung  geknüpft 
wii'd,   dass   alle   Messen  wenigstens  1000  Thlr.  mehren- 


Die  Meissner  Porzellanmanufaktur  etc.  135 

theils  von  Fremden  für  hiesiges  Porzellan  gehoben  werden, 
während  die  brandenbiirgische  Fabrik  —  die  überhaupt 
nur  braune  Ware  geliefert  hat  —  in  sich  selbst  zer- 
gangen und  nie  auf  die  Kosten  gekommen  sei.  —  Der- 
selbe Steinbrück  hatte  am  17.  Januar  d.  J.  (lY)  an 
Nehmitz  darüber  zu  berichten  gehabt,  dass  der  Arbeiter 
Samuel  Stölzel,  der  durch  sechs  Jahre  hindurch  und  zwar 
beim  Brennhause  und  dem  Schlammgebäude  gedient  hatte, 
soeben  nach  Wien  desertiert  sei,  wo  einer,  dem  Böttger 
das  Geheimnis  in  trunkenem  Zustande  anvertraut  habe, 
mit  der  Absicht  umgehe,  Porzellan  zu  machen.  Mehl- 
horn  aber  gebe  an,  dass  er  das  Porzellanmachen  besser 
als  Herr  Böttger  verstehe  (aus  einem  Bericht  des  Kom- 
missarius  Joh.  Gottfr.  Meerheim  vom  16.  März  (I)  geht 
hervor,  dass  es  sich  hierbei  um  die  Anbringung  des  Blau 
auf  den  Geschirren  handelte,  die  damals  noch  nicht  in 
rechten  Gang  gebracht  war),  und  gleichfalls  drohe,  nach 
Wien  zu  gehen,  zu  welchem  Zweck  er  bereits  100  Thlr. 
von  dort  erhalten  habe.  Da  er  sich  stets  geweigert, 
seine  Pflicht  abzulegen,  so  sei  es  schwer,  ihn  zu  halten. 
Diese  Desorganisation  aber  sei  dadurch  herbeigeführt, 
dass  Böttger  alles  selbst  an  sich  zu  ziehen  suche,  so 
gegenüber  ihm  dem  Inspektor,  dem  Dr.  Nehmitz  und  dem 
Kammerrath  Nehmitz.  „Wer  siehet  also  nicht,  dass  der 
gute  Herr  die  Welt  nur  zu  amüsii-en  suche,  und  dadurch, 
dals  er  bei  der  Manufactur  mit  Fleils  alles  in  Confusion 
gerathen  lasset  und  andere,  die  ihre  Pflicht  gern  beob- 
achten, daran  hindert,  nichts  besseres  intendire,  als  glau- 
ben zu  machen,  er  habe  bei  dieser  Manufactur  bereits 
so  viel  zu  Schäften,  dals  man  ihn  mit  mehrerer  Arbeit 
verschonen  müsse."  Diese  Schilderung  findet  ihre  Be- 
stätigung in  einer  Darlegung  der  Ursachen  des  Verfalls 
der  Manufaktur  (II,  230),  worin  es  heisst: 

„Böttgers  fast  unartiger  und  sehr  veränderlicher  Sinn,  auch 
üble  Wirthschaft  habe  zuförderst  wohl  das  meiste  beigetragen,  er 
habe  keine  Ordnung  noch  Disposition  gehalten,  seine  eigne  übel  ein- 
gerichtete Subsistence  mit  der  Manufactur  Casse  vermenget  und  aus 
selbiger  sich  jedes  Mal  erholet,  dahero  sei  die  Casse  immer  mangel- 
haft blieben;  er  habe  bald  diesem  bald  jenem  viel  Sachen  anvertrauet, 
aucli  bald  wieder  changiret;  einige,  so  um  ihn  gewesen,  haben  sich 
einzudringen  und  ihren  privat  Nutzen  zu  erlangen  intendiret,  und 
seien  so  viel  wiedrige  und  interessirte  Absichten  untergelaufen;  bald 
im  Anfange  sei  das  Werk  allzugi-ofs  und  kostbar  gefüliret,  und  Dis- 
liarmonien,  Zänkerei,  Jalousien  und  Verwirrungen  veriirsachet  wor- 
den. In  den  letztern  Jahren  sei  Böttger  fast  täglich  trunken  und  wenig 
bei  Verstände  gewesen.    Die  an  ihn  sich  gehengte  zum  Theil  un- 


136        \V.  V.  Soidlitz:  Die  Meissner  Porzellaiimanufaktiir  etc. 

treue  Leute  hätten  davon  profitiret;  einige,  wenn  sie  die  Ai'caua 
ziemlich  abgelernet,  hatten  sich,  raehrentheils  durch  Böttgers  eigne 
Schuld,  absentiret." 

Daneben  muss  man  freilich  die  ausserordentlichen 
Eigenschaften,  die  ihm  nach  desselben  Steinbrück  Zeug- 
niss  anhafteten  (E.  469),  nicht  vergessen.  Am  13.  März 
1719  fand  endlich  seine  unglückliche  Existenz  einen  Ab- 
schluss  und  nun  stand  einer  völligen  Reorganisation  der 
Manufaktur  nichts  mehr  im  Wege. 


VI. 

Kleinere  Mittheihmgen. 

1.   Hofuachrichten   über  Herzog  Georg   und   seinen 
Solin  Friedrich  (1539). 

Von  0.  A.  H.  Burkhardt 

Bei  Einleitung  des  Prozesses,  den  der  gefangene 
Kurfürst  Johann  Friedrich  gegen  semen  Kämmerer  Hans 
V.  Ponickau  wegen  Fahnenflucht  und  Untreue  anstrengen 
Hess,  gelangte  ein  grosser  Theil  der  Ponickauschen  Kor- 
respondenzen in  die  Hände  des  Kurfürsten;  dieselben  be- 
finden sich  noch  heute  in  dem  S.  Ernestinischen  Gesamt- 
Arcliive.  In  einem  Theile  dieser  Korrespondenzen,  welche 
mit  der  vortrefflichen  Mutter  des  Kämmerers,  Elisabeth, 
einer  gebornen  v.  Carlowitz,  gewechselt  wurden,  liegen 
interessante  Nachrichten  über  Georg  und  Friedrich  vor, 
die  um  so  glaubhafter  sind,  als  Elisabeth  von  Ponickau 
mit  der  Harnischmeisterin  v.  Carlowitz  am  Dresdner 
Hofe,  welche  sich  der  höchsten  Gunst  des  Herzogs  Georg 
und  seines  blöden  Sohnes  Friedrich  erfreute,  in  engster 
verwandtschaftlicher  Beziehung  stand.  Es  ist  hinlänglich 
bekannt,  dass  Georg  nach  dem  Ableben  seines  älteren 
Sohnes  Johannes  aus  religiösen  Gründen  und  mit  beson- 
derer Rücksicht  auf  das  Verhältnis  zu  Herzog  Heinrich 
und  Moritz,  grosse  Eile  hatte,  eine  fruchtbare  Ehe  seines 
blöden  Sohnes  zu  Stande  zu  bringen.  Bereits  im  De- 
zember 1537  berichtet  Elisabeth  von  Ponickau,  dass  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  der  Prinz  Friedrich  schon 
Fastnacht  des  kommenden  Jahres  sich  verheirathen 
werde,  obwohl  sie  Bestimmtes  zur  Zeit  nicht  anzugeben 
wusste.  Interessanter  ist,  was  sie  unmittelbar  nach  ihrem 
Dresdner  Aufenthalt,  der  in  die  Zeit  des  Todes  von 
Herzog  Friedrich  fällt,  über  diesen  wie  über  Herzog 
Georg  mittheilt.    Die  Familie  v.  Carlowitz  war  bei  dem 


138  Kleinere  Mittheilniii^en. 

Wolilbcliiuleii  des  jungen  Herzogs  sehr  interessiert,  da 
sie  damals  das  Zustandekommen  einer  Anfallsverschrei- 
bung aufs  eifrigste  betrieb,  die  denn  auch  vor  dem  Ab- 
leben Herzog  Friedrichs  sich  darin  gipfelte,  dass  der 
Herzog  dem  Georg  v.  Carlowitz  Ortrand  schenkte.  In- 
dess  musstcn  bei  diesem  doch  Bedenken  rechtlicher  Na- 
tur entstanden  sein,  welche  bewirkten,  dass  v.  Carlowitz 
am  Todestage  Friedrichs  bei  dem  Herzog  Georg  die  An- 
nahme des  Geschenks  deshalb  beanstandete,  um  sich  nicht 
einen  „ungenädigen"  Herrn  zu  machen.  Denn  er  wie 
Carlowitzens  Verwandtschaft  lebte  des  Glaubens,  dass 
Herzog  Friedrich  wohl  seines  Geldes,  nicht  aber  des  un- 
beweglichen Vermögens  Herr  sei,  viel  weniger  Land  und 
Leute  verschenken  könne. 

Herzog  Georg  war,  wie  Elisabeth  v.  Ponickau  be- 
lichtet, über  den  Tod  seines  Sohnes  (f  2G.  Febr.  1539) 
in  hohem  Masse  unglücklich,  zumal  er,  durch  die  Todes- 
nachricht erschüttert,  in  Krankheit  verfiel.  Reichen 
Trost  gab  ihm  nur  das  schöne  Verhältnis  zur  jungen 
Herzogin  Elisabeth  (geb.  Gräfin  v.  Mansfeld)  und  deren 
Mutter,  die  er  mit  allen  Auszeichnungen  behandelte. 
Der  jungen  Wittwe  versicherte  er  getreue  Vaterschaft; 
er  widmete  ihr  den  Ehrenplatz  bei  Tafel,  nannte  sie  nur 
sein  frommes  Töchterlein,  sprach  ilu'  Muth  in  ihren 
schweren  bekümmerten  Tagen  zu  mid  beschenkte  sie  mit 
allem,  womit  or  ihr  Freude  zu  bereiten  hoffen  konnte. 
Tharandt  und  3000  Gulden  waren  ihr  zum  Leibgedinge 
verschrieben,  wobei  er  wiederholt  die  Versicherung  gab, 
dass  er  sie  nie  von  sich  gehen  lassen  werde.  Herzog 
Georg  gestaltete  ihr  Leben  so  prunkhaft  wie  möglich 
und  stellte  ihr  allein  10  Jungfrauen  zur  dienstlichen 
Verfügung. 

Bekanntlich  starb  der  junge  Herzog  schon  nach 
Verlauf  von  vier  Wochen  (26.  Febr.  Lo39)  seiner  Ehe, 
die  durch  nichts  als  den  Tod  desselben  getrübt  wurde. 
Nach  den  Mittheilungen  der  v.  Carlowitz  stand  es  in 
Aussicht,  dass  die  Ehe  eine  gesegnete  war  und  Herzog 
Georg  auf  längst  erselinte  Nachkommenschaft  hoffen 
durfte,  wenn  nicht  der  Kummer  der  jungen  Herzogin, 
die  nach  dem  Zeugnis  aller  ihrem  Gemahl  aufs  herz- 
lichste zugethan  war,  die  frohe  Aussicht  getrübt  hätte'). 

')  Das  sie  sagen,  das  die  hcrczogiii  schwer  gchett,  i.st  nicht, 
dauu  die  Karlewitzin  hat  mirs  gesagtt,  das  es  nichts  sey,  dan  es  hat 


Kleinere  Mittheilinigeu.  139 

Wie  ganz  anders  hätte  sich  der  Lauf  der  Dinge  gestaltet, 
Avenn  ein  erbfolgefähiger  Sohn  aus  dieser  Ehe  hervor- 
gegangen wäre.  Dass  sich  der  Wunsch  Georgs  nicht 
erfüllte,  war  auch  für  seine  letzten  Tage  von  Bedeutung. 
Er  kränkelte  und  war  niedergeschlagen,  aber  um  so  fester 
gegen  die,  welche  seinen  Glaubensstandpunkt  nicht  theilten. 
Gerade  damals  wurde  von  ihm  ein  Buch  verbreitet,  das 
nach  dem  Urtheil  seiner  Glaubensgenossen  über  alle  Bücher 
gehe,  während  die  Gegner  aus  jenem  die  Überzeugung 
geAvannen,  dass  er  ungebeugt  dastand  und  „wie  ein 
scheytt  starret"  -). 

An  Theilnahme  bei  dem  Tode  Friedrichs  fehlte  es 
dem  Herzog  Georg  nicht,  der  wohl  schwerlich  sich  der 
landläufig  gewordenen  Ansicht  jener  Zeit  angeschlossen 
hat,  dass  die  Verehelichung  zu  dem  frühen  Tode  Friedrichs 
beigetragen  habe.  Vor  allem  war  es  Herzog  Heinrich, 
der  seinen  Beileidsbesuch  brieflich  in  Aussicht  stellte, 
falls  dieser  dem  Herzog  Georg  erwünscht  sei.  Georg 
aber  soll  ihm  erwidert  haben,  er  möge  kommen,  wenn  er 
zum  alten  Glauben  zurückkehren  wolle.  Dann  werde  er 
ihn  auch  und  seinen  Sohn  Moritz  gern  haben  und  in 
allen  Ehren  halten.  Worauf  Heinrich  geäussert  haben 
soll,  das  werde  er,  so  lange  er  lebe,  nicht  thun,  und 
habe  dazu  „übel  gescholten". 

iJ.  Bericht  über  das  Ende  des  Herzogs  Heinrich 

von  Sachsen. 

Mitgetheilt  von  Theodor  Distel. 

Am  Donnerstag  den  18.  August  1541  verschied  Her- 
zog Heinrich  der  Fromme.  Im  kgl.  sächs.  Hauptstaats- 
arcliive')  befindet  sich  das  (undatierte)  Originalschreiben 
des  Hofpredigers  und  Superintendenten  Mag.  Johann  Cel- 
larius'-)  an  die  verwittwete  Herzogin  Katharina,  geb.  Her- 

wol  mögen  ein  solch  gestallt  seynn,  das  sie  schwer  ginge,  aber  yn 
dem  grofseu  leyde  vnnd  härm  den  sie  gehabtt  ist  es  gar  vmbgekartt 
vnd  das  sie  nicht  schwer  gehett  vnd  sie  ist  iezo  hartt  krank.  Die 
Karlewitzin  sagt  auch  nicht  anders,  sie  wurde  sich  müssen  gar  nider- 
legen, da  wirtt  sich  der  aide  heir  sehr  vmb  grehmen,  dan  es  ist  kein 
tag,  so  sagt  die  Karlewitzin,  er  khome  ober  die  zcehn  mahl  zum 
frauenzimnier.  —  -)  Der  Titel  des  Buchs  ist  nicht  angegeben. 

1}  III.,  fol.  4  No.  1  Bl.  79. 

")  Vgl.  über  ihn  besonders  Schlegel,  Lebensbeschreibungen 
der  Dresdner  Superintendenten  (1697)  S.  4—121-,  Jöcher,  Gelehrten- 


X40  Kleinere  Mittheilungen. 

zogin  zu  Mecklenburg-,  Heinrichs  Gemahlin,  in  welchem 
der  erste  lutherische  Superintendent  zu  Dresden  über 
sein  am  Tage  zuvor  mit  dem  Verstorbenen  gehabtes  Ge- 
spräch berichtet.  Es  ist  dies  einer  der  ältesten  bisher 
bekannt  gewordenen  Fälle  praktischer  Theologie.  Auf  der 
Rückseite  des  Briefes  stehen  von  Katharinas  Hand  die 
Worte:  „den  lesten  abscheyt  wnsers  leib  h.  vnde  gemall 
seyleyg".     Das  Schreiben  hat  folgenden  Wortlaut: 

Erstlich  als  ich  am  luitwoch  den  nechsten  für  ihn-r  f.  g.  selif^em 
abschied  zu  ir  genadcn  khani,  sagt  ihr  f.  g. :  „Liter  w  pifarrer,  ich 
fule  mich  schwach  und  krank,  hitt  euch,  Avollet  mich  mit  gottes  wort 
underweiseun,  das  will  ich  gern  hören  und  folgen,  was  ir  mich  daraus 
zu  meiner  seelen  Seligkeit  underriclitcn  werdet*.  Und  da  ich  ihr 
f.  g.  mit  wenig  wortten  erinnert  ettlicher  gewiser  anzeigung,  an 
denen  ihr  f.  g.  den  gnedigen  gottes  willen  gegen  sich  erkhennen 
mochten  und  sich  der  hertzlich  trösten  etc.,  fieng  ihr  f.  g.  selbs  an 
iren  glauben  zu  l)ekennen  ungeferlich  mit  disen  worten:  ,Ich  glauli 
allein  an  unseru  herrn  .Thesum  Christum,  das  er  mein  einiger  heiland 
und  .seligmacher  ist,  und  weis  von  keinem  andern,  der  soll  allein  mein 
proeurator  und  helffer  bleiben;  ich  weis  auch,  das  der  teut'el  kein 
macht  und  gewitlt  an  mir  hatt,  dann  ich  bin  getauift  uff  den  namen 
Christi  und  hab  im  heiligen  tauff  dem  teuffei  widersagt."  Fordert 
also  E.  f.  g.  und  kynder  und  widerholet  el)en  diese  bekantnus  und 
batt  alle  die  gegenwertigen  waren,  das  sie  solchs  seines  glaubens 
und  bekenntnus  zeugen  sein  weiten  für  gott  und  der  wellt. 

Zum  andern  als  ihr  gnad  bege}te,  das  E.  f.  g.  herfur  ime  under 
äugen  dretten  weiten  sambt  Augusto  unserm  g.  h.  und  gnedigen 
freulin^j,  sagt  ir  g.  diese  wort:  „Mein  libes  weih  und  lieben  kynder, 
ich  vermane  und  bitt  euch,  ir  wollet  l)ey  der  leer  des  evangeli  bleiben 
und  davon  nicht  weichen  euer  leben  lang,  sonder  getreulich  fordern 
und  handhaben  und  wollet  euern  underthanen  gnedig  sein". 

Zum  (bitten  redet  mein  g.  h.  E.  f.  g.  mit  disen  worten  an: 
„Mein  liebes  frommes  weih,  ich  hal)  dir  nit  viel  grofser  guter  und 
reichtum  zu  lassen,  aber  das  will  ich  dir  zur  letze  lassen,  das  ich, 
ol)  gott  will,  wie  ein  ehrlicher  fürst  in  reclitem  christlichen  glauben 
an  unseru  lierrn  Jhesum  Christum  bis  an  mein  ende  bleilien  und 
sterben  will,  das  soltu  von  mir  zur  letze  haben",  und  das  redet  ihr 
gnad   furwar   mit   grofsem    ernn.st    mit    zusamm  gefaltenn    hennden, 


lexikon  (1726)  Sp.  605;  Zedier,  Universallexikon  V,  (1733),  1791; 
Glafey,  Kern  etc.  (1753)  S.  124/5.  Im  K.  S.  Hauptstaats- 
archive betreffen  folgende  Akten  Cellarius:  Copial  181  Bl.  201, 
Cop.  386  Bl.  5361)  und  599i-  (den  Druck  seiner  Schriften  1574  an- 
langend); seine  Witwe,  Margaretha,  bittet  in  einem  eigenhändigen 
Schreiben  1542  den  Herzog  Moritz  zu  Sachsen  um  eine  Wohnung: 
111,  24  fol.  37  No.  1  Bl.  20. 

'^)  Gremeint  ist  die  damals  noch  unvermählte  Piinzessin  Sidonia, 
geboren  am  8.  März  1518,  welche  am  17.  Mai  1.545  die  Gemahlin  de.s 
Herzogs  Eiich  11.  von  Braunschweig,  später  jedoch  von  demselben 
—  ohne  ihr  Verschulden  —  geschieden  wurde  und  am  4.  Januar  1575 
im  Kloster  zu  Weissenfeis  verstorben  ist. 


Kleinere  Mittheilungen.  141 

fordert  abermals  von  uns  allen  des  zeugknus  und  begerte,  man  solls 
in  sein  testament  schreibenn,  fragt  auch  nach  den  retten,  wie  dann 
darauff  E.  gnad.  nach  etllichen  schickten. 

Auch  begert  ihr  f.  g.  von  mir  und  den  andern,  das  wir  öffent- 
lich iun  predigten  fui-  ihr  f.  g.  fleifsig  und  treulich  bitten  sollen, 
befalhe  sich  dem  gemeinen  gebeth  mit  viel  worttcn  und  das  wir  mit 
anzeigen  solten,  da  ihr  f.  g.  je  iemand  beleidiget  hette,  das  man  ims 
wolte  umb  gottes  willenu  verzeihenn. 

Soviel  hab  ich,  gnedige  furstin,  ungeferlich  behallten  von  meins 
gnedigen  und  liben  herren  seligen  reden,  dann  für  rechten  freuden 
meines  hertzen  über  solichem  christlichen  bekeutnus  hab  ich  die 
schonen  trostlichen  reden,  die  ir  gnad  so  fein  vorstendig  und  richtig 
thatten,  nit  alle  mögen  behalten.  Dem  liben  gott  sey  lob  und  ehr 
über  diser  so  herlicher  gnad  und  gabenn. 

E.  F.  G. 

undertheniger 

Magister  Job.  Cellarius 
Pfarrer  zu  Dresden. 


3.    Zwei    Urkunden   zur   Oeschiclite    des   Kurtürsten 
Moritz  von  Saclisen  aus  dem  Monat  Juli  1553. 

Mitgetheilt  von  Theodor  Distel. 

Im  Folgenden  biete  ich  zwei  interessante  Schrift- 
stücke zur  Geschichte  des  Kurfürsten  Moritz  dar,  indem 
ich  bemerke,  dass  v.  Langenn  (Moritz  I,  577/8)  No.  1  (das 
icli  unter  k)sen  Blättern  im  Hauptstaatsarchive  fand) 
nicht  gekannt,  No.  2  aber  nur  theil weise  (I,  591)  mitge- 
theilt hat. 

1553  Juli  5. 

Kurfürst  Moritz  an  seine  Räthe :  Sicherem gsmassregeln  gegen 
Markgraf  Albrecht.  Nach  dem  Konzept  im  K.  S.  Hauptstaatsarchive 
Loc.  10041  Verschiedene  Schriften  etc.    Bl.  8. 

Reth  und  lieben  getrewen.  Wir  können  euch  gnediger  mey- 
nung  nicht  vorhalten,  das  uns  glaubwirdige  kundschafft  einkommen, 
wie  das  marggraf  Albrecht  und  sein  anhang  nach  entpfangner  vor- 
warnungsschriefft,  die  ime  den  andern  ditz  monats  von  wegen  der 
Rom.  zu  Hungarn  und  Behem  kon.  mat. ,  auch  unser  und  anderer 
unser  mitvorwanten  in  seins  damals  gewesen  lager  vor  Peteirshagen 
ankundigen  lassen,  iingeachtet  seins  zuentbitens,  das  er  unser  des 
orts  erwarten  wolle,  do  wir  den  inen  zu  suchen  willens  und  gereit 
bis  auf  funff  meilen  nahe  zu  ime  komen  gewest,  vor  zweien  tagen 
aufgebrochen  und  die  vorgangen  nacht  zu  ader  bey  Hanober  gelegen 
sein  soll,  daraus  zu  vormuten,  do  er  sonst  sein  gelegenheit  nit  werde 
findenn  kennen,  das  er  sich  widerumb  noch  dem  stieft  Halberstadt 
ader  Meideburg  und  volgents  durch  unser  laud  Duringen  ader 
Meisen  nach  dem  land  zu  Francken  wenden  möcht.  Wiewol  wir  nue 
ungezweivelt  diser  hoffnung  sein,  das  wir  ime  disfals  zuvorkommen 
und  solchen  zug  auf  obgemelte  unsere  lande  weren,  ader  doch  zum 
wenigsten  im  uf  dem  fuesstapfen  nachhangen  und  diselbige  unsere 


142  Kleinero  Mittheiliingen. 

lande  (vorniittels  göttliclioi-  gnaden)  vor  ime  beschiiinen  wollen,  so 
haben  wir  doch  ans  gnedigeni  willen ,  doniit  wir  ench  nnd  andere 
nnsere  nnderthane  meinen,  encli  dessen  nf  eine  Vorsorge  nicht  nnvor- 
warnet  wollen  lassen,  hinnit  gnediyiichcn  begerent,  ir  wollet  samlit 
andern  nnsern  underthanen  euer  itzt  bevolenen  kreiss,  denen  ir  solchs 
gleichergestalt  anzeigen  möcht,  euer  farendc  haab  nnd  gutter  nnd 
was  ir  nit  gerne  vorlieren  wolt,  auf  den  vahl,  das  ir  gewislich  vor- 
nciiien  wci'det,  das  der  feindt  seinen  zng  nach  obberurten  nnscni 
landen  nenien  wirdet,  in  unsere  negst  angelegne  vhestunge  schicken, 
auch  das  vhie,  pferd  und  anders  auf  solchen  obbestimpten  vahl  in 
zelten  aus  dem  weg  und  auf  jenscit  der  negst  anrurenden  wasser, 
wie  es  die  gelegenheit  geben  wirt,  vorschaften ,  domit  solches  alles 
des  feindes  halben  unib  sovil  desto  sicherer  sey  und  ime  nit  zu  gutt 
kommen  möcht.  Dorneben  wolt  auch  vorigem  imserm  ausschreiben 
nach  alle  und  jede  furtt,  so  in  euerm  kreis,  und  sonderlich  über 
die  milde  JNlulda,  schwartz  nnd  weiss  Elster,  ader  ander  flnss.  so  in 
luisern  landen  gehen,  vorgralien,  auch  die  vheren  vorsencken  und 
die  brücken  allenthalben  aliAverften  lassen.  Solchs  wirdet  euch  und 
inen  solcher  ol)gesetzten  velle  halben  selbst  zu  guten  geraichen,  nnd 
geschieht  daran  unser  gantz  wolmeinlicher  wille.  Datum  in  nnserm 
veltlager  bei  Elitzen^),  den  oten  Julj'  anno  etc.  liij. 

[1553]  .Juli  10. 

Die  Universität  Wittenberg  an  Statthalter  und  Räthc  zu 
Tortjnn  über  den  Tod  des  Kurfürsten  Moritz-).  Xach  dem  Original 
int  K.  S.  Haupt  Staatsarchiv  Locat  4381  Obitus  etc.  Bf.  69  flcj. 

Gottes  gnad  durch  seinen  eingebornen  son  Jhesum  Christum 
unnsern  heiland  unnd  wai'haft'iigen  helffer  zuvor,  wolgeborne  edle 
graven,  ernveste,  gestrenge,  gnedige  unud  günstige  herren.  Nachdem 
uns  ettliche  henen  unnd  freund  voi'  ewer  gnaden  unnd  e.  ernveste 
sclu'ilften  anzeigung  gethan,  wie  die  grosse  harte  Schlacht  bey  Bein") 
zu  rettung  diser  land  geschehen  sey,  unnd  das  darinnen  der  durch- 
leuchtist hochgeborn  fürst  unnd  heri',  herr  Moritz  hertzog  zu  Sachsen, 
des  heiligen  römischen  reichs  ertzmarschall  unnd  churiürst,  landgrave 
in  Türingen,  niarggrave  zu  Meisseii.  unnd  lairggrave  zu  Meidburg  etc. 
unser  gnedigster  hei'r,  als  ehr  j'ittei'lich  gestritten  hatt  unnd  die  feind 
entlich  nnt  gottes  hülff  in  die  flucht  geschlagen,  hart  verwundet  wor- 
den, doch  seien  die  Avunden  nicht  tödtlich,  wiewol  wir  in  grosser 
sorgteltigkelt  gewesen,  halicu  wir  doch  noch  hottnung  gehabt  unnd 
gott  angernffen,  das  ehr  seine  c.  f.  g.  gnediglich  stercken  unnd  nocii 
lenger  in  disem  leben  zu  schütz  des  vatterlands  unntl  gemeine)' 
Christenheit  ei'halden  Avolte. 


V  E/ze  am  Deisfergebirye.  Vyl.  diese  Zeitschr.  VIII,  93  f. 
—  Das  Schreiben  ist  zivar  nicht  unterzeichnet,  dürfte  aber  doch 
für  die  Originalausfertifjujifj  zu  halten  sein. 

-)  Vergl.  über  das  Ende  des  Kurfürsten  Moritz  auch  meine 
Aufsätze  in'  v.  Webers  Archiv  f.  die  Sachs.  Gesch.  N.F.  VI,  108  flg. 
und  in  der  Zeitschrift  f.  Museologie  etc.  1885  S.  19. 

")  Peine,  tvestlicli  nach  Hannover  zu  gelegen,  njL  v.  Langenn, 
Moritz  I,  .')80.     Diese  Zeitschr.  VfTI,  95. 


Kleinere  Mittlieilungen.  14B 

Als  wir  aber  ewer  gnaden  unnd  ewer  eriiveste  weittern  bericlit 
empfangen  haben,  sind  wir  alle  hoch  betrübt  M^oi'den,  unnd  ist  uns 
auss  vileu  grosswichtigen  Ursachen  diser  todt  unnd  landschad  sehr 
schmertzlich ,  erstlich  in  betrachtung,  das  es  an  im  selb  erl)ernilich 
ist,  das  ein  solcher  löblicher  fürst,  der  von  gott  mit  hohem  verstand 
unnd  mit  aller  geschickligkeit,  die  zur  regirung  unnd  zum  krieg 
uottig  ist,  unnd  mit  gerechtigkeit,  grossmütigkeit  uimd  andern 
vielen  tugenden  gezieret  gewesen,  also  in  der  schijnen  blüt  weg  ge- 
noraen  wirt. 

Darüber  ist  sein  c.  f.  g.  umiser  herr  unnd  landsfürst  gewesen, 
hatt  christliche  lahr  geliebet  unnd  verstanden  unnd  ist  ernstlich  ge- 
sindt  gewesen,  dieselbige  zu  erhalden  unnd  in  seinem  beruft  wider 
Türeken  unnd  andre  vervolger  zu  schützen,  hat  auch  andere  löbliche 
künsten  geehret,  wert  gehalden  unnd  helffen  erhalden  unnd  hat  unns 
in  gemein  unnd  in  Sonderheit  viel  gnaden  unnd  wolthaten  erzeigt, 
dafür  wir  ewige  danckbarkeit  schuldig  sind,  unnd  sollen  billich  ein 
mittleiden  unnd  hertzliche  traurigkeit  liaben. 

Über  dises  alles  betrachten  wir  auch,  das  gemeine  teutsche 
nation  ein  solchen  fürsten  verloren  hat,  der  wider  die  Türeken  unnd 
wider  maucherley  uft'rurn  unnd  tyranney  ein  schütz  hett  sein  mögen, 
dafür  man  sich  hette  fürchten  unnd  schewen  müssen. 

So  bedencken  wir  auch  mit  hertzlichem  mittleiden  den  grossen 
schmertzen  der  durchleuchtisten  fürstin  s.  c.  f.  g.  gemahel  unnd  des 
jungen  freulins. 

Aus  disen  unnd  vielen  mehr  Ursachen  haben  wir  ein  hertzlich 
unnd  gross  betrübnis,  das  wir  disen  hochlöblichen  herrn  unnd  lands- 
fürsten  verlohren  haben. 

Dabey  aber  sollen  wir  als  christliche  menschen  gottes  willen 
gehorsamlich  tragen,  sollen  auch  dise  zwey  ding  für  ein  grossen  trost 
achten,  nemlich,  das  s.  c.  f.  g.  zu  disem  zug  oftentlich  unnd  unge- 
zweifelt  rechte  unnd  nöttige  ursach  gehabt  hat,  zu  rettung  seines 
vatterlands  unnd  schütz  der  armen  unterthanen,  die  seiner  c.  f.  g. 
durch  göttliche  Ordnung  bevolhen  gewesen.  Dazu  haben  s.  c.  f  g. 
gott  in  rechtem  glauben  zum  herrn  Christo  angeruffen  unnd  sich  gott 
bevolhen  vor  unnd  nach  der  Schlacht. 

Wie  nu  s.  c.  f.  g.  sich  selb  mit  disem  warhafftigen  unnd  ewigen 
trost  gesterckt  haben,  nemlich,  das  s.  c.  f.  g.  in  rechtem  glauben  zum 
herrn  Christo  gott  angeruffen  unnd  in  ihrein  ampt  von  gott  bevolhen 
gedient  haben,  also  sollen  unns  dise  zwo  Ursachen  auch  trost  geben, 
das  wir  derwegen  hoffen,  s.  c.  f.  g.  lebe  nu  in  der  ewigen  himlischen 
kirchen  unnd  habe  freud  an  göttlicher  anschawung  unnd  Weisheit 
unnd  an  teglicher  bey  wohnung  des  herrn  Christi,  der  heiligen  engein 
unnd  hohen  propheten  unnd  könig. 

Zu  dem  ist  dise  ehrliche  rittcrschafft  für  das  vatterland  bey 
allen  menschen  ein  lob,  welches  auch  tröstlich  ist. 

Unnd  nachdem  wir  sehen,  das  dise  land  noch  in  grosser  fdhr- 
ligkeit  sind,  wollen  wir  gott  umb  gnad  uiul  schütz  ernstlich  bitten 
unnd  andere  zu  bitten  vermanen. 

Wollen  unns  auch  in  unterthenigem  gehorsam  gegen  dem  durch- 
leuchtisten hochgeboruen  fürsten  unnd  herrn,  herrn  Augusto,  hertzogen 
zu  Sachsen,  des  heiligen  Römischen  reichs  ertzmarschall  unnd  chur- 
fürsten,  landgraven  in  Turingen,  marggraven  zu  Meissen  unud  burg- 
graven  zu  Meidburg,  unnserm  gnedigsten  herrn  gebürlich  halden  uniul 
gott  umb  selige  regirung  bitten,   der  wolle   auch  die  durchleuchtige 


]^44  Kleinere  Mittlieilungen. 

hocligeborue  churfürstiu  uuinl  (l;is  jung  fieulin,  auch  cwer  gnaden 
unnd  ewer  ernvesten  gnediglich  trösten,  stercken ,  regiin  unnd  be- 
vvaren.    Amen.    Datum  16.  July. 

E.  gnad  unnd  e.  ernveste  willige 
Rector,  magistri  und  doctores  der  uuiversitet  zu  Witeberg. 

[EigenhändigJ :  Jobannes  Bugenhagen  Pomcr.  1).  —  Dies  ista 
dies  irae  etc.  Christus  vicissim  consolabitur  nos. 

[Adresse] :  Den  Wolgebornen  edlen  graven  unnd  herren  iiinul 
den  ernvesten  uimd  gestrengen,  den  verordenten  statthaldern  iiimd 
redten  zu  Torga,  unnseru  gnedigen  unnd  günstigen  herren. 

[Das  Siegel  ist  abgefallen.] 

4.  Die  Friihniesse  zu  Pausa  und  ilire  Folgten. 

Aus  den  Akten  mitgetheilt  von  M.  J.  Herz. 

Im  14.  Jahrluiiidert  gehörte  die  Stadt  Pausa  den 
Herren  von  Plauen.  Diese,  von  beständiger  Geldnoth 
lieimgesuclit,  besassen  ein  wunderbares  Geschick,  sich  in 
Ermangelung  eines  geordneten  Steuerwesens  auf  andere 
Weise  von  iliren  Unterthanen  Geld  zu  verschaffen.  So 
hatten  auch  die  Bürger  von  Pausa  ihrem  Herrn  Geld 
darleihen  müssen.  Um  sie  dafür  zu  entschädigen,  wurden 
ihnen  auf  ihre  Bitte  im  Jahre  1402  zur  Begründung 
einer  Frühmesse  eine  Anzahl  Grundstücke,  die  dem 
Herrn  von  Plauen  bisher  zinspflichtig  gewesen  waren, 
überlassen.  Der  Stiftsbrief  hierüber,  der  noch  in  be- 
glaubigter Abschrift  vorhanden  ist,  lautet: 

Wir  Heinrich  herr  zu  Blauen,  Heinrich  unser  son  und  alle 
unsere  erben  thun  kundt  mit  diesem  unseren  offen  brilt'  allen  denen, 
dy  ine  sehen  oder  boren  lesen,  alls  die  arme  leuth  gemeiniglich 
unsere  lieben  getrewen  Inirger  der  Stadt  zu  Pausa  eyn  ewige  fru- 
mel'fse  gott  zw  eynem  lobe  und  Marion  unser  lieben  frawen  und  zu 
ehren  aller  gottis  lieben  heyligen  in  der  kirclien  zu  Bausa  geczeuget 
und  gestiff't  haben  und  darczu  gekauff't  und  gegeben  haben  czinse, 
dy  neiiiliilicn  bernacli  geschriben  stehen.  Zum  Schonpe  rge ') 
Heinczeii  Bocliinans  gute  zu  sant  l^lichelstage  an  drey  heller  acht- 
zehn Schillinge  heller  und  zu  sant  \Val])urgentage  auch  so  vill.  Des 
Raben  gutern  jhe  zu  eynem  zcinls  iii  beller  und  czwelft'  Schillinge. 
Des  Kei's  gutern  czehen  Schillinge  und  funtf  heller  jhe  zum  czinfs. 
Frischgesellen  gutter  jhe  zum  czinfs  vhirzehen  Schilling.  Karelfs 
gutter  czehen  Schilling  heller  jhe  zum  cziiils.  Zu  Oberen  brick^) 
Heinrich  .Tuff'an  vhier  Schilling  jhe  zum  czinfs.  Zu  Pausa  Mathes 
Scbmidel  von  czwayhen  gerten  siben  Schilling  heller  jhe  zum  czinfs, 
dy  bailstulie  vierthalben  Schilling  heller  jhe  zum  czinls,  Hans  Stieger 
von  eyner  wysen  czwehen  Schilling  heller  jhe  zum  czinls,  Heinrich 
Senge    czwehen   und    dreifsigk    heller   jhe    zum    czinfs    und    (lerte 


')  Sehöiiberg  bei  Pausa. 
-)  Oberiiirk  bei  Mehltheuer. 


Kleinere  MittheiliTiigen.  145 

Eusteriu  sechs  und  czwenckzick  heller  jhe  zum  czinfs,  Kunue 
Hofferin  siben  und  czwenckzick  heller  jhe  zum  czinfs.  Dy  lauge 
Kuune  vhier  Schilling  und  funff  heller  jhe  zum  czinfs,  Rudolff  vhier 
Schilling  und  fünft'  heller  jhe  zum  czinfs,  Gutte  Weberin  vhier  Schil- 
ling und  fünft'  heller  jhe  zum  czinfs.  Pucher  vhier  Schilling  und 
fünft  heller  jhe  zum  czinfs.  Die  Hesin  vhier  Schilling  und  fünft 
heller  jhe  zum  czinfs.  Ludewick  Weber  czwehen  Schilling  heller 
jhe  zum  czinfs.  Flanderer  acht  heller  jhe  zum  czinfs.  Zu  Nieder 
ßeychenau")  Herman  Schwarze  au  vhier  heller  neuen  Schilling 
heller  jhe  zum  czinfs.  Zu  Eb  erharts grüne  ■*)  die  Sterzlin  vhier 
heller  mid  fünft  Schilling  jhe  zum  czinfs,  Conradt  Kost  vhier  heller 
und  fünft'  Schilling  jhe  zum  czinfs.  Nickel  Freundt  vhierthalben 
Schilling  heller  jhe  zum  czinfs.  Des  sindt  mit  fleyfsiger  bett  an  uns 
komen  dy  obgenanten  arme  leuthe  von  Pausa  unsere  lieben  getreweu, 
das  wir  die  czinfs  und  gutter  eygen  wollen  zu  der  meffse,  als  oben 
geschriben  steth.  Nun  thun  wir  das  gott  zu  eynem  lobe  Marien 
unser  lieben  frawen  und  czu  ehern  aller  gotts  lieben  heyligen  und 
haben  auch  angesehen  der  armen  leuth  üeyfsige  bitt  und  getrewe 
dinste,  die  sy  unfs  oft  willigiich  gethan  haben  und  noch  in  zukunff- 
tigen  czeyten  thun  mügen,  und  in  dem  nome  gottis  haben  wir  ge- 
eygent  und  aygen  mit  crafft  dicz  brifts  die  obgenanter  giitter  und 
czinse  zu  der  vorgenanten  frumesse,  die  ewicklich  weren  soll  und 
die  gutter  und  czinse  dabey  bleyben  sollen,  und  vorczeyhen  uns  an 
den  obgenanten  guttern  aller  der  recht,  die  wir  daran  hetten  oder 
gehaben  mochten,  mit  solchem  underscheyde.  Alle  die  recht,  die  wir 
zu  Blauen  in  unser  herschaft  haben  uff  andere  gotzheusern  und 
pfaften  guttern,  die  wollen  wir  auff  den  guttern  auch  haben  und  ge- 
brauchen und  vergeben  unfs  der  nicht.  Auch  ob  den  noch  geschee, 
das  dy  gutter  wüste  wurden  eins  oder  meher,  da  got  fiu'  sey,  so 
sohle  man  den  pfarrer  zii  Pausa  daruffen  bestellen  czinse  alfs  vill 
sich  jerlich  davon  geburthe,  oder  man  salte  dem  pfarrer  gunnen,  das 
er  der  wüsten  gutter  genöse  vor  seyne  czinfs  bifs  also  lange  das  die 
gutter  wider  besaczt  wurden.  Der  eygenschaft  zu  Urkunde  und  zu 
rechter  bestetigung  gebe  wir  diesen  unsern  often  brieft'  mit  unserm 
anhangenden  jnsigel,  der  geschriben  ist  nach  Cristi  gebuith  vhiercze- 
hundert  jar  darnach  in  dem  andern  jar  an  dem  negsten  sontage  vor 
saut  Laurenzen  tag  des  heyligin  mertererfs. 

Diu'cli  diesen  Stiftsbrief  wurde  der  Pfarrer  zu  Pausa 
Lehnsherr  über  die  in  demselben  genannten  Grrundstücke 
zu  Schönberg,  Oberpirk,  Pausa,  Unterreichenau  und  Ebers- 
grün. Das  will  sagen,  er  hatte  das  Recht,  alle  Besitz- 
veränderungen, Erbregulierungen  und  Hypothekenbestel- 
lungen bei  diesen  Gütern  und  Häusern  zu  bestätigen. 
Auch  stand  ihm  das  weitere  Recht  zu,  die  von  den  je- 
weiligen Besitzern  ihm  zu  zahlenden  Erbzinsen,  sowie 
auch  die  Schuldforderungen  anderer  an  diese  Lehnsleute 
in  eigener  Person  ohne  Yermittelung  einer  Gerichtsbehörde 
einzutreiben   und  im  Nothfalle    darum  zu  pfänden.    Zu 


''^)  Unterreichenau  bei  Pausa. 
*)  Ebersgxün  bei  Pausa. 

Neues  Archiv  t.  S.  ü.  u.  A.     IX.  1.  2.  10 


146  Kleinere  Mittheilungen. 

diesem  Zwecke  mussten  ihm  auf  sein  Verlangen  vum 
Ratli  zu  Pausa  jederzeit  die  nötliige  Anzahl  bewaffneter 
Mannschaften  zur  A^erfügung  gestellt  werden.  Von  die- 
sem Rechte  ist  namentlich  einigen  böswilligen  Schuldnern 
in  Schönberg  gegenüber  von  den  Pfarrern  Michael  Eudolli, 
Nikolaus  Leuschner  und  Nikolaus  Mühlig,  den  letzten 
katholischen  Priestern  in  Pausa,  ausgiebiger  Gebrauch 
gemacht  worden.  Das  führte  zu  einer  Zeit,  da  alles  in 
gährender  Bewegung  sich  befand,  zu  einem  eigenartigen 
Prozess. 

Schönberg,  dessen  sämtliche  Güter  dem  Pfarrer  in 
Pausa  lehns-  und  zinspflichtig  waren,  gehörte  unter  die 
Gerichtsbarkeit  des  Amtes  Plauen.  Als  nun  im  Jahre 
1515  der  damalige  Pfarrer  Nikolaus  Mühlig  •'^)  mit  24  oder 
25  ihm  vom  Rathe  zur  Verfügung  gestellten,  mit  Helle- 
barden bewaffneten  Männern  nach  Schönberg  gezogen 
war,  um  die  rückständigen  Erbzinsen  bei  einem  Guts- 
besitzer Hans  Bochmann  und  einer  Witwe  Herdegen  ein- 
zutreiben, leisteten  die  Schönberger  Widerstand  und 
wurden  infolge  dessen  von  den  Leuten  des  Pfarrers  ge- 
schlagen und  überwältigt.  Nun  zog  zwar  der  Pfarrer 
siegreich  mit  seiner  gepfändeten  Beute  ab,  die  braun  und 
blau  geschlagenen  Schönberger  aber  liefen  zum  Land- 
richter Peter  Wenigel  nach  Plauen  und  verklagten  ihren 
Lehnsherrn.  Der  Landrichter  nahm  diese  Klage  an  und 
verfügte  durch  sein  Schöffengericht  eine  Gegenpfändung 
des  Pfarrers  Mühlig.  Dieser  Eingriff"  aber  in  einen 
fremden  Machtkreis  —  Pausa  besass  ein  eigenes  Amt  — 
sollte  ihm  theuer  zu  stehen  kommen. 

Auf  eingelegte  Beschwerde  des  Pfarrers  verfügte 
der  Kurfürst  Friedrich  der  Weise  an  das  Amt  Weida, 
das  damals  die  Oberbehörde  für  Pausa  gewesen  sein 
muss,  den  Handel  zu  untersuchen.  Der  damalige  Haupt- 
mann (Oberamtmann)  Ritter  von  Feilitzsch  in  Weida  lud 
nun  den  Pfarrer  und  den  Landrichter  vor  sich  und  er- 
öffnete ihnen  einen  kurfürstlichen  Bescheid,  nach  welchem 
der  Pfarrer  klagfrei  sein  solle,  sobald  er  sein  Recht  als 
Lehnsherr  über  die  Schönberger  Güter  nachweisen  könne. 
Darauf  erbot  sich  Pfarrer  Mühlig,  dieses  sein  Recht  vor 
einem   ordentlichen   geistlichen  Gerichte   schriftlich   und 

^)  MüWig  trat  um  1510  das  Pfarramt  in  Pausa  an,  wurde  1529 
wegen  Unfähigkeit  zum  Predigen  von  den  Visitatoreu  zwangsweise 
emeritiert  und  starb  als  Emeritus  1550  in  Pausa. 


Kleinere  Mittheilungen.  147 

mündlich  durch  Zeugen  nachzuweisen.  Dagegen  konnte 
natürlich  der  Landrichter  nichts  einwenden.  Und  so  be- 
vollmächtigte denn  Hauptmann  von  Feilitzsch  in  Weida 
und  der  Biscliof  von  Naumburg  den  Pfarrer  Engelschall 
in  Reinsdorf  als  geistlichen  Richter,  vor  dem  Pfarrer 
Mühlig  sein  Recht  nachweisen  solle. 

Mit  grosser  Umständlichkeit  wurden  nun  durch  einen 
besonderen  vereideten  Boten,  Georg  Völkel  aus  Pausa, 
der  Landrichter  Wenigel  in  Plauen  mit  den  von  ihm  be- 
schützten Schönbergern  und  die  von  Pfarrer  Mühlig  be- 
zeichneten Zeugen  (der  Pfarrer  Leuschner  in  Thierbach, 
der  früher  in  Pausa  Pfarrer  gewesen  war,  der  Altarist 
Jakob  Phaum  in  Pausa,  der  Amtmann  Rudolf  von  Bünau 
in  Pausa,  der  Bürgermeister  Nikol.  Wagner  mit  seinen 
3  Geschwornen,  8  Bürger  aus  Pausa,  der  Richter  Weiss 
in  Theuma,  der  vorher  Schulmeister  und  Richter  in  Pausa 
gewesen  war,  und  der  Richter  Summerer  in  Unter- 
reichenau)  geladen,  sich  am  Donnerstag,  den  7.  August 
1516  in  der  Pfarre  zu  Ebersgrün  in  der  Frühe  einzu- 
finden. Der  Landrichter  Wenigel  verhöhnte  den  Boten 
und  erschien  im  Termine  nicht;  ebenso  blieben  die  Schön- 
berger  aus.  Dagegen  waren  die  geladenen  Zeugen  sämt- 
lich persönlich  erschienen;  nur  der  Amtmann  von  Bünau 
hatte  einen  Bevollmächtigten  gesandt.  Nachdem  nun  die 
sämtlichen  Zeugen  vereidet  waren,  wurde  zunächst  das 
vom  Amtmann  von  Pausa  übersandte  Erbbuch  vorgelegt 
und  daraus  die  Stellen,  welche  die  Pausaer  Frühmesse 
betrafen,  verlesen.  Dreizehn  Zeugen  sagten  alsdann 
übereinstimmend  aus,  dass,  so  lange  sie  denken  könnten, 
die  Pfarrer  in  Pausa  das  ihnen  zustehende  Lehnsrecht 
über  die  Schönberger  Güter  ohne  Widerspruch  ausgeübt 
hätten.  Der  Rath  von  Pausa  erklärte  unter  Vorlegung 
des  oben  mitgetheilten  Stiftsbriefes  über  die  Frühmesse, 
dass  er  wie  bisher  so  auch  ferner  gewillt  sei,  den  Pfarrer 
bei  seinem  Rechte  zu  erhalten  und  zur  Erhaltung  seiner 
Gerechtigkeit  Leute  zu  stellen.  Endlich  wurden  aus  dem 
Pfarrlehnsbuch  die  das  Bochmannsche  Gut  in  Schönberg 
betreffenden,  durch  den  Pfarrer  vorgenommenen  Besitz- 
titeleintragungen vorgelesen.  Damit  hatte  der  Pfarrer 
Mühlig  dem  kurfürstlichen  Befehle  völlig  entsprochen  und 
sein  Lehnsrecht  glänzend  nachgewiesen. 

Als  man  aber  dem  Landrichter  Peter  Wenigel  die 
Akten  des  Prozesses  vorlegte,  erklärte  dieser,  den  vom 
Pfarrer  Mühlig  geführten  Beweis  nicht  für  genügend  und 

10* 


148  Kleinere  Mittheilungen. 

rechtsgiltig-  anerkennen  zu  können ;  er  behalte  sich  einen 
schriftlichen  Protest  vor,  auf  den  der  Pfarrer  dann  ebenso 
antworten   könne.     Da  Hauptmann  von  Feilitzscli   dies 
annahm,    so  ging-  der  Prozess   weiter   und   wurde  durch 
geschickte  Advokaten   von  1517  bis  1519   hingeschleppt. 
Wenigel  erklärte  in  seinen  Protesten,  er  wisse  gar  nichts 
von   einem  kurfürstlichen  Befehl,   nach  dem  der  Termin 
in  Ebersgriin  angeblich  abgehalten  worden  sei,  und  über- 
dem   habe   der  Bischof  von  Naumburg   gar   kein  Recht 
gehabt,  ihn  zu  diesem  Ternüne  zu  laden,  da  sein  ordent- 
licher  geistlicher  Richter   nicht  der  Bischof  von  Naum- 
burg,   sondern  der  Komthur  in  Plauen  sei.    Sollte  aber 
auch  das  ein  Irrthum  sein,  so  könne  er  nimmermehr  zu- 
geben,   dass   der  Pfarrer  zu  Pausa  ein  Recht  zur  Pfän- 
dung auf  den  Schönberger  Gütern  habe,  vielmehr  müsse 
dieser,  wie  andere  Leute  im  Amte  Plauen,  bei  Zinsrück- 
ständen sich  der  Hilfe  des  Amtes  bedienen;  solch  eigen- 
mächtiges Handeln  des  Pfarrers    sei   ein  Eingriff  in  die 
landesherrlichen  Rechte,  auf  welche  die  Worte  des  Stifts- 
briefes hindeuteten,  nach  denen  der  Herr  von  Plauen  sich 
alle  die  Rechte  vorbehalte,  die  er  auf  den  Pfaffengütern 
habe.     Weiter  machte  der  Landi-ichter  geltend,  dass  der 
ganze  Prozess  in  Ebersgrün  eine  Menge  Formfehler  ent- 
halte; so  seien  z.B.  die  Zeugen  gar  nicht  über  ihre  Per- 
sonalien befragt.     Einer  der  Zeugen   sage,    er   gedenke, 
dass   die  Güter   den  Herren  von  Plauen   gehört   hätten 
und  von  diesen  dem  Pfarrer  zu  Pausa  übergeben  worden 
seien,  aber  das  sei  doch  119  Jahre  her,  und  so  alt  könne 
doch  der  Zeuge  unmöglich  sein.   Aber  gesetzt,  der  Pfarrer 
habe   wirklich   das  von  ihm  behauptete  Recht  besessen, 
so  sei  er  dessen  nunmehr  verlustig  gegangen,  da  er  dieses 
Recht  ganz  schnöde  gemisbraucht  und  die  Leute  in  Schön- 
berg  geschlagen   habe,   wobei   es   ganz   einerlei  sei,   ob 
letzteres  vom  Pfarrer  selbst  oder  durch  seine  Leute  ge- 
schehen sei.     Solche  Handhmg  sei  eines  Priesters  völlig 
unwürdig   und  könne  nimmermehr  von  der  übrigkeit  ge- 
duldet werden.    Viel  besser  hätte  Pfarrer  Mühlig  gethan, 
wenn  er,  statt  in  Schönberg  mit  seiner  bewaffneten  Schar 
einzubrechen,  seine  Nase  in  die  Bücher  gesteckt  und  die 
Bibel  studiert  hätte;    dann  hätte  er  nicht  das  Wort  des 
Heilands  an  Petrus:  „Stecke  dein  Schwert  in  die  Scheide; 
denn  wer  das  Schwert   nimmt,    soll   durch  das  Schwert 
umkommen",    so   völlig   vergessen   können.     Scliliesslich 
beantragt  Wenigel,  den  Pfarrer  in  alle  Unkosten  zu  ver- 


Kleinere  Mittheilnngen.  149 

urtheilen  und  ihm  ausserdem  eine  Busse  für  den  Unfug 
in  Schönberg  und  Strafe  wegen  Verletzung  der  Amts- 
gerechtigkeit aufzuerlegen. 

Pfarrer  Mühlig  blieb  die  Antwort  nicht  schuldig. 
In  sehr  geschickter  Weise  hat  sein  Rechtsanwalt  das 
Recht  des  Pfarrers  aus  dem  kirchlichen  und  weltlichen 
Rechte  nachgewiesen,  wobei  es  an  wuchtigen  Schlägen 
auf  Wenigeis  Haupt  nicht  fehlt.  Mit  feiner  Ii^onie  weist 
Mühlig  darauf  hin,  wie  alle  vom  Landrichter  erhobenen 
Einwendungen  nicht  ihn,  sondern  den  kurfürstlichen  Kom- 
missar, im  letzten  Grunde  aber  den  Kurfürsten  selbst 
träfen.  Er  könne  doch  nichts  dafür,  dass  er  nicht  blos 
Pfarrer,  sondern  auch  Lehnsherr  sei;  und  wenn  ihm  ein 
schweres  Unrecht  daraus  gemacht  werde,  dass  die  wider- 
spenstigen Schönberger  von  seinen  Leuten  geschlagen 
worden  seien,  so  solle  doch  der  Landrichter  bedenken, 
dass  derselbe  Vorwurf  den  Pfarrer  treifen  würde,  wenn 
das  Amt  auf  seinen  Antrag  die  Pfändung  vorgenommen 
und  Gewalt  mit  Gewalt  vertrieben  hätte.  Was  er  ge- 
than,  das  habe  er  in  Befolgung  seines  Amtsgelübdes,  sich 
von  seiner  Pfarrlehnsgerechtigkeit  nichts  mindern  zu  lassen, 
gethan,  und  sei  er  davon  fest  überzeugt,  dass  sein  oberster 
Lehnsherr  (der  Kurfürst)  ihn  nicht  ungeschützt  lassen 
werde.  Er  erhoffe  vielmehr,  dass  der  Landrichter  zum 
Lohne  für  den  „Ungiimpf,  den  er  zu  Mist  gebracht"  habe, 
die  gerechte  Strafe  empfange,  und  dies  um  so  mehr,  als 
der  Pfarrer  jederzeit  „der  heiligen  Schrift  nachzukommen 
hochbegierig"  gewesen  sei  und  darum  in  keiner  Weise 
den  Hohn  des  Landrichters  verdient  habe. 

Nachdem  der  Prozess  ziemlich  vier  Jahre  (1516  bis 
1519)  gespielt  hatte,  erfolgte  endlich  der  kurfürstliche 
Schlussbescheid,  der,  in  verständliches  Deutsch  übertragen, 
folgenden  Wortlaut  hat: 

Wie  aus  allen  ergangenen  Handlungen  klar  i;nd  eigentlich  er- 
funden wird,  ist  Herr  Nikolaus  Mühlig,  Pfarrer  zu  Pausa,  durch 
den  ehrenfesten  und  gestrengen  Herrn  Philipp  von  Feilitzsch,  Pitter, 
Hauptmann  zu  Weida,  kurfürstlichen  und  fürstlichen  Kommissar, 
angewiesen  worden,  schriftlich  nachzuweisen,  ob  der  gewaltsame 
Eingriff,  dessen  man  ihn  beschuldigt,  wirklich,  wie  der  Pfarrer  be- 
hauptet, auf  der  Gerechtigkeit  beruhe,  die  er  auf  etlichen  Gütern  in 
Schönberg  habe.  Könne  er  dies,  so  solle  er  hierbei  geschützt  und 
aller  Beschwerde  und  Einhaltung  entledigt  sein.  Darauf  hat  jedoch 
Peter  Wenigel,  Landrichter  zu  Plauen,  als  Widerpart,  solchen  von 
ihm  selbst  bewilligten  Rechtsnaclnveis  nicht  nur  abgelehnt,  sondern 
ohne  allen  Grund  den  Pfarrer  dazu  gezwungen,  seine  Gerechtigkeit 
in  Form   eines   rechtlichen  Zeugnisses   nachzuweisen.    Deshalb  war 


150  Kleinere  Mittheilungeu. 

Peter  Wenigel  weder  berechtigt  noch  viel  weniger  genöthigt,  den 
Pfarrer,  nachdem  er  den  verlangten  Rechtsnachweis  erbracht,  zur 
Portsetzung  des  Prozesses  zu  zwingen  und  ungeachtet  der  ihm  vom 
kurfiirstliclien  Kommissar  gewordenen  Weisung  gegen  des  Pfarrers 
Zeugnis  zu  protestieren. 

Wenn  aber  nun  Peter  Wenige!  in  seinem  vormeintliihen  lern- 
test vermeldet,  dass  gedachter  Pfai'rer  Schmähungen,  Verhöhnungen 
und  andere  Ungebülirlichkeiten  sich  erlaubt  habe,  so  gesteht  dies 
der  Pfarrer  nicht  zu,  indem  er  sich  auf  die  Akten  beruft  und  die 
Frage  aufwirft,  ob  AVenigel  in  seinen  eigenen  Schiiften  Schmähungen 
und  Injurien  vermieden  habe. 

Es  hat  weiter  der  Pfarrer  nicht  aus  eigenem  Vornehmen  das 
Zeugenverhör  und  alle  übrigen  llechtsliandlungen  angestellt,  sondern 
er  ist  dazu  gezwungen  worden,  wie  aus  den  Akten  zu  ersehen.  Es 
ist  auch  Peter  Wenigel  zu  Weida  vor  dem  Hauptmann  erschienen 
und  hat  dessen  Weisung  angenommen;  er  hat  ferner  auf  des  Pfarrers 
Zeugnis  mit  einer  Protestschrift  geantwortet.  Da  ei'  nun  nicht  eher 
und  zu  rechter  Zeit  der  Sache  sich  entschlagen  und  gegen  des  kur- 
fürstlichen Kommissars  Weisung  protestiert  hat,  so  folgt  daraus,  dass 
er  der  Sache  anhängig  geworden  ist,  und  ob  nun  der  Befehl  des 
fürstlichen  Kommissars  den  Akten  nicht  mit  beigefügt  war,  so  hat 
das  nicht  der  Pfarrer,  sondei'u  der  Kommissar  und  der  Notar  zu 
verantworten  gehabt.  Daraus  ist  biederlich  abzunehmen,  ob  ge- 
nannter Herr  Philipp  von  Feilitzsch  Ritter  pp.  nach  beider  Parteien 
Einwilligung  ein  Zeugenverhör  anzustellen,  ingleichen  mein  gnädiger 
Herr  von  Naumburg  seligen  Gedäclitnisses  den  Befehl  dazu  zu  er- 
lassen genuysam  Gewalt  gehabt  hat  oder  nicht.  Sonach  sind  alle 
diese  Weiterungen  von  Peter  Wenigel  ohne  allen  Grund  und  ledig- 
lich zur  Verschleppung  der  Sache  veranlasst  worden.  Dass  aber 
vom  Pfarrer,  wie  vorgewendet,  die  Leute  zu  Schönberg  blutrünstig 
gestossen  oder  geschlagen  seien ,  oder  dass  derselbe ,  wie  Pete)' 
Wenigel  meldet,  sich  irgendwelche  ungebührliche  Gerechtigkeit  an- 
gemasst  habe,  gesteht  der  Pfai'rer  nicht  nur  nicht  ein,  sondern  unter 
Hinweis  auf  alle  früheren  Vorgänge  erklärt  er,  dass  er  um  rück- 
ständige Erbzinsen  aus  althergebrachter  Gerechtigkeit  und  zwar 
öffentlich  uiul  nicht  heimlich,  wie  der  Widerpart  behauptet,  gepfändet 
habe,  und  damit,  wie  es  Eibgerichten  zusteht,  aiich  ferner  zu  ver- 
fahren entschlossen  sei,  und  dass  er  daran  vom  Landrichter  Wenigel 
ohne  einen  Schein  von  Grund  oder  Recht  lediglich  durch  Gewalt 
gehindert  werde.  Solches  aber  halio  er,  der  Pfarrer,  lediglich  zur 
Erhaltung  seiner  Gerechtsame  und  keineswegs,  wie  der  Widerpart 
angiebt,  in  böswilliger  Absicht,  oder  gar  zu  dem  Zwecke  unter- 
nommen, um  gnädigster  und  gnädiger  Herren  Obrigkeit  Abbruch  zu 
thun;  letztere  solle  in  alle  Wege  verschont  und  imangetastet  bleiben. 
Und  wenn  nun  der  Pf  airer  die  Entscheidung  unter  Berufung  auf 
die  Akten  in  des  durchlauchtigen  hochgeborenen  Fürsten  und  Herrn, 
Herni  Johann"),  Herzogs  zu  Sachsen,  seines  gnädigen  Herrn,  mäch- 
tige Hand  gestellt  hat,  wohin  denn  der  Herr  Kommissar  diese  Sache 
mit  untertliäniger  Bitte  berichtet  hat,  so  worden  -hiermit  Peter 
Wenigeis,  Landrichters  zu  Plauen,  unfreundliche  Vorwände  und 
Einwendungen,  so  allein  zur  Verschle])pung  der  Sache  vorgebracht, 
hiermit  vei-worfen,  dessen  er  hiermit  öffentlich  beschieden  wird. 


*)  Es  ist  Johann  der  Beständige  gemeint,  der  öfters  den  Kur- 
fürsten Friedrich  den  Weisen  vertreten  hat. 


Kleinere  Mittheilungen.  151 

5.    Meister  Wendel  Rosskopfs  Parlierer. 

Von  E.  Wernicke. 

In  dem  nämlichen  Jahre,  wo  der  erst  seit  diesem 
Dezennium  bekannt  gewordene  und  geAvürdigte  Bahn- 
l)recher  der  Renaissance  in  der  Lausitz  und  in  Schlesien 
zu  Görlitz  Bürgerrecht  erwarb  (1520),  wurde  auch  der 
Name  eines  Berufsgenossen  in  den  Bürgerkatalog  em- 
getragen,  den  man  als  seinen  Gehilfen  zu  betrachten  ein 
Recht  hat.  „ Hans  Richter  von  Paulsdorf  bei  Berewtte, 
Steinmetz  und  Parlier;  ist  [sc.  die  übliche  Einzahlung] 
ihm  geschanckt",  so  lautet  die  lakonische  Anführung,  der 
wir  wenigstens  die  Angabe  seiner  Herkunft  verdanken. 
Er  stammte  demnach  aus  der  Gegend  von  Lob  au  her, 
und  eins  von  den  beiden  dort  liegenden  Paulsdorf  muss 
seine  Heimath  gewesen  sein;  denn  dass  bei  der  aben- 
teuerlichen Namensform  hinterher  nicht  an  Bayreuth, 
sondern  an  ein  Baruth  zu  denken,  braucht  kaum  erwähnt 
zu  werden.  Wie  der  obengenannte  Meister  schon  eine 
Zeitlang  (mindestens  seit  1518)  in  Görlitz  thätig  gewesen 
war,  ehe  er  sich  zu  bleibendem  Aufenthalte  bequemte,  zu 
welchem  Entschlüsse  ihn  wohl  die  um  Neujahr  1519  mit 
der  Stadtbaumeisterswitwe  Marg.  Stieglitz  eingegangene 
Ehe  endgiltig  veranlasst  haben  wird,  so  finden  wir  auch 
Richter,  wenn  auch  nur  schlechtweg  als  „Hans  Parliuer" 
bezeichnet,  bereits  in  dem  städtischen  liber  exactionum 
vom  Jahre  1519  (f.  6  b.).  Da  gleichzeitig  sonst  keiner 
seiner  Handwerksverwandten  dieses  Titels  gewürdigt  wird, 
so  sind  wir  befugt,  ihn  in  dem  ungenannten  Parlierer  zu 
erblicken,  welcher  in  demselben  Jahre  Rosskopf  beim 
Umbau  der  ältesten  Stadtpfarrkirche  zu  St.  Nikolaus 
behilflich  gewesen,  worüber  man  den  ausführlichen  Be- 
richt in  Hass'  Görlitzer  Rathsannalen  vergleichen  wolle. 
Über  Richters  sonstige  künstlerische  Thätigkeit  war  aus 
Urkundenbüchern  nichts  zu  ermitteln,  und  die  diesen 
Zeitraum  behandelnden  städtischen  Rechnungsbücher  sind 
verschwunden  und  wahrscheinlich  nach  dem  schmalkal- 
dischen  Kriege  ins  Ausland  verschleppt  worden.  Dass 
Richter  seines  Berufs  jedoch  wohl  erfahren  war,  kenn- 
zeichnet genugsam  der  seiner  Eintragung  folgende  bedeu- 
tungsvolle Zusatz,  dessen  sich  auch  Rosskopf  zu  erfreuen 
hatte.  Bis  zum  Jahre  1527  vernimmt  man  über  den 
Parlierer  nichts  weiter.  Da  wii'd  ihm  am  26.  Februar 
seitens    des    Görlitzer   Magistrats    ein    Leumundsattest 


152  Kleinere  ]\[ittheihiiigon. 

leichtfertigen  Leuten  gegenüber  ausgestellt,  Avelche  ver- 
breitet hatten,  er  wäre  wegen  ungeziemenden  Wandels 
ausgewiesen  und  erst  wieder  aus  Gnaden  in  die  Stadt 
aufgenommen  worden.  Ich  scliliesse  daraus  auf  seine 
zeitweilige  AbAvesenheit.  Versuchen  wir  zu  bestimmen, 
wo,  so  haben  wir,  selbstverständlich  immer  noch  unter 
der  Voraussetzung,  dass  er  Rosskopf  assistiert  habe,  zu 
fragen,  wo  dieser  sich  um  dieselbe  Zeit  aufgehalten. 
JSTun  gilt  es  als  ziemlich  ausgemacht,  dass  Meister  Wendel 
zwischen  1525  und  1530,  so  viele  Arbeiten  auch  seiner 
daheim  harrten,  Aufträge  für  die  Stadt  Breslau  über- 
nommen hat,  wo  er  sich  im  Juli  1530  zuletzt  aufliielt. 
Lübke  (Geschichte  der  deutschen  Renaissance,  2.  Aufl. 
II.,  163  ff.)  macht  es  in  hohem  Grade  wahrscheinlich, 
Rosskopf  sei  der  Urheber  gewisser  Partien  am  dortigen 
Rathhause,  eine  Meinung,  in  der  er  sich  um  so  mehi- 
bestärkt  glaubte,  als  an  einem  Portale  von  vollendeter 
Behandlung  (1528)  der  ausführende  Künstler  sich  mit 
dem  Buchstaben  R.  verewigt  hat.  Freilich  geht  diesem 
ein  H.  voraus,  was  sich  beim  besten  Willen  nun  einmal 
nicht  durch  Substitution  eines  W.  wegleugnen  lässt.  Ich 
hatte  schon  vor  Jahren  an  die  Möglichkeit  gedacht,  hier 
unsern  Hans  Richter  eintreten  zu  lassen,  und  diesen 
Gedanken  auch  gelegentlich  eines  Vortrags  über  Ross 
köpf  im  Museum  für  schlesische  Alterthümer  ausge- 
sprochen ;  aber  dies  öffentlich  zu  thun,  mangelte  die  V  er- 
anlassung,  bis  H.  Lutsch,  Die  Kunstdenkmäler  der  Stadt 
Breslau  (1886,  S.  111),  erhebliche  Bedenken  gegen  einen 
Antheil  der  Rosskopfschen  Schule  an  den  Breslauer 
Bauten  überhaupt  äusserte,  wozu  in  der  Abgelegenheit 
der  von  Lübke  verwertheten  Mittheilungen  einiger  Grund 
vorgelegen  haben  dürfte.  Es  genüge  vorläufig  die  Er- 
klärung, dass  ich  den  urkundlichen  Nachweis  ül)er  Wen- 
deis Anwesenheit  in  Breslau  an  anderer  Stelle  nicht 
schuldig  bleiben  will;  an  dieser  aber,  da  es  sich  um 
einen  Abkömmling  aus  einer  Ortschaft  des  jetzigen  Kö- 
nigreichs Sachsen^)  handelt,  möchte  ich  doch  mit  dem 
Vorschlage  nicht  zurückhalten,  ob  man,  vielleicht  gestützt 
auf  Material,  das  mir  entgangen,  nicht  geneigt  sein  sollte, 
den  Hans  Richter  für  ein  Werk  zu  reklamieren,  das  ihm 


^)  Auch  Eosskopf  war  ein  Lausitzer  von  Geburt,  da  sein  Fa- 
milienname um  die  Zeit  seines  ersten  Auftretens  in  Hermsdorf  bei 
Görlitz  angetroffen  wird. 


Kleinere  ilittlieilmigen.  153 

alle  Ehre  macht.  Unter  den  schlesisuhen  Künstlern,  so 
viele  ich  ihrer  aus  der  einschlagenden  Zeit  kenne,  be- 
findet sich  keiner,  dessen  Name  so  tretflich  in  die  frag- 
lichen Namensanfänge  hineinpasste,  wie  seiner,  wiewohl 
ich  meine  Unbekanntschaft  damit  eingestehen  muss,  in- 
wieweit bei  unsern  Künstlern  der  Gebrauch,  Hans  mit 
H.  bezw.  I.  abzukürzen,  überwogen  habe.  Dass  Richter 
sich  übrigens  so  verewigen  durfte,  dazu  berechtigte  ihn 
der  Titel  „Meister",  welchen  ihm  die  Ehrenerklärung 
vom  Jahre  1527  giebt. 

Bezüglich  seiner  äussern  Lebensumstände  habe  ich 
nur  noch  in  Erfahrung  zu  bringen  vermocht,  dass  er 
(nach  einem  Görlitzer  Stadtbuche)  im  Januar  1536  ein 
Stück  von  seinem  Garten  auf  der  Consulstrasse  dem 
Goldschmiede  Oswald  Folkelt  um  baare  50  Mark  ver- 
kauft habe. 

Ich  verlasse  ihn  mit  dem  Wunsche,  dass  man  sich 
mit  seiner  Persönlichkeit  noch  weiter  beschäftigen  möge. 

6.  Sieben  strafrechtsgescliiclitliche  Findlinge. 

Mitgetheilt  Yon  Th.  Distel. 
Spruch  der  Schoppen  auf  dem  Berge  vor  dem 
Rolande  zu  Halle  (1576). 
Im  k.  s.  Hauptstaatsarchive  ^)  befindet  sich  das  Ori- 
ginal eines  Spruches  der  Schoppen  des  Gerichts  auf  dem 
Berge  vor  dem  Rolande  zu  Halle,  betr.  die  Diffamation 
Hans  von  Elterbachs  gegen  die  am  7,  Oktober  1571  ver- 
storbene Königin  Dorothea  von  Dänemark,  die  Mutter 
der  Kurfürstin  Anna  von  Sachsen.  Gerichtet  ist  der 
Spruch  an  den  Amtmann  zu  Walda,  Heinrich  von  Lieben- 
born, das  Siegel  auf  der  Rückseite  des  Spruches  fehlt. 
Forschungen  haben  nun  zu  dem  interessanten  Resultate 
geführt,  dass  Hans  von  Elterbach  und  Heinrich  von  Lieben- 
born zu  Walda  fingierte  Namen  sind  Für  ersteren  ist 
der  Jägermeister  Cornelius  von  Rüxleben  zu  Zscho- 
pau,  füi'  letzteren  der  Bürgermeister  zu  Leipzig,  Hierony- 
mus  Rauscher,  zu  setzen.  Der  Kurfürst  August  wollte 
den  ganzen  Fall  möglichst  geheim  behandelt  wissen  und 
schrieb  deshalb  unterm  9,  November  1576  an  Rauscher, 
er  solle  die  Boten  instruieren,  „avo  und  unter  weme  das 
Ambt  Walda  gelegenn"  sei,  me  er  auch  die  Frage  an 
die  Schoppen  habe  zurückdatieren  lassen,    „damit  es  das 


')  Loc.  9665,  Sammlung  etc. 


154  Kleinere  Mittheilungon. 

Ansehen  hätte,  alis  Avan  solche  Frage  von  ferne  kom- 
men". Auf  dieselbe  Frage  ergangene  Sprüche  liegen 
sonst  noch  in  der  angezogenen  Sammlung  von  den  Schop- 
pen zu  Leipzig,  der  Juristenfakultät  zu  Jena  und  von 
den  kurfürstlichen  sächsischen  geheimen  und  Appella- 
tionsräthen  vor.  Die  in  der  von  Rüxlebenschen  Sache 
geführten  Akten  desselben  Archivs  behandeln  ebenfalls 
den  Gegenstand  des  Vergehens,  und  ein  in  der  Sache 
nach  Erweisung  weiterer  Injurien  von  Rüxlebens  auf 
eine  abermalige  Frage  vom  8.  Dezember  1576  (ebenda 
Loc.  9667,  Schriften  betr.  etc.  Bl.  39  flg.)  ergangener 
Spruch  der  Schoppen  zu  Leipzig  an  den  Amtsschösser 
zu  Dresden  Ludwig  Kynast  (ebenda)  nennt  den  rich- 
tigen Namen  des  Kulpaten.  Ich  ül)ergehe  die  schweren 
Injurien  von  Rüxlebens  und  theile  nur  den  Rechtsspruch 
der  Halleschen  Schoppen  selbst  mit,  mit  welchem  die 
übrigen  im  wesentlichen  übereinstimmen.  In  demselben 
lieisst  es  am  Schlüsse: 

„Mochte  vielei'weiiter  von  Elterbach  solcher  ausgeg-osseneu 
reden  imndt  diffaraation  durch  die  zwene  nnhcseholtene  vom  adell-), 
die  es  von  inie  gehört,  wie  sichs  zu  rechte  eigenet  nnndt  geburet. 
uherwiesen  werden,  oder  er  es  sonst  frey willig  bekennet,  undt  bette 
ilokegen  nichts  erlieblichs  fuitzuwenden,  so  weh]'e  ebi-  schuldigk 
einen  öffentlichen  wiederuf  zu  thun,  unndt  koute  dorubor  wilkülir- 
lich  mit  zeitlichem  gefengknus  oder  ewigei'  Vorweisung  des  landes 
gestrafft  werden,  unndt  hatt  disfalles  die  tortur  Avieder  inen  nicht 
Stadt.     Alles  vonn  Rechts  wegen  etc." 

Am  19.  Dezember  1576  widerrief  von  Rüxleben  in 
der  Hofstube  zu  Dresden,  wurde  seiner  Güter  verlustig 
erklärt  (angez.  Akten:  Loc.  9667.  Bl.  45b  flg.)  und  kam 
in  das  Gefängniss  in  der  Pleissenburg  zu  Leipzig,  wo- 
selbst er  —  inzwischen  waren  noch  viele  andere  Ver- 
brechen von  ihm  bekannt  geworden  —  bis  zu  seinem 
Tode  (11.  Nov.  1590)  verblieb. 

Spruch   der  Schoppen   zu  Leipzig  wegen 
Majestätsbeleidigung  (1588). 

Im  k.  s.  Hauptstaatsarchiv  (Locat  9665:  Sammlung 
etc.)  befindet  sich  das  Original  des  folgenden  Spruches 
der  Schö])pen  zu  Leipzig  an  den  Amtsschösser  Michael 
Kronbergk  zu  Dresden.  Das  Urtel  ist  auf  eine  Frage 
desselben  aus  dem  Anfang  des  Jahres  1588  ergangen. 
Der  darin  erwähnte  Kurfürst  ist  Christian  I. 


^)  Kaspar  von  Korvvitz  und  Paul  Gröbel.    Ueber  letzteren  und 
über  von  Rüxleben  sell)st  vergleiche  diese  Zeitschr.  VII,  154%. 


Kleinere  Mittheiluiigen.  155 

„Unser  fremidlicli  dienst  zuvorn.  Namhafftiger.  guter  fronndt. 
Denienach  ihr  uns  etliche  verl's  ^),  so  in  discessum  doctoris  Policariii 
Leisers,  gewesenen  snperinteudentens  nnd  pfarherns  zav  Wittenbergk 
geschrieben,  und  etliche  artickel  und  zweier  gefangenen,  als  uiagister 
Michael  Eosins-)  imd  seines  vettern  Nicol  Rosins  dorauff  gethane 
zweyerley  underschiedeue  gixtliche  aussagen  beneben  einer  fragen 
zugeschickt  und  euch  des  rechten  darüber  zu  belernen  gebeten  hapt, 
als  sprechen  wir  churfürstliche  sechsische  schöppen  zw  Leiptzigk 
dorauff  vor  recht. 

Hat  gedachter  uiagister  Michael  Rosin  in  gueten  bekaut,  das 
er  vorbemelte  verfs,  ane  jemandts  einrathen,  vor  sich  selbst  alleine 
gemacht  und  voifertiget,  darinne  der  churfurst  zw  Sachsen  etc.  und 
burggraff  zw  Magdeburgk  etc.  unser  gnedigster  herr  mit  gautz  ehr- 
vorletzlichen  werten  und  hochbeschwerlithcn  injurieu  angegriffen  und 
beschuldiget,  als  selten  bei  seiner  churfürstlichen  gnaden  die  vorrether 
und  Schmeichler  angenehmer  sein  dan  getrewe  diener,  und  seine  chur- 
fürstliche gnaden  mehr  uff  hirschen,  als  uff  kirchendiener,  auch  mehr  uff 
pferde,  dan  uff  die  justicien  halten  und  dero  gemut  allein  zum  kriege, 
ane  gottes  furcht,  geueiget  sein,  das  auch  seine  churfürstliche  gnade  in 
dero  herrn  vaters  christlicher  und  hochlöblichster  gedechtnus  aschen 
durch  annehmung  frembder  religion  bissen  weiten,  und  über  das  an- 
gezogene verfs,  zu  seiner  churfürstlichen  gnaden  feruerra  schimpff 
und  vorunglimpfung,  andern,  und  sonderlich  vorgedachtem  seinem 
Vetter  Nicol  Rosin  mitgeteilt  und  deme  bevohlen,  dieselben  weiter 
zu  spargiren,  wie  dan  itztgemelter  Xicol  Rosin  gleicher  gestalt  in 
gueten  gestanden,  das  er  mehrerwente  verfs  dorauff  spargiret,  öffent- 
lich über  tisch  gelesen,  auch  andern  zukommen  lassen,  nach  fernerm 
inhalt  angezogener  ihrer  aussage,  so  seint  seiner  churfürstlichen 
gnaden  solcher  zugefugten  injurien  halber  obgenante  beyde  injurian- 
ten  einen  öffentlichen  widerruff'^)  zu  thun  schuhligk  und  werden  dar- 
über mit  stauppenschlegen  biilich  des  landes  ewigk  vorwiesen,  es 
wolten  dan  seine  churfürstliche  gnaden  Nicol  Rosinen,  in  ansehung 
seines  minderjehrigen  alters  und  vorgewanter  entschuldigung,  das 
ers  soweit  nicht  vorstanden,  das  es  so  ein  grosses  hinter  sich  bette, 
gnade  erzeigen,  uff  den  fall  möchte  er,  mit  der  stauppe  verschonet 
und  mit  ewiger  landesvorweysung  in  straff  genommen  werden.  Von 
rechts  wegen.  Zw  urkundt  mit  unserm  insigel  vorsigelt*).  Chur- 
fürstliche sechsische  schöppen  zu  Leiptzigk-^)." 


^)  Dieselben  befinden  sich  in  Abschrift  ebenda:  Loc.  9669, 
Schriften  etc.  El.  5-8. 

^)  In  deu  Anm.  3  zitierten  Akten  befindet  sich  ein  Gnaden- 
gesuch desselben  vom  14.  Dezember  1594  an  den  Administrator  Kur- 
sachsens, den  Herzog  Friedrich  Wilhelm,  in  welchem  er  sich  also 
unterzeichnet:  ....  Rosfeld  Wurcensis,  illustris  comitis  ac  domini 
Orientalis  Frisiae  praeceptor;  Nie.  R.  pastoris  in  Saxonia  filius. 

^)  In  den  Akten  ebenda  Loc.  9710  Mich.  Rosinus  etc.  befindet 
sich  das  Konzept  des  Widerrufs  vom  21.  Januar  1588. 

0  Vergl.  über  dasselbe  den  nächsten  Eand  der  Zeitschrift  der 
Savigny-Stiftung  (Germ.  Abth.). 

^)  Im  Stuhle  sassen  damals:  Andreas  Sieber,  cons.  reg.,  Dr. 
Georg  Kost,  senior,  Wolff  Priligke,  consul,  Dr.  Marcus  Scipio,  Dr. 
Daniel  Müller,  Dr.  Joh.  Eossbach  (adjunctus),  Georg  Eothe,  aedilis, 
Eeinhard  Backofen,  substitutus  für  den  verstorbenen  Bürgermeister 
Paul  Franckstein.  El.  109'».  Fundatio  elect.  (ebenda  Loc.  10368),  El.  96. 


156  Kleinere  Mittheilungen. 

Spruch   der  Schuppen   zu  Leipzig   auf  Reissen 
mit  glühenden  Zangen  und  Lebendigverbrennen 

(1599). 
Jakob  Berger,  aus  Klotzsche  bei  Dresden,  welcher 
schon  1582  wegen  Diebstahls-  „und  anderer  Verbrechen" 
auf  zwei  Jahre  des  Landes  verwiesen  worden  war,  kam 
1599  abermals  wegen  noch  schwererer  Verbrechen  in 
Untersuchung  und  Avurde  wegen  derselben  am  26.  Oktober 
genannten  Jahres  zu  Dresden  verbrannt.  Die  betreifende 
Reclitsbelehrung,  welche  in  der  Sache  von  den  kurfürstl. 
sächsischen  Schoppen  zu  Leipzig  eingeholt  Murde,  liegt 
mir  im  Originale  vor^).    Dieselbe  lautet  also: 

^Adresse:/  „Dem  nanihiifftigen  Michael  Kronbergk  aiuptscliö.s- 
sern  zw  Drefsden,  unserm  guten  Freunde. 

f Spruch:]  Unser  freundlich  dienst  zuvorn.  Namhaili'tiger,  guter 
freundt.  Als  ihr  uns  des  gefangenen  Jacob  Berg  er  s  urgicht,  he- 
neben  einer  frage  zugeschickt  und  euch  des  rechten  darüber  zube- 
lernen  gebeten  hapt,  demnach  sprechen  wir  churfurstliche  scchsische 
Schoppen  zw  Leiptzigk  dorauff  vor  recht.  Hat  der  gefangene  Jacob 
Berger  in  scharffer  frage,  damit  er,  auf  unser  jungstgesproclienes 
ui'tel,  angegriffen,  bekant  und  ausgesagt,  das  er  nicht  allein  Pauln 
Bruckman-)  zu  Alten  Dresden  seine  scheune  mit  feuer  ange- 
steckt, sondern  auch  vor  achtnndzwantzigk  jharen  seinen  stieff- 
vater  erhcnckt,  auch  dabey  gewesen,  als  vor  dreyen  jharen  in 
der  Dresdnisrhen  heyde  ein  weih  von  seinem  gesellen  Pfaffhansen 
ermordert  und  beraubet  worden,  item,  das  er  neben  itzbemeltem  Pfatf- 
hansen  etzliche  kirchen  erbrechen  und  berauben  helffen 
und  ferner,  das  er  vor  sechszehn  jharen,  als  er  zu  Wittgenaw  in 
sterbensleufften  todtengreber  gewesen,  neben  dreyen  seiner  gesellen 
in  die  dreyfsigk  krancke  persohnen,  das  sie,  was  sie  an  gelde  und 
fahrnus  betten,  bekennen  mufsen,  zuerst  marttei-n  und  hernach  mit 
den  kleidern  vollents  erstccken  helffen,  nach  fernerm  iuhalt 
obangezogener  seiner  urgicht.  Do  nuhn  obangezogenev  brandtschade 
gewiis  und  in  warheit  also  geschehen  und  auch  im  erkundigen  sich 
belinden  wui'de,  das  er  vor  sechzehn  Jahren  zu  Wittgenaw  todten- 
grcl)cr  gewesen  und  krauckeii  i)ersoluien  deigleiclien  gewaldt,  wie 
er  bekant,  geschehen,  und  er  wurde  auff  seinem  gethanen  bekentnus 
vor  gerichte  freywiUig  vorharren  oder  des  sousten,  wie  lecht,  über- 
wiesen, so  möchte  er,  Avegen  dero  an  den  krancken  persohnen  be- 
gangenen und  bekanten  mordthatten.  mit  drey  oder  vier  gluen- 
deii  Zangengriffen  gerifsen  und  alsdan.  oder  auch,  do  sich 
gleich  in  der  crkundigung  Aveitter  nichts  Ijefinden  wirdt,  des  began- 
genen und  bekanten  brandtschadens  halben,  mit  dem  feuer  vom 
leben  zum  thode  gestrafft  werden.  Von  Rechts  wegen.  Zw 
ui'kundt  mit  uustM-m  insigill  vorsigidt.  Churfurstliche  sechsische 
Schoppen  zw  Leiptzigk." 

')  Sie  befindet  sich  im  K.  S.  Hauptstaatsarchive:  Sammlung  etc. 
Log.  9665;  z.  vgl.  die  ebenda  befindlichen  Akten:  Jakob  Berger  etc. 
Luc.  9713.     In  den  letzteren  ist  u.  a.  auch  die  Frage  enthalten. 

-)  Derselbe  war  der  Bruder  des  Pfarrers  zu  Wilschdorf 
(-Klotzsche),  Crcorg-  Prockmanns. 


Kleinere  Mittheilnngeii.  157 

Sächsische  Scharfrichter  in  den  Jahren 
1GÜ5  nncl  1723. 

Nachdem  der  Scharfrichter  Polster')  1723  in  Borna 
einmal  jedem  der  drei  Delinqnenten -)  anf  einen  Hieb  den 
Kopf  vom  Leibe  getrennt  hatte,  wendete  er  sich  mit 
einer  kurzen  Rede  an  das  Volk,  welche  also  endete: 

„Kuiz,  ich  wünsche,  dass  eiu  Jeder  also  lebe, 
Damit  er  nicht  au  diesem  kalten  Eisen  klebe" '^). 

Einem  andern  Aktenstücke  des  k.  s.  Hauptstaats- 
archivs ^)  entnehme  ich  einen  Passus  des  Exekutions- 
berichtes, Avelchen  die  Diakonen  M.  Tobias  Rudolph  und 
Heinrich  Mittelstadt  in  Dresden  über  die  Hinrichtung- 
Michael  Heinrichs,  welcher  ein  Attentat  auf  den  Kur- 
fürsten Christian  II.  beabsichtigt  hatte,  an  den  Kurfürsten 
erstatteten.    Es  heisst  daselbst: 

„Indem  er  sich  auf  den  Tisch  geleget,  darauf  er 
sollte  in  vier  Stücke  geschnitten  werden  und  Meister 
Conrad  den  Schnitt  gethan  und  das  Herze  herausgenom- 
men, so  hat  er  ihm  dasselbige  vor  die  Augen  gehalten 
und  gesagt:  Da  siebest  du  dein  loses  schelmisches  Herz, 
das  den  frommen  Kurfürsten  hat  erscliiessen  sollen,  und 
hat  ihm  dasselbige  dreimal  in  das  Gesichte  geschmissen". 

Bestimmungen  über  die  Todesstrafe  bei  Kindes- 
mord (1680  flg.). 

Das  k.  s.  Hauptstaatsarchiv  besitzt  (Loc.  9718) 
eine  eigenhändige  Bestimmung  des  Kurfürsten  Johann 
Georg  IL  betreffs  der  Todesstrafe  bei  Kindesmord  (vom 
18.  März  1680).  Die  bezüglichen  Akten  haben  sich 
zwar  nicht  ermitteln  lassen,  doch  dürfte  ein  in  Dresden 
begangener  Kindesmord  vorgelegen  haben,  auf  welchen 
die  Schoppen  zu  Leipzig  die  Strafe  des  Sacks  aus- 
gesprochen hatten,  und  dem  Kurfürsten  alsdann  ein 
Gnadengesuch  um  Verwandlung  der  Strafe  in  die  des 
Schwertes  überreicht  worden  sein. 

Die  Niederschrift  des  Kurfürsten  lautet  wörtlich  also: 

„Den  herin  director  uiid  semplicheu  herrn  geheimbteu  rähteu 
berichte  Jch  hirbey,  wie  das  leiter,   gott  erbarmes,   der  kiudermortt, 


1)  Die  Familie  Polster  lieferte  Jahrhunderte  hiudm-ch  sächsische 
Scharfrichter.  Ein  Bruder  des  hier  Erwähnten  „aus  Altenberg"  war 
ebenfalls  bei  der  oben  besprochenen  Hinrichtung  thätig. 

-)  Xergl.  unten  S.  löS  f. 

3)  K.  S.  Hauptstaatsarchiv:  Loc.  9718  Piecen  etc.  Bl.  88b. 

*)  Loc.  9676  Yol.  IL  Bl.  128  K 


158  "Kleinere  Mittheilungen. 

iiisonderheitt  auch  bey  hiesiger  residens ,  dero  mafscn  uberhandt 
uieniet,  als  habe  Jch  mich  aus  christlichen  eufer  darhin  resolvieret, 
keine  nicht  mehi'  zum  schwertt  kommen  zu  lassen,  sondein  zu  or- 
trencken,  jedoch  stdiett  es  zu  ihren  [der  geheimen  JiätheJ  gefallen, 
ob   sie   die   straffe  wegen  der   diiu  wollen  compensiret  lassen.     Den 

18.  Martii  1680.     Johann  (leoi'g  Churfürst." 

In  späterer  Zeit,  so  1602,  wurde  die  erkannte  Strafe 
des  Sackes  durch  den  Kurfürsten  Johann  Georg  IV.  auf 
Bericht  des  Kanzlers  und  der  Räthe  in  die  Strafe  des 
Schwertes  verwandelt.  Die  Kindesmürderin  war  Regma 
Oelschlegel  in  den  von  Feilitzsch'schen  Gerichten  zu 
Treuen  oberen  Theils.  Betrett's  ihrer  heisst  es  ausdrück- 
lich in  dem  Begnadigungsberichte  vom  16.  Juni  1692, 
dass  bei  der  Exekution  des  Säckungsurtels  „Seelengefahr 
zu  besorgen  sey".  (Ebenda  Loc.  9719,  Verwandlung  etc. 
Bl.  5b.)  Unterm  11.  November  1692  baten  die  Kanzler 
und  Räthe  (ebenda  Bl.  8  b)  abermals  den  Kurfürsten 
wegen  der  Kindesmörderin  Anna  Marie  Meister  aus 
Hain  um  Gnade,  bemerkten  dabei  jedoch,  dass  „solch  un- 
natürlich delictum"  den  kurfürstlichen  Landen  „vorjetzo 
sehr  gemein"  werden  wolle.  Johann  Georg  IV.  reskri- 
bierte unter  demselben  Tage,  dass  er  die  Strafe  der 
Säckung  in  Gnaden  in  die  des  Schw^ertes  verwandeln 
wolle.    Aehnlich  berichten  dieselben  Räthe  auch  unterm 

19.  Oktober  desselben  Jahres  (ebenda  Bl.  6b)  betreffs 
eines  bei  den  Dresdener  Amtsgerichten  begangenen  Mor- 
des Carl  Hans  Peters  an  seiner  Ehefrau,  „dals  die  säck- 
ung gar  leicht  eine  desperation  und  seelengefahr  nach 
sich  ziehen  könte".  Der  Kurfürst  übte  die  erbetene  Gnade 
aus  (ebenda  Bl,  7). 

Die  Leiche  eines  Hingerichteten  für  die  Ana- 
tomie zu  Leipzig  (1723). 
Unterm  13.  November  1723  richtete  der  Professor 
Dr.  August  Friedrich  Walther  (anatom.  et  chir.)  zu  Leip- 
zig ein  Gesuch  an  den  Kuifürsten  Friedrich  August  L, 
in  welchem  er  um  einen  der  am  nächsten  Freitag  zu 
Borna  zur  „Abthuung"  gelangenden  drei  armen  Sünder^) 
für  das  theatrum  anatomicum  l)at.  Er  zog  dabei  das 
Mandat  vum  12.  April  1723  an,  in  welchem  „nicht  ex- 
presse  enthalten"  sei,  dass  auch  die  durchs  Schwert 
oder  den  Strang  Gerichteten,  welche  alsdann  auf  das 
Rad  geflochten  werden  sollten,  „auf  Verlangen  der  Fakul- 

')  Johann  Gotthelf  Griinther  (Quittenbaum),  Michael  Schmidt 
(Fleischer  liezw.  Kühmichel)  und  Petei'  Kahnt.    Vergl.  oben  S.  157. 


Kleinere  Mittheilungen.  159 

tat  oder  der  Anatomici  vom  Rade  sollen  abgenommen 
und  zur  Section  abgefolget  werden."  Waltlier  erbot  sich 
gleichzeitig,  auf  eigene  Kosten  Leute  zur  Abholung  des 
Körpers  abzusenden.  Vom  18.  desselben  Monats  datiert 
das  kurfürstliche  Reskript  hierauf  an  den  Amtmann  zu 
Borna  des  Inhaltes,  dass  einer  der  drei  zum  Tode  ver- 
urtheilten  Diebe  sogleich  nach  der  Hinrichtung,  ohne 
dass  er  zuvor  aufs  Rad  geflochten  worden  —  nur  die 
Leiche   des   sogen.  Quittenbaum  dürfe  es  nicht  sein  — , 

dem  Boten  „ohne  Abforderung   einiger  Unkosten 

abgefolget  werde." 

Am  26.  November  1723  fand  die  Exekution  statt. 
Michael  Schmidts  Leiche  war  die  für  die  Anatomie  zu 
Leipzig  bestimmte;  olme  erst  aufs  Rad  gebracht  worden 
zu  sein,  kam  sie  dahin'-).  Bemerkt  sei  hier  noch,  dass, 
als  bei  Hegung  des  peüüichen  Halsgerichtes  der  Land- 
richter Dieter  die  Worte  „von  Rechtswegen"  ausgespro- 
chen hatte,  er  das  in  der  rechten  Hand  gehaltene  weisse 
Stäbchen  zerbrach  und  es  alsdann  den  armen  Sündern 
vor  die  Füsse  warf;  die  Theile  sind  später  zu  den  Akten 
genommen  worden,  liegen  aber  nicht  mehr  dabei").  Die 
Köpfe  der  Diebe  wurden  so  auf  die  Räder  genagelt,  dass 
die  Gesichter  nach  der  Gegend  sahen,  in  welcher  die 
Verbrecher  die  meisten  Diebstähle  begangen  hatten  (Bl. 
S^^  der  unten  angef.  Akten).  Der  Bericht  des  Aktuar 
Schulter  (ebenda  Bl.  89)  schliesst  mit  den  seltsamen 
Worten,  dass  sich  „diese  ganze  Execution,  Gott  Lob, 
ganz  glücklich  und  in  der  schönsten  Ordnung  (!)  ge- 
endet" habe. 

Das  Trinken  von  Blut  eines   Enthaupteten 
seitens   eines  Fallsüchtigen   (1755). 

Bekannt  ist  der  Volksglaube,  dass  das  Trinken 
warmen  Blutes  eines  Enthaupteten  von  der  Epilepsie  be- 
freie. Zedier  erwähnt  dieses  Mittel  gegen  die  Fallsucht 
in  seinem  Universallexikon  unter  „Epilepsie".  Weiteres 
darüber,  msbesondere  über  die  völlige  Erfolglosigkeit 
dieses  schrecklichen  Mittels,  lese  man  nach  in  der  Samm- 
lung von  Natur-  und  Medizin-,  Kunst-  und  Literatur- 
geschichte —  Breslauer  Sammlungen  1721  Juni,  Winter- 
quartal  1721,   S.  654—657,    class.  IV,   art.  17  —  vergl. 


2)  Bl.  57—59  Akten  des  K.  S.  Hauptstaatsarchivs :  Piecen  etc. 
Loc.  9718*.  —  3j  Ebenda  Bl.  53''. 


160  Kleinere  Mittheihmgen. 

aucli  mens-  Oct.  1720  class.  IV,  art.  9;  es  wird  hier 
sogar  erzählt,  dass  ein  vorlier  nie  fallsüchtig  gewesener 
Mensch,  anf  das  Blnttrinken  eines  Dekollierten  hin,  die 
Epilepsie  bekommen  habe.  Sobald  das  warme  Blut  eines 
in  der  grössten  Todesangst  Enthaupteten  getrunken  sei, 
soll  der  furchtsame  archaeus,  so  in  des  Sünders  warmem 
Blute  gewesen,  mit  dem  rasenden  archaeo  des  epileptici 
einen  Streit  anfangen  und  ihn  besiegen.  Der  hier  mit- 
zutheilende  Fall  ist  bereits  kurz  erwähnt  in  v.  Webers: 
Aus  vier  Jahrhunderten  I  (1857),  418/9.  Merkwürdig 
dabei  ist,  dass  sogar  die  höchste  Obrigkeit  das  Trinken 
solchen  Menschenblutes  auf  Ansuchen  genehmigte,  also 
dem  grassen  Aberglauben  nur  Vorschub  leistete. 

Freitags,  dm  6.  Juni  1755  wurde  Karl  Gottlob 
Zeibig,  welcher  in  der  Trunkenheit  am  7.  Januar  zuvor 
einen  Menschen  ermordet  hatte,  auf  dem  Rabensteine  zu 
Dresden,  welcher  vor  dem  Wilsdruffer  Thore  lag'),  durch 
den  Scharfrichter  Joh.  Gottlob  Polster  jun.  mit  ehiem 
Schwertstreich  enthauptet '-').  Die  Erkenntnisse  des 
Schöppenstuhls  zu  Leipzig'^)  und  das  auf  die  eingewendete 
Defension  hin  von  dem  Hofgerichte  zu  Wittenberg  *)  ein- 
geholte bestätigende  Urtel  befinden  sich  originaliter  bei 
den  Akten  des  k.  s.  Hauptstaatsarchivs:  Loc.  10119, 
Akten  c/a.  Zeibig  etc.  Am  3.  Juni  vor  der  Exekution 
baten  nun  zwei  Altgesellen  der  Schneiderbrüderschaft  zu 
Dresden  den  Premierminister  lieichsgrafen  Heinrich  von 
Brühl  für  ihren  Mitgesellen  Johann  Georg  Wiedemann, 
welcher  stark  an  Epilepsie  litt,  darum,  dass  derselbe 
von  dem  am  Freitag,  den  6.  genannten  Monats,  zu  recht- 
fertigenden Mörder  Carl  Gottlob  Zeibig  zu  seiner  Ge- 
nesung das  Blut  trinken  dürfe.  Eine  Registratur  meldet, 
dass  Brühl  dem  Suchen  stattgegeben,  auch  Wiedemann 
des  Dekollierten  Blut  getrunken  habe  und  darnach  „fort- 
gelaufen" sei*^). 


1)  Vgl.  Lmdiui,  Dresden  II.  Aufl.  (188.5;  S.  70.5. 

-)  Deiselbe  berechnet  2  Thlr.  12  Gr.  für  die  Dekollierung  imd 
16  Gr.  für  IJäuimmg  des  llaheiisteines.  —  ")  Angez.  Akten  Bl.  80  tig. 
—  ')  Ebciidu  111.  137  flg.  —  •-)  Ebenda  Bl.  164/5. 


Literatur. 


Urkuudenbuch  der  Stadt  Freiberg  in  Sachsen.  Im  Auftrage  der 
Königlich  Sächsischen  Staatsregierung  herausgegeben  von  Hubert 
Ermiscli.  II.  Band :  Bergbau,  Bergrecht,  Münze.  Mit  einer  Tafel. 
(A.  u.  d.  T. :  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae.  Im  Auftrage  der 
Königlich  Sächsischen  Staatsregierung  herausgegeben  von  Otto 
Posse  und  Hubert  Ermisch.  II.  Haupttheil,  XIII.  Bd.)  Leipzig, 
üiesecke  &  Devrient.     1886.     LXVIII,  530  SS.     4°. 

Das  Sächsische  Bergrecht  des  Mittelalters.  Von  Dr.  Hubert 
Ermisch.  Mit  einer  Tafel.  Leipzig,  Giesecke  «St  Devrient.  1887, 
CLXIV,  249  SS.     80. 

Wer  in  dem  vorliegenden  zweiten  Bande  des  Freiberger  Ur- 
kuudenbuches  auch  die  übrigen  städtischen  Urkunden  bis  zum  Jahre 
1485  zu  finden  erwartet  hat,  wird  denselben  etwas  enttäuscht  aus 
der  Hand  legen;  Urkunden,  die  der  Stadt  als  solcher,  ihrer  Ver- 
waltungseinrichtungen, amtlichen  Orgaue  und  Bewohner  in  dieser 
besonderen  Eigenschaft  gedenken,  liegen  hier  nur  wenige  vor.  Wer 
aber  bedenkt,  dass  Freiberg  eben  nicht  bloss  eine  Stadt  im  gewöhn- 
lichen Sinne,  sondern  vornehmlich  eine  Berg-  und  Bergwerksstadt 
war  und  eine  besondere  Bedeutung  als  solche  während  eines  grossen 
Theiles  des  Mittelalters  in  Deutschland  mit  einer  gewissen  Aus- 
schliesslichkeit behauptete,  der  wird  es  begreiflich  finden,  wenn  dieser 
Stellung  durch  eine  gesonderte,  umfängliche  Quellenpublikation  Rech- 
nung getragen  und  die  Mittheilung  der  weiteren  Urkunden  zur 
städtischen  Ofeschichte  einem  dritten  Bande  vorbehalten  geblieben  ist. 
Selbst  vom  engsten  ortsgeschichtlichen  Standpunkte  aus  gesehen,  muss 
dieser  Schritt  der  Herausgeber  des  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae 
entschieden  gebilligt  und  anerkannt  werden;  in  noch  höherem  Mass- 
stabe werden  jedoch  die  verschiedensten  wissenschaftlichen  Kreise 
ausserhalb  Freibergs  und  Sachsens  dies  Vorgehen  mit  Beifall  be- 
grüssen  und  willkommen  heissen:  ist  doch  auf  dem  Boden  der  Frei- 
berger Berg-Gewohnheiten  und  -Satzungen  nicht  nur  das  sächsische 
Bergrecht,  sondern  durch  dieses  wiederum  das  gemeine  deutsche  Berg- 
recht und  damit  auch  ein  Theil  der  verschiedenen  europäischen  Berg- 
rechte emporgewachsen;  waren  es  doch  die  Freiberger  Silbergruben 
mit  der  ihrer  Zeit  einzig  dastehenden,  gewaltigen  Ausbeute,  aus 
denen  die  Glieder  des  Hauses  Wettin  die  Mittel  gewannen,  eine 
hervorragende  Stellung  in  der  deutschen  Fürstenhierarchie  zu  er- 
kämpfen und  zu  behaupten.  Ausser  dem  Interesse,  welches  man  da- 
her von  Seiten  der  Rechtsgeschichte  an  der  Entwickelung  des  Berg- 
baues in  Freiberg  nehmen  muss,  ist  die  Bedeutung  desselben  für  die 
Finanzgeschichte  Sachsens  eine  ganz  hervorragende;  da  aber  ferner 
ähnliche  Verhältnisse  kaum  anderweit  in  Deutschland  nachweisbar 
sind,  so  dürfte  der  Werth  dieser  Mittheilungen  über  den  Bergbau, 
das  Bergrecht  und  die  Münze  in  Freiberg  für  unsere  Kenntnis  der 
deutschen  Wirthschafts-  und  Rechtsgeschichte  noch  ganz  besonders 
hoch  anzuschlagen  sein. 

Neues  Arcbiv  f.  S.  G.  u.  A.    IX.  1.  2.  11 


162  Literatur. 

Es  sind  freilich  nicht  ansschliesslich  Uikunden  im  eugi-ren 
Sinne,  die  der  zweite  Band  dos  Freiberger  Urkunden-Baches  liringt; 
im  (xegentheil  treten  dieselben  neben  anderem,  zum  Theil  ukten- 
mässigem  (^uelleumateriale  zurück:  es  sind  nur  wenig  mehr  als  'ZüO 
Nummern  der  ersteren  Art,  die  die  ersten  266  Seiten  des  Bandes 
einnehmen;  ein  grosser  Theil  derselben  ist  überdies  in  die  Form 
von  Regesten  und  Auszügen  gekleidet,  da  vielfach  die  Bergwerks- 
und Münzangelegenheiten  nur  nebensächlich  bei  der  Beurkundung- 
anderer  Rechtsvei'hältnisse  beiiihrt  und  die  betreffenden  Stücke  vor- 
aussiclitlich  noch  im  vollen  AVortlaute  in  anderen  Bänden  des  Codex 
diplomaticus  Saxoniae  regiae  folgen  werden;  der  llerausgel)er  ist 
in  jener  Hinsicht  hierbei  unleugbar  mit  einer  rühmlich  i)lanmässigen 
Ökonomie  zu  Werke  gegangen  und  hat  sich  in  der  Befolgung  solcher 
Grundsätze  selbst  dadurch  kaum  beii'ren  lassen,  dass  es  ihm  grosse 
und  schwere  Mühe  gemacht  haben  muss,  die  einschlägigen  Zeugnisse 
aus  einer  grossen  Zerstreuung  und  aus  einer  gewaltigen  Masse  an- 
deren Stoffes  zusammen  zu  suchen. 

]\lit  lebhaftem  Interesse  wird  jeder  Benutzer  des  Werkes  gleich 
die  ersten  beiden  Nummern  des  Ürkundentheiles  begrüssen,  deren 
eine  imter  dem  Jahre  1233  das  Freiberger  Bergrecht  als  Grundlage 
für  die  Bergwerksverhältnisse  in  den  eben  durch  deutsche  Kraft 
eroberten  preussischen  Landen  hinstellt,  während  in  der  anderen  von 
1258  zunächst  dem  Kloster  Leubus  und  damit  dem  ganzen  schlesischen 
Bergbaubetriebe  die  Freiberger  Gewohnheiten  als  Richtschnur  ge- 
geben werden.  Leider  sind  neben  diesen  Stücken  nicht  allzu  viel 
weitere  uikuudliche  Zeugnisse  über  den  Bergbau  des  13.  Jahrhunderts 
erhalten  und  leidei'  treten  auch  später  vielfach  mehr  die  auf  die 
Münzangelegenheiten  sicli  Ijeziehenden  Aktenstücke  in  den  \'order- 
grund,  da  auf  dem  zuerst  genannten  Gebiete  wohl  viel  länger  noch 
als  anderwärts  der  mündlichen  Abmachung  vor  der  schriftlichen  Auf- 
zeichnung der  Vorzug  gegeben  worden  ist.  Verleihungen  von  Schmelz- 
hütten, Bestallungen  von  Bergbeamten  durch  den  Landesherrn,  deren 
älteste,  1328  gegebene  mit  einer  auch  von  letzterer  Stelle  ausgehenden 
deutschen  Bergwerksordnung  verbunden  ist,  Vergleiche  und  Ab- 
machungen über  Grubenantheile,  Entscheidinigen  über  kleinere,  nament- 
lich zwischen  Gewei'keu  vorgekommene  llechtsstreitigkeiten,  zumeist 
vor  dem  Freibergei-  Hath  v(>ihandelt,  Verträge  mit  Persönlichkeiten, 
die  sich  anheischig  machen  durch  Anlage  von  ]\las(hinen  die  gefahr- 
drohenden Gewässer  aus  den  Schächten  zu  entfernen  oder  ein  er- 
giebigeres Vei-hüttungsverfahren  einzuführcsn ,  Veihandlungen  über 
die  Anlage  grossartiger  Stollen,  die  Betheiligung  der  Landesherren 
an  den  Kosten  dieser  Bauten  sowie  an  sonstigen  Betriebslasten,  Er- 
örterungen über  di(!  Lohnfragen  iler  Heuei'  und  über  die  genossen- 
schaftlichen Verbindungen  unter  denselben  bilden  den  (t rundstock 
dieser  Abtbeilung  des  Bandes.  Fiue  grosse  Zahl  recht  weitschich- 
tiger Aktenstücke,  die  zum  giiisseren  Theile  hier  zum  ersten  Male 
zum  Abdruck  gelangt  sind,  gehören  dem- mittleren  15.  Jahrhundert 
an  und  drehen  sich  um  eine  Reihe  von  allen  Seiten  hin  und  her  er- 
wogener Massnahmen  zur  Hebung  des  Bei'gwerkbetriebes,  der  nach 
Abbau  der  leichter  erreichbaren  Schicliten  trotz  grossartiger  und 
kostsi)ieliger  Anlagen  immer  schwieriger  und  weniger  ertragreich 
wurde  und  schliesslich  unter  dem  Drucke  wirthschaftlicher  Krisen 
und  politischer  Wechselfällc.  die  namentlich  auf  die  Silberpreise 
drückten,  geradezu  darnieder  zu  liegen  begami.  Auch  hier  hat  der 
Hei'ausgeber  mit  gutem  Geschicke   in    der  Ausscheidung  iles  unter- 


Literatur.  Jßß 

geordneten  Materiales  und  in  Aufnahme  alles  dessen,  wovon  die 
Rechtswissenschaften,  Geschichte  und  Vollvswirthschaftslehre  irgend 
einen  nutzbaren  (iebraucli  machen  können,  wohl  das  Rechte  getroffen. 

Noch  ergiebiger  waren  die  zahlreichen  von  Ermisch  dui'cli- 
forschten  Archive  an  urkundlichem  Stoffe  zur  Geschichte  des  frei- 
bergisch  -  meissnischen  Münzwesens;  unter  demselben  finden  sich 
freilich  überzahlreiche  Instrumente  über  Verpfändungen  der  Münze 
und  einzelner  Theile  derselben  seitens  der  Herren;  mehr  als  einmal 
sehen  wir  dabei,  dass  über  die  Erträge  der  Münze  schon  längere 
Zeit,  bevor  der  Umfang  derselben  feststand,  durch  Anweisungen  ver- 
fügt wird ;  andererseits  begegnen  viele  Bestallungsbriefe  für  die  an- 
genommeneu Münzmeister,  unter  denen  sich  einmal  sogar  zwei 
Florentiner  Geldwechsler  l)efinden,  ferner  Verträge  mit  denselben 
über  die  Ausmünzung,  die  Silberkäufe  und  die  Vereiunahmung  ge- 
wisser Gewinnantheile  und  Einkünfte  der  Herren  aus  den  Berg- 
werken und  endlich  auch  zahlreiche  Abrechnungen,  die  an  Dienst- 
verhältnisse vorbezeichneter  Art  anknüpfen;  es  ist  hierbei  sehr 
bemerkenswerth,  dass  diese  Übertragungen  der  Münze  an  einzelne 
Münzmeister  recht  frühzeitig  den  Charakter  von  Verpachtungen  an- 
nehmen und  dass  diesen  Pächtern  wie  in  No.  922  vom  J.  1371 1) 
die  Besetzung  des  Freiberger  Stadtrathes  tibertragen  wird.  Von 
noch  hervorragenderem  Werthe  für  die  Gewinnung  eines  lebendigen 
Bildes  von  diesen  wirthschaftlich  nach  mehr  als  einer  Seite  hin  be- 
deutsamen und  lehrreichen  Vorgängen  sind  die  Seite  375  —  455  in 
einem  1,  Theile  des  Anhanges  zum  Urkundenbuche  gebotenen  Abrech- 
nungen der  Freiberger  Münzmeister  und  Zehntner  aus  den  J.  1353 
bis  1485,  von  denen  bisher  nur  einige  wenige  bekannt  und  für  na- 
tional-ökonomische Studien  verwerthet  waren;  die  Hauptmasse  der- 
selben harrt  also  noch  der  Durcharbeitung  und  einer  gewiss  überaus 
ergiebigen  weiteren  Erschliessung.  Was  Ermisch  als  Herausgeber 
hierzu  beitragen  keimte,  hat  er  natürlich  gethan,  und  es  rauss  rühm- 
lichst anerkannt  werden,  dass  er  den  trockenen  und  spröden  Stoff'  so 
muthig  in  Augriff"  genommen  und  ihn  in  eine  leidlich  bequeme  und 
handliche  Form  umzuschmieden  verstanden  hat.  Auch  über  die  edi- 
torische Behandlung  des  übrigen  urkundlichen  Materiales  des  vor- 
liegenden Bandes  braucht  nach  dem,  was  wir  über  die  früheren 
Arbeiten  E.'s  in  diesen  Blättern  gesagt  haben,  hier  kein  Wort  ver- 
loren zu  werden.  Kleinigkeiten  anlangend,  möchte  ich  bemerken, 
dass  auch  hier  durchgängig  in  der  mir  nicht  sympathischen  Weise 
21'.,  mit  ij,  150  mit  i|<:  wiedergegeben  ist,  dass  die  eigenthümliche 
Namensform  „Anargus"  statt  „Unargus"  in  No.  972  einer  Hervor- 
hebung bedurft  hätte,  dass  in  No.  991  „bein  assche"  und  „ober 
pregere"  wohl  eher  als  einheitliche  Worte  aufzufassen  waren  und 
mehrmals,  wie  z.  B.  in  No.  997,  das  urkundliche  „ysengreber"  im 
Regest  eher  mit  „Stempelschneider"  wiedergegeben  werden  konnte. 

Doch  ist  hiermit  noch  lauge  nicht  der  reiche  Inhalt  des  um- 
fänglichen neuen  Bandes  ausreichend  geschildert;  es  ist  vor  allem 
noch  des  gleichfalls  nicht  beschränkten  Theiles  desselben,  der  der 
Herausgabe  einer  Reihe  hochwichtiger  Rechtsdenkmäler  gewidmet 
ist,  zu  gedenken.     Obenan   unter   denselben    stehen   die   beiden  Re- 

1)  Sollten  die  bei  dieser  und  den  voraufgehenden  Nummern 
vorkommenden  mehrfachen  Überlieferungen  ein  und  derselben  Stücke 
mit  abweichenden  Tagesdaten  nicht  auf  verschiedene  Beurkundungen 
zurückgehen? 

11* 


1 64  [Literatur. 

zensioneu  des  Freiberger  Bergrechtes,  denen  sich  eine  Gerichts- 
ordnung und  ein  Theil  der  J?"reiberger  Bergurtheile  anschliessen ; 
zwischen  die  beiden  ersteren  Stücke  ist  ferner  noch  das  Iglauer 
Bergrecht  eingeschaltet  und  im  Anhange  folgen  die  unter  landes- 
herrlicher Autorität  in  der  Zeit  von  1466— 15u9  erlassenen  Ord- 
nungen für  die  übrigen  sächsischen  Bergwerke,  namentlich  für 
hJchneeberg  und  Annaberg;  anscheinend  ist  mit  dem  Eingehen  auf 
die  letzteren  die  zeitliche  und  örtliche  Grenze  eines  l'reiberger 
ürkundenbuches  überschritten,  aber  der  innere  Zusammenhang  dieser 
Stücke  mit  den  vorgenannten  ist  ein  so  inniger,  dass  das  Ver- 
ständnis und  die  "Würdigung  dieser  ohne  eine  Kenntnis  jener  nur 
unvollkommen  und  unvollständig  sein  würde.  Vom  Iglauer  Berg- 
recht hatte  ja  E.  überdies  vor  mehreren  Jahi-en  schon  in  diesen 
Blättern  älteren  Anschauungen  entgegen  den  Beweis  geführt,  dass 
es  auf  Grundlagen,  die  von  Ereiberg  dorthin  gelangt  waren,  entstand, 
später  eine  Aufzeichnung  desselben  wiederum  von  Freiberg  aus  er- 
beten Anirde  und  die  jüngere,  umfänglichere  Freiberger  Kechtsauf- 
zeichnung  sich  von  der  kürzeren  älteren,  die  vielleicht  nur  Entwurf 
bliel»,  durch  die  Vermischung  mit  der  aus  Igiau  gewonneneu  Über- 
lieferung unterscheidet ;  hiermit  war  zugleich  ein  wichtiges  Moment 
für  die  Beurtheilung  der  Entstehungszeit  der  beiden  Quellen  des 
Freibergei-  E,echtes  gewonnen,  und  ist  nunmehr  der  Ursprung  der 
älteren  in  die  allerletzte  Zeit  des  IB.  Jh.,  der  der  jüngeren  in  die 
Mitte  des  14.  zu  setzen,  während  die  Kechtweisuug  aus  Iglau  Avohl 
kurz  vor  1328  nach  Freiberg  gelangt  sein  muss.  Das  in  obiger 
Weise  gefasste  Verwandtschafts-  und  Abhängigkeitsverhältnis  jener 
Rechtsquellen  tritt  uns  durch  den  zur  Verfügung  gestellten  Neuab- 
druck derselben  noch  deutlicher  entgegen  als  sich  nach  allen  bis- 
herigen theoretischen  Ausführungen  absehen  Hess,  namentlich  sind 
die  aus  der  einen  Quelle  in  die  andere  übergegangenen  Stellen  dmxh 
Anwendung  kleineren  Druckes  in  bequemer  und  augenfälliger  Weise 
gekennzeicimet.  Wie  angedeutet  ist  dieser  Abdruck  nicht  der  erste, 
der  den  Freiberger  Bergrechtsaufzeichnungen  zu  Theil  geworden 
ist;  es  liegt  sogar  eine  Editio  princeps  vor,  die  kurz  vor  1519  zum 
Druck  gelangt  sein  könnte ;  aber  alle  früheren  Ausgaben  zeigen  nicht 
nur  viele  grössere  und  kleinere,  durch  geringe  Sorgfalt  beim  Abdruck 
entstandene  Fehler,  sondern  leiden  vor  allem  an  dem  Mangel,  dass 
sie  entweder  nur  nach  einer  einzelnen  handschriftlichen  Grundlage  ge- 
arbeitet sind,  oder,  wenn  auch  einmal  mehrere  handschriftliche  Über- 
lieferungen benutzt  und  verglichen  wurden,  doch  das  Verhältnis  der- 
selben unter  einander  nicht  geiüigcnd  erkannt  und  richtig  beurtheilt 
war.  Den  Anforderungen  der  Jetztzeit  entsprechend  hat  Ermisch 
mit  der  ihm  eigenen  Gründlichkeit  nun  nicht  weniger  als  7  Hand- 
schriften des  14.  und  15.  Jh.  zusammengebracht,  unter  denen  Theile 
eines  Freiberger  Codex  die  erste  Stelle  einnehmen;  derselbe  ist  frei- 
lich, wie  die  der  Ausgabe  beigefügte  Abbildungs-Tafel  zeigt,  in  einer 
Miuuskelschrift,  die  nicht  gerade  leicht  eine  nähere  Bestinnnung  der 
Entstellungszeit  gestattet,  geschrieben ;  ich  weiche  daher  in  den 
einschlägigen  Ansetzungen  um  eine  Kleinigkeit  von  Ermisch  ab; 
nach  meinen  Erfahrungen  und  nach  Vergleich  der  gegebenen  Schiift- 
proljen  mit  den  verschiedenen  Theilen  der  gleichfalls  in  Minuskel- 
charakteren angefertigten  Hallischen  SchöÄenbücher  möchte  ich  die 
Niederschrift  der  Kecensio  A  des  Freiberger  liechtes  mehr  nach  dem 
Anfange  als  nach  der  Mitte  des  14.  Jh.  zu  rücken  und  auch  die 
Stücke  mit  der  Recensio  B  entschieden  noch  dem  ausgehenden  14. 


Literaüir.  165 

Jh.  zusclu'eiben.  Leider  hat  Ermisch  trotz  aller  aufgewandten  Mühe 
das  Verwandtschaftsverhältnis  jener  7  Handschriften,  zu  denen  noch 
eine  in  der  Editio  princeps  benutzte,  jetzt  verlorene  kommen  wüi'de, 
nicht  mit  grösserer  Genauigkeit  bestimmen  können,  namentlich  nicht 
wie  fern  oder  wie  nahe  jede  einzelne  derselben  der  nicht  mehr  vor- 
handenen Urquelle  steht,  denn  trotz  seines  Alters  ist  das  Freiberger 
Stück  der  Recensio  A  nicht  bei  Herstellung  der  in  demselben  Bande 
befindlichen  Aufzeichnuna:  der  Recensio  B  benutzt,  da  letztere  mehr- 
fach aus  A  entlehnte  Sätze  besser  wiedcrgiebt  als  jenes,  und  um 
die  Yermcklung  noch  vollständiger  zu  machen,  ergeben  sich  auch 
ähnliche  Verhältnisse  unter  den  Überlieferungen  der  Iglauer  Rechts- 
weisung. Was  es  heisst,  unter  solchen  erschwerenden  Umständen 
eine  Ausgabe  herzustellen,  kann  eigentlich  nur  der  im  vollen  Um- 
fange ermessen  und  beurtheilen,  der  selbst  einmal  vor  einer  ähnlichen 
Aufgabe  gestanden  hat;  das,  was  trotz  solcher  Schwierigkeiten  ge- 
leistet und  erreicht  worden,  und  wie  hoch  der  Werth  der  neuen 
Ausgabe  anzuschlagen  ist.  lehrt  jeder  Blick  auch  nur  auf  eine  Seite 
des  Textes  nebst  dem  umfäno-lichen  kritischen  Apparate:  bei  der  Un- 
beholfenheit der  Sprache  und  des  Stiles  des  14.  Jh.  kann  es  ja  von 
der  Stellung  und  der  Fonn  eines  einzigen  Wortes  abhängen,  ob  die 
oft  recht  umständlich  und  nicht  allzu  deutlich  ausgedrückten  Rechts- 
bestimmuDgen  in  diesem  oder  jenem  Sinne  auszulegen  sind.  Von 
grösseren  erklärenden  Bemerknngen  hat  der  Herausgeber  aus  Grün- 
den, die  sich  hören  lassen,  abgesehen,  hat  jedoch,  wie  wir  unten 
noch  näher  auszuführen  haben,  in  anderer  Weise  dem  etwaigen  Be- 
dürfnisse nach  einem  sachlichen  Kommentare  abzuhelfen  versucht. 

Endlich  müssen  wir  auch  noch  mit  einigen  Worten  auf  die  be- 
reits erwähnten  Bergurtheile,  von  denen  trotz  des  ihnen  innewohnen- 
den Interesses  der  älteste  Theil  hier  zum  ersten  Male  an  die  Öffent- 
lichkeit tritt,  mit  einigen  Worten  zurückkommen;  die  S.  303—373 
gegebenen  133  Auszüge  aus  den  Bergurtheilsbüchern  gehören  aller- 
dings erst  der  Zeit  vom  Jahre  1476  ab  an.  seitdem  fing  man  aber 
eben  überhaupt  erst  an  über  gerichtliche  Verhandlungen  regelmässige 
Aufzeichnungen  zu  machen;  sie  betreffen  ferner  auch  weniger  Frei- 
berger Angelegenheiten  im  engeren  Sinne,  sondern  Streit-  und  Rechts- 
fragen aus  anderen,  einem  2.  (Ober-)  Bergmeister  unterstellten  berg- 
bauenden Distrikten  Sachsens,  aber  sie  zeigen,  wie  man  einmal  die 
vorhandenen  Rechtsaufzeichnungen  gegebenen  Falles  praktisch  zu  ver- 
werthen  Avusste,  und  sodann,  wie  man,  wenn  diese  versagten,  mit 
Hülfe  der  in  Freiberg  in  weitereu  Kreisen  lebendigen  Anschaiuxngen 
und  Überlieferungen  über  bergrechtliche  Verhältnisse  ergänzend  und 
bessernd  eingriff.  Die  editorische  Behandlung  dieser  Stücke  war 
gleichfalls  nicht  leicht ;  man  hat  es  bei  den  Urtheilsbüchern  nicht  mit 
einer  allzu  genau  chronologisch  geordneten  Aufzeichnung  zu  thun, 
sondern  mit  mehr  willkürlich  von  einzelnen  Stadtschreibern  ange- 
legten Sammlungen  theils  von  Konzepten  theils  von  Abschriften 
abgegebener  Gutachten,  die  vielfältig  näherer  Datumsangaben  ent- 
l)ehren.  Das  Nöthige  über  die  hierbei  berücksichtigten  handschrift- 
lichen Grundlagen  ist  in  der  Einleitung  S.  XXXVI  —  XXXVni 
gesagt,  ebenso  finden  sich  hier  eine  Reihe  bemerkeuswerther  Notizen 
über  das  bei  Einholung  solcher  Urtheile  beobachtete  Verfahren,  sowie 
über  die  urtheilende  Thätigkeit  des  Freiberger  Rathes  auch  in  den 
die  heimischen  Verhältnisse  betreffenden  Fragen.  Auffällig  ist  es 
hierbei,  dass  nach  diesen  Ausführungen  ein  jätrlich  wechselndes 
Schöffenkollegium  im  Stadtgerichte  erst  seit  dem  Anfange  des  15.  Jh. 


I  ßß  Literatur. 

nachw(Msl)ar  sein  soll  und  bis  daliin  der  Uiitervogt  bei  Stellung  der 
Urtlieilsfras^-e   nicht  an  einen  enfforen  Kreis  von  Personen  gebunden 
gewesen  sei,  seine  Frage  daher   an  jeden   im  Ding  anwesenden  (ie- 
richtsangehörigen  liabe  richten  können.    Nach  allem,  was  man  sonst 
von  der  mittelalterlichen  Gerichtsverfassung  weiss,  will  es  mir  eher 
scheinen,    dass    docli    schon    seit   älterer  Zeit    ein  urtheilendes   und 
rechtfindendes  Kollegium  vorhanden  gewesen  sein  müsse,  wenn  auch 
seine   Mitglieder   nicht  gerade   als   Schöffen  bezeichnet  werden;    es 
war  doch  ein  seit  ka]-olingischer  Zeit   geltender  Gebrauch,   dass   die 
gesammte  Gerichtsgenieinde  sich  höchstens  zu  drei  Gerichtsversamm- 
hmgen  im  Jahre   zusammenzufinden    brauchte,    während    zu   den    in 
kürzeren   Zwischenräumen    stattfindenden  Rechtstagen    mir  ein  l)e- 
stimmter,  nicht  zu  hoch  bemessener  Theil  dessellien  als  Urtheilshnder 
zu  erscheinen  verpflichtet  war.     Wenn  nun   nach  Ermischs   eigenen 
Mittheilungen,  sowie  nach  der  alten  Schott'schen  Ausgabe  des  Frei- 
berger   Stadtrechtes    jeder   innerhalb    der  4   Bänke    sich  Ijefindende 
Gerichtsangehörige  auf  Befragen  um  ein  Urtheil  bei  Strafe  Antwort 
geben  musste,    während   die   ausserhalb    der  Bänke    stehenden    eine 
solche  Verpflichtung  nicht  traf,    so  müssen  wir  in  den  ersteren  ent- 
schieden die  besonders   berufenen  Urtheiler  oder  Schöffen   erblicken. 
So  viel  Anerkennung  auch  den  hier  geschilderten  Verdiensten 
Ermisch's  um  die  Beschaffung   einer  geläuterten  Sammlung  der  ur- 
kundlichen und  aktenmässigen  Grundlagen  der  Freiberger  Bergwerks- 
und Bergrechtsverhältnisse    zu   zollen   ist,    hat   er  sich  lueran  noch 
nicht  genügen  lassen,  sondern  hat  auch  durch  eine  dem  Urk.-B.  als- 
bald  folgende    Sonderausgabe    die    oben   erwähnten   bergrechtlichen 
Denkmäler   den  weiteren  Kreisen  der  Juristen  und  Bergfachmänner 
noch   bequemer   zugänglich  zu  machen  gesucht;   dieselbe  ist  ausser- 
dem einmal  mit  einem,    so  viel  mir  scheint,  sorgfältigen  und  umfas- 
senden  Verzeichnisse   von    erklärungsbedürftigen   technischen    Aus- 
drücken,  dann   aber   mit   einer   sehr   umfangreichen   und  mir  reclit 
zusagenden  Einleitung    ausgestattet;    das   erstere    dürfte  wohl  im  3. 
Bande  des  Urkundenbuches    eine  AViedeiliolung  finden,   während  die 
erwähnte  Einleitung  in    ihrer  Eigenschaft  als  wohlgelungener  Ver- 
such einer  Geschichte  des  sächsischen  Bergwerkswesens  eine  grosse 
Reilie   von  Aufklärungen  und  Erläuterungen   l)ringt,    die  man  w^ohi, 
wie  oben  angedeutet,   schon   bei  dem  2.  Bande  des  Urk.-B.  erwartet 
hätte,  auf  deren  Beigabe  der  Herausgeber  aber  verzichtete,  um  nicht 
den  Umfang    allzusehr   auszudehnen    und   das  Erscheinen   nicht    zu 
lange  Zeit   noch    zu   verzögern;   besonders    kann   der  IV.  Abschnitt 
S.  LXXXVII  —  XCII  über  den  Inhalt  des  Freilierger  Bergrechtes  B 
nach  jener  Richtung  hin  jedem  Benutzer  des  Urk.-B.  zum  Studium 
empfohlen  werden.     Auch    mit    den   anderen  Theilen  der  Einleitung 
hat  E.  entschieden   eine  in  der  einschlägigen  Litteratur  bestehende 
empfindliche  Lücke,    die   freilich   eben  durch  den  bisherigen  Mang-el 
einer  kritischen  Ausgabe  der  Freiberger  Eechtsdenkmäler  veiursacht 
war,    ausgefüllt.     So  kann  es,    nnclidem  in  einem  ersten  Kapitel  die 
Anfänge  des  Bergbaues    in  der  Mark  Meisscn   l)is   zum  Tode  Hein- 
richs des  Erlauchten  unter  genauer  Prüfung  des  vorhandenen  Mate- 
rials dargestellt  worden  sind,  an  zweiter  Stelle  unternommen  werden, 
die    Grundzüge   des    alten    meissnischen  Bergrechts    klar   zu    legen. 
Unter  Abweisung  mancher  älteren  und  unsicheren  Annahme  wird  es 
hierbei   wahrscheinlich    gemacht,    dass   in  Freiberg  zuerst  innerhalb 
der  Mark  Meissen  Bergbau  getrie])en  wurde  und  die  Entdeckung  der 
dortigen  Erzlager  in  die  Jahre  1160-1170  fällt,  sowie  dass  der  erste 


Literatur.  1  ß7 

Betrieb  jedenfalls  durch  niedersäclisische  Bergleute  ans  Goslar  ein- 
gerichtet wurde;  ferner  erscheint  es  als  glaublich,  dass  die  Mark- 
grafen das  Bergregal  von  Anfang  an  als  ein  ihnen  mit  der  Mark 
vom  Reiche  verliehenes  Recht  übten,  daneben  aber  eine  gewisse 
Freiheit  des  Schürfens  und  Bauens  bestand,  endlich  aber  beide  ein- 
ander entgegenstehende  Prinzipien  eine  Vereinigung  darin  fanden, 
dass  der  Entdecker  eines  bauwürdigen  Ganges  mit  der  weiteren 
Ausbeute  von  selten  des  Landesherrn  beliehen,  den  Rechten  des 
letzteren  aber  durch  eine  gewisse  Mitbetheiligung  desselben  am  Baue 
und  durch  die  Erhebung  eines  Zehnten  für  denselben  Rechnung  ge- 
tragen wui-de.  Gleichgültig  konnte  es  hierfür  eigentlich  sein,  ob  das 
Bergwerksregal  römischen  Ursprungs  ist  oder  nicht;  Referent  würde 
sich  wenigstens  an  Stelle  des  Herausgebers  nicht  in  den  wenig 
fruchtltaren  Streit  hierüber  eingelassen  haben;  denn,  wenn  auch  wirk- 
lich das  Bergregal  erst  durch  die  deutschen  Könige  im  U.  Jh.  in 
imserem  Yaterlande  zur  Geltung  gebracht  wäre,  ist  damit  nicht  aus- 
geschlossen, dass  italienische  Verhältnisse  das  Vorbild  zu  jenem  Ge- 
brauche gegeben  haben  iind  diese  ihrerseits  doch  wiederum  auf 
römische  Grundlagen  zurückgehen. 

Lassen  sich  auch  in  der  sog.  Recensio  A  des  Freiberger  Berg- 
rechts an  der  Hand  der  Fassimg  derselben  verschiedene  Entwicke- 
lixno'sstufen  und  namentlich  einzelne  dem.,  früheren  und  mittleren 
13.  Jahrh.  angehörende  Theile  durch  die  Übereinstimmung  mit  den 
älteren  Iglauer  Überlieferungen  erkennen,  so  ist  es  doch  nicht  mög- 
lich, das  "nur  annähernd  zu  bestimmen,  was  an  RechtsgCAvohnheiten 
und  Gebräuchen  schon  von  Goslar  aus  nach  Freiberg  gelangt  sein 
könnte.  Mit  um  so  besseren  Ergebnissen  kann  sich  dagegen  E.  über 
die  Codifikationen,  die  in  Freiberg  selbst  erfolgt  sind,  aussprechen 
und  er  ist  hinsichtlich  dieses  Punktes  hier  im  3.  Kapitel  noch  weit 
au.sführlicher  als  in  der  Einleitung  zum  Urk.-B.;  er  bringt  nament- 
lich die  Aufzeichnung  des  ersten  Entwurfs  eines  Bergrechts,  den 
man  als  Recensio  A  bezeichnet,  in  Verbindung  mit  der  Codifikation 
des  Freiberger  Stadtrechts,  die,  da  sie  einen  König  als  Landesherrn 
nennt,  nur  in  den  Jahren  1296  — 1307  erfolgt  sein  kann,  während 
für  die  Niederschrift  B  nach  eingehenderer  Begründung  die  Jahre 
1346  — 137.5  in  Anspruch  genommen  werden.  Der  sich  hieran 
schliessende,  oben  bereits  hervorgehobene  IV.  Abschnitt  gipfelt  so- 
dann in  den  Ausführungen,  dass  die  Recensio  B  vornehmlich  an  dem 
Stollenrechte  erhebliche  Änderungen  gegenüber  den  älteren  Anschau- 
ungen zeige,  sowie  in  dem  Beweise,  dass  das  Freil)erger  Bergrecht 
in  seiner  damaligen  Fassung  nicht  allein  für  Freiberg  hätte  Gültig- 
keit haben  sollen,  sondern  zugleich  als  Landesbergrecht  anzusehen 
war.  Das  führt,  nachdem  im  V.  Abschnitt  das  Kapitel  über  Hand- 
schriften und  Ausgaben  des  Freiberger  Rechts  aus  dem  Urk.-Buch 
wiederholt  ist,  an  6.  Stelle  zu  einer  den  übrigen  Theilen  in  keinem 
Punkte  nachstehenden  Übersicht  über  die  Weiterentwicklung  des 
sächsischen  Bergbaues  bis  zur  Entdeckung  der  Schneeberger  Lager, 
wobei  unter  mancherlei  Berichtigungen  der  Entwicklung  der  ausser 
Freiberg  in  der  Mark  Meissen  noch  vorhandenen,  zumeist  auch  nicht 
unansehnlichen  Bergwerke  gedacht  wird.  Das  Hauptgewicht  dieses 
Abschnittes  liegt  indes  in  der  gründlichen  Erörterung  des  ungüns- 
tigen Wendepunktes,  der  in  dem  ergiebigen  Betriebe  der  Freiberger 
Werke  mit  Anfang  des  15.  Jh.  eintrat  und  gegen  Mitte  desselben 
seinen  Höhepunkt  erreichte;  deutlicher  als  im  Urk.-B.  treten  uns 
hier   die  Elemente,   die  jenen  Umschwung  veranlassten,   sowie   die 


■[gg  Literatur. 

laugwierigen  und  verwickelten  Versuche ,  Abhilfe  zu  schaffen, 
entgegen,  und  ganz  besonders  vordienstlich  sind  die  Auseinander- 
setzungen über  die  Konkurrenz  der  mit  landesherrlicher  Unter- 
stützung arbeitenden  sog.  Steuergruben  mit  den  ganz  auf  sich  selbst 
angewieseneu  .,freien  Gniben",  denen  die  mit  dem  Einkaufsmonopole 
ausgestattete  Münze  höhere  Silberpreise  bewilligen  konnte,  während 
die  ersteren  ihre  Erträge  Jahrzehnte  hindurch  zu  einem  gleichen 
und  ziemlich  niedrigen  Preis  einznliefern  verpflichtet  waren,  bis  end- 
lich eine  Aufliebung  der  herrschaftlichen  Steuer  eintrat  und  der 
Mehrzahl  der  auf  eigene  Kosten  arbeitenden  Gewerkschaften  soga)- 
Münzfreiheit  gewährt  wurde.  Leider  ist  es  Ermisch  trotz  aller  Be- 
mühungen nicht  beschieden  gewesen,  eine  im  vorigen  Jahrhundert 
noch  vorhandene  Aufzeichnung  der  Freiberger  Bergrechtsgebräuche, 
die  gerade  aus  jener  kritischen  Zeit,  aus  dem  J.  1458,  stammen  soll, 
wieder  aufzufinden,  und  die  Darstellung  musste  daher  mit  dem  Hin- 
weise auf  die  nach  1466  erlassene,  aber  nur  wenige  Seiten  der  ver- 
wickelten Verhältnisse  berührende  Berggerichtsordnung  schliessen. 
—  In  einem  V.  und  Schluss-Abschnitt  der  Einleitung  kommt  Ermisch 
dann  auf  die  Schneeberger  und  Aunaberger  Bergordnungen  zu 
sprechen,  die  zwar  eigentlich  eine  Weiterbildung  der  im  Ereiberger 
Rechte  gegebenen  Grundlagen  enthalten,  aber  im  Gegensatze  zu 
diesen  Rechtsgewohnheiten  ganz  den  Charakter  der  sich  allmählich 
weiter  und  weiter  entwickelndi^n  Gesetzgebung  des  Tevritorialstaates 
an  sich  tragen.  Verdrängten  dieselben  in  ihrer  Eigenschaft  als  „ge- 
meines Bergrecht"  schliesslich  auch  die  Freiberger  Satzungen  in 
ihrer  eigenen  Heimath,  so  geschah  damit  dem  bestellenden  Abhängig- 
keitsverhältnis jener  von  diesen  kein  Eintrag  und  rauss  die  von 
Ermisch  zum  Schluss  hervorgekehrte  Bemerkung  eines  der  ange- 
sehensten Bergrechtslehrer  der  Jetztzeit,  dass  „die  Annaborger  Ord- 
nung von  1509  die  Mutter  fast  aller  neueren  Landes-Bcrgordnungen 
für  Nord-  und  Mitteldeutschland  geworden  sei",  auch  die  Zuerken- 
nung  eines  gleichen  Ruhmes  fü)-  Freiberg  enthalten. 

Ist  diese  Anzeige  der  beiden  neueren  Arb(dten  Ermischs  hier- 
mit auch  etwas  über  das  gewöhnliche  Mass  hinaus  ausgedehnt  wor- 
den, so  konnte  sie  trotzdem  nur  ein  ungefähres  und  oberflächliches 
Bild  all  der  durch  ihn  zu  Tage  geförderten,  interessanten  Einzel- 
beobachtungen und  Ausführungen  geben;  doch  darf  getrost  auf  ein 
weitei'es  Eingehen  verzichtet  Averden:  die  künftige  Litteratur  zur 
sächsischen  Spezialgeschichte,  wie  die  der  deutschen  Wirthschafts- 
geschichte  und  des  Bergrechts  wird  ja  durch  ausgiebige  Verarbeitung 
des  von  E.  in  so  guter  Form  gebotenen  Stoffes  baldigst  von  dem 
Werthe  desselben  und  von  den  gediegenen  Bemühungen  des  Be- 
arbeiters in  berufenster  und  ausgedehntester  Weise  Zeugnis  ablegen. 

Halle  a./S.  W.  Schum. 

TIrkundenbiicli  der  Vögte  von  Weida,  Gera  und  Plauen,  sowie 
ihrer  Hausklöstor  Mildenfurth,  Cronschwitz,  Weida  und  z.  h.  Kreuz 
bei  Saalbnrg.  Erster  Band.  1122  —  1356.  Namens  des  Vereines 
für  thüringische  Geschichte  und  Alterthumskunde  herausg.  von 
Dr.  Berthold  Schmidt,  fürst.  Rcuss.  J.  L.  .Archivar  u.  Bibliothekar 
in  Schleiz.  (A.  u.  d.  T. :  Thüringische  Geschichtsquellen.  Neue 
Folge.  II.  Bd.  Der  ganzen  Folge  fünfter  Band.)  Jena,  Gustav 
Fischer.    1885.    XXIII,  630  SS.    8°. 

Leider  ist  es  dem  Unterzeichneten  erst  jetzt,    nachdem  bereits 

zwei  Jahre  seit  der  Herausgabe  des  vorgenannten  Werkes  verflossen 


Literatur.  169 

sind,  möglich  über  dasselbe  zu  berichten ;  er  bedauert  das  um  so  mehr, 
als  man  dem  Erscheinen  dieses  ersten  Bandes,  nachdem  das  Unter- 
nehmen seit  längerer  Zeit  zuerst  vom  Archivar  Dr.  Wülkcr  in  Wei- 
mar, dann  von  Sclmiidt  selbst  vorbereitet  worden  war,  aiich  in  weiteren 
Kreisen  mit  Spannung  entgegengesehen  hat.  —  Wie  klein  auch  die 
Anfänge  der  Reussischen  Hausmacht  waren  wohl  keines  der  heute 
in  Deutschland  noch  regierenden  Fürstenhäuser  darf  sich  eines  so 
bescheidenen  Ursprunges  rühmen  — ,  so  gelang  es  doch  den  ältesten 
Trägern  und  Vertretern  desselben  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit 
einen  solchen  Bestand  an  Lehen-  und  Eigenbesitz ,  an  vogteilichen 
und  sonstigen  Regalien -Rechten,  an  gerichtlichen  und  beamtlichen 
Befugnissen  in  ihrer  Hand  zu  vereinigen  und  waren  diese  Besitz- 
stücke geographisch  so  belegen,  dass  bis  znr  Mitte  des  14.  Jh.  auch 
in  weiterer  Entfernung  von  den  eigentlichen  Stammsitzen  derselben 
nicht  leicht  ein  Vorgang  friedlicher  oder  kriegerischer  Natur  sich 
vollzog,  an  dem  sie  nicht  betheiligt  gewesen  wären.  Ausser  den  Be- 
ziehungen zum  Reiche,  die  durch  den  öfteren  Wechsel  in  den  Personen 
der  Reichsregenten  und  deren  Familien  eine  überaus  mannigfaltige 
Gestaltung  erfahren,  linden  wir  die  Ahnherren  des  Reussischen 
Fürstenhauses  in  verschiedenen  und  zum  Theil  eigenartigen  Ver- 
bindungen mit  der  Quedlinburger  Abtei,  den  Bischöfen  von  Naumburg, 
den  Thüringer  Landgrafen,  den  Markgrafen  von  Meissen,  den  böh- 
mischen Königen,  den  Bamberger  Bischöfen  und  den  Nürnberger 
Burggrafen  a\is  Hohenzollerschem  Stamme;  die  Vorgänge  im  Vogt- 
lande und  die  Schicksale  desselben  bilden  recht  eigentlich  ein  Ver- 
bindungs-  und  Mittelglied  zwischen  der  historischen  Entwickelung  im 
Westen  und  im  Osten,  wie  im  Süden  und  Norden  unseres  deutschen 
Vaterlandes;  dazu  gibt  das  geistliche  Leben  und  Treiben  in  den 
aus  dem  Familienbesitze  gestifteten  Klöstern  Weida,  Mildenfurth, 
Cronschwitz  und  Saalbxwg  mehrfach  Anlass  zu  Berührungen  mit  allerlei 
niederen  und  höheren  Vertretern  der  Hierarchie,  sogar  mit  dem  Haupte 
derselben;  finden  die  letzteren  namentlich  in  dem  vorliegenden  Bande 
durch  eine  Reihe  bisher  unbekannter,  hier  zum  erstenmale  abge- 
druckter Bullen  Ausdruck,  so  führt  uns,  wie  zum  Ueberfluss,  der 
Eintritt  eines  der  älteren  Glieder  des  einen  Familienzweiges  in  den 
deutschen  Orden  mehr  als  einmal  tief  in  die  ersten  Kämpfe  und  die 
Kulturthätigkeit  der  Ordensrepublik  im  äussersten  Nordosten  unseres 
Vaterlandes. 

So  laufen  eben  in  dem  vorstehenden  Werke  Urkunden  der  ver- 
schiedensten Art  und  Bedeutung,  sowie  von  allerhand  Provenienz  neben 
einander  her  und  manchmal  anscheinend  auch  etwas  durcheinander, 
aber  bei  aller  vermeintlichen  Biintscheckigkeit  des  Materiales  bilden 
doch  immer  die  verschiedenen  Zweige  des  späteren  fürstlichen  Hauses 
den  festen  und  sicheren  Mittelpunkt,  um  den  sich  alles  gruppiert  und 
kristallisiert;  ja  es  würde  iedenfalls  weniger  angenehm  berührt  und 
manchen  Nachtheil  für  die  Nutzbarmachung  mit  sich  gebracht  haben, 
wenn  man  die  Urkunden  der  obengenannten  Klöster  ausgeschlossen 
und  einer  besonderen  Publikation  vorbehalten  hätte;  die  Schicksale 
der  Familien  der  Vögte  waren  doch  zu  eng  mit  den  Anfängen  und 
der  weiteren  Entwickelung  dieser  Hausstiftungen  verbunden.  Auch 
eine  weitere  Fassung  des  Edition.splanes,  die  Erweiterang  des  Werkes 
zu  einem  vogtländischen  Urkundenbuche  hätte,  abgesehen  von  dem 
erheblich  grösseren  Aufwand  an  Zeit  und  Kosten,  auch  durch  den 
Mangel  einer  recht  festen  territorialen  Begrenzung  der  Unterlage 
viel  Missliches  gehabt. 


170  Literatur. 

Ein  grosser  Theil  des  hier  zum  erstenmale  gegelienen  Uv- 
kundenmatfriales  —  von  1000  Nummern  ungefähr  ein  Drittel  —  be- 
zieht sich  gerade  auf  jene  Hausstiftungen.  Avährend  viele  von  den 
Aktenstücken,  die  von  den  Vögten  ausgestellt  sind  und  ihren  sonstigen 
Besitz  lietreft'en,  vor  nicht  allzu  langer  Zeit  erst  tlieils  durch  Joh. 
Müller  in  den  Scliriften  des  Yogtländischen  Alterthums  -^'ereines, 
theils  durch  Dr.  Alberli  in  einer  selbständigen  Publikation  heiaus- 
gegeben  waren;  freilich  war  hierbei  nicht  immer  alles  im  vollen 
Wortlaut  und  auch  nicht  stets  im  geti-eusten  Anschlüsse  an  die  ur- 
sjjrünglicheren  Ueberlieferungen  gegeben.  Es  blieb  daher  dem  Bear- 
beiter der  neuen  Gesamt  -  rul)likation  nicht  erspart  hier  Nach- 
prüfnngen  anzustellen  und  eine  grössere  Reihe  der  im  Besitze  ein- 
schlägiger Stücke  befindlichen  Archive  zu  besuchen;  in  der  Einleitung 
Avird  hierüber  gebührend  gewissenhafte  Kechenschnft  abgelegt;  an 
manchen  Orten  ist  bei  dieser  Gelegenheit  auch  noch  dieses  oder  jenes 
Neue  zu  Tage  gefördert  worden,  namentlich  haben  die  Archive  zu 
Dresden  und  Weimar  vielerlei  Ergänzungen  geliefert,  sodann  wohl, 
soweit  die  Ausdehnung  der  Macht  und  Besitzungen  dei'  Vögte  nach 
Franken,  nach  Hof  und  dem  Regnitzlande,  in  Betracht  kamen,  am 
meisten  das  Münchener  Allgemeine  Reichs  -  Archiv;  bedauerlicher- 
weise sind  einzig  aus  engherzigen  Rücksichten  der  leitenden  Be- 
amten die  Schätze  des  Egerer  Archives  Herrn  Schmidt  verschlossen 
geblieben.  Gern  hätte  letzterer  wohl  noch  mehr  bisher  ungedrucktes 
Material  geliefert;  man  sieht  das  daran,  dass  er  sich  verleiten  lässt. 
in  No.  87  eine  Urkunde  des  Deutschordenslandmeisters  Heinrich  von 
Weida  vom  12.  Mai  1244.  die  sich  ausschliesslich  auf  preussische 
Ordensangelegenheiten  bezieht,  im  vollen  Wortlaute  abzudrucken. 
Anderweit  sind  sonst  unter  vielen  Nnmmcrn  nur  Regesten  und  zwar 
zumeist  unter  Anschluss  der  vollständigen  Zeugenverzeichnisse  in 
der  Urform  geliefert;  das  beruht  zum  Theil  darauf,  dass  No.  37  aus 
der  Zeit  von  1209— 1238  die  erste  Urkunde  ist,  die  von  einer  zur  Fa- 
milie der  Vögte  gehörigen  Persöinlichkeit  selbständig  ausgestellt  wurde, 
während  vorher  und  auch  in  der  späteren  Zeit  die  Vögte  vornehmlich 
in  ihrer  Eigenschaft  als  Heichsministerialen  und  Reichsbeamte  in  den 
Zeugenreihen  königlicher  und  fürstlicher  Urkunden  auftauchen;  auch 
in  solchen  Fällen,  selbst  da,  wo  ein  Vogt  in  solcher  Eigenschaft 
eine  letzte  Stelle  einnahm,  hat  man  die  Zeugen  wörtlich,  wie  in  der 
Urform,  wiedergegel)en ;  oh  das  durchaus  nothwendig  war,  kann  vom 
Standpunkte  der  Oekonnmie  aus  billig  angezweifelt  werden ,  doch 
ist  es  eben  kein  Schaden,  dass  es  geschieht,  wenn  ein  Herausgeher 
nicht  durch  die  lästigen  und  drückenden  Kücksichten  auf  Raum  und 
Kostenersparnis  dazu  angewiesen  ist.  Vollständigkeit  in  diesen  Zeugen- 
regesten  zu  erreichen,  hat  Schmidt  nach  Möglichkeit  in  lobenswerther 
Weise  angestrebt,  doch  lässt  sich,  wie  zu  ei-warten,  für  eine  absolute 
Erschöpfung  des  Stoffes  nach  diesei'  Seite  hin  eine  Bürgschaft  nicht 
gehen;  das  Bestrehen,  hier  bis  zur  höchsten  Vollendung  zu  gelangen, 
kann  es  aber  nur  gewesen  sein .  welches  den  Herausgeber  an  einer 
Stelle  zu  einem  kleinen  Missgrift'e  verleitet  hat.  Es  werden  unter 
N(i.  96—99  eine  Reihe  von  Deutschordens-Urkunden  aus  den  Jahren 
1248 — 1249  aufgeführt,  in  denen  ein  Vizelandmeister  Frater  Hen- 
ricus  vorkommt,  und  Avird  letzterer  mit  Heinrich  von  Weida,  der 
vorher  seit  1241  als  Landmeister  (in  No.  75  ff.)  genannt  wird,  iden- 
tifiziert, ohne  dass  das  Zurücktreten  desselben  von  letzterer  Stellung 
in  die  des  Vizelandmeisters  recht  erklärt  wäre ;  hierdurch  bedenklich 
und  zweifelnd,    finde  ich  in  der  That  bei  weiteren  Nachforschungen 


Literatur.  171 

in  der  prcnssischen  Monatsschrift  XII,  579,  dass  lang'e  vor  der  Be- 
arbeitimy-  des  Reussischen  Urkundonlniches  die  obige,  wohl  auf  Cohns 
Studien  lieruhende  Annahme  widerlegt  und  die  Zugehörigkeit  des 
später  vorkommenden  Fr ater  Henri cus  zu  einer  Familie  „de  Hoinstein" 
nachgewiesen  worden  ist. 

Auch  ein  Theil  der  Urkunden,  die  in  den  oben  erwähnten  Pub- 
likationen von  Müller  und  Alberti  jüngst  abgedruckt  worden  waren, 
ist  hier  bei  der  wiederholten  Aufführung  mit  Regesten  al)gefunde)i 
worden;  das  finde  ich  beispielsweise  für  Stücke  wie  No.  130,  134 
und  141  berechtigt,  aber  nicht  für  No.  132,  139,  140  und  142,  für 
die  man  bei  dem  Vorhandensein  eines  Reussischen  Urkundenbuches 
nicht  gez^mngen  sein  will,  die  obigen,  nicht  überall  bequem  zugäng- 
lichen Publikationen  nachzuschlagen;  noch  weniger  zutreffend  ist  es, 
l)ei  den  bisher  noch  gar  nicht  gedruckten  Ablassbullen  No.  103,  104, 
189  und  239  für  Cronschwitz  nur  dürftige  Regesten  zu  geben ;  haben 
solche  Urkunden  in  der  Regel  auch  einen  typischen  Wortlaut,  was 
an  späterer  Stelle  in  ähnlichen  Fällen  der  Wiedergabe  des  ziemlich 
gleichlautenden  Textes  nicht  entgegengestanden  hat,  so  hätte  bei  den 
erwähnten  Nummern  wenigstens  eine  Aufzählung  der  mit  dem  Ablasse 
begnadeten  Feste  im  Regest  stattfinden  müssen.  Sonst  möchte  ich 
aus  dem  Bestände  des  bisher  ungedruckten,  hier  zum  erstenmale 
gegebenen  Materiales  —  abgesehen  von  den  ol)en  bereits  hervorge- 
hobenen Bullen  — __  die  Leser  des  „Neuen  Archivs"  auf  No.  764 
(Bündnis  Heinr.  d.  Alteren  von  Gera  mit  dem  Markgrafen  Friedrich 
von  Meissen  gegen  Erfurt  1336  März  10),  8.50  (Schiedsspruch  zwischen 
Kaiser  Ludwig  und  dem  Markgrafen  einer-  und  dem  Erzbischof  von 
Mainz  andererseits  1342  Dez.  14)  und  950  (Dienstrevers  Heinr.  des 
Älteren  von  Weida  gegen  die  Markgr.  Friedr.  und  Balthasar  1354 
Dez.  4),  die  voraussichtlich  in  einem  der  späteren  Bände  des  Cod. 
dipl.  Sax.  reg.  Aufnahme  finden  werden,  aufmerksam  machen;  selbst- 
verständlich fehlt  es  auch  an  weiteren  für  den  Spezialforscher  der 
thüringisch  -  sächsischen  Geschichte  interessanten  und  bedeutsamen 
Stücken  nicht;  eine  nicht  unansehnliche  Zahl  sind  auch  im  2.  Bande  des 
Freiberger  Urk.-B.  vollständig  abgedruckt  oder  auszugsweise  gegeben. 

So  wenig  auf  Grund  der  Punkte,  in  denen  wir  bi.sher  unserer 
abweichenden  Ansicht  Ausdruck  gaben,  ernstliche  Vorwürfe  gegen  den 
Herausgeber  zu  erheben  sind,  so  viel  seinem  Eifer  und  Fleiss  in  der 
Herbeischaffung  und  Sammlung  des  Materiales,  sowie  dem  Bestreben, 
dasselbe  kritisch  zu  sichten,  Anerkennung  gezollt  werden  muss,  trägt 
doch  seine  Ausgabe  manchmal  noch  deutlich  die  Spuren  einer  Er.stlings- 
leistung  auf  diesem  Gebiete  an  sich.  Das  Verzeichnis  von  Berichti- 
gungen, w^elches  0.  Dobenecker  in  der  Zeitschrift  des  die  Ausgabe  lei- 
tenden Thüringischen  Geschichts-Vereins  (N.  F.  IV,  565—582,  V,  137 
bis  140,  344— 351)  unter  Zustimmung  Schmidts  gegeben  hat,  hat  einen 
grösseren  Umfang,  als  man  für  solche  Arbeiten  erwarten  und  wün- 
schen darf;  selbst  für  das  umfängliche  und  anscheinend  mit  Sorgfalt 
imd  Liebe  zur  Sache  angelegte  Personen-  und  Ortsverzeichnis  des 
Urkundenbuches  (S.  524—624)  hat  Dobenecker  noch  vielerlei  Ergän- 
zungen und  Verbesserungen  nachgetragen;  fi-eilich  hat  D.  hierbei 
manchen  Druckfehler,  der  sich  sofort  als  solcher  erkennen  lässt, 
aufgeführt  und  manchem  kleinen  Versehen,  welches  der  Leser  sich 
leicht  selbst  berichtigen  kann,  grossen  Werth  beigelegt,  wie  z.  B. 
bei  No.  512  dem  Fehlen  eines  „(!)"  hinter  „in  die  b.  Marcelli",  avo 
letzteres  Wort  statt  „Marci"  steht,  aber  durch  das  folgende  „et  Mar- 
celliani"    und   das   voraufgehende    „XVII.  Kai.  Julii"  jeder  weitere 


X72  Literatur. 

Zweifel  ausgeschlossen  ist;  dennocli  ist  noch  immer  einiges  selbst 
der  minutiösen  Prüfung  D.'s  entgangen;  so  „de  oantatione"  statt 
„decantationc"  in  Xo.  132  und  der  Umstand,  dass  in  No.  208  aus 
der  Schlussbemoikung  ..Totuni  ut  su])ra  anno  jjrimo"  auch  das  gleiche 
Tagesdatum  wie  in  No.  206  (1.  Scptemlier  1281)  herausgelesen 
werden  muss;  ebenso  wai'cn  die  entstellten  Namen  der  römischen 
Kardinalskirchen  (Sancti  Aucti,  Sancti  Gregorii)  in  No.  57.  auch 
wenn  die  Fehler  auf  die  handschiiftliche  Überlieferung  zniiickgehen 
sollten,  ohne  weiteres  zu  verbessern  oder  wenigstens  mit  einer  kri- 
tischen Note  zu  versehen;  letzteres  Avar  entschieden  nöthiger,  als  in 
No.  8*i  die  Bemerkung  „lrä3"  zu  „litteram",  wenn  anderweit  die 
Entstehung  des  Stückes  im  14.  Jahihundert  verbürgt  ist.  Der  Her- 
ausgeber hat  sicli  manchmal  eben  selbst  Schwierigkeiten  bereitet,  wo 
keine  vorlinndcii  waren,  und  oft  gi-össere  da,  wo  sie  sich  in  anderer 
AVeise  leichter  beseitigen  Hessen;  in  No.  (^2  war  es  doch  einfacher 
..in  [loco]  quocunque"  zu  schreiben  statt  ,.in  (!)  quocunque".  in  No.  94 
Recensio  B  Ing  es  doch  näher  „karactere"  zu  setzen  statt  „karca- 
tem  (?!)"  und  in  No.  745  heisst  es  doch  besser  „mit  allem  dem 
rechte  als  aller  vrawen  leipgeding  recht  ist"  statt  „mit  —  rechte 
und  aller  —  ist  (?.')".  —  In  einigen  anderen  Dingen,  die  mir  wenig- 
stens als  kleine  Übelständc  erscheinen,  möchte  ich  mich  Avenicer 
an  den  Herausgeber,  als  an  die.  denen  die  allgemeine  Leitung  der 
Ausgabe  der  Thüringischen  Geschichtsquclb'ii  obliegt,  wenden;  mir 
kann  wenigstens  in  den  neueren  Urkundenbüchciu  die  Wiedergabe 
von  2V2  durch  ij  und  von  4V?  durch  V  nicht  behagen,  ebensowenig 
wie  die  Beibehältung  der  Punkte,  die  bei  den  an  ein  Amt  ererich- 
teten  Schreiben  an  Stelle  des  Namens  stehen,  im  Drucke  der  Texte; 
in  No.  7R9  linden  sich  soffar  Punkte  neben  dem  Namen,  ohne  dass 
eine  Erklärung  dieser  auffalligen  Erscheinung  gegeben  wird.  Un- 
berechtigt scheint  mir  auch  im  Datum  die  Trennung  der  Monats- 
und Tagesangabe  von  der  des  Jahres  durch  ein  Semikolon,  und  end- 
lich möchte  ich  eine  etwas  andere  Einrichtung  der  dem  Texte  vor- 
aufgehenden Bemerkungen  über  die  tU)erlieferungen  eines  Stückes 
befürworten;  in  No.  10,  08  und  86  z.  B.  stört  es  nämlich  recht,  an 
der  Spitze  die  Mittheilung  „Hdschr. :  Orig.  Perg.  etc."  und  dann 
einige  Zeilen  später,  nachdem  eist  von  den  Drucken  gehandelt  Avar, 
die  Bezeichnung  dieser  handschriftlichen  Ülterlieferung  als  gefälscht 
oder  zweifelhaft  zu  finden;  in  solchem  Falle  ist  es  doch  besser, 
gleich  an  erster  Stelle  zu  bemerken  „Hdschr.:  angebliches  oder  an- 
fechtbares Orig.  Perg.  etc."  —  Hoffentlich  erscheint  ein  beabsich- 
tigter 2.  Band  "des  Werkes  auch  frei  von  den  hier  erörterten  kleineren 
Mängeln.  Dass  der  vorliegende  1.  mit  dem  Jahre  1356  abbricht,  ist 
Avohl  mehr  durch  technische  Gründe  und  Rücksichten  bedingt  ge- 
wesen; die  Beirründung  dieses  Abschlusses  in  der  über  die  Be- 
schallung des  Urkundenmateriales  und  die  Entstehung  der  Reus- 
sischen Hansmacht  gut  orientierenden  Voi'rede  mit  den  Worten  „bis 
zu  diesem  Zeitpunkte  hatten  die  verschiedenen  Linien  des  Yogts- 
geschleciites  —  noch  keine  Avirklichen  Gebietsverluste  erlitten; 
ü'leich  in  der  nächsten  Zeit  dann  Aveiden  ihnen  einzelne  Stücke 
ihres  Besitzes  entrissen"  ist  mir  in  ihrer  unbestinmiten  Fassung 
nicht  allzu  überzeugend. 

Halle  a./S.  W.  Schum. 

Regesta  Stolbergioa.    Quellensamralung  zur  Geschichte  der  Grafen 
A^on   Stolberg   im   Mittelalter.      Veranstaltet   und   bearbeitet  von 


Literatur.  173 

Botho  Grafen  zu  Stolberg -Wernigerode.  Neu  bearbeitet  und 
unter  Beifügung  einer  Landkarte  und  Siegeltafei ,  sowie  einer 
Abhandlung  vom  Ursprünge  der  (rrafeu  zu  Stolberg  herausgegeben 
von  (i.  A.  von  Mülverstedt,  K.  Freuss.  Staatsarchivar  und  üe- 
heimem  Ai-chivratbe.  Magdeburg  1885.  E.  Baensch  jun.  XI, 
115U  SS.     8". 

Wenn  alle  Glieder  hoher  und  niederer  Adelsfamilien,  die  es 
je  unternahmen  eine  Cxeschichte  ihres  Hauses  und  ihrer  Familien  zu 
schreiben,  neben  der  Liebe  zu  letzteren  mit  einem  so  hervorragenden 
historischen  Sinne  und  (jefühle  für  wissenschaftliche  Kritik  aus- 
gestattet gewesen  wären,  wie  der  am  4.  August  1881  verstorbene 
Graf  Botüo  von  Stolbeig-VVeruigerode,  so  würde  die  Wissenschaft 
aus  ihren  Leistungen  in  noch  weit  höherem  Masse,  als  es  bis  jetzt 
möglich  war,  fruchtbringenden  Nutzen  zu  ziehen  im  stände  gewesen 
sein.  Die  1883  erschienene  „Geschichte  des  Hauses  Stolberg  vom 
Jahre  liJlü  bis  zum  Jahre  15 U",  in  deren  Bearbeitung  der  Ver- 
ewigte eine  Hauptaufgabe  seines  späteren  Lebens  erblickt  hatte, 
die  ihm  zwar  auch  zu  vollenden,  aber  nicht  der  Öffentlichkeit  zu 
übergeben  vergönnt  war,  legt  von  jenen  trefllichen  Eigenschaften 
ihres  Bearbeiters  ein  ebenso  mirdiges  als  unanfechtbares  Zeugnis 
ab:  auf  Schritt  und  Tritt  sieht  mau  es  dem  umfänglichen  Werke 
an,  dass  ebensowohl  ein  unendlicher  Eleiss  und  Eifer  auf  die  Samm- 
lung des  erforderlichen  weitschichtigeu  und  wtitzerstreuteu  Materiales 
verwendet  worden  sein  muss,  wie  dass  es  nicht  an  vorsichtiger  und 
umsichtiger  Kritik  bei  der  Durchforschung,  Sichtung  und  Ver- 
werthung  desselben  gefehlt  haben  kann.  Trotzdem  über  diese 
Punkte  an  der  Hand  des  Werkes  selbst  kein  Zweifel  bestehen 
konnte,  musste  man  an  demselben  doch  den  Mangel  an  Hinweisen 
auf  die  bei  den  verschiedeneu  Stellen  benutzten  (Quellen  schmerzlich 
vermissen;  überdies  lag  ja  auf  der  Hand,  dass  bei  der  hervorragenden 
Stellung,  die  das  Haus  Stolberg  in  der  historischen  und  politischen 
Entwickelimg  des  Harzes  tiud  seiner  Nachbargebiete  einnahm,  das 
benutzte  Qtiellenmaterial  nicht  nur  die  Grundlagen  für  die  Geschichte 
der  Grafen,  sondern  auch  eine  ergiebige  weitere  Ausbeute  für 
Forschungen  über  alle  die  Faktoren,  die  je  mit  der  Stolbergschen 
Familie  in  Berührung  gekommen  waren,  enthalten  musste.  Das 
wusste  in  der  That  niemand  mehr  zu  würdigen,  als  der  jetzt  re- 
gierende erlauchte  Graf,  der,  wenn  auch  selbst  nicht  Forscher,  doch 
mit  dem  lebhaftesten  Interesse  auf  die  Förderung  aller  Bestrebungen 
zum  Besten  der  heimathlichen  und  vaterländischen  Geschichte  be- 
dacht ist;  derselbe  war  daher  eigentlich  schon  bei  der  von  ihm 
veranlassten  Veröffentlichung  der  Hausgeschichie  entschlossen,  die 
Quellenbeläge  zu  derselben  m  einem  besonderen  Bande  nachfolgen  zu 
lassen,  und  so  liegt  nun  nach  \'erlauf  dreier  Jahre  in  dem  beinahe 
VZOü  S.  starken  Bande  eine  Sammlung  von  nahezu  3UUU  vorwiegend 
urkundlichen,  zum  Theil  auch  annalistischen  Kegesten  vor,  die  selbst 
nach  einer  in  Zukunft  zu  veranstaltenden  Ausgabe  eines  Urk.-B.  der 
Stoiberger  Grafen  ihren  Nutzen  und  Werth  uiclit  verlieren  wird.  Da 
der  gräfliche  Autor  der  Hausgeschichte  selbst  dem  Gedanken  an  eine 
Herausgabe  jener  Stücke  nicht  näher  getreten  war,  so  konnte  freilich 
die  quellenlitterarische  Hinterlassenschaft  nicht  ohne  Weiteres  der 
Öffentlichkeit  übergeben  werden;  dieselbe  bedmfte  vielmekr  einer 
immerhin  zeitraubenden  und  mühevollen  Überarbeitung,  um  manche 
durch  die  Natur  der  Sammlung  entstandene  Ungleicbmässigkeiten  zu 
beseitigen  und  noch  vollere  Bürgschaften  für  die  Vollständigkeit  und 


1 74  Literatni'. 

Zuverlässigkeit  der  gegebenen  Notizen  bieten  zu  können.  Dieser 
Auf),^iibe  hat  sich  mit  ebensoviel  Saolikenntnis  und  Eifer  als  pietät- 
voller Selbstverläugnung  Geh.  Arehivrath  von  ilülverstedt  unter- 
zogen; derselbe  hatte  ja  bereits  die  letzte  Hand  an  die  vom  Grafen 
Botho  verfasste  Ilausgeschichte  gelegt,  und  nmss  überhaupt  auch  den 
früheren  Sammlungen  und  Vorarbeiten  des  letzteren  nicht  fern  ge- 
standen haben,  denn  sonst  würde  es  in  jenem,  für  eine  solche  Über- 
arl)eitnng  doch  nicht  sehr  grossen  Zeiträume  nicht  gelungen  sein, 
das  Ganze  in  der  äusseren  Form  den  Kegesta  archiepiscopatus 
Magtleburgensis  so  ähidich  zu  gestalten.  Manches,  was  mir  bei 
aller  Werthschätzung  der  letzteren  nicht  ganz  an  der  daselbst 
eingehaltenen  Behandlungsweise  zusagt,  würde  daher  auch  von  den 
Stoiberger  Regesten  gelten,  doch  kann  hier  nicht  der  Ort  sein, 
auf  solche  Einzellieiten  einzugehen.  Die  Leser  des  „Neuen  Ar- 
chivs^ dürfte  es  wohl  eher  interessieren  zu  wissen,  dass  der  Be- 
ziehungen der  Stoiberger  Grafen  zu  ehemals  und  heute  nach  säch- 
sischen Landestheilen  und  den  Gebietern  derselben  überaus  zahlreiche 
und  lebhafte  waren,  und  dass  dem  entsprechend  ein  grosser  Theil 
der  Kegesten,  zumal  von  noch  ungediuckten  Urk.,  dem  K.  Haupt- 
staatsarchive in  Dresden  verdankt  wird;  beinahe  ein  Drittel  der 
32  ungedruckten  Urkunden,  die  die  Regestensammlung  aus  dem  13.  .Jh. 
aufführt,  sind  von  dort  entlehnt,  und  mit  der  späteren  Zeit  wächst 
nicht  nur  dieser  Antheil,  sondern  zugleich  auch  das  Verhältnis  des 
Gesamtvorrathes ,  denn  während  für  das  13.  Jh.  überhaupt  nur 
250  Regestennummern  vorliegen,  hebt  sich  die  Zahl  derselben  für 
das  14.  .Th.  auf  450,  für  das  15.  auf  1800  und  sind  die  Jahre  1500 
l)is  1535  durch  500  Stück  vertreten. 

Eine  recht  erspriessliche  Ausnutzung  dieses  Urkundenschatzes 
wird  freilich  für  die,  deren  Studien  nicht  gerade  unmittelbar  auf 
die  gräflich  Stolbergsche  Familie  und  deren  Besitzungen  gerichtet 
sind,  erst  dann  möglich  sein,  wenn  der  noch  in  Aussicht  gestellte 
Registerband  ersc'hienen  sein  wird;  ich  für  meinen  Theil  würde  es 
lieber  gesehen  haben,  wenn  die  erforderlichen  Naniensverzeichnisse 
gleich  dem  Hauptwerke  beigefügt  worden  wären,  selbst  um  den 
Preis,  dass  die  vom  Herausgeber  den  Regesteu  angeschlossene  Ab- 
handlung über  den  Urspiung  der  Grafen  von  Stolberg  hierüber  hätte 
erheblicher  gekürzt  werden  müssen.  Wer  weiss,  ob  diese  treuliche 
Zugabe  und  Ergänzung  der  Hausgeschichte,  auf  die  einzugehen  der 
Verfasser  der  letzteren  anfangs  durch  kritische  Bedenken,  später 
durch  die  mit  dem  Tode  endende  Krankheit  abgehalten  worden  war, 
durch  eine  möglichst  knappe  (iestaltung  nicht  für  weitere  Kreise  an 
Übersichtlichkeit  und  durchschlagender  Beweiskraft  erheblich  ge- 
wonnen hätte?  Namentlich  die  negative  Seite  der  Beweisführung, 
die  Abweisung  älterer  Ansichten,  die  sich  gleich  auf  den  ersten 
Blick  als  unhaltl)ai-  kennzeichnen,  durfte  getrost  mehrfach  stärker 
gekürzt  werden  und  konnte  der  Herausgeber  sich  und  dem  Leser 
das  Eingehen  auf  vielerlei  einschlägige  Einzelheiten  ersparen;  auch 
ohne  diese  wäre  z.  B.  die  Unglaubwürdigkeit  des  früher  behaupteten 
genealogischen  Zusammenhanges  der  Stoiberger  Grafen  mit  dem 
römischen  Colonnas  scharf  genug  hervorgetreten,  nicht  minder  auch 
die  der  Annahme  von  Beziehungen  zu  einem  fränkischen  und  rheini- 
schen Dynastengeschlechte  von  Stallierg,  von  einer  Alikunft  von  den 
Grafen  von  Klettenberg,  den  Grafen  von  Beichlingen  odci-  den 
Herren  von  AUerstedt  und  Beilstedt,  die  sich  meistentheils  auf  an- 
gebliche Gleichheit  der  Vornamen  und  der  Wappen  stützte.    Weniger 


Literatur.  175 

hätte  dagegen  die  positive  Seite  jener  Ausführungen,  der  Beweis 
einer  Verbindung  der  Stoiberger  Grafen  mit  dem  Hause  der  Grafen 
von  Hohenstein,  der  Kürzungen  bedurft.  Ganz  neu  ist  allerdings 
die  Aufstellung  einer  solchen  Behauptung  nicht,  aber  in  der  Art 
und  Weise,  wie  sich  von  Mülverstedt  diesen  Zusammenhang  zurecht- 
legt und  begiündet,  Aveiclit  er  doch  erheblich  und  in  vortheilhafter 
Weise  von  der  älteren  Litteratur  ab.  Die  überaus  verwickelten 
Ausführungen  fussen  in  erster  Linie  darauf,  dass  bei  einer  Theilung 
des  Stoiberger  Grafengeschlechtes  sich  der  eine  Zweig  mit  den 
70er  Jahren  des  13.  Jh.  Grafen  von  Vockstedt  (Yogtstedt)  zu 
ueimen  beginnt;  es  kann  daher  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  ein 
Edellierr  Heinrich  von  Vockstedt,  der  1200  in  einer  landgräflichen 
und  1204  in  einer  königlichen  Urk.  als  Zeuge  erscheint,  zur  Stol- 
bergschen  Familie  gehört ;  da  dieser  Heinrich  später  nicht  wieder  vor- 
kommt, dagegen  an  ganz  entsprechenden  Stellen  seit  1210  ein  Heinrich 
von  Stolberg  auftritt,  so  hat  man  es  sicherlich  mit  ein  und  derselben 
Person  und  einer  durch  den  Wechsel  des  Wohnsitzes  herbeigeführten 
Änderung  des  Namens  zu  thun.  Sodann  lässt  sich  von  dem  Territorium, 
in  dessen  Mittelpunkt  Vockstedt  liegt  und  das  sich  mit  letzterem 
später  in  den  Händen  der  Grafen  von  Stolberg  befindet,  zeigen,  dass 
es  zu  den  ehemaligen  landgräflicheu  Gütern,  die  durch  Eibschaft  an 
die  Grafen  von  Hohenstein-Ilfeld  kamen,  geholte,  wogegen  nach- 
weislich die  um  Stolberg  selbst  sich  gruppierenden  Gebiete  einer- 
seits in  älterer  Zeit  durchaus  in  keiner  Verbindung  zu  irgend  einem 
der  benachbarten  Grafenhäuser  stehen,  andererseits  daselbst  und  vor- 
nehmlich an  den  Grenzen  die  dinglichen  Berechtigungen  der  hohen- 
steiner  und  stolberger  Grafen  in  ganz  eigenartiger  Weise  und  Aus- 
dehnung durch-  und  ineinander  laufen:  selbst  das  Grafengericht  zu 
Vockstedt  wird  lange  Zeit  hindurch  durch  beide  Familien  gemein- 
schaftlich geübt  und  erst  1298  findet  der  Rücketwerb  des  stolberger 
Antheils  durch  die  Hohensteiner  statt.  Mau  ist  daher  berechtigt  an- 
zunehmen, dass  der  obenerwähnte  Heinrich  von  Vockstedt  ein  Hohen- 
steiner war  und  zu  Anfang  des  13.  Jh.  zwischen  ihm  und  einem 
Bruder  oder  Vatersbruder  eine  sog.  Todttheilung  eingetreten  sein 
muss,  bei  welcher  dem  letzteren  der  alte  Stammname  und  das  alte 
Familieuw^appen  blieb,  während  sich  der  erstere  zu  einer  Änderung 
nach  diesen  beiden  Seiten  hin  entschloss.  Hierfür  ergiebt  sich  in 
der  That  noch  ein  erhärtendes  und  bestätigendes  Zeugnis  durch  ein 
ganz  neuerdings  nachgewiesenes  Regest  einer  leider  verlorenen  Ur- 
kunde :  obwohl  dasselbe  erst  durch  die  Schwarzburgsche  Chronik 
des  Jovius  überliefert  wird,  so  ist  nach  dem  Inhalte  desselben  nicht 
daran  zii  zweifeln,  dass  nicht  lauge  vor  1201  eine  Theilung  der 
hohensteinschen  Hausgüter  zwischen  dem  Grafen  Elger  und  den 
ungenannten  Söhnen  seines  Bruders  Friedrich  stattfand,  und  würde 
Heinrich  von  Vockstedt  als  einer  der  letzteren  anzusehen  sein.  Ln 
Anschluss  hieran  wird  endlich  mit  nicht  minderem  Nachdrucke  und 
Geschicke  den  Verwandtschafts- Verinuthungeu,  die  ältere  und  jüngere 
Forscher  an  der  Hand  der  Stolberger  Wappen  und  Siegel  aufstellten, 
entgegengetreten,  und  man  kann  von  Mülverstedt  nur  beistimmen, 
wenn  er  das  Siegelemblem  des  ältesten  Stolberger  Grafen  Heinrich 
für  eine  ]\Iuschel  hält,  die  derselbe  in  Verfolg  der  Todtheilung  aller- 
dings nur  für  seine  Person  mit  Rücksicht  auf  die  Theilnalime  am 
Kreuzzug  von  1227  angenommen  habe ;  erst  sein  Sohn  Friedrich  be- 
dient sich  seit  1252  des  Hirsches  als  Abzeichen,  wählend  das  gleiche 
von  seinem  älteren  Bnider  seit  1267  nachweisbar  ist;  ein  von  diesem 


176  Literatur. 

abweichendes  Siegel,  das  beide  Brüder  geraeinschaftlicb  führen,  ge- 
hört dagegen  dem  .lahre  1253  an  und  kann  daher  durch  dasselbe  die 
Priorität  des  Hirsches  als  Wappenthier  nicht  erschüttert  werden; 
wenn  nach  100  Jahren  dann  ganz  vereinzelt  drei  dem  geistlichen 
Stande  angehörige  Glieder  des  Grafenhauses  das  Hirschwappen 
mit  jenem  der  Brüder  zusammenstellen,  so  ist  das  wohl  darauf 
zurückzuführen,  dass  der  älteste  von  ihnen  irgendwo  das  alte  ge- 
meinschaftliche Siegel  fand  und  es  fälschlich  für  ein  zweites  Ge- 
schlechtswappen  hielt,  die  Iteiden  and(!ren  hierin  aber  mechanisch 
nachfolgten.  Was  aber  jenes  gemeinschaftliche  Siegel  von  1253  an- 
geht, so  weist  von  Müiverstcdt  unumstüsslich  nach,  dass  es  aus 
einem  gespaltenen  Schilde  besteht  und  die  auf  den  beiden  Hälften 
angebrachten  Verzierungen  mir  die  Bedeutung  haben,  die  eine  Seite 
als  farbig,  die  andere  als  metallisch  erscheinen  zu  lassen,  aber 
durchaus  nicht  als  Wappenltilder  aufgefasst  werden  dürfen. 

in  diesen  genealogischen  und  heraldischen  Darlegungen,  die 
überdies  durch  die  Siegeltafel  und  eine  treffliche  Karte  unterstützt 
werden,  zeigt  sich  der  Herausgeber  als  ein  Meister  auf  diesen  Ge- 
bieten. Gross  ist  sein  Schatz  von  Erfahrungen  und  Kenntnissen 
innerhalb  derselben  und  nicht  geringer  ist  sein  Geschick,  sich  der 
liier  gebotenen  Hülfsmittel  und  Handhaben  zu  einer  gesunden  wissen- 
schaftlichen Kritik  zu  bedienen.  Die  Herausgabe  der  werthvollen 
Quellensammlung  aus  dem  Nachlasse  des  Gi'afen  Botho  konnte  eben 
in  keine  besseren  Hände  gelegt  werden. 

Halle  a./S.  W.  Seh  um. 

Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Hau-  und  Kuustdenk- 
niäler  des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  Kgl.  Staats- 
regierung herausgegeben  vom  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereiu.  Achtes 

I  Heft:  Amtshauptmannschalt  Schwarzenberg.  Bearbeitet  von  Dr. 
K.  Steche.  Dresden,  in  Kommission  bei  C.  C.  Meinhold  u.  Söhne. 
1887.     68  SS.     8<*. 

Es  liegt  in  der  Natur  eines  so  gross  angelegten  Unternehmens, 
dass  nicht  alle  Abschnitte  desselben  ein  gleiches  Interesse  darbieten, 
und  wer  die  Bearbeitung  eines  derartigen  Stoffes  übernimmt,  nuiss 
damit  rechnen,  dass  auch  minder  werthvolle  Denkmäler  in  seinem 
Werke  Aui'nahme  riuden.  Gegen  die  früheren  Hefte  sticht  das  achte 
aus  diesen  Gründen  etwas  ab;  die  Arbeit  des  Herausgebers  ist  die- 
selbe treue,  zuverlässige  geblieben,  aber  die  Monumente  der  Amts- 
hau])tiiiannschaft  Schwarzeiiberg  bieten  wenig  Bemerkenswerthes.  Was 
jedoch  zu  finden  war,  das  ist  gut  ])eschrieben,  zum  Theil  durch  schöne 
und  weithvoUe  Keprodukfioiien  bekannt  gemacht  worden.  Zu  den 
wichtigsten  Denkmälern  möclife  ich  die  Sgrafüti  an  der  Klosterkirche 
zu  Klösterlein  aus  dem  13.  Jahrhundert  zählen,  den  grossen  Hoch- 
altar der  St.  Wolfgangskirclie  zu  Schneeberg,  von  Lukas  Cranach 
d.  Ä.  gemalt,  der  in  fünf  zum  Theil  recht  guten  Lichtdrucken  wieder- 
gegeben ist,  endlich  den  schon  oft  besprochenen  Tristanteppich  von 
Schwarzenberg,  von  dem  auch  ein  guter  Lichtdruck  uns  geboten 
wird.  So  sind  wir  auch  für  diese  Publikation  dem  K.  S.  Alter- 
thumsvereiu zu  giösstem  Danke  verpflichtet. 

Prag.  Alwin  Schultz. 

J)er  Seminargedanke  in  Kursaclisen  und  seine  erste  staatliche  Ver- 
wirklichung. Festschrift  zur  Feier  des  hundertjährigen  Bestehens 
des  Königi.  Sehullehrer- Seminars   zu  Dresden  -  Friedrichstadt   am 


Literatur.  177 

23,  September  1887  von  Dr.  Emil  Tolile,  Seminardirektor.  Bei- 
gaben: Zeittafel  bemerkenswerther  Tliatsachen  aus  der  Geschiclite 
des  Seminars.  Lelu'erverzeiehnis,  Verzeicbnis  der  früheren  Schüler, 
geordnet  nach  der  Zeit  des  Abgangs.  Verzeichnis  der  gegenwär- 
tigen Schüler.  Abbihlungen  des  früheren  und  des  jetzigen  Seminar- 
gebäudes.     Dresden,  Huhle.     1887.     211  SS.    S". 

G-.  \.  Lechler  hat  in  dem  Vorworte  der  Beiträge  zui"  sächsischen 
Kirchengeschichte  ausgeführt,  dass  die  Geschichte  des  Dresdner  Schul- 
wesens ein  der  Bearbeitung  würdiger  Stoff  sei.  Wie  fruchtbar  dieser 
Hinweis  gewesen,  zeigt  vorliegende  Arbeit,  welche  ziu-  Kenntnis 
jenes  Gebietes  wichtige  Beiträge  liefert,  namentlich  aber  die  erste 
erschöpfende  Geschiclite  der  Entstehung  des  hiesigen  Friedrichstädter 
Seminars  und  im  Zusammenhange  damit  eine  Darstellung  des  Ent- 
Avickelungsganges  des  kursächsischen  Seminarwesens  bietet.  Sie  be- 
handelt den  Stoff  weit  über  die  auf  dem  Titel  genannte  Grenze  hin- 
aus und  darf  von  niemand  unbeachtet  bleiben,  welcher  sicli  mit 
der  Entstehung  des  Seminarwesens  überhaupt  beschäftigt.  Mit  stei- 
gendem Interesse  verfolgt  man,  wie  das  Problem  der  Lehrerbildung 
erst  sprunghaft,  dann  organisch  zur  Verwirklichung  gelangt.  Inso- 
fern ist  von  den  drei  Perioden,  in  die  der  Verfasser  die  Geschichte 
des  sächsischen  Seminarwesens  eintheilt  (S.  153),  die  erste  die  wich- 
tigste und  fesselndste. 

Vor  kurzem  ist  eine  Äusserung  des  Oberhofpredigers  Dr.  Rein- 
hard bekannt  geworden  (Zeitschrift  für  Gymnasialwesen,  1888,  Januar- 
heft, S.  19),  in  welcher  derselbe  hei  Gelegenheit  eines  Gesprächs  mit 
dem  Erfurter,  später  Berliner  Rektor  Johann  .Joachim  Bellermann 
die  Fürsorge  der  kurfürstlich  sächsischen  Regierung  für  die  Lehrer- 
bildungsanstalten hervorhob:  „Unsere  Fürstenschulen  und  Lehrer- 
seminarien  hält  unser  Kurfürst  für  die  Edelsteine  seines  Kurhutes. 
Durch  sie  l)ehaupten  wir  Kursachsen  die  Überlegenheit  in  den 
Wissenschaften  der  alten  Litteratur  nicht  nur  über  das  südliche 
Deutschland,  sondern  auch  über  Brandenburg  und  selbst  Hannover." 
Für  dieses  Wort  finden  sich  in  dem  vorliegenden  Buche  die  werth- 
vollsten  urkundlichen  Belege.  Aus  ihnen  geht  deutlich  hervor,  wel- 
cher imermüdlichen  Fürsorge  und  energischen  Massregeln  es  von 
selten  der  kurfürstlichen  Regierung,  namentlich  des  Oberkonsistoriums, 
bedurfte,  lam  die  verschiedenartigsten  Schwierigkeiten  zu  überwinden. 
Besondere  Anerkennung  verdient  das  lebhafte,  persönliche  Interesse 
der  leitenden  Persönlichkeiten  der  letztgenannten  Behörde.  Nanient- 
lich  tritt  uns  in  dieser  Richtung  die  unermüdliche  Thätigkeit  des 
Grafen  Peter  Hohenthal  entgegen,  dessen  Verdienste  um  Hebung  des 
Schulwesens  und  Wohlstandes  in  Sachsen  Verfasser  zum  erstenmale 
würdigt  und  mit  warmer  Anerkennung  zur  Darstellung  bringt.  Es 
Aväre  eine  dankbare  Aufgabe,  die  Thätigkeit  dieses  edlen  Mannes 
auf  sozialpolitischem  und  religiösem  Gebiete  (vergl.  die  prächtige 
Ausführung  S.  76.  77)  genauer  nachzugehen,  Avie  auch  sonst  in  dei' 
Schrift  eine  Reihe  fruchtbarer  Winke  für  weitere  Forschung  gegeben 
werden,  z.  B.  bezüglich  des  langjährigen,  unermüdlichen  Dresdner 
Superintendenten  V.  E.  Löscher.  "Vielleicht  lässt  sich  Verfasser  zu 
weiteren  Studien  um  so  mehr  bereit  finden,  als  seine  Bemühungen 
mit  so  reichem  Erfolge  gekrönt  worden  sind.  Über  die  Methode  ist 
noch  hervorzuheben,  dass  der  zerstreute  Stoff  mit  glücklichem  Griffe 
aus  einer  Reihe  kleiner  Einzeldrucke  und  umfangreicher  Zeitschriften, 
sowie    aus   den  Akten  des  hiesigen  Kgl.  Hauptstaatsarchivs  und  des 

Neues  ArchW   f.  S.  C.  ii.  A..     IX.  1.  2.  12 


lYS  Literatur. 


Kgl.  Kultusministeriums   gesaiumelt    uud    mit   grosser  Sorgfalt  ver- 
arbeitet ist. 

Dresden.  Georg  Müller. 

Der  Köiii|?l.  Orosse  dJarton  bei  Dresden  in  Vergangenheit  und 
Uegeiiwart.  Von  E.  am  Ende.  Dresden,  v.  Zahn  u.  Jaensch.  1887. 
36  SS.     8". 

Wir  empfehlen  das  kleine,  anspruchslose,  aber  nach  den  Akten 
und  sonstigen  zuverlässigsten  Quellen  gearbeitete  Büchlein  all  den 
/ahlreichen  Freunden  des  Grossen  Gartens  auf  das  angelegentlichste. 
Sie  werden  darin  nicht  nur  über  die  ursprüngliche  Anlage,  die  viel- 
fachen Erweiterungen,  die  wechselnden  Bestimnumgen  und  Schick- 
sale desselben,  sondern  auch  ülier  alle  darin  befindlichen  Gebäude, 
Statuen,  Wirthschaften,  die  verschiedenartigen  darin  abgehaltenen 
Feste  und  Lustbarkeiten  aller  Art,  sowie  über  den  gegenwärtigen 
Zustand  desselben,  einschliesslich  des  Zoologischen  Gartens,  genaue 
und  sichere  Auskunft  finden. 

Dresden.  Knothe. 


Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Alterthumskunde^). 

Arndt,  Wilh.  Die  Sendung  des  Grafen  Schlippenbach  zu  Kur- 
brandenburg und  Kursachsen  im  Jahre  1654 :  Zeitschr.  für  Gesch. 
u.  Politik.     1888.     S.  11-32. 

Auerbach,  Bertr.  La  Diplomatie  et  la  cour  de  Saxe  (1648—1680). 
These  presentee  ä  la  facultö  des  lettres  de  Paris.  Paris,  Ha- 
chette  et  ci«.     1887.     XXIV,  491  SS.     8». 

Berling  s.  Gurlitt. 

B((rfsch,  L.  Hat  Barbara  Uttmann  in  der  That  das  Klöppeln  im 
Erzgebirge  eingeführt  ?  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.     1887.    No.  96.     S.  577—582. 

Ih-efscinuider,  E.  Heimatkunde  von  Limbach  und  Umgegend. 
Für  Schule  und  Haus  bearbeitet.  Mit  16  Abiiilduugen,  einem 
Stadtplane  und  einer  Karte  der  Umgegend.  Limbach,  Ulbricht. 
1887.     45  SS.     80. 


1)  Da  über  die  thüringische  Litteratur,  welche  wir  bisher  an 
dieser  Stelle  ebenfalls  berücksichtigten,  in  Zukunft  die  Zeitschrift 
des  A't-reins  für  Thüringische  Geschichte  und  Alterthumsknnde  biblio- 
graphische Übersichten  bringen  wird  (vgl.  diese  Ztschr.  K.  F.  V, 
362  flg.),  so  beschränken  sich  unsere  Angaben  fortan  auf  das  engere 
Gebiet  des  Neuen  Archivs.  Um  auf  diesem  die  wünschenswerthe 
Vollständigkeit  zu  erreichen,  bittet  der  Herausgeber  die 
Herren  Verfasser,  Verleger  und  Redaktionen  ange- 
legentlich, ihn  durch  Zusendung  der  neu  erscheinen- 
den Publikationen  auf  dem  Gebiete  der  sächsischen 
Geschichte,  namentlich  solcher,  die  leicht  der  Beach- 
tung entgehen  (Gelegenheitsschriften,  Programme,  klei- 
nere Aufsätze  in  Zeitschriften  und  Zeitungen),  gefäl- 
ligst   nnti' rstiitz  en    zu    wullen. 


Literatur.  '  1 79 

Frhr.  v.  Bicdcrmnnn.  (ioetlies  Briefweclisel  mit  Friedrich  Rochlitz. 
Mit  Bilduiss  luid  Handscliriftnachbildung.  Leipzig,  v.  Bieder- 
mann.    1887.    XXYI,  .525  SS.  8». 

Buchwald.  Beiträge  zur  Geschichte  des  vogtländischen  Adel.s  (VII. 
Die  Familie  von  Schönfels):  Wissenschaftliche  Beilage  zur  Leip- 
ziger Zeitung.     1887.     No.  100.     S.  609—611. 

Distel,  Th.  Gedicht  zur  Vermähhuig  des  Herzogs  Johann  Georg  (I.) 
von  Sachsen:    ebenda  No.  89.     S.  .536. 

—  Verfahren  Kurfürst  Augusts  gegen  Wilddiebe:  Waidmann.  Bd. 
XIX.     S.  67. 

—  Bildwerke  aus  dem  Nachlasse  Katharinas,  Herzogin  zu  Sachsen, 
geb.  Herzogin  zu  Mecklenburg:  Kunstchronik  (Beiblatt  zur  Zeit- 
schrift für  bildende  Kunst).  Jahrg.  XXIII.  (1888.)  Sp.  245  f. 
Berichtigung  dazu:    ebenda  Sp.  294. 

—  Das  Modell  des  Tempels  Salomonis  und  ein  angebliches  Werk 
Michelangelos  in  Dresden:    ebenda  Sp.  347— 350. 

—  Zwei  eigenhändige  Schreiben  Mag.  Joh.  Schreckenfuchs'  (1607): 
Colditzer  Wochenblatt  vom  15.  Febn;ar  1888. 

Elterich,  J.  G.  Die  geschichtliche  Entwickelung  der  sächsischen 
Seminare  und  ihre  zu  erhoffende  Weiterentwicklung.  Denkschrift 
zum  100jährigen  Jubiläum  des  Kgl.  Lehrerseminars  zu  Friedrich- 
stadt-Dresden.    Leipzig,  Brandstetter.     1887.    40  SS.    8«. 

Erbstein,  Jiil.  und  Alb.  Der  kurfürstlich  sächsische  Eisenschneider 
Paul  Walter  und  seine  Arbeiten.  Mit  Vorbemerkungen  über  die 
älteren  Dresdner  Künstler  Namens  Walter.  Mit  einer  Tafel. 
Dresden.     1886.     18  Sp.    4P. 

Falckenheimer,  Wilh.  Philipp  der  Grossmüthige  im  Bauernkriege. 
Marburg,  N.  G.  Elwert.     1887.     142  SS.     8^. 

Gess,  Fei.  Die  Klostervisitationen  des  Herzog  Georg  von  Sachsen. 
Nach  ungedruckten  Quellen  dargestellt.  Leipzig.  Th.  Grieben. 
1888.    IV,  54  SS.    8f. 

Gurlitt,  C.  Aus  den  sächsischen  Archiven.  III.  Goldschmiede  im 
16.  Jahrhundert  am  sächsischen  Hofe.  IV.  Drechsler  am  säch- 
sischen Hofe:  Kunstgewerbeblatt.  Jahrg.  III.  (1887.)  S.  177 
bis  179,  216—218,  240  f.     Jahrg.  IV.     (1888.)     S.  78-81. 

Gwlitt,  C,  und  Berliny,  K.  Daniel  Bretschneider:  Kunstchronik 
(Beiblatt  zur  Zeitschrift  für  bildende  Kunst).  Jahrg.  XXIII. 
(1888.)     Sp.  239—241. 

V.  Hase,  0.  Die  Entwickelung  des  Buchgewerbes  in  Leipzig.  Vor- 
trag, gehalten  in  der  28.  Hauptversammlung  des  Vereins  deutscher 
Ingenieure  zu  Leipzig  am  15.  August  1887.  Leipzig,  Hedeler. 
1887.     56  SS.     8». 

Hasse,  G.  Geschichte  der  sächsischen  Klöster  in  der  Mark  Meissen 
und  Oberlausitz.     Gotha.  Perthes.     1888.    VIII,  317  SS.    8». 

Hcliander.  Das  erste  deutsche  Colleg  zu  Leipzig  am  24.  Oktober 
1687.  Zur  Erinnerung  au  Christian  Thomasius:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1887.     No.  84.     S.  501  f. 

Hertcl,  Gustav.  Die  Hallischen  Schöffenbücher.  Zweiter  Theil. 
(1401 — 1460.)  Herausgegeben  von  der  Historischen  Kommission 
der  Provinz  Sachsen.  (A.  u.  d.  T. :  Geschichtsquellen  der  Provinz 
Sachsen  und  angrenzender  Gebiete.  14.  Bd.  2.  Theil.)  Halle, 
Hendel.     1887.     VIII,  639  SS.    8». 

Hiller,  Bob.  Bad  Linda -Pausa.  Mit  zwei  Illustrationen  in  Licht- 
di-uck  und  einer  Karte  der  Umgebung.  Plauen.  Kell.  (1887.) 
24  SS.     8'^'. 

12* 


1  so  Literatur. 

Hülssc,  Fr.  Der  Streit  Kardinals  Albrecht,  Erzbischufs  vuii  3lagde- 
Inirg',  mit  dem  Kurt'ürst(Mi  Johann  Friedrich  von  Sachsen  um  die 
magdeburgische  Burygrafschatt :  Goschichtsblätter  fü}'  Stadt  und 
Land  Magdeburg.  22.  Jahrg.  (1887).  S.  113—152,  2H1— 288, 
360—392. 

Jentsch,  J.  A.  Der  Name  Sebnitz  :  Über  Berg  und  Thal.  1887. 
No.  9.     S.  166—168. 

Johne,  Alb.  Geschichte  der  Sächsischen  Pferdezucht.  Auf  akten- 
mässigen  Gnuidlagen  unter  Mitwirkung  des  Oberstlieutenant 
Adolf  Schlaberg  zusammengestellt  und  bearbeitet.  Mit  zwei 
Lichtdi'ucktafelu  und  sechs  Holzschnitten.  Leipzig.  Volckmar. 
1888.    XVI,  241  u.  107  SS.    8". 

Kirchhoff',  Albr.  Die  Leipziger  Büchermesse  von  1550  bis  1650 : 
Archiv  für  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels.  XI.  (Leipzig 
1888.)     S.  183—203. 

—  Leipziger  Sortinientshändler  im  16.  Jahrhundert  und  ihre  Lager- 
vorräthe:  ebenda  S.  204—282. 

—  Metallschnitt  im  Buchdruck:  ebenda  S.  358. 

—  Zu  Christoph  Kirchners  Concurs:  ebenda  S.  359. 

Klix-Kamenz,  F.  F.  Die  Familie  von  Lessing:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1888.     No.  6.     S.  33  f. 

Kohl,  Dietrich.  Die  Politik  Knrsachsens  während  des  Interregnums 
und  der  Kaiserwahl  1612.  Nach  archivalischen  Quellen  dar- 
gestellt.   Inaug.-Diss.     Halle.     1887.     75  SS.     8*>. 

Kolde,  Th.  Das  zweite  Breve  Adrians  an  Friedrich  den  Weisen 
vom  Jahre  1522:  Kirchengeschichtliche  Studien,  Hermann  Reuter 
zum  70.  Geburtstag  gewidmet.  (Leipzig,  Hinrichs.  1887.) 
S.  202—227. 

Korscheit,  G.  Die  Strafen  der  Vorzeit  in  der  Oberlausitz:  Neues 
Lausitzer  Magazin.     Bd.  LXIII.    (1888.)     S.  306—331. 

—  Kriegsdrangsale  von  Görlitz  und  Umgegend  zur  Zeit  des  dreissig- 
jährigen  Krieges:  ebenda  S.  332—350. 

Krebs,  Kurt.  Aus  der  Vergangenheit  von  Eutritzsch.  Eine  Fest- 
schrift zur  Einweihung  der  erneuerten  Kirche  zu  Eutritzsch. 
Heft  1.     Leipzig,  Rossberg.     1888.     63  SS.     8'\ 

Küppers,  Paul.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Musik  -  Instru- 
mentenmacher-Gewerbes mit  besonderer  Rücksicht  auf  Leipzig. 
Inaug.-Diss.     Leipzig.     1886.    48  SS.     8^. 

Larrass.  Geschichte  des  Königl.  Sachs.  6.  Infanterie -Regiments 
No.  105  und  seine  A^orgescliichte  1701—1887.  Mit  Benutzung 
officieller  Quellen  bearbeitet.  Leipzig,  Giesecke  u.  Devrient. 
1887.     IX,  603  SS.     8». 

-Lawe  s.  Schum... 

Lehmann,  0.  Überblick  über  die  Thätigkeit  des  Gebirgs- Vereins 
für  die  sächsisch-böhmische  Schweiz  in  den  ersten  zehn  .Jahren 
seines  Bestehens:  Jahrbuch  des  Gebirgs-Vereins  etc.  III.  (1887.) 
S.  58—69. 

Lemcke,  P.  Ein  deutscher  Staatswirth  fH.  Th.  v.  Schön]  in  und 
über  Leipzig  und  Sachsen  vor  91  Jahren:  "Wissenschaftliche  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung.     1888.     No.  11.     S.  61—63. 

Lenz,  Max.  Zur  Kritik  Sezyma  Rasin's:  Historische  Zeitschrift. 
N.  F.     Bd.  XXIII.     S.  1—68,  385-480. 

Lessing,  Jul.  Das  Porzellangeschirr  Sulkowski :  Kunstgewerbeblatt. 
4.  Jahrg.     (1888.)    S.  43—48. 


Literatur.  181 

Leuthold.  Die  Freiberger  Bergwerksverfassuny  im  14.  Jahrliumlert: 
Zeitschrift  für  Bergrecht.     Bd.  XXIX.     (1888.)     S.  71-97. 

Lippcrf,  H.  W.  König  Adolf  und  die  \'ügte  von  Phvuen:  Zeit- 
schrift des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und  Alterthums- 
kunde.     N.  F.     Bd.  V.     S.  340—343. 

Lobe.  Über  Friedrich  den  Freidigen  und  das  Pleissnerland  zu  seiner 
Zeit,  nebst  Anhang  über  die  Vormundschaft  des  Vogts  Heinrich 
Reusä  von  Plauen  für  Markgraf  Friedrich  den  Ernsthaften :  Mit- 
theilungen der  Geschichts-  und  Alterthumsforschenden  Gesell- 
schaft des  Osterlandes.     Bd.  9.    Heft  3.    (1886.)    S.  326—356. 

—  Die  Pleissnischeu  Landrichter :  ebenda  Heft  4.  (1887.)  S.  862— 388. 
Meyer,  F.  Renn.     Papierfabrikation   und   Papierhandel.     Beiträge 

zu  ihrer  Geschichte,  besonders  in  Sachsen:  Archiv  für  Geschichte 
des  deutschen  Buchhandels,    XL    (1888.)     S.  283—357. 
MüUer,  Joh.    Adam   Ernst   Senfft  von   Pilsach:    Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1887.    No.  77.     S.  461—464. 

—  Zur  Geschichte  Eochsburgs  und  seiner  Herren.  (Sonderabdruck 
aus  dem  „Schönburger  Tageblatt".     1887.    No.  253,  258,  264  und 

^  269.)    Waidenburg  i,/S.,  Kästner.     1887.     32  SS.    8». 

Xecdon,  B.  Die  Ortsnamen  des  Königreichs  Sachsen:  Wissen- 
schaftliche Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887.  X^o.  86,  88. 
S.  515-518,  527—529. 

Ohnesoreje,  Fr.  W.  L.  Götzinger:  Jahrbuch  des  Gebirgs-Vereins 
für  die  sächsiscli-1)öhmische  Schweiz.    III.     (1887.)     S.  1—18. 

Oertcl,  G.  Zur  Geschichte  der  sächsischen  Lotterie:  Wissenschaft- 
liche Beilage   der  Leipziger  Zeitung.     1887.    No.  87.     S.    521  f. 

—  Einiges  vom  Aberglauben  in  unserem  Volke:  ebenda  No.  103. 
S.  633-636. 

—  Zui-  Geschichte  des  Weinbaues  in  Sachsen:  ebenda  1888.  No.  21. 
S.  121  f. 

Otto,  YUdor.  Das  Recht  der  Lchngüter  in  den  Erblanden  des  Kö- 
nigreichs Sachsen.  Leipzig,  Breitkopf  u  Härtel.  1888.  IV, 
1.50  SS.     8°. 

Pohle,  E.  Der  Seminargedanke  in  Sachsen  und  seine  erste  staat- 
liche Verwirklichung.  Festschrift  zur  Feier  des  hundertjährigen 
Bestehens  des  Kgl.  Schullehrer  -  Seminars  zu  Dresden  -  Friedrich- 
stadt am  23.  September  1887.    Dresden,  Huhle.    1887.    211  SS.    8». 

C.  V.  H.faah].  Auszüge  aus  den  Kirchenbüchern  der  im  sächsischen 
Vogtlande  gelegeneu  Pfarren  zu  Altensalz  (1586—1800),  Bergen 
(1589—1635  und  1723-1772),  Theuma  mit  Filial  Tirpersdorf 
(1632—1800)  und  Werda  (1599-1765):  Vierteljahrsschrift  für 
Heraldik,  herausgegeben  vom  Verein  Herold.  Jahrg.  XIV.  (1886.) 
S.  251—285. 

Richter,  Karl.  Der  Name  des  Eibstroms:  Jahrbuch  des  Gebirgs- 
Vereins  für  die  sächsisch  -  böhmische  Schweiz.  III.  (1887). 
_  S.  47—57. 

Richter,  P.  F.  Verzeichnis  der  die  sächsische  Schweiz  betreffenden 
Artikel  einiger  Periodica:  ebenda  S.  70—82. 

—  Ein  von  D.  B.  illustriertes,  bei  Mathes  Stöckel  in  Dresden  im 
Jahre  1585  erschienenes  Buch :  Kunstchronik  (Beiblatt  zur  Zeit- 
schrift für  bildende  Kunst).    Jahrg.  XXIII.     S.  8-10. 

—  J.  F.  Der  neue  Katalog  der  Dresdner  Gemäldegalerie:  ebenda 
S.  189—192. 

Roquette,  Otto.  Dresdner  Erinnerungen:  Die  Gegenwart.  Bd.  XXXI. 
(1887.)     No.  13.     S.  204-206. 


182  Literatur. 

(Eossiiunni.  W.)  Küiisth  rbiefe  aus  den  Jahren  1760-1830  (VJl 
bis  XI):  Wisseiiscliaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitmiü,'.  1887. 
No.  76,  78,  88,  102.  S.  457— 4.'-)9.  468-470,  527—529,  630  bis 
632.     1888.     No.  6.     S.  34—36. 

Enge,  S.  Rede  auf  Uützinger:  Jahrbuch  des  (lelnrgs- Vereins  für 
die  sächsisch-böhmische  Schweiz.    IIT.     (1887.)     S.  19—37. 

Sehnt idf,  Gß.  Die  Familie  von  dein  Borne  mit  den  nanienverwandten 
(leschlec'htern.  Merseburg,  Steffenhagen  (Komm).  1887.  365  SS. 
mit  3  Tafeln  und  7  genealogisclien  Tabellen     8". 

Schönermark,  Gustav.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau- 
und  Kunstdenkmäler  der  Stadt  Halle  und  des  Saalkreises  (A.  u. 
d.  T. :  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler der  Pi-ovinz  Sachsen  und  angrenzenden  Gebiete.  Her- 
ausgegeben von  der  Historischen  Kommission  der  Provinz  Sachsen. 
Neue  Folge.  1.  Bd.)  Mit  32  Tafeln  und  gegen  400  in  den  Text  ge- 
druckten Abbildungen.  Halle  a./S.,  Hendel.  1886.  VIII,  619  SS.  8^ 

Schön  icählcr.  Das  Quellgebiet  der  Görlitzer  Neisse  oder  der  Zagost 
und  seine  Bevölkerung  (Schluss) :  Neues  Lausitzer  Magazin. 
n888.)     Bd.  LXIIL     S.  197—250. 

V.  Schubert.  Charakteristik  der  Kriegführung  im  7jährigen  Kriege, 
mit  besonderer  Beziehung  auf  den  Kriegsschauplatz  in  Sachsen. 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  No.  83. 
S.  493—498. 

Schnm,  W.,  und  Laue,  M.  Jahresberichte  über  Erscheinungen  auf 
dem  Gebiete  der  Geschichte  von  Obersachsen,  Thüringen  und 
Hessen  im  Jahre  1883:  Jahres])erichte  der  Geschichtswissen- 
schaft im  Auftrage  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin  her- 
ausgegeben von  J.  Hermann  und  J.  Jastrow,  VI.  Jahrg.  (1883.) 
Berlin,  P.  Gaertners  Verlagsbuchhandlung  (Herm.  Heyfelder;. 
1888.     IL     S.  145-153.     III.     S.  98—103. 

Stein,  Armin.  Aus  dem  Jugendleben  Johann  Friedrich  des  Gross- 
müthigen.    Barmen,  H.  Klein.     1888.     110  SS.    8«. 

Teige,  Jos.  Beiwitz  v.  Nostwitz.  Ein  Beitrag  zur  meissnischen  und 
nordböhmischen  Genealogie,  nach  Urkunden  bearbeitet :  Viertel- 
jahrsschrift  für  Heraldik,  Sphi'agistik  und  Genealogie.  Jahrg.  XV. 
's.  408—419. 

Uhle,  P.  Zur  Geschichte  des  Brauwesens  in  Chemnitz:  Chemnitzer 
Tageblatt.     1887.     No.  298.     7.  Beilage. 

—  Der  sogenannte  Bierzwang  in  der  Meile  um  Chemnitz:  ebenda 
1888.     No   37.     3.  Beilage. 

Werl,  Adolph.  Das  Vorkommen  von  Gold  in  Sachsen  einst  und 
jetzt:  "Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887. 
"No.  99.     S.  601—604. 

Will,  K.  P.  Sanet  Benno,  Bischof  von  Meissen.  Quellenniässige 
Darstellung  seines  heiligen  Ijebens  und  segensreichen  Wirkens. 
Mit  einem  Bildnisse  des  heiligen  Benno.  Dresden,  P.  Schmidt 
(Komm.).     1887.     112  SS.    8». 

Witfcr,  JnJ.  Die  Beziehungen  und  der  Verkehr  des  Kurfürsten 
Moritz  von  Sachsen  mit  dem  römischen  Könige  Ferdinand  seit 
dem  Abschlüsse  der  Wittenberger  Kapitulation  bis  zum  Passauer 
Vertrage.     Neustadt  a./d.  Haardt.     1886.    88  SS.     8». 

Woermann,  K.  Katalog  der  Königlichen  Gemäldegalerie  zu  Dres- 
den. Herausgegeben  von  der  Generaldirektion  der  Kgl.  Samm- 
lungen für  Kunst  und  Wissenschaft.  Grosse  Ausgabe.  Dresden. 
1887.    XXVIII,  887  SS.     8". 


Literatur.  183 

Wustmann,  G.  Wilhelm  Dilicli:  Zeitschrift  für  bildende  Kunst. 
Jahrg.     XXIII.     (1888.)     S.  110—116. 

Frhr.  v.  Zedtwitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  im  Königreiche  Sach- 
sen blühenden  Adelsfamilien :  von  der  Crone  —  von  Funcke] :  Dres- 
dener Residenz-Kalender  für  1888.  Dresden,  Warnatz  &  Leh- 
mann.    S.  1.59-170. 

Zimmermann,  Paul.  Heinrich  Gödings  Gedicht  von  Heinriih  dem 
LöAven:  Beiträge  zur  üescliichte  der  deutschen  Sprache  und 
Litteratur.     Bd.  XIII.     S.  278-310. 

Zöllner,  C.  W.  Geschichte  der  Fabrik-  und  Handelsstadt  Chemnitz 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart.  Chemnitz,  Troitzsch. 
1888.     VIII,  504  SS.     8». 

Chronik,  kurze,  der  Stadt  Chemnitz.  Vom  Entstehen  bis  zur 
neuesten  Zeit  1136—1887  mit  freiem  Raum  zur  Fortführung  bis 
zum  Jahre  1900.  Mit  dem  kolorierten  Stadtwappen  von  Chemnitz, 
entworfen  von  E.  Doepler  dem  Jüngeren.  Ein  Gedenkbuch  für 
jede  Chenmitzer  Familie.     Chemnitz,  Focke.     (1887.)    23  SS.    4P. 

Flugblätter,  das  Leben  Wilhelm  Leberecht  Götziugers  betreffend: 
Jahrbuch  des  Gebirgs- Vereins  für  die  sächsisch-böhmische  Schweiz. 
III.     (1887.)     S.  38—46. 

Sächsische  Volksschullehrer  vor  der  Zeit  der  Seminare:  Wissen- 
schaftliche Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887.  No.  75.  Seite 
449—457. 

Mansfeläer  Blätter.  Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  und 
Alterthümer  der  Grafschaft  Mansfeld  zu  Eisleben.  Herausgegeben 
von  H.  Grössler.  Erster  Jahrg.  1887.  Eisleben.  1887.  2  Ell. 
132  SS.    B». 

Inhalt:  Grössler,  Nachlese  von  Sagen  und  Gebräuchen  der 
Grafschaft  Mansfeld  und  ihrer  nächsten  Umgebvmg.  Rembe,  H., 
Der  Briefwechsel  des  M.  Cyrianus  Spangenberg.     (1.  Hälfte.) 

Mittheilwtyen  des  Alterthumsvereins  zu  Plauen  i./V.  Sechste 
Jahresschrift  auf  die  Jahre  1886—87.  Herausgegeben  von  Joh. 
Müller.     Plauen.     1887.     XCV,  107  SS.    8". 

Inhalt:  Joh.  Müller,  Die  Protokolle  der  Kirchenvisitationen 
in  den  Ämtern  Vogtsberg  und  Plauen  vom  15.  Februar  bis  6.  März 
1629  und  vom  23.  März  bis  13.  April  1533,  bez.  in  Elsterberg 
vom  19.  bis  20.  September  1533.  C.  v.  R[aab],  Beiträge  zur 
Geschichte  des  Vogtländischen  Adels.  Ders.,  Das  Rittergut 
Pohl  und  seine  früheren  Besitzer.  J.  Müller,  Eine  Predigt 
Paul  Rebhuns  nebst  Bemerkungen  über  seine  Schriften.  Ders., 
Kirchliche  Landesordnung  des  Kurfürsten  Johann  von  Sachsen 
vom  Jahi-e  1527.  A.  Neupert,  Zur  Geschichte  der  Tischler- 
und  Glaser-Innung  in  Plauen  i./V.  C.  v.  R[aab],  Vogtlän- 
dische Heirathsausstattungen  im  16.  Jahrhundert. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  and  Alter- 
thumskundc.  Band  V.  Heft  2.  Dessau.  1887.  S.  65—136.  S''. 
Inhalt:  Stenzel,  Wahlsprüche  Anhaltischer  Fürsten  und 
Fürstinnen  und  ihrer  nächsten  Anverwandten.  Suhle,  Greff, 
Schulmeister  in  Dessau,  der  Verfasser  des  Dramas  vom  Patriarchen 
Jacob.  R.  Köhler,  Ergänzungen  zu  G.  Krause,  Urkunden, 
Aktenstücke  und  Briefe  zur  Geschichte  der  Anhaltischen  Lande 
und  ihrer  Fürsten.  (Leipzig.  1866.)  Ho  saus.  Dichter  und 
Dichterinnen  aus  dem  Hause  der  Askanier.  Blume,  Littera- 
rische Xachweise  zur  Geschichte  und  Landeskunde  Anhalts. 


\^^  Literatur. 

MiWieihinqcn  des  Yerriris  für  Geschichte  Dresdens.    Achtes  Heft. 
Dresden,  Tittmami  (Komm.).     1888.     110  SS.     8». 

Inhalt:  Neidliard t ,  Der  Xafhlass  des  knrsiichs.  Preniier- 
ministers  Reichsgrafen  Heinrich  von  Biiihl.  Hantzsch,  Ge- 
schichte des  Dresdner  Christmarkts.  Ders.,  Der  lleisewitzische 
(iai'ten  in  PLanen  hei  ])resden.  „Verehrungen"  des  Jlathes  zn 
Dresden  an  hoho  Beamte  1680  his  1718.  Gr.  Müller,  Die  (Geist- 
lichkeit der  Siiperintendentur  Dresden  im  Jahre  1578. 


Berichtigungen  und  Ergänzungen. 

Zu  der  in  Band  VIII  dieser  Zeitschrift  erschienenen  Studie 
über  Heinrich  Giiding  d.  Ä.  füge  ich  —  einer  gütigen  Mittheilung 
des  Herrn  Kathsarchivar  Dr.  Kichter  gemäss  —  ergänzend  hinzu, 
dass  von  den  (S  334)  Ijesprochencn  18  von  Clöding  geraalten  Bildern, 
welche  ehemals  die  Frauenkirche,  später  die  Sophienkirche  zu  Dres- 
den schmückten,  sich  heute  noch,  freilich  in  ziemlich  schlechtem  Zu- 
stande, zehn  in  der  Stadtbibliothek  zu  Dresden  befinden. 

K.  Berling. 

Band  VIII  S.  121  N.  10  lies:  1574  statt  1754  (in  der  Überschrift). 
„  128  ist  Anmerlamg  28  zu  streichen;  Rudolf  Hilde- 
brand theilte  mir  nämlich  neuerdings  mit,  dass 
unter  „Kabelhau"  eher  das  Hauen  in  einem 
bestimmten  Waldstücke  (Kabel)  zu  verstehen 
sein  dürfte. 
Zu     ,.  „      ,.  148  Anm.  3  trage  ich  noch  nach:  J.  u.  A.  Erbstein, 

Paul  Walther  etc.    (1886.)    Sp.  4  flg. 
„  149  (vüL  auch  die  Berichtigung  am  Ende  des  betr. 
Bandes)    ist    das    Datum    „26.  November  1599" 
richtig,  doch  ging  die  dort  erwähnte  Erlaubnis 
nicht   voin   Kurfürsten   August,    sondern    vom 
Administrator  Friedrich  Wilhelm  aus. 
„   Ebenda  Anm.  5  lies:  Loc.  7341  statt  Loc.  3741. 
„         ,,  „6      .     B1.271'-. 

„      7  und   S.  1.50  Anm.  8   lies:    Anm.  4  cit. 
statt  Anm.  1  cit. 

Th.  Distel. 


Grundriss  des  kurfürstlichen  Opernhauses  1664. 


el  I. 


Grundriss  der  katholischen  Hofkapelle  1708. 


Das  Innere  c 


fei  II. 


Opernhauses  1678. 


i«^s«:-: 


Das  Inner 


1 III. 


er  Hofkapelle  1719. 


vn. 

Beiträge 

zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna 

auf  Grund  der  Stadtreclinungen  des 

15.  und  16.  Jahrhunderts. 

Von 

Reinhold  Hofmann. 


Die  Stadt  Pirna,  günstig-  gelegen  und  schon  im 
13.  Jahrhundert  —  zwei  Jahrhunderte  früher  als  Dresden 
—  mit  dem  gewinnbringenden  Niederlagsrecht  (Stapel- 
recht) ausgestattet,  hatte  bereits  in  früher  Zeit  eine 
reichliche  Anzahl  von  Archivalien,  die  sich  infolge  des 
weitverzweigten  Geschäftsverkehrs  rasch  anhäuften,  eine 
wachsende  Menge  von  Schieden,  Rezessen,  von  immer 
wieder  erneuerten  Privilegienbriefen ^).  Sie  wurden  auf 
dem  Eathhause  aufbewahrt  und  als  werthvolle  Beweis- 
stücke von  Rechten  und  Freiheiten  mit  ängstlicher  Sorg- 
falt bewacht  und  geheim  gehalten.  Als  der  Konrektor 
der  Pirnaer  Stadtschule  Salomon  Petermann  am  Ende 
des  17.  JaMmnderts,  wie  schon  vorher  sein  Vater,  Rektor 

1)  Die  durch  Brand  zerstörten  Privilegienbriefe,  die  Markgraf 
Heinrich  der  Stadt  verliehen  hatte,  erneuerte  im  Jahre  1325  König 
Johann  von  Böhmen,  namentlich  das  Recht  der  Niederlage  und  La- 
dung, die  Zollrolle,  sowie  Bestimmungen  ü]}er  Ausübung  der  Gerichts- 
barkeit und  über  das  IMarktrecht.  Die  umfängliche  und  interessante 
Urkunde  ist  abgedruckt  im  Cod.  dipl.  Sax.  Eeg.  II.  5,  337  tlg.  nach 
dem  lateinischen. .Original  im  Rathsarchiv  zu  Pirna.  Zahlreiche 
Abschriften  und  Übersetzungen  finden  sich  ebenda. 


186  Reinhold  Hofmann: 

Tobias  Petermann  der  Altere,  im  Auftrage  des  Rathes 
schwer  lesbare  Urkunden  abschrieb  und  lateinische  „in 
ein  gut  Deutsch"  übersetzte,  musste  er  schAvören,  dass  er 
„mit  denenjenigen  Urkunden  und  Briefschaften,  als  welche 
E.  E.  Ilatlies  und  der  ganzen  Stadt  allhier  Privilegia, 
Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  betreffen  und  ihm  jetzo 
nach  und  nach  zum  glaubwürdigen  Abkopieren  des  vorfal- 
lenden Bedürfnisses  halber  originaliter  anvertraut  sollen 
werden,  getreulich,  gebührend  und  vorsichtig  wolle  um- 
gehen, die  Originalia,  wie  sie  ihm  würden  zugehändiget, 
ganz  im  geringsten  nicht  verfälschet,  radieret  und  kor- 
rigieret allemal  wieder  ausstellen,  davon  nichts  abhanden 
kommen,  keine  sonderliche  Abschriften  vor  ilni  oder  vor 
andere  machen  lassen  oder  niemandem  andern  dergleichen 
einigerlei  zu  tlmn  gestatten,  dieselben  auch  nicht  gefähr- 
licher Weise  divulgieren,  sondern  verschwiegen  halten 
wolle"-).  Das  schrecklichste  Jahr  der  Geschichte  Piinas, 
das  Jahr  des  „Pirnaischen  Elends"  1639-^),  wurde  ver- 
hängnisvoll auch  für  die  Urkundenschätze  der  Stadt. 
„Gleichermafsen  hatte",  so  berichtet  ein  Augenzeuge,  „diese 
feindlirlie  rabies  auch  des  Rathhauses  nicht  verschonet, 
indem  alle  brietiiche  Urkunden  an  Privilegien,  Pechnungen, 
(^)uittungen,  Kaufbüchern  und  andei-e  Sachen  mehr  aufu 
Markt  lieruntergeworfen  worden,  welche,  als  der  nächst 
anwohnende  Bürgei-meister  Christoph  Werner  gesehen,  dass 
die  Soldaten  viel  darvon  zu  Patronen  und  anderm  zer- 
rissen und  hinweggetragen  hatten,  der  llatli  bei  General 
Banner  ausgebeten  und  in  Tragekörben  und  Butten  wie- 
derum!) liinauf  in  ein  „  Samosorrium "  eilfertig  bringen 
und  werfen  lassen"'*).     Gerettet  wurde  glückliclierweise 


-)  Dies  berichtet  Tobias  Petermann  d.  .).,  des  Salonion 
l'rndor,  in  seiner  im  ersten  Dritttd  des  18.  .lahrhnntlerts  verfasston 
Clironik  von  Pirna  (Handsclirift  des  Kathsandnvs).  Baurechnnnü: 
1567:  13  Gr.  Lnx.  —  (V)  von  1  .Schloss,  ßandt  nnd  lieberinge  an 
den  Gasten,  dar  ein  die  Privilegia  zu  b^gen. 

"_)  In  dem  „Untertbänigsteu  Lanilesbcricbt  an  Knrf.  Dnrchl. 
von  dem  Elend  des  ganzen  Landes  auf  dem  Landtage  1640"  heisst 
es:  „Pirna  beklagt  sich  buchst,  dafs  sie  an  Kriegsschaden 
93675  Tliater  zu  s])ecilizieren  und  dafs  ao.  1639  die  ganze  N'or.städt 
an  380  Häusern,  die  Kirchen  (Xikolaikircbe),  das  H(»si)ital,  nebst 
allen  Seheuneii,  X'iirwcrkeii,  6  ]\Iüblen,  2  Ziegelüfcn,  dem  iJorf  Co])itz, 
wie  auch  in  der  Sta<U  3  Pfarr-  und  70  Wohnhäuser  in  die  Asche 
geleget,  die  Stadt  V(im  Feinde  gestiirmet,  erobert,  dreimal  geplündert 
und  23  Wochen  bniu-  in  des  Feindes  (Jewalt  gewesen." 

"*)  Kigentliche  |]Vacbri(bt|ung  .  . .  .  Wie  der  Cron  Schweden  Ge- 
neral  und    Feld  Marschall   Herr  .Johann  Banner,  dem  16.  April  ao. 


Beiträge  znr  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       187 

aiicli  (las  geographisch -liistorischo,  bis  zum  Jahre  1530 
reichende  Sammelwerk  des  „Pirnaischeii  Mönchs"  Johann 
Tjindner.  „Dieses  Manuscriptum",  so  steht  auf  einem  an 
die  Innenseite  des  vorderen  Einbanddeckels  angeklebten 
Quart  blatte,  „ist  im  dreiisigj  ährigen  Kriege  in  der  Stadt 
Pirna  von  denen  Soldaten,  so  Geld  in  Büchern  gesucht, 
nebst  anderen  ausgestankert  und  hingeworfen,  sodann  zu 
einem  Wiirzkrämer  gebracht  worden,  welcher  es  zu 
Tüten  brauchen  wollen,  auch  bereits  einen  Anfang  damit 
gemacht,  bis  ungefähr  ein  alter  Geistlicher  unweit  Pirna 
in  selbigen  Laden  gekommen  und  als  ein  curieuser  Phi- 
lister es  vom  Untergange  noch  errettete'-.  Den  noch  über 
700  Blätter  enthaltenden  Codex  überliess  Johann  Konrad 
Knauth  (1662 — 1732)  „als  eine  Rarität  in  die  zahlreiche 
llathsbibliothek  in  Leipzig"'^),  wo  er  sich  noch  heute  als 
einer  ihrer  werthvollsten  Schätze  befindet*^).  Im  letzten 
Drittel  des  17.  Jahrhunderts  hat  der  Syndikus  Samuel 
Lufft  „die  in  voller  Konfusion  beim  Archivis  befundenen 
Documenta  nach  Unterscheid  derer  mancherlei  Materien 
lociert,  kurz,  aber  möglichst  vollkommen  extrahiert  und 
sie  unter  gewisse  titulos  in  ein  Repertorium  gebracht". 
Zu  dieser  mühevollen  Arbeit  hat  ihn  „einzig  und  allein 
sein  aufrichtig  gutherziges  Gemüthe  bewogen  und  die 
Liebe  zu  des  gemeinen  Stadtwesens  herrlichen  Verfass- 
und  Ordnungen,  wie  auch  den  darauf  fmidierten  vortreff- 
lichen Freiheiten".  1685  war  die  vierzehnjährige,  ver- 
dienstvolle Arbeit  vollendet").  Als  Lufft  1671,  17.  Mai, 
sein  Jurament  als  Stadt-  und  Gerichtsschreiber  leistete, 
hatte  er  ausnahmsweise  die  Erlaubnis  erhalten,  Acta, 
Register,  Missiven  u.  a.  dem  Rath  und  den  Gerichten 
zugehörige  Sachen   mit  nach  Hause  nehmen  zu  dürfen, 


1639  die  Stadt  Pirna ....  Bloquiret am  23.  April  eingenommen. 

(Handschrift  des  Kathsarchivs.) 

•')  Dies  versichert  Knauth  selbst  in  einer  eigenhändigen  Notiz 
bei  Wilisch,  Vorrath  zur  Pirn.  Historie  (Auuaberg  1724)  S.  3  quer 
am  Kande  ..(Exemplar  in  der  Kgl.  Bibl.  zu  Dresden,  Hist.  Sax. 
H.  571).  Über  den  „Pirn.  Mönch"  und  sein  Werk  s.  meine  Ab- 
handlung:  Die  kirchlichen  Zustände  der  Stadt  Pirna  vor  der  Ein- 
führung der  Reformation  im  Jahre  1539  (Beigabe  zu  dem  Programm 
der  Realschule  mit  Progymnasium  zu  Pirna.     Ostern  1887)  S.  63  flg. 

")  „....iure  suo  in  pretiosissimis  bibliothecae  codicibus  lESS. 
liabitus."  Naumann,  Catalogus  libr.  mscr.  qui  in  bibl.  senat.  civ. 
Lips.  asservantur  ((ärimae  1838)  p.  135. 

')  Sie  wird  in  2  Exemplaren  (darunter  eine  Abschrift  aus  dem 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts)  im  Rathsarchiv  aulljewahrt.  Eine 
Abschrift  auch  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Dresden. 


188  Rcinhold  Hofmaim: 

aber  „aiiiser  Gebrauch  soll  er  sie  iiiclit  in  sseiiier  Piivat- 
wolimiiig'  liegen  bleiben  lassen,  sondern  wieder  in  den 
p:eliüri<2;en  Ort  befürderii".  (Ratlis])rut.)  Lnttts  Nacli- 
folger,  der  Syndikus  Dr.  Tobias  IJartli,  eni[»ralil  1701 
dem  llatli  die  Anlegung'  eines  feuerfesten  (jieniaclis  für 
die  Akten  und  das  Archiv*^).  218  (Julden  wurden  hierzu 
aus  der  Kammer  bewilligt.  Im  Jahre  1706  rettete  man 
bei  der  Nachricht  von  dem  Heranrücken  der  Schweden 
die  städtischen  Urkunden  in  zAvei  Laden  auf  den  König- 
stein''}. Infolge  eines  kurfürstlichen  Reskripts  vom  3.  De- 
cember  1728  sollte  der  Syndikus  Dr.  Johann  Nathanael 
Barth  die  seit  1701  ergangenen  Acta  und  Protokolle  u.  a. 
im  Aerario  i)ul)lico  voi-liandenen  Schriften  und  Documenta 
durchgehen,  und  wo  bei  einem  otler  dem  andern  etwas 
zu  erinnern  sei,  solle  er  dies  in  ein  Verzeichnis  bringen, 
damit  in  zweifelhaften  Fällen  hölieren  Orts  angefragt 
werden  könne.  Darauf  wurde  der  „Syndikus  als  Archi- 
varius"  nochmals  auf  seine  des  StempeliJapiers  wegen 
geleistete  Ptiicht  gewiesen  und  dem  Bürgermeister  Gott- 
schalch  darüber  der  Haudsclüag  abgestattet^").  In  der 
Mitte  des  voiigen  Jahrhunderts  haben  zwei  Pirnaer  Schul- 
männer, Kantor  ('hristian  Heckel  und  Rektor  M.  Karl 
Gottfried  Zaake,  die  Urkunden  der  Stadt  lleissig  studiert, 
aber  Zaakes  Plan,  eine  auf  diesen  Forschungen  beruhende 
Geschichte  Piiinis  zu  schreiben,  ist  leider  nicht  zur  Voll- 
endung gekommen  ^^).  Die  Klage  K.  A.  Engelhai'dts, 
des  A^'erfassers  einer  „historischen  Skizze  von  der  Stadt 
Pirna",  aus  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts'-):  ,.Die 
meisten  Städte  Sachsens  haben  ihre  Annalisten  gefunden, 
Avelche  voluminöse  Chroniken  hinterliessen,  und  gerade 
Pirna,  eine  in  jeder  Rücksicht  so  merkwürdige  Stadt, 
kann  bis  jetzt  noch  keine  nur  mittelmässige  Chronik,  viel 
weniger  eine  historisch -kritische  Darstellung  ihrer  Ge- 
schiclite  aufweisen",  hat  noch  heute  ihre  Berechtigung. 
Die  städtischen  Urkunden  bis  zum  Jahre  1483  (die 
das  Dominikanerkloster  betretf enden  bis  zum  Jahre  1548) 


8)  Rathsprotokoll  1701,  5.  April. 

ö)  Rathsprotokoll  1706,  7.  Sept.  —  „1707,  14.  Sept.  ist  das 
Archiv  von  der  Eestung  Avieder  anhero  gebracht  worden."  (Raths- 
protokoll d.  d.) 

10)  Rathsprotokoll  vom  24.  Febr.  1729. 

")  S.  meine  obenerwähnte  rrogrammabhandlung  S.  12. 

12)  In  AVeisses  Museum  für  die  Sächsische  (jreschichte,  Lit- 
teratur  imd  Staatskuude.    III,  195—222. 


Beiträge  zur  Verfassungsgesdiichte  der  Sttult  Pirna.       189 


sind  —  mit  Ausiialime  von  aclii  -  zum  eisten  Mal  f;"c- 
(Iriickt  worden  (1875)  im  Codex  Diploniaticus  Saxoniae 
Ivcgiae,  II.  Hani)ttlieil,  5.  Band,  S.  328 — 493,  nachdem 
Dr.  Pfotenliauer,  jetzt  Kgl.  Areliivar  zu  ]>i'eslau,  im 
Jahre  1808  einen  Theil  des  mittlerweile  halb  vergessenen 
städtischen  Archivs  wieder  ans  Tageslicht  gezogen  hatte. 
Die  Pergamenturkunden  (darunter  die  älteste  vom  Jahre 
1294)  fand  er  in  der  dunklen  und  unriihndichen  Tiefe 
zweier  Kartotfelsäcke  auf  einem  rinstei'en  Bodenraum  des 
alten  Kathhauses.  Erst  in  den  letzten  Jahren  ist  dem  rüli- 
menswerthen  und  pietätvollen  Eifer  des  Stadtrathes,  die 
reiche  Vergangenheit  unserer  interessanten  alten  Stadt 
den  Herzen  der  gegenwärtigen  Stadtbewohner  wieder 
näher  zu  bringen,  ein  erfreulicher  Aufschwung  des  ge- 
schichtlichen Sinnes  zu  danken.  Zeugen  dieser  wieder- 
erwachten Liebe  zur  Geschichte  der  Vaterstadt,  die  schon 
in  der  Brust  des  wackeren  Sj^ndikus  Samuel  Lufft  so 
warm  gele1)t  und  aus  seinem  Munde  so  treuherzigen  Aus- 
druck gefunden  hatte,  sind  die  Schöpfung  eines  städtischen 
Kustosamtes  und  die  Begründung  eines  Geschichtsvereins. 
Das  Archiv  und  städtische  Museum  steht  seit  mehreren 
Jahren  unter  der  umsichtigen  Leitung  des  Herrn  Keal- 
schuldirektor  Dr.  Muth.  Die  Schätze  des  Arcliivs  sind 
trotz  mancher  Verluste,  die  Kriegsdrangsale  und  ver- 
ständnislose Gleichgültigkeit  gebracht  haben,  noch  heute 
recht  beachtenswerthe  und  reichhaltige. 

Die  Stadtreclmuiigeu  des  15.  und  IG.  Jahrhunderts. 

Eine  wichtige  Quelle  für  Städtegeschichte  sind  die 
S  t  a  d t  r  e  c h n u  n  g  e  n  ( Kämmereii'echnungen,  Kammerrech- 
nungen [K.  R.] :  die  Kammer  Avar  der  Aufbewahrungsort 
des  städtischen  Vermögensbestandes).  Sie  sind  die  amt- 
lichen Einnahme-  und  Ausgabeverzeichnisse  des  Käm- 
merers, des  mit  der  Leitung  des  städtischen  Rechnungs- 
wesens betrauten  Rathsherrn ,  der  sein  Amt  gewöhnlich 
mehrere  Jahre  hinter  einander  bekleidete.  Für  die  Ge- 
schichte Pirnas  sind  die  Stadtreclmungen  noch  nicht  nutz- 
bar gemacht^'),  und  doch  verbreiten  sie  bei  der  Lücken- 
haftigkeit imserer  schriftlichen  Überlieferung   über  viele 


'*)  In  meiner  oben  erwähnten  Programmabhaudlung:  Die  kii'ch- 
liclieu  Zustände  etc.  habe  ich  die  Stadtrecbnungen  zum  ersten  Mal 
herangezogen  und  eine  Anzahl  ihrer  Notizen  zum  Abdruck  gebracht. 


190  Kciiihold  Hofmann: 

Zweige  des  städtisclien  Lebens  lii'llcs  Licht ;  ;ius  den 
kurzen,  S[)röden  Notizen  taucht  durch  Zusammcnstclhinji' 
und  Yergleichung  nach  und  nach  niancli  lebensvolles  Bild 
emi)or;  in  vielen  Fällen  sind  sie  geradezu  die  einzigen 
Quellen.  Erhalten  sind  uns  die  llechnungen  der  Jahre 
1479,  1490,  1503—5,  1512—15^=^"),  1517—20  und  von 
1529  an  ziendicli  vollständig. 

Ich  werde  im  folgenden  versuchen ,  die  AVichtigkeit 
der  Kämniereirechnungen  des  15.  und  IG.  Jahrhunderts 
für  die  Geschichte  Pirnas  zu  zeigen,  besonders  für  Ge- 
biete der  Verfassungs-  und  Kulturgeschichte.  Zur  Er- 
gänzung werde  ich  auch  andere  zuverlässige  Quellen  '*) 
heranziehen. 

Die  Angaben  der  Kämmerer  sind,  zumal  in  den 
älteren  Rechnungen,  häufig  mit  lateinischen  Wendungen 
untermischt:  die  lateinische  Sprache  war  ja  damals  fast 
noch  eine  lebende;  Gewerbtreibende  benutzten  sie  zu- 
weilen im  schriftlichen  Geschäftsverkehr;  wandernde  Hand- 
werksgesellen schrieben  nicht  selten  lateinische  Sprüche 
und  Verse  in  die  Gesellenbücher  ein.  Die  Aufzeichnungen 
der  Kämmerer  sind  nicht  immer  leicht  lesbar,  doch  in 
der  Hauptsache  immer  noch  besser  geschrieben,  als  die 
ältesten  (erst  mit  dem  Jahre  1603  beginnenden)  ßatlis- 
protokolle. 

Die  Kammerbücher  haben  sämtlich  Ganzfolioformat 
und  umfassen  mit  Ausnahme  der  beiden  ältesten  (1479 
und  1490)  mehrere  Jahre.  Die  einen,  so  die  sechs  ältesten 
(bis  1541),  haben  weichen  Pergamentumschlag,  der  zum 
Theil  beschrieben  ist:  entweder  mit  Notizen  der  Käm- 
merer^"') oder  mit  lateinischen  Sprüchen  und  Sätzen  reli- 


^3'')  Die  Stadtrcclmmis-en  der  Jahre  1503—5  und  1512— 15  sind 
erst,  naclidem  icli  den  vorliegenden  Aufsatz  zum  Druck  abgeliefert 
hatte,  auf  dem  llatlihausboden  zu  Pirna  aufg-efunden  worden.  Ich 
halu!  niu'  einige  ihrer  Aufzeichnungen  hier  abgedruckt.  Der  erste 
Jiand  enthält  die  .lahie  1503  l)is  1505,  das  Format  ist  HoelKjuart, 
der  Umschlag  abgerissen.  Der  zweite  Band,  Folio  mit  Tergauieut- 
umschlag,  umfasst  die  Jahre  1512  bis  1515. 

1')  So  besonders  die  Stadt bücher  (Schöffenbücher),  Avichtige 
Beweismittel  für  die  meisten  privatrcchtliehen  Verhältnisse  der  Stadt- 
bewohner. Die  ältesten  drei  (von  1432  bis  1512)  tindet  man  jetzt 
im  Kgl.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  9901  Justizsachen  als  „Cierichts- 
protokoUe  der  St.  Pirna  1«,  l^  1^".  Die  folgenden  von  1512  au 
liegen  noch  im  Archiv  des  Kgl.  Amtsgerichts  zu  Pirna. 

lö)  So  l)emerkt  der  Kämmerer  des  Jahres  1479:  dafs  er  der  Her- 
zogin Elisabeth  von  Sachsen,  unser  gu.  Fraweu  am  5.  post  Mis.  dorn. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschiehte  der  Stadt  Pirna.       191 

giösen  Inhalts  mit  kunstvoll  verzierten  bnnten  Initialen. 
Die  übrigen  Reclinnngen  des  IG.  Jahrliunderts  haben  Holz- 
einband mit  Überzng-  von  gepresstem  Leder:  ein  solches 
Kammerbuch  (10  bis  12  Buch  Papier)  kostete  c.  1  Gulden, 
einschliesslich  des  Buchbinderlohnes  (c.  10  Gr.).  Das  „An- 
stechen der  Klausuren"  (Schliessen) ,  die  zmn  Theil  be- 
schädigt oder  abgerissen  sind,  kostete  ^/o  bis  1  Gr.  Die 
Kämmerer  rechnen  durchgängig  noch  nach  Schock  Gro- 
schen: 1  (neues)  Schock  =  60  Gr.,  1  Gr.  =  12  Pfennige, 
1  Pf .  =  2  Heller.  Daneben  findet  sich  häufig  die  Umrech- 
nung nach  dem  (meissnischen)  Gulden,  der  seit  c.  1500 
die  Umlaufsmünze  geworden  war:  1  fl.  =  21  Gr.^*'). 
Seltener  findet  sich  die  neuere  Rechnung  nach  Thalern: 
1  Thlr.  =  24  Gr. 

Die  Rechnungen  sind  sämtlich  auf  Papier  ge- 
schrieben. Unter  der  Rubrik  „Ausgabe  Schreibekost" 
verzeichnen  die  Kämmerer  die  Ausgaben  des  Ratlies  für 
Pergament,  Papier  (Herrenpapier,  Schreibepapier,  Aus- 
sclmss),  rothes  Siegel  wachs  ^^),  Bindfaden,  Steppseide, 
Tintenzeug,  Schreibkalender.  Das  Papier'^)  wurde  be- 
zogen aus  Bautzen,  Leipzig,  Freiberg,  Aussig,  König- 
stein, einmal  kommt  auch  Dittersbacher  und  Gorknitzer 
Papier  vor,  1593/94:  ..Durckisch  Pappier".  1591  u.  f.  wird 
„der  Papiermacher  zum  Lohmen"  erwähnt.  1  Ries  Pa- 
pier kostete  gewöhnlich  20  Gr.  (Herrenpapier  40  Gr.). 
1  Pfd.  Siegelwachs  12  Gr.  (1  Pfd.  gewöhnliclies  Wachs 
c.  3V2  Gr.).  1539  bekommt  der  Drechsler  V-2  Grr.  für 
3  „Buclisen  (Kapseln,  bullae),  die  man  über  die  grossen 
Siegel  schleusst".  Das  „Tintenzeug"  bestand  aus  „Kop- 
perwasser" (l  Pfd.  12  Pf.),  „Victril",  Essig,  Gummi  und 
„Durckisch  Galles"  (das  Pfd.  zu  7  Gr.  G  Pf.). 


(29.  April)  30  rli.  CTuldeu  geliehen,  die  sie  wedder  wil  geben  uff 
Montag  nach  .Tohaunis  (28.  Juni). 

'*')  Ein  meis.sn.  GuUlen  hatte  4V5  M.  jetzigen  Geldes  Silberwerth 
und  unter  Berücksichtigung  des  Cletreide-Durchschnittspreises  einen 
wirklichen  ^^'erth  von  15'Vj  M.  So  hereclmet  Bnrkhardt,  Ge- 
schichte der  sächsischen  Kirchen-  und  Schulvisitutioiieii  S.  XXIV  f. 

'"')  Das  dem  Rathe  von  Herzog  ]\Ioritz  verliehene  Kecht,  mit 
rotheni  Wachs  zu  siegeln,  bestätigt  König  Ferdinand  im  .lahre  1549, 
zuoieich  verändert,  zieret  und  bessert  er  der  Stadt  l'irna  ihr  alt 
Wappen  und  Kleinod.  Der  W'appenlirief  mit  dem  farldg  ansi;eführten 
Stadtwappen  (das  3.  der  Zeit  nach:  Birnbaum  mit  2  Löwen)  und  des 
Königs  eigeidjündiger  Unterschrift  im  Rathsarchiv. 

^■"j  Vgl.  Job.  Falke,  Zur  Geschichte  der  Papierfabrikation 
im  Kurf.  Sachsen,  in  v.  Webers  Archiv  für  Sachs.  Gesch.    I,  329  flg. 


192  Reinliold  Hofmann: 

Das  Rechnungsjahr  erstreckt  sich  seit  der  Neu- 
ordnung der  Rathswahl  durch  Herzog  Georg  im  Jahre 
1519  (bis  1642)  von  Walpurgis  bis  Walpurgis ;  vorher  von 
Weihnachten  bis  Weihnachten.  Die  Anlage  der  Recli- 
nungen  ist,  besonders  seit  1544,  ziendich  übersichtlich: 
erst  sind  alle  Einnahmen,  dann  alle  Ausgaben  verzeichnet; 
die  verwandten  Posten  sind  zu  Kapiteln  vereinigt^''). 

Der  Rath.    Das  Ratlihans. 

Die  Einträge  der  Kämmerer  beginnen  gewöhnlich 
mit  dem  liathsverzeichnis  und  der  Angabe  der 
Ämter,  welche  die  einzelnen  Eathsherren  während  ihres 
Amtsjahres  bekleideten.  Pirna  wird  urkundlich  zum 
ersten  Mal  1269  als  Stadt  erwähnt:  möglicherweise  hat 
es  von  Markgraf  Heinrich  Stadtrecht  erhalten.  An  der 
Spitze  des  Rathes  erscheint  im  Jahre  1292  ein  Bürger- 
meister (magister  civium);  die  Mitglieder  des  Rathes 
heissen  consules  et  iurati,  später  (urkundlich  seit  1365) 
geschworne  Rathmannen  und  Rathleute,  in  den  Stadt- 
büchern öfters  „Richter  und  (geschworene)  Schoppen". 
Pirna  hatte  sonach  kein  SchüftenkoUeg  neben  dem  Raths- 
kollegium,  sondern  die  Rathleute  übten  zugleich  das 
Schötfenamt  aus,  was  in  kleineren  Städten,  wo  nur  wenige 
rathsfähige  oder  schötfenbare  Geschlechter  waren,  öfters 
vorkommt'-'').  Der  Erbrichter  (advoi-atiis  oder  index 
liereditarius),  der  von  Anfang  an  vor  dem  Bürgermeister 
und  den  Rathmannen  verzeichnet  steht,  verschwindet  am 
Schlüsse  des  14.  Jahrhunderts.  Im  17.  Jahrhundert  be- 
stand das  Rathskollegium  „ordinarie  in  achtzehn  Per- 
sonen, gleich  denen  anderen  vornehmen  Städten  dieses 
Kurfürstenthums,  als  Leipzig,  Dresden  u.  dergl.  Darunter 
sind  über  Menschengedenken  jederzeit  drei  Bürgermei- 
stere'^^),  deren  einer  je  nach  den  andern   im  Regiment 


ö 


^'')  Von  den  nngefähr  100  Kapiteln  nehmen  folgende  den 
grössten  Kaum  ein:  Einnahme  Geschofs  nnd  Wachgeld.  Neu 
Bürgerrecht.  Wegegeld.  Eisengeld.  Niederlage  auf  der  Wage. 
Schrötergeld.  Bodengeld.  Messegeld  auf  der  Elbe  oder  Miederlage 
an  Getreide.  ]\Ialz,  so  aus  der  Stadt  geladen  wird.  Gerichtslinfscn. 
Statutenhufsen.  —  Ausgabe  auf  gewisse  Zeit.  Botenlohn.  Auf 
Xachreisen.  Fremden  Gästen  verehrt.  Armen  Leuten  und  elenden 
Kindern.     Gemeine  oder  zufällige  Ausgabe. 

2ö)  V.  Webers  Archiv  für  Sachs.   Gesch.  N.  F.  II,  200,  202. 

-')  Das  Ansuchen  des  Bürgers  Nikol  Heber,  dass  nur  zwei 
Bürgermeister  sein  sollten  (Recessbuch  1,  221''))  wird  als  gegen  das 


Beiträge  zur  Verfassungsgescliichte  der  Stadt  Pirna.       193 

succedieret ,  dann  3  oder  4  Seniores  und  übrigens  die 
andern  Rathsmembra  gewesen.  Und  wie  sie  stets  in  der 
Stadtkirche,  als  eiiisdem  Patroni,  in  dreien  unterscliie- 
denen  Bänken  oder  Stühlen  dermafsen  gesessen,  auch  es 
bis  dato  (=  c.  1680)  darbei  verblieben,  d.als  in  der  ersten 
die  Bürgermeister  und  Seniores,  in  andern  beiden  aber 
die  andern  Rathspersonen  sich  befunden,  also  ist  es  dar- 
neben stets  also  gehalten  worden,  dafs  die  in  der  ersten 
Bank  continue  und  unveränderlich  in  sessione  et  admini- 
sti'atione  geblieben,  die  andern  beiden  Bänke  aber  unter 
sich  immer  ein  Jahr  um  das  andere  beim  Regiment  umb- 
ge wechselt  und  dergestalt  aus  denen  18  Rathsmembris 
ordentlich  des  Jahres  12  Personen  gesessen  und  das 
Stadtregiment  gubernieret  haben".  Diese  Darstellung 
des  langjährigen  Syndikus  Samuel  Lufft  wird  durch  die 
vorhandenen  Rathsverzeichnisse  bestätigt,  ebenso  durch 
ein  landesherrliches  Reskript  vom  Jahre  1600,  22.  April : 
„Weil  es  denn  über  Menschengedenken  also  gehalten 
worden,  dafs  die  zwölf  Rathspersonen ,  so  ein  Jahr  im 
Regiment  gewesen,  umb  Walpurgis  die  sechs  liinterstel- 
ligen  Personen,  so  dasselbe  Jahr  nicht  mit  gesessen, 
wieder  zu  ihrem  Mittel  erwählet,  und  dieselben  neu  er- 
wählten sechs  Rathsverwandten  haben  alsdann  Macht 
gehabet,  aus  den  zwölfen  andere  sechs  Personen  zu  sich 
zu  wählen,  damit  also  der  Rathsstuhl  "wiederumb  mit 
zwölf  Personen  ersetzt  werde,  also  lassen  wir  es  auch 
bei  solchem  Gebrauch  verbleiben  .  .  .  ."  In  Wirklichkeit 
waren  also  alljährlich  nur  12  Rathsherren  im  Amte.  Der 
neue  Rath  bedurfte  der  landesherrlichen  Bestätigung--), 
für  die  eine  Gebühr  von  einem  Schock  in  die  fürstliche 
Kanzlei  zu  zahlen  war.  Die  Zeit  der  Raths wähl  war 
1519  vom  Herzog  Georg  geändert  worden,  wie  die  ein- 
leitende Bemerkung  des  Kämmerers  dieses  Jahres  lehrt: 
1519  Montag  nach  Walpurgis  (2.  Mai)  ist  auf  Befehl 
des  erlauchten  und  hochgeborn  Fürsten  Herrn  Hzg.  Ge- 
org die  Khore  eines  nauen  Raths  geschehen,  die  zuvor 
auf  Weihnachten   ergangen  und  gehalten  worden.     1520 


alte  Herkommen  verstossend  im  Jahre  1558  durch  kurfürstl.  Reskript 
zurückgewiesen.  Nach  demselben  Erlass  sollen  im  Hathe  wohl 
Schwäher  und  Eidam,  doch  nicht  Vater  und  Sohn  zugleich  sitzen 
dürfen.  —  Die  Kämmerer  nennen  Hebers  „Artikel"  gegen  den  Kath 
„un wahrhaftige,  ungegründete,  ungerechte,  verlogene".  Der  Streit 
zieht  sich  mehrere  Jahre  hin. 

2'-)  S.  Cod.  dipl.  II.  5,  456  zum  Jahr  1490. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    IX.  3.  4.  13 


j^94  Reinhold  Hof  mann: 

geschah  die  Walü  Montags  nach  Jubilate  (30.  Aprils,  am 
12.  Mai  erfolgte  die  landesherrliche  Bestätigung. 

Beim  Amtsantritte  miisste  nach  der  in  mehreren  Ab- 
schriften noch  vorhandenen,  ältesten  Rathsordnnng  (R.O.) 
vom  Jahre  1520,  Art.  '\P>  der  sitzende  Ilatli  dem  neuen 
von  allen  der  Stadt  Einnahmen  und  Ausgaben  in  Gegen- 
wärtigkeit sechs  beständiger  Personen  aus  der  Ge- 
meine Rechnung  ablegen:  was  man  dabei  vertrunken, 
findet  sich  in  den  Rechnungen  unter  „gemeine  Ausgabe" 
verzeichnet-'*).  Die  Rechnungen  wurden  zuweilen  vom 
Landesherrn  geprüft-*).  Derartige  Prüfungen  hatten  oft 
den  Zweck,  die  betreffende  Stadt  höher  zu  besteuern. 

Die  Rathsmitgliedschaft  war,  wie  es  scheint,  ur- 
sprünglich ein  unbesoldetes  Ehrenamt,  doch  genossen 
die  Verwalter  besonderer  Amter,  wie  des  Bürgermeister-, 
Kämmerer-,  Baumeister-,  Spitalamtes  etc.  gewisse  Ein- 
künfte (Trankgeld)  als  Entschädigung  für  ihren  Zeit- 
aufwand-^). In  der  Rathsordnung  d(^.s  Jahres  1520  be- 
stimmte der  Herzog,   „dals  nun  limfür  alle  Essen  und 


23)  K.  R.  1559:  5  Schock  28  Gr.  Der  iiaw  viul  alte  Roth 
sanipt  den  6  Keclihern  in  der  Stadtreclinung  verzehrt  do  der  alte 
Rat  dem  neuen  überrechnet  hat.  K,  R.  1570:  „die  Rechhern  als  die 
Eisten  ans  der  CTonieine".  Diese  „Rechherron"  führen  später  (im 
17.  .Taluhnndert)  den  Namen  „Sechser".  1698  wurde  ihre  Zahl  auf 
4  herabgesetzt:  sie  führen  seitdem  den  Namen  „(.xcmeinälteste"  oder 
„Yiertelsmeister"  (nicht  zu  verwechseln  mit  den  „^'iermeistern" 
[Obci'meistorn]  der  Handwerke).  Die  Handwerker  hatten  sich  sdion 
im  lö.  .laln hundert  eine  Mitentscheidung,  nicht  bloss  in  Vermögens- 
an.i4elegcnhciten  der  Stadt,  gesichert.  1418  vergiebt  der  Bürger- 
meister mit  seinen  Eidgenossen,  den  gesclnvornen  Rathmannen,  die 
Stelle  des  Hospitalverwalters  „mit  wohlbedachtem  Mute  und  ein- 
trächtigem Rate  unserer  Ältesten  und  der  Zechmeister  unserer  Hand- 
werker". (Cod.  dijjl.  S.  394  flg.)  Mehrfach  wird  die  Übereinstimmung 
von  „arm  und  reich"  hervorgehoben.  1490  sind  die  Herren,  die 
Ältesten  und  die  Viermeister  „bei  einander  gewest,  der  Münz  und 
anderer  Ciebrechen  hall)er".  (K.  R.  dieses  .Jahres.)  —  Über  die 
Viertelsmeister  vgl.  B.  Muth  in  der  Sonntagsbeilage  des  Pirnaer 
Anzeigers  1887,  No.  6. 

"*)  Auf  dem  vorderen  Einbanddeckel  der  K.  R.  der  Jahre  1517 
bis  1520  steht  die  Bemerkung:  Illustriss.  Princeps  Dux  Georgius 
Saxonie  lantgraf.  Thorin :  et  Marchio  Misnensis  praesentera  lil)rum 
calculatum  perlustravit  et  propriis  maniltus  habuit.  —  K.  R  1555: 
2  Seh.  10  Gr.  6  Pf.  vorczert  zw  Drefsen  do  Avir  dei-  Rath  von  v.  g.  H. 
Kurfürsten  gefordert  zw  berechnen  die  Stadi'echnunge,  vom  48Jhar 
bis  uff  das  55  .Thares,  vnd  seinth  also,  Got  lob,  bey  v.  g.  H.  Rethen 
erlich  befunden. 

"-')  K.  R.  1479:  1  Seh.  30  Gr.  dem  Bürgermeister  vor  1  Fafs  Bier 
und  vor  seine  Mühe  an  der  Fastnacht  etc.  etc. 


Beiträge  zur  Verfassiingsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       195 

Saufereien  von  gemeinem  Gute  sollen  abgestellt  werden", 
class  der  sitzende  Bürgermeister  30  Gulden  (10  Schock) 
und  jeder  Ratlisfreund  10  Gulden  (S^«  Schock)  jährliche 
Besoldung-  haben  sollte.  (B.  0.,  Art.  10  und  11.)  Doch 
sind  nach  1520  ausser  diesem  festen  „Jalu^sold"  („Eafhs- 
geld",  „vom  llathsstuhl")  regelmässig  weitere  Besoldungen 
für  die  arbeitsreicheren  Ämter  (30  Gr.  —  c.  3  Seh.)  in  den 
Rechnungen  unter  den  Kapiteln  „Ausgabe  Raths-  und 
Ämtersold"  oder  „Versorgern  der  Stadtämter"  einge- 
stellt. 

Die  Rathsämter  wurden  auf  die  Rathsfreunde  ver- 
theilt  nach  Erkenntnis  des  Raths,  zu  welchem  ein  jeg- 
licher tauglich  und  geschickt  erkannt  wird  (R.  0.  Art.  11). 
Nach  der  Rechnung  des  Jahres  1520  theilte  der  Bürger- 
meister allein  die  Ämter  aus-*').  Die  Ämtervertheilung 
war  nach  Angabe  der  Kammerrechnung  im  Jahi^e  1544/45 
folgende : 

Friedrich  Hofmann,  Bürgermeister;  Antonius  Hon- 
dorf, requiescat  in  pace-^);  Lam^entius  Fuchs,  Zinsherr; 
Georg  Tenler,  Retardatenmahner,  Steuereinbringer  und 
Fleisch  würdiger;  Nikol  Nack,  Weinherr,  Aufseher  auf 
der  Elbe-^)  und  Retardatenmahner;  Balthasar  Kittel, 
Bierherr,  Salzabschüttegeldeinnehmer,  auf  der  Eiben  Auf- 
seher und  Retardatenmahner;  Jakob  Süssemilch,  Bau- 
meister; Hans  Rische,  Richter;  Franz  Bartisch,  Ziegel- 
herr und  Fleischschätzer;  Alex  Walter,  Kämmerer  und 
Brotwäger;  Simon  Borschbergk,  Kornherr  und  Zeug- 
meister; Georg  Kadner,  Weiuzeichenausgeber,  Brotwäger 
und  Spitalmeister.    Dazu  kommt  noch  der  Stadtsclu-eiber 


2ß)  K.  R.  1520:  folgende  habt  der  Burgermeyster  dy  Ampt 
aufsgeteylet,  wie  ernach  folget. 

-')  Die  während  des  Amtsjahres  erledigten  Rathssitze  blieben 
für  die  Dauer  dieses  Jahres  unbesetzt. 

-^)  Wegen  der  Niederlage.  Die  Bemerkungen,  die  sich  airf  das 
Niederlagsprivileg  beziehen,  spielen  in  den  Rechnungen  eine  grosse 
Rolle.  Benachtheiligungen  und  BescliAverden  ohne  Ende!  K.  R. 
1593/94:  2^/n  Gr.  Babsten  Botlohn  alfs  dem  Raht  zu  Drefsden  ge- 
schrieben wurde,  dafs  sie  die  Burgerschaft  wegen  defs  Gleites  vnd 
Niederlage  hoher  dann  ziivorn  beschweret  hatten.  —  1593  hatte  der 
Rath  zu  P.  auch  mit  Leipzig  einen  Streit  wegen  der  Niederlage: 
s.  Rathsarchiv  Repert.  I.  Kap.  II.  No.  1.  —  Mit  den  mannigfachen 
Angriffen  hängt  offenbar  folgender  Eintrag  desselben  .Jahres  (1593/94) 
zusammen :  8  Seh.  an  20  gntten  neuen  Churf.  Talern  in  die  Canzley 
wegen  gemeiner  Stadt  privilegia,  so  von  V.  G.  Herschafft  ist  confir- 
miret  undt  bestettigt  worden.    16.  Sept. 

13* 


196  Reinhold  Hofmaiiii: 

Joh.  Schumann,  der  erst  später  (1555,  s.  u.  S.  197)  in  den 
Katli  aufgenommen  wurde. 

Die  Bezeichnung"  und  Verbindung  der  einzehien 
Ämter  ist  in  den  verschiedenen  Jahren  verschieden. 
1554  ist  z.  E.  Hans  Pusch  Baumeister,  Stein-  und  der 
Fischplätze  Zinse  Einbringer  und  der  Stadtwasser  Ver- 
sorger. Für  das  Jahr  1558  wird  als  Aufgabe  des  Rath- 
niannes  Nikol  Nack  angegeben:  auszureisen-")  wann  es 
von  nöten  und  uft'  die  Strafen  gut  Achtunge  zu  haben, 
damit  sie  recht  innegehalten,  und  Zeugherr. 

Der  regierende  Bürgermeister  (consul  regens) 
hatte  die  Leitung  des  gesamten  Stadt  regiments,  die  Aufsicht 
über  dessen  einzelne  Geschäftszweige  und  den  Vorsitz 
in  den  Rathsversammlungen  und  zwar  so,  dass  er  (imch 
der  R.  0.  1520,  Art.  o)  in  einer  jeglichen  Sachen  einen 
jeden  Rathsfreund  nach  der  Ordnung,  vom  ersten  anzu- 
heben, bis  auf  den  letzten  fragen  und  hören  und  alsdann 
seine  Bedenken  auch  sagen  und  mit  den  meisten  und 
besten  Stimmen  beschliessen  soll.  Ferner  hatte  er  die 
Vertretung  der  Stadt  nach  aussen  hin,  besonders  auf  den 
Landtagen.  Im  16.  Jahrhundert  war  Pirna  auf  den  Land- 
tagen, deren  Ursprung  in  die  zweite  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts fällt  ■'**),  gewöhnlich  durch  drei  Rathsherren  ver- 
treten. Die  Reise  wurde  zu  Wagen  gemacht,  so  1539 
auf  den  Landtag  zu  Chemnitz  mit  Wagen,  5  Pferden 
und  2  Knechten.  Die  Reisekosten  wurden  aus  der  Stadt- 
kasse bestritten  (1539:  6  Seh.  39  Gr.  9  Pf.).  Li  dem  er- 
wähnten Jahre,  dem  Jalu-e  der  Einführung  der  Refor- 
mation in  Pirna,  und  oft  nachher  (bis  1559)  war  Lau- 
rentius  Fuchs  Bürgermeister-^^).  Er  muss  akademisch  ge- 
bildet gewesen  sem,   denn  er  wird  wiederholt  Magister 


-'')  In  allen  Rechnungen  lindet  sich  die  Ruhrik  „Ausgabe  auf 
Nachreisen". 

^")  ü.  Richter,  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Dresden 
S.  260.  —  Das  treffliche  Buch  bot  mir,  da  ich  mich  auf  keine,  die 
verfassungsgescliichtlicheu  Verliältnisse  Pirnas  behandelnde  Vor- 
ai'l)cit{;n  stützen  konnte,  vielfache  B('lehruni>-  und  Anregung.  Des 
Syndikus  Lufft  Darstellung  in  dem  zweiten  Theil  seines  oben  (S.  187) 
erwähnten  Werkes,  der  den  besondern  Titel  „Der  Stadt  V.  Gecrünter 
P>irnbauni  mit  seinen  eingepfroi)ften  Früihten  etc."  führt,  behandelt 
vorwiegend  die  Zustände  des  17.  .lahrhunderts  und  besonders  das, 
was  mit  den  l'rivilegien  zusamnieuhängt. 

"')  Sein  schönes  Brustbild  in  Stein,  der  Rest  eines  zerstörten 
Portals,  ist  seit  einigen  .Tahren  an  der  Südseite  des  Rathhauses 
einuemauort. 


Beiträge  zur  Verfassiiugsgeschichte  der  Stadt  Pirna.        107 

genannt.  Sonst  war  meist  die  einzige  gelehrte  Person 
im  Stadtregiment  der  Stadtsclireiber,  der  darum  auch 
die  Stadt  mit  auf  den  Landtagen  und  oft  hei  der  llegie- 
rung  vertritt.  Er  hatte  eine  Stimme  im  Rathe  (Lufft), 
olme  Mitglied  desselben  zu  sein.  Zuweilen  wurde  er 
schliesslich  in  den  Rath  aufgenommen ,  wie  1558  Hans 
Schumann,  der  schon  1544  Stadtschreiber  gewesen  Avar. 
Im  16.  Jahrhundert  besoroten  vielfach  Schulmänner  die 


'■»' 


Stadtschreiberei,  wie  die  Schulmeister  Joli.  Schumann  und 


Mag.  Stephanus  Tannenberg,  der  Quartanus  Basilius 
Tenler  und  der  Organist  Georg  Tenler.  Sie  bekamen 
jährlich  5^4  bis  I8V4  Schock  für  die  „Stadtschreiberei", 
bezw.  das  „Sindicat" ;  dazu  Beiträge  von  Salz  und  Holz 
und  von  der  Niederlage,  Opfer-  und  Striezelgeld,  von  der 
Kiüi-  und  Schweinepfründe,  vom  Bankzins;  ferner  in 
Kriminalfällen  Kopial-  und  Citationsgebühren  und  Ge- 
bühren von  „Inrotiüatiou  der  Akten".  Infolge  der  Zu- 
nahme der  Geschäfte  wurde  1585  ausser  dem  Stadt- 
sclu-eiber  noch  ein  juristischer  Syndikus  (Dr.  Johann 
Freisteiu)  angestellt,  der  einen  wesentlich  höheren  Gehalt 
(52V,  Schock)  bezog^^-). 

Die  Sitzungen  des  ßaths  fanden  nach  Art.  2  der 
Rathsordnung  vom  Jahre  1520  (bis  zum  Jahre  1642) 
Mittwochs  und  Freitags  statt.  Die  Rathsfreunde  hatten 
im  Sommer  um  7,  im  Winter  um  8  Ulu-  auf  dem  Räth- 
hause  zu  erscheinen:  damit  ein  jeder  der  angesetzten 
Stunde  vergewissert  sei,  soll  der  Frone  eine  halbe  Stunde 
zuvor  die  Rathsglocke  läuten  (Art.  4).  Ohne  „Laube" 
des  Bürgermeisters  durfte  keiner  das  Rathhaus  verlassen, 
sondern  musste  der  Händel  auswarten  (Art.  5).  Ver- 
spätetes Erscheinen  kostete  1  Gr.  Busse  (Art.  4),  unent- 
schuldigtes "Wegbleiben  2  Gr.,  die  vom  Solde  „abgekürzt" 
Avurden   (Art.  6).     Die  Rathsherren,  die  an  einem  Sitz- 


"-)  Gelegentlich  liesorgten  avoIü  zur  Uuterstütziiug  des  Stadt- 
schreibers Stuhl  schreib  er  (Elemeutarlehrer)  Schreibergeschäfte 
für  den  Rath :  mehrfach  findeu  sich  in  deu  Rechnungen  Verehrungen 
für  sie  verzeichnet.  K.  R.  1553:  24  Gr.  vor  1  Schran  Holz  dem 
Stulschreiber  zur  Voreruuge.  —  K.  R.  1555:  12  Gr.  dem  Stuel- 
schi-eiber  vorehret.  —  1593/94:  1  Seh.  12  Gr.  dem  neuen  Stuhlschr.  uf 
sein  bitt  zu  Hiüff  seines  Baurahts  hieher  zu  bringen  vorehret, 
9.  Nov.  — 1594/95:  dem  Tischer  6  Gr.  von  des  Stuhlschreibers  Schrift 
einzufassen,  damit  er  E.  E.  Rat  vorehret.  —  1597/98:  2  Seh.  Melcher 
Berner  dem  Stuhlschr.  alhier,  welcher  dem  Rath  etzliche  schone 
Schiifteu  mit  Goldt  vnd  Silber  uff  Bergameut  geschrieben  vorehret 
hatt,  deu  7.  Octobr.  — 


198  Reiiüiüld  Ilofmaun: 

iiii.Q:stage  die  Stadt  verlassen  wollten ,  konnten  dies  nur 
,,niit  Laub  und  Gunst"  des  Jüirgeinieisters  (Art.  7).  Die 
Sitzungen  fanden  in  der  Ratlisstube  (Kojnniissionsstube) 
statt;  Ausstattungsgegenstände  etc.  für  diesell^e  und  für 
das  llatliliaus  win-den  in  den  Keclmungen  häufig  nam- 
haft geniai-lit.  So  K.lv.  1470:  32  Gr.  für  zwei  neue  riTihle 
in  die  liatlistube  von  Leipzig  gebracht.  1541 :  8  Gr.  das 
Breth  yn  der  Rothstube  zu  machen  zum  Buchern.  1563: 
vor  Geldsegke  ins  Stadtschreibers  Kasten.  1582 '83:  2  Scli. 
10  Gr.  8  Pf.  kostet  die  neue  Bankpfilhl  aufs  llatlihaus 
mit  der  von  Farben  „geworgten"  Decke  mit  des  liaths 
AYappeu.  1594:  1  Scli.  15  Gr.  für  25  Pfd.  Gänsefedern  in 
zwei  neue  Bankpfülde.  1595:  7  Seh.  vor  die  8  Brostbilder, 
so  in  der  vordem  Bahtstube  stehen.  Baurechnung  1597/98: 
3  Seil.  Wolf  dem  Maler  gegeben  von  der  Kommissionsstul)e 
auf  dem  Rathhaus  zu  malen,  [aucli?]  ein  Tafel  werk  übern 
Bänken,  auch  die  J3änke  und  Thür  zugericlitet.  Häutig 
sind  Ausgaben  für  Sclireil)kalender,  Practica  und  Pro- 
gnostica  aufs  Ilathhaus ;  mehrmals  aucli  für  llauclipulver 
(Beuch  Kertzen),  Baumöl  für  die  Thüren  und  Schlösser, 
Sandseiger,  Lostafebr'"').  Li  die  hässliche  Zeit  der 
Kryptokalvinistenverfolgung  versetzen  uns  folgende  Ein- 
träge: K.B.1597:  ;>1  Gr.  6  Pf.  Jakob  und  Kasi)ar  Bichter, 
Maler  zu  Dresden,  welche  dem  Kath  ein  Kunststück, 
der  Kalvinisten  Himmelfahrt  genannt,  verehret.  Ebenda: 
2  Gr.  6  Pf.  dem  Scldosser  für  die  Hekel  (Häkchen),  so 
zum  Bilde  kommen  in  die  llathsstube,  da  die  Kalvinisten 
auf  der  Leiter  zum  Himmel  reiten  und  auf  der  Leine 
wieder  in  die  Hölle  faln^en.  Zahlreich  sind  Geschenke 
von  Passionen  und  von  Bildern,  auf  denen  Fürsten,  sowie 
Aufzüge,  Kindtaufen  und  Begängnisse  am  Fürsteidiof  dar- 
gestellt waren.  K.  K.  1555 :  1  Seh.  Gr.  vor  u.  g.  H.  Moritz 
Abcontrafaccion.  1583/84:  42  Gr.  dem  Maler  von  Dres- 
den, welcher  dem  Rath  mit  Conterfeit  in  Kupperstichen, 
wie  es  mit  dem  Hennen  und  Turnieren  auf  u.  g.  H.  Her- 
zog Christian  Beilager  gebraucht  und  gehalten  worden, 
verehret.  —  Ebenda:  21  Gr.  Bartel  John,  dass   er  dem 


^^)  Diese  stehen  wohl  mit  dem  Bierbraiien  in  Zusammeuliang : 
die  Brauenden  wurden  jedesmal  durchs  Los  bestimmt.  X.  Ji.  1595/96: 
1  Gr.  Chiistoff  Hertlink  zum  Tope  vnd  Zwirn  zum  Lofsen  des 
Breiens.  —  Vgl.  K.  11.  1594/95:  6  Gr.  Christof  Nuthart  vorehret, 
alfs  er  dem  Raht  12  Exemplai-  böse  Bier  gutt  zu  machen  vorehret, 
prabens  ihme  wieder  3.  Juni  95.  —  1567:  6  Gr.  Greger  Hiersch  von 
Urthiandt,  hat  augeben,  er  wil  am  Brauen  Holz  ersparen. 


Beiträge  zur  Verfassimgsgescliichte  der  Stadt  Pirna.       199 

Ratli  mit  der  Stadt  Dresden  „Conterfeit  und  ein  Scliuzel- 
bucliel"  verehrt  hat.  Ebenda:  21  Gr.  Andres  Just  dem 
Maler  von  des  Sattlers  Kindern,  derselben  Milsgeburt 
abzuconterfeien  auf  E.  E.  Ratlis  Befehl. 

Im  Rathliause  befand  sich  auch  die  Trinkstube-^*), 
in  welche  oftmals  AVeingläser  und  vom  Goldschmied  ver- 
goldete und  mit  des  llaths  Wappen  gezierte  Kannen  und 
Becher  geliefert  wurden.  K.  R.  1519:  24  Gr.  für  einen 
Leuchter  mit  einem  Hirfsgeweyhe ,  soll  in  die  Sclienk- 
stube.  1535:  8  Gr.  .  .  .  geljen  vor  eyn  Brethspil  uif  dy 
Trinkstube.  —  Ebenda:  1  Gr.  3  Pf.  zu  beschlohen  das 
Brethspil.  —  3  Gr.  9  Pf.  vor  Zeichen  geben.  1597:  Lei- 
sten an  die  Bänke  in  der  Trmkstube  auf  dem  Rathliause. 
Im  Jahre  15G1  wird  nach  dem  Stadtbuch  D  der  Wage- 
meisterin Hans  Leichtin  die  Wage  und  der  Schank  im 
Keller  abermals  auf  ein  Jahr  zugesagt.  Sie  soll  für  das 
Inventarium  (3  silberne  Becher,  4  zinnerne  Leuchter, 
1  Hängeleuchter,  2  messingene  Leuchter,  1  grosse  Sclienk- 
kanne,  3  halbe  Zubufskannen,  6  Viertelskannen,  7  Känn- 
chen  und  2  hall)e  Kännchen),  auch  für  die  Gebühr,  so 
der  Schank  dem  Rathe  zu  geben  schuldig,  als  von  einem 
jeden  Fals  Wein  30  Groschen  und  von  einem  Fals  Bier 
3  Groschen,  soviel  dessen  beiden  verzapft  wird,  Vorstand 
sein^'^). 

Trotz  des  Verbotes  der  gemeinsamen  Essen  und 
Saufereien  vom  gemeinen  Gute  fanden  auch  nach  1520 
noch  regelmässige  Kollationen  auf  Stadtkosten  statt. 
So  alljährlich  das  „Stadtessen"  (1591:  28  Seh.  29  Gr.  kost 
das  Stadtessen  mit  dem  Rheinischen  Weine  und  anderen 
Getränken) ;  ferner  trank  man  bei  Ablegung  der  Jahres- 
rechnung'^®),  wenn  die  Herren  die   Geschosse  und  Zinse 


si)  S.  Cod.  dipl.  II.  5,  454  flg. 

3-^)  1.521  ward  Stephan  Pauerbacli  zu  einem  Weinschenken 
angenommen  und  ihm  überantwortet :  107  Pafs  Wein  und  ein  kleines 
Fälschen.  Ferner  1  silberner  Becher,  4  Zweiviertelkannen,  9  Schenk- 
mid  2  Mefskännchen,  3  halbe  Kannen,  6  Weingläser,  1  Kj'eisel,  20 
Mulden  unterzusetzen,  3  eichene  ledige  Fafs,  4  eichene  Viertel,  2 
kleine  eichene  Fafs,  2  fichtene  Fafs  Kotzschberger,  1  Fafs  böhmisch, 
3  Viertel  böhmisch,  1  eichene  Tonne,  3  fichtene  Tonnen,  1  fichtene 
Tonne,  14  Hähne,  1  Blechtrichter,  1  Ohmtrichter,  1  Koster,  1  Leuch- 
terchen, darauf  man  ein  Licht  steckt,  1  Steckeleuchterchen,  5  Bohr- 
eisen mit  einem  Gebrüste  und  1  Zwickerlein.  (Stadtbuch  No.  4, 
fol.  111). 

36)  K.  R.  1548:  38  Gr.  6  Pf.  hot  der  Roth  alt  und  nau  sampt 
den  verordenten  6  Perschonen  nach  getaner  Rechnunge  uff  der  Woge 


200  Reinhold  Hofuiaiin: 

bereclineieii ,  wenn  sie  die  Musterung'''')  hielt en  („am 
Heerschauen"),  auf  Hochzeiten,  an  den  Jahiinärktcn,  an 
der  „kirniyssen"  (1490).  Zu  Pfing'sten  kam  man  regel- 
mässig  auf  dem  mit  Maien  geschmückt  en  Iviitldiause  zur 
Schützenkollation  zusammen,  an  der  aucli  Ficmde  theil- 
nahmen.  Alljährlich  gab  man  dem  Edelleuten  Wein  und 
Bier  „zum  Lobetanz"  auf  dem  liathhause,  desgleichen 
vornehmeren  Gästen  bei  den  dramatischen  Si)ielen,  die 
von  Jiürgern  oder  Schülern  auf  dem  Markte  oder 
auf  dem  llathhausboden  —  dies  ist  wohl  der  mehr- 
mals genannte  llathhaus  t  a  n  z  b  o  d  e  u  —  abgehalten 
Avurden-'^). 

Ausser  diesen  Gelagen  auf  dem  Kathhause  kanuMi 
die  Herren  zu  einer  Kollation  in  den  Osteiheiligentagen 
(Osterfiaden)  und  Weihnachten  zu  »Striezeln  beim  Bürger- 
meister zusammen,  jedoch,  wie  es  scheint,  nicht  regel- 
mässig. Man  trank  bei  diesen  Zusannnenkünften  meist 
Wein  und  Freibergisches  Bier.  Das  Pirnaische  Bier 
scheint  in  dieser  Zeit,  ebensowenig  wie  das  Dresdener, 
sonderlich  gut  gewesen  zu  sein,  doch  wurde  streng  an 
dem  alten  Privilegium  festgehalten,  dass  innerhalb  der 
Bannmeile  kein  anderes  als  Pirnaisches  Bier  getrunken 
wurde''"*).  Zu  dem  Zweck  wurde  öfter  die  Meile  gemessen. 


vurzecht.  —  K.  11.  1593/94:  13  Lh:  3  Pf.  die  Jlerreu  de.s  ilahts  vor- 
zeclit,  alfe  isie  die  Musterung  gehaltten.  —  K.  R.  1594/95:  21  Gr.  iu 
heidf'ii  /eltteii  die  7  Mosteilierreii  vurdnuicken  viid  vor  Paiierliasen 
(ein  (iel);ick). 

"')  ^'un  den  in  Pirna  im  l(i.  .lalu'lmuilert  aufgeführten  Stücken 
werden  uns  in  den  Ueelmungen  folgende  mit  Namen  genannt:  Die 
Comedv  vom  verkirnen  Solm  (153(5).  (!oniedia  Teri;ntii  Phurmio 
(1.060)."  Tdliia.sspiel  (1593).  Adam  und  Effa  (1597,  Juli).  Passion 
und   I  tinnnelfalirt  (1.597,  Sept.). 

"**)  Im  Jahre  1552,  11.  Okt.  hefiehlt  der  Kurfürst  den  Schössern 
zu  Dresden  und  Pirna,  den  in  ihren  .\mtein  gesessenen  Kretzsehmern 
und  Schenken  auf  dem  Laude,  in  iler  Meile  AVegs  um  Pirna  gelegen, 
die  nicht  anderes  als  Pirnisch  Bier  schenken  S(dlen,  aufzuerlegen 
und  zu  gchieten,  dafs  sie  sich  Wein  einzukaufen  und  zu  vcrsciienken, 
weUdies  ilnien  noeh  viel  weniger  gehühren  will,  dem  aufgerichteten 
Recefs  gemäfs  fürder  gänzlich  enthalten  sollen.  Im  Ühertretungs- 
falle  ist  dem  Rate  zu  P.  nachgelassen,  mit  A^jrwissen  des  Amts 
auszufallen  und  solchen  eingelegten  Wein  wegzuncdiuicn  und  iu  die 
Stadt  zu  führen.  Wenn  etliclie  von  den  Kretzsehmern  eigenen 
Weiuwachs  hätten,  so  mögen  sie  den  Wein,  welcher  ihnen  erwachsen, 
und  sonst  keinen  andern  ausschenken  (Stadtbuch  C,  vorn  auf  dem 
1.  Blatte).  Häutig  wird  im  Beisein  des  Landknechtes  fremdes  Bier 
ausgetninken ,  weggenommen  oder  „zerhauen",  besonders  au  der 
Pastuacht. 


Beiträge  zur  Verfassuiigsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       201 

K.  R.  1553  unter  der  Rubrik  „Geschenke  den  Gästen" : 
„4  Seil.  43  Gr.  den  Cummissarii  und  den  andern,  da  man  die 
Meile  gemessen  gen  der  Dobra,  Sturza,  auch  Borkers- 
dorf  Montag  nach  Michael,  Dienstag  und  Mittwoch  dar- 
nach". Vom  Ilathe  dabei  gewest  Hans  Risch,  Erosius 
Jhon  und  Hans  Foncke.  Ist  auf  die  3  Kretzschmare 
keines  1  Meile  Weges  befunden  worden.  Im  Stadtbuch  C, 
fol.  Ib  steht  ein  ausführlicher  Bericht  darüber:  gemessen 
wurde  hiernach  von  der  Rathhaustreppe  zu  Pirna  bis  an 
des  betr.  Richters  Schwelle.  Als  Entfernungen  sind  fol- 
gende angegeben:  von  Pirna  bis  Rathewalde  22  570  Ellen, 
bis  Burkersdorf  21330,  bis  Stürza  23033,  bis  Döbra  20030 
Ellen.  Petermann  erwähnt  in  seiner  Chronik  S.  4G8  die 
Messungen  gleichfalls  und  giebt  die  Entfernungen  in  ab- 
gerundeten Zahlen  an.  —  K.  R.  1556:  1  Tlialer  zur  Ver- 
ehrung, da  die  Meile  gemessen  gegen  He seli cht.  Unter 
dem  Eintrag  im  Stadtbuch  C  ist  von  anderer  Hand  die 
Meilenlänge  angegeben:  Eine  Meüe  soll  haben  CO  Feld- 
wegs und  jeder  Feldweg  soll  haben  60  Ruthen  und  soll 
jede  Ruthe  ausgemessen  werden  auf  7^/«  Elle,  so  betrifft 
27000  Ellen  auf  eine  deutsche  Meile. 

Das  weitaus  am  häufigsten  genannte  Bier  ist  das 
Freibergische:  in  den  „Rechnungen  findet  sich  die 
ständige  Einnahmerubrik  „Überlauft  vom  Freiberg.  Biere." 
(1535:  52  Seh.  9  Gr.).  1519  kostete  ein  Fass  Freib.  Bier 
1  Seh.  25  Gr.,  1  Fass  Pii-naisches  54  Gr.  Nach  dem  Frei- 
bergischen ist  das  am  öftesten  erwähnte  das  Torgauische, 
dann  das  Königsteiner,  gelegentlich  kommt  auch  Do- 
nisch, AVilisch  und  einige  Male  Pulsnitzer  Bier  vor. 
1591  wird  von  dem  Landknecht  auf  einer  Hochzeit  zu 
Meusslitz  1^/2  Fass  Dresdnisches  Bier  weggenommen, 
„waren  wohl  3  fafs  gewesen,  aber  l^oVafs  war  schon 
aufsgedrunken  gewesen".  Nach  Knauth,  Misniae  illu- 
strandae  Prodromus  (1692)  S.  125  flg.  gab  es  die  Sprich- 
wörter :  ,,Es  kützelt  einem  in  der  Nasen  wie  Freibergisch 
Bier".  „Torgauisch  Bier,  der  Armen  Malvasier".  Bel- 
grana  est  omnibus  sana"  („Beigern  hat  ein  bequemes 
Bier",  sagt  der  Pirn.  Mönch).  Unter  den  von  Knauth 
aufgeführten  18  sächsischen  Städten,  „die  vor  andern  gut 
Bier  brauen",  ist  Pirna  nicht  zu  finden,  von  den  Nach- 
barstädten nur  Königsteiu, 

Von  den  heimischen  Weinen  werden  in  den  Rech- 
nimgeu  des  15.  imd  16.  Jahrhunderts  erwähnt  Kötzsch- 


202  Reiuliold  Hofmaun: 

berger  (d.  1.  Kötzsclieiibrudaer'"'^);  ferner  Post aer,Wach- 
witzer,  Loscliwitzer  und  Landwein;  oft  auch  Most, 
einige  Male  Metli.  Viel  häufiger  wird  lllieinwein  ge- 
nannt, fei-ner  spanisclier  (mehrmals  Alikant,  1597 
„Seekte"),  böhmischer'")  und  griechischer  Wein,  un- 
garischer (1563)  und  französischer  Wein  (1596),  Mal- 
V  a  s  i  e  r,  M  u  s  k  a  t  e  1 1  e  r.  Ziemlich  häufig  G  e  w  ü  r  z  w  e  i  n : 
Alandt,  Negele  und  Traminer,  Wernmthwein,  Salljenwein, 
Ziltwer;  Beerwein  und  Schlehenwein.  Nach  Petermainis 
Chronik  8.  469  wurdc^n  im  Jalire  1560  Avüste  und  bisher 
nur  als  Viehtrift  benutzte  Ackerstiickchen  am  Haus- 
berge in  Pirna  zu  Weinbergen  angerichtet;  zu  Vor- 
ziehung einer  Mauer  musste  jeder  Interessent  einen  Gro- 
schen kontribuieren. 

Der  llath  hielt  im  Rathskellcr  Vorräthe  von 
Bier  und  Wein,  theils  zum  eigenen  Verbrauch,  tlieils 
zum  Verkauf  und  Ausschank^').  Nach  der  Ämterrech- 
nung  des  Jahres  1538  übernahm  der  neue  Weinherr  vom 
alten  63'/4FassWein  im  Keller.  Dazu  kaufte  er  2472Fass 
Kotzschberger  und  Loscliwitzer:  kosten  erstes  Kaufs  114 
Seh.  43  Gr.  9  Pf.  Ferner  Rheinischen  Wein  3  Fass:  kosten 
allenthalben  30  Seh.  14  Gr.  Böhmischen  Wein  8  Fass  zu 
29  Seh.  38  Gr.  Summa  des  vorräthigen  uiul  erkauften 
Wehies:  109  Fass.  Von  dem  im  Jahre  1521  demAVein- 
schenken  Pauerbach  (s.  o.  Anm.  35)  ül)erantwortcten  107 
Fass  Wein  waren  92 '/4  Fass  neuer  kotschber  (Kötz- 
sclienl)rodaer)  AVein,  8  Fass  und  1  Fässchen  von  21  Kannen 
alter  kotschber  AVein,  der  Rest  alter  und  neuer  böh- 
mischer AVein.  In  einer  1534  beim  Herzog  eingereichten 
Bescliwerdeschrift  gegen  den  Ratli  heisst  es  u.  a. :  „Den 


"^)  1412  wh'd  ein  „win])ere:,  den  man  nennet  die  Thasclie,  mit 
einem  pressehusc  gelegen  czu  Koczbrode  vnder  dem  Aldenberge"  er- 
wähnt. (Cod.  di])l.  II.  5,  127.)  Kotzschebroda  hat  viel  Weinwachs, 
da  thäten  die  Hussiten  grofsen  Schaden  mit  Brennen  und  sonst. 
(Zusätze  zum  Pirn.  Mönch  bei  Schott  gen  und  Kreysig,  Diplo- 
matische und  curieuse  Nachlese  der  Historie  von  Ohersachsen  I,  238.) 

'0)  Die  Kanne  liöhm.  Wein  kostete  1546  (K.  K.)  14—16  Pf., 
Kützschenhrodaer  und  Postacr  16  Pf.,  Beerwein  18  Pf.,  Hheinweiu 
28  Pf.  Die  Kanne  griechischer  Wein  1592  6  Gr.,  1  Kanne  unga- 
rischer 1563  2  Gr. 

")  Kurfürst  Ernst  hatte  1476  dem  Rathe  aufgegeben,  auch  die 
weniger  bemittelten,  aber  angesessenen  Stadtbewohner  an  der  Brau- 
berechtiguug  theilnchmen  zu  lassen,  einen  Stadtkeller  mit  Aus- 
schank guter  fremder  Biere  einzurichten  und  für  das  Vorhandensein 
eines  genügenden  Weinvorrathes  Sorge  zu  tragen.  (Cod.  dipl. 
IL  5,  45411g.) 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       203 

g-uten  Wein  trinken  die  Herren  und  Reichen,  den  sauern 
die  Annen.  AVie  denn  um  gleiclien  Pfeiniig  der  gute  Wein 
den  Herren  und  Reichen  nacli  Gunst  ist  gegeben  worden 
und  den  Armen  der  böse  und  saure"  ^'). 

Am  liathhause  hatten  die  Tuchmacher,  Schu- 
ster, Bäcker  und  Fleischer  iln^e  Bänke.  1550  gab 
es  je  oß  Tuchmacher-  und  Öchuhmacherbänke  und  20 
Bäckerbänke.  1567:  26  Fleischbänke.  Den  Tuchmachern 
wurde  1549  (Ötadtbuch  B,  erste  Seite)  auf  ihr  bittlich 
Ansuchen  nachgelassen,  den  Sonnabend  wie  den  Dienstag 
ihr  Tuch  auf  dem  liathhause  feil  zu  halben  und  zu  ver- 
schneiden. 

In  Petermanns  Chronik  (S.  423)  findet  sich  die  An- 
gabe, dass  1555  und  1556  das  Rathhaus  guten  Theils 
abgetragen,  verändert  und  wiederum  aufgeführt  Avorden 
sei.  Dieser  Umbau  wird  bestätigt  durch  die  Kammerrech- 
nung des  Jahres  1555/56,  nach  welcher  „368  Seh.  42  Gr. 
11  Pf.  auf  des  Rathes  Baw  gangen  aufs  Rothhaus".  Der 
bisher  unljekannt  gewesene  Baumeister  war  nach  der 
K.  R.  des  Jahres  1558  Meister  Wolf  Blech  Schmidt, 
dem  der  Rath  in  diesem  Jahre  2  Seh.  8  Gr.  „vor  Gewand 
zu  eynem  Klede  von  wegen  des  Baues  an  dem  Roth- 
hausse vorehrt".  Es  ist  derselbe  geniale  Meister,  der, 
wie  aus  den  Kammerrechnungen  und  aus  der  Kircli- 
kastenrechnung  des  Jahres  1542  unzweifelhaft  hervor- 
geht, das  herrliche  Gewölbe  unserer  Stadtkirche  gebaut 
hat"^^).  Somit  hat  die  mündliche,  durch  eine  handschrift- 
liche Notiz  verstärkte  Überlieferung  Recht  behalten,  die 
den  an  dem  schönen  Portal  Niedere  Burgstrasse  No.  1 
(jetzt  Gasthof  „zum  Deutschen  Haus")  mit  den  Attributen 
der  Baukunst  dargestellten  W.  B.  als  Kirchenbaumeister^*) 


^-)  Gebrechen  zwischen  Joh.  Zimler  ....  mit  dem  Rate  zu 
Pirna  1534.    Hauptstaatsarchiv  Dresden  Loc.  9900. 

*^)  Vgl.  meine  Abhandlung:  Die  kirchl.  Zustände  etc.  S.  37  flg. 
Die  dort  aufgestellte  Vernmthung,  ^Meister  Wolf"  sei  am  Kirchenbau 
betheiligt,  hat  sich  also  bestätigt.  Den  Pamiliennamen  „Blech- 
schmidt" habe  ich  nach  Veröffentlichung  der  Prpgrammabhandlung 
in  den  Kammerrechnungen  1539  flg.  gefunden.  —  Über  die  Erbauung 
des  ßathhauses  s.  meinen  Aufsatz  im  Pirnaer  Anzeiger  1888 
No.  87. 

")  Im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  mag  ein  älterer  Meister  den 
Kirchenbau,  der  1502  oder  1504  begann,  geleitet  haben:  Peter  von 
Pirna,  Meister  des  Steiumetzhandwerks  und  Baumeister  des  Her- 


201  l^oinhoM  Hofinaiin: 

bczeiclinet.  Der  in  einigen  J^iicliern*"')  nnd  in  meh- 
reren neneren  im  hiesigen  llatlisarchiv  anfbewahrten 
liandscliriftliclien  Aufzeiclmungen  als  miitlimassliclier  Er- 
bauer unserer  »Stadtkii-elu^  genannte;  IJcrnliard  Scliwarz 
ist  irrthi'imlich  zu  der  Ehre  gekommen,  der  Erbauer  einer 
der  schönsten  und  grüssten  Kirelien  Sachsens  zu  sein^"). 
Er  war  wiederliolt  llathmann  und  „IJauherr",  d.  li.  das 
mit  der  Aufsicht  über  das  städtische  IJauwesen,  beson- 
ders mit  der  Eidirung  der  Baurechnung  betraute  Mit- 
glied des  llathes  und  hatte  als  solcher  mit  der  künst- 
lerischen Bauthätigkeit  gar  nichts  zu  thun. 


zo.<>-s  Georj?  von  Sacliseii.  Peter  v.  P.  rauss  sith  wenigstens  im 
Jahre  1512  als  ausübender  Künstler  in  P.  aufoel)alten  haben. 
(E.  W ernicke,  Bachs.  Künstler  in  Gürlitzer  Greschichtsqnellen, 
in  dieser  Ztsclir.  VI,  259  üg.)  Diese  Vernnitbuiiu-  i^'cwiniit  an  Wahr- 
sclieinlichkeit  durch  eine  Stelle  in  der  kürzlicli  wiedeji^etundenen 
K.  11.  des  Jahres  1503:  52  Gr.  Meister  Peter  Parlierer  an 
seinen  Geschossen  und  Wachgeld  (erlassen  von  der  Kirch  und  Stadt 
Gebäuden  wegen.  1514  und  1515  hat  der  Polierer  Markus  Ki- 
bisch  den  Kirchenbau  geleitet.  K.  11.  1514:  „5  Gr.  Marcus  dem 
Steyniiieczen  gegeben  zur  Zcei'imge,  das  er  von  Urefsden  gegen 
Pirna  des  Kirchenbaues  halben  gezcogen  ist."  „10  Gr.  dein  Steyn- 
ineciien,  das  er  zcii  Leutel)ercz  und  Aussigk  gewest  nach  (iescllen. 
Actum  4=1  post  oculi."  K.  R.  1515:  „Marcus  Eibisch  der  Pollirer  ist 
Buigci'  wurden  und  seynen  Eyd  eingenommen,  sal  1  Schock  geben 
hinc  et  Martini.  Fidejussoi'  Bartel  llenel.  Art.  4=1  infra  octavas 
corporis  Cliristi."  (Am  llande:  „Ded.  Bartel  Henel  pro  eo,  ist  an 
iler  Austeilunge  ine  behalten  0=1  ])()st  Lucie.")  Vgl.  auch  Stadtbucli  IV, 
fol.  135'':  „Mai'cus  lliliisch  der  l'olirer"  tauscht  1522  mit  Bewilligung 
des  Rathes  und  der  Ältesten  die  Glöcknerei  gegen  ein  anderes  Haus 
ein  und  gielit  d('r  Kirche  (i  gute  Schock  zu.  —  Die  bisher  unbekannt 
g(nves(^nen  Erbauer  der  Pirnaer  Stadtkirche  düri'tcn  also  der  Reihe 
iiacli  gewesen  sein:  Peter  von  Pii'ua,  Markus  Ribisch  und 
Wolf  Blechschmidt. 

''■'■*)  So  in  Dietmann,  1 'riesterschaft  Sachsens  S.  1015. 

'*")  Im  Jahre  154(j  war  der  Kirchenbau  beendigt.  Der  Thurm 
ist  älter:  er  wurde  nach  dem  Pirn.  Mönch  1466  angehoben  zu  bauen 
(s.  darüber  Cod.  dipl.  II.  5,  445,  No.  160)  und  scheint  im  .lahre 
1470  in  der  Ilauijtsaehe  fertig  gewesen  zu  sein.  Dies  geht  hervor 
aus  Einträgen  in  der  K.  R.  1479:  4  Gr.  den  Herren  vor  («eschenke, 
dafs  sie  den  Glockturm  beschaueten  Dominica  post  Martini  (14.  Nov.) 
—  Stephan  20  (ir.  Zusteucr,  dals  er  auf  dem  Turme  läute  6.  p.  Lucie 
(17.  Dez.).  —  Stephan  der  Glückner  10  Gr.  Zusteuer  gegelien,  da  er 
lange  nicht  Arbeit  hatte  5.  j),  Maurici  (23.  Sept.).  —  2  rheia.  Gulden 
Greifen  zu  vertrinken,  als  er  dem  Therm  gebawethe.  6.  p.  Reminisc. 
(12.  März).  S.  meine  Kirchl.  Zustände  etc.  S.  27  Üg.  und  meinen 
Aufsatz  ül)er  die  Erbauung  der  Stadtkirche  zu  Pii'na  im  Pirnaer 
Anzeiger  1888  No.  47  u.  48. 


Beiträge  znr  Verfassungsgesclüchte  der  Stadt  Pirna.       205 

Ratlislbeamte")  und  Ratlishandwerker. 

Der  Fi'oiibote  (Stockmeister,  Büttel.  1571: 
„Brizscliineister")  bezog'  einen  Jahiiolm  von  5  Scli. 
12  Gr.  (uff  52  Freitage,  jeden  Freitag'  6  Groschen).  Das 
Gesclioss  (jährlich  10  Gr.)  wurde  für  ihn,  wie  für  andere 
niedere  Vollzugsbeanite  des  Eathes  aus  der  Stadtkasse 
bezahlt.  Zu  Weihnachten  und  Ostern  bezog  er  Opfer-, 
Striezel-  und  Quarkgeld;  ferner  Beträge  für  Ausrufen 
der  „Kuhpfründe"  (Stadtweide)  und  jedesmal  5  Gr.  „vom 
Halsgericht  auszurufen".  Er  hatte  freie  Wohnung  und 
Heizung  in  der  Büttelei  (j.  Fronfeste).  1527  wurde 
ein  neues  „Gefängnis"  gebaut,  da  das  alte  weggebrannt 
w^ar^^).  Die  Auslagen  für  die  Gefangenen  wurden  dem 
Fronboten  vergütet.  Tortur  und  Hinrichtungen  besorgte 
der  gewöhnlich  von  „des  Amtes  Laudknecht"  bestellte 
„Meister"  von  Dresden,  welcher  dafür  einen  Jahrsold  von 
1  Seh.  24  Gr.  (4  fl.)  bekam,  und  mehrmals  „Verzehrung" 
oder  „Trankgeld"  und  1  Scheffel  Hafer.  Nach  des  Her- 
zogs Georg  Verordiunig  vom  Jahre  1493  hatte  der  Dresd- 
ner Henker  in  den  Städten  und  Ämtern  Dresden,  Frei- 
berg, Hain,  Meissen,  Pirna,  Badeberg,  Dippoldiswalde 
und  Lommatzsch  zu  richten  gegen  eine  Jahrbesoldung 
von  50  fl.,  w^ozu  die  Stadt  Freiberg  8,  Dresden  und  Hain 
je  6,  Meissen  und  Pirna  je  4,  Radeberg,  Dippoldiswalde 
und  Lommatzsch  je  2  fl.  und  den  Rest  die  herzogliche 
Kammer  beizutragen  hatten  ^^).  Das  zur  Strafvollstreck- 
ung Nöthige  wurde  ihm  geliefert.  Baurechnung  1527: 
3  Ellen  Leymath  der  Frau  zu  einem  Sacke.  ^/.,  Gr.  vom 
Sack  zu  machen  (Kindesmörderin!).  In  der  im  Amte 
Dresden  1555  für  den  Scharfrichter  gegebenen  und  den  Ge- 
richten zu  Pirna  vorgelegten  Bestallung  heisst  es:  „Wenn 
irgend  jemand  sich  in  Verzweiflung  selbst  hängt  oder 
sonsten  in  andere  Wege  entleibet,  so  ist  der  Scharfrichter 
nicht  pflichtig,  einen  solchen  in  der  Besoldung,  die  man 
ihm  von  denen  giebt,  welche  durch  Urtel  und  Recht 
verdammet  worden,  wegzuthun,  denn  in  solchen  Fällen 
ist  der  Teufel  Richter,  Ankläger  und  Exekutor  gewest 
und  muls  der  Scharfrichter  dem  Teufel  nacharbeiten.  Und 
wenn  er  einem   solchen  wegthut  und  man  giebt  ihm  ein 


*'')  Den   vornehmsten  Beamten  des  Raths,  den  Stadt  Schrei- 
ber, habe  ich  oben  in  dem  Abschnitt  „Der  liath"  behandelt. 
*'*)  Dies  geht  ans  der  Baurechnnng-  dieses  Jahres  hervor. 
^'*)  Otto  Richter,  Verfassnngsgesch.  der  St.  Dresden  S.  137. 


20G  Tleinhold  Hofmann: 

Pferd  dazu,  so  gebe  man  ihm  desto  weniger  Lohn,  er 
behält  aber  gleichwohl  das  Pferd.  Thut  er  aber  die 
Arbeit  mit  seinem  Pferde,  so  muls  man  ihm  desto  mehr 
Lohn  geben  nnd  solches  alles  nach  Gelegenheit  und  Ferne 
des  Weges  nnd  die  Zehiiing  auch  dazu"  (Stadtbuch  F, 
letztes  Platt).  JJarunt(!r  stellt  die  Nachschrift  von  anderer 
Hand:  ,.Solchem  zufolge  hat  man  ihm  ao.  1555,  als  ei-  einen 
Gefangenen  imd  sich  selbst  Entleibten  aus  der  Sclndd- 
kammer  weggethan,  geben  müssen  5  Thaler  12  Gr.,  vermüge 
des  Kammerbuches  des  Jahres".  In  diesem  findet  sich  auch 
wirklich  die  Bestätigung:  „2  Seh.  12  Gr.  dem  Henker,  den 
geliangen  nauls  zu  schicken".  „Item  ao.  1571  den  —  No- 
vembris,  als  sich  ein  Leinwebergesell  bei  Thomas  Windisch 
erstochen,  hat  man  ihm  wegzuthun  geben  müssen:  ein 
Pferd,  so  Brosio  Mollern  umb  2  Thaler  zahlt  ward,  und 
2  Seh.  dazu  und  24  Gr.  zur  Zehrung,  6  Gr.  dem  Knechte 
Trankgeld".  (Weitere  Nachschrift  unter  dem  Eintrag  im 
Stadtbut-li  F.)  Has  „Gericht"  (Hochgericht)  war  1535 
und  1539  nach  Stadtbuch  A  „auf  dem  Hausberge  neben 
dem  S[)ittelfelde".  Vor  einer  Hinrichtung  wurde  der 
Richtplatz  durch  eine  Umzäunung  abgeschlossen:  K.  R. 

1597  „Ausgabe  dem  Rohrmeister":  32  Gr.  dals  er 

den  Schrank  gesatzt  uffn  Markt,  wie  man  Gretzscheln 
gehangen.  Nacli  Petermanns  Chronik  wurde  1578  der 
Rabenstein  vor  dem  Oberthor  erbaut,  1587  aber  wegge- 
rissen und  in  die  Sandgasse  gebaut.  Im  Anfang  des  Jahres 
1888  wurden  an  der  hoch  gelegenen  alten  Sandgasse  13 
Skelette  ausgegraben,  vermuthlich  sind  es  die  von  Hin- 
gerichteten. Für  „Hinrichtung"  kommt  hier  wie  ander- 
wärts der  Euphemismus  „Rechtfertigung"  vor.  Baurech- 
nung 1594  unter  „gemeine  Ausgabe":  Üb  man  den  Zimmer- 
leuten wohl  ein  Fais  Bier  geben  müssen,  so  haben  die 
Gemeine  zu  Copitz  auch  ^4  I^ier  bezahlt,  dieweil  das 
Gerichte  zu  Copitz  verfaulet,  derowegen  sie  einen  neuen 
mit  aufrichten  lassen,  damit  der  gefangene  Dieb  Blals 
Rischen  Sohn  von  Copitz  daran  hat  können  gerechtfertiget 
werden.  In  dem  Amtsjahr  1591/92  fanden  nach  der 
K.  R.  drei  Hinrichtungen' in  dem  Ratlisdorfe  Copitz  statt; 
der  Kämmerer  dieses  Jahres  verzeichnet  nicht  unbeträcht- 
liche Auslagen  für  Spenden  an  Speise,  Rheinwein  und 
Bier,  die  dem  Richter  und  den  Abgesandten  des  Rathes 
dabei  verehrt  wurden. 

In   Dresden   verrichtete   der   Scharfrichter    zugleich 
das  Amt  des  Schinders.     In  Pirna  hatte  man  dafür  einen 


Beiträge  znr  Verfassiingsgescbichte  der  Stadt  Pirna.       207 

Caviller,  Abclecker,  der  auch  die  herrenlosen  Hunde 
von  den  Strassen  wegzufangen  und  zu  tiJten  hatte;  daher 
führt  er  auch  den  Namen  „Hundeschläger".  1598 
bekommt  er  43  Gr.  von  129  Hunden,  die  er  das  Jahr 
über  (1597/98)  gefangen  hatte,  von  jedem  4  Pf.,  als  81 
alten  und  48  jungen  Hunden.  Er  erhält  18  Gr.  jährliche 
Besoldung  von  wegen  der  toten  „Eliser"  auf  den  Gassen 
aufzuräumen  und  rein  zu  halten;  1593  bekommt  er  eine 
besondere  Vergiitung  von  9  Gr.,  „dals  er  die  Gassen  ge- 
räumt und  die  Äser  weggeräumt,  als  die  Herzogin  her- 
kam". Die  Sauberkeit  der  Strassen  ^Yar  auch  im  alten 
Pirna,  wie  anderwärts,  eine  sehr  fragwürdige:  wiederholt 
linden  sich  Pathsverordnungen  in  den  Protokollen  noch 
des  vorigen  Jahrhunderts,  dass  Mist-  und  Holzhaufen 
nicht  länger  als  acht  Tage  auf  den  Gassen  liegen  dürfen ; 
in  den  ältesten  Stadtrechnungen  lautet  eine  besondere 
Einnahmerubrik:  „Von  Holz-  und  Mistbulsen".  Der  Ca- 
viller  besorgte  auch  das  Peinigen  „heimlicher  Gemächer" 
(„Kloak").  Baurechnuug  1597/98  unter  Ausgabe  dem 
Aptecker  oder  Caviller  u.  a.:  (3  mal  je  9  Gr.)  von  Falisen 
von  Kirchthorm  gelassen  und  hinausgeschaift.  Des  Ab- 
deckers Stellung  in  der  büi^gerlichen  Gesellschaft  Avurde 
erst  spät  eine  bessere:  1655  starb  der  Schinder  in  Pirna, 
und  da  ihn  niemand  begraben  wollte,  wurde  er  durch  den 
Schinderknecht  auf  den  (1564  angelegten)  „weiten  Kirch- 
hof" am  Hauptberg  (an  der  jetzigen  Reitbahnstrasse) 
hinausgeführt  (Petermanns  Chronik  S.  486). 

Dem  Stadtrichter  waren,  hauptsächlich  zur  Ausübung 
der  Polizeiaufsicht,  mehrere  Gerichtsknechte,  Ge- 
richtsdiener beigegeben  •'°),  gewöhnlich  drei,  doch  wurde 
ihre  Zahl  bei  besonderen  Gelegenheiten,  so  an  den  Jahr- 
märkten, verstärkt ■^^).     1593:  12  Gr.  Steffann  Bawerbach 

^)  Häufig  sind  in  den  Keclinungen  Beträge  („Trankgeld")  ein- 
gesetzt für-  den  Richter,  dafs  er  mit  den  Knechten  die  Stadt  be- 
gangen; desgleichen  für  Wiudlichter  oder  Fackeln  dem  Richter. 
—  K.  R.  1479:  14  Gr.  3  Heller  der  Richter  verzehrt  8  Tage  um- 
gegangen an  der  Hochzeit  Herrn  Rudolf  v.  Bünau  Tochter  mit  den 
Handwerkern  und  mit  den  Knechten.  —  K.  R.  1544:  5  Gr.  den 
Knechten,  dafs  sie  auf  den  Tanz  gesehen.  Ebenda:  5  Gr.  den 
Knechten  gegeben,  dafs  sie  ihr  5  angesagt,  die  sich  verdreht  haben. 

^^)  1583:  2V2  Scb.  2  Personen  gegeben  auf  5  Wochen  zu  wachen, 
dafs  sie  von  Morgen  bis  Abend  die  8trafsen  begangen,  damit  sich 
nicht  leichtfertige  oder  verdächtige  Leute  [einschleichen],  alldieweil 
man  hin  und  wieder  mit  Feuer  angesteckt  bat.  —  1537  des  Richters 
Ausgabe :  1  Seh.  26  Gr.  der  Richter  samt  den  Knechten  und  Suldenern 
Jahrmarkt,  Ablafs  und  das  Jahr  über  vorzehrt. 


208  Reinliold  Hofmanii: 

Vonii  Meifsenn  voreliret,  dehn  man  zum  Gerichtsknechte 
Anliero  braiiclien  wollen,  Aber  seiner  geliabtenn  Befleck- 
unge  halben  ist  ihme  wieder  abgedanckt  wordenn.  — 
Wochenlohn  ist  für  die  Gerichtsknechte  nicht  angegeben : 
unter  „Ausgabe  den  Gerichtsknechten"  ist  regelmässig 
verzeichnet  der  Betrag  des  aus  der  Kammer  zu  Wal- 
purgis  und  Michaelis  bezahlten  Geschosses,  Opfer-  und 
Ötriezelgeld  (zusammen  c.  1  Schock);  ferner  in  einer  be- 
sonderen lüibrik  jährlich  4  Schock  40  Gr.  für  Kleidung 
den  Gerichtsknechten.  Diese  war  schwarz,  nur  die  Ärmel 
bunt  (roth  und  gelb).  Die  Knechte  trugen  Joppen,  Har- 
nische und  Pickelhauben.  Ein  „Pigkelheybel"  kostete 
(1544)  7  Groschen"^"). 

Die  beiden  Ausreuter,  Stadtknechte,  reitende 
Knechte  (den  Namen  „Ausreuter"  führten  sie  bis  in 
unser  Jahrhundert)  waren  berittene  Boten  des  Eathes, 
die  dessen  Schreiben  nach  auswärts  besorgten  und  vor 
allem  zur  Aufrechterhaltung  der  städtischen  Niederlags- 
und Schankprivilegien  die  Strassen  und  Herbergen  ausser- 
halb der  Stadt  visitierten.  Tagelang  „liegen"  sie  beson- 
ders in  Schandau  und  Weiden,  um  „auf  die  Ausschiffung 
zu  warten".  Den  „Städtlein"  (Wehlen,  Gottleuba,  Dohna, 
Königstein)  bringen  sie  des  liathes  Bestimmung,  wann 
sie  mit  dem  Brauen  anfangen  und  aufhören  sollen.  Dies 
musste  mit  Pirna  gleichzeitig  geschehen"'-^).  Zugleich 
hatten  sie  auf  die  Bettler  Achtung  zu  geben  und  fanden 
bei  der  Jagd  als  Treiber  Verwendung'"'^).  Die  Ausreuter 
bekamen  je  3  Gr.  Wochenlohn,  Geschossgeld,  zu  Wal- 
purgis  und  Michaelis  jeder  10  Gr.  Stiefelgeld,  beide  zu- 


■'-)  K.  R.  1479:  54  Gr.  für  Parchym  und  Leymath  den  Knechten 
zu  .Toi)en.  —  K.  R.  1544  „Zufällin-e  Ausgabe":  8  Gr.  den  Dyneni  vor 
dy  Buclistabcii  in  dy  Kleydunye.  1544  des  Richters  Ausgal)e:  8  Gr. 
denen  die  in  Harnisch  gangen  auf  die  Markt  und  Aplas.  Die  oben 
erwälmte  Kleidung  (Joppen,  Harnische,  Pickelhauben)  könnte  aller- 
dings auch  die  der  Stadtknechte  (Ausreuter)  sein:  bestimmte 
Angaben  habe  ich  in  den  Rechnungen  nicht  gefunden. 

'■■»)  Vgl.  Codex  dipl.  IL.  5,  464,  No.  186. 

■'!)  K.  R.  1571:  Wolf  Morre,  dem  Knecht,  12  Gr.,  dafs  er 
6  Wochen  auf  die  Betteljnngen  und  Medell,  so  nicht  Zechen  haben, 
Aihtnug  geben.  Ein  Bettelvogt  wurde  nach  Petermanns 
('lironik,  8.  432,  1680  zum  ersten  Mal  angenommen.  K.  R.  1597: 
6  Gr.  für  6  Klap])ern  dem  Ausreuter  zur  Hasenjagd  zu  gebrauchen. 
(u.  ö.)  „Auf  denen  Jlats-  und  Bürgergütern,  oder  gemeiner  Stadt 
Feldern,  worauf  der  Rat  Gerichte,  Lehen  und  Zinse  hat,  ist  derselbe 
biebevorn  zu  jagen,  hetzen  und  Weidwink  zu  treiben  jiefugt  ge- 
wesen."    1556,  2.  Nov.  vom  Landesherrn  bestätigt.    (Luift.) 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschiclite  der  Stadt  Pirna.       209 

sammen  jährlich  37.2  Schock  für  die  Kleidung ^■^),  Qiiar- 
talgeld  (jeder  1  Seh.' 20  Gr.  Trinitatis,  Crucis,  Luciä,  Re- 
miniscere:  Summa  10  Seh.  40  Gr.),  zu  Weihnachten  und 
Ostern  Striezel-  und  Quarkgeld  (je  50  Gr.),  jeder  3  Gr. 
Martini  von  der  Kuhpfründe,  beide  zusammen  12  Gr.  Pul- 
vergeld für  2  Pfund,  und  jeder  2  Gr.  „vom  leinenen  Garn 
auf  dem  Rathhaus  vom  Stättegeld"  im  Osterablafs. 

Für  die  Sicherheit  der  Stadt  wachten  4  Mau  er- 
wacht er,  von  denen  jeder  im  Sommer  5,  im  Winter 
8  Gr.  Wochenlohn  erhielt  (1552:  12  Gr.  vor  ein  Wächter- 
horn).  Daneben  gab  es  Thorhüter  und  Thorschliesser 
an  den  4  Thoren.  (Das  Thorgeld  vom  Eibthor  bezog 
der  Fährmeister,  der  in  der  Nähe  des  Thores  im  Fähr- 
hause wohnte).  Zur  Zeit  der  vier  Märkte,  die  min- 
destens 3  bis  4  Tage  dauerten,  und  „in  Sterbensläuften" 
wurden  die  Wachen  verstärkt  ■^*^)  und  die  Thorhüter  be- 
kamen eine  besondere  Vergütung:  1550  am  Fastnachts- 
jahrmarkt jeder  18  (statt  10)  Gr.  für  die  Woche  mit  der 
Begründung:  „ist  hart  Wetter".  In  den  Markttagen 
wurden  besondere  Wächter  besoldet,  „so  an  den  Thoren 
und  Pforten  in  der  Vorstadt  warten".  1585  wurde  „des 
Sterbens  halber"  von  der  Bürgerschaft  Wache  gehalten. 
1596  zahlte  der  Wächter  am  Oberthore  1  Gr.  Strafe, 
weil  er  ohne  Vorwissen  des  Bürgermeisters  einen  Mann 
mit  allerlei  Wurzeln  zum  Thore  hereingelassen. 

Der  „Nachtrichter  samt  seinen  zugeordneten 
Nachtwächtern"  bezog  jährlich  22  Schock  45  Gr. 
1595/96  sind  7  Nachtwächter  aufgefülu^t,  unter  ihnen 
auch  „Hans  der  Fronbote".  Der  Nachtschreier") 
(im  17.  Jahrhundert  auch  Stundenrufer  genannt)  bekam 
von  Michaelis  bis   Ostern   10  Gr.   Wochenlohn,   in   der 


°^)  K.  R.  1520:  32  Gr.  vor  Parchem  vnd  Leynwandt  2  reytenden 
Knechten.  » 

^^)  K.  R.  1597/98:  Ausgabe  den  Wäclitern,  so  an  den  Thoren 
gewacht  wegen  dafs  sich  Sterbens  halben  hien  und  wieder  beschwer- 
lichen angelassen,  damit  sie  gntt  Auffsehen  gehabt,  damit  niemandt 
von  denselben  Enden  in  die  Stadt  eingeschleigt :  20  Seh.  32  Gr.  vor  22 
Wochen  ihre  vier  jeden  wöchentlich  14  Gr.  von  den  19.  Augusti 
biefs  nff  13.  Jan.  98.  —  Darunter:  3  Seh.  44  Gr.  vor  4  Wochen  E.  E. 
Rath  die  Woche  von  9.  April  biefs  30.  April  wieder  angeordnett. 
Sa.  24  Seh.  16  Gr.  —  K.  R.  1583/84:  42  Gr.  dem  Richter,  dafs  er  7 
Wochen  bei  Nacht  vor  die  Stadt  gangen  und  die  Waclien  besich- 
tiget hat,  wie  sie  von  den  Wächtern  gehalten. . . .,  jede  W'oche  6  Gr. 

5')  K.  R.  1591/92:  2  Gr.  Gregor  Huhl  vor  ein  Nachthorn  dem 
Nachtschreier. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX.  3.  i.  14 


210  Reinhold  Hofmaim: 

Übrigen  Zeit  8  Gr.;  in  der  ersten  Hälfte  des   16.  Jahr- 
hunderts je  einen  Groschen  weniger. 

Der  Thürnier  oder  Hausmann,  der  zugleich  Stadt- 
pfeifer war,  soll  Tag  und  Nacht  auf  alle  Viertel  der 
Stadt  ein  Üeilsiges  Aufnu^rkcn  haben,  ob  irgend  ein 
Feuer  in  oder  vor  der  Stadt  entstünde,  dals  er  das  mit 
der  grolsen  Glocke  mit  Stürmen  warnen  und  anzeigen 
solle  und  am  Tage  ein  Fähnlein,  des  Nachts  eine  Laterne 
mit  einem  brennenden  Liclite  darin  gegen  den  Ort,  wo 
das  Feuer  entstanden,  zum  Tluirme  herausrecken.  Des- 
gleichen soll  er  morgens,  mittags  und  abends  unabbrüch- 
lich  mit  der  Drommete  drei  Bulsen  blasen.  Auch  hat 
ihm  E.  E.  Rath  zu  hofieren  und  zu  spielen  zugesagt  und 
es  soll  kein  anderer  Spielmann  auf  Hochzeiten  in  der 
Stadt  hofieren  noch  spielen ■^^).  Dafür  bekommt  er  wöchent- 
lich 18  Gr.,  auf  ein  Jahr  einen  Schrägen  Holz  und  auf 
itzlich  Quartal  einen  Scheifel  Korn;  ferner  ein  Geschenk 
(12  oder  21  Gr.)  zu  Neujahr.  Von  1590  an  findet  sich 
in  den  Rechnungen  eine  Einnahmerubrik  von  Strafen,  die 
die  Mauer  Wächter,  Nachtschreier  und  der  Stadtpfeifer 
bezahlen .  „wegen  der  Stunden,  so  sie  verschlafen".  Die 
Wächter  zahlen  für  die  Stunde  6  Pf.,  der  Stadtpfeifer 
1  Gr.,  1Ö96  flg.  alle  1  Groschen  Strafe.  1596/97  hatte 
ein  Wächter  13,  ein  anderer  10  Stunden  verschlafen,  der 
Thürmer  eine  Stunde. 

Der  aus  dem  „gemeinen  Kasten"  besoldete  Glöckner 
bekam  jälu^lich  vom  Rath  10  Gr.  „von  der  Bierglocke 
zu  läuten".  Mehrfach  ist  (vor  1539)  die  gleiche  Summe 
„vom  Wetterläuten"  für  ihn  eingesetzt,  desgleichen  10  Gr. 
„von  der  Fleischglocke  zu  läuten".  1519:  3  Gr.  dem 
Glöckner  Traukgeld,  „dals  er  dem  Kaiser  geläutet"  (1519 
f  Maximilian  I.). 

Die  Stadt  hatte  einen  (zuweilen  zwei)  Flurschützen, 
der  einen  Jahrlohn  von  3  Schock  bezog. 

Der  Hut  mann  hütete  die  Rinder  und  Schweine  der 
Stadt   (5  Schock  Jahrlohn).     Der  Hutmannsstall  war  in 

''")  Aus  dem  i.  J.  1544  vom  Rath  mit  dem  Thürmer  abge- 
schlossenen Vertrag  im  Stadtbuch  B,  fol.  41''.  Es  sollen  ihm  gege- 
ben werden  von  einer  grofsen  Hochzeit,  es  seien  so  viel  Tische  und 
Tage  zu  hofieren  als  wollen :  21  Gr.  —  Von  einer  Hochzeit  mit  einer 
vorgehenden  Kollation,  die  über  7  Tische  zum  rechten  Mittagsmahl 
nicht  hat,  \n  Gr.  —  Von  einer  Hochzeit  auf  einen  Tag:  11  Gr.  — 
Von  einer  Ahendhochzeit:  4  Gr,  —  Nachschrift:  Ist  geändert  Montag 
nach  Jubilate  1549:  15  Gr.  von  einer  vollen  Hochzeit,  8  Gr.  von 
einer  kleinen  Hochzeit,  4  Gr.  von  einer  Ahendhochzeit. 


Beiträge  zur  VerfassungsgescWchte  der  Stadt  Pirna.        211 

dem  1539  säkularisierten  Dominikanerkloster.  Das  Gras 
auf  dem  Nikolaikirehliofe  vor  dem  Dohnaischen  Thor  be- 
kam der  Hutmann  für  die  Rinder,  der  Totengräber  er- 
hielt 12  Gr.  dafür '^). 

Um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  wird  mehrmals 
der  Pfänder  erwähnt.  1548  bekam  er  16  Wochenlang 
wöchentlich  5  Gr.  Ihm  wurde  sein  Geschoss  und  Wach- 
geld (5  Gr.)  nachgelassen,  „dieweil  er  Pfänder  ge- 
wesen". 

Der  Säuschneider  wohnte  um  1550  in  der  Säu- 
schneiderei unmittelbar  vor  dem  Oberthore. 

Der  Rath  hielt  6  (1597/98  bloss  3)  Pferde  im  Mar- 
stall  im  Kloster,  welchen  der  oder  die  Mar  st  eller  zu 
beaufsichtigen  hatten.  Eins  von  den  Pferden  war  der 
„Lehnklepper",  den  Pirna  wie  andere  Städte  zur  Ver- 
richtung der  Post-  und  Botendienste  etc.  für  die  Regie- 
rmig  zu  halten  hatte*'**).  Gelegentlich  werden  Kommete, 
Reitscheyden,  Sättel  für  den  Marstall  angeschafft  und 
ein  Beilskorb  vom  Schlosser  wiederum  zugerichtet.  Die 
Marsteller  bekommen  Lichtgeld  und  16  Seh.  48  Gr.  Jahr- 
lohn. 1518  kaufte  der  Rath  eine  Wiese  für  28  silb. 
Schock,  „die  soll  gebraucht  und  behalten  sein  gemeiner 
Stadt  zum  Marstall,  denn  der  Stadt  Wiesewachs  mangelt". 
Die  Marstall w eiber  räumten  vor  und  nach  den  Jahr- 
märkten die  Klosterkirche  aus,  in  der  die  Kürschner  feil 
hielten,  und  bekamen  dafür  2  Gr.  1598  bewilligte  der 
Rath  Michel,  dem  alten  Marsteller,  6  Gr.  wöchentlich, 
dieweil  er  ein  alter  Diener  und  der  Gemeine  nhun  (9?) 
Jahre  gedienet.  Dem  Marsteller  und  dem  Hutmann  gab 
der  Rath  jährlich  zu  Martini  ein  „Essen"  (Brot  und 
Bier). 

Von  1581  an  wird  auch  ein  Eutterschneider  als 
Rathsdiener  genannt. 


^^)  Nach  der  Baurechnung  des  Jahres  lo67/68  betrugen  die 
Ausgaben  für  den  Hutmannsstall  (Kleie,  Stroh,  Treber)  8  Seh.  16  Grr. 
(l  Scheffel  Kleie  1  Seh.  22  ür.  —  1  Viertel  Treber  12—14  Gr.  — 
Ein  Schock  Schütten   und   15  Gebunde  Heu  vor  die  Ochsen  39  Gr.) 

**")  Die  Verpflichtung  zur  Stellung  dieses  Pferdes  bestand  seit 
1481  (s.  Cod.  dipl.  II.  5,  4(52  flg.).  Das  ßitter-  oder  Lehupferd  wurde 
nach  Lufft  im  Jahre  1619  mit  18  fl.  abgelöst.  —  Baurechuung  1567: 
12  Gr.  vor  ein  Muudstückzaum  zu  dem  Leneklepper.  —  12  neue 
Hufeisen  vor  den  Lehnklepper,  das  Paar  1  Gr.  —  1  neues  Commet 
in  den  Marstall  14  Gr.  —  Ausg.  für  Hafer  in  den  Marstall  c.  45  Seh. 
für  191  Scheffel.  —  für  Heu  und  Stroh  in  den  M.  c.  8  Seh. 

14* 


212  Reinhold  Hofmann: 

Dem  Zeugmeister  oder  Zeuglierrn  war  der  Zeiig- 
wärter,  auch  Haruiscliwischer  genannt,  zur  Unter- 
stützung beigegeben  (3  ISch.  Jahrlohn).  Das  Zeughaus''^) 
war  im  Kloster  untergebracht:  wie  es  nach  einer  Angabe 
scheint,  in  der  alten  Klosterliberei.  In  der  Kammerrech- 
nung des  Jahres  1585/8G  findet  sich  die  höchste  Ausgabe 
für  das  Zeughaus  (84  Seh.)  mit  interessanten  Anschaf- 
fungen, z.  B.  rothe  und  gelbe  Binden  und  Federn  für  die 
Hauptleute,  Befehlshaber  und  den  Fähndrich. 

Dem  Marktmeister"-),  der  4  Gr.  Wochenlohn  er- 
hielt, stand  Avohl  die  Marktpolizei  und  die  Yertheilung 
der  Verkaufsstellen  zu.  Die  Einnahme  des  Stätte-  und 
Brettergeldes  ist  in  den  Baurechnungen,  den  Einnahme- 
und  Ausgaberegistern  des  Bauherrn,  spezifiziert:  Markt- 
meister und  Röhrmeister ,  sowie  die  Kathshandwerker 
waren  dem  Bauherrn  unterstellt.  Die  Einnahme  vom 
Stätte-  und  Brettergeld  betrug  jährlich  14 — 25  Schock. 
Die  Bretter  lagen  im  Bathskeller. 

Din  Bediensteten  des  Bierherrn  waren  die  Bier- 
schröter,  gewöhnlich  waren  es  drei. 

Das  Messen  von  Korn,  Malz,  Salz  etc.,  ehe  es  zum 
Verkauf  kommen  durfte,  an  der  Niederlage  auf  der  Elbe 
und  auf  der  Stadtwage  besorgte  der  Messer  oder 
Schütter  (1591/92  „die  2  Messer  und  Sackträger"). 
Nach  dem  im  Stadtbuch  A  (1512—31)  aufgezeichneten 
Eide**^)  schwur  der  Messer,  „dals  er  arm  und  reich  recht 
messen  und  schütten  wolle".  Das  Schüttgeld  von  einem 
Fässchen  Salz  betrug  für  die  Einheimischen  9  Pf.,  für 
die  Fremden  1  Gr.***) 

«1)  S.  HauptstaatsarcMv  Loc.  9128  Inventariiim  der  Zeugheuser 
zu  Drefsden,  Wittenberg-,  Leipzig,  Zwickau,  Pirna,  Stolpen  und 
Magdel)urg.     Michaelis  löfiS.    Endet  sich  Mich.  1566. 

«2)  Er  hatte  nach  der  K.  K.  1597/98  Stube  und  Kammer  im 
Oberthor.  —  Pirna  hatte  4  Märkte:  den  Matthänsmarkt  (1392  von 
König  Wenzel  der  Stadt  verliehen),  den  .Tulirmarkt  vor  Fastnacht, 
den  üsterablafs  und  den  Herbstablafs :  über  die  Fundation  der  beiden 
letzteren  weiss  schon  Lufft  nichts  mehr  anzugeben.  Der  besuchteste 
scheint  der  Osterablafs  (Uarnmarkt)  gewesen  zu  sein.  Vgl.  K.  R. 
1560/61 :  22  (xr.  Botenlohn  den  Städten  Stolpeu,  Bischofswerde,  Seb- 
nitz,  Schluckenau,  Königsberg  (V),  Neustadt  den  Garnmarkt  ange- 
kündiget.  —  Einnahme  Garngeld  im  Osterablafs  1594  2  Seh.  6  Gr.  4  Pf. 
von  1516  Stücken  Garn  ä  1  Pf. 

"ä)  Die  Eide,  die  die  städtischen  Beamten  in  späterer  Zeit  zu 
leisten  hatten,  sind  aufgezeichnet  in  dem  in  der  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jahrhunderts  angelegten  llezessl)uch  (Rathsarchiv). 

»*)  Das  Privileg  des  freien  Salzschankes  und  Salzmarktes  in 
der  Bannmeile,   das  „dem  Rathe  um  des  gemeinen  Gutes  willen  vor 


Beiträge  zur  Verfassnngsgeschiclite  der  Stadt  Pirna.       213 

In  Diensten  des  Eatlies  standen  eine  Anzahl  Hand- 
werker und  Arbeiter  („gemeine  Arbeiter"),  wohl  nur 
zur  Ausführung  bestimmter  Aufträge,  wie  Steinsetzer  für 
Pflasterarbeiten,  Schmiede,  Büttner,  Sattler,  Wagner, 
Seiler,  Töpfer,  Schlosser.  Die  Ausgaben  für  ihre  Leist- 
ungen sind  in  den  Baurechnungen  spezifiziert.  K.  R. 
1541:  Dem  Büttner  dies  Jahr  sein  Erbet  nach  seinem 
Kerbholz  1  Seh.  50  Gr. 

Fest  angestellt  und  besoldet  war  der  Röhrmeister 
(5  Schock  Jahrlohn),  dem  hauptsächlich  die  Unterhaltung 
der  beiden  städtischen  Röhr  Wasserleitungen  (des  „Ober- 
und  Niederwassers"  oder  „oberen  und  niederen  Gerinnes") 
oblag.  1511  wird  das  Rohrhaus  vor  dem  Schiffthor  er- 
wähnt. 1597  wohnte  der  Röhrmeister  im  Kloster  unter 
den  Marstellern. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  wird 
unter  des  Raths  Dienern  auch  der  mit  2  Schock  Jahrlohn 
besoldete  S  c h ü t z e n m e i s t e r  aufgeführt.  Ein  „Schützen- 
könig" und  „der  Schützen  Viermeister"  werden  zuerst 
im  Jahre  1466  namhaft  gemacht *'-^).  Ausser  der  „nach 
alter  Gewohnheit  auf  Pfingsten  zum  Vogel"  gereichten 
Jahresgabe  von  40  Gr.  schenkte  der  Rath  den  Schützen 
zuweilen  auch  Scheiben  und  Kleinode;  ferner  Bier  und 
Wein  zum  „Pfingstschielsen"  („Königsschiefsen"),  das 
vor  dem  Schiffthor  abgehalten  wurde,  und  Getränke  „ufn 
Abent  ufs  Rahthauls".  1591/92:  1  Seh.  12  Gr.  den  jungen 
Schuczen  zum  Fortteln  uf  12  Sontage,  jeden  Sontagk 
6  Gr.  1593/94:  1  Seh.  12  Gr.  den  jungen  Burgern  und 
Handtwergern,  so  zur  Scheibe  geschossen  ieden  Sontagk 
6  Gr.  am  6.  Decemb.  — 1594/95:  1  Seh.  36  Gr.  den  jungen 
Burgern  uff  16  Sontag,  so  zur  Scheiben  geschossen.  — 
1595/96:  24  Gr.  der  Gesellschaft  der  Schuzen  zum  Apschuls. 
—  Mehi-mals  giebt  der  Rath  Geldspenden  „zu  Hülf"  an 
Schützen,  die  aufs  Schiefsen  nach  Bautzen,  Dresden, 
Meifsen,  Altenberg,  Pegau,  Freiberg,  Wittenberg,  Halle  etc. 


etwan  vielen  Jahren  fast  menschlich  Gedächtnis  übertreffende  zu- 
gestellet"  (Herzog  Georg  an  den  Rath  zu  P.  1526),  wurde  1520  und  ö. 
erneuert.  1572  betrug  die  Einnahme  von  „Salzfässelgeld"  52  Seh.  27  Gr. 
6  Pf.  für  366  Fässel  zu  9  Pf.  und  3173  F.  zu  1  Gr.  —  Nach  der 
Bestimmung  des  Herzogs  Georg  in  der  Rathsordnung  vom  Jahre 
1520  Art.  14,  „soll  mau  hinfürder  zwei  Salzmeister  verordnen: 
einen  aus  dem  Rate,  der  das  Salz  einkauft,  und  einen  aus  der 
Gemeine,  der  dasselbe  in  Fäfslein  verkaufen  soll". 
65)  S.  Cod.  dipl.  IL  5,  443,  No.  156. 


214  Reinhold  Hofmaiin: 

gezogen'^'').  Am  Schluss  des  16.  Jahrlnmderts  wurde  für 
die  „Könige"  das  Gesclioss  aus  der  Kammer  bezahlt 
„wegen  ihres  (Vogel)  Königesreichs".  In  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrliunderts  trat  zu  der  alten  Gesell- 
schaft der  Armbrust  schützen  noch  die  der  Büchsen- 
schützen hinzu"'),  beiden  Gesellschaften  giebt  der  liath 
jährlich  je  5  Schock. 

1569  fand  ein  grosses  „Ehren -Schiessen"  („Haupt- 
schissen", „Fallsgraite  Schissen")  in  Pirna  statt,  welches 
der  Stadt  laut  dem  Kammerbuch  322  Seh.  57  Gr.  10  Pf.  1  Hl. 
Zubusse  kostete.  Den  besten  Gewinn  erschoss  nach 
Petermanns  Chronik  der  Kurfürst  August,  welcher  links 
schoss,  für  den  Pfalzgrafen. 

Da  sich  die  Schützen  auf  Schiessübungen  beschränkten, 
w-ar  es  im  16.  Jahrhundert  sogenannten  Freifechtern  ge- 
stattet. Fechtschulen  zur  Einübung  der  jungen  Leute 
in  den  Hieb-  und  Stichwaffen  zu  halten  *^^).  Eine  solche 
Fechtschule  war  auch  in  Pirna *'''''). 

Im  Fährhause  vor  dem  Brüderthore  wohnte  der 
städtische  Fährmeister  mit  den  Fährknechten.  1497 
wird  „das  neue  Fährhaus  auf  dem  Graben  hinter  dem 
Kloster"  erwähnt.  Der  Fährmeister  war  zugleich  Thor- 
wächter. Er  und  seine  Fährknechte  (zusammen  18  Seh. 
Jahreslohn)  wurden  bei  grossem  Winde  und  Wasser  von 
Fischern  u.  a.  unterstützt,  die  dafür  vom  Rathe  Aus- 
lösung bekamen.  1533  ff.  wird  eine  obere  (Postaer)  und 
eine  niedere   (Copitzer)   Fähre  unterschieden-,   1575  eine 


ö")  K.  R.  1593/94:  2  Seh.  den  Armbrustsclmczen,  so  ken  Poraa 
ienseit  Lcipzigk  sicli  ufs  Vogelschisscn  gebrauch eii  Hessen.  2  Angusti. 

*'■')  Nach  kurfürstl.  Verordnimg  vom  Jahre  1566,  18.  Febr., 
sollen  den  Schützen  und  Schiessgesellen  zu  Pirna  jälirlich  10  fl.  aus 
dem  Amte  gereicht  werden,  der  Ruth  abei'  dagegen  soll  bei  der 
Büigerschaft  daran  sein,  dafs  sie  sich  niclit  alleinc  mit  Armbrüsten, 
sondern  auch  mit  Büchsen  zu  schiefsen  üben  und  also  gefafst  machen, 
dafs  sie  auch  auf  den  Fall  der  Not  zu  gelirauchen.  (K  R.  1559 
Ausg.  auf  gewisse  Zeit:  40  (Jr.  den  Armltrustschützen  Pfingsten, 
12  Gr.  den  Bogenschützen  Pfingsten). 

ö»)  0.  Richter  a.  a.  ü.  S.  301.  Über  die  Geschichte  und 
Bedeutung  der  Fechtschulen  für  die  Städte  s.  M.  Jahns,  Gesch. 
des  Kriegswesens  S.  926. 

''■>)  K.  R.  1590/91:  (Gerichtsbufse  zahlen,  jeder  I2V2  Gr.): 
Balthasar  Susscmilch  und  Hans  Bartzsch,  das  sie  uff  der  Fechtschuel 
den   Fechtmeister   niedergeleget ,    ihme    in   die   Haar   gefallen,    die 

Krause  abgerissen  undt  im  Tumult  den  Fechter  mit  dem  ( ?) 

übern  Kopff  geschmissen. 


Beiträge  zur  Verfassiingsgeschiclite  der  Stadt  Pirna.        215 

kleine  und  eine  grosse'^").  Die  Fährrechnung  des  Jahres 
1593/94  weist  eine  Einnahme  von  c.  53  und  eine  Aus- 
gabe von  c.  33  Schock  auf.  In  den  Fährregistern  sind 
33  Dörfer  als  bezahlende  eingetragen.  (1545  Einn.  von 
Dörfern  Jahrlolm  c.  3^6  Seh.) 

Aus  den  Einnahmen  der  Fähre  mussten  an  den 
Eath  jährlich  37«  Seh.  Erbzins,  5^/.^  Seh.  an  den  gemeinen 
Kasten,  28  Gr. "an  die  Stadtkirche  und  28  Gr.  an  den 
Pfarrer  zu  Röhrsdorf  Erbzins  gezahlt  werden '^^).  Alle 
Ware,  die  von  der  Elbe  ausgeschifft  wurde,  musste  auf 
dem  Ufer  vor  der  Stadt,  nicht  auf  dem  jenseitigen  aus- 
geschifft werden.  48  Gr.  bezog  der  Fährmeister  jährlich 
„von  Absetzen  von  Holz  und  Mühlsteinen  von  der  Nieder- 
lage zu  Copitz  und  Posta".  Aus  dem  fürstlichen  Geleite 
bekam  er  eine  Geldbelohnung,  „dafs  er  mit  getreuem 
Fleilse  die  Wegezeichen'-)  von  denen,  so  über  die  Elbe 
fahren,  einfordert,  desgleichen  von  denen,  die  mit  Flölsen, 
Kähnen,  Schiffen  etc.  vorüberfahren,  muls  er  die  Zeichen 
einfordern,  giebt  der  Gleitsmann  allhier  allewege  einem 
jeden  einen  Zettel  mit  gen  Dresden"'^).  Die  Stadt  Pirna, 
die  bis  in  die  Neuzeit  herein  einen  regeren  Handels- 
verkehr gehabt  hat  als  Dresden,  musste  sich  bis  1875 
mit  einer  Fähre  begnügen.  Diese  war  1326  durch  Kauf 
in  Besitz  der  Stadt  übergegangen'^). 

Einen  Versuch  vom  Jahre  1563,  über  die  Elbe  eine 
Brücke  zu  bauen,  berichtet  Tobias  Petermann  in  seiner 
Chronik  (S.  424):  „Anno  1563,  Dienstags  nach  der 
Kreuzwoche,  ward  durch  Herrn  Mattheus  Heintzen  vor 
der  Pforte  am  Erdhübel  eine  Brücke  über  die  Elbe  bis 
an  das  Wehrt ''^)  mit  einer  Schnur  abgemessen  unter  der 
Regierung  Jakob  Sülsemilchs  und  Benno  Kleditzens. 
Die  Brücke    aber   ist   noch   nicht   fertig."     Diese  wenig 


™)  K.  R.  1595/96:  58  Seil.  48  Gr.  Martin  Wecken  zaUt  vor  eine 
naue  Flöfse  vnd  nauen  FelirKann,  alls  den  Fehrkau  umb  22 Taler 
und  die  Flefse  nmb  125  Taller  vordingett.  —  K.  E.  1533:  18  Gr. 
vor  Segel  und  Rudel. 

''^)  Der  Fälirgeldtarif  und  die  jährlichen  Abgaben  des  Fähr- 
meisters  nach  einer  Aufzeichnung  vom  Jahre  1451  gedruckt  im  Cod. 
dipl.  IL  5,  427  flg. 

''^)  K.  R.  1570:  5  Gr.  dem  Klempner  vor  1  Schock  Wegezechenn. 

■^^)  Nach  der  „Geleitstafel  zu  Firn",  (c.  1545.)  Abschrift  im 
Rathsarchiv. 

'*)  Die  Urkunde  darüber  gedruckt  im  Cod.  dipl.  II.  5,  342. 

■^5)  An  das  Wehrt,  vielleicht  eine  Elbinsel,  erinnert  heute  noch 
das  „Werthaus"  in  Copitz. 


216  Reinhold  Hof  mann: 

bekannte  und  leicht  ungläubig-  belächelte  Mittheilung  be- 
ruht nach  den  amtlichen  Autzeichnungen  der  Känimerei- 
rechnung  des  genannten  Jahres  auf  Wahrheit.  Daruach 
waren  wiederholt  Eathsherren  in  Dresden,  um  dem  Kur- 
fürsten „eine.  Supplikation  wegen  eines  Brückenbaues 
über  die  Elbe"  zu  überreichen.  Den  13.  Mai  war  Mat- 
theus Heinze,  der  von  1566  bis  1584  im  Eathe  sass,  in 
Dresden,  um  die  dortige  Brücke  abzumessen.  Am  26. 
August  überantwortete  er,  begleitet  von  drei  Raths- 
herren,  dem  Kurfürsten  „die  Visirung  und  den  Anschlag" 
der  Brücke.  Den  10.  Mai  war  die  Elbe  von  Fischern, 
die  6  Gr.  für  ihre  Arbeit  bekamen,  gemessen  worden, 
und  es  wurden  befunden  357  Ellen  von  der  Pfortenmauer 
bis  an  das  Werd  über  Wasser  und  von  dannen  an  194 
Ellen  bis  an  die  Copitzer  Gasse.  66  Klafter  Schnur, 
über  die  Elbe  zu  messen,  kosteten  b^j.-,  Groschen.  12 
Schiifknechte  erhielten  15  Gr.  Trankgeld",  „dals  sie  den 
Eibgrund  an  der  Pforten  bestochen".  Die  Brücke  sollte 
wohl  nur  eine  hölzerne  werden:  in  derselben  Jahres- 
rechnung sind  2^2  Gr.  Lohn  für  einen  Boten  verrechnet, 
der  des  Eathes  Schreiben  um  Gehölz  zur  Holzbrücke  an 
den  Schösser  zu  Hohnstein  getragen  und  1^'..  Gr.,  dais 
er  Antwort  bracht;  desgleichen  an  die  Schösser  zu 
AVeesenstein  und  Kreischa,  möglicherweise  mit  Schreiben 
gleichen  Inhalts.  Den  Grund,  weshalb  das  Brücken- 
unternehmen nicht  ins  Leben  getreten  ist,  habe  ich  nicht 
ermitteln  können. 

Die  Kinder-  oder  Wehemutter  (um  1550  sind  es  2) 
bekam  2  Gr.  Wochenlohn,  halbjährlich  18  Gr.  Hauszins 
und  jälu'lich  6  Gr.  zu  Holze.  Nach  der  Baurechnung  des 
Jahres  150.7/98  wurden  von  E.  E.  Rathes  Holz,  so  man 
jährlich  im  Vogelgesange^")  und  an  der  Viehleitc  hauen 
lälst,  9  Schrägen  ausgetheilt  und  zwar  2  Schrägen  dem 
Syndikus,  je  •  l^/„  Schrägen  dem  Stadtpfeifer  und  Mar- 
steller, je  einer  der  Wehmutter,  dem  Hutmann,  Toten- 
gräber und  Fronboten.  —  Die  „verpflichtete  Wehmutter" 
w^ohnte  im  17.  Jahi^hundert  im  Kloster  über  dem 
Marstall. 

'ö)  Dieses  heute  noch  der  Stadt  gehörige  Gehölz  heisst  Jetzt 
die  „Elbleite",  in  früherer  Zeit  führte  es  den  Namen  „Zinzerling". 
(1402:  das  holcz  obwennyg  Pinie  gelegen  der  Czynczerling  genant. 
Cod.  dipl.  II.  5,  377,  No.  «2.  —  1412:  iuit  der  Steyn  mulen  vor  dem 
thore  gelegen  mit  wassern  vud  mit  einem  hulczechin  genannt  der 
Czinczerlin.     Ebenda  387,  No.  74.) 


Beiträge  zur  YerfassimgsgescMchte  der  Stadt  Pirna.       217 

Sanitätswesen. 

Eiu  „ Stadt medikus"  wurde  erst  1572  angestellt 
mit  52  Seh.  30  Gr.  Jahrlolm  für  sein  „Stadtphysikat""). 
Die  vier  ältesten  Stadtärzte  (16.  Jahrhundert)  waren 
Dr.  Johann  Bens,  neben  welchem  noch  Dr.  Zacharias 
Stark  jährlich  10  Seh.  bekommt,  Dr.  Peter  Sibelinus,  Dr. 
Samuel  Meliss  und  Dr.  Gregorius  Heiland.  Letzterer 
starb  1603.  Sein  auf  Holz  gemaltes  Bildnis  befindet  sich  in 
der  Stadtkirche.  Früher  hatten  die  Bader  die  medizinische, 
bes.  die  chirurgische  Praxis  betrieben.  Nach  einem  Ein- 
trag am  Schlüsse  des  Stadtbuchs  No.  3  vom  Jahre  1512 
soll  „der  von  der  Stadt  obligierte  Barbier  alle  Jahre  bei 
einem  neuen  Rathe  um  seinen  Dienst  werben,  item  die 
Personen  des  Raths  und  der  Stadt  Diener  ohne  Entgelt 
heilen,  auch  so  jemand  in  der  Stadt  Gefängnis  zu  Ge- 
brechen kommt,  desgleichen  arme  Leute,  die  des  Ver- 
mögens nicht  sein."  Sehr  häufig  finden  sich  in  den 
Rechnungen  Ausgaben  (gewöhnlich  20  Gr.)  für  die  Bader, 
dass  sie  Personen  geheilt,  die  das  „Stadtschwein"  „ge- 
bissen" oder  „gehauen". 

Eine  Apotheke  ward  in  Pirna  im  Jahre  1578  er- 
richtet. Li  Dresden  bestand  eine  solche  schon  seit  1467. 
Die  Entstehung  der  Apotheken  fällt  in  das  Ende  des 
14.  Jahrhunderts.  16  Jahre  vor  i^ufrichtung  der  Apo- 
theke, 1562,  wurde  Kaspar  Koppen  vom  Rathe  der  Stadt 
Pirna  die  Gebühr  für  die  Erlangung  des  Bürgerrechts 
geschenkt,  „weil  er  ein  Apothekergeselle  ist  und  der 
Stadt  dienlich  sein  A\ill".  Der  erste  Apotheker  war 
Kaspar  Milich,  dessen  Witwe  in  den  90  er  Jahren  das 
Geschäft  fortführte  und  sich  1595  mit  Dr.  Heiland  ver- 
heirathete.  Zahlreich  sind  in  den  Rechnungen  Ausgaben 
verrechnet  für  Marzipan,  Konfekt,  Rosinen,  Pomeranzen, 
Spritzkuchen,  Nürnberger  Kuchen,  Mandeln,  Räucher- 
pulver, Wachs,  Fackeln,  Windlichter,  die  man  aus  der 
Apotheke  bezogen  hatte.  1583  zahlt  der  Rath  ab- 
schlägiich  35  fl.  in  die  Apotheke  für  roth  und  gelb 
Siegelwachs,  für  Konfekt  und  Zucker,  die  er  auf  Hoch- 
zeiten geschenkt  hatte,   item  für  die  Präservatift',  so  im 


■'')  In  der  K.  R.  1541  wird  unter  den  Communes  Inquilini 
„der  Arczt  Judeus"  erwähnt. —  Nach  derselben  K.  R.  hat  man  „SlVa  Gr. 
einen  Zins  gegeben  dem  Zuckermacher  zu  einer  Vorehruuge,  dafs 
er  den  armen  Leuten  in  der  Arznei  gütlich  thun  soll".  —  K.  E,. 
1559:  36  Gr.  Magister  Johannes  Schütteier,  dem  Rathe  eyn  Buchlin 
und  kurzen  Auszugk  der  Erzney. 


ö 


218  Roinliold  Hofmaiin : 

Sterben  dem  Herrn  Superintendenten  und  den  beiden 
Diaconis  worden.  K.  it.  1597/98 :  7  Gr.  6  Pf.,  so  Herr 
Valten  Gerhard  Diacs.  in  der  Apotheken  an  Kichelgen 
genolimen,  alls  ehr  zu  Herr  Hans  Gottschalgk  gangen 
in  seiner  Leibes  Schwachheidt.  Vgl.  K.  R.  1531:  3  Seh. 
51  Gr.  t'acit  Hfl.  vor  das  Polver,  das  vor  die  pestilentis 
dienen  soll. 

In  Pestzeiten  Avurden  eine  Anzahl  besonderer  Beam- 
ten angestellt:  Ein  Pestprediger,  Pestilentialis; 
gewöhnlich  übertrug  man  dieses  Amt  für  die  Dauer  der 
Seuche  dem  Quartanus  an  der  Stadtschule.  Im  Jahre 
1659  wurde  die  Stelle  zu  einer  beständigen  erhoben  und 
der  Inhaber  war  der  jeweilige  Hospitalprediger. 

Ferner  wurden  besondere  P  esttoten  träger  (Toten- 
gräber), Wärterinnen  und  (wenigstens  von  1607  an 
nachweisbar)  ein  Pestbalbierer  angenommen.  1588 
auch  ein  Essenträger  mit  14  Gr.  Wochenlohn,  der  den 
Totengräbern  und  Pestkranken  Essen  zutrug,  22  Wochen 
lang.  Von  der  Pest,  dieser  Geissei  des  Mittelalters, 
wurde  Pirna  wiederholt  heimgesucht:  so  1496,  wobei  nach 
der  Versicherung  des  Pirn.  Mönchs  auch  „18  Brüder  im 
Kloster  stürben".  Das  grösste  Sterben  des  16  Jahr- 
hunderts war  nach  der  unverdächtigen  Mittheilung  des 
Stadtbuchs  A,  fol.  20  im  Jahre  1532:  „In  diesem  Jahre 
hat  sich  Sonntags  nach  Maria  Magdalena  (28.  Juli)  das 
Sterben  der  fährlichen  Plage  der  Pestilenz  an  der  Chri- 
stoph Wernerin  angefangen  und  hat  gewährt  bis  auf 
folgende  Weihnachten,  und  sind  bei  1300  Menschen  ge- 
storben, und  in  solcher  Zeit  ist  viel  Volks  aus  der  Stadt 
geflohen".  In  der  K.  P.  dieses  Jahres  steht  „Einnahme 
Stätte-  und  Brettergeld"  nur  für  Fastnachtsmarkt  und 
Osteral)lass  verzeichnet;  „die  andern  Merck  hat  das  Ster- 
ben verhindert".  Am  Schlüsse  des  Stadtbuchs  A  schreibt 
der  Stadtschreiber  des  Jahres  1543:  ,,Zu  merken,  dals 
E.  E.  Rath,  dieweil  er  vermerkt,  dals  es  spöttisch  mit 
den  Leichen  der  Verstoi-benen  hat  wollen  mit  dem  Be- 
gräbnis zugehen,  auf  Wege  gedacht,  dals  man  ilirer  vier 
ausgerichtet,  die  der  Verstorbenen  Leichen  zu  Grabe 
tragen  sollen  (folgen  die  Namen),  denen  man  jeg- 
lichem aus  gemeinem  Kasten  jährlich  ein  silbern  Schock 
geben  soll,  als  auf  jegliches  Quartal  15  Groschen,  und 
haben  das  ehrliche  Handwerk  der  Tuchmacher  jeglichem 
zween  Mals  Gewand '  zu  einem  Rocke  gegeben.  Und 
wenn   die   Fährlichkeit  [des  Sterbens   angehet,    will  Ein 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna        219 

Rath  mit  ihnen  eins  werden,  was  man  einem  itzlichen  die 
Woche,  oder  was  einer  ihnen  von  einer  Leiche  geben 
solle."  Am  Schlüsse  des  Stadtbuchs  C  sind  ,,Toten- 
gTäbers  Artikel"  verzeichnet  (1556):  „Wenn  er  den  Sarg 
dazu  bringt  und  ohne  Sarg  ein  Altes  begraben  wird,  ge- 
bührt ihm  4  Gr.  Wenn  aber  ein  Altes  mit  einem  Sarge 
begraben  wird,  gebührt  ihm  6  Gr.,  darum  dafs  er  das 
Grab  tiefer  und  länger  machen  muss.  Von  einem  Kinde 
unter  8  Jahren  1  Gr.  Von  einem  8  jährigen  2  Gr.  Von 
einem  Kinde,  so  über  8  Jahre,  4  Gr.  Es  soll  auch  ein 
Grab  3  Ellen  tief  sein  am  wenigsten.  Und  weil  ihm 
vom  Kastenherrn  alle  Quartal  1  Scheffel  Korn  gegeben 
wird,  soll  er  dargegen  die,  so  ganz  arm  sein,  umsonst 
begraben.  Es  hat  auch  Kroner,  da  ihn  ein  Eath  Freitag 
nach  Trium  Hegum  des  56.  Jahres  angenommen ,  zuge- 
sagt, dafs  er  sich  in  fährlichen  Zeiten  alles  Gehorsams, 
was  ihm  vom  Eath  auferleget  und  geboten,  verhalten 
wolle." 

Die  Totengräber  wohnten  vor  dem  Dohnaischen  Thore 
in  einem  zum  Hospital  gehörigen  Häuschen ^*^).  1597 
wurde  ein  neues  Siechhaus,  Pestil  enzhaus,  auf  dem 
„weiten  Kirchhof"  erbaut ;  von  diesem  Siechhaus  wurden 
durch  eine  Mauer  getrennt  ,.der  Totengräber  Häuser". 
(K.  R.  1597/98.)  Im  17.  Jahrhundert  (1607  flg.)  Avaren 
„die  Pestilenzialhäuser"  im  Kloster;  Pestilentialpfarrer 
und  Pestbarbier  hatten  dort  ihr  „Losament".  Die  nach 
dem  Hof  herausliegenden  düsteren  Räume  gegenüber  der 
Klosterkirche  heissen  heute  noch  im  Volksmunde  die 
„Pesthäuser". 

Die  Handwerke. 

Auf  das  Verzeichnis  der  „Amter  und  Rathspersonen" 
folgt  in  den  Rechnungen  des  16.  Jahrhunderts  das  der 
Viermeister  (Ober-  und  Viermeister)  der  Hand- 
werke: 4  Namen  unter  jedem  Handwerk.  In  den  beiden 
ältesten  der  vorhandenen  Rechnungen  (1479,  1490)  stehen 
sie  auf  der  Aussenseite  des  vorderen  pergamentenen  Ein- 


'*)  1545  wird  ein  Häuschen  zwischen  dem  Spittelhäuschen, 
darin  der  Totengräber  wohnt,  und  Anton  Mönchs  Hause  vor  dem 
Dohnaischen  Thor  erwähnt.  (Stadtbuch  B,  fol.  109.)  —  1583  werden 
für  3  Weiber  im  Spittal,  so  sich  haben  müssen  innen  halten  und 
unter  die  Leut  nicht  haben  dürfen  gehen,  alklieweil  sie  fast  bei  den 
Totengräbern  unter  ihnen  gewohnet,  6  Gr.  auf  eine  Woche  bewil- 
ligt.   (K.  R.) 


220  Reinhold  Hofinann: 

banddeckels  nach  dem  Namen  des  (vom  Ratli  allein  an- 
gegebenen) Bürgermeisters,  der  hier  Proconsul  genannt 
ist.  Im  Jahre  1479  und  1490  gab  es  7  Innungen  in 
Pirna:  die  Tuchmacher,  Bäcker,  Fleischer, 
Schuster,  Schneider,  Schmiede  und  Büttner.  Es 
sind  dies  die  zünftigen  oder  sogenannten  grossen  Hand- 
werke, denen  sich  in  Sachsen  1472  (in  Pirna  zwischen 
1490  und  1512)  noch  die  Leineweber '")  hinzugesellten,  wäh- 
rend die  übrigen  erst  im  16.  Jalirhundert  und  manche 
noch  später  Innungsverband  erhielten  ^'^).  Die  nachweis- 
bar älteste  Innung  unserer  Stadt  ist  die  der  Schuh- 
macher: sie  wird  1292  vom  Bischof  Withego  von  Meissen 
bestätigt^').  Die  vornehmste  und  zahlreichste  war  lange 
die  der  Tuchmacher  oder  Wollenweber,  bis  sie  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  von  den  Leinewebern 
und  mehrmals  auch  von  den  Schustern  an  Zahl  erreicht 
und  in  manchen  Jahren  übertrotfen  wurde;  wenigstens 
sind  in  dieser  Zeit  die  Inquilini,  d.  h.  die  zur  Miethe  woh- 
nenden Leineweber  (und  Schuster)  mit  Bürgerrecht  an  Zahl 
den  „Tuchmacher  Inquilini"  meist  überlegen  ^'-).  Die  Zahl 
der  hausbesitzenden  Handwerksmeister  lässt  sich  aus  den 
ßechnungen  nicht  ermitteln.  Für  die  Erlangung  des 
Meisterrechts  waren  5  Groschen  an  die  Kammer  zu  zahlen 
(Rubrik  „Einnahme   Meisterrecht").      Die    Tuchmacher, 

'*')  Diese  galten  anderwärts  nuch  viel  später  für  unehrlich.  In 
der  Lade  der  Schneiderinnung  zu  Pirna  ist  ein  Geburtsbrief  des 
Joh.  Baelmann  von  der  Schneidergilde  der  Neuenstadt  Osnabrück 
vom  Jahre  1623  mit  dem  Passus:  „weilen  Zeiger  keines  Zolners, 
Müllers,  Balbirers,  Baders,  Leinweib  ers,  Schäfers,  pfciffcrs, 
Schweinschneiders  oder  sonsten  einiger  anderer  meitlichen  art  und 
geschlechts".  —  Auch  in  Pirna  scheinen  die  Leineweber  noch  lange 
Zeit  nicht  für  voll  angesehen  Avorden  zu  sein :  vgl.  K.  R.  1 594/95 : 
1  Seh  50  (Ir.  (Gerichtsbuise)  Macz  Miczscheringk,  das  er  das  Handt- 
Avergk  der  Leinweber  vbel  gescholdten.  Nach  der  K.  R.  1597/98 
musste  der  Rath  zu  P.  105  Schock  Strafe  zahlen,  „Aveil  er  das  Hand- 
Averk  der  Leineweber  und  Barl)iere  beleidigt." 

80)  Otto  Richter  a.  a.  O.  S.  209  flg. 

81)  Cod.  dipl.  JI.  5,  329,  No.  4. 

8=)  In  der  K.  R.  1593/94  „Einnahme  Geschofs  und  Wachgeld" 
stehen  unter  „Inquilini"  die  Namen  von  54  Leinewebern,  43  Schustern 
und  39  Tuchmaclicrn.  —  Den  Tuchmachei'u  gehörte  seit  dem  15. 
Jabiliundert  die  Walkmühle.  1553  wird  das  Färbehaus  der  Tnch- 
macher  vor  dem  Brüderthor  erwähnt.  —  Auf  3  in  der  K.  R.  1490 
liegenden  losen  Blättei-n  (Schmalfolio)  linden  sich  die  Namen,  von 
47  Meistern  der  Tuchmacher  (magistri  laniüc.)  unter  der  Über- 
schrift der  „Tuchmacher  Rchme  und  Bang  czinfse"  und  die  Namen 
von  36  Meisterndes  Schuhmacherhandwerks  (magistri  sutor.) 
unter  „der  Schuster  bangkcziufse". 


Beiträge  zui-  Verfassiingsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       221 

Bäcker  und  Schuster  hatten  einen  jährlichen  Zms  für  die 
Bänke *^")  am  Rathhaus  an  die  Stadt  zu  zahlen:  ihre  Vier- 
meister bekamen  vom  Eath  eine  Geldspende,  „die  Bank- 
zinse  einzumahnen".  Im  Jahre  1546  gab  es  11  Hand- 
werke: es  waren  noch  die  Leineweber,  Schützen,  Kürsch- 
ner und  Hutmacher  (Hutter)  hinzugekommen,  die  letzteren 
beiden  seit  1518  nachweisbar. 

1570  ist  die  Zahl  der  Innungen  auf  14  gestiegen; 
Tischler,  Seiler,  Töpfer  sind  hinzugekommen.  1597  werden 
Ober-  und  Viermeister  von  21  Handwerken  mit  Namen 
aufgeführt;  schwächere  und  verwandte  Innungen  hatten 
sich  zusammengethan.  Die  7  seit  1570  begründeten  Inn- 
ungen sind  die  der  Fischer,  der  Nadler,  Biemer,  Sattler, 
Gürtler,  Beutler  und  Schwertfeger,  der  Steinmetzen  und 
Meuerer,  der  Glaser,  Drechsler  und  Kleinbinder,  der  Gold- 
schmiede, Seifensieder,  Kandelgiesser  und  Kupferschmiede, 
der  Zimmerleute;  endlich  die  der  Lohgerber,  Schwarzfärber 
und  Weissgerber. 

Von  Unruhen  und  Kämpfen  zmschen  Patriziern  und 
Handwerkern,  wie  sie  so  viele  deutsche  Städte  des  Mittel- 
alters erschüttert  haben,  finden  wir  in  Piina  nur  geringe 
Spuren  aus  den  Rechnungen,  so  1519,  da  die  Gemeine 
conspirationes  gehalten^*).  Infolge  iimerer  Zwistigkeiten 
hat  dann  wohl  Herzog  Georg  im  nächsten  Jahre  der 
Stadt  eine  Rathsordnung  gegeben. 

Geschoss  und  Wachgeld. 

Nach  einer  kurzen  Angabe  der  Rückstände  (Re- 
tardaten)  und  der  Bestände  an  barem  Gelde,  meist 
auch  der  an  Korn  und  Wein,  beginnen  die  eigentlichen 
Rechnungen  mit  der  Namensliste  der  Geschosspflich- 

83)  KR.  1548  Schixsterbankzins  2  Seh.  24  Gr.  jährl  von  36 
Bänken  zu  je  4  Gr.  —  3  Seh.  36  Gr.  Tuehmaeherbankzin.s  (36 
Bänke),  dazu  Tuchmacher  Rähmezins  2  Seh.  —  Bäckerbankzins 
6  Seh.  40  Gr.  (19  Bänke  ä  10  Gr.  und  2  Bänke  ä  5  Gr.). 

^*)  K.  ß.  1512:  15  Gr.  vorczert  und  vor  Lichte  aufsgegeben 
und  vorthon  auff  Freitagk  am  Tage  Elizabet,  do  unfser  genediger 
Herre  alhy  zcu  Byrne  gewest  und  dy  Irrunge  und  Zweylaafi't  so 
zcwischen  dem  Rathe  Hantwergern  und  gemeinen  Manne  gewest 
anno  etc.  duodecimo.  —  K.  R.  1519  Ausgabe  auf  gewisse  Zeit:  6  Gr. 
uff  die  Khore  des  Raths  uff  Weihnacht,  quem  priuceps  noluit  con- 
firmare.  —  ib.  Ausg.  Nach  Reisen:  36  Gr.  8  Pf.  vorczehrt  in  Drefs- 
den  der  Burgermeyster  salb  X  Persohnen  und  8  Pferden  in  Vor- 
bescheid u.  g.  H.  die  gemeyne  Clage  anzuhören  am  Tage  Thimo- 
thei.  —  10  Gr.  2  Pf.  Simon ezu  Drefsden  uff  4  Reisen  vorczert 


222  Reinhold  Hofraann: 

tigen  nach  den  vier  Stadtvierteln  (Quartalen).  Die 
Termine  für  die  Zahlung"  des  Geschosses  (exactio) ,  der 
städtischen  Hauptabgabe ,  waren  seit  1519  Walpurgis 
und  Michaelis.  Das  niedrigste  Geschoss  eines  haus- 
besitzenden Bürgers  in  der  »Stadt  betrug  hall)jährlich  2, 
der  höchste,  selten  vorkommende,  50  Groschen.  In  den 
vorhandenen  liechnungen  des  16.  Jahrhunderts  ist  48  Gr. 
halbjährlich  das  höchste.  Darauf  folgt  das  Geschoss- 
verzeichnis der  zur  Miethe  Avohnenden  Bürger,  Inquilini, 
nach  Handwerken  geordnet;  darauf  die  Communes  In- 
quilini (zur  Miethe  wohnende  Bürger,  die  nicht  Hand- 
werker waren).  Ferner  die  Geschossliste  der  „Haus- 
genossen, so  nicht  Bürgerrecht  haben",  der  Bewohner 
der  Häuser  vor  den  Thoren  („Vorstetter")  und  der  „uff 
der  Ewendt"  (Ebenheit  bei  Pirna) ,  d.  h.  der  geschoss- 
ptlichtigen  „Bauern,  so  Bürgergüter  haben".  Um  die 
Mitte  des  16.  Jahrhunderts  gab  es  innerhalb  der  inneren 
Stadt  etwas  über  250  schosspflichtige  Häuser ;  die  meisten 
und  zahlungskräftigsten  Hausbesitzer  wohnten  im  ersten 
Viertel.  Die  wohlhabendsten  Bürger  um  diese  Zeit 
waren  die  Nacke,  Funke,  Promnitz,  Zeibig,  Kittel, 
Tenler,  Sülsmilch,  Arnold,  Schumann,  Engelmann,  Fuchs, 
Meiisner  "^''j.  Das  höchste  Geschoss  in  der  Stadt  zahlte 
1548  der  Bürgermeister  M.  Lorenz  Fuchs:  im  ganzen 
120  Gr.  für  das  Jahr  von  seinem  Hause  im  ersten  und 
einer  Hofstatt  im  zweiten  Viertel.  Die  Gesamteinnahme 
an  Geschoss  betrug  1553:  146  Seh.  20  Gr.  von  den  haus- 
besitzenden Bürgern  „innerhalb  der  llingmauer". 
Dazu  kommen  die  Hausgenossen  (Inquilini),  jeder  jähr- 
licli  4  Gr. :  49  Tuchmacher,  15  Bäcker,  21  Fleischer, 
13  Schmiede,  Kürschner,  Wagner,  Hutter,  9  Büttner, 
26  Leineweber,  17  Schuster,  7  Schneider,  24  Communes 
Inquilini,  60  vor  dem  Oberthor  und  dem  Dohnaischen 
Thor,  20  vor  dem  Brüdeiihor,  25  vor  dem  Schitfthor, 
123  Hausgenossen  zu  jährlich  2  Gr.  Summa  23  Seh.  20  Gr. 
Summa  die  Geschois  in  alles:  169  Seh.  40  Gr. 


in  Irrungen  saclis  der  Gemeync  . . .  Yielleiclit  gehört  auch  eia  Ein- 
trag in  der  K.  ii.  1555  „Einnahme  (Jericlitshufsen"  hierher:  34  Gr. 
die  Hutter,  dafs  sie  eine  Widerwärtigkeit  und  Meuterei  unter  dem 


Handwerk  geniaclit. 


')  Der  römische  König  Ferdinand  übernachtete  den  17.  Mai 
1538  bei  der  Oleitsnianniu  Faul  Meissnerin  und  der  Hei'zog  Georg 
beim  Bürgermeister  Euchs.  (Stadtl)iich  A,  vorderer  Einbanddeckel. 
Seide  m  a  n  n  ,  Keformationszeit  in  Sachsen  von  1517 — 39.     S.  XI  flg.) 


Beiträge  zur  Verfassiingsg-eschichte  der  Stadt  Pirna.       223 

Hinter  dem  Geschoss,  in  den  späteren  Rechnnngen 
auf  gleicher  Linie  rechts  von  demselben ,  steht  das  als 
Beisteuer  zur  Unterhaltung  der  Wachmannschaft  zu  ent- 
richtende Wachgeld  (jährlich  im  ganzen  c.  30  Schock). 
Von  der  Zahlung  des  Geschosses  und  Wachgeldes  befreit 
waren  der  Stadtschreiber,  die  Rathsdieuer -"),  die  jewei- 
ligen zwei  Könige  der  beiden  Schützengesellschaften 
„wegen  ihres  Königreichs"  und  zwei  Kirchväter  „wegen 
ihres  Kirchenambtes  mit  dem  Seckell".  Nach  Lufft  waren 
infolge  der  durch  Kurfürst  Moritz  (15.52,  10.  März)  und 
Johann  Georg  I.  (1620,  22.  Januar)  ertheilten  Begna- 
digungen auch  die  Eathspersonen  beneben  dem  Stadt- 
schreiber aufi^r  den  Fall  sonderbarer  Noth  befreit  von 
allen  Einquartierungen,  sowie  von  Geschoss,  Wachtgeld 
und  Wachten.  Die  Sechser  seien  dieses  letzteren  von 
undenklichen  Jahren  her  ebenermafsen  theilhaftig  gewesen, 
von  der  Einquartierung  sollten  sie  verschont  bleiben,  so- 
viel möglich  und  soweit  es  ohne  sonderbare  Beschwerung 
der  übrigen  Bürger  geschehen  könne.  Im  16.  Jahrhun- 
dert waren  die  Rathsherren  vom  Geschoss  nicht  befreit: 
ihre  Namen  stehen  in  den  Geschosslisten  aufgezeichnet, 
durchgängig  als  die  der  Höchstbezahlenden. 

Bevölkerung    und    wirthschaftliclie  Lage   der  Stadt. 

Aus  der  Zahl  der  Geschosspflichtigen  allein  einen 
Schluss  auf  die  Bevölkerungszahl  Pirnas  in  der  hier  be- 
handelten Zeit  zu  machen,  hat  seine  Bedenken.  Zur 
Unterstützung  lässt  sich  aber  vielleicht  folgendes  heran- 
ziehen. Im  Jahre  1566  schenkte  nach  einer  Notiz  in  der 
Rechnung  dieses  Jahres  der  Rath  zum  Pflngstschiessen 
der  jungen  Bürgerschaft  2  Schock  Gr.  und  3  Schei- 
ben :  der  Kämmerer  bemerkt  dazu :  „es  seind  207  Bürger 
gewesen".  Nach  einer  Mittheilung  des  meist  gut  unter- 
richteten Petermann  (Chronik  S.  466)  schickte  im  Jahre 
1547  der  Rath  dem  Kurfürsten  Moritz  300  Mann  Be- 
waffnete, „die  Hälfte  der  gesamten  Bürgerschaft."  Die 
Zahl  von  gegen  600  Bürgern  würde  nach  den  Geschoss- 


*")  K.  E.  1S41  zufällige  Ausgabe:  10  Gr.  Hans  Sussemilchauf 
2  Termin  sein  Gesclios  und  Wachgelt,  derweil  er  defs  Kath  Diner 
ist.  —  Vgl.  K.  R.  1534:  5  Gr.  Merthen  (einem  Knechte)  geben  zu 
Seimen,  das  ehr  die  Geschos  belaufft  einzumaneu.  —  ebenda:  5  Gr. 
Thomas  geben  zu  Sehnen,  das  ehr  hatt  umbgelauffen  die  Leut  auifs 
Haus  zu  foderu. 


224  Reinhold  Hofmaiin: 

registern  für  diese  Zeit  ungefähr  stimmen  und  man 
könnte  für  die  Zeit  von  1550  eine  Einwohnerzalil  von 
nahe  an  4000  Seelen  annelimen.  Dabei  ist  noch  zu  be- 
denken, dass  1532  gegen  1300  Menschen  an  der  Pest 
gestorben  und  viele,  manche  gewiss  auch  für  immer, 
aus  der  Stadt  geflohen  waren.  Otto  llichter  nimmt  für 
das  Jahr  1546  für  Alt-  und  Neudresden  zusammen  6500 
Einwohner  an^^).  Pirna  war  noch  im  16.  Jahrhundert 
zweifellos  eine  wohlhabende  Stadt:  die  Jahresausgaben 
werden  von  den  Einnahmen  meist  um  ein  beträchtliches 
übertroffen '^'^).  Das  Stadtgebiet  war  durch  die  Umsicht 
des  Rathes  schon  im  15.  Jahrhundert  wesentlich  erwei- 
tert Avorden.  Die  Holdergasse,  die  der  Schlosskapelle 
zu  ßadeberg  gehört  hatte,  war  1429  an  die  Stadt  ge- 
bracht worden.  1452  erwarb  die  Stadt  von  Heinrich 
von  Bünau  auf  Weesenstein  Zinse,  Güter  und  Rechte  auf 
der  Neuen  Gasse,  der .  Vogelgasse,  der  Dresdnischen  und 
Breiten  Gasse  nebst  Ackern  und  Wiesen  auf  dem  Haus- 
berg und  in  der  Aue.  1465  belehnte  der  Bischof  von 
Meissen  die  Lehnsträger  des  Eathes  mit  Ackern  in  der 
Aue  und  am  Egelsee.  1504  erkaufte  der  liath  das  Dorf 
Copitz  nebst  allem  Zubehör,  mit  Gerichten  etc.  vom 
Herzog  Georg  für  2600  rhein.  Gulden,  1513  die  Fluren 
der  „wüsten  Dorfschaft  Mannewitz"  von  dem  Abt  zu 
Altenzella,  1519  unterhandelte  der  Rath  mit  dem  Herrn 
von  Salhausen  zu  Tetzschen,  „ob  das  Dorf  Cunnersdorf 
feil  wäre"  (K.  R.),  freilich  ohne  Erfolg.  1532  tauscht 
die  Stadt  von  Georg  von  Bernstein  zu  Ottendorf  gegen 
das  Dorf  Gabel  (Obergersdorf)  das  Dorf  Doberitz  '^■•)  mit 


^■')  Verfassungsgesch.  Dresdens,  S.  194.  —  Im  Jahre  1474  stell- 
ten Dresden  und  Tirna  zum  Heeresaufgebot  die  gleiche  Anzahl  von 
Bewaffneten:  je  einen  Hauptmann  mit  10  Pferden  und  100  Fuss- 
knechte.     (von  Langenn,  Herzog  Albreclit  der  Beherzte,  S.  413). 

^*)  K.  K.  1.^19:  Bargeld  der  aide  Both  dem  nauen  uberantworth : 
257  Seh.  11  Gr.  5  Pf.  —  1Ö2():  147  Seh.  11  Gr.  —  K.  B.  1577/78:  Ein- 
nahme 2970  Seh.  Ausgabe  1815  Seh.  -  K.  B.  1591/92:  Einn.  3696  Seh. 
Ausg.  2338  Seh.  Dei'  alte  Kämmerer  übergiebt  dem  nenen  849  Seh. 
bar.  —  Peckenstein  sagt  im  Theatrum  Saxonieum  (1608)  II,  58: 
die  alte  Stadt  Pirna  sei  zu  einem  gedeililicben  Aufnehmen  gerathen 
und  habe  ihr  reieliliehes  Auskommen  jederzeit  gehabt. 

"")  Einnahmen  vom  Doife  Copitz  1593/9-1:  3  Seh.  23  Gr.  Erb- 
zins Walpurgis,  17  Scli.  37  Gr.  Erbzins  jiliehaelis;  14  Gr  von  14  Haus- 
genossen Walp.,  13  Gr.  von  13  Hausgen.  Mich.,  43  Sichelgroschen 
von  43  Sicheln.  Jährlich  hielt  der  Bath  Gericht  (Ding)  in  Copitz: 
was  er  dabei  getrunken,  ist  in  den  K.  BB.  verzeichnet,  fast  regel- 


Beiträge  zur  Veifassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       225 

allen  Gerechtsamen  ein.  Eine  kurze  Zeit  besass  sie 
auch  Rottwerndorf,  welches  der  Rath  1554  gegen  Zu- 
sicherung des  Vorkaufsrechtes  an  Dam  von  Sebottendorf 
verkaufte.  1570  kam  das  Dorf  Pratzschwitz,  doch  nur 
für  einige  Jahre,  um  den  Preis  von  1050  Schock  (c.  3000  fl.) 
an  die  Stadt,  Ein  Beweis  von  dem  Wohlstand  der  Stadt 
im  16.  Jahi'hundert  ist  auch  das  im  Verhältnis  ziu^  Ein- 
wohnerzahl der  Gemeinde  grossartige  Kirchenbauunter- 
nehmen,  sowie  die  Abtragung  und  Wiedererbauung  des 
Rathhauses  (s.  o.  S.  203  flg.).  Dass  auch  unter  der 
Bürgerschaft  Geld  vorhanden  war,  lehren  die  noch  zahl- 
reich erhaltenen  werthvollen  Architekturen  vom  Ende 
des  15.  bis  nach  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts^'').  Die 
Landesherren  genossen  oftmals  die  Gastfreundschaft  der 
Stadt  und  fanden  in  Geldverlegenheiten  häufig  bei  ihr 
Hilfe.  Erst  das  Jahr  1639,  das  traurige  Jahr  des  „Pir- 
naischen Elends",  hat  den  Wolilstand  der  durch  Rührig- 
keit, Glück  und  günstige  Lage  emporgekommenen  Stadt 
auf  lange  hinaus  vernichtet. 

Das  Bürgerrecht. 

Neue  Bürger  wurden  jährlich  20  bis  30  und  mehr 
aufgenommen:  die  Gebühr  dafür,  kurz  „das  Bürgerrecht" 
genannt,  ist  von  den  Kämmerern  des  hier  behandelten 
Zeitraumes  unter  der  Rubrik  „Einnahme  Bürgerrecht" 
aufgezeichnet.  Wer  im  Weichbilde  der  Stadt  wohnen  und 
ein  bürgerliches  Gewerbe  betreiben  wollte,  musste  das 
Bürgerrecht  erwerben  ^^).  Ein  Haupterforderuis  für  die 
Erlangung  war    der   Nachweis   ehelicher "  Geburt.     Die 


mäfsig  auch  , Butter  und  andere  Brezeln"  (1592/93:  12  Gr.  vor  Pretzehi 
sambt  der  Putter  denn  Herrn  uflfs  Ehegedienge  kegeun  Copitz).  — 
Einnahme  vom  Dorfe  Doberitz  c.  476  Schock. 

ö'')  Siehe  R.  Steche,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren 
Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen.    I.  Heft. 

^^)  „Wie  bei  Euch  ein  alt  Statutum,  dass  ein  jeder,  der  allda 
freiet  und  wohnen,  auch  bürgerliche  Nahrung  treiben  will,  das 
Bürgerrecht  zum  längsten  binnen  vier  Wochen  nach  seinem  Kirch- 
gang gewinnen  muss",  schreibt  der  Kurfürst  an  den  Rath  zu  Pirna 
1637,  11.  März.  (Urk.  im  R.  A.  Repert.  I,  Kap.  I,  No.  27.)  — 
K.  R.  1562:  Blasius  Hain  ist  Burger  worden,  hatt  seinen  Aidt  ein- 
genommen, hatt  seiner  Gebmtt  und  Wandels  Zeugnus  brachtt  unnd 
ist  ime  aufferlegett ,  das  er  in  Jaresfrist  sich  alhier  sesshaftigk 
machen  solle,  sonsten  aber,  do  es  vorbliebe,  solle  ime  nicht  gestattet 
werden,  seine  Hantierunge  alhier  zu  treiben.    Actum  etc. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ü.  u.  A.    IX.  3.  4.  15 


226  Reinhold  Hofmann: 

Auswärtigen"-)  bedurften  „ gnügliclier  Kundschaft  der 
Geburt  und  Handwerkslehre  und  Verhaltens".  Diese 
„Briefe"  waren  binnen  Jahresfrist  beizubringen  (K.  R. 
1544).  Häufig  wurde  von  Bürgern  Bürgschaft  geleistet. 
Der  Aufzunehmende  hatte  einen  Eid  zu  schwören"-^), 
„Jahr  und  Tag  bei  der  Stadt  Guts  und  Übles  zu  leiden 
(gewarten)".  Bürgersöhne  erlangten  das  Bürgerrecht 
unentgeltlich,  die  übrigen  zahlten  1  Schock,  seit  1553 
1  Schock  42  Groschen.  Zuweilen  verzichtete  der  Eath 
auf  die  Gebühr  (1555:  „Dieweil  er  arm  ist,  auf  Vor- 
bitt")  oder  ermässigte  sie,  doch  bedurfte  es  dazu  einer 
Füi'sprache:  einem  „Depper"  wurden  1570  42  Gr.  ge- 
schenkt „uff  Vorbid  des  von  Rotha  und  ander  Leutte 
und  dieweil  er  gutte  Arbeidt  sol  machen."  Ausser  dem 
oben  (S.  217)  erwähnten  „Apothekergesellen"  nahm  der 
Rath  1541  einen  Zeugmacher,  „dieweil  es  ein  sunderlich 
Handwerk",  unentgeltlich  zum  Bürger  an.  Matthes 
Schmidt  wurden  40  Gr.  (^/g  des  Betrags)  erlassen,  ,,da- 
rumb  dals  er  viel  Fleils  an  der  Kii'chen  Bau  gelegt,  des- 
gleichen in  allen  Feuern  sehre  fleilsig  gewest"  (1548). 
Handwerker  konnten  die  Gebühr  auch  abarbeiten®"*). 
1559  ist  Bartel  Weller  Bürger  worden,  „hat  seinen  Eid 
eingenommen,  ist  eines  Bürgers  Sohn ,  giebt  nichts  — 
und  ist  ihme  mit  Ernst  vorgehalten,  dals  er  sich  alles 
Gehorsams  gegen  dem  Rathe  verhalte,  besser  denn  er 
hiebevorn  gethan". 


«2)  K.  R.  1592/93:  Elias  Möller  1  Scli.  42  Gr.  (dedit).  Ist  den 
12.  Februarii  Bürger  wordeun,  hatt  seinen  Eidt  eingenommen  und 
weill  ehr  eines  Büi'gers  Sohn,  keinen  Gebührts  Brief  bedürfft,  und 
ob  er  wohll  der  Clebühre  wie  Andere  eingebohme  Bürgers  Kinder 
vorschonet  sein  wollenn,  so  hadt  es  doch  darümb  nicht  geschehen 
können,  das  seidt  seines  Vätern  Tode  das  Bürgerrecht  nicht  ist  vor- 
leget wordenn.  —  K.  K  1569/70:  Sigmund  Lob  ein  Schiftknecht, 
1  Seh.  42  Gr.  am  30.  Martii  sein  Eid  eingenommen  und  nach  dem  er 
hir  geborn,  hatt  er  nicht  Kundschaft  gedorft. 

»3)  K.  R.  1533:  Hans  Stil  der  Junge  ist  Burger  worden,  hat 
getreu  zu  sein  geloht,  sal  1  Seh.  geben,  und  wen  er  mundigk 
wirdt,  sol  er  sein  Aidt  einnehmen.  Actum  Freitags  nach 
Invocavit.  fid.  iussor  Günther  Petzsch. 

»')  K.  R.  1539:  Josep  Behr  Ziegeidecker  ist  Bürger  worden, 
hat  sein  Aidt  eingenohmen,  sol  1  Seh.  geben  und  an  der  Kirchen 
aberbethen.  —  Desgl.  Peter  Gebhardt,  der  Kleinschmied,  soll  auch 
1  Scb.  geben  oder  abarbeiten.  —  ebenda:  Nikol  Hofmann,  der  Stein- 
metz, hat  zugesagt,  gemeine  Stadt  mit  seiner  Arbeit  zu  „federn". 
—  K.  R.  1567:  Christoph  Kramer,  Bildenhauer,  ist  Bürger  worden, 
hat  Kundschaft  bracht,  seinen  Eid  eingenommen,  an  das  Schiffthor 
ein  Wappen  für  das  Büi'gerrecht  gemacht. 


Beiträge  zur  Verfassungsgescliichte  der  Stadt  Pirna.       227 

Nach  der  Mitte  des  16.  Jahrliunderts  sind  anstatt 
oder  ausser  der  Geldgeblilir  häufig  Gaben  von  Haken 
und  Eimern  als  Leistung  für  die  Erhmgung  des  Bürger- 
rechts in  den  Rechnungen  verzeichnet.  Die  Erklärung 
finden  wir  in  einem  Eintrag  des  Jahres  1553:  „Blasius 
Hippsch  ist  Bürger  worden,  hat  seinen  Eid  eingenommen, 
hat  1  Seh.  und  2  11.  (=  42  Gr.)  vor  die  Rüstunge  und  Eimer 
geben  und  soll  forder  stettiges  (forthin  stets)  also  ge- 
halten werden  und  soll  in  des,  der  Bürger  wird,  Willen 
stehen,  ob  er  das  Geld  oder  Rüstunge,  Haken  und 
Eimer  geben  wiU". 

Kirchendiener  wurden  unentgeltlich  als  Bürger  aut- 
genommen, oder  es  wurde  ihnen  ein  Theil  der  Gebühr 
geschenkt,  doch  blieb  beides  wohl  in  das  Ermessen  des 
Raths  gestellt.  1558:  Klemens  Goldammer,  Diaconus 
Pirnensis,  ist  Bürger  worden,  hat  seinen  Eid  eingenom- 
men und  dem  Rath  gegeben  1  Schock.  Die  2  Gulden 
hat  ihme  ein  Rath  erlassen,  weil  er  ein  Kirchendiener 
allhier  gewesen.  —  Mag.  Antonius  Lauterbach,  der  als 
der  erste  Superintendent  1539  nach  Pirna  kam,  wurde 
erst  24  Jahre  später  Bürger.  In  der  Rechnung  des 
Jahres  1563  findet  sich  darüber  folgende  Angabe:  Ma- 
gister Anthonius  Lauterbach,  Pfarher  vnd  Superintendens, 
Ist  Burger  worden,  hatt  uf  Erzelunge  des  gewonlichen 
Aides  zugesagt,  alles  zuthuen,  was  Ime  gebureth  vnd  sich 
also  gegen  dem  Radt  vnd  gemeine  Stadt  zuvorhalten 
wie  billich.  Ist  seines  Aidts  erlassen.  Die  Gebuer  ist 
Ime  geschangt.  Actum  den  15.  Decembris  Anno  etc.  63". 
Seinem  Bruder  Baltasar,  der  1539  Bürger  wurde,  schenkte 
der  Rath  30  Gr.  (die  Hälfte)  an  seinem  Bürgerrecht, 
„dem  Pfarr  zu  Ehren".  Der  Schulmeister  Johann  Schu- 
mann musste  1545  den  vollen  Betrag  für  die  Erlangung 
des  Bürgerrechts  zahlen '^^).  Niederen  Rathsdienern  wurde 
je  nach  der  Entscheidung  des  Raths  das  ganze  „Bürger- 
recht" oder  ein  Theil  erlassen^*^). 


^^)  K.  R.  1544/45:  Johann  Scliuman,  der  Zceit  Schulmeister, 
ist  Burger  wurden,  hat  seyn  Eidt  eiugenomen,  sal  1  Seh.  zwischen 
hier  und  Weynacht  geben.  Act.  4ta  post  Andvee,  portavit  recog- 
nit(ionem)  4**  p.  Quasimodogen.    ao.  XLV. 

"^)  K.  R.  1556:  Peter  Aruolt  ist  Burger  worden,  hat  seinen 
Aid  eingenommen,  hat  geben  1  Seh.  unnd  2  fl.  seint  Line  als  einem 
alten  Diener  des  Rats  nachgelassenn.  —  K.  R.  1561:  Benno  Reyff 
ist  Bürger  worden,  hat  seine  Kundschaft  bracht,  hat  seinen  Eid  ein- 
genommen und  weil  er  in  des  Rats  Dienst,  ist  auch  fleifsig,  hat  man 

15* 


228  Reinbold  Hofinann: 

Von  Interesse  für  die  Anfänge  zweier  Handwerke 
in  Pirna  sind  folgende  zwei  Einträge  nnter  „Einnahme 
Büi'gerreclit".  K.  R.  1550:  Kaspar  Hirsch  von  Löwen- 
burg,  ein  Seiler,  ist  Bürger  worden,  hat  seinen  Eid 
eingenommen,  hat  Haken  und  Eimer  bar  gegeben,  soll 
1  Seh.  geben  halb  Weihnachten,  halb  Ostern,  portavit  re- 
cognitionem,  hat  zugesagt,  sein  Handwerk  und  „Endhald" 
vor  der  Stadt  zu  treiben,  dan  (weil)  der  Eat  keinen 
Seiler  in  der  Stadt  haben  will.  Solchs  er  selbst  und 
auch  sem  Bürge  zugesagt  und  dem  Bürgermeister  an  die 
Hand  angelobt.  —  Nach  dem  Zeugnis  des  Kammer- 
buches wurde  im  Jahre  1559  der  erste  Lohgerber 
Bürger,  Jakob  Schneider  von  Dresden.  „Nota :  Obgemelter 
Lohegerber  ist  zum  Bürger  aufgenommen  dergestalt,  dafs 
er  an  keinem  Orte  der  Wasser  sein  Lohegerben  treiben 
soll,  dan  an  der  Eiben,  do  yme  der  Eat  einen  Ort  an- 
weisen wü^d.  Welches  er  auch  gewilliget  und  angenommen." 
Mit  derselben  Beschränkung  zu  Gunsten  der  Fischerei 
wird  1567  einem  andern  Lohgerber  das  Bürgerrecht  er- 
theilt^').  Bürgersühne,  welche  nach  des  Vaters  und  der 
Mutter  Tod  „das  Burgerrecht  nicht  vorlegt  gehabt", 
mussten  dies  von  neuem  erwerben,  doch  war  die  Gebülu* 
eme  geringere^^).  Nach  der  K.  E,.  1597/98  „sind  fol- 
gende (15)  Personen,  weil  sie  zum  Theil  verstorben,  auch. 
zum  Theil  sich  unter  andere  Herrschaft  begeben,  mit 
Beliebung  E.  E.  Eathes  aus  dem  Bürgerrecht  ausgelest 
worden,  damit  man  sie  nicht  ins  Eetardat  setzen  dürfen. 
31.  März  1598". 


ihn  „ahne  Entgeltnus"  zum  Bürger  aufgenommen.  (Die  Formel 
„hat  seine  Kundschaft  bracht"  wechselt  mit  „portavit  recognitio- 
nem"  ab.) 

»'')  K.  ß.  1567:  Donat  Hörn  von  Dresden,  1  Seh.  42  Gr.  gegeben, 
einen  Eid  gethan,  zum  Burger  [nach]  ^'erlegung  seines  Grelmrts- 
briefes  aufgenommen  worden,  doch  anders  nicht,  denn  dafs  er  seine 
Werkstatt,  dieweil  er  ein  Lohegerber,  an  der  Eiben  und  sonst  in 
keinem  andern  Fisclnvasser  haben  solle. 

ö8)  K.  R.  1569/70:  Hans  Frenzel  ist  Bürger  worden,  hat  seinen 
Eid  eingenommen,  ist  eines  Büi-gers  Sohn,  „allein  das  ers  3  Jahr 
das  Burgerrecht  nicht  vorlegt  gehabt  (mufs  er  12  Gr.  für  die  Er- 
langung des  B.  zahlen).  Act.  den  7.  Sept.  anno  69."  —  Ebenda: 
48  Gr.  Nickel  Barth  zu  Bürgerrecht,  weil  er  seit  der  Mutter 
Tode  dasselbe  nicht  verleget  und  hat  also  den  6.  Dezember  (1569) 
seinen  Eid  eingenommen  und  ist  Büi-ger  worden.  —  Vgl.  oben 
Anm.  92, 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       229 

Gerichtslbarkeit. 

„Im  schwarzen  grofsen  Amt serb  buche  ^'')  steht  ge- 
schrieben, dalis  der  Rath  von  Pirna  auf  Kanzleischrift 
sitze,  und  es  ist  nii^gends  zu  befinden,  dals  er  jemals 
amtssässig  gewesen  wäre"  (Lufft  in  seinem  „Gecrönten 
Bii^nbaum").  Die  Stadt  Pirna  besass  die  niederen  Ge- 
richte (später  Erbgerichte  genannt),  die  sich  auf  büi'- 
gerliche  Rechtssachen,  Irrungen  und  kleinere  Vergeh- 
ungen bezogen,  und  die  Obergerichte,  d.  h.  die  pein- 
liche Gerichtsbarkeit  über  Hals  und  Hand.  Letztere 
war  dem  Rath  im  Jahre  1491  vom  Herzog  Georg  „an- 
statt und  in  voller  Macht"  seines  Vaters  Albrecht  gegen 
50  rhein.  Gulden  Jahrgeld  (vorläufig  auf  sechs  Jahre) 
pachtweise  überlassen  ^*''^).  Dieses  Jahrgeld  ist  in  den 
Rechnungen  als  „Gerichtsgeld"  (halbjährlich  8  Seh.  24  Gr.), 
immer  in  Verbindung  mit  der  Jahrrente  (halbjährlich 
24  Seh.  5  Gr.),  stets  auf  der  zweiten  Seite  der  Ausgaben 
verzeichnet.  Die  Gerichtsbarkeit  übte  der  Stadtrichter 
im  Auftrag  des  Raths.  Jährlich  hielt  er  in  den  Raths- 
dörfern  Gerichtstag  ab  (Ding,  Ehegeding).  Die  Ein- 
nahmen an  Gerichtsgefällen  sind  in  den  Rechnungen  unter 
„Einnahme  Gerichtsbulsen"  spezifiziert,  die  Einnahmen 
von  Vergehungen  gegen  die  Statuten  der  Stadt  unter 
„Einnahme  Statutenbulsen".  Nach  der  Rathsordnung  vom 
Jalu-e  1520  bekamen  die  Richter  und  Schoppen  den  Klage- 
groschen  u.  a.  dergleichen  Gebühr,  so  ihnen  von  Gerichts- 
wegen zuständig,  wie  vor  alters.  In  zweifelhaften  Fällen 
wandte  man  sich  an  die  Leipziger  Schöppen^^^)  (ein 


^^)  Das  schwarze  Amtsbuch  (schwarz  genannt  nach  der  Farbe 
des  Einbandes),  ein  unbehilflich  dicker  Folioband,  liegt  im  Kgl. 
Amtsgericht  zu  Pii-na. 

1"^)  Der  Eezess  vom  Jahre  1491,  Nov.  24  (am  Abend  Katharina 
Vii'ginis)  mit  genauer  Abgrenzung  des  Gerichtsbezii'ks  (^IMahlstedte") 
abschriftlich  erhalten  im  Rezessbuch  und  in  einer  alten  Kopie  im 
Rathsarchiv.  —  Im  Jahre  1619,  30.  Nov.  überträgt  Kurf.  Johann 
Georg  I.  der  Stadt  in  ihrem  Weichbilde  mit  Ausnahme  des  Schlosses 
die  Obergerichte  gegen  ein  Kapital  von  3000  Gulden  und  einen 
jährlichen  Erbzins  von  10  Gulden,  mit  der  Verpflichtung,  die  Wege 
und  Strassen  zu  bauen  und  zu  erhalten.  Der  Kurfürst  wahrt  sich 
das  ins  superioritatis. 

101)  V.  Webers  Archiv  für-  Sachs.  Geschichte  N.  F.  II,  200  (vil 
stete  in  der  marggrafsch.  zu  3Ieichszen,  dy  ir  vollbort  dez  rechten 
nemen  zu  Lipzig).  „Wie  das  ein  alter  Gebrauch  allhier  (in  Pirna) 
bei  uns  ist,  wenn  ihrer  zwei  zu  Urteilsgesetzen  kommen  und  wenn 
"die  Urteilssprüche  geholet  werden  sollen,  leget  jeder  Part  Urteilgeld 
und  Botenlohn,  und  wenn  die  Urteil  geoffent  sein,  welchem  das  Recht 


230  ßeinhold  Hofmann: 

Urtel  derselben  kostete  meistens  18  Groschen,  doch  auch 
mehr  ^"-),  oder  auch  nach  Wittenbergs"'^). 

Ein  Ortstatut  mit  privatrechtlichen  Bestimmungen 
für  die  Stadtbewohner  in  der  Zeit  bis  zum  Schluss  des 
16.  Jalirhunderts  ist  im  Rathsarchiv  nicht  erhalten,  das 
Vorhandensein  eines  solclien  Stadtrechtsbuches,  gemei- 
niglich Willkür  genannt,  scheint  aber  bezeugt  durch 
das  stehende  Kapitel  „Statutenbulsen"  in  den  Käm- 
mereirechnungen und  einige  Stellen  in  den  Rechnungen 
und  in  dem  Stadtbuch  des  Jahres  1524 s*'*).  Die  Sta- 
tuten hatten  wohl  nur  einen  geringen  Umfang  und  waren 
auf  einer  Tafel  verzeichnet^'^').  Um  die  Mitte  des  16.  Jahr- 

beifället,  der  empfahet  sein  Geld  wieder,  des  anderen  Parts  Geld 
gebet  man  vor  Urteil  mid  Botenlohn.  —  Der  Rat  habe  allezeit 
das  Geld  den  Schoppen  gegen  Leipzig  geschickt."  H.-St-A.  Loc. 
9900  Schriften  vor  Herzog  Georgen  eigangen,  Irrungen  und  Gebre- 
chen Bl.  3. 

i"2)  K.  R.  1595/96:  18  Gr.  den  Schöpen  zu  Leupzigk  Urttel 
Gebur  so  . . .  das  Mall  Staupeun  schlagen  und  ewige  Lauzvorweisung 
zu  ehrkandt  worden.  —  K.  R.  1590/91:  42  Gr.  den  Schoppen  zu 
Leipzig,  darin  (dafs  er  einen  ci'stochen)  das  Schwert  ist  zuer- 
kannt. —  K.  R.  1594/95:  2  Seh.  den  kurf  Sachs.  Schoppen  zu  Leipzig 
von  einem  Urtel  zu  sprechen.  —  K.  R.  1551:  55  Gr.  von  einem  Urtel 
von  Leipzig  Jocof  Hasse  den  Tuchliändler  belangend. —  K.  R.  1519: 
19  Gr.  für  das  Urteil,  die  Aiifgabe  belangend,  ob  ein  Weib  ihr  Dritteil, 
so  sie  von  ihrena  vorigen  Mann  l)ekoramen,  „au  Erben  lawbe"  (ohne 
Erlaubnis  der  Erben)  vorgeben  möge.  —  K.  R.  1561 :  15  Gr.  Anton 
Rulle  Botenlohn,  dafs  er  die  Akten  gen  Leipzig  getragen.  — 
K.  R.  1554:  (auf  den  gefangenen  Nickel  Rudeloff)  5  Scb.  2  Gr.  Syndico 
und  Peter  auf  der  Leipziger  Reise  ist  verzehrt,  da  man  das  consi- 
lium  gefordert. 

103)  K.  R.  1597/98:  1  Seh.  3  Gr.  Urtelgeldt  den  Schoppen  zu 
Widtenbergk,  darinnen  Merten  Gülzen  die  Torthur  zu  erkandt 
worden.  27.  Dec.  (1597).  —  Ebenda  44  Gr.  Christof  Lose  in  Clusis 
4  Tage  stille  gelegen,  so  mit  der  Frage  nach  AVidtenbei'gk,  ins 
Hoff'gericht  abgeferdiget  worden.  —  Ebenda:  1  Seh.  3  Gr.  den  vor- 
ordenden  Her  Doctoribus  und  Beysitzern  des  Churfl.  S.  Überhoif- 
gerichtes  zu  "NVidtenbergk,  vom  Endt  Urteil  darinnen  Geizen  der 
Strangk  zugesprochen  worden. 

i<»)  K.  R.  1479  Gemeine  Ausgabe:  5  Gr.  die  Herrn  vortruncken 
als  man  den  Rat  bestetigit  hat  und  dii  Gemeyne  besandt  und  dii 
alden  Gebot  vornauet  imd  bestetigit.  In  die  circumcis.  Dni 
(1.  Januar).  —  Nach  dem  Stadtbuch  IV,  fol.  1691^  (1524)  wird  eine 
Ordnung  für  die  Büttner  mit  "Wissen  des  Landvogts  ins  Stadtbuch 
geschrieben.  Sie  enthält  das  Gebot  der  Vorsicht  „mit  Gehölze  und 
Spänen",  „desgleichen  sich  ein  jeder  mit  Holz,  Heu  und  Stroh, 
wie  in  der  Willkür  begriffen,  sich  auch  halten  soll  bei  auf- 
gesetzter Pön". 

10'^)  K.  R.  1597  Gemeine  Ausgal)e:  2  Gr.  6  Pf.  Hans  Unger 
der  Daffel  Pappier  auffzumachen,  darauff  die  „Stadt  Stuthen"  vor- 
zeichnet. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Pirna.       231 

liunderts  scheint  ebenso,  wie  in  Dresden  (vgl.  0.  Eicliter 
a.  a.  0.  S.  256),  infolge  der  Vielgestaltigkeit  des  in  Pri- 
vilegien, Willküren,  Schöffenurtheilen  nnd  Rechtsbüclieru 
enthaltenen  ßechtsstoffes  Unsicherheit  in  der  Rechtsprech- 
ung entstanden  zu  sein,  wenigstens  Hess  sich  im  Jahre 
1557  nach  einer  Notiz  in  der  Kammerrechnung  der  Rath 
in  der  fürstlichen  Kanzlei  Abschriften  von  „etlichen  Städte- 
wülküren"  fertigen  und  zuschicken.  Nach  derselben  Jahres- 
rechnung sind  auch  1  Schock  12  Groschen  bezahlt  worden 
flu-  „Sachsenspiegel  und  Weichbild". 


VIII. 

Die  Eroberung  Nordböhmeus 
1111(1  die  Besetzung  Prags  durch  die  Sachsen 

im  Jahre  1631. 

Von 
Arnold  Gaedeke. 


Über  den  Zug  der  Sachsen  nach  Böhmen  und  die 
Besetzung  Prags  im  Jahre  1631  sind  die  Meinungen  bis- 
her sehr  auseinander  gegangen.  Dass  Wallenstein  die 
Hand  dabei  im  Spiele  gehabt  und  an  Arnim  die  Auffor- 
derung habe  ergehen  lassen,  sich  mit  raschem  Hand- 
streiche der  wehrlosen  Hauptstadt  zu  bemächtigen,  ist 
vielfach  bestritten  worden.  Khevenhüller  spricht  sich 
sehr  kurz  über  die  sächsische  Okkupation  aus,  seine  Dar- 
stellung ist  dabei  nicht  frei  von  Ii-rthümern.  Andere 
haben  gemeint,  die  energische  Kurlürstni  Magdalena 
Sybilla  habe  in  ihrem  Glaubenseifer  ihren  schwankenden 
Gemahl  zum  Einmarsch  veranlasst.  In  Wahrheit  hat 
sich  die  Sache  doch  anders  verhalten. 

In  meiner  Schrift  „Wallensteins  Verhandlungen  mit 
den  Schweden  und  Sachsen"  (1885)  habe  ich  an  der 
Hand  der  mir  damals  vorliegenden  Aktenstücke  die  An- 
sicht ausgesprochen,  dass  Arnim  emer  Besetzung  des 
Landes  durch  die  Emigranten  habe  zuvorkommen  wollen 
und  nachdem  er  den  Einmarsch  gewagt,  ermunternde 
Botschaften  Wallensteins  erhalten  habe.  Ich  wies  ferner 
nach,  dass  der  Kurfüi-st  sich  zuerst  ablehnend  verhalten 
habe,   und   dass  Arnim  schliesslich,   indem  er  einer  Zu- 


A.  Gaedeke:  Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  233 

sammenkimft    mit   Johann   Georg    auswicli,    anf   eigene 
Faust  vorgegangen  sei. 

In  einem  jüngst  erschienenen  Aufsatze  hat  Max 
Lenz^),  indem  er  die  gelieferten  neuen  Beiträge  für 
„recht  fragmentarisch"  erklärt,  es  beklagt,  dass  wir  auch 
jetzt  „über  den  Einmarsch  der  Sachsen  in  Böhmen  und 
die  ilm  begleitenden  oder  ihm  nachfolgenden  Verhand- 
lungen recht  ungenügend  unterrichtet  bleiben".  Ich  habe 
daraufhin  noch  "einige  restierende  Bestände  des  Jahres 
1631  im  Königl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  durchgesehen 
und  in  der  That  ergänzende  Korrespondenzstücke  gefun- 
den, zu  deren  Mittheilung  ich  mich  um  so  lieber  ent- 
schlossen habe,  als  dieselben,  wie  ich  hoffe,  manchen 
Zweifeln  ein  Ende  machen  werden.  Unsicher  bleibt  nur 
die  Frage,  wie  weit  sich  Wallenstein  Arnim  gegenüber 
„ausgelassen"  hat. 


Die  Unterhandlungen  Wallensteins  mit  Gustav  Adolph 
unter  Thui'us  Yermittelung  waren  im  Sommer  1631  dahin 
gegangen,  dass  der  Schwedenkönig  dem  Herzog  von 
Friedland,  sobald  dieser  den  Moment  für  gekommen  er- 
klären werde,  ein  schwedisches  Hülfscorps  von  12000 
Mann  mit  18  Geschützen  unterstellen  sollte,  wogegen 
dieser  eine  Erhebung  Böhmens  ins  Werk  zu  setzen  und 
nach  Abfall  emzelner  kaiserlicher  Regimenter  und  Er- 
richtung eigener  Werbeplätze  einen  Angriff  auf  die  kaiser- 
lichen Erblande  selbst  zu  machen  gedachte.  Nach  der 
Schlacht  bei  Breitenfeld  hatte  sich  die  Situation  indessen 
zum  grössten  Leidwesen  des  alten  Grafen  Thurn  und  der 
böhmischen  Emigranten  völlig  geändert.  Wallenstein 
hatte  damals  den  Moment  füi'  günstig  erklärt,  der  König 
aber,  von  Misstrauen  erfasst  oder  durch  andere  Pläne 
beeinflusst,  erwidert,  er  könne  nicht  mehr  als  3  Regi- 
menter abgeben,  und  ihn  an  Arnim  und  die  Sachsen  ver- 
wiesen. 

Die  Hoffnungen  der  böhmischen  Emigranten  hatten 
damit  einen  schweren  Schlag  erhalten.  Thurn  beabsich- 
tigte jetzt,  eine  eigene  Expedition  auszurüsten  und  nach 
Unterstellung  einiger  tausend  Mann  sächsischer  Truppen, 


^)  Zui-  Kritik  Sesyma  Rasins:   Historische  Zeitschrift.    N.  F. 
Bd.  33. 


234  -Ä..  Gaedeke: 

Avozii  dann  noch  3  schwedische  Regimenter  gekommen 
Avären,  eine  Erhebnng  in  Böhmen  zu  veranlassen.  Er 
eilte  Mitte  Oktober  mit  dahin  bezüglichen  Schreiben 
Gustav  Adolphs  nach  Dresden,  um  den  Kurfürsten  und 
Arnim  für  sein  Unternehmen  günstig  zu  stimmen.  Er 
bat  um  die  Erlaubnis,  Werbeplätze  an  der  böhmischen 
Grenze  zu  errichten;  alsdann  wollte  er  Arnim  disponieren, 
den  General  Tiefenbach  in  Schlesien  anzugreifen  und 
von  Böhmen  fern  zu  halten,  ausserdem  aber  den  säch- 
sischen Oberbefehlshaber  zu  einer  Zusammenkunft  mit 
Wallenstein  in  Schloss  Eriedland  zu  vermögen;  auch 
Bubna,  der  alte  von  Wallenstein  hochgeschätzte  Waffen- 
gefährte, der  sich  bereits  heimlich  in  Böhmen  befand, 
sollte  sich  dort  einfinden.  In  Dresden  sammelten  sich  in 
diesen  Tagen  die  vornehmsten  böhmischen  Emigranten 
um  Thurn   und  entwickelten  eine  fieberhafte  Thätigkeit 

Eine  einflussreiche  Partei  am  sächsischen  Hofe,  alte 
Geheime  Räthe,  welche  dem  Kaiser  ergeben  waren  und 
an  dem  Kurfürsten  selbst  eine  Stütze  hatten,  hatte  sich 
indessen  gegen  eine  offene  Unterstützung  der  böhmischen 
Rebellen  ausgesprochen.  Hierin  wurde  der  sächsische 
Hof  durch  Wallensteins  Haltung,  auf  die  ich  sogleich 
zurückkommen  werde,  und  durch  die  politische  Lage 
bestärkt. 

Den  kaiserlichen  Ministern  war  dieses  sehr  wohl 
bekannt;  gerade  damals  hoffte  man  in  Wien,  durch  Wallen- 
steins Vermittelung  Kursachsen  auf  die  kaiserliche  Seite 
zu  ziehen.  Questenberg  erhielt  den  Auftrag,  Wallenstein 
zu  dahin  bezüglichen  Verhandlungen  mit  Araim  zu  ver- 
mögen. Dieser  ergriff  den  Auftrag  mit  Begierde,  da  er 
ihm  als  Vorwand  zu  den  Unterhandlungen  bei  seinen 
eigenen  Racheplänen  ausserordentlich  zu  statten  kam. 

Die  Kurfürstin  Magdalena  Sybilla  Avar  weit  eher 
geneigt  als  ihr  Gemahl,  für  die  evangelische  Sache  und 
die  Herstellung  eines  selbständigen  Königreichs  Böhmen 
etwas  zu  wagen,  ja  es  ist  zweifellos,  dass  sie  ihren  Ge- 
mahl mit  schwedischer  Hülfe  am  liebsten  auf  dem  böh- 
mischen Throne  gesehen  hätte.  Sie  hat  deshalb  das  un- 
aufhaltsame Vordringen  Gustav  Adolphs  ins  westliche 
Deutschland  sehr  ungerne  gesehen.  Als  die  Trägeriu 
einer  kühnen  und  entschlossenen  evangehschen  Eroberungs- 
politik kann  man  sie  indessen  auch  nicht  bezeichnen. 
Wohl  bricht  der  tödliche  Hass  gegen  Tilly  und  die  Liga 
in  allen  ihren  Briefen  durch;  ebensosehr  jedoch  auch  die 


Die  Eroberung  Nordböhmeiis  1631.  235 

Besorgnis,  man  könne  sich  an  einem  zu  gefährlichen  Un- 
ternehmen betheiligt  haben. 

Arnim  endlich  war  der  Ansicht,  jede  Chance  des 
Krieges  mit  Vorsicht  aber  nachdrücklichst  zu  benutzen; 
zudem  musste  eine  Besetzung  des  Eibgebietes  und  Egers 
die  Position  Sachsens  wesentlich  verstärken.  Wallen- 
steins  Haltung  und  das  Benehmen  der  böhmischen  Emi- 
granten haben  nun  Arnim  zweifellos  in  seinem  Verhalten 
ebenfalls  beeinflusst.  Von  Gustav  Adolph  zurückgewie- 
sen, war  Wallenstein  Willens,  sich  mit  den  Sachsen  in 
Verbindung  zu  setzen  und  dieselben  für  seine  Zwecke 
zu  benutzen. 

Verschiedene  Gesichtspunkte  werden  ihn  dazu  ver- 
anlasst haben.  Er  musste  vor  allem  sein  Augenmerk 
darauf  gerichtet  halten,  dass  seine  ausgedehnten  Besitz- 
ungen, auf  denen  schliesslich  doch  sein  Reichthum  und 
seine  Macht  beruhte,  genügend  geschützt  und  radikale 
Umwälzungen  in  Böhmen  seitens  der  Emigranten  ver- 
hindert wurden.  Deshalb  hatte  er  auch  12O0O  Mann 
zuverlässiger,  schAvedischer  Truppen  verlangt.  Er  traf 
sofort  mit  Arnim  Abmachungen,  welche  dieser  später 
auch  eingehalten  hat.  Böhmen  lag  wehrlos  da,  die  Emi- 
granten konnten,  falls  Tiefenbach  von  den  Sachsen  in 
Schach  gehalten  wurde,  mit  geworbenen  Truppen  und 
einigen  schwedischen  Regimentern  einen  Aufstand  erregen, 
welcher  die  gesamten  Besitzverhältnisse  in  Böhmen  aber- 
mals verändert  haben  würde.  Dieses  musste  verhindert 
werden.  Alsdann  aber  wollte  Wallenstein,  unter  Verta- 
gung seiner  Rachepläne,  die  Sachsen  benutzen,  um  auf 
den  Kaiser  eine  derartige  Pression  auszuüben,  dass  er 
sich  zur  Annahme  seiner  Bedingungen  für  Wiederauf- 
nahme des  Generalats  bereit  erklärte.  Vielleicht  mag 
Wallenstein  anfangs  auch  an  eine  gemeinsame  Operation 
mit  den  Sachsen  gedacht  haben;  eine  Idee,  welche  er 
nach  näherer  Prüfung  wieder  hat  fallen  lassen.  Jeden- 
falls hat  er  mit  arger  List  die  sächsische  Armee  zum 
Vormarsche  und  in  den  Besitz  von  Prag  gebracht.  Seit 
langer  Zeit  stand  Arnim  mit  Wallenstein  in  intimen  und 
geheimen  Beziehungen.  Ich  erinnere  nur  daran,  dass 
Oberst  Wengersky  am  14.  November  1630  an  Wallen- 
stein geschrieben  hatte:  „Vor  3  Tagen  habe  E.  F.  Gn. 
ich  die  Schreiben,  so  der  König  in  Schweden  an  den 
von  Arnim  schreiben  lassen,  überschickt,  miterdessen 
hat  er,   Arnim,   mir  auch  das  andere  Schreiben  sammt 


236  A.  Gaedeke: 

dem  Alpliabet,  durch  welches  er  korrespondiren  solle, 
überschickt,  welches  ich  E.  F.  Gn.  beiliegend  überschicke. 
Der  von  Arnim  wird  auch  selbst,  sobald  er  Gewissheit 
hat,  dafs  E.  F.  Gn.  zu  Gitschiu  sein,  sich  bei  demselben 
gesteilen."  Am  19.  Januar  1631  hatte  AVallenstein  an 
seinen  Landesliauptmann  Kaunitz  geschrieben:  „Demnach 
der  von  Arnim  zum  üftern  uns  hinfüro  zu  schreiben,  und 
seine  Briefe  allezeit  Euch  zuschicken  wird,  dannenherro 
von  nöthen,  dais  zu  schleuniger  Ueberbringnng  derselben 
von  Euch  eine  gewisse  Anstellung  gcnmcht  Averde,  damit 
sothane  Schreiben  olme  Verlierung  einiger  Stundt  bei 
Tag  und  Nacht  fortgeschickt  werden  mögen.  Also  be- 
fehlen wir,  des  von  Arnim  an  uns  haltende  Schreiben 
dieselbe  Stunde,  wenn  sie  bei  Euch  ankommen,  uns  un- 
aufgehalten  zu  Tag  und  Nacht  zugeschickt  werden." 
Es  bedarf  Avohl  keines  Hinweises,  dass  es  sehr  wichtige 
und  sicher  dem  Hause  Oesterreich  nicht  gerade  förder- 
liche Schreiben  gewesen  seni  müssen,  welche  m  Ziffern 
und  zur  selbigen  Stunde  bei  Tag  und  Nacht  überschickt 
Averden  sollten.  Wer  Avollte  darnach  noch  bezAveifeln, 
dass  die  Aufträge  an  Sesyma  liaschin  von  Wallenstein 
ausgegangen  sein  Averden!  Arnim  selbst  bittet  Wallen- 
stein schon  am  29.  Dezember  1630  von  Boitzenburg  aus, 
um  schneller  korrespondieren  zu  können ,  auf  halbem 
Wege  einen  Kurier  zu  bestellen.  Wann  sich  nun  Wallen- 
stein im  Herbste  des  Jahres  1631  zuerst  wieder  an 
Arnim  geAvendet  hat,  Avissen  Avir  nicht.  Aus  einer  Mit- 
theilung Kirchners  müsste  man  entnehmen,  dass  dieses 
bereits  im  August  geschehen  ist,  AVohl  in  der  Absicht,  die 
projektierte  Verl)indung  mit  Gustav  Adolph  zu  besprechen 
und  einen  gemeinschaftlichen  Feldzug  zu  verabreden,  so- 
Avie  durch  ihn  den  Kurfürsten  von  Sachsen  für  den  gan- 
zen Plan  zu  geAvinnen"-).  Es  AA^ar  damals  zu  kenier  Zu- 
sammenkunft gekommen,  und  es  ist  nicht  ersichtlich,  ob 
Arnim  in  die  gelieimen  Verhandlungen  Wallensteins  mit 
Gustav  Adolph  und  Tlim-n  schon  damals  eingcAveiht  Avor- 
den  ist.  Die  Absicht  dazu  wird  in  einem  Briefe  Thurns 
erwähnt;  Thurn  scheint  aber  Dresden  damals  nicht  ver- 
lassen zu  haben,  Avie  seine  Briefe  bezeugen.  Er  Avurde 
hier   sogleich    von    Emigranten    umringt   und   vom   Kur- 

^)  Kirchner  bemerkt,  Wallenstein  habe  am  7.  August  1631  an 
Arnim  geschrieben,  dass  er  sich  mit  ihm  zu  unterreden  Avünsche; 
Arnim  sei  aber  nicht  gekommen.  Die  Aktenstücke  sind  leider  in 
Boitzenbiirg  nicht  mehr  vorhanden. 


Die  Eroberung-  Nordböhmeus  1631.  237 

füi'sten  zu  seinem  hüclisten  Missvergniigen  hingehalten. 
Er  beschwert  sich  ausdrücklich,  dass  er  kalt  und  nicht 
im  Schlosse  aufgenommen  worden  sei").  Dagegen  muss 
Arnim  kurze  Zeit  darauf  einmal  nach  Dresden  gekom- 
men sein. 

Verfolgte  nun  der  Kurfürst  von  Sachsen  nach  der 
Breitenfelder  Schlacht  eine  zielbewusste  Invasionspolitik, 
und  wie  ist  der  Einmarsch  in  Böhmen  ins  Werk  gesetzt 
worden  ? 

Gustav  Adolph  war  unmittelbar  nach  der  Schlacht 
mit  dem  Kurfürsten  in  Halle  zusammengekommen.  Hier 
wurde  im  allgemeinen  festgesetzt,  dass  sich  der  König 
gegen  die  Liga,  Arnim  gegen  Tiefenbach  wenden  solle. 
Nöthigenfalls  sollte  Bauer  Arnim  unterstützen,  daneben 
gegen  Magdeburg  operieren  und  die  Oderpositionen  be- 
setzt halten.  Der  König  marschierte  sogleich  am  17./27. 
September  los,  der  Kurfürst  blieb  dagegen  14  Tage  in 
Leipzig,  um  sich  zu  erholen. 

Arnim  rieth  nach  der  Schlacht  sogleich,  die  grösste 
Vorsicht  zu  beobachten  und  erhebliche  Rüstungen  vor- 
zunehmen. Er  war  jetzt  auf  sich  allein  angewiesen  und 
scheint  mit  den  Truppen  nicht  gerade  zufrieden  gewesen 
zu  sein.  „Im  Ganzen  sei  der  Feind  noch  überlegen", 
schrieb  er  dem  Kurfürsten,  „da  Schweden  und  Sachsen 
allein  im  Felde  ständen,  und  die  anderen  evangelischen 
Fürsten  sich  noch  nicht  mit  dem  Könige  verbunden 
hätten,  seine  Stärke  beruhe  allein  auf  der  Armee,  das 
geringste  Unglück,  so  derselben  zustolset,  werde  hindern, 
dals  er  nimmer  wieder  auf  die  Beine  kommen  könne. 
Der  König  könne  sterben  und  dann  sei  man  allein  mid 
so  tief  drinnen^),  dass  man  sich  einiger  guter  composition 
nicht  vertrösten  könne.  Bei  der  Niederlage  der  Katho- 
lischen werde  vielleicht  zu  einem  allgemeinen  Frieden  zu 
gelangen  sein,  daneben  aber  müsse  man  sich  stärken  und 
rüsten,  Brandenburg  auf  die  Beine  helfen,  dals  es 
8—10  000  Mann  unterhalte,  den  Feind  verfolgen,  schon 
um  des  Unterhalts  willen  und  die  Truppen  in  andere 
Oerter  führen,  damit  das  sächsische  Land  nicht  verderbt 
werde."  Er  trat  alsdann  seinen  Marsch  gegen  das  em- 
zige  noch  starke  und  intakte  kaiserliche  Korps  unter 
Tiefenbach,  welches  mit  den  Garnisonen  etwa  aus  10000 
Mann  bestand,   an.     Tiefenbach  war  soeben  in  die  Lau- 


^)  No.  22  der  Aktenstücke.  —  ■*)  No.  1  der  Aktenstücke. 


238  A.  Gaedeke: 

sitz  eingebrochen  und  hatte  am  26.  September  Herzberg 
angezündet.  Arnim  ging  zunächst  nach  Torgau ;  er  liess 
verbreiten,  dass  er  32  000  Mann  unter  seinem  Befehle 
habe''*).  In  Wahrheit  werden  es  etwa  12  000  Mann  ge- 
wesen sein.  Am  28.  September  finden  wir  ihn  in  Herz- 
berg, am  30.  in  Uebigau;  am  30.  schlägt  er  dem  Kur- 
fürsten vor,  Schlesien  zu  okkupieren.  Dann  heisst  es 
weiter:  „Denn  bei  jetziger  Beschaffenheit  sowohl  der  Zeit 
als  auch  der  Umstände,  sich  weiter  etwas  nach  Böh- 
men zu  begeben,  sei  wohl  zu  erwägen".  Wenn  der  Kur- 
fürst sich  verstärken  wolle,  so  würde  es  gut  sein,  sich 
bis  Leitmeritz  zu  begeben  und  sich  des  Eibstroms  zu 
bemächtigen,  aber  der  Kurfürst  möge  nicht  zaudern  und 
sich  rasch  entschliessen,  da  der  Winter  vor  der  Thüre  sei"). 

Die  feindliche  Armee  hatte  sich  langsam  zurück- 
gezogen, Arnim  war  in  der  Übermacht;  möglicherweise 
hat  aber  auch  bald  eine  auf  Wallensteins  Veranlassung 
ergangene  kaiserliche  Ordre  dabei  mitgewirkt.  Gleich- 
wohl trat  Arnim  seiner  Gewohnheit  nach  sehr  ängstlich 
und  vorsichtig  auf;  er  überschätzte  den  Feind,  als  der- 
selbe plötzlich  wieder  einen  Einfall  in  die  Oberlausitz 
machte. 

Am  2.  und  3.  Oktober  ist  Arnim  in  Ortrand,  um  den 
Kurfürsten,  der  sich  endlich  mit  seinen  Regimentern  von 
Leipzig  nach  Dresden  in  Bewegung  gesetzt  hatte,  und 
den  Geheimen  Rath  von  Brandenstein  zu  treffen  und 
die  Winterokkupationspläne  definitiv  zu  regeln.  „Die 
Sache  könne",  schrieb  Arnim,  „wenn  der  Kurfürst  dabei 
sei,  so  viel  schleuniger  zu  seiner  Richtigkeit  gebracht 
werden"").  Nach  der  Zusammenkunft  begiebt  sich  Ar- 
nim nacli  Bautzen,  um  den  Feind  hinauszuwerfen;  eine 
dauernde  Okkupation  der  Lausitzer  Städte  fürchtet  er 
nicht,  da  sich  der  Feind  alsdann  durch  Abgabe  der  noth- 
wendigen  Garnisoüen  zu  sehr  schwächen  würde;  nur 
brandschatzen  wolle  er,  um  dann  nach  Böhmen  zu  gehen 
und  von  hier  in  Sachsen  selbst  ehizufallen  oder  sich  mit 
Aldringen  zu  vereinigen.    Arnim  setzte  in  einem  dui'ch 


•■■')  No.  2  der  Aktenstücke.  Die  Sach.sen  waren  zu  Beginn  des 
Feldzuges  etwa  21  000  Mann  stark  gewesen.  Rechnet  man  die  Ver- 
luste und  dazu  einige  Garnisonen  ab,  so  werden  mit  den  sehr  star- 
ken Leibregiraentern  (28  Kompagnien),  welche  der  Kurfürst  stets 
bei  sich  hatte,  später  14  —  16  000  Mann  dispositionsfähig  ge- 
wesen sein. 

«)  No.  6  der  Aktenstücke.  —  '')  No.  12  der  Aktenstücke. 


Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  239 

Vitzthiim  übergebenen  Memorial  sein  Vorhaben  ausein- 
ander, und  suchte  dem  Kurfürsten  den  Einmarsch  in 
Böhmen  plausibel  zu  machen.  „Er  wolle  dem  Vorhaben 
des  Feindes  zuvorkommen  und  darauf  Acht  geben,  indem 
er  den  Leitmeritzer  Pass  besetze,  den  Marsch  verhindere 
und  sich  in  Böhmen  festsetze,  wo  er  sich  auch  Eger 
bemächtigen  wolle,  damit  die  kurfürstlichen  Lande  gegen 
jeden  Einfall  gesichert  seien" '^).  An  die  Hauptstadt  Prag 
denkt  er  keineswegs.  Am  8.  Oktober  ist  Arnim  in 
Bischofswerda.  Als  er  in  Erfahrimg  bringt,  dass  die 
Kaiserlichen  Bautzen  verlassen  haben,  schickt  er  2000 
Mann  gegen  Görlitz  vor.  Am  10.  Oktober  ist  er  in 
Bautzen;  er  schreibt  von  hier  aus  dem  Kurfürsten: 
„sowie  die  Regimenter  komplet  seien,  wolle  er  nach 
Böhmen,  denn  eher  werde  der  Kurfürst  keine  Ruhe 
haben"  ^). 

"VVallenstein  muss  nun,  bereits  ehe  er  Questenbergs 
Aufforderung  (vom  8.  Oktober)  erhielt,  mit  Arnim  in 
Verbindung  zu  treten,  Briefe  an  den  sächsischen  Ober- 
befehlshaber gerichtet  haben.  Denn  Eggenberg  schreibt, 
als  er  den  Pass  schickt:  „weiln  I.  M.  durch  E.  L.  an 
die  Hand  gegeben  worden  ist,  dals  sie  mit  den  von  Arn- 
heimb  darüber  Handlung  zu  pflegen  bedacht,  und  sie  des- 
wegen vermeinen,  mit  ihm  auf  den  conflnen  zusammen  zu 
kommen".  Am  14.  Oktober  sandte  Eggenberg  einen  Pass 
für  Arnim,  den  WaUenstein  am  17.  für  zu  kaltsinnig  er- 
klärte; am  18.  sandte  dann  Wallenstein  eine  Kopie  des 
ersten  Passes  und  einen  Entwurf  des  zAveiten  an  Arnim. 
Ich  sollte  glauben,  dass  Arnim  am  10.  Oktober  bereits 
im  Besitze  einiger  Mittheilungen  von  Wallenstein  ge- 
wesen ist. 

Am  11.  Oktober  ist  er  noch  in  Bautzen,  der  Feind 
in  Zittau ^'^).  Arnim  wollte  sich  nach  Bodenbach  wenden, 
der  Kurfürst  schrieb  ihm  am  11.  Oktober,  dass  der  Feind, 


^)  No.  13  der  Aktenstücke. 

^)  Gaedeke,  Wallensteins  Verhältnis  mit  den  Schweden  und 
Sachsen.     S.  109  (No.  3). 

^*')  Questenberg  schrieb  am  11.  Oktober  an  WaUenstein:  „Dem 
von  Teuffenbach  hat  man  ordinanz  gegeben,  sich  nit  zu  vertieffen, 
sondern  sicher  und  also  gewarsamb  zu  gehen,  dafs  ihm  der  Feind 
nit  in  rucken  korab  oder  sonst  abbruch  thue,  defswegen  er  dann  mit 
bester  Sicherheit  Schlesingen  und  Böhemben  copriren  solte,  ain  raeh- 
reres  von  ihm  nit  begehrt  werde".  Dudik,  Wakisteins  Correspondenz. 
Eine  Nachlese  aus  dem  k.  k.  Kriegsarchiv.  Archiv  für  Gest.  Gesch.- 
QueUen.    Bd.  32.    (Wien  1865.) 


240  A.  Gaedeke: 

wie  es  scheine,  von  Zittau  nach  Böhmen  zu  gelien  be- 
ginne, er  sclilage  vor,  Ainini  möge  über  Hainsbach  nach 
Tetschen  marschieren. 

Li  diesem  Briefe  meklet  der  Kurfürst  die  Ankunft 
Timms  und  des  kaiserlichen  Obersten  Paradis  in  Dres- 
den, dessen  Vorschläge  bekanntlich  abschlägig  beschieden 
wurden ^^).  Am  13.  Oktober  befand  sich  nun  abermals  em 
Trompeter  Wallensteins  im  sächsischen  Hauptciuartier 
bei  Arnim,  der  auf  Antwort  wartete;  zweifellos  hatte 
derselbe  dem  General  ausser  der  Einladung  zur  Zusam- 
menkunft nach  Friedland  noch  andere  Botschaft  gebracht. 
„Obwohl  AVallenstein  unwohl  sei",  schreibt  Thurn  au 
Gustav  Adolph,  „wolle  er  nach  Friedland,  er  habe  Arnim 
durch  Trzka  schreiben  lassen,  dass  er  eilends  nach  Fried- 
land kommen  solle,  der  Herzog  nehme  die  kaiserliche 
Vollmacht  als  schönen  praetext"  ^- j.  Dieses  Schreiben 
Trzkas  erhielt  Arnim  durch  Thurn.  Arnim  schickte  nun 
sofort  den  Obersten  Eustaclüus  Loeser  zum  Kurfürsten 
nach  Dresden.  Er  begehi'te  erhebliche  Verstärkungen, 
bat  um  die  Leibregimenter  und  auch  dass  der  Kurfürst 
das  Brandenburgische  Volk  fordere.  Es  sollte  also  ein 
Einmarsch  im  grösseren  Stile  stattfinden.  Loeser  über- 
brachte daneben  ein  wichtiges  Schreiben^''). 

Der  Kurfürst  antwortete  am  folgenden  Tage,  er 
werde  die  Regimenter  selbst  mitbringen,  dabei  bleibe  es. 
Man  sieht  also,  dass  er  die  Regimenter  nicht  sofort 
schicken  wollte.  „Wegen  des  letzten  Punktes  (7),  lieisst 
es  dann,  haben  der  Kurfürst  die  Antwort  dem  Obersten 
Loeser   mündlich   gegeben,   könnten   weiter  nichts  dabei 


")  Der  Kurfürst  antwortete  damals  dem  Unterhändler:  „mit 
Partikulartraktaten  scheine  ihm  nicht  gedient  zu  sein,  er  könne 
Separatverhandhmgen  weder  vor  Schweden  noch  vor  den  Evange- 
lischen Mitgliedern  verantworten". 

'-)  Wallcnstein  hatte  zu  diesem  Zwecke  eine  Besatzung  für- 
Schloss  Friedland  verlangt.  Am  22.  Üktoher  herichtet  Heinrich 
von  liiessel,  sein  Hauptmann  zu  Friedland,  dass  die  Teuf['enbachschen 
Truppen  in  Friedland  eingetroffen  seien,  am  28.  Oktober,  dass  die 
Sachsen  18  000  Mann  stark  seien.  Dudik,  Wallensteins  Korrespon- 
denz. Eine  Nachlese  aus  dem  k.  k.  Kriegsarchiv  in  Wien.  Archiv 
für  Oest.  Gesell. -(^R'Ueii.     Bd.  32.     (Wien  1865.) 

")  Memorial  was  mit  Churf.  D.  zu  Sachsen  was  pnncta  auf 
befehlich  des  Herrn  Feldniaischallen  untertenigst  zu  reden,  den 
14.  October  ülicrgelieu.  J'uiikt  7:  „so  werden  sich  I.  D.  wegen  des 
vornehmsten  punctes  inhabenden  und  von  mir  überreichten  auch  för- 
derlich zu  resolviren  wissen,  mafsen  der  abgefertigte  trompeter  bei 
Herrn  Feldmarschalien  darauf  warten  thut".    No.  18  der  Aktenstücke. 


Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  241 

tliun,  sie  haben  mit  Herrn  Feldmarschall  selbst  darüber 
geredet.  Es  könnte  dieses  lieissen,  dass  der  Kurfürst 
nichts  dabei  thun  wolle,  als  bis  er  mit  Arnim  darüber 
geredet  habe.  Doch  liegt  es  näher,  dem  Wortlaute  zu 
folgen  und  anzunehmen,  dass  Arnim  kurz  vor  Ankunft 
des  Trompeters  bereits  in  Dresden  gewesen  war  und  sich 
mit  dem  Kurfürsten  unterredet  hatte.  Es  würde  dadurch 
auch  bestätigt  werden,  dass  Wallenstein  schon  vorher 
wegen  einer  Zusammenkunft  im  Briefwechsel  mit  Arnim 
gestanden  hat. 

Am  20.  Oktober  schreibt  dann  Arnim  an  Wallen- 
stein: „Weil  ich  annehme,  dafs  I.  D.  sich  solches  nicht 
zuwider  sein  lassen,  will  ich  möglichsten  Fleils  anwen- 
den, dafs  E.  F.  Gn.  ich  untertenigst  zum  allerersten 
aufwarten  könne".  Punkt  7  ist  jedenfalls  geheimnisvoll 
behandelt  worden,  das  wichtige  Schreiben  liegt  nicht  bei 
den  x\kten,  dürfte  also  vernichtet  worden  sein.  Am 
16.  Oktober  ist  Arnim  in  Görlitz;  er  lässt  den  Feind 
bis  Zittau  verfolgen,  „der  sich  wieder  nach  Schlesien 
wendet".  Zittau  und  Schloss  Grafenstein  werden  von 
den  Sachsen  besetzt.  Vitzthum  habe  ihm,  schreibt  Arnim 
dem  Kurfürsten,  des  Kurfürsten  Gedanken  überbracht, 
er  wolle  also  mit  der  ganzen  Kavallerie  und  4000  Mann 
guter  Truppen  fort,  der  Kurfürst  möge  die  Leibregimeuter 
dazu  schicken.  Einen  Haupttheil  seines  Korps  Hess  Arnim 
somit  in  Görlitz  zurück. 

Am  17.  Oktober  schreibt  er  aus  Görlitz:  „Den  be- 
wufsten  Pafs  habe  ich  zurückgeschickt,  damit  er  voll- 
zogen, E.  Ch.  D.  lassen  sich  solche  Zusammenkunft  gne- 
digst  belieben,  denn  ich  sehe,  dals  zu  derselben  Dienst 
viel  Gutes  daraus  erspriefsen  kann",  wie  er  mündlich  be- 
richten werde.  Er  überschickt  die  Schreiben  vom  16. 
und  17.  durch  Rittmeister  Schoenf eiser,  deren  Empfang 
der  Kurfürst  am  20.  Oktober  bestätigt.  Johann  Georg 
fügt  hinzu,  er  werde  mit  den  Leibregimentern  kommen, 
wenn  er  erst  wisse,  wohin  er  kommen  solle.  Zur  selben 
Zeit  wird  Thurn  in  Dresden  ablehnend  beschieden. 

Aruim  hatte  mit  dem  Kurfüi'sten  in  Schloss  Stolpen 
zusammenkommen  wollen;  plötzlich  schickte  er  semen 
Hofmeister  und  sagte  ab.  Am  20.  schreibt  er  aus  Gör- 
litz, das  Fussvolk  sei  marode,  der  Feind  noch  bei  Lam- 
bergk,  die  Gefangenen  berichten,  dass  Tiefenbach  in 
Schlesien  überwintern  werde,  er  schlage  vor,  dass  Baner 
mit   seinen  Truppen  sich  gegen  Tiefenbach  wenden  und 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    IX.  3.  4.  16 


242  ^-  Graedeke: 

nach  Schlesien   gehen  solle,    „damit  wir  unser  vorhaben 
so  viel  besser  effectuiren  und  einen  gewissen  Fuls  erst- 
lich  setzen   könnten"^'').     Am   22.   Oktober   schreibt   er 
bereits  aus  Loebau,  er  marschiere,  es  sei  jetzt  keine  Zeit 
zu  verlieren,  der  Kurfürst  möge  nach  Stolpen  aufbrechen, 
wo  er  sich  eintinden  werde.     Der  Kurfürst  antwortet  am 
23.  Oktober,  er  werde  am  nächsten  Tage  nach  Stolpen 
kommen,   um  wegen   der  Expedition  (nach  Böhmen)   zu 
beschliessen.     Am    24.   Oktober   ist   Arnim   in  Kreibitz. 
„Er  sei  nur  bis  hierher  gekommen",  schreibt  er  dem  Kur- 
fürsten,   „und  nicht  an  den  Ort,   auf  den  sein  intent  ge- 
richtet sei,  der  kui'fürstliche  Dienst  erfordere  den  Verzug 
in  der  Zusammenkunft.     Er  erschien  daher  zu  des  Kur- 
fürsten  nicht   geringer   Verwunderung   nicht   in  Stolpen, 
sondern  rückte  in  grösster  Eile  in  Böhmen  ein ;  mit  Ent- 
schiedenheit  hatte  er  vorher  Thurns  Forderung  und  Ba- 
uers  Assistenz   abgelehnt.    Am   25.  Oktober  ist  Arnim 
bei  Tetschen.     Er  erstürmt  den  Ort  und  verlangt  sofort 
kurfürstliche  Zollbeamte,  um   die  Einnahmen   zu  regeln. 
Er  gehe  weiter,  meldet  er  dem  Kurfürsten,  um  Leitmeritz 
und  Raudnitz  und  damit  die  Elbe  zu  gewinnen,  er  werde 
alsdann  zum  Kurfürsten   kommen,   „da  mir  auch  solche 
Sachen  vorkommen,  welche  E.  Gh.  D.  nothwendig  eröffnet 
werden  müssen,  damit  sie  ihi-e  consilia  darnach  dirigiren". 
Der  Kurfürst,  welcher  inzwischen  mit  seinen  Käthen  nach 
Stolpen  gekommen  war,  schrieb  ihm  von  dort  am  27.  Ok- 
tober, dass  er  seme  Fortschritte  gerne  vernommen  habe. 
Wie  ängstlich  trotzdem  der  Kurfürst  geworden  war, 
zeigt   ein  Brief,    den   er   an  demselben  Tage^'^),  an  den 
Geheimen  Rath  von  Werther  gerichtet  hat.    Die  Konse- 
quenzen  aus  diesen  Aktenstücken  habe  ich   schon  oben 
angedeutet.     Auch  der  schwedische  Resident  in  Dresden, 
Nicolai,  schreibt,   dass  Arnim  den  Einmarsch  auf  eigene 
Faust  gewagt  habe.     Das  Attest  des  Kurfürsten  besagt 
sehr   wenig.      „Etliche  meinen",    schreibt    dann   Nicolai 
weiter,  „dass  Wallenstein  das  grolse  Rad  in  diesem  Werke 


")  An  demselben  Tage,  der  Grenze  nahe,  antwortete  er  Wallen- 
stein; er  entschuldigt  sein  Säumen  damit,  dass  er  den  Willen  des 
Kurfürsten  habe  erkunden  müssen. 

^'■')  Der  Präsident  des  Geheimen  Raths,  von  Loss,  war  gegen 
die  l)öhmische  Expedition;  er  nannte  dieselbe  im  Dezember  über- 
stürzt und  sagte  einen  schlechten  Ausgang  voraus.  Nicolai  an 
Gnibbe,  26.  Dez.  1631.  Irmer,  Die  Verhandlungen  Schwedens  und 
seiner  Verbündeten  mit  Wallenstein  und  dem  Kaiser  1631 — 1634  I,  84. 


Die  Eroberung  Nordböhmens  16B1.  243 

sei,  und  dafs  alles  von  einer  heimlichen  intelligence  mit 
ihm  dependire"  ^**). 

Von  Leitmeritz  aus  bittet  alsdann  Arnim  am  28.  Ok- 
tober noch  einmal  um  Verstärkung,  er  verlangt  Patente 
für  drei  neue  Regimenter  und  schleunigste  Übersendung 
der  Leibregimenter,  er  habe  40U  Gefangene  gemacht, 
Eaudnitz  besetzt  und  wolle  nach  Brandeis.  Inzwischen 
war  Thurn  Arnim  in  die  Lausitz  nachgereist  und,  als  er 
ihn  nicht  melii^  vorfand,  nach  Dresden  zurückgekehrt, 
übel  zufrieden,  dass  man  ihn  nicht  von  allem  benachrich- 
tigt hatte.  Er  wandte  sich  von  neuem  an  den  Kurfür- 
sten. In  Folge  dessen  schrieb  Johann  Georg  am  28.  Ok- 
tober an  Arnim,  Thurn  erkläre,  der  König  von  Schweden 
habe  ihm  den  Einmarsch  in  Böhmen  befohlen,  Arnim 
möge  sich  äussern,  was  man  dem  Grafen  antworten  solle. 
Am  29.  fügt  er  hinzu,  er  wolle  Arnim  nicht  irre  machen 
und  ihm  Hindernisse  in  den  Weg  legen,  aber  es  sei  die 
höchste  Nothdurft,  sich  mit  ihm  zu  unterreden,  Arnim 
möge  das  Memorial,  welches  Vitzthum  bringe,  beantwor- 
ten, er  werde  nunmehr  selbst  aufbrechen  und  nach  Aussig 
marschieren. 

Am  30.  Oktober  antwortet  Arnim  aus  Leitmeritz: 
„Thurns  Sachen  seien  von  so  weitläufigem  Nachdenken, 
und  grolser  Consequenz,  dafs  nicht  zu  antworten;  je  mehr 
Thurn  den  Einmarsch  der  Sachsen  billige,  desto  mehr 
kämen  ihm  seine  Sachen  verdächtig  vor,  um  so  viel  mehr 
müsse  ohne  Zeitverlust  vorwärts  gegangen  werden.  Ar- 
nim deutet  also  geradezu  an,  dass  Thurns  Pläne  mit  den 
Interessen  des  Kurfürsten  in  Kollision  ständen.  Am 
l./ll.  November  war  dann  Arnim  bis  Aussig  zurück- 
gegangen, um  dort  endlich  mit  seinem  Herrn  zusammen- 
zutreffen. Er  hatte  den  Befehl  erhalten,  hier  den  Kur- 
fürsten zu  erwarten.  Die  sächsische  Armee  hatte  sich 
inzwischen  der  böhmischen  Hauptstadt  bis  auf  vier  kleine 
Meilen  genähert,  An  demselben  Tage  nun  erhielt  Arnim 
die  überraschende  Nachricht,  dass  die  kaiserlichen  Trup- 
pen sämmtlich  Prag  verlassen  hätten. 

Hier  hatten  sich  wunderbare  Szenen  abgespielt.  Don 
Balthasar  Marradas ,  der  Landeskommandierende  von 
Böhmen,  hatte  nur  sehr  wenige  Truppen  zu  seiner  Ver- 


^•5)  Sehr  bemerkenswert!!  ist  auch  eine  Stelle  in  einem  Briefe 
der  Kurfürstin  Magdalena  Sybilla:  „wer  weifs,  worauf  der  von  Fried- 
land es  spielet".    No.  37  der  Aktenstücke. 

16* 


244  ^-  Gaedeke: 

fügung,  1100  Mann  zn  Fuss  mid  7  Kompagnien  Reiter^'). 
Er  war  somit  niclit  im  Stande,  der  säclisischen  Armee 
im  Felde  entgegenzutreten.  Ein  Versuch,  die  Hauptstadt 
zu  halten,  konnte  indessen  gemacht  werden,  wenn  jeder 
seine  Pflicht  that  und  Wallenstein  etAva  die  Vertheidigung 
übernommen  hätte.  Dieser  verhielt  sich  aber  ganz  passiv ; 
er  soll  Anträge  der  Bürger,  Prag  zu  vertheidigen ,  mit 
den  "Worten  zurückgewiesen  haben,  dass  er  dazu  keinen 
Auftrag  habe.  Was  half  es  daher,  dass  die  Regierung 
den  Bürgern  die  Waffen  auslieferte,  welche  man  ihnen 
nach  der  Schlacht  am  weissen  Berge  abgenommen  hatte. 
Die  Furcht  vor  der  Bache  der  Evangelischen,  vor  Mord 
und  Plünderung,  musste  ebenso  wie  der  Gedanke  an 
Magdeburgs  Schicksal  die  Einwohner  beherrschen  und 
widerstandslos  machen.  Zudem  wurde  die  Anzahl  der 
Feinde  übertrieben;  Wallensteins  Hauptmann  hatte  die 
sächsische  Armee  auf  18000  Mann  angegeben,  Gallas 
schreibt,  es  seien  15  000  Mann  zu  Fuss  und  4000  Pferde 
gewesen. 

Als  Leitmeritz  gefallen  war,  begab  sich  am  8.  No- 
vember eine  Deputation  von  Prager  Bürgern  zum  Herzog 
von  Friedland,  welche  ihn  um  Bath  und  Hülfe  anging. 
Wallenstein  sagte  ihnen,  er  sehe  es  ungerne,  dass  die 
Statthalter  die  Stadt  verlassen  hätten  und  geflohen  seien, 
es  schmerze  ihn  dies  mehr  als  seine  Ej^ankheit.  Er  hatte 
einen  Trompeter  Arnims  bei  sich,  der  die  Antwort  wegen 
der  Zusammenkunft  überbringen  sollte.  Zwei  Tage  dar- 
auf verliess  Marradas  mit  der  Besatzung  die  Stadt; 
Wallenstein  folgte  unmittelbar  darauf. 

Er  gab  vor  seiner  Abreise  jetzt  selbst  den  Pragern 
den  Bath,  die  Stadt  an  Arnim  zu  übergeben.  „Ich  er- 
kenne es  selbst",  sagte  er,  „dass  Ihr  Prag  schwerlich  wer- 
det halten  und  Euch  der  Macht  erwehren  können.  So- 
bald Arnim,  wie  das  Brauch,  einen  Feldtrompeter  an 
Euch  absendet,  habe  ich  nicht  nöthig,  Euch  zu  belehren ; 
Ihr  selbst  werdet  sehen,  was  zu  thun;  ich  kenne  Arnim 
gar  wohl,  er  war  mein  Marschall,  und  ist  ein  guter  Mann 
und  diskret;  er  nimmt  kein  Dorf  und  kein  Städtchen, 
ohne  es  gefragt  zu  haben,  ob  man  sich  wehren  oder  er- 
geben wolle,    geschweige   denn  Prag".    Als  die  kaiser- 

")  Vergl.  für  das  Folgende  Hall  wich,  Wallenstein  und  die 
Sachsen  in  Böhmen,  1631—1632.  Forschungen  zur  Deutschen  Gesch. 
Bd.  21. 


Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  245 

liehe  Regierimg  und  die  Generäle  so  die  Hauptstadt 
ilirem  Schicksale  überlassen  hatten,  erfolgte  ohne  Wider- 
stand die  Übergabe. 

Arnim  war  anfangs,  seiner  vorsichtigen  Natur  nach, 
durchaus  nicht  willens  gewesen,  wie  Raschln  auch  richtig 
bemerkt,  einen  Handstreich  auf  Prag  zu  wagen.  Am 
l./ll.  November  erhielt  er  durch  einen  Fähnrich  Trzkas 
und  durch  seinen  Trompeter  die  entscheidenden  Nach- 
richten. Er  schickte  an  demselben  Tage  dem  Kurfürsten 
durch  zwei  verschiedene  Boten  folgende  zwei  gleichlautende 
Schreiben:  „Weil  mir  gleich  diese  Stunde  Sachen  zu- 
kommen, welche  gar  keinen  Aufschub  leiden  können, 
bitte  ich  untertenigst ,  E.  Ch.  D.  wollen  ihr  Volk  aller 
Möglichkeit  nach  fortziehen  lassen,  mir  auch  verständigen, 
wo  ich  dieselbe  vor  gewils  anzutreffen,  denn  es  ist  E. 
Ch.  D.  sehr  hoch  und  viel  daran  gelegen".  Der  Kur- 
fürst war  am  2./12.  November  noch  immer  in  Dresden, 
von  der  Gegenpartei  zurückgehalten!  Arnim  wandte 
sich  jetzt  voller  Unmuth  in  einem  beweglichen  Schreiben 
an  die  Geheimen  Räthe,  die  den  Kurfürsten  zurückhielten, 
und  bat  sie  auf  das  dringendste,  das  Ihiige  zu  dem 
Werke  thun  zu  wollen  ^^).  In  der  Nacht  um  2  Uhr  reiste 
er  denn,  ohne  den  Kurfürsten  zu  erwarten,  von  Aussig 
ab,  nachdem  er  nochmals  dringend  um  Verstärkung  ge- 
beten hatte.  Prag  stehe  in  des  Kurfürsten  Hand,  schrieb 
er,  nie  wieder  Averde  sich  eine  gleiche  Gelegenheit  bieten. 
Diese  Worte  und  seine  Eile  deuten  an,  dass  Wallenstein 
und  Arnim  eine  Rückkehr  der  geflüchteten  kaiserlichen 
Besatzung  gefürchtet  haben.  Und  in  der  That  war  diese 
Furcht  eine  sehr  begründete. 

Inzwischen  waren  die  Bürgermeister  von  Prag  be- 
reits mit  den  Schlüsseln  der  sächsischen  Armee  entgegen- 
gezogen und  nur  der  aufrührerischen  Bauern  wegen,  wie 
Vitzthum  am  3./13.  November  berichtet,  wieder  umge- 
kehrt. Als  Arnim  endlich  vor  der  Stadt  erscheint ,  er- 
folgt die  Übergabe  unter  den  bekannten  Bedingungen; 
von  den  Führern  der  Emigranten  war  nur  Johann 
von  Bubna  zugegen.  Der  Kurfürst  war  inzwischen  end- 
lich am  3./13.  November  von  Dresden  aufgebrochen;  am 
6./16.  erfuhr  er  in  Lowositz  die  Übergabe  Prags. 

Als  Graf  Thurn  von  den  Ereignissen  Kunde  erhielt, 


18)  Gaedeke,  Die  Verhandlungen  Wallensteins  mit  den  Schwe- 
den und  Sachsen.     S.  121.     (No.  20.) 


246  -A-  Gaedeke: 

war  er  über  das  Verhalten  Kursachsens  und  Arnims  in 
die  äusserste  Bestürzung  gerathen.  Auch  AVallensteins 
Benehmen  musste  ihn  enttäuschen.  Soeben  hatte  ihm 
ßaschin  die  dürre  Mittheihnig  des  Herzogs  gebracht: 
„da  der  König  von  Schweden  nicht  wolle,  und  die  Sachen 
so  weit  gekommen  seien,  es  jetzt  anders  gehen  müsse; 
er  müsse  sehen,  dass  Arnim  mit  dem  sächsischen  Volke 
hereinrücke". 

Seine  Hoffnungen,  an  die  Spitze  eines  böhmischen 
Aufstandes  und  einer  Invasion  zu  treten  und  eine  lie- 
stauration  im  grossen  Stile  vorzunehmen,  waren  mit  einem 
Male  vernichtet.  Falls  Arnim  sich  gegen  Tiefenbach  ge- 
wendet, hätte  bei  einigem  Wohlwollen  des  sächsischen 
Hofes  den  Plänen  der  Emigranten  kaum  etwas  im  Wege 
gestanden.  Er  wollte  zuerst  an  das  Geschehene  nicht 
glauben,  er  fragte  bei  Arnim  an,  ob  man  eine  wirkliche 
Okkupation  beabsichtige,  oder  nur  die  Grenzen  sichern 
wolle.  Gott  möge  das  Unternehmen  segnen,  wenn  er  die 
Rückführung  der  armen  Verfolgten  im  Auge  habe,  die 
Okkupation  laufe  aber  gegen  die  Interessen  der  Schwe- 
den, der  heimliche  Einmarsch  sei  gegen  die  Allianz,  die 
zu  guter  und  vertraulicher  Kommunikation  verpflichte; 
der  König  habe  ihm  befohlen,  nach  Böhmen  zu  gehen, 
sein  Unternehmen  würde  dem  Kurfürsten  zur  höchsten 
Wohlfahrt  gereicht  haben.  Er  spricht  es  geradezu  aus, 
was  er  in  Böhmen  für  Veränderungen  vorgenommen 
haben  würde.  „Die  armen  und  verzagten  Emigranten 
wären  zu  dem  Ihrigen  gekommen,  die  gottlosen  Landes- 
verräther gestraft  und  die  Tyrannen  unterdrückt  worden." 
Er  sorgt  jetzt,  dass  man  sich  dem  widersetzen  werde. 
„Wehe  uns  ehrlichen  Leuten",  ruft  er  aus,  „so  für  die 
christliche  Religion  soviel  ausgestanden  haben,  wenn  wir 
auf  solche  Weise  beraubt  und  das  schöne  Königreich 
verwüstet  werden  sollte";  er  droht,  dass  Gustav  Adolph 
„etwas  Widriges  gegen  frühere  Zusagen"  ahnen  werde. 
Bubna  fand  sich  bei  Arnim  ein,  um  die  Interessen  der 
Emigranten  wahrzunehmen.  Diese  hielten  während  dessen 
in  Dresden  Rath.  Caplir  von  Sulevic,  Rupa,  Kinsky 
und  Thurn  gaben  ihrer  Entrüstung  so  lebhaften  Aus- 
druck, dass  die  Kurfürstin  sehr  erregt  darüber  ihrem 
Gemahl  berichtete  und  um  Entfernung  der  Verräther 
aus   der   Hauptstadt   bat^").    Thurn    wandte   sich  jetzt 


1»)  No.  32  und  33  der  Akteustücke. 


.    Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  247 

nach  allen  Seiten  um  Intervention  und  Vermittelung; 
bei  dieser  Gelegenheit  wii^d  er  auch  den  kompromittie- 
renden Brief  an  die  Gräfin  Trzka  abgeschickt  haben, 
der  den  Kaiserlichen  in  die  Hände  fiel.  Aus  den  Briefen 
der  Kurfürstin  ersehen  wir  aber,  dass  ihi'  lebhafter 
Wunsch  dahin  geht,  dass  die  böhmischen  Stände  ihrem 
Gemahl  die  böhmische  Krone  antragen  möchten.  Sie 
warnt  den  Kurfürsten  vor  Thurn  und  seinen  Freunden. 
Sie  hätten  beschlossen,  schreibt  sie,  dass  Thurn  Statt- 
halter werden,  allen  Emigranten  die  Güter  restituiert  und 
die  Privilegien  wiederhergestellt  werden  sollten;  sie  wür- 
den dem  Kurfürsten  „eine  Nase  drehen",  man  berathe,  ob 
man  Gustaph  Adolph  als  Schutzherrn  nehmen  oder 
Friedrich  V.  Avieder  einsetzen  solle.  Der  Kurfürst  möge 
die  Krone  annehmen  und  sich  nicht  weigern,  er  möge 
zuverlässige  Menschen  um  sich  in  Prag  versammeln, 
welche  die  Praktiken  der  Emigranten  zu  nichte  machen 
hülfen.  Am  18.  November  wiederholt  sie  ihre  War- 
nungen, am  21.  bittet  sie  ihren  Gemahl,  die  Kunstkammer 
in  Prag  an  sich  nehmen  zu  wollen. 

Thurn,  der  sich  bei  ruhiger  Überlegung  doch  sagen 
musste,  dass  der  Kurfürst  den  Feind  angreifen  durfte,  wo 
es  ihm  am  zweckmässigsten  erschien,  reiste  indessen 
nicht  zu  Gustav  Adolph,  wie  er  Arnim  gedroht  hatte, 
sondern  begab  sich  mit  seinen  Genossen  jetzt  nach  Prag, 
um  für  die  Emigranten  zu  retten,  was  noch  zu  retten  war. 

Hier  versuchte  er  sogleich,  Emigrantenpolitik  auf 
eigene  Faust  zu  treiben,  was  Arnim  und  der  Kurfürst 
nicht  dulden  konnten.  Eine  abermalige,  völlige  Umwäl- 
zung der  böhmischen  Besitzverhältnisse  musste  sächsischer- 
seits  durchaus  vermieden  werden.  Selbst  wenn  man  das 
Land  nur  vorübergehend  zu  okkupieren  gedachte,  würde 
eine  Verbitterung  des  kaiserlichen  Hofes  die  Folge  ge- 
wesen sein.  Auch  ohnedies  hatte  in  Prag  eine  sehr  arge 
Wirthschaft  begonnen.  Die  sächsischen  Offiziere  raubten 
der  Kapitulation  entgegen  nach  Kräften -''),  jetzt  kamen 
die  Emigranten  hinzu  und  bemächtigten  sich  der  schön- 
sten Quartiere;  sie  erhoben  Forderungen  aller  Art,  be- 
drohten diejenigen,  welche  sich  im  Besitze  alten  Emi- 
grantengutes befanden  und  verübten  eine  Reihe  schlimmster 
Gewaltthätigkeiten  ^^).     Sie  nannten  sich  „die  3  evange- 

^)  Die  Kurfurstin   spricht   sich   in   ihren  Briefen  im  höchsten 
Grade  darüber  entrüstet  aus. 
21)  HaUwich,  a.  a.  0. 


248  ^-  Graedeke: 

lischen  Stände  des  Königreichs  Böhmen"  und  erwählten 
ihren  bisherigen  Prediger  in  Pirna,  den  Magister  Samuel 
von  Drazow,  zum  geistlichen  Administrator,  der  auf 
Tliurns  Befehl  die  Hauptkirche  Teyn  in  der  Altstadt, 
von  66  protestantischen  Predigern  gefolgt,  in  Besitz  nahm. 
Auch  wurden  von  ihnen  die  Schädel  der  am  21.  Juni 
1621  Hingerichteten  vom  Brückenthurme  abgenommen 
und  feierlich  beerdigt.  Weitere  Gewaltthätigkeiten  wur- 
den durch  Arnim  verhindert,  als  der  Erzbischof  sich  auf 
das  Wort  des  Kurfürsten  berief. 

Man  befand  sich  sächsischerseits  in  einer  schwierigen 
Lage,  da  alle  Emigranten  in  ihr  kontisziertes  Eigenthum 
wieder  eingesetzt  zu  werden  und  demgemäss  die  einfache 
Verjagung  der  Eigenthümer  verlangten.  Sehr  viele  nah- 
men auch  geradezu  von  ihren  einstigen  Gütern,  ja  von 
anderen  Herrschaften  „in  Ihrer  Churf.  Durchl.  zu  Sachsen 
Namen"  Besitz.  Selbst  bei  einzelnen  Friedländischen 
Besitzungen  ist  dieses  vorgekommen ;  so  besetzte  Johann 
von  Wartenberg  Neuschloss  und  Böhm.  Leipa,  ähnliches 
ereignete  sich  in  Hirschberg.  Wie  es  zugegangen  wäre, 
wenn  Thurn  mit  12 — 15  000  Mann  Truppen  als  Ober- 
befehlshaber eingerückt  und  Arnim  in  Schlesien  geblieben 
wäre,  lässt  sich  denken.  Überall  erhoben  die  Protestan- 
ten ihr  Haupt,  auch  auf  der  Wallensteinschen  Herrschaft 
Münchengrätz  empörten  sich  die  Bauern'--). 

Inzwischen  war  der  Brief  Thurns  an  die  alte  Gräfin 
Trzka  von  den  Kaiserlichen  aufgefangen  und  in  Prag 
verbreitet  worden--').  Wallenstein  stand  vor  der  Ent- 
scheidung, ob  er  ihn  desavouieren  sollte  oder  nicht.  Unter 
diesen  Eindrücken  kam  er  mit  Arnim  in  Schloss  Kaunitz 
zusammen  und  offenbarte  ihm  hier  die  Gründe,  warum 
er  gezwungen  sei,  wieder  das  Genei'alat  zu  übernehmen. 
Er  bezeichnete  den  Brief  Thurns  und  „dass  er  sich  nicht 
mit  blossen  Worten  rechtfertigen  müsse",  als  die  Haupt- 
ursaclie,  aber  er  fügte  hinzu,  dass  er  „in  der  guten  affec- 
tion   gegen   den   König   von  Schweden   beharre   und   in 


22)  Hallwich,  S.  140.    Dudik,  S.  127. 

23)  Thuni  wird  den  Bi'ief  am  4.  November  geschrieben  haben, 
am  7.  wird  derselbe  dann  bekannt  geworden  sein,  da  der  Prager 
Stadtrath  einen  Brief  Arnims  an  Wallcnstein  vom  11.  November  er- 
brach, worüber  sich  Wallenstein  sehr  ungehalten  zeigte.  Am  7.  No- 
vember hatte  sich  Wallenstein,  wie  jemand  am  8.  November  an 
Eggeuberg  schrieb,  geäussert,  dass  er  das  Geueralat  auf  sich  nehmen 
würde,  falls  ihm  Satisfaktion  geschehe. 


Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  249 

seinem  Vorhaben'' ;  der  Kaiser  solle  „schmerzlicli  empfin- 
den, dass  er  einen  Kavalier  beleidigt  habe".  Er  hielt 
sich  somit  eine  Hinterthüre  für  die  Zukunft  offen.  Als 
Arnim  den  Entschluss  des  Herzogs  vernahm,  wurde  ihm 
die  prekäre  Lage  der  sächsischen  Armee  bei  der  Ent- 
fernung des  Schwedenkönigs  sofort  klar.  Er  verlangte 
eine  ganz  andere  Einrichtung  des  sächsischen  Kriegs- 
wesens, erhebliche  Verstärkungen  und  den  unbeschränkten 
Oberbefehl,  im  anderen  Falle  seine  Entlassung"-^).  So- 
eben war  Tiefenbach  in  Böhmen  eingerückt,  und  eine 
einfache  Verjagung  desselben  bei  Limburg  missglückt; 
von  Passau  waren  kaiserliche  Truppen  im  Anmarsch, 
Pappenheim  mit  seinen  Regimentern  sollte  gleichfalls  dem 
bedrohten  Königreich  zu  Hülfe  kommen ; ..  mit  Tiefenbach 
vereinigt,  waren  sie  in  erdrückender  Übermacht.  Nur 
die  Witterung  verhinderte  weitere  Verluste,  und  die 
Sachsen  konnten  die  eroberten  Gebiete  bis  Eger  als 
Winterquartiere  beziehen.  Als  die  Kurfürstin  jetzt  eben- 
falls ihren  Gemahl  mit  ängstlichen  Briefen  bestürmte-'), 
erfolgte  die  Rückkehr  des  unkriegerischen  Fürsten  nach 
seiner  Hauptstadt,  ohne  dass  Anstalten  zur  genügenden 
Ausrüstung  der  Armee  während  Arnims  Beurlaubung  ge- 
troffen worden  wären.  Durch  seine  weiteren  Verhandlungen 
hat  Wallenstein  alsdann  den  Kurfürsten  nur  hinhalten 
und  von  allen  Aveiteren  ernstlichen  Rüstungen  abbringen 
wollen.  Der  Effekt  war  ein  derartiger,  dass  Arnim  im 
Frühjahre  eine  von  allem  entblösste,  halb  in  der  Auf- 
lösung begriffene  Armee  vorfand  und  sogleich  bekannte, 
dass   man  Böhmen    werde   räumen  müssen.    Nur  wider- 


^)  „Der  Feind  verstärke  sich,  der  Kurfürst  nicht,  von  Passau 
seien  etliche  tausend  Mann  nach  Budvveis  gezogen,  Pappenheim  mit 
18  Regimentern  im  Anzüge,  Tiefenbach  habe  10  000  Mann,  er  selbst 
kaum  ebensoviel,  5000  Mann  müfsten  als  Besatzung  in  Prag  bleiben, 
1500  in  Leitmeritz,  somit  blieben  niu:  3200  Mann;  die  Stimmung  in 
Prag  sei  schlecht,  die  Soldaten  schwierig,  ohne  Sold  und  ohne  Klei- 
dung, die  Obersten  wollten  abdanken,  nach  der  Breitenfelder  Schlacht 
sei  nicht  genügend  geworben  worden,  daher  die  Lage  so  gefährlich, 
dafs  er  gehen  müsse,  wenn  nichts  geändert  und  seine  Bedingungen 
nicht  angenommen  würden."     No.  36  der  Aktenstücke. 

''''')  „Sachsen  sei  entblösst",  schrieb  sie  in  grosser  Sorge,  „Tillys 
Macht  gross,  der  König  von  Schweden  habe  sich  zu  weit  vorgewagt, 
der  Kurfürst  möge  sich  um  Gottes  willen  in  Acht  nehmen,  die  kai- 
serlichen Truppen  hätten  ihren  Weg  Itereits  nach  Böhmen  genommen. 
Die  Böhmen  würden  ihn  verrathen;  die  ärgsten  Verräther  seien  die 
Gefangenen,  welche  Dresden  noch  in  Brand  stecken  würden".  No.  35 
der  Aktenstücke. 


250  A.  Gaedeke: 

willig,  unter  bestimmten  Bedingungen  und  nur  auf  drei 
Monate  hatte  er  das  Kommando  wieder  übernommen. 
Der  Kurfürst  hatte  vergebens  dasselbe  dem  Herzoge 
Franz  Albrecht  von  Sachsen-Lauenburg  angeboten. 

Sobald  Arnim  dann  einsah,  dass  der  Kurfürst  bei 
der  schwedischen  Allianz  zu  bleiben  entschlossen  war, 
zog  er  die  Unterhandlungen  mit  Wallenstein  nur  hin, 
um  den  Rückzug  des  sächsischen  Heeres  ungefährdet  be- 
werkstelligen zu  können.  Er  rieth  dem  Kurfürsten  da- 
mals, scheinbar  auf  den  Wunsch  einer  persönlichen  Zu- 
sammenkunft mit  Wallenstein  einzugehen,  „denn  ziehe  der 
Herzog  vorwärts'',  schrieb  er  dem  Kurfürsten,  „so  sehe  ich 
nichts  anderes  zu  thun,  als  dass  ich  mich  nach  Leitmeritz 
mache  und  das  Volk  in  Sicherheit  bringe".  Wallenstein 
aber  war  noch  schneller,  er  nahm  Prag  und  trieb  die  säch- 
sische Armee  vor  sich  her.  Am  7.  Juni  1632  überschritt 
Arnim  wieder  die  sächsische  Grenze,  er  Avar  froh  der 
Vernichtung  entronnen  zu  sein  und  eine  Vereinigung  der 
Truppen  bei  Pirna  ohne  wesentliche  Verluste  zu  Stande 
gebracht  zu  haben. 

So  endigte  die  so  glänzend  begonnene  Invasion  der 
Sachsen  in  Böhmen. 


No.  1.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
20.  September  1631.     (Original.) 

Durchleuchtigster  Hochgebohrener  Culirfürst,  gnedigster  Her. 
Dafs  der  liebe  fromme  undt  gruntgütige  Gott  seiner  hochbedrengeten 
Kii-che  durch  die  nechst  crlangetc  herrliche  Victorie  solches  grofses 
Hein  zugeschickt,  davohr  Seindt  wihr  allerseitz  schuldigk,  seiner 
gettlichen  Almacht  hertzlich  zu  dancken,  zwahr  ist  es  nicht  ohne, 
dafs  die  gefehrlichkeitt  dadurch  ein  wenigk  geniindert,  aber  vohr 
gewonnen  wil  es  gleichwol  bey  wcitten  luicli  nicht  zu  halten  sein, 
den  zwey  starke  armeen  in  der  Schlesien  undt  Reiche  noch  auf  den 
beinen.  Dadurch  ist  schon  die  Diversion  gemachet,  dafs  von  Ihrer 
Konig.  May.  E.  C.  D.  sich  separiren  mufs,  da  wirdt  nuhn  ein  ieder 
so  viel  zu  schaffen  finden,  dafs  so  geschwinde  sich  keiner  ohne  grofse 
gefahr,  kuenlich  wirdt  weitt  avanziren  können,  damitt  gewinnet  der 
kegenteil  Zeitt,  sich  in  ihren  orttern  wiederumb  zu  Sterken,  dazu 
werden  ihnen  keine  mittel  gebrechen,  den  sie  uns  in  dehme  noch 
weitt  überlegen,  in  erwegung,  dafs  noch  zuhr  zeitt  auf  diese  party 
keine  mehr  alfs  Ihr.  May.  der  Konnigk  in  Schweden  undt  E.  C.  D. 
den  es  so  leicht  nicht  geschehen  wirdt,  dafs  die  andern  evangelischen 
Stende,  denen  vorige  gefahr  noch  vor  aiigen,  und  sich  grofse  hoff- 
nung  auff'  dem  frankfurter  tagk  geraachet,  sich  mitt  dem  Konige  in 
Scliweden  conjungiren  werden,  Solten  sie  ia  durch  furcht  oder 
hoft'uuug  sich  dahin  bewegen  lafsen,  so  würde  es  doch  so  geschwinde 


Die  Eroberung  Norclböhmens  1631..  251 

nicht   daher   gehen,   dafs   solches  von  den  nachdruck,   dadurch  dem 
wergk  grofs  geholffen, 

Wafs  nuhn  vohr  Mittel  bey  Ihr.  May.  dem  Könige  solches  ist 
E.  C.  D.  Selbsten  bekant,  sein  ganzes  fundament  bestehet  auff  die 
armee,  dafs  geringste  unglück,  so  derselben  zustofset,  wirdt  hindern, 
dafs  er  nimmer  auff  die  beiue  wieder  kommen  kann,  I.  May.  seindt 
menschlichen  feilen  undt  unglück  insonderheitt  der  Sterblichkeit 
unterworffen ,  wen  nuhn  sie  umbkommen,  lafsen  sie  gewifs  keinen 
hinter  sich,  der  dafs  Werk  führen  konte, 

E.  C.  D.  landen  sollte  es  entlichen  auch  zue  schwehr  fallen, 
ginge  es  übel,  so  seindt  E.  C.  D.  so  tieff  darin,  dafs  sie  schwehr- 
lichen  alfs  Einiger  guetten  composition  sich  zue  getroesten,  dahero 
hoch  von  nothen,  dafs  E.  C.  D.  sich  der  Zeit  so  noch  ubrigk,  gahr 
woll  gebrauchen  und  dafs  wergk  mitt  guetten  und  reiffen  vohrbedacht 
fafsen.  So  weitt  meine  wenige  gedanken  sich  erstrecken,  Sehe  Ich 
nur  zwey  mittel,  dafs  beste  wehre,  dafs  mau  sich  bemuhe,  bey 
des  Kegenteills  widrigem  glueke,  und,  ehe  E.  C.  D.  dafs  Werk  ganz 
aufs  henden  genommen,  einen  guetten  bestendigen  und  algemeinen 
christlichen  frieden  zu  machen,  den  dafs  ganze  Romische  Reich  und 
defsen  Status  beydes  bei  grofsen  glueck  und  unglueck  in  höchster 
gefahr.  Solche  fridens  gedancken  mufsen  aber  nicht  hindern,  dafs 
man  nicht  darauff  mitt  höchsten  fleifse  bedacht,  den  statum  belli 
immer  befser  firmiren,  welches  meinem  wenigen  beduenken  nach 
solcher  gestallt  geschehen  konte,  wen  der  Überrest,  des  Kegenteills 
armee  verfolgett  undt  2  da  in  dafs  glueck  auff'  dieser  Seitten  aber- 
mahl sich  wiederlich  erzeigen  wollte,  dafs  darumb  die  ganze  sache 
nicht  fallen  dorffte,  So  wehre  mein  schlechter  rahtt,  dafs  ohne  einige 
zeitverliehrung  man  sich  bemühete,  I.  M.  den  Könige  in  Denemarck 
ins  Werck  zu  ziehen,  ein  gleiches  bey  dem  Nidersechsischen  Krayse, 
damitt  E.  C.  D.  dieselben  auch  nicht  entzogen.  So  wurde  auch  nott- 
wendigk  I.  D.  der  Cuhrfurst  von  Brandenburgk  auff  die  beine  zu 
helffen  sein,  den  obgleich  die  Margk  in  zimblichen  ruin  gerahten,  so 
ist  gleichwohl  dieselbe  noch  nicht  so  grofs,  dafs  sie  nicht  8  oder 
10000  Mann  zur  notturft  unterhalten  kente.  So  haben  I.  D.  in 
Preufsen  noch  viele  unverdorbene  Ortter,  davon  sie  auch  einen  gutten 
zuschufs  haben  können,  E.  C.  D.  wurde  notigk  sein,  dafs  sie  sich 
nach  aller  muglichkeit  sterckte,  damitt  aber  ihre  lande  nicht  ver- 
derbt, erfordert  ratio  belli,  dafs  Volck  in  andere  ortters  zu  führen, 
daraufs  sie  ihren  unterhalt,  in  defsen  konten  E.  C.  D.  dafs  ienige 
wafs  von  ihren  getreuen  landtstenden  sie  zu  erheben,  beylegen  ixnd 
sich  defsen  zum  eufsersten  und  höchsten  nottfahl  gebrauchen,  diese 
ein  feltige  gedanken  haben  meine  Pflicht  erfordert,  E.  C.  D.  unter- 
tenigst  zu  eröffnen,  verbleibe 

E.  C.  D.  untertänigst  gehorsambster 

Den  20  7bris  Ao  1631.  H.  G.  v.  Arnimb. 

No.  2.     Hans  Georg  von  Arnim  an   den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Torgau  27.  Sept.  1631.     (Original.) 

Wafs  vom  Eeinde  neues  einkommen  haben  E.  C.  D.  aufs  dem 
einschlufs  zu  vernehmen,  gestern  habe  Ich  die  reutterey  bifs  an  Fal- 
ckenberg  vohran  gehen  lafsen,  von  daher  berichtet  der  Obristwacht- 
meister  Rochow,  dafs  der  Feindt  allten  Herzbergk  angestecket,  ist 
auch  vohr  der  Statt  gewefsen,  daraufs  ich  mutmafse,  dafs  sie  von 
uns  nicht  wifsen,  itzo  diese  Stunde  marschirt  das  Fuefsvock  übel  habe 


252  A.  Gaedeke: 

dafs  General  rende  vons  zu  Falkenbergk,  daselbst  verhoffe  ich  weiter 
aviso  zu  bekommen,  ob  ich  auf  Herzbergk  oder  Ubigeu  ziehe,  Es 
were  notigk  dal's  E.  C.  D.  am  landt  vogt  in  der  lauseuitz  schreibe, 
da£s  proviante  verschaffet,  Ich  habe  ihm  schon  za  wilsen  gethan,  dafs 
die  armee  von  z\\cy  und  dreifsigk  tausend  ]\Lan  schon  im  anzage, 
wehre  gut  dals  E.  ij.  auch  so  hoch  schreiben,  wen  es  vleicht  dem 
feindt  in  henden  kehme  etc.  H.  G.  v.  Arnimb. 

Torgau  27  7bris  morgents  umb 
drey  Uhr  1631. 

No.  3.    Notiz  über  das  kaiserliche  Corps   unter  Feldmarscliall 

Tiefenbach.    1631. 

Umb  Crossen  au  ff  den  umbliegenden  Dörftern  logiren  an  Fufs- 
volck:  dcfs  Fcldmarschallen  Tieffenbach  Regiment  1000  Mann  stark, 
des  jungen  Wallenstein  Regiment  1500  Mann,  Schauenburgs  Regi- 
ment 300  Mann,  dtfs  von  Dohna  Regiment  3000  Mann,  Baron 
Fornemouä  Regiment  300  Mann,  Churtenbachs  Regiment  800 
Mann,  Aldt  Sachs.  Regiment  500  Mann,  ßuttlafs  Regiment 
500  Mann,  Und  noch  zwey  Regimenter,  So  in  allem  thuen  8400  Mann; 
an  Cavallerie:  defs  übristen  Gözens  Regiment  fiOO  Pferde,  Obristen 
Sparrcs  Regiment  700  Pferde,  Obrist  de  la  Fore  Regiment  800  Pferde, 
Obrist  Montecucoli  Regiment  300  Pferde,  Coloredos  Regiment  560 
Pferde,  des  Feldtmarschalls  Leib  Compagnie  200  Pferde,  Obrist 
Schaffgoczscli  Regiment  1000  Pferde,  und  6000  Ungern  und  Croaten, 
deren  Summa  mit  10  100  sich  erstrecken. 

No.  4.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Herzberg  28.  September  1631.     (Original.) 

E.  C.  D.  befeligk  zu  Folge  soll  foederlichst  der  Herrn  Ober- 
sten bedenken  ufgesezet  undt  deroselben  zugeschicket  werden,  den 
es  anitzo  alsofort  nicht  geschehen  können,  weil  man  mitt  den  feinde 
noch  occupirct.  Wie  starck  derselbe  eigentlich ,  kan  man  noch  zuhr  zeitt 
nicht  wifsen  zwahr  hatt  der  Her  von  Hoffkirchen  gefangene  zurück- 
geschickt, aber  es  seindt  polen,  wifsen  nicht  anders  zu  sagen,  alfs 
dafs  sie  aufsgeschickt  die  Päfse  im  lande  zu  recognosciren ,  die 
Schelme  brennen  gewaltigk,  haben  Allten  Herzbergk  sambt  der 
muelen  etc.  ganz  abgebrant,  haben  sich  zerteilet,  dafs  man  nicht 
woU  Parteien  antreffen  kan,  heutte  wil  ich  in  Gottes  Namen  ver- 
suchen, ob  etzliche  zum  stände  zu  bringen,  Sonsten  wehre  woll  guett 
dafs  E.  C.  D.  beide  Regimenter  ehestes  zur  armee  kehmen  den  der 
feindt  auf  10  000  Man  zum  wenigsten  geschezet,  dafs  Volck  ist 
zimblich  schwierich ,  die  officier  so  wol  alfs  die  Soldaten ,  wens 
miiglich  wehre,  dafs  ihnen  edtwas  an  geld  gewehret,  so  erfordert  es 
wol  die  höchste  notturfft,  den  sonsten  getraue  Ich  mich  nicht  edtwas 
guettes  mit  ihnen  zu  verrichten,  der  Bau  von  der  neuen  schanze  zu 
Wittenbergk  bleibet  ganz  liegen,  ist  woll  grofser  schade,  scheinet 
fast,  dafs  er  vohrsätzlich  gehindert,  bitte  unterth.  E.  C.  D.  aufs  neue 
mitt  ernste  befehlen  wollen,  damitt  ei'  verfertiget,  den  Ich  Versicherer 
E.  D.  dafs  sie  kein  befser  ^\'erck  im  ganzen  lande  hal)en  werden, 
wenn  es  zu  seiner  perfection.  Wenn  E.  D.  mihr  die  befelige  zu- 
schicken wil  ich  sie  schon  fortschaffen,  wirdts  aber  nicht  bald  befer- 
dert,  so  fürchte  Ich  Aven  dafs  grofse  Walser  kombt  die  schöne  arbeitt 
ist  ganz  verlohren  etc.  H.  G.  v.  Arnimb. 

Hertzberg  den  28  7bris  Ao  1631. 


Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  253 

No.  5.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Herzberg  2S.  September  1631.     (Original.) 

Demnach  dafs  Volck  so  insolent  und  unbendig  weil  es  kein 
geltt  undt  nicht  mehr  als  dafs  trockene  brot  und  auch  solches  unter- 
weilen in  drey  tagen  nicht  eins  bekombt,  So  befinde  Ich  dafs  Ich 
gewifsen  und  Ehre  halben  bei  ihme  nicht  lenger  sein  weniger  mihr 
getrauen  kan,  E.  C.  D.  damit  einigen  Dienst  zq  tuhn,  den  Ich  mufs 
es  bekennen,  dafs  sie  aufser  dem  brantt  viel  grofsen  schaden,  als  der 
feind  thun,  bitte  derwegen  unterth.  E  0.  D.  die  gnedige  Verord- 
nung tuhn  wollen,  damitt  dafs  Volck  contentiret,  im  widrigen  falle 
stehet  gewifs  E.  0.  D.  landt  in  gefahr  und  wihr  verlihren  bey  so 
gestalten  Sachen,  unsere  Ehre  E.  C.  D.  werden  es  nicht  ungnedig 
vernehmen  den  E.  C.  D.  Dienste  und  meine  pliicht  erfordert  es 
E    C,  D.  unterth.  zu  berichten  etc.  H.  ö.  von  Arnimb. 

Hertzbergk  den  29  Vbris  Ao  1631. 

No.  6.    Sans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Uebigau  30.  September  1631.     (Original.) 

E.  C.  D.  habe  Ich  meine  wenige  gedancken  eröffnet,  wie  Ich 
vermaine,   dafs  diefs  hohe  schwere  und  wichtige  Werck  ferner  mitt 
solcher  Vohrsichtigkeit  geführett  werden  mechte,  damitt  E.  C.  D.  in 
höchster  gefahr  schwebender  undt  nuhumehr  dem  gluck  untergebener 
Status  conserviret  und  E.  C.  D.   hohes  und  lange   berühmtes  haufs 
bey  voriger  Dignitet,  Wolstandt,  land  und  leutte  conserviret  werden 
möge,    dabey  lafs  Ichs  allerdinge  noch  bewenden,   beruffe  mich  auch 
darauff,  wie  E.  C.  D.  Ich  solches  zu  leipzigk  untertenigst  überreichet, 
Befinden   nun   E.  C.  D.   derselben   beywohnenden   hohen   Discretion 
nach  ein  heiseres,   so  werden   sie    sich    dennoch   meine   getreue  und 
auffrichtige  Intention  nicht  mifsfallen  lafsen,  Nuhn  mehr  werde  Ich 
davohr   nichts  weiteres    erinnern.   Besondern   nuhn    allein  wie  diese 
itzige  armee  zu  conserviren.     Insonderheitt  weil  der  Winter  herein 
tritt,  darumb  duncket  mihr,  dafs  darauff  zu  gedencken,  wie  sie  mitt 
solchen  quartiren  versehen  werden  mochte,  dafs  sich  die  Soldaten  ein 
wenig  recoUigiren,  und  die  Regimenter  wiederumb   complet  können 
gemacht    werden,    E.   C.   D.  Erblande    damit   zu   beschweren,   were 
gar  nicht  zu  rahten  sein,  weil  dieselbe  an  teils  ortter  schon  ziemb- 
lich ruinirt,    auch   in   höchsten  nottfall,  vor   die  reserve  zu  halten, 
derwegen  liefs  Ich  mich  bedüncken,    dafs   es  am  sichersten,  wenn  4 
Regimenter   in   der  Lausenitz  und  den  Überrest  nach  der  Schlesien 
so  weit   sich    solche   diefseit   der   Oder  erstrecket  eiuquartiret   und 
solche  Verordnung  dabey  machete,  dafs  E.  C.  D.  bei  ieden  Regiment 
commissarien  verordnet  die  nebenst  den  heren  Obersten  mit  den  landt- 
stenden  tractiret,  dafs  sie  ihnen  vier  Monatt  Sollt  nebenst  den  ordi- 
nari  servicen  geben,  damit  nicht  einem  ieden  freygestellt,   die   lande 
nach  seinem  beliben  zu  schezen,  Solehergestallt  betten  nicht   allein 
die  officirer,  sondern  auch  die  Soldaten  und  vohrnemblichen  E.  C.  D. 
die  quartir  am   höchsten  zugewiefsen,   undt   wen   die   Contribution 
richtig  erfolget,  mufse  den  Obersten  hoch  eingebunden  werden;  dafs 
die  leutte  darüber  nicht  beschweret,  worauff  der  Commissarius  guett 
acht  zu  haben,  damit  würden  wihr  beweifsen,  dafs  wir  begehreten 
christlicher  zu  handeln,  würde  es   aber  so  bunt  übergehen,  wie  bey 
dem  Kegenteil  geschehen,  so  haben  wihr  zu  befuerchten,  dafs  Gottes 
straffe,  aufs  neue  über  uns  erwachen  mochte,  wen  wihr  dergleichen 


254  A.  Gaedeke: 

tehten,  so  hetten  wihr  es  am  Kegcnteill  auch  wieder  zu  improbiren, 
wie  nulm  aber  die  quartir  in  der  Schlesien  zu  erlangen,  darauff 
were  voruemblich  zu  sehen,  meines  wenigen  erachtens,  wen  E.  C.  D. 
sich  nicht  zu  weit  in  dafs  werck  intriciren  wolte,  mochte  es  nicht 
uudienstlichen  sein,  dals  Ich  solches  zu  anfangs  an  sie  gesonnen, 
Demonstrirte  ihnen,  wafs  E.  C.  D.  loebliche  intention  Avie  sie  und 
alle  Evangelische  solchs  zu  promoviren  schuldig  vernehme  dara,uff 
was  Ihre  erkleruugk,  wehre  dieselbe  also  beschaffen,  dafs  man  sich 
darauff  fundiren  konte,  were  es  so  viel  befser,  wo  nicht,  dafs  die 
armee  edtwafs  avangiret,  und  sie  daraufs  den  Ernst  spühreten,  so 
vermainete  Ich,  wen  sie  nuhn  etzlicher  malsen,  einen  honestum 
praetextum  sie  würden  sichs  nicht  lange  verweigern,  Insonderheitt 
wen  ü-limpff  und  Ernst  bey  einander,  den  bey  itziger  beschaflenheit 
so  woU  der  Zeitt  alfs  auch  der  Umbstende  sich  weiter  und  edtwas 
nach  Böhmen  zu  begeben,  wil  woU  zu  erwegen  sein,  wen  aber 
E.  C.  D.  mit  der  Werbung  fortfuhren,  diese  armee  auch  verstercket. 
So  wolte  nicht  undienstlich  sein,  sich  nach  leutmeritz  zu  begeben, 
und  zu  bemüben,  dafs  man  des  Egerstromes  sich  bemechtigte,  damit 
von  Böhmen  her  E.  C.  D.  lande  auch  versichert,  mitt  diesem  wercke 
aber  wil  nicht  zu  cunctiren  sein,  damit  uns  der  Winter  nicht  über- 
falle, Bitte  derwegen  untertenigst  E.  C.  D.  sich  darauff  ehest  gnedigst 
resolviren  oder  wafs  sonsten  zu  tuhn  niihr  befehlen  wollen.  In  defsen 
will  Ich  mich  umb  bautzen  und  dahrumb  mitt  der  armee  auff- 
halten  etc.  H.  Gr.  von  Aruimb. 

Ubigen,  den  30  7bris  Ao  1631. 


No.  7.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
üebigau  30.  September  1631.     (Original.) 

Dem  Feinde  Bin  Ich  nachgewefsen  aber  nicht  antreffen  können, 
weil  Er  sich  die  nacht  schon  davon  gemachet.  Gestern  hatt  er  sich 
umb  Finsterwalde  sehen  lafsen,  so  baldt  er  aber  ersehen,  dafs  E._  D. 
Volck  inn  marche,  hatt  er  sich  gahr  starck  retiriret.  Ich  vermeinte 
es  Avehre  aus  allerhandt  uhrsachen  gutt,  dafs  man  sich  der  Sprepefee 
versichere,  wafs  weiter  vorgeht  sol  E.  D.  alfsbuld  avisiret  werden  etc. 

Ubichen,  den  30  7bris  Ao  1631.  H.  (j.  v.  Arnimb. 


No.  8.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
30.  September  1631.     (Original.) 

Diesen  augenblick  bekomme  Ich  Kuntschafft,  dafs  der  feindt, 
sich  nach  Oberlaufsnitz  gewendet,  ezliche  Ungern  hatt  der  Oberste 
Goetze  bei  sich.  Ich  vermeine  auft'  deme  sei  nicht  so  viel  zu  sehen, 
alfs  auft'  die  armee.  Wen  der  General  Bannier  denselben  auffhaltten 
konte,  wehre  den  Sachen  nach  wohl  zu  rahten,  verbleibe  etc. 

H.  G.  V.  Arnimb. 
Bitte  untertenigst  E.  C.  D.  schicken  mihr 
ordenence  wie  weit  dem  Feinde  nachzufolgen, 
des  Volcks  so  Ich  bei  milir  ist  nicht  10  000  Man. 

Den  30  7bris  Ao  1631. 
umb  10  Uhren  zur  mittage,  der  feindt  ist  bei  Ubigen 
15  000  Man  starck. 


Die  Eroberung  Nordböhtnens  1631.  255 

No.  9.    Hans  Georg  von  Arnim   an  den  Kurfürsten  von  Sachsen^ 
Uebigau  30.  September  1631.     (Original.) 

Des  hern  von  Hoffkirchen  Verrichtungen  werden  E.  C.  D. 
aufs  seinem  schreiben  vernehmen,  die  gefangenen  berichten,  wie  sie 
von  der  armee  gezogen,  haben  sie  dieselbe  zum  Sagan  gelafsen,  also 
dafs  diese  mitt  der  vorigen  übereinstimmet,  dafs  die  armee  schon 
vohr  8  tagen  fortt.  Ich  wil  ferner  fleifs  ankehren,  mich  zu  erkun- 
digen, wo  dieselbe  anitzo  eigentlichen  logire,  gestern  habe  Ich  Kund- 
schafft bekommen,  dafs  ?ie  nach  Böhmen  gehe,  vleicht  haben  wihr 
sie  alfs  dan  wieder  bei  Egern,  verbleibe  etc.      H   G.  v.  Arnimb. 

Ubigen  den  30  Septemb.  umb  11  Uhren 
zu  Mittag  Ao  1631. 


No.  10.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Ortrand  2.  Oktober  1631.     (Original.) 

E.  Ch.  D.  befelig  zu  gehohrsambster  folge  wollte  Ich  mich 
gerne  Milberg  genehert  haben,  dieweil  Ich  aber  Kundtschaft  bekom- 
men, dafs  der  feindt  bei  Senfftenbergk,  auch  eine  meile  von  hier 
sich  ziemblichen  starck  sehen  lafset,  habe  Ich  nicht  befinden  können 
wie  solches  ohne  verseumnifs  edtwas  wichtiges  geschehen  können; 
Ich  schicke  wiederumb  diese  nacht  600  Pferde  und  500  Mufsquetierer 
aufs,  sehe  Ich  dafs  es  ohne  Verlierung  einiger  Zeitt  zu  tuhn,  wil 
E.  C.  D.  Ich  gehorsambst  auffwartten  oder  iemandts  anders  dahin 
abfertigen.  Mitt  Dresten  soll  es  so  gefehrlichen  nicht  sein,  wie  es 
berichtet  und  nicht  mehr  alfs  8  Scheunen  abgebrannt,  wie  mir  der 
Schöfser  vom  grofsen  Han  berichtet,  verbleibe  etc. 

Ortrant  den  2  7bris  Ao  1631.  H.  G.  v.  Arnimb. 


No.  11.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Ortrand  3.  Oktober  1631.     (Original.) 

Dennach  Ich  vernehme,  dafs  E.  C.  D.  heute  anhero  anlangen 
werden,  wil  Ich  derselben  damit  es  ohne  grofse  gefahi-  geschehen 
möge,  heutten  alhier  abwarten,  Morgen  aber  mitt  den  frühesten  werde 
Ich  aufbrechen  müssen,  damit  bey  Bauzen  nichts  verabseumet,  ver- 
bleibe etc.  H.  G.  V.  Arnimb. 
Ortrant  den  3  7bris  Ao  1631. 


No.  12.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Ortrand  3.  Okiober  1631.     (Original.) 

Dieweil  E.  C.  D.  wegen  des  heren  graffen  Brandenstein  es 
durch  den  von  Vitztuhm  erinnerung  tuhn  lafsen,  habe  Ich  alfsbaldt 
von  hier  aufs  an  ihme  geschrieben,  und  anhero  verbeten,  hoffe  dafs 
er  sich  heutten  auch  noch  gewlfs  einstellen  werde,  gefeit  es  E.  0. 
D.  alfsdan  selbsten  mitt  ihme  zu  reden,  konte  die  sache  so  viel 
schleuniger  zu  seiner  Richtigkeit  gelangen,  befeie  etc. 

Ortrant,  den  B  7bris  Ao  1631.  H.  G.  v.  Arnimb. 


256  A.  Gaedeke: 

No.  13.     Memorial  Arnim fi  an   den  Knrfiirsten  von  Sachsen, 
3.  Oktober  1631.     (Copie.) 

Memorial 
der  Puncta  so  E.  Chui-fl.  D.  wegen  des  Herrn  FeldtMarsclialkes  zu 

proponiren. 

1.  Weil  der  Herr  FeldtMarsehalck  nhumehr  gewifse  Nachricht 
das  der  Feindt  in  die  Ober  Laulsnitz  marchire,  als  habe  ehr  resol- 
viret  gleich  auf  Budissin  mitt  Ihr  Churf.  D.  annee  zuzunehmen, 
vndt  so  viel  muglichen  dieselben  Lande  für  den  feindt  zu  verwliaren 
viidt  ob  wliol  zu  fürchten,  das  der  feindt  sicli  der  Statte  in  Ober- 
lausnitz  zu  bemechtigen  sich  vntterstehen  mochte,  so  seyn  doch  der 
Herr  FeldtMarsehalck  nicht  der  Meinung,  weil  ehr  erstlich  viel  Zeit 
zubringen  würde,  auch  hernach  viel  Fulsvolck  zur  besatzung  hintter- 
lalsen  müste,  das  solches  des  feindes  intent  sey,  sondern  viel  Ehr 
auf  eine  brandschatzung  oder  Contrihution  angesehen  sey,  vndt  die 
Marche  auf  Böhmen,  entweder  Ihr  Chui-fl.  D.  landen  von  daraufs  zu 
vberfallen,  oder  zu  dem  Altringer  zustofsen,  oder  das  ehr  sich  be- 
fhare.  Ihr  Churti.  D.  mochten  mitt  dero  armee  in  Böhmen  gehen,  im 
fall  uhun  des  feindes  Intent  näher  Eohmen  zu  gehn,  vndt  seinen 
weg  auf  Leutmeritz,  so  der  einige  nehiste  Pafs  vher  die  Elbe,  so 
sey  der  H.  FeldtMarsehalck  willens  solches  Pafses  sich  zu  bemech- 
tigen vndt  den  Feindt  zu  vorhindern  zu  pafsiren,  vndt  sich  aldan 
fest  zumachen,  vndt  hernach  Eger  womüglich  sich  bemechtigen,  da- 
mit Ihr  Churti.  D.  für  Einfall  in  deroselbeu  Landen  dero  ortten  ver- 
sichert sein  mochten. 

2.  Nachdem  zu  befliaren,  indem  der  Oberste  Götze  noch  etzlich 
Volck  zu  Cotbus  beisammen,  es  mochte  derselbe  vntterdelsen  Ihr 
Churfl.  D.  armee  in  Ober  Laufsnitz  sich  befinden  theten,  sich  ver- 
suchen, ahn  der  Elster  oder  andern  ortten  einfallen,  als  sehe  der 
Herr  FeldMarschalck  für  gutt  ahn,  dem  General  Bannier  zu  erfoddern 
vndt  den  ortten  mitt  seinen  trouppen  zu  legen,  den  Feind  zu  ver- 
hindern, vnterdefsen  aber  die  Ritterpferde  so  zu  Wittenberg  vndt 
daherumb  itzo  logiren,  dahin  zu  commandiren. 

3.  Dieweil  der  herr  FeldtMarsehalck  sich  mitt  dem  Volck  so 
ehr  itzo  bei  sich  nicht  bastant  befinde  etwas  gegen  den  Feindt  für- 
zunehmen, als  woltte  Ehr  E.  Churfl.  D.  gantz  vnterthenigst  erinnert 
haben,  mehr  Volck  zu  werben,  damitt  die  armee  gestärcket  werde, 
vnterdefsen  aber  E.  Churti.  D.  Leib  Compagnien  zu  Hofs  vndt  Fuefs 
schleunig  zu  hülfe  zu  schicken,  der  Herr  FeldtMarsehalck  wolte  für 
seine  Pershon  auch  darauf  bedacht  sein,  sich  selbst  zu  starcken,  so 
baldt  ehr  an  ortte  gelangete,  Contrihution  anzulegen. 

4.  Erinnert  der  Herr  FeldtMarsehalck  vntterthenigst  E.  Chui-fl. 
D.  weiten  gnedigst  Verordnung  thun  lafsen  damitt  die  Soldatesca 
mit  Vivres  mochten  versehen  werden,  auch  wo  muglichen  Ihren 
Sold  erlangen  mochten,  oder  den  ()l)ersten  vndt  Ofticiren  zu  helffen, 
damitt  die  trouppen  wieder  complet  gemacht  werden  kontten,  damit 
nicht  allein  die  disciplin  vntter  der  Soldatesca  zu  erhalten.  Sondern 
Ihro  Churti.  J).  dienste  desto  befser  belürdert  wurden. 

5.  Befindet  der  Herr  FeldtMarsehalck  vor  rhatsham  auf  Mittel 
zu  gedencken,  die  Statt  Breslau  auf  Ihr  Churfl.  D,  seifen  zu  brin- 
gen. Ingleichen  die  andern  Schlesischen  Stende,  damitt  B.  Churfl. 
I).  parti  desto  mehr  dardiu-ch  gestercket  würde  etc. 

Wilh.  V.  Vitzthumh. 


Die  Eroberung  Nordbölimens  1631.  257 

No.  14.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Bischofsiverda  8.  Oktober  1631.     (Original.) 

Wie  Ich  gestriges  tages  eine  meile  von  liinnen  logiret  liatt  der 
feindt  bischoffswerde  angefallen,  der  leutenant,  so  wider  ordre  darin 
gebliben  und  sich  mitt  dem  feinde  im  scharmutziren  eiugelafsen, 
hatt  sich  retiriren  mufsen,  da  ist  der  feindt  mit  ihme  zugleich  in  die 
Statt  kommen,  bey  die  15  burger  niedergemacht  und  dafs  Stetigen 
so  viel  er  in  der  Eile  tuhn  können  geplündert  Wie  Ich  aber  solches 
erfahren  undt  etzliche  reutter  voraus  gescbicket  hatt  er  sich  in  der 
flucht  zurucke  nach  bauzen  gemacht,  also  dafs  die  Statt  vom  brande 
noch  salviret,  sonsten  habe  Ich  Kuntschafit  dafs  der  feindt  etzliches 
Volck  auf  Sitta  geschicket,  Ich  vermaine  es  wird  nicht  undinstlich 
sein,  dafs  Ich  mich  dem  Feinde  bifs  Wittechenau  nehere,  damit  E. 
D.  lande  befreit  und  Ich  also  befser  dem  feinde  auf  seine  actionen 
acht  geben  könne,  sehe  Ich  dafs  es  rahtsam  sein  wirdt,  wil  ich 
weiter  gehen,  doch  mitt  gottes  hulffe  so  behutsahm,  dafs  die  armee  in 
keinen  hazardt  gsezet  etc.  H.  G.  v.  Arnimb. 

Bischoffswerde,  den  8  8bris  Ao  1631 

No.  15.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Bischofsiverda  8.  Oktober  1631.     (Original.) 

E.  C.  D.  ersehen  gnädigst,  dafs  der  feindt  Bautzen  wieder  ver- 
lafsen,  wie  es  mitt  Goerlitz,  davon  habe  Ich  keine  nachricht,  schicke 
itzo  den  Heren  von  Hott'kirchen  mitt  800  pferden  und  1200  Mufs- 
quetieren  nebenst  den  Ob.  Klitzingk  dahin,  habe  ihnen  befohlen  erst- 
lichen  vohran  zu  schicken,  damit  kein  betrug  dahinder  sein  möge, 
Ist  alles  richtig,  so  gehe  Ich  starck  auff  Görlitz  seindt  noch  etzliche 
drinn,  Wil  Ich  sehen,  Avie  sie  durch  gottes  gnade  zum  accordo  zu 
bringen  etc.  H.  G.  v.  Arnimb. 

Bischofswerde,  den  8  Octob.  Ao  1631. 

No.  16.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Bautzen  11.  Oktober  1631.     (Original.) 

Der  her  Oberster  Steiner  heltt  wieder  an,  ist  erbitend  auff 
genugsahme  Versicherung,  dafs  ers  auff  den  Musterplatz  wider  be- 
kommen soll,  die  Werbegelder  vohr  zu  schifsen,  wen  E.  D.  ihme  den 
musterplatz  in  der  Graffschafft  hennebergk  geben,  oder  bei  derselben 
Hern  Vetter  erhalten  konten,  dafs  im  Coburgschen  ihme  einer  assig- 
niret.  Wen  es  E.  D.  also  belibet,  wehre  notig,  dafs  die  resolution 
förderlichst  erfolge,  beigeschlofsenes  sclu'eiben  an  heren  von  Dona 
ist  intercipiret,  haltte  aber  dafs  es  expressu  also  angestelt,  dafs  es 
hat  aufgefangen  werden  sollen. 

Ich  bitte  untertenigst,  dafs  der  Monat  Soltt  erfolge,  hoffe  alsdan 
zu  Gott  B.  D.  befsern  Dienste  mitt  dem  Volcke  zu  thun. 

Der  Feindt  hatt  wider  Standt  gefafset  bey  Sitta,  heute  marchire 
ich  nach  Reichenbach  nach  dem  die  Kuntschaft  auskommen  wird 
alfsdan  weiter  zu  resolviren  sein  etc.  H.  G.  v.  Arnimb. 

Baudifsin,  den  11  8bris  Ao  1631. 

No.  17.    Kurfürst  Johann  Georg  an  Arnim,  11.  Oktober  1631. 

(üoncept.) 

Vester  lieber  getreuer,  verschinne  Nacht  hat  uns  der  Ritt- 
meister Vizthumb  euer  gestriges  tags   datirtes  schreiben  zubracht, 

Neues  Archiv   f.  S.  G.  u.  A.     IX.  3.  4.  17 


258  -^-  Gae<3eke: 

welches  wir  verlesen  und  daraus  sowohl  des  Rittmeisters  mündlichen 
Bericht  eure  Ankunfft  zu  Budifsin  auch  was  mit  den  Keyserlichen 
fürgangen,  sonderlich  die  vrsachen,  worunib  Ir  nicht  rathsam  zu  sein 
erachtet,  dem  Feind  ferner  nachzusezeu,  demnach  für  das  beste  an- 
sehet, mit  der  armee  alsbalden  uf  Goerliz  und  nach  der  Schlesien 
zu  gehen  und  was  es  sonsten  umb  unsere  arm6e  für  eine  beschaffen- 
heit  habe,  nottürfftig  vernommen; 

Nun  lafsen  wir  uns  eure  gedancken  und  vorschlagk  gar  nicht 
mifsfallen,  sondern  befinden  solche  vernunfftig  und  guth,  Ir  werdet 
aber  nunmehr  aus  unserm  gestrigen  schreiben  und  dem  ienigen,  so 
von  Halle  cinkommen,  befunden  haben,  wie  es  das  ansehen  gewinnen 
will,  als  ob  die  Keyserlichen  von  allen  ortten  sich  nach  denn  Gre- 
neral  Tylly  wenden  wolten,  welchs  dann  in  heiligenden  Zeitungen 
continuirt,  weil  mann  mm  alhier  nachrichtuug  hat,  dafs  die  Keyser- 
lichen aus  Laufsniz  sich  nach  der  Eiben  zu  begeben,  auch  uberzu- 
sezen  und  in  Böhmen  zu  rücken  beginnen,  will  uns,  jedoch  ohne 
mafsgebcn,  beduncken,  wann  die  Keyserlichen  die  Laufsniz  Verliesen, 
mann  solte  sich  unsers  teils  darumb  auch  nich  alzu  gi'ofs  anzunehmen 
haben,  sondern  mit  theils  der  armee  auch  nach  der  Eiben,  gegen 
Haiusbach  und  deren  ortte,  mit  dem  andern  teil  aber  hieiiiber  nach 
Tetschen  und  um  dieselbe  gegent  gehen  und  doselbsten  Quartir 
machen.  Also  würde  mann  doch  aus  der  Lausiz  imd  Schlesien  sich 
der  contribution  zugebrauchen  oder  mit  der  zuschickung  des  Volks 
sie  zu  bedrohen  haben,  inmafsen  der  Rittmeister  Vizthumb  noch 
mundlich  darüber  berichten  wirdt.  Wir  stellen  aber  diesen  unsem 
Vorschlagk  zu  eurer  und  der  Obersten  erwegung  und  nachsinnen, 
und  werden  uns  den  ienigen  wegk  belieben  lafsen,  welchen  Ir  für 
den  besten  erachtet.  Allein  wollet  uns  berichten,  an  welchen  ortt 
wir  mit  den  bey  uns  habenden  Volck  zu  euch  stofsen,  ob  wir  mehi* 
munition  mitbringen,  oder  die  anhero  gebrachten  Wägen  abladen 
lafsen  und  dieselben  ziu*  Proviant  gebrauchen  sollen,  denn  zu  mehr 
wagen  wir  sonsten  anizo  wie  hoch  wir  uns  auch  darumb  bemühen, 
nicht  gelangen  können.  Und  nachdem  der  spanische  subdeligirte 
Gesandte  Oberst  Paradys  alhir  ankommen,  und  mit  seiner  Werbung 
gehört,  Als  thun  wir  euch  beiliegend  copiam  seines  memorials  über- 
senden. Wegen  der  Koen.  M.  inn  Schweden  ist  der  herr  Graff'von 
Thurn  nunmehr  auch  ankommen,  den  wollen  wir  morgen  geliebts 
Gott  hören  und  von  seinen  anbringen  euch  gleichergestalt  andeutung 
thun.  Und  sein  Euch  etc. 

Datum  Drefsden  am  XI  Octobris  1631. 


No.  18.    Memorial  Arnims  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
14.  Oktober  1631.    (Copie.) 

Memorial   was   mit   Chuif.  Durchl.  zu   Sachsen  vor  puncta,  auf  be- 

felich  des  herrn  Feldtmarschallen  untertenigst  zu  reden. 

den  14  Octobris  übergeben.  (1631.) 

1.  begerde  der  her  feldtmarschall  ihr.  Ch.  d.  regementer  zu 
Rofs  undt  Fufs  weil  mit  den  bey  sich  habenden  Volck  allein  fast 
nichts  weiteres  mit  bestände  vorgenohmen  werden  möge 

2.  sehe  ehr  gerne  das  binoffische  Regement  den  hoffkircher, 
undt  des  hoffkirchers  den  Obcrstleutenant  Einhausen,  jedoch  das  der 
hertzog  Uhlrich  von  Dennemarck  Oberster  darüber  sein  solte  vorge- 
staldt  wurde 


Die  Eroberung  Nordbölimens  1631.  259 

3.  das  doch  der  versprochene  monadt  sohlt  vor  Keiiter  und 
fufsvolck  förderlich  möge  ausgezahlt  werden 

4.  die  Proliant  zu  befordern  das  sie  nachgeschafft  werden  oder 
die  Soldaten  verderben  hungers  halben,  darzu  die  übrigen  Artolory 
Wagen  zu  gebrauchen 

5.  mit  den  nidersachsen  Krais  zu  tractiren  undt  sich  zu  con- 
jungiren  womit  sie  förderlich  Werbung  anstellen  mögen 

6.  das  brandenburgische  Volck  anstadt  des  paniers  zu  erfordern 
undt  das  ihre  durchl.  auch  mehr  Werbung  anstellen  möchten  welches 
aber  förderlich  gehen  mufste 

7.  so  werden  sich  ihr  Durchl.  wegen  des  vornehmsten  punctes 
inhabenden  undt  von  mir  über  Reichten  schreiben  auch  förderlich  zu 
resolviren  wissen  masen  der  abgefertigette  trompeter  bey  heren 
feldt  Marschallen  darauff  warten  thut. 

Eustachius  Löser. 

No.  19.     Kurfürst  Johann  Georg  von  Sachsen  an  Arnim, 
13.  Oktober  1631.     (Copie.) 

Vernehme  sonsten  gerne,  dafs  Ir  uf  den  Feind  gute  achtung 
gebet  und  zu  dem  ende  nach  Reichenbach  marchiret,  zweiffle  an 
euerer  Vigilanz  und  sorgfeltigkeit  ganz  nicht,  und  werdet  nunmehr 
aus  unserm  dem  Rittmeister  Vizthumb  mitgegebenen  schreiben  ver- 
standen haben,  was  difsfalls  unsere  gedancken  sind. 

Datum  Drefsden  am  13  Octobris  Ao  1631. 

No.  20.    Resolutio  uff  des  Obr.  Eustachii  Loesers  Punkten. 
15.  Oktober  1631.    (Copie.) 

Der  durchlauchtigste  Churfurst  zu  Sachsen  etc.  erklert  sich  uff 
die  wegen  dero  hern  Feldtmarschalls  Hanns  Georgen  von  Arnimb 
durch  den  Obersten  Eustachium  Lösern  angebrachte  Punkten  wie 
folget. 

1.  Was  den  ersten  Punkt  betrifft,  haben  Sich  Ire  Ch.  D.  vor 
zweyen  tagen  in  schrifften  undt  durch  den  von  Vizthumb  bereit  er- 
kleret,  wenn  Ire  C.  D.  zu  dem  heren  Feldtmarschall  kommen,  dafs 
Sie  das  Volck  mitbringen  wollen,  darbey  hat  es  sein  bleibens. 

2.  Wegen  des  andern  Punkts  haben  sich  I.  Ch.  D.  auch  bereits 
inn  schrifften  resolviret,  dafs  Sie  dem  Obersten  heren  von  Hoffkirchen 
den  Mustermonat  ehest  richtig  machen,  u.  s.  w. 

3.  Uff  den  dritten  Punkt  haben  Sich  I.  Ch.  D.  bereit  erkleret, 
dafs  Sie  täglich  damit  umbgehen,  wie  die  armee  contentii-et  werde. 

4.  Wann  sich  der  Feldtmarschall  erkleret,  ob  die  Artolory- 
wagen  etc. 

5.  I.  Ch.  D.  haben  bey  der  K.  M.  in  Dennemarck  undt  des 
herzogs  zu  Holstein  etc. 

6.  Sonsten  ist  dem  heren  Feldtmarschall  wifsend  was  I.  Ch.  D. 
an  König  in  Schweden  wegen  des  Baniers  geschrieben,  und  hat  der- 
selbe aus  mitkommender  Abschrifft  zu  ersehen,  was  I.  Ch.  D.  auch 
an  den  Sanier  anderweit  gelangen  lafsen,  der  Vorschlagk  mit  dem 
Churbrandenburgischen  Volck  ist  I.  Ch.  D.  zwar  annehnilich,  Sie 
wifsen  aber  nicht,  was  noch  zur  Zeit  für  Volck  uff  den  beinen  oder 
wie  viel  balden  zusammenzubringen,  und  ob  Churbrandenburgk  das 
Volck  in  Soldt  halten  werde,  erwartten  demnach  difsfalls  Berichts. 
Wegen  mehrerer  Werbung  haben  sich  I.  Ch.  D   durch  Vizthumen 

17* 


260  A.  Gaedeke: 

lind  schrifftlicli  erkleret,  dafs  der  Oberst  Steiiia  ein  mehrers  werben 
fcollo,  Im  übrigen  mül'sen  sich  I.  Ch.  D.  noch  zur  Zeit  nach  der  ein- 
kunftl  der  gelder  richten  und  Averden  difcfalls  thun,  was  müglich. 

7.  Wegen  des  lezereu  Punkts  haben  Ire  C.  D.  dem  Obersten 
Löser  Ihre  meinung  mündlich  entdeckt,  können  weiter  nichts  dorbey 
thun,  Sie  haben  mit  dem  Herrn  Fcldmarschall  selbst  draus  geredet. 

Signatum  Drefsden  am  15  Octobris  Ao  1631. 

No.  21.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Görlitz  16.  Oktober  1631.     (Orhjinal.) 

Dieweil  die  Eingekommene  Kuntschafften,  mihr  so  viel  an  die 
Handt  geben,  habe  Ich  den  Feindt  ferner  bifs  nach  der  Sitta  ver- 
folget, wie  Er  defsen  iniie  worden,  hatt  Er  sich  gewendet,  ohne 
Zweiffl,  dafs  Er  durch  solchen  Engen  pas  sich  nicht  getrauet,  vnter 
wegen  seindt  die  parteien  an  Einander  gestofsen.  vnd  eczliche  vom 
Feinde  gebliben,  teiles  auch  gefangen,  Nuhnmehr  lencket  Er  sich 
wieder  nach  der  Schlesien,  hatt  vergangene  nacht  zu  lembergck  ge- 
legen, ist  in  groefser  Confusion,  aber  dafs  Yolck  von  E.  Durchl. 
armee  ist  so  müde,  dafs  Ich  ihn  so  geschwinde  nicht  verfolgen  kan, 
mufs  noettwendigk  Ein  pahr  tage  rasten,  Sitta  und  dafs  schlofs 
Grafstein  habe  Ich  beseczet,  Dieweyll  Ich  vom  Rittmeister  Vitztuhm 
E.  Durchl.  gedancken  vernommen,  wil  Ich  die  anstellung  machen, 
doch  kan  Ich  mitt  allem  Fuefs  Volck  nicht  fortt,  sonsten  gehet  es 
zu  gründe,  wil  einen  aufsschufs  von  4000  guetter  manschafft  machen 
vnd  die  ganze  Cavallerie  dazue  nehmen.  Wen  E.  Churf.  Durchl. 
mihr  hernochmalen  ihre  leib  Kegimenter  dazu  schicken,  Wil  Ich  im 
Namen  Gottes  fortgehen,  vndt  solche  verordenung  hinterlaefsen,  wen 
die  Regimenter  wieder  gestercket,  dafs  sie  mir  nachfolgen  sollen, 
Beigeschlofsen  vberschicke  E.  Cuhrf.  Durchl.  Ich  die  Verordnung 
Wie  es  in  den  Quartieren  soll  gehalten  werden.  Gefeilet  Es  der- 
selben kan  Es  gedrucket  vnd  in  ilu-en  Nahmen  Publiciret  Averden  etc. 

Goerlitz  den  16  Octobris  H.  G.  v.  Ainimb 

Ao  1631. 

No.  22.     Ornf  Heinrich  Mathias  Timm  an  den  Kurfürsten  von 
Sachse»,  Dresden  17.  Oktober  1631.     {Original.) 

Dui'chlauchtiger  hochgeborener  Churfürst 
Gnedigster  herr  Euer  D.  solte  Ich  ganz  ])illich  unangcmandt 
lassen  wegen  der  uberheult'ten  gescheht.  So  besorg  Ich  mich  aber 
das  mein  Allergn.  Khönnig  möcht  Ihn  ungleiche  gedankhen  gerathen, 
Biett  derwegen  Euer  D.  woUens  mit  gnaden  vermercken,  das  Ich 
gehorsamist  ankhlopff,  untertenigst  eine  Audienz  sueche,  dieweil  Ich 
khein  Losoment  hal)  bies  Dato  erlangen  kbünnen.  Sondern  Ihn 
Offnen  Wierttshaufs  zehren  mues  So  bien  Ich  nottgedruugen  mit  ain 
Consentirung  E.  Ch.  D.  Ortt  und  Losirung  bequemer  zue  suechen 
verbleibe  getreuer  gehorsamer  unther. 

Dat.  Drefsen  den  17  Octob.  1631  Diener 

Heinrich  Mathes  Graf  von  Thurn 

No.  23.     Kurfürst  Johann  Georg  von  Sachsen  an  Arnim,  Dresden 
20.  Oktober  1631.     (Concept.) 

Johann  Georg  etc. 
Vester  lieber  getreuer.   Wir  haben  euer  den  16  und  17  huius 
datirte  schreiben  von  dem  Rittmeister  Schönfelfser   empfangen  und 


Die  Eroberung  Nordböhmeus  1631.  261 

deren  innhalt  vemoramen,  erfahren  gerne,  daft  Ir  den  Feind  bifs 
nach  der  Sitta  verfolget,  auch  solche  Stadt  und  das  Schloss  Gräfen- 
stein  besezt,  haben  darbey  verstanden,  was  Ir  nunmehr  für  anstel- 
lung  machen  und  mit  dem  Aufsschufs  vom  Fufsvolck  und  der  Cavalery 
fürnehmen  wollet,  welches  wir  uns  dann  gnedigst  gefallen  lassen, 
Soll  auch  an  fortschickung  unsere  Leib  Regimenter  kein  mangel 
sein,  wann  wir  nur  vernehmen,  wohin  wir  mit  ihnen  kommen  sollen, 

Mit  der  verfafsten  Ordnung  wie  es  inn  den  Quartiren  soll  ge- 
halten werden,  seind  wir  gleichergestalt  gnedigst  zufrieden  und 
haben  beuel  gethan,  dafs  solche  zum  Druck  befördert  werden  soll, 
doran  mann  dann  izo  arbeitet,  So  balden  dieselbe  ferttig,  wollen  wir 
euch  die  exemplaria  zur  publication  übersenden,  Wie  wir  auch  gerne 
vernommen,  dafs  Ir  euch  nachm  Stolpen  begeben  und  doselbst  mit 
uns  euch  underreden  wollen.  Also  ist  es  gleich,  als  euer  Hofmeister 
Lauerwaldt  mit  euerem  lezern  schreiben  ankommen,  darauff  gestan- 
den, dafs  wir  aufbrechen  und  uns  auch  dahin  verfügen  wollen,  halten 
euch  aber  der  verenderuug  halben,  aus  denen  von  Euch  angeführten 
Ursachen,  gnedigst  und  wol  entschuldigt,  und  wollen  nunmehr  er- 
wartten,  wann  Ir  anderweiten  tag  und  ortt  zu  unserer  zusammen- 
kunfft  bestimmen  werdet  etc. 

verbleiben  Euch  mit  Churf.  gnaden  wol  gewogen 

Datum  Drefsden  am  20  Octobris  Ao  1631. 

No.  24.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Görlitz  30130.  Oktober  1631.     (Original.) 

E.  Ch.  D.  gnedigsten  befeligk  zu  Folge  habe  ich  die  heren 
Obersten  des  Obleut.  Pforten  wie  Haubt.  Vopelii  Sachen  lafsen  erwegen, 
haben  auch  ihre  gedancken  aufgesezet,  wil  solches  dui'ch  einen 
eigenen  ti'ompeter  E.  Ch.  D.  überschicken,  wegen  der  gefangenen 
lafsen  sie  sich  bedunckhen  dafs  es  nicht  ausfszuschlagen ,  wenn  bei 
itziger  gelegenheit  mit  dem  heren  General  Tilli  konte  solcher  accord 
gemachet  werden,  dafs  die  gefangenen  auff  beiden  parten  kegen 
einen  Monat  Sollt  ranzioniret,  doch  müsste  solches  mit  ratification 
I.  Kay.  May.  geschehen  dafs  es  ins  künftige  so  lange  der  Krieg 
wehret  also  sollte  gehaltten  werden,  damit  dafs  avocatorium  ein 
wenig  cassiret. 

Der  Peindt  lieget  noch  bei  Lembergk  stille,  habe  mitt  den 
heren  Obersten  communiciret,  wafs  E.  C.  D.  durch  den  von  Vitz- 
tuhm  mihr  befehlen  lafsen,  Sie  seindt  auch  in  den  gedancken, 
Breche  damit  auff  und  marchire  der  ortten,  doch  kau  Ich  alles 
Fuefsvulck  nicht  mittnehmen,  den  es  ist  gahr  zu  matt,  habe  aber 
solche  Verordnung  gemacht,  dafs  innen  zehn  tagen  sie  Complet  wie- 
der sein  und  aufs  den  quartiren  dafs  Werbegeltt  nehmen  sollen  alfs 
dan  können  sie  folgen,  hoffe  kegen  Montagk  zu  Stolpe  bey  E.  C.  D. 
mich  untertenigst  zu  gesteilen,  den  soll  der  Kriegk  continuiren  so 
mufs  er  änderst  angestellet  werden. 

Gleich  itzo  bekomme  Ich  zwey  gefangene,  des  Feldtmarschalcks 
Tieffenbachs  Edelknaben,  seindt  zimblich  bei  Jahren,  können  in  allen 
gutten  bericht  von  sich  geben,  sagen  aufs  dafs  die  Armee  derer 
örtter  so  ligen  wirdt,  bifs  von  I.  May.  Ordonnanz  kombt  wohin  sie 
sich  wenden  sollen,  hieltte  aber  davohr,  dafs  ihre  Winterquartii-  in 
Schlesien   umb  Liegnitz   und   schweinitz   haben   würden,   Es  wehre 


262  •^-  Gaedeke: 

gutt  der  Gen.  Baiüer  ginge  anff  Schlesien,  damit  wihr  nnfser  vohr- 

haben   so   viel    befser   effcctuireu  undt  einen  gcwifsen  Fnofs  erstlich 

sezen   konteu,    die  Ungern  und  Pulen  sollen  abgedanket  werden  etc. 

Goerlitz  den  20/30  üctob.  Ao  1631.         H.  G.  v.  Arnimb. 

No.  25.    Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Löbau  22.  Oct./l.  Nov.  1631.     (Original.) 

Anf  E.  C.  D.  befclig  habe  ich  mich  auf  die  marche  begehen, 
dieweil  nnhn  keine  Zeitt'  mehr  zu  verseumen,  Wie  ich  denn  yer- 
hoffe  morgenden  tages,  gelibts  Gott,  an  dem  ortt,  davon  der  von  Vitz- 
tuhm  wird  Meldung  getiihn  haben,  anzulangen,  derwegen  hochnotig, 
dafs  ohne  Verlin;ng  einiger  Zeitt  E.  C.  1).  beide  Regimenter  zu 
Stolpe  alsbaldt  anlangen  undt  von  daraufs  weiter  zu  mihr  stofsen 
mochten,  vohr  meine  Persohn  verhoffe  ich  künftigen  Montagk  gelibts 
Gott,  wen  dessen  almacht  und  E.  C.  D.  Dienst  mich  daran  nicht 
hindert,  kegeu  abendt  anzulangen,  befehle  etc. 

Leba,  den  22  8bris  / 1  9bris  Ao  1631.  H.  G.  v.  Arnimb. 

No.  26.     Eans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  SacJisen, 
Krcihitz  (24).  October  1631.     (Original.) 

Wiewol  Ich  vermeinet,  etwas  zeitiger  an  dem  ortte,  dahin  Ich 
mein  intent  gerichtet,  zu  kommen,  so  ist  doch  der  Wegk  so  über- 
aufs  büfse,  dafs  Ich  kaum  Kreibitz  erreichen  können.  Breche  gleich 
dieser  Stunde  auff  in  giietter  Hoffnung  desto  zeitiger  zuhr  stelle  zu 
gelangen.  So  baltt  E.  C.  D.  Dienst  Ich  verriebt,  will  Ich  mich  alfs- 
baltt  auch  in  der  Nacht  fortmachen,  Bitte  In  defsen  untertemgsten, 
weil  mich  daran  nichts  den  E.  C.  D.  Dienst  hindert,  Sie  den  Ver- 
zugk  nicht  ungnedigk  vermerken  wollen,  befeie  dieselbe  etc. 

Creibitz  morgen  umb  H.  G.  v.  Arnimb 

4  Uhren  Ao  1631. 

No.  27.     Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Tetschen  25.  October  1631.     (Original.) 

Alhier  zu  tetzschen  habe  Ich  130  Mufsquetirer  vom  kayserlichen 
Volck  in  Besatzung  angetroffen,  habe  alfsballt  hineingeschickt  die 
Statt  undt  dafs  schlofs  auffordern  lafsen,  der  Hauptmann  aber  hatt 
mihr  andtwortten  lafsen,  dafs  es  ihm  darumb  nicht  anvertrauet,  dafs 
ers  so  schlechter  weifse  auffgeben  sollte,  dai-auff  habe  Ich  kegen 
Abend  die  Statt  mitt  der  Keuterwache  so  starck  besezen  lafsen.  dafs 
niemandt  ein  oder  aufsgekont,  undt  mitt  200  Mufsquetirer  den  Kirch- 
hoff welcher  hartt  am  tohre  gelegen,  einnehmen  lalsen  und  kegen 
der  Nacht  noch  600  hingeschickt,  wie  die  in  der  Statt  den  Ernst 
gesehen  haben  sich  die  Soldaten  auft"  dafs  Hauls  retiriret  worüber 
die  Bürger  in  schrecken  gerathen  dafs  sie  die  Statt  übergeben,  Bin 
alfsbaltt  weiter  gangen,  undt  am  schlofse  ein  Stacket  eingenommen 
und  mich  hartt  bey  der  Brücken  geleget,  daselbst  Ich  einen  lauf- 
graben  machen  lafsen,  zwahr  haben  sie  zimblich  heraufs  geben  und 
solches  hindern  wollen,  aber  nicht  gckont,  kegen  dem  tage  habe  Ich 
beim  schlofse,  ihnen  alle  fehren  und  schiffe  wegk  nehmen  lafsen  undt 
darauff  abermahl  durch  einen  Trommelschleger  ihnen  angedeutet  weil 
sie  sehen,  dafs  sie  nuhnmehr  gesperret  und  ihnen  also  die  Hoffnung 


Die  Eroberung  Nordböliraens  1631.  263 

zuhm  sucurs  benommen  derwegen  begehrett  dafs  hanfs  innerhalb 
zwey  Stunden  auffzugeben,  oder  wen  es  mitt  gewalt  erobert  sollte 
keines  beschonet  besonderu  alles  niedergehauen  werden,  darauff  hatt 
er  geisein  heraufs  geschickt  imdt  solcher  gestalt  aecordiret,  dafs  er 
mihr  dafs  haufs  mit  allem  wafs  an  munition  oder  sonsten  darin  vor- 
handen gewefseu,  übergeben  undt  mit  seinen  Soldaten  abgezogen  ist 
ein  sehr  vestes  haufs,  habe  es  mit  200  Man  besetzt,  Nuhn  erfordert 
die  Notturfft  dafs  E.  C.  D.  iemandt  schicken,  der  der  Zolle  halben, 
weil  alhier  einer  verlegt  anordnung  mache,  und  diefselbe  einnehme 
die  wie  Ich  verstehe  Soll  er  noch  wol  Edtwas  tragen,  demnach  Ich 
mihr  teglich  sehne  und  andere  böse  wetter  besorgen  mufs.  Befinde  Ich 
notigk,  dafs  dafs  Volck  in  sicherheitt  gebracht,  wefswegen  Ich  den 
unumbgenglichen  fortt  nach  leutmeritz  mufs,  ob  dem  lieben  Gotte 
gefallen  mochte,  dafs  Ich  derselben  Statt  mich  bemechtigen  konte, 
wen  dieselbe  und  Raudtenitz  besezet,  hatten  I.  D.  sich  dadiu'ch  der 
Elbe  versichert,  welcher  man  sich  ins  künftige  mitt  grofsen  frommen 
zu  gebrauchen,  alfsdan  wil  bey  tagk  undt  Nacht  Ich  mich  zu  E.  C.  D. 
begeben,  den  mihr  auch  solche  Sachen  vohrkommen,  welche  E.  C.  D. 
notwendigk  eröffnet  werden  müfsen,  damitt  sie  ihre  Consilia  darnach 
zu  dirigiren,  E.  D.  spühreu,  dafs  mich  nichts  alfs  deroselben  Dienst 
hindert,  dafs  Ich  mich  so  schleunig  nicht  gesteilen  kan,  Bitte  dero- 
wegen  untertenigst  E.  C.  D.  solches  nicht  ungnedigk  vermerken 
Avollen,  Befeie  etc.  H.  Gr.  v.  Arnimb 

Tetzschen,  den  25  8bris  Ao  1631. 

No.  28.    Kurfürst  Johann  Georg  v.  Sachsen  an  Arnim,  Stolpen 
27.  Oct.  1631.     (Goncept.) 

Vester  lieber  getreuer,  Unserm  beschehenen  zuschreiben  nach, 
seind  wir  am  verschinen  Montag  Abends  mit  unsern  Geheimen  Rähten 
und  Dienern  anhero  gelanget,  do  wir  dann  euer  schreiben  mit  welchem 
der  von  Schönfells  abgeferttigt,  zu  unserer  ankunfft  vorgestern 
Dinstags  zu  mittage  aber  das  andere,  so  Ir  dem  von  der  Sahla  mit- 
gegeben, empfangen  und  aus  beiden  vernommen  was  euch  verhin- 
dert, dafs  Ir  zu  gedachter  Zeit  nicht  alhier  sein  können,  wie  wir 
nun  befunden,  dafs  unsere  Dienste  euch  davon  abgehalten,  auch  gerne 
erfahren,  dafs  Ir  das  fürhabende  werck  fortgesazt,  also  ist  uns  der 
Verzugk  nicht  zuwieder  und  patientiren  uns  difsfalls  mit  allem  willen, 
dieweil  wir  aber  nunmehr  sieder  deme  so  gedachter  von  der  Sahla 
gebracht,  kein  schreiben  oder  mündlich  zu  entbieten  von  euch  ferner 
bekommen,  Seind  wir  bewogen  worden,  zeigern  difses  wider  abzu- 
ferttigen  und  uns  dadiu'ch  des  zustands  zu  erkundigen,  Gnedigl.  be- 
gerend,  wofern  im  wechfsel  nicht  etwas  an  uns  abgangen,  uns  balden 
zu  berichten,  wo  Ir  euch  befindet  und  wie  es  allenthalben  bewandt, 
ob  wil'  euer  alhier  noch  erwartten  sollen,  oder  ein  ander  ortt  zu 
unserer  Zusammenkunfft  euch  besser  gelegen  sein  möchte. 

Datum  Stolpen  am  27  Octobris  Ao  1631. 
Vormittags  umb  6  Uhi'. 

No.  29.   Kurfürst  Johann  Georg  v.  Sachsen  an  Georg  von  Werther, 
Stolpen  27.  October  1631.     (Goncept.) 

Vester  Rath  und  lieber  getreuer, 
Wir  fügen  euch  gn.  zu  wifsen,  dafs  zu  unserer  anherkunfft  wir 
ein  schreiben  von  unserm  Feldmarschall  Hanns  Georgen  von  Arnim, 


264  A.  Gaedeke: 

und  Dinstags  zu  mittage  wiederuinb  eins  von  demselben  empfangen 
\and  er  in  beiden  die  Ursache  andeutet,  worumb  er  weder  Montags 
nocli  Dinstags  anhero  gelangen  können,  darneben  umb  entschuldignng 
underthgst  bittet,  inn  dem  lengern  aber  vermeldet,  dafs  so  baldt  un- 
ser dienst  verrichtet,  er  sich  in  der  Nacht  fortmachen  wolle,  Sieder- 
dofsen  aber  hat  uns  er  weder  geschrieben  noch  etwas  zu  entbieten 
lafsen,  dafs  wir  also  nicht  wissen,  wo  er  oder  das  Volck  ist,  welches 
uns  wunderlich  vorkombt,  haben  aber  izo  zwene  seiner  Abgeferttig- 
ten,  welche  seiner  alliier  erwaittct,  wieder  fortgeschickt,  sich  zu  er- 
kundigen wie  es  umb  Ihn  und  das  Volck  beschaffen,  welchs  wir  euch 
zu  dem  ende  gnedigst  vermelden  wollen,  damit  Ir  die  Ursachen  un- 
sers  aufsenbleibens  wifsen  müget,  und  begeren  gnedigst,  Ir  wollet 
unsern  Rentmeister  erfordern  und  von  ime  vernehmen,  ob  sich  die 
Schöfser  vollends  eingestellet,  iind  ob,  auch  wie  viel  sie  von  Steuer 
oder  andern  geldern  mitgebracht,  und  uns  defsen  untertenigst  be- 
richten, und  sind  euch  etc. 

Datum  Stolpen  am  27  Octobris  1631. 

Ko.  30.  Hans  Georg  von  Arnim  an  den  Ktirfürsten  von  Sachsen, 
Leitmeritz  28.  Oct.  1631.     (Original.) 

Mitt  E.  C.  D.  Armee  bin  ich  gestriges  tags  alhier  angelangett, 
auch  willens  da  es  dem  lieben  (Tott  also  gefeliig  fürder  an  dem  Ortte 
davon  llittmeister  Goltacker  wird  bericlit  getahn  haben,  zu  gehen, 
der  Allmechtige  wolle  E.  C.  D.   lerner  glück  und  gnaden  verleihen, 

Nuhn  erfordert  es  die  unura])gengliche  Nottduiff't  dafs  man  sich 
versterke,  S.  Fürstl.  gn.  Fürst  Ernst  von  Anhalt,  welcher  bey  der 
kaj'serl.  armee  ein  Regiment  geliabt,  ist  eine  Zeitt  lang  bey  mihr 
gewesen,  erbeut  sich  ein  Regiment  Pferde  zu  werben,  wann  E.  C.  D. 
es  gnedigst  belibete,  und  begehrete,  wil  ich  das  Werbegellt  alfs 
10000  Thaler  vohrschiefsen,  Wen  ich  nuhr  Versicherung  dafs  Ichs 
kegen  Neuen  Jahrsmark  in  leipzig  wieder  bekommen  soll,  auff  wafs 
Condition  I.  f.  gn.  werben  wollen,  ist  hierbey  verwehnett. 

Weil  es  aber  daran  nicht  genugk,  bitte  Ich  untertenigst  E.  C. 
D.  auff  2  Regimenter  zu  Fuefs  und  eins  zu  Pferde  noch  darüber 
patenta  mihr  zu  schicken  und  vollmaclit  erteilen  wollen  dieselbe  zu 
vergeben,  weil  gewifs  E.  C.  D.  solche  leute  bestellen,  damit  dero- 
selben  dienst  wol  versehen,  wen  E.  C.  D.  beide  Regimenter  Ich  bey 
mihr  gehabt,  sollte  durch  Gottes  gnade  wul  etwas  mehr  verrichtet 
sein,  bitte  untertenigst  E.  C.  D.  wollen  mihr  doch  dieselbe  unver- 
lengcrt  zu  schicken,  damit  dieser  orten  niclits  übersehen. 

Es  wehre  sehr  guett  dafs  Bauzen  Görlitz  und  Sitta  mit  landt 
Volck  besezet,  damit  Ich  das  geworbene  Volck  wieder  zu  mihr  er- 
fördern kann,  die  lausenitz  konten  E.  C.  D.  zu  Musterplatzen  ge- 
brauchen und  Bautzen  u.  Görlitz  wen  es  derselben  also  gnedigst  ge- 
fclligk  1.  f.  gn.  Fürsten  von  Anhalt  assigniren. 

Alhier  haben  wihr  bei  die  vier  hundert  gefangene  bekommen, 
Her  Oberster  Löfser  wie  auch  H.  Ol).  Hoffkirchen  und  Steina  haben 
sich  sehr  fleifsig  in  I  D.  Dienst,  weil  Ich  dieselben  aufsgeschickt 
alhier  vor  leutmeritz  und  Kaudenitz,  erzeiget,  wenn  notig  dafs  E. 
C.  D.  durch  einen  gnedigen  schreiben  sich  defswegen  kegen  ihnen 
bedanketen,  damit  sie  und  andere  ins  kunfftige  ferner  sich  also  zu 
verhalten  dadurch  angeregett.  Ich  Idtte  untertenigst  E.  C.  D.  halten 
mich  mit  den  beiden  Regimentern  nicht  auff,  da  Ich  füchte  Es 
mechte  in  I.  D.  dienst  edtwas  verabsäumet  werden.     Befehle  etc. 

Leutmeritz  den  28  8bris  Ao  1631.  H.  G.  v.  Arnimb. 


Die  Eroberung  Xorflbölimens  1631,  265 

No.  31.     Kurfürst  Johann  Georg  von  Sachsen  an  Hans  Georg  von 
Arnim,  Sfoljien  29.  Od.  1631.     (Concepf.) 

Vester  lieber  getreuer,  Wir  haben  Euer  Scbreil)en  am  dato 
Tetzschen  den  25  dieses  zurücklautf enden  Monats  Octobris  empfangen 
und  daraus  welchergestalt  Ir  die  Stadt  Tetzschen  mit  Accord  ein- 
genommen, wie  stark  Ir  solche  besezt,  des  Zolls  halben  erinnert  und 
wie  Ir  entschlolsen,  mit  der  Armee  fort  uff  Leutmariz  zu  marchiren 
zu  versuchen,  ob  Ir  vermittelst  Göttliches  Beistandes  auch  dieser 
Stadt  Euch  bemäclitigen  und  wann  solche  wie  auch  ßauteniz  besezt, 
wir  dadurch  der  Elbe  versichert  sein  möchten  und  dafs  Ihr  alsdann 
bey  tag  und  nacht  zu  uns  zur  Unterredung  aus  nothwendigen  Sachen 
Euch  unterthenigst  begeben  wollet  mit  mehrerenn  gnedigst  ver- 
standen. 

Nun  haben  wii-  diese  Zeitung  ganz  gerne  vernommen,  verspü- 
ren daraus  eure  Treue  gegen  uns,  gute  Vorsichtigkeit  und  Sorgfaltt 
in  dieser  schweren  Sach  und  rühmliche  Tapfferkeit,  vermerken  auch 
solches  mit  besondern  Chmfürstlichen  gnaden, 

Und  in  dem  wir  nun  Eurer  Ankunfft  mit  Verlangen  erwarttet, 
Kömpt  gleich  zu  uns  heute  frühe  gegen  vier  Schlägen  der  von  euch 
abgeordnete  Rittmeister  Uoldtacker  mit  diesem  Bericht,  dafs  Ir  Leut- 
mariz und  Rautenitz  auch  einbekommen,  dieselben  ortter  besezt  und 
nunmehr  mit  der  Armee  uff  Brandifs  zu  gehen  inn  Vorhabens,  Aller- 
mafsen  wir  nun,  dafs  Ir  durch  Gottes  gnad  euch  auch  dieser  Pläze 
bemächtiget  und  uns  dadurch  des  Eibstroms  im  Königreich  Böheimb 
versichert,  gleichfalls  gern  verstanden,  Alfs  ist  uns  daran  zu  gne- 
digstenn  gefallen  geschehen  und  seint  nicht  gemeint  Euch  in  con- 
tinuir  und  fortsezung  eurer  genommenen  Resolution  Irr  zu  machen 
oder  zu  verhindern.  Allein  belinden  wir-  nochmals  vor  eine  hohe  Not- 
turfft  uns  mit  euch  inn  der  Person  aus  unterschiedlichen  Punkten 
förderlichst  zu  besprechen,  haben  derhalben  innmittelst  etliche  memo- 
rialsweise zu  Papier  bringen  lafsen  und  unsern  bestalten  Rittmeister 
Friedrich  Wilhelm  Vizthumben  zugestellet,  Gnedigst  begerend,  den- 
selben nachzudenken  und  uns  Euer  Guttachten  darüber  untertenigst 
zu  eröffnen.  Sonsten  sind  wir  entschlofsen  mit  unsern  zwey  Regi- 
mentern ehist  auffzubrechen  und  unsere  Reise  anzustellen,  dafs  wir 
uff  nechstkommenden  Montag  oder  längst  Dienstag  sofern  es  immer 
möglich  sein  wirdt  zu  Töpliz  oder  Aufsigk,  geliebts  Gott,  anlangen 
mögen,  wie  wir  dannen  unsern  wegk  von  Drefsden  auff  Peterswalde 
zu  nehmen  und  von  dannen  weiter  uns  naher  Töpliz  oder  Aufsigk 
zu  erheben,  fürgenommen,  uffen  fall  Ir  a1)er  für  rathsamer  erachten 
thetet,  dafs  wir  auff  dieser  selten  der  Elbe  blieben,  und  an  derselben 
hinauf  nach  Tetschen  marchiren  sollen,  wollen  wir  unsern  weg  uf 
Pilniz,  Lohmen  und  Schanda  anstellen,  Soltet  Ir  aber  dafür  halten, 
unsern  Weg  uf  Pirn,  Königstein  und  von  dannen  uf  Aufsigk  nehmen, 
wollen  wir  uns  solches  auch  nicht  lafsen  mifsfallen,  Seind  demnach 
hierüber  und  sonst  eures  ferneren  zuschreibens,  wann  und  wie  baldt 
Ir  zu  uns  werdet  kommen  können  gnedigst  gewertig,  Entzwischen 
wollen  wir  die  übrigen  Erinnerungs  Punkte  inn  Acht  nehmen  und 
darauff  gepürende  schleunige  Verordnung  thun. 

Wolten  wir  Ev^ch  zu  gnedigster  resolution  vermelden,  und  seind 
Euch  mit  Churf.  gnaden  wolgewogen. 

Datum  Stolpen  am  29  Octobris  Anno  1631. 


26G  A.  Gaedeke: 

No.  32.    Knrß&stin  Magdalena  Sybilla  von  Sachsen  an  Kurfürst 
Johann  Georg,  Dresden  11.  November  1631.     (Original.) 

Gott  lielffe  weiter  zu  ahleii  theilen  und  gebe,  das  E.  L.  mit 
grosser  saloiiitet  und  freuden  die  mertens  gans  licitte  dato  ihn  präg 
essen  mögen,  und  es  ahlrs  schleinig  nach  E  L.  liertzen  wunscli  er- 
gehen mack,  und  E.  L.  das  künnigreich  für  sich  zur  heitte  hirlbn 
bringen,  bihn  wohl  foni  liertzen  froh,  das  präg  über  ist,  werden  E.  L. 
durch  gottes  hilf  Ihres  zugefigten  Schadens  und  landes  verterbung 
wieder  Erstattung  bekohmen,  dazu  gott  genadt  geben  wohlte,'  bitte 
E.  L.  lesen  hirbeygelegttes  poscriptuni  unbeschwert,  denn  ich  es  hir- 
bey  aus  gutter  meinung  erinnert  habe,  den  sich  E.  L.  hirihn  wohl 
haben  forzusehen,  bitte  nach  Verlesung  dasselbe  solches  dem  feiher 
zu  befehlen,  bey  sich  solches  behalten,  und  es  ihn  acht  zu  haben, 
mich  nicht  zu  melden,  die  obgemeltten  nahmen  derjenigen  auszu- 
zeichnen, und  es  zu  rechter  zeidt  werden  wissen  es  ihn  acht  zu 
haben,  den  es  sich  wohl  forzusehen  die  prattiken  und  anschlege,  die 
hirihnen  kegen  E.  L.  hinterucks  geubet  werden,  denselben  zu  be- 
gegnen, undt  sich  nuhr  freindtlich  und  genedig  kegen  die  grofsen 
bansen  erweisen,  dennen  doch  mit  grofsen  Ehren  fihl  gedint  ist,  man 
raus  unter  zeitten  dem  henger  ein  licht  aufstecken,  wenne  man  sie 
gewinen  wihl,  werden  E.  L.  hirdurch  tibi  auf  Ihre  seiften  bringen; 
verlanget  mich  wohl  von  hertzen  schreiben  fon  E.  L.  zu  bekohmen, 
sindt  E.  L.  bei  dem  feldtmarschalck  gewest,  auf  was  mas  E.  L. 
recht  präg  haben  Einbekohmen  etc. 

Dresten  den  11  Nofember  Anno  1631.        Magdalena  Sybilla 

Churfirstin. 

P.  S. 

berichte  hirbey  zur  nachrichtung,  das  mahn  sich  wegen  der  republica 
ihn  einem  und  dem  anderen  gar  wohl  furzusehen  hadt,  den  fom 
fiehlen  ahlerley  diskurs  gefahlen,  das  mau  ihn  fiehlen  nachrichtung 
habe,  ahls  ob  sohlt  hir  ihn  drefsen  ahn  Einem  gutten  doch  unge- 
nannten ordt  fihl  abendt  untterschiedtlich  von  untten  benantten  per- 
schonen sein  zusamenkunften  gehaltten,  haben  heimlich  rat  gehaltten, 
und  geschrielien  und  untterschrieben  und  gesigelt,  nemlichen  —  das 
der  von  duhreu  [Thurn]  ihn  liehemen  Ihr  M.  des  könniges  guberna- 
tor  sohltte  sein,  und  E.  L.  sohltten  das  landt  ahlso  ahne  schwert- 
schlack Einnehmen,  und  der  von  fuhren  [Thurn]  sohltte  ahlen  den- 
jehnigen  Ihre  gütter  wieder  Einreimen,  sie  Ihr  prieffilegum  kriegen, 
wie  sies  für  fiehlen  zeidten  gehabet,  E.  L.  wirden  sie  so  Eine  nase 
drehen,  und  durch  das  mittel,  wen  der  von  ruppe  [Rupa]  sein  alte 
dienst  und  ampt  .vertreten  möchte,  firchte  ich  sich  darof  ausgehen, 
damit  sich  endtweder  gar  frey  gemacht  und  den  könnig  wie  für  Ein 
Schutzherrn  hieltten,  oder  aber  die  weihl  das  meiste  kahlfenisten  ihm 
spihl  sindt,  den  friederiko,  wie  man  es  aus  Ihren  diskurs  niemet, 
wieder  für  ihren  könnig  setzen  möchten,  und  ahlso  hintter  E.  L.  und 
den  Ihrigen  teihl  felschlicbcn  hintterginyen,  derwegen  gutte  warnung 
hiriliu  gutter  obacht  zu  haben  und  bir  ahn  zu  spiehren,  wie  gemeldt, 
da  man  meinem  herren  wirde  die  krolin  anbitten,  sich  ihn  kein  weg 
zu  wegern,  sondern  dasselbe  ahnzunehmen,  wo  das  nicht  geschieht, 
ist  falschheidt  zum  teihl  hinter  behmen,  und  wen  mein  herr  nach 
S.  L.  abreisen  doch  sich  ratten  lis  und  ein  oder  5J  redlichen  hoch- 
verständige leitte,  den  Ehr  trauhen  dirfte,  stetig  ahldar  zu  präg 
hiltte,  darmit  nicht  mehr  fahlscheit  mul  hinderung  möchte  fortlauffen 


Die  Eroberang  Nordböhmens  1631.  267 

und  der  anderen  pratieken  E.  L.  nicht  schaden  können,  bitte  es  bei 
sich  gut  gemeint  zu  behaltten  und  nicht  zu  melden  meine  treue  er- 
inerung,  d.ie  hir  ahn  tag  geben  wirdt. 

Die  bewusten  perschonen,  die  die  nacht  bis  10  und  11  Uhr  sindt 
zusammen  gewest,  untterschrieben  und  gesiegelt,  sindt  diese  untten 
gemeltte,  ahls  1.  der  graf  von  Dorren  [Thurn],  2.  graf  kinske  [Wil- 
helm Kinsky],  3.  der  herr  von  rupa  ist  der  fornemste  ihm  bredt 
(Wenzel  von  Kupa],  4.  der  schlief  [Oberst  Schlief],  5.  der  kepeler 
[Kaplir  von  Sulevicl,  6.  und  Sahlhaussen.  Magdalena  Sybilla 

C.  z.  S. 

No.  33.    luirfürstin  Magdalena  Sybilla  von  Sachsen   an  den  Kur- 
fürsten, Dresden  18.  November  1631.     (Original.) 

Bitte  E.  L.  die  vergessen  doch  die  gefangenen  hir  ihn  Dresten 
nicht,  den  sie  so  bei  der  nacht  zusamengehen  ihn  hertzog  Augustus 
Haus  lind  andere  örtter  das  mihr  seltsam  forkohmet,  ach  wenn  E.  L. 
dieselben  leit  die  ihu  der  Stadt  hir  sindt  nuhr  los  Hessen,  firchte  sie 
haben  nur  bösses  ihm  sin  und  schreiben  nuhr  kundtschaft  aus,  gott 
behitte  uns  hir  für  unglick  und  uberfahl,  weren  sie  nicht  gut  hir  ihn 
der  Stadt;  gestern  haben  sie  wieder  hir  in  Dresten  ein  gros  auflauf 
gehabet,  den  ein  geschreih  ihn  alt  Dresten  kohmen,  der  Götze  war 
mit  6000  mahn  ihm  der  höden  an  der  langen  brücken,  wohlen  die 
nacht  alt  Dresten  uberfahlen;  haben  die  leitte  betten,  Kinder,  ahles 
herrein  getragen,  ist  zu  alt  Dresten  eine  hochzeit  gewest,  ist  braut 
und  breitgam  neben  den  hochzeitsgesten  ausem  haus  gelauffen,  ahles 
stehen  und  liegen  lassen,  herrein  in  die  Stadt  gelauffen,  sind  ahlso 
ihn  der  Stadt  verschlossen,  wie  man  die  thor  geschlossen,  ist  ein 
leben  unter  den  leitten  gewest,  das  nicht  zu  sagen,  habe  wohl  dar- 
über must  lachen  etc. 

Geben  Dresten  den  18  nofember  Anno  1631. 

Magdalena  Sybilla 
C.  z.  S. 

No.  34.    Kurfürstin  Magdalena  Sybilla  von  Sachsen  an  den  Kur- 
fürsten, Dresden  21.  November  1631.     (Original.) 

Das  E.  L.  aber  zu  präg  so  schlechte  traktazion  gefunden,  das 
mahn  und  ros  derwegen  profüaut  und  futerung  hunger  leidt,  ist  wohl 
gott  zu  erbarmen,  das  sies  so  übel  mit  E.  L.  machen  u.  ahles  da 
weck  genohmen  haben,  haltte  wohl  die  schult  E.  L.  eigen  krieges- 
volckes  ist,  den,  wie  ich  sehe,  E.  L.  obersten  und  befehlichhaber 
weitte  ermel  haben  und  übele  einforyhrer  für  E.  L.  sein,  E.  L.  missen 
sorg  und  mibe  haben,  den  Unkosten  ausstehen,  sie  E.  L.  ahles  für 
der  nas  weg  nehmen,  hechlich  darfon  zu  sagen,  beitte  liren,  ist  recht 
gestohlen  gut,  fragen  fihl  darnach,  ob  E.  L.  zu  essen  oder  zu  trinken 
finden,  bei  dem  auskehrich  wirt  mans  finden,  ist  nidt  zu  glauben, 
was  aus  behmen  die  obersten  befehlichhaber  herausflogen,  glaube 
nicht,  das  E.  L.  das  erste  theil  erfahren;  E.  L.  lassen  es  doch  nicht 
zuh,  umb  gottes  willen;  sie  richten  E.  L.  nur  fihl  übel  und  wider- 
wihlen,  damit  ahn  wihlen  gehrn  ahle  reich  werden,  fragen  fihl  nach 
ihrem  herrn,  dem  sih  dienen,  ist  nicht  redlich  gehandelt,  verdriest 
mich  wohl  von  hertzen,  belanget  die  kunstkahmer  können  E.  L.  mit 
gutem  gewisen  neben  dem  zeighaus  nehmen,  werden  E.  L.  doch 
ihres   Schadens   darahn   noch   derjenige  nicht  haben,_gott  helff,  das 


9f)R  A.  Gaedeke: 

trcw  hcrr  trow  kneclit  niack  werden,  E.  L.  zum  böhmischen  Könnig 
gewehlt  und  bU'ibou  mögen,  wünsche  ich  von  hertzen,  ich  wihl 
E.  L.  für  meine  persohn  dinstlich  gebetten  haben,  E.  L.  die  lassen 
jah  nicht  die  kunstkahmer  ihn  präg,  nehmen  sie  jah  weck,  wer  weiss 
wes  sich  sonsten  für  schlimme  hudeler  nochfohlendt  plündern  und 
eins  hier  das  andere  doch  wegstehlen,  hoffe  der  spiegel  mit  dem  fns, 
der  hir  aus  E.  L.  kunstkamer  ist,  wirt  nocli  ahldar  bey  banden  sein, 
den  nemen  E.  L.  jah  für  ahlen  Dingen  wieder  ihn  ihre  kunst- 
kahmer etc.  Magdalena  Sybilla. 
GebenDresten,  den  21  November  Ao  1631.  C.  z.  S. 

No.  35.     Kurfürstin  Magdalena  Syhilla  von  Sachsen  an  den  Kur- 
fürsten, Dresden  2.  Dezember  1631.     (Original.) 

Bit,  E.  L.   verlassen  uns  doch  nicht,  das  land  ist  für  des  tilly 

macht  zu  blos,  wir  möchten  in  die  gröste  gefalir  gesezet  Averden, 
E.  L.  nehmen  sich  in  aclit,  denn  das  wessen  itzt  auf  behmen  und 
auf  dies  landt  bei  den  kaiserschen  angesehen  ist,  gott  stehe  uns  bey, 
beliit  für  verreterey,  die  E  L.  auf  allen  ecken  nachschleichet,  E.  L. 
bitte  ich  durch  gott,  sie  erlösen  uns  hir  von  den  gefangenen,  den  sie 
die  ergsten  verreter  sein,  gnug  draus  Avort  austheilen,  die  ihn  der 
Stadt  sindt,  möchten  E.  L.  uns  undt  die  festung  verraten  und  wohl 
gar  eiumahl  in  brandt  stecken  etc.  Magdalena  Sybilla 

Dresten  ihn  eihl  den  2  Dezember  Anno  1631  C.  z.  S. 

No.  36.    Des  Herrn  Feldtmarschalls  [Arnim]  Erklerung  den 
3.  Decembris  Ao  1631.    (Copie.) 

Sein  Scopus  sey,  der  Kirche  Gottes  und  dem  evangelischen 
Wesen  zu  dienen,  von  diesem  scopo  wolte  Er  nicht  abweichen,  ob- 
gleich bei  Olmrf.  D.  uns.  gn.  Herrn,  er  seine  Notturfft  untertenigst 
in  scbrifften  anbracht,  und  umb  gnedigste  Erlaubnifs  gebethen,  die 
Ursachen,  worumb  er  umb  Dimission  ansuchete,  wai'en  diese: 

1.  dafs  seine  Schwester  und  etliche  andere  Anverwandte  todes 
verfahren  und  nun  ein  ganz  Jahr  unbegraben  über  der  Erde  stünden. 

2.  dafs  bey  Ch.  D.  zu  Brandenburgk  Er  sehr  angelegene  Sachen 
zu  verrichten,  darzu  denn 

3.  kehmc  di(!  Beschwerung,  so  Ihn  umb  diese  Zeit  des  Jahres 
gemeinlich  zustünde,  da  Ihrer  Ch.  D.  er  dann  ohn  das  keine  Dienste 
thun  köndte,  die  vornehmbste  Ursach  aber 

4.  sei  diese,  dafs  die  Sachen  ie  lenger  ie  sorglicher  gefehr- 
licher  und  sdiwerer  würden,  da  er  dann  keine  oder  wenig  Assistenz 
bette,  ohne  von  Gott,  und  were  die  Weltt  also  beschaffen,  dafs  sie 
mehr  sehe  uff  den  Exitura  als  die  Circumstantias  der  Sachen,  Es 
stünde  vor  Augen,  dafs  der  Feind  sich  sehr  verstärke  und  mächtig 
wüide,  von  Pafsau  vveren  etlich  tausent  Mann  zu  Budeweifs  ankom- 
men, Pappenheiuil)  were  mit  18  Regimentern  im  Anzüge,  Tiefenbach 
habe  auch  ein  10  000  Mann,  Wie  nun  dargegen  unsere  .'Vrmee  be- 
schaffen gebe  der  Augenschein,  Wir  betten  nicht  über  9700  Mann, 
wann  nun  darvon  etwa  5000  zur  Besazuug  der  Prager  Städte  und 
1500  zu  Leiitmei'iz  genommen,  Blieben  3200  übrig  wormit  kegen 
einen  so  mächtigen  Feind  nichts  köndt  ausgerichtet  werden,  Die 
Affection  in  der  Stadt  bey  der  Bürgerschafft  were  schlecht,  und 
düi-ffte  mann  an  lenen  selbst  einen  Feind  haben,  die  Soldatesca 
würde    schwürig,   kriegten  nicht  ihren  Sohlt,   Averen  übel  bekleidet 


Die  Eroberung  Nordböhmens  1631.  269 

müfsen    eines   teils    erfrieren,    darüber   klagten    die  Herrn  Obersten 
denn  sie  kehmen  dergestalt  selbst  umb  ihre  Ehre,  der  Obriste  Kli- 
zing   were    fast  schwürig,    liefse  sich  vernehmen,    dafs  er  wolte  ab- 
danken,   dessen   er    aber   von  der  Infanterie  nicht  entrathen  köndte, 
An  seinen  ortt  hett  er  gerne  gesehen,  dafs  nach  der  Leipzigischen 
Schlacht   mehr   und  mehr  Volck  geworben  were,    denn  es   darsieder 
nie    nötiger    gewesen,    Mann   müfse    sich   stärker   machen,    als   der 
Feind  were,  damit  mann  Ihm  überlegen,   sonst  würde  er  zu  seinem 
scopo    nicht   kommen   können,    dahere  seine  Ehre  periclitiren  thette. 
Hieraus  erschiene  nun,  dafs  der  Status  militiae  inn  sehr  gefähr- 
lichen Terminis  begriffen,  würde  er  nicht  remediret,  wolte  er  entschul- 
diget sein,  wie  Er  dann  bethe,  Ire  C.  D.  geruheten  gn.  Ihm  einen 
Schein  zu  ertheilen,  do  es  anders  ausschlüge,  als  ihm  lieb  were,  1.  dafs 
man  ihme   nicht  imputiren  wolte,    ersuchte  uns  solches  insonderheit 
ad  notam  zu  nehmen,  und  2.  dann  zum  Andern,   dafs  die  inn  seinem 
Schreiben  gesagte  Conditiones  möchten  adimpliret  und  erfüllet  wer- 
den, nemlich  dafs  1.  der  Armee  uffs  eheste  ein  Mouat-Soldt  und  das 
AVerbegeldt  möchte   ausgezahlt,   wie  auch  2.  hiufüro  alle  3  Monaten 
ein  Monat  entrichtet  und  darüber  eine  Versicherung  ausgeantworttet 
werden,    zum    3.  solte  Ihm   nachgelafsen   sein,    so  viel  als  er  dienst 
notturft    zu    sein    befinden    würde,    zu   werben,    desgleichen    4.  die 
Obristen,    so    er   bedürften   würde,    seines  beliebens  künfftig  zu  be- 
stellen,   Er   wolte   uff  gute  Subjecta  wolbedacht  sein,    alles  zu  Irer 
C.  D.   Dienst   und  inn    deio   Nahmen,    ohne    einige    Ambition   und 
suchung   seiner   eigenen   Autoritet.     Ferner   5.  dafs    Ihm    soll   frey 
stehen,  wenn   ers  nötig  erachtete,  die  IVIusterpläze  in  der  Schlesien, 
Ober-   und   Nieder  Lausiz   anzuordnen.     6.  hochnötig  were,  die  Ge- 
neralämpter   wiederumb   und   zum  allerförderlichsten,    zAvei  General 
Wachtmeister    zu   bestellen,     darneben    7.  ihme    einen   wolformirten 
Krigsrath    zuzuordnen,    von    12   oder   8   Personen,   welche    ob    sie 
gleich   nicht    alle    inn  Kriegssachen    erfahren,    niüsteu   sie  doch  mit 
Weifsheit,   gutem  Verstände   luid    anderen  Qualiteten    begäbet  sein, 
diese  müsten  nebst  den  General  Personen  und  sonderlich  der  Kriegs 
Commissarius  stets  bey  der  Armee  sein,  8.  wolte  Er  an  keine  gewifse 
Zeitt  verbunden  sein,  sondern  Ihm  vorbehalten  haben,  seiner  gelegen- 
heit    nach    zu    resignü-en,    9.   über   die   punctem   alle   bete  er  eine 
schriftliche  Erklerimg. 


No.  37.     Kiirfnrstin  Magdalena  Syhüla  von  Sachsen  an  den  Kxu- 
fürsten,  Dresden  4.  Dezember  1631.     (Original.) 

Bitte  E.  L.  durch  gott  und  so  lieb  ich  E.  L.  und  Ihre  Kinder 
sindt,  sie  wohlen  meine  treue  erklerung  und  flehentliches  bitten  nicht 
ihn  wint  schlagen,  sondern  sich  hierihu  halt  resoluzion  fassen  und 
sich  wohl  ihn  acht  haben,  denn  den  katolischen  teuff'eln  nicht  zu 
trauhen  ist,  und  sich  wohl  forsehen,  damit  E.  L.  nichl  etwah,  da 
got  gnedig  und  vetterlich  behitten  wohlte,  ihn  ungluck  kohmen,  und 
das  verzweiffeite  kaisserliche  fohlck  E.  L.  umbringet  und  E-  L. 
etwah  erhaschten,  gott  weis,  ihn  was  angst  hirüber  ich  bin,  bitte 
nochmahls  umb  gottes  willen  E.  L.  die  wenden  sich  wieder  hier  ins 
landt,  nemen  ihr  selber  wahr,  lassen  uns  nicht  so  blos,  wer  weis 
worauf  der  fom  friedtlandt  es  spület  mit  dem  accord  und  stiehlstandt, 
damit  die  thillischen  desto  eher  ihn  behmen  untterdessen  kohmen 
möchten   und  E.  L.    ein   einfahl   nicht   allein   dar,  sondern  auch  hir 


270         A.  Gaedeke:  Die  Eroljenmg  Nordböhmens  1631. 

ins  landt  thun  und  wir  allhir  kein  eintzigen  endtsatz  hetten,  ach 
E.  L.  die  kommen  doch  wieder  nach  Uresten,  sie  können  hir  mehr 
und  besser  vei-richten  und  hillffe  tuhn,  den  zu  präg,  man  wil  liir  für 
gewis  sagen,  der  thilli  sohlte  koberg  belagert  haben,  wer  nicht  gut, 
got  steiher  dem  tihrannen  und  bluthundt,  stirtze  ihn  foblendt  zum 
Schlaftrunk  ihn  die  grübe  die  uns  schuldt  machen,  das  die  gottlosen 
erkennen,  das  uns  gott  beistehet,  E.  L.  vergessen  der  gefangenen 
hir  nicht,  sie  sind  los,  lassen  sich  lose  wortte  verlautten  mit  droli- 
Avortten,  sie  sind  hir  nichts  nutz  etc.  Magdalena  Sybilla 

r)resteninEihlden4Dezember  Ao  1631  C.  z.  S. 

die  Nacht  umb  11  uhr. 

No.  38.    Kurfürstin  Magdalena  Sybilla  von  Sachsen  an  den  Kur- 
fürsten, Dresden   7.  Dezember  1631.     (Original.) 

Man  hat  hir  gestern  gesaget  ahls  sohlte  der  papenheimer  Eger 
eingenohmen  haben,  das  nicht  gut  gewest  wehre,  bin  ich  darkegen 
wieder  glücksehlig  gewest,  gewifsheit  zu  haben,  das  es,  gott  sey  loh 
gesaget,  nicht  des  papenheimers,  sondern  E.  L.  fohlck  sohlte  bekoh- 
men  haben,  man  hatt  hir  von  uürrenberg  geschrieben,  ahls  sohlte 
des  tliilly  fohlck  zum  teihl  fast  bey  30  taussend  den  gilden  steg 
nach  behmen  gehen,  teihls  hir  nach  K.  L.  landt,  gott  behitt  uns  und 
gebe  das  nicht  wahr  sein  mack  etc.  Magdalena  Sybilla 

Dresten  den  7  Dezember  Anno  1631.  C.  z.  S. 


IX. 

Zur  Geschichte 

der  Stadt  Zwickau  während  des  dreissig- 

jährigeii  Krieges  1639 1 1640. 

Von 

M.  Schilling. 

I.  Generalfeldmarschall  Baner  und  die  Stadt  Zwickau. 

Derjenige  Abschnitt  des  dreissigj ährigen  Krieges,  in 
welchem  gewaltige  Männer  mit  gewaltigen  Mitteln  weit- 
ausschauende, kühne  Pläne  durchzuführen  strebten,  war 
vorüber.  Gustav  Adolf  war  im  Getünmiel  der  Schlacht 
gefallen,  Wallenstein  ein  Opfer  unheimlicher  Mächte  ge- 
worden. Die  Akten  über  letzteren  sind  noch  nicht  ge- 
schlossen; doch  scheint  es  —  wenn  seine  eigenen  Worte 
nicht  trügen  —  eine  Zeit  gegeben  zu  haben,  in  der  er 
den  Bund  mit  Sachsen  und  Brandenburg,  den  Zwangs- 
alliierten des  Schwedenkönigs,  suchte,  um  den  Frieden 
zwischen  den  deutschen  Fürsten,  den  Evangelischen  wie 
den  Katholischen  zum  Besten,  herbeizuführen  und  sodann 
mit  vereinten  Kräften  die  Schweden  aus  Deutschland  zu 
vertreiben.  Wie  unnatürlich  auch  ein  Bündnis  zwischen 
Parteien,  welche  aus  konfessionellem  Gegensatz  in  Streit 
gerathen  waren,  sein  mochte,  so  war  es  nach  Wallen- 
stein's  Überzeugung  doch  der  einzige  Ausweg,  dem  zer- 
tretenen Vaterlande  den  Frieden  wiederzugeben,  zumal 
ja  der  Kampf  sich  mehr  und  mehr  des  religiösen  Cha- 
rakters entkleidete.     Der  weitere  Verlauf  scheint  denn 


272  M.  Schilling: 

auch  die  Riclitigkeit  der  Wallensteinschen  Ansicht  zu 
bestätigen.  Ein  und  ein  viertel  Jahr  nach  Wallensteins 
Ermordung  schloss  das  protestantische  Sachsen  mit  dem 
Kaiser  Frieden.  In  dem  Friedensinstrument  heisst  es 
wörtlicli:  „Denn  dieser  Friede  wird  zu  dem  Ende  gemacht, 
damit  die  werthe  deutsche  Nation  zu  voriger  Integrität, 
Tranquillität,  Libertät  und  Sicherung  reducieret  und  die 
Rom.  Kais.  Majestät  und  Dero  hohes  Erzhaus,  auch  alle 
Kurfürsten  und  Stände  des  Reichs,  so  nicht  davon  aus- 
genommen und  sich  dazu  bekennen,  ohne  Unterschied  der 
katholischen  Religion  und  augsburgischen  Konfession  zu 
dem  Ihrigen  restituiert  und  dabei  erhalten  werden."  Einem 
jeden  Fürsten  war  die  Möglichkeit,  diesem  Frieden  bei- 
zutreten, offengehalten.  Brandenburg  und  fast  alle  nord- 
deutschen Fürsten  thaten  dies  bald.  Schweden  suchte 
und  fand  Anschluss  an  Frankreich.  Diese  Parteiengrup- 
pierung war  die  Folge  des  Prager  Friedens  vom  30.  Mai 
1635.  Durch  denselben  verlor  der  Krieg  den  letzten 
Schein  eines  Religionskrieges. 

Das  Oberkonmiando  über  die  schwedische  Heeres- 
macht in  Norddeutschland  führte  damals  und  bis  zu  sei- 
nem Tode  der  Feldmarschall  Johann  Bauer.  Bereits  im 
Oktober  1635  erklärte  der  Kurfürst  von  Sachsen  den 
Krieg  an  Schweden.  Seine  Truppen  kämpften  nicht  glück- 
lich in  Norddeutschland.  Im  Dezember  ging  Bauer,  nach- 
dem er  sich  mit  Torstenssohn  vereinigt  hatte,  zur  Offensive 
über.  Am  1.  Februar  1636  hatte  er  sich  der  Stadt  Halle 
bemächtigt.  Grauenvoll  verwüsteten  die  ehemaligen  Bundes- 
genossen die  nördlichen  Gebiete  des  Kurfürsten thums;  war 
es  doch  Sachsen  gewesen,  das  durch  den  Prager  Frieden 
die  Schweden  in  Deutschland  vollständig  isoliert  hatte. 
Bauer  musste  sich  jedoch  bald  wieder  nach  Norddeutsch- 
land zurückziehen.  Am  4.  Oktober  n.  St.  kam  es  zu 
der  blutigen  Schlacht  bei  Wittstock.  Die  vereinigten 
kaiserlichen  und  kurfürstlichen  Truppen  erlitten  eine  voll- 
ständige Niederlage.  Der  Kurfürst  von  Sachsen  rettete 
sich  mit  400  Pferden  über  Magdeburg  nach  Leipzig^). 
Bald  darauf  erschien  Bauer  wieder  in  Sachsen  und  nahm 
am  15.  Januar  1(537  die  Festung  Torgau  ein;  am  13,  Ja- 
nuar schon  hatte  er  auch  die  Belagerung  der  mit  kur- 
fürstlichen Truppen   w^ohl  besetzten  Stadt  Leipzig   be- 


*)  Thcatr,  Eiir.  III,  709 ;  vcrgl.  auch  Chemnitz,  Königl.  schwe- 
discher in  Deutschland  geführter  Krieg,  III,  39  flg. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  273 

gönnen.     Der  Obrist  Trandorf  gebot  dort  über  3  Regi- 
menter^). 

Zwickau  blieb  damals  von  den  Schweden  verschont, 
um  so  mein-  aber  wurde  es  von  dem  nach  der  Schlacht 
bei  Wittstock  in  die  Stadt  gelegten  kurfürstlichen  Eegi- 
mente  des  Obristen  von  Böse  belästigt.  Der  Zwickauer 
Bürger  Matthäus  Winter  berichtet  in  seinen  Annalen^) 
unter  dem  10.  Oktober  1636,  ein  jeder  Bürger  habe  von 
einem  guten  Schock  3  Pf.  geben  müssen;  das  habe  in 
die  12  Wochen  gewährt.  Es  sei  grosses  Elend  und 
Lamentieren  in  der  Stadt  gewesen.  Wer  die  Abgaben 
nicht  habe  entrichten  können,  zu  dem  seien  die  Tribu- 
lierer  und  Soldaten  ins  Haus  gefallen  und  hätten  ge- 
nommen, was  sie  hätten  bekommen  können.  Die  Bemer- 
kungen Matthäus  Winters  werden  durch  die  chronisti- 
schen Aufzeichnungen  bestätigt,  welche  auf  Befehl  des 
Käthes  im  Jahre  1647  bei  Gelegenheit  einer  Reparatur 
in  den  oberen  Knopf  des  Zeigerthürmchens  auf  dem  Kauf- 
hause (jetzt  Gewandhause)  gelegt  wurden'*).  Von  dem 
Obristen  Karl  von  Böse  heisst  es  daselbst,  dass  er  der 
Stadt  und  Bürgerschaft  (ungeachtet  er  ein  Nachbar  und 
kurfürstlicher  Vasall  wäre)  mit  Auflegung  schwerer  Kon- 
tribution und  dergleichen  grosse  Bedrängnis  bereitet  habe, 
wie  er  schon  1634  gethan.  Bei  seinem  Abzüge  habe  er 
noch  einen  grossen  Schuldenrest  auf  die  Stadt  gewälzt, 
worüber  ihm  eine  Obligation  (wie  dies  Obrist  Taube  1633 
auch  erzwungen)  habe  gegeben  werden  müssen,  die  bis 
jetzt  (also  1647)  noch  nicht  habe  eingelöst  werden  können. 
Der  Abzug  des  Boseschen  Regiments  erfolgte  ganz  plötz- 
lich auf  eine  kurfürstliche  Ordre  vom  7.  Januar  1637 
hin  Sonntag  am  8.  Januar  früh.  Weil  Bauers  Truppen 
die  Ebene  von  Leipzig  beherrschten  und  weit  hinauf  ins 
Gebirge  streiften,  war  Obrist  von  Böse  genöthigt,  seinen 
Weg  nach  Dresden  über  das  Gebirge  zu  nehmen'^).  Der 
Obrist  hatte  alle  Vorkehrungen  getroffen,  welche  eine 
erfolgreiche  Vertheidigung  der  Stadt  gegen  den  erwar- 
teten Angriif  Bauers  erheischte'^).  Als  Besatzung  Hess 
er  jedoch  nur  einen  Hauptmann  mit  etwa  100  Mann  zu- 


2)  Theatr.  Eur.  HI,  740,  43. 

3)  Handschrift  der  Rathsschulbibl.  zu  Zwickau  TTTT,  VI. 

*)  Abschriftlich  im  Rathsaichiv,  Grünes  Buch  A,  fol.  191 — 199. 
^)  Vergl.  M.  W^inters  Annalen  und  die  Zwickauer  Chronik  von 
Tob.  Schmidt  II,  576. 

«)  Vergl.  Grünes  Buch  A,  fol.  184  u.  Tob.  Schmidt. 

Neues  Archiv  f.  8.  G.  u.  A.    IX.  3.  i.  18 


274  M.  Schilling: 

rück.  Schwedische  Abtheüungen  von  10  bis  30  Mann 
brandschatzten  die  kleineren  Städte  der  Umgebung. 

Im  Januar  1637  (also  während  der  Belagerung 
Leipzigs)  gelangte  ein  „Erfurt,  den  24.  Dezember  1636" 
datiertes  Patent  Bauers  an  den  E,ath  zu  Zwickau'). 
Dieses  Patent  erging  an  alle  Stände  des  Kurfiirstenthums. 
Es  wurde  darin  aufgefordert,  Kommissarien  an  den  Eeld- 
marschall  zu  schicken,  Salva- Gardien  aufzunehmen  und 
über  die  Verpflegung  der  schwedischen  Truppen  mit  ihm 
in  Unterhandlung  zu  treten.  Am  Schlüsse  des  Patentes 
hiess  es:  „Dieweil  ich  dann  dieses  vor  das  einige  Mittel 
befunden,  dadurch  euer,  als  viel  unzeliliger  vornehmer, 
redlicher  und  unschuldiger  Leuthe  total  Untergang  und 
Verderben  abgewendet  werden  kan,  als  zweitfei  ich  nicht, 
ilu-  werdet  auft"  diese  euch  angedeutete  Bescheydenheit 
und  gute  Intention  bey  mir  erscheinen,  auff  euern  Gütern 
und  Häusern  unerschrocken  verbleiben,  euer  Bestes  selber 
prüfen  und  alles  anordnen  helft'en,  was  ihr  zu  euerer 
selbst  eygenen  Conservation  dienlich  befinden  werdet,  im 
widiigen  Fall  aber,  da  ihr  in  dem  eurigen  nicht  ver- 
bleiben, mich  auch  mit  abgeordneten  Commissarien  nicht 
beschicken  soltet,  so  will  ich  an  allem  dem  Unheyl  und 
unordentlichen  procedere,  so  vorgehen  möchte,  entschul- 
diget seyn  ..." 

Kaum  hatte  der  Kurfürst  Kenntnis  von  dem  Patent 
erlangt,  als  er,  und  zwar  schon  am  5.  Januar  1637,  an 
alle  Stände  den  Befehl  ergehen  Hess,  dass  alle  Unter- 
sassen, Stifts-  und  Schutzverwandten,  Beamte,  Räthe  in 
Städten  und  alle  Unterthanen  dem  Kaiser  und  Reich, 
sowie  dem  Vaterlande  die  pflichtschuldige  Treue  und 
Devotion  bewahren  sollten.  Das  Patent  gelangte  auch 
an  den  Rath  zu  Zwickau.  Es  wurde  eingeschärft,  alle 
Vorkehrungen  zur  Gegenwehr  zu  treffen,  und  eröffnet, 
dass  der  Kurfürst,  so  weit  ihm  irgend  möglich,  der  Stadt 
Zwickau  Beihülfe  gewähren  wolle '^).  Laut  Rathsprotokoll 
vom  16.  Januar  1637  wurde  das  kurfürstliche  Patent  der 
verordneten  Bürgerschaft  publiziert. 

Offenbar  hing  es  von  Bauers  Erfolg  vor  Leipzig  ab, 
ob  Zwickau  belagert  werden  würde  oder  nicht.     Gelang 


')  Vergl.  Theatr.  Eur.  IH,  744  u.  Chemnitz  III,  74. 

^)  Dieses  Verwaniimgspatent  hefindet  sicli  im  Zwickauer  Kaths- 
archiv,  Grünes  Buch  B,  fol.  67,  68-,  abgedruckt  in  Tob.  Schmidts 
Chronik  II,  578  flg.,  Theatr.  Eur.  III,  751  und  zum  Theil  bei  Chem- 
nitz in,  74/75. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  275 

es  ihm,  Leipzig  einzunehmen,  so  war  es  selbstverständ- 
lich, dass  er  sich  alsbald  der  Strasse  nach  Böhmen  und 
Bayern  versichern  musste,  als  deren  Schlüssel  Zwickau 
nicht  in  der  Gewalt  des  Gegners  gelassen  werden  durfte. 
Als  jedoch  zahlreiche  kaiserliche  Truppen  aus  Böhmen 
zum  Entsatz  herbeizogen,  musste  am  7.  Februar  1637  die 
Belagerung  Leipzigs  aufgehoben  werden.  Die  Schweden 
setzten  sich  zunächst  wieder  in  Torgau  fest,  von  da  aus 
die  Umgegend  furchtbar  verwüstend.  M.  Winters  An- 
nalen  berichten,  dass  sich  Bauer  nach  der  Einnahme  von 
Leipzig  mit  seiner  ganzen  Armee  vor  Zwickau  habe 
legen  wollen.  Da  aber  der  Kaiser  dem  Kurfürsten  viel 
Volk  geschickt  habe,  sei  Baners  Absicht  vereitelt  worden. 
Derselbe  habe  sich  nach  Aufliebung  der  Belagerung 
Leipzigs  nach  Torgau  begeben  und  sei  dort  so  lange  ge- 
blieben, bis  er  wegen  Hungersnoth  die  Stadt  habe  ver- 
lassen müssen.     So  war  es  auch. 

Bauer  behauptete  sich  in  Torgau  bis  Mitte  Juni. 
Allein  Mangel  an  Proviant,  sowie  die  Gefahr,  von  den 
Kaiserlichen  eingeschlossen  zu  werden,  veranlassten  ihn, 
am  18.  Juni  von  Torgau  aufzubrechen.  Mit  meisterhaftem 
Geschick  bewirkte  er  seinen  Rückzug  über  die  Oder 
nach  Pommern^).  Dort  wurde  er  eine  Reihe  von  Mo- 
naten vom  kaiserlichen  General  Gallas  in  Schach  ge- 
halten. Als  jedoch  Ende  1638  Gallas  nach  der  Lausitz, 
Schlesien  und  Böhmen  zurückweichen  musste,  drang 
Bauer  wieder  nach  Sachsen  vor.  Er  nahm  die  Stadt 
Halle  ein.  Leipzig  füixhtete  eine  zweite  Belagerung.  Ein 
Schrecken  ergriff  die  ganze  Gegend.  Aus  Naumburg, 
Zeitz  und  Leipzig  flüchteten  viele  mit  ihrer  besten  Habe 
nach  Zwickau.  Bald  zeigten  sich  streifende  kaiserliche 
Truppen  in  der  Nähe  der  Stadt.  Der  kaiserliche  Ge- 
neral-Feldzeugmeister von  Salis  zog  mit  sieben  schwachen 
Regimentern  heran ;  er  wollte  sich  zum  Schutze  Böhmens 
durchs  Vogtland  nach  Eger  begeben.  Die  Städte  und 
Dörfer  in  Zwickaus  Umgebung  waren  indes  ebenso  übel 
daran,  als  wenn  eine  feindliche  Armee  das  Land  über- 
schwemmt hätte.  Die  Freunde  hausten  in  Crünmitschau 
und  von  da  bis  ZAvickau  in  entsetzlicher  Weise  ^^). 
Zwickau  selbst  blieb  verschont.  Es  scheint  nicht  in  von 
Salis'  Absicht  gelegen  zu  haben,   sich   der  Stadt  zu  be- 


9)  Vergl.  Theatr.  Eur.  HI,  789,  805  flg. 

^0)  Vergl.  Tob.  Schmidt  u.  Grünes  Buch  A,  fol.  192b. 

18* 


276  M.  Schilling 


&  ■ 


mächtigen  und  Baners  Angriff  abzuwarten.  Am  19.  Fe- 
bruar 1639  zog  er  sich  vor  der  anrückenden  schwedischen 
Armee  in  die  Gegend  von  Eeichenbach  zurück.  Am 
folgenden  Tage  schon  wurde  das  kaiserliche  Corps  zwi- 
schen Elsterberg  und  Reichenbach  vollständig  aufgerieben ; 
der  Feldzeugmeister  selbst  fiel  in  die  Hände  des  Feindes"). 
Bauer  wandte  sich  hierauf  gegen  Zwickau;  die  Stadt, 
ein  wichtiger  Stützpunkt,  musste  gewonnen  werden. 

Unmittelbar  nach  der  Einnahme  von  Halle  wurden 
vom  Zwickauer  ßathe  die  erforderlichen  Vertheidigungs- 
massregeln  getroffen.  Die  Stadt  war  ohne  alle  militä- 
rische Besatzung,  demnach  lediglich  auf  die  Bürgerwehr 
angewiesen.  Es  wui'den  mehrere  Thore  geschlossen  und 
die  Bürger  zur  grössten  Wachsamkeit  auf  den  Thoren 
und  Thürmen  der  Stadt  ermahnt.  Am  14.  Februar  hält 
der  Amtsschösser  Salomo  Gerhard  laut  Rathsprotokoll 
beim  Rath  an,  dass  noch  ein  Thor  geschlossen  werden 
möchte;  der  Rath  erachtet  es  jedoch  nicht  für  noth- 
wendig.  Mehr  schon  leuchtet  ihm  die  Nützlichkeit  des 
anderen  Vorschlags  ein,  Zugbrücken  an  den  Thoren  an- 
bringen zu  lassen  und  zur  Bestreitung  der  Unkosten 
dieser  Neuerung  die  in  die  Stadt  geflohenen  fremden 
Leute  von  Adel  und  Unadel  heranzuziehen.  Die  Bürger 
werden  deshalb  aufgefordert,  die  fremden  Leute  anzu- 
zeigen, dem  Rathe  auch  Mittheilung  von  den  in  die  Stadt 
geretteten  fremden  Gütern  zu  machen,  da  es  vorkam,  dass 
Fremde  ihre  Habe  in  die  Stadt  brachten  und  darnach 
dieselbe  wieder  verliessen.  Der  Rath  scheint  sich  von 
der  beabsichtigten  Besteuerung  fremder  Leute  und  Güter 
eine  gute  Einnahme  versprochen  zu  haben,  denn  sie  sollte, 
wie  den  Bürgern  eröffnet  wurde,  nicht  nur  zur  Erbauung 
einer  Zugbrücke,  sondern  auch  zu  „anderen  Nothwendig- 
keiten"  verwendet  werden.  Ferner  wurden  die  Bürger, 
die  zu  viel  Waren  bei  sich  hätten,  aufgefordert,  einen 
Theil  derselben  aufs  Rathhaus  zu  geben,  damit  andere 
nicht  zu  sehr  damit  belästigt  würden.  Die  Thorwachen 
erhoben  von  denen,  die  ihre  Habe  in  den  Schutz  der 
Mauern  bergen  wollten,  eine  Abgabe  ingestalt  einer 
„Verehrung".  Ob  dieselbe,  wie  man  nach  der  Bezeich- 
nung vermuthen  könnte,  in  die  Taschen  der  Thorwächter 
floss  oder  dem  Gemeindewesen  zugute  kam,  ist  aus  den 
protokollarischen  Aufzeichnungen  nicht  ersichtlich.    Die 


")  Yergl.  Tlieatr.  Eur.  IV,  94. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  277 

Wachen  wurden  angewiesen,  die  Benachbarten  nicht  so 
sehr  mit  Anforderung  der  „Verehrung"  zu  beschweren. 
Weiter  wurde  der  verordneten  Bürgerschaft  anbefohlen, 
die  Musketen  und  Haken  bereit  zu  halten,  damit  sie  im 
Bedarfsfalle  gebraucht  werden  könnten;  sich  auch  mit 
Kraut  und  Loth  genügend  zu  versehen  und  Getreide  in 
Vorrath  mahlen  zu  lassen;  den  Seilern  wurde  aufgegeben, 
für  Vorrath  an  Lunten  zu  sorgen.  Mit  Hinweis  auf  die 
vielen  Fremden  in  der  Stadt  und  die  aufgehäuften  Heu- 
und  Strohvorräthe  ermahnte  der  ßath  ganz  besonders  zur 
Vorsicht  im  Umgange  mit  Feuer  und  Licht.  Die  wehr- 
haften Bürger  waren  in  der  Eegel  nur  zur  Vertheidigung 
der  Stadt  verpflichtet ;  zu  Ausfällen  brauchten  sie  sich 
nur  in  ISTothlagen  verwenden  zu  lassen.  Daher  vermeldet 
auch  der  Rath  der  Bürgerschaft:  „Weil  wegen  der 
streifenden  Rotten  Ausfälle  geschehen  sollen,  darzu  die 
von  Adel  ihre  Knechte  auch  herleihen  imd  in  30  Pferde 
ausstaffieren  wollen,  so  sollten  sich  die  Bürger  dazu 
wiUig  gebrauchen  lassen ;  es  sollte  ihnen  die  Beute  bleiben 
und  noch  ein  Viertel,  oder  ein  Fass  Bier  gegeben  werden." 
Durch  die  streifenden  Rotten  wurden  nicht  nur  die  städti- 
schen Besitzungen  ausserhalb  der  Mauern,  sowie  die 
Vorräthe  an  Getreide,  Vieh  und  Futter  in  den  benach- 
barten Dörfern  geschädigt,  sondern  es  wurde  auch  die 
Sicherheit  der  Strassen  und  somit  der  Verkehr  der  be- 
nachbarten Ortschaften  mit  der  Stadt  und  die  Zufuhr 
von  Lebensmitteln  beemträchtigt.  Die  Chronisten  be- 
richten bei  verschiedenen  Gelegenheiten,  dass  infolge  der 
Unsicherheit  der  Strassen  der  Getreidepreis  in  der  Stadt 
sich  steigerte^"). 

So  stand  es  am  14.  Februar  in  der  Stadt.  Am  20. 
erschien  Bauer  vor  den  Thoren  und  forderte  die  Bürger 
zur  Übergabe  des  Ortes  auf;  sie  wurde  verweigert. 
Nach  einigem  zwecklosen  Hin-  und  Herschiessen  schickte 
sich  Baner  zu  ernsthafter  Belagerung  an^^).  Angesichts 
solcher  Massregeln  hielt  es  der  Rath  für  geboten,  mit 
dem  Feldmarschall,  der  sein  Hauptquartier  in  Marienthal 
hatte,  zu  accordieren.  Derselbe  Hess  sich  aber  auf  Un- 
terhandlungen nicht  ein ;  zuletzt  gab  er  den  Abgeordneten 
den  Bescheid,  weil  die  Stadt  keine  Besatzung  hätte,  so 
wäre  es  wider  Kriegsmanier;  auch  liefe  es  ihrer  Repu- 


")  Vergl.  M.  Winters  Annalen  unter  18.  Februar  1637. 
")  Einzelheiten  bei  Tob.  Schmidt. 


278  M.  Schilling: 

tation  zuwider,  mit  Tuchmachern  und  Schmieden  zu  ac- 
cordieren.  In  den  zur  Einhige  in  den  oberen  Knopf  des 
Kaufliausthürmchens  bestimmten,  oben  bereits  erwähnten 
clironistischen  Aufzeichnungen  aus  dem  Jahr  1647^^)  wird 
über  diese  Angelegenheit  folgendes  berichtet:  „Auno 
1639  am  20.  Februar  kam  der  schwedische  General- 
Feldmarschall  Johann  Baner  .  .  .  mit  der  Armee  vor  die 
Stadt,  und  weil  dieselbe  gleich  dazumal  der  Besatzung 
entblösst,  und  der  nach  dem  grossen  Sterben  Anno  1633 
noch  etwa  300  übrigen  wenigen  Bürgerschaft  unmöglich 
war,  solcher  Gewalt  zu  widerstehen,  ungeachtet  man 
sich  etliche  Tage  aufspielte  und  mit  Gegenwehr,  soviel 
möglich  war,  dem  streifenden  Feind  ziemlichen  Schaden 
that,  musste  man  ihm  den  24.  das  Thor  ötfnen  und  ohne 
einigen  Accord  seines  Gefallens  einlassen."  Die  Stadt 
musste  sich  also  auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben  ^^). 

Um  Plünderung,  Brand  und  Verwüstung  abzuwehren, 
mussten  dem  Feldmarschall  12000  Thlr.  für  die  Plünde- 
rung  und   dem  Generalmajor  Pfuhl   10000  Thlr.  Brand- 


")  Vergl.  Grünes  Buch  A,  fol.  191—199. 

'^)  Über  die  Vorgänge  in  jenen  Tagen  finden  sich  Rathsproto- 
kolle  nicht  vor.  Der  Band,  welcher  die  Protokolle  von  Mauritius 
1638  bis  1641  enthält,  zeigt  zwischen  dem  14.  Februar  und  dem  10.  April 
eine  grosse  Lücke.  Dagegen  kommen  ausser  den  „Grünen  Büchern" 
in  Betracht:  1)  ein  Aktenfascikel  mit  der  Aufschrift:  „Das  Ba- 
wirrsche  Schwedische  Regiment  belaugende.  Anno  1639  vndt  1640  etc. 
Die  Belagerungen  und  Contributionen  von  1639  u.  1640  betreffend. 
No.  22.  Militaria"  (A);  2)  ein  Fascikel  mit  der  Aufschrift:  „Kriegs- 
schäden in  Zwickaus  Belagerungen  während  des  dreissigjährigeu 
Kriegs  betr."  Ohne  Signatur  (B);  3)  ein  Fascikel  ohne  Aufschrift 
und  Signatur,  welches  Kriegsrechuungen  aus  den  Jahren  1639  und 
1640  enthält  (C);  4)  ein  Fascikel  mit  der  Aufschrift:  „Anlage- und 
Einuahm-Register  vnd  darauff  gethane  richtige  Rechnung  der  8:  9: 
10:  vnd  11:  Lehnung  zu  Verpflegung  des  Königl.  Schwedischen  Ba- 
wyrischen  Regiments  zu  fufs  den  2.  12.  22.  Junij  vnd  2.  Julij  An- 
no 1639"  (D).  —  Vielversprechend  lautet  der  Titel  eines  Manu- 
skriptes der  Rathsschulbibliothek  (Fascikel  TTTT) :  „Discursus  poli- 
ticus.  Dorinnen  die  quaestio  Ob  E.  E.  Rath  vnd  Burgerschaftt  zue 
Zwickaw  bey  Schwedischer  belägerung  Ao.  1639  vnd  aufgebung  der 
Stadt  einige  culpa  zue  imputiren,  oder  nicht,  pro  et  contra  tractiret, 
vnd  respective  resolviret  wirdt.  Bestellet  vnd  verfasset  von  Johann 
Gebharden.  I.  V.  Doctore."  Joh.  Gebhard,  der  Sohn  des  1633  ge- 
storbenen Stadtvogts  Joh.  Gebhard,  Avar  Rathsherr,  von  1651  ab 
Bürgermeister  von  Zwickau.  Sicherlich  war  er  genau  über  jene 
Verhältnisse  unterrichtet,  nur  schade,  dass  wir  eben  nur  das  Titel- 
blatt seines  discui'sus  politicus  besitzen;  im  Manuskriptenschatz  der 
Rathsschulbibliothek  wenigstens  scheint  der  Kern  zur  Schale  nicht 
mehr  zu  sein.  Nicht  unmöglich  jedoch  ist  es,  dass  Gebhards  Schrift 
im  Rathsai'cliiv  verborgen  liegt. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  279 

Schätzung  gegeben  werden;  ausserdem  musste  man  dem 
Obrist  Billingshausen  über  7500  Thlr.  Rekrutengelder  be- 
willigen^*^). Was  an  Pferden  und  Geschirr,  an  Getreide, 
Bier  und  Unterhaltungsgeldern  aufgebracht  werden  musste, 
belief  sich  ebenfalls  auf  viele  Tausende  von  Thalern").  In 
einem  Schreiben  des  Haths  an  Bauer  vom  30.  März  1639  ^^) 
wird  darauf  liingewiesen,  dass  die  Stadt  binnen  5  Wochen 
an  Geld,  Silberwerk,  goldenem  Geschmeide  und  Waren, 
ungerechnet,  was  an  Proviant,  Pferden,  Wagen,  Geschirr 
u.  a.  abgeholt  worden  und  aufgegangen,  etliche  30000  Thlr. 
hat  aufbringen  müssen.  Die  Einnahme  für  die  Banersche 
Ranzion,  für  die  Brandschatzung  und  die  Billingshausen- 
schen  Rekrutengelder  betrug  30017  Tlilr.  20  Gr.  1  Pf.^^). 
Die  Kontribuenten  mussten  tief  in  den  Beutel  greifen. 
Der  Bürgermeister  David  Reier  hatte  400  Thlr.  Ranzion 
und  75  Thlr.  9  Pf.  Reknitengeld  zu  zahlen;  der  Raths- 
herr  Stephan  Stepner  726  Thlr.  und  25  Thlr.  12  Gr.  6  Pf.; 
der  Oberstadtsclu^eiber  Augustus  Thiel  100  Thlr.  16  Gr. 
und  44  Thlr.  3  Gr.;  der  Bürgermeister  David  Pitzsch 
400  Thlr.  und  146  Thlr.  10  Gr.,  dazu  noch  250  Thlr.  zur 
Glockenranzion.  So  mussten  die  einzelnen  Bürger  je 
nach  ihrem  Vermögen  mehr  oder  weniger  beisteuern. 
Die  Stadt  genoss  immerhin  noch  einen  ansehnlichen  Cre- 
dit ;  es  finden  sich  unter  den  einzelnen  Posten  nicht  wenig 
„vorgesatzte"  (vorgeschossene)  Summen,  so  z.  B.  2433  Thlr. 
10  Gr.  zur  Ranzion  und  333  Thlr.  zu  den  Rekrutengeldern ; 
1750  Thlr.  zur  Ranzion,  800  Thlr.  zur  Glockenranzion, 
508  Thlr.  10  Gr.  zui^  Ranzion,  desgl.  408  Thlr.  Der 
Amtsschösser  lieh  zur  Ranzion  1400  Thlr.  her-").  In 
dem  Ausgabenverzeichnis  zu  den  eingenommenen  Geldern'-^) 


^*)  Nach  dem  Ausgabenverzeichnis  zu  den  eingenommenen  Kon- 
tributionsgeldern (Fascikel  0,  fol  17  flg.)  erhielt  Bauer  10000  Thh-. 
Wenn  anderwärts  12000  Thlr.  angegel)en  werden,  sind  oifenbar 
die  2000  Thlr.  für  die  Glockenranzion  mit  eingerechnet,  die  je- 
doch nicht  dem  Feldmarschall,  sondern  den  Konstabein  und  Artillerie- 
verwandten zuflössen.  Die  Schweden  scheinen  übrigens  sorgfältig 
Buch  und  Rechnung  über  ihre  Forderungen  geführt  zu  haben;  denn 
es  wurden  der  Stadt  jetzt  noch  60  Thlr.  Interessen  berechnet  für  die 
von  Herzog  Bernhards  Einnahme  der  Stadt  im  Jahre  1632  her  re- 
stierenden 1000  Thh'.  Glockem-anzion. 

")  Fascikel  A,  fol.  57  flg.  u.  fol.  31 ;  Fascikel  C,  fol.  17  flg.  •, 
Grünes  Buch  A,  fol.  192  flg. 

18)  Fascikel  A,  fol.  8,  Konzept. 

19)  Vergl.  Fascikel  C,  fol.  1—10. 

«0)  Vergl  RathsprotokoU  vom  17.  Oktober  1639. 
")  Fascikel  C,  fol.  17  flg. 


280  M.  Schilling: 

finden  sich  ausser  den  grossen  Summen  für  die  Befehls- 
haber viele  „Verehrungen"  an  höhere  Offiziere  sowohl, 
als  an  Untergebene  derselben  bis  zu  den  Exekutoren  und 
Köchen  herab.  In  den  liechnuiigen  stehen  die  Posten 
alle  so  friedlich  neben  und  unter  einander,  bei  der  Ein- 
treibung der  Gelder  ging  es  aber  oft  hart  genug  zu ;  und 
dass  bei  Einnahme  einer  Stadt  nicht  nur  offizielle  For- 
derungen gestellt,  sondern  auch  noch  Erpressungen  geübt 
wurden,  ist  eine  bekannte  Sache,  Bei  der  Einnahme 
Zwickaus  1639  knüpft  sich  eine  solche  Scene  an  den 
Namen  des  Quartiermeisters  Julius  Scheffer  vom  Billings- 
hausenschen  Eegiment.  In  den  schon  mehrfach  erwähnten 
chronistischen  Aufzeichnungen  in  dem  Grünen  Buch  A, 
fol.  191  flg.  wird  darüber  folgendes  berichtet:  „Quartier- 
meister Julius  Scheffer  ängstete  Adel  und  Unadel, 
Schössei-,  Bürgermeister  und  Rathspersonen  dermassen, 
dass  es  nicht  zu  beschreiben,  massen  er  einst  die  von 
Adel,  so  in  die  Stadt  geflohen,  übertrotzte,  dass  sie  ihre 
Seitenwehren  in  der  Stadtschreiberei  ablegen  mussten; 
darauf  wollte  er  sie  in  die  Gerichtsstube  sperren,  heiss 
einheizen  lassen,  ihnen  Heu  zu  fressen  geben  und  sie  so 
lange  quälen,  bis  sie  ihm,  was  er  haben  wollte,  bewilligen 
würden ;  brachte  es  damit  auch  dahin ,  dass  ihm  über 
vorher  empfangene  12000  Thlr.  noch  ferner  16000  Thlr. 
zu  erlegen  versprochen  und  darüber  eine  überaus  scharfe 
Obligation  gegeben  werden  musste  .  .  •  ,  welche  Obliga- 
tion aber  hernach  der  General  Bauer  wegen  selbst  be- 
fundener Unmöglichkeit  wieder  kassierte  und  den  Quar- 
tiermeister reformierte."  Es  wird  ferner  berichtet,  dass 
während  Bauers  Aufenthalt  in  der  Stadt  eine  Visitation 
aller  Häuser  veranstaltet  Avurde,  Avobei  weggenommen 
wurde,  ohne  eine  Entschädigung  zu  gewähren,  was  die 
Armee  gebrauchen  konnte  Der  Verlust  wird  geschätzt 
über  6000 Thlr.  an  Pferden,  Wagen  und  Geschirr,  2000  Thlr. 
an  Gewehren,  7600  Thlr.  an  1600  Scheffel  Korn  und  Gerste, 
1150  Thlr.  an  600  Scheffel  Hafer,  1632  Thlr.  an  102 
Eimern  Wein,  3760  Thlr.  an  376  Fass  Bier,  300  Thlr.  an 
Salz,  2300  Thlr.  an  Scheitholz'--).  Summa  24742  Thlr. 
Nach  dreitägigem  Aufenthalte  in  Zwickau  brach 
Bauer,  eine  nur  scliwaclie  Besatzung  unter  Kapitän  Bil- 
lingshausen  zurücklassend,  am  27.  Februar  mit  seiner 
Armee  nach  Chemnitz  auf,  das  sich  nach  kurzer  Gegen- 


^)  Grünes  Buch  A,  fol.  193. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickai;  1639—1640.  281 

wehr  ebenfalls  ergeben  mnsste.  Hierauf  belagerte  er 
Freiberg  vergeblich;  er  Avandte  sich  wieder  nach  Chem- 
nitz zurück,  um  dort  die  Kaiserlichen  zu  erwarten -=^). 
Von  hier  aus  wies  er  in  einer  vom  23.  März  datierten 
Ordre '-^)  den  Regimentern  der  Obristen  von  Mortaigne 
und  Bawyr  Stadt  und  Amt  Zwickau  als  Verpflegungs- 
quartier an.  Am  24.  März  schon  kam  das  Mortaignesche 
Regiment  in  Zwickau  an--^),  und  an  demselben  Tage  be- 
zog auch  Obrist  Bawyr  die  Quartiere'-^').  Der  Obrist 
Mortaigne  verfuhr  nicht  säuberlich  mit  den  Oberhäuptern 
und  Vätern  der  Stadt.  Die  Bürgermeister  und  Senatoren 
Hess  er  mit  20,  ja  30  Soldaten  tribulieren  und  erpresste 
auf  diese  Weise  in  3  Tagen  3000  Thlr.-').  Nach  der 
Ordre  vom  23.  März  hatte  vom  Amt  und  von  der  Stadt, 
doch  nicht  von  dem  inkorporierten  Adel,  des  Obristen 
von  Bawyr  Regiment,  das  als  Besatzung  am  Orte  ver- 
bleiben sollte,  den  nothdürftigen  Unterhalt  an  Futter  und 
Mehl,  das  Mortaignesche  Regiment,  das  sich  bei  der 
Armee  befinde,  die  Löhnung  laut  der  Königlich  Schwedi- 
schen Kammerordnung  für  die  bei  dem  Regiment  effek- 
tive sich  befindenden  Offiziere  und  Soldaten  zu  fordern. 
Gleichzeitig  wurden  durch  die  Ordre  alle  alten  Präten- 
sionen gänzlich  kassiert  und  den  derzeit  in  Zwickau 
liegenden  königlich  schwedischen  Offizieren  mit  den 
50  Musketieren  befohlen,  sich  nach  Vorzeigung  dieser 
Ordre  sofort  zur  Armee  zu  begeben,  und  ferner  verord- 
net, dass  ausser  ihrem  Traktament  die  bezeichneten  Re- 
gimenter von  Amt  und  Stadt  Zwickau,  sowie  den  inkor- 
porierten Adeligen  keinerlei  Geldpressm^en  oder  sonst 
etwas  zu  exequieren  sich  unterstehen  sollen.  Dafern 
etwas  dergleichen  vorgehen  sollte,  möchten  die  Unter- 
thanen  ihre  Zuflucht  kühnlich  zu  Sr.  Excellenz  nehmen; 
die  kommandierenden  Offiziere  würden  unausbleiblich  von 
Sr.  Excellenz  zu  Rede  und  Antwort  gefordert  werden. 

Auf  diese  Ordre  wurde  umgehend  eine  vom  24.  März 
datierte  Supplikation  des  Amtes,  des  Rathes  und  der 
Bürgerschaft  an  den  Feldmarschall  geschickt  ^*^).  Darin 
AATirde  der  Empfang  der  Ordre  bestätigt  und  Se.  Excellenz 
um  Gottes  Barmherzigkeit  willen  ersucht,  die  arme  Stadt 


23)  Vergl.  Theatr.  Eur.  IV,  95. 

2*)  Ahschriftlich  Fascikel  A,  fol.  1. 

25)  Fascikel  0,  fol.  77.  —  "-ß)  Ib.  A,  fol.  8. 

")  Giünes  Buch  A,  fol.  193. 

28)  Fascikel  A,  fol.  2,  Konzept. 


282  M.  Schilling: 

und  das  Amt  mit  gnädigen  Augen  anzusehen,  und  sowohl 
die  Garnison  zu  mindern,  als  auch  die  Verpflegung  des 
Mortaigneschen  Regiments  von  der  Stadt  zu  nehmen. 
Begründet  wird  die  Supplikation  damit,  dass  die  Stadt 
durch  die  erlegte  grosse  Eanzion,  durch  die  Brandschat- 
zung und  die  Eekrutengelder  aufs  äusserste  erschöpft 
worden  sei.  So  seien  auch  alle  Amtsdörfer  dermassen 
ruiniert,  dass  daselbst  weder  Einwohner,  noch  Vieh  und 
Fütterung  zu  linden  seien,  infolgedessen  auch  weder 
Futter,  noch  Getreide  in  die  Stadt  gebracht  werde^. 

Bevor  wir  diese  Angelegenheit  weiter  verfolgen, 
wollen  wir  einen  Blick  in  die  königlich  schwedische 
Verptlegungsordnung  tliun,  auf  welche  in  der  Ordre  vom 
23.  März  hingewiesen  wird-'').  Sie  war  für  die  im  Stift 
Halberstadt  einquartierte  königlich  schwedische  Solda- 
teska bestimmt  und  gegeben  im  Haupt (juartier  Schanders- 
leben  den  13.  Februar  1639.  Auf  Grund  derselben  sind 
die  Verptiegungsordnungen  für  das  Mortaignesche  und 
Bawyrsche  Regiment  entworfen'^*^).  Sie  lauten  sämtlich 
auf  Geld,  nur  die  Leistungen  an  Pferdefutter  sind  in 
Gewicht  ausgedrückt.  Das  Mortaignesche  Regiment  er- 
hielt die  Verpflegung  in  10  tägigen  Löhnungen  ausgezahlt ; 
die  Verpflegung  des  Bawyrschen  Regiments  aber  geschah 
in  den  ersten  Monaten  so,  dass  die  Soldaten  von  den 
Bürgern  beköstigt  wiu-den  und  die  Quartierwirthe  nach 
den  in  der  gedruckten  Ordnung  aufgestellten  Sätzen  dem 
Rathe  liquidierten"^). 

Nach  der  Mortaigneschen  Verpflegungsordnung 
kam  auf  den  Regimentsstab  aller  10  Tage  zusammen 
112  Thlr.  18  Gr.,  und  zwar  erhielt  der  Obrist  30  Thlr., 
des  Obristen  Lieutenant  15  Tiilr.,  der  Major  12  Thlr., 
der  Regimentsquartiermeister  6  Thlr.;  der  Regiments- 
sekretär, der  Schultheiss,  Priester  und  Barbier  l3ekamen 
gleichviel ,  nämlich  5  Thlr.  6  Gr. ;  Profoss ,  Gerichts- 
schreiber, Gerichtswebel,  Wagenmeister  und  Trommel- 
schläger hatten  ebenfalls  gleich  hohe  Löhnung:  4  Thlr. 
12  Gr.;  der  Henker  erhielt  3  Thlr.  18  Gr.,  der  Stecken- 
knecht 2  Thlr.  12  Gr.  Sie  alle  gehörten  zum  Regiments- 
stabe. Das  Mortaignesche  Regiment  selbst  zählte  1085 
Mann   und   bezog   in    10  tägigen   Löhnungen  1823  Thlr. 


2»)  AbscMft  im  Akteiifascikel  A,  fol.  15—17. 

30)  Ib.  fol.  18  flg. 

31)  Fascikel  C,  foL  170-,  Rathsprot.  v.  10.  April  u.  8.  Juli  1639. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639-1640.  283 

21  Gr.  9  Pf.  Auf  jeden  der  565  Gemeinen  wm^deu 
täglich  2  Pfund  Brod,  1  Pfund  Fleisch  und  2  Feldmass 
Bier  nach  den  ortsüblichen,  bez.  normierten  Preisen  ge- 
rechnet. Von  den  12  Kapitänen  erhielt  jeder  7  Thlr. 
9  Gr.,  von  den  24  Lieutenants  und  Fähnrichen  der  Mann 
5  Thlr.  13  Gr.;  für  jeden  der  48  Unteroffiziere  Avurden 
gefordert  2  Thlr.  6  Gr.,  für  jeden  der  24  Sergeanten 
2  Thlr.  18  Gr.  6  Pf.,  für  jeden  der  72  Korporale  1  Thlr. 
5  Gr.,  für  die  24  Trommelschläger  zusammen  39  Thlr., 
für  die  100  Oberrottmeister  121  Thlr.  3  Gr..  die  100 
ünterrottmeister  104  Thlr.  2  Gr.  9  Pf.,  für  die  il6  „Pass- 
volantz"  104  Thlr.  16  Gr.  Das  macht  für  das  ganze 
Eegiment  einschliesslich  des  Stabes  1936  Thlr.  15  Gr.  9  Pf. 
Dazu  kam  das  Futter  für  die  Pferde,  deren  241  auf  das 
Regiment  berechnet  wurden,  und  zwar  für  den  Obristen  18, 
den  Obristlieutenant  12,  den  Major  8,  den  Regiments- 
quartiermeister 3,  für  den  Sekretär,  Schultheiss,  Priester 
und  Barbier  zusammen  8,  für  die  12  Kapitäns  48  und 
ebensoviel  für  die  24  Lieutenants  und  Fähnriche.  Ferner 
hatte  jede  der  12  Kompagnien  8  Bagagepferde.  Die 
Fütterung  für  die  10  tägige  Löhnung  betrug  482  Scheffel 
halberstädtisches  Mass'^-). 

Ähnlich  gestaltete  sich  die  Berechnmig  für  das  in 
Zmckau  liegende  Bawy r sehe  Regiment,  nur  dass  ein- 
zelne Posten  theils  höher,  theils  niedriger  angesetzt 
waren ^").  Für  jede  Löhnung  mussten  circa  1800  Thlr. 
inkl.  der  Servisgelder  für  die  Offiziere  aufgebracht  werden ; 
die  Summe  schwankte  indes  je  nach  der  Regimeutsstärke. 

Nehmen  wir  nun  nach  dieser  Abschweifung  den  Faden 
der  Verhandlungen  der  Stadt  mit  dem  Generalfeldmar- 
schall wieder  auf. 

Es  wurde  zuletzt  die  auf  Bauers  Ordre  vom  23.  März 
eingereichte  Supplikation  vom  24.  März  erwähnt.  Am 
26.  wenden  sich  Amt,  Rath  und  Bürgerschaft  in  einem 
Schreiben  an  den  Obrist  Kaspar  Kornelius  von  Mor- 
taigne^^)  und  bitten  in  den  beweglichsten  Ausdrücken  um 
Fürsprache  bei  Bauer,  dass  für  sein  Regiment  eine  an- 
dere und  austräglichere  Assignation  erfolgen  möchte.  In 
einem  zweiten  Schreiben  vom  30.  März"^-^)  Aviederholen 
sie  ihre  Bitte  und  machen  sogar  Vorschläge,  auf  welche 


2-)  4  Halberst.  Scheffel  =  1  grossen   zwickauischen    Scheffel, 
vergl.  Fascikel  A,  fol.  157. 
33)  Vergl.  unten  S.  304. 
31)  Fascikel  A,  fol.  4.  —  «s)  ib.  fol.  5. 


284  M.  Schilling: 

Weise  die  Stadt  entlastet  werden  könnte.  In  einem 
eigenhändigen  Schreiben-^")  verspricht  der  Obrist,  das 
Seine  thun  zn  wollen,  erklärt  aber  gleichzeitig,  dass  er 
bis  zur  Entscheidung  des  Feldmarschalls  mit  aller  Strenge 
auf  seinen  Forderungen  bestehen  müsse. 

Eine  Antwort  auf  die  Supplikation  vom  24.  März 
scheint  nicht  erfolgt  zu  sein;  Bauer  war  um  diese  Zeit 
gerade  mit  den  Vorbereitungen  zu  einem  entscheidenden 
Schlage  gegen  die  Kaiserlichen  beschäftigt.  Am  30.  März 
richteten  Amt,  Rath  und  Bürgerschaft  ein  zweites  Gesuch 
an  den  Feldmarschair").  Nachdem  sie  auf  die  bereits 
erfüllten  hohen  Leistungen  für  die  Banersche  Armee,  auf 
die  Stockung  aller  Erwerbsthätigkeit,  sowie  auf  den  Um- 
stand hingewiesen  haben,  dass  nicht  über  300  angesessene 
Einwohner  mehr  in  der  Stadt  vorhanden  seien,  erklären 
sie  es  für  unmöglich,  die  gegen  2000  Thlr.  betragende 
zehntägige  Löhnung  für  das  Mortaignesche  Regiment  auf- 
bringen zu  können.  Die  unerträgliche  Last  würde  ge- 
mildert werden,  wenn  Se.  Excellenz  geruhen  wollte,  dem 
engbegrenzten  Quartier  der  beiden  Regimenter  die  In- 
korporierten vom  Adel,  die  Städtlein  Werdau,  Reichen- 
bach, Wildenfels,  Planitz  und  Wiesenburg,  welche  durch 
den  Fortzugdes  Billingshausenschen  Regiments  (d. C.März) 
frei  geworden,  wiederum  in  Gnaden  beizulegen.  Der 
höchste  Gott  werde  solche  gnädige  Verfügung  Sr.  Ex- 
cellenz mit  erwünschtem  Success  Ihrer  christeifrigen 
Kriegsexpedition  mildiglich  vergelten.  Zur  Unterstützung 
dieser  Supplikation  richteten  am  1.  April  Amt,  Rath  und 
Bürgerschaft  zum  dritten  Mal  die  Bitte  um  Fürsprache 
an  den  Obrist en  von  Mortaigne;  und  als  der  Bote  ohne 
eine  gnädige  Resolution  Bauers  zurückgekehrt  war,  er- 
suchten sie  auch  den  Kommandanten  von  Bawyr  am 
2.  April,  sich  für  Erweiterung  der  Quartiere  bemühen  zu 
wollen-'^).  Da  kam  denn  endlich  ein  vom  2.  April  da- 
tiertes Schreiben  Bauers  aus  Zeitz  an,  in  welchem  Aus- 
sicht auf  Erleichterung  der  Kriegslasten  gemacht  wurde^''). 
Der  Feldmarschall  sprach  die  Absicht  aus,  eine  billige 
Veränderung  wegen  der  Quartiere  und  der  Kontribution 
anstellen  zu  wollen,  und  erbat  sich  zu  diesem  Zwecke 
eine  genaue  Spezifikation  der  auf  das  Billingshausensche 
Regiment  verwendeten  baren  Gelder,  auch  sollte  bemerkt 


'8)  Fascikel  A,  fol.  6.  —  3')  Ib.  fol.  8,  9.  —  as)  b.  fol.  24  u.  28. 
^^)  Ib.  fol.  29,  Original  mit  Bauers  eigenhändiger  Unterschrift. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  285 

werden,  wem  und  gegen  wessen  Quittung  die  einzelnen 
Posten  ausgezahlt  worden  seien;  ausdrücklich  aber  wird 
hervorgehoben,  die  Leistungen  auszuschliessen ,  welche 
nicht  in  barem  Gelde,  sondern  nur  in  Geldeswerth  erfolgt 
seien.  Ferner  bat  der  Feldmarschall,  zur  Beförderung 
seines  Intents  auch  ein  Verzeichnis  darüber  einzusenden, 
wie  viel  Pferde,  Sättel,  Pistolen,  Stiefeln,  Tuch-  und 
andere  Waren  für  das  Regiment  hergegeben  worden 
wären.  Beide  „Designationen"  sollten  mit  „beweislichen 
Obrigkeitsunterschriften  und  Siegeln"  versehen  sein,  auch 
möchte  nicht  lange  damit  verzogen  werden. 

Umgehend  übersandte  der  ßath  mit  einem  vom 
4.  April  datierten  Begleitschreiben  das  gewünschte  Ver- 
zeichnis der  dem  Obristen  Billingshausen  entrichteten 
baren  Gelder;  die  Summe  belief  sich  auf  7664  Thlr.  22  Gr.^«). 
Das  andere  Verzeichnis  hatte  jedoch  nicht  aufgenommen 
werden  können,  da  die  vom  Adel,  die  Bauern  und  andere, 
welche  sich  bei  der  Annäherung  der  schwedischen  Armee 
im  Februar  aus  fremden  Orten  in  die  Stadt  geflüchtet 
hatten,  meistens  wieder  fortgezogen  waren.  Auch  hatte 
der  Eath  die  Handwerker  nicht  zusammenbringen  und 
noch  viel  weniger  das,  was  an  Sätteln,  Pistolen,  Stiefeln, 
Tuch-  und  anderen  Waren  geliefert  worden  war,  spezi- 
fizieren können,  weil  —  schi^eibt  der  Eath  —  die  verarmte 
und  an  Anzahl  nur  noch  geringe  Bürgerschaft  wegen  der 
jetzigen  schweren  Einquartierung  ganz  perplex  sei.  Er 
bittet  unterthänig,  ihm  deshalb  nichts  in  Ungnaden  im- 
putieren, sondern  nach  so  lange  und  vielfältig  ausge- 
standenem Elend,  das  nunmehr  über  6  Wochen  gewährt, 
die  Stadt  mit  Erleichterung  gnädig  erquicken  zu  wollen. 
Wie  in  dem  Schreiben  vom  30.  März  fügt  auch  hier  der 
Eath  den  zwar  sehr  höflüshen,  aber  nicht  praktischen 
Wunsch  bei,  Gott  der  Allerhöchste  möge  Se.  Excellenz 
mit  glücklichem  Success  reichlichst  belohnen. 

Bis  zum  8.  April  war  auf  die  eingesandte  Spezifi- 
kation der  für  das  Billingshausensche  Eegiment  aufge- 
brachten Gelder  eine  Eesolution  Bauers  noch  nicht  ein- 
getroffen; denn  unter  diesem  Datum  richtete  der  Eath 
abermals  ein  Schreiben  an  den  Feldmarschall,  worin  mit 
Hinweis  auf  die  Zusage  desselben  dringend  gebeten  wurde, 
für  das  Mortaignesche  Eegiment  eine  andere  Assignation 
verfügen  und  die  Quartiere  für  das  Bawyrsche  Eegiment 


*<»)  Fascikel  A,  fol.  30,  31. 


286  M.  Schilling: 

erweitern  zu  wollen.  Neben  der  Verpflegung  der  Garnison 
hätte  die  Stadt  mit  höchster  Angst  noch  zwei  Löhnungen 
für  das  Mortaignesche  Regiment  zusammengebracht,  aber 
damit  zu  kontinuieren  sei  keine  Möglichkeit  vorhanden. 
In  den  nächsten  Tagen  erfolgte  denn  auch  die  Resolution, 
dass  es  bei  den  zwei  Löhnungen  sein  Bewenden  haben 
solle.  Im  ganzen  hatten  auf  die  zwei  Löhnungen,  also 
auf  20  Tage,  für  dieses  Regiment  3000  Thlr.  gezahlt 
werden  müssen"*^). 

Wie  oben  bemerkt,  wurde  Bauer  Ende  März  und 
Anfang  April  durch  die  Bewegungen  der  feindlichen 
Armee  sehr  in  Anspruch  genommen;  er  beabsichtigte, 
dem  Gegner  eine  Schlacht  anzubieten.  Aus  diesem  Grunde 
hatte  er  auf  die  Bittschriften  des  Rathes  vornächst  keine 
Rücksicht  nehmen  können.  Zwar  sandte  er  demselben 
von  Zeitz  aus  am  31.  März  ein  Schreiben;  darin  war 
jedoch  von  etwas  ganz  anderem  als  der  Erleichterung 
der  Ki'iegslasten  die  Rede.  Er  theilte  dem  Rathe  mit, 
dass  er  Kundschaft  erlangt  habe,  der  Feind  sei  mit  einer 
Armee,  die  indes  nicht  so  stark  sei,  als  ihnen  vorge- 
spiegelt werden  möchte,  auf  dem  Marsche  gegen  Zwickau 
begriifen,  um  die  Stadt  zu  belagern.  Er  setze  das  Ver- 
trauen in  sie,  dass  sie  schon  aus  eigenem  und  natürlichem 
Antrieb  die  Wohlfart  der  Stadt,  wie  auch  ihrer  Kinder 
und  Frauen  bedenken  und  sich  weder  an  dem  Komman- 
danten, dem  Obrist- Lieutenant  Sandthoff,  noch  an  einem 
Offizier  und  Soldaten  vergreifen,  viel  weniger  an  denselben 
zu  des  Feindes  Vortheil  Untreue  und  Verrath  üben,  oder 
sich  von  jemand  dazu  überreden  lassen  würden.  Sollten 
sich  trotzdem  die  Bewohner  Zwickaus  zu  irgend  einer 
Feindseligkeit  verleiten  lassen,  so  müsste  die  ganze  Stadt 
mit  Feuer  und  Schwert  zerstört  werden.  Er  wolle  sie 
hiermit  vor  ihrem  Unglück  treuherzig  gewarnet  und  er- 
mahnt haben,  im  geringsten  keine  Praktiken  gegen  die 
königlich  schwedische  Garnison  vorzunehmen,  auszuüben, 
noch  anderen  zu  gestatten.  Denn  darauf  könne  man  sich 
verlassen,  dass  er  alsbald  mit  der  gesamten  schwedischen 
Macht,  die  er  in  Zeitz  habe  und  dahin  zusammenzuziehen 
gedenke,  vor  Zwickau  rücken  und  den  Ort  entsetzen 
werde.  Würden  sie  aber  Treue  beweisen,  so  sollte  ihnen 
das  zu  allerhand  Erquickung  gereichen*^). 

«)  Fascikel  C,  fol.  77,  164. 

*^)  Fascikel  A,  fol.  10,  Original  mit  Baners  eigenhändiger  Un- 
terschrift. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  287 

Am  2,  April  bewirkte  Baner  die  Vereinigung  mit 
dem  damaligen  Leiter  des  scliwedisclien  Artilleriewesens, 
dem  36  jährigen  General  Torstenssohn ^'').  Am  3.  April 
brach  er  von  Zeitz  auf  und  rückte  bis  in  die  Gegend  von 
Chemnitz  vor.  Am  4.  April  a.  St.  früh  8  Uhr  bewegte 
sich  der  Bagagezug  der  ganzen  schwedischen  Armee 
vom  Windberg  und  von  Weissenborn  her  auf  Zwickau 
zu.  Der  Schwärm  Hess  sich  in  der  Stadt  und  Umgebung 
nieder.  Bauers  Gemahlin  nebst  vielen  Offiziersfrauen 
und  Stabspersonen  nalmien  mit  mehreren  hundert  Wagen 
Quartier  in  der  Stadt.  Nachmittag  gegen  4  Uhr  kam 
ein  schwedischer  Reiter  von  Chemnitz  her  durch  das 
Tränkthor  herein ;  er  überbrachte  einen  Brief  Bauers  an 
dessen  Gemahlin.  Es  entstand  eine  grosse  Bewegung  in 
der  Stadt;  eine  zahlreiche  Menschenmenge  versammelte 
sich  vor  der  Wohnung  der  Feldmarschallin ;  man  erwar- 
tete wichtige  Botschaft.  Da  trat  Bauers  Gemahlin  an 
das  Fenster  und  las  den  Brief  vor.  Der  Inhalt  desselben 
erweckte  unter  dem  schwedischen  Kriegsvolk  hellen  Jubel, 
die  Bürger  aber  gingen  betrübt  nach  Hause.  Die  kai- 
serlich-kurfürstliche Armee  war  in  der  Schlacht  bei 
Chemnitz  total  geschlagen  worden  ^*).  Am  6.  April  wurden 
gegen  600  Gefangene  eingebracht,  die  zum  Theil  der 
Garnison  einverleibt  wurden;  eine  neue  Last  für  die 
Stadt. 

Nach  der  Schlacht  bei  Chemnitz  hatte  denn  auch 
Baner  seiner  Zusage  vom  31.  März  gemäss :  „würde  die 
Stadt  Treue  beweisen,  so  sollte  ihr  das  zu  allerhand 
Erquickung  gereichen"  —  die  Stadt  von  der  Löhnung 
des  Mortaigneschen  Regiments  befreit ^■^). 

Baner  nahm  nunmehr  die  Belagermig  Freibergs 
wieder  auf,  das  ihm  im  März  so  hartnäckigen  Wider- 
stand geleistet  hatte.  Schon  am  12.  April  a.  St.  sandte 
er  aus  dem  Hauptquartier  Freiberg  seinen  „ehrenvesten, 
achtbahren  vndt  wollweisen  Herren  vnd  Freunden  etc." 
zu  Zwickau  den  am  14.  daselbst  eingegangenen  Befehl 
zu,  für  seine  Armee  bei  Tag  und  Nacht  Proviant  an 
Brod  und  Bier  und  für  seine  „Hoffstaat"  eine  Quantität 
Brod,  Bier  und  Pferdefutter  ins  Lager  bei  Freiberg  zu 


")  Theatr.  Eur.  IV,  96. 

^)  Vergl.  Tob.  Sclimidt  II,  597  und  Bauers  Bericht  im  Theatr. 
Eur.  IV,  96,  97. 

*^)  Vergl.  auch  Rathsprotokoll  vom  10.  April. 


288  ^-  Schilling: 

schaffen ;  wofern  nicht  genug  Wagen  aufzutreiben  wären, 
sollte   der  Proviant  auf  Karren  transportiert  werden***). 

Es  mag  der  Stadt  nicht  leicht  geworden  sein,  doch 
kam  sie  bereitwilligst  der  Forderung  nach.  Es  wurden 
G  Fass  Bier  (das  Fass  im  Werth  von  10  Tlilr.),  10000 
Pfund  Brod  und  10  Schefiel  Hafer  zusammengebracht. 
Der  Transport  geschah  theils  auf  Wagen,  theils  auf 
Schubkarren.  In  dem  Begleitschreiben  vom  14.  April 
wird  aber  die  Bitte  ausgesprochen,  die  Stadt  mit  weiterer 
Abführung  von  Proviant  zu  verschonen,  damit  der  Gar- 
nison und  Bürgerschaft  der  noth wendige  Lebensunterhalt 
nicht  entzogen  werde"). 

Was  die  Erleichterung  der  Garnisonlast  betraf,  so 
schien  die  Erfüllung  der  so  oft  wiederholten  Bitte  um 
Erweiterung  der  Quartiere  nahe  zu  sein.  Der  Feldmar- 
schall hatte. in  der  Tliat  einige  umliegende  Herrschaften, 
Städte  und  Ämter  zur  Kontribution  und  Verpflegung  des 
Bawyrschen  Regiments  assigniert,  wie  aus  einem  Schreiben 
des  ßathes  vom  3.  Mai  an  den  Feldmarschall  hervor- 
geht*^). Die  Erleichterung  war  bis  dahin  aber  nur  eine 
papierene  gewesen,  denn  in  dem  ebenerwähnten  Schreiben 
vom  3.  Mai  zeigt  der  Rath  dem  Feldmarschall  an,  dass 
die  assignierten  Quartierleute  so  unchristlich  seien,  dass 
sie  entweder  gar  nichts,  oder  so  wenig  nur  und  'das 
Wenige  so  saumselig  beitrügen,  dass  Sr.  Excellenz  wohl- 
gemeinte Intention  nicht  verwirklicht  werde.  Mit  bren- 
nenden Augen  und  seufzenden  Herzen  beklagt  sich  die 
Stadt  darüber  und  sieht  sich  gedrungen,  „eine  Abschick- 
ung  zu  tliun"  und  Se.  Excellenz  um  Gottes  Barmherzig- 
keit willen  flehentlich  zu  bitten,  verordnen  zu  wollen, 
dass  die  assignierten  Quartierleute  eine  genügende 
Summe  zur  Unterhaltung  und  Verpflegung  des  Bawyr- 
schen Regiments  beitragen  sollten.  Die  Ungehorsamen 
möchten  durch  militärische  Exekution  dazu  gezwungen 
werden;  denn  wenn  die  Stadt,  welche  ihr  ganzes  Ver- 
mögen hergegeben  habe,  keine  Erleichterung  erfahre,  so 
werde  sie  in  gänzliche  Verzweiflung  gerathen  und  voll- 
ständig zu  Grunde  gehen,  während  die  ungehorsamen 
assignierten  Quartierleute  bei  dem  Iffiigen  erhalten  blieben, 
was  doch  Se.  Excellenz  nimmermehr  billigen  und  gestatten 


■*«)  Fascikel  A,  fol.  41,  Original  mit  Bauers  eigenhändiger  Un- 
törsclinft. 

")  Fascikel  A,  fol.  42.  —  *«)  ib.  fol.  68  üg. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  289 

werde.  Die  Stadt,  welche  bereits  in  die  80000  Thlr.  an 
Geld  und  Geldeswertli  hergegeben  habe,  möchte  doch 
künftig  mit  Geldbeiträgen  und  anderen  Leistungen  ver- 
schont bleiben. 

Eine  aus  3  Bürgern  bestehende  Deputation  begab 
sich  mit  diesem  Schreiben  ins  Hauptquartier  des  Feld- 
marschalls.  Bauer  befand  sich  Anfang  Mai  nicht  mehr 
in  Sachsen.  Nachdem  er  Freiberg  zum  dritten  Male 
vergeblich  belagert  und  bestürmt  hatte,  bemächtigte  er 
sich  den  23.  April  a,  St.  der  Stadt  Pirna  an  der  Elbe 
und  verlegte  sodann  den  Kriegsschauplatz  nach  Böhmen"^^). 
Die  Deputation  musste  bis  Leitmeritz  reisen,  wo  sich  das 
Hauptquartier  damals  befand.  Sie  erhielt  indes  keinen 
dü^ekten  Bescheid  in  der  fraglichen  Angelegenheit.  In 
der  von  der  Kriegskanzlei  unter  Leitmeritz,  den  14.  Mai 
1639  (also  fünf  Tage  vor  der  Niederlage  der  Kaiserlichen 
bei  Braudeis)  ausgestellten  Bescheinigung  über  den  Em- 
pfang des  Schreibens  vom  3.  Mai  ist  bemerkt,  dass  die 
Remedierung  an  den  Kommandanten  verwiesen  worden 
sei^").  Die  Deputierten  hatten  jedoch  von  dem  Sekretär, 
der  ihnen  die  betreffende  Ordre  des  Feldmarschalls  an 
den  Kommandanten  Bawyr  übergab,  auf  inständiges  Bitten 
erfahren,  dass  der  Obrist  angewiesen  worden  sei,  die 
Verpflegung  der  Garnison  von  den  assignierten  Orten 
einzubringen  und  die  Stadt  nicht  zu  belästigend^).  Als 
nun  die  Abgeordneten,  nach  Zwickau  zurückgekehrt,  die 
Ordre  abgegeben  und  dem  Bathe  über  den  Inhalt  der- 
selben auf  Grund  der  Mittheüung  des  Sekretärs  Bericht 
erstattet  hatten,  wurden  am  20.  Mai  die  Rathsherren 
Dr.  Limmer,  Wolfg.  Albrecht  und  Stephan  Stepner  zu 
dem  Kommandanten  geschickt,  um  die  Publizierung  der 
Ordre  zu  erbitten.  Da  erfuhren  sie  freilich,  ganz  ab- 
weichend von  dem,  was  ihnen  der  Sekretär  mitgetheilt 
hatte,  dass  der  Feldmarschall  die  Kontribution  aus  den 
früher  für  die  Garnison  assignierten  Orten  zu  anderen 
Ausgaben  bestimmt  habe,  und  dass  er  das  Amt  und  die 
Stadt  zur  Verpflegung  des  Regiments  für  hinlänglich 
leistungsfällig  (bastant)  erachte.  Der  Obrist  machte 
mehrere  Vorschläge  zur  Erleichterung  der  Stadt  und  er- 
bat sich  die  Erklärung  des  Rathes  dazu.  Auf  das  drüig- 
liche  Anhalten  der  Bürgerschaft  ersuchte  der  Rath  den 


*9)  Theatr.  Eur.  IV,  98,  100. 

«>)  Fascikel  A,  fol.  71,  Original.  —  ")  Ib.  fol.  80b. 

Neues  Archiv  f.  8.  G.  u.  A.     IX.  3.  4.  19 


290  M.  Schilling: 

Kommandanten  um  eine  Abscluift,  oder  wenigstens  einen 
Auszug  jener  Ordre.  Gleichzeitig  bemerkte  der  Ratli  in 
demselben  Schreiben,  dass  es  der  Bürgerschaft  nicht 
verdacht  werden  könne,  wenn  sie  sich  nochmals  an  Se. 
Excellenz  wenden  würde,  falls  die  Ordre  dem  mündlichen 
Berichte  der  Abgeordneten  widersprechen  sollte.  Schliess- 
lich kam  es  doch  noch  zu  einer  vorläufigen  Verständigung 
zwischen  dem  Kommandanten  und  der  Stadt.  Es  scheint, 
als  ob  der  Sekretär  der  Kriegskanzlei  den  Deputierten 
die  erwähnte  hofi'nungerregeude  Mittheilung  über  den  In- 
halt der  Ordre  gemacht  hatte  lediglich  in  der  Absicht, 
eine  ansehnliche  „Verehrung"  zu  erhalten. 

Die  Stadt  machte  zunächst  von  dem  Erbieten  des 
Obristen,  betreffs  der  Verpflichtung  gegen  seine  Person 
und  seine  Offiziere  eine  Erleichterung  gewähren  zu  wollen, 
dankbaren  Gebrauch''-). 

Bereits  nach  14  Tagen  aber  befinden  sich  schon 
wieder  drei  Bürger  mit  einem  Schi^eiben  vom  5.  Juni  auf 
dem  Wege  nach  dem  Hauptquartiere  Bauers ■'^■^).  Unter 
Bezugnahme  auf  die  Supplikation  vom  3.  Mai  und  die 
vom  Obristen  Bawyr  kundgegebene  Ordi^e,  sowie  unter 
Darlegung  des  trostlosen  Zustandes  der  Stadt  ersucht 
der  Rath  den  Feldmarschall,  sich  gnädigst  seiner  Eeso- 
lution  vom  2.  April  zu  erinnern,  durch  welche  der  Stadt 
Erweiterung  der  Quartiere  und  Befreiung  von  Kontribu- 
tionen in  Aussicht  gestellt  worden  waren.  Se.  Excellenz 
möchte  doch  die  aufs  äusserste  erschöpften  Einwolmer 
bei  der  blossen  Einquartierung  belassen,  die  Verpflegungs- 
lieferungen und  Geldbeiträge  aber  den  angrenzenden 
Ämtern  Plauen,  Vogtsberg,  Neustadt,  Weida,  Schwar- 
zenberg  und  Grünhain  und  den  darin  bezii^kten  Städtlein 
auferlegen. 

Das  Bawyrsche  Regiment,  welches  bei  der  Belage- 
rung und  Bestürmung  Freibergs  im  März  grosse  Verluste 
erlitten  hatte,  war,  als  es  nach  Zwickau  in  Garnison 
gelegt  wurde,  nicht  viel  über  300  Mann  stark ;  nach  der 
Schlacht  bei  Chemnitz  wurde  ein  Theil  der  eingebrachten 
600  Gefangenen  dem  Regiment  zuertheilt,  und  gegen- 
wärtig, also  im  Juni,  bezifferte  sich  seine  Stärke  ohne 
die  nach  Chemnitz  und  in  Salvagardien  gelegten  Soldaten 
auf  550  Mann'"'"'). 


"^2)  Fascikel  A,  fol.  79—84.  —  »s)  ib.  fol.  104  u.  107. 
")  Fascikel  A,  fol.  104  u.  108. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  291 

Der  Eath  wandte  sich  auch  mit  einem  Gesuch  um 
Fürbitte  an  Baners  Gremahlin  Elisabeth  Juliana,  geborene 
Gräfin  von  Erbach,  von  der  bekannt  war,  dass  sie  nicht 
geringen  Einfluss  auf  den  Peldmarschall  auszuüben  ver- 
stand. Schon  während  ihres  Aufenthaltes  in  Zwickau 
zur  Zeit  der  Schlacht  bei  Chemnitz  war  sie  durch  eine 
Deputation  um  gnädige  Literzession  und  Fürbitte  ersucht 
worden,  und  sie  hatte  die  Deputation  nicht  ohne  tröst- 
liche Zusage  von  sich  gelassen '^■^). 

Der  Erfolg  dieser  Supplikationen  und  persönlichen 
Sendungen  war,  obwohl  eüie  Erleichterung  der  Kontri- 
butionen eintrat,  nicht  ganz  unähnlich  dem  des  Schreibens 
vom  3.  Mai.  Die  Abgesandten  kamen  mit  der  Versiche- 
rung des  Sekretärs  der  Kriegskanzlei  zurück,  dass  der 
Feldmarschall  die  Kontributionen  gänzlich  aufgehoben 
und  dem  Kommandanten  die  Ordre  ertheilt  habe,  das 
Regiment  von  den  in  dem  Schreiben  des  Rathes  bezeich- 
neten Ämtern  und  Städten  verpflegen  zu  lassen.  In  ihrer 
ersten  Freude  hatten  die  Deputierten  dem  Sekretär  für 
seine  Mittheilung  ein  Präsent  gemacht.  Der  Komman- 
dant eröffnete  aber  dem  Rathe,  dass  zwar  die  Verpfle- 
gung der  Garnison  von  den  benachbarten  Herrschaften, 
Städten  imd  Ämtern  aufgebracht  werden  sollte,  die  Stadt 
jedoch  der  Kontribution  nicht  gänzlich  überhoben  bleiben 
könnte;  es  sollte  künftig  eme  monatliche  Geldzahlung 
von  1000  Thlr.  geleistet  werden'^^).  Der  Rath  richtete 
am  8.  Juli  die  Bitte  an  den  Sekretär  der  Kriegskanzlei, 
ihm  die  Ordre,  soweit  sie  die  Erlassung  der  Kontribu- 
tion betreffe,  abschriftlich  zuzusenden"),  wahrscheinhch 
in  dem  Argwohn,  die  Forderung  von  1000  Thlr.  monat- 
lich möchte  eine  Erfindung  des  Kommandanten  sein. 

Ob  dem  Rathe  diese  Abschrift  zugestellt  worden  ist, 
oder  nicht,  darüber  schweigen  die  Akten. 

Weniger  der  Wichtigkeit  des  Stückes,  als  vielmehr 
der  Vollständigkeit  halber,  mit  welcher  über  das  vor- 
handene, Baners  Beziehungen  zu  Zwickau  betreffende 
archivalische  Material  berichtet  werden  soll,  sei  hier  mit- 
getheilt,  dass  Bauer  in  diesen  Tagen  einen  Schutzbrief 
(Salva  Guardi)  für  einen  Zwickauer,  als  Feldtrompeter 
in  schwedischen  Diensten  stehenden  Hausbesitzer  Namens 


55)  Fascikel  A,  fol.  108,  109,  183. 

56^  Vergl.  Rathsprotokoll  vom  8.  Juli  1639. 

")  Fascikel  A,  fol.  134,  135.    . 

19' 


292  M.  Schilling: 

Hans  Fritzsch  ausstellte ''^^).  Es  wird  darin  allen  unter 
dem  Kommando  Sr.  Excellenz  stehenden  hohen  und  nie- 
deren Offizieren  und  Befehlshabern,  wie  auch  sämtlichen 
Soldaten  zu  Ross  und  Euss  anbefohlen,  das  Haus  des 
Betreifenden  mit  allen  Pertinentien,  als  Personen,  Ge- 
bäuden, Pferden,  Gross-  und  Kleinvieh,  Getreide  und 
dergleichen  Mobilien,  auch  allen  Zubehörungen,  welchen 
Namen  sie  auch  haben  mögen,  im  geiingsten  nicht  be- 
trüben, pressieren,  noch  beleidigen,  viel  weniger  mit  Ein- 
quartierung und  Einlogierung,  noch  Kontribution  oder 
Kriegszulagen,  Brandschatzung  oder  andrer  Exaktion  etc. 
etc.  beschweren,  sondern  diese  Salva  Guardi  oder  deren 
vidimierte  Kopie  bei  Vermeidung  schwerer  Verantwortung, 
auch,  nach  Befinden  des  Verbrechens,  unausbleiblicher 
Leibes-  und  Lebensstrafe  gebührlich  zu  respektieren  etc. 
Signat.  im  Hauptquartier  zu  Altbunzlau,  den  20.  Juli  1639. 
Zurück  nun  zu  den  Angelegenheiten,  welche  das 
Wohl  und  Wehe  der  ganzen  Stadt  betrafen.  Die  Hoff- 
nung, .dass  die  Verpüegung  der  Garnison  den  benach- 
barten Ämtern  und  Städten  ganz  auferlegt  werden  würde, 
war  nicht  in  Erfüllung  gegangen.  Die  Stadt  musste  sich 
zu  einer  monatlichen  Geldleistung  von  1000  Thlr.  ver- 
stehen. Dazu  kam  im  August  eine  neue  Forderung: 
Amt  und  Stadt  sollten  auf  Anordnung  des  Kommandanten 
4000  Scheffel  Getreide  im  Schloss,  Zeughaus  und  Korn- 
haus aufschütten'^^).  Der  Obrist  ging  zwar  mit  seiner 
Forderung  an  die  Stadt  etwas  zurück;  trotzdem  aber 
sah  sich  die  Stadt  noch  gezwungen,  am  16.  September 
eine  Eingabe  an  Bawyr  zu  machen  und  ihm  unter  Dar- 
legung der  Verhältnisse  die  Unmöglichkeit  einer  solchen 
Leistung  zu  erklären"'').  Der  Kommandant  fuhr  indes 
fort,  auf  die  Getreidelieierung  zu  dringen;  wahrscheinlich 
handelte  er  streng  nach  den  Befelilen  des  Feldmarschalls, 
wenn  er  nicht  nur  die  weitere  Befestigmig  der  Stadt  mit 
grösstem  Eifer  betrieb,  sondern  auch  möglichst  viel  Pro- 
viant in  den  Magazinen  aufspeicherte.  Denn  über  kurz 
oder  lang  konnte  Bauer  aus  Böhmen  zurückgedrängt 
werden;  es  war  alsdann  von  grösster  Wichtigkeit,  in 
Saclisen  gefüllte  Magazine  zu  finden.  Andererseits  frei- 
lich musste  die  Getreideforderung  für  die  Bürger,  welche 


"58)  Fascikel  A.  fol.  141  flg.  Abschiift, 

"^ö)  Vergl.  RathsprotokoU  vom  29.  August  1639. 

60)  Fascikel  A,  fol.  156. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  293 

bereits  thatsächlich  Mangel  litten,  furcMbar  sein.  Am 
16.  September  schon  hatte  die  anf  das  Rathhaus  gefor- 
derte Bürgerschaft  beschlossen,  eine  Supplikation  an 
Baner  zu  senden.  Als  der  Kommandant  gegen  alle  wei- 
teren Bitten  um  Ermässigung  der  Forderung  taub  blieb, 
beschloss  am  17.  Oktober  auch  der  Rath,  an  den  Feld- 
marschall zu  supplizieren,  doch  mit  Vorwissen  des  Obristen. 
In  der  Rathssitzung  am  21.  Oktober  wurde  das  Konzept 
vorgelesen  und  genehmigt.  Am  22.  Oktober  war  die 
Reinschrift  fertig  gestellt,  der  Bote  aber  weigerte  sich 
(wahrscheinlich  der  Unsicherheit  der  Strassen  wegen), 
das  Gesuch  fortzutragen*^^).  In  dem  Schreiben  wurde 
unter  anderm  darauf  hingCAviesen,  dass  die  Stadt  den  seit 
etlichen  Jahren  aufgespeicherten  Getreidevorrath  von 
1200  grossen  Zwickauer  Schelf  ein  theils  schon  an  das 
Magazin,  theils  an  die  Armee  geliefert  habe  und  nur 
noch  ein  geringer  Theil  in  Vorrath  liege.  Es  hätte  dies 
Jahr  kaum  der  zehnte  Theil  der  Felder  besät  werden  kön- 
nen, dazu  sei  auch  die  Ernte  sehr  schlecht  ausgefallen,  und 
von  anderen  Orten  werde  nichts  zu  Markte  gebracht. 
Es  müsse  Theuerung  und  Hungersnoth  entstehen,  wenn 
die  Stadt  gezwungen  werde,  des  Kommandanten  Forde- 
rung zu  erfüllen.  Dann  heisst  es  weiter:  „Deshalb  haben 
zu  Eurer  Excellenz  wii'  unsere  Zuflucht  nehmen  müssen, 
und  gelanget  an  dieselbe  unser  unterthäniges  und  um 
Gottes  ^Villen  flehentliches  Bitten,  dieselbe  geruhe  gnädig 
zu  erwägen,  was  eine  solche  lange  Zeit  her  diese  arme 
Handwerksstadt .  .  .  ertragen  müssen  .  .  . ,  und  uns  die 
angekündigte  Erschüttung  der  500  Scheffel  Getreide  in 
Gnaden  zu  erlassen,  damit  die  wenigen,  so  Ackerbau 
haben,  ihrem  nothleidenden  Nächsten  zur  Erhaltung 
seiner  und  der  Seinigen  mit  einem  Stücklein  Brodes  aus- 
helfen und  nächst  Gott  beim  Leben  erhalten  helfen  können, 
denn  auf  den  widrigen  Fall  ihrer  viele  in  grosse  Hungers- 
noth gerathen  würden,  was  Eure  Excellenz  hoffentlich 
nimmermehr  begehren,  noch  belieben  werden  .  .  ."  Dat. 
Zwickau,  den  21.  Oktober  1639«'0- 

Obwohl  sich  die  Abschickung  dieses  Schi^eibens  et- 
was verzögerte,  erfolgte  sie  endlich  doch  noch. 

Während  der  zwischen  der  Stadt  und  der  Komman- 
dantui^  gepflogeneu  Verhandlungen  wegen  der  Getreide- 


")  Vergl.  Rathsprotokoll  vom  24.  Oktober  1639. 
«2)  Fascikel  A,  fol.  158. 


294  M.  Schilling: 

lieferung  hatte  Baner  von  Bölimen  aus  eine  Expedition 
nach  Pirna  unternommen.  Im  August  1639  hatte  sich 
der  kaiserliche  General  Hatzfeld  der  schwedischen  Mu- 
nition in  Chemnitz  bemächtigt *^-^).  hierauf  seine  Truppen 
mit  den  kurfürstliclien  vereinigt  und  das  von  den  Schwe- 
den besetzte  Pirna  belagert.  Im  Schloss  Sonnen  stein 
hatten  sich  die  Sachsen  seit  der  Erstürmung  der  Stadt 
durch  die  Schweden  (23.  April)  bis  jetzt  behauptet. 
Baner  brach,  um  die  Stadt  Pirna  nicht  in  des  Feindes 
Hände  fallen  zu  lassen,  mit  einem  Heer  von  12  000  Mann 
zu  Ross  und  Fuss  und  mit  20  Gescliützen  aus  seinem 
Lager  bei  Brandeis  (Altbunzlau)  nach  Sachsen  auf.  Der 
gegen  Chemnitz  dirigierte  Obrist  Schlang  bemächtigte 
sich  glücklich  wieder  der  schAvedischen  Munition.  Dar- 
nach wandte  sich  Baner  direkt  gegen  Pirna.  Die  unge- 
fähr 9000  Mann  starke  kaiserlich  -  kurfürstliche  Armee 
zog  sich,  ohne  Widerstand  geleistet  zu  haben,  nach 
Dresden  zurück.  Baner  zerstörte  die  Befestigungswerke, 
steckte  die  Stadt  in  Brand  und  kehrte  Anfang  Oktober 
nach  Böhmen  zurück.  In  Schloss  Sonnenstein  behaup- 
teten sich  die  Sachsen  nach  wie  vor. 

In  Böhmen  wurde  Baner  durch  die  von  allen  Seiten 
gegen  ihn  andrängenden  feindlichen  Truppen  vollauf  be- 
schäftigt. Daher  mag  es  kommen,  dass  clas  Gesuch  der 
Stadt  Zwickau  vom  21.  Oktober  olme  Antwort  blieb  ^*). 

Liz  wischen  hatten  sich  infolge  einer  kriegerischen 
Massregel  des  Kurfürsten  die  Verhältnisse  für  Zwickau 
so  ungünstig  gestaltet,  dass  überhaupt  auf  Berücksichti- 
gung eines  derartigen  Gesuchs  gar  nicht  zu  rechnen  war. 
Um  Zwickau  in  seine  Gewalt  zu  bekommen,  hatte  der 
Kurfürst  Befehl  gegeben,  dass  durch  streifende  Truppen- 
abtheilungen  der  Zwickauer  Garnison. .die  von  den  um- 
liegenden Herrschaften,  Städten  und  Ämtern  geleisteten 
Kontributionen  abgeschnitten  werden  sollten""').  Die 
Folgen  dieser  Massregel  musste  Zwickau  tragen.  Die 
flehentlichsten  Bitten,  selbst  ein  Fussfall  vermochten  es 
nicht  abzuwenden,  dass  der  Kommandant  —  und  was 
sollte  er  anderes  thun,  da  er  die  Magazine  nicht  an- 
greifen   durfte  —  die  volle  Verpflegung  des  Regiments 


«3)  Theatr.  Eur.  lY,  102. 

**)  Wenigstens  war  laut  RathsprotokoU  vom  11.  November  und 
9.  Dezember  bis  dahin  eine  liesolution  noch  nicht  erfolgt. 

"'■•)  Fas(dkel  A,  fol.  175:  Schreiben  des  Käthes  an  den  Kurf.  v. 
18.  Dezember,  Kathsprotokoll  v.  17.  u.  18.  Dezember  1639. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  295 

der  Stadt  aufbürdete.  Wer  niclit  in  der  Stadt  bleiben 
wolle,  äusserte  er  auf  diesbezügliche  Vorstelhmgen  hin, 
möge  immer  hinlaufen.  Man  solle  sich  darüber  schlüssig 
werden,  ob  man  die  Soldaten  speisen,  oder  eine  Löhnung 
zuwege  bringen  wolle.  Durch  seinen  Sekretär  liess  er 
dem  Rathe  schliesslich  erklären,  dass  er  „bei  Cavalliers 
Würden"  von  einer  Verpflegungssumme  von  1000  Thlr. 
nicht  abgehen  werde.  Er  wolle  des  Kurfürsten  Land 
und  Leute  nicht  schonen,  sondern  verderben  und  dem 
pirnaischen  Kreise  gleich  machen.  Mit  Feuer  und  Schwert 
wolle  er  die  lässigen  Kontribuenten  zu  finden  wissen. 
Da  man  eine  Verpflegung  in  Geld  immer  noch  für  er- 
träglicher hielt,  als  die  Naturalverpflegung,  so  beschlossen 
Kath  und  Bürgerschaft  gemäss  der  Forderung  des  Kom- 
mandanten 500  Thlr.  gleich  und  die  andere  Hälfte  in 
5  Tagen  zu  zahlen. 

Die  Stadt  bat  den  Kurfürsten,  seinen  Befehl  zu 
kassieren.  Es  geschah  jedoch  nichts  zur  Erleichterung 
der  Bedrängnis.  In  höchster  Angst  wandte  man  sich 
wiederum  an  den  Feldmarschall,  und  zwar  ohne  Vor- 
wissen des  Kommandanten,  da  derselbe  die  Supplikation 
leicht  verhindern  könnte  *^*^).  Eine  Deputation  von  vier 
Personen  sollte  dem  Feldmarschall  ein  vom  20.  Dezember' 
datiertes  Schreiben  nebst  einem  Memorial,  in  welchem 
der  Stadt  Angst  und  Noth  geschildert  war,  und  einer 
Spezifikation  überreichen*^').  In  einem  Schreiben  vom 
19.  Dezember  ersuchte  die  Stadt  die  Gräfin,  den  abge- 
sandten Rathspersonen  und  Bürgern  bei  dem  Feldmar- 
schall eine  gnädige  Audienz  erwirken,  Fürbitte  einlegen 
zu  wollen  und  eine  gnädige  Resolution  zuwege  bringen 
zu  helfen  ^^). 

Der  Feldmarschall  befand  sich  um  diese  Zeit  noch 
in  Böhmen.  Die  Deputation  musste  mit  Geldmitteln 
versehen  werden.  Bei  dem  erschöpften  Zustande  der 
Stadt  sah  sich  der  Rath  gezwungen,  die  kurfürstliche 
Tranksteuer  anzugreifen*^^).  So  begab  sich  denn  die 
Deputation  auf  den  Weg.  Was  für  Aufnahme  sie  beim 
Feldmarschall  gefunden,  darüber  geben  unsere  Quellen 
keine  Auskunft.  Im  RathsprotokoU  vom  13.  Januar  1640 
steht  zwar  die  Bemerkung:     „Peter  Winter  (Rathsherr 


®*)  Eathsprotokoll  vom  20.  Dezember. 

6')  Fascikel  A,  fol.  184,  188.  —  «s)  Ib.  fol.  183. 

^»)  RathsprotokoU  vom  20.  Dezember. 


296  M.  Sdiilling: 

und  Mitglied  der  Deputation)  liat  referiert,  wie  seine 
und  seiner  Konsorten  Abscliickung-  und  Verrichtung  ab- 
gelaufen"; etwas  Näheres  jedoch  wird  nicht  mitgetheilt. 
Wohl  aber  wird  berichtet,  dass  der  Obrist  die  Abschik- 
kung  sehr  übel  aufgenommen  liabe.  Der  Umstand,  dass 
der  Obrist  immer  neue  Furdurungen  erhob  ^"^j  und  die 
Stadt  zur  Erfüllung  derselben  zwang,  lässt  vermuthen, 
dass  die  Deputation  ohne  günstige  Eesolution  zurückge- 
kommen war.  In  den  Verhandlungen,  die  wegen  Er- 
füllung jener  Forderungen  zwischen  dem  Kommandanten 
und  dem  Rath  geführt  wurden,  findet  sich  unter  anderm 
der  Vorschlag  der  Bürgerschaft  vom  21.  April  1640,  es 
möchte  der  Herr  Obrist  sein  Regiment  aus  den  Magazi- 
nen verpflegen,  man  wolle  den  Herrn  Generalfeldmarschall 
bitten,  dass  er  es  thun  dürfe.  Allein  diese  Möglichkeit 
einer  Erleichterung  war  durch  ein  Schreiben  Bauers  sub 
dato  Böhmisch-Leipa,  den  22.  Februar  1640  bereits  ab- 
geschnitten, in  welchem  der  Kommandant  die  Weisung 
erhielt,  seinen  Unterhalt  von  der  Stadt  zu  nehmen  und 
das  Magazin  ohne  äusserste  Noth  nicht  anzugreifen'^^). 

Dies  ist  die  letzte  auf  Zwickau  bezügliche  Kmid- 
gebung  Bauers  aus  dem  vorliegenden  Aktenmaterial  des 
liathsarchivs  mit  Ausschluss  der  ßathsprotokolle.  Von 
jetzt  ab  stützt  sich  unsere  Darstellung  in  der  Haupt- 
sache auf  letztere  und  das  Theatrum  Europaeum. 

Ende  Februar  hatte  Bauer  also  sein  Hauptquartier 
zu  Böhmisch-Leipa'-).  Die  Kaiserlichen  näherten  sich 
ihm  bis  auf  wenige  Meilen.  Er  zog  sich  westwärts  und 
überschritt  in  der  ersten  Hälfte  des  März  die  Elbe  bei 
Leitmeritz.  Dort  schlug  er  sein  Haupt(iuartier  auf,  in- 
dem er  nur  etwa  fünf  Regimenter  Fussvolk  und  etwas 
Reiterei  bei  sich  hatte.  In  der  zweiten  Hälfte  des  Mo- 
nats war  er  gezwungen,  Böhmen  zu  verlassen;  den 
nachrückenden  kaiserlichen  Truppen  geschickt  ausweichend, 
gelangte  er  glücklich  durch  die  Pässe  des  Gebirges  und 
erreichte  am  23.  März  n.  St.  Chemnitz  und  Zwickau. 
Bereits  vor  seiner  Ankunft  in  Zwickau  hatte  er  auf  des 
Obristen  von  Billingshausen  Antrag  Ordre  ertheilt,  die 
restierenden  Rekrutengelder  bei  Vermeidung  militärischer 
Exekution   au   das  betreffende   Regiment   abzuführen'-'). 


70)  Vergl.  Rathsprotükoll  vom  29.  Dezember. 
'1)  Fascikel  A,  fol.  209,  Extrakt. 
72)  Vergl.  auch  Theatr.  Bur.  IV,  364. 
■'=')  RathsprotokoU  vom  18.  März  1640. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  297 

Der  Obrist  hatte  auch  selbst  an  die  Stadt  geschrieben. 
Dem  Feldmarschall,  wie  auch  dem  Obristeu  wurde  Ant- 
wort ertheilt;  man  sandte  einen  Boten  und  hoffte  auf 
guten  Bescheid.  Wir  erfahren  indes  aus  unseren  Quellen 
über  diese  Angelegenheit  nichts  weiter.  Von  Bauers 
Anwesenheit  erzählt  das  Theatr.  Eur.  (IV,  366  flg.)  nur, 
dass  seine  Generäle  und  Obristen  bei  armen  Handwerks- 
leuten vorlieb  nehmen  mussten,  und  dass  es  diesen  über 
die  Massen  schwer  gefallen  sei,  solche  Personen  zu 
speisen.  Brod  und  Getränk  wäre  kaum  für  Geld  zu  be- 
kommen gewesen.  Fourage  und  Hafer,  wie  auch  etwas 
von  anderen  Früchten  (Getreide),  hätte  man  zwar  vom 
Lande  und  dem  Adel  haben  können,  es  sei  aber  Mangel 
an  Mahlwerk  gewesen.  Ähnliches  berichtet  Tob.  Schmidt. 
In  manchem  Hause  hätten  60,  70,  auch  100  Pferde  ge- 
legen, und  mancher  Hausvater  hätte  4  bis  6  Tische 
speisen  müssen.  In  den  Unterlagen  zu  den  Kämmerei- 
rechnungen vom  Jahre  1640  liegt  eine  Liquidation  für 
die  Verpflegung  des  Generalmajors  Wrangel;  sie  beläuft 
sich  für  die  Zeit  von  12  Tagen  (vom  23.  März  bis  zum 
4.  April)  auf  nicht  weniger  als  511  Fl.  3  Gr.  6  Pf. 

Bald  nach  seiner  Ankunft  forderte  Bauer  von  der 
Stadt  4000  Thlr.;  sie  war  aber  nicht  in  der  Lage,  eine 
so  hohe  Summe  aufzubringen.  Bauer  wiederholte  die 
Forderung.  Auf  die  an  ihn  und  seine  Gemahlin  gerich- 
teten Bittschreiben  erfolgte  der  Bescheid,  dass  die  Zah- 
lung am  30.  März  zu  bewirken  sei'^).  Trotzdem  wurde 
noch  ein  Versuch  gewagt.  Das  Unglück  verlieh  den 
Bedrückten  grosse  Zähigkeit.  Es  wurden  zwei  Raths- 
personen  an  die  Feldmarschallin  abgeordnet.  Sie  kamen 
zurück  und  referierten,  die  Frau  Gräfin  habe  ihnen  auf 
ihre  um  Gottes  und  des  jüngsten  Gerichts  willen  ge- 
schehene Bitten  folgende  mündliche  Antwort  ertheilt: 
ihr  Herr  begehre  von  der  armen  Stadt  und  Bürgerschaft 
durchaus  nichts,  sondern  der  Kommissarius  Flandrin  hätte 
Befehl,  durch  und  bei  einem  Kaufmann  hier  etliche  Gel- 
der auf  Wechsel  an  andere  Orte  zu  übermachen  und 
nicht  von  der  Stadt  etwas  zu  fordern. 

Diese  milde  Wendung  der  Angelegenheit  hatte  man 
sicher  in  erster  Linie  der  Gräfin  zu  verdanken;  denn 
nach  all  den  Vorgängen  zu  urtheilen,  war  es  doch  wohl 


'*)  Vergl.  Rathsprotokoll  vom  29.  März  1640. 


298  M.  Schilling: 

Tliatsache,   dass  Bauer  das  Ansinnen  einer  Kontribution 
von  4000  Thlr.  an  die  Stadt  gestellt  hatte. 

Die  Stadt  wollte  sich  für  die  gänzliche  Remittierung 
der  geforderten  Geldsumme  dankbar  erweisen.  In  be- 
sonderer Ratlissitzung  (den  31.  März)  verhandelte  man 
darüber,  ob  es  nicht  angezeigt  sei,  der  Kammerjungfrau 
der  Feldmarschallin,  w^eil  sie  das  Ihrige  dazu  beigetragen, 
eine  Verehrung  zum  Andenken  zu  geben.  Auch  müsste 
man,  da  des  Herrn  Feldmarschalls  Hofhaltung  sehr  viel 
kostete,  auf  Mittel  denken,  wie  Geld  zusammengebracht 
und  der  nothdürftige  Unterhalt  in  die  Küche  geschatft 
würde,  damit  man  nicht  mit  Schimpf  bestehen  möchte. 
Man  beschloss,  100  Thlr.  aufzubringen.  Davon  sollten 
50  Thlr.  dem  Hofmeister  des  Feldmarschalls  gegeben 
werden,  damit  er  nicht  auf  Forderungen  bestehe,  die 
man  mit  Glimpf  ablehnen  könne;  30  Thlr.  wollte  man 
der  Kammerjungfrau  verehren;  der  Rest  von  20  Thlr. 
sollte  in  Vorrath  zu  allerhand  Ausgaben  zurückbehalten 
werden.  Gewiss  ein  bescheidener  Vorrath;  ein  noch 
sprechenderes  Zeugnis  aber  für  die  hilflose  Lage  der 
Stadt  ist  die  später  nachgetragene  Bemerkung  am  Schlüsse 
des  Protokolls:     „Ist  aber  keines  nicht  geschehen." 

Die  Zeit  seines  Aufenthaltes  in  Zwickau  benutzte 
Bauer,  um  seine  Armee  wieder  in  Kriegsbereitschaft  zu 
setzen.  Er  liess  Königsmark  und  Pfuhl  im  Lande  um- 
herziehen, Rekruten  und  Geld  zu  schaffen.  Dem  Gene- 
ralmajor Wittenberg  gab  er  das  Kommando  über  neun 
Regimenter,  die  in  der  Gegend  von  Plauen  i.  V.  lagen. 

Als  der  kaiserliche  Generalwachtmeister  von  Bredau 
erkundet  hatte,  dass  die  Banersche  Armee  zerstreut  um- 
herlag, beschloss  er,  mit  Kürassieren  und  leichter  Reiterei, 
mit  deutschem  und  kroatischem  Fussvolk  die  unter  Wit- 
tenbergs Befehl  stehenden  Regimenter  im  Vogtlande  zu 
überfallen.  Die  Schweden  wurden  von  diesem  Plane 
rechtzeitig  unterrichtet  und  erwarteten  den  Feind  in 
Schlachtordnung  bei  Plauen.  Sie  erlitten  jedoch,  von 
zwei  Seiten  angegriffen,  eine  vollständige  Niederlage  und 
wurden  in  wirrer  Flucht  auf  Zwickau  zurückgeworfen. 
(4.  April  a.  St.).  Drei  von  Bauer  schleunigst  zu  Hilfe 
gesandte  Regimenter  kamen  zu  spät,  um  das  Unheil  ver- 
hüten zu  können.  Die  schwedischen  Regimenter  verloren 
fast  aUe  Standarten  und  mussten  die  ganze  Bagage  im 
Stiche  lassen.  Der  kaiserliche  Obrist  Hennensee  hatte 
Befehl,  keinem  Schweden  Quartier  (Pardon)    zu    geben; 


Ziu-  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  299 

desgleichen  tliaten  die  Eakowitzsclien  Kroaten,  welche 
200  schwedische  Reiter  in  der  Verfolgung  bis  auf  60 
niedermetzelten.  Die  Kaiserlichen  machten  gegen  700 
Gefangene,  unter  denen  sich  auch  der  junge  Gustav  Hörn 
befand'-^). 

Die  Trümmer  der  schwedischen  Regimenter  sammel- 
ten sich  bei  Zwickau.  Am  folgenden  Tage  (den  5.  April) 
brach  Bauer  nach  Jena  und  Erfurt  auf,  den  Obristen 
Schlieben  mit  seinem  schwachen  Regimente  von  300  Mann 
in  Zwickau  zurücklassend. 

An  dieser  Stelle  möge  der  Gemahlin  Bauers  noch 
einmal  gedacht  werden.  Es  ist  erwähnt  worden,  dass 
die  Stadt  Zwickau  wiederholt  ihre  Fürbitte  anrief  und 
stets  freundliches,  theilnehmendes  Gehör  fand.  Diese 
Frau  ist  eine  wohlthuende  Erscheinung  inmitten  der 
Rücksichtslosigkeiten  des  Krieges.  Die  Feldmarschallin 
starb  bald  nach  Baners  Abzug  aus  Zwickau  im  Lager 
vor  Salfeld  am  29.  Mai  (8.  Juni)  1640.  Das  Theatr.  Eur. 
IV,  365  sagt  im  Anschluss  daran: 

„Der  Frau  Bäuerin  Todfall  ist  nicht  allein  vom  Herrn 
General  zu  vorderist  gar  heftig  selbst,  sondern  auch  von 
allen  vornehmen  Kavallieren  und  der  gemeinen  Soldateska, 
die  sie  für  ihre  Mutter  gehalten,  betrauert  worden,  wie 
denn  Ilire  Gnaden  durch  dero  guten  Verstand  in  den 
Landschaften  viel  Unheils  verhindert,  beim  Herrn  Gene- 
ral durch  Vorbitten  viel  erhalten,  viel  Arges  abgewendet, 
manches  Gute  gepflanzt,  manichem  Offizier  und  andern 
aus  Nöthen  und  Unglück  geholfen,  deswegen  männiglich 
sie  sehr  ungern  verloren." 

Die  schwedische  Besatzung  behauptete  sich  in  dem 
Besitz  der  Stadt  trotz  wiederholter  Versuche  des  Feindes, 
Zwickau  zu  entsetzen.  Diese  Versuche  erhöhten  nur  die 
Bedrängnis  der  Stadt,  so  dass  selbst  zu  dem  auf  den 
31.  Juli  nach  Dresden  ausgeschriebenen  Landtage  nicht 
einmal  Abgeordnete  geschickt  werden  konnten ;  Matthäus 
Winter  bemerkt:  „wegen  des  Kriegsvolcks,  das  hie  lag." 
Die  Stadt  Chemnitz  wurde  durch  ein  Schreiben  des  Rathes 
mit  der  Vertretung  beauftragt. 

Im  Laufe  des  Jahres  vereinigte  sich  Bauer  mit  der 
französisch-weimarischen  x4.rmee  unter  Marschall  Guebriant 
und  unternahm  im  Winter  1640/41   den  bekannten  Zug 


■'^)  Vergl.   Bredaus  Bericht  an  deu   Feldmarschall  Piccolomini 
im  Theatr.  Eur.  IV,  368. 


300  M   Schilling: 

gegen  Regensburg ,  um  den  dort  eben  versammelten 
Reichstag  aufzuheben.  Der  Streich  misskmg.  Bauer 
trennte  sich  wieder  von  Guebriant,  indem  er  die  Ober- 
pfalz besetzt  hielt.  Die  Separation  Bauers  veranlasste 
die  Kaiserlichen,  alle  Truppen  aus  Bayern,  Schwaben, 
Böhmen  und  Schlesien  zusammenzuziehen  und  eiligst 
nach  der  Nab  zu  dirigieren.  Der  Feldmarschall  hatte 
sein  Hauptciuartier  in  Cham.  Sobald  er  Kunde  von  des 
Feindes  Absicht  erhielt,  gab  er  dem  zu  Schwandorf 
liegenden  Obrist  Schlang  Befehl,  mit  allen  zu  Schwan- 
dorf, Vilseck,  Auerbach  und  Burglengenfeld  befindlichen 
Truppen  unverzüglich  zu  ihm  zu  stossen'**).  Am  7.  März 
1641  nachts  3  Uhr  kam  Schlang  mit  seinem  Regiment 
in  Neuenburg  (zwischen  Schwandorf  und  Cham)  an;  er 
erwartete  hier  die  beiden  schwedischen  Regimenter  von 
Nabburg.  Schlang  wurde  aber  samt  diesen  beiden  Re- 
gimentern von  der  feindlichen  Kavallerie  eingeschlossen. 
Das  bewog  Bauer,  am  9.  März  in  grösster  Eile  seinen 
Rückzug  nach  Sachsen  anzutreten.  Auf  dem  Fusse  folgte 
ihm  eine  feindliche  Kavallerieabtheilung  von  1000  Reitern 
und  dahinter  Piccolomini  mit  Fussvolk  und  Geschütz. 
Doch  wurde  die  feindliche  Avantgarde  von  dem  schwe- 
dischen Nachtrapp  stets  in  gewisser  Entfernung  gehalten, 
so  dass  es  zu  einem  Gefecht  nicht  kam.  Dieser  Rück- 
zug ist  nicht  unähnlich  dem,  welchen  Baner  1637  von 
Torgau  aus  über  die  Oder  nach  Pommern  bewirkte. 
Glücklich  gelangte  er  bis  nach  Kaaden  an  der  Eger. 
Von  hier  aus  erreichte  er  eine  halbe  Stunde  vor  der 
feindlichen  „Reiterei  den  Pass  von  Pressnitz.  Er  war 
gerettet.  Über  Annaberg  und  Chemnitz  kam  Baner  am 
20./30.  März  glücklicli  in  Zwickau  an,  fast  um  dieselbe 
Zeit  wie  ein  Jahr  zuvor.  Im  Vogtlande  vereinigte  sich 
Bauer  wiederum  mit  dem  französisch-weimarischen  Heere. 

Über  Bauers  Flucht  und  seinen  Verlust  in  der  Ober- 
pfalz herrschte  in  Dresden  grosser  Jubel.  Am  27.  März 
a.  St.  Hess  der  Kurfürst  von  allen  Wällen  Feuer  geben 
und  die  Garnison  Salve  schiessen.  An  demselben  Tage 
wurde  ein  grosses  Bankett  gehalten  und  am  nächsten 
Tage,  einem  Sonntage,  in  Alt-  und  Neu-Dresden  und  in 
der  Schlosskirche  das  Te  Deum  laudamus  celebriert. 

Über  Bauers  Zwickauer  Aufenthalt  in  diesen  Tagen 


'«)  Theatr.  Eur.  IV,  618  flg. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  301 

schweigen  die  Rathsprotokolle,  und  M.  Winters  Annalen 
reichen  nur  bis  zum  30.  November  1640.  Tob.  Sclimidt 
berichtet  von  starker  Einquartierung-  und  Mangel  an 
Lebensmitteln.  Ausser  Bauer  hatten  die  hervorragend- 
sten Heerführer  und  Offiziere  in  der  Stadt  Quartier  ge- 
nommen. Auch  der  Herzog  von  Guebriant  lag  in  Zwickau. 
Die  Umgebung  litt  furchtbar  unter  den  Anforderungen 
der  schwedischen  und  französisch -weimarischen  Armee. 
Am  22.  März  a.  St.  bereits  brach  ein  Theil  der  schwe- 
dischen Armee  nach  Altenburg  zu  auf.  Am  folgenden 
Tage  verliess  auch  Bauer  die  Stadt.  Sein  dreimaliger 
Aufenthalt  hatte  derselben  über  16000  Thh\  gekostet"). 
Von  Schmölln  verlegte  er  sein  Hauptquartier  bald  nach 
Altenburg,  wo  er  bereits  am  Fieber  litt.  Am  6./16.  April 
zog  er  weiter  nach  Zeitz ;  er  musste  das  Bett  mit  in  die 
Kutsche  nehmen,  streckenweis  sich  in  der  Sänfte  tragen 
lassen.  Nichtsdestoweniger  setzte  er  seinen  Marsch  über 
Naumburg  und  Weissenfeis  nach  Mersebui'g  fort.  Wegen 
Proviantmangels  Hess  er  seine  Armee  getrennt  marschie- 
ren ;  ein  Theil  derselben  zog  das  Elster-  und  Muldenthal 
entlang. 

In  Hof  hielten,  nachdem  Bauer  durch  den  Pressnitzer 
Pass  entkommen  war,  die  Kaiserlichen  Rendezvous ;  hier- 
auf gingen  sie  in  starken  Abtheilungen  gegen  Zwickau 
vor.  Zwischen  Plauen  und  Ölsnitz  veranstaltete  General 
Piccolomini,  der  von  jetzt  an  Stelle  des  Erzherzogs 
Leopold  Wilhelm  den  Oberbefehl  führte,  ein  General- 
rendezvous (12./22.  April). 

Der  Abzug  des  schwedischen  Heeres  von  Zwickau 
wurde  von  der  weimarischen  Armee  gegen  die  Verfolgung 
der  Kaiserlichen  gedeckt.  Piccolominis  Ankunft  in  Weis- 
senfels  war  für  den  8./18.  Mai  angesagt.  Da  fühlte  sich 
Bauer  in  Merseburg  nicht  mehr  sicher.  Li  einer  Sänfte 
reisend,  begab  er  sich  gegen  den  Rath  der  Ärzte  am 
6./16.  Mai  nach  Eisleben.  Auch  hier  fand  er  vor  dem 
Andringen  der  Kaiserlichen  keine  Ruhe.  Am  7./17.  Mai 
schon  brach  er  nach  Quedlinburg  und  von  da  nach  Hal- 
berstadt auf,  wo  er  am  10./20.  Mai  bereits  früh  zwischen 
4  und  5  Uhi-  nach  achtwöchentlicher  Krankheit  starb '^). 


")  Grünes  Buch  A,  fol.  194. 
'8)  Vergl.  Theatr.  Eur.  IV,  625. 


302  M.  Schilling: 


IT.  Innere  Zustünde. 

Bis  zum  Jahre  1632  hatte  Zwickau  von  den  Einwir- 
kungen des  Krieges,  der  Deutschland  schon  über  ein 
Jahrzehnt  verheerte,  wenig  zu  leiden  gehabt.  Die  Neu- 
tralität des  Kurfürsten  schützte  das  Land.  Anders  aber 
^vurde  es,  als  sich  Sachsen  dem  König  von  Schweden 
angeschlossen  hatte.  Nach  dem  Siege  bei  Breitenfeld 
verlegten  die  Verbündeten  den  Kriegsschauplatz  nach 
Böhmen  und  Süddeutschland.  Nachdem  aber  Wallenstein 
die  Sachsen  aus  Böhmen  gedrängt  hatte,  scliien  ilin  nichts 
zu  hindern,  das  Kurfürstenthum  mit  seinen  Schaaren  zu 
überschwemmen.  Ol)  aus  politischer  Rücksicht  gegen 
den  Kurfürsten,  den  man  vielleicht  durch  schonende  Be- 
handlung noch  für  den  Kaiser  zu  gewinnen  hoffte,  oder 
wegen  der  bedrohlichen  Fortschritte  des  Schwedenkönigs 
in  Bayern,  von  wo  aus  demselben  der  Weg  in  die  öster- 
reichischen Erblande  offen  stand:  kurz.  Wallenstein 
wandte  sich  nach  Franken  und  schien  es  auf  das  prote- 
stantische Nürnberg  abgesehen  zu  haben.  Vergeblich 
bestürmte  Gustav  Adolf  Wallen  stein  in  seiner  vorzüglich 
gewählten  Stellung;  da  spielte  letzterer  den  Krieg  hin- 
über auf  kursächsisches  Gebiet.     Bereits  Anfang  August 

1632  hatte  er  den  Feldmarschall-Lieutenant  Holke  aus 
der  Gegend  von  Bamberg  nach  Sachsen  entsandt.  Am 
18.  August  musste  ihm  Zwickau  die  Thore  öffnen.  Von 
da  an  sollte  die  Stadt  länger  als  zehn  Jahre  hindurch 
alle  Schrecknisse  des  Krieges  erfahren.  Im  Oktober 
passierte  Wallenstein  selbst  mit  zweitägigem  Aufent- 
halte die  Stadt  auf  seinem  Zuge  aus  Bayern  nach  der 
Ebene  von  Leipzig  und  Lützen.  Seit  dem  August  hatte 
Zwickau  eine  kaiserliche  Besatzung  zu  unterhalten.  Nach 
der  Schlacht  bei  Lützen  suchten  starke  Abtheilungen  der 
geschlagenen  Wallensteinschen  Armee  Zuflucht  innerhalb 
der  Mauern  der  Stadt.  Die  Vorstädte  und  die  weitere 
Umgebung  glichen  einer  Wüstenei.  Im  folgenden  Jahre 
wüthete  die  Pest  in  entsetzlicher  Weise.  Der  Schade, 
den  die  Stadt  innerhall)  eines  Jahres  an  fahrender  und 
liegender  Habe  erlitten  hatte,  wurde  von  amtlicher  Seite 
auf  mehr  als  100000  Thlr.  geschätzt.  Krieg  und  Pest 
hatten  den  grössten  Theil  der  Bevölkerung  hiuAveggerafft. 

Auf  die  kaiserliche  Besatzung  war  im  Dezember  1632 
die   schwedische   gefolgt,   nach   deren  Abzug  im  Januar 

1633  die   Stadt    mehrere  Jahre   hindurch   fast  ununter- 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  303 

brochen  eine  anspruchsvolle,  kurfürstliche  Besatzung  mit 
schweren  Opfern  unterhalten  musste^).  Und  nach  dem 
Prager  Frieden  1635  kamen  die  Schweden  als  Feinde 
ins  Land. 

Im  Februar  1639  fiel  die  Stadt  in  Baners  Hände.  Die 
ihr  von  jetzt  an  auferlegten  Lasten")  musste  der  ein- 
zelne im  Vergleich  zum  Jahre  1632  um  so  mehr  em- 
pfinden, als  seit  jener  Zeit  die  Stadt  beständig  unter 
schwerem  Druck  gestanden  hatte,  Handel  und  Gewerbe 
vollständig  darnieder  lagen  und  seit  dem  Pest  jähre  1633 
die  Zahl  der  steuerpflichtigen  Bürger  nur  unwesentlich 
sich  erhöht  hatte. 

So  lagen  die  Verhältnisse,  als  Bauer  nach  der  miss- 
glückten Belagerung  Freibergs  die  im  Februar  in  Zwickau 
zurückgelassene  schwedische  Besatzung  unter  Kapitän 
Billingshausen  (nicht  zu  verwechseln  mit  dem  Obrist 
Billingshausen)  durch  die  Ordre  vom  23.  März  abberief 
und  das  bei  Freiberg  stark  mitgenommene  Regiment  des 
Obristen  von  Bawyr  als  Besatzung  dahin  kommandierte. 

Die  nun  folgende  Darstellung  bezieht  sich  auf 
die  Zeit  der  schwedischen  Besatzung  unter  Obrist 
von  Bawyr,  vom  24.  März  1639  bis  zum  24.  März 
1640.  Sie  stützt  sich  ausschliesslich  auf  das  Mate- 
rial des  Zwickauer  Rathsarchivs^)  und  sucht  die  zer- 
streuten Thatsachen  in  einem  Bilde  zu  vereinigen,  das 
vielleicht  eine  Anschauung  gewährt  von  den  inneren  Ver- 
hältnissen der  Stadt  während  einer  Zeit  schwerer  Be- 
drückung: von  den  Bemühungen  des  Stadtregiments,  die 
Forderungen  der  Besatzung  zu  erfüllen,  oder  abzumin- 
dern, oder  ganz  abzulehnen;  von  den  Massregeln,  das 
nöthige  Geld  zur  Bestreitung  der  laufenden  Ausgaben 
aufzubringen;  von  der  Willfährigkeit  oder  der  Wider- 
spenstigkeit der  Bürgerschaft,  in  treuem,  verfassungs- 
mässigem Zusammenwirken  mit  dem  ßath  das  gemein- 
same Unglück  tragen  zu  helfen ;  von  dem  Verhältnis  des 
Kommandanten  zu  Rath  und  Bürgerschaft  u.  s.  w. 

Die  Besatzung  musste  selbstverständlich  den  Bestim- 
mungen  der   schwedischen  Verpflegungsordnung   gemäss 


^)  Vergl.  oben  S.  273.  Die  Gravamiua  specialia  der  Stadt  Zwickau 
vom  Jahre  1634,  welche  den  Landtagsakten  1634/35  beiliegen,  be- 
haupten, dass  auf  die  Jahre  1632—34  über  300  000  fl.  spezifiziert 
werden  könnten. 

2)  Yergl.  oben  S.  278  flg. 

8)  Vergl.  oben  S.  278  No.  15. 


304  ^-  Schilling: 

verpflegt   werden.    Auf  die  Dauer   der   ersten  11  Löh- 
nungen (vom  25.  März  bis  2.  Juli)   wurden  die  Soldaten 
von  den  Bürgern  gespeist.    Da  die  Löhnungen  nur  nach 
dem  Effektivbestand  berechnet  werden  durften,  so  wech- 
selte  mit   der  Stärke   der  Besatzung   die  Höhe  der  ein- 
zelnen Löhnungen;  unglücklicherweise  aber  bedeutete  ein 
solcher  Wechsel  für  Zwickau  stets  eine  Steigerung  der  Zahl 
der  Besatzungstruppen.     So  war  z.  B.  das  Regiment  bei 
seinem  Einzug  etwa  300  Mann  stark ;  zur  Zeit  der  8.  Löh- 
nung jedoch  (am  2. — 11.  Juni)   zählten  die  12  Kompag- 
nien,  deren  Stärke  zwischen   19  und  98  differierte,   zu- 
sammen 487  Knechte;   dazu  kamen  noch  die  hohen  Offi- 
ziere   und    der    Stab,    sowie   die  Konstabier,  Sergeanten 
und  Unteroffiziere.     Auf   einen  Knecht   wurde    aller   10 
Tage  1  Thlr.  2  Gr.,  auf  einen  Unteroffizier  1  Thlr.  18  Gr., 
einen  Sergeanten  und  Konstabier  (Artilleristen)  je  2  Thlr. 
gerechnet.    Der  Obrist  erhielt  auf  dieselbe  Zeit  363  Thlr. 
20  Gr.,  der  Obristlieutenant  24  Thlr.,  1  Kapitän  15  Thlr. 
u.  s.  w.    Ausserdem  mussten  den  hohen  Offizieren  Servis 
gelder  (für  Wohnung,  Feuerung  und  Licht)  gewährt  werden, 
und  zwar  dem  Obrist  für  10  Tage  27  Thlr.  21  Gr.,  dem 
Wachtmeister  6  Thlr.  19  Gr.  u.  s.  w.^).    Nach  einer  amt- 
lichen Zusammenstellung  waren   für   die  ersten  11  Löh- 
nungen,   also  vom  25.  März  bis  zum  2.  Juli,  an  barem 
Gelde  ausgegeben  worden  19295  Thlr.'^).    Nachdem  Bauer, 
um  die  Stadt  zu  entlasten,   dem  Bawyrschen  Regimente 
auf  wiederholte  Supplikationen    der  Stadt  hin  vom  Juli 
ab  andere  Orte  zur  Verpflegung  assiguiert  hatte,  musste 
die  Stadt  immerhin   noch   monatlich    1000  Thlr.  für  das 
Regiment  autljringen,  ausschliesslich  der  Servisgelder  für 
die   hohen  Offiziere;   und    selbstverständlich    nmsste    die 
Bürgerschaft  die  Servisen  in  natura  für  die  Soldaten 
nach  wie  vor  tragen.    Wenn  aber  die  Verpflegung  der 
Besatzung  aus  hegend  einem  Grunde  durch  die  assignierten 
Orte  nicht  erfolgte,  musste  die  Stadt  den  Ausfall  decken. 

Nach  diesem  Überblick  wollen  wir  den  einschlägigen 
Verhältnissen  etwas  näher  treten. 

Schon  nach  der  3.  Löhnung,  im  April  1639,  reichten 
die  laufenden  Einkünfte  der  Stadt  nicht  mehr  zur  Be- 
streitung  des   Verptiegungsaufwandes   aus**).     Der  RatU 


*)  Vergl.  Fascikel  C,  fol.  88  flg.,  139  flg.  und  170. 

6)  Ib.  fol.  164. 

®)  Vergl.  Ratlisprot.  vom  19.  April. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  305 

ei^og  die  Erhebung  einer  Extrasteuer ,  gerieth  aber  in 
bezug  auf  den  Besteuerungsmodus  in  Differenz  mit  der 
Bürgerschaft.  Absehend  von  einer  gleichzeitigen  Be- 
steuerimg des  Handels,  schlug  der  ßath  die  Besteuerung 
nach  Schocken  vor  (eine  Grundsteuer).  Nach  Massgabe 
des  Werthes  der  emgeschätzten  Grundstücke  in  der  Stadt 
sollten  vom  Schock  8  Pf.,  fiii'  die  Felder  und  Güter  vor 
der  Stadt  vom  Schock  4  Pf.  erlegt  werden.  Die  Bürger- 
schaft aber  bedankte  sich  für  diese  „Vorsorge"  des 
Eathes.  Eine  Anlage  auf  die  Schocke  kam  ihr  nicht 
nur  befremdlich,  sondern  sogar  unerträglich  vor,  denn 
dieselbe  sei  ungleich  und  zu  hoch.  Die  meisten,  welche 
Ackerbau  trieben,  hätten  zwar  viel  Schocke,  in  gegen- 
wärtiger Kriegsnoth  jedoch  keinen,  oder  nur  einen  ge- 
ringen Ertrag  von  ihren  Feldern.  Die  ablehnende  Äeusse- 
rung  der  Bürgerschaft  wurde  auch  von  einem  Misstrauen 
gegen  die  gewissenhafte  Amtsführung  des  Eathes  dik- 
tiert, indem  man  unverhohlen  die  Meinung  aussprach, 
dass  diejenigen,  welche  die  Steuerregister  in  den  Händen 
hätten,  damit  umgehen  könnten,  wie  sie  wollten,  dem 
einen  viel,  dem  andern  wenig  zuschrieben,  und  niemand 
erführe,  wie  hoch  sich  die  Schocke  beliefen.  Gegen  die 
Besteuerung  nach  Schocken  wurde  ferner  eingewendet, 
dass  nicht  nur  viele  Eeldgrundstücke,  sondern  auch  viele 
Häuser  in  der  Stadt  keinen  oder  nur  geringen  Ertrag 
lieferten,  da  sie  infolge  der  vom  Kommandanten  ver- 
fügten Füllung  des  Grabens  voll  Wasser  stünden.  Zu- 
letzt theilten  die  Abgeordneten  der  Bürgerschaft  dem 
Rathe  den  Beschluss  mit,  wegen  der  neuen  Anlage  einen 
Ausschuss  der  Zünfte  zu  berufen  und  darnach  die  Mei- 
nung der  Bürgerschaft  zu  referieren.  Das  geschah  denn 
auch.  Als  Resultat  der  Berathung  wurde  die  Erklärung 
abgegeben,  dass  es  die  Bürger  am  liebsten  sehen  wür- 
den, wenn  die  Stadt  durch  Erweiterung  der  Quartiere 
eine  Erleichterung  erfahren  könnte ;  der  Rath  möchte 
hierüber  mit  dem  Kommandanten  verhandeln.  Anderer- 
seits mochte  wohl  aber  die  Bürgerschaft  zu  der  Über- 
zeugung gelangt  sein,  dass  eine  Extrasteuer  nicht  zu 
umgehen  sei,  ferner  auch  schien  man  keinen  besseren 
Anlagemodus  gefunden  zu  haben,  und  so  verstand  man 
sich  schliesslich  zu  der  Besteuerung  nach  Schocken,  indem 
man  gleichzeitig  die  Bitte  an  den  Rath  richtete,  zu  der 
Anlage  der  5.  Löhnung  den  Bürgern  die  Steuerschocke 
auszuant Worten,  damit  eiu  jeder  wüsste,  wie  viel  Schocke 

Neues  Archiv  f.  S.  ü.  u.  A.     IX.  3.  4.  20 


306  M.  Schilling 

er  zu  versteuern  hätte;  indes  möchten  dieselben  nicht 
der  gesamten  Bürgerschaft,  sondern  jedem  einzeln  bekannt 
gegeben  werden.  Um  Felder  und  Häuser  ertragfähiger 
zu  machen,  wurde  der  Rath  weiter  ersucht,  bei  dem 
Kommandanten  dahin  wirken  zu  wollen,  dass  die  Bestel- 
lung der  Felder  wieder  gestattet,  und  die  Stadtgräben 
um  eine  Elle  abgelassen  werden  möchten. 

Bei  diesem  Besteuerungsmodus  blieb  es  in  der  Haupt- 
sache auf  die  ganze  Dauer  der  schwedischen  Besatzung. 
Was  nützt  jedoch  die  verständigste,  gerechteste  und 
billigste  Art  der  Besteuerung,  wenn  die  Steuerkraft  mehr 
und  mehr  schwindet  und  die  Ansprüche  an  dieselbe  sich 
steigern?  Und  das  war  in  Zwickau  thatsächlich  der 
Fall.  Hatten  bereits  in  den  Jahren  1632  und  1633  Krieg 
und  Pest  die  Kraft  gebrochen,  so  vermochte  sich  die 
Stadt,  wie  oben  bereits  bemerkt  wurde,  in  den  folgenden 
Jahren  nicht  so  weit  zu  erholen,  dass  sie  im  Jahre  1639 
eine  Besatzung  monatelang  zu  erhalten  imstande  gewesen 
wäre,  welche  cfie  Zahl  der  steuerpflichtigen  Bürger  über- 
stieg'). Die  Zahl  der  angesessenen  Bürger  wird  in  dem 
Sclireiben  des  Eaths  an  Baner  vom  30.  März  1639  auf 
etwa  300  angegeben,  in  dem  Schreiben  vom  20.  Dezember 
desselben  Jahres  auf  ca.  350;  nach  einem  amtlichen  Ver- 
zeichnisse der  Quartierwirthe  gab  es  1640  gegen  500 
steuerpflichtige  Bewohner^). 

Obwohl  nach  Bauers  Ordre  vom  23.  März  für  die 
Verpflegung  des  Bawyrschen  Regimentes  Amt  und  Stadt 
zugleich  aufzukommen  hatten,  so  lag  doch  in  der  Haupt- 
sache, und  in  den  ersten  30  Tagen  ausschliesslich")  die 
Last  auf  der  Stadt  allein.  Sonnabend  den  13.  April 
war  die  3.  Löhnung  fällig^").  Der  Rath  erklärte  dem 
Kommandanten  den  Tag  vorher,  dass  es  unmöglich  sei, 
von  der  „ausgegeldeten"  Bürgerschaft  die  Summe  zu  erlan- 
gen; er  möge  das  wenige,  das  etliche  von  ihnen,  die  nicht 
mit  Einquartierung  belegt  seien,  zusammengebracht  hätten, 
annehmen^').  Weiter  ersuchte  der  Rath  den  Komman- 
danten ,  die  Stadt  von  der  3.  Löhnung  zu  dispensieren, 
und  bat,  um  die  Einkünfte  der  Stadt  zu  erhöhen,  die  in 


')  Vergl.  oben  S.  290. 

^)  Vergl.  Rathsarchiv  Pascikel  B. 

ö)  Fascikel  A,  fol.  57  und  111.  —  ^^)  Ib.  fol.  4.5. 

")  Zu  den  qnartieifnäen  Leuten  gehörten:  Kirchen-  und 
Schuldiener,  Bürgermeister,  Richter,  Rathspersonen,  Stadt-  und  Ge- 
richtsschreiber, Witwen  und  Waisen.    Fascikel  A,  fol.  55,  56. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickai;  1639—1640.  307 

die  Stadt  geflohenen  Adeligen,  Landsassen  und  andere 
Fremde  zur  Kontribution  heranziehen  zu  dürfen.  Letzteres 
wurde  denn  auch  versucht.  Schon  am  15.  April  eiiiess 
der  B,ath  mit  Einwilligung  des  Kommandanten^^)  ein 
Zirkular  an  sämtliche  von  Adel  und  andere  fremde  Per- 
sonen, worin  dieselben  emgeladen  wurden,  sich  Dienstag 
den  16.  April  aufs  Rathhaus  zu  bemühen  betreffs  der 
ihnen  aufzuerlegenden  Kontributionen;  es  wurde  gleich- 
zeitig angedeutet,  dass  sie  nicht  nur  zur  künftigen  Löh- 
nung, sondern  auch  zu  den  zwei  verflossenen  beitragen 
sollten.  Von  den  32  im  Zirkular  aufgeführten  Personen 
bescheinigten  den  Empfang  des  Patents  jedoch  nur  sechs, 
und  alle  setzten  dem  Rathe  einen  passiven  Widerstand 
entgegen.  Am  18.  April  bereits  ersuchte  der  Rath  den 
Kommandanten,  etliche  Soldaten  von  den  hochbedrängten 
Bürgern  aus-  und  bei  den  Fremden  einquartieren  zu 
lassen.  Die  Rechtmässigkeit  seines  Verfahrens  begrün- 
dete der  Rath  durch  eine  später  wiederholt  imd  zuletzt 
im  Jahre  1635  erneuerte  Begnadung  des  Kurfürsten 
Moritz  vom  Jahre  1552.  Hiernach  sollten  zu  Zeiten  der 
Besatzung  sowohl  die  Freihäuser,  als  auch  die  Adeligen 
und  andere,  die  Büi^gerhäuser  besässen,  die  gleiche  Bürde 
mit  den  andern  tragen.  Dasselbe  galt  auch  für  alle 
Nichtbürger,  die  zu  solchen  Zeiten  in  Frei-  oder  Bürger- 
häusern wohnten  oder  eingemiethet  hatten,  sowie  für 
jedermann  ohne  Unterschied  des  Standes,  der  das  Seine 
in  die  Stadt  geflüchtet  hatte.  Es  scheint  jedoch  wäh- 
rend der  gegenwärtigen  Besatzung  dem  Rathe  nicht 
möglich  geworden  zu  sein,  jener  Begnadung  Rechtskraft 
zu  verleihen  ^•^). 

Wie  schon  bemerkt,  erfulir  die  Stadt  auch  wenig 
Unterstützung  durch  die  Amtsdörfer.  Nach  einem  Ver- 
zeichnisse der  Löhnungen,  welche  für  das  Mortaignesche 
und  Bawyrsche  Regiment  bis  zum  2.  Juli  1639  hatten 
aufgebracht  werden  müssen,  kommen  auf  die  Stadt 
22  245  Tlilr.,  auf  das  Amt  nur  3775  Thlr.  3  Gr.  Von 
letzterer  Summe  sind  an  Mortaigne  und  Bawyr  selbst 
800  und  900  Thlr.,  zusammen  also  1700  Thlr.  gegeben 
worden,  so  dass  auf  das  Rathhaus  nur  2075  Thlr.  3  Gr. 
abgeliefert  worden  waren  ^■*).    Wenn  sich  auch  der  Amts- 


^^)  Fascikel  A   fol.  48. 

")  Vergl.  Fascikel  A,"  fol.  45  flg.    Grünes  Buch  B,  fol.  67. 

")  Vergl.  Fascikel  A,  fol.  111  und  164. 

20* 


308  M-  Schilling: 

schösser  schriftlich  verpflichtete,  der  Stadt  künftig  wieder- 
zuerstatten, was  sie  auf  die  Löhnungen  für  das  Amt  er- 
legen würde  ^■'),  so  fiel  diese  Verpflichtung  doch  nicht  im 
geringsten  ins  Gewicht,  wenn  es  sich  darum  handelte, 
die  Verpflegungsgelder  aufzubringen  und  bar  zu  ent- 
richten. Ja ,  diese  Erklärung  des  Amtsschössers  wurde 
ganz  illusorisch,  als  sich  derselbe  bereits  im  Mai  mit  dem 
Kommandanten  auf  eine  monatliche  Geldleistung  von 
1000  Thlr.  verglichen  hatte  ^^) ;  und  als  selbst  dieser  Zu- 
schuss  zui^  Verpflegung  des  Regiments  von  den  Amts- 
dörfern nicht  aufgebracht  wurde,  so  hielt  sich  der  Kom- 
mandant für  den  Ausfall  doch  wieder  an  die  Stadt,  in- 
dem er  z.  ß.  im  August  aus  diesem  Grunde  das  Ansinnen 
an  den  Rath  stellte,  ausser  den  laufenden  Verpflegungs- 
geldern täglich  4  Fass  Bier  und  lOUO  Pfd.  Brod  zu  lie- 
fern"). Bei  einer  Regimentsstärke  von  500  Mann  belief 
sich  die  zehntägige  Löhnung  auf  ca.  1500  Thlr.,  das  be- 
trägt auf  den  ganzen  Monat  4500  Tlilr.^^).  Angenom- 
men, das  Amt  wäre  seinen  Verpflichtungen  regelmässig 
nachgekommen,  so  hätte  die  Stadt  monatlich  ünmerhin 
die  bedeutende  Summe  von  3500  Thlr.  aufbringen  müssen. 
Der  Schösser  hatte  auch  versucht,  mit  der  Stadt  ein  Ab- 
kommen dahingehend  zu  treffen,  dass  Adel  und  Amt  zu- 
sammen Ve  f^6i'  Verpflegungssumme  leisten  wollten  (früher 
hatte  man  sich  sogar  zu  Vs  verstanden);  der  Rath  war 
aber,  auf  Bauers  schon  mehrfach  erwähnte  Ordre  sich 
berufend,  nicht  darauf  eingegangen^^);  er  wollte  es  auf 
die  Entscheidung  des  Feldmarschalls  ankommen  lassen. 
Der  Schösser  gab  zur  Antwort,  „wollte  die  Stadt  ihr 
Gutes  nicht  erkennen,  möchte  sie  es  künftig  mit  Schaden 
erfahren ;  er  könnte  niemand  zur  Vollziehung  des  Rezesses 
zwingen;  die  Hälfte  könnten  Amt  und  Edelleute  nicht 
tragen,  da  es  noch  ungewiss  sei,  ob  die  Edelleute  dem 
Bawyrschen  Regiment  assigniert  blieben".  In  der  That 
lautete  die  Resolution  des  Feldmarschalls  auf  des  Raths 
Bittschrift  vom  3.  Mai  nicht  günstig.  Amt  und  Stadt 
Zwickau  hatten  die  Verpflegung  des  Regimentes  immer 
noch  allein  zu  tragen ^^''}. 


">)  Vergl.  Rathsprot.  vom  16.  Mai  1639. 
lö)  Vergl.  Kathsprot.  vom  16.  Mai  1639. 
")  Vergl.  Rathsprot.  vom  27.  August. 
18)  Vergl.  Fascikei  B,  fol.  88  flg. 
10)  Rathsprot.  vom  16.  Mai  1639. 
loa)  Vergl.  oben  S.  288  flg. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  309 

Der  Ratli  befand  sich  in  einer  üblen  Lage.  Dazu 
wurde  das  Regiment  von  Woche  zu  Woche  stärker-*^), 
und  die  Bürgerschaft  fing  wiederum  an,  schwierig  zu 
werden.  Es  liefen  Gesuche  von  Bürgern  an  den  Rath 
ein  um  Yerschonung  mit  weiterer  Abforderung  der  Kon- 
tribution, und  andererseits  gelangten  Beschwerden  über 
den  Rath  an  den  Kommandanten  wegen  ungerechten 
Verfahrens  bei  Auferlegung  der  Steuern.  So  entspann 
sich  ein  langwieriger  und  hartnäckiger  Streit  zwischen 
dem  Dr.  jur.  Dav.  Boicke  und  dem  Rathe"^).  Er  be- 
hauptete, dass  der  Rath  viel  zu  viel  von  ihm  und  anderen 
armen  Bürgern  zu  extorquieren  sich  anmasse,  und  be- 
schuldigte den  Rath,  dass  er  der  Bürgerschaft  so  viel 
auferlege,  um  sich  von  den  Lasten  möglichst  zu  befreien. 
Der  Rath  habe  viele  tausend  Thaler,  die  der  Stadt  ge- 
hörten, bisher  hi  seinem  Nutzen  gehabt  und  seines  Ge- 
fallens gebraucht,  ohne  Rechenschaft  davon  abgelegt  zu 
haben.  Ausserdem  wären  die  Rathspersonen  von  ihren 
eigenen  Gütern  zu  kontribuieren  noch  schuldig,  obgleich 
sie  behaupteten,  von  dem  Ihrigen  viel  hergegeben  zu 
haben.  Der  Rath  suche  gegen  die  arme  Bürgerschaft 
seinen  verderblichen  und  schändlichen  Eigennutz  all- 
zusehr. 

Der  Kommandant  übermittelte  dem  Rathe  diese  ge- 
harnischte Beschwerdeschrift  zur  Kenntnisnahme,  bez. 
Rückäusserung,  Derselbe  äusserte  sich  dem  Komman- 
danten gegenüber  folgendermassen :  Aus  der  Klagschrift 
erkenne  man  Boickens  bösen  „Humor"  von  neuem.  Ähn- 
liches sei  von  ihm  wiederholt  „practiciret"  worden,  damit 
er  mit  seiner  schuldigen  Kontribution  durchschlüpfen 
könne  und  den  Gehorsamen  und  Willigen  die  Last  allein 
auferlegt  werde.  Der  Rath  bat  den  Obrist,  seinen  Hof- 
meister und  Sekretär  auf  das  Rathhaus  schicken  zu 
wollen,  um  die  bisher  zur  Kontribution  gemachten  An- 
lagen prüfen  zu  lassen.  Ferner  mderlegte  er  einige 
Punkte  der  Anklage-'^).  Es  war  übrigens  nicht  unbedeu- 
tend, was  Dr.  Boicke  bis  zum  April  1639  an  Ranzion 
und  Kontribution  hatte  zahlen  müssen;  die  emzelnen 
Posten  beliefen  sich  auf  zusammen  734  Thlr.  12  Gr.-^). 

Ausser  Gesuchen  um  Erlass  oder  Abminderung  der 
Kontribution  gelangten   auch   solche   um  Befreiung   von 


2*>)  Vergl.  Fascikel  A,  fol.  54;  Rathsprot.  vom  8.  August. 
21)  Fascikel  A,  fol.  63.  -  ^2)  Ib.  fol.  63  flg.  —  ^s)  fol.  112. 


310  M.  Schilling: 

Einquartierung,  wenigstens  um  zeitweilige,  an  den  Rath. 
Mehrere  Bürger  bitten,  der  Ratli  möchte  doch  eine  Zeit- 
lang die  Soldaten  denen  in  die  Häuser  legen,  die  bisher 
Geld  gegeben,  dafür  aber  Ruhe  in  ihren  Häusern  gehabt 
hätten.  Dieser  Wunsch  erscheint  nicht  unbillig,  obschon 
er  gegen  die  Privilegien  der  quartierfreien  Leute  ver- 
stösst.  Selbst  in  den  bedrücktesten  Zeiten  zog  es  die 
Bürgerschaft  vor,  eine  Summe  Geldes  aufzubringen,  wenn 
sie  auf  diese  Weise  eine  Vermehrung  der  Einquartierung 
abwenden  konnte.  Das  wussto  der  Kommandant  auch 
gar  wohl  und  scheint  einigemal  von  dieser  seiner  Wissen- 
schaft Nutzen  gezogen  zu  haben,  wenn  er  sich  in  Geld- 
verlegenheit befand. 

Auf  der  einen  Seite  die  steigenden  Bedürfnisse  der 
Garnison,  auf  der  anderen  Seite  die  zunehmende  Ver- 
armung der  Bürgerschaft:  was  sollte  der  Rath  thun! 
Wandte  er  sich  auch  an  den  Obrist  mit  dem  dringenden 
Ersuchen,  die  Landbevölkerung  scliärfer  zur  Kontribution 
heranzuziehen,  so  erlangte  er  nichts  als  die  Vertröstung 
auf  bessere  Zeiten.  Der  Kommandant  wies  auf  den 
kläglichen  Zustand  der  Landbevölkerung  hin,  die  jüngst 
durch  Durchzüge  von  Freund  und  Feind  viel  gelitten 
habe.  Seine  erhöhten  Forderungen  seien  ja  nur  auf  ein 
Interim  gestellt,  und  sobald  der  Zustand  der  Amtsdörfer 
sich  gebessert  habe,  sollte  eine  Erleichterung  eintreten. 
So  stand  es  im  August  1639-^). 

Dieser  Monat  war  ein  besonders  harter.  Die  For- 
derungen der  Garnison  steigerten  sich  bis  zum  Unerträg- 
lichen, so  dass  die  Bürgerschaft  dem  Rathe  in  einem 
Memoriale  rundweg  erklärte,  zur  Erfüllung  dieser  For- 
derungen nichts  beitragen  zu  können-'"').  Unter  anderem 
erklärte  man,  es  wären  viele  hundert  gute  Schock  an 
Landsteuer  bisher  dem  Rathe  über  J.  Ch.  D.  Gebührnis 
versteuert  worden ;  die  sollte  der  Rath  jetzt  wieder  her- 
geben (d.  h.  wohl:  der  Rath  habe  mehr  Landsteuer  er- 
hoben ,  als  der  Kurfürst  zu  fordein  gehabt).  Ferner 
hätte  der  Obrist  900  Thlr.  an  der  Kontribution  erlassen ; 
die  sollte  man  auch  hergeben.  Sodann  griif  die  Bürger- 
schaft die  Privilegien  der  Rathspersonen  und  anderer 
quartierfreier  Leute   an,    indem    sie   forderte,    es  sollte 


24)  Vergl.  Fascikel  A,  fol.  148. 

26J  Vergl.  itathsprot.  vom  29.  August. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  311 

ausser  dem  regierenden  Bürgermeister  niemand  mit  Ein- 
quartierung verschont  bleiben. 

Es  ist  recht  wohl  erklärlich,  wie  die  bis  aufs  Blut 
gequälte  Bürgerschaft  dazu  kam,  gegen  den  Rath  sich 
aufzulehnen;  indes  würde  man  sich  irren,  wenn  man  an- 
nehmen wollte,  der  Rath  sei  besser  daran  gewesen,  als 
die  Bürgerschaft.  Hinter  dem  die  Einquartierungslast 
betreffenden  Punkte  des  Memorials  steht  in  dem  Raths- 
prot.  vom  29.  Aug.  die  Bemerkung :  „Es  hätten  der  Herr 
Konsul  und  alle  Herren  über  ihre  schweren  Kontribu- 
tionen und  gethane  Auslagen  auf  etliche  tausend  Thaler 
Sorge,  Noth,  Mühe  und  Angst  mehr  als  genug,  so  dass 
mancher  von  ihnen  die  Einquartierung  lieber  wünschte, 
als  deren  Befreiung."  Wir  haben  keinen  Grund  an  der 
vollen  Wahrheit  dieser  Äusserung  zu  zweifeln.  Es  sei 
hier  nur  auf  dies  eine  hingewiesen:  Im  September  1639 
beklagte  sich  der  Bürgermeister  Dr.  Pitzsch  in  öffent- 
licher Rathssitzung  darüber,  dass  er  von  seinen  Kollegen 
nicht  gehörig  unterstützt  werde ;..  dass  sich  manche  vom 
Rathhause  fern  hielten  und  ihrer  Amter  nicht  warteten  -^). 
In  der  Umfrage  zu  der  Beschwerde  gegen  einen  gewissen 
Rathsherrn  erklärte  einer  der  Anwesenden,  man  sollte 
dem  Betreffenden  ernstlich  zureden  und  ihm  etwas  auf- 
tragen, damit  er  nicht  meine,  es  wäre  eitel  Hummelseim, 
ein  Rathsherr  zu  sein.  Auf  das  alle  Punkte  der  Raths- 
proposition  ablehnende,  bez.  mit  undurchführbaren  Gegen- 
vorschlägen beantwortende  Memoriale  der  Bürgerschaft 
resolvierte  sich  der  Rath  kurz  und  bündig  dahin,  dass 
es  bei  der  durch  Anlage  aufzubringenden  Yerpflegungs- 
summe  sein  Bewenden  haben  sollte.  Wer  sich  nicht 
dazu  bequemen  wolle,  möge  seine  Soldaten  speisen. 
Hierauf  wurden  der  versammelten  Bürgerschaft  die  Hul- 
digungspflichten vorgelesen,  nach  denen  die  Bürger  schul- 
dig waren,  sich  dem,  was  der  Rath  für  das  Beste  er- 
kannt hatte,  nicht  zu  widersetzen,  sondern  in  solches  zu 
willigen.  Das  energische  Auftreten  des  Rathes  impo- 
nierte der  Bürgerschaft  dermassen,  dass  sie  sich  bis  auf 
einen  Schneider,  der  durchaus  einen  anderen  Anlage- 
modus haben  wollte,  dem  Rathsbeschlusse  fügte.  Hans 
Müller  entging  der  Haft  nur  dadurch,  dass  ihn  seine 
guten  Freunde  für  „vollgesoffen"  erklärten. 


2ö)  Vergl.  Eathsprot.  vom  7.  September,  sowie  vom  13.  Dezember 
1639  und  vom  10.  Februar  1640. 


312  M.  Schilling: 

Der  Rath  schritt  zur  rasclien  Yollziehimo;  seines 
Beschlusses,  die  Löhnung-  durcli  Anlagen  aufzubringen. 
An  demselben  Nachmittag  bereits  wurde  die  Rathsglocke 
geläutet,  und  die  aus  Eathspersonen  und  Vertretern  der 
Rürgerschaft  zusammengesetzte  Kommission  harrte  der 
kommenden  Steuerzahler.     Viele    erschienen    aber   nicht. 

Unter  solchen  Differenzen  rückte  der  Tennin  der 
Eathsneuwahl  heran  (Michaelis).  Anfang  September  er- 
innerte der  regierende  Bürgermeister  daran,  dass  die 
Neuwahl  nun  in  die  Hand  genonnnen  werden  müsste. 
In  den  Kirchen  wurde  dafür  gebetet.  Doch  stiegen  Be- 
denken auf,  ob  wohl  während  der  schwedischen  Besatzung 
die  kurfürstliche  Konfirmation  des  neuen  Käthes  einge- 
holt werden  dürfte;  man  fürchtete  dadurch  den  Kom- 
mandanten zu  „ofFendieren",  zumal  gerüchtweise  verlautete, 
der  Feldmarschall  wolle  nicht  haben,  dass  in  den  Kirchen 
öifentlich  für  den  Kaiser  und  den  Kurfürsten  gebetet  werde. 
Man  äusserte  sich  dahin,  dass  der  neue  Rath  die  Regie- 
rung vielleicht  ohne  Konfirmation  übernehmen  könnte; 
der  Kurfürst  werde  unter  Berücksichtigung  der  schwie- 
rigen Lage  diese  Unterlassung  der  Stadt  nicht  anrechnen 
und  die  Konfirmation  nachträglich  ertheilen.  Da  jedoch 
wegen  der  zutage  getretenen  Widersetzlichkeit  der  Bür- 
gerschaft die  Erlangung  der  Konfirmation  als  höchst  wün- 
schenswerth,  ja  geboten  erscheinen  musste,  und  andrer- 
seits sich  unter  den  obwaltenden  Verhältnissen  schwer- 
lich jemand  bereit  gefunden  hätte,  ohne  kurfürstliche 
Konfirmation  die  Ratlisgeschäfte  zu  übernehmen,  so  be- 
schloss  man,  mit  Vorwissen  des  Kommandanten  die  Kon- 
firmation nachzusuchen'-^).  Nachdem  der  Obrist  erklärt 
hatte,  die  Rathswahl  und  die  Konfirmation  nicht  hindern 
zu  wollen,  richtete  der  Rath  das  betreffende  Gesuch  an 
den  Kurfürsten"^). 

Unterdes  dauerte  die  Spannung  zwischen  Rath  und 
Bürgerschaft  fort;  der  Rath  konnte  letzterer  Avenig  zu 
Dank  machen.  Als  es  sich  darum  handelte ,  eine  vom 
Obrist  geforderte  Getreidelieferung  von  600  Schefi'el 
zu  realisieren,  konnte  man  sicli  nur  schwer  darüber 
einigen,  ob  die  Lieferung  auf  die  einzelnen  nach 
Steuerschocken  vertheilt,  oder  nur  denen  auferlegt 
werden    sollte,    die   Feldbau   trieben.      Die   Vertheilung 


27)  Vergl.  Rathsprot.  vom  7.  September  1639. 

2*)  Vergl.  Ratbsprot.  vom  16.  September  uud  Fascikel  A,  fol.  154, 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639  -1640.  313 

nach  Steiierschocken  war  für  den  Kleinbürger  ung-ün- 
stiger,  als  die  Vertheilung  der  Last  auf  die  Ackerbau- 
treibenden allein.  Deshalb  erklärte  die  Bürgerschaft, 
wer  Feld  hätte ,  sollte  das  Getreide  geben ;  man  könnte 
nicht  einsehen,  wie  die  anderen  dazu  kämen,  dass  es^ 
nach  Schocken  gehen  sollte.  So  wurde  es  denn  auch* 
schliesslich:  die  Getreidelieferung  wurde  auf  die  Feld- 
besitzer vertheilt"-^). 

Am  25.  September  kam  der  Bote  mit  der  kurfürst- 
lichen Konfirmation  des  neuen  Eathes  zurück'^^).  Mitte 
Oktober  wurde  die  Bürgerhuldigung  vorgenommeu.  Ausser 
den  geschwornen  Meistern  waren  nur  wenige  Personen 
dazu  erschienen.  Nach  einer  Ansprache  las  der  Bürger- 
meister die  Konfirmation  ab,  that  des  grossen  Ungehor- 
sams und  Widerwillens  unter  der  Bürgerschaft  Erwäh- 
nung und  ermahnte  dieselbe,  sich  künftig  gehorsamer 
zu  bezeigen,  damit  nicht  das  Stadtregiment,  das  ohnehin 
Mühe  und  Last  genug  verursache,  dem  Rathe  noch 
schwerer  gemacht  werde.  Li  Anspielung  auf  die  geringe 
Zahl  der  erschienenen  Bürger  bemerkte  der  Bürger- 
meister, dass  der  Ungehorsam  der  Abwesenden  zu  deren 
eigener  Verantwortung  gestellt  werden  müsste.  Von  der 
Ablesung  der  Huldigungseide  wurde  abgesehen,  von  den 
Anwesenden  aber  die  Huldigungspflicht  abgelegt;  auch 
wurden  die  geschworenen  Meister  in  Pflicht  genommen  ^^). 

So  war  die  Bürgerschaft  zum  Gehorsam  gebracht; 
eine  praktische  Wirkung  in  finanzieller  Beziehung  hatte 
aber  natürlich  dieser  Erfolg  nicht.  Die  Geldnoth  dauerte 
fort.  Eine  auf  Drängen  der  Bürgerschaft  im  Oktober 
an  Baner  gesandte  Supplikation  blieb  ohne  Antwort.  (Vgl. 
oben  S.  293  flg.)  Fast  zur  Verzweiflung  getrieben  wurde 
die  Stadt,  als  im  Dezember,  während  Bauer  mit  seiner 
Armee  in  Böhmen  lag,  kuifürstliche  Truppenabtheilungen 
der  Stadt  alle  Zufuhr  abschnitten.  Eine  an  den  Kurfürst 
gerichtete  Bittschrift  schaff'te  keinen  Wandel,  und  eine 
in  demselben  Monate  ohne  des  Kommandanten  Vorwissen 
abermals  an  den  Feldmarschall  gesendete  Supplikation 
zog  dem  Eate  die  Ungnade  des  Kommandanten  zu^-). 
Gerade  in  dieser  schwersten  Zeit  wurden  der  Stadt  Ver- 
legenheiten  bereitet,    denen   zu  begegnen   sie  jetzt  am 

29)  Verg-1.  Rathsprot.  vom  23.  September,  5.  imd  8.  Oktober. 

^°)  Vergl.  Rathsprot.  vom  26.  September. 

ä^)  Vergl.  Rathsprot.  vom  14.  Oktober. 

3-)  Vergl.  Rathsprot.  vom  18.  Januar  1640  und  oben  S.  295. 


314  M.  Schilling: 

allerwenigsten  in  der  Lage  war.  Es  wurden  ihr  Kapi- 
talien gekündigt;  in  dem  einen  Falle  wurde  die  Rück- 
zahlung unter  Androhung  militärischer  Exekution  gefor- 
dert, in  einem  anderen  Falle  hatte  der  Gläubiger  seine 
Forderung  an  den  Major  der  schwedischen  Besatzung 
abgetreten  ='").  Alle  Bitten  an  den  Kurfürsten,  vermit- 
telnd einzugreifen,  blieben  erfolglos.  Jegliche  Hantie- 
rung lag  darnieder,  die  Wochenmärkte  waren  zerstört, 
die  Wege  unsicher,  so  dass  kein  Getreide  in  die  Stadt 
geschafft  werden  konnte ;  die  Ernte  war  schlecht  gerathen, 
und  trotzdem  musste  Getreide  in  die  Magazine  geliefert 
werden;  eine  Hungersnoth  in  Sicht.  Dass  unter  solchen 
Umständen  soAVohl  des  Käthes,  wie  der  Bürgerschaft  eine 
gewisse  Gleichgültigkeit  sich  bemächtigte,  ein  stumpfes 
Übersichergehenlassen  jeglichen  Unglücks  an  die  Stelle 
des  Kampfes  ums  Dasein  trat,  ist  recht  wohl  erklärlich. 
So  kam  es  vor,  dass  in  den  ßathssitzungen  kein  Mensch 
etwas  dazu  sagte,  wenn  die  Proposition  an  nächstens 
fällig  werdende  Geldleistungen  erinnerte.  Hin  und  wieder 
machte  die  Bürgerschaft  in  dumpfer  Angst  ihrem  Herzen 
durch  ohnmächtige  Angriffe  auf  die  Privilegien  des  Rathes 
Luft.  Das  war  alles.  Der  Rath  mochte  votieren  oder 
nicht,  die  Bürgerschaft  stumm  ertragen  oder  räsonnieren : 
das  änderte  an  der  Sachlage  nicht  das  geringste.  Die 
Schweden  w^ollten  essen  und  trinken,  wohnen  und  sich 
wärmen;  sie  brauchten  Munition,  Materialien  und  Menschen- 
kräfte zur  Anlage  von  Befestigungswerken:  alles  musste 
die  Stadt  schaffen;  wie?  darnach  fragte  weder  Kom- 
mandant, noch  gemeiner  Knecht. 

Fassen  wir  im  folgenden  das  Verhältnis  zwischen 
dem  Kommandanten  Obrist  von  Bawyr  und  der  Stadt 
näher  ins  Auge!  Die  Situation  der  schwedischen  Be- 
satzung war  keine  beneidenswerthe.  In  feindlichem  Lande 
liegend,  durch  das  Gebirge  von  der  Armee  getrennt, 
musste  der  Befehlshaber  der  schärfsten  Wachsamkeit 
sich  befleissigen.  Dazu  kam  die  strategische  Wichtigkeit 
des  Platzes,  der  zu  behaupten  war.  Nachdem  sich  Baner 
der  Stadt  bemächtigt  hatte,  operierte  er  hauptsächlich 
in  Böhmen  und  in  der  Oberpfalz.  Selbstverständlich 
dirigierte  der  Gegner  seine  Hauptmacht  ebendahin.  Das 
feindliche  Sachsen  im  Rücken,  komite  Baner,  zum  Rück- 


'^s)  Vergl.  Fascikel  A,  fol.  169,  178,  206;  Rathsprot.  vom  13.  De- 
zember 1639,  vom  6.  und  10.  Februar  1640. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  315 

zug  gezwungen,  in  eine  höchst  gefährliche  Lage  gerathen, 
wenn  er  sich  nicht  am  nördlichen  Abhänge  des  Gebirges 
Stützpunkte  sicherte.  Solche  Avaren  Chemnitz  und  Zwickau; 
der  wichtigere  der  beiden  Punkte  aber  war  Zwickau. 
Daher  erging  an  den  Kommandanten  wiederholt  der  Be- 
fehl, die  Magazine  mit  Proviant  und  Munition  wohl  zu 
versorgen  und  auf  weitere  Befestigung  der  Stadt  durch 
Schanzen  eifrig  Bedacht  zu  nehmen.  So  ist  es  erklär- 
lich, weshalb  in  Zeiten,  wenn  durch  umherschwärmende 
kurfürstliche  Truppen  die  Zufuhr  an  Lebensmitteln  abge- 
schnitten wurde,  der  Kommandant  durch  die  flehent- 
lichsten Bitten  und  die  augenscheinliche  grosse  Noth  der 
Bürgerschaft  sich  nicht  bewegen  liess,  die  Magazine  an- 
zugreifen. Wir  besitzen  noch  mehrere  Gesuche  des 
Eaths  und  der  Bürgerschaft  an  den  Kommandanten,  die 
auf  dem  Rande  die  Resolutionen  des  Obristen  auf  die 
vorgebrachten  Klagen  und  Bitten  tragen,  sowie  auch  aus- 
führliche Antwortschreiben  des  Kommandanten"^).  Die 
Resolutionen  lassen  deutlich  erkennen,  dass  die  angedeu- 
teten Rücksichten  ihn  bestimmten,  alle  auf  Öffnung  der 
Magazine,  Beschränkung  der  Schanzarbeiten  und  Sluni- 
tionslieferungen  sich  beziehenden  Bitten  abschläglich 
zu  bescheiden.  Die  Folge  lehrte  denn  auch,  dass  die 
schwedischerseits  getroffene  Vorsorge  eine  kluge  und 
nothwendige  war;  zweimal  musste  Zwickau  den  zum 
Rückzuge  gezwungenen  Feldmarschall  mit  seiner  Armee 
aufnehmen. 

Die  Stadt  freilich  war  dieser  Erkenntnis  schwer  zu- 
gänglich, musste  sie  doch  übrigens  auch  zum  grössten 
Theil  die  Kosten  der  schwedischen  Vorsichtsmassregeln 
tragen.  Es  regte  sich  wiederholt  der  Verdacht  gegen 
den  Obrist  von  Bawyr,  dass  gewisse  Forderungen  un- 
gerechtfertigte und  von  Eigennutz  diktierte  seien.  So 
ersuchte  z.  B.  der  Rath  im  November  1639^'),  von  den 
Bürgern  gedrängt,  den  Rath  zu  Chemnitz  um  Aufschluss 
über  die  Leistungen  der  dortigen  Bevölkermig  füi^  die 
Garnison ,  da  das  Gerücht  entstanden  sei ,  Chemnitz 
werde  mit  manchem  verschont,  was  von  Zwickau  gefor- 
dert werde.  In  seiner  Auskunft  hierüber  bittet  der 
Chemnitzer  Rath,  sein  Antwortsclu-eiben  vor  dem  Kom- 
mandanten geheim  zu  halten.    Bald  darauf  gelaugte  ein 


3*)  Vergl.  Fase.  A,  fol.  110,  139  flg.,  149  flg.,  181. 
35)  Ib.  fol.  163  flg. 


316  M.  Schilling: 

Memorial  des  Ratlies  zu  Zwickau  an  den  Kommandanten, 
in  welchem  anf  die  Cliemnitzer  Verhältnisse  Bezug  ge- 
nommen wurde.  Es  hat  aber  alles  niclits  geholfen.  Die 
Verhältnisse  mochten  in  Zwickau  ja  auch  anders  liegen, 
als  in  Chennütz.  Es  sei  hier  jedoch  gleich  bemerkt, 
dass  der  Obrist  von  Rawyr  auf  manche  Beschwerde  des 
Rathes  hin  Abliülfe  schaffte,  wenn  es  ihm  möglich  war''**). 
Wenn  ^\^r  ferner  nun  auch,  gestützt  auf  die  Begrün- 
dungen, welche  Bawyr  seinen  Forderungen  gab,  annehmen 
dürfen,  dass  er  im  allgemeinen  seinen  Instruktionen  ge- 
mäss handelte,  so  ist  doch  nicht  ausgeschlossen,  dass  er 
sich  Gelegenheiten  nicht  entgehen  liess,  bez.  solche  her- 
beizuführen wusste,  sich  einen  Vortheil  zuzuwenden. 
Obwohl  die  schwedische  Verpflegungsordnung  dergleichen 
Operationen  streng  verbot,  und  der  Feldmarschall  in  der 
Ordre  vom  23.  März  der  Stadt  noch  besonders  versicherte, 
dass  die  kommandierenden  Offiziere  von  Sr.  Exzellenz 
unausbleiblich  zu  Eede  und  Antwort  gefordert  werden 
würden,  wenn  Beschwerden  über  Pressuren  bei  ihm  ein- 
gingen, so  ist  es  andererseits  bekannt  genug,  wie  sich  in 
früheren  Jahrhunderten  und  besonders  im  dreissigj ährigen 
Kriege  die  Praxis  der  Offiziere  und  Soldaten  zu  der- 
gleichen Forderungen  der  Humanität,  die  ja  nicht  selten 
von  oberster  Stelle  ausgingen,  verhielt.  Auch  Obrist 
von  Bawyr  scheint  sich  nicht  immer  in  Gegensatz  zu 
jener  beliebten  und  einträglichen  Praxis  der  Erpressungen 
gestellt  zu  haben.  So  versetzte  er  einst  (es  war  im 
August)  den  Rath  durch  die  Beschuldigung  in  grossen 
Schrecken,  es  seien  auf  dem  Boden  des  Rathhauses  Vor- 
räthe  an  Pulver,  Lunten  und  Gewehren  aufgespeichert, 
bez.  seinerzeit  nicht  ausgeliefert  worden.  Zur  Strafe 
für  diese  gefährliche  und  verrätherische  Handlung  sollten 
noch  sechs  Komi)agnien  Reiter  in  die  Stadt  gelegt  und 
von  derselben  verpflegt,  sowie  seinem  Regimente  6000  Thlr. 
Rekrutengelder  gegeben  werden.  Doch  der  Kommandant 
war  bei  alledem  kein  Unmensch;  gnädig  legte  er  das 
Schicksal  in  des  Rathes  väterliche  Hand,  indem  er  zu 
verstehen  gab,  dass  durch  eine  an  ihn  zu  zahlende  Dis- 
kretionssumme  von  3000  Thlr.  die  fatale  Angelegenheit 
aus  der  Welt  ß-eschaift  werden  könnte. 


Da   gab    es   sehr    erregte  Debatten   in    der  Raths- 
sitzung  vom  2.  August.     Ein  jeder  betheuerte  seine  Un- 


36 


)  Vergl.  z.  B.  Fase.  A,  fol.  110. 


Zur  Geschichte  der.  Stadt  Zwickau  1639—1640.  317 

schuld,  und  die  gememschaftliche  Sitzung  des  Eathes, 
der  Viertelsmeister,  der  geschworenen  Meister  und  an- 
derer von  der  Bürgerschaft  mag  viele  Stunden  gedauert 
haben;  wir  besitzen  darüber  ein  langes,  inhaltreiches 
Protokoll.  Es  wurde  u.  a.  auch  der  Modus  des  Inquisi- 
toriums  zur  Entdeckung  des  Schuldigen  vereinbart.  Als 
praktisches  Resultat  ergab  diese  gemeinschaftliche  Sitzimg 
den  Beschluss,  dem  Kommandanten  eine  Michaelis  des 
laufenden  Jahres  zalilbare  Obligation  auf  800  Thlr.  zu 
geben.  Der  Major  Lohhausen  vom  Besatzungsregiment 
hatte  die  Vermittelung  übernommen.  Nach  langem  Feil- 
schen wurde  in  der  That  vom  Kommandanten  das  Aner- 
bieten angenommen.  Der  Major  erhielt  für  seine  Dienste 
eine  silberne  Kanne.  Als  aber  in  der  Rathssitzung  vom 
23.  September  erwogen  werden  sollte,  woher  das  Geld 
für  den  Obrist  zu  nehmen  sei,  erklärten  verschiedene 
kaltblütig,  dass  sie  kein  Geld  hätten.  Am  5.  Oktober 
liess  der  Obrist  dem  Eathe  sagen,  w^enn  nun  die  800  Tlilr. 
nicht  ohne  Verzug  gezahlt  würden,  sollten  die  Herren 
Consules  und  der  Kämmerer  mit  militärischer  Exekution 
belegt  werden.  Trotzdem  versuchte  man,  noch  8  Tage 
Frist  zu  erlangen.  Schliesslich  musste  die  Smnme  eben 
doch  aufgebracht  werden.  Dass  der  Kommandant  seine 
Drohung  ernst  meinte,  dessen  waren  sich  die  Herren 
wohl  bewusst,  waren  sie  doch  bereits  im  Laufe  des  Som- 
mers mit  schimpflichem  Arrest  belegt  worden,  weil  eine 
Löhnung  nicht  zu  der  bestimmten  Frist  entrichtet  wor- 
den war^'). 

Welche  Bewandtnis  hatte  es  denn  nun  eigentlich  mit 
diesen  Munitionsvorräthen  ?  Sie  bestanden  aus  c.  4  Pfd. 
Musketenpulver  in  einem 'Butterfässchen,  8  Pfd.  desgl. 
in  einem  eichenen  Fässchen  und  gegen  68  Pfd.  Stück- 
pulver in  einer  neuen  Tonne,  über  100,  meist  aber  zer- 
brochenen Musketen  und  gegen  4  Ztr.  Lunten.  Das  alles 
war  bei  einer  Visitation  auf  dem  Boden  des  Rathhauses 
gefunden  worden.  Sicherlich  hätte  mit  diesen  Vorräthen 
die  Stadt  der  Garnison  kaum  gefährlich  werden  können. 
Die  vom  Pathe  aufgesetzten  Entschuldigungsgründe  klin- 
gen so  überzeugend,  dass  sie  jeden  Argwohn  zerstreuen 
mussten'^*).  Dass  sich  trotzdem  Rath  imd  Bürgerschaft 
für  Erlegung  einer  Strafsumme  entschieden,  deutet  darauf 


3')  Vergl.  Prot,  vom  5.  August. 

38)  Vergl.  Rathsprot.  vom  Jahre  1639,  fol.  101. 


318  M.  Schilling: 

hin,  dass  man,  die  eigentliclie  Absicht  des  Obristen  er- 
ratliend,  darauf  verzichtete,  ihn  durch  Vernunftgründe 
zu  überzeugen.  So  waren  die  Entschuldigungspunkte 
Avohl  mehr  darauf  berechnet,  den  Rath  der  Bürgerschaft 
gegenüber  zu  rechtfertigen.  Die  ursprünglich  so  hoch 
gestellte  Forderung  des  Kommandanten  war  nur  ein 
Öchreckschuss,  denn  sonst  hätte  er  sich  schwerlich  zuletzt 
mit  dem  vierten  Theil  der  Strafsumme  begnügt.  Das 
Handeln  und  Feilschen  war  übrigens  an  der  Tagesordnung, 
deshalb  tliat  auch  der  Rath  das  Seinige,  den  Komman- 
danten bei  guter  Laune  zu  erhalten.  Als  mit  Erlaubnis 
des  Kommandanten  der  Teich  gefischt  worden  war,  ver- 
anstaltete man  auf  dem  Rathhause  einen  solennen 
Fischereischmaus,  zu  dem  der  Obrist,  des  Obristen  Lieu- 
tenant und  der  Major  eingeladen  w^urden.  Der  aus- 
gesprochene Zweck  der  Einladung  ging  dahin,  den  Obrist 
günstig  zu  stimmen,  damit  „künftig  ein  mehreres  von  ihm 
zu  erhalten  sein  möchte";  oder,  Avie  eine  andere  Wen- 
dung lautet:  „damit  man  ganzer  gemeiner  Stadt  zum 
besten  einen  favorem  bei  dem  Herrn  Obristen  erlangen 
möchte"  •^^).  Als  Neujahrsgeschenk  überreichte  man  dem 
Kommandanten  250  Thlr.'*").  Darauf  Hess  er  am  7.  Ja- 
nuar durch  seinen  Sekretär  dem  ßathe  erklären,  so  lange 
er  durch  die  in  der  Umgegend  liegenden  kurfürstlichen 
Völker  an  seiner  Kontribution  aus  den  benachbarten 
Orten  gehindert  sei,  müsse  er  Avider  Willen  die  Stadt 
beschweren;  indes  wolle  er  sich  doch  mit  der  halben 
Löhnung  (500  Thlr.)  begnügen.  Der  ßath  erkannte  das 
mit  grossem  Danke  an  und  vermeldete  es  der  Bürger- 
schaft. Die  Servisgelder  aber  mussten  nach  wie  vor  ent- 
richtet werden. 

Bald  darauf  trat  jedoch  wieder  eine  Missstimmung 
zwischen  dem  Kommandanten  und  der  Stadt  ein  wegen 
der  ohne  Vorwissen  des  Kommandanten  an  den  Feld- 
marschall  gesandten  Supplikation^').  Es  scheint  aber 
dem  Rathe  gelungen  zu  sein,  ihn  darüber  zu  ])eruhigen^-),  . 
so  dass  der  Kommandant  seine  Drolnmg,  die  liaths- 
personen  mit  starker  Einquartierung  zu  belegen  und  ihnen 


30)  Rathsprot.  vom  28.  und  31.  Oktober. 
***)  Rathsprot.  vom  8.  Januar  1H40  und  fol.  65. 
•")  Veryl.  oben  S.  295  flg. 
■)  Vergl.  Fase.  A,  fol.  199. 


42 


Ziir  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  319 

sonst  allerlei  Ungelegenlieiten  zu  bereiten'*^),   nicht  aus- 
geführt hat. 

Wer  von  den  Rathspersonen  es  irgend  ermöglichen 
konnte,  den  militärischen  Angelegenheiten  sich  zu  ent- 
ziehen, that  es.  Am  allerschlimmsten  war  daher  der 
regierende  Bürgermeister  daran,  der  einfach  aushalten 
musste.  Aus  diesem  Grunde  hatte  auch  bei  der  letzten 
Rathswahl  Dr.  David  Pitzscli,  ein  siebzigjähriger  Greis, 
gebeten,  ihn  mit  dem  Amte  des  Bürgermeisters  zu  ver- 
schonen ;  ginge  das  aber  nicht  an,  so  möchte  man  wenig- 
stens die  Kriegsexpeditionen  anderen  Personen  auftragen. 
Als  jedoch  schliesslich  alle  Last  auf  ihm  sitzen  bUeb, 
wandte  er  sich  in  einem  Gesuche  an  den  Kurfürsten, 
bittend,  ihn  seines  Amtes  zu  entheben.  Das  Gesuch 
wurde  abschlägig  beschieden.  Da  brachte  er  seine  An- 
gelegenheit in  der  Rathssitzung  vom  25.  Januar  zur 
Sprache.  Er  beantragte  und  bat,  sein  Gesuch  samt  des 
Kurfürsten  Resolution  vorzulesen  und  sodann  einen  Be- 
richt zu  erstatten,  der  ihm  zum  Yortheile  gereichen 
möchte.  Die  anwesenden  Rathsherren  erkannten  die 
volle  Wahrheit  der  in  der  Bittschrift  angegebenen  Gründe 
an,  erklärten  aber,  keine  andere  zu  diesem  Amte  quali- 
fizierte Person  zu  kennen.  Dr.  David  Pitzscli  musste 
bleiben.  Tobias  Schmidt  sagt  in  seiner  Zwickauer  Chro- 
nik I,  459  von  ihm :  „Hat  die  Gnade  gehabt,  dass  er  am 
längsten  Burgermeister  gewesen,  nämlich  über  die  vierzig 
Jahre,  dergleichen  Exempel  hier  nicht  gewesen.  Er  hat 
in  seinem  Amt,  fürnemlich  da  die  Schwedischen  ihre  Be- 
satzung innen  gehabt,  viel  müssen  ausstehen." 

Der  Kommandant  von  Bawyr  Hess  es  bis  zu  seinem 
Abzüge  aus  der  Stadt  bei  der  halben  Löhnung  von 
500  Thlr.  bcAvenden.  Einem  Gesuch  der  Bürgerschaft 
aber  vom  Februar  1640,  auch  die  zweite  Hälfte  zu  er- 
lassen, gab  er  nicht  Folge.  Li  seiner  Antwort  betonte 
er  abermals,  dass  er  strengen  Befehl  habe,  die  Magazine 
nicht  anzugreifen ;  daher  müssten  die  Bürger  die  Soldaten 
entweder  speisen,  oder  Löhnung  zahlen.  Man  zog,  wie 
gewöhnlich,  letzteres  vor. 

Als  Bauer  auf  dem  Rückzuge  aus  Böhmen  mit  einem 
Theil  seiner  Armee  im  März  in  Zwickau  eintraf,  ^vurden 
natürlich  die  Magazine  geöfthet.  Am  25.  März,  noch 
während   Bauers  Aufenthalt,    verliess   der  Kommandant 


■»3)  Rathsprot.  vom  13.  Jan.  1640. 


320  H.  Schilling; 

Obrist  von  Bawyr  mit  seinem  800  Mann  starken  Regi- 
mente  die  Stadt.  Dasselbe  hatte  genau  ein  Jahr  liier 
gelegen.  Nach  Baners  Ankunft  war  es  den  unter  Ge- 
neralmajor Wittenbergs  Befehl  stehenden  Truppen  im 
Vogtland  zuertheilt  worden.  Bei  dem  Überfall  durch  den 
Generalwachtmeister  von  Bredau  erreichten  die  Kaiser- 
lichen den  Obristen  Bawyr  in  Öchünfels  und  nahmen  ihn 
mit  seinem  ßegiment  gefangen. 

Es  wird  berichtet  ^^).  dass  Bawyr  mit  etwas  Un- 
willen aus  der  Stadt  gethan  Avorden  sei;  weshalb?  das 
wird  nicht  angegeben.  Tob.  Schmidt  bemerkt  nur,  er 
sei  „wegen  etlicher  Verbrechung,  welche  für  den  Bür- 
gern in  Geheim  gehalten  worden,  umbs  Regiment  gekom- 
micn".  In  den  benutzten  Akten  ist  mir  keine  auf  diesen 
Punkt  bezügliche  Andeutung  vorgekonmien. 

Die  Besatzung  hatte  der  Stadt  über  26433  Thlr. 
gekostet '*'^).  Ob  in  dieser  Summe  die  Lieferungen  an 
Munition,  Baumaterialien,  Getreide  etc.  mit  berechnet 
sind,  ist  nicht  ersichtlich.  Innnerhin  muss  es  Wunder 
nehmen,  wie  die  Stadt,  w^elche  bis  zum  Einzüge  dieser 
Besatzung  schon  7  Jahre  lang  mit  geringen  Unter- 
brechungen alle  Drangsale  des  Kriegs  erduldet,  welche 
vom  März  bis  Dezember  1639  für  die  schwedische  Armee 
insgesamt  über  100000  Thlr.  hatte  aufbringen  müssen*"), 
überhaupt  noch  im  stände  war,  irgend  welche  Summen 
zu  beschaffen.  Diese  Frage  ist  schwer  zu  beantworten. 
Es  sei  hier  nur  auf  einiges  hingewiesen.  Vom  Jahi^e 
1632—1640  sind  die  städtischen  Abgaben  von  den  Bür- 
gern zum  grössten  Theil  nicht  entrichtet  worden  ■^^).  Auch 
die  an  den  Kurfürsten  zu  entrichtenden  Steuern,  die 
Tranksteuer,  welche  nach  Scliocken  angelegt  war,  und 
die  Landsteuer,  die  das  Mobiliarvermügen  und  die  Ge- 
werbe traf,  gingen  seit  1632  äusserst  spärlich  ein.  So 
konzentrierte  sich  die  Steuerkraft  auf  die  Leistungen 
für  das  Militär.  Und  als  die  Einzelkräfte  so  geschwächt 
waren,  dass  das  Resultat  ihrer  Konzentration  nicht  mehr 
hinreichte,  die  Forderungen  von  Feind  und  Freund  zu 
erfüllen,  setzte  der  Rath  allen  Vorrath  an  Geld  und 
Geldeswerth  zu.  Die  Schatzkammer,  welche  eine  an- 
sehnliche  Zahl   süberner   und   vergoldeter  Pruukgefässe 


*••)  Theatr.  Eur.  IV,  367. 

•«■')  ürüues  Buch  A,  fol.  193. 

^ö)  Fascikel  A,  fol.  189. 

^')  Oiünes  Buch  C.  fol.  18  flg. 


Zur  Geschichte  der  Stadt  Zwickau  1639—1640.  321 

barg,  darunter  solche  von  4  und  6  Pfd.,  wurde  nach  und 
nach  geleert ^^).  Das  alles  aber  genügte  bei  weitem 
nicht,  die  Kriegsfurie  zu  sättigen.  Es  mussten  Kapitale 
in  der  Höhe  von  vielen  tausend  Thalern  aufgenommen 
werden^^).  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es  ferner,  dass  in 
Zeiten  grösster  Bedrängnis  eingegangene  kurfürstliche 
Steuern  im  Interesse  der  Stadt  verwendet  wurden  ■''*^). 
Infolgedessen  lastete  denn  auch  später  eme  schier 
erdrückende  Abgabenlast  auf  der  Stadt.  Nach  einer 
Zusammenstellung  aus  dem  Jahre  1647'^^)  hatten  die 
Bürger  38  verschiedene  Abgaben  zu  entrichten,  die 
durchweg  allein  zur  Tilgung  der  Kriegsschulden  verwen- 
det werden  mussten,  darunter  z.  B.  auch  noch  Abgaben 
auf  die  Wallensteinischen  und  schwedischen  Ranzions- 
und Brandschatzungsreste.  Die  meisten  Nummern  jenes 
Verzeichnisses  aber  beziehen  sich  auf  die  Tilgung  der 
Kontributionsreste  für  die  in  den  dreissiger  und  vierziger 
Jahren  in  der  Stadt  gelegenen  kurfürstlichen  Besatzungen. 
In  der  Begräbnisordnung  vom  20.  März  1654  wird  darauf 
liingewiesen ,  dass  sich  seit  1633  die  Stadtbevölkerung 
nicht  wesentlich  vermehrt  habe,  da  wegen  der  hohen  auf 
der  Stadt  liegenden  Kontributionslasten  fremde  Leute 
sich  scheueten,  nach  Zwickau  zu  ziehen'^^). 


*8)  Vergl.  Urkundenrepert.  Alme  3,  fol.  22  b  und  Grünes  Buch  A, 
fol.  193  b. 

49)  Fascikel  A,  fol.  148  und  189. 

50)  Grünes  Buch  C,  fol.  178-,  fol.  2,  Punkt  9  und  19;  Rathsprot. 
vom  20.  Dezember  1639. 

51)  Grünes  Buch  A,  fol    196. 

52)  Rathsschulbibl.  Mise.  T.  IV. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX.  3.  4.  21 


X. 

über  die  Asiatische  Banise. 

Zur  Erinnerung  an  den  ersten  Druck  im  Jahre  1688. 

Von 

Georg  Müller-Frauenstein. 


Unter  den  Romanen,  welche  im  Jahrhundert  des 
grossen  deutschen  Krieges  innerhalb  der  Grenzen  Kur- 
sachsens das  Licht  der  Welt  erblickten,  mag  wohl  die 
„Asiatische  Banise  oder  blutiges,  doch  muthiges  Pegu" 
der  bedeutendste  sein;  der  am  meisten  gelesene  ist  es 
jedenfalls.  Seine  Beliebtheit  in  unserem  Vaterlande, 
welche  von  1688  bis  1766  nicht  weniger  als  10  Auflagen 
veranlasste,  die  Fortsetzungen,  Nachahnuuigen,  Umarbei- 
tungen in  Operntexte,  Trauerspiele  und  Novellen  müssen 
schon  an  und  für  sich  der  Kulturhistoriker  Aufmerksam- 
keit erwecken.  Konnte  doch  Gottsched  45  Jahre  nach 
dem  Erscheinen  dieses  Werkes  sagen,  bis  auf  ilm  habe 
sich  noch  kein  Mensch  daran  gemacht  und  seine  Fehler 
nachgewiesen. 

Für  unser  engeres  Vaterland  liat  er  nun  ein  beson- 
deres Interesse  insofern,  als  der  Verfasser,  Heinrich 
Anselm  von  Zigler  und  Kliphausen,  zu  den  Lan- 
deskindern gehörte,  sein  ganzes  Leben  hier  zubrachte 
und-  diese  berühmteste  seiner  Schriften  dem  Kurprinzen 
Johann  Georg,  dem  späteren  Kurfürsten  Johann  Georg  IV., 
widmete.  So  sind  wohl  zur  Erinnerung  an  die  vor  gerade 
200  Jahren  erfolgte  Veröftentlichung  einige  Bemerkungen 
über   diese,    den    Eomanstil  jener   Tage   neben   Daniel 


G.  Müller-Frauenstein :  Über  die  Asiatische  Banise.         323 

von  Lohensteins  Arminius  und  Thusnelda  am  besten  ver- 
körpernde, Dichtung  nicht  ganz  unangebracht.  Wirft 
doch  ein  solches  Werk  Licht  nicht  nur  auf  den  geistigen 
Zustand  des  Verfassers,  sondern  auch  der  Lesewelt  der 
Zeit,  und  muss  doch  bei  einem  so  seltenen  Romanerfolge 
die  Frage  nicht  etwa  so  gestellt  werden :  Was  wagte  der 
Verfasser  seinem  Publikum  zu  bieten?  sondern:  Was 
verlangte  es  selbst,  worin  liegen  im  einzelnen  die  Gründe, 
dass  gerade  diese  Dichtergabe  so  ausserordentlichen 
Jubel  erregte?  Eine, sorgfältige  Untersuchung  der  Art 
wird  einerseits  die  Überzeugung  erwecken,  dass  auch 
diese  Blume  unseres  litterarischen  LTgartens,  die  in  einer 
besonders  wüsten  Ecke  steht,  ihren  Duft  hat  und  trotz 
ihres  grellen  Farbentones  das  Ansehen  verlohnt,  andrer- 
seits die  kulturhistorisch  wichtigen  Wandlungen  klar- 
stellen, welche  der  Geschmack  in  unserem  Vaterlande 
seit  200  Jahren  erfahren  hat.  Die  Rücksicht  auf  die 
Zwecke  dieser  Zeitschrift  verbietet  ein  genaueres  Ein- 
gehen auf  das  erstgenannte  Gebiet,  erlaubt  aber  auf  dem 
zweiten  das  Hervorheben  der  allgemeiner  wichtigen  zeit- 
geschichtlichen Anspielungen.  Darin  soll  der  Charakter 
unseres  km^zen  Aufsatzes  liegen. 

In  betreff  der  Person  des  Dichters  verweise  ich  hier 
nur  auf  die  Einleitung  Bobertags  zu  der  neuesten,  1883 
erschienenen  Ausgabe  der  Banise,  in  Kürschners  Deutscher 
National -Litteratur  Bd.  21,  und  auf  Jördens  Lexikon 
Deutscher  Dichter.  Die  Quellen  fliessen  nicht  reichlich; 
es  ist  aber  kaum  anzunehmen,  dass  in  seinem  Geburts- 
orte Radmeritz  in  der  Oberlausitz  oder  in  Görlitz  und 
Frankfurt  an  der  Oder,  wo  er  die  Schule  und  die  Uni- 
versität besuchte,  sich  neue  erschliessen  lassen,  eher  viel- 
leicht in  Probsthain  und  Liebertwolkwitz ,  deren  Ritter- 
güter er  besass  und  wo  er  1684 — 97,  bis  in  sein  Todesjahr, 
sich  aufhielt,  oder  endlich  in  Würzen,  dessen  Stift  er  als 
Domherr  angehörte.  Als  reicher,  unat3hängiger  Edelmann 
lebte  er  ganz  seinen  Neigungen,  die,  weit  ernster  als  die 
der  Kavaliere  seiner  Zeit,  sich  auf  Wissenschaft  und 
Litteratur  richteten ;  er  muss  ausserordentlich  viel  gelesen 
und  eine  Art  einsiedlerischen  Gelehrten-  und  Schriftsteller- 
lebens geführt  haben. 

Die  Früchte  desselben  liegen  in  dem  Schauspiel  „Der 
tapfere  Heraclius",  dem  historischen  Roman  „Asiatische 
Banise",  den  zwei  historisch-genealogischen  Sammelwerken 
„Täglicher  Scliauplatz  der  Zeit"   und   „Historisches  La- 

21* 


324  ö.  Müller- Fraueustein: 

byrintli  der  Zeit"  und  in  dem  wunderlichen,  aber  zwisdien 
1G91  und  1734  viermal  aufgelegten  Buche  „Heldenliebe 
der  Schrift  alten  Testaments"  vor,  einer  Sammlung  von 
Liebesbriefen,  von  Adam  und  Eva  an,  mit  erklärenden 
Prosaeinleitungen.  Die  beiden  zuerst  genannten  Werke, 
das  Schauspiel  und  der  historische  lioman,  erschienen  in 
zwei  aufeinander  folgenden  Jalu-en,  1687  und  1688;  der 
Dichter  hat  sie  aber  in  noch  engere  Verbindung  treten 
lassen,  indem  er  am  Schlüsse  des  letzteren,  als  gross- 
artige Hochzeitsfeierlichkeiten  die  endliche  Vereinigung 
Banises  und  ihres  getreuen  Balacin  begleiten,  das  ganze 
Theaterstück  abdruckt,  welches  die  Portugiesen  in  Pegu 
auf  „einem  prächtig  kostbaren  Schauplatz  nach  Euro- 
päischer Art"  aus  Dankbarkeit  dafür  auffühi^ten,  dass 
ihnen  „ein  fre3'-er  Handel  durch  das  gantze  Reich  zuge- 
lassen w^orden".  Dies  Stück  ist  natürlich  „die  Handlung 
der  listigen  Bache  oder  der  tapfere  Heraclius",  es  ist 
nicht  besser  und  nicht  schlechter  als  die  Durchschnitts- 
w'are  der  zw^eiten  schlesischen  Schule  und  von  dem  Dich- 
ter offenbar  nur  dem  Gefolge  der  Asiatischen  Banise 
durch  einen  sehr  einfachen  Kunstgriff  einverleibt,  um  es 
bekannter  zu  maclien.  Denn  wenn  auch  ein  gewisser 
Parallelismus  der  Personen  im  Roman  und  in  dem  Schau- 
spiel vorhanden  ist, „wenn  auch  dieselben  Mittel:  Verklei- 
dung, plötzlicher  Überfall  des  im  Augenblick  wehrlosen 
GeW' althabers,  Unterstützung  des  kühnen  Angreifers  durch 
von  aussen  eindringende  Freunde,  welche  die  Leibwache 
des  Tyrannen  unschädlich  machen,  angewendet  W' erden, 
so  ist  doch  der  Kern  der  Fabel  des  Stückes  insofern 
ein  anderer,  als  der  Held  hier  selbst  als  Weib  sich  ver- 
kleidet und  in  dieser  Gestalt  die  Begehrlichkeit  seines 
Feüides  entzündet.  Die  Befreiung  einer  heldenmüthigen 
Braut  und  die  Rache  füi'  einen  ermordeten  Kaiser  ist  aller- 
dings in  beiden  Dichtungen  das  Endergebnis. 

Doch  wir  kommen  nicht  weiter,  wenn  nicht  eine  ge- 
drängte Inhaltsangabe  des  Romans  die  nothwendige  Unter- 
lage verschafft.  Von  den  Namen,  welche  man  der  ganzen 
Gattung  gegeben  hat,  ist  derjenige  der  heroisch-galanten 
der  am  meisten  bezeichnende.  Heroisch  und  galant  sind 
aUe  Helden  und  Heldinnen;  von  einer  schärferen  Tren- 
nung der  Charaktere,  wie  man  sie  in  den  guten  epischen 
und  dramatischen  Dichtungen  der  Gegenwart  verlangt, 
ist  bei  den  Hauptpersonen  nur  insofern  die  Rede,  als  sie 
in  zwei  Gruppen,  die  guten  und  die  schlechten,  zerfallen. 


über  die  Asiatische  Banise.  325 

An  der  Spitze  der  ersteren  steht  nun  hier  der  Prinz 
Balacin  von  Ava  in  Hinterindien,  welcher  Banise,  die 
Tochter  des  Kaisers  von  Pegu,  liebt,  an  der  Spitze  der 
letzteren  der  Gewaltherrscher  ChaumigTem,  welcher  durch 
seinen  Ehrgeiz  eine  Kriegsflamme,  die  ganz  Hinterindien 
erfasst,  anfacht.  Er  ist  zunächst  ünterthan  des  Kaisers 
von  Pegu,  erobert  aber  mit  seinen  Bramanern  Martaban, 
dann  Pegu  selbst,  Prom  und  Slams  Hauptstadt  Odia, 
alle  unter  den  fürchterlichsten  Greueln,  indem  er  nur 
ganz  wenige  Glieder  der  Fürstenfamilien  verschont.  Unter 
diesen  ist  die  schöne  Banise  in  fast  wunderbarer  Weise 
nach  der  grausamen  Hinrichtung  ihres  Vaters  gerettet 
worden  und  befindet  sich  in  Chaumigrems  Gefangenschaft, 
seinen  Bewerbungen  und  den  Zudringlichkeiten  anderer 
von  ihrem  Liebreiz  entzündeten  einflussreichen  Personen 
ausgesetzt.  Auf  dem  Rückmarsche  von  Odia  trifft  des 
Tyrannen  Heer  in  einer  furchtbaren  Schlacht  am  Passe 
Abdiara  mit  ihrem  Bräutigam  Balacin,  der  schon  vorher 
einen  verunglückten  Rettungsversuch  gemacht  hat,  zu- 
sammen und  wird  bis  auf  klägliche  Trümmer,  welche 
sich  nach  Pegu  retten,  vernichtet.  Um  diese  Stadt  zieht 
sich  jetzt  das  Kriegs wetter  zusammen,  doch  scheint  der 
unglücklichen  Gefangenen  Schicksal  besiegelt,  da  Chau- 
migrem,  dessen  Liebe  in  Hass  umgeschlagen  ist,  sie  dem 
Kriegsgotte  Carcovita  zu  opfern  befiehlt.  Der  davon  be- 
nachrichtigte Balacin  macht  sich  unkenntlich,  schleicht 
sich  in  die  von  ihm  belagerte  Stadt  ein  und  befreit,  von 
treuen  Freunden  und  unzufriedenen  Dienern  des  neuen 
Kaisers  unterstützt,  die  Braut  in  demselben  Augenblicke, 
wo  sie  vor  dem  Altare  den  Tod  erwartet,  tötet  den  auf 
ihn  losstürmenden  Chaumigrem  und  stellt  den  allgemeinen 
Frieden  wieder  her.  Nicht  weniger  als  drei  glänzende 
Hochzeitsfeste,  welche  von  dem  neuen  Fürsten  Hinter- 
indiens gemeinsam  in  Pegu  gefeiert  werden,  bilden  den 
erlösenden  Abschluss  und  einen  befriedigenden  Gegensatz 
zu  dem  blutigen  Schlachtgetümmel  und  dem  verrätheri- 
schen  Doppelspiel,  das  unter  Chaumigrem  auf  der  Halb- 
insel geherrscht  hat. 

Man  sieht:  an  Handlung  fehlt  es  dem  Romane  nicht, 
der  Schriftsteller  kann  sich  vielmehr  nicht  genug  thun, 
neue  Schwierigkeiten  zu  erfinden,  welche  das  glückliche 
Ende  hinausschieben.  Die  Masslosigkeit ,  die  Übertrei- 
bung ist  also,  wenn  wir  die  schöpferische  Phantasie  des 
Di.chters   als   ersten  Punkt   genauer   umgrenzen   wollen, 


326  ^-  Müller-Frauenstein: 

schon  hier  als  augenfälligster  Umstand  festzustellen. 
Wir  verlangen  heute  weniger  Einzelgerichte  bei  dem 
Mahle,  das  uns  vorgesetzt  wird,  aber  besser  zubereitete. 
Es  ist  aber  wirklich  die  Arbeit  Ziglers  selbst,  nicht 
etwa  nur  eine  Umgiessung  eines  in  fremder  Sprache  be- 
handelten Stoffes,  was  als  die  eigentliche  Eabel  des 
Buches  angesehen  werden  muss.  Und  darin,  wie  in  der 
allgemeinen  epischen  Brauchbarkeit  derselben  werden 
wir  zwei  anerkeunenswerthe  Vorzüge  finden,  um  derent- 
willen Zigler  aus  den  ßomanschrift stellern  seiner  Zeit 
hervorgehoben  zu  werden  verdient. 

In  den  von  ihm  aufgezählten  und  von  mir  genau 
verglichenen  Quellen  zu  diesem  Werke  wird  die  (unge- 
naunte)  Tochter  des  Kaisers  von  Pegu,  die  Braut  eines 
(ebenfalls  ungenannten)  Prinzen  von  Ava  „auf  dem 
Rucken  ihres  Vatters,  den  sie  umhälsete,  erwürgt". 
Alles,  was  Zigler  von  den  beiden  Hauptpersonen  zu  er- 
zählen weiss  —  und  das  ist  doch  eben  der  Inhalt  seines 
Buches  — ,  ist  Austiuss  seiner  frei  waltenden  Dichter- 
kraft. Die  beiden  anderen  fürstlichen  Liebespaare,  deren 
Schicksal  mit  dem  ihrigen  eng  verknüpft  ist,  sind  in  den 
Quellen  gar  nicht  vorhanden.  Chaumigrom  ist  eine  ge- 
schichtliche Persönlichkeit;  wie  gewaltig  ist  diese  aber 
von  dem  Dichter  umgewandelt!  Aus  einem  Bruder  des 
grossen  Königs  von  Brama,  der  diesem  gesetzlich  nach- 
folgt, wird  er  zu  einem  Emporkömmling,  auf  den  fast 
alle  Kriege  und  die  Verwirrung  in  Ava,  Martaban,  Prom, 
Slam  und  Pegu  zurückzuführen  sind.  Er  wächst  dadurch, 
dass  ihm  seines  Bruders  Thaten  mit  übertragen  werden, 
zu  einem  Napoleon  Hinterindiens  empor,  zu  einer  gross- 
artigen, wenn  auch  für  unsern  Geschmack  zu  grell  ge- 
zeichneten Persönlichkeit.  Eine  kunstvolle  Steigerung 
seiner  Erfolge  ist  bewirkt,  indem  historische  Feldzüge 
aus  den  Jahren  1540—1585  ihm  beigelegt  sind  und  mit 
dem  grössten  Siege,  der  Eroberung  Siams,  der  Höhepunkt 
erreicht  wird.  In  Wirklichkeit  trat  aber  erst  unter  einem 
seiner  Nachfolger,  welcher  zwar  Ava  bestrafte,  aber  vor 
dem  abgefallenen  Siam  abziehen  musste,  eine  Art  Rück- 
schlag ein,  während  Zigler,  den  Forderungen  der  poetischen 
Gerechtigkeit  folgend,  ihn  selbst  eine  furchtbare  Nemesis 
erreichen  lässt.  So  ist  in  wirklich  kühner  Weise  aus  den 
verschiedensten  Bausteinen  ein  gewaltiges,  einheitliches  Ge- 
bäude aufgeführt,  vor  dem  man  nicht  daran  erinnert  wird, 
aus  welchen  Steinbrüchen  das  Material  herbeigeholt  ist. 


über  die  Asiatische  Banise.  327 

Seine  Quellen  hat  Zigler  in  grösserer  Abhängigkeit 
benutzt  zur  Lokalfärbung,  also  mit  der  künstlerischen 
Absicht  aller  neueren  Romanschriftsteller,  die  Leser  in 
die  Örtlichkeiten  und  die  Zeit  der  Handlung  zu  versetzen. 
Die  belehrende  Absicht  liegt  dabei  heute  ebenso  mit  zu 
Grunde  wie  vor  200  Jahren,  nur  dass  die  Schriftsteller 
es  damals  offen  aussprachen  und  die  heutigen  das  leugnen, 
auch  wohl  scharf  getadelt  werden,  wenn  sie  „der  Curieu- 
site"  ihrer  Leser  zu  viel  Beiwerk  vorsetzen.  Wer  un- 
befangen vergleicht,  wird  gestehen,  Zigler  versetzt  that- 
sächlich  mehr  als  irgend  einer  seiner  zeitgenössischen 
Zunftgenossen  in  die  Zeit  und  den  Ort,  wohin  er  die 
Fabel  nun  einmal  verlegt  hat.  Er  sagt  selbst  in  seiner 
Einleitung:  „Der  Innhalt  gleichet  sich  mehr  einer  histo- 
rischen Beschreibung,  als  Helden-Gedichte",  und  auch 
Cholevius  stimmt  mir  bei  in  den  Worten,  „die  Banise 
verdiene  allein  einigermassen  den  Namen  eines  ethno- 
graphischen Romanes".  Wenn  wii^  die  Mischung  des 
Europäischen  und  Orientalischen  in  betreff  der  Ver- 
kehrsformen, Kriegsereignisse  u  s.  w.  ausnehmen,  so 
bleibt  von  Anfang  bis  zu  Ende  das  Hinterindien  vor  un- 
seren Augen,  welches  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts durch  gewaltige  Erschütterungen  bewegt  wurde. 
Die  Natur,  die  Pflanzen-  wie  Thierwelt,  die  Kleidung, 
die  Religion  u.  s.  w.  entsprechen  dem;  die  Portugiesen 
sind  geschickt  verwerthet,  sie  handeln  in  den  verschie- 
densten Städten  mit  europäischen  Waren,  lavieren  zwischen 
den  einheimischen  Parteien  hin  und  her,  lehren  die  bessere 
Benutzung  der  Geschütze  und  geben  durch  ihren  An- 
schluss  an  die  gute  Sache,  durch  die  Unterstützung  Ba- 
lacins,  zwar  nicht  den  Ausschlag  in  der  Fabel,  spielen 
aber  wenigstens  eine  auch  uns  Europäer  befriedigende 
angemessene  Rolle. 

An  den  Beschreibungen  der  Städte  und  Gegenden, 
der  Tempel  und  religiösen  Ceremonien,  der  Einzüge  und 
Schaustellungen,  der  Schiffwettfalu'ten  und  Elefanten- 
jagden können  die  Leser  der.,  neueren  historischen  Ro- 
mane, die  mit  Vorliebe  nach  Ägypten  führen,  unmöglich 
Anstoss  nehmen,  zumal  unser  Held  Balaciu  in  der  Regel 
dabei  nicht  nur  einen  müssigen  Zuschauer  spielt,  sondern 
Bewegung  und  Handlung  in  den  Episoden  herrscht  und 
neben  der  Lokalfärbung  auch  die  Charakterzeichnung 
gewinnt.  Li  Ägypten  ermüden  ebenso  wie  am  Menam 
oder  an  der  L-awaddy  die  Paradestücke  schliesslich  die 


328  G-  Müller-Frauonstein : 

leistungsfähigste  Phantasie.  Zugeben  müssen  wir  nur, 
dass  die  Anforderungen  an  die  Thränendrüsen  uns  bei 
Zigler  doch  unangenehmer  werden;  er  arbeitet  dabei 
noch  zu  viel  mit  den  Foltermitteln  der  Carolina.  Muster- 
stücke der  Art  sind  die  Schihlcrung  der  Feuerprobe  in 
Siam,  der  Menschenopfer  in  Pegu,  der  Hinriclitungeu  in 
Martaban,  der  grausamen  Ermordung  des  Kaisers  Xe- 
mindo,  des  Vaters  der  Banise;  eine  fast  henkermässige 
Lust  an  der  Ausmalung  der  Qualen  stösst  uns  da  ebenso 
zurück  wie  die  Vorliebe,  mit  der  in  manchen  der  berühm- 
testen Novellen  unserer  Zeit  ungewöhnliche,  krankhafte, 
den  unbetheiligten  Zuschauer  geradezu  nervös  aufregende 
und  peinigende  Seelenzustände  in  den  Vordergrund  ge- 
stellt werden. 

Füge  ich  noch  hinzu,  dass  die  Vertheilung  des  Stoffes 
in  die  drei  Bücher  des  Komans  sehr  schwerfällig  ist,  in- 
dem fast  die  Hälfte  des  Buches  aus  Erzählungen  der 
Vorgeschichte  am  Bette  des  verwundeten  Balacins  be- 
steht und  in  diese  wie  in  die  zweite  Hälfte  eine  Menge 
von  Gedichten  und  Bliefeu  eingeüochten  sind,  dass  aber 
in  dem  inneren  Ausbau  der  Fabel  der  Dichter  eine  nicht 
gewöhnliche  Gewandtheit  verräth,  so  habe  ich  für  unse- 
ren Zweck  genug  gesagt;  die  Begründung  besonders  des 
letzten  schwerAviegenden  Urtheils  gehört  an  einen  an- 
deren Ort. 

Dagegen  wird  es  von  Interesse  sein,  die  direkten 
Anspielungen  des  Verfassers  auf  europäische  Verhältnisse 
seiner  Zeit  zu  mustern.  Da  fällt  zunächst  die  aus  132 
Alexandi'inern  bestehende,  vom  16.  August  1688  datierte 
Widmung  an  den  Kronprinzen  Johann  Georg  in  die 
Augen.  Sie  ist  in  überschwänglichem  Tone  gelialten, 
preist  den  Empfänger  in  den  wärmsten  Worten  und  setzt 
den  Werth  des  Romans  übertrieben  herab.    So  heisst  es: 

Schau  nicht  die  Würdigkeit  des  schlechten  Werkgens  an, 

Die  Unvollkommenheit  hat  solches  auferzogen. 

Der  Sonnen  Majestät  zeucht  von  der  Erden-bahn 

Den  Dunst,  und  schafft  daraus  die  schönsten  Regenbogen: 

Und  ein  dui'chlauchter  Blick  vergöttert  Werk  und  Kiel, 

Das  seinem  Wesen  nach  nur  Finsterniss  verdienet. 

Die  Verehrung  des  Fürstenhauses  sprechen  am  kräf- 
tigsten die  Zeilen  aus: 

Des  Vaters  Helden  Art,  der  Mutter  Tugend-Glut, 
Hat  sich  genau  in  Dil',  Du  grosser  Printz  verbunden. 
Es  quillt,  es  flammt,  es  brennt,  das  theare  Sachsen- Blut, 
Das  sich  zum  vierdten  mahl  hat  rühmlichst  eingefunden, 


über  die  Asiatische  Bauise.  329 

Im  Nahmen,  welcher  längst  mit  diamantner  Schrift 

Den  Sternen  einverleibt.     So  kann  ein  Held  nicht  sterben, 

Wenn  GOtt,  Natur  und  Er  ein  solches  Denckniahl  stifft. 

Das  in  gevierdter  Zahl  die  tugend  pflegt  zu  erben.  ■ 

Es  jauchtzt  das  frohe  Land,  der  treue  Unterthan 

Lässt  sich  mit  Nektar-kost  der  süssen  Hoffnung  speisen: 

Die  hohe  ßaute  sey  befreyt  vom  Todeszahn, 

"Weil  noch  der  werthe  Stock  kann  Printz  und  Zweige  weisen. . . 

Bellona  leget  sich  den  Blitz  der  Waffen  an. 

Und  will  durch  Heldenart  dem  Printzen  sich  vermählen. 

Denn  weil  des  Dritten  Ruhm  besiegt  der  Sternen  Bahn, 

So  kan  unmöglich  es  ihr  bey  dem  Vierdten  fehlen. 

Der  Umstand  nun,  dass  gerade  dem  Sohne  des  säch- 
sischen Mars,  der  leider  durch  einen  plötzlichen  Tod 
1694  am  24.  April  im  26.  Lebensjahre  nach  nur  zwei- 
undeinhalbj  ähriger  Regierung  seinem  Lande  entrissen 
wurde,  unser  Buch  von  einem  kursächsischen  Edelmanne 
gewidmet  wurde,  lässt  die  politischen  Bemerkungen  in 
demselben  von  besonderem  Werthe  erscheinen;  sie  sind 
nicht  selten  von  einem  Freimuthe,  dass  sie  sich  über  das 
Zeitalter  Ludwigs  XIV.  zu  erheben  scheinen.  Des 
Schriftstellers  eigenste  Ansicht  ist  es  zweifellos,  die  der 
ehrwürdige  Oberpriester  Korangerim,  der  sich  schon 
früher  durch  kluge  Rathschläge  hervorgethan  hat,  bei 
der  Kaiserkrönung  in  einer  langen  Rede  an  den  dem 
Namen  nach  „gewählten"  neuen  Fürsten  Balacin  aus- 
spricht. Er  warnt  ihn  vor  Begünstigungen,  vor  Zorn, 
(denn  „der  Zorn  ist  eine  Motte,  welche  den  Purpur  ver- 
derbet"), vor  Neid  und  besonders  vor  unbesonnenen 
Reden.  „Der  Fürsten  Worte  sollen,  weil  sie  von  jedem 
erwogen  werden,  zuförderst  wohl  auf  der  Wageschale 
der  Bedachtsamkeit  abgewogen  seyn".  Dann  fährt  er 
fort:  „Haltet  dieses  vor  gewiss,  dass  die  Laster  eines 
Fürsten  mit  tausend  Augen  bemercket  werden.  Ja  der 
Vorwitz  ist  das  Fern-  wo  nicht  Vergrösserungsglafs,  wo- 
durch auch  die  geringsten  Finsternisse  der  Regierungs- 
sterne aufgezeichnet  werden.  Denn  was  sind  die  Fürsten 
anders  als  irdische  Planeten,  in  welchen  sich  die  gött- 
liche Sonne  der  Gerechtigkeit  zur  Regierung  des  Erd- 
bodens ausbreitet?  Den  guten  Nahmen  haltet  höher,  als 
das  Leben,  denn  dieser  ist  eine  Fackel,  welche  auch  im 
Tode  brennet".  Dann  mahnt  er  ihn,  durch  die  „zwey 
Flügel  der  Tugend  und  Tapferkeit"  sich  über  seine  Vor- 
eltern empor  zu  schwingen  und  auf  seine  Nachkommen 
Rücksicht  zu  nehmen.  „Vor  allen  Dingen  aber  befestiget 
eure   Majestät    durch    die    Gesetze    mit   Gerechtigkeit: 


330  G.  Müller  Frauenstein: 

denn  das  Gesetze  ist  eine  schweigende  Majestät  und 
die  Majestät  ein  redendes  Gesetze.  Diesem  allen  nun 
soll  die  Gottseligkeit,  wie  das  Gold  dem  Silber,  vor- 
gehen: denn  in  derselbigen  bestehet  des  Reiches  Feste 
und  die  Hoffnung  aller  Siege".  Weitere  gute  Regeln 
lauten:  „Fället  euch  etwas  ungemeines  und  schweres 
vor,  so  l3erathet  euch  mit  den  Gelehrten,  und  verachtet 
solche  nicht:  denn  die  AVeilsheit  ist  des  Reiches  Ancker 
und  ein  Compali^  der  Fürsten".  „Die  Liel)e  der  Unter- 
thanen  ist  die  beste  Festung  und  die  Furcht  eine  Stütze 
der  Majestät".  Der  Kenner  des  Hofes  spricht  aus  den 
AVorten:  „Die  geheimen  Anschläge  eures  Hertzens  ver- 
trauet euch  allein,  und  lernet  die  Klugheit  von  der 
Schlange,  welche  durch  ijfftere  AVendung  ihren  Lauff  un- 
wissende macht.  Denn  ein  Mensch  ist  das  unbeständigste 
Tliier,  welchem  niemahls  zu  trauen.  Ja  ein  Hoffmann 
schreibet  die  Wohlthaten  in  Wachs,  die  Schmach  in 
Marmel,  und  was  er  andern  gutes  erwiesen  in  Ertzt. 
Daher  schlafet  unter  euren  Leuten  mit  offenen  Augen, 
weil  sich  offt  die  Heucheley  unter  den  Mantel  der  Tugend 
verstecket.  Liebet  getreue  Rätlie,  und  befördert  die 
alten:  denn  ein  Fürst,  welcher  so  viel  reden  und  hören 
nmss,  sollte  billich  von  lauter  Augen  und  Ohren  zu- 
sammengesetzet  seyn".  Endlich  kommt  er  zu  dem 
menschenfreundlichen  Schlüsse :  „Beschweret  die  getreuen 
Unterthanen  nicht  mit  allzu  grossen  Auflagen,  und  be- 
denket, dass  dieses  kein  Hirte,  sondern  ein  Tyrann  ist, 
welcher  sich  nur  selbst  weidet,  und  den  armen  Schafen 
das  Futter  entzeucht.  Handel  und  Wandel  erhaltet  als 
die  Angeln  des  Reiches,  in  welchem  die  Tliür  des  Reich- 
thums  auff-  und  zugehet;  und  wie  solcher  durch  Friede 
am  besten  unterhalten  wird,  also  suchet  selbigen  durch 
Stahl  oder  Gold,  und  fanget  keinen  Krieg  an,  als  nur 
den  Frieden  zu  erlangen,  welches  denn  öffters  mehr  durch 
Rath  als  Waffen  geschiehet". 

Dass  diese  Rede  bei  Balacin  auf  einen  guten  Boden 
fallen  werde,  können  wir  schon  aus  der  vorhergehenden 
Proklamation  sehen,  die  er  durch  seine  Herolde  in-den 
noch  von  Blut  rauchenden  Strassen  Pegus  bekannt  machen 
lässt.  Sie  klingt,  als  sei  sie  in  Deutschland,  40  Jahre 
vor  dem  Erscheinen  der  Banise,  nach  dem  dreissigj ährigen 
Kriege  erlassen  worden.  „Heute  sollen  sich  alle  Sebel 
in  Pflugschaaren,  die  Spiese  in  Egen  und  die  Lantzen  in 
AVeinpfähle  verkehren.    Der  Friede   soll  unsere  Mauern 


über  die  Asiatische  Bauise.  331 

besitzen,  und  die  Sicherheit  soll  vor  jedem  Hause  ihre 
Fahne  aufstecken.  Nun  soll  der  Pflug  getrieben,  Handel 
und  Wandel  fortgesetzet,  und  die  Handwercke  vor  die 
Hand  genommen  werden.  Was  vergraben  und  verborgen 
gewesen  ist,  soll  herfür  gezogen  werden,  und  durch  alle 
Hände  gehen  .  .  .  Die  bilshero  schweigenden  Gesetze 
und  die  schlafende  Gerechtigkeit  soll  hingegen  ihr  Schwert 
wiederum  ergreilfen,  und  nur  die  Laster  bekriegen.  Die 
Väter,  welche  bishero  wider  den  Lauf  der  Natur  ihre 
Kinder  begraben  haben,  sollen  nunmehro  von  ihren  Kin- 
dern in  Frieden  zur  Euhe  gebracht  werden.  Der  Adel 
soll  nunmehro  vor  dem  gemeinen  Volcke  erkennet,  alle 
Verwirrung  abgethan,  und  alles  in  friedliche  Ordnung 
gesetzet  werden".  Eine  allgemeine  Amnestie  schliesst 
diese  Bekanntmachung. 

In  offenbar  beabsichtigtem  Gegensatze  zu  diesen 
guten  Plänen  der  neuen  Regierung  steht,  was  Zigler 
von  dem  Verfahren  des  Unholdes  Chaumigrem  erzählt. 
Diesem  hatte  der  frühere  Oberpriester  auch  einmal  ins 
Gewissen  zu  reden  gesucht  mit  den  Worten:  „Alle  Herr- 
schafften, darinnen  man  allzu  viel  Schärffe  brauchet,  be- 
stehen nicht  lange.  Wo  Recht  ist,  da  muls  auch  Gnade 
seyn;  diese  beyden  zieren  einen  Monarchen  wie  Sonne 
und  Mond  den  blauen  Himmel,  und  hierdurch  kann  er 
nur  den  Göttern  am  nechsten  kommen.  Ein  Regente 
ist  auch  an  die  Gesetze  gebunden,  dals  er  nicht  allent- 
halben frey  zu  verfahren  hat.  Ratio  Status  aber  ist  liie- 
gegen  die  verdammte  Rathgeberin,  dafs  man  weder  Vater 
noch  Mutter,  weder  Kinder  noch  Geschwister,  weder 
Treu  noch  Glauben,  weder  göttliches  noch  weltliches  Ge- 
setze verschonet,  sondern  dui'ch  List,  Falschheit  und 
Tyranney  alle  Rechte  unterdrucket,  die  Unterthanen  ins 
Elend  stürtzet,  sich  aber  selbst  ein  schreckliches  Ende 
auff  den  Hals  zeucht".  Chaumigrems  Gesinnung  dagegen 
macht  sich  in  den  Worten  Luft:  „Was  Rechte?  Was 
Treu  und  Glauben?  Vermaledeyet  sei  das  Gesetze, 
welches  die  Macht  eines  freyen  Königes  einzuschrencken 
sich  bemühet.  Ratio  Status  ist  die  eintzige  Richtschnur 
grosser  Herren,  und  hat  die  Gerechtigkeit  zur  Stieff- 
schwester". 

Bei  anderen  Gelegenheiten  verräth  Zigler  üi  seinen 
Anschauungen  über  die  verschiedenen  Stände  das  etwas 
verbitterte  Gemüth  oder  wenigstens  die  melancholische 
Stimmung  des  Einsiedlers.    Scandor,  der  treueste  Diener 


332  G.  Müller-Frauenstein: 

Balacins,  die  am  lebensvollsten  gezeichnete  Figur  des 
Romans,  sagt  z.  B..  er  habe  sich  am  allermeisten  ge- 
liiitet  „vor  der  gemeinen  Hofpest,  ungemessener  Einbil- 
dung". Andrerseits  klagt  Talemon,  der  älteste  und  er- 
gebenste Anliänger  Banisens,  einmal,  bei  dem  Einzüge 
Chaumigrems  habe  er  „ein  rechtes  Beyspiel  des  wancken- 
den  Pübels  gesehen,  wie  wenig  auf  dero  beständige 
Treue  zu  verlassen  sey".  Klagen  über  die  Verletzungen 
der  Sitten gesetze  sind  überliaupt  etwas  so  häufig  Einge- 
streutes, dass  man  deutlich  erkennt,  es  war  Zigler  ernst 
damit,  seine  Leser  vom  Busen  abzuschrecken.  Er  ist 
entschieden  nicht  frivol;  ebenso  wenig  wie  er  in  seiner 
Sprache  den  Franzosen  nachläuft,  ebenso  wenig  thut  er 
es  in  der  Gesinnung.  Klingt  es  niclit  wie  eine  breitere 
Ausführung  eines  Epigrammes  von  Logau,  nur  dass  man 
die  Worte  mehr  auf  Europa  als  Asien  beziehen  muss, 
wenn  Balacins  Schwester  Higvanama  sagt:  „Freylich  ist 
es  zu  beklagen,  ja  mit  blutigen  Thränen  zu  beweinen, 
dass  unser  asiatisclies  Frauenzimmer  fast  mehr  Cometen 
als  reine  Sterne  blicken  lasset;  da  eine  bereits  durch 
das  Band  der  Liebe  gebundene  Venus  den  Wechsel  der- 
massen  liebet,  dafs  öffters  die  sämtlichen  Planeten  nicht 
gnugsam  sind,  sie  durch  ihren  Einfluls  zu  stillen.  Und 
brennet  ja  noch  wo  ein  reines  Licht,  welches  sich  keine 
Lasterwolcke  will  schwärtzen  lassen,  so  heissen  dessen 
Stralen  einfältig".  In  den  zahllosen  Gesprächen,  die 
über  Geschlechtsliebe  in  dem  Romane  vorkommen,  spie- 
gelt sich  die  Zügellosigkeit  der  Zeit  in  dieser  Beziehung 
ebenso  wieder  wie  des  Schriftstellers  lebhafter  Wider- 
wille dagegen.  Der  ebengenannte  Scandor  weiss  darüber 
wie  über  die  Liebe  der  Geschwister  unter  einander  und 
zu  den  Eltern,  über  Ehe  und  Jnnggesellenthum  am  inter- 
essantesten Ziglers  Ansichten  wiederzugeben.  „Eine 
Grundregel  der  heutigen  Welt"  klingt,  als  ob  sie  auch 
auf  die  Junggesellen  des  19.  Jahrhunderts  passte:  „Ein 
Pfund  Gold  mufs  im  Heyrathen  einen  Zentner  Tugend 
überwiegen".  Und  das  Bild,  das  uns  von  der  Denk-  und 
Handlungsweise  der  Frauen  entworfen  wird,  stimmt  ganz 
zu  der  Mätressen wirthschaft  des  17.  Jahrhunderts;  als 
leuchtende  Gegenbilder  stellt  unser  Buch  aber  in  den 
drei  Bräuten  Banise,  Higvanama  und  Fylane  Muster  an 
Keuschlieit  und  Treue  auf.  Endlich  müssen  wir  als  einer 
besonders  bezeichnenden  Gestalt  dieses  vor  200  Jahren 
geschriebenen  Romans  dem  liebenswürdigen  Schwerenöther 


über  die  Asiatische  ßanise.  333 

Scandor  einige  Worte  widmen.  Er  fühlet  wie  keine  an- 
dere unmittelbar  in  die  Zeit  ein,  wo  höfische  Gewandt- 
heit und  selbstlose  Unterwürfigkeit  unter  eines  Füi^sten 
Gebot  und  Literessen  das  höchste  äussere  Glück  ver- 
anlassten. Er  stammt  aus  einem  alten  adeligen  Ge- 
schlechte von  Ava,  muss  das  väterliche  Haus  meiden, 
weil  eine  junge  Stiefmutter  ilmi  nachstellt,  macht  sich 
im  ersten  Kriege  als  „Hellebardierer"  bei  der  Leibwache 
um  den  damals  fünlzehnj ährigen  Prinzen  Balacin  ver- 
dient, indem  er  ihm  das  Leben  rettet,  wird  sofort  zum 
Hauptmann  ernannt  und  erlangt  nun  durch  die  Gunst 
des  Prinzen  ein  solches  Glück,  dass  er  zuletzt  als  festeste 
Säule  des  neugegründeten  liinterindischen  Kelches  neben 
dem  Throne  der  unvergleichlichen  Banise  und  ihres  Bala- 
cin steht,  in  alles,  was  diese  beiden  Hauptpersonen  be- 
trifft, eingeweiht  wie  niemand  sonst,  ihres  Vertrauens 
aber  auch  in  jeder  Hinsicht  werth.  Denn  er  hat  seinen 
Herrn  nicht  nur  das  eine  Mal,  sondern  mehrmals  aus 
Lebensgefalu^  befreit,  opfert  sich  blind  füi"  ihn  auf,  lässt 
sich  zwei  Mal  für  ihn  gefangen  nehmen  und  windet  sich 
aalglatt  durch  alle  Verwickelungen  hindurch.  Seine 
frische,  leichtlebige  Natur,  sein  scharfer  Blick,  seine 
Entsclilossenheit  in  entscheidenden  Lagen,  seine  Menschen- 
kenntnis und  seine  Kühnheit  machen  es  erklärlich,  wenn 
ihm  schliesslich  alles  gut  ausfallen  muss,  so  oft  auch  der 
Himmel  über  ihm  einzustürzen  droht.  Die  ganze  Erschei- 
nung dieses  Mannes,  welche  Gottscheds  Zorn  1730  ganz 
besonders  auf  sich  zog,  legt  die  Vermuthung  nahe,  dass 
dem  Dichter  füi^  sie  eine  historische  Persönlichkeit  vor- 
schwebte.   Wer  kann  sie  finden? 


XL 

Kleinere  Mittheilimgen. 

1.  Zaubersprüche  und  Sej?en  aus  sächsischen 
Tisitationsakten. 

Von   Georg  Müller. 

Unter  den  schweren  Sclicäden  des  sittlich -religiösen 
Lebens,  welche  die  kursächsische  Yisitationsordnung  vom 
Jaln^e  1578  in  überaus  ernster  Weise  beklagt,  wird  auch 
die  Zauberei  genannt^).  Welche  Verbreitung  sie  genoss, 
welche  Rolle  sie  in  der  Bevölkerung,  namentlich  des 
Erzgebirges  und  Vogtlandes,  spielte  und  welch  viel- 
gestaltige Form  sie  annalun,  davon  geben  uns  die  Akten 
der  unmittelbar  vorausgegangenen  Visitationen  zahlreiche 
Belege-).  Ist  der  Bericht  auch  oft  sehr  allgemein  ge- 
halten, so  gestatten  uns  doch  eine  Keihe  von  Angaben 
einen  Einl)lick  in  die  mannigfachen  Erscheinungen  des 
Volksaberglaubens. 

Meistens   sind   es  Frauen^),   die  mit  ihren  Zauber- 


^)  Dresdner  Rathsarchiv  A.  II.  66.  Des  (liirchlauclitigsten  . . . 
Herrn  August!  ....  Verordnung  vnd  Befehl  ....  auff  die  neg.'^t  ge- 
haltene zwo  Visitationcs Drefsden.    1578.    Bd.  195 'j;  „Zauherey, 

Drachenhalten,  Segensprechen,  vnd  diesen  Abgöttischen  künstlern 
vnd  Verführern,  one  einige  strafte  anhengen  vnd  zulauften,  werde 
gantz  gemein  erfahren". 

")  Log.  2012.  A' isitationsprotokoUe  des  Konsistoriums  Dresden. 
1578.  (Im  folgenden  angeführt  unter  der  Ahkürzung  D  mit  bei- 
gefügter Blattzalil.)  Loc.  2002.  Extrakt  aus  der  Visitation  der  in 
das  Konsistorium  Jjoipzig  gehörigen  Sui)erintendeiituren.  Anno  1578. 
(Angeführt  unter  der  Alikürzung  E  mit  beigefügter  Blattzahl.) 
Loc.  1994.  Visitation  des  Leipziger  Creyfses.  (Angeführt  unter 
der  Bezeichnung  L  mit  beigefügter  Blattzahl.) 

2)  Ausserordentliclies  Ausehen  genoss  eine  Wahrsagerin  zu 
Waldkirchen  bei  Crimmitschau.  E  98^  101  a.  105«.  177».  132-\ 
Vergl.  auch  166''.  177^  180''.    Ausserdem  wird  sie  erwähnt  L  157". 


Kleinere  Mittheilungen.  335 

klmsten  den  Bedürfnissen  namentlich  der  ländlichen  Be- 
völkerung entgegenkommen.  Die  einen  können  Mütter 
in  Kindesnöthen  schützen^),  kranke  Kinder  messen^')  und 
Wunden '^X  Rheumatismus'),  sowie  Zahnschmerz  *)  heilen ; 
andere  verstehen  Verzauberungen  des  Viehes  zu  heben  ^) 
und  Verhexungen  der  Milch  entgegenzuwirken^*^);  noch 
andere  wissen  Verlorenes  durch  das  Laufen  des  Siebes 
wieder  herbeizuschaffen^^),  oder  mit  dem  „Alraunichen" 
verborgene  Schätze  zu  heben  ^-j.  Natürlich  wird  der 
Drache  mehrfach  erwähnt  ^^).  Auf  das  Geisterreich  selbst, 
namentlich  die  Eiben  ^^),  erstreckt  sich  ihre  Thätigkeit. 
Werden  diese  Wunderthäterinnen  zur  Rede  gesetzt  oder 
gefänglich  eingezogen  ^^),  so  suchen  sie  sich  wohl  „mit 
weinenden  Augen"  zu  entschuldigen^'^),  während  andere 
sich  darauf  berufen,  die  Welt  wolle  betrogen  sein^').  In 
der  Regel  bleibt  es  bei  emer  Verwarnung;  einmal  wird 
ein  silbernes  Schock  Groschen  als  Strafe  bezeichnete^). 
Neben  diesen  Angaben  finden  sich  eine  Reihe  von 
Zaubersprüchen  und  Segen,  die  ich  unter  kurzem  Hinweis 
auf  die  einschlagende  Litter atur^'')  zum  Abdruck  bringe. 

I.  jyiorgensegen^"). 

Ich  greiff  heut  an  diese  vberthur, 

Alle  meine  Sachen  gehen  mir  heut  für, 

Es  begegneten  mir  heut  drey  menner, 

Das  ein  war  Gott  der  Vatter, 

Das  ander  Gott  der  Sohn, 

Das  dritte  Gott  der  heilige  Geist, 

Der  behüt  mir  heut  mein  blut  und  fleisch. 


291 1^-  Eine  Wahrsagerin  aus  Böhmen  wird  genannt  B  llSa-  D  354 1^-, 
eine  „aus  dem  wendischen  Lande"  D  160''-  Ein  Mann  unterstützt 
seine  Frau  E  331 1»-  Zu  Oberreichstädt  giebt  ein  vertriebener  Prä- 
dikant,  der  junge  Lasius,  vor,  wahrsagen  zu  könnenE  267  b.  Ausser- 
dem beschäftigten   sich   die  Zigeuner  mit  Zauberei  L  64''-  L  511  »• 

i\  E  1751'-  —  ■•)  E  331b-  E  338b.  _  0)  E  328a.  —  ')  L  566b. 
—  8)  E  176  b.  L  480  a.  _  9)  E  331b.  _  lO)  l  666  b.  E  309  b. 
D  432.  —  ")  E  310  a.  E  135  a.  _  12)  E  328  «•  E  214  a.  _  iS)  E  116  a. 
D  520b.  Der  Pfarrer  zu  Cranzahl  sagt  aus:  „De  magis  nihil  habet, 
hatt  manchmals  den  Drachen  sehen  selber  fliegen;  weis  aber  nicht, 
wo  er  hienkomme  oder  von  wannen". 

1*)  „Die  Blbenn  segnen"  E  308  b.  E  338  b.  in  Heroldshausen 
, schüren  sie  noch  das  Johannisfeuer ,  hencken  rosen,  blumen  vnd 
kreuter  aufs  vnd  vff  Walpurgis  krenze,  dorn  und  meyen  wieder  die 
Hexin^     E  369  b.    Dies  wird  verboten.    E  373  a. 

15)  E  278   •  —  16)  D  .536.  -  ")  E  347a.  _   "s)  d  197a. 

19^  Vergl.  W.  Scherer,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur. 
Berlin  1883.     S.  7.  724.  15.  16.  725. 

20)  L  613  b.  — 


336  Kleinere  Mitthoiluiigon. 

IL  Kindessegen"^). 
0  liebe  Maria, 

verleihe  mir  dein  weises  kleidt 
zu  meiner  sauren  arl»eitt. 
Ich  wil  dirs  wieder  heimsenden  mit  sieben  Vaterunser  etc. 

III.  Segen  für  kranke  Kinder22). 

Zwene  die  mich  sahen,  vnd  einer  der  mich  wiedersähe,  der 
eine  (rott  Vater,  der  ander  Got  Sohn,  der  dritte  Gott  der  heilige 
Geist,  die  geben  dier  wieder  dein  blut  und  fleisch.  Im  namen  des 
Vaters  etc. 

IV.  Elbenvertreiben-»). 

Die  heilige  Dreifaltigkeit,  Gott  Vater,  Solm  vnd  heiliger  Geist 
vnd  Sunt  Johans  Evangelien  müssen  Dier  Deine  Eiben  vertreiben. 
Im  namen  des  Vaters  etc.  Darauf  müssen  drey  Vaterunser  gebetet 
werden. 

V.   Blutsegen-i). 

Das  waltt  gott  vnd  die  heiligen  fünf  wunden. 
Das  die  sechste  weder  schwere  noch  schwelle. 
Das  zalile  ich  dir  zur  bufse  im  namen  des  Vaters,  des  Sohnes 
und  heiligen  Geistes. 

Gott  behüte  vnd  beware  vns. 

Bilbes  schusse'-")  lege  dich,  zeuch  naus  in 

Steinfels  vnd  komme  nimmer  mehr  in  mein 

Haufs,  das  sei  dir  N.  zur  bufs  gelegt.     Im 

namen  des  Vaters,  Sohnes  vnd  heiligen  Geistes  etc. 

VII.  Für  die  Schüsse  und  wehthun  der  zehne"). 

Ihr  Biblitze-^),  habt  ihr  mich  geschossenn,  so  wollen  wir  euch 
wieder  suchenn  vnd  mit  mistwasser  begissenn.  Das  zahle  ich  dir 
zur  bufse  im  namen  des  Vaters,  Sohnes  vnd  heiligen  Geistes. 

VIII.   Gegen  ZahnwehS"). 

Fare  aus  im  namen  des  Vaters,  Sohns  vnd  heiligen  Geistes 
inn  ein  steinkluflt,  das  es  niemandts  schade. 

IX.  Das  man  das  viehe  nicht  bezaubern  könne^"). 

Ich  nim  ein  sichel  in  meine  band  vnd  sprech: 
Ich  schlage  dich  mit  meiner  taufschwingen. 

Das  keine  Zauberinnen 
Meine  Milch  kan  gewinnen, 
Weder  aussen  noch  innen. 


")  E  175  b.  _  22)  E  331b. 

2»)  E  338b.  Vergl.  über  die  Eiben  K.  Simrock,  Handbuch 
der  deutschen  Mythologie  mit  Einschluss  der  nordischen.  10.  Aufl. 
Bonn  18H4.     S.  456  flg. 

*■*)  E  183  "•  —  s"')  E  168  •'. 

2")  Über  Bilbes  schusse  vergl.  J.  Grimm,  Deutsche  Mythologie. 
14,  391.  IU4,  137. 

2')  E  176«   —  28)  Yergl.  Anm.  26.  —  2»)  L  480 "•  —  »o)  L  613 b. 


Kleinere  Mittheihingen.  337 

Als  wenig  als  vnser  liebe  fraw  ein  andern  söhn  kan  gewinnen, 

Als  wenig  das  heylige  creutz  kan  zubrechen, 
Als  wenig  soll  dich  ein  falscher  mensch  vbersprechen. 

X.  Zur  Heilung  des  Viehes^^). 

Kj-öt'^'^),  du  hast  dich  vermessen, 

dein  eigen  haus  hastu  besessen, 

du  wollest  werden  wie  ein  haus; 

verschwindt  wie  der  schwarzman  verschwant, 

der  die  wind  wandt,  vnd  Gott  den  Herren  bandt. 

Das  zahl  ich  dir  zu  lob  und  bufs. 

Im  nahmen  des  Vaters,  Sons  vnd  des  heiligen  Geists. 

XI.  Item  wenn  one  (eine)  kue  der  vnflat  hat^^). 

Kröte,  du  hast  der  kue  ihr  blut  und  fleisch  besessen. 

du  hast  in  willens  zu  werden 

So  gross  als  himel  und  erdeu, 

das  bufse  dir  der  man, 

der  am  heyligen  Creutze  hang^^). 

2.  Strafrechtsgeschichtliche  Findlinge. 

Mitgetheilt  von  Th.  Distel. 

Ehebruchsstrafe  für  einen  Pfarrer  (1552). 
Der  Pfarrer  zu  Schönbrunn  bei  Wolkenstein  in 
Sachsen,  Georg  Thiel,  war  verheirathet  und  hatte  sechs 
Kinder.  Mit  einer  in  seinem  Hause  als  Magd  dienenden 
Verwandten  pflegte  er  1553  verbotenen  Umgang  und 
schwängerte  dieselbe.  Er  wurde  abgesetzt  und  zum 
Tode  verurtheilt.  Auf  vielseitiges  Bitten  milderte  der 
Kurfürst  Moritz  jedoch  diese  Strafe  in  Landesverweisung 
nach  abgeleistetem  Urfrieden.  Bevor  Thiel  das  Land  ver- 
liess,  musste  er  am  23.  Oktober  genannten  Jahres  und 
an  den  zwei  folgenden  Soimtagen  während  der  Predigt 
vor  der  Kirche  zu  Wolkenstein  mit  einem  weissen  Stabe 
m  der  Hand,  weitere  drei  Sonntage  in  der  Kirche  vor 
dem  hohen  Altar  stehen  und  des  dortigen  Pfarrers  „mit 
ihm  zu  haltenden  procefs  abwarten".  Am  letzten  der 
sechs  Sonntage  wurde  ihm  Absolution  ertheilt  und  das 
Abendmahl  gereicht^). 

81)  L  166  b. 

32)  Vergl.  C.  Meyer,  Der  Aberglaube  des  Mittelalters  und  der 
nächstfolgenden  Jahrhunderte.    Basel  1884.     S.  79  flg. 

33)  L  613 1-- 

3*)  A.  Kulm  erwähnt  einen  Zauberspruch  nach  einer  sächsischen 
Aufzeichnung,  die  von  der  Hagen  aus  Dresden  mitgetheilt  worden 
war.  Vergl.  A.  Kuhn,  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung. 
XIII  (1864),  55. 

1)  K.  S.  Hauptstaatsarchiv:  Loc.  9703,  Georg  Thielen  etc. 

Neues  Arcüiv  1".  S.  G.  u.  A.     IX.  3.  4.  22 


338  Kleinere  Mittlieilungen. 

Eine  metallene  Gerichtshand. 
Im  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  (Nr.  8 
von  1881)  machte  ich  Mittheilungen  über  die  1  Kilo 
schwere  messingene  Gerichtshand  zu  Geising  und  deren 
zwiefache  Verwendung  nach  den  Statuten  genannten 
Ortes  vom  Jahre  1G90.  Der  Richter  hatte  dieselbe 
immer  bei  sich  zu  führen,  um  den  Gehorsam  der  Par- 
teien daran  geloben  zu  lassen,  bez.  dem  Ungehorsamen 
„einen  guten  Streich"  damit  zu  geben.  Vor  einiger  Zeit 
kam  mir  abermals  eine  metallene  Gerichtshand  in  der 
Sammlung  des  Wirthes  Münzberg  auf  der  Burgruine 
Tollenstein  in  Böhmen  zu  Gesicht,  welche  Eigenthum 
der  Stadtgemeinde  St.  Georgenthal  an  der  böhmischen 
Nordbahn  ist.  Dieselbe  ist  ein  wenig  kleiner  und  leichter 
als  die  früher  von  mir  beschriebene  und  hat  einen  etwas 
längeren  geschnittenen  Holzgritf  als  jene.  Überhaupt 
scheinen  an  der  sächsisch-böhmischen  Grenze  die  Gerichts- 
hände häufig  vorzukommen ;  so  soll  eine  solche  auch  noch 
in  dem  Städtchen  Bensen  aufbewahrt  werden.  (Vergl. 
übrigens  auch  den  angezogenen  Anzeiger  1882,  No.  3  u.  10.) 

Nachrichten 
über  die  Wurzener  „Schandflaschen". 
Das  Tragen  der  Flaschen  (Büttelsflaschen,  des  Pag-, 
Laster-  oder  Klapp erstein s ,  des  Schandkorbs  ^) ,  der 
Katze  u.  s.  w.),  zu  welcher  Strafe  Frauen  Avegen  ehren- 
kränkender und  verläumderischer  Reden  sowie  verursach- 
ter Zänkereien  und  Baufereien  verurtheilt  zu  werden 
pflegten,  findet  ein  Seitenstück  in  den  Wurzener 
„ S Chan df laschen"^).  Noch  im  Jahre  1740  hat  der 
Rath  genannter  Stadt  diese  Strafe  verhängt  und  sie 
durch  öffentlichen  Anschlag  bekannt  gegeben.  Derartige 
Massnahmen  wurden  ihm  jedoch  unterm  14.  August 
des  gedachten  Jahres  ernstlich  verwiesen.  Die  Wur- 
zener Flaschen  waren   aus  Stein^),   nicht,  wie  z.  B.  die 

1)  VergL  Grimm,   Deutsche  Reclitsalterthümer  (1828)  S.  726. 

-)  Vergl.  Carpzov,  Pract.  nov.  (1652),  Ind.  s.  v.  „numellae" 
und  üengler,   Deutsche    Stadtrechtsalterthümer  (1882)   S.  134  flg. 

3)  "Welches  Gewicht  und  welche  Ahzeichen  sie  hatten,  konnte 
ich  leider  nicht  ermitteln;  die  Bautzner  „Büttelsflaschen" 
wiegen  ca.  lö  kg,  die  zu  Dortmund  und  Halberstadt  wogen  nach 
den  Statuten  von  1348  „einen  Centner".  Die  Bautzner  Fla- 
schen und  die  Mühlhausener  (i.  E.)  „Xlappersteine"  —  noch 
1798  im  Gebrauche  —  haben,  bezw.  hatten  entsprechende  Inschriften 
in  Versen  (vergl.  Moschkau,  Saxonia  1876). 


Kleinere  Mittheilungen.  339 

ZU  Kalau,  aus  Holz.  Die  Delinquentinnen  mussten 
dieselben  eine  gewisse  Strecke  weit  öifentlicli  tragen. 
Noch  in  späterer  Zeit  befanden  sie  sich  auf  dem  Rath- 
hause  zu  Würzen;  wohin  sie  alsdann  gelangt  seien,  ver- 
mochte mir  der  Rath  der  genannten  Stadt,  der  von 
dem  früheren  Vorhandensein  dieser  Flaschen  überhaupt 
nichts  wusste,  nicht  anzugeben.  Unterm  3.  August 
1741  kam  die  Stiftsregierung  daselbst  bei  dem  Kur- 
fürsten Friedrich  August  II.  zu  Sachsen  darum  ein,  dass 
dem  Stadtrathe  erlaubt  werde,  „das  Laster  der  Hure- 
rey  mit  dem  sogenannten  Flaschentragen,  die  Garten- 
deuben  aber  mit  Ausstellung  der  Delinquenten  am 
Pranger,  wie  vor  diesen  gewöhnlich  gewesen,  zu 
bestrafen.  Der  Kurfürst  befahl  hierauf  der  Landesregie- 
rung (20.  Mai  1743),  sich  gutachtlich  in  der  Sache  zu 
äussern,  wonach  dieselbe  unterm  19.  Juni  1743  vorschlug, 
„diesem  Gesuche  keineswegs  statt  zu  geben"*).  Über 
andere  dergleichen  Flaschen  in  Sachsen  und  anderwärts 
berichtet  Moschkau  in  der  „Saxonia"  1876,  SS.  53,  59. 

3.   Eine  Inschrift   ans    der  Regieruugszelt  des  Kur- 
fürsten Johann  Georg  I.  von  Sachsen. 

Mitgetheilt  von  Theodor  Distel 

Auf  einem  3  Meter  23  Centimeter  langen  Streifen 
im  K.  S.  Hauptstaatsarchive  ^)  befinden  sich  di-ei  Zeilen, 
welche  in  'd'-^j^  cm  hohen  Initialen  folgende  Inschrift  auf 
ein  von  Johann  Georg  I.  erneuertes  Festungswerk  (wel- 
ches und  wo?)  ohne  Zeitangabe  enthalten: 

Diix  avus  augustam  hanc  Angnstiis  condidit  arcem, 
Ensiger  imperii  patriae  in  Misnensibus  arvis, 
Cura  bis  ensigerum  haue  fecit  reparare  nepotum, 
Ex  jussu  primum  Christiani  nempe  secundi, 
Jamque  iterum  jussit  janus  renovare  Georgus, 
Ensiger  imperii  sacrique  vicarius  olira 
Imperii,  ut  Caesar  Rndolphus  liqiiit  habenas, 
Et  nondum  Caesar  Matthias  sumsit  habenas. 


*)  Nach   den   Akten   des   K.    S.    Hauptstaatsarchivs:    III.   25. 
fol.  115.  No.  5. 

^)  K.  S.  Hauptstaatsarchiv:  Loc.  4447  Inschrift  etc. 


%V 


Literatur. 


Geschichte  der  Sächsischen  Klöster  in  der  Mark  Meissen  und 
Oborlaiisitz.  Von  Hermann  Gustav  Hasse,  Lic.  theol.,  Dr.  phil., 
em.  Pfarrer  und  Superintendent,  Kircheurath  etc.  Gotha,  ¥.  A. 
Perthes.     1888.     VIII  und  317  SS.     8". 

Seitdem  Chr.  G.  Fix  in  dem  dritten  Theile  seines  Könighch 
Sächsischen  Kirchenstaates  (Freyberg,  1807)  S.  97  —  211  eine  Zu- 
sammenstellung der  sächsischen  Klöster  gegeben,  ist  für  die  Kenntnis 
der  Geschichte  derselben  dui-ch  Veröffentlichung  urkundlichen  Mate- 
rials, wie  durch  Verarbeitung  desselben  in  monographischer  Darstel- 
lung so  viel  geschehen,  dass  eine  zusammenfassende  Behandlung  als 
eine  verlockende  und  dankbare  Aufgabe  erscheinen  muss.  Freilich 
würde  dieselbe  nur  dann  ihren  Zweck  ei-füUen,  wenn  sie  ausser  den 
gedruckten  Urkunden  die  noch  nicht  verwertheteu  Schätze  der  Archive 
ausbeutete,  eine  umfangreiche  Arbeit,  deren  Schwieiigkeit  sich  deut- 
lich zeigt,  wenn  man  die  stattlichen  Eegisterbände  des  hiesigen 
Hauptstaatsarchivs  durchblättert,  abgesehen  von  den  Schätzen,  welche 
die  Kathsarchive  einzelner  Städte  bergen. 

Prüft  man  auf  Grund  dieser  Forderung  die  vorliegende  Schrift, 
so  ist  man  überrascht  zu  sehen,  dass  Verfasser  auf  eine  Ausbeutung 
uugedruckter  urkundlicher  Quellen  fast  durchweg  verzichtet.  Es 
muss  daher  die  Darstellung  sebr  ungleichmässig  ausfallen,  indem  die 
Klöster,  über  welche  die  Urkunden  im  Codex  diplomaticus  Saxoniae 
regiae  noch  nicht  publiziert  und  andere  Quellen  nicht  eröftiiet  sind, 
nur  skizzenhaft  behandelt  werden  können.  Aber  auch  die  Benutzung 
der  l)ekanntcn  Urkunden  und  der  in  Zeitschriften  verstreuten  ]\lono- 
graphien  und  Beiträge  ist  eine  unvollständige.  Ausser  den  in  Lut- 
hardts  theologischem  Litteraturblatt  bezüglich  des  besonders  wich- 
tigen Franziskanerordens  gegebenen  Verweisen  greift  lleferent  einige 
Beispiele  heraus. 

Verfasser  kennt  den  4.  Band  der  2.  Abtheilung  des  Cod.  dipl. 
Sax.  reg.  nicht,  wiewohl  derselbe  bereits  1873  erschienen  ist  und  das 
reichhaltige  Urknndeubuch  der  Stadt  Meissen  und  ihrer  Klöster  ent- 
hält. Infolge  dessen  ist  z.  ß.  die  Geschichte  des  Augustiner- Chor- 
herrenstifts zu  Meissen  nur  dürftig  ausgefallen,  und  doch  ist  dieses 
Kloster  besonders  reich  mit  einer  Reihe  von  wichtigen  Uikunden 
vertreten,  SS.  102—271,  Nr.  147—360.  Ich  verAveise  auf  das  um- 
fangreiche Schriftstück  Nr.  239,  SS.  179—189,  welches  das  Zins- 
register enthält  und  uns  einen  interessanten  Einblick  in  die  Ver- 
mögensverhältnisse des  Klosters  bietet;  oder  auf  das  Notariatsinstru- 
ment, die  Visitation  und  Reformation  des  Afraklosters  betreffend,  aus 
dem  Jahre  1452,  welches  uns  ein  anschauliches  Bild  der  Zeitströmung 
vor  Augen  führt;  oder  aul'  die  Urkunden,  welche  die  Ausgestaltung 


Literatur.  341 

des  Kultus  lietreffeu,  unter  andern  Nr.  323,  S.  253  vom  Jalu'e  1503. 
Ob  wirklich  das  S.  74  erwähnte  Anniversarium  so  unbedeutend  und 
werthlos  ist,  wie  Verfasser  meint,  möchte  Referent  dahingestellt  sein 
lassen.  Wie  auch  solche  Ijlosse  Namen  für  die  kritische  Geschichts- 
schreibung von  Bedeutung  werden  können,  hat  Ermisch  in  seiner 
Studie  über  die  Geschichte  des  Benediktinerklosters  zu  Chemnitz  in 
V.  Webers  Archiv  für  die  Sächsische  Geschichte,  Neue  Folge,  IV 
(1878),  8.261  —  263  gezeigt.  Dem  Verfasser  ist  jene  Abhandlung 
nicht  bekannt.  Die  Benutzung  derselben  hätte  ihm  manche  Ausfüh- 
rungen ers^iart,  ihn  auf  manche  xtnbeacbtete  interessante  Seite  auf- 
merksam gemacht  und  ihm  den  Vorzug  der  kritischen  und  pragma- 
tischen Behandlung  vor  der  von  ihm  gewählten  aunalistischen  be- 
wiesen. Auch  andere  Monographien  sind  nicht  erwähnt.  S.  76  fehlt 
Fr.  S.  Sachse,  das  Thomaskloster  zu  Leipzig,  Leipzig  1877.  —  S.  222 
war  zu  vergleichen  der  Aufsatz  von  K.  A.  Seidemann,  das  Kloster 
Eiche  bei  Namihof,  in  der  Saxonia  I  (1876),  Nr.  20,  S.  156—158.  — 
Zu  229  war  hinzuzufügen:  Die  Geschichte  der  Cölestiner  auf  dem 
Königstein  von  K.  A.  Seidemann,  Saxonia  I  (1876)  und  0.  Lehmann, 
Das  Cölestiner- Kloster  auf  dem  Königstein.  Jahresbericht  der  Sek- 
tion Dresden  des  Gebirgsvereins  für  die  sächsisch-böhmische  Schweiz 
über  die  Jahre  1885  und  1886.  S.  3-20.  —  S.  247  war  zu  berück- 
sichtigen K.  Seeliger,  Das  Kloster  zum  heiligen  Kreuz.  Mitth.  des 
Vereins  für  Gesch.  der  Stadt  Meissen  1,  25—50;  2,  1—32.  In  der- 
selben Zeitschrift  I,  83  flg.:  Loose,  Meissner  Ansichten:  G.Klöster: 
Nonnenkloster  Ord.  S.  Benedicti  zum  heiligen  Kreuz  Nr.  6  a— 11.  S. 
83.     Vgl.  S.  88  Nr.  1. 

Man  wird  daher  beim  Gebrauche  des  Hasseschen  Werkes  gut 
thun,  die  Angaben  desselben  in  jedem  Falle  auf  ihre  Vollständigkeit 
und  Zuverlässigkeit  zu  prüfen. 

Dresden.  Georg  Müller. 


Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  nnd  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Alterthumskunde. 

Angermann,  Const.  Die  männlichen  Namen  des  Hauses  Wettin: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1888.  Nr.  47. 
S.  261—264. 

Beck,  Feäor.  Sprachliche  Erläuterungen  zu  den  im  Programm  von 
1887  gebrachten  Beiträgen  aus  Pegauer  Handschriften:  Programm 
des  Königl.  Stifts-Gymnasiums  zu  Zeitz.  (Zeitz  1888,  4P.)  S.  1—10. 

Berling  s.  Gurlitt. 

Börner,  Emil  Richard.  Die  Entwicklung  des  sächsischen  Volks- 
schulwesens im  18.  Jahrhundert.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens.  Leipziger  Inaug.-Diss. 
Schönefeld.     [1888.]    46  SS.  8». 

Boerner,  G.  Zur  Kritik  der  Quellen  für  die  Geschichte  der  heiligen 
Elisabeth,  Landgräfin  von  Thüi'ingen:  Neues  Archiv  der  Gesell- 
schaft für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  Bd.  XIII.  (1888.) 
S.  431—515. 

Brecher,  Adolf.  Darstellung  der  Gebietsveränderungen  in  den  Län- 
dern Sachsens  imd  Thüringens  von  dem  12.  Jahrhundert  bis  heute. 
Berlin,  Dietr.  Reimer.     1888.     (Karte.) 


342  Literatur. 

V.  Bremen,  W.  Die  Schlacht  bei  Kesselsdorf  am  15.  Dezember 
1745.  Vortrag,  gehalten  in  der  3Iilitärischen  Gesellschaft  zu 
Berlin  am  14.  Dezember  1887.  Mit  einem  Plane  imd  zwei  Skizzen. 
Berlin,  E.  S.  Mittler  und  Sohn.     1888.     51  SS.  8"^. 

BuchivaJd,  G.  Zwei  Jahrzehute  einer  sächsischen  Pfarre  in  der 
Reformationszeit:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung 
1888.     No.  71.     S.  359  flg. 

—  Beiträge  zur  Geschichte  des  Vogtländischen  Adels.  (VIII.  Die 
Familie  von  Winkelmann):  ebenda.     No.  83.    S.  411  flg. 

—  Allerlei  aus  drei  Jahrhunderten.  Beiträge  zur  Kirchen-,  Schul- 
und  Sittengeschichte  der  Ephorie  Zwickau.  I.  Auerbach,  Bären- 
walde, Bockwa,  Crossen,  Culitzsch.  Zwickau,  Paul  Werner 
(Komm.)     144  SS.  8». 

—  Böhmische  Exulanten  im  sächsischen  Erzgebirge  zur  Zeit  des 
dreissigjährigeu  Krieges.     Barmen,  Klein  o.  J.     26  SS.  8°. 

Distel,  Th.  Ein  altes  Jügerlied,  komp.  für  den  Herzog  Job.  Georg  (I.) 
zu  Sachsen  von  Samuel  Völckell :  Waidmann  Bd.  XIX.  S.  229. 

—  Die  verkämpften  Hirschgeweihe  der  Moritzburg:  ebenda.  S.  369. 

—  Notenmanuskripte  aus  den  Jahren  1604  —  1610:  Monatshefte  für 
Musikgeschichte.  Jahrg.  XX.  (1888.)  No.  5.  S.  59—61.  (No.  6 
a.  E.) 

—  Nachrichten  über  den  Dresdener  Dichter  und  Komponisten  Caspar 
Füger  jr.  (f  1617):  ebenda.  Nr.  7.    S.  108. 

—  Ueber  "den  lustrumeutisten  Joh.  Gökeritz:  ebenda.  No.  7.   S.  113. 

—  Zwei  Bildnisse  der  Herzogin  Katharina  zu  Sachsen  von  Luc. 
Kranach  d.  Ä.:  Kunstchronik.    Jahrg.  23.     No.  32.     S.  515. 

—  Nachrichten  über  Werke  des  Bildhauers  Hans  Walther  (1572). 
Blättrr  für  Architektur  u.  Kunsthandwerk.    Jahrg.  I.    No.  4.  S.  47. 

—  Beihilfe  Kurfürst  Augusts  zu  Sachsen  für  Kirchen  und  Schulen: 
Zeitschrift  für  den  deutschen  Unterricht.     Jahrg.  IL     S.  282. 

—  Extrakt  aus  einer  spanischen  Zeitung  für  Kurfürst  August  zu 
Sachsen  (1579):  Zeitschr.  für  Geschichte  u.  Politik.  1888.  S.329flg. 

—  Einige  ältere  Leipziger  Schöppensprüche  in  Strafsachen  und 
Ähnliches:  Zeitschrift  für  die  gesamte  Strafrechtswissenschaft. 
Bd.  VIII.     (1888.)     S.  589-596. 

—  Schreiben  Gottscheds  an  Friedrich  August  II.  zu  Sachsen: 
Vierteljahrsschrift  für  Litteraturgeschichte.     I.    S.  253—255. 

Dittrich,  Max.  Unter  König  Albert  von  Sachsen  im  Felde  1849, 
1866, 1870/71.  Vaterländische  Gedenkblätter.  Dresden,  Albanus'sche 
Buchdruckerei  (Teich).     1888.     VIII,     96  SS.  mit  4  Tafeln.     8». 

Eckstein.  Die  Feier  des  Gregoriusfestes  am  Gymnasium  zu  Zittau. 
Beilage  zum  Jahresberichte  desselben.     Zittau.     1888.     19SS.  4». 

Fabian,  Ernst.  Aus  Zwickaus  Vorzeit.  Mittheiluugen  aus  alten 
Akten.  1.  Zwickauer  Gelegeuheitspoesie  im  16.  Jahrqundert: 
Zwickauer  Wochenblatt  1886.     No.  129.  147.  170.  218. 

—  Aus  Zwickaus  Vorzeit.  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte 
Zwickaus:  ebenda.     1887.     No.  197. 

—  Aus  Zwickaus  Vorzeit.  Zwickauer  Tanzbussen:  ebenda.  1888.  No.208. 
Francke,  F.  A.     Über  die  allmäliliche  Entwickelung  der  deutschen 

Militärmusik  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Sachsen :  Jahrbücher 
für  die  deutsche  Armee  und  ]\[arine.  Bd.  LXVI.  (1888.)  Heft  2. 
S.  184—202. 
Freytag,  E.  E.  Über  das  Alter  und  die  Entstehungsgeschichte  einiger 
Ortschaften  des  östlichen  Vogtlandes :  Vogtl.  Anzeiger  und  Tage- 
blatt.   1888.    No.  93.    Erste  Beilage. 


Literatur.  343 

Gess,  F.  Luthers  Thesen  und  Herzog  Georg-  von  Sachsen :  Zeit- 
schrift für  Kirchengeschichte.     Bd.  IX.    (1888.)     S.  590  flg. 

Glafey,  Wohl.  Die  Streitigkeiten  zwischen  dem  Rathe  und  der 
Bürgerschaft  der  Stadt  Leipzig  während  des  dreissigjährigen 
Krieges.  (Jahresbericht  des  Nicolai gymnasi^^ms  zu  Leipzig.) 
Leipzig  1888.     40  SS.  4». 

Gründler,  E.  Schloss  Annahurg.  Festschrift  ziu-  Einhundert  und 
fünfzigjährigen  Jubelfeier  des  Militär-Knaben-Erziehungs-Instituts 
zu  Annaburg.  Mit  in  den  Text  gedruckten  und  besonders  bei- 
gegebenen erläuternden  Ansichten  und  Plänen.  Berlin,  Haebringer. 
1888,     4  Bll.,  199  SS.  8". 

Gurlitt,  C.  und  K.  Berling.  Aus  den  sächsischen  Archiven.  V. 
Dresdener  Goldschmiede  unter  Christian  I.  (1568—1591):  Kxmst- 
gewerbeblatt.     Jahrgang  IV.    (1888.)     S.  203—207. 

Gurlitt,  C.  Die  katholische  Hofkirche  in  Dresden:  Blätter  für 
Architektur  und  Kunsthandwerk.     1888.     No.  4,  5.     S.  42  flg. 

Irmer,  G.  Die  Verhandlungen  Schwedens  und  seiner  Verbündeten 
mit  Wallenstein  und  dem  Kaiser  von  1631  bis  1634.  Th.  I.  1631 
und  1632.  (A.  u.  d.  T.:  Publikationen  aus  den  königl.  preussischen 
Staatsarchiven.  Veranlasst  und  unterstützt  durch  die  königliche 
Archiv- Verwaltung.  35.  Bd.,  1.  Theil.)  Leipzig,  Hirzel.  1888. 
LXXXVIII,  316  SS.  8". 

Israel,  Aug.  M.  Valentin  Weigels  Leben  und  Schriften.  Nach  den 
Quellen  dargestellt.  Mit  Weigels  Bildnis  und  einer  Nachbildung 
seiner  Handschrift.     Zschopau,  Raschke.     1888.    II,  167  SS.  8». 

Kade,  R.  Der  Dresdener  Kapellmeister  Rogier  Michael  1587—1619  : 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1888.  No.  36. 
S.  209—212. 

Kohut,  Adph.  Friedrich  Wieck.  Ein  Lebens-  und  Künstlerbild. 
Mit  zahlreichen  ungedruckten  Briefen.  Dresden  und  Leipzig, 
Pierson.     1888.     VII,  346  SS.  8». 

Koser,  Eeinh.  Friedrich  der  Grosse  in  Dresden  1745:  Zeitschrift 
für  Geschichte  und  Politik.     1888.     S.  485-499. 

Krühne,  Max.  Urkundenbuch  der  Klöster  der  Grafschaft  Mansfeld. 
Herausgegeben  von  der  Historischen  Kommission  der  Provinz 
Sachsen.  Mit  6  Siegeltafeln  und  einer  Karte.  (A.  u.  d.  T. :  Ge- 
schichtsquellen der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Gebiete. 
20.  Bd.)    Halle,  Hendel     1888.     XXIII,  780  SS.  S«. 

Kurze,  F.  Abfassungszeit  und  Entstehuugsweise  der  Chronik 
Thietmars:  Neues  Archiv  der  Gesellsch.  f.  ältere  deutsche  Ge- 
schichtskunde.    Bd   XIV.     (1888.)     S.  59—86. 

Lampadius,  W.A.  Kapellmeister  Professor  Di'.  Carl  Riedel,  f  3.  Juni: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1888.  No.  52. 
S.  281  flg. 

Lehrs,  M.  Kann  der  Meister  L.  G.  mit  dem  älteren  Lucas  Kranach 
eine  Person  sein?    Chronik  für  vervielfältigende  Künste.    1888. 
_  No.  3.     S.  28  flg. 
Lindner,  Paul.     Chronikalische  Nachrichten  von  Nossen  und  Um- 
gegend.   2.  Heft  über  das  Jahr  1887,  nebst  einer  Beschreibung 
der  Kii-che  zu  Nossen.    Nossen,  (0.  Hoffmann).    1888.    42  SS.  8». 
Frlir.  von  Mansberg,  Richard.    Daz  hohe  liet  von  der  maget.  Sym- 
bolik  der   mittelalterlichen   Sculpturen   der  Goldenen  Pforte  an 
der  Marienkirche  zu  Freiberg  i.  S.    Mit  7  Lichtdruck-Tafeln  nach 
Original-Aufnahmen.    Dresden,  W.  Hoffmann.    1888.     IX,  80  SS. 
Fol. 


344  Literatur. 

Menzel,  Clem.  Caspar  Tryller  und  die  Handliabuns:  der  Tryller- 
stiftung  im  Collegio  Paulino  bei  der  Universität  Leipzig.  Sanger- 
liausen,  Franke.     1888.    111,  148  SS.  8'\ 

Michael,  G.  J.  Denlvschrift  zur  Eiuweiliung  der  neuen  St.  Nicolai- 
kirche zu  Chemnitz  am  7.  März  1888,  enthaltend  die  Geschichte 
der  Kirche  und  Parocliie  St.  Nicolai.  3Iit  3  Lichtdruckbildern. 
Chemnitz,  May.     1888.     58  SS.  8". 

Müller,  Georg.  Das  kursächsische  Schulwesen  beim  Erlass  der 
Schulordnung  von  1580:  Programm  des  Wettiner  Gymnasiums 
zu  Dresden.     1888.    40.     S.  I— XXXII. 

Müller  {-Gatzen).  Johann  Andreas  Triller,  ein  Blatt  der  Erinnernng 
an  den  8.  Juli  1455:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.     1888.     Nr.  62.     S.  B21— 323. 

Obst,  Emil.  Beschreibung  und  Geschichte  des  Kreises  Bitterfeld. 
Heft  1-6.     Bitterfeld,  Baumann.     1888.     S.  1-136.     S». 

Oertel,  G.  Maria  Antonia  Wal))urgis,  Kurfürstin  von  Sachsen: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1888.  Nr.  75. 
S.  373—375. 

Pescheck,  Chrn.  Ad.  Kleine  Chronik  des  Oybins.  8.  nach  dem  Tode 
des  Verfassers  von  dessen  Söhnen  revidirte  und  fortgesetzte  Auf- 
lage.    Zittau.     1888.     42  SS.,  2  BU.  80. 

Ffühl.  Die  mittelalterliche  Mission  unter  den  Wenden.  Ein  Bei- 
trag zur  sächsisch-thüringischen  Geschichte:  Sonntagsbeilage  zu 
den  Bautzener  Nachrichten.     1888.     S.  107—110. 

Richter,  Jean  Panl.  Die  Dresdener  Gemäldegalerie  und  die  mo- 
derne Kun.stwissenschaft :  Unsere  Zeit.    1888.    Nr.  4.    S.  345— 360. 

liöselmüller.  Das  Leben  und  Wirken  des  Erasmus  Sarcerius.  Ein 
Beitrag  zur  Reformationsgeschichte :  45.  Bericht  über  das  königl. 
Realgymnasium  nebst  Progymnasium  zu  Annaberg.  Annaberg 
1888.     40.     S.  1-28. 

(liossmann,  W.)  Künstlerbriefe  aus  den  Jahren  1760—1830.  (XII 
bis  XVII):  Wissenschaftliche  Beilasfe  der  Leipziger  Zeitung. 
1888.  No.  32.  38.  50.  69.  77.  88.  S.  188—190.  226  flg.  274—276. 
350—352.     385—387.     431  flg. 

Rössler,  J.  Die  Lütticher  Affaire :  Beigabe  zum  Jahresberichte  der 
Realschule  zu  Meissen.     Meissen  1888.     16  SS.  4<*. 

Sauppe.  Regesta  castri  et  monasterii  Oywinensis :  Neues  Lausitzisches 
Magazin.     Bd.  LXIII.     (1888.)     S'.  370—377. 

Schetiff'ler,  H.  J.  Bilder  aus  der  Oberlausitzer  Reformations- 
geschichte. III.  Die  Bernstädter  Religionskämpfe  von  1573  bis 
1632:  Evangelische  Bruderliebe.  Vorträge  über  die  Auf- 
gaben . . .  der  Gustav- Adolf-Stiftung.  Herausgegeben  von  A.  Na- 
torp.     Bd.  VI.  Heft  5.     Barmen,  Klein.     1887.     39  SS.  80. 

Schubert,  v.  ]\Iittheilungen  über  den  Aufenthalt  Sr.  IVIajestät  des 
Königs  .Johann  von  Sachen  bei  seiner  Armee  im  Feldzuge  1866 
in  Oesterreich :  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung. 
1888.     No.  27.    S.   157-159. 

Schtihcrth,  G.,  s.  Zschille. 

Spiegelthal,  K.  A.  Beitrag  zur  Geschichte  der  Leipziger  Kramer- 
Innung  1292—1887.  Enthüllungen  zur  Beleuchtung  der  Ursachen 
ihrer  Auflösung.  Ein  urkundlicher  Bericht  der  klagführenden 
Gruppe  der  Genossenschaft.  Als  Manuskript  gedruckt,  Leipzig. 
1888.     49  SS.  8». 

Steche,  R.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler  des   Königreichs   Sachsen.    Auf  Kosten   der   König- 


Literatur.  345 

liehen  StaatSTegierung  herausgegeben  vom  Königl.  Sachs.  Alter- 
thurasvereine.  Neuutes,  zehntes  und  elftes  Heft:  Amtshaupt- 
mannschaften Auerbach,  Oelsnitz,  Plauen.  Dresden,  C.  C.  Mein- 
hold  und  Söhne.     (Komm.)     1888.     15,  33  u.  88  SS.  8". 

—  August  der  Stai'ke  und  Dresden:  Neue  Monatshefte  des  Daheim 
1886/87.     Bd.  II.     S.  417—436. 

—  Über  ältere  Bau-  und  Kunstwerke  im  sächsischen  Vogtlande: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1888.  No.  13. 
S.  73—76. 

(Tietze,  Rud.  Ahv.)  Von  der  Besiedelung  und  den  wesentlichsten 
Veränderungen  in  der  Kirchgemeinde  Neuhausen  von  1617  ab: 
Parochial-Nachrichten  für  die  evangelisch-lutherischeKirchgemeinde 
Neuhausen  auf  das  Doppeljahr  1886/87.     S.  4—22. 

V.  Ti'tinpling^  Wolf.  Geschichte  des  Geschlechtes  von  Tümpling. 
Bd.  I  (bis  1Ö51).  Mit  dem  Wappen,  einer  Siegeltafel,  zAvei  Stein- 
tafeln, einer  Karte  der  Grafschaft  Caraburg',  andern  Kunstbeilagen 
und  Register.     Weimar,  Böhlau.     1888.    XXIII,  S.H  SS.  8^'. 

Vogel,  Jul.  Die  Geschichte  der  Reformation  in  Plauen  im  Vogt- 
land: Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1888. 
Nr.  54.     S.  289  flg. 

VöJkel,  A.  F.  Zur  Geschichte  des  deutschen  Ritterordens  im  Vogt- 
lande. Ein  Beitrag  zur  Heimathskunde.  Plauen.  (Hansel).  1888. 
233  SS.  8-^. 

Wolf,  G.  Zur  Geschichte  der  deutschen  Protestanten  1555 — 1559. 
Nebst  einem  Anhange  von  archivalischen  Beilagen.  Berlin,  See- 
hagen.    1888.     XL  473  SS.  8». 

Wolf,  B.  Die  obererzgebirgische  Bauernbewegung  vom  Jahi'e  1525: 
„Glückauf",  Organ  des  Erzgebirgsvereins.  VII.  Jahrg.  (1887.) 
S.  46—48,  54—56,  65-69,  80—83. 

V.  Zeschau,  Willi.  Die  Germanisierung  des  vormals  tschechischen 
Glatzer  Landes  im  13.  und  14.  Jahrhunderte  und  die  Stammes- 
zugehörigkeit der  deutschen  Einwanderer:  Vierteljahresschrift 
für  Geschichte  und  Heimathskunde  der  Grafschaft  Glatz.  Jahrg. 
VII.     (1887/88.)     S.  1—15,  97—108,  19:3-221,  296—328. 

Zöllner.  Das  Zollregal  der  deutschen  Könige  bis  zum  Jahre  1235 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  auf  die  Mark  Meissen  be- 
züglichen Verhältnisse :  Programm  des  städtischen  Realgymnasiums 
zu  Chemnitz.     1888.     4».     S.  3—37. 

Zschille,  Cam.  Ehreg.  und  G.  Schuberth.  Chronik  der  Stadt  Grossen- 
hain mit  Zugrundelegung  der  Chronik  von  Th.  Chladenius  vom 
Jahre  1240' bis  auf  die  Gegenwart.  Lfg.  1—7.  Mit  8  Abbil- 
dungen.    Grossenhain,  Starke.     S.  1 — 72.  4^ 

Waldheim  ufid  seine  Umgebung.  Wegweiser  für  Einheimische  und 
Fremde.  Herausgegeben  vom  Verschönerungs- Verein  1887.  Mit 
einer  Karte  des  Zschopauthales.    35  SS.  S**. 


Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben  im  Auf- 
trage der  Gesellschaft  für  sächische  Kirchengeschichte  von  Franz 
Dibelius  und  Gotthard  Lechler.  4.  Heft.  Leipzig,  Barth.  1888. 
234  SS.  80. 

Inhalt:  Dibelius,  Zur  Geschichte  und  Charakteristik  Nikolaus 
Selneckers.  Knothe,  Nachtrag  zur  Geschichte  des  Franzis- 
kanerklosters zu  Kamenz.  Seifert,  Johann  Pfeffinger,  der  erste 
lutherische  Pastor  zu  St.  Nikolai  und  Superintendent  in  Leipzig. 


346  Literatur. 

Buch  Aval  (1,  Die  Lehre  des  Johann  Sylvius  WiUlnauer  Egranus 
in  ihrer  Beziehung  zur  Ueforniation,  dargestellt  aus  dessen  Pre- 
digten. Poet  seh,  Aus  der  Geschichte  der  Kirche  und  der 
llittergutsherrschaften  zu  .Tahnishausen.  Buchwald,  Selbst- 
biographie eines  83jährigen  erzgehirgischen  Pfarrers  aus  dem  17, 
.lahihuiiilert. 

MiWicUungcn  des  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  iind  Alter- 
thumskunde.     Bd.  V,  Heft  3.    Dessau  1888.     S.  137—200. 

Inhalt:  Ho  saus,  Joh,  Kasp.  Häfeli  in  Wörlitz.  Blume, 
zur  Geschichte  der  Stadt  Köthen.  St  rose,  Beiträge  zur  Anhalt- 
schen  lleimatliskunde.  Ho  saus.  Dichter  und  Dichterinnen  aus 
dem  Hause  der  Askanier.  Stenzel,  die  neuesten  Münzfunde  in 
Anhalt.  Schulze,  Erklärung  des  Wortes  Lausehügel.  Ders., 
Erkläuing  der  Namen  Hobehai,  Magdsteilie  und  llubenborn. 
Kind  sc  her,  Ergänzungen  und  Berichtigungen.  Blume,  Litte- 
rarische Nachweise  zur  Geschichte  und  Landeskunde  Anhalts. 

Mittheihnujen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meissen. 
Bd.  IL     Heft  2.     Meissen.     1888.     S.  99-296.    8». 

Inhalt:  Langer,  Bischof  Benno  von  Meissen  (Schluss). 
Seeliger,  Johann  Elias  Schlegel.  K adestock.  Die  Meissner 
Schuster.    Loose,  Lebensläufe  Meissner  Künstler. 

Mitflieilunqen  vom  Freiberqer  Älterthumsverein,  herausgegeben  von 
Heinrich  Gerb^ch.  Heft  24.  1887.  Freiberg  i.  S.  1888.  IV, 
96  SS.     8". 

Inhalt:  Friedrich,  Die  Kirche  St.  Nikolai  zu  Freiberg. 
Ger  lach,  Bilder  aus  Freibergs  Vergangenheit.  (No.  7.  Der 
Schmelzer- Altar  zu  St.  Nikolai.)  Kade,  Johann  Bocer  und  sein 
Lobgedicht  auf  Freiberg  l.=i53.  Ger  lach,  Freibergs  Goldene 
Pforte.  Kleinere  Mittheilungen.  Freiberger  Gedenkbuch.  Knauth, 
Litterarische  Umschau  1887. 


Berichtigungen. 

Bd.  VIII  S.  105  No.  4  Z.  2  lies:  Leonhard  Oelhaffe. 

„    IX  S.  20,  21  No.  62,  64  lies:  Schönberg. 

„  „  S.  151  Z.  9.  Unter  „Berewtte"  ist  wohl  eher  Ber- 
reuth  bei  Dippoldiswalde  zu  verstehen  und  eines  der 
beiden  in  der  Nähe  dieser  Ortschaft  gelegenen  Pauls- 
dorf als  Heimath  von  Wendel  Kosskopfs  Parlierer 
Hans  Kichter  anzusehen.  (Nach  freundl.  Mittheilung 
des  Herrn  Gustav  Preusser.) 

.,      „     S.  155  No.  5  lies:  Peiligke. 

„      ,     S.  157  No.  1     „      Alten  bürg. 

„     S.  159  Z.  26  v.  0.  lies:  Schatter. 


Eegister')' 


Adolf,  Herzog-  zu  Holstein  57. 

Agricola,  Geo.,  Prediger  zu  Frei- 
berg 76.  98. 

Albreclit,  Markgraf  von  Branden- 
burg-Culmbach  141. 

Albrecbt,  Wolfg. ,  Rathsberr  zu 
Zwickau  289. 

Aldringen,  Job.,  kais.  General 
238.  256. 

V.  Aleraann,  J.  E.,  Geb.  Rath  u. 
Vicebergdirektor  1 26. 

Altdorf,  Universität  65.  67. 

Altenburg  301. 

Altzelle,  Kloster  30  f.  33  f.  224. 

Amalie,  Gem.  Kaiser  Josepb  1. 19. 

Anbalt  s.  Ernst. 

Anna,  Tochter  des  Kurf.  August  3. 

V.  Arnim,  Hans  Georg,  Feldraar- 
scball  232  ff. 

Asiatische  Banise  322  ff. 

August,  Kurf.  V.  Sachsen  39.  41. 
45  ff.  140.  143.  153  f.  214.  334. 

August,  Bruder  Kurf.  Johann 
Georg  I.  4. 

—  II.  s.  Friedrich  August. 

Aussig  191.  243.  245.  265. 

Aveline,  Antoine,  Zeichner  und 
Kupferstecher  16. 


Bage,  Jac,  schwed.  Admiral  50. 
Bahr,  Joh.  Karl,  Goldarbeiter  129. 
Bauer,  Job.,  schwed.  Feldmarschall 

237.  241  f.  254.  256.  259.  262. 

271  ff. 

—  Elisabeth  Juliane,  geb.  Gräfin 
Erbach,  seine  Gemahlin  287. 
291.  295.  297  ff. 

Bartelmaei ,    Jac. ,    Leibmedicus 

116  ff.  129.  132. 
Barth,  Joh.  Nath.,  in  Pirna  188. 

—  Tob.,  Syndicus  in  Pirna  188. 


Bautzen  191.  288  f.  255  ff.  264.  338. 

Bawyr,  schwed.  Oberst  281  ff. 

Beigern  201. 

Bennewitz,  Otto  109. 

Bens,  Job.,  Arzt  in  Pirna  217. 

Pensen  in  Böhmen  338. 

Bernstadt  32.  84. 

V.  Bernstein,  Georg,  zu  Otteudorf 
224. 

Bertuchius  ,  Justinus ,  Eector  zu 
Schulpforta  63. 

Beuther,  Buchdrucker  zu  Frei- 
berg 72.  99.  108  f. 

Billingshausen ,  schwed.  Oberst 
279.  284  f.  296  f. 

—  schwed.  Capitän  280.  303. 
Bischofswerda  239.  257. 
Blechschmidt,  Wolf,  Baumeister 

zu  Pirna  203. 
V.  Bock,  Geh.  Rath  61. 
Bodenbach  239. 
Böhmen    282  ff.    s.    a.   Friedrich, 

Johann. 
Boicke,  Dav.,  Dr.  jur.  zu  Zwickau 

309. 
Borna  157  ff. 

Bornholm,  Seegefecht  50. 
V.  Böse,  Oberschenk  51. 

—  Karl,  Oberst  273. 
Böttger,  Christoph  Dietr.  130. 

—  .Job.  Friedr.  115  ff. 
Brandeis    in    Böhmen   243.    265. 

289.  294. 
Brandenburg  237.  240.  251.  259. 
268.  271  f. 

—  s.  a.  Albrecht,  Otto. 

V.  Brandenstein,  Graf,  Geh.  Rath 

238.  255. 
Braunschweig  s.  Sidonia. 
Bravius,  Ludw.,   med.   Prof.    zu 

Heidelberg  68. 
du  Brechet,  Major  21. 


1)  Vergi.  auch  das  hier  nicht  wiederholte  Verzeichnis  S.  112—1 14. 


348 


Register. 


V.  Bicdau,    kais.    Geiieralwacht- 

meister  298.  320. 
Breit enfeld,    Schlacht    23.3.    237. 

250. 
Brendel ,    Zach.,    med.    Prof.    in 

Jena  87.  91. 
Breslau  152.  25H. 
Brückenhusen,    Jak.,    diin     Ad- 

Hiiral  50. 
V.  Bulina,  .loh.  234.  245  f. 
Buchner,  Paul,  Laiidzeugmstr.  3  f. 
Buffenhagen,  Joh.  144.  \ 

V.  Bünau,   Heinr. ,    auf  Weesen-  I 
stein  224. 

—  Kud.,  Amtmann  in  Pausa  147. 

—  „       207. 
Burkersdorf  bei  Pirna  201. 

V.  Carlowitz,  Georg  138. 

—  die  Harnischmeisterin  137  ff. 
Carpzov,  Zittauer  Chronik  100. 
Cellarius,  Joh.,  Superintendent  zu 

Dresden  139  ff. 

—  Marg.,  seine  Gem.  140. 
Chemnitz   93  f.    280  f.    287.    290. 

294.  296.  299.  315  f. 
Chiaveri,  Architekt  19.  21. 
Christian  I.,  Kurf.    von   Sachsen 

3.  154.  198. 

—  II.  Kurf.  V.  Sachsen  3  f.  157. 
Christine,  Tochter    des   Landgr. 

Philipp  von  Hessen  39.  41  ff. 

Clemens  XL,  Papst  14 f. 

Colditz  118.  126.  131. 

Collart,  Claudius,  schwed.  Se- 
kretär 42. 

Constantini  12. 

Copitz  bei  Pirna  224. 

Corvinus,  Wolfg.,  Rector  in  Leip- 
zig 62. 

Crakau,  Valer.,  Sekret,  des  Kurf. 
August  56  f. 

Crimmitschau  275. 

Cunnersdorf  bei  Pirna  224. 

Curtius,  Rect.  magn.  in  Leipzig 
64. 

Dänemark  251.  259.  s.  a.  Dorothea, 

Friedrich,  Ulrich. 
V.  Dehn-l{othfelser,  Hans  2. 
Demantius,  Chrpli.,  Musiker  73. 

—  —    93  f. 
Dippoldiswalde  205. 
Dittersbacher  Papier  191. 
Döbra  bei  Pirna  201. 


Dobritz  bei  ]\[eissen  224. 
Dohna  201.  208. 
Döring,  Hofrath  119.  125. 
Dorothea,  Königin  v.  Dänemark 

153. 
V.  Drazow,  Sam  ,  Mag.  248. 
Dresden  199  f.  205.  Archivgebäude, 

Kgl.  Schloss,  Hofkirche  u.  s.w. 

1  fgg.     Kgl.  Bibliothek  Ulf. 

Porzellanmanufaktur  116  ff. 

Ebersgrün  bei  Pausa  145.  147  f. 

Eger  235.  239.  255  f.  270. 

Eggebrecht ,  Peter ,  Porzellan- 
dreher 129.  131. 

Eggenberg  239. 

Einhausen,  Oberstlieut.  258. 

Elisabeth  (Gräfin  von  Mansfeld), 
Gem.  Herzog  Friedrichs,  Soh- 
nes des  Hrz.  Georg  von  Sach- 
sen 138. 

—  Königin  v.  England  38  ff. 
EUinger,  Chrst.,  Öberbibliothekar 

in  Leipzig  70. 

Elze  a./Leine  142. 

Engelschall,  Pfarrer  zu  Reins- 
dorf  147. 

England  s.  Elisabeth,  Maria. 

V.  Erdmannsdorf,  Oberhofjäger- 
meister 11. 

Erfurt  66, 

Erich  XIV.,  König  v.  Schweden 
38  ff. 

Erikson,  Sten,  Freiherr  43. 

Ernst,  Kurf  v.  Sachsen  202. 

—  Fürst  von  Anhalt  264. 

Falkenberg  251  f 

v.  Feilitzsch,    Phil.,    Hauptmann 

zu  Weida  146  ff. 
Ferdinand  L,  König  191.  222. 
Finnland  s.  Johann. 
Finsterwalde  254. 
Flade,  Konrektor  in  Freiberg  60. 
Fleischmann,  Mich.,  Ballinspektor 

23  f. 
Folkelt,  Osw.,  Goldschmied  153. 
Fradin,  Louis,  Ballmeister  23. 
Frankfurt  a.  M.  66  f. 
Frankreich  272. 
Franz  Albrecht,  Herz.  v.  Sachsen - 

Lauenburg  250. 
Freiberg  59ff.  126. 161  ff.  191. 200f. 

205.   281.   287.  289.   290.  303. 

Gymnas.   74  ff.    Bibliothek  74. 


Kegister. 


349 


85  ff.  90.  95.  Chronik  84  f.  90. 

98  ff.  108. 
Freistein,  Dr.  Job.,  Syndicus  zu 

Pirna  197. 
Friedland,  Schloss  240. 
Friedrich   (d.  Weise),  Kurf.  von 

Sachsen  146  ff. 

—  Sohn  des  Hrz.  Q-eorg  von 
Sachsen  137  ff. 

—  (V.),  König  V.  Böhmen  247.266. 

—  (II.),  König  von  Dänemark 
38.  43.  45  ff.  51  f.  55  ff'. 

Friedrich  August   I.,    Kurf.    von 
Sachsen,  König  von  Polen  11  ff. 
19.  21.  117  ff.  158. 

—  —  IL,  Kurf.  V.  Sachsen,  König 
von  Polen  18.  22.  339. 

III  (I.),  Kurf.,  dann  König 

von  Sachsen  19. 

Friedrich  Christian,  Kurf.  von 
Sachsen  18. 

Friedrich  Wilhelm,  Herzog  von 
Sachsen  -  Altenburg ,  Admini- 
strator 3  f. 

Fritzsche,  Hofmaler  10.  14. 

Fuchs,  Laurentius,  Bürgermeister 
zu  Pirna  195  f.  222. 

Gabel  s.  Obergersdorf. 
Gallas,  kais.  General  244.  275. 
Garthius,Helvicus,  Superintendent 

zu  Freiberg  74  f. 
Gebhard,    Job.,    Rathsherr    und 

Bürgermeister  zu  Zwickau  278. 
Geitner,  Peter,  Töpfer  117. 
Gensreff',  Abrah.,  Superintendent 

zu  Freiberg  72  ff:  85  ff. 

—  David  72.  88. 

Georg,  Hrz.  v.  Sachsen  2.  137  ff'. 

1921  205.  213.  221  f.  224.  229. 
Georg  Johann,  Pfalzgraf  v.  Vel- 

denz  51  ff. 
Georgenthal  in  Böhmen  338. 
Geraw,  Georg,  Freiherr  42. 
Gerhard,  Salomo,  Amtschösser  zu 

Zwickau  276. 

—  Valten,  Diaconus  zu  Pirna  218. 
Glück,  Balthasar  63. 
Goldammer,  Klemens,    Diaconus 

zu  Pirna  227. 
Goltacker,  Rittmeister  264  f. 
Gorknitzer  Papier  191. 
Görlitz  151.  153.   239.   241.   257. 

260.  262.  264. 
V.  Görne,  Minister  134. 


Gotha  66. 

Gottleuba  208. 

Götze,  Oberst  252.  254.  256.  267. 

Gräbner,  Job.  Heinr.,  Orgelbauer 
16. 

Grafenstein,  Schloss  241.  260  f. 

Grefius,  Nico!.,  Rektor  in  Frei- 
berg 103.  109. 

Gröbel,  Paul  154. 

Grone,  Job.  Bapt.,  Zeichner  19. 

Grossenhain  61.  205. 

Gruber,  Pater  Superior  21. 

Grübler,  Samuel  59. 

Grünhain  290. 

Gruterus,  Janus  67  f. 

V.  Guebriant,  Hrz.,  französ.  Mar- 
schall 299  ff. 

Günther,  Hof-  u.  Justizienrath, 
Geh.  Archivar  25  ff. 

Gustav  (IL)  Adolph,  König  von 
Schweden  233  ff.  302. 

Gustav  (I.)  Wasa,  König  von 
Schweden  40  f.    ■ 

Halle,  Ponikausche  Bibl.  110  f. 
Roland  153  f. 

Hamburg,  Stadtbibl.  109  f. 

Harms,  Job.  Osw.  7. 

V.  Hatzfeld,  kais.  General  294. 

V.  Haugwitz,  kgl.  Kammerherr 
u.  Kämmerer  14. 

Hauptmann,  Oberlandbaumeister 
25  f. 

Hausmann,  G.,  Tertius  zu  Frei- 
berg, dann  Rektor  zu  Dresden 
73.  76. 

Heckel ,  Christian ,  Kantor  zu 
Pirna  188. 

Heeselicht  bei  Pirna  201. 

Heidelberg  67  f. 

Heiland,  Gregorius,  Arzt  zu  Pirna 
217. 

Heinrich  (d.  Frl.),  Markgraf  v. 
Meissen  185.  192. 

—  Herzog  v.  Sachsen  1 39  ff. 

Heinrich,  Pfarrer  zu  Kameuz  32. 

Heinze,  Mattheus,  Rathmaun  zu 
Pirna  215  f. 

Henkel,  Bergrath  109. 

Heunensee,  kais.  Oberst  298. 

Hennig,  Casp.,  Apotheker  zu  Frei- 
berg 102. 

Herzberg  238.  251  ff'. 

Hess,  Peter,  Generalsuperint.  zu 
Emden  61. 


350 


Reg-ister. 


Hessen  s.  Christine,  Ludwig,  Phi- 
lipp, Wilhelm. 

Hirschberg  in  Böhmen  248. 

Hoe.  V.  Hoenegg,  Super  int.  zu 
Dresden  74.  78  f.  107  f. 

V.  Hoffkirchen,  Oberst  252.  255. 
257  ff".  264. 

Hofmanu,  Friedr.,  Bürgermeister 
zu  Pirna  Ut.ö. 

—  Georg,  Buchdrucker  zu  Frei- 
berg 107  ff: 

Heike,  kais.  Feldmarschall-Lieut. 

302. 
Holstein  s.  Adolf. 
V.  Holzltriugk,  Georg  Edler,  Geh. 

Kriegsrath  119.  123  ff.  134. 
Hörn,  Gustav  299. 

—  .loh.  Casp.,  Stadtphvsicus  zu 
Freiberg  97.  102. 

Hornicaeus,  Tertius  zu  Freiberg 

94. 
Hübsch,  Mag.  zu  Schulpforta  63. 

Jacobi,  Em.,  Sekretär  der  Por- 

zellanmanuf.  1 29. 
Jena  91  f.  154. 
Jenitz,  Hans  48  f. 
Johann  (d.  Best.),  Kurfürst  von 

Sachsen  löO. 

—  Sohn  des  Hrz.  Georg  137. 

—  König  V.  Böhmen  185. 

—  V.  Finnland  41.  57. 

.Johann  Casimir,  Hrz.  v.  Sachsen- 

Gotha  B. 
Johann    Friedrich    (d.    Grossm.), 

Kurf.  V.  Sachsen  137. 
Johann  Georg  I.,  Kurf.  v.  Sach- 
sen 4  f.  64.  99.  223.  229.  232  ff. 

271  f.  339. 
-■  —  II.,    Kurf.  V.   Sachsen   6. 

157  f. 

III.,  Kurf.   V.  Sachsen  10. 

IV.,  Kurf.  V.  Sachsen  10. 

158.  322.  328  f. 
Joseph    August,     Sohn     Friedr. 

Aug.  II.  V.  Sachsen  18  f. 
»     Irminger,  Joh.  Jac,  Goldschmied 

129.  133. 

Kalau  339. 

Kamenz  32  f.  105  ff. 

V.  Kamenz,  Bernhard  32. 

—  Otto  32. 

—  Witego  33. 


Kämpffe,  Samuel,  Porzellanmacher 
116. 

Karl,  Hrz.  v.  Kurland  18.  23. 

Katharina,  Gem,  Hrz.  Heinrichs 
V.  Sachsen  139  f. 

Kaunitz,  Schloss  248. 

V. Kaunitz,  Landeshauptmann  236. 

Kinsky,  Graf  Wilh.  246.  267. 

Kirstan,  Pater  21. 

Kiengel,  Wolf  Casp.,   Oberland- 
baumeister 6.  20. 

Klitzingk,  Oberst  257.  269. 

Klotze!,  Martin,  Oberaufseher  des 
Theaters  10. 

Kuoefel,  Oberlandbaumeister  21. 

Kobnrg  270. 

Köhler,  David,  Arkanist  116.  129. 

—  Mich.,  Schichtmeister  77. 

Königsmaili,  schwed.  General  298. 

Köuigstein  116.  188.  191.  201.  208. 

Koppen,  Casp.,  Apotheker  zu  Pirna 
217. 

V.  Korvpitz,  Casp.,  154. 

Kötzschenbrodaer  Wein  201  f. 

Kraft,  Joh.  90. 

Krazenburg,  Joh.  Dav.,  Porzellan- 
dreher 129. 

Kreibitz  242.  262. 

Kronbcrgk,   Mich.,    Amtschösser 
zu  Dresden  154.  156. 

Krumbholz,  Töpfer  117. 

Kukau  bei  Marienstern  34  f. 

Kurland  s.  Karl. 

Kynast,   Ludw.,   Amtschösser  zu 
Dresden  154. 


V.  Lagnasco,  Graf  15. 
Langbein,  Notar  22. 
Lasius,  Prädicant  33.'^. 
Lauterbach,  Anton.,  Superint.  zu 

Pirna  227. 
—  Balthasar  227. 
Lehmann,  Theophil,  Prediger  zu 

Leipzig  80.  90. 
V.  Leicester,  Dudley,  Graf  41.  54. 
Lcipa,  Böhm.-  248.  296. 
Leipzig    191.    272.    274  f.   Messe 

119  f.  Nosocomium  zu  S-  Georg 

61.    Univ.   62.   64  f.  68  ff.   91. 

Schöffen     154  ff     160.     229  f. 

Stadtbild,  u.  Kathsarchiv  112. 
Leitmeritz  238  f.  242  ff.  250.  254. 

256.  263  ff'.  289.  296. 
Leplat,  Ilaimond,  Architekt  14. 


Eegister. 


851 


V.  Lesgewang,  Graf,  Kammerherr 
125  f. 

Leuschner,Nicol. , Pfarrer  zuPausa, 
dann  zu  Thierbach  146  f 

Leyser,  Polycarp,  Sup.  zu  Witten- 
berg 155. 

zu  Leipzig  6-i. 

V.  Liebeuau,  Job.  Sigra.,  Zeug- 
oberst 6  f. 

Liebertwolkwitz  323. 

Limburg  in  Böhmen  249. 

Limmer,  Dr.,  Eathsberr  zu 
Zwickau  289. 

Lindner,  Job.  (der  pirnaische 
Mönch)  187. 

Löbau  242.  262. 

Lohmen,  Papiermühle  191. 

Lommatzscb  205. 

Loschwitzer  Wein  202. 

Lose,  Gottfr.,  Töpfer  117. 

Loeser,  Eustacb.,  kursächs.  Oberst 
240.  259.  264. 

—  Konrektor  in  Freiberg  75  ff. 

V.  Loss,  Präsident  des  Geh.  Raths 
242. 

Löwenberg  i.  Schi.  260  f. 

V.  Löwen^al,  Oberhof marschall, 
Kammerpräsident  119.  126. 

Ludwig,  Landgraf  v.  Hessen  48. 

Lufft,  Sam,  Syndikus  zu  Pirna  187. 

Magdalena  Sybilla,    Gem.   Kurf. 

Johann    Georg    I.    232.    234. 

246  f.  249.  266  ff. 

Gem.  Kurf.  Job.  Georg  IL  6. 

Magdeburg  237. 
Mannewitz,  Wüstung  224. 
Margarethe,  T.  Friedr.  August  IL 

V.  Sachsen  18  f. 
Maria,  Königin  v.  England  40  f 
Marie    Amalie,    Tochter   Friedr. 

Aug.  IL  V.  Sachsen  18. 
Marie  Anna,  desgl.  18. 
Marie  Josepha,  desgl.  18. 
Marie    Josepha,     Gem.     Friedr. 

August  IL  18. 
Marienstern,  Kloster  29  ff. 
Marienthal,  Kloster  29  ff. 
Marradas,Balth.  ,Landeskommand. 

V.  Böhmen  243  f. 
Mathie,  Geh.   Comm.-Rath  121  ff. 
Meerbeim,    Job.     Gottfr.,     Com- 

mercien-Commissar  129.  135. 
Mehlborn,  Joh.  Gottfr.,  Schilderer 

130.  135. 


Meisseu  205.  Porzellanmanufactur 
115  ff. 

—  Markgr.  s.  Heinrich. 

—  Bisch,  s.  Withego. 
Meissner,  Paul,  zu  Pirna  222. 
Meliss,  Sam.,  Arzt  zu  Pirna  217. 
Mengemann,  Sakristan  24. 
Meyer,  Buchhalter  130. 
Michael,  Rogier,  Musiker  73. 
Milich,  Casp.,  Apotheker  zu  Pirna 

217. 
Minetti,  Sakristan  24. 
Mittelstadt,  Heinr.,  Diaconus  zu 

Dresden  157. 
Molinari,  Pompejo,  Ballmeister  5. 
Möller,  Andr.,  Pfarrer  zu  Pegau 

61  ff.  ';3f  88.  103. 

Dr.  59  ff.   Schriften   107  ff. 

Pfarrer  zu  Freiberg  61. 

—  Gregorius  61. 

—  Michael  61. 

—  Paul,  Ratbmann  z.  Wilsdruff  61. 

—  Peter  61. 

Pastor  in  Grünberg  62.  74. 

84.  88.  91.  104. 

—  Regina,  2.  Gem.  des  Chronisten 
88.  104. 

—  Salome,  1.  Gem.  desselben  77  f. 
87  f. 

Mutter  des  Chronisten 61  f. 91 . 

Mordeisen,  kursächs.  Rath  58. 
Moritz,  Kurf.  von  Sachsen  2  f.  141 

ff.  191.  198.  223.  337. 
V.  Mortaigne,Casp.  Cornel.,  schwed. 

Oberst  281  ff'.  307. 
V.  Mosdorff  auf  Obereula  7L 
Mühlberg  255. 
Mühlig,  Nico!.,  Pfarrer  zu  Pausa 

146  ff 
Müldner,    Joh.    Chr.,  Hofrath  u. 

Hofsekretär  21. 
Müller,  Bildhauer  117. 
Mülmann, Joh, Prof. z.  Leipzig 63. 
Münchengrätz  248. 

Naumburg,  Bischof  147  ff. 
Nehmitz,  Wilh.  Heinr.,  Arzt  123. 
129.  132.  135. 

—  Kammer-  u.  Bergrath  119  ff". 
Neuschloss  in  Böhmen  248. 
Neustadt  290. 

Nicolai,  sclnved.  Resident  in  Dres- 
den 242. 
Nienburg,  Sam.,  Landfeldmesser 4. 
Nosseni,  Joh.  Maria  4. 


352 


Register. 


Obergersdorf  (Gabel)   bei   Pirna 

224. 
Oberpirk  bei  MeWtbeuer  144  f. 
Okrilla  bei  Meissen  117. 
V.  Opal,  Gebr.  B6. 
Ortraiid  138.  238.  255. 
Ostritz  36. 
Otto  Markgr.  v.  Braiidenbi;rg  32. 

Pabst,  Bergrath  zu  Freiberg  117. 
119.  123.  125. 

Paldam,  J.  Ob.,  Kapuziner  15. 

V.  Pappenheim,  H.  G.,  kais.  Feld- 
marschall 249.  268.  270. 

Paselick,  Casp.,  dän.  Geheim- 
sekretär 55  ff. 

Paradis,  kais.  Oberst  240.  258. 

Passau  249.  268, 

Paulsdorf  bei  Löbau  (Dippoldis- 
walde)  151.  346. 

Pausa  144  ff. 

Pegau  62  ff.  69  f.  101.  103.      . 

Peine  142. 

Permoser,  Balth.  17. 

Peschelt,  Christian  119. 

Petermann,  Salom.,  Kom-ektor  zu 
Pirna  185. 

—  Tob.,  Rektor  zu  Pirna  186. 
Petershagen  bei  Minden  141. 
Pfalz  Veldenz  s.  Georg  Johann. 
Pfliiger,  hess.  Sekretär  57. 
Pfuhl,  schwed.  Generalmajor  278. 

298. 
Phaum,  Jak.,  Altarist  zu  Pausa 

147. 
Philipp,    Landgr.   v.  Hessen    39. 

42  ff: 
Piccolomini,   Ott.,    kais.  General 

800  f. 
Pignatelli,    Franz,    Erzbisch,    v. 

Neapel  13. 
Pirna  185  ff.  289.  294. 

—  Peter  von,  Baumeister  203  f. 
Piscator,  Schulmeister  z.  Pegau  69. 
Pitzsch,  Dav.,  Bürgermeister  zu 

Zwickau  279.  311.  319. 
Planitz  bei  Zwickau  284. 
Plattner,    Geo.,    Stadtrichter    in 

Freiberg  85.  103. 
Plane  a.  Havel,   Porzellanfabrik 

116.  134  f 
Plauen  290.  298. 

—  die  Herren  von  144  ff. 
Pointel,  Jacques,  Ballmeister  4  f. 
Polster,  Scharfrichter  157.  160. 


V.  Ponickau,  Elisabeth  137  f. 

—  Hans,  Kämmerer  137. 

—  Hans  5o  f. 

—  Hans  Georg  3  f. 
Postaer  Wein  202. 

Prag  232.  235.  239.  243  ff".  266  ff. 
Prager,  Mich.,  Rath  79.  108. 

—  Elisabeth  s.  Gem.  79.  108. 
Pratzschwitz  bei  Pirna  225. 
Probsthain  323. 
Pulsnitzer  Bier  201. 

Quellmalz,  Dav.,   Rektor  90.  99. 

102.  109.  111. 
Questenberg  234.  239. 

V.  Racknitz,  Frhr.,  Hausmarschall 

23  ff 
Radeberg  205.  224. 
Radmeritz  i.  d.   Oberiausitz  323. 
Raschln,  Sesyma  236.  246. 
Rauch,  P.,  kgl.  Beichtvater   21. 
Raudnitz  242  f.  263  ff 
Rauscher,  Hieron.,  Bürgermeister 

zu  Leipzig  153. 
Regensburg  300. 
Reichel,  Ehrenfried,  Bürgermeistr. 

zu  Kauienz  105. 
Reicheubach  i.  Vogtland  276.  284. 

—  in  der  Oberlaus.  257.  259.' 
Reier,    Dav.,    Bürgermeister    in 

Zwickau  279. 

Reinhold,  Paul,  in  Würzen  88.  109. 

Ribisch,  Marcus,  Baumeister  zu 
Pirna  204. 

Ricliter,  Hans,  v.  Paulsdorf,  Stein- 
metz 151  ff.  346. 

V.  Riessel,  Heinr.,  Hauptm.  zu 
Friedland  240. 

Rimbault,  Jean,  aus  Metz,  Ball- 
meister 4. 

Röhrsdorf  bei  Pirna  215. 

Roltinck,  Werner,  med.  Professor 
in  Jena  91  f. 

Rosin  (Rosfeld),  Mich.,  Magister 
155. 

—  Nicol.  155. 

Rosskopf,  Wendel,  Meister  151  f. 
346. 

Rothe,Chrph.,  Porzellandreh.  129. 

Rottwerndorf  bei  Pirna  225. 

Rudolti,Mi('li.,  Pfarrer  z.PdUsal46. 

Rudolph,  Tob.,  Diaconus  zu  Dres- 
den 157. 

Rultzhauseu,  hess.  Marschall  66. 


Register. 


353 


V.  Riipa,  Wenzel  246.  266  f. 
V.  Rüxleben,  Coruel,  Jägermeister 
153  f. 

Sachsen  s.  Anna,  August,Christian, 
Elisabeth,  Friedrich,  Friedr. 
Aug.,  Friedr.  Christian,  Georg, 
Heinrich,  Johann,  Joh.  Friedr., 
Joh.  Georg,  Joseph  August, 
Katharina,  Magdalena  Sybilla, 
Margarethe ,  Marie  Amalie, 
Marie  Anna,  Marie  Josepha, 
Moritz,  Sidonia,  Sophia,  Xaver. 

Sachsen- Aiteulflirg  s.  Friedr.  Wilh. 

Sachsen-Gotha  s.  Johann  Casimir 

Sachsen-Naumburg  siehe  Franz 
Albrecht. 

Sagan  255. 

V.  Salhausen  z.  Tetzschen  224.  267. 

Salicola,  Margherita,  Sängerin  10 

V.  Salis,  kais.  Generalfeldzeug- 
meister 275. 

Sandthoff,  schwed.  Oberstlieut.286. 

Schäffler,  Joh.  Chrph.,  Maler  129. 

Schandau  208. 

V.  Schenck,    Baron,    sächs.    Bot- 
schafter in  Rom  15. 
'**  Schellenberg,    Joh.,    Rektor    zu 
Freiberg  73  ff. 

Schieffer,  Chiph.,  schwed.  Sekre- 
tär 39.  42  ff.  48  ff. 

Schlang,  schwed.  Oberst  294.  300. 

Schlegel  bei  Marienthal  36. 

Schleiffentag,  Tertius  in  Freiberg 
79.  104. 

Schlieben,  schwed.  Oberst  299. 

Schlief,  Oberst  267. 

Schmidt,  Joh.  Fr.,  Inspekt.  der 
Schleif-  u.  Porzellanraühle  129. 

—  Tobias,  zu  Zwickau  100. 
Schnell,-  Martin,  Lackirer  129. 
Schönberg  bei  Pausa  144  ff. 

V.  Schönberg,  Heinr.  Max.,  Hof- 
marschall  21. 

—  Joh.  Theod. ,  zu  Reichen- 
brand 71. 

—  Joh.,  Graf,  Wirkl.  Geheimer 
Rath  20  f. 

Schönf eiser,  Rittmeister  241.  260. 

263. 
Schönlebe,  Jonas,  Bürgermeister 

in  Freiberg  72. 

—  Regina  78. 
Schöttgen,  Christ.  100. 
Schubarth,  Joh.  Geo.,  Arkanistl29. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     IX.  3.  4. 


Schulpforta  63  f. 

Schumann,  Hans,  Schulmeister  u. 

Stadtschreiber   zu  Pii-na  197. 

227.  * 

Schütz,  Andreas  43.  49.  ff. 

—  Heinr.,  Kapellmeister  5. 
Schwartze,  Kaufmann  124. 
Schwarz,    Beruh.,    Rathsherr   zu 

Pirna  204. 
Schwarzeuberg  290. 
Schweden    271   ff.    s.    a.     Erich, 

Gustav  Adolph,  Gustav  Wasa. 
V.  Sebottendorf,  Dam.  225. 
V.  Seebach,     Wirkl.    Geh.    Rath 

119.  125  f. 
Seidel,  Christian  66  ff. 

—  Joh.  67. 

Seifersdorf  (Ober-)  bei  Zittau  36. 

Senftenberg  255. 

Seuuert,  med.  Prof.  in  Witten- 
berg 91. 

Sibelinus,  Peter,  Arzt  zu  Pirna 
217. 

Sidonia,  Tochter  des  Herz.  Hein- 
rich V.  Sachsen,  spätere  Her- 
zogin V.  Braunschweig  140. 

Siglicius,  med.  Prof.  in  Leipzig 
65.  68  ff 

Silbermann,  Gottfr. ,  Hof-  und 
Landorgelbauer  22. 

—  Michael,  Tischlermeister  22. 
Sophia,  Gemahlin  de.s  Kurfürsten 

Christian  I.  74. 
Spiller,  Glasschneider  117. 
de  Spina,  Petrus,  med.  Professor 

zu  Heidelberg  68. 
Stange,  Bildhauer  117. 
Starck,  Gottfr.,  Superint.  in  Frei- 
berg 59.  104. 
Stark,  Zach.,  Arzt  zu  Pirna  217. 
Stechmaun,  Joh.  Dav.,  Schilderer 

129. 
Stefky,  Filigranarbeiter  129. 
Steina,  Oberst  257.  260.  264. 
Steinbrück,  Joh.  Melch.,  Insp.  der 

Porzelh-Manuf.  129. 131. 133  ff". 
Stepner,    Stephan,   Rathsherr  zu 

Zwickau  279.  289. 
Stolpen  241  f.  261  ff. 
Stölzel,  Sam.,  Arkanist  129.  135. 
Stürza  bei  Pirna  201. 
V.  Sulevic,  Caplir  246.  267. 
Sultzberger,  Arzt  in  Leipzig  73. 
Summerer,     Richter    in    Unter- 

reichenau  147. 

23 


354 


Register. 


Taimeuberg,  Steph.,  Schulmeister 
iiud  StadtschreiberzuPirna  197. 

Taube,  kuisüchs.  Ober.st  273. 

V.  Temritz,  Sembio  B6. 

Tenler,  Basilius,  Quaitus  uud 
Stadtschreiber  zu  Pirna  197. 

—  Georg,  Organist  und  Stadt- 
schreiber zu  Pirna  197. 

Tetschen  240.  242.  258.  262  f.  265. 
Tharaudt  138. 

Thiel,  Georg,  Pfarrer  zu  Schöu- 
bruun  bei  Wolkenstein  337. 

—  Aug. ,  Oberstadtschreiber  zu 
Zwickau  279. 

Thorschmied,  Dan.,  Arzt  zu  Frei- 
berg 73.  88  f.  98.   105  f.  108. 

V.  Thurn,  Heinr.  Matth  ,  Graf  233  ff. 

Tiefenbach,  kaiserl.  General  234  ff. 

Tiemann,  Just.  Friedr.  130. 

Tilly,  kaiserl.  General  234.  249. 
258.  261.  268  ff 

Tollenstein  i.  Böhmen  338. 

Torgau  142  ff.  201.  238.  272.  275. 

Torstenssohn ,  schwed.  General 
272    287 

Trandorf,  Oberst  273. 

Trzka,  Graf  240.  245. 

—  Gräfin  247  f. 

V.  Tschirnhaus,  Rath  116  ff. 
Türkisch  Papier  191. 

Übigau  238.  262.  254  f. 
Ulrich,  Hrz.  v.  Dänemark  258. 
Unterreichenau  b.  Pausa  145.  147. 

Vitzk,  J.,  Kapuziner  15. 

V.  Vitztlmm,  Friedr.  Willi.,  Ritt- 
meister 239. 241 .  243. 245. 255  ff'. 

Vogt  von  Wierandt,  Casp.,  Ober- 
zeug- und  Baumeister  2. 

Vogtsberg  290. 

Vota,  P.,  Königl.  Beichtvater  15. 

Wachvk^itzer  Wein  202. 
V.    Wackerbarth,    Graf,    Wirkl. 
Geh.  Rath  125. 

—  Oberinsp.  d.  Civilgebäude  11  f. 
Wagner,  Dav.,  Pastor  in  Soms- 

dorf  97. 

—  Gabriel  88.  109. 

—  Nikol.,  Bürgerm.  in  Pausa  147. 
Waidenburg  i.  S.  118  f. 
WaldkircliL'nb.Crimmitzschau334. 
Wa]lenstein  232  ff  271  f.  302. 


Walther,  Aug.  Friedr.,  med.  Prof. 

in  Leipzig  158  f. 
Wanckel,  Andr    104  f 

—  Joh.  106. 

—  Salome,  Frau  des  Wilh.  102. 

—  Wilhelm,    Dr.  med.    zu  Frei- 
berg 102  f. 

V.   W'artenberg,  Job.,  248. 

Wastlin,  engl.  Kaufmann  54  f. 

V.  Watzdorff  12(>. 

V.Weber,  Karl,  Geheimer  Rath  27. 

Wehlen  208. 

Weida  146.  290. 

Weiss,  Richter  in  Theuma  147. 

Weller  von  Molsdorf  90. 

Wengersky,  Oberst  235. 

Wenigel,   Peter,    Landrichter  zu 

Plauen  146  ff'. 
Werdau  284. 
Werner,   Chrph. ,   Bürgermeister 

in  Pirna  186. 
V.  Werther,    Georg,    Geh.    Rath 

242.  263. 
Wieden,  Chrph.,  Arkanist  129. 
Wiesenburg  284. 
Wildeufels  284. 
Wildvogel,  Sekr.  64. 
Wilhelm,  Landgraf    von  Hessen 

44.  48.  56  f.    • 
Wilisch,  Christian  59.  109. 
Wilsiü-uff  61.  201. 
Winter,    Matthäus,    in    Zwickau 

273  ff 

—  Peter,  Rathsherr  in  Zwickau 
296. 

Withego,  Bischof  v.  Meisseu  220. 
Wittenberg  142.  160.  230.  252. 

—  schwed.  Generalmajor  298. 320. 
Wittstock,  Schlacht  bei  272. 
Wolf,  Christian,  Pastor  in  Ham- 

bui-g  109. 
Wolkenstein  337. 
Wrangel,   schwed.   Generalmajor 

297. 
Würzen  323.  338  f. 

Xaver,  Prinz  18. 

Zaake,    Karl  Gottfr..    Rektor   in 

Pirna  188. 
Zech,  Geh.  Rath  119. 
v.  Zigler  u.   Kliphansen,    Heinr. 

Anselm  322  ff. 
Zittau  239  ff'.  257  ff'. 
Zwickau  271  ff'. 


Officio :    Wilhelm  Baeuscb.     Dresden. 


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