THE ROYAL CANADIAN INSTITUT
MITTEILUNGEN
DEK
DEUTSCH!^ GESELLSCHAFT
FÜR
NATUR- UND VÖLKERKUNDE OSTASIENS.
HERAUSGEGEBEN \^OM VORSTANDE.
BAND IX.
(3 TEILE, 1902-1903).
3XIT i:t T.vi-'"aE:r^]v.
TOKYO.
FÜR EUROPA
IM ALLEINVERLAG VON A. ASHER & Co.
Berlin W., Unter den Linden 13.
Die ScJu'cibwcisc japanischer Aunneii ist die phonetische, mit
nur wenigen unwesentHchen Abweichungen von der in Wörter-
büchern wie IIkpburn gebräuchlichen.
Die Vokale werden also wie im Deutschen gesprochen ;
,, ei " fast wie ,, e ".
ch wie tsch
dsch
sz (s scharf)
seh
ds (s weich)
j-
sh
z
y
Im Anfange eines Wortes steht ,, y " vor ,, e " oder ,, ei "
nur noch in allbekannten Wörtern wie Yedo, Yen etc ; man
suche also ,, Yebi " unter ,, Ebi" u.a.
,, i " hinter ,, ch " vor ,, ü " ist weggelassen; man suche
ein Wort wie ,, chiügoku " unter " chügoku ".
Das Redaktioxs-Ko.mitee.
INHALT DES IX. BANDES.
DER WIEDERABDRUCK DER AUFSÄTZE IST NUR
MIT ANGABE DER QUELLE GESTATTET.
TEIL I.
Seite
Erinnerungen an Philipp Franz von Siebold (mit 5
Tafeln), von Dr. IL ten Kate i
Aus der japanischen Physiognomik (mit 1 Tafel), von
Prof Dr. K. Miura 7
Das heutige japanische Gefängniswesen (mit 3 Tafeln),
von Amtsrichter Dr. Grusen 17
Der Tabak, sein Bau und seine weitere Behandlung in
Japan, von Dr. Max Lehmann 57
Ueber den Riesensalamander Japans, von Prof Dr. C.
Ishikawa 79
Bücherbesprechungen, (Seidel, Jap. Grammatik ; Itchi-
kawa, Hojö-ki), von Prof. Dr. K. Florenz 95
TEIL II.
Die Verwendung des Bambus in Japan, H. Spörry ... 119
Forstliche Reiseeindrücke in Japan, von Dr. K. Hefele. 147
Aus dem Osten, von Dr. K. Hefele 169
Tsubosakadera. Uebensetzt von N. Okamoto, mit P^in-
leitung von Dr. K. Plorenz 273
Die Bedeutung des Pronomens dore. Bemerkungen von
R. Lange und K. Florenz 291
TEIL III.
Seite
Uebcr die Urbcwohncr von Japan, von Prof. Dr. Y.
Ko<;anci 297
ür.si)runij des Namens Nippon, von Pfarrer Hans Haas. 331
Japanische Geschenksitten (mit 4 Tafehi), von Pfarrer
!<:. Schiller. (Schluss) 343
Die Besiedlung;- von Kronland auf Hokkaido, von
Forstrat IL Schilling 359
Die japanischen Religionen in der neuesten Allgemeinen
Religionsgeschichte, von Pfarrer Hans Haas 367
SitzAingsberichte 39 1
Mitgliederverzeichnis und Austauschliste 413
MITTHEILUNGEN
DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR
NATUR- UND VÖLKERKUNDE OSTASIENS.
Band IX, Theil 1. Tokyo, 1901.
ERINNERUNGEN AN PHILIPP FRANZ VON 8IEB0LD.
VON
Dr. H. TEN KATE.
{^Hierzu Tafel i bis 5.)
Unter allen Erscheinungen der Welt giebt es wohl kaum
einen mächtigeren Factor als die Zeit. Sie erschafft und sie ver-
nichtet, unaufhörlich, im Grossen und Kleinen : Welten, Völker,
Individuen. In vielleicht wenigen Culturländern der Erde drängt
sich diese Wahrheit mehr auf als in Japan, wo, wenigstens dem
Anschein nach, alles in gewisser Beziehung grösseren und
schnelleren Veränderungen unterworfen ist als in Europa.
Besonders derjenige, der sich in frühere historische Erinne-
rungen, namentlich der Beziehungen Japans mit der Aussenwelt
zu vertiefen und die stofflichen Zeugen dieser Vergangenheit der
Vergessenheit zu entreissen sucht, wird sich oft enttäuscht
finden. In Nagasaki z. B., das länger als jede andere Hafenstadt
Japans in beständigem Verkehr mit Fremden, bezw. Holländern,
.stand, findet man nur noch sehr wenige Dinge, welche reden
von früheren Zeiten. Das historisch interessante Deshima hat
in den mehr als dritthalb Jahrhunderten, in denen es von
I'^remden bewohnt gewesen ist, zahlreiche Umwandlungen erlitten.
Sogar aus den letzten fünfzig Jahren gibt es dort nichts mehr,
was sich auf frühere Zeiten bezieht. Das älteste Haus Deshimas
ist kaum vierzig Jahre alt. Der dort von Siebold angelegte
2 II. TKN KATE, i'.KIXNERUNGEN.
Botanische Garten ist spurlos verschwunden. Die kleine Insel,
einmal, in Napoleons Zeiten, das einzige Stückchen Erde, wo
die holländische Flagge straflos wehen konnte, wird bald nur
noch einen eingebauten Stadttheil Nagasakis bilden, unerkennbar
und vergessen.
Jedoch den Mann, dessen Name so innig mit Deshima
und Nagasaki im Speciellen verknüpft ist, haben die Zeit und
das Schicksal etwas weniger rücksichtslos behandelt. Es ist
nicht mt'inc Absicht die Verdienste von Siebolds als eines der
wissenschaftlichen Entdecker Japans zu schildern. Dies ist
Aviederholt und von berufener Seite geschehen. Ich möchte hier
nur hinweisen auf das Wenige, was noch jetzt unmittelbar an
den grossen Meister erinnert an dem Ort. wo er einst lebte und
so segensreich arbeitete.
Der Same des Wissens, einst von Siebold und den nach
ihm lehrenden holländischen Aerzten gestreut, fiel in gute Erde
und trug tausendfach Frucht.
Aus den klinischen Stunden Siebolds und dem Unterrichte
Pompe van IVIeerdervoorts, Bauduins und Anderer ging die jetzige
Medicinschule Nagasakis hervor. Der Einfluss der deutschen
und holländischen medicinischen Wissenschaft in Japan überhaupt
ist allgemein bekannt. Wir wollen uns aber bei diesen ideellen
Denk.steinen nicht länger aufhalten, sondern die Denksteine im
buchstäblichen Sinne einer flüchtigen Betrachtung unterziehen.
Wenn man einen der Glanzpunkte Nagasaki's, den Osuwa-
Park, mit seinen herrlichen alten Kampferbäumen besucht und
einem der aufwärts führenden Pfade folgt, so stösst man links
am Fusse des Hügels, in unmittelbarer Nähe des Handelsmuseums,
auf drei in einer Reihe stehende Denksteine (Taf i) Der kleinste,
dreieckige Stein, vom dem Tafel 2 eine ausführlichere Ab-
bildung giebt, ist historisch der älteste und interes.santeste. Er
wurde von Siebold selbst zum Andenken seiner zwei grossen Vor-
gänger, des l!)eutschen Kaempfers und des Schweden Thunbergs,
in seinem schon beiläufig oben erwähnten Botanischen Garten auf
Deshima 1826 errichtet. Demjenigen, der Siebolds Flora Japonica
kennt, ist dieser Stein nicht neu. Siebold hat ihn abgebildet auf
dem Titelblatt jenes grossen Werkes.*
* Dennoch ist dort der Name Siebolds mit anderen Buchstaben angegeben
vl\<. die auf dem Stein. Vergl. Nippon, Archiv etc. Bd. I. 9.
1!. TEX KATE, ERINNERUNGEN". 3
Die Inschrift unter den Namen der beiden Forscher lautet :
Ecce! Virent vestrae hie plantae florentque quotannis
Cultorum memores serta feruntque pia.
Der Botanische Garten auf Deshima wurde bekannth'ch 1823/24
von Siebold im Auftrage der niederländisch-indischen Regierun:^
angelegt, 1859 aber leider aufgegeben, denn wie Pompe van
Meerdervoort * sagt: ,, er moest ruimte gemaakt worden voor
woon- en pakhuizen, ten dienste van den handelstand." Die
einstifre Lage des Gartens ist nur noch fest zu stellen nach dem
Plan von Deshima in Band II, Tab. II der zu Nippon gehörigen
Tafeln. Nach der Aufhebung des Gartens scheint der Kaempfer-
Thunbergstein, nach kürzerem oder längerem Aufenthalt auf
Zwischenstationen, seinen jetztigen Platz gefunden zu haben.
Wendet man sich jetzt zu dem- grossen, einem breiten
Alenhir ähnlichen .Stein, so erf:ihrt man laut der deutschen
Inschrift auf der Rückseite (Taf. 3) dass derselbe im März 1879
von seinen japanischen Verehreren errichtet wurde. P2s würde
zu weit führen, die auf der Vorderseite des Monolithen
befindliche japanische Inschrift in Uebensetzung wied^^rzugeben.
Der Schriftkundige, der sich dafür interessirt, sei hiermit ver-
wiesen auf eine japanische Schrift cL-s Dr. S. Kure, t in
welcher der Stein abgebildet ist. Auch in der neuen Auflage
des N'ippo)i,X von Siebolds beiden Söhnen besorgt, is'; die Ueber-
setzung eines kleinen Theiles der Inschrift zu finden. Ich will
hier nur hervorheben, dass 1875 sich unter Vors'.tz des alten
Prinzen Kuroda, eines Freundes von Siebold, eine Commission
bildete mit der Absicht zum Andenken Siebolds ein Denkmal
zu errichten.
Der mittlere, rundliche Stein der Reihe (Taf l) soll angeblich
die Namen der Beitragenden zu dem Denkstein enthalten.
* Vijf Jaren in Japan, Bd. II, S. 53.— Es ist a iffalleud, d:is3 der nieLleiiaiidLsche
Marinearzt Pompe, der 1857-62 in Nagasaki niedicinlschen Unterricht crtheilte,
also theilweise in derselben Zeit, als Siebold daselbst verweilte, diesen nur ganz
beiläufig in seinem Buche erwäluit.
t Philipp Franz von Siebold. Sein Leben und "Wirken, etc. Tokyo 189G.
Verlag von Masuzo Tanaka. — In diesem Buche befinden sich manc'.ie interessante
Einzelheiten über Siebolds Privatleben, seine Gefangenschaft 132^/21) und seinen
diesbezüglichen Selbstmordversuch betreffend. Audi das 17. Capittl i Schüler und
Freunde) ist historisch interessant.
iBand I, S. XXXIII.
A H. TI:N" KATE, ERINNEKUXGEN.
Als von Sicbolcl 1859 zum zweiten Male nach Nagasaki
kam, nahm er zunächst seni Absteigequartier ,, in einem Tem-
pel " (,, Hon-rcn-si," Honrenji). * In diesem reizend am Abhang
eines Hügels gelegenen Tempel (Taf. 4), von welchem der Blick
die ganze Hafenbucht umfasst, schrieb von Sicbold seine O/^f/i
Bricvcn uit Japan. Er scheint aber nur einige Monate in diesem
Tempel gewohnt zu haben, denn der letzte Brief (vom 12. August
1860) ist von ,, V^illa Narutaki " datirt, woselbst er, nach seinen
Söhnen, "i" später wieder, wie in den zwanziger Jahren, Aufenthalt
nahm.
In dem genannten Xarutaki, einem ländlichen Stadtthei!
Nagasakis, findet man den zweiten zu Ehren Siebolds errichteten
Stein (Taf 5). In Narutaki, in dem lieblichen gri^inen Thal, stand
einn:al Siebolds Wohnung. Namentlich dort hat er geforscht
und gesammelt. Kranke geheilt und Schüler belehrt.
Ich kaiin verstehen, dass ihm, dem Naturfreunde, dieses
Stückchen Erde lieb war. Umgeben von seinen Getreuen,
Menschen und Thieren, konnte er sich hier Allem widmen
was ihm am Herzen lag.
W'ij oft wird wohl sein sinnender Blick über die waldrei-
chen iVbhänge des Thaies, nach dem grünen Hikosan in der
Ferne geschweift sein! So dachte ich mir jedesmal, wenn ich von
seiner füheren VVohnstätte aus das reizende Landschaftsbild
betrachtete.
Von der Wohnung Siebolds ist seit Jahren, ausser einem Thcil
der Fundamente, nichts mehr zu finden. X Als Dr. A. Wernich
im December 1876, ,, in pietätsvoller Rückerinnerung," die Stätte
besuchte, konnte man sich ,, an den europäischen Verbesserungen
und Anbauten des ursprünglich japanischen Hauses noch erfreuen."
ferner sagt Wernich diesbezüglich in seiner gewohnten eloquen-
ten Sprache : ,, im Garten hatte die übermächtige Vegetation
ihr Recht gefordert und hatte Bosquets, Gänge und Beete, denen
unser grosser Vorgänger seine P^rholungsstunden und seinen
rieiss gewidmet, mit undurchdringlichem Gestrüpp, mit starrem,
zartere Pflanzen vernichtendem Bambus, mit üppig wucherndem
Kankenunkraut überzogen. Manche Culturpflanze hatte aus den
hier gepflegten Versuchsbeeten ihren Weg über das Land gefunden
* Nippon, neue Auflage, Bd. I, »H. XXVIIT.
t Nippon, 1. c.
; In dem Kure'schen J'.uelie findet man S. 3'2 eine Ahl.ildung \Kn\ iSielxfld.s-
"Wulmitätle. die einzige welciie mir liekannt i.-^l.
U. TEN KATE, ERINNERUNGEN'. 5
und Wenige noch ahnten ihre Ursprungsstätte ; Andere waren ,
dem Boden fremdartig, vom KHma feindhch unterdrückt, v^erküm-
mert und untergegangen, — untergegangen bis zum vollkommenen
Vergessensein von allen Lebenden." *
Der grauweiss, anscheinend granitische Denkstein zu Narutaki
gehörte einmal zu den Fundamentsteinen des Siebold'schen
Hauses. P^r erhebt sich unter einer Pinie, die Vorderseite dem
Osten zugekehrt. Die auf dieser Seite befindliche Inschrift lautet
(japanisch und) englisch : ,, Residence of the late Dr. Ph. von
Siebold." Die Inschrift auf der Hinterseite, aus dem japanischen
über.setzt, lautet wie folgt : t
,, P>innerung an die frühere Wohnstätte des Herrn Siebold.
Im Sommer des Jahres Teibi von Mei-ji (1895) suchte ich mit
Herrn Omori, Gouverneur von Nagasaki-Ken, die Ueberbleibsel
<ler Wohnung des Oesterreichers (sir) Herrn Siebold auf, welche
wir in Narutaki-chi fanden. Seit Jahren" war diese Stätte verlassen
und ganz verödet. Von der Wohnung war nichts mehr übrig
geblieben als einige Steine, welche einmal die Grundlage bildeten,
und ein zerfallener Brunnen. Das Grundstück war bedeckt mit
verwilderten Bäumen und Pflanzen, einst mit eigener Hand von
dem Verstorbenen gepflanzt.
Herr Omori hegte den Wunsch, auf dieser Stelle einen Stein
zur ewigen Erinnerung zu errichten, aber vielseitiger Beschäftigun-
gen und des Zustandes des Landes wegen, war es ihm nicht
erlaubt, seinen Traum verwirklicht zu sehen. Im P"rühjahre des
Jahres Tei-yen (1897) aber hat Herr Omori, unterstützt von
mehreren seiner P^reunde, die alten Grundlagen (des Hauses)
freilegen und reinigen lassen. Auf der Seite, wo einst die P^in-
gangspforte war, hat er einen Stein errichtet, auf welchem mit
grossen und deutlichen I^uchstaben geschrieben steht: Ueber-
bleibsel der Grundlagen des Hauses von Professor Siebold.
Dies ist tief eingemeisselt worden, damit es weder ausgewischt
noch vergessen werden kann.
* Geographisdi-nicdicinis(.-!ie Studien mich den Erlebnissen einer Reise um
«He Erde. Berlin 1878. S. 280.— Dr. Wernich irrt sich aber, wenn er siigt, d:iss
Siebold ,, mehr als zwanzig Jalire" auf dem ,, Grundstück " (sc. Narutakij
verlebte. Siebold brachte im Ganzen gut zwölf Jahre in Japan zu. Die Zeit,
welclie er auf Deshima wohnte, im IIonrenji-Tempel, auf ßeisen und in Yedo
y.ubraclite, zusammen gewiss einige Jahre, ist überdies von dem eigentlichen Auf-
enthalt in Narutaki abzuziehen.
t Herrn Leon van de Polder, Sekretär der Xiederlilndischen Gesandtsciiaft
in Tökyn, bin icli Dank schuldig für diese Uel)ersetzung.
6 II. TI-.N KATF-, KKINNKRLNGEN.
Ich, der dies geschrieben habe, erinnere mich, dass der Meister
haffte, die Luft und die Erde unseres Nagasaki seien ihm eine
zweite Meimath geworden. Ach ! wie weit entfernt -war er von
seinen Verwandten, getrennt durch tausende von AV über das
Meer.
Die] cnigen, welche A\isscn wollen, was er ffu' unser Land gethan
l\at. werden alles lesen können auf dem Denkmal, das ihm in dem
l'ark zu Nagasaki errichtet ist. Ich brauche es also hier nicht zu
wiederholen.
Mei-ji 30. Jahr 3. Monat
Zu.sammengestellt von Yokin Teki.sai Saikosen
Kgami Yegon
dem Schrifisteller."
Ausser dem oben beschriebenen Denksteine gibt es noch
eine l^rinnerungsstätte an Siebold in der Umgegend von Nagasaki.
Dieselbe ist jetzt nur noch sehr Wenigen bekannt. Es ist dies
ein abgelegenes Grundstück Namens Ippon-gi, am nordwestlichen
Abhang eines zur Kompira-yama-grupps gehörenden Hügels. Hier
in der Nahe sammelte Siebold Pflanzen und trieb er seine bota-
nischen Studien. I3ie rücksichtslose Zeit hat auch hier von dem
einstigen Hause nichts mehr zurückgelassen. Die jetztigen ja-
j):inischcn Wohnungen, in der Mitte eines Handelsgartens gelep;en,
sind aber theilweise, wie ich nnch überzeugen konnte, mit dem
Holze des alten historischen Hauses aufgebaut.
Dies sind, so viel mir bekannt, alle Erinnerungszeichen ar.
Philipp P'ranz von Siebold, welche die Zeit in Nagasaki uiul
Umgebung hinterlas.scn hat.*
Im April 1901.
"In Murray: ILindhook for Japan, 5tli edition, p. 471 wird gesiigt, (Ia,.ss
il'o Wohnini^ Sielxilds in Urakami bei Nagasaki war. Es ist mir trotz aller
Mühe an Ort iir.d Ftelle nicht möglich gewesen darüber etwas siehere.s zu
er ahren. I)ie^e Angabe bciuht wahrscheinlicli a;:!' einem Trrtlniui.
Mitthi'ilnngen der Deutlichen Geselb^chaft
fijr Xiihir- II Ulf Yölkerkniiifi' <Hasiens.
Bd. IX. Tafel 2.
il-L.
Ui'
^' -vrf'
Ten Kate. — Eiiniierunüen an P. F. v. 8ieh<»l<l.
3Ii((lie!hiti(jen der Daitxcken Geselhchuft
Jyr .V"/"*- iihil V'öÜxihinde Oytas-ietis.
Bd. IX, Tafel 3.
Ten Knte. — Eiinneruimen an P. F. v. Sieboki.
\[.iih^Hii„n,>n der Dcnhchm Ccsd'i^chnß ßr iVa'w- «'«^ VöJkerhuvk Ost(mens.
Ten Kate.— Erinneru^
Bd. IX. Tafel 4.
Mittlu'ihnHjen der DetifsrJien GeselMtaft
f'i.r Nnliir- uml Völkerkidtde CM<isit'ii..-i.
Bd. IX. Tafel ö.
Ten Kate. — Erinnerungen an P. F. v. Siebold.
AUS DER JAPANISCHEN PHYSIOGNOMIK.
VOX
Prof. Dr. K. Miiira.
{Mit I Tafel).
In China scheint man sicli schon mehrere Jahrhunderte
vor Christi Geburt mit der Physiognomik beschäftigt zu haben.
Sie wurde von dort mit der cliinesischen Cultur zu uns herüber-
genonmien und bald folgten Publicationen zahlreicher Schriften
darüber, entweder in der unveränderten Form oder ins Japanische
übersetzt oder von iapanischen Verfossern neu zusanimengestellt.
Sie stimmen alle in den Grundzügen so überein, dass die Quelle
immer dieselbe gewesen sein muss. Es entstanden allmählich
Leute, welche berufsmässig diese Kunst trieben und weiter ver-
breiteten. Noch heutzutage findet man hie und da in der Stadt
Aushängeschilder, worauf zu lesen ist, dass der Betreffende Ninsö
(A ^B Physiognomik) treibt. Mit der Entwicklung des modernen
Lebens, speciell mit der Ausbildung der Naturwissenschaften
ist die Physiognomik so sehr in den Hintergrund des socialen
Lebens verdrängt worden, dass sie nur noch von weniger ge-
bildeten und abergläubischen Kreisen befragt wird. Sie hat
trotzdem eine mächtige Geschichte hinter sich und fast ein Jeder
kennt einige Fragmente davon ; es sollte daher nicht ganz
unterlassen werden, eine wissenschaftliche P>klärung davon zu
geben, soweit es möglich ist.
Die japanische Physiognomik beschäftigte sich mit der
Besichtigung des Kopfes, Gesichtes, der Hände und ihrer einzelnen
Teile — der Piaare, Augen, Ohren, Nase, Zähne, Lippen, Zunge,
Muttermale u. dgl. — ferner mit dem Beobachten des Menschen
während des Essens und des Trinkens, des Gehens und Handelns,
des Schlafens und des Sprechens, ja sogar mit der Form und
Gestalt der Geschlechtsteile und der Excremente. In diese
Einzelheiten will ich heute nicht eingehen und nur die PJiysio-
S K. MIURA, rilVSIOfiNOMIK,
<:^iioiiiik der Ilani daraus als cL'n best ijepflegten Teil hervorheben
und diesellie mit der europäischen Chiromantie vergleichen.
Die Geschichte der Chiromantie ist ziemlich dunkeL Die
Chaldäer und Aegypter scheinen diese Kunst nicht gekannt zu
liaben, im alten Testamente wird sie auch nicht erwähnt. Erst
Cicero und Juvenal bemerken, dass es zu ihrer Zeit Leute gab,
die sich besonders damit beschäftigten, aus den Linien der Hand
zu weissagen. Sie wurde dann vergessen und im Mittelalter
scheinen die Zigeuner die Kunst wieder nach Europa gebracht
zu haben. Li der Chiromantie spielen die Lineamente der Hand,
die sog. sieben Berge, die Beschaffenheit der Finger und der
Nägel u. dgl. die Hauptrolle. Wir wollen hier nur diejenigen
Punkte daraus hervorheben, welche auch in der japanischen
Chiromantie berücksichtigt werden und das Uebrige beü Seite
lassen.
Die Chiromantie unterscheidet zunächst auf dem Handteller
drei flaupt'inicn : Die am distalsten gelegene von der Basis des
Zeigefingers schief nach der Kleinfingerseite laufende Linie w'ird
Tischlinie, Mcnsalc oder auch Hcrzlinic genannt. Sie bedeutet da.s
Hauswesen, das eheliche Glück, sowie die oekonomischen Ver-
hältnisse.
Die mittlere, welche von der Mitte zwischen Daumen und
Zeigefinger an der radialen Seite beginnend schief im l^ogen nach
der Ulnarseite (Kleinfingerseite) zu läuft, wurde Natur- oder
Hauptlinic, von andern auch tablclinc (Farwell) genannt. Aus ihr
7-og man Schlüsse auf den Zustand der Seele und des Kopfes.
Die dritte, weiter nach der Daumenseite gelegene Linie, welche im
Ursprung mit der vorhergehenden verbunden nach der Mitte des
Handgelenks zu strebt und den Daumenballen nach der Hohlhand
zu beginnt, wurde Lebcnsibnc, Vitale, von andern auch Herdinie
genannt. Sie sollte die Länge des Lebens und den Zustand des
Herzens verkünden.
Diesen drei Hauptlinien entsprechen Temmon ^^ ;^, Jimmon
A |)C und Chimon \^ ^ der japanischen Chiromantie. Der
Ti.schlinie entspricht Temmon 5^ |)C. die Himmelslinie. Sie
bestimmt den Rang, die gesellschaftliche Stellung, den Beruf des
Men.schen. Die mittlere hiess Jimmon A ^)C die Menschenlinie,
weil zwischen Himmel und Erde gelegen, und sollte Intelligenz,
Charakter und Reichtum anzeigen. Der Lcbenslinie gleich ist
endlich Chimon j:{lj |j(^ die Erdlinie ; aus ihr wird die Länge
des Lebens, die Familien- und Dienstbotenverhältnisse etc.
K. -MILKA, PHYSIOGNOMIK. (J
abgelesen. Sowol in der europäischen als auch in unserer
Chiromantie sollte es im Allgemeinen ein gutes Zeichen sein,
wenn eine Linie scharf und deutlich hervortritt, nirgends
abgebrochen oder gespalten oder von anderen Linien durch-
schnitten ist, keine Abknickungen oder abnorme Biegungen
erleidet u. s. w.
]3ie europäische Chiromantie lehrte ferner, dass es desto
besser sei, je höher die TiscJdinic an der Basis des Zeigefingers
beginnt. Erreicht sie die Basis des Zeigefingers (Metacarpophal-
angealgelenk), so ist es ideal. Beginnt sie dagegen auf der
Rückseite desselben und geht um den Finger herum, so bedeutet
es einen L'eberschuss von Gefühl, woraus sich leicht Eifersucht
entwickelt. Teilt sich diese Linie gabelig in ganz gleiche Zweige,
..so ist es ein unfehlbares Zeichen der Treue ; einer solchen Person,
sei es Mann oder Weib, kann man sein ganzes Vertrauen schenken.
Gehen dagegen zahlreiche Aeste nach der Basis des Zeigefingers
7.U, so zeigen sie die Anzahl von Personen, die geliebt sind
oder werden ; ihre Länge und Tiefe entsprechen dann dem Grad
der Liebe für eine jede. P^ntspringt die Tischlinie von der
Wurzel des Mittelfingers und sieht wie Ketten aus, oder ist sie
in ihrem Laufe von kleinen Linien durchschnitten, so bedeutet
€s inconstante Liebe. Eine innige Vereinigung dieser Linie mit
der Xatur- und L^ebenslinie ist manchmal das Zeichen eines
gewaltsamen Todes. Manche Krankheiten des Herzens oder
der grossen Gefässe sollten sich auch hier zeigen, doch müssen sie
durch die Leberlungenlinie, wovon später die Rede sein wird,
■controlliert werden.
Was wurde nun für dieselbe Linie von der japanischen
■Chiromantie gelehrt ? Sie sagt : Steigt die Spitze des Temmon
nach der Basis des Zeigefingers empor, dann ist der Besitzer
meist glücklich. Spaltet sich diese Linie nach der Kleinfin-
gerseite (Ulnarseite) in zwei oder mehrere Zweige, so ändert
■^x seinen vererbten Beruf oder wird in ein fremdes Maus
.adoptiert; eine PVau \erheirathet sich in diesem Falle zwei oder
mehrmals. Ist die Linie abgebrochen oder wird sie von
einer anderen Linie durch.schnitten, dann deutet es auf Ver-
mögensverlust oder auf Hindernisse im Geschäft, beginnt sie
zwischen Zeige- und Mittelfinger — auf mangelhafte Ausdauer,
ist sie kurz — auf häufige Berufsänderung. Befindet sich neben
ihr noch eine ähnliche Linie, so werden Männer von höher stehen-
•den Personen unterstützt. PVauen bekommen gute Kinder. Legt
lO K. MIUKA, PHVSI()GN(1MIK.
man beide Hände an der Kleinfingerseite an einander und die
Tlimmelslinicn beider Hcände treffen dort zusammen, so ist
es ein Zeichen des glücklichen Schicksals, es gelingt einem meist
alles, was man möchte. Zeigt diese Linie in der Mitte eine
bogenförmige Krümmung, so lernt -...' Besitzer solcher Linie
alles rasch, vergisst aber auch rasch und bringt die Sache nicht
zu Ende. Erscheint innerhalb dieser Linie gelbe, rothe oder
violette Farbe, so ist es gut ; scliwarz dagegen weist auf Unglück,
blau auf Krankheit hin.
Wir kommen jetzt zu der zweiten Linie, der sog. Natur- od.
HaiiptHnic. Lst sie lang und gerade, so vorspricht sie gesundes
Urteil und stark'en. Willen. Geht sie durch die ganze Hand
hindurch, zeigt sie eine extreme Sparsamkeit, wenn nicht Geiz
an und pflegt an der Hand eines Egoisten gefunden zu werden.
Geht die Spitze gabelig au.seinander, ist der Betreffende unwahr,
hört sie in der Mitte des Handtellers auf, statt weiter zu gehen,
deutet sie auf Uncntschlossenheit. Die Art und Weise der Ver-
bindung von Natur- und Lebenslinie ist von grosser Bedeutung.
Laufen sie eine grössere Strecke weit als eine Linie zusammen,
so bedeutet es Mangel an Selbstvertrauen, eine frühzeitige
Spaltung beider Linien, das Gegenteil.
Ueber dieselbe Linie, welche in der jap. Chiromantie Jiniiiion
od. JlkiiscJiculinic genannt wurde, lehrte nian folgendes :
Wer eine lange beinah den ulnaren Rand der Hand er-
reichende Mensclienlinie besitzt, verliert früh seine Eltern oder
Kinder ; wer dagegen eine kurze, seichte und breite Linie hat,
bleibt arm und wird nicht alt. Ist dieselbe zerstückelt und
unterbrochen, so hat der Besitzer einer solchen Hand im Leben
schwere Krankheiten oder hartes Unglück durchzumachen.
Geht die Spitze der Linie nach der Kleinfingerseite des Hand-
gelenks gabelig auseinander, so wird der Betreffende in fremdes
Haus adoptirt. Läuft sie nicht, wie gewöhnlich, bogenfc'n'mig
nach der ulnaren Seite der Hand hin, sondern parallel der
ersten Linie quer durch, so deutet es Dummheit und niedrige
Gesinnung an, gehen von Anfang bis zum Ende derselben
mehrere Seitenzweige ab, ähnlich den Rippen eines Blattes, so
weist das auf Verlust des Vermögens und auf kommendes
Unglück hin. Besteht das Jinimon aus mehreren Linien, so
gelingt dem Bjtreffenden nichts und er muss als Vagabund leben,
(jeht eine Linie durch Himmels- und Menschenlinie hindurch,
so ist es ein gutes Zeichen, ebenso ist es zu deuten, wenn die
K. MILKA, PlIVSIor.NOMlK. II
Mcnschenlinic mit drei seitlichen Ausbuchtuntjen \crsehen
ist. Erscheine innncrhalb dieser Linie gelbe, rothe oder violette
J'^arben, so ist es ein Zeichen des Gelingens, blau deutet auf
Aerger oder Krankheit, weiss und schwarz auf Unglück hin.
Endlich kommen wir zum dritten Hauptlineament der Hand,
der Lebcnslinic. Geht sie rund um den ganzen Daumenballen
herum, vcrs[)richt sie ein hundertjähriges Alter, geht sie nur bis
zur Mitte, ein 50 jähriges. I-ang und von anderen Linien nicht
durchkreuzt, von gutem Farbenton, frei von Flecken und Grüb-
chen bedeutet sie langes glückliches Leben ; kurz, blass und
kettenartig unterbrechen oder von kleinen TJnien durchkreuzt
u. s. w. dagegen Schwächlichkeit, gegen Ende gabelig geteilt
Schwäche im Alter. Ist sie von vielen kleinen Linien durch-
schnitten, so kann es auf Schwierigkeiten mit den \'er\vandten
hinweisen, eine Nebenlinie auf dem Daumenballen auf Geistes-
schwäche. Ein bedenkliches Zeichen ist die vollständige L'nter-
brechung der Lebenslinie. Richtet sich dabei eine Spitze nach
der Daumenseitc zu, so deutet dies auf Tod, dreht sie nach dem
Handteller, so ist noch Hoffnung vorhanden. F.in kleiner Ring
in der Lebenslinie soll Verlust eines Auges, zwei solche den
beider Augen bedeuten.
Der Lebenslinie entspricht Chili. on i^jl jj-^C oder die lirdlinic
der japanischen Chiromantie. Letztere sagte : Erscheint gelbe,
rothe oder x'iolette Farbe auf die-^er Linie, so ist. gewiss ein
freudiges Ereignis bei der Mutter oder am Wohnort zu erwarten.
Blau, schwarz und weiss sind dagegen schlimme Zeichen.
Läuft die Erdlinie gerade und lang nach dem Handgelenk zu,
bedeutet es gute Gesundheit und langes Leben, geht die Spitze
nahe dem Handgelenk auseinander, so geht der Betreffende
in ein fremdes Land oder führt ein einsames Leben. Wird diese
Linie von zahlreichen kleineren Linien durchschnitten,, so zeigt es
unstetes Leben und wiederholtes Unglück an ; zwei kleine
Kreuzehen im Verlaute derselben .'•ind ein Zeichen, dass jemand
mit der Mutter Streit hat. Wer neben der Erdenlinie noch
eine ähnliche Linie besitzt, bekommt zweimal eine Mutter,
eine wahre und eine Stiefmutter. Ist die Linie nur undeutlich
gezeichnet, hat der Betreffende öfters Kummer wegen der
Wohnung. Soweit über die drei Hauptlinien. Zu dcw acces-
sorischen weniger constanten Linien gehören ;
/. Ht'patica oder LcbcrUingcidiiiic, welche nahe dem Hand-
gelenk oder von dem proximalen Ende der Lebenslinie beginnt
12 K. MIURA, PIIVSlOr.NOMIK.
und der l^asis des Kleinfiiigers zustrebt. Diese Linie felilt an
manchen Händen und dinn deutet es auf Lebhaftigkeit und
Behändigkeit. Ist sie klar und deuthch vorhanden und von
guter r^arbe, deutet es auf gute körperhche und geistige Gesundheit
bis zum hohen Alter ; ist sie dagegen blass und wird sie von
anderen Linien durchkreuzt, weist es auf Schwächlichkeit oder
Kränklichkeit hin.
In der morgenländischen Chiromantie wird sie Gwaigeimon
^i* ^ ^ genannt und soll darauf hinweisen, dass der Betreffende
ein Künstler sein wird oder dass er im Alter reich und berühmt
wird.
2. Satiiniia oJcr ScJiicksalsIinic, welche entweder von der
Lebenslinie oder von der Hohlhand, vom Kleinfingerballen oder
vom Handgelenk ausgehend die Basis des Mittelfingers erreicht.
Schneidet sie die Wurzel des Fingers nicht, so bedeutet es
(jlück, im anderen l'alle dagegen Gefalir.
In unserer Chiromantie wird sie Tenkimon 5^ ^ ^ oder
Senkinmon -f" ^ |^ genannt, je nachdem sie gerade oder ge-
schwungen verläuft und es stimmt mit der Angabe abendländischer
Chiromantie überein, dass das Vorhandensein dieser Linie
als glück\'erheissend betrachtet wird. Steigt sie durch den
Mittelfinger hinauf, so heisst sie Shotenmon ^ ^ ^JC u'^d soll
höhere Würden verheissen, während sie in der europäischen
Chiromantie in diesem Falle geradezu als gefahrbringend be-
zeichnet wird, weil der Betreffende bei allem, A\as er thut, geneigt
ist zu weit zu gehen.
?. Die Sonnenlinic oder die Luiic des Apollo beginnt von
der unteren I^cke des Kleinfingerballens, von der Lebenslinie
oder von der Hohlhand und endet an der Basis des Ringfingers
(.A.polloberg). Im ersten Fall deutet es auf Glück und Erfolg,
im zweiten auf Erfolg durch Verdien.st, im dritten auf Erfolg
nach schwerem Bemühen. In unserer Chiromantie ist sie nicht
beschrieben, obwol sie nicht selten vorzukommen pflegt.
Aus den kleinen Linien der Hand haben die abendländischen
Chiromanten Kreuze, Sternchen, Drei- und Vierecke, die morgen-
ländischen ebenfalls allerlei Figuren oder gewisse chinesische
Zeichen herausgelesen und je nach dem Orte, wo sie gefunden
werden, deutete man sie auf freudige oder traurige Ereignisse
oder auf glückliche oder unglückliche Schicksale im Leben.
Die Arten dieser kleinen Linien sind sehr zahlreich ; aus
K. MIL'KA, PHYSIOGNOMIK. I3
ihnen hebe ich liier einit^e Figuren hervor, die mit lebhafter
Phantasie herausgelesen wurden :
O f^ [1 ^ Buddha's Augen, ^ ^ ^ l-ischfigur
>j^ ?^ ^ß 5^ Sternchen mit 6 Hervorragungen, | /^: fj- |^
hängende Nadel, ^Qf ^ jf; ^ Schildkröten-Zeichnung,
-Wl J^; ^ |)C hängender Fisch u. s. \v. u. s. \v.
Von den Linien, die den chinesischen Zeichen ähnlich aus-
sehen sind zu nennen | l # ^ |^ Zeichen für Brunnen,
jtjt A ^ ^ Zeichen für Menschen, / / -^ ^ Zeichen für
l'Vauen, HH ^ ^ ,^)C Zeichen für gebrauchen, -^ 3i ^
^ Zeichen für König, /»l^ 'f? ^ |)C Zeichen für Gehen u.
s. \v. u. s. w. In die Bedeutung aller dieser Zeichnungen in
Einzelfallen näher einzugehen, glaube ich unterlassen zu dürfen.
Den 7 Bergen der europäischen Chiromantie kann man die 8
Himmelsrichtungen oder auch 12 Thierkreise der unserigen gegen-
überstellen. Die ersteren wurden nach den Planeten genannt
und heissen : Jupiter, Saturn, Apollo, Mercur, Mars, Luna und
Venus ; die 8 Himmelsrichtungen sind Nord, Süd, Ost, West
und die dazwischen gelegenen Himmelsgegenden; die 12 Thier-
kreise Ne, Ushi, Tora, etc., Avobei Ne und Nord zusammenfallen.
Die mittlere Vertiefung der Hohlhand, welche dort Cavea
martis heisst, wurde meidö ^ ^ ,, helles Haus " genannt.
Die Bedeutung der Berge stimmt mit den Planeten überein,
So hat man Schlüsse gezogen vom Jupiterberg auf seelische
Eigenschaften und den selbsterworbenen Ruf des Menschen, vom
Saturnberg auf oekonomische Verhältnisse, vom Mondberg auf
die Constitution etc. Von den Himmelsrichtungen bedeutete
Norden Wohnort und Alter, Süden öffentliche Verhältnisse,
Osten Schicksal und Verhältru'sse zu Geschwistern, Westen
Kinder und Familie u. dgl. Sowol hier als auch dort hat man
darauf geachtet, ob das Fleisch dick oder mager ist, ob der
entsprechende Ort erhaben oder flach, ob die P^arbe frisch oder
I^ K. MIURA, PHYSIOGNOMIK.
abgeblasst, oder ob dort verwirrende Linien oder Flecken sich
finden. Der letztere Fall weist z. B. auf Unglück hin.
Ueber die TastbaUcn d. h. die wirbelformige Zeichnung an
den Fingerbeeren findet man in der europäischen Chiromantie
nichts erwähnt, obwol sie von den Anatomen eifrig untersucht
worden sind. Unsere Chiromanten nannten sie Hamon [[^ ^
wegen der gerollten Form und lehrten, je regelmässiger sie sind,
desto besser ist es, und je nachdem dieser oder jener Finger regel-
mässige oder unregelmässige Wirbel trägt, weist dies auf Glück
oder Unglück verschiedener Art hin, insbesondere hat man
daraus \-erschiedene h^ähigkeiten des Menschen ablesen wollen.
Ich komme jetzt zur Erklärung der Bildung der h\irchen
und ihrer Bedeutung in der Chiromantie :
Wir können an den I^\n'chen und Runzeln der Haut im
Allgemeinen der Entstehung nach 4 v^erschiedene Arten unter-
scheiden. I. Interpapillare Furchen z. B. Vertiefungen zwischen
den Tastleisten, wie man sie auf den Finger- und Zehenballen
findet. 2. Musculäre I^^urchen, welche durch Muskelinsertion.
und Muskelcontraction entstehen z. B. Furchen auf der Stirne.
Sie sind anfangs nur temporär während der Contraction vor-
handen, um sjiäter durch häufige VViederholung permanent zu
werden. 4. Articuläre Furchen, entstanden durch Bewegung
der Gelenke, wie man sie am Hand- und LLlIbogen-Gelenk
findet. 5. Senile I^'urchen, entstanden durch Verlust des Untcr-
hautfettgewebes und der Elasticität der Haut.
Zu welcher Citegorie sind nun die 3 Hauptfurchen der
Hand zu rechnen ? Unzweifelhaft der Hauptsache nach zu den
articulären, zum kleinen Teil zu den musculären Furchen.
Die Tischlinie oder ^ ^)C Himmelslinie entspricht der Ar-
ticulatio mctacarpophalaugea oder dem Gelenke zwischen den
1^'ingern und den Mittelhandknochen. Die Lebenslinie oder
iiil |)C Erdenlinie ist durch Gegenüberstellung des Daumens zu
den übrigen Fingern entstanden und bildet daher die medile
Grenze des Daumenballenmuskels ; und die mittlere Naturlinie
o*^^t;r A ^ Menschenlinie durch P'altenlegung der Haut zwischen
beiden Linien, da die Haut hier im Handteller mit der Unterlage
ziemlich fest verwachsen ist. Die accessorischen kleinen Linien
entstehen ebenfalls durch Faltungen der Haut bei den mannig-
fachen Bewegungen der Hand und und der Finger ; denn es
steigen unzählige feine sehnige Fäden von unten nach der Haut
Mitihedungm der Deutschen Geselkchaft
/kr yatur- und Völker knitde Ostasiejis.
Bd. IX. Tafel 6-
K. Miura.— Avis der Japanischen Physiognomik.
K. MIIRA, PHYSIOGNOMIK. I5
ZU ciTipor, um sie gegen die Unterlage zu befestigen und zwischen
ihnen ist dort mehr und hier weniger Fett eingelagert.
Die 3 Hauptlinien sind schon bei der Geburt vorhanden,
die übrigen kleinen Linien sind bei den Kindern im Allgemeinen
weniger als bei ICrwachsenen zu finden, doch wechseln sie je
nach dem Ernährungszustande.
Ob die kleinen Linien der Hand zahlreicher sind
oder nicht, hängt also vom Alter, Ernährungszus tande,
von der Dicke und Härte der Haut, von der Entwick-
lung des L'nterhautfettge webes und der Musculatur
und in folgedessen vom Beruf, von der Lebensweise,
von Gesundheit und Krankheit u. dgl. ab. Bei den wol-
ge nährten arbeitenden Klassen sind sie weniger
zahlreich als bei schwächlicheren, mageren alten
.Leuten. So sind die Erhabenheiten des Handtellers,
die die H o h 1 h a n d umwallen, e b e n f a 1 1 s von der E n t-
H'icklung der Musculatur und des Fettgewebes
abhängig und von den genannten Umständen b e -
c i n f 1 u s s t . Sie alle sind also m e i s t F o 1 g e n des ( j 1 ü c k s
und Unglücks, des guten und des schlechten Schick-
sals, der besseren oder der schlechteren socialen
Stellung, der Gesundheit oder der Krankheit, und
nicht die Ursache davon. Ihnen ist keine primäre, sondern
nur eine secundäre Bedeutung zuzuschreiben. Nur die Tastleisten
der Finger haben nicht nur phylogenetische Bedeutung, sondern
sie behalten, von der Kindheit bis zum mittleren Alter, vom
mittleren Alter bis zum Greisenalter ihre Form unverändert,
nicht nur in den fundamentalen Zügen, sondern auch bis zum
kleinsten Detail. Die Fingerabdrücke sind daher ein vorzügliches
Mittel der Identification und können eine gewisse Bedeutung in
der gerichtlichen Medicin erlangen.
DAS HEUTIGE JAPANISCHE GEFANGNISWESEN.
Von
Amtsrichter Dr. Grusen, Tokio.
INHALT.
^. 1, Eiiileitiino'.
§. '2. Das Strafensystem des japanischen Strafgesetzbuchs
von 1880.
§. 3. Die Arten der Gefiingnisse.
§. 4. GefängnisbaiT.
§. 5. Die Verwaltung des Gefängniswesens. Zentral- und
Lokal-Verw.iltung.
§. ö. Das Beamteni)ers'.)nal der Gefängnis- Yerwaltung.
§. 7. Die Einzel Verwaltung der Gefängnisse.
§. 8. Die Fürsorge für entlassene Gefangene.
§. 9. Ergebnisse der Strafvollstreckung in Japan.
§. 10. Litter atur.
Anhange ' Drei Gefänfaiis-Plfine.
ly CRLSEN, c;i':faengxi.s\vi:skn.
^. 1. Einleituncr.
Die Gcfängniseinrichtungen von Japan ' sind in Europa viel
weniger bekannt, als die seiner Nachbarländer Sibirien und China,
über die eine reichhaltige Litteratur existiert. Allgemein bekannt
sind die Schilderungen der Zustande in Sibirien durch Dosto-
jewski (Memoiren aus einem Totenhause) und den amerikanischen
Zeitungskorrespondenten George Kennan. Die Behandlung der
chinesischen Gefangenen wird fast in jedem Reisewerke über
China beschrieben.
Das Interesse für das japanische GeHingniswesen ist für die
in Japan lebenden Ausländer aktueller geworden seit Inkrafttreten
der revidierten Verträge mit den Grossmächten im Sommer
1899. Früher wurden etwaige Uebertretungen der Strafgesetze
durch die Konsulargerichte abgeurteilt ; die Vollstreckung der
erkannten Freiheitsstrafen erfolgte bei kür/:erer Dauer in den
Konsulatsgefangnissen, bei längeren Strafen in der Heimat. Jetzt
sind — natürlich abgesehen von den Exterritorialen — die japanischen
Gerichte zuständig, und die zu Freiheitsstrafen Verurteilten ver-
büssen diese in den japanischen Gefängnissen.
§. 2. Das Strafensystem des japanischen
Strafgesetzbuchs Mon ISSO.
Das Gefängniswesen eines Landes ist abhängig von dem
materiellen Strafrecht, zu dessen Durchführung es dienen soll.
Zum Verständnis der japanischen Strafvollzugseinrichtungen ist
deshalb ein kurzer Blick auf das Strafensystem des geltenden
Strafgesetzbuchs von 1880 erforderlich. Es beruht, Dank dem
erheblichen Anteil, den der französische Kriminalist Boissonnadc
an seinem Entstehen hat, vorwiegend auf dem französischen
Code penal von 1810 und teilt dessen Hauptmangel eines viel
zu komplizierten und in der Praxis undurchführbaren Strafen-
systems. Es giebt sechs verschiedene Freiheitstrafen: i) I/a/i
1). Wer sich für die sehr interessante geschiclitliche Entwickelung des
japanischen Gefängniswesens interessiert, möge die im Anhange verzeichnete
I.itteratur, nanrienilicii den Aufsatz von Krauss (in den Blättern für Ge-
fängnisliunde Band ;50) vergleichen.
CRUSEX, GEFAEXGXI.SWESEX. jg
(koryu, Dauer i-io Tage); 2^ Gefängnis (kinko, Dauer 11 Tage
bis 5 Jahre, in besonders schweren Fällen 7 Jahre) ; 3) und
4) eilte politische Strafe in der doppelten Form von einfacher
Freiheitsentziehung (kingoku) auf die Dauer von 6-11 Jahren
und von Verbannung, (ryukei) auf die Dauer von 12-15 Jahren
oder auf Lebenszeit, als nicht entehrende Freiheitstrafen für
politische Delikte, entsprechend der deutschen Festungshaft ;
5) Znchthaus (choeki, Dauer 6-1 1 Jahre) ; endlich 6) Zzuangs arbeit
(tokei, Dauer 12-15 Jahre oder auf Lebenszeit). — Die deutsche
Nebenstrafe der Ueberweisung an die Landespolizeibehörde
(Deutsches Strafgesetzbuch §, 362), welche der Verwaltungsbehörde
die Befugnis giebt, den Verurteilten nach Verbüssung der Haupt-
strafe (geschärfte Haft bis zu 6 Wochen) in ein Arbeitshaus
unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden,
ist dem japanischen Recht unbekannt.
Arbeitspflichtig sind von den Gefangenen die zu Zwangsarbeit,
zu Zuchthaus und zu schwerem Gefängnis (Gefängnis mit Ar-
beitszwang) verurteilten. Alle anderen brauchen nicht zu arbeiten,
nämlich die zu leichtem Gefängnis (Gefängnis ohne Arbeits-
zwang), zu Verbannung und Einsperrung sowie zu Haft Verurteilten
und diejenigen Personen, bei denen eine wegen Vergehen oder
Uebertretung erkannte, aber nicht beizutreibende Geldstrafe in
Freiheitsstrafe (Gefängnis oder Haft nach dem Satze i Yen = i
Tag) umgewandelt ist. Die in den englisch-japanischen Zeitungen
häufig wiederkehrende Meldung, dass jemand wegen einer leichten
Strafthat zu mehreren Wochen Gefängnis ,, with hard labour "
verurteilt ist, bedeutet nur, dass er übeihaupt arbeiten soll, nicht
dass seine Arbeit besonders schwer sein wird.
§. 3. Die Arten der Gefängnisse.
Sieht man von etwaigen Spezialstrafen für einzelne Stände
oder besondere Deliktgruppen (wie Stubenarrest, Festungshaft,
Verbannung) ab, so kann man, ohne in überflüssige und kostspielige
Künsteleien zu verfallen, thatsächlich nur zwei Hauptarten der
Freiheitsentziehung unterscheiden : Strafe mit Arbeitszwang und
Strafe ohne Arbeitszwang. Die Unterschiede in der Vollstreck-
ung der sechs Strafarten (deren Zahl übrigens in dem zu
erwartenden neuen Strafge.setzbuche vermindert werden wird)
stehen deshalb wohl auf dem Papier, verschwinden aber in
20 GRUSEN, GEFAENGNISWESEN,
der Praxis vollständig^. Tliatsächlich sind denn auch so viele
Arten von Strafanstalten, wie nach dem Gesetze und der Gefäng-
nisordnung da sein sollten, überhaupt nicht vorhanden. Es sollte
nämlich geben sechs verschiedene Arten von Anstalten (Gef.
Ordnung vom 12 Juli 1887, Art. i), und zwar: i) Shujikan
(Zentral-Anstalten, Zwangsarbeitshäuser) für die zur Zwangsarbeit,
zur Deportation oder nach dem alten Recht zur lebensläng-
lichen Einsperrung Verurteilten; 2) Kariukan, Transportgefängnisse
zur Aufnahme der nach den Shujikan zu verschickenden
Gefangenen ; 3) Chihokangoku, Lokalgefängnisse für die zu
Haft, Gefängnis, Einsperrung und Zuchthaus verurteilten Männer
und Weiber und die zu Zwangsarbeit verurteilten Weiber ;
4) Kochikan, Untersuchungsgefängnisse ; 5). Riuchijo, Polizeige-
fängnisse oder Arresthäuser zur vorläufigen Aufnahrne von
Untersuchungsgefangenen und "zur Vollstreckung von kurzen Haft-
und G-'fängnisstrafen ; endlich 6) die Chojijo, Zwangserziehungs-
anstaltcn für Kinder von 8-12 Jahren (welche nach Art. 79
des Strafgesetzbuchs zwar nicht bestraft, aber bis zum vollendeten
sechzehnten Jahre in eine Besserungsanstalt gebracht werden
können) sowie ausserdem für Taubstumme und für Minderjährige
von 12-16 Jahren, bei deren Verurteilung angenommen ist.
dass sie ohne Unterscheidungsvermögen gehandelt haben.
Tliatsächlich giebt es aber zunächst besondere Anstalten zur
Vcrbüssung der beideti politisc/ien Strafen, Transportgefängnisse und
Zwangserzieluingsa?istalten überhaupt nicht. Eür die zur einer
der politischen Strafen Verurteilten sollten ursprünglich Spezial-
anstalten errichtet werden, und zwar für die zur Freiheitsent-
ziehung Verurteilten auf dem Festlande, für die Verbannten auf
einer Insel (Strafgesetzbuch Art. 20 und 23). Diese Vorschrift
des Gesetzes ist aber nicht ausgeführt, die V^erurteilten werden
vielmehr in den Lokalgefängnissen und (die Verbannten) in den
Zwangsarbeitsanstalten untergebracht ; Festungen, die zur Voll-
streckung dieser Strafen verwendet werden könnten, giebt es in
Japan nicht. Die Transportgefangenen und die Zwangszöglinge
werden in die Lokalgefangnisse gebracht. Diese eignen sich zur
Aufnahme der letzteren recht wenig. Durch das Zwangserziehungs-
Gezctz vom 9 März 1900 sind nun die Bezirke verpflichtet, beson-
dere Zwangserziehungsanstalten auf ihre Kosten zu errichten,
wogegen ihnen die Kosten für die P2rhaltung der Lokalgefangnis.se
abgenommen sind. Besondere UntcrsueJinngsgefängyiisse giebt
es nur 5 in Tokio, P^ukuoka, Aomori, Akita und Okayama;
CRUSEN, GEFAENGNISWESEK. 21
in allen übrigen Bezirken bestehen lediglich in den Lokalgefang-
nissen besondere Abteilungen für Untersuchungsgefangene.
Es giebt also thatsächlich in Japan, wenn man von den
wenigen besonderen Untersuchungsgefängnissen absieht, nur
drei Kategorieen von Gefängnissen : Polizeigefängnisse, Zwangs-
arbeitsanstalten und Lokalgefängnisse.
1. Polizci^^cfängnissc (riuchijo) giebt es zur Zeit (nach der
Statistik vom i Mai 1901) 1408 mit einem Gefangenenbestande
von 1025 Köpfen (243 Untersuchungsgefangenen und 782 zu
kurzen Freiheitstrafen verurteilten Personen). Sie sind meist
ganz klein und dienen nur zur vorübergehenden Aufbewahrung von
Untersuchungsgefangenen und Vollstreckung ganz kurzer Strafen.
Sie unterstehen nicht der Gefängnis-, sondern der Polizei-Verwaltung
und sind deshalb im Folgenden nicht mit berücksichtigt.
2. Zzvangsarbeits]iäiiscr{^\\.\i\Vz.\\) giebt es zur Zeit (Dezember
190 1) sechs, davon 3 (Kabato, Tokachi, und Abashiri)auf Hokkaido,
2 (Tokio und Sendai) auf Hondo und endlich i (in Omuta) auf
Kiushiu. In diese Anstalten werden nur zu Zwangsarbeit und
,, ryukei " verurteilte Männer aufgenommen ; die geringste Straf-
dauer beträgt in beiden Fällen 12 Jahre. Die zu ,, tokei "
\-erurteilten Weiber werden nicht in die ,, shujikan," sondern in
die Lokalgefängnisse gebracht. Der Ursprung dieser Praxis beruht
darin, dass die Zwangsarbeitsstrafe unter vorzugsweiser Ver-
wendung der Gefangenen zu landwirtschaftlichen Arbeiten eigent-
lich auf einer Insel vollstreckt werden sollte, wo man Weiber
aus Gründen der Moral, der Disziplin und des Arbeitsbetriebes
nicht unterbringen wollte. Nachdem thatsächlich die Strafe in
den Shujikan verbüsst wird, könnte man in diesen besondere
Weiberabteilungen errichten, deren Kosten aber in keinem
Verhältnisse zu der geringen Zahl der weiblichen Verurteilten
stehen würde. Man schickt sie deshalb bes.ser in die Gefängnisse.
3. LokaLgcfihignissc (chiho-kangoku) giebt es im ganzen
132, wovon 49 selbständige und 83 Zweiganstalten, die keinen
eigenen Direktor haben, sondern unter Verantwortung des Direktors
der Hauptanstalt von einem Inspektor verwaltet werden. Die Lokal-
gefangnisse dienen zur Aufnahme aller Gefangenen, die weder
in die Polizeigefängnisse noch in die Zwangsarbeitsanstalten
geschickt werden. Das sind : a) die zur Zwangsarbeit verurteilten
Weiber ; b) die zu Haft, Gefängnis, einfacher Freiheitsentziehung
22 CRUSKN, GEFAEXGNISWESEN.
verurteilten Männer und Weiber, c) zu Geldstrafe verurteilte
Personen, bei denen an Stelle dieser nicht beizutreibenden Strafe
Freiheitstrafe »getreten ist. Die Zahl der Strafgefangenen in den
Lokalgefängnissen und den Zentralanstalten betrug in den Jahren
1893 bis 1900 am 31 Dezember jeden Jahres: 65617, 67261,
65234, 642S7, 57127, 58918, 50576, 49260. d) Untersuchungs-
gefangene beiderlei Geschlechts ; ihre Zahl betrug in den Jahren
1893- 1900 am 31 Dezember jedes Jahres : 11243, 10895, 10070,
9202, 10050,9395,6287,7275. Die erhebliche Abnahme in den
letzten Jahren ist (nach amtlichen Angaben) teilweise auf grössere
Nachsicht bei geringfügigen Strafthaten (namentlich wohl beim
gewerbsmässigen Glückspiel) und auf grössere Beschleunigung des
Strafverfahrens zurückzuführen ; e) Zwangszöglinge ; ihre Zahl
betrug in den Jahren 1893- 1900 am 31 Dezember jedes Jahres:
230, 252, 209, 157, 185, 213, 174, 144. f) eine Kategorie von
Personen, die man kaum in den Gefängnissen vermutet, sind
Personen, die ausser zu einer Freiheitstrafe auch noch zur Stellung
unter Polizeiaufsicht (zulässig für eine Dauer von zwei Monaten bis
zu fünf Jahren) verurteilt sind, aber nach Verbüssung der
Hauptstrafe kein Unterkommen nachweisen können. Sie werden,
solange sie hierzu nicht im Stande sind, bis zum Ablauf
der Frist für die Polizeiaufsicht in der Anstalt zurücl-cbehalten,
wo sie von den übrigen Gefangenen abgesondert werden und
gewis.se F"reiheiten geniessen. Ihre Zahl betrug am 3 i Dezember
der Jahre 1893- 1900: 1693, 2192, 1694, 1436, 155 1, 1774,
1008, 923.- g) p:ndlich fällt jedem, der die Frauen-Abteilung
eines japanischen Gefängnisses besucht, die verhältnismässig grosse
Zahl von ganz kleinen Kindern auf, die dort bei ihren Müttern
sind. Ihre Zahl betrug in den Jahren 1893 bis 1899: 392, 401,
344, 341, 352, 332, 102, 100. Die japanische Gefängnis-Ordnung
gestattet den Müttern, die in der Anstalt niederkommen oder bei
Antritt der Strafe ein kleines Kind haben, es bis zum vollendeten
dritten Jahre bei sich zu behalten. Die Vorschrift hängt mit
der in Japan sehr lang ausgedehnten Frnährung der Kinder
durch Muttermilch zusammen und ist humaner, als die
Vorschrift der preussischen Geföngnis-Ordnung, nach der das
Kind aus der Anstalt entfernt werden muss, sobald die Trennung
von der Mutter inöglidi ist. Die geringe Belästigung, die
der V^erwaltung die Anwesenheit eines Säuglings verunsacht,
wird reichlich aufgewogen durch die günstigen Wirkungen
auf die Gesundheit des Kindes und den Charakter der Mutter.
CRUSEX, GEFAEXGNISWESEX.
23
Der Uebersichtlichkeit wegen mögen hier die im vor-
■stehenden angeführten Zahlen zai einer Tabelle vereinigt werden.
Es waren am 31 Dezember der Jahre 1893 bis 1900 vorhanden:
1893
1894
1895
1896
1897
1898
1899
1900
Strafgefangene
65617
67261
65234 64287
57127
58918
50576
49260
Untersuchungsgefan-
II243
10S95
10070
9202
10050
9395
6287
7^75
gene
Z\van'^sgöglinr;e f taub-
stumme und jugend-
liche).
230
252
209
157
185
213
174
144
Gefangene unter
Polizeiaufsicht.
1693
2192
1694
1436
1551
1774
1008
923
Sanglinge
Ges.imt-Aimnie
392
401
344
341
352
33-
102
100
79175
81001
77551
75423
69265
70632
58147
57702
Die erhebliche Verminderung der Zahl der Gefangenen im
Jahre 1897 beruht darauf, dass bei dem Tode der Kaiserin-Mutter
eine umfassende Amnestie erfolgte, durch die allen Verurteilten
ein Viertel der Strafe erlassen wurde ; von 54627 Gefangenen
wurden am Tage der Amnestie 9983 entlassen. Der kleine
Nachlass in den folgenden Jahren ist (nach dem amtlichen
Rapport sur le Systeme penitentiaire du Japon von 1900) zurück-
zuführen auf grössere Nachsicht der Behörden bei der Verfolgung
unbedeutender Strafthaten, Beschleunigung des Strafverfahrens,
häufigere Anwendung der bedingten Entlassung, vor allem aber
auf das erhebliche Steigen der Arbeitslöhne, das trotz gleich-
zeitiger Erhöhung der Lebensmittelpreise den unteren Volksklassen
ein genügendes Auskommen verschaffte, so lange sie überhaupt
Arbeit fanden. Das Jahr 1901 hat infolge der chinesischen
Wirren allgemeine Geldknappheit, Stocken des Handels nach
China und infolgedessen Betriebseinschränkungen in zahlreichen
Fabriken gebracht, die wahrscheinlich auch in einem erneuten
Anschwellen der Kriminalität zum Ausdruck kommen werden.
§. 4. Gefängnisbau.
Planmässige, den Anforderungen der Strafvollstreckung und
der Baukunst gleichmässig entsprechende Gefängnisgebäude
werden in Japan erst seit der Mitte der 70ger Jahre aufgefiihrt.
24 CRUSKN, (;EI'AENGNIS\VESEN.
nachdem japanische Beamte der Gefängnisverwaltung die Anstalten
in den enghschen Kolonieen Asiens und später auch in Europa
und Amerika kennen gelernt hatten.
In den älteren Zeiten und noch bis /.ur Wiederherstellung
des Kaisertums dienten die Gefängnisse in erster Linie der sicheren
Verwahrung und Unschädlichmachung der Verbrecher. Der
Gedanke, sie '/.u bessern und ihnen Leben und Gesundheit zu
erhalten, wurde, wenn er auch vielleicht theoretisch schon früh
(in demTaihoritsu- des Mommu Tenno von 702 n.Chr.) anerkannt
wurde, jedenfalls in der Praxis — wenigstens unter den Tokugawa —
nicht durchgeführt.
Als nun nach der Restauration des Kaisertums im Jahre
1868 der Strafrechtspflege und dem Strafvollzuge erhöhte Auf-
merk-samkeit geschenkt wurde, benutzte man zunächst die alten,
meist sehr mangelhaften, Gefängnisse der Daimios, baute sie
notdürftig um oder richtete andere, gerade zur Verfügung stehende
Räumlichkeiten (z. B. Daimio-Quartiere), so gut es eben ohne
grosse Kosten ging, zu Gefängnissen ein. So entstanden die
Anstalten, die ich als Gefängnisse alten Stils bezeichnen möchte^
und die zur Zeit noch die Mehrzahl bilden. Es sind meist
grosse mit Holz- oder Steinmauern, oft auch mit einem Graben
umgebene Komplexe rechteckiger Holzbauten, von denen die dem
P'ingange am nächsten liegenden als Wirtschafts- und Ver-
waltungsgebäude dienen, die übrigen teils Arbeitsbaracken, teils
Hafträume sind. Die letzteren pflegen aus einem äusseren Umbau
japanischen Stils mit Holz- und Papierwänden zu bestehen ; im
Inneren sind auf einem erhöhten Unterbau die durchweg für
gemeinschaftliche Haft bestimmten Zellen, die meüst an der Rück-
und den Seitenwänden feste Holzbekleidung, an der Vorderseite
aber ein durchbrochenes Gitter aus Plolzbalken haben, das ihnen
das Ansehen von Raubtierkäfigen verleiht. Die Zellen gestatten
nur ungenügenden Abschluss gegen die Aussenluft, haben keine
Heizvorrichtungen und sind im Winter empfindlich kalt, allerdings
nicht viel kälter, als die meisten japanischen Häuser. Die ganze
Anlage ist meist sehr wenig übersichtlich und erfordert ein
bedeutendes Aufsichtspersonal ; da auch jetzt noch dieser Typus
vorherrscht, so besteht die Vorschrift, dass auf 500 Gefangene
75 Aufseher kommen müssen. Beispiele solcher Anstalten sind :
2) Das Strafgesetzbuch heisst so, weil es iin 2. Jahre der Periode Taihö
(701-70.3) promulgiert wurde. Wir besitzen es aber erst in einer späteren
Eedaktiun aus dem Jahre 718. vergl. Florenz, Nihongi, Einleitung, p. XXX).
GRUSEN, GEFAEN'GNISWESEN. 2$
Ichiga\-a in Tokio (ist zum Abbruch bestimmt), Hiogo-Kobe,
Osaka (vgl. den im Anhang beigefügten Plan), Nagasaki (wird zur
Zeit durch eine neue Anstalt modernen Stils ersetzt).
Die Gefängnisse nencren Stils haben mehr Aehnlichkeit mit
den europäischen, sind zum Teil Backsteinbauten nu't hölzernem
Dachstuhl und in der übersichtlichen Fächerform (mit einem oder
zwei Fächern und entsprechend einer oder zwei Zentralen) gebaut.
Die Arbeitsbaracken liegen meist zwischen den äusseren Enden
der Flügel ; ganz vereinzelt, z. B. bei dem Gefängnisse in
Nagano, sind auch sie fächerförmig angelegt. Beispiele dieser
Bauart sind : die Zentralanstalten in Kosugei bei Tokio (Tokio-
Shujikan, 1879 gebaut,) und Sendai (Miagi-Shujikan, ebenfalls
1879 gebaut), die Gefängnisse in Sugamo bei Tokio und Negishi
bei Yokohama (\'gl. die Pläne), Nagoya, Takamatsu auf Shikoku.
Alle diese sind teilweise für P^inzelhaft eingerichtet ; aber auch
für die Gemeinschaftszellen ist das Käfigsystem aufgegeben,
sie liegen meist an beiden Seiten der Flügel, sind in der Mitte
durch einen Gang getrennt und haben an drei Seiten feste Wände
aus Holz oder Stein.
Einzelne dieser neueren Anstalten (z. B. Sendai Shujikan,.
das Gefängnis zu Nagano) haben 2 Stockwerke ; die steigenden
Grundstückspreise machen eine bessere Ausnutzung des Raumes
wünschenswert. Aber gerade bei Gefängnissen sind natürlich die
Bedenken gegen hohe massive Gebäude wegen der Erdbeben- und
Feuersgefahr besonders gross.
Gegen die Kälte gewähren auch diese neueren Anstalten
keinen genügenden Schutz, weil auch sie (von den nördlichsten
Teilen des Landes abgesehen) keine Heizvorrichtungen enthalten.
In allen Anstalten sind die verschiedenen Abteilungen (für
Straf- und Untersuchungsgefangene, für Männer und Wtiber)
durch hohe hölzerne oder steinerne Scheidewände \'on einander
getrennt.
Eine wesentliche Verschiedenheit zwischen dem japanischen
und dem deutschen Gefangniswesen zeigt sich in der Grösse der
Anstalten. In Preussen ist fast mit jedem der 1 1 10 Amtsgerichte
ein, allerdings in den meisten Fällen nur kleines, Gefängnis
\'erbunden, das zur Aufnahme von vorläufig; festgenommenen
Personen, von Untersuchungsgefangenen und von Strafgefangenen
mit kurzer Strafdauer dient. Daneben bestehen, zum Teil in
Verbindung mit den 94 Landgerichten, grössere Gefängnisse für
Untersuchungsgefangene und Strafgefangene und Zuchthäuser. Im
26
CRUSEX, GEFAEXGN ISWESEN.
ganzen gicbt es in Prcussen (nach der Statistik vom 31 März
1899) 1153 Anstalten; von diesen hatten nur 4 eine Belcgungs-
fähigkeit von über 1000 Köpfen, und 31 eine solche von 500-900
Köpfen; 95 Anstalten konnten 100-500 Köpfe fassen und der
Rest von 952 weniger als 50. In Japan zeigt sich das l^estrcben
nach weitgehender Zentralisation auch in der Gefangnisver-
waltung. Ausser den für die Strafvollstreckung kaum in Betracht
kommenden kleinen Polizeigefäiignissen giebt es überhaupt nur
138 Anstalten, die meist in oder bei der Bezirkshauptstadt liegen ;
im Jahre 1892 gab es noch [63 Anstalten, seitdem sind 25
kleinere Gefängnisse aufgehoben. Die Massregel hat ihre Vorzüge
und ihre Schattenseiten: der Strafvollzug ist zweifellos in einer
grossen Anstalt besser, geregelter und energischer, als in einer
kleinen, meist auch billiger. Andererseits entstehen durch die
grösseren Entfernungen und weiteren Transporte für den Staat wie
für des Publikum grössere Kosten und Zeitversäumnisse.
In Japan giebt es etwa 19 Anstalten'' mit einer l^elegungs-
fähigkeit von über 1000 Köpfen, wie aus folgender Uebersicht
hervorgeht.
Maibashi 15 50
Yokohama-Negishi 1025
Gifu II 19
Hokkaido-Zentralanstalt 1 300
Tokio-Zentralanstalt 1000
Abashiri-Zentralanstalt 1 200
Kumamoto 1006
Saitama 1 1 14
Ibaraki 10 14
Tokachi-Zentralanstalt 1 200
Die Baukosten für die Gefängnisse sind in den einzelnen
Bezirken sehr verschieden und hängen u. a. davon ab, ob in Holz
oder Stein gebaut wird und ob Gefangene in grösserer oder gerin-
gerer Anzahl verwendet werden. Man nimmt an, dass bei reichlicher
Verwendung von Gefangenen ein Gefängnis für 4-800 Gefangene
einschliesslich der Grunderwerbskosten 3-4oo,ooo Yen kostet,
Osaka
3814
Nagoya
2089
Tokio-Sugamo
1927
Kioto
1481
Tokio-Ichigaya
I 222
Hiogo-Kobe
1608
Sendai-Gefängnis
I 164
Miike-Zentralanstalt
1400
Hiroshima
1283
'•')). Genauer lä^st sich die Zahl niclit feststellen, weil eine amtliche Ermittlung
der Ijelegniigsfähigkeit der Anstalten niclit stattfindet. Die im Text gegebenen
Zahlen herulien teils auf mündlichen Mitteilungen der Anstaltsdirektoren bei
Gelegenhil amtlicher Inspektionen, die ich im Auftrage des Ministeriums vor-
genoiamen habe, teils auf den statistischen Angaben über die tliatsüchliclie
Belegung der Anstalten am 31 Dezember 190O.
GRUSEN, GEFAEN'GN'ISWESEX. 2/
also gegen 500 Yen für den Kopf der höchsten Belegungsfähigkeit.
Der Neubau für das Untersuchungsgefängnis in Tokio ist für
1000 Gefangene berechnet und auf 1,000,000 Yen veranschlagt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gefängnisverwaltung in
dem Shujikan bei Tokio eine grosse eigene Ziegelei besitzt, also
die Materialien für den Ziegelbau billig beziehen kann ; dieser
Vorteil wird allerdings durch die hölieren Arbeitslöhne in Tokio
völlig aufgewogen. Für die nächsten Jahre ist die Verwendung
von jährlich ungefähr 300,000 Yen zum Neubau von Gefängnissen
in Aussicht genommen. Es sollen, ausser dem erwähnten Ge-
fängnis in Tokio, zunächst neu gebaut werden die Gefängnisse
in Chiba, Nagasaki, Kagoshima, Ishikawa und Nara ; die Ge-
samtkosten für diese 5 Anstalten sind auf 1,453,063 Yen ver-
anschlagt.^
§. 8. Die Ver^vvaltung des Gefängniswesens.
Zentral- und Lokal- Verwaltung.
Die Verwaltung des Gefangniswcsens zerfällt in die Zentral-
und die Lokalverwaltung. Die Oberleitung ist im Laufe der
Zeit in verschiedenen Händen gewesen. Seit der Wiederher-
stellung des Kaisertums waren abwechselnd zuständig: Ministerium
für Kriminal- Sachen (1868-1871), Justiz-Ministerium (1871-1876),
Ministerium des Inneren (1876 bis 1900), Seit dem i JuU 1900
ist der Justizminister oberste Aufsichtsbehörde für das gesamte
Gefängni.swesen. Zu seiner Unterstützung sind ihm beigegeben :
I Ministerialdirektor (mit Chokunin-Rang, der preussischen ersten
und zweiten Ratklassc entsprechend). 4 Ministerialräte (Sonin-
Rang) I Hülfsarbeiter, i Architekt, dazu die erforderliche
Anzahl von Bureau- und Laiterbeamten. Ausserdem ist seit Ende
1899 der Verfasser als Beirat der Gefängnis Verwaltung thätig. Die
Ministerialräte und der Hülfsarbeiter sind früher Gefängnis-
4). Zum V^ergleich sei bemerkt, dtiss in Preussen früher hei den vom
Ministerium des Inneren ressortierendeu Anstalten die Kosten eines grossen
Gefängnisses pro Kopf der Belegnngsfdhigkeit etwa zwisclien 57(i0 und 3700
Mark betrngenn Seit etwa 188.5 said sio ej-hehlich niedriger geworden und
schwankten für die in den Jahren ] 885-1 89S gebauten 5 grossen Anstalten
(Strafanstalt in Gross-Strelitz, Gefängnisse in Düsseldorf, Wohlan, Siegburg und
Breslau) zwischen 24G4 und 20G8 Mark. (Statistik der zum Kessort des Kgl.
Preussischen Ministerium des Inneren geFiörenden Strafanstalten und Getängni.s.se
für den 1 April I.s98-18y9, S. XXVI). Neuerdings liofft man durch ausgiebige
Verwendung von Gefangenen die Kosten auf 150i> Mark pro Ke)pf zu ermässigen.
28 GRUSEN, GEKAENGNISWESEN.
dircktoren gewesen. Die Gefängnisabteilung zerfällt in 5 Unter-
abteilungen für Strafvollzug, Oekonomie-Wesen, Statistik, Rech-
nungswesen und Bausachen.
Der Minister kann jeder Zeit jedes Gefängnis durch seine
Räte revidieren lassen und macht von dieser Befugnis umfassenden
Gebrauch. (Art. 4 Abs. i der Gef Ordn.).
Die Shujikan in Sendai, Tokio und Miike unterstehen
direkt dem Minister. Bei allen übrigen Anstalten giebt es
zwischen diesem und der Lokalverwaltung eine Zwischeninstanz,
nämlich : auf der Insel Hokkaido der Gouverneur, in Tokio der
Polizeipräsident, für alle übrigen Anstalten der zuständige
Regierungspräsident. Alle diese Beamten sollen die ihnen
unterstellten Gefingnisse mindestens einmal jährlich revidieren.
(Gef Ordn. Art. 3, Art. 4 Abs. 2.). Eine Verpflichtung zur
zeitweiligen Besichtigung der zu ihrem Amtsbezirk gehörigen
Gefängnisse besteht ausserdem für die Staatsanwälte und —
bezüglich der Untersuchungsgefängnisse — für die Richter. ländlich
be-steht aus der Zeit, wo die Kosten der laufenden Verwaltung
der Lokal-Gefängnisse von den Bezirken getragen wurden, die
Bestimmung, dass die Mitglieder der Bezirks- Versammlungen
das Recht haben, die Gefängnisse zu besuchen.
§. 6. Das BeaiTitenspersonal der
Gefängnis- Verwaltung.
An der Spitze jedes Gefängnisses steht ein Direktor, von
denen insgesamt 55 vorhanden sind. Sie haben den Rang der
8-5. Klasse der Sonin (die 5. Klas.se kann jedoch nur von den
Direktoren der Shujikan erreicht werden) und müssen vor ihrer
Ernennung mindestens 3 Jahre im Gefängnisdienste thätig gewesen
sein (Kaiser!. Erlass von 1899). Die Nebenan .stalten \verden
unter Oberaufsicht des Direktors der Hauptanstalt von einem
Inspektor geleitet.
Im ganzen sind zur Zeit (Dezember 1901) vorhanden :
55 Direktoren,
603 Sekretäre,
339 Inspektoren (Oberaufseher)
242 Aerzte
177 Geistliche (buddhistische)
GRUSEN, GEFAENGNISWESEN. 29
8489
Aufseher
f.^-,
'^:):)
Hülfsaufseher
450
Aufseherinnen
459
Werkmeister
736
Beamte verschiedener Art, meist Bureau-
beamte u. Schreiber.
15
Dolmetscher.
zusammen I2ig8
Die Zahl der Aufseher ist sehr hoch : man rechnet auf je
500 Gefangene 75 Aufseher und vermindert oder erhöht das
Aufsichtspersonal entsprechend, sobald die Zahl der Gefangenen
sinkt oder steigt. Es kommt also auf je 6-7 Gefangene i
Aufseher. Im Zuchthause Moabit-Berlin, das eine Belegungsfahig-
keit von 550 Köpfen in der Hauptanstalt und von 55 Köpfen
in der Irrenabteilung hat, sind nur .46 Aufseher, je i auf
12-13 Gefangene, vorhanden, in Halle (Strafanstalt und Gefängnis)
für 800 Gefangene 40 Aufscher (i : 20) und in den meisten
preussischen Anstalten dürfte die Zahl verhältnismässig noch
geringer sein.
Der Ueberfluss an unteren Beamten, der mit einem fühlbaren
Mangel an wissenschaftlich gebildeten höheren Beamten einhergeht
und ein Charakteristikum der gesamten japanischen Staatsverwaltung
bildet, datiert noch aus der Zeit, in der die menschliche Arbeits-
kraft so billig war, dass es auf einige hundert Beamte mehr oder
weniger nicht ankam. Die Gefangnisverwaltung wird sich vor-
aussichtlich über kurz oder lang entschliessen müssen, ihr Personal
einzuschränken und die Gehälter zu erhöhen. ^ Denn das Ein-
kommen der Gefangnisbeamten ist allerdings in den letzten Jahren
mehrfach aufgebessert, bleibt aber immer noch hinter dem Wün-
schenswerten zurück. Es erhalten (i Yen = etwa 2, 10 Mark):
der lustizminister 6000 Yen
der Unterstaatssekretär 4000 ,,
der Ministerialdirektor 3000 ,,
die Ministerialräte 1400 und 2000 ,,
die Direktoren 600-1400 ,,
die Sekretäre 144-900 „
die Inspektoren 144-900 „
5). Der gegenwärtige Ministerpräsident General Vicomte Katsura beabsichtigt,
die gesamte japanische Verw altung in diesem Sinne zu reorganisieren.
30 .GRUSEN, GEFAKNGNISWKSEX.
die Aerztc durchschnittlich 420 Yen
die Geistliclien 240 ,,
die Werkmeister T 20 ,,
die Aufseher 108-180 ,,
die Aufselierinncn 50-180
Das Aufrücken im Gehalt erfoh^t jährlicli nach Massgabe
der nach dem Etat vorhandenen Mittel. Der Beamte hat keinen
Rechtsanspruch auf Auszahlung des Gehalts und Gewährung
der Zulage.
Das Institut der Militäranwärter, aus denen sich in Deutsch-
land der weitaus grösste Teil der unteren und mittleren Ge-
fängnisbeamten rekrutiert, ist in Japan unbekannt. Die Ver-
waltung muss daher die nötigen Massregeln treffen, um sich
genügenden Nachwuchs zu sichern. Sie thut das, indem sie den
neu eintretenden von Anfang an Gehalt zahlt und indem sie
auch dem geringsten Unterbeamten die Möglichkeit gewäk.rt,
sich durch den Nachweis der verlangten Kenntnisse (Ablegung
einer Prüfung) die Anwartschaft auf die Beförderung in höhere
Stellen zu erwerben.
Als Aufseher kann nur angenommen werden, wer minde.stens
21 und höchstens 45 Jahre alt ist und ein Examen bestanden
hat. Nach der Zulassung wird der Anwärter zunächst 3 Monate
theoreti-sch ausgebildet und zum praktischen Dienst erst verwendet,
wenn seine Tauglichkeit dazu feststeht. Das Mindestalter für
Aufseherinnen ist 40 Jahre. Aufseher können in die höheren
Stellen des Gefangnisdienstes aufrücken: nach längerer Dienstzeit
können sie durch Ablegung einer Prüfung die Befähigung zur
Bekleidung eines Sekretär- oder Inspektorpostens erwerben. Aus
diesen werden wiederum die Direktoren genommen.
Die Monotonie des Gefängnisdienstes macht eine besonders
wohlwollende Regelung der Urlaubsverhältnisse erforderlich. Die
Aufsichtsbeamten erhalten deshalb im Monat mindestens 2 ganze
und 2 halbe Tage Urlaub, ausserdem thut an Sonntagen
nur ein Teil der Beamten Dienst. Wer ein halbes Jahr
lang niemals im Dienst gefehlt hat, bekommt 5, und bei
einem ganzen Jahre 10 Tage Extra- Urlaub — eine Bestimmung,
die jedem Kenner der japanischen Verwaltungspraxis leicht
verständlich ist : sie soll der in der Beamtenwelt allgemein ver-
breiteten Unsitte entgegentreten, dass völlig gesunde Beamte
.sich krank melden, wenn ihnen aus anderen Gründen das
Fernbleiben vom Dienste bequem ist.
CRUSEX, GEFAENGNISWESEX. 3I
Der Vorlnldu}ig der Gcfängnisbcauiten hat die Verwaltung
von jeher grosse Aufmerksamkeit zugewendet und be/iighch
der besonderen Vorkehrungen und der Ausgaben für diesen
Zweck geht Japan wohl allen anderen Ländern voran. Zunächst
giebt es an jedem Gefängnis Aufseher-Schulen, in denen Instruktion
über Gegenstände des praktischen Dienstes, ausserdem Unterricht
im Englischen und im Fechten erteilt wird. Weiter besteht in
Tokio eine 1890 gegründete, dann einige Jahre geschlossen ge-
wesene, im Jahre 1899 wieder eröffnete Akademie für Polizei- und
Gefängnis-Beamte (Keisatsu-kangoku-gakko) mit 2 getrennten
Abteilungen für jeden Dienstzweig. Die Gefangnisabteilung dient
zur Vorbildung derjenigen Personen, die nach Absolvierung der
Mittelschule (Chugakko) oder Ablegung des Examens für den
unteren Verwaltungsdienst (als Hannin) in den Gefängnisdienst
einzutreten beabsichtigen, und ausserdem zur weiteren theoretischen
Ausbildung der bereits im Dienst befindlichen Beamten. Der Kursus
dauert für beide Klassen ein Jahr ; die Studenten hören bei 14
einheimischen und i auswärtigen (deutschen) Professor täglich von
8-12 und von 1-3 Vorträge über Theorie des Strafvollzuges,
Gefängnis-Hygiene, Kriminal-P.sxxhologie, Statistik, Anthro-
pometrie (System Bertillon), Schutzfürsorge für entlassene Gefan-
gene, Grundsätze der Zwangserziehung für Jugendliche, Strafrecht,
Strafprozess, Grundlagen der Staats\-erfa.ssung, des Zivil- und
des Verwaltungsrechts. Ausserdem werden militärisches Turnen
und praktische üebungen (z. B. pj'ntragungen in die Gefängnis-
register) vorgenommen. Zweimal im Jahre sind Ferien : vom
I August bis 2 September und vom 25 Dezember bis 6 Januar
(thatsächliche Dauer meist etwas länger j. Die Zahl der Studenten
beträgt 90-100 ; die Beamten, die gesund und nicht über 45
Jahre alt sein müssen, werden durch die Regierungspräsidenten
nach Anhörung der Gefängnisdirektoren ausgewählt. Alle Stu-
denten erhalten Reisekosten und monatlich 10 Yen, die Beamten
ausserdem ihr Diensteinkommen. Sie können zu einem billigen
Preise (10 Sen) ihr Frühstück in der Akademie einnehmen,
was wegen der sehr weiten Entfernungen in Tokio eine erhebliche
Annehmlichkeit und Ersparnis bedeutet.
Das Nichtbestehen des Schlussexamens hat für den Anwärter
die Folge, dass er nicht angenommen wird ; für die Beamten
sind besondere Folgen nicht bcstimimt. W^er das Examen besteht,
ist zu mindestens fünfjährigem Dienst in der Gefangnisverwaltung
verpflichtet.
32 GRUSEN, GEFAENGMSWESEN.
Die jährlichen Kosten für die Akademie betragen im Etatsjahr
1899- 1900: 100,178 Yen, (210373 Mark 80 Pfennig) wovon
etwa die Hälfte auf jede Abteilung entfallen dürfte. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die meisten Professoren dort nur im
Nebenamte thätig sind und ihr Haupteinkommen bei anderen
Behörden beziehen. Vom i April 1902 an erfährt die Zahl der
Professoren und Studenten eine erhebliche Einschränkung und
wird der Etat der Akademie auf 60000 Yen herabgesetzt.
Die Akademie gehört zum Ressort des Inneren und wird
von dem Vizeminister des Inneren als Direktor verwaltet.
Ausserdem sind ein Schulinspektor und nicht weniger als 4
Sekretäre und 7 Schreiber vorhanden.
Der theoretischen Unterweisung in der Gefängniskunde
dienen ausserdem noch 3 andere Einrichtungen in Tokio, nämlich
zwei von buddhistischen Geistlichen gegründete Schulen zur
Ausbildung von Geßingnisgeistlichen, und Vorlesungen aus dem
Gebiete des Gefängniswesens, die an der Universität seit 1898
gehalten werden (zur Zeit von Ministerialrat Ogawa).
PLndlich ist, als ebenfalls der Weiterbildung der Beamten
und der P'örderung des Gefangniswesens dienend, die Japanische
Geföngnis-Gesellschaft zu nennen Sie ist 1888 gegründet und
7.äh]t über 12000 Mitglieder aus den Kreisen der Gefängnisbeamten,
Gelehrten, Politiker, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte,
Verwallungsbeamten, Kaufleute. Geistlichen und Aerzte. Präsident
ist der um das japanische Gefängniswesen hochv^erdiente Justiz-
minister Kiyoura, Vizepräsident der zweite Dezernent für das
Gefängnis wesen, Ministerialrat Yamakami. Es finden monatliche
Versammlungen statt, in denen Vorträge gehalten werden ; auch
hat die Gesellschaft eine eigene, monatlich erscheinende Zeitschrift
die über hervorragende Mitarbeiter aus allen Berufen verfügt ; eine
eigene Vereinsbibliothek ist in der Entstehung bec^riffen.
§. 7. Die Einzelverwaltung der Gefängnisse.
Uebersicht.
Die Grundlage der l^nzelverwaltung bildet, ausser kurzen
Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung
(über Arbeitszwang und Behandlung der Untersuchungsgefangenen)
die im Jahre 1887 erlassene, seitdem aber in einzelnen Punkten
GRUSEN, GEFAENGNISWESEN. 33
mehrfach geänderte Gefängnis-Ordnung nebst der dazu erlassenen
Ausführungs-Verordnung. Einzelne Vorschriften sind auch in
den Ausführungsverordnungen zum Strafgesetzbuch und zur Straf-
prozessordnung enthalten.
Aus dem grossen Kreise der in Betracht kommenden Materien
können hier nur einige der wichtigsten berührt werden.
I. Die Unterbringung der Gefangenen wird beeinflusst \'on
verschiedenen Faktoren, wie Klima des Landes, Karakter und
Gewohnheiten der Bevölkerung, die eine vorsichtige Verwaltung
nicht ausser Acht lassen darf Sie wird daher in einem kalten
Lande wie Schweden oder Norwegen notwendig anders sein, als
etwa in Indien oder Südamerika. Auch die Frage des Haft-
systems— ob Einzelhaft oder gemeinschaftliche Haft — lässt sich
nicht für alle Völker gleichmässig beantworten ; so wird der
ruhige Norddeutsche im ganzen die strenge Isolierung leichter
ertragen, als der lebhafte Italiener oder Südfranzose.
Das ältere japanische Gefängniswesen beruhte ausschliesslich
auf dem System der Gemein.schaftshaft, und zwar in ihrer über-
triebensten Form : die Gefangenen wurden in übermässiger Zahl
auf einen kleinen Raum zusammengedrängt, in dem sie Tag und
Nacht ohne Arbeit zubrachten. Seit der Restauration ist darin
ein erheblicher Wandel zum Besseren eingetreten ; die gemein-
schaftlichen Hafträume sind verkleinert und werden nur mit einer
angemessenen Zahl von Gefangenen belegt, und es sind besondere
Arbeitsräume errichtet, in denen die Gefangenen sich den Tag
über aufhalten, sodass eine gründliche Ventilation der Schlaf-
räume möglich ist. Immerhin blieb zunächst die gemeinschaftliche
Haft herrschend und zeitigte dieselben schlechten Folgen wie
überall : die wenigen guten Elemente werden von der grossen
Zahl der völlig verkommenen verführt und auch die schärfste
Aufsicht ist nicht im Stande, grobe Unsittlichkeiten zu ver-
hüten, sodass man sich in Europa längst daran gewöhnt hat,
Anstalten mit Gemeinschaftshaft als ,, Hochschulen des Ver-
brechens" zu bezeichnen.
Diesen Schattenseiten hat sich die japanische Gefingnis-
vervvaltung nicht verschlossen und seit einer Reihe von Jahren
den Uebergang zu einem gemischten System gemacht. Es besteht
darin, dass für einen Bruchteil der Gefangenen Einzelzellen ein-
gerichtet werden, die als Arbeits- und Schlafzellen dienen. Das
bei uns teilweise eingeflihrte System der gemeinschaftlichen Arbeit
34 GRUSEN', GEFAENGNISWESEX.
bei Taf^c mit Trennung bei Nacht (in Schlafzellen oder eisernen
Schlaf kojen) wird in Japan nicht angewendet. Die Zahl der
Einzclzellen ist noch verhältnismässig gering : es sind im ganzen
3096 (meist in den neu erbauten Anstalten) vorhanden, sodass
von den 57702 Gefangenen, die am 31 Dezember 1900 in den
japanischen Gefängnissen vorhanden waren, etwa der Rinfzehnte
Teil in Einzelhaft gehalten werden konnte. Bei zukünftigen
Neubauten wird geplant, für 2/3 der Belegungsfähigkeit von
Strafgefängnissen Einzelzellen herzurichten und Untersuchungs-
gefängnisse vollständig als Zellengef^ingnisse zu bauen. Ueber
die Verteilung der Gefangenen auf die Einzelhaft und die ge-
meinschaftliche Haft bestimmt die Geföngnis-Ordnung nichts. Es
werden meist die schlechtesten und die besten Elemente
isoliert, letztere damit sie nicht im Gefängnis verdorben werden,
erstere, damit sie nicht in der Gemeinschaftshaft den noch
Unverdorbenen Lehrijieister in allen bösen Künsten werden.
Bezüglich der in gemeinschaftlicher Haft zu haltenden
Gefangenen schreibt die Gefängnis-Ordnung (Art. 11-13) eine
verwickelte und umständliche Klassifizierung vor, Sie soll
erfolgen einmal nach dem Alter der Gefangenen und ausserdem
nach der Art der Strafthat, wegen welcher der Gefangene verfolgt
wird oder verurteilt ist. Bei Strafgefangenen sind ausserdem
aus den über 16 Jahre alten Rückfälligen 2 getrennte Klassen
(von 16-20 Jahren und über 20 Jahre) zu bilden. Für Zwangs-
zöglinge giebt es drei Altersklassen (8-16, 16-20, über 20 Jahre),
für erstmalig bestrafte Strafgefangene ebenfalls drei Klassen,
jedoch mit anderen Grenzen (12-16, 16-20, über 20 Jahre). Da
ausserdem natürlich Männer und Weiber, Untersuchungs- und
Strafgefangene, Zwangszöglinge und unter Polizeiaufsicht stehende
getrennt w^erden müssen, so begreift man leicht, wie viel Kopf-
zerbrechen den Direktoren diese rein mechanische Vorschrift — die
fa.st überall genau befolgt wird — macht und wie leicht es vor-
kommen kann, dass in einem japanischen Gefängnis eine Abteilung
bis zum äussersten überRillt ist, während nebenan sich einige
wenige Gefangene in saalartigen Zellen aufhalten. Das in der
japanischen Verwaltung überall hervortretende Bestreben, den
lokalen Beamten möglichst wenig Gelegenheit zum selbständigen
Denken zu lassen, hat hier zu einem übertriebenen For-
malismus geführt, dessen Blüten nicht sehr erfreulich sind.
2. Die Einrichtung der Zellen ist einfach. Sie besteht aus
einem hölzernen Wasserbehälter nebst Trinknapf, einem Spucknapf^
GRUSEN, GEFAENGNISWESEN. 35
zwei Latrinenkübelii (die unter einer Oeffnung des Fussbodens
in der in Japan üblichen Weise aufgestellt und täglich gereinigt
werden), einem Besen, Essgeschirr (Holzbecher, Essstäbchen,
Reisschüssel) und einer Holzschüssel zum Händewaschen. Die
sonstige Wascheinrichtung ist meist, flir eine grössere Zahl von
Gefangenen eingerichtet, in einem überdachten Gange ausserhalb
der Haftgebäude angebracht, zu dem die Gefangenen morgens
und abends geführt werden. Endlich enthalten die Zellen die
überall in Japan üblichen Futons, dicke wattierte Decken, in
denen die Gefangenen schlafen. Sie werden auf eine den Fussboden
bedeckende Matte (Goza) gelegt und sind aus einem Stücke, sodass
die eine Hälfte als Unterlage, die andere zum Zudecken dient.
Um Unsittlichkeiten zu vermeiden, werden sie so gelegt, dass die
offene Seite der einen Decke mit der geschlossenen Seite der
benachbarten zusammenstösst. Am Tage werden die Futons
zusammengelegt und aufgeschichtet. Als Koptkissen dient das
in Japan übliche Holzgestell.
3. Der Arbeitsbetrieb in den japanischen Gefängnissen ist
sehr interessant und zu einer erfreulichen Höhe entwickelt.
Es herrscht der Grundsatz, dass alle durch die Hauswirtschaft
im Gefängnis erforderten Arbeiten von Gefangenen vorgenommen
und dass alle zur Bekleidung und Lagerung der Gefangenen
verwendeten Gegenstände, soweit es möglich ist, im Gefängnis
angefertigt werden. Hierdurch wird bereits ein erheblicher Teil
der Gefangenen in Anspruch genommen ; der Rest wird zu
industriellen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Arbeiten ver-
wendet, deren Ertrag zum grössten Teile dem Staate, zum
kleineren Teile den Gefangenen zufliesst. Die Gefängnisarbeit
ist bis zu einem gewissen Grade von der Industrie des Landes
abhängig und trägt nationalen Karakter. Man kann nicht in jedem
Lande jede Arbeit von Gefangenen betreiben lassen und selbst
die einzelnen Teilen eines Landes pflegen grosse Verschieden-
heiten aufzuweisen ; es wird z. B. niemand einfallen, in Ostpreussen
Cloisonne- Arbeiten einzuführen. Die für Japan karakteristischen
Arbeitszweige in den Gefängnissen sind : Lackarbeiten, Cloisonne,
Fabrikation von Büttenpapier, von Papier-Sonnenschirmen und
Fächern, von europäischen Regen- und Sonnenschirmen, von
Tatamis {(\(t\\ Matten, mit denen die Fussboden der japanischen
Häuser bedeckt werden), das Malen von Kakemonos (schmalen
Bildern, mei.st auf Seide, die aufgerollt werden können), Holz-
schnhzereien verschiedener Art. Diese Aibe'ten sind nicht gleich-
36 CRUSr.N, GEFAENGXISWESEN.
massig über das ganze Land verbreitet ; die Matten-Flechterei
findet sich hauptsächHch im Süden und Süd- Westen, Cloisonne
wird nur noch in Kioto und Negishi bei Yokohama gemacht,
die bis vor kurzem im Sugamo-Gefängnis bei Tokio betriebene
Fabrikation ist eingegangen. Einzehie Anstalten haben noch
besondere Spezialitäten ; so ist im Tokio-Shujikan eine grosse
Ziegelei mit Ringöfen eingerichtet, in der etwa 5-600 Zwangs-
arbeitssträflinge jährlich Ziegel im Werte von 100-150000 Yen
brennen ; loooo Stück kosten 40 Yen, während der Preis der
von der Privatindustrie hergestellten 70-80 Yen ist. In Kioto
werden sehr hübsche .seidene Teppiche gewebt, in Sugamo bei
Tokio elektrische Beleuchtungskörper hergestellt.
Gewisse Arbeitszweige sollen in jeder Anstalt vertreten sein,
(thatsächlich sind sie es nicht überall), nämlich (nach Artikel 43
der AusRihrungsbestimmungen zur Gefängnis-Ordnung) : "Reis-
auslesen, Ziegelbrennen, Fabrikation von Backsteinen, Steinmetz-
arbeiten, Steinebrechen, Schmiedearbeiten, Oelfabrikation, P'eld-
arbciten, Holzschnitzerei, Papierfabrikation, Holzbearbeitung, Fass-
binderei, Strohflechten, Haus-, Küchen- und Reinigungsarbeiten,
ausserdem — für weibliche Gefangene — Stricken, Anfertigung v^on
Kleiderstoffen und Kleidungsstücken, Waschen. Andere Arbeiten
können mit Genehmigung des Ministers eingeführt werden ; das
i.st in grossem Umfange geschehen, namentlich bildet jetzt die
Weberei durch Männer den bei weitem wichtigsten Zweig der
japanischen Gefängnisarbeit, in dem 7497 Gefangene beschäftigt
werden.
Männliche Gefangene können auch zu Arbeiten ausserhalb der
Anstalt verwendet werden, und zwar zum Steinebrechen, zur Urbar-
machung von Land, zu Bergwerksarbeiten, zur Steinhauerei, zu
Damm- und P'eldarbeiten, zu Transporten u. s. w. Sie werden dabei
zu je zwei und zwei durch eine schmiedeei.serne Kette aneinander
gefesselt und in Trupps von je 10-20 Mann durch 3 Aufseher
be\\acht. Die Urbarmachung von Land geschieht hauptsächlich
auf der nördlichsten Lisel Hokkaido, wo die Gefängnis- Verwal-
tung grosses geleistet hat und noch weiter leisten kann. Die
Verwendung von Gefangenen in Bergwerken besteht in Miike
auf Kiushiu in dem jährlich fast i Million Tons produzierenden
Kohlenbergwerk der Mitsui Kozan Kaisha.
Die Gefangenen werden den Unternehmern zu Löhnen
überlassen, die erheblich niedriger sind als die Tagelöhne der
dortigen freien Arbeiter; diese Beschäftigung der Gefangenen
GRUSEN, GEFAENGN'ISWESEN. 37
stellt also eine sehr erhebliche indirekte staatliche Subvention der
Bergwerksgesellschaften dar, die für das Aufblühen des japan-
ischen Kohlenexportes von erheblicher Bedeutung gewesen sein
dürfte. Da die Beschäftigung der Gefangenen unter Tag vom
gesundheitlichen und disziplinaren Standpunkte aus gewisse
Nachteile hat, so wird ihre Aufhebung in Erwägung gezogen. Die
ausländische Konkurrenz auf dem ostasiatischen Kohlenmarkte
würde diese Massregel sicher mit Freude begrüssen ; vom japa-
nischen Standpunkte aus sprechen aber viele Bedenken dagegen.
Von den Gefangenen ist ein grosser Teil zur Arbeit nicht
verpflicJitet, nämlich die zu Haft, leichtem Gefängnis, Einsperrung
und Verbannung verurteilten Strafgefangenen, die zu Polizeiaufsicht
verurteilten und weeen Mangels eines Unterkommens in der
Anstalt zurückbehaltenen, endlich alle Untersuchungsgefangenen.
Diese Gefangenen bilden einen ziemlich erheblichen Prozentsatz
des Gesamtbestandes ; allein an Untersuchungsgefangenen waren
Ende 1900 vorhanden: 7275, also etwa ein Achtel des Gesamt-
bestandes von 57702 Köpfen. In Preussen beteiligen diese
Klassen von Gefangenen sich meist freiwillig an den Arbeiten,
um nicht der tötlichsten Langeweile zu verfallen und sich etwas
zu verdienen. In Japan kommt dieses nur sehr selten vor ; die
Verschiedenheit des Temperamentes findet hier einen karak-
teristischen Ausdruck. Wenn die nicht zur Arbeit verpflichteten
Gefangenen arbeiten, finden die für die arbeitspflichtigen Gefangenen
gegebenen Vorschriften über Arbeits/.eit, Arbeitsarten, .Arbeitslohn
u. s, w. auf sie Anwendung.
Die Arbeitszeit ist in den einzelnen Monaten verschieden und
beträgt ohne lunrechnung der Pausen mindestens 7 Stunden
(im Dezember) und höchstens loVo Stunde (im Juni und Juli).
Die Verschiedenheiten sind auf das Bestreben der Ersjjarnis
von Beleuchtungskosten und der Vermeidung der Gefahren
künstlicher Beleuchtung in den Holzbauten (die meisten Anstalten
haben Petroleum-Beleuchtung, nur wenige neuere elektrisches
Licht) zurückzuführen. Die Arbeitszeit ist die gleiche für alle
Arten von Gefangenen. Zum Vergleich sei erwähnt, dass die
Arbeitszeit in den preussischen Zuchthäusern 12 Stunden, ohne
Unterschied zwischen Sommer und Winter, in den preussischen
Justizgefängnissen 10- ii Stunden beträgt. Arbeitsfrei sind
streng genommen jährlich nur 12 japanische P'esttage (Art. 18
der Gefängnis-Ordnung) ; da aber für die Beamten in einem
gewissen Umfange die Sonntagsruhe eingeführt ist, so ruht der
38 CRL'SEN, GEFAENGNISWESEN.
Betrieb an diesen Tagen teilweise. Ausserdem bleibt jeder
Gefangene, dessen Vater oder Mutter gestorben ist, 3 Tage lang
von der Arbeit frei ; durch diese Bestimmung wird der Volksitte,
die strenge Beobachtung der Trauerzeit fordert, Rechnung getragen.
Die industriellen und gewerblichen Arbeiten werden zum
grössten Teil für Rechnung von Unternehmern ausgeRihrt,
nur zu einem geringen Prozentsatz für andere staatliche Ressorts
(zum Beispiel Eisenbahn-, Post- und Militär- Verwaltung) und für
eigene Rechnung der Gefängnisverwaltung. Der Unternehmer
liefert die Rohprodukte, vielfach auch die Arbeitsgeräte und
Maschinen, stellt die erforderlichen Werkmeister an (natürlich
unter Kontrole der Verwaltung) und zahlt einen vertragsmässig
festgesetzten Betrag, entweder für das fertige Arbeitsprodukt
oder — was die Regel bildet — für jeden geleisteten Arbeitstag.
Die Tagelöhne sind sehr niedrig und betragen jetzt durch-
.schnittlich nur 5 Sen 4 Rin (etwa 1 1 Pfennige).
In den preussischen Zuchthäusern wird bei Arbeiten für
Staats- und Reichsbehörden ein Tagelohn von 40 Pfennigen
berechnet; die von den Privatunternehmern zu zahlenden Beträge
sind verschieden, der durchschnittliche Jahresertrag war im
Etatsjahre 1898/99 pro Kopf 203 Mark Ol Pfennig, also be-
einer Annahme von rund 300 Arbeitstagen etwa 67-68 Pfennig.
In den Gefängnissen aus dem Ressort des Ministeriums des Inneren
sind die P>träge etwas, in den Justizgefängnissen erheblich
niedriger.
Für alle arbeitenden Gefangenen sind nach der durchschnitt-
lichen Leistungsfähigkeit eines erwachsenen gesunden Arbeiters
für jede Arbeitsart Tagespensa festgesetzt, die das Mindestmass
des.sen bezeichnen, was täglich geleistet werden muss. Die
Leistung des Pensums vor Ablauf der Arbeitszeit befreit nicht
von der Verpflichtung, weiter zu arbeiten. Für jugendliche,
alter-schwache, kränkliche, schwächliche oder aus anderen Gründen
vermindert arbeitsfähige Gefangene tritt eine P>mässigung des
Pensums ein.
Ein Teil des von den Gefangenen verdienten Geldes wird
ihnen als sogenannte Arbcitsbcitsbcloliniing (Arbeitsgeschenk,
Arbeitsverdienstanteil) gut geschrieben. Die Gefangenen, welche
für die Zwecke der Hauswirtschaft verwendet werden, also keinen
baren Lohn verdienen, sondern der Verwaltung nur Ausgaben
ersparen, werden in eine der anderen Lohnklas.sen eingeordnet.
Die Höhe des Arbeitsgeschenkes ist verschieden für die wegen
GRUSEN, GEFAENGNISWESEN. 39
Verbrechens und wegen Vergehens oder Uebertretung bestraften,
fiir erstmalig und wiederholt bestrafte, für diejenigen, die infolge
besonders guter Führung eines der noch später zu erwähnenden
Belohnungszeichen erhalten haben und die noch nicht belohnten.
Der geringste Satz ist jL^, der höchste j'^ des Arbeitsver-
dienstes nach folgender Skala :
y^Q erhalten solche rückfallige Gefangene, die wegen Verbrechens
verurteilt sind ; doch kann der Direktor sie wie erstmalig
bestrafte behandeln, wenn sie besonders geschickt sind und
I Jahr der Strafe verbüsst haben ;
j2^ erhalten Gefangene, die erstmalig wegen Verbrechens oder
mehrmals wegen Vergehens verurteilt sind ;
-^Q erhalten Gefangene, die erstmalig wegen Vergehens bestraft
sind, ausserdem erstmalig wegen Verbrechens bestrafte, die
ein Belohnungszeichen erworben haben ;
^ erhalten erstmalig wegen Vergehens bestrafte mit einem und
erstmalig wegen Verbrechens bestrafte mit zwei Belohnungs-
zeichen ;
■^^ erhalten erstmalig wegen Vergehens bestrafte mit zwei,
erstmalig wegen Verbrechens bestrafte mit drei Belohnungs-
zeichen;
j^ erhalten erstmalig wegen Vergehens bestrafte mit drei
Belohnungszeichen und alle nicht arbeitspflichtigen Gefan-
genen, welche freiwillig arbeiten, endlich die arbeitspflichtigen
Gefangenen für das, was sie über das Pensum hinaus leisten.
Nach japanischer Auffassung erwirbt der Gefangene mit
der Gutschrift des Arbeitsverdienstanteils einen Rechtsanspruch
auf dessen Auszahlung bei der Entlassung ; er kann ihm nicht
entzogen werden, weder zur Strafe für schlechte Führung noch
zum Ersatz für Beschädigungen von staatlichem Eigentum.
Jedoch kann der Gefangene während der Strafvollstreckung
nicht beliebig darüber verfügen ; die angesammelten Beträge
bilden vielmehr ein Kapital, das ihm den Wiedereintritt in die
menschliche Gesellschaft erleichtern und für die erste Zeit, wo
er noch keine Arbeit hat, die Mittel zum Unterhalt gewähren
soll. Die Auszahlung erfolgt deshalb erst bei der Entlassung.
Vorher kann der Gefangene über die Hälfte verfügen zu Gunsten
seiner Angehörigen oder zum Ankauf von Zusatznahrungsmitteln
(Alkohol, Bier, Tabak und Thee sind jedoch nicht erlaubt).
4. Kosten der Gefängnisvcrivaltung. Der nicht den Gefan-
genen zugewendete Teil des Arbeitsverdienstes fliesst zur Staats-
40 GRUSEN, GEFAENGNISWESEN.
kasse uiul bildet einen — allerdings recht bescheidenen — Beitrag
zu den Kosten der Gefängnisvcrwaltung. Diese Kosten wurden bis
zum I Oktober 1900 auf die Staatskasse und die Regierungsbezirke
in der Weise verteilt, dass aus der ersteren die Kosten der Zen-
tralverwaltung und der Shujikan bestritten, von den letzteren aber
die Kosten der Lokalgefangnisse getragen wurden. Diese Form
der Kostentragung war 1880 gewählt, um die Staatskasse durch
Verminderung der baren Ausgaben in den Stand zu setzen, das
im Uebermass umlaufende Papiergeld allmählich einzuziehen und
die Baarzahlungen wieder aufzunehmen (Rathgen, Japans Volks-
wirtschaft -und Staatshaushalt, S. 473). Ausser den Gefängnis-
kosten waren noch einige andere Ausgaben, namentlich für
öffentliche Bauten, den Bezirken aufgelegt, denen zur Ermög-
lichung der Durchführung dieser Massregel das zulässige Maximum
der Grundsteuerzuschläge von einem Fünftel auf ein Drittel erhöht
wurde. Die dadurch bewirkte Erleichterung der Staatskasse wurde
auf jährlich 2^ Millionen Yen geschätzt, hat thatsächlich aber
mehr betragen. Die Folge der Uebertragung war eine, auch
durch die Aufsicht der Zentralbehörde nicht zu vermeidende
Ungleichmässigkeit in der Verwaltung der Gefängnisse, den
persönlichen Verhältnissen der Beamten, der Verpflegung und
Behandlung der Gefangenen. Namentlich ergab sich das missliche
Verhältnis, dass die zu Tokei (Zwangsarbeit), der schwersten
Freiheitstrafe, Verurteilten es in den von der Zentralverwaltung
unmittelbar verwalteten und aus Staatsmitteln unterhaltenen
Shujikan vielfach besser hatten, als die zu leichteren Strafen Ver-
urteilten in den Provinzialgefängnissen. Seit dem i Oktober
1900 sind die sämtlichen Kosten wieder auf die Staatskasse
übernommen, und damit der Grund zu einer grösseren Gleich-
mässigkeit der Verwaltung gelegt.
Die jährlichen Aufwendungen für Gefängniswesen betrugen
im Durchschnitt der drei Jahre 1897, 1898 und 1899: 4350290
Yen, wovon 1 269907 durch die Erträge der Gefängni.sarbeit
gedeckt wurden. Die Anzahl der Gefangenen betrug in diesen
drei Jahren durchschnittlich pro Tag 66009, '-'''^ Ausgaben pro
Kopf der Gefangenen beliefen sich also auf etwa 104 Yen = 220
Mark jährlich 29 Sen = 6o Pfennig täglich, von denen nur 19
Yen=40 Mark jährlich, 5,2 Sen = 10.92 Pfennig täglich, durch
die Arbeit eingebracht wurden. Der P!rtrag, der auf den einzelnen
arbeitenden Gefangenen entfällt, ist aber etwas höher, nämlich
CRUSEN, GEFAEXGNISWESEX. 4I
ungefähr 23 Yen=48.3 Mark jäbrlicli, 6.T, Sen— 13.2 Pfennig
täglich, weil man die Gesamtsumme des Arbeitsertrages nicht
durch die Gesamtzahl der Gefangenen (66009), sondern durch
die Gesamtdurchschnittszahl der arbeitenden Gefangenen (55913)
dividieren muss, um ein richtiges Errebnis zu bekommen.
Seit dem i Oktober 1900 beträgt der Etat der Gefängnis-
verwaltung jährlich etwa 6,200,000 Yen, von denen 600,000 Yen
zu Neubauten und Reparaturen bestimmt sind.
In Preussen betrugen für die zum Ressort des Inneren
gehörigen 34 Zuchthäuser und 18 grösseren Gefangnisse, die
am 31 März 1899 einen Bestand von 24648 Gefangenen hatten,
in dem vorhergehenden Etatsjahre :
die Ausgaben im ganzen : 8 1 24 103 Mark, pro Kopf und Tag 91,5 Pf;
,, P:innahmen ,, ,, 2625974 ,, , ,, ,, „ „ 29,6 ,,
der Staatszuschuss ,, ,, 54981128 ,, , ,, „ ,, ,, 61,9 ,,
5. Die Bcliandhing der Gefangenen muss als sehr human
bezeichnet werden. Der Ton, in dem die Beamten mit den
Gefangenen verkehren, ist kurz, aber nicht unfreundlich.
Die Strafgefangenen und Zwangszöglinge erhalten Kleider
(Kimonos und Unterzeug) von der Verwaltung geliefert, crstere
von lachsfarbigem, letztere von blauem Tuche. Untersuchungs-
gefangene können eigene Kleider und eigene Betten benutzen,
erhalten aber, wenn sie mittellos sind, ebenfalls solche geliefert
(von blauer P'arbe).
Den arbeitspflichtigon (lefangenen werden die Haare kurz
geschnitten untl der Bart abrasiert.
In der arbeitfreien Zeit ist das Lesen von Büchern und
Zeitschriften, mit Ausnahme solcher, die sich mit Tagespc^litik
befassen, gestattet. Bei jeder Anstalt besteht eine kleine
Bibliothek zur Benutzung der Gefangenen ; Bleicher von ausserhalb
müssen vor der Aushändigung an einen Gefangenen dem
Gefängnisdirektor oder (bei Untersuchungsgefangenen) dem
Richter zur lünsicht unterbreitet werden. (Gef Ordnung Art.
32) Strafgefangene und Zwangszöglinge sollen hauptsächlich
Bücher aus dem Gebiete der Moral, der Erziehung oder des
Handwerks lesen ; für Untersuchungsgefangene besteht keine
derartige Beschränkung.
Auch im übrigen wird für die sittliche Förderung der
Gefingenen gesorgt. An jede;n Gefängnis sind einer oder
mehrere buddhistische Geistliche thätig, die Gottesdienst abhalten,
die Gefanszenen besuchen und ausserdem recrelmässigen Unterricht
42 CRUSEN, ÜEFAEN'GN'ISWKSKN.
erteilen. Strafgefangene unter i6 Jahren und Zwangszöglinge
erhalten täglich 4 Stunden Unterricht im Lesen, Schreiben und
Rechnen ; Zwangszöglinge ausserdem noch 3 Stunden täglich
Unterweisung in industriellen und landwirtschaftlichen Arbeiten.
Um die Entfremdung der Gefangenen von ihren Angehörigen
zu verhindern, ist ihnen gestattet, einmal (den Zwangszöglingen :
zweimal) monatlich einen Brief zu schreiben ; der Direktor kann
häufigeres Schreiben gestatten, wenn besondere Umstände vor-
liegen. Für die Zahl der ankommenden Briefe besteht keine
Beschränkung. Die abgehenden und ankommenden ]3riefe unter-
liegen der Kontrole des Direktors (bei Untersuchungsgefangenen :
des Richters) ; Briefe verfänglichen Inhalts werden weder aus-
gehändigt noch abgesendet. (Gef. Ordn. Art. 34).
Den gleichen Zwecken, wie der Briefwechsel, dient die
Erlaubnis zum Empfang von Besuchen, die der Direktor (in
einigen F'ällen der Richter) nach Prüfung der Persönlichkeit des
Besuchenden erteilen kann. Der Besuch findet regelmässig in
Gegenwart eines Beamten in besonderen dreiteiligen Besuchzellen
statt, die meist in der Nähe des Haupteingangs liegen und so
eingerichtet sind, dass jede körperliche Berührung des Gefan-
genen und des Besuchers ausgeschlossen ist und der Beamte
jede ihrer Bewegungen beobachten kann.
6. Diszipli)iarstrafcn. Das Disziplinarstrafensystem ist ein-
facher und viel milder als das deutsch-preussische. Die Prügel-
strafe, wie sie noch heute in den Zuchthäusern Preussens und
einiger anderer Bundesstaaten vorkommt, der Lattenarrest, den
wir bis von wenigen Jahren in Preussen gehabt haben, die
Entziehung des Arbeitsverdienstes, die fast in allen Ländern
zulässig ist, sind dem modernen japanischen Gefängniswesen
fremd. Das gleiche gilt von dem Verweis, der Entziehung
hausordnungsmässiger Vergünstigungen, der Bücher, der Arbeit
(bei Einzelhaft), der Bewegung im Freien, des weichen Lagers
(Gef Ordnung für die Preussischen Justizgefängnisse vom 21
Dezember 1898, §. 58). P^s giebt nur 4 Disziplinarstrafen:
einsame Einsperrung, Kost.schmälerung, Dunkelarrest und, jedoch
nur für die zu lebenslänglicher Zwangsarbeit \'erurteilten, das
Kugelschleppen (Gef Ordnung Art. 42-48).
a) Die ciiisainc llinsptrriDig, zulässig bis zur Dauer von 2
Monaten, für alle Arten von Gefangenen, besteht in der Unter-
bringung des Gefangenen in einer völlig isoliert liegenden Zelle,
GRUSEN, GEFAENGNISWESEN. 43
WO er das gleiche Arbeitspensum erledigen muss, ^v•ie die
übrigen Gefangenen. Die Strafe stammt aus der Zeit, wo die
gemeinschaftliche Haft uneingeschränkt herrschte und die plötz-
liche unvermittelte Einsamkeit als Uebel empfunden wurde. Sie
hat ihren Karakter als Strafe im wesentlichen verloren in einer
Zeit, wo man die Aussonderung aus der Gemeinschaft der grossen
Scliaar von schlechten Elem.enten als Wohlthat betrachtet und
deshalb gutartige Gefangene in Einzelhaft unterbringt. Die
Verbindung der einsamen Einsperrung mit anderen Nachteilen
(wie Kostschmälerung, Entziehung des weichen Lagers) ist in
Japan nicht zulässig.
b) Fi^ihlbarer, als diese Strafe ist die Verminderung der tag-
liehen Kost bis auf etwa ein Drittel (2-3 Go, =0,38-0,54 Liter),
zulässig bei Jugendlichen unter 16 Jahren und Zwangszöglingen
bis zur Dauer von 3 Tagen, bei anderen Gefangenen bis zur
Dauer von 7 Tagen. Die Gefangenen brauchen während dieser
Zeit nicht zu arbeiten.
c) Die fühlbarste der allgemeinen Disziplinarstrafen ist der
Dunkelarrest, zulässig gegen alle Gefangenen mit Ausnahme der
Jugendlichen unter 16 Jahren und der Zwangszöglinge, und
bestehend in Einsperrung in eine ganz enge, niedrige Zelle, die
völlig dunkel ist und nur so viel Oeffhungen hat, dass der
Gefangene vor Erstickung geschützt ist. Wenn die Gefängnis-
Ordnung ausdrücklich hervorhebt, dass die Strafe mit Entziehung
der Lektüre verbunden ist, so glaubt das jeder, der einmal eine
derartige, meist vereinzelt auf dem Gefängnishofe stehende Zelle
gesehen hat. Die längste zulässige Dauer der Strafe beträgt
5 Tage und 5 Nächte ; während dieser Zeit erhält der Gefangene
nur etwa ein Drittel (2-3 Go) der Kostration.
Kostschmälerung und Dunkelarrest können nur verhängt
werden, nachdem der Arzt festgestellt hat, dass eine Schädigung
der Gesundheit des Gefangenen nicht zu befürchten ist ; während
der Vollstreckung hat der Arzt den Gefangenen täglich zu
besuchen und die Vollstreckung ist sofort aufzuheben, wenn eine
Beeinträchtigung der Gesundheit festgestellt wird.
d) KugelscJileppen. Eine besondere Disziplinarstrafe ist zulässig
für solche zu lebenslänglicher Zwangsarbeit Verurteilte, die ein
neues Verbrechen oder einen schweren Verstofs gfeg:en die
Disziplin begehen. Sie besteht in der Anlegung von Ketten an
einen oder an beide P'üsse, die sich bis um die Taille schlingen
und an denen eine an der Erde nachschleifende Kug-el im
44 CRUSEN, GEFAENGNISWESEK.
Gewicht von 200-1000 Momme (750-3750 Gramm), je nach der
Beschaffenheit des Gefangenen, hängt. Die Anlegung erfolgt ge-
wöhnlich für 1-5 Jahre, in leichten Fällen für i Monat bis zu i
Jahre, in besonders schweren Fällen für 5-10 Jahre. Die Kugel
wird im allgemeinen niemals entfernt, nur zeitweise, wenn der Arzt
es anordnet, in welchem Pralle aber diese fr.;ie Zeit in die Dis-
ziplinarzeit nicht eingerechnet wird. Haben die zum Kugeltragen
verurteilten Gefangenen Hausarbeit zu verrichten, so wird die
Kugel abgenommen, die Gefangenen werden aber zu 2 und 2
aneinander gekettet.
Gefangenen, die eine Disziplinarstrafe verwirkt haben, kann
diese erlassen werden, wenn sie Reue zeigen und Aussicht auf
Besserung vorhanden ist.
7. Das Gegenstück zu den Disziplinarstrafen bilden die
Bcloluiungcn. Sie werden solchen Gefangenen zu Teil, die sich gut
geführt, fleissig gearbeitet und die Vorschriften der Hausordnung
befolgt haben, sodass bei ihnen aufrichtige Reue über die That
und begründete Aussicht auf Bes.serung als vorhanden anzunehmen
sind. Das äussere Zeichen der I^elohnung besteht in Streifen, von
karriertem blauem Stoffe, die auf den linken Aermel des Kimonos
genäht werden. Die so ausgezeichneten Gefangenen werden in
einer besonderen Abteilung untergebracht und haben gewisse
Vorteile vor (\c\\ anderen. (Art. 96-98 der Ausführungs-Bestim-
mungen zur Gefängnis-Ordnung). Sie bekommen die besten der
vorhandenen Kleidungs- und Gebrauchs-Gegenstände, dürfen
monatlich zweimal einen Brief schreiben, zuerst baden und erhalten
besondere Zusatznahrungsmittel. Die Behandlung wird immer
besser, je grösser die Anzahl der Belohnungszeichen ist. Gefangene
mit 2 o(\zx mehr Abzeichen werden zu leichteren Arbeiten ver-
wendet und erhalten bessere Nahrung (halb Reis, halb Gerste).
Gefangene mit 3 oder mehr Abzeichen können sich eine ihnen
zusagende Beschäftigung wählen. Muss ein belohnter Gefangener
disziplinarisch bestraft werden, so verliert er eines oder mehrere
der Abzeichen.
Unter Umständen können Gefangene an Stelle der Beloh-
nungszeichen Geldgeschenke bis zu 50 Sen erhalten, wenn sie
von einem geplanten Ausbruch Anzeige machen, jemanden das
Leben retten. Entsprungene wieder einfangen oder bei Natur-
ereignissen, wie Ueberschwemmungcn, Bränden, Taifunen, thätige
Beihülfe zur Rettung der Gefängnisgebäude leisten.
CRL'SEN, GEFAEXGXISWESEX. 45
8. Hygiene, Beköstigung und Sanitätszvcseji, Ganz eigenartig
sind die hygienischen und sanitären Verhältnisse in den Gefang-
nissen. Was auf diesem Gebiete geleistet wird, geht zum Teil
über das in Deutschland erreichte hinaus, in anderen Beziehungen
bleibt es hinter den Anforderungen der modernen Gefängnis-
praxis zuri^ick.
Zu den ersteren Gebieten gehört zunächst zweifellos alles,
was sich auf die körperliche Reinlichkeit der Gefangenen bezieht.
Der grosse Reinlichkeitsinn des japanischen Volkes macht sich
auch in den Gefängnissen bemerkbar. In jeder Anstalt sind,
ausser zweckmässigen Waschvorrichtungen, auch umfassende
Badeeinrichtungen vorhanden, die es ermöglichen, jedem Gefan-
genen in den Monaten Juni-September mindestens alle 5 Tage,
von Oktober-Mai mindestens alle 10 Tage ein heisses Bad zu
Teil werden zu lassen. Das sind aber nur Minimalsätze, that-
sächlich wird viel häufiger gebadet, namentlich wenn die Anstalt
nur gering belegt ist. Der alten japanischen Sitte entsprechend
baden die Gefangenen meist truppweise gemeinschaftlich in
grossen Holzkasten ; unzüchtige Handlungen, die bei einem
solchen Verfahren in einem europäischen Gefangnisse ganz
unvermeidlich sein würden, werden durch scharfe Aufsicht ver-
hindert und sollen kaum vorkommen. Gefangene in Einzelhaft
erhalten meist auch Einzelbäder.
Auch die Anstalten selbst (Höfe, Bureauräume, Korridore,
Arbeitssäle, Schlafzellen) werden sehr sauber gehalten. Die von
den neueingelieferten Gefangenen mitgebrachten Kleider werden
gründlich gereinigt und, wenn nötig, im Dampf-Desinfektions-
Apparat desinfiziert.
Weniger glänzend steht es mit der Beköstigung, der Hygiene
der Arbeit und der Eürsorge für Kranke.
]3ie Gefangenen erhalten täglich drei Mahlzeiten, deren
Hauptbestandteil unabänderlich aus einer Mischung von 4
Teilen Reis geringerer Qualität und 6 Teilen gereinigter Gerste
besteht. Die Menge ist verschieden nach dem Alter und der
Arbeitsleistung des Gefangenen ; Kinder unter 10 Jahren erhalten
täglich 3 Go, Erwachsene 5-9 Go (i Go = o, 18 Liter), je
nachdem sie leichtere oder anstrengendere Arbeiten zu verrichten
haben. Je nach den Umständen und den örtlichen Gewohnheiten
kann der Reis durch Hirse, Kartoffeln oder andere Früchte ersetzt
werden ; in Hokkaido z. B. werden vorzugsweise Kartoffeln
46 GRUSEN, GEFAENGNISWESEN.
gegeben. Ausser dieser Hauptnahrung bekommen die Gefangenen
,, Sai," Zusatznahrungsmittel, wie Fisch, Rettig, Miso, (eine aus
Soyabohnen, Salz und fermentierendem Reis bereitete Sauce)
Tofu, (Rohnenkäse, eine wegen seines hohen Nährwertes für die
japanische Küche sehr wichtige Speise), in einigen Anstalten
mit besonders schweren Arbeiten auch wohl zuweilen fleisch,
deren Wert jedocli 3 Sen täglich für jeden nicht übersteigen
darf. Die Zubereitung der Kost erfolgt mit peinlicher Sauber-
keit in vorzüglich eingerichteten Küchen, zu deren Bedienung
ausschliesslich Gefangene verwendet werden. Die besonderen
Vergünstigungen für die im Besitze von Belohnungszeichen
befindlichen Gefangenen sind schon erwähnt. Natürlich bekommen
Kranke erforderlichen Pralls besondere Kost nach ärztlicher
Anweisung. Untersuchungsgefangene können sich von ausserhalb
Lebensmittel verschaffen ; thun sie es nicht, so erhalten sie die
Kost der übrigen Gefangenen. (Gef. Ordnung Art. 28 Abs. 3).
Die von aussen eingeführten Nahrungsmittel dürfen nicht erst
Umstände durch besondere Zubereitung in der Anstalt erfordern ;
die Einführung darf dreimal am Tage geschehen, auf einmal
jedoch nicht mehr gebracht werden, als was bei einer Mahlzeit
verzehrt werden kann. Berauschende Getränke und Tabak sind
verboten. Die eingeführten Gegenstände unterliegen einer
genauen Untersuchung in Gegenwart des Arztes und eines
Inspektors (Ausführungs-Bestimmungen Art. 89. und 90).
Die Beköstigung der Gefangenen entspricht im Avesentlichen
der Lebensweise der ärmsten Klassen der freien Bevölkerung,
über deren Zweckmässigkeit die Ansichten der P'achleute geteilt
sind. Nach Ansicht von Dr. Bach (Die Ernährung der Japaner
vom volkswirtschaftlichen Standpunkt, Mitteilungen der Deut-
schen Gesellschaft fiir Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Band
IV Seite 295) ist die japanische Kost im allgemeinen keineswegs
so arm an Eiweiss-Substanzen, wie gewöhnlich angenommen
wird ; sie ist eine gemischte, keine rein vegetabilische Kost und
vom physiologischen Standpunkte aus völlig genügend. Dem
gegenüber steht allerdings die Ansicht Dr. Kellners (Beiträge
zur Kenntnis der Ernährung der Japaner in den Mitteilungen
der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens,
Band IV Seite 305) dass die vegetarische Nahrung, welche von
einem grossen Teile des japanischen Volkes genossen wird, zur
Erhaltung eines leistungsfähigen Organismus unzureichend ist.
Immerhin aber bildet die Gefängniskost wohl quantitativ wie
GRUSEN, GEFAENGXISWESEN. 47
qualitativ nur das Minimum dessen, was zur notdürftigen
Erhaltung des Lebens und der Arbeitsfähigkeit geboten werden
muss. Die sehr bedeutende Zahl von Erkrankungen an Ver-
dauungsstörungen, Tuberkulose und den auf schlechter Blut-
beschaffenheit beruhenden Krankheiten macht es sogar wahrschein-
lich, dass dieses ^linimum nicht immer erreicht wird. In der
That haben sehr viele Gefängnisdirektoren und Gefangnisärzte
auf meine P>agen eine Verbesserung der Kost für wünschenswert
erklärt. Allerdings ist dabei nicht zu vergessen, dass auch der
japanische Kuli sich teilweise kümmerlich nährt und die Gefängnis-
kost nicht viel besser sein darf, als die Nahrung der ärmsten
Klasse der Bevölkerung.
Die Sorge für die Erhaltung der Gesundheit der Gefangenen
ist in Japan um so wichtiger, als den wenigen gesundheitsförder-
lichen Faktoren (wie grosse körperliche Reinlichkeit, ausreichende
Ventilation, namentlich in den Holzbauten, täglich i Stunde
Bewegung im Freien, die an einigen Anstalten durch gymnastische
Uebungen ausgefüllt wird) eine ganze Reihe von schädlichen
Einflüssen gegenübersteht. Hierzu gehören, ausser der eben
erwähnten Unzulänglichkeit der Kost: i) die ungenügende Er-
wärmung der, in dem überwiegenden Teile des Landes mit
keinerlei Heizvorrichtungen versehenen, Hafträume. Dieser Mangel
besteht allerdings in gleicher Weise für die Mehrzahl aller japani-
schen Häuser, wird aber für die freie Bevölkerung ausgeglichen
durch die Möglichkeit, sich Bewegung zu machen und dadurch
die Blutzirkulation und Wärmebildung zu beschleunigen. 2) Diese
Möglichkeit fehlt den Gefangenen in Japan noch mehr, als
den Gefangenen anderer Länder, weil infolge eines weitgehenden
und übertriebenen Ordnungssinnes bei allen Arbeiten, die es
überhaupt gestatten, vorgeschrieben ist, dass sie im Hocken
verrichtet werden, und jedes Verlassen des Arbeitsplatzes verboten
ist. Diese Arbeiten sind aber in den japanischen Gefängnissen
besonders zahlreich : Strohflechten, die Anfertigung von Strick-
arbeiten, Kleidungsstücken, Schuhwerk, Holzschnitzereien, Getas
(Holzschuhen mit zwei hohen Absätzen) Waraji (Strohsandalen)
u. a. m. lassen sich im Hocken auf den Waden verrichten. Die
schädlichen Folgen für die Blutzirkulation sind bei 7-10 stündi-
gem täglichen Sitzen sehr erheblich, und zwar selbst in der guten
Jahreszeit, wie viel mehr erst im Winter bei dem Mangel jeg-
licher Heizvorrichtungen. Eine Besserung wäre zu erreichen,
wenn den Gefangenen Schemel gegeben würden ; auch gym-
4S CKUSF.N, GEFAENGNISWESEN.
nastische Uebungcn, die aber erst an wcnif;-cn Anstalten bestehen,
bilden ein heilsames Gegengewicht. 3) Andere Arbeitszweige
haben wieder Gesundheitsschädigungen abweichender Art. So
befördern die Papierfabrikation und der Ziegeleibetrieb in der
kälteren Jahreszeit das Entstehen von P'rkältungskrankheiten
und Rheumatismus, Reisreinigen und die Zubereitung des Strohs
zur Mattenfabrikation sind ausserordentlich schädlich für die
Lungen, die Beschäftigung in den Bergwerken hat infolge des
schroffen Wechsels zwischen der heissen Temperatur in den
Gruben und der kälteren Temperatur über Tag, sowie infolge der
Einatmung von verdorbener, sauerstoffarmer und staubreicher
Luft Schädlichkeiten verschiedener Art im Gefolge.
Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, wenn die Zahl
der Erkrankungen und Todesfälle unerfreulich hoch ist. Von
404124 überhaupt vorhandenen Gefangenen im Jahre' 1899
erkrankten 266900, also auf je 100 Gefangene 66. Gestorben sind:
1731, also auf je looo überhaupt vorhanden gewesene Gefangene
42,8. Die wichtigste Todesursache ist auch in Japan die Tuber-
kulose.
Für die preussischen Zuchthäuser sind die Zahlen folgende :
von 100 männlichen Gefangenen erkrankten 1898-99 nach der
Gesamtzahl berechnet : 21,5, nach dem Durchschnittsbestande
32, 7 ; von 100 weiblichen Gefangenen erkrankten nach der
Gesamtzahl berechnet 30,8, nach dem Durchschnittsbestande
berechnet 48,3. Es starben von 1000 männlichen Gefangenen
der Gesamtzahl 97, von 1000 weiblichen 119, von 1000 männ-
lichen Gefangenen des Durchschnittsbestandes 14S, von lOOO
weiblichen 186. Die wichtigsten Todesursachen sind Tuberkulose
(35,2 Prozent aller gestorbenen Männer, 38,1 Prozent aller
gestorbenen Weiber) und Infektionskrankheiten (7.9 Prozent aller
gestorbenen Männer, 7.1 Prozent aller gestorbenen Weiber).
Es ergiebt sich also, dass die prozentuale Ziffer der Er-
krankten für Japan mehr als doppelt so hoch ist, als in Preussen,
die Zahl der Todesfälle dagegen weniger, als halb so gross. Die
letztere Zahl wird aber zu Gunsten Japans dadurch bedeutend
beeinflusst, dass die Statistik alle Gefangenen, auch die bis zu
I Tage Strafdauer herab, umfasst, während sich die preussischen
Zahlen nur auf Gefangene mit einer Mindeststrafe von i Jahre
Zuchthaus beziehen.
Die Fürsorge für die erkrankten Gefangenen in den japa-
nischen Gefängnissen lässt, vom europäischen Standpunkte aus,
GRUSEN, GEFAEXGNISWESEN. 49
manches zu wünschen übrig. Jedes Gefängnis hat zwar ein oder
mehrere Lazarette, und zwar nicht nur getrennte Gebäude für
männHche und weibliche Gefangene, sondern überflüssiger Weise
auch für Strafgefangene, Untersuchungsgefangene und Zwangs-
zöglinge, sämtliche mit besonderen Häusern für Männer und
Weiber ; dazu kommt, dass in manchen grösseren Anstalten
die Lazarette der Strafabteilung noch in besondere Gebäude für
schwere, für leichte und für Infektionskrankheiten getrennt sind.
Infolgedessen haben viele grössere Anstalten 6-8 kleine Kran-
kenhäuser, die aber den bescheidensten hygienischen An-
forderungen kaum entsprechen, in japanischem Stile aus Holz und
Papier mit Schiebetüren gebaut, ohne jegliche Heizvorrichtungen
und dabei häufig noch falsch orientiert, das heisst so gebaut
sind, dass die Krankenzimmer an der Schattenseite liegen.
Infolgedessen schützen sie im Winter nicht genügend gegen
Kälte ; in dem Gefängnisse zu Kioto fand ich an einem Schneetage
des Februar 1900 in dem Hauptlazarett eine Temperatur von
2° Celsius. Auch die ärztliche Behandlung lässt v^iel zu wünschen
übrig ; die Gefängnisärzte, deren medizinischen Kenntnisse etwa
ihrer Besoldung (durchschnittlich 35 Yen monatlich) entsprechen,
sind fast ausschliesslich auf Provinzial-oMedizin-Schulen vorgebildet,
in die von den Fortschritten der Wissenschaft nur wenig durch-
gesickert sein dürfte. Das gesamte Gefängnismedizinalwescn ist
entschieden der schwächste Punkt der japanischen Gefangnis-
verwaltung und bedarf dringend der Reform. Als deren Ziele sind
zu fordern : i) Aufgabe des bisherigen Systems der Errichtung
mehrerer getrennter Lazarette für die verschiedenen Arten von
Gefangenen und Beschränkung auf 2 Gebäude, je i fiir Männer
und Weiber, möglichst mit gemeinschaftlichem Mittelbau, der die
Laboratorien, Apotheke, Sektionsraum, Verwaltungs- und Arzt-
Zimmer enthält ; 2) Errichtung der Gebäude in europäischem
Stile und mit genügenden Heizvorrichtungen ; 3) Verminderung
der viel zu grossen Zahl der Aerzte und Verwendung der
ersparten Gehaltbeträge zur Gewinnung von i oder 2 tüchtigen,
an einer der Universitäten ausgebildeten Aerzten für jede Anstalt ;
4) Anstellung eines hygienisch (namentlich in der Wohnungs-
und Ernährungs- Hygiene) ausgebildeten Arztes in der Zentral-
verwaltung.
9. BcJiandlung der Ausländer. Die Aufhebung der Kon-
sulargerichtsbarkeit infolge der revidierten Verträge mit den
Grossmächten und die Unterstellung sämtlicher Ausländer unter
50 CRUSEN, GEFAENGNISWF.SEN.
die japanische Strafgewalt (seit Juli 1899) hat für die japa-
nische Gerdngnisverwaltunf:^ die Tflicht geschaffen, besondere
Vorkelirungen für die Aufnahme der neu zu erwartenden Gäste
7,u treffen. Allerdings kamen auch vorher vereinzelt ausländische
Gefangene in den japanischen GeHingnissen vor, nämlich Asiaten
und Angehörige der europäischen Staaten, welche (wie Griechen-
land, die Türkei, Serbien, Rurriänien, Bulgarien) das Recht
der Konsulargerichtsbarkeit nicht hatten oder (wie Portugal)
es nicht ausübten. Aber die Zahl derartiger Gefangener war
so gering, dass für sie besondere Vorkehrungen kaum erforderlich
waren. Dagegen war man bei Abschluss der revidierten
Verträge darüber einig, dass Japan für eine den europäischen
Anschauungen im wesentlichen entsprechende Unterbringung
und Behandlung der ausländischen Gefangenen Sorge tragen
müsse. Denn die mechanische Gleichstellung dieser Personen mit
den Inländern in Bezug auf Unterbringung, Lagerung und
Beköstigung würde wegen der abweichenden Ivebensgewohnheiten
eine ungerechtfertigte Härte enthalten. ])ie japanische Ge-
fängnisverwaltung hat auch diese ihre Verpflichtung von vor-
neherein anerkannt und hat sofort die nötigen Schritte gethan,
um sie zu erfüllen. Zunächst sind in allen Gefangnissen, in
denen ein Zuzug von ausländischen Gefangenen zu erwarten
steht, besondere Einzelzellen für Ausländer gebaut, die für
Inländer nicht verwendet werden. Solche Zellen sind jetzt im
ganzen 314 vorhanden, nämlich 2 in Kajibashi (Tokio), 11
in Kyoto, 42 in Osaka, 13 in Negishi bei Yokohama, 31 in
Kobe, 15 in Nagasaki, 15 in Niigata, 2 in Saitama, 4 in
Gumma, 3 in Chiba, 6 in Ibaraki, 4 in Tochigi, 6 in Nara, S in
Miye, 6 in Shizuoka, 4 in Yamanashi, 3 in Shiga, 6 in Gifu,
2 in Sendai, 2 in Akita, 6 in P^ukui, 2 in Ishikawa, 5 in
Toyama, 6 in Tottori, 12 in Shimane, 16 in Okayama, 4 in
Hiroshima, 4 in Yamaguchi, 14 in Wakayama, 5 in Tokushima,
8 in Kagawa, 10 in Fukuoka, 6 in Saga, 5 in Okinawa, 7
in Ilakodate, 16 in Miike-Shujikan bei Omuta. Ausserdem
werden in Nagoya, Sugamo, Tokio und Sendai-Shujikan alle
Kinzelzellen zugleich als Zellen für Ausländer benutzt. Sie
sind hinreichend gross, ähnlich wie die Zellen der deutschen
Gefängnisse eingerichtet, enthalten ein hölzernes Bett, Tisch und
Stuhl, ein genügend grosses Fenster. Besonders zweckmässig
sind die Zellen in Tsu, wo das Kloset in einem besonderen
GRUSEN", GEFAEXGXISWESEX. 5 I
kleinen Nebenraunie angebracht ist. Heizeinrichtungen enthalten
die Zellen allerdings im allgemeinen nicht : bei grosser Kälte
bekommen die Gefangenen ,,yutampo," Gefasse mit heissem
Wasser. Die Zellen dienen als Schlaf- und als Arbeitsräume,
Die Gefangenen erhalten, wenn sie nicht ihre Kleider behalten,
von der Verwaltung europäische Kleidung geliefert. Die Bekösti-
gung ist ebenfalls europäisch, mit Gemüse, Fisch und Fleisch.
Täglich ist mindestens i Stunde Bewegung im Freien gestattet.
Arbeitsfrei sind sowohl die japanischen Festtage wie die kirchlichen
Feiertage der Konfession des Gefangenen. Mindestens alle 5
Tage im Sommer und alle 10 Tage im Winter wird ein heisses
Einzelbad gewährt. In jedem Gefangnisse sind einer oder mehrere
Beamte, die etwas englisch .sprechen ; an einzelnen Anstalten
(z. B. Nagasaki, Negishi, Hiogo-Kobe, Niigata) sind ausserdem
besondere Dolmetscher angestellt. Der Zuspruch eines Geistlichen
seiner Konfession wird keinem Gefangenen versagt.
Die Gesamtzahl der in die japanischen Gefängnisse aufgenom-
menen Ausländer betrug 1899: 21 Strafgefangene und 40
Untersuchungsgefangene (meist Chinesen, weibliche Gefangene
waren nicht dabei).
Es spricht für die Zweckmässigkeit der getroffenen Ein-
richtungen, dass gegen die Behandlung der Ausländer in den
Gefängnissen Klagen bislang nicht bekannt geworden sind. Die
laut gewordenen Beschwerden bezogen sich ausschliesslich auf
gewisse Eigenheiten des gerichtlichen Verfahrens und die, vielfach
übrigens auf bindenden Vorschriften des Strafgesetzbuches
beruhende, Höhe der Strafen. IVIan kann also sagen, dass, soweit
die Gefangnisv^erwaltung in Betracht kommt, der Uebergang
in die neuen Verhältnisse sich glatt und ohne Schwierigkeiten
vollzogen hat.
§. 8. Die Fürsorge für entlassene
Gefangene.
Der staatliche und private Schutz der wirtschaftlich und
moralisch Schwächeren befindet sich in Japan noch im An-
fangsstadium. Solange Japan noch ein abgeschlossener Staat mit
vorwiegend Landwirtschaft treibender Bevölkerung war, konnte
man die Fürsorge für Arme, Kranke, Arbeitsunfähige oder aus
anderen Gründen Hülfsbedürftige dem engen F"amilien\xrbandc
52 CRUSEX, GEFAENGNISWESEX.
Überlassen, den das Sittengesetz und Herkommen zur Beistand-
leistung in weitestem Umflmge verpflichteten. P:rst mit der Er-
schliessung des Landes und dem sich allmählich vollziehenden
Uebergange zum Industriestaate ergab sich die Notwendigkeit eines
bewussten Eingreifens des Staates und der Gesellschaft. Die
ersten Massnahmen zum Schutze entlassener Gefangener datieren
aus dem Jahre 1888 und erfolgten unter energischer Beihülfe der
Gefangnisverwaltung und ihrer Beamten, die sich auch jetzt noch
lebhaft an den l^estrebungen der Vereine beteiligen. Augenblick-
lich giebt es 381 Schutzfürsorge-Vereine, durch die zahreiche
entlassene Gefangene Unterstützung erhalten haben in der Form
der Gewährung von Wohnung, Verschaffung von Arbeit, von
baaren Unterstützungen. Besonders erwähnenswert ist das unter
Leitung seines Gründers, des Herrn Hara stehende Heim für
entlassene Strafgefangene in Tokio, das in den Jahren 1 897-1900
über 400 Entlassene unterstützt und erfreuliche Erfolge aufzu-
weisen hat ; die Entlassenen verdienen sich zum grössten Teil
ihren Unterhalt selbst, sodass die Kosten des Asyls verhältnis-
mässicr gering sind.
'ö b^
§. 9. Ergebnisse der Strafvollstreckung
in Japan.
Wenn man das Steigen oder Sinken der Kriminalitätsziffer
zum Teil auf die Wirkungen der Strafvollstreckung zurückführen
will, so muss man sagen, dass die Gefangnisverwaltung in
Japan bessere Erfolge aufzuweisen hat, als in den meisten
europäischen Ländern. Denn trotz konstanten Anwachsens der
Bevölkerung (von 41,386,265 am 31 Dezember 1893 auf 46,008,264
am I Januar 1897) ist die absolute Zahl der Verurteilten gesunken,
wenn auch nicht sehr erheblich ; und diese Abnahme wird
dadurch in ein besonders günstiges Licht gerückt, dass der
Prozentsatz der Rückfalligen, der in Europa im Zunehmen begriffen
ist, in Japan (mit 33,8 9^) annähernd stationär geblieben ist
während der Anteil der jugendlichen Verurteilten (unter 20
Jahren) absolut und prozentual gesunken ist. Auch die Zahl
der durch Strafurteil zur Zwangserziehung untergebrachten Ju-
gendlichen unter 16 Jahren und Taubstummen hat abgenommen.
Die Zahlen ergeben sich aus der folgenden Uebersicht ;
GRUSEN, GEFAENGNISWESEX.
53
I. Gesamtzahl der Verurteilten.
Erstmalig Bestrafte
Rückfällige
In Prozenten
Jahr
Männer
Weiber
Summe
Männer
Weiber
Summe
Erstmalig
Bestrafte
]\.ück-
fällige
1894
S5669
i"33
96802
46618
30SS
49706
66.1
33.0
1S95
76461
10091
86552
41613
2946
44559
66.0
34.0
1896
79941
9947
89888
40404
2433
42S37
67.7
32.0
1S97
81234
10539
91773
42640
2517
45157
67.0
330
189S
77502
10387
878S9
40819
2477
43269
67.0
33-0
1899
S5015
13085
9S100
47831
5455
53286
64.1
35-3
1900
92043
14143
106185
49166
48S4
54050
66.2
33.^
IL Zahl der jugendlichen Verurteilten
unter 20 Jahren :
Jahr
Unter i6
Jahren
Vun
Jah
16-20
reu
Summe
Auf 100 erwach-
sene Verurteilte
kommen
-■\uf 100 iilierhaupt
wegen Verbrechen
undVergehen Ver-
urteilte entfallen
Knaben
Miidehen
Knalif-n
Mädchen
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen
1894
6169
990
15886
1922
22053
2912
21.9
27.6
17.9
21.7
1895
4928
S04
14260
1817
I9188
2621
20.9
26.8
17.3
21. 1
1896
4519
768
14560
1687
19079
2455
20.0
25.9
16.7
20.6
1897
4350
759
14979
1811
19329
2570
19.6
25.2
16.4
20.3
189S
4411
747
14641
1673
19052
2420
20.4
24.2
169
19.5
1899
3109
468
10979
1285
14088
1753
19.5
20.1
16.3
20.0
1900
2750
455
109 10
1214
13660
1669
1S.9
25.1
15-9
20.1
54
CRUSEN, GEFAENGX ISWESEN.
III. Zur Zwangserziehung Verurteilte
Minderjährige unter 16 Jahren und
Taubstumme.
Jahr
Knabrn
•leren Alter
nicht or-
mittclt
werden
konnte
Unter i6
Jahren
Knaben
Mädelien
Von 16-20
Jahren
Knaben
Mädchen
Leber 20
Jihre
Knaben
Mädchen
Gesamtsummen
Mädchen
Knaben .Summe
1894
2
927
77
8
2
29
I
966
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1046
1895
—
668
71
8
—
15
3
691
74
675
1896
I
471
43
15
3
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512
47
- 559
1897
3
429
65
7
—
27
3
466
68
534
1898
—
510
62
20
—
29
2
559
64
623
1899
—
357
33
13
2
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—
3S5
35
420
1900
—
2S8
29
I
2
iS
2
307
3i
340
§. 10. Litteratur.
I. Amtliche Veröfifentlichimgen :
Rcsnuic statistiqnc de /' Empire du Japan. Herausgegeben
vom Kaiserlichen Statistischen Amte. 15. Jahrgang, Tokio 1901.
Aperpi gcHcral du i'cgiuie pcnal appliquc au Japon in dem
I^uUetin du V."''' Congres Pcnitentiaire International von 1895 ;
Melun 1895.
Rapport siir le Systeme penitentiaire du Japan, dem VI.
Internationalen Gefängnis-Kongress zu Brüssel 1900 im Auftrage,
der Japanischen Ivegierung überreicht von Ministerialrat Ogawa
Reglement der Gefängnisse des PapainseJicn Reiches (Gefängnis-
Ordnung vom 12 Juli 1887 nebst Ausführungs-Bestimmungen)
Deutsche llebcrsetzung von Takeda, Blätter für Gefängniskunde,
Band 30 S. 46.
CRUSEX, GEFAEXGNISWESEN, 55
II. Sonstige Litteratur :
Kraitss : Das Straf- und Gefängniswesen in Japan. Blätter
für Gefängniskunde, Band 30 S. 165.
Xorinan : The real Japan. Kap. 3 : Japanese Justice. -3
Aufl. London 1893.
RatJigcn : Japans Volkswirtschaft und Staatshaushalt. Leipzig
1 89 r .
Zcrstniite Notizen in der in Yokohama erscheinenden
Zeitschrift The Japan Weekly Mail; z.B. Jahrgang 1898 S.
199, S. 235 (Japanese Prisons), S. 391, S. 531 (Prison Ex-
penditures), S. 556 (Prisons in Japan), S. 651.
Anhang : Drei Gefängnispläne.
Die drei abgebildeten Pläne der Gefängnisse von Osaka,
Negishi bei Yokohama und Sugamo bei Tokio sollen eine
Uebersicht über die im gegenwärtigen japanischen Gefängnisbau
vertretenen Typen geben.
L Das Gefängnis zu Osak.i ist in den Jahren 1875-78
gebaut, zur Aufnahme von Gefangenen aller Kategorieen mit
Ausnahme der zu Zwangsarbeit verurteilten Männer bestimmt
und mit einer Belegungsfähigkeit von etwa 3500 Köpfen das
grösste japanische Gefängnis, wahrscheinlich eines der grössten
Gefängnisse der Welt. Es besteht aus einer Kolonie von durchweg
einstöckigen Holzbauten und zeigt auch im übrigen die karak-
teristischen Merkmale des älteren japanischen Gefängnisbaues,
insbesondere die unübersichtliche Anordnung. Einzelzellen sind
nur für Ausländer, und zwar 2T, vorhanden; die Zahl der
Beamten beträgt 447.
IL Das Gefängnis zu A^egishi bei Yokoliania dient den
gleichen Zwecken, wie das zu Osaka, ist aber erst 1 897-1 898
errichtet und repräsentiert die moderne Bauart der zugleich als
Untersuchungs- und Strafgefängnisse für Männer und Weiber
sowie als Zwangserziehungsanstalten dienenden japanischen Lokal-
gefangnisse. Bessere Raumausnutzung, übersichtlichere Anord-
nuniz; und die Verwendune von Zieeeln zu den durchwe«; ein-
56 CRUSEN, GEFAF.XGNISWESEN.
stockigen Gebäuden bezeichnen die gegen früher gemachten
Fortschritte. Die Belegungsfahigkeit beträgt 1800 Köpfe, die
Zalil (k-r ]?eaniten 241 ; 320 Einzelzellen sind vorhanden.
in. Das Gefängnis zu Siigamo bei Tokio giebt das Beispiel
eines 1895 unter ]>erücksichtigung deutscher Vorbilder (Berlin-
Moabit) erbauten Strafgefangnisses für 1000 männliche Gefangene.
Von den neueren prcussischen Anstalten unterscheidet es sich
durch die Eingeschossigkeit aller Bauten (abgesehen von den,
lediglich aus architektonischen Gründen turmartig gebauten
Zentralhallen, No 2 des Planes) und durch die innere Aus-
stattung der vSchlafzellen. Es sind 1 2 lunzelzellen vorhanden ;
die Zahl der Beamten beträgt 228.
MiMheüwagen der Deutschen Oesellachaft für Nalur- und Völkerkunde Ostasiens.
I. Gefängnis in Osaka.
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Bd. IX. Tafel 7.
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Erklärung der Zahlen :
I, Eiugang und Verwaltungs-
gebäude.
II. Abteilung für weibliche Gefan-
gene, a. Arbeitsbaraeken.b. Straf-
zellen. c. Lazarett d. Unter-
suchungsgefangeiie.
m. Uüieiöuobungsgefängnis für
Männer.
IV. Abteilung für jugendliche und
für erwachsene Gefangene mit
guter Führung.
V. Küche.
VI. Lazarett für männiiche Straf-
gefangene.
VII. Arbeitsbaracken für Strafgefan-
gene.
VIII. Sciilafzellen für Strafgefangene,
JX. Disziplinar-Zelien.
1. Thor.
2. Verwaltungsgebäude.
3. MHt';^zine.
4. Euiuii für Verteidiger.
5. Warteraura für das Prblikum.
6. Wachthaus (Aufseber-Posten).
7. Arheitsbaracken.
8. Wa.-ehküche.
9. Schlafzelion.
10. Verbindungsthüren.
11. Krankenhaus.
12. Hinriclktungsplatz.
13. Erholungsraura für Beamte.
14. Raum zum Kriefschreiben.
15. Raum für körperliche Unter-
suchung der Gefangenen.
16. Desinfektiong-Apparat.
17. Kirche.
18. Schule.
19. Disziplinarzelleil (für Dunkelar-
rest und einfachen Arrest).
20. Besuchs-Raum.
21. Küche.
22. Scliuppen für Feuerung und
Geräte.
23. Truckenraum.
24. Arzt-Zimmer.
25. Feclitsaal für Beamte.
26. Polizei-Abteilung.
27. Aufseher-Schule.
28. Feuerspritze.
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Mütheüvngen der Ütulschen Gesellschaft für Nalur- und VölJcerkuruk Ostadens.
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II. Gefängnis in Negishi bei Yokohama.
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I. Männer-Untersucfaungs-
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II! Weiber-Gefängnis.
III. Männer-Lazarett.
IV. Dienstwohnungen.
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15.
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17.
18.
Brücke.
Ilauptthor.
Wartezämmer.
Besuchszim rner.
Boreau-Räuiiie.
Magazine.
Einzelzellei; für Untersnch-
ungs-Gefiingene.
Gerneinschaftszelleii für Unter-
suchungs-Gefangene.
Einzeizellen für Strafgefangene.
GemeinschaftBzellen für Straf-
gefangene.
Arbeitöbaracken,
Kirche.
Spazierhöfe.
Schale.
Tjazarett.
Leichen räum.
Lazarett für ansteckende
Krankheiten.
Küche,
ihe Gefängni.swesen.
MittheUuttgen der Deuttchm Oegellaeha/t für Nalur- und Volkerkwnde Oetasieru.
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Bd. IX. Tafel 9.
III. Strafgefängnis für Männer
in Sugamo bei Tokio.
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1:3000
Eingang und Bureau-R*»ime.
Zentral halle mit Aufseher-Posten.
Zellenflügel.
Küche und Bad.
Arbeitabaracken.
Lazarett.
Lazarett für Infektionskrankheiten.
I^ichenraam.
Desinfektionsapparat.
Haapt-Thor.
Dienstwohnungen.
Haftraum für die zur Polizeiaufsicht Verurteilten.
Magazine.
Wartezimmer.
Magazin.
Feuerspritze.
Magpzin.
Waschküche.
Magazin. (Schuppen).
Kehricht-Platz,
G«räte für die Latrinenabfuhr.
Disziplinarzellen für Dunkelarrest.
Disziplinarzellen für einfachen Arrest.
Sitzungsz mimer.
Wacht-Türme.
A rbeitsbaracken
Abort.
Mauer.
Brunnen.
Rasenplatz.
Mauer.
Graben.
für Polizeiaufeicht- Gefangene.
ehe Gefangniswesen.
DER TABAK, SEIN BAU UND SEINE WEITERE
BEHANDLUNG IN JAPAN,
Von Dr. Max Lehmann.
Um die Zeit, als das Christentum von den Portugiesen in
Japan eingeführt wurde, wurde hier auch der Genuss des Tabaks
bekannt, und zwar zuerst auf der Insel Kiushiu. Von der
Kultivierung der Tabakspflanzc findet sich jedoch bis zum Ende
des i6. Jahrhunderts, also etwa 50 Jahr später, in der Littera-
tur keine Erwähnung.
Um das Jahr 1596 wurde zum ersten Mal Tabaksamen
importiert und in der Umgegend der Stadt Ibusuki im südlichsten
Teil der Provinz Satsuma ausgesät. Diese Gegend ist bis auf
den heutigen Tag wegen der Güte ihres Tabaks in ganz Japan
berühmt geblieben. Der damalige Gouverneur von Satsuma,
ein Fürst Shimatsu, schenkte \on diesem Samen dem Hof in
Kioto, die Pflanzen wurden auf dem Hanayama, einem Berg in
der Provinz Yamashiro, gebaut und empfingen daher den Namen
Hanayama-Tabak. Dies war das zweite Centrum, von dem aus
sich der Tabakbau über die benachbarten Städte und Provinzen
verbreitete.
Dann soll im Jahr 1605 Tabaksamen von einem fremden
Schiff nach Japan gebracht und zuerst in Sakura-baba in Nagasaki
ausgesät worden sein. Von dort soll ein buddhistischer Priester
aus Shinano Samen nach seiner Heimat und der Provinz Kai
geschickt haben, worauf die Kultur des Tabaks sich bald über
den ganzen östlichen Teil Japans ausdehnte.
Genau wie in den europäischen Ländern, so sind auch in
Japan im Anfang alle Mittel des Gesetzes gegen die Verbreitung
des Tabaksgenusses in Anwendung gebracht worden, und mit
genau demselben Miserfolg Avie anderwärts. Im Jahr 1607 wurde
zunächst nur der Genuss des Tabaks als gesundheitsschädlich
verboten, 1609 auch der Anbau. Als eine Wiederholung dieses
58 M. LEHMANN, TABAK.
Verbots im Jalir 1611 immer noch keinen Erfolg hatte, ordnete
der Shogun von Japan, der Fürst Tokugawa Hidetada, 161 2
strengere Massregeln an. Jeder, der Tabak verkaufte, sollte sein
ganzes Vermögen an den verlieren, der ihn angab, wer ein mit
Tabak beladenes Pferd auf der Strasse anhielte, sollte mit Pferd
und Ladung belohnt werden, und Tabak sollte nirgendwo in
Japan mehr angebaut werden. Trotzalledem verbreitete sich das
Tabakrauchen immer mehr, z. B. rauchten 161 5 sogar die
Offiziere des Shogun von Yedo, und deshalb wurde ein strenger
Befehl herausgegeben, dass ein jeder Offizier, der Tabak genösse,
mit Einziehung seines Vermögens bestraft werden sollte. 16 16
ging man so weit, auf Bau und Verkauf von Tabak Gefängnis-
strafe zu setzen. Ausserdem sollten von jedem Bauern des Ortes,
in dem das Vergehen begangen wäre, i Sen, vom Ortsvorsteher
50 Sen zur Strafe erhoben werden.
Auf die vielen Ge.setze, die später noch in dieser Richtung
erlassen wurden, will ich nicht eingehen. So streng sie auch
waren, niemand gehorchte ihnen. Schon damals ergab sich fast jeder
dem Tabaks genuss, und selbst im Palast des Mikado rauchten
viele, wie es durch ein Gedicht des Kaisers jener Zeit bewiesen
wird.
Infolgedessen wurden die Gesetze immer milder, und bald
war nur noch das Bauen von Tabak auf Reisfeldern und ui
Gemüsegärten verboten. Nur ab und zu, in langen Zwischen-
räumen, sind dann noch Gesetze über den Tabak herausgekommen.
So wurde 1693 den Bedienten verboten zu rauchen, wenn sie
auf ihre einen Besuch machende Herrschaft warteten. 1695
wurde angeordnet, die Polizei sollte die Strafsen bei Tag und
Nacht absuchen und jeden, der dort rauchte, festnehmen. Später
wurden die Verordnungen noch kleinlicher, wie jene vom Jahr
1789, die Tabakspfeifen mit Gold, Silber oder Messing zu \ er-
zieren verbot, bis sie schliesslich ganz verschwanden. Erst ganz
neuerdings ist wieder ein solches Gesetz gegeben worden, das
vom Jahr 1900, das sich gegen den Tabaksgenuss der Jugend
richtet. So löblich dieses Gesetz ist, scheint es leider auch so
ziemlich das Schicksal seiner Vorgänger zu teilen.
Obgleich der Tabak eine Tropenpflanze ist, besitzt er doch
ein grosses Akklimatisationsvermögen und kann deshalb noch
in ziemlich nördlich gelegenen Ländern, so z. B. in Schweden,
gebaut werden. Der grösste Teil Japans bietet daher dem Tabak
die geeigneten klimatischen Bedingungen. Allerdings ist es nötig,
M. LEHMANN, TABAK. 50
eine Art Kunstgriff anzuwenden, um den Tabak in den gemässigten
Zonen zur Reife zu bringen. Man muss, wie man es auch z. B.
mit dem Reis macht, den Tabak bis zu einem gewissen Punkt
der Entwicklung im Saatbeet ziehen und dann erst auf den
offenen Acker umpflanzen. Dies ist nötig, weil der Tabak zu
seiner vollen Entwicklung bis zur Reife 5-6 Monate gebraucht
und während dieser Zeit vor nichts mehr, als vor Frost bewahrt
Averden muss. Daher wird auch für die Saatbeete eine womöglich
etwas nach Süden geneigte und vor Winden recht geschützte
Lage ausgewählt. Lässt man die Pflänzchen nun i V-'-2 Monate,
unter Umständen auch noch länger, in diesen Saatbeeten, in
denen man sie auch noch durch zweckmässige Bedeckung leicht
vor Frost schützen kann, so genügt auch eine frostfreie Zeit von
4 Monaten. Im Allgemeinen steht der Tabak in Japan etwa
100 Tage auf dem Felde.
Dem Saatbeet wird grosse Fürsorge gewidmet. An einer
Stelle mit den eben erwähnten Eigenschaften, also nach Süden
geneigt und vor Winden recht geschützt, wird der Boden 7-8"
tief sorgfältig umgegraben. Häufig hebt man den Boden etwa
10" tief vollständig heraus, kleidet die so entstandene Grube
mit Stroh- oder Schilfmatten aus und füllt den Boden, nachdem
man ihn mit Dünger gemischt hat, wieder hinein. Diese Aus-
kleidung mit Matten bezweckt wohl zweierlei. Erstens mag sich
das Saatbeet dadurch etwas wärmer halten und zweitens werden
tierische Schädlinge, die von unten eindringen könnten, abgehalten.
Das Saatbeet wird in einer Breite von 3-5' und einer Län^^e
von 30-1 So' hergestellt. Zur Düngung wendet man an: o-ut
zersetzten Stalldünger, Fäkalien, Holzasche, zuweilen auch Raps-
kuchen, diesen aber nur mit grosser Vorsicht, w^eil er bei seiner
Zersetzung leicht schädigend auf die jungen Pflänzchen einwirken
könnte. Der Dünger wird mit Erde vermischt, auf das Saatbeet
gestreut und flach untergebracht. Die Düngermengen sind in
verschiedenen Gegenden sehr verschieden. In Gegenden, die
durch ihren Tabak berühmt geworden sind, giebt man pro
Tsubo ( 3 Ys qm ) etwa :
24 kg Stalldünger,
36 kg Oelkuchen,
1.4 kg Strohasche,
16.5 kg Fäkalien.
An manchen Orten wird nicht die ganze Menge des Düno-qrs
gleich vor der Aussaat gegeben, sondern es wird auch eine
60 M. LEHMANN, TADAK.
Kopfdüni^uni;' angewandt. In dem durcli seinen Tabak ueitberühni-
ten Kokubu (Prov. Satsuma) z. B. ist sogar eine zweimalige
Kopfdüngung gebräuchlich. Hier wendet man auch die in
Amerika sehr beliebte Methode an, das Saatbeet vor dem
Umgraben abzubrennen, d. h. Holz, Gras u. dergl. darauf auf-
zuhäufen und dann anzuzünden. Dadurch werden natürlich alle
Schädlinge, die sich nicht zu tief im Boden befinden, vernichtet.
^ Die Aussaat nimmt man je nach der geographischen und
der Höhenlage zu verschiedenen Zeiten vor, im Süden im Oktober
oder November, weiter nördlich im Februar, in der Breite von
Tokio im März oder Anfang April und in nördlicheren oder
besonders kalt gelegenen Gegenden sogar erst Anfang Mai.
Der Grund dieser so verschiedenen Aussaatszeit ist hauptsächlich
die "-rosse Empfindlichkeit des Tabaks gegen Frost. In den
Ge^-enden, in denen den Winter über nur 20-30 mal ein leichter
Nachtfrost eintritt, lässt sich das Saatbeet natürlich leicht schützen.
Anderwärts muss man die Hauptfrostzeit vorübergehen lassen,
ehe man aussät.
Das Saatquantum beträgt etwa ig pro iqm, der Samen
wird breitwürfig ausgesät und, damit man sehen kann, ob man
ihn auch gleichmässig über das Saatbeet verteilt, vorher mit Asche
oder Shirasu (Seesand) gemischt. Stehen die Pflanzen später
auf dem Beet zu dicht, so werden, wenn sie 2-3" lang sind, so
viel herausgezogen, dass die übrigen in Zwischenräumen von
etwa 1" stehen. Natürlich wählt man zum Herausziehen die
schwächsten Pflanzen. Mancherorts entfernt man auch diejenigen
Pflanzen, die zuerst keimen. Die Insekten werden stets sorgfaltig
abgelesen, vom Unkraut hält man die Beete frei und sucht sie
auch vor Maulwürfen möglichst zu bewahren. Auf iha Tabaks-
acker rechnet man 70-130 qm Saatbeet.
Die Zeit des Verpflanzens auf den Acker richtet sich ebenso
nach dem Klima, wie die Zeit der Aussaat. Während man in
warmen Gegenden das Verpflanzen schon im April vornimmt,
n:uss man in kälteren damit bis Anfang Juni oder sogar Anfang
Juli warten. Gewöhnlich verpflanzt man nicht vor dem letzten
bisher in der betreffenden Gegend beobachteten PVosttermin.
In der Provinz Kagoshima z. B. ist dieser Termin der 29. ]\Iärz ;
dort wird Anfang April mit dem Verpflanzen begonnen. Um
diese Zeit Laben die Pflänzchen 5-6 Blätter, von denen die
grössten 3-4" lang sind.
Der Tabak wird in Japan meistens im Wechsel mit Weizen
M. LEHMANN, TAIJAK. Öl
oder Gerste, zuweilen, und zwar in den nördlichen Gegenden,
auch mit Raps oder Soyabohnen angebaut. In dem beri^ihmten
Tabaksort Kokubu ist die Fruchtfolge :
1. Jahr: Awa, Soyabohne, Gerste;
2. Jahr : Tabak.
In Izumi, gleichfalls in der Provinz Satsuma gelegen, baut
man :
1. Jahr: Tabak, Awa, Gerste;
2. Jahr : Awa oder silisse Kartoffel, Gerste, Tabak ; oder
1. Jahr : Tabak, Roggen,
2. Jahr : Soyabohne, Gerste,
3. Jahr : Awa, Gerste, Tabak.
Früher hat man dort die Fruchtfolge noch mehr variiert,
verschiedene Pflanzen wie Rettig, Eierpflanze u. s. w. dürfen aber
seit einiger Zeit auf Befehl der Regierung nicht mehr im Wechsel
mit Tabak gebaut werden, weil sie für einige Tabakskrankheiten
empfindlich sind und dadurch eine dauernde Infektion des Bodens
verursachen. In die Liste dieser verbotenen Pflanzen soll jetzt
auch noch die süsse Kartoffel aufgenommen werden. In der
Provinz Satsuma hat man bisher Tabak zuweilen auch auf
Reisfeldern gebaut, doch auch das soll von jetzt an verboten
werden, weil dieser Tabak sehr schnell an Güte verliert.
Man pflanzt den Tabak entweder noch, bevor das Getreide
geerntet ist, zwischen die Reihen desselben, oder auch erst nach
der Ernte des Getreides. Im letzteren Falle ackert man das
Feld sofort nach der Ernte des Getreides um und zieht etwa 3'
breite Dämme, auf die der Tabak gepflanztwird. Im Allgemeinen
pflanzt man hier ziemlich dicht, die Reihen liegen im Durch-
schnitt nicht ganz im auseinander, der Abstand der Pflanzen
von einander in den Reihen beträgt durchschnittlich 40 cm.
Das macht pro Tan ('/„, ha) über 3000 Pflanzen. Ist der Boden
lehmig, so wird die Entfernung der Reihen von einander ver-
ringert, ist er sandig, so wird sie vergrössert. In manchen
Gegenden stehen 4, 6, loooo, ja sogar bis zu 12000 Pflanzen
auf einem Tan. Zum Vergleich will ich anführen, dass man in
der Pfalz 3-4000, in Ungarn nur 1500 Pflanzen auf i Tait
bringt. Die Reihen werden, wenn es möglich ist, in der Richt-
ung von Norden nach Süden angelegt.
Als Düngemittel für Tabak werden in Japan verwendet :
P'äkalien, Stalldünger, Rapskuchen, Reiskleie, Soyabohnenkuchen,
Fischguano, Holzasche, Strohasche, Knochenmehl u. dergl. und
62 M. r.KIlMAXN, TAI'.AK.
(irün(lüni(cr in Gestalt von Gräsern oder Blättern. Obgleich man
mit dem Fischguano und der Reiskleie keine guten Erfahrungen
gemacht hat, da der erstere stark beeinträchtigend auf die
Qualität des Tabaks wirkt, die letztere leicht die Pflanzen schädigt,
hat man die Anwendung dieser beiden Düngemittel immer noch
nicht ganz aufgegeben. Ganz besonders hoch ist in Japan der
Rapskuchen als Düngemittel für Tabak geschätzt ; nur steht der
allgemeinen Anwendung desselben seine Kostspieligkeit im Wege.
Man ist daher seit einiger Zeit mit Versuchen darüber beschäftigt,
ob nicht der Soyabohnenkuchen, der ausserordentlich billig ist,
bei geeigneter Behandlung den Rapskuchen ersetzen kann.
Die P'äkalien werden in verhältnismässig grossen Mengen
angewendet, merkwürdigerweise ohne üble Einwirkung auf den
Tabak. In Deutschland hat man nämlich im Lauf der Zeit
erkannt, dass die Anwendung von Fäkalien als Dünger die
Giimmföhigkeit des Tabaks stark herabsetzt, wie man glaubt, in-
folge des hohen Gehalts der Fäkalien an Kochsalz. Obgleich
nun die Fäkalien der Japaner nach den Anal}-sen von Kellner
noch mehr Kochsalz enthalten, als die der Europäer, hat doch
der japanische Tabak, trotzdem er stark mit P^äkalien gedüngt
wird, im Allgemeinen eine recht gute Glimmfähigkeit, wahr-
scheinlich wegen der ausserordentlichen Dünne der Blätter.
Wenn man auch nicht mit genauen Zahlen angeben kann,
wieviel von den drei Hauptnährstoffen Stickstoff, Phosphorsäure
und Kali der japanische Landwirt seinem Acker für eine
Bestellung mit Tabak zuführt, weil er bis jetzt seine Düngemittel
noch nicht hat chemisch untersuchen lassen, so kann man doch
mit gutem Gewissen sagen, dass weitaus die meisten Landwirte
in Japan viel zu schwach düngen.
Die Normaldüngung nach dem Urteil der japanischen Sach-
verständigen ist pro Tan (Vi,, ha) :
15 kg Stickstoff, 7.5 kg Phosphorsäure, 15 kg Kali. Nun
giebt es allerdings Ortschaften, die diese Düngermenge anwenden,
oder sogar noch weit überschreiten, z. B. :
Kawaimura, Nomigori,)32 kg Stickstoff, 29 kg Phosphorsäure,
Provinz Kaga [54 kg Kali,
Kokubu, Provinz Satsuma: 25 kg Stickstoff, 1 1 kg Phosphorsäure,
14 kg Kali.
Das sind aber Ausnahmen. Die meisten Bauern sparen am
Dünger, und ein Beispiel für besonders schwache Düngung ist :
M. LEHMANN, TABAK. 63
Yamashil'odani, )S-7 ^S Stickstoff, 1.5 kg Fhosphorsäure,
Provinz Awa, Shikoku.j3 kg Kali,
Die Zahlen, die ich soeben angeführt habe, sind nur schätz-
ungsweise gewonnene Werte, und wenn sie auch der Wirklichkeit
ziemlich nahe kommen werden, so sind sie doch nicht ganz genau.
Deshalb will ich jetzt noch an einigen Orten gebräuchliche
Düngemethoden nach der Menge der dort gegebenen Düngemittel
anführen.
1. Gegenden mit schlechtem Tabak wie Miharu, Okayama
u. s. w.
26 Ctr. Kompost oder Stalldünger, 7 Ctr. Fäkalien.
In diesen Gegenden lässt gewöhnlich auch die Behand-
lung des Komposts und des Stalldüngers zu wünschen übrig.
2. Gegenden mit besserem Tabak, wie Hadano, Ota u. s. w.
15 Ctr. Kompost oder Stalldünger, 2.5-6 Ctr. Rapskuchen.
Ein Teil des Rapskuchens wird als Kopfdüngung gegeben.
3. Gegenden mit dem besten Tabak, das ist hauptsächlich
die Provinz Satsuma. Hier führe ich die an den drei
Haupttabaksorten der Provinz üblichen Düngungsarten an :
Ibusuki. 5.5 Ctr Rapskuchen, 6 Ctr Stalldünger, etwas Sho-
chukuchen und Fäkalien.
Shochukuchen sind die Pressrückstände, die bei der Spiritus-
brennerei der süssen Kartoffel gewonnen werden. Der dabei
erhaltene Alkohol, Shochu genannt, ist ein in Satsuma sehr
beliebtes Getränk, das stark nach Fuselöl (Amylalkohol)
schmeckt.
Izumi. Vor dem Verpflanzen wird gegeben :
20 Ctr. Stalldünger, 1.3 Ctr Rapskuchen.
2-3 Wochen nach dem Verpflanzen :
10 Ctr Stalldünger, i Ctr Rapskuchen.
Wenn die Pflanzen etwa 20 cm hoch sind :
3 Ctr Rapskuchen
Dazu kommt noch etwas Shochukuchen und Fäkalien.
Kokubu. 5-7 Ctr Rapskuchen, 11-12 Ctr Stalldünger, etwas
Shochukuchen und Fäkalien. Diese gesamte Menge wird
in vier Abschnitten gegeben, und zwar :
1. Düngung (Shikingoye)- Rapskuchen und Stalldünger,
2. ,, (Kakengoye)-verdünute Fäkalien,
3. ,, (Hongoye)-Rapskuchen,
4. ,, (Oingoye)-Rapskuchen und Stalldünger,
Alle angeführten Zahlen beziehen sich auf i Tan ('/jo ha).
64 M. LEHMANN, TABAK.
Während der Entwicklung des Tabaks auf dem Felde wird
der Acker zwei-oder dreimal gehackt und gejätet, was gewöhn-
Hch mit einer schwachen Kopfdüngung verbunden wird. Der
Vernichtung der tierischen und pllanzlichen Schädlinge des Ta-
baks müssen sich die Landwirte in Japan besonders eifrig be-
fleissigen, weil einerseits Japan an derartigen Feinden der Pflan-
zenkultur sehr reich ist, andrerseits diese Schädlinge günstige
Fortpflanzungsbedingungen finden, wenn Jahr für Jahr auf dem-
selben Felde dieselben ihnen zusagenden Pflanzen gezogen
werden, wie es im grössten Teil Japans geschieht.
Wenn die Pflanzen anfangen zu blühen, werden sie gekcjpft,
d. h. die Spitze der Pflanze, ihr Blütenstand, wird abgeschnitten.
Dies geschieht, um alle Kräfte und Säfte der Pflanze, die sonst
fiir die Ausbildung der Samen beansprucht werden würden,
ausschliesslich den Blättern zugute kommen zu lassen' Die
Pflanzen natürlich, die flir die Samengewinnung bestimmt sind,
und dazu werden die hervorragendsten Exemplare ausgesucht,
werden nicht geköpft. In den einzelnen Ortschaften gelten ver-
schiedene Regeln über die rechte Zeit zum Köpfen. In Ibusuki
z. B. köpft man, sobald die Knospe anfangt sich zu öffnen, das
ist etwa 2 Yo Monat nach dem Verpflanzen ; in Izumi, wenn
drei Knospen blühen ; in Kokubu 60-70 Tage nach dem Ver-
pflanzen ; der Tabak ist dann 6' hoch und hat 20-25 Blätter.
Zuweilen stülpt man nach dem Köpfen eine Blüte über die
Schnittfläche des Stengels, um sie vor Regen und dem dadurch
eventuell verursachten Anfaulen zu schützen.
Kurze Zeit nach dem Köpfen beginnen sich an den Pflanzen
Seitensprossen zu bilden. Auch diese werden entfernt, damit
die Säfte der Pflanze auf die wenigen Blätter, vielleicht 14, 16-
20 konzentriert werden ; diese Massregel nennt man in Deutsch-
land das Geizen des Tabaks, die Seitensprossen heissen Geizen.
In manchen Ländern gewinnt man noch eine Geizenernte, indem
man nach der Haupternte einen Seitenspross sich weiter ent-
wickeln lässt. Wenn der so gewonnene Tabak auch nicht die
Qualität der Haupternte erreicht, so erhöht sich doch der Ertrag
des Ackers bei Anwendung dieser Methode beträchtlich. Aller-
dings wird sich nicht jedes Klima und jeder Boden dafür eignen,
auch muss besonders stark gedüngt werden. In Japan hat man
meines Wissens bis jetzt noch keine Versuche darüber ange-
stellt.
Die Ernte des Tabaks findet, wie ich schon erwähnte,
M. LEHMANN', TAnAK. 65
meistens etwa loo Tage nach dem Verpflanzen statt, d. h. die
Haupternte, die Ernte der mittleren Blätter, die in Japan Xakaha
oder Hompa genannt werden. Die unteren, in Deutschland
Sandblätter, hier Doha genannten Blätter, ungefähr vier an der
Zahl, werden etwas früher, sobald die Pflanzen ausgewachsen
und diese Blätter gelb oder braun geworden sind, die oberen
Blätter, ,,Tempa", etwas später geerntet. Natürlich erntet man
aber die oberen Blätter gleichzeitig mit den mittleren, wenn man
die Blätter noch am Pflanzenstock hängend trocknen will. Etwa
1590 des japanischen Tabaks wird auf diese letztere Weise be-
handelt. Dass die Blätter reif sind, erkennt man daran, dass
sie eine etwas hellere Farbe bekommen haben und halbdurch-
sichtig geworden sind. Uebrigens gehört viel Erfahrung dazu, den
Reifezustand des Tabaks richtig beurteilen zu können. In Nord-
amerika heisst es, wenn ein Landwirt sich sagt: ,,So, jetzt ist
der Tabak reif, und du kannst ernten ", .dann hätte er schon
8-14 Tage vorher mit der Ernte beginnen müssen. Die beste
Qualität haben die mittleren Blätter, Nakaha oder Hompa, dann
folgen die unteren, Doha, und am schlechtesten sind die oberen,
Tempa, weil sie nicht ganz ausreifen. Die 16-18 Blätter der
ganzen Pflanze verteilen sich auf die einzelnen Blattsorten etwa
folgendermassen :
Doha - 3-4 Blätter,
Hompa - 9-10 ,, ,
Tempa - 3-4 ,, .
In Kokubu, wo man beim Köpfen bis zu 23 Blätter an der
Pflanze stehen lässt, unterscheidet man noch eine vierte Blattsorte,
Chuha genannt, und das sind die zwischen Doha und Hompa
an der Pflanze stehenden Blätter. Hier erntet man :
Doha - 3-4 Blätter,
Chuha - 9-10 ,, ,
Hompa - 3-4 ,, ,
Tempa - 3-4
Dazu kommen noch die Seridashi, das sind Blätter, die
zuerst als Chuha einsortiert, später aber nach dem Trocknen
beim Glätten wieder ausgemustert worden sind. Die Tabaks-
ernte beläuft sich in Kokubu pro Tan (Vio ha) durchschnittlich
auf:
Doha — 18 kg,
Chuha — 60 kg,
66 M. I.KllMANX, TABAK.
Ilompa — 17 kg,
Tcmpa — 10 kg,
Scridashi und schlechte Blätter — 15 kg,
zusammen also auf I20 kg trockne Blätter.
In Ibusuki erntet man im Durchschnitt etwas mehr, nämlich :
Doha — 15 kg.
Chuha — 71 kg,
Hompa — 19 kg,
Tempa — 23 kg,
schlechte Blätter — 22 kg,
insgesamt 150 kg.
Die Durchschnittsernte \'on ganz Japan beläuft sich auf 90-
120 kg pro Tan.
Die Behandlung des Tabaks nach der Ernte ist im Aveitaus
grössten Teile Japans bis jetzt noch .sehr einfach. Gewöhnlich
verfährt man so, dass man die einzelnen Blätter mit den Stielen
an Strohseilen befestigt und diese Seile in einem Schuppen,
häufig im oberen Teile des Wohnhauses, aufspannt. Sehr oft
trocknet man die auf Seile aufgezogenen Blätter auch an von
der Sonne beschienenen Mauern oder Zäunen. Zeigen die Blätter
nach dem Trocknen noch grüne Stellen, so breitet man sie im
1^^-eien auf dem Boden aus und lässt sie 2-3 Tage dort liegen,
wobei sie infolge der Durchfeuchtung mit dem Tau die gewünsch-
te Farbe annehmen. In einzelnen Teilen Japans, namentlich
im Westen, in der Provinz Okayama, ist die Witterung in den
auf die Ernte folgenden Wochen sehr feucht, so dass es sehr
schwierig wäre, den Tabak auf die eben beschriebene Weise
schnell genug zu trocknen. Man ist daher dort gezwungen,
die Blätter unter Anwendung von künstlicher Wärme zu trock-
nen, und thut dies in kleinen Schuppen von etwa io-i2m Breite,
5 -6m Tiefe und 5-6m Höhe, die immer von mehreren Bauern
gemein-schaftlich benutzt werden. Da die Holzkohle ein zu teures
Feuerungsmaterial wäre, so benutzt man Holz zum Heizen, am
liebsten Eichenholz, das in einer in der Mitte des Schuppens
befindlichen offenen Grube verbrannt wird. Obgleich man, um
eine zu starke Rauchentwicklung zu vermeiden, nur ganz trock-
nes Holz verwendet, so nimmt doch der so getrocknete Tabak
einen eigentümlichen, kreosotartigen Geruch und Geschmack an,
der aber in jener Gegend sehr geschätzt wird. Die Schuppen
werden zwar etwas feuersicher o-ebaut und während des Trock-
M. LEHMANN-, TABAK. 6/
nungsprozesses sehr sorgfältig überwacht, trotzdem aber kann man
es nicht verhindern, dass sie ziemHch häufig in Flammen aufge-
hen, zum grossen Schaden ihrer armen Besitzer.
Ebenso wie schon auf dem Acker, so behandelt man den
Tabak auch beim Trocknen in der Provinz Satsuma am aller-
sorgfaltigsten. Dort kommt sogar eine Art Fermentation in
Anwendung. In Kokubu z. B. verfährt man folgendermassen :
Die untersten 4 Blätter werden 20-30 Tage nach dem Köpfen
abgebrochen und an Schnüren getrocknet. Etwa 10 Tage später
werden die ganzen Pflanzen abgeschnitten, mit Matten bedeckt
und nach dem Schuppen gebracht, wo sie mit den .Spitzen nach
unten so aufgehängt werden, dass zwischen den einzelnen Pflan-
zen ein Abstand von 6-9 cm verbleibt. Ist das Wetter feucht,
so wird ein schwaches Feuer von Eichenholz unterhalten, und
die Läden werden geschlossen, bei trocknem Wetter wird das
Feuer ausgelöscht, und die Fäden werden geöfi"net. Die Ernte
\-on einem Tan wird in zwei Partien getrocknet. Die Trocken-
schuppen gehören gewöhnlich Handwerkern oder Bauern, die
keinen Tabak bauen, und werden \'on ihnen an die Tabak-
pflanzer vermietet. Nach ungefähr drei Wochen ist der Tabak
trocken, die Blätter werden vom Stanmi abgebrochen, indem
man am unteren Ende anfängt, sofort nach den vier Klassen
Doha, Chuha, Hompa, Tempa sortiert und in Bündel von je ca.
100 Blättern gepackt. Diese Bündel werden mit den Stielen
nach oben in flache Körbe, Bara genannt, gelegt und so der
Sonne ausgesetzt. Nach einem Tag werden die Bündel umge-
l)ackt und noch einen Tag mit den Blätterspitzen nach oben
gesonnt. Nun sind die Blätter so weit, dass sie aufgespeichert
werden können, bis Zeit vorhanden ist sie zu glätten. Sie wer-
den zu je 20 Bündeln in Säcke gesteckt und auf einem Gestell
unter dem Dach des Hauses gelagert. Vor dem Glätten werden
dann die Säcke zunächst mit den Blattstielen nach unten auf den
Erdboden gelegt, damit die Blätter soviel Feuchtigkeit aufsaugen,
dass sie ohne Beschädigung aus den Säcken herausgenommen
w^erden können. Nun werden die Blätter im Hof ausgebreitet
und, wenn sie vom Nachttau völlig durchfeuchtet worden sind,
mit Matten bedeckt. Darauf können sie geglättet werden. Hat
der Arbeiter 600-700 Blätter glatt gestrichen und über einander
gelegt, so setzt er sich darauf, um das Packet etwas zusammen-
zupressen. Ist dies geschehen, so wird der Tabak in Säcken zu
Haufen von 75-95 cm Höhe aufgeschichtet und der Gährung
68 .M. LKIIMAXN, TAr.AK.
ül^crlassen, während der er zwei- bis dreimal umgepackt wird.
Wenn die Temperatur des Tabaks konstant bleibt, ist er ver-
kaufsfertig.
In l7Aimi ist das Verfahren ähnUch. Die Pflanzen werden
mittelst eines Holzpflockes, der in das untere Ende des Stammes
getrieben w'ird, an Latten oder Seilen im Trockenscliuppen auf-
gehängt und vier bis fünf Tage der Abwelkung überlassen. Ist
nach Ablauf dieser Zeit das Wetter feucht, so werden die Läden
geschlossen und dann Feuer von Eichenholz unterhalten. Die
Schuppen sind 5.6m breit und 4.5m tief und enthalten je drei
Feuerstellen in Gestalt von quadratischen flachen Gruben von
91cm Seitenlänge. Während des Trocknens, das drei bis vier
Wochen in Anspruch nimmt, werden die Pflanzen zwei bis drei-
mal umgehängt und täglich öfter durchgemustert, wobei etwa
vorgefundene faule Blätter entfernt werden. Wenn dann die Blätter
vollständig trocken sind, werden sie vom Stamm abgebrochen,
durch Nachttau etwas angefeuchtet und geglättet. 25 Blätter kom-
men in ein Bündel, 12 Bündel bilden ein Packet (shitoshiri)
und 60 kg solcher Packete werden zu einem Haufen von 45-52
cm Länge und Breite und 55-6ocm Höhe aufgebaut und mit
einer Decke bedeckt. Ist die Temperatur des Haufens infolge
der nun einsetzenden Fermentation nach vier bis sieben Tagen
auf ungefähr 40° C. gestiegen, so wird der Haufen umgebaut,
und dies geschieht zwei bis drei mal, bis die Temperatur nicht
mehr zuninmit. Bevor das Tabakmonopol von der Regierung
eingeführt worden war, unterwarf man in manchen Gegenden
Japans den Tabak noch einer Art Nachfermentation im Sommer
nach der Ernte. Man sonnte ihn im Mai oder Juni eine kurze
Zeit lang (drei bis vier Stunden), verpackte ihn dann wieder
wie vorher und liess ihn noch zwei Monat lagern. Jetzt hat man
diese Behandlungsweise aber wohl aufgegeben, weil die Regie-
rung nur in Ausnahmefällen gestattet, dass ein Pflanzer seinen
Tabak bis in den Sommer des auf die pA'nte folgenden Jahres
hinein behält.
Im Allgemeinen passen sich die japanischen Tabakpflanzer,
so weit es angeht, den in ihrer Gegend herrschenden Witterungs-
verhältnissen an, natürlich aber müssen sie sich hauptsächlich
darnach richten, welche Geldmittel ihnen zur Verfügung stehen,
und diese sind ja gewöhnlich leider recht knapp.
Durch den Trocknungsprozess verliert der Tabak durch-
schnittlich 20-30^0 seines Gewichts im frischen Zustand.
M. LEtlMANX, TAÜAK. 6g
Fast der ganze in Japan produzierte Tabak wird fein ge-
schnitten und aus der Pfeife geraucht, oder zu Cigaretten ver-
arbeitet. Cigarren werden nicht fabriziert, bis auf einige wenige in
Satsuma wohl mehr als Kuriosität hergestellte. Exportiert ist bis
jetzt nur w^enig worden, hauptsächlich nach England. Es wurde
Tabak ausgefijhrt im Wert von :
81068 Yen im Jahr 1888,
189150 ,, ,, ,, 1889,
120169 ,, ,,_ ,, 1890,
351741 .. „ „ 1897.
187725 ,. „ „ 1898,
343357 ,. ,, M 1899.
Wie ich geh(5rt habe, hat man japanischen Tabak in Eng-
land bis vor einiger Zeit vielfach als Deckblatt verwendet, doch
soll man neuerdings wieder davon zurückgekommen sein, weil
der Tabak auf der weiten Reise öfter zu starke Schädigungen
davontrug. In Deutschland kennt man den japanischen Tabak
fast gar nicht. Ich erinnere mich, dass ich im Jahr 1899 ^^^
einem grossen Tabakhaus in Bremen einen kleinen Posten davon
gesehen habe, doch wurde mir dieser Tabak gewissermassen nur
als Rarität gezeigt.
Bevor der Tabak von meistens durch W'asserkraft betriebe-
nen Maschinen geschnitten wird, werden die Mittelrippen entfernt
und dann die Blätterhälften verschiedener Tabaksorten in
bestimmter Reihenfolge übereinandergeschichtet. Jeder einzelne
Fabrikant hat dabei seine besondere Zusammenstellung, wie in
Amerika jeder Fabrikant sein eigenes, sorgfältig geheim gehaltenes
Saucierungsrezept besitzt. Eine grosse Fabrik in ^lito z. B., die
ich im Dezember 1899 besuchte, macht es folgendermassen :
Die Blätter werden in sechs verschiedenen Schichten überein-
andergelegt und dann gefaltet. Lage i ist Deckblatt, der dazu
verwendete Tabak muss sich also besonders durch eine schöne
Farbe auszeichnen, d. h. er muss recht gleichmässig hellgelb sein.
Lage 2 und 3 geben den Geschmack, Lage 4 und 5 dienen, wie
man mir sagte, dazu, das Volumen zu vergrössern, haben also
wohl nur den Zweck, die ganze Mischung billiger zu machen ;
die Blätter dieser Lagen müssen ganz indifferent in Geschmack
und Aroma sein und brauchen auch keine gute Farbe zu haben.
Lage 5 ist etwas besser, als Lage 4. Lage 6 endlich hat dieselben
Eigenschaften wie Lage i, sie dient auch als Deckblatt. 14 der-
artige Schichtungen bilden ein Packet, und 2 Packete werden
yO M. LEHMANN, TABAK.
Über einander in die Presse gelegt und geschnitten. Das Ent-
ripjien und Packen der Blätter wird von Mädchen besorgt, die
Maschinen werden von Männern bedient.
In den Fabriken, die ich besucht habe, wurden nur aus
Holz gebaute Schneidemaschinen, wie sie schon seit alten Zeiten
in Japan hergestellt werden, verwendet. Der Tabak, der aus der
kleinen japanischen Pfeife geraucht wird, wird haarfein geschnit-
ten ; (\cn zur Cigarettenfabrikation bestimmten Tabak aber
schneidet man gröber, damit die Cigaretten nicht zu schnell
abbrennen. Maschinen zur Cigarettenfabrikation werden bis jetzt
in Japan noch wenig verwendet, und nur ganz grosse Fabriken,
wie z. B. diejenige von Gebr. Mural, sind damit ausgerüstet. In
den kleineren P'abriken werden die Cigaretten mit Hülfe von
kleinen Stopfapparaten mit der Hand hergestellt. Trotzdem
kommen sie zu erstaunlich billigem Preise zum Verkauf'; eine
Cigarette, von der 50 Stück 7 Sen kosten, wird sehr viel geraucht.
Daraus kann man sich ungefähr ein Bild machen, w^ie wenig sich
\'iclfach der Tabaksbau für den japanischen Landwirt rentieren
muss.
Wie sich aus meinen bisherigen Ausführungen ersehen lässt,
harrt noch vielerlei auf dem Gebiete der Tabakskultur und -be-
arbeitung in Japan der Verbesserung. Natürlich wissen das die
Japaner selbst ganz genau, und sie haben, besonders seitdem
das Tabaksmonopol eingeführt worden ist, eine ganze Reihe von
Massregeln zur Verbesserung ihres Tabaks ergriffen. Zunäch.st
werden jedes Jahr in der landwirtschaftlichen Centralversuchs-
Station Japans in Nishigahara Vegetationsversuche über das
Düngebedürfnis des Tabaks, die Einwirkung verschiedener Dünge-
mittel auf ihn, die beste Zeit der Aussaat und der Verpflanzung,
die beste Zeit zum Köpfen und zum Geizen, ferner darüber, ob
höheres oder niedrigeres Köpfen empfehlenswerter ist, über die
Vorteile und Nachteile verschiedener Erntemethoden u. s. w.
ausgeführt. Versuche in derselben Richtung, nur in etwas grös-
serem Massstabe, werden auf den Feldern der Centralv^ersuchs-
station in Hadano bei Hiratsuka, in der Nähe des Fuji-Yama
gelegen, und in Ota, nicht weit von Mito, angestellt. Die Ver-
suche werden in Nishigahara sowohl in Vegetationstöpfen, wie
sie Prof. Wagner in Darmstadt konstruiert hat, als auch auf
freiem p^elde, in Hadano und Ota nur in letzterer p^orm aus-
geführt. Diese beiden Arten der Vegetationsexperimente zu
kombinieren ist deshalb ratsam, weil man es einerseits bei den
M. LEPIMANX, TAHAK. 7I
Topf^'ersuchcii mehr in der Gewalt hat, die Pflanzen genau
unter den beabsichtigten Bedingungen, ohne Einwirkung irgend
welcher das Resultat verdunkelnden oder gar fälschenden Fak-
toren (Krankheiten ausgenommen) sich entwickeln zu lassen, an-
drerseits aber bei den Feldversuchen die Pflanzen ganz in den
nati^u'lichen Verhältnissen, ohne jede Künstelei wachsen. Sache
des Experimentators ist es dann, die Resultate beider Versuchs-
arten in P^inklang zu bringen und die richtigen Schlüsse daraus
zu ziehen. Die Versuchsfelder in Nishigahara haben einen
Umfang von 3 Tan, also "/jo ha oder i 7.5 preussische Morgen,
diejenigen in Hadano und Ota von je 40 Tan, also 4 ha oder
16 Morgen. Der praktische Wert der in Nishigahara ausgeführ-
ten Vegetationsversuche wird leider dadurch beeinträchtigt,
dass der Boden dort für den Tabakbau nicht recht geeignet ist.
Sämtlicher Tabak, der 1900 dort geerntet wurde, war schlecht,
besonders in Bezug auf seine Glimmfähigkeit, während sich sonst
der japanische Tabak gerade in dieser Beziehung auszuzeichnen
pflegt. Besser steht es mit Hadano und Ota, die beide einen
für japanische Verhältnisse sehr guten Tabak produzieren.
In Nishigahara sowohl, als auch in Hadano und Ota sind
heizbare Holzschuppen erbaut worden, in denen Experimente
über das Trocknen des Tabaks ausgeführt werden. Es wird
dabei versucht, die amerikanische Methode, die z. B. in Virginia
üblich ist, für japanische Verhältnisse zu modifizieren. Ein Ver-
such, der Anfang September 1901 in Ota ausgeführt wurde,
verlief ungefähr folgendermassen :
Nachdem in dem Schuppen von 7m Breite, 6 m Tiefe und
7m Höhe 686 kg Tabak an 247 Seilen, von denen jedes durch-
schnittlich 44 Blätter trug, aufgehängt w-orden war, wurde der
Schuppen vollständig geschlossen und mit der Heizung begonnen.
Zunächst wurde nur massig geheizt, .so dass, ausgehend von einer
Anfangstemperatur von 25° C, in 4 Stunden 28,5° erreicht wur-
den. Nun wurde die Temperatur schnell gesteigert, bis sie nach
weiteren 2"" /,, Stunden 48° betrug, worauf die Feuer gelöscht
wau'den. Diese schnelle Steigerung sollte bezwecken, den Tabak
recht bald abwelken zu lassen. Der Schuppen wurde jetzt der
langsamen Abkühlung überlassen und dann 17 Stunden lang
ziemlich konstant auf 31-32° gehalten. Darauf wurde die Tem-
peratur in 14 Stunden ganz allmählich bis auf 39° und in fer-
neren 7 Stunden auf 61° gesteigert. Nachdem dieser Hitzegrad
72 M. LI-.11M.\X.\, TAliAK.
noch 1 I SUindcn lang' cinigcrmassen gleichmässig erhalten worden
war, wurde die Temperatur in den letzten lO Stunden schliesslich
bis auf 72° gehoben, um die Mittelrippen noch v^ollständig aus-
zutrocknen. Der ganze Prozess nahm ungefähr 70 Stunden in
Anspruch. Die gewünschte Farbe hatte der Tabak nach ca. 40
Stunden bekommen, worauf dadurch, dass die Temperatur schnel-
ler gesteigert und die Ventilatoren geöffnet wurden, mit der
eigentlichen Trocknung begonnen werden konnte. Für die Feue-
rung wurde 939 kg Holz zum Preis von ca 10 Yen verbraucht.
4 Männer und 9 Weiber waren je 7 Stunden lang damit beschäf-
tigt, die Blätter auf die Seile zu ziehen. Das Aufhängen des
Tabaks im Schuppen erforderte eine vierstündige Arbeit von 2-3
Männern und 2-3 Weibern. Der Lohn für diese Arbeiter betrug
im Ganzen 3.20 Yen. Dazu kommt noch der Lohn der Leute,
die zur Unterhaltung des F"euers und zur Bewachung der -ganzen
Arbeit benötigt waren, mit etwa 10 Yen, und 6 Yen für Ver-
zinsung und Amortisation des Kapitals, so dass sich die Gesamt-
unkosten auf 29.20 Yen beliefen, d. h. auf 4.25 Sen pro i kg
frischen, oder auf 25 Sen pro i kg trocknen Tabak, wenn wir
annehmen, dass der Wasserverlust beim Trocknen sich auf etwa
84(^0 des frischen Tabaks belief Der P^rfolg des Versuchs, was
Verbesserung des Tabaks in Farbe, Geschmack und Aroma be-
trifft, war sehr befriedigend. Ob aber die Anwendung dieser Me-
thode für den japanischen Tabak im Allgemeinen lohnend sein
wird, ist noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, weil die Unkos-
ten doch recht beträchtlich sind. Kann der japanische "Tabak
dadurch exportfähig gemacht werden und infolgedessen zu be-
deutend höheren Preisen verkauft werden, als bis jetzt im Inland,
so steht natürlich der allgemeinen Anwendung dieser Methode
nichts im Wege. Der so erstaunlich niedrige Preis des Tabaks
in Japan stellt überhaupt allen Verbesserungsversuchen grosse
Schwierigkeiten entgegen ; der Japaner will sich selbstverständlich
sein Rauchen nicht verteuern lassen ; auch würde ihm vielleicht
ein den Europäern mundgerecht gemachter Tabak gar nicht
schmecken.
Ausser den Vegetations- und Trocknungsversuchen soll jetzt
auch mit Fermentationsversuchen angefangen werden, um ein
für die Cigarrenfabrikation taugliches Blatt zu bekommen. Aller-
dings sind die Tabakblätter, wie man sie jetzt in Japan erzeugt,
für diesen Zweck wohl zu dünn ; man wird die Pflanzen daher
M. LEHMANN, TABAK. "JT^
schon von vornherein auf dem P'elde so behandehi müssen, dass
die Bildung etwas dickerer Blätter begünstigt wird. Auch beab-
sichtigt man, schon in nächster Zeit eine Mustcrcigarrenfabrik
in kleinem Massstabe einzurichten.
Die mit Tabak bebaute Fläche ist früher in Japan etwa eben
so gross gewesen, wie in Deutschland, sie hat sich aber in dcw
letzten Jahren hier stark vergrössert, dort etwas verringert und
betrug :
In Japan.* In DeutsK:hland.
1887 21710 ha 21466 ha
1888 18032 ha
1889 17400 ha
1890 -Ol 95 ha
1897 26466 ha
1898 26277 ha 17652 ha
1899 4- 143 ha 14618 ha
1900 37434 ha ' 14781 ha
Die Anzahl der einzelnen Tabakpflanzer betrug :
In Japan. In Deutschland.
1898 347-54 . 139171
1899 575485 116318
1900 420793 II 47 16
Die durchschnittlich von einem Pflanzer mit Tabak bestellte
Fläche war daher.
In Deutschland.
12.7a
12.5a
12.9a
In Deutschland.
In
Japan.
1898
7.5a
1899
7-3a
1900
8.8a
Die Erntemenge betrug :
In
Japan.
1887
22 756582 kg
1897
36 1 12072 kg
1898
31 464585 kg
1899
52 603301 kg
1900
48 384003 kg
32 559000 kg
30 075000 kg
d. h. von je einem Pflanzer wurde geerntet im Ganzen :
In Japan. In Deutschland.
1898 90.6 kg 233.9 l^'g
* Die hier angcftilirlen Zalilen über ältere Jalire sind deiii "Werke M. Feseas
„Beiträge zur Kenuluip der ja[iani.selien Laiidwirtseiiaft " emiuu.iiuen.
258.6
kg
i8.4
kg
20.7
kg
74 M. LEHMAKX, TABAK.
1899 91.4 kg-
1900 II 5.0 kg
oder pro a :
1898 12.1 kg
1899 12.5 kg
1900 13-1, kg
im Durchschnitt: 12.6 kg 19.6 kg.
Der deutsche Landwirt bebaut also nicht nur um die Hälfte
mehr Land mit Tabak, sondern gewinnt auch seinem Acker
einen um die Hälfte grösseren Ertrag ab, als sein japanischer
Berufsgenosse. Allerdings darf hier nicht vergessen werden, dass
man in Japan jährlich eine Ernte mehr erzielt, als in Deutsch-
land.
Der höchste Preis, der 1900 von der japanischen Regierung
für I Kwamme (3.75 kg) Tabak an die Landwirte bezahlt wurde,
war ca. 3 Yen. Unberücksichtigt lasse ich hier den Ort Taru-
mizu in der Provinz Satsuma, der für eine kleine Menge Tabak
den hohen Preis von 8 Yen erzielte. Der niedrigste Preis war
17 Sen. Wie hoch der Durchschnittspreis war, habe ich nicht
erfahren können, doch wird er seit 12-15 Jahren, zu welcher
Zeit er sich nach P'escas Annahme auf 40 Sen belief, nicht sehr
gestiegen sein. Li Deutschland erzielten die Landwirte im Jahr
1899 für 3.75 kg durchschnittlich 2.80 M, also mehr als das
Dreifache von dem, was der japanische Pflanzer bezahlt bekommt.
Wie sich der Tabaksbau jetzt für den japanischen Landwirt
im Durchschnitt rentiert, kann ich leider nicht zahlenmässig
angeben. In der Provinz Satsuma, also derjenigen, die den besten
und teuersten Tabak Japans produziert, rechnet man pro ha auf
einen Verdienst von 100-150 Yen. Die amtliche Statistik stellt
folgende Reinertragsberechnung für die ganze Tabaksernte des
Jahres 1884 auf:
Productionskosten pro Tan (Yio ha).
Saatgut
0.610 Yen
Düngung
2.888 „
Arbeits lohn: 19 IVIänncr
. j^
14-59
Sen-2.772 „
17 Weiber,
. j^
9-59
„ I-Ö30 „
Besondere Ausgaben
0.858 ,.
Summa
8758 „
P>rtrag
pro
Tan.
25.385 Kwamme zu je
Z7'
.4 Sen
i - 9-494 Yen,
also Reinertrag.
0.736 Yen.
M. LEHMANN, TABAK. 75
Das kann wohl kaum als befriedigend bezeichnet werden.
Die Provinzen, in denen hauptsächlich Tabak gebaut wird,
sind : Ibaraki, Tochigi, Fukushima, Kanagawa, Okayama, Toku-
shima, Kagoshima. Der beste Tabak kommt aus Kokubu und
Izumi in Kagoshima, aus Ota in Ibaraki und aus Hadano in
Kanagawa.
Auf dem Tabak lag früher in Japan hauptsächlich eine
Fabrikatsteuer neben einer Gewerbesteuer von lo Yen fiir Gross-
und 5 Yen flir Kleinhändler; sie betrug bis 1883 2-6% vom
Preise des Fabrikats. In diesem Jahre wurde die Gewerbesteuer
flir Kleinhändler zwar auf 5 Yen belassen, für Fabrikanten und
Zwischenhändler aber auf 15 Yen erhöht, es trat die Bestim-
mung dazu, dass für Ein- und Verkauf von Tabak ausserdem Ge-
werbescheine für eine Gebühr von 10-20 Sen zu lösen wären,
und die Höhe der Fabrikatsteuer wurde folgendermassen festge-
setzt: Für je 375g war zu zahlen.
4 Sen bei einem Verkaufspreis von 25 Sen,
^ >» M '> j> >» — 5~5^ )> >
8 ,, ,, ,, ,, „ 50 Sen und darüber.
1888 wurde die Fabrikatsteuer auf "/^^ und 1893 auf "/lo des
Verkaufspreises erhöht, 1898 endlich trat das Tabaksmonopol in
Kraft. Die Hauptbestimmungen dieses Gesetzes will ich kurz
anftihren.
1. Die Regierung hat das Monopol auf Blättertabak.
2. Der Blättertabak wird von der Regierung gesammelt,
importiert und verkauft.
3. Tabakpflanzer sind verpflichtet, der Regierung ihren gan-
zen Tabak nach dem Trocknen abzuliefern. Der Tabak darf
nicht verbraucht oder anderen übertragen werden.
4. Nach der Ablieferung des Tabaks bezahlt die Regierung
ihn nach Tarifen, die vorher von ihr festgesetzt werden. Die
P^igenschaften und Klassen des Tabaks werden von Sachver-
ständigen bestimmt. Sind P^inwände gegen eine derartige Ab-
schätzung zu erheben, so kann eine nochmalige Beurteilung
verlangt werden.
5. Die Regierung hat das Recht zu bestimmen, eine wie
grosse Ackerfläche mit Tabak bestellt werden darf Dies bezieht
sich jedoch nicht auf Felder, die für staatliche Versuche dienen.
6. Jeder, der Tabak zu bauen wünscht, hat der Regierung
über die Art des Tabaks und die Grösse des damit zu bestellenden
Feldes Mitteilung zu machen. Diese Mitteilung ist bei jedem
76 M. I.KIIMANX, TABAK.
Wechsel irgendwelcher Einzelheiten zu erneuern. Die Regierung
hat da.s Recht, je nach Vorrat und Nachfrage den Anbau einzel-
ner Tabaksorten und den Umfang der mit Tabak zu bebauen-
den Ackerflächen einzuschränken.
8. Weder Tabakfabrikanten noch Händler dürfen Tabak
bauen.
lo. Die Pflanzer haben ihren Tabak spätestens bis zum 31.
März des auf die Beendigung des Trocknungsprozesses folgenden
Jahres an den ihnen von der Regierung bekannt gegebenen
Stellen abzuliefern. Will jemand seinen Tabak über diesen Zeit-
punkt hinaus behalten, so hat er die besondere Genehmigung
dazu von der Regierung einzuholen.
18. Die Regierung hat das Recht, Tabakfelder und -lager-
plätze zu inspizieren. Zu diesem Zweck dürfen die bevollmächtigten
Beamten dort eintreten, wo sich Tabak befindet oder wo er ver-
mutet wird, und die zur Ueberwachung erforderlichen Massregeln
treffen.
19. Die Regierung wird an geeigneten Plätzen Geschäfts-
stellen für die Sammlung und den Verkauf des Tabaks errichten.
Tabak darf nur von der Regierung importiert werden. Wer
Tabak fabrizieren oder handeln will, hat sich jährlich von der
Regierung die Erlaubnis dazu einzuholen und eine Gebühr von
50 Yen dafür zu bezahlen. Niemand darf zur Tabakfabrikation
etwas anderes als Blättertabak benutzen. Tabakfabrikanten und
Händler haben Bücher zu führen, in die den mit der Aufsicht
betrauten Beamten cinzublicken erlaubt ist.
Besondere Bestimmungen für die Ausführung des Gesetzes.
1. Die Plätze für die Saatbeete und deren Grösse, die Aecker,
auf denen Tabak gebaut werden soll, und ihre Grösse, die vor-
aussichtliche Anzahl der Pflanzen, die Arten des zu bauenden
Tabaks und die Plätze für Trocknung und Lagerung sind der
Regierung anzuzeigen.
2. Die welken, beschädigten und unreifen Blätter und die-
jenigen, die der Regierung nicht abgeliefert werden können, sind
zu vernichten, nachdem die bevollmächtigten Beamten ihre
P^inwilligung dazu gegeben haben.
3. Sofort, nachdem die Ernte der Blätter beendigt ist, sind
die Pflanzenstöcke herauszureissen.
4. All und jeder Blättertabak ist folgendermassen zu klassi-
fizieren :
M. LKIIMANX, TABAK. 'JJ
A. Grundblätter — 3-4 Blätter am Boden.
B. Mittelblätter — Blätter zwischen Grund- und Ilaupt-
blättern.
C. Hauptblätter — Blätter zwischen Mittel- und Gipfel-
blättern.
D. Gipfelblätter — 3-4 Blätter an der Spitze.
Je nach den lokalen Bedingungen kann die Anzahl der
Klassen vermehrt werden, wenn die Beamten damit einverstanden
sind. *
5. Die Schnüre, an denen die Blätter getrocknet werden,
müssen von bestimmter Länge sein. Blätter, die am Stamm
getrocknet worden sind, müssen je nach ihrer Art in Bündel von
bestimmter Grösse gepackt werden.
Artikel 6 handelt von der Sortierung der Blätter, von der
Verpackung, dem Gewicht der einzelnen Packe, der Etikettierung
u. s. w.
7. Die Abnahme von Blättern folgender Art ist zu verweigern:
I. Blätter, die zu feucht sind.
II. Blätter, an denen noch Teile des Stammes hängen.
III. Blätter, die nicht sortiert sind.
17. Tabakbündel dürfen beim Verkauf nicht geteilt werden,
ausgenommen, wenn es sich um Proben handelt.
Die Artikel von geringerer Wichtigkeit und die Strafbestim-
mungen habe ich ausgelassen. Es ist ersichtlich, dass die
Landwirte, die Tabakfabrikanten und -händler durch dieses Gesetz,
das ihnen alles bis auf die kleinste Einzelheit vorschreibt, ausser-
ordentlich behindert werden müssen. Daher ist es auch kein
Wunder, dass jedes Jahr viele Tausende von Vergehen gegen
dasselbe zur Bestrafung kommen. Jedoch lässt sich ein derartiges
Monopol wohl kaum konsequent durchflihren, ohne dass die
Regierung sich möglichst freie Hand hält. Jedenfalls sind die
Einkünfte der Regierung infolge der Einführung des Monopols
bedeutend gestiegen. Sie betrugen :
1888 — 1907342 Yen ' 1898 — 5.145999 Ven
1889 — 1492806 „ 1899 — 7.559534
1890 — 1825183 „
Zum Vergleich führe ich zwei allerdings schon ziemlich alte
Zahlen über in Deutschland eingegangene Tabaksteuer an :
1880 — 7.000000 M.
* In Izurai z. B. imtersclicidet man G-7 Klassen.
78
M. LEHMANN, TABAK.
1881 — 11.500000 M.
Zum Schlus.s .seien noch cinit^c Daten über den Import von
Ta])ak gegeben. Ivs wurde importiert (Wert in Yen) :
1897 1898 1899
Cigarren 151221 198574 14^7 3 3
Geschnittener Tabak 104244 '^7-797 2070 1
Cigaretten 99/237 1720827 760594
Anderer Tabak 327079 45 360 13 5088004
15797'^! 66282 1 1 6016032
Ins Gewicht fallen nur die dritte und vierte Reihe, die
dritte wegen des starken Imports billiger amerikanischer Cigaret-
ten, wie z. B. Pin Head, und die vierte wegen der in den
letzten Jahren kolossal gestiegenen Einfuhr billigen amerika-
nischen Blättertabaks, den Gebrüder Mural und andere- grosse
Firmen zur Her.stellung ihrer Cigaretten benutzen. Wahrschein-
lich wird aber die P^infuhr dieser Tabaksorten durch die am
I. Oktober 1901 vorgenommene Erhöhung des Zolls von 1009^
auf \^oc/o des Wertes den Todesstoss erhalten haben.
In den vorstehenden Zeilen habe ich die Art und Weise,
wie man beim I^au und der weiteren Behandlung des Tabaks
in der Provinz Satsuma verfährt, besonders berücksichtigt, weil
sich dort die Methoden im Lauf der Zeit am besten ausgebildet
haben, und infolgedessen dort auch das wertvollste Produkt
erzielt wird.
UEBER DEN RIESEN-SALAMANDER JAPAN'S,
Prof. Dr. C. Ishikawa.
(Vortrag gehalten A>r 28. Xov. 1900.'
FAwh \-or zweihundert Jahren, wurde in einem kleinen
Dorf unweit von dem schönen Bodensee, ein sehr interessanter
Knochenrest aus einer jungen Tertiär-Ablagerung gefunden. Ein
damaliger sehr gelehrter Arzt, Dr. JoJiann Jakob ScJictichzer, hielt
ihn flu' einen von der Sündfluth abgeworfenen Menschenknochen,
und gab ihm den berühmten Namen " Homo tristis deluvii testis."
Ein Wachsmodell dieses Knochen restes, dessen Original jetzt
im britischen Museum aufbewahrt ist, sehen Sie hier. Es ist
sehr zu verwundern wie ein Arzt, der gewiss Menschenknochen
gesehen hat, sich mit diesem Knochenrest so getäuscht hat, dass
er in diesem Object nicht nur die harten Knochenstücke, sondern
auch die weicheren Theile unterscheiden wollte. Vergleicht
man diese Knochen mit denen des Menschen, so muss sofort
klar werden, dass eine grosse Verschiedenheit zwischen den
beiden besteht. Sonderbar ist es aber, dass man in jener Zeit
das nicht gethan hat, und alle Naturforscher damals mit Scheuchzer
übei'einstimmten, bis Johann Gesncr zum ersten Male Zweifel
äusserte. Aber auch er hat keine weiteren vergleichenden Studien
ange.stellt und glaubte den Knochenrest eines riesigen Eischcs —
Silurus glandis — vor sich zu haben. Dieser neue Irrthum wurde
wieder von den damaligen Naturforschern begrüsst und angenom-
men. Im Jahre 1811 hatte Ciivier Gelegenheit diesen Knochen
zu untersuchen, und dann erst wurde er als Knochenrest eines
riesigen Salamanders, der längst ausgestorben ist, erkannt.
Nachher aber glückte es von Siebold'^' einen gigantischen Sala-
mander in Japan zu finden, der eben so gross ist. wie derjenige
'" Von Sic'inlil. Fauna .Japonica, 1>^3;'>.
80 C, ISHIKAVVA, RIESEN SALAMANDER.
von Oeningen war, und interessanterweise sind die Knochen-
gerüste beider einander sehr ähnhch.
Und so konnne ich zu unserem Riesen-Salamander ! Er ist
in Japan unter verschiedenen Namen in verschiedenen ProvinzxMi
bekannt. Der Name Sanshouwo, unter dem dieses Thier
gewöhnlich bekannt ist, kommt von Sansho, Xanthoxylon
piperitum, eine dornige Pflanze, deren BLätter von aetherischem
Oel stark riechen, und von uwo, der Fisch. Weshalb die Leute
aber diesen Salamander Sanshouwo nennen ist mir nicht bekannt.
Einige behaupten, und auch in Büchern steht es geschrieben, dass
das Thier sehr gern die obige Pflanze frässe.* Sie behaupten sogar,
dass es zuweilen auf die Sansho-Bäume klettere, um die Blätter zu
fressen. In der chinesischen Literatur finden wir einen Charakter
bestehend aus den zwei Zeichen von ,, Fisch" und von ,, Kind,"
es bedeutet deshalb ,, Kindfisch." Und in einem chinesischen
Wörterbucht hcisst es, dass ,, es einen Fisch giebt, welcher mit
vier Fü.ssen versehen ist. Die Vorder-Füsse gleichen denen des
Affen und die hinteren denen des Hundes. Er giebt einen Laut,
der dem Kindergeschrei ähnelt, und deswegen heisst er Kindfisch.
Grössere Exemplare sind 8-9 l'uss lang." Dass das Thier
einen kuriosen Ton von sich giebt, ist wahr, aber er ist
sehr verschieden vom Kindergeschrti, mit dem er kaum zu
verwechseln ist.
Was die Bezeichnung Sanshouwo betrifft, so ist es sicher,
dass sie für diese Thiere im Allgemeinen und nicht besonders für
den grossen Salamander gilt. Sie bedeutet also grade so viel wie
Salamander oder Molch. So nennt man in Hakone ,, Sanshouwo"
jene kleine Onychodactylus-Art, deren Fingerspitzen mit Klauen
versehen sind, und auch in Yumoto (Nikko) wo dieser kleine
Salamander vorkommt, versteht man unter Sanshouwo diese
kleinen Geschöpfe. In den Bezirken, wo die grossen Salamander
vorkommen, sind sie unter verschiedenen Namen bekannt. In Iga
und Ise unter dem Namen ,,Hazekoi" od. ,,Hazekui ' ; in Tamba
und Tango sind sie bekannt unter dem Namen ,,Hadakasu" od.
,, Anko," und in Mimasaku, Bitchu, Hoki, Idzumo und Bingo nennt
man sie „ Hanzaki," ,, Hanzake " und nur selten ,, Anko." Was
diese verschiedenen Namen bedeuten, ist mir nicht bekannt.
Es ist aber zu vermuthen, dass Hazekoi einen Gobiusfresser
* T(iku.shin Kiiibara, Yamato-IIonzo Bd. K).
t m ^Ä ^ Ä.
C. ISHIKAWA, RIESEN SALAMANDER. Hl
bedeutet, weil ,, Haze " ein Gobius oder Meergrundel und
,, Kui " fressen ist. ,, Anko " kommt gewiss vom Fisch ,, Anko "
od. Lophius, der unserem Salamander insofern ähnlicli ist, als
beide hässliche Thiere mit grossen Mund sind. Bei dem letzten
hier erwähnten Namen ,, Hanzaki " denkt man an ,, Han "
Halb und ,, Saki " oder ,, Saku " zerreiszen, d. h. der Name ist
aus zwei Wörtern ,, Halb " und ,, zerreiszen " zusammengesetzt,
und bedeutet, wie auch einige unserer Bücher behaupten, dass
•das Thier in zwei Hälften zerrissen werden kann und dennoch
ganz munter weiter lebt.* Dieser Name deutet also die ungemeine
Regenerationsfahigkeit dieses Thieres an, wie sie schon beim
Salamander bekannt ist.
Wissenschaftlich ist das Thier gegenwärtig unter dem Namen
Megalobatrachus maximus bekannt. Doch hatte es früher noch
verschiedene andere Namen. So nannte es Schlegel Salamandia
maxima. Seitdem aber erhielt es die Namen Sieboldiana maxima,
Sieboldiana davidiana, Tritomegus .Sieboldii, Cryptobranchus
japonicus und Megalobatrachus Sieboldii, bis endlich der obige
Name angenommen worden ist. Das glückliche oder unglück-
liche Thier hat also, seitdem es von Sicbold in die Wissenschaft
eingeführt worden ist, siebenmale seinen Namen verändern
müssen ! Es zeigt dieses aber grade, dass es von vielen For-
schern, besonders in Deutschland, beachtet worden ist.
Was nun seine Verbreitungsgebiete betrifft, so finden wir
ihn in Bergflüssen in der unteren Hälfte von Hondo, d. h. von
Mino bis nach Iwami, Nagato und Suwo. Er ist also in der
Gebirgskette südwestlich von Mino bis Suwo und Nagato, und
auch im Gebirge von Iga und Ise, einem Ausläufer der Hauptge-
birgskette zu finden. Was die Provinzen betrifft, in denen er
vorkommt, so sind Mino, Omi, Iga, Ise, Tamba, Tango,
Tajima, Inaba, Mimasaku, Harima, Hoki, Bizen, Bitchu, Bingo,
Idzumo, Iwami, Aki, Suwo und Nagato zu erwähnen. Er ist
bis jetzt noch nicht in Kii gefunden, und auch nicht in
Shikoku und Kyushu. Am häufigsten kommen sie, wie mir
bis heute bekannt ist, in Gebirgsflüssen vor, die von dem
berühmten Vulcan Daisen kommen, und ausserdem in Bächen
auf der südlichen Seite der Hiruzenberge und deren Nachbarschaft,
besonders in den hier befindlichen Quellen des reizenden Asahi-
gawa oder des Sonnenaufeano-sflusses.
* So berichtet Eikei Watanalio.
Sj C. ISHIKAW \, KIESEN .SAI^AMANnilK.
In der Mitte dieser .sclu'inen Gehir<^.sregi()n, in dem L;anz
kleinen, aber sehr hübsch t^elcg;encn Dorf Kogawa oder
Kleinfluss verbrachte ich einen Frülihngsnionat und zwei Sommer,
um auf den Hanzaki, sowie seine l^icr und Embryonen Jagd y.vt
machen. Zuerst war es meine Absicht, die ganze Naturgeschichte
des Hanzaki zu untersuchen, seine Anatomie, Physiologie,
Lebensgeschichte u. s. w ; wie ich aber mit meiner Arbeit ange-
fangen hatte, hat mein verehrter College und Landsmann Herr
Dr. Os/77C'a, mir angeboten den anatomischen Theil meiner
Arbeit zu übernehmen, was ich mit Freuden acceptierte, indem
ich überzeugt war, dass dieser Theil der Arbeit viel besser
in den Händen von Osaicn liege als in den meinen ; ausserdem
hätte das alles mir zu viel Zeit genommen ; und so habe ich
mich entschlossen mich nur mit der entwicklungsgeschichtlichen'
Arbeit zu beschäftigen.
Da aber meine diesbezügliche Arbeit nt)ch nicht abge-
schlossen ist, so erlaube ich mir Ihnen heute Abend nur über
die allgemeine Lebensweise des Thieres, sowie über meine Jagd-
geschichte vorzutragen.
Was die Arbeiten meiner Vorgänger betrifft, so haben Rein
und Ro!'cfrj'\ den Riesen-Salamander in seinem natürlichen Wohnort
besucht und zum ersten Male eine genaue Mittheilung über die
Lebensweise des Thieres gegeben, welche in .Siebold's Berichten
fehlt oder unrichtig angegeben ist. Im Jahre 1880 und 1881 hat
mein Freund Prof. C. Sasaki '■' in den Proxinzen Iga und Isc
Salamander-Eier gesammelt, und hat dabei viele interessante
Beobachtungen gemacht. lüne kurze Notiz hierüber erschien?
im I. 1kl. des Journal of the Science College.
Der Hanzaki lebt, wie diese Autoren erwähnen, in Gebirgs-
bächen, wo das Wasser nur einige Zolle tief ist. Hier findet
man ihn oft versteckt unter Steinen und Steinblöcken, zuweilen
in der Mitte des Stromes, meistens aber an den Seiten. Er
lebt gewöhnlich einzeln, zuweilen begegnet man aber zwei oder
drei Thieren beüsammen. Der Eingang des Hanzakiloches zeichnet
sich gewöhnlich dadurch aus, dass der Boden von dem Thier
ganz rein gehalten ist. Besonders in trockner Zeit, wenn es.
T Ke'iu, .). .). iinil A. von IJorctz, Beitrag zur Kcniitniss des Kiesensala-
iiiunders. Zool. (iaitoii. Isir..
* Sasaki, (', Sonic Note- 011 tlie (iiaiit Salainaiulvr oi' .I:i|ian. Journ. Coli.
Pri. vol. I.
c. isHiKAWA, Rri:si:x .-alamanüer. 83
wenig Wasser giebt, kann ein geübter l'ischer gleich sagen, ob
■ein Thier in einem Loch zu finden ist oder nicht. Aber da
■ein Aal gerade so eine Pforte wie der Hanzaki macht, kann man
sich täuschen. So hat in einem I^'all ein Fischer, der mir mit
aller Gewissheit die Anwesenheit eines Hanzaki versprach, einen
gro.ssen Aal aus dem Locii gefischt. Ein Hanzakiloch ist entweder
am Ende geschlossen oder bleibt offen, und das Wasser kann
in letzterem Falle durchströmen. In welcher Lage sich sein
Körper in dem Loch befindet, ist mir nicht bekannt. Es ist aber
anzunehmen, dass er seinen Kopf nach dem Eingang hält, da er
in solcher Weise seine Nahrung besser fangen kann. In einem
von Wasser durchströmten Loch hält er, wie es mir schien,
seinen Kopf gegen den Strom gerichtet.
Seine Wohnung ist aber nicht fortdauernd an demselben
Platz, besonders in tiefem Wasser, wo er immer gezwungen
rst bis zur (3berfläche des Wassers zu . steigen, um Luft zu
schöpfen. Ob er, um Futter zu suchen, seine Wohnung verlässt,
ist nicht sicher. Es scheint aber, dass eine stark riechende
Speise ihn aus seinem Verstecke heraus bringt. Sicher ist es
jedoch, dass er bei Tage sehr .selten aus dem Loch kriecht, und
nur in der Zeit der Ueberschwemmung seiner Wohnung ist er
-gezwungen aus seinem Loch herauszukriechen. Nach .starkem
Regen finden wir ihn zuweilen am Ufer des Stroms kriechen. Auch
trägt ihn eine L'eberschwemmung oft sehr weit von seiner W^oh-
nung fort, so dass er weit unten im Fluss zu finden ist, so z. B. in
Kanagawa und auch in der Nähe von Okayama wurde er, 16
■oder 20 Ri von Kogawa, gefunden : oder in der Gegend von
Gifu, in ■Mino, 8 Ri stromabwärts von seinem Wohngebiet. Es
scheint aber ganz sicher, dass er während der Nachtzeit aus
seinem Verstecke wandert, da es nicht ungewöhnlich ist, dass
■er Nachts in einem Wurfnetz gefangen wurde, was niemals am
Tage geschieht ; früh Morgens begegnen wir ihm .sehr oft
Icriechend im Strombett.
Das natürliche Wohngebiet des Hanzaki sind also, wie
gesagt, kleine Gebirgsbäche. Wenn er grösser wird, so wandert
er stromab\\ärts zu grösseren Flüssen. Mein Pascher Jto ver-
sicherte mir, dass Hanzaki von mehr als 3 P^uss Länge nicht
mehr kleine Bäche bewohnen, w'o das Wasser nur einige Zolle
tief ist, und das scheint auch die Ansicht aller Fischer zu sein,
mit denen ich darüber gesprochen habe.
84 C. ISIIIKAWA, RIESEN SALAMANDICR.
In Bächen wo Hanzaki xorkomnicn, findet man viele andere^
Thicre die ihm gewöhnHch als Nahrung dienen. Vor Allem kommt
die interessante Fischart vor, welche Günther als neu erklärte
lind Salmo macrostoma nannte, welche Hilgciidorf^'' aber nur als
ein junges Exemplar von Masu, Onchorhynchus Perryi.t erkannte
was ich selber nach der Zahl der Darmfortsätze u. s. w. als
richti«'" erweisen konnte. Diese Fischart heisst in Japan Yamame,
und ist ein ,, landlocked Salm.on," wie die Amerikaner es nennen.
.Sie kommen, wie bekannt, nur in Gebirgsbächen vor, und wandern
nicht nach dem Meere, wie andere lachsartige Fische. In der
Nähe vom Daisengebirge, in Hoki, giebt es noch eine andere
I'^orellenart, die die dortigen Leute als Omo bezeichnen, und
diese kommt, wie ich erfuhr, nur in <\<in obersten Flussläufen
vor. Ein Dutzend dieser interessanten Fische habe ich Anfang
October in dem kleinen Dorf Sagarikaya gefmgen. Es sind _sehr
feine Fische mit Querfiecken wie Yamame und mit milchweissen
vorderen Rändern der Flossen, aber ohne die kleinen Punkte.
Sie werden, Avie die Leute mir erzählten, bis zu i '/o Fuss lang
und legen im November I{ier. Diese beiden Fischarten bewegen
sich wie alle anderen lachsartigen Fische pfeilschnell im Wasser,
doch finden wir sie sehr oft im Magen des Hanzaki. Es ist ganz
unglaublicli, wie der träge Hanzaki diese Fische fangen kann :
beobachtet man aber das Thier in der Zeit wo irgendwie ein
anderes Thier in seine Nähe kommt, dann wird man gleich
begreifen wie er einen solchen Fisch fangen kann. Im- sitzt wie
bekannt ganz ruhig, sogar wie ein Steinblock stundenlang, "wenn
aber ein Fisch, ein Wurm oder irgendwie anderes Thier in
seine Nähe kommt, dann öffnet sich sein grosser Mund blitzschnell
und mit einer starken seitlichen Bewegung des Kopfes geht die
Beute in seinen Rachen hinein. Eine andere Fischart, die von
Mimasakuleuten als Miyamadorobae bezeichnet wird und die ich
als eine neue Art von Leuciscus annehme, kommt gewöhnlich
\\\ Gesellschaft mit Hanzaki \'or. Dies sind kleine Fische von
etwa lOO mm. Länge mit so undeutlichen Schuppen, dass man
glaubt sie seien schuppenlos. Diese kommen meistens in kleinen
Bächen vor, und oft in Löchern mit Hanzaki zusammen. Aus-
* Ililgendorf: Japanische lachsartige Fische: Mittheihiiigcn d. deutsch.
Gcsellsch. f. ^atiu- und Völkerkunde Ostasiens, II lieft 1870.
t D. S. Jordan nennt es neuerdings ünoorhynchus inacrostonuis (rüntlicr in
seinem neuen List of tlie l''islies of .lapan. Annot. Zonl. .lap.m. WA. III.
C. ISHIKAWA, RIESEN SALAMANDER. 85
ser dem Aal, welchen wir auch überall finden, kommen in
der Hanzakigegend in Mimasaku noch vier andere Fischarten
vor. Dies sind Arten einer in China neuerdings von Günther *
beschriebenen Fischgattung Leucogobio, und eine Art von
der auch nur in Japan u. in Nord-China gefundenen Gattung
Pseudogobio. Alle diese kommen aber nicht in kleinen Bächen,
sondern in etwas grösseren Flüssen vor, wo auch viele andere
Fische zu finden sind. Ich erwähne dieses, da sehr nahe ver-
wandte Fischarten von Leucogobio, wie wir sie liier bei uns
haben, auch in Nordchina vorkommen, wo auch Megaloba-
trachus maximus von einem russischen Reisenden Abbe David
gefunden wurde. Diese Fischarten heissen Okawadorobae, Kin-
dorobae und Yanagibae, welche ich L. güntheri, jordani und
hilgendorfi nenne, t Allerdings kommen diese Arten auch in
anderen Gewässern vor, so L. güntheri und jordani im Biwasee,
in Centraljapan. Von wirbellosen Thieren, die auch sehr häufig
in Hanzakibächen vorkommen und die als sehr beliebte Nahrung
ver/ehrt werden, ist eine Art von Gebirgskrabbe zu erwähnen,
Sawagani genannt, welche wissen.schaftlich als Grapsus pusillus
Fabr. bezeichnet ist. Auch diese Krabben kommen in anderen
Gebirgsthälern vor, so in Hakone, Nikko u. s. w. Zu erwähnen
ist aber, dass sie von Hanzaki sehr gern gefressen werden, da in
fast jedem Thier, das ich in Mimasaku geöffnet habe, auch diese
Krabbenschale im Magen gefunden wurde. Auch fast alle
gefangenen Thiere speihen die leeren Schalen aus.
Von Amphibien finden wir in Mimasaku u. a. Hanzaki-
gegenden, die gewöhnliche Kröte, Bufo, die beiden Froscharten,
Rana esculenta und japonica, Hyla, Rachophorus, und zwei
Salamander, Onychodactylus und Hynobius. Alle diese Thiere
werden von Hanzaki als Nahrung verzehrt, w^enn sie bis zur
Eintrittstelle des Loches kommen. Besonders interessant sind
aber Onychodactylus und Hynobius, welche auch in anderen
Gegenden wie Hakone, Nikko und in anderen Gebirgsge wässern
vorkommen, und als Gegenmittel gegen verschiedene Krank-
heiten vielfach benutzt werden. Das Interessanteste bei diesem
* Günther: Report 011 tlie collections of ßeptiles, Batrachiaus und Fishes
inade by Messrs. Potaiiiii and I>orezow.ski in the Cliiiiese Pnjvint'es Kansu and
Szeclmen 1890.
t Ishikawa : Notes on Tvvo New Species of FLshes froni the Lake Biwa. Annot.
Zoo]. .lapcn. Vol. rir. Pars IV. 1901.
86 C. ISHIKAWA, KIESKN SALAMANDER.
Tliierc ist der Umstand, dass seine Jungen sehr oft mit den-
jenigen des Hanzaki's verwechselt worden sind. So finden wir
die jungen Onychodactykis od. Hynobius neben einem erwach-
senen Hanzaki in einem unserer alten Bilderbücher, genannt
,, Senchuzufu " od. Bilderbuch der Tausend Insekten. Aus diesem
haben die Vettern Sarasvi* in ihren werthvollen Mittheilungen
über ceylonisches Epicrium die genannten Abbildungen entnom-
men. Auch haben viele Leute mir die Onychodactylus- oder
Hynobius-Jungen zugeschickt, als ich die Jungen des Hanzaki
haben wollte. Ein Schulmeister in Tottori hat sogar im Zool.
Magazine eine kleine Notiz über die jungen Hanzaki geschrieben,
die nachher sich als Onychodactylus-Junge erwiesen. Dies ist
aber nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, dass die jungen
Hanzaki sich sehr schwer fangen lassen, und dass die Onycho-
dactylus und Hynobiuslarven, ungleich ihren Eltern, einen ganz
platten Körper haben, wie die alten Hanzaki. Im Gegentheil zu
diesen haben die jungen Hanzaki einen von beiden Seiten ab-
geflachten Körper mit ziemlich grossen Augen wodurch sie ein
ganz anderes Aussehen gewinnen, als ihre Alten.
Das erwachsene Thier gilt für ein sehr hässliches Geschöpf,
mit seinem plattgedrückten Kopf, winzig kleinen Augen u. mit
einem grossen Mund, dessen rothe Fleischfarbe sehr stark von
dem Dunkelbraun des Körpers absticht. Diess giebt ihm ein
abstossendes, abscheuliches Aussehen. Und zu dieser Hässlich-
keit kommt noch ein niedriger, dumpfer Laut, den das Thier
von sich giebt, und die kinderähnlichen kurzen Füsse. Alles
dies hat in alten Zeiten manche abenteuerliche P>zählung ver-
ursacht, welche teilweise bis heute unter den Bauern geglaubt
wird. Eine solche ist die Legende von J/ii Hiko^Idro;'' welcher
mit einem, riesigen Hanzaki in dem oberen Strom Asahigawa
unweit vom Yubara-Dorf gekämpft haben soll ; der Platz am
Ufer ist heute noch als Hanzakibuchi unter den Leuten bekannt.
Im ersten Jahre Bunroku, Ende 1500, hatten sich viele
Arbeiter am Ufer des Asahigawa in Mukoyubara mit einem
Hausbau beschäftigt. Da erschien ein Pilger am andern Ufer,
* Sarasin, P. u. F. : Zur Kntwicklun.tpiji;escliichte und Anatomie der ceylone-
sichen Blindwülile Ichtliyophis Glutiiiosus.
t Die Lejiende ist in einem japanischen Buch f^t [^J fS ('<ies('Iii(hte von
iSiid-Sai<us]iu) borielitet und wird amh in etnns vei'iindertir Foi-m von den Ilaueni
heute nncli erziihh.
C. ISIilKAWA, RIESEN SALAMANDER. 8/
welcher ungewöhnliche Lichtstrahlen aus dem Wasser kommen
sah ; gleich darauf bemerkte er ein riesiges Ungethüm. Ganz
erstaunt rief er ,, Ein Ungeheuer ! Wagt niemand hier mit
demselben zu kämpfen?" Die Arbeiter kamen alle zum Ufer,
und sahen ein kolossales Thier tief im Wasser. Aber das
Geschöpf war so gross, dass erst niemand es wagte sich mit ihm
einzulassen. Unter den Arbeitern war ein Jüngling Namens
Mii-HikosJiiro, in dessen Adern Samuraiblut floss, der mit
einem kurzen Dolch in der rechten Hand sich ins Wasser
hinunter stih-zte. Da öffnete das Riesenthier seinen Mund weit,
sah den Jüngling mit seinen kleinen, aber feurigen Augen an,
und mit einem Schluck verschwand der Aermste tief in des
Ungeheuers Bauche. Schauer ergriff die anderen Arbeiter und
den Pilger. Sie wussten nichts zu thun. Aber sieh ! der brave
Hikosliiro öffnete mit seinem Dolch den Bauch des Ungeheuers
\-on innen her und schwimmend kehrte er zum Ufer zurück. Das
krystallklare Wasser des Stromes wurde von des Ungethier's Blut
ganz roth, und der riesige Leichnam lag tief auf dem Grunde.
Hikoshiro brachte nun eine starke Schnur und tauchte zum
zweiten Male ins Wasser, und mit Hilfe der anderen Leute
brachte er das Ungethier ans Ufer. Die Körperlänge desselben
mass 35 Fuss, sein grösster Umfang war 13 Fuss. — — Der
Mond schaute fahl aus tlämmeriger Wolkenhöhe, Todtenstille
herrschte im ganzen Dorf. Da klopfte in tiefer Nacht ein schönes
I^'rauenbild * an des Jünglings Thor und weinte gar bitterlich !
YXn seltsamer Schauer ergriff ihn und streckte ihn todt nieder,
und eben so starb plötzlich seine ganze Familie. Das brachte
das ganze Dorf in Bewegung. Die Leute begruben den Riesen-
leichnani auf dem Grunde des Dorfgottes und sprachen ein
Gebet für das Seelenheil des Salamanders. Einige Steine und
ein kleiner Tempel wurden darauf errichtet, und der neue Gott
wurde als Hanzakiclaimyöjin oder der Grosse Gott Hanzaki
geehrt. Zum grossen Glück für die Naturwissenschaft haben die
dortigen Leute auch dem Gott versprochen, dass sie niemals einen
Salamander tödten und essen wollen, was sie auch redlich halten.
Die Photographie, die ich Ihnen hier vorlege, ist aus dieser
Gegend. An der rechten Seite des Bildes sieht man eine kleine
dichte Baumgruppe, wie sie gew(")hnlich in unseren Tempelgründen
■•■' In dem P>n«'h Sakiivoslii lici^^'t e> nnr ., iemnnd."
88 c. i-siiiKAWA, rip:sen Salamander.
7U sehen sind. 13as i.st der Tempelgrund des Mukoyubaradorfes,
und darin liegt der berühmte Hanzakidaimyöjintempel, ein ganz
kleines h(")Izernes Häuschen von ungefähr 2-3 Fuss Höhe und
T oder i'/i Fu.ss Breite. Heute ist der Tempel etwas verfallen,
und in dem Tempel liegt ein kleiner dreieckiger Stein, welcher
die heiligen Seelen repräsentieren soll.
Solche und ähnliche märchenhafte Erzählungen hört man
aber sehr viel hier in dieser Gegend und vielleicht auch in
anderen Hanzakigegenden. Sogar heutigen Tages glauben viele
Leute an die Anwesenheit kolossaler Salamander und an durch
dieselben veranlasste Unglücksfalle. So ist mir einmal erzählt
Avorden, dass an einer tiefen Stelle ungefähr zwei Ri am Yubara
stromaufwärts ein riesiges Thier lebte, das einmal eine Frau
mit ihrem Kind auf dem Rücken \erschluckt habe. Der Dorf-
ciuacksalber, der mir diese abenteuerliche Geschichte erzählte,
sagte mir zugleich: ,, Diese Geschichte hörte ich, als ich noch
ein junger Knabe war, und jetzt noch wage ich nicht allein an
diese Stelle zu gehen !"'
Obgleich aber das Thier hässlich und abscheulich aussieht, so
übt es doch ein gewi.ssen Reiz auf den gastronomischen Geschmack
der Leute. Die Hanzaki werden nämlich in grosser Zahl in diesen
Gegenden gefangen und als Leckerbissen verzehrt. Bei passender
Zubereitung gibt er eine schmackhafte Speise. Mir wurde auch
einigemale das Fleisch angeboten ; einmal in Miso- (Bohnen.)
suppe gekocht, ein andermal in Shoyu und Zucker gesotten und
dann wieder in Fett gebraten. Alle diese Zubereitungen fand ich
nicht schmackhaft. Das Fleisch errinnerte mich zwar an das
x'on Lippenschildkröten, Trionyx, aber der Gedanke an den
fossilen Riesensalamander nahm mir allen meinen Appetit weg,
wenn es auch noch so gut gekocht war. Aber die Leute essen
ihn ohne alles Bedenken und zwar essen sie ihn nicht nur
als gewöhnliche Speise oder als Delicatesse, sondern sie ver-
zehren ihn auch als Arzneimittel. Es wird im allgemeinen von
den Leuten geglaubt, dass eine Hanzakisuppe mit Miso ein treff-
liches Gegenmittel gegen Dysenterie sei, und unglücklicherweise
herrscht diese Krankheit fast in jedem Jahre in Mimasaku, Hoki
und Idzumo, und grade in der Zeit, wo die Thiere ihre Eier
legen, d. h. Ende August und September ! So werden die
schwangeren weiblichen Thiere jährlich in grosser Zahl gefangen
und zu hohen Preisen verkauft. Die Leute kochen die
C. ISHIKAWA, KIESEN SALAMANDER. 89
Thiere gewöhnlich nach Entfernung der Haut und zerschneiden
sie in kleine Stücke.
Was nun den Hanzakifang betrifft, so fischt man ihn
gewöhnlich wie einen Aal, nämlich mit einem Fischhaken, an
dem man ein grösseres Exemplar eines Regenwurms befestigt.
Die Spitze desselben wird auf das Ende einer Bambusstange
gesteckt, und so bringt man den Wurm in das Loch, worin man
einen Hanzaki vermuthet. Ein geübter Fischer kann sehr leicht
einen Aal von einem Hanzaki beim Anbeissen unterscheiden, da ein
Hanzaki die Lockspeise sammt Bambusspitze abbeisst, während
ein Aal nur den Wurm verschluckt. Da aber ein Regenwurm leicht
zu zeneissen ist, so benutzt man für den Hanzakifang einen Frosch,
und zwar am häufigsten den gewöhnlichen Wasserfrosch, R. escu-
lenta, als Lockspeise. Ein Frosch wird mit einem starken Haken
an seiner Afteröffnung durchstochen in der Weise, dass die Spitze
des Hakens an einer Seite des Kopfes hinausragt. Diese Haken-
.spitze wird auf eine lange Bambusstange gesteckt, und die Hin-
ter-Beine des Frosches werden mit einer Schnur ganz fest an
der gros.sen Schnur am unteren Ende des Hakens befestigt, und
das alles wird nun mit Hilfe der Stange in das Loch hineinge-
bracht. Es ist ziemlich sicher, wenn ein Hanzaki im Loch ist, dass
er gleich zubeisst. Manchmal aber, wenn das Loch sehr tief ist,
niuss man lange warten bis er kommt. So bringt man gewöhnlich
drei oder vier solche Lockspeisen in verschiedene Löcher und
wartet bis einer beisst. Dann nimmt man den Bambus weg und
zieht ganz leise an der Schnur, und \v<:nn man findet, dass die
Lockspeise schon im Munde des Thieres ist, dann zieht man die
Schnur mit der linken Hand an, und gleichzeitig steckt man
seine rechte Hand ins Loch hinein, in der Weise dass man mit
derselben das Thier unten am Hals greift, und bringt es so heraus.
Dieses Verfahren passt aber nur für mittelgrosse Thiere. Thiere
von über 3 Fuss Länge könnte man in dieser Weise nicht fangen,
da sie zu stark sind, und sie fassen auch nicht die Lockspeise
so leicht wie die kleineren. Will man ein grosses Thier fangen,
so muss man längere Zeit warten bis es anbeisst. Und sehr oft
muss man viele Frösche vor dem Eingang des Loches befestigen,
um den Bewohner herauszulocken. Auch kleinere Thiere von unter
I Fuss Länge beissen gewöhnlich nicht auf den Frosch, aber sie
kommen zuweilen aus dem Loch, falls man einen Frosch vor
den Eingang setzt.
•90 C. ISIIIK AWA, KIF.SF.N SAIAMANDKR.
Die SalauKindcr kriechen aus den Löchern ,,deni \\\)hli;eruch
des Frosches folgend", so sagte mein Hanzakifischer //,', und ver-
sicherte mir, dass die Thiere nicht sehen, sondern nur riechen. Von
den kleinen Augen kann man das erwarten, und man f.lngt die
Thiere, besonders im Frühjahr, wenn wenig Wasser vorhanden
ist, in der Weise, dass n^an eine stark riechende Speise in i\cn
Strom legt. Zu diesem Zweck mischt man gewöhnlich ge-
backcne Nuka, Frösche, Irische u. a. zu Ballen und legt diese
in den oberen Theil des Baches, dann kommen die Salamander
■alle aus den Löchern, klein und gross. Für den Fang ist das zwar
eine sehr kluge Methode, aber für die Hanzaki sehr bedenklich,
da in dieser Weise fast alle Thiere gefangen werden können,
die in einem Bache zu finden sind.
Wie gesagt, werden die Riesen-Salamander von Jahr zu Jahr
wcuiiger. l^is vor 30 oder 40 Jahren sollen sie sehr häufig auch
in der Gegend von Tsuyama gewesen sein, wo heute fast keine -
zu finden sind. So erzählte man zuerst, als ich vor 5 Jahren nach
■dem Hanzaki fragte, dass sie in Tsuyama leicht zu finden seien,
und dass man ihre l^^ier leicht bekommen könne. Wie ich aber
hinging, um ernsthaft zu lagen, wunderte man sich sehr, dass sie
nicht zu finden waren. Im Maniwagori, Mimasaku, wohin ich
seit 4 Jahren ging, wurden die Hanzaki jedes Jahr geringer an
Zahl. Im Onaru-Thal z. B., wo ich im Jahre 1897 noch viele
Salamander gefangen habe, und im letzten Jahr an einem Tage
3 Exemplare bekam, konnte ich dieses Jahr nur einen finden.
Ito erzählte mir, dass er vor 6 Jahren, als er zuerst nach Onaru
kam, in einem Tage nicht weniger als 20 Exemplare gefangen
habe, und ein Mann, der in Onaru wohnt, sagte mir, dass vor
10 Jahren die Thiere so häufig waren wie Frösche heutzutage.
Auch im Kuginuki-Thal, wo ich vor 3 Jahren 3 oder 4 Exemplare
an 3 aufeinander folgenden Tagen fand, konnte ich dieses Jahr
nicht ein einziges Thier finden. Das beweisst natürlich nicht,
dass die Thiere in diesen Thälern heutzutage nicht mehr vorkom-
men, aber es zeigt gewiss, dass die Thiere seltener geworden
sind. Dieselbe Geschichte erzählte mir auch ein Bauermädchen,
■das ich zufällig auf einem Spaziergang nach Mikamo traf .\uf
meine Frage nach dem Hanzaki entgegnete mir das Mädchen,
•dass, als es noch klein war, Hanzaki sehr häufig waren, aber jetzt
lassen sie sich nicht mehr in dieser Gegend sehen.
Die rapide Abnahme von Hanzaki ist nicht allein auf seine
medicinische Verwendung zurückzuführen; es kommt auch dazu,
c. isniKAWA, rip:st:n sai.amaxdek. 91
dass in der Zeit, wo die Hanzaki ihre Eier legen, d. h. im August
und September, die Länder von starken Regenschauern heim-
gesucht werden, und die Ueberschwemmung, die sehr oft nacli
einem solchen folgt, die Thiere zwingt aus ihren Löchern auszu-
wandern ; dabei werden sie sehr häufig durch Gesteine u. s. w.
verletzt, besonders die jungen Thiere, welche gewiss bei solchen
Ueberschwemmungen sehr viel zu leiden haben.
Wie gesagt, jagte ich in Mimasaku auf die Riesensalamander
und ihre Eier. Aber letztere zu finden war sehr schwierig. Anfangs
wussten wir nicht ganz genau, wo und wann das Thier seine
Eier legt. Nach zwei Sommern eifrigen Suchens im Iga- und
Isegebirge hat Herr Prof. Sasir/vi ein einziges Mal im August
einen Haufen Eier gefunden, die schnurartig verbunden waren.
Ich habe auch sehr lange vergeblich nach den Eiern gesucht.
Erst nachdem ich mit Hilfe eines Dorfschulzen in Kogawa,
Herrn Teshiuia, die Untersuchungen der Ovarialeier von jedesmal
frisch gefangenen Thieren vom Frühiahr bis zur Mitte September
unternahm, konnte ich die Zeit der Eiablage feststellen. Dieselbe
fällt hauptsächlich in die letzte Hälfte des Monats August.
Die ersten Eihaufen, die mir zu Gesicht gekommen sind,
^\•aren diejenigen, welche in einem Dorf 3 Ri von Kogawa abgelegt
waren. Es war ein Bauernhaus, an dessen Hinterseite sich
eine kleine Wasserpfütze befand, worin zwei Thiere seit einiger
Zeit eingeschlossen waren ; eines \on diesen hatte die Eier
abgelegt. Dieselben waren aber bereits ganz zerstreut und ver-
dorben, und waren in diesem Zustande zu weiteren Unter-
suchungen nicht mehr zu gebrauchen. Da errinnerte ich mich,
dass Ito vor ein paar Tagen im Onaruthal einen Hanzaki
gefischt hatte, und am nächsten Tage, den 2 ten September ging
ich mit Ito nach dem Thal. Der W^eg wer sehr schlecht. F^in
enges Thal, ohne Weg ! Wir gingen in Bächen, deren Grund
ganz schlüpfrig, und an beiden Seiten so dicht mit Gräsern und
kleinen Gewächsen überwachsen war, dass man an manchen
Stellen kriechen musste. luidlich kamen wir an einen kleinen
\\'asserfall, wo Ito das Thier gefangen hatte. Wir suchten überall,
aber fanden kein einziges Loch, worin ein Hanzaki leben
konnte. Endlich fand ich aber ein ganz kleines Loch am I'uss
eines sehr grossen wandähnlichen h'elsens, welches Ito unter-
suchte. Er legte .seine Hand hinein und .sagte zuerst, dass das
Loch nicht tief sei, dann aber schob er eine Stange hinein, und
fand das Loch sehr tief, und wie er mit der Spitze der Stange
92 C. ISlllKAWA. 1<IKS1-:N SALAMANDER.
den (ii'uiul aufi^crührt hatte, floss kaltes, klares Wasser heraus.
Zu meinem grossen Erstaunen brachte er bald mit den an einer
Ian_f^cn Stange befe.stigten Haken 5-6 sehr schöne Eier am
Haken hängend heraus. Schöne glashelle Eischalen, worin
fast weisse Dotterkugeln schwammen ! Was für eine Ereude ich
damals hatte, das weiss niemand zu würdigen ! Auch Ito war ganz,
ausser sich, und beim nächsten Ziehen des Hakens kamen 60-70
Eier aus dem Loch heraus. Dieses waren die ersten leben-
digen Eier, die ich selber gesehen habe, und die ersten Eier,
die überhaupt einigermassen wissen.schaftlich behandelt werden
konnten. Mit dieser Beute eilte ich überglücklich nach Kogawa
zurück.
Die abgelegten lüer sind, wie zuerst von Sasaki berichtet
wurde, durch Schnüre x'erbunden, die aber nicht glatt und
gleichdick wie diejenigen der Kröte sind, sondern die Zwischen-
.stücke je zweier Eier sind dünner, und das Ganze macht
den Eindruck eines Rosenkranzes. Sasaki'^ sagte darüber: ,, Each
Qg^ floats in a clear fluid inclosed in a beadshaped gelatinous
envelope (i. 62-1. 35 cm.); and this cnvelope is connected with
the next by means of a comparatively small string which is
about equal in length to the longer axis of the envelope.
The egg has an oblate spheroidal form, measuring about 6
mm. by 4 mm., and is yellow everywhere cxcept at the
Upper pole, where it is whitish."
Genauer beobachtet besteht die Eikapsel aus ver.schiedenen
Theilen.. Zuinnerst kommt eine ziemlich feste Membran," dann
kommt eine sehr fein geschichtete und etwas dickere Mem-
bran. Ueber dieser liegt eine dritte, die ebenso dick ist wie die
zweite. An beiden Polen der Kapsel zieht sich diese dritte
Membran aus und bildet die innerste Achse der Schnur. Dann
kommt eine Anzahl von Membranen, die sich auch in der Eischnur
fortsetzen. Die Zahl dieser Membranen ist verschieden, doch in
manchen Kapseln zählte ich deren 12 bis 15. Alle diese Mem-
branen und auch die Achsialtheile der Schnur sind leicht dehnbar.
Ueber diese folgt dann eine ziemlich dicke GallerihüUe, die an
beiden Polen auf die Entfernung von ca. i cm eine spiralartige
Drehung zeigt, so wie es bei Hagelschnur od. Chalazen der P"all
ist. Bekanntlich ist die.se Chalazenbildung bei Eiern von Am-
phibien erst von den Vettern Sarasin bei Ichthyophis beobachtet
C. ISHIKAWA, KIESEN SALAMANDER. 93
und beschrieben worden. Während aber diese Hagelschnüre bei
Ichthyophis gerade so sind, wie bei Vogeleiern, sind sie hier bei
Hanzaki von denjenigen bei Vögeln insofern verschieden, als hier
die äussere Gallerthülle gedreht ist. Die Grösse der einzelnen
Kapseln sowie die Zahl der Eier in einem Wurf sind je nach der
Grösse des Thieres verschieden, d. h. ein grosses Thier legt mehr
Eier als ein kleines, und die Eikapseln sind auch grösser. So
fand ich die Eikapseln bei einem Thier von ungefähr 270 mm
Länge viel kleiner als diejenigen von einem anderen Thier,
welches mehr als looo mm mass. Die Durchmesser der Ei-
kapseln bei dem ersteren Thier fand ich durchschnittlich ca.
20 mm, bei dem letzteren über 25 mm. Auch beobachtete
ich, dass kurz vor der Ausschlüpfung der Embryos die Eikapsel
bedeutend an Grösse zunimmt. Die Form der Eikapsel ist ganz
rund oder etwas ov^al. Der Durchmesser ist an den Befestigungs-
stellen vielleicht ein wenig länger als a,n den anderen. Die
Schnur zwischen je zwei Eiern ist gewöhnlich etwas kürzer als
der Durchmesser der Eikapsel, sie kann aber doppelt so lang oder
auch sehr kurz sein. Die Dicke der Schnur beträgt etwa 4 mm,
der Achsialtheil davon 2 mm.
Das eigentliche Ei liegt am Grunde der Eikapsel, und ist
von einer sehr zarten Dotterhaut umgeben. Es hat ungefähr 7
mm Durchmesser und ist an der unteren Seite ein wenig abge-
flacht. Seine Farbe ist im jungen Blastoderm-Stadium hellgelb.
Das Thier legt seine Eier in tiefe horizontal verlaufende
Löcher, in denen das Wasser sehr ruhig ist. Manchmal ist solch
ein Loch 10 oder mehr Fuss tief und kaum für das Licht zu-
gänglich. Die Brutstellen für die Eier sind aber nicht immer
so tief Oft fand ich Eier in einem Loch nicht tiefer als 3 oder
4 Fuss. Oeffnet man ein solches Loch, so findet man eine
abgerundete Stelle, deren Boden ganz rein gehalten ist. Niemals
habe ich die Eihaufen in ihrer natürlichen Läge im Loch gefunden,
man kann aber aus einem ausgebrachten Eihaufen schliessen, dass
die Eier nicht unregelmässig wie diejenigen der Kröte liegen,
sondern mehr oder weniger regelmässig zusammengebunden.
Namentlich sind die Eischnüre an 3 Stellen ganz fest knäuelartig
verbunden. An solchen Verbindungsstellen findet man viele
leere Kapseln, welche zuweilen so gross sind wie die vollen ;
meistens sind sie aber viel kleiner. Diese leeren Kapseln sind
genau so gebaut wie die vollen, nur dass sie der Eier entbehren.
(^4 ^- I^IIIKAW.V, KIKSEN SALAMAN Dl'.K.
Was die Begattung der Tliiere betrifft, so habe ich bis jetzt
nichts darüber beobachtet. Einige Leute erklärten mir, dass bei
einer Begattung zwei Thiere mit einander ganz fest zusammen-
kommen und mit ihren KloakeuölTnungen verbunden sind. Ohne
weiteres kann man natürHch das nicht glauben. Fast sicher
aber kann man behaupten, dass die Befruchtung im Innern des
Thieres stattfindet, im Gegensatz zu Fischen und Fröschen, da
die Samenzellen im Innern der Eikapseln zu finden sind, und
diese Kapseln schon im Oviductus gebildet sind. Interessanter-
weise findet man die Samenhaufen auch in leeren Kapseln.
Fast in jedem Loch, wo man von Ende August bis zu Anfang
October ein weibliches Thicr gefunden hat, findet man einen
Eiklumpen. Dieser Umstand lässt schon vermuthen, dass das
Thier eine Brutpflege hat wie Ichthyophis oder wie so viele
andere Amphibien.* Das Weibchen aber hält nicht wie Ich-
thyophis die Eiklumpen innig umschlungen, sondern es scheint
die Eier manchmal zu verlassen, um Nahrung aufzunehmen. Diese
Thatsache habe ich nicht direct beobachtet ; sondern dies schliesse
ich aus andern Thatsachen, die ich beobachtet habe. Am 14
September vorigen Jahres traf Iü> ganz am Eingang eines
Loches, ein Weibchen welches er aber nicht fing. Am nächsten
Tage ging ich zusammen mit ihm nach der Stelle und versuchte
das Thier zu fischen. Wir fanden, dass das Loch sehr tief war
und das Thier ganz im Grunde desselben lag. Nach einer
halben Stunde biss es aber auf den Froschköder und /to zog
es heraus. Das war ein ganz kleines Weibchen, und als wir
fanden, dass es keine Eier mehr im Körper hatte, suchte ich nach
den Eiern in dem Loch, und fand ca. 80 Stück sehr schöne
Eikapseln mit weit fortgeschrittenen Embryonen. Ein anderesmal
fand /to in einer Abendstunde ein mittelgrosses Weibchen
neben einem Loch. Am nächsten Tage ging ich mit ihm an diese
Stelle und fand einen Eiklumpen.
Mittheilungen über die Entwicklung der Embryonen, sowie
über die Ei- und Samenbildung behalte ich mir für eine spätere
Zeit vor.
* K. Wiedershciin : rirutpfleLro hei niediTi'H Wirljcltliicron. Biolog. Ccntral-
blatt. 1kl. XX, 190(1.
BÜCHEEBESPRECTIü NGEN.
VON
Prof. Dr. Karl Florenz.
[Grammatik der Japanischen Umgangssprache mit Uebuxgs-
STÜCKEN UND WÖRTERVERZEICHNISSEN, VON A. SeIDEL.
Zweite Auflage. 176 Seiten. (Die Kunst der
Polyglotte, Teil 22. A. Hartleben's
Verlag. Preis gek. 2. m)].
Die vorliegende zweite Auflage dieses Buches ist von der
ersten so vollständig verschieden, dass sie in der That den
Anspruch, ein ganz neues Buch zu sein, erheben kann. Die erste
Auflage war eine entschieden verfehlte Arbeit, die seiner Zeit mit
Recht von Herrn Dr. H. Weipert in dieser Zeitschrift (Band V,
Seite 279) höchst ungünstig beurteilt wurde. Um so mehr freut
CS mich, über die neue zweite Auflage — mit gewissen Ein-
schränkungen — Günstigeres sagen zu können.
Das Buch zerfallt in drei Teile : i) eine Lautlehre und
Wortbildungslehre, S. 1-15 ; 2) eine systematische Grammatik, S.
16-113; und 3) eine praktische Einführung in die Elemente der
Sprache, S. 1 14-176, bestehend aus kurzgefassten grammatischen
Bemerkungen, Vokabular und Uebungsstücken, für den ersten
Anfanger berechnet. Der Verfasser verspricht uns als besondere
Bändchen demnächst auch ein ,, systematisches Wörterbuch "
und eine ,, Grammatik der japanischen Schriftsprache."
Die Struktur der japanischen Sprache ist im ganzen klar und
geschickt dargelegt ; man merkt, dass der Verfasser sprachwis-
senschaftHches Verständnis besitzt. Das aufgeführte sprachliche
Material ist augen.scheinlich mit Flei-ss und Sorgfalt gesammelt,
erreicht aber leider bei weitem noch nicht den Grad von Kor-
rektheit, den wir in Chamberlain's Colloquial Handbook oder
Lange s Lehrbuch der Japanischen L^mgangssprache bemerken,
96 ]?ljciiekbespki-:ciiu\(;k\.
untl den wir auch von diesem Lehrbuch uni so mehr zu erwarten
bereclitigt sind, als dem Verfasser so vor/.üi^Hche Hülfsmittel
vorgelegen haben. Ueber Anlage und Methode des Buches
vermag ich mich nur sehr anerkennend auszusprechen ; es
kommt gerade den Bedürfnissen derjenigen, welche sich ohne
«^rossen Aufwand von Zeit und Mühe eine elementare Kenntnis
der Sprache aneignen wollen, entgegen. Nach einer gründlichen
Ausmerzung der zahlreichen Fehler und Umarbeitung einer
Menge deutsch-japanischer Ausdrücke in wirklich idiomatisches
Japanisch — aber auch nur nach solcher Korrektur ! — würde
das Seidel'sche Buch in der That, namentlich für Reisende und
Residenten in Japan, eine gute Einführung in die japanische
Sprache bilden. Für die zahlreichen Leser dieser Zeitschrift
werde ich mir erlauben, im folgenden eine Reihe von Bemer-
kungen zu machen, die mir beim Durchlesen aufgestossen sind,
tmd die der Herr Verfasser bei einer neuen Auflage zu berück-
sichtigen Gelegenheit haben dürfte. Ich möchte dem Verfasser
übrigens dringend raten, auf jegliche Selbstbildung japanischer
Sätze auf deutscher Grundlage in Zukunft ganz zu verzichten ;
es kommen dabei meist nur unjapanische Wendungen heraus.
Seit dem letzten Jahrzehnt ist von Japanern selbst so sehr viel in
gesprochener Sprache veröffentlicht worden, dass man bei einiger
Kenntnis der Litteratur den nötigen BeispieLstoff fa.st durch^v'eg
aus Originalwerken ausziehen kann.
S. 1. § 2. — is gehört als konsonantischer Diphthong unter die
Zahnlaute, zu denen seine Komponenten / und .v gehören.
zu ist nicht Zitterlaut, sondern bilabialer tönender Reibelaut.
Auch ist es wesentlich verschieden \'om englischen zv (§ 11).
S. 2. — 11^ cim P2nde der Wörter sowie \'or k und ^i^ lautet leicht
guttural (nicht )iasal, wie i^ 10 gesagt A\ird ; ;/ ist doch
auf alle Fälle nasal, ob es nun guttural, palatal oder
dental gesprochen werde).
§ 13. — Die Gruppen hy, ky etc. sind nicht durch Ausfall
\'on / bzw. u vor folgendem y, bzw. zv entstanden. Die
Kanaschreibungen kiya statt kya, kuzva statt kzva etc. waren
nur graphische Notbehelfe! Ebensowenig ist sh aus
sy entstanden, wie die Fussnote angiebt.
S. 3. § 15. — L)ie langen Vokale tragen nicht inniier den Ton. ICs
sei hier bemerkt, dass die Akzentbezeichnungen überhaupt
BUCHERBESPRECHl'XGEN. 97
eine der schwächsten Seiten dieses Werkes darstellen : sie
sind zum grossen Teil ganz falsch. Hin und wieder
scheint sich der Verfasser durch die \ielfach seltsamen
Akzentuierungen in Yamada Bimyösai's Nihon Daijisho
haben irrefuhren zu lassen. J^ei der grossen Anzahl von
Ausstellungen, die ich hier überall zu machen hätte, ist es
unmöglich auf Einzelheiten einzugehen.
S- 4. ^ --• — ist schief und unwissenschaftlich ausgedrückt.
S. 5. § -4- — >M sind nicht Nomina schlechthin, denn diese
Wortklasse schliesst auch die Pronomina, Zahlwörter, Kon-
junktionen und Interjektionen ein. kotoba sind flektierende
Wörter, und umfassen Verp.a uxd adjectp/a !
§ 25. — Diese Einteilung giebt keine gute japanische
Grammatik. Es fehlen übrigens die jodoshi ,, Hülfszeitwör-
ter " ; und die tcnio7ua im allgemeinen, wofür .zciishi (Prä-
positionen ? !) zu streichen ist. Zahlwort heisst sTishi. Der
beste moderne Grammatiker, Otsuki, unterscheidet acht
Wortklassen : uicisJii ^ p], döshi "^ |pj, kciyosJd ^^ ^ ['iiij,
fodöshi ^ fijj 3f>] . fitkiisln jyij |ii] , sctsuzokitshi ^ if^ %^ , te-
nioiva Ü ^ -^ ^, und kandösld [^^ M] lA- 1^'t; daivicishi
und Sushi sind Unterabteilungen der mcisld.
S. 7. ^29. — Jdtoyahiz^.. ,, Gefängnis." \j.<t<. kaiiiisori{<X. kmnizori)^
kdrisidwri (st. kün:zubcri ).
Zu Fussnote 3. Lange hat aber recht, denn iido ist eine
aus hito entstandene Form : Idto, iito, udo. Zur Verände-
rung des /// in u vgl.
omoJdtc ( ffl j und oinontc.
diite ,, inte.
kahitc (^) ., kaute.
vinJdto (-^A.) .. uiauto.
S. 9. — SU (st. su~) ,, Anzahl," aber junrju.
Da Verfasser kzcats^ etc. schreibt, muss er auch ^Tt'.^/
j.Aeussere," und ^g-urdkoku schreiben, ffiscn (nicht ///-.c-r?;)
,, Luftballon."
niugi in inu-gi ,, Gerste und W^eizen " zu zerlegen, 'st
seltsam. Auch Yamada's Erklärung \'on /////i,''/ als Kontraktion
aus untre nogi ist lächerlich.
S. 10. ^ 30. — kaisuiyokuba ist nicht aus nur chinesischen W'örtern
zusammengesetzt, ba ,,Ort" ist rein japanisch, wird aber
98 nuc 1 1 1 .ki;ksi'Ki:(: i i l'N( . i:.\'.
auch mit chincs. \\'<")itci'n komponiert. Alan spricht übrigens
^ J|i besser yohijö.
S. 11. §32 — hayaiiina bedeutet aber „Eilbote."
fi „Weg" ist japanisch, nicht chinesisch (////r/// wahrschein-
lich ein Kompositum aus ;/// und c/ii =Ji).
afsiisö iia (^st. no) In.
S. 12. — Fussnote i. Es ist sprachgeschichtlich nicht richtig zu
sagen, dass die Endung fs' (von Ititots) in Zusammen-
sct7Amgen abfalle; die Zusammensetzung ist viehnehr direkt
mit der Stammform des Zahlworts (Jiito) gemacht, und die
Endung nicht abgefallen, weil sie nie da war und nur in
gewissen Fällen an den Stamm angefügt wird.
S. 13. § 40. — Anm. I ist sprachgeschichtlich nicht korrekt aus-
gedrückt. /, -s" sind die primären Laute, c/i, sJi sekundär.
Lies arai (st. arahi).
S. 16. §45- — Mit jncs'-os' bezeichnet man das x.vtÜrliche,
nicht das grammatische Geschlecht ! Ebenso mit shijü =
Männchen und Weibchen (eigentlich \on Vögeln). ,, Gram-
matisches Geschlecht " heisst sei '14, daher dansci, j'osci,
cliusci = masc, fem., neutr.
S. 17. §48. — Fussnote i. Li der guten Sprache wird dies sJnt
nur ausnahmsweise wie shi gesprochen, z. B. in ivakaisJii.
S. 18. Z. 6. — banihuts\ nicht bainmots'. ^ wird vwts' nur in
shokuviots (was auch immer seltener gebraucht wird), Jidmots
(^^), knmots ({* ^) gesprochen; sonst wird es als vulgär
betrachtet.
>J 51. — Alle h'ormen auf ni als Dati\' zu bezeichnen, geht
doch nicht an ! ! ni ist vor allem auch Lokativpartikel. Und
der ,,Ad\-erbialkasus" erscheint bald mit, bald ohne ;//. Man
hat kein Recht, den Begriff ,, Adverbialkasus " so willkür-
lich zu beschränken.
S. 19. — oi^iie ga sJi ta heisst nicht ,, Unterseite des Himmels,"
sondern ,, das unter dem Himmel Befindliche," daher die
Welt, das Reich, Japan.
kaiva ga kitroi .Schwärze des Felles (st. Himmels).
S. 20. >i 56. — Der Satz unter c) hat keine Berechtigung in
diesem Buche.
BUClIERnESPRKCHL'NGEN.
99
§57. — Falsche Ret^el, s. oben. Der Adverbialkasus kann
auch lauten natsii ni. Der Adverbialkasus ohne Postposition
könnte so<rar als gekürzte Redeweise bezeichnet werden.
S. 21. §63- — Fr. Müller irrt sich, wenn er so weit geht zu
behaupten : ,, Unangenehm berülirt der gänzliche Mangel
eines Pronomens." Die alten P'ormen 7va (wovon ivatakushi
abgeleitet ist) „ich" und na ,,du" sind so gut echte
Pronominalstämme wie irgend ^v•elche Pronomina irgend
einer Sprache. Der Abschnitt über das Japanische in
dem Werke des ausgezeichneten Sprachforschers steht
überhaupt nicht auf der wissenschaftlichen Jiöhe der
übrigen Teile.
S. 22. — ■ Fussnote 4. Der Diener .sagt zur Herrin ok'smna; oku
gebraucht der Mann, wenn er von seiner Frau zum Diener
.spricht ; oku ist deshalb nicht 2., sondern 3. Person.
Anm. 5- oiiiacsaii wird vorzugsweise Niederem gegenüber
gebraucht ; .selten von der P'rau dem Manne, nie von {\i:-<\
Kindern dem Vater gegenüber.
S. 23. §66. — l^'ussnote i. linchiki wird besonders von Geisha,
Jörö u. s. w. gebraucht.
S. 24. § 68. — eher : Jü neu han : ohne to. Aber der Gebrauch
von hau in solcher Altersangabe ist ganz unjapanisch. Der
Japaner würde j'ü icJii neu angeben, wenn aber die Hälfte
durchaus ausgedrückt werden soll, würde er jü neu rokkagets
sagen.
%'jO. — Anm. 2. In korc isoir) dakc und korc {soir) iiodo
sind korc und sorc keineswegs adjcktiviscJi gebraucht, sondern
selbstverständlich substantivisch, und Jiodo resp. dakc ist
das bestimmende, niclit das bestimnite Element, obgleich
po.stponiert. P2twa ,, soviel wie dieses." Das.selbe gilt von
dorc, S. 27, S^ 75.
S. 27. § 76- — b) darc de i/io, darc iiio wer auch immer.
dorc de iiio, dorc iiio was auch immer.
c) dono ... nio, etc.
S. 28. ^77- — Anm. 2. ,, wie " vor onaji wird durch to au.sge-
drückt.
§ 79- — Anm. Von töi wird to und tokii gebildet: tö gozaiiiias\
töku de gozaimas, töku de ari)iias\
lOO l'.LCIll'.KIJKSl'KKCHL'Xfn'.X.
S. 29. § So. — Man sat;"t : kono kiiiiia Tca i^uikai des' (nicht da /).
Wenn das Prädikat ein Adjektiv ist, sai^'t man nie da : also
/,•(>;/(> yubhva i^a kin des , oder wenit^er i^ut
,, ,, ,, ,, da,
aber inmiei" nur ,, ,, ,, iits' kusJdi des" .
S. 32. ^ <'^*'>. — l'iii' ,, Unix'ersität " wird jetzt gewöhnlich «'/(^^''''''/f'''^
{gebraucht, /.. B. Teikoku Daigakti ,, Kaiserl. U.", nie Teikokii
Dai^i^akkö. Daigakko ist ,, Akademie," z. B. Rikugun -
daigakkö ,, Militär - Akademie," Kaigtoi-daigakkö.
S. 36. -J ^ß- — I^'"^^ Präsens zu sitbcri ist ganz regelmässig
siibcni ! Eine Form snbcrini giebt's nicht.
S. 38. >i 99. — Anm. yonda arö -wird in yoiidarö kontrahiert.
S, 39. ^ 102. — b) Man sagt nur o kakiyo, nicht kakiyo. 0 kaki
oder 0 kaki na sagt z. B. die I'rau zu ihren Kindern, yo
wird an die eigentliche Befehlsform angehängt : kake yo.
o kaki-dcnaiyo wird nur von den J^Vauen gebraucht.
S. 41. ^ 105. — Das Verbum ko>ioi/ii bedeutet in der Umgangs-
siii-ache nicht einfach ,, lieben," sondern ,, haben mögen,
X'orliebe haben für, bestellen," z. B. o konoini id öjite
koshiraemasu. Die Bedeutung ,, lieben " hat es niu' in der
Schriftsprache, z. B. i^urre i^ui kaic -l^'o koiioiiiarni ,, ich
liebe ihn nicht, mag ihn nicht leiden."
Die I^^ormen auf -r// in sli'tc (koiioi/ia.:;!/ ni s/i tc) werden
in der Umgangssfirache nie gebraucht.
Anm. Die in Klammer stehende \^cn^. (in Tokyo auch
zu )iakiit('/ia) ist zu streichen.
S, 42. /^. 4- — go'jaiinas' iminrr mit i .' go:za{i)//ias wohl Druck-
fehler für go.::a{r)iiiias' .
S. 43. >^ 112. — F.s fehlt das Beispiel für den Gebrauch von no
[n ). Z. V>. icakani 11 dcshö ,, er \\\xd. wohl verstehen."
Man darf aber keineswegs ohne weiteres no für mono oder
koto gebrauchen, ^\•ie die Regel fälschlich suggeriert.
Fussnote 2. Man sagt tabctc ino, nicht tabcru to vio.
S. 44. ^ 115. — tabc des' und tabc de wa nai (ohne Präfix 0-)
ist ungebräuchlich ; man muss o labe des' und 0 tabe de wa
nai sagen, was übrigens auch keine guten Ausdrücke sind.
o tabc da -wa nai wird nur \'on T'rauen, besonders PVaueii
der niederen Klassen, gesagt.
BUCHERBESPRECHUNGEX. lOI
tnbc ist übrigens ein niedriges Wort und deshalb in
höflicher Sprache anstössig ; man sagt besser o agai'i nasai
statt o tahe nasai.
S. 45. — ConditicMial. tabercba (st. tabeba)
3. 0 tabc ni nareba, o tabc ni naraueba (mit o- /)
5. Streiche die Form mit iba.
Subordinationsform. Streiche tabczu ni slitc (nicht
Umgangssprache !).
S. 46. — Indicativ. i. Hes o tabc dcsJtta, 0 tabc de i^'a arimasen
desJita.
2. Hes taberu no {ji) dcsJita.
3. lies o tabe 7ii natta.
Concessiv. tabetattc vio oder tabeta tote mo (st. tabcta to
vid). Negativ ergänze tabcnakute mo.
S. 47. — Verbalsubstantiv. Streiche 2. tabeyö koto.
S. 50. — Indicativ, umschreibende Formen. Man sagt nie am
da (so meines Wissens nur im Chiba Dialekt), sondern
nur am, oder da, oder am no da, am nda.
S. 51. — Subordinationsform, negativ : man sagt arimasen de,
arimasezii (ohne ;// slite) oder einfach nak'te, nicht arima-
scnak'te (dies letztere in Kyüslui-Dialekten).
Imperativ. Gute Kenner der Sprache versichern mich,
dass sie Imperativformen von ari in der Umgangssprache
noch nie gehört haben. Man braucht dafür die Formen von
ori etc. ore ; aide, oidenasai. Auch oke als Hülfswort,
z. B. yomie oke.
S. 52. — Indicativ, umschr. Formen : 3. go^ariniasJita des ist
eine selten gehörte, überaus nachlässige Form.
S. 53, — Concessiv 2 ariuiasJi tc mo (st. ariniasli ta to mo).
S. 54. — Indicativ, umschr. Die Hinzufügung von des in gozari-
masJitaro des u. s. w. ist auffallend.
§ 123. — lies anata iva daitan de nakereba, ikemasen .
S. 55. § 125. — Imp. entweder oide oder irasshai, nie beide zu-
sammen i
§126. — Präsens, Imp. o sJiidenaiyo wird nur von Frauen
I02 BLCIIKKIJKSPRKCHUNGEN.
i^ebraucht. Nicht s/üyo, sondern o shiyo (ist aber Frauenspr.).
scyo ist liöclist selten.
S. 56. — l'^iturum 1. Immer shiyo, niclit shö .'
S. 57. — d) C(jnc. nouiimasli te uio (st. nmniuias to )no).
f) Imp. viashi als Imperative-Endung wird immer mit
o ... nasai verbunden, also 0 nojui nasai)n<rs/n, o agari-
nasaiuiashi. l-'ormen wie noiniinashi, (tabeniashi) sind
direkt falsch.
Man sagt nie nojiiii)ias!innia.
S. 59. § 133. — niji zwei Uhr, nijikaii zwei Stunden.
S. 60. § 134. — Der Yen steht schon seit Jahren auf etwa 2,10 M,
§135. — Jiatska heisst ,,20 Tage" oder ,, der 20stc Tag,"
misoka aber nur „der letzte Tag eines Monats" (ausser
beim Februar).
Auch yoiij'Tc 40 und nanajTi 70 sind sehr gebräuchlich.
S. 61. — Streiche Fussnote 2. Man sagt liito-tokoro, mi-tokoro etc.
S. 62. § 137- — sangats no niju ni nic/ii (gesprochen nijü}iin chi).
% 138. — Man sagt Im in: nibii \, gohu -j^, etc. ; aber buii in
gobun no ichi \, gobun no san f.
P'ussnote 2. /liki ,, Genosse," nicht ,. h'üsse." Verfasser
verwechselt wohl /£ und j£.
S. 63. ^140. — fiikn 3. für Kakemono (nicht ,, Gemälde " im
allgemeinen).
/liki I (für Rinder etc.) und 2 (Seide etc.) sind ver-
schiedene Wörter : i [TC, 2 ä£. E^benscj sind S. 64 son \
und son 2 verschieden : 1 ^f, 2 ;|sj-.
S. 65. Z. 4. — Gerade das Beispiel dai-fii-no nichi wird nie
gebraucht ! ,, Der zehnte Tag" heisst immer töka. Bemerke,
dass ,, der letzte" beim Datum nicht (0) sJiiinai no heisst,
sondern uiisoka.
§ 142. — der 14. März = saiigats no jn yokka.
%, 143. — ]5ei der Bahn ist 'y±/X jötö, cltütö, katö abgeschalft
luid ittö, nitö, Santo stattdessen eingeführt.
S. 67. — d) .Streiche iijoujo. njanja (sie I) heisst ,, wimmelnd."
HUCH KR BESI'RIXHUNGEX. 103
S. 68.5^152 — b) Streiche das substantivische rj>ö to nie, und
fiige adjektivisch ryö toiiio hinzu (z. B. rydnln toino).
S. 69. — b) }yöasJn ; lyöhö.
moroaslü ist nur Schriftsprache, nie kolloquial.
e) Die Form inattai l<onimt nicht vor (wohl aber
die Adverbialform matt^ku, \'gl. § I59)-
§153. — dorc nur von Sachen! (Lange's dorc „welcher,"
Lehrbuch p. 39, ist unrichtig) „Niemand" heisst :
darc VW, darc de mo 1 .^ ^-
, , , Vmtt JNegation.
donata mo, donata de mo]
S. 70. § 154. — Besser kataho — kataJiö. katappo ist etwas vulgär.
§ 156. — hei, Jiai kann als Antwort auf einen Befehl allein
stehen.
S. 71. — unter mata : Streiche den ganz unjapanischen Sat;: mala
0 me in kakarimas made ,, bis auf Wiedersehen ! " Solch
einen Abschiedsgruss giebt's nicht. Doch kann man sagen :
/fiata 0 me ni kakarimas (oder kakariuiashö).
S. 72. — shiöashi no liodo in nur Schriftsprache.
S. 73. — tada b) umsonst (im Sinn von gratis).
yappari ist familiär.
§158. — b) Dieser Adverbialkasus auf /// ist doch kein
Dativ, sondern ein Lokativ ! Dasselbe gilt von S. 74 b)
S. 76. — gasagasa^ ,,\'\c\ Geräusch machend," nicht ,, hastig"
oder ,, ruhelos." gongoii (st. gongou). hatsnJiats ni nncni
{iniyiiru ist Schriftsprache), hoiwbono (st. hono/iono).
Fussnote i. Hepburn's Angabc ist die richtige.
S. 77.- — pieJu'ipieliä klatschend (\-on Hieben), iiageni (^t. luigitni).
sassa to (st. sasa).
Die Liste der (Jnomatopoetica ist für das kleine Buch
viel zu umfangreich (S. 74-77) ; die Uebersetzungen dazu
sind oft ungenügend und schief; manche Ausdrücke ge-
hören nur der klassischen Sprache an.
S. 78. — a) Jahr: streiche kyokyoncn ; lies ototosJn.
c) Tag: ergänze asatte ,, übermorgen," shiasatte ,,ül)er-
I04 T?ucni:i<i!i':spRi-:cHUNGEN.
übcrniüri;vn," ya)ioasattc ,. iibcrübcrübcrniort^cn," ototoi
,, vorgestern," sixki-ototoi ,, \'or\'orc:^e.stern."
f) Abend : baugata (st. bcDikata), yJibf (st. yöbc), asu
(st. asa) HO ban ; strciclie chübo.
\^) Nacht : yaJian nur Schriftsprache.
S. 79. /^- '^- — uöcJiiJiodo ist tlie gebräuchhche Redeweise, nicht
die anL^cbhche Kontraktion )iocIiüdo, die gar nicht existiert.
Z. II. sJiiju (st. shijii).
%, 163. — ,, Ueberall " in positiven Sätzen heisst doko de
mo ; doko ni 7110 findet sicli xuR ix Verbixduxc; mit
Xk(;a iiox = ,, nirgends."
soko de hat auch oft die Bedeutung „darauf, dann."
Fussnote 2. Auch Hepburns Angabc ist richtig.
T.ics k'nirai (st. kiitrai).
S. 80. Z. 4. — asiiko (st. asiika).
{null und toiiae sind zwar die sprachhch richtigen Formen,
doch herrsclit in der heutigen Umgangssprache die Aus-
s])rache niai und tcniai vor).
S. 81. >^ 164. — streiche dono dakc und doiio hodo. Nur dono
kiinn ist gebräuchhch.
§165. — streiche fiifinninyd ni ,, unklar," was nur Schrift-
sprache ist und übrigens fubntnmyö heissen muss. Das
Adverb ,, undeuthch " ist in der Umgangssprache meist
mit bonyari to wiederzugeben, z. B. bonyari to iincm
,, unklar sichtbar sein."
S. 83. — Unter dasln 1. furi-dashi (st. Jiuri-dashi).
Unter agc 1. fuki-agc (st. Jinki-agc).
S. 90. § 204. — a) Die Bedeutung des Wortes viochi ist keines-
wegs, wie Verf sagt, auf ,, in der Hand haben" beschränkt.
Man sagt auch ganz korrekt z. B. ano Jdto wa ie zvo tak'sa?i
)>iottc im ,, er hat \'iele Häuser," usJii iva tsuno zvo motte
im ,, das Rind hat Hörner" ctc ; dagegen ist zu bemerken,
dass als Subjekt zu viocJd ein lebloser Gegenstand nicht
fungieren kann. Man kann also nicht etwa sagen : ie ga
yane zvo motte ini ,, das Haus hat ein Dach," sondern
muss sagen ie ni 7t v? yane ga am.
S. 91. § 210. — Alle \'ier Wörter sore, sono, are und ano beziehen
sich auf die dritte Person.
bucherresprechuxcex. toj
S. 92. ? 2 I 1. — c) aiiafa ui nitc im Jdto (nicht cviafa no nini Jiito).
§214. — Der Satz sono yatna yori ano yavia ga vio takai
ist falsch. Es muss heissen : kono yama yori a)io yaina ga
{jiao) takai, oder koiio yama yori mo ano yaina ga takai.
S. 96. § 222. — i) Die Anmerkung ist unverständUch.
§ 225. — Man sagt motte mairu ga ii (yoi), oder motte
mairu no ga ii, oder motte mairu hö ga ii, aber niemals
motte mairu mono ga ii oder motte mairu koto ga ii !
S. 97. §228. — Falsches Beispiel. Vgl. die vorhergehende Bemer-
kung.
§ 230. — Ano hito iva budösJui wo nomu bedeutet in
der Umgangssprache entweder ,, er kann Wein trinken "
oder ,, er pflegt Wein zu trinken," aber nicht „er trinkt
jetzt (in der Gegenwart) Wein." Letzteres heisst ano Jdto
Iva budöshu ivo nonde im !
S. 98. §-3-- — [taheru to mo) : to mo nur in der Schriftsprache.
S- 99. § 239. — Streiche yomiyo und yomero. Man kann nicht
von jedem Verbum eine Befehlsform auf ro bilden. Man
bildet z. B. sldro, kurero und einige andere. Schon tabero
ist nicht empfehlenswert, yomero aber entschieden falsch.
S. 100. >^ 239. — c) o yomiyo und 0 yomina sind Formen der
Frauensprache.
d) youn-mase nur Schriftsprache ; streiche die Form
auf -mas/d. Die Formen unter e, h, i, 1 sind falsch und
ungebräuchlich.
Unter m) und n) kann man auch kudasaimasJd neben
kudasaimase sagen, yondc 0 kudasaimasc ist ungebräuch-
lich,
g) auch nasaimashi neben innsaimase.
§242. — streiche /c?/v;7/ to mo ; Wcs tabenak'te mo {tabenaide
mo).
S. 101. § 244. — am in diesem Falle wird immer mit den
Subordinationsformen der Transitiva verbunden, im entweder
mit denen der Transitiva oder mit denen der Intransitiva.
S. 102. §248. — b) tabereba (st. tabeba).
S. 104. §257. — Anm. 2. Auch das regelmässige Passivuni
osJderarem kommt neuerdings in Gebraucli.
106 lUH iii:ki;f,si'ki:chl'N(.kn.
S. 105. ^ 264. — Unrichtige Regel. Denn vgl. folgende korrekte
.Vu.sdruckswei.sen, wo die Potentialforni transitiv ist und
ein Objekt hat :
anata \vn e ^<^a kakcmasu ka ,,k' (Minen Sie malen?"
oder ,, ,, ,, Avo ,, ,,
anata 7ca aiio Jiito ga iiiicuias ka ,, können Sie ihn
sehen ? " oder
,, ,, ,. ,, IVO ,, ,, „kommt er hier-
her?"
S. 113. § 296 — streiche das falsche tabcta to iiio ; tabcni to »10
geht gleichfalls nicht an, (\<i\\\\ to uio ist Schriftsprache.
PRAKTISCHE EINFÜHRUNG.
S. 114. ;J 303. — hes Jiayai uma (st. nao-ai iiina). Ebenso S.
ri8 $ 313.
^304. — Wörter: katana Schwert (st. Messer).
S. 115. — Uebung : chicJii ga yoi heisst gewöhnlich ,,die Milch
ist gut"; „der Vater ist gut" muss durch ein Idiom wie
n {foi) otottsaii des , otottsan ga ii wiedergegeben werden.
§ 305. — kc sind einfach ,, Haare." ,, Mähne" heisst tategavii.
S. 117. — Wörter: i/iakitabako ist sowohl ,,Cigarre" als ,,Ciga-
rette." „Cigarre" speziell heist haiiiaki. Auch kyaku-nia
neben kyakit >U) nia.
Uebung, Z. 2 w u. — Itami 7va doko de gorjaiiitas ka
(nicht (/oko iii).
S. 119. — Uebung. In der Umgangssprache braucht man nicht
JiauaJiada. ,,.Sehr" ist viakoto iii, ta/sö, taiJien. yorokobasldi
nir , .erfreut .sein " ist falsch ; man sagt yorokondc oni.
Z. 5. Ano Jdtotacld 7^'a doko in arimas ka ist falsch ; man
sage doko des ka, oder doki in oriiiias ka oder doko ni
orareru ka.
§315 — lit-'s im (st. it) in li zu.sammenge/.ogen.
S. 120. — Wörter : ,, Kaffee " heisst kölii (aus dem Englischen)
oder kahe (aus dem Französischen), nicht kaJiii. zbon st.
zübon ,, Ho.se."
Uebung ; Statt sore zca sörasJiii gozaiinas wäre besser tabiin
so dcslii) ,, das ist wahrscheinlich."
BUCIIERliESPRECIIUXGKN. lO/
kahü i^'a (und koiio clia iva) tsuyö gozainias ist falsch.
Von Tabak und Wein sagt man /iz/jv-'/ =,, stark ", v^on
Thee und Kaffee aber koi.
Man sagt kyö wa yoi toiki de go:::aiiiuis\ aber nicht
kyö (oder koncJid) wa Kts'kus/m go.zainias . Dies ist Deutsch-
Japanisch.
GinkösJähei wa tadainia lianaJtachi takö gorjaimas sagt
und versteht kein Japaner.
Man sage : kono kutsn wa aiiiari nagai oder iiagö
gozainias\ nicht nagakit ariinas ; und sorc wa ziäbun takai
oder takö gozaimas (st. takakii aru). zuibnn ist übrigens
mehr unser ,, gehörig, in ziemlich hohem Grade." Das
gewöhnliche Wort für ,, ziemlich " ist kaiiiri.
S. 122. $? 3 19. — (mit Rücksicht auf ;^ 316). Die wirklich ge-
bräuchlichen und korrekten Ausdrucksweisen sind :
a) wenn das Prädikat ein Aimkktu' ist :
ki ga takai ^'«-'g- /'/ ga takakii iiai
,, ,, takai des' ,, ,, ,, takaku {wa) nai des
„ ,, takö gosa{r)i///as' ,, ,, ,, takö (rtw) gorja{r)ijnasen
b) wenn das Prädikat ein Slij.staxti\' ist :
köre 7ca ki de ant ^^tig. ki de wa nai
,, ,, kl. da ,, /'/ de nai
,, ,, kl de ariinas ,, ki de (zaa) ariniasen
,, ,, ki des' ,, ki de iwa) nai des
,, ,, ki de go:za{r)i!nas ,, ki de {wa) go,za{r)in/asen
go-kanai bed. in der Umgangsspr. gewöhnlich ,, Ihre
Frau Gemahlin." omoi nio yaranai ,, unerwartet, unerhofft."
S. 123. — Uebung, Z. 2. nare ,, Gewohnheit " kommt nur in
gewissen Redensarten vor, wie narau yori nare (Variante
des Sprichworts narau yori narern) ,, Erfahrung geht über
Studieren," sonst braucht man shlikan oder knse. Man
sage etwa : Sore wa niakolo ni yoi okinie de gorjahnas .
kyö kirei na hi de zua gorjainiasen ist unjaixanisch. Man sagt
kyö Iva yoi tenki de go.zainias , oder
M ,. ,, id ,, ,,
S. 125. — Uebung, Z. 3 : doko dk gorjainias .
lOS iaCllI'.Kl!KSI'Ri:CIIUNr,EN.
Z. 4: AiKitd 110 o-roTTSAN WA koko \w. i:;o"aimasen ka,
(xlcr f)cssci' kocJiira iii oriiiiascn ka.
Z. 8. Ko-usJii 110 a/aiiia to moiiio no nikn ga arimas ist
<;an/, unjapanisch. Ebensowenig^ saL,4 man (Z. 12) akigi
no rsubon nur ichiiiiai iriyd da. Jütyit-:::/il>oii. ga liitots iriyö
des wflrc riclitii^".
Z. 9. .dnntsJn (st. sinishi).
S. 127. ^t2<S, — Z. 5 \". u. Dieses substantivierende no darf
man niclit als (ti:xi ri\'['AKTiKi:L bezeichnen. Die sonstic^'e
Geniti\funktion der l'artikel l-commt hier nicht in Betracht.
S. 128. — Z. 16 lies dckinai (st, dckint) „kann nicht."
Wörter : Streiche uchi ni. ,, Nach Hause " lieisst nur uchi yc.
to inösJn ,, sagen " (nicht „sagen zu").
S. 129- — Uebung, Z. 3. nein yc (.st. nein ni).
Z. 5 , konna si'/s' wo toiiaeru Jnto, oder
,, ,, ,, iii' M j
aber nicht ,, ,, ,, Iianasn ,, ,
letzte Z. Sugn statt tadachi ni.
S. 131. — Uebung, Z. 5. Anata iva ivatak' sJd wo odorokascuias
,,Sie setzen mich in Erstaunen" ist eine zu wörtliche
Uebersetzung aus dem Deutschen. Ein Japaner sagt
einfach : Odorokiuiasli ta.
Z. 12. sanji wo ... kikinias ka ist hart; bes.ser:
sanji no nt.^' no ga kikocnias ka.
Z. 13, u. 17. cha MATAWA kaJni und bi(dos.hn aruiw.v
.mke geht nicht. Man sagt in solchem Zusammenhange r
[anata wa) /nidö.s/in wo agarinias ka sakc wo agarinias
ka ; anata wa budöshu wo (oder ga) o snki des' ka
sakc wo (oder ga) o snki des ka.
Z. 19. .statt . i//c?/c?' wa kaki ivo konominnus ka [konouiu
ka) ,, lieben Sie Austern ? " muss es heis.sen : anata
wa kaki wo o .SUKI des' ka.
Z. 21. Mö jiki kacrn {kacnias) to onioinias (oinou) ,, ich
glaube, dass er sogleich zurückkommt." Die höfliche
Eorm von kacrn ,, zurückkom.men " ist kaeriniasit !
Hier darf aber blos das eingehe kacru stehen, oder
BÜCHERBESPRECHUNGEX. IO9
noch besser kacrn d'arö to rjonjiuias . Merke dagegen :
niö jiki kaerd to oinoii/tas' = ,, ich denke sogleich
zurückzukeliren."
Alan sage gozoi oder golum statt uicshi.
Fussnote. 3 verweist unrichtig.
S. 134. — üebung Z. 3. Nicht anata loa tadaima bakari okivias
710 des ka, sondern :
anata zva tadaima o oki nasatta no des ka
,, „ ,, ,, ,, ,, bakari des' ka
„ stehen Sie jetzt erst auf? "
Z. 7. Anata wa kaki zco
Z. 10. Streiche den Satz Anata zca elia matazva kahii...
S. 136. — Wörter : yare (st. yareyo).
Uebung : Z. i ,, ,, ,,
Z. 5 besser Ajiata no go ky5dai...Y)\Qs\'\Q\sst 3bci- ,, Ihre
Brüder." In der Einzahl sagt man o anisan resp.
0 tötosa/i.
Z. S Watak' sJn >io onioivias ni zva yorosJiü gozavnas
„ nach meiner Meinung ist es gut " i.st unjapanisch.
Man sage : watak" sJii iva yoroshii to onioinias .
S. 137. §345- — Zur allgemeinen Bezeichnung des Ortes auf die
Frage ,, wohin ? " steht immer ye, niemals ni. Verfas.ser
hat sich überhaupt, wie schon oben berührt wurde, von
der Partikel ni eine grundfalsche Anschauung gebildet.
S. 138. — Z. 4. katana ,, Schwert." „Messer" (Taschenmesser)
heisst kogatana.
Uebung, Z. 3. s )nai kam ist nicht gut. ,, Ihr Haus "
heisst o sinnai. Für ,, Haus " in ,, mein Haus " sagt man
jedoch gewöhnlich nicht snviai, sondern {zvatak'shi no) nehi
oder ie.
Z. 5. Nicht ano Jiito iva anata to JianasJiitai des ,, er
möchte mit Ihnen sprechen," sondern
ano Iiito z^'a anata to hanaslä zvo shitai no des , oder
,, ,, ,, ,, ,, ,, ,, shitagatte oriinas .
S. 140. § 349. — kuraku (st. kurokii) narinias ,, es wird dunkel."
Man gebraucht aber auch die kontrahierte Adverbialform,
z. B. knrd narinias', shird nariinas' .
r lo i;icm;KiiF.si'Ri:ciii.'N'(iKN'.
Ucbung, Z. I. Sak/iixin iva ilö juis/iiK/d kcx heisst ,, Wie
(d. li. in welcher Lage, auf dem Ri'icken oder der Seite)
haben Sie die letzte Nacht geschlafen ? " Dagegen ,, wie
luist du die letzte Nacht geruht ? " niuss heissen : sakuban
zva yokii o yasumi nas<xi)iiash' ta ka.
Z. 8. zvatak' shi \\\ )iaiiiiiio mösanakatta (aber hesser
wäre entweder kcaiiakattn oder möshiinasoi desJtta).
S. 141. — Uebung. Z. 6. /lamr/uK/a ,,sehr" wird meist nur in
der Schriftsprache gebraucht. In der gesprochenen Sprache
klingt es pedantisch und wird besser vermieden.
Fussnote i. Die Aussprache dck'ta statt dekita ist ganz
verwerflich [dck'fa ist Kyüshü-Dialekt).
S. 143, >? 353- — letzte Zeile ... tritt cJKWoF.iiXLicri (st. auch) a
zur Stammform. Der Satz wakari ni iiarimas/ita wird nie
in der ersten Person gebraucht !
§ 354. — Wörter: yöj'in {wo) itasii nur gebraucht, wenn man
von seiner eigenen Person spricht ; sonst yöfin {100) siini.
kariire ,,B>nte" (st. karikoini).
S. 144. — Uebung, vorletzte Zeile : körisubcri ico nasatta küto
GA gosauiias ka (st. Dioiio de).
S. 145. — Uebung, v'orletzte Zeile : oiiioshirö gorjniinui (st. 6»///^^-
shiroi de ...).
,, In (d.i. nach) einer Stunde" \\c\s^i iefii jikan no nochi iii.
S. 147. — Wörter: ikari ,, zornig werden" nur in der Schrift-
sprache. Umgangsspr. okoru. l\Tan sage deshalb (Uebung,
Z. 8.) Ano hito zva faisö okont de gozainiashd.
ehikaßka ni bedeutet ,,in wenigen Tagen;" in dem
ersten Uebungssatz ,, P^s wird bald Zeit sein, zu Bett zu
gehen " muss deshalb siigii ni oder ina mo naku statt
ehikaßka ni stehen.
Lies komban (st. ko)iban).
Uebung, vorletzte Zeile : uro ka l'rumai ka.
Z. II. nats (st. nat). Besser: IVatak'shi zva NiJioii de
kono nats wo okttrö to oinoivias ,, ich werde diesen
Sommer in Japan verleben," oder kono nats zva Nikon
ni taizai shiyö to onioivias , oder Nikon e itte orimasliö
to omoiinas\
BUCHERBESPRECHUNGEN. 1 1 I
S. 148. — Wörter: Die sinico-jap. Neubildung gyurahi „Butter"
versteht fast kein Mensch. Man sagt immer hata. (Ebenso
chls ,, Käse," nicht kanraku).
,, Wein " ist biidösJiu, also akalniddshii, shirobiidösJiu. Aber
für ,, Rotwein " sagt man einfach nur budösJin. budö heisst
nur ,, Traube."
S. 149. — sJnobuta ist überhaupt ,, gesalzenes Schweinefleisch."
Man sagt kam oder rakan (weniger gebräuchhch) für
,, Schinken."
,, anbieten, vorlegen " ist nur age (ohne saki ni /)
Uebung, Z. i. Cliotto statt skoshi.
Z. lo. somia koto ga arlmashö ka. Man sagt yoina-
reniashö ka, aber nicht arareniasJw ka ; dekiuiasJid ka,
nicht dckarcmasJiö ka, u. s. w.
S. 151. — Uebung, Z. 4. ,, Wollen Sie nicht bleiben und..."
heisst nicht o todoviattc ... , sondern oidt' ni natte ...
Z. 13. y orok ond c o-v.OTW. shimashö {mcht o-kotacmasJib).
S. 153. — Uebung, Z. 7. Jdjö ni isogasJiku in diesem Satz
klingt sehr hart. Man sollte sagen : Jnjö 7ii isogasldi no
i<.'o, oder /dj'ö ni isogashik'tc.
Z. 9. Mata siigu. ni kakari-nasaritö gozainias' ,,ich
möchte Sie bald wiedersehen " ist seltsames Japanisch.
Man sagt : IMata sugn (oder cläkai nchi ni) o ine ni
kaka7'itd gozainias .
Der Satz 0 yorokobi-mösJnuias (Z. 16) fehlt in der
Uebersetzung.
S. 155. — Wörter. Allenfalls kucJd (st. sJitd) wo tojirn ; aber
„schweig!" heisst daniare, oder höflich o sJdznka ni!
„ Uhr aufziehen " besser tokci wo makn. kakeru wird
meist vom Aufziehen einer Wanduhr gebraucht.
Uebung, Z. 4. v. u. Streiche shda wo tojiro.
Z. 3. V. u. besser kndasai (st. kudasare).
S. 156. — Z. 2. Anata no o tokci wo 0 niaki nasai.
S. 157. — Uebung, Z. 5. besser sJdttc orinias' (st. sJdriniash'te
oriinas').
f I 2 BL'CIIERDF.SPRF.CIIUNGEN,
Z. 8. Sac^c : Koiio yauiai no taiuc [iii) karada ga taiJien
iii yozvai'iuiasJita kercdonw ...
Z. lo. Tokyo ni oriuinsJiö oder toryu sJnniaslid fnicht
todo iiiarhnaslü)).
S. 159. — Uebunf^-, Z. 2. Zu iiarc vgl. oben Bern, zu S. 123.
Z. 8. Jndari no te ga itaku ...
Z. 14. ,, Noch nicht " ist 7/ur'./a de' go.-:aiinas' ga (nicht
gozaiviasen. Das jap. Idiom liat hier im Gegensatz
zum Deutschen die positive Form des Verbums !) Weiter
sollte es heis-sen : ... /'(7r;'7/ jUnm ni tva kittö knfkn ni
narn dcsJid.
S. 160. — Uebung, Z. i. IcJdha ni ittnra oder iku nara, nicht
ikiL toki ni.
S. 162- — Uebung. Z. I. Streiche Anata iva, setze nara statt
naraba.
Z. 2. Gyliraku iva... konfuse Zusammenstellung. Man
sagt : {Moshi) data ga yasnkattara, sangin katte oide.
,, ,, ,, yam gorjaivias' nara, sangin
katlc kitc kudasai.
„ ,, ,, yam gorMiniasurcha, sangin
kattc kitc kudasai.
Aber niemals ...jw.w/u'A' 7^'a ...katte koi. — tc wa gebraucht
man, wenn der Hauptsatz negativ ist oder irgend ein
unangenehmes Gefühl, Schmerz etc. zum Ausdruck bringt,
z. B. sonna ni yasuku nttc wa son ga yuku ,, wenn du so
billig verkaufst, hast du ja Verlust."
Z. 8. Satd ga tarinai nara ...
Z. 9. TSUYO-suGiREBA (nicht tsnyosngi/m). Aber es muss
heissen 0 clia ga koker eha oder ko-sugimas' naraba,
inizu. IVO o saslii nasai. tsiinietai ist überflüssig.
Z. 10. gyuniku ga (st. iva^.
Z. 15. Besser incshiagari-nasarn koto ga...
S. 163. § 383. und 384. — Die gebräuchlichen Konzessivformen
bei Verben auf -e und -i sind
BUCHERBESPRECHUNGEN. I I
PRAESENS.
Pos. tabc — iiias kcndo noini — inas' keredo
„ inaslitc ino ,, masJite ino
„ nc keredo iiouiu — kcrcdo
„ tc ino nonde ino
Neg. tabc — naikcrcdo nonia — naikcredo
„ n{ji)kcrcdo „ }i{ii)kcrcdo
PRAETERITUM.
Pos. tabc — ta kcrcdo nonda kcrcdo
Neg. ,, nanda kcrcdo novianaiida keredo.
,, nakatta ,, nomanakatta ,,
Vgl. ferner Chamberlain, CoUoquial Handbook, § 288 f.
Uebung, Z. i. Allenfalls Kusiiri zvo .yania Jiodo (st. yauia-
dake no knsuri zuo). Der Vergleich mit einem Berge
wird aber nur von Geld {kaue, rjcni, sats) etc. gebraucht,
nicht von Medizin.
Z. 2. Aine ga furu ka furaxu ka shiranai K£redo(mo)
Z. 3. Miiiai fiiri wo sJite mo (oder suni ketedo, shinias'
keredo, sJihnaslitc ino), naii de ino mite hnas .
Z. 6. OSO (st. onio).
Z. 7. Konna ni JiisasJdku Nil um ni {ivd) orinias keredo,...
S. 164. — Wörter. sJi takii surn (st. nasarii).
Man sagt rjcnunai für ,, Uhrfeder."
S. 165. — Uebung, Z. 2 sJttakiL ivo shunascn dcs/itarö oder
sldnakattarö.
Z. 9 einfach todoniarn koto (st. o-todoniarinasaru kotd).
§390. — Wörter, incbatakihodo ,,ein Augenblick" ist unge-
bräuchlich. ,, Keinen Augenblick " in Uebung, Z. 10. hcisst
chotto mo mit Negation.
S. 136. — jöbit „ stark " (st. ydbit). Gewöhnlich toriko ni surii
,, gefangen nehmen." dekita (nicht dck^ta!).
Uebung, Satz i muss heissen
Nagaguts' ga nai ka mo sldrcniasen, oder
,, ariL ka nai ka sJdrunascii.
1 14 BUCIIERBESPRECHUN'GEN.,
Z. 6 ariviashö (st. amre-uiashö). Idiomatischer wäre :
sonna koto ga am ka sliini.
Z. y,, iodoDiararcuiascnanda oder todouiararcmascn des ,
aber idiomatisch ikcnakcrcba nariinascn (,, icli muss
gehen " statt ,, ich kann nicht bleiben ").
S. 167. W^örter: JLakiihiitskan (st. kakubiitskaii).
S. 168. — „ bestellen " ist atswaeni (nicht atsiimc sunt).
Uebung, Z. 4 tottc o-ideyo ist Frauensprache. Sage : {Mosli'i)
n tainago ga attara rohijü tottc oide.
Z. 10 lies kontrahiert sanjissai ,,30 Jahre" st. {sanju sai).
S. 169. — Z. 3. Skats' züo f'tats kai ni o-ide-nasaimaslita. Kau
/li ist falsch.
S. 170. — Wörter: futokoro ,, Tasche" ist mindestens ungenau.
futokoro ist der Busen eines jap. Kleides, daher die Brust-
tasche ; die jap. Aermeltasche heisst tanwto, die europ.
Tasche kak' sin.
„Sporen" heissen Jiakuslia.
,, Stiefelknecht " heisst kutsjmuki. kutsuiuigi ist der Platz
im Eingangsflur eines Hauses, wo man die Strassen-Fuss-
bekleidung vor dem Betreten des Hauses ablegt, die Schuh-
garderobe.
S. 171. — Uebung, Z. 13 zuibun (st. zuibaii). P^benso S. 176, Z. 12.
S. 172. §393. — li'asnntbcki (nicht loasurcbcki) und ivasuriibcka-
rarjit / Genaueres siehe bei Chamberlain, a. a. O. § 192.
Ebenso osorubcki etc, aber tabc-bcki, dcki-bcki etc.
S. 174. — Mitte, im Satz tsitgi /w ... ergänze tayori ga ARU
Iiarjii des .
Ausser den besprochenen Stellen wäre in den Uebungsstücken
noch auf mancherlei hinzuweisen, ^\■as zwar theoretisch hingehen
mag, aber doch strenggenommen nicht idiomatisches Japanisch
ist, und mancherlei Unrichtiges wird mir auch entgangen sein.
Trotz all der Ausstellungen aber, die ich im Interesse des
Lernenden /u machen verpflichtet war, möchte ich noch einmal
zum Ausdruck bringen, dass das Seidel'sche Buch ein sehr prak-
tisches ist, und dass es deshalb wünschenswert wäre, die vor-
liegende zweite Auflage möglichst bald durch eine sorgfältig
korrigierte dritte zu ersetzen. Ich möchte dann auch empfehlen,
BÜCHERBESPRECHUNGEN. 1 1 5
die Vcrba nicht mehr in der sog. Stammform [konojni, machi,
ii, tabc, ini etc.), sondern in der Praesensform {kononin, viatsii,
in, tabcru, miru etc.) aufzuführen, wie dies von allen modernen
japanischen Grammatikern und Lexikographen, von Chamberlain,
Lange u. s. w. geschieht..
Meinem Kollegen Herrn Dr. M. Uyeda, Professor der japa-
nischen Philologie, bin ich für freundliche Lesung einer Korrektur
dieser Bemerkungen zu Dank verbunden.
[Eine Kleine Huette. Lebensansch.a.uüng von Kamo no
Chömei. Uebersetzt von Dr. Daiji Itchikavva.
Berlin, C. A. Schwetschke und Sohn. 1902].
Dies kleine Büchclchen von nur 42 Seiten ist die Ueber-
setzung eines der bekanntesten und berühmtesten Prosawerke
der mittelalterlichen japanischen Litteratur, verfasst im Jahre
121 2 von einem in den Künsten und Wissenschaften seiner Zeit
wohlbewanderten Manne, der sich im Verdruss über fehlge-
schlagene Lebenshoffnungen ins Einsiedlerleben zurückzog und
im 58. Lebensjahre über eine Reihe von unglücklichen Ereig-
nissen, die er persönlich beobachtet hatte, skizzenhafte Berichte
niederschrieb. Buddhistischer Pessimismus beherrscht das Ganze.
An originellen Ideen, die nur dem Verfasser eigentümlich wären,
ist wenig vorhanden ; der Hauptreiz des Werkes liegt in der
einfachen, mustergültigen sprachlichen Darstellung und kommt
natürlich nur im japanischen Original selbst zur Geltung.
Wir müssen Herrn Dr. Itchikawa für die Verdeutschung
des Werkchens aufrichtig dankbar sein. Bisher haben sich leider
nur gar zu wenig Japaner die Mühe genommen, uns die Schätze
ihrer Nationallitteratur aufzuschliessen. Bei der ausserordentlichen
Schwierigkeit, welche die meisten japanischen Litteratur werke
der Interpretation durch Europäer entgegensetzen, ist gerade eine
rege Beteiligung litterarisch gut geschulter Japaner an dem
internationalen Vermittelungswerk zu wünschen.
Das Höj'ö-ki ist einer der leichtesten Texte der älteren Zeit,
und die Uebersetzung darf im allgemeinen als befriedigend be-
zeichnet werden. Hin und wieder hätte ich mehr Treue ge-
wünscht. So heissen die beiden letzten Sätze von Kap. 2 bei
Itchikawa (Seite 1 2) ;
Il6 ßUCHERBESPRECIIUNGEN.
,, Sechzehn der grossartigsten Bauten wurden zerstört und
unzählige einfache Wohnhäuser, tausende von Menschen fanden
dabei ihren Tod. Bei solchem Unglück erkennt man, wie thö-
richt der Mensch ist, wenn er mit Mühe und vielen Kosten
prachtvolle Gebäude baut." Das Original hat wörtlich : » Sech-
zehn Häuser von hohen Adligen brannten nieder, und wie viele
ausserdem noch, ist unbekannt. Ein Drittel der ganzen Haupt-
stadt ging zu Grunde. Mehrere Tausende von Männern und
Frauen fanden dabei ihien Tod, sowie eine unzählige Menge von
Pferden, Rindern und dergleichen. Alles Thun des Menschen
ist eitel, aber man mag es wohl für ganz besonders thöricht
halten, dass er an einem so gefährlichen Orte wie der Haupt-
stadt Häuser baut und so seine Schätze vergeudet und sein Herz
mit unruhiger Besorgnis quält.« Der Wortlaut des Originals
ist so leicht wiederzugeben, dass ich nicht begreife, warum ihm
der Uebersetzer aus dem Wege gegangen ist.
Da die Daten des Originals nach dem alten Mondkalender
gegeben sind, muss man entweder die Originalausdrücke wie
28. Tag des 4. Monats im 3. Jahre Angen (Anfang Kap. 2, S.
11), 29. Tag des 4. Monats im 4. Jahre Jishö (Anfang Kap. 3,
S. 12) u. s. w. beibehalten, oder bei Anwendung unserer Nomen-
klatur in das richtige Datum umrechnen. Dann sind nicht der
28. April 1177 resp. der 29. April 1180, sondern der 27. Mai
1177, resp. der 24. Mai 11 80 als Daten der gros.sen Feuersbrunst
und des Orkans anzugeben.
Das „Einfahren der Ernte" (S. 17, Z. 3 v.u.) "ist doch
etwas zu europäisiert, der ganze Satz überhaupt ungenau. Es
sollte heissen : Vergeblich war die Arbeit des Pflügens im
Frühling, des [Reis-] Pflanzens im Sommer; nichts war da vom
Getümmel des Mähens im Herbst und des Einsammelns im
Winter.
S. 20. — richtiger : Jedem Leichnam wurde das chinesische
Zeichen A [des Wortes Amida] auf die Stirne geschrieben...
S. 28. — Z. 3. lies : es ist nur r^chn Fitss im Quadrat mid sieben
Fuss hoch (nicht : drei Meter breit und zwei Meter hoch).
So ist auch in der Vorrede hjfö im Titel falsch als ,, drei
Quadratmeter " interpretiert, hdjö heisst ,, ein Jö (d. i. 10
P\iss) im Quadrat," also 100 P P\iss.
S. 31. — Z. 5 ff Erstaunlich wegen ihrer Durcheinanderwürfelung
chinesischer und japanischer Anspielungen, die einem
BÜCIIERBESPRFXnUXGEN. II/
Japaner nicht passieren sollte, ist die Uebersetzung von %
^ CA ^o ^ -C -ö?, ilS # CT) 7^ ;^> n V 7^ 1^ ^ durch :
,, Auch abends erweckt die Natur künstlerische Stim-
mungen ; fegt der Wind durch die Katsurablätter, so mache
ich dem Styl des beri^ihmten Musikers Gentötoku am
Flusse Jinyö no kö nach." — Die erste Anspielung ist
chinesisch und nimmt Bezug auf eine Stelle in dem be-
rühmten Gedichte Ü 1q ^I PH-fa yin des Dichters Po CJiü-i
(772-846), welche lautet : yf I^ lIIH^ ^ §. m.%i%\^
■M ^ >^: ,. Am Ufer des Filisses Hsün-yang, in der Nacht,
wurde Abschied vom Gast (d. i. vom Dichter) genommen.
In den Blättern des Ahorns und den Blumen des Rieds
rauschet und brauset der Herbst." (Vgl. auch die Ueber-
tragung dieses Gedichts bei Giles, History of Chinese
Literature, p. 165 ff). Die zweite Anspielung ist japa-
nisch. Mit Gen Totolai ,, Generalgouverneur Gen ( = Mina-
motoj " ist Kaisiira Dainagon Tsuiienobii. Kyö gemeint,
der als Dichter chinesischer und japanischer Gedichte und
als Musiker, besonders als ausgezeichneter Biwa - Spieler,
berühmt war. Seine ,, Weise " im Biwaspiel hiess Katstira-
ryu. Er starb 1097 als Vice-Gouverneur des Dazai. Die
Uebersetzung muss deshalb lauten : ,, An einem Abend,
w^o der durch die Katsura-Bäume streichende Wind die
Blätter säuseln macht, denke ich an [die von Po Chü-i
beschriebene Situation am] Flus.se Hsün-yang chiang, und
ahme [auf der Biwa] die von Gen Totoku herrührende
Weise nach."
33. — Für die kritische Anmerkung ,,Aermel, sehr lang,
.spielen die Hauptrolle in der jap. Poesie " werden dem
Uebersetzer seine Landsleute wenig dankbar sein, und
mit Recht.
41. — Die Jahresperiode, in welcher das Werk verfasst wurde,
heisst Kcnrekl (^ /^), nicht Geiiriki, und das Datum, der
letzte Tag des 3. Monats des 2. Jahres, war der 2. Mai
12 12. Es wäre wohl empfehlenswert, den Priesternamen
des Verfassers Ren-in statt einfach Renin zu schreiben, um
die richtige Aussprache (ren-in) und Etymologie (Lotus,
Same) anzudeuten.
Der mit „ Japanisches Alphabet " überschriebene Anhang
Il8 BÜCIIERBESPRECllUNGEN.
wäre besser ■weggeblieben. Er ist eine vollständige Missgeburt,
sachlich wie im Ausdruck. ,, Iliragana, das japanische Alphabet
ist in der japanischen Gedichtform geordnet, die keinen Reim
hat aber Metrik ! ! " Verf. will natürlich darauf hinaus, dass
Kobo Daishi, der angebliche Erfinder der Schriftform Iliragana,
die 47 Silben des jap. Syllabars zu dem bekannten Imayö Eiede
Iro Jta iiilioJicdo etc. zusammengestellt habe. ,, Wie alles im Lande
der Sonne an die Eehre der Entsagung der Welt erinnert ...,"
ein höchlichst zu bestreitendes Axiom ! Die Uebersetzung des
Iroha-uta's schliesslich ist etwas sehr frei, namentlich der Schluss :
,, Ein Traum ist nur das Eeben, darum sollen wir nicht klagen."
Es sei noch bemerkt, dass W. G. Astox in seiner History
of Japanese Literature p. 146-156 eine vorzügliche Uebersetzung
der interessantesten Abschnitte des Höjöki gegeben hat.
Hoffentlich bleibt die Erstlingsarbeit der Herrn Dr. Itchikawa
nicht seine einzige Leistung auf diesem Gebiete und findet bald
Nacheiferune bei anderen !
MITTHEILÜNGEN
DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR
NATUR- UND VÖLKERKUNDE OSTASIENS.
Band IX, Teil 2. Tokyo, 1903.
DIE VERWENDUNG DES BAMBUS IN JAPAN.
VON
HANS SPÖRRY.
( Vortrag-, gclialtcn am z/j. Juni i8g6. )
INHALTSÜBERSICHT.
Seite.
Einleitung 120— 121
I.
Die Verwendung des Bambus in Alt- Japan . . . . 121 — 138
1. — Werkzeuge und Materialien zur Bearbeitung des Bambus. . 121 — 123
a. — Bambus im öffentlichen Leben und Verkelir 123 — 125
3. — Bambus in Haus und Hof und Garten 125 — 127
4. — Hausrat und Küchengerätschaften 127 — 129
5. — Allgemeine Gebrauchsgegenstände 129 — 130
6. — Waffen und Geräte 130 — 136
7. — Nahrungsmittel und Medizin 136 — 138
II.
Die Verwertung des Bambus als Kunstmotiv . . 138 — 143
III.
Nevie Verwendungen des Bambus. — Export . . . . 143 — 144
Schluss 144 — 145
120 H. SPÖKKV, VERWENOL'XG OE.S BAMBUS.
EINLEITUNG.
Es geschah auf Anregung des ScJnvcizcr PolytccJuiikmns \x\
Zürich, dass ich seit meiner Ankunft in Japan bestrebt war,
durch eine Sammlung von Gegenständen, Notizen, Photographien,
Büchern u. s. w. die Vetzvendung des Bambus in diesem Lande
zu veranschaulichen.*
Ich sollte auch möglichst vollständige Angaben über die
verschiedenen Bambus-Arten Japans, deren Kultur, Standort
u. s. w. verschaffen. Das etwas lückenhafte Material, das mir
möglich war in dieser Hinsicht zusammenzubringen, bietet aber
zu wenig Interesse, um hier eingeflochten zu werden, und dies
um so weniger, als vor kaum Jahresfrist im Schosse unserer
Gesellschaft von fachmännischer Seite darüber gesprochen wurde.
Erwähnt darf wohl werden, dass wenigstens meines
Wissens nur 2 analoge Sammlungen existieren :
1. — diejenige im Kolonial- Museum zu Hartem, von der
jüngst Prof. Schär in Strassburg (in einem Bericht
über jenes Museum) betonte, dass sie weit weniger
reichhaltig sei als meine Sammlung.
2. — die im JMnseum of Economic Botany in Kew, London,
vor wenigen Jahren durch Herrn CJi. Hohne angelegt ■
und in den Proceedings of thc Japan Society in London
Vol. I. 18 g2, Seite 2J-4.8 besprochen; dochumfasst
die Holmesche Sammlung nur wenige Dutzend Ge-
genstände und kann keineswegs Anspruch auf Voll-
ständigkeit machen. t
Ich gestehe, dass ich selber keine Ahnung hatte, wie tief der
Bambus in den Lebenshaushalt aller Klassen in Japan eingreift,
und wie beinahe unerschöpflich das ^laterial war, das ich zu
sammeln und zu ordnen mich anschickte. Und vielleicht ist es
gut, dass ich die mir bevorstehende Aufgabe nicht überblicken
konnte, sonst hätte ich wahrscheinlich den Mut verloren, sie
durchzuführen.
* Meine Sanuiiluny, die ca. 1400 A'os. umfasst, ist nun im Besitz der
Ethnographischen Gesellschaft in Zürich und öffentlich nusgestellt.
t Ich habe sie anno 1897 besucht und fand sie zum Teil bereits wurmstichig.
Es waren viele Gegenstände aus neuem Bambus darunter.
H. SPÖRRY, VERWEXDUXCx DES BAMBUS. 121
Es handelte sich nämlich nicht bloss darum, Gegenstände
anzuschaffen, sondern es war vorgeschrieben, auch jeweilen
japanische Namen, sowie eine Beschreibung i^iber Zweck und
Gebrauch derselben beizufügen. Eine derartige Sammlung in
einem Lande wie Japan ist ganz besonders für einen neu
Angekommenen ungleich schwieriger als z. B. eine solche im
Urwald unter ganz wilden Völkerschaften : dort braucht man
nur zuzugreifen, es ist alles echt u id autochthon, während man
hier zu Lande auf allerlei Unterschiebungen fremdländischer Ideen
gefasst und stets auf der Hut sein muss.
Ich habe m^ine Arbeit in 3 Kapitel geteilt :
I. — Die Verwendung des Bambus in Alt-Japan.
II. — Die Verwertung des Bambus als Kunst- und Dekora-
tionsmotiv.
III. — Neue Verwendungen des Bambus für Export- Artikel
u. s. w.
Jedes dieser Kapitel musste wiederum in Unterabteilungen zerlegt
werden, um eine geordnete Uebersicht zu gewinnen.
Zuerst ist es wohl am Platze, die Werkzeuge und Materialien
etwas näher zu betrachten, welche für Bearbeitung des Bambus
zur Verwendung kommen.
I.
DIE VERWENDUNG DES BAMBUS IN ALT-JAPAN.
1. — Werkzeuge und Materialien zur Bearbeitung
des Bambus.
Für industrielle Zwecke, besonders für feinste Geflechtsarbeiten
übertreffen Madake und HacJiiku alle anderen Bambusarten an
Brauchbarkeit, da sie von stärkerem und doch gleich biegsamem
Holze sind ; indessen finden auch alle übrigen Sorten ausge-
dehnteste Verwendung; für allerlei gerin<jere Bedürfnisse. Erst
122 II. SI'ORRV, \"ERWEXnUXG DES BAMRUS.
bei Stämmen im Alter von 3 Jahren und darüber ist das Holz
in der richtigen Härte, während iojähri<je schon nicht mehr
industriell \'cr\vendbar sein sollen. Die richtige Zeit zum Fällen
des Bambus ist vom Spätherbst bis zum Februar, indessen wird
er für alltägliche I^edürfnisse zu jeder Jahreszeit gehauen ;
dergleichen unreife Rohre sind aber dem W'urmfrass und dem
Springen unterworfen. Das Holz kann sofort verarbeitet werden,
aber auch langes Lagern schadet ihm nichts ; je nach der
Verwendung ist die Behandlung eine verschiedene, mehr oder
weniger sorgfütige. Für geringe Geflechte und alltägliche Zwecke
werden die Rohre ohne weiteres gespalten und verarbeitet, flir
bessere und beste Zwecke werden sie nach dem Fällen entweder
über das Feuer gehalten und das ausschwitzende Oel abgewischt,
oder man legt sie in frisches Wasser, wobei das Fett sich
absondert und wie Rahm obenauf schwimmt, oder endlich "es
werden die Knoten ausgesägt, die Internodien gevierteilt und
diese Stücke 30 Tage lang in Sonne und Regen liegen gelassen.
Alle diese Verfahren sollen das Holz vor Wurmfrass schützen.
Eine detaillierte Schilderung der verschiedenen Behandlungsarten
würde hier zu weit fiihren, im allgemeinen ist folgendes hervor-
zuheben :
Gewöhnlich wird das Bambusrohr mit nassen Strohwischen
(mit Weizenspreu Rh' bes.sere Zwecke, z. B. Zäune, kakine) und
Sand gefegt, mit Messern geschabt und bei feinerer Ausarbeitung
vermittelst Fischhaut, Schachtelhalm [tokusd) und J^/Zv^-Blättern
geglättet. Zum Beizen : in hellgelblicher Nuance wird der Saft
der Gardenia-Früchte verwendet, zum Schwarzfirben : ELsen-
vitriol {i'oha), zum Polieren : Pflanzenwachs ; ausserdem kommen
noch helle und dunkle Lacksorten zur Anwendung. Durch
Einbrennen werden oft hübsche Effekte erzielt.
Durch blosses Erwärmen über dem Jnhachi, nötigenfalls
unter Anwendung von etwas Fett, können bis zweifingerdicke
Rohre beliebig gekrümmt und gebogen werden. Auf diese Art
werden Schirm- und Spazierstöcke, Fischruten, Zaunstecken und
dergl. von blosser Hand oder vermittelst eines Richtholzes
gerade gedrückt. Stärkere Rohre werden mit Stricken und
durch Einklemmen zwischen starke Holznägel in der gewünschten
Form gehalten, bis das Rohr erkaltet ist und dann nicht mehr
reagiert. Nach dem gleichen I'rlnzip, vermittelst Erhitzung durch
Fett, werden die flachen Theebretter herge.stellt. Li ein dickes
Rohrstück wird ein Längsschnitt gemacht, sodann wird es
II. SPORRV, VERWENDUNG DES CAMBUS. I 23
auseinander gebogen und flach geprcsst. Während die harte
Oberhaut des Bambusrohres die feinsten Schnitzereien treu
bewahrt, eignet sich seine Innenfläche zu einer noch auffäUigeren
Behandhuig. Ganz nach Art des Radierens können vermittelst
SJiosaii (Salpeter-Säure) und Wachs allerlei Bilder darein geätzt
werden.
Wie bei anderen Handwerkern und Künstlern auch, sind die
Werkzeuge und Einrichtungen der japanischen Bambus-Tischler
und Flechter recht einfache. Hobelbank und Schraubstock sind
unbekannt ; zu diesem Zweck gebraucht der Mann seine Beine und
Füsse, und die wenigen Werkzeuge, Säge, Hobel, Stemmeisen,
Zieheisen, Stichel, wenn auch nicht unzweckmässig, müssen
doch im Vergleich zu unseren vollendeteren Instrumenten als
primitiv bezeichnet Averden. Soviel ist sicher, dass die Werkzeuge
und die Einrichtung des japanischen Bambusarbeiters weit weniger
bewundernswert sind als die persönliche Geschicklichkeit des
Mannes, der mit so einfachen Hülfsmitteln so vollendet schöne
Arbeiten zu liefern vermao-.
2. — Bambus im öiientlichen Leben und Yerkehr.
Auch demjenigen, der sich für Bambus nicht speziell in-
teressiert, drängt sich seine vielfache Verwendung im öffentlichen
Leben und Verkehr unwillkürlich auf, er kann kaum vermeiden,
Notiz davon zu nehmen. Ich erinnere an die 30-40' hohen
Flaggenstangen, an denen die Reklamen von Theatern, Schaubu-
den u. s. w. ausgehängt sind, an die mächtigen Rohre, an welchen
am Tango viatsuri (5. Mai) 2-5 Meter lange hohle Papierfische
{Jioi) in der Luft schwimmen, sowie an all die Fahnenstangen
der Prozessionen und Umzüge aller Art. Aber der Bambus
dient viel wichtigeren Zwecken. Strassen und Wassern entlang,
wo Rutschungen entstanden oder befürchtet werden, bilden
eingerammte Holzpfahle und darüber geflochtene oder auch nur
dahinter gelegte 3-4 cm dicke Bambusrohre die Schutzwehren.
Werden beim Anschwellen der I-^lüsse Uferstücke herausgerissen,
so wirft man zuerst ganze Bambus in die Lücken, um weiteres
Nachreissen zu verhindern, dann kommen Faschinen und Flecht-
werk wie oben beschrieben. Um bei starken Plusswindungen
den Anprall der Wasser abzuschwächen, auch um flache
Uferstrecken zu schützen, werden 30-50' lange, weitmaschige.
124 H. SrÖRRV, VERWENDUNG DES BAMBUS.
Starke Geflechte aus Bambusspähncn mit i^roljcn Geschiebsteinen
gefüllt und aufeinander gescliichtet : der Japaner nennt sie ganz
zutreffend ja /{'rt^'-ö = Schlangenkorb. Auch werden aus Holz-
balken eine Art Widerböcke konstruiert, die mit Bambuslamellen
gebunden und mit schwereren Steinen, auch mit kleineren ja
kago belastet sind. An Abhcängen und Abgründen vorbei
bilden oft l^ambusstangen die Schutzgeländer, über kleinere
Schluchten und Plüsse führen improvisierte Stege aus langen
Rohren, mit Flechtwerk \erbunden und mit Erde bedeckt ; auch
hölzerne Stege sind oft mit Bambuslamellen gebunden. In
Yanioio über einen Nebenfluss des Yodogaiva fand ich eine
ebenso primiti\'e wie praktische Brücke, die, wenn weggerissen,
in kürzester Frist wieder erneuert werden konnte. Auf je ca. lO
Schritt Distanz waren etwa 6' hohe und 5' breite starke, runde
Bambuskörbe v'oll grosser Geröllsteine aufgestellt und darauf
zwei starke Bretter neben einander gelegt, die eine ganz bequeme
und solide Passage für P'ussgänger bildeten. In Mitrray s Hand-
book lese ich, dass die berühmte tsnri basJii über den Fiij'ikazva
(bei Omiya) aus starken zusammengedrehten Bambusseilen und
quer darüber gebundenen ^-7' langen Bambusrohren bestehe.
Ich selber bin unter dieser Brücke durchgefahren, aber leider
bei so abscheulichem Wetter, dass ich mich nicht aufhalten
konnte, um die Sache näher anzusehen.
Für Warcntransport zu Wasser und zu Land, auf Schiffen,
Wagen und Pferden, auf dem eigenen Rücken oder auf Achseltrag-
stangen liefert der Bambus unendlich mannigfaltige Hülfsmittel :
runde und eckige, grosse und kleine, offene und gedeckte,
weitmaschige oder enggeflochtene Körbe dienen zum Transportieren
von Gemüsen, Cocons, Seide, totem und lebendem Geflügel,
getrockneten Fischen, trocl<:enen Waren überhaupt und nicht
am wenigsten auch von Reiseeffekten. Sake wird in kübelartigen,
mit starken Bambusreifen gebundenen P"ässern versandt. Nicht
zu vergessen sind die yavia kago, Tragsessel, sowie die sudarc
an den norinion.
Dem japanischen Theater liefert der Bambus eine nicht
geringe Anzahl von Ausrüstungsgegenständen wie Coulissen,
Schwerter, Lanzen, Larven. In einem Marionettentheater sah
ich halbierte Bambusinternodien als Bühnenlami)enschirme.
Gar nicht selten werden hübsch belaubte ]^:mibusstämme als
stattliche Dekoration verwendet; in der Ballade ,,Toiiii uioto'-''
ist die begleitende Musik sogar ,, Bambusrauschen " genannt.
H. SPÖRRY. VERWENDUNG DES BAMBUS. 12$
Bei allen öffentlichen F"esten spielt der Bambus eine mehr
oder weniger wichtige Rolle. An Neujahr sind es namentlich
die kadomatsii oder kazari (Bambus mit Fichtenbäumen) vor den
Häusern, dann die Neujahrsgeschenke selbst, vielfach in Bambus-
körbchen überreicht oder aus Bambus verfertigt, wie die ogi, oder
doch mit Bambus, meist aber mit der Dreieinigkeit aller Glücks-
symbole, dem sJio chikiL bai (Fichte, Bambus und Pflaumen-Blüte)
dekoriert. An Tempelfesten werden belaubte Bambusstämme
mit Papierstreifen und buntem Zierat aufgepflanzt, in der Provinz
JosJiiu findet man vor jedem Theehaus solche dem durstigen
Wanderer weithin sichtbare Rettungsanker.
Tagfeuerwerke, darin die Japaner besonders exzellieren, werden
aus mit faustdicken Bambusringen gebundenen Holzkanonen
abgeschossen u. s. w. Bei heftigen Erdbeben flüchten sich die
Einwohner in die Bambushaine, weil deren starkes Wurzelnetz
das Spalten des Bodens wenn nicht unmöglich, so doch weniger
gefährlich macht.
3. — Bambus in Haus und Hof und Garten.
Es ist, oder war eine in Europa nicht wenig verbreitete
Ansicht, der Japaner baue sein Haus aus Bambus ; das ist
im höchsten Grade unrichtig. Menschliche Wohnstätten, ganz
aus Bambus hergestellt, gibt es keine in Japan, selbst zum
elendesten Notdach für Vieh und Feldfrüchte wird Holz als
Hauptrahmen verwendet. Diebe und andere gesetzesscheue
Leute errichteten einst in den Bergen Zufluchtshütten aus
Bambusgeflecht ; dergleichen Konstruktionen können indessen
nicht als „ typisch " angeführt werden. Bei einem so kunst-
fertigen Volke ist auch gar nicht zu erwarten, dass es, gleich
Wilden, als Hauptmaterial den bequemen Bambusstamm benütze,
mit welchem schliesslich nur Hütten, aber keine Bauten hergestellt
werden können, die den doch ziemlich vielseitigen Ansprüchen
des Japaners an seine Häuslichkeit zu genügen vermöchten.
In einem volkstümlichen Liede heisst es allerdings :
Take HO HasJdra ni
Kaya no Yanc
(die Stützen von Bambus, das Dach von Binsen), um das Bild
tiefster Armut zu zeichnen ; dazu erhält man aber die Aufklärung,
dass dieses nur als poetische Wendung aufzufassen sei, indem
120 H. SPÖRRY, VERWENDUNG DES BAMBUS.
niemand in Japan so miserabel wohne. Bambus spielt beim
Hausbau eher eine untergeordnete Rolle. In Bauernhäusern
wird bei Strohbedachung das Dachgerippe häufig aus Bambus-
stangen gemacht, über Schindeldächer (die Schindeln sind mit
Bambusnägeln befestigt) werden oft Bambuslatten genagelt;
dagegen sind hohlziegelartig verwendete Rohrstücke nur als
eine seltene Ausnahme etwa auf kleinen Anbauten zu sehen.
Ein leichtes Bambusgitterwerk dient als Unterlage für den Putz,
und über die Lehmwände sieht man oft Bambusgeflechte aus
starken Lamellen oder halbfingerdicken Rohren genagelt, oder
auch eine Umschalung aus starken halbierten Stämmen oder
breitgequetschten jungen Rohren, zum Schutz gegen Sonne
und Regen ; mitunter sind auch die (Lehm-)Hauskanten durch
Bambusrohre geschützt. An kleineren Bauten sind die Dachrinnen
recht häufig aus Bambus. Im übrigen kommt letzterer mehr
als gelegentliche Verzierung zur Anwendung, so als tokonouia
HO hashij-a, Türgerichte, Zimmerdecken, Gitterwerk in Zuglöchern
{raimna) Fenstern und Türen, sodann als Schüttboden in der
Küche und beim Wasserbecken des Abtrittes, aus besonderer
Liebhaberei auch etwa als Verandaboden und unter derselben
als Schutzwehr gegen Plühner, Katzen und Hunde. Schwere
Schiebtüren sollen besser glitschen auf Bambusschienen.
Was man im Hofe unmöglich übersehen kann, das sind die
entweder an Schnüren dem Haus entlang aufgehängten oder
auf besonderen Gestellen aufgelegten Wäschestangen. Im
Geflügelhofe sodann, der selbstverständlich aus Bambusstangen
gemacht ist, befindet sich ein Hahn in Einzelhaft ; man hat ihm
einen weitmaschigen hohen Korb angewiesen, damit er beim
Krähen sich auch ordentlich strecken könne ; unter einem runden
niedrigen Korbe ist die Schar der Küchlein vor der Katze
sicher gestellt. Die Umzäunung ist fast immer Bambus, gibt
es doch kaum ein Material das zu diesem Zwecke geeigneter
und billiger wäre. In Städten allerdings sind die kleinen Höfe
von hohen Holzwänden umgeben, in denen aber sehr oft Bambus-
rohre eingeschoben sind. Auf solchen Einfassungswänden sieht
man als Schutzwehr schräg geschnittene gekreuzte Rohrstücke,
die so spitzig, scharf und hart sind wie eiserne Nägel oder Messer.
In der Konstruktion der Bambusumzäunungen, worüber
besondere Lehrbücher existieren, trifft man im Grunde keine
grossen Variationen, es sind immer wiederkehrende Geflechtsarten
und Formen, etwas höher oder niedriger, enger oder weiter, im
n. SPORRV, \"ER\VENi:)UNG DES BAMBUS. \2J
Prinzip aber dasselbe. Die Hauptpfostcn sind immer Holz. Im
Inlande sind lebende Hecken gebräuchlich, oft lO Fuss und mehr
hoch, durch Querstangen und Strohseile zusammengebunden.
In der Ebene bedient man sich der Sodbrunnen, aus denen
das Wasser im Kübel heraufgeholt wird, entweder am Bastseile
über eine Rolle, oder vermittelst einer langen Bambusstange,
/.y?/;7/^r — Storchen hals genannt. In den Bergen aber weiss man
sich die Sache bequemer zu machen. Gute Quellen werden
aufgefangen und in Bambusrohren über Schluchten und Fluss-
bette, an Abhängen und Mauern entlang, ober- und unterirdisch
zu Tal geleitet bis in die Küche hinein. Diese Rohre, einfach
in einander gesteckt und etwa mit Bast verstopft, an Biegungen
des Wegs in Holzklötze, auch Steinblöcke eingelassen, sind eine
ungemein zweckdienliche und billige Leitung und müssen nur
ungefähr alle 3 Jahre erneuert werden.
Die Bohrung dieser Leitungsrohre , geschieht vermittelst
472 ni langen Eisenstangen, daran ein spitzer oder schart-
kantiger runder Kolben sitzt; damit Averden die Knotenwände
durchgeschlagen. Im Hakonegebirge und andern Ort^n werden
auf diese Art stundenweit Schwefehvasser hergeleitet, die so
heiss sind, dass man die Hand nicht hineinstecken kann, und
diese Rohre bewähren sich hierfür vortrefflich. In Gärten werden
vermittelst solcher Leitungen allerlei Wasserspiele eingerichtet.
4. — Hausrat und Küchengerätschaften.
Obschon im Hausrat und unter den allgemeinen Bedürf-
nissen der Japaner eine ganze Menge Gegenstände aus Bambus
angetroffen werden, so wäre es doch unrichtig zu glauben, dass
solche nur aus Bambus gemacht werden können. Die weitaus
grössere Zahl findet sich gleichzeitig aus verschiedenen andern
Materialien im Gebrauche, dagegen wird eben Bambus vorgezogen
aus Billigkeits- und Bequemlichkeitsgründen und nicht zum wenig-
sten aus besonderer Vorliebe. Unter dem, was man als Hausrat
bezeichnen kann, erwähne ich : Lesepult, allerlei Etagereartige
Gestelle, Wandschirme {bioöii^ tsuitate), Handtuch- und Kleider-
halter, Spiegelgestell, Abstauber, Fliegenklappe, Rattenfalle,
Leuchter und Kerzenstöcke, natsu-niakura (Sommerkopfkissen)^
kivashibon (Kuchenschalen), Nähkästchen nebst Fadenkörbchen
und Wickel, Vogel- und Käferkäfige.
128 H. SPÖRRV, \ER\VENDUNG DES BAMBUS.
Besondere Erwähnung verdienen die Blumenvasen ; darin ist
ein Formen- und Ideenreichtum vorhanden, der jeder Beschreibung
spottet.
Abgesehen von der allgemeinen Einteilung in tsuri Jiana ike,
kake bana ike und täte hana ike zum Freiaufhängen an Schnüren
oder Ketten, zum an die Wand Hängen, zum Stellen, wofür
wieder besondere Blumenvasentische erforderlich, sind zu unter-
scheiden : aufrechtstehende Rohrvasen aus Internodien, entweder
ganz glatt, oder mit Inschriften und Bildern geschnitzt, Rohr-
vasen mit bestimmten nach den Regeln des Ikebana vorgeschrie-
benen oder auch sinnbildlichen Ausschnitten, wie z. B. sho
cJiiku bai oder setsiigekkiua (Schnee, Mond und Blüte). Es
gibt mindestens 20-30 solch verschiedener Ausschnitte und
ebensoviel verschiedenartige Rohrvasen in Schiffsform.
Die Geflecht- Vasen sind meist von tadelloser Arbeit und oft
klassischer Form, es werden auch solche in Gestalt von Krebsen,
Insekten u. s. w. hergestellt. Die Wasserbehälter in den Ge-
flechtvasen bestehen in der Regel aus einem Rohrabschnitt.
Auf dem Ilau-saltar und für den Ahnen- und Götterkultus
überhaupt habe ich folgendes aus Bambus gefunden :
Statuetten des Shaka inuni, buddhistische Tempelchen (sushi),
Weihrauchbüchsen {kord), Blumenvasen {butsii no hana ike),
Räucherkerzenrohr {senko tsutsii), iniki kiiclii, blattförmiger
Schmuck der Sake-Fläschchen, Opferbüchse {saisen tszitsu), aki oder
kainihashi Schalen und Stäbchen für Opferreis, Amulette {inamori),
iniki tarUy Sake -Fässchen, sodann in allen Tempeln die unent-
behrlichen uiisii, Vorhänge aus feinsten Bambusstäbchen.
An Küchengerätschaften im allgemeinen finden sich eine
unendliche Reihe von Gegenständen aus Bambus gemacht :
Kochkesselträger (Jizai), Kellenständer {benkei), allerlei Geflecht-
waren und Siebe, Fisch-, Obst-, Gemüse- und Kohlenkörbe,
Speisendeckel, Reis- und Feuerfächer, Blasrohr, Geschirrputzer,
Servierstäbchen, Löffel, Fischspiesse, Wasserschöpfer, Daikon-
hobcl, sodann Essstäbchen nebst Lager, Gewürz- und Zahnstocher-
büchsen u. s. w. Wenn fast alle diese Bedürfnisse unter die
gewöhnliche billige Machenschaft rangieren, so sind dagegen fast
alle Gegenstände, die für Thee und Sake bestimmt sind, Ess- und
Trinkgeschirre überhaupt, mit einer gevvi.ssen Eleganz und
Vollendung au.sgearbeitet, ja gar nicht selten von wirklich
künstlerischem Wert.
Für Sake erwähne ich : tsitno tarn und yanagi tarn, wie sie
H. SPORRV, VERWEXDL'NG DES BAMI5US. 1 29
gefüllt als Hochzeitsgeschenke überreicht werden. Kleine
Fässchen oder Flaschen (einfach ein Bambusinternodium) für
aufs Feld und auf Reisen, Tässchen, Spühlbeckengcstelle und
Unterlagen für Flaschen und Tässchen, Zapfen u. s. w. Für
Thee- Service ist alles noch viel reichhalti";er infolge der
endlosen Vorschriften und Abwechslungen des cJia no yn. Da
findet man alle denkbaren Formen von Theebrettern, aus Wurzel -
oder Stammstücken, ganz aus Geflecht oder aus irgend einem
Material mit Geflechtüberzug, sodann Wassergefasse, Theekannen
und Tassen nebst Unterlagen, Theerestensammler, Spühlbecken,
Büchsen für Thcepulver und Blätter, cha saß nebst Futteralen,
Theeröster, Siebe, Kluppen, Deckellager und Spielmarken. Daran
reihen sich gar nicht aufzuzählende Arten von Kuchenbecken
und Schüsseln, Proviantkörbchen und Büchsen {bento) für Aus-
flüge und ins Theater. Ein anschauliches Bild all dieser
Erzeugnisse in Worten zu entwerfen ist unmöglich, nur durch
Besichtigung einer geordneten Sammlung kann man sich einen
richtigen Begriff von der unendlichen Ausnutzung des Bambus-
stammes machen.
5. — Allgemeine Gebrauchsgegenstände.
Für Kleidung und Zubehör spielt Bambus gar keine so
unwichtige Rolle, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.
Der Hut aus Bambus war nicht nur für die unteren Klassen die
vorwiegende Kopfbedeckung, sondern auch im Priester- und
Kriegerstande recht häufig. Das Gestell für Regen- und Sonnen-
schirme, Blatt- und Faltfacher, sowie für die dutzenderlei Laternen-
arten war immer Bambus, während dagegen Sandalen aus take no
kawa, Hüllblättern oder Bambusholz zu den Ausnahmen gehören,
ebenso eine Art Unterfilet, das von sendo und Reisenden getragen
wurde {ase tori). Neben Kleidermappen nenne ich noch Auf-
steck- und Staubkämme, Haarpfeile, Puderpinsel, Zahnbürsten,
Stöcke, Reitgerten, Ballfänger, etc.
An blossen Nippsachen {pkiinond) i.st der Haushalt des
Japaners ziemlich arm, um so schöner und kunstreicher gestaltet
er die Gegenstände, die wirklichen Bedürfnissen entsprungen :
inro, Tabakbeutel und Büchsen, Tabakpfeifen, und Futterale
{tabako boji) mit Fidibus. Ueberall ist Bambus anzutreffen, ganz
besonders auch bei den Schreib- und Malutensilien : Pinsel,
Linienzieher, Zirkel, Lesestäbchen, Buchzeichen, Pinselständer,
130 11. SPÖRRV, XKRWENDL'XC} DES BAMBUS.
Stcmix-l, Tuschbcckcnlager, Scrcen, Tuschhalter, Wasscrkännchcn,
tra<;ban,^ Schreibzcugc {yatatc), Notiztafehi, Papier-, Brief- und
Schreibzeugschachtehi, Papierhaltcr und Klammern. Sodann sind
seit alter Zeit die Massstäbe {kujira sas/ii, claikiisaii sashi. tabi
Säs/ii) u. s. w. aus Ikmbus gemacht worden.
An Musikinstrumenten sind in eister Reihe die Blas-
instrumente zu nennen: das i7rohrige s//c?, das schon von den
Göttern gespielt wurde, die j/oko fiic, sliaku Jiachi, Jiichi riki, bis
hinunter zur Masseurpfeife, sodann die i-3saitigen koto, ichi, )ii,
sau yen kin, das kokiii, eine Art chinesische Fiedel, Windspiele
(/;/ rill), Bratschen, nicht zu vergessen die leichten und eleganten
Saitenstege. Im allgemeinen darf wohl gesagt werden, dass die
japanischen Musikinstrumente bedeutend schöner sind als die,
damit verursachte Musik.
Die Japaner sind recht erfinderisch für die Belustigung und
Unterhaltung der Kinder ; eine Menge meist ausserordentlich
billiger, jedoch gefälliger und komischer Spielwaaren legen
Zeugnis dafür ab. Als ganz oder teilweise aus Bambus gemacht
habe ich darunter folgendes gefunden :
Steckenpferde, Stelzen, Springreifen, Drachen, Bohnen-
schleuder, Spritzen, Flöten, Pfeil und Bogen, Schwerter,
Käferkäfige, Schwirbel {tombd), Hampelmänner, Blasrohr nebst
Papierpfeilen mit Bambus-Spitze, Ballfänger, Kreisel, Pfeifen und
Rohre zum Nachahmen von Vogel- und Tierstimmen u. a. m.
Auch der \yeniger harmlose Würfelbecher ist aus Bambus
hergestellt.
6. — Waffen und Geräte.
An eigentlichen Kriegswaffen wurden bloss Bogen und Pfeile
vornehmlich aus Bambus gemacht, dessen hartes imd dennoch
leichtes und biegsames Holz wie geschaffen zu diesem Zwecke
ist. Zu Bogen wurde fast ausschliesslich hachiku mit einer
Zwischenlage von kiiiva benutzt, zu I*feilen dagegen yadake,
woher letzterer wohl seinen Namen hat. Köcher und Kriegs-
hüte sind oft aus Bambus gewesen, aber häufiger aus Holz, Leder
oder Papier, ebenso selten waren Schwert- und Dolchscheiden
und Schwertlager. Der Schwertstift {jiichtgi) war fast immer
Bambus, besonders berühmt hiefür war das Holz aus dem
Yaviato take no Yabn bei Kyoto. Standarten und Fahnen-
stangen waren wohl immer von Bambus, dagegen ist mir bis
jetzt noch nicht bekannt geworden, dass für Kriegslanzenschäfte
II. SPÖRRV, VERWEN'DUN'G DES RAMBUS. I3I
anderes Material denn schwere und harte Holzarten benutzt
wurden. Der takc-yari = Bambusspiess ist die eigenthche "Bauern-
waffe, die bei keinem Aufruhr gefohlt hat. Es ist einfach ein
starkes Rohr, vorzugsweise Hachikii, dessen schräg und scharf
zugeschnittene Spitze metallhart gemacht wird, indem man sie in
Oel taucht und dann in heisse Asche steckt. Arf Bärenjagden
u. s. w. wurde auch irgend eine Eisenklinge eingeRigt. Bambus-
schwert {shinai) und Brustpanzer {do) dienten nur zu Fecht-
übungen. Aus Bambusfaser gedrehte Stricke dienen heute noch
als Lunten, schon Kämpfer erwähnt diesen ,, Bambuszunder ",
wie er ihn auch nannte. Dass zu allerlei Kriegsgeräten, wie
Pallisaden, Brustwehren, Sturmleitern, Fackeln u. s. w. Bambus
ein vorzüglich geeignetes Material lieferte, ist selbstverständlich.
Zum Transport von gefährlichen Gefangenen oder Ver-
brechern benutzte man früher starke Bambuskäfige oder den
kubi~iva, einen offenen eisernen Halsring, dessen gerad verlängerte
P^nden vermittelst Stricken durch ein mehrere Fuss langes
Bambusrohr gezogen waren. Zur Bestrafung von Dieben und
Erzwingung von Geständnissen spielte die Bambusrute eine
gefürchtete Rolle. Im Gefängnis zu Nagasaki erhielten zu
Kämpfers Zeit die Gefangenen Bambusnadeln zum Nähen ihrer
Kleider, da ihnen alle eisernen Werkzeuge verboten waren.
Landii irtscJiaft.
Für seine Kulturen im Felde verwendet der Japaner den
Bambus in mannigfachster Weise. Frisch besäter Boden wird
mit Bambuszweigen umsteckt zur Warnung vor Betretung,
vorgerücktere Kulturen werden mit einer provisorischen Bambus-
hecke aus fingerdicken in den Boden gesteckten und mit
Strohschnüren verbundenen Ruten vor Hunden und Hasen
geschützt. Mitten im Felde hängt er eine alte Papierlaterne als
Vogelscheuche auf, auch Strohmänner mit grossen Bambushüten
werden zum gleichen Zwecke errichtet. In Reisfeldern ward
an hohen, durch Seile verbundenen Stangen eine Art Rassler
in Bewegung gesetzt zum Verscheuchen des auch in Japan
frechen Spatzenvolkes. Als Stützen für Pflanzen, Querstangen
für Baumreihen, Spaliere, zum Gradziehen von Aesten und
Zweigen, als Bogen und Windungen von Zier- und Schling-
pflanzen, Bohnenstangen, Schutzdächer für besonders empfindliche
Pflanzen und dergleichen ist Bambus ein ungemein geeignetes
132 U. Sl'ÜKKV, VEKWENDUNU DES ]!AMBUS.
und vielgebrauchtes Material. An l^auernwerkzcugen und
Geräten sind hervorzuheben : Hütten und Tragkörbe {7/ic und
slioi-kagd), Laub- und Grasrechen, Frucht\vannen (//«'), niamc
/{v/{7 = ein grober Kamm zum Pflücken der Bohnen, 110 uclihua,
ein doppeUcr, zweihändiger Fächer zum Kornputzen, wenn kein
Wind geht; auch der kiiro ;77w = Dreschflegel ist mitunter, aber
selten, ganz aus Bambus. In KosJdii habe ich gesehen, dass die
Pferde im Reisfeld anstatt am Zügel aus Hanf oder Leder an
einem Bambusstecken geführt werden.*
Vieles von dem Obengesagten bezieht sich natürlich auch
auf die ,, kleine Landwirtschaft", die Gärtnerei. Allerlei P2in-
fassungen, Stützen und Spaliere werden da aber zierlicher und
künstlerischer gemacht. Li Yasliiro (Shinshiu) habe ich eine
solche Einfassung gesehen aus Liternodien dicker Rohre, die in
den Boden gesteckt genau aussahen wie die Beeteinrahmungen
aus umgekehrten Selterswasserkrügen in unseren Gärten. Im
Anbringen von Gartenhäuschen, Lauben, Nischen, Zierwänden,
Durchgängen und dergleichen ist der Erfindungsgeüst der Japaner
unerschöpflich. Dass in den meisten Gärten ein hübscher
Bambusbusch steht, ist selbstverständlich, sogar in Töpfen zieht
der Japaner nach seiner berühmten Kunst Zwergbambus, oft
nicht höher als Schnittlauch.
Fischer, Schif/cr, Flösscr.
Der P'ischer ^veiss wohl die Vorzüge des Bambus besonders
zu schätzen, denn nicht nur in Haus und Hof dient er ihm,
sondern liefert ihm auch die Hauptgeräte zu seinem Gewerbe.
Ich will nicht einmal reden vom berufsmässigen Fischer, der mit
Schlepp- und W'urfnetz, mit grossen viereckigen Aushängenetzen
aus Bambus {siidare), mit grossen und kleinen Reusen oder der
zwei-, vier- und mehrzinkigen Gabel an langer Bambusstange auf
den Fang auszieht, aber vom passionierten Fischer, und fast jeder
Uferbewohner in Japan ist das, der mit seinem unvergleichlichen
Bambusrohr, der geborenen Angelrute, Familie und Gewerbe
vergessend tagelang im glühenden Sonnenbrand allen Wassern
entlang kauert, um auf seinen Lieblingsbissen zu passen.
Bemerkenswert ist, dass die zusammensetzbare Fischrute sich
besonderer Gunst erfreut, da man sie ins Haus hinein nehmen
und somit vor dem Weggenomm.enwerden sicher stellen kann.
* (Geschieht nur bei bissigen Pferden.)
H. SPORRV, VERWENDUNG DES DAMBÜS. 133
•Gefangene Fische werden in zierlicli kleinen bis riesengrossen
bauchigen Bambuslcörben im Wasser aufbewahrt. Wenn Ebbe
eintritt, so wimmelt es am Strande entlang von Jung und Alt,
die Krebse, Austern und was sonst herum liegt oder kriecht in
Bambuskörbchen sammeln ; es gibt kaum einen Meeresbewohner,
sei es Krabbe, Qualle oder Fisch, den der japanische Gaumen
verschmähen würde. Grössere Fischnetze werden mit Bambus-
nadeln gestrickt, wobei 20 verschiedene Maschenstege {avii no
ko'iud) benutzt werden. Auch die Schnurwickel sind meist aus
Bambus. Mastbäume, Ruder oder Ruderstangen aus Bambus
habe ich keine gesehen, immerhin mögen in ganz kleinen Booten
mitunter solche Masten vorkommen. An Djunken ist oft eine
Art Stulpe aus Bambus vorgebunden, um beim Anstossen das
Schiff weniger zu beschädigen. Im Hafen von Atsnta (Nagoya)
sah ich Notladen, die aus Bambusstangen mit dicken Strohmatten
dahinter bestanden ; auf den nämlichen Schiffen waren Schutz-
häuschen ganz aus Bambus errichtet. An den eisernen Anker
werden Bambusschienen gebunden, um ihn leichter über Bord
gleiten zu lassen. Als Stachel, mit eingetriebener und vermittelst
eines Eisenringes festgehaltener Holzspitze oder auch als blosses
abgeschnittenes Rohr wird Bambus sehr häufig benutzt, ebenso
zu Flösserhacken. Solche Stachel beugen sich zum vollendeten
Halbkreis, ohne zu brechen.
Hamhvcrk und Gr^vcrbc.
Das Handwerk der Schirm-, Laternen-, Korb-, Hut-,
Zaun-, Pinsel-, Besen- und Spielzeugmacher im einstigen
Japan wäre ohne Bambus beinah undenkbar gewesen. Im
heutigen Japan ist das nicht mehr so unbedingt der Fall.
Die leichteren Stoffschirme, die helleren Stearinkerzen und
Petrollampen, Lederschuhe, Bleistifte, Filz- und Strohhüte, eiserne
Umzäunungen, importierte Spielwaaren, Eisennägel und Draht-
stifte und so vieles andere haben sich einen grossen Teil des
japanischen Konsums für bleibend erobert. Auch die Küfer
haben herausgefunden, dass die guten, billigen Eisenbande, die
um englische Warenballen ins Land kommen, zum Binden von
Eimern, Kübeln und Badewannen viel bequemer und eleganter
sind als die .schwulstigen Bambusreifen. Ganz verdrängt ist
hier der Bambus aber noch lange nicht, besonders Sakefässer
sieht man imnier noch mit Bambus gebunden. Uebrigens
134 "• SPORKV, VERWENDUNG DES BAMBUS.
wurden seit ältester Zeit für Reiskübel Kupfer- und Messingreifen
verwendet. — Wagner, Schmiede, Schlosser, Giesser und Löter
haben l^anibus wolil kaum anders denn etwa als Werkzeugstiele,
Rohre am Blasbalg, Gestelle und dergleichen verwendet. Bei
Mauerern, Steinhauern, Dachdeckern, Zimmerleuten, Schreinern^
Drehern, Malern und Lackierern und Tapezierern findet sich
Bambus auf folgende Hülfsmittel beschränkt : Stiele und Hand-
haben an Werkzeugen, Futterale, Büchsen, Töpfe für Oelfarbe
und Schwärze, Massstäbe, Schreibzeug {yatate), Zirkel, Pinsel,
Streichmesser, Richtschnur {stiini sashi), Nägel, Packnadeln,
Kluppen, Stützen und Gerüststangen. Alle diese Gegenstände
sind indessen vielfach durch solche aus anderem Material ersetzt.
Steinquader werden statt auf Rollen oft auf Bambusspälmen
geschleift. Stempelschneider klemmen den zu gravierenden Stempel
in eine Bambushandhabe, ebenso Krystallschleifer den Stein ; ein
anderer machte sich die Elastizität des Bambus dadurch zu nutze,
dass er sie als federnde Kraft beim Marmorschleifen verwendete.
Bei Schneidern und Posamentern sah ich P'adenwickel, kleine
Spulen, Haspeln, Zeicjienmesser, Kleiderhalter aus Bambus.
Die Färber hängen nasse Garne an Bambusstangen, Tücher
dagegen werden zum Austrocknen und zum Bemalen mit beiden
Enden um ein Rohr genäht, angestreclct und dann in kurzen
Abständen mit vielen Bambusbogen {shinshi) gespreitzt, damit
sich der Stoff beim Trocknen nicht zusammenzieht. In kleinen
Handmühlen mit Bambusflügeln putzt der japanische Müller den
Reis, in schaufelartigen Körben {vii) wird er geprüft und
ausgelesen, in Standen gelagert und vermittelst des jogo, eines
Trichters aus Bambusgeflecht, in die Säcke gefüllt, deren Inhalt
beim Verkauf vermittelst Musterstecher d. h. mit einem zu-
gespitzten Internodium geprüft wird. In Kanalläufen findet man
Wasserrechen aus Bambus.
In der gesamten Seidenindustrie ist Bambus reichlich ver-
treten. Körbe zum lunsammeln des Maulbeerbaumlaubes und
der reifen Cocons, Tische zum Züchten der Würmer sowohl als
zum Töten, zum Transportieren und Lagern der Cocons, Masse
{itto und nittd) zum Handeln der Cocons. Am Spinnapparat
sind Fadenleiter, Haspelgriff, Abfallkörbchen zu verzeichnen,
in der Weberei (für Seide, Hanf und Baumwolle) verschieden-
artige Bobinen und Haspeln, zum Winden und Spulen,
Tretten ,, Geschirr " und Maillongewichte an den Jacquard-
stühlen, Zähne der Zettelrahme, alles aus Bambus. Besonders
H. SPÖRRY, VERWENDUNG DES BAMBUS. I35
hervorzuheben sind die vollendet gut gearbeiteten Weberblätter
(ossa) aus HacJiiku ; ein solches soll 50-100 Stücke @ 28 sJiakii
aushalten, ehe es repariert werden muss ; bei uns kann man
überhaupt nur mit besten Stahlblättern weben. Ebenso treffliche
Dienste leisten die Bambus -5// ^/rt/r für die Papierfabrikation, die
mit solchen Bambusstorren viel besser reüssieren soll als mit
Drahtsieben. Baumwollgarn wird von der Hand vermittelst
primitivster Bambushaspeln und Spindeln gesponnen. Porzellan-
händler prüfen ihre Ware durch Anschlagen mit einem Bambus-
stäbchen. Die Schäfte der Feuerleitern sind immer Bambus mit
Holzsprossen, die Feuerkübel sehr oft aus Bambusgeflecht, mit
Papier und Lack überzogen.
Beim Bohren eines Brunnens wird ein eisernes Rohr in die
Erde getrieben, daran Bambuslamellen, 4 cm breit, 72 cm dick,
60-70' lang, an einander befestigt werden; beim Herausziehen des
Bohrers wird dieser Bambusstreifen jeweilen auf einen mächtigen
Haspel aufgewunden.
Sowohl bei der festgesessenen als auch bei der ambulanten
Handelswelt, überall ist Bambus anzutreffen, und wenn es
schliesslich nur die Stäbchen am soroban sind.
Fisch-, Gemüse- und Kuchenhändler stellen ihre Waren
in flachen, runden und ov^alen Gelten mit Bambusreifen, in Kör-
ben und auf Unterlagmatten von Stäben oder Geflecht zum
Verkauf aus. Kleine Fische und gewisse Kuchen werden in
bestimmter Anzahl an kleinen Bambusspiessen verkauft. Nasse
und klebrige Sachen überhaupt, welche die Hände beschmutzen
könnten, werden in Körbchen oder sorgfältig in take no kawa
eingewickelt, Fische auch am Bambuszweig nach Hause getragen.
Theekrämer sortieren ihre Waren vermittelst grosser runder
Bambussiebe verschiedener Grösse, oder lesen sie auf gleichge-
formten Geflechttellern vermittelst Kluppen. In geringeren Thee-
häusern des Inlandes findet man mitunter Teller, Platten, Ess-
stäbchen, jedenfalls die Zahnstocherbüchse aus Bambus. Kupfer-
geld wird von Kleinkrämern in Bambuskörben und Rohrstücken
aufbewahrt, auch gibt es nicht zu öffnende Sparbüchsen aus
einem Bambusinternodium verfertigt. In der Jahresperiode
Eiroku (i 558-1 569) kursierte als Geld Goldsand in fingerdicken
Bambusröhren mit Holzzapfen {sha kin tsiitsii-irc) im Werte
von 10 ryo. ,
Die Zunft der Strassenfiguren floriert in Japan, Schuh-,
Schirm- und andere Flicker, Gemüse-, Blumen-, Orangen-, Fisch-,
136 H. SPÖRRY, VERWENDUNG DES BAMBUS.
Vögel-, Käfer-, Schildkrötenhändler, Verkäufer von Zuckerzeug
und Spielwaren, fahrende Köche, Bettelniönche, Wahrsager,
Bänkelsänger, Akrobaten, Masseure und andere Künstler lösen
einander unaufhörlich ab, jeder mit einem besonderen, ihm
eigentümlichen Rufen, Läuten, Rasseln, Singen, Flöten oder
Klappern sich ankündigend, und es ist keiner von allen, der nicht
in irgend einer Weise in seinem Berufe Bambus verwertete. Ein
ambulanter Koch bedient umständlich seine Kundschaft. Im
Bambustrichter zieht er Nudeln durchs siedende Wasser, schüttelt
sie in Becken, wo sie je nach Wunsch mit slioyu begossen oder
mit grünen Zutaten garniert werden, und präsentiert sie nebst 2
Bambus-Zjrtjr/// seinen Klienten: Kuli, Fuhrleuten, Magazinweibern,
alles für 2 Sen die Portion. Bettelmönche im riesigen Bambus-
hut machen mit traurigen, unmelodischen Tönen auf einem sJiaku'
liachi ihre Anwesenheit bemerkbar, Lumpensammler ziehen mit
Rückenkorb und Kluppe auf Beute aus, von Buben wird ver-
mittelst langer Leimruten auf Wasserjungfern und Fledermäuse
Jagd gemacht, und nachts stolpern blinde Masseure am Stocke
durch die Strassen und avisieren sich durch eigenartiges Pfeifen
(Bambuspfeife) u. d. m.
7. — Nahrungsmittel und Medizin.
Als Nahrungsmittel kommen in erster Linie die take no ko
des vwsucJiiku in Betracht. Diese Bambusart wird hauptsächlich
der Sprossen wegen kultiviert, jedoch werden auch Triebe von
madakc, Jiachikii u. s. w. gegessen. Moso weist die dicksten
Stämme auf, also auch die dicksten Sprossen, welche entsprechend
zarteres Fleisch haben. Dünne Triebe sind naturgemäss holziger
und w^erden nur im Notfall genossen. Take no ko gehören bei
Reich und Arm zu den Lieblingsgerichten und haben sich auch
in verschiedenen Zubereitungen einen Platz auf der europäischen
Tafel erobert. Die Erstlinge, die schon E^nde Januar auf dem
Markte erscheinen, werden teuer bezahlt, gewöhnlich werden
sie (zuerst in den riyo-ri-ten yadoyä) in kleinen Würfeln in der
Suppe serviert. Mit vorrückender Saison, im April, Mai sinkt
der Preis für Stücke von 2' Länge auf wenige Sen herunter.
Uebrigens haben die Japaner nun ihre take no ko in Form von
Konserven der ganzen Welt zugänglich gemacht. Es wird
behauptet, dass zu häufiger Genuss von take no ko eine Art
H. SPORRY, VERWEXDCXG DES BAMBUS. I37
Ausschlag im Gesicht erzeuge, weshalb viele Mädchen lieber
auf den Leckerbissen Verzicht leisten sollen. Es wurde mir
ferner erzählt, dass im Winter die Bauern, aus Not oder Spass,
sich Bambussprossen auf folgende Art verschaffen : über dem
Wurzelterrain wird ein nicht allzustarkes Strohfeuer angezündet,
die Erde also künstlich erwärmt, und, sagte mein japanischer
Gewährsmann, der take iio ko ouioimas (meint), es sei April,
kommt aus dem Boden hervor und wird ausgegraben, und dabei
lachte er unbändig über die zum Narren gehaltene Bambus-
sprosse und den schlauen Bauern. Die Sache macht allerdings
den Eindruck eines Aprilscherzes.
Im Volke herrscht der Glaube, dass, wenn der Bambus
blühe, in jenem Jahre die Reisernte missrate, Hungersnot eintrete
und dann Bambussamenkörner gegessen werden müssen. Gewisse
sasa-Kx\.Q.\\ tragen bisweilen Früchte, die von den Armen
gesammelt und gegessen werden, jedoch sehr schlecht schmecken
sollen ; im Aussehen sind sie wie grosse schwarze Weizen-
körner. Indessen ist Bambussamen so selten, dass er nicht als
japanisches Nahrungsmittel bezeichnet werden kann.'^
In Jos/du und SJänsJäu werden Pferde und Rindvieh mit
Sasc(!c>\k\Xftx\\ gefüttert, man sagte mir, dass sie nicht nur eine
von den Tieren gerne genommene, sondern auch ihnen zu-
trägliche Nahrung seien.
Medizin.
In japanischen Apotheken habe ich keine Arzneimittel aus
Bambus finden können, dagegen existieren allerlei Volks- oder
Hausmittel, die im Inlande im Gebrauch sind, wo keine Aerzte
vorhanden sind, oder wo vielleicht aus Vorurteil oder Sparsamkeit
keine solchen zugezogen werden. Die hervorragendste Rolle
spielt der takc no abura oder take no sJiibu, ein Oel oder Saft,
der auf die denkbar einfachste W^eise aus frisch gehauenem
Bambus, — solcher aus inadake soll der beste sein — gewonnen
wird. Das Rohr wird in fusslange Stücke zersägt, diese werden
gevierteilt und schräg über ein hibacJii gelegt, und der zischend
und brausend ausfliessende Saft wird in eine Tasse aufgefangen.
Dieses Oel wird nicht nur als schmerzstillend und heilsam für
Schürfungen und Hautkrankheiten sondern auch als innere
* Sog. Uli takc soll in Xippara, Kanagawa Ken, häufig vorkommen.
I3(S H. SPÖRRV, VERWF.XnUNG DES IJAMP-US.
Medizin i;-cnomnicn, z. B. von Lungcnsclnvindsüchtigcn [ros/io) ;
langjährig Leidende sollen durch solche Tränklein leichter zu
Atem kommen. Aus feinen Spähncn von grossem Bambus
wird auch eine Art Brustthee bereitet.
Weisse Würmer, wie Mehlwürmer aussehend, in altem
halb\'erfaultem Bambus vorkommend, gibt man kleinen Kindern
als Gegenmittel gegen Magenwürn-ier. Sie werden an ein
l^ambusstäbchen gesteckt, gebraten und so verabreicht. Grössere
Kinder, die wissen, was es i.st, essen sie nicht. Doch möchte
ich dieses nicht als ein Volksmittel sondern eher als ein Haus-
mittel bczeiclmen, als solches aber ist es verbürgt. Ueber die
sogenannten Gifthaare scheinen die Japaner nichts zu wissen. In
der chinesischen Apotheke in Yokohama fand ich drei Bambus-
medizinen : i). Blätter; 2). Holzspähne ; 3). tabasJiiru d.h.
beinah reine Kieselsäure aus alten Bambusstämmen. Alle drei
dienen, als Thee zubereitet, gegen Husten, Lungenleiden u. s. w.
Es soll noch eine ähnliche Arznei geben aus den nadelartigen
ersten Sprösslingen an den Zweigen.
Ich habe vielfach gehört, dass Bambus zu Arm- und
Beinschienen und für andere chirurgische Hülfsmittel benutzt
werde, konnte aber nie solche zu Gesicht bekommen.
Erwähnt mag dagegen werden, dass das bohito, das Schein-
schwert des altjapanischen Arztes, oft aus einem Stück Bambus
bestand.
II.
DIE VERWERTUNG DES BAMBUS ALS KUNSTMOTIV.
Um die Verwendung des Bambus in Japan vollständig zu
illustrieren, musste ich notwendig auch seine künstlerische
Verwertung zur Veranschaulich ung bringen. Eine so eigenartig
schöne, verehrte und symbolisch verklärte Pflanze, die dem
Menschen Nahrung, Kleidung und Obdach, Werkzeug, Schmuck
und Waffen liefert, die ihm auf Schritt und Tritt in irgend einer
Form vor Augen steht, musste selbstverständlich auch auf den
Künstler einen besonderen Reiz ausüben, insbesondere bei einem
so fein beobachtenden, kunstbegabten Volke wie das der Japaner,
das seine Motive so unmittelbar aus der Natur und ihren Er-
H. SPORRV, VERWEXDUXG DES BAMBUS. 1 39
scheinungen schöpft. Ein schöner Bambus wird nie dem Auge
des Japaners entgehen, und Auswüchse, Verkrüppelungen und
Naturspiele jeder Art fesseln seine Aufmerksamkeit erst recht,
auch weiss er sie immer entsprechend auszubeuten. Ich glaube,
dass Bambus von keinem andern Dekorationsmotiv an Beliebtheit,
Häufigkeit und Variation der Darstellung übertroffen wird, ja
vielleicht das bedeutendste ist. Ich habe es plastisch oder dekorativ
nicht nur in allen überhaupt zur Verwendung kommenden
Materialien, also Holz, Lack, Bein, Hörn, Elfenbein, Perlmutter,
Stein, Porzellan und Fayence, in allen Metallen und Geweben
und nicht zum mindesten in Bambus selbst angetroffen, sondern
in den Gegenständen meiner Sammlung auch den unanfechtbaren
Beweis niedergelegt, dass Bambus gleichwie als Nutzpflanze so
auch als Kunstvorwurf sich in allen Klassen des japanischen
Volkes derselben ungeteilten Beliebtheit erfreut, und dass da, wo
überhaupt noch eine Dekoration angebracht wird, stets auch
Bambus in irgend einer Form vertreten ist ; so fand ich es z. B.
sehr bezeichnend, dass sogar die Tuschstücke für die Schulkinder
die Form eines Bambusrohres aufweisen.
Die künstlerische Wiedergabe dieser merkwürdigen Pflanze
ist gar nicht eine konventionelle oder stereotype. So wie der
Zufall das Ganze oder einzelne Teile dem Auge des Künstlers
darbietet, so kopiert er sie, unbekümmert, ob es ein ganzer Busch
oder blosser Stamm, Zweig oder Blatt, Sprosse oder Wurzel
sei, ob im Wind, Regen oder Schnee gesehen ; er dreht sein
Objekt nicht, um eine möglichst günstige Seite zu treffen, im
Gegenteil, je verdrehter und abnormer der Anblick, umsomehr
Reiz hat das für ihn. Darin Hegt auch ein Grund, warum trotz
ihrer unendlich häufigen W^iederkehr die Bambusmotive fast
immer eine angenehme, erfreuliche, selten unschöne und nie
langweilige Dekoration bilden. Allerdings findet sich Bambus
mit gewissen Zusammenstellungen immer wieder, aber in der
Darstellung herrscht unumschränkte Freiheit. Die traditionellen
Motive stammen aus China und sind :
1. takc ni tora — Tiger im Bambusforst = Sinnbild der
Vorsicht.
2. Moso — eines der 24 Beispiele kindlicher Liebe aus
der Lehre des Confucius. Moso geht im W^inter
in den Wald, um für seine hungernden Eltern
140 H. SPORRV, VERWENDUNG DES BAMHUS.
]-5ambussprosscn unter dem Schnee hervorzu-
i;raben.
3. sJücIil kcii j'in =■ die 7 Weisen im Iximl^usliain.
4. viatsii, take, iimc oder shocJnkii bai, sodann
take iii surjitmc, Spatzen im ]>ambusliain.
,, ,, toj/ibo, Libellen und Bambus.
,, ,, niwatori, Hühner und Bambus.
,, ,. katixtsuiiiuri, Schnecke und Bambus.
,, ,, tsiiki, Mond und Bambus.
,, ,, kazc, Bambus im Sturm.
,, ,, avic, Bambus im Regen.
yuki take, schneebelasteter Bambus u. s. \v.
Aber nicht bloss als Pflanze an und für sich gibt der Bambus
dem Japaner eine unendliche Fülle von Anregungen, sondern
alles, was er daraus verfertigt, benutzt er unbedenklich sofort
wieder als Vorwurf. Das ist ja das Verblüffende in seiner
Kunst, dass der Japaner nichts sucht, sondern eben alles, was
er gerade sieht, zu verwerten weiss und nichts ihm dabei
zu unbedeutend ist. Um in summarischer Uebersicht auf die
Gegenstände überzucfehen, auf denen Bambus als Ornament
angetroffen wird, muss in erster Linie als das vornehmste Ei-
gentum des Alt- Japaners sein Schwert genannt werden. Auf den
tsuba, fitcJii kashira, iiicmtki und kodzuka findet man, ganz" abge-
sehen von der ins Unendliche gehenden Wiedergabe der
Pflanze selbst, so unbedeutende Gegenstände wie Fischerruten,
Brunnenstangen, P^ischkörbe, Vogelscheuchen, Reitgerten, Pil-
gerhüte, ja die grobgeflochtene Bauernhütte, alles noch so Un-
scheinbare mit einer Kunstvollcndung dargestellt, darüber wieder
ein eigenes Buch geschrieben werden müsste. luserne Panzer- und
Larvenschienen haben oft Bambusform. Li Bronzegegenständen
erscheint er plastisch besonders häufig an Jii-ire und hai-fnki, fiide-
tate und fiidc-oki, fude kakc, yatate, midcu-ire, Papierbeschwerern
und dergl. während die Gegenstände mit gegossener, gravierter
oder eingelegter Bambuszeichnung ins Unendliche gehen. Daran
anschliessend folgen: Tabakpfeifen, Essstäbchen, SakcschzXcn, ojinic
(Spangen) aus Silber und anderen Metallen und nctsuke, inro,
Nippsachen u. s. w. Wo in irgend einer japanischen Töpferei deren
Erzeugnis.se in Porzellan, P^a}'encc oder Steingut plastisch oder
H. SPORRV, VERWENDUNG DES BAMBUS. 141
dekorativ verschönert wurden, da fehlte nie der Bambus als Vorlage.
Bambusmuster auf kimono waren nicht etwa nur bei Bauern oder
Geisha gebräuchlich sondern auch auf den happi (Uniformen) der
Savmrai und Hatamoto gar nicht selten ; desgleichen eine Fülle
von Wappenzeichen {inoii) mit natürlichem und stilisiertem Bambus.
Das Wappen des Daiviyo von Scndai z. B. ist ein Bambusring
mit zwei Sperlingen.* In der Provinz Sagami existierte eine
Goldmünze, genannt sasa koban, mit eingepressten Saia-\:i\k\X.Q.xvi.
Die Bemalung von kakevwno, gaku, byöbu, tsuitate, kamkai)ii\ und
ögi, entweder mit sorgfältig ausgeführten, mehr aber noch mit
flüchtig hingeworfenen Bambusbildern, ist eine ungemein häufige ;
galt es ja doch in Japan als ein Zeichen besonderer Kunstfertig-
keit, die charakteristischen Züge dieser Pflanze mit wenigen
Pinselstrichen darzustellen.
Für korrekte Bambusmalerei existieren besondere Lehrbücher,
und beim cJui no yu wurden makimono studiert, darin die ver-
schiedenen Bambusarten in Naturfarbe vorgeführt waren. Nicht
unerwähnt darf bleiben, dass die Liebe zum Bambus sogar zu
dessen Imitation in Holz, Papiermache und Lack getrieben
hat. Mit dieser Kunst ist unzertrennbar verbunden der Name
ihres grössten Meisters Haslii-ichi (if* Tokyo 1871), der darin
eine solche Vollendung erreichte, dass es auch Kennern oft
schwer wurde zu sagen, ob sie Bambus oder etwas anderes vor
sich hatten.
Dass auch in allerlei Literatur der Bambus vielfach beschrie-
ben und besungen wurde, kann nach all dem Gesagten nicht
überraschen, ich habe einige bezügliche Poesien und Sprichwörter
gesammelt, bin aber noch nicht in der Lage, deren Uebersetzungen
mitteilen zu können. Ebenso selbstverständlich muss es er-
scheinen, dass Take (und Zusammensetzungen davon) in Japan
ein beliebter Geschlechts- und Personenname ist. Als inyöJL sind
mir bis dato ca. 30 Namen bekannt,;}: und als männliche naiiiai
ca. 20.?
Auffällig erscheint, dass für weibliche namai bloss 0 take
- Minainoto Yoshitsune' s sasa rindo 7non (Bambus und Gentian-Wappen).
t Im GosJio und im ?Jishi Rikiu sowie im Sho reu Tempel in Kyüto,
ebenso im Tempel zu Nikko, sind derartige Karakaini und Sttgi do mit selir schönen
Malereien.
X Take da, take iniira, take iski, take isuka, take shiba (u. s. w.)
\ Take jiro. Take saburo, take goro, take matsu. u. s. w.
142 H. SPORRY; VERWENDUNG DES BAMBUS.
San, ohne Zusammensetzungen gebräuchlich ist. Allerdings fand
ich auch den Namen Takeko (die Tochter des Generals Prinz
Kitashirakawa heisst z. B. so), aber man sagt mir, dass das als ein
blosser Kosename, etwa wie Aennchen, Gretchen zu verstehen sei.
GeisJia heissen oft Tixke dayn^ Ko Take, Take ji, solche
Benennungen sind aber mehr als ,, nom de guerre " zu betrachten,
ebenso wie „Chihi ro'' für Künstler. Auch als Hausnamef figuriert
Bambus nicht selten, sodann für Tanzhäuser, yose oder sekäe.%
Gewisse Meeresmuscheln und Korallenarten werden ihrer
Form entsprechend take 110 ko, tiedake, wni a'ake, cJiiku rai
genannt.
Die Prunk- und Prachtliebe der zahlreichen grossen und
kleinen Fürsten des früheren Japans, namentlich unter den ToJsu-
gawa SJiogiins, w^ar ein mächtiger Stimulus für die Kunstent-
wicklung auf allen Gebieten. Das Verschwinden der Daimyo
und Samurai in Folge der Restauration von 1866 bedeutete den
Rückgang, für einzelne Zweige sogar den Untergang der alt-
japanischen Kunstgewerbe. Die jetzige europäisch prosaische
Staatseinrichtung vermag in nationalem Sinn keinen neuen
Impuls zu geben, und mit der Vorliebe zu allem Fremdländischen
ist der Kunstsinn beim japanischen Volke im allgemeinen im
Rückgang begriffen ; denn als solchen muss man es doch
bezeichnen, wenn wirklich schöne Kunstgegenstände v^erkauft
werden, um durch Importartikel, die oft zum Geringsten ge-
hören, was der europäische Markt bieten kann, ersetzt zu werden.
Das Gleiche gilt für allgemeine Gebrauchsgegenstände ; für diese
tritt allerdings die Preisfrage in den Vordergrund ; immerhin
werden die form- und farbenschönen Porzellane, die gediegenen,
Kupferzinnguss- und Messinggegenstände durch geringe Gläser
und Flaschen, grobe Blech- und Eisengeschirre verdrängt ;
schlechte Oelfarbendruckbilder und andere Dutzendware jeder
Art haben sich den Beifall des japanischen Volkes erobert, denn
so feinfühlig der Japaner über seine vaterländischen Kunster-
zeugnisse zu urteilen vermag, so verständnislos steht er gewöhn-
■* nicht nur Geisha^ sondern überhaupt Vortragende auf gewissen Instrumenten, —
es können auch Männer sein.
t Yadoya : chikii yo
>, an
„ rin
„ seki
i Marutake tomi take man iake
H. SPORRY, VERWENDUNG DES BAMBUS. I43
lieh fremden Produkten gegenüber. Alles dieses in Betracht
gezogen, ist es nicht zu verwundern, dass der japanische
Künstler mehr und mehr auf eine eigene ^leisterschaft im alt-
japanischen Sinne verzichtet und sich mit einer Art Gesellentum
begnügt, das seine eminente Kunstfertigkeit den Wünschen und
Ansprüchen der fremden ^Märkte unterordnet zum grossen Bedauern
aller Kunstfreunde. Auch die Bambusfrage hat darunter gelitten.
Wohl sind eine Menge neuer Exportartikel entstanden, aber
diese Fabrikwaare, die in erster Linie den Ansprüchen der
Billigkeit genügen muss, hat nichts gemein mit den sauber und
graziös gearbeiteten altjapanischen Bambusgegenständen, die gar
nicb.t zu verraten scheinen, mit welch technischen Schwierigkeiten
die Bearbeitung dieses merkwürdigen Holzes verbunden ist.
Einzig in den Geflechtarbeiten ist vielleicht ein Fortschritt, zum
mindesten kein Rückschritt zu konstatieren. Auch als Kunst-
und Dekorationsmotiv tritt Bambus in den heutigen Exportwaren
vielfach hervor, aber meist schablonenmässig und überladen, weit
entfernt von dem ursprünglichen frischen Reiz der Tsuba- und
Schwertornamente.
III.
NEUE VERWENDUNGEN DES BAMBUS. - EXPORT.
Die heutigen Erzeugnisse in Bambusartikeln für Export
haben nichts gemein mit den Bedürfnissen eines altjapanischen
Haushalts. Es wäre ganz unrichtig zu glauben, die Japaner
brauchten für sich solche Gegenstände, wie sie heute die euro-
päischen und amerikanischen Märkte überschwemmen. Einzelne
Formen, Geflechtsarten, \^erschiedene Gegenstände sind selbstver-
ständlich altjapanische Ueberlieferungen, auf die neuen Bedürfnisse
umgeändert; auch findet man hie und da solch neue Produkte
bei Japanern ; das widerlegt aber obige Behauptung durchaus
nicht. Das heutige Japan ist eben eine Verquickung beidseitiger
Sitten und Gebräuche. Dagegen verdient hervorgehoben zu wer-
den, dass die japanische Bambusindustrie beneidenswert schnell die
möglichen Verwendungen ihrer Arbeiten für fremde Bedürfnisse
■erkannt und ergriffen und sich heute bereits einen grossen
und konkurenzfahigen Export nach allen Ländern der Welt
gesichert hat.
144 J'- SPORRV, VERWENDUNG DES I5AMBUS.
Der Hauptsitz dieser Bambusindustric ist in Arinia bei Kobe
und in Shizuoka, sodann weniger bedeutend in Yokohama, Oda-
zvara u. s. w. Diese Exportartikel sind : Schirm- und Spazier-
stöcke aus Rohren und Wurzehi, Etageren, Staffeleien, Bilder-
rahmen, Wandschirme, Schirmständer, Stühle und Bänke, Tische
und Büffet, Blumengestelle und Notenpulte, Papiermesser, Falz-
beine, Fächer, Serviettenringe, Teller, Platten, Vasen, Schachteln,
Büchsen, Laternen, Pldibusse, Zigarrenspitzen, Schuhlöffel, Lampen-
gläserputzer, Bürstenholz, Zündhölzchen, Inillspähne in Matratzen
und Kissen, Glühdrähte in elektrischen Lampen und an Korb-
ii'aroi namentlich die Geflechtsüberzüge auf Holz- Porzellan- und
Glaswaren, sodann Handkörbe, Blumenkörbe, Papier-, Arbeits-,
Faden-, und Besteckkörbe, Pfeffergestelle und Brotkörbehen,
Zeitungshalter, Photographierahmen, Blatt- und P^altfacher,
Picnickörbe, Arbeitstischchen.
Anno 1891 war der Exportwert von:
Bambus. B.imbus Waren.
Yen. 155,000 Yen. 226,000
„ 1895 dagegen .... ,, 283,000 „ 417,000,
hat sich also innerhalb der letzten 5 Jahre beinahe verdoppelt
und ist allem Anschein nach immer noch im Wachsen begriffen.
An diesem Export ist Kobe mit rund 900^, alle übrigen Häfen
zusammen mit loo-o beteiligt.*
SCHLUSS.
Wer die Frage der Vei'zvendung und Verwertung des Bambus
in Japan erschöpfend beantworten will, der muss schon im Dunkel
der Göttergeschichte zu suchen anfangen und darf nicht übersehen,
dass die Attribute des Yebisu, heute noch eines der beliebtesten
Glücksgötter, Angelrute und I^lsehkorb aus Bambus sind.
Er muss von den Mikados abwärts, die Jahrhundeite lang
hinter Bambusvorhängen den Blicken ihrer Untertanen verborgen
Bambus. Bambus Waren.
* Export 1891 Yen 155323 Yen 225669
1892 „ I18614 „ 228433
1893 „ 129737 „ 25S235
„ 1894 „ 188964 „ 29S246
„ 1895 „ 283138 „ 417094
U. SPORRY, VERWEXDL'XG DES BAMBUS. I45
blieben, den Haushalt und die Berufsbedürfnisse aller Klassen
und Stände durchforschen und darf erst anhalten am Grabe des
letzten Bettlers, darauf er immer noch eine /mua tsutsu mit einem
Shikiiid'^-Zwtig darin findet.
Er wird zu dem Schlüsse kommen, dass es im Osten
andere Länder geben mag, wo der Bambus noch üppiger auftritt
als in Japan, aber dass wohl kein anderes Volk die wunderbaren
Eigenschaften dieser merkwürdigen Pflanze mit so \'iel Findigkeit
auszubeuten gewusst hat wie die Japaner.
"■=■ lUicium reütiiosum.
FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE IN JAPAN.
Von
Dr. K. HEFELE,
Kfjl. Tiin/,: tOHSTMElSTIJll.
Deutsches Blut ist iinstät Blut,
Findst es woJil auf allen Wegen.
Wanderlust und HeinizvcJi sind
Ininierdar darin gelegen !
Diese Worte eines deutschen Dichters finden die lebende
Bestätigung in uns, die wir liier auf einem Punkte der Erde uns
versammeln, der uns fast zu Antipoden unserer Heimat macht.
Beruf, Schicksalslaune und Sehnsucht nach der weiten, unend-
lichen Welt mit ihren Herrlichkeiten sind die Ursachen unseres
Fernseins vom alten Vaterlande, das uns in um so lichterem Glänze
erscheint, je mehr der goldene Schimmer verblasst, mit dem
unsere Phantasie, namentlich in jüngeren Jahren, das Fremde zu
umkleiden pflegt, und je mehr wir hier an der grossen Verkehrs-
strasse der W^elt, am Meere, den wachsenden wirtschaftlichen
und politischen Aufschwung Deutschlands zu verfolgen vermögen.
Der Wechsel der bei der Reise von Europa hierher sich
darbietenden Bilder von Landschaften und Menschen ist natur-
gemäss ein kaleidoskopartiger. Ueber die Schweiz und den St.
Gotthard, auf dem Wunderwerke der Ingenieurkunst, der Gott-
hardbahn, nach dem sonnigen Italien, vorbei am rauchenden
Aetna, durch Scylla und Charybdis und die Strasse von Messina
nach dem wüstenumsäumten roten Meere — Schnee, Eis, Gletscher,
sonnige Matten und glühende Wüsten in unmittelbarer Folge,
sie sind fürwahr hinreichend, im Vereine mit der tropischen
Pracht Indiens, die uns nunmehr entgegentritt, unauslöscliliche
Eindrücke zu hinterlassen.
Welch ungeheuerer Formen- und Artenreichtum in der
Heimat kaum gekannter oder oft nur in dürftigen Treibhaus-
exemplaren gesehener Pflanzen ! Und doch — mag es nun in der
148 K. IIEFELK, FORSTLICHE REISEEINDRUCKE.
Fremdartigkeit an sicli, untcrstüt/.t von klimatischen Verhältnissen
und dem Anblick der dunklen Menschenrassen oder in der
ungewohnten Wirkung des Lebhaften, Grellen, ja Absurden, das
unsere Wege kreuzt, seinen Grund haben — die tropische Flora
ermüdet, sie lässt uns in kurzer Zeit nach anfänglicher Begeiste-
rung erkalten, und wer an des Nordens einfacheres Artenbild sich
unter Palmen und Bananen erinnert, der wird die Bestätigung des
alten Satzes empfinden, dass Bescheidenheit eine unverwelkliche
Zier sei, und dass Uebermass abstumpft — sei es auch ein Uebermass
des Schönen.
Der Forstmann nun, der zuerst sich den Gestaden dieses
Landes nähert, bei Nagasaki, ist anfanglich enttäuscht ; er ver-
misst die Bewaldung der in grotesken vulkanischen Formen
sich präsentierenden Berge, und was schliesslich als Weide und
grüne Matte mit einer gewissen Beruhigung und mit einigem
Kopfschütteln über die grosse Ausdehnung hingenommen wird,
entpuppt sich endlich als eine ihm ganz neue Form der Boden-
deckung durch Pflanzen, die Hara, jenes Totenfeld vergangener
Wälder, das ihn auf allen Streifzügen in Japan begleiten \vird,
soweit menschliche Wohnungen sich finden.
Die Hara, nur Japan eigentümlich und durch die besonderen
Verhältnisse der Landeskultur hervorgerufen, soll in der Haupt-
sache durch ihren Graswuchs den aus dem Pallien von Viehzucht
erklärlichen Mangel an Düng.stoffen für den Reisbau ersetzen. Sie
liefert in ihrer grossen Ausdehnung, verschwenderischen Nutzung
und dem successiven Rückgange ihrer Bodenkraft ein. beredtes
Zeugnis, dass der wirtschaftliche Dualismus von Land- und
Forstwirtschaft in Japan eine .sehr einseitige Lastenverteilung
vornimmt, indem sich Schwester Landwirtschaft von Schwester
Forstwirtschaft zum grossen Teile erhalten lässt, unbekümmert
um das allmählige Siechtum der letzteren.
Diese Wahrnehmung, welche, wie gesagt, auf allen Touren
in Japan immer wieder gemacht wird, zwingt meines Erachtens
ernstlich, sobald es nur angängig ist, von solcher Art der
Bodenbenutzung zurückzukommen.
Diese Hara, nach Rein* die Wohnstätte jenes überaus bunten
und hochinteressanten Gemisches von Pfianzentypen, an denen
Japan so reich ist und zwischen welchen Kräuter, Halbsträucher
und einige zin* Krüppelform degenerierte Holzgewächse, besonders
Eichenarten, allenthalben vorkommen, wird aber aus.serdem dem
"•■ Japan, Bd. I. S. 163.
K. IIEFELE, FORSTLICHE REISEEIXDRUCKE. I49
Walde, namentlich dem Staatswalde, noch direkt schädlich durch
das sorglose jährliche Brennen, dem bei dem Mangel genügender
Kontrolle und Aufsicht ansehnliche Flächen der angrenzenden
Bestände zum Opfer fallen, namentlich wenn dieselben aus
Nadelholz zusammengesetzt sind.
Die Statistik über diesen Punkt hat ihre wunden Seiten,
doch wird, wenn man die solcherweise angerichtete Vernichtung
pro Jahr auf ca looo ha berechnet, dieser Ansatz recht bescheiden
gegriffen sein. Die Gesamtfläche an Hara ist mit 3 Alill. ha
ebenfalls kaum auch nur annähernd dem Mittel entsprechend, in
Wirklichkeit wohl bedeutend grösser. —
Der Wald selbst nun, der in erster Linie unser Interesse
beansprucht, ist in Japan mit recht erheblichen P'lächenquoten
vertreten. So beziffert der Wald \'on
i) Alt-Japan an
Staatswald Kronwald Priv^atwald Summa
T<o MiU. 1,436 Mill. (Hondo) (6,39 Mill. Hondo)
9,04 Mill. ha 7,48 Mill. ha-: 16,52 Mill. ha
2) Hokkaido
5,53 Mill. 0,63 Mill.
6,16 Mill. ha 7000 ha =6,16 Mill. ha
3) Riukiu und Formosa hinzu genommen :
,13,81 2,07
15,88 Miirim 7,49 Mill. ha = 23.37 .Alill. ha,
das sind nicht weniger als 59,2 0^ der Landesfläche in Alt-Japan,
in Hokkaido 65,20^ und auf Riukiu bezw. Formosa 71 — 74^0 :
ganz Japan 56,4^0 der Landesfläche. Auf den Kopf der Be-
völkerung treffen in Alt- Japan 0,389 ha, in Hokkaido 10,12 ha
und im ganzen Japan incl. Formosa und Riukiu 0,502 ha Wald.
Ziehen wir einmal die Verhältnisse von Deutschland zum
Vergleiche heran, so finden wir überhaupt bloss 13,9 Mill. ha
Gesamtwaldfläche, welche 25,70^ der Landesfläche ausmachen.
Staats- und Privatwald in Japan verhalten sich wie 2 : i ; in
Deutschland ist der Staatswald dem Privatwald wie i : 2 gegen-
überstehend, und auf den Kopf der Bevölkerung Deutschlands
entfallen 0,307 ha Waldfläche.
150 K. HEFELE, FORSTLICHE RELSEEINDRÜCKE.
Ich bringe Ihnen diese Zahlen nur zu einem ungefähren
Vergleichsmassstabe an bekannteren Verhältnissen der Heimat ; wir
werden noch im nachfolgenden erkennen, wie verschieden die nur
4,5 Millionen betragenden deutschen Staats Waldungen rentieren
gegenüber dem über das Dreifache der Fläclie nach beziffernden
japanischen Staatswald und welche F'olgerungen daraus zu ziehen
wären.
Es untersteht in Japan ein ganz enormes Areal (15,21 Mill.
ha) der Verwaltung des Staates (13 Mill.) und der Krone (2 Mill.),
ein Tatbestand, der meines Erachtens wohl wert ist, zum Nach-
denken über den dermalen wenig befriedigenden Zustand der Rente
und des Kapitales zu veranlassen.
Warum Alt-Japan noch so eine bedeutende Bewaldungszifier
aufweist, hängt innig zusammen mit der Entwicklung seiner
Naturalwirtschaft. Der fast ausschliessliche Betrieb der Reis-
kultur, überkommen von China, hat zur Folge, dass nur solches
Land urbar gemacht wurde, in dem Wasser ausgiebigst vorhanden
war und dessen klimatische Verhältnisse, insbesondere grössere
Wärme, es hiezu geeignet erscheinen Hessen. Das sind selbst-
verständlich die Niederungen der Flussmündungen und die
Ebenen in warmer Lage. Ganz richtig bemerkt eine lesens-
werte japanische Schrift* von Dr. Ota Inazo Nitobe, dass
darin der Grund gesucht werden müsse, weshalb die Extension
des Ackerbaues seit alters eine verhältnismässig so geringe war .
und sich weniger gegen Norden und das Innere des Landes
erstreckte ; dementsprechend ist auch ein grösseres Areal dem
Walde überlassen, als ihm sonst bei- anderer Ackerwirtschaft
Avohl heute noch verblieben wäre.
Das Fehlen einer Viehzucht Rihrte mangels anderer Düriger-
quellen als menschlicher Fäkalien zur Konzentration der bäuerlichen
Bevölkerung um die Städte in den Ebenen und Flussmündungen
und wirkte der Urbarmachung entlegeneren Landes natürlich
entg-eeen ; unterstützt in diesem allgemein kulturfeindlichen Be-
streben wird der dermalige Zustand noch durch die geringe
Aufschliessung des Landes, die aber hinwiederum in den oben
erwähnten eigenartigen Verhältnissen ihre Erklärung findet.
Innerhalb der Interessensphäre des Reisbaues ist der Wald
im grossen ganzen neben einer unvollls-ommenen Befriedigung
* Ueber den japanischen (Irundhesiti, dessen Verteilung und l.mdwiitjchafjiche
Verwertung. (Inauguraldissertation, Halle a. S. 1890 ).
K. HEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRUCKE. I5I
der Nutz- und Brennholznachfrage wohl mehr und mehr zur
Düngerquelle der Reiskultur oder zur Form der „Hara" herab-
gesunken, und diese Gründlichkeit der Aenderung seiner inneren
Verfassung ist nicht ohne Folgen für die Allgemeinheit geblieben •
es würde sonst unerfindlich sein, warum trotz noch vorhandener
starker Bewaldungsziffer im Inneren kaum ein anderes Land
solch hohe Schadenbeträge, verursacht durch Hochwasser, auf-
zuweisen vermag.
Nach einer mir von befreundeter Seite gewordenen Mit-
teilung belaufen sich die jährlichen Verluste durch Hochwasser
auf ca 10 Millionen Yen, vermögen aber beträchtlich nach oben
hin abzuweichen, wie das Jahr 1895 beweist, in dem der ganze
Einnahmeetat des japanischen Staates zu 187 Mill. Yen fast
völlig sich mit dem entstandenen Wasserschaden verglich. Die
Zahl der überschwemmten Dörfer und Ansiedelungen bezifferte
damals nicht weniger als 20.981, und etwa 0,785 Mill. ha Land
(Acker) waren verwüstet worden.
Solche Ziffern geben zu denken ! —
Durch ganz Hondo zieht sich nun, einem Rückerrat ver-
gleichbar und gebunden an die zentralen Gebirgsketten, der
Hauptwald. Eines der interessantesten Gebiete in demselben,
das ich herausgreife, ist der Kiso, ein massig formierter Komplex
im Oberlaufe des Kisogawa, nordöstlich von Gifu, so recht im
Mittelpunkte des ganzen Landes gelegen. Ich widme diesem
Walde eine etwas eingehendere Besprechung, nicht bloss aus dem
Grunde, weil ich denselben durch Bereisung genau kennen lernte,
sondern auch um deswillen, weil ausgeprägte Charakteristika
grossen Massstabes am besten ein Urteil über den Stand der
Waldwirtschaft eines Landes zulassen. Wohl hat die gewandte
Feder meines Vorgängers Dr. E. Grasmann diesem Juwel mit
wissenschaftlicher Gründlichkeit ein begeistertes Erinnerungsbl itt*
gewidmet, so dass ich hinsichtlich näherer Informationen, welche
den Rahmen dieses Vortrages natürlich zu sehr überschreiten
würden, auf diesen in den Mitteilungen der Deutschen Ostasiatischen
Gesellschaft veröffentlichten Essay verweisen kann.
Dem Forstmann ist dieses Stück Natur gleich einem Wall-
fahrtsorte. Schon der Zugang zu diesen Forsten mittels einer
Kurumafahrt von etwa 10 Stunden ab Tayimi auf ständig
steigendem, welligem und plateauartig ausgeformtem Terrain
* Forstliche Exkursion in die Kisowaldungen Provinz Shinano. Mitth. Bd. V. S. 249.
152 K. HEKELK, FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE.
bietet eine Fülle von Beweisen für die Nachteile der schonungs-
losen Ausnützung des vorhandenen, kleinflächigen Waldes, meist
Privat- und Gemeinde waldes, und der Hara, soweit überhaupt
der hier stark vertretene Reisbau noch das Vorkommen dieser
parzellierten, in niedrigen Umtrieben bewirtschafteten oder ganz
der Hara preisgegebenen Waldorte zugelassen hat.
Ueberall, wo grössere Neigungen des Terrains vorhanden
sind, ja stellenweise schon auf sanft geneigten Hängen, verraten
weisse und rote Bodenflecke von ferne die Löcher im Pflanzen-
kleide der Natur, in denen das so reichlich in Japan nieder-
strömende meteorische Wasser (2900 "i/m pro Jahr z. B. in
Agematsu) einen praktikablen Spielball seiner kulturfeindlichen
Launen erblickt. Das vermag für die Regulierung der Wasserver-
hältnisse einer Gegend von sehr weitgehendem Einfluss zu sein,
denn vom Wasserriss zum Wildbach ist oft nur ein kurzer Schritt.
Wenn steile Ausformung der Gebirge etwa noch zusam-
mentrifft mit weitgehender Umwandlung ihrer Oberfläche in
Hara oder schlechtweg Ocdland, so ist ein rascher Abfluss
meteorischen Wassers ausserordentlich leicht, und daher die Er-
scheinung des oft rapiden Anschwcllens von Bächen und Flüssen
mit den unausbleiblich folgenden Wasserkatastrophen. Die grosse
Schuttführung aller solchen Wildbäche oder Wildflüsse, wie man
das z. V>. am Tenriugawa, Oigawa etc. auf der Fahrt von Yoko-
hama nach Kobe so gut beobachten kann, rührt davon her,
dass die innere Grundstruktur der Berge Japans (Granit etc.) sehr
häufig mit hohen Schichten alten Schiefers überdeckt ist, welche
bei dem starken Grade ihrer Verwitterung dem Angriff des
Wassers nur geringen Widerstand leisten.
Es sind der Stellen nicht wenige auf diesem vom Walde
entblössten Boden, wo der Angriff des Wassers erfolgt, und auf
meinen Wanderungen sah ich manches Bild der Terrainzerstörung,
das deutlich genug die Folgen einer unterschätzten Bedeutung
des Waldes demonstrierte.
Wir würden aber noch ganz andere Bilder der Verwüstung
und Verödung in Japan erhalten, wenn nicht die geradezu
beispiellose Regenerationskraft dieses unergründlich fruchtbaren
Bodens beinahe den Arm des Verwüsters zu lähmen vermöchte.
Wo aber als letzter Streiter im Kampfe die Akamatsu
(Rotkiefer) in krüppeliger Form ihre melancholischen Aeste über
dem Grabe der einst so üppigen Waldvegetation ausbreitet, da
haben wir ein sichtbares Warnungssignal des der Verschlechterung
K. IIEFELE, FORSTLICHE REISEEIXDRU JKE. I53
und schliesslich dem Untergänge geweihten Bodens, und man
muss tatsächlich Forstmann sein, um die unendliche Verwahr-
losung mancher Plätze voll zu erkennen.
Folgen Sie mir im Geiste weiter auf dem Wege zum Herzen
des Kiso. Schaut man endlich nach zweitägiger Wanderschaft von
der Höhe des Magome-Passes, nachdem man die Zone des wirt-
schaftlichen Kampfes zwischen Wald und Reiskultur durchmessen
hat, in diese entzückende Kisolandschafc mit ihrem dunklen,
dichten Waldkleide aus Nadelholzforsten und ihren Gebirgsketten,
ihren schmalen, von Wildwassern durchflossenen Tälern, so
erinnert man sich beinahe unwillkürlich an die Gebirge der Heimat.
Man heisst sie auch nicht mit Unrecht die ,, Japanischen Alpen".
Zwar fehlen die grossartigen und massigen Züge des Berglandes
in Südbayern, Tirol oder gar der Schweiz, aber die grössere
Einheitlichkeit sticht wohltuend ab von der etwas flatterigen,
uns an Kinderbaukästen erinnernden Zierlichkeit der gewohnten
japanischen Landschaft, welche in der Regel auf engem Raum
alles in allem gibt.
Was dieses etwa 350.000 ha umfassende Waldgebiet, den
Kiso, unserem deutschen Schwarzwalde oder dem Harze so ähnlich
macht, das sind die mit einigen Ausnahmen wie Komagatake und
Ontake etc. nicht gerade bedeutend zu nennenden relativen
Erhebungen, und andererseits ist es das Fehlen der zackigen,
vegetationslosen Schroffen und Wände, wie sie unsere Kalk- oder
die Zentralalpen auszeichnen.
Ein Alpenglühen, wie es die Pleimat so wundervoll aufzu-
weisen hat, ist hier deshalb Unmöglichkeit — und doch, es müsste
einen grandiosen Anblick gewähren, wenn man sich diese bizarre
Vulkanlandschaft, gekrönt von starren Felswänden, mit einem
solchen Feuerzauber bei untergehender Sonne denkt.
Wir Deutsche speziell fühlen uns von den gehäuften Wald-
massen mehr angezogen, da sie stimmungsvoller sind und der
ernsteren deutschen Natur besser entsprechen.
Es ist unmöglich, Ihnen die Ergebnisse meiner wochenlangen
Durchforschung dieser Gegend ausführlich mitzuteilen, aber so
viel muss gesagt werden, dass hier ein eigenartiges Stück Natur
mit hohem reellem Wert dem Lande beschieden ist. Voraus-
sichtlich ist die neue Kisobahn, eine Verbindung zwischen dem
westlich von Tokio liegenden Kofu und Nagoya, in der Haupt-
sache die alte Mittellandstrasse, den Nakasendo, entlang führend,
bestimmt, breiteren Schichten der 15^völkerung dieses wunderbare
154 K- HEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE.
Bergland zu erschliessen ; icli wenigstens wüsste mir geradezu
keine schönere Sommerfrische zur heissen Jahreszeit als den
Aufenthalt in einem der kleinen Bergdörfer entlang dem Haupt-
flusse des Kiso. Lohnende romantische Partieen finden sich
hauptsächlich in den Seitenschluchten der wildbachartigen Zuflüsse
des Kiso.
Fünf Hauptholzarten sind es, die den Schatz der Kisoforste
ausmachen.
Hinoki (Cham, obtusa)
Sawara ( ,, pisifera)
Asunaro (Thujopsis dolabrata)
Nedjuko ( ,, japonica)
Koyamaki (Sciadopitys verticillata),
eleich wertvoll durch ihr vorzügliches Schaftwachstum wie durch
die technischen Eigenschaften ihres Holzes.
Wer aber die Regelmässigkeit und scharfe Altersabgrenzung
deutscher Waldungen hier suchen wollte, würde alsbald die Segel
streichen müssen, denn es ist bei der P^orm der früheren Nutzung
(eine ziellose Art des Plenterbetriebes) zur Zeit unmöglich, zu
unterscheiden, was die Natur in langen Zeiträumen aus sich
selbst schuf, und welche Züge die Menschenhand dieser Natur
aufzudrücken versucht hat.
Nur das steht unumstösslich fest, in allen oberen und abgele-
genen Teilen der Berghänge ist das Urbild ungetrübt, denn die
mangelhaften Verkehrs- und Aufschliessungsverhältnisse hinderten
sicher ehedem ebenso wie jetzt die grössere Nutzbarmachung.
Der japanische Staat versuchte dem allgemeinen Gesetze,
dass politische (wirtschaftliche) Umwälzungen immer dem Walde
an den Leib gehen, wie Riehl so treffend bemerkt, eine weitere
Bestätigung 1876 hinzuzufügen, indem dieser nach Hunderten
von Millionen zu bewertende Wald, „ der Kiso ", um 40.000 Yen
verkauft werden sollte. Das sind pro ha 24 Pfennig.
Glücklicherweise ist durch den Uebergang an die Krone
(Krondömäne) seit 1882 für immer solchen Finanzoperationen
der Boden entzogen. Wo man aber, an Wasserläufen zum
Beispiel, mit dem Hiebe hingelangen kann, da ward und wird
noch mit anerkennenswerter Gründlichkeit in den Holzvorräten,
allerdings sehr oft unter gänzlicher Ausserachtlassung der ein-
achsten Gedanken über die Zukunft, aufgeräumt.
K. HEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRLCRE. I55
Die Erbauung der Kisobahn durchs Herz dieses Waldes
hätte, so sollte man meinen, zum intensivsten Meinungsaustausche
und zur festen Kooperation zwischen Verkehrsbehörde und
Forstverwaltung in beiderseitigem Interesse Veranlassung geben
müssen. Ich konnte aber weder er ahren noch bemerken, dass man
im Anschluss an diese Lebensader des grossen Verkehres die
plamnässige Anschliessung von Waldwegen und kleinen Wald-
bahnen in grossen Zügen bestimmt hätte und nun energisch
vorginge, so dass bei fertiger Bahn auch der Wald seinen Mann
in finanzieller Beziehung stellen kann. Was man sieht, sind
unzusammenhängende Versuche zum Fortschritt, deren Erfolg
aus Mangel an Planmässigkeit auch nur ein teilweiser sein kann.
Die Divergenz der Ressorts im japanischen Staate ist kaum
besser gekennzeichnet als durch das isolierte Vorgehen auf jeder
Seite, wo doch im Interesse der Zukunft eine Aussprache über
mehr als einen Punkt nötig gewesen wäre und wahrscheinlich
Bahntrace wie Waldaufschliessungswege etc. stark beeinflusst
haben möchte.
Dass die Nutzung aller grossen Waldmassen, welche sich,
dank ihrer Abgelegenheit, in Japan bis heute erhalten haben,
also wie hier des A'w^-oder des 67.y/;//«/(:- Staatswaldes bei Aomori
und der Waldungen Hokkaidos, grosse Schuäerigkeiten involviert,
wird niemand leugnen, aber es ist ebenso sicher, dass man die
kostbaren Vorräte vergangener Zeit nur dann richtig und ohne
übergrosse Verluste liquidieren kann, wenn man sich die durch
die ganze Welt geltenden elementaren Grundsätze der Forst-
politik zur Richtschnur macht.
Die Schaffung der nötigen Verkehrsmittel ist hier die Grund-
bedingung, denn der Gedanke : ,, dass man eben keine Wege
dorthin bauen will, w^eil das Holz keinen Wert hat", ist grund-
falsch. ,, Das Holz hat keinen Wert, weil keine MöglicJikeit der
Bringnng ist.''
~Sl\t der Aufschlicssung muss auch die Nutzung zwar intensiv,
aber im Sinne der Nachhaltigkeit nach bestimmten Regeln,
garantiert sein. Auch die Nachwelt hat ein Recht auf Wald
und zw^ar ein umso begründeteres, weil man sich nicht mehr mit
Unkenntnis der Grundlagen der Waldwirtschaft und der Bedeu-
tung des Waldes zu entschuldigen vermag.
Ein Nationalgut ist dem gegenwärtigen Geschlechte zum
Gebrauche, nicht zur Vernichtung oder Verschlechterung gegeben.
Die grossen Kahlhiebe in Japan in solchen Walddistrikten, welche
156 K. HEFELE, FORSTLICHE KEISEEINDRÜCKE.
durch Wasserläufe, wie die Natur sie bietet, zur Not eine
entsetzlich extensive, verschwenderische Ausbeute zur Zeit
zulassen, sind nach mehr als einer Seite hin bedenklich. Die
unökonomische und schlechte Nutzung möchte noch hingehen,
da sie die historische Tradition und den Mangel einer einsichts-
vollen raschen Abhilfe als Entschuldigungsgründe anführen kann ;
aber die Schaffung von gleichartigen und gleich alten Beständen
durch Pflanzungen auf solch grossen Flächen in unmittelbarer
Aneinanderreihung erreicht keineswegs den beabsichtigten Zweck
der Gewissensberuhigung über das Vorgehen im Walde.
Gleichalterige und gleichartige Bestände von 1000 und mehr
ha aus Nadelholz gehören später zu den schwierigsten Problemen
der Nutzung, wenn sie über den Gefahren, denen sie mehr als
andere ausgesetzt sind, endlich die Zeit der Reife und Haubar-
keit erlangt haben.
]\Iüchten die einheimischen Forstleute diesen Punkt in Zu-
kunft mehr berücksichtigen und konsequenter Weise darnach
verfahren !
Die Gewinnung eines Ertrages, unbekümmert, ob die Rente
auch wirklich den Namen einer solchen verdient, kann vielfach
wahrgenommen Averden ; sonst bliebe es unverständlich, was die
Devastationshiebe im Kronforstwalde auf einer Seite des Fuji
zur Speisung der Papierfabriken in Omiya bezwecken sollen,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Gewinnung des Holzes
nicht vom P^igentümer des Waldes, sondern \'om Käufer, von
der Fabrik, durch ihre Leute und nach ihren Ansichten von
Forstnutzung ad libitmn betrieben wird. Die ,, Rückstände " sind
denn auch derart, dass die Räumung dieser Wüste zum Zwecke
der Neukultur einmal wohl den ganzen unbedeutenden Geldertrag
verschlingen wird.
Man fragt sich angesichts dieser und so mancher anderen
Erscheinungsform der Waldnutzung, die mir aufstiess, wirklich,
was man mehr bewundern soll : den Humor der Subsumierung
solcher Tätigkeit unter den Titel ,, Wirtschaft " oder, um einen
Bismarckschen Ausdruck zu gebrauchen, die enorme ,, Wurschtig-
keit " in der Verantwortung gegenüber den später folgenden Zeiten
und der Nachwelt.
Zwischen und unter den mit allen Altersklassen vertretenen
herrschenden Baumholzarten im japanischen Walde drängt sich
nun jenes Gemisch von blattwechselnden P^ichen, Kastanien und
den unzähligen Straucharten neben dem l^ambus empor, das
K. IIEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRUCKE. I57
den japanischen Wäldern ihre Eigenart aufdrückt. Sie kommt
im Kiso vielleicht weniger zum Vorschein ; aber namentlich in
den wärmeren, tiefergelegenen Zonen, im Laubwald, kann man
diese ungemein hohe Artenzahl bewundern. Japan kennt beispiels-
weise nicht weniger als i8 Eichen, 36 Nadelhölzer und an 600
verschiedene baumartige Sträucher neben 34 Bambusen.
Wir können uns diesen Individuenreichtum leicht erklären,
Avenn wir bedenken, dass, Formosa eingerechnet, alle Vegetations-
zonen von der subaequatorialen bis zur polaren, von den Ficus-
Arten nahe dem Aequator bis zur Kriechzürbel auf den Kurilen,
vertreten sind und Japan bei dem Fehlen einer Eiszeit jene
Verluste an Artenreichthum nicht zu verzeichnen hatte wie
Europa nach dieser Entwicklungsphase unserer Erde. Ja, ich
erblicke indirekt einen Beweis für die oft aufgestellte und bis jetzt
nicht widerlegte Behauptung vom Mangel einer Eisseit darin.
Bekanntlich ist die dermalige Vegetation unserer Erde unge-
fähr dieselbe wie unmittelbar nach der Eiszeit. Wie ganz anders
in manchen Kontinenten die Pflanzenvegetation vor derselben
gewesen sein müsse, bezeugt das Vorkommen von Palmen-
abdrücken in den Gesteinsschichten Grönlands und ähnliche
Einschlüsse im Bernstein der Ostseeküste, also von Arten,
welche heute nur mehr in aequatorialen Zonen angetroffen werden.
Als zur Eiszeit die Kältewelle mit ihrem alles erstarrenden
Hauche von den Polen gegen den Aequator vorrückte, da waren
in Amerika und Ostasien die Pflanzen bei dem parallellen Lauf
der Gebirge mit der Bewegungsrichtung N — S. des Eisstromes
Im Vorteile ; sie konnten nach dem wärmeren Süden aus-
weichen ; im zentralen Europa aber beispielsweise stellten sich
die Hauptmassive der Gebirge senkrecht zur fortschreitenden
Vereisung, ja sie reichten dem von Norden anrückenden Eise
durch ihre Gletscher gleichsam freundschaftlich die Hand, alles
erdrückend und vernichtend, was zwischen sie geriet. Der
Rückwanderung der Pflanzenspecies aus dem Süden nach der
Eiszeit stellten sie sich durch ihre Streichrichtung nicht minder
entgegen, und nur vom östlichen Teile Europas (Ungarn) war
eine gewisse Rückeroberung des verlorenen Terrains den ein-
facheren und bescheideneren Species möglich, immerhin nur
entsprechend den zum Kühleren veränderten klimatischen Ver-
hältnissen.
In Japan hätte eine Eiszeit bei der schmalen Ausformung
des Landes alles vernichtet, und die an sich schon schwierige
158 K. HEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRUCKE.
Rückwanderung der Arten wäre durch die die einzelnen Inseln
trennenden Meere noch bedeutend erschwert worden, was in
einfacheren Vegetationsbildern, als wir sie jetzt finden, sicher
zum Ausdruck kommen würde.
Das Uebel der Zerstreutlage herrscht beim Staats- wie beim
Kronwaldbesitz in Japan, doch bei ersterem mehr, da die in
erster Linie in Betracht kommenden grösseren Komplexe von
Wald wenigere sind als bei der Krone, an die ja auch die
besten ehemaligen Staatswälder cessiert wurden. Doch hat der
Staat Ersatz gefunden in Formosa und insbesondere in Hokkaido,
in welch letzterem nahezu 6 Mill. ha geschlossenen Waldes der
Behandlung harren.
Für den Zustand der Kronwaldungen ist die Staatsforst-
verwaltung insofern noch als verantwortlich zu betrachten, als
dieselben bis 1882 ihrer Verwaltung unterstanden.
Was die Gemeinde- und Privatwaldungen in Japan anlangt,
welche im Kiso meist die untersten Säume der Hänge gegen
die Talwasser zu bekleiden, so kann von ihnen kaum etwas
anderes behauptet werden, als was man überall im ganzen Lande
wahrnimmt : Unsinnige Ausnutzung tind fehlende Kontrolle. Beides
führt zum Niedergang nach jeder Richtung hin. Ist die Zerstörung
des kleinen Frivatwaldbesitzes an sich vom allgemeinen sozial-
politischen Standpunkte aus bedenklich, so kann man doch wenig
dagegen auftreten, solange nicht Schutzwald in Frage kommt.
Die Gemeindewaldungcn befinden sich trotz aller möglichen
Bestimmungen in einem geradezu kläglichen Zustande ; auch das
ist eine nicht auf den Kiso beschränkte, sondern gleichmässig
über ganz Japan verbreitete Erscheinung. Das gute Beispiel,
das eine geordnete Staatsforstverwaltung zu geben hätte, fehlt
eben, und der Bevölkerung ist das Verständnis für den Wald
und seine besondere Fligenait kaum zuzumuten.
Es ist bezeichnend, dass eine armselige kleine Holzwclle
den hohen Preis von 4-5 sen in Tokio hat, und dass die Rente
aus in 12—15 jährigem Umtriebe bewirtschafteten, in der Nähe
der Städte gelegenen Waldungen eine hohe ist, wenn sie natürlich
auch nur vorübergehend eintritt. Welche Aussichten hat hier
das Holzgeschäft ! — Sobald aus dem Inneren durch Aufschliessung
von Verkehrswegen genügend stärkeres und gutes Holz in die
Verbrauchszentren gelangt, fallt solcher Raubbau hoffentlich in
sich zusammen.
Der teuere Preis von Holz in diesem holzreichen Lande
K. HEFELE, FORSTLICHE KEISEEINDRL'CKE. I59
ist charakteristisch für die Unterbindung des Zuflusses aus den
Gegenden des Ueberschusses. Die geringe Rente des meist
weitab vom Verkehr hegenden Staats- oder Kronwaldes bildet
das Gegenstück dazu.
Wer hier aber Wandel schaffen will, muss einen mächtigen
Arm und finanzielle Mittel zur Verfügung haben ; dem europäischen
Berater wird diese Macht kaum gegeben, und die halbwegs
verlustlose selbständige Entwicklung einer solchen grösseren
Zukunftswirtschaft übersteigt, soweit ich urteilen kann, zweifellos
die verfugbaren einheimischen Kräfte.
Dieses Gefühl des Unbehagens, das dem Kenner bei Be-
trachtung so vieler ungesunden Verhältnisse kommen muss,
erhöht sich, wenn man bedenkt, dass Fehler in der Behandlung
des Waldes in der Regel nicht sofort die prompte Reaktion auf
,, falsch " oder ,, richtig " geben, \yie etwa bei den jährlichen
Ernten der Landwirtschaft oder bei technischen Betrieben. Die
mit 100 und mehr Jahren an Entwicklungszeitraum rechnende
Forstwirtschaft ist vielmehr wie kein anderes Gebiet geeignet,
namentlich der laienhaften Aussenwelt gegenüber einen Eingriff
in die Substanz und einen Angriff der Fonds, mit denen sie
arbeitet, zu verbergen, und ein glänzender Kassenabschluss bedeutet
nicht immer eine hohe Rente und gesunden Zustand des Kapitals.
Daher meines Erachtens die Notwendigkeit, in erster Linie
westeuropäischen bewährten Grundsätzen verständig zu folgen.
Eine weitere dem Walde drohende Gefahr liegt in der oft
skrupellosen Anwendung von falsch verstandenen europäischen
Wirtschaftsformen. So z. B. geht man in einem der grössten
dem Staate noch in Händen gebliebenen Staatsforste auf Hondo
im Ussimape Walde bei Aomori damit um, die natürliche Ver-
jüngung in grossem Maasstabe zur Durchführung zu bringen.
Dass diese Wirtschaftsform aber in Europa den Abschluss der
ganzen gereiften Erfahrung eines Jahrhunderts darstellt und zur
Durchführung ein technisch hochgebildetes Personal verlangt, wird
völlig übersehen.
Man vergesse nicht, dass die wenigen japanischen Forstleute
der neuen Richtung, welche westliche Waldbilder gesehen haben,
und die beim Universitätsstudium oder bei ein- bis zweijähriger
Wanderschaft von Hochschule zu Hochschule sich die Theorie
wenigstens zu eigen machten, dennoch niemals praktisch im
Walde wirtschafteten, ganz abgesehen von den unteren Hilfs-
beamten, denen bei der Ausführung ein wesentlicher Anteil
l6o K. HEFELE, EORSTLICÜE REISEEINDRÜCKE.
zufallen müsste. Es erscheint also in erster Linie notwendig,
dem Unterrichte und der Ausbildung der jungen Forstleute in
praxi den richtigen Weg vor/.uzeigen ; die dermaligen Ver-
hältnisse in dieser Hinsicht sind nach jeder Richtung hin unzu-
länglich und ungesund.
Die Liquidierung einer Vergangenheit ist eben doch nicht
ohne weiteres so leicht möglich auf dem Gebiete der Boden-
produktion wie auf anderen, und es soll kein Vorwurf deshalb
erhoben werden. Eine richtige Forstwirtschaft existierte im
Grunde in Japan nie ; sie hat sich nicht historisch herausgebildet,
und man mag füglich nur befiirchten und bedauern, dass das
Objekt, der Wald, erheblichen Schaden bei all den neueren
Versuchen leiden wird, ehe die Einsicht Platz greift, dass euro-
päische Kräfte, weil erfahrener, zur Bewältigung der eminent
wichtigen Zukunftsgestaltung des japanischen Waldes, wenigstens
einleitend und den Weg ebnend, nicht zu entbehren sind.
Die Finanzlage des Staates, dessen eine grosse, bis jetzt in
jeder Richtung ungenügend entwickelte finanzielle Hilfsquelle
der Wald sein könnte, fordert gebieterisch raschen Fortschritt,
denn schon wartet eine neue Aufgabe des jungen Staatswesens :
Formosa und Hokkaido. Namentlich in Hokkaido gilt es, von
Anfang an zielbewusst ohne Irrwege den unschwer erkenn-
baren Pfad einer einfachen, extensiven Waldwirtschaft vorerst zu
wandeln und dies schöne, an Wald, Kohle und Mineralien (Gold)
so reiche Land zu dem zu machen, was es einst sein kann, zu
einer Quelle des Wohlstandes seiner Bewohner.
Zur Zeit fehlt auch hier für den Wald und sonst wiederum
der grosse Generalplan, die leitende Idee, deren konsequente Ver-
folgung nach vorausgegangener richtiger Fundierung die Früchte
zeitigen vniss, die man erwarten kann. An stossweiser Inangriff-
nahme aller möglichen Versuche ist ja die Geschichte kaum
irgend einer anderen Kolonie reicher.
F"olgen Sie mir im Geiste ins Innere dieser Insel. Vorbei
an neuangelegten Reisfeldern und trockenem Ackerlande führt
die Eisenbahn, welche von Mororan in nördlicher Richtung dem
Haupttal des Ishikarigawa folgt, in die zentralen Landesteile.
Alsbald bekommen wir ein anschauliches Bild der Kolonisation
eines wenig bevölkerten Waldlandes, wie man es in gleicher
Weise nur in Amerika sehen könnte.
Hier stehen die mächtigen Wurzelstöcke noch inmitten der
grünenden Felder, die Zeugen einer einstigen Bestockung mit
K. HEFELE, FORSTLICHE KEISEEIXDRÜCKE. l6l
Waldesriesen ; dort überstellt ein feuergeschwärzter, abgestorbener
Laubholzbestand die neue landwirtschaftliche Kultur zu seinen
Füssen. Kleine Orte längs der Bahn wechseln mit den zerstreut
liegenden einsamen, der Temperatur und dem Klima so wenig
angepassten japanischen Häusern der Kolonisten, und dazwischen
durchfährt man ausgedehnte reine Laubholzwaldungen, hoch-
stämmig, ohne Unterwuchs ; nur Grasvegetation füllt die lichten
Zwischenräume der Baumstämme. Man kann sich anfanglich in
diesen, an das Rheintal gemahnenden hochstämmigen Eichen-,
Ulmen- und Eschenbeständen den Mangel an Unterstand nicht
erklären, bis man auf den letzten Vorposten der Kultur, nachdem
der Vernichtungskampf gegen den übermächtigen Wald immer
rohere und krassere Form angenommen hat, des Rätsels Lösung
findet : das Feuer.
Meilenweit in und an den Tälern, in denen die Kolonisation
ihre Strasse zieht, ist der Nadelwald und der Unterwuchs an
jungem Laubholz verschwunden, da beide dem Feuer nicht
widerstehen können, wie dies die dickborkigen alten Laubholz-
bäume zu tun vermögen.
Wenn man auch weiss, dass der Wald da weichen muss,
wo der Mensch den Boden für seine Ackerwirtschaft beansprucht,
so begreift man doch schlechterdings nicht, warum das Anzünden
des Bodenüberzuges im Frühjahr in den Waldungen in der Nähe
der Farmen geduldet wird, dort wo es einem vernünftigen Zwecke
nicht dient, denn der spärliche Reisbau braucht das w^enigste
des auf diese Weise in den lichten Beständen entstehenden Grases,
und eine so unnütze Vernichtung von Werten hat mehr als
eine bedenkliche Seite.
Keine Staatsaufsicht wehrt solchem Treiben, das sich
nicht darum kümmert, wo die Grenzen des nutzlos in blinder
Zerstörungswut entfachten Brandes sein werden ; fast vermutet
man, es solle auch hier das Beispiel des typischen Amerika
nachgeahmt werden, das es fertig gebracht hat, (auch ohne
Nutzen!) auf solchem Wege seine Waldgrenze um volle lo
Längengrade von Westen nach Osten zurückzudrängen.
Auch sonst finden sich natürlich viele Anklänge an die
Ansiedelungsgeschichte Amerikas, und es muss als eine herzer-
quickende Stärkung betrachtet werden, wenn man sieht, wie-
wenigstens bei der Anlage von Städten, wie der zukünftigen
Hauptstadt Asahikawa, die amerikanischen Muster in gutem
Sinne zum Vorbild fienommen wurden.
102 K. llEFELi:, FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE.
Breite Strassen bis 20 und mehr m Breite clurchschneiden die
lockerer als in Alt-Japan aneinandergereihten natürlich hölzernen
Bauten, und Wcäre nicht der jeder Beschreibung spottende Zustand
des Planums der Verkehrswege überall derselbe, man möchte
sich behaglich fühlen. Unerfindlich aber bleibt, warum man in
all den Städten und sogar auf den exponiertesten Vorposten der
Kolonisation bei dem Ueberfluss an Holz nicht zu einem soliden,
einfachen Blockbau des Hauses wie in den deutschen Alpen
seine Zuflucht nimmt. Papier-Soji und zwei Meter Schnee im
Winter sind anscheinend etwas unvereinbare Dinge ; sie bekunden
aber das zähe Festhalten der aus dem Süden gekommenen Bevöl-
kerung. Der eingeborene Ainu greift zum dichten warmen
Strohhause.
Im allgemeinen macht die Kolonisation in Hokkaido nur
langsame Fortschritte und zwar meines Erachtens aus zwei Gründen.
Nur die ärmste Bevölkerungsklasse ist zu bewegen, den dem
Japaner unfreundlich scheinenden Norden aufzusuchen ; anderseits
liefert sie der Mangel an Barmitteln im Anfange trotz der
reichlichen Ausstattung mit Land (5 ha) bald in die Hände
des privaten Kapitales, und an Stelle der erhofften Selbständigkeit
der tätigen Arbeiter und Kolonisten macht sich ein verdecktes
Latifundiensystem einzelner Begüterter sicher im späteren Verlaufe
allenthalben hindernd bemerklich. Vielleicht auch wird stellen-
weise einer direkten ungesunden Bildung von zu ausgedehntem
Grossbesitz nicht die nötige kontroUirende Aufsicht der Gründe
hiefür zu teil.
Man müsste den Armen von Staatswegen durch Gewährung
unverzinslicher Darlehen über die schwierige Anfangszeit hinaus
unterstützend unter die Arme greifen.
Die Geschichte der Kolonisation von Hokkaido wird einmal
ein interessantes Gegenstück zu der amerikanischen Kolonisation
bilden, und es wird sich hierin der nicht bloss auf die Hautfarbe
beschränkte Unterschied zwischen der Rasse hier und dem
kaukasischen Elemente in Amerika widerspiegeln.
Der Ureinwohner, der Ainu, nimmt wenig an der Kolonisation
seines letzten Zufluchtsortes nach seiner Verdrängung von Zentral-
japan teil ; in der Hauptsache Fischer und Jäger, scheint er
dem Aussterben verfallen zu sein. Es ist dies doppelt bedauer-
lich, weil wir hier nach Dr. I^älz einen zweifellos kaukasischen
Typus vor uns haben, der in seiner untersetzten Figur, muskulös
und kräftig wie kein anderer, berufen scheinen möchte, am
K. HEFF.LE, FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE. 163
reichen Tische des Landes die fetteste Supps zu erhalten. Eine
interessante Erscheinung sind sie ohne Frage, diese bärtigen,
kühnen Gestalten mit blitzenden und doch so gutmütigen Augen,
die dem Bären mit schlechter Flinte und mit dem Messer in der
Faust zu Leibe gehen, und diese schlanken, an Süditalien erin-
nernden Schönen des weiblichen Geschlechtes. —
Die Exkursionen nun, welche ich von einer der letzten
Stationen im Urwald aus im Verein mit meinem Kollegen
Honda unternahm, gehören zu den interessantesten meines
Lebens. Schon allein das Gefühl, auf einem Terrain sich zu
befinden, das ausser dem bärenjagenden Ainu vielfach noch keines
Japaners, geschweige denn eines Europäers Fuss betreten hat,
verleiht einen besonderen Reiz. Da hatten wir denn reichlich
Gelegenheit, die Natur und Zusammensetzung dieser der ge-
mässigt kälteren Zone bereits zuzurechnenden ürwaldungen
kennen zu lernen.
Während in den südwestlichen, noch zur gemässigt wärmeren
Zone gehörigen Teilen von Hokkaido Buchen und Thujopsis
dolobrata neben Eichen, Eschen etc. die charakteristischen
Kolzarten darstellen, finden wir hier bereits Vertreter der kälteren
nördlichen Regionen, wie Abies sachalinensis, Picea ajanensis,
Taxus cuspidata, Pinus pumila etc.
Aber reich gemischt mit Eschen, Ulmen, Eichen, Pappeln,
Nussbäumen und einigen untergeordneten Holzarten, wie Erlen,
Kirschen, Katoura etc., sind die Nadelhölzer in der Hauptsache
in ein Minderverhältnis gebracht, was praktisch hier in Japan
eine grosse Entwertung der Waldbestockung bedeutet, da der
japanische Markt vom Laubholz keine oder wenig Notiz nimmt.
So ist tatsächlich ein beinahe 6 Mill. ha grosser Staatswald, der
in Deutschland wegen der in herrlichen Exemplaren vorhandenen
edlen Laubhölzer zu den wertvollsten zählen würde, hier
umgekehrt zur Zeit, neben den Konsequenzen der fehlenden
Aufschliessung natürUch, beinahe wertlos. Allerdings steht noch
eine Möglichkeit des Absatzes für Laubholz offen, und das ist
China mit Korea, nachdem zur Zeit schon Eisenbahnschwellen
von P^schenholz, Avenn auch in keiner besonders nennenswerten
Zahl, exportiert werden.
Hier muss eine gründliche Untersuchung der chinesischen
und koreanischen Absatzverhältnisse der endgiltigen Entscheidung
über die Gestaltung der Waldwirtschaft in Hokkaido vorangehen,
da hiervon das Zukunftsbild der die Waldungen zusammensetzenden
164 K. HEFELE, FORSTI-ICIIE REISEEIXDRÜCKE.
Bestände stark beeinflusst wird. Icli schliesse mich gerne der
Ansicht an, dass das Nadelhol/, mehr vorwiegen mi^isse, und
hinsichtHch des etwaigen Anbaues neuer Arten ist der Bhck auf
Amerika und die Wuldbestockung daselbst in gleichen klima-
tischen Zonen und Verhältnissen zu richten.
Das Urwaldbild an sich, wie es mir hier entgegentrat, war
mir keineswegs neu ; es ist cetcris paribus in der ganzen Welt,
scheint es, dasselbe ; denn die schönen Reste einer vergangenen
Zeit in den böhmischen Wäldern am Kubani, in den Forsten des
Fürsten Schwarzcnberg und so mancher Bestand auf verlassener
Scholle in Schluchten des Hochgebirges, sie stimmten wohl rrilt
diesem asiatischen Urwalde überein, wenn auch die Menge der
Arten von Bäumen natürlich hier viel grösser ist.
Geradezu unglaublich ist aber die Strauch- und Unkraut
(Bambus)- Hecke zu Füssen dieser Riesen des schweigsamen
Waldes ; es ist effektiv ohne Axt und Säge unmöglich, in diese
lebende Holzmauer einzudringen.
W'ir haben denn auch den praktikabelsten Weg, um bergwärts
bis zur Region der Kriechzürbel vorzudringen, gewählt, nämlich
den Wasserweg. Zehn Stunden in einem eiskalten Wasser
bergan auf spitzigen Steinen und nicht selten bis zur Hüfte im
nassen Elemente gehören keineswegs zu den Annehmlichkeiten,
abgesehen von den endlosen Kletterpartieen über hunderte den
Bach überliegende Stämme. Die wilde Schönheit aber dieser
keinem Zwang unterliegenden Natur, welche sich im Vegetations-
bilde widerspiegelt, hat uns denn auch reichlich für die Mühen
entschädigt, und gleich dem alten Homerischen Vorbilde erhob
man nach des Tages Mühe am Abend die Hände zum lecker
bereiteten Mahle von Forellen und Haselhühnern.
Man braucht gerade nicht Sentimentalist zu sein, um
eigentümlich berührt zu werden von dem Zauber schöner
Nächte im Urwalde. Mit silberhellem Antlitz lugt des Mondes
freundlich Vollmondgesicht durch die Lücken der Baumkronen,
deren phantastische Formen uns allerlei Spuckgestalten vor-
zuzaubern scheinen ; ein feiner Dunst des aufsteigenden Nacht-
nebels umkleidet wie mit zartesten Spinngeweben die dunklen
ragenden Schäfte der Bäume, und ein leiser Lufthauch macht
Sträucher und Gräser lispeln. Kein Ton sonst ausser dem
Murmeln des Baches in der Nähe. Diese stille Grösse unent-
weihter Natur, sie grenzt an Majestät. —
Gar mannigfach wechselten Bilder und Wetter während
K. HEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE. 165
meines Aufenthaltes dortselbst, immer den Reiz des Ungekannten
durch eine neue, darum aber nicht immer Hebenswürdige, Seite
vermehrend.
Schweren Herzens bin ich von der schönen Insel geschieden,
die in ihrer äusseren Erscheinung so viel Anklang an Deutschland
zeigt in Wald und Konfiguration des Terrains, mit dem es auch
hinsichtlich Vegetation und Klima natürlich mehr übereinstimmt
als Alt- Japan.
Was ich im vorausgehenden über den Mangel einer Eiszeit
für Alt- Japan behauptet habe, trifft hier nicht zu ; es scheint die
Tsugaru-Strasse zwischen Hondo und Hokkaido die Grenze des
von Norden kommenden Eiswalls gebildet zu haben. —
Hokkaidos Berge sind in ihrem Aeusseren so auffallend
kontrastierend mit den steilen, vielformigen Gebirgsketten und der
tausendfachen Faltung der Täler in Ah- Japan, dass man nicht
ohne weiteres an einen Zufall denken darf. Vermag sich natür-
lich die wilde vulkanische Form auch hier keineswegs ganz zu
verleugnen, so ist doch die ganze Ausformung der Täler und
der Hänge in einer sanften Abmilderung durch langwellige, ins
Grosse entwickelte Linien gegeben, so dass man eine solche
energische Ueberarbeitung der trotzigen Grundnatur wohl oder
übel auf eine gewaltige Korrosion, wie sie nur Wasser oder Bis
vollbringen kann, unzweifelhaft zurückführen muss.
Ich komme zum Schlüsse dieser naturgemäss lose aneinander-
gereihten Skizzen und Eindrücke über japanischen Wald und
japanische Wirtschaft. Aber ich wollte Ihnen gerne im all-
gemeinen den Eindruck, den die Unmittelbarkeit bei persönlicher
Augenscheinnahme zurücklässt, und die daran geknüpften Refle-
xionen wirtschaftlicher Natur mitteilen, ehe ich es zu anderer
Stunde, wenn Sie mir erlauben, unternehme, Ihnen die wirtschaft-
lichen Fragen des japanischen Waldes, gewissermassen losgelöst von
der konkreten Scholle, in vielseitigerer Beleuchtung vorzuführen.
Gestatten Sie mir nur noch, Ihnen den letzten und schwersten
Beweis für die geringe dermalige Entwicklung der japanischen
Forstwirtschaft ins Feld zu führen ; es wird dies mehr als alles
andere die Zwangslage, in der man sich befindet, offenbaren.
Der japanische Staatswald (ohne Kronwald) in Alt-Japan
ohne Hokkaido gewährt folgende Einkünfte :
Von 7,608 i.Iill. ha einen RoJicrtrag im Werte von
1,7 Mill Ycu^i,\ Mill. Mark = rund pro ha 42 Pfennig.
l66 K. HEFEL?:, FORSTLICHE REISEEIXDRÜCKE.
Zur Erzicluiif;" dieser Einnahmen sind nöti<^ an Ausgaben :
0,926 Mill. Yen = 1,8 Mill. Mark,
das sind rund 56 90 der Roheinnahme
oder 0,122 ]?;/ pro ha = 24 Pfennig,
Das gibt einen Reinertrag von
0,774 Mill. Yen = 1,344 Mill. Mark
oder 0,09 Yen pro ha = 18 Pfennig.
Sie nähern sich damit den Waldungen Russlands, welche mit
20 Pfennig pro ha Reinertrag nach Japan die niedrigste Stufe in
der Forstwirtschaft der Welt einnehmen.
Die Ausgaben sind in Anbetracht der geringen produzierten
Werte ebenfalls sehr hohe zu nennen.
Vergleicht man nun beispielsweise deutsche Reinerträge des
Staatswsi\^Q.s, so schwanken dieselben zwischen ij und 5/ Mark
pro ha, je nachdem sie Staaten mit grosser Entwicklung der
Industrie und .starkem Holzverbrauche entnommen sind oder
nicht.
Die jährlichen Einnahmen aus den Staatswaldungen beziffern
etwa 250 Millionen Mark im Durchschnitt auf 4,5 Mill ha.
Unterstellen Sie nun sogar, dass die innere Verfassung und
Wirtschaftsform der japanischen Wälder dieselben im Verhältnis
zu europäischen resp. deutschen Staatswaldungen etwa nur halb-
wertig bemessen lässt, was bei den hohen Preisen der Hölzer nicht
einmal zutreffen dürfte, so stehen immerhin noch 3,8 Mill. ha
Staatswaldfläche (Alt- Japan) in Frage, die zum mindesten einen
Rohertrag von 7,6 Mill. Fm oder einen Wert von wenigstens
7 Mill. Yen ^= Cti. 14 Mill. Mark produzieren müssten, auch \venn
man die geradezu unglaublichsten, ungünstigsten Verhältnisse ins
Bereich der Möglichkeit zieht.
Zur Erzielung des dermaligen Reinertrages des ganzen 'j ,(y
Mill. ha beziffernden Staatswaldes in Alt-Japan hätte ein kleiner
deutscher Staat, Sachsen beispielsweise, nur 169^ seiner Staats-
waldfläche nötig gehabt.
Bayern hat 2 Mill. lia Staatswald und 20 Mill. Mark = 10
Mill. Yen Reinertrag.
Dabei weiss ich recht wohl, dass bei Beurteilung der
Reineinnahme die verschieden eelaeerten forstlichen und volks-
wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen ; sie
wurden auch gewürdigt, aber die Differenzen in Japan sind so
schreiend wie die Zustände im Walde, und man braucht nicht
K. PIEFELE, FORSTLICHE REISEEINDRÜCKE. 167
einmal Forstmann zu sein, um nach wenig Wanderungen die
Notwendigkeit und Möglichkeit des Wandels in der Zukunft
unzweideutig einzusehen.
Die Grunderfordernisse dazu gipfeln meines Erachtens in
folgenden Punkten :
i) Der grosse Verbrauch von Holz bei der üblichen Konstruktion
der Bauten, der hohe Preis derselben und die immer mehr
aufkommende Industrie sichern einen dauernden steigenden,
gute Preise liefernden Absatz, weshalb die Waldwirtschaft
auf eine höhere Stufe gebracht werden muss, um eine Quelle
des Staatseinkommens von nennenswerter Bedeutung zu
werden und dem Bedürfnisse der holzverbrauchenden Gewerbe
zu genügen.
2) Der erste Weg zur Besserung ist die forcierte Inangriffnahme
der Aufschliessung durch Verkehrslinien, Wege, Waldeisen-
bahnen etc. Die Direktiven hierzu müssen nach einem
einheitlichen, das ganze Land berücksichtigenden Plane
gefasst werden.
3) Die Nutzung der vorhandenen Vorräte, die Nachzucht der
Wälder, muss in Anlehnung an die erprobten Fundamental-
sätze aller Waldwirtschaften geschehen, selbstredend unter
Berücksichtigung lokaler Eigentümlichkeit.
4) Bis zur Erzielung eines für die Durchführung geeigneten
Ausführungspersonales ist die ganze Waldwirtschaft in
Japan nach den einfachsten Regeln, aber nach den einfachstcji
der Technik, zu leiten unter tunlichster Vermeidung bezw.
Einschränkung des Grosskahlflächenbetriebes.
5) Erhöhte Kontrolle der Gemeindewaldungen, Wiederaufforstung
verödeter Hänge im Gebirge, eventuell durch Unterstützung
bei Privatgründen, ist zum Grundsatze zu machen mit
Rücksicht auf die Wassergefahr.
6) Umgestaltung des Unterrichtes und insbesondere der
praktischen Vorbereitung der jungen Forstleute.
Endlich für Hokkaido speziell :
in niinimo Verhütung der Vernichtung von Wald aus
Unkenntnis, Spielerei oder Rohheit und Meditation über
generelle Hauptzüge der zukünftigen Liquidierung des
Waldbesitzes sowie Neugestaltung seiner Waldbestockung.
Der Wünsche sind es wenige, aber gewichtige, welche man
vom technischen wie praktischen Standpunkte aus für die
l68 K. IIEFELI-:, FORSTLICHE RELSEKINDKLCKE.
nächste Zukunft des Weildcs in Japan hctj;"en niuss, wie Sie
sehen. Möchte nicht zu spät durch Schaden die Erkenntnis in
diesen Landen durchdringen, dass ein in der Geschichte der
Völker immer mehr gewürdigter Satz heisst :
,, Den Wakl zu pflegen, bringt allen Segen."
AUS DEM OSTEN.
REISEN IN SACHALIN, OSTSIBIRIEN, DER MANDSCHUREI,
CHINA UND KOREA.
Dr. K. Hefele,
K g- 1. B a .V >•• F o r s 1 111 e i s t f i-.
Die Absicht, eines der Japan zunächst gelegenen Länder,
Korea oder China, zu besuchen, stand bei mir schon seit ge-
raumer Zeit fest, aliein die Notwendigkeit, einen passenden Reise-
genossen auf weiten Touren zu haben, ändert nicht selten die
ursprünglichen Pläne, und so ist es auch mir ergangen.
Nachdem sich ein zu einer längeren Reise geneigter Begleiter
in der Person eines liebenswürdigen japanischen Kollegen gefunden
hatte, verschoben sich die Ziele durch gegenseitige Konzessionen
und andere Gründe, so dass schliesslich der Schwerpunkt in
einen Besuch der Amurregion in Ostsibirien verlegt war. Die
Hinreise erfolgte über Nordjapan, Hokkaido und Sachalin, und die
Rückkehr über die Mandschurei, einen kleinen Teil der chinesischen
Provinz Chili und endlich über Korea nach Japan, alles in einem
Zeitraum von 3 Monaten. Der Zirkel war somit keineswegs klein
im Verhältnis zur Zeit und zu den in Aussicht genommenen
Mitteln, aber man konnte hoffen, den Reisezweck zu erreichen.
Dieser war allgemein informatorisch gedacht hinsichtlich der
zu besuchenden Gebiete, um in ferneren Zeiten die Basis abzugeben
für Reisen mit speziellen Zwecken und für intensivere successive
Erforschung der Verhältnisse solcher Regionen, die allgemein
wirtschaftlich und selbstverständlich auch speziell die Auf-
merksamkeit des Forstmanns beanspruchend gefunden würden.
Folgen Sie mir auf dem einijeschlagenen Wege in Gedank'en
170 K. IIFJ'I'ir.E, AUS DEM OSTEN.
und \'cr/,cihen Sic mir, wenn ich die wirkliche Reihenfol^^e
einer GHedcruni; nach tatsächlicher Wichtigkeit oder L;ln;ge der
dafiir aufij^e wendeten Zeit vorziehe, wodurch ja nicht i^ehindcrt
wird, dem interessanten Platze die längere Betrachtung zu widmen.
Das erste Besuchsobjekt waren die Waldungen von Akita
bei Aomori, berühmt durch ihren Iveichtum an der in Japan so
hoch geschätzten Sugi (Cr}-ptomeria Japonica), welcher Nadel-
baum das Hauptbau- und Brettholz hierzulande repräsentieren
dürfte.
Vüv die Reise von Tokio dorthin ward diesmal nicht die
schnellste Verbindung nach Aomori gewählt, sondern die bei
dem herrlichen Wetter eine Fülle von landschaftlichen Reizen
versprechende Küstenlinie über Mito nach Sendai, woselbst die
innere Aomori-Bahn erreicht und die Seeküste verlassen wird.
Die lusenbahn führt den Reisenden zuerst durch die unendlich
fruchtbare Ebene des Kuwanto mit ihren unabsehbaren, prächtig
saftgrün schimmernden und in Sonnenglut sich wiegenden Reis-
feldern, deren Begrenzung oft durch schmale Säume \'on Perlen,
wohl dem Rest der ehemaligen Hau[Jt\valdbcstockung dieser
wasserreichen Niederungen, gegeben ist.
Die ganze Provinz Schimösa, von der die Kuwanto-Ebene
den grössten Teil einnimmt, zählt zu den Reiskammern Japans,
ebenso wie z. B. Mino oder Owari im Süden. Nach einigen
Stunden ist die Seeküste erreicht, und nun wechseln groteske
P\'lsenpartieen und flachuferige prächtige Plsch- und ISadestrände
mit den phantastischen, sturmzerzausten Baumformen der aus
Schvvarzkiefern zusammengesetzten schmalen Küsten Waldungen. In
See winken die schneeweissen Segel der P^ischerbote herüber wie
eine Schar Möven auf den spiegelglatten, azurblauen Pluten des
Meeres. Landeinwärts sind, je mehr man nördlich kommt umso
besser die niedrigen Vorberge der das Rückengerippe Japans
bildenden Zentralketten aus dunstiger P'erne sichtbar, weil näher
an die Seeküste herantretend. Die etwas monotone Haradcckung
derselben wird nur hie und da durch kleine Bestände von Rot-
kiefern, Kastanien etc. unterbrochen, ein typisches Bild des der
Landwirtschaft als Düngerproduzent zum Opfer gefallenen Waldes
und eines in langsamer aber sicherer Verschlechterung begriffenen
Bodenzustandes. Wo eben der Rei.sbau seine Heimstätte hat, da
ist dem Walde auf meilenweite P^ntfernungen in der Peripherie
des ersteren das Todesurteil gesprochen.
Ueber Mito hinaus gegen Sendai gestaltet sich die Gegend
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. I/I
hügeliger, und die jede feuchte Run.se ausnutzende Reiskuhur
kommt in den engeren Schkichten und Tälchen zu jener ter-
rassenförmigen Anbauform, welche eine der Absonderheiten japa-
nischer Bodenkultur bildet und z. B. in grösstem Umfange bei
Nagasaki im Süden zu sehen ist. Die berühmten Inseln von
Matsushima sind als Xaturschönheit wegen ihrer Form und der
Farbent(3ne ihres Bodens im Verein mit der Lieblichkeit der Bai
durch Photographieen als eine der Hauptsehenswürdigkeiten Japans
so bekannt, dass ich mir ihre Schilderung w^ohl erlassen kann.
Von hier bis Aomori behält die Landschaft in der Haupt-
sache einen hügeligen und bergigen Charakter bei, denn bald
nach dem Verlassen von Sendai wendet sich die Bahn von der
Küste dem Innern des Landes zu, bis endlich einige bestimmter
ausgeprägte höhere vulkanische Berggipfelformen des Hakköda-
san und des neiloidischen Iwakiyama, des ,, Tsuruga Fuji ", wie
er wegen der Aehnlichkeit mit seinem unübertroffenen Kollegen
und Rivalen im Süden genannt wird, das Landschaftsbild, in dem
das etwas unansehnliche Aomori gelegen ist, prägnanter und
belebter gestalten. Jenseits der stets unruhigen See der Tsuruga-
.strasse Hegt die Insel Yezo oder Hokkaido in feinem Morgen-
schleier, und ihr Locken blieb nicht unerhört, wir haben sie bald
darauf besucht.
Zunächst brachten uns einige Stunden weiterer Bahnfahrt
nach Odate, einer der Stationen von Akita, der auf der N. W.
Seite Japans gelegenen Hauptstadt des Kens (Regierungsbezirks)
gleichen Namens, und damit war der Platz, von dem aus die
Sugiwaldungen der Provinz Akita besucht werden sollten, erreicht.
Die Flächen in bergigem Terrain, welche von den Sugibeständen
dort in grösseren zusammenhängenden Komplexen eingenommen
werden, schätzt man auf ca 500.000 ha, wenn ich auch auf
Grund von Frfahrungen der Ansicht zuneige, dass 1-200.OOO
ha der Wahrheit näher kommen mögen als die erstgenannte,
etwas zu stolze Ziffer.
Wie im Utimappe-Walde bei Aomori, so hat man auch hier
einen Rest massierter Staatswaldungen, deren Nutzung und
Neuverjüngung ganz besondere Beachtung verdient, da ja sonst
mit wenigen Ausnahmen der Staatswaldbesitz, seine Wirtschaft
und seine Rente in gleichem Masse unter der geringen speziellen
Grösse der Teile wie unter Zerstreutlage und Abgelegenheit vom
Verkehre zu leiden haben.
Handelt es sich im Utimappe-Walde um die geschätzte
1/2 K. llKrELK, AUS [.W.M OSTEN.
Thujopsis dolabrata, so haben wir liier den Xutzholzhauni /)ar
exccUcncc \o\\ Japan, die Suf:^i (Cr\'ptomeria Japoniea) vor
uns. Ich habe schon erwäluit, dass sie das Material für die
Konstruktionshölzer beim Hochbau in Ja[)an liefert, wie sie auch
als Brettware und tür Schreiner- und Böttchergewerbe um-
fangreichste Verwendung findet. Der feine rötliche Ton des
breiten Kernes (an Lärche erinnernd), die leichte Bearbeitbarkeit
durch Handwerkzeuge, \\'\c Säge, Axt, Stemmeisen, als Folge
der geringen Härte, machen sie dem Ja[)aner besonders lieb ;
von europäischem Standpunkte aus würde man sie zweifellos
nicht höher bewerten als die Tanne. Die Rinde liefert schliesslich
noch Dachdeckmaterial geschätzter Art.
Die Erhaltung einer solchen Waldmasse ist der mächtigen
Faust des früheren Feudalherrn (Daimyo) von Akita zu ver-
danken, der gleich jenem \-on AooK^ri (Utimappe-Wald) energisch
die Zerstörungsgelüste der habgierigen oder unvernünftigen Nutz-
niesser in entsprechender Unterordnung zu halten wusste. Die
eigentliche Bewirtschaftungstechnik stand, wie überhaupt zu alter
Zeit in ganz Japan, auf keiner hohen Stufe, sie beschränkte sich
hier auf das Verbot, dass die Bauern nichts ausser dem Laubholz,
wie es sich in reichem Masse den lockeren, ja oft beinahe
verlichteten Sugibeständen beigemischt findet, 'zu ihrem Gebrauche
hauen durften. Die Sugibestände sind, forsttechnisch gesprochen,
nicht gerade als schön anzu.sprechen, da sie sich aus lockeren
Gruppen und Horsten sehr ungleichen Alters aufbauen. Infolge
des Aushauens der die Verbindung zum kompakten Walde
liefernden zwischen-und unterständigen, stellenweise horstartige
Form annehmenden Laubhölzer, wie Buchen, blattwechselnde
Kichen, Kastanien und andere Bäume und Sträucher, mögen
diese Sugigruppen, -Horste und -Bestände in den \'erschiedenen
Altersperioden eine wiederholte, oft recht weitgreifende und lang
andauernde J'^reistellung erhalten haben, welche weder im Sinne
von Astreinheit noch bedeutender Längenentwicklung wirken
konnte. Der Mangel jeder erziehenden Massregel, wie Reinigung
und Durchforstung, half die ungünstige Seite verstärken, so dass
neben schönen Stämmen eine grosse Uebermacht zwar massigen,
oft überalten, aber auch schlechtformigen und astigen Sugi-
materials sich findet. Langholz oder auch nur längeres Bloch-
liolz auszuhalten ist in der Hauptsache \vegen der grossen
Astigkeit unmöglich, und nur der Umstand, dass eben von Sugi
jedes Stück von jeder, auch sehr geringen Länge und \'ün
K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN. 1/3
iedem Durchmesser als Nutzholz zu Schind^^ln, Brettern etc.
verwertet werden und auf Absatz rechnen kann, maclit diese
Walduncfen so wertvoll. Gelinirt es der neueren Forstwirtschaft,
der ungezügelten Natur durch ihre Kunst die rechten Wege zu
weisen, so wird Masse, Form und Wert auf eine erheblich höhere
Stufe zu bringen sein. Was von Wirtschaft aber zu bemerken ist,
trägt ähnlich wie im Utimappe-Wald den Stempel des halbernsten
Versuchs und des Hin- und Herschwankens zwischen Meinungen,
denen die richtige wissenschaftliche und namentlich praktische
Erziehungsbasis fehlt, um sicher und unentwegt den nach Lage
der Umstände unzweifelhaft klaren Weg zu gehen.
Neben Kahlhieben, welche wohl der Periode nach Aufhören
der Feudalherrschaft (1868) angehören mögen und natürlich,
weil ohne Kultur gelassen, zur //ara wurden, findet man dann
die ,, Plenter "-epoche, d.h. die ,, natürliche Verjüngung", klein-
und grosshorstig versucht, und nach begreiflichem Misserfolge
endlich den Kahlhieb mit künstlicher Nachpflanzung.
Mit keiner wirtschaftlichen Nutzungs- und Verjüngungsart
wird in Japan eben mehr Missbrauch getrieben als mit diesen
beiden Namen: „Plenterwirtschaft" und ,, natürliche Verjüngung".
Ich kann das Bestreben verstehen, auf das ,, Neueste und Feinste "
der europäischen Waldwirtschaft zurückzugreifen, aber ohne die
nötigen Voraussetzungen muss der Erfolg unzweifelhaft ein
negativer sein. Natürliche Verjüngung und richtiger Plenterhieb
sind die Resultate eines feinsten, auf langjährig wohlerprobtem
Fundament von Wissenschaft und Erfahrung sowie eines speziell
dazu erzogenen Personals aufgebauten Betriebs, und der Akita-Sugi
wie der Utimappe-Asunaro-Wald bei Aomori liefern den deut-
lichsten Beweis, dass ein zielloses Löcherhauen mit dem Plenter-
hiebe ebenso wenig gemein hat wie verbuttete und überalte
Vorwüchse mit natürlichen Verjüngungshorsten. Die Grösse
der in Frage kommenden Flächen, die Unklarheit der Begriffe,
die riesige Unkrautentwicklung im Walde, die mangelnde Pflege der
angehauenen Bestände, das für solche Zwecke nicht ausreichende,
auch wohl vielfach unverwendbare Personal an Holzarbeitern,
Förstern etc., ja die Unerfahrenheit in den besprochenen Ver-
jüngungsarten überhaupt führen auf die einzige derzeitig praktische
Nutzungsmöglichkeit: Saumhieb im Berglande, und zwar meist
Kahlhieb mit nachfolgender nicht zu dünner Pflanzung.
Die Bringbarkeit des anfallenden Materials zu Land und zu
Wasser (Noshirogawa und Seitenflüsse) aus den Schlagregionen ist
1/4 K. HEFKLE, AUS DEM OSTEN.
in den Akita-Waldungcn zum grossen Teil vorhanden oder muss
geschaffen werden, und der steigende Preis, der jetzt pro fm ca
3 Yen = 6 Mark beträgt, wird eventuellen Aufwand reichlich
lohnen. ])ie Detaillierung der verschiedenen Gründe, warum zur
Zeit die natürliche Verjüngung und der Plenterhieb in Japan
unmöglich sind, würde eine eigene Schrift füllen. Ich verweise
den Interessenten auf meinen demnächst in der Zeitschrift des
japanischen P'orstvereins erscheinenden Artikel „Ueber Wirtschafts-
formen im japanischen Walde ".
Auf dem Rückwege fesselte eine kühne P'örderanlage mein
Interesse. Zum Transport von Erz war von einem etwa 5 km
landeinwärts im Berglande gelegenen Schmelzwerke eine Draht-
seilrei.se mit Unterstützung gebaut, die in unserer Sichtweite-
drei Bergrücken nacheinander überwand und dabei freie Spann-
weiten mitunter bis zu 400 oder 500 m aufwies. Das Metall wird
auf den P^örderschalen zur Bahnstation gebracht, und rücklaufend
nehmen dieselben Schalen die in Säcke gefüllten Kohlen zum
Betrieb des Schmelzwerkes mit sich. Der Antrieb des Zugseiles
erfolgt von der Schmelze durch Dampfkraft.
Der sich an diese Waldexkursion anschliessende Besuch
eines grossen Holzhofes in Noshiro an der Mündung des
aus dem Herzen der Akita- Waldungen kommenden Noshirogawa,
eines 60-80 m breiten und zur Zeit der Schneeschmelze oder
Regengüsse in seinem .sandigen Bette grosse Wassermassen
dahinwälzenden Stromes, lieferte einen weiteren Beweis für die im
allgemeinen sehr auf Mittelmässig gestimmte Form der getrifteten
kurzen Blochhölzer von Sugi. Trotzdem ist alles Nutzholzsor-
timent. Eine grosse moderne Sägemühle in Noshiro war die
erste grosse Einrichtung dieser Art, die mir in dieser I^ianche
in Japan zu Gesichte kam. Das Plscherdorf Noshiro bietet
kaum etwas Interessantes und verdankt seine freundliche, reinliche
Aussen- und Innenseite den Neubauten, welche vor einigen
Jahren nach einem grossen Schadenfeuer errichtet wurden.
Eine mehrstündige Fahrt brachte uns gegen Abend zu dem
Ausgangspunkte der Tour, Aomori, zurück, und melancholisch
hob sich der Tsuruga-Fuji vom blauschwarzen, von einem goldigen
Saum der untergehenden Sonne begrenzten Himmel ab, als wir
Hirosaki passierten.
Bei wundervollem Wetter wurde mit dem filiigen Steamer
alsdann Hakodate und Otaru in Hokkaido ancrelaufen. Die Fahrt
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 1/5
um die S. W. Landzunge Hokkaidos herum, zwischen Hakodate
und Otaru, ist zwar nicht zu vergleichen etwa mit jener der In-
landsee, ist aber trotz der grösseren Einfachheit und der etwas
vordringlichen Masse des festen Landes von ausserordentlich
anziehendem Reize, „ ruhiger " als die um ihrer Schönheit willen
so berühmte Lilandsee mit ihren ewig hin- und herhastenden
Dampf- und Segelschiffen. Ueber die Brandung, welche als
weisser Strich scharf vom dunklen Meere sich abhebt, türmt
sich die gebirgige Festlandmasse mit ihren grotesk zerrissenen
Felsenufern in die Höhe und zeichnet nunmehr gegen Abend am
dunkelnden Himmel die uns mehr familiäre Form langwelliger
Höhenzüge, nicht ohne durch einige scharfe Auszackungen der
fliessenden Linie die vulkanische Ursprungsnatur zu verleugnen.
In schmalen fjordartigen Buchten der wilden Küste nisten
kaum erkennbar kleine Fischerdörfer, und vom Lande losgewaschene
trotzig ragende Klippen im Meere, scheinbar weit weg von ihrem
Ursprung, bilden seltsame Naturbogentore. , Die Steilufer entfalten
ein Farbenspiel ihrer nackten Felsen vom tiefsten Rot bis zur
feinsten Nuance in Schwachgelb und Braun, und je mehr die
Sonne hinter uns dem Horizont sich nähert, desto zarter sind
diese Lichter, desto wirksamer flir das Auge verschmilzt der
anfanglich etwas grelle untere Rand des Ganzen mit dem tiefen
Ton der nach oben sich anschliessenden dunkelgrünen Hara der
Berge, und die letzten Strahlen des Tagesgestirnes überziehen
wie mit goldig schimmerndem feinsten Schleier das prächtige
Landschaftsbild.
Otaru ist in zwanzigstündiger Fahrt von Hakodate erreicht,
eine grosse geschäftige Stadt mit weitem, grossem Hafen, und
der ,, Fisch", wie die Leute am Amur in Sibirien sagen, bildet
nebst Fischöl und gesalzenem und geräuchertem Lachs in Form
von Fischdünger (Hering) den Hauptexportartikel.
Das Gefühl, der um diese Jahreszeit (Juli) drückenden Hitze
von Tokio entflohen zu sein, ist an einem von frischer Brise
belebten kühlen Sommertagsmorgen hier ein doppelt wohl-
tuendes.
Sapporo einige Stunden landeinwärts in der Mündungsebene
des Ishikarigawa, eines der Hauptauslässe der Produkte Hokkaidos
aus dem Innern zur Westküste, lehnt sich freundlich malerisch
auf der S. W. Seite an bergiges, bewaldetes Terrain an. Sitz der
Regierung und verschiedener Bildunijsanstalten mit hübschem
176 K. HEl'KLE, AUS DEM OSTEX.
botanisclicn Crarten, mit einem liochinteressanteii kleinen Natu-
ralienmuseum (der Flora, Iviuna etc.) von liokkaicio ist wohl
jedem Hokkaidoreisenden bekannt und einen Besuch auch
Wohl wert.
Die Absicht, einen Abstecher in einen grossen Forstkomplex
der ja[)anischcn Hofforstverwaltuny; zu machen, wurde auch aus-
geflihrt und zwar zu Pferde, da I lokkaidostrassen und gewöhnliche
Hokkaidowagen eine, wie ich aus \'ielfacher Erfahrung bestätigen
kann, nur zu begründete Berühmtheit oder besser Berüchtigtkeit
haben. Vor ein unendlich schmutziges omnibusartiges Vehikel
mit 20 cm breiten langsseitigen Sitzbrettern und einem auf 8 Per-
sonen berechneten Rauminhalte, den drei Europäer von einiger
Statur mit Leichtigkeit ausfüllen, ist ein struppiger kleiner Ponny
gespannt, und unter Peitschenknall und Zuruf des P'ührers zerrt
das kleine Pferd den Ka.sten in markerschütterndem Trapp durch
die 15-50 cm tiefen und in regelmässigen Abständen einiger
Meter sich wiederholenden Löcher der natürlich jeden Unterbaues
und Unterhaltes entbehrenden Strasse. Wehe dem Europäer von
Durchschnittsgrösse, der vor solcher lugenart nicht in P^rgeben-
heit sein Haupt dauernd senkt oder seine Verankerung, wie man
das krampfhafte P^inhalten mit Händen und P^üssen nennen
möchte, unvorsichtig lockert, sein Kopf wird sich alle Augenblicke
mit dem niederen Dache des Wagens in empfindlichster Weise in
Berührung gebracht sehen. Man kann sich nur wundern, dass.
v^erhältnismässig selten ein Wagen umstürzt, aber sicherlich sind
längere Fahrten in solchen Omnibussen ein ausgiebiges Aequivalent
flu" etwa begangene Sünden mehrerer Jahre.
Der Weg nach diesen P^jrsten von Jösankei nun führt bald
hinter Sapporo den Taihira, einen Nebenfluss des Lshikarigawa,
entlang, der hier in vielgewundenem, allmählich sich verengerndem
Hochtale dahinfliesst. Die Scenerie wird von Kilometer zu
Kilometer anmutiger, hübscher und wildromantischer. Die mit-
telhohen Berge (500-700 m) zeigen grünes Vegetationskleid aus
unregelmässiger, etwa einer Art Mittelwald gleichender Laubholz-
bestockung \^on Buchen, Eschen, Ulmen, Pappeln, Birken,
Weiden, Cercidophyllum etc. mit einiger Beimischung von Tanne
(Abies Momi) und P^ichte (Picea Sachaliensis). Der Wald hat, je
weiter man das Bergtal aufwärts kommt, desto mehr Beimengung
von Nadelholz (Tanne und Fichte), und wäre die Höhenerhebung
des Berglandes eine bedeutendere, so würden zweifellos reine
Nadelholzforste, der klimatischen Lage entsprechend, angetroffen
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. IJJ
werden. Obgleich die Besiedelung der g-enannten Gegend vorerst
noch recht spärHch ist, so hat sie doch schon den Fkich so
vieler Hokkaidowaldungen, das Feuer, mit sich gebracht, und
es ist kein seltener Anblick, dass auf ganzen Bergseiten die
geschwärzten abgestorbenen Stämme wie anklagend ihre laub- und
nadellosen Aeste zum Himmel strecken, eine schrille Disharmonie
an diesem lachenden Morgen. Zweifellos ist auch die vorherrschende
Laubholzbestockung in allen mehr bewohnten, gegen Sapporo
zu gelegenen Teilen nur den Vernunft- und zwecklos entfachten
Bränden zuzuschreiben, soweit nicht schon \'orher eine der berüch-
tigten ,, Plenterungen " das halbwegs brauchbare Tannen- und
Fichtenholz entnahm. Sei dem wie immer, hätte der Wald
Ruhe vor dem nutzlosen Brennen, er würde zweifellos in seinem
Nachwüchse mehr des so sehr begehrten Nadelholzes aufweisen.
Ich habe seinerzeit in meinem Vortrage über eine frühere Reise
im Zentrum von Hokkaido darauf hingewiesen, wie man wohl
verstehen kann, dass der W'ald dem Ackerbau weichen müsse,
wo der Mensch den Boden für eine andere Kultur benötigt,
wie es aber ewig rätselhaft bleiben wird, welchen vernünftigen
Grund das alljährliche Anzünden des Bodenüberzugs und damit
des Waldes haben soll auf Plätzen, die in keiner Weise vom
Ansiedler zu irgend welchem Zwecke benötigt werden. Zer-
störungswut, Spielerei und Gedankenlosigkeit mögen einen
hervorragenden Anteil daran haben, aber die durch keinerlei
energische Aufsicht und exemplarische Bestrafung von über-
führten Personen gehemmte Vernichtung schätzbarer Güter der
Natur wird dereinst sehr schmerzlich empfunden werden. War-
nende Beispiele glaube ich Ihnen später aus den Amurgegenden
in Sibirien anführen zu können.
Ein siebenstündiger Ritt hatte uns dem Endpunkte der
ins Auge gefassten Exkursion, einem kleinen, sehr ländlichen
Schwefelbade Jösankei zugeführt, und wer Einfachheit, Ruhe
und Waldfrieden liebt, dem sei in guter Jahreszeit ein kürzerer
Aufenthalt dort geraten. Auf Komfort und besondere Küchen-
ansprüche wird er freilich verzichten müssen. Der klare Bergbach
enthält P'orellen, und in den Waldungen findet sich reichlich
Wild : Shika, Bären, Hasen etc. Eine Flinte kann man sich
ja jederzeit von den Bauern entlehnen, wie mir der Förster
treuherzig zur Antwort gab, als ich ihn über die Ursache
des gänzlichen p^ehlens dieses dem deutschen P'orstmann so
unentbehrlichen Ausrüstungsgegenstandes bei ihm interpellieren
178 K. IIKI'EI.E, ALS 1)1:M OSTEN'.
licss, und dabei sind diesen ]^etriebs\-oIIzui;"sorganen 15-20.OOO
lia Fläche /.ur Kontrolle unterstellt. Die Nutzung; des ca 35.000
ha grossen l-'"orstes, in dessen Herzen eben Jösanlcei liegt, besteht
in einem y\uszug des zu l^locliholz tauglichen Tannen-und
Fichtenholzes, untl es mögen auf dem Taihira jfdirlich bis zu
10.000 fm nach Sapporo getriftet werden.
Reichlich die Hcälfte des Wertes des Holzes loco Sapporo
wird durch die Triftkosten {yow Jösankei allein aus schon)
aufgezehrt, und wenn man die Kosten der Zubringung zum
Bache bei Jösankei noch hinzurechnet, so mag die Rente der
-dortigen Waldungen eine recht magere sein. Je mehr das
Nadelholz durch diese Auszugsnutzungen und das Feuer in
Abnahme begriffen ist, desto sch\vieriger und kostspieliger wird
sich zudem später die Ueberführu.ng dieser zu vorherrschendem
Laubwald gewordenen Forste in nutzbringendere Bestockungs-
und Wirtschaftsformen gestalten.
Der Landtransport spielt bei den miserablen Wegen und
den vielen halbzerfallenen, löcherigen Brijcken, welche man
passiert, für Holz wenigstens keine besondere Rolle. Steine aus
einem halbwegs gelegenen Sandsteinbruche werden zwar viel
durch Wagen nach Sapporo gebracht, aber nur der relativ hohe
Wert derselben macht dies möglich.
Die Tierquälerei auf diesen sogenannten Strassen ist ein
widerlicher Anblick,
Ungern bin ich aus der l^uhe des Waldes zurückgekehrt
zum lebhaften Treiben in Sapporo und von hier zum Einschiffungs-
hafen für Sachalin, Otaru. An Bord des nach Sachalin bestimmten
Schiffes wurde uns von der Reisegesellschaft, meist kleine japa-
nische Kaufleute, Fischer etc., viel von der Rigorosität russischer
Behörden und der Unsicherheit auf Sachalin erzählt, während
der Steamer bei herrlichem Wetter ausserhalb des Hafens von
Otaru alsbald seinen Kurs nördlich nahm. Gegen Abend Avar
man in mehr oder minder nebeliges Wetter geraten, das als
regelmässige Erscheinung während ■'/■» ^^•'^ ganzen Jahres anzu-
sehen ist, je mehr man sich Sachalin nähert. Am anderen
^lorgen ist durch den leichten Nebel waldbedecktes Land
hügeligen Charakters wahrzunehmen, und als gegen Mittag das
Wetter, sich aufklärend, eine weitere Fernsicht erlaubt, da sind
wir bereits tief in der Bai von Aniva und nfiliern uns rasch
dem unscheinbaren Küstenorte Korsakoff auf Sachalin.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 1/9
Deutlich heben sich die hellgrauen Häuser ab vom dunklen
Hintergründe waldbedeckten Terrains, das sich in unabsehbare
Ferne nordwärts zu erstrecken scheint, während die Steilufer der
felsigen Küste eine scharf helle Accentuierung der Basis des
etwas düsteren Gesamtbildes formen.
Mit begreiflicher Spannung erwartete man die Abwickelung-
verschiedener Formalitäten, nachdem die Anker fielen, um an
Land zu gehen. Beim Betreten des Landungssteges empfing uns
ein vom japanischen Konsul entgegengesandter Wagen, und in
sausendem Galopp ging's durch eine staubige, pflasterlose Strasse
den kleinen Hügel hinan, auf dem das Konsulat steht. Das massiv
hölzerne Blockgebäude mit seinen weissen Fensterrahmen und
dem freundlichen kleinen Garten um dasselbe wirken nicht minder
anheimelnd wie die geradezu riesigen Oefen in den Zimmern,
\vclche ihren berechtigten Wert durch ihre Dimensionen eindring-
lichst zu betonen scheinen. Der russische ,, tsai " (Tee, in Gläsern
getrunken und auf dem Samovar bereitet) .spielt dieselbe Rolle
eines gastfreundlichen Litroduktions-oder Generalbindegliedes für
den fliessenden Fortgang der Unterhaltung wie sein Bruder
,, O cha " in Japan. Die Quantitäten, welche davon von Russen
untertags eingenommen werden, steigern sich bis zu 25 und 30
Glas (ä ^ liter), je nach Laune und Temperatur. V^om Kon-
sulate hat man einen ziemlich guten Ueberblick über einen Teil
von Korsakoff, das etwa folgendermassen sich präsentiert.
Ein gegen das Meer sich senkender talförmiger Hügel-
abhang ist durch einen Mittelrücken gleichen Verlaufes in zwei
Teile gespalten, in deren Grund die beiden Hauptsträsschen von
dem schmalen Verbindungsstreifen an der Küste ziemlich steil
bergan fahren. Die Häuser sind dadurch in der Form eines
lateinischen U gruppirt, das seine Rundung dem Hafen zuwendet,
und die spärliche Bedeckung des trennenden Rückens mit Ge-
bäuden liegt wohl daran, dass, solange Platz vorhanden war, die
geschütztere Tieflage aufgesucht wurde. Ringsum auf freiem
Grunde finden sich die armseligen Aecker der Strafkolonisten
und Wald, d. h. eine Wildnis von Baum- und Straucharten als
Rest der ehemaligen Waldbestockung nach unzähligen Brandver-
wüstungen.
Korsakoff ist die Hauptstadt eines der drei Polizeibezirke, in
die Sachalin vom Verwaltungsstandpunkte geteilt i.st, nämlich
Alexandrowsk, Duinow.sk und Korsakoff I^ie Insel Sachalin
selbst bildet einen Teil von Sibirien und zwar des Amur-
l80 K. HEFF.r.E, AIS DEM OSTEN".
Grenzlandes, welches dem Generalgouvernement in Habarovsk
untersteht. Ursprünglich im Besitze von Japan, wurde es durch
Vertrag im Jahre 1<S75 \'on Russland gegen die Kurilen ein-
getauscht und später als I-Lxilstation für schwere \^erbrecher
bestimmt.
Die Hauptstadt Sachalins, Alc.xandrowsk, an tlcr Bai von
Ca.stri gelegen, zählt heute lo.ooo Einwohner. Ihre Gründung
(1853) verdankt sie dem tapferen und unerschrockenen russischen
Kapitän Nevelski. Dieser energische Alann, welcher die In-
tention des damaligen, um die Erforschung des Amur und seiner
Machbarländer so verdienten Generalgouverneurs Aloraviov aus-
führte, umfuhr die Nordküste Sachalins, stellte die Mündung des
Amur fest und wies die Vermutung, dass Sachalin eine Insel
sei, als zu Recht bestehend nach.'^
Die jüngste Zeit, welche Russland in engere I^^ühlung mit
dem Pacific durch die sibirische Eisenbahn, Port Arthur, Wladivo-
stock etc. brachte, involviert eine weitere Epoche des Aufschwungs
für das Amur-Grenzland und Sa' haiin. Durch djn Mangel an
genügender Kohle in dem östlichsten Sibirien hat man ein
intensiveres Augenmerk auf die zweifellos vorhandenen Schätze
an diesem wertvollen ^^lineral auf Sachalin gericlitet. l^s war
schon seit 1S59 das Vorkommen von Kohle auf Sachalin
bekannt und auf mehreren Plätzen nachgewiesen. Zwei Bergwerke
nahe Doue förderten bisher ein Quantum sehr guter Kohle von
ca I Mill. pud = 400 000 Zentner und genügten dem Bedürfnisse
von Marine und Handelsschiffen in den dortigen Gewässern.
Die beabsichtigte Verbindr.ng dieser Minen unter sich durch eine
Schmalspurbahn und die .Schaffung eines sichern Hafens in deren
Nähe wird dort eine Kühlenstation ersten Ranges in näch.ster
Zeit entstehen lassen.
Die eingehende Untersuchung des Bodens in Sachalin hin-
sichtlich des Reichtums an Naphtha, Gold, Kupfer und silber-
haltigem Blei mag vielleicht die Zukunft Sachalins noch in
ungeahnter Weise beeinflussen für den P'all, dass die an das
bekatuite Vorhandensein der genannten Alineralien geknüpften,
einstweilen wohl noch nicht allseitig sicher genug fundierten
Hoffnungen sich erfüllen. Manche neigen sogar zu der Ansicht,
* Silieria und the (Ircal .Siheri.ui Railway, tiy ilie DeiJarimeni of Tratle and
Manufacturcs Mini.'-lry of J-'inai.C;. St. I'clersburi; 1S93. Translaiecl by J. M. Crawford.
p. 14. ff.
K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN'. l8l
■class sich hier vielleicht ein zweites Jahrtausende lang im Alärchen-
schlafe gelegenes Alaska finde.
Bis zu einem gewissen Grade wird diese Ansicht untcrsti^itzt
durch die Aehnlichkeit der gefundenen Mineralien. Vulkanische
Felsen, Basalte etc. bilden den Grundstock der auf Sachalin
vorhandenen in ziemliche Höhe aufragenden Bergzüge. Der
Umstand, dass die so nahe gegeni^iber liegenden ebenso steilen
Höhenzüge der mehr erforschten ostsibirischen Küste sowohl
nach Form Avie geologischem Ursprünge verschieden sind \-on
jenen auf Sachalin, berechtigt zu der Ueberzeugung, dass v^on der
Armut an bestimmten wertvollen ^Mineralien auf der Festland-
küste keineswegs ein Schluss auf ähnliche Verhältnisse in Sachalin
sezogen werden darf
Kehren wir zurück zu unserm Ausgangspunkte Korsakoff.
Von seinen ungeföhr i.ooo Einwohnern sind ca 800 schwere
Verbrecher, welche, wie man mir sagte, zum Teile eine Strafzeit
bis zu 4 Jahren in Ketten und unter Aufsicht in bestimmten
Gefangenenhäusern zubringen, wo sie Zwangsarbeiten verschiedener
Art verrichten müssen. Nach Verbüssung dieser Strafzeit sind
sie zu 6 jährigem weiteren Zwangsaufenthalte als unter Polizei-
aufsicht stehende Ansiedler gezwungen, ehe sie nach Russland
zurückkehren können. Den ungefesselten, nicht internierten Ge-
fangenen ist erlaubt, kleine Häuschen zu bauen, Ackerbau zu
treiben oder in irgend einem Dienstverhältnisse sich den Unter-
halt des Lebens zu erwerben. Land wird ihnen ebenso wie Holz
unentgeltlich nach Bi:darf zugewiesen. Li die Zahl der Nicht-
verbrecher teilen sich die Beamten, ungefähr 50 im ganzen, mit
ihren Frauen und Kindern und einige japanische Kaufmannsfamilien
mit ca 70 Seelen. Die Garnison, welche in der Zahl von i.ooo
Einwohnern nicht inbegriffen ist, setzt sich aus ca 400 Mann
ALlitär und Kosakenpolizei zusammen und untersteht einem
besonderen Gouverneur.
Der Anblick der Kettengefangenen und sonstigen P2xilierten
ist im allgemeinen nach jeder Richtung ein herzbewegend
trauriger. Der Menschheit ganzer Jammer fasst uns an, wenn
man auf den Gesichtern dieser Menschen zu lesen versucht.
Dumpfbrütend sitzt da einer auf einem Steine in zerrissenem
braunen, schmutzigen Kittel mit verwildertem Bart vuid Haupt-
haar ; stechenden Blickes verfolgt ein anderer jede Bewegung des
Beobachters ; mit gemeinem Gelächter und Spässen necken sich
dort ein paar der zweifelhaftesten Repräsentanten der holden Weib-
Iö2 K. IIKFELE, AUS DP:M OSTEN.
liclikcit herum ; der sympathischen, ruhigen Gesichter sind wenige.
Am widerlichsten berührte mich stets, wenn ich aus den Reihen
der Kettengefangenen, welche von Kosaken mit aufgepflanztem
Bajonnet zu einer Arbeit am Hafen oder dergl. eskortiert wurden,
rohes, gezwungenes Lachen vernahm. Das umheimliche Klirren
der Ketten, das schmutzige, zerlumpte und verwilderte Aussehen
dieser eine ganze Völkerversammlung Russlands repräsentierenden
Spezies der Gattung Jiomo, diese lebenden Beweise, wie der
Mensch zur Bestie herabsinken kann, denn nur Mörder und
Räuber sind es, die hier ihr gezwungenes Asyl für Lebenszeit
finden : sie erfüllen mit Eckel und Mitleid zugleich. Denken
zu müssen, dass jeder Mensch, dem man begegnet und der sich
nicht durch Uniform oder Kleidung sofort unzweifelhaft unter-
scheidet, ein Verbrecher sei, das wirkt auf die Dauer unendlich
deprimierend.
Trübselig blicken die grauen, massiven Blockwohnhäuser,
finster schaut der Kosak auf Wache vor einem der riesigen staat-
lichen Verkaufsmagazine, wo die Ansiedler das Nötigste zum
Anbau des Bodens, Korn, Geräte etc. kaufen können, mürrisch
patrouillieren andere Soldaten die Strassen, den schussbereiten
Revolver umgeschnallt ; bleigrau Himmel und Meer, schweigend
ein Stück verbrannten Waldes in nächster Nähe, der Wind pfeifend
und scharf — das Ganze wie mit Zentnerlast des Menschen Herz
bedrückend !
Man sieht wenig frohe Mienen. Sogar die durch die Gewohn-
heit des Alltagsverkehrs daran gewöhnten Residenten, wie Beamte,
Offiziere, Soldaten etc., tragen unwillkürlich einen gewissen Ernst
und Schweigsamkeit im Verkehre auch unter sich zur Schau ; es
bleiben eben die äusseren Umstände nicht ohne eine verdüsternde
Wirkung, das ist zweifellos zu erkennen, es brauchte einem nicht
aus.serdem noch speziell versichert zu werden.
Vom klimatischen Standpunkte aus ist Sachalin trotz seiner
geringen nördlichen Breitenlage {^a^-^^ n. B) keineswegs günstig
von Mutter Natur bedacht worden. Die kalten Meeresströmun-
gen von der Ochotzkischen See, welche Massen von Eisblöcken
grösster Dimensionen mit sich führen, und die vorherrschend
von W., N. und O. wehenden Winde beeinflussen nach mehr als
einer ]<ichtung alle Verhältnisse in abnormer Weise. So z. B.
sinkt die Temperatur im Winter mitunter bis auf- 27,3° (im
Februar), und die Temperatur im hei.ssesten Monat steigt nicht
über +23°; die Durchschnittswintertemperatur aus einer Reihe
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 183
von Beobachtungsjahren ist —15°, jene des Sommers +14, der
Durchschnitt des heissesten Monates +16.5°, die durchschnittHche
Jahrestemperatur etwa +5°.*
Die Winter sind hinsichth'ch der Tiefe der Schneelage
kaum besonders schneereich zu nennen, 60-70 cm ist die durch-
schnittliche Dicke der Schneedecke ; der Schneefall beginnt relativ
spät und dauert von Dezember bis März incl., umso unangeneh-
mer aber machen sich die durchdringend kalten nördlichen
Winde geltend, und die häufigen Nebel helfen treulich mit, die
Unfreundlichkeit des Eilandes zu steigern. Nur 12-14 klare Tage
mit heiterem Himmel sind den Einwohner dieser Insel der
Lebendig-Toten beschieden. (Die Niederschläge sind beträchtlich,
500 mm pro Jahr.)
Von den weittragendsten Folgen aber ist die geringe Durch-
schnittstemperatur der vier Hauptvegetationsmonate, -Hi2° C, da
sie den Kornanbau sehr schwierig macht und ihn tatsächlich
nur an wenigen geschützten Stellen ermöglicht. Die Region, in
der der Wald zur Strauch- und Kriechform herabsinkt ist, selbst-
verständlich schon in geringer Erhebung im Bergland erreicht.
Der Hauptwert der Insel beruht zur Zeit in ihrem enormen
Reichtum an Fischen in ihren Meeresbuchten und Flüssen,
namentlich die Aniva-Bai, an der Korsakoff liegt, ist deshalb
berühmt ; auch wird dort eine essbare Meeresalge in Massen
gewonnen. Unglaubliche Mengen von Heringen und Sardellen
werden allein schon von den 5.000 japanischen Fischern erbeutet,
welche alljährlich zum Fang an den Küsten von Sachalin er-
scheinen und sich in primitiven Niederlassungen über die ganze
Insel an den Meeresküsten zerstreuen. Im Korsakoff-Bezirk allein
ernten die japanischen Fischer 70.000 /'t'/C'« =98.280 hl getrockneten
Fischdünger, der mit dem aus den Fischen durch Aussieden in
grossen eisernen Pfannen gewonnenen Oele seinen Hauptabsatz
in Japan findet. Ein kokii Fischdünger von 140.4 Liter hat
in Hakodate einen Wert von 12 Yen. Lachs wird ebenfalls in
grossen Mengen gefangen, eingesalzen und geräuchert. Den
kalten Polarströmungen ist ferner das häufige Vorkommen des
Wales an der Ostküste zu verdanken. Eine einzige Fischerei in
]\Ieria an der Ostküste erbeutet jährlich durchschnittlich 14 Wale,
deren Wert etwa 14.000 Rubeln gleichkommt. Im ganzen sind
auf Sachalin 225 Fischereien, oft mit einem Personalstand bis zu
* Silieiia and the Great Sibenan Railway, p. 66.
184 K, IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
300 Personen im einzelnen. Die meisten derselben finden sich
an den fischreichen Küsten des südlichen Teiles der Insel, nur
etwa 5 sind im Norden anzAitrcffen.*
Einen Einblick in die Wald\erh;iltnisse zu bekommen, war
der Zweck der geplanten Exkursionen, deren Leitung in liebens-
würdiger Weise der russische Oberförster zusagte. Als Ziel
waren I'^orste in Aussicht genommen, die mir als für die ganze
Insel typisch bezeichnet wurden. Ganz Sachalin besteht ja mit
Ausnahme der Küsten aus einem einzigen Waldkomplexe, der
sich also fast nahezu mit der Flächengrösse der Insel deckt,
welche wiederum jener von Hokkaido nur um weniges nach-
steht ( — Bayern, Baden, Württemberg zusammen). Für ganz
Sachalin ist nur ein Forstinspektor in Alexandrowsk aufgestellt,
dem der Oberförster in Korsakoff, als dem z. Z. einzigen für
Forstnutzung in einigem Umfang in Betracht kommenden Platze,
unterstellt ist; daneben sorgen noch etwa 12 Waldwächter für die
Ueberwachung der Forste, angesichts der P'lächen ihres Bezirkes
zweifellos eine etwas problematische Aufgabe !
Die Exkursionen zum Walde werden meiner P>innerung nicht
so schnell entschwinden, da sie an Eigenart das Menschenmög-
lichste boten. Auf dem nationalrussischen Gef^ihrte, der Troika,
geht es mit Windesgeschwindigkeit einen, Strasse genannten,
fahrbaren Landstreifen dahin, das Mittelpferd in scharfem Trab
und die beiden Seitenpferde im Galopp. Unermüdlich halten die
struppigen, muskulösen, kleinen Pferde diese Gangart für Stunden,
und Plindernisse irgend welcher Art scheinen ft^ir dieses dem Russen
so zusagende, nach Lage der Wegverhältnisse einzig richtige
Gefährte nicht zu existieren. Hier durch ein tiefes Loch, als
wollte man im Erdboden versinken, dort über einen Stein oder
* Die Taxen, welche von der russischen Kegierung für das langrecht erhoben
werden, setzen sich zusammen aus Abgaben für jede Aiissiedepfanne, aus Entschä li-
gung für das frjie Brennholz aus nahen Formten (5 Rubel pro Jahr), dann für
Grundbenutzung (10 □ sarchinr=i Kopek), ferner aus einer Taxe pro Pud des pro-
duzierten Düngers (5 Kop.) und variieren au^serdenl mit der Grösse des Betriebes,
bemessen nach der Zahl der darin beschäftigten Arbeiter, so dass z. B. eine
Fischerei mit 50-200 Personen allein 225 Rubel Abgaben für diese entrichten muss.
Die Einnahmen des russischen Finanzdepartements aus der Fischerei Sachalins
wurden mir zu 150.000 Rubel pro Jahr angegel.en. Wie armselig nimmt sich
dagegen der Ertrag aus den Waldungen von Sachalin mit 10.000 l\ubeln aus, und
von diesen 10.000 Rubeln sind wiederum nicht weniger als -/i Erlös äus Brennholz
zum Aussieden des Fischöles.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 185
Holzprüg^el, stell bergauf, womöglich noch steiler bergab, rechts-,
linksum, so dass man sich wundert, wie der kleine Wagen auf seinen
niederen Rädern mit dem in Lederrieman hängenden Kasten nicht
zur Seite stürzt, — und Galopp, rasenden Galopp ohne Untjrlass 1
Die Anfangsempfindungen für jeden, der auf solchen Wegen zum
erstenmale eine Troika zu kosten bekommt, sind weit entfernt
vom Gefühle der Sicherheit ; denn krampfhaft umschlingt die
eine Hand das Rückengeländer des Kutschersitzes, während der
andere Arm nach Art der Protzkanoniere in jenen des Begleiters
fest eingehackt ist. Die ununterbrochene Anstrengung, sich auf
dem für eine oder höchstens zwei schlanke Personen berechneten
Sitze zu erhalten, ermüdet zuerst sehr, bis man gelernt hat, zur
rechten Zeit Pausen in seinen Anklammerungsbestrebungen ein-
zulegen und nur im kritischen Momente zuzufassen.
Immerhin war das nur das Vorspiel, denn bald ist der
sogenannte Weg zu P2nde, und die einzige Möglichkeit, rasch
weiter zu kommen, bleibt die schmale Seeküste zur Zeit der
P^bbe. Die beiden in innige Umarmung verschlungenen und in
dicke Mäntel gehüllten Insassen, welche sich in ununterbrochenem
Wechsel bald rechts, bald links, so weit überhaupt w'ie möglich,
auf der jeweiligen Bergseite zum Zwecke der Ausbalancierung
des Gefährtes bei der Fahrt auf schiefen INIeeresdünen hinaus-
hängen, mögen für einen beobachtenden Zuschauer ein heiteres
Bild geben. Unzweifelhaft aber die Krone des Ganzen wird
durch einen Trab über zu Tag liegende Klippen repräsentiert,
die bei etwas weniger runden Insassen, als wir es waren, ein
hörbares Klappern des Knochengerüstes durch das Stossen
des Wagens auf dieser sägezahnartigen P^ahrbalm hervorgerufen
haben müssten.
ländlich nach Stunden am Ziele, wird der Wagen verlassen,
um landeinwärts in den Wald vorzudringen. Der Kutscher lässt
die Pferde mit halbgefesselten Vorderbeinen frei laufen und folgt
uns als Träger der Flinten, Mäntel etc. ; die Patronen behält man
aber doch vorsichtshalber selbst, denn genannter Leibjäger ist
ehemaliger dreifacher Mörder und cjuittiert die Herausnahme der
Patronen aus dem Gewehre vor der Ueberreichung desselben
mit verständnisinnigem Grinsen, keineswegs beleidigt, denn eine
Flasche Wodka, die ihmi zur Stärkung übergeben wurde, hat er
mit einem Zug geleert, ohne sich dabei eben viel zu denken. Man
versicherte mir, dass 7-' Liter 90 «^ö Alkohol in ei.ier solch
geübten Kehle, mit einem kräftigen Schluck hinabbefördert,
l86 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
keinen grösseren Eindruck hervorbrächten als etwa bei uns ein
Glas Wasser.
Der Wald, sobald wir in ihn eintreten, bietet in seinem
Aussehen dasselbe düstere Bild wie die ganze Natur auf dem
Wege zu ihm. Schon dicht hinter Korsakoff waren die Haupt-
repräsentanten der ihn zusammensetzenden Species, Fichten,
Tanne und Lärchen (Picea ajanensis, Abies sachalinensis, Lari.x
dahurica), wahrzunehmen, junge Bestände, — das einstige Altholz
ist längst zum Häuserbau Korsakoffs verschwunden — welche durch
ihre dichte Untermischung mit allem möglichen Laubholz, wie
Birken, Erlen, Weiden, Kirschen, Ulmen etc., ihre Entstehung auf
Brandflächen verraten, auch wenn man nicht endlose Streifen
durch Feuer zerstörten Waldes unmittelbar vor sich sehen würde.
Die Waldzerstörung durch Brände ist der imzertrennbare Appen-
dix jeder menschlichen Ansiedelung, mag es sich wie hier um
die nächste Umgebung von Korsakoff selbst oder nur um irgend
eine noch so kleine Niederlassung von Fischern an der Küste
handeln. Nicht als ob immer ein besonderes Bedürfnis dafür
vorhanden wäre, nein, Spielerei, Unachtsamkeit, Zerstörungswut,
kurz eine Menge Gründe oder besser gesagt Nichtgründe, deren
Würdigung mit der klassisch stoischen Generalsentenz und dem
Allheilmittel des Russen ,,Nitschevo" (s'ist gleich, macht nichts)
abgetan wird.
Der Rand des an die Küste unmittelbar grenzenden Terrains
ist aus gleichen Ursachen meist mit Struppwalcl oder einem Streifen
Graslandes eingefasst, und in der Nähe der Fischerwohnungen ist
natürlich die Waldbestockung durch Ausholzung schon an sich
weiter zurückgedrängt.
Die bis zu 60 m Höhe steil abfallenden, ihren vulkanischen
Ursi)rung deutlich verratenden Felsen der Küste, die schmale
Sand- oder Klippendüne mit ihren darauf zerstreuten dunklen
Felsbrocken oder ihren weissschimmernden angeschwemmten
Walfischknochen, der wogende Nebel über dem aschgrauen
Wasser und der misstönende, die herrschende Totenstille jäh
unterbrechende Schrei eines Fischraubvogels harmonieren nur
zu gut mit dem seltsam düsteren Eindruck, den die qual-
menden Feuer und dunklen Gestalten der Fischer, welche eben
einen Fang Heringe auskochen, hervorbringen. Ich bin all die
Tage, die ich auf Sachalin verbrachte, den Eindruck des Trüben,
Gottverlassenen nicht losgeworden ! Und wie niag es hier erst
aussehen, wenn der Sturm den Nebel und Schnee heulend um
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 1 8/
die Klippen jagt, die Forste landeinwärts in seiner wogenden
Masse begräbt und der Donner des berstenden Eises mit dem
Brüllen der Brandung in dieser Symphonie des Aufruhrs ent-
fesselter Naturgewalten um die Palme des Vorrangs ringt.
Der Wald zeigt am Aussenrande deutlich den Einfluss des
kalten Klimas ; wenigstens werden auf den konstanten Nebel und
die scharfen Luftströmungen die verkrüppelten Formen der oft
.sehr alten Bestände zurückgeführt werden müssen. Zähe, knorrige
Widerstandskraft ist die Signatur dieses runzeligen Waldge-
sichtes ! Das Feuer am Rande von der Küste her und w^olil
auch mitunter übergrosser Salzgehalt der Luft kämpfen hart-
näckig ihren Weg, groteske Baumleichen über grasbewachsenem,
hellgrünem Grunde zurücklassend.
Weiter im Innern sind die Bestände geschlossener, soweit
man von Schluss in Urwaldungen reden kann, und man findet
neben Birken und Tannen als Hauptsache der Bestückung Fichten
und Lärchen und Pinus Cembra von annehmbaren Formver-
hältnissen, wenn auch im Höhenwuchse sehr zurückbleibend und
mit vielen Aesten behaftet. Hier ist natürlich weder Weg noch
Steg ; nur da, wo einige Partieen von Lärchen oder Cembra
ausgehauen und die Stämme auf einer erbärmlichen Reissig- und
t^rdbahn zum Meere geschleift werden, ist das Vordringen er-
leichtert. In neuester Zeit wird im südlichen Teile Sachalins
Bauholz, und zwar Lärchenholz, nach Port Arthur für Gouverne-
mentsbauzwecke bestimmt, ausgehalten.*
Man kann nicht umhin, sich an die grossen Staatswaldungen
Hokkaidos zu erinnern, wo Nadelholz und Laubholz im Ueber-
flusse vorhanden ist, das zweifellos an den chinesischen und
koreanischen Küsten einen hohen Preis (bis zu 20 Yen der cbm)
erzielen und aus diesen zur Zeit in der Hauptsache nur dem
Feuer anheimfallenden Forsten eine ganz anständige Rente
*'■ Die Länge dieser Slämrne ist ca rund 5,7 m bei eine.n Zopfcndiirchmesser von
22-26 cm. Der Stückpreis variiert je nach dem Zopfdurchmesser zwischen J-iS
Kopeken =8-30 Pfennig im Walde, so dass i cbm zwischen 17,5 und 20 Kopeken =
;;5 und 40-50 Pfennig im Werle tchwankl. Die lällung-;- und namenllich
Ausbringungskosten b s zur Einschiffung verzehren em Vielfaches des Waldweries
und beiragen beispielsweise in den Forsten von Maria hinter der gleichnamigen
Fischerniederlassung an der Ostkiiste für den cbm 1,20 Rubel =2 M 40 Pf. Das hier
in S aaisregie gew-onnene Holz würde beim Verkauf in Port Arthur wohl einen Preis
von 30-50 M pro cbm erzielen; der Transport absorbiert per Steamer leliglicli
1 Rubel =2 INI pro cbm.
löö K. HEFELE, AUS DEM OSTEN,
Hcfoni würde. Von Russen wie Deutschen wird an der
chinesischen Küste neben Nadelholz auch c^utes, in Ja[)an so
wenig verwertbares Laubholz begehrt. Hier fände sich also
wenigstens teilweise eine Möglichkeit der Lösung der Ver-
wertungsfrage für die Forste der dermaligen Bestockung Hok-
kaidos. Gerade in jüngster Zeit ist durch eine Unternehmung
dieser Art von deutscher Seite in Hokkaido der schlagendste
Beweis für meine Ansicht geliefert worden ; unerfindlich bleibt
mir daher, warum der japanische Staat nicht durch seine Organe
die Lage des Holzmarktes in China und dessen Bedürfnisse
studieren lässt und dann zur Selbstan Führung von Lieferungs-
unternehmungen in grösserem Masse schreitet, um den hohen
Gewinn in die eigene Tasche zu stecken. Hierin läge nicht nur für
die Forstleute eine gute Schulung in aktiver Wirtschaftsbetätigung,
sondern dieselben wäirden auch zum Segen des Ganzen von
ihren grünen Tischen mehr auf die tatsächlichen Verhältnisse
abgezogen.
Die Umwandlung der Hokkaido-Waldungen mit dem Schwer-
gewichte in gutem Nadelholze, wobei man auf Amerikas klima-
tisch korrespondierende Formen zur ev. Beimischung zurückgreifen
müsste, würde dereinst umso wertvollere Früchte tragen, je mehr
sie der kommenden Kolonisation vorauszueilen vermag, und
andererseits dürfte sich die Besiedelungsfrage wesentlich erleichtern,
w^enn Waldwirtschaft oder gar Holzindustrieen sich entfalten
können. Sehr wohl \vürdige ich den Einwand, dass man nicht
allen Wald, namentlich nicht den l^ergvv^ald in Hokkaido, sofort
nutzbringend machen kann, aber die Anzeichen sind da, dass auf
relativ naheliegenden Absatzgebieten ein Schritt nach \-orwärt3
getan werden könnte, wx'lcher vielleicht ungeahnte Wege er-
öffnet ; dabei möchte ich aber wiederum nicht missverstanden
werden, als ob ich zielloses Nutzen und Abholzen als Universal-
mittel empfehle ; ich meine, aus dem Obigen geht unzweifelhaft
hervor, dass mir dies fern liegt ; aber etwas grössere, weitere
Gesichtspunkte in Forstwirtschaft und Holzhandel, sowie nament-
lich in Ausnützung der Kräfte, welche Japan in der Handelsflotte
für den Fern\'erkehr seiner Naturprodukte zur Verfügung stehen,
müssen fürderhin zum Segen dieses schönen Landes und des
Finanzdepartements mehr beachtet werden !
Die Waldungen nun durch ganz Sachalin sollen, wie mir
versichert wurde, den oben geschilderten, welche ich besuchte, mit
wenig Variationen in Wachstum und Form gleichen ; sie sind
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 1 89
umso mehr unseren Forsten auf Hochmooren oder an der Grenz-
zone zwischen Wald und improduktivem Terrain im Hochgebirge
äusserhch ähnUch, je mehr man nach Norden kommt. Der Boden
ist meist überreicli mit Feuchtigkeit gesättigt und moorig wie
in allen Urwaldungen. Das Vorkommen der Lärche in grossem
Umfange auf diesem nebeHgen Eiland spricht sehr für die in
letzter Zeit gerade bei der Lärche angegriffene Behauptung, dass
eine Baumart nur von den klimatischen Faktoren bedingt sei, mögen
sich diese in den höchsten Bergen oder auf niedrigen Plateaus
und Ebenen finden ; die Differenz der Höhenlage ist eben nur
ein Ausdruck für verschiedene Breitengradhöhe, abgesehen etwa
von abnormen lokalen Verschiedenheiten.
Künstliche Holzzucht wird in Sachalin nicht getrieben. Was
man an Jungwäldern sieht, ist nichts weiter als der natürliche
Anflug und Stockausschlag auf der Brand- oder Abholzungsfläche
für den Fall, dass er einige Jahre vom Feuer verschont blieb.
Wohl nur das rasche Jugendwachstum schützt die Lärche vor
der andernfalls vernichtend wirkenden Konkurrenz der Sträucher
und sonstiger harter und weicher Laubhölzer, denen übrigens nur
untergeordnetere Bedeutung zukommen kann.
An Wild kommt auf Sachalin Hirsch, Rehbock, Fuchs und
Hase vor, sowie hühnerartige Vögel und unzählige Varietäten
des Wassergeflügels. Der Bär, dieses mächtige Raubtier Sibiri-
ens, fehlt auch hier nicht, führt aber ein etwas mehr zurückge-
zogenes Dasein auf wenig betretenen Pfaden des Inneren.
Von Sachalin nach Wladivostock war man genötigt, wieder
Otaru anzulaufen. Von da wurde Wladivostock in 42 stündiger
Fahrt erreicht, deren Ende umso mehr mit Freude begrüsst wurde,
als die See von Japan ihren Unmut an den wehrlosen Passagieren
mit sichtlichem Erfolge versuchte.
Da liegt es nun vor uns, das russische Hongkong, im Grunde
der durch zwei lange Landzungen gebildeten Bucht, das nicht
eben breite Fahrwasser des Zuganges von zahllosen Forts und
Batterieen völlig beherrscht und von der Seeseite her wohl fast
uneinnehmbar. Hell scheinen grosse Gebäude und die hübsche
Kirche herüber aus dem Häusergewirre, das sich als langes Band
dem Abhänge einer Anzahl zu einem niederen Höhenzuge ver-
einigter Hügel anschmiegt und in einer sehr beträchtlichen
Längenausdehnung parallel dem Hafenufer verläuft. Nach der
üblichen Zollrevision mittels Sampan zum Landungsplatze gerudert,
hat man den Fuss kaum an Land gesetzt, so ist man auch schon
190 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
von koreanischen Kulis wie von einem Heusclireckenschwarm
überfallen, und ist die Bagage noch so klein, es bedarf hand-
greiflicher Ueberredungskünste, will man die einzelnen Gepäck-
stücke nicht nach allen Himmelsrichtungen ausschwärmen sehen.
Eines hat der koreanische Kuli zweifellos noch vor seinem
chinesischen Kollegen voraus, das ist die intensivere Schmutzig-
keit, wenn da ein Steigerungsgrad über den Chinesen noch möglich
ist. Die weisse Kleidung, der Stolz des Koreaners, scheint ganz
besonderes geeignet, durch monatelange Unbekanntschaft mit
Wasser und Seife sowohl für Gewand wie für Träger desselben
ein besonderes auffallendes Relief zu schaffen.
Ein herbeigeholter Isvotschik (Kutscher) in roter Bluse,
grünem, ärmellosen, abgeschabten Sammetrock und weiten Ilosen
in hohen Streifein, auf dem freundlich spiritusgeröteten Kopfe
einen schäbigen niedrigen schwarzen P'ilzhut von Zylinderform,
nimmt uns in seine schmutzstarrende Troika auf Was der des
Russischen nur schlecht mächtige Eremde dem Kutscher auch
sagen mag, er nickt verständnisinnig, und los geht die Fahrt in
tiefstem Schlamm oder in erstickender Staubwolke, je nach
Witterung, und das Schicksal mag entscheiden, wo die Landung
erfolgt ; an irgend einem im Ermessen des Isvotschik liegenden
Punkte wird gehalten, und wenn es sich nicht als der rechte Platz
erweist, geht's im sausenden Galopp nach einer anderen, ebenso
beliebigen Direktion, bis das zuüxlligc I^rblicken eines Firmenschil-
des oder eines hilfsbereiten deutscbsprechenden Passanten die
Erlösung von dieser Hetzjagd bringt.
Die ungeheuer schlechte Verfassung der Strassenfahrbahn
selbst in der von palastartigen Gebäuden eingefassten einzigen
Hauptstrasse ist eine der dem P^remden zuerst aufsto.s.senden
Eigentümlichkeiten Wladivostocks. Man darf aber nicht ver-
gessen, dass das pilzartige Entstehen dieses heute nahezu 50.000
Einwohner zählenden wichtigen Platzes in einem Zeiträume von
30 Jahren wohl kaum Zeit liess, neben dem Bau unzähliger
Wohngebäude, Magazine, Werkstätten etc. auch noch besondere
Rücksicht zu nehmen auf die Stras.sen, so dass diese praktisch
Erdwege darstellen, deren Planum teilweise zwar mit runden
Grobsteinen bepflastert ist, die im allgemeinen aber nichts weiter
sind als eine mit der Witterung zwischen Schlammtümpel oder
Staubdüne unablässig schwankende Verkehrsöffnung in der Häu-
ser woge.
Neben der den Hauptteil ausmachenden russischen Beamten-,
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. I9I
Kaufmanns- und Militärbevölkerung sind es ca 2.000 Chinesen,
welche als Kaufleute hauptsächlich den Lebensmittelhandel in
Händen haben, und 3.000 Koreaner, welche sich nebst einem
Bruchteil der Chinesen in die Taglöhner- und Gewerksarbeiten
teilen. Die Chinesen leben mehr zerstreut i^iber die ganze Stadt,
während die Koreaner in einem eigenem Stadtteil angesiedelt
sind, der in seiner äusserlichen Erscheinung nur zu sehr an
berüchtigte Chinesen viertel anderer Städte erinnert. Japaner sind
als Kommis oder selbstständige Geschäftsunternehmer, Dienst-
boten und Werkleute tätig und erfreuen sich, namentlich die
letzteren, wegen ihrer Geschicklichkeit grosser Beliebtheit. Die
Gesamtzahl derselben mag einige Hundert nicht i^ibersteigen,
wie auch andere Nationen, Deutsche, Engländer etc. mit kaum
nennenswerten Ziffern vertreten sind.
Bemerkenswert ist, dass die grössten Importfirmen deutschen
Ursprungs sind (Kunst und Albers) ; an sie reihen sich einige
japanische Geschäfte grösseren Umfangs an, und endlich haben in
wachsender Konkurrenz chinesische Firmen einen grossen Anteil
am Handel.
Die erst im Vorjahre aufgehobene Eigenschaft eines Frei-
hafens war es vorzüglich, welche den rapiden Aufschwung von
Handel und Gewerbe in Wladivostock bewirkte. Die nun-
mehrige Erhebung von beträchtlichen Zöllen wird umso fühlbarer
empfunden, als hauptsächlich chinesische Konkurrenz über den
Freihafen Fort Arthur und die mandschurische Bahn dieses junge
Emporium des Handels stark in Mitleidenschaft zieht.
Die Hauptteile der Stadt mit ihren Prunkbauten, die präch-
tige Aussicht auf den Hafen, die zahllosen Schiffe der Handels-
und Kriegsmarine, das geschäftige Treiben eines Seehandelsplatzes
fesseln unser Auge nicht minder wie die Bevölkerung und ihre
Lebensäusserungen. Hier findet sich in rasender Troika die typische
Uniform, dieses überall anzutreffende Gespenst, da in Russland jede,
auch noch so unbedeutende Zivilcharge mit einer militärisch
aussehenden Uniform ausgestattet ist, dort ein behäbiger russi-
scher Kaufmann im Wagen mit dem wie ein Fechter auswattierten
und in einen dunklen, bis zu den Füssen herabreichenden Rock
gekleideten Kutscher auf dem Bocke, der in einem gewissen
Missverhältnisse zu dem oft zierlichen Gefährte steht, riesige
Kosaken, vollbärtige Bauern, schlitzäugige Chinesen, zerlumpte
Koreaner, stämmige Matrosen, wachsame Polizisten, kurz ein
kaleidoskopartiger Wechsel von Hell und Dunkel zieht am Auge
192 K. II1:FKLK, aus dkm OSTEN.
vorüber. Dort drüben etwas zur Seite sieht man den Anlege-
platz der Handelsdampfer mit dem Ameisengewühle geschäftiger
Menschen, und lange gerade Linien von Geleisen in der Nähe
eines grossen grauen Gebäudes zeigen uns den Platz, wo der
Bahnhof der sibirischen Bahn steht, zu der der jetzige Zar
(damas Thronfolger) im Jahre 1891 den ersten Spatenstich getan
hat; ein hübscher triumpfbogenartiger Bau auf dem Wege von
der Hauptstrassc zum Regierungslandungsplatz erinnert an diesen
denkwürdigen Tag. Kathedrale, Postoffice, Rathaus, Klub, Nevel-
ski-Denkmal etc. sind trotz ihrer Grösse geschmackvoll. Kriegs-
hafen, Docks, Werkstätten u. s. w. erstrecken sich in endlose
Weite entlang der geräumigen Bucht.
Für den, der Wladivostock vor dem eigentlichen Sommer
besucht, ist das Klima zweifellos angenehm. Der Sommer selbst
treibt die bessere Gesellschaft in ihrer Müsse landeinwärts
nach verschiedenen ländlichen Erholungsplätzen oder an irgend
einen Punkt der vielgebuchteten Meeresküste. Man flüchtet gerne
vor der Hitze und dem unleidlichen Staube. Der Winter ist
sibirisch streng, nicht sehr schneereich und lang, aber die äusserst
schneidenden Winde mögen durch die vollständige Abholzung
der Hügel, an deren Hang Wladivostock sich hinstreckt, zwei-
fellos eine unangenehm gesteigerte Accentuierung erhalten.
Eine Merkwürdigkeit des ganzen Ussuri-Grenzlandes ist die
ausserordentliche Trockenheit des August und September, die
uns später am unteren Amur als die Ursache der Laubvertrocknung
am Baume, lang bevor die eigentliche Abfallzeit der Blätter
beginnt, bezeichnet wurde.*
Was die Lebensverhältnisse Wladivostocks anlangt, so müssen
dieselben direkt und indirekt als sehr teuer bezeichnet w'erden.
Alles kommt von auswärts ! Weizenmehl von der Mandschurei
und von Amerika, sonstiges Getreide und Ackerfrüchte etc. von
der Mandschurei, Kartoffeln, wenn Zeiten schlechter Ernte in der
Nähe sind, wie auch der Reis, von Japan und Indochina, Trauben,
Aepfel, Birnen von Hokkaido und Chefoo und die Unzahl der
sonstigen Provisionen in Tins von Deutschland und Amerika.
* Während der Monate Mai bi.s Juli .sind Nebel und Regen an der Tagesordnung
(Juni am neljeheichsteii), und nur vier Monate, Juni, Juli, August und September,
sind absolut froslfiei ; der Schneefall beginnt Ende Oktober, ist am stärksten im
Dezember und endet Februar, die Begrünung der Gegend erfolgt spät (anfangs Juni).
Während der letzten zwei Jahre war durch Eisbrecher der Hafen offen gehalten
worden.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. I93
Haushaltungsgegenstände, Stoffe, Toilettenartikel, W<äsche, kurz
alles unter den Titel besserer Hauseinrichtung und Lebens-
haltung irgendwie Subsumierbare oder Werkzeuge flu' Gewerbe
sind fast ausschliesslich von Deutschland importiert, während
für die Ausrüstung und Bekleidung der niedrigeren Volksschichten
japanische Industrieerzeugnisse, von Chinesen über Port Arthur
und Mandschurei eingeführt, einen sicheren und weiteren Markt
sich stetig erobern.
Sehr fühlbar macht sich zweifellos die Armut an Feuer-
und Konstruktionsholz in der Nähe geltend, so dass die Preise
desselben bemerkenswert hohe genannt werden müssen. Wir
begegnen fast überall diesem anscheinend merkwürdigen Phänomen,
dass in einem holzreichen Gebiete, wie Ussuri-Grenzland, Holz
in der Nähe von Städten, Ansiedelungen nur zu unverhältnis-
mässigen Kosten und schwer erhältlich ist. Weit und breit in
der Nähe von solchen grösseren Ansiedelungen sind nämlich bei
Begründung derselben die Wälder in unvernünftigster Weise
zerstört worden, (ich komme darauf noch später zurück) und
zwar nicht durch die Axt allein, sondern hauptsächlich durch
Feuer, und nun \-erursacht natürlich in den wenig besiedelten
weglosen Gegenden des Hinterlandes solcher Plätze die Bei-
schaffung von Holz auf oft kolossale Entfernungen auch enorme
Kosten.*
Die ganze Ussuri- und sibirisch-mandschurische Bahn, welche
bisher allein Holzfeuerung hatte, ward mit dem Zurückweichen
der ausbeutbaren Waldgrenze in kurzem zur Kohle als Heiz-
material greifen müssen. Der Verbrauch von Feuerholz in den
Haushaltungen ist entsprechend den durch das Klima nötigen
riesigen Oefen ein enormer, und 3 Ster mögen pro Jahr als
Minimum pro Kopf der Inwohner bezeichnet werden, das
Holz für Kochen ungerechnet ; Wohnungen, Hotels, Restaurants
etc. sind auch Rir östliche Verhältnisse als teuer zu bezeichnen.
Dem Wert und der wirtschaftlichen Bedeutung der sibi-
rischen Bahn, deren östlicher Endpunkt in Wiadivostock dieser
* Ein cbm gute» I,ärchenbauhoIz erzielt einen Preis vou 20-25 Rubel = 40-50 M,
und Eichen, E^cheo, Akazien, Piiellodendron dai Doppelte. Die Tanne ist in der
jüngsten Zeit in grösserem Umfange an Stelle des Lärchei.holzes für Bretter getreten.
Brennholz variiert zwischen 3-5 Rubel oder 4-10 M. pro Ster; Kohle pro I To ;nc
sehr schlechter Qualität von Sachalin kostet zwischen 11-12 Rubel (22-24 ^I) i'T"-
Gro^sankauf ; man bezieht j;tzt eine viel bessere Qualilä' von Hokkaido und Moji in
Japan.
194 ^- IIHKKLE, AUS OEM OSTEN.
Stadt haupt.s;ichlich zu ihrem amerikanisch rapiden Aufschwung
verhelfen hat, will ich später nähertreten und zuerst versuchen,
den Kindruck', den die Ussuriregion und die Gegend am unteren
Amur auf mich machte, zu schildern.
Zuvor jedoch sei mir gestattet, mit ein paar Worten den
Befund der Waldregion in nächster Nähe Wladivostocks, und
yo km zählen in Sibirien dazu, zu erwähnen. Die Gegend um
Wladivostock ist hügelig und mit Ausnahme der grasigen
Talsohlen scheinbar gut bewaldet, soweit das Auge reicht.
Betritt man aber auch diesen sogenannten Wald, so bleibt kein
Zweifel, dass er praktisch zerstört und durch Axt und Feuer
in eine Verfassung gebracht ist, die ihn auch nur mit Schwierig-
keiten zur Brenn holzlieferung ferner heranziehen lässt. Da sich
derzeit die einzige wirtschaftliche Massregel auf ein völlig unge-
ordnetes, verschwenderisches und wüstes Herumhauen beschränkt,
so ist das Ende leicht abzusehen. Die einfachsten Prinzipien
einer Regelung und etwas Aufsicht hätten es wohl möglich
gemacht, das Material für so manche Tausende von Holzhäusern
in Wladivostock zu entnehmen, ohne zugleich so bald schon
den jetzt fühlbaren Holzmangel heraufzubeschwören, aber in
wilder Zerstörung ist Sibirien gross wie kaum ein anderes
Land, höchstens Amerika ausgenommen. Die Zusammensetzung
solcher ausgebeuteter Forste ist jetzt in der Hauptsache durch
schlechte Eichen (Quercus Mongolica), iM'len, Linden, Pappeln,
Weiden, ]?irken und Phellodendron Amurense gegeben, die wert-
vollen Nadelhölzer, wie Lärchen, P"ichten, Kiefern, sind grossen-
teils verschwunden und waren ehedem zweifellos in guteni Ver-
hältnisse und in grösseren Horsten beigemischt. Das treuer in
seiner vielfachen periodischen Wiederkehr vernichtet natürlich,
wo es hingelangt, das Nadelholz jeden Alters, und die wider-
standsfähigen Laubhölzer erhalten dann die Oberhand in einer
Weise, die den mit solchen Bildern Unbekannten zu dem Glauben
verführt, als ob er in der jetzigen Zusammensetzungsweise die
ursprüngliche vor sich habe, was keinesw'egs der Fall ist. Die
ganzen klimatischen Verhältnisse weisen hier auf eine Nadelholz-
region hin, und an einzelnen dem Verderben entronnenen Plätzen
kann man sich von der Richtigkeit dieser Ansicht überzeugen.
P'olgen Sie mir nun im Geiste durch das Ussurigebiet zum
Amur.
Die Strecke Wladivostock-Habarovsk stellt eigentlich das
eine Ende der sibirischen Bahnlinie zwischen Transbaikalien und
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. I95
dem pacifischen Ozean dar, wie selbe ursprünc^Iich geplant war.
Vom Baikalsee sollte die Trace um die Mandschurei herumführen,
ungefähr dem Laufe des Amur sich anschmiegend, bis zur Ein-
mündung des Ussuri in denselben bei Habarovsk. Politische
Konstellationen und diplomatische Erfolge Russlands ermög-
lichten nun die Ausführung der geraden Verbindungslinie vom
Baikalsee nach Wladivostock durch die Mandschurei vor
\^ollendung der ersteren Trace. Das Stück zwischen Kaidalovo
und Stretensk zeigt auf der Transbaikalischen Seite noch den
Ansatzpunkt der erstgewählten Route. Diese wird, wenn auch
mit einiger Verspätung, unzweifelhaft noch vollendet werden, um
die ungünstigen Verkehrsverhältnisse auf dem Amur und Shilka
zugunsten der Amurprovinz zu bessern.
Der Zug, der den Reisenden aufnimmt, um ihn in 27-30
Stunden die 716 verst = 750 km bis Habarovsk zu bringen, ist
aus 10 bis 15 Waggons zusammengesetzt, deren geräumige
Platzeinteilung, solide Konstruktion und namentlich Höhe, z. B.
im Vergleich mit der Enge der japanischen, als eine ausser-
ordentliche Annehmlichkeit empfunden wird. Die Möglichkeit
für mindestens die Hälfte der Passagiere, bei Nacht auf sehr
praktisch angeordneten breiten Klappmatratzen schlafen zu können,
trägt nicht wenig zur Erleichterung der Tour bei ; die Vollbe-
setzung eines Zuges dürfte nur sehr selten eintreten, und so
findet sich durch eine selbstgeübte liberale Verteilung der Schlaf-
plätze innerhalb des mit durchlaufendem Seitengang versehenen
Zuges wohl für jeden bei Nacht ein Ruheplatz. Wer sich besonderen
Luxus gestatten will, der mag Kopfkissen und Decke mit-
bringen ; auf der sibirisch-mandschurischen und zentralmandschu-
rischen Bahn, wo man mehrere Tage zu fahren hat, um an die
grösseren Knotenpunkte, wie Tashihchiao (Newchwang), Port
Arthur, zu kommen, wird dies zur Notwendigkeit. Das Hand-
gepäck wird jedermann in Sibirien und der Mandschurei auf das
allernotwendigste beschränken müssen, so dass er sich im Ealle
der Not auf kurze Strecken selbst behelfen kann ; denn nicht
immer sind bei einem durch irgend welchen Zufall veranlassten
Umparkieren oder dergleichen hülfreiche oder sichere Hände in
genügender Anzahl zur Verfügung. Das erlaubte Ereigepäck-
gewicht ist zudem sehr beschränkt und die Taxen für den Ge-
päcktransport ausserordentlich hoch. Die Geschwindigkeitsleistung
geht bei diesen Zügen, alle Aufenthalte eingerechnet, selten über
25 km pro Stunde hinaus.
196 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
Für leibliche Bedürfnisse ist durch einen Speisewagen mit
guter Küche gesorgt ; das russische, aus der nationalen Kraut-
oder irgend einer andern Suppe, dann aus Fleisch und etwas
Mehlspeise bestehende Menü zu i Rubel ist als preiswert und
verhältnismässig billig anzusehen. Besondere Gelüste kulina-
rischer Art können im Umfang der Speisekarte eines kleinen
Restaurants befriedigt werden, und alkoholische Stärkungsmittel
vom simplen Wodka, dem russischen Nationalschnaps, bis zum
Champagner stehen jederzeit zur Verfügung, allerdings zu enor-
men Freisen.* Man wird stets gut tun, sich mit einem kleinen,
womöglich metallenen Teekessel, einem ebensolchen Becher, Löffel
sowie mit Tee und Zucker zu versehen ; heisses Wasser ist
überall auf den Stationen unentgeltlich zu haben, und ein Glas Tee
wird aus irgend einem der fünf klassischen Gründe für Trinken,
inniier gern genommen.
Die Landschaft ist kurz nach dem Verlassen von W'ladi\-o-
stock anfangs wenig interessant und die Amurbai, eine Einbuchtung
des Meeres, welche unifahren wird, etwas monoton. Die Bahn
erreicht nach einigen Stunden, 108 km von Wladivostock entfernt,
Nicholskoe, und hier sieht man zuerst die Anzeichen eines etwas
grösseren Ackerbaus, während bis zu diesem Punkte die Linie
zwischen den niedrigen mit Eichen, Pappeln, Birken etc. schlecht
bewaldeten Hügeln hin und abwechslungsweise über endlose gras-
.steppenähnliche Talmulden führt.
Nicholskoe ist auch die Abzweigstation für die sibirische
Bahn durch die Mandschurei, und ein geschäftiges Treiben herrscht
auf dem hübschen geräumigen Bahnhofe. Die Stadt Nickolskoe
liegt ca zwei km abseits in einer weiten, flachen Terrainmulde
und inmitten unabsehbarer F'elder, auf denen Weizen, Gerste und
Kartoffeln, bei dem Raumüberfluss an Ackerboden einstweilen
offenbar niu" auf den besten Plätzen, mit sehr gutem Erfolge
gebaut werden.
Wenn einmal die Besiedelung dieses Landstriches in grösse-
rem Umfange vor sich gegangen ist, dann wird sich auch die
Versorgung der grösseren Städte z. B. Wladivostock mit land-
wirtschaftlichen Produkten aus der Umgegend besser geltend
machen können, und die derzeitigen, künstlich hoch getriebenen
* Ein Flasche russisches Bier unbestritten inittehiiässiger Qualität kos. et z. U. I
Rubel 25 Kop. = 2 Maik 50 Pfennig und das unschuldige riäT:Chchen Selterswasser
zu ca }4 Liier Inhalt 40 Ko2:). = So Pfennig; I Flasche Champagner 12-13
Rubel = 25-26 M.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. I97
Preise djr an sich trotz weitem Transport nicht teueren, in
erster Linie aus der Mandschurei importierten Lebensmittel auf
ein mehr bekömmHches Mass zurückführen. Der Ackerboden,
ein schwach lehmiges Land, gedüngt mit dem tausendjährigen
Humus der einstigen Wälder, ist bis gegen Habarovsk und noch
eine Strecke darüber hinaus für Landwirtschaft zweifellos sehr
gut geeignet, in erster Linie natürlich im Ussurital selbst und
dann auf den tieferen, welligen Abhangshügeln, Avelche die
westlichen Ausläufer der nord-südlich verlaufenden Grenzberge
an der Seeküste (Shikota-Alin) darstellen.
Die Temperatur der 5 Vegetationsmonate, welche allein für
Bodenkultur in Betracht kommt, ist merkwürdigerweise nörd-
lich gegen Habarovsk hin grösser (+ 17* C) als in Wladivostock
trotz der selbstverständlich hier niedrigeren Wintertemperatur.
Als Hinderungsmittel des bei diesen Wärmeverhältnissen in
beträchtlichem Umfange möglichen Getreideanbaus erscheint aber
die ungemein hohe Feuchtigkeit während der Sommermonate.*
Ausgedehnte Waldungen, Sümpfe und Moräste finden sich
allenthalben, leider die ersteren gegen die Talsohlen und die
Besiedelungszone hin sichtlich stark durch Feuer in Mitleiden-
schaft gezogen.
Das ganze, wenig hinter der Grösse Italiens (ohne Sardinien
und Sicilien) zurückstehende Ussuriland ist in landwirtschaftlicher
Hinsicht bedeutend höher anzuschlagen als das westlich angren-
zende Amurland, wenigstens im zentralen und südlichen Teile.
Gegen den Unterlauf des Amur (also um Nicholajevsk) dagegen
wird Landwirtschaft von nennenswertem Umfang klimatisch
unmöglich.
Die Fahrt geht ununterbrochen abwechselnd an Feldern,
Wiesen mit stattlichen weidenden Rinderherden, sumpfigem Ter-
rain und Wald vorüber, ausser zwei grossen Flussüberbrückungen
keineswegs besondere Schwierigkeiten beim Bau aufweisend.
Die eine dieser beiden mächtigen eisernen Brücken ist über den
Ussuri gelegt, etwa auf halbem Wege zwischen Wladivostock und
Habarovsk, und von da an läuft die Linie den genannten Fluss
entlang und in geringer Entfernung von demselben. Die Stationen
sind wenige und in grossen Intervallen (15-20 km).
Was an Wald passiert wird, setzt sich durchschnittlich, bis
auf weite Distanzen von der Bahnlinie entfernt, aus einem un-
gleichalterigen Gemisch von Eichen, Erlen, Ulmen, Pappeln,
'■■ 560 nun pro Jahr^ davün 312 mm während des Smiimerä.
198 K. IIEFEI.E, AUS DEM OSTEN.
Birken und (li\-oi'scn Sträuchcrn zusammen, ist unregelmässig,
licht, mit viel Gras am Boden, das richtige Bild des wiederholt
vom Feuer \-er wüsteten Urwaldes. Hier waren, wie schon betont,
die heute nur noch in grosser Entfernung von den Kolonisations-
gründen vorhandenen Nadelhölzer wie reichten, Tannen, speziell
Pinus Cembra und Lärche, früher umfangreich beigemischt. Ab
und zu passiert man ein kleines Restchen dieser originalen Be-
stockungsform, um aber, gewissermassen als Aequivalent, kurz
darnach durch das Vorhandensein grösserer reiner Partieen von
Krüppeleichen, Pappeln und Birken über riesigen Nadelholzstöcken
wiederum an die Herrschaft des Feuers erinnert zu werden. Dann
und wann sind abgestorbene und frisch von Feuer und Rauch
geschwärzte AValdriesen in der I-'Y>rne an den Abhängen der
Hügel sichtbar, oder eine gnädige Laune des Schicksals bereitet
uns nahebei ein solches Brandschauspiel in v'oller Aktion, wie
man Aehnliches ja auch in Hokkaido dutzendemal wahrnehmen
kann.
Gegen LIabarovsk sieht man die stattliche Pinus Cembra mit
ihrer dunklen Krone und der eigentümlichen Zwieselform des
Schaftes häufiger, ebenso sind Lärchen (Lar. dahur.) auf grossen
Flächen in Mischung mit Cembra erhalten und zwar in der Form
wertvollsten starken Altholzes Ihre Rettung mögen diese Forste
dem ausserordentlich nassen, sumpfig moorigen Boden verdanken,
der sie vor der I-^euerpest bewahrte. Diesen Waldungen wurde
auf der Rückreise ein Besuch abgestattet. Einstweilen war die
Absicht, unter Ausnützung des guten Wetters womöglich ohne
grössere Aufenthalte die Amurmündung zu erreichen. Reizende
kleine, aus Holz konstruierte Sommerwohnungen bei Korkovskoe
verraten die Nähe von Habarovsk, das auch nach einer Stunde
erreicht ist.
Habarovsk trägt die Anzeichen einer erzwungen raschen
Entwicklung ; es ist weitläufig mit breiten geraden Strassen ohne
Pflaster, die einzelnen Quartiere etwas unzusammenhängend über
drei Hügel und deren Verbindungstäler zerstreut, mit klaffenden
Lücken der Häuserbebauung und dementsprechender Ausdeh-
nungsmöglichkeit im fixierten Räume. Unscheinbar und im
scharfen Kontrast zu den roten Ziegelbauten der neueren Zeit
stehen die alten Quartiere mit niedrigen Holzhäusern, und eine
gewaltsame Hand hat mit energischen Strichen in neuerer Zeit ihr
,, Sic volo, sie jiiheo " hinsichtlich der Formung der Stadt ins
Terrain gezeichnet, seit sie von einem im Jahre 1858 gegründeten
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. I99
Kosakenposten Hand in Hand mit den Erfolgen der lautlosen
und energischen russischen Politik an Bedeutung gewann. Heute
ist sie der Sitz des Generalgouverneurs von Ost-Sibirien.
Das Mu.seum, die Kathedrale, der Palast des Gouverneurs,
das Kasino der Garnison etc. liegen auf dem Plateau des hohen,
steil zum Amur abfallenden nördlichen Ufers. Die Böschung
zum Flusse hinab selbst ist in hübsche öffentliche Anlagen um-
gewandelt. Weit schweift das Auge über die breite Wasser-
fläche des majestätischen Amur, der 256 km stromaufwärts den
Ussuri in sich aufgenommen hat, und marschige Ebene im Vor-
dergrunde, niedere Hügelreihen mit dunklem Walde in weiter
Ferne vervollständigen ein ruhiges Panorama von imponierender
Grösse. Die Statue Muraviov's, des rastlosen Eroberers der Länder
am Amur, auf einem Vorsprunge des Plateaus bringt in der ein-
fachen Komposition der sinnend die Arme faltenden überlebens-
grossen Figur die Willenskraft, das Zielbewusstsein und die
Erfolge des eisernen Mannes beredt zum Ausdruck. Nach
Süden ist sein Blick gerichtet, — dort überm Fluss liegt Mandschu-
ria, und die Gegenwart zeigt nur zu deutlich, wie die magischen
Wellen seines Geistes den Tatendrang seiner Nachfolger be-
lebten !
Der Aufenthalt in dem Hotel ,, Habaro vski " mit seiner
vordringlichen neugebauten P'ront in der Hauptstrasse wirkt
ungemütlich durch die schäbige Eleganz, zu der die Preise um
so weniger passen, als die Reinlichkeit und die Qualität alles
Gebotenen den Grad tiefer Mittelmässigkeit kaum überschreiten.
Gewisse sanitäre Einrichtungen und die Wasserrationen zur
Reinigung des Körpers lassen einen bedenklichen Schluss auf
sibirische Verhältnisse in dieser Richtung zu. Die daraus kei-
mende Voreingenommenheit gegenüber sibirischen Zuständen
findet leider ihre Bestätigung, je kleinere Orte man besucht, und
der Kontrast ist umso fühlbarer, wenn man, wie wir, vom
reinlichen Japan herüberkam. Eine gewisse Abtönung hatte
freilich schon in Wladivostock Platz gegriffen.
Habarovsk mit 16-18.000 Einwohnern, die Garnison nicht
eingerechnet, zeigt natürlich die Eigentümlichkeit aller gewaltsam
in grössere Verhältnisse heraufgepressten Posten in Ostsibirien.
Es hat keine eigentliche Umgebung mit landwirtschaftlichem
Betriebe, der die Stadt oder den Platz genügend mit Ixbens-
mitteln und den diversen Produkten des Bodens oder der
Viehzucht versorgen könnte. Es licet dies in der Art des
200 K. HEFKLE, AUS DEM OSTEN.
Fortschreitens der russischen Okkupation neuer Länder. Die
politische und mihtärische Wichtigkeit erfordert die Schaffung
eines Stützpunktes in kürzester Zeit mit vollem Zubehör an Ver-
waltungsorganen, oft mitten in einer bisherigen Wildnis. Die
weitere Entwicklung geht dann später von diesem Zentrum aus,
und da z. B. im Ussuri- und Amurland im grossen ganzen
erst eine ackerbautreibende Bevölkerung durch Kolonisten vom
europäischen Russland her geschaffen werden muss, so steht
man hier eben vor dem umgekehrten Faktum sonstiger Landes-
entwicklung, wo aus den sich verdichtenden Ansiedlungen der
Ackerbauern durch Abscheidung der Handwerker etc. sich
Lidustrie- und Handelszentren, eben die Städte bilden. Aehn-
liches findet man ja auch in Amerika, wo die Städte pilzartig
aus dem Boden schiessen, aber man darf nicht vergessen,
dass ein gewaltiger Unterschied zwischen der Bevölkerung
Amerikas und jener Sibiriens besteht. Amerika mit seinen
Legionen werktätiger, intelligenter Kräfte, mit seiner hohen
Entwicklungstufe hinsichtlich Landwirtschaft, Lidustriebetätigung
und Minenbenützung, mit dem überall bereiten gesamten Apparat
der Kultur in Eisenbahnen, Telegraphen und Maschinen etc.,
unter der Aegide enormen Kapitals und der volkstümlichen
amerikanischen Unternehmungslust, gestützt durch Freiheit und
Vielseitigkeit, ist grundverschieden von Sibiriens zwangsweise
angesiedelter, der amerikanischen materiell und geistig inferioren
Bevölkerung. Die Absatzverhältnisse der Produkte irgend einer
Unternehmung sind in Amerika durch ein reiches Netz von
Verkehrslinien und die Handels- und Kreditverhältnisse auf
eine weitaus günstigere Basis gestellt als hier, wo die ge-
nerelle Unaufgeschlossenheit der Gegend, widriges Klima und
namentlich eine zur Initiative erzogene Bevölkerung gänzlich fehlt.
Die Zähigkeit des Russen und die Konzentration aller geistigen
Fähigkeiten der leitenden Kreise in der neueren Zeit auf ein
bestimmtes Ziel, das meist bemerkenswert hoch gesteckt ist,
werden den Erfolg zweifellos schliesslich auch hier erreichen
lassen, wenn auch langsamer.
Habarovsk ist klimatisch sogar günstiger gestellt '■' als die
Gegend am oberen Ussuri und mag somit erwartet werden, dass
der Anblick grösserer Getreidefelder wie bei Nicholsk nur eine
P'rage der Zeit ist. Gegenwärtig kommen die landwirtschaft-
* (Während der \'egetaüonszeit -i- 17° C).
K. HEF-ELE, AUS DEM OSTEN. 201
liehen Produkte (Getreide und Vieh) in der Hauptsache von der
Mandschurei auf dem Sungari und Amur zum Importe.
Der Wasserweg nach Transbaikahen, den Amur und Shilka
hinauf, repräsentiert eine lebhafte Verkehrsstrasse für Produkte aus
Mandschurei und Transbaikahen (Getreide, Kartoffeln etc., Rindvieh),
obwohl in seiner Wirksamkeit nicht wenig gehemmt durch
ungünstige Bettverhältnisse des Flusses (Schiffe können höchstens
4 Fuss Tiefgang haben) und Eis. Blagoveschzenzk, einige 975 km
Amuraufwärts, eine blühende Handelsstadt und das Zentrum der
sibirischen Goldindustrie, mit seinen 40.OOO Einwohnern wurde
mir ebenfalls als der Tj'pus einer kontinentalen sibirischen Stadt
bezeichnet, aber die Fahrt von Habarovsk über Blagoveschzenzk
nach Stretensk den i\mur und Shilka aufwärts erfordert einer-
seits fast 24 Tage Zeit, und zahlreiche Cholera-Fälle eröffneten
anderseits die Möglichkeit, bei der Ankunft an der sibirischen
Eisenbahn in Stretensk ein paar weitere Wochen in Quarantäne
gelegt zu werden. So wurde von dem Plane des Besuches dieser
interessanten und durch waldbedecktes Hügel- und Gebirgsland
führenden Strecke abgesehen, obwohl ein solcher den Vorteil
gehabt hätte, uns den Rückweg nach Wladivostock zu ersparen.
Um von Habarovsk nun weiter nördlich vorzudringen, ist
man auf die Schifffahrtsgelegenheiten auf dem Amur angewiesen.
Ein regelmässiger Postdampferdienst ist zwischen Habarovsk und
Nikolajevsk mit einer Anzahl Anlegepunkte auf der Strecke
eingerichtet. Die hiefür bestimmten Schiffe sind flachgehende
kleine und mittlere Raddampfer (ca 60 m lang, 14 m breit) und
enthalten Kabinen fiir ca 50 Personen im Durchschnitt; I. und II.
Kl. differieren in Bequemlichkeit und Pässen nicht auffallend, die
Räume sind jedoch sehr prekär und lassen die nötige Sauber-
keit oft stark vermissen.* Das vorhandene Oberdeck gewährt
dagegen die Möglichkeit, sich angenehm zu ergehen. Das
Hauptdeck und der hintere Teil des Oberdecks sind für die
Zwischendeckpassagiere bestimmt, die in buntem Durcheinander
eine interessante Rassenmischung aufweisen. Die Zwischendeck-
"" Der Fahrpreis kann nicht elien niedrig genannt werden, er beträgt 13.!- Rulrjl
= 27 M in II. Kl. für die ca 900 km lange Stiecke, und zwar ohne Verpflegung. Die
letztere ist genügend und besteht aus einer einfachen Mahlzeit mit reichlichen Portionen,
Abends nur i Fleischgang, Morgens Kaffee und als Beigabe zu jeder Mahlzeit Tee.
Der Preis hiefür ist 2 R 25=4 M 50 Pf. pro Tag. Sehr teuer sind Getränke jeder
Art ausser Tee (i Fl. Bier russischen, japanischen oder amerikanischen Ursprungs kostet
von 70 Kop. — 2 Ruljel, Kwass und kohlensaueres Wasser 30-40 Kop. =60-80 Pfj.
202 K. IIEFELE, AUS DEM O.STEX.
passagicrc, meist i^aiize r'aniilicn, kampijren schlecht und recht
auf dem Ikxlen unter Zuhilfjnahnie mitgebracliter alter Decken
oder Bündel, welche die schmale Habe enthalten. Man findet
da repräsentiert den russischen Bauern, untersetzt, mit struppigem
Vollbart, Chinesen als Handwerker oder kleine Kaufleute, korea-
nische Kuli. G<^ld\väscher von den Golddistrikten, Jäger, Kosaken
und ab und zu ein paar Vertreter der einheimischen Mon-
golenstämme wie Giliaken, (lolden, oder JSuriaten (letztere vom
oberen Amur aus Transbaikalien stammend). Die europäische
Gesellschaft der I. und IL Kl. besteht aus einer Anzahl (uni-
formierter) russischer Beamten und aus Kaufleuten, welche Dienst
oder Geschäft zum Reisen veranlassen. Die ganze 3| tägige Fahrt
ist etwas monoton : weit und breit niedriges Land oder schwach-
wellige Hi^igel mit endlosem Wald, Sümpfen oder Grasland, und
nur in grosser L^ntfernung vom Flusse sieht man einmal eine
höhere Bergkette in östlicher Richtung, die bei Sofiesk etwas
näher herantritt. Der Fluss ist von einer wechselnden Breite,
zwischen 400 und I.OOO m, und kleine Poststationen an seinen
Ufern werdei^ in Zwischenräumen von 6-10 Stunden angelaufen.
Es sind dies Orte von 20 bis zu loo Häusern, an der
Uferbank langgestreckt zerstreut und auf Lichtungen früheren
Wald- oder Sum[)fterrains erbaut. Die Häuser, ganz von Holz
konstruiert und niedrig, machen mit ihren weissen Fensterrahmen
keinen unfreundlichen Eindruck. Frauen, Männer und Kinder
bieten die Erzeugnisse ihrer kleinen Wirtschaft, Milch und Brot
oder Backwerk, auch Fische zum Kaufe an, sobald der Dampfer
anlegt. Li der Hauptsache ist es eine Fischerbevölkerung-, welche
in diesen Niederlassungen haust. Nirgends fehlt die Kirche
(wenn auch oft in recht baufälligem Zustande) als Wahrzeichen,
dass orthodoxer Glaube hier eine Heimstätte hat.
Eine Anzahl der Ansiedler erwirbt sich neben etwas Vieh-
zucht und Ackerbau noch Verdienst durch Holzfallen für den
Bedarf der Schiffe. Holzzaine grob aufgespaltenen Scheitholzes
stehen zur Verladung als Feuerholz am Ufer bereit. Natürlich
hilft diese Art der Kesselfeuerung ebenso kräftig zu der Zerstörung
des Waldes mit wie die L,okomotive, welche auf der Ussuribahn
oder der sibirischen und mandschurischen Linie ja auch nur
mit Holz geheizt wird. Diese Poststationen erhalten ihre eigent-
liche Wichtigkeit erst im Winter, wenn der ganze Verkehr von
Nicholajevsk nach Habarovsk und umgekehrt auf dem festge-
frorenen .\mur \"or sich geht ; sie sind dann die Relaisplätze für
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 203
Pferde und Rastpunkte der Reisenden, die sich an den riesigen
aus Ziegeln gebauten Ojfen von der schneidenden Kälte der
Fahrt erholen mögen.
Was den Wald entlang dieser ganzen Flussstrecke anbelangt,
so trägt er in nächster Nähe der Ufer die Zeichen der Ver-
nichtung durch Hochwasser und Eis und durch Feuer auf weiter
entfernten Plätzen nur zu deutlich zur Schau, namentlich jede
hügelartige Erhebung lässt dies sicher wahrnehmen. Die Brände
am Amur erfreuen sich einer gewissen Selbstverständlichkeit,
der nur Aufmerksamkeit geschenkt wird, w'enn dieselben wie
im Jahre 1887 eine solche Ausdehnung annehmen, dass die
Schifffahrt auf dem Amur wegen der unerträglichen Hitze und
des jede Aussicht hindernden Rauches für Wochen eingestellt
werden muss. Ungleichalterige Horste von Lärchen, Fichten,
Erlen, Birken, Pappeln und \\'eiden ziehen in reinen Gruppen
oder untereinander gemischt am Auge vorüber, und die Mono-
tonie der flachen Uferlanclschaft wird durch eine stundenlang das
Ufer einsäumende niedere Weiden-oder Erlenbestockung gerade-
/Ai unangenehm gesteigert. Freut man sich einmal, eine Partie
alten Hochwalds in der Nähe zu erblicken, so ist man nur
umsomehr enttäuscht beim Näherkommen, da man in der Regel
nur einen geschwärzten abgestorbenen Bestand vor sich sieht,
zu dessen Füssen eine junge .Generation von Birken, Pappeln
etc sich anschickt, dem unausbleiblichen Schicksal des Feuertodes
entgegen zu wachsen. Moorige Wiesen mit hohem Gras 'kon-
trastieren in ihrem lebhaften Grün mit dem sie um.schliessendcn
dunkeln, mattfarbigen Walde. Im grossen ganzen bleibt der
Eindruck eines endlosen moorigen, waldbedeckten Tief- und
niedrigen Hügellandes, das wohl in der Hauptsache als ewige
Forstregion bezeichnet werden muss, zweifellos in seiner nörd-
licheren Plälfte gegen Nikolajevsk, da die klimatischen Be-
dingungen dort zu ungünstig für Landwirtschaft sind. Rein
landschaftlich betrachtet sind manchmal die Gegenden am Amur,
besonders gegen Abend, von einem eigenartigen Reize. Ruhig
zieht das Schiff seinen Kurs auf der weiten Wasserfläche,
tief schwarz erscheint das Wasser in nächster Nähe, während
es gegen die Ufer im Westen, wo die Sonne eben unter-
gegangen ist, in successiv hellere Schattierungen vom tiefen
Blau in Grün, Rot und zuletzt in intensivst:;s Gelb verläuft, wie
ein Regenbogen von riesiger Breite. Dazu die stillen gespenster-
haften Uferweiden, deren unzählige Spitzen und ]31ättchen sich
204 K. I!EF?:LE, aus dem OSTEN.
mit frappanter Deutlichkeit gegen den in Glut getauchten
Himmel abzeichnen. Darüber wiederum die allmähliche Ab-
tönung der feurigen Gloriole, \'om fli^issigen Golde zu hellem
Smaragd-Grün und Azur-Blau, an das sich im Zenit tiefstes Violett
anreiht, um gegen Osten in unbestimmtes Grauschwarz über-
zugehen. Kobaltblaue Bergeshöhen sind gegen Südosten zu in
Dämmerung versinkend sichtbar, und über ihnen emporsteigend
der Mond, dessen langstreifiger Widerschein im Kielwasser des
Schiffes silberne Kringel formt. Langsam \ergeht Glut und
1^'arbenspiel, und rotfunkelnd wie gierige Augen von Dämonen
blitzen die Signallichter der Richtpunkte am düsteren Ufer — die
Luft eine seltsame Mischung von Maiglöckchen, Kiefernduft und
moderiger Substanz. Wer Abende an einem der moorumsäumten
Seen, etwa dem Chiemsee im südlichen Bayern, verlebt hat. dem
werden solche Bilder bekannte Heimaterinnerungen vorzaubern !
Die Temperatur schwankt im Amurlande zwischen Extremen,
und wer sich im Juli bei 30° im Schatten am Vormittage den
zugigsten Platz auf Deck des Schiffes aufsucht, um etwas
Kühlung zu erhalten, wird sich schwer mit dem Gedanken be-
freunden, dass im W'inter hier eine Kälte von — 25° C und mehr
eben nicht zu den Seltenheiten gehört und dass in der letzten
Hälfte des Oktober wegen des Eises die Schifffahrt auf dem-
selben Amur wieder eingestellt .werden muss bis Ende Mai,
wo dann wiederum verhältnismässig rasch der Eisgang erfolgt.
Endlich ist Nikolaje\'sk in Sicht, und der Dampfer dreht,
in grossem Bogen laufend, bei, um nicht mit den angehängten
Transportbarken in Kollision zu geraten. Nach dem üblichen
Aufenthalte durch ärztliche L^ntersuchung etc legt man schliess-
lich an einem Avellblechgedeckten Schuppen an, der den kühnen
Namen ,, Landungshalle " trägt. Der Pass muss vorgezeigt
werden und stellt in meinem Falle den riesigen Gendarm vor
eine recht kitzlige Alternative. Lesen kann er ihn nicht, weil
er deutsch verfasst ist, luid das Publikum betrachtet mit un-
verhohlener Neugierde den Fremdling, der nicht so glücklich
ist, sofort passieren zu können, wohl vermutend, dass mit dem
Fremden ,,was" nicht ,, richtig" sei. Ohne weiteres den
Fremden durchzulassen, .scheint dem Gendarmen nicht angängig,,
und so hilft sich der Brave unter dem Drucke der murrenden
landungssüchtigen Passagiere durch das Auskunftsmittel einer
sinnenden Miene, und weiss Gott was murmelnd gibt er mit
gnädigem Kopfnicken das Zeichen zum Passieren. Staunend be-
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 2O5
wundert wieder einmal das niedere Publikum die Ueberlegenheit
der Polizeimacht, die alles kann, sogar verkehrt in der Hand
gehaltene deutsche Pässe lesen.
Da mir von einem Deutschen an Bord der Rat gegeben
war, mich bei Zeiten nach Quartier umzusehen, so gehts
im Galopp mit einer der schmutzigen Troikas durch Staub und
Sonnenbrand zum Städtchen hinauf, von dem man anfänglich
recht wenig wahrnimmt, da es auf dem Plateau der Ufereinfassung
gelegen ist und ganz in kleinen Baumgruppen versteckt zu sein
scheint. Das einzige Gasthaus hat nur sieben Schlafräume ; Zimmer
sind wohl nur zwei davon zu nennen, und die durchschnittliche
Aus.stattung derselben lässt alle, auch die bescheidensten Ansprüche
unerfüllt. Das Einzige, was man sich ersehnt, ein annehmbares
Bett oder eine Lagerstatt, ist repräsentiert durch ein Holzbrett-
planum in einer eisernen oder hölzernen Bettstelle und darauf
eine 3 cm dicke Matratze sowie eine Decke zum Zudecken ;
Leintücher sind selbst mitzubringen oder werden extra berechnet.
Die gute Laune wird unter solchen Umständen auch bei wenig
verwöhnten Forstleuten nicht gehoben, denn die Aussicht, nach
drei Tagen harten Liegens auf einer Art Panzermatratze während
des Aufenthaltes auf dem Schiffe in noch weniger einladende
Verhältnisse zu geraten, ist wenig dazu angetan, Segenswünsche
für sibirische Gasthäuser zu erzeugen, aber die begleitenden Um-
stände, die wir erst nachher erfahren sollten und die in Sibirien
als selbstv^erständlich hingenommen werden, hatten nach wenigen
Tagen den Entschluss gezeitigt, im Freien auf dem Erdboden zu
kampieren. Infolge menschenfreundlicher Vermittlung des Ver-
treters der deutschen Export- und Importfirma von Kunst und
Albers kam dies jedoch nicht zur Ausführung.
Es i.st mir aus begreiflichen Gründen nicht möglich, mehr
wie Andeutungen über die Ursachen des obigen Entschlusses zu
geben ; man schien in ein richtiges Nest verrufenster Art geraten
zu sein, dessen Spektakel durch mehrere Tage weder bei Tag noch
bei Nacht auch nur eine Minute Ruhe erlaubte und dessen Rein-
lichkeitsverhältnisse in jeder Richtung eben ,, sibirisch " sind, wor-
über sich freilich der Russe als über etwas Selbst\'erständliches
ohne jede Notiz hinwegsetzt. Und dabei war dieser einstöckige
halbv^erfallene Blockhausbau die einzige Unterkunftsmöglichkeit in
dem ca 7.000 Einwohner zählenden Nikolajevsk, wo der Verkehr
von Fremden, d. h. Kaufleuten immerhin ein ziemlich reger ist.
Nikolajevsk steht unter dem Zeichen des „Fisches". Der
205
K. IIEFELK, AUS DEM OSTEN.
Fi-schfaiii^r (Lachsfang) und Verkauf desselben beherrscht alle
Verhältnisse, da er die nahezu einzige Beschäftigung und Ein-
nahme der russischen, seit 1850 angesiedelten Bevölkerung dar-
stellt. In ungezählten Scharen kommen die Lachse aus der
Ochotskischen See den Amur zum Laichen herauf, und von
der 25 km von Nikolajevsk entfernten Mündung des Amur bis
weit hinauf stromaufwärts ist im Sommer am Ufer Fischer-
niederlassung an Fischerniederlassung gereiht, deren Lisassen dem
Fange der geschätzten Wasserbewohner obliegen. Die ganze
Ausbeute wird tatsächlich fast allein von japanischen Fischern
gewonnen, die zur warmen Jahreszeit mit 70-100 Dschunken und
6-700 Mann hierher eilen. Der Hafen von Nikolajevsk hat des-
halb zu gewisser Zeit einen ganz japanischen Anstrich.
Das Geschäft ist zweifellos sehr lukrativ, wenn man die
Preise der gesalzenen und geräucherten Lachse in Japan, wohin
fast das ganze Fangergebnis geht, und den Wert am Fangorte
in Erwägung zieht. Literessant ist, dass den japanischen Fischern
theoretisch nicht erlaubt ist, den ,, Fisch " zu fangen, sie dürfen
ihn nur von den russischen Fischern kaufen und haben natürlich
auch bestimmte Abgaben für Benutzung der Ufer zur Errichtung
von einfachen Holzbaulichkeiten zwecks des Einsalzens, Ver-
packens und Räucherns der Lachse, sowie für Brennholz etc
zu zahlen. Zwischen Theorie und Praxis scheint aber ein grosser
Unter.schied zu herrschen, und nur zu bereitwillio; möoen die
Einheimischen das mühsame Geschäft des P'angens unter nomi-
neller Oberhoheit den Fremden überlas.sen, damit ihnen mehr
Zeit für die Konsumierung von Wodka bleibt. Wie viel \'on
diesem P^euerwasser und Pluch Sibiriens jährlich vertilgt wird,*
mag man aus dem Umstände entnehmen, dass, ein paar An-
siedelungen der Umgegend mit höchstens i.ooo Personen zu den
7.000 Einwohnern Nikolajevsks hinzugerechnet und unter Ausser-
achtlassung des massenhaft geschmuggelten Alkohols, pro Jahr
von den somit insgesamt 8.000 Köpfen dieses Platzes 50.000 Eimer
ä 20 FL, also = 1. 000.000 Flaschen = ca 800.000 Liter vertilgt
werden, das sind ca 125 P'laschen oder 100 Liter pro Kopf der
Bevölkerung. Die Ausgabe hiefür beziffert ca 500.000 Rubel
oder I Mill. Mark im ganzen.
Die relativ hohen Löhne, welche gezahlt werden (il Rubel
pro Tag für den gewöhnlichen Arbeiter), gehen meist den ,, gei-
* In Minusinsk, einer andern Ortschaft Sibiiiens, hat ebenfalls die dortige Bevölke-
rung in I Jahre für 1 Mill. Rubel Wodka verbraucht. CT. J. Stadling, Through .Sibciia.
K. IIEI-ELE, AUS OEM OSTEN". 20/
stieren " Weir, und für die Landwirtschaft, die in beschränktem
Umfanf^e hinsichtlich Gerste, Hafer, Kraut und insbesondere
Kartoffehi sowie Viehzucht niögUch wäre, sind sie geradezu ein
Hindernis, soweit die in der verdorbenen Bevölkerung fcstwur-
zehide Faulheit noch eine Neigung hiezu aufkommen lassen
würde. 25 Rubel ist für den landwirtschaftlichen Arbeiter neben
Verpflegung der Monatslohn im Sommer und 1 5 Rubel im Winter.
Die 40.000.000 Pfund Lachse zu rund i.ooo.OOO Rubel = 2 ?vlill
Mark Wert, welche alljährlich an dem Unterlauf des Amur
'gefangen werden, sind für die wenigsten eine Quelle des Wolil-
.standes geworden, wie sie es sein könnten, das sieht man an
dem ganzen x^crkommenen Anblick der Leute und an ihren
W^ohnungen.
Auch Xikolajevsk leidet infolge seiner Waldbrände in der
Umgegend wie alle bisher am Amur und Ussuri beobachteten
grösseren Niederlassungen an Mangel von Holz in einigermassen
annehmbarer Nähe. Der cbm Lärchenholz, das meist gebrauchte
Bauholz, erzielt einen Waldpreis von 15 Kopeken = 30 Pf, aber
die Transportkosten zu i Rubel pro cbm und i verst erhöhen
bei einer mittleren sehr gewöhnlichen Lieferungsentfernung von
20 verst = 21 km die Kosten auf 20-23 Rubel — 40-50 Mark
pro cbm. Wassertransport, wenn er möglich ist, drückt die
Kosten natürlich bedeutend herab, immerhin sind solche Preise im
Herzen eines Urwaldes enorme. Der Preis von 5 Rubel = 20 M
für I Ster des hauptsächlich verwendeten Lärchenbrennholzes
ist geradezu deprimierend hoch für einen grösseren Haushalt, der
mit Leichtigkeit in einem Winter seine 50-60 Ster und mchr
verfeuert.
Die hohen Kosten aller Lebensmittel in Nikolajevsk sind
die P'olge des Fehlens von Landwirtschaft in der Umgegend, und
die Aufhebung der zollfreien Einfuhr derselben seit einem Jahr
scheint gleichfalls bestimmt, das Uebel zu verschlimmern. Der
Preis Von i Pud (40 russische Pfund) Kartoffeln vermag bei
geringer Ernte von 80 Kopeken bis auf 2 und 3 Rubel = 4-6 M
zu steigen. Das sind düstere Schatten auf dem sonst so freund-
lichen Landschaftsbilde !
Ein Spaziergang durch das Städtchen macht uns in kurzer
Zeit mit den Sehenswürdigkeiten!, soweit man von solchen
sprechen kann, bekannt. Die Kirche von Holz, etwas baufällig
und schief, der Feuerturm im Stile der Holzkasten ä la Tokio
und langestreckte niedere Kasernen für die Garnison sind dazu
208 K. in:i-KLK, AUS DEM OSTEN'.
ZU zählen. Ami.selige, Alpenhüttcn ähnliche Blockhäuschcn mit
bUnden Ivnstern und .schreiend roten Vorhängen, hinter denen .sich
russische und namentlich japanische vorübergehend stationierte
Weiblichkeit mit grösster Ungeniertheit bewegt, stechen scharf ab
von der l^ebauung der paar Strassen oder Strässchen, in denen
gruppiert um die öffentlichen Gebäude die besser situiertc spärliche
deutsche, japanisclie oder russische Kaufmannschaft ihre Quartiere
aufgeschlagen hat. Zwischendurch allüberall dii; kleinen Detail-
läden mit dem schlechtesten Krimskrams der Bedürfnisse des
täglichen I-ebens und dem Kainsmal des allgegenwäitigen Wodka.
Gewerbetätigkeit ist verhältnismässig wenig wahrnehmbar. Der
Gesamteindruck des besseren Stadtteils mit den frischen Farben
des Häuseranstriches (weiss), den kleinen Baumgärten oder
wenigstens einzelnen Exemplaren von Birke, Pappel oder Därche
um das Haus, ist kein ungemütlicher, er entbehrt durchaus nicht
einer gewissen einfachen Behaglichkeit, und der Ueberblick über
den Landungsplatz, die den Fluss einsäumenden niedrigen Hügel
und die breite spiegelnde Fläche des Amur im Sommer muss ein
freundlicher genannt werden. Und warm ist's liier im Juli
unglaublich. Bei den Exkursionen zum W^alde wähnte man sich in
die Breiten um Kolombo oder Formosa versetzt, so brütend lag
die bleierne, unbewegliche Schwüle über dem moorigen Grunde
der Forste.
Die Wälder selbst sind nur in grosser Entfernung \'on
menschlichen Ansiedelungen in natürlicher und einigermassen durch
Feuer oder Menscheneingriff unveränderter Form anzutreffen. Sie
sind ohne besondere Charakteristika eben Urwaldungen schlecht
und recht, wie so viele andere, die ich gesehen. Aus Lärchen,*
mit Fichten von mittlerem Höhen- und Stärkenwuchse in der
Hauptsache zu.sammengesetzt, verrät sich das etwaige längere
Verschontsein vom Feuer durch die Anwesenheit von Jungsvuchs-
gruppen in allen Altersstufen, und die Aestigkeit älterer Bäume
deutet auf ein Aufwachsen in ziemlich freiem Stande hin. Birken,
Pappeln, Weiden, Erlen etc. finden sich als Füll- und Unter-
standsholz und helfen getreulich mit, die Schneedrucklöcher sowie
sonstige dem Menschen oder der Natur zu dankende Fehl-
stellen im Grundbestande beschönigend zu decken, so dass von
der p'erne gesehen solche Bestände mehr konsoliiliert und ge-
schlossen erscheinen, als sie es tatsächlich sind. Das Eindringen
'■'■ Lari\ daluuica.
K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN. 209
in solchen Wald ohne Weg und Steg auf moorigem Boden durch
mannshohes Gras, Unkraut und Staudengewirr, das ungezählte
Male nötige Ueberklettern gestürzter Waldriesen mit ihren
harten, dürren Aesten und die Monotonie und Gleichförmigkeit
auf endlosen Flächen ist trotz der Grossartigkeit des Ausdrucks
einer ungezügelten Natur nicht wenig anstrengend und ermüdend.
Man freut sich darauf, vielleicht einem der Bären zu begegnen,
deren Fährten man hier einen kleinen Fluss entlang deutlich
wahrnehmen kann, aber Meister Petz ist untertags wenig zu
Spaziergängen aufgelegt, und ihn etwa schlafend hinter einem
der grossen Wurzelstöcke umgestürzter alter Bäume zu über-
raschen, war uns auch nicht beschieden.
Müde und erschöpft kehrt man gegen Abend über ein von
brodelnder Hitze wogendes Sumpfland zurück, auf dem sich
neben Laubhölzern einige Partieen junges Nadelholz (Fichten)
infolge ihres Standortes auf sehr nassem Grund von dem letzten
Feuer erhalten haben, und die unfreundliche, miserable Herberge
erhöht am Abend in keiner Weise die- Annehmlichkeit der
Situation.
Was hätte man gegeben um einen der armseligsten, aus
Rinden oder Holz erbauten reinlichen Holzarbeiter-Unterkunfts-
räume im stillen Walde ! Aber auch für den Fall des Vor-
handenseins eines solchen hätte es wohl zur Unmöglichkeit
gehört, ihn zu benutzen, denn die sibirischen Wälder scheinen
im Sommer eben nicht blos Moskitos sondern lO.OOO losge-
lassene Teufel aller Sorten zu beherbergen. Eine diesbezügliche
Erfahrung im Walde bei Habarovsk lässt mich die Tatsache
würdigen, dass Tausende von wilden Renntieren aus der endlosen
,, daiga " oder Waldregion Sibiriens alljährlich im Sommer zu den
kühlen Küsten des arktischen Ozeans eilen, um diesen Quälgei-
stern zu entrinnen.
Ein geplanter Ausflug in die Ochotskische See musste leider
infolge des nähergerückten Abfahrtstages des Dampfers unter-
bleiben. Ungern schied man von dem freundlichen russischen
Oberförster, dessen deutschsprechende Gemahlin die Aussprache
von Ansichten über forstliche Themata mit unendlicher Geduld
und feinem Verständnis als Dolmetscherin ermöglichte. Die
Wirksamkeit der derzeitigen, seit den 8o"' Jahren eingerichteten
Forstverwaltung kann bei den vorhandenen Schwierigkeiten der
Kommunikation naturgemäss nur eine höchst minimale sein und
ist auf allmähliche Ausscheidun"; \'on Ansiedelungsland und von
2IO K. IIKIT.LI'., AL'S DKM OSTKN'.
bestininitcni StaatskronwaUl aus dem urs])rün!4iich für Joden
freien Kronwaldterrain L;"crichtL-t, sowie auf die Kontrolle be-
sonderer Nebeneinnahmen des Waldlandes, wie Fischerei etc.
Dem Oberförster von Nikolajevsk unterstehen ziu' Aufsicht
über ein Areal von ca 17.000.000 ha W^ald und SumpHand 17
Mann Schutzpersonal, Waldbereiter genannt, so dass auf 1 Mann i
Million ha treffen, was den Inhaber einer solchen Stelle eigentlicli
mit berechtigtem Stolze ob eines solchen Vertrauens erfüllen müsste.
Zum Abschiede gab uns der Wald um Nikolajevsk einen seiner
selbstlosen Brände zum besten, und der Eindruck, den die prasseln-
de, wogende Feuerglut bei dunkler Nacht macht, ist ein wild-
schöner. Die 3 tägige Rückfdirt nach Habarovsk vollzog sich
ohne bemerkenswertes Ereignis, man müsste nur etwa den
momentanen Wirrwarr dazu rechnen, welcher durch ein plötzlich
entstandenes Feuer mit kolossaler Rauchentwicklung an Bord
unseres Schiffes veranlasst wurde. Harziges Holz, welches
neben den Kesseln mittschiffs lagernd in Brand geraten war, gab
die Veranlassung zu dieser aufregenden Scene, bei der sich
insbesondere die Chinesen unter den Zwischendeckpassagieren
entgegen ihrer sonst so ruhigen Art wie wahnsinnig geberdeten,
obwohl das Feuer in kürzerer Zeit von der Iksatzung gelöscht
war, als ich hier zum Erzählen des Vorfalls brauche.
Von der einstigen Herrschaft der Chinesen über diese Ge-
genden (rechts des Amur \on seiner iNIündung bis zum Ussuri
und diesen aufwärts ebenfalls auf dem rechten Ufer) ist keine
Spur übrig geblieben ; eine halbverfallene russische Kirche auf
einem steilen Uferfelsen bei einem armseligen Fischerdorfe Tir
wird als der Platz einer frülieren chinesischen Stadt bezeichnet,
und es sollen diesbezügliche Funde gemacht worden sein.
Von Repräsentanten einiieimischer Mongolvolksstämme be-
gegnet man hier nur den Golden und Oroken in den kleinen
Fischeransiedelungen am Amur und vereinzelt in Nikolajevsk
und Habarovsk auch wohl ab und zu einem Tungusen. Sie
bilden im Ussuriland einen so geringen Prozentsatz neben der
russischen angesiedelten Bevölkerung, dass man diese Gegend
als rein russisch ansehen darf
John Chinaman ist natürlich in einem oder ein paar Kx-
emplaren in allen Pocken anzutreffen, aber nicht von früher her
sondern in der Neuzeit dem Zug des Handels und Wandels, wo
der Dollar klingt, folgend. Man findet ihn in der P'orm des
Kuli von Wladivostock aneefaneen an der "anzen Ussuribahn
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 211
d!s Handlanger,, Güterlader, Erdarbeiter, Maurer, Steinbrecher,
Holzarbeiter u. s. \v., und treu bewahrt er seine Eigenart der
\"ürliebe für den schmutzigsten Unterschlupf und das Opium.
Bei Habarovsk im Walde lebten die Leute in Erdlochern wie
Tiere, und man mag sich füglich nur wundern, wie nicht mehr
an Krankheiten sterben.
Die Habarovsker Waldungen, deren eigenartige Form mir
.-.chon bei der Hinfahrt aufgefallen war, wurden nunmehr mit
einem besonderen Besuche bedacht. Man fährt ein paar Stationen
bis Korkoffskoe in südlicher Richtung, um in das Herz typischer
Forste zu gelangen, die in ihrer Zusammen.setzung zweifellos
eine mir interessante Neuheit boten. Von der Bahnstation aus einen
Bach als Weg benützend, ging es über mooriges Waldland bergan
durch Unter- und Jungholz sowie dichtes Unkraut der lockeren
Bestände, bis man auf einer Höhenkuppe anlangte, welche einen
prächtigen Ueberblick über ein wunderbares Waldbild gewährte.
In kolossaler Ausdehnuno- Weijt zu unseren Füssen ein Wald,
dessen gleichmässige Mischung von hell- und dunkelgrünen
Holzarten eine dem Auge wohltuende Harmonie gewährt. Den
lielleren Grundton formen weiss- und rötlich-borkige Birken (Betula
:Jba, Ermanni), Pappelarten (P. alba, tremula), wenige Eichen
(Quercus mongolica), tischen (Fraxinus mandschurica) und Lärchen
(Larix sib. und dahurica). Li diese Grundmasse sind nun die
dunklen Pin. Cembra (Sibirische Zeder) und ein recht beschei-
dener Anteil von P^ichten (Pic. orientalis) fast gleichmässig verteilt
und so locker eingesprengt, dass fast jedes einzelne Exemplar auf
dem hellen Untergrunde unterscheidbar ist. Die vorherrschende
Pin. Cembra ist bei einem zwischen 150 und 200 Jahren
schwankenden Alter in Dimensionen von i m Brusthöhen-
durchmesser und 25-30 m Länge sehr zahlreich anzutreffen, die
Fichten stehen in Stärke und Höhe der Cembra ein weniges
nach, und die Lärchen behaupten die letzte Stelle im Range,
indem sie, über 100 und 150 jg., den mittleren Durchmesser
von 50-70 cm bei guter Höhe von 25 und 30 m aufweisen.
Birken (VVeiss-wie Schwarzbirken) sind in Dimensionen anzutreffen,
wie ich sie nie zuvor sah, 70-80 cm Brustdurchmesser bei einer
Höhe von 20 m (150 Jahre alt) sind keine Seltenheit. Das
frappierendste der ganzen Erscheinung ist die verhältnismässige
Gleichalterigkeit und Gleichförmigkeit der Nadelholzbestockung
auf solch riesigen Plächcn. Es gibt dafür nur eine Erklärung
und zwar das EintTreifen des Feuers. Durch wiederholte Brände ist
212 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
\-ornn!tlich die in lichten Urwaldbcständcn sich x'oUzichcndc Natur-
verjüngung im neu sich bildenden Bestände all der schwächeren
Glieder beraubt worden, und diese wiederholte Dezimierung schuf
nicht nm- den Ivaum für die heraufdrängenden Lichtnadel- und
Laubhöl/er, sondern bewirkte auch die lockere Verteilung der
Ilauptholzart. Die stattlichen Zapfen der Cembra mit den öligen
essbaren Samen sind eine Zierde des Baumes. Mit welcher
Zähigkeit sich Cembra-Jungwüchse oder Einzelpflanzen unter
dichtem Schirm auf feuergeschützten Plätzen zu halten vermögen,
hat man vielfach Gelegenheit wahrzunehmen ; sie gleichen hierin
den Tannenvorwüchsen, aber mit weniger Neigung zur Verhüttung.
Die fast durchweg bei Pin. Cembra zu beobachtende Zwie-
selbildung des sonst schlanken, vollholzigen Stammes scheint
eine Eigentümlichkeit dieser sibirischen Nadelholzform zu sein.
Der Bahnbau hat die unmittelbar der Strecke anliegenden Wald-
teile natürlich stark von Cembra und Lärche entvölkert untl
wird zweifelsohne wie in Hokkaido durch P'euer und Ausnützung
jene merkwürdigen Einfassungen der Bahnlinie mit reinen Lmib-
hölzerii herbeiführen, welche dem Uneingeweihten ein Rätse
sind.
Holz ist wiederum auch hier im Walde billig, während die
Preise im nahen Habarovsk bemerkenswert hoch stehen. So
erzielt Lärchen- und Cen^brabauholz, welches beim Häuserbau
allein verwendet wird, einen Marktpreis von 40 und mehr Rubel
pro cbm, und dabei ist die Bringungsmöglichkeit sogar durch die
Bahn erleichtert. Man kann daran die harte Strafe erkennen, welche
einer schrankenlosen Vernichtung von Wald in der Nähe der
grossen Ansiedelungspunkte unweigerlich auf dem Fu.sse folgt.
Ich bezweifle jedoch nicht, dass mit der steigenden Entwicklung
rührige Geschäftsleute dem ausbeuterischen Monopolsystem der
wenigen Holzhändler mit ihrer 200 o/^ Rentierlichkeit ihres
Handels durch die Konkurrenz ein Ende machen werden, wie
ja auch die mehr und mehr in geregelte Bahnen einlenkende
Benutzung der Waldungen (wenigstens in besiedelten Distrikten)
zur Verhinderung planloser Vernichtung und zur richtigen Auf-
schliessung und Verwertung von Naturschätzen flihren muss.
Bei den in I'rage kommenden immensen P'lächen, den schmalen
Personalv^erhältnissen und den niedrigen Einkünften des Waldes
ist schon \-ieI erreicht, wenn nur eine nutzlose Zerstörung des
Vorhandenen einigermassen hintan gehalten werden kann. Die
Tatsache, dass der Bedarf an Eeuerholz für eine kleine Familie
K. HEFEL?:, AUS DEM OSTEN. 2I3
in Habarovsk pro Jahr einen Aufwand von 300 M erfordern
kann, gibt sicherlich zu denken.
Das Leben der sibirischen Forstleute in diesen Gegenden
scheint mir einer kurzen Erwähnung wohl wert zu sein. Die
leitenden Kreise am Sitze der Regierung, z. B. des General-
gouvernements in Habarovsk, sind in Ansehung des ihnen
zugeteilten Waldes zw^eifellos oft vor die Entscheidung sehr weit-
reichender Zukunftsfragen gestellt, welche neben voller, sichtlich
vorzüglicher Ausbildung auch reiche Erfahrung erfordern ; die
untergeordneteren Betriebsvollzugsstellen und -Organe haben mit
klimatischen und Terrainverhältnissen zu kämpfen, deren Ueber-
windung zweifellos die höchsten ph\'sischen Anstrengungen und
volle Hingabe an den Beruf verlangt. Dieser Punkt verdient eine
besondere Würdigung. Es erfordert eine kräftige Konstitution,
im Winter bei- 1 5 und 20° oder noch mehr im Schlitten pro Tag
300 km in einer Tour auf dem gefrorenen Amur zu machen,
mit vorgespannten Pferden oder den zähen sibirischen Zughunden,
welche an Schnelligkeit mit den Pferden wetteifern und halb
hungrig gehalten werden, um vom knurrenden Magen getrieben
den P^ifer des Strebens nach vorwärts nicht zu vergessen.
Nach solch einer ,, Tagesexkursion " in einem im Schnee be-
grabenen Erdloche zu rasten, wo 20-24 Giliaken, enggepfercht ^vie
Heringe, durch den augenbeizenden Qualm des P'euers hindurch
kaum zu unterscheiden sind, gehört m. E. auch nicht gerade zu
den P^rholungen. Aber die Dienstgeschäfte fragen wenig darnach,
ob der zu erreichende Punkt in der Nähe einer der halbwegs
menschlichen Amur-Poststationen liegt oder nicht. Von der
Vorzüglichkeit des Platzes in der Mitte einer solchen Giliaken-
wohnung, wo sonst die Hunde ihren Lagerort haben, die etwas
unzart in solchem Pralle disloziert werden, vermochte ich mich
bei persönlich mangelnder P>fahrung schwer zu überzeugen, aber
sie wurde mir eindringlich geschildert. Die Zughunde selbst
habe ich mehr v/ie einmal gesehen, da sie im Sommer etwas
melancholisch ihres Daseins Pfaden spinnen, indem sie holz-
beladene kleine Boote den Aniur aufwärts ziehen. Es sind
struppige, untersetzte, hellgelbe oder schwarze Spitze, denen es
bei Hunger im Winter auf das gelegentliche Anfallen eines
einzelnen Menschen durchaus nicht ankommen soll. An Riemen
zu 1 1 oder 1 2 vor einen Schlitten für i Person gespannt,
machen sie 10-15 km pro Stunde, und Plindernisse kennen sie
kaum. Die ganze Leitung geschieht durch Zuruf des frei vor-
214 ^- HEFKI.K, AUS DEM OSTEN.
autlaufciidcn Leithundes, an dessen Tiitelligen/. übrii:^ens keine
geringen Anfurderu ngen gestellt werden.
Das Leben der Waldhi^iter und Schutzuächter auf ihren ein-
samen und wrlorenen Posten kann sich dem eines Trappers in
Nordamerika vergleichen, nur dass das aufregende IClement der
Jagd meist wegfällt, da eine besondere Lust und Anlage hiefür
nicht entwickelt zu sein scheint. Li dem niedrigen Blockhaus
eines solchen Wächters nimmt der Raum mit dem riesigen Ofen
den Hauptplatz ein, entspricht etwa un.serem Hausflur, an den
sich ein oder zwei kleine Nebenabteiie, höflich Zimmer genannt
anschliessen. Eine baufällige Scheune mit einem oder zwei
Stück Vieh und einige Hühner vervollständigen die- ganze
ärmliche Niederlassung im schweigsamen, sumpfdurchzogenen
sibirischen Wald.
Der Russe liebt Wärme, und der Ofen wird selten kalt.
Was das aber bedeutet, wenn 4 Personen an einem schwülen
Sommerabend eines regnerisches Tages das einzige vorhandene
kleine Fenster eines loqm haltenden Zimmers und ausserdem
dessen Türe beinahe hermetisch verschliessen müssen, der
Moskitos halber, weiss nur der zu würdigen, der das seilest-
miterlebt hat. Die Bruthitze des Ofens im Vorraum steigert sich
durch die davor gehängten nassen Kleider zum türkischen Bad,
und wem schliesslich nach ungezählten Gläsern Tee auf alten,
moderigen Getreidesäcken am Boden Schlaf beschieden ist, dem
muss eine besondere Fähigkeit der Ignorierung äusserer Einwir-
kungen zu Gebote stehen. Ich für meine Person, obwohl ich in
dieser Beziehung einen Hieb vertragen kann, hörte dem Geknister
der Insekten im Balkenwerke ein gut Teil der Nacht mit
erzwungener Ruhe zu. Aufstehen verbot sich gewöhnlich für jeden
von selbst, da es ohne P"usstritte auf menschliche Nachbarwesen
nicht wohl geschehen honnte.
Der Tag bringt in der Sommerzeit kaum eine Erleichterung
\-on solcher ,, Ruhe". Zur unerträglich dumpfmodrigen Hitze
im Walde kommt das Heer von Stechfliegen und Insekten etc,
die eine der ungeschwächten Naturkraft des Urwaldes propor-
tionale individuelle und Massen Wirkung besitzen, die einen Men-
schen tatsächlich zur Verzweiflung bringen kann. Tücher etc,
um das Gesicht gebunden, schützen nicht, sie stechen durch, und
nur ein eisengepanzerter Ritter der alten Zeit hätte etwa höhnisch
lächelnd und ungestraft die anerkennenswerten l^emühungen derer
vom genus ,, Moskito " ignorieren können.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 215
Der Herbst mag. wie überhaupt im Walde der ganzen
Welt so auch hier, als schönste Jahreszeit angesehen werden, wenn
frische kalte Nächte von klaren sonnigen Tagen gefolgt werden
und die beschwingten kleinen Waldteufel längst in die ewigen
Jagdgründe verschwunden sind. —
Man wird begreiflich finden, dass schliesslich unter den z. Z.
obwaltenden Umständen dem Aufbruche nicht allzu bedauerlich
entgegengesehen ward. In Habaro vsk lohnte ein Besuch des
interessanten Museums mit seinen zoologischen, botanischen und
ethnographischen Sammlungen den darauf verwendeten Tag reich-
lich. Die Anlage eines kleinen forstlichen Versuchsgartens auf
einem der Forstbehörde gehörigen Areale zeugte von dem Streben,
botanischen Fragen näher zu treten.
Die Rückkunft nach Wladivostock von diesem fast 3 Wochen
dauernden Ausfluge ins östlichste Sibirien erfolgte sodann ohne
weitere Zwischenfälle.
Ehe ich nun zur Erzählung meiner Eindrücke von dem in
der Mandschurei Gesehenen übergehe, lassen Sie mich einige
Momente bei ,, Sibirien " als Ganzem verweilen und auch der
Bedeutung der sibirischen Bahn, die die Welt in so grosses
Erstaunen gesetzt hat, einige Betrachtungen widmen, die bei der
Mandschurei noch ergänzt werden werden.
Der Grund, warum ich das Allgemeine nicht vorausgestellt
habe, wie man billigerweise erwarten könnte, liegt darin, dass
ich den Zuhörer (Leser) durch die Erzählung, wie mich selbst
tat.sächlich persönlich durch Augenschein auf der Reise, etwas
mehr familiär wenigstens mit einem kleinen Teile der sibirischen
Verhältnisse machen wollte. Auf diese Weise wird die Ab-
surdität mancher Dinge im grossen erklärbar und eine Beurtei-
lung bis zu einem gewissen Grade eine gefestigtere Richtung
nehmen. Was vor allem Sibirien als Land bedeutet, kommt
uns erst zum vollen Bewusstsein, wenn das vage Gefühl eines
grossen, eisigen und unfreundlichen Teiles des russischen Reiches,
in präzise Zahlen gepresst, dem Bewusstsein klarer ist : fünf-
undzwanzigmal die Grösse des deutschen Reiches oder 250.000
geogr. n Meilen asiatisches Russland ohne Transkaukasien, Trans-
kaspisches Territorium und einen Teil von Turkestan, sich hin-
streckend vom Ural nach Osten bis zum Pacific in einer
Ausdehnung von mehr als /\\ tausend Meilen und einer mitt-
leren Breite in der Nord-Süd Richtung von etwa der Hälfte
seiner W-0 Dimension. Dabei handelt es sich keineswegs um
2l6 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
nutzlose Wüste, wie mitunter anG^enommen wird. Eine Fläche
von der doppelten Grösse Deutschlands ist für Agrikulturzwecke
geeignet ; tausende von Quadratmeilen vt)n Steppen, für Vieh-
zucht passend, formen die südliche Zone Sibiriens, soweit nicht
Bergland in Frage kommt, und daran reiht sich nördlich bis
zum Polarkreis ein Gürtel von Forstlaiid und Wald, von dessen
Ausdehnung man sich kaum einen Begriff machen kann. Durch
volle 130 Längengrade erstreckt sich dieses grüne Band in einer
wechselnden Breite von 1000-1300 Meilen vom Ural bis zu den
Ufern des Pacific. Hier liegt der Reichtum der Zukunft, dessen
Realisierung eine der Riesenaufgaben des russischen Volkes
i nvolviert und zu deren Lösung die Erbauung der sibirischen
Bahn einen weitreichenden Schritt nach vorwärts darstellt. Der
kolossale Raum schliesslich zwischen Waldzone und den ark-
tischen Meeren ist von den öden traurigen Tundras eingenommen,
deren Moos-, P^lechten- und krüppelige Staudenvegetation höchstens
während der kurzen Sommerzeit, wo der bis zu i.ooo Fuss Tiefe
gefrorene Boden auf einige P\iss zum Auftauen gelangt, den
Renntieren zur Nahrung dienen kann. Wenn nun auch zugegeben
w^erden muss, dass dieser letztere, praktisch wertlose Teil Sibiriens
einen bedeutenden Flächenraum einnimmt, so wird doch ebenso
klar, dass Agrikultur- und Waldzone ein Gewicht in die Wagschale
des Wertes von Sibirien zu dessen Gunsten werfen, das in seinen
Konsequenzen vielleicht von den übrigen Ländern noch nicht
o-enügend erkannt, noch weniger richtig geschätzt wird. Ich bewerte
die AfJ-rikulturalzone Sibiriens weniger im Sinne einer entstehenden
Konkurrenz für andere Agrarstaaten, obwohl diese einstige Wirkung
bis zu einem gewissen Sinne nicht geleugnet werden "kann,
sondern vorerst noch für lange Zeit als das unentbehrliche
Hilfsmittel zur Nutzbarmachung der unermesslichen P'orste und
Mineralschätze des Landes.
Hand in Hand mit der natürlich anfangs im Vorzugsrange
befindlichen Besiedelung des die Nahrungsstoffe für den Menschen
produzierenden Bodens wird und muss sich wohl eine Lidustrie ent-
wickeln zur Fruktifizierung der enormen z. Z. latenten Kapitalien
an Wald und Wasser und besonders an wertvollen Mineralien.
Hier liegt aber eine Macht verborgen, die dereinst die Ver-
hältnisse des Weltmarkts gewaltig beeinflussen mag, und dabei
wird oft vergessen, dass sich dieser ziemlich sichere Schluss einst-
weilen schon aus einer oberflächlichen Erforschung der natür-
lichen Hilfsquellen des so lange Zeit im Schatten gestandenen
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 217
Landes folgern lässt. Eingehende üntersuchungea in dieser
Richtung versprechen, wie aus den diesbezüglichen Feststellungen
hervorgeht, ein weit grösseres Mass von natürlichem Reichtum,
als man ursprünglich annahm.
In erster Linie wird nun die Bevölkerungsziffer und damit
die Kolonisation mit allen Mitteln, über die ein mächtiger Staat
wie Russland verRigt, zu heben gesucht. Es handelt sich dabei in
vielen Teilen keineswegs um ein Anfangsstadium. Die Zeiten,
da russische Bevölkerung in Sibirien eindrang, liegen jedoch
nicht sehr weit zurück. Dem Kosaken, diesem den russischen
Verhältnissen so wohl angepassten Bauernsoldaten, ist die erste
Aufschliessung Sibiriens zu danken* ; ihre flinken Scharen auf den
unscheinbaren Rossen drangen in schnellen Raids bis tief in das
Herz des Landes vor, durch Steppen, Berge, Moräste, unendliche
Wälder, Schnee und Eis ; kein Hindernis gab es für diese wetter-
harten kriegserprobten Scharen, als sie gegen Ende des 16. Jahr-
hunderts den Ural überschritten, um nach Osten vorzudringen.
Sie trafen auf Staaten nomadisierender eingeborener Völker,
deren gegenseitige Befehdung eine Eroberung durch die neu-
auftretende Macht nicht allzu schwer gestaltete. Die folgende
Abhängigkeit derselben war eine mehr nominelle, jedenfalls sehr
lockere, auf bestimmte Abgaben (Yassack) sich beschränkende,
und sicherlich war auch die stossweisse Machtentfaltung der
beinahe ebenso nomadenhaft auftretenden Eroberer bei einer
Nomadenbevölkerung dem Ausweichen und dem Entschlüpfen
vor der starken Hand vielfach günstig. Aber schon beginnt in den
Fusstapfen der die Hindernisse zur Seite räumenden bewaffneten
Macht der russische Fischer, der Jäger, der Kaufmann zu folgen,
und in deren allmählicher Festsetzung liegen die ersten Anfänge
einer definitiven Koloni.sation bestimmter Teile des unermesslich
weiten Landes, die in weiterer Entwicklung vielfach der mit
pekuniären Mitteln wohl ausgestatteten privaten Initiative gewisser
Familien, wie der Stroganov's zu danken sind. Der Gedanke,
den eindringenden westlichen Kolonisten gewisse Stützpunkte als
Basis für weitere Ausbreitung zu geben, führte zur Gründung
befestigter Posten, und so findet man 1604 bereits die Namen
Tiumen, Tobolsk, Tomsk, Yenisseisk, Irkutsk etc., aus denen
sich späterhin die heutigen Städte gleichen Namens entwickeln.
Kosaken hatten um diese Zeit ihre Streifzüge bis zum
* cf. ,, Siberia and the great Siberiaii railway" by the departaieat of trade
and manufactures niinistry of finance ; historical sketch p. i and sequ.
2l8 K, IIKFELE, AUS DKM OSTEN.
arktischen Ozean und anderseits zum Ochotskischen Meere aus-
gedehnt und somit die natürlichen Grenzen des neuen Landes
erreicht. In dieselbe P^pochc (1647) fällt die erste Durchfahrt
entschlossener Seeleute durch die Asien und Amerika trennende
Meerenge (später Behringstrasse genannt), sowie die Entdeckung
des Amur, und energische Vorstösse von den erwähnten
Basispunkten aus führten mit wechselndem Glück im Endeffekte
zur tributären, wenigstens teilvveisen Abhängigkeit der ein-
geborenen Volksstämme, so dass gegen das Ende des 17. Jahr-
hunderts in erkennbaren Umrissen die Grenzen des heutigen
russischen Sibirien politisch bestimmt erscheinen. Die früher mehr
der privaten Initiative entspringende Niederlassung russischer
Kolonisten erfuhr eine Unterstützung von selten der Regierung
des Heimatlandes, mit dem Hauptziele, den Ackerbau an ge-
eigneten Plätzen als Grundlage zukünftiger Festigung der Sess-
haftigkeit einzuführen und das Kulturland nach Kräften zu
erweitern. Nicht wenige der bisher an ungebundenes Nomaden-
leben gewohnten Kosakenhorden werden dadurch schliesslich
an den Boden gefesselt, an und neben dem Ackerbau ist der
Tauschhandel mit den sesshaften oder nomadisierenden Einge-
borenen in Entwicklung begriffen. Die Entdeckung der reichen
Mineralschätze im Ural- und Altai-Gebirge gab einen weiteren
Anlass zum Zuzüge aus Europäisch Russland nach diesen Plätzen^
und die endlosen Wälder und Sümpfe werden in inmier steigendem
Masse Zufluchtstätten von Flüchtigen, welche aus politischen oder
weniger raisonablen Motiven den Staub des Landes diesseits des
Ural von den Füssen schüttelten. Diese Niederlassungen, -welche
sie bildeten und vergrösserten, gewährten ihnen Freiheit und
Unterhalt, und es verging manchmal lange Zeit, ehe sie offiziell
entdeckt wurden und schliesslich um des Zweckes willen sogar
die schützende Hand der ehemals sie verfolgenden Heimat-
regierung erfuhren.
Hier liegen die Anfangsgründe zu der später zur russischen
Staatsinstitution gewordenen Deportation nach Sibirien, indem
man von den günstigen Anfängen solcher freiwilligen Nieder-
lassungen auf denselben Effekt bei Zwang schloss und neben dem
kolossalen Missgriff einer mangelnden durchgreifenden Separat-
behandlung politischer und gemeiner Verbrecher zu jenem Fehler-
folge gelangte, der schliesslich die Aufhebung der Deportation
in der Neuzeit nur mehr eine Frage weniger Jahre macht. Hand
in Hand mit der Kolonisierung des neuen Landes, die sich
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 2 IQ
allerdings wie vereinzelte Regentropfen auf einem Teile einer
weiten Fläche ausnimmt, greift die Erkenntnis der Notwendigkeit
einer wissenschaftlichen Erforschung des riesigen Territoriums der
neuen Elerrschaft Platz, und in effektvoller Eintracht widmen
Priv^ate (Sibiriakoff, Sidorov), Staat und Männer von wissenschaft-
lichem Rufe mit unentwegter Ausdauer sich diesem Riesenwerke.
Die frühere Geschichte ihrer Unternehmungen und Erfolge
füllt Bände und ist mit den bekannten Herrscherfiguren Peters
des Grossen und Katharinas II. eng verknüpft. Aus der grossen
Reihe der Forscher bis zum heutigen Tage seien nur die Namen
Gmelin, Steller, Lepeckhin, Ledebur, Humboldt, Gebier, Midden-
dorf, Schmidt, ^Nlaximow herausgegriffen.
Die Entdeckung Alaskas 1768 (1867 an Amerika zurück-
gegeben), die Weiterentwicklung der südlichen Teile Sibiriens,
die allmähliche Okkupation der Kirghisensteppe von ihren früh-
eren Herren sowie die Einverleibung der Amurländer geben die
markanten Punkte des Fortschrittes der russischen Machtent-
wicklung bis in die neuere Zeit.
Immerhin ist kein Zweifel, dass das schliesslich rasche Tempo
des ins Rollen gegen ein fernes Ziel gebrachten Steines seine
Ursache in einer Erscheinung findet, die kaum vorausgesehen
wurde. Die Aufhebung der Sklaverei in Russland 1861 ver-
stärkte den Strom der Einwanderer, der einen erhöhten Antrieb
in der intensiveren Aufschliessung eines kleinen Teiles der
entdeckten Mineralschätze (Ural) bekam, von Jahr zu Jahr, so
dass zwischen 10-20.000 Einwanderer nach Sibirien seit dieser
Zeit, abgesehen von den abnorm hohen Ziffern einzelner Jahre,
zu rechnen sind.
Anderseits war die Bevölkerung aus gleichem Grunde der
Sklavereiaufhebung in einem nicht zu erwartenden Masse in
Europäisch Russland als Folge des herrschenden Agrarsystems an-
gewachsen, so dass das verfügbare Ackerland sich in absehbarer
Zeit als unzureichend erweisen musste. Das auf der Hand ■
liegende günstige Auskunftsmittel der Ansiedelung des Ueber-
flusses in den volksleeren Territorien Sibiriens bot dem Staate
eine Gelegenheit zur Lösung der brennenden Frage in einer
doppelt vorteilhaften Weise. Die Erfahrungen der Vergangen-
heit sich zunutze machend, warf man nun neben der Fürsorge
für entsprechende Land- und Mittelzuteilung an die Auswanderer
auch ein kritischeres Auge auf die Qualität derselben und
nahm eine Sichtung vor, die man nur als günstig für die
220 K. HEFELP:, aus dem OSTEN".
i^utc Lösung des Unternehmens bezeichnen kann. Die Ver-
teilung des Landes unter die Kolonisten hat bislang im allge-
meinen Umrisse nach dem Grundsatze stattgefunden, dass 20 ha
auf den Kopf der männlichen Emigrantenbevölk-erung treffen
sollten und 3 ha für den exilierten Verbrecher oder Deportierten.
Die Ansiedelung selbst weist die verschiedensten Formen
auf, von der hofweisen (würde man in Deutschland sagen) bis
zur Schaffung grösserer Gemeinwesen, deren Land cii bloc nach
dem Verhältnis der summierten Kopfanteile zugewiesen wurde
und deren weitere Subdivision den Beteiligten überlassen ist.
Diese geregeltere Form ist eine Entwicklungsphase neuerer
Zeit ; früher fand das Besitztum des Einzelnen oder ganzer
Korporationen sein Ende lediglich an der Grenze der physischen
oder pekuniären P^ähigkeit zu weiterer Okkupation.
Das Land selbst ist Kroneigentum, und der Ansiedler ist
für lange Jahre von einer Taxe für den Gebrauch desselben ent-
bunden. Die Erwerbung von Privateigentum ist unter keineswegs
schwere Bedingungen gestellt z. B. im Amurlande 3 Rubel pro
dessjatine. Erleichterungen, wie Befreiung vom Militärdienst für
eine gewisse Anzahl von Jahren, sind dazu vermeint, die An-
siedlungslust zu wecken.
Das weitere Wachstum der einzelnen Kolonieen wurde
natürlich von äusseren und inneren Verhältnissen verschieden
beeinflusst, und so wird man heute neben respektablen Städten
in dichtbevölkerten Gegenden ganze Distrikte antreffen, wo sich
nur ab und zu eine verlorene Gemeinschaft in dürftiger Existenz
fristet. Je besser der Boden, desto dichter die Bevölkerung, desto
mehr Subdivision des Landes, um den zugezogenen Neuan-
kömmlingen Anteil am Lande zu verschaffen. Je weniger ertrags-
reich, je schwieriger die Okkupation, z. B. an der Grenze der
Waldzone, desto grössere Areale sind infolge geringeren Zuzugs
dem Einzelnen oder der Gemeinde zur Verfügung. Die Ver-
schiedenheit der natürlichen Fruchtbarkeit und der Gunst oder
Ungunst der klimatischen P'aktoren in einem so weiten Lande
gruppiert, ausserdem noch von Zufallen beeinflusst, die Bevölkerung
in launenhaftester Weise, und man darf sich keineswegs dem
Gedanken hingeben, die für Ackerbau brauchbare südliche Land-
zone auch nur ganz obenhin als dünn bevölkert anzusehen : da
sind Lücken und Fehlstellen von hunderten von D Meilen, wo
man vergeblich nach menschlichen Niederlassungen suchen würde.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 221
und in bergigem Land mögen ein oder ein paar Täler Ackerbau
aufweisen und der Rest schlechthin Wildnis repräsentieren.
Die heutige Bev^ölkerung zählt ungefähr 9 Millionen, worin
bei 2,5 Mill. Eingeborene inbegriffen sind. Die Existenzmög-
lichkeit einer verzehnfachten Zahl ist allein mit Beziehung auf
kulturfahiges Land ausser Zweifel, und die Expansionsfähigkeit
über einen Teil der Forstzone ist nicht minder eine Frage der
Zeit, wenn unter dem Druck des Raummangels auf minderwerti-
geren Boden zurückgegriffen werden wird. Die Steigerung des
Ertrags durch die Mittel, welche die Wissenschaft an die Hand
gibt, ist auf weite Zukunft gegenstandslos, solange das im
Ueberflusse vorhandene brauchbare Land nur in extensivster
Weise zur Nutzung kommt. Vom ganzen Territorium Sibiriens
mögen zur Zeit jährlich 200.000.000 Pud Getreide zur Ernte
gelangen, und die reichliche Mehrproduktion über den Bedarf
der Produzenten muss als direkte Vermögensquelle für dieselben
betrachtet werden. Das Plus an Getreide findet seinen Weg wohl
nur zum geringsten Teile durch Export auf weite Entfernungen
z. B. nach Europäisch Russland, sondern vermittelt einen mehr
lokalen Ausgleich für die Gegenden, wo die Natur den Getreide-
bau nicht zulässt und die Bevölkerung anderweitig den Unterhalt
des Lebens erwirbt wie z. B. in den Minendistrikten etc.
Die geringe ^Entwicklung des Verkehrs und der Kommuni-
kationsmittel und die enormen Distanzen erlauben jedoch keinen
genügenden regulären Ausgleich auf weite Entfernungen, so dass
oft genug überreiche tarnte in dem einen Gouvernement die
Hungersnot eines Missjahres in allen Teilen einer grossen Nach-
barprovinz nicht zu mildern vermag ; bei allgemein während
eines Jahres ungünstigen Verhältnissen tritt eine jener grossen
periodischen Hungersnöte ein, denen infolge der mangelnden
Verkehrsmittel eben nicht wirksam begegnet werden kann. Der
fernere Mangel von geregeltem Handel, von Kredit und die
allgegenwärtige Erpressung und Beraubung der wirtschaftlich
Schwächeren durch einzelne finanziell Mächtigere, die geringe
Bildungsstufe der Bevölkerung, die nur zu häufige Aussaugung
der Bauern durch gewissenlose Beamte, die Unsicherheit von
Recht und Gesetz, wo Bestechung und Begünstigung die Wahr-
heit besudeln, die häufige Gefährdung von Leben und Eigentum
durch das vorhandene Element der exilierten Verbrecher, die,
gleich ausgestossen und verachtet von Ansiedler wie Eingebornem,
mitunter ohne Aussicht auf Lebensunterhalt, zur Verzweiflung
222 K. IIEFELE, AUS OEM OSTEN'.
getrieben wie wilde Tiere iliren ungezügelten Leidenschaften,
freien Lauf lassen, bis eine Kugel oder die Wildnis ihnen den Tod
als P^rlösung bringt, das alles hat die PIrfolge der Kultur in
Sibirien in starkem Masse beeinträchtigt so dass der Rückschritt
und schliesslich der Untergang unausbleiblich wäre, wäre nicht
ein neues Lebenselement, tatsächlich das Herz Sibiriens, ge-
schaffen worden — die sibirische Eisenbahn !
Die Urteile über den Erfolg einer nun über dreihundert-
jährigen Kolonisationstätigkeit und Kulturmission in Sibirien, wie
sie der Stadtrat von Yenisseisk 1883 bei dem dreihundert-
jährigen Jubiläum der Begründung der russischen Hoheit über
Sibirien in einem Rückblick auf die Vergangenheit bis zur
Gegenwart gegeben hat, sind so deprimierend, dass man an ihrer
Wahrheit zu zweifeln beginnen müsste, wären sie nicht sichtlich der
schrille Notschrei der schwer die Hand des Schicksals Fühlenden.
Darüber vermag uns der glänzende Anstrich einiger grösserer
Städte, den sie durch staatliche Initiative in gezwungener W^eise,
oft mit verschwenderischen Mitteln, erreicht haben, nicht hinweg-
zutäuschen, dass im allgemeinen die Seele eines jeden Fortschritts
des Volkes, seine geistige Entwicklung und damit der innere
Impuls zur Regsamkeit unter Misswirtschaft, Not, Bedrückung *
und nicht zum wenigsten unter dem Einflüsse des allmächtigen
Wodka auf einen Gefrierpunkt gelangt war, der schliesslich
doch die Aufmerksamkeit der offiziellen Kreise erregt hat. Mit
staatlicher materieller Hilfe und Initiative allein ist der Erfolg in
der Zukunft auf keinem Gebiete gesichert, die geistige Hebung
wird Hand in Hand mit materieller Unterstützung als die con-
ditio sine c]2ta non angesehen werden müssen, und auch nach
dieser Hauptrichtung hin scheint die Eröffnung der sibirischen
Bahn als eine Erlösung und als Anbruch einer neuen Aera
betrachtet werden zu müssen.
Das Sprichwort ,, der Himmel ist hoch und der Zar weit"
muss durch den mit dem Schienenstrang angebahnten Zufluss
gebildeter und charaktervoller offizieller und privater Elemente
in Beamten- und Kaufmannschaft und die in grossem Masse
ebenfalls dadurch geförderte Kontrolle nach allen Richtungen
seinen ominösen Geschmack verlieren und dem Volke die Zu-
kunft schaffen helfen, die es durch unsägliche Opfer wohl ver-
dient hat. Deportationssystem und Wodka sind grosse Hinder-
* cf. ,,Thrüugli Siberia " by StacUiiig. p. 2S3 and sequ.
K. HEFELE, AUS 11EM OSTEX. 223
nisse auf dem Wege zum Ziele. Wie soll mit den an sich
geringen Mitteln Ruhe und Ordnung auf einem solch grossen
Territorium zur Geltung kommen, wenn pro Jahr bis zur 4000
wegen gemeiner Verbrechen Verurteilte von Europäisch Russland
in diese Gegenden entleert werden.*
Man muss solche Verbrecher konzentriert gesehen haben, wie
z. B. in Sachalin, um den vollen Eindruck ihrer verderblichen
Wirkung auf die Bevölkerung einfacher Bauernansiedler und auf
eingeborene Stämme zu ahnen, auch wenn man nicht aus offiziellen
Berichten wüsste, dass sie durch ihre Laster, durch Mord,
Totschlag und Räubereien fast einen ebenso grossen üblen Effekt
bewirkten, wie der Wodka, mit dem gewissenlose Kaufleute
die Stämme der Daiga und Tundra um ilire wertvollen Pelze und
die Bauern um ihr Getreide betrügen, sie dem Siechtum weihen,
wie einst die berüchtigten amerikanischen Vermittler der Kultur
die Indianer mit dem Feuerwasser auf den heutigen Zustand des
geistigen und physischen Elends herabbrachten.
Wodka öffnet Tür und Tor, und der Gewinn unendlicher
Mühe und Arbeit ist in wenigen flüchtigen Stunden vergeudet,
und Hunger und Not grinsen dem Ernüchterten ins Anlitz, den
der Mangel eines inneren, auf etwas Bildung und Erziehung
ruhenden Haltes von Stufe zu Stufe und bis zum Untergang
sinken lässt.
Die Bedeutung Sibiriens liegt zweifellos weit weniger
in seinem für Ackerbau tauglichen Territorium, das aus klima-
tischen Gründen, wie gezeigt, nur einen bescheidenen Prozentsatz
der Landesfläche aufweist, als vielmehr in den Mineralschätzen
des Bodens, deren Umfang noch keineswegs erschöpfend erforscht
ist. Was allein davon zur Zeit bekannt ist, verspricht dem Lande
eine glänzende Zukunft, sobald Maschinen und Arbeitskräfte durch
erleichterte Verkehrsmöglichkeit beigeschafft werden können.
Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Quecksilber und Zinn neben Kohle,
Schwefel, Naphta etc. sind schon bis jetzt in einer Menge nach-
gewiesen, welche die sichere Fundierung von Lidustrieen der ver-
schiedensten Arten garantiert, und ihren Halb- oder Ganzfabri-
katen ist bei dem kaum von einem anderen Lande in solcher
Ausdehnung gebotenen natürlichen Flusssystem die weitgehendste
Absatz- und Verbreitungsmöglichkeit gesichert.
Goldgewinnuncr ist als der Beginn industrieller Tätigkeit in
* 189S: 8000 e.\ilierte Verbrecher davon die Hälfte wegen gemeiner Verbrechen.
224 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
Sibirien bezeichnet worden. Lcidjr steht die Technik der Au.s-
bcutcarten nocli auf einem wenig vollkommenen Zustande. Die
vorhandenen Minen sind in einfachster und verschwenderischer Art
zin- Nutzung herangezogen, und ausgedehnte Lager des Edelmetalls,
welche der Entdeckung harren, sind zweifellos noch vorhanden.
Die Produktion an Gold bewegte sich während der letzten lO
Jahre etwa im Rahmen von etwa 2.400 Pud für ganz Russland und
pro Jahr, mit einem Werte von 26. 500.000 Rubel ; davon treffen
auf Sibirien nicht weniger als 70 '^o.
Der bisherige niedrige Stand der Industrie ist auch leicht
ersichtlich aus einer Angabe vom Jahre 1895, wonach im ganzen
die Anzahl der Industrie- Etablissements zu jener Zeit 650 betrug,
von denen nur ein sehr geringer Prozentsatz auf Metallindustrieen
entfällt ; bis vor kurzem zählte man beispielsweise in ganz Sibirien
nur 3 Eisengiessereien, und dadurch ist der Preis dieses vorzugs-
weisen Hilfsmetalls einer Produktionsentvvicklung, in P'orm von
Werkzeugen aus Europäisch Russland und anderen Ländern P^uropas
eingeführt, ein solch hoher, dass manche Lidustrieen deshalb z. Z.
ohne weiteres ausgeschlossen sind.
Durch die sibirische P^isenbahn werden die Schätze des Ural
an diesem Metall einen weiteren Absatz erhalten, und die Un-
möglichkeit, z. Z. die Eisenlager bei Yakutsk wegen ihrer Ent-
legenheit vom Verkehrswege der sibirischen Bahn, auszubeuten,
ist nur als eine vorübergehende Schwierigkeit zu betrachten, nach-
dem der Richtpunkt alles Absatzes in dem neuen Schienenwege
klar zu Tage liegt und an die eine grosse Hauptader die Saug-
und Verteilungslinien zwi.schen Ueberfluss und Mangel in dem
Areale sich erst allmählich angliedern werden.
Neben der Goldindustrie Sibiriens verdient noch sein Pelz-
handel Erwähnung. Ungeheuere Massen der wertvollen Pelztiere,
wie Zobel, Bär, Pouchs, werden in den unermesslichen P'orsten und
Oedländereien erbeutet. Ueber den Wertumfang dieser Industrie
ist auch nicht annähernd ein Ueberblick möglich, da der Tausch-
handel nach den Nachbarländern und nach Europa (London) etc.
die verschiedensten Wege einschlägt. Nur das dürfte sicher sein,
dass der Wert der Beute erst zu einer einträglichen Erwerbsquelle
werden kann, wenn die bessere Verbindung und Aufschliessung
Sibiriens dem Raub- und Plündersystem der Händler ein Ende
bereitet und den Lohn des Schweisses mehr in die Hände derer
leitet, die ihn verdient haben, und dadurch deren materielle Lage
erhöht. —
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN 225
Alle Betrachtungen über Gegenwart und die mögliche Zukunft
Sibiriens gipfeln immer wieder in der Schätzung des Wertes, den
die Aufschliessung des Landes im Gefolge hat, und da die
sibirische Bahn das schlafende Riesenreich mit einem Schlage
mit dieser Lebensader versehen und es in den Vordergrund
des Literesses gestellt hat, so geziemt sich wohl, einige Momente
bei der Frage zu verweilen, inwieweit die Hoffnungen, welche
sich an die sibirische Bahn für Sibirien knüpfen, gerechtfertigt
sein mögen.
Der strategische Wert der über 7.500 km langen und bis zu
ihrer definitiven Fertigstellung wohl 2000.000.000 Mark* ver-
schlingenden sibirischen Bahn ist ein so unbestritten anerkannter,
dass er hier keiner weiteren Erwähnung bedarf. Russland hat
sich eine Verbindungslinie seiner Operationsbasis am Pacific mit
der Zentrale in der Heimat geschaffen, deren unschätzbare Macht
und Kraft im gleichen Verhältnisse mit der durch sie zu bewirken-
den Bevölkerungszunahme und Entwicklung Sibiriens wachsen
wird. Aber gerade diese letztere Hoffnung der Stärkung und
günstigen Entwicklung Sibiriens, die einem grossen Teil der er-
wähnten enormen Kosten auch die allgemein ökonomische
Rechtfertigung verleihen soll, wird keineswegs durchgängig ge-
teilt, sondern von hervorragenden Kennern der Verhältnisse einst-
weilen stark bezweifelt.
Es liegt klar auf der Hand, dass, solange Sibirien der Bahn
nur Ackerprodukte zum Transporte zu übergeben hat, ein lebhafter
Ein- und Ausfuhrhandel sich nicht zu entwickeln vermag, denn
der an sich niedere Preis der Agrarprodukte verbietet den teureren
Bahntransport auf Streckenlängen von mehreren Tau.senden von
km, wie er hier in Frage kommt. Ein Achnliches mag von
den Produkten des Waldes, vom Holze, mit noch besserer Be-
gründung behauptet werden. Eine Erhöhung des Wohlstandes
der vorhandenen Bevölkerung oder ein besonderes Anlockungs-
mittel fiir Neuansiedler ist also darin kaum zu erblicken. Solange
kein Einfluss von Kapital als Erlös für die Ueberproduktion
an Getreide, Holz etc. über das eigene Bedürfnis erfolgt, fehlt
auch die Kaufkraft für Einfuhrgüter aus den Ländern, mit welchen
der Tauschverkehr stattfinden soll ; und technische Hilfsmittel,
Maschinen etc., welche in Sibirien ganz besonders nötig wären,
haben durch ihren Bezug von Europäisch Russland, den langen
* Henry Norman „ All the Russias."
220 K. HEFELi:, AUS DEM OSTEN
TransiK)rt etc. Preise, welche von der l^evölkeruiiL^ nicht erschwun-
i^en werden können. Zudem wird i^eltend gemacht, dass sich der
Einlluss der Bahn aus den genannten Gründen, wegen der grossen
l^ntfernungen und der mangelnden Kommunikationswege auch bei
günstigen Umständen kaum über 150 km* zu beiden Seiten der
Bahn erstrecken wird, im Zusammenhalte mit der Flächengrosse
Sibiriens ein verhältnismässig schmaler Streifen, und als wt^iterer
nachteiliger Umstand wird die Tracenlage der Bahn ins Feld
geführt, welche keineswegs das Herz Sibiriens durchschneide,
sondern sich am südlichen Rande desselben halte.
Industrieen, deren Produkte durch ihren hohen Wert weite
Transporte lohnen würden, sind praktisch ausser wenigen Bergwerks-
und sonstigen Betrieben noch in Iceincr Weise vorhanden, und der
Schaffung derselben stehen die obengenannten hohen Preise der
Maschinen, die angeborene geringe Unternehmungslust der an
Landwirtschaft gewöhnten niederen Volksschichten und der hohe
Preis v^on Kapitalnutzung wie auch Unsicherheit der gesetzlichen
und sozialen Zustände und das herrschende Ausbeutesystem ge-
genüber den wirtschaftlich Schwächeren stark entgegen. Wenn
man sich vergegenwärtigt, dass den Hungersnöten in den nörd-
lichen Teilen Sibiriens und dem Aussterben ganzer Volksstämme
durch die Zufuhr des Ueberflusses aus anderen südlichen Distrik-
ten durch die grosse Entfernung von dem Ausgleichsmittel zwischen
Ueberflussund Mangel, der sibirischen Bahn, nicht begegnet werden
kann, so wird zweifellos djr Enthusiasmus, mit dem die Optimisten
die Eröffnung dieser neuen Weltlinie begleiteten, bedeutendere
Ernüchterung erfahren müssen. Aber es ist eine Eigentümlichkeit
unserer hastenden Zeit, dass sie mit Entwicklungen und Ent-
wicklungsperioden nicht mehr rechnet, sondern das Rennpferd
mit dem neuen Sattelzeug sogleich die Bahn entlang in rasender
Gangart dem Ziele zusteuernd sehen will !
Wenn je ein Land vorsichtig und überlegt einer Zukunft
entgegengeführt werden muss, so ist es das sibirisch^ Russland.
Denn wo die Bildungsstufe der gewöhnlichen Volksklasse noch so
niedrig steht wie in Sibirien — und teilweise ist das Einwanderer-
kontingent nicht besser — , dass kaum 0,5 ^o den dürftigsten
Schulunterricht geniessen, da kann man namentlich in industrieller
Richtung keine raschen P2volutionen erwarten, unsomehr als
tatsächlich die sibirische Bahn nur einen sehr begrenzten Teil
* J. Stadlirig, Through Sibcrta p. 274. ff.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 22/
Sibiriens zum Aufschluss bringt und das nicht einmal als billiges
Verkehrsmedium.
Ein Blick auf die hydrographischen Verhältnisse des Landes
enthüllt uns seinen Reichtum an Wasserkommunikationslinien in
den Stromsystemen riesiger Flüsse wie Ob, Yenissei, Lena, welche
von den Küsten des arktischen Meeres bis zur Grenze von China
Verbindungslinien bilden und für Seeschiffe bis zu 1.500 km von
der Mündung bis in das Herz des nördlichen Sibirien hinein
schiffbar sind. Die natürlichen Hindernisse des Zufrierens der
Mündungen und der widrigen Eisverhältnisse des arktischen Meeres,
in das unglücklicherweise diese Flüsse einmünden, scheinen nach
neuesten Erfahrungen keine unüberwindbaren Schwierigkeiten zu
bieten, und gelingt es, diese Seeroute während eines Teiles des
Jahres auch nur dem Schiffverkehr dienstbar zu machen, dann
würde eines der grössten Hindernisse der raschen Entwicklung
Sibiriens, die grossen Distanzen, durch den billigen Seeverkehr
auf die Seite geräumt werden. Anschliessend daran könnte auch
die sibirische Bahn sofort eine enorm gesteigerte Bedeutung
erhalten, da sie rechtwinkelig diese Ströme durchschneidet und
so als internes Verbindungsglied fungieren würde ; auch der Be-
dingung, dass solch grosse Bahnen nur im vielseitigen Anschluss
an Wasserstrassen ihre volle Bedeutung und Rentierlichkeit er-
langen, wäre genügt.
Was man an ungünstigen Urteilen über die Rentabilität der
Bahn z. Z. hört, wird kaum überraschen können, da die Vor-
aussetzungen zur Rentierlichkeit in gewissem Sinne eben erst
geschaffen werden müssen ; latente Güter zu realisieren braucht Zeit,
und Russland selbst hat am wenigsten für die nächste Zukunft
auf finanziell günstige FCrgebnisse gerechnet, da vorerst die arithme-
tisch nicht ausdrückbaren Vorteile die materiellen Ergebnisse über-
wiegen. Aber all dies vermag die Bedeutung der sibirischen Bahn
nicht zu verkleinern. Sie ist der erste Schritt zur Verkörperung
eines in riesenhaften Zügen entworfenen Zukunftsprogramms.
Mag auch vorerst der günstige Einfluss, den ohne Zweifel die
Aufschliessung eines so weiten Areals für sich hat, auch nur auf
einen schmalen Saum zu beiden Seiten der Bahn sich erstrecken,
das Weitergreifen des kulturellen Ferments wird sich von selbst
mit der materiellen Hebung der ursprünglich schmalen Zone
vollziehen, Kapital, Intelligenz und Unternehmungsgeist werden
mit dem Zuzug besserer Elemente und dem Herrschen geordne-
terer Zustände, wenn auch langsam, sich einfinden. Liegt nicht
.228 K. HKFELK, AUS DEM OSTEN.
eben der i:^i-üsste Vorteil gerade darin, dass die landwirtschaftlich
beste Zone von der Bahn berührt ist, auf der die Möglichkeit
des Fussfassens einer Industrie durch die allgemein für das Leben
nötigen günstigen Bedingungen gegeben sit ? Und sind nicht
weite Territorien angeschnitten, deren Reichtum an Gold, Eisen,
Kohle und Holz in fabelhaften Ziffern zum Ausdruck kommt?
Allmählich werden Seitenlinien zu Minenzentren sich angliedern
an dieses mächtige Rückgrat! Die Industrie, durch eine Acker-
bauzone gestützt, vermag in die Forstzone inid jene Gebiete
vorzudringen, wo sie die besten Bedingungen für ihre Fabrika-
tion findet, und jede neue Industrie macht das Land unab-
hängiger, selbstständiger, lebensfähiger ! Aus den Anfängen des
lokalen Austausches von Rohproduktion in der Nähe der Bahn
werden sich von selbst mit dem Ansiedeln von Industrieen
die Distanzen kommerziellen Ausgleichs vergrösseren und die
Unternehmungslust die Kreise ihrer Interessensphären immer
weiter ziehen, bis sie endlich mit den Grenzen des bewohnbaren
Landes sich decken. Für manche Güter besteht schon heute
trotz der enormen Distanzen die Weitwirkung der Bahn, welche
im grossen ganzen allerdings erst nach langer Zeit voll zur
Geltung kommen kann. Chinas Seide und Tee finden schon
jetzt ihren Weg nach Europa auf diesem Wege, und Russland
wird China mit Gütern versorgen, die dieses seither von anderwärts
bezogen hat, z. B. Baumwolle und Wollefabrikate. Aber nicht
nur gegen Westen gravitiert die Bedeutung der Bahn, der Osten
wird durch sie nicht weniger beeinflusst werden. Je schneller
es der unerschütterlichen, ruhigen Energie Russlands gelingt,
auf liberaler Basis die Schätze Sibiriens der nationalen Produk-
tion dienstbar zu machen, desto überwältigender wird die Wucht
seines Auftretens im Kampfe der Weltmächte um die Märkte
des Pacific sein.
Der persönliche Eindruck, den man auch auf einer nur
partiellen Reise mit der sibirischen Bahn empfängt, ist ein ge-
waltiger. Unwiderstehlich kommt in ihr die Wucht des russi-
schen Volkes zum Ausdruck, dessen Massenwirkung, geleitet von
der hochentwickelten Intelligenz in seiner Führung, kein Hinder-
nis kennt. Die Einheit der Idee und Ausführung, garantiert durch
die absolutistische Regierungsform, die Entfaltung der enormen
materiellen Mittel nicht minder wie die intellektuelle Höhe, die
sich in Ueberwindung der riesigsten technischen Schwierigkeiten
äussert, der sichtliche Verzicht auf momentane Rente fabelhafter
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN'. 229
Bahnbaukapitalien zugunsten ferner Zukunft luid der vermutliche
Siegespreis solch weitschauender Politik macht geradezu stumm vor
Staunen, wo solcher Ehrgeiz sich dereinst das Ziel nehmen wird !
Ich stimme Henry Norman bei: „Seit der Erbauung der
chinesischen Mauer in China hat die Welt kaum ein Werk
ähnlicher Grösse gesehen." Aber es ist nicht eine tote Masse
wie dort, nein, ein lebendiger Geist beseelt diesen Koloss, — der
Geist, aus dem Weltherrschaften geschmiedet werden.
Dem Besuch des Ussurigrenzlandes schloss sich die Reise
durch die Mandschurei an. W^enn schon an sich ein Land
unser Interesse beansprucht, das einst den Eroberer Chinas
gebar, der sicli nach der Unterwerfung und Verschmelzung der
zahlreichen kleinen Herrschaften des eigenen Landes zu einem
einheitlichen Staate im Jahre 1644 zum Herrscher Chinas machte
und dessen Nachkommen noch heute die herrschende Dynastie
dortselbst bilden, so sind es namentlich die Ereignisse seit 1894,
welche den Namen Mandscimrci fast ständig bis zum heutigen
Tage unter den politisch beachtenswerten Veränderungen finden
lassen. Ich weise nur darauf hin, wie hier die tapfere japanische
Armee 1894 der Welt die staunenswerte Genugtuung verschaffte,
zu sehen, wie europäischer Geist in ihr wirkte, so dass sie die
Streitkräfte des mächtigen China mit seiner unermesslichen Be-
völkerung in wenigen entscheidenden Schlachten und in unglaub-
lich kurzer Zeit über den Haufen warf, und wie 1896 die Absicht
der Erschliessung des nördlichen Teiles dieses wenig gekannten
Landes durch die sibirisch-mandschurische Bahn von russischer
Seite für dasselbe wohl den Beginn einer neuen Aera bedeutet.
1897 war der erste Spatenstich zu dieser Abkürzung der ur-
sprünglichen Trace der sibirischen Eisenbahn getan, und Schlag
auf Schlag kam nun 1898 die Abtretung eines Teiles der Lia-
tong Halbinsel * an Russland durch Vertrag und die Inangriff-
nahme einer zentralmandschurischen Bahn von Norden nach
Süden als Veibindung der sibirisch-mandschurischen Linie
mit den eisfreien Häfen Dalny und Port Arthur. Diesem folgte
die Besetzung der Mandschurei durch Russland während der
Boxerunruhen, und von da an datiert die überwiegende Macht
Russlands in Mandschuria infolge der ihm mit besonderen Rechten
eingeräumten Besetzung der Bahnen, wodurch auch nach der
sogenannten Evakuation eine tatsächliche Loslösung der drei die
* Port Arthur und Talienwan.
230 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
Mandschurei bildenden Provinzen, Hai-lungchiang, Kirin und
Feng-tien (Liatong) von Chinas Hoheit bewirkt ist. Man ist
umsomehr auf den PLindruck dieses Landes gespannt, als man
schon am Amur und in Ussuriland den I^influss des mächtigen
Importgeschäftes der beiden nördlicheren Provinzen Hai-lungchiang
und Kirin hinsichtlich Vieh und Getreide etc, kurz der wichtigsten
Agrarprodukte zu fühlen bekam.
Ich stehe nicht allein mit der Ansicht, dass Russland zur
Entwicklung der Amurprovinz und besonders des Ussurigrenz-
landes einstweilen, bis eine bessere Besiedelung dieser russischen
Provinzen stattgefunden hat und dadurch diese selbst genügend
landwirtschaftliche Produkte hervorbringen, in dieser Hinsicht
fast mit zwingender Notwendigkeit auf den Reichtum der
Mandschurei angewiesen bleibt. Das gilt ganz besonders für
Wladivostocks engere Umgebung, wo strategische Gründe und
der Handel eine grosse, zunehmende Anzahl nicht ackerbau-
treibender Bevölkerung zusammenführt.
Um zur Grenze Mandschurias zu gelangen, fährt man mit einem
der täglich in diese Richtung abgefertigten gewöhnlichen Züge von
Wladivostock bis Nikolskoe auf der Ussurilinie ; hier zweigt
die sibirisch-mandschurische Bahn nach Westen ab, um mit fast
rein östlich-westlicher Richtung gegen Kaidalovo 1 146 verst =
1223 km auf mandschurischem Boden zu laufen; von Nikolskoe
bis Krodekovoe sind 1 10 verst=ii7 km und vom Verlassen
der mandschurischen Grenze bis nach Kaidalovo 324 verst = 346
km zu rechnen, so dass für die I>änge zwischen dem Ansatz-
punkte an die ursprüngliche sibirische Linie in Kaidalovo (Trans-
baikalien) bis zum Einlaufen in dieselbe Linie in Ussuriland bei
Nikolskoe 1580 verst = 1686 km zu rechnen sind. Welche
Ersparung an Weg bei der direkten Verbindung : Baikalsee —
Wladivostock durch die Möglichkeit der geraden Linie via
Mandschurei erzielt wurde, mag daraus ersehen werden, dass
dieselbe Strecke Kaidalovo-Nikolskoe den Amur entlang und den
Ussuri von Habarovskoe aufv/ärts bis Nikolskoe um nicht
weniger als nahezu die Plälfte länger sich gestalten würde.
Hat man die bereits von der Fahrt nach dem Amur via
Habarovskoe bekannte Strecke Wladivostock-Nikolskoe hinter
sich, so hält der etwas monotone Charakter dieser Gegend auch
gegen die mandschurische Grenze zu an ; welliges, niederes, breit
angelegtes Land mit wenig Ackerbau und weiten Grasflächen
ohne Wald begleitet den Reisenden rechts und links, und nur
K. HEFFXE, AUS DEM OSTEN. 23 1
gegen Krodekovoe zu, nach ijstündiger Fahrt von Wladivostock,
erhält die Landschaft durch eine westwärts sichtbare höhere
Hügelkette einen etwas ausgeprägteren Charakter. Der humose
und stellenweise direkt moorige Boden in den flachen Mulden
zwingt die Bahn, sich diclit an den sanften Böschungen der
niedrigen, welligen Bodenerhebungen zu halten, um härteren
Boden für die Linie zu gewinnen ; das ist naturgemäss dann die
Ursache einer fortwährenden Kurvenbildung. Krodekovoe liegt
hart an der mandschurischen Grenze, die Wagen müssen ver-
lassen werden zum Ucbersteigen in den Zug für die nominell
der chinesischen Ostbahn zugehörige, aber ohne weiteres durch
ihre Finanzierung und Besetzung als russische Bahn zu be-
zeichnende mandschurische Strecke.
Es mag spitzfindig feine Unterschiede bezüglich der Eigen-
tumsfrage der Bahn geben, äusserlich wenigstens zeigt sich nicht
im geringsten irgend welche Auffälligkeit gegenüber einer Bahn in
Russland. Die Spurweite ist die russische, das rollende Material
i.st ebenfalls russisch, und so die Besetzung der Bahn und die
Bahnbeamten bis zur allgegenwärtigen Figur des gestiefelten
Gendarmen. Man ahnt noch nicht, dass man hier von dem
nicht übermässigen Komfort der sibirischen Bahn für einige Zeit
Abschied zu nehmen hat, denn der Teil von Krodekovoe bis
Harbin ist zweifellos zu den am wenigsten fertigen und komfor-
tablen Strecken zu rechnen. Ein regelrechter Fahrplan scheint
nicht zu existieren, wenigstens ist sehr oft niemand im stände,
eine Aufklärung über die Dauer des Aufenthaltes auf einer
Station zu geben; er mag lO Minuten, unter Umständen auch
wohl mehrere Stunden betragen. Ich erinnere mich nicht ohne
ein gewisses Vergnügen, wie der Gendarm aus den sich um 5
Uhr Nachmittags in Masse für die Billetabgabe an den Schalter
drängenden Passagieren ein Queue bildete, und wie die definitive
Abgabe der Billete um 8 Uhr Abends erfolgte ; während dieser
ganzen Zeit passte man nebenbei auf den Zug, der konmien
sollte, wann — das wusste niemand oder wollte niemand sagen.
,, Nitschewo ", denkt sich der Schalterbeamte und liest seine Zei-
tung weiter, unbekümmert um die Sehnsucht der Aussenstehenden
nach Billeten. Die Passagiere, welche den Zug zur Mandschurei
benützen, sind zweifellos mehr von lokaler Charakteristik als
auf der Ussuribahn, wo die Nähe des Meeres ein grösseres
Prozent von Internationalität hineinbringt. Hier findet man rus-
sische Ansiedler oder Arbeiter für einen der Golddistrikte, Kosaken,
232 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
russische Offizicrsdamen, welche mit dem gesamten Haushalt
zu ihren Gatten auf einen der unwirtlichen Posten entlang der
mandschurischen Bahn reisen, dann etwas zweifelhafte, französisch
aufo-eputzte japanische Damenwelt und endlich den allgcgcn-
wärtityen John Chinaman als Bewohner und Passagier der
gedeckten Viehwägen.
Der Bahnhof in Krodekovoe ist noch nicht ganz fertigge-
stellt, und so sitzt oder liegt männiglich, da der Abend mild
ist, auf seinem Pack oder was er sonst an Reisegepäck führt,
und zweifellos tut man gut daran, sich nicht allzuweit davon zu
entfernen, denn auf den sibirischen und mandschurischen Bahnen
haben Gegenstände jeder Art eine unbegrenzte Neigung zu ver-
schwinden. Das ist auch bei dem stark vertretenen P^Iement
von Exilierten und von ebenso skrupellosen Mandschuren, denen
Räuberwesen und Diebstahl ja einen nationalen Hauptsport
bedeutet, eben kein Wunder. Wie endlich der langerwartete Zug
in die Station keucht, werden die Wagen gestürmt, und da die
erste Klasse durch Abwesenheit glänzt, begnügt man sich gerne
mit einem der luftigen Militärtransportwagen, die durch eine
Tafel aussen in eine stolze II. Klasse verwandelt werden. F'ehlt
genannte Auszeichnung, so haben wir III. Klasse, und Vich-und
Packwagen bilden eine Abart der III., die namentlich von
Chinesen, wohl aus Vorliebe für nationale Klubbildung und den
herrschenden unendlichen Schmutz in denselben bevorzugt wird.
Die 36 Stunden dauernde Fahrt bis Harbin gibt ausreichende
Gelegenheit zu Geduldproben hinsichtlich Fahrgeschwindigkeit
und Aufenthalten, aber es wäre ungerecht, darüber scharf zu
urteilen, denn zweifellos ist dieser östliche Teil der sibirisch-
mandschurischen Bahn zwischen Krodekovoe und Harbin in
seiner ersten Hälfte ein schwieriges Bauobjekt gewesen ; zweimal
werden nördliche Ausläufer der Shan Alin Berge bis zu 600 m
Höhe von der Bahn unter beträchtlichen Steigungen und Gefällen
überwunden ; dabei trägt die Lage der Trace und ihre Ausführung
nur zu deutlich den Stempel der militärischen Rücksicht für die
rasche Ausführung aufgedrückt : „ Durch um jeden Preis und in
kürzester Zeit vom europäischen Russland nach Sibirien, Man-
dschuria und Wladivostock " zum Pacific. Ein Unterbau aus
frisch aufgeschütteten, sich er.st setzenden Dämmen, vielfach
manö'elhaftes Schotterbett der Geleise, ja stellenweise fast unver-
mittelte Auflage der Schwellen und Schienen auf mehr oder
weniger nachgiebigem Boden und besonders die Wahl der Trace,
K. IIEFELE, AUS DEM OSTEX. 233
Avelche im Hügellande fast immer die Mulden aufsucht, wo der
feuchteste und sumpfigste Boden sich findet, um möglichst wenig
Hindernisse in Anschnitten oder Tunnels zu erhalten, das alles
zeugt von der Hast und dem Drängen vorwärts ohne Rück-
sicht auf die den Erbauern wohlbekannten Nachteile solcher
Geschwindigkeitsarbeit. Man half sich über die Mängel eines
derartigen schlechten Unterbaues einigermassen hinweg durch
Anwendung schweren Schienenmaterials, 64 -\± per Yard, und durch
starke Schwellen mit einem Abstände von 76 cm untereinander.
Diese Vorsicht bei den zur Verwendung kommenden schweren
^Maschinen (85-90 tons) trägt gute F"rüchte, sie ist wahrschein-
lich eine Folge der bösen Erfahrungen, die man auf anderen
Strecken der sibirischen Bahn mit zu leichtem, aus falscher
Sparsamkeit verwendeten Schienenmaterial machte. Immerhin ist
noch vieles verbesserungsbedürftig. Ich erinnere mich, dass auf
einem Plateau, bevor die erste der erwähnten Hügelketten über-
wunden war, der Zug einen Anblick bot, den ich bislang noch
nie gehabt hatte. Fast jeder der den Zug zusammensetzenden
Wagen hing unter einem anderen Winkel aus der Senkrechten,
rechts und links abwechselungsweise, wie es eben kam, zur Seite,
so weich war der moorige Untergrund, in den die Schwellen bis
zu 7 und 8 cm tief ungleich eingedrückt wurden. Der Schlamm
wurde durch den Druck neben der Schwelle mit einer Vehemenz
heraufgepresst, dass manchmal ein zufällig aus dem Fenster
sehender Passagier nicht gerade zum Vergnügen einen saftigen
Spritzer erhielt. Solche gefährliche Stellen, die eben nur ä tont
prix für Kriegszwecke fahrbar genannt werden können, sind nicht
selten, und die Umgestaltung der ersten Bahntrace in das, was
man eine wirkliche Verkehrslinie nennen kann, ist an zahllosen
Plätzen nunmehr erst im Gang. Tunnels werden gebohrt, die
Mulden mit ihrem Moorgrund werden durchweg verlassen, und
die Linie wird an feste Hänge gelegt, der Bahnkörper gut mit
Felsenkleinschlag belastet u. s. w., kurz die mannigfachen Neu-
bauten, namentlich Umlegungen der Strecke, dürften wohl einem
kostspieligeren Neubau bis zu einer guten Hälfte der Gesamt-
länge der sibirisch-mandschurischen Bahn gleichkommen, und
erst nach P'ertigstellung dieser Verbesserungen scheint mir die
Einrichtung eines europäischen Begriffen verwandten Verkehrs
zwischen Wladivostock — Baikalsee möglich zu sein. Die Brücken
sind teilweise ebenfalls nur provisorische Holzgerüste resp. Pfahl-
roste mit Schienen oder Holzkastenaufbau, obwohl auch schon
234 I^- HKFKLE, AUS OEM OSTEN.
jetzt manclic fci'tii;"c Stcinpfcilcrbrückc von erheblicher Länge in
tadelloser Vollendung auf dieser und der zentralmandschurischen
Linie passiert wird. Es ist eben unmöglich, selbst für russische
Energie, in so kurzer Zeit, wobei die Arbeit auch noch man-
nigfache Unterbrechung durch Unruhen (Boxeraufstand) erhielt,
alles fix 'uid fertig zu stellen. Das sollten jene bedenken, die mit
Nörgeleien über Kleinigkeiten die Iviesengrösse des Unternehmens
vergessen. Eine der interessantesten Partieen auf diesem öst-
lichen Teil der mandschurisch-sibirischen Bahn ist zweifellos
der Abstieg von der Höhe, deren Plateau die vorher erwähnte
üble Sumpfstrecke enthält. Man fährt in vier Zickzacklinien zu
Tal vor-, rückwärts ohne Ausgleichung des zusammenlaufenden
Kehren durch Kurven. Der Ausblick des Landes von diesem
Punkte über einen beträchtlichen Umkreis ist, da die Passhöhe
hier offenbar zu den höchsten Lagen der Umgebung gehört,
prächtig. Lii hellen Sonimersonnenschein liegt, einem feinen
Reliefbilde vergleichbar, ein vielgefaltetes Hügelland mit weiten
Tälern zu unsern P'üssen ; die Berge und Hügel tragen nur in ihren
oberen Teilen Bewaldung von Nadel- und Laubholz, nach unten
schliesst sich dann eine der Hara Japans vergleichbare Vege-
tationsform an, um endlich in den tiefsten Teilen und in den
Tälern in saftiggrünes Grasland überzugehen. Die Ursache der
mittleren eigentümlichen Hara-Waldvegetationsform ist dieselbe
v>-ie in Japan — das Feuer. Offenbar zur vermeintlichen Hebung
des Graswuchses in diesen als Viehweide benützten Gegenden
der Mandschurei zünden nomadisierende Mandschuren im Herbst
oder zeitig im iM'ühjahr den Bodenüberzug an und erreichen
damit die Vernichtung des Waldes hinsichtlich Nadelholz völlig,
hinsichtlich des Laubholzes nur teilweise, da dieses widerstands-
fähiger ist ; es entsteht derart die richtige echte Hara. Li
grösseren Höhen aber ist um diese Zeit entweder schon Schnee
gefallen oder noch vorhanden, und dieser schützt nun die
Ilochlagen vor Zerstörung ihres W^aldmantels. P^reilich hat
auch dieser seinem Schicksal nicht entrinnen können, seit die
Bahn den jungfräulichen Boden mit dem eisernen Schienen-
strange durchschnitten hat. Tausende \x)n alten Fichten, Lärchen,
Tannen, Pinus Cembra, Rotbirken und z. T. Eichen (Quercus
niongolica) sind zur Konstruktion der Bahn und der Gebäude an
derselben, soweit die Herbeischaffung irgend möglich war, her-
ausgehauen, und nur das weniger begehrte Laubholz ist stehen
geblieben, einen zerrissenen Laubhochwald in abnormer und
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 235
schlechter Verfassung zurücklassend. All den Hochwaldungen
auf den grösseren bergartigen Erhebungen (bis 8co m), in
beträchtlicher Entfernung von der Balinlinie, dürfte das Todes-
urteil gesprochen sein, denn die tiefer liegenden zentralen und
westlichen Teile der IMandschurei mit ihrem Steppencharakter
zeigen nirgends eine nennenswerte Bewaldung, und so muss,
wie man sich aus den Frachten mancher Züge leicht informieren
kann, das Konstruktionsholz flir Hoch- und Brückenbauten, das
Schwellenholz etc, ja selbst das Brennholz für die grösseren, im
Entstehen begriffenen Stationsorte in der Nähe der Bahn aus
dem Berglande oft auf ungeheure Entfernungen beigeschafft
werden. Vorerst werden auch die Maschinen der mandschurischen
Bahn noch mit Holz geheizt, und man fahrt in den Bergen
an endlosen Holzbeugen von zurechtgemachtem Feuerholze vor-
über, das ebenfalls für die Stationen in den Niederungen bestimmt
ist, um dort zur Aufflillung und Ergänzung der Tendervorräte
der Zugsmaschinen und zur Feuerung in .den Bahnhofgebäuden
verwendet zu werden. Dass hiedurch eine weitere tiefgreifende
Ausholzung oder besser gesagt Verwüstung des Waldes Platz
greift, liegt auf der Hand ; allein die Erfüllung des ins Auge
gefassten Zwecks ist anderweitig vorerst nicht zu erreichen.
Das Spiel der Durchquerung der verschiedenen Waldzonen vom
Grasland über Hara zum Laub- und endlich vorwiegenden Nadel-
holzhochwald wiederholt sich natürlich als Folge der klimatischen
Höhenzonen und der geschilderten besonderen Verhältnisse bei
jedem Anstiege der Bahn auf bedeutendere Höhen.
Bei Chantachozu, etwas weiter als halbwegs Harbin, sind
mächtige Altholzforste aus Tanne, P^ichte, Lärche und Pinus
Cembra auf einem der von der Bahn mit starker Steigung er-
reichten Berghöhenrücken, und die sämtlichen Gebäude der
einer kleinen Stadt gleichenden hübschen Ansiedelung, welche
die Russen aus dem Boden stampften, wo vor 5 Jah.ren höch-
stens ein halbes Dutzend Lehmhütten mandschurischer Räuber
standen, sind durchwegs in Blockhausstil aus mächtigen Stämmen
der genannten Holzarten gezimmert. Wo Laubwald vorhanden
ist, findet man prächtige Eichen, Linden, Ahorne, Eschen, Erlen,
und nur wo Birken (Rot- und Weissbirken) vorherrschen, ist
man wohl keine Minute im Zweifel, dass man den Umwandlungs-
wald durch Feuer vor sich hat ; dafür spricht schon der auf grosse
Strecken auffallende Mangel an Unterwuchs und Strauchholz.
Der schöne hier bei Chantachozu und weiterhin auf dem llöhen-
236 K. IIEFELE, AUS Di:^ OSTEN'.
zugc befindliche Urwald wird bald vcrmisst, denn nunmehr f;illt
die Bahn in Richtlinie auf Harbin zu von der erreichten Maximal-
IkSIic, etwa 600 m, stetig gegen das Steppenland und die in
Kultur genommenen Landteilc. Was man dann vom Eisenbahn-
wagen durch die ganze Mandschurei bis zur Liatong-Halbinsel aus
an Wald erblickt, verdient kaum den Namen eines solchen, es
sind höchstens zerrissene kleine Gebüschflecke oder gar nur
einzelne Exemplare melancholischer Weiden und Pappeln. Wer
daraus aber schliessen wollte, dass die Mandschurei im allge-
meinen holzarm sei, wäre sehr im Irrtum, denn die zentralman-
dschurische Bahn führt eben nur durch die fruchtbare Niede-
rungs- und Ackerbauregion, welche, dem Abhänge der Gebirge
der Provinz Kirin und l'engtien westlich sich anschliessend,
über das paradiesisch fruchtbare Tal des Liao hinüber gegen
die endlosen Steppen der Mongolei sich erstreckt.
Die Gebirge der noch weniger bevölkerten und unwirtlicheren
nördlichen Provinz Heilungchiang (169.000 qm.), deren Nord-
grenze der Amur bildet, sind voll jungfräulicher P'orste, ebenso
wie die beiden anderen Provinzen im Innern ihres Berglandes
die wertvollsten Wälder von P^ichen, Ulmen, Walnuss, Birken
Kiefern etc mit dichtem Unterwuchs bergen, was darauf schliessen
lässt, dass der Mensch den Boden in der Nähe noch nicht
ständig okkupiert und das P^euer noch nicht zu Hilfe gerufen
hat zur Waldvernichtung gegen die Urkraft der Natur im Walde.
Ist dies einmal der P"all, so wird der Wald alsbald beträchtlich
quantitativ und qualitativ reduziert, leider, wie man oft in Japan,.
Sibirien China und Korea wahrnehmen kann, weit über das
zuträgliche Mass hinaus. Das grosse Holzhandelszentrum der
Mandschurei liegt an der Münduns; des Yalu, auf dem kolossale
Mengen von Starkholz von den Changpaisan Gebirgen im Zentrum
der Provinz Kirin an die See getriftet und geflösst werden.
Aus eben demselben waldreichen Berglande gelangt Werkholz
auf dem Sungari, der ebenfalls in den Changpaisanbergen ent-
springt, nach der Hauptstadt der Provinz Kirin, um dort nament-
lich zum Bau von Dschunken Verwendung zu finden.
Bei solchem Reichtum an Holz bleibt es nur durch die
Wegelosigkeit etc erklärlich, wie Schwellen für den ]^ahnbau
im Süden, z. B. bei Tashitschiao vorteilhafter \'on Japan bezogen
werden konnten.
Mit dem HerabsteitJen von dem Höhenzu<j bei Chantachozu
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. - 237
gegen Harbin zu ist die ebene Steppen- und Ackerbauregion
erreicht, die bis zum Uebertritt ins eigentliche China nicht mehr
verlassen wird, wenn man von Harbin die zentralmandschurische
Bahn entlang reist. Harbin, von wo die zentralmandschurische
Linie mit der Richtung NO-SW. nach Port Arthur abzweigt,
präsentiert sich als eine durch die Russen mit Treibhausenergie
geschaffene Stadt, deren russische Bevölkerung z. Z. nahe an
9000 Seelen beträgt und stark im Anwachsen begriffen ist, während
vor wenigen Jahren höchstens ein paar schmutzige Chinesenhütten
diese weite Ebene zierten. Dadurch dass ganz nahe der Sungari
vorüberfliesst, auf dem stromauf- und -abwärts ein enormer
Schiffsverkehr mit kleinen Dampfbooten und Dschunken aller
Grössen unterhalten wird, ist Harbin für den Binnenhandel von
ganz besonderer Bedeutung. Der Sungari stellt die natürliche
Verteilungsader für den Import von auf der Eisenbahn herange-
führten Gütern ins Innere der zwei Provinzen Kirin (Süden) und
Heilung-Chiang (Norden) dar. Umgekehrt ist Harbin zum grössten
Teile auch der Zusammenflusspunkt der Exportprodukte dieser
Provinzen, wenn für den Weitertransport die Bahn ins Auge
gefasst wird. Das an der Bahn gelegene Harbin selbst wie das
Sungariviertel am Sungari sind ein in Schmutz oder, wie bei
meiner Anwesenheit, in unglaublichen Staub eingehülltes neues
Gemeinwesen mit amerikanischen Wachstumserscheinungen, wo
der ,, Saloon " neben der Teebude und der Bazar japanischen
Stils neben zweifelhaften Fleischerläden ein bewegtes Dasein führt.
Das Treiben in den, Strassen genannten, mehr oder weniger
geraden Geräumt- Erdlinien ist ein buntes : Mandschure, Chinese,
Sibiriake, Jäger, Kaufmann, Kuli, Handwerker und Professions-
räuber drängen sich, um ihren Geschäften nachzugehen, und nur
wenn ein Kosak auf seinem kleinen Gaule sich nähert, stiebt
die Gesellschaft etwas bereitwilliger aus dem Wege, denn der
hat eine Peitsche, die zwar offiziell nur für den Gaul bestimmt ist,
aber sich doch auch für Aufrechthaltung der Ordnung sehr
Wertvoll und nützlich erweist.
Zwischen Alt-Harbin und der geschäftigen Sungari-Stadt
stösst man auf ein ganz neues, aus Ziegelstein in regelmässiger
Bauordnung errichtetes und mit prächtiger Kirche ausgestattetes
Viertel, alles damals im Rohbau fertiggestellt und noch
unbewohnt ; es ist das ein für die russischen Militär- und
Zivilbeamten bestimmtes besonderes Quartier. Sehr gefällig im
Aeusseren, in guter Lage an einem sanften Abhänge und jn
238 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
den Raunivcrhältiiissen seiner Teile für die Zukunft berechnet,
hat es mit der Evakuierung Mandschurias zweifelk)s nicht das
mindeste gemein. Ein paar sog. Hotels in Sungari und Harbin
gewähren einen gewissen Komfort europäischen Anstrichs, aber
namentlich die Reinlichkeit steht im argen Kontrast zu den
Preisen ; doch ist man eben von Sibirien her in dieser Hinsicht
nicht allzu verwöhnt. Japanische kleinere Kaufmannsfirmen sind
auch hier zu finden neben einer Zweigniederlassung von Kunst
und Albers, der bekannten deutschen Export- und Importfirma
mit dem palastartigen Universalgeschäftshaus in Wladivostock.
Die Temperatur war zur Zeit meines Aufenthaltes in Harbin
geradezu tropisch, was im Verein mit dem fürchterlichen
Staube beim Fahren im Wagen beinahe das Atmen unmöglich
machte. Extreme der Temperatur sind in der ganzen Mandschurei
bemerklich, und wo in den wärmeren Jahreszeiten relativ hohe
Temperaturen herrschen mögen, da tritt in langen, nicht sehr
schneereichen Wintern ein Tiefstand des Thermometers ein, der
für nahezu 6 Monate Flüsse und Boden auf mehrere Fuss Tiefe
in den eisigen Banden des Frostes gefangen hält.
Harbin war damals von dem unheimlichsten Gaste, der
Cholera, heimgesucht, und wenn wenn man die schmutzigen
Winkel der Sungari-Stadt und von Alt-Harbin in Betracht zog,
so konnte man sich schliesslich nicht gerade wundern, dass
sie hier Absteigequartier genommen hatte. Durch die energische
Initiative der russischen Machthaber aber schien das Möglichste
zu geschehen, einem Umsichgreifen Einhalt zu tun. Man .sah
allenthalben die weissen Krankenzelte, an deren Anblick- man
sich schon auf der ganzen Fahrt in Ostsibirien am Amur
gewöhnte, und das rote Kreuz hatte in den Strassen kleine
Kochhütten für heisses Wasser aufgestellt, denen vom Volke
für Teebereitung etc etc fleissig zugesprochen wurde.
Für mich bildet Harbin insofern eine unangenehme Er-
innerung, als der Reiseplan mit der Absicht bis zum Baikalsee
vorzudringen infolge der Nachrichten von zunehmender Cholera
längs der Line dorthin, von Quarantänemassregeln, wie längeren
zwangsweisen Aufenthalten zur Beobachtung etc mit Rücksicht
auf die dadurch ungebührlich in Anspruch genommene Zeit
fallen gelassen werden musste. So ging's denn schweren Herzens
gegen Süden auf der hier abzweigenden zentralmand-schurischen
Bahn durch die Mitte der Mandschurei !
¥Än gewöhnlicher Zug nimmt uns auf, denn besser ein-
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 239
gerichtete Züge mit beschleunigter Fahrt sind erst von jetzt ab
(1903) einp^estellt, und die nur bis zu II eniporreichende Skala
der Waggonklassen ist für nicht all zu anspruchsvolle Menschen
m. E. auch ausreichend. Ein Militärwaggon neuesten Stils,
gross, hell und freundlich, dokumentiert seine II. Kl. Eigenschaft
nicht nur durch die angehängte Tafel, sondern auch durch etwa
2 Zoll dicke harte Polster, welche auf die abklappbaren Brettbetten
und bei Tag auf den Sitz gelegt werden können. Ich ziehe stets
etwas weniger komfortable Züge beim Reisen vor, da mir die
Reisegesellschaft in denselben viel bunter und ländlich sittlich
echter erscheint als der international überpolierte, oft recht farblose
Inhalt der Express- etc. Trains, wie auch unvorgesehene Aufent-
halte und geringe Fahrgeschwindigkeit so manches beobachten
lassen, das dem im Eilzuge durch die Gegend Jagenden entgeht.
Die .Mitnahme einigen Proviantes, der Besitz eines Teekessels
und Bechers und für Anspruchsvolle die Vervollkommnung der
Ausstattung durch ein Kopfkissen und eine besonders dicke
Decke wird .sehr wohltätig empfunden, ' ist im Winter auch
wohl unumgänglich notwendig ; für mich repräsentierten der
voUgepackte bayrische Rucksack und mein Wettermantel die
letztgenannten Gegenstände. Etwas unbehaglich fühlt man sich
berührt, wenn man den aus 14-16 Wagen zusammengesetzten
Zug entlang schlendert und an dem letzten Zuggliecle, einem
in Weiss-Anstrich gehaltenen Güterwagen mit intensivem Karbol-
geruch, anlangt : es ist dies der sog. Cholera waggon. Ab und
zu ereignet es sich wohl einmal, dass jemand aus dem Zuge
dorthin getragen wird, um bei Erreichung einer Station wieder an
Lazarette etc. abgegeben zu werden. Das unheimliche Anhängsel
begleitete uns auf dieser ganzen Reise.
Was die Verköstigung anlangt, so ist man auf dieser Route
zur Zeit noch auf die Speisen angewiesen, welche auf bestimmten
grösseren Stationen zu haben sind. Solche Punkte mit etwas
längerem Aufenthalte werden fast regelmässig Mittags oder Abends
erreicht, und das Hauptgericht des Menüs am „ Büffet " bildet
die dampfend heisse ,, russische Krautsuppe ", eine Fleischsuppe
mit gekochtem Kohl und einem handgrossen Stück Tellerfleisch,
deren guten Geschmack und Bekömmlichkeit ich aus Erfahrung
bestätigen kann, wenn auch einige darin ertrunkene Pliegen
anfangs irrtümlich und in der Eile als Gewürznelken passierten.
Die privatim mitgeführte Verproviantierung hilft vielleicht ab und
zu mit etwas Konserven nach und lässt den guten Humor, den
240 K. llEKKr.K, AUS DEM OSTEN'.
die Fahrt durch das fruchtbare, wolilbebaute Land erzeugt,
nicht sinken.
Welche Inille von Reichtum ini Boden der Mandschurei hegt,
ist auf solcher ]-'\ahrt sehr wohl schon vom Zuge aus zu beurteilen.
Wohin das Auge blickt, Ackerbau, Viehzucht und Regsamkeit.
Und zwar ist es weniger der an sich faule Mandschure, der dem
Boden dk^se Schätze abringt, sondern der von Süden her in
immer grösserer Anzahl das Land okkupierende Chinese, dessen
xieltausendjähriges von den Vätern ererbtes Geschick im Ackerbau
und dessen besondere Fähigkeit für Handel allüberall diese
bienenartige Geschäftigkeit bemerkbar macht.
Die sibirisch-mandschurische Bahn westlich Harbin, und die
zentralmandschurische fuhrt durch die für den Ackerbau günstig-
sten Teile der Mandschurei mit meist ebenem, tiefgründigem,
mineralisch reichem Lehmboden. Wenn schon jetzt die Produk-
tion von Zerealien etc. in der Mandschurei einen ganz bedeutenden
Betrag aufweist, was mag da noch zu erwarten sein, da doch
zur Zeit erst ungefähr 1/5 des zur Landwirtschaft brauchbaren
l^odens in Mandschuria unter Kultur steht ! Und dabei sind die
Gebirge reich an Forsten, wertvollen Pelztieren und Wild, die
Ströme voll von P'ischen, und das Vorkommen wertvoller oder
kostbarer Metalle wie Eisen und Gold ist an vielen Plätzen
nicht nur konstatiert, sondern der Minenbetrieb ist tatsächlich
bereits da und dort im Gange.
Einem solchen Ueberfluss von natürlichem Reichtum steht
zur Okkupation z. Z. nur eine Bevölkerung von etwa 20 Millionen
gegenüber, und w ie unzulänglich dieselbe ist, mag daraus ersehen
werden, dass in der südlichen Provinz Feng-tien allein zur
Bestellung der Ländereien der P>nte etc als Arbeiter und
Hülfskräfte der Bauern im Frühjahr, Sommer und Herbst nicht
weniger als 30.OOO chinesische Arbeiter jährlich aus den nörd-
lichen Provinzen Chinas, besonderes Shantung und Chili, zu
Schiff herüberkommen.
Die tief liegenden Teile Mandschurias sind als die natürliche
und unerschöpfliche Getreidekammer für die gebirgigen Teile nicht
nur des eigenen Landes sondern auch fiir die angrenzenden
Provinzen von Russland zu betrachten. Ich erinnere daran, dass,
wie ich früher erwähnte, m. E. die ganze pjitwicklung der Amur-
region und des Ussuri-Grenzlandes zweifellos noch auf längere
Zeit hinsichtlich der Versorgung mit Vieh und mit Agrarprodukten,
insbesondere mit Weizen, auf den Reichtum Mandschurias hieran
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 24 1
angewiesen ist. Vielleicht ist diese xA.bhängigkeit eines Teiles von
Ostsibirien, von Mandschuria, noch in manch anderen Punkten
vorhanden ; auf alle Fälle, schon um der z. Z. bestehenden offen
erkenntlichen Notwendigkeit, Mandschuria als Hilfskraft zur Ent-
wicklung des Primorsk-Gebietes zu haben, glaube ich nie an
eine jemals eintretende E\'akuation Mandschurias. Was darunter
z. Z. zu verstehen sei, ist aus den Verträgen Russlands mit
China hinsichtlich der Bahnen unter russischem Schutze sofort
klar, es ist eine Art militärischen Spazierganges von den zur
Zeit der Boxerunruhen besetzten Punkten zur nachten russischen
Niederlassung in der Nähe der Bahnlinie, woselbst das Recht
der Besetzung mit Truppen und deren Zahl ganz dem Ermessen
Russlands anheimgegeben ist. Die Bahntrace selbst ist so geschickt
gewählt, dass nicht nur die fiir die Mandschurei so wichtigen
Wasserwege sondern auch alle wichtigen Handelsplätze und
Hauptstädte innerhalb Greifweite sich befinden.
Es liegt auch zweifellos für die Mandschuren kein Grund
vor, sich über die russische Okkupation zu beklagen, denn
dieselbe brachte nicht nur bei Bahnbau etc Millionen von Rubeln
unter das Volk und gab ihm Sicherheit und Ruhe, des Erwor-
benen sich zu erfreuen, sondern schuf auch den grossen Ver-
kehrsweg, die Grundlage zum Aufschwung nach allen Richtungen :
die Eisenbahn. Unter dem alten chinesischen Regime blieb die
Entwicklun": der Einzelnen und ganzer Kommunalwirtschaften bei
dem blühenden Räuberunwesen und dem Mangel eines leichten
Verkehrs auf grosse Entfernungen zwecks Entwicklung von
Produktenau.stausch mit anderen Nationen ganz erheblich hinter
der natürlichen Möglichkeit in dem reichen Lande zurück.
Die hauptsächlichsten Ackerprodukte ^Mandschurias sind
Hirse (Kao-liang, Holcus sorghum) und Bohnen in unzähligen
Varietäten. Allüberall sieht man tatsächlich unabsehbare Felder
damit bestellt und man begrüsst in dieser eintönig wirkenden
Fülle Gerste, Mais, Trockenreis, Buchweizen, Kartoffel oder
Eierpflanzen-P\'lder als eine Abwechslung. Ab und zu sieht
man einen Bauernhof in Ulmen, Pappeln oder Weidenbüschen
verborgen ; alle sind sie aus Lehm erbaut, ohne P'enster nach
aussen, und nicht selten mit einer Art von Zinnen versehen oder
mit niederen Türmen in den Ecken zur Verteidigung gegen Räuber-
banden. Diese Räubergilden bilden eine wahre Landplage, sind aber
erklärlich in einem Lande, wo bis jetzt keine starke Faust mit ihnen
abrechnete. Die reicheren Leute und namentlich die Kaufleute
242 K. HKFELE, AUS DEM OSTEN.
schützen ihr Hab und Gut und ihre Warcntransporte durch Zahkmg
einer gewissen Quote an die organisierten Banden, und es bestehen
eine Anzahl von Versicherungsanstalten auf dieser Grundlage.
Solange die militärische Besetzung des ganzen Landes durch
Russland während der Boxerunruhen dauerte, war denselben
das Handwerk gelegt, es blüht aber jetzt wieder auf in ent-
legeneren Punkten, nachdem die Truppen an die Bahn evakuiert
sind. Man kann während der Bahnfahrt viel von Räuberge-
schichten erzählen hören, verliert aber auch jedes Bedauern, wenn
man erfährt, dass sich in arbeitsfreier Zeit bisher so ziemlich
jeder Bauer ein bisschen am Räubern beteiligce, wx-nn F'remde
oder ihm nicht Nahestehende, z. B. Karawanen von Landsleuten
aus entlegenen Gegenden, diese gemütlichen Plätze passierten.
Die Agrarprodukte Mandschurias sind keineswegs mit den
oben genannten Arten erschöpft, ich habe mich nur auf die Auf-
zählung des in grösserem Anbau selbst Gesehenen beschränkt.
Ein vortreffliches Buch über Mandschuria von Alexander
Hosie * gibt dem sich dafür Interessierenden weitgehenden Auf-
schluss. Nach derselben Quelle wird Kaoliang (Hirse) fast
vollkommen im Lande selbst aufoezehrt als Nahrungsmittel für
Menschen und Tiere oder zur Samshu- (Sake-) Bereitung, während
die Bohnen, das zweitbedeutendste Ackerprodukt der Man-
dschurei, fast ebenso völlig zum Export gelangen, entweder in
ihrer natürlichen Form oder als Bohnenkuchen und Bohnenöl.
Die Bohnenkuchen oder gepressten Rückstände von der Oelbe-
reitung werden neuerdings vielfach dem teureren Fischdünger in
Japan vorgezogen, wie sie seit langem als Düngemittel auf den
Zuckerplantagen in Südchina und auf Jaxa Absatz gefunden
haben.
0[)ium wird meist mit anderen Produkten geschmuggelt.
Von der Geschäftigkeit und dem Treiben auf der Haupthandels-
und Verkehrsader der Mandschurei, auf dem mittleren und
unteren Liao-Fluss mit seinem Hafen bei Newchwang, mag man
sich einen Begriff machen, wenn man erfiihrt, dass die ca 600.OOO
tons beziffernde Produktion der Mandschurei an l^ohnen auf
diesem Wege zum E.xport gelangt.
Da für 6 Monate aller V^erkehr auf den Flüssen durch das
Zufrieren derselben unmöglich ist, so werden während der VVinter-
saison die Bohnen aus dem Innern auf dem Landwege an ver-
* Manchuria, Its PLO[)le. Resources and Recent History. London 1901.
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 243
schiedene grosse Plätze an den Ufern des Liao, wie Tien-cbuang-
tai, Hsinming, Tienh-Hng etc. gebracht, dort aufbewahrt, bis die
Schiffahrt beginnt, und nun bemühen sich nicht weniger denn
20.000 Dschunken von 8 bis 15 Tonnen Inhalt während des
Frühjahrs, Sommers und Herbstes in wiederholten Fahrten, diese
Bohnen und Cakes nach Newchwang zu bringen und auf die dort
ihrer harrenden grossen Exportdampfschiffe zu verladen.
Dem vorausgehenden Landtransporte, oft auf kolossale
Distanzen, stehen nun keineswegs gute Strassen zur Verfügung,
wie man vermuten könnte. Von den Strassen, die ich sah, kann
man höchstens behaupten, dass sie nichtbebautes Land darstellen,
sonst aber sich in keiner Weise von dem übrigen Ackerboden
unterscheiden. Mangel an Steinen und auch wohl der Ueber-
fluss an Tierkraft — denn die Zahl der Ponny, Esel Maulesel und
Ochsen, welche im Durchschnitt jeder Bauer besitzt, ist sehr
beträchtlich — , Gewohnheit und Indolenz verhindern ein ernstes
Zusammengehen der Leute zur Herbeiführung besserer Zustände.
Es liegt auf der Hand, dass bei solchen Voraussetzungen
der Landtransport nur im Winter bei gefrorenem Boden vor
sich gehen kann, und es mag allerdings ein interessant lebendiges
Bild sein, diese Tausende von zweiräderigen schwergebauten
und schwer beladenen Fahrzeugen, oft mit mehr als 10 Tieren
bespannt, in endlosen Karawanenzügen aus dem Innern nach
Newchwang oder einen der andern stromaufwärts gelegenen
Hauptplätze ziehen zu sehen, wohin sie kommen, um ihre
Ladung abzusetzen und dafür Salz, Zucker und chinesische
wie fremde, in neuerer Zeit namentlich japanische Produkte
nach dem Innern zu führen. Schlitten können bei dem spär-
lichen Schneefall nur in der nördlichen ^landschurei verwendet
werden.
Ich konnte zur Zeit meiner Reise auf den verschiedenen
Stationen ein paar solche Lastwagen bei Arbeiten für die Bahn
in der Nähe beobachten : sie imponieren namentlich durch ihre
zahlreiche Bespannung, welche der auf dem Wagen sitzende
Chinese ohne Zügel mit mächtiger Peitsche dirigiert. Eine Reise
aber auf den etwas leichteren, wie sie an grösseren Stationen,
z. B. in der Nähe von Mukden (an dem die Bahn weitab vor-
beiführt), für Passagiere zur Stadt warten, muss bei diesen
Strassenverhältnissen und eventuell noch ungünstiger Witterung
fraglos ein sehr problematisches Vergnügen sein.
Eigenartig ist der Anblick reitender Bauern- oder Kauf-
244 K- "EFELE, AUS DEM OSTEN.
mannsfraucn in ihrer farbenprächtigeren Tracht auf einem heraus-
geputzten Maulesel oder Pferde, während die männliche Bevölke-
rung, wenn nicht mit stattlichen Ponny oder Mauleseln beritten,
vielfach recht k<Miiisch wirkt ; man denke sich nur einen 6| P\iss
langen Chinesen auf einem winzigen Esel von knapp über i m
Höhe sitzend !
Die 1^'ahrt nach Süden auf der zentralmandschurischen
Bahn wird trotz der in vollem Wachstum stehenden Felder und
der weidenden Herden von Vieh, wie Mauleseln, Ochsen und
den nach Tausenden zählenden schwarzen Schweinen, dem
Reisenden, besonders dem Forstmanne, durch das Fehlen jeden
grösseren Forstes oder Waldes langweilig. Dabei zeigen sich
deutlich die Folgen der an manchen Orten geübten rücksichts-
losen völligen Vernichtung von Wald in den an die Ackerbau-
zone anstossenden Landesteilen. Da das Land hügelig und der
Boden weich ist, so ist die Wirkung der Regengüsse und der
Schneeschmelze in rascher Wasserabfuhr und ausgedehnter Ge-
schiebeführung der Wasserläufe fühlbar. Im eigentlichen Berg-
iande östlich der zentralen Ackerlandpartie Mandschurias, durch
welche die Bahn führt, ist, wie man aus der Ferne manchmal sehr
wohl wahrnehmen kann, in den dem kultivierten Lande zunächst
liegenden Teilen der Berge ebenso gründlich mit dem Walde
aufgeräumt ; auch darf als sicher angenommen werden, dass die
ganze Holznutzung im Lmern der Gebirge ohne Regelung und
Rücksicht auf Erhaltung der Bodendecke ausgeübt wird. Kein
Wunder daher, dass Ueberschwemmungen mit allen Begleit-
erscheinungen zur Regenzeit an der Tagesordnung sind.
Der Mangel ausgesprochener Betten bei den kleineren
Wasserläufen hat seinen Grund in dem sehr schwachen Gefälle
und der sehr breiten, flachmuldigen Ausbildung der Bachlauftäler
im Unterlauf; dadurch wird die bei dem leicht abschwemmbaren
Boden (Lehm) begreiflich hohe Mitführung von Sinkstoffen im
Wasser zur Regenzeit die Veranlassung zur Bachlaufauffüllung
und Verschwemmung. Fehlende Bewaldung ist lokal auch viel-
fcich die Ursache, dass die Wasserläufe im Sommer ganz aus-
trocknen, und nur an der Form oder an etwaigen Geschieben kann
man eine solche Mulde im Terrain als Bach noch erkennen.
Bei heftigen Regengüssen ist infolge der aufgefüllten Bette dann
eine im Verhältnis zur geführten Wassermenge ungeheuer aus-
gedehnte Uebcrschwemmung und Zerstörung von Kulturland die
Folge. Diese fällt zwar jetzt, wo der Ueberfluss an Ackerland
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 245
noch keineswegs haushälterische Rücksichten fordert, nicht so
schwer in die Wagschale wie sicher einmal in späteren Zeiten.
Ich passierte mehrmals auch bedeutendere Flüsse, die, damals
zur Sommerzeit ausgetrocknet, keine genau erkennbaren Ufer hatten
und sich wie eine Kiesschlange im Terrain ausnahmen. Solche
Zustände bilden grosse Hindernisse Rir den Brückenbau, und ein
mitfahrender Ingenieuro 3i zier wusste von den Schwierigkeiten des
Brückenbaues infolge der unregelmässigen Wasserstände und der
enormen Geschiebeführung, den umweigerlichen Folgen unver-
nünftiger Waldbehandlung, zu erzählen.
Die Eisenbahnbrücken waren damals noch zum Teil in
provisorischem Baustadium, mit hölzernen Kastenbauten als
Pfeilern, die aber nunmehr durch Steinpfeiler solidester Konstruk-
tion ersetzt werden. Die übermässige Länge solcher Brücken
und die grosse Zahl der teueren Brückenpfeiler ist durch die
völlig zugeschwemmten Flussbetten bedingt. Weit bergauf und
talwärts müssen dann noch die weichen Lehmufer durch Stein-
belag geschützt werden, um nicht beim geringsten Hochwasser
dem Angriff zu erliegen oder den Wasserlauf zum Vagabondieren
zu veranlassen, eine sonst ganz gewöhnliche Erscheinung, da
schon eine Wassertiefe von i m infolge der seichten Rinnsale
Quadratkilometer angrenzender Uferländereien unter Wasser zu
setzen vermag.
Was die in der Nähe der Bahnstationen gesehenen Ort-
schaften anlangt, so ist allen der chinesische Typ unendlicher
Schmutzigkeit eigen, und nur manchmal wie in Tieh-ling erzählt
eine Pagode oder eine mit Zinnen gekrönte zerfallene Stadt-
mauer vom Glänze vergangener Zeiten. Ich möchte hier auch
das in Zeitungen so vielfach recht verschieden geschilderte Ver-
hältnis zwischen Bevölkerung und den russischen Okkupations-
truppen durch ein paar selbstbeobachtete Scenen illustrieren.
Im allgemeinen ist der ,, Kosak ", der ja die Hauptsache der
„ Grenz-*'wache ausmacht, wie die Eisenbahnschutzarmee be-
zeichnenderweise heisst, ein gutmütiger Mensch, und wenn mit-
unter berichtet wird, er nehme dem Chinesen alles weg, so
vergisst man, dass er ebenso gern mit ihm teilt. Ich werde das
Genrebildchen, das sich mir auf einer der Stationen bot, nie
vergessen : zwei ernste, ganz dem Geschäfte des Verschlingens
eines Stücks schön geräucherten und von Fett triefenden Schweine-
specks sich hingebende Himmelssöhne sehen zu ihrer Ueber-
raschung plötzlich ihre Tafelrunde durch einen hungrigen Kosaken
246 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
vermehrt, der ungeniert fest niitschncidet. John Chinaman duldet
diese Einmiscliuny; in seine Pri\'atrechte aus Gründen ohne
Protest, aber siehe da, I^'reund Kosak lässt sich nicht lumpen,
er liat Wodka und Tabak, und mit ebenso vieler Freigebifrkeit wird
davon ausgeteilt und angenommen ; es ist ein Picknick, das in
allseitiger P'röhlichkeit schliesst. Oft kann man Chinesen und
Kosaken sich herzlichst wie alte P^reunde begrüssen sehen, und
der Grund dazu scheint mir darin zu liegen, dass der Kosak,
Bauer und Soldat wie er ist, dem Bauernanwohner manches
Interesse entgegenbringt und manche Freude, manche Sorge des
Ackergewerbes mitfühlen und mitverstehen kann. Ein andermal
sah ich einen Kosaken mit vollem Brotbeutel ein paar erbärm-
lich zerlumpte Kinder fütternd, die schliesslich den Beutel nach
besonderen Leckerbissen durchsuchen durften. Auch dies zeugt
nicht von der fettgedruck'ten ,, Roheit " der Barbaren, in welchen
oft solche Berichte sclnvelgen. Der Schrei der Entrüstung über
ein paar saftige Durchzieher der Kosakenpeitsche gegenüber der
unendlichen P'rechheit, Dreistigkeit und Unverschämtheit manchen
Gesindels, das die Bahnstationen aufsucht, um bei günstiger
Gelegenheit zu stehlen, ist gesund denkenden Naturen nicht nur
verständlich, ich finde darin eine, den Umständen entsprechende
indirekte Hebung der verloren gegangenen Moralität.
Dass bei der tatsächlich vorhandenen von Nachbarnationen
in allen Formen und Verkleidungen durchgeführten Spionage
über die russischen Verhältnisse mitunter das Misstrauen die Be-
satzungstruppen Fehlgriffe machen lässt, soll nicht bezweifelt
werden, und ebenso sollen sich fremde Reisende nicht wundern,
wenn sie, womöglich in chinesischem Kulianzug mit falschem
Zopf und Notizbuch beschwert imd fortwährend schreibend, etwas
unsanft im Reisevergnügen gestört werden ; auch in Europa stände
ich in solchem Falle nicht für mehr oder weniger kräftige Inter-
vention durch einen VVachsoldaten etc von dem hinwieder auch
nicht verlangt werden kann, dass er bei seinem Vorgehen etwa
ein Höflichkeitskonversationsbuch zur Richtschnur nehme. Gerne
gebe ich zu, dass mancher Uebergriff vorkommen kann, aber im
allgemeinen erschienen mir die Offiziere (die ich sah und teilweise
sprach) viel zu gebildet und höflich, um eine Zuwiderhandlung
Untergebener nicht alsbald zu rektifizieren, und wer die armen
Mandschuren gar so bejammert, der vergisst, dass sie sich unter
russischer Oberhoheit zweifellos zehnmal besser befinden, wenn
sie auch dem alten Verenüeen sich untereinander und andere zu
K. HEFELE, AUS DEM OSTENS
247
berauben und zu bestehlen nicht mehr so unbehindert nachgehen
können.
Für Fremde jeder Nation ist irgend eine Unannehmhchkeit
auf den Reisen kaum zu flirchten, sobald man sich vielen Karten-
schauens, Notizenmachens und Photographierens enthält, eine
bei militärischer Okkupation und einer Art Kriegszustand von
selbst einleuchtende Sache. Schärfer werden infolge der Ab-
neigung der Russen Reisende aus Japan beobachtet, ob mit oder
ohne Grund will ich nicht untersuchen. Aber es steht etwas
im Widerspruch mit der Tatsache einer offenbaren Zuneigung
zum weiblichen Teile japanischer Nationalität, von dem z. B. in
Harbin mehrere Hunderte ein vergnügtes Dasein führen.
Fhe ich mich abwende von dem Schienenstrange, der nun-
mehr zu so hoher Kulturaufgabe in Mandschuria und Sibirien
berufen ist und den Osten dem Westen nicht nur materiell sondern
auch geistig näher bringen soll, geziemt es sich wohl, auf die
Leichtigkeit hinzuweisen, mit der schon jetzt die Reise nach
Westen oder umgekehrt gemacht werden kann, und es ist
selbstverständlich, dass mit dem Ausbau der Linie von einem
strategischen zu einem Verkehrs- und Handc;lsmittel ersten
Ranges noch weitgehende Erleichterungen und Verbesserungen
erwartet werden müssen, worüber noch eine geraume Zeit vergehen
wird. Nimmt man Dalny oder Port Arthur als Ausgangspunkt
an (von Wladivostock aus ungefähr dieselben Verhältnisse), so
durchfährt man die Strecken :
I.
Kl.
Rubel.
II.
Kl. Rubel.
Tage.
Dalny — Mandschuria via
Harbin 1.901 verst (II.
Kl.)
39.60
39.60
4.5
Mandschuria — • Irkutsk
(i Mal wöchentlich i
Speisenwagen). i-302 „
3960
21.40
3,5
Irkutsk Moskau (Schnell-
zug). 5.106 „
118.—
66.95
8.—
(Luxuszug zweimal wöchentlich.)
S: 8.309 verst
192.10
127.95
15.0
Rechnet man hiezu die Verpflegung, welche für I. Kl. zu 5
Rubel und für II. Kl. zu 3 Rubel pro Tag anzuschlagen sein
mag, so kostet die Strecke Dalny-Moskau I. Kl. 192 -f 15 x 5
(= 75) = 267 Rubel(= 534 M).'ll. Kl. 128 + 75 = 203 Rubel
(=406 M). Die Fahrt von Moskau nach Berlin beansprucht
weitere 2 Tage und eine Auslage von ca 80 Rubel I. Kl. und 56
248 K. HEFEI.E, AUS DEM OSTEX.
Rubel IL KL, so dass mit Verpflegung 90 Rubel i. Kl. und 64
Rubel II. Kl. hinzugenommen werden müssten. Die Totalaus-
gabe mag sich also beziffern für:
Dalny-Kerlin 17 Tage I. Kl. 357 Rubel ( = 714 M) ; IL Kl.
267 Rubel (534 M). Da nun ab 1903 nicht nur I. Kl. Wagen in
die Züge Dalny-Mandschuria (oder Wladivostock-Mandschuria)
eingestellt werden sollen, sondern auch eine Vermehrung der
Geschwindigkeit beabsichtigt ist, so werden sich die Zeit- und
die Verpflegungskosten vermindern. Ist endlich die Strecke um
den Baikalsee vollendet und sind die verschiedenen Tu"nnels, Um-
leo"ungen und Brückenbauten in Transbaikalien, West- und Zentral-
Mandschuria allseitig fertig gestellt, so dass ein eigentlicher Schnell-
verkehr Platz greifen kann, .so wird die Zeit auf 9 Tage reduziert
werden können, und da die russische Regierung dem richtigen
Prinzipe huldigt, den Verkehr durch niedrige Fahrtaxen zu
heben, so werden auch die Fahrkosten sich um ein Bedeutendes
vermindern lassen.
Passa^riere, welche grosse Becjuemlichkeiten lieben, werden
z. Z. noch die Seeroute über Indien trotz höheren Zeit- und
Geldaufwandes vorziehen. Ich zweifle aber nicht, dass, wenn die
Sache ähnlich den amerikanischen Bahnen in Fluss und Vollendung
gekommen ist, die Ostasiendampfer sich der Scharen ihrer Passa-
giere beraubt sehen werden.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zurück zu unserem
Au.sgangspunte.
Die fernen Berge, die umso näher herantreten, je mehr man
südlich kommt, liegen blaudunstig im warmen Sonnenschein,
und die satten Farben roter Mohnfelder auf dem bräunlichen
Unter""rund des Bodens mit den in hellem Grün versteckten
Bauernhöfen grauer Schattierung geben ein friedliches, harmonisches
Bild, das dem Gedächtnis nicht so schnell entschwindet.
Indessen nähert man sich unaufhaltsam dem Endpunkte,
Tashitschiao, wo nach inzwischen erwogenem Plane die Südbahn
verlassen werden soll. Port Arthur, vom dem mich noch
1/2 Tagereise Fahrt trennte, musste ich leider aus demselben
Grunde wie die Baikalroute bei Harbin vermeiden, da die
Cholerafälle von dort in wachsender Zahl gemeldet waren und
ein vierzehntägiges Festliegen in Quarantäne sehr tief und un-
erwünscht in die zur Verfügung stehende Zeit eingeschnitten
hätte. In Tashichiao wurde daher der Zug verlassen imd auf
die Seitenlinie nach Yinkow, dem Hafen von Newchwang, über-
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 249
•gegangen. Yinkow war in zwei Stunden erreicht, und Nachts
10 Uhr entstiegen wir den Wagen auf einem massig erleuchteten,
von dem Höllenlärm chinesischer Gepäckträgerkulis erfüllten
Bahnhofe. Wir hatten nach einigen handgreiflichen Redensarten
zwei derselben ausgewählt, und nun gings in die Nacht hinein,
dem chinesischen Gasthause zu, dessen Diener nach Tashichiao
gekommen war, um Gäste anzulocken für sein Hotel, das auf
einer riesig grossen knallroten Empfehlungskarte, die der
Mann verteilte, als ein Ausbund von Sch(3nheit, Eleganz und
Komfort gepriesen wurde, in dem jeder reisende Europäer
einkehre.
P^in junger japanischer Student, der auf seiner Fahrt nach
Habaro vsk von Harbin auf dem Sungari bei einem Ueberfall
durch Räuber rattenkahl ausgeplündert worden war, hatte sich
uns seit unserer Rückreise von Habarovsk angeschlossen, und da
er ein paar Brocken Chinesisch verstand, war er von Nutzen,
namentlich aber hier, wo es die Lage dieses Gasthausjuwels aus
den Kulis zu eruieren galt. Die Wanderung der kleinen Karawane,
aus meinem Begleiter, dem Studenten und mir sowie den
beiden Kulis bestehend, ging am Ufer des Liao-Hafens entlang,
durch Strässchen und Winkel zwischen einzelnen und zu Klumpen
vereinigten Lehmhütten hindurch, über freie Plätze mit Bauholz
und Tauen, über die sichs so lieblich stolperte ; dazwischen
huschten mehr wie zweifelhafte Gestalten vorbei und drangen
Stimmen aus einer Art Kneipe, kurz, man war in einem echten
und rechten Chinesenhafenviertel mit Düften ohne gleichen und
einem so wenig Vertrauen einflössenden Aeusseren, dass die
Hand den Revolver fester umspannte. Man denke sich dabei
diese Nachtscene durch ein fahles Zwielicht des hinter leichten
Wolken verborgenen Mondes undeutlich erhellt, das Gurgeln des
nahen Wassers, die gespenstischen Spitzen der Hunderte von
Dschunkenmasten auf dem P'lusse und die so herzlich wenig
Vertrauen erweckenden Gestalten, denen man begegnete ! Es
mag eine Stunde so fortgegangen sein, als unsere Kuli vor der
Rückseite, \\'ie mir schien, eines chinesischen Bauernhofes 5*''''
Güte, aus dem Licht und Lärm kam. Halt machten. Das Plotel
war erreicht, und auf etwas unmelodisches Schreien unserer
Träger kam der Portier und stiess das zerfetzte Hoftor auf, um
uns über einen richtigen schmutzigen, landwirtschaftlich verzierten
Hof in das Zentralgebäude abzuliefern, über dessen türlosem
Eingang am besten die Worte Dantes : ,, Lasst alle Hoffnun»
250 K. IIKFELE, AUS DEM OSTEN.
/curück, die ihr eintretet ! " gestanden liätten, wenn dieser Scheu-
nenlehmbau eine Tafel wert gewesen wäre.
Lassen Sie mich Ihnen diesse Hütte und ihre Gäste etwas
schildern. Sie bildet einen eigenen, bisher unerreichten Punkt in
der Reihe meiner Reiseerinnerungen. iJie ,, Gasthof" spielende
Scheune aus Lehm mit wenigen Papierfenstern war ein länglicher
Bau von einigen 15 oder 20 m nu't \'ier durch Lehnizwischen-
wände hergestellten Räumen und den Durchgängen in der Mitte ;
der Eintritt von aussen erfolgte direkt in die in ,, Schwarz " ge-
haltene Küche, wo bei einer unglaublichen Hitze auf qualmendem
Feuer in Töpfen erheblicher Grösse ein nichts weniger als
angenehm duftender Inhalt brodelte, der von den schlanken und
mit langen Nägeln bewehrten unsauberen Händen des Koches
in diverse Schüsseln zum Auftragen verteilt wurde. Rechts von
der Küche ging es direkt in zwei Haupträume, wo zu beiden
Seiten des Mittelganges in einer Art von \^'andnischen ein im
übrigen zahlreiches Publikum, meist nur mit Hose bekleidet, auf
Matten kauerte und mit lauter Unterhaltung die bereits geschil-
derten vom Kellnerkuli ohne Ser\^iette präsentierten schmutzigen
Schüsseln ihres Inhaltes beraubte. Rauch und Dampf von der
,, Küche " Hessen die Oelfunzeln dieser Räume bald blinzeln
wie PÄilcn und bald wieder hell aufjauchzend ihre volle Leucht-
kraft entfalten, was beinahe einen Walpurgisnachtähnlichen Teufels-
zauber hervorbrachte ; links vom Eingang, und durch die Küche
zu betreten war der Staatsiaum des Hausherrn, das Privatkontor,
mit zwei Hoizpritschen zu beiden Seiten und einem kleinen
Tisch, bereits besetzt, aber nur von zwei Gästen und daher uns
zum Aufenthalte angewiesen.
Eine im Rucksack noch aufgefundene Konserv^e stillte mir
den Hunger, ein Rest von Wodka den FJurst. Auf einer der
Pritschen sitzend und umringt von neugierigen, schwitzenden, in
nichts weniger als Weiss gekleideten Küchenkulis, hatte ich dabei
genügend Müsse, die Aussichten auf Nachtruhe zu überlegen,
wenn ich die Lumpen ansah, die dem schlafenden vis-ä-vis als
Decke dienten. Der edle Gast, der auf einer etw-a spannhohen
Art von Longchair aus Holz, mit Matte bedeckt, ruhte, bemühte
sich in angemessenen Zwischenräumen, w^enn ihm im Traum
etwas im Hals stecken geblieben sein mochte, sich zu räuspern,
und revidierte bei dieser Gelegenheit seine Schlafstätte, indem er
mit einem eigens jedem Reisenden vor dem Bettgehen überreichten
kleinen Besen unberechtigte Bewohner seines Longchairbettes
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 25 I
unbarmherzig auf den kalten Lehmboden, der den Alittelgang
der ,, Zimmer" bildete, oder auch auf die Füsse passierender
Gäste liinabbürstete. Man wird es mir kaum übel nehmen, dass
ich mich auf einen Nachtspaziergang bereit machte und auf
solche Ruhekissen v^erzichtete, auch war's enorm heiss in diesen
Räumen. Da pries der aufmerksame Wirt der räuberartigen
Hotelgesellschaft den Pav'illon im Garten an, der, erst seit lo
Tagen in Form eines Pferdestalles aus Stroh erbaut, mit zwei Reihen
Matten einen verhältnismässig reinlichen und namentlich kühlen
Aufenthalt versprach ; auch mochten die Legionen der Klein-
tierweltvertreter sich dort noch nicht so üppig eingenistet haben.
Hier ruhte ich denn auch, gestiefelt und gespornt hingestreckt
den Kopf auf dem Rucksack, den Wettermantel als Deckbett
nützend, den Revolver in Faust, und konnte die Nacht mit
Beobachtungen zubringen, wie spät das Treiben in dieser Höhle
schloss, und wie die allmählich im Gartenpavillon eintreffenden
Schlafgäste die Austreibung ihrer Inwohner per Besen ebenso
gründlich auf den Mittelgang besorgten, indem sie sorglich ihre
Hosen abbürsteten, ehe sie sich auf die Matten legten. Manch
ein konfus Problem wanderte mir während der Nacht durch den
Kopf, und eine intensive Beobachtung einiger mir besonders wenig
vertrauenswürdig erscheinender Brüder, die beim Schein einer
Lampe geschlossenen Auges sich stellten, als ob sie in tiefem
Schlafe lägen, vertrieb mir rasch die Nacht, und als der Morgen
graute, verschmähte ich sogar das vorhandene gräuliche Wasch-
wasser ; nach Zahlung der Hotelrechnung im Betrage von 20
sen pro Mann wanderten wir hinweg von dieser schönen Stätte,
die bei Tag noch mehr von ihrem romantischen Reiiie verlor und
geradezu abschreckend auf Gesichts- und Geruchsnerven wirkte
So bin ich auch einmal in einer richtigen Chinesenkneipe
gewesen !
Der Weg zum Fluss war bald zurückgelegt, denn um zum
Bahnhof der nordchinesischen Bahn auf der anderen Seite des
Liao zu gelangen, ist beim Mangel einer Brücke, welche die
Verbindung zwischen dem russischen Endstück Tashichiao —
Yinkow und dem Bahnhof auf dem Westufer des Liao der
chinesischen Nordbahn herstellen könnte, eine Bootfahrt nötig,
und da wir Abends weit stromab gewandert waren, hatte man
ein gut Stück zurückzufahren. P^ine Schar bezopfter Ilimmels-
söhne verfolgte das gleiche Ziel, und zum Schluss mochten sich
200 Menschen auf der Dschunke eingefunden haben. Da war der
252 K. IIKFELE, AUS DEM OSTEN'.
bcliäbige, x'crhältnismässig reinlich gekleidete chinesische Beamte
mit seinem Stab von Sekretären und Dienern, daneben Hand-
werker, Kaufleute und endlich ein Lehrer mit sehr intelligentem
Gesichtsausdruck, der sich kaum über das schwankende Lan-
dungsbrett auf das Schiff getraute und eine an einem Stäbchen
mitgeführte kleine, 1/4 m grosse Flagge mit seinen Personalien
neben seinem geringen Gepäck aufpflanzte, als er endlich auf
Deck sass. I^ine unter seinen Nachbarn lebhaft geführte Debatte,
zweifellos über seine Zaghaftigkeit auf dem Brett, bekundete,
dass auch hier die reinste Freude die Schadenfreude ist.
Geradezu überwältigend wirkte während der ca i stündigen
Fahrt der Anblick des Hafens von Newchwang d. h. des Liao-
Flusses bei Yinkow. Diese Tausende und Tausende von Dschun-
ken mit ihren Masten, welche Produkte des Landes aus dem
Innern den Liao herab zur F^inschiffung auf verankerte grössere
Dampfschiffe brachten oder Rückfracht aus den.selben landein-
wärts nahmen, gingen und kamen, das Ameisengewimmel von
geschäftigen Menschen, welche dabei ihren Verdienst finden,
das Schreien, Gestikulieren, Rennen, Schimpfen, Hasten und
Stossen, es ist ganz unglaublich. Hier bekommt man erst einen
Begriff von der Bedeutung des Liao als Haupt-Export- und
Importkommunikationsmittels während des Sommers. Da liegen
bis zum Rande mit Bohnen gefüllte Boote, dort sind hoch auf-
getürmt am Lande die Bohnenkuchen, diverse Hülsenfrüchte,
Reis und ungezählte eigenartig gleich aussehende Kisten oder
mit Papier wasserdicht gemachte Körbe, Bohnenöl enthaltend.
Samshu ist in Steinkrügen oder wasserdichten Körben v^erpackt.
Tabak, Seide, Haut, Hunde- und Ziegenhäute (als Decken etc.
präpariert) warten der Verladung, und daneben wird, wie man
mir versicherte, unter anderer Ladung Opium aus Heilung-
chiang und Gold aus Pleilungchiang und Kirin geschmuggelt. All
das ist im Winter zum Liao auf dem Landwege gebracht worden,
und die gleich dem Sand am Meere zahllosen Aufbewahrungs-
magazine entleeren nun ihre Schätze in die Dschunken und diese
wieder, wenn sie Yinkow erreicht haben, in die grossen Dampfer.
Als Import nehmen sie dann Zucker, Salz, Baumwollstoffe aus
China und Japan sowie leichtere englische Stoffe u. s. w. auf
ihrer Bergfahrt mit, von wo diese Importen dann im umgekehrten
Verfahren ihren Weg ins Innere finden.
Ob die Eisenbahn diesem Treiben bis zu einem gewissen
Grade ein Ende machen wird ? Man behaupte!: es, da die Lager-
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 253
gebühren der Exportprodukte über Winter und die Kosten des
Land- und Flusstransportes bis Newchwang der Konkurrenz der
Eisenbahnfracht, die zudem einen Geschäftsgang ohne Unter-
brechung garantiert, nicht standhalten könne. Ich bin auch der
Meinung, dass die zentralmandschurische Bahn weitreichenden
Einfluss und die Oberhand gewinnen wird. Ein Land von 360.000
englischen Quadratmeilen wie die Mandschurei, um ein gut
Teil also grösser als Deutschland, ist namentlich für den Osten
ein zweifellos nicht zu unterschätzender Faktor als Exporteur
und als Abnehmer, besonders wenn man bedenkt, dass seine
riesigen natürlichen Hilfsmittel erst zur Vollentwicklung gebracht
werden müssen, und als ein Mittel dazu ist ja die zentral-
mandschurische Bahn gebaut worden, die bestimmt ist, mit den
grossartigen, aber antiquierten Transportverhältnissen auf dem
Liao aufzuräumen.
Die Eisenbahnfahrt von Yinkow auf der nordchinesischen
Bahn nach Shanghaikwan in ziemlich guten, wenn auch nicht
so grossen Wagen, wie die russisch-mandschurische Linie sie
besitzt, bot des Interessanten nicht viel. Ode, marschig und
höchstens ab und zu mit einem niederen Gestrüpp bedeckt, liegt
bald nach dem Verlassen der Station das Tiefland, auf dem die
Salzgewinnung durch Austrocknen von Seewasser erfolgt, in der
Sonnenglut.
Wir sind die ersten Stunden Fahrt noch im Flussgebiet des
Liao, und erst späterhin wird das Gelände mit seinem langweiligen
Grau durch Weidenbüsche etwas freundlicher, um aber bald
darauf wieder durch den Anblick von zerstörten kleinen Dörfern
(wohl vom Kriege her) und durch die zahllosen Gräber noch
einen um einige Töne dü.stereren Anstrich zu bekommen. Wie
eine organisierte Versammlung nehmen sich diese Totenstätten,
einfache runde Erdkegel von i m Höhe, an der Spitze mit einem
abgeplatteten Stein bedeckt, aus. Um einen grösseren Grabhügel
scharen sich, wie um das Haupt der Familie oder des Clans,
eine Reihe kleiner. Kein Name nennt ihre Zugehörigkeit, sie
mögen einzig der Familie bekannt sein, deren Glieder hier ruhen.
Hochwasser oder eine hohe Flut vom Meere her wird oft genug
auch diese letzten verbliebenen ^Erinnerungen an teure Tote vom
Erdboden verschwinden lassen.
Die Gegend ist im ferneren wechselweise hügelig und flach,
im allgemeinen niedrig-wellig, und sobald die ursprünglich nord-
westliche Richtung der Bahn in eine südwestliche übergeht,
254 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
Stellen sich auch die unabsehbaren Felder von Kaoliang (Holcus
Sorghum), Mais und Bohnen ein, unterbrochen von einigen
Strichen süsser Kartoffeln. Wald ist weit und breit keiner zu
bemerken, nur Prunus Mume, Maulbeer, Pappeln und W'eiden-
bäume sind in einzelnen E.xemplaren sichtbar und in dem üeber-
schwemmungsgebiete zahlreicher Flüsse und Wasserläufe, welche
man überfihrt, haben sich einige grössere Partieen von Pappeln,
Weiden, Ulmen als eine Art von Anwald eingefunden.
Gegen Abend, ehe man Shanghaikwan erreicht, sieht man auf
einigen grösseren Hügeln des völlig vegetationslosen bergigen
Terrains Wachtürme aus alter Zeit, kühn im Bau und dräuend
noch trotz des bettelhaft zerlumpten Aeussern ; es sind die Vor-
posten der chinesischen Mauer, die hier in der Nähe aus dem
Innern des Landes über das Gebirge herab zum Meere verläuft.
Shanghaikwan, das mit einbrechender Dämmerung erreicht ward,
liegt unmittelbar an derselben, ja der grosse Wall ist auf einer
Seite in die Stadtbefestigung einbezogen, so dass wir Shanghai-
kwan als ein Art Festung an der grossen Mauer selbst betrachten
müssen, deren Verteidigungskraft, ebenso wie jene der grossen
Mauer, längstvergangener Zeit angehört. Auf den drei modernen
Forts in der Nähe, die den Barbaren des Nordens und Ostens
den Einfall ins Himmlische Reich wehren sollten, weht leider
— die russische Flagge.
Die Lage von Shanghaikwan entbehrt durchaus nicht einer
gewissen natürlichen Anmut, und das dunkle, zackige Gebirge
zur einen, die fruchtbare Ebene zur anderen Seite, die Riesen-
schlange der chinesischen Mauer, wie sie sich vom Meere
durchs ährenwogende Gelände zum Berge hinanschlängelt, bis
Sie in einer Hochschlucht verschwindet, um an einer Biegung
weiter oben wieder wahrnehmbar zu werden, die altertümlichen Be-
festigungen, die mächtigen Tortürme von Stein und Holz, deren
zahllose Fenster in kindlicher Naivität auf den Läden der
Fensterhöhlen dräuende Geschützmündungen gemalt zeigen, so
dass man sich auf ein paar Minuten in der Entfernung wirklich
täuschen lässt: all das macht in seiner malerischen Gruppierung
einen günstigen Eindruck.
Die Ruhe des Verfalls herrscht in den verwahrlosten Strassen
des Städtchens und auf der einst für unüberwindlich gehaltenen
grossen Mauer, deren turmartige Verbreiterungen in regelmässi-
gen Abständen von ca lOO m die Monotonie der langen gleichar-
tigen grauen Linie unterbrechen und deren Wachthäuschen mit
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 255
ihrem filigranartig durchbrochenen Holzwerk und den bunten
Ziegeln von künstlerischer Vollendung eine gewisse Abtönung des
rauhen Zwecks erreichen. Hier weht Aloderluft zerfallener Grösse,
dort unten aber zieht die neue Zeit ein unter disharmonischem
Pfiff ihres Symbols, der Lokomotive. Die grosse Mauer ist für
sie durchbrochen, als ob Artillerie Bresche geschossen hätte,
und im Widerspruche mit praktischen Gründen bedauere ich doch,
dass man den stolzen Mauerkoloss mit seiner nahezu 2.000
jährigen Vergangenheit nicht einmal eines Durchfahrt-Bogentores
gewürdigt hat, so dass er die ewige Wahrheit ; ,. Das Alte
stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den
Ruinen " der Nachwelt würdiger überliefern könnte.
Ich möchte jedem Reisenden raten, die chinesische Mauer
hier zu besuchen, wenn ihm nicht Gelegenheit gegeben ist, sie
in allerdings besser erhaltener Gestalt und grossartiger am Nankow
Pass, ri Tagereisen westlich von Peking, sehen zu können.
Sie ist den Besuch wohl wert und deucht mir nicht der ,, riesen-
hafte, nutzlose Steinwall, welcher die Hügel und Berge hin-
aufklimmt und dann wieder in die Täler hinabtaucht", wie ihn
John Thompson * genannt hat, sondern sie repräsentiert, meine
ich, die gigantische Wucht Chinas, von mächtiger Faust in
Schwung gesetzt ; sie ist ein Denkmal seiner riesigen Bevölkerungs-
grösse, dieses j^^ ^^^ Erdumfanges messende Verteidigungswerk
gegen die nördlichen Stämme, und ein Ausdruck der, wenn auch
heutzutage falsch angewendet erscheinenden Kraft, von welcher
der Westen zittern mag, wenn sie einmal gelernt hat, ihre
bisherige philosophische Weltanschauung abzustreifen und ihre
physischen und geistigen Fähigkeiten mehr im modernen Sinne
zur Entfaltung zu bringen. Vorerst freilich steht die ,, gelbe
Gefahr" noch im langen Felde, und der Streit über die Möglichkeit
oder Unmöglichkeit des Aufrütteins Chinas aus seiner Schlafsucht
ist ein würdiges Objekt des Disputes zwischen bewährten Heroen
des Geistes und solchen praktischer Erfahrung. ^Möchten die
Nationen, welche Chinas Zukunft auf moderner Linie vorwärts zu
treiben suchen, niemals erfahren, dass sie die Geister, die sie
riefen, nicht mehr werden zu bändigen vermögen !
Die Eisenbahnlinie von Shanghaikwan bis Peking bildet
ausser bis gegen das letzte Drittel hin wenig Besonderheiten.
Die festungsartig mit Mauer, Schiessscharten und Türmchen ver-
* Through China witb a Camera p. 269.
256 K. IIKFELE, AUS DEM OSTEN.
scheneii Stationen in ihrem weissen oder grauen Anstricli werden
von Shanghaikwan ab von (englisch) indischen Shiks bewacht,,
während bis liierhcr die Russen die Besetzung in Händen
haben. Dass wir hier noch nicht ganz im friedlichen Zustande
leben, wurde uns zum Bewusstsein gebracht, als ein paar japa-
nische Militärs zu uns in den Wagenabteil einstiegen, um ein
paar Stationen mitzufahren bis zu einem Platze, von wo aus
sie dann eine Strafexpedition gegen chinesische Räuber, welche
eine Ortschaft beinahe unter den Augen der Bahnbesatzungs-
truppen niedergebrannt und geplündert hatten, zu feiten. Man
könnte sich, ohne um eine Antwort verlegen zu sein, doch
leicht auch die Frage stellen, was aus all der mühsam
erzwungenen Ordnung und Kultur werden wird, wenn die Be-
satzungstruppen abziehen und China die Ruhe allein aufrecht zu
halten hat. Hoffentlich fehlen ihm die Machtmittel dazu nicht,
und doch bezweifle ich, ob sich hier und anderorten die Leute
ebenso sicher fühlen werden wie ehedem, wo die allerdings
fremde bewaffnete Faust auf Ordnung und Recht hielt.
Vom Wagen aus sah man einige Stunden nach Shanghaikwan
über niedriges Küstenland in der Ferne die See, da wo Ching-
wangtao liegt, ein eisfreier Hafen mit tiefem Wasser, dessen Ein-
richtung für die Zwecke der Schifffahrt und des Handels mit
allen Mitteln vorwärts getrieben zu werden scheint, um einen
neuen Konkurrenten für Dalny und Newchwang zu schaffen.
Von Tangho bis Tangku am Peiho bleibt die Bahn ziemlich
weitab vom Meere, und das gewöhnliche Bild mandschurischer
Ackerlandwirtschaft: Sorghum-, Mais-, Tabak-, Bohnen-, Melonen-
und Kürbisfelder etc tritt wieder in sein Recht ; einzelne Bäume
und Gebüsche von Weiden, Pappeln, Kiefern, Gingko oder Ailan-
thus mögen vielleicht als Reste ehemals grösserer Waldstücke
aufgefasst werden, zur Zeit dienen sie tatsächlich fast nur als
landschaftliche Dekoration, ein wirtschaftlicher Wert kommt ihnen
in keiner Weise zu. In der Nähe Tangshangs befinden sich
Kohlenbergwerke, und man begegnet den schwarzen Diamanten,
auf zahllose Waggons verladen und in Güterzügen gegen Norden
geschleppt. Aufgefallen ist mir hiebei die geringe Grösse der
Stücke, ich bin jedoch mangels genügender Information ausser-
stande, anzugeben, ob dies auf natürliche Ursachen oder auf
Absicht zurückzuführen ist.
Die Gegend um Tangku, jene Station, nach welcher die
Bahn in scharfem Winkel ihre bisherifie Südrichtun<j in rein
K. HEFELK, AUS DEM OSTEN. 25/
westliche Direktion verändert, ist als marschiges oder Ueber-
schwenimungsland des Meeres und insbesondere des hier mün-
denden Peiho anzusehen ; gegen Westen zu erkennt man den
Rauch der Dampfer auf der Taku Rhede weitab vom Lande,
und einzelne unvermittelt aufsteigende Bodenerhebungen in glei-
cher Richtung wurden als die vermutlichen Reste der ehemaligen
Forts an der Peihomündung richtig angesprochen. Eine Zeitlang
noch ist bei der Weiterfahrt einiges Land vorherrschend, dann
mehren sich die Zeichen regen landwirtschaftlichen Betriebs,
je näher man Tientsin kommt ; weiterhin bis Peking behält
sodann die Gegend in der zweifellos ausserordentlich fruchtbaren
Peihoniederung den Charakter reichster Bodenfruchtproduktion bei.
Bei Tientsin sieht m.an ein weites Areal von Grabhügeln
bedeckt : der Kirchhof von Tientsin. Tientsin selbst ist vom
Bahnhofe zu weit entfernt, als dass man viel von seinem chine-
sisch-europäischen Geschäftsleben wahrnehmen könnte ; der Rück-
weg von Peking sollte uns jedoch näher damit bekannt machen.
Es hat eines ganzen Tages Fahrt ab Shanghaikwan auf dieser
sehr gut gebauten Bahn bedurft, bis wir dem ersehnten Ziele
Peking nahe kamen.
Die Einfahrt in Peking ist ziemlich unvermittelt, es ist
nicht vieles, das auf die Nähe einer Millionenstadt deutet, man
durchfa.hrt eben eine Oeffnung in einer plötzlich auftauchenden
Mauer und ist in der Chinesenstadt, in Peking, angelangt. Zu-
nächst saust der Zug noch eine geraume Weile zwischen
einem regellos scheinenden Gemengsei von Häusern mit ihren
Lehmwänden und grauen Ziegeldächern, von Feldern, Büschen
und Sumpflöchern, Grabdenkmälern und Strässchen, Bächen und
Brücken hindurch, bis endlich nach Passierung einer grossen
Pagode aus Lehm und Ziegeln die gewaltige, zinnengekrönte
Mauer der Tartaren.stadt in Sicht kommt.
Der Zug verminderte seine Geschwindigkeit, als wir den ge-
waltigen Mauerkoloss entlang kamen. Manch neugieriges Gesicht
blickt zwischen den Schiessscharten von oben herab auf die In-
sassen des Zuges, und siehe da, nicht immer ist's ein fremdes
Mongolenantlitz, das unser Auge erspäht, sondern ab und zu
begrüssen wir Europäer oder gar uniformierte engere Landsleute,
Deutsche, mit frohem Kopfnicken. Peking ist ja besetzt, und
ich habe noch oft im Laufe der folgenden Tage Gelegenheit
gehabt, Landsleuten zu begegnen, ja mit ihnen frohe Stunden
gemeinsam zu verbringen.
258 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
Fast will man nicht glauben, dass dieser unscheinbare
Bahnhof von Holz, etwa jenem einer kleineren Station der
Hokkaido-Bahn in Japan gleichend, für die gewaltige Millio-
nenstadt Peking passend oder zulänglich sein soll. Aber vor-
derhand genügt's, und das weitere wird folgen, hat einmal der
Chinese sich mit der Sache als solcher ausgesöhnt. Und es
scheint, als ob dies nur zu leicht erfolge.
Staubig, müde und hungrig die Frage nach Unterkunft v^on
den am Bahnhof zum Empfang erschienenen Japanern (im
Konsulats- etc-Dienste) durch die Empfehlung eines chinesischen
Hotels beantwortet zu erhalten, wirkte nach den geschilderten
Erfahrungen von Yinkow keineswegs im Sinne einer Steigerung
der gehobenen Stimmung über das Erreichen von Peking ;
indessen fanden sich die Erwartungen diesmal tatsächlich weit
übertroffen. Europäische Hotels, und es gibt solche, so viel ich
weiss, wurden mit Rücksicht auf den Reiseetat freilich auch
gerne vermieden.
Nach kurzer Kurumafahrt in schrecklichem Staube war das
an der Hatamenstrasse, jedoch gegen die Rückseite gelegene
Gasthaus gefunden. Da der Wirt sich als Japaner entpuppte,
war auch die Verständigungsfrage gleich in bester Weise gelöst.
Ehe das Flaus diesem Zwecke diente, war es wohl das Heim eines
chinesischen Noblen, wenigstens deutete darauf die Bauart, die
Pflasterung seiner Böden mit genau verpassten Steinfliesen und
das Schnitzwerk der Wände in den eben gelegenen Wohnräumen
gegen den von alten schattenspendenden Bäumen überdeckten Hof
zu. Wenn auch die Einrichtung der stolz Betten genannten
linnenbezogenen Strohsäcke, das löcherio-e Aloskitonetz und das
sehr sparsame Waschmobiliar keineswegs noch den Gedanken
an Ebenbürtigkeit mit einem wirklichen Wirtshause einfachster
Art aufkommen Hessen, so schien es mir doch nach den Erfah-
rungen der Reise bisher wie ein Paradies. Es war ein stiller
Platz, zu dem der entsetzliche Lärm Pekings nur ganz ver-
schwommen drang, und Speise und Trank verdienten Lob.
Chinesisches Essen schmeckte mir in der Tat besser als
japanisches, und ich denke, das wird jedem Europäer ebenso
ergehen, da es eben mehr ur.d kräftigere Pleischgerichte enthält
als das wenig nachhaltige japanische mit seiner P"ischdiät. Nach
ca acht, fast immer in Kleidern verbrachten Tagen freut man
sich doppelt auf das Bad, das nach guter japanischer Sitte des
•Gastes wartet. Noch lancfe sass ich am Abend im Mond-
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 259
schein v^or der Tür meiner Schlafraumes gegen den Hof, durcli
den das Laub der Bäume seltsame Figuren auf den Boden bildete,,
und da nur wenige Gäste hierher zu kommen pflegen, so ist
man u'enig in seinen Gedanken gestört.
Peking ! wie eine längst entschwundene Erinnerung aus ver-
gangener Jugendzeit klingt der Name, nach dem das in weite
Fernen sich sehnende Herz in seinem unreifen Jugendreisedrange
verlangte, ohne viel mehr davon zu wissen, als dass es irgend-
wo ganz weit im Osten liege. Und nun, wie anders präsentiert
sich die Märchenstadt eines der grössten Reiche der Erde \
F'reilich jene Knabenträume sind längst verschwunden, und der
Aufenthalt im Osten hat auf den Alann lange genug vorbereitend
gewirkt, dass er das reale Bild nicht allzuweit von der Annahme
entfernt findet. Aber immerhin, der Hauch des Uralten, des
]\Iystischen und Fremden, meine ich, umwebt uns hier doch noch
mehr als an manch anderem Wohnplatze fremdartiger Völker
mit eigenartiger Kultur.
Mit gespannter Erwartung erfolgte denn auch immer schon
in aller Morgenfrühe der Aufbruch, um noch, ehe die unerträsr-
liehe Mittagshitze einsetzte, einen Teil der Sehenswürdigkeiten
kennen zu lernen. Diese Ausfahrten machen rasch mit dem
Leben und Treiben der Stadt bekannt, und wenn sich auch
die Läden, das Volk und der Spektakel, mit dem jegliches
Geschäft zur Abwicklung gelangt fast in allen chinesischen
Städten gleichen, so hat man hier doch potenzierte Energieen
und Grössen vor sich, und das Tohuwabohu der Hauptstrassen
in der Tartaren- und noch mehr in der Chinesenstadt ist ganz
unglaublich.
Die alte Ordnung der Dinge, wonach die nördliche Stadt
als die Stadt des Tartarenvolkes galt und die Anhänger der
regierenden Mandschu Dynastie allein beherbergte, dagegen die
südliche oder Chinesen Stadt den beherrschten Untertanen des
Himmlischen Reiches zugewiesen war, ist nicht mehr aufrecht
erhalten. Der kaufmännisch gewandte Chinese hat eben den
-Stolzen Tartaren aus seinem durch Sitte und Gesetz so .exklusiven
Quartier, der Tartarenstadt, vertrieben, wo er als eine Art grosse
Leibwache mit Haus und Hof um die kaiserliche Palaststadt
gruppiert die Dynastie beschützte ; heute findet man in der Tar-
tarenstadt beinahe mehr Chinesen als Tartaren.
Den besten Ueberblick über Peking hat man natürlich von
seiner grossen Wallmauer, diesem 14m hohen und an der Krone
200 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
14m breiten Bollwerke. Und docli, was man eit^entlich wahr-
nimmt, ist so (gleichförmig und monoton, dass man seine Ent-
täuschung für den ersten Moment nicht verbergen kann. Zwischen
Bäumen versteckt liegen die Tau.sende niedriger, aus Lehm
gebauter und mit grauen Ziegeln gedeckter Wohnhäuser mit
den kleinen von ihnen eingeschlossenen Höfen, und nur ein Tempel,
ein Yamen oder die Gebäude und Hügel der Kaiser- und der
verbotenen Stadt ragen etwas höher empor, scheinbar, aber
eigentlich nur, um noch grössere graugetönte Ziegeldächer zu
entfalten. Markant stechen dagegen vom Horizont dje auf der
Mauer über jedem Durchgang errichteten Toraufbauten ab ; es
sind teils dekorative, teils zur Verteidigung bestimmte niedrige
Türme mit fensterartigen Schiessscharten, auf deren Schliessläden
meist Geschützmündungen gemalt sind, welche für den ersten
Moment ebenso dräuend wirken, wie sie unschädlich sind.
Der Platz, auf dem wir uns eben befanden, war die auf die
Stadtmauer aufgebaute ehemalige Sternwarte, deren aus dem
17. Jahrhundert stammende von Jesuiten oder nach deren
Angaben künstlerisch gegossene kolossale, astronomisch freilich
wertlose Instrumente bekanntlich dem Verfall durch Transport
nach Europa entzogen wurden. Ich kann nur bedauern, dass
die wunderbaren Marmoraufsitze, auf denen sie standen, nicht
alle den gleichen Weg gegangen sind, zerstreut liegen die
prächtigen reliefgeschmückten Fundamentreste der Instrumente
umher. In der Nähe übten sich Bannerleute der verschiedenen
Banner im Bogenschiessen nach einer Scheibe, deren Papier-
spiegel längst entschwunden war, so dass der Treffer durch
Verschwinden des Pfeiles in dem Loche der Scheibe markiert
ward. Sie mutet komisch an, diese Waffenübung, wenn man
nebenan vom Schiessstand der Besatzungstruppen an der Mauer
die Büchsen knallen hört.
Bei der Fahrt zu den ehemaligen Prüfungshallen, zum
,, Hanlin ", tra versierten wir die Hattamen Strasse und besuchten
das im Bau begriffene Erinnerungstor aus weissem Mormor,
welches auf Kosten der chinesischen Regierung zur Erinnerung
an die Ermordung des P'rh. v. Ketteier errichtet wurde und vor
einigen Monaten, wie die Zeitungen bericliteten, auch vollendet
und eingeweiht worden ist.
Das Hanlin (die Prüfungshallen), die Stätte, wo Tausende
nach dem höchsten Grade eines ,, Hanlin-Gelehrten " oder gar
eines ,, Laureaten " strebten und sich auf Grund ihrer Examina
K. HEFELE, AUS DE.M OSTEN. 201
den Zugang zu den höchsten Aemtern und Würden erschlossen,
ist heute ein trauriges Wahrzeichen der Vergänghchkeit. Nur
wenige der ca lo.ooo Zellen sind noch vorhanden, in denen die
Kandidaten für 14 Tage eingeschlossen und scharf bewacht an der
Lösung der Fragen arbeiteten, wo mancher an Aufregung starb
und so mancher auch, wie ich mir denke, mut- und ratlos an
seinem Schreibpinsel gekaut haben mag. Eine dem Einsturz
nahe Konferenzhalle und ein Aufsichtsturm zeugen noch von
einstiger Pracht und schauen trotzig über ein zur Unkrautwüste
gewordenes Trümmerfeld, eine Spur der letzten Boxerunruhen.
In dem grossen, dann zunächst besuchten Lamatempel mit
den geräumigen Höfen und den Schätzen an alten Bronzen, Statuen,
Büchern etc, den wunderbaren Ornamenten seiner Schnitzereien
an den Decken und Toren, üben die harmonischen Verhältnisse
des Baus eine imposante Wirkung Freilich wird dieselbe stark
beeinträchtigt, wenn man die zerlumpte und schmutzige bettelnde
Gesellschaft sieht, welche sich im priesterlichen Gewände zudring-
lich unverschämt in verächtlichster Weise als berufene Vertreter
einer erhabenen Philosophie und Religion gebärden. W^ohltuend
wirkte dagegen wieder auf diese widerliche Erscheinung die
andächtige Stille im Tempel des Confucius. Kaum eingetreten
durch den Torbau über eine kleine Marmortreppe, steht man
still in Bewunderung dieser des grossen Philosophen würdigen
Erinnerungsstätte. Eine kurze Allee, welche die Eingangstreppe
und den Tempelbau verbindet, ist durch riesige, Jahrhunderte alte
PZxemplare einer Zypresse (Biota orientalis) mit ihren dunklen,
beinahe schwärzlichen Zweigen gegeben und drückt dem Ganzen
den Hauch des Mystischen auf, der im Verein mit der hier
herrschenden Stille ein Gefühl der Abgeklärtheit des Geistes und
Herzens von irdischem Tand erstehen lässt, das wie erfrischende
Luft den Geist durchweht. Der Tempel .selbst enthält nur die
Namenstafeln des ^Meisters und einer Anzahl seiner berühmtesten
Schüler.
Unweit des Confuciustempels befindet sich die Nationaluni-
versität, deren Zentrum die Halle der Klassiker bildet. Dieser
wunderbare Rotundenbau, in nächster Nähe umgeben von einem
marmoreingetassten kleinen Lotosteich, steht in einem grossen
Baumgarten. Dieser hinwiederum ist eingeschlossen von einer
Umfassungsmauer mit gedeckten Arkaden, unter denen ca 200
aufrecht stehende kolossale Steintafeln den Originaltext der neun
heiligen klassischen Bücher, das Alpha und Omega chinesischen
202 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
Wissens uikI chinesischer Denkart, cin^'cgraben enthalten — eine
steinerne Bibhothek für Jahrtausende und in einer Unigebun<(,
würdig ihres Wertes. Der Rotundenbau selbst, in reichster farbig
bemalter Schnitzerei gehalten, birgt einen Thron, da alljährlich der
Kaiser durch die besonderen prächtigen Zugangstore (Peilo's) mit
ihrer wunderlichen Architektur, ihren leuchtenden Farben und
den gelbglasierten Ziegeln (die kaiserliche Farbe ist gelb)
einzieht, inn hier den Klassikern den Tribut seiner Verehrung
zu zollen.
Man sieht so Vieles und Herrliches, dass es einen b,esonderen
Vortrag füllen würde, wollte man einigermassen erschöpfend den
Wundern Pekings gerecht werden. Was ein Maler und Zeichner
dabei ausserdem auf seinen Streifzügen erbeuten würde, möchte
noch ergiebiger sein. Nur eines möchte ich Ihnen noch mit
ein paar Worten zu schildern versuchen, da es für mich wenig-
stens das Eindrucksvollste gewesen ist, dem ich bisher im Osten
begegnet bin : es ist der Tempel des Himmels.
Man fährt von der Tartarenstadt auf der mit riesigen Quadern
bepflasterten Strasse, welche vom Kaiserpalast her zur Chinesen-
stadt führt, und deren seit Jahren niemals verbesserte Fugen
und generelle Vernachlässigung die Gefahr eines Beinbruches
für Menschen und Tiere gleich wahrscheinlich macht, um nach
ca l Stunde durch den Trubel der chinesischen Hauptgeschäfts-
strasse endlich an einer Mauer abzusteigen, die einen riesigen
Park einzuschliessen scheint. Tatsächlich durchschreitet man
inseits einen weiten, wiesenartigen Raimi mit einigen Baum-
gruppen oder kleinen Wäldchen, bis man am eigentlichen
Tore des Tempels angelangt ist und in die engeren Tempel-
gründe und Gebäulichkeiten Eintritt erhält. Auf weite Distanzen,
wie es scheint absichtlich auseinander gezogen, finden sich
Tore, Arkaden, Marmorbrücken, Lotosteiche, Treppen etc.
Alle überragend und sie an wirkungsvoller Form übertreffend
ist der ,, Tempel des Himmels " selbst. Schon der lang ver-
zögerte Zugang zum Sanctuarium über die Wiesen mit dem
duftenden Grase, durch die dunklen, ruhigen Baumgruppen, bereitet
die Stimmung für den Anblick vor, der den Besucher erwartet.
Kein Geräusch dringt in diese Abgeschiedenheit, es ist ein Platz,
wie ihn mutatis vmtamUs unsere Vorfahren für ihre Götter in
heiligen Hainen hatten, und da .steht auf dreifacher, weiss mar-
morner Terrasse mit ebenfalls dreifachem, tiefblau-glasiertem
Ziegeldach und goldener abgestumpfter Spitze ein runder, roter
K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN. 263
Holztempel mit wunderbarer Schnitzarbeit der Wände gleich
einem Märchen aus Tausend und Eine Nacht. Man weiss nicht,
was man mehr bewundern soll, die vollendete Detailarbeit in
Zeichnung und Malerei aussen und hauptsächlich im Innern
oder die Geschicklichkeit, mit welcher der Ki^instler bei einem
keineswegs sehr hohen Bau dem dreifachen Dache das Schwere
und Drückende, Uebermässige nimmt. Das Ganze ist aufgesetzt
auf eine Marmorterrasse, an der auch kein Ouadratcentimeter
ohne Reliefskulptur ist. Der Tempel des Himmels ist durch eine
marmorbelegte Strasse mit dem ziemlich weit davon entfernten
Opferaltar im Freien, wo der Kaiser alljährlich seine Gebete und
Opfer dem Himmel darbringt, verbunden. Auch diese Terrasse,
welche dem Chinesen als das Zentrum der Erde gilt, entspricht
in Kostbarkeit und Wirkung der Skulpturausstattung jener um
den Himmelstempel.
Man scheidet nur ungern von so viel Kunst und Geschmack,
die hier in Anlage und Ausfuhrung an den Tag gelegt sind.
Was aber bei allem, auch dem Kostbarsten an Tempeln, Toren
und sonstigen Bauten etc unlieb in Peking ins Auge fallt, das ist
der Schmutz, der Staub, die Verkommenheit und Nachlässigkeit,
unter denen solche Gebäulichkeiten zu leiden haben. Zwischen den
Marmorstufen des Himmelstempels, wo doch der Kaiser .selbst
alljährlich die Opfer darbringt, rankt das Unkraut ebenso üppig
hervor wie in den riesigen Höfen der verbotenen Stadt, im Kaiser-
palaste. Gewaltige Torbauten sind nicht selten in einer Verfassung,
dass des Himmels Wolken an einer Dachecke hoch hineinschauen,
und mehrjährige Gesträuche aus Mauerspalten von Verteidigungs-
mauern, Toren etc erzählen von der beschaulichen Ruhe, die
ihnen zu teil wird. Ueberall Verfall und Verkommenheit, wohin
man blickt, sobald Kommunal- oder Staatseigentum in Frage
kommt. Mit demselben Gleichmut wird das Steckenbleiben des
Wagens im Schmutz einer Strasse ertragen wie das zunehmende
Ueberneigen eines riesigen Peilos in irgend einer Strasse, das,
ein Erinnerungszeichen an eine heroische Tat oder einen
grossen Mann, eines Tages mit Sicherheit auf die Köpfe der
zu seinen Füssen wimmelnden Menschheit herabfallen wird.
Und erst die Läden und Buden der geschäfttreibenden Welt!
Gewiss, es gibt reinliche Läden in schönen Gebäuden, nament-
lich sind dies Seidengeschäfte von reichen Grosskauf leuten ;
aber die grosse Masse der Händler etc vom Kleinverkäufer bis
zum behäbigen Mittelstande ist in allen Formen von Häusern,
2^4 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEX.
Baracken und L(5chcrn untergebracht, und da wird unaufhörlich
gehandelt und oefeilscht bis spät in die Nacht. Schliesslich
kommt noch eine Armee fliegender Händler mit Esswaren und
kleiner Handwerker hinzu, die wie eine Schar Heuschrecken
rechts und links die eigentliche Häuserreihe belagern. Das
hämmert, quiekst, stampft, läuft, rennt, brodelt und duftet, ein
rechter Hexensabbat. Rechnet man, wenn eine drückende Hitze
über der Stadt lagert und die zahllosen Wassertünpel und grün-
lichten Schlammpfützen austrocknen, den JNIangel jeglicher Ab-
fallgrube und jeder Kanalisation hinzu, so kann man «sich eine
Vorstellung von dem Dufte machen, den die zahllosen Bäume in
den Hofräumen und Hausgärten der Pekinger Einwohner nicht
immer zu paralysieren imstande sind.
Wie eine Oase nimmt sich dagegen das Gesandtschafts-
viertel durch seine Reinlichkeit aus. Vielleicht mag dies auch
für die leider z. Z. unzugängliche verbotene Stadt, wo die kaiser-
lichen Paläste sind, gelten ; fiir die weitere Umgebung der
verbotenen Stadt, für die Kaiserstadt, ist aber das geschilderte
Stadtbild Pekings hinsichtlich der Verwahrlosung ebenfalls als
zutreffend zu betrachten.
Das Gesandtschaftsviertel ist eine Schöpfung der neuesten
Zeit seit Beendigung der Boxerunruhen, und mit einer wahren
Genugtuung und mit freudigem Aufatmen durchwandert man die
freundlichen zusammenhängenden Quartiere der Gesandtschaften.
Reinlichkeit, Ruhe und Ordnung, dem chinesischen Polizisten
unbekannte Begriffe, sind hier aufrecht erhalten durch patroul-
lierende Soldaten, und da hier nur militärische oder Dienst-
gebäude der Zivilbehörden der fremden Nationen, Kirchen etc
sich befinden, so ist ein Ruhepunkt für den müden Wanderer
gegeben, der ihm nach dem nervenaufregenden Getriebe der
Stadt einige Erholung bietet.
Zwischen Hatamen und Wassertor, an die Nordseite des
die Tartaren- von der Chinesenstadt scheidenden grossen Walles
angelehnt, hat man von dem letzteren einen guten Ueberblick über
die ganze Fremdenkolonie. Hier tobte, wie mir ein befreundeter
Offizier erklärte, der Kampf zwischen Boxern und den in den
Gesandtschaften Eingeschlossenen, (und ich habe noch eine sehr
mit Kugeln gespickte Mauer gefunden), da fiel Graf Soden aus,
dort war ein Teil der deutschen Gesandtschaft in Trümmern etc
etc. Aber im grossen ganzen ist wenig mehr von der ursprüng-
lichen Form der Bebauung, wie sie vor den Unruhen war, zu
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 265
sehen, da tausende von chinesischen Häusern dem Erdboden
gleichgemacht wurden, um Raum fdr Konzentrierung der Gesandt-
schaften, Neubauten etc zu schaffen. Vor allem ist anlehnend
an die in die Verteidigung einbezogene Partie der Stadtmauer
(Tartarenmauer) zwischen Wasser- und Hatamentor eine Um-
fassungsmauer um das ganze Gesandtschaftsviertel gezogen mit
Wassergraben und einem abgeräumten Glacis von ca 300 m
Breite davor. Die Schiessscharten in der Mauer sind zwar
verklebt, aber so praktisch, dass ein Stoss mit der Faust die
Oeffnung für das Gewehr sofort in Bereitschaft setzt. Ein kleines
Häuschen auf der grossen IMauer, unschuldig nach seiner ehema-
ligen Bestimmung glaube ich ,, Gartenhäuschen " genannt, hat
INIauern von Meterdicke erhalten und beherbergt Kanonen, deren
^^'irksamkeit durch den hohen luftigen Standort garantiert ist ;
iinderweitige Ueberraschungen sollen für die Absicht einer Wieder-
holung des Rummels von Seite der Chinesen noch vorbereitet
sein ; die einzelnen Abschnitte der Verteidigungslinie sind den
diversen Gesandschaftswachen ständig zugeÄviesen, und die Schnell-
feuergewehr-Stände, die ich in Abständen zwischen den Schiess-
scharten angebracht sah, dienen zweifellos auch nicht blos dekora-
tiven Zwecken.
Wie schlug das Herz höher, als man wieder deutsche
Soldaten, deutsche Offiziere in der kleidsamen Tropenuniform
sah und manch bekannter Dialekt ans langentwöhnte Ohr
schlug.
Die Tage von Peking gingen nur zu rasch vorüber ; ein
anstrengender Ritt zum kaiserUchen Sommerpalast war leider
nicht von Erfolg gekrönt, da ihn auch die Aktenformat hal-
tende knallrote Visitenkarte meines deutschen Freundes nicht
öffnen konnte, der als Mandarin IV. Ranges (infolge früherer
Dolmetschertätigkeit im Kriege) sicher darauf gebaut hatte. Die
auf Erpressung eines „ Bakschisch " hinausgehende Weigerung
des dortigen Wachkommandanten fand bei uns statt \'erständnis
Entrüstung, und so zogen wir leider unverrichteter Sache ab ;
aber der Ritt gegen die hohen Berge zu, welche das flach liegende
Peking im Westen in der Ferne halbmondförmig cinschliessen,
die frische reine Morgenluft, die freundliche, landwirtschaftlich
gut kultivierte Gegend und die Wohltat, dem Spektakel Pekings
entronnen zu sein, taten das ihre, um keinen üblen Humor
aufkommen zu lassen, obwohl der Sommerpalast nach seiner
Lage und, so viel man von aussen davon sehen konnte, auch
266 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
nach seiner raffinierten Ausstattunc^ ein cclit kaiserliches Buen-
Retiro sein muss. Die wachhabende moderne chinesische In-
fanterie machte in ihrem blauem Anzug, dem kleinen Strohhütchen
ä la bonnet und dem in einen Knoten geschlungenen Zopf
keinen üblen Kindruck, wenn auch die Gewehre der Wache
so ziemlich in allen Ecken und Winkeln lagen und standen.
Beim Ritt nach Hause zurück begegnete man einer Menge
festlich geputzter Chinesen und, was seltsamer schien, einer
Anzahl mandschurischer und chinesischer Frauen der besseren
Stände, die sonst so selten sichtbar sind. Es galt, wie sich
bald herausstellte, einem Feste bei einem Tempel. Das,
wie es scheint, für jede Festlichkeit unerlässliche Abbrennen
von Schwärmern etc ist dann ein Extravergnügen zweifel-
haftester Art für Reiter mit nervösen Pferden. Während
es dem Fremden unmöglich sein dürfte, einen Mandschuren
von einem Chinesen zu unterscheiden, ist dies leichter bei
den Frauen, da diese keine verkrüppelten Füsse und eine
eigenartige Haartracht besitzen. Diese letztere sieht einem
kurzen horizontal am Hinterkopf getragenen Lineal, um das die
Haare gewunden sind, nicht unähnlich. Alsbald ist man wieder
im Bereich der grundlosen staubigen Stadtstrassen, und die von
Tag zu Tag zunehmende Hitze machte den Abschied von Peking
nicht allzu schwer.
Als allmählich die Mauern und Tortürme Pekings dem
y\uge entschwanden und der Zug wieder durch die Kaoliang-
und Bohnenfelder gegen Tientsin rollte, da erfüllte es mit
innerer Befriedigung, diese mysteriöse Hauptstadt eines der
grössten Staaten der P>de gesehen zu haben. Die Begriffe
formen sich leichter, wenn man das Volk im Zentrum seiner
Eigenartigkeit beobachten kann. Dass aber der Chinese der
l^curteilung ein schwieriges Problem bietet, das unterliegt
keinem Zweifel und kommt in den oft divergierenden Schlüssen
der Abhandlungen über Chinas Zukunft zum Ausdruck. Der
Küstenchinese ist ein anderer als der Inlandbewohner, der Norden
ist verschieden vom Süden, der Osten vom Westen, und wenn
man von der Zahl der Dialekte in China auf die Verschieden-
hjiten in Anschauung und Sitte und Ciiarakter des Volkes
einen Schluss zieht, so stellt China vielleicht die grösste Ver-
einigung von Widersprüchen dar, die nur durch gewisse
Bande der Rasse und Religion zusammengehalten werden.
Unter fremdjni Einüass wird djr Cliinesc zu allem zu
K. HEFELE, AUS DEM OSTEX. 20/
bringen sein und seine besseren Eigenschaften entwickeln, wie
man dies in den grossen Hafenstädten Hongkong, Shanghai etc
leicht wahrnehmen kann. Wie grundverschieden ist dort z. B.
der unternehmende, DollarHebende, gewandte Geschäftsmann
oder der fleissige Arbeiter, der gewöhnhche KuH vom unendhch
trägen Bewohner der inneren Landesteile, wo das korrupte
Regierungssystem nicht nur jeden Fortschritt hemmt und so
dem Handel den Hauptnerv unterbindet, sondern dem Armen
wie dem Reichen durch Duldung von unerhörten Zuständen den
gesicherten Besitz des Wohlerworbenen weder zu garantieren
vermag noch will. Alle Fortschritte Chinas im Sinne einer gewissen
Aufnahme westlicher Anschauungen waren stets das Resultat
äusserer Einwirkungen und erfolgten stossweise ohne dauernden
Nachhalt, gerade als ob die Bewegung, je heftiger sie eintrat,
desto schneller sich auch hätte erschöpfen müssen. Und so auch
jetzt. Es ist m. E. sehr fraglich, ob die unzweifelhaft vorhandene
und durch schwere Verluste aufgezwungene Erkenntnis der
Notwendigkeit von Reformen der zähen, Jahrtausende alten
Politik des Festhaltens am Alten, wenn auch noch so Korrupten,
auf die Dauer gewachsen ist. Sollte die Macht der süssen
Gewohnheit überwiegen, dann mag es noch ansehnliche Jahr-
zente erfordern, bis die gelbe Gefahr den Westen zittern machen
wird. Diesen Eindruck gewinnt jeder Reisende in China, auch
wenn er wie ich nur kurze Zeit dort weilen kann und nur
wenig zu sehen vermochte. Bei der Gleichheit der Grundzüge
der Anschauung des Chinesen werden trotz sonst auffallender
Verschiedenheiten der einzelnen Stämme die obigen Bemerkungen
wohl auch im ganzen zutreffen.
Tientsin, das in 4 stündiger Fahrt von Peking erreicht
wird, der ehemalige Schauplatz grösserer Boxerunruhen, weist in
den vielen Ruinen innerhalb der europäischen Niederlassungen
noch heute die ernste Lage der damaligen Zeit auf, und mit
welchen Gefühlen mögen die Scharen der unter Seymours
r^ührung zum Entsätze Pekings angerückten Verbündeten hierher
zurückgekehrt sein, da sich dem Vorgehen auf Peking unüber-
windliche Schwierigkeiten entgegenstellten !
Während die europäische Niederlassung einen freundlichen
Eindruck macht und durch ihre Sauberkeit, Behäbigkeit und
Ordnung, durch ihre Gebäude europäischen Stils, inbesondere
durch das mächtige Astor-Hotel mit seiner trefflichen Verpflegung
an den fernen Westen erinnert, ist die Chinesenstadt, welche eine
268 K. HEFELE, AUS DEM OSTEN.
ziemliche Strecke davon entfernt liegt, der T\'pus eines winke-
ligen, gedrängten und schmutzigen chinesischen Handelszentrums,
in das jedoch durch Brände gelegentlich der letzten Unruhen
und durch die nachträgliche Schleifung von S'adt- und Schloss-
mauern berechtigte Luftlöcher gebrochen wurden. Die Störungen
seines Handels, welche Tientsin als Folge des Boxerfeldzuges
durchzumachen hatte, werden bald wieder überwunden sein.
Ueberall regt sich neue Bautätigkeit, und namentlich das neue
japanische Quartier zwischen Chinesen- und Europäerstadt ist
in vollem Aufbau begriffen. Der Teiho, der seine schmutzig
rotgelben Fluten an Tientsin vorüberführt, ist voll von Dschunken,
welche den Handelsverkehr von und nach dem Innern vermitteln,
und aus dem geschäftigen Treiben, das hier herrscht, lässt sich
wohl ein Schluss auf die Bedeutung Tientsins in dieser Richtung
ziehen. Das eroberte chinesische Arsenal am Peiho vis ä vis dem
europäischen Settlement sieht zwar noch drohend herüber, ebenso
die chinesische Militärschule, aber über beiden wehte, wenn ich
mich recht erinnere, als Friedensgewähr die russische Flagge.
Die Okkupation von Tientsin und Peking durch die ver-
bündeten Truppen sowie einzelne Detachements in Lazaretten,
Depots etc entlang der ganzen Bahnstrecke Peking-Tonku bringt
viel militärisches Leben in das Treiben auf den Bahnhöfen, das
allerdings jetzt verschwunden sein wird, seitdem der chinesische
Vicekönig wieder in den grossen geräumigen Regierungsbau mit
seiner eigenartigen, an Slam erinnernden Architektonik ein-
gezogen ist.
Von Tientsin nach Tonku sind ca 2 Stunden Fahrt, und
man hat von da für eine mehrere km betragende Strecke (ca i
Stunde) kleine Dampferchen zu benützen, um den Peiho bis zur
Mündung hinab und über die Barre hinaus zum grossen Passa-
gierdampfer zu gelangen. Denkwürdige Plätze, bei deren Anblick
dem Deutschen das Herz höher schlagen darf, werden passiert :
da sind die Reste der Takuforts, deren vernichtendem Feuer aus
zehnfach überlegener Artillerie die verbündeten Schiffe und voran
der kleine ,, Iltis" nicht nur stand gehalten haben, sondern das sie
zum Schweigen brachten. Die Tat des Iltis wird ewig ein
Ruhmesblatt unserer jungen Marine sjin und hat den Beweis
geliefert, dass deutsche Disziplin und Ruhe, verbunden mit
unerschrockenen Mut, den P^rfolg auch unter schwierigsten Um-
ständen an die geliebte ITagge zu heften weiss.
Jeder, dem bei stürmischem Wetter eine Einschiffung auf
K. HEFELE, AUS DEM OSTEN. 269
freier Rhede von Taku beschieden ist, wird lange daran denken ;
die unserige zählt wenigstens zu den unvergesslichen Reise-
erinnerungen, denn wir wurden mit Seilen und Strickleitern von
der mitunter mehrere Meter an der Seite des grossen Dampfers
auf- und abstampfenden Launch übergeholt und waren herzlich
froh, als wir heil auf Deck gelangt waren.
Chefoo, das unser Schiff am anderen Morgen anlief, ist ein
prächtiger Platz. Den Eingang in die Bai zur Linken beherrscht
eine Art kleines Vorgebirge, auf dem das offizielle Chefoo, die
Konsulate etc, in wunderbarer Lage um die Spitze des Hi^igels
gruppiert sind ; ein altes kleines Fort bildet den Abschluss. Von
dort erstreckt sich auf dem sanften, niederen Höhenrücken, der
dies Vorgebirge mit den Abhängen der die Bai zum Teil ein-
schliessenden Berge verbindet, das europäische Geschäftsviertel,
Kirche etc ; jedoch liegt die Hauptmasse der Gebäude an der
Strandniederung auf der Aussenseite des die Bai einschliessenden
Landringes. An der Innenseite ist dann das chinesische Entai,
von den Europäern Chefoo, genannt, eine nicht unbedeutende
Handelsstadt. Gegenüber, auf der anderen Seite der Bai, ist auf
niedriger Halbinsel Alt-Chefoo zu sehen, das für den Handel
jedoch ohne jede Bedeutung ist.
Chefoo mit seinen Weinbergen am Abhang der Hügelketten,
mit seiner lieblichen Bai, dem waindervollen Badestrande und
dem klaren, hellgrünen Meerwasser (es münden hier keine Flüsse)
ist trotz seiner nicht unbedeutenden Temperaturextreme zwischen
Sommer und Winter doch ein prächtiger Aufenthaltsort während
der besseren Jahreszeit und erinnert viel an italienische und
sicilianische Landschaften.
Der so bekannt und europäisch wirkende Eindruck Chefoos,
ausserhalb des Chinesen vierteis natürlich, ist zum Teil zurückzu-
führen auf die Wirkung der Missionstätigkeit der Jesuiten, die
hier eine Station haben, welche durch ihren Baustil, den bekannten
Jesuitenstil, dem europäischen Viertel das besondere Gepräge
aufdrückt.
Wald ist auf keinem der Höhenzüge zu sehen, nur ein paar
ältere zu einem kleinen Hain vereinte Bäum.e in einer ILM-gmuldc
bei Chefoo bezeichnen den Platz, auf dem keinem Goringeren
als Laotse in einem Tempel Verehrung bezeigt wird. Wir sind
in der Schantungprovinz, berühmt als die engere Heimat von
Confucius und Mencius und in l'ruchtbarkcit wetteifernd mit Pechili.
Neben Tabak, Reis, Weizen und Bohnen sind es namentlich
270 K. IIEFELE, AUS DEM OSTEN.
Seide und Obst, welche einen j^^rossen Ausfuhrartikel bilden.
Seidenspitzen und Seide von Chefoo, das als ein bedeutender
Ausfuhrhafen Schantungs zu betrachten ist. sind als besondere
Arten berühmt, und dem Obste aus den milden Ge^^enden des
Landes begegnet man bis hinauf nach Wladivostock wie auch
in Japan als Importartikel.
Das Wandern der Bevölkerung nach der Mandschurei im
allgemeinen und Newchwang im besonderen habe ich bereits
erwähnt.
Das klare Meer von Chefoo auf dem Wege nach Cltemulpo
wirkt ZAierst ganz auffallend, so sehr hat sich das Auge an
das schlammige, gelb- oder rotfarbige Aussehen des Wassers
in den Flussläufen in Mandschurei und China gewöhnt.
Die Ueberfahrt von China nach Korea bietet wenig Inter-
essantes. Einige kleine Inseln vulkanischen Ursprungs werden
passiert, und schon nach ca 24 Stunden ist man im Angesicht
von Korea, vor der Einfahrt zum Hafen von Chemulpo. Inseln
klein und gross lagern sich dieser Einfahrt vor, und für ein paar
Stunden möchte man sich beinahe in die Inlandsee versetzt
glauben, nur dass diese Eilande meist kahl sind und die See
melancholisch grau. Es ist eine gefährliche Passage, und die
verminderte Geschwindigkeit des Schiffes gibt das Geduldrätsel
zur Lösung : ,, Werden wir noch den letzten Zug von Chemulpo
nach Seoul erreichen oder nicht ? " Und siehe, ehe die Sonne
hinter den kahlen Inseln, Halbinseln und dem I'^estlande in der
Nähe hinuntertaucht, da rasseln die Anker nieder, und das
kleine Dampfboot bringt uns noch zu rechter Zeit zum Bahnhof
Dort trifft man einen nach amerikanischem Muster mit äusserst
bequemen und elegant gehaltenen Waggons ausgestatteten Zug,
welcher uns nach ca ij Stunden in der Hauptstadt Koreas, in
Seoul, landet.
Obwohl Hotels II. Güte in europäischem Stile Unterkunft
für eine beschränkte Zahl Besucher bieten, zog ich mit meinem
Begleiter ein japanisches Gastliaus vor, und auf dem Wege
dorthin bemühten sich einige elektrische Lampen, das mystische
Dunkel, durch das wir tappten, aufzuhellen. Ausser einigen
weissgekleideten, lautlos wie Geister dahin wandelnden Koreanern
war nicht viel wahrzunehmen.
Geradezu wunderbar war der folgende Morgen mit seiner
Frische. Ein Panorama eigenartigster Schönheit enthüllte sich
K. IIEFELK, AUS DEM OSTEN. 2"] \
vor unseren Augen, als wir, um vor allem eine Uebersicht über
die Stiidt zu erlangen, aut einen nahen Hügel stiegen.
Seoul liegt in einem Tale, rund umgeben von mittelhohcn,
nackten Bergen, welche durch ihre spärliche Bodendecke überall
die gelbliche Farbe des Grundgesteins durchblicken lassen und
einen eigentümlichen Kontrast zu dem vorherrschenden mono-
tonen Grau der Dächer des den Grund des Kessels ausfüllenden
Häusermeeres bilden. Erfreulicherweise ist diese enorme gleich-
förmige, ich möchte sagen Ziegelplattenebene am Rande mehr-
fach gegen die Berghöhen zu unterbrochen durch kleinere TTügel
und Vorsprünge solcher, auf denen, in grünem Baumschmuck
halbverborgcn, fremde Konsulate stehen oder stolze Kirchen der
Missionen, unter denen jene der Katholiken nach Grösse, Schön-
heit des Baues und Lage den Vorrang einnimmt. Innerhalb der
umwallten Stadt, deren weiter entfernte Tortürme infolge der
grossen i\.usdehnung Seouls kaum mehr erkennbar sind, unter-
scheiden sich deutlich die hohen Tore und weiten Höfe des
Kaiserpalastes mit seinen endlosen Gebäudekomplexen.
Was eine Wanderung durch die Stadt dem Besucher sofort
klar macht, ist der Fekingartige Staub oder Schmutz, die
Monotonie seiner aus I^ehm gebauten Häuser, der Verfall all-
überall und die unendliche Faulheit seiner Bewohner, wenigstens
des männlichen Teiles, der ohne Zweck und Arbeit in weissen
Gewändern vom frühen Morgen bis zum späten Abend die langen
breiten Hauptstrassen oder die engen übelriechenden Seiten-
gässchen entlang lungert und faulenzt. Denkmäler und öffentliche
Sehenswürdigkeiten sind nicht allzu viele vorhanden, stets aber
nach der einen oder anderen Richtung in Unordnung, Schmutz
oder Verfall.
Wie lange dieses schlafende Volk in seiner reich mit Getreide-
land und Bergforsten gesegneten Heimat sich der dem Sturme
vcjrausgehenden Ruhe noch erfreuen mag, wer weiss es ? Unge-
stüm pocht eine neue Zeit an die altersschwachen Pforten seiner
Abgeschlossenheit. Japan, \velches regsten Anteil an der I'^nt-
wicklung des Verkehrs im Innern ninmit, hat den Handel in iX^^w
Seehäfen Koreas ast ganz in Händen ; es betrachtet das Land als
seine Beute, wenn einmal den schwachen Händen des I terrschers,
der über ein zurückgebliebenes Volk regiert, das Zepter entfällt;
und wahrlich, wer z. B. Fusan sieht, dem wird das langsame
aber sichere Fortschreiten der Japaner deutlich zum Bewusstsein
gebiaelit. INIil unendlichem Fleiss und grös^^ter Beharrlichkeit hat
2/2 K. IIEFELE, AUS DE\f OSTEN.
der japanische Unternehmungsgeist /.. H. in Fusan eine ganze
japanische Stadt voll prosperierender Geschäfte gegründet, und
man sieht sich vergeblich nach dem koreanischen Fusan um, das
als Schmutzdorf im Winkel weit da hinten draussen liegt. —
Nur minimale Zeit stand mir für die beiden Plätze Seoul und
Fusan zur Verfügung. Ich bedauere es insofern nicht, als ein so
eigenartiges I^nd ohnehin niclit mit wenigen Sätzen und kurzer
Erforschung abgetan sein kann ; es erfordert eine eigene Reise
für sich, und diese war ja auch, wie bemerlct, in meiner ursprüng-
lichen Absicht gelegen, bis aus anderen Gründen vorerst das
Amurland den Vorzug erhielt. Ich hoffe bei längerer Anwesen-
heit in Japan eine besondere E.Kkursion namentlich auch in die
bereioen Teile Koreas unternehmen zu können und bei dieser
Gelegenheit einen richtigen Einblick in die Verhältnisse Koreas zu
gewinnen. V<m-i Fusan ward Nagasaki in i .| Tagen erreicht, und
freudig begrüsste das Auge das Land der aufgcliciulen Soiuie,
die derzeitige Heimat. Wie lange hatte man den yVnbliek grüner
Beree entbehren müssen, und wie wohltuend wirkte die berühmte
japanische Reinliehkeil in 1 kuis und Hof um! allüberall auf Körper
und Geist I
Eine Reihe strapaziöser Wochen liegt hinter mir, und
mancherlei iM'fahrung bildet den reichen Lohn der Mühe. Als
eine besondere Frucht meiner Umschau möchte ich die Ueber-
zeugung bezeichnen, dass China und noch mehr das näherliegende
Korea, ihrer Walilungen bis auf die entlegen.sten Gebirgsteile
beraubt, zur Wiederaulforstung in grossem Umfange gezwungen
sind, wollen sie anders den immer wiederkehrenden W'asser-
katastrophen einigermassen begegnen. Die Kräfte hiefür wird
Japan liefern müs.sen und liefern können, liier liegt eine dankbare
Riesenaufgabe, deren Durchführung unvergänglichen Ruhm nach
sich ziehen dürfte.
Ich wünsche den japanischen h'orstleuten, wenn der RuI an
sie erschallt, dieselbe glückliche Hand, die ihre Kaufleute zeigen,
die Korea in aller Stille friedlich erobern.
TSÜBOSAKAUERA
ODER
DIE WUNDERBARE GNADE DER GOETTIN KWANNON.
Uebersetzt von N. OKAMOTO.
Revidiert und eingeleitet von K. FLORENZ.
EINLEITUNG.
Das kurze Stück Tsubosaka-dera, welches Herr N. Üka-
MUTo ins Deutsche übertragen hat und das ich die Ehre habe,
der Deutschen Gesehschaft f. N. u. V. O. vorzulegen, gehört zu
einer Klasse von Dramen, welche die Japaner als Jjniri ;ffJ i»? -^"^
bezeichnen und die wir ,, monodische Dramen" oder ,, dramatische
Monodien " benennen könnten. Es ist nämlich kein Bühnen-
drama im eigentlichen Sinne, — für dieses brauchen die Japaner
den Ausdruck Kyakiilion ^ i^ — sondern eine dramatische
Dichtung, die von Anfang bis lünde von einem einzigen Sänger
bald mehr singend, bald mehr deklamierend vorgetragen wird,
während eine zweite Person den Gesang auf einem Shamisen
,, Dreisait", der japanischen dreisaitigen Gitarre, begleitet. Nocli
früher, \-or lunführung des Shamisen in Japan aus Ryükyü gegen
Ende des i6. Jahrhunderts, wurden dergleichen Gesänge ohne
Musikbegleitung vorgetragen, indem der Sänger einen h'ächer
in der Hand hielt und mit demselben durch Aufschlagen auf das
\'ur ilun stehende Pult oder in die andere Hand den Takt angab
(sog. ögi-byjsJd M tÖ "?" >• P'ächer-Taktschlagen ").
Die Entstehung des Jöruri ist zwar bis jetzt noch nicht in
vollständig befriedigender Weise dargelegt worden, und vieles
von dem, was man so für gewöhnlich darüber als ausgemacht
hinnimmt, hält vor einer kritischen Untersuchung nicht stand-
docli darf man als erwiesen annehmen, dass es vor Abschluss
2/4 TSUBOSAKADKRA. EINLEITUNG VON" K. FLORENZ.
der Ashikagapcriodc aus dem Vortrag romanzenhafter epischer
Texte, die mehr oder weniger dramatisch belebt waren, ähnlich
denen des Heike-monogatari 2|i ^ !j^ |§ und Taiiieiki >[>:^IS.
hervorgegangen ist.
Der Name föntri knüpft nach der landläufigen Ueberliefe-
rung an das erste bekannte Stück dieser Gattung an, die Romanze
Jöruri-monogatari ?^A^jJu?^po „Geschichte der Jöruri",
die auch unter dem Titel Jlni-dan-zösiii +1115^:^^ ,,das
zwölfaktige Buch " bekannt ist, denn sie bestand, wie das Heike-
monogatari, aus zwölf Kapiteln oder Gesängen. Der Inhalt dieses
Buches ist kurz folgender : ;: Im Flecken Yahagi der Provinz
Mikawa lebte ein reiches kinderloses Ehepaar, dem endlich auf
seine inständigen Bitten vom Gotte YaknsJd Nyorai q\\\ Töchter-
chen von wunderbarer Schönheit beschert wurde. Es bekam
dem Gott zu Ehren den Namen Jdnin-Jiiiiic ,, Fräulein Jöruri "."^^
Als der jugendliche Held Ushkoaknmani ^^^ (Jugendname
des Yoshitsnne ^ |M). begleitet von dem Kaufmann Kaneuri
KicJiiji ^ M ^ 5^» ^^'^ seiner Fahrt nach den östlichen Provinzen
durch den genannten Flecken kam und von der hohen Schönheit
des inzwischen zur Jungfrau herangewachsenen Mädchens hörte,
suchte er sie auf und knüpfte ein Liebesverhältnis mit ihr an.
Nach Austausch von Liebespfändern nahm er von ihr vorläufigen
Abschied. Auf der Reise durch die Provinz Suruga wurde
Ushiwakamaru jedoch von einer schweren Krankheit befallen, die
ihn an der P^ortsetzung seiner P'ahrt hinderte. Der hartherzige
Kaufmann Hess ihn grausam im Stich, und unter schweren Leiden,
fast im Sand des Ufers begraben, benachrichtigte Ushiwakamaru
seine Geliebte von seiner Not. Diese eilt sogleich aus dem
Elternhause herbei und pflegt ihn mit liebender Hingebung, bis
■■■ Der populäre Name des Ar/.neigottes, Yaki/s/ü Nyorai |^ ßip in ^, ist eine
Abkürzung des volleren Namens Yakus/u'-ntri-Ico Nyorai ^ ßip iä 3^ pfc ^U ^j
cl. i. Sanskrit BhaisJiajyai^Kni VaidTirya-prabhäsa Tath7i<^ata. Kiin' o.ler Jiiriiri
H}j; jg ^ ist also Korriii)tion aus Skr. Vaidurya „ Katzenauge " (Art Edelstein).
Nach meiner und meines Freundes Prof. Takakusu Ansieht ist jT,-riir! „reiner
Ruri " eine Analogiebildung /u dem l)uddhistischcn Ausdruck Jo-hari \f ^5^ ^
reii'.er Sjüegel " {/iiv/ aus Skr. spJiatikn, siel.c Kleinere Sukhävatl-vyüha \ 4),
womit man den Spiegel benennt, welcher den Verstoibenen in der Unterwelt
voigelialtcn wird und worin sie ihre in der Welt verübten guten und bösen Taten
widergespiegelt sehen. Jo „ rein " deckt sich leidlich mit kZ „ leuchtend " im
Namen des Gottes. So haben wir durch eine Umstellung und Ersatzbilduir^/ö-r;/;'/
statt Riuik'i) und erhaltea die volkstü nliche Korruption Vakii'ihi Jöruri Nyorai.
TSUBOSAKAIJEKA. KINLEITUXG VON K. FLORENZ.
-V^
er wieder vollständig hergestellt ist. Nochmals nimmt er von ihr
Abschied, mit dem V^ersprechen, sie später zu ehelichen.^;
Weder die Zeit der Entstehung" noch die Verfasserschaft
dieses Werkes lässt sich mit Sicherheit feststellen. Gewöhnlich
wird es einer Frau Namens Ono no 0-Tsu /j> 5f j^ ?M zuge-
schrieben, über deren Leben und Tun aber die widersprechendsten
Angaben gemacht werden. Es wird etwa gegen Mitte des i6.
Jahrhunderts entstanden sein, und das Musikuistrument, mit des.sen
Begleitung die Romanze vorgetragen wurde, soll zuerst die Biwa,
dann das Shamisen gewesen sein. Alle genaueren Angaben der
Traditit)n werden von den neueren Gelehrten als unzuverlässig
verworfen.
Eine neue Phase in der Entwickelung des Jöruri wurde
durch die Verbindung dieser gesanglich- deklamatorischen Vor-
träge mit dem Puppentheater {iiingyö - sJiibai \ jf^ ^ ^ij) zu
Anfang des ly. Jahrhunderts herbeigeführt, indem sich der Jöruri-
sänger Mcnnkiya Chdsabiiro @ ^ M :S ^ ßp niit dem Puppen-
spieler Hikita ^I B5 ^^'■'^ Nishinomiya in der Provinz Settsu
zusammentat. Diese beiden sind somit die Begründer des soge-
nannten AyatsJiri-Jornri \^ -^ i^ f,§j [ayatsiini = die Fäden einer
Gliederpuppe ziehen), das in der Theatergeschichte der Tokugavva
Zeit eine so hervorragende Rolle gespielt hat. Neben das JuNi-
DAN-ZüSHi A\'aren sehr bald eine Reihe anderer Stoffe populärer
Art getreten, wie die Geschichte der Soga usw., aber der Name
Jöruri verblieb der ganzen Gattung.
In der Hauptstadt Kyoto selbst fand das neue Puppenspiel-
Jöruri zunächst noch keine sehr günstige Aufnahme ; seine Ver-
treter mussten sich meist begnügen, ihre Aufführungen in der
Shijögawara zu bewerkstelligen. Dagegen wurde es in Yedo
günstig aufgenommen und gelangte daselbst rasch zu hoher Blüte.
Es wurde dort 1624 von Toraya Jirdiicinon ^ M ^ ßl> <& -^ P^
(geb. 1595 in Sakai in der Provinz Izumi) eingeführt, der sich
den VS.\w~,\.\Kixx\-;\n\it\\ SatsinnadayYi p^ If i ^s; ^ ,, Satsuma-Meister "
und noch später, nachdem er sich wie ein Priester den Kopf
kahl geschoren hatte, den priesterlich klingenden Namen Sa-
tsuina JjiDi ^ 1^ '/^ ^ { Jjun = P^-iedens\volke) beilegte. Er
genoss nämlich dort die P^hre, von dem Fürsten Shimazu von
Sitsuma protegiert und von ihm zu Aufführungen in seine
Residenz berufen zu werden. Statt der bisher gebrauchten
tönernen Puppen kamen jetzt kunstvoller gegliederte Ilolzpuppca
in Verwendung ; den papicrnen Vorhang seiner Bühne durfte er
2/6 'J'SUBOSAKADKKA. EINLl-MTUNG VON" K. l'LOKKNZ.
durch einen seidenen mit Shiniazir.s Wappen ersetzen. ]vs lief
jedoch nicht ohne äussere Zwischenfälle ab. Die für Sitte und
Sparsamkeit des Volkes etwas zu väterlich besorgte Regierung
war dem ,, Theaterluxus " unhold : sie setzte Joun hinter Schloss
und Riegel und verbot für einige Zeit die Jöruri V\)rstellungcn.
Allerdings nicht auf lange, denn die Spiele hatten beim Publikum
schon derart allgemeine Beliebtheit gewonnen, dass sie sich
schwerlich mehr unterdrücken liessen. Die Texte für die von
Jöun aufgeführten Stücke verfasste ein gewisser Jldjo Kiiiiai
^bfili^l^' ^'b^^' ^^^^ nichts Näheres bekannt ist. Noch eine
Neuerung Jöun's verdient I^rwähnung. Seine Vorgänger führten
immer nur einzelne Bruchstücke aus Jöruri auf {Ila-Jöniri ^ '^
ia i^J " P i'agment-Jöruri "), Jöun dagegen brachte ein ganzes
abgerundetes Stück von gewöhnlich sechs Akten zur Darstellung
{Dan-Joruri f^ '/f ig Üij) '
Jeder bedeutendere Joruri-Sänger {Jöniri-katari) hatte seine
besondere, ihm eigentümliche musikalische Vortragsweise {fiisJd)^^'
in der er entweder schon bekannte oder extra fiu' ihn neuverfasstc
Texte rezitierte. Daher die verblüffend vielen Namen für indivi-
duelle Spielarten, als Ozat'.iiiiia ;;^ j^ 1^ (von einem Schüler
Satsuma Jöun's), Handayu-bushi ^ >[g ^ ®1, Katö-bnsJii 'M ;^ fp,
Kiiupira-busln #^ffj, Tosa-bnshi i^fp usw. Eine Bespre-
chung der musikalisch -rezitatorischen Unterschiede dieser ver-
schiedenen Weisen liegt nicht in der Kompetenz des Literar-
historikers ; als besonders wichtige Spielart muss aber doch das
Gidayu ^ >[c ^ noch erwähnt werden, welches allgemein als die
beliebteste und künstlerisch vollkommenste Jöruri- Weise anerkannt
ist. Sie rührt von dem ausgezeichneten dramatischen Sänger
Takcnioto Gidayu Yl ^ ^ :ic ^ lie''> der im Jahre 1685 in Osaka
ein Theater, das berühmte Takcuioto-zun Ys ^^^^ begründete, und
für den Japans grösster Dramatiker Chikainatsit Monzacmon
pS, ^/J P^ ^ #J P^ (1653- 1724) seit 1686 die meisten seiner
Mei^^terwerke geschrieben hat. Unter dem Zweigestirn Gidayu —
Chikamatsu hat das Jöruri sowohl gesanglich als textlich seine
höchste Vollendung erreicht und seine grössten Triumphe gefeiert.
Die Blütezeit des mit dem Jöruri kombinierten Puppentheaters,
das sjine hauptsächliche Pßege in den beiden Städten des Westens,
Osaka und Kyoto, fand, hat nicht ganz hundert Jahre gedauert.
••* \Vie in der spälcrca liüfischcii Lyrik Dculsclilands auch jeder Meister sciiic
eiueiic Weise haUe.
TSUßOSAlCAnEKA. EINLEITUNG VON K. FLORENZ. 2//
In der Meiwa-Aera (i 764-1 771) sehen wir es schon bedenkhch
in Verfall geraten ; es weicht immer mehr zurück vor dem
Kabiiki 1^ ^ ^, dem Theater, in ^v^elchem statt der toten, wenn
auch noch so kunstvoll bewegten Puppen lebende Schauspieler
spielen.
Das Jöruri Tsubosaka-dera ^Wi"^ 'st ein ganz modernes
Stück, verfasst von Frau Kako CJiiga Sl&'f"!!. der Gemahlin
des Shamisenspielers Toyor^aiva Danipci ^ 'i^. [§] ^. Die äusserst
einfache romantische Begebenheit, welche es darstellt, ist auf den
buddhistischen Wunderglauben gegründet, besonders den Glauben
an die gütige Allmacht der Kwannon Jl "g- (Avalökitecv^ara), der
Göttin der Barmherzigkeit. Für ihre 33 Gestalten sind sowohl
in der westlichen als in der östlichen Provinzengruppe Japans je
33 Tempel errichtet w^orden, — der Tsiibosaka-deraxw Yamato ist
No 6 in der Liste der Saikoku San-jTi-san Sho ,,33 Plätze der
Westprovinzen " '■" — und eine Pilgerfahrt zu ihnen gehört zu den
hochverdienstlichen Werken. Für den Buddhisten gibt es eine
Welt der Vergangenheit {saki 110 yo), eine Welt des gegenwärtigen
Lebens {kono yo) und eine Welt der Zukunft {cmo yo), und was
inmier man in einer früheren Welt begangen hat, hat seine Folgen
in der nächsten Welt. Aber andächtiges l^eten kann die Hülfe
der Götter und dadurch Erlösung erwirken.
Auf die Technik des Jöruri brauche ich den Leser wohl
nicht eingehender aufmerksam zu machen : die eigentümliche
Mischung von epischer Erzählung, dramatischem Spiel und ly-
rischen Litermezzos fällt beim ersten Blick auf. Man vergleiche
auch meine Uebersetzung des Dramas AsAGAO-xtKKi in ,, Japanische
Dramen" (Verlag von Amelang, Leipzig, 1901). Bezüglich
dieser technischen Eigenschaft unterscheiden sich die Jöruri nicht
wesentlich von den älteren No no utai oder Yökyoku ^ [tÖ, ^^'enn
auch der Fortschritt in der Richtung des reinen Dramas unver-
kennbar ist.
k:. f.
* Ausführliches über die damit verbundene Legende siehe bei Chamberlain,
Handbook for Travellers in Jai)an, 6th ed. p. 36S f. Daselbst auch eine vollständige
Tempelliste.
278 TSUBOSAKAnERA. I'EBERS. VON X. ÜKAMOTO.
UEBERSETZUNG.
TERSONEX.
Sawaichi, ein armer lUindcr.
Osatcj, seine treue Frau,
Ein F,ii£;el.
SZENE.
Wohn/immer im Hause des Sawaichi in der Stadt Tosa unweit Tsul)(>sa^<a.
Nach der Verwandlung: Landschaft an der steilen Tsubosal<a Strasse und
'rem])e! der Kwannon.
REZITATIV.
O Traum, bist eine wifkliche Welt du ?
O wirkliche Welt, bist du ein Traum ?
Wir leben in der Welt
Und nennen sie einen Traum ;
Und doch ist sie kein Traum,
Nein, wirklich Seiendes.
In der Provinz Yamato befindet sich die steile Strasse
Tsubosaka, und nicht weit davon liegt Tosa, wf) ein Blinder
Namens Sawaichi wohnt. Er ist ein biederer Mann, besitzt aber
nichts als die kärglichen Mittel, die er durch Unterricht im
Harfen- und Gitarrenspiel sich erworben hat. Also lebt er
sehr ärmlich, und seine Frau Osato trägt zum Lebensunterhalt
durch Nähen, Micken und Waschen von Kleidern bei. Ihr Leben
ist so eintönig wie der Schall des runden Holzblocks, wenn
ihn die Frau mit dem Holzhammer schlägt, nachdem sie das
gewaschene Kleid darauf gelegt hat.
Da singt Sawaichi mit Gitarrenbegleitung:
Der Vogel singt im Walde,
Die Glocke schallt über das Feld.
Es packt ein altes Sehnen
Die schmerzerfiillte Brust,
Und in den Bach der Liebe
Kinnt Träne hin auf Träne.
TSüBOSAKADERA. UEBERS. VOX X. OKAMOTO. 2/9
OSATO (lächelnd).
Sawaichi, du bist ja heute so fröhlich und spielst die Gitarre
so lustig !
SAWAICHI (sich zu ihr wendend).
Osato ! glaubst du, dass ich fröhlich bin?
O.SATO.
Ja freilich.
SAWAICHI,
Hm, das ist durchaus nicht der Fall. Der Schmerz wird
mir immer von neuem lebendig, es wiederholt die Klage des
Lebens labyrinthisch ihren Lauf — o, besser wäre der Tod !
OSATO.
Ei wie !
.SAWAICHI.
Nein ! ein grosser Schmerz ist in meiner Brust verborgen,
so dass ich am liebsten aus dieser Welt gehen möchte. Osato,
setze dich zu mir und gib mir Antwort auf eine Frage ; jetzt ist
es gerade die rechte Zeit. Ach ! die Zeit vergeht immer so
schnell wie ein Pfeil, der dem Bogen entflieht. Es sind nun
schon drei Jahre vergangen, seitdem wir zusammen leben, und
wir lieben uns seit der Zeit unserer Kindheit. Und doch hast
du jetzt ein Geheimnis vor mir. Ich bitte dich, sage mir alles
offen !
REZITATIV.
Unter diesen Worten verbirgt sich ein tiefer Sinn, aber
Osato versteht ihn nicht.
OSATO.
Was sollte das sein, Sawaichi ? Während der drei Jahre
unserer P^he glaube ich dir nichts v^erborgen zu haben. Aber da
du misstrauisch gegen mich zu sein scheinst, so sage mir doch,
was du im Herzen hegest.
SAWAICHI (etwas erzürnt).
Nun, dann werde ich dir es sagen.
2^0 TSrr.nsAKADKRA. l'F.np.RS. V0\ N. (IKAMOTO.
OSX'T».
Sag's, was es auch sei !
SAWAKIII.
Osato, liöre mich an I Drei Jahre liintkirch hast (hi keine
einzige Nacht mit mir auf meinem Lager geruht. Du hast
gewiss Grund, mich zu verabscheuen, da ich, durch die Blattern
entstellt, zu einem so hässlichen Krüppel und Blinden geworden
bin. Gestehe mir nur und verhelile mir's nicht, dass du einen
andern Mann liebst ; ich werde dir nicht zürnen. Wir sind ja
Vetter und Base; ich hörte immer von deiner Schönheit — ich
hatte mir vorgenommen, niemals eifersüchtig zu sein. O liebe
Frau, bitte, lass mich alles wissen !
REZITATIV.
Indem er dies sagt, rinnen dem Schmerzüberwältigten die
Tränen aus den Augen und er schluchzt, obgleich er so mannhaft
spricht. Indem Osato ihn leidenschaftlich umarmt und weint —
«S.ITO.
Du Ungetreuer ! hältst du mich für ein Weib, das leichtsinnig
ihren Mann verlassen und mit einem andern eine Ehe schliessen
könnte ? Glaubst du, dass ich eine solche Unwürdige sei ? O,
ich kann dich nicht begreifen, dich nicht verstehen. Seitdem ich
von den Eltern den letzten Abschied nahm, stand ich unter der
Obhut des Onkels und ward mit dir erzogen ; damals nannte ich
dich meinen Bruder ; du warst drei Jahre älter als ich, und ich
lebte mit dir glücklich und zufrieden. Aber, o weh, du Avurdest
von den scheusslichen Blattern befallen und wurdest blind ; dazu
wurden wir immer mehr und mehr von Armut gei)lagt. Aber
bis ins Feuer oder Wasser, bis in die Nachwelt bestimmte ich
dich zu meinem Manne. Wenn die Morgenglocke Vier schlägt,
gehe ich heimlich hinaus — ganz allein und den einsamen Bergweg
nicht scheuend — zur Kwannon von Tsubosaka und bete, dass
deine Augen durch der Göttin Gnade wieder geheilt werden.
Obwohl ich *5chon über drei Jahre voll Andacht bete, ist bis
jetzt keine göttliche Hilfe sichtbar. I^ben jetzt klagte ich über
die Unbarmherzigkeit der Göttin. Aber die Worte, die du jetzt
^gesprochen hast, ohne zu wissen, wie sehr ich für dich besorgt
TSL'BO.SAKAOEKA. UKI3ERS. VON N. OKAMOTÖ. 28 1
bin, — dass ich einen andern Mann liebe, sie zeugen von allz.u-
grosser Eifersucht und Argwolm gegen mich.
REZITATIV.
Diese Worte sind gewiss wahr und zeugen von einer schönen
weiblichen Gesinnung. Sawaichi hört die treuherzigen Worte
seiner Frau, weiss nichts zu erwidern und weint.
SAWAICHI.
Ach, liebe Frau ! ich weiss nichts zu sagen und bitte dich
um Verzeihung ; was ich eben gesagt, war Torheit. Ich habe
nicht gewusst, dass du mir so treu bist.
REZITATIV.
So spricht er, die Hände ringend und weinend, dass die
Tränen den Aermel benetzen.
OS.\TO.
O welche Freude ! Eine Entschuldigung brauchst du nicht
vorzubringen ; ich habe keinen Wunsch auf dieser Welt, als dass
dein Argwohn sich lege.
SAWAICHI.
Nein, nein I wenn du so sprichst, muss ich mich vor dir
schämen. Aber meine Augenkrankheit wird nie wieder geheilt
werden, wenn du auch noch so andächtig zur Göttin betest.
OSATO (erstaunt).
Ei, was sagst du? Alles, was ich für dich getan habe, dass ich
jahraus jahrein jede Nacht, bei Regen, Schnee und Frost, bar-
fuss nach dem Tempel von Tsubosaka gewandert — es ist nur zu
deinem Heil geschehen.
SAWAICHI.
Ja nun ! dein treues Herz, das zu den Göttern so grosses
Vertrauen hat, i.st zwar gut und edel ; doch dass ich in dieser
langen Zeit gegen dich eine so niedrige, argwöhnische Gesinnung
hegte, ist zu beschämend, so dass mir dafür sicherlich göttliche
Strafe zuteil werden wird, nicht aber göttliche Gnade und
Gesundung dieser Augen.
282 TSUBOSAKADERA. UKIJERS. VON" X. OKAMOTO.
OSAT«.
Ei was, mein Leben fiir das deinij^e — niicli sdII der ^a'ittliche
Zorn treffen, nicht dicli I — und du svjlltest djine Gedanken auf
etwas Besseres richten als leere Worte zu sjjrechen ; rufe mit
mir die Hilfe der Göttin an !
REZITATIV,
Die treu1icrzi<rc Sorge des Weibes ist Ax-irl'clich lobenswert.
SA"\VAI€IH (unter Tränen).
O meine liebe Frau ! Die Allgewalt der Götter kann selbst
einen vertrockneten Baum wieder blühen machen. Dies umflorte
Auge — ein verdorrter Baum — kann auch wieder durch Gottes
Barmherzigkeit sich öffnen ! Aber die Sünde wurzelt tief in
meiner Brust ! auch ich hoffe, dass wenigstens in der künftigen
Welt die Blüte (leise) Liebe Frau ! führe mich jetzt an
der Hand, damit ich selbst nach dem Tempel gehe und bete.
Wohlan, wohlan !
REXITATIV.
Die Frau hört hocherfreut die Worte ihres Mannes, gibt ihm
den schlanken Stab in die Hand und beide begeben sich, ohne
erst ihre Kleider zu wechseln, nach ck-m Tempel von Tsubosaka,
wo sie früher inbrünstic" die Göttin um Hilfe gebeten hatten.
VERWANDLUNG.
(SZENE AM ABHANG TSUBOSAKA}.
REZITATIV.
Es gibt eine Tradition : der Tempel von Tsubosaka, worin
ein Bild der Göttin Kwannon steht, wurde von dem fünfzigsten
Kaiser Kwammu gestiftet, als dieser im Palaste der alten Haupt-
stadt Nara von einer heftigen Augenkrankheit befallen worden
war. Der damalige Priester Doki betete während 107 Tagen
zu der Göttin und erlangte dadurch Genesung für die Augen
des Kaisers. Es ist also ein berühmter Ort und wird noch
TSUBOSAKADERA. UEDERS. VON N. OKAMOTO. 283
heute als die sechste von den 33 Kultstätten der Kwannon in
den westlichen Provinzen verehrt.
Nun kommen Sawaichi und seine Frau, ein frommes Lied
sini^end, die steile Strasse herauf nach dem Tempel.
OSATO.
Sawaichi ! Vor allem muss man zur Göttin beten, doch
wenn du so trübsinnig bist, werden deine Augen nicht gesunden
sondern noch schlimmer werden, denn Krankheit entsteht allge-
mein aus trüben Gedanken. O, A\-ie würdest du mir gefallen,
wenn du jetzt dein altes Lied sängest, um in dieser traurigen
Zeit deine Schwermut zu vertreiben.
SAWAICHI.
Gut ! Die Augen werden sich verschlimmern, wie du
sagst, wenn ich mir Sorgen mache. Ja, jetzt singe ich, um
die Melodie zu üben — es hört doch niemand ? — es kann hören,
wer will. — (Er singt die Melodie).
Das Mitleid, erweckt es Leid ?
Das Leid, erweckt es Mitleid ?
Das Leben ist so vergänglich
Wie der perlende Tau
Ach Gott I Die Fortsetzung ist mir soeben entfallen, da mein
Fuss gestrauchelt ist.
REZITATIV.
Miteinander scherzend betreten sie die Haupthalle des
Tempels.
OSATO.
Sawaichi ! Da sind wir.
SAWAICHI.
Ach, stehen wir hier schon vor der Göttin Kwannon ?
Dank dem erhabenen Buddha !
OSATO.
Lieber Mann ! Willst du nicht heute Nacht ein frommes
Lied singen ?
284 'J'SUßOSAKAnr.KA. UKIiKRS. VON' N. OKAMOTO..
Es ist so ergreifend, wenn sie n'iit heller, tönender Stimme
singen :
Der sandige Hof von Tsubosaka,
Wo das Wasser des Teichs
Die Felsen rings herum bespült,
Er ist ein heil'ges Land.
S.VWAICIII. '
Osato ! ich glaube nicht, dass meine Augen wieder geheilt
werden, obgleich du mich hieher geführt hast.
OSATO.
Ei was ! Muss ich das wiederum hören ? Vor alters wurde
dieser Tempel von Seiner Majestät dem Kaiser Kwammu errichtet,
als er in der Hauptstadt Nara residierte, weil seine Augenkrankheit
durch die Gnade der Göttin Kwannon geheilt worden war. Die
göttliche Güte geht so weit, dass sie zwischen dem ärmsten
Wicht und dem Allerhöchsten Kaiser keinen Unterschied macht.
Ich empfehle dir also das Gebet, um die Gnade der Göttin anzu-
rufen. Sie ist so barmherzig, dass sie deine l-5itte erfüllen wird,
wenn du mit Andacht betest. Lass uns noch ein frommes Lied
singen.
REZITATIV.
Durch diese Worte ermutigt sie ihn.
SAW.IK'HI.
Ja wirklich ! Es soll so sein. Ich bleibe hier von heute
Abend an während dreier Tage ohne Essen und Trinken ; gehe
du nach Hause zurück, um alle Arbeit zu erledigen ! Diese
drei Tage sollen mein Schicksal bestimmen.
O.SATO.
Gut. Ich gehe nach Hause zurück und komme wieder.
Aber höre mich an ! Nahe bei diesem Berge ist ein schroffer
Abhang und darunter eine ungeheuer tiefe Schlucht. Gehe
nirgends hin 1
i
TSUUOSAKADERA. UEHERS. VON N. OKAMOTO. 28$
SAWAIt III.
Xciii, nirgends ! Icli will vom heutigen Abend an hier im
Tem[)el warten, bis die Göttin mir gnädigst hilft.
REZITATIV.
Beide lächeln. Die Frau eilt dann nach Hause und lässt ihr
] lerz zurücke, aber sie weiss nicht, dass es ein letzter Abschied
werdjn soll, gleichwie ein Tautropfen zerstäubt und nie wieder
erscheint.
Denn als Sawaichi allein ist, kann er sich vor Kummer nicht
beherrschen, legt sich auf die Erde nieder und weint.
SAWAicm
(das Gcsichl. in tler RicIiUiny;, in der sie fortgint;, gewendet).
() liebe Frau ! Du warst Jahr und. Tag gegen mich so
überaus liebevoll, liast trotz meines. Elends mir deine Liebe nicht
entzogen und hast mich immer sorgsam gepflegt. Ach, ich
muss dich um Verzeihung bitten, dass ich an deiner Treue
gezweifelt habe ! Wenn wir uns jetzt eiimial trennen müssen, wann
werden wir uns wiederfinden ? O du treue, mitleidige Frau !
REZITATIV.
Er wirft sich plötzlich zu Boden nieder und klagt, dann
hebt er ein wenig sein Angesicht auf.
SAWAIIIII.
Ach, ich darf doch nicht seufzen. Noch hat die Gnade der
Göttin nicht geholfen, obwohl meine Frau drei Jahre lang mit der
grössten Andacht gebetet hat ; ich kann so nicht weiter leben.
,, Wenn von Dreien der Eine geht, werden die beiden andern
glücklich", sagt das Sprichwort. Mein Tod ist mein Gegenge-
schenk an dich. Lebe lange und werde durch eine andere
I leirat glücklich ! Man soll dort drüben auf eine ungeheuer tiefe
Schlucht treffen, wenn man jene steile Strasse hinaufgeht und
sich nach rechts wendet. Wann bietet sich eine günstigere Gele-
genheit zum Sterben ? Wenn ich jetzt auf diesem heiligen Boden
sterbe, werde ich im Paradies ein neues fröhliches Leben beginnen
können. O, glücklich werde ich sein ! Die Nacht ist schon weit
286 TSUHOSAKADKRA. UEIiliKS. VON" N. OKAMOTO,
vorgeschritten, aber es kommt niemand. Ja anders, anders kann
CS nicht sein.
KEZITATIV.
So spricht er und steigt die \'ier und fiinf Terassen hinauf.
Die Morgenglocke schh'igt schon die dritte Stunde.
SAMAICHI.
Wohkm, der letzte AugenbHck meines Lebens ist gekommen,
so will ich denn dem Tode entgegen eilen !
REZ.II'ATIV.
Mit dem Stocke tastend sucht er seinen Weg und gerät
dabei auf einen seitwärts stehenden Felsen. Darunter in der
Schlucht fliesst ein furchtbares Wasser, wogend und rauschend
wie ein Ruf aus dem Jenseits. Da stösst er seinen Stock in
den Boden und stürzt sich mit dem Rufe ,, Verehrung sei dem
ewigen Buddha ! " in die Schlucht hinab. Das ist das traurige
Ende seines Lebens.
Von diesem Vorgange ahnt die 1^'rau nichts. Sie kehrt bald
so eiligen Laufes zum Tempel zurück, dass sie sogar auf der
bekannten Strasse ausgleitet und fällt. Da sie niemanden er-
blickt, ruft sie vor Schrecken und sucht weinend ihren ]\Iann.
OSATO.
Ach, niemand hier ! Wo ist mein Mann ? — Wohin ? Sawaichi !
Sawaichi ! Sawaichi !
KEZITATIV.
.Vber da sie keine Stimme hört und keine Spur von einem
Menschen findet, so läuft sie wie irrsinnig umher und ruft den
Namen ihres Mannes. Wie sie so überall auf dem Boden
lierum sucht, da sieht sie etwas liegen ; sie tut noch einige
Schritte vorwärts und erkennt seinen Stock. Da sieht sie
erschreckend in die weite Schlucht hinab, wohin der Mond
sein mattes Licht wirft, und erblickt den Leichnam ihres Minn^^s.
OSATO.
O, ihr Götter im Himmel! Welch ein Schicksall Wie
jammervoll, wie traurig I
TSUBOSAKADERA. UEDERS. VOX N. OKAMüTO. 28/
REZITATIV.
Rasend und tobend vor Verzweiflung will sie in die Schlucht
hinab, aber es trcägt sie kein Mügel dahin. Ihr Rufen und
Schreien bringt keine Antwort, nur das Echo kommt zurück.
OSATO.
O, lieber Mann, nicht verstehen kann ich dich, nicht kann
ich dich begreifen ! Ach, dass nach all den Leiden, nach all den
bittern Noten dieser langen Zeit deine Augen durch die Gnade
der Göttin Kwannon sich schnell öffnen möchten, habe ich nicht
darum jeden Augenblick zu ihr gebetet ? Und dass dein Leben
gerade heute in diesem Unfall endigt, was soll das bedeuten ?
Ach, ich bin allein übrig — was soll aus mir werden? — was
soll ich tun ? Wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie ich durch
sein Lied \-ün unruhigen Ahnungen erfüllt wurde, erkenne ich,
dass er schon damals zu sterben entschlossen war. O, dass ich
davon nichts ahnte, dass ich nichts ahnte, nichts ahnte, nichts
ahnte ! Ach, kein Unglück gibt es wohl wie meines ! Bitte,
verzeihe mir ! Ich konnte es nicht voraussehen, denn ich bin
ein Mensch und kein Gott, dass es ein Abschied für immer von
meinem Manne werden würde, dem ich nicht nur in dieser Welt,
sondern bis in die künftige Welt hinein verkettet bin. Ist dieser
Jammer die Folge einer Sünde oder eines PVevels in der vorigen
Welt ? Wer wird ihn auf seiner Reise im Tode begleiten, die
von Finsternis zu Finsternis geht ? O Jammer ! Ich fürchte,
dass er dabei den rechten AVeg verlieren ^\ird.
REZITATIV.
So klagt und jammert sie heftig und vergiesst Tränen der
ewigen Liebe, so dass der Fluss in der Schlucht davon anzu-
schwellen scheint.
«svro
(riclUct da;- von 'l'räiicn licucl/.tc Anycsiclil einpor).
Ach ! Traure nicht ! seufze nicht ! Ich muss Trost darhi
finden, dass alles menschliche Los im voraus bestimmt worden
st ; auch ich will jetzt in den Tod gehen, auf dass ich diesen
Stab, ein Andenken an den Verstorbenen, ihm überreiche. Wenn
ich aus dieser Welt L^ehe — o Göttin ! — führe mich !
288 TSUIJO.SAKADKKA. UKIJERS. VON X. OKA.MOTO.
]{i:XITATIV.
])a stürzt sie sicli mit dem Ivuf ,, VcrcliruiiL;" sei dem
unendlichen l^uddha ! " in die Schlucht hiucib. Das ist das
traurige Ende der treuherzigen Frau.
Es ist Mitte P^ebruar. Plötzlich glänzen Lichtstndilen durch
die Wolken in der Morgendämmerung, himmlische Chöre er-
schallen, und die Göttin Kwannon erscheint in Gestalt eines
Engels und spricht mit gerührter Stimme.
Höre, Sawaichi ! Du bist \vegen einer in der Vorwelt
begangenen Sünde blind geworden und euer Leben hat heute
ein P^nde gefunden. Aber durch die Treue deiner P'rau und ihr
Gebet gibt der Himmel euch das Leben zurück. Vergesset
nimmer das Gebet und den Glauben, und wallfahret nach den
dreiunddreissig Tempeln, um für die Gnade Ijuddhas zu danken.
Osato, Osato ! Sawaichi, Sawaichi !
ItEXlTATIV.
Der P2ngel wiederholt die letzten Worte und verschwindet.
Schön ertönen die Morgenglocken von allen Türmen und
es wird allmählich Tag in der uöcn finsteren Schlucht. Die
Beiden werden lebendig, als erwachten sie aus einem Traume,
und richten sich auf.
OSATO.
Ha! Welch ein fremdes Leben! Du bist Sawaichi! —
ach ! — mein Mann — deine Augen sind geöffnet !
SAWAICHI (vci-wuiulert).
y\ch ja, meine iVugen sind geöffnet, o geöffnet, geöffnet !
Die Göttin hat geholfen ! P)ank- dir, o heilige Kwannon! Doch —
wer bist du ?
O.SAT».
Wie ? Ich bin deine P'rau.
SAWAU JIM.
Ha, du bist meine P^rau ? Mein Gott! Ich sehe dich zum
ersten Mal. Ü Glück und Lu^t ! Doch welches Wunder ist ge-
TSL'BOSAKADERA. UEBERS. VON X. OKAMOTO. 289
schcheii ! Die erhabene Kwamioii erschien mir und teilte mir
mit, dass ich in der Vorvvelt eine Sünde begangen liätte, während
ich erlaubte, dass ich in die Schlucht hinab<jcstürzt und trestorben
«SATO.
So ist es ! Auch ich habe mich dir nach in die Schlucht
hinabgestürzt, doch bin ich unverletzt. Und deine Augen sind
geöffnet. Ist es ein Traum ?
SAWAICm.
Nun ! Es ist gewiss die Göttin Kwannon gewesen, die unsere
Namen rief und uns das Leben zurückgab. O, der Heiligen sei
Dank ! Ja ! Von jetzt an müssen wir nach allen ihren Tempeln
pilgern, um für die göttliche Gnade zu danken. Ach ! Mein
Geschick ist mit einer blinden Schildkröte zu vergleichen, die
im Wasser glücklich ein schwimmendes Holz ergriffen hat.
Ich bin wie neu geboren, wo ich jetzt den Sonnenschein sehe.
Das verdanke ich allein der Gnade der Kwannon, dass meine
Augen sehend geworden, und ich nun alles erblicken kann.
O welches Glück ! o welche Freude ! Dass unser Leben, ja das
Leben von uns beiden Gatten, gerettet worden ist, es ist wie
Frühlingswiederkehr ! O welche Lust ! Heute bringe ich meinen
Stab zum Tempel, da ich ihn nicht mehr brauche und die
IMorgensonne sehen kann. Den Göttern Dank l Dank dir,
erhabener Buddha ! Fürwahr, Dank der heiligen Kwannon, Dank
der Kwannon ! O wie wunderbar ist die göttliche Fügung !
Der sandige Hof von Tsubosaka,
Wo das Wasser des Teichs
Die Felsen rings herum bespült.
Er ist ein hciri^es Land.
ENDE,
DIE BEDEUTUNG DES PRONOMENS ..dorc".
BEMERKUNGEN VON R. LANGE l^ND K. FLORENZ.
Herr Professor Lange hat die Redaktion dieser Zeitschrift um
Aufnahme folgenden Schreibens in die ,, Mitteilungen " ersucht :
Beim Durchblättern des i. Teiles des 9. Bandes der
Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und
Völkerkunde Ostasiens fiel mir eine Bemerkung auf, welche
der Rezensent der Seidel'schen Grammatik, Herr Dr. Florenz,
so nebenbei über eine Stelle in meiner Grammatik der
japanischen Umgangssprache gemacht hat. Er schreibt S.
103: dorc nur von Sachen! (Lange's dore ,, welcher ",
Lehrbuch p. 39 ist unrichtig).
Diese mit so grosser Bestimmtheit aufgestellte Behaup-
tung ist falsch und irreführend. Es unterliegt auch nicht
dem geringsten Zweifel, dass dore in Bezug auf Personen
und Sachen gesagt werden kann. Dass man in h(3flicher
Redeweise im ersteren Falle daRir dono (<?) kata sagt, ist
selbstverständlich. Ich brauche wohl kaum zu bemerken,
dass ich in einer 2. Auflage manches anders fassen würde
als vor 15 Jahren, aber die Uebersetzung und Bemerkung
bei dore welcher, substantivisch (von mehreren) würde ich
nie ändern. Höchstens könnte man, um jeder Spur einer
Missdeutung vorzubeugen, in der Klammer nach ,, mehreren "
hinzufügen : Personen oder Sachen.
Berlin d. 18. Jamiar igoj. Prof. Dr. R. Lange.
Auf Ansuchen des Vorstandes an Herrn Professor Florenz,
im Literesse derjenigen, welche sich mit japanischer Grammatik
beschäftigen, eine Klarstellung der angeregten Bedeutungsfrage
herbeizuführen, ist von Herrn F. folgende Zuschrift eingegangen :
Die normale japanische Umgangssprache kennt nur eine
EINZIGE Gebrauchsweise von dore, nämlich die als Fragepronomen
mit Bezug auf Sachen. Jede andere Gebrauchsweise ist sprach-
292 LANGE U. FLORENZ, DEDEUTUNG VON dore.
widrig. \Venn zuweilen Kinder aus noch mangelnder sprachlicher
Erziehung dovc mit darc (wer ? welcher ?, von Personen)
verwechseln oder, was aber höchst selten vorkommt, Erwachsene
absichtlich im Uebermass zornig- verachtenden Affektes dorc
statt dai'c gebrauchen, um dadurch auszudrücken, dass sie die
betreffende Person überhaupt nicht als Menschenwesen gelten
lassen wollen, dass sie eine blosse Sache sei, so wird dies jederzeit
und von jedermann als eine Anomalie, ja als ein grober Sprach-
fehler betrachtet, den man selbstverständlich zu vermeiden hat.
Als daher Herr Lange in seinem Lehrbuch S. 39 dorc mit der
Erklärung ,, welcher (substantivisch) von mehreren " mitten
zwischen die persönlichen Interrogativpronomina dare, donata
,, wer " und dochira, doclii ,, welcher von beiden (substantivisch)"
einreihte, war er in einem L-rtum befangen ; und er setzt an
Stelle des alten einen neuen, wenn er jetzt behauptet, dore könne
nicht nur in Bezug auf Sachen, sondern auch in Bezug auf
Personen gesagt werden. Die Formel wird erst korrekt, sobald
sie heisst : dorc ,, welches " (substantivisch) von mehreren Dingen.
Nichts ist leichter als den vollkräftigen Beweis zu führen,
dass Herr Lange Unrecht hat. Ich werde zu dem Zweck zunächst
eine Reihe von Stellen aus grammatischen und lexikalischen
Werken der hervorragendsten einheimischen Autoritäten zitieren.
Ötsuki, K5-Nihon-bunten ^ 0 ;^;^^, p. 61, reiht dorc
in" die Kategorie der sog. shishi-daimcislä ^b 7j< f^ ^ B"). ^- ''^•
sächlichen und lokalen Pronomina ein, nicht aber in die der
persönlichen Pronomina jindaimcishi K\K'^ Wi- I'^ ^'^^ darauf
folgenden Tabelle steht dorc in der Kategorie jibiitsii I^ £j%
,, Sachen". Als ,, ursprünglich sächliche und lokale Pronomina",
welche aber auch auf Personen Anwendung finden, zitiert er
p. 59 : konata, kochi, sorc, soko, sonata, sochi, ka, karc, a, arc,
anata, donata etc. Dorc ist nicht darunter.
Im Kö-NiHON-BUNTEN-i5EKKi ^ 0 ^ ^ JÖ: -^'J öS desselben
Verfassers, p. 14, ward dorc gleichfalls nur als sächliches Pronomen
aufgeführt; ebenso in seinem Gohö-shinan In y'i ta ^ P- H- I"
seinem berühmten Wörterbuche Genkai g; '\% p. 734 gibt
Ötsuki: „dorc, Pronomen, fpj, Alternativ für izwe'', und dies
izure erklärt er p. 71 : „izurc, Pronomen, fpJ, als unbestimmtes
sächliches Pronomen gebraucht". Man beachte hierzu, dass das
persönliche Fragefürwort tarc, darc mit einem anderen Zeichen,
nämlich fg geschrieben wird.
LANGE U. FLORENZ, BEDEUTUNG VON doVC. 293
N. OciHAi im NinoN Daibunten H ;^ ;;^ ^ M, vol. II,
p. 15/16 und ferner in der grammatischen Einleitung zu dem
grossen Wörterbuch Kotoda no Izumi p. 21 hat eine ausführliche
Tabelle, in der er die Fragepronomina in 5 Klassen einteilt :
i) auf Personen bezügliche : tarc, darc, donata.
2) ,, Sachen ,, : irjurc, nani, dorc.
3) ,, Ort „ : iziire, iziiko, izitku, doko.
4) ,, Richtung ,, : iziirc, izukata, izncJii, donata,
5) ,, Zeit „ : itsu. \dochi.
Man beachte, dass donata in Klasse i und 4, izjirc in Klasse
2, 3 und 4 zitiert werden, dagegen für dore nur die eine Ge-
brauchsweise. Im Wörterbuch p. 1015 registriert Ochiai, wie in
einem solchen alles, auch Dialektisches, Obsoletes, sprachlich
Zweifelhaftes umfassenden Wörterbuche zu erwarten, als zweite
Bedeutung dorc=dan\ aber unter Nummer i gibt er die eigent-
liche Bedeutung iziirc, dono mono, d. i. ,, welches, was ", mit dem
ausdrücklichen Zusatz ,, Umgangssprache" ; zur zweiten Bedeutung
gibt er diesen Zusatz nicht. Ich kann hierzu hinzufügen, dass
Ochiai unter No 2 auf das vereinzelte obsolete Vorkommen von
dore statt dare in der älteren Tokugawa- Literatur hinweisen
will. Ein solches vereinzeltes Beispiel zitiert Yamada Bimyösai
in seinem Dai-Nihon jlsho ::^ 0 ;^^§ p. 11 -9, nämlich aus
Saikaku's Roman Köshoku Ichi-dai-onna (erschienen 1686) den
Ausdruck K ^ |,k >'* doresania zo.
Nakashima, Chugaku Nihon-bunten rf' ^ 0 ;$: ;^ J^ p. 120
bezeichnet dore als sächliches Interrogativpronomen.
MivAKE und Tajima, in Shinsen Nihon-bunten =|ff ^ 0 ;$:
^ ^, vol. I, p. 45, nennen in der Tafel der persönlichen Inter-
rogativa ta, tarc, izitrc [mit dieser Bed. in Uta vorkommend] ;
p. 46 als sächliche iznrc, na)n, dore.
Mat.sushita, Nihon-Zokugo-bunten 0 ;^ -fg: Ig ^ Ä. (Spezi-
algrammatik der Umgangssprache) p. 17 : auf Personen bezüglich:
darc,doitsu ; auf Sachen bezüglich dore (Jfe), doitsji ; ortsbezüglich:
doko, richtungsbezüglich : dotcJd, dotcJdra etc.
K. IsHiKAWA, Hanashi-Kotoba NO KisoKU (Spczialgr. der
Umgangssprache) p. 52 Tafel: auf Personen bezüglich: donata,
dare, dono lato, dono yatsu, doitsii ; desgleichen noch einmal
294 LAXGK U. FLORENZ, in:i)i:L"rL'NG vox don.
ausführlicher p. 57 : pcrsönHch : darc {Uvc), doiiata, doiio /nto,
dono kata, dono o-kata, iiainpito, doitsit, doitsitra. Dagegen auf
Saclicn bezügHch p. 54 Tafel : nani, dorc, ikura, ikiifsii.
Diese Zitate, die ich noch aus RIo/Ainie, Hayashi und vielen
anderen Autoren beliebig vermehren könnte, mögen genügen.
Wenn je in einer Frage ein conseiis?is onuiuiiii bestand, so ist
es hier der Fall. Zitate aus den \\'erken europäischer Japa-
nologen kommen diesen einheimischen Autoren gegenüber wenig
in Betracht ; die Zitierenswerten stimmen aber, so weit ich es
übersehen kann, mit meiner Auffassung überein. E's sei nur
verwiesen auf:
Chamberlain, Handbook of Colloquial Japanese, 3rd edition,
p. 52 Tafel und Beispiel da7Ai p. 53 : dore ni s/iii/iash') ,, which
shall I take?"
Lange's Beispiel, Lehrbuch p. 41 : ko//o fitniddgu no 11 du de
don ga icldban ii ga ?
Sämtliche Beispiele bei Hepburn und Brincklcy, nämlich :
Hepburn (4th edition, p. 79J : dorc Avhich : — ga ii which
is the best, or which do you prefer ? — 1110 onajikoto they are
both alike ; — demo yoroshii either will do ; kono hon n-> ucJn — ;//
am in \\'hich of these books is it ? — no hikidaslu ni ani in
which drawer is it ? (besonders charakteristisches Beispiel : nicht
etwa in whose drawer!) — liodo, or — dakc how much. Syn.
docJnra, ir^urc.
Brincklev (p. 183): dorc, pron. which; any one. dorc
de 1110 ii whichever or any one will do ; dorc ga yoi Avhich is
good ; which do (you) prefer ? dorc kara Jiajimcyö which shall we
commence with ; where shall w'e start ? dorc dcvio kaniazvan
I do not care which.
Hoffmann's schiefe Ausdrucksweise (Japanische Sprachlehre,
1877, p. 90): „Dorc welcher? wer von einer bestimmten
Anzahl ", wozu er aber ausser dem falsch übersetzten Beispiel
,, dorc ino welcher immer, jeder " — es sollte besser heissen
,, welches immer, jedes " ! — die richtig sächlich gefassten Beispiele
,, korcra no siyo no naka de dorcga nandrji ni yokirjo welches
von diesen Büchern gefällt dir ? " und (p. 91) dorc kara fazimcu
ao ? wo wird man anfangen ? " hinzufügt, mc")chte zu Herrn
LANGE U. FLORENZ, BEDEUTUNG VON dorc. 295
Lange's irrtiiinlichcr .Viiffassung beigetragen, wenn nicht sie
hervorgerufen haben.
Zu guterletzt habe ich noch eine grosse Anzahl Japaner
aus verschiedenen Ständen persönHch gefragt, in erster Linie die
Fachprofessoren der japanischen Sprache an der Kaiserhchen
Universität, die Herren Dr. M. Uyeda, Dr. S. Fujioka, Dr. Y.
Flaga, Y. Hagino, Dr. K. Iloshina, Dr. L Shinmura, Ober-
bibHothekar Dr. Wada u. s. w., und mehrere der namhaftesten
japanischen Schriftsteller. Alle diese Herren ohne Ausnahme
haben meine im Gegensatz zu Herrn Lange aufgestellte Erklärung,
dass nur der sächliche Gebrauch von dorc korrekt und zulässig
sei, als die einzig richtige bestätigt.
Tokyo, lm jNIaekz 1903. K. Florenz.
MITTEILUNGEN
di-:r
DP:U'rSCHEN GESELLSCHAFT FÜR
NATl^R- UND VÖLKERKUNDE OSTASIENS.
Band IX, Teil 3. Tokyo, 1903.
ÖEBER DIE URBEWOHNER VON JAPAN.
vox
Dr. Y. KOGANEI,
Professor der Anatomie an der KaiserlieJien Universität
rjn Tokyo.
Mein' als zehn Jahre sind verflossen, seitdem ich die Frage
über die Urbewohner von Japan behandelt habe. Inzwischen
hat diese Angelegenheit durch die Forschungen sowol fremder
als auch namentlich japanischer Gelehrten nicht nur eine detail-
liertere Form angenommen, sondern auch einen erheblichen, fast
unerwarteten r'ortschritt gemacht, so dass es mir nützlich erscheint,
diese wichtige, für die prähistorischen Forschungen von Japan
fundamentale Frage hier einmal in zusammenfassender Weise dar-
zustellen und zugleich die Ergebnisse derjenigen japanischen
Arbeiten, die nur in einheimischer Sprache veröffentlicht worden
sind, in Aveiteren wissenschaftlichen Kreisen bekannt zu machen.
Das japanische Reich ist bekanntlich sehr reich an Resten
aus der Steinzeit. Das Verbreitungsgebiet derselben erstreckt
sich vom Xorden der Kurilen bis zum Süden Forn:osas. Die
Zahl der Fundorte der Steinzeitreste beläuft sich schon auf
298 V. KOGAXEI, UEIJEK DIE L'Rr.EWOlIXl'.K JAPANS.
niclir als 2000,* die sich auf 75 Provin/.cii uiul Forrnosa verteilen,
so dass nur noch \veni<^e Provinzen übrig bleiben, in denen solche
Funde bis jetzt noch nicht mit Sicherheit gemacht worden sind.
])ie Fundorte sind entweder einfach (Irte, wo man auf der
■Oberfläche des Bodens verschiedene Gegenstände aus der Stein-
zeit fand oder eine diese Gegenstände enthaltende Erdschicht
oder Muschelhaufen (Kjökkenmöddings) oder Erdgruben (Reste
von ehemaligen Wohnungen). Die wichtigsten Gegenstände,
welche an diesen Orten gefunden wurden, sind vor allem ver-
schiedene Steingeräte, wie behauene oder polierte Steinbeile,
Pfeilspitzen, Bohrer, Steinstäbe etc, dann Geräte aus Knochen
und Geweih, sowie Tongegenstände in grosser Menge, wie
allerlei Gefasse, menschliche P'iguren, irdene Platten etc, ferner
Knochen von verschiedenen Tieren und, was besonders wichtig
ist, auch von Menschen.
Zunächst h'agt es sich, ob die Menschen, welche alle diese
Reste der Steinzeit hinterlassen haben, eine einzige Rasse
gewesen sind oder ob es deren mehrere waren. Nach den
Untersuchungen von S. Tsiihoi Hessen sich die Steinzeitmenschen
von Japan in zwei Abteilungen teilen, welche sich dadurch von
einander unterscheiden, dass die eine, deren Reste auf den
RyiTikyü-lnseln und P'ormosa gefunden ^\■erden, irdene Gefäs.se
mit Mattenabdruck und steinerne Pfeilspitzen nicht gebrauchte,
und die andere, deren Reste auf \'ezo und in dem grösseren Teil
der Hauptinsel vorhanden sind, irdene Gefasse mit Mattenabdruck
und steinerne Pfeilspitzen gebrauchte und ausserdem noch Geräte
aus Knochen und Geweih und irdene menschliche P""iguren machte.
Auch Denzd Satö f ist der Meinung, dass die Steinzeitreste in
der Umgebung von Taipe auf Formosa von denjenigen des
eigentlichen Japan im Charakter verschieden seien, da die bis
jetzt dort gefundenen irdenen Gefasse keine Verzierungen haben
im Gegensatz zu den reichlich verzierten im eigentlichen Japan
und die Steinbeile aus p^ormo.sa in ihrer ganzen P\)rm und in
der P'orm der Schneide sowie in der scharfen Abgrenzung des
Handgriffes eigentümlich seien ; da ferner auf Formosa bis jetzt
keine einzige der in Japan gewöhnlichen steinernen Pfeilspitzen,
kein Steinstab, keine irdenen menschlichen Figuren gefunden
* Tabelle der FunJorte von Keslen aus der Steinz^'.t in Japan. 2. Auil. 1S98.
(Japanisch).
I Journ. Anthroj)ü]. Soc. Tokyo, Xo. 179 (1901).
Y. KOGAXEI, UEBER DIE URBEWOIIXER JAPANS. 2gg
worden seien. Die erstere Abteilung bedarf jedoch noch weiterer
Untersuchungen, bis man dari^iber etwas Bestimmtes behaupten
darf. Diese Abteilung von Steinzeitmenschen schliessen Avir
somit einstweilen aus unserer Betrachtung vvillkommen aus, und
im folgenden handeln wir nur von der letzteren Abteilung, weiche
im grössten Teil des eigentlichen Japan (Honshü, Shikoku und
Kyushü) und auf Yezo verbreitet war, und, wie allgemein aner-
kannt, als eine und dieselbe Rasse zu betrachten ist, da die
Reste im ganzen miteinander übereinstimmen oder sich wenigstens
keine solch erheblichen Verschiedenheiten zeigen, dass etwa die
Zusammengehörigkeit derselben ungewiss werden könnte.
Da stösst uns nun zunr.chst die Frage auf, ob diese Stein-
.zeitreste den Vorfahren der Aino oder einem anderen prä-ainoi-
schen Volke zuzuschreiben sind. Mit anderen Worten : Ist ein
Zusammenhang dieser Reste mit den Aino auf direkte oder
indirekte Weise nachzuweisen oder nicht ?
Der Vertreter der einen Ansicht, dass die Steinzeitreste
xiCHj' zu den Vorfahren der Aino gehören und dass deshalb ein
prä-ainoisches Volk angenommen werden müsse, welches alle diese
Reste hinterlassen hat, ist S. T^itboi^'^ Professor der Anthropologie
an der Univ^ersität zu Tokyo. Durch langjährige prähistorisch-
archäologische Scudien suchte Tsuboi darzulegen, dass zwischen
den Urhebern der Steinzeitreste und den gegenwärtigen Aino
kein Zusamnienhang nachzuweisen sei. Seine Auffassung lässt
sich folgendermassen zusammenfassen :
i) Unterschiede in den Formcharakteren zwischen den
Skelettteilen der Steinzeitmenschen einerseits und denjenigen der
Aino und Japaner anderseits ; hierbei stützt sich Tsuboi aus-
schliesslich auf meine Untersuchung über diesen Gegenstand,
worüber ich noch weiter unten ausführlicher sprechen werde.
* Die hiirauf bezüglichen Aufiätze von Isitboi sind zahlreich; die wicliügsttn
sind in den folg-nden japanischen Zeitschriften enthalten; Journ. Anihropclog. Soc.
Tokyo ( !|i :§• A %. $•##!£ TüKYÜ JixiiuiGAKX' Kwai Zasshi), No. \i (18S7 i.
14 (1S87), 31 (18S8;, llö (1895J, 1"» (1896), 120 (1S96 , 154 (1899}, 1«! (1899;,
178 (190IJ, 1»7 (1902), 1»S (1902), 200 (1902) 20;j (1903).
Orienta! Science Journal ( j|i # ^ ^ ^| |J. TöYÖ Gakugei Zapshi), No. 14 S
(1894), 149 (1894), leS (1895), !'■* (,1896), 191 (1897), »9* (1897), *•»■> (1897),
197 (l89S>, 199 (1898), 206 (1898), 209 (1899) 226 (I900}.
Historische Zeitsclirift ( {fe. ^ ^.| fj SlIlGAKU Zasshi}, No. 40, 41, 44.
Religion (^f!c ShCkyö), vol. VIII. Xo. 53.
Ferner in Haiiptzügen : H * ^ tl HJF 'f^ A S it 1^^ M E JÖ ^ ^ Tabelle der
Fundorte von Resten aus der Steinzeit in Japan. 2. Aufl. 1S98 (Japanisch).
300 V. KOfiANKI, II'.BKR OIE l"KI!i:\\()I I M:K [APANS.
2) Zahncaries ist bei tlcn Stciii/citmcnschcn wrhältnismässig
häufii^, während sie hS\ cL'ii Aiiio sehr selten ist, indem nach
der Untersucluin«;" von Adaciii" an 5 Unterkiefern der Stein-
zeitnienschen 2 da\'on je i cariDSjn Zahn hatten.
3) Die Resultate der Untersuchungen an irdenen mensch-
lichen Figuren. Diese repräsentieren eine grosse Mannigfal-
tigkeit bezüglich Grösse und Kunstfertiglceit, lassen sich jedoch
im ganzen in 2 Gruppen einteilen.
Die eine Grup[)e : Koj^fhaar als ein \erhältnismässig ein-
facher Knoten, an der Augengegend Schneebrillen tragend,
Obcrkleid ähnlich i\<:\\ Trikothemden mit engen Aermehi' und
Löchern an der Hrustgegend, Mammalgegend verhältnismässig
schmächtig, Beinkleid mit weitem oberen und engem imteren
Teil" (wie das jap. Tattsuke genannte Kleidungsstück).
Die andere Gruppe : Haarknoten mehr komi)liziert und in
verschiedener Form, Gesicht häufig mit Masken bedeckt, Ober-
kleid mit engen Aermeln und von Brust bis Bauch aufgeschlitzt,
Mammalgegend hervorragend, Bauch aufgetrieben, Beinkleid
eng anliegend. l^s würde zutreffend .sein diesen Unterschied
zwischen beiden Gruppen als Unterschied der Geschlechter
anzusehen, und wenn dies richtig ist, so wird die erstere männ-
hch und die letztere weiblich sein.
Nun ist aber bei einer genauen Betrachtung des Gesichts
der als männlich zu bezeichnenden F'iguren keine Andeutung
eines Bartes zu sehen. Dies steht im Gegensatz zu den so
stark behaarten Aino, denen der Bart ein wertvolles Kleinod
ist. Untersucht man die Kleidung und Tracht an iXcw irdenen
F'iguren, .so findet man verschiedene Punkte, die mit den Aino
nicht überein.stimmen. Die Haartracht ist ganz veischieden ;
die männlichen F^iguren tragen das Haar als Knoten \-on mehr
einfacher, und die weiblichen in verschiedener, weit kom-
plizierterer F'orm, während die Aino ihr Haar in bekannter Weise
horiz<intal abschneiden, bei Männern in der Flöhe des Ohr-
läppchens, bei Weibern etwas tiefer. Tätowierungen am Gesicht
scheinen wie bei den Aino so auch bei den Steinzeitmenschen
\orgenommen worden zu .sein ; aber diejenigen der Steinzeit
sind auf beiden Wangen durch krumme Linien bezeichnet,
wogegen die der Aino von der Umgebung des Mundes nach dem
Ohr spitz auslaufen.
- Jüurn. Anthropol. Sjc. Tokyo. Xo. 121 (l.s96).
V. RÜGANEI, UEDER DIE URHEWOHXER JAPAN'-. 301
Lässt man aber die J'^orm der Tätowierung ausser Acht,
so ist die Sitte des Tätou'ierens beiden gemein. Aber diese
Sitte ist bei so vielen Rassen gebräuchlich, dass sie als Zeichen
der Zusammengehörigkeit der Rassen nicht verwertet werden
kann. Ueberdies sollen die Aino nach ihrer Tradition (Koro-
pokguru-Sage) diese Sitte den Steinzeitmenschen abgelernt haben.
Auch Ohrringe sind bei beiden gebräuchlich, was gleichfalls
wegen der grossen Verbreitung dieser Sitte niclit als Rassen-
zeichen dienen kann. Die Sitte die Lippen zu durchbohren und
darin knopfartige Dinge zu tragen scheint bei den Steinzeitmen-
schen, gerade wie bei den Eskimo, gebräuchlich gev/esen zu
sein. Es sind nicht nur als mit solchem Schmuck versehen zu
deutende menschliche Eiguren vorhanden, sondern es wurden
auch kleine manchettenknopfförmige Tongegenstände gefunden,
die vielleicht als Lippenschmuck gebraucht worden sind. Die
Aino tragen solchen Schmuck nie. Die Steinzeitmenschen hatten
eine schirmartige Kopfbedeckung und einen Hut ; etwas ähnliches
haben die Aino nicht. An manchen Eiguren der Steinzeit sieht
man eine Kapuze, etwa wie an einer Mönchskutte ; eine ähnliche
wird auch bei den Aino gebraucht, aber der Schnitt und die
Art und Weise sie anzuziehen ist verschieden. Schneebrillen
wurden von Steinzeitmännern sicher, Gesichtsmasken von Stein-
zeitweibern wahrscheinlich gebraucht, beide sind bei den Aino
völlig unbekannt. Bei weiterer Untersuchung von Masken und
ähnlichen Gegenständen sind ausser den mit Masken versehenen
irdenen Menschenfiguren auch eine wirklich als solche gebrauchte
Maske und mehrere jModelle \on Masken in kleinerem Eormat
sowie einige eine Maske darstellende Handhaben von irdenen
Gefässen bekannt geworden.
Daraus darf man jedoch nicht schliessen, dass die Stein-
zeitmenschen etwa nur irdene Masken gebraucht hätten, vielmehr
werden sie, wie dies bei vielen Naturvölkern der Eall, wahr-
scheinlich auch aus Holz oder Leder verfertigte Masken gehabt
haben. Auf die Erage, zu w^elchem Zwecke die Masken dienten,
ob sie beim Tanz, resp. bei Vergnügungen, oder ob sie bei aber-
gläubischen Zeremonien gebraucht wurden, lässt sich antworten,
dass das letztere mehr wahrscheinlich ist als das erstere. Die
Aino gebrauchen nicht nur l-ceine Masken, sondern es ist auch
keine Ueberlieferung vorhanden, dass sie üaiher solche gebraucht
hätten. Das Oberkleid der Steinzeit hat enganliegende Aermel
und ist bei den Männern vorne creschlossen wie bei einem
302 V. KOGAXEI, l'Er.ER DIE LR]ii:\\()IIXER JAPANS.
Trikothemde, so dass es beim Anziehen über den Kopf gezogen'
werden muss ; bei den weiblichen 1^'iguren ist es vorne anein-
andergelegt. J)as Aino-Kleid hat weite Aermel und wird wie
das japanische Kleid vorne übereinandergelegt und darauf
mit einem Gürtel fest gehalten. Die Steinzeitmenschen hatten
IV-inkleider, die Aino aber nicht.
4) In der Nahrung sind auch Unterschiede vorhanden,
nämlich die Steinzeitmenschen verzehrten gerne Muscheln, so dass
die weggeworfenen Schalen sich zu den bekannten Muschelhügeln
anhäuften, während die Aino Muscheln nicht gerne essen oder
di'ch nicht in solcher IMenge, dass die Abfälle Hügel bilden
könnten. Unter den Resten der Steinzeit kommen neben Tier-
knochen Menschenknochen, die gebrochen, gespalten oder ange-
schnitten sind, vor, was auf die Ausübung des Kannibalismus
hinweist, während die Aino tote Menschen im höchsten Grade
wrabscheuen.
5) Die Wohnung der Steinzeitmenschen war eine Erdjurte.
Spuren von Erdjurten sind als Gruben auf Yezo in grosser
Zahl vorhanden. Die k^orm derselben ist rundlich, viereckig,
sanduhrförmig oder unregelmässig, die Aino-Hütteii sind stets
rechteckig und nie über solchen Gruben sondern auf dem platten
Boden gebaut. Ueberhau[)t ist zwischen den Jurten-Wohnungen
der Steinzeitmenschen und den Hütten der gegenwärtigen Aino
gar keine Aehnlichkeit nachzuweisen.
Auch ist unter den Yezo -Aino keine Ueberlieferung vor-
lianden, dass ihre Vorfahren in iMTljurten gewohnt hätten, obwohl
aus dem Zustande der Gruben zu erraten ist, dass diese -nicht
so geraume Zeit zurückliegen, dass die diesbezügliche Ueber-
lieferung hätte ganz verfälscht werden können ; kurz es ist kein
einziger Grund vorhanden, die Gruben als S[Hwen von Aino-
W'ohnungen zu bezeichnen. Die Anordnung der Wohnungen
ist auch zwischen beiden x'erschieden, selbst beim grössten Aino-
Dorfe sind nur etwa 30 Hütten in einer Reihe angeordnet,
dagegen bilden die Gruben grössere Gruppen, ja bis hunderte
an einem Orte.
6) Die Steingeräte, welche von den Steinzeitmenschen in
ausgedehntem Masse gebraucht wurden, haben die Aino jetzt
nicht mehr.
Dass die Aino früher, ehe sie von anderen Vt'ilkern k~isen-
geräte erhielten, Steingeräte gebraucht haben, ist wohl anzu-
nehmen ; aber dieses Zeitalter muss sehr, sehr weit zurückliegen.
Y. KOGANEI, UEBER HIE URBEWOHXER JAPANS. 303
denn schon seit uralter Zeit befanden sich die Aino im Südjn
mit den Japanern in Berührunt:^, und im Norden habjn sie mit
den Kulturvölkern des Festlandes direkt oder indirekt Tausch-
handel getrieben. Dass die somit in so entlegener Zeit von
den Aino gebrauchten Steingeräte in verhältnismässig jungen
W'ohnungsresten auf Yezo in so grosser Menge gefunden werden
sollten, ist gar nicht annehmbar. Vergleicht man die Art und
\\'"eise, wie die steinerne Pfeilspitze an dem Pfeilschaft angebracht
wird, und wie die Aino mit ihren aus Bambusstücken verfertigten
Pfeilspitzen verfahren, so findet man darin auch einen Unterschied.
7) In den Wohnstätten der Steinzeit werden sehr viele irdene
Gefäs.se gefunden, die Aino jedoch machen nie solche. Wenn
die Aino eiserne Kochkessel nicht bekommen können, so machen
sie aus Birkenrinde ein Gefäss, welches mit Erde bestrichen
wird, und kochen darin. Zum Auftragen von Speisen haben die
Aino Holznäpfe, Holzteller und dgl. und fühlen so nicht den
Mangel an irdenen Geschirren.
<S) Auch im Kunstgeschmack ist ein Unterschied zwischen
den Steinzeitmenschen und den Aino zu konstatieren. Lnter
den Resten der Steinzeit sind schon Hunderte von irdenen
menschlichen Figuren gefunden worden, aber Figuren von Säuge-
tieren kamen nur 3 mal zur Beobachtung, solche von Vögeln
oder Fischen keinmal ; dagegen in der Schnitzerei der Aino
sind die Figuren von Säugetieren, Vögeln und Fischen ganz
gewöhnlich und es finden sich nur ausnahmsweise Menschen-
figuren. Die Verzierungen an den irdenen Gefässen der Steinzeit
stimmen mit denjenigen der hölzernen Gegenstände der Aino
nicht überein ; bei den ersteren überwiegen fortlaufende, bei den
letzteren dagegen in Reihen angeordnete Muster. Die Steinzeit-
menschen hatten verschiedene Dinge mit roter Farbe bestrichen,
die Aino tun das sehr selten.
An der äusseren Pläche von irdenen Gefässen sieht man
häufig Abdrücke von einem gewebten Stoff. Die Webeweise
dieses Stoffes und die des ainoischen Stoffes Attushi ist ganz
verschieden. Häufig sind auch an der Bodenfläche Abdrücke
von verschiedenen Geflechten vorhanden, deren beinahe 20
Sorten sich unterscheiden lassen. Keine einzige davon hat eine
Aehnlichkeit mit den geflochtenen ainoischen Gegenständen.
Auf Grund der obigen Beobachtungen kommt Tsnboi zu
dem Schlüsse, dass diese Steinzeitmenschen nicht die Vorfahren
der Aino gewesen seien, und nimmt ein anderes Volk dafür an.
304 V- KO(;.\xi:r, ueui<:r pik lki;i:\\()iixek j.m'ans.
9) Ueber dieses Volk der Steinzeit ist unter den Japanern
geschichtlich nichts bekannt, unter den Aino ist aber eine
Ucberlieferunsj; daiiiber vorhanden, deren Hauptpunkte die folgen-
den sind: ,, H^m der Einwanderung der Aino von der Ilauptins,.-]
nach Ye/.o war diese Insel nicht leer, sondern \'on Menschen
bewohnt, die von kleinerem Wüchse als die Aino waren und
keinen Bart hatten. Diese Menschen wohnten in lu-djurten, deren
Dächer hauptsächlich mit Pestwurzblättern bedeckt waren ; sie
gebrauchten Steingeräte und irdene Geschirre ; sie unterhielten
anfangs mit den Aino friedlichen Verkehr und tauschten Waren
aus; später entstanden in Tokachi Zwistigkeiten und sie wollten
nicht mehr mit den Aino in Berührung bleiben und flüchteten
allmählich nach Norden. Sie hatten aus leichtem Material
Kähne verfertigt, womit sie auf dem Wasser fuhren, auf dem
Lande aber wurden dieselben getragen. Sie hatten gewöhnlich
Kleider an, aber in der Jurte waren sie vielleicht manchmal
nackt ; über ihre Haartracht ist nichts sicher bekannt, aber die
Weiber scheinen zum Teil die Haare Avie die Aino-Weiber
geschnitten getragen zu haben ; die W^-iber tätowierten sicli um
den Mund und an der Hand und am Vorderarm ; die Aino-
Weiber haben dies nachgeahmt." Die Aino bezeichnen diese
Menschen mit verschiedenen Namen, aber der gebräuchlichste
ist Koropokgnru, womit auch Tsuboi sein prä-ainoisches Volk
gewöhnlich bezeichnet. Das Zeitalter der grössten Verbreitung
der Koropokguru schätzt Tsuboi auf etwa 3000 Jahre \'or jetzt.
Ihre Reste seien aber in Hokkaido (Yezo) verhältnismässig
jünger als auf der Hauptinsel. Dies sei aus der Entfernung der
Muschelhaufen von der jetzigen Meeresküste, aus der Dicke der
Erdschicht, welche die Steinzeitreste bedeckt, aus VY'rschieden-
heiten der Schalen jener Muschclhaufen und solcher der
Gegenwart zu schliessen. Eine genaue Art und WV'ise seiner
Schätzung ist aber nicht angegeben. Die Richtung der
Wanderung der Koropokguru genau auszuforschen, sei keine
leichte Sache. Dass sie aber zuletzt von Süden nach Norden
wanderten, sei zweifellos, denn die Reste der Steinzeit sind auf
Yezo jünger als auf der Hauptinsel.
7J///Wbehandelt weiter noch die Erage betreffend das Schicicsal
der Koropokguru, ob sie in Yezo ausgestorben sind oder ob weiter im
N^orden irgendwo ihre Nachkommen noch existieren, und entwickelt
eine sehr weitgehende Hypothese über die Beziehungen zwischen
den Koropokguru luid den h^skimo in folgender Weise : Eine
y. KÜGAXEI, LEÜER DIE L'RÜEWOMXER JAPANS. 305
bestimmte Antwort auf diese Fra^"e zu geben ist wegen Mangels
an Material nicht möglich. Aber unter den jetzt existierenden
Menschen im Norden haben die körperlichen Eigenschaften und
die Sitten und Gebräuche der Eskimo grosse Aehnlichkeit mit
denen der Koropokguru, welche durch die Tradition der Aino
und durch die Untersuchungen der Steinzeitreste erraten worden
sind. Die wichtigsten Punkte, in denen die Koropokguru und
Eskimo mit einander übereinstinmien, sind i) rundes Gesicht
bei beiden ; 2) Eartlosigkcit der Männer bei beiden ; 3)
das Haupthaar scheint bei den K. herabhängend und ab-
geschnitten oder als Knoten getragen worden zu sein wie
bei den E., bei welchen je nach der Gegend beide Arten
vorkommen ; 4) Tätowierung an Gesicht und Händen bei beiden ;
5) Durchbohrung der Lippen, um daran einen Schmuck zu
tragen, bei beiden ; 6) Gebrauch von tierzahnähnhch geformten
Schmuckgegenständen (ähnlich dem altjapanischen Schmuck
Magatama) bei beiden ; 7) Schneebrillen bei Männern \'on bei-
den ; 8) K. sollen manchmal nackt gewesen sein, was bei E.
innerhalb der Jurten auch \'orkommt ; 9) Kapuze wie an
Mönchskutten bei beiden ; 10) Lendentuch zur Bedeckung der
Schamteile bei beiden; 11) Oberkleid und Hosen von Männern
und Weibern bei beiden im Stoff möglicherweise verschie-
den, aber in der Form ganz gleich; 12) Jurtenwohnung bei
beiden, aber Baumaterialien verschieden, was bloss auf einer
Verschiedenheit der Naturbeschaffenheit des bewohnten Landes
beruht; 13) dass mehrere Familien in einer Jurte zusammen-
wohnen, scheint bei K. üblich gewesen zu sein wie bei E. ;
14) Steingeräte bei beiden sind so ähnlich, dass sie manchmal
schwer von einander zu unterscheiden sind; 15) ähnlich sind auch
viele Geräte aus Knochen, Geweihen und Zähnen ; 16) die
irdenen Menschenfiguren und, obwohl viel seltener, Tierfiguren
der K. und diejenigen der E. aus Seetierzähnen sind, abgesehen
von der Verschiedenheit des ^laterials, sehr ähnlich ; 17) in der
Art der Fischerei ist eine bemerkenswerte Uebereinstimmung
vorhanden, nämlich unter den Steinzeitresten sind viele Spiesse
aus Knochen vorhanden, uikI man hat sogar einen Kopfknochen
eines Tai-Fisches * mit einem ebensolchen Spiess daran aus
einem ]\Lischelhaufen bei Shiizuka (Prov. Hitachi) gefunden. Die
Eskimo gebrauchen auch solche Knochenspiesse und binden am
* Pagrus tumifrons.
305 V. KOGANKF, UEIÜCR HIE LKliEWOllXEK JAPANS.
S[)icssschafi: eine schwininicnde IMasc an, deren Mirndteil aus
Renntiei'gevvcih oder Scetierzahn gemacht ist ; diesem Mundteile
ganz gleiche aus Hirschgeweih v^erfertigte Dinge sind an einigen
Orten in Japan gefunden worden. Ferner die F.ntdeckung einer
aus dem Zahn eines Seesäugetiers geschnitzten menschlichen
Figur in einem Muschelhaufen auf der kleinen Insel Rishiri bei
Yezo, welche mit solchen von Ivskimo grosse Aehnlichkeit
zeigt, verstärkt die Aehnlichkeit zwischen den Steinzeitmenschen
und den Eskimo noch mehr.
Die Punkte aber, welche die Koropokguru und Eskimo
von einander unterscheiden, sind aucli in Erwägung zu ziehen :
i) die K. machten verschiedene irdene Geschirre, die E. machen
gar keine ; 2) die K. lieben umschlungene fortlaufende Ver-
zierungen (wie japanisches Karakusa), die Iv nicht ; 3) unter
den Gegenständen der K. sind als Bilder zu bezeichnende
Sachen gar nicht vorhanden, unter den Gegenständen der E.
sind solche Beispiele nicht selten ; 4) die K. verfertigten
verschieden: Gewebe imd Geflechte, die E. nicht ; 5) die K.
gebrauchten Feuer zur Bereitung von Speisen, die E. verzehren
ihre Speisen roh. Dieses letztere, sowie dass die Eskimo keine
irdenen Geschirre machen, scheinen bedeutsame Unterschiede zu
sein, aber im Mskimo-Lande wachsen keine Pflanzen, so dass es
möglicherweise nur die notwendige P'olge des Mangels an
Brennmaterialien sein ktrante.
Da aber, obwohl Koropokguru und P^skimo mit einander so
grosse Aehnlichk-eiten haben, beide mit einander nicht vollkommen
übereinstimmen, so dürfen die Eskimo nicht einfach als Nach-
kommen der Koropokguru bezeichnet werden. Man kann nicht
wissen, ob durch Mischung von Koropokguru mit anderen Rassen
die Eskimo entstanden sind, oder ob aus einem grossen Rassen-
stamm die eine Abzweigung die Ureskimo, und die andere auf den
japanischen Boden gekommene die Urkoropokguru gebildet hat.
Ueber die wahren Beziehungen zwischen beiden lässt sich somit
noch kein klares Urteil fällen, aber es ist doch nicht mehr zweifel-
haft, dass zwischen beiden ein inniger Zusammenhang besteht.
In der neuesten Nummer (No. 203, P'ebruar 1903) des
Journal of the Anthropol. Soc. of Tokyo erwähnt Tsnboi auf
Grund der Berichte von J. Miirdoch und H.. \V. XcUon, dass
auch unter den Eskimo die Töi^ferkunst bekannt sei, so dass der
eine von den angeführten Unterschieden zwischen den Koropok-
guru und den I'.skimo wegfallen würde.
V. KOGAXEI, L'EDER DIE URBEWOllNER JAPANS. 307
Der Meinung von Tsiiboi schlicsst sich Yagi^^ vollkommen
an. Vagi und Skiniomura\ zitieren ferner als einen (irund für
ihre Annahme, dass die Erbauer der Muschelhaufen nicht die
Aino waren, eine Stelle aus einem alten Werke, dem Hitachi-
Füdoki, t welche sich auf einen Muschelhaufen bezieht und
lautet : ,, In uralter Zeit waren Menschen von riesii^er Grösse
\-orhanden, auf einem Hüg;el sitzend fingen sie Muscheln und assen
sie." Hätten die Aino Muscheln als Hauptnahrung- verzehrt und
Muschelhaufen gebildet, so wäre es nicht denkbar, dass dies zur
Zeit, wo dieses Werk verfasst wurde, vollkommen vergessen
worden und nichts darüber erwähnt sei. }'. Miyakc § sucht gleich-
falls aus historischen Daten nachzuweisen, dass die Aino vor etwa
looo Jahren, in welcher Zeit sie noch die Gegend v(jn Nambu
(Prov. Rikuchü) und Tsugaru fProw Mutsu) in Besitz hatten
und öfters EinföUe ^^w Süden machten, siclisrlich nicht mehr
Pfeile mit steinernen Spitzen gebrauchten, \'ielmehr dass dieselben
um diese Zeit nach einem Gewitter auf dem P^elde in demselben
Zustande wie jetzt gefunden wurden und als eine Merkwürdigkeit
grosses Erstaunen erregten, und er fügt hinzu, dass die steinernen
Pfeilspitzen überhaupt in der historischen Zeit Japans unter den
Aino nicht mehr gebräuchlich gewesen seien.
Diese historischen Hinweisungen wurden von Tsitboi\ auch
als ein Hilfsgrund für seine Ansicht über die Koropokguru
angenommen. Dcnrjö Satö || äussert gelegentlich bei der Unter-
suchung von Erdgruben auf der Hauptinsel die Vermutung, dass
die Koropokguru-Sage der Aino eine Ueberlieferung \-on Tat-
sachen sei. So weit die Ausführungen von Tsiiboi und seinen
Anhängern.
Andererseits sind nun \-iele Eorscher vorhanden, welche
der Ansicht sind, dass alle Reste aus der Steinzeit von den
Vorfahren der Aino herrühren, dass die sog. Koropokguru
somit nui' ein imaginäres \'olk seien. unter den japanischen
Forschern ist zunächst zu nennen S/nrai° der hauptsächlich
■•' n ^#lS"$ Japanische Arcl-.aeo]ogi8. Bd. I. 2. Aufl. 1S98. fjapanisch.)
t Jouni. Anthrop. S ,c. Tokyo. Xo. S7. (1893).
+ 'J^i^MiitE Topographische ücichreibung der IVov. Iliiachi. verfasst
vor ca. 1200 Jahren.
§ Journ. Anthrop. Soc. Tokyo. Xo. 56. (1890:.
•J Ibid. Xo. 198. (1902).
II Ibid. Xo. 145. (1898).
° Ibid. Xo. II. (1887), 13 (1887), 43 (1889).
308 Y. KoiiANEi, L'Kiü'K DU': n<i!i-:\\niiM-;i< jai-ans.
hcrvor<4'chubci"i hat, tlass die Aino ehemals, als ihnen lCisen;4ei'rite
noch unbekannt waren, notwendigerweise Steingeräte und irdene
Gefässe gebraucht liaben miissten und dass die Sachalin-Aino
noch jetzt im W'intjr ICnljurten bewohnen ; ferner Shitoini
Satö^' Ycij/iaiiaka '\ u. a. Auch ich | habe mich schon früher
gegen die Ansicht \on Tsiiboi ausgesprochen. Im folgenden
möchte ich nun die Ausführungen von Tsnboi etwas Ucäher
erörtern und meine Meinung über die \'orliegende h^'age ent-
wickeln.
Um die [)hysischjn Verschiedenheiten zwisclien (k^w Stein-
zeitmenschen und den Aino nachzuweisen; benutzt Tsnboi die
Zahlen meiner Messungen, nämlich den kleinsten luid grössten
Durchmesser der Mitte des Oberarmknochens, den transversalen
und sagittalen Durchmesser der Mitte, sowie des oberen Teiles
"(3 cm unterhalb des Trochanter minor) des Oberschenkelknochens
und der Mitte des Schienbeins und die Indices von allen
■diesen Knochen. Hierbei ist zu bemerken, dass Tsuboi nicht
meinen neueren § an Material bereicherten und auch etwas
■ berichtigten, sondern (\c\\ älteren Aufsatz ^ benutzt hat. Ein
'Grund dafür ist nicht angegeben. Ich möchte hier die Zahlen
wiedergeben.
Oberarm RX()CH?:x.
Kleinstei' luiis^ior
Durt-lmiossov il. niinlnnrs^cr il. Imlox.
Mitlc mm .Mille, mm
Oberarmkiiocbeii aus Miisclielluiufen . . . 14,7 22,0 - 66, <S
(Mittel von 7 Siück)
OI)erarmknocl.e'! der Aiiio i().7 220 75,9
OljerannkiHjclien der Japaner 14.7 18,4 79,9
"" Ibid. Xo. 47 (1890).
t Ibid. Xo. 50 (1890).
X Ibid. Xo. 44-45 (1889), 56 (1890).
Beiträge z. physiicheii Anthropologie d. .Vino. MiU. der med. I'ak. T'ikyo.
•BJ. II. 1894. Kurze MiUcüung üb. Unteraucli. an lebenden Aino. .\rcli. f. Anlliroj).
■B. XXIV.
\ -Mut. d. med. Fak. T.lkyö. Bd. II. 1894. .Vrch. f. .\nthrop. 15(1. XXIV^
1 Journ. -Vnthrop. Soc. Tokyo. Xo. 56 (1890).
V. KOGANEI, UEDER DIE URBEWOHXER JAPANS. 3O9,
OUERSCI 1EXKELKN"( )CI lEN .
Trans vcrsalcr .Sauittalor
DurcliJiicsser d. Durcliiucssor d. Iiiclox.
Mitte, miu Mitto. uiui
Oberscl;enkelknoclien aus Muschelliaufen . 24,1 266 110,4
(Mittel von 13 Stück)
(»bersclienkclkiKichen der Aino . '. . . 258 26,6 103,1
Oiierschenkelknochen der Japaner . . . 23,2 23,2 loo,a
Index .'! cm unterluill
d. Trocli. min. nini
OI)er^chenl^elknocLen aus Muschel häufen . . . 72.7
(Miilel von 7 Säick)
Obersclienkelknochen der Aino 7-'7
Gl)er>chenkclknochen der Jap-aner 75,1
SCHIENP.EIX.
Transversaler ."^auit taler
Durchmesser d. Piirclimesser d. Imlex.
Mitte, mm Glitte, nun
SchicnlK-in aus Muschelhaufrn .... 17,2 29.0 59,3
(Mittel von 9 Stück)
Sch!enl)ein der Aino 18,8 29.6 63,5
Schienliein der Japaner iSo 24,3 74,1
Indem Tsnboi einfach die Indices für die Kn )chcn aus
Mu.schelhaufen mit denjenigen der Aino und der Japaner
x'ergleicht und findet, dass für die beiden Knochen, Oberarm-
und Oberschenkelknochen, die Differenzen der Indices zwischen
Steinzeitmenschen und Aino grösser sind als die Differenzen
zwischen Aino und Japanern, betrachtet er diesen Unterschied
ohne weiteres als einen Grund für die Annahme, dass die Stein-
zeitmenschen und die Aino zwei ganz verschiedene Rassen seien.
Darauf, dass für die Schienbeine die Differenz der Indices zwischen
Steinzeitmenschen und Aino kleiner ist als zwischen Aino und
Japanern, dass somit die Platyknemie sowohl bei den Steinzeit-
menschen als auch bei den Aino stark ausgeprägt ist. könne
3IO V. Koc..\.\i:i, UF.r.KR i:»ie urukwoiixer jafans.
bei der P^rage der Gleichheit oder Ungleichheit der Rassen
kein grosses Gewicht gelegt werden, da diese Eigenschaft der
Schienbeine bei verschiedenen anderen Naturvölkern auch vor-
komme. Unter sonstigen Merkmalen erwähnt l'siiboi nur noch,
dass die I^llenbogenknochen der Steinzeitmenschen die bei Aino
auffallendj Biegung des oberen Drittels nicht besitzen.
Zu dem eben Erwähnten nuiss ic]\ bemerken, dass es doch
etwas zu gewagt ist, der blossen Differenz der nackten Zahlen
eine so grosse Bedeutung beizumessen, ohne, ausser für die
Ellenbogenknochen, andere Avichtige deskri[)tive Merkmale für
die grossen Röhrenknochen sowie für die Schädelkn(5chen zu
berücksichtigen. Alle Eigenschaften, die an den Knochen der
Steinzeitmenschen gefunden wurden, sind doch solche, w^elche
wir auch an den Knochen der Aino wiederfinden. Ereilich sind
diese Eigenschaften bei den ersteren in bald mehr bald weniger
stärkerem Grade ausgeprägt als bei den letzteren. Dies steht
aber gar nicht im Gegensatz zu der Annahme, dass die Stein-
zeitmenschen nichts anderes als die V^orfeihren der Aino sind, da
wir — abgesehen von der Transmutationstheorie — einen Eaktor,
welcher wohl auf eine Abnahme dieser Eigenschaften gewirkt
liaben mag, nachweisen kcninen : dass nämlich eine Vermischung
der Aino mit anderen Völkern, \-or allem mit i\^\\ Japanern, die
solche Eigentümlichkeiten nicht besitzen, in der Jahrtausende
dauernden Berührung stattgefunden hat. Xur ist auffallend, dass
von Tsitboi dieser wichtige h'aktor nicht berücksichtigt worden
ist. Eerner was Tsuboi über den Wert der Platyknemie sagt,'
ist als nicht wissenschaftlich anthropologisch zu bezeichnen. Nicht
nur die Platyknemie sondern alle erwähnten Eigenschaften sind
mehr oder weniger an den Knochen der anderweitigen Naturvölker
sowie an den prähistorischen Knochen konstatiert worden. Aber
die Platyknemie ist unter diesen P^igenschaften die konstanteste
und deshalb auch die \\ichtigste. Das von TorW^' beschriebene
Stück von einem linken Oberschenkelknochen, welcher in dem
Muschelhaufen Fukiage (Prov. Hitachi) gefunden wurde, zeigt
ganz diesell:)en P'ormeigentümlichkeiten wie die \o\\ mir
untersuchten. An sich können die angeführten PLigenschaften
der Knochen somit weder für noch gegen die Annahme der
Identifizierung der Steinzeitmenschen mit den Aino sprechen.
Nur erst aus dem Umstände, dass auf einem und demselben
* Jüurii. Anthrop. Soc. Tokyo. Xo. 156 (1S99).
Y. KOGAXEI, UEHER DIE URBEWOHXER JAPANS. ßll
Grund und Boden, auf welchem die Reste der Steinzeit nebst
den Menschenknochen vorhanden sind, ein auf einem überaus
tiefen Kulturgrade stehendes Volk, die Aino, wohnt, können sie
einen Anhalt geben, um zu ermitteln, ob zwischen beiden ein
inniger Zusammenhang existiere. Indem ich für Einzelheiten auf
meinen früheren Aufsatz, in welchem die Sache ausführlicher
behandelt ist, verweise, möchte ich hier nur eine Stelle aus
demselben anführen : ,, Trotzdem scheinen mir bei der Behandlung
der für die prähistorisclien Forschungen von Japan fundamentalen
Frage, ob das Volk, welches vor der Einwanderung unserer
Vorfahren das Land bewohnt hat, einfach Aino, oder Aino und
noch ein anderes Volk (Ivoropokguru) waren, die übereinstim-
menden Befunde bei den Knochen aus Aluschelhaufen und bei
denen der Aino mehr für die erstere Annahme zu sprechen,
indem wir ja wissen, dass auf dem Gebiete, wo man verschiedene
Reste aus der Steinzeit findet, die aus dem Steinzeitaiter nicht
weit emporgekommenen Aino dagewesen und noch da sind. So
viel steht sicher fest, dass die Menschen, .die die Muschelhaufen
gebildet haben, nicht kleiner waren als die jetzt lebenden ^\ino
oder Japaner."
Die auch als ein physisches Unterscheidungsmerkmal der
Steinzeitmenschen von den Aino angegebene Häufigkeit von
Zahncarics ist als sehr seltsam, ja fast bedenklich zu bezeichnen ;
denn wenn bei der auf ein so kärgliches Material basierenden
Untersuchung kein Zufall mit.spielt, so steht dies im schneidenden
Gegensätze zu den bisherigen Befunden der Autoren, dass näni-
lich dx'se Z:ihnerkrankung bei Naturvölkern überliaupt sehr
selten ist.
Die übrigen \-on Tsuboi angefahrten Funkte, welche Stein-
zeitnienschen und Aino von einander unterscheiden sollen, sind
die Resultate seiner eigenen Untersuchungen an Resten der
Steinzeit. Obwohl sie so mannigfaltig und zahlreich sind, so
bedürfen sie doch alle nach meiner Ansicht noch einer ernstlichen
Ueberlegung, bis sie ihre wahre Bedeutung bei vorliegender
Frage bean.spruchen können. Jeden Punkt, der bei der direkten
\^ergleichung einer durch die Untersuchungen an Resten der
Steinzeit erratenen Sache mit dem Leben der jetzigen Aino
nicht übereinstimmt, zählt Tsiiboi einfach als ein unterscheidendes
Merkmal auf, und lässt dabei die Zeit, welche ja so mächtigen
Einfluss auf das Menschenleben hat, ganz und gar ausser Acht.
Sind doch das Zeitalter, aus welchem die Reste der Steinzeit
312 V. KonwF.i, LF.r.KR nii-: l ri-.kwoiixer japaxs.
licrstamnicn, und die Gegenwart durch einen langen Zeitraum
von einander getrennt, in welchem manche Wandlungen im
Menschenleben stattfinden können, durch einen so langen, in
welchem, wie Jforsv''^' durch genaue Vergleichungen der Mollus-
kenschalen aus Muschelhaufen von C )mori bei Tokyo mit solchen
der Gegenwart nachgewiesen hat, bei gewissen Species eine
Veränderung in l-?e/.ug auf Mengen-, Grössen- und l^'ormver-
hältnisse eingetreten ist und gewisse Species sogar schon aus-
gestorben sind. Brattns^^ konstatierte durch die Untersuchungen
von Muschelhaufen um Tok\'o gleichfalls bedeutsame Verände-
rungen der Muschelfauna der Ixai von Tokyo. Milne\ schätzt
nach geologischen Untersuchungen das Alter der Muschelhaufen
von Omori auf 3000 Jahre oder weniger. Dass die Japaner
während dieser Zeit nicht nur auf eine Veränderung der körper-
lichen Eigenschaften sondern auch auf eine Veränderung des
Lebens der Aino nicht -wenig eingewirl . haben, ist wohl anzu-
nehmen. Uebrigens ist nicht ausser Acht zu lassen, dass die
bis jetzt aufgefundenen Muschelhaufen wie Steinzeitreste über-
haupt untereinander von sehr \erschiedenem Alter sein können.
Im allgemeinen kann man sagen, djss sie im Norden jünger als
im Süden und am jüngsten im gegenwärtigen Ainogebiete sind.
Aber die prähistorischen l'^orschungen sind noch nicht so weit,
die chronologischen V^erhältnisse der einzelnen Reste genau
bestimmen und die etwaigen Aenderungen im Leben der Urheber
derselben festzustellen zu können.
So können die nicht übereinstimmenden Punkte bei den Ver-
gleichungen der durch die prähistorisch archäologischen For-
schungen erhaltenen Resultate mit dem Leben der jetzigen Aino
überhaupt nicht als beweiskräftig betrachtet werden, um zu
entscheiden, dass die Urheber der Steinzeitreste nicht die Vor-
fahren der Aino sind, solange w'w nicht feststellen können, in-
wiefern der Lebenszustand der Aino seit dem Zeitalter der
Steinzeitmenschen, des \-ermeintlichen Koropokguru-Volkes, mit
welchem die Aino in Nachbarschaft gelebt haben sollen, unver-
ändert erhalten geblieben ist.
Zu den irdenen menschlichen Figuren möchte ich noch
" Shell Mouiids of (;nioii. Memoirs Science Departm. Univ. Tokyo. 1879.
j Conespondenzhl. d. deutsch, des. f. Anthro]). etc 18S3. Xo. 2.
"j: 'Jlio Stone Age in Japa)i ; wiih Xoies on ReCent Geological Chant^es which
liavj laken place. Jouin. Anthr. Ini-t. Cr. Br. & Irel«. vol. X. 1881.
V. KOGANEI, LEDER DIE L'RBEWOHNER JAPANS. 313
besonders bemerken, dass sL-, wenn auch die Untersuchungen
von Tsiiboi an denselben, wie seine archäologischen Studien
überhaupt, von grossem Interesse sind, doch neben der Kunst-
fertigkeit primitiver Art bei vielen absichtlich in hohem Grade
bei manchen sogar ornamentartig entstellt sind, wie wir ja auch
wirklich aus Menschenfiguren abgeleitete Ornamente * haben,
so dass daran viele zweideutige Sachen vorhanden sein können.
An solchen Menschenfiguren die Form und Art der Kleidung,
der Haartracht, des Schmuckes u. s. w. zu erkennen ist keine
leichte Sache, und ich fürchte nur, dass dabei sehr leicht
irrtümliche-f.yrteile entstehen könnten.
Dass die Steinzeitmenschen grosse Mengen \on Muscheln
verzehrten, ist nicht etwa so zu deuten, wie Tsulwi es tut, als
ob sie einen besonderen \\\)hlgeschmack daran gefunden hätten,
sondern vielmehr die ^Mollusken lieferten für die primitiven
Menschen die animalische Nahrung, wie die Früchte und Wurzeln
der wilden Gewächse die vegetabiHsche, nur deshalb, weil sie
ohne besondere Kunst und INIühe zu erlangen waren. Daneben
bildeten auch andere Tiere gewiss einen ansehnlichen Teil der
Nahrung, wie die in Muschelhaufen enthaltenen Skelettteile
beweisen, welche aber nur einen unverhältnismässig kleinen
Bestandteil derselben bilden. Bei der Beurteilung der Mengen-
verhältnisse der als Nahrung verzehrten Muscheln und der anderen
Tiere muss selbstverständlich in Erwägung gezogen werden,
dass die ersteren weit grössere Mengen von Abfällen hinterlassen
als die letzteren. Je mehr jedoch die Methode der Fischerei
und Jagd Fortschritte machte und dadurch die anderen Tiere in
reichlicherer Menge die Nahrung lieferten, nahm wohl das Ver-
zehren von ]\Iuscheln allmählich ab. Dass die jetzigen Aino
keine Muschelhügcl bilden, kann somit nicht als ein Unter-
scheidungsmerkmal gelten.
Vergleiche der Verzierungen an den irdenen Gewissen mit
den Mustern der Schnitzereien der Aino-Gegenstände oder der
Stickereien der Aino-Kleidung sind bis jetzt vielfach versucht
worden. Im Gegensatze zur Ansicht von Tsuboi glauben
Ciisf'i]ig,-\ Mibic,X H. v. Sicbold,% SJiirai^ J^^ki Satd,^ Shitoini
"^ Uno: Journ. Anthrop. Soc. Tokyo, No. 184 (1901).
t American Naturalist. 1878. p. 323. i 1. c.
^ Ethnnlog. Studieu üb. die Aino auf d. Insel Yesso. 1881. p. 23.
•y Journ. Anthrop. .Soc. Tokyo. No. 13 (1887).
ll Ibid. Xo. 46 (1889).
314 "^'- IvOCANEI, UKBER DIK UKÜEWOI IN1:R JAPANS.
Satö,*' l'ainanaka/]' u. A. eine Uebereiiistinimuns^- oder eine
gewisse Aelinlichkcit zwischen beiden nachweisen zu können.
Bezüglich dieser Frage muss ich die ICntscheidung den Archäologen
überlassen.
Wenn Tsuboi aus der Koropokguru-Sage der Yczo-Aino
nicht bloss schliesst, dass das Volk wirklich existiert hat, .sondern
daraus auch viele Sitten und Gebräuche, sogar körperliche
Ei<'"enschaften des.selben bestimmen will, so geht er zu weit.
Dass dieser märchenhaften Sage nicht so grosse Bedeutung
bei""elegt werden kann, habe ich schon früher x'orgebracht.
Hier sei noch erwähnt, dass in dieser Sage die KorojlDkguru
von den Aino stets mit Steinzeitresten, wie P>dgruben, irdenen
Gefässen, Steinwerkzeugen, in Beziehung gebracht und als von
kleinerem Wüchse angegeben werden, dass aber in übrigen
Teilen des Inhaltes diese Sage, nach Zusammenstellungen von
Tsuboi an 19 Aino und an 16 verschiedenen Orten, in sehr
verschiedenen Variationen erzählt wird. Dass das Steinzeit\-olk
nicht von kleinerem Wüchse als die Aino war, ist, wie oben
erwähnt, durch die Untersuchung von Skelettteilen aus IMuscliel-
haufen festgestellt. Uebrigens wird das Sagenvolk mit sehr \-er-
schiedenen Namen bezeichnet, welche sämtlich von den Aino
erfunden worden sind. Koropokguni oder Korobokkitni {koro ist
nach der Angabe der Aino eine Verkürzung von korokoni
.Pestwurz ", pok oder bok ,, unter", guru oder kurii ,, Mensch";
also ,, Leute unter der Pestwurz") ist wohl der gebräuchlichste;
ferner Toicldsckuru {toi ,,Erde", cJiisc ,, Wohnung", also ,, I^rd-
bewohner"), ToncJiinkainoi {ioiichin Bedeutung nicht klar,
kaiiioi Gott).
Tsuboi hat etwa 12 verschiedene Namen zusammengestellt.
Die bemerkenswerten darunter sind ausser den eben genannten :
Koropokunguru oder Koroboknuguru {uii ist eine Postposition und
bedeutet ,, an " oder ,, von "), Toichisckotkorokauioi {kot Bedeutung
nicht klar, koro „besitzen", nach BatchclorX aber bedeutet kot
(deichfalls ,, L'esitzen ", würde also „ PLrdwohnung besitzende
Gottheit" bedeuten), Cliisckotchakckcniioi {kotcha/cc ,, vor ", also
„Gottheit vor dem Hause" oder ,, benachbarte Gottheit"),
* Ibid. No. 47 (>S9o).
t Ibid. No. 50 (1890).
i .\'.au-Eng'.i.sh-Jaiane-e Dicüu:~.ary and tli-aiviaiar. Tokyo. 1889.
V. KOGAXEI, UEßER DIE URCEWOllXER JAPANS. 315
Toichikuni {cid ,, erhitzen ", also ,, Erde erhitzende Leute ", d.h.
,, Topfer ").
Auf SachaUn ist, wie von mir u. A. und neuerdings von
Läufer'^' berichtet wurde, auch eine Sage über ein prä-ainoisches
Volk vorhanden, welches die Spuren seiner einstigen Wohnungen
in Erdgruben sowie Steingeräten und Gefässscherben hinterlassen
hätte und von den Sachalin-Aino Toticld genannt wird. Während
wir auf Yezo für dieses Sagenvolk so viele Namen haben,
scheint auf Sachalin dies nicht der Fall zu sein. Ueber die
Identität der Koropokguru-Sage und der Tonchi-Sage habe ich
schon früher gehandelt. Laufer erklärt den Ausdruck ToJicld
als Tüichi [toi ,, Erde ", cid ,, Wohnung", also ,, Erdwohnung "),
welche beide sich lautgesetzlicli sehr wohl identifizieren liesscn ;
nach ihm soll die jetzige Wohnung der Sachalin-Aino auch
ToicJd heissen. Ich habe von Sachalin-Aino ihre Winterjurte
als ToicJdsc und die Sommerhütte als Sakchise bezeichnen hören.
Es ist möglich, dass auf Sachalin Toichi als ein Dialekt neben
Toichise gebräuchlich ist, da die Nordkurilen-Aino auf Shikotan
ihre Erdjurte auch sehr ähnlich nennen, nämlich ToicJie {che
,, Wohnung "). Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass aus
der oben er\vähnten von Tsid?oi auf Yezo vernommenen Be-
zeichnung Toichikuru, wenn daraus das bekannte Glied kuru
subtrahiert wird, derselbe Ausdruck wie auf Sachalin nach Lauf er
entsteht, der jedoch anders erklärt wird, ferner dass Tora auf
Eturupp von zwei alten Aino-Frauen das Sagenvolk als Toishckuru
{she ,, Wohnung ") bezeichnen hörte. Kurz es würden noch
weitere sprachliche Forschungen notwendig sein, um diese Sache
klar zu stellen.
Höchst bemerkenswert ist, dass auf Shikotan, wie ich früher
angegeben habe, keiner etwas von der Koropokguru- oder einer
ähnlichen Sage wusste. Die gegenwärtig auf der kleinen Insel
Shikotan wohnhaften Leute sind nämlich Xordkurilen-Aino,
welche aus den Inseln Shumshu, Poromoshiri, Onnekotan, ]\Ia-
kanrushi, Harumkotan, Shiashikotan, Rashowa u. a. im Jahre
1884 übergesiedelt sind, und welche deshalb auch als Shikotan-
Aino bezeichnet w^erden können. Sie zeigen in Sitten und
Lebensweise manche Unterschiede von den Yezo-Aino und den
Aino der beiden Südkurilen f (Kunashiri und Eturupp), welche
■■•■ Die angeljliclieu Urvolker voa Yezo u. Sachalin. Ceutralbl. f. Aiulnop. etc.
5. Tilirt;. 1900.
t Es is: für unsere Zwecke vja \'o.-;eil de Xord- iriJ .SLi.lkurilc:i zu uaterstlieiJen,
3l6 V. KOGAXEI, l'EÜER DIK UK1!E\V( )I !XEI< JAPANS.
beide in nichts von einander verschieden sind und zu einer und
derselben Gi'uppe gehören. Diese Unterschiede sind aber einer-
seits auf einen Kinfluss der Russen zurückzuführen, mit welchen
sie seit mehr als einem Jahrhunderte in Berührung gekommen
sind ; andererseits rühren sie daher, dass ihnen wegen ihres
abgelegenen Wohnortes der Verkehr mit den Yezo-Aino und
den Japanern erschwert war, und sie deshalb in \ielen Beziehungen
in der Entwickelung zurückgeblieben sind. Der Häuptling auf
Shikotan, Storosow Jakow (sein Aino-Name ist Kongamakuru),
konnte mir erzählen, dass die Nordkurilen-Aino früher Stein-
geräte und irdene Gefässj gebraucht hätten ; über die Her-
stellungsvveise wisse man nichts mehr, aber er vermochte noch die
Gebrauchsweise des Steinbeils genau anzugeben. Solche S^ein-
geräte und Gefässscherben sollen häufig in alten verlassenen
Wohnungen gefunden werden, die als Gruben in grosser Zahl
auf den Inseln Shumshu, Poromoshiri etc \-orhanden sein sollen.
So liegt bei den Nordkurilen-Aino kein greifbares Motiv vor,
warum sie Sagen wie die Koropokguru, resp. Tonchi-Sage
erfinden sollten.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich her\-orheben, dass
in den ganzen Auseinandersetzungen von Tsnhoi eine grosse Lücke
vorhanden ist, insofern er bei seinen Untersuchungen die Sachalin-
und die Nordkurilen-Aino vollkommen ausschliesst und sich bloss
auf Betrachjtung der Yezo-Aino beschränkt, während doch die
Untersuchungen gerade an jenen beiden Gruppen für unsere Frage
\-on grosser Wichtigkeit sind. Nur in einem seiner älteren
Aufsätze hat Tsnboi'^ einmal geäussert, dass die Sachali-n-Aino
und die Yezo-Aino in der Gesichtsbildung sowie in Sitten und
Gebräuchen Verschiedenheiten darböten, weshalb die beiden nicht
als eine und dieselbe Rasse zu betrachten seien, dass also Befunde
an den einen nicht auf die anderen übertragen werden dürften ;
in seinen neueren Aufsätzen geht er aber darüber mit Still-
schweigen hinweg.
Ich lege nämlich grosses Gewicht darauf, dass die Nord-
kurilen- und Sachalin- Aino noch jetzt Erdjurten bewohnen.
deren f '.renze die dr 1 )vV.v Strasse bildet. \on dun elfteren iclieinen aber die l)eiden
Inseln Uru]ip un 1 S'.iimusliiri seit längerer Zeit niclit von .Aino bewohnt gewesen zu
sein; bis 1S75 waren von den Russen dahin gelirachte Aleuten dort wohnhaft.
•■■ Joui-n. Anllirop. Soc. Tokyo. Xo 31 (18S8'.
V. KOGAXE[, UEBER DIE URBEWOUXER JAPANS. 317
-V. Schrciick''-' führt ein Citat aus Golovin, der vow 1811-1813 in
japanischer Gefangenschaft war, an, dass die Aino von Yezo
gleichwie diejenigen von SachaHn im Winter auch Erdjurten
bew^ohnen. In den japanischen Chroniken ist jedoch nichts
darüber bekannt, dass diese Art der Wohnung bei den Yezo-
Aino früher gebräuchhch war. Dass die beiden Aino-Grup[-)en
diese Sitte, welche freilich im Xorden eine weit verbreitete ist,
ihren Nachbarvölkern abgesehen hätten, also die Nordkurilcn-Aino
den Kamtschadalen und die Sachalin- Aino den Giljaken oder
einem anderen oder gar einem eskimo- ähnlichen Sagenvolke
Koropokguru, dessen gegenwärtiges Dasein auch für Tsuboi
völlig unbekannt ist, ist doch höchst unwahrscheinlich. Vielmehr
ist anzunehmen, dass die Jurtenwohnung ehemals unter den
Aino in grösserer Verbreitung gebräuchlich war, dass aber dieser
Gebrauch allmählich abgenommen hat, wie eine solche Abnahme
der Jurtenwohnungen unter den Sachalin-Aino nach dem Berichte
von Läufer gegenwärtig stattfindet. Dass nun die Erdjurte die ein-
zige und ausschliessliche Art der W^ohnung bei den Alt-Aino gewesen
sei, lässt sich nicht behaupten ; es ist wohl möglich oder vielmehr
sogar wahrscheinlich, dass daneben auch einfache Hütten ge-
braucht wurden, so wie wir gegenwärtig bei den Sachalin-x-\ino
Sakcläsc {sah ,, Sommer", also ,, Sommerhütten ") und bei <\^\\
Nordkurilen- Aino InnncJic [inun ,, fischen ", also ,, Fischerei-
hütten ") "f haben, und wie auch bei vielen Völkern im Norden
beide Arten vcm Wohnungen im Gebrauche sind.
Spuren der Jurtenwohnungen in Form von Erdgruben sind in
grosser Anzahl nicht nur auf Yezo, Sachalin und den Kurilen,
sondern auch selbst auf der Hauptinsel Japans vorhanden. Dciizd
SatdX hat nämlich in neuerer Zeit bei einem Dorfe Morita, etwa
28 Kilometer westlich von der Stadt Aomori, also in der nörd-
lichsten, allerdings dem Ainogebiet am nächsten gelegenen
Provinz Mutsu, solche Gruben gefunden, in einem Orte 79
beisammen, etwas entfernt davon noch 6, zusammen 85 Gruben.
Diese stimmen im ganzen mit denjenigen auf Yezo überein, nur
sind sie nicht so tief, '/^, m oder weniger , die tiefste erreicht
'■■" Reisen und Forschungen im AmurlanJe. B.i. III. Die Völker des -Vavarlandes
2. Lief. 1S91. p. 2,12,-
+ Toni, Journ. AnUuop. Soc. Tokyo. No. 167 (lyoo;.
i Journ. Anthrop. Soc. Tokyo. Xo. 145 (189S). Audi im Joarn. of Oeograiihy,
Pulli, by Tokyo Geogr. Soc. No. iio.
31 8 Y. KOGAXEI, L'EBEK DIK URin'.WOIlNF.R JAPANS.
kaum I ni, die Form ist meist kreisförmig^. Dass diese Gruben
alte Wohnungen sind, wurde durch Ausgrabungen festgestellt.
In dieser Gegend sind auch Steingeräte und irdene Gefässe in
grosser Menge vorhanden. Die von [iiki Satö * früher erwähnten
Gru[)pen von Erdgruben bei Shichinohe, gleichfalls in Mutsu,
gehören wahrscheinlich auch hierher ; ihr Charakter ist aber
nicht durch Ausgrabungen festgestellt worden. Beiläufig sei
bemerkt, dass man aus der Anzahl der jetzt vorhandenen
Erdgruben, die auf \'ezo \venigstens nicht geringer sein wird
als die Anzahl der jetzigen Aino-Hütten, nicht etwa direkt auf
die Stärke des Volkes schliessen darf, da diese Gruben 'unter-
einander chronologisch sehr verschieden sein können und wir
nicht den Fehler machen dürfen, heterochronischc Dinge isochro-
nisch 7A\ betrachten.
Bezüglich der alten historischen Nachricht, woraus man zu
schliessjn glaubte, dass die Aino seit der geschichtlichen Zeit
Japans keine Steingeräte mehr gebrauchten, lässt sich sagen, —
wenn man dieser zum Teil seltsamen Geschichte überhaupt eine
solche Bedeutung beilegen darf wie Tsiiboi u. A. es tun — , dass
der Gebrauch von Steingeräten unter den Aino doch wohl sehr
ungleichzeitig aufgehört haben wird ; dass dies bei den Horden,
die mit den Japanern in nächster Beziehung standen, infolge
Uebernahme von Metallgeräten sehr frühzeitig geschehen sein
muss, während bei den abgelegensten der Gebrauch von Stein-
geräten, wie wir unten sehen werden, sich bis zur neuesten
Vergangenheit erhalten hat.
Eines Umstandes ist noch zu gedenken. Nämlich wenn man
ein prä-ainoisches Steinzeitvolk annimmt, so müsste man sagen,
dass bis jetzt im eigentlichen Japan nirgends als Reste der Aino
zu bezeichnende Gegenstände gefunden worden sind, während
doch viele Ortsnamen, welche von den Aino herstammen oder
sich auf dieselben beziehen, so frisch erhalten geblieben sind.
Entweder haben die Aino gar keine Reste zurückgelassen oder
diese sind noch \'ergraben oder versteckt oder haben noch keine
Beachtung auf sich gezogen : alles Dinge, die nicht viel Wahr-
scheinlichkeit für sich haben. Dieser Punkt wurde namentlich
von Ilanindai hervorgehoben.
Aus dem oben Auseinandergesetzten geht somit hervor,
* Journ. Aiulin)]\ Soc. Tokyo. Xo. 51 (1890).
j Journ. Anthrop. Soc. Tokyo. Xo. 198 11. 200 (1902).
Y. KOGAXEI, LEDER DIE URBEWOHXER JAPANS. 319
dass wir keine triftic;"en Gründe finden können flir die Annahme
eines prä-ainoischen Volkes, von Koropokguru nach der Sage der
Aino, das etwa als Urheber der im grössten Teile des japa-
nischen Reiches verbreiteten Steinzeitreste zu betrachten wäre.
Ich habe mich darüber schon früher in folgender Weise geäussert :
,, Abgesehen von der Frage der Glaubwürdigkeit der Koropok-
guru-, resp. Tonchi-Sage. sowie der Tradition der Shikotan-Aino,
um nicht zu weit zu gehen, scheint mir der Zusammenhang der
prä-historischen Reste mit den gegenwärtigen Aino noch nicht
ganz erloschen zu sein. Die Sachalin-Aino zum Teil und die
Shikotan-Aino, deren Gleichheit mit den Yezo-Aino oben aus-
einandergesetzt wurde, wohnen ja noch in Jurten, welche nach
dem Einfallen solche Erdgruben wie die fraglichen hinterlassen
können. So liegt der Gedanke nahe, dass die Yezo-Aino früher
auch Jurten gebraucht haben, die sie aber im relativ milderen
Klima allmählich aufgegeben und mit Hütten vertauscht haben,
welche mit viel geringerer Arbeit herzustellen waren. Wenn
man dazu noch den Kulturzustand der Aino in Betracht zieht,
so wird es mir noch wahrscheinlicher, dass die sogenannten Koro-
pokguru, re.sp. Tonchi die Aino selbst waren. Die Aino sind
ein Jäger- und Fischervolk, welchem die Kunst Metalle zu ver-
arbeiten allem Anscheine nach nie bekannt gewesen ist, und sie
sind nur dadurch, dass sie Werkzeuge und Geräte von anderen
Völkern erwarben, in die Eisenzeit versetzt worden, sodass sie
seit dem Zeitalter, wo sie durch Pfeile und Spiesse mit Stein-
spitzen das W^ild erlegten und die Fisclie harpunierten, nicht
sehr weit fortgeschritten sind."
Freilich hat Mamiya * bei seiner Reise nach Sachalin im
Jahre 1808 unter den Aino daselbst das Schmieden des Eisens
gesehen und die Art und Weise, wie die Aino diese Kunst
ausüben, genau beschrieben. Als Material dazu wurden allerlei
alte Eisenstücke japanischen Ursprungs, wie alte Nägel etc. ver-
wendet. Maviiya hält es für wahrscheinlich, dass die Aino diese
Kunst nicht \on anderen Völkern gelernt, sondern selbst erfunden
hätten. Auch unter den Smerenkuru (Giljaken) sah er diese
* 4b ® Ä Ulli: Kita-Yezo Zusetsu (Auch unter dem Titel : isg tfe t^ IS DöchQ
Vowaj. Die das Schmieden des Eisens betreffende Stelle dieser Scluift wurde von
7/. Siclwld (Xippon. 2. Aufl. 1897. H- I'«;^- P- 226) nicht ginz richtig übersetzt,
denn im Original steht, dass diese Kunst nur auf Sachalin, aber nicht mehr auf
Yezo üblich war.
320 V. ko(;axi':i, UEr,i:K die UKiuiwonxi'.K jArAN.-.
Kunst ausüben. Also um diese Zeit war die Schniiedckunst auf
Sachalin schon hekaiuit. Aber Maiiiiya bemerkt auschaicklich,
dass auf Yezo das lüsenschmieden nicht mehr üblich war, und
er vermutet, dass die Yezo-Aino früher, wo japanische iMsen-
waren auf dieser Insel noch nicht alli^emein verl:>reitet waren,
diese selbst verfertigt hätten, dass aber jetzt in Folge der
genügenden Einfuhr derselben aus Japan diese Kunst allmählich
verfallen sei. Unter den alten Aino in der Gegend \on Söya *
waren solche vorhanden, welche diese Kunst nocli kannten.
V. ScJini-.ck^ stellt nacli einer genauen Schilderung der Ver-
breitung des Eisens und der Kunst seiner Ik^arbeitung bei den
Amurvölkern die Vermutung auf, dass die Schmiedekunst den
Giljaken, welche hierin einen hohen Grad von Kunstfertigkeit
erreicht haben, nicht von (\c\-\ Chinesen durch Vermittelung der
Mandschu und Golde den Sungari und Amur abwärts zuge-
kommen, sondern sich aus Japan zu <\t\\ Aino von Yezo und
Sachalin und durch diese zu den Giljaken verbreitet hätte, und
zwar in einer sehr alten Zeit, die zu weit zurücklag, als dass
sich unter den Aino zu Mai/nyds Zeit noch irgend welche auf
jenes Ereignis bezüglichen Erzählungen und Traditionen hätten
erhalten können. Ich glaube aber behaupten zu dürfen, dass
die Schmiedekunst den Yezo-Aino vor alters her lu'cht bekannt
war. I£s ist doch viel natürlicher, den Yezo-Aino \'on Anfang
an diese Kunst abzusprechen, als anzunehmen, dass sie die einmal
gewonnene I^Vntigkeit wegen iM-werbung \'on p^isenwaren von
den Japanern wieder verlernt hätten. Die alten Aino von Söya,
welche zu Mmniyas Zeit die Schmiedekunst kannten, werden
wohl nicht die letzten, sondern die ersten LIandw erker auf Yezo
gewesen sein. Ferner spricht auch der tiefe Kulturstand der
Aino, der so tief war, dass bei einem Teile derselben, den
Nordkurilen-Aino, der Gebrauch von Steingeräten, \\\c wir sehen
werden, bis in die neueste Vergangenheit nachgewiesen werden
kann, gegen eine ehemalige Verbreitung der Schmiedekunst unter
den Yezo-Aino. Auf Sachalin diirfte die Verbreitung der Schmie-
dekunst somit nicht von Japan aus über Yezo, sondern \-om
Festlande her durch die Mandschu-Chinesen stattgefunden haben,
und zwar zuerst zu den Giljaken, untl dann x'on diesen zu (\c\\
Sachalin-Aino.
■•*■ An der Xordspitze von Vc/Dj früher ein Han.ielsijlatz mit Sachalin.
t 1. c. p. 566 ir.
V. KCXIANEI, UEÜER DIE LRBEWOIIXEK JAPANS. 32 1
Ein sehr wichtiger Fund wurde von Giinji, dem I'^ihrer des
Kolonisationsvereins für die Kurilen, auf djr nördlichsten Ins^4
Shuinshu gemacht. In einer Ortschaft Bettofu (vielleicht besser
Fettopo) sind nänilich etwa 60 Jurten vorhanden, bei den meisten
derselben ist das Dach eingefallen, darunter sind aber auch
solche, welche ihre urspri^ingliche Form noch behalten haben.
In solchen Jurten, welche bis zur Uebersiedelung nach Shikotan
im Jahre 1884 von Nordkurilen - Aino bewohnt waren, wurde
neben verschiedenen Ainogeräten ein Bündel von 20-30 Pfeilen
an dem Dachboden gefunden. Diese Pfeile waren teils mit
Messingspitzen, teils, was sehr beachtenswert ist, mit Steinspitzen
versehen, welche denen, die unter den Resten der Steinzeit
gefunden wurden, vollkonunen gleichen. In der Nähe ist auch
eine als P'abrikstätte von Steinspitzen zu betrachtende Stelle
vorhanden mit einer grossen INIenge von Steinspänen und fertigen
Pfeilspitzen. Dieser Yund wurde von Giinji an Tstiboi'^ münd-
Hch mitgeteilt und Tsuhoi erklärt denselben in sehr gezwungener
Weise so, dass die Bewohner der Jurten zufällig die steinernen
Pfeilspitzen gefunden und dieselben ihren Pfeilen angemacht
hätten, was, da auf Shumshu Steinspitzen massenhaft x^orhanden
sind, leicht möglich sei, und dass somit noch lange nicht die
Nordkurilen- Aino als die Nachkommen der Steinzeitmenschen,
welche die Steinzeitreste auf Yezo hinterlassen haben, zu be-
trachten seien. Ich halte es dagegen, wenn man sich nur den
Kulturgrad der Aino etwas überlegt, für weit natürlicher, die
steinernen Pfeilspitzen als Fabrikate nicht anderer Menschen,
sondern der Nordkurilen-Aino selbst zu betrachten.
Nun müssen wir noch die Ansichten von fremden P'orschern
über die vorliegende P'rage erwähnen. Ich fange mit der Ansicht
von Mllnc'\ an. Dieser P'orscher nimmt zwar an, dass ein
Koropokguru-Volk, welches Steingeräte gebrauchte, die Töpfer-
kunst kannte und in Gruben wohnte, existiert hat ; seine Auf-
fassung weicht aber von der Tsnboi s insofern ab, als er den
Aino gleichfalls Steingeräte, Töpferwaren, sowie Grubenwoh-
nungen zuschreibt. Da die beiden Völker dicht zusammenlebten,
"" Journ. Anthrop. .Soc. Tokyo. Xo. 154 (189g).
t Notes 011 Ihe Koro-j ok-guiu or Pit-Dwellers of Vezo and the Kurile Islands.
Transact. Asiat. Soc. Japan. Vol. .\. 1S82. Notes on Stone Implements from Otani
and Hakodate, with a few (General Re.narks on ihc rrL-histnric Remaiiis of Jai)an.
Ibid. Vol. VIII. 1880. The .S^onc A<^e in Japa 1 etc. Jnurn. Anthrop. Inst. Gr. Br.
and Irel. Vol. X. 18S1.
322 Y. K()(;AX1:[, UKUKR die URnEWOlIXER JAPANS.
so sei es ihm nicht unwahrscheinlich, dass sie gleiche Künste
ausübten, und dennoch zwei verschiedene Rassen sein könnten.
Die Koropokguru seien mehr als die Ureinwohner des Nordens
zu betrachten, während die Urheber der Muschelhaufen auf
Nipon (Hauptinsel) die Aino wären. Die Aino hätten \-on chn
Japanern vertrieben ihren \\'eL^^ in das Gebiet d_'r Koropokguru
genommen und diese wiederum nach Norden zurückgedrängt.
Die Reste der Koropokguru seien jetzt die Bewohner von
Sachalin, der Kurilen und vielleicht auch von Süd-Kamtschatka.
Milnc hatte im Jahre iS/.S die nördlichen Kuriien besucht und
auf der Insel Shumshu eine kleine Gruppe von Einwohnern,
nämlich einen Teil der jetzigen Shikotan-Aino noch in ihrem
früheren Wohnsitze gesehen. Die Männer waren von kleiner
Statur, hatten einen rundlichen Kopf und kurzen dichten Bart ;
keiner hatte einen so langen Bart wie die Aino auf Yezo, und
keiner so regelmässige Gesichtszüge. Dass die Auffassung Alilne s
\ox der Kritik nicht Stand halten kann, ist leicht einzusehen,
da einerseits die Sachalin- und Kurilen-Aino, wie schon oben
erörtert wurde, mit {\i^\\ Yezo-Aino zu einem und demselben
Stamme gehören und andererseits wir nach den bisherigen
Untersuchungen wegen der Gleichartigkeit der Steinzeitre.ste im
eigentlichen Japan und auf Yezo' die Annahme zweier ver-
schiedener Völker, Welche dieselben hinterlassen haben sollten,
nicht zulassen können. Ferner entspricht seine Vermutung, dass
die Aino jetzt noch irdene Gefässe machen, nicht den tatsäch-
lichen Verhältnissen.
Etwas verschieden ist die Ansicht von Dunionticr''^ , welche
dahin lautet : Die verschiedenen Varietäten der Aino (Aino von
Yezo, \on Sachalin, von den Kurilen, \on Smerenkuru f etc)
seien sehr zurückgeblieben, seien unfähig irgend welche feinere
Arbeit auszuführen, verständen nicht irdene Geschirre zu machen,
so dass es schw^erlich angehe, die irdenen Geschirre und
die schönen Steingeräte, wie diejenigen von Hakodate und
Otaru, (\c\\ Vorfahren der Aino zuzuschreiben. Vielmehr seien
die fein gearbeiteten Steingeräte, die öfters an die schönsten
dänischen Exemplare erinnerten, den in der F!rinnerung der
Aino erhaltenen Höhlenbewohnern, Koropokguru, zuzuschreiben,
* Notes de palüoctliuologie, crarchcolü^ic et de miiieralogie archeologique japo..
naises. L'Antliropologie. T. XIT. 1901.
t Smerenkuru sind niclit .Aino, .sondern die ainoischc Bezeichnung für Ciljaken,
Y. KOGANEr, UEDER DIE URBEWOHXER JAPANS. 323
\\ä!ii'end andere Kjökkcnmöddings, wie die von Omori (bei
Tok\-o) und Okadaira (Frov. Hitachi), viel rohere Erzeugnisse der
Vorfahren der Aino enthielten. Solche Kjökkenmöddings seien
jct/t noch in Bildung begriffen durch die Abfälle aus dem Leben
der Aino. Hierzu ist aber zu bemerken, dass die Kjökkenmöddings
und die anderen Steinzeitreste, wie oben erörtert, nicht ausein-
anderzuhalten sind, fjrncr dass die Abfallhaufen, welche heute
von den Aino gebildet werden, nicht mit den Kjökkenmöddings
zusammengeworfen werden di^irfen.
Auch H. V. Sicbold'^ betrachtet als Urheber der Muschel-
haufen die Aino ; als Gründe werden angeführt, dass er in den
\on ihm untersuchten Niederlassungen aus der Steinzeit an der
Westküste von Yezo nicht nur dieselben Tonscherben sondern
auch dieselben Steingeräte wie in den Muschelbergen bei
Tokyo und wie sie noch heute bei den Aino in Gebrauch
sind, vorfand, dass die noch jetzt von <\'C\\ Aino hin und wieder
angefertigten Tongefässe denselben Charakter haben, ebenso die
Stickereien, dass die Aino heute noch mit grosser Gewissen-
haftigkeit in der Nähe ihrer Hütten, am Meere oder am Flusse
Muschelhaufen und in den Bergen einen Abfallhaufen errichten.
Dass solche Gründe keine Geltung mehr haben, geht aus dem
oben Auseinandergesetzten leicht hervor.
Batchelor t meint, dass die Koropokguru-Sage wahr sei und
dass diese Grubenbewohner wirklich existiert hätten. Sie wären
nahe verwandt mit den Aino und der Rest von ihnen sei jetzt
noch auf Shikotan zu sehen. Die Bewohner von Shikotan seien
von kleinerem Wüchse als die Yezo-Aino und von nicht so
gutem Aus.sehen. Nach vor kurzem an Dcnzö SatJ mündlich
gemachter Mitteilung T hält Batcliclor die Koropokguru für
eine und dieselbe Rasse mit den Aino. Die angegebenen Gründe,
welche für seine Meinung sprechen sollen, k'önnen freilich nicht
als sehr trifng bezeichnet werden.
Griinin% weist durch Vergleichung der Koropokguru-Gruben,
welche er durch Ausgrabungen genau untersucht hat, mit den
* Eiwas über die Steinzeit in Japan. Zeitschr. f. Etimol. \cihandl. X. 1878.
Japanische Kjökkeniuöddinger. Iljid. XI. 1879.
t The .■^inu of Jaimn. 1892. Journ. Anihrop. .Soc. Tokyo. No. 72 (1892).
% Von D- Sato mit Erlaubniss von Batchelor veröffentlicht in Journ. Anthrop.
i-oc. Tokyo. No. 197 (1902).
''/, Beitrag zur Kenntni.ss der Koropokguru auf Yezo u. Bemerkungen über die
Shikolan-.Aino. Mitth. d. deutsch. Ges. f. Nalur- u. Völkerk. 03tasien.s. 48. H. 1892.
324 V. KOGAXKr, UKIiKR DIE UKI5i:\\()llXJ:i< JAPANS.
Ei'djurten auf Shikotan auf eine Aehnlichlveit zwischen beiden
hin ; aber er lässt sich niclit nfilier auf unsere Streitfrage ein und
schhesst sich einfach don i\usfiihrungen Milncs an.
Hitchcock" spricht nach einer Beschreibung der gegen-
wärtigen I'^rdjurten auf Shikotan die Meinung aus. dass, da
dieselben nach dem lunfdk-n älinUche Erdgruben wie die auf
Yezo 7Anaicklassen würden, ein Zusammenhang zwischen den
Erbauern der ahen ludgruben auf Yezo und (\c\\ jetzigen
Bewohnern der lu'tljurten auf Shikotan vorhanden sein müsse.
Die alten (irubenbewohner hätten aus Yezo vielleicht von <\(:.\\
Aino vertrieben ihren Weg über P2turupp nach (\i^:\\ Kurilen
genommen. So scheint Hitchcock die Bewohner von Shikotan
und die Yezo-Aino, wie Milnc, als zwei verschiedene Rassen
aufzufassen. Ueber die ethnologische Beziehung zwischen beiden
ist jedoch nichts weiter angegeben.
Dagegen sagt Lanzor, f dass die Kurilsky Aino auf Shikotan
keine Beziehung zu den Koropokguru hätten, an deren einstige
Existenz auf Yezo und den Kurilen auch er glaubt, da die ersteren
nic/it in Erdjurten wohnten. P'.s ist aber erstaunlich, wie er nach
seiner angeblich persönlichen Eorschung auf Shikotan im Jahre
1890 die so bekannte Tatsache, dass auf Shikotan neben Stroh-
hütten auch Erdjurten gebräuchlich sind, übersehen konnte.
Die Shikotan-Aino sollen nach ihm keine körperliche Differenz
von den Yezo-Aino zeigen mit der einzigen Ausnahme, dass die
Tibia bei den ersteren mehr rund sei als bei den letzteren.
Wie er aber die Eorm der Tibia an den Lebenden mit solcher
Sicherheit feststellen konnte, ist nicht zu ergründen. Laiidor
betrachtet die Koropokguru als ein \'on Nordosten nach Südwesten
hingezogenes Volk. Die Hauptniederlassungen dieses Volkes
wären die beiden Inseln Eturupp und Kunashiri und bei Kushiro
auf Yezo gewesen, und nur ein kleiner Teil wäre weiter nach
Süden gegangen. Die Koropokguru hätten in Sitten und Ge-
bräuchen mit den Eskimo mehrere Punkte gemein. Aehnlich
ist die Ansicht von S]ioiü.\ Nach ihm waren die Koropokguru
unzweifelhaft eine nördliche Rasse, die in Yezo via Kurilen
eindrang ; sie waren wahrscheinlich nie sehr zahlreich, und als
■■* The Ancient Pit-Dweilers of Yezo, Japan. Wasliingion 1S92.
t Alone wilh the Hairy Ainu, London 1893.
+ Notes on the Kurile Islands. 1S97. Cil. nach Läufer^ Ciotralbl. f. AiUhrop,
■etc. V. Jahrg. 1900.
V. KOGANEF, UEHER DIE URDEWOIIXER JAPANS. 325
die Aino von den Japanern nach Yezo getrieben wurden, konnten
sie keine Schwierigkeiten haben diesen Stamm zu vernichten
oder in seine urspri^ingHchen Wohnsitze zurückzutreiben ; ihre
Grubenwohnungen findet man auf den Kurilen, Sachalin, Kam-
tschatka und den Aleuten ; die Bauart, die sie im fernen Norden
l^flegten, behielten sie selbst dann bei, als sie ihren Weg in ein
weit milderes Klima nahmen. Gegen die Ansicht \-on Laiidor
und Snozu ist aber einzuwenden, dass die Reste aus der Steinzeit,
die Spuren der Koropokguru der Autoren, nicht etwa auf Yezo
und die Kurilen beschränkt, sondern weiter nach Si^iden bis zum
Südende des eigentlichen Japan verbreitet sind.
Neuerdings behandelte Lauf er * die Frage über die Ur\"ölker
\'on Yezo und Sachalin in einer kritischen Weise und zieht aus
der Angabe eines Aino -Häuptlings im Dorfe Naiero an der
Ostküste von Sachalin über die Tonchi-Sage wie aus der Gleich-
setzung von tonchi mit toichi (^\.c\\ Schluss, ,, dass die ehemaligen
Bewohner der Erdgruben nur die Ainu selbst gewesen sein
können." Ferner wird erwähnt, dass das Schauspiel der Ent-
stehung der Erdgruben sich noch heutzutage vor unseren Augen
vollzieht, indem der Gebrauch von Winterjurten, deren Bau viel
Zeit, Kraft und Kosten \-erursacht, allmählich abnimmt und wohl
bald ganz aufhören wird, so dass es nicht lange dauern wird, dass
uns das südliche Sachalin in dieser Hinsicht dieselben Zustände
darbietet wie Yezo in der Gegenwart. Die Ursache dafür sei
in der zunehmenden wirtschaftlichen Verarmung der Aino zu
suchen. Zahoyoivski'S' nimmt die Ansicht von Läufer völlig an.
Um aber die P"rage über die Ureinwohner \"on Yezo, resp.
von Japan weiter zu verfolgen, ist es unbedingt notwendig noch
genauere Forschungen im Norden, auf Sachalin und ganz be-
sonders auf den Nordkurilen vorzunehmen. Gerade für die
letzteren haben wir einen neuen Bericht von Torii, welcher flu^
unsere Frage \-on hoher Bedeutung ist. Bekanntlich sind die
Ueberreste aus der Steinzeit auf den Südkurilen \ox\ derselben
Art wie auf Yezo, so dass beide nur als von einer und derselben
Rasse herstammend aufgefasst werden müssen. Wie sie sich
aber auf den Nordkurilen verhalten, fehlen bis jetzt ausführliche
Berichte. Von Milnc und namentlich von Snoz^\ der in seinem
Bcrufe als Kapitän eine genaue Kenntnis der Kurilen besitzt,
* 1. c.
t Bulletins et Memoires Slc. d' .\ntlirop. Paris. \ . seiic. T. II. 1901. p, 441-
326 Y. KOGAXEI, UEBEK DIE URÜEWOI IXEK JAI'ANS.
wurden nur Juxljurtcn, resp. Erdf^Tubcn erwähnt, aber nicht
weiter erforscht.
Torii^'' ein Schiller von Tsuboi, hatte im Jahre 1899 auf
den Insehi Shumshu und Poromoshiri eine ijenauere Untersuchung
über diese Angelegenheit vorgenommen, deren ]<.esultate nun im
folgenden angeführt sein mögen. Hie und da sind Muschelhaufen
zu sehen ; überall sind luxlgruben \'orhanden von verschiedenem
Alter, von den neuesten, bis 1884 von Nordkurilen-Aino be-
wohnten bis zu den ältesten. In solchen alten W'ohnstätten,
namentlich aber in Muschelhaufen findet man in reichlicher
Menge Stein- und Knochengeräte, irdene Geschirre, Knocheii
verschiedener Tiere, wie Zobel, Walfisch, Fuchs, Renntier, Adler.
Höchst bemerkenswert ist, dass darin Gla.sperlen und Scherben
von Glasflaschen russischer Herkunft aufgefunden wurden und,
was von grösster Wichtigkeit ist, dass an diesen Glasscherben
gearbeitet w^orden ist, um Pfeilspitzen herzustellen. Da wir nun
wissen, dass die Russen zum ersten Male im Jahre 171 1 zunächst
nach Shumshu und dann nach Poromoshiri gekommen sind, so
können wir ganz sicher sagen, dass das Zeitalter dieser russischen
Glasperlen und Glasflaschen nicht älter zurückdatiert werden kann.
So wissen wir ganz sicher, dass zur Zeit der ersten Landung
der Russen diese Nordkurilen von Menschen bewohnt waren,
die Stein- und Knochengeiäte gebrauchten. Was die Koro-
pokguru-Sage auf den Kurilen betrifft, so hat Toiii auf Eturupp
zwei alte Ainofrauen darüber ausgeforscht ; sie erzählten diese
Sage in ganz derselben Form, wie sie auf Yezo verbreitet ist,
und sie nannten dieses Sagenvolk Toishekuru. Diese Sage ist
also bis auf Plturupp zu verfolgen, sind doch die Aino auf beiden
Südkurilen Kunashiri und Eturupp in keiner Beziehung \-er-
schieden von den Yezo-Aino. Weiter nordwärts hört aber diese
Sage auf; von der Koropokguru-Sage weiss keiner etwas
unter den Nordkurilen-Aino und gibt keiner an, dass diese
Inseln vor Ankunft der Aino von jemand bewohnt waren ; sie
sagen nur, dass sie schon seit den ältesten V^orfahren auf diesen
Inseln wohnen. Bei einer Befragung über die Reste der Stein-
zeit geben die Nordkurilen-Aino ohne den geringsten Zweifel
an, dass dieselben von ihren Vorfahren herrühren, üeber die
Steingeräte erzählten sie, dass in der alten Zeit, wo Prisen noch
" lüuni. AiUhrup. Soc. Tokyo. Xo. 1S7-18S (1901). Audi iin Journ. of Geograjiliy.
PuIjI. by. Üie Tokyo Geograph. Sjc. Xo. 151-152.
V. KOGANEI, UEBER DIE URßEWOHNER JAPANS. 32/
nicht vorhanden war, Geräte aus Stein gemacht wurden. Es
gibt deren zwei Sorten : Steinbeile, Poinainukani {poi ,, Stein ",
imikant ,, Beil "), aus Plshuen genannten Steinen gemacht, und
Pfeilspitzen, Anjiai {anji ,,Obsidian", ai ,, Pfeilspitze "). Die
Herstellungsweise solcher Steingeräte ist leider schon vergessen ;
aber es hat sich noch unter den Nordkurilen-Aino eine bemerkens-
werte Redensart von jener Zeit her erhalten, welche noch xielfach
gebräuchlich ist, wenn sie irgend eine schwierige Arbeit \-er-
richtet haben, und welche heisst : ,, Poinamukaru niushupe
ashinka shiri tinka " d. h. mit dem Steinbeil Holz zu hauen
kostete grosse Mühe. Von Knochengeräten sind verschiedene
Sorten vorhanden : Fönikeoi, ein aus Walfischknochen gemachter
Keil zum Spalten von Holz ; Aipi, eine aus Knochen gemachte
Pfeilspitze, deren Gebrauchsweise genau bekannt ist ; Kiikkuru-
kesJii, ein aus Walfischknochen geschnitztes Gürtelschloss, das
gleichfalls in Muschelhaufen gefunden wird und auf Shikotan
gegenwärtig noch im Gebrauche ist ; ferner ein Gerät aus
Adlerknochen zum Aufbewahren von Nadeln.
Ueber die irdenen Geschirre, die ebenfalls in Muschelhaufen
gefunden werden, erhält man weit genauere Angaben als über
die Steingeräte. Bevor eiserne Töpfe von den Yezo-Aino (d. h.
aus Japan durch Yermittelung der Yezo-Aino) oder von den
Russen eingeführt wurden, haben die Nordkurilen-Aino selber
Töpfe aus Erde verfertigt. Ueber die P'abrikation derselben hat
ein Greis von über 70 Jahren folgendes erzählt : Zuerst werden
Toi (Ton) und Ottä (Sand) gemischt, dazu Wasser zugesetzt und
geknetet, als Bindemittel wird klein zerschnittenes Xokkaiiki
(ein aus feinen Fasern bestehendes Gras) zugetan ; dann wird
aus dieser Teigmasse ein Ring, Toikaryu genannt {karyTc ,, Ring"),
gemacht, aus welchem ein Geschirr von gewünschter P^orm her-
gestellt wird. Zuletzt wird das Geschirr mit Wasser gefüllt, ins
Eeuer gesetzt und erhitzt, das W^asser kocht sich bald auf und
verdampft ; wenn das Geschirr trocken geworden ist, wird es
herausgenommen und die ganze Kunst ist fertig. Die zur
Herstellung von Töpfen geeignete Tonerde gibt es nicht überall,
sie wird oft von weit entfernten Orten geholt ; solche Orte sind
die Insel Alait und Mojirikeshi auf Rashowa. Gewerbsmässige
Töpfer gab es nicht, jeder machte selbst seinen Bedarf, jedoch
war die Töpferei hauptsächlich die Kunst der P^rauen. Die
Frauen von Poromoshiri waren sehr geschickt, die von Rashowa
dagegen sehr ungeschickt. Die Kunstferticckeit betrifft \'or allem
328 V. KOcAXEi, ui-:r.KR imk lki;k\\()iini:r jatans.
die An\vcnduni;".s\vcisj des Xokkanki. 1 )ic irdcMicn Geschirre
waren hauptsächlicii in zwei Formen gebräuchlich : ToisJut {s/ui
,, Kochpfanne ") und Toisara {sara ,, Teller "). An der Koch-
pfanne sind an der inneren Seite nahe am Rande Oehre angebracht.
lAIittels eines durch die Oehre durchgezogenen aus Muri Gras ge-
drehten Strickes wird die Pfanne über den 1^'euerherd gehängt
und darin die Speise gekocht, wobei aber öfters Unfälle vorkamen,
indem die Pfanne zerbrach, was grossen Verdruss erregte. In so
frischer Erinnerung resp. Tradition bleibt die Lebensweise der
damaligen Zeit noch im Gedächtnis der Nordkurilen-Aino. Was
die Erdgruben betrifft, so ist es keine P'rage, dass sie die 'Hinter-
lassenschaft der Aino sind ; die Nordkurilen-Aino wohnen ja noch
gegenwärtig auf Shikotan in solchen Erdgruben. Es sei somit
nunmehr gar kein Zweifel vorhanden, dass die Urheber der
Steinzeitreste auf den Nordkurilen Shumshu und Poromoshiri
die Nordkurilen-Aino selbst sind und keine anderen Menschen,
und dass die sog. Koropokguru, falls sie wirklicli existiert hätten,
nicht über die Kurilen nach Norden gegangen sind. Toi^ii sagt
weiter : Wenn man die wohlbekannten Reste der Steinzeit von
Yezo und den Südkurilen bis P^turupp einer genauen Vergleichung
mit denen der Nordkurilen, Shumshu und Poromoshiri unter-
ziehe, so sei eine vollkommene Ut^bereinstimmung zwischen
beiden noch nicht vorhanden, insofern als diejenigen irdenen
Geschirre mit vielen Verzierungen, welche auf Yezo und den
Südkurilen gewöhnlich gefunden werden, auf Shumshu und Poro-
moshiri bis jetzt vergebens gesucht worden sind, während die
oben erwähnten hierselbst gefundenen Toishu \on sehr roher
zerbrechlicher Art, ohne jede Ornamente und an der inneren
Seite mit Oehren versehen sind. Da aber Torii'^ bald darauf
aufmerksam wau'de, dass ebensolche Toishu wie die der Nord-
kurilen mit den charalcteristischen Oehren an der Innenseite auch
auf Sachalin inid auf Yezo gefunden worden sind, so kommt
er schliesslich zu dem allgemeinen Schlüsse, dass die Aino
Steinzeitmen.schen waren, irdene Geschirre machten und in Erd-
jurten wohnten und alle die Reste aus der Steinzeit hinterliessen.
Wie Tsiihoi unter Berücksichtigung der Forschungen von
Toi'ii seine Koropokguru-Hypotliese, welche ja in der bisherigen
unveränderten Form wohl nicht Stand halten kann, auffasst, hat
er noch nicht publiziert. Dass er aber noch bis zur neuesten
'■'• Journ. Anlhroj). Soc. Tokyo. Xo. iSS (^1901).
Y. KOGANEI, UEBER DIE URBEWOHXER JAPANS. 329
Zeit an seiner Ansicht über die Koropokguru festhält, hat er
gelegenthch im Journal of the Anthropological Society of Tokyo,
No. 198 und 200 (Sept. u. Nov. 1902) sowie No. 203 (Febr.
1903) geäussert.
Ich kann nun sagen, dass Torii mit reichlichen beweisenden
Tatsachen meine Auffassung im vollen Umfange bestätigt hat.
Die kleine Gruppe von Nordkurilen-Aino auf Shikotan von
kaum mehr als 60 Seelen,"^' die vielleicht nur noch bis zu einer
absehbaren Frist die weltliche Existenz behaupten kann, ist
sozusagen ein iiiissing link zwischen den Steinzeit-Aino und
•den Eisenzeit-Aino. Ich schliesse mit den Worten, welche ich
schon früher ausgesprochen habe : Das japanische Reich war
einst ein Aino- Reich.
Tokyo, März i()Oj.
* Zur Zeit meines Besuches 1SS9 waren es 63 Aino ; Tora wählte 1899 62
Aino.
1
iiisPRiiG DES umn mm.
Vox
PFARRER HANS HAAS
IN TÜKYÖ.
Dai Nippon, Gross-Nippon, ist der Name, mit welchem die
Japaner selbst ihr Land bezeichnen. Dass das Wort Nippon
(oder Nihoii) wie unser Japan eine Korrumpierung von Jih-pcn,
der chinesischen Aussprache der auch von den Japanern ge-
brauchten Schriftbilder 0 :^ ist, ebenso wie wir Marco Polo's
Zipangit nur als eine Transskription von JiJi-pcn-kiio (/^//c; = Land)
anzusehen haben, ist eine ausgemachte Sache. Um so mehr
gehen noch heute die Ansichten darüber auseinander, wie, wo
und wann zuerst der Name 0 ;^ ,, Sonnen-Aufgang " als
Bezeichnung für das äusserste östliche Thule aufgekommen.
Was seitens japanischer Forscher bis jetzt zur Aufklärung
des Problems geleistet worden, hat vor kurzem Dr. Murakawa
mitgeteilt. Sein Resume findet sich in Gestalt einer ergänzenden
Herausgebernote in dem von ihm besorgten Nachdruck von
Hildreth's Japan as it %^'as and is.^ Diese neueste Auflage
des noch heute vor hundert anderen lesenswerten Werkes über
Japan erschien leider nur in 300 Exemplaren, die an die Sub-
skribenten verkauft waren, noch ehe der Druck beendigt war.
Von Europäern sind nur einige wenige dazu gekommen, sich
das Buch zu sichern. So wird mit einer Wiedergabe der er-
wähnten kurzen Zusammenfassung in deutscher Uebersetzung
wohl dem einen oder andern Leser ein Dienst erwiesen.
Dr. Murakawa bemerkt : ,, Der Ursprung des Namens
,, Nippon " oder ,, Nihon " [ 3 ;^] ist oft und von verschiedenen
* Richard Hildreth, Japan as it ivas and is. Edited wilh supplementary
notes by K. MuRAKAWA. Tökyü. Printed at the Sanshüsha, Kanda 1902. S. 581 f.
332 II. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPI'ON.
Gelehrten unseres Landes zum Gei;"enstand der Untersuchung
o-emacht worden. Indes ist keiner von ihnen bis jetzt imstande
o-ewesen, eine iM'klärung zu finden, welche so sehr befriedigt
hätte, dass sie die von den übrigen aufgestellten Hypothesen
verdrängte.
Es war Norinaga Mototiri [/^^^:^], ein gcbilduter,
in Verbindung mit unserer nationalen Literatur und Geschichte
wohlbekannter Gelehrter, der als erster die Frage nach der
Herkunft des Namens Nippon systematisch untersuchte. l^r
war der Ansicht, dass der Name Nippon : (i) offiziell im
I. Jahre Taikwa [:^ ft] d.i. 645 A. D. gebraucht wurde, als
eine vollständige Reform im Verwaltungssystem durchgeführt
wurde ; (2) dass er ein Wort für die Zeichen 0 ;$L war, die
geflissentlich mit Rücksicht auf die fremden Länder [China und
Korea] gewählt wurden, um von diesen erkannt zu werden, und
dass sie daher auch von dem Augenblicke an, da man sie
annahm, wie Ni-hon ausgesprochen worden sein müssen. Von
einer japanischen Aussprache derselben wie Hi-no-vioto oder
Yaniato habe man zu dieser Zeit nichts gewusst. [Siehe Motoori's
Kokugö-ko, 1^ ^ #].
Nobutomo Ban [j^ f^ ^], ebenfalls ein wohlbekannter
Gelehrter am Ende der Tokugawa-Dynastie, veröffentlichte als
nächster seine Ansichten im Chügwai-keiiden [ff» ^ ^ |^ jl^].
Nach ihm waren es die Koreaner, die unser Kaiserreich zuerst
Ni-Jion nannten, und da dieser Name mit seiner Bedeutung
Sonnen-Quelle " sehr glücklich ist, wurde er von der Regie-
rung der Zeit ohne weiteres angenommen.
Ganz neuerdings hat Herr Masakoto Kimura \^ j^ JE ^]
den Gegenstand von neuem behandelt und seine Ansichten in
No. 9 der Töyö Gakukwai Zasshi [:^ V^ ^ # || W, veröfient-
licht. Sie laufen auf das folgende hinaus : Der Name Nippon
wurde wahrscheinlich zuerst von den Koreanern gebraucht, und
ob""leich es schwer ist, genau zu bestimmen, wann derselbe
zuerst in unserem Lande gebraucht wurde, ist es doch wahr-
scheinlich, dass er zur Zeit des Kaisers Sujin Tennö [^r jji^ ^
^] * bereits im Gebrauche war, da seit seiner Regierung ein
häufiger Verkehr zwischen Japan und Korea stattfand. Er
stimmt mit Ban überein in der Ansicht, dass wir den Namen
von den Koreanern übernahmen, und mit Motoori hinsichtlich
* Sujin-tennö, angeblich der lo. Kaiser, soll von 97-30 v. Chr. ü. regiert haben.
(Anm. des Uebersetzers).
H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON. 333
der Art und Weise des Aussprechens der chinesischen Schrift-
zeichen 0 :^.
Sodann veröffentHchte Hoshino [^ ff], Professor an der
Kaiserhchen Universität Tokyo, seine Ansichten in den Nummern
30 und 31 der Shigaku Zasshi [^ ^ ^i |^.]. Dies gab Anlass
zu einer hitzigen Diskussion zwischen ihm und Herrn Kimura.
Der Hauptkontroverspunkt war, ob der Name Hi-no-nioto, die
japanische Lesung der Zeichen 0 ;^, vor der EinRihrung der
Charaktere (d. h. 0 ;^) in Japan existierte oder nicht : Prof
Hoshino vertrat die Meinung, dass er vorhanden gewesen, Herr
Kimura dagegen stellte diese Tatsache rundweg in Abrede.
Während viele andere wichtige Fragen ebenso hitzig zwischen
den zwei Forschern verhandelt wurden, publizierte Dr. Ginzö
Uchida [^09M|^] das Ergebnis seiner Untersuchungen über
den Ursprung des Namens Nippon in der Shigaku Zasshi. P>
machte geltend, dass: (i) Yamato, der ursprüngliche Name für
Japan, durch 0 ;^ dargestellt wurde, als die Literaten ver-
gangener Tage das Bedürfnis fühlten, zur Ersetzung anderer im
Gebrauche stehender Schriftzeichen glückbedeutende chinesische
Charaktere zu wählen. Die zwei in Frage stehenden Zeichen
sagten ihnen zu, da der Gedanke, dass dieses Land ein Land
des ,, Sonnenquells " ist, bereits in ihnen schlummerte. (2) Die
Zeichen 0 :^ wurden zur Zeit ihrer ersten Anwendung in
unserem Lande von den Japanern Yamato gelesen. (3) Es ist
möglich, dass diese Weise, Yamato durch die Zeichen 0 i^
darzustellen, bei den Koreanern vor deren wirklichem Gebrauche
in Japan gang und gäbe war. (4) Obgleich wir den genauen
Zeitpunkt, wann die Zeichen 0 i^ zuerst in unserem Lande
gebraucht wurden, nicht genau zu bestimmen vermögen, ist es
doch gewiss, dass sie bereits vor der Taikwa {^ f|^)-Aera im
Gebrauche waren. (Siehe Shigaku Zasshi, ^ ^ lÜlS . 1^'J- ^•.
No. 7, II und Bd. XL, No. 1,2).
Dr. Murakawa schliesst mit den Worten : ,, Obgleich dieser
Gegenstand, der viele unserer Historiker interessiert hat, noch
viel Raum für weitere Untersuchung lässt, steht uns doch wenig-
stens das eine fest, dass der Ursprung des Namens nicht chine-
sisch ist."
Eben das nun, was dem japanischen Historiker bei allen
sonstigen Ungewissheiten fest steht, wird von dem europäischen
Japanologen, der sich an die Untersuchung des Problems gemacht
hat, von Aston, ebenso entschieden als falsch zurückgewiesen.
334 H- IIAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON.
Kr meint, der Ausdruck Nippon trage unverkennbar das Gepräge
chinesischen Einflusses. ,, Für einen Japaner ist sein eigenes
Land ebensoviel das Land des Sonnenuntergangs, wie es ihm
das Land des Sonnenaufgangs ist. Einzig einem Kopfe, der mit
der Vorstelkmg erfüllt ist, dass China das grosse Reich, das Reich
der Mitte ist, kann es einfallen, Japan das Land des Sonnen-
aufgangs oder das Ostland zu nennen." *
Ich selbst habe mich noch vor Jahresfrist gelegentlich f zu
dieser Frage folgendermassen geäussert : ,, Wäre, was jedoch
höchst unwahrscheinlich ist, der Name, der nicht vor ö/o n.
Chr. für das vorher gebräuchliche Wa eingeführt Avurde,' nicht
von den Chinesen oder Koreanern aufgebracht sondern japa-
nischen Ursprungs, so könnte man höchstens annehmen, dass er
vor Alters von den Eingebornen der westlichen Provinzen für
die östlich gelegenen gebraucht worden sei." Es ist mir schmei-
chelhaft, dass der japanische Historiker diese meine cn passaiit
hingeworfene Hypothese, die so nahe liegt, dass ich mich
wundern würde, wenn nicht schon andere vor mir auf dieselbe
gekommen wären, in seinem Resume der Wiedergabe für wert
fand. Aber gerade eine persönliche Diskussion der Streitfrage
mit Herrn Murakawa wurde mir die Veranlassung zu eingehenderer
Beschäftigung mit ihr, die mich zu einer anderen Hypothese
geführt hat. Als solche, als einen erneuten Versuch zur Lösung,
den ich kompetenten Beurteilern zur Prüfung vorlege, nicht
als meiner Meinung nach unumstössliches Resultat möchte ich
die nachfolcrenden AusführunQ"en an^resehen wissen.
Die Chinesen nannten das Liselreich, mit dem sie frühe
schon in Verkehr standen, in der ältesten Zeit, v.'ie die Koreaner
das noch heute tun, IVa.X Das Zeichen ■^. mit welchem die
Chinesen diesen Namen schreiben, im heutigen Mandarindialekt
Wo ausgesprochen, ist ein Kompositum aus )\^ ,, Mensch " und
^,, gebeugt", bedeutet daher soviel wäe ,, gebückter Mensch ".§
•■" Ear/v Japanese History. Transactions of the Asiatic Society of J.i])an. Vol.
XVI, p. 41 f.
t Siehe Haas, Geschichie des Chri,t;ntunis in Jai^an (Supplement der „Mit-
teilungen" der Deutschen Gesellschaft für Xalur-und Völkerkunde Ost.isiens, Tokyo
1902), Bd. I, S. 2 f. Anm, t.
X Wa findet sich zum erstenmal im Shan-hai-king ([Ij ^ J.f ).
l Hiezu darf vit-lleiclit eine Hypothese von Dr. Baelz ang .-merkt werden, der
in den Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft 1901, S. 179 f.
H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON. 335
Es ist begreiflich, dass sich die Japaner an einer solchen
Benennung stiessen, sobald ihnen der Sinn des Scbrifrzeichcns
deutlich wurde, und dass sie selbst ihr Land nicht gern so
nannten. Sie lasen das Zeichen gewöhnlich Yaviaio, was im
eigentlichen Sinne nur eine der zentralen Provinzen des Reiches
ist. ]Vanii dafür Nippon (0 ;:^) substituiert wurde, darüber
gehen, wie das oben in Uebersetzung mitgeteilte Resume von
Murakawa zeigt, bei den japanischen Historikern die Ansichten
auseinander. Aston " und Florenz f vertreten auf Grund einer
Angabe des koreanischen Geschichtswerkes Tongkam, die ihnen
schreibt : „ Allen Siirachforschern Ostasiens hat die Bezeichnung der Chinesen für
die Japaner ,,Wodjin" viel Kopfzerbrechen bereitet. Dieses Wort bedeutet einen
kleinen gebückten Menschen. Man hat das so erklärt, dass man sagt : das Wort
kennzeichnet einen sklavischen Charakter, indem die Leute sich gebückt halten,
Weil sie nicht wagen, aufrecht zu gehen. Es ist nun kein Wunder, dass die Japaner
sich schon von ilirem ersten offiziellen Verkehr mit China an, vor mehr als tausend
Jaliren, geweigert hal)en, diesen Namen anzuerkennen. Wer die Japaner und ihre
Geschichte kennt, wird auch nimmer glauben, dass sie jemals ein sklavisches Volk
waren ; sie sind im Gegenteil immer kriegerisch und stolz gewesen. Infolgedessen
war man bisher gänzlicii im Unklaren, wie diese Bezeichnung entstanden ist. Ich
glaube nun, ich kann den Schlüssel dazu geben. Das Wort Wodjin stammt offenbar
aus der Zeit, in der die Chinesen zuerst mit Japan in Berührung kamen ; damals
war Japan noch ganz oder fast ganz in den Händen der xVino. Kun ist aber das
Eigentümliche, dass kein Volk der Welt so gebückt geht wie die Aino. Ohne
Ausnahme geht der Aino in der Weise, dass er die Arme, im Ellenbogen gebeugt,
an den Leib hält, den Oberkörper vorn überneigt und ihn dabei ganz starr hält.
Diese charakteristische Eigenschaft des Aino ist auf allen Aino-Bildern der Japaner
vorzüglich dargestellt. Ich habe den berühmten alten Häuptling Penri, den einzigen
Aino, aus dem man üljerhaupt etwas Vernünftiges herausbringen kann, gefragt :
„Warum gehen selbst die kräftigsten Leute so?" ., So sind die Aino gegangen, seit
es Aino gegeben hat ", war die Antwort. Auf solche Weise, glaulie ich, lässt sich
diese Crux der Sprachforscher ohne Schwierigkeit erklären, um so melir als ja die
Aino sehr klein sind."
Ein Japaner findet eine andere Lösimg. Er nimmt an, dass die ersten Japaner,
die China besuchten, auf die Frage, wie sie ihr Land nennten, antworteten „ IVcii^a
A'uni" d.h. „unser Land". „ Waga " wurde, indem man es für einen Eigennamen
nahm, zuerst JVan:! ^ ^), und dann zufolge der chinesischen Gewohnheit, fremde
Wörter auf das Prokrustesbett ihrer eigenen einsilbigen Sprache zu spannen, „ IVa^'-.
Aston, der diese seltsame Erklärung mitteilt (a. a. O. p. 41), neigt zu der Hypothese,
dass Wa oder vielleiclu Wani der Name des herrschenden Stammes oder der
Familie sei, von welcher zu einer Zeit die Herrscher Japans genommen wurden.
Wani erscheint in der Tat nicht selten im Kojiki und Xihongi als ein Eigenname.
* Early JapaJiese History p. 42.
t Japanische Annalen, S. XVI und 29 f.
33^ H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON.
durcli eine chinesische Autorität noch bekräftif^-t wird, die
Meinung, dass der Name N'ippon statt Wa im Jahre 670 n.
Chr. G. eingefülirt wurde. Beide messen den mit diesen chine-
sischen und koreanischen Autoritäten in Bezug auf die Zeit in
Widerspruch stehenden Angaben japanischer Quellen, nach
Avelchen der Name Nippon schon früher an die Stelle von Wa
gesetzt wurde, wenig Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit bei.
Ich vermag nach sorgfältiger Erwägung aller in Betracht kom-
menden Umstände dem Urteil der beiden ausgezeichneten Japan-
forscher nicht mehr beizutreten. Ich meine, die Aussagen
der japanischen Quellen einerseits und die Aussagen der
koreanischen und chinesischen andererseits lassen sich aufs
beste in Einklang bringen.
Dass im Nihongi, den japanischen Annalen, lange vor dem
Jahre 670 der Name Nippon gebraucht ist, fällt mir natürlich
nicht ein, als Beweis dafür anzuziehen, dass er in dieser Zeit
bereits in Japan in Gebrauch gewesen sei. Wo er da vor-
kommt, haben wir es in den meisten Fällen mit Anachronismen
zu tun. Die Kompilatoren dieses 720 vollendeten Zweitältesten
Geschichtswerks haben den zu ihrer Zeit bereits geläufigen Namen
in ältere Zeiten zurückverlegt und, wo in ihren Quellen Wa stand,
dafür Nippon substituiert. Zu cüicr Stelle aber, die, ohne Zweifel
in Anspielung auf die Bedeutung des Namens, von dem Lande
Nippon spricht, bemerkt Aston selbst,* dass sie ein genuiner
Fall des Gebrauchs des Namens sein möchte. Es ist die
folgende zum Jahr 621 : ,, Zu dieser Zeit hörte Weji, der bud-
dhistische Priester in Koma, von dem Tode des Prinzen Kamu-
tsu-miya und war aufs höchste betrübt darüber. Er forderte
die buddhistischen Priester zu sich und bereitete ein geweihtes
Mahl [für den Geist des Toten], und an dem Tage, an welchem
er persönlich über die heiligen Schriften predigte, tat er das
Gelübde : » Es ist im Lande des Aufgangs der Sonne ein Heiliger
mit Namen Prinz Kamu-tsu-miya Toyotomimi, der in der Tat
ein vom Himmel begnadeter Mann war. Mit den Tugenden
eines unergründlichen Heiligen wurde er im Lande des Aufgangs
DER Sonne geboren. Die drei Grundprinzipien hatte er in sich.
Er folgte den erhabenen Regeln der vorangegangenen W^eisen,
verehrte die Drei Kostbaren Dinge und erlöste das Volk von
seinen Mühsalen. Er war in der Tat ein grosser Heiliger.
Nun ist der Prinz gestorben. Ich gehöre zwar einem fremden
* Nihongi, Bd. II, S. 149.
H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPOX. 337
Lande an, doch ist mein Herz mit dem seinen unzertrennlich
verbunden...'- " *
Der HeiHge, von welchem hier die Rede ist, ist der
berühmte Fürst, der in der Geschichte unter seinem posthumen
Namen Shötoku-taishi bekannt ist. Der Mann in Koma, einem
der Königreiche von Korea, aber, der den Tod des japanischen
Prinzen mit so tiefem Gefühl beklagt, war einst sein Lehrer.
Ks ist der Priester Hye-chä, der, nach Japan gekommen, dem
Nihongi zufolge im Jahre 595 n. Chr. G., am 10. Tag des 5.
Monats naturalisiert und darauf vom Thronfolger, der buddhi-
stische Studien bei ihm trieb, zum Lehrer angenommen wurde
und erst im Jahre 615 wieder nach Korea zurückkehrte.
Shötoku-taishi A\urde alsbald nach dem Regierung.santritt
der Kaiserin Suiko zum präsumpti\"en Thronfolger ernannt und
in Stellvertretung der Kaiserin zur Leitung der staatlichen
Angelegenheiten berufen und mit allen Staatsaffairen betraut.
Es ist nun für unsere P'rage nicht ohne Bedeutung, dass wir
eine Nachricht haben, welche besagt, dass eben die Kaiserin
Suiko im Jahre 607 einen Brief an den chinesischen Hof sandte
mit der i^inleitung : ,, Der Himmelssohn, welcher im Lande der
AUFGEHENDEN SoNXE regiert, sendet diesen Brief dem Himmelssohn,
v/elcher im Lande der untergehenden Sonne regiert." So be-
richtet das Peh-sze, Abt. Wo-Ch'uen, das uns weiter erzählt:
,, Der Kaiser {'^ tci) las A^w Brief und war keineswegs darüber
erfreut. Er sagte zum Körokyö {^% ^t ^|)) : » Der Brief des
Barbaren enthält Unhöflichkeiten, gib dich nicht weiter damit ab::."
Dr. Plorenz, dem wir diese Mitteilung verdanken, gibt weiter
an, dass auch ein anderes chinesisches Werk, das ^ IM [^
T'ang-lui-han, berichte : ,, Im 20. Jahre Kai-hoang (600), unter
Kaiser Wen-ti von der Sui-Dynastie, schickte der König von
Japan {\Va), dessen Familienname (^) Avie und dessen Rufname
(^) Tarishihikö ist und der in seinem Lande Amckimi heisst,
was auf Chinesisch ,, Kaiser " bedeutet, einen Gesandten an den
Plof [von China]. Der von ihm überbrachte Brief lautete
(genau wie oben !)." Der genannte Autor bemerkt hiezu, der
in diesen beiden Stellen erwähnte Brief des japanischen Kaisers
sei aller Wahrscheinlichkeit nach derselbe, welchen im Jahre
607 ein japanischer Gesandte namens Imoko überbracht hatte,
und der im Nihongi erwähnte Brief des chinesischen Kaisers,
* Fi.OREXZ, Japanische Annalen S. 43 f.
338 H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON.
di:^n er nach demselben auf clcni Rückwege verlor, werde die
Antwort des Kaisers enthalten haben. Die Sendung werde
auch im Peh-sze erwähnt : ,, Im nächsten Jahre schickte der
Kaiser den Wenlinlang P'ei Shi-ts'ing nach Japan als Gesandten ",
sowie im King-tsih-hou-ch'uen-ki {^^_ ^ ^ f# IS) : ., Unter der
Regierung von Oharuda wurde Ono no omi Inkö (0 j^ Yin-kao
statt Imokd) nach Sui geschickt, um l^ücher zu beschaffen, und
bei der Gelegenheit wurde auch ein Brief mitgeschickt, welcher
sich nach der Gesundheit des Himmelssohnes erkundigte. Dieser
Brief lautete wie folgt (selbiger Inhalt wie oben!). Der
Kaiser Yang (605-617) las ihn und war nicht erbaut davon und
war über Acw hochmütigen Sinn erstaunt. P>r schickte den P'ei
Shih-ts'ing und andere, im ganzen 13 Mann, in Begleitung Inkö's
(nach Japan), um die Verhältnisse des Landes kennen zu lernen."
Florenz führt aus, der Name Tarishihikö, welchen die chinesischen
Historiker dem japanischen Kaiser beilegen, sei jedenfalls kor-
rumpiert aus Okinaga-tarisliUii, dem Namen des nächstfolgenden
Kaisers Jonici-tcnnö. Es liege also eine Verwechslung der beiden
Kaiser Suiko-tcnnö und Jomci-tcnnd seitens der chinesischen Hi-
storiker vor. Das im T'ang-lui-han angegebene 20. Jahr der
Periode Kai-Jioang entspreche dem 8. Jahre der Kaiserin Siiiko
und sei zweifellos ein Irrtum, während das Peh-sze mit dem
Nihongi übereinstimme.
Was liegt nun näher als die Annahme, dass die Abfassung
des hier erwähnten Schreibens das Werk des Prinzen war, der
unter Suiko-tennö mit der Leitung aller Staatsgeschäfte betraut
war ? Für eine solche Vermutung fehlt es auch nicht an einer
Bestätigung. Nach dem Nihongi überbrachte der Gesandte P'ei
Shi-ts'ing einen Brief des chinesischen Kaisers, der begann :
,, Der erhabene Kaiser erkundigt sich nach dem Erhabenen von
Wa". Dieses Schreiben beantwortete die Kaiserin mit einem
anderen, das folgenden Wortlaut hatte : ,, Der Himmelserhabene
des Ostens gibt dem erhabenen Kaiser des Westens ehrfurchts-
voll zu wissen etc. etc." Plorenz teilt hiezu aus dem Taishidcnrcki,
einer im Jahre 992 von Taira no Motochika verfasstcn Biographie
des Prinzen Shötoku, mit : ,, Die Kaiserin rief den Thronfolger
und andere zu sich und beriet mit ihnen über den Wortlaut der
Antwort. Da nahm der Thronfolger einen Pinsel und schrieb
folgendes : » Der Himmelserhabene des Ostens erkundigt sich
nach dem erhabenen Kaiser des Westens etc. etc. < "
Dass der Prinz der chinesischen Schrift kundig war, geht
]I. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON. 339
auch aus einer anderen Angabe derselben Quelle herv^or. Mit
Bezug auf die in dem erwähnten Briefe des chinesischen Kaisers
angewendeten Titulaturen bemerkt dieselbe : Die Kaiserin fragte
den Thronfolger um Auskunft, welcher erwiderte : ,, Dies i^t der
Briefstil, mit dem sich der Kaiser (Himmelssohn) an die Va-
sallenfürsten (^{^3E) wendet. Aber die Zeichen ^^ werden
nur für Einen im Reiche angewendet, und indem der Kaiser
[mit Bezug auf uns] die Zeichen ^ ^ (Erhabener von Wa)
gebraucht, bezeigt er sich höflich. Wir müssen daher ehrerbietig
sein in unserem Verkehr mit ihm."
So ist denn wohl die Vermutung, dass auch der erste
Brief der Kaiserin Suiko an den chinesischen Hof von Shötoku
verfasst wurde, zum mindesten sehr wahrscheinlich. Erinnern
wir uns nun, dass sein Lehrer in Koma bei der Kunde von
des Prinzen Tod von ihm als einem Heiligen im Lande des
Sonnenaufgangs sprach, so legt sich der Gedanke nahe, dass er
den Namen Nippon von diesem seinem einstigen koreanischen
Lehrer lernte. Dieser mag den Thronfolger darauf aufmerksam
gemacht haben, welche Bedeutung das Schriftbild für Wa im
Chinesischen habe, und ihm die neue Bezeichnung an dessen
statt suggeriert haben. Unentschieden wird freilich bleiben
müssen, ob Weji hiebei dem Prinzen einen Namen an die Hand
gab, den er selbst erst ad hoc erfand, oder ob derselbe in seiner
Heimat, in Korea, als Bezeichnung für das östlich davon
gelegene Liselreich bereits im Gebrauche war. Ein chinesischer
Autor erwähnt die Tatsache, dass, wenigstens um 540 A. D.,
die Koreaner Japan das ,, Grosse Land " (;^ ^) nannten.*
Wie dem immer sei, ich nehme an, dass Shötoku-taishi,
nachdem ihm durch den Koreaner der neue Name an die Hand
gegeben war, bei erster Gelegenheit in dem Schreiben nach
China, den Namen JVa umgehend, von Japan als dem Lande
redete, wo die Sonne aufgeht. Mit diesem Neuerungsversuche
aber kam er schief an. Der Kaiser von Japan wird nicht so
wohl, wie Florenz annimmt, darüber so gewaltig verschnupft
gewesen sein, dass der Herrscher von Japan in dem von Imoko
überbrachten Schreiben ihn wie einen Gleichstehenden behandelte,
als vielmehr darüber, dass er im Gegensatze zu China als dem
Lande, da die Sonne untergehe, Japan als das Land bezeichnete,
wo die Sonne aufgehe. Aus der Verstimmung des chinesischen
* AsTüN, Nihongi, Bd. II, S. 42, Anm. 4.
340 H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON.
Kaisers geht dann unzweifelhaft hervor, dass der Name Nippon
zu dieser Zeit als Bezeichnung für Japan noch unbekannt und
also bis dahin nicht in offiziellem Gebrauch gewesen war.
Hicmit steht nun gut im Einklang, was das SJiakn-NiJiongi,
ein japanischer Nihongi-Kommentar des 13. Jahrhunderts, ver-
merkt : dass Ono no Imoko, der Gesandte für China, das Zeichen
f^ M'a zu ändern wünschte und dafür Q if^ Nippon setzte, dass
aber der Kaiser der Sui-Dynastie blind gegen Vorstellungen
gewesen sei und seine Zustimmung nicht gegeben habe.* Wenn
aber diese Quelle dann fortfahrt, erst in der Periode Wii-tcli
(618-627) sei der Name Q if. Nippon zum erstenmale angewendet
worden, so steht dies mit dem koreanischen Tongkam m. E.
keineswegs, wie Florenz meint, in Widerspruch. Der Name
kann langczeit in mehr nichtamtlicher Form angewendet
worden sein, bis er offiziell durchdrang. Und 670 ist ja nach
dem Tongkam nur das Jahr, in welchem die Japaner der
koreanischen Regierung in aller Form Nippon als die eigentliche
Bezeichnung für ihr Land notifizierten. Aston erwcähnt,t dass
auch nach einer chinesischen Autorität 670 das Jahr war, wo
Nippon in China offiziell gebraucht zu werden anfing.
Sonach hätten also nicht die Chinesen dem Inselreich den
Namen beigelegt sondern die Japaner selbst, ist gleich die
Anregung dazu auf einen Koreaner, den Priester Weji von
Koma, zurückzuführen. Bestätigt wird mir dies Ergebnis auch
noch durch das TJiang-shii, welches berichtet : Im ersten Jahre
der Periode Hien-heng (670) missfiel [den Japanern] der Name
^ JVa, und sie veränderten ihn in 0 ;?^ Nippon. Der [japanische]
Gesandte sagte mit eigenen \\^orten : ,, Da unser Land dem
Aufgang der Sonne näher liegt [als die anderen Länder], so
benennen wir uns nach diesem Umstände ".;}]
Auch China acceptiertc, sein anfängliciies Widerstreben
aufgebend, allmählich den Namen Nippon zur Bezeichnung für
Japan. F>in Brief des chinesischen Kaisers an den japanischen
vom Jahre 672 war noch adressiert : ,, Der Kaiser {Kötci) von
Gross Thang erkundigt sich respektvoll nach dem Gesundheits-
zustand des Königs von Wa ('^i)." In einem anderen
* Florenz, Japanische Annaleu S. 29, Anm.
t Nihongi, Bd. II, S. 137, Anm. i.
X Florenz, Japanische Annalen .S. 30, Anin.
H. HAAS, URSPRUNG DES NAMENS NIPPON. 341
Dokumente eben dieser Zeit aber ist die Bezeichnung H ^ 3E
d. i. König von Japan gebraucht."^
Unhaltbar ist die von japanischen Historikern aufgestellte
Behauptung, Nippon sei nur die chinesische Uebersetzung des
Namens Hi-no-moto, der älteren Bezeichnung. Selbstverständlich
ist das Gegenteil richtig. Hi-no-moto gibt sich deutlich zu
erkennen als das später gesuchte japanische Aequivalent flu' das
chinesische Nippon. Es verhält sich hier analog wie mit den
Namen für die altnationale Religion, avo auch Shintö das
Ursprüngliche, das japanische Kami no michi aber nur die
nachträgliche Uebersetzung der chinesischen Bezeichnung ist.
Es könnte zum Schlüsse noch die Frage aufgeworfen Averden,
Welchen Namen denn die Japaner selbst vorher für ihr Land
gehabt haben. Auf diese Frage trage ich kein Bedenken zu
antworten: Keinen. ,, Unser Land" — das reichte aus. Gilt
gleich auch für den Japaner, was die Paradiessage von dem
Protisten Adam sagt : Und der Mensch gab einem jeglichen
Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde
seinen Namen — er Hess doch auch manches unbenannt. So
hatte er, ohne dass er dies als Mangel empfand, nie eine besondere
Bezeichnung fiir die Hauptinsel, auf welche die älteren europäischen
Schriftsteller durchweg falschlich den Namen Nippon anwandten.
Auch daran darf schicklich hier erinnert werden, dass die alte
Landesreligion ursprünglich namenlos gewesen und dass das
Bedürfnis sie zu benennen erst erwachte, als von aussen eine
fremde, die buddhistische Religion, eingeflihrt worden war.
" Siehe AsToy, Xihongi, KJ. II, S. 303, Anin. i.
Japanische Geschenksitten.
vox
PFARRER E. SCHILLER.
(SCHLUSS).
§ 8. — Art des Verpackexs.
Nachdem wir das Wann und Was der Geschenkmacliung'
erörtert haben, erübrigt uns noch, auch über das Wie zu reden.
Hier ist zunächst die Art des Verpackens zu besprechen, denn
es ist nicht gleichgültig, in welcher Weise das Geschenk über-
reicht wird. Vor allen Dingen muss alles schön, ordentlich und
eventuell auch möglichst grossartig aussehen, weshalb z. B. in
Eierkästen, Kuchenschachteln und Apfelsinenkörben sich gar oft
erhöhte Böden befinden, so dass das Quantum doppelt so gross
erscheint als es wirklich ist. Man verpackt die Geschenke :
a) In Fässchen, wie z. B. manches Eingemachte : Kasuzuke,
etwas, das mit Kasu (den Ueberresten bei der Reiswein-
bereitung) eingelegt ist, oder Misozuke, das mit Miso
(einer Sauce aus Weizenmehl, Bohnenmehl und Salz)
eingemacht ist, ferner Ayu (Forellen), auch pulverisierter
Zucker, wie er gern zu Neujahr geschenkt wird.
Würfelzucker, oft mit Kaffeefullung, wird dagegen in
Papierschachteln, pulverisierter Zucker auch in Papierdüten
geschenkt.
/>) In Holzkästchen, wie z. B. gedörrte Forellen, ge-
dörrte Meerbrasse (Tai), getrocknete Bonite (Katsuobushi
oder Katsubushi). Letzteres sind schmale, fossilartig
gedörrte Stücke des Fleisches von Bonite, einer Thun-
fischart, von welchen dünne Spähne in die Suppe, über
den Gurkensalat etc gehobelt werden ; sie bilden ein
notwendiges Stück eines japanischen Haushalts, werden
viel zu Neujahr geschenkt, und zwar immer in ungerader
344 E. SCHILLKR, JAPANISCHE GESCHKNKSITTEN.
Zahl, mit 3 anfangend,* in kleinerer Zahl auch in Papier
gewickelt, und da sie zur Lieblingsspeise der Katzen
gehören, jedesmal hinzugefügt, wenn man eine Katze
verschenkt.
r) In Porzellangefassen, wie z. B. alles, was mit Zucker
eingemacht ist, ferner Konowata, das eingesalzene Innere
der essbaren Holothurie (Seegurke), Shimokara, eingesal-
zener, scharf schmeckender Fisch, manchmal auch frische
Fische.
d) In Magemono, runden Dosen aus dünnem, gebogenem
Holz, wie z. B. Zucker, Higwashi, trockene KuChen aus
Reis, Weizenmehl und Zucker.
r) In Jübako, einem Satz aufeinander gesetzter Kästchen
aus Porzellan, lackiertem Holz etc, wie z. B. Mochi-
gwashi, Klebreiskuchen.
f) In Körbchen, wie z. B. frische Fische, wobei aber ein
Untergestell nötig ist (siehe unten).
g) In Papierumschlag oder Papierschachteln z. B. Kuchen,
P^ier, getrockneter Tintenfisch, essbare Muscheln, aber
auch Höchö, Küchenmesser, Namasubashi, Spiesse, um
l-lsche beim Ausnehmen und Schneiden in lebendigem
Zustande festzuhalten, oder Bratspiesse für P'ische, ebenso
Sumi, Schreibtusche, ferner Schreibpinsel, Kakekö, d. i.
Parfumbüchschen, die im Zimmer aufgehängt werden etc.
//) Ohne Umhüllung, dann aber auf einem Untergestell,
werden überbracht z. B. die unter g erwähnten Dinge
ausser Kuchen und Eiern.
i) Ohne Umhüllung und Untergestell werden z. B. Leuchter
und Schachbretter überreicht.
Erwähnt mag werden, dass Fächer gewöhnlich in einem Kasten
geschenkt werden. Eine Ausnahme findet bei der Hochzeit statt,
wo ::zi'ci Fächer (nicht mehr und nicht weniger), mit IMizuhiki
(vgl, §. 10) zusammengebunden, überreicht werden. Das soll
wohl eine Anspielung auf das Band dar Ehe sein, welches die
beiden Ehegatten verbindet. Ein Fächergeschenk ist auch sehr
beliebt bei Gelegenheit des ersten Besuches, den man jemanden
* 3 Stuck kosten etwa 2 Mark.
E. SCHILLER, JAPANISCHE GESCHENKSITTEN. 345
macht ; im alten Japan machte man ja überhaupt nie mit leeren
Händen einen Besuch.
Geldgeschenke müssen auf jeden I'all in Papier gewickelt
werden, selbst beim Teegelde im Gasthause ist das Brauch.
Nicht nötig ist es beim Kokorozuke und Sakate bei Dienstboten
und Arbeitern (vgl. Bd. VIII, Teil 3, S. 259), obwohl es auch
hier nichts schadet. So z. B. wird dem Wagenzieher eines
Arztes, der infolgedessen von seinem Herrn keinen Lohn
erhält, am Hause des Patienten, während der Arzt den Kranken-
besuch macht, ein angemessener Geldbetrag in Papier gewickelt
überreicht. Die Einwickelmethode ist nicht gerade einfach und
hat viele Arten. Es möge genügen zu erwähnen, dass die
Aussenseite des Papiers obenauf kommen muss, dass das
flach zusammengefaltete Papier die Form eines Rechtecks haben
und dass das Ohr des Papiers zum Oeffnen sich rechts befinden
soll. Links befindet es sich dagegen bei Geldgeschenken zur
Totenfeier (vgl. a. a. O. S. 293), wie man überhaupt bei Trauer-
feiern vieles umgekehrt als sonst zu machen pflegt, so z. B. auch
den Rock über der Brust umgekehrt zusammenlegt, so dass
die rechte statt der linken Seite obenauf kommt.
Uebersendet man Geschenke auf einem Untergestell, so wird
dasselbe mit der Breitseite vor dem Empfänger aufgestellt. Die
Art des Arrangements der einzelnen Gegenstände auf dem
Untersatz ist fest geregelt, z, B. in der folgenden Weise :
a) Bei Kleidern und Kleiderstoffen. Legt man z. B. Kosode,
wattierte Seidenkleider (wie etwa bei der Hochzeit, vgl. a.a.
O. S. 278) auf ein Untergestell, so stellt man das letztere
der Länge nach vor sich und beginnt an der linken
Seite die Sachen daraufzulegen und zwar in der Richtung
der Hand. Man fasst zu diesem Zwecke ein einzelnes
Kosode mit der rechten Hand beim Kragen, fasst die
oberen Enden der beiden Aermel mit der linken Hand,
legt das Kleid in dieser Weise vor sich auf den Boden,
faltet nun den unteren Teil des Kleides von der
Lendengegend abwärts so zusammen, dass der untere
Saum oben nach hinten kommt, faltet darüber den
oberen Teil des Kleides zusammen und deckt das Ganze
mit den A.ermeln zu. Auf dem Gestelle wird immer
das links liegende Kleid mit einem Aermel des rechts
liegenden zugedeckt. Doch eibt es auch andere Arten des
346 E. .SCHILLER, JAFANLSCHE GESCHEN'KSrrTEX.
Zusammenfaltens je nach dem Grade der Ehre, den man
dem Empfänger erweisen will oder muss. Vergleiche die
Abbildungen
No I. Shügen (Hochzeit) no Kosode aut einem Unter-
gestell.
No 2, 3 und 4. Kosode auf Hirobuta (grossem Tablett).
No 5. Döbuku (Oberkleid, wie es Gelehrte und Priester
viel tragen, siehe Abbildung auf Seite 175 in
Brinkley, Unabridged Japanese-Iuiglisch IJictionary,
1896) und Hakama (weite Faltenhosen, wie sie zum
zeremoniellen Anzug gehören).
No 6. Chirimen (Seidenkrepp).
No 7. Kinu no Sukimono (dünne, durchsichtige Seide
flir den Sommer).
No 8. Kamishimo (Staatskleid, vgl. Bd. VIII, Teil 3,
S. 279).
No 9. Mawata (Floretseide).
d) Bei Fischen. Hat man das Gestell der Länge nach \'or
sich gestellt, so legt man den Fisch mit dem Kopfe nach
links der Länge nach darauf, und zwar muss der Unter-
leib des Fisches, wenn es ein Flussfisch ist, dem
Arrangierenden zugekehrt, wenn es ein Seefisch ist,
dagegen abgekehrt sein. Zwei Fische legt man nicht quer
sondern in der Richtung der Hand, und zwar mit dem
Bauche einander zugekehrt. Sind es viele Fische, so
legt man sie auch gern paarweise, mit dem Bauche
einander zugekehrt ; der erste Fisch links hat also den
Rücken nach links und die Augen nach rechts gewendet.
Liegen die Fische in mehreren Reihen, so legt man die
hinterste Reihe zuunterst, so dass die vorderen Reihen
immer halb auf den vorhergehenden liegen. Vergleiche
die Abbildungen
No 10. Seefisch (oben) und Flussfisch (unten).
No II. Ein Paar Fische.
No 12. Ein Paar Tai (Aleerbrasse), hübsch arrangiert.
No 13. Viele Plsche auf einem Untergestell.
No 14. Tintenfische.
No 15. Katsuobu.shi (vgl. oben unter ö).
E. SCHILLER, JAPANISCHE GESCHEXKSITTEN. 347
c) Bei Geflügel. ]Man legt Geflügel mit dem Kopfe nach
links und dem Bauche nach oben. Den Kopf eines
grossen Vogels biegt man zurück und drückt ihn unter
den rechten Flügel, welchen man etwas auszieht. Dies
geschieht aber nicht bei kleinen Vögeln, wie Wachteln,
Feldlerchen und Sperlingen (Kansuzume, siehe a. a. O. S.
266), die in jeder Jahreszeit verschieden aufgestellt
werden. Im Frühling und Sommer föngt man nämlich
links mit einem männlichen Vogel an, im Herbst und
Winter mit einem weiblichen. Die Vögel werden in
der Regel paarweise zusammengelegt, so dass ein
männlicher und ein weiblicher abwechselt. Vergleiche
die Abbildungen
No 16. Gan (Wildgans) und Kamo Wildente).
No 17, Mehrere Vögel.
No 18. Kiji (Fasan).
d) Bei Ori no INIono, d. h. Sachen, die in Kästchen sind,
wie z. B. essbare Seemuscheln, Tintenfische, Katsuobushi
(vgl. oben unter ö), Gemüse, Kuchen, Eiern — die letzteren
schenkt man besonders gern zu Neujahr und in der
Kälteperiode (siehe a. a. O. S. 266) — Vergleiche die
Abbildungen
No 19. Kwashi (Kuchen).
No 20. Nobegami (Papier, welches die Taschentücher
vertritt).
Werden die Geschenke in Papier gewickelt, was namentlich
bei Sachen geschieht, die weder auf einem Untergestell noch in
Kästchen oder andere Behälter verpackt überreicht Averden, so
gelten natürlich auch hier wieder viele Regeln, die wohl zu
beachten sind. So ist z. B. die Wahl des Papieres nicht gleich-
gültig, ebensowenig wie die preussische Bureaukratie es durch-
gehen lassen würde, wenn man eine Eingabe auf anderem als
dem amtlich vorgeschriebenen Papier machen wollte. Als Papier-
sorten erster Klasse zum Einwickeln der Geschenke gelten in
Japan diejenigen, welche Danshi und Flösho genannt werden.
Danshi ist dickes, M-eisses Papier aus den Fasern des Papier-
maulbeerbaumes hergestellt, mit rauher Oberfläche ; das grosse
Format heisst Ötakadanshi, das kleinere Kotakadanshi, Hösho
hat seinen Namen daher, dass einst die Instruktionen (Mösho)
34^ E. SClflLLEK, JAPANISCHE GESCHENKSITTEN.
des Kamakura-Sliögunates auf solchem Papiere geschrieben wurden
(\'gl. auch a. a. O. S. 279). Als Papier zweiter Klasse gilt
Hikiai oder Hikiawase, das ebenfalls in zwei Formaten, einem
grösseren (Öhikiawase) und einem kleineren (Kohikiawase), v^er-
wandt wird. An dritter Stelle gebraucht man Sugihara(gami),
das zu Sugihara im Bezirke Ittö im Lande Harima fabriziert wird.
Die Art des Einwickeins für die verschiedenen Gegenstände,
je nachdem es Kleiderstoffe, Handschuhe, Pfeile, Bogen etc sind,
ist sehr verschieden und so kompliziert, dass von einer näheren
Auseinandersetzung besser abgesehen und auf die bildlichen
Beispiele in No 21 verwiesen wird.
Europäische Waren lässt man gern im europäischen Papier
wegen der Seltsamkeit desselben, ausser wenn dasselbe zu sehr
beschädigt ist.
Noch ist zu bemerken, dass es ein Gebot der Höflichkeit
ist, ein Geschenk so einzuwickeln, dass es oben und unten aus
dem Papier herausragt, so dass der Empfänger es sofort erkennen
kann. Denn bei der Entgegennahme eines Geschenkes darf man
seine Freude keineswegs so stürmisch äussern, dass man etwa
die Verpackung öffnete, um den Inhalt sich anzusehen. Das
darf man erst nachher, wenn man allein ist. Einige Gegenstände
werden allerdings ganz eingewickelt, wie z. B. Medizin und
Weiiirauch ; dann muss aber der Inhalt aussen auf die Ver-
packung aufgeschrieben werden, ebenso wie es bei Kasten und
Schachteln geschieht (v\gl. § 10).
§ 9. — Die eigextlichex Geschexkabzeichex :
MlZUIIIKl UXI) NOSHI.
Alle Geschenke, welche in Papier eingewickelt werden, und
vielfach auch andere werden zeremoniell mit Mizuhiki (das irrige
]\Iizoshiki a. a. O. S. 264 ist hiernach zu vei'bessern) umwunden,
unter welches ein Noshi gesteckt wird. Bei Geschenken, die auf
einem Untergestell überreicht werden, wird gern ein gebundenes
]\Iizuhiki und ein oder mehrere Noshi oben darauf gelegt.
Das IMizuhiki besteht aus fünf in der Mitte durch Gold-
oder Silberpapier zusammengehaltenen dünnen, gerollten Papier-
fäden (vgl. Abbildung No 22, a). Gewöhnlich ist die linke
Hälfte weiss, die rechte rot gefärbt. Ist aber als rechter
Farbstoff Beni verwandt, d. i. ein roter Farbstoff von der
E. SCHILLER, JAPANISCHE GESCHENKSITTEN. 349
Safranpflanze, mit welchem die Japanerinnen die IMitte der
Unterlippe zu schminken pflegen, so wird diese Hälfl:e des Mizuhiki
statt rot ganz dunkelgrünschwarz. Andere Mizuhiki sind links
Silber- und rechts goldfarbig, bei Trauergeschenken links weiss
und rechts schwarz oder auch ganz weiss. Neuerdings sieht
man auch eine andere Variation, indem jeder der fünf Fäden,
ohne (lass eine Zweiteilung in rechts und links stattfände, eine
der fünf japanischen Hauptfarben : rot, gelb, grün, schw^arz und
weiss (vgl. a. a. O. S. 260, Anmerkung) darstellt.
Genau vorgeschrieben ist auch die Form des Knotens, der
in der Regel auf der Mitte der Oberseite des eingewickelten
oder eingepackten Geschenkes sich befinden soll. Bei runden
Gegenständen macht man nur eine Schlinge (Katawana) links
vom Knoten und lässt die Enden der Fäden rechts nach oben
stehen (vgl. Abbildung No 23), desgleichen bei kleineren Gegen-
ständen. Bei flachen Gegenständen aber bringt man zwei
Schleifen nach beiden Seiten hin oben an (Morowana) und lässt
die fanden kreuzweis rechts und links schräg herunterhängen
(vgl. Abbildung Xo 24 und No 22, b). Eine Schleife hcisst
auch In, zwei Schleifen auch Yö ; das erstere ist das weibliche,
das andere das männliche Prinzip der chinesischen Philosophie,
nach welchen beiden Prinzipien alle Dinge eingeteilt sind.
Gehört also ein Geschenk zu Yö, z. B. ein Bäumchen, so bindet
man zwei Schlingen, gehört es zu In, z. B. eine Blume, so
bindet man nur eine Schlinge.
Andere Arten des Bindens siehe Abbildung No 22 unter
c und d, während a das ungebundene ^lizuhiki zeigt.
Neuerdings hat man, z. B. für Geldgeschenke an die Diener,
für Teegeld etc auch fertige Couverts auf welchen Mizuhiki, in
der üblichen Weise gebunden, und Noshi gleich aufgedruckt sind.
Das Noshi ist ein in mannigfaltiger Weise, jedoch nach
einer Hauptform, zusammengefaltetes buntes Papier, gewöhnlich
mit einem schmalen goldenen Papierstreifen quer umwunden, aus
welchem oben und manchmal auch unten ein schmaler Streifen
Awabi, essbares Meerohr (Haliotis), hervorragt. Vergleiche die
vier Beispiele in Abbildung No 25. Der volle Name des
Noshi ist darum Noshiawabi. Der erste Bestandteil dieses
Wortes, Noshi, ist vielleicht eine Verkürzung aus Nobashi, d. h,
Ausdehnung. Das ist ein glückbedeutendes Wort ; man drückt
-durch die Ueberreichung des Noshi den Wunsch aus, dass sich
vor dem Empfänger ein glückliches Leben ausdehnen möge,
350 E. SCHILLER, JAl'AXLSCIIE GESCIIEXKSITTEX.
SO wie (las zum Noslii zusammeno'cfaltctc Papier sich ausbreiten
lässt. Wem diese Erklärung zu künstlich erscheint, der möge
nicht vergessen, dass in Japan bei Geschenken überhaupt die
Bedeutung des Wortes bei der Auswahl des Geschenkes eine
wichtige Rolle spielt (vgl. weiter unten i^ 12), wie ja auch keine
andere Sprache so reich an Worten mit mehrfacher Bedeutung
ist wie die japanische.
Der eigentümliche Usus, einen schmalen Streifen Awabi in
das zum Noshi gefaltete bunte Papier zu stecken, hat seinen
Ursprung darin, dass im Anfange das Noshi überhaupt nichts
anderes als ein eingewickeltes Awabi-Geschenk gewesen ist.
Awabi war ein Reisegeschenk, Miyage (vgl. a. a. O. S. 259 und
260), welches die Scharen von Pilgern ihren P^reunden und
Verwandten von dem Tempel der Sonnengöttin in Ise, der
Stammmutter des Kaiserhauses, Daijingü, dem Hauptshintötempel
des Landes, mitzubringen pflegten, wohin früher eigentlich jeder
einmal im Leben, zumal in der Jugend, pilgerte, wenn er hoffen
wollte im Leben zu prosperieren. Lehrlinge entliefen darum
ihren Meistern, und selbst fromme Hunde sollen laut Volkserzäh-
lungen die W'allfahrt gemacht haben. Allmählich wurde nun
Awabi ein beliebtes Geschenk, das man anderen Geschenken
hinzufügte, und schliesslich schrumpfte es immer mehr zusammen,
so dass heute die bunte Umhüllung die Hauptsache ist und das
Ganze, das Noshiawabi, nur noch die Bedeutung eines dekora-
tiven Geschenksymbols hat.
Statt des Awabi gebraucht man zuweilen auch Kobu oder
Konbu, essbaren Seetang (Laminaria Japonica), der vielleicht
ebenfalls ursprünglich als Miyage von Ise mitgebracht wurde.
Kobu hat eine schwärzlich-weissgraue Farbe, wird von Kindern
gern roh gekaut, aber auch sonst in der Küche verwendet ; er
wird als Geschenkzeichen ähnlich umwickelt wie Awabi und das
Ganze ebenso mit einem goldenen Papierstreifen umwunden.
Doch ist sein Gebrauch seltener geworden. Kobu kann nur bei
glücklichen Anlässen verwandt werden, denn Kobu ist der letzte
Teil des W^ortes yorokobu d. h. sich freuen. In Teijö Sakki (vgl.
a., a. O. S. 257) freilich schreibt Teijö Ise, dass es in früheren
Zeiten Hirome genannt worden sei, d. h. ein breites (hiroi)
Seegras (me). Hirome enthält aber ein Wortspiel und bedeutet
Ausbreitung, glückliches Leben, ähnlich wie oben Nobashi.
Uebrigens wird wegen der Wortbedeutung Nobashi auch das
Noshi bei Trauergeschenken weggelassen.
e. schiller, japanische geschenksittex. 35 1
§ 10. — Die Geschexkaufschrift.
Hat man das Geschenk richtig mit Mizuhiki umwunden und
an der rechten Seite desselben oder reclits oberhalb desselben
das Noshi mit der Spitze nach unten angebracht, so fügt man die
Aufschrift hinzu. Diese kommt also entweder auf den Deckel des
Kastens oder der Schachtel oder auf das Einwickelpapier zu
stehen. Man schreibt die Aufschrift von oben nach unten, wie
die japanische Schrift läuft, und zwar in der Länge der Adern
des Holzes oder der Schachtel. Quer zu den Adern zu schreiben
ist verpönt, denn so schrieb man einst die Aufschrift auf den Holz-
tafeln, die neben dem ausgestellten Kopfe eines Enthaupteten
angebracht waren und die Ursache der Hinrichtung angaben.
Ueberreicht man das Geschenk, so wird es natürlich so vor
den Empfänger gestellt, dass er die Schrift bequem von oben
nach unten lesen kann. Nur lange Kasten stellt man quer, so
dass der Empfänger sie von links nach rechts liest. Abbildung
No 26 zeigt Aufschrift und Aufstellüngsweise eines langen
Kastens, No 27 einer runden Schachtel, No 28 eines kleinen
Kastens. Bei einer runden Schachtel (Magemono) ist darauf zu
achten, dass das Band zum Oeffnen, gewöhnlich ein Streifen
Kirschbaumrinde, zur linken Hand des Empfangers sich befindet,
so dass er die Dose mit der rechten Hand bequem von links
nach rechts öffnen kann. Die dem Empfanger zugekehrte Seite
heisst On Mae (geehrtes Vordere) oder Yö no Kata (Seite von
Yö, dem männlichen Prinzip der chinesischen Philosophie), die
abgekehrte Seite heisst In no Kata (Seite des weiblichen Prinzips).
Unter den Kästchen und Schachteln ist ein Fussgestell angebracht,
entweder rund herum oder gewöhnlich an den beiden Seiten
rechts und links vom Empfänger.
Die Aufschrift besteht aus folgenden Sti^icken :
i) In die Mitte oberhalb der Schleife des Mizuhiki schreibt
man Jö (_h), das Zeichen für , oben ' = , hinauf ', d. h.
Hinaufgeben zu dem E^mpfanger. Höflicher ist es, Teijö
oder gewöhnlicher Shinjö (vgl. Abbildungen No 26 und
27 oben rechts) zu schreiben ; beides bedeutet , ehr-
furchtsvoll hinaufgeben '. Bei Geschenken an die Kami
(Shintügötter), Hotoke (buddhistische Gottheiten) und
den Kaiser gebraucht man die feierlicheren Worte Kenjö
352 E. SCHIIJ.ER, JAPANISCHE GESC1IENK.SITTEN.
oder Höken (dargebrachtes Opfer), bei Hochzeiten
schreibt man Go Shügi (geehrten Glückwunsch), bei
Geschenken an Diener z. B. Kokorozuke (eine Aufmerk-
samkeit, \-gl. a. a. O. S. 258 u. ff, Shininiots, Slulgi,
Kokorozuke, Kenjömono, Ilonö u. Kennö).
2) An die Stelle der obigen Worte tritt auch die Bezeichnung
des geschenkten Gegenstandes, besonders bei geschlosse-
nen Kästchen und Schachteln, ausser wenn eine be-
sondere Geschenkliste (vgl. § ii) überreicht wird. Auch
bei Geschenken, die so eingewickelt sind, dass der ge-
schenkte Gegenstand erkennbar oben und unten^ heraus-
ragt, wäre es widersinnig, seinen Namen noch oben
darauf zu schreiben. Wird der Name des Geschenkes
aufgeschrieben, so rücken die obigen Worte unter i) nach
rechts oben, wie auf Abbildung No 26 und 27, oder
fallen ganz weg, wie auf Abbildung No 28. Auf Ab-
bildung No 26 steht in der Mitte oben , getrockneter
Tai ' (Meerbrasse), auf No 27 , Zucker ' und auf No 28
, Reisschüsselchen '. Gewöhnlich klebt schon der Laden,
wo das Geschenk gekauft ist, eine Etikette mit dem
Namen des Gegenstandes oben in die Alitte, der Laden
bringt dann auch wolil statt des Mizuhiki einen anderen
farbigen, gewöhnlich grünen Papierstreifen an.
3) Gibt man Zahl oder Gewicht des geschenkten Gegen-
standes an, so schreibt man dies genau in die Mitte unter
die Schleife des Mizuhiki. So steht z. B. auf Abbildung
No 26 (getrocknete Meerbrasse) , 10 Stück ', auf No 27
(Zucker) , 10 Pfund', auf No 28 (Reisschälchen) , zwanzig',
4) Die Adresse des Empfangers schreibt man links oberhalb
des Mizuhiki, und zwar gilt als alte Regel, oberhalb des
Zeichens _tl . ich gebe hinauf zu beginnen, wenn der
Empfänger höher im Range ist als der Absender, in
gleicher Höhe zu beginnen, wenn er von gleichem
Range ist, und sonst etwas tiefer unten anzufangen.
5) Den Namen des Absenders kann man an die Stelle der
Stückzahl (vgl. 3) setzen. Je nach dem Range schreibt
man dann den Namen entweder mehr links oder in die
Mitte oder mehr rechts. Gibt man aber Stückzahl oder
Gewicht an, so setzt man den Namen des Absenders
nicht hin, sondern gibt lieber eine Visitenkarte mit.
E. SCHILLER, JAPANISCHE GESCHEXKSITTEX. 353
§ II. — Gescmexkverzeiciixis uxn Utsuri.
Es gehört zum guten Ton, class man selbst bei einem ein-
zigen Geschenke noch ein besonderes Schriftstück überreicht,
welches Mokuroku (Namenliste) heisst und ein Geschenkv'er-
zeichnis darstellt. Es ist dessen schon einmal Bd. Vlll, Teil 3, S.
278 u. 279 bei Gelegenheit der Hochzeitsgeschenke Erwähnung
getan worden. Das Papier, welches zum Mokuroku gebraucht
wird, ist Hösho oder Hikiawase (vgl. § 8). Die langen Bogen
werden in der Mitte einmal gefaltet und nach hinten umgeschlagen.
Dann beginnt man rechts mit der Aufschrift Mokuroku und setzt
dann ein Item nach dem anderen \on rechts nach links neben
einander, in dem man jedes Item in der Weise der japanischen
Schrift von oben nach unten schreibt, über jedes einzelne Item
einen Quer.strich setzt (wie es überhaupt bei Schriftstücken, die
eine Aufzählung einzelner Posten enthalten, üblich ist) und unter
das Item die Stückzahl oder das Gewicht schreibt. Links am Ende
des Verzeichnisses steht Ijö = das Obere oder Vorhergehende,
zum Zeichen, dass die Reihe abgeschlossen ist, oder auch Shime =
Abschluss. Beide Worte werden aber auch am Ende von anderen
Schriftstücken, z. B. Briefen, gebraucht, Shime schreibt man bei
Briefen noch aussen aufs Couvert auf die zugeklebte Stelle.
Weiter links von diesen Worten bringt man schliesslich Jahr und
Datum an (vgl. Abbildung iSlo 29).
Es ist seit alters üblich, bei der Aufzählung der einzelnen
Posten in der Geschenkliste Shöjinmono voranzustellen. Das
sind vegetabilische Speisen, wie sie der Buddhismus, der jedes
Töten, auch von Tieren, verbietet, seinen Gläubigen eigentlich
allein erlaubt. In Wirklichkeit beschränken sich freilich nur die
Priester einiger strengerer Sekten .sowie Eaien im pralle einer
besonderen religiösen Uebung, z. B. während einer Wallfahrt
(gewöhnlich nur auf dem Hinwege) und während der strengen
Trauer, auf solche Pflanzenkost. Fisch und Geflügel kommt nach
den Shöjinmono — Fleisch wurde im alten Japan nicht gegessen — ,
aber Reisbranntwein soll sogar dem Fische vorangesetzt werden,
eine Reihenfolge, welche die altjapanische Wertschätzung der
einzelnen Speisen erkennen lässt.
\'om eigentlichen Mokuroku ist zu unterscheiden Origami,
d. h. , gefaltetes Papier '. P^s wird gebraucht, wenn man statt des
Geschenkes Geld zum Ankauf eines solchen übersendet. Auch
354 E. SCHILLER, JAPANLSCHE GE.SCHICXKSITTKX.
in diesem Vcillc wird "-cwöhnlich das Ilikiawasc-Papier verwandt,
was ebenso wie beim Mokuroku gefaltet wird. Auf einer solchen
Liste rechnete man früher nach hiki, z. B. Sembiki, tausend
Stück, Scngohyappiki, 1500 Stück. Iliki war das Zählwort für
das alte Geld, welches selbst nacli seiner Gestalt Chomoku,
Vogelauge, liiess. Ein Chömoku war etwa Y-.- Pfennig im Werte
"•leich. Seit der Tokugawazeit wurde es aber Mode, immer
Kinsu = Geld voranzusetzen, und man schrieb dann Kinsu Sembiki,
Kinsu Sengohyappiki etc. Noch besser war es, wenn man schrieb :
Sakanadai Gohyappiki, Geld für Fisch 500 Stück, Tarudai Sem-
biki, Geld fürs Fass (nämlich Reisbranntwein) 1000 Stück.
Natürlich ist bei solchen Geldgeschenken das Geld zeremoniell
einzuwickeln (vgl. § 8) und auf einem Gestell zu überreichen.
Von Mokuroku ist ferner zu unterscheiden ChOmon, d. h.
Bestellung. Man händigt statt eines Geschenkes oder des dafür
bestimmten Geldes dem zu Beschenkenden einen Bon auf einen
Laden ein, wo er das Geschenk zu einer ihm gelegenen Zeit
erheben kann, was z. B. bei Fischen und leiern für den Empfänger
oft angenehmer ist. Das Chümon wird nicht gefaltet, sondern
ist ein langer Zettel. ]\Ian schreibt z. B. Hitotsu Kamo go Wa,
5 Stück Wildente, oder Hitotsu Takigi jü Da, 10 Pferdeladungen
Brennholz.
Alle diese Schriftstücke werden nicht in Sösho, Grasschrift,
d. h. Kiu'sivschrift, geschrieben sondern in Kaisho, der quadra-
tischen Schrift, wie sie besonders bei Druckwerken benutzt wird.
Ferner benutzt man in denselben stets die einfacheren, nicht die
komplizierteren Zahlzeichen.
Erwähnenswert sind auch die Namen für Sake, Reisbrannt-
wein, in diesen Schriftstücken. Man schreibt z. B. Morohaku =
reiner Sake, oder Jöshu = Sake von 1^ Qualität, oder Seishu =
reiner Sake, oder Masamune, ein in der Gegenwart sehr beliebter
Name für Sake, welcher aufrichtiges oder gerades Herz bedeutet
und eigentlich ein männlicher Vorname ist — es ist das ein
Wort, welches den Temperenzpredigern in Japan nicht geringe
Verlegenheit bereitet, da sie genötigt sind, Masamune, d. h. das
aufrichtige Herz, zu verdammen. In sehr höflichen Phallen schreibt
man auch Yanagidaru ; das ist aber der Name eines lackierten
Holzgefässes, in welchem der Sake zuweilen überreicht wird.
Ist nun das Geschenkv^erzeichnis fertig gestellt, so faltet
man es noch zweimal und wickelt es dann in vorgeschriebener
Weise in gutes Papier, z. B. Sugihara, umwindet es mit Mizuhiki
E. SCHILLER. JAPANISCHE GESCHEXKSITTEX. 355
und schreibt in die Mitte der oberen Hälfte Mokuroku, siehe
Abbildung No 30. Ist Geld mit eingewickelt, so schreibt man auf
die obere Hälfte gern den Zweck des Geldes, z. B. On Kwashi-
ryö, Kuchengeld, oder On Sakana-ry(5, Fischgeld, siehe Abbildung
No 31 ; auf die untere Hälfte kann man auch die Angabe der
Geldsumme setzen.
Der Empfänger hat einen Empfangsschein zu schreiben, in
welchem das ganze Mokuroku wiederholt ist. An Stelle von Ijö
oder Shime steht dann die Empfangsbescheinigung : , Die rechts
stehenden Sachen habe ich für lange Zeit (hisashiku) respektvoll
erhalten'. Es folgt Datum, Name des Geschenkempfängers
und Adresse dessen, an welchen der Schein gerichtet ist, aber kein
Stempel, was sonst in Japaii bei Unterschriften unerlässlich
ist ; es soll wohl der Charakter des geschäftsmässig Formellen
vermieden werden. Bei der Adresse gebraucht man für , Herr '
das Wort Dono und nicht Sama, wie sehr oft auf Briefadressen.
Hat man ein Geschenk in einem Gefäss, z. B. in einer
Schüssel oder auf einem Tablett empfangen — es ist dann
gewöhnlich auch mit einem Deckchen aus buntem Seidenkrepp
(Fukusa) zugedeckt, — so legt man beim Rücksenden des Gerätes
ein Utsuri hinein und darauf das zusammengefaltete Fukusa.
Das Utsuri, d. h. Entfernung, nämlich Entfernung des Gerätes,
besteht aus 5, 7, 10 oder 13 zusammengefalteten Bogen weissen
Taschentuchpapiers, auf welchem ein zeremoniell eingewickelter
Geldbetrag liegt im Werte von 10 9^ (ichi Wari) oder bei kleineren
Geschenken von 20 % (ni Wari) des geschenkten Gegenstandes.
Dies Geld gehört dem Diener, welcher es überbracht hat. Er
erhält es aber erst von seiner eigenen Herrschaft, die das Utsuri
in Empfang nimmt, so wie überhaupt in Japan die Diener alle
Geschenke, die sie von Hausfreunden und Gästen erhalten, auch
Geldgeschenke, erst der Herrschaft zeigen und so gleichsam erst
von dieser nachträglich die Erlaubnis zur Annahme erhalten.
§ 12. — Verschiedene beim Schenken zu beachtende
Regeln.
i) In allen Büchern über den guten Ton wird emi)fohlen,
dass man beim Schenken das Uebermass vermeiden soll.
Der Grund ist wohl der, dass man durch ein grosses
Geschenk den Empfänger gleichsam moralisch zwingt,
356 E. SCHILLER, LVI'ANISCHE GESCÜENKSITTEX.
wieder ein grosses Geschenk zu machen. Darum sagt
das Sprichwort , Kabi naru Reimotsu wa I lireimotsu ',
d. h. , Ein übertriebenes Geschenk wird zum Unhöflich-
keitsgeschenk '.
2) Es ist selbstverständHch, dass man bei der Auswahl
eines Geschenkes Rücksicht auf die Jahreszeiten nimmt.
Es wäre lächerhch, im Sommer ein Hibachi, Feuerbecken,
oder im Winter ein Sommerkleid zu schenken.
3) Macht man ein Geschenk zu einem Umzüge in ein neues
Haus, so muss man alle Sachen vermeiden, in deren
Namen das Wort Hi, Feuer, vorkommt, sow'^ie auch
alle diejenigen, welche rot, d. i. die Farbe des Feuers,
oder hellgrün gefärbt sind. Das letztere deshalb, weil
, hellgrün ' moegi heisst, dieses aber auch verstanden
werden kann als , Verbrennen (Aloe) des Holzes (Ki) '.
Anspielungen aber auf Feuersbrünste, eine der Geissein
Japans, die z. B. in Tokyo so häufig sind, dass man
sie Yedo no Hana, Blumen T'jkyos nennt, sind zu
vermeiden.
4) Macht man einem Kranken ein Geschenk, so ist rot-
schuppiger Tai (Meerbrasse) sehr passend. Der blaue
Tai ist zu vermeiden, da die blaue Farbe traurig stimmt.
Ebenso ist in einem solchen Falle die Vierzahl der Ge-
schenke zu vermeiden, denn das Wort shi — 4 kann auch
Tod bedeuten, was natürlich einen Kranken erschrecken
würde.
5) Bei Hochzeiten und überhauj^t bei Geschenken an Ehe-
paare vermeide man Sachen, welche die Farbe von
Affenhaaren haben ; denn das Wort Saru = Affe bedeutet
auch , scheiden ' und könnte also an Ehescheidung
erinnern, die ja in Japan so häufig ist, dass der Gedanke
an sie näher liegt als bei uns.
6) ]^ei der Mannbarkeitsfeier eines Knaben (vgl. Bd. VIII,
Teil 3, S. 285-286) darf man keine Kirimochi, geschnit-
tene Klebreiskuchen, schenken ; denn kiri = schneiden
erinnert an Wunden und Tod. Aus demselben Grunde
x'crmeidet man in diesem Falle auch Azuki, eine i\rt
kleiner roter Bohnen, obwohl sonst bei Festen, besonders
an Geburtstagen, Azukimeshi, Reis, mit solchen roten
E. SCHILLER, JAPANISCHE CtESCHENKSITTEX. 35/
Bohnen c;-emischt, unbedenklich irefjessen wird. Die Azu-
ki liaben die Eigentümlichkeit, dass sie sich beim Kochen
an der Bauchseite spalten, was an Harakiri, Selbstmord
durch Bauchaufschlitzen, erinnert ; daher ihre Verpönung
bei Gembuku no Iwai.
7) Unter Fische, welche man schenkt, legt man kein
Bambuslaub ; denn das war Brauch bei der letzten
Mahlzeit von Samurai, Kriegern, welche zum Harakiri
verurteilt waren, die \"or der Ausführung der Selbst-
entleibung noch Reisbranntwein und Fisch genossen.
8) Alle Geschenke sind daraufhin zu prüfen, ob nicht ihr
Name durch eine zweite Bedeutung des Wortes als
eine böse Anspielung aufgefasst werden oder traurige
Gedanken erwecken kann (vgl. vorher 3-6). Solche
Zweideutigkeiten kommen ja in der japanischen Sprache
so unendlich oft \'or, dass zwei Japaner bei der Unter-
haltung gar manchmal genötigt sind, das Schriftzeichen
des Wortes, welches sie meinen, mit dem Finger in die
Luft oder in die Hand zu schreiben, um sich verständ-
lich zu machen. Auf solchen billigen Wortspielen beruht
dann auch ein guter Teil des japanischen Witzes sowie
der Gesellschaftsspiele, so z. B. eine Art amüsanter
Glückslotterie, wobei der gezogene Gegenstand eine
scherzhafte Antwort auf eine gestellte Frage darstellt.
Sind beim Schenken Gegenstände mit ominösen Namen
zu vermeiden, so sind solche mit glückbedeutenden
Namen um so willkommener. Daher der enorme Ge-
brauch von Katsuobushi, Hobelfisch (vgl. § 8, b), denn
dieses W^ort kann auch geschrieben und verstanden werden
als , Sieg des Ritters '.
9) Bei Weihrauch und sonstigem Räucherwerk kann man
nicht Hitotaki (i Taki) und auch nicht Mitaki (3 Taki)
schenken. Taki-Brennen ist das Zählwort bei solchen
Sachen. Hitotaki kann man aber auch übersetzen mit
, Das Brennen des Menschen ' und Mitaki mit , Das
Brennen des Körpers ', w^as eine Anspielung auf Um-
kommen bei einem Brande oder auf die in Japan übliche
Leichenv^erbrennung sein könnte.
10) In ähnlicher Weise darf man Sachen, bei welchen das
Zählwort Kire (Abschnitt = Stück) gebraucht wird, z. B.
358 E. SCIIILLKR, JAPANISCIIK (;KSCIIKXK.SITTKN'.
Schnittwaren, niclit in der Dreizahl schenken, denn
Mikire, 3 Stück Schnittwaren, kann auch mit , Schnei(k^n
des Körpers ' übersetzt werden.
11) Die Zahlen 4 und 6 sind bei Geschenken zu vermeiden.
Denn shi = 4 bedeutet auch Tod {vgl. oben 4), weshalb
man auch im gewöhnlichen Leben , 4 Jahre ' nicht
gern mit shi Nen (auch gleich , Todesjahr *) sondern
mit yo Nen, , 4 Uhr ' nicht gern mit shi Ji (auch gleich
, Todesstunde ') sondern mit yo Ji, , 4 Taler ' nicht mit
shi Yen (auch gleich , Todestaler ') sondern mit yo Yen
übersetzt. Die Zahl 6 ist zu vermeiden, weil , mutsu ',
wenn es in Zusammensetzungen zu , mu ' wird, auch
die Bedeutung von . nichts ' hat.
12) Ueberhaupt sind die geraden Zahlen beim Schenken zu
vermeiden, bei kleineren Sachen z. B. Bonite, natürlich
auch die Zahl i, weil i Bonite zu ärmlich aussieht. Bei
Sachen, die man paarweise schenkt z. B. Geflügel, kann
man unbedenklich i Paar, 2 Paar oder 3 Paar etc
schenken, obwohl es dann 2, 4, 6 etc Stück werden ; hier
wird eben nach Paaren gezfdilt. Auch die Zahl 10 ist
erlaubt, weil es eine vollkommene Zahl ist, desgleichen
12, 20, 30, 40, 50 und ICO. Von den ungeraden Zahlen
sind ausser i bei kleinen Geschenken 9 und 1 1 zu ver-
meiden, wohl wegen der Nähe von lo. Kurz und
gut, auch hier ergeben sich wieder allerlei komplizierte
Regeln.
13) Bei Hochzeits- und Trauergeschenken darf man das
]\Iizuhiki nicht in zwei Schleifen binden, sondern man
macht nur eine einzige (vgl. § 9). Zwei Schleifen
könnten darauf hinweisen, dass man eine Wiederholung
des Ereignisses wünscht, als eine neue Hochzeit infolge
von ^Ehescheidung oder einen neuen Todesfall. Andere
freilich sagen, dass eine Düppelschlinge (vgl. Abbildung
No 22, l?) an das Zahlzeichen für vier (29) erinnert, shi =
vier aber auch Tod bedeutet (vgl. unter 11).
Mütei
lungen der Deutschen GeselUchaftfär Natur- und Völkerkunde Ostasiens.
E. Schiller. -Geachenhsltlfn IL
Bd. IX. Tafel 10.
NO 3.
'II -"^^^
wm^mi
MiUeilungen der Deutschen Geselhchaftfür Natur- und Völkerkunde Ostasiens.
K9 10
E. Schiller. -Gesckenksitten IL
Bd. IX. Tafel 11.
"^
NO 13,
MiUeilunffen der Deutschen Oenellschnflfär Natur- und Völkerhiwh Ostasiens.
NO 20.
E. Schiller. -Geschenksitlen II.
Bd. IX. Tafel 12.
Miiiei
lungert der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkuud. Oda.nen..
NP25.
NO 28.
NQ26.
E. Schiller. ~Ge.^ckniksii/c-n H-
ßd. IX. Tafel 13.
^fm
ei
4^
i-i T^
Nö 30.
NQ 31.
DIE BESIEDLUNG
VON
KRONLAND auf Hokkaido.
[Referat ülaer einen Vorlrai;, gehalten in der Sitzung in Yokohama am 4. Februar
1903 von Herrn Kgl. Preuss. Regierungs- und Forstrat II. Seliilliiig', z. Zt.
forstl. Beirat im Kaiser!. Japanischen Hausministerium.]
Die zur landwirtschaftlichen Nutzung bestimmten Kron-
ländereien gehören zur Verwaltung des Kaiserlichen Hofforstamtes
zu Tokyo. Sie liegen, abgesehen von kleineren, überall in den
Waldtälern zerstreuten Teilen, in 3 grossen Stücken zusammen :
eine Fläche von 3.500 ha bei Kamigawa (=Asahigawa), eine von
9.000 ha bei Teshkaga und eine dritte von lo.ooo ha bei
Teshio. Die Kamigawaländereien gehören zum Kronfideikommiss-
vermögen, die übrigen zwar augenblicklich noch zu den gewöhn-
lichen Krongütern, sie sollen jedoch demnächst gleichfalls dem
Kronfideikommiss einverleibt werden. Hieraus folgt, dass die
Flächen unveräusserlich sind und nur in eigener Verwaltung
oder durch Verpachtung genutzt werden können. Die Kamigawa-
ländereien sind bereits voll besiedelt, in Teshkaga hat die
Besiedlung erst begonnen, in Teshio sind bis jetzt nur die
Vermessungsarbeiten ausgeführt. Soweit die Besiedlung noch
nicht erfolgt ist, sind die Flächen mit Urwald bestanden. Die
Nutzbarmachung dieses wertvollen Landbesitzes beginnt mit der
Vermessung, Kartierung und Teilung in regelmässig sich
aneinander schliessende Rechtecke von 5 ha Grösse. Nur längs
des Umrings bleiben unregelmässige Restflächen übrig. Die
Grenzpunkte der einzelnen Grundstücke werden örtlich durch
Pfähle bezeichnet. An die Vorarbeiten schliesst sich das öffent-
liche Ausgebot der Pachtflächen. Die sich meldenden Pacht-
lustigen haben unter denselben freie Wahl. Haben sie sich
entschieden, so wird mit jedem ein besonderer Pachtvertrag Von
360 SCillLLIXG, P.KSiRnLUNG VON KRÜXLAND ALT IlOKKAIDO.
bestimmt \-ort;cschriebener Form abgeschlossen, dessen Beding-
ungen weiter unten noch nälier angegeben werden.
Die ersten Arbeiten der jungen Ansiedler bestehen in dem
Abbrennen des Urwaldes und in der Errichtung einer VVohnstätte
auf der Pachtfläche. Wegen der Armut der Pächter und des
Mangels an bautechnischen Kenntnissen lassen die letzteren anfangs
viel zu wünsclien übrig und werden erst ganz allmählich so
hergerichtet, dass sie ausreichenden Schutz gegen die langen
und harten \\'inter gewähren.
Dem Hausbau folgt unmittelbar die Reinigung des Bodens
vom Bodeni^iberzuge, die Einsaat von Hirse oder Bughweizen
und die Entfernung des abgestorbenen, meist halb verkohlten
Holzbestandes. Diese Fällungsarbeiten werden in der Regel im
Winter ausgeführt, wenn der hartgefrorene Schnee den Tran.sport
erleichtert.
Die gefillten Stämme werden einfach bis zum nächsten
W^asserlauf gebracht, hineingeworfen und sich selbst überlassen.
Das auf der Fläche verbleibende Stockholz aber wird bei
Gelegenheit der jährlichen Feldarbeiten inmier von neuem Avieder
angebrannt, bis es von Feuer und Fäulnis zerstört nach 7-8
Jahren verschwindet.
Der praktische landwirtschaftliche Betrieb ist noch wenig
entwickelt, er arbeitet noch mit den einfachsten Geräten und
unter grossem Zeitaufvv^and. Vorherrschend ist das Trockenland,
doch sind neuerdings grosse Flächen auch in Reisland um-
gewandelt worden. An Früchten werden vorzugsweise angebaut:
Buchweizen, Mais, Hirse, Bohnen, Kartoffeln, Weisskraut, Mohr-
rüben etc und namentlich Hafer. In den ersten Jahren nach der
Urbarmachung kann bei dem humusreichen Boden der Dünger
gespart werden ; auf den älteren Flächen haben sich indessen bei
der Beschaffung der nötig werdenden Düngemittel Schwierig-
keiten insofern ergeben, als es nicht möglich ist, die 5 ha
grossen Ländereien nach japanischer Sitte mit menschlichen
Fäkalien abzudüngen.
Die Verwaltung hat sich daher genötigt gesehen, das benach-
barte hügelige Waldland zur Umwandlung in Flara preiszugeben-
trotz der grossen Nachteile, die sich aus dieser Einrichtung in
Altjapan ergeben haben. Daneben verwendet man noch künst-
hchen und Fischdünger. In Teshkaga aber hat die Forstver-
waltung ausserdem ein Gestüt errichtet, bestehend aus zwei
I
SCHILLING, BESIEDLUNG VON KRONLAND AUF HOKKAIDO. 36 1
Hengsten und 25 Stuten, die lediglich der Düngerbereitung sich
befleissigen sollen.
Die beiden Hengste werden in der landwirtschaftlichen
Versuchsanstalt daselbst gehalten, während die Stuten bei den
einzelnen Ansiedlern untergebracht sind. Sämtliche Pferde sind
Kroneigentum.
Die Pachtbedingungen sind für die drei Ansiedlungsgebiete
verschieden und haben sich schon wiederholt geändert. P3s sind
zu unterscheiden :
1. — DIE KAMIGÄWÄFLACHEN.
Die ersten Ansiedler — das sind die Leute aus den Jahren
1S94-1899 — hatten für die Pachtfläche von 5 ha 5 Jahre lang
eine Abgabe von im ganzen 1 5 Sei zu entrichten. Danach war
und zwar auf die Dauer von 25 Jahren ein Pachtgeld pro
Jahr und ha von 2 Vc^n, für das einzelne Pachtgut also ein
jährlicher Betrag von 10 I ?« zu zahlen. Sonstige Erleichterungen
bei Uebernahme des Pachtlandes wurden nicht gewährt.
Diese Bedingungen wurden bereits nach 5 jährigem Bestehen
d. h. für die im Jahre 1899 neu eintreffenden Ansiedler ver-
schärft. Von diesem Zeitpunkte ab gewährt man zunächst 5
P"reijahre ; nach Ablauf derselben wird das Pachtgeld alle 5
Jahre nach der Bodengüte, nach den Pachtpreisen in der Um-
gegend und nach den eigenen Einnahmen der Pächter aus
ihren Grundstücken neu festgesetzt. Für die ersten 5, jetzt
laufenden Jahre schwankt dasselbe zwischen 2,50 und 5 It'c/i pro
Jahr und ha.
Unter diesen Bedingungen sind die Kamigawaländereien
bereits mit 700 P'amilien besetzt und demgemäss voll besiedelt.
2. — DIE TESHKAGALANDEREIEN.
Die Besiedlung hat hier erst im Jahre 1899 begonnen.
Abgelegenhcit und weniger günstige Bodenverhältnisse nötigten
hier zu einem grösseren Entgegenkommen. Die pachtlustigen
Familien, die bis jetzt sämtlich aus der Provinz P^tchu stammen,
erhalten zunächst vom Hafenorte Fushigi aus ca 35 Yen Reise-
geld und, am Orte ihrer neuen Heimat angekommen, auf den
noch ertragslosen Grundstücken ein Zehrgeld. Dieses betrug
'362 SCHlLr-lXC;, niCSIEOLUNG von KROXLAXD auf lIÜKICAini).
für die beiden ersten Jalire 1899 und 1900 monatlich 10 ]'tii
und w urde i I Monate hindurch gewährt. Seit 190 1 ist dieser
Zeitraum auf 8 Monate gekürzt worden. Ausser diesen Unter-
stüt/AUigen erhalten die Leute noch ein Rodungsgeld, aber erst
nacli ausgeführter Rodung. Dieses betrug in den Jahren 1899
und 1900 pro ha 35 Yen, jetzt ist es auf 28 Yen pro ha herab-
gesetzt. Die Rodung muss in 5 Jahren beendet sein. Sämtliche
Pächter erhalten ausserdem 5 Freijahre. Mit dem Ablauf der
letzteren beginnt die eigentliche Pachtzahlung und zwar hier
nicht nach der Bodengüte sondern nach der Flächengrösse.
Die Verträge werden auf 30 Jahre geschlossen. An Pachtgeld
haben die Ansiedler aus dem Jahre 1899 pro ha 4 Yen, die
späteren aber 4,50 Yen zu entrichten. Innerhalb 6 Jahren nach
Abschluss des Pachtvertrages sind das Reisegeld sowie das
Zehrgeld der Verwaltung wieder zurückzuzahlen. Bis jetzt ist
dieses Ansiedlungsgebiet erst mit 78 P'amilien besetzt.
't>'"t)
3. — DIE TESHIOWALDER.
Auf den lo.ooo ha grossen Flächen bei Teshio sind wie
schon erwähnt erst die Einteilungsarbeiten ausgeführt. —
Der Vortragende beleuchtete hierauf das vorstehend ge-
schilderte Ansiedlungsverfahren nach Massgabe der in Preussen
für ähnliche Arbeiten geltenden Grundsätze und kam dabei zu
folgendem Urteil :
i) Eine schablonenmässige, auf die Geländeverhältnisse
nicht Rücksicht nehmende Einteilung landwirtschaftlichen
Nutzlandes ist stets fehlerhaft und führt zu allerlei
Erschwernissen des landwirtschaftlichen Betriebes. Die
Einteilung hat sich immer dem Gelände in der Weise
anzupassen, dass zunächst die natürlichen Trennungslinien
wie Wasserläufe, Höhenzüge etc vermessen und kartiert,
dass hierauf sämtliche Hauptwege mindestens entworfen
und abgesteckt, möglichst aber auch sofort gebaut werden,
und dass erst dann, d. h. im Anschluss an die natür-
lichen Trennungslinien und Wege die Einteilung in
Pachtflächen erfolgt.
2) rj)as Abbrennen des Urwaldes ist zweifellos das ein-
fachste, billigste und daher beste Mittel, die äusserer-
I
SCHILLING, BESIEDLUNG VON KRONLAND AUF HOKKAIDO. 363
dentlich zählebige Pflanzenwelt zu zerstören. Das Ver-
fahren wird aber zum Verbrechen, wenn, wie es meistens
geschieht, diese Feuer sich selbst überlassen werden,
tage- und wochenlang fortbrennen und sich auf Gebiete
ausdehnen, die niemals zur landwirtschaftlichen Nutzbar-
machung sich eignen. ^Millionen von Werten sind in
Hokkaido auf diese Weise dem Feuer zum Opfer gefallen
und ausgedehnte Landstrecken in Wüsteneien verwandelt.
3) Das ganze Ansiedlungsverfahren nimmt zu wenig Rücksicht
darauf, dem meist vollständig besitzlosen Ansiedler die
Uebergangszeit d. h. die ersten Jahre in seiner neuen
Heimat zu erleichtern. Selbst die in Teshkaga gewährten
Rodungsgelder verlieren in dieser Beziehung an Bedeutung,
da die Forstverwaltung für den geringen Preis von 28
Ycyi I ha Urwald gerodet erhält, der sich nicht nur bei
einem Pachtgelde von 4,50 ]V;/ mit 16 ^4 verzinst
sondern der Verwaltung auch ermöglicht, bei dem herr-
schenden Verpachtungsverfahren ilach Belieben Pächter
anzusetzen und die Pachtpreise zu erhöhen. Von her-
vorragender, die t^ntv/ickelung von ganz Hokkaido vor-
teilhaft beeinflussender Bedeutung wäre die Errichtung
der Wohn- und Wirtschaftsgebäude durch die Hofforst-
verwaltung selbst und zwar vor dem Eintreffen der
Ansiedler. Das Klima der Insel weicht mit seinen
ausserordentlich kalten (bis- 43° C) und schneereiclien
Wintern so auff"allend von dem der übrigen japanischen
Inseln ab, dass die dagegen zu treffenden Vorkehrungen
dem stets aus wärmeren Gegenden zuziehenden Pächter
völlig unbekannt sind. Die gegenwärtigen Unterkunfts-
hütten der Ansiedler sehen schlechten Ställen ähnliclier
als einer menschlichen Wohnung.
4) Die Errichtung der Wohnhäuser nach dem Belieben der
Pächter auf den einzelnen Pachtflächen führt zu einem
Verzetteln derselben über das ganze Ansiedlungsgebict
und infolgedessen zu allerlei sozialen Nachteilen : schwieri-
ger Verkehr der Ansiedler untereinander, schwieriger
Schulbesuch, schwierige Versorgung mit den täglichen
Lebensmitteln u. s. w. Es ist daher der Versuch em-
pfehlenswert, die Pächter in Ortschaften anzusiedeln.
5) Die von der Hofforstverwaltung im Interesse der Pächter
364 SCIIILLIXG, I5KS1E1)LUNG \'()X KROXI.ANI) All'- HOKKAIDÜ.
gemachten baren Aufwendunt^en, also auch die Kosten
für die Errichtung von Gebäuden, haben diese von einem
gewissen Zeitpunkte ab massig zu verzinsen und zu
amortisieren.
6) Dass auf den ungeheueren Gebieten die einzehien Pacht-
flcächen nur an Landwirte abgegeben werden können,
und alle Nichtlandwirte, also auch Handwerker und
KauOeute, als Ansiedler ausgeschlossen sind, dass man
auch nicht daran gedacht hat, die neuen Gemeinden von
vornherein mit Gemeindeland auszustatten, sind grund-
sätzliche Fehler.
7) Zur Hebung der noch wenig entwickelten praktischen
landwirtschaftlichen Tätigkeit — die 5 ha grossen Grund-
stücke werden z. B. in der Regel nur gehackt statt mit
dem Pfluge bearbeitet — empfiehlt es sich, auf jedem
der 3 grossen Ansiedlungsgebiete mindestens ein Mu-
stergut in der Weise zu schaffen, dass auswärtigen
praktischen Landwirten Gelegenheit geboten wird, für
eigene Rechnung die Landwirtschaft zu betreiben, aus-
serdem aber noch mindestens je einen praktischen
fremden Landwirt anzustellen, der von Haus zu Haus
geht, und die Ansiedler von amtswegen in den landwirt-
schaftlichen Verrichtungen zu unterweisen hat. Ein
wesentlicher Punkt der Tätigkeit beider Personen wäre
der Versuch, die Rindvieh- und Schweinezucht einzu-
führen sowie auf dem für Reisbau infolge der niedrigen
Jahreswärme meist nicht mehr geeigneten Boden den
Anbau unserer hauptsächlichsten Getreidearten wie
Roggen, Weizen, Hafer, ferner die Einführung der Milch-
wirtschaft und Geflügelzucht zu betreiben. Da es sich
überall um Pächter handelt, ist die Hofforstverwaltung
in der glücklichen Lage, die Fortschritte der Landwirt-
schaft in anderen Ländern für die Pächter in gewissem
Sinne zwangsweise nutzbar zu machen.
8) Aus den Pacht\'erhältnissen entwickeln sich \'oraussichtlich
.sehr schnell P^rbpachtsgerechtigkeiten. Das von der
Verwaltung bisher geübte, zwar ausserordentlich ent-
gegenkommende aber bedenkliche Verfahren, die An-
siedler auf ihren Flächen nach Belieben schalten und
walten zu lassen, auch die PLntwickelung und Bildung
SCHILLING, BESIEDLUNG VON KRONLANI) AUF HOKKAIDO. 365
der Gemeinden m(3glichst nicht zu beeinflussen, haben
auf den Kamigawalcändereien bereits zu manchen Eigen-
mäclitigkeiten der Pächter geführt — sie haben hier z. B.
ohne Zutun der Verwaltung grosse Strecken in Reisland
umgewandelt, ausgedehnte Be- und Entwässerungsgräl^en
gebaut und eine Art Reisbaugenossenscliaft gebildet — ,
dass zu befürchten ist, es erwächst der Verwaltung
allmählich in der Masse der Pächter eine gegnerische
Macht, der sie im Ernstfalle, namentlich bei den vor-
behaltenen periodischen Erhöhungen der Pachtpreise,
vermutlich unterliegen wird.
9) Die Nutzung so ausgedehnter Flächen durch Verpachtung
von immer nur 5 ha grossen Abschnitten führt stets zu
Schwierigkeiten, die nur gemildert werden können,
wenn die Pflichten und Rechte der beiden Teile von
vornherein scharf gekennzeichnet und fortlaufend streng
geschieden werden. Leider ist diese Forderung hier aus
verschiedenen Gründen nicht durchführbar. Es empfiehlt
sich daher mehr, im Laufe der Zeit mehrere der kleinen
Pachtflächen zu vereinigen und zur Bildung von Domänen
überzugehen oder aber — und das w-äre nach Ansicht des
Vortragenden unter den eigenartigen japanischen Ver-
hältnissen der beste Weg — die betr. Plächen aus dem
Kronfideikommissvermögen auszuscheiden und allmählich
zu verkaufen.
Zum Schluss verbreitete sich der Vortragende noch über
die Bedeutung, die Hokkaido als Ansiedlungs- und demgemäss
als Auswanderungsgebiet für Altjapan im allgemeinen hat.
Soweit Hokkaido zum landwirtschaftlichen Betriebe sich eignet,
ist der Boden mindestens ein mittelmässiger, an vielen Stellen
sogar ein guter und sehr guter; auch alle sonstigen Verhältnisse
sind der Besiedlung ausserordentlich günstig. Es ist deshalb
auffallend, dass die japanische Regierung anscheinend mehr darauf
Bedacht nimmt, den Bevölkerungsüberschuss im Auslande unter-
zubringen als in Hokkaido, also im eigenen Lande, sesshaft zu
machen. Dieses Verfahren ist um so befremdsamer, als die
Schaffung eines steuerkräftigen Bauernstandes augenblicklich
mit zu den hauptsächlichsten Aufgaben der Verwaltung gezählt
Werder muss. Der Weg, den die Verwaltung zur erfolgreichen
Besiedlung Hokkaidos einzuschlagen hätte, wäre im allgemeinen
366 SCHILLING, BKSILnLL'NC. VON KRONLANI) AL'K HOKKAIDO.
dcM'sclbc, wie er fih' die l>cslctllun<^ der Kronländereien ange-
deutet worden ist. Im Vordergrunde steht auch hier die For-
derung, dass die Staatsverwaltung die Ansiedlungsflächen ganz
oder teilweise auf eigene Kijsten urbar machen und vor dem
Hintreffen der Ansiedler die Wohn- und Wirtschaftsräume errichten
müsste. Zur Durchführung dieser Massregcl stehen dem Staate
nicht nur grössere Geldmittel als jeder Privatverwaltung sondern
in den Strafgefangenen auch billige Arbeitskräfte zur Verfügung.
(Die Tagelöhne der Sträflinge betragen augenblicklich 5,4 Scu)
Eine planmässige Holzverwertung wäre auf diese Weise gleich-
falls gesichert. Die vom Staate auf die Urbarmachung des
Landes verwendeten Kosten würden die Ansiedler massig zu
Verzinsen und zu amortisieren haben. Zur Erleichterung des
Ueberganges des freien Eigentums an den Grundstücken .auf
die Ansiedler dürfte sich auch in Japan eine der Preussischen
Rentengutsgesetzgebung entsprechende Pünrichtung empfehlen.
DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN IN DER NEUESTEN
ALLGEMEINEN RELIGIÖNSGESCHICHIE,
Von
I»fai»rer HÄN^S HAAS
IN Tokyo.
Die Religionswissenschaft ist eine Disziplin, die in Deutsch-
land noch immer um akademische Existenzberechtigung zu
ringen hat. Angesichts dieser bedauedichen Rückständigkeit ist
es erfreulich, dass wir heute doch bereits in deutscher Sprache
wenigstens zwei grössere Werke über allgemeine Religions-
geschichte besitzen. Die Abfassung des ersten, für deutsche
Hochschulen bestimmten, musste — ein charakteristisches Zeichen
des embiyonalen Zustandes, in welchem sich diese in Frankreich,
Holland und England schon viel früher in ihrer Bedeutung
erkannte Wissenschaft noch vor anderthalb Jahrzehnten bei uns
befand — einem Lehrer an der Amsterdamer Universität, P. D.
Chantepie de LA Saussaye, übertragen werden. Der Bearbeiter
des zweiten, 1899 erschienenen, ist Dr. phil. et theol. Conrad
VON Orelli, Professor der Theologie in Basel. Was an dieser
neuesten, gegen 900 Seiten umfassenden Darstellung als ihr
besonderer Vorzug gerühmt wird, ist, dass sie ein Werk aus
einem Gusse ist. Das war auch Chantepie de la Saussaye's
Handbuch in seiner ersten Auflage. Der Verfasser, seinerzeit
einer der ersten auf dem Plane, als es sich um die Inaugurierung
der jungen Wissenschaft handelte, ist jedoch inzwischen zu der
Einsicht gelangt, dass die allgemeine Religionsgeschichte ein
Gebiet von zu immensem Umfang ist, als dass ein Einzelner im
Stande wäre, das im letzten Jahrzehnt so mächtig angewachsene
Material allein zu bewältigen. So hat er sich, als 1896 eine 2.
Auflage nötig wurde, die eben jetzt auch ins Französische über-
setzt wird, verständigerweise dazu entschlossen, sich die Mit-
3^>8 H. HAAS, DIE JArANlSCIIKX RELIGIONEX.
Wirkung von Gelehrten zu sicliern, die auf den einzelnen Gebieten
den Quellen näher standen als er selbst. IJass es ihm auch mit
dieser Beihilfe, die das Werk notwendiL,^ um seinen einheitlichen
Charakter und den festen Gesichtspunkt für die Würdigung der
religiösen riiänomene brachte, nicht gelang zu erreichen,
worum es ijim zu tun war : jeden einzelnen Teil auf die Höhe
der heutigen Forschung zu bringen, das zeigen in dem Werke
auch die den Japanern gewidmeten Paragraphen (§ i 3. Geschichte
und Lehre ; § 14. Cultus). I\Iit ihnen füllte der Amerikaner Dr.
Edm. Bucklev eine Lücke aus, welche das erste Mal offen
geblieben war. Von den Kritiken, die mir zu Gesichte kamen,
bezeichnet eine von Prof. Bousset (Theol. Literaturzeitung 1898,
No. 21) die bezüglichen Kapitel als den schwächsten Teil des
Werkes, und ein anderer Kritiker, der sich selbst gründlich mit
den Religionen des Ostens befasst hat, J. Happel, bemerkt
(Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft, Jahrg.
XII, 1897, S. 238 ff) : „ Die Religionsgeschichte Japans,
Leistung des Herrn Buckley aus Chicago, möge hier mit dem
Schleier der Vergessenheit bedeckt bleiben." Ich finde beide
Urteile nicht ganz billig. Aber vermag ich ihnen darum gleich
nicht beizutreten, so räume ich doch ein, dass man von einem
Gelehrten, der jahrelang in Japan selbst gewirkt hat und sich in
Amerika als ' Lecturer on Shinto ' bezeichnet. Befriedigenderes
hätte erwarten mögen. Wenn aber schon in einem Lehrbuch,
das einen Spezialisten als Bearbeiter heranzuziehen für gut hielt,
der Abschnitt über die japanische Religionsgeschichte Ansprüchen,
die man füglich sollte machen dürfen, nicht vollauf gerecht v/ird,
so wäre es mehr als unbillig, einem Autor, der es unternommen
allein das ganze gewaltige Gebiet zu behandeln, Mängel und
Schwächen der einzelnen Teile aufzurücken. Wem es wahrhaft
um den Ausbau der allgemeinen Religionsgeschichte zu tun ist,
der wird es vielmehr für seine Pflicht erachten, wo und wie er
kann, Versuche wie den v. Orelli's an seinem Teil zu unter-
stützen. So, als Kärrner- und Handlangerdienste für einen
bauenden König, sind die nachfolgenden Ausstellungen vermeint,
die ich an dem von ihm der japanischen Religion gewidmeten
Kapitel mache und die, wenngleich spät als Buchkritik, doch
wohl noch lange zeitig genug für Berücksichtigung in einer 2.
Auflage erscheinen werden.
Professor Orelli's grosses Werk ist ein Zeugnis umfassender
Studien über die Religionsgeschichte. Es ist auch unverkennbar,
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 369
dass der Verfasser, ein tüchtiger Kenner der israelitischen Re-
ligion, für das weitere Gebiet der semitischen Religionen über-
haupt Autorität beanspruchen kann. Ebenso unverkennbar aber
ist, dass in anderen Ausschnitten des ausgedehnten Forschungs-
feldes seine Darstellung nur referierend ist, und das ist vor
allem bezüglich der japanischen Religionsgeschichte der Fall.
Hier ist er offenbar mit dem neuesten Stande der Forschung
und der zu einer auf der Höhe stehenden Darstellung zu benützen-
den Fachliteratur weniger als anderwärts vertraut. Dem Kenner
zeigt das alsbald ein Blick auf die Literaturnachweise. Der
Verfasser gibt an : Kaempfer, Geschichte und Beschreibung von
Japan, herausg. von Dohm, Lemgo 1777-79 (2 Bde.). — P. F. v.
Siebold, Nippon, Archiv zur Beschr. von Japan. Leiden 1S32-
51 (20 Sektionen). — Reed, Japan, Its History, Tradiüons and
Religions. 2 Bde., London 1880. — Cha:\iberlain, TJie Langnage,
Mythology and GeograpJdcal Nouicnclaturc of Japan, rcvicii'ed in
tlie Light of Ainii Studios. Tokyo 1887. — Die Akten des
Kongresses von Chicago, S. 451 ff. — Er bemerkt ferner ■'
,, Manches Material enthalten die Transactions of the Asiatic
Society of Japan (zu Tokyo herausgegeben) und die Mitteilungen
der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens
(ebenda)."
Es muss nun freilich beachtet werden, was der Herr Verfasser
in der Vorrede betont, dass er dem Zwecke seines ganzen W^erkes
entsprechend ,, bei der Auswahl der aufzuführenden Literatur aus
der bald überreichen Zahl der Bearbeitungen einzelner Partien
und Gegenstände die dem Theologen zugänglicJieren Schriften
bevorzugte''. Allein dies trifft in unserem Falle doch schwerlich
zu. An Stelle des kompilatorischen Werkes von Reed, das auf
besondere Wissenschaftlichkeit keinen Anspruch machen kann und
überdies im Buchhandel heute ebenso schwer mehr zu haben ist
wie auf deutschen Bibliotheken, wären doch wohl viel zweckent-
sprechender das deutsch geschriebene Buch von Munzinger (Die
Japaner), das zur Zeit des PZrscheinens der Religionsgeschichte
bereits seit einem Jahre vorlag, und Rein's ,, Japan", das
Hauptwerk, das wir über Japan besitzen, anzugeben gewesen.
Kaempfer's Beschreibung und Siedold's grosses Prachtwerk
(anders verhält es sich mit der 1897 von Siebolds Söhnen in 2
Bänden herausgegebenen, um die Anmerkungen gekürzten 2.
Aufl.) können wohl kaum als Werke hingestellt werden, welche
heute Theologen leicht zugänglich sind, und ebensowenig Cham-
370 H. HAAS, 1)11-: JAPANISCHEN' KKLlfJK )NKN.
iucri.ain's Abhanclluni;, die in den IMcnioirs of thc T.itcrature
College djr Kais. Universität von Japan v^ei'öffcntlicht wurde
und doch nur nebenbei auf die Religion eingeht. Heutigen
wissenschaftlichen Ansprüchen genügt von der angeführten
Literatur, abgesehen von diesem Essay, nichts. Die Akten des
Kongresses von Chicago kommen von vornherein nicht in
Betracht. Die älteren Arbeiten über den Shintois:nus, nicht
nur die von Kaempfer und Siebold, sondern auch die von
Pfiz.maier, Hoffmann u. A. sind gegenwärtig völlig antiquiert.
Ein sorgfältiges Studium dieser Literatur hat micli dax^on
überzeugt, dass der heutige Rcligionsforscher sie sämtlicli ruhig
ungelesen lassen kann.
Was steht nun dem, der das Verlangen hat, sich über die
japanische Religionsgeschichte zu belehren, dermalen an zuver-
lässigen Hilfsmitteln zu Gebote ?
Gewöhnlichen Ansprüchen dürfte vollauf das Buch von W.
E. Griffis, Thc Rcligions of Japan (2. Aufl. New York 1S95)
genügen, Avelches nicht nur den Shintoismus sondern auch den
japanischen Confucianismus und Buddhismus wie die Geschichte
des Christentums in Japan behandelt. Einen trefflichen Ueberblick
gibt das von E. M. Satow geschriebene Kapitel , Religions ' in
der 2. Aufl. (nur in dieser !) \'on Murray's Handbook for
Travellors in Japan, die freilich kaum mehr zu erlangen ist.
Der Religionsforscher kann sich natürlich an diesen Darstel-
lungen nicht genügen lassen. Ihm stehen andere Quellen zur
Verfügung.
1. — SHINTOISMUS.
Der Shintoismus, um mit dieser alten nationalen Götter-
verehrung anzufangen, ist heute eine Buchreligion. Ihre Grundlage
bilden das Kojiki, das Nihongi und das Küjiki, drei japanische
Geschichts werke, die gewöhnlich unter dem gemeinsamen Titel
SambiiJioiisJio „ die drei Hauptbücher " zusammengefasst werden.
Eine weitere Hauptquelle sind die im Engishiki zusammengefassten
Norito. Alle diese Schriftwerke sind heute, soweit sie hier in
Betracht kommen, auch dem europäischen F"orscher, w^elcher
der japanischen Sprache nicht kundig ist, erschlossen.
Das Kojiki (,, Berichte über die Begebnisse im Altertum "),
das, im Jahre 712 unserer Zeitrechnung vollendet, das älteste
heute noch vorhandene Literaturdenkmal nicht nur Japans
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 3/1
sondern der gesamten altaischen Sprachfamilic darstellt und
treuer als irgend ein anderes Buch wie die Sitten, die Sprache
und traditionelle Geschichte so auch die Mythologie des alten
Japan bewahrt hat, hat B. H. Chamberlain durch seine als
Supplement zu Band X der Transactions of the Asiatic Society
of Japan erschienene kommentierte englische Uebersetzung zugäng-
lich gemacht. (Yokohama 1883) Vorausgeschickt hat er ihr
eine ausgezeichnete Einleitung, deren 5. Kapitel auch die
religiösen Ideen der ältesten Japaner behandelt.
Das Zweitälteste, im J. 720 n. Chr. G. vollendete Geschichts-
v.'crk is!; das Xi/uv;gi (,, Annalen von Japan "), das in Japan
sogar immer mehr geschätzt war als das ältere Werk, dies
darum, weil es im Gegensatze zum Kojiki, das weniger Wert
darauf legt, mit den klassischen chinesischen Geschichtswerken
im Stil zu rivalisieren, durchaus chinesischen Anstrich hat.
,, Während das Xihongi einerseits manche im Kojiki enthaltene
Legenden mit Stillschweigen übergeht, mag sein mala fidc, gibt
es doch andererseits auch einige echt japanische Mythen, von
denen das Kojiki nichts weiss. Die Quellen der Tradition für
die allerälteste Zeit, das Götterzeitalter, sind bei beiden Werken
im grossen und ganzen dieselben und weichen nur in einer
Reihe von einzelnen Fällen von einander ab. Dass die Ab-
weichungen des Nihongi vom Kojiki (abgesehen von ganz groben
und für den Kundigen meist auf den ersten Blick erkenntlichen
chinesischen Pfropfreisern) im allgemeinen auf schon länger be-
stehende Verschiedenheiten in der Ueberlieferung und nicht auf
blosse Willkür und Fälschungssucht der Verfasser des Nihongi
zurückgehen, halte ich für ausgemacht Kojiki und Xihongi
bilden somit, für ihre frühesten Darstellungen wenigstens, eine
ziemlich glückliche Ergänzung zu einander " (Florenz).
Das Xihongi behandelt die Geschichte Japans bis zum Jahre
697 n. Chr. G. Für die Religion Altjapans kommen von den
30 Büchern nur die beiden ersten, betitelt Jindaiki (,, Bericht
über das Zeitalter der Götter "), als Quellen in Betracht.
Die erste systematische Bearbeitung des Xihongi hat Leox
DE RosNY in Angriff genommen. Sie ist jedoch Fragment
geblieben. Xur zwei Hefte sind davon 1884 und 1887 erschienen,
die auf CXI II 4- 391 Seiten ausser einer Einleitung eine kom-
mentierte Uebersetzung nur des i. Buches bieten {Kajui yo-no
inaki. Ilistoire des dynasties divines. Publiee en japonais,
traduite pour la premiere fois sur le texte original, accompagnee
372 II. HAAS, niK iapanisciiicx ref.kuoxen.
d'unc glosse incdite composec cn chinois et d'un coninicntairc
perpetuel redige en frangais).
Die erste vollständige, von einem knappen aber trefflichen
Kommentar begleitete Uebersetzung des gesamten Nihongi hat
der gelehrte Japanologe W. G. Astox 1896 in 2 Bänden er-
scheinen lassen. (Transactions and Proceedings of the Japan
Society, T^ondon. Supplement I.).
Dem deutschen Leser hat schon vor Aston Dr. K.
Florenz eine Uebersetzung und Erläuterung der zweiten
Hälfte des Nihongi (Buch XXII-XXX), versehen mit einer
gediegenen Einleitung, dargeboten. Für die 2., d^uxli weg
revidierte Auflage, die kürzlich (1903) unter dem Titel Japa-
nische Annalen, A. D. jc)2-6c)j. Xiliongi erscliien, ist Astons
Werk mit benutzt. Während der II. Teil des Florenzschen
Xihongikommentars noch aussteht, ist der I., welcher die beiden
ersten Bücher darbietet, 190 1 als Supplement der ,, Mitteilungen "
der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens
in Tokyo erschienen. Der Spezialtitel dieses Bandes ist : Japa-
nischc Mythologie. Da ein Appendi.x: auch eine Anzahl von
Avichtigeren im Nihongi fehlenden Mythen, welche dem Kojiki
und den echten alten FOdoki entnommen sind, enthält, wird in
diesem Buche ein ziemlich umfassender Ueberblick über das
älteste authentische Material gegeben. Was diese echte deutsche
Gelehrtenleistung von dem englischen Werke Aston's unter-
scheidet, ist die grössere Ausführlichkeit des unter Rücksichtnalime
auf die neuesten Forschungen der eingeborenen Gelehrten, welche
einen Fortschritt über die älteren von Aston benützten Spezial-
kommentare hinaus bedeuten, beigegebenen Kommentars "und die
Einstreuung einer Reihe von kleineren Exkursen. Zu bedauern
ist nur, dass der Verfasser gemeint hat, von einer Zusammen-
fassung der Resultate, welche sich aus der Lektüre des Nihongi
ergeben und wie sie Chamberlain in seiner Einleitung zum
Kojiki in feinsinniger Weise geliefert hat, absehen zu müssen.
Aus den vorliegenden Rohstoffen eine wirkliche geordnete japa-
nische Mythologie zu gestalten, ist nach Dr. Florenz' Meinung
eine Aufgabe der Zukunft, die jetzt schon zu unternehmen noch
verfrüht wäre.
Noch viel älter als das Kojiki und das Nihongi, in der Tat
das bei weitem älteste Denkmal der japanischen Historik wäre,
wenn es echt wäre, das Küjiki (,, Annalen der alten Begebnisse "),
dessen mit dem Jahre 621 n. Chr. G. endende 10 Bücher von
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 373
Shötoku-taishi und Soga no Umako verfasst sein sollen. In
der Gestalt, in der uns das Werk jetzt vorliegt, wird es jedoch
seit Motoori's Kritik (Kojikiden 1,20)* selbst von den japa-
nischen Historikern als ein späteres, unzuverlässiges Machwerk be-
trachtet. Auch Dr. Florenz sieht es als ein Falsifikat an. Nur
eine Abteilung desselben {Kitni no Miyatsiiko Hongi) will man
einige rmassen gelten lassen. Es ist darum auch kaum zu beklagen,
dass eine Uebertragung des Küjiki in eine europäische Sprache
bis jetzt nicht vorliegt.f Gelegentlich, d. h. wo es Materialien
enthält, die für die Kenntnis des Shintoismus wichtig sind, ist es
von Florenz in seiner ,, Japanischen Mythologie " benützt.
Eine viel wichtigere Quelle für die Erforschung des reinen
Shintoismus sind die in Prosa abgefassten, an die Präfationen
der katholischen Liturgie gemahnenden Norito, indem sie am
besten erkennen' lassen, wie vor dem Eindringen chinesisch-
confucianischer und buddhistischer Einflüsse die religiösen Gefühle
der Japaner geartet waren. Eine englische Uebersetzung der im
Engi-shiki (,, Zeremonialgesetze ") aus viel älteren Quellen im
Jahre 927 n. Chr. G. zusammengestellten Norito hat E. Satow
(' Ancicnt Japanese Rituals ') in den Transactions of the Asiatic
Society of Japan begonnen (Vol. VII, pp. 97-132, 409-455 ;
"■•" Nach Motoori ist das Küjiki eine mit Benützung des Kojiki und Nihongi
bearl^eitete Kompilation, wie man aus einer Vergleichung der in den drei Werken
gebotenen Bericlite ans dem Zeitalter der Götter ohne weiteres erkenne. Im Küjiki
finde man ein Gemisch ganz ungleicher Stile, und ein und dasselbe Begebais sei in
zwei verschiedenen Formen berichtet. Besonders auffällig findet er die Verschie-
denheit in den chinesischen Zeichen, welche zum Schreiben derselben Eigennamen
gebraucht sind. —
Die Tatsache, dass das Küjiki einen Bericht über den Tod .Shötoku-taishi's
tathält, ähnlich wie das letzte der sog. 5 Bücher Mosis den Tod des Moses erzählt,
kann für sich allein nicht als Beweis dafür angezogen werden, dass dem Prinzen
Shötoku die Verfasserschaft zu Unrecht zugeschrieben wird. Dieser Schluss möchte
einem wirklich von ihm verfassten Werke später hinzugefügt worden sein.
t Anderer Meinung ist freilich Aston. Er hält dafür, dass die mythologischen
Kapitel des Küjiki zu viel originalen .Sonderguts enthalten, als dass man es für eine
Kompilation aus dem Kojiki und Nihongi ansehen könne. Die in den drei Werken
wahrnehmbaren Uebereinstimmungen ist er geneigt auf eine gemeinsam benützte
Quelle zurückzuführen. Er erkennt an, dass das Küjiki oft die gleiche Legende
in zwei abweichenden Versionen gebe, meint aber, dass gerade das Ungeschick, mit
dem dieselben mit einander verbunden sind, bekunde, dass der Schreiber die mehr
folgerechte Erzählung des Nihongi eben nicht vor sich gehabt haben kann. Ihm
ist umgei<ehrt wahrscheinlich, dass das Nihongi in einzelnen Abschnitten das Küjiki
als (Quelle benützt hat. (Siehe Aston, Nihongi Bd. II, S. 431 f.).
374 "• HAAS, DIE JAPANISCHEN' RELK^IONEN.
Vol. IX, 183-211) und K. Imx)rknz fortgesetzt (ebenda \"ol.
XXVII. Part I, 1-112).
X"eben diesen Uebcrset/Aingen der japanischen Ilauptquellen-
werke kommen noch einzelne Abhandlungen in Betraciit. Die in
Zeitschriften verstreuten Aufsätze, die man bei Wenckstern
zusammengestellt findet, haben zum grössten Teil keinen wissen-
schaftlichen Wert. Hervorzuheben sind aber Arbeiten wie die
folgenden : E. Satow, The Afyt/ioloi^^}' and RcHgioiis WorsJiip
of the Ancicnt Japanese, Westminster Review, Juli 1878. — Dcrs.
TJic Revival of Pure Shih-taji. T. A. S. J. Vol. III, App. pp.
1-87. — Ders. Tue SJiin-taii Teniples of he, ebenda Vol. II, pp.
101-124. — h'erner desselben Verfassers Alonographie TJi'e Use
of tJie Fire drill in Japan, ibid. Vol. VI, Part II, pp. 223-226. —
Von AIassa Akira Tomii erschien 1887 in x\nnales du Musee
Guimct Vol. X, pp. 309-328 ein Aufsatz Le Shintdisni, sa niytJio-
logic et sec inorale. — Lesenswert ist trotz vieles Unhaltbaren, das
er enthält, noch immer der Aufsatz von P. Kempermann ,, Mit-
teilungen über die Kamilehre ", der 1874 im 4. Heft des I. Jkl.
dieser Zeitschrift erschien. — Von Chamberlain verdienen ausser
The Classieal Poetry of tJic Japanese ein kürzerer Beitrag im
Journal Anthrop. Institute Vol. XVIII [No. I] p. 27-29 : Xote
an the Japanese Go-hei or paperofferings to the Shinto Gods und
sein Vortrag Notes on sonie minor religions practices (London
1892) Beachtung. — Ueber die Bedeutung des Torii gibt ausser
dem bezüglichen Artikel in Cpia:>iberlain's Things Japanese ein
Beitrag von Aston im XXVII. Bd. der T. A. S. J. Auskunft:
Toriivi, its Derivation. — Die Verzückung der Besessenen behandelt
P. Lowell in seinem Buche Occult Japan (1895). — Vgl. auch
desselben Verf. Abhandlungen Esoteric Shinto in Bd. XXI u.
XXII des T. A. S. J. — Eine Monographie von E. Buckley,
Phallicisvi in Japan (1895) bietet ebenfalls manches Material zum
Verständnis der alten Naturreligion. Das gleiche Thema erörtert
J. Schedel, Phallus-Cultus in Japan (1896). — Eine wertvolle
Ergänzung zu Florenz, Ancient Jap. Rituals bildet Dr. Weipert's
im 58. Heft dieser Mitteilungen veröffentlichte Untersuchung ,, Das
Shinto-Gebet der grossen Reinigung". Eine gedrängte Skizze
des Shintoismus nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung
habe ich im i. Bd. meiner Geschichte des Christentums in
Japan S. 108-114 zu geben versucht.
Nach dieser Aufführung der Literatur, deren Studium für
eine dem heutigen Stande der Forschung entsprechende Darstellung
]I. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 375
des Shintoismus unentbehrlich ist, sei es mir verstattet, den Finger
auf diejenigen Angaben und Urteile Orellis zu legen, die im Falle
einer Neuauflage einer Revision bedürftig wären.
Der Name, mit dem die Japaner selbst ihr Land benennen,
ist nicht Nipon sondern Nikon oder Nippon. Die von Orelli
gegebene Uebersetzung ,, Ostreich " ist etwas sehr frei. Xippon
0 'j^ ist zusammengesetzt aus nicJii ,, Sonne " und /lou ,, Ur-
sprung" und heisst also ,, Sonnenaufgang ".*
Die ursprünglichen Einwohner Japans nennen sich Aiiiu^
nicht Aino, wie J. Batchelor schon 1887 geltend machte. (In
seinem Vortrag On tlie Aimt Tcrni '' Kantui" , veröffentlicht in
den T. A. S. J. Vol. XVI, S. 18 f ). Trotz des Widerspruchs
von V>. H. Cha:\iberlain {Rcply to Mr. Batchelor on tJic Words
" Kainni" and " Ahio '' , ebenda S. 33-38), der sich gegen diesen
,, Purismus " kehrte, hat sich die Form Ainn in wissenschaftlichen
Werken durchgesetzt, während freilich auch die von den Japa-
nern korrumpierte Form Aino in der populären europäischen
Literatur weiterlebt. Diese alten Ureinwohner findet man heute
nicht nur mehr auf Yezo (so, anstatt Jcso) sondern auch auf der
russischen Insel Sachalin ; Dr. Baelz hat sie ferner in reicher
Beimischung auf den Liukiu-Inseln gefunden.f Nach Prof Orelli
wurden diese ursprünglichen Einwohner durch mongolische YÄn-
wanderer, welche über die Halbinsel Korea vordrangen, zurück-
geschoben. Auch diese Konstatierung ist nach den Forschungs-
ergebnissen von Dr. Baelz, der Hauptautorität auf diesem Gebiete,
nicht unanfechtbar. Nach ihm war es eine Rasse, welcher er
den Namen MandscJm- Koreaner gibt, die von Korea aus durch
die kalte Polarströmung an die Südwestspitze der japanischen
Hauptinsel getrieben wurde, wo sich historisch und anthropologisch
dieser koreanerähnliche Stamm nachweisen lässt. Die mongolische
Rasse und speziell ihr südlicher Zweig, der inalayiscJie , gelangte
wie nach Süd-Korea so auch nach Süd-Japan durch den Kuro-
schiwo, die nordwärts gehende Aequatorialströmung, die in der
Nähe der Philippinen entstehend an der Ostküste von Formosa
■;nd an den Liukiu-Inseln vorbeigeht und die südliche Hauptinsel
von Japan Kyüshü trifft, wo ihr stärkerer Arm an der Westküste
entlang fliessend die Provinz Hyüga berührt, den Ort, v.'o nach
" Näheres über Ursprung und Bedeutung der Bezeichnung iiehe in meinem
diesbezüglichea Beitrag in diesem Heft, S. 331-341.
t Siehe mein Referat Die Menschenrassen Japans nach Dr. ßaeh. Die
\Yahrheit, Jahrg. III, Xo. 7 (^Tokvo 1902).
3/6 H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN.
der jaj)ani.schen Mythologie der erste mythische Kaiser vom
Himmel gekommen sein und sein Reich begründet haben soll.
Während Dr. Baelz allerdings auch diese letzte und ausschlag-
gebende Invasion früher von Korea aus stattfinden Hess (siehe
Baelz, Die Körperlichen Eigenschaften der Japaner, Mitteilungen
der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens,
Bd. III, S. 334-346), ist es ihm später (siehe ebenda Bd. VIII,
5. 233) zweifelhaft geworden, ob auch sie die Strasse von Korea
benützte oder mehr von Süden kam. In einer Sitzung der
Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 16. Februar 1901
aber, avo er sich zuletzt zu diesem Probleme äusserte (,, Die
Menschenrassen Ostasiens "), lässt der unablässig um Vertiefung
seiner anthropologischen Studien bemühte Forscher keinen Zweifel
mehr übrig, dass diese Haupteinwanderung der jetzt herrschenden
Rasse ihren Weg von Süden nahm. Und diese von dem
Südwesten von Kyüshü mählich nach Norden vorrückenden
Mongolo-Malayen sind es hauptsächlich gewesen, welche nicht
nur die Ainu verdrängten sondern auch Jahrhunderte lang mit
der Niederkämpfung der vor ihnen von Korea gekommenen
Mandschu-Koreaner zu tun hatten.
Der von China her über Korea ausgeübte starke zivilisa-
torische Einfluss, dessen Orelli gedenkt, erfolgte nicht erst im
6. Jhd. n. Chr. G. Nicht damals erst sondern schon viel früher
fand chinesische Schrift ii^. Japan Eingang. Die ersten Anfange
zur Verbreitung ihrer Kenntnis wie überhaupt chinesischer
Kultur werden gewöhnlich auf den Gelehrten Wani aus Korea
zurückgeführt, der, als Lehrer des kaiserlichen Prinzen berufen,
im Jahre 405 nach Japan kam. (Siehe Aston, Early Japanese
History, T. A. S. J. Vol. NVI, S. 39-75). Dr. Florenz aber
macht nachdrücklich geltend, dass die Uebersiedelung Wanis
nach Japan nicht mit der ersten P2inführung der chinesischen
Sprache und Schrift identifiziert werden könne sondern nur eine
intensivere und allgemeinere Aufnahme des bisher sporadisch
betriebenen Studiums bedeute, und macht darauf aufmerksam,
dass der erste P'all einer Aufzeichnung von öffentlichen Angelegen-
heiten seitens eines Japaners (natürlich in chinesischer Sprache)
vom Nihongi schon für das 41. Jahr des Kaisers Nintoku, d. i.
353, erwähnt wird. Und bereits im Jahre 403 sollen in den
verschiedenen Ländern Schreiber eingesetzt worden sein, von
deren Aufzeichnungen uns sehr \\'ahrscheinlich noch in den
späteren historischen Werken, in welche sie übergegangen sind,
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 37/
Reste erhalten sind. Die chinesische Zeitrechnung dagegen
wurde erst im Jahre 602 von Korea aus eingeführt, und auch
die chinesische Staatsordnung der Thang- Dynastie mit ihrem
Beamtentum trat niclit schon im 6. Jhd. n. Chr. G. sondern
erst in der Mitte des 7., seit Kötoku-tenno (645-654) durch die
Umwälzung von Taikwa an die Stelle des patriarchalischen
Systems.
Dass die umfängliche Literatur, welche Japan, nachdem es
durch Uebernahme der chinesischen Kultur von seiner niedrigen
Entwicklungsstufe auf eine höhere gehoben worden war, hervor-
gebracht hat, soweit sie bekannt geworden sei, wenig Religiöses
enthalte, kann man — besonders für das ii. und 12. Jahrhundert
— nicht gelten lassen. Auch nur ein flüchtiges Durchblättern von
Aston's 1899 erschienener trefflichen History of Japanese Litcmture
würde den Herrn Verfasser eines besseren belehren, und zu
dem Satze ,, Selbständige Produktion einer philosophischen oder
religiösen Gedankenwelt scheint das Land nicht aufzuweisen "
hat schon die Hand dessen, der das Buch Orellis vor mir las,
an den Rand den Vermerk gemacht : ,, Ebensoviel wie Deutsch-
land". Nun ist ja auch diese Randbemerkung nicht richtig.
Aber noch weniger stimmt allerdings das Urteil des Autors.
Originalität kann man den Japanern nicht nachrühmen. Professor
Inouye Tetsujiro, der als der Hauptphilosoph der Gegenwart
gilt, hat das in einem auf dem internationalen Orientalistenkongress
in Paris, dem er als Delegierter der japanischen Regierung
beiwohnte, gehaltenen Vortrag über die Entwicklung der Philoso-
phie in Japan nachdrücklichst bestritten. Aber selbst er muss
doch in seinem, in der Hansei Zasshi abgedruckten, Vortrage
zugeben, dass in Japan der erste Impuls zum Philosophieren
von auswärts kam, durch den Confucianismus und Buddhismus.
Andererseits kann freilich auch nicht geleugnet werden, dass Japan
Denker hervorgebracht hat, die in selbständiger Weise die von
auswärts gegebenen Anregungen zu verarbeiten sich bemühten.
Es war vor allem der bedeutendste der späteren chinesischen
Philosophen, Shushi ^^ (Chu-tsz' 11 30- 1200 n. Chr. G.), mit
dessen pantheistischem System in Japan zuerst Fujiwara Seigwa
(i 565-1619) bekannt wurde, der hier Jahrhunderte nach seinem
Tode Schule machte. Eine wichtige Rolle spielte ferner durch
ihre Beeinflussung des Denkens der gebildeten Klassen der von
Nakae Töju, dem Weisen von Omi, (1608- 1678) in Japan ein-
geführte idealistische Intuitionalismus des chinesischen Philosophen
37^ II- HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN.
Öyömei (I [^ Pi§ Wang Yang Ming, 1472-1528). Eine dritte
philosophische Schule wurde in Japan begründet von Yamazaki
Anzai (1618-1682), der, zuerst buddhistischer Priester, dann
Confucianist, sich zuletzt die Aufgabe setzte den Shintoisnius zu
spiritualisieren, indem er versuchte die alte Naturreligion des
Landes philosophisch von Shushi's Prinzipien aus zu erklären.
Auch Denkern wie Sokö, Jinsai, Yekken, Sorai, die sämtlich
dem 17. und 18. Jahrhundert angehören, und Chijsai, der von
1794-1 837 lebte, lässt sich Selbständigkeit nicht ganz absprechen,
Ist ihr Streben auch durchweg mehr auf praktische Piiilosophie
als auf metaphysische Spekulation gerichtet und gilt ihnen
gleich Confucius immer als höchste Autorität, so versuchten sie
doch dessen Lehren in eigentümlicher Weise zu interpretieren
und trugen kein Bedenken am System Shushi's Kritik zu üben
und es in mannigfacher Weise zu modifizieren. Es sei nur auf
das eine hingewiesen, wie im japanischen Confucianismus im
Kreise der Tugenden an Stelle der Pietät den ersten Platz die
Loyalität erhielt, hinter welcher die Pflichten gegen die eigenen
Angehörigen und Freunde weit zurückstehen mussten.''^
Dass auch in der einheimischen Priesterschaft selbst, wenn
gleich nur einmal in der Geschichte des japanischen Buddhismus,
sich originale Gedanken geltend machten, zeigt die Lehrent-
wicklung des 13. Jahrhunderts, das man wohl das Reformations-
zeitaltcr des japanischen Buddhismus nennen kann, mit ihrer
Hervorbringung von zwei auf japanischem Boden selbst er-
wachsenen Sekten, der Shin-shü und der Nichiren-shü.
Allzu kurz tut m. E. Orelli die Religion der Ainu ab. Das
Wenige aber, was er von ihr sagt, ist korrekt. So bleibt mir
nur übrig, das Desiderium auszusprechen, dass hier in einer 2.
Auflage etwas eingehender auf die religiösen Vorstellungen dieser
ältesten, mit uns Europäern verwandten Bewohner Japans ein-
gegangen werde, die immerhin heute noch 20.000 Seelen zählen.
Der beste Kenner dieses Volksstammes ist Rev. John Batciielor,
der seit 25 Jahren als Missionar unter ihnen wirkt und der auch
viel über sie geschrieben hat. Am besten zusammengestellt
findet man, was er aus seiner langen Erfahrung heraus zu sagen
* Wer sich für die Entwicklung der chinesischen confucianischen Philosophie in
Japan inteicssiert, findet im 20. Band der Transactiuns of tlie Asialic Society of Japan
mit seinen instruktiven Abhandlungen von IvNOx, IIaga und IxoUYii genügende
Belehrung.
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN'. 3/9
hat, in seinem 1901 erschienenen Werke " The Ainn and thcir
Folk-Lore " (London, The Rehgious Tract Society). Die sonstige,
bereits sehr umfassende Buch- und Zeitschriftenhteratur über die
Ainu, soweit sie bis 1895 erschien, ist S. 301-307 zusammen-
gestellt in Wenckstern's BibliograpJiy of thc Japanese Empire
(1895)-
Von der alten japanischen Nationalreligion sagt der Verfasser
sie sei in mancher Hinsicht noch nicht aufgehellt. Ein Durch-
studium der von mir oben angeführten Literatur wird zeigen,
dass wir heute über alle Phasen ihrer Entwicklung in aller nur
wünschenswerten Weise unterrichtet sind, und es ist kaum
abzusehen, von welcher Seite her wir noch weitere wesentliche
Aufhellung sollten zu erhoffen haben. Zu wünschen bleibt nur,
dass ein Forscher es unternehmen möchte, das reiche vorhandene
Material zu einer systematischen Darstellung der Mythologie und
Religion zu verarbeiten, eine Aufgabe, deren Lösung wir wohl
auch in nicht allzuferner Zeit von einem der Berufensten, von
Aston, zu erwarten haben.
Missdeutung lässt zu Orelli's Satz :' ,, Schinto [die alte
Transskription Schintao bleibt besser weg] ist der chinesische
Ausdruck für ,, Geisterweg " oder ,, Götterw^eg " ; die japanische
Benennung lautet kami-no-mitsi." Der Name SJiintö, der aller-
dings chinesisch ist, den es aber in China gar nicht als Name
für diese Religion gibt, wurde von den Japanern selbst ihrer bis
dahin namenlosen Glaubensweise gegeben, als es nötig wurde,
sie von der nachmals aus der Fremde eingeführten zu unter-
.scheiden. Er ist deutlich erkennbar nach dem Namen für die
buddhistische Religion, BiUsudö = Weg der Buddhas, gebildet
(s/iiu = Götter, dö = Weg). Kami no mieJd {diese Transskription
ist heute allgemein gebräuchlich) aber ist das japanische Ae-
quivalent hiefür und stellt nur eine spätere Uebersetzung \'on
Shiiitö in die rein japanische Sprache dar : kami ■= Götter, no
ist die Genitivpartikel, viiehi = Weg, Lehre. (Hienach ist Orelli
zu korrigieren, dem das eigentümliche Versehen unterlief, zu
erklären: ,, kami bedeutet ,,Weg", mitsi ,, Geist " oder ,, Gott-
heit "). Ganz ungebräuchlich ist es in Japan, wie Orelli zu sagen :
Isanagi-no-kami (und Isanami-no-kami). Man gebraucht stets
Izanagi no Mikoto (Izanami no Mikoto), wie denn dieses ehrende
Prädikat {//n ,, hehr, erlaucht", /coio ,, Ding ", also ,, hehres
Ding "), das sich etwa durch ,, Seine Hoheit, Ihre Hoheit "
wiedergeben lässt, auch sonst an die Namen von Gottheiten und
380 Tl. HAAS, DIE JAPAXISCIIEX REEIGIOXEX.
erlauchter menschlicher Persönlichkeiten angehängt wird. Izanagf
und Izanami stiegen zunächst nicJit vom Himmel liernieder, um
Japan zu schaffen, sondern auf der Himmelsbrücke stehend
tauchten sie nach dem Kojiki eine Lanze in das Meer, worauf
aus den von dem wieder herausgezogenen Speere abfallenden
Tropfen ein Eiland entstand, auf das sie sich alsdann begeben.
Das Zitat Orellis : sie ,, machten und befestigten das (japanische).
Land" findet sich so weder im Kojiki noch im Nihongi, denen
es offenbar entstammen soll. Ebenso ein auf S. 104 angeführtes.
Der Name der von beiden Gottheiten erzeugten Sonnengöttin
Ama-terasu Ö-mi-kami bedeutet nicht ,, die am Himmel schei-
nende grosse Heilige, welche den hohen Himmelsplan regiert ",
worin offenbar zwei verschiedene Erklärungen versehentlich in
eins verbunden sind, sondern ,,am Himmel scheinende grosse
erlauchte Gottheit ".
Die Bezeichnung Mikado für die Herrscher des Landes ist
veraltet ; und nicht von Anfang an sondern erst nach der
Annahme chinesischer Titulaturen wurde die Bezeichnung Tennö =
„der Himmelserhabene" oder Tenshi ,, Sohn des Himmels" auf
den Kaiser angewendet. Dass die Erbfolge nie unterbrochen
oder gestört worden sei, ist zwar ein Dogma der japanischen
Historik, das aber nicht auch in wissenschaftlichen Werken bei
uns Aufnahme finden sollte. Die Dynastie ist die älteste und
besteht mindestens bereits seit dem 5. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung. Erhalten aber ist sie so lange nur dadurch wor-
den, dass fortwährend in Ermangelung erbberechtigter Nachkom-
menschaft zu Adoptionen die Zuflucht genommen wurde und dass
der Kaiser neben seiner rechtmässigen Gemahlin eine Anzahl
von Nebenfrauen hatte. Nicht richtig ist auch, dass, wie Orelli
S. 105 in Anmerkung angibt, die vornehmste seiner Frauen
Mutter des Thronfolgers war. Das trifft bekanntlich nicht einmal
V041 der regierenden Kaiserin zu, deren Ehe ohne Kindersegen
blieb. Der jetzige Kronprinz ist der Sohn einer kaiserlichen
Nebenfrau.
Die altbekannte Tatsache, dass eine ganze Reihe von Kaisern
die eifri""sten Anhänger und Förderer des Buddhismus waren, ja
selbst vielfach nach freiwilliger oder gezwungener Abdankung
die Tonsur nahmen, um ihr Leben in einem Kloster als Mönche
zu beschliessen, erledigt ohne weiteres die Konstatierung, dass
die Herrscher sich stets angelegen sein Hessen, den angestammten
Kamidienst zu pflegen. Von Kötoku-tennö (645-654), um nur
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 381
einen Kaiser namentlich anzuführen, sagt schon das Nihongi :
,, Er verehrte das Gesetz des Buddha und verachtete den Shin-
toismus ". Dass zu diesem in lange vergangener Zeit auch
Menschenopfer gehört hätten, ist durch nichts erwiesen. W^is
in älteren Zeiten vorgekommen sein soll — man kann hier kaum
sagen : wirklich vorkam — , ist, dass hochgestellten Verstorbenen
ihre Diener ins Grab mitgegeben wurden oder dass diese sich
freiwillig mitbegraben liessen. Diese Sitte aber hatte, wenn
sie wirklich je bestand, nichts mit dem Götterdienst zu tun.
Doch ist es zweifelhaft, ob sie in Japan je geherrscht hat, wie
dies in China und Korea, in welch letzterem Lande sie erst im
J. 503 n. Chr. G. durch ein Edikt des Königs von Silla auf-
gehoben wurde, der Fall war. Es ist sehr wohl möglich, dass
die ganze Vorstellung eine blosse Fiktion der Japaner ist,
beruhend auf den archäologischen Funden von Tonfiguren {tsuclii
jiingyo), die in alter, — 7ächt noch in neuerer Zeit ^ ins Grab gelegt
wurden.
Darüber, ob die Wallfahrten zu heiligen Stätten den bud-
dhistischen nachgeahmt sind, wie Orelli meint, oder ob diese
Pilgerfahrten in Japan ein Stück des ursprünglichen Gottesdienstes
sind, wie ich geneigt bin anzunehmen, wird sich disputieren
lassen.* Der Fromme, der am Eingang eines Shintoschreins
seine wortlose Andacht verrichten will, schellt nicht mit einer
Glocke sondern schlägt vermittest eines angebrachten Stranges
einen frei hängenden Gong, was allerdings buddhistischer
Brauch ist.
Dass zu den Dingen, die den Menschen unrein machen, der
Genuss des Fleisches von Haustieren gehöre, kann man nicht
sagen. Es sind nur bestimmte Tiere, Hund, Katze, Affe u. a.,
die den Göttern nie geopfert werden durften und deren Fleisch
man auch nicht genoss. Auch die Reinigungszeremonie ist
nicht richtig beschrieben. Dass sich der Japaner zur Reinigung
im Traueranzug in eine einsame Wohnung zurückziehen soll, ist
widersinnig. Eben durch Anlegung des Traueranzugs wird er
ja unrein.
Nicht zutreffend ist die" Be.schreibung der heiligen Stätten,
* Siehe hiezu Ch.\mbeulain, r/tings Japanese, sub voce PUgrimages. — Notes
011 Soine Minor Japanese Rellgious Fractices. Journal of the Anthropological
Institute, Mai 1893. — Luwell, Esoterk Skintö, T. A. .S. J. Vol. XXI. — S.VTow,
77ie Shintu Temples 0 Ise, T. A. S. J. Vol. II, p. 113.
382 H. MAAS, DIE JAPAXISCIIEX KELIGION'EX.
wenn von ihnen i^esagt wird, sie seien mit Gärten geschmückt.
Die Gartenbaukunst wurde erst vom Buddhismus in Japan
eingeführt und nicht für die Shintoschreine in Anwendung-
gebracht, die sich noch heute überall ohne künstliche Garten-
anlagen präsentieren. Auch sind die heiligen Stätten des
Shintoismus niemals mit Mauern umschlossene Ilöfe mit Hallen
für Aufnahme der Tilger und Priesterwohnungen. Sieht man von
den Mauern ab, die es überhaupt nicht gibt, so passt diese
Beschreibung nur für Buddhistentempel, aber nicht für Shinto-
schreine {iiiiyd). Von diesen kann man auch nicht sagen, dass
.sie mit Schindeln gedeckt seien, obwohl solche Bedachung bei
einer Art von Schreinen üblich war. Die gewöhnliche wix kaya,
eine Schilfart. Der Metallspiegel, den man heute oft in Shinto-
tempeln wahrnimmt, ist ohne Zweifel nicht genuin shintoistisch
sondern buddhistischen Ursprungs. Dagegen befindet sich aller-
dings abgeschlo.ssen und selbst den Priestern nicht sichtbar in
Shintoschreinen ein Spiegel, der, eines der drei heiligen Re-
ligionsembleme und Throninsignien, Symbol der Sonne (nicht
des Sownen-lichts) ist. Von den GoJiei bemerkt Orelli, dass ihre
Bedeutung noch nicht klar sei. Ich denke, die Deutung dieser
Stäbchen mit darangehängten zickzackförmigen Papierstreifen als
s}'mbolische Ersatzstücke für die ursprünglichen Opfergeschenke
aus wertvolleren Stoffen, Hanf- und Maulbeerrindenzeug, ist
lange erwiesen. Die statistischen Angaben über die Zahl der
Shintotempel (193.242) und Priester (14.717) sind für das Jahr
1890 gegeben. Der neuesten offiziellen Statistik (Resume Sta-
tistique de fp^mpirc du Japon, Tokio 1903) zufolge zählten die
Shintoisten am 31. Dezember 1900: 196.358 Tempel (nämlich
169 Staatstempel, 57.902 grosse Distriktstempel und 138.287
kleinere Schreine) und 16.408 Priester. Gewagt scheint mir die
Feststellung, dass sich die Priester auf 10 verschiedene Sekten
verteilen. In Japan kann die unbedeutendste Differenz zum
Spaltungsgrunde werden, und wer will sagen, was als Haupt- und
was als Nebensekte anzusehen ist ?
Auch die kürzeste Uebersicht über den Shintoismus sollte
m. E. nicht unterlassen zu erwähnen, dass sich ungefähr seit dem
Jahre 1700, von Gelehrten wie Mabuchi, Motoori, Hirata ins
Leben gerufen und geleitet, eine Bewegung geltend machte,
die es darauf absali, die alte nationale Religion wieder in ihrer
ursprünglichen Reinheit herzustellen, und da.ss nach der Restaura-
tion der kaiserlichen Macht ein erfolgloser Versuch cremacht
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN. 383
wurde, den Shintoismus neu zu beleben und zur Staatsreligion
zu machen. Ueber diese Galvanisierungsexperinicnte hat Dr.
Spinner in mehreren Aufsätzen in der Zeitschrift für Missions-
kunde und Religionswissenschaft gehandelt. Satow's The Revival
of Pure Sli'm-tau unterrichtet vorzüglich über die Bestrebungen der
genannten japanischen Gelehrtenschule, die altnationale Religion
von aller Verquickung mit buddhistischen und confucianischen
Elementen zu befreien.
2. — BUDDHISMUS.
Soviel über den Shintoismus. Sehr mager ist, was die
„Allgemeine Religionsgeschichte" über den japanischen Bud-
dhismus sagt. Trotzdem stösst man auch hier auf manches
Unhaltbare. Schon der Name desselben ist nicht richtig gegeben.
Er heisst Biitsu-dö, wie schon bemerkt, nicht Btctto, was vermut-
lich ein Verschreiben für das andere Wort Bitppö (aus Butsu
hö) ,, das Gesetz Buddhas" ist. Anfechtbar ist der Satz (S. 484),
dass seine Einführung in Japan namentlich im Jahre 552 von
Erfolg begleitet gewesen sei. 552 ist nur das Jahr, in welchem
zuerst von Korea aus buddhistische Sütra und Bildnisse an den
damaligen Kaiser, Kimmei-tennö, geschickt wurden. Nicht den
Tatsachen entspricht die Feststellung, dass der Buddhismus mit
offenen Armen aufgenommen worden sei. Nur unter sehr starkem
Widerstände und nach verschiedenen völligen Niederlagen konnte
sich die eingeführte fremde Religion trotz kaiserlicher Protektion
neben dem nationalen Götterdienste behaupten, hat aber dann
sich nicht ziemlich friedlich mit dem Schintoismus in die Herr-
schaft geteilt oder sich der Kamireligion nur vielfach angepasst,
sondern dieselbe völlig verschlungen, allerdings nicht ohne auch
ihrerseits gewaltig shintoisiert zu werden. Es war jedoch erst
in der sog. Nara-Periode (708-784), nicht schon im 7. Jahr-
hundert, dass dem Buddhismus der grössere Teil des Volkes
zufiel. Zu bemängeln ist die Anwendung der Bezeichnungen
,, Kirchen" und ,, Kapellen " auf die buddhistischen Tempel.
Ihre Zahl belief sich nach der neuesten offiziellen Statistik am
31. Dezember 1900 auf 71.95 i -H 38.032, denen 52.128 Oberpriester
und 745 Oberpriesterinnen vorstanden. ,, Pretres-precheurs " gab
es nach derselben Quelle am gleichen Zeitpunkt 63.177, ,, simple
pretres" 48.038. Unterrichtet wurden in buddhistischen Schulen
9.276 Schüler (8.937 männl. und 339 Mädchen). Nicht richtig
ist die Angabe, dass es 1893 in Japan 12 buddhistische Sekten
384
H. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN.
I. — Tendai
mit
4.602
Tempeln
2. — Shingon
!I
12.965
))
3. — Jödo
n
«.343
)!
4. — Rinzai
,j
6.120
„
5. — Södö
„
13.706
!I
6. — ( ibaku
!J
556
?)
7. — Silin
19.608
)»
8. — Nichiren
)>
5.194
J!
9.-Ji
))
S57
„
gab. 12 ist die Zahl der Hauptsekten, die überhaupt seit dem
6. Jahrhundert in Japan vertreten waren und deren Geschichte
einige sogleich anzuführende Bücher geben. Allein mehrere
(sechs) von diesen Sekten bestehen schon seit langem nicht
mehr, die anderen haben sich in Untersekten geteilt, so dass
es auch hier schwer ist, die gegenwärtige Zahl genau zu
bestimmen. Das 1903 erschienene Resume Statistique zählt die
foleenden Sekten auf:
(die Tempel der IIo.ssü- Sekte iiiliegriffen)
(icl. Kegon - SekteJ
(icl. Yuzu - Nembutsu - .shu).
Wie verschieden aber die Bestimmung der Anzahl der
heute noch in Japan bestehenden Buddhistensekten ausfallen
kann, möge die hier folgende Tabelle klar machen :
Haii]itsokteii, Untersckteii und Sthulen . IJogi'ünder :
Hossö Döshö (ca 653)
Kegon Dösen (ca 739)
Ritsu Ganjin (ca 754)
rSammon Saicliö (767-822)
Enchin (814-891)
injö Shinjö (1450-I495)
fKogi KQkai 1774-835)
Ishingi Kakuhan (1095-1144)
Yüzü-Nembutsu Ryönin (1067-1134)
Genkn (1134-1214)
Sh5kü
/Kenninji Eisai (1140-1215)
Tendai
Shii
Jodo
iSammo
Jimon
Shinjö
Zen
^ Kenchöji Döiyü (1253)
Töfukuji Enniii (1243)
Nanzenji ....... Bu.sshin (1293)
Rinzai / Enkakuji Sögen (1282)
Tenryüji Söseki (1340)
Myöshinji Egen (1350)
Eigenji Genkö (1320)
ShökoUuji Myöha (1383)
Voaltükuji jSIyöchö (1267)
Södö J^<'>g"i (1 201-1254)
^Obaku Ingen (1592-1673)
n. HAAS, DIE JAPAXISCIIEX RELIGIONEN.
jö:,
Silin oder
jMonto oder
Ikk.
Ji Tppen (ca 1275)
/Iloügwanji Shinran (1174-1263)
ötani Krjü
Takada Shimbutsu
Kibe Kt'gen
/ Köshüji Keukyo
Izumoji Zenran
Yamamoto Zenran
Jöshöji Döshö
Sammonto Xyüdo
xBukköji Sliimbutsu
/Xichiren Xidiiren (1222- 1282)
Myömanji Xichijü
Könion Xikkö
[lachihon Xichiryü
Xichiren ^ Honjöii . X'ichiin
Honryüji Xisshin
Fuju-fuze Xicliiwo
Fuju-fuze-Kömon Xikkö
(Nach Papinot).
Hokke
oder
Es sei mir verstattet, auch hier die, leider noch recht
spärhche, Literatur zu vermerken, die für den japanischen
Buddhismus in Betracht kommt. Seine Einführung von Korea
behandelt ein Aufsatz von Summers in den T. A. S. J. Vol.
XIV, pp. y^ ff. {Budd/iis7/i and Traditions coiicej'ning its In-
troduction into Japan). Doch ist v^or dieser kurzen Abhandlung,
der Uebersetzung eines japanischen Schriftchens Buppö den rat,
das sich im Hokke rei jö ki findet, direkt zu warnen, da sie
von Unrichtigkeiten voll ist und die historischen Data völlig
verrückt. Das einzige zuv^erlässige Material zur Geschichte der
Einführung des Buddhismus bietet das Nihongi, und nach diesem
ältesten authenischen Quellenwerke habe ich eine Beschreibung
gegeben, die noch der Veröffentlichung in der Zeitschrift für
Missionskunde und Religionswissenschaft harrt. Ein ganz hüb-
scher Ueberblick über die ganze Geschichte des japanischen
Buddhismus wird dargeboten in dem englisch erschienenen
Aufsatze eines Japaners, Kaifu Nukariya, {Buddhism in Japan)
in der eingegangenen Zeitschrift The Far East, Vol. III, No.
28. 29. 30 (1898). Kürzer gehalten ist ein anderer von J.
Tchicadzumi, der in der Revue de l'Histoire des Religions
Tome XLIII (1901) p. 147 - i6o unter dem Titel Coup d'oeil sur
V Jdstoirc du Bonddläsvic ait Japan aic point de vue de la pJalosopJite
386 n. HAAS, DIE JArAXISCHEN RELIGIOXEX.
de VJiistoirc veröffentlicht wurde. lune lu'gänzung hie/Ai für die
jüngste Periode bildet der kurze im gleichen Bande der Zeit-
schrift S. 161 -165. zu findende Beitrag von Rvoox Fujishima
„Lctat achtel du Bo2iddhisinc Japonai^''. Treffliche Skizzen des
japanischen Buddhismus finden sich in Reix's ,, Japan" und in
Muxzixger's ,, Die Japaner ". Auch Prof. Dr. Laxge hat eine
solche gegeben in einem Aufsatz ,, Der Buddliismus in Japan ",
abgedruckt in der Zeitschrift für Missionskunde und Religions-
wissenschaft", Jahrg. XII, S. 143-157, und vv^eiter hervorzuheben
ist die von Satow für die 2. Auflage von Murray's Handbook
gelieferte.
Eine im J. 1289 verfasste Schrift des Priesters Gyö-nen
über acht Sekten hat l\. IMillioud mit Hilfe eines Japaners
Yoshitura Högen ins Franz(3sische übertragen und in RHR.
XXV, 219-243. 337. 360. XXVI, 201-219. 279-315 ver-
öffentlicht (Gyau-nen de la Secte Kegon, csqnisse des Jmit sectes
boiiddldstes du Japoii). Ein anderes japanisches Buch Biikkyö
Jü ni s/m köyö von Ogurisü Köchö Hegt ebenfalls in zwei
Uebersetzungen vor. Die eine, englische [A short history of the
tiuelvc buddldstic sects in Japan, Tokyo 1887) ist von Bunyu
Nanjö, dem verdienten Herausgeber des " Catalogue of the
Tripitaka" und (mit seinem Lehrer Max Müller zusammen) des in
Japan aufgefundenen Sanskrittextes des grösseren und kleineren
Sukhävati vyüha (Dai mur3'ö ju kyö und Amida kyö). Die
andere, französische Uebersetzung ,, Lc Bonddhisnie Japonais,
doctrines et Jästoire des doiize grandes sectes Boiiddlnqnes du Japoii^',
Paris 1889 (zuerst erschienen in Nouvelle Revue 15. Okt. 1888)
ist von Ryöon P'üjishima und ist wegen der Einleitung und der
Glossen des philosophisch gebildeten Autors neben der englischen
von Wert. In mehr genetischer Darstellung schildert die Ent-
wicklung der einzelnen Sjkten A. Lloyd, Developments of
Japanese Bnddhisvi (T. A. S. J. Vol. XXII, Part III). Von
demselben Verfasser kommen noch in Betracht „ Buddhistische
Gnadenmittel " in Mitteil, der D. G. f. N. u. V. O. Heft 60, und
,, Dogmatische Anthropologie im Buddhismus ", ebenda Bd.
VIII, Teil II. Eine Skizze der Geschichte der Shinsekte findet
sich in Anecdota O.xoniensia, Aryan Series, Buddhist Texts
front Japan Vol. I, Part II von der Feder Buxyu Nanjö's. Zur
Lehre dieser Sekte sehe man James Troup, On the Tenets of
the SJtinshiii or " Tnte Sect" of Btiddhists. T. A. S. J. Vol.
XIV, Part I, und ebenda Vol. XVIII, Part I von demselben
H. HAAS, DIE JAPAMSCHEX RELIGIONEN. 38/
Verfasser 77/6' GobuiisJio or Ofnini, of Rcnnyo SJi'jnin, sowie
J. ]M. James, A Discoursc oii Infinite Vision. T. A. S. J. Vol.
VIII, Part IV. In den Transactions of the As. Soc. of Japan
findet sich ferner in Bd. IX, Part II ein Beitrag von James :
Descriptive Notes on the Rosaries {^Ju-zii) as iised by the diffcrent
seets of Biiddhists in Japan. Einiges über die Lehre von Himmel
und Hölle bietet Spinner, Zur buddhistischen Itschatologie
(Zeitschr. für Missionsk. u. Religionsw. Jahrg. XIV, S. 193-
204) nach einer populären Schrift, die sich in ihrer japanischen
Redaktion OjoyosJdii nennt. Sehr instruktiv für den heutigen
Stand des Buddhismus ist Busse's Abhandlung ,, Streifzüge
durch die japanische ethische Literatur der Gegenwart", welche
das ganze Fleft 50 der Mitteil, der D. G. f. N. u. V. O. einnimmt.
Eine Biographie Buddhas nach einer in Japan meistgelesenen
Darstellung gibt J. L. Atkinson's Prince Siddartha, tlie Japanese
Buddhist, based on Japanese Mamiscripts. Für die in Zeitschriften
verstreuten Aufsätze und sonstige Literatur kann wieder auf
Wenckstern verwiesen werden.
3. — CONFÜCIANISMUS.
XToch kürzer als den Buddhismus tut Orelli den Confucianis-
mus ab. Alles was er über ihn sagt, beschränkt sich auf den
einen Satz : ,, Den Gebildeteren, welche nach einer moralischen
Weltanschauung verlangten, bot eine solche die Lehre des Chi-
nesen Kongtse, welche schon seit dem 3. Jahrh. in Japan Eingang
gefunden haben soll, wahrscheinlich aber erst später ihren Einzug
hielt." Dass die confucianische Ethik nicht schon seit dem 3.
Jahrh. sondern erst später nach Japan gelangte, ist nicht bloss
wahrscheinlich, sondern durch Aston {Early Japanese History. T.
A. S. J. Vol. XVI, S. 39-75) ausser Zweifel gesetzt. Beziehungen
zu Korea und Japan bestanden schon früh. Hier ist als besonders
bedeutungsvolle Begebenheit die Ankunft des Gelehrten Wani aus
Korea zu erwähnen, der, als Lehrer eines kaiserlichen Prinzen
nach Japan berufen, den Anfang mit Verbreitung der Kenntnis
chinesischer Weltanschauung machte. Diese Ankunft aber erfolgte
nicht schon im 3. Jahrh., wie dies das Nihongi will, sondern wie
Aston überzeugend nachgewiesen hat, 120 Jahre (zwei Sechziger-
zyklen) später, im Jahre 405 n. Gh. G. Der weite Einfluss chine-
sischer Denkweise datiert erst von der lünführung des Buddhismus.
Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass während des ganzen
38S ir. HAAS, DIE JAPANISCHEN RELIGIONEN.
Mittelalters, solange clor l^uddliismus blühte, die confueianische
Philosophie in Japan sozusagen im Schlafe lag, aus dem sie erst
7A1 Anfang des 17. Jahrh. mit einemmale erweckt wurde, um für
die ganze Tokugawa-Periodc, eine Zeit von 250 Jahren, fast
ausschliesslich das Denken der Gebildeten zu bestimmen und
erst mit dem Zusammenbruch des P'eudahvesens in neuester Zeit
ihre Grundlage und damit mehr und mehr ihren Halt und
Einfluss zu verlieren, wenn sie auch als Weltanschauung noch
fortwirkt. Der Religion stand diese confueianische Ethik gänzlich
ferne, wie andererseits Shintoismus und Buddhismus eine ethische
Bedeutung eigentlich nur insoweit gewannen, als sie sich zu
Verbreitern der confucianischen Tugendlehre hergaben. Üeber
das Verhältnis des Confucianismus zum Shintoismus und Ikid-
dhismus in Japan lässt sich trefflich Munzinger aus. Munzinger's
Urteil muss ich auch dem Orellischen über die religiöse Ver-
anlagung der Japaner entgegensetzen. Während dieser sagt,
das Volk sei nicht allzu eifrig im Gottesdienst, und von der
,, wenig religiös begabten Natur " desselben spricht, urteilt er-
sterer m. E. durchaus zutreffend : ,, Der Japaner ist gewiss
religiös, so gewiss als die Religion in dem Geistesleben eines
jeden Volkes einen Bestandteil und zwar einen Hauptbestandteil
bildet ; aber für die Geisteshöhen und-tiefen der Religion ist er
weit weniger empfänglich als der Arier ".
i
Ungeheuerlich übertrieben ist, was Orelli vom Kaiser schreibt :
,, Den Mikado kam seine göttlich hohe Würde teuer zu stehen.
Er wurde als so heilig und göttlich erklärt, dass man ihn. dem
Blicke aller Sterblichen entzog und durch die lästigsten Satzungen
einschränkte ; durfte er doch nicht einmal die freie Luft oder
einen Sonnenstrahl an sich kommen lassen, oder die Erde
berühren, sondern musste sich tragen lassen, was an die als
Tabu geltenden Könige bei den Polynesiern erinnert." Und was
er von ihm in Anmerkung beifügt, dass Haare, Bart und Nägel
ihm nur im Schlaf geschnitten werden durften, oder dass er
täglich einige Stunden unbeweglich auf dem Throne sitzen musste,
mit der Krone bedeckt, da die Ruhe des Landes davon abhänge,
das sind Märchen, die vermutlich dem alten Werke unseres
Landsmannes Kaempfer entnommen sind. Nicht haltbar ist
auch die Schlussfolgerung, dass die politische Gewalt des
Mikado daher meistens gleich Null eewesen sei. Es Avar erst
H. HAAS, DIE JAPANISCTIEN RELIGIONEN. 389
gegen Ende des 9. Jahrb., dass der Hofadel dem zum Herrschen
Berufenen mehr und mehr die Zügel der Regierung entwand,
und dies war nicht so sehr eine Folge der hohen göttlichen
Würde des Mikado als vielmehr der Verweichlichung, in welche
die Inhaber der Würde mehr und mehr versanken. Erst seit
II 86 war der tatsächliche Regent der Shögun (nicht SJiugiin,
wie Orelli schreibt). Die Aera, mit deren Beginn dieser Zustand
zin Ende nahm, heisst Mciji, nicht Meji, und diese Be-
leichnung bedeutet nicht ,, Aufklärung " sondern ist ein Kom-
positum, das mit ,, erleuchtete Regierung" zu übersetzen ist.
Der alte Name der gegenwärtigen Residenz Tokyo wird heute
nicht mehr Jedo sondern allgemein Yedo geschrieben.
Das ist es, was ich zu dem Kapitel über die japanische
Religion in der neuesten Allgemeinen Religionsgeschichte zu
bemerken hätte. Für 4 72 Seiten ist es der Kritik etwas viel.
Doch würde ich die an solche eindringende Prüfung gewendete
Zeit und Mühe nicht als verloren betrachten, wenn meine Aus-
lassungen den Herrn Verfasser bestimmen würden, das Kapitel
beim Nötigwerden einer zweiten Auflage der Neubearbeitung zu
unterziehen, deren es vor anderen Kapiteln seines Werkes bedürftig
ist. Aus vorstehender Besprechung wird wohl auch dies für
jeden Leser hervorgehen, dass in einer neuen Auflage der Satz
,, Manches Material enthalten die Transactions of the Asiatic
Society of Japan und die Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft
für Natur- und Völkerkunde Ostasiens " in den Literaturangaben
bei Prof Orelli einer Modifizierung bedarf. Die ,, Transactions "
und die ,, Mitteilungen " sind recht eigentlich die Hauptfund-
gruben für jeden, der es unternimmt über die Religionen Japans
zu schreiben. Dem wird der Herr Verfasser mit obigem Hinweise
auf sie nicht gerecht.
SITZUNGSBERICHTE.
GENER^^LVERSAMMLUNG IX YOKOHAMA
am 22. Januar 1902.
Vorsitzender : Merr R. Lehmann.
Neue Mitglieder :
Herr H. Kramer, Yokohama.
,, Dr. Marstkand-Mechlenburg, Tokyo.
,, W. Trautschold, ,,
Lebenslängliche Mitgliedschaft erwarb .
Herr C. Illies jun. Yokohama.
Herr Pfarrer Haas verliest den Jahresbericht für 1901.
Nachdem auch der Kassenbericht vorgelegt wurde, wird der
Vorstand entlastet und dann durch Akklamation für ein weiteres
Jahr wiedergewählt.
Herr Pfarrer Haas hielt einen Vortrag : ,, ^lendez Pinto
und Japan ". An der sich anschliessenden Diskussion betei-
Hgten sich Herr Prof. Dr. Riess und der Vortragende.
SITZUNG IN TOKYO
am 26. Lebruar 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Neue Mitglieder:
Herr C. Schramm, Yokohama.
,, Schulamtspraktikant G. Riegelsberger, Tokyo.
„ Prof. M. K0AKIMOTO, „
392
SIT/ANGSUKRICHTE.
Lebenslängliche Mitgliedschaft erwarb
Herr ]\I. Tors, Yokohama.
Herr 1^. Klocke hielt einen V^ortrag ,, Faunistisches aus
den Gewässern der Insel Hokkaido ".
SITZUNG IX YOKOHAMA
am 26. März 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Neue Mitglieder :
Herr P. Griebel, Yokohama.
,, H. Bosch,
,, E. Eichelberg,
„ C. SCH.MALBECR,
,, E. Hasche,
,, R. Wen DT,
,, G. \V. Werckmeister,
,, BlELEELD,
Ausgetreten ist Herr H. de la Camp.
Der Bibliothek wurde geschenkt : Courant, Catalogue des
Livres Chinois etc. 2497-3469 (vom Herrn Verfasser).
An Stelle des Herrn Janson, der wegen geschwächter
Gesundheit sein Amt niederlegt, wird Herr Dr. M. Lehmann in
den Vorstand gewählt.
Herr Prof. Dr. Florenz hielt einen Vortrag : ,, Aus der
Blütezeit der japanischen Lyrik".
(wieder eingetreten).
SITZUNG IN TOKYO
am 3. Mai 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Vor Eintritt in die Tagesordnung erinnert der Vorsitzende
an zwei der Gesellschaft durch den Tod entrissene Mitglieder :
SITZUNGSBERICHTE. 393
die Herren Fürst von Schwarzenberg und Th. Meyerdirks. Die
Versammlung erhebt sich zur Ehrung der Verstorbenen von den
Sitzen.
Neueingetreten sind die Herren :
E. Flaig, Tokyo.
K. Steixek, Yokohama.
E. Kraemer, „
E. Nimmerfall, „
E. Horstmann, „
Hauptmann a/D Madlung, ,,
Schriftenaustausch ist angeknüpft mit
i) The State Library and Home Education, University of
the State of New- York ;
2) KoninkHjk Institut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde
van Nederlands Indie, im Haag.
Der Bibliothek wurde von Herrn L. Levbold i Ex. eines
von ihm ins Japanische übersetzten Kochbuchs Scyo ryori ho
geschenkt.
Herr G. H. Prof. Dr. Baelz hielt einen durch viele
Projektionsbilder erläuterten Vortrag über die Menschenrassen
Ostasiens.
SITZUNG IN YOKOHAMA
am 28. Mai 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Neu eingetreten ist :
Herr Legationssekretär F. von Erckert, Tokyo.
Der Kaiserl. Gesandte z. D. Herr J. von Waldhausen hat
der Gesellschaft einen prächtigen elektrischen Kronleuchter für
den Sitzungssaal zum Geschenk gemacht. Geschenkt wurden
ferner von Herrn Dr. H. ten Kate eine Reihe von
anthropologischen Büchern und Zeitschriften ; von Herrn Prof.
ViRCiiow ein Sonderabdruck „ Zur Erinnerung. Blätter des
394
SITZUNGSBERI CI ITE.
Dankes für meine Freunde von Rudolf Virchow", und von
Herrn Graf von Arco- Valley ein rrachtalbum ,, Souv^cnir of
the AUies in North China".
Der Vorsitzende teilt mit, dass der 3. Teil des VIII. Bandes
der „ Mitteilungen ", welcher damit vollständig wird, zur Ausgabe
fertig ist, und dass der von Frau Pfarrer Haas bearbeitete
Generalindex für die 6 ersten Bände der ,, Mitteilungen " zu-
sammen mit einer kurzen Geschichte der Gesellschaft nunmehr
in Druck gegeben werden kann.
Ferner macht er die Mitteilung, dass der Vorstand es für
geboten hielt, die Versicherungssumme um 2.200 Yen erhöhen zu
lassen :
nämlich für Gebäude von iai 4.000 auf Yen 4.500,
,, Einrichtung ,, ,, 600 ,, ,, i.ooo,
„ Bibliothek ,, „ 4.000 „ ,, 5.000,
,, Kegelbahn ,, ,, 1.200 ,, ,, 1.500.
Hierauf hielt Herr Prof. Dr. Hefele einen Vortrag über
,,Wald und Wasserwirtschaft". Zum Schluss machte Herr E.
Klocke noch eine kleinere Mitteilung über den Hakonesee.
SITZUNG IN TOKYO
am 5. Juli 1903.
Vorsitzender : Herr R. LEnM.A.NN.
Neueingetreten sind die Herren :
P. Nyffenegger,
W. St. Moss,
P. Gampert,
Alex, von Gülpen,
Schroeder-Schroedershof,
E. Ohlmer,
Vizekonsul Freiherr von Stengel,
Konsul Nössler,
Tokyo.
Yokohama.
Emmerich.
Saipan, Mariannen.
Tsingtau.
Yokohama.
Bremen.
SITZUNGSBERICHTE. 395
Ausgetreten sind dagegen die Herren Konsul Krencky, Graf
Wydenbruck, W. Schwartz.
Als Geschenke wurden überreicht : P. D. Fischer, Italien
und die Italiener, vom Herrn V^erfasser, und Lindor Sernier
Herdacht, door Dr. H. ten Kate, vom Herrn Verfasser ; ferner
zwei kleine Abhandlungen von Herrn E. Klocke,
Der Vorsitzende teilt mit, dass der Vorstand beschlossen
hat, dem Ostasiatischen Verein zu Hamburg auf sein Ansuchen
ein vollständiges Exemplar der ,, Älitteilungen " zu überlassen.
Herr Prof Dr. Lamprecht in Leipzig, der sich als Mitglied
der Gesellschaft eintragen liess, hat sich bereit erklärt, gegen die
bisher erschienenen Bände der ,, Mitteilungen " die bisher er-
schienenen Bände seiner Deutschen Geschichte auszutauschen.
Sodann überreicht der Vorsitzende Herrn Dr. L. Riess im
Namen des Vorstandes die Urkunde seiner Ehrenmitgliedschaft
und verliest den Wortlaut der Urkunde wie folgt :
Herr Professor Dr. Riess !
Mit Bedauern sehen wir die Zeit gekommen, wo Sie
nach 15 jährigem Aufenthalt Japan verlassen. Denn durch
Ihre Rückkehr nach der Heimat verliert die Deutsche Ge-
sellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens eines ihrer
eifrigsten und verdienstvollsten Mitglieder.
Sie haben die Interessen der Gesellschaft stets in her-
vorragender Weise gefördert : ebensowohl durch eine Reihe
wertvoller Vorträge und Veröffentlichungen in den ,, Mittei-
lungen " wie auch durch Ihre unermüdliche Tätigkeit im
Vorstande als Bibliothekar und als Mitglied des Redak-
tionskomitees. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, wie viel
Sie zur Hebung des geselligen Verkehrs unter den Mitgliedern
der Gesellschaft beigetragen haben.
Zum Zeichen des Dankes für Ihre Verdienste über-
reichen wir Ihnen das Diplom der Ehrenmitgliedschaft.
Tokyo im Juli 1902.
Der Vorstand:
Emerich Graf von Arco-Valley,
Kais. Deutscher Gesandter.
Dr. K. Florenz. R. Lehmann.
A. Gerdts. Dr. M. Lehmann.
Pfarrer H. Haas.
39^ SITZUNGSBERICHTE.
Herr Dr. Riess bemerkt liierauf, er sei in Verler^'enheit, wie
gebührend zu danken. Je mehr die Ostasiatische Gesellschaft
bisher mit Verleihung der I'.hrenmitgliedschaft gekargt habe,
desto höher wisse er die ihm zu Teil gewordene Auszeichnung
zu bewerten. Bei Abschät/.ung seiner Verdienste scheine ihm
das Gesetz der Amplifikation gewaltet zu haben. Was er der
Gesellschaft habe leisten können, habe er ihr stets gerne geleistet,
und schwer falle es ihm aufs Herz, dass er es künftighin nicht
mehr solle tun können. Dagegen freue er sich, dass die Ge-
sellschaft jetzt, wo er von ihr scheiden müsse, in einer aufstreben-
den Epoche sei. Das Ansehen, das sie geniesse, werde auch
ihm als ihrem nunmehrigen Ehrenmitgliede zugute kommen.
Er aber werde sich bestreben, sich auch in der Heimat der
erfahrenen Ehre jederzeit würdig zu erweisen. —
Als neues Mitglied wird Herr A. Brandt in Tokyo
angemeldet.
Hierauf nimmt Rev. A. Lloyd das Wort zu einem Vortrag
über Neuere japanische Erzählungsliteratur.
Nach ihm machte Herr G. H. Prof. Dr. Baelz zwei kürzere
Mitteilungen :
a) Ueber den Einfluss des japanischen Sitzens auf die
Körperformen.
b) Noch einmal die Mongolenflecken.
SITZUNG IN YOKOHAMA
am 24. September 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Der Vorsitzende gedenkt zunächst zweier aus dem Leben
gerufener Mitglieder, der Herren Mühle und Hartig, deren
Gedächtnis die Anwesenden durch Erheben von den Sitzen ehren.
Ausgetreten ist Herr C. Kayser.
Zum Eintritt in die Gesellschaft haben sich dagegen ge-
meldet die Herren :
SITZUNGSBERICHTE. 397
W. Kroneck, Yokohama.
K. Westphahl, „
M. Blümer, „
A. F. Jahn, Kobe.
Krebs, i. Dolmetscher der Kaiserl.
D. Gesandtschaft in Peking.
Kapitän z. S. Truppel, Gouverneur
im Kiautschou Gebiet.
Major von Etzel, Tokyo.
G. A. Heise, Shanghai.
Lic. Theol. H. Hackmann.
LebenslängUche Mitgliedschaft erwarben die Herren Le-
gationssekretär von Erckert, Forstrat Schilling und E. Ellon.
Geschenkt A\-urden vom Verf , Herrn Wenckstern : Aus
Dazai Shindai's Staats- und Volkswirtschaftslehre ; desgl. vom
Verf., Herrn. Dr. Haberer : Schädel und Skeletteile aus
Peking. Ferner vom Unterrichtsministerium in Berlin „ Neue
Folge der Meeresuntersuchungen ". Herr Dr. Haberer über-
reichte weiter für die Bibliothek : Ostasiatische Dekapoden,
von Dr. F, Doflein.
Der Vorsitzende teilt den Vorstandsbeschluss mit, dass
auf die Einladung des Gouvernement General de l'Indo- Chine
zur Entsendung eines Delegierten zum Kongress in Hanoi Herr
Prof Dr. Florenz entsendet werden solle ; ferner dass ein
Supplementband der ,, Mitteilungen " : „ Pfarrer Hans Haas,
Geschichte des Christentums in Japan. I. Erste Einführung des
Christentums in Japan durch Franz Xavier " erschienen und
bereits zum Versandt gekommen ist.
Die Versammlung gibt hierauf ihre Zustimmung zu der
durch Kooptation des Vorstands vollzogenen Wahl des Herrn
Dr. Ohrt, der an Stelle des Herrn Dr. Riess in den Vorstand
eintritt.
Herr E. Klocke erhielt sodann das Wort zu einem Vortrag :
,, Kreuz und quer durch Hokkaido."
398 SITZUNGSßERICIITE.
SITZUNG IN TOKYO
am 29. Oktober 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Neueingetreten sind die Herren :
Korvettenkapitän Funk.e, Kiautschou.
C. Jungiienn, z. Zt. in Tokyo.
An Gesclienken für die Bibliothek gingen ein : Adolf Fischer,
Wandlungen im Kunstleben Japans ; Ders., Streifzüge durch
Formosa, beide Werke überreicht vom Herrn Verfasser ; Catalogue
des Livres Chinois etc. 3 fasc. vom Verfasser, Herrn Maurice
Courant ; P^estschrift,- dem XIII. Intern. Orient. Kongress
Hamburg 1902 gewidmet vom Wa-Doku-Kwai Berlin ; Dr. H.
TEN Kate, Zur Psychologie der Japaner, vom Herrn Verfasser.
Der Vorsitzende bringt zur Kenntnis der Versammlung,
dass von den ,, Mitteilungen " ein neues Heft, Bd. IX, Teil i,
zur Ausgabe fertig ist, ferner dass binnen kurzem auch die 2.
Aufl. der Bücher XXII-XXX des Nihongi von Dr. Florenz
erscheinen kann.
Sodann nahm Herr Betriebs- und Bauinspektor F. Baltzer
das Wort zu einem Vortrag : ,, Entwicklung der Shintobauweise ".
SITZUNG IN YOKOHAMA
am 28. November 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Der Vorsitzende gibt bekannt, dass Herr Dr. Mansfeld
seinen Austritt angemeldet hat. Dagegen sind eingetreten :
S. Durchlaucht Prinz Koudacheff, Tokyo.
Herr Dr. Reidiiaar, Yokohama.
Herr Dr. A. Menge sprach sodann über ,, Japanische Kunst".
SITZUNGSBERICHTE. 399
SITZUNG IN TOKYO
am 20. Dezember 1902.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
I
Neue Mitglieder :
Herr R. Heise, Tokyo.
K. Takata, „
Dr. PH. A. Nagamatsu, „
H. Steinmann, Yokohama.
Droegkamp, ,,
R. Bertoch, „
Ausgetreten ist Herr O. Scherer.
Als Geschenck für die Bibliothek überreicht Herr Pfarrer
Haas Jahrgang III der von ihm herausgegebenen Zeitschrift
,, Die Wahrheit ", und Herr Regierungs- und Baurat F. Baltzer
die Nummern 83, 89, 91 des Zentralblatts der Bauverwaltung
mit einer Arbeit seiner Feder über ,, Die Tempelanlage von
Horiuji bei Nara in Japan ".
Herr Prof. Dr. Hefele hielt sodann einen Vortrag : ,, Reise-
erinnerungen aus Ostchina und der Mandschurei ".
GENERALVERSAMMLUNG IN YOKOHAMA
am 4. Februar 1903.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Herr Pfarrer Haas erstattet im Namen des Vorstands den
Jahresbericht für 1902. Der Kassenbericht wird zur Einsicht
aufgelegt. Hierauf wird dem Vorstand Decharge erteilt.
Aus der sodann vorgenommenen Neuwahl für den Vorstand
gingen hervor die Herren
400 SITZUNGSBERICHTE.
Graf von Arcü-Valley, R. Lehmann,
Dr. Florenz, Pfarrer Haas,
Dr. M. Lehmann, A. Gerdts,
V. Thiel.
Herr Regierungs- und Forstrat Schilling hielt einen Vortrag
,, Die Besiedlung des Kronlandes in Hokkaido ".
SITZUNG IN TOKYO
am 25. Februar 1903.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Bekannt gegeben wird, dass der Gesellschaft als Mitglieder
beigetreten sind :
Herr G. Boden, Kobe.
Baron Mario von Manteuffel, ,,
George Killian, „
Kais. Russ. Staatsrat Grebnitzki, z. Zt. in Tokyo.
Baron Corvisart, „
Prof. H. Hubert, Paris,
ferner dass Herr Regierungs- und Baurat F. Baltzer und Herr
B. Runge die lebenslängliche Mitgliedschaft erworben haben.
Für die Bibliothek lief als Geschenk ein :
Ein Separatabdruck aus den Preussischen Jahrbüchern,
enthaltend : Die Reform des japanischen Schriftwesens, ein
Kulturproblem, von Dr. L. Riess.
Der neue Vorstand setzt sich wie folgt zusammen :
Herr Graf von Arco- Valley Vorsitzender,
,, R. Lehmann, stellv. Vorsitzender,
„ Pfarrer H. Haas.
„ Prof. Dr.
H. Haas, ) ,^ , ....
^^ _,, V Schriftführer,
'. K. r LORENZ, j
SITZUNGSBERICHTE. 4OI
Herr Dr. M. Lehmann,
^ „ , Bibliothekare,
b. Ihiel,
,, A. Gerdts, Schatzmeister.
Herr Forstrat Dr. Hefele liält einen Vortrag über Nordchina
und die Mandschurei.
SITZUNG IN TOKYO
am 25. März 1903.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Der Vorsitzende bringt zunächst in P>innerung, dass die
Gesellschaft am 22. d. M. die Wiederkehr des 30. Jahrestags
ihrer Gründung hätte feiern können, und nimmt daher Anlass
einen kurzen Ueberblick über die Geschichte der drei Dezennien
zu geben. Hierauf begrüsst er die Gäste des Abends, unter
denen der Admiral Graf von Baudissin, und eine Anzahl der
Offiziere S. M. S. Hansa sind.
Neue Mitglieder :
Herr Legationssekretär Loewenthal von Linau,
Kais. u. Kgl. Oesterr. Ung. Geschäftsträger,
,, Graf Alexander von Hatzfeldt, Tokyo.
,, Ludwig Löffler, Giehren in Schlesien.
,, Fregattenkapitän Trummler, Yokohama.
Der Bibliothek wurden folgende Bücher geschenkt :
Ph. v. Siebold's letzte Reise nach Japan, von dem Herrn Verf
A. Freiherrn v. Siebold.
Geomorphologische Studien aus Ostasien IIL
Freiherr von Richthofen, Die morphologische Stellung von
Formosa, vom Herrn Verfasser.
F. Baltzer, Das japanische Haus, vom Herrn Verfasser.
Herr G. H. Prof Dr. Baelz hielt hierauf einen durch Pro-
jektionsbilder erläuterten Vortrag „ Aus Tonkin ".
402 SITZUNGSBERICHTE.
SITZUNG IN YOKOHAMA
am 29. April 1903.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Der Vorsitzende begrüsste zunächst Seine Königliche Hoheit
Prinz Rupprecht von Bayern, welcher die Sitzung mit, seiner
Anwesenheit beehrte, und gab sodann bekannt, dass Herr
Kammerherr Graf Anton von Arco-Valley sich in die Liste der
lebenslänglichen Mitglieder hat eintragen lassen und dass folgende
Herren ordentliche Mitglieder wurden :
Herr Vizeadmiral Graf von Baudissin,
„ Generalleutnant von Janson, Excellenz, Yokohama.
,, Marineoberstabsarzt Dr. Matthiolius, ,,
„ O. Mahrt,
,, Prof. Maitre, Kyoto.
Ferner bringt er zur Kenntnis, dass die Bibliothek eine wert-
volle Bereicherung durch eine Reihe von Schenkungen erfahren hat.
Von der Ecole Francaise d'Extreme Orient gingen ein : Compte
rendu analytique des Seances (Premier Congres International
des Etudes d'extreme Orient, Hanoi 1902) ; Atlas Archeologique
de rindo-Chine ; Phonetique Annamite ; Les Chams ; Elements
de Sanscrit Classique ; Bulletin de l'Ecole etc. i. u. 2. Jahrg.
Herr M. G. Dumoutier Hess der Gesellschaft durch Prof.
Florenz eine Anzahl seiner eigenen Publikationen überreichen :
L'Enseignement Franco-Annamite ; Etudes sur les Tonkinois ;
Etüde Historique et Archeologique sur Cö-Loa ; Chua-Hai-Ba^
le temple des Deux Dames ; Les Hak-ka ; Etüde sur un
Portulan Annamite du XV. siecle ; Legendes Historiques de
lAnnam et du Tonkin ; Etüde Historique et Archeologique
sur Hoa-Lu' ; Etüde sur les depots archeologiques d'Omori et
d'Okadaira ; Les Pagodes de Hanoi ; La Laque et les Huiles ä
Lacquer ; De la Condition Moralc des Annamites du Tonkin.
Herr Professor Dr. Florenz erstattete Bericht über den
Kongress in Hanoi, zu welchem er als Delegierter der Gesell-
SITZUNGSBERICHTE. 403
Schaft entsendet war. Sodann gab er ein Resume über eine
von Herrn Prof. Dr. Koganei für die ,, Mitteilungen " gelieferte
Abhandlung über die Ureinwohner von Japan.
SITZUNG IN TOKYO
am 27. I\Iai 1903.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Der Vorsitzende bittet zunächst die Anwesenden, das
Andenken zweier verstorbener Mitglieder, der Herren Schröder-
Schrödershoff und Simon Strauss in üblicher Weise durch Erheben
von den Sitzen zu ehren.
Neueingetreten sind :
die Herren Kais. Russ. Konsul
Fürst Gagarin, Nagasaki.
C. Klepsch, ,,
Pfarrer M. Ostwald, Tokyo.
Ausgetreten : Herr Pfarrer A. Wendt.
Für die Bibliothek wurden verschiedene neue Werke
angeschafft.
Der 2. Teil des IX. Bandes der ,, Mitteilungen " ist zum
Versandt gelangt.
Der Vorsitzende bringt zur Kenntnis der Versammlung, dass
der Vorstand beschlossen hat, Herrn Konsul Dr. Krien, einem
der Mitbegründer der Gesellschaft, anlässlich seiner Heimkehr
eine Ehrung durch Uebersendung einer Adresse zu erweisen.
Der Schriftflihrer Herr Pflirrer Haas verliest hierauf den
Wortlaut des Schriftstückes wie folgt :
Hochverehrter Plerr Konsul Krien !
Sie waren einer von den IMännern, die vor nunmehr
drei Jahrzehnten den Gedanken fassten, die Deutschen
in Japan, soweit sie wissenschaftlich interessiert, in eine
Vereinigung zusammenzufassen, die den Mitgliedern zum
404 SITZUNGSBERICHTE.
Austausch ihrer Ansichten und Erfalirungen inbctreff der
Länder Ostasiens Gelegenheit geben und darüber hinaus die
Erforschung der Länder des fernen Ostens fördern und
durch herauszugebende ,, Mitteilungen " die wissenschaftliche
Kenntnis Ostasiens mehren und verbreiten sollte.
Von jenem Kaisergeburtstage, dem Stiftungstage unserer
Deutsch-Ostasiatischen Gesellschaft, bis heute haben Sie ihr
ununterbrochen durch all die Jahre hindurch angehört, zeit-
weise als Mitglied des Vorstands an den Lasten ihrer
geschäftlichen Leitung mitgetragen und ihre wissenschaftlichen
Bestrebungen auch durch Mitarbeit an den ,, Mitteilungen "
gefördert.
Es ist deshalb begreiflich, dass wir Ihrer in diesem
Augenblicke, wo Sie nach dreissigjährigem Aufenthalte im
fernen Osten nach Deutschland reisen, um dort Erfrischung
und Erholung zu suchen, dankbar und freundschaftlich
gedenken. Unsere besten Wünsche begleiten Sie, und vor
allem hoffen wir, dass Sie gekräftigt wieder nach Japan
zurückkehren imd auch weiter Ihr Interesse für unsere
Gesellschaft bekunden werden.
Tokyo, den 21. Mai 1903.
Im Namen
der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde
Ostasiens
der Vorstand
(Gez.)
Graf von Arco-Valley,
Kaiserl. Deutscher Gesandter.
R. Lehmann.
Pfarrer H. Haas.
Dr. M. Lehmann.
Dr. K. Florenz.
Thiel.
A. Gerdts.
Herr Prof. Dr. Florenz hielt einen Vortrag ,, Aus der japa-
nischen Erzählungsliteratur."
Dem letzten Teil der Sitzung wohnte wiederum Seine
Königliche Hoheit Prinz Rupprecht von Bayern bei.
SITZUNGSBERICHTE. 4O5
SITZUNG IN TOKYO
am 24. Juni 1903.
Vorsitzender : Herr R. Lehmann.
Der Vorsitzende stellt im Namen des Vorstandes den Antrag,
Seine Königl. Hoheit Prinz Rupprecht von Bayern um die
Annahme der Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft zu bitten.
Nachdem der Antrag einstimmig angenommen ist, gelangt die
Ehrenmitgliedschaftsurkunde zur Verlesung, die Seiner König-
lichen Hoheit überreicht werden soll. Ihr Wortlaut ist wie folgt :
Durchlauchtigster Prinz !
Gnädigster Prinz und Herr !
Euerer Königlichen Hoheit gegenwärtiger Aufenthalt
in Japan weckt unwillkürlich die Erinnerung an den Verkehr,
der schon durch das 16., '17. und 18. Jahrhundert wie
überhaupt zwischen Ostasien und den Ländern Europas so
auch zwischen Ostasien und Bayern, dem Stammlande des
Witteisbacher Fürstenhauses, auf wissenschaftlicher und
religiöser Grundlage, in kommerzieller und künstlerischer
Hinsicht bestanden hat.
An Euerer Königlichen Hoheit erlauchten Vorfahren
und Verwandten hat dieser vielseitige Verkehr durch alle
die Zeit im Bayernlande seine verständnisvollsten Förderer
gehabt, von jenem Kurfürsten Wilhelm V. an, dem schon
im Jahre 1570 mit den Epistolac Japoiiicae ein Buch über
Japan und mit Trigautius' Historia im Jahre 16 17 ein
anderes über China gewidmet w'urde, bis auf den Witteisbacher,
während dessen Regierung Japan dem Westen seine Tore
schloss, und bis auf alle die feinsinnigen Fürsten der baye-
rischen Dynastie nach ihm, die als eifrige Sammler
ostasiatischer Kunstwerke Einfluss auf die Gestaltung des
deutschen Kunstgewerbes übten.
Den Traditionen dieser erlauchten F"ürsten des baye-
rischen Herrscherhauses folgen jetzt, da der Osten abermals
dem Abendlande offen steht. Euere Königliche Hoheit, an
406 SITZUNGSBERICHTE.
der Welt asiatischen Denkens und Dichtens, Bildens und
Schaffens lebhaftes Interesse nehmend, ihre Entwicklung
mit Aufmerksamkeit verfolgend, eifrig darauf bedacht, durch
Studium wie selbsteigene Anschauung Euerer Königlichen
Hoheit Kenntnis ostasiatischer Dinge zu erweitern und
zu vertiefen, und Männern der Wissenschaft Anregung zu
Eorschungen auf diesem Gebiete gebend und ihre Arbeit in
mannigfacher Weise unterstützend.
So darf eine Gesellschaft wie die unserige, die sich
Förderung der Erforschung der Länder des fernen Ostens
als ihren besonderen Zweck gesetzt, Euere Königliche Eloheit
begrüssen als einen hohen Gönner, mit welchem sie' sich
völlig eins in ihrem Streben weiss.
Sie ist sich aber wohl bewusst, dass sie sich selbst am
meisten ehrt, indem sie in Bekundung dieses Gefühls geistiger
Gemeinschaft sich die Freiheit nimmt, Euerer Königlichen
Hoheit in aller Ehrerbietung die höchste Auszeichnung
anzutragen, die sie darzubieten hat :
Die Ehrenmitgliedschaft
Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens.
Euere Königliche Hoheit hatten wiederholt die Huld, höchst
Ihr Interesse an unseren Bestrebungen durch Teilnahme an den
Sitzungen der Gesellschaft zu bekunden. Geruhen Euere König-
liche Hoheit dafür unseren ehrfurchtsvollen Dank entgegen
zunehmen, und genehmigen Euere Königliche Hoheit weiter die
Versicherung, dass das Ehrenrecht, einen so erlauchten Namen
dauernd in den Listen ihrer Mitglieder führen zu dürfen, der
Gesellschaft ein neuer Antrieb sein wird, alles zu tun, um das
Ansehen, in dem deutsche Wissenschaft in Japan steht, auch
fürderliin mit deutschem Ernst zu wahren.
Tokyo, den 24. Juni 1903.
Im Namen und Auftrag der
Deutschen Gesellschaft für Natur-
und Völkerkunde Ostasiens
der Vorstand.
SITZUNGSBERICHTE. 40/
(Dieses von den zur Zeit in Tokyo anwesenden Vorstands-
mitgliedern, den Herren Graf Arco- Valley, R. Lehmann, Pfarrer
Haas, F. Thiel und A. Gerdts, unterzeichnete Schriftstück
wurde Seiner KönigHchen Hoheit am 2. Juli in besonderer Audienz
vom Vorstand auf der Gesandtschaft überreicht). —
Neu eingetreten sind in die Gesellschaft
die Herren L. Niemann, Yokohama und
Dr. Mischke, ,,
Geschenk für die Bibliothek : Spörrv, Die Verwendung
des Bambus in Japan, vom Verfasser.
Hierauf nimmt Herr Pfarrer H. Haas das Wort zu einem
Vortrag : ,, Die Einführung des Buddhismus in Japan ".
JAHRESBERICHT FÜR 1902.
Die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde
Ostasiens hat während des Berichtjahres 4 Mitglieder durch den
Tod verloren : die Herren Meyerdierks in Yokohama, Mühle
in Temesvär, Hartig in Dresden und Prinz von Schwarzenberg,
der in Shanghai einem Fieber erlag. Ihren Austritt haben 5
Herren erklärt. Hingegen Hessen sich 47 neue in die Listen
der Gesellschaft eintragen. So erscheinen diese um 38 Namen
gemehrt, und die Mitgliederzahl hat am Schlüsse des Jahres das
vierte Hundert überstiegen. Von den ordentlichen Mitgliedern
erwarben 5 die lebenslängliche Mitgliedschaft, und einem, Herrn
Dr. L. R1E.SS, der nach 16 jähriger Dozentenwirksamkeit an
der Universität Tokyo in die Heimat zurückkehrte, wurde in
Anerkennung seiner Verdienste um das wissenschaftliche und
gesellige Leben der Gesellschaft die Ehremnitgliedschaft zuerkannt.
Der Vorstand, der zu 12 Sitzungen zusammentrat, setzte
sich zusammen aus den Herren :
Graf Arco-Valley als i. Vorsitzendem,
R. Lehmann als 2. Vorsitzendem,
Prof Dr. K. Florenz und Pfarrer H. Haas als Schriftführern,
Prof Dr. L. Riess und nach seinem Ausscheiden Dr.
E. Ohrt, sowie
408 SITZUNGSBERICHTE.
Dr. M. Lehmann als Bibliothekaren, und
A. Gerdts al.s Schatzmeister.
Das Redaktionskomitee bestand aus den Herren R. Lehmann,
Dr. Florenz und Pfarrer Haas.
Mit einer Reihe von wissenschaftlichen Listituten wurden
neue Austauschverbindun^^en angeknüpft. Auch die l^ibliothek
hat wieder durch Schenkungen eine nicht unbeträchtliche
Bereicherung erfahren. Neuanschaffungen für sie wurden im
Verwaltungsjahre nur wenige gemacht. Der Gesellschaft erwuchsen
mancherlei Kosten durch nötig gewordene Reparaturen an
Gebäude und Garten. Freiwillige Beiträge einer Anzahl von
Mitgliedern ermöglichten es, die Kegelbahn zu erweitern.' Der
Sitzungssaal erhielt durch einen von Herrn J. von Waldhausen der
Gesellschaft zum Geschenke gemachten elektrischen Kronleuchter
einen prächtigen Schmuck. In Anbetracht des solcherweise
gesteigerten Wertes der Gesellschaftsbücherei, des Gebäudes und
des Liventars hielt es der Vorstand für geboten, auch den Betrag
der Feuerversicherungspolice um 2.200 Yen erhöhen zu lassen.
Die Hauptausgaben aber verursachten Druck und Versandt
einer Anzahl von teilweise ziemlich umfangreichen Publikationen.
Von den ,, Mitteilungen " erschien im Oktober Band IX, Teil
I, enthaltend :
Erinnerungen an Philipp PVanz von Siebold (mit 5
Tafeln). Von Dr. H. ten Kate.
Aus der japanischen Physiognomik (mit i Tafel). Von
Prof Dr. K. Miura.
Das heutige japanische Gefängniswesen (mit 3 Tafeln).
Von Amtsrichter Dr. Grusen.
Der Tabak, sein Bau und seine weitere Behandlung in
Japan. Von Dr. Max Lehmann.
Ueber den Riesensalamander Japans. Von Prof Dr.
C. Ishikawa.
Bücherbesprechungen (Seidel, Jap. Grammatik ; Itchi-
kawa, Höjöki). Von Prof Dr. K. Florenz.
Gleichzeitig wurde ausgegeben die Festschrift zur Erinne-
rung an das 2 j jährige Stiftungsfest enthaltend: i) eine Skizze
der Geschichte der Gesellschaft in den ersten 25 Jahren ihres
Bestehens 1 873-1838, von Dr. L. Riess, 2) einen Generalindex
(Autoren- und Sachregister) zu Band I-VI der ,, Mitteilungen "
SITZUNGSBERICHTE. 4O9
von Frau Pfarrer Paula Haas, 3) Liste der Mitglieder von
1873-1898.
Als Supplement der ,, Mitteilungen " erschien ferner
H. Haas, Geschichte des CJiristcntmns in Japan.
I. Band : Erste Einführung des Christentums in Japan
durch Franz Xavier.
Von Dr. PYorexz' NiJwngi, Teil III wurde ein Neudruck
nötig, der so ziemlich zur Vollendung gediehen ist. Das Werk,
das in dieser neuen Auflage im jetzigen Format der ,, Mit-
teilungen " erscheint, wurde vom Verfasser einer gründlichen
Revision unterzogen und ist mit einem von Pfarrer Haas be-
arbeiteten Index versehen.
Legen schon diese verschiedenen Veröffentlichungen Zeugnis
ab von dem regen wissenschaftlichen Streben der Gesellschaft,
so bekundeten dies nicht minder die 10 abwechselnd in Tokyo
und in Yokohama abgehaltenen Sitzungen mit den in ihnen
dargebotenen Vorträgen :
i) Mendez Pinto und Japan, von Pfarrer H. Haas.
2) Faunistisches aus den Gewässern der Insel Hokkaido,
von Herrn E. Klocke.
3) Aus der Blütezeit der japanischen Lyrik, von Prof. Dr.
K. Florenz.
4) Projektionsbilder der Menschenrassen Ostasiens mit Er-
klärungen, von G. H. Prof Dr. Baelz.
5) Wald- und Wasserwirtschaft, von P'orstmeister Prof. Dr.
Hefele.
Ferner eine kleinere Mitteilung: ,, Einige neuere
Untersuchungen über den Hakonesee nebst Bekanntgabe
einer neuen dort gefundenen Crustacee Bosminopsis
Ishikawai ", von Herrn P3. Klocke.
6) Neuere japanische Erzählungsliteratur, von Rev. A.
Lloyd.
Ferner zwei Mitteilungen von Prof. Dr. E. Baelz :
ß) Ueber den Einfluss des japanischen Sitzens auf die
Körper formen.
h) Noch einmal die Mongolenflecken.
7) Kreuz und quer durch Hokkaido, von Herrn E. Klocke.
8) Entwicklung der Shintobauweise, von Regierungs- und
Baurat F. Baltzer.
410 SITZUNGSBERICHTE.
9) Ucbcr japanische Kunst, von Dr. A. Menge.
10) Rciscerinnerungen von Ostcliina und der Mandschurei,
von Prof. Dr. Hefele.
Für die in Yokohama abgehaltenen Sitzungen stellte auch
in diesem Jahre wieder der Vorstand des Klubs Germania dessen
grossen Saal zur Verfligung, ein I*Jitgegcnkommen, für welches
sich ihm die Gesellschaft zu Danke verpOiclitet bekenrrt.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass auf eine vom Gouverne-
ment general de l'Indo Chine ergangene Einladung hin Prof.
Dr. Florenz als Delegierter zu dem in den Tagen vom 3.-8.
Dezember in Hanoi abgehaltenen Kongresse entsandt wurde, bei
welchem die Gesellschaft ausserdem noch durch die Herren G.
H. Prof Dr. Baelz und Freiherr von Ritter zu Grünsteyn
vertreten war.
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MITGLIEDERVERZEICHNIS.
(September 1903.)
VORSTAND.
Erster Vorsitzender Graf von Arco-Vallev,
Zweiter ,, R. Lehmann.
Schriftführer Prof. Dr. K. I^Yorenz.
Pfarrer H. Haas.
Bibliothekare Dr. M. Lehmann.
F. Thiel.
Schatzmeister A. Gerdt.s.
EHRENMITGLIEDER.
1. S. KÖNIGE. Hoheit Prinz Heinrich von Preussen.
2. M. von Brandt, Wirkl. Geh. Rat und Kaiserl. D. Gesandter
a. D., Exe, Weimar.
3. Th. von Holleben, Dr. jur., Wirkl. Geh. Rat, Kaiserl.
D. Botschafter a. D. Exe. — Berlin.
4. R. Lehmann, Tokyo.
5. Sir Ernest Satow, Kgl. Grossbritannischcr Gesandter, Exe. —
Peking.
6. IDr. A. Bastian, Professor und Geh. Oberregierungsrat in
Berlin.
7. Geheimer Hofrat Prof. Dr. med. 1\. Baelz, Tokyo.
8. Dr. Ludwig Riess, Berlin.
9. S. KÖNIGE. Hoheit Prinz Rupprecht von B.vvern.
414 i\nTGLiEnKR\"i:RZEicnMS.
ORDENTLICHE MITGLIEDER.
(Die mit '•' bezeichneten sind Mitglieder auf Lebenszeit.)
T Ö K Y Ö.
1. Amthor, Ingenieur R. — Köjimachi, lidamaclii rokuchömc 21.
2. Aoki, Vicomte S., Kxc. — Köjimachi, Kami-Nibancho 15.
3. Arco-Valley, Graf E. von, Kaiserl. Deutscher Gesandter. —
Köjimachi, Nagatachö itchöme 14.
4. Bridel, Prof. L. — Hongö, Kagayashiki 11.
5. Corvisart, Baron de, Oberstleutnant. — Azabu, Imaichö 41.
6. Dohi, Prof Dr. Keizö — Fujimichö yochöme 10.
7. "^'Erckert, F. von, K. D. Legationsrat. — Köjimachi, Na-
gatachö itchöme 14.
8. Etzel, Major von — Köjimachi, Nagatachö nichöme 7.
9. Flaig, Emil. — Imperial Hotel.
10. ^Florenz, Prof. Dr. K., Bungaku-Hakushi. — Koishikawa,
Haramachi 102.
11. Grififin, Prof. Charles Sumner — Koishikawa, Kobinata,
Suidöbatamachi nichöme 83.
12. *Haas, Pfarrer H. — Koishikawa, Kamitomizakachö 39.
13. Hallier, E. — Koishikawa, Sekiguchi-Daimachi No. 6.
14. Hatzfeldt, Graf Alex, von — Attache der K. D. Gesandt-
schaft, Köjimachi, Nagatachö itchöme 14.
15. Heidenreich, P. — Tsukiji i, Hotel Metropole.
16. Heise^ R. — Tsukiji 5 B.
17. lierrmann, IngenieurV. — Tsukiji 28.
18. Hidaka, Dr. T. — Nihonbashi, Kakigarachö nichöme 3.
19. Junker, Prof. A. — Tsukiji 44.
20. Katsura, Graf Tarö, General und Premierminister, Exc-
Shiba, Mita itchöme 46.
21. Kellner, E. — Tsukiji 48.
22. Kessler, Oberingenieur H. — Tsukiji 48.
23. Kimura, Ingenieur M. — Shibaku, Sakurada-Hongöchö 14.
24. Klocke, E. — Ushigome, Ichigaya, Kagachö nichöme i.
-'5
MITGLIEDERVERZEICHNIS. 415
Koeber, Prof. Dr. R. von — Surugadai, Suzukichö.
26. Konoye, Fürst Atsumaro, Durchlaucht. — Köjimachi shi-
chichömc.
27. Koudacheff, Prinz, iter Sekretcär der K. R. Gesandtschaft. —
Köjimachi, Toranomon.
28. Krebs, F. — Tsukiji 44.
29. Kubo, Prof. M. — Yotsuya, Sugaichö 27.
30. Kuwada, Braumei.ster Ryöhei — Meguro, Mita.
31. Lehmann, Dr. M. — Oji, Nishigahara.
32. Leybold, Ingenieur L. — Tsukiji 51.
33. Lloyd, Rev. Arthur — Azabu, liguramachi rokuchöme 13.
34. Lönholm, Prof. Dr. L. H., Kgl. Sachs. Landgerichts-
direktor. — • Akasaka, Aoyania Minamichö shichichöme
Gakuin 2.
35. Low, Prof. Dr. — Aoyama, Kitamachi rokuchöme 47.
36. Loewenthal von Linau, H. Ritter, K. u. K. Oesterr. -
Ungar. Geschäftsträger — Köjimachi, Kioichö.
'})'j. jMaitre, Prof. Gl. E. — Koishikawa, Haramachi 102.
3<S. Mechlenburg, Dr. jur. K., Dolmetscher-Eleve der K. D.
Gesandtschaft. — Köjimachi, Nagatachö itchöme 14.
39. Menge, Dr. A. — Tsukiji 28.
40. JMiura, Prof. Dr. K. — Surugadai, Kita-Kögamachi 3.
41. Müller, O. — Tsukiji, Sanchöme 15.
42. Nagai, Prof. Dr. W. N. — Akasaka, Aoyama, Minamichö.
43. Nagamatsu, Dr. phil. Atsusuke, Direktor der Tökyö-Feuer-
versicherungsge-sellschaft — Köjimachi, Nakarokubanchö 12.
44. Nyffenegger, P. — Hotel Metropole, Tsukiji i.
45. Omura Jintarö. — Ushigome Yokoteramachi 61.
46. Ostwald, Pfarrer M. — Koishikawa, Kamitomizakachö 23.
47. Poten, Oberleutnant A. — K. D. Gesandtschaft.
48. Riegelsberger, G., Lehramtspraktikant. — Hotel Central,
Tsukiji.
49. Rosen, Baron von, Kaiserl. Russ. Gesandter, Exe. —
Köjimachi, Toranomon.
50. Sach.se, Hofrat R. — K. D. Gesandtschaft, Köjimachi,
Nagatachö itchöme 14.
51. *Schaeffer, E. — Akasaka, Omotechö nichöme 3.
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MI r(iLIKDl':R\"ERZi:iCllNlS.
52. *Schin/Jni;cr, Hauptmann ¥. — Tsukiji 29.
53. Schmidt, P. — Tsukiji 34.
54. Scriba, Prof. Dr. J. — Kojimachi, Ilirakawachö t;ochömc 19.
55. Starke, F. — Tsukiji 5 B.
56. Takeita Kunisaburö — Hongö, Yushima, Mikumichö 5cS.
57. Thiel, Fr., Sccretaire Interprcte der K. D. Gesandtschaft.—
Kojimachi, Nagatachö itchöme 14.
58. Trautschold, W., Dohiictscher-Eleve der K. R. Gesandt-
scliaft. — Kojimachi, Toranomon.
59. Vautier, P. — Tsukiji sanchöme 15.
60. Vogt, Dr. K., Dühnetscher-Elev'e der K. D. Gesandtschaft. —
Kojimachi, Nagatachö itchöme 14.
61. VVada, Dr. T., P.xc. — Ushigome, Sanaizaka 26.
62. Wihn, A., Secretaire Interprete der K. R. Gesandtschaft. —
Kojimachi, Toranomon.
63. Wood, Rev. V. K. — Tsukiji 15.
YOKOHAMA.
64.
Abegg, H. — Y.
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65.
Becker, E. H. —
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Behr, H. —
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Bengen, M. F. —
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Bertog, R. —
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70.
Bielfeld, F. —
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Blümer M. —
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72.
Bosch, H. —
II
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Boyes, R. —
II
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Büller, P. —
,,
25-
75.
Büschel, A. —
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76.
Deck, H. C —
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Dreyer, A. —
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75.
78.
Droegkamp, A. —
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Eichelberg, E. —
Yamate
123.
80.
P^okkes, H. — Y
amashitachö
198.
81.
Fox, E. —
,,
27.
82.
Gampert, P. —
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MITGLIEDER VERZEICHNIS. 4I7
83. Geräts, Ad. — Yaniashitachö 24 A.
84. Groener, A. — ,, 180.
85. *Haberer, Dr. phil. et. med. — Negishi, Sagiyama 3708.
86. Hagen, W., Kaiserl. D. Vicekonsul. — Yamashitnchö 24.
87. Hagmann, G. — Yaniashitachö 214.
88. Hasche, E. — „ 202.
89. Haynemann, O. — ,, 70.
90. Heitmann, C. — ,, 198.
91. Helm, J. — Yamate 12.
92. Heyden, Dr. med. W. van der — Yamate 270.
93. *Holm, H. J. — Yamashitachö 54.
94. *IIHes, C, jun. — ,, 54.
95. Janson, Generalleutnant von, Exe. — Yamate 60.
96. Karcher, E. — Yamashitachö 198.
97. Kaufmann, M. — ,, 25.
98. Kern. J. — ,, 90 A.
99. Kramer, H. — ,, 54.
00. Kraemer E. — ,, 46.
01. Kroneck, \V. — ,, j"].
02. Kümmel, P. — ,, 196.
03. Levedag, E. — „ 153.
04. Lürmann, Stephan — „ 153.
05. Mahrt, O.— „ ji.
06. Mason, A. — „ 153.
07. Matthiolius, Marine-Oberstabsarzt, Dr. — Yamate 42.
08. *Meyer, O. — Yamashitachö 46.
09. Mischke, Dr. phil. — ,, -j?,.
10. Moss, W., Stanley,— „ 89 C.
11. Münster, B. — „ 34.
12. Nabholz, E. — „ 95.
13- Niemann, L. — ,, 24 A.
14. Oberlein, C. E. — ,, 199.
15. Ohrt, Dr. E., Dolmetscher des K. D. General-
konsulats. — Yamashitachö 24.
16. Orth, E. — „ 177.
17. Pfister, R.— „ 90 B.
18. Popert, 1\ — „ 29.
■7 0
- J
418 MITGLIEnKRVKRZEICIlNIS.
19. Rcfardt, C. — Yamashitachö 199.
20. Reidhaar Dr., med. — Yamate. 179.
21. Rctz, F. — Yamashitachö 214.
Rhino, C. F. — „ 242.
Runge, B. — ,, 90 C.
24. Scherer, Otto — Hommoku, Kitagata Myokogi, Yama 167.
25. Schmacdecke, W. — Yamashitachö 29.
26. Schmalbcck, C. — ,, I54-
27. Schmidt-Scharff, R. — „ 208.
28. Schramm, C. — „ 202.
29. Schwanke, R. — ,, 40-
30. Seekamp, A. — „ 70.
31. Seel, R., Architekt— Yamate 33 B.
32. Steiner, K. — ,, 87.
33. Steinmann, H. — Yamashitachö 208, [34.
34. Stengel, H. Feiherr von, K. D. VicekonsuL — Yamashitachö
Sulzer, R. — Yamashitachö 174.
JO
36. Sürth, M. — „ 29.
^y. Suthof. A. — ,, 95.
38. Temme, H. — ,, 70.
39. Temme, L. — ,, 29.
40. Trummler, Korvettenkapitän. — Yamate 1 1 2 B.
41. Unger, Alfr. — „ 28.
42. Urhan, F. — Yamashitachö 180.
43. Vehling, \V. —
44. Weinberger, C. — ,, 46.
45. Wendt, R., Braumeister, — Yamate 123.
46. Westphalen, J. — Yamashitachö 256.
47. Witte, A. — ,, y6.
48. Werckmeister, G. — ,, 256.
49. Ziegfeld, F. H. — ,, 89 C.
JAPAN, AUSSER TOKYO UND YOKOHAMA.
150. Ailion, J. A. — Köbe 50.
151. Albrecht, Rev. Dr. G. E. — Kyoto.
152. Behnke, K. — Köbe 91.
MITGLIEDERVERZEICHNIS. 4I9
53. Behr, E. — Köbe 91.
54. Blümer, H. — Köbe 8.
55. Ijobsien, L. — Köbe 47.
56. Boden, G. — Köbe 68.
57. Boetel, H. — Köbe 'jG B.
58. Braess, Ch. — Köbe 91.
59. Braune, \V. — Köbe 83.
[60. Brenner, C. — Köbe 12.
[61. Brüll, O. — Köbe loi.
[62. Bunge, Th. — Köbe 30.
163. Cohen, O. — Köbe 25.
[64. Danckwerts, Y . — Köbe loo.
[65. De la Camp, Ch. Lange. — Köbe 121.
[66. Erich, G. — Köbe 10.
{dj . Evers, A. — Köbe loi.
[68. *Favre, J. — Osaka, Kawaguchi 10.
[69. Fischer, O. — Köbe 121.
70. Friedrichsen, C. — Köbe 12.
71. Fuehr, Dr. Alex. — K. Deutsches Konsulat Köbe.
.'J2. Gagarin, Fürst A., Kaiserl. Russ. Konsul. — Nagasaki.
'.']Z- Göriz, Prof. A. — Universität Kyoto.
[74. Gramatzky, Dr. A. — Kagoshima, Kötö Gakkö.
75. Grauthoff, W. — Köbe, Ikuta mae i.
."jG. Griebel, P. — Köbe.
77. Hasche, A. — Köbe 31 A.
[78. Heitmann, W. — Köbe 68.
79. Hoffmann, Fr. — Köbe 91.
80. Hofmann, A. — Köbe 10.
[81. Horstmann, P2. — Köbe. 32.
82. Jahn, Alex. F. — Köbe 31 A.
83. Janson, Prof. J. L. — Aomori.
84. Junker, E. — Kanazawa, Kötö Gakkö.
[85. Kasai, Dr. phil. Shinzö — Onoda, Yamaguchiken.
. Kate, Dr. med. et phil. H. ten — Köbe, Ikutachö
itchöme 59.
[87. Killian, Georges — Köbe. Russo-China Bank.
[88. Kipp, C. — Köbe, Xaniwamachi 66.
420 • Mn'(ii.ii:i)j:R\j:R/.i:iciiNis.
Klcpsch, C. — Nagasaki, Oura 4.
Krien, F., Kaiserl. D. Konsul. — Köbc.
Kroncck, E. — Köbe 10.
Kunze, R. — Sendai, Kötö-Gakkö.
Lüdccke, F. — Köbc lOi.
Mantcuffel, Ikron Mario — Köbc, Russo-China Bank.
Milbei-g, R. — Köbc 121.
Müller, Dr. W. — Köbe, Kaiserl. Deutsch. Konsulat.
Müller-Hceck, G. — Nagasaki, Kaiserl. D. Konsul.
Neubert. G. — - Köbc.
Nierop, VA. L. van — Köbe 'j'^ B.
Nirrnheim, A. — Köbe 8 A.
Oestniann, A. — Köbe 47.
Ohly, R. N. — Adr. Taits & Co., Taipch, Formosa.
Papellicr, Dr. med. E. M. — Köbe, Uraniachi 34.
Pohl, R. — Köbe 12.
Popp. E. — Köbe, Yama 66.
Ramseger, H. — Köbc 40.
Raspe, H. R. — Köbe 91.
Rciff, R. — Köbe 8 A.
Reinsdorf, Y., Kaiserl. D. Konsul. — Tanisui-Twatutia,
P'ormosa.
Röper, G. — Köbe 91.
Schiller, Pfarrer ¥.. — Kyoto.
Simon, A. — Köbe loi.
"Specka. Dr. G. — Nagasaki, Kaiserl. Deutsch. Konsulat.
Stürcke, J. — Köbe 26.
Thomas, G. — Köbe 32.
Wilckens, A. — Köbe.
Wilckens, C. — Köbe.
Wohlfahrt. — Kanazawa, Kötö-Gakkö.
Wulff, A. — Köbc 25.
Yamakawa, Dr. jur. Y. — K)'oto, Daigaku (Universität.)
OSTASIEN, AUSSI'LR JAPAN.
221. Bauciissin, Graf von, .^dniiral ä la suitc .S. M. des Kaisers. —
Tsinetau.
189
190
191
192
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215
216
217
218
219
220
mitglii:der\erzeiciixi.s. 42 r
222. Becker, R. — Hongkong, Adr. Sander & Co.
223. Behrendt, E. — Shanghai, Russ.-Chhi. Bank.
224. Benedickter, K. M. — Shanghai.
225. Betz, Dr., Dohiietscher-Elev^e. — Shanghai, KaiserL D.
Generalkonsulat.
226. Bolljahn, J. — Adr. KaiserL D. Ministerresidentur Söul,
Korea.
227. Boye, Dr., KaiserL Deutscher Vizekonsul — Shanghai,
KaiserL Deutsches Generalkonsulat.
228. *Coates, G., KaiserL D. Ministerresident. — Bangkok.
229. *Crusen, Kaiser!. Oberrichter Dr. — Tsingtau.
230. Daniels, W., Ingenieur. — Shanghai.
231. Drösemeier, W. — Shanghai, Russ.-Chin. Bank.
232. Eckert, F., Kgl. Pr. Musikdirektor. — Adr. Kaiser!. D.
Ministerresidentur Söul, Korea.
233. Fink, C., Redakteur des Ostas. Lloyd. — Shanghai.
234. Funke, Korvettenkapitän, Chef des Stabes beim Gouverneur
des Kiautscliou-Gebiets.
235. Goltz, Freiherr von der, Legationsrat, erster Sekretcär
der KaiserL D. Gesandtschaft in Peking.
236. Grebnitzki, KaiserL Russ. Staatsrat u. Gouverneur der
Komandorski-In.se!n, Kamtscliatka. — Adr. KaiserL Russ.
Gesandtscliaft, Tokyo.
237. Hart, Sir Robert, G. C. M. G., Lispector General, Imperial
Maritime Customs. — Peking.
238. Hartmann, A. — Shanghai, Adr. Arnhold, Karberg & Co.
239
240
241
242
243
244
245
246
247
248
Heise, G. A. — Shangliai, Bund 6.
Kallen, R. — K. Deutscli. Konsul, Canton.
Knappe, Dr. \V'., Kaiser!. D. Generalkonsul. — Shangliai.
Krebs, Secretaire Interprete der Kais. Deutschen Gesandt-
schaft in Peking.
Lülirs, Karl — Adr. E., Meyer & Co., Chemulpo, Korea.
Marcuse, S. — Adr. Schlieper & Co., Soerabaja.
Marx, E. — Hongkong, Adr. F. Blackhead & Co.
Maurer F. X. — Tsingtau.
Mc Cullagh — Port Arthur, Russ.-Chin. Bank.
May, P., i"''' Sekretär der Kgl. Belg. Gesandtscliaft, —
London.
.422 Mir(;LIKI)KKVERZEICIIMS.
249. Ohlmcr, lu'nst — Tsingtau.
250. Plcssmann, Ingenieur E. — Peking.
251. Riege, A. — Singapore. Adr. ruttfarcken & Co.
Spahvingk, E. — Wladivvostock.
Speelman, Miehel — Shanghai, Russo-China Bank.
254. Truppel, Kapitän z. S., Gouverneur des Kiautschou-Gebiets.
255,. Weipcrt, Dr. IT., Kaiserl. D. Konsul. — Berhn.
256. Wolter, Karl — Adr. K. Meyer & Co., Cheniulpo, Korea.
'Wunsch, Dr. med. R. — Seoul.
252
253
-3/
258. Zur Nedden, \V. — Tientsin. Adr. Buchheister & Co.
EUROPA, AMERIKA ETC.
2^9. Achilles, F.. — Berlin W. Kochstr. 6j. Adr. Heim & Co.
260. "^'Arco- Valley, Graf A. von, Kgl. Bayer. Kämmerer —
München, Theatinerstr. 7.
261. Bahr, H. — Adr. C. Rhode & Co., Hamburg.
262. Bair, M. M., Kais. D. Konsul a. D. — Paris, Avenue de
Villicrs 104.
263. *Baltzer, E., Reg.- und Baurat. — Stettin, Moltkestr. 20.
264. Beenken, H., Ingenieur — Köln a. Rh., Gereonsdriesch
16 IL
265. Bergmann, J., Geh. Justizrat. — Celle.
266. Bibra, Freiherr von, Kapitänleutnant — Kiel.
267. Bieler, Dr. K. — Halle a. d. Saale.
268. Blüthgen, W., Direktor des Itlektrizitätswerks Chemnitz.
269. Böse, Ch. von — Hamburg, Adr. Carlowitz & Co.
270. Brandt, A. A. — Bjrlin, Adr. Allgem. Elektrizitäts-Ges.
271. Busse. Prof. Dr. E. — Königsberg i. Pr., Mittel-Tragheim 47.
272. Coblitz, W. — Speyer a/Rh, Adr. Ludwig ]\Ioos, Königs-
platz.
273. Coudenhove, Dr. Graf H. — Ronsberg (Böhmen).
274. Courant, M. — Lyon, Rhone 3 Chemin du Chancelier,
EcuUy.
275. Dönhoff, Graf, PVeiherr zu Krafft, W. Geh. Rat, Kgl.
Preussischer Gesandter z. D., Exe. — Berlin, Ausw.
Amt.
276. Dümelin, A. — I'rauenfeld, Schweiz.
MITGLIEDERVERZEICHNIS. 423
277. Dürbig, F. L. — Leipzig-, Centralstr. i8 II.
278. P2hrenreich, Dr. med. Paul — Berlin, \V. Nettelbcckstr.
9. III.
279. lusendecher, K. von, Wirkl. Geh. Rat und Viceadmiral a
la suite der Marine, Kgl. Preussischer Gesandter, Exe. —
Karlsruhe.
280. *Ellon, Fr. — Berlin W., Älohrenstr 54.
28 1. P^rckens, M. — Aachen.
282. Eschenburg, G. — Lübeck, Katharinenstr. 37.
283. *Feicke, J. — Grünberg i. Schlesien, Bismarckstr. 4 a.
284. Ferber, A. — Aachen.
285. *P'esca, Prof. Dr. M. — Witzenhausen a W.
286. Finckenstein, Graf — Reitwein, Reg. Bez. P^rankfurt a/O.
287. Fischer, Prof. A. — Berlin, Nollendorfplatz i.
288. Fischer, A., Ingenieur — Hannover Linden, Beethoven
Str. 12.
289. P"lesch. A. de, K. u. K. Ooster.-Ungar. Generalkonsul a.
D. — Budapest, Bastya utca 12.
290. Freyvogel, E. — Aarau, Schweiz.
291. Fritze, Dr. A., Privatdozent — Genf, Rue Argaud 3. I.
292. PVitzsche, Karl — Leipzig, Adr. Schimmel & Co.
293. *Gebhardt, F. — Nürnberg.
294. Genthe, Dr. phil. S., Redakteur der Köln. Zeitung. —
Köln a. Rh.
295. Gottsche, Prof. Dr. C. — Hamburg, Adr. Naturhist.
Museum.
296. Grasmann, Dr. E., Reg.-und Forstrat — Würzburg.
297. ■■•Groth, Oberlehrer Dr. A. — Xikolassee bei Wannsee,
Berlin.
298. Gülpen, Alex, van — Enmierich a/Rh.
299. Gysin, A. — Paris, Adr. Gysin und Schoeninger.
300. Hackmann, Lic. theol. H. — Adr. Frl. M. Hoyermann,
Hoheneggelsen. Prov. Hannover.
301. Hansen, Hans — Adr. C. Illies & Co. — Hamburg.
302. Haeslop, H. — Hamburg, Adr. Sander & Co.
S03. Hake, Th. — Wiesbaden, Parkstr. 24.
424 MITGLIKDERVERZEICIIXIS.
304. Hefele, Forstmeister Dr. K. — Kirchberc;", W'acliterlniülile
bei Bad Reichenhall, Bayern.
305. Helm. P. — i\dr. Carl Kojemann. Hamburfj, Bcrgfelder
Str. 69.
306. Hermanns, J. I\I. V. — Adr. I'Y^lten und Guilleaume,
Mülheim a/Rhein.
307. Hernsheim, Konsul Ed. — Hamburg I. Mittelweg 16.
30S. Hertz, Dr. J. — Helmstedt, Braunschweig.
309. Heyking, ]^^-eiherr \'on, Kaiserl. D. Gesandter in Mexiko.
310. Hubert, Henri, Prof., Pxole des Hautcs Etudcs. — Paris.
311. Hussmann, W. — Hamburg, Deichstr. 34 i.
312. Hütterott, Ritter G. von, Kais. jap. Konsul. — Triest.
313. Illies, C. — Hamburg, Glockengiesserwall.
314. Iswolski. — Kaiserl. Russ. Gesandter, Exe. — Kopenhagen.
315. Jankowich, B. von — Budapest, Kerepesi Bazar.
316. Jauss, K. — Brück bei München.
317. '''Jüngermann. — Berlin W, Nettelbeck Str. 9 III.
318. Junghenn, Caesar. — Burma, Toungoa.
319. Kassel, E., Rechtsanwalt u. Notar. — Schweidnitz.
320. Kellner, Dr. O., Kgl. Sachs. Geh. Hofrat, Direktor der
Landwirtschaftl. Versuchsstation in Möckern b. Leipzig.
321. Kempte, Dr. H. — Bombay, Adr. Leopold Casella & Co.
322. Kirchhoff, l"'. Oberlehrer. — Norden, Ostfriesland.
323. Klüss, F. — Hamburg, Eimsbüttel, Schäferkamps- Allee
47-
324. Koch, Dr., Marine Generaloberarzt — Berlin.
325. Kochen, M. \\\ — Hamburg.
326. Kozakow, G. — Masampo.
327. Kropp. Ph. — Berlin W, Gentiner Str. 33.
328. Kügler, Oberstabsarzt i. Klasse Dr. H. — Berlin, Lützow-
str. 6.
329. Lamprecht, Prof. Dr. — Leipzig.
330. Laufer, Dr. Berthold — Köln a/Rh. Hohe Str. 125.
331. Lentze, Dr. Albr., Geh. Legationsrat — Berlin, Schaperstr.
29 II.
332. Levy, Alexis — Paris, Rue de Trevise 6.
333. Leyden, Graf von, K. Deutsch. Gesandter. — Stockholm.
MITGLIEDERVERZEICHNIS. 425
334. Loeffler, Ludw. — Giehren, Kreis Löwenberg, Schlesien.
335. Löhr von, Kais. D. Konsul. — Sarajewo, Bosnien.
336. Lord, O. — Hamburg, Eimsbüttel, Am IMarkt 12.
337. Lyman, Prof. B. S. — Philadelphia, Locust Street 708.
338. Lyssakowsky, A., K. Russ. Gesandtschaftssekretär in
Bangkok.
339. Marx, Bergassessor, W. — Siegen a/R.
340. Maschke, E., Kapitän zur See z. D. — Essen, Adr. Fr.
Krupp.
341. Mayet. Prof Dr. P., G^h. Regierungsrat. — Berlin, Kaiserin
Augusta Str. So.
342. *]\Ieincke, ^1., Hauptmann und Batteriechef — Wesel.
343. Meister, Dr. H. von — Frankfurt a/M., Savigny Str. 3.
344. Mendelssohn-Bartholdy, P. von — Berlin W. Jägerstr. 54.
345. Meyer, O. — Bombay, Adr. Messrs. Gaddum Sc Co.
346. jNIerian-Zaislin, J. R. — Basel, Missionsstr. 24.
347. *Mirre, A., Kapitänleutnannt. — ,, Vulkan ", Bredow bei
Stettin.
348. "Mosle, G. P. — Berlin, N. W. Schumannstr. 5. L
349. Mosle A. G. — Hamburg.
350. Mosse, A., Oberlandesgerichtsrat. — Königsberg i. Pr.
351. Müller, W. — Leipzig Gohlis, Louisenstr. 31.
352. Nachod, Dr. O. — Zschachwitz b. Dresden, Laube-
gasterstr. 44.
353. Naudin, J. — Hamburg, Adr. Bollenhagen & Co.
354. Noltenius, F. H. — Borgfeld bei Bremen.
355. Nössler, Max — Bremen.
356. Orlik, E. —
357. Piorkowski, Hauptmann von — Shanghai, Adr. Mandl
& Co.
358. Piper, K. — Rostock, St. Georgsstrasse 42.
359- *Poklewski-Koziell, Stanislas — i**''' Sekretär bei der K.
Russ. Botschaft, London.
360. Pollitz, G. — St. Petersburg, \Vm. Pollitz & Co.
361. *Pors, M. — Hamburg, Adr. Otto Reimers & Co.
362. Posse, E., Redakteur. — Adr. Kölnische Zeitung, Köln
a/Rh.
426 MITGLIEDERVERZEICIIXIS.
363. Pschorr, Dr. pliil. — München, ]3aycrstr. 32.
364. Raspe, M. — Adr. Georg Kleinwoit, Hamburg Bergstr. 4.
365. Rathgen, Prof. Dr. K. — Heidelberg, Ziegelhäuser Lantl-
str. 52.
366. Reddelin, G. — Hamburg, Goethe Str., Uhlenhorst.
367. Reimers, O. — Hamburg, Alsterdamm 6, I.
368. '''Rembielinsky, Graf — Paris.
369. Richter, W. E. — Dresden, Hohe Str. 13.
370. Richthofen, Oberleutnant, Freiherr von — Potsdam.
371. Ritter zu Gruensteyn, Frhr. G. von, Oberleutpant —
Karlsruhe.
372. Robert, R. — Le Locle, Rue du Temple 29.
373. Rohde, C. — Hamburg, Rolandsbri^icke 4.
374. *Rumschöttel, Direktor R. — Berlin, Adr. Schwartzkopff,
Chausseestr. 17/18.
375. Runkwitz, Marine-Generaloberarzt Dr. — Berlin W, P'riedr.
Wilhelm Str. 10.
376. Schabert, P. — Hamburg, Adr. G. Schabert, Paulstr. 29.
377. *Schanz, Moritz — Chemnitz, Weststr. 28,
378. Schauenburg, Aug. — Lahr (Baden).
379. Schedel, J. — München, Amalien.str. 16 IV.
380. Scheube, Sanitätsrat Dr. B. — Greiz i. V.
381. '''Schilling, Reg. und P^orstrat H. — Berlin W. Leipziger
Platz 7.
382. Schmidt-Leda, Dr., Kaiserl. D. Ministerresident a. D. —
Homburg v. d. Höhe, Ferdinandsanlage 8.
383. Schmiedel, Prof. O. — PLisenach, Neudietendorf.
384. Schumacher, Dr. jur. H. — Direktor der Handelshoch-
schule Köln a/Rh.
385. Schwartz, jun., Werner — Bocholt (Westfalen).
386. Seckendorff, Freiherr von, Kaiserl. D. Konsul. — Prag.
387. Seydlitz und Ludwigsdorf, von, Kammergerichtsreferendar.
— Berlin.
388. -"Soltmann, A. — Berlin, S. W. Hollmann Str. 25.
389. Sonnenburg, Major P^alkner von — München, Herzog Ma.x
Str. 3., Adr. Justizrat Dr. von Kraussold.
390. Spooner, D. B. — Sanscrit College, Benares.
391. *Spörry, H. — Zürich. L Gerechtigkeitsgasse 31.
MITGLIEDERVERZEICUXIS. 42/
392. Spring-Rice, C. A., Kgl. Grossbrit. Botschaftssekretär —
St: Petersburg.
293. *Stöpel, K. Th. — Halle a/S., Adr. Bankhaus Steckel.
394. Techow, H., Kgl. Preussischer Oberverwaltungsgerichtsrat.
— Berlin, Martin Luther Str. 86.
395. Thiel, ^lax — Hamburg, Adr. Jaluit Gesellschaft.
396. "Toppe, Hüttendirector G. — Hostenbach, Saar.
397. *Treutler, C. G. von, K. D. Gesandter. — Rio de Janeiro.
398. Troeltsch, p]dm. — Weissenburg am Sand. Bayern.
399. Voges, P. — Hamburg. Adr. Rittmeister & Co.
400. Wach, H., Ingenieur. — Adr. Prof. Wach, Universität
Leipzig.
401. W^aldthausen, B. von, Kgl. Preussischer Regierungsrat —
Berlin, ]\Iargarethenstr. 2 u. 3.
402. '^"Waldthausen, J. von, Kaiserl. D. Gesandter. — z. Z. Pässen
a. d. Ruhr, Kettwiger Chaussee 70.
403. *Wedel, Dr. jur., Graf B. von, K. D. Botschaftsrat —
Wien.
404. Wenckstern, Prof Dr. A., Privatdozent. — Berlin, Marien-
höhe Dorf
405. Westphal, C. — Berlin W. 10. Königin-Augustastr. 52.
406. Winckler, J. — Hamburg, Rathausmarkt.
407. Wirth, Dr. Albrecht — P^rankfurt a/M, Hermannstr. 42.
408. Wismer, P^. — Lilienthal bei Bremen.
409. Wollant, G. de, Kaiserl. Russischer Geschäftsträger. —
Mexico, Mexico City.
LISTE DER GE8ELL8GHAETEN, INSTITUTE, REDAKTIONEN
ETC., AN WELCHE DIE „ MIHEILUNGEN "
VERSANDT WERDEN.
ALTENBURG i. S.
1. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes.
AMSTERDAM.
2. Koninklijke Akademie van Wetenschappen.
3. Koninklijk Zoologisch Gcnootschap „ Natura Artis Magis-
tra ".
BASEL.
4. Universität.
BATAVIA.
5. Bataviaasch Genootschap van Künsten en Wetenschappen.
6. Koninklijke Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-
Lidie.
7. Nederlandsch - Lidische Maatschappij van Nijx'erheid en
Landbouw.
BELFAST.
8. Natural History and Philosophical Society.
BERLIN.
9. Königi. Akademie der Wissenschaften.
10. ,, Kultus-Ministerium.
11. ,, Bibliothek.
12. ,, Meteorolocrischcs Institut.
LISTE DER GESELLSCHAFTEX, INSTITUTE ETC. 429
13. Königl. Orientalisches Seminar.
14. Ethnologische Abteilung der Königl. Museen.
15. Gesellschaft für Anthropoh^igie, Ethnologie und Urgeschichte.
16. Gesellschaft für Erdkunke.
17. Redaktion der ,, Deutschen Literaturzeitung."
18. Professor Dr. Freiherr F. von Richthofen, Geh. Ober-
Regierungsrat, Exe.
19. Kaiser]. Japanische Gesandtschaft.
20. Deutsche Kolonialgesellschaft.
21. Zeitschrift ,, Ostasien."
22. Allgem. Ev^angel. Missionsverein.
23. Botanischer Verein der Prov. Brandenburg.
BONN.
24. Naturhistor. Verein der preussischen Rheinlande, Westfalens
und des Reg-Bezirks Osnabrück.
25. Professor Dr. J. J. Rein.
BOSTON.
26. Society of Natural History.
BRAUNSCHVVEIG.
27. Verein flir Naturwissenschaft.
BREMEN.
28. Geographische Gesellschaft.
29. Naturwissenschaftlicher Verein.
BRÜSSEL.
30. Academie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-
Arts de Belgique.
31. Societe Royale Beige de Geographie.
32. ,, ,, Malacologique de Belgique.
BUENOS AYRES.
33- Instituto Geografico Argentino.
430 LISTK DER r.ESELLSCIIAFTKX, INSTITUTE ETC.
34. Deutsche Akademische Vereinigung.
35. Direccion General de Estadistica de la Provincia de Buenos
Aires.
BUDAri':ST.
36. Ungarisches National-IMuseuni. Ethnographische Abteilung.
CALCUTTA.
37. Asiatic Societ)' of Bcngal.
38. Geological Surx-ey of India.
CAMBRIDGE, MASS.. U. S. A.
39. Museum of Comparativc Zoology at Harvard College.
CAMPINAS.
40. Instituto Agronomico.
CASSEL.
41. Verein für Naturkunde.
CHAPEL HILL, RALEIGH, N. C, U. S. A.
42. Elisha Mitchell Scicntiiic Society,
CHEMNITZ.
43. Königl. Sachs. Meteorolog. Institut.
CHICAGO.
44. Field Columbia Museum.
CHRISTI ANIA.
45. Königl. Universität.
46. Videnscabs Sclskabet.
CINCINNATI.
47. Societ}' of Natural History.
LISTE DER GESELLSCHAFTEN, INSTITUTE ETC. 43 1
DANZIG.
48. Naturforschende Gesellschaft.
DAVENPORT, IOWA.
49. Davenport Academy of Natural Sciences.
DRESDEN.
50. Isis, Naturwissenschaftliche Gesellschaft.
51. Verein für Erdkunde.
EDINBURGH.
52. Royal Society of Edinburgh.
FRANKFURT a/M
53. Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft.
54. Neue Zoologische Gesellschaft.
55. Physikalischer Verein.
FRANKFURT a/O.
56. Naturwissenschaftl. Verein des Regierungsbezirks Frankfurt.
GIESSEN.
57. Oberhessische Gesellschaft für Natur-und Heilkunde.
GÖTTINGEN.
5<S. Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.
GREIFSWALD.
59. Geographische Gesellschaft.
HAAG.
60. Allgemeines Reichsarchiv.
61. Koninklijk Institut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde
van Nederlandsch Indie en Indisch Genootschap.
432 LISTE DER GESELLSCIIAFTEX, INSTITUTE ETC.
HAARLEM.
62. Miisec Tcijlci".
HALLE a/S.
63. Leopoldino-CaroHna, Kaiscrl. Akademie.
64. Verein für Erdkunde.
HAMBURG.
65. Deutsche Seewarte.
66. Geographische Gesellscliaft.
6y. Verein für Naturwissenschaft!. Unterhaltung.
68. Naturwissenschaft!. Verein.
HANOI.
6g. Eco!e Frangaise d'Extreme-Orient.
HAVRE.
70. Societe de Geographie Comnierciale de Havre.
HELSINGFORS.
71. Societe de Geograpliie de Einlande.
HERMANNSTADT.
72. Siebenbürg. Karpathen-Verein.
INDIANOPOLIS, IND. U. S. A.
73. Indiana Academy of Science.
ITHAKA, N. Y. U. S. A.
74. W"" Elliüt Griffis.
IRKUTSK.
75. Ostsibirische Sektion der Kais. Geogr. Gesellschaft.
JENA.
76. Geographische Gesellschaft für Thüringen.
LISTE DER GESELLSCHAFTEN", INSTITUTE ETC. 433
KIEL.
']']. Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein.
KOBE.
']?>. Klub Concordia.
KÖLN.
79. Redaktion der ,, Kölnischen Zeitung ".
KÖNIGSBERG.
80. Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft.
KYOTO.
(Sr. Kaiserl. Univ^ersität.
LANDSHUT.
82. Botanischer Verein.
LEIDEN.
83. Redaktion des ,, Internationalen Archiv^s für Ethnographie ".
84. Prof. Dr. G. Schlegel.
85. T'oung Pao. Archives pour servnr ä letude de l'histoire
etc. de l'Asie Orientale.
LEIPZIG.
86. Naturforschende Gesellschaft.
87. Verein für Erdkunde.
88. Redaktion des ,, Litterarischen Centralblattes ".
89. Museum für Völkerkunde.
LISSABON.
90. Sociedade de Geographia.
LONDON.
91. Redaktion der ,, Nature ".
434 LISTK ni-.R GESELLSCHAFTEN, IXSTLrUTE ETC.
92. Ro\"al Goocjraphical Societ}'.
93. Japan Society.
MADISON, WISCONSIN.
94. Wisconsin Acadcni)' of Sciences, Arts and Letters.
MARSRILLi:.
95. Bibliotheque de la I^'aculte des Sciences.
METZ.
96. Verein für Erdkunde.
M ENI CO.
97. Institute Geologico.
M OD ENA.
98. Real Academia di Scienze, Eettere ed Arti.
MOSKAU.
99. Societc Imperiale des Naturalistes.
MÜNCHEN.
100. Königl. Akademie der Wissenschaften.
lOi. Redaktion der ,, Allgemeinen Zeitung".
102. Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie u.
Urgeschichte.
103. Geographische Gesellschaft.
104. Ornithologische Gesellschaft.
NEUCHATEL.
105. Societc Neuchateloise de Geographie.
NEWHAVEN, CONN., U. S. A.
106. Redaktion des ,, American Journal of Science ";
NEW YORK.
107. American Museum of Natural History, Central Park.
LISTE HER GE-ELLSCHAFTEX, INSTITUTE ETC. 435
108. Univ'crsit}- of the State of New York, State Library,
Albany X. Y.
109. Prof. F. Hirth, Columbia Universit}\
NÜRNBERG.
1 10. Naturhistorisclie Gesell.schaft.
ODESSA.
111. Societe des Naturalistes de la Nouvelle Russie.
PARA, BRAZIL.
112. Museu Paraense.
PARIS.
113. Societe Asiatique.
1 14. Musee Guimet.
115. Ecole d' Anthropologie de Paris.
PETERSBURG.
116. Kaiserl. Akademie der AVissenschaften.
117. ,, Geographische Gesellschaft.
118. ,, Botanischer Garten.
1 19. ,, Ministerium der Reichsdomänen (Geologische.s.
Institut).
120. Kaiserl. Mineralog. Gesellschaft.
PHILADELPHIA.
121. Academy of Natural Science.
ROM.
122. Real Academia dei Lincei.
123. Societä Geografica Italiana.
124. Bibliotheca Nazionale Centrale.
125. Redaktion des ,, Cosmos ".
. SAN FRANCISCO.
126. California Academy of Sciences.
43^ LISTE DER GESELLSCHAFTEN, INSTITUTE ETC.
SANTIAGO, CHILE.
127. Deutscher Wissenschaftlicher \"erein.
128. Societe Scientifique.
SAO PAULO, BRASILIEN.
129. Museu PauHsta.
130. Institute Agronomico.
SHANGHAI.
131. North-China Branch of the Royal Asiatic Society.
132. Imperial Maritime Customs.
133. Der Ferne Osten.
SINGAPORE.
134. Straits Branch of the Royal Asiatic Society.
ST. LOüIS, AIISSOURI.
135. Academy of Science.
136. Botanical Garden of Missouri.
STETTIN.
137. Entomologische Zeitung.
STOCKHOLM.
138. Kgl. Akademie der schönen Wissenschaften, der Geschichte
und Altertumskunde.
STUTTGART.
139. Verein für Handelsgeographie etc.
TOKYO.
140. Kaiserl. Deutsche Gesandtschaft.
141. Kaiserl. Jap. Unterrichtsministerium.
142. Teikoku Daigaku (Kaiserl. Universität).
143. Teikoku Toshokwan (Kaiserl. Bibliothek).
144
145
146
147
148
LISTE DER GESELLSCHAFTEN, INSTITUTE ETC. 437
Chishitsu Kyoku (Kaiserl. Geolog. Reichsanstalt),
Asiatic Society of Jai)an.
Japan Times.
Societas Zoologicae Japonenses.
Medizinische Fakultät a. d. Kaiserl. Uni\'ersität.
TORONTO.
149. Canadian Institute.
TSCHITA, OST-SIBIRIEN.
150. Transbaikalische Filialabteilung der Kaiserl. Russ.
Geograph. Gesellschaft im Amur-Gebiet.
UPSALA.
151. Königl. Universitäts-Bibliothek.
WASHINGTON.
152. Smithsonian Institute.
153. Bureau of Ethnology.
154. Chief Signal Office.
155. United States Geological Survey.
156. National Medical Library of the United States.
157. U. S. Department of Agriculture.
WIEN.
158. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
159. Kaiserl. Geograph. Gesellschaft.
160. Kaiserl. Oesterreich. Gesellschaft für Meteorologie.
161. K. u. K. Geolog. Reichsanstalt.
162. K. u. K. Naturhistor. Hofmuseum.
163. K. u. K. Oesterreichisches Handelsmuseum.
164. Orientalisches Museum.
165. Ornitholog. Verein.
166. Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes.
167. Anthropologische Gesellschaft.
438 MSTE DER GESELLSCHAFTEN, IXSTLrL TE ETC.
WÜRZBURG.
i68. Phy.sikalisch-Medi/.ini.schc Gesellschaft.
YOKOHAMA.
169. Klub Germania.
170. Redaktion der „Japan Weekly :\Iail".
ZÜRICH.
171. Xaturforschende Gesellschaft.
ZWICKAU.
172. Verein für Naturkunde.
I
l
2i l'r.tturiTcus-'ytautrriusrz MavrimUT ex. SoctccatC-
l-e^y /-iJe-Tn in InJi^sn imicx^t. dj/rin. ift2^rj^.^<'mi'.
C H » T 8 T E 7^/ /j^, 'Umeui gxsndant'uhcre c^
- Peäora: w ec Tantum mens capit aräa Deum.
Vandeßnui, Fkancisce ?ater , totnm^ui^i
numen
In ^uci effanda4,^Hodfu^€rfihit,eri4nu
suppi:^£:ivi£:nx l^icXxS
,, Mittheilungen " der Deutsehen' Gesellschaf t für Natur
2tnd Völkerkunde Ostasiens.
GESCHICHTE DES CHRISTENTUMS
IN JAPAN
VON
PFARRER HANS HAAS.
I.
Erste Einführung des Christentums in Japan
durch Franz Xavier.
TOKYO.
1902.
Erste Einfiilirung des Cöristentunis in Japan
durcli Franz Xavier.
VORW'ORT.
Mit der Absicht, die Geschichte des Christentums
in Japan zu schreiben, hat sich schon \'or mehr als drei
Jahrzehnten Leöx Facies, der verdienstvoKe, auch durch
seine französische Uebersetzung- der Briefe Franz Xaviers
bekannte Herausgeber der Bibliographie japonaise, ge-
tragen. Er hat sie jedoch — und das ist zu bedauern — nur
teilweise zur Ausführung gebracht. Ausser einer Gelegen-
heitsschrift ,, Histoirc des 26 inartyrs Japonais [en 1597]
dont la ecinonisation doit avoir Heu ä Roiue en 1862 "
(Faris, 1862) und einer kleinen Monographie „La per-
seaition des chretieiis au Japon et l' ambassade japonaise
en Europe'' (Faris, 1873) veröffentlichte er einen um-
fangreichen Band ,, Histoire de la religion ehretienne an
yapoii depuis i^gS jusqilä 16 ji, conprenant les faits
relatifs aux denx ccnt cinq inartyrs bcatifies le / jnillet
1S6/ ", dessen erster Teil die Verfolgungen der katho-
lischen Kirche in Japan während des im Titel bezeichneten
Zeitraums berichtet, während der zweite Teil die dazu
gehörigen Dokumente in lateinischer, spanischer oder
französischer Sprache gibt. Der 1869 und 1870 zu Faris er-
schienene starke Band war als dritter eines auf vier Bände
anorelecrten W^erkes oredacht. Wäre es zu stände ee-
kommen, so wäre damit nicht zwar das Bedürfnis nach
einer japanischen Kirchengeschichte, wie ich sie zu liefern
versuche, und von welcher ich hiermit den Anfang der
\'i J^orzc'or/.
Oeffentlichkcit ühcrQ-obc, Ijcfricxli^t. Nach der /Vnlag'e
des veröffendichten Bruchstücks, das in Annalenform
gehalten ist, wäre es weniger eine kritische Gescliiclits-
darstelluno- als \ielmehr eine umfassende Quellen — und
Materialiensammlung geworden. Aber als solche wäre
es eine nicht genug zu schätzende \'orarl)eit für den
späteren Bearbeiter gewesen, wie dies denn der vorhan-
dene Band für die Periode, welche er umfasst, thatsächlich
ist. Nur die Schwierigkeit, ohne eine solche unerlässige
Vorarbeit, die eben für das erste halbe Jahrhundert der
katholischen Mission in Japan noch fehlt, die Darstellung
zu unternehmen, erklärt es wohl, dass seit Pa(;ks kein
Versuch gewagt wurde. Denn wie seit der \\^iedere?rschlies-
sung des hiselreichs das Christentum in Japan abermals
seine friedlichen Eroberungen macht und zum zweitenmale
sichtlich bereits als Kulturfaktor im \"olksleben wirksam
ist, ist auch das hiteresse wieder lebendig für die Schick-
sale, welche die christliche Religion das erstemal \^on ihrer
ersten Einführung um die Mitte des sechzehnten Jahrhun-
derts an bis zu ihrer völligen Vernichtung gegen Mitte des
siebzehnten Jahrhunderts auf demselben Boden hatte.-
Wer über die Fortschritte der neuen cliristlichcn
Mission in Japan sich unterrichten will, dem bieten zwei
gleich treffliche, in ihrer Beschränkung auf die Darstellung
der evangelischen l)zw. katholischen Bemühungen einander
ergänzende Bücher, was er sucht : D. Ritter's Drcissi^^
yahrc prolcstantischcr Alissiou in Japan (Berlin, 1890)
das eine, zuerst erschienen in fünf Heften der Zeitschrift
für Missionskunde und Religionswissenschaft, Jahrgang
I\' und \' ; 0 das andere : Francisque Marxas, La „ Re-
I Audi in englischer Uel;ersetzung erschienen : A History of Protestant Mis-
sions in Japan by Fastor II. Killer, FIi. D. Translated by the Rcv. George K.
Vorii'OTt. vii
//Q'/cvi de Jesus'' rcssiiscitcc an yapou dans la secondc
iiioitic du XIX' siccic. 2 \o\\. (Paris et L3-oii, 1896).
Wem es jedoch darum zu tluin ist, sich mehr als nur
oberflächlich über den früheren ,, Kampf des Christentums
mit dem Heidentum " in Japan, der mit der völli_a-en
Niederlage des ersteren endete, zu informieren, der ist
um ähnliche W^erke verlegen. Wohl ist mehr als eine
Gesamtdarstellung gedruckt Avorden. Der Jesuitenpater
Fraxcois Solier gab bereits 1627 eine Histoirc ecclcsia-
stiqTLc des isles ei royauincs du yapou, depuis lau 1^42
jusqu" ä Fan 16^2 in zwei Bänden heraus. 1 689 erschien
sodann in Paris unter dem Titel Histoirc de F Eglise du
Japon, par AI. hibbe de T. eine neue zweibändige, auf
Solier fussende Darstellung, deren Verfasser, der Jesuiten-
pater Crasset, die Geschichte bis zum Jahre 1658 fort-
führte, zugleich die Annalenform des Sollerschen W^erks
mit einer zweckmässigeren Anordnung des Stoffs vertau-
schend. ^) Einen breiten Raum nimmt in P. Daniello
AWrecht, A. JIÄ Reviscd and bnv/gJi/ iip to dafe by tlie Rev. D. C. Greene, D. D.,
linder t/ie editorial care of Pastor Max Christlieb, l^h. D. Tokyo, The Methodist
Publishing Ilouse, 1898. Die auf den doppelten Umfang der deutschen Ausgabe
geljrachte Uebersetzung darf, wie schon ihr Titel zeigt, eine neue, stark vermehrte
Auflage des Ritterschen Werkes genannt werden. Die wichtigeren Abschnitte von
D. Grkexks Fortsetzung hat Dr. Cmristliei; auch ins Deutsche übertragen und
unter dem Titel „Geschichte der evangelischen Mission in Japan von iSgo-iSgS "
\\\ der Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft, Jahrgang XV,
veröffentlicht.
2 Aon diesem wiederholt aufgelegten und in die englische, portugiesische,
Italienische und sogar in die japanische Sprache üijersetzten Werke erschien 1738
zu Augsburg auch eine deutsche Ausgabe mit dem langen Titel „Aussfuhrliche Ge-
schieht der in dem äi/ssersten U'elt-llieil gelegenen Japonesischen Kirch, worinn die
glr.cklicJie Vertilgung der ylbgötterey, EinfiUuting, Fortpßantzung, Verfolgung, und
letztens gäntzliche Verbannung des Heiligen Römisch Catliolischen Glaid>ens in disem
grossen Reich nach denen besten Urkunden erzehlet wird, von R. P. Joanne Cras->kt,
der Gesellschafft Jesu Priestern anjetzo aber auf viler Verlangen in die teutschz
Sprach übersetzi worden,'''-
viii Vortcorf.
Bartoli'-s Jlr/r isforia dclla Coiiipao-nia di Giesn P Asia
die „ isioria dclla Compagnia di Giesn ncl Giapponc "
ein. Mit Benützung Bartolis hat dann P. Fr. de Chari.k-
voix zwei W^erke q-eschrieben : 1715 eine Histoirc de
r etablisseinciit, des proQ-res et de la decadenec du ehrisli-
auisni dans F euipire du j'apou, oft fou voü les dif/ereutes
7'evolutious qui onl agile eetle uiouarclne pcudant plus d'un
siede; 1736 eine vollständige Umarbeituno- mit dem Titel
Histoire et Dcscription generale du yapoii, oü fou trouve
tont ee (j?lou a pu apprendre de la na Iure et des produe-
tions du pays, du caractere et des eoutumes des liaöitants,
du Q-ouvernenient et du eonunerce, des revolutions avj-ivees
dans r empire et dans la religio?: ; F examen de tous les
auteurs qui oid ecrit sur le inenie sujet, avec le Fastes
ehronologiques de la decouverte du Nouveau-Mond^. Und
der letztgenannte Autor sagt : „ Jamals peut-etre aucun
sujet n'a en si peu de temps exerce tant d'Ecrivains."
Allein diese gesamte Literatur, die ihr Entstehen dem
lebhaften Interesse verdankt, welches die europäische
katholische Christenheit vor 200 — 250 Jahren an dem Auf-
blühen und an der schrecklichen Ausrottung der Kirche
Christi in dem fernen hiselreiche nahm, ist heute selten
geworden und nur noch in den Bücherständen staatlicher
oder kirchlicher Bibliotheken zu finden. Und auch wenn
sie weniger schwer zugänglich wäre, als es der Fall ist,
könnte sie doch in ihrer zum Teil erbaulichen und durch-
weg unkritischen Art modernen Ansprüchen nicht mehr
genügen.
Zur eigenen Vorbereitung habe ich selbstverständlich
nicht unterlassen, diese alten W'erke sämtlich gründlich
durchzuarbeiten. Für meine eigene Darstellung habe ich
mich grundsätzlich nur an die Quellen selbst gehalten,
Vortvort. ix
die Kompilationen der Alten aber nur da angezogen, wo
es mir aus dem einen oder andern Grunde geboten
schien, sie zu korrigieren. Meist geschah dies in solchen
Fällen, wo unrichtige Einzelangaben oder irreführende
Geschichtskonstruktionen, die sich bei ihnen finden, durch
Aufnahme in neuere Bücher und durch immer neue Wie-
derholung sich so verfestigt haben, dass es ratsam war,
sie nicht bloss stillschweigend durch das Richtige zu
ersetzen, sondern ausdrücklich zu berichtigen.
Für diesen ersten Teil, welcher die Geschichte der
ersten Einführung des Christentums in Japan erzahlt, sind
die vorhandenen Quellen vor alleni die Briefe Franz
Xaviers, ferner Sendschreiben seiner Ge/iil/en ans yapan
und Schreiben anderer Jesniten ans Indien, welche sich
bei Maffei [Selectarnni epistolarnm ex India libi-i qnatnor)
finden, sowie des Fernäo INIexdes Pinto PereQrina^äo.
Diese Dokumente sind tüchtig ausgenützt und kritisch
verwertet worden. Zeitgenössische japanische Quellen
zur Geschichte des Christentums stehen ül^erhaupt spcärllch
und für den zunächst behandelten Zeitabschnitt gar nicht
zur Verfügung. Die japanische Inquisition hat, als die
Tokugawaregierung einnial den Beschluss gefasst hatte,
die fremde, als staatsgefährlich erkannte Religion mit
Stumpf und Stiel auszurotten, mit einer Gründlichkeit und
Ausdauer gearbeitet, die dem japanischen Volke sonst
nicht eigentümlich ist.
Als einen nicht eenufr zu schätzenden Vorteil habe
ich es gleichwohl empfunden, dass ich die Arbeit, soweit
sie bis jetzt gediehen ist, an Ort und Stelle selbst zu
schreiben in der Lage war. hi sehr \'ielen Zweifclfällen,
in denen fern vom Schauplatz der berlchtc;ten Geschichte
keinerlei Auskunft zu erlangen wäre, war es mir hier
mög-lich, mir tlic ncUii^c Ik-lehninq- und Aiifkläninor durch
Befragen japanischer Buddhistenpriester und eingeborener
wie eurojjäischer Gelehrten, die sich ernsthaft mit dem
Studium der japanischen Vergangenheit bcfasst haben, zu
verschaffen. Von den letzteren nenne ich l)esonders die
Herren Dr. L. Rikss, Professor der Geschichte an der
Kaiserlichen Universität in Tokyo, und Dr. K. Im.orenz,
Professor der japanischen Philologie an derselben Univer-
sität, denen auch an dieser Stelle zu danken ich für meine
PHicht halte. Auch die eigene durch mehrjährigen Aufent-
halt gewonnene Kenntnis von Japans Land und \'olk kam
mir zu besserem Verständnis der Quellen wohl zu statten.
Leichter und in grösserer Reichhaltigkeit als irgendwo
sonst war ferner hier die Literatur über Japan Im allge-
meinen und über lliinos Japanese — es stellt mir kein
entprechender gleich kurzer und vielsagender Ausdruck in
der eigenen Sprache zu Gebote — erreichbar. Und nicht nur
die neuere und neueste, soweit sie von wissenschaftlichem
Werte Ist, sondern auch die zum Teil sehr wertvolle
ältere Literatur ist von mir, sofern sie irgend in Bezieh-
ung zu meiner Materie steht, in umfassender Weise
benützt worden. Dem Leser Nachprüfung und, falls Ihn
danach verlangt, weitere hiformlerung zu ermöglichen,
habe ich sie entweder im Text selbst oder In den Anmer-
kungen sorefältlsf verzeichnet.
Richtig \\ird man es ohne weiteres finden, dass In
einem besonderen Abschnitt des vorliegenden Buches das
Wichtigste über die politischen und sozialen Verhältnisse,
w^elche die ersten christlichen Glaubensboten bei ihrer
Ankunft im Lande vorfanden, in gedrängter Kürze aus-
einandergesetzt ist. l'nd dass die religiösen Zustände in
ausführlicher Skizze behandelt sind, wird um so eher
Vorzi'flrt. X
g-erechtfertig"t erscheinen, je schwerer es ist, and<^rwärts
etwas Zuverlässiges und genügend Orientierendes hie-
rüber zu finden. Einiger EntschuldiorunQf aber bedarf es
vielleicht, ausser der bereits im betreffenden Kapitel
gegebenen, dass der Entdeckungsgeschichte Japans ein
so verhältnismässig breiter Raimi verstattet worden ist.
Ich wollte das von der bisher geltenden Anschauung abwei-
chende Resultat meiner eigenen bezüglichen Untersu-
chunofen nicht o'eben, ohne es durch Unterbreituno- des
gesamten I\Iaterials, auf welches es sich stützt, auch vor
dem Leser zu begründen.
Dem Buche ist das Bildnis Franz Xaviers vorange-
stellt, das nur fünfundfünfzig Jahre nach dessen Tod sein
erster Biograph Tursellin mit Approbation der Gesell-
schaft Jesu seinem Leben des Heiligen beigegeben hat.
Die Reproduktion ist nach dem Stiche in der Ausgabe
Coloniae Agrippinae, apud Joannem Kinckium sub Mono-
cerote. Anno M.DC.X. anofefertiot und wurde von der
Ogawa'schen Druckerei in Tokyo ausgeführt. Das Bild,
das die nachfolgenden Blätter \-on der £'cis/ior/i Persönlich-
keit Xaviers geben, ist merklich günstiger als das, welches
protestantische Beurteiler, Vvie H. \'enx und \\\ Hoff.maxx
von ihm ofezelchnet haben. Es ist so ausgefallen, nicht nur
weil dem Verfasser die väterliche Mahnung unvergessen
ist, die ihm vor seiner Ausreise nach Japan der am 5.
Januar 1901 dahingeschiedene hochsinnige und h'omme
Grossherzog Carl Alexander von Sachsen, der warmherzige
Gönner der deutschen protestantischen Missionsarbeit 3)
3 Wie sehr dem Enkel Karl Augusts das Werk der Mission am Herzen lag,
bezeugt wolil am besten folgende Acusserung des eklen Fürsten: ,. Ich danke
meinem Gott, dass ich in meinem hohen Alter noch berufen l)in, an einem so schönen
Werke, wie es die ]SIis>ion ist, mitzuarbeiten und Gottes Reich im fernen Ostasien
avsbreiten zu helfen.'-
xii Vorzi'flj't.
und Protektor der deutschen evan^'elischen Diaspora-
Gemeinden in Japan und in China, in der Abschiedsstunde
in der Luthcrzelle auf der Wartburi.^ für seine Doppehvirk-
sanikeit im Lande dc;s Sonnenaulg'angs mit auf den Weg
gegeben hat : „ Halten Sie -christHch k^ricden mit den
KathoHken ! " — es ist so aufgefallen, weil ihm die Persön-
lichkeit und das Wirken des ersten Christentunisverkiin-
digers in Japan wirklich je länger desto mehr Achtung
und Bewunderung abgezwungen liat, und weil er von Dr.
Martin Luther auch dies gelernt hat, der Wahrheit alle-
zeit die Ehre zu geben.
Ich schliesse diese Vorbemerkung, indem ich mir die
Worte zu eigen mache, welche der Jesuitenpater Crasset in
der Vorrede zu seiner japanischen Kirchengeschichte vor
nun mehr als zweihundert Jahren schrieb : ,, Ich schmeichle
mir mit der Hoffnung, dass die Neugierige hierinn ein
WM-gnügen haben, die Fromme erbauet, die Catholische
in dem Glauben gestärcket, die Ungläubige von der Wahr-
heit unserer Religion überwisen, die Kaltsinnige zur
Tugend aufgemuntert, und die V^ollkommene mit einer
hefiftigen Begiercl werden angeflammet werden, das Liecht
des Glaubens in die entferneste Land zu bringen."
HANS HAAS.
Tökvö, Koishikawa, im Sommer 1902.
»o-§r-o<
Uebersicht des Inhalts.
-►♦^-
SEII E.
Vorwort v
Uebersicht des Inhalts xiü
Erstes Kapitel : — Erste Kunde von Japan in pAiropa . . i
Zweites Kapitel: — Auf der Suche nach Zipangu. ... 9
Drittes Kapitel: — Entdeckung Japans durch die Portu-
giesen 15
Viertes Kapitel : — Taufe dreier Japaner in Goa .... 50
Fünftes Kapitel : — Entschki.'^^s Xaviers, das EvangeHum in
Japan zu verkünden (i"/
Sechstes Kapitel : — Xaviers Fahrt naeh Japan und" Lan-
dung in Kagoshima 78
Siebentes Kapitel : — Pohtische und soziale Verhältnisse
J'ipans 95
Achtes Kapitel: — Religiöse und sittliche Zustände . . .106
Neuntes Kapitel : — Anfänge der Missionsarbeit in Kago-
shima 139
Zehntes Kapitel: — Gemeindegri^indung in Hirado . . .163
,, — Exkurs 167
Elftes Kapitel : — Aufenthalt in Yamaguchi und Reise nach
der Hauptstadt 171
Zwölftes Kapitel : — Gri^indung einer Gemeinde in Yama-
guchi 180
Dreizehntes Kapitel: — Franz Xavier geht nach Bungo . 192
xiv UcbcrskJit des Inhalts.
SKITK.
Vierzehntes Kapitel: — Schicksale der Gemeinde in Yania-
L^uchi nacli Xaviers Weg<^ani4- 205
Fünfzehntes Kapitel : — Rückblick auf Xaviers Kämpfe in
Japan 214
Sechzehntes Kapitel : — Xaviers Abschied von Japan. . . 229
Siebzehntes Kapitel: — Zur Würdii^uno- Xaviers .... 232
Literatur zum Leben Franz Xax'iers 237
ANHANG.
I. Katechetisches Sendschreiben an die Bewohner
der Moiukken (Xaviers ausführliche luklärunij des
Glaubensbekenntnisses) 243
II. Auszuge aus dem Berichte des Schiffskapitäns
Georg Alvarez über Japan 269
III. Beschreibung der Gebräuche und Sitten auf einer
erst küi'zlich gegen Norden entdeckten Insel,
Japan mit Namen. (Xach den INIitteilungcn Pauls,
früher genannt Angero, der, ein Lingcborencr der ge-.
nannten Insel, sich kürzlich zu unserem heiligen
Glauben bekehrte) 280
IV. Pauli Japonii ad Societatem Jesu in Indiam 301
ERSTES KAPITEL.
Erste Kunde von Japan in Europa.
Habcnt sua fata libclli. Auch Bücher haben ihr Erlebtes.
Es mögen deren aber nicht allzu viele sein, von denen das mehr
gälte als von einem, das im Jahre 1298 in Genua entstand. Sein
Autor, ein vielgewanderter Odysseus und offenbar kein Mann der
Feder, hat es nicht selbst geschrieben! Wie ein Ibn Batuta, der
Mönch Odoric, Nicolo Conti und andere berühmte Reisende des
Mittelalters, die nicht nach literarischen Ehren geizten, hat er sich
nur bereden lassen, die Beschreibung seiner Reisen einem andern
zu diktieren. Seine Zeitgenossen nahmen das fertige Werk als
Fabelbuch auf, so et\v\a wie die ,, Cento Novelle " oder w'ie
,, Tausend und Eine Nacht ", und Jacopo d'Acqui's Chronik
„ Iinago JSIiDidi'' berichtet, dass der Verfasser sich noch auf
seinem Sterbebette von besorgten Freunden ermahnen lassen
musste, seinen Reiseerinnerungen durch Ausmerzung alles Fabulier-
ten den Doppelcharakter von Wahrheit und Dichtung zu beneh-
men und so seine Seele zu einem frommen Abscheiden aus der
Welt christlich zu salvieren. Der Sterbende versicherte, er habe
nicht die Hälfte dessen erzählt, was er wirklich gesehen, und Hess
das Buch so, wie es war. Es wurde trotzdem, oder vielleicht gerade
wegen der unglaublichen Dinge, die es enthielt, aufs eifrigste
gelesen, durch Abschriften vervielfältigt in Italien verbreitet, auch
in eine Reihe anderer europäischer Sprachen übertragen und
wieder und wieder übersetzt. Für geraume Weile, für ein Jahr-
hundert, war es alsdann, so scheint es, ganz vergessen. Im
Zeitalter der grossen Entdeckungen aber wurde es aus seiner
2 Erste Kunde von Japan in Europa.
Verfressenheit wieder hervorgezogen \\\\C[ niclit lange nach Er-
findung der schwarzxn Kunst zum erstenmal 1477 zu Nürnberg
und gleichzeitig in Wien deutsch und im selben Jahrhundert noch
in vier anderen Ausgaben in deutscher und lateinischer Sprache
und in venetianischer Mundart gedruckt. Lange verkannt, fing
der „Orbis pictus" nun an, eine gerechtere Schätzung zu erfahren,
und lieferte zur Begründung der modernen Geographie Asiens
einen wichtigen Beitrag, ohne dass jedoch das Misstrauen gegen
die Glaubwürdigkeit des in dem Ikiche Berichteten völlig ge-
schwunden wäre. Die Anerkennung aber, die das Werk von An-
fang an verdient hätte, ist ihm erst im dahingegangenen Jahrhun-
dert ganz zu teil geworden, obwohl es auch 1829 noch ein K. D.
Hillmann in seinem Werke über das Städtewesen des Mittelalters
allen Ernstes als eine im Dienste klerikaler und kaufmännischer
Interessen fabrizierte kirchliche Reisedichtung bezeichnen konnte,
die Begeisterung fi^ir die Bekehrung der Mongolen entzünden und
damit den Handel in ihren Gebieten erleichtern sollte. Erst im
dahingegangenen Jahrhundert auch (1824) wurde das Buch,
nachdem es in vielen, sehr von einander abweichenden, Bearbei-
tungen in Italien, Deutschland, Portugal, Spanien, Frankreich,
Holland und der Schweiz erschienen war, von der Societe de
Geographie in Paris auf Grund der in der dortigen Bibliothek
erhaltenen wertvollsten aller Plandschriften in seiner Urgestalt
veröffentlicht. P^s ist das \\^erk, dem wir ausser vielem anderem,
davon hier nicht zu reden ist, die erste Kunde von Japan ver-
danken.
Die ^o'iiT.cn ühQV Zipangu^) — so wird Japan genannt — , die
es in einigen kurzen Kapiteln des dritten Buchs enthält, sind es
wohl wert, in vollständiger Wiedergabe hier einen Platz zu finden.
I. ZipangH, in anderen Handschriften Cipatigo, Chipangu, Sypangu, Cipvtgu,
Ciinpagu, Simpagii, Zipangri, Cyaiiipagu, Sapangu, ist, wie unser „Japan", nichts als
eine Korrumpierung von fj TJs; [§ Jilipen-kuo, „Sonnenaufgangsland", wie die Chine-
sen oder Koreaner das östlich von ilmcn gelegene Reich benannten. Die Japaner
bezeichnen ihr Land mit densellien Zeiclien, unter Weglassung des Endworts kuo
„Land" und in alter, mit den Schriftbihlcrn eingeführter, chinesischer Aussprache :
Nihon oder Nijjpon {jncJd ,, Sonne ", hon „Ursprung"), meist mit Vorsetzung von
Erste Kunde von Japan in Europa. 3
,, Zipangu ist eine Insel in der hohen See gen Osten, 1500
Meilen vom Festlande entfernt.-) Ihr Umfang ist sehr gross.
Die Einwohner sind von weisser Farbe, wohlgestaltet und von
guten Sitten. Sie sind Götzendiener 3) und von niemandem
abhängig. Und ich kann euch sagen, die IMenge Goldes, die
sie haben, ist unendlich ; denn sie finden es auf ihren eigenen
Inseln, und der König gestattet seine Ausfuhr nicht. Zudem
besuchen nur wenige Kaufleute das Land,4) da es so weit vom
;fc Dai „ Gross ", beanspruchen jedoch die Urheberschaft für sich. Nach dem
S/iakum'/ioiigi, einem Nihongikommentar des 13. Jahrb., wäre der Name zuerst in
der Periode Wuteh (618-627) angewendet worden (siehe Florenz, Niliongi, Buch
XXII. S. 29). Eine schiefe Darstellung, die nicht nur mit den koreanischen und
chinesischen, sondern selbst mit den japanischen Quellen in Widerspruch steht, gibt
die Hütory of the Empire of Japan. By Order of the Department of Education,
Tokyo 1893, P- 49- ^Väre, was jedoch höchst unwahrscheinlich ist, der Name, der
nicht vor 670 n. Chr. für das vorher gebräuchliche IVa eingeführt wurde, nicht von
den Chinesen oder Koreanern aufgebracht, sondern japanischen Ursprungs, so könnte
man höchstens annehmen, dass er vor Alters von den Eingebornen der westlichen
Provinzen für die östlich gelegenen gebraucht worden sei. (Vgl. ^^^ G. AsTOX,
Early Japanese Histofy. Transactions of the Asiatic Society of Japan, Vol. X\'I.
Part I. p. 42).
2. Die wirkliche Entfernung Japans von der chinesischen Küste, an die hier
gedacht ist (statt Festland lesen andere Handschriften Mangi), beträgt nicht mehr
als 500 Meilen. Th. Wright {T/ie Travels of Marco Polo, London 1854, p. 350)
nimmt daher an, dass hier chinesische Meilen (//) gemeint sind. Ed. Fraissi.net {Le
Japan, Nouvelle Edition, Paris 1864. Tome I. p. 30) erklärt die Angabe dahin,
dass die Höflinge des Grossen Chan, an dessen Hof Marco Polo lebte und seine
Informationen erhielt, die Entfernung absichtlich übertrieben, um das Missglücken
der gegen Zipangu ausgerüsteten Expedition dem Chan verständlicher und ent-
schuldbarer erscheinen zu lassen.
3. F. Peregrin [ßlarco PaoMs Reise in den Orient, Ronneburg und Leipzig
1S02) hat statt des.sen: „Sie bekennen sich zur Lehre Mahomeds." So liest man
wirklich in einigen Handschriften, eine Variante, die offenbar nichts ist als der
Korrekturversuch eines Abschreibers oder Uebersetzers.
4. Auch Franz X.A.VIER schreibt am 9. April 1552 von Goa aus an P. Simon
Rodriguez : „ Die Japaner verachten alle andern Nationen. Dies war auch der
Grund, warum sie mit keinem Volke Handelsverbindungen hatten, bis die Portu-
giesen vor acht oder neun Jahren dort landeten." In Wirklichkeit haben Handels-
beziehungen zwischen China und Japan fast immer bestanden. Völlig unterbrochen
waren sie nur auf einige Zeit nach den wiederholten Mongolenangriffen gegen
Ende des 13. Jahrhunderts.
4 Erste Kunde von Japan in Europa.
Fcstlandc entfernt ist ; und so kommt es, dass sie einen uner-
messlichen Ucberfluss an Gold haben. 5)
Ich will euch etwas Wunderbares von dem Palaste des Beherr-
schers dieser Insel erzählen. Er hat, müsst ihr wissen, einen
grossen Palast, der ganz mit feinem Golde gedeckt ist, gerade so
wie bei uns die Kirchen mit Blei gedeckt sind, dass es schwerlich
möglich wäre, seinen Wert zu schätzen. Zudem sind das ganze
Gefliese des Palastes und die Böden seiner Gemächer durchaus
von Gold, in Platten gleich Steintafeln, gut zwei Finger dick.
Auch die P'enstcr sind von Gold, so dass überhaupt der Reich-
tum dieses Palastes über alle Massen ist und allen Glauben
übersteigt. 6)
5. In Wirklichkeit ist die Goldproduktion in Japan verhältnismässig gering.
Im J. 1887 z. B. betrug sie nur 521 kg, wovon lA; auf Sado, 1/4 auf die Bergwerke
in der Provinz Rikuchu kommt. Zeitweilig hatten sich allerdings während langer
Absperrung Goldschätze aufgesammelt. (Siehe K.Rathgen, Japanh Volksruirth-
schaft wid Staatshaushalt, Leipzig 1891, S. 158 f.) Entgegen der traditionellen, auf
einer Reihe von Interpretationsfehlern und jNIissverständnissen beruhenden Annahme,
dass Japan trotz seiner Abgeschlossenheit im 16. Jahrhundert für Europa eine Gold-
quelle ersten Ranges gewesen sei, hat Dr. L. Riess in einer auf die im Ilaager
Reichsarchiv aufbewahrten Akten der ehemaligen holländischen Ostindischen Kom-
pagnie gestützten, verlässlichen Untersuchung über den wirklichen Umfang der
Goldausfuhr aus Japan festgestellt : Die portugiesische Goldausfuhr aus Japan von
1 542-1 640 ist gleich Null anzusetzen. Durch die Holländer hat bis zum Jahre
1663 eine Ausfuhr japanischen Goldes überhaupt nicht stattgefunden. Den an Ort
und Stelle befindlichen Kaufleulen war Japan das vSilberland, und Gold auch in
Japan ein chinesisches Produkt. Der Gesamtexport von Gold seit der Ankunft der
Portugiesen bis zum Ausfuhrverbot von 1752 hat nachweislich nicht über 50 Millionen
Mark betragen. (Z'/V GoldausfiiJir aus Japan im 16., ij. ^ciui 18. Jalirliitiidcr.t
Zeitschrift für Social- und Wirthschaftsgeschichte, \'I. S. S. 144-169)-
6. Zu dieser Angabe macht O. N.VCHOd die Bemerkung : „ Der Goldreichtum
Japans, wohin er selbst ja nicht gekommen, ist ihm jedenfalls übertrieben ge-
schildert worden. Ob nun im Paläste des Milcado der Belag des Fussbodens
wirklich zwei Finger dickes Gold gewesen, ist aber auch nicht von grossem Belang ;
unmöglich wäre eine derartige, allerdings sonderbare Form der Thesaurirung im-
merhin nicht; denn eine damalige Aufspeicherung grosser Goldschätze in Japan,
wo dieses Metall noch keine Bedeutung für Münzzwecke erlangt hatte und auch
kaum gegen \\'aaren ins Ausland abfloss, kann nicht befremden." (^Die Beziehungen
der Niedefländischen Ostindischen Kompagnie zu Japan im siebzehnten Jahrhutidert,
Leipzig 1S97, S. 26.)
Erste Kunde von Japan in Europa. 5
Sic haben auch Perlen in grosser Menge, die von einer
rosa Farbe, aber fein, gross und rund und eben so wertvoll wie
die weissen sind. 7) Auf dieser Insel werden die Toten teils
begraben, teils verbrannt.^) Wenn ein Leichnam verbrannt wird,
stecken sie ihm eine von diesen Perlen in den Mund ; denn das ist
Brauch bei ihnen. Sie haben auch eine Masse andere Edelsteine.
Nun müsst ihr wissen, die Götzen von Cathay9), von
Nahe bei Kyoto in Yawata steht ein alter, dem Kriegsgotte Hachiman (Kaiser
Ojin) geweihter Tempel, dessen 80 Fuss lange, 3 Fuss breite und I Fuss dicke
Dachrinne [lü'n no ioyu-dake) aus Gold ist [„'ichich remains tuidistiirbed despite tlie
great teniptation to convert it iuto current coin"^ bemerkt Ml'rray's Ilandbook for
Ti-ave/Iei's in Japan). Goldene Kronleuchter und Statuen aus alten Zeiten sind noch
heute zu Kyoto im Xishi Hongwan-ji und anderen Tempeln zu sehen. Und eine
der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der einstigen Mikadostadt ist der 1397 von
dem Exshogun Ashikaga Yoshimitsu errichtete goldene Pavillon des Kinkaku-ji,
dessen oberstes Stockwerk noch heute erkennen lässt, dass seine Decken, Wände,
Fussböden etc. dick mit Gold belegt waren.
Nicht am Platze ist die Anmerkung Yl'le's, dass auch nach dem arabischen
Geographen Edrisi (1153-1154) der Uebertluss an Gold so gross gewesen sei, dass
die Einwohner die Halsketten für ihre Hunde aus Gold fertigten. {^T/ie Book of
Ser Marco Polo, 2d. ed. Vol. IL p. 238, und CatJiay and the IVay tJnthei; Vol. I.
pp. CVI und CX). Edrisi spricht von Sila, womit nicht Japan, sondern Korea
gemeint ist.
7. Kaempfer berichtet, dass die Perlen von Austern und anderen Muschel-
tieren, die besonders um Satsuma und im Seebusen von Omura nicht selten sind
und von jedem frei gesammelt werden durften, von den Japanern nicht geachtet
wurden, bis sie deren Wert von den Chinesen lernten, welche diese Schmuckjuwelen
für ihre Frauen erhandelten. Zu seiner Zeit war das Einsammeln dieser Muscheln
zur Speise, das früher erlaubt war, bereits verboten. {^GescJnchie und Beschreibung
von Japan. Deutsche Ausgabe von DoHM. Bd. I. S. 126 f.)
8. Die älteste Weise der Leichenbestattung in Japan war die Beerdigung.
Die erste Leichenverbrennung fand im J. 701 n. Chr. statt in dem Fall eines bud-
dhistischen Priesters Dosho, der dieselbe letztwillig angeordnet hatte. Zwei Jahre
später wurde die Leiche der Kaiserin Jito verbrannt, und seit dieser Zeit war diese
vom Buddhismus eingeführte Neuerung bis zum J. 1644 am Hofe fester Brauch.
Beim Volke fand die Leichenverbrennung erst seit Anfang des 9. Jahrhunderts, d.h.
mit dem allmählichen Siege der fremden Religion, die bis dahin ihre Anhänger
nur unter den höheren Klassen gehabt hatte, allgemeinen Eingang. (Siehe Arthur
Hyde Lay, Japanese Funeral Rites. Transact. of the As. Soc. of Japan, Vol. XIX.
Part III).
9. Dies ist der Name^ unter dem das chinesische Reich im Mittelalter Europa
6 Erste Kunde von Japan in Europa.
I\Tan/.i i°), und die Götzen dieser Insel sind alle von derselben
Art. Und auf dieser Insel, wie auch anderwärts, gibt es einige
Götzenbilder, die den Kopf von einem Ochsen, andere, die den
Kopf von einem Schweine, von einem Hunde oder Schaf haben,
und noch andere von mancherlei Gestalt. Manche von ihnen
haben vier Köj)fe, während andere drei haben, von welchen je einer
aus beiden Schultern wächst. Es gibt auch solche, die vier, an-
dere, die zehn, und wieder andere, die tausend Hände haben. Und
sie setzen mehr Vertrauen auf die tausendhändigen als auf irgend
welche andere. ^i) Und befragt sie ein Christ, weshalb sie ihre
Götzen in so vielerlei verschiedenen Gestalten und nicht alle
gleich machen, so geben sie zur Antwort, dass just so ihre Väter
gewohnt waren, sie machen zu lassen, und gerade so würden sie
dieselben ihren Kindern und diese den nachfolgenden Geschlech-
tern hinterlassen. Und so werden sie für alle Zeiten vererbt
und für nahezu looo Jahre den Völkern Centralasiens bekannt war. Die Russen
nennen es noch heute Khitai. Ueber die Entstehung des Namens siehe YuLE,
Cathay aiui ihc M'ay thilhcr, Vol. I. p. C'XVI f ; und Yule, The Book of Ser Marco
Polo, Introductory Notices p. ii. iJcr Name wird besonders für die nördlichen
Provinzen gebraucht.
10. Alaiizi oder, wie andere Reisende schreiben, ilLntgi ist .Südchina im Ge-
gensatz zu Cathay.
11. Die Beschreibung der Götzenbilder entspricht vollkommen der Wirklich-
keit. Mit drei Augen und sechs Armen wird z. B. Aizcii-mvö-d, die Gottheit der
Liebe, mit acht Armen und mehreren Köpfen Marishiten dargestellt. Die Götlin
K'iOtiinon hat oft drei Gesichter mit einem Pferdekopf über dem mittleren und
vier Paar Arme. Sie heisst auch die „Tausendhändige." In Wirklichkeit freilich
haben ihre Bildnisse nur vierzig Pfände, welche die verschiedenen buddhistischen
Embleme halten. Sie ist identisch mit dem in Indien verehrten Avahkitecvara,
der in ("hina, zu eijicr weiblichen (joltlieit geworden, Kw(Uiyiii heisst und im
ganzen Gelnete des nördlichen Buddhismus alle anderen an Popularität übertrifft.
Sie ist die Gc'Hlin, die tausend Arme und tausend Augen und ein erbarmungsvolles
Herz hat, alle Gebete zu hören und aus aller Not zu helfen. Ihre Darteilung mit
tausend Händen wird so erklärt. T^in König in China befahl die Anfertigung einer
Kwanyin-statuc, mit Armen und Augen vollständig ausgeführt. Da aber das Wort
„vollständig" im Chinesischen denselben Klang [ts'-icn') hat, wie das Wort für
,, tausend" [tsU'cn), geschah es, dass der Künstler den Auftrag falsch verstand.
(Nach Eitel, BuddJiisni : its historkal, tJieorctical and populär aspccts. 3d ed. 1SS4,
pp. 124-131).
Erste Kunde von Japan in Europa. y
werden. Und merket wohl, die Handlungen, die diesen Götzen
zugeschrieben werden, sind ein solcher Ausbund von Teufelskram,
dass es am besten ist, nicht davon zu reden. So sei 's denn
genug von den Götzen — und lasset uns von andern Dingen
sprechen.
Aber ich muss euch noch etwas von dieser Insel erzählen
(und genau so ist 's auf den andern indischen Eilanden) : wenn
die Eingebornen einen Feind, der kein Lösegeld zahlen kann,
zum Gefangenen machen, so lädt derjenige, dess der Gefangene
ist, alle seine Freunde und Verwandten ein, und sie bringen den
Gefangenen um, und dann kochen sie ihn und verspeisen ihn ;
und sie sagen, kein Fleisch in der Welt sei so gut.''^^)
Was Marco Polo (geb. 1254, gest. 1324)13) — denn er ist es,
von dem diese erste Erwähnung des Inselvolks im fernsten Osten,
durch die P^uropa zuerst von der Existenz Japans erfuhr, stammt —
12. Neuere Ausgrabungen in Omori, wo man künstlich gebrochene menscHiche
Gebeine fand, hat man als Beweis dafür nehmen wollen, dass den Japanern in alter
Zeit wirklich kannibalische Gewohnheiten eigen gewesen seien. (Siehe Ed. vS.
Morse, The Shell Mounds of Omori. Memoirs of the Science Dept. of the Univer-
sity of Tokyo 1879. Vol. I. Part I. Idem, Evidences of Cannibalism in a nation
before the Ainos in Japan. Proceedings American Association Advancement of
Science, 1878 und Tokio Times 1879, 18. Januar; und H. VON SiEBOLD, A'^oies on
Japanese Archaeology li'itJi- cspecial reference to the stone-age, Yokohama 1879. p.
14). Sie fielen jedoch wohl eher den Ainu zur Last, die einst die Gegend inne
hatten. Die Angabe bei Marco Polo verrät sich als Erfindung der Tartaren, die
über die ^'ernichtung ihrer Flotte durch die Japaner ergrimmt waren. Fraissixet
(a. a. O. I, 32) spricht die Vermutung aus, dass das in China gehende falsche
Gerücht über die Japaner sich vielleicht aus der Kunde von der altjapanischen
Sitte, beim Tode der Grossen ^'asallen und Sklaven lebendig mit zu begraben,
herzuleiten sei.
13. Henry Yule, The Book of Ser Marco Polo. In 2 Vul. i. ed. 1871 ; 2.
ed. 1875, """i ^I- ^- Pauthier, Le Livre de Marco Polo, 1865, zwei mit bio-
graphischen und literargeschichtlichen Einleitungen und Kommentar versehene ge-
lehrte Werke, durch die Marsdens 1818 erschienene berühmte englische Marco Polo-
Ausgabe mit Anmerkungen, die merkwürdiger Weise noch Muensterberg in seinem
1896 erschienenen Buch „Japan'. Answärtiger Handel" in der Bibliographie als
die sorgfältigste empfiehlt, vollständig antiquiert ist. An einer den beiden genannten
französischen und englischen ebenbürtigen deutschen Bearbeitung fehlt es noch. Die
letzte deutsche Ucbersetzung, erschienen 1845 '" I^eipzig, ist von BUERCK,
8 Erste Kunde i'on Japan in Europa.
so zwei oder drei Jahre nach seiner Heimkehr aus dem Osten in
der Müsse seiner nicht ganz ein Jalir dauernden Gefangnishaft in
Genua, in die er als sopraconiito einer Galeere der venetianischen
Flotte Andrea Dandolos mit über 7000 anderen in der Seeschlacht
der beiden immer aufeinander eifersüchtigen Handelsrcpubliken
bei Curzola (7. September 1298) geraten war, einem Pvlitgefang-
enen, dem federgewandten Pisaner Rusticiano oder Rustichello,
über Japan diktierte, und was dieser in einem seltsamen, barbari-
schen Französisch zu Pergament brachte, das ist freilich im ein-
zelnen weniger genau als die sonstigen Angaben in den noch
heute fesselnden Reiseerinnerungen des venetianischen Patriziers,
den seine ungläubigen Zeitgenossen wegen der Millionen, von
denen er zu berichten hatte, ,, Messer Marco Millioni", sein
jüngster Uebersetzer aber in gerechterer Schätzung i\c\\ ,, Ilerodot
des Mittelalters " und JMalte-Briin übertreibend gar den Hum-
boldt des 13. Jahrhunderts genannt hat. Das macht, er hat
Zipangu nicht selbst gesehen, wie man ihm fälschlich nach-
gerühmt hat;H) er hatte von dem Inselreich im Osten Chinas
nur gehört während seines siebzehnjährigen (1275 — Anfang 1292),
freilich oft durch wichtige Missionen in verschiedene Länder
Asiens zeitweilig unterbrochenen Aufenthalts in Cambaluc (Peking)
an dem neuerrichteten glänzenden Hof des grossen Mongolen-
Chans Kublai, dem gerade in dieser Zeit (1281) seine Dschun-
ken zu gründe gegangen waren bei dem Versuche, dasselbe
seinem ungeheueren Reiche als Vasallenland zuzufügen. Nur
drei entrannen nach japanischen Berichten von den 100,000
Angreifern nach China, um ihrem Herrn das Schicksal anzusagen,
das seine Plotte getrvoffen. Pls war das Schicksal der spanischen
Armada.
14. Rampoldi in seinen Aiinali Ähisiilmani, Milan 1S25.
ZWEITES KAPITEL.
Auf der Suche nach ZiDanau.
Auf der Suche nach Indien, dem Lande der Spezereien,
nach Cathay, dem Reiche des grossen Chan, und nicht am wenig-
sten nach Zipangu, von dessen Goldreichtum Marco Polo so
verlockende Schilderungen gemacht hatte, war zweihundert Jahre
später Christoph Columbiis, als ihm die Königin von Spanien
die Mittel zur Verfügung stellte zur Ausrüstung jener kühnen
Expedition, zu der der Plan in dem erfahrenen Seefahrer von lange
lier gereift war. Es ist nicht richtig, was PauthierO sagt, dass
Columbus, was er nachher durch sie erreichte, seiner Lektüre des
Buches des berühmten Reisenden von Venedig verdankt habe.
Zutreffender ist es, wenn YuLE bemerkt, dass der Sporn, den sein
Buch schliesslich den geographischen Studien gab, und die Leucht-
feuer, die es an den äussersten Ostgrenzen der Erde aufsteckte,
dazu halfen, die Absichten des grösseren Sohnes der republikani-
schen Rivalin zu leiten, wenn auch schwerlich, die Begeisterung
dazu erst in ihm zu entfachen. 2) Der Gedanke Colons, auf west-
licher Fahrt nach dem Osten zu gelangen, hatte seinen Grund in
der irrigen Anschauung, die er mit Ptolemaeus und vielen Kos-
mographen des Mittelalters teilte, dass das asiatische Festland
sich viel weiter, als es in Wirklichkeit der Fall ist, nach Osten
dehne, und in seiner Unterschätzung der Breite des Atlantischen
Ozeans, wodurch in seiner Vorstellung die Westgestade Europas
und die äussersten Enden des asiatischen Kontinents bedeutend
aneinander rückten. 3) Delkcluse ist, so zuversichtlich er sich
1. A. a. O. Introduction p. LXXIX.
2. llic Book of Sei- I\Iarco Polo. 2d. ed. Introductory Notices p. 103.
3. Vgl. M. VON Br.V-NDT, OstasiatiscJie Fragen, Berlin 1S97, ^- 3 ff- Abge-
druckt aus den Rlittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde
Ostasieus, 1S74. Band V. S. 28.
lO Auf der Suche nach Zipangu.
äussert, im Irrtum mit seiner Ansieht : ,, 0)i iic pcut doutcr, cn
liSiDit la rchxtio)i originale du prenner voyagc quc fit Christophe
Cülond), de 14^2 ä 1304. [?], que toutes /es specidations qu'd
avait faites sur l'etenduc de la tcrre et la position relative des
dificrentes contrccs, ne fussent calculees d' apres les rcnseignenicnts
que lui avait fournis F ouvrage de Marco Polo."^) Schon YuleS)
hat, wie vor ihm Jancigny,6) bemerkt, dass Columbus niemals mit
Namen auf Marco Polo Bezug nimmt. Ich finde aber in seinem
Tagebuche eine Eintragung, aus der mit Evidenz hervorgeht, 'dass
er keine direkte Kenntnis seines Buches hatte. Cuba für einen
Teil des asiatischen Eestlands nehmend, vermutet er den Gross-
Chan in nächster Nähe ,, oder in der Stadt Catai, welche diesem
mächtigen Eürsten gehört, wie mir vor meiner Abreise von Spanien
gesagt Avurde."7) Columbus waisste von dem, was ]\Iarco Polo
berichtet, nur aus zweiter Hand. Am Hofe Alphons V. von
Portugal hatte man die Frage, die damals so zu sagen in der
Luft lag, schon oft erörtert, wie die ,, Länder der Spezereien" am
leichtesten auf dem westlichen Wege aufgesucht werden könnten.
Der Kanonikus Fernando Martinez hatte im Auftrage des Königs
den Florentiner .Astronomen Paolo dal Pozzo Toscanelli um ein
fachmännisches Urteil angegangen. An ihn, der bei seinen Zeit-
genossen den Ruf des grössten Mathematikers und Kosmographen
genoss, wandte sich auch Columbus, der sich schon damals mit
seinen P^ntdeckerplänen trug, durch Vermittlung eines Freundes
in Lissabon, des italienischen Kaufmanns Lorenzo Giraldi, und
erhielt von ihm eine Abschrift der vom 25. Juni 1474 datierten
4. A\itke biographiqiie sur Marco Polo in „Revue des Deux-Mondes ", Juliheft
1S32.— Achnlich f'K.\issiNET {Le Japan, Tome I. pp. 35 ff.) und GuiFFiS {The Mi-
kados Empire p. 247 : " Columlms 7oas an. ardcnt studcut of Polds Book ") und
noch 1S92 Rein [Geographische tmd Nalurwisscnsc/iafilic/ie Abhhandluiigeii S. 28). u.
a. Auch HlLDRETii {Japan as it luas and is. p. 14) sagt : „ Columbus was grcatly
stimulated to tmdcrtake his lücstern voyages by thc conslanl study of Marco Polu's
iravels."
5. A. a. O. Introductory Notices, p. 103.
6. Japan, Indo-Chine, Ceylan etc. Paris 1S50, p. i.
7. Navarrete, Collecion de los Viagcs. 1825, I, 44 (zum 2P. Oktober).
Auf der Suche nach Zipangn. 1 1
Antwort, die er dem Kanonikus geschrieben, nebst einer zu-
gehörigen Seekarte, die genau mit der diesem übersandten über-
einstimmte und die Cokunbus später auf seine Entdeckungsreise
mitnahm. In dem Schreiben an INIartinez, das Henry Harrisse
in der Biblioteca Colombina zu Sevilla in einer von Columbus selbst
geschriebenen Kopie in der ursprünglichen lateinischen Fassung
entdeckte (in mangelhaften italienischen und spanischen Ueber-
sctzungen war es schon innner bekannt), zeigt Toscanelli gute
Vertrautheit mit Marco Polos Reisebeschreibung. Columbus aber
verrät keinerlei Kenntnis dieses Buches, die hinausginge über das
von Toscanelli in diesem Briefe aus demselben Mitgeteilte. Mit
Bezug auf Zipangu schreibt Toscanelli: ,,<?/; insuLa antilia vobis
nota ad iiisulaui nobilissimain cippangii sunt deccin spatia. est cniiii
illa iiisula fertilissima auro inargaritis et geininis, et amv solido
coope rinnt tenpla et donios regia s, itäqne per yg)wta itinera non
magna nmris spacia transeundum.'''^)
Es war Ehrgeiz und Eitelkeit und noch mehr als beides
Gier nach den Goldschätzen des Ostens, von denen nicht durch
Polo allein die Kunde nach Europa getragen worden war, was den
Genuesen mit solcher Zähigkeit seinen einmal gefassten Plan ver-
folgen liess, den unbekannten Ozean, der sich westlich von Europa
hinbreitet, durchfahrend auf vermeintlich kürzerem und beque-
merem Wege als bisher die Länder des Ostens zu erreichen.
Aber wie bei Königin Isabella, die sich für sein Projekt gewinnen
liess, mit der Hoffnung auf Mehrung der spanischen Macht und
des Reichtums der Krone der religiöse Beweggrund verknüpft war,
8. In einem soeben als erschienen angekündigten Buche zur Geschichte der
Entdeckung von Amerika [La lettre et la carte de Toscanelli siir la rötete des Indes
par P Öltest. Paris, Ernest I-eroux, 1902), das ich nicht selbst mehr einsehen kann,
sucht IIknry Vignaud diese berühmten, Toscanelli zugeschriebenen, Dokumente,
seinen Brief an den König vom Jahre 1474 und die denselben begleitende Karte, als
literarische Fälschungen zu erweisen und zu zeigen, dass der Florentiner niemals
irgendwelche Beziehungen zu Columbus hatte. Nach Reccnsionen des Buchs scheint
es, dass Vignaud, mit gestützt auf diese vermeintliche Entdeckung, den Nachweis
liefern will, dass Colons Plan nicht auf wissenschaftlicher Grundlage, vielmehr auf
positiven Nachrichten über westlich gelegene Länder ruhte.
12 Aiif der Suche nach Zipangii.
durch Christianisierung^ clor zu entdeckenden und zu erobernden
Insehi ein gottwohli^-enUhges Werk zu thun, so hat auch Colunibus
bei seinem Unternehmen, wie aus seiner an die spanischen Hohei-
ten gerichteten Einleitung zu seinem Schiffstagebuche klar her-
vorgeht, den Gedanken gehabt, zu erkunden, ,,wie man dort unsern
heiligen Glauben einführen könnte."
Schon im Jahre 1492 also war Japan das Christentum zuge-
dacht. Denn dieses der Ostküste Asiens vorgelagerte Goldland
Zipangu, auf das er nach Toscanelli ja zuerst zu stossen hüffen
musstc, war das nächste Ziel Colons, als er am 3. August dieses
Jahres an einem Freitag, morgens um 8 Uhr, in Palos vom Deck
der Santa Maria aus im Namen Jesu Christi Befehl zum Lichten
der Anker und Hissen der Segel gab. Und als er am 15. März
des folgenden Jahres, wieder an einem Freitag, von seiner ersten
Fahrt heimgekehrt, vor Palos Anker warf, nannte er Zipangu
als das Land, von dem er gekommen. Diese Angabe beruhte,
wie Hl'.mijjldt aus dem Tagebuche des Entdeckers erwiesen hat,
auf einer wirklichen Ueberzeugung. Wir lesen, dass Martin Alonso
Pinzon dem Admiral unterwegs riet, seinen westlichen Kurs in
einen südwestlichen umzuändern, damit sie Zipangu erreichen
möchten, und dass dieser am 7. Oktober diesem Rate folgte. Als
sie nach dreiunddreissigtägiger Fahrt seit Verlassen der Kana-
rischen Liseln und nach neunundsechzig Tagen seit jenem Freitag
der Ausfahrt vom heimischen Ilafen, auch an einem Freitag
Morgen, dem 12. Oktober, endlich auf ihren drei Caravellen im
Anblick des ersehnten Landes, der Insel Guanahani, das Te Dcuin
anstimmen konnten, da hatte der P^ntdecker keinen Zweifel, dass
diese Insel der Bahamas, der er den Namen San Salvador gab,
der Küste des asiatischen Festlandes vorgelagert sei. Einen Tag
nach der Landung bemerkt er in seinem durch La Casas bewahrt
gebliebenen Tagebuche : ,,Das Gold, das sie (die Eingeborenen)
in den Nasenlöchern tragen, findet sich auch, aber ich lasse nicht
darnach suchen, um keine Zeit zu verlieren, denn ich will sehen,
ob ich nicht an der Insel Cipangu landen kann." Die Einge-
orenen anderer Bahamaeilande, die er in den folgenden Tagen
Auf der Suche nach Zipangn. 13
auffand, sprachen ihm von der grossen Insel Cuba, in der er
alsbald Zipangu vermutet : ,, Ich glaube nach den Angaben,
welche mir alle Indianer dieser Inseln, und ebenso jene, die ich
mit mir führe, machten, dass jenes die Insel Cipangu ist, von der
man so wunderbare Dinge erzählt. Auf den Globen, die ich sah,
und auf den Weltkarten ist sie in jener Gegend." Am 28.
Oktober berührte er die Insel, in der er jedoch dann sehr bald,
durch die Grösse des Landes in seinem Glauben wankend ge-
macht, eine Provinz von Cathay, also einen Teil des asiatischen
Kontinents, vermutete. Von da ab war er wieder auf der Suche
nach Zipangu. Auf seine Fragen wies man ihn nach dem ost-
wärts gelegenen Haiti (von ihm Espafiola getauft). Und als er
daselbst hörte, dass sich im Innern des Landes, im Gebiete von
Civao, Gold in Menge finde, war er durch die Namensgleichheit
verführt, der festen Ueberzeugung, nun endlich in Zipangu zu sein.
Auf seiner zweiten Expedition nach dem Westen, im Februar
1494, zog er nach der Goldlandschaft Ci\'ao, dem vermeintlichen
Zipangu, das er später, immer mehr einem schwärmerischen
Mysticismus anheimfallend, auch mit dem Salomonischen Ophir
gleichsetzte, was freilich schon einen Zeitgenossen veranlasste zu
bemerken, Columbus sei ,, überspannt und rein besessen mit
seiner Insel Cipangu. "9) Wie sehr er darauf erpicht war, den
westlichen Seeweg nach dem Reiche des grossen Chan gefunden
zu haben, zeigt nichts deutlicher als dies, dass er am 12. Juni 1494
seiner ganzen Mannschaft einen Eid abnahm und von jedem seiner
achtzig I>eute die noch heute im Archiv von Sevilla aufbewahrte
sonderbare Urkunde unterzeichnen Hess, dass er die Küste \'on
Cuba, an der sie 335 Leguas Aveit entlang gesegelt waren, nicht
für eine Insel halten wolle, und ,, dass er nicht den geringsten
Zweifel aufkommen lassen wolle, dass es das Festland wäre."
Die Zunge sollte jedem ausgeschnitten werden, der jemals das
Gegenteil aussagen würde.
Von Saul, dem Sohn des Kis, erzählt die Sage (i. Sam. 9),
9. Barros, da Asia. Decada I. Buch III. Kap. il.
14 Auf der Sud IC nach Zipangu.
dass er sich aufmachte, seines Vaters I'.selinnen zu suclicn. Und
der Knecht, den er bei sicli hatte, sagte zu ilim im (iebiet von
Zuph : Hier in dieser Stadt lebt ein Gottesmann, der Mann ist
berühmt ; alles, was er sagt, trifft sicher ein. Lass uns doch
gleich hingehen ; vielleicht gibt er uns Bescheid über (X^tw Weg,
den wir unternommen haben. So wandte Colon sich an Tos-
canelli. Und ein Saul, der ausging, seines Vaters Eselinnen zu
suchen, und fand — ein Königreich, hat Columbus nicht :^war
gefunden, was er suchte, er entdeckte statt dessen im Morgendäm-
mern des 12. Oktober 1492 eine neue Welt, an die er noch viel
w'eniger gedacht als jener Benjamit an das Königreich, zu dessen
P'ürsten ihn der Seher im Schein der Morgenröte salbte. Ihm
aber kam das niemals zum Bewusstsein. ,, Der Glaube, dass er
der Entdecker der ostasiatischen Küste auf dem Seewege war,
hat ihn bis zu seinem letzten Atemzuge nicht verlassen ; er
leuchtet allenthalben aus seinen Briefen und anderen Schriften
hervor, und Columbus hat unausgesetzt danach getrachtet, neue
Beweismomente für diese Ansicht zu gewinnen. Denn seine
Entdeckungen schienen ' ihm erst dann vollen Anspruch auf
Bedeutung zu haben, wenn sich die von ihm aufgefundenen
Länder als Teile des vielgepriesenen, goldreichen Ostens Asiens
erwijsen Jedes Bedenken, welches gegen diese seine Voraus-
setzung laut wurde, empfand er als die bitterste Kränkung, als die
böswilligste Blasphemie seiner Person. "i°)
10. K0NR.\D Kretschmer, Dk Entdeckung Amerikas in iJircr Bedeiitttng für
die Geschichte des Weltbildes. Berlin 1892. S. 277 und 296.
DRITTES KAPITEL.
Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
Passend weist IM. von Brandt darauf hin, dass, während
Cokimbus noch von den Reichtümern von Zipangu träumte, in
Japan der 102. IMikado, Go-Tsuchi-tenno (Kaiser Tsuchi IL), in
solcher Armut starb, dass sein Leichnam vierzig Tage vor den
Thoren des Palastes stand, weil es dem Hofe an den nötigen
Mitteln fehlte, die Kosten der vorschriftsmässigen Beerdigung zu
bestreiten. Aber dass der grosse Entdecker nicht der einzige war,
der sich in Hinsicht auf Japan Illusionen hingab, die mit der
Wirklichkeit in grellem Kontraste standen, dass man sich all-
gemein von der Insel im fernen Westen goldene Berge versprach,
das verrät beispielsweise die Anmerkung, die Behaim auf seinem
bemhmten Nürnberger Globus, der in demselben Jahre entstand,
in welchem Columbus seine P^ntdeckungsfahrt vollführte, zu
Zipangu machte: „In der Insel weckst übcrtrcffiich vil Goldts,
mich 7i>cchst do allcrky Edclgcstains, Perlcin Orienta/.'' Und dass
dieser Glaube anhielt, beweist ein jüngerer, in der Bibliothek des
Grossherzogs von Sachsen-Weimar aufbewahrter Globus, auf
welchem man die Insel 5° westlich von Veragua und dabei die
Legende findet : ,, Zipangri, tibi pipcr et auri copia."'
Gleichwohl hörte nach der Entdeckung von Amerika das
Suchen nach dem Goldlande Zipangri, wie es scheint, mit cinem-
male völlig aufi) Als Grund hiefür gibt De Colto-) die von
Marco Polo verbreitete Kunde von der Menschenfresserei der
1. Für die entgegengesetzte Konstatierung D. MuRR-W's [Japan, 3d. ed. 1896,
erschienen als Band 37 der Serie „ T/ie Story of the Nations ", S. 2) dass aucli
viele Entdecker ?iac/i Columbus danach getrachtet hätten, den Weg nach Zi^jangu zu
finden, konnte ich keine Belege finden.
2. Decada V. Buch VIII. Kap. 12.
i6 Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
japanischen Insulaner an. Mit Recht findet es NaciiodS) unwahr-
scheinlich, dass diese Nachricht die allen Gefahren trotzenden,
kühnen Entdecker des 15. und 16. Jahrhunderts irgend abge-
schreckt hätte. Der Grund ist einfich der, dass das Trachten der
Seefahrer auf andere Gebiete ging, auf das neuentdeckte Amerika
und den durch Bartholomaeus Dias' Umsegelung des Kaps der
guten Hoffnung (i4>S6) erschlossenen indischen Ozean, auf dem
fortab die Portugiesen den bislang durch die Venetianer' und
Araber über Suez betriebenen Handel zwischen Asien und Europa
an sich zogen.
Der eigentliche Begründer der portugiesischen Handelsherr-
schaft wurde, nachdem die Westküste von Indien, Malabar, besucht
und im Jahre 1505 Ceylon entdeckt war, der grosse Admiral
Albuquerque, der in siegreichen Expeditionen die Weltmachtstel-
lung des kleinen europäischen Königreichs durchführte. Der
erste Versuch zwar, Calicut, das Ilauptemporium Ostindiens an
der Küste von Malabar, wo im Mai 1498 bereits Vasco de Gama
gelandet hatte, zu erobern, misslang ihm. Aber im Jahre 15 10
zog er in dem etwa 300 Meilen nördlich davon gelegenen Goa ein,
das bald zum ersten Handelsplatze Indiens wurde. 1 5 1 1 eroberte
er Malakka, wozu bald die Molukken kamen, deren Statthalter
von 15 36- 1540 der treffliche Antonio Galvano war, und dann
Ormuz an der Küste Persiens. Nach seinem 15 15 während der
Vorbereitungen für die Eroberung Arabiens erfolgten Tode landete
15 17 eine portugiesische P"lotte unter dem Befehl des Fernäo
Pirez d'Andrade in Tamu bei Kanton, eine andere 1522 auf der
Insel Sanshan unweit dieser Stadt, ohne dass es gelungen wäre,
Handelsbeziehungen mit dem exklusiven China anzuknüpfen.
Doch war, wie Mendez Pinto meldet, in Liampo (Ningpo) eine
grosse portugiesische Kolonie vorhanden, die 1542 zerstört wurde.
Zwei Jahre danach wurde in der Stadt Chincheu (Tschangtschou)
eine ebenfalls bereits nach achtzehn Monaten von den Chinesen
verwüstete Ansiedelung errichtet. Endlich wurde den Portugiesen
■\. A. a. O. S. ^o.
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. if
gestattet, sich auf den Inseln Sanchan und Lampacau in der Nähe
Kantons vorübergehend mit Schiffen aufzuhalten und Handel zu
treiben, und im Jahre 1557 \vurde ihnen zu freiem Handel die öde
Insel Macao überlassen, die, in der Nähe der wichtigen Handelsstadt
Kanton und an der IMündung des gleichnamigen Stromes gelegen,
später ein wichtiger Stapelplatz der Portugiesen und zugleich ein
natürlicher /c»//// d'appui für die Mission der Jesuiten wurde. 4)
Den Handel mit den Portugiesen betrieben zum grossen Teile
chinesische Korsaren, die mit ihren Dschunken die chinesische
See unsicher machten. Mit ihnen aber wetteiferten an Unter-
nehmungsmut und Gewaltthätigkeit seeräubernde Bewohner der
Südwestküsten von Japan, die mit ihren Piratenschiffen, von den
Chinesen nach der Aufschrift ,, Hachiinaii-gn "5) auf ihren Flaggen
Papan-sen genannt, nicht nur die Küsten Koreas verwüsteten,
sondern auch weiter südwärts vordrangen, an den Gestaden Chinas
zu rauben und zu morden, zu sengen und zu brennen. ,, Gerade
so, wie Jahrhunderte hindurch in Europa christliche Kirchen w^ider-
hallten vom Gebet der Litanei : ,,Vor der Wut der Normannen
bchüt' uns, lieber Herre Gott!" so flehten weithin die öden Küsten
des chinesischen Asiens entlang die armen Bewohner zu ihren
Götzen, sie zu rächen an den „JVq/en ". Bis auf den heutigen Tag
schrecken da und dort in Honan in China die Mütter ihre Kinder
mit den Worten : Die Japaner kommen. "6)
So konnte es, nachdem die Portugiesen bis zu den chine-
sischen Küsten vorgedrungen "waren, nicht ausbleiben, dass sie
auch mit Eingeborenen des Inselreichs in Berührung kamen und
den Weg zu ihren Küsten fanden.
4. Siehe Oscar Müensterberg, Japans Aitswärfiger Handel von ij42 bis 18^4,
Stuttgart 1S96, S. 1-7.
5. Hachiman ist der sino-japanische Xame für den japanischen Kriegsgott.
6. W. E. Griffis, T/ie Jieligions of Japan. 2d ed. 1895, S. 328. Vgl. hiezu K.
lIi.Mi.V, lieber zwei chinesische Kartenwerhe (in der Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde, Berlin 1879, S. 387 f.) : „ Längs der Küste von der Yang-tz'-Iviang-
iVIündung bis nach Kuang-Tung fällt der fünfmal wiederholte Name Hai-lVoc (Meer-
Japaner) auf, der sich auf die zur Zeit der Ming geschehenen Landungen der Japaner
bezieht."
1 8 Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
M. VON l^KAXDT sagt in dem bci'cits erwähnten Aufsatz 'TJie
JJiscin'cry of Japan and t/ie Introduction oj Christ ianity': ,,VÄn be-
stimmtes Datum für die luitdeckung von Japan und die Namen der
Entdecker anzugeben ist auch heute noch nicht möghch " und
hat diesen Satz in seinem 1897, also dreiundzwanzig Jahre später
veröffentlicliten Buche ,, Ostasiatische Fragen" , dem er den in den
Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völker-
kunde Ostasiens zuerst englisch veröffentlichten Essay in deutscher
Uebertragung einverleibte, unverändert abgedruckt. Rein 7) da-
gegen setzt für die Entdeckung Japans das Jahr 1542 an und
schreibt sie dem portugiesischen Abenteuerer Fernäo Mendez
Pinto zu. Der gleichen Ansicht sind Griffis,^) Satow,9) Gub-
BiNS/°) Meriwether,"!) um nur einige wenige Namen zu nennen,
auf deren Autorität hin gegenwärtig das von ihnen angenommene
Entdeckungsjahr wie der Name Pintos als der des wirklichen ersten
Entdeckers für eine ausgemachte Sache gelten. In Wirklichkeit
ist bei diesem denkwürdigen P^reignisse, von dem es sehr ver-
schiedene Berichte gibt, die nur in dem einen vollkommen zusam-
menstimmen, dass sie den Ruhm der P^ntdeckung den Portugiesen
zusprechen, so ziemlich alles, Jahr und Ort der ersten Landung,
Zahl und Namen der Entdecker, ihr Ausfahrtsort und die näheren
Umstände ihrer Ankunft und Aufnahme in Japan, strittig. So
lohnt es sich wohl der Mühe, einmal die sämtlichen vorhandenen
Relationen zu sammeln, einzeln für sich zu prüfen und miteinander
zu vergleichen, um womöglich zu einem sicheren Resultate zu
kommen und danach die aus einem Buch ins andere übernom-
7- J. J. Reix, JaJ^aii nach Reisen und Studien i/n Auftrage der K'öniglicJi
Prenssisc/ien Regierung dargestellt. Leipzig l88i, I. Band, S. 301 f.
8. W. E. Griffis, T/ie Jlli/^adds Empire. New York and London. Qtli cd.
1899, p. 247 f.
9. A'otcs an the Interconrsc hetwee)i Japan and Siaiu in tJie ijth Ceiituiy. T. A.
S. J. Vol. XIII. p. 13g, und Vicissitiides of the Chnrch at Yamaguclii frovi ijjo-
ijS6. Ibidem Vol. MI. p. 137.
10. Revieni of the Introduction of Christianity into China and Japan. T. A. S.
J. Vol. VI. p. 9.
11. Life of Date Masamiine. T. A. .S. J. Vol. XXI. p. 39.
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 19
mencn irrigen Angaben zu berichtigen, oder, falls sich dies als
unmöglich erweisen sollte, festzustellen, dass es bei vox Bii.vxDT's
resignierter Konstatierung sein Bewenden haben muss, d. h. dass
wir uns mit dem Gedanken zu bescheiden haben, dass wir nichts
wissen können. Aus dem Rahmen unserer Darstellung der Ge-
schichte des Christentums in Japan fällt diese Untersuchung
darum nicht, weil Mendez Pinto, der die Hauptrolle bei der Ent-
deckung Japans gespielt haben soll und diese als sein Verdienst
auch selbst in Anspruch nimmt, sowohl in eigener Person als,
wenn auch nur episodischer, Aktor, wie durch sein Buch als
Quelle für die Geschichte der Einführung der Jesuitenmission in
Japan in Betraclit kommt.
Da ist nun vor allem bis jetzt kaum beachtet woixlen, dass
die ältesten Angaben über die Zeit der Auffindung des neuen
Inselrcichs im Osten von China sich in einem Briefe Fi^\nz
X.A.VIERS an die Gesellschaft Jesu in Europa, d. d. Cochin, 29.
Januar 1552, und in einem anderen, an Simon Rodriguez gerich-
teten, mit dem Datum Goa, 9. April 1552 finden. Im ersten
heisst es : ,,Vor ungefähr acht bis neun Jahren {annis ab liinc
octo aut novcni) haben die Portugiesen dieses Land entdeckt."
In dem zweiten schreibt er : ,, Die Japaner verachten alle andern
Nationen. Dies war auch der Grund, warum sie mit keinem
Volke Handelsverbindungen hatten, bis die Portugiesen vor acht
oder neun Jahren dort landeten." ^~) Diese beiden Angaben wür-
den auf das Jahr 1543 oder 1544 führen, i3) zu welcher Zeit
12. Auf diese Briefstellen stützt sich offenbar TüRSELLixus, der im Jahre 1594
ein Leben Xaviers schrieb, wenn er, schon ungenau, sagt : „ Haec aiitem oinnis regio
antüjidtati penitus igiiota, casic Liisifanis eo tempestate abrcptis, decennio anteqiiain eo
venirel Xaveriiis, invcnta, concUiiwi comniercio coeperat.^^ [De Viia B. Fmncisci
Xaverü, qui primiis e Soc. Jesu in India et Japonia Evangelium proinulgavif). In
der Ausgabe in meinem Besitze, Coloniae Agrippinae Anno 1610, p. 299.
13. Falsch referiert der Jesuitenpater CR-VSSET, wenn er sagt, dass Franciscus
Xaverius, während einige die Entdeckung Japans ins Jahr i534 verlegten, dafür
gehalten habe, dass sie 5 oder 6 Jahre spätsr, das wäre also 1539 oder 1540, erfolgt
sei. (In der Uebersetzung des französischen Originals, erschienen unter dem Titel
„ Aussfi'ihrlictie GescJiicJU der in dem äussersten Well- T/teil gelegenen Japonesisclien
20 Rntdcckuiis; Japans durch die Portitgicscn.
Xax'icr l)crcits in Iiiclicii thätiij;" war, wo er, !)c.st;"uuli;^' in Kontakt
mit den l^^uropäern, um die er sich seelsorgerlich bemühte, von
der erfolgten Auffindung neuer Inseln bald hören musste. Wir
sind auch im Stande nachzuweisen, wann ihm zuerst Kunde davon
ward. In einem Briefe vom 21. Januar 154S gibt er nämlich
selber an, dass im April 1547 ein portugiesischer Kaufmann ihm
manches über kürzlich entdeckte grosse Inseln, welche Japan
genannt werden, mitgeteilt habe,^) eine Stelle, die wohl als die
früheste in europäischen Quellen nachweisbare Erwähnung des
Ereignisses gelten darf
In demselben Jahre 1552, welchem die beiden Briefe Xa\'iers
angehören, die die ersten auf ein bestimmtes Jahr führenden Zeit-
angaben enthalten, begann der portugiesische Geschichtschreiber
De Barros mit der Herausgabe seiner Dekaden ,,Da Asia".
In der ersten derselben, im i. Kapitel des IX. Buchs, wird Japan
erwähnt,^ 5) aber nicht mehr bemerkt als dies, dass eine der zahl-
reichen Inseln, welche die Portugiesen ausser dem Festland von
Asien besuchten, auch Japan war.
Hiernach ist die Quelle zu nennen, die gewöhnlich für die
älteste gehalten wird, und der Maffei^ö) in seiner zum erstenmal
Kirch. Augspurg 1738" S. 45).^ — Auch von Brandt a. a. O. drückt sich ähnlich
ungenau aus: ,, Der Jesuit Cornelius Ilazart legt die Entdeckung von Japan in das
Jahr 1539, Franz Xavier 5-6 Jahre später." Das wäre 1544 bzw. 1545. ■
14. Sclion durch diese Briefstellen erledigt sich die in älteren Jesuitenwerken
sich findende Angabe, dass durch Xavicrs eigene in das Jahr 1549 fallende Landung
Japan erst entdeckt worden sei.
15. Das hat Rkin ülicrsehcn, der (a. a. O. r.inl II. S. 629) sagt, Barros nenne
die Japaner nicht.
16. N.vciion a. a. O. S. 31 gibt an, nach \i).\ Su-moLD hätte JNIaffeil's seine
Angalien ausser von Cai.a'Ano auch \'()X Dk Barkos, Decada V. entlehnt, und weist
dann nacli, dass dies niclit stinnnen kc"inne. Hier ist dem sonst mit peinliclier
Akriliie arbeitenden Aut(jr ein \'crsehcn unterlaufen. Was SlKBOLD [^Nippon, AnJtiv
zur Beschreibung von Japan, und dessen hieben- und Schlitzländern, Leiden 1852)
Band I. S. 3 sagt, ist dieses. Er lierichtet die Ver.schlagung dreier Portugiesen nach
Japan auf einer Reis; von Dodra und fährt dann fort : ,, So erzälilt uns der
Geschichtsschreiber J. V. Maßeius, welcher dieses Ereignis aus A. Cialvano's Ge-
schichte der Entdecker der neuen ^Yclt entlehnte, und Juan de Barrios (In der 1S97
von Sieljolds Söhnen besorgten 2. Auflage : ebenfalls Juan de Barrios)."
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 21
1571 in Dillingen '7) erschienenen Indischen Geschichte folgt,iS) dem
hinwiederum viele andere, wie Jarric,i9) Solier,-°) ]\Ioxtanu.s,-0
Kaempfer,22) Valentvn,-3) Thuxberg,24) nacherzählen. P2s ist
das kleine Buch des 1540 aus Indien, wo er seit 1536 Gouverneur
auf den Gewürzinseln war, zurückgekehrten edlen Antonio
Galvano, das, nach der Gepflogenheit mittelalterlicher Chronisten
von der Sintflut anhebend, die zu Lande wie zur See gemachten
Entdeckungen, besonders der Spanier und Portugiesen, an denen
er selbst einen Anteil hatte, bis zum Jahre 1555 kurz aufzählt und
erst nach d^js Verfassers 1557 erfolgtem Tode von Francis de
Sousa Tavares im Jahre 1563 herausgegeben wurde. Die
Hakluyt Society hat als Supplement zum 30. Bande ihrer Pub-
likationen 181 1 die von Richard Hakluvt 1601 veröffentlichte
17. Nachod (a. a. O. S. 31) hält irrtümlich die 1572 in Paris erschienene
Ausgabe für die älteste. Hildretii [Japan as it was and is, p. 22) gar die von 15S9.
18. M.^FFEi schreibt : „Aditae prinium ejus terrae titidiiiii, decusve, et alü quidevi
Liisitani ad se trahunt ; sed ego Antonio Galuano crediderini, in eo libro quem
de inventorilms orbis noi'i conscripsit, aperte uarranti, Antoniuin JMotani, Francis-
cuin Zeinioluni, et Antoniuin Pexotuin, cum ex iirbe Sionis Dodra peferent Sinas,
pertinaci vento ad insulas Japonicoruin ahreptos anno seculi quadragesinio secundo,
cum Sosa [iiti dicebamus) Indiani provinciam regendain accepisset." (JOAXXis Petri
Maffei Bergomatis e Societate Jesu Historiaruni Iiuiicaruni Libri XVI. Lib. XII,
In der mir zugänglichen Wiener Ausgabe von 1751 p. 273.)
19. Pü'.RRE DE Jarric, Histoire des cJioses plus meniorables advenues taut en
Indes orientales que autres pais de la descouverte des Poi'tugais. 3 vol. 1608 sq.
Auch K. P. Pi-rrRi Jarrici Thesaurus Reruni Indicaruin. Coloniae Agrippinae
1615. Cap. XVIII-XX.
20. FRAXgoiS SuLl.lER, Histoire ecclesiastique des isles et royaunies du Japon,
depuis Fan IJ42 jusqiiä Fan 1624. 2 vol. 1627 et 1629.
21. Arnoldus Montaxus, Geden/c'coaerdige GesantscJuippen der Oost-Indislie
Alaetscliappy in 't vereenigtc N'ederland aen de Kaisaren van Japan. Amsterdam
1669. I vol. 1669.
22. ExGELBERT Kaemi'FERS GcschicJite tind Beschreibung von Japan ; aus den
Originalhandschriften des Verfassers herausgegeben von Cur. W. Dohm. 3 Bände,
Lemgo 1777. (Die englische Uebersetzung dieses Werkes von Scheuchzer erschien
bereits 1727-S.)
23. Erax(;()IS Valextvx, Oud en Nieuiv Ois! Indien etc. 5 Bände, Dortlrecht
und Amsterdam 1724.
24. Voyages de C. P. Thuxuerg au Japiii. Traduits, rediges etc. par I,.
LANGLiis. Paris 1796.
22 Entdeckung Japans dnrcJi die Portugiesen.
englische Uebersetzung des Werks zusammen mit dem ])oi--
tugicsischcn Urtext herausgegeben. Galvanos licricht lautet
folgendermassen :
,, Im Jahre des Herrn 1542,25) da ein gewisser Diego de
Freitas als Kapitän eines Schifts im Reiche Siam v\\\<\ in der
Stadt Dodra war, entflohen ihm drei Portugiesen in einer
Dschunke-^) nach China. Ihre Namen waren Antonio da Mota,
I'^'ancisco Zeimoto und Antonio Pexoto.^?) Sic richteten ihren
Kurs nach der Stadt Liampo im 30. Breitengrad. Da aber befiel
ihr Fahrzeug ein solcher Sturm, dass sie vom Lande abgetrieben
Avurden. Nach einigen Tagen sahen sie östlich eine Insel bei 32
Grad, welche sie Japan nennen, und die die Insel Zipangri zu sein
scheint, von der und von deren Reichlümern Paulus Venetus^S)
Erwähnung thut. Und diese Insel Japan hat Gold, Silber und
andere Reichtümer. "29)
Was Galvano gibt, hat er aus zweiter Hand. Denn seit 1540
war er nicht mehr selbst in Indien. Die Möglichkeit, dass er
selbst falsch berichtet wurde, ist nicht ausgeschlossen. Aber der
Charakter des Mannes bürgt dafür, dass er wahrheitsgemäss
erzählt hat, was er selbst vernommen. Dass er opiinux fide
berichtet hat, daRir spricht vielleicht auch der Umstand, dass er
sein Manuskript auf dem Sterbebette einem Freunde zur Ver-
öffentlichung übergab. Mit Naviei's knappen l^riefangaben .stehen
seine ausführlicheren Mitteilungen nicht in Widerspruch. Denn
25. Cr.^sset gil:)t falsch referierend das Jahr 1541, ein Fehler, der in viele
andere Werke, wie Dick.son'.s Japan u. a., überging.
26. Eine Zulhat M(,;kr.\v"s ist es, wenn er in seinem Jkich , Japan'' p. 169
schreiljt : in einer chinesischen D.schunke.
27. In Hakluyls Englisch erscheinen die Namen sämtlich etwas verändert :
Antony de Moto, Francis Zimuro, Antonio l'erota.
2S. Mit Paulus Venetus ist natürlich Marco Polo gemeint.
29. Wahrscheinlich nach Cr.vsskt und Ch.vrlevoix, bei denen sich .schon diese
falsche Angabe findet, sagt von Pk.vndt (a. a. O. S. 9), Galvano erzähle, dass die
drei Kaufler.tc nach Kagoshima verschlagen wurden. Galvano gibt indessen, wie obige
Uebcr.set/.ung seines Textes zeigt, keinen Ort der I^andung an, sondern .spricht nur
unbestimmt von einem Eiland gegen Osten bei X2 Grad.
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 23
des Paters Zeitangabe 1543 oder 1544 gibt sich selbst nur als unge-
fähres Datum. Beide lassen sich aber vielleicht sogar völlig mitei-
nander ausgleichen. Es bedürfte dazu nur der Annahme, dass die
drei Portugiesen, die dem Freitas entflohen, dies zu l^^nde des Jahres
1542 thaten, und dass sie nach längerem Umhertreiben dann
erst zu irgend einer Zeit im folgenden Jahre 1543 in Japan landeten.
P>s bleibt noch eine europäische Quelle zu betrachten, die
Gewicht hat, die Angabe, die Diogo de Couto in der im Jahre
161 2 veröffentlichten fünften Dekade (Teil II. Buch VIII. Kap.
12) macht. 30) P^raissinetSO ist der Meinung, dass dieser Gelehrte,
der, gleich achtenswert als Mensch wie wegen seiner Bildung,
das Amt eines Historiographen bei Philipp IL, dem König von
Spanien und Portugal, versah und ein gut Teil seines Lebens in
Indien verbracht hatte, wo er das unter seiner Hut befindliche
Archiv von Goa hat benützen können, vor allen anderen vollsten
Vertrauens würdig ist. Was er berichtet, ist dies, dass drei
Portugiesen Antonio da INIota, I'rancisco Zeimoto und Antonio
Peixoto auf einer mit Prellen beladenen Dschunke im Jahre 1 542
vom Wege nach Chinchcu abgetrieben wurden und in Japan
landeten. Er fügt hinzu, diese drei Portugiesen seien die Männer,
denen die P^ntdeckung Japans zu verdanken sei.
Man sieht ohne weiteres, was er berichtet, stimmt vollkommen
mit Galvano überein. Dass er ein und dasselbe Ereignis wie
dieser beschreibt, zeigt die Selbigkeit der Entdeckernamen. Er
30. MUENSTERBERG, der Sie die erste vorurteilsfreie Darstellung nennt, ist
(a. a. C). S. 8.) in den Irrtum gefallen, sie De Barrus zuzuschreiben, der in
Wirklichkeit nur die drei ersten 1552-1563 erschienenen Dekaden vollendete,
während die vierte auf Grund seiner hinterlassenen Papiere erst 1615 lierausgegeben
wurde, und die Fortsetzung der übrigen Dekaden durch De Couto geschah, worauf
Kachod in freilich unberechtigter Kritik gegen vox Siebold aufmerksam gemacht
hat. In der seinem Buche vorausgeschickten Bibliographie meistert Mltensterberg
\j. r.\Gi;s, der in seiner ' Biblio-^rapliic Japonaise ou Catalogue des oiivragcs relatifs
an Japan qui ont eie piiblies depiiis Ic XV. siede jiisqiü ä nos jcurs ' (1859) unter No. 3
nur 4 Bände von Barros' Asia angegeben hal^e, wälirend der wichtigste gerade der
fünfte sei. Er hätte ihn bei Pagös am gehörigen Orte (No. 90) finden können.
31. FR.AISSINET, Le Japan. Nouvelle Edition par \'. A. Mai.te-Brun'. Paris
1S64. Tome I. p. i6Sf.
24 pJitdcckung Japans durch die Portugiesen.
lässt vcrichicdcncs wcl^, was Galvano berichtet, gibt jedoch auch
eines, was sich bei jenem nicht findet : dass die Dschunke der (hvi
Portugiesen mit Fellen beladen war. Es ist wohl kaum zu
zweifeln, dass er seine Kunde von derselben Quelle wie Galvano
oder wenigstens von einer, die derjenigen Galvanos nicht ferne
stand, hatte. So mag der eine Autor dem andern zur Bestätigung
dienen. Die Frage aber, ob 1542 oder 1543 das richtige Datum
der ersten luiropfierlandung an den japanischen Gestaden ist,
muss vorläufig noch unentschieden bleiben, bis Avir etwa für das
eine oder das andere dieser beiden Jahre eine Bestätigung von
anderer Seite her gewinnen.
Was liegt zu diesem Ende näher, als in der japanischen Ge-
schichtsliteratur Umschau zu halten, ob sich nicht hier Auf-
zeichnungen über das für die Nation so folgenreiche Ereignis
finden. Das ist auch in der That der Fall. Schon \ox Siedold
hat einige Auszüge aus japanischen Werken gegeben, und diese,
aber auch nur diese, sind von Späteren immer Avicder einfach
übernommen und in gleichem Sinne wie von ihm verwendet
worden. Aber was Siebolds Forscherfieiss zugänglich gemacht,
ist nicht alles, was sich in japanischen Geschichtswerken findet.
Im Jahre 1897 erschien in Tokyo ein Buch mit dem Titel NicJa-ö
kütsu kigcns/ii ( i\ ^^X ^l^^ %\ Öl). *-'iii<-' Geschichte des frühesten
Verkehrs zwischen Japanern und Europäern. 3-) Die Arbeit eines
vierundzwanzigj ährigen Studenten der Agrikulturschule in Sap-
poro, lässt das fleissigc Buch strenge historische Methode und
rechte Ouellenkritil': vermissen, bietet aber auf über 300 Seiten
japanischen Drucks reiches Material, aus dem ersichtlich wird,
dass sich um die Untersuchung der Frage, wann und wie die
ersten Europäer nach Japan kamen, auch japanische Historiker
älterer und neuester Zeit nicht wenig bemühten.
32. Das japanisch geschriebene Buch liat ein englisches Titelblatt : A Hisiory
of the Early Inlcixoursc behi<cc)i Japanese and Eiiropeans by Kikutako KAX. .Super-
vised liy Inazo Nitobe, A. M. Ph. D. Willi annotations by Sliigelaka Shiga, Nö-
gakushi. (L)ic Annolations des letzlcicn fehlen jedoch). Shükwabü, Tokyo, 2557
(1897).
Entdeckung Japans durch die Püftugkscn. 25
Schon VON Siebold 33) hat mitgeteilt, dass das Wa-kan-nin-kci
(Chronologische Parallele von Japan und Schina) bereits vom 4.
Jahre des Nezigö 34) Kwannin (1020 n. Chr.) berichtet : ,, Nan-ban-
sin kommen nach Japan und stiften viel Unheil ", und später
beim 19. Jahre O-ci (141 2 n. Chr.) rühmt: ,, Nanban brachten
Tribut". Es ist ja nicht ganz ausgeschlossen, dass diese
,, Südbarbaren " vielleicht kühne Länderentdecker aus den ersten
Zeiten Pleinrichs des Seefahrers waren, die sich so weit verirrten,
die Heimat aber nicht v/ieder erreichten, so dass von ihrer
Entdeckung keine Kunde nach Europa drang. Aber im höchsten
Grade zweifelhaft ist es doch, dass unter diesen ,, Nanban", die an
den japanischen Gestaden erschienen, Europäer zu denken sind.
Als ganz wertlos darf auch die Notiz bei Seite gelassen
werden, die sich im Yaso-tencJiiiki, einer in der Tokugawazeit
verfassten, gegen die ,, vom ITimmel gestraften Christen "
gerichteten Schrift findet, dass Europäer mit ,, schwarzen Schiffen "
[kurofunc — das Avar und ist \'ielfach noch heute in Japan die
Bezeichnung für europäische Fahrzeuge) während neun Jahren
nach II 56, in den Perioden Högen und Heiji, nach Japan
gekommen seien. Und umsonst müht sich Yutaka Hagiwara
in dem Buche KcnsJw jutsuryaku, den Nachweis zu führen, dass nur
an Europäer gedacht werden könne, wenn japanische Geschichts-
bücher erzählen, dass im März des 4. Jahres Bunji (11 SS n. Chr.)
unter der Regierung des Kaisers Gotoba ein Schiff von Makatsu
ZZ- A. a. O. S. 5.
34. ^\''t7/^5 sind Jahresperioden («tv? „ Jahr ", _i^y „ Name ") wie die griechischen
Olympiaden mid in Japan seit der Regierung des Kaisers Kötolcu (645-654 n. Chr.)
nach chinesischem Vollbild eingeführt. Eine Aenderung des Kengö trat, allerdings
nicht immer, mit dem Regiermigsantritt eines neuen Kaisers ein ; später wairden
auch aussergewöhnliche Ereignisse Veranlassung zu solcher Aenderung, so dass
sich die Regierung eines und desselben Kaisers oft iil)cr mehrere solche Perioden
erstreckt, und man in 1260 Jahren nicht weniger als 229 Xengö zu unterscheiden
hat (Näheres bei Floricnz, Niho)igi, Buch XXV. S. 6, Anm. 45). Das gegenwärtige
hat den Namen JÄ'//V (,, Erleuchtete Regierung") und begann mit der Einsetzung
des gegenwärtig regierenden Kaisers in die alte kaiserliche Herrlichkeit und Selb-
ständigkeit oder der Aufhebung des Shögunats, wobei zugleich die Bestimmung
getroffen wurde, dass künftig jede Regierung nur ein Nengö haben solle.
20 Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
nach Nambu in der Provinz Mutsu mit 150 Mann Schiffsvolk kam,
unter dem sich ch'ci grosse Männer, Purato, Tempurato und
Kemurasets, befanden, die auffallende Kenntnisse in der Heil-
kunde, in Geographie, Astronomie, Mathematik und der Kriegs-
führung besassen, und von denen einer besonderes Aufsehen
dadurch erregte, dass er einem kreissenden Weibe erfolgreich
Beistand leistete.
In einer neueren Geschichte der Seeräuberei niit dem ^Titel
Kaikö-sliiniatsu liest man : ,, In der Periode Kyöroku (i 528-1 531)
kamen neun portugiesische Handelsschiffe zu Funai in Bungo an.
Auf einem derselben war ein Mann von Ming mit Namen Sankan.
Der Fürst Otomo Yoshitsumi sandte den Bonzen Hoshuza und
wollte Verkehr mit ihnen anknüpfen. Der genannte Sankan
schenkte dem Fürsten einige Gegenstände, darunter eine Feuer-
waffe. Dies ist die heutige Vogelflinte. Das war der Anfang des
europäischen Handelsverkehrs mit unserem Lande ". Was hier
berichtet ist, geht ohne Zweifel auf das ältere Geschichtsvverk
KyJishYi-ki zurück, in dem es heisst : ,, Im 3. Jahre der Periode
Kyöroku (1530), im Sommer, kamen neun Handelsschiffe der
Namban. Unter der Mannschaft war ein Mann von Gross Ming,
Namens Sankan. Der P^ürst des Landes, Ctomo Saemon no
Suke Nyudö Sörin, liess durch einen Bonzen Hoshuza V^erkehr mit
ihnen anknüpfen. Jene Kaufleute schenkten viele Kostbarlceiten.
Darunter war eine Feuerwaffe von 2-3 P'uss Länge, die man
Teppö 35) nannte. Darnach, im 20. Jahre Tembun (155 1), kamen
]\Iänner von demselben Lande und sch.enkten P^euerwaffen
{islübiya, ,, Steinfeuerpfeile ")." Hier ist offenbar von den Bringern
der Feuerwaffen, d.h. den Portugiesen, die Rede, und eine
historische, auch sonst erwähnte Landung europäischer Schiffe
berichtet. P2benso offenbar aber ist, dass sie in eine falsche, nämlich
zu frühe Zeit verlegt ist, ein chronologischer I'ehler, der in
35. Ti'ppö, vom chinesischen fie-p'-ao „eiserne Röhre". Unverständlich ist
die Erklärung, die NlToni", {^Thc Infercoitrse hehveen the United States and Japan,
Baltimore 1S91. S. 8.) für die Lczciclmung gil^t. Nach ihm ist Teppö aus Chohö,
„ kostbarer Schatz ", entstanden.
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 27
japanischen Geschichtsbüchern von der Art des Kylisliu-ki sehr
häufig vorkommt, vox Siebold 36) ist zu wenig kritisch, wenn er
schreibt : ,, Geschichthch erwiesen landete das erste schwarze
Schiff (kurofune) im Jahre 1530 und zwar im Hafen Funai in der
Provinz Bungo und brachte dem Fürsten Gtomo ]\Iuneakira zwei
Feuergewehre zum Geschenk ".
Von der Landung europäischer Schiffe in einem Hafen \ on
Bungo ist allerdings in japanischen Büchern viel zu lesen. Unter
dem Titel Givaikdshikö kam im 17. Jahre ^leiji (1884) ein aus-
fuhrliches, zwei Bände umfassendes Werk über den Verkehr
Japans mit dem Auslande heraus. Da es vom Auswärtigen
Ministerium herausgegeben wurde, darf man wohl annehmen, dass
es über die erste Kuropäerankunft die unter den gegenwärtigen
Historikern herrschende Ansicht gibt. Es konstatiert folgendes :
,, Im Jahre 2201, unter der Regierung des Kaisers Gonara, im
Juli des 10. Jahres Tembun (1541) geriet ein portugiesisches Schiff
mit 380 Mann in einen Sturm. Es strandete in ShingOji-ura in der
Provinz Bungo. Dies ist die erste Ankunft der Europäer.
Damals versah der Statthalter Otomo Sörin die Fremden mit Reis
und Holz und half ihnen zur Heimkehr ". Kikutaro Kan führt
eine ganze Reihe von AVerken älteren wie neueren Datums auf, in
denen diese Ansicht vertreten ist, wie, um einige Titel zu nennen,
Tsukö-icJiiran, Yögakunenipyj , Setsubanncmpyd, Sovioku rokuhu
köshühö, Suganum.a's Nikon Shögyöshi, und das im 23. Jahre
Meiji von den drei hervorragenden Historikern Shigexo, Kume
und HosHiNO veröffentlichte KokusJdgan.
Auch in dem im 26. Jahre Meiji erschienenen Sekai ni okeru
Nilionjin (,, Japaner in der Welt ") finde ich sie vorgetragen, nur
mit der Abweichung, dass der Verfasser, Wataxabe, statt der
Zahl 380 die Zahl 280 für die Schiffsbemannung angibt.
Er scheint hiebei treuer als die anderen genannten dem
Sairan Ig:cn des berühmten Plistorikers Ar.a.1 Hakuseki gefolgt zu
36. \"0X Siebold, Von den IVa/fen, S. 24. In der 2. Auflage des „ Xif/to
Band I. S. :!28.
28 Eiitdcckujig Japans durch die Portugiesen.
sein, wo CS heisst : ,,Das Kommen von Sciban (,, Westbarbaren")
beginnt mit der Ankunft der rortugiesen. Im Herbste, im Juli
des lo. Jahres Tembun, kam ein ungeheuer grosses Seeschiff in
Shingü-ura in der Provinz Bungo an. 37) Sein Schiffs\^)llc bestand
aus 280 Leuten. (Anm. Hakusekls : Bogengi von Ming sagt :
Seiban ist das Reich Haratakaru [Portugal]). Ein ATann mit
Namen Futsurai Shakuko schenkte eine Feuerwaffe an Bungo
(Anm. Hakusekis : Futsurai Shakuko ist der Name Franjvusu
Saberius. Er ist ein Lehrer von grossem Ruf)". Die älteste
Quelle aber, aufweiche diese Nachricht, wie alle übereinstimmenden
Angaben in ([q.\\ anderen genannten Werken zurückgehen, scheint
das Geschichtswerk Otonio-ki zu sein, und was in diesem zu lesen
steht, ist : ,, In der Zeit des Sörin Nyüdö, am 27. Juli des 10.
Jahres Tembun, kamen Männer von Dainnnkoku [Gross Ming]
nach Shingüji in der Provinz i^ungo. Auf dem Schiffe waren
ungefähr 280 Mann ".
Neben dieser Ouelle, die als Landungsort den Hafen
Shingüji-ura (Funai) in Bungo, als Jahr der Ankunft das zehnte des
Nengö Tembun angibt, A\-elches unserem 1541 n. Chr. entspricht,
gibt es in Japan noch eine andere, geschrieben in der Periode
Keichö (1596- 16 14) für Hisatoki, den 14. Statthalter der Insel
Tanega(shima), den Sohn Tokitaka's. Ihr Verfasser ist ein
buddhistischer Priester der Landscliaft Satsuma mit Namen
Daikiuji Bünji (FuMivuKi). Die kleine Schrift ist, wie schon ihr
Titel Teppö-ki anzeigt, eine Geschichte der Plinten und findet sich
in einer .Sammlung von Schriften desselben Verfassers, welche den
Titel XanpühiinsJiH trägt. Der Bericht, welchen sie von dem
37. IIlRAl Kisno hcviclitcl. in dem Buche Önaukens/n'kö das Gleiche vom il.
Jahre l'cmhun (1542) und fiii^l liiiizu, dass das Schiffsvolk dem Fürsten Ulomo Sürin
mit Hinten und anderen Kostbarkeiten beschenkte, und von ihm die Erlaubnis, Handel
zu treiben, erhalten habe. Nach zwei Jahren seien sechs Schiffe gekommen, die dem
Fürsten -wieder seltene Kostbarkeiten brachten, die dieser mit einem Gegengeschenke
erwiderte. Zugleich habe er einem seiner Diener, Saitü Gensuke, befohlen, nach
ihrem Lande zu gehen, wo derselbe indessen gestorben sei. Sein Grab sei noch in
der Hauptstadt dort zu sehen.
Entdeckung Japans durcJi die Portugiesen. 29
Ereignis gibt, ist ziemlich ausführlich. Er ist in Japan allgemeiner
bekannt geworden, seit Nisiiimura Tokihiko, bekannter unter
seinem literarischen Namen Tenshukosiii, i88r sein kleines,
vielgelesenes Buch Teppodenrciroku erscheinen liess. Denn dieses,
geschrieben mit der Absicht, die Verdienste des adeligen Hauses
Tanegashima um die EinRihrung der Feuerwaffen in Japan ins
Licht zu stellen, ist im ganzen nichts als eine Wiedergabe des
in Fl^miyuki's NanipobunsJiü enthaltenen Berichtes. Ich gebe den
letzteren vollständig wieder, und schalte dabei gleich an den
gehörigen Stellen in Klammern dasjenige ein, wodurch ihn
Tenshukoshi, gleichzeitig die CJironik der Familie Yaita, von
deren Ahnen einer bei der Einführung der Arkebusen mit eine
Rolle spielt, benützend ergänzt.
,, Südlich der Provinz Csumi liegt eine Insel, 18 /'/ von der
Provinz entfernt. Man nennt sie Tanegashima. Meine Ahnen sS)
wohnten von Alters her auf dieser Insel. Im Herbste des 12.
Jahres Tembun, am 25. August, kam ein grosses Schiff nach
Nishimura Ko-ura. Man wusste nicht, woher es kam. Das
Schiffsvolk bestand aus etwa 100 Mann. Ihr Aussehen war
verschieden von dem unserigen. Ihre Sprache war uns un-
verständlich. Alle, die sie sahen, verwunderten sich. Unter
dem Schiftsvolk befand sich ein chinesischer Schriftkenner mit
Namen Gohö. Seinen Familiennamen kennen wir nicht.
Damals war der Vorsteher des Dorfes Nishimura ein Mann
Namens Oribenojö 39), der Schrift wohl kundig. Er traf Gohö und
schrieb mit seinem Stocke in den Sand : ,, Ich weiss nicht, von
welchem Lande die Männer auf dem Schiff gekommen sind.
Wie sonderbar sehen sie aus!" Daraufschrieb Gohö: ,, Diese
Männer sind Kaufleute von Scii:amban (Südwestbarbarenland).
[Sie kennen zwar einigermassen die Scheidung zwischen Herr
und Knecht, doch weiss ich nicht, ob es bei ihnen ein strenges
38. Der Ilistoriograph spriclit hier nach japanischem Brauche im Xamen des
ITeirn, dessen Hausgeschichte zu schreiben er den Auftrag hat.
39. Nishimura Oribenojö Tokitsura. Er war verwandt mit dem StattliaUer der
Insel Tanegashima, Salvonye Shöl^an Tol-citaka.
30 Fjitdcckitiig JapcDis diircJi die Portugiesen.
Ilöflichkcitszcremonicll gibt oder nicht. Sie trinken aus dem Glase,
ohne es dem andern zu reichen ; sie essen mit den Händen statt mit
Essstäbchen. Sie lassen sich von ihren Leidenschaften treiben. Mit
dem Sinn der Schriftzeichen sind sie nicht bekannt. Ivs sind fah-
rende Leute, die, bald hier, bald dort, keinen festen \\\^hnsitz haben
und gegen das, was sie haben, anderes eintauschen wollen, was sie
nicht haben. Sie sind also harmlose Menschen."] Darauf schrieb
Oribe : ,, 13 vi von hier entfernt ist eine Bucht, die Akaoki heisst.
Dort haben von jeher meine Ahnen ihren Wohnsitz gehabt. Es
sind einige taasend Häuser da, und die Einwohner sind sehr wohl-
haDend. Von Norden und Süden kommen Kaufleute dorthin.
Euer Schiff hat hier Anker geworfen ; Ihr thätet aber besser daran,
in jenen Hafen einzufahren, da dort die See tief und sehr ruhig ist."
Er machte meinem Grossvater Yoshitoki und meinem Vater Toki-
taka Meldung. Tokitaka liess zwanzig bis dreissig Boote abfahren,
um die Fremden zu holen. Erst am 27. August fuhr das Schiff
in den Hafen Akaoki ein. Damals war ein Bonze Chyushuza,
ein guter Kenner der chinesischen Klassiker und der Schrift.
Er und Gohö hatten eine Unterredung mit Hilfe des Schreibpinsels.
Unter den Kaufleuten waren zwei Vorsteher. Der eine hiess
]\Iura Shukusha, der andere Kirishita ta Mota. Sie hatten einen
Gegenstand in der Hand. Seine Länge betrug 2-3 sJiaku. Er
war innen hohl, aussen gerade und sehr schwer. Im übrigen
ausgehöhlt, hatte er am Boden einen sicheren Verschluss, an der
Seite aber ein Loch — der Weg des Feuers. Das Aussehen des
Gegenstandes lässt sich mit dem keines andern vergleichen. Was
seine Handhabung anlangt, so legt man ein wunderbares Mittel
{k?isuri) hinein, dazu eine kleine bleierne Kugel. Man heftet
zuerst eine kleine, weisse Scheibe an den Rand eines Felsens.
Der Schütze, den Gegenstand in der Hand, stellt sich zurecht,
drückt ein Auge zu, entzündet durch das Loch das Feuer
und verfehlt dann niemals, augenblicklich sein Ziel zu treffen. Es
zuckt wie ein Blitz und schallt wie erschreckender Donner, dass
jedermann sich betäubt die Ohren zuhält. [Mit diesem Gegen-
stande kann man selbst eine eiserne Wand zermalmen, auch
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 31
Menschen und Haustiere lassen sich damit töten. Im übrigen lässt
sich sein Gebrauch gar nicht aufzählen]. Tokitaka sah ihn und
dachte : Das ist ein seltener Schatz, wie es seinesgleichen nicht oft
in der \\'elt gibt. Anfangs wusste man seinen Xamen nicht, noch
auch kannte man seine Handhabung und seinen Zweck. Nachher
nannte man ihn Teppö. Vielleicht ist das der Name, den die Leute
von Ming dem Gegenstande gegeben haben, oder es mag ihn auch
jemand auf meiner Insel so benannt haben. Eines Tages sagte
Tokitaka mit doppelter Dolmetschung zu jenen zwei Barbaren :
,, Ich möchte dies gerne lernen." Die Barbaren antworteten
vermittelst doppelter Dolmetschung : ,, Wenn Ihr es lernen
wollt, wir wollen Euch gerne aufs genaueste darin unterrichten."
[Darauf sagte der Fürst : „ Kann ich das letzte Geheimnis von
Euch lernen?" Die Barbaren sagten: ,, Das ganze Geheimnis
besteht darin, dass man das Herz aufrichtig behält und ein Auge
zudrückt." So weihten sie den Fürsten in das ganze Geheimnis
ein. Tokitaka freute sich darüber nicht wenig. In diesem Jahre war
das Fest Chöyö no setsu [am 9. Tag des 9. Monats]. An diesem
Feste erlernte er die Kunst. Anfanglich wunderten sich die
Zeitgenossen darüber. Manche hatten Angst vor dem Gegen-
stande. Nachher aber sagten sie mit einer Stimme : Wir wollen
es doch lernen.] Tokitaka erbat sich von den Barbaren zwei
Flinten, ohne nach dem Preise zu fragen, und verleibte sie seinem
Familienbesitze ein. Seinen Diener Shinogawa Koshirö liess er
lernen, wie man jenes treffliche kusuri (Pulver) bereitet. [Tokitaka
lernte tagtäglich eifrig ohne Aufhören und brachte es so weit, dass
er unter hundert Schüssen keinen Fehlschuss hatte. Zu der Zeit
war ein Mann Namens Sugibö im Tempel Negoro in der Provinz
Kishü. Trotz der weiten Entfernung von 100 ri schickte er einen
Boten, um sich eine Flinte auszubitten. Tokitaka antu ortete :
,, Der Fürst von Jo in alten Zeiten sprach, wie sehr ihn auch
verlangte, das Schwert Kisatsu's zu besitzen, doch diesen .seinen
Wunsch nicht aus. Kisatsu, der gleichwohl seinen Wunsch
erriet, gab ihm das Schwert. Meine Insel ist zwar klein und liegt
am äussersten Ende des Landes. Indessen bin ich doch nicht so
2,2 EntdcckiDig Japans durch die Portugiesen.
{geizig, irgend etwas vorzuenthalten. Er schickte Tsuda Kenmotsu-
nojö als Boten und licss dem Sugibö eine Flinte bringen.
Ausserdem Hess er ihn in djr Bereitung des trefflichen kusuri
und in der Handhabung wie im Abfeuern der Waffe unterrichten.
Tokitaka ging so weit, dass er einen Schwertschmied Yaita
Kimbei Kiyosada den h^lintenguss erlernen lassen wollte. Die
Kaufleute, die dieses Geheimnis zu wahren wünschten, Avollten ihn
jedoch nicht darin unterrichten. Nun hatte dieser Kiyosada eine
Tochter, die Wakasa hiess und wunderschön war. Dieses Mä'dchen
brachte Kiyosada zu dem Schiffe der Kaufleute und bat den
Kapitän: „Wenn Ihr mich den Flintcnguss lehrt, so werde ich
Euch als Gegengeschenk diese meine niedrige Tochter geben."
Der Kapitän sah Wakasa's Schönheit, sein Herz wurde bewegt,
und endlich lehrte er ihn, wie man Flinten macht. PIr ging weg
und nahm das Mädchen Wakasa mit sich. So lernte Kiyosada
Flinten giessen. Er widmete sich dem Gusse Tage und INTonate
und brachte eine Flinte zu stände. Sie sah aus wie die andern,
nur brachte er es nicht zuwege, den Boden abzuschliessen, und
war nun traurig darüber, dass er seine Tochter weggegeben hatte.
Wakasa aber war mit dem Kapitän nach dessen Lande gegangen.
Allein sie sehnte sich nach ihrem Vaterlande und schrieb ein
japanisches Gedicht: ,,Tage und Monate sehne ich mich nach
Yamato, daran gedenkend, dass dort meine beiden Eltern
wohnen." Das teilte sie in Uebersetzung dem Kapitäne mit,
der Mitleid mit ihr empfind. Im nächsten Jahre kam er wieder,
Wakasa mit sich bringend. Das Schiff fuhr in den Hafen
Kuma no ura. Tokitaka dachte : Das ist des Himmels W^ille,
Er liess den Kiyosada nun belehren, wie man den Boden schliesst.
Erst da lernte dieser, dass man die Flinten rollen m".ss. Binnen
etwas über Jahresfrist hatte er einige zehn Arkebusen gemacht.
Darauf verfertigte er Schaft und Zierrat. Tokitakas Absicht war,
die Flinten für den Krieg zu gebrauchen. Darum legte er
keinen Wert auf die Form. Er freute sich sehr und unterrichtete
seine Vasallen in der Handhabung des Gewehrs. Dies war der
Anfang der Einführung der Feuerwaffen]."
Entdeckung; Japans durch die Portugiesen. 33
Sicher war es auch ein auf diesen Bericht des Teppö-ki
gegründetes japanisches Geschichtsbuch, aus dem vox Siebold
seine kurze, seitdem immer wieder abgeschriebene Beschreibung
der ersten Europäerankunft nahm. Er nennt es ^.Wa-zi-si"' und
teilt aus demselben mit : ,,Iin 12. Jahre des Nengo Ten-bun, am 22.
Tage des 8. Monats,4o) unter der Regierung des Kaisers (Mikado)
Konara, und des Oberfeldherrn (Sjögun) Josiharu (im INIonate
Oktober 1543) landet an der Insel Tanega-sima im Bezirke
Nisimura beim Dorfe Ko-ura ein fremdes Schiff. Das Schiffs-
volk, etwa hundert an der Zalil, hat ein sonderbares Aussehen.
Seine Sprache war unverständlich, sein Vaterland unbekannt.
An Bord ist ein Chinese Namens Go-hou, der Schrift kundig ;
durch ^e.\\ erfahrt man, dass es ein Nan-ban-Schiff sei. Am
26. desselben Monats wird dieses Fahrzeug an die nordwest-
liche 41) Seite dieser Insel nach dem Elafen von Aka-oki ge-
bracht, und Toki-taka, der Befehlshaber von Tanega-sima, stellt
eine genaue Untersuchung darüber an, wobei der japanische
Bonze Tsju-sju-zu mittelst chinesischer Schriftzeichen als Dolmet-
scher dient. An Bord des Nan-ban- Schiffes befinden sich zwei
Befehlshaber, Mura sjuksja und Krista-Moota (Christ da Moota ?).
Diese führen Feuerwaffen — teppö — mit sich und machen die
Japaner zuerst mit dem Gebrauche des Schiessgewehres und
der Bereitung des Schiesspulvers bekannt."
Man sieht, dieser Auszug enthält alles Wesentliche des oben
mitgeteilten, umständlicheren Berichts des Bonzen Bl'.vji, von
welchem er, ausser in der Transkription der Namen, nur darin
abweicht, dass er als Datum der Landung den 22. anstatt den 25.
40. vox Siebold identifiziert dieses Datum einmal „ ^lonat Oktober 1543",
ein andermal „ September 1543". In Wirklichkeit entspricht der 22. Tag des 8.
Monats des 12. Jahres Tembun dem 20. September 1543 unseres Kalenders. (Für
Feststellung der Daten, welche in unserer Zeitrechnung den von den japanischen
Werken gegebenen entsprechen, wairde von mir benützt William '&\<\m%v::^, Japanese
Chronological Tables, s/itnüiiig the date, according to the Julian or Gregorian calendar,
of (he fiist day of each Japanese montli. Tokyo 1880).
41. Wo er den Bericht zum zweitenmale wiedergibt, ül^erset/.t vox Siebold
„nördliche ".
34 Enfdcckung Japans diircJi die Portugiesen.
des S. Monats c^ibt. Letzterem Datum42) j^t wohl der Vor7.ug
7Ai geben. Ivs findet sich auch in einem japanischen Skizzenbuclie,
Mangiva. Im sechsten Bande dieses Werkes ist den Abbildun-
gen der Feuergewehrc und der dazu gehörigen Gerätschaften
eine Zeichnung der ersten europäischen Fremdlinge von der
Hand des berühmten Malers Hokusai beigefügt, welche die y\uf-
schrift flihrt : ,, Am 25. Tage des <S. r^Ionats im 12. Jahre
Tembun, dem Jahre Mizuaoto (dem 40. des sechzigjährigen
Zyklus) verschlagen nach Tanegashima der Landschaft (^\sumi —
Kirishita Möta und Mura Shukusha."
Da die Schrift Teppö-ki bereits in der Periode Keicho (1596-
1614) verfasst und im Auftrage Hisatokis geschrieben ist, v/obei
dem Historiographen doch wahrscheinlich schriftliche y\ufzeich-
nungen zur Verfügung standen, er auch im stände war, sich auf
mündliche Ueberlieferungen zu stützen, so ist man wohl berechtigt,
den Bericht als vertrauenswürdigste Quelle zu nehmen. Auch
trägt die Erzählung selbst das Gepräge der Wahrheit. Und
zudem fehlt es den berichteten Tliatsachen nicht ganz an Be-
zeugung von anderer Seite. Kikutaro Kax hat mitgeteilt, dass
noch heute im Besitze eines Nachkommen der Stattlialterfamilie
von Tanegashima, Herrn Tanegashima Moritoki, wohnhaft im
Distrikt Kumao in der Provinz üsumi, ein l^rief des Kwambaku
Konoye Ue le sich findet, der von diesem in Begleitung eines
kaiserlichen Diploms, das ihn unter dem 17. des 2. Monats des 4.
Jahres Köji (i55<S) zur Belohnung für die Einführung des Pulvers
und der lehnte in den Rang Jü-go-i no ge erhob und zum Sakonye
Slidkan ernannte, an Tatatoki Danjö geschickt wurde. 43) Bis
42. Entsprechend dem 23. September 1543.
43. Beides, der Wortlaut des Diploms und Konoye's begleitendes Glückwunsli
.schreiben, das letztere, vom 5. des 3. Monats datierte, in autograpliischer Reproduktion,
sind in KlKüT.VRO Kan's Buch mitgeteilt. Ein viertes Jalir Köji gibt es freilich
eigentlich nicht. Das Nengo dieses Namens umfasst nur die drei Jahre 1555-1557-
Japanische Geschichtskundige, die ich konsultierte, versicherten mich jedoch, dass es
nichts so Ungewöhnliches sei, im i. Jahre einer neuen Periode noch nach der
vorangegangenen das Datum zu bestimmen. Das 4. Jahr Köji wäre danach das erste
des von 155S-1569 reichenden Xengö Eiroku und unser 155S n. Chr.
Entdeckung Japans durcJt die Portugiesen. 35
zum heutigen Tage ferner nennt das Volk im südlichen Japan
die Gewehre Tanegashiiiia tcppd, ,, eiserne Röhren von Tanega-
shima", ein Zeugnis dafür, dass die Feuerwaffen zuerst auf dieser
Insel eingeführt wurden.
Wenn nun aber Teppö-ki recht hat, indem es die Portugiesen
zuerst im Jahre 1543 in Tanegashima landen lässt, so kann es
natürlich nicht ebenfalls richtig sein, wenn andere japanische
Geschichtsbücher konstatieren, dass diese erste Ankunft schon im
Jahre 1541, und zwar im Hafen ShingOji-ura in der Provinz Bungo
stattgefunden habe. Und diese Annahme, so sehr ihr die
japanischen Historiker zuneigen, hat schon ohnedies nicht wenig
gegen sich. So natürlich es ist, dass ein Schiff der Portugiesen,
von den Meeresregionen kommend, in denen ihre Fahrzeuge in
dieser Zeit sich zu bewegen pflegten., zuerst nach dem der
südlichsten der Hauptinseln vorgelagerten Eilande Tanegashima
gelangte, so unwahrscheinlich ist es, dass ein solches in den so viel
nördlicher gelegenen, im Binnenmeer verborgenen Hafen Shinguji-
ura einlief, den nur mit Land und See von Japan wohlvertraute
Schiffer finden konnten. Noch unwahrscheinlicher wird diese
Annahme, Avenn überdies an eine Strandung gedacht werden
soll. 44) Man könnte daher versucht sein, zu argwöhnen, dass der
Historiograph des Hauses Otomo, um für dieses das Verdienst in
Anspruch zu nehmen, um dessentwillen der Befehlshaber des
kleinen Eilands im Süden vom Hofe in Miyako ausgezeichnet
wurde, die Ankunft eines portugiesischen Schiffes in einem Hafen
der Provinz Bungo zwei Jahre vor der wirklichen ersten Ankunft
der Portugiesen in Tanegashima erfunden habe, so dass die
44. Viel eher wahrscheinlich wäre dies von Bonotsu, wo nach dem Buche Ki-
risutoshiki die Portugiesen, von Slam kommend, zuerst gelandet sein sollen, da Bonotsu
eine Landspitze im Süden von Satsuma ist. Die verschiedenen widersprechenden
Angaben sucht das in Japan geschätzte neuere Werk KokiisJngan künstlich in der
Weise miteinander in Einklang zu bringen, da.ss es die von Malakka kommenden
Schiffe zuerst im lo. Jahre Tembun in Tanegashima landen und dann nach Kagcshima
in der Nähe von Bonotsu, und von da nach Bungo kommen lässt. Ötomo Yoshi-
tsumi habe sie in Shingüji-ura aufgenommen.
36 Fjitdcclcung Japans diircli die Jhrtu^^icscn.
Landunp^ bei Nisliiiiuira Kti-iira als zwcilmallc^es Kommen der
Eui'opäcr erschien. Das letztere nimmt '/.. ]>. Arai ITakl'seki
in seinem Sairan li^cn an. Nach .seiner Darstellung wäre derselbe
Mann, der zuerst in .Shingiiji-ura in Bungo landete, im August des
12. Jahres Tembun wieder gekommen, und zwar mit sechs .Schiffen,
von denen eines mit loo Mann bei Tanegashima Anker warf,
während die fünf übrigen wieder nach Bungo fuhren. 45) Indessen
ist die Annahme, dass der Verfasser des Ötoiuo-ki — /// inajorcvi sni
ipsuis pi'incipis gloriani — eine der Landung im Süden um zwei
Jahre voraufgegangenc in einem der Häfen seines Herrn nur
erfunden habe, gar nicht nötig. Wir müssen nur beachten,
dass das Otonio-ki, auf das alle japanischen Darstellungen,
welche die Portugiesen zuerst in Shingüji-ura landen lassen, zurück-
gehen, gar nicht sagt, da.ss das Schiff, welches um die.se Zeit in
Bungo ankam, ein Portugiesenschiff war. Was Otoino-Jd sagt, ist,
dass das Schiff von Daiiinukokii Icam. Und unter Daiminkoku
cl. h. dem Lande Gross Ming ist zunächst doch nichts anderes als
China zu verstehen. Es i.st erst Arai Hakuseki, der im Sairan
Igen Bogengi als Autorität dafür angibt, dass hier Portugal und
unter den Seiban Portugiesen zu verstehen seien. Dass die
Chinesen, deren Piratenschiffe sich damals nachweislich viel an
den Küsten von Kyüshü herumtrieben, den Weg in das japa-
nische Binnenmeer fanden, hat nichts Unwahrscheinliches. Un-
möglich freilich wäre es auf der anderen Seite auch nicht, da.ss
auf einem solchen im Jahre 1541 in Bungo landenden Seeräuber-
schiffe sich auch einige Portugiesen befanden.
Das Resultat aber, zu ^\elchem dij Vergleichung und Prüfung
der japanischen Berichte über das in Frage stehende P^reignis
flihrt, ist dieses : Die ersten Europäer, die den Fuss auf die
japanischen Gestade setzten, waren Portugiesen. Ihre früheste
wohlverbürgte Landung erfolgte am 23. September 1543. Sie
geschah auf der Insel Tanegashima. Auf dem Schiffe, mit dem sie
kamen, waren etwa lOO I\Iann. Ihre Vorsteher waren ]\lura
45. Nach Arai IIaki'skki ist dies im Satsmna Natiipohtnshii l^richtet.
EiitdcckuJig Japans durch die Portugiesen. 37
Shukusha und Kirishita ta INIöta. Sie schenkten die ersten
Feuerwaffen und lehrten die Japaner die Bereitung des Pulvers.
Vergleichen wir dieses Ergebnis mit unserem Befunde der
europäischen Quellen, so zeigt sich, dass sich beide keineswegs so
decken, wie man wohl wünschen möchte. Differenzpunkte bleiben.
Der hauptsächlichste ist der, dass die Südspitze von Tanegashima
unter 30° 24' n. B. liegt, während Galv.\xo als Ort der Landung eine
Insel bei 32 Grad bezeichnet. Annehmen lässt sich allerdings, dass
der letztere die Lage unrichtig bestimmt hat, dies um so mehr, als
er auch für Lianipo, das in Wirklichkeit unter dem 29. Breitengrad
lag, den 30. angibt. Ebenso wenig wie hinsichtlich des Landungs-
ortes stimmen beide Angaben ganz zusammen hinsichtlich der
Landungszeit. Denn wenn es auch gestattet ist, Galvaxo's und
De Couto's Mitteilung so zu deuten, dass die Ankunft in das
Jahr 1543 fiele, so fiele sie nach ihnen doch in den Anfang dieses
Jahres, während die japanischen Berichte den 8. IMonat nennen.
Das Wahrscheinlichere ist auch hier, dass die portugiesischen
Geschichtschreiber bzw. ihre gemeinsame Quelle sich um ein
Jahr geirrt haben, dass also ihr 1542 in 1543 zu ändern ist. Eine
andere Abweichung liegt darin, dass die europäischen Geschicht-
schreiber drei, die japanischen nur zwei Portugiesen als Entdecker
nennen, eine Abweichung, die sich indessen leicht so erklären
lässt, dass sich der eine von den dreien in Japan weniger
hervorgethan hat. Verschieden sind auch die Namen angegeben.
Indessen ist nichts natürlicher als dies, dass die Japaner den
Klang der ihnen gänzlich fremden Namen nicht genau auf-
genommen haben. 46) Und im übrigen fehlt die Aehnlichkeit
nicht. Kirishita ta Möta mag sehr wohl mit Zeimoto oder auch
mit Antonio da Mota identisch sein.
In der ganzen bisherigen Untersuchung ist nun eine Quelle
ausser Betracht gelassen worden, und zwar gerade tliejenige, die
seit VON Siebold und Fraissinet, welche freilich, verschieden von
46. E'jenso, wie dies umgekehrt sehr häufig der Fall ist. So wird /.. B. in
pinto's Buch Iliamongö aus dem japanischen Yainagazca.
38 Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
den Neueren, aber in Ucbereinstimmung mit den japanischen
Berichten, 1543 anstatt 1542 als Jahr der ICntdeckuni^ ansetzen,
als hauptsächlichste Quelle angezogen wird : Ferxäo Mexdes
PiNTO's Peregrina^äo, die berühir.te Reisebeschreibung, die der
abenteuernde portugiesische Matrose nach seiner Rückkehr aus
dem Osten niedergeschrieben hat, um sie, wie er in der Vorrede
sagt, seinen Kindern als Erinnerung und als Erbschaft /.u
hinterlassen, damit sie daraus die Lehre zögen, dass sie sich
nicht durch die Mühseligkeiten des Lebens entmutigen lassen
sollten, Gott gegenüber ihre Schuldigkeit zu thun, da es keine
Widerwärtigkeiten gebe, welche die menschliche Natur nicht mit
Hilfe der göttlichen Gnade ertragen könne, wie er selber das
erfahren habe, der im Laufe von einundzwanzig Jahren drei-
zehnmal gefangen und siebzchnmal verkauft worden sei. Li
diesem zuerst 1614 in Lissabon erschienenen, nachmals in vielen
Uebersetzungen und in zahlreichen Neuauflagen verbreiteten
Berichte nimmt Pinto die Ehre der ersten Entdeckung der
japanischen Liseln für sich in Ansprucli. Auf einem chinesischen
Seeräuberschiffe, dem er sich mit zwei Genossen, Diego Zeimoto
und Christovao Borralho, anvertraute, um von Sanchan nach dem
Hafen Lailo zu gelangen, das aber ein heftiger Sturm von der
chinesischen Festlandsküste abtrieb, Avill er nach dreiundzwanzig-
tägiger Meerfahrt mit den andern beiden als erster Portugiese bei
der Lisel Tanixumä ( = Tanegashima) angelandet sein.
Charlevoix 47) nimmt nun an, dass ungefähr gleichzeitig im
Jahre 1542 zwei gleichartige Zufille die portugiesische Dschunke,
von der man bei Maftei liest, und das chinesische Piratenschiff 4S)^
auf welchem Pinto und Genossen sich befanden, beide mit je drei
Portugiesen, ohne dass dieselben von einander wussten, nötigte,
an diesen Inseln, die crstere im Hafen von Kagoshima, das andere
47. Ilisloire ei Description gaüralc du Japan, Tome II. p. 122 ff.
48. MuENSTERBERG (a. a. O. S. <}) läs.st sich eine Flüchtigkeit zu schulden
kommen, wenn er mitteilt, dass nach Chari.evoix die beiden verschiedenen Ent-
decker auch bei gleicher Beförderung mit einem chinesischen Boote nach Japan
tikcommen seien.
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 39
bei Tanegashima, zu landen, so dass beide meinten, ein Recht zu
haben, sich für die ersten Auffinder dieses bald so berühmten
grossen Archipels zu halten, und dass entweder die Nachlässigkeit
beider, den Zeitpunkt der Ankunft genauer zu bestimmen, oder ihr
Bestreben, ihn zu verschweigen, es für immer unmöglich gemacht
habe, eine Entscheidung darüber zu fällen, wem nun eigentlich der
Ruhm zukommt. Er meint, es scheine, dass man sich in der
Zeit, wo es noch leicht gewesen wäre, sich Gewissheit zu ver-
schaffen, keine ?^Iühe darum gegeben habe, ohne Zweifel des-
halb, weil für Jahre sich die Unterhaltung ausschliesslich um
die Entdeckung Japans durch das portugiesische Schiff (irehte,
während das P^rlebnis der chinesischen Dschunke erst durch
die Memoiren Pinto's in die weite Oeffentlichkeit drang, dessen
Bericht wohl im einzelnen wunderbar ausgeschmückt sein möge,
aber doch durch spätere Besucher Japans zu gut bestätigt werde,
als dass man ihn für eine blosse Dichtung halten dürfte, besonders
wenn man bedenke, dass er zu einer Zeit schrieb, wo noch
mehrere Personen ihn zu dementieren in der Lage waren. ICr
übersieht dabei, dass Pinto's Bericht zunächst nur für seine Nach-
kommen bestimmt war und erst einunddreissig Jahre nach seinem
Tode veröffentlicht wurde, und empfindet nicht das Unwahrschein-
liche der Annahme, dass zwei so ganz gleichartige Vorfalle in
die gleiche Zeit gefallen sein sollten. 49)
Murray 5°) stellt die Sache so dar, dass zunächst die drei von
Galvano genannten Flüchtlinge vom Schiffe des Diego Freitas
nach Japan gekommen seien, einige Jahre nach ihnen Pinto,
der nachmals eine ausführliche Beschreibung seines Besuchs
geliefert habe. Allein das von Pinto, und das von den anderen
49. Unter den Neueren teilt diese Ansicht Charlevoix' noch Ljungütedt,
An Historical Sketch of the Portuguese SetilemoUs aiui of the Roman Catholic
Clmrch and Mission in China. Boston 1836. S. I16, und Charles M.\c Fari.ank,
Japan; An Accoiuii, Geograpltical and Historical. London 1S52. Appendix, p.
397 ; auch Francisque Marn.'VS trägt sie noch vor (Z« „Religion de Jestis'' res-
suscitee au Japon. Paris et Lyon 1S96. Tome I. p. 3 u. 4).
50. Japan, p. 170.
40 Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
europäischen und den japanischen Geschichtschreibern lu-/,ählte
bezieht sich ohne Zweifel auf einen und denselben Vorfall.
Da l'into eine sein* umständliche Schilderung gibt, die im
Avesentlichen den Angaben Galvano's und der japanischen Dar-
stellung entsprechend lautet, der Name seines einen Begleiters, Zei-
moto, auch den verschiedenen Lesarten gemeinsam ist, Pinto also
sichtlich dasselbe Ereignis meint, so ist es nicht zu verwundern,
dass andere, wie ausser den schon Genannten z. B. auch Lauts 50,
ihm die I-'.hre zuerkannt und dann, wie schon von Siebold, die
\-ün Gal\ano genannten Entdecker im identisch mit ihm und
Diego Zeimoto und Christovao Borralho gehalten haben, dies
entweder so, dass man die Namen bei Gaiaaxo für verstümmelt
hält, vvie VON Siebolü und ihm nach Eraissinet, oder zu einer der
von ÄIuENSTERBERG geäusserten Vermutungen seine Zuflucht
nimmt, dass dem Pinto nach \-ierzig Jahren die Namen seiner
längst verschollenen Spiessgesellen entfallen gewesen seien, oder
dass er und der eine von diesen beiden als Leute, die vieles zu
verbergen hatten und daher sicher interessiert gewesen seien,
dass ihr Name sie nicht verriet, als Piraten und Gesellen eines
chinesischen Seeräubers einen anderen Namen führten.
VON' SiEBOLD meint, die Umständlichkeit in Pinto's Erzählung
und deren Bewährung von der andern Seite müssten ihn geradezu
als Augenzeugen erkennen lassen ; und aus gleichen Gründen
bringen wohl auch alle anderen ihm Vertrauen entgegen. 5^) In
der That schreibt Pinto, wie nur jemand schreiben konnte, der
selbst in Japan war und die Sitten und Gewohnheiten, wie über-
haupt die Verhältnis.se von Land und Volk aus eigener Anschauung
kannte. Aber dass er wirklich in Japan gewesen ist, unterliegt
51. Japan in zijinc staalkiuiJige cn bürge rlij/cc iiirigliiigcii cn liet verkeer 7iict
Europeschc Naticii. Amsterdam 1847. S. 98.
52. .So sai,rt z. I). Fk.msslnet (a. a. O.Tome i. p. 169): Plus on ctudie ce
debat, plus on deiiiciire convaiiicu quc Ics plus fortes raisons militent en faveiir de
Pinto. Vgl. auch Rein (a. a. (). I, 302) : „ Uie Glaubwürdigkeit dieses Berichtes
wird noch erhöht durch die sonstigen Bemerkungen über die Schönheit der Tempel
und dis freundliche Entgegenkommen ihrer Priester, der Bonzen."
EntdcckiDig Japans durch die Portitgicscn. 41
keinem Zweifel. \\\x haben die unanfechtbarsten Zeugnisse dafür,
dass er sogar mehr als einmal dahin gekommen ist. Indess nur
hiefür, nicht dafür, dass er gerade das, was er als eigenes Erlebnis
berichtet, auch wirklich selbst in Japan erlebt hat, kann man
diese Uebereinstimmung seiner Angaben mit den thatsächlichen
Verhältnissen als Zeugnis nehmen. Dieses, und damit seinen
P.ntdeckerruhm, kann man trotzdem in Zweifel ziehen, dies um so
mehr, wenn man sich erinnert, dass es eine häufige Gepflogenheit
v^on Reisenden dieser Zeit war, sich als Erlebnis anzueignen, was
sie nur von Hörensagen wussten, und dass besonders über Pinto's
Schriftstellerwahrhaftigkeit die iNIeinungen immer geteilt waren.
Von vielen wurde sein Buch, in dem er nach eigener Versicherung
eine schlichte und ungeschminkte Erzählung gibt, für eine
portugiesische Robinsonade genommen. Wie sich IMarco Polo
spottend Messer Millioni musste nennen lassen, so, und aus gleichem
Grunde, änderte man seinen Namen Alendez um in Meiidarj d. h.
Lügcnbeutel. Und wie ihm Cervantes den zweifelhaften Ehientitel
des ,, Fürsten unter den Aufschneidern " verlieh, so lässt Congreve
in ,, Love for Love " einen seiner Helden zu dem andern sagen:
„ Ferdinand Alendea Pinto luas bnt a type of thee, tliou liar of tlie
first inagnitudc ". Auf der andern Seite hat man schon früh
gemeint, ihn gegen so harte Beurteilung in Schutz nehmen zu
müssen. Bereits der 1620 zuerst erschienenen s|;anischen und
der 1628 erstmalig veröffentlicliten französischen Uebersetzung
der „ ÄbcnteiierlicJieu Reisen " ist eine Apologie des Autors
vorausgeschickt. Purchas tritt kräftig für die Zuverlässigkeit
seiner Beschreibungen ein, besonders soweit sie sich auf China und
Japan beziehen; der Herausgeber der „Annales des Iqyages "
erklärt, dass ein ausgedehntes Studium aller ihm zugänglichen
Werke über China ihn in seinem Vertrauen zu dem Wahrheitssinne
und dem Gedächtnisse Pinto's je länger je mehr bestärkt habe ;
Remusat zitiert ihn als eine gute Autorität für Thatsachen, und
am nachdrücklichsten ist ein Deutscher, Christoph Arnold, in
seinen 1672 zu Nürnberg veröffentlichten ,, M'aJirJiaftigen Bc-
seJireibiuigen dreyer mächtigen Königreiche Japan, Siani und Corea"'
42 Entdeckung Japans durch die Portugiesen.
für ilin eingetreten. Das sind sehr entgegengesetzte Urteile
über einen und denselben Autor, und doch, wird man sagen
dürfen, haben beide recht. Man wird im allgemeinen dem letzten
deutschen Ueberset/.er Mendez Pinto's 53) zustimmen können,
nach dem man bereitwillig zugestehen müsse, dass die Einzelheiten
durch manche Auswüchse einer reichen Phantasie ausgeschmückt
sind, aber überzeugt sein dürfe, dass die Erzählung im allgemeinen
ein lebendiges und getreues Bild des Lebens und der Sitten der
Völker des östlichen Asiens gibt. Und gewitzigt durch die
v^ollständige Korrektur des Urteils über Marco Polo's lange als
P^abelbuch betrachtetes Reisewerk, zu der man sich nach
genauerer Bekanntschaft mit den von dem italienischen Reisenden
beschriebenen Leandern und Völkern hat entschliessen müssen,
wird man sich doppelt hüten müssen, bei Pinto vorschnell als
fabulös zu verwerfen, was bei allem Schein des Gegenteils sich doch
als auf Wirklichkeit beruhend erweisen möchte. Es gilt in jedem
einzelnen Punkte genau, aber vorurteilslos zu prüfen, ehe man eine
PLntscheidung fällt. Das ist nun freilich in einem Betracht bei
Pinto's Buch viel schwerer als bei IMarco Polo. Das hinterlassene
Werk des portugiesischen Autors, in zahlreichen Handschriften
und Uebersetzungen gekürzt, mit Interpolationen versehen und
korrumpiert, hat bis heute noch nicht seinen Marsden, geschweige
seinen Pauthi<;r oder Yule gefunden. Von allen Uebersetzungen
ist die zuverlässigste die auf Kosten der französischen Regierung
im Jahre 1830 zu Paris in drei Bänden neugedruckte französische
Berxh.vrd P^iguier's, welche zuerst 1628 erschienen ist 54). Aber
53. Pll. H. KUELB, Fernand Mendez Pintds abenteuerliche Reise durch China,
die Tartarei, Siain, Pegii und andere Länder des östlichen Asiens. Jena 1S68. S.
IX. Diese Uebersetzung ist leider, wie die meisten in anderen Sjjrachen auch, die
wir haben, trotz Külbs gegenleiligcr Versiclierung in der \'orrede, selber das,
weswegen er eine andere neuere liearbeitung im zweiten Bändchen der Reisenden
der Vorzeit (Jena 1809) kritisiert, und was auch schon die 1671 in Amsterdam er-
schienene deutsche Uebersetzung ist, nur ein dürftiger Auszug.
54. Die beste portugiesische Ausgabe ist nach Külb die 1S29 zu Lissabon
erschienene in 4 Bänden, welche der ersten genau folgt und viele Verbesserungen
und Zusätze enthält. Mir stand durch die Liebenswürdigkeit des Kaiserlich
EntdcckiDig Japans durch die Portugiese n. 43
auch wer nach dieser Ausgabe Pinto's Bericht über die Entdeckung
Japans einer sorgfältigeren Durchsicht unterzieht, kann nicht
lange im Zweifel bleiben, dass der Verfasser bei der Niederschrift
desselben seiner südländischen Phantasie weniger als irgend sonst
in seinem Buche Zwang angethan. Vieles von dem, was er
erzählt, verrät sich ohne weiteres als blosse dichterische Aus-
schmückung, anderes hält nicht stand vor einer kritischen Prüfung
an der Hand der japanischen Geschichtsbücher.
Der Nautac|uim,55) den Pinto als den Befehlshaber von
Tanegashima anführt, ist ohne Zweifel identisch mit dem Statt-
halter oder Fürsten der Insel. Pinto nennt ihn Hiascarao Goxo,
was wahrscheinlich eine Korrumpierung \"on Hyöbunojö56) ist,
welchen Titel der damals regierende Tokitaka führte. Die
Stadt Miaiginä (so in der portugiesischen Ausgabe ; bei Plguier :
Miaygimaa), a\^o die europäischen Ankömmlinge nach Pinto mit
dem Befehlshaber verkehrten, steht bei ihm für die im Teppö-ki
genannte Stadt Akaoki.57) Pinto's Bericht weicht hier von der
japanischen Lesart ab, nach welcher die Landung bei Nishimura
Ko-ura geschah, und die Dschunke vier Tage später erst nach der
Bucht von Akaoki kam. Verschieden ist die Jahreszeit bestimmt.
Nach Pinto fiele die Ankunfc etwa in den Monat Mai, wohingegen
die Japaner den 23. September als Datum geben. Während
nach ihnen die Unterhaltung schriftlich mit Hilfe der Japanern
Deutschen Gesandten, Herrn Grafen Arco-Valley in Tokyo, die 5. Auflage des
Üriginaldrucks von 1762 zur Verfügung, welcher eine Reisebeschreibung Antonio
Tenreiro"s (Reise nach Indien) beigefügt ist. Die 2. Auflage erschien Lisboa 167S,
die 3. ibid. 171 1 u. die 4. ibid. 1725.
55. Nach vox Siebold ein Amtsname, entstanden aus einer \'erstümmelung
von 0]ijalc'nin, Aufseher. Rein hat versehentlicli immer Nantaqttui gelesen.
FiGUiER und alle mir zugänglichen Uebersetzungen schreiben Naittaquin. In der
von mir verglichenen portugiesischen Ausgabe steht das Wort wie oben.
56. Nicht, wie Siebold an die Hand gibt, von Sasagawa Kosiro, den er lür
den Ortsvorsteher von Nishimura nimmt, der, wie oben bemerkt, Oribenojö hiess.
Shinogawa Koshirö ist der Name des Japaners, den der Statthalter die Bereitung
des Pulvers lernen liess.
57. V. SiEBOLD vermutet, Miaygimaa müsse der Flecken Ilirayama sein.
44 Entdeckung Japans durch die Porüigicscn.
und Chinesen gemeinsamen Schriftzeichen durch Schriftkundige
beider Teile gefülirt wurde, erzälilt der l'ürtugiese, v/enigcr
glaubhaft, dass eine Vvavx von den Lekiosinseln (Riukiu oder
I.iukiu), die der Befehlshaber bei sich halte, als Dolmetsch gedient
habe. Unwahrscheinlich ist bei der Haltung, welche je und je
die von Nationalstolz erfüllten Japaner gegen Fremde beobachtet
haben, dass der Befehlshaber beim Anblick der bfu'tigen Europäer
ausgerufen haben sollte, die Japaner dürften sich glücklich preisen,
Avenn diese welterobernden Chenchicogins 5^) als gute Freunde
in ihr Land kämen, und noch unglaublicher bei dem bekannten
Unabhängigkeitssinn der Insulaner, dass ein japanischer Samurai
je Worte spracli wie die: ,, Siclierlich, keiner der Könige, die
wir jetzt auf Erden wissen, kann für glücklich gehalten werden,
es sei denn, er ist der V^asall eines so grossen Monarchen, wie
es der König dieser Männer [von Portugal] ist." Wie ein Akirchen
aus Tausend und Eine Nacht liest sich ferner, dass der Befehls-
haber von Zeimotos Feuerrohr luid vorher nie gesehener Scliiess-
kunst so hii;genommen Avar, dass er den Schützen hinter sich
auf dem Pferde aufsitzen hess und in diesem Aufzuge nnt ihm
durch die Stadt ritt, während Herolde in den Strassen ausrufen
mussten, alles Volk sei gehalten, den Fremdling \\\q einen seiner
nächsten Verwandten zu ehren. Und vollends in das Reich der
Phantasie gehört die ganze Geschiclite von dem Aufenthalte Pinto's
am Hofe des Königs von Bungo, der bei ihm Oregendö heisst,
womit Utomo Yoshinori gemeint sein muss. Unrichtig ist, dass
der Statthalter von Tanegashima eine Tochter des Fürsten von
Bungo, der zugleich sein Onkel gewesen wäre, zur P^rau hatte.
Tokitakas Mutter war die Tochter Shimazu Tataokis, und seine
P^rau in Wirklichkeit eine Tocliter von Yakubo Yamato no Kami
Takashige. Dies allein schon lässt den von Pinto wie so oft
im Wortlaut mitgeteilten Brief,59) in dem Oregendö seinen Schwie-
58. Entstanden aus Tenjikii, worunter man zunächst Indien, dann al)er alles
unbekannte Land jenseits Indiens verstand.
59. Der Brief ist bei Pinto datiert : Da casa do Fttchco aos sele nianiocos da
Liüi, liyuier übersetzt : Fucheo le septiesme mamoque de la Lune. [ ? ]
Entdeching Japans diircli die Portugiesen. 45
gersolm ersucht, ihm einen der Fremden zu schicken, als frei
komponiert erkennen. Zu dem Wege, den Pinto, als der lustigere
Patron ausgewählt, um den durch zweijährige Bettlägerigkeit
in seiner Stimmung niedergedrückten Fürsten aufzuheitern, mit
seinem japanischen Geleitsritter O Fingeandono (On Fizen dono
nach von Siebolds Identifizierung) nach der Residenz von Bungo
eingeschlagen haben will, hat schon vox Siebold die Anmerkung
gemacht, dass es derselbe ist, den noch jetzt die japanischen
Fahrzeuge nehmen. Von Tanixumä (Tanegashima) ruderten sie
nach dem Hafen Hiamongo (Yamagawa), begaben sich von da nach
Quanguixumä (Kagoshima), setzten ihre Reise fort nach Tanorä
(Tano-ura), übernachteten zu Minato, d.h. dem ,, Hafen" von Uto-
mari, und kamen so längs Fiungä (Hyüga) nach Osqui (Usuki) und
vollendeten von hier aus zu Lande ihre Reise nach Funai oder, wie
Pinto die Residenz nennt, Fucheo. Merkwürdiger Weise versteht
Pinto, kaum bei dem ihm gänzlich fremden Volke angekommen,
sich in Bungo aufs beste mit dem Fürsten und seinen Sühnen — er
erwähnt einen neunzehn-bis zwanzigjährigen und nennt den zwei-
ten im Alter \-on sechzehn bis siebzehn Jahren Arichandono
(was wohl Hachirö heissen soll) — und anderen zu unterhalten,
selbst die Gespräche mitzuteilen, die sie untereinander führten.
Wenn der Kanon Geltung hat, dass bei jeder Nachricht, die
als glaubwürdige Erinnerung auftritt, sich ein Weg denken lassen
muss, der von den Augen-oder Ohrenzeugen der berichteten
Thatsache bis zum Berichterstatter führt, so braucht man diesen
Massstab an Pinto's Mitteilungen nur anzulegen, um sich sofort
über ihren Charakter klar zu sein. Er bemerkt allerdings, dass
man ihm einen sehr guten Dolmetscher gegeben habe. Indessen
hätte ihm ein solcher doch schwerlich jede Aeusserung der
Hofleute über ihn, auch solche, die gar nicht für sein Ohr bestimmt
waren, mitgeteilt. Und woher hätte derselbe kommen sollen ?
Wie sollte man sich denken, dass sich im Japan jener Zeit einer
hätte finden lassen, wie er ihn einzig brauchen konnte. Da er
der erste Portugiese im Lande gewesen sein will, konnte kein
Japaner im Lande bereits Portugiesisch ge'ernt haben. Und
4(> Entdeckung Japans durcJi die Portugiesen.
auch der Nachweis wäre erst nocli zu liefern, dass Japaner zu
dieser Zeit bereits ausserhalb Japans in so dauernde Berührung
mit Portugiesen gekommen waren, dass sie mit einer Kenntnis
der i^iortugiesischen Sprache in ilire I leimat zurückkehrten. Wäre
dies der Fall gewesen, so wäre die Entdeckung der japanischen
Inseln durch die Portugiesen sehr wahrscheinlich auch früher
erfolgt und nicht eine P'rucht des Zufalls gewesen. Annehmen
könnte man also höchstens, dass Pinto sich auf Chinesisch mit
seinem Dolmetscher verständigte. Die chinesische Sprache war
ihm jedoch fremd, und selbst wenn sie ihm vertraut gewesen
Aväre, hätte er sich dem japanischen Dolmetscher nur durch Schrift-
zeichen verständlich machen können. 6°) Es wird nicht nötig sein,
auch noch die Geschichte von dem Unglücksfalle Arichandonos,
der diesem durch ungeschickte Hantierung mit Pinto's Feuerrohr
zustiess, zu analysieren. Das Gesagte genügt, zu zeigen, dass
Pinto's Darstellung in ihren Einzelheiten durchaus romanhaft i.st.
Verschiedene Gründe aber zwingen geradezu, auch die Haupt-
thatsache selbst, nämlich dass Pinto mit zwei Genossen als erster
Europäer in Japan gelandet sei, als Erfindung zu betrachten. Es
ist schon bemerkt worden, dass die Historiker, die Pinto die Ehre
der P'ntdeckung zusprechen zu müssen glauben, mit Ausnahme
VON Siebold'.s und Frais.?inet's seine Ankunft, wie schon Ciiarle-
voix gethan, im Jahre 1542 erfolgt sein lassen. Nun ist die
Chronologie in der portugiesischen Reisebeschreibung unglaublich
\erwirrt, so sehr, dass man den Gedanken nicht unterdrücken
kann, der Verfasser ist durch Dazwischentreten des Todes nicht
mehr dazu gekommen, sein Geschriebenes selbst einer Durchsicht
zu unterziehen. 61) Aber schon Langles hat in einer Anmerkunfr
60. Herr Professor Dr. I^. Riess weist micli auf die Möglichkeit hin, dass
Pinto sich vermittelst des Malayischen allenfalls in Japan hätte verständlich machen
können. Das ist zuzugeben, wäre jedoch sicherlich von Pinto bemerkt worden,
wenn es der Fall gewesen wäre.
61. Dass Pinto sein Werk erst kurz vor seinem Tode schrieb, ist mir auch
aus einem anderen inneren Grunde wahrsclicinlich geworden. Siehe weiter unten
Kap. XIII, Anm. 15.
Entdeckung Japans durcli die Portugiesen. 47
zu Tlninbergs Reisen ^~) die richtige Beobaclitung geäussert, class
der Autor der in seinem Buche angegebenen Zeitfolge gemäss nicht
eher als im Jahre 1545, d.h. also zwei Jahre nach der wirklichen
Entdeckung Japans, an die Küste von Tanegashima verschlagen
worden sein kann. Ein bisher nie bemerktes und beachtetes
argiinientuni c silentio aber erhebt die Haltlosigkeit des Mendez'
sehen Anspruchs zur Gewissheit. Der portugiesische Abenteuerer
hat in Beziehung zu den katholischen Ordensgeistlichen gestanden:
er wird ein guter Freund des P. Franciscus Xaverius genannt
und ist später selbst als Laienbruder in den Jesuitenorden einge-
treten, um als solcher mit P. Melchior Nugnez noch einmal die
Fahrt nach Japan zu unternehmen. Es ist noch ein Brief, d. d.
Cochin im Mai iSS^, an Ignatius Loyola vorhanden, in dem
Nugnez sehr ausfuhrlich über Pinto, durch den er hauptsächlich
in dem Gedanken bestärkt wurde, das Werl-: des seligen Fran-
ciscus in Japan aufzunehmen, berichtet. Er spricht von den
Beziehungen, die Pinto zu Japan habe, dass er durch vierzehn
Jahre dort und in China Handelschaft getrieben und daher dem
König von Japan (er meint damit den Fürsten von Bungo)
bekannt sei, was ihn auch zum Gesandten des Vizekönigs von
Portugiesisch-Indien an diesen geeignet erscheinen Hess. Es ist
undenkbar, dass Nugnez in diesem Zusammenhange nicht mit Stolz
und zum grösseren Ruhme des neuen Gliedes der Gesellschaft
Jesu auch das betont hätte, dass dieser unter den ersten Ent-
deckern der Inseln, die damals schon die xA-ufmerksamkeit
der ganzen katholischen Welt auf sich gezogen hatten, war,
wenn anders er das hätte sagen können. Auch Arias Braxdoxez,
der in einem Schreiben ans Goa xova gleichen Jahre auf Mendez
zu sprechen kommt, weiss nur das von ihm zu sagen, dass er
in Japan Handel trieb und mit I'ranciscus vertraulich gelebt habe.
Und endlich ist ein Brief von Pinto selbst an die Scholastiker der
Gesellschaft im KolLginni sn Coimbra erhalten, geschrieben in
62. Voyages de C. P. Thtmberg an fapoii. Traduits etc. par L. Langles.
Paris 1796. Tome II. p. loi.
48 Entdeckung Japans durcJi die Portugiesen.
Jlfalakka am 5. Dezember tSj f nach seinem Eintritte in den
Orden. ]u' hebt an nüt den Worten : ,, Da mir empfohlen
wurde, Euch von den Sitten und Gebräuchen diesjr Eänder,
iHid was ich da alles die vielen Jahre sah, die ich vor meinem
Eintritt in die Gesellschaft da zugebracht hatte, zu schreiben,
so werde ich die merkwürdigen Dinge anführen, die mir dermalen
einfallen." Dass er Japan entdeckt hatte, ist ihm beim Schreiben
dieses langen Briefes noch nicht eingefallen. Dieser glückliche
Einfall kam ihm erst, als er seine Memoiren aufgezeichnet hat.
Sein wiederholter Aufenthalt im Lande hat es ihm ermöglicht,
das Erlebnis der wirklichen Entdecker mit so umständlicher
Anschaulichkeit zu erzählen, als Aväre er wirklich selbst einer
von ihnen gewesen. Dass er andere Namen gibt als Galvano
und De Couto, erklärt sich einfach daraus, dass in dem Ent-
deckernamendreigestirne Raum für seinen eigenen Namen ge-
schaffen werden musste, den er an Stelle des einen derselben
einsetzte. Den Namen des andern, der ihm entfallen sein mochte,
ersetzte er durch Christovaö ]^orralho, der auch sonst in seinem
Buche eine Rolle spielt, und dem dritten, dessen allenfalls auch
im Kirishita ta Möta der japanischen Lesart wiederzuerkennender
Name ihm in Erinnerung geblieben war, liess er den Ruhm, auf
den dieser berechtigten Anspruch hatte. Auch die übrigen
Abweichungen von den anderen W-rsionen über die Entdeckung,
wie vor allem die Differenz in der Zeitangabe, haben nichts
Befremdliches, wenn man annimmt, dass sein Gedächtnis, wie
vortrefflich es immer gewesen sein muss, nicht alles genau so
festzuhalten vermochte, wie er sich's in China oder in Japan hatte
erzählen lassen.
Wenn wir ni\n auch nach der geführten Untersuchung kaum
umhin können, Pinto's Anspruch auf den Entdeckerruhm als eine
Anmassung zurückzuweisen, so enthält sein Bericht doch eines,
was als historisch wird genommen werden dürfen, und was uns
dazu dient, das aus den anderen, zuverlässigeren Quellen über die
Auffindung des Sonnenaufgangslands Erhobene zu \-ervollstän-
digen. Pinto berichtet nämlich, die Botschaft der drei von
Entdeckung Japans durch die Portugiesen. 49
Tanegashima Zurückgekehrten habe in Liampo bei den Portu-
giesen grossen Jubel hervorgerufen und sei alsbakl durcli eine
Dankprozession, die sich von der Kirche „Unserer Lieben Frauen
von der Empfängnis " bis zu der Jakobuskirche bewegte, und
durch eine in der letzteren abgehaltene Messe gefeiert worden.
Wie kein Grund einzusehen ist, die Richtigkeit dieser Mitteilung
anzuzweifeln, wenn man im Sinne behält, dass die 800 Portugiesen,
die in Liampo ansässig waren, durchweg Kaufleute waren, die sich
vom Handel mit dem neuentdeckten Absatzlande sofort reichen
Gewinn versprechen mussten, so erscheint auch das andere wohl
glaubhaft, was Pinto meldet, dass jeder der erste sein wollte, eine
Dschunke mit Tauschwaren zur Fahrt nach dem neuen, aussichts-
vollen Markte auszurüsten.
Die Häfen von Kyüshü wurden fortab von portugiesischen
Schiffen in wachsender Zahl besucht. Der erste Anfang dieses
Handelsverkehrs aber fallt, wie gezeigt, in das Jahr des Heils
1543. Die japanischen Annalen bezeichnen dieses Jahr, das
zwölfte des Nengö Tembun, als das Jahr, in dem das ,, Land
der Götter" dreierlei kennen lernte, davon es bis dahin nichts
gewusst : europäische Kaufleute, die Feuerwaffen und — das
Christentum.
VIERTES KAPITEL.
Taufe dreier Japaner in Goa.
Die Länder Europas \\'aren eben erschüttert worden von der
gewaltigen Bewegung, zu der das Auftreten Martin Luthers in
Deutschland den Anstoss gab. Roms Macht über die Gei.ster war
durch den kühnen Augustinermönch von Wittenberg ins Wanken
gebracht worden, und die Kräfte der Ecclesia militans schienen dem
Ansturm der reformatorischen Gedanken gegenüber für geraume
Zeit vor Schreck gelähmt. Dann aber ermannte sich die schwer-
geschädigte Kirche zum Kampf auf Tod und Leben gegen
die Neuerer, um, so viel sie konnte, wieder gut zu machen, und
zu retten, was noch zu retten war. Die Rekatholisierung dv^r an
den Protestantismus verlorenen Gebiete nahm vor allem die just
zur rechten Zeit von Ignatiiis von Loyola begründete Gesellschaft
Jesu mit Eifer in die Hand. Den höchsten Aufschwung erlebte
in diesem Reformationszeitalter der Katholizismus in Spanien und
in Portugal, wo der neue Orden sehr schnell Fuss fisste. Während
in Spanien nationaler Stolz auf diQ.\\ Gründer des neuen, vom
päpstlichen Stuhl und in Italien sehr schnell in seiner Bedeutung
erkannten und darum mit ungewöhnlichen Privilegien ausge-
statteten kirchlichen Vereins seiner Ausbreitung fördersam war,
war es in Portugal, wo die politische Macht sich willig in den
Dienst kirchlicher Ideen stellte, die Gunst des Königs, die das
Reich von Anfang an zu einem der erfolgreichsten Arbeitsfelder
der erlesenen Streiterschar Averdcn Hess. Schon im Jahre 1542
kam es hier, in Coimbra, zur Erricht'.'.ng des ersten Jesuiten-
kollegiums, das, unter Simon Rodriguez, einen der ersten Genossen
Taufe dreier Japaner in Goa. 5 1
Loyolas, gestellt, bestimmt war, jesuitische Priester zur Heiden-
bekehrung in den indischen Kolonieen auszubilden. Johann III.
(15 21-15 5 7), )>der erste und aufrichtigste Beschützer der ganzen
Gesellschaft Jesu, ein Beschützer, der durch seine Liebe und seine
Wohlthaten diesen Namen in vollem Masse verdient" 0, gewährte
auch den Missionseroberungen des Katholizismus, durch die ein
Ersatz für die gewaltigen, durch die Reformation verursachten Ver-
luste geschaffen werden sollte, seine wirksame Unterstützung.
Seit Papst Alexander VI., im Jahre 1493, zur Abgrenzung der
Interessensphären der beiden seefahrenden Nationen Westeuroi)as
einen Meridian von Pol zu Pol als Demarkationslinie ziehend, die
Erde wie einen Apfel geteilt und alle entdeckten oder noch zu
entdeckenden Länder der Westhälfte den Kastilianern, die andere
Hemisphäre ihren portugiesischen Nachbaren zugesprochen hatte,
lag wie die politische so auch die ganze kirchliche ^Macht im Osten
in den Händen des Königs von Portugal. Ohne seine Einwilligung
konnte kein Bistum gegründet und kein Bischof eingesetzt werden.
Kein europäischer Missionar konnte nach dem Osten gehen ohne
seine Sanktion, und auch wenn er diese hatte, nur auf einem
portugiesischen Schiff Keine päpstliche Bulle war wirkungskräftig
im Osten, so lange sie nicht die Approbation des Königs hatte,
von dem die Kirche von Rom als Entgelt für solche Privilegien
eben den Schutz und die L^nterstützung des weltlichen Arms
erwartete.
So lagen die Verhältnisse zu der Zeit, als die Portugiesen
von Indien den Weg nach Japan fanden. Und so folgten auch
hier, wie vorher in den indischen Ländern, den portugiesischen
Kauffahrern und Abenteuerern die katholischen Missionare auf
den Fuss.
Mendez Pinto erzählt, wo er von seinem angeblich zweiten
Aufenthalte in Japan, der in die letzten Monate 1546 bis 6. Januar
1547 fiele, berichtet, dass er und andere Portugiesen, als sie eben in
Hiamongö (=Yamagawa in Satsuma), einem Hafen der Bai von
I. Brief Franz Xaviers an König Johann III., Cochin, 20. Januar 1548.
5 2 Tmife dreier Japaner in Goa.
Kagoshima, die Anker gelichtet, zwei Männer zu Pferd gesehen
hätten, die, in grosser Hast den Berg, welcher sich an der Küste
hinzog, herabsprengend, mit einem Tuche winkten. Die Nacht
vorher seien vier Sklaven, von denen einer Pinto's Eigentum war,
vom Schiffe geflohen. In der Meinung, von den Reitern Nach-
richt über die Flüchtlinge zu empfangen, sei er mit zwei Kamera-
den in ein Boot gestiegen. Als wir an das Ufer kamen, sagt
Pinto, wo uns die zwei Männer zu Pferd erwarteten, sprach der
eine, welcher der Ansehnlichere zu sein schien, zu mir : ,,ich bin
verfolgt und in grosser Furcht, und jeder Verzug kann mir gefahrlich
werden. So bitte ich Euch, um der Liebe Gottes willen, nehmt
mich ohne Verweilen auf in Euer Schiff, ohne Bedenken zu tragen
oder die Unannehmlichkeiten zu erwägen, die Euch möglicher-
weise daraus erwachsen könnten !" Ueber diese Worte, sagt
Pinto, war ich so bestürzt, dass ich kaum wusste, was ich thun
sollte, umsomehr als ich mich erinnerte, ihn zweimal in Hia-
mongö in Gesellschaft geachteter Kaufleute gesehen zu haben.
Kaum hatten sie aber die Schaluppe bestiegen, als eine Schar
von vierzehn Reitern ansprengte, welche mir zuriefen : ,, Gib uns
diese Verräter heraus, oder Du bist des Todes !" Bald tauchten
andere neun auf, worauf ich bis ausser Bogenschussweite abstiess
und sie fragte, was sie wollten. Darauf antwortete einer von
ihnen : ,,Wenn Du Dir beikommen lassest, diesen Japaner — seines
Begleiters erwähnte er nicht — mitzunehmen, so wisse, dass tausend
Deinesgleichen es schwer büssen sollen." Auf alles dies erwiderte
ich kein Wort, sondern ruderte nach dem Schiffe und ging mit
den zwei Japanern, die gut aufgenommen und vom Kapitän, Jorge
Alvares, und den andern Portugiesen mit allem, was für eine so
lange Fahrt notwendig ist, versehen wurden, an Bord. Der Name
dieses Flüchtlings war Angiro, ,,ein Werkzeug, erwählt vom
Herrn", bemerkt Pinto, ,, zu seinem Ruhm und zur Verherrlichung
des heiligen Glaubens."
Er erzählt weiter, dass sie nach Malakka gekommen seien,
wo sie den Pater Franciscus Xaverius, der einige Tage zuvor mit
dem Rufe eines heilic^en Mannes von den Molukken gekommen
Taufe dreier Japaner in Goa. 5 3
war, trafen. ,, Sobald dieser Heilige Kunde davon erhalten hatte,
dass wir diesen Japaner bei uns hätten, kam er, um Jorge Al-
vares und mich in dem Hause eines gewissen Cosmo Rodrigues,
der da verheiratet war, zu besuchen, und verbrachte einen
Teil des Tages mit sehr eingehenden Erkundigungen (alle ge-
gründet in seinem lebendigen Eifer für Gottes Ehre) in unserer
Gesellschaft. Nachdem wir ihm alle ge^vünschte Auskunft
gegeben hatten, erzählten wir ihm, ohne zu wissen, dass er bereits
Kenntnis davon hatte, dass wir zwei Japaner mit uns gebracht
hätten, von denen der eine, scheinbar ein Mann von Ansehen,
sehr bescheiden und wohl unterrichtet in den Gesetzen und Sitten
des ganzen Landes sei, indem wir hinzufugten. Seine Ehrwürden
würden erfreut sein, dies zu hören. Darauf äusserte er, er würde
sich höchlich freuen, ihn zu sehen. Infolgedessen begaben wir
uns sogleich nach unserem Schiff und brachten den Mann zu dem
Pater, der keine andere Wohnung hatte als das Spital. Nachdem
er ihn gesehen hatte, nahm er ihn sogleich mit nach Indien,
wohin er sich eben zur Reise rüstete. In Goa angekommen,
machte er ihn zu einem Christen und gab ihm den Namen Paulo
de Santa Fe. Dort lernte dieser in kurzer Zeit lesen und schrei-
ben und machte sich vertraut mit der ganzen christlichen Lehre,
ganz entsprechend den Absichten des seligen Paters, der nur auf
den Aprilmonsun wartete, um den Barbaren der Insel Japan Jesum
Christum zu predigen, den Sohn des lebendigen Gottes, für die
Sünder an das Kreuz geschlagen, Worte, die er gewöhnlich im
Munde führte. Er fasste auch den Plan, diesen P'remdling, wie
er nachher wirklich that, mit sich zu nehmen, und desgleichen
seinen Begleiter, den er ebenso zum christlichen Glauben brachte,
wobei er ihm den Namen Joanne gab."
Das ist der Bericht, an den so ziemlich alle neueren Schrift-
steller— ich nenne als Beispiel nur Griffis und Rein — bei ihrer
Darstellung sich halten. Sie bereichern ihn noch durch die schon
bei TuRSELLiNUS, SoLiER, Crasset, Bartoli, Charlevoix u. v. a.
sich findende Fiktion, dass der Japaner, von dem die Rede ist, ein
anderer Moses, im Streite einen Mann erschlagen habe und dadurch
54 Taufe dreier Japaner in Goa.
genötigt worden sei, sich auf das zur Abfahrt bereit hegende
Schiff Pinto's zu Hüchten, mit dem er nacli Malakka gelangte, um
nach einigen Jahren als Dolmetscher des grossen Apostels von
Indien mit diesem nach seinem Vaterlande zurückzukehren. Dabei
bedenkt man nicht, dass der Totschläger, mochte er durch seine
Fluch.t gerichtlicher Bestrafung sich entzogen haben oder der in
Japan damals herrschenden Blutrache 2) der Verwandten und
Freunde des Ermordeten ausgewichen sein, es nicht hätte ^wagen
können, sich nach verhältnismässig doch kurzer Zeit wieder nach
dem Orte seiner That, über die noch nicht Gras gewachsen sein
konnte, zurückzubegeben.
Es liegt nahe, vorerst nach japanischen Quellen zu fragen,
die über den ersten japanischen Anhänger der neuen Religion
berichten. Griffis 3) weist auf eine in den Monaten April \uid
Mai 1S94 in der „Japan Älail'' unter dem Titel ,,Paiil Anjiro"
erschienene, übrigens nachher auch in Separatdruck 4) veröffent-
lichte Artikelserie hin, die Uebersetzung eines nicht genannten japa-
nischen Werks, das selbst eine Uebersetzung aus dem Französischen
ist. Was der Herausgeber als ein Werk nahm, das unsere Kenntnis
der frühesten japanischen Kirchengeschichte erweitern könne, ist
dasselbe NiJion-sci-kyjslii, das Wjiitney in seinen Notes 011 tlie
History of ]\Icdical Progress in Japan (Transact. Vol. XII. Part
IV. p. 309) sogar für eine japanische Quelle nahm und für seinen
Zweck benützt hat. Es ist in Wirklichkeit die japanische Ueber-
setzung der 1689 zum erstenmal in Paris erschienenen Histoire de
V Eglise du Japan par ]\I. l'Abbe de T. (le P. Ckasset de la
C.d.J.).5)
Einem neueren, japanisch geschriebenen Buch von Watanabe
SHUijiRÖ (Ütl?' ^ M' ^ /i^ ü ;^A) niit dem lateinischen Nebentitel
2. Siehe J. Dautremer, T/ie Vendetta or Legal Reveiige in Japan. Transact.
of the As. Soc. of Japan, Vol. XIII. Pari I.
3. The Religions of Japan. 2d ed., p. 442, note 4.
4. ]-''aitl Anjiiv ; or the In'.rochiction of Christ'uviity [Ro/nan Catholicis/n) in
Japan. Translated and Abridged by G. E. Dienst.
5. Vgl. die Kontroverse zwischen Rev. Dienst, Z. Y. (Dr. L. Ricss) und Dietz
in der Japan jNIail von 1S94,
Taufe dreier JapcDicr in Goa. 55
„Res gestae Japonensium qiiae ad externas nationes attinent'^ ver-
danke ich die Notiz, dass nach einem japanischen Berichte, den der
Verfasser leider nicht genauer bezeichnet, ein Mann aus der
Provinz Yamato mit Namen Ryösei (im KirisutokydsJnki trägt er
den anderen Namen Anjiro) im 12. Jahre der Periode Tembun
(1543) mit einem portugiesischen Schiffe aus Kagoshima nach
Goa in Indien gefahren sei, sich dort zur kathohschen Lehre
bekehrt und den Bateren (vom spanischen padre, Patres) ver-
sprochen habe, dass er diese Lehre in Japan verbreiten wolle,
worütter diese sehr erfreut waren. Im 18. Jahre derselben Periode
(1549) sei er mit einigen Schülern, deren Anführer er war, nach
Kyüshü zurückgekehrt, habe einen Teil des Buchs der Lehre ins
Japanische übersetzt, und sei wegen seines langen Aufenthalts in
Indien und seiner Kenntnis der europäischen Sprache und Schrift
sehr berühmt gewesen. Es wird ihm weiter nachgerühmt, dass
er die Gerberkunst von Indien mitgebracht habe, die man in Japan
daher Indiagawa nenne.
In der GeJieinien Geschichte der Familie Oiintra steht folgen-
des : ,,Um das 13. Jahr Tembun wurde ein Arzt aus der Provinz
Yamato, der sich auf der Insel Tanegashima authielt, durch List auf
ein fremdes Schiff gebracht, geraubt und nach einem Lande der
Barbaren entführt. Dort bildete man ihn zu einem Bateren aus,
führte ihn dann wieder zurück, und Hess ihn die fremde Lehre
heimlich verbreiten."
Das ist alles, was ich über den ersten japanischen Christen
in japanischen Büchern ausfindig machen kann. P^s wäre wohl
voreilig, die Möglichkeit für ganz ausgeschlossen zu halten, dass
aus den erst seit kurzem mit ernstem Eifer durchforschten Archiv^-
schätzen alter P^amilien eines Tages noch anderes ans Licht ge-
zogen wird. Vorläufig sind wir, wie man sieht, für die Geschichte
des ersten japanischen Konvertiten leider ausschliesslich auf die
europäischen Quellen angewiesen.
Von diesen Quellen wurde ]\Iendez Pinto's Bericht bereits
erwähnt und in extenso mitgeteilt. Er enthält ausserdem nur noch
eine kurze Mitteilung über Anjiros Ende, die ich an ihrem Orte
56 Taufe dreier Japaner in Goa.
mitteile. In den Epistolae Indicae findet sich ein Brief von P.
Melchior Nugnez Barreto an Ignatius Loyala, d. d. Cocliin,
Mai 1554, mit der kurzen Notiz, der Bruder des Paulus vom
heiligen (jlauben (d. i. Anjiro), der öfters Xaviers Reisegenosse
war, habe ihm als gewisse Wahrheit erzählt, dass der P. Franciscus
einem Blinden das Augenlicht wiedergegeben habe. Dieser
Stelle ist nichts zu entnehmen, als dies, dass Anjiro, was freilich
sonst nicht bestätigt ist, einen Bruder hatte, und dass er, was den
Thatsachen entspricht, Xaviers Begleiter auf mancher Wanderung
gewesen. In der gleichen Sammlung ist ein Brief von P. Cosmo
ToRRES, d. d. Goa, 25. März 1549, der einiges wenige sagt, was mit
dem, was wir sonst von Anjiro erfahren, gut zusammenstimmt.
Daneben besitzen \\\x azvei dem j-bijiro selbst zugeschriebene Briefe
aus den Jahren 1548 und 1549, der erste aus Goa vom 29.
Dezember,^) auch in zwei Briefen Xaviers erwähnt,7) der andere,
eine blosse Bitte um P'ürbitte bei Gott an seine P'reunde in Goa, in
Kagoshima geschrieben und vom 5. November 1549 datiert, also
offenbar zugleich mit Xaviers ersten Nachrichten aus Japan weg-
geschickt. Er findet sich bei Maffei. Dazu kommt eine, später
zu würdigende, BescJireibung Japans, die auf Informationen von
Anjiro zurückgeht, aus dem fahre ij-fS. Das zuverlässigste Mate-
rial, das jedoch mit den genannten Briefen anderer wohl im
Einklang steht, bieten zerstreute Stellen in Xaviers Briefen, die
sich auf dessen ersten Konvertiten beziehen. S)
Wir werden zu sehen haben, was sich aus ihnen als sicher
erheben lässt, um es dann mit Pinto s Bericht zu vergleichen und
ein kritisches Urteil über diesen letzteren zu gewinnen.
Es war in den letzten Monaten des Jahres 1546, dass in
6. Nach Ck.\sset : 29. November. In der 1828 zu Lyon und Paris bei
Perisse freres erschienenen französischen Ausgabe der Briefe Xaviers trägt er das
Datum 27. November. VENN-Hori'Wi.-VNN gibt den 25. November.
7. An Ignatius, 14. Januar 1549, und an Rodriguez, 28. Januar 1549.
8. Sämtliche Stellen wie alles iilirige Material halje ich gesammelt mitgeteilt
in der von mir herausgegebenen Monatsschrift „Die IVa/ir/ieit^^, Jahrgang II. 1901 .
SS. 105-110, 122-127, 155-158, 170-175, 186-190, 209-213, 225-229 und 249-253
„Der Samurai Anjiro. Quellen zur Ceschiehte des ersten japanisc/ien Chrislen.^^
Taufe dreier Japaner in Goa. 5 7
einem der seit der Entdeckung des neuen Inselreichs häufig be-
suchten Häfen von Satsuma, der südHchsten der neun Kyüshü-
provinzen, ein portugiesisches Handelsschiff landete. Unter den
Kaufleuten befand sich einer mit dem Namen Alvaro Vaz. Ihn
traf ein Eingeborener von Kagoshima, ihm schon von früher her
bekannt, woraus man wird zu schliessen haben, dass der Portugiese
schon einmal in Japan gewesen war. Xavier in seinen Briefen
nennt den Japaner Angero. Im Japanischen lautete sein Name
wahrscheinlich Anjiro.9) Dass er aus einer angesehenen Familie
stammte, haben die Jesuitenväter, welche die japanische Geschichte
schrieben, wohl daraus geschlossen, dass ihn nachmals zwei Diener
nach Indien begleiteten. Dafür, dass seine Familie die reichste
iuid angesehenste in Kagoshima war, wie sie weiter phantasieren,
liegt nicht das geringste Zeugnis vor. Richtig ist aber wohl, dass
er zur Klasse der Samurai gehörte, die in hoher Achtung
standen, auch wenn sie arm waren. Innerlich beunruhigt durch
die quälende Erinnerung an Sünden seiner Jugend, zudem ver-
folgt von persönlichen Feinden, hatte er in einem Bonzenkloster
des Ortes, an dem das Kauffahrteischiff landete, seine Zuflucht
gesucht. Er eröffnete dem befreundeten Portugiesen seine Unruhe
und klagte ihm seine Not, gegen die er bei den Bonzen keine
Hilfe und Beruhigung fand. Alvaro schlug ihm vor, mit ihm
nach ]\Ialakka zu gehen. Dort, meinte er, werde er auch den
Seelenarzt finden, der ihm helfen werde, sich mit Gott auszu-
söhnen. Er dachte dabei an P. Franciscus Xaverius, den eifrigsten
der Jüngerschar Ignatius' von Loyola, der, vom Papst zum apo-
stolischen Nuntius für Indien ernannt, mit Martin Alfonso Sousa,
dem Gouverneur von Portugiesisch-Indien, 1542 nach Goa gekom-
men war und damals in Indien und auf den Sundainseln unter den
entarteten Europäern und den heidnischen Eingeborenen erfolgreich
9. Eine japanisch geschriebene populäre Kirchcngeschichte von Yamaguchi
(|li P -i!^^^) mit dem französischen Titel „Ilistoire de la Mission de Yainagiic/W
identifiziert Xaviers Angero mit Kanjird. Bartoli, Asia, 1. 2. c. 33 schreibt :
Allgero (o, coine altri di colä emendano, Jagiro). Diese letztere Lesart könnte zu
der i\iniahme führen, dass der Name in Wirklichkeit liachirö gewesen.
5 B Tmife dreier Japaner in Goa.
arbeitete und seines asketischen Lebens und christlichen Ernstes
wogen bereits im Rufe aussergewöhnlichcr ITeihgkeit stand. Dem
Japaner gefiel dieses Anerbieten. Aber da Ah^aro noch nicht
zur Abfahrt fertig war, während seinem Schützling längeres Ver-
weilen gefiihrlich schien, schickte er ihn mit einer Emjsfehlung
an einen Freund Fernandez Alvarez, der in einem anderen nahen
Hafen sich fertig machte, die Anker zu lichten. Anjiro, der sich
noch in dunkler Nacht dahin begab, übergab seinen Brief irrig
dem Kapitän eines anderen Kauffahrers, Georg Alvarez, der ihn
nicht über seinen Irrtum aufklärte, sondern gütig aufnahm und
mit nach Malakka brachte, um ihn dem Pater, mit dem er be-
freundet Avar, zuzuführen. Ihn für diesen einzunehmen, und ihm
eine Neigung für die katholische Religion einzuflössen, erzählte
er ihm auf der Fahrt täglich x'on Xaviers Leben und Thaten und
vom christlichen Glauben, dessen Verkündiger dieser war, wodurch
er mehr und mehr in dem Japaner eine Begier erweckte, beide
kennen zu lernen. Aber in Malakka angekommen, erfuhr dieser,
dass der HciHge sich nach den Molukken begeben habe. Er wäre
gleichwohl beinahe getauft worden, hätte nicht der bischöfliche
Vikar Alfonso Martinez sein Veto eingelegt. Er wollte ihm die
Taufe nur unter der Bedingung erteilen, dass er nach ihrem Em-
pfange nicht zu seinem heidnischen Weibe zurückkehren wolle.
Es macht dem Japaner alle Ehre, dass er auf solche Bedingung
hin vorzog, auf die Taufe zu verzichten.
In seinen Erwartungen getäuscht, entschloss sich Anjiro,
unverrichteter Sache heimzulcehren, ein Schiff benützend, das die
Anker zur Fahrt nach einem chinesischen Hafen lichtete (jeden-
falls Chincheu), wo er ein anderes bestieg, um nach der nur
sechs bis sieben Tage entfernten Küste seines Vaterlandes
überzusetzen. 1°) Schon hatte er sie, nur zwanzig Meilen noch
vom Lande entfernt, in Sicht, da erhob sich jählings ein vier
lO. CharlevoIX, [Ilistoire de PEfablissetiient, des Progres et de la Dccadence du
Christiaiiisvi dans V Empire du Japo)i I. 39) berichtet ganz falsch, dass er beinahe
2\vei Jahre auf der clainesischen See lierumgetrieben und unentschlossen, was er
thun sollte, bald in diesem, bald in jenem Hafen geblieben sei.
Taufe dreier Japaner in Goa. 59
bis fünf Tage anhaltendes Ungewitter, das das Schiff in den
Ausgangshafen zurückwarf") Indem er, von der überstandenen
Gefahr noch ganz betäubt und im Gewissen geängstet, sorgen-
voll darüber nachdachte, was er thun solle, kam ihm Alvaro
Vaz in den Weg, durch dessen Freundschaft er von Japan
fortgekommen war. Dieser verwunderte sich nicht wenig, ihn
hier zu treffen, und drängte, nachdem Anjiro ihm seine Schick-
sale erzählt hatte, in ihn, noch einmal mit ihm nach Malakka
zurückzukehren. Sein Drängen unterstützte ein angesehener
Mann, Laurentius Botellius, der sagte, er zweifle nicht, dass
Xavier nächstens nach Malakka kommen, ihn sicher in das
Kollegium des heiligen Glaubens in Goa zum Unterricht in der
christlichen Religion bringen, und ihm, wenn er in sein Vaterland
zurückkehren werde, einen aus der Gesellschaft Jesu zum Be-
gleiter geben würde. Und Anjiro liess sich bereden.
Der Zufall wollte es, dass ihm beim Landen sogleich der-
jenige begegnete, der ihn das erstemal aus Japan nach Malakka
gebracht hatte, Georg Alvarez. Dieser sagte ihm, dass Xavier von
den Molukken zurückgekehrt sei. Voll Verlangen, in der christ-
lichen Religion unterrichtet zu werden, liess er sich sogleich von
ihm zu diesem führen, der eben in der Kirche ein Ehepaar
feierlich einsegnete. Alvarez sagte dem Pater, wer er wäre, und
warum er käme. Er hatte ihm schon vorher von dem Japaner
gesprochen. Denn ihn meint jedenfalls Xavier, wenn er in einem
Briefe nach Rom, d.d. Cochin, 21. Januar 154S, schreibt: ,,Im
April 1547 teilte mir ein portugiesischer Kaufmann in Malakka,
ein frommer und gewissenhafter Mann, manches mit über kürzlich
entdeckte grosse Inseln, welche Japan genannt werden. Dort
könne viel mehr für die Verbreitung des Christentums geschehen
als in irgend einem Teile Indiens ; denn das ganze Volk zeichne
sich vor anderen durch Lernbegierde aus." Die Worte ,, in
Malakka," die bei Tursellix sich finden, lässt De Vos in seiner
deutschen Uebersetzung der Briefe aus. Coleridge in seiner
II. Coleridge I, 422 ist liienach zu korrigieren.
6o Taufe dreier Japaner in Goa.
cnglisclicn Ausgabe gibt sie wieder, lässt dagegen die Zeitangabe
„ im April " weg. Nur Pages übersetzt genau nach Tursellin :
,,aH viois iVavril iß 4.'] je vis ä Malacca ?in inarehand portugais" ,
ohne zu bemerken, was dem deutschen und dem enghschen Heraus-
geber aufgefallen zu sein und sie, den einen zu dieser, den andern
zu jener Auslassung veranlasst zu haben scheint : dass Xavicr im
April 1547 sich nicht in ]\Ialakka aufhielt, wohin er erst Mitte
Juli dieses Jahres kam. Im April war Xavier höchst wahrscliein-
lich noch in Ternate, und hier wohl war es, wo er den Georg
Alvarez traf. Dass Tursellin (der übrigens, die Verwirrung noch
grösser zu machen, das Jahr 1548 statt 1547 gibt) schon
schreibt : ,, Ma/acae iiicrcator Lnsitanns , vir viagiia religione ac
fide, niitd de insidis permagnis {Japojiiani eam regionein vocant)
niipcr rcpcrtis vinlta narravif' , möchte ich aus einer Verwechs-
lung mit dem ähnlich lautenden Namen der ,,Molukken" erklären,
als deren Hauptstadt Xavier Ternate bezeichnet. Dass dem
lateinischen Uebersetzer des portugiesischen Originalbriefs eine
solche Verwechslung begegnen konnte, erscheint um so verständ-
licher, wenn man weiss, dass Xavier von ,,Moluco" öfters im
Singular redet und, wie z. B. im Briefe nach Rom d. d. Amboina,
10. Mai 1546, aus dem Kontext erhellt, darunter Ternate versteht.
Xavier zeigte grosse Freude über seine Begegnung mit dem
ersten Japaner und behandelte ihn, der bereits so viel Portugie-
sisch verstand, dass er sich ohne Dolmetscher mit ihm unterhalten
konnte, aufs freundschaftlichste. Aber auch der Japaner "war
alsbald von dem ganzen Wesen des Paters eingenommen und
überzeugt, Gott müsse alles so gefügt haben, wie es kam, um
ihn mit diesem heiligen Manne zusammenzubringen. Es war eine
denkwürdige Begegnung, bedeutungsvoll nicht für den Japaner
Anjiro allein, auch für Japan. Von Anjiro vernahm Xavier,
der sich lebhaft für alles, was die neuentdeckten Inseln anging,
interessierte, zuerst den Ruf: Komm herüber und hilf uns !
Acht Tage blieb der Samurai in ]\Ialakka. Er sollte ins
Kollegium nach Goa gebracht werden, um des Portugiesischen
vollkommen mächti<j zu werden und sich mit der Macht der
Taufe dreier Japaner in Goa. 6i
Portugiesen in Indien, den Künsten und der Lebensweise der
Europäer bekannt zu machen und auf die Taufe vorzubereiten.
Xavier hätte ihn am Hebsten mit sicli auf das Schiff genommen,
auf dem er selbst, nach Pinto (Kap. CCVIII.) im Monat
Dezember, die Fahrt nach Cochin antrat, \vo er am 13. Januar
1548 ^2) anlcam. In dem Briefe, den er dort am 21. Januar nach
Rom schrieb, sagt er, dass er den Anjiro innerhalb zehn Tagen
in Cochin erwartete. Er hatte ihn mit Georg Alvarez und den
anderen ihm befreundeten Portugiesen, die eben nach Indien
fuhren, vorausgehen lassen, da Anjiro diesen zu Dank verpflichtet
war, und Xavier nicht direkt nach Goa fuhr, sondern die Absicht
hatte, vorher von Cochin aus seine neubekehrten Paraver am
comorinischen Vorgebirge zu besuchen.
Anjiro sagt in seinem zu Goa geschriebenen Briefe unbe-
stimmt, Xavier sei Anfangs März,i3) nachdem er die Christen
der Fischerkijste gesehen hatte, in Goa angekommen. X'ach P.
Torres H) wäre er nur vier bis fünf Tage nach seinem Schützling,
am 20. März, in Goa eingetroffen, zur grossen Freude Anjiros,
der von seiner Leutseligkeit und Klugheit bereits über die massen
eingenommen war. Xavier schiffte sich indessen, da der Vize-
könig Joam de Castro, mit dem er zu sprechen hatte, gerade in
Bazain war, sogleich wieder dahin ein, war aber bereits Anfang
April Avieder in Goa, wo ihn der Vizekönig für einige Monate
festhielt, bis er am 5. Juni einem schleichenden Fieber erlag, um
dessentwillen er des Seelsorgers Nähe gewünscht hatte.
12. Pages I, pp. LXXIV und 242 schreibt: 21. Januar. Dass dieses Datum
irrig ist, zeigt der Brief vom 21. Januar 1548 nach Rom, in dem Xavier sagt, dass
er seit acht Tagen in Indien sei.
13. In der nach Anjiros ^vlitteilungen verfassten Beschreibung Japans ist als Tag
der Ankunft der i. Mai, nach anderer Lesart der letzte April, 1548 angegeben.
14. Brief d. d. Goa 25. März 1549. Hienach ist die Angabe Charlea'OIX',
Hist. de FEtabl. etc. I. 40 : „au baut de quelqties inois" zu berichtigen. Falsch gibt
P.VgLs als Tag der Ankunft Anjiros den 20. März an, eine ^'er^vecllslung mit der
Ankunft Xaviers. Ganz unrichtig übersetzt I, 450 E. DK Vos : „Xavier folgte uns
bald ; denn wir schifften uns am I. März ein, und er am 4. oder 5. desselljen
Alonats."
02 7«?^ dreier Japaner in Goa.
So konnte Xavier auch selbst zugegen sein, als Anjiro und
die beiden anderen Japaner, nachdem sie genügend im Kollegium
unterrichtet waren, im Mai am Pfingstfeste ^5) in der prachtvollen
Hauptkirchc durch die Hand des Bischofs Joam d'Albuquerque i6)
die Taufe empfingen, die Erstlinge der japanischen Kirche. Anjiro
erhielt den Namen Paulo de Santa Fe, nach dem Namen des
Kollegiums, in dem er seinen christlichen Unterricht empfangen
hatte ;i7) \-on den andern beiden bekam der eine in der Taufe
den Namen Johannes, der andere den Namen Antonius. i'"^) '
So weit in der Darstellung der Schicksale des ersten japani-
schen Täuflings gekommen, sind wir nun im stände, sie mit dem
oben mitgeteilten Pintoberichte zu vergleichen. Das erste, was
in letzterem auffallen möchte, ist vielleicht dies, dass nach ihm
nur zwei Japaner, Anjiro und ein Diener desselben, an Bord des
portugiesischen Schiffes aufgenommen wurden, während Xavier
von drei Japanern redet, die mit ihm von Malakka nach Goa
ins Kolleg des heiligen Glaubens kamen. Indessen ist zu
bemerken, dass auch Anjiro in seinem Briefe an die Gesellschaft
Jesu, in dem er seine Geschichte erzählt, nur von einem Diener
redet, den er aus Japan mitgenommen, so dass sich der Gedanke
nahe legt, dass der dritte keine Beziehung zu ihm hatte und
nicht zusammen mit ihm, sondern nur ungef^ihr gleichzeitig mit
15. De Vos (I, 450), der den Brief Anjiros, in dem er seine Geschichte
erzählt, nach der 1828 zu Lyon und Paris erschienenen französischen Uebersetzung
der Briefe Xaviers mitteilt, hat dafür : ,, am Tage nach Pfingsten."
16. Dom loam d'Albuquerque, ein Franziskaner, Beichtvater Jolianns III. von
Portugal, war seit 1538 Bischof von (loa. Er starb 1553.
17. In einem Brief aus Goa, der verschieden datiert wirtl, aber wohl ins Jahr
1543 fällt, schreibt Xavier: ,,Ueber den Namen des Kollegiums ist man noch nicht
einig. Einige möchten es das Kollegium ,, Pauli Bekehrang ", andere das Kollegium
des ,, heiligen Glauliens" nennen. Der letzte Name scheint mir jxassendcr, denn die
Zöglinge sind ja bestimmt, den Samen des christlichen Glauljcns in die Herzen der
Ungläubigen zu streuen."
18) Die früheste, auf Xaviers Sendschreiben beruhende, Nachricht über
Anjiros Reise nach Goa findet sich wolil in Prima volitiue delle Navigationi et
"viaggi, raccalto gia da M. Gru. B.vttisi'A Ramcsio. Con la Relatione delf isola
Giapan, scoperia iiella parte del Settcittrione etc. A'enetia 1563, S. 377.
Taufe dreier Japaner in Goa. 63
ihm und seinem Diener auf einem anderen Schiffe nach Malakka
gekommen war. Wenn so dieser Widerspruch bei näherer
Prüfung eher Vertrauen zu Pinto's Bericht erwecken könnte,
so zeigen andere, unausgleichbare Differenzen zwischen iliin und
den anderen vorliandenen, zuverlässigen Quellen, dass man wohl
thut, ihn mit Vorsicht aufzunehmen. Pinto hat sich offenbar auch
hier als eigenes Erlebnis zugeschrieben, was er von anderen
erzählen hörte. Soweit .sein Gedächtnis das Gehörte treu be-
wahrte, stimmt seine Erzählung mit den echten Quellen überein.
Wo es ihn im Stiche liess und er seine ausgebildete Phantasie
sich frei ergehen liess, da entstanden Widersprüche, die ihn
verraten. Zwar dass er berichtet, er und Georg Alvarez hätten
den Japaner in das Spital gebracht, wo Xavier wohnte, während
die anderen Quellen kon.statieren, dass die erste Begegnung in
der Kirche stattgefunden habe, wäre kein unlöslicher Widerspruch.
Unter der Kirche, in der Xavier eben eine Trauung vornahm,
möchte man sich die Spitalkapelle vorzustellen haben. Aber der
Darstellung Pinto's, nach welcher er die beiden Japaner in Japan
an Bord genommen hat, mit ihnen nach Malakka kam und sie
dort dem Pater Franciscus zuführte, steht durchaus entgegen,
was übereinstimniend Anjiro selbst und Xavier, der sich's von
diesem erzählen liess, berichten, dass er mit den Kaufleuten, die
ihn im japanischen Mafen an Bord nahmen, Avohl nach ^lalakka
kam, von dort aber, da er den Gesuchten nicht antraf, wieder
japanwärts fuhr, um erst in dem chinesischen Hafen, nach
welchem er zurückverschlagen wurde, von Alvaro Vaz sich
bestimmen zu lassen, noch einmal mit nach Malakka mitzufahren.
Wenn Pinto erzählt, der Pater habe Kunde erhalten, dass sie
den Japaner Anjiro mit sich gebracht hätten, so könnte man ihm
glauben, dass er auf diesem Scliiffe des Alvaro Vaz sich befand,
mit ciem Anjiro das zweitemal von China kam. Misst man
dieser Nachricht Glauben bei, wie man das wahrscheinlich zu
thun das Recht hat, so kann mian ihm nicht wohl zugleich das
andere glauben, dass er im japanischen Hafen bei der Aufnahme
Anjiros zugegen war und dabei die Rolle spielte, die er sich
64 laufe dreier Japaner in Goa.
zuschreibt. Seine Darstellung des ersten Teils von Anjiros
Geschichte erweist sich so als freie Erfindung seiner Phantasie,
oder als eine romanhafte Ausschmückung der einfachen Thatsa-
chcn, die er von den wirklichen Zeugen gehört haben mochte.
Hätte Pinto selbst erlebt, was er erzählt, so müsste er etwa im
Herbst des Jahres 1546 in Japan angekommen sein. Was er
jedoch sonst noch als Erlebnisse, die er während dieses Aufenthalts
gehabt, berichtet, weist für diesen auf eine ganz andere Zeit.
Er sagt, dass er sich mit Georg Alvarez nach Japan eingeschifft
und, nachdem er Tanixumä ( = Tanegashima) berührt habe, im
Hafen der Stadt Fucheo (Funai) in Bungo vor Anker gegangen
sei, wo sie wie vom Volk so vom Fürsten sehr wohl aufgenommen
wurden und von letzterem noch mehr Gunst erfahren haben
würden, wenn derselbe nicht eben zur Zeit, wo sie im Hafen
lagen, durch einen seiner Vasallen, Fukurandono (Fukuharadono?),
umgekommen wäre. Nach Pinto's Bericht wäre eine unglückliche
Ehestiftung die Ursache der Unruhen gewesen. Am Hofe von
l^ungo hielt sich Axirandono auf, der junge Neffe des Königs von
Arima, von dem er wegen unbilliger Behandlung sich bereits seit
mehr als einem Jahr dahin geflüchtet hatte. Der Tod dieses seines
Oheims machte ihn zum Herrn von Arima. l'ukurandono, der Karo
(=Minister) des P\irsten von Bungo, hätte die Tochter, die er hatte,
gerne mit dem neuen Regenten vermählt gesehen, der sich dem
Fürsten, welcher den Mittelsmann machte, gegenüber zu dieser
Heirat bereit erklärte. Die Braut indessen, insgeheim bereits
einem andern Adeligen von niedrigerem Range, dem Sohn eines
gewissen Groge Aarum (?), in Liebe zugeneigt, liess sich von
diesem in ein Nonnenkloster entführen, wo eine Tante von ihr
Aebtissin war. Fukurandono, dem der Fürst, besorgt, es möchte
ein Aufruhr dadurch entstehen, die Genehmigung verweigerte,
die Häuser, wo man die Geraubte versteckt glaubte, zu
durchsuchen, griff gleichwohl zu diesem gewaltsamen Verfahren.
In dem Aufruhr, der infolge dessen wirklich entstand, wurden
mehr denn 12000 Menschen getötet. Der Fürst, der die
Ruhe herstellen wollte, wurde genötigt, sich in sein Schloss
Taufe dreier Japaner in Goa. 65
zurückzuziehen. Hier belagert, wurde er nebst 1500 Leuten,
worunter sich auch sechsundzwanzig Portugiesen befanden, auf
die jämmerHchste Weise niedergemetzelt. Gleiches widerfuhr
seiner Gemahlin mit ihren Töchtern und Frauen. Damit
nicht zufrieden, legten die Wütenden Feuer an die Stadt,
das dieselbe in Asche legte. Wir übrigen siebzehn Por-
tugiesen, sagt Pinto, die dem Blutbade entronnen waren, suchten
unser Leben zu retten und erreichten wie durch ein Wunder
unsere im Hafen liegenden Schiffe, wo wir nichts Eiligeres zu
thun hatten, als die Anker zu kappen und unter Segel zu
gehen. In dem Kampfe war übrigens auch Fukurandono, der
Anstifter des Kampfes, gefallen. Dem Sohne des umgekom-
menen Königs, der sich zu dieser Zeit in der sieben Meilen von
der Stadt entfernten Feste Usuki aufhielt, gelang es mit Hilfe
eines schnell gesammelten Heeres, durch eine blutige Schlacht
die Rebellen niederzuschlagen und die Regentschaft zu behaupten.
Das ist in gedrängter Kürze, was Pinto sehr ausführlich
erzählt. Ganz anders lautet der Bericht von dem, was er im
Auge zu haben scheint, in der authentischen Geschichte des Hauses
Ütomo. Danach hatte der Kokushu ( = Regent) von Bungo,
Yoshinori, drei Söhne: Yoshishige, Yoshinaga und Someishi oder
Someishidono, wie er gewöhnlich genannt wurde. Dieser letzte,
jüngste, war der Sohn einer zweiten Frau und der Liebling seines
Vaters, der ihn darum auch, dem Drängen seines Weibes und
seines Günstlings Chikatane nachgebend, zu seinem Nach-
folger in der Regierung zu erwählen dachte. Vier seiner mäch-
tigsten Vasallen widersetzten sich dieser Absicht, den ältesten
Sohn zu enterben. Zwei von ihnen wurden von Yoshinori
getötet, aber die andern beiden drangen nächtlicher Weile in
sein Schlafgemach und ermordeten ihn, seine Gattin und seinen
jüngsten. Sohn, der sein Nachfolger werden sollte, worauf sie
hinwiederum durch andere fielen. Yoshishige zog, von Beppu
kommend, wo er sich aufhielt, bald in Funai ein. Chikatane
entkam nach Higo, wo er von seinem Schwiegervater getötet
wurde. Das ereignete sich im 19. Jahre Tembun d. i. im Jahre
^6 laufe dreier Japaner in Goa.
1550. War Pinto, wie er versichert, und woran wohl kaum zu
zweifehl ist, wenn er natürhch auch ihre wahre Ursache verkannte,
Zeuge dieser Unruhen, so fällt sein Aufenthalt in Japan in dieses
Jahr, während die Aussage, dass er auf seiner Rückfahrt Anjiro
mitgenommen, diese Vorgänge in das Ende 1546 verlegen würde.
Man kann auch nicht annehmen, dass er von anderen, voraus-
gegangenen Ereignissen spricht. Denn vor dem Jahre 15 50
ereignete sich nichts Aehnliches in Funai, man müsste denn bis
in das 13. Jahr Tcmbun (1544) zurückgehen, wo sich 'gegen
ütomo Yoshinori sein Vasall Shimotsuke no Kami Chikamitsu
erhob, der die Hauptstadt Funai überfiel. Dieser Angriff rief
allerdings Unruhen hervor, so furchtbar wie die von 1550; aber
der Fürst und seine Familie wurden in dieser Revolte nicht er-
mordet, vielmehr kam der aufständische Vasall dabei ums Leben.
FÜNFTES KAPITEL.
Entschluss Xaviers, das Evangelium in
Japan zu verkünden.
Anjiro, oder, wie er seit seiner Taufe heisst, Paul vom heiligen
Glauben, von Natur klug und von scharfem Verstände, geistig
rege und voll Lernbegier, dabei ausgezeichnet durch Herzensgüte,
tugendhaft und zuverlässig, gewann sich im Kollegium zu Goa
bald aller Achtung und Bewunderung. Sein P^ifer setzte sie in
Erstaunen. Li Zeit von acht Monaten lernte er sehr gut Portu-
giesisch lesen, schreiben und sprechen, so dass er am Ende des
Jahres bereits einen ziemlich ausföhrlichen Brief, in dem er
erzählt, wie er den Weg des Heils gefunden, nach Europa richten
konnte, auf den Xavier als Beweis seiner guten Fortschritte in
Briefen an Rodriguez und Loyola ausdrücklich hinweist. Ernst
Hess er sich angelegen sein, den neuen Glauben gründlich kennen
zu lernen. Als er der Erklärung des Katechismus beiwohnte,
schrieb er sich die Artikel des Glaubensbekenntnisses genau in
einem Büchlein auf Torres, dem Xavier die Unterweisung der
drei japanischen Zöglinge aufgetragen hatte, erzählt, was auch
Anjiro selbst berichtet, dass er das Evangelium des Matthaeus, das
er ihm nur zweimal ausgelegt hatte, in kurzer Zeit ziemlich gut
auswendig wusste. Um es gewisser zu behalten, übersetzte er
es neben einigen vornehmeren Hauptstücken des katholischen
Glaubens ins Japanische. Was er auswendig gelernt hatte, sagte
er wiederholt auch in der Kirche vor dem Volke auf und stellte
viele scharfsinnige Fragen. Gleichen Eifer und P2rnst zeigten die
beiden andern Neophyten, denen Xavier gleichfalls das Zeugnis
68 Fjifschliiss Xavicrs, das EvangcVnnn in Japan zu verkünden.
gibt, dass sie gutgesittet und talentvoll, überaus rechtschaffene Leute
und selir gute Christen seien. Alle drei benutzten die erlangte
Kenntnis der portugiesischen Sprache, um christliche Schriften
zu lesen, verrichteten gewissenhaft die kirchlichen Gebete und
machten zu bestimmten Zeiten ihre Iktrachtungen. l^esonders
zog sie die Betrachtung der Leiden und Schmerzen, des Kreuzes
und Todes Christi an, wovon sie oft tief und bis zu Tliränen er-
griffen waren. Aus freien Stücken gingen sie häufig zum
Sakramente der Busse und des Altars. Auf Xaviers Frage,
welche Sakramente sie fiir die heilbringendsten hielten, nannten
sie diese beiden, fügten aber bei, alle Glaubenssätze und die
ganze Sittenlehre der christlichen Religion schienen ihnen in einem
so innigen Zusammenhange zu stehen, dass jeder vernünftige
Mensch sie annehmen müsse, der sie einmal kennen gelernt
habe.
Xavier liess sie deshalb auch, nachdem sie ,, die Artikel des
Glaubensbekenntnisses und die Geheimnisse des Lebens Jesu
Christi auswendig gelernt und die Ursache der Menschwerdung
des Sohnes Gottes im Schosse der Jungfrau Maria sowie das
ganze Werk der Erlösung des Menschengeschlechtes durch den
freiwilligen Tod unsers Herrn Jesu Christi recht verstanden
hatten ", um die Jahreswende') unter der Leitung des P. Torres
die Excrcitia spiritualia des Ignatius durchmachen, die vom
Stifter des Jesuitenordens zu Manresa entworfene methodische
Anweisung zur Meditation nach dem Schema der drei nachei-
nander zurückzulegenden Wege der Reinigung, der Erleuchtung
und der Vereinigung.
Vier Wochen lang zogen sie sich in die Einsamkeit zurück,
um jene Uebungen anzustellen, die nach Loyolas Absicht den
Meditierenden durch Betrachtung und Gebet in eine solche Stim-
mung versetzen sollen, dass er einen kraftvollen Entschluss fasse
und durch denselben seinem ganzen Leben eine entscheidende
I. Nicht, wie CilARLKVOlX ^Histoire de F Etablisseiiicnt e/c.\, 41) sagt, sogleich
nach ihrer Taufe. Xavier schreibt am 14. Januar 1549 von Aiijiro : „Augenblicklich
macht er mit grossem Nutzen die geistlichen Uebungen."
Entschluss Xavicrs, das Evangclutin in Japan zu verkünden. 69
Richtung gebe. Die erste Woche ist dem Nachdenken über das
inenschHche Sündenverderben gewidmet, die zweite dem An-
schauen des Vorbilds des menschgewordenen und sündlos und
in Selbstv^erleugnung durch's Leben wandelnden Erlösers, die
dritte beschäftigt sich mit Jesu Leiden und Sterben, die vierte
mit seiner Auferstehung und Verherrlichung. Die Betrachtungen
werden fünfmal täglich je eine Stunde lang angestellt. Voraus
gehen Präludien : der Meditierende vergegenwärtigt sich den
Ort, die Personen und Umstände des betreffenden biblischen
Ereignisses mit grösstmöglicher Lebendigkeit ; er sieht die Engel
fallen, die Ureltern sündigen, den Richter verdammen, die Hölle
ihren Abgrund öffnen ; er sieht die Personen der Trinität den
Ratschluss der Erlösung fassen. Er steht an der Krippe zu
Bethlehem, am Jordan bei der Taufe ; er weilt auf dem Berge
bei dem Verklärten, verliert sich in die Leiden und Schmerzen
des Leidenden und Sterbenden, er wandelt mit dem Aufer-
standenen. Der Meditierende überschreitet aber hierauf den
geschichtlichen Boden und ergeht sich ganz teils in ermuntern-
den, teils in erschreckenden Phantasiebildern. Er sieht Christum
auf einem lieblichen Gefilde bei Jerusalem als Heerführer aller
PVommen, wie er die Apostel aussendet, und auf einem andern
Felde bei Babylon den Teufel, wie er die Däm.onen in die Welt
aussendet, um die Menschen in das Verderben zu stürzen. Zur
Meditation kommt nun die äusserste Applikation und Anstrengung
der Sinne hinzu, so dass der Meditierende durch eine Art von
Halluzinationen sich die Hölle vorstellt ; er sieht ihre öden
Räume von Feuerglut lodernd, er hört den Wehruf der Ver-
zweifelnden, der in Gotteslästerungen hervorbricht, er riecht den
Schwefeldarapf der Hölle, er schmeckt in sich alle Bitterkeit der
Hölle mit allen Thränen, die dort geweint werden; er fühlt an
seinen Gliedern die Flammen, deren Lohe die Seelen brennt.
Darauf folgt die Generalbeichte.-)
2. Nach Herzog, Abriss dei- gesamten Kirchengeschiclite 2. A., II, 257.
Bemerkenswert ist, dass japanische Buddhistensekten der Kf)ntcm])lalion, wie
besonders die Rinzaisekte, eine Untersektc der Zen-shu, ganz älinliche asketische
70 Eiitsclduss Xaviers, das Evaiigdiiiin in Japan rjn verkünden.
Es ist natürlich, was Xavier crzälilt, dass die japanischen
Ncophyten, besonders Anjiro, von diesen geistHchen UebiniL^en, mit
denen der Ordensstiftcr sclion seine ersten Gehilfen sich heranbil-
dete, die tiefsten Eindrücke erhielten. Sie waren beseligender Art.
Wie sie die Exerzitien mit grossem Eifer durchmachten, so zogen
sie reichliche Früchte der Erkenntnis Gottes daraus, der ,, ihre
Herzen mit den lebhaftesten Gefühlen des Dankes für seine zahl-
losen Wohlthaten erfüllte, die sie damals zuerst als Geschenke der
freigebigen Güte des Schöpfers erkannten, indem sie zugleich
ihre bisherige Blindheit reuig verabscheuten." Sie erweckten,
schreibt Xavier, so glühende Akte der Liebe und Verehrung
Gottes und ähnlicher Tugenden, dass wir alle, die wir mit ihnen
umgingen, uns glücklich preisen könnten, \\'enn wir von gleichem
Eifer beseelt wären. Paul hörte er laut aufseufzen : O ihr
unglücklichen Völker Japans, ihr betet die Geschöpfe an, welche
Gott zu euerem Dienste gemacht hat ! Als Xavier ihn fragte :
Warum redest du so, Paul ? antwortete er ihm : Ach, meine Lands-
leute dauern mich, welche der Sonne und dem IMond göttliche
Ehren erweisen, da doch die Gestirne Diener derjenigen sind, welche
unsern Herrn Jesus Christus erkennen, und den Menschen Tag
und Nacht ihr Licht spenden, damit sie es zur Erkenntnis der
Herrlichkeit des Sohnes Gottes, Jesus Christus, benutzen. Allen
dreien wurde, wie Xavier schreibt, so viel himmlischer Trost und
die Gabe so reichlicher Thränen zu teil, dass sie mehrere IMonate
von den Uebungen gestärkt blieben und ein überaus grosses
Verlangen zeigten, in ihre Heimat zurückzukehren, um ihren
Verwandten und P'reunden den Schatz mitzuteilen, den sie ge-
funden hatten, und ihre Landsleute vom Götzendienste zu Christus,
dem einzigen Licht und Heil der W^elt, zu bekehren.
Xavier erzählt dem König von Portugal, dass er, nachdem
er vieles über die in Japan sich kundgebende Stimmung gegen
die christliche Religion vernommen, nach reiflicher Ueberlegung
Medilationcn kennen, die sich sogar über zwei Monate ausdehnen. Siehe A. Lloyd,
Buddhistische Cnadeninittel. MiUh. d. D. G. f. N. u. V. ü., Heft 60, S. 460 f.
Elltsc hhiss Xavicrs, das Evangelium in Japan zu verkünden. 71
geglaubt habe, Gott bitten zu sollen, ihm durch innere Erleuch-
tung zu zeigen, ob es sein heiliger Wille sei, dass er dahin reise,
und ihm dann die Kraft zu verleihen, seinen heiligen Willen
auszuführen. ,,Es hat der göttlichen Majestät gefallen, meinen
Wunsch zu erfüllen. Ich bin nämlich vollständig davon überzeugt,
es sei Gottes heiliger Wille, dass ich nach Japan reise." Indem
er an den Neophyten solchen frommen Eifer sah, wurde er mehr
und mehr in dem Glauben bestärkt, dass ihm Gott durch die
Sendung der drei Japaner eine Thüre aufgethan. Diese Ueber-
zeugung wurde noch mehr in ihm befestigt durch Anjiro selbst
und durch portugiesische Kaufleute, welche die Japaner nicht
genug rühmen konnten als ein höfliches, kluges, lernbegieriges
und auch für religiöse Dinge aufgeschlossenes Volk. Anjiro gab
ihm, wie Xavier schon in dem an die Väter seiner Gesellschaft
in Rom gerichteten Briefe vom 21. Januar 1548 berichtet, auf
die Frage, ob wohl die Japaner geneigt sein würden, den christ-
lichen Glauben anzunehmen, wenn er zu ihnen käme, eine
Antwort, die denkwürdig genug ist, um auch hier eine Stätte zu
finden. Er antwortete mir, schreibt er, seine Landsleute würden
nicht sogleich dem, was man ihnen sage, beipflichten, sondern
würden durch Fragen sich genau erkundigen, was ich denn für
eine Religion bringe, und insbesondere zusehen, ob meine Hand-
lungen im Einklang mit meinen Worten stehen. Wenn ich sie
aber in dieser zweifachen Beziehung befriedige, wenn ich ihre
Fragen in angemessener Weise beantworte, und wenn mein Leben
nicht ihren Tadel verdiene, so würden der König, der gesamte
Adel und die erwachsenen Bürger aus Ueberzeugung sich Christus
anschliessen ; denn die Japaner seien ein Volk, das sich durch
die Vernunft leiten lasse. Er erzählte ihm weiter, es gehe eine
alte Rede in Japan, dass einmal fremde Männer in dieses Reich
kommen würden, ein viel heiligeres und vollkommeneres Gesetz
zu predigen als das bisher von den Japanern beobachtete. 3)
3. Dieser Volksglaube, von dem auch Torres (Brief vom 25. März 1549)
berichtet, und der ferner in der auf Anjiro zurückgehenden Beschreibung Japans
mitgeteilt ist, verdankt vermutlich sein Entstehen einem Missverstande der
72 Entschliiss Xavicrs, das Evaiigcliiiin in Japan rjii ^a-rkimdcn.
Es ist interessant, in Xavicrs Briefen zu verfolgen, wie der
F.ntscliluss, selbst die Arbeit in Japan aufzunehmen, mählich in
ihm reifte. Am 20. Januar 1548 schreibt er noch von Cochin
aus an Ignatius, \\-ie ganz im gleichen Sinne am nämlichen Tag
auch an den König: ,,Ich bin noch nicht ganz einig mit mir
darüber, ob ich selbst mit einem oder zwei Priestern der Gesell-
schaft nach anderthalb Jahren nach Japan gehen, oder ob ich
zwei dahin vorausschicken soll. Das steht bei mir fest, entweder
selbst zu gehen oder andere zu schicken, und bis jetzt neige
ich mich zu dem Entschlüsse, selbst zu gehen. Uebrigens bete
ich zu Gott, dass er mir seinen Willen klar kund thue." Einen
Tag später, in einem Schreiben nach Rom, sagt er : ,, Ich ahne,
dass entweder ich oder ein anderer aus unserer Gesellschaft
binnen zwei Jahren nach Japan gehen wird", bittet aber hernach
bereits die Genossen um ihre Fürbitte, ,, dass der liebe Gott uns
erhalte, da wir eine Reise antreten wollen, auf der schon viele
umgekommen sind". Am 3. April teilt er dem ihm befreundeten
Pereira mit, dass er gerne vor dessen Abreise nach China
einiges über die Reise nach Japan, die er nach einem Jahre
anzutreten gedenke, mit ihm besprochen hätte. Am 14. Januar
des folgenden Jahres 1549 teilt er Ignatius seinen fertigen
Entschluss mit: ,, Ich habe mich entschlossen, ehestens dahin zu
reisen. Ich trete diese Reise mit grosser Freude und mit noch
grosserer Hoffnung an, weil ich das feste Vertrauen hege, dass
unsere Arbeiten unter jenem Volke gediegene und dauernde
P'rucht bringen werden Von meinen Mitbrüdern gedenke
ich nur einen Europäer, Cosmo de Torres aus Valencia, welcher
hier in unsere Gesellschaft eingetreten ist, und ausserdem die
drei jungen Japaner, von denen ich gesprochen habe, mit-
zunehmen. So Gott will, werden wir im kommenden April
rrophezciuug von dem Auftreten neuer Buddhas in der Zukunft, wie sie z. B.
in dem Buche SaddJiarma punJarika sich findet, nach welchem Sakyamuni
verhiess, dass in den letzten Tagen des Gesetzes vier grosse Reformatoren aufstehen
sollten, \\w\ gleich ihm das vollkommene Gesetz zu lehren. Als der Erstgekom-
mene dieser vier gilt der Nichirensekte ilir Stifter.
EiitscJduss Xai'icrs, das Evangcäiun in Japan .zu vcrkiiiidoi. y^
abreisen. Japan ist von Goa mehr als 1300 Stunden entfernt.
Auf der Reise dahin muss man Malakka und China berühren.
Ich kann gar nicht sagen, wie viel himmlischen Trost ich von
dieser Unternehmung mir verspreche. Die Reise dahin ist
zwar eine sehr gefahrvolle durch Stürme, Klippen und Seeräuber,
so dass man zufrieden sein kann, wenn je das zweite Schiff
wirklich nach Japan gelangt. Doch bin ich durch ein inneres
Gefühl so mutig gestimmt, dass ich die Reise nach Japan nicht
aufgeben würde, wenn ich auch gewiss wüsste, dass ich noch
grössere Gefahren bestehen müsse, als ich in meinem ganzen Leben
bestanden habe. So grosse Hoffnungen für die Verbreitung des
Christentums hat mir der Japaner Paul oder vielmehr der liebe
Gott selbst gemacht."
Nachdem der Entschluss aber einmal gefasst war, war nichts
im Stande, ihn wieder wankend zu machen. Die Hindernisse,
die sich seiner Ausführung in den V\'eg stellten, und die er als
IMachenschaften des Satans ansieht, der, die Erfolge für Gottes
Reich voraussehend, alles aufbiete, sie zu hintertreiben, werden
ihm, ferne, ihn abzuschrecken, vielmehr ein Sporn zu grösserem
Eifer. Er gibt keinerlei Bedenken mehr Raum, weder eigenen
noch fremden. ,, Unsere Freunde und Vertrauten", schreibt er
am I. Februar 1549, ,, sprechen insgesamt ihre Verwunderung
darüber aus, dass ich eine so weite und gefährliche Reise unter-
nehmen will. Ich aber wundere mich vielmehr über ihr schwaches
Vertrauen. Der liebe Gott hat die Stürme des chinesischen und
japanischen Meers, denen an Heftigkeit keine anderen gleich-
kommen sollen, in seiner Hand und Gewalt. In seiner Macht
sind alle Winde, Felsenriffe und Sandbänke, welche dort sehr
zahlreich, gefährlich und durch Schiffbrüche berüchtigt sein sollen.
Seinem Befehle müssen auch alle Seeräuber gehorchen, von
denen, wie man erzählt, jene Meere wimmeln, und die mit aus-
gesuchter Grausamkeit die Reisenden, welche sie gefangen neh-
men, besonders die Portugiesen, zu Tode martern. Weil nun
alles dies in Gottes- Hand steht, so habe ich von allem nichts
zu fürchten". Allen diesen Gefahren trotzten auch die Kaufleute,
74 Entschhiss Xavicrs, das Evangclunn in Japan cu verkünden.
Wie hätte ein Apostel sich durch sie abhalten lassen sollen, ihrer
Spur zu folgen? Eher mochte er es wie eine Beschämung em-
pfinden, dass jene das japanische Reich vor ihm betreten hatten,
irdischen Gewinnes halber ihr Leben auf's Spiel setzend. Wenn
man sieht, wie er so recht geflissentHch alle Gefahren hervorhebt,
wie er, nachdem er sie am i. Februar dem Ordensgeneral alle
aufgezählt, am Tage darauf nicht unterlassen kann, noch nach-
zutragen, wie eben angekommene Schiffe von Malakka ihm
mitteilten, dass alle chinesischen Häfen den Portugiesen durchaus
feindselig gesinnt seien, so empfangt man den Eindruck, dass sie
ihm eher schmeichelten, dass seine Phantasie mit einer gewissen
Wollust in ihnen schwelgte. Der Gedanke an die neuentdeckten
Inseln hatte so völlig von seinem Geist Besitz genommen, der
Plan war so unwiderruflich gefasst, dass er sich sagte : ,, W'ollte
ich jetzt von demselben zurücktreten, so käme ich mir schlechter
und verabscheuenswerter vor als die japanischen Götzendiener."
l{r ist seines Erfolges im voraus sicher, und obwohl er vor der
Abreise in Indien alles ordnet, wie wenn er nimmer wiederkehren
sollte, ist er doch der festen Zuversicht, Gott werde ihm die
Gnade widerfahren lassen, dass er von Japan wieder zurückkomme,
um seinen Freunden zu erzählen, was er dort zu seiner Ehre
ausgerichtet. Einstweilen trat ihm Indien in den Hintergrund.
,, Im festen Vertrauen ", schreibt er dem König von Portugal,
,, habe ich alle Bande, welche mich an Indien fesselten, zerrissen,
um dem unzweifelhaften Rufe Gottes und seinen wiederholten
drängenden Mahnungen zu folgen."
Warum aber zerriss Xavier diese Bande ?
In einem Briefe an Simon Rodriguez in Portugal gibt er als
Grund für seinen P^ntschluss dies an, dass es ihm auf seinem
bisherigen Arbeitsfelde an Arbeit fehle. Durch die Ankunft neuer
Priester aus Europa sei er selbst entbehrlich geworden und würde
es noch mehr sein, wenn Simon Rodriguez, wie derselbe vorhatte,
oder an seiner statt ein anderer mit einer Schar von Gehilfen nach
Portugiesisch-Indien nachrücke. Aber das Nachrücken dieser
neuen Kräfte war von ihm selbst veranlasst. Nicht an Arbeit
EntscJiluss Kavier s, das Evangeliiun in Japan zu verkünden. 75
fehlte es Kavier in Indien, sondern nur an Erfolgen, die seinem
Bekehrungseifer genügten und seiner Ungeduld entsprachen. Er
wollte kommen, sehen, siegen. Wo das nicht möglich war,
liess bei ihm die Begeisterung nach, und Niedergeschlagen-
heit und Enttäuschung trat an ihre Stelle. Besonders seine
vielen Briefe an seinen Mitarbeiter Franciscus Mansilla geben der
letzteren unverhohlen Ausdruck. In den Briefen, die er nach
Europa richtete und immer mit dem Gedanken schrieb, dass sie
dort von vielen gelesen würden,4) hielt er damit zuri^ick, ja, schlägt
sogar geflissentlich zur selben Stunde, wo er sich dem Genossen
in Indien gegenüber so ganz anders ausspricht, einen hoffnungs-
vollen, optimistischen Ton an. Aber gelegentlich fliessen ihm doch
auch in einem Brief an Ignatius die Worte in die Feder : ,, Nach
meiner hier gemachten Erfahrung glaube ich behaupten zu dürfen,
dass für unsere Gesellschaft keine Aussicht ist, dass sie hier durch
4. \w einem Schreiben an Johannes Beira gibt Xavier nachstehende Anweisung
über die Abfassung der nach Europa zu schickenden Sendschreiben: „Doch
müssen Sie den Bericht mit Auswahl abfassen, indem Sie auslassen, w'as wegen miss-
liebiger Aeusserungen über andere Anstoss erregen könnte, und die ganze Darstellung
muss einen gewissen religiösen Ernst zeigen, damit der Bericht gleich nach seinem
Eintreffen in Europa veröffentlicht und auch Auswärtigen mitgeteilt werden könne.
Man wünscht sehr solche Nachrichten aus den fernen Ländern und liest dieselben
mit grossem Eifer in Spanien, Italien und anderswo. Darum müssen wir bei der
Abfassung grosse Sorgfalt und Vorsicht anwenden, um allen zu genügen, da sie
nicht nur Freunden, sondern auch wenig billig denkenden Menschen und selbst
Feinden in die Hände kommen werden. Wir müssen den Zweck im Auge haben,
dass sie zum Lobe Gottes und seiner heiligen Kirche ermuntern, aber niemandem
gerechten Anlass zum Anstoss oder zu hämischer Deutung geben. ... In Ternate
wird, wie bemerkt, unser Alphons sein. Sie sollten, denke ich, anordnen, dass
diesem wahre und genaue, wenn auch nicht gerade geordnete, Berichte über alle
Stationen der Unsrigen auf den Molukken übersendet werden. In diesen Berichten
müsste die Rede sein von den Arbeiten der Unsrigen, den Mühen und Erfolgen
derselben ; von den Verfolgungen, denen sie etwa ausgesetzt sind, von wem dieselben
ausgehen, ob sie dieselben standhaft und mit Gottes Gnade siegreich bestehen ;
ferner von dem Charakter und der Stimmung der Völkerschaften und den für die
Zukunft darauf beruhenden Hoffnungen. Aus diesen Berichten müsste er dann, da
er verständig und gewandt ist und den Stil in seiner Gewalt hat, in Ihrer aller
Namen Briefe so abfassen, wie sie mit Nutzen nach Europa und Indien geschickt
würden."
/ö Entschluss Xavicrs, das Ilvangcluini in Japan zu v:rkiindcn.
cingcbornc Indicr werde fortgepflanzt werden, und dass die christ-
liche ReHgion uns, die wir jetzt hier sind, kaum überleben werde.
.... Die Eingebornen sind wegen ihrer schrecklichen Laster
für das Christentum wenig geeignet. Sie hassen es so sehr, dass
sie es gar übel nehmen, wenn man nur davon spricht ; crmahnt
zu werden, das Christentum anzunehmen, das fürchten sie wie den
Tod. Darum müssen Avir vorab unsere Sorge darauf verwenden,
die vorhandenen Christen zu erhalten." Ganz anderes verhofftc
er sich von dem Inselvolk im Osten Chinas. Dort glaubte e? das
Feld weiss zu reicher Ernte. Und das vor allem war es, was
ihn nach Japan zog.
Was es Xavier weiter leicht machte, die Bande zu lösen,
die ihn an Indien fesselten, war das ärgerliche Auftreten der
meisten Portugiesen in Indien. Die Klage darüber, dass sie dem
Christennamen ungescheut und offen durch ihr Leben Unehre bei
den Heiden machten, und nicht nur dies, sondern auch die Neu-
bekchrten verachteten und bedrückten und dadurch das Be-
kehrungswerk direkt hinderten, kehrt in Xaviers Schreiben sehr
oft wieder. Und der greise P. Cipriani schreibt von Meliapor
aus, wo er zwölf Jahre bis zu seinem Tode im Jahre 1559 unter
gleichen Schwierigkeiten thätig war, in einem noch erhaltenen
Briefe an den Ordensgeneral, dass Xavier nach Japan gegangen
sei, veranlasst durch den Schaden, der aller apostolischen Arbeit
durch das skandalöse Leben der portugiesischen ,, Christen "
zugefügt werde. Dass P. Cipriani damit nicht unrecht hatte,
zeigen Xaviers eigene Briefäusserungen. Schon Anfang 1548,
als er noch nicht entschieden war, ob er nach Japan gehen solle,
schreibt er dem König : ,, Der Umstand macht mich sehr ge-
neigt, mich zur Reise zu entschliessen, dass ich wenig Vertrauen
habe, hier in Indien die aufrichtige und wirksame Unterstützung
zu finden, welche zur Verbreitung unseres heiligen Glaubens und
zur P2rhaltung der schon bestehenden Christengemeinden nötig
wäre." Lhid wieder ein Jahr später lässt er den König wissen,
dass dessen Befehl an den Vizekönig, die Gouverneure und könig-
lichen Offiziere in Indien, die denselben Förderung und Schut?
EntscJiliiss Xavicrs, das Evangclhiin in Japan zu verkünden.
/ /
der clu-istlichcii Religion einschärften, wenig oder kaum beachtet
würden. ,, In der That", fährt er dann fort, ,, da icli hier den
Stand der Dinge mit eigenen Augen sehe, bin ich fest über-
zeugt, dass gar keine Hoffnung ist, dass man solchen Befehlen je
Avahrhaft und ernstlich nachkommen werde ; und das ist fürwahr
nicht der letzte Grund, weshalb ich meine Gedanken auf Japan
richte, in der Hoffnung, dass ich auf diesen äussersten Inseln des
Ostens meine Mühe nützlicher als bisher verwende."
Zu den Anordnungen, die Xavier v^or Antritt seiner Reise traf,
gehört auch die Regelung des zur Leitung der Gesellschaft not-
wendigen brieflichen Verkehrs. In Goa gab er den Auftrag, dass
die Briefe aus Europa den zwei königlichen Schiffen mitgegeben
würden, die alljährlich, das eine im September nach den Bandain-
seln südwestlich von den IMolukken, das andere im April nach
Ternate, zu fahren pflegten, um sie nach Malakka, wo beide für
kurze Zeite anlegten, mitzunehmen. In Malakka, wohin die Väter
und Brüder auch von den anderen Missionsstationen ihre Briefe
an den Vorsteher adressieren sollten, hatte Franciscus Perez
Weisung, von den Originalen Abschriften zu nehmen und diese
aus dem Hafen, aus dem alljährlich viele Schiffe nach China
und Japan abgingen, auf soviel verschiedenen Wegen an ihn
abzusenden, dass wenigstens auf einem derselben eine Abschrift
pünktlich an ihn gelange. Den Älitgliedern der Gesellschaft zu
Rom hatte er aber schon Anfang 1548 mitgeteilt, dass sie vor
drei Jahren und neun Monaten keine Antwort auf Briefe, die
sie ihm nach Japan schrieben, erwarten dürften, und ihnen vor-
gerechnet, dass ihre Briefe erst im neunten Monat in Indien
ankämen, worauf acht ?vIonate vergingen, bis die Schiffe bei
günstigem W^etter nach den Molukken abgingen. Hin- und
Herreise dauerten, auch im günstigsten Falle, einundzwanzig
]\Ionate, und wieder nach acht Monaten kämen die Briefe aus
Indien erst nach Rom, wenn Wind und Wetter günstig seien. Bei
ungünstigem Wetter nämlich brauchte man noch mehr als ein
Jahr zur Reise nach Rom.
SFXHSTES KAPITEL.
Xaviers Fahrt nach Japan und Landung
in Kasroshima.
Am 14. April 1549 — es war der Palmsonntag — nahm Xavier
Abschied von den Freunden in Goa und fuhr mit dem alljährlich
um diese Zeit nach den Molukken abgehenden königlichen
Schiffe 0 nach Cochin und von da, wo er von den Franziska-
nerpatres aufs freundlichste aufgenommen wurde, am 25. April
weiter bis Malakka. Nach glücklicher Fahrt langte er am 31.
Mai hier an, von der ganzen Stadt, von Hoch und Nieder, mit
lebhafter Freude bewillkommt. Pinto erzählt, er habe die ihm
vom indischen Vizekönig Garcia de Sä, Castro's Nachfolger,
ausgefertigten Beglaubigungsschreiben dem Kommandanten von
Malakka überreicht, der ihm ein Schiff und alles zur weiteren
Reise Nötige zur Verfügung stellen sollte ; der Befehl sei aber
so nachlässig und säumig ausgeführt worden, dass Magister
Franciscus sich, nachdem er manche Widerwärtigkeiten erfahren,
genötigt gesehen habe, die Dschunke eines chinesischen Seeräu-
bers Necoda zu besteigen. Aus zwei Schreiben Xaviers selbst
jedoch, die er am P'ronleichnamstage, der in diesem Jahre auf
den 20. Juni fiel, an den König von Portugal und an die Patres
Paul von Camerino, Antonio Gomez und Balthasar Gago richtete,
erfahren wir, wie Don Pedro de Silva, (der dritte Sohn Vasco
de Gama's) der damals Kommandant der Festung war, sein
Unternehmen, das er ihm sofort nach der Landung empfahl,
auf jede mögliche Weise mit Rat und That unterstützte. ,, In
I. Siehe den Brief Xaviers an P. Paul von Camerino vom April 1549.
Xavicrs Fahrt nach Japan und Landimg in Kagoshhna. 79
allem, was von ihm abhing," schreibt Xavier, ,, hat er es ganz
unaufgefordert an Wohlwollen und Liebe in keiner Weise fehlen
lassen ; was aber von der Gunst anderer erbeten werden musste,
darin hat er keine Mühe und Anstrengung gescheut und uns so
grosse Beweise seiner aufrichtigsten Liebe gegeben, dass wir uns
durchaus ausser stände fühlen, dieselbe zu vergelten ; selbst
unser leiblicher Bruder hätte uns keine grössere Liebe erweisen
können." Er versah ihn und seine Genossen reichlich mit allem,
was ihnen not war, nicht nur für die Fahrt von IMalakka nach
Japan, sondern auch mit Mitteln für ihren Unterhalt daselbst.
Li einem aus Cochin vom 29. Januar 1552 datierten Schreiben
gibt Xavier an, dass er während der ganzen Zeit seines Auf-
enthalts in Japan von der Freigebigkeit des Königs von Portugal
gelebt habe, der ihm zur Reise nach Japan mehr als 1000
Goldstücke {doblones im Werte von 60 Realen =ä 4 Thaler) als
Almosen habe anweisen lassen. Ob ihm dieses schon in Goa
vom Vizekönig behändigt wurde oder erst hier in Malakka durch
Pedro da Silva, ist nicht gesagt. Xavier bemerkt nur, dass ihm
der letztere zur Ermöglichung eines längeren Aufenthaltes und
zum Bau einer Kapelle in Japan dreissig Scheffel Pfeffer und
zwar vom besten aus dem ganzen Vorrat von Malakka schenkte.
Auch viele wertvolle Geschenke für den Herrscher, um diesen
den fremden Missionaren geneigt zu machen, gab er mit. Und
nach dem Dankschreiben zu schliessen, das Xavier von Japan
aus an ihn richtete, entnahm er wenigstens die 200 Goldstücke,
die zur Anschaffung der Geschenke verwendet wurden, aus
seiner Privatkasse. 2)
Am 24. Juni,3) dem Tage des Täufers, gegen Abend bestie-
gen die INIissionare nach mehr als dreiwöchentlichem Verweilen
in IMalakka, nachdem Xavier die Nacht vorher in der Kapelle
Unserer lieben Frau vom Berge bei Malakka zugebracht, das
Schiff, das nach Pinto am folgenden Morgen bei Tagesanbruch
2. Dies geht auch aus einem Briefe an Barzaeus vom i6. Juli 1552 hervor.
3. CHtVRLEVOIX, Hist. de r Etablissement etc. I, 49 gibt das falsche Datum
4. Juni.
8o Xavicrs Fahrt naclt Japan und Landung in Kagoshinia.
die Anker lichtete, zur P^ahrt nach ihrem neuen Arbeitsfelde
,, alles zur Darbringung der heiligen Messe notwendige Gerät mit
sich nehmend, um gleich beim ersten heiligen Opfer von jenen
Ländern und Völkern im Namen unseres Königs Jesus Christus
gleichsam Besitz zu nehmen." Des Kommandanten Entgegen-
kommen ging so weit, dass er einzig um ihretwillen ein por-
tugiesisches Schiff hatte ausri^isten und nach Japan schicken
wollen. Da dies so schnell nicht anging, Xavier aber nicht
länger verziehen mochte, dachte er an ein chinesisches Fahrzeug.
Das beste, das gerade zur Verfügung stand, war die Dschunke
eines mit seiner Familie in der Stadt ansässigen chinesischen
Seeräubers, der sich bereit erklärte, sie direkt nach Japan
bringen zu wollen. Da der Kommandant demselben nicht un-
bedingt vertrauen zu dürfen glaubte, so verlangte er von ihm
eine schriftliche Erklärung, in der er sich freiwillig anheischig
machte, seine Frau und sein ganzes Vermögen als Unterpfand
für die Erfüllung seines Versprechens zu stellen und zwar unter
der Bedingung, dass seine Frau und seine Besitzungen im por-
tugiesischen Gebiet dem F"iskus zufallen sollten, wenn nicht
Briefe aus Japan bestätigten, dass er die Religiösen dem Vertrag
gemäss dahin gebracht habe. Der Kapitän kam nicht wieder
zurück. Er ist in Japan gestorben. Von dort teilte Xavier Don
Pedro mit : ,, Fast auf der ganzen Seefahrt ist er unsern
Wünschen nachgekommen ; doch leider konnten wir ihm im
Hafen und in der Stunde seines Todes keine Vergeltung zu teil
werden lassen. Er wollte in seinem Aberglauben sterben und
hat es uns dadurch unmöglich gemacht, ihm, wie andern im
christlichen Glauben verstorbenen Freunden, noch nach dem Tode
durch Gebete für ihre Seelenruhe unseren Dank zu beweisen.
Der Unglückliche hat seine Seele der Flölle übergeben, aus der
keine Errettung ist." Hiernach hätte der Seeräuber Xavier
eigentlich keinen Grund zur Unzufriedenheit gegeben. Ganz
anders indessen berichtet dieser in zwei fast gleichlautenden
Briefen vom 3. und 5. November 1549 an die Gesellschaft in
Goa und Coimbra. Da führt er sogar recht bittere Klage über
Xai'icrs Fahrt nach Japan nnd Landung in KagosJdnia. 8i
die Treulosigkeit des chinesischen Barbaren. Es war wohl mit
Rücksicht auf die Familie des Schiffsinhabers in jNIalakka, dass
er in seinem Schreiben an den dortigen Kommandanten davon
schwieg, dem Toten im Gegenteile ein gutes Zeugnis auszustel-
len Rir christliche Pflicht hielt.
Der Pater gibt in den erwähnten Briefen eine sehr aus-
führliche Beschreibung der Fahrt nach Japan. Wir entnehmen
derselben nur so viel, dass der Chinese unterwegs andern Sinnes
wurde. Statt auf Japan zuzusteuern, wich er von der Linie ab
und legte da und dort an kleinen Eilanden an, worüber die
günstigste Zeit verstrich. Was den katholischen Priester weiter
verdross, war, dass der Kapitän und seine Leute auf dem Schiffe
einem Götzen ihre Verehrung erwiesen und ihn befragten, ob
die Fahrt nach Japan glücklich sein werde. Die Lose fielen,
wie sie sagten, bald günstig, bald ungünstig aus. Als es den
Schiffsleuten nun einfiel, die Frage so zu stellen, ob das Schiff
auch von Japan ^vieder nach Malakka zurückkehren würde, luid
die Antwort des Götzen verneinend lautete, beschloss der Schiffs-
inhaber, die P^ahrt für dieses Jahr aufzugeben und in China zu
überwintern. Sie segelten langsam auf Cochinchina zu und
liefen nach einigen Tagen in den Hafen von Kanton ein. Die
Missionare protestierten gegen ein L'eberwintern mit Bitten und
mit der Drohung, Avegen der Treubrüchigkeit Klage beim
Präfekten von Malakka und den Portugiesen zu führen. Ihr
Bitten und Drohen machte keinen Eindruck. Die Chinesen
dachten, weil die Zeit für die Fahrt nach Japan beinahe vorüber war,
nur daran, in den mehr nordöstlich gelegenen Hafen Chincheu
in der Provinz Fo-kin einzulaufen, um dort zu überwintern.
Auf die Nachricht vorüberfahrender Schiffer, dass der Hafen von
Seeräubern besetzt sei, wich ihm das Schiff jedoch aus, und nun
kamen die Winde, die der Rückkehr nach Kanton zuwider, der
Weiterfahrt nach Japan dagegen günstig waren, den Missionaren
zu Hilfe. ,, So segelten wir ", schreibt Xavier, „ gegen den
Willen des Kapitäns, der Matrosen und des Teufels selbst nach
Japan." Nach siebenwöchentlichem gefahrvollen Umhertreiben
82 Xavicrs Falirl nacli Japan und Landung' in KagosJdina.
landete das Fahrzeug am 15. Aiii^ust 1549, ,, einem glückver-
heissenden Tage", nämlich dem l'^este Maria Himmelfahrt, drei
Jahre nach dem Tode Luthers, bei Kagoshima, dem Haupthafen
der Provinz Satsuma.
Xavicrs Zuv^ersicht auf Erfolg war noch stärker geworden,
als sie in Goa vor Antritt der Reise gewesen war. Denn un-
terwegs, in Malakka, begegneten ihm verschiedene übereinstim-
mende Aeusserungen, welche der Predigt des Evangeliums in
Japan die besten Aussichten eröffneten. Sie gründeten sich auf
l^riefe, welche man kürzlich von befreundeten portugiesischen
Kaußeuten, die in Japan Plandel trieben, erhalten hatte. In
einem dieser Briefe hiess es : ein reicher und mächtiger Fürst
wünsche Christ zu werden und habe bereits einen Gesandten an
den Vizekönig von Indien abgeordnet mit der Bitte, ihm Lehrer
der christlichen Religion zu schicken. Man zeigte Xavier auch
Briefe von Kaufleuten in Slam, in denen es hiess, es seien dort
einige Japaner angekommen, von denen man gehört habe, ihre
Landslcute wünschten, dass europäische Priester als Lehrer zu
ihnen kämen. Andere wussten gar zu erzählen, dass einige
Mächtige des Landes mit dem Gedanken umgingen, in gleicher
Absicht eine Gesandtschaft an den König von Portugal zu
schicken. In einem andern, an Xavier eigens gerichteten Schrei-
ben hiess es, wie er in einem während seines kurzen Aufenthaltes
in Malakka geschriebenen Briefe berichtet : Einigen portu-
giesischen Kaufleuten, welche jüngst in einer bestimmten Gegend
von Japan gelandet seien, habe der Herr jener Gegend ein
Haus angeboten, welches deshalb von seinen Bewohnern verlassen
sei, weil man die Erfahrung gemacht habe, es werde sehr von
Gespenstern beunruhigt. Die Portugiesen, welche nichts hiervon
gewusst, da die Japaner es A\ohhveislich verschwiegen hatten,
habe es M'ährend einiger Nächte sehr gewundert, dass ihnen,
wenn sie sich schlafen gelegt, die Kleider und Bettdecken ab-
gezogen wurden, ohne dass sie irgend jemand gesehen. Endlich
habe einer von ihren Dienern in der Nacht ein Gespenst gesehen
und vor Schrecken so laut aufgeschrieen, dass alle erwachten.
Xavicrs Fahrt nach Japan und Landung in Kagosliinia. 83
Sie sprangen von ihrem Lager auf, griffen zu den Waffen und
eilten zu dem Schreienden, um etwa eingedrungene Räuber zu
vertreiben. Als sie aber die Thüre verriegelt und ihren Diener
ganz allein und unversehrt fanden, haben sie ihn gefragt, warum
er denn so geschrieen habe, aber keine andere Antwort erhalten
als : er habe eine schreckliche Erscheinung gesehen, dieselbe sei
aber, als er das Kreuzzeichen gemacht habe, verschwunden.
Infolgedessen stellte nun der Diener an verschiedenen Stellen des
Hauses und an den Thüren der Zimmer Kreuze auf Inzwischen
erkundigten sich die Nachbaren, welche um die Sache wussten,
wie es den Fremden in dem Hause gehe ; sie wunderten sich
nämlich, dass sie so lange unbehelligt darin bleiben konnten. Da
sie auch das nächtliche Schreien des Dieners und den Lärm der
mit den Waffen Herbeieilenden gehört hatten, fragten sie am folgen-
den Tage, warum sie in der Nacht einen solchen Schrecken
gehabt hätten. Als die Portugiesen erzählten, was sich zugetra-
gen, haben die Japaner auch zugestanden, man habe schon seit
längerer Zeit geglaubt, dass ein böser Geist das Haus besetzt
halte, und zugleich haben sie gebeten, weil derartiges in jenen
Gegenden oft vorkäme, wenn sie ein Mittel dagegen hätten, es
ihnen doch anzugeben oder mitzuteilen. Auf die Antwort der
Portugiesen, es gebe kein wirksameres Mittel für die Vertreibung
der bösen Geister als das Zeichen des Kreuzes, habe man, da das
Gerücht von dem Vorfall und von der gegebenen Antwort sich
rasch verbreitet habe, bald Kreuze von Papier, Holz und
andern! Stoffe an den Thüren fast aller Häuser des Orts
gesehen, indem die Eingeborenen, welche oft von höllischen
Geistern belästigt werden, sich begierig des angegebenen Amu-
lets bedienten. ,, So eile ich denn ", schreibt Xavicr von
Malakka aus, nachdem er solche Nachrichten empfangen hatte,
„mit freudiger Hoffnung hin, und meine Seele jubelt auf im
vertrauensvollen Vorgefühl der reichlichen Ernte, die ich dort
erwarte." 4) Ja, er gibt der Hoffnung Ausdruck, mit Gottes
4. Charle\'OIX, Hist. de P Etablissevient etc. I, 47 teilt mit, dass Xavier, kaum
in Malakka angekommen, angesichts der sich ihm entgegenstellenden Hindernisse
84 Ä'a'i'icis FaJirt nacJi Japan und Landuns: in Kagosliinia.
GiKulc rcichliclic L^-üclitc bei cinig'cn, ja \'icllcicht bei allen
Japanern zu wirken, und schreibt an Johannes Bcira : ,, Obwohl
ich recht <;ut weiss, ^vie viel Gutes in den hiesigen Gegenden
gewirkt werden kann, so werde ich nach meiner Ankunft auf
jenen entlegenen Inseln, sobald ich klar erkenne, dass wir von
unseren Arbeiten dort uns noch grösseren Erfolg versprechen
dürfen, Sic zu mir rufen, damit Sie an der reicheren Ernte
arbeiten."
Nun, zunächst stiegen nur zwei andere Jesuiten mit ihm
ans Land : Pater Cosmo 5) de Torres, ein spanischer Priester von
Valencia, vorher Generalvikar des Bischofs von Goa, derselbe,
unter dessen Anleitung Anjiro die geistlichen Uebungen durch-
gemacht hatte, und Johann Fernandez,'^) ein Laienbruder ; ferner
Anjiro oder Paul vom heiligen Glauben, der, voll Verlangen,
seine Landsleute für die neue Religion zu gewinnen, ihm gute
Dienste als Dolmetscher leisten sollte, und dessen beide getaufte
Diener, die Japaner Johannes und Antonius. 7)
uiul Schwierigkeiten von tiefster Entmutigung l)efallen worden und versucht gewesen
sei, sein ganzes japanisches Unternehmen aufzugeben. Alan vergleiche dagegen noch
Xaviers Brief von Malakka (22. Juni 1549), in dem es heisst : „Gerade das be-
stärkt mich in meinem \^orhaben, dass der Feind des Menschengeschlechts so vieles
aufbietet, um mich von demselben abzubringen, woraus nicht undeutlich erhellt,
dass er für seine Sache viel davon fürchtet. Aber, was er auch lärmen und ein-
wenden mag, wir gehen doch, unbekümmert um seine eitlen Schreckbilder."
5- Cos II w, nicht BaltJiasar de Torres, wie M. VON Brandt, „The Discovery of
Japan and tJie Introdiiction of Chrislianity " in den Mitth. der D. Ges. f. Natur- u.
Völkerk. Ostasiens, Bd. I. Heft V, 31, und Rf.IX, „Japan'-'' I, 305 u. 312 irrtümlich
angeben. Zwischen beiden Jesuitenjwtres ist zu unterscheiden. Balthasar de Torres
ist erst später nach Japan gekommen. Der Fehler hat sich aus A'un BRANrn' u.
Rkin in andere Publikationen geschlichen, wesjialb ich hier Anlass nehme, ilin
richtig zu stellen.
6. Johann Fernandez war ein reicher Kaufmann von C'ordone in Andalusien.
Nach seiner Bekehrung in Lissabon im Juni 1547 von Simon Rodriguez in die
Gesellschaft aufgenommen, wurde er im folgenden Frühjahr nach Indien geschickt, wo
Xavier, seine Tüchtigkeit sofort erkennend, sein Auge auf ilm fallen lies«, als er
sich nach Begleitern für die Reise nach Japan umsah.
7. k.ia Religiöse von Goa schreibt in einem Briefe an die Brüder im Kolle-
gium zu Coimbra 1549: ,. Alle, die I'. Franciscus aus unseren Briidern besuchte,
Xavicrs Fahrt iiacJi Japan und Landung in Kagoshiina. 85
Xaviers Ziel war Kagoshinia nicht gewesen ; er hatte
viehnehr die Absicht gehabt, sofort nach der Hauptstadt des
Reiches, nach Meal-co, zu gelangen und dem König des ganzen
Reichs zu eröffnen, welchen Auftrag er für ihn von dem höch-
sten Herrn und Könige aller Völker habe, und darauf die
Gymnasien und Universitäten zu besuchen. Da es nun durch
die Ungunst der Winde nicht nach seinem Wunsche ging, hätte
er an einem günstigeren Orte nicht wohl landen können. Denn
Kagoshima war Anjiros Vaterstadt. Dieser Umstand sicherte
den fremden Ankömmlingen eine freundliche Aufnahme bei
der gesamten Bürgerschaft und ihren Vorstehern, die, fern davon,
ihm seinen Uebcrtritt zur Religion der fremden Priester übel zu
nehmen, ihn vielmehr deshalb achteten und ihm Glück wünsch-
ten, dass er Indien besucht und dort Dinge gesehen habe,
wie sonst keiner von den Eingeborenen. Die Fremden waren
Gegenstand höchsten Interesses, auch für das Haus des Daimyö
von Satsuma, Shimazu Takahisa, des fünfzehnten Regenten aus
dem Geschlechte Shimazu (geb. 15 14, Regent seit 1526, gest.
1571), der zu dieser Zeit schon anfing, danach zu streben, seine
Herrschaft über ganz Kyüshü, die südliche der Hauptinseln Japans,
(von den Jesuiten gewöhnlich Ximo oder Saycocu genannt), aus-
zudehnen, und dem sofort der Gedanke gekommen sein mag, dass
die Ankömmlinge ihm dazu behülflich sein könnten. Xavier
erzählt, wie der Fürst, der sechs Meilen von Kagoshima entfernt sein
Schloss hatte, dem Anjiro, als er ihm seine Aufwartung machte,^)
wollten mit ihm reisen : weil dies indessen nicht anging, Hess er uns die Hoffnung
zurück, wenn Gott in jener Gegend dem Evangelium den Weg öffnen solle, uns alle
dahin zu laerufen, indess er uns im Herzen mit sicli führte und damit tröstete, dass
die hier so zerstreute Gesellschaft Jesu sich dort im himmlischen Jerusalem vereinigt
wieder linden wird, wenn wir in dieser Wanderschaft einander niclit mehr seilen
sollen."
8. Wenn Charlevoix, Histoire de P jkiabUsscinent etc. I, 53 sagt, Anjiro's Gang
zum h'iusten hal^e auch den Zweck gehabt, ihn um Gnade für den begangenen
Mord anzuflehen, um dessentwillen er entflohen war, so ist das eine Angabe, für
welche die authentischen Quellen keinen Anhalt bieten. Sie bekundet aber, dass
schon Charlevoix der Gedanke aufstieg, dass der Japaner eigentlich nicht hätte
daran denken können, nach seiner Heimat zurückzukehren, wenn ihn eine begangene
Älordthat zur Flucht aus derselben genötitrt hätte.
86 Xavicrs Fahrt nach Japan und Laiidiiiii^ in Kao-oshiuia.
viele lüire erwies. Kr forschte ihn angelegentlich und eingehend
über seine Reisen wie über Charakter, Sitten und Macht der
Portugiesen aus. An einem von Indien mitgebrachten Bildnisse
der Jungfrau mit dem Jesuskinde, das Anjiro ihm zeigte, fand er
grosses Gefallen. Dass er auf den Knieen sich davor verbeugte,
nahm Xavier, mit japanischen Gewohnheiten noch nicht vertraut,
als ein Zeichen andächtiger Verehrung des Madonnenbildes. 9)
Auch die Mutter des Daimyö war von dem Gemälde entzückt
und warf sich ebenfalls mit allen ihren Frauen davor nieder
„ponr adorcr Ic Dien des Chirticns."'^'^) Sie wünschte sich
sogar eine Kopie davon, ein Wunsch, der ihr nicht befriedigt
werden konnte, weil sich kein Maler in Kagoshima fand, der den
Auftrag auszuführen im stände war, und bat ferner durch ihren
Boten um eine Aufzeichnung der Hauptstücke der christlichen
Religion für sie. Anjiro verwandte einige Tage auf diese Arbeit,
indem er einen Abriss der christlichen Glaubens- und Sittenlehre
in japanischer Sprache niederschrieb, — das erste christliche Lite-
raturprodukt in Japan.
Schon Anjiro hatte den Geistlichen in Goa erzählt, in Japan
sei ein Fürst, auf dessen Fahne ein uncreheueres Kreuz ijemalt
sei, das Familienwappen, das jedem andern bei Todesstrafe zu
gebrauchen verboten sei. Hieraus, . wie aus den mancherlei
Aehnlichkeiten mit der katholischen Religion, die er in der
japanischen, \v\c sie Anjiro ihm beschrieb, entdeckte, zog der
9. Ihm nach thalcn dies dann natürlich die jesuitischen Geschichtschrciher.
^'yl. z.B. CiiARLi'.Vüix, Ilisfoire et Dcscriplion generale du Japon II, 171 : „ Le
Kvi fiit si frappe ä eetle vüe, qne par iin iiioiiveincnt siibif, dont appareiiiineiit il tie
fnt pas k via'itre, il mit les detix genonx 011 terre ponr rendre ses hoiiimages ä la
Mere, et aufds, dont les visages lui parurent respirer ipielqtte cJiose daitguste et de divin.'-'-
Protestantische Kritiker Xaviers haben dann aus der bezüglichen Briefmilteilung des
Begründers der japanischen Kirche und aus der Weiterinterj)retation CH.\KLI-;^'OI.\' u.
a. den Vorwurf a])geleitet, ein Akt schlechter Marialatrie sei der Anfang katholischer
Missionsthätigkcit in Japan gewesen. Siehe z. B. Vknn-IIokf.MANN, P'ranz Xavier,
S. 215: ,,l^eider war der erste Schritt in der Bekehrung Japans durch Marien-An-
betung befleckt."
10. Cll-\KLE\"üI->:, Ilist. de rPtablisseincni ete., I, 54.
Xavicrs Fahrt nach Japan und Landung in KagosJdnia. 8/
Religiöse, der im Kollegium aufzeichnete, was er von dem
Japaner erfragen konnte, den Schluss, es sei wahrscheinlich, dass
das Land einmal das P^vangelium gehabt, aber seiner Sünden
wegen wieder verloren habe, wenn nicht etwa eher anzunehmen
sei, dass die Wahrheit durch einen Betrüger wie Mohammed
wieder verdunkelt wurde. Xavier sagt dagegen in einem Briefe
vom 29. Februar 1552, er habe in Japan lange und fleissig nach-
geforscht, ob er etwa Spuren einst vorhanden gewesenen Christen-
tums finden könne. xA.ber sowohl aus den Schriften der Japaner
als auch aus mündlichen Unterhaltungen sei er zu der Ueber-
zeugung gelangt, dass sie noch gar nichts von Christus erfahren
hatten.") Zu Kagoshima habe er wohl bemerkt, dass der König
II. Japanische Historiker haben die Behauptung aufgestellt und zu begründen
gesucht, dass schon Jahrhunderte vor Xavier das Christentum einmal durch Glau-
bensboten in Japan gepredigt wurde. Daran ist wohl ernstlich nicht zu denken.
Interessant aber wäre es, zu untersuchen, wie viel indirekt durch den Buddhismus
vom Christentum nach Japan gebracht wurde. Denn der Buddhismus, wie er dahin
kam, hatte sicherlich in Indien und China auch christliche Ideen von den Xestori-
anern assimiliert. Dies würde die vielen Uebereinstimmungen zwischen der katholi-
schen Religion und dem Buddhismus in Japan erklären. Ich notiere hier noch
eine Bemerkung, die Hildreth {^Japan as it 7vas and is, p. 59) macht. Indem er
darauf hinweist, dass die Religion Buddhas in iln'er Organisation und ilrren Ge-
bräuchen bei allerdings teilweise sehr verschiedenen Dogmen ein höchst eigentüm-
liches Gegenstück zur katholischen Kirche darbiete, schreibt er : „a siiniliarity whicli
tlie missionaries could oiily explain by the theoiy of a diabolical iiiiitation ; and lühich
some subsequent Catholic writers have been inclined fo ascribe, tipon veiy tmsatisfac-
toiy grounds, to ihc ancient labors of Arnienian and Ncstorian missionaries, being
extrentely umuilling to adinit zu/iai seeiits, hozvevei; very probable, if not, indeed, cer-
tain, — Utile attention Jias as yet been given to this interesting inqitiry, — that soine
leading ideas of the Catholic chiirch haiie been derived fro/n Buddhist sotirces, whose
missionaries, zuhile penetrating, as ive knoia they did, to the East, and Converting
entire nations, niay well be supposed not to have been ivithoiit their inßuence also on
the West.'-'- Es ist besonders R. Seydel, der dieses Problem in mehreren Schriften
behandelt hat. Die Möglichkeit der von ihm angcnounncncn Beeinflussung l:icreits
der christlichen Evangelien durch die Buddhalegenden ist schwerlich zu bestreiten
und in \Yirklichkeit auch von keinem ernst zu nehmenden Beurteiler bestritten
worden. Von allem, was gegen die Wahrscheinlichkeit dieser Entlehnungshypothese
geltend gemacht worden ist, scheint mir am schwersten dies zu wiegen, dass in der
christlichen Literatur bis auf Clemens von iUexandricn jede Erwähnung des Bud-
88 Ä''ai'icrs Fahrt nach Japa]i und Landung in KagosJdnia.
und seine Verwandten ein weisses Kreuz im
\Vappen fülirten, aber von Christus hätten sie
L;ar keine Kenntnis. Was sein erster Konv^ertit
dem cliristlichen Kreuze ähnlieh fand, und er
selbst als Darstellung eines solehen ansah, ist in
Wirklichkeit ein Pferdegebissring im Shimazuwappen.^^) y^uf
eine Erwälmung dieses letzteren stiess ich beim Studium der
Littcrae annuac auch in einem Jahresschreiben aus Japan vom
Jahre 1581. Da schreibt der damalige Vizeprovinzial P. Caspar
Coegles, dasselbe scheine den apostolischen Arbeitern Gutes
vorzubcdeuten. Denn der P\irst von Satsuma habe als Sinnbild
ein dem christlichen ganz ähnliches Kreuz. \lx knüpft daran
den Wunsch, Gott möge geben, dass er und die Seinen dies
bald erkennen und es als das Wappen Christi anbeten.
Xavier nahm jedenfalls die Gelegenheit mit Begier wahr,
den Daimyö mit dem Kreuze Christi bekannt zu machen.
Durch die Erzählungen seines aus Indien zurückgekehrten Un-
terthans war dieser neugierig geworden, (^c\\ fremden Priester
kennen zu lernen, und dieser musste sich am 29. September,
von Paul als Dolmetscher begleitet, ihm vorstellen. Es war
der Tag Ivlichaels. Unter den Schutz dieses P^rzengels, des
I'ürsten der streitenden Kirche, stellte er darum das E^vangeli-
sationswerk in Japan. Yä Avurde sehr ehrenvoll aufgenommen,
von allen Anwesenden höchlich angestaunt und bis zum I^in-
bruche der Nacht festgehalten. Der Fürst ermahnte ihn, wie
er berichtet, die Bücher, in welchen die christliche Lehre ent-
dhismus fehlt. Bis jetzt kennen wir die Brücke nicht, über welche die Buddhale-
gende in der Zeit, in der die Evangelien entstanden, zu Christen gelangen konnte.
Vgl. meinen Aufsatz „ Das Lehen Jesu, und die Biiddhalegenden. " in der Zeitschrift
für Missionskunde und Religionswissenschaft, Jahrgang XIII. .S. 72-So.
12. Es ist demnach ein Anachronismus, wenn in einem Artikel des „Japan
Evangelist" (Vol. II. Xo. 7. Jahrgang 1899) „Tlie Gross in Japanese Ileraldry '■'■
das Kreuz im Wappen der Familie Shimazu, das Xavier l:)ereits vorfand, als ein
Ueljerbleibscl aus der Zeit der Jesuitenmission angeführt wird, unter Beiiifung
darauf, dass die Jesuitenväter ihren adeligen Konvertiten neue Wappen gegeben
haben sollen.
Xavicrs Fahrt nach Japan nnd Landung in KagosJänia. 89
halten sei, recht sorgniltig zu bewahren ; Avenn er nämhch von
der Wahrheit und Richtigkeit derselben sich überzeugt hätte, so
würde der Teufel vor Aerger ganz ausser sich kommen. Von
seiner beabsichtigten Reise nach der Reichshauptstadt riet ihm
Takahisa, der sich den portugiesischen Handel durch die Glau-
bensboten sichern zu können glaubte, unter Hinweis auf die
dortigen Wirren eindringlich ab, räumte, um ihn festzuhalten,
nach wenigen Tagen allen seinen Unterthanen die Freiheit ein,
die christliche Religion anzunehmen, und gab ihm selbst natür-
lich die Erlaubnis, in seinem Gebiete frei zu predigen.
Dazu fehlte dem eifrigen Apostel zunächst noch das Not-
wendigste, die Kenntnis der Landessprache, wenn er sich auch
die Anfangsgründe derselben auf der Reise von Anjiro hatte
beibringen lassen. Jetzt in Japan machte er sich mit grösstem
Eifer an die Erlernung des Japanischen. , »Verständen war die
japanische Sprache," schreibt er am 3. November nach Goa, ,, so
würden viele ohne Zweifel das Christentum annehmen. Gebe
Gott, dass wir sie bald können ; wir haben längst sie zu
lernen angefangen ", und ähnlich wie auch in diesem Briefe
schreibt er in einem nach Coimbra. ,, Jetzt weilen wir unter den
Leuten gleichsam wie Bildsäulen. Sie reden viel über uns und
machen sich allerlei Mitteilungen ; wir aber bleiben stumm und
müssen in P>rlcrnung der Anfangsgründe der Sprache wieder zu
Kindern werden." Für den Dreiundvierzigjährigen, dem beides,
die Sprachengabe wie die Geduld abging, war das natürlich
keine leichte Sache. Doch konnte er mitteilen, dass er in
vierzig Tagen mit Gottes Hilfe solche Fortschritte gemacht, dass
er bereits die zehn Gebote auf Japanisch erklären könne. Dies
freilich i.st eine Angabe, die nur mit grösster Vorsicht wird
aufgenommen werden dürfen. Allerdings sagt ein japanischer
Geschichtschreiber vom Anfang des 18. Jahrhunderts, Arai
Hakuseki, dass nach alten Berichten die Südbarbaren, aller Lan-
dessprachen kundig, auch im stände waren, binnen fünf bis sechs
Tagen nach ihrer i\nkunft die japanische ganz gut zu verstehen ;
aber einmal wird man das nicht allzu wörtlich nehmen dürfen, und
90 Xai'icrs Falirt iiacli Japan und Landung in Kagoshinia.
zum zweiten bezieht es sich wohl auf eine Zeit, wo bereits in
Indien oder Kuropa den Missionaren Gelegenheit gegeben war,
Japanisch zu erlernen, so dass sie wirklich bald nach ihrer
Ankunft im Lande die Japaner zu verstehen vermochten.
Dürften wir den J^erichten der jesuitischen Historio-
graphen glauben, so hätte Xavier so rasche und erstaunliche
Fortschritte gemacht, dass er nach so kurzer Frist bereits im
Stande war, einen in Indien von ihm verfassten Abriss der
christlichen Lehre in h'orm einer Auslegung des Symbols ins
Japanische zu übersetzen. Fr selbst bekennt, dass er den
Katechismus mit Hilfe Anjiros übersetzt habe, und zwar mit
grosser Mühe. Und da er schon von Cochin aus, noch vor
Antritt seiner Fahrt nach Japan, (14. Januar 1549) von Faul
schreibt, dass er keine wissenschaftliche 13ildung besitze und nie
japanische (er meint wohl chinesisch geschriebene) Schriften
gelesen habe, hat wohl eher Tursellixu.s recht, wenn er schreibt :
,,Paul, weil ein ungelehrter Mann {Jiouio idiotd), war um nichts
besser zum Dolmetscher als zum Lehrer geschickt. Und ob er
sich gleich über sein Vermögen anstrengte, brachte er doch
weniger zu stände, als die Sache erheischte. Denn er übersetzte
jene Hauptstücke so falsch, dass nirgends ein Zusammenhang in
der Darstellung war. lu' schrieb ferner so ungeschickt, da.ss
seine Schriften von den japanischen Literaten nicht ohne Lachen
gelesen werden konnten." ^3)
Die Ausarbeitung eines japanischen Katechismus hatte
Xavier bereits Anfang 1548, sobald er sich mit dem Gedanken
an ]\lissionsarbeit in Japan trug, ins Auge gefasst. Schon in einem
Schreiben vom 21. Januar dieses Jahres an die Jesuiten in Rom
spricht er von dieser seiner /\bsicht und bemerkt, dass Anjiro ihm
dabei als Uebersetzer Dienste leisten solle. L'nd in dem ersten
Briefe aus Kagoshima findet sich die Stelle : ,, Diesen Winter
gedenken wir auf eine ausführliche japanische Frklärung des
13. HoR.vrius TuRSELLiNL'S, De Vila B. Fraiichci Xaverü, p. 306 (ich ziliere
nach der in meinem Besitz befmdliclicn Ausgabe, Rom l6io. Die erste erschien
1594)-
Xavicrs Fahrt nach Japan und Landung in Kagoshinia. 91
Glaubensbekenntnisses zu verwenden, mit der Absicht, dieselbe
drucken zu lassen, damit so wenigstens die Kenntnis der christ-
lichen Religion zu möglichst vielen Orten, da wir unmöglich
persönlich überall hinkommen können, durch das Mittel der
Schrift, welche die meisten Japaner lesen können, gelange. Unser
Paul übersetzt getreu in die Landessprache alles, was zum See-
lenheile notwendig ist." Das ist am 5. November 1549
Sfeschrieben. In einem Schreiben, das gewöhnlich auf den 20.
November 1550 gesetzt wird, aber kaum vor Juli 155 i geschrie-
ben sein kann, 14) bekennt jedoch Xavier, dass, als sie in Hirado
waren, also über anderthalb Jahre später, keiner von ihnen
Japanisch konnte, und sie sich auf die Vorlesung der Katechis-
musübersetzung beschränken mussten, wenn auch daneben ihr
japanischer Gehilfe Ansprachen gehalten haben mag. Aus
diesem Selbstgeständnis mag man schliessen, was von der
Behauptung zu halten ist, die sich bei Crasset, Ch.vrlevgix,
BouHOURS u. a. findetj'S) er habe das Japanische mit einer
Leichtigkeit und Lleganz gesprochen, die selbst die Einge-
borenen nur selten erreichten. ^6) Die Sprachengabe, die ihm,
um ihn zu verherrlichen, .seine katholischen Biographen und
selbst die päpstliche Kanonisationsbulle von 1623 i7) beilegen,
hat der grosse Glaubensbote nicht besessen. Und wenn er auch
nach seiner Rückkehr aus Japan schrieb, die japanische Sprache
14. Den Nachweis hiefiir siehe im Exkurs zmn zehnten Kapitel.
15. Anders TüRSELLlN (p. 321): Itaqne vi coinpitis ac triiiis bis in die de
scripta {iiondui/i eniiii lingnaiii Japonicain probe iiorat) Evaiigeliicni diuulgare instiluit
So schreibt er, \vo er von Xaviers Aufenthalt in Yamagi.ichi spricht, wohin sich
dieser von Hirado aus begab.
16. Dieselben Gewährsmänner, ihnen nach aber selbst noch P.\ges I. p. XCVI.
berichten auch allen Ernstes, dass Xavier den chinesischen Kaufleuten in Hirado
täglich in ihrer Sprache jjredigte, obgleich er diese Sprache nie gelernt habe.
17. In dem amtlichen Prolokolle über die Kanonisation des Heiligen heisst
es : „Wenn er Völker verschiedener Sprachen besuchte, die er nie gelernt hatte, so
pflegte er diese Sprachen ebenso fliessend und schön zu sprechen, wie wenn er im
Lande geboren und erzogen worden wäre, und es geschah oft, dass Leute verschie-
dener Sprachen, die seiner Predigt zuhörten, jeder seine eigene Sprache vernahmen."
92 A'tiz'ü'j's FaJu't iiacli Japan und Landiiiif^ in Kagosldnia.
sei nicht so gar schwer zu erlernen, so kann diese Aeusscrung,
die er wohl nur auf Grund dessen that, dass der sprachbegabte
15rudcr Johann Funiandez es in verhältnismässig kurzer Zeit
dazu brachte, sich in Japanisch hören lassen zu können, doch
nicht auf den Glauben kommen lassen, dass ihm selbst die
Erlernung der japanischen Sprache leichter gefallen sei als ander-
wärts auf seinen Missionsfeldern die der Kingeborenenidiome.
Das Geschick zur Erlernung fremder Sprachen ging ihm viel-
mehr völlig ab. Es kann daher auch darüber kein 'Zweifel
obwalten, wie viel er, und wie viel sein japanischer Helfer zur
Uebersetzung des ,, Christlichen Unterrichts " gethan. Derselbe
wurde in zwei Exemplaren redigiert, von denen das eine, in
japanischen Schriftzeichen, für die Neophyten, das andere, in
lateinischen Buchstaben, für den Gebrauch Xaviers und seiner
Genossen bestimmt war.
Dieser Abriss spielte in der Missionsarbeit des Apostels
in Japan eine grosse Rolle. Seine ganze Predigtthätigkeit be-
schränkte sich, soweit er nicht mit Dolmetscherhilfe sprach, auf
die Vorlesung dessen, was hier niedergelegt war, und was der
Prediger, indem er es in der fremden Sprache mit grossem
Pathos vortrug, selbst kaum oder doch nur sehr unvollkommen
verstand. iS) Besässen wir diesen Katechismus noch, so wüssten
wir aufs genauste, was den Japanern als christliche Lehre von
den ersten Christcntumsverkündigern geboten wurde. Der Ka-
techismus ist uns aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erhalten.
Aber der Verfasser gibt uns in einem seiner Briefe (dem ge-
wöhnlich fälschlich vom 20. November 1 550 datierten) eine kurze
Beschreibung seines Aufrisses. Wir wissen bereits, es war eine
18. Dies entsprach iil)rlgcns auch seiner sonstigen Gcwolmheil. Auf Kap
Comorin, wo er ohne alle Kenntnis des Malaljarischcn niclit unterricliten konnte,
liess er nach solclicn suclien, die beide Spraclien, Spaniscli und Malaljarisch, cini-
germassen verstanden. Mit ilinen übersetzte er seinen Katechismus in tagelangcr
mühevoller Arbeit ins Malabarische. Dies gethan, lernte er das Clanze auswendig
und machte sich damit auf die Predigttour. (Brief vom 12. (nach der Löwener
Ausgabe 15.) Januar 1544 au die Gesellschaft in Rom).
Xavicrs Fahrt nach Japan 7ind Lamhing in Kagoshinia. 93
Darlegung der liauptstücke der christliclien Religion in I'""orm
einer Erklärung des apostolischen Symbols. In dem genannten
Briefe aber bemerkt Xavier noch: „Von der Erschaffung der
Welt berührten \\\x in Kürze das, was für die Eingeborenen
passend schien, wie z. B. dass Gott der Schöpfer der ganzen
Welt sei, was sie durchaus nicht wussten, und ebenso die
übrigen zum Heile notwendigen Stücke, vorzüglich, dass Gott
die menschliche Natur angenommen habe. Darum haben wir
alle Geheimnisse des Lebens Jesu Christi bis zu seiner Himmel-
fahrt und ebenso die Abhaltung des jüngsten Gerichtes genau
auseinandergesetzt." Nun ist uns glücklicherweise ein anderer
Katechismus von Xavier erhalten, derjenige nämlich, den er zum
Gebrauche auf den Molukken im Jahre 1546 verfasste und 1548
von Franciscus Coelho, einem Weltpriester, auch ins Malabari-
sche übersetzen liess. Auch er gibt das Ganze des christlichen
Glaubenssystems in Form einer Auslegung des Taufsymbols,
zeigt gleich in der Einleitung in wenigen Worten an, dsss Gott
der Schöpfer aller Dinge ist, legt besonderes Gewicht auf die
Lehre von der INIenschwerdung Gottes, und auch er verwebt in
die Erklärung des Symbols die Erzählung der wichtigsten
Thatsachen aus dem Leben Jesu bis zu seiner Himmelfahrt und
handelt ausführlich vom jüngsten Gericht. So wird die Ver-
mutung schwerlich trügen, dass der von Xavier in Japan
gebrauchte Proselytenkatechismus im wesentlichen nichts als
eine Uebersetzung des uns erhaltenen Abrisses ist, den er zum
Gebrauche auf den Gewürzinseln entworfen. Eine weitere
Bestätigung hiefür finde ich in folgendem : Von seinem Auf-
enthalte in Yamaguchi erzählt Xavier, dass eine Schar von
Kindern und Pöbel ihm und seinen Genossen, so oft sie sich in
den Strassen zeigten, höhnend zuriefen : ,, Sieh da, die Prediger,
welche behaupten, es sei Unrecht, mehr als ein Weib zu haben."
Dieses christliche Sitten<7ebot schärft der genannte Katechismus
gleich zu Anfang ein, indem er von der Schöpfung des Protoplasten-
paares handelt. Der Spott des Pöbels weist darauf hin, dass es
auch eine der ersten Sittenforderungen war, die der in Yama-
94 Xavicrs Fahrt nach Japan 7tn/i Landung in Kagoshinia.
guchi in den Strassen vorgelesene Katechismus vorhielt, und die
sich darum auch denen einprägte, die nicht Lust hatten, den
fremden Predigern länger zuzuhören. Haben wir aber recht
mit der Annahme, class beide Katechismen identisch sind, so
werden wir uns später bei der Beurteilung der missionarischen
Predigtv^erkündigung Xaviers vor allem auf den Inhalt dieses
katechetischen Sendschreibens an die Bewohner der Molukken,
das wir in Uebersetzung im Anhang wiedergeben wollen,
stützen dürfen.
SIEBENTES KAPITEL.
Politische und soziale Verhältnisse Japans.
Ehe Avir daran gehen, die Missionsthätigkeit der ersten
christhchen Glaubensboten und ihre Schicksale in Japan näher
zu betrachten, müssen wir hier zu besserem Verständnis das
Notwendigste über die politische Verfassung des Reichs und
die sozialen Verhältnisse wie insbesondere über die religiösen
Zustände des Volks in dieser Zeit sagen.
Als Xavier den japanischen Boden betrat, war er über alles
das schon einigermassen unterrichtet. Ein ihm befreundeter
Kaufmann, der lange in Japan gewesen, Georg Alvarcz, derselbe,
der ihm Anjiro zugefiihrt, hatte ihm seine sorgfaltigen Aufzeich-
nungen über Land und Leute gegeben, wie er unter gleich-
zeitiger Uebersenclung einer Abschrift derselben von Cochin aus
am 21. Januar 1548 den Mitgliedern der Gesellschaft zu Rom
und in einem Briefe vom Tage vorher auch dem Ordensgeneral
schreibt. Auch nach Anjiros Auskünften hatte er eine Schil-
derung Japans, seiner Einrichtungen und Sitten aufsetzen lassen,
von welcher er Ignatius, zusammen mit einem Briefe vom 14.
Januar 1549, eine Abschrift sandte 0, und auf die er Rodriguez
in einem Schreiben vom 28. Januar desselben Jahres verweist. 2)
1. In dem gleichen Briefe heisst es : „ Ich übersende Ihnen die japanische
Buchstabenschrift. Die Japaner weichen in ihrer Schreibweise bedeutend von anderen
Menschen ab ; sie schreiben nämlich von oben nach unten. Als ich den Japaner
Paul fragte, warum sie nicht wie wir schrieben, antwortete er : ,, Aber warum
macht ihr es niclit wie wir ? "Weil beim Menschen der Kopf das oberste ist und
die Füsse das unterste, so ziemt es sich ja, dass die Menschen auch von oben nach
unten schreiben."
2. Auch P. Cosmo Torres l3eruft sich in einen vSchreiben aus Goa vom 25.
März 1549 auf diesen nach Europa geschickten Bcriclit.
I
gG Politische und sor:inlc \\-rJiiUtiiissc Japans.
Beide Berichte finden sich in der im Kollegium 7x\ Coimbra auf-
bewahrten Briefsammking, der nach Anjiros Angaben verfasste
noch ausserdem in Rom. 3) Sie ergänzen und bestätigen sicli im
ganzen einaiulcr. W'enn Coleridge4) zu dem zweiten die Be-
merkung macht, dass er, vermutlich das Werk eines ReHgiosen
des Kollegiums zu Goa, das bei einem solchen verständliche
Bestreben kundgebe, in der japanischen Religion möglichst viele
Aehnlichkeiten zu finden, die sich in der Vorstellung des Schreibers
nicht nur auf äussere Riten, sondern auch auf religiöse Lehren aus-
dehnen, so verkennt er, dass solche Aehnlichkeiten nicht von
diesem Religiösen geflissentlich aus den Japanern herausgefragt
zu Averden brauchten, sondern thatsächlich vorhanden waren und
vorhanden bleiben. Dagegen hat er recht mit der Meinung,
dass diese Berichte an sich von Interesse seien. Denn sie
gehören zu den ersten über Japan, die im i6. Jahrhundert
nach Europa haben gelangen können, und sie sind interessant
auch insofern, als sie uns zeigen, was Xavier über dieses Land
und seine Einwohner gehört hatte, ehe er selbst an seinen
Gestaden landete. Sie machen, zusammen mit dem, was er von
anderen Kaufleuten sich hatte erzählen lassen, alles das aus, was
er von Japan Avusste. Ich gebe sie deshalb am Schlüsse dieses
Buches im Anhang wieder.
Die politischen Zustände des Reichs waren der Mission in
hohem Grade günstig. Das Eindringen Fremder war erleichtert
durch dien Mangel eines Zentralregiments. Das kam nicht nur den
europäischen Kaufleuten, sondern auch den fremden Glaubensbeten
zu gute. Wohl sass zu Kyoto, dem alten Miyako, der MikadoS)
3. Coi.ERlDGF sagt {The Life and Letters of St. Francis Xavier. Vol. II. p.
75), es sei ihm nicht bewu-sst, dass dieses Dokument je gedruckt worden sei. Ich
finde es abgedruckt im I. I'ande des 1795 in Augsburg bei Nicolous Doli erschie-
nenen Sammelwerks ,, Die Alissionsgeschichte späterer Zeiten oder gesammelte Briefe
der katholisclien Missionare aus allen J'/i eilen der Welt. Der 73 riefe ajis Japan erster
T/ieil.'' S. 1-21.
4. A. a. O. Vol. II. p. 222.
5. Heute wird die Bezeichnung i\n-/cado=:„\lo\\e Pforte" von ;//? „erhaben"
und kado „ Thor " (anders Satow : mika-do „ grosser Platz ") in Japan nur
Politische itnd soziale VerJiältnisse Japans. 97
oder, wie er in den Jesuitenberichten und auch bei Kaempfer,
TiiuxBEKG u. a. gewühnHch heisst, Dairi^) in der Theorie souv^e-
räner Herrscher im Frieden und oberster Feldherr im Krieg. Aber
in dieser Zeit war es ein Schattenkaisertum ohne wirkhche Macht
und Bedeutung, das Gonara-tcnnd, angebhch der 105. in der (dank
einem in ausgedelintester Weise zur Anwendung gebrachten
Adoptionssystem) niemals unterbrochenen Linienfolge des einen
japanischen Kaisergeschlechts, führte.
Einst unbeschränkter Monarch, der in Person den Krieg führte,
und in dessen Namen von ihm ernannte und durch seine Legaten
oder Fronboten beständig überwachte Statthalter {Kokiislii) ähnlich
den Grafen oder comites der Korolingerzeit in den Provinzen
des Reichs die kaiserlichen Rechte übten, hatte der Kaiser alle
Regierungsgewalt zuerst an den Hofadel {Kngc) verloren. P^s
waren besonders die Fujiwara, die, im erblichen Besitze des 886 n.
Chr. errichteten Kzcan/pa/cu 7)- Amtes und bis in die Mitte des 11.
Jahrhunderts thatsächlich Lihaber aller wichtigen Hofämter, Zivil-
und Militärstellen, die Kaiser, deren Mütter, Gemahlinnen und Kon-
kubinen alle von dieser Familie gestellt wurden, und ihr Reich
regierten, Ehren urid Lehen, Aemter und Pflichten austeilten,
wem sie wollten, dem Kaiser aber, wenn er aus der Art schlagend
Selbständigkeitsgelüste zeigte, die seinen abnahmen, indem sie ihn
zur Abdankung zwangen, um einen unmündigen Knaben an seine
Stelle zu setzen, von dem sie sicher waren, dass er sie nach
Belieben schalten und walten Hess.
Es hatte nichts am Lose des Throninhabers gebessert, als
die eigentliche Macht von dem mit der Zeit verweichlichten
Hofadel, der seine Tage mehr und mehr nur noch mit Ver.semachen,
selten mehr gebraucht. Man nennt den Kaiser gewöhnlich Te)islii „ Sohn des
Himmels", oder Teiind „ llimmelskönig "; auch S/utJö „höchster Herr".
6. Diiiri „ Kaiserlicher Palast ", eine früher in Gebrauch gewesene Bezeich-
nung für den Kaiser, der als zu erhaben galt, um direkt genannt zu werden.
7. Der Regent des Landes im Auftrage des IMilcado ; Bezeichnung für den
Premierminister, an den alle an den Herrscher bestimmten Eingaben zu richten
waren.
98 Jhlitisclic und so'jialc ]\'r]tältinssc Jiipans.
Go.5picl,S) 1^010,9) Reiten, I"iilkcnjäi^ci'ci, Bogcnschiessen, Hahnen-
gefechten und üppigeren Lustbarkeiten ausfüllte, an die in den
beständigen Kämpfen gegen die Xordbarbaren, die Rebellen im
Süden oder gegen Korea sich hcrvorthuenden thatkräftigen Mili-
tärvasallen der Krone glitt, die, mit der Dämpfung Aufrührischer
betraut, nach glücklicher Ausrichtung ihres Auftrags sich mit
den Ländereien der Niedergeworfenen lohnen Hessen und als
erbliche Territorialherren die nur für Zeit ernannten Reichsstatt-
halter mehr und mehr zur Seite drängten. Damit hatte der Kaiser
nur seine Meister gewechselt, und seine Lage war noch schlimmer
geworden als zuvor. Dadurch, dass die Abgaben in die Hände
dieser militärischen Usurpatoren anstatt, wie früher, in die seinen
flössen, war der Hof beinahe ohne Einkünfte. Während der
Regierung Gonara-tennö's (1527-15 57) litt der Hof thatsächlich
Mangel, und hätte nicht Ouchi Yoshitaka, ein mächtiger Terri-
torialfürst, sich dazu herbeigelas.sen, dem Kaiser die Mittel dafür zu
spenden, so hätte seine Krönungszeremonie ebensowenig abgehalten
werden können, wie schon beim Regierungsantritt seines unmittel-
baren Vorgängers Go-Kashiwabara (i 501-1527), dem erst im 20.
Jahre seiner Regierung der Prälat der Llongwan-ji-Sekte eine
Summe für diesen Zweck zur V^erfügung stellte, und w ie bei dem
Antritt der Regierung seines Nachfolgers Cgimachi (i 558-1 5S6),
dem Möri Motonari den gleichen Beistand leistete. Ganz un-
glaublich klingt es, wenn man in einer Schrift aus dieser Zeit
{Röj'in ZatsiiK'd) liest: ,,Bis zur Zeit von Nobunaga unterschied
sich der kaiserliche Palast nicht von einem Bauernhaus, keine
Mauer umschloss den Palast, es war nur eine mit Sträuchen
verbundene Hecke \'on Bambus. Li der Jugendzeit des Verfassers
spielten wir auf dem Balkon des Palastes mit Lehm und kneteten
P'igürchen daraus." Und wie der Kaiser selbst, so gerieten die
Hofadeligen, deren erbeigentümliche Aemter ihnen nur geringen
Sold eintrugen, innuer tiefer in Verarnumg. P"s war ihnen \o\\
ihrer früheren Herrlichkeit nichts mehr geblieben, nichts als der
8. Ein Brettspiel.
9. Ein BalLspicl zu rftid.
I
Politische Uli I soziale 1 \i-hältnissc Japans. 99
Stolz auf ihren alten Adel, der sie trotz ihrer Armut mit
Verachtung auf die neuaufgekommene ]\Iilitäraristokratie her-
niederblicken liess.
So war es um den Kaiser und den Hof schon seit lange
bestellt, als Japan zum erstenmale mit Europäern in Berührung
kam.
Und wie um das Kaisertum, so stand es zu dieser Zeit um die
andere, aus dem Militärvasallentum erwachsene, Regierungszentrale,
welche die Portugiesen in Japan vorfanden, das Militärregenten-
tum des Shögiin oder — wie er im Munde des Volkes gewöhnlich,
nie offiziell hiess — Kiibd-sama.
Ueber die erwähnten kleineren und grösseren erblichen Terri-
torialherren sich emporhebend, Avaren im Laufe des 12. Jahr-
hunderts zwei Geschlechter, die Hei {Tai ra) und Gen {Minanioto)
vor allen mächtig geworden, und nachdem die ersteren, obsiegend
über ihre Rivalen, für eine Weile im Besitze der Hälfte von allen CyG
Provinzen die Herren des Reichs gewesen, hatte der junge, nach
dem Norden verbannte Sohn des in der Schlacht gefallenen
Genjiführers, INIinamoto Yoritomo, ihnen eine vernichtende Nieder-
lage bereitet, die ihn zum Herrn der Situation machte. Der
Sieger wurde 1186 vom Kaiser zum Generalpolizeimeister {Sö-
isui-Iioshi) des gesamten Reichs und 1192 zum lebenslänglichen 1°)
Sei-i-tai-shögun (,,die Barbaren züchtigender Obergeneral") er-
hoben. Während die zur Zivilverwaltung bestellten Provinzial-
statthalter bis dahin aus dem Hofadel erwählt worden waren,
erreichte er vom Kaiser, dessen Sanktion er geflissentlich für alle
seine Anordnungen einholte, die Anstellung von fünf solchen
aus seiner eigenen Familie. Den mehr und mehr an Einfluss
einbüssenden Statthaltern der einzelnen Provinzen stellte er je
einen unter seiner Autorität stehenden Militärstatthalter {Sluigo),
der alle Benefizien aus seinem Amtsbezirk bezog, jedem der
Territorialherren einen gleichfalls seiner eigenen Sippe entnom-
menen Bezirkshauptmann {Jito) an die Seite. Auch in den
10. Vorher war dieses Amt mir temporär gewesen.
100 PoIitisicJic und sorÄalc ]^crJiültiiissc Japans.
Go-kinai, den fünf Kronländcrn um Miyako, und den Haus-
provinzcn der kaiserlichen Prinzen wurden solche Jitö mit der
Ausübung" der Gerichtsbarkeit und Polizeig-ewalt betraut, die,
meist energische Männer, C\c\\ kaiserlichen Statthaltern Avenig
Einfluss neben sich verstatteten und zum Teile mit der Zeit als
erbliche Militcärgouverneure auch den Titel \'on Kokus/ii an sich
zu reissen wussten und ihre Provinzen ganz selbständig regierten.
So begründete der Shögun eine Dynastie und legte den Anfang zu
der fortab in Geltung bleibenden Militärherrschaft und zii dem
späteren organisierten P^eudahvesen. Als Ort für sein Haupt-
quartier wählte er 1186 das topographisch wie strategisch trefflich
gelegene Kamakura an der Meeresküste unfern dem heutigen
Yokohama, das bis dahin nichts anderes gewesen war, als was
es heute wieder ist, ein imbedeutendes Fischerdorf") Von hier
aus führte der Shögun, die politische und die Heeresgewalt in
einer ILand einigend, wenn auch immer nur im Namen und als
Vasall dos gänzlich in den Hintergrund gedrängten Kaisers in
Kyoto, so doch faktisch im unbeschränkten Vollbesitz der Macht,
die I^egierung in den 66 Reichsprovinzen.
Aber es war eigentlich nur der erste in der Reihe der
Minamoto-Shögune, der das in eigener Person wirksam that.
Schon Yoritomos Sohn, obwohl vom Kaiser zum Haupt der-
Militärbeamten in den Provinzen ernannt und mit der Shögun-
würde belehnt, hatte die Führung der Staatsgeschäfte dem Vater
seiner ^Mutter, Höjo Tol-rimasa, überlassen müssen. Und diese
PWhrung behielten auch in der Folge unter ilcn von ihnen ein-
und abgesetzten, von Kx'öto bestellten prinzlichen Shögunpuppcn
die Höjö als ,, Shikkcn " d. h. Regenten oder Ministerpräsidenten
des Kamakurashögunats, ein grausames und räuberisches Regi-
ment führend und selbst Kaiser absetzend und erwählend nach
Belieben, bis auch sie wieder in Verweichlichung versanken und
II. Heute gemahnt an die frülicrc Cirösse der glänzenden Sliögunresidenz, der
bedeutendsten Stadt näcli.st Kyüto, nur nocli der Daibutsu, eine kolossale Amida-
statue, und der llachiiiiantcmpel, der viele Yoritomoreliquien birgt.
1
Politische und soziale Verhältnisse Japans. lOi
in Abhängigkeit \'on thatkräftigeren Vasallen gerieten. Es kam
dahin, dass ein Vormund die Regierung für den Shikken führte,
der berufen war, einen ebenfalls unreifen Shögun zu leiten,
während dieser seinerseits wieder das Staatsruder führen und den
unmündigen Kaiser vertreten sollte, der unter der Herrschaft
eines verderbten und feilen Hofes war,!^) und wie die Alikado-
stadt Kyoto mehr als einmal geplündert und zerstört wurde, so
sank auch die Shögunresidenz Kamakura 1333 in Schutt und
Asche.
Nach dem Untergang- des Hauses Höjö, der mit dieser
Zerst(3rung Kamakuras besiegelt war, fiel das Shögunat erblich
in die Hände der Familie Ashikaga, deren erster Inhaber dieser
Würde, Takauji, Kyoto zum Hauptquartiere wählte, während er
seinen Sohn als ,, Kvoanryö"' (Regent) von Kwantö ^3) zur Verwal-
tung der östlichen Provinzen in dem wieder aufgebauten Kamakura
residieren Hess und als Statthalter für den Süden einen General
nach K)'üshü schickte. Im Besitz dieser Familie war es noch,
als die Portugiesen ins Land kamen. Aber auch dieser Bakufu
(so nennt man die v^on Yoritomo errichtete Shögunatsregierung),
eine Weile machtvoll gebietend von einem Ende des Reichs zum
andern, war gleich der kaiserlichen Regierung nur eine Schein-
macht noch zu dieser Zeit, ohne Kraft, die widerstrebenden
P'lemente zusammenzuhalten. Der Shögun, der bald die wirk-
liche Leitung dem Kwanryo in Kwantö und seinem Premier-
minister in K}-öto, der auch den Titel Kwanryö führte, hatte
überlassen müssen, war nur mehr einer, wenn auch der erste —
nicht der mächtigste — von den vielen Reichsgrossen oder Daiinyo s
(,, Grosser Name "), von den Jesuiten gewöhnlich Könige genannt,
12. Vgl. Reix, Band I. S. 286 und Mukkav, Japan, 3d ed., p. 155.
13. K-ii'anto, „ ostwärts des Thores ", war in der Tokugawazeil die Bezeich-
nung für die Gegend östlich vom Hakonepass, umfassend die Provinzen Musashi,
Awa, Kazusa, .Shimösa, Shimotsuke, Hitachi, Közuke und Sagami. Zur Zeit der
Ashikagashögune verstand man jedoch unter dem. Kwantö noch die 28 östlichen
Provinzen zum Unterschied von den 38 'weshuärfs der Grcnzl)arriere gelegenen, die
zusammen Kwansci genannt wurden.
102 PolitiscJic inid sorjialc Wi-ludtiiissc Japans.
die, in festen Schlössern sitzend, in ihren Gebieten unumschränkt
die Regierung führten und die Gerichtsbarkeit übten, Soldaten
hielten und Abgaben erhoben, also durchaus nicht dem Sho^un
unterthänige Barone waren, sondern sich wirklich wie Könige
gerierten. ,, Diese Daimyo's waren eine bei weitem mehr her-
vortretende und ins Gewicht fallende Realität, als der harmlose
Kaiser oder auch der weit entfernte Shögun. Während ihre
endlosen Bürgerkriege den Zustand des Landes so unsicher und
schwankend machten, diente die Autorität der Lokalfürsten doch
dazu, unter ihren eigenen Unterthanen P^ieden zu erhalten und
eine rohe Art von Gerechtigkeit zu handhaben. "^4)
Die Daiiuyo s — man zählte im ganzen 262 — hatten nicht alle
gleiche Macht. Man miterschied 18 A'c-'/v/j'/';/, die, zum Teil ihren
Stammbaum von dem ehemaligen Provinzialstatthalter herleitend,
zunieist aber Günstlinge des Glücks, Herren über eine oder auch
mehrere Pnjvinzen waren, und 32 RiyäsJiu, Herren kleinerer
Territorien. Die [dshu oder Schlossherren, deren es 212 gab,
obgleich ebenfalls Daimyö genannt, waren in Wirldichkeit nur
.S"/'J///'iO (,, Kleiner Name "). Diese Daim)-ö's, die seit Yoritomos
Tagen keine starke Traust mehr über sich fl'ihlten, hielten nichts
weniger als gute Nachbarschaft, lagen vielmehr, beständig auf
I^rweiterung ihrer Gebiete und Ausdehnung ihrer Macht bedacht,
in steter l'^ehde miteinander, der auch d.r ohnmächtige -Shogua
ruhig zusehen musste, wenn er sich nicht selbst gegen solche
Grosse für seine eigenen Gebiete zu wehren hatte. Kurz,
,, Reichtum und r^Iacht waren die einzigen treibenden Prinzipien
geworden in dieser Aera beständigen Kriegens und Blutver-
giessens. Die Schicksale der Taira, der Minamoto, der Höjö
und der Ashikaga hatten unvermerkt ^c\\ Glauben aufkommen
lassen, ein Preis, nicht geringer als das Zepter selbst, sei erreichbar
für jeden Vornehmen, dem sein territorialer Einfluss und seine
militärische Macht erlaubten, die Hand danach auszustrecken. "'5)
14. Murkay a. a. O. p. 16S.
15. History of tlie Empire of Japan p. 230.
Politische und soziale l^crJiältnissc Japans. 103
Und war durch die ganze Geschichte Japans schon Krieg
nach aussen und Krieg im Innern der normale Zustand und
Friede die Ausnahme, so klang zu keiner Zeit mehr als zu
dieser der Name ,, Land des grossen Friedens ", wie die Japaner
ihr Fand zu nennen lieben, wie F'onie.
Unter den Daim\-ö's standen, ihnen als Vasallen ergeben und
von ihnen unterhalten, die Samurai oder Zweischwertermänner,
der niedere ^lilitäradel. An die Stelle der früheren allgemeinen
Wehrpflicht war mit der Zeit eine besondere Kriegerklasse
getreten, in der es wieder Rangklassen und Aftervasallen gab,
je nachdem einer grössere oder kleinere Grund- oder Säckelehen
oder nur lebenslängliche Reisrationen hatte. In Zeiten wie den
beschriebenen, beständig erRillt von Krieg, spielten diese Samurai,
ausgestattet mit reichen Privilegien und allein befähigt zur Füh-
rung von Aemtern und Titeln, natürlich eine grosse Rolle.
Den Samurai als höherem und niederem Kriegeradel {Ihikc)
stand der Rest der Bewohner, d. i. etwa ^'/ii; der Nation, eigentlich
rechtlos, von allen öffentlichen x^emtern und selbst von der
Schulbildung ausgeschlossen, als gemeines Volk gegenüber. Fs
bestand aus drei Klassen : den Hyaknslid oder Landwirten, den
Shokunin oder Handwerkern und den Akindo {Shönin) oder
Kaufleuten. Ausserhalb der bürgerlichen Gesellschaft standen die
Eta und Hinin, die japanischen Parias, deren Domaine die als
unrein geltenden Verrichtungen, wie Tierschlächterei, Abdeckerei,
Gerberei u. s. w. bildeten.
Die Lage der Bauern beschreibt ein Japaner ^'^) also : ,, An
der politischen und Kriegsgeschichte nahmen die Bauern keinen
Anteil, sie waren bloss Zuschauer der in alles eingreifenden
Umwälzungen der Ilerrschaft und des Besitzes. Wer die Herr-
schergewalt über sie ausübe, war ihnen ganz gleichgültig ; heute
wurden sie von einer Kriegspartei zu Fron- und Spanndiensten
gezwungen, morgen trat die andere Kriegspartei in ihre fried-
samen Dörfer, um dasselbe zu fordern. Ewig an die Scholle
16. Sakuy.V Yoshida, Geschichtliche Eiüivickhing der Sfaafsveifassiuig und des
Lehnweseiis von Japan. Bonn 1S90. S. 68 f.
I04 PolitiscJic ?iii(( soziale ]'crhältnissc Japans.
«gebunden, gingen sie von einem Herrn zum andern mit dem
UeJDergang des Landes Solange ein Herr nicht durch
unmässige Auflagen sie unterdrückte, war jeder ihnen willkommen.
In der Kriegsära des INIittelalters spottet ihr holend jeder Be-
schreibung, unter den Höjö's wurde ihnen 80 Prozent des
Rohertrages aus dem Grundstücke als Steuer entrissen. Stieg
jedoch der Druck über die nienschliche Kraft hinaus, so erhoben
sie sich unter der Fahne aus Reisstroh, um mit der Bambuslanze
einen verzweifelten Bauernkrieg zu führen Von jeder
Au.sübung der öffentlichen Rechte ausgeschlossen, an Leib und
Leben vom Schwert der Samurai bedroht, ewig an die Scholle
gebunden, in der Veräusserungsbefugnis beschränkt, bald zu 80,
bald zu 50 Prozent besteuert, waren die Bauern dennoch freie
Menschen und wirkliche iMgentümer. Sie waren nicht etwa wie
die römischen Kolonen, indem sie Eigentumsrecht, nicht ein
widerrufliches Nutzungsrecht an Grund und Boden hatten ; in-
folgedessen hing das Anerbenrecht von wirtschaftlicher Thätig-
keit ab. Noch weniger waren sie den Sklaven ähnlich, da sie in
keiner viehischen Knechtschaft standen. Mit der Scholle wurden
sie nicht etwa als ein lebendes Zubehör verkauft, sondern sie
gingen einfach mit ihren Grundstücken an die neuen Lehensherren
über, gerade wie ein heutiger Staatsbürger bei Abtretung eines
Staatsgebietes die Staatsangehörigkeit mit seinem Grundbesitz
wechselt. Ferner hatte niemand Eigentum am Leibe des
l^aueru. Vs war selbst verantwortlich. Keiner ausser ihm
haftete für den von ihm angerichteten Schaden. Weder Leibzins
noch mortuarium wurden bei seinem Tode als Zeichen der
Hörigkeit entrichtet. Was er erwarb, erwarb er für sich. Was
nach Abzug der Grundsteuer noch übrig blieb, fiel ihm als freies
Eigentum zu. Uebrigens brachten manche Bauern ein grösseres
Vermögen zusannnen als der Besitzer eines reichen Lehens. "^7)
Geringe Achtung genossen, die Schwertschmiede ausgenom-
men, die Handwerker ; und die Stellung der oft schwer besteuerten
17. \'t;l. hiezii noch D. 15. .Sl.MMoNS, A^otes oii I.ami Teiiiirc and Local In-
stiliitkn', in Cd Japan. T. A. S. J. Vol. XIX. Part I. p. 37-270.
Politische iiiid sorjialc VcrJüiltiiissc Japans. 105
Kauflcutc, die freilich wegen ihres RcichtuiTis immer die Oberhand
unter den drei bürgerhchen Klassen behielten, vergleicht Yoshida
derjenigen, die in Europa in früherer Zeit die Juden einnahmen.
Beide, Handel und Gewerbe, lagen zudem in Folge der beständigen
Kriegsunruhen ganz danieder.
Das waren die politischen und sozialen Verhältnisse, welche
die christlichen Glaubensboten in Japan vorfanden. Ihre Dar-
stellung zu vervollständigen, bliebe nur noch ein A\'ort (.iber den
Priesterstand zu sagen übrig. Dies jedoch bleibt besser auf-
behalten für das folgende Kapitel.
ACHTES KAPITEL.
Religiöse und sittliche Zustände.'
Der politische Verfall, in dem sich Japan gerade zu der
Zeit befand, als die Portugiesen kamen, und der seinesgleichen
nicht hat in der japanischen Geschichte, war mitveranlasst durch
die religiösen und sittlichen Zustände des Reichs. Denn wenn
der Mikado, oft ein Kind, entrückt den kleinen Miseren des
gemeinen Lebens, seine Tage in einem dolcc far iiiciitc und in
behaglichem Genüsse hinbrachte und andere regieren Hess oder
nach Icurzer Regierung freiwillig oder gezwungen ganz abdankte
und sich das Haupthaar scheren Hess, um, ein Hö-ö, in klöster-
licher Aiönchsabgeschiedenheit sein Leben zu beschliessen luid
nach seinem Tode ein Hotokc zu werden, so ist das zurückzuführen
auf Ideen des im Prinzip weltllüchtigen BitddJnsutus, der in Japan
seit über 700 Jahren schon die Herrschaft hatte, und dessen heilige
Bücher die Herrscher in. ihrer durch Geschäfte nicht unterbrochenen
Müsse eifrig studierten. Und dass sie sich selbst „Diener der drei
Kleinodien " d. i. Diener Ikiddhas, des Gesetzes und der Priester
nannten, musste auch dazu beitragen, ihrem Ansehen beim Volke
Abbruch zu thun, so dass ihr Wille und ihr Wort schliesslich
I. Eine vollständige Religionsgeschichte Japans schrieb W. E. Griffis, 77/f
/\'f/i[^ioiis of Japan froiii llic Daio)! of Ilislorv fo /he Era of Mciji 2. ed. 1895.
Ein gutes Resunie der japanischen Religionen findet sich in ]\ItTKKA\"s Ilaiidbook
for Japan, 2. ed. 1S84 (in den späteren Auflagen leider weggelassen). Inhalt-
reiche Skizzen gab L.VFCADlo lIiiARX in seinen Bänden „ Gli/iipscs of UiiJ'aiiiiliar
Japan ", „ Out of ihe East ", „ Kokoro ", „ In Ghostly Japan ". Die sonstige,
besonders die in Zeitschriften ver.streute Literatur siehe l)ei ]'"r. \c)X Wicnckstern,
Bibliograph)' of Ihe Japanese Empire, 1895, S. 52-59.
Religiöse und sittlieJie Zustände. 107
weniger galten als das Gebot der Priesterschaft des Erleuchteten,
falls dieses dem ihrigen entgegenstand.
Freilich darf man dafür, dass der Hand des zum Herrschen
Berufenen die Zügel der Regierung entglitten, infolgedessen dann
mit der Zeit zunehmende Anarchie die Oberhand gewann, den
Buddhismus auch nicht allein verantwortlich machen. Nicht
zwar der Confucianismus, der vor ihm von China her in Japan
Eingang fand, wohl aber der gesamte Chinesismus, insbesondere
die chinesische Etikette, die vom Hofe angenommen A\urde,
hatten das ihre dazu gethan, die Kluft zwischen dem seine frühere
Einfachheit gegen eine glänzende Hofhaltung nach dem fremden
Muster eintauschenden Mikado und seinem Volke zu erweitern,
und die in der Mitte des siebenten Jahrhunderts nach dem Vorbild
der Thang Dynastie (618-907) durchgefiihrte ,, T^rf/X'rcvr-Reform",
die Zentralisierung der Regierungsgewalt, mit deren Etablierung
ein Heer \'on Beamten geschaffen \vurde, dem es an wirklicher
Beschäftigung fehlte, hatte dazu gedient, ihn selber ernster Thätig-
keit zu entfremden und zu verweichlichen, so dass er zu eigener
Regierung untüchtig und ein Spielball in den Händen herrsch-
süchtiger Reichsgrossen wurde.
Und endlich, dass der Kaiser direkter Abkömmling der
Götter und als „der erlauchte Enkel der Sonne" erhaben
über die anderen Sterblichen sei, diese Theorie, die, in die
Wirklichkeit umgesetzt, konsequenterweise dazu führen musste,
ihn vom Volke, das er zu regieren berufen war, abzusondern,
damit er ihm wirklich Gegenstand religiöser Verehrung sei, war
schon der alten Landesreligion, die vor dem Eindringen des
Buddhismus und des Confucianismus die Alleinherrschaft über
das japanische Denken hatte, dem Shintoisnius, eigen.
I o8 Religiöse und sittliche Zustände.
I.
Shintoismus.-
Es wäre ein Anachronismus, aus der chinesischen l^cnennung
dieser alten Nationah-eligion auf chinesischen Ursprung derselben
zu schliessen. Der Name SJiintö kam erst auf, als es nötig wurde,
die alte, in Wirklichkeit bis dahin namenlose Glaubensweise von
anderen, nachmals aus der Fremde eingeführten, vxx unterscheiden.
Auch manche Aehnlichkeiten mit alten chinesischen Mythen 3)
und Religionsbräuchen, die die Vermutung nahe legen, dass sie
in prähistorischer Zeit vom asiatischen Festlande nach Japan mit-
gebracht wurde, haben nicht Gewicht genug, der Annahme ganz
zu wehren, dass wir es in Shintö mit einem genuinen Produkte
des japanischen Geistes, nicht freilich des japanischen Bodens, zu
2. Die ältere Literatur über den Shintoismiis von Kakmpfer, von Siebold,
])K Ros.w, Pfizmaiek, iroFFMANX u. a. kommt heute wohl kaum mehr in Betracht.
In den letzten Jahrzehnten haben sich um die wissenschaftliche Erforschung der
altjai)anischen Religion besonders Satuw, AsT(jn, Chamberlaix, Kemfkk.maxn und
Florenz, daneben Dooman, Bu'ckley, Loweij. und Weipert durch Uebersetzungen,
Kommentare und Abhandlungen verdient gemacht, und mit ihnen die beiden
gelehrten Gesellschaften in Tokyo, die englische und deutsche, welche die Arbeiten
dieser Forscher zum grössten Teile veröffentlicht haben. Von E. Satcav erschien in
der ,, Westminster Review " Juli 1S78 ein Aufsatz ,, TIte Jlfyt/wlogy and Religioiis
U'orsliip of the ylncieiit Japanese^': in den Transactions of the Asiatic Society of
Japan „ The Revival of Fitre Shin-tau " (Append. zu Vol. IIL) ; „ l'lic Sliin-tau
Teiupks of Ise " (Vol. II.) ; „ AiiciciU Japanese Rituals " (Vols. VII. Part 2 und 4,
und IX. Part 2), fortgesetzt von Dr. Florenz in Vol. XXVII. — Von Chamkerlain
kommt neben seiner Uebersetzung des Kojiki ujid der ihr vorausgeschickten wertvollen
Einleitung (T. A. S. J. Suppl. zu Vol. X.) in Betracht „ The Classical Poetry of
the Japaiiesc'-\ — Das Xilwngi ist vollständig in englischer Uebersetzung von AsTOX,
teilweise in deutscher von Dr. Florenz erschienen. — Den Phallizismus behandelt E.
BucKLEY, Phallicisiii in Japan, 1895 > ^^'^ Verzückung der Besessenen P. Lowell,
Occult Japan, 1895. Anderes zitiere ich gelegentlich. Die zahlreichen Aufsätze in
Zeitschriften gibt, soweit sie bis 1895 erschienen, von Wenckstern's Bibliographie
S. 52-59.
3. So ist z. B. der japanische Mythus, dass die Sonnengottin dadurch, dass
Izanagi sein linkes, der Mondgott dadurch, dass er sein rechtes Auge gewaschen
habe, entstanden, auffallend ähnlich der chinesischen Sage von P'an-ku. Näheres
bei FLOR]iNZ, Japanische Mythologie, Kap. IV, Anm. 69.
Religiöse und sittlicJie Zustände. 109
thun haben. Sein Studium ist heute das Lesen eines PaUmpsests.
So viel jedoch scheint sicher : dieser altjapanische Volksglaube
war ursprünglich ein Naturdienst, der erst später, wahrscheinlich
nicht ohne chinesische Einflüsse, mit Ahnenkult verbunden wurde
und mit diesem unlösbar in eins verwachsen ist. 4)
Das japanische Aequivalent für die chinesische Benennung
Shintö (zusammengesetzt aus shin ,, Geist, Gott" und tö
,,Weg, Lehre"), entsprechend etwa der griechischen Zusammen-
setzung dzoz'hoyo', ist Kami no niiehi, Avas Bucklev unrichtig
mit ,, Weg des Kami " übersetzt. Der Kami oder Götter sind
mehr denn Legion. 5) Aber allerdings : ,, Fünf Männer hast du
4. Zu der PVage, welches von den beiden in der Shintöreligion enthaltenen
Elementen das ursprüngliche ist, äussern sich die meisten unbestimmt, oder sie
erkennen der Ahnenverehrung die Priorität zu, entweder weil diese heute im
Shintoismus wirklich mehr als der Naturdienst in den Vordergrund tritt, oder unter
dem Banne der zur Zeit noch in der allgemeinen Religionswissenschaft geltenden
Tylor-Spencej-'' sehen Theorie, nach welcher die Entstehung der Religion in der
Menschheit überhaupt aus dem allen Menschenrassen gemeinsamen Animismus und
aus dem daraus hervorgegangenen Spiritismus hergeleitet wird. Um so mehr freue
ich mich, in meiner gegenteiligen Anschauung mit Dr. Fl()R];nz, einem der besten
Shintökenner, zusammenzutreffen, der in seinem jüngsten Werke sagt : ,, Von den
beiden Hauptelementen der shintoistischen Religion, dem Kult der Xatnrkn'ifle und
dem Alinenhilt, halte ich, von Kleinigkeiten abgesehen, das erstere für das entschie-
den ursprünglichere und am reinsten japanische ; für das letztere wage ich zwar
keineswegs fremden Urspiamg zu behaupten, weise aber darauf hin, dass beträcht-
liche Teile desselben, wie die Ahnenreihe von Izanagi und Izanami, sehr späte
Mache verraten. Mache zu einer Zeit, wo Japan schon stark unter chinesischem
Einflus.se stand. "Was liegt nun näher, denn diesem vor Abfassung des Kojiki und
Nihongi schon seit Jahrhunderten wirkenden Einflüsse grössere Resultate zuzutrauen,
als wir bis jetzt direkt mit Händen greifen können ? Ich meine, dass der chinesische
Ahnenkultus in der Entwicklung der japanischen religiösen Vorstellungen wenigstens
eine sehr beträchtliche Rolle gespielt hat." [Japanische Mytholo^e S. 253).
Auch Dr. Bl'CKLEY sagt : „ Ahnen-und Heroenkultus wurde einem
ursprünglichen Naturkultus aufgepfropft, welcher deshalb in den meisten Fällen im
Bewusstsein der Japaner in den Hintergrund getreten ist.'' {Cliantepie de la Saussaye,
Lehrbuch der Religionsgeschichte 2. Aufl. I, 80).
5. Professor Kume's Behauptung, die älteste Religion, wenigstens der Bewohner
von Mittel-Japan, sei eine Art ^Monotheismus mit dem ersten der im Kojiki auf-
geführten Götter als höchster und ursprünglich alleiniger Gottheit gewesen, mit
deren Verehrung sich, ähnlich wie im alten China mit der Tien's, die Verehrung
1 10 RcHf^i'ösc uiuJ sittliche Ziisläiuic.
gehabt, und den du nun liast, der ist nicht dein Mann ; da hast
du recht i^esa<;t", das Hesse sicli in Anwendung auf die Shintö-
theologie wiriiercn : ,, Achthundert Myriaden Götter hast du
gehabt, und die du nun hast, die sind keine Götter." Denn das
Wort Kami entspricht durchaus nicht unserer vergeistigten Gottes-
idee. Kami heisst ursprünglicli das, was ,, oben ", ,,hö]ier" ist,^)
und dient, der I^^tymologie des elastischen Worts entsprechend,
7Air Bezeichnung alles dessen, was irgendwie Furcht, Respekt, Er-
staunen einflösst, und wü\-or der Mensch sich deshalb als- vor
etwas so oder anders über ihm Stehendem beugt. Im ersten
Buch des im Jahre 712 der christlichen Zeitrechnung vollendeten
Kojikil) (,, Geschichte der Begebenheiten im Altertum") und in
(\q\\ beiden ersten l^iichern des acht Jahre jüngeren Geschichts-
werkes Nihongi oder Xihon S/ioki^) (,, Japanische Chronik"),
die, etwa noch ergänzt durch Stücke des Knjiki, die Grundlage
der Shintö-/iiV/;r, die heute eine Buchreligion ist, bilden, haben
untergeordneter Geister verband, kostete ihm, von den .Sliintoisten als ein \'ersuch,
die alte Landesreligion zu einem Abzweiger des Christentums zu machen, gedeutet,
seinen Lehrstuhl an der kaiserlichen Universität in Tokyo, ohne bei europäischen
Japanologen Beifall zu finden.
6. Dies ist jedenfalls die einfachste und natürlichste Erklärung und darum von
den liesten Japanologen S.A.TOW, Chamkeri.ain, Fi.(iK];.\/. als die richtige acceptiert.
Siehe auch Lafcadio Hearn's Ä'o/.-oro p. 26S. Takaiiasih Goko leitet in seinem
Sliinfo SJiiiiron das Wort Kami ab von Kahi ,, Kahm, Schimmel, Moder", i. e.
„ was bei seinem Erscheinen Verwunderung erregt ". Andere gleich wund-erliche
Hypothesen, die von japanischen Philologen erfunden wurden, um das Wort ety-
mologisch zu erklären, siehe bei Florenz [Japajiisc/ie IMytJwlogie, S. 3 und 4).
7. Das Kojiki ist zugänglich gemacht durch B. H. Chamberlain's mit treulicher
Einleitung und Kommentar versehene englische Uebersetzung, enschienen als .Sujijile-
ment zu ]5and X der Transact. of the As. Soc. of Japan.
8. Die erste vollständige englische Uebersetzung des Niliongi ist von W. G.
A.SToN veröffentlicht worden. Eine deutsche, mit einer vorzüglichen Einleitung
und reicherem Kommentar versehene L'ebersetzung der zweiten, kürzeren Hälfte
des Xihiuigi, -welche die Geschichte Japans im siebenten Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung behandelt, hat schon vor ihm die Deutsche Gesellschaft für Natur-und
Völkerkunde Ostasiens von Dr. K. I'I.orknv. veröffentlicht. Buch i und 2 sind von
demselben Gelehrten kürzlich (1901) als Supplement der „Mittheilungen" dieser
Gesellschaft erschienen unter dem Titel Jnpauische Mythologie, Ä'i/ioiigi „ Zeilalter
der Gölter "".
Religiöse und sittliehe Zustände. 1 1 1
wir recht eigentlich ^\■ie in Hesiods Theogonie einen Katalog
der Götter vor uns, der sich aus unter einander nicht organi-
sierten höheren Wesen der verschiedensten Art zAisammensetzt,
von solchem, das oben im Himmel und unten auf Erden
und im Wasser unter der Erde ist. Um Amaterasu, die himmel-
erleuchtcnde Göttin der Sonne, die das Zentrum der frühesten
Verehrung gewesen zu sein scheint, 9) scharen sich ins Zahllose
wachsend die Kami-AIyriaden. Zwei Klassen aber lassen sich,
obgleich nachmals miteinander verschmolzen, noch unterschei-
den. Da sind höhere Wesen, die sich sofort als Kami-
fikationen von Xaturmächten oder Xaturobjekten, Licht, Feuer,
\\ ind, Bergen, Flüssen, Bäumen, Tieren u. s. w. zu erkennen
geben. Aber da sind auch andere, die, augenscheinlich ur-
sprünglich Familienahnen, mit der Zeit Lokal- und National-
gottheiten wurden, an ihrer Spitze der Begründer der kaiserlichen
Dynastie und andere Heroen des mythischen Zeitalters. Dem
Rat : ,, Lasset uns Götter machen, ein Bild, das uns gleich sei !"
scheint immer neu die That gefolgt zu sein, und diesen Rat zu
fassen war ein Geschlecht, dem noch kein überlegen warnendes
A'il adniirari das götterschaffende Staunen wehrte, angesichts
der Phaenomene der Natur stets bereit. Und wenn die Deifikation
der Naturobjekte schliesslich ihre Schranke an dei thatsächlich
gegebenen Natur finden musste, die Apotheose der Abgeschie-
denen, an deren Fortexistenz geglaubt wurde, 1°) ohne dass man
9. ^'gl. E. Satow, Aiicieut Japanese Rihials (Transact. of the As. Soc. of
Japan Vol. VIII. p. 121): „Man kann schwerlich den Gedanken unterdrücken,
dass die Sonne die erste unter den vergötterten Xaturkräften gewesen ist, und dass
die lange Reihe von Göttern, welche ihr in der Kosmogonie des Kojiki und
Xihongi vorhergehen, und von denen sich die meisten durch ihre Xamen als blosse
Abstraktionen erweisen, erfunden wurden, um ihr eine Genealogie zu geben, in
welcher zwei oder vielleicht mehrere ihrer Attribute als besondere Gottheiten per-
sonifiziert mit aufgenommen wurden ", — eine Anschauung, die Flore.nz {Japanische
J\[yiliologie S. 12) nur dahin einschränkt, dass jedenfalls das Götterpaar Izanagi und
Izanami echte Gestalten der ältesten Mythe sind, während die vier ihnen vorangeh-
enden zweifellos spätere Erfindungen der Kosmogonen seien.
10. Vgl. Yi.OK¥.^A, Japanisc/ie MylJiologie S. 47 ff., wonacli die Vorstellung von
einer Unterwelt zweifellos schon Eigentum der ältesten Japaner war.
1 1 2 Rcliqiösc und sittiicJic Zustände.
über das Wie derselben sicli Gedanken machte, hat bei der unauf-
hörHchen Succession einander ablösender Geschlechter keine
Grenze. Jeder Todesfall, der der Erdcnfaniilie eine Lücke riss,
brachte dem Kami-Pantheon ein Wesen höherer Art als Zuwachs.
Die Götter hatten nicht alle gleichen Rang. Zuhöchst standen
jene, die dem ganzen Volke, ihnen zunächst an Bedeutung, die
nur einer Pro\inz, niedriger andere, die nur einem Distrikt,
einem Dorf oder einer P'amilie Kami waren und als solche Ver-
ehrung genossen. Und der Kaiser als Spross der Sonnengöttin
ist ein Gott schon, dieweil er lebt, der Mittler zwischen seinem
Volke und den Göttern und in der That erhaben selbst über
alle Erdengötter, ja, das gesamte Kami-Pantheon, dem er auch
nach Belieben neue Aspiranten kreiert und deren Rang bestimmt.
Denn ,,der Lebende hat Recht."
Nicht allen Göttern konnte bei solchem cuibarras de ricJicssc
in Wirklichkeit gedient werden. So beschränkte sich der Pri-
witkult des Einzelnen darauf, den .Seelen seiner Verstorbenen \'or
dem Kaviidaiia, dem Göttersims in jedem Hause, Opferspenden
darzubringen, den Schutz der besonderen Gottheit, der er alsbald
nach seinem Püntritt ins Leben war befohlen worden, anzuflehen,
die Sonne zu grüssen, der Lokalgottheit an ihren P'esten einen
Tempelbesuch abzustatten und ausserdem höchstens bei besonde-
ren Gelegenheiten einen bestimmten Nothelfer oder auch ein
Heer der Götter zusammen anzurufen, ihnen wohl auch ein Opfer
darzubringen, sei es als Dank für erfahrene Hilfe, sei es als ^Mittel,
ihre Gunst zu gewinnen und sie zur Erhörung seines Gebets
geneigt zu machen, oder sich vor Schaden durch einen Kami-
unhold durch ein Speise-oder sonstiges Opfer oder eine einfache
Zeremonie zu schützen. Auch Pilgerfahrten zu entfernten Gnaden-
orten .scheinen ein Stück ursprünglichen Gottesdienstes gewesen
zu sein. Eine Stelle im Nihongi, auf die Dr. Florenz ") hinge-
wiesen hat, zeigt, dass im esoterischen Shintoismus auch die
relia;iöse Zeremonie des sich in einen visionären Zustand Versetzens
II. Jci/taiiisc/ie MyiJiologie, ?•. loi.
Re/(^/ösc und sittliche Zustände. 1 1 3
uralt ist.^-) Und das Kojiki lässt erkennen, dass man auf Träume
grosses Gewicht legte als Vorschattungen der Zukunft und Offen-
barungen des göttlichen Willens, den man auch in anderer Weise
zu erkunden suchte.
Die öffentliche Verehrung blieb dem Mikado und den Schreii:-
luitern, später KannusJd genannt, überlassen. Die Zahl der öf-
fentlichen Shintötempel {iniya oder j'inja) belief sich, die unzähligen
Dorfschreine nicht gerechnet, im Jahre 927 n. Chr. auf 3132.
Die heiligsten waren die von Ise,i3) dem Mekka des Shintoismus,
wo immer eine der kaiserlichen Prinzessinnen als Priesterin
Wache über die drei heiligen Kleinodien Spiegel, Schwert und
Edelstein, die Ivaibleme der Shintoreligion und Insignien des
Reichs, hielt. In ihrer Architektur waren sie ebenso einfach wie
die anderen, denen sie auch in allem übrigen glichen. Ein galgen-
ähnliches Portal aus Holz {ToriiY'^) bildet den Zugang zum Tempel-
grund {Yashiro) mit der Haupthalle {Hondcn oder SJdndcii), die
als W^ohnung der Gottheit nicht betreten werden darf. Plier
finden sich die S3'mboIe der Gottheit, in der offenen Vorkammer
{Haiden) aber an einem Stab befestigte, aus einem Stück in
Zickzackform geschnittene weisse Papierstreifen {Gohei), die die
Stelle eines ursprünglichen Tuchopfers vertreten. Die Aufgabe
der, wie es scheint, nicht von Anfang an als besondere Klasse
bestehenden, zur Samuraikaste zählenden Priester, die verheiratet
waren und nur während des Tempeldienstes besondere Gewandung
trugen, bestand in Darbringung von Gemüse-, Fleisch-, Sake-Opfern
und im Rezitieren von Ritualgebeten {N'oritoys) zum Preis der
12. Dass diese Zeremonie nicht etwa erst durch den Buddhismus zu einem
Bestandteil der Sliintöreligion geworden ist, hatte sciion vor Dr. Florenz Loweix
in seinem Buche „ Occiilt Japan " und in einem Aufsatze der Transact. of the
Asiatic Society of Japan, Vol. XXII nachzuweisen gesucht.
13. Siehe Satow, „ The Shin-tau Teinpks of Ise".
14. lieber die Bedeutung des 7'on'i siehe den bezüglichen Artikel in Chamder-
i.ai.n's „ T/iiiig.-JapaiH'se " und Asrox, lorhvi, ils Derivaticn (Tr. As. Soc. Jap. Vol.
XXVII.)
15. Die in poetischer Prosa abgefasslen, an die Präfationen der katholischen
Liturgie gemahnenden Xorito sind eine Hauptquelle für die Erforschung des reinen
1 14 Rc/igiösc und sittlicJic Zustäihlc.
Gottheiten und zur Angabe der Gründe, aus welchen das Opfer
gebracht wurde. Ihnen, deren Amt erbhch war, standen zur Seite
jungfräuliche rriesterinnen, meist Pricstertüchter, denen bei Tem-
pelfesten {Ulatsuri) besonders die Ausführung des pantomimischen
Kagin'a-\.2i\'\7.Qs oblag. Besonders feierlichen Charakter trug unter
den Festen das sogenannte Oliarai, die mit Opfergaben verbundene
grosse Reinigung oder Entsühnung des ganzen Volkes für ,, Ver-
brechen der Störung des Reisbaus und der Verunreinigung, später
auch der Tötung und Körperverletzung, Leichenschändung^ Blut-
sch.ande, Sodomie, Tötung fremder Tiere und Behexung, sowie
des durch Plagen der Götter Gezeichnetseins." i^) Das bei diesem
Feste gebrauchte Gebet zeigt, dass der Shintöreligion auch der
Gedanke einer sittlichen Reinigung von Sünde nicht unbe-
kannt war, während es bei dju vielen Reinigungszeremonien
sich mehr um Abwaschung äusserer Befleckung, die man sich
auf viele Weise, besonders durch Berührung mit Leichen zuzog,
handelte. Die meisten Feste hatten mehr fröhliches Gepräge und
wurden, ausser durch Opferdarbringungen, mit theatralischen Auf-
zügen, Pantomimen, Musik und Tanz gefeiert, alles Zeremonien, die
bekunden, dass man sich die Götter kindlich naiv wie seinesgleichen
dachte, hungrig und durstig, leichtlebig und l'reunde heiterer
Unterhaltung. ,, Li seinen Göttern malet sich der Mensch."
Shintoismus, indem sie am besten erkennen lassen, wie vor dem Eindringen clii-
nesisch-coufucianischer und l>uddliistischer Einflüsse die religiösen Vorstellungen und
Gefühle der Japaner geartet waren. Eine englische Uebersetzung der im Engi-sJiiki
oder Zeremonialgesctze aus viel älteren (Quellen im Jahre 927 n. Chr. zusammen-
gestellten Norito hat E. Satdw l)egoiincn und I)k. Fi.(>ri:n/, fortgesetzt {„ Aiicieiü
JapcDicse Rituals ").
16. Dr. II. Wiai'KKT, Das Shiulo-gchct de- r grossen Reinigung. Mitth. der
Deutschen Gesellsch. f. Xat. u. \'ülkerk. Ostas. Heft 58. Siehe auch I)k. Fi.hrknz,
Ancirnt Japanese Rituals (Tr. A. .S. J. \-ü1. X.WII).
Religiöse iiu'i sittliche Zustände. 1 1 5
IL
Confucianismus.
Der am meisten in die Augen fallende Defekt der alten japa-
nischen Nationalreligion, welcher ja eigentlich so ziemlich alles ab-
geht, was das Wesen einer Religion ausmacht, ist, wenn man davon
absehen \\\\\, dass die Stelle einer bestimmten Glaubenslehre ein
Sammelsurium verschiedenartigster abergläubischer X'orstellungen
vertritt, vor allem der IMangel jeglicher sittlicher Gebote. Die
Götter, selbst keine sittlichen Wesen, sondern behaftet mit Men-
schenschwächen, ein Gemisch von Gut und Böse, konnten nicht
wohl moralische Gesetzgeber sein. Diese sittliche Gehaltlosig-
keit macht es verständlich, dass ein, man weiss nicht genau wann,
von aussen eingeführtes ethisches System so leicht in Japan
Eingang finden konnte. Denn ein praktisches ^Nloralsystem, und
nicht eine Religion, war die von China über Korea eingeführte
Philosophie der chinesischen Weisen KdsJii und JMdsJii (Confucius
551-478 V. Chr. und jMencius 372-2S9 v. Chr.). Was — nicht
sowohl die Welt, denn das Philosophieren über diese, mag man
sie in kosmischem Sinne cder als die universale Menschheit
fassen, wies KdsJii so weit von sich wäe metaphysische Spekula-
tionen über Gott, wohl aber — die menschliche oder, richtiger
gesagt, politische Gesellschaft im Innersten zusammenhält, das
ist nach ihm in erster Linie die über den Tod hinausdauernde
Pietät gegen die Eltern. Sie ist die höchste ethische Idee. Erst
in zweiter Reihe kommt die treue Erfüllung der sozialen Pflichten,
die sich aus den vier anderen Verhältnissen von älterem und
jüngerem Bruder, Gatten und Gattin, Herrscher und Unterthan
sowie ^Mensch und ^Mensch ergeben.
Blieb die Wirkung dieser in den klassischen Büchern des Con-
fucianismus (in Japan Gokyj und Shisho genannt) zusammengefass-
ten, nicht religiös begründeten Moralphilosophie aus der Fremde
ebenso wie die höhere chinesische Kultiu' im allgemeinen anfangs
auch nur auf den Hof und das Denken und Handeln der oberen
1 16 Religiöse und sittliche Zustände.
Gcsellschaftsschicht beschränkt, so ging sie doch in diesen Kreisen
um so tiefer. Aber obwohl diese fremde IMoral in eine vor-
handene Lücke trat, fanc] sie doch Annahme, nicht ohne eine
bemerkenswerte Modifikation zu erfaln'cn, wie alles, was Japan
je von aussen übernahm. Den ersten Platz im Kreis der
Tugenden erhielt an Stelle der Pictfit die Loyalität, hinter der
die Pflichten gegen P^amilie und l-'reunde weit zurückstehen
mussten. I3ass der Confucianismus, an sich schon und so
modifiziert, der Shintöreligion sich leicht amalgamierte,' dem
Mikadokultus zur Stütze diente und recht danach war, die
Ahnenverehrung auszubilden, ist leicht einzusehen. ' 7)
III.
Buddhismus.
Der Masse des japanischen Volkes vermittelte die confuci-
anische P^thik durch ein Jahrtausend der Buddhismus. Er gab
ihr dabei zugleich, was ihr von Haus aus fehlte, die religiöse
Peoründung. Seine Priester waren indessen nicht nur die Lehrer
der Moral, sondern für Jahrhunderte die Hauptträger der gesam-
ten Bildung in Japan. Sie brachten den Bewohnern des Inselreichs
so ziemlich alles, was ihnen zu höherer Kultur und Zivilisation
fehlte, in erster Linie, was nötig war, ihre eigene dürftige Religion
17. Vgl. XonusiiiGE \\o/.v\n, Der Einßuss des A/ineii/culhis und das japa-
nische Rechl, Ostasien, Feljruailicft 1900, S. 494; als Buch in englischer .Sprache
erschienen Tükyö 1901 [^Ancestor-]VorsJtip and Japanese Law).
Zum Confucianismus übcrhau])t siehe : J. H. Pi.ath, Confncius tind seiner
Schi'tler Leben und L.ehren. Abh. der Ak. München, 1867-1874; E. Faker,
Quellen s« Confncius und dem Confucianismus (1873) und L.ehrhegriff des Confuä-
anisnuis (1872}; C). von DER Gabfxentz, Confncius tmd seine Lehre (18SS);
Legge'.S Ausgabe der Chinese Classics in 6 Bänden und desselben Autors engllsclie
Uebersetzung des Vi Jung, Sacred Books of the East, \o\. XVI ; populär gehalten
ist R. K. DouciLAS, Confucianisin and Taois/n (1SS9). Ueber die späteren jap;^-
nischen Confucianisten hat Rk\-. Dr. G. W. K.nox in Vol. XX, Part I der Transact.
of the As. Soc. of Japan geschrieben.
Religiöse und sittliche Zustände. 1 1 7
7.W ergänzen : zur Theologie, die es im Shintö hatte, und zur An-
thropologie, die ihm der Confueianismus lieh, die Soteriologie,
und daneben alles, was dem Denken Nahrung geben, die
Phantasie anregen, die Sinne rühren, das religiöse Gefühl an-
sprechen und den Willen stärken konnte, die Dogmatik des
TantrasN'stems und eine überreiche Literatur, eine entwickelte
Kunst, prachtvolle Tempel, prangend von goldenem Zierrat und
erfüllt von Weihrauchduft, pompöse Aufzüge, feierliche Gottes-
dienste mit glänzendem Ritual, mit Singen und Klingen, die
Predigt von tlimmel und Hölle und allem Uebersinnlichen, und
— die Götter selbst in handgreiflicher Sichtbarkeit.
Shintö war eine Px.eligion ohne Idole. ^S) Noch war in Japan
keine Kunst erblüht, die sich an die Aufgabe hätte wagen können,
das Göttliche im Bilde darzustellen. Die Götter, die ihm der
Buddhismus in Holz geschnitzt und in Stein gehauen von aus-
wärts brachte und als Gegenstände der Verehrung darbot, waren
ihm darum etwas ganz Neues, Fremdes, Ungewohntes. Und
doch gerade die zuerst eingeführten, deifizierte Bödhisattvas
(jap. Bosatsu), Buddhas (jap. Butsu oder Hotoke) oder Gestalten
der indischen Arythologie, gehören bis auf den heutigen Tag zu
den allerpopulärsten : I\wannon, die Göttin der Barmherzigkeit,
von der die Jesuiten in ihren Berichten auffallenderweise immer
als von einer männlichen Gottheit reden, die sie als Avalokitec-
vara ursprünglich in Indien wirklich gewesen, um erst auf ihrem
Wege durch China ihr Geschlecht zu ändern ; Jirjo (Kshitigarbha),
gleich ihr ein Helfer in aller Not des Leibes und Lebers, vcr allem
Schutzpatron der abgeschiedenen Kinderseelen in der andern und
der W'egegott der Pilger in diesjr Welt ; der schwarze I^'udd
(Achala) ; Enuiiasan (Yäma räja), der Gott der Hölle, und die
Zuflucht der Presshaften : der Wunderdoktor Bim^urn (Pindola).
Ya war das Nachbarland Kudara. eines der drei Köni"-
l8. Das gilt wenigstens von dem Shintoismus der historischen Zeit. Siehe aber
Fi.OKKNZ, Japaiiisclie J]Fythologie S. 5 f., wonach die Japaner einst, wie noch jetzt die
Koreaner, Götzenbilder l)esassen, die in einem hölzernen Pfeiler mit oben ausge-
s:hnit/,lein Kopf oder grolj geschnitzter ganzer Menschengestalt bestanden.
I 1 8 Rdiii-iösc Ulli sittliche Zustände.
reiche von Korea, das zuerst im Jahre 552 n. Chr. SCitra's
und Bildnisse an Kimmei-tenno sandte und so dem Butsudö
(,,Weg des Erleuchteten" oder ,,\Veg der l^iiddhas "), der
freilich trotz kaiserlicher Protektion erst nach langen Kämpfen
und nur nach wiederholten völligen Niederlagen sich gegen den
alten Shintö behaupten konnte, um dann in der Naraperiode
(708-784) vom Paläste und den Ministerresidenzen i 1 die Hütten
des Volks zu dringen, die ])ahn gebrochen. ^9) Aber was Korea
dem japanischen Volke v^ermittelte, war ein Buddhismus, toto caclo
verschieden von der Lehre des grossen indischen Weisen, deren
reiner Klang bis zur .Stunde in Japan nicht vernommen wurde,
sowenig wie in Korea, das ihm die ersten Missionare sandte, und
sowenig wie in China, wohin seit der Mitte des siebenten Jahr-
hunderts japanische Priester als Schüler gingen, um das fremde
Religionssystem in seinen neusten P2nt\vicklungsphasen zu studieren
und, als Lehrer heimgekehrt, der zweiten Periode des japanischen
Buddhismus den Stempel aufzudrücken. Denn auf ihrem Missions-
zug von ihrem indischen Ileimatlande durch Z^Mitralasien nach
dem Westrande des Grossen Ozeans hatte des grossen indischen
Pessimisten und Philanthropen akosmistische Philosophie der
Selbstcrlösung bereits W^andlungen durchgemacht, die ihr ur-
sprüngliches Gesicht nicht wenig verändert hatten, die bedeutendste
die, dass der atheistische Stifter eines mönchischen Ordens, zum
Gott einer Kirche geworden war, und einen hervorragenden Platz
in deren Lehrs)'stem die Bucldhalogie einnahm. Ist des gewaltigen
Gotania \^erkündigung, deren religionsphilosophische Bedeutung
in der Plauptsache in einer Vereinfachung des zum unerträglichen
Joche gewordenen Brahmanismus zu suchen ist, Jahrhunderte
hindurch von Generation zu Generation in mündlicher Tradition
vererbt, in ilu'cni Geburtslande nach schnellem Triumphe v^er-
hältnisniässig früh wieder in hinduistischen Polytheismus ver-
schlungen worden, und ist sie im sogenannten Hhiaj'äua-system.
19. .Sl'MMKI^s, BuJdliisin, and Tradit'uvis coiiccniing its Introdiiction iiito Japan.
(Transact. of the Asiat. Soc. of Japan. Vol. XIV. p. 73 iL) und K.viFU Nukakiva,
BuddJiism in Japan. The Far East. Vol. III, No. 28. 29. 30. (1898).
Religiöse und sittlicJic Zt:stän<fe. 1 1 9
oder der Lehre des ,, Kleinen Fahrzeugs " in der südUchen Kirche
von Ceylon, Burma, Siam und Pegu in relativ grösster Reinheit
erhalten geblieben, so hat dagegen der nördliche Buddhismus,
mit der altindischen Brahmareligion seinen Kompromiss schlies-
send und in toleranter Anbequemung an alle Volksglauben, die
er nicht überwinden konnte, einerseits das ursprüngliche T^rbe
verschmolzen mit dem Besten, dem er in anderen Religions-
und Moralsystemen begegnete, aber auch durchtränkt mit Arj-
mismus, Fetischismus, Thierdienst, Zauberei und Aberglauben
aller Art, andererseits eine Masse mystischer, zum Teil abstru-
sester Spekulationen und neuer Lehren in einer üppig aufschies-
senden Literatur niedergelegt. Dem I'älikanon der Hinayäna-
schule mit seinem etwa der Bibel gleichkommenden Umfange
trat mit dem Ansprüche, tiefere Offenbarungen des Meis'ers und
korrektes Interpretieren und Weiterdenken seiner Doktrin zu
enthalten, der Sanskritkanon des Mahaj'äna-\\udd\\\sxnu?> oder der
Schule des ,, Grossen Fahrzeugs " gegenüber, in dem alle diese
religionsphilosophischen Produktionen spekulativer Denker und
Mystiker aufgenommen wurden. -°)
20. Ganz anders würdigt die Mahäyänalehre im Gegensatz zu den modernen
Indologen, die dem Pälikanon der Ilinayänaschule das Zeugnis geben, dass er die
wirkliche Verkündigung Sakyamunis am verhältnismässig reinsten erkennen lässl,
A. Lloyd. Da seine Ansicht sich mit der durchgängigen Anschauung der japa-
nischen Buddhisten deckt, setz; ich sie in Anmerkung hierher. Sie geht dahin,
dass „t'ie ^lahäyäna is iiol a Idter productioii, an iDiwarraiitahk aiij iiiiattllioi izcd
developnient of Sakyäs leaching, hat tliat it is all iiiclndcd in liis original idea, and is
io he explained by Ins li^ell-known iiiethod of preaching thc ti-uth to nien., accordiug
to the Proportion of thc faith, accordiug as ihey icc/r able to bcar it.'-'' l*'ür die Be-
gründung dieser anfechtbaren Tliese niuss ich auf I.LOVD selbst verweisen [„Develop-
ments of Japanese Biidd'iisnt" in Transactions of the As. Soc. of Japan, Vol. XXII,
pp. 340-344). Dass seine Ansicht sich mit derjenigen der japanischen Buddhisten
deckt, zeige ein Satz aus „ Outlines of the Jlfahäyäna as taugJit by Bnddita. By
S. KüROD.\ " : „ Though these two doctrines are not withoiit di(ferences, they zvere
bofh taiight by one Buddha, and are onc and the saine in tlicir aiin of renioving the
dehcsions of nten and of Icading theni to the triie enlightennient. They are nothing
biit different aspects of the saine principle, adapted to the capacitics of converts ; and
thus the ÄlaJuiyäna doctrine co/nprehends the ivhole of thc Ilinayäna." p. II. \"gl.
p. III: „ W'hen it [Buddhism] loas ferst inaJe known to thcni [the Christian pcoplc
120 Rclii^iösc Ulli sitllichc Zmiiaidc.
China, wo die iiidisclic Religion etwa seit Anfang der christ-
lichen Aera EinL^dng fand, um \o\\ da seit dem Jahre 372 nach
Korea vorzudringen, hatte sich eiulHch für das ,, grosse Vehikel "
entschieden. .\ueh der chinesische Tripitaka-Kanon zählt daher
nicht weniger als 1662 heilige Bücher. 21) Diese Masse religiöser
Urkunden, hundertmal umfisscnder als die Bibel und zu gewaltig,
um in einem Leben ganz von einem Menschen durchforscht zu
werden, nötigte natürlich zum Eklektizismus und musste zu
Lehrzersplitterung führen. In einer Vielheit von Schulen brach-
ten den Buddhismus folglich nach Ablauf der ersten, koreanischen,
Periode des japanischen l^uddhismus zuerst chinesische Missio-
nare, sehr bald aber auch eingeborene Priester nach ihrem
Auslandsstudium aus China nach Japan.
Li sechs verschiedenen Hauptsekten, die sie auch mit Namen
aufführen und, wenn auch nur durch sehr unvollkommene
Angabe ihrer L'nterscheidungslehrcn charakterisieren, trat die
Lehre des iM'Icuchteten im 16. Jahrhundert den Jesuiten in Japan
entgegen. Die sechs ältesten, zum Teil auf die Hina\'änadoktrin.
(jap. Shöjö) gegründeten, chinesischen Sekten : Sanron-shür-)
/J/i/su-shü, Hossö-shü, K//s/ia-shü, A'f^on-slm und RiVsu-shü, die,
in dieser Reihenfolge eingeführt, einst ihre Anhänger in Japan
<7ehabt, waren nicht mehr von Bedeutung.
Was den noch vorhandenen, bei sonstigen Verschieden-
heiten in Lehre und Praxis, gemeinsam war, war, wird man sagen
dürfen, dieses, cla.ss alle Antwort ;uif eine und dieselbe P^rage
üeben wollten, auf die P"ra""e nämlich : Was muss ich thun, damit
ich selig werde? Selig werden aber bedeutete ihnen allen
das gleiche : nicht, was es aller Wahrscheinlichkeit nach dem
of ihe ^^'cst], c'zv/i tJic Ilhiayäna doctrine of SoiUhem India luas liighly adiiiired by
Iheiii. IIo'v iitiicli iiioir, thcii, iiiiist tlicy not glorify the 7Vonderfiil doctrine of
I^Iahiiydna ! "
21. Siehe Ba.NVlu Nanjiü, A Calaloguc of tlic Chinese Translation of tlie Bitd-
dhist Tripifaka, tJic Sacred Canon of tJie Bnddhists in Cliinn and Japan. Ferner
Ern-:i,, Sanskrit-C/iinese Dictionary [I/andIwok for Sttidents of Chinese Buddhisin).
22. .V///"/ = Sekte.
Religiöse und sittliche Zustände. 1 2 1
Stifter der Religion war und dem Hinayäna-Buddhismus ist, ein
Aufgehen im Nichts oder ein völliges Auslöschen, das durch
mönchische Askese und moralische Selbstzucht erreicht wird,
sondern : die Buddhaschaft erlangen oder, was dasselbe gilt,
eingehen in das, hier positiv gedachte, Nirväna (jap. Xehan)
und damit entgehen der durch das Karma (jap. Ingzua) bedingten
Samsärakette immer neuer Geburten in mehr oder weniger
leidv'olle Existenz, wie dieselbe je nach dem Grad der sittlichen
Entwicklung in der einen oder andern der sechs existierenden
Welten erfolgt, -3) solang nicht die Begierde nach dem Leben
völlig erstickt und die demselben anhaftende Unwissenheit aufge-
hoben ist.
Was die sechs Sekten aber von einander unterschied, das war
hauptsächlich die Verschiedenheit der Antwort, die sie auf die
gleiche Frage gaben. Dreifach \'erschieden wurde von drei
Hauptrichtungen des Buddhismus die 7:ia saliitis bestimmt, indem
die eine das Heil auf dem Wege der Gnosis, die andere in
mystischer Kontemplation, die dritte in der stellvertretenden
Leistung eines Mittlers suchte. ^4)
23. Die sechs Welten (jap. Jiokiidö) sind: i. 7'in, die hinniilisclie Welt, die
Welt der Götter (entsprechend dem -a E7Toopa-/'.a im X. T.). 2. Jin, die Welt der
Menschen. 3. Shiira, die Welt der Gewalt, d. li. diejenige Gesellschaftsstufe, wo
unter menschlicher Form die Gewaltthätigkeit herrscht. 4. Caki, die Welt der
hungrigen Teufel, wo man immer isst und nie satt werden kann, d. h. diejenigen
Menschen, welche den Teufeln ähnlich sich immer von ihren unersättlichen Begierden
herumschleppen lassen. 5- Chikicshd, die Welt der Tiere. 6. Jit^okic, die vielfachen
Höllen der buddhistischen Lehre. (A. Lloyd, BiiddJnstischc G)uide)iiiiillcl. Mitth.
d. D. G. f. X. u. \'. ( ). Heft 60, S. 458).
24. Für den japanischen Buddhismus kommt an Literatur besonders in Betracht :
A. Lloyd, Developntoifs of Japanese Buddhism (1'. A. S. J. Vol. XXIL Part III)
und Dogmatische Anthropologie im Buddhismus (Mitth. d. D. G. f. X. u. V. O. Band
\TII, Theil 2). — Von Japanern verfasste Werke sind: Bu^■^■ILr X.VNJIO, A Ilistoiy of
the Tivelve Japanese Buddhist Secls, translated from the original Jaijanese. 1886. —
FujlSHLMA Ryauon, Le botiddhism japonais, doctrines et histoire des douze grandes
scctcs bonddhicjues du Japan, 1889 (in kürzerer Form zuerst veröffentlicht in Xou-
velle Revue 1888 pp. 741-766). Das Buch ist von demselben japanischen Ori-
ginal [^Bukkyö Jfinishü Köyo von Ogurisu KöCHö) wie das vorhergehende übersetzt,
aber wegen der Einleitung und Glossen des philosophisch gebildeten L'ebersetzers
122 Religiöse iiiid sittliche Zustände.
Die längste Geschichte hatte in Japan die Ziv/^^irr/- Sekte hinter
sich, so genannt nach einem heiligen Berg in China, in dessen
berühmten! Kloster i^<?/r/;,}, besser bekannt unter seinem posthumen
Namen Dcngyö Daishi {dai-shi=gvoss>ir Lehrer), auf kaiserlichen
Befehl im Jahre 803 dahin gesandt, seine Studien machte. Im Jahre
805 nach Japan zurückgekehrt, begründete er die Tendaischule
im Enryaku-ji, dem Tempel auf dem Hiyeizan.^S) dessen Vorsteher
er war, nicht ohne sie bedeutend zu modifizieren. Denn der
Eklektizismus, den er lehrte, umfasst nicht nur die Doktrüi des
/m'/c^'-Intellektualismus, sondern auch die Ah'stik der Shiiigon-,
die Meditation der Zen- und dazu die Moralsätze der AV/i'/z-Sekte,
in denen er sich ' von hervorragenden Patriarchen in China hatte
unterrichten lassen. Der rechte Weg zur Erlösung oder zur
lukenntnis der Wahrheit ist nach Deng}'ö Wissen und langan-
lialtende, durch innerliche und äusserliche Selbstzucht vorbereitete
und unterstützte Meditation. Die Wahrheit aber, wie sie neben
zwei anderen heiligen Schriften besonders der Sütra Saddharma
pmilar'ika-'^) (jap. Hokekyj ,, Lotos des guten Gesetzes") lehrt,
ist ein pantheistischer Realismus, der sich in folgender Weise näher
bestimmen läs.st : Die Erleuchtung oder das Nirväna ist nicht
Befreiung von irrigen Meinungen und Erstickung der Begierden,
lieben diesem von Wert.- — Ferner : S. Kuroda, Outliiies of tJie IMaJiüyüim as taii^lit
l>y Buddha, 1893. — Treffliche Slvizzen des japani.schen Buddhismus linden sicli in
REii\'.s y,//,/// und in Munzin(;ek'.s Buch „ Die Japaner"-. Auch Prof. Dr. L.VNCU';
n I3erliii hat eine solche gegeben in einem in der Nalionalzeitung 1S96, No. 237,-
254 und 272 erscliienenen und im 12. Jalirgang der Zeitscli. f. iNIissionsk. u. Reli
gionsw. abgedruckten Aufsatz.
25. Dieser Ijerülimte llauptsitz der Tendaiselctc, durch welclicn der Grund zu
dem hohen Ansehen, welches der Hiyeizan als heiliger Berg in der Folge genoss, gelegt
wurde, war im Jahre 7S8 von Kvvamu-tennö erbaut worden. Dieser hatte dazu
den höchsten Berg im Nordosten des kaiserlichen Schlosses ausgewählt, weil nacli
einem Aberglauben der Zeit alles Böse durch das gen Nordosten liegend gedachte
Teufelsthor (^Ki-i)wii) kam. Die Gebete der Klostermönclie sollten die neu ge-
gründete Residenz Kyoto gegen alles Unheil schirmen.
26. Der Saddharma pundarika Sütra ist ins Englische übersetzt von Kj;kx
(in Band XXI der Sacred ßooks of /he Eas(), ins Französische von BiJRXouF, /,'
/uius de la bonne loi.
Religiöse lind sittlicJic Zustände. 123
sondern vollendete Weisheit, die Erkenntnis des ursprünglichen
Buddha Tathägata, des Prinzips alles Seins. In vielen ]3uddhas
der Vergangenheit hat er, die Welt zu erlösen, sich schon
offenbart ; auch der historische Sakyamuni ist nur eine seiner
Manifestationen, doch mit ihm eines Wesens. Wer zur Er-
kenntnis dieses Buddha durchgedrungen, der hat die Buddhaschaft,
das Nirväna, die Erlösung vom Leid der Existenz für seine
eigene Person erreicht. Als Mittel, zu solcher Wissenschaft zu
gelangen, wird empfohlen : Befolgung der Gebote, bestimmte
Nahrung, Kleidung, Wohnung, Freiheit von weltlichen Ge-
schäften, Tugendübung, Abstumpfung der Sinne und Beseitigung
von Habgier, Zorn, Trägheit, Ruhelosigkeit, Unglauben, kurz
aller Hindernisse, Zusammennähme aller Kräfte, aber auch
bestimmte Körperhaltung, Augen fixierung und Regulierung des
Atmens zur Unterstützung des Prozesses der Meditation. P^nt-
sprechend der Tendai-Theorie, die eine Vereinigung zweier einander
vollständig entgegengesetzter Systeme, des Materialismus und
eines subjektiven Idealismus darstellt, wird bald der eine Budda
ewigen Lichts und Lebens als Amida, bald eine Iiinheit dreier
Tathägata in einem Wesen, bald eine Mehrheit von Buddhamani-
festationen, oder eine Vielheit von Hindugottheiten, darunter die
beiden gewöhnlich vor den Tempeln Thorwache haltenden
Könige Ni-ö (Indra und Brahma), ferner y/;:;i^, Fndö, Kicannon und
andere verehrt. Ja, die Zahl der Verehrungsobjekte hat auch in
dieser gelehrten Sekte in der That keine Grenze, seit Kükai oder,
wie er gewöhnlich heisst, Kobö DaisJii sich im Bunde mit Dengyö
zum Verkündiger der bereits in der Naraperiode von dem Priester
Gyögi Bosatsu aufgestellten Lehre machte, dass alle Shintö-Kami
zeitweilige Buddhamanifestationen {Gongen) in vergangenen Zeiten
gewesen oder mit untergeordneten Gottheiten oder den Heiligen
{Hoto.h) des indischen Buddhismus identisch seien. -7) Seitdem ging
27. Eines der interessantesten Beispiele für die innige Vermcnguny; eclit japa-
nischer und ausländischer Elemente, das von dem tiefgehenden Einflüsse des Bud-
dliismus auf den Shintoismus zeugt, findet man bei P'lorknz, Japanische Mythologie
S. 12S f.
124 Rclr^iösc und sittlicJic Zustände.
es wie im Traume dos Pharao, da er .sieben schöne, fette Kühe aus
dem Wasser steigen sah, die an der Weide im Grase gingen, nach
diesen aber andere sieben, liässHch und mager, die neben die Kühe
an das Ufer am Weisser traten, und die hässlichen und mageren
frassen che sieben scliönen, fetten Kühe. Es kam zu einem Syn-
kretismus der nationalen und der eingeführten Religion, der aus
djm Buddhismus Japans etwas machte, was ihn für immer vom
Buddhismus des übrigen Asiens unterschied, aber auf der andern
Seite auch die Kamitempel mit Idolen und indischen Heiligen
füllte und die Shintö-Feste inid Zeremonien, wie die ganze Shintö-
Religion buddhaisierte.
Der Schöpfer des Ryöbu S/iintD (,, Zweifache Götterlehre "),
wie diese neue Mischform genannt \\-urde, ein Zeitgenosse
Uengyö's, iiiit dem zusammen er in China war, um die mystischen
Dogmen des Yogasystems zu studieren, wurde auch nach seiner
Ivückkehr im Jahre 8o5 der Gründer einer pantheistischen Sekte,
djr S/iiug'oii-s\m (,,S..'kte der wahren Worte"), die seit 812 ihren
llanpttempel Kongjfu-ji auf dem 13erge Köya in der l'rovinz Kii
hatte. Im Mittelpunkte ihres gnostizistischen Lehnsystems, das
durchaus mystischen Charakter trägt, steht, was Zentrum im
Shintö-Pantheon gewesen vvar, Amatcrasu, nur identifiziert als eine
l^uddhainkarnation, grösser und älter als Sakyamuni: Daiuiclii
Nyorai (Skr. Vairocana), die ,, grosse Sonne ", um welche sich
in der Ideenwelt AsJiuku (Akshobhya), Idöshö (Ratnasambhava),
Ai/iida (Amitäbha), und Sakjui (Amoghasiddhi) wie blosse
Planeten mit ihren Bödhisattvatrabanten drehen. Die Hirlösung
besteht in der Erkenntnis dieses allgegenwärtigen Prinzips oder
Urquells alles Seins nnd Denkens, zu der man schon in diesem
«jecenwärtitren Leib von Fleisch und Blut durch intellektuelle
und moralische Selbstdisziplinierung zu gelangen vermag. Zu
ihr gelangen heisst : eins mit Buddha werden, frei von weltlichen
Affekten, ein Ziel, das, \\\c gesagt, im gegenwärtigen Leben schon
erreichbar ist. Wer es erreicht hat, ist verbunden, seinen Brüdern
die helfende Hand zu ihrer P^rlösung zu reichen.
Eine ganz neue Idee, die Lehre von dem westlichen Paradies,
Rcli[s^iösc 7t nd sittUcJic Zustände. 1 2 5
wurde dem japanischen Buddhismus in der Kamakura-Periode
aus dem Mahayänasystem (jap. Daijo) zugeführt von der Jödo-
shü oder „Sekte des reinen Lands", deren Stifter Gcnku, be-
kannter als Hünen Sliönin, lu'sprünglicli ein Priester der Tendai-
Sekte, im Jalire 1175 wurde. Gestützt auf drei Sütra's, die von
Indien über Cliina kamen, weist sie den höchsten Platz in ihrer
Theologie Aniida {Tathägata Aniifdö/ta) an. lu' ist keine
historische Person \\'ie Gotama, vielmehr eine blosse Abstraktion
ohne eigentl'ches Leben, der anfangslose Buddha unendlichen
Lichts, von dem alle Buddha's kamen. Vor den Tagen Sak}^a-
munis war er ein Mönch. In einer Reihe heiliger P^xistenzen
hat er die Buddhaschaft erworben, aber anstatt nun, am Ziel des
Strebens, in das Nirväna einzugehen, schuf er das ,, reine Land ",
ein Paradies im Westen, in dem er Herrscher sein wollte, und
in dem alle, die in diesem Leben gläubig- ihr Vertrauen auf ihn
setzen imd oft die P\")rmel Nanin Aniida Butsu (Ich bete dich an, o
Buddha Amida) wiederholen, 2^) nach ihrem Tode wiedergeboren
werden, um unfehlbar von diesem Paradiese aus, wo ungestört
die PZntwicklung zur Reife vor sich geht, in das Nirväna einzu-
gehen. Neu war die Lehre der Jddo-?X\y\, die einen völligen
Bruch mit der buddhistischen Scholastik bedeutet, insofern, als
sie den Gläubigen nicht mehr die Selbstarbeit, die Anstrengung
aller Körper-uncl Geisteskräfte, Beobachtung zahlloser Moral-
gebote, Meditation und Studium der heiligen Schriften zumutete,
welche es erfordert, den ,, heiligen Pfad " zu gehen, um dem
vorgesteckten Ziele der Seligkeit im gegenwärtigen Leben und
in folgenden Wiedergeburten durch unzählige Kaipas sich müh-
sam entgegenzuringen. Denn in dieser Welt sich die Buddha-
schaft zu erringen ist nach Hünen dem Geschlecht dieser , .letzten
Tage " nicht mehr wie früheren möglich. Der Schwachheit der
menschlichen Natur Rechnung tragend hat Amida gleichsam
eine iZo.ryrj oui.drf/.r^ aufgerichtet, nach welcher er selbst, stell-
vertretend für die Gläubigen einzutreten, ins Pleisch kam, um ein
28. Der Slifter die.ser Sekte .soll diese Formel täglich 60.000 mal wiederholt
haben.
1 26 Rclig-iösc und sittticJtc Ziistäiidc.
rettender Buddha zu werden. Das Seligwerden wurde unver-
gleichlich leichter gemacht durch diese Lehre. Denn Hcils-
bedingung galt allein der Glaube (ohne Werke) und gläubiges
Gebet. ,, Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine grosse
Belohnung hat ! " das ist die stete Vermahnung dieser Sekte,
und ,, Sehet nur, die Gnadenpforte {tariJd vwn im Gegensatz
zu jiriki, eigene Kraft) ist hier völlig aufgethan " ihr Evan-
gelium. Und wo des Glaubens Lohn ein unmittelbar nach
dem Tode zu gewärtigendes Paradies war, dessen glückvolle
Gefilde die Phantasie sich nach Gefallen ausmalen konnte, und
nach dieser Paradiesesseligkeit, wenn auch erst nach Ablauf von
Aeonen, das Nirväna, wer hätte da nicht gerne glauben sollen,
und wer nicht gerne das wenig Synergismus leisten, das im
fleissigen, als verdienstliches Werk betrachteten Gebrauche der
Gebetsformel bestand ? Es waren besonders die ungebildeten
Klassen, die in Scharen dieser neuen Predigt zuströmten.
Dieser Sekte des reinen Landes folgte zeitlich eine andere,
quietistische, deren Anhänger man die Quäker des japanischen
Buddhismus genannt hat. In der Form, in der sie, im Jahre
513 n. Chr. in Indien gegründet, von dem Priester Eis.ii nach
seiner zweiten Rückkehr aus China im Jahre 1191 nach Japan
verpflanzt wurde, d. h. in der 7?//Ac<^/-Schule, bezeichnet die Zcn-
Sekte als den Weg zur Seligkeit ausschliesslich individuelle
Kontemplation im Gegensatz zum Studium der in den Sütra's
niedergelegten Tradition mit ihren 84.000 verschiedenen Lehren,
und in keiner Sekte ist der Kontemplationsstuhl ein mehr ge-
gebrauchtes Geräte als in ihr. In der Form freilich, die die
Zr/z-shü in der anderen, auf Gelehrsamkeit Gewicht legenden Sdtö-
Schule, die 1227 von /^^^i^-^v/ eingeführt wurde, angenommen, gelten
Beschauung und Studium zusammen als die Mittel, ins Innere
der Natur zu dringen, und zugleich wird nachdrücklich auf die
strikte Befolgung der Gebote gedrungen als Bedingung zur
Erlangung der Buddhasch.afl:. Zu dem Schau in dich ! fügt
sie das Schau um dich ! und Schau auf dich ! Die Haupt-
schrift ist dieser Sekte die Sltin-kyd (Herzsütra), die jedoch, wie
Religiöse und sittliehe Zustände. 127
andere, nur gelesen wird, um das Verständnis soweit zu fiihren,
dass es fähig wird, die Wahrheit zu erfassen. Ihre Hauptlclire
ist die von der NichtreaHtät aller Erscheinungen ; Geburt und
Tod, Freude und Leid, Weisheit und Thorheit sind nichts als
Schein und Sinnentrug. Ihre Stimniung ist die Resignation der
Weise :
,, Ist einer Welt Besitz für dich zerronnen.
Sei nicht in Leid darüber ; es ist nichts.
Und hast du einer Welt Besitz gewonnen,
Sei nicht erfreut darüber ; es ist nichts.
Vorüber gehn die Schmerzen und die Wonnen ;
Geh' an der Welt vorüber ; es ist nichts ",
eine Stimmung, die ihren unübertroffenen künstlerischen Ausdruck
in der um 1250 aus Kupferbronze gefertigten Riesenstatue Amidas
in Kamakura, dem Daibutsu, gefunden hat. In die Kamakura-
periode fällt die Hauptblüte der .Ztv^-Sekte, deren Anhänger sich
besonders aus der Samuraiklasse rekrutierten. ]\Iit der von ihr
auf dem W^ege der Meditation angestrebten und von ihren in
selbsterwählter Armut lebenden und soldatisch geraden Mönchen
an den Tag gelegten Gleichmütigkeit, die allen Wechselfällen des
Schicksals sich als einem Unv^ermeidlichen beugte und in jeder
Lage Geistesgegenwart bewahrte, war sie für den Kriegerstand
jener Zeit Avie geschaffen ; und in ihrer Schule hauptsächlich
haben die japanischen Samurai jene Festigkeit und Selbstbeherr-
schung gelernt, die es eines rechten Mannes unwürdig hielt,
Freude oder Schmerz zu äussern, die sie das Leben so gering
werten und den Tod verachten Hess.
Auch die Mönche der Zen-shü waren i\sketen, wenn sie avich,
besonnener als andere, mehr Mass in derselben hielten. Alle
Sekten, die bis dahin in Japan vertreten waren, hielten strikte auf
Ehelosigkeit der Priester und auf Enthaltung von berauschenden
Getränken und Fleischkost. Und wenn diese mönchischen Forde-
rungen auch in der Praxis vielfach übertreten wurden, in der Theorie
standen sie fest. Der erste, der den Mut hatte, offen mit ihnen zu
brechen, war Shinran. Die neue Sekte, die ihn als ihren Stifter
T2.S Rrügüisc und silliicJic Zustände.
ehrt, ist die .Sy////-.slui, auch Monto-odcr //-/{v-Sckte genannt. Der
Jödo-Sektc, aus der ihr Gründer hervorging, sehr nahe verwandt,
nennt sie sich auch Jödo SJän-sXvix, ,, die wahre Sekte des reinen
Landes. "29) Shaka ist ihr gleich allen Buddhas, die ihm vorauf-
gegangen, nur eine zeitliche Erscheinungsform von Aniida, der
sich aus Liel)e zu den Menschen, die sonst von seinem gütigen
Willen sie zu retten nicht wissen könnten, von Zeit zu Zeit auf
Erden manifestiert. Was die .S////^shü von der älteren Jödo-'Awy
unterscheidet, ist, dass sie noch viel nachdrücklicher, mit Verwer-
fung alles S\'nergismus und Vertrauens auf eigene Vernunft oder
Kraft, das solafidc 3o) betont, die Verehrung und Anrufung anderer
Gölter illotokc), ohne sie zu leugnen, streng verbietet und selbst
das Anrufen des Namens Amidas, das in der Jödo-sXm so grosse
Bedeutung hat, nur als Aeusserung des Dankes für seine Gnade
gelten lässt und auf Bitten um geistliche Güter beschränkt.
Nicht nur Amulette und dergleichen, auch Bussen, Plasten,
Wallfahrten, Mönchtum, Ehelosigkeit und alle anderen Arten
von Askese werden verworfen. Auch gute W'erke helfen nicht
zur Seligkeit; sie sind nur ein Beweis und Erucht des Glaubens.
Aus Dankbarkeit für Amidas Barmherzigkeit Icann der Gläubige
nicht anders als alle Gebote erfüllen. Die Seligkeit aber ist nicht
erst mit dem Eintritt des Todes zu erw^arten, wie die JödoSc\<.te
lehrt, wo Amida dann zu dem an ihn Glaubenden komme und
er zu ihm, sondern sie ist gegenwärtig. Wer an ihn glaubt,
kann seiner Einwohnung sich getrosten. Und dieses Heil ist
29. Eine Skizze der Geschichte dieser Sekte von der Feder Bunyiu Nanjio's
findet sich in Anecdota Oxoniensia, Aryan Series, Buddhist Texts froni Japan.
Voh I. Part ir, herausg. von Max Mc'ET.ler. — Zur Lehre siehe James Troi;p, On
the 71'iiefs of tlie .SliiJis/iiu or „ Tnie .SW/'' of Bnddhists. T. A. S. J. Voh XR'.
Part I, und ebenda \'o\. XVIII. Part I: James Trolt, 7'Jie Gohnnsho or Ofumi, of
Koniyo S/nvii/i : sowie J. M. James, A Discourse oii Iiifimtc Vision. T. A. S. J.
\(.l. \'III. Part IV.
30. iJcr Name Ikko ,,ganz, V(")]lig" wird daraus erklärt, dass die (Iläubigen
ihr N'ertrauen rinzi:^ auf .Vniida Puihlha setzen. In Wirklichkeit wird die Sekte
so genannt, weil ein Te.xl in ihrem Ilauptbuche, .Murioju Kyö, mit diesem Worte
beginnt.
Religiöse und sittlicJie Zustände. 1 29
gleicherweise für alle da, die da aufrichtig glauben, für die
Frauen ebenso wie für die Männer, wie sündig auch ihr Karma
sei, für Laien ebenso wie für Priester, für die es auch nicht eine
höhere Sittlichkeit gibt. Die Stellung der letzteren ist überhaupt
eine ganz andere als in den übrigen Sekten ; sie sind nicht eine
Bruderschaft von solchen, die auf ausserordentliche Weise nach
Vollkommenheit streben, sondern Lehrer der Laien, kleiden sich
wie diese und leben in der Ehe wie ihr Stifter Shinran, der damit
einen Schritt that, der dem Buddhismus ebenso neu war, wie
Luthers Vermählung mit Katharina von Bora dem Kirchentum
seiner Zeit.
Schon Franz Xavier erkannte in der Lehre Shinrans, die
mit ihrer Verwerfung der Erlösung durch eigene Kraft das
gerade Gegenteil der Lehre des Stifters der buddhistischen Reli-
gion und der meisten übrigen Sekten predigt und beinahe dem
Apostel Paulus näher als dem Weisen Gotama steht,30 nicht
wenige Züge der ,, Ketzerei " wieder, in deren Bann er als
Studierender in Paris einst zu geraten in Gefahr gewesen war. In
ihrem Zurückgehen über den Stifter der buddhistischen Kirche zu
Amida Butsu und mit ihrer Losung ,, Gebt ihm allein die P^hre !"
war sie wohl konsequenter noch und radikaler als der Prote-
stantismus der deutschen Reformation. „ Es zeigt sich hier die
merkwürdige Erscheinung, dass die ursprünglich atheistisch zu
nennende Lehre durch den Polytheismus zum Monotheismus
durchgedrungen ist. Aber es ist festzuhalten, dass Amida sich
wesentlich vom Gotte des Alten Testamentes unterscheidet, denn
er wird im Bilde verehrt, er ist nicht der Schöpfer und Er-
halter der Welt ; er ist nicht ewig, denn es hat eine Zeit
gegeben, wo er noch nicht Buddha war ; er ist nicht all-
mächtig, er lenkt nich; die Geschichte der Menschen auf die-
ser Welt und straft nicht die Sünden ; nur in der grossen Liebe
und dem Erbarmen zu den Menschen und dem Wunsche, dass
31. Chamberlaix : At firsf sv:^ht, one would iiiiaghie the Silin sect to be a
travesty of Cluistianity rathcr lluvi a developinent of Biiddhism. ( Things Japanese,
Artikel „ Buddliism ")
130 Religiöse und sift/ic/ie Zustände.
alle gerettet werden mögen, ]<omnit er der Gottesidee am
nächsten. "32)
Hat so der Protestantismus sein Gegenstück im Kirchen-
tum des japanischen Buddhismus, so fehlt ein solches auch dem
Katholizismus nicht. Der Gründer dieser Sekte, der Hokke-shxx,
deren Hauptquartier der berühmte Tempel Minobu-san in der
Provinz Kai (Köshü) war, ist NicJiiren, ein Priester der Shingon-shü.
Ihn Hessen Shinrans Lorbeeren nicht schlafen, oder richtiger
wohl, der lüfer um den Meister, den Shinran aus seiner-eigenen
Kirche verdrängt, frass an seinem Herzen. Ein Reformator
wollte er den Tempel Shakas reinigen von allem, was andere
hineingetragen, und sein Schiboleth war die Gebetsformel Namu
inyo hörenge kyd, ,, Verehrung dem Sütra von dem wundervollen
Gesetz der Lotusblume ", und seine Bibel das Buch Hoke-kyö
(Saddharma pundarika), dessen Wort, von dem Propheten voll
von Flammeneifer mit ganz anderer Gewalt als von den Tendai-
priestern gepredigt und ausgelegt, ein Hammer wurde, der die
Felsen zerschmeisset. Die Amidadiener, so dekretierte er, sind
der Hölle verfallen, die Jünger der Zensekte sind Teufel, der
Shingon-shü anhangen heisst den Staat zerstören, und ein Verräter
ist, wer an die Ritsulehre glaubt.
Fanatikerin der Orthodoxie, bigott und — darin sich von
allen anderen Buddhisten unterscheidend — unduldsam gegen
Andersdenkende ist auch Nichirens Mönchsjüngerschaft. Shin-
ran hatte den Bilderdienst verworfen und, wie Luther, ohne
es zu wollen, *, von dem Bilderstürmer Karlstadt gefolgt war,
puritanische Geister gerufen, die die bis dahin verehrten Idole
aus den Tempeln schleiften. Anders stand zum Bilderkult,
entsprechend dem panthcistischcn Realismus ihrer Lehre, die
Sekte Nichirens. Keine andere kennt mehr Heilige und mehr
Idole, nicht nur aus der Menschen-, auch aus der Tierwelt, als sie.
Der Stifter selber, angesehen als eine Buddhainkarnation, ist
seiner Gemeinde ein Gegenstand der Verehrung, und so das
32. L.A.NGE a. a. O.
Religiöse wid sittliche Ziiständc. 131
von ihm über alle anderen Schriften des Kanons gestellte Buch
der Lehre. Aber im Mittelpunkte steht ihr der Buddha, freilich
auch nicht der historische, sondern der personifizierte Urbuddha,
Honshi Shakainiiiiibntsn. Er ist der Grund der gesamten
Erscheinungswelt, auch aller Buddhas, die je erschienen, der
einzige feste Pol in der Erscheinungen Flucht und dem gesamten
Weltall innewohnend. Seine Erkenntnis aber oder das Heil, die
einzige wahre Lehre, die höchste, die auch Shaka verkündigt
hat, ist nirgends, im grossen Fahrzeug ebenso wenig wie im
kleinen, zu finden, ausser in dem ,, einen ", wie es im Hoke-kyö
geschrieben steht und in der alleinseligmachenden Nichirenge-
meinde verkündet wird. Und in ihr wieder steht dem Himmel
näher als alle anderen der Mönch mit seiner höheren Sittlichkeit.
Man sieht : wie jeder neue Mönchsorden des euroi^äischen
Mittelalters, so ist jede neue Sektenstiftung im japanischen
Buddhismus ein Reformationsversuch, der die Bildung einer
ecclesiola in ccclcsia zur Folge hat. Wie die Pharisäer zur Zeit Jesu
machte man, ausser stände, das Joch des ganzen Gesetzes zu
tragen, eine Scheidung zwischen gros.sen und kleinen Geboten.
Jede der nacheinander auftretenden Sekten wählte sich aus der
ungeheueren Masse der kanonischen Literatur ein Buch oder
einige wenige Bücher aus, in denen vermeintlich die tiefste
Offenbarung des Erleuchteten niedergelegt ist, wie er sie in
einer gewissen Periode seines Lebens und an einem gewissen
Orte verkündigt hat. Und dieses besondere Buch oder diese
enge Auswahl von einigen wenigen Büchern ist der Kanon,
nach dem die ganze übrige Schrift, die über demselben nicht
bei Seite gelassen, sondern ihm nur untergeordnet wird, sich
muss erklären lassen.
Es konnte nicht ausbleiben, dass es zwischen den philo-
sophisch gebildeten Anhängern der verschiedenen Schulen häufig
zu Zänkereien kam. Am feindseligsten standen sich die Priester
der beiden zuletzt im dreizehnten Jahrhundert, der Blütezeit des
Buddhismus, auf japanischem Boden selbst entstandenen Sekten,
der Shin-shü und Nichiren-shG, einander gegenüber, — die Priester,
132 Religiöse lind sittliehe Zustände.
nicht das von Rcligionsfanatismus im allgemeinen entfernte
Volk.
Der Buddhismus der Masse war durciigängig nichts als ein
mit Aberglauben aller Art gepaarter grober Götzendienst, eine
polytheistische Religion, deren in Holz oder Stein imd in Bronze
abgebildete Götter vollendete Heilige, besonders die Gründer der
Einzelsekten, und daneben die altnationalen Kami, nur meist unter
anderen Namen, waren. Die metaphysischen Spekulationen der
einander bekämpfenden Schulen, viel zu abstrus und schwerv^cr-
ständlich für das unwissende Volk, waren diesem so gut wie un-
bekannt. Die Gläubifren wurden belehrt, dass sie durch einmaliges
Umdrehen der um eine Axe drehbaren heiligen Bibliotheken sich
das gleiche religiöse Verdienst erwerben könnten, als wenn sie
sich durch die in jeder derselben aufbewahrten 67 11 Bände vom
ersten bis zum letzten hindurchläsen. Natürlich Hessen die also
Belehrten sich an der leichteren Mühe der ensteren Frömmig-
keitsübung genügen, dies um so mehr, als sie gar nicht im stände
gewesen wären, die heiligen Handschriften und Drucke zu lesen.
Denn der japanische Klerus hat es nie für nötig gehalten, den
buddhistischen Kanon in die Landessprache zu übersetzen, um
den Erleuchteten ,, japanisch" zum Volke reden zu lassen. Es
waren auch nur die Priester der Shinsekte, die ihre Lehren der
Masse in populären Schriften nahe zu bringen suchten. So war
im allgemeinen der religiöse Volksunterricht auf die mündliche
Verkündigung der Priester beschränkt. Jede Sekte besass, meist
in oder bei Kyoto, einen grossen Haupttempel {Jionzaii) mit
dem geistlichen Oberhaupt nebst Diözesantempeln {cliü-hon.zaii),
und unter diesen Distriktstempel (/eiiiiimi-dera.), denen die
Tempel und Priester der Sekte durch alle Provinzen des
Reiches unter.stellt waren. Jeder Japaner leistete seinen Beitrag
zur Unterhaltung des Tempels seines Sprengeis {danna-derd), in
dessen Register {shuinon-cJid) sein Name eingetragen war.33) In
■^T,. Siehe J. H. Wigmore, Materials for the Shidy 0/ Private Law in 0hl
Jaj>an. T. A. S. J. Vol. XX. Suppl. Part I. pp. 63 fT.
Religiöse und sittliche Zustände. 1 3 3
diesen Tempeln hielten die Priester, die in Wirklichkeit auch die
einzicren Lehrer des cremeinen Mannes waren und im Gemeinde-
und Familienleben bei allen wichtigeren Anlässen, wie Geburt
und Tod, bei Orts-und Nationalfesten, eine wichtige Rolle spielten,
öfter oder seltener Predigten Rir die Laien. Aber auch diese
Vorträge gingen nicht auf die Lehrsubtilitäten der Sekten ein,
sondern schärften in der Hauptsache nur die fünf Plauptverbote
{gokai) des Buddhismus ein (i. kein lebendes Wesen töten ; 2. nicht
stehlen; 3. nicht der Unzucht frönen; 4. nicht lügen; 5. keine
berauschenden Getränke trinken) und malten, oft unter Zuhilfenah-
me bildlicher Illustrationen, in grellen Farben die Schrecken der
Hölle aus, die denen drohten, welche diese Verbote missachteten. 34)
Von der Lehre von der Seelenwanderung war wenig die Rede,
und an die Stelle des fernen Ziels Nirväna trat in der vulgären
Verkündigung zumeist die Himmelsseligkeit im Paradies des
Westens. Ihre Erlangung wurde an die Erfüllung der zehn
Tugendakte {j'ü ccii) geknüpft, die aus den fünf Verboten ab-
geleitet wurden: i. statt Tötens Erweisung höchstmöglicher
Freundlichkeit; 2. anstatt Dieberei Freigebigkeit; 3. Keuschheit
an Stelle blosser Enthaltung von Unzucht ; 4. Wahrhaftigkeit
statt Unterlassung von Lug und Trug; 5. alles zum Besten
kehren ; 6. Vermeidung schandbarer W^orte und Gebrauch edler
Rede ; 7. ehrliche Sprache im Gegensatz zu Falschheit und
Uebertreibung ; 8. Bekämpfung unreiner Gedanken ; 9. Barm-
herzigkeit und Langmut statt Zorn ; 10. Pflege reinen Willens
als Erfüllung aller dieser Gebote. Wenn Moralgebote wie diese,
die nicht nur die groben Sünden streng verboten, sondern auf
Reinheit des Herzens dringen, ein gutes Vorurteil fi^ir die Predigt
der Bonzen erwecken könnten, so ändert sich dies Urteil alsbald,
34. Näheres über die buddhistische Lehre von Himmel mid Hölle bietet
Spinner, Zur buddhistischen Eschatologie (Zeitschrift für j^lissionskunde und Religions-
wissenschaft, XIV. Jahrg. 1899, S. 193-204) nach einem der populärsten, bis jetzt
in eine europäische Sprache noch nicht übersetzten Werke, das sich in seiner
japanischen, von einem (nicht genannten) Tendaipriester stammenden Redaktion
Ojoyoshiu nennt.
134 Religiöse und sittliche Zustände.
wenn man hört, dass die Priester selbst erklärten, es sei ver-
gebliches Bemühen, im bürgerlichen und im Familienleben solchen
strengen Forderungen der Religion gerecht zu. werden ; nur sie
selbst, die der Welt entsagt und sich ganz dem geistlichen Leben
gewidmet hätten, seien dazu im stände ; durch das Uebermass
ihrer Vollkommenheit nähmen sie aber auch die Sünden der
Weltkinder auf sich, sofern diese nur durch reichliche Gaben für
sie sorgten und sie von der irdischen Not befreiten. Auch für die
Seelen der Abgestorttenen, die in den Purgatorien schmaclvteten,
müsste gesteuert werden. Nur durch Geldspenden ist das Heil
zu erlangen ; den Armen, die nichts geben können, sich
die Interzession der Priester zu sichern, ist das Hinmielreich
unbedingt verschlossen ; den Frauen ist es ungleich schwerer
zugänglich als den Männern, da sie von Natur mit allen Sünden
behaftet sind. Ihre Gaben müssen daher, wenn sie Erlösung
hoffen wollen, ungleich reicher sein. Gegen Geld konnten die
Laien das Gebet der Bonzen zu den Hotokc in allen Nöten des
Lebens haben ; gegen Geld erhielten sie Ablasskarten, sogenannte
Oßida, durch deren Erstehung verbunden mit einer Gebetsleistung
sie der üblen Folgen begangener Missethaten quitt wurden.
Aber auch als Mittel gegen Krankheiten aller Art, gegen böse
Geister u. dgl. wurden dem Volke solche Ofuda, Amulette,
heiliges Wasser, heiliger Sand, selbst papierene, mit heiligen
Bonjischriftzeichen bedruckte Totenhemden angepriesen und
verkauft.
Man sieht, die, überdies vielfach in frivolen Unglauben
versunkenen, habgierigen Bonzen verstanden es trefflich, die
Ignoranz des leicht zu bethörenden, weil abergläubischen
Volkes zu ihrem Vorteile auszubeuten, woflir auch die unzähli-
gen milden Stiftungen und der enorme steuerfreie Grundbesitz
der Klöster, Jiden genannt, ja schon die grosse Menge der
Priester zeugen. Die geistig Ueberlegenen blieben sie der
grossen Masse des Volkes gegenüber eben doch, auch wenn sie
selbst zum grossen Teile die Spekulationen ihrer Sekten nicht
mehr verstanden, ja nicht einmal mehr die Schriften lesen konnten,
Religiöse imd sittliche Zustände. 135
und darum in Aeusserlichkeiten und religiösen Observanzen auf-
gingen. Wohl fehlte es nicht ganz an Ausnahmen. Es gab
auch noch redliche Denker unter den Priestern. Besonders die
RinzaiV\.ös\.Q.r in Kyoto waren Pflegestätten der W'issenschaft und
feineren Bildung in einer Zeit, wo die Samurai, einst Literaten
und Krieger^in einer Person, alle Wissenschaft v^ollständig ver-
lernt hatten, und buddhistischen Geistlichen ist es zu danken,
wenn gelehrte Bildung sich auch durch die dunkelste Periode
der japanischen Geschichte hindurch erhielt. Auch die theologi-
schen Disputationen, wenngleich es sich bei ihnen zumeist mehr
um Spitzfindigkeiten, Paradoxen, und um dialektische Künste der
Rede-und Schlagfertigkeit als um ^Erforschung der Wahrheit
handelte, sind ein Zeugnis dafür, dass die Priesterschaft nicht
samt und sonders in Unwissenheit versunken war. Aber die grosse
Mehrzahl der Bonzen erhob sich nicht viel über das allgemeine
Bildungsniveau der Menge, vor der sie sich hauptsächlich nur
durch grössere Schlauheit auszeichneten, wenn es sich darum
handelte, sie unter frommen Vorwänden auszubeuten.
Aber eben weil sie das Volk so am Gängelbande zu halten
verstanden und ebenso sehr vielleicht, weil sie durch Rauchwerk,
kostbare Gewänder, pompöse Aufzüge auf die Sinnlichkeit der
Laien wirkten, standen sie bei diesen in hohem Ansehen, dies
trotz der rohen Sittenlosigkeit der grossen Mehrzahl. Nicht
nur die höhere Moral der Mahäyänalehre, auf die der japanische
Buddhismus sich der niedrigeren der Hinayänaethik gegenüber
so viel zu gute that, auch die der letzteren, nach der die voll-
kommene Tugend nur in Abwesenheit von vier Dingen besteht,
im sich ferne halten von Frauen, den Palästen der Könige, von
schönen Sachen und von Reichtum, war ihnen völlig abhanden
gekommen. Die Jesuiten können sich nicht genug thun
im Beschreiben ihrer Völlerei und ihres Lasterlebens, besonders
ihres ausgelassenen Geschlechtsverkehrs mit dem weiblichen
Geschlechte, auch den Nonnen, sowie des unter ihnen auffal-
lend gemeinen Lasters der Päderastie, und Volkssprichwörter wie
2. B. Hokke ga hotoke ni narcba, ushi 110 knso ga iniso ni naru,
1 36 Religiöse und sittliche Zustände.
,, wenn ein Ilükkcpricstcr zum Buddha wird, so wird Ochsenmist
zu uiiso (Bohnensauce) " bekunden wohl besser als irgend welches
andere Zeugnis, dass die fremden Beobachter nicht zu schwarz
malten. Es waren auch durchaus nicht etwa nur die Priester der
Nichirensekte, auf welche dieses Wort zunächst geht, die in so
schlechtem Rufe standen. Auch in sittlicher Beziehung fehlte
es natürlich nicht an rühmlichen Ausnahmen, besonders unter
den Mönchen der ^cv/sekten, wenn gleich ihre ernste Sittlichkeit
hinwiederum sich oft in Auswüchsen unnatürlicher Askese
äusserte. Aber gerade solche Uebungen, wie \\enn z. B. ein
Mönch Jahre lang an einer Stelle verharrend ein Dogma durch-
dachte, verfehlten nicht, das Ansehen des ganzen geistlichen
Standes zu heben.
Ja, die Bonzen waren nicht nur beim Volke geehrt, sondern
auch von den Grossen gefürchtet. Mit ihrer sittlichen Korruption
war ihr hochfahrender Sinn und ihre Arroganz gewachsen. Al-
lerlei Elemente waren in ihren Reihen zu finden. Die Geistlichen,
keiner der vier sozialen Klassen zugehörig, galten als ausser-
weltlich. Jeder Verbrecher konnte sich der Bestrafung entziehen,
wenn er das Haupt sich .scheren Hess. Ueber andere wurde das
Mönchtum als Strafe verhängt. Und wie im europäischen Mit-
telalter traten Mitglieder höherer Familien oder unglückliche
Fürsten, ja selbst Shögune und Kaiser in die Klöster ein, die
so bald ein Heer von Halbpriestern füllte, flu- die Tonsur und
Kutte nichts als eine Verkleidung war, und die Weltsinn und
Ueppigkeit mit sich brachten. ,, Die buddhistische Priester-
schaft war der hohen Aufgabe, .... welche ihr Siddhärta
einst zugedacht hatte, längst entfremdet. Im Streben nach Macht
und Einfluss nahmen sie an allen Händeln und Intriguen der
Zeit lebhaften Anteil, im genusssüchtigen, ausschweifenden
Leben standen sie den Grossen nicht nach. Ihre Klöster
waren Festungen, in welchen nur der grosse politische Kar-
tenspieler, nicht der unterdrückte gemeine Mann Trost und
Hilfe fand. "35) Dass dieses Urteil Rein's zutreffend ist, zeigen
35. Rein, Japan, Band I, S. 300.
Religiöse u)id sittliche Zustände. 137
die Bücher japanischer Geschichte auf gar manchem ihrer Blätter.
Dem Beispiel Ryözciis, eines Erzbischofs des Enryakuto.nv^&X'i auf
dem Hiyeizan, der zuerst während des Minamoto-Taira-Krieges
(1069-1186) eine Armee von Priestersoldaten organisierte, waren
die Aebte anderer grosser Tempel, wie des Onjöji und Ko/ukiiß,
gefolgt. Ein jeder dieser Haupttempel hatte Tausende von
bewaffneten Bonzen. Und oft lagen sie miteinander in blutigem
Kampf, brannten einander die Tempel nieder,36) plünderten auch
harmlose Dörfer, erzwangen Erfüllung ihrer Wünsche durch das
Schwert, schlugen sich in den Kämpfen der Zeit auf die Seite
dieser oder jener Partei und widersetzten sich selbst kaiserlichen
Befehlen oder setzten Bitten, die von den Herrschern nicht be-
willigt wurden, durch, indem sie zu Hunderten mit heiligen
Palankins {mikoshi), gegen welche die Krieger sich fürchteten zu
kämpfen, an den Hof zogen, so dass Shirakawa-tennö (1073-
1086) den Ausspruch that, drei Dinge seien in der Welt, die
nicht nach eines JNIannes Willen gehen : der Lauf des Kamo-
flusses, die Würfel des Sugorokuspieles und — die Mönche des
Berges (d. h. des Berges um Kyoto).
So stand es um die buddhistische Religion und ihre Diener.
Die alte Kamilehre, in verschiedene kleine Sekten gespalten,
hatte daneben gar keine Bedeutung mehr. Ihre ^Mythen waren
kaum mehr gekannt oder doch nur noch höchstens am kaiser-
lichen Hofe und an den alten, von Vermischung mit dem Bud-
dhismus rein gehaltenen Shintöstätten in Ise und in Izumo. Was
dem Volke die Bonzen nicht leisteten, das leisteten ihm noch
weniger die Kannushi, die, meist ganz ungebildet, sich Divina-
tions-und Zauberkünsten ergaben. So unbedeutend war die Rolle,
die sie und ihre Religion spielten, dass dieselben in den Berichten
der Jesuiten von den buddhistischen Geistlichen und dem Butsudö
gar nicht unterschieden werden. Sie scheinen ihnen überhaupt
nicht aufgefallen zu sein. ,, Die Religion ", sagt ein Japaner
36. Eine ganze Reihe von Beispielen gibt der zitierte Aufsatz in „ The Far
East".
138 Religiöse und sittliche Zjistände.
selbst, Koji Inaba,37) ,, die ein Liclit in der dunklen Nacht
gewesen, hatte ihre Leucht-und Lebenskraft verloren und war zu
einem unregelmässigen Geflacker geworden ; das Volk war
genötigt, auf einem anderen Wege Frieden zu suchen, und sehnte
sich nach einer neuen Religion. Die Einführung des Christen-
tums in solcher Zeit war, was ein labender Trunk einem lech-
zenden Gaumen oder was Speise ist dem Mungernden." Mit
anderen Worten : Da die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen
Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz gethan,
auf dass er diCj'^so unter dem Gesetz waren, erlösete, dass sie
die Kindschaft empfingen. Da die Zeit erfüllet war im Sonnen-
aufgangsland, erschienen die I^oten Gottes und predigten : ,, Thut
Busse und glaubt an das Evangelium !" Das ewige Licht geht
da herein und gibt der Welt einen neuen Schein.
37. Artikel in NiJ^pon Hydron.
NEUNTES KAPITEL.
Anfänge der IVlissionsarbeit in Kagoshima.
Den Beginn mit direkter Bekehrungsarbeit machte x'\njiro.
Und gleich dieser erste Anfang war recht ermutigend. Zuver-
sichthch konnte er schon in einem vom 5. November 1549
datierten, nach Indien gerichteten Briefe schreiben : ,, Die Japaner
hören mich sehr gern von Jesu Christo reden ; daher hoffe ich,
es werden sich mit Gottes Gnade noch viele zu Christo bekehren "
Die ersten Bekehrten machte er im eigenen Hause, unter den
Seinen. Während Xavier dem Studium der Landessprache oblag,
zeigte sein japanischer Gehilfe seinen Eifer für die Religion,
welche er nicht bloss zum Scheine angenommen, indem er Tag
und Nacht seinen Freunden und Verwandten jeden Alters,
Standes und Geschlechts die christliche Lehre auseinandersetzte.
Er verstand es, dieselbe so wirksam zu empfehlen, da.ss er seine
Mutter und Schwester, sein Weib und seine einzige Tochter
sowie andere Verwandte und Freunde für den Glauben an
Christus gewann. Sie alle scheint Xavier bereits getauft zu
haben, als er, noch nicht drei Monate nach seiner Ankunft, die
ersten Nachrichten aus Japan sandte. Und das Volk sprach,
wie er nach Goa und Coimbra berichtet, keine Missbilligung
gegen diejenigen aus, welche sich entschlossen, Christen zu wer-
den, daher er denn auch mit gleicher Zuversicht wie Anjiro an
Pedro de Silva nach Malakka schreibt : ,, Soweit ich bis jetzt
bemerken konnte, ist dieses Land gegenwärtig in der rechten
Stimmung, den Samen des göttlichen Wortes aufzunehmen, so
dass wir, wenn die pflegende Hand nicht fehlt, mit vollem Rechte
eine reichliche Ernte erwarten. Bei diesem Volke herrscht die
1 40 Anfänge der Missionsarbeit in Kagoshinia.
Vernunft weit nielir als die Leidenschaft. Trotz zahlreicher
Verirrungen behält die gesunde Vernunft doch immer ihr Ansehen.
Unwissenheit ist vielmehr die Quelle ihrer Verirrungen, die sie
offenbar ablegen werden, sobald sie nur bekehrt werden. So
bleibt denn auch bei ihren Lastern die Herrschaft der Vernunft
unangetastet ; jene werden nicht öffentlich gegen die Stimme der
Vernunft verübt, sondern heimlich und gleichsam unvermerkt
schleichen sie sich ein, so dass eine zügellose Hingabe an die
Laster ohne Scheu vor der Stimme des Gewissens bei -diesem
Volke nicht so eingerissen ist wie dort, wo man mit unver-
schämter Bosheit sich der Sünde hingibt."
Es ist natürlich, dass der eifrige Apostel brannte, selbst so
bald als möglich in die Arbeit einzutreten. Er selbst gibt an,
dass er bereits nach nur vierzigtägigem Sprachstudium im Japa-
nischen so weit fortgeschritten war, dass er die zehn Gebote
erklären konnte ; und sobald sein Katechismus übersetzt war,
säumte er nicht länger, auch seinerseits von der ihm vom Für-
sten erteilten Predigterlaubnis Gebrauch zu machen, d. h. Ab-
schnitte aus diesem Abriss öffentlich vorzulesen.
Ein Mann wie er war dem Volk eine ungewohnte Erscheinung
und konnte nicht verfehlen, Aufsehen zu erregen, wo sie sich
zeigte. Staunte man schon darüber, dass er und seine Begleiter,
aus so fernen Landen über gefahrvolle Meere nicht Gewinnes
halber, nur um ein göttliches Gesetz, heiliger als das japanische,
zu verkünden, gekommen waren, so flösste noch mehr sein
ganzes Auftreten Vertrauen, Achtung, ja Bewunderung ein. In
nichts sich von den Landesbonzen übertreffen zu lassen, hatte
er schon vor seiner Ankunft im I^nde sich vorgenommen, sich
wie diese aller Fleisch- und Fischkost und starker Getränke zu
enthalten. Li schlechtem, abgetragenem Gewände ging er einher.
Und es konnte nicht lange verborgen bleiben, dass unter dem
armen Kleide auch wirklich ein gottesfürchtiges Herz schlug,
und dass seine Enthaltsamkeit und Armut nicht Avie bei so vielen
Bonzen nur Schein, zur Schau getragenes äusseres Wesen war.
Anfänge der Ulissionsarbcit in Kagoshivia. 1 4 r
Sein heiliger Eifer zeugte für des Mannes sittlichen Ernst. Sein
untadeliges Leben nahm ein für seine Lehre.
Nach wenigen Tagen schon hielten einige bei ihm um die
Taufe an. Der erste, der sie erhielt, war ein Mann aus dem
unteren Volke, der sich in der Folge durch frommen Eifer und
christliche Tugenden auszeichnete. Er erhielt den Namen Bern-
hard. Schon am 3. November 1549 aber kündigt Xavier den
Patres in Goa noch für dasselbe Jahr die Ankunft zweier auf
den Akademieen von Meako und Bandu { — Kwanto) gebildeter
Bonzen an, die auch den Glauben Jesu angenommen hatten und
nun in Indien im Kollegium zu Goa sich genauer über die
christliche Religion und die europäische Wissenschaft unter-
richten wollten. Er empfiehlt sie ihrer besonderen Aufmerk-
samkeit mit dem BeiRigen, die Japaner hätten einen Charakter,
der sich nur mit Liebe und Freundlichkeit behandeln und lenken
lasse. ,, Sorgen Sie dafür", schreibt er, ,,dass die Zöglinge des
Kollegiums zu einem sehr grossen Teile Chinesen und Japaner
seien ; erziehen Sie dieselben auch im Portugiesischen, damit sie
hier, wo sie vOn grossem Nutzen sein können, als Dolmetscher
dienen." Auch andere, noch nicht christliche Japaner machten,
bestimmt durch Anjiros Erzählungen über die Portugiesen, die
Reise nach Malakka, Und auch sie wurden von Xavier aufs
angelegentlichste an den dortigen Präfekten empfohlen. ,, Ich
ersuche Sie bei allem, was Sie Gott und Ihrem Adel schulden,
denselben eine ehrenvolle und gastfreundliche Aufnahme zu
gewähren und ein gutes, bequemes Absteigequartier bei reichen,
angesehenen Portugiesen zu bereiten, denen Sie zugleich eine
recht liebevolle Behandlung dieser Gäste empfehlen wollen. Es
wird diesen Japanern gewiss ein mächtiger Antrieb zur Annahme
des Christentums sein, wenn sie durch eigene Erfahrung sehen,
dass Paul der Wahrheit gemäss über die Portugiesen berichtet
hat."
In den Epistolac Indicac findet sich ein Brief aus dem Jahre
1550, geschrieben von P. Francisciis Peraz in Malakka an die
Brüder im Conrorinischen Vorgebirge, aus dem man ersieht,
142 Anfänge der Missionsarhcit in Kagoshima.
welchen Eindruck die ersten Nachrichten Xaviers aus Japan dort
maclitcn, und dass gleichzeitig mit diesen schon Japaner ankamen.
„ Acngstlich ", heisst es da ,, warteten wir, etwas von ihm zu
hören, und gaben schon alle Hoffnung auf, dass mehr ein Schiff
aus Japan kommen werde, da die Zeit, zu der sie in diesen Hafen
einzulaufen pflegen, schon vorüber war, als den 2. April, an
einem Mittwoch früh, noch ein Schiff ankam, das nicht nur uns,
sondern die ganze Stadt in eine allgemeine Freude versetzte.
Kaum hörte der Präfekt, dass wir etwas Neues erhalten -hätten,
so schickte er zu mir, als ich eben in der Kirche der Barmherzig-
keit Messe las. Ich ging gleich in die Hauptkirche, wo der
Präfekt, Don Pedro de Silva, meiner wartete, der auf die ihm
mitgeteilten Nachrichten vor I'reude ganz ausser sich war. Er
sagte zu mir, es wäre gut, eine Prozession anzustellen. Ich sagte
es dem Vikar, der nicht weniger erfreut war. Und gleich ver-
sammelte sich das ganze Volk, und der Zug ging zu Unserer
Lieben P>au am Berge, von der Anrufung der Schmerzen
genannt, wo der Pater Vikar, damals Vincentino Riegas, die
Messe von der Mutter Gottes absang. Mit dem Schiffe kamen
vier Japaner, die in dem Hause eines christlichen Chinesen sehr
wohl aufgenommen und von den Portugiesen dieser Stadt sehr oft
eingeladen wurden. Wir unterrichteten sie in unserem heiligen
Glauben, und sie empfingen mit vieler Freude am Auffahrtstage
die heilige Taufe. Zwei davon kleidete der Präfekt und die zwei
andern Pedro Gomez d'Almeida. Der Präfekt war auch der
Taufpate, und der Vikar taufte sie mit vieler Feierlichkeit.
Drei davon kehrten über China nach Japan zurück ; der vierte
aber blieb indessen bei uns, weil er ein grosses Verlangen hat,
Goa zu sehen."
In der gleichen Briefsammlung besitzen wir ein kurzes
Schreiben des P. MelcJdor Gonzalez nach Europa d. d. CocJiin,
23. Januar 155 i. Da heisst es: ,, Wir haben schon Briefe vom
P. M. Franciscus erhalten, die mit gegenwärtigem nach Portugal
abgehen. Er hat mit Gottes Hilfe vielen Nutzen in Japan ge-
schafft. Er schickte einige von diesem Lande nach Malakka
Anfänge der UTissionsarbeit in Kagoshiuia. 143
und Goa, damit sie die christliche Lehre lernten. Dieses Volk
ist sehr emsig und nicht wie unsere Canariner und Malabarer,
die keine Politik haben. Es sind sehr gesittete und vernünftige
Leute, und so hoffen wir, Gott wird da dem Christentum ein
grosses Thor öffnen."
Nach Rom waren die ersten Nachrichten aus Japan noch
im Februar 1552 nicht gelangt, wie wir aus einem von Loyola
an Xavier gerichteten Briefe '^) sehen. Sie waren in Portugal
zurückgeblieben, „ Trotzdem ", schreibt Ignatius, ,, hat es uns
grosse Freude im Herrn gemacht, zu erfahren, dass Sie gesund
in jenem Lande angekommen sind, und dass der Predigt des
Evangeliums ein Thor geöffnet ist. Möge es demjenigen, welcher
es gnädig eröffnet hat, gefallen, durch dasselbe die Völker aus
ihrem Unglauben zu retten und zur Kenntnis unseres Heilandes
Jesus Christus und auf den Weg des ewigen Heiles der Seelen
zu führen."
Die heftigsten Widersacher bei seinem Bemühen, die Seelen
der Japaner auf diesen Weg des Heils zu führen, fand Xavier
naturgemäss in den Bonzen. Wie Cosino Torrcs am 29. September
155 1 der Gesellschaft in Goa schreibt, hatten sich diese anfangs
über die Ankunft der europäischen Glaubensboten gefreut, sehr
bald jedoch ihre freundliche Stellung zu ihnen ins Gegenteil ver-
wandelt. Wie hätte es auch anders sein können ! Wohl hatte sich
Xavier vorgenommen, sich nicht unnötig in Dispute und Zänke-
reien mit ihnen einzulassen, aber er hatte auf der andern Seite doch
auch den entschlossenen Willen, sich unter keinen Umständen
seiner Pflicht zu entziehen, wo die Ehre Gottes und das Heil
der Seelen es erheischte. ,, Ohne Gottes Zulassung, davon sind
wir fest überzeugt, können sie uns nicht den mindesten Schaden
zufügen. Und sollten wir für eine so gute und heilige Sache
unser Leben hingeben müssen, so werden wir dies als die grösste
Gnade Gottes ansehen und denen danken, welche unserm Leben
hier auf P>den, das nur ein beständiger Tod ist, ein Ende machen
I. Bei Bouix pp. 3S8 u. 488 f.
144 Anfänge der Missionsarbeit in Kagoshinia.
und uns den Eintritt ins ewige selige Leben eröffnen. Durch keine
Droliungen und P^inschüchterungcn von seiten derselben werden
wir uns von der Verkündigung der Wahrheit abhalten lassen."
Dass er bei solchem Kampfmut und solch entschiedener Festig-
keit der Gesinnung, wie sie in dieser und anderen ähnlichen
Aeusserungen sich Icundgibt, in seinen Reden keinerlei vor-
sichtige Schonung gegen die Bonzen kannte, lässt sich denken.
Dass er keine Gelegenheit vorübergehen liess, vor den Augen
und Ohren des Volks seine intellektuelle und moralische XTeber-
legenheit über sie zu zeigen, trug natürlich auch nicht dazu bei,
sein Verhältnis zu ihnen besser zu gestalten. Die Feindschaft
der buddhistischen Priester wuchs in dem Masse, als des ,, euro-
päischen Bonzen " Erfolge sich mehrten. Und diese nahmen
zusehends zu, so sehr, dass die Bonzen schon am empfindlichsten
Punkte sich getroffen fühlten, d. h. einen Ausfall in ihren Ein-
künften merkten, Xavier aber bereits ein Vierteljahr nach seiner
Landung voll Hoffnung künftig einzuthuender Ernten seine
Genossen in Goa aufforderte, sich bereit zu halten, da er viel-
leicht in zwei Jahren viele von ihnen einladen werde, nach Japan
zu kommen, ja sogar sich vornimmt, auch die Mitglieder anderer
von Eifer für die Verbreitung des Evangeliums erfüllter religiöser
Ordensfamilien inständig zu bitten, nach Japans Inseln zu eilen,
um ihren Durst nach Seelen zu stillen. ,, Wenn sie auch in
grosser Zahl kommen, so bleibt doch noch für die Bemühungen
und Arbeiten vieler Raum." Den P. Antonio Gomez, dessen
Nachrücken nach Japan Cosmo sehr gewünscht zu haben scheint,
vertröstete er mit der Aussicht, ihn vor Ablauf von drei Jahren
nach Meako oder Bandu zu grossen Aufgaben in der Hochburg
und Festung des japanischen Aberglaubens zu rufen. Dagegen
weist er ihn an, dafür zu sorgen, dass drei andere, die er aus-
drücklich benannte, und an die er selbst mit gleicher Post eine
diesbezügliche briefliche Weisung richtete, ungesäumt sich zur
Reise nach Meako im April des folgenden Jahres vorbereiteten
als erste Verstärkung der kleinen Missionstruppe auf dem ver-
heissungsvollen Arbeitsfelde. Es waren dies P. Gaspard Bar-
Anfänge der Missionsarbeit in Kagosliinia. T45
sacnsf) dessen Versetzung nach Japan er schon März 1549 vor
Antritt seiner eigenen Reise dahin ins Auge gefasst hatte, P.
Balthasar Gago, und Diego de Carvalho, über welch letzteren
das zu Coimbra geführte Register der von dort aus nach
Indien entsandten Väter und Brüder keinerlei Auskunft gibt,
wohl weil er, wie Coleridge 3) vermutet, ein Spanier war und
darum nicht von Coimbra aus nach Indien geschickt wurde.
Aus dem Briefe Xaviers an Gomcz lässt sich nur so viel entneh-
men, dass er die Priesterweihe noch nicht empfangen hatte.
Jedenfalls erschien er ihm wie die beiden Priester vor anderen
geschickt zur Arbeit in Japan, wie man daraus erkennt, dass er
den P. Gomez aufs ernstlichste warnt, einen von ihnen zurück-
zubehalten und durcli einen andern zu ersetzen. Aber nur einer,
Balthazar Gago, kam wirklich nach Japan, Diego Carvalho starb
kurze Zeit, nachdem er den Brief, der ihn dahin rief, empfangen
hatte,4) und was Barzaeus anlangt, änderte Xavier selbst seine
Bestimmung nach seiner Rückkehr.
Der Gesellschaft in Goa berichtet er im Jahre 1 551, dass in
etwas mehr denn Jahresfrist in Kagoshima mehr als 100 Personen
in die Plerde Christi aufgenommen wurden, und, fügt er hinzu,
hätten die übrigen ebenfolls Christen werden wollen, so hätten
sie es, ohne bei ihren Leitern und Verwandten anzustossen, thun
können.
Unter den gewonnenen Bekehrten war die Gattin eines
Beamten des Fürsten. Sonst aber scheint sich die Christenge-
meinde nur aus den Armen und Aermsten rekrutiert zu haben,
die zum Teil auch wohl mehr um empfangener oder zu ge-
wärtigender Almosen willen als aus innerer Ueberzeugung sich
2. Ich behalte die geläufige latinisierte Form des Namens des 1515 zu Goes,
Provinz Seeland in den Niederlanden, geborenen Missionars [Barzaeus) bei, obwohl,
wie W. V. N. Soc. Jesu in seinem Werke „ Caspar Berse of de Ä^ederlaiidscke
Franciscus Xaverins", Rotterdam 1S70 (Voorbericht [•>. VI. VII.) nacligewiesen
hat, die richtige Form des Namens Berse ist.
3. A. a. O. Vol. II, p. 261.
4. OuLANnixi, Historia Societatis Jesu VII, 49.
146 Anfänge der Missionsarbeit in KagosJmna.
taufen Hessen, wie sich daraus eiscliliessen lässt, dass Xavier den
Don Pedro de Silva im Interesse der Ausbreitung des christlichen
Glaubens um Zuweisung \^on Unterstützungsgeldern für die armen
Neubekehrten angeht. ,, Wenn Sie mir so viel Vertrauen schenk-
ten, mich zu Ihrem liiesigen Verwalter zu machen, so glaube
ich Ihnen versprechen zu dürfen, dass ich Ihnen alles mir anver-
traute Geld und Gut mit mehr als hundertHütigen Zinsen
zurückgeben würde. Und dieser Gewinn würde vor allen Gefah-
ren der Reisen und Schiffbrüche sicher sein infolge der zuver-
lässigen Handelsgeschäfte, wodurch bisher noch kein Präfekt von
Malakka einen so reinen und reichen Gewinn erzielt hat. Sie
wünschen zu wissen, was denn das für Handelsgeschäfte seien.
Ich will es Ihnen ohne Umschweife sagen. Entschliessen Sie
sich, uns eine Summe zur Verteilung unter die armen Christen,
welche wir jetzt hier haben und bald haben werden, zur Ver-
fügung zu stellen. Ich verbürge Ihnen dem Worte Christi zu-
folge, dass Ihnen das also angelegte Kapital mehr als hundert-
fältig im Himmel erstattet werden wird, ohne von Stürmen und
Wellen und von der Gewalt und List der Seeräuber zu fürchten
zu haben. Indem ich dies schreibe, fürchte ich allerdings, Sie
möchten augenblicklich nicht besonders geneigt sein, sich in dieses
Handelsgeschäft einzulassen, obwohl es doch keines gibt, das
grössere Sicherheit böte. Weiss ich ja, dass Sie Präfekten von
Malakka bei aller Hochherzigkeit und bei aller Aufmerksamkeit
auf sich darbietenden Gewinn meistens doch diese sicherste und
kürzeste Art, vorteilhafte Geschäfte zu machen, vernachlässigen."
Wären die drei Jesuiten im Besitze des Rirstlichen Wohl-
wollens, dessen sie sich anfangs erfreuten, geblieben, so hätte
das Bekehrungswerk sicher gedeihlichen Fortgang genommen,
und Xaviers Hoffnung, dass leicht die ganze Stadt gewonnen
würde, möchte sich mählich erfüllt haben. Aber die Gunst dieses
Grossen war nicht von Dauer. Er wurde kälter gegen die
fremden Lehrer, hauptsächlich wohl deshalb, weil er ihnen die
Schuld beimass, dass die portugiesischen Schiffe, deren geschätz-
teste Handelsartikel damals noch P'euerwaffen waren, statt zu
Anfänge der Missionsarbeit in Kagoshinia. 147
Kagoshima oder in einem der anderen Häfen seines Gebietes, in
Hirado (von den Portugiesen Firando genannt) im Gebiete seines
Rivalen angelegt und so diesem die Handelsvorteile zugewendet
hatten, auf welche er erpicht gewesen war.
Nun hatten auch die Bonzen, die bisher von Haus zu
Haus gehend die fremden Prediger diskreditiert und ihre Predigt
verächtlich zu machen gesucht hatten, mit ihren Beschwerden
beim Fürsten mehr als bisher Erfolg. Sie hielten ihm vor, wie
unrecht es für ihn wäre, die Religion seiner Väter zu verlassen
und eine fremde anzunehmen, mit einem Gotte, der keinen
anderen neben sich dulde. Der Kult der einheimischen Götter
und die Lehre der Vorfahren würden in Verachtung kommen.
Denn da das christliche Gesetz den japanischen widerstritte, so
würden die, welche jenes annehmen, die heiligen Gesetzgeber
der uralten Satzungen hintansetzen. Dies aber könne nicht ohne
grossen Schaden der Stadt und des Landes geschehen, und er
selber w^erde seiner Herrschaft verlustig gehen. Aus schuldiger
Achtung vor den heiligen Urhebern der durch die fremde Lehre
bedrohten japanischen Gesetze und in seinem eigenen Interesse
wie dem seiner Unterthanen müsse er darum die Todesstrafe
darauf setzen, wenn in Zukunft jemand Christ werden wolle.
Shiina.ou TakaJäsa hatte sicher nie im Ernste Religions-
neuerungen in seinem Gebiete gewünscht. Die Priester der
fremden Religion hatte er aufgenommen und begünstigt einzig
in der Absicht, die Portugiesen dadurch dauernd in seine Häfen
zu ziehen und sich durch den Handel mit ihnen Vorteile zu
schaffen. Da er sich in dieser Erwartung enttäuscht sah, war
er leicht zu bereden, .seine Hand von ihnen abzuziehen, ja sich für
den vermeintlichen Undank durch Unterdrückung ihrer religiösen
Thätigkeit zu rächen. L^ngefahr ein Jahr nach ihrer Ankunft
änderte er offen seine Politik und verbot die Verkündigung des
Evangeliums durch ein den Forderungen der Bonzen entsprechen-
des Edikt.5)
5. MuENSTERBERG a. a. O. S. i8 bemerkt: „Der Fürst von Satsuma soll die
Missionäre nicht geduldet haben, da die Portugiesen Waflen und Handel zum Fürsten
148 Anfänge der ]\Iissio)isarbcit in Kagoslihna.
Wenn er meinte, P. Xavier darum, weil die Portugiesen in
Hirado statt in einem seiner Häfen landeten, grollen zu müssen,
war er gewiss im Irrtum. Die Portugiesen zogen den Hafen v^on
Hirado vor, weil er sich ihnen, wie sie gerade zu dieser Zeit
entdeckten, um seiner leichteren Zugänglichkeit und grösseren
Sicherheit für ihre Schiffe willen mehr empfahl. Gleichwohl ist
die Mutmassung nicht .so ganz von der Hand zu weisen, dass
Xavier anfangs wenigstens hatte durchblicken las.sen, dass es bei
ihm stehe, den Handel der portugiesischen Seefahrer in .sein' Land
zu ziehen, um sich und seinen Genossen dadurch des Fürsten
Protektion zu sichern. Nur zu oft haben auch in der P^olge die
portugiesischen Kaufleute und die Jesuiten in Japan einander in
die Hände gearbeitet. Und dass Xavier sich in Japan ebenso-
wenig wie vorher in Indien hütete, sich in weltliche Dinge zu
mischen, wenn es galt, sie seinen Zwecken dienstbar zu machen,
das zeigen aufs deutlichste zwei Schreiben, die er beide am 5.
November 1549 das eine an den Präfekten von Malakka, das
andere an P. Antonio Gomez richtete.
Im ersteren liest man : ,, Seien Sie versichert, dem, welcher
zuerst das Reich Gottes sucht, werden auch die menschlichen
Vorteile nicht fehlen. Denn irre ich nicht, so werden auch dem
von Biingo und nicht zu ihm brachten. Die ErzähUmg taucht freilich erst im 17.
Jahrhundert auf und mag eine Au.srede der Jesuiten sein, um ihre Misserfolge in
Satsuma zu verbergen. Es ist wenigstens nicht ausgeschlossen, dass dieser mächtigste
Purst Japans überhaupt nichts von den Fremden wissen wollte, weder von den
Handelsleuten noch von den Jesuiten." An diesem Satze ist so gut wie alles falsch.
Nirgends geben die Jesuiten an, dass die Bevorzugung der Häfen von Bungo durch
die Portugiesen den Daimyö von Satsuma gegen die Jesuiten verstimmt habe. Sic
reden vom Hafen von Hirado. Und diese Erzählung taucht nicht erst im 17.
Jahrhundert auf und ist nicht eine blosse Ausrede der Jesuiten, ihre Misserfolge in
.Satsuma zu verbergen. Der Statthalter dieser Provinz, der übrigens zu dieser Zeit
auch nicht der mächtigste Fürst Japans war, war endlich recht sehr darauf erpicht,
die Fremden in seine Häfen zuziehen. Muensterbf.rc's weitere Bemerkung : „Zu
allen Zeiten waren die Satsumaleute die konservativsten und allen Neuerungen
feindlichst gesinnten Männer. Vermutlich liegt darin die Ursache, dass sich der neue
Handel in diesem mächtigsten Reiche auf Kyüshü nicht entwickeln konnte "
erledigt sich danach von selbst.
Anfänge der Missionsarbeit in KagosJiinia. 149
Könige und dem Königreiche, deren Interessen Sie mit so
grosser Treue und Gewissenhaftigkeit besorgen, aus unserer Reise
nach Japan grosse Vorteile erwachsen. NämHch ungefähr zwei
Tagereisen von Meako entfernt Hegt die Seestadt Sakai, welche
der erste Handelsplatz Japans ist. In dieser Stadt werden, mit
Gottes Hilfe, Agenten des Königs von Portugal unschwer das
Recht, sich niederzulassen, erhalten und die P^rlaubnis, Älagazine
zu erbauen zur Niederlage europäischer und indischer Waren, bis
sie gegen dieselben in Müsse die kostbarsten Metalle, Kunstwerke
und sonstige Erzeugnisse des Landes eintauschen können, be-
sonders Silber und Gold, welches beinahe von allen Inseln hiesiger
Gegend in diesem reichsten Hafen zum Verkaufe zusammenfliesst.
Damit diese beiderseits vorteilhafte Handelsverbindung abge-
schlossen werde, will ich dem König von Japan den Rat geben,
einen Gesandten nach Indien abzuordnen, der die zum Leben so
dienlichen Produkte in Augenschein nehme, woran Indien so
reich ist, die Japan aber fehlen. Bei seiner Rückkehr würde
dieser dar.n das Verlangen darnach bei seinen Landsleuten
wecken und sie geneigt machen, die Bedingungen eines Handels-
vertrages anzunehmen ; und so würde ohne Schwierigkeit zwischen
dem Vizekönig von Indien und dem König \'on Japan eine
Uebereinkunft über die Bedingungen des Handels im allgemeinen
und insbesondere über Errichtung einer portugiesischen Zoll-
station in Sakai zu stände kommen."
Was eigentlich mit dem ganzen Ratschlage bezweckt war,
das zeigt das andere gleichzeitig an P. Gomez gerichtete Schrei-
ben. Da weist er diesen an: ,,\\"ährend sich unsere Brüder —
er meint die neuen von ihm nach Japan gerufenen Priester und
Laienbrüder — zur Abreise vorbereiten, wünsche ich, dass Sie mit
dem Vizekönige darüber sprechen, dass er einen Brief an den
König von Japan schreibe und Geschenke beifuge, welche in
seinem Namen ihm mit dem Briefe überreicht werden sollen.
Dies wird dazu dienen, jenen Völkerschaften die Predigt des
Evangeliums zu empfehlen. Kommt zu ihrer übernatürlichen
Kraft noch diese äussere lunpfehlung, so hege ich die Zuversicht-
1 5 O Anfänge der Missionsarbeit in KagosJdnia.
llclic rloffnung, in kurzer Zeit in Japan durcli zahlreiche Be-
kehnnigcn eine bK'ihende christliclie Kirche erstehen zu sehen.
W^eil aber die Lockspeise der Natur eines jeden anzupassen ist,
und auf diejenii^en, welche niit zeitHcheni Gewinn zu rechnen
pflegen, der Hinweis auf den geisthchen Nutzen weniger Ein-
druck macht, so stellen Sie den Verwaltern der königlichen
Finanzen in Indien vor, dass sich ihnen eine sehr günstige
Gelegenheit bietet, aus Japan neue, überaus reiche Einkünfte für
den König zu ziehen. Es wird sich nämlich leicht erreichen
lassen, dass in der Seestadt Sakai, welche der erste Hafen von
ganz Japan ist, den Beamten des Königs von Portugal von der
japanischen Regierung ein Haus zur Niederlage europäischer
Waren angewiesen werde, gegen welche mit grossem Gewinne
das feinste Gold und Silber, das in grosser Menge aus den
Bergwerken Japans gewonnen und nach Sakai gebracht wird,
eingetauscht werden könnte ; ein zugleich dort errichtetes Zollamt
würde von unberechenbarem Vorteile für die königlichen Finanzen
sein. Wenn diese Hoffnung nicht gemacht wird, so fürchte ich
sehr — möge meine Ahnung falsch und irrig sein ! — dass die
königlichen Finanzverwalter Indiens sich nicht bewegen lassen,
ein grosses Schiff im Namen des Königs nach Japan zu entsen-
den, nur um Verkündiger des Evangeliums dahin zu bringen.
Wir werden uns freuen, wenn auch nur bei Gelegenheit Christus
gepredigt wird, und es für Gewinn erachten, wenn das Himmel-
reich wenigstens als eine Zugabe zu zeitlichem Gute betrachtet
wird, und hier, wo die reife Ernte ruft, so notwendige Arbeiter
am Heile der Seelen sicher mit einem Schiffe ankommen können,
das zunächst zur Gründung eines Handelsplatzes bestimmt ist.
Sollte man vielleicht mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Ver-
hältnisse Indiens es nicht für passend halten, einen Gesandten
mit einem Schiffe im Namen des Königs oder Vizekönigs ab-
gehen zu lassen, so könnte sich der Vizekönig um einen seiner
Verwandten oder Freunde verdient machen, wenn er ihm eine
unabhängige Gesandtschaft mit dem Privilegium des überaus
einträglichen japanischen Handels gestattete. Dieser würde, wenn
Anfänge der Missionsarbeit in KagosJnma. 1 5 1
ich mich nicht täusche, crem auf eifjene Kosten einen tüchticren
Kauffahrer zu dieser Reise ausrüsten, von der er mit Wahr-
scheinlichkeit, ja fast mit Sicherheit grossen Gewinn erwarten
dürfte. Da Sie die reichen Kaufleute von Goa, ihre Verhält-
nisse und ihre Wünsche kennen, so überreichen Sie einem der-
selben, oder überhaupt allen, denen Sie es dienlich glauben,
beifolgendes Verzeichnis von Waren, an denen Indien Ueberfluss
hat, und die hier sofort um hohen Preis Absatz finden werden,
um dadurch in ihnen das Verlangen zu wecken, in Japan Ge-
winn zu machen, was zugleich der Religion zu gute kommen
wird. Das Schiff, welches hierher kommt, muss möglichst viel
von diesen Waren mitbringen. Wenn der Herr sich selbst nicht
der Gefahr der Reise auszusetzen wagt, so möge er einen Ver-
treter, dem er sein Vertrauen schenkt, senden ; wir unsererseits
werden uns redlich bemühen, zum raschen Verkauf der Ladung
mitzuwirken. Nach unserer gegenwärtigen Kenntnis der hiesigen
Verhältnisse dürfen wir dem Kaufmanne einen überaus reichen
Gewinn versprechen. Wenn Sie bei passender Gelegenheit den
rechten Persönlichkeiten dies mitteilen, so wird sich in der Aus-
sicht auf den Gewinn schon jemand finden, der auf alle Ihre
Bedingungen eingeht, und es steht nicht zu fürchten, dass das Schiff
nicht fest genug sei ; da er ihm so viele Waren anvertraut, so
wird er schon Sorge tragen, dass es mit allem wohl ausgerüstet
sei, und wir werden den Vorteil haben, dass die Verkündiger des
Evangeliums auf diesem Schiffe möglichst sicher hierher kom-
men, wo sie so notwendig sind. Da haben P>uer Hochwürden
meinen Gedanken über die bestmögliche Art der Ueberfahrt
der Unsrigen von Goa hierher. Ich füge ausserdem noch bei,
was ich aus Erfahrung weiss. Will einer die Fahrt hierher
möglichst sicher und schnell machen, so muss man im April von
Goa und im Juni von Malakka abreisen. Deshalb drängen Sie,
dass das Schiff, welches hierher kommen soll, mit seiner ganzen
Ladung und mit reichlichem Proviant und Vorräten jeder Art
versehen, an den bezeichneten Terminen zu Goa und Malakka
unter Secrel ccehc. Auch sollen die Besitzer des Schiffes sich auf
152 Anfange der lilissionsarhcit in Kagoshima.
keine Weise verleiten lassen, auch nur für kurze Zeit in den ILifen
von China an/Ailegen, sei es unter dem Vorwande, dort vorteilhafte
Geschäfte zu machen oder Vorräte einzunehmen, welche von
anderswo ausreichend besorgt werden müssen ; ebenso sollen sie
auch an den unterwegs liegenden Inseln sich nicht des Handels
wegen aufhalten, sondern nur, wenn notwendig Wasser einge-
nommen werden muss, was ebenfalls möglichst rasch geschehen
soll. Will man nicht grossen Gefahren sich aussetzen, so sei
man überzeugt und glaube denen, welche die Erfahrung ge-macht
haben, dass man von Malakka direkt und ohne Unterbrechung
die Fahrt nach Japan machen muss. Thut man es nicht, so
läuft man, abgesehen von dem nachteiligen und langweiligen
Aufenthalte, die grössten Gefahren. Wie viel Zeit aber verloren
geht, sehen Sie, wenn Sic nur die Dauer der beiden Fahrten
vergleichen. Im günstigen Falle dauert die direkte Fahrt von
Goa nach Japan vier und einen halben Monat ; legt man aber
in China an, so gelangt man kaum in siebenzehn Monaten von
Malakka nach Japan. \Veil ich aber weiss, wie leicht die Aus-
sicht auf einen augenblicklichen Gewinn die Habsucht der Kauf-
leute bestechen kann, ihren Plan unbjkümmert um ihre Verspre-
chungen plötzlich zu ändern, so würde ich es für gut halten,
ihnen durch eine gewisse List die Gelegenheit, in China Geschäfte
zu machen, zu entziehen, indem Sie dahin wirken, dass der
Kaufführer nicht mehr Pfeffer lade, als durch den Handel in
Japan mutmasslich abgesetzt werden kann. Sonst wenn sie
wissen, dass sie von dieser Ware einen solchen Vorrat führen,
dass noch genug für Japan übrig bleibt, wenn auch ein Teil in
China abgesetzt wird, so werden sie in der Nähe der chinesischen
Häfen sich kaum enthalten können, ihrer Habgier nachzugeben
und die Fahrt zu unterbrechen, wenn das Wetter auch ent-
schieden abrät und die Matrosen Gegenvorstellungen machen.
Wenn darum die Ladung von dem Schiffe, welches unsere Patres
benutzen werden, eingenommen wird, so bewegen Sie diejenigen,
welche darüber zu bestimmen haben, dass nicht mehr als achtzig
Kisten Pfeffer verladen werden. Soviel kann zu Sakai rasch
Anfänge der Missionsarbeit in Kagoshima. 153
und mit grossem Vorteile verkauft Averden. Noch eine andere
Vorsichtsmassregel möchte ich Ihnen anraten, damit desto leichter
die Habgier der Schiffsherren in Schranken gehalten werde.
Bitten Sie nämlich den Herrn Vizekönig, der Ihnen gewiss will-
fahren wird, dass er in dem Schriftstück, wodurch er dem Kapitän
die Sorge für die Ueberfahrt der Unsrigen nach Japan empfiehlt,
ausdrücklich beifügen wolle, er verbiete durchaus, des Flandels
wegen in den Häfen von China anzulegen, weil der i. August
der äusserste Termin für die Fahrt von China nach Japan ist.
W'enn man nicht wenigstens an diesem Tage abreist, von dem
an die Passatwinde noch ungefähr einen Monat wehen, so halten
diejenigen, welche mit den Verhältnissen des dortigen Meeres
bekannt sind, es für unmöglich, noch in dem Jahre nach Japan
zu kommen, es sei aber klar, dass die, welche gegen Ende Juni
von Malakka abfahren, wenn sie wegen Handelsgeschäften sich
in den Häfen von China aufhalten, nicht am i. August zur
Weiterfahrt bereit sein werden ; der notwendige Aufenthalt in
China schneide die Gelegenheit zur Reise nach Japan ab und
zwinge, bis zum folgenden Jahre auf die Wiederkehr des Monsuns,
eines für die Ueberfahrt nach Japan günstigen Windes, zu warten,
der nur zu bestimmten Zeiten weht. Weil dies der Verkündi-
gung des Evangeliums, welche dem Könige vor allem am Herzen
liegt, sehr nachteilig sein würde, so müsste der Vizekönig er-
klären, dass, Aver ein solches Vergehen sich zu schulden kommen
lässt, derselben Strafe unterliege wie diejenigen, welche sich
einem königlichen Befehle mit Wissen widersetzen, da er sich
zur Ueberfahrt der Patres nach Japan unter der ausdrücklichen
Bedingung direkter und ununterbrochener P^ahrt verpflichtet habe;
hätte er diese nicht eingegangen, so würde er (der Vizekönig)
nach des Königs Absicht dieselben dem Kapitän eines andern
Schiffes anvertraut haben."
Zum Erweis, wie immer die Politik in Xaviers Gesichtskreis
blieb, darf hier an ein anderes noch erinnert werden, worauf
schon Venxö) hingewiesen hat. Xavier hatte gehört, dass Spanien
6. VENN-H0FFJLA.NN, Franz Xavier. Ein iveltgeschichtliches Missionsbild.
Wiesbaden 1869. S. 235.
154 Anfänge' der JMissionsarhcit in KagosJiinia.
ein Auge auf die ,, Silbcrinseln " Japan geworfen habe. P>
mahnt (Goa, 6. April 1552) Simon Rodriguez, dahin zu wirken,
dass der König und die Königin von Portugal dem Kaiser und
König von Spanien, Karl V., schrieben, wie unmöglich es sei, mit
einer Flotte von Neuspanien nach Japan zu gelangen. Er hatte
bereits selbst in diesem Sinne an den König geschrieben, wünschte
aber die Sache durch die portugiesischen Hoheiten in Erinnerung
zu bringen. Er ermächtigt Simon Rodriguez zu erklären, dass
Schiffe aus Mexiko, nachdem sie den Ozean durchsegelt,- keine
Häfen in Japan finden, sondern durch Stürme und Felsen unter-
gehen würden, dass, selbst wenn es gelänge, in Japan zu landen, die
Truppen in den unfruchtbaren Eilanden verhungern müssten, ja
dass, wenn sie unter dem Vorwande friedlichen Handels in einen
Hafen einliefen, die ebenso kriegerischen als habsüchtigen Japa-
ner sie samt und sonders niedermachen würden. ,, Es war nicht
der freie, offene Charakter des christlichen Missionars ", bemerkt
hiezu Venn, ,, sondern der des schlauen Diplomaten, der den
Xavier so über eine spanische Unternehmung sprechen liess,
während er eine portugiesische in jeder Weise anriet."
Gewiss wird niemand, der ihm gerecht werden will, Xavier
Falschheit zutrauen, wenn er versichert, dass er nur die eine
Absicht habe, die Japaner zur Erkenntnis Christi und zum
Glauben an ihn zu führen. Er täuschte sich auch nicht etwa in
sich selbst, wenn er schreibt : ,, Er selbst, der alle unsere Ge-
danken und Absichten kennt, ist mein Zeuge, dass wir nur
seinetwegen in diese Gegenden gekommen sind, und um die
Seelen aus der langen Knechtschaft des Teufels zu erretten."
Aber nach den absichtlich in grosser Ausführlichkeit mitgeteilten
Briefauszügen, die keines Kommentars bedürfen, ist es wohl auch
schwerlich noch geboten, die Vermutung weiter zu begründen,
dass wenigstens die Möglichkeit sehr nahe liegt, dass Xavier
wirklich beim Fürsten von Satsuma die Hoffnung erweckt hatte,
in welcher derselbe sich nun mit Verdruss getäuscht sah. Und
hätte er es nicht selbst gethan, so liess er es doch ruhig ge-
schehen, dass Anjiro und dessen beide getaufte Diener aus-
Anfänge der Missiousaröeit in KagosJiima. 155
streuten, dass er in hohem Ansehen bei den Kaufleuten stehe
und viel über sie vermöge. Dies wird schon von Maffei und
TuRSELLixi zugegeben.
Die Hoffnung, den Fürsten umzustimmen, musste aufgegeben
werden. Der Erlass gegen die fremde Lehre und ihre Ver-
kündiger bheb in Kraft. Das war ein harter Schlag für die letz-
teren. Sie konnten ihre Zeit nur mehr auf die Erlernung der
japanischen Sprache und auf den Unterricht der bereits Bekehrten
verwenden. Neue am Ort zu gewinnen war nicht mehr möglich.
,, Es ist den Japanern ganz klar ", meint Xavier, ,, dass die
christliche Religion die wahre, dagegen die von den Vätern
ererbte falsch ist ; aber die Furcht vor dem Könige schreckt sie
von der Annahme der christlichen Religion zurück." Als er
sah, dass der Fürst der Stadt seinem Wirken durchaus entgegen
sei, beschloss er gegen Ende des Jahres (1550), sich anderswohin
zu wenden.
Bevor er seine erste Wirkungsstätte, wo nach seinem eigenen
Zeugnis die P^inwohner grosse Freude gezeigt hatten, die ihnen
neue Lehre kennen zu lernen, verliess, befahl er die Neophyten, die
ihn mit Schmerz scheiden sahen und ihm in ihrer ausserordent-
lichen Liebe unter Thränen Dank dafür sagten, dass er ihnen mit
so vieler Alühe den Weg zum Heile gezeigt hatte, der Obhut
ihres Mitbürgers Anjiro, der, selb.st ein „ausgezeichneter Christ",
wohl geschickt war, sie in der christlichen Lehre weiter aus-
zubilden. Er stand der Gemeinde vor, bis auch er, vermutlich
ebenfalls den Bonzen, weichen musste. Die einzige und darum
unkontrollierbare Nachricht, die wir noch über ihn erhalten, gibt
Mendez Pinto^) nach welchem er, nach etwas mehr als fünf Mo-
naten von seinen Landsleuten verdrängt, nach China gegangen
und dort in Liampo von Räubern ermordet worden wäre. Aber
die kleine Herde der von Xavier Getauften — nach Pages (p. XC)
300, nach Tursellini, der offenbar Pintos Angabe folgt, gar 800,
während Cosnio Torres in einem Briefe vom 29. September 155 1
7. Kap. CCVIII.
I
156 Anfänge der MLssionsarbcit in Kagosldnux.
nur von „einigen Neubekehrten dieses Ortes "spricht und Xavier
selbst nacli Goa schreibt : ,, Innerhalb dieses Zeitraumes [von
mehr als einem Jahre] wurden mehr als 100 in die Herde Christi
aufgenommen " — harrte auch ohne Hirten aus. Pagi-:s und andere
berichten, dass Xavier den Katechismus für ihren Gebrauch habe
drucken lassen. Das ist nicht richtig. Wohl war die Druck-
kunst seit Jahrhunderten in Japan bekannt,^) und Xavier hatte
an Vervielfältigung seines Abrisses durch (fi'^w Druck allerdings
von Anfang an gedacht. Aber seine Absicht wurde iit dieser
Zeit wenigstens noch nicht zur Ausführung gebracht. Anzuneh-
men ist jedoch, dass er den Katechismus, wohl auch Gebets-
formeln und anderes, was er zum Zweck der Unterweisung von
seinem japanischen Gehilfen hatte aufzeichnen lassen, in Ab-
schrift zurückliess, wie Pinto 9) berichtet. Und wie späterhin an
anderen Orten, wo die Missionare nicht ständig sein konnten,
so übernahm wohl auch hier in Kagoshima nach Anjiros Ent-
fernung einer der reifsten Neubekehrten die Pflege der andern.
Anstatt zusammenzuschmelzen, wuchs die Gemeinde sogar trotz
Bonzenanfeindung von 100 Seelen in den nächsten Jahren auf
500, wie Alcaccva in Goa der Gesellschaft in Portugal in einem
1554 nach seiner Rückkehr aus Japan geschriebenen Briefe
meldet. Als 1561 ein Jesuitenfrater nach Kagoshima kam, fand,
er zu seiner Freude noch trotz so langer Verwaieung eine
gläubige Gemeinde.
Xavier hatte Recht behalten. Die Erfahrungen, die er
während des ersten Jahres seines Aufenthalts im Lande machte,
hatten ihm bestätigt, was er in seinen ersten Nachrichten aus
Japan als vorläufigen P^indruck in die Worte gefasst hatte :
„Vom Volke selbst scheint uns keine Gefahr zu drohen, es sei
denn, dass es von den Bonzen gegen uns gereizt werde ".
cS. Vgl. E. Satow, On the Eaiiy History of Printing in Japan. (T. A. S. J.
\'ol. X. l'art I) und Furiher A'oies on Movabk Typcs in Korea and Early Japanese
Prinlcd Books (Ibid. Vol. X. Part II)...l''crncr E. S.VTOW, The Jesuit Mission
F'ress in Japan. i888 (privat ely printed).
9. Kap. CCVIII.
Anfänge der Mtssionsarhcit in KagosJiiina. 157
Uebcr das Volk im Ganzen hatte er fast enthusiastisch
sich geäussert : ,, Das Volk, mit dem wir umgegangen sind,
übertrifft an Frömmigkeit alle übrigen neuentdeckten Nationen,
so dass ich glaube, es gebe keine barbarische Nation, welche
den Japanern an natürlicher Güte gleichkommt. Sie haben einen
leichtfassenden, offenen Geist und sind sehr begierig nach Ehre
und Ansehen ; die Ehre ziehen sie allem Uebrigen vor. Manche
sind zwar arm, jedoch gereicht die Armut niemanden zur
Schande. Sie haben einen Brauch, der vielleicht nirgends bei
den Christen varkommt. Den dürftigen Adeligen wird von den
Uebrigen nicht weniger Ehre erwiesen als den reichen ; und
niemals lässt ein Adeliger sich herbei, wenn er auch noch so
arm und dürftig ist, eine Ehe auch mit der reichsten Bürger-
lichen einzugehen ; so weit steht der Reichtum bei ihnen an
Achtung gegen die Ehre zurück. Unter einander sind sie sehr
höflich. An Waffen haben sie grosse P^-eude und setzen auf
dieselben grosses Vertrauen. Alle, Vornehme und Geringe,
gehen immer mit Schwert und Dolch umgürtet aus, selbst
Knaben von vierzehn Jahren. Wie die Bürgerlichen grosse
Achtung vor den Adeligen haben, so rechnen diese es sich zur
Ehre, den Königen und Fürsten zu dienen und aufs Wort zu
gehorchen. Und es scheint mir, dass sie dies mehr aus Ehr-
geiz als aus Furcht vor den Machthabern thun, um nämlich
nichts von ihrem Ansehen zu verlieren. Im Genüsse von Speise
sind sie massig, nicht so im Trinken. Sie bedienen sich einer
Art Wein, der aus Reis gepresst wird ; anderen Wein gibt es
nämlich in diesen Gegenden nicht. Vor Würfelspiel und anderen
Spielen haben sie einen wahren Abscheu, weil die Si)ieler nach
fremdem Gut begehren unB von der Gewinnsucht zur Leiden-
schaft des Stehlens kommen. Wenn sie schwören, was übrigens
sehr selten geschieht, so thun sie es bei der Sonne. Die
meisten können lesen und schreiben, was zur Erlernung der
gewöhnlichen Gebete und der Hauptlehren unseres Glaubens
sehr förderlich ist. Sie leben in der Ehe nur mit einem Weibe.
Diebe kommen unter ihnen wenig vor, wohl wegen der strengen
158 Anfänge der Missionsarbeit in KagosJiinia.
Strafen, v/clchc auf den Diebstalil stehen ; alle Diebe werden
nämlich mit dem Tode bestraft ; darum hassen sie jede Art
von Diebstahl. Sie sind von Natur sehr zur Sittlichkeit geneigt
und überaus wissbegierig. Reden über Gott und göttliche Dinge
hören sie sehr gern, zumal wenn sie das, was gesagt wird,
hinreichend verstehen. Ich habe noch nie weder unter Christen
noch unter Heiden ein Volk gesehen, welches einen so grossen
Abscheu vor dem Diebstahl hat.
Von Dingen, welche mit der Natur und Vernunft ifberein-
stimmen, hören sie gern reden. Obwohl sie von Sünden und
Lastern nicht frei sind, so stimmen sie doch leicht zu, wenn
man ihnen nachweist, die Sünden seien gegen die Vernunft, und
erklären sich bereit, der Vernunft zu gehorchen."
Ganz anders lässt er sich schon nach nur kurzem Aufenthalte
über die Bonzen vernehmen. So entzückt er vom Volke spricht,
so wenig Gutes weiss er von seinen Priestern zu sagen. Als
ihr Hauptlaster bezeichnet er unverhohlene grobe Unsittlichkeit
im Verkehr mit den Nonnen und Missbrauch der ihren Klöstern
zur Erziehung anvertrauten Söhne der Vornehmen zur Sünde,
ein Laster, das durch lange, abstumpfende Gewohnheit so gemein
unter ihnen geworden sei, dass sie sich dessen nicht einmal
mehr schämten und auf die ernstesten Zureclitweisungen nur mit
Lachen und Spottreden erwiderten. Von den übrigen Irrtümern
der Bonzen, die zu seiner Verwunderung trotz ihres offenkundi-
gen Lasterlebens dennoch beim Volke in Achtung standen, will
er nicht reden und bemerkt nur, dass von ihnen gelte : Je
gelehrter, je verkehrter. Zwar rühmt er übereinstimmend mit
der schon erwähnten Briefaussage Cosmo's in seinen ersten Schrei-
ben nach Indien und Europa auch ihnen nach, dass sie ebenso
wie die Laien gerne mit ihm und .seinen Genossen umgingen
und sie bewunderten, dass sie von Portugal nach Japan — eine
Entfernung von mehr als 6000 Stunden — gekommen seien, einzig
in der Absicht, mit ihnen über göttliche Dinge zu reden und
durch Verl<ündigung der Lehre Christi den Irrenden den Weg
zum Heil zu zeigen, eine Absicht, die ihnen nur von Gott
Anfänge der Misslonsarbcit in KagosJnnia. 1 59
eingegeben sein könne. Xavier hatte sogar im Anfang häufig
einzehie von ihnen, die durch ihre Gelehrtheit hervorragten, auf-
gesucht, einerseits wohl um iiire Philosophie kennen zu lernen,
andererseits weil ihm bei dijin Ansehen, das sie beim Volk ge-
nossen, daran liegen musste, auf gutem Fusse mit ihnen zu
stehen. Freilich den einen, den er besonders herv^orhebt, hat
er, so scheint es, irrtümlich dem geistlichen Stande zugerechnet.
Er sagt, dass er, gleichsam der Bischof der Bonzen, wegen
seiner Gelehrsamkeit, seiner höheren priesterlichen Würde und
wegen seines hohen Alters — er war schon 80 Jahre alt — von
allen geachtet und geehrt wurde. Er fügt hinzu, dass er den
Ehrennamen Xinxit getragen habe, und übersetzt denselben mit
,, Herz der Wahrheit". In der Form, wie er den Namen wie-
dergibt, klingt er an Negi an, einen an Kannushi verliehenen
Amtstitel, und so könnte man geneigt sein, in dem Greise einen
Priester der Shintöreligion zu erblicken. Aber wahrscheinlicher
als dies wäre doch, dass er gewesen, wofür ihn Xavier nahm,
ein Bonze. Wenn die Bedeutung seines Ehrennamens, den er
leicht falsch gehört haben kann ,, Herz der Wahrheit " war, so
möchte dieser in W^irklichkeit SJiinsJän (zusammengesetzt aus >jj»
iJdn ,, Herz " und m. shin ,,\Vahrheit ") gewesen sein. Bedenken
hiegegen erweckt indessen dies, dass Xaviers Ninxit gar zu wenig
an SJnnsJnn anklingt, und ferner, dass in den japanischen Quellen,
die für die Geschichte von Kagoshima in Betracht kommen, 1°) ein
Gelehrter dieses Namens nirgends vorkommt, was doch auffallend
wäre, wenn er in solchem Ansehen stand, wie Xavier sagt. Dage-
gen findet sich ein Vornehmer von Kagoshima erwähnt, der als
Nissin-Scijin in Achtung stand. Nissin klingt an Xaviers Ninxit
an. Seij'in (^- A) ist schwer genauer zu erklären. Mit ,, der
Weise " ist es nicht ganz adäquat übersetzt, denn es bedeutet
einen Mann von ausserordentlicher intellektueller Begabung und
zugleich makelloser moralischer Lebensführung, wie es denn
10. Es sind dies die P.ücher SIntiiazu Kiiki ; CJiTigokii-CJiirnuId ; Kagoshima-
G'iuaisJii ; ausserdem das aus So Büchern bestehende, aber novellistisch gehaltene
und darum wenig zuverlässige Kansei-Intokti-Taiheiki.
l6o Anfänge der Missionsarbcit in Kng-oshinia.
in der rcliu,"iöscn Sprache, hier SJiuiiin ausgesprochen, die Jkzeicli-
nung für einen ,, Heiligen " ist. ]'^s ist nicht unwahrsclieinhch,
dass man Xavier auf Ik^fragen den Sinn des japanischen Wortes
gab, indem man es umschrieb, und dass er dies dann im Portu-
giesischen mit ,, Herz der Wahrheit " am entsprechendsten aus-
zudrücken glaubte. Nissin-Seijin war der Vater Takahisa's,
des regierenden Herrn von Satsuma. Sein Alter lässt sich,
da der Stammbaum der Familie seinen Geburtstag nicht angibt,
nicht mit Sicherheit ausmachen; aber soviel lässt sich, da i549
sein Sohn Takahisa 35 Jahre alt war, doch sagen, dass er
mindestens 55 Jahre alt gewesen sein muss, aber auch 80 ge-
wesen sein möchte. Das Wahrscheinliche ist, dass er in Wirklich-
keit jünger war und sein Alter von Xavier nur so hoch geschätzt
wurde. Er war nun allerdings kein Bonze, sondern ein hervor-
ragender Gelehrter d. h. ein Kenner der chinesischen Klassiker.
Aber das zurückgezogene Leben, das er führte, seine Gelehrten-
kleidung und sein Verkehr mit gelehrten Bonzen wie z. B. mit
Kenuan von Midkokn-ji mochten Xavier verleiten, ihn selbst fiir
einen solchen zu nehmen. Er stand zu Kagoshima in hoher
Achtung sowohl wegen seiner Verwandtschaft mit dem Daimyö
als auch wegen seiner Gelehrsamlceit. Alles das macht es sehr
wahrscheinlich, dass man ihn für den Ninxit zu halten hat, dessen
Xavier Erwähnung thut. Er erzählt, dass er den ehrwäirdigen
Greis bei einer Unterhaltung über die Unsterblichkeit der Seele
sehr ungewiss gefunden ; sehr schwankend habe er dieselbe bald
behauptet, bald verworfen. Auch dies legt die Vermutung nahe,
dass ihn Xavier fälschlich für ein Glied der buddhistischen
Hierarchie gehalten hat. Von ihm schreibt er : ,, Es ist merk-
würdig, wie dieser Greis mich lieb hat". Einem Gelehrten wie
Nissin-Seijin konnte natürlich der Umgang mit einem Genossen
von einer andern, den Japanern bis dahin unbekannten Welt nur
angenehm sein, und es wäre nicht abzusehen, was einem guten
Einvernehmen zwischen beiden hätte im Wege stehen sollen.
Ganz anders war es mit den Bonzen. Da ging es, wie Xavier
es vorausgesehen ; sobald er angefangen, ihnen das Evangelium
Anfänge der IMissionsarbcit in KagosJiima. [6i
zu verkünden, ihre Lehrirrtümer zu widerlegen, ihr Lasterleben
zu strafen, und sobald Erfolg sich anliess, die J\Iühe der Fremd-
linge zu krönen zum Schaden der eingeborenen Priesterschaft,
da wandten sich die gereizten Geister wie ci)i Mann gegen sie.
Die europäischen Bonzen mussten den japanischen weichen.
Freilich, viel länger hätte sich der ruhelose Apostel wohl
auch ohne Bonzenfeindschaft und Fürstenungnade nicht in Kago-
shima aufgehalten. Er hatte von Anfang an gedacht, nicht
länger als sieben ]Monate d. h. bis zum Eintreffen günstigen
Fahrwinds da zu bleiben. Er strebte weiter. Seiner Ungeduld
konnte es nicht rasch genug vorwärts gehen. ]\Iit grösseren
Plänen trug sich bereits sein Geist. Im ersten Schreiben nach
Indien schon spricht er von seiner Absicht, an die berühmtesten
Universitäten Europas ein Rundschreiben zu richten mit der
Bitte, die tüchtigsten Arbeiter auf das wichtige Arbeitsfeld zu
senden, wo die Wirksamkeit an den berühmten von je 3500
und mehr Studenten besuchten Akademieen in Bandu, Mcako
und den in geringer Entfernung von Meako gelegenen Coyan,
Negni, Fisson {Frcrnyanid), Hoiuian. ") Priester von gründlicher
und vielseitiger Bildung erfordere. Seine Gedanken gingen sogar
schon über Japan hinaus. Der unternehmungsfrohe Mann dachte
über Japans Millionen hinweg schon an die Millionen Chinas.
,, Es heisst", so schreibt er, ,, der Zutritt zu China stehe offen,
ohne dass Unbilden von selten der Eingeborenen zu fürchten
seien, wenn man nur einen Geleitsbrief des Königs von Japan
habe, und wir hoffen zu Gott, dass derselbe uns gewogen sein
II. ^lit Bandu ist Kioaniö, mil. der dortigen Akademie der Ilon-san-teiiipel
der /?<?/;-Sekte in Kamakura, und mit Mcako natürlich die kaiserliche Hauptstadt,
das heutige Kyoto, gemeint. Coyan ist der Berg Köva-san in der Provinz Kii,
auf welchem das berühmte, im Jahre 8l6 von Köbö Daishi gegründete Kloster
Kongöbushi steht ; Negru ist das gleichfalls in Kü gelegene N'egcro mit seinen dem
Fudö geweihten Tempel-und Klosteranlagen, die zwei Hügel bedeckten. Bei Fisson
ist wohl an die DaijingüAzxw^A von he zu denken. Homian endlich ist wahr-
scheinlich mit Atsiita in Öwari zu identifizieren, was gewöhnlich JMiya oder mit
\'oransetzung eines Ö, um den Respekt vor den dortigen, 686 gegründeten Shintö-
lleiligtümern auszudrücken, Oniiva genannt wird.
102 Anfänge der Missionsarhcit in Kagosliima.
werde ", lu' hatte gehört, der ,, KiMiig v'on Japan " sei mit dem
Kaiser von China befreundet und besitze als Zeichen dieser
I'^reundschaft einen Ring und ein Siegel des Kaisers, um den von
Japan nach China Reisenden einen mit kaiserUchem Insiegel
versehenen Geleitsbrief mitgeben zu können. Auch darum er-
schien es ihm nichtig, die Residenz des japanischen I ferrschers
aufzusuchen.
ZEHNTES KAPITEL.
Gemeindegründung in Hirado.
Anfang September, 0 nach einem Aufenthalte von etwas über
einem Jahre, brachen die Missionare zusammen von Kagoshima
auf, um einen günstigeren Boden für ihre christHche Verkündi-
gung zu suchen. Ilu' nächstes Reiseziel war das weiter im Norden
gelegene Eiland Hirado. Was ihnen die Ungnade des Daimyö
von Satsuma zugezogen, das Einlaufen der portugiesischen
Kauffahrer in den Hafen von Hirado, das eben musste sie auf
freundliche Aufnahme dort rechnen lassen. Auch lag es ja nahe
genug für sie, zuvörderst den Ort aufzusuchen, den einzigen in
Japan, wo sie eben Landsleute befindlich wussten, umsomehr
als diese Briefe für sie aus Europa oder Lidien mit sich gebracht
haben mochten, die besonders Xavier stets mit Ungeduld
erwartete.
Von der Wanderung nach dem Eiland erfahren wir durch
die Reisenden selbst kein Wort. Es ist einzig ein Brief von
Frater Liidivig Alincida, geschrieben am 25. Oktober 1562, also
zwölf Jahre später, aus dem man ersieht, dass sie unterwegs sich
einige Zeit an einem Orte aufhielten und dass Xavier daselbst auch
an etlichen Japanern die Taufe vollzog. Auf einer Reise in das
Gebiet von Satsuma, die Almeida von Bungo aus im Dezember
des Jahres 1561 antrat, stiess er, von Akunc (Almeida schreibt
Angund) an der \\'estküste der Provinz Satsuma kommend,
unterwegs auf das Schloss eines Ritters, der nach ihm den Namen
I. Siehe den kritischen Exkurs am Ende dieses Kapitels.
104 Gemcindegn'indiDi;'; 'nt Hirado.
Ekandono oder Hexandono \_Iga-no-kann\ hatte. Er beschreibt
das Schloss, das, 18000 Scliritte von Kagoshima entfernt, auf
einem hohen Berge stand, und sagt, es sei von allen, die er sich
Zeit seines Lebens gesehen vxx haben erinnere, sowohl der Lage
als der Bauart nach das festeste. Ivs sei von zehn Vorwerken
umgürtet, von deren einem /.um andern mau durch Zugbrücken
kommen könne. Diese seien sehr weit von einander entfernt,
die Gräben aber so tief, dass beim Hinuntersehen das Auge sich
in der Tiefe verliere. Lie hVlswände seien mit Eisen ausgehauen,
\\as ihm für IMenschenhände eine fast unglaubliche Arbeit 7X\
sein schien. Y^x erzählt, dass er in diesem .Schlosse eingekehrt
.sei, um die Gemahlin des Burgherrn und vierzehn andere, die
Xavier zu Christen gemacht habe, darunter auch den älteren
Sohn P2kandonos,2) zu besuchen. Wir erfahren ferner durch
Almeidas Brief, dass Xavier ihnen ein Büchlein, worin er mit
eigener Hand die Litanei und andere Gebet.sformeln abgeschrieben,
sowie eine Ikissgeissel zurückgelassen hatte.
Aus dieser Mitteilung Almeidas lässt sich schliessen, dass
Xax'ier mit .seinen Wandergenossen von Kagoshima aus die gute
l'^ahrstrasse einschlug, die heute noch zuerst westwärts nach
Ichiki Minato und dann die W^estküste von Satsuma entlang über
Sendai, Nishikata, x^kune, Kura-no-seto lührt, wo sie vermutlich
ein Boot zur Weiterfahrt nach Ushibuka bestiegen, um von dort
nach Hirado zu fahren, wenn .-^ie nicht etwa von L^shibuka zu
Fuss nach Hondo und Oni-ike gingen, hier nach Kuchinotsu
übersetzten, um von da über das heutige Nagasaki den \\'eg zu
ihrem Ziel zu nehmen. Möglich wäre es allerdings auch, dass
sie die Strasse von Akune bis Kumamoto in der Provinz Higo
verfolgten und von da nach Hirado gelangten. Ende September
oder Anfluig Oktober mögen sie dort angekommen sein. Heute
ist kaimi noch eine Si)ur \-on luu'opäern auf dem Eilande zu
entdecken. Auch vom Schlosse des Daimyö steht nur noch eine
2. P.\c;ks (a. a. O. Tonic I, p. XC) sagt, obwohl er selbst im Anhang zu
seinem Werke die Ouelle, Almeidas Brief, mitteilt, im Widersjirnch zu ihr wie
andere vor ihm, Xavier liabe Gattin, Sohn und 15 andere getauft.
Geinc'üidcgnindiiiig in llirado. 165
INIauerruinc, von der aus sich eine schöne Aussicht bietet. Zu
der Zeit, als die drei ersten Jesuiten dort ankamen, war das mit
der Insel gleichnamige Hirado, von den portugiesischen und
holländischen Seefahrern und von den Jesuiten Firando genannt,
die Hauptstadt der Provinz Hi.zcn, und die von Indien und China
nach Japan kommenden Schiffe hatten eben angefangen, den neu
ausgefundenen günstigen Hafen anzulaufen, wie derselbe denn
bis ins 17. Jahrhundert ein Hauptemporium blieb.
Aus einem Briefe, den Xavier nach seiner Rückkehr aus
Japan von der Insel Sanshan am 12. November 1552 an Jakob
Pereira schrieb, wissen wir, dass zur Zeit, als er mit seinen
beiden Genossen in Hirado ankam, sich im Hafen eben I'ranz
Pereira mit zahlreichem Gefolge aufhielt, und dass ihn diese durch
das Wohlwollen, das sie ihm bezeigten, und durch mancherlei
Liebesdienste zu ihrem Schuldner machten.
Der regierende Daimyö — es war Matsura Takanobu — nahm
die Ankömmlinge sehr freundlich auf und versicherte sie aus den
gleichen Beweggründen wie vorher sein Rivale von Satsuma,
möglicherweise auch diesem zum Trotze, alsbald seiner Huld,
gewährte ihnen auch sofort mit ""rösster Bereitwilligkeit, was
jener ihnen wieder entzogen hatte, die Erlaubnis, in seinem
Gebiete zu predigen und ihre Religion frei auszubreiten. Von
dieser Erlaubnis machten sie ohne Säumen Gebrauch. Xavier
verweilte jedoch nur einige, nach Mendez Pinto 3) mehr als
zwanzig Tage in Hirado. Aber obwohl nach seinem eigenen
Geständnis weder er noch die beiden andern Missionare Japa-
nisch konnten, gelang es ihnen doch, in so kurzer I'rist durch Vor-
lesung ihres halbjapanischen Katechismus und durch iVnsprachen
an das Volk ungefähr hundert Japaner für die christliche Religion
zu gewinnen.
Damit meinte Xavier, den es nirgends lange duldete, am
wenigsten jetzt, ^vo er ganz von dem Gedanken an die Reichs-
hauptstadt und den Kaiser erfüllt war, in Hirado den Grund
3. Kap. CCVIII.
i66 Gcmci)idcgninduiig in Ilirado.
genügend gelegt zu haben. Er bestellte V. Torres, das Gewon-
nene zu erhalten, die Neubekehrten zu pflegen und weiter zu
bauen. Vä selber brach mit Johann Fernandez und mit zwei
christlichen Japanern, die ihm ]'\'ihrer-und Dolmetscherdienste
leisten sollten, Bernhard, seinem ersten Konvertiten in Kagoshima,
und Matthaeus, am 27. Oktober 1550 von Hirado auf. ,, Ihr könnt
Euch denken", schreibt Cosmo de Torres nach Goa, ,, meine
Väter und Brüder, wie mir zu Mute war, zurückgelassen und
von seiner Gesellschaft getrennt zu sein, da ich die grossen
Gefahren und Mühen kannte, die sie zu überstehen hatten ; denn
sie verliessen Firando um das Ende Oktober, wo in dieser Gegend
der grosse Schneefall und der Frost einsetzt. Aber was den
Vater Franciscus anlangt, konnten ihn bei dem Feuer der Liebe
zu Gott, das in ihm brannte, und dem Verlangen, den heiligen
katholischen Glauben zu verkünden, weder P" röste noch Schneestür-
me noch die Furcht vor dem unbekannten Volke abhalten, diese
höchst gefährliche Reise zu unternehmen." Sein Ehrgeiz war
nun darauf gerichtet, das I{!vangelium in die Hauptstadt des
Reichs, das Zentrum japanischer Bildung und Gelehrsamkeit und
die Hochburg des 13uddhismus, zu tragen, von deren Grösse
man ihm schon in Kagoshima Ausserordentliches erzählt hatte :
dass sie mehr als 90000 4) Häuser habe, dass dort ein sehr
besuchtes Gymnasium, fünf vorzügliche Kollegien für Studierende
und mehr als 200 Klöster für Bonzen und andere mönchähnliche
Götzendiener seien, welche man Legioxen nenne, und desglei-
chen für Frauen, welche Hamakuten genannt würden. Er hatte
in Hirado erfahren, wie förderlich die Gunst eines Feudalherrn
der Ausbreitung der christlichen Religion unter seinen Unterthanen
war. Welche Erfolge könnte man sich erst \ersprechen, wenn
der Herrscher des gesamten Reichs dem Christentum günstig
gestimmt und als Schutzpatron der fremden Religion gewonnen
werden könnte ! Also zum Kaiser, zur Hauptstadt ! ubnpli/is,
aiiiplius ! Hatte das Evangelium erst einmal in INIiyako eine
4. Bei CüXlLLAS : 190.C00, nach TURSELLIN gar 900.000.
Gcineiiidcgrnndiing in Hirado. 167
Stätte, dann, so hoffte er, würde es bald, wie einst von Rom
aus, nach allen Seiten seinen lichten Schein werfen und sich
ausbreiten. Und dass er es in Miyako werde pflanzen k(3nnen,
daran zweifelte er nicht. Schon von Kagoshima aus hatte er
dem Präfekten vosi Malakka geschrieben : ,, Ich setze grosses
Vertrauen auf unsern Herrn Jesus Christus, dass ich Ihnen vor
Ablauf von z\vei Jahren schreiben kann : wir haben in Meako
eine Unserer Lieben Frau, der allerseligsten Jungfrau und
Gottesmutter, geweihte Kirche, so dass die, welche in Zukunft
die Fahrt nach diesen Inseln unternehmen, in den schrecklichen
Stürmen des chinesischen Archipels die ,, AUerheiligste Jungfrau
von Meako " anrufen können ".
EXKURS.
Als Datum für Xaviers Aufbruch von Kagoshima nach
Hirado gibt Bartoli {Asia proprianicntc dctta, lib. 3, c. 13)
Anfang September 1550 an. Satow i^Tlic C/iuirh at Yauiagncld
frovi 1550 to ijS6, T. A. S. J. Vol. VII, Part IL Reprint of
1879, p. 140) ficht dieses, übrigens auch von anderen Kirchen-
geschichtschreibern angegebene Datum m. P>. mit Unrecht an, um
„ ungefähr Anfang Juli " dafür zu setzen, da Bartolis Zeitangabc
sich mit den Angaben Xaviers in seinem Briefe nach Goa, d. d.
Amanguchi, 20. November 1550, nicht vereinen lasse. Hier
berichte er, dass er nach einjährigem Aufenthalte in Kagoshima
diese Stadt verlassen habe und nach Hirado weitergegangen sei,
wo er in ein paar Tagen nahezu hundert Konvertiten machte,
um dann über Yamaguchi seine Reise nach der Hauptstadt
fortzusetzen, von wo er nach Yamaguchi zurückkehrte. Satow
lässt Xavier in diesem Brief aussagen, dass er in der Zeit zwischen
seiner Abreise von Kagoshima und dem Tage, wo er seinen
Brief datierte (20. November 1550), 10 Tage in Hirado, ebenso
viele zu Yamaguchi zugebracht, zur Reise nach Kyoto und von
dort zurück nach Yamacruchi 2 Monate G:ebraucht und an letz-
i68 Ciciiiciiidegniiiduiig in llirado.
tcrcm Orte in anderen 2 Monaten 500 Konvertiten bereits gemacht
habe. HiezLi noch 14 Tage rechnend, che er für die beiden
Reisen nach llirado und von dort nach Yamaguchi ansetzt, findet
Satow, dass wenigstens 5 Monate seit Xaviers Aufbruch von
seiner ersten Wirkungsstätte vergangen gewesen sein müssen, als
er am 20. November seinen l^rief nach Goa schrieb, der diese
Angaben enthält, weshalb Bartolis September i 550 eine falsche
Zeitangabe und und in Juli 1550 zu korrigieren sei. Er stützt das
Ergebnis seiner l^erechnung noch durch Berufung auf einen, Brief
Cosmo Torres', in dem es heisst, Magister Franciscus habe
beinahe ein Jahr [aiuiuin fcnnc) in Kagoshima zugebracht, wo
iie zusammen am 15. iVugust 1549 gelandet waren. So berichtet
thatsächlich Torres. Dem steht aber entgegen Xaviers eigene
]\Iitteilung, dass sie über ein gan:zcs Jahr in Kagoshima gewesen
seien, was Satow entgangen zu sein scheint, obwohl es in dem
von ihm angezogenen Briefe steht. Hätte Torres recht, so wür-
den wir auf etwa Anfang Juli geführt. Nimmt man dagegen
an, dass Xaviers Angabe die genauere ist, so erscheint Bartolis
,, Anfang September" richtig. Torres' Aussage, dass sie fast
ein Jahr zu Kagoshima mit einigen Neubekehrten dieses Ortes
zugebracht, leirt zudem die Annahme nahe, dass er nicht die
Dauer ihres gesamten Aufenhaltes, sondern die ])auer ihres
Zusammenseins mit den ersten japanischen Konvertiten, die
doch erst nach einigen Wochen gewonnen wurden, bestimmen
wollte.
Satow hat berechnet, dass seit der Abreise Xaviers von
Kagoshima bis zum 20. November 15 50 wenigstens 5 Monate
vergangen sein mussten. Rechnet man nun von letzterem Datum
,, wenigstens 5 Monate" rückwärts, so kommt man auf den 20.
Juni 1550, nicht auf ,, ungefähr Anfang Juli 1550". Aber
schon die Berechnung der Intervalle auf 5 Monate enthält
Versehen und kommt daher zu einem unrichtigen Resultate.
Für die zwei Reisen nach llirado und von dort nach Yama-
guchi mag man 14 Tage rechnen, Ariewohl diese Zeit sehr kurz
bemessen ist, zumal man doch einen mehrtägigen Aufenthalt
GciiiciiidcgriDidiiiig in Hirado. 169
in der Burg Ekandonos anzunehmen hat. Für den Aufenthalt
in Hirado, von dem Xavier nur unbestimmt sagt, dass er ,, einige
Tage " gewährt, und für den in Yamaguchi, wo er nach seiner
Aussage ,, eine gewisse Zahl von Tagen " blieb, möchte man
auch mit Satow je 10 Tage in Ansatz bringen. Freilich lässt
eine andere Briefäusserung Xaviers, nach der er ,, viele Tage"
in Yamaguchi blieb, einen längeren Aufenthalt an letzterem Orte
wahrscheinlicher erscheinen, wie denn die alten Geschichtschreiber
wohl nicht mit Unrecht von vier Wochen reden ; und auch die
Dauer seines Verbleibens in Hirado betrug wenigstens nach Pinto
(Kap. CCVII) über 20 Tage. Für die Wanderung nach Kyoto
und zurück rechnet Satow 2 Monate, übersehend, dass nach
Xaviers deutlichen Angaben 2 Monate mit der Hinreise allein
vergingen. Für die Rückreise nach Yamaguchi, die er auf dem
Umwege über Hirado machte, einschliesslich der Dauer seines
Aufenthalts in der Hauptstadt, müssen wir zum mindesten wie-
der i^^ ]\Ionate in Anrechnung bringen; und richtig ist, dass
Xavier, als er sein Sendschreiben nach Goa datierte, bereits seit
2 Monaten in Yamaguchi war. Alles addiert, erhielte man also
beinahe 7 Monate als die Zeit, die am 20. November vergangen
sein musste, seit er Kagoshima verlassen, und nicht 5. Das gäbe
als Zeit der Abreise von dort etwa 20. April 15 50. Und auf
dieses Datum statt auf Anfang Juli hätte Satow bei genauerer
Kalkulation von den Briefmitteilungen Xaviers aus kommen
müssen.
Xavier selbst macht in dem in Betracht kommenden Briefe
keine genaue Angabe. Er sagt nur unbestimmt, dass sie ,, mit
Ende des Jahres " {verteilte anno, in der lateinischen Uebersetzung
TuRSELLiX-s) Kagoshima verlassen, eine Angabe, die ohne weiteres
gegen Satow und für Bartoli spricht. Richtig ist die Ik-mer-
kung S.\tows, dass die Angaben, die Xavier in dem Briefe, der
das Datum des 20. November 15 50 trägt, macht, sich nicht
mit dem von Bartoli gegebenen Datum vereinigen lassen ; aber
sie harmonieren, wie gezeigt, ebenso wenig mit dem von ihm
dafür gesetzten Anfang Juli.
170 GcnicindcgriDidimg in Ilinuio.
Ich halte fest an Bartolis Datum. Die Jesuiten landeten
in Japan am 15. August 1549 und blieben nach Xavier in
Kagoshima ütier ein ganzes Jahr, also mindestens bis Anfang Sep-
tember 1550. Dies stimmt nicht zu den Angaben in dem Schreiben
Xaviers, da dieses als Datum den 20. November 1550 trägt.
So bleibt nur die Annahme, dass der Brief falsch datiert ist. Dass
dem wirklich so ist, beweist mir folgendes : Am 20. November
1550 kann Xavier unmöglich schon auf eine zweimonatliche
Thätigkeit in Yamaguchi zurückgeblickt haben ; denn najch der
Angabe des F. Torres, die sich in dem oben zitierten Briefe findet,
verliess er Hirado erst Ende Oktober 1550, und nach seiner eignen
Angabe ging er mitten im Winter 1550 nach Miyako, wo er nach
zweimonatlicher Wanderschaft erst im Februar 1551 ankam.
Wenn er sich dort auch noch so kurz aufhielt, kann er, da er
sich zuerst wieder nach Hirado und erst von dort nach Yama-
guchi zurückbegab, an letzterem Orte günstigsten Falles Anfang
April 155 I angekommen sein. In seinem Briefe vom 29. Septem-
ber 1551 teilt Torres mit, seit Franciscus in die Stadt (Yama-
guchi) gekommen, seien 5 Monate oder noch darüber vergangen.
Das weist auf etwa 20. April 1551 als die ungefähre Zeit seiner
Ankunft in Yamaguchi. Der Brief Xaviers ist dann frühestens
20. Juni 1551 geschrieben. Und dieses Datum etwa ist ihm
zu geben statt des falschen vom 20. November 1550, das er
trägt. 5) Dann aber stimmen seine Angaben auch aufs beste
zu dem von Bartoli gegebenen, von Satow, wie nachgewiesen,
zu Unrecht beanstandeten Datum.
5. Erst nachträglich entdecke ich, dass auch schon der Exjesuit l\(oc:iius)
M(ENCnACA) in der Bologneser Ausgabe der Briefe Xaviers (Proleg. p. CXXII)
Anstand an dem Datum des Briefes nimmt und den Xacliweis unternommen hat,
dass er kaum vor Juli 1551 geschrieben sein könne. I^er französischen Ueber-
selzung der Briefe von Pages, welche SajuW benutzt hat, liegt diese Bologneser
Ausgabe zu Grunde ; aber Pages hat das Datum ungcändert gelassen, wohl weil
ihn Menchacas Gründe nicht überzeugten.
ELFTES KAPITEL.
Aufenthalt in Yamaguchi und Reise nach
der Hauptstadt.
Xavier schiffte sich In Hirado nach Hakata (bei den Jesuiten
Fakata), dem Hafen der Stadt Fukuoka an der Westseite der
Provinz Chikuzen auf Kyüshij, ein und fuhr von da weiter nach
dem auf der Hauptinsel gelegenen Shimonoseki oder, wie es
damals h'ess, Akamagaseki. Er selbst erzählt nichts von dieser
Fahrt. Aber es ist wohl kaum zu zweifeln, dass Torres diese
Reise im Sinne hat, wenn er nach Goa schreibt : ,, Als sie (Xavier
mit seinen Begleitern) zu Wasser zu reisen hatten, über gewisse
IMeerstrecken, gab es viele Piraten, und sie mussten sich daher, um
nicht entdeckt zu werden, unter dem Decke des Bootes verbergen".
Von Shimonoseki aus schlugen sie die Strasse nach Yamaguchi
ein. YamagncJii, heute die Hauptstadt der gleichnamigen
Präfektur und der Provinz Suwö mit nur 3082 Häusern und,
nach dem Zensus vom 25. Jahre Meiji, 14977 P.inwohnern,
war damals die Hauptstadt der Territorien des Fürsten von
Nagato (Chöshü), deren Strassen sich bis gegen die heutigen
Dörfer Mihori, Hikami und N'agano hingezogen haben sollen.
Nach dem japanischen Geschichtswerk Intoku-Taiheiki hatte sie
20000 Häuser. Das ist sicher eine übertriebene Angabe. Aber
auch Torres nennt sie doch in einem Briefe vom 29. September
155 I eine der grössten Städte des Landes, und Xavier sagt, dass
sie, die Residenz eines nach japanischen Begriffen sehr reichen
Königs, mehr als loooo Familien und ebenso viele Holzhäuser
zählte.
Hier hielt er sich für einige Zeit auf. Wie lange, lässt sich
genau nicht sagen ; aber er spricht von „ vielen " Tagen, und
17- AufoUhalt in Yatnagnclu n. Kvisc iiacli der Hauptstadt.
da wir wissen, dass er Ilirado luidc Oktober v^erliess, in Miyako
aber, woliin er zwei Monate l)rauebte, erst im b'ebruar ankam,
niuss man wohl einen Aufenthalt von mehreren Wochen annehmen.
Die Glaubensboten fanden sehr viele aus dem Volk wie aus
dem Adel begierig, die neue Lehre, die sie zu v'erl'CÜndigen hatten,
kennen zu lernen. Sie predigten zweimal täglich auf öffentlichen
Plätzen, d.h. sie lasen Abschnitte aus dem übersetzten Kate-
chismus vor. Einige Vornehme, denen es darum zu thun war,
sich die seltsamen Fremdlinge von nahe zu besehen, luden sie
auch in ihre Häuser ein und versprachen, ihre Religion ohne
Bedenken annehmen zu wollen, wenn sie dieselbe besser als ihre
eigene fänden. Manche hörten sie geneigt an, andere dagegen
mit Widerwillen, von dritten wurde ihnen Hohn und Spott als
Antwort auf ihre Predigt. Xavier aber trat diesen Vornehmen
gegenüber selbst mit Vornehmheit auf P. Melchior Nugnez
berichtet 1558 in einem Briefe von ihm, Franciscus habe die Sünden
und Abgöttereien der Japaner mit solcher Strenge bestraft, dass
der 13ruder Johann P'ernandez, der sein Dolmetscher war, ihm
erzählte, dass er öfters vor Furcht zitterte, wenn der Pater mit
solcher P^reimütigkeit wider \\c\\ immer, auch die Grössten des
Reichs, loszog. P^ernandez wollte es scheinen, dass er oft den
Tod für den Glauben und die Ehre Christi ordentlich aufgesucht
habe. Als einige der Grossen in ihrer eigenen Sprache zu ihm
redeten, befahl er dem P^ernanclez, ihnen in dem nämlichen Tone
zu antworten. Unter Zittern und in gewisser Erwartung des
Todes gehorchte dieser. Dem Zagen bedeutete Xavier, wenn
sie sich nicht höhere Achtung bei den Japanern zu verschaffen
wüssten als die doch so hochgeehrten Landesbonzen, so sei
nicht zu hofien, dass sie ihren Worten glaubten und die christliche
Lehre annähmen. PZs war sein Bewusstsein, ein Gesandter des
Höchsten zu sein, das ihm diesen unerschrockenen Mut gab.
Spott ernteten die beiden P^remdlinge auch beim \'olk von
Yamaguchi. So oft sie durch die Strassen gingen, waren sie der
wilcJen Ausgelassenheit einer Kinderschar und des Pöbels aus-
gesetzt. Höhnend rief man ihnen nach : Seht da, das sind die,
Aufenthalt in YaniagncJii ?/. Reise nacJi der Hauptstadt. 173
welche uns auffordern, das Gesetz Gottes anzunehmen, damit wir
seh'g werden, weil wir ohne den Schöpfer aller Dinge und seinen
Sohn uns von dem Untergang nicht retten können. Seht da, die
Prediger, welche behaupten, es sei Unrecht, mehr als ein Weib zu
haben! ,,So", tröstet sich Xavier, ,, prägten sie sich durch Spott
und Hohn die Hauptlehren unserer heiligen Religion ein ".
Auch zu dem Daimyö drang die Kunde von dem fremden
Priester, der auf dem \\'ege zum Kaiserhofe sei, um eine neue
Lehre zu verki^inden. Nachdem sie einige Tage in den Strassen
Aufsehen erregt hatten, wurde Xavier zu ihm beschieden. Er
forschte ihn aus, woher und wozu sie nach Japan gekommen.
Xaviers Antwort : sie seien PZuropäer, gesandt, um das Gesetz
Gottes zu verkünden, da niemand dem ewigen \'erderben ent-
rinnen könne, der nicht Gott und seinen Sohn Jesus Christus, den
Heiland und P^rlcVser aller Völker, mit aufrichtigem und frommem
Gemüt verehre. Darauf Hess der PYu'st sich das Gesetz Gottes
auseinandersetzen, und Xavier las ihm einen grossen Teil seines
christlichen Manuales vor. Er hörte ihm während der ganzen
Vorlesung, über eine Stunde lang, mit grosser Aufmerksamkeit
zu und entliess ihn sodann, ohne ihm die Erlaubnis zu öffent-
licher Predigt zu erteilen, aber auch ohne ihm etwas in den
Weg zu legen. Indessen, war Xaviers ärmliche Erscheinung
Schuld daran oder sein mangelhaftes Japanisch, er richtete an
diesem Orte nichts aus. W^ohl hörten manche ihn begierig \'om
Leben Jesu erzählen und konnten sich, wenn die Erzählung zu
seinem bitteren Leiden und Sterben kam, selbst der Thränen
nicht enthalten. Gleichwohl wurden nur sehr wenige durch die
Taufe in die Kirche aufgenommen.
Da Xavier sah, dass der lü-folg den aufgebotenen An-
strengungen nur wenig entsprach, setzte er mit Fernandez und
den beiden Japanern seine Reise fort.^) Noch etwa 100 Meilen
lagen zwischen ihnen und der Hauptstadt. Sie zu durchwandern
I. TrRSF.U.iN gibt als Datum des Aufbruchs: Oktober, Crasset : Ende
September, Cn.VRLEVOiX : Ende Dezember, Coleridge : Anfang Dezember 1550 an.
1/4 Aufcntltaltiii Yavmguchi u. Reise iincJi der llaiiptstadt.
brauchten sie zwei Monate. Die eisii^e Wintcrkältc hatte ein-
gesetzt. Der an ein milderes Klima Gewöhnte hatte zum
Schutze gegen sie nichts als seine Pilgrimskutte. Auf rauhen
Wegen, durch Dickicht und über angeschwollene Berggiessbäche
hatten sie zu wandern, von Buben oft mit Steinen geworfen,
und fanden, wie Torres erzählt, wenn sie zur Nachtzeit zu einer
Herberge kamen, tot von Kälte und Hunger und auf die Haut
durchnässt, keinerlei Bequemlichkeit. Melchior Nugnez Hess sich
von Johann Fernandez berichten, dass Xavier, ein ganz apostoli-
sches Leben ftihrend, auch auf dieser Reise nichts ass, als was die
Japaner zu essen pflegen, und ,, was mehr einer Busse als einer
ordentlichen Nahrung glich, die Wurzeln nämlich von gewissen
Kräutern ". Xavier selbst sagt, dass sie auf der Reise viele
Strapazen and Gefahren zu bestehen hatten, weil sie durch Ge-
genden kamen, in welchen der Krieg wütete und in denen sie
oft von Strassenräubern bedroht waren. ,, Allein ", so bemerkt
Melchior Nugnez, ,,je mehr Beschwerden und Ungemach ihm
aufstiessen, desto mehr Freude und Vergnügen verriet der stand-
hafte und unerschütterliche Diener Gottes ". Trotz allen Unge-
machs hörten sie nicht auf, überall zu predigen, und Ciiarlevoix-)
erzählt (ich weiss freilich nicht, auf Grund welcher Nachrichten) :
„ Er war jedoch glücklich genug, einige Kinder zu taufen, die
er sterbend und augenscheinlich ausgesetzt auf der Strasse oder
an den Wegen fand, und die P'reude, welche er empfand, indem er
so diesen unschuldigen Kindern das Himmelreich sicherte, schien
ihm in einem AugJ^nblicke alle seine Kraft wiederzugeben und
ihn alle seine Leiden vergessen zu lassen ".
Xaviers Biographen erzählen von einem Begebnis dieser
Reise, das der Vollständigkeit halber auch hier nicht übergangen
werden soll. Wie es jedoch hergebrachter Weise berichtet wird,
bedarf es sehr der Richtigstellung. Crasset z. B. erzählt die
Geschichte folgendermassen : ,, Als sie sich einstens in einem
grossen Wald verirret, haben sie einen Reuter angetroffen, der
2. Histoire et Descripiion generale du Japon, Tome II, p. 207.
Aiifcntlialt in J ^nnaguclii u. Reise nach der Hauptstadt. 1 7 5
nachen Meako reisete. Xav^erius hat sich anerbotten, er wolle
ihm sein Felleisen trafen und ihm allenthalben folgen, wann sein
Dienst ihme anständig wäre. Der Reuter hat diss für genehm
Cfehalten und Xaverio sein Felleisen auf die Schulter creleg-t,
wodurch ihme dann der Weg gar beschwerlich worden. Der
heilige Mann lauffte ihme nach über Stock und Stauden, wodurch
ihme .seine Füss zerrissen worden, welches dann etwelche Tagreiss
gedauret habe ".3) In einigen Punkten anders, findet sich die
Geschichte auch bei Charlevoix. Nach ihm waren die Wande-
rer bedeutet worden, dass die Gegend, die sie zu passieren hatten,
unsicher sei durch Raubgesindel. Das nötigte sie, einen Umweg
zu machen. Xavier, besorgt, sie möchten sich verirren, bot sich
einigen Kaufleuten, die dieselbe Strasse zogen, zu Knappendien-
sten an, um unter ihrer Bedeckung die Reise nach Miyako zu
machen. Einer der Kaufleute gab ihm, nicht bedenkend, dass
Xavier zu Fuss gehe und mit seinem eigenen Ranzen beschwert
sei, noch sein Felleisen zum Tragen, und nachdem sie immer
im Galopp geritten waren, um Wegelagerern zu entkommen,
hielten sie den vom starken Laufen Erschöpften noch an, für
ihre Pferde Sorge zu tragen. Charlevoix gibt an, so wie er,
verschieden von Früheren, die Sache darstelle, weide sie
von Johann Fernandez, der als Begleiter Xaviers auf jener
Wanderung Glauben verdiene, erzählt. Ich habe in den Brief-
sammlungen keinen Brief Fernandez' finden können, der von
diesem Abenteuer berichtet, und schwerlich hat auch Charlevoix
ein solcher vorgelegen. Auch seine Darstellung, so scheint
es, ist nichts als eine Kombination. Was ich zu finden ver-
mag, und worauf wohl auch diese Kombination sich aufgebaut
hat, ist nur dies, dass P. Melchior Nugnez Barreto in Cochin
im Januar 1558 unter Berufung auf Fernandez' mündliche lu--
zählung nach Europa .schrieb : ,, Oft ging oder lief er in dieser
Kleidung [seiner Pilgerkutte] wie ein Diener hinter Reisenden
her, denen er sich beigesellte, um vor den Räubern sicher zu
3. Nach der 1738 zu Augsburg erschienenen deutschen Uebersetzung, Bd. I,
S. 74 f.
1 7Ö AufcutJialt in ] 'aiiiagitclti ii. Reise nacJt der Hauptstadt.
sein." Coleridi^e 41 zitiert ein Schreiben Cosmo Torres' nach
Goa, dessen Datum er nicht angibt und das ich in den liriefsamm-
Uingen ebenfalls nicht finde, in dem es mit Bezug auf die Reise
nach Miyako heisst : ,,Und wenn sie zu Lande wanderten, ging-
en sie als Diener gewisser berittener Herren und hatten im
Galopp zu laufen, um nachzukommen und ihren Weg nicht zu
\'erlieren." Mendez Pinto endlich erzählt in seiner Reisebe-
schreibung,5) dass gewisse Barrieren nicht ohne Zollabgaben passiert
werden konnten und Xavier, weil ohne ]Mittel, keine andere
Wahl gehabt habe, als sich dem ersten Vornehmen, den er sah,
als Diener anzubieten, um nicht angehalten zu werden. Da der
Japaner ritt, hatte er natürlich hinter dessen Pferde herzulaufen.
Im Februar 155 1 kam Xavier mit seinen Begleitern in
IMijMko an. Seit 794, in welchem Jahre der Hof mit Kwam-
mu-tennö von Nara dahin übersiedelte, 6) war Miyako 7) die
kaiserliche Residenz. Im Jahre 1180 verlegte der mächtige
Minister Kiyomori, nachdem 1177 der Palast durch eine P"euers-
brunst zerstört worden war, den Sitz der Regierung nach I'uku-
wara, dem heutigen Hyögo. Der Hof kehrte jedoch bald
wieder nach Kyoto zurück, um bis zur Restauration der kaiser-
lichen Macht und der Uebersiedelung nach der Shögunats-
residenz Yedo fest daselbst zu bleiben.
4. A. a. O. Vol. II, p. 290.
5. Kap. CCVIII.
6. Bis dahin hatte sich fast jeder neue Mikado innerlialh der fünf Stamm-
jirovin/.eii [Go/ciiiai) eine andere Residenz gewälilt.
7. Mea/co oder J\Iiva/co ist nicht ein Name, sondern bedeutet, wie Xanking
und Peking in Cliina oder Shiuri auf den Liukiu-Insehi, nur soviel wie Metropole.
Das chinesische Aequivalent dafür ist Kyoto, wie die .Stadt heute genannt wird.
Den anderen Xamen .SVr/'/'i'f' ,, westliche Hauptstadt" erhielt sie, seit die Kesidenz
des Kaisers nach der 1590 erriclileten Tokugawahauptstadt Yedo verlegt ward, die
zum Unterschiede von ihr seit 1869 Tö/cyö „östliche Hauptstadt" heisst. (Chari.E-
voix gibt an, Meako bedeute „ c/iosc digue d'eti-e viie ". Diese Erklärung, die in
Wirklichkeit nur eine Volksetymologie ist, hat er wohl von Pinto übernommen,
der in seinem Briefe vom 5. Dezember 1554 an die Scholastiker der Gesellschaft
im Kollegium zu Coimbra auch Meako erwähnt mit dem Beifügen ,,was in ihrer
Sprache sehenswert heisst ").
Atifcutlialt in Vamai^iichi u. Reise )tatJi der I faiiptstadt. 177
Von Kwamnui-tennö erzählt man, er habe der von ihm neu
gegründeten Hauptstadt den Namen Ilciaiijö ,, Friedensstadt "
gegeben. Der Name kam nie in Aufnalime. Er hätte auch
schlecht getaugt für die Stadt, in der nur zu oft des Krieges
Schrecken tobten und verheerende Feuersbrünste wüteten, aus
denen sie in immer kleineren Dimensionen wieder erstand, von
ihrem ursprünglichen Charakter nichts bewahrend als die Regel-
mässigkeit ihrer Strassenanlagen, die noch heute an ihr auf-
fällt. Wie die Stadt, mit dem kaiserlichen Palaste im Zentrum des
nördlichen Distri]^:ts, gegründet wurde, mass sie 17.530 Fuss von
Norden nach Süden und 15.080 Fuss in ostwestlicher Ausdehnung.
Zur Zeit, als Xavier nach Kyoto kam, war sie bereits, obwohl
noch immer mehr als loo.ooo Häuser zählend, nur mehr ein
Schatten ihrer einstigen Grösse, auf welche indessen den Besucher
noch der Umfang ihrer Ringmauern schliessen liess. Er traf
in den Mauern der Residenz eine Unordnung, die an völlige
Anarchie grenzte. Die Strassen hallten wider vom Waffenlärme
streitender Parteien.
Xavier hatte sich schon vorher von den durch lange Bürger-
kriege herbeigeführten Verheerungen in der Hauptstadt erzählen
lassen. Je näher er ihr gekommen war, desto grösser war die
Unsicherheit der Strassen durch bewaffnete Banden geworden.
Er musste aber doch erst an Ort und Stelle kommen und die
Ruinen und die Leichname in den Strassen sehen und den Lärm
der Waffen mit eigenen Ohren hören, ehe er seine stolzen, lange
genährten Hoffnungen begrub. Der Mikado, zu dem er sich
hatte begeben wollen, um ihm vertrauensvoll auseinanderzusetzen,
welchen Auftrag er an ihn von Jesus Christus, dem König der
Könige, habe, sass, ein ohnmächtiger Mann und doch als Sohn
des Himmels unnahbar für Leute von dem Aussehen der Mis-
sionare, vom Verkehre mit der äusseren Welt abgeschlossen in
seinem Palaste, der auch, wieder und wieder ein Opfer der Zerstö-
rung, in immer bescheidenerer Weise neu errichtet worden war,
so dass nur eine schwache Spur noch vorhanden war von dem
glänzenden Bauwerke, das einst im Zentrum der Zitadelle stand.
178 ^liitcutlijl t in Wuma^i^iir/ii u. Kci^c iiacli der I lauf->tstai{t.
Auch /um Kubösaina erlaiii^tr .\a\'ier den ersehnten Zuliitt
nicht, nacli Tinhi darum niclu, weil ihm die Summe \ on Ooo
Dukaten, deren ZalihuiL^ als (he Hedin^un«^ zur KrlanL;un;4' einer
A\idii'n/. he/.ciclmet wurde, nicht zur Verfüi^unc^ stand. ])cr
Cii'und war wdIiI in Wirkhchl^eit ein anderer. Ashikaga \'osldhani
hatte 1545 nach fiinriuidzwanzi^jaliriL!,er, fast L'eständi<:^ xon Riir-
il^erkrieL^en zwischen seinen :\nh;inc;ern unil ilenen seines Wa-
t^fmi^crs Vüshitane erfühter Herrschaft ch'e Shögunwairck-
_!^ezwunc,^en niedergelegt. An seiner statt war 1546 sein >^()hn
Yoshitcni zum Generalissimus ausgerufen worden. Xoch lialh
Knabe, erst 15 Jahre alt, hatte er zur Zeit, als Xavier nach der
Hauptstadt kam, noch sehr lun seine Autorität zu kämj)fen. Seit
luni des Jahres 1549 lag der l-^iu'st \'on Chikuzen, Miyoshi XV)ri-
naga (auch Chökei genannt), in der Provinz Setsu in Streit mit
Miyoshi Susan. Diesen unterstützte Hosokawa Harumoto, seit
1 548 im Ik'sitz der Kwanrx'owürde. Des letzteren Niederlage
hatte auch den Shögun zur J^'lucht aus Miwako gen(")tigt. Xori-
naga war im Xovember mit seinen Truppen in die Hauptstadt
eingezogen und hatte das erst von Yoshiharu erbaute Schloss
Higashi\-ama zerstört. \lx \\\\({ Ise Sadanori A\aren nun die
wirklichen Herren der Stadt, während der Shögun gar nicht
in derselben weilte. Yoshiteru zog erst im Frühjahr 1551,
nachdem der Friede zwischen ihm und Miyoshi hergestellt war,
wieder in die Hauptstadt zurück. .Vber auch wenn er bei Xäviers
Anwesenheit bereits zurückgekehrt gewesen wäre, er hätte damals
doch ganz andere Interessen gehabt als solche, wie sie der christ-
liche Priester in ihm wecken wollte.
Auch beim Volke in den Strassen, das von Kriegsgedanken
und Kriegssorgen erfüllt war, fand Xavier kein Interesse und kein
( )hr für seine religiö.sen Vorträge. Xach einigen missglückten
X'ersuchen musste er Verzicht thun auf seinen heissen Wunsch,
die Fahne Christi in der l'leichsmetropole aufzupflanzen. Nach
vierzehntägigem Aufenthalte \'erliess er die Stadt, ohne das (je-
ringstc ausgerichtet zu haben, und tlennoch un\erzagt. I'a- freute
sich, wenigstens den Xamcn Jesu in der Hauptstadt Japans \'er-
Aitfcuthait in Yciiiiiiiiiichi ii. Reise nacJi der JUiupfsfadt. 179
kündigt zu ]i:iben. Sein Geselle Johann Fernande/, erzählt, dass
er \om Boote aus, in dem er nach Sakai fuhr, die Augen von der
Stadt nicht habe abwenden können, auch den Triumphgesang der
Kinder Israel beim Auszug aus Egypten, den Psalm /;/ cxitu,
gesungen habe, in dem Gedanken, dass Gott, gleichwie er sein
Volk aus Egypten befreit habe, also auch die lunwohner von
Miyako dermaleinst aus der Unvv'issenheit und dem Unglauben,
darin sie verstricket waren, ziehen werde. IMit dem Seherauge des
Glaubens schaute er ihn schon, den Tag, da Gott seinen Tempel
und seine xA.nbeter haben werde auch in der Mikadostadt.
z\\()ij-i'i>:s KArniiL.
Gründunp: einer Gemeinde in Yamaeuchi.
Die Reise nach ]\Ii\'ako war, das konnte Xavier sich bei
allem Gleichmut nicht verhehlen, ein Misserfoli;'. Ganz ohne
Xutzen war sie gleichwohl nicht für ihn. Zweierlei hatte er
durch sie lernen können : erstlich dies, dass die Feudalbarone,
wie der ,, Kom'g " von Satsuma und der von Nagato, dessen
Hauptstadt \'amaguchl war, innerhalb ihrer Gebiete in ganz
anderer Weise ausschlaggebende Macht hatten als der Dairi
oder (_ler Kubö, deren Autorität, .selbst wenn sie fiir seine Absich-
ten hätte gewonnen werden können, ihm zur Zeit wenigstens kaum
über das Weichbild der Ivesidenz hinaus hätte forderlich sein
können, und dass man bei solcher Lage der Dinge vorläufig
mehr Aussicht habe, etwas zu erreichen, wenn man sich angelegen
sein lasse, sich der Freundschaft dieser kleinen Könige zu \'er-
sichern ; und zum andern dies, dass mit dem bettlerhaften Auf-
treten in Japan wenig auszurichten sei. In Indien hatte sein
Asketentum hj'ndruck gemacht, in Japan, sonderlich zuletzt in
der Reichsmetropole, hatte seine ärmliche Erscheinung ihm die
Häuser der Vornehmen \'erschlossen und ihn auch dem Volke
zum Gespötte gemacht. Diese Doppelerfahrung unterlicss der
kluge Heilige nicht sich zu nutze zu machen.
Er kehrte, in Sakai 0 ein Boot nehmend, durch die
I. .So Iierichtet I'intd in seiner Reisehesclirtilmni;, Kap. (■(■\'III, wo die
Stadt S/'mr genannt wird. Audi in dem Briefe, den dersellie Autor im Jalire 1554
(5. l)ezcmliei) von Malakka aus an die Sclinlastiker der f 'lesellscliafl im Knllegium
(iri'nuhiii;^ einer (niiwindc in ) aniai:;nchi. i S r
Inlaiidscc nach Ilirado zu Cosiix) lorrcs zurück, liier 1cl;1c
er sein abgetragenes Bettlergewand ab und ein neues, besseres
an. Vä hatte beschlossen, \\ieder den mächtigen Inirsten in
Yamaguclii aufzusuchen. Man könnte sich darüber wundern, wie
er zum zweitenmale nach dem Orte gehen nKJchte, wo er kurz
vorher im ganzen doch so wenig ermutigende lü'fahrungen
gemacht hatte. ]'"s ist schwerlich eine andere Erklärung dafür
zu finden als die, welche schon der alte IVI.VFFEi -) gegeben hat :
Ihi (in \'amaguchi) qiiod scsc Juiud iniquiun Ulis antca pracbuerat
zu C<>iml)ra richk'lc, üesl mau : ,, In Ja[)aii, clie man nacli Mcako kuninil, isl
eine sehr volkreiclie Stadt, Oiacii i^euaunt, die durch Bürt^enncister oder ähnliclie
( )briL;l<eilen wie \ enediL; und andere christliche Staaten regiert wird und unter
keinem andern KTmig stellt. Ich li^irte unsern seligen P. M. Franciscus, der da
war, sagen, es scheinen ihm in dieser .Stadt tausend Kautleutc, jeder vnn einem
A'erniögen von 50000 Dukaten, zu .sein, vieler anderer zu geschweigen, ilie nnch
reicher wären. -VUe Bürger dieser .Stadt, die grossen wie die kleinen bis auf die
F'ischer lierah, werden in ihren Häusern König genannt und ihre Weiber Königin-
nen und die Srilnne l'rinzen und die Töchter Prinzessinnen ; und diese Freiheit
haben alle. .Sie haljen im Brauche, in die andern Königreiche zu schicken, sich
einen Kapitän mit 3000 Fussgängern aufzusuchen, der aber mit seiner Mannschaft
nicht in die Stadt hineingeht, sondern nur ausser der Stadt unter Zelten liegt, un<l
wenn er in die Stadt geht, nur vier Mann ohne Waffen mit sich nimmt. Diesen
Kapitän mit seinem Volke zahlt die Stadt monatlich, und er steht damit immer
zu den Befehlen deiselben l:)ereit ". Nach dieser Briefmitteilung muss man schliessen,
dass Xavier, sei es auf dem Hinweg nach Kyoto, sei es auf der Rückkehr \o\\
dort, auch nach Sakai gekommen ist. I )enn dass mit Osacci bei Pinto diese Kauf-
inannsstadt und niehi etwa Osaka gemeint ist, wird aus seiner, nach Xaviers Schilde-
rung gegebenen Besclireibung klar. Sakai war der Mittelpunkt des inneren Handels
sowohl als auch des auswärtigen Handels mit China. Hier hatte sich auch eine
eigenartige städtische Selbstverwaltung entwickelt. I )io Zivilverwaltung und die
Rechtspflege lagen in den Händen des sogenannten Kxiiaii^osJm, einer aus den
Patriziern jjestehenden Versanmilung. Ferner besass die .Stadt ihre eigenen Kriegs-
leute, die sogenannten Kdniiis (herrenlose Krieger), welche mit Geld besoldet wurden.
(F'UKUD.v, Die gcsellschaflliihc it/nf iL'/'j-fsc/ia/flic/nr Kiifwickcliiiti:; in Japan. S. 107).
Der Name Osaka war freilich damals für die andere elienso bedeutende Handels-
stadt anstatt des früheren XaninHi schon (seil c. 1492) in Ciebrauch (siehe j.
ScMMKKS, Xoles Oll- Osaka. T.A.S.J- Vol. VH, p. 389 f.), so dass man Pinto.s Osaai
auch mit ihr zu identifizieren versucht sein könnte.
2. JoANM.s Pt'.TKi Mai-Tf.i Bergomatis c socictate Jesu Historiaiiiiii /iiiiitani//i
libri XVL Viennae c\' ofticina 'I'rattneriana 1751. ])■ 305.
i82 (iniiiiiiiiii:; djicr (jcmcinde in )'ainaguihi.
Rcx, ccrtnin erat fixninqiic Xavcrio, tcrrain caiii nirsia oiiini arte
ino/iri, curaqiic et laborc, qitoad eins ficri passet, sterilitatein soll
iiiaclcniqne pcrvliicere. ])azu dachte er sicli mit Nutzen der
eigentlich fiir den Kaiser bestimmten liriefe des Vizel^önigs \o\\
Indien und des Bischofs von Goa, wie der ihm \-om Präfekteii
von AhUakka mitgegebenen Geschenke vx\ bedienen, l'^r brachte
die letzteren auf ein Schiff und fuhr nach nur kurzem \'er\veilen
— Pinto 3) spricht von einigen Tagen — wahrscheinlich Mitte April
15514) niit Johann Fernandez und zwei Japanern wieder , nach
Yamaguchi, wo es ihm, da er als Gesandter der portugiesischen
Regierung erschien, nicht schwer fiel, mit seinen Geschenken
sogleich eine Audienz bei (Juchi Yoshitaka, dem I'ürsten von
Chöshü, zu erlangen.
Yashltaka, in den Missionsberichten Oxindono genannt, war
nach Satow, 5) dem ich hier folge, der Abkömmling eines korea-
nischen Fürsten, der sich in Japan um das Ende des 6. oder den
Anfang des 7. Jahrhunderts niederliess. Die Familie trat zuerst
in der Zeit von Yoritomo hervor, der ihren damaligen Vertreter
zum Vizcstatthalter von Suwö machte. Während der Kriege von
1331-34, als die Höjö-r^amilie, die für die letzten 130 Jahre das
ganze Reich von Kamakura aus im Namen des Shöguns regiert
hatte, gestürzt wurde, machten sich die Ouchi selbst zu Herren
der zwei Provinzen Suwo und Nagato und hielten es eine Zeit
lang mit der kaiserlichen Partei, die den Versuch machte, die
von den ^Militärbefehlshabern usurpierte Regierungsgewalt ihrem
rechtmässigen Inhaber wieder zurückzugewinnen. Als es nach-
her offenbar wurde, dass die Restauration nicht bestimmt war
zu dauern, begab sich ihr Oberhaupt unter das Banner Yoshinoris.
des ersten Sei-i-tai-Shöguns der Ashikaga-Dynastie, und wurde
für diese Verräterei mit dem Amte des Statthalters in den
3. Kap. CC.VIIJ.
4. Cosmo 'loiTcs teilt in cinciii JSricfe vom 29. Suplcnibcr 1551 mit) <^l^^s fünf
Monate oder noch darüber, von seinem J5riefdatum Ljerechnct, vergangen seien, seit
Xavier in die Stadt (Yamaguchi) gekommen.
5. ^yr/ff/Vw/t-.? of tJie CJiurch af Vaiuaguclii etc. p. 140 f.
Cniiidung einer Ccinciiidc in Yantaguchi. 183
zwei Provinzen belohnt, zu denen nachher noch die ans^renzende
l'roxinz Iwami hinzu^'efÜL;t wurde. Um das Ende des 14. Jahr-
liunderts kani die Familie auch in den Besitz von Buzen und
nahezu !_;anz Chikuzen, welche beide Provinzen noch in Lehens-
|)tlichtverhältnis zu ( Kichi Yoshitaka standen, den Xa\'ier in Yama-
i;"uchi an der Regierung fand. P^iner von seinen hervorragendsten
Vasallen war Suwe Takafusa, ein General von grosser l'>fahrung
und ansehnlichem Rufe, dessen einziger Rivale von Belang Mori
Alotonari war, der sich \"or kurzem mit dem Mause (Juchi
verbunden hatte. Sai'ow ist geneigt, zu glauben, dass Xavier
hauptsächlich auf Takafusas Verwendung hin \on Yoshitaka die
P^rlaubnis erlangte, in seinem Gebiet zu predigen und sich nieder-
zulassen, da, nachdem Takafusa diesen aus seinem Regiment
\"erdrängt hatte, die Cliristen auch unter dem neuen von ihm an
Yoshitakas Stelle gerufenen Herrn im Besitze ihrer Prix'ilegien
verblieben.
Xavier wurde von Yoshitaka, dem er die Briefe des indischen
Statthalters und des Bischofs von Goa soAvie die Geschenke des
Präfekten von Malakka überbrachte, freundlich em[)fangen. Von
den letzteren machten ihm nach Torres besonders ein ,, manicordio
c rclox'\ ein Musikinstrument und eine Uhr ungemeine l^'reude,
weil diese Artikel, wiewohl von geringem Werte, nie vorher in
(Jer Prox'inz gesehen worden seien. Pls ist vielleicht nicht ohne
Interesse, anzumerken, dass sich auch in japanischen Werken
Berichte finden, die sich sehr wahrscheinlich auf die.se Geschenk-
überreichung beziehen. So meldet das (jeschichtsbuch Xihon
l'sugan, dass ein Kaufmannsschiff von Ming nach Suwö kam,
dessen p^igentümer von Yoshitaka zur Tafel gezogen und jede
Xacht unterhalten wurden, wobei alles chinesisch sprach. Die
Gäste beschenkten den P\irsten, dessen Hauptstadt durch lebhaften
Handelsverkehr mit Kaufleuten von IMing, Korea und westlichen
Rändern blühender war als Kyoto, mit seltenen Artikeln, woruntei'
eine Uhr, die bei Tag und bei Nacht genau zwölfmal schlug;
zwei Augengläser, ,, bei deren Gebrauch selbst ein alter ]\Iann
klar wie ein junger sehen konnte", ausserdem Bücher, Bilder,'
1 84 Gr'ii)idiiii<^ einer Gemeinde in ) 'aniagnchi.
Theeschalcn und anderes mehr. Und ähnlich erzählt das Werk
Yosliitakaki, die l-'reniden, welche davon ht")rten, dass im
Distrikt ( )ta in der Provinz Iwami Silber Ljewonncn werde,
liätten Schiffe von Indien, China und Korea gcsar.dt. Unter
den Geschenken, welche die crstcren mitgebracht, sei eine Uhr
gewesen, die Tag wie Naclit z\v(")lfmal schlug, ein Musikinstru-
ment, das, ohne gespielt zu werden, harmonische Weisen hören
liess, und zwei Augengläser, mit denen auch alte Leute deutlich
sahen. Dass unter den Schenkern Europäer und nicht 'etwa
Chinesen vorzustellen sind, ist wohl ausser Zweifel. Der Jesuit
Ricci erregte, wie Le Huc erzählt, am Hofe in Peking noch ein
halbes Jahrhundert später mit keinem seiner GeschenlvC an den
Kaiser mehr Aufsehen als mit einer Uhr, ein Beweis, dass Uhren
damals in China selbst noch etwas Unbekaiuites waren.
Die ansehnliche .Summe Goldes und Silbers, die der von
den seltenen Gaben entzückte Yoshitaka dem Pater als Gegen-
geschenk anbot, lehnte dieser zu seiner Verwunderung ab. \''on
seinen Bonzen war ihm solches wohl noch nicht vorgekommen.
Xavier bat ihn aber, wenn er ihnen etwas Angenehmes schenken
wolle, so möge er ihnen die Verkündigung des Gesetzes Gottes
in seinem Reiche und seinen Unterthanen die Annahme desselben
gestatten, etwas Angenehmeres könne er ihnen nicht schenken,
was Yoshitaka, durch die Geschenke günstig gestimmt, ihm
bereitwilligst gewährte. P^r liess, wie Xavier und Torres über-
einstimmend berichten, an den besuchtesten Plätzen der Stadt ein
Pxlikt anschlagen und ebenso in i\c\\ anderen Orten seines
Gebiets eine öffentliche Verordnung ergehen des Inhalts : es
gefalle ihm, dass das Gesetz Gcjttes in seinem Reiche verkündigt
\\'erde ; es stehe jedem frei, ihm zu folgen; die Prediger und
Dolmetscher dieses Gesetzes sollten auf keine Weise von jemand
\'erlctzt oder verhindert Averden. Auch wies er den l'^'emden
ein leerstehendes Buddhistenkloster als Wohnung an.
Dass der Landesherr den Missionaren sich so gewogen zeigte,
diente ihnen und ihrer Verkündigung beim Volke von vornherein
zur Empfehlung. Alsbald waren sie in ihrem Kloster vom Morgen
Gründung einer Gemeinde in Vaniaguehi. 185
bis tief in die Nacht von Neugierigen und von ernsten h'ragern,
freilich auch \'on Spöttern aus allen Ständen, auch Bonzen,
überlaufen. Allen Avar es darum zu thun, die fremden Ankömm-
linge und ihre neue Religion kennen zu lernen, und so gross
war der Zudrang, dass die Räume zuweilen ihre Zahl niclit
fassten, und die Menge der Besucher machte den Missionaren
gehörig zu schaffen. Sie predigten täglich zweimal, und auf die
Predigt folgte immer eine lange ]3isputation zur Widerlegung der
erhobenen Einwürfe und zur Befriedigung der vielen Fragesteller.
In einem Schreiben vom 29. Januar 1552, das Xavier, nach-
dem er Japan bereits wieder verlassen hatte, \on Cochin aus A
niy en Christo Santo Padre Ignatio richtete, schreibt er diesem
ausführlich, welche Eigenschaften die Priester der Gesellschaft
Jesu nötig hätten, die für das japanische Missionsfeld bestimmt
würden: ,, Ich lialte es für unumgänglich notwendig, dass Sie
ausgezeichnete, mehr als gewöhnlich mit Tugend und Wissen-
schaft ausgerüstete Männer an die Akademieen von Japan senden,
weil dort die ungebildeten, übrigens verständigen Leute, wenn
sie ihrer Irrtümer überführt werden, zu der Aeusserung ihre Zu-
flucht nehmen, es gebe auch in ihrem Volke viele Gelehrte,
welche ihr ganzes Leben auf wissenschaftliche Eorschungen und
Studien verwendet haben. Darum ist es notwendig, mit diesen
Lehrern des Volkes zu disputieren, und, weil sie alle unsere
Lehren leugnen, dieselben zuerst zu widerlegen und für uns zu
gewinnen, damit dann diejenigen, welche auf ihre Autorität sich
berufen, gewonnen werden können. Sehen Sie. darum ist
Bildung und Wissenschaft notwendig. Vorzüglich aber ist Aus-
dauer, Geduld, tiefe Demut, kurz, Vollendung jeglicher Tugend
für diejenigen erforderlich, welche in diese endlosen Streitigkeiten,
zumal mit ^Xcn Bonzen, sich einlassen wollen. Denn nur wenige
arme J-^remde werden gegen ein ganzes Volk untl den R.uf einer
berühmten und auf sich selbst und alle ihre pjnrichtungen stolzen
Nation auftreten, welche ganz in der Gewalt der Bonzen ist, die
an \\'ürde und Ansehen obenan stehen. Es liegt auf der Hand,
dass diejenigen, welche das wagen wollen, vieles werden zu
I (S6 Gntiiiiuiii:; einer Citinciiuic in ) 'aniaj^nc/ii.
leiden haben, \venn sie einnuil in tlieses i;"i'o.ssartii;e Wespennest
i;"cstoclien haben. l'nd es wird nielit uni;"erächt bleiben, wenn
sie, was doch xor allem nolw endi>;' ist, die Trus^schlüsse der
Bonzen zu nichtc machen, ihre Lü^en widerlegen und ihre
habsüchtigen Ränl^e und Kiiiffe ans Liclit ziehen, wodurch
dieselben das ]eichtL;iriubii;e \'oIk um sein (ield brinj^en . . . .
Ich wiederhole es, sie werden i^rossere Kampfe und Leiden zu
best dien haben, als man _<;lai,l)t. Man wird sie uni^'cstüm be-
drängen ; zu keiner Stunde iles 'l'ages oder der Nacht werden
sie von lästigen 1^'ragern frei sein ; mit endlosen h" ragen wii-d
man ihnen zusetzen ; xon \'ornehmen werden sie beschieden
werden, denen man den J^esuch nicht abschlagen darf. Hier-
durch wird den triglicheii Gebeten und l^etrachtungen, den übrigen
geistlichen Uebungen und der Geistessammlung die Zeit entzogen ;
.selbst zur I^'eier der heiligen iMesse wird die Zeit fehlen. In
tlen ersten Tagen, wo sie sich dort .sehen lassen, werden sie
wegen der Menge der Fragenden, welche abzuweisen nicht gut
wäre, kaum Zeit haben, das Brevier zu beten, zu es.sen und zu
sclilafen. I'"s ist ein Charakterfehler der Nation, ohne Scheu
andern, besonders den (lästen und h'remden, hlstig zu fallen,
sie mit Verachtung zu behandeln, ja frech zu verh(')hnen, auch
wenn man ihnen nichts zu Leide thut und gar nicht lästig
ist. Wenn dann die k^'emden das, was den Ja[)aneni heilig ist,
tadehi und angreiten ; wenn sie den Aberglauben der Sekten
rügen, die öffentlichen Laster ohne Schonung geissein und
züchtigen und mit Entschiedenheit behau[)ten, dass die, welche
einmal zur Hölle verdammt sind, durch keine Sühne, durch
keine Opfergaben und son.stige religiöse Handlungen der über-
lebenden Freunde und Verwandten errettet werden können, so
wird alsbald der Hass einen gewaltigen Sturm erregen, und
selbst die Besten werden mit Unwillen gegen diejenigen erfüllt
werden, welche über ihre teueren Verstorbenen eine so grausame
Ansicht haben, und gar viele werden die neue Religion als eine
schwache und unvollkommene verachten, da sie den einmal
X'erdammten keine Rettuny; zu bringen xernvVe. Solche Vorur-
Gniiidung einer Cioiicindc in ) 'aniagiiclii. i '^y
tjilc und Fraisen werden dort viel besprochen, weil in den
Schriften und alten Ueberlieferungen des Volkes \"iel von der
Hölle die Rede ist, da^ej^en i^ar nicht vom Fegfeuer. Da nun
dem so ist, so ist es selbstredend, dass dort tüchtige, in der
Logik gewandte Köpfe notwendig sind, welche eine volkstüm-
liche Beredsamkeit und Gewandtheit besitzen, (^tw Irrenden zu
folgen und ihnen zuvorzukommen, Männer, welche die initer
dem Scheine der Wahrheit auftretenden Lügen entlarven und
die sophistischen ]3eweisführungen durch Nachweis der Unver-
einbarkeit und der Widersprüche der falschen Lehren entkräften.
Die Bonzen werden nämlich sehr beschämt und \-erwirrt, wenn
man offen darlegt, dass in ihren Lehren kein Zusammenhang
und keine Uebereinstimmung ist, oder wenn sie durch logische
]^eweisführung so in die Lnge getrieben werden, dass sie sich
nicht mehr zu helfen wissen. Zu diesen geistigen Fähigkeiten
muss eine kräftige Gesundheit hinzukmv.men Zum Wirken
in diesem La.nde sind Greise nicht tauglich, weil ihnen die Kräfte
zu den notwendigen Arbeiten fehlen, ebenso Avenig junge Leute,
es sei denn, dass der Ahmgel des Alters durch ganz erprobte
Tugenden ersetzt werde; sonst würden sie, anstatt anderen zu
nützen, selbst zu Grunde gehen durch die \'ielen Verlockungen
und Gelegenheiten zu allen Sünden, welche das Land bietet
]^s kam mir der Gedanke, Belgier oder Deutsche, welche Spanisch
oder 1 ortugiesisch verständen, würden zu dieser Mission tauglich
sein. Beide Nationen können Strapazen ertragen und sind \'on
Natur und durch Frziehung abgehärtet, um die Kälte von Bandu
auszuhalten. Ich hielt es für wahrscheinlich, dass nicht wenige
von beiden Nationen in den verschiedenen Kollegien von Spanien
und Italien leben, ohne jedoch bedeutenden Nutzen zu stiften,
weil ihnen die natürliche Feinheit der Landessprache abgeht.
Wenn diese nach Japan kämen, so könnten sie ausgezeichnet
wirken und viele Frucht bringen."
\\i vrar in Erinnerung an seinen Aufenthalt in Japan und
an die dort gemachten Erfahrungen, dass Xavier also an Ignatius
und in ganz gleicher Weise an Simon Rodriguez schrieb. \\^as
l88 Cniiuiuiii:; einer Ciiiicuidc in \'aJiuio;uchi.
tr den nach Jajxin Kommenden in Aussiclit stellt, L;enau das
berichtet Torres in seinem ßrie'f \'om 29. September 1551 als
ilu' .Miiebnis in "Samac;'uclii. .\a\iLT se]l)st ^eniii^te allen An-
forderungen, abgesehen da\'on, dass ihm die ausdauernde (icdvild
abging. Er war iniaufhörlich thätig \-om Morgen bis in die
Xacht untl oft auch noch in dieser untl hihlte sich tlal)ei nicht
müde. ,. Ich Ijin alt", schreibt er, ,, ich l)in schon \'ollst;indig
ergraut, und doch, ich fühle mich kräftig und gesimd wie nie.
Die auf die Ausbildung eines ruhigen, wahiiieits-und hcilsbe-
gierigen Volkes recht xerwendeten Müllen gewähren manchen
Genuss geistlicher J^'reude." ,, Die unendliche ("lüte (lottes gegen
uns ist so augenfällig, dass wir es als die grosste W'ohlthat für
uns deutlich eikennen, hierher gekommen zu sein, während wir
früher glaubten, etwas (lott Wohlgefälliges zu thun, wenn wir
IUI:;, zur \'erbreitung dir heiligen Religion hierher begäben. ()
ja, da der liebe Gott uns nach Japan geführt, so hat er alle
Jlantle iler Diebe zu ([cw (jcschopfen, die ims fesselten, gelöst,
damit wir an ihn allein gefesselt .seien." j)ieser Herzenserguss
bekundet, wie Xavier auch der Gefahr nicht erlag, über der
Vielgeschäftigkeit, zu der sein Wirken auf andere ihn nötigte,
am eigenen inneren IMenschen zu \erlieren.
Cr.\sset 11. a. wissen zu melden, dass zu Xaviers Schmerz
in Yamaguchi lange niemand die Taufe begehrt habe, bis endlich
einer, überwunden von der Ruhe, mit der Fernandez eine ihm
angethane Schmach hinnahm, (k<^\\ Anfan.g machte. l'Y'rnandez
habe auf einem öffentlichen Platze der St.idt eine l'redigt gehal-
ten. Da nahte sich ein Rohling, räusperte stark und .spuckte
dem rredigenden seinen Unrat ins Cicsicht, eine Unbill, die
alle Umstehenden emp(")rtc, nur einen scheinbar nicht — den Ge-
schändeten selbst, der sich ruhig den Unflat nu't seinem Taschen-
tuch aus dem (lesichte wischte und fortfuhr zu s[)rechen, als
wäre nichts gescliehen. Diese Gelassenheit habe tiefen Kindruck
besonders auf einen J^esinnlichen unter i\c\\ Zeugen des Vorgangs
gemacht. P2r sei gleich nach der Predigt in das Kloster gekom-
men und habe die Taufe begehrt, die er, der erste, nach
Grüitditiii^ einer (jenieiiide i)i ) 'aiuaij^iieJii. i S9
\-ürausgegangencm Unterrichte auch erhielt, \-iele andere nacli
sich ziehend. Diese Geschichte, die sich schon bei Maffei^)
findet, der sogar ganz genau anzugeben weiss, worauf sich die
Taufx'orbereitung erstreckte, hat an sicli nichts Unwaln'schein-
liclies. In (\<i\\ \'orhandenen Quellen indessen ist nichts \'(>n ihr
zu finden. Von Xavier hören wir nur, dass die Zuhörer nach
mehrtägigen Disputationen und P^-agen sich endlich ftir besiegt
erklärten und begannen, die christliche Religion anzunehmen.
Die ersten von allen Avaren die, welche in (\<:\\ Disputationen
als die heftigsten Gegner aufgetreten waren, zum Teil Japaner
von edler Abkunft. Unter den Konvertiten wird einer, der als
früherer Lehrer an der Akademie von Bandu in der Stadt im
Rufe grösster Gelehrtheit stand und die Absicht gehabt hatte,
Bonze zu werden, besonders erwähnt. Auch Bonzen schlössen
sich der werdenden Gemeinde an. Die es nicht thaten, wurden von
([q.\\ Alissionaren um so wirksamer bekämpft. Durch die Ueber-
getretenen über Lehren und Bräuche der \'erschiedenen Sekten
und das Klo.sterleben der ^Mönche genauer unterrichtet, zogen
sie die von ihnen erkundeten Bonzenpraktiken unbarmherzig
ans Licht und brachten die Priester selbst zu grosser Befriedi-
gung der Christen durch öffentliche Widerlegung ihrer Irrtümer
sehr ins Gedränge, nicht freilich, ohne dieselben auch aufs ärgste
gegen sich zu erbittern, umsomehr als sie nicht nur täglich
mehr Einbus.se an ihrem Renommee litten, sondern auch, wie
Xavier sagt, bald aus Mangel an Unterstützungen von selten
ihrer früheren Anhänger in häusliche X^ot gerieten. Sie predigten
daher, um ihre Existenz kämpfend, wenn die Missionare predigten,
auch in ihren Tempeln gegen diese, schmähend, wie Xavier
sich sagen Hess, der Christengott sei ein unbekanntes, unerhörtes
Wesen, er könne nur ein grosser, abscheulicher Teufel sein,
und die fremden Lehrer seien seine Schüler. Sobald man ihn
als Gott zu verehren anfange, werde Japan zu Grunde gehen.
Das portugiesische Wort, zu welchem Xa\ier zur Bezeichnung
6. .\. n. O. p. 3o(J.
190 (ii-'fiiuhtu!^- einer (iciiiciiuic in )'ani(i<:;nclii.
Gottes i^riiT, da die i;ipanisehe Spraehe ihm kein entsprechendes
Wort bot — das Wort Kami vermied jii die Jesuiten auch in der
Folge, um zu verhüten, dass man (iott Rir eins mit den japani-
schen Kami nehme?) — deuteten sie sjiottend : Dcos bezeichne
nichts anderes als daio, was in ihrer Sprache Lüge heisst. Xavier
erzählt jedoch, solche Schmähungen, entfernt, ihnen Abtrag zu
thun, hätten im (legenteile iiur die Folge gehabt, das Ansehen
der Missionare bei der Menge zu heben, die es öffentlich ausge-
sprochen hätten, dass die Bonzen nur aus Neid so wüteten.
Auch solche, die der Landesreligion treu blieben, stellten sich
freundlich zu den fremden Gästen. So berichtet Xavier, dass
einer der ersten l'^irsten — er meint damit den Gouverneur der
Stadt, Xaitd'^^, und .seine Gemahlin ihnen hex der WM'breitung
der christlichen Religion alle nur denl'cbare Fi'u'derung angedeihen
Hessen, obwohl sie bei aller Hinneigung zu der als gut und
vernünftig erkannten Lehre nicht zu deren Annahme bewegt
werden konnten, \\'eil sie, beide abergläubische Verehrer Amidas
und Shakas, viele Bonzenklöster aus eigenen Mitteln erbaut und
mit Einkünften versehen hatten und der in einer Iveihe von
Jahren dadurch vermeintlich erworbenen Anwartschaft auf Gnaden
nicht durch Verlassen dieser Landesgottheiten \erhistig gehen
wollten.
Während so selbst treue buddhistische Gläubige den fremden
Glaubensboten ihre Hilfe liehen, erfreuten sich diese natürlich
noch mehr des l^eistandes ihrer Neoph\'ten, deren Anhfuiglich-
keit sie auch gegen feindselige Nachstellungen der erregten
]^onzen schützte, indem sie sie von allem, was gegen sie im
7. Chamiückt.ain in seinem Ilandhook of Colloqiiial Japanese 2(1 ed., ji. 8 i;ilil
mich das nach dem enL;lischen (lod i^eliildete liottn als Ae<|uivalenl fih- den Cliii-
slent^oll an. llcule i>l doch das sliinloislisclic Wort Kami 7X\x l!e/,eichnung (loltes
von den ja])anisclieii C'hrislen aiiL^enommcn, Gotliy gelirauclit niemand melir.
S. S \ i'dw [C/iirrch al Yaiiiagiichi p. 145) hat gefunden, dass zwei Personen
dieses Nanien> hei /,eitf:;cn"issischen ja]ianischen Schriftstellern erwälnit sind: A'aifo
Okiin07-i, ein .\nliän<^er 'l'akafusas, und Xaito TakaJwni, der .später ilic .^ladt an
Motonari übergaJj, und ist sjjeneigt, anzunehmen, dass unter dem \on den [esuiten
erwähnten Naitondono der letztere gemeint ist.
Gr'iiiuünii^- iiiicr Ccmciiidc in \ 'aiiiai^iiclii. 1 9 r
Werke war, in Kenntnis setzten. Den Pater iiess dies liofffii,
(lass sie einmal \\ahrc, eehte Christen wcrcicn würden.
Schon nach zweinionatHcheni Aufenthalt in Yama^uchi
Iconnte er berichten, dass fünfhundert 9 > die 7\aufe empfani^en
hätten, deren Zahl sich täglich um einige mehrte. In zufriedenem
Rückblick auf diese Zeit gedeihlichen Fortgangs der Missions-
arbeit schreibt er später '°) nach lun'opa : ,,Ich sah, dass diuxh
unsere \'ermittlung der Stolz der Bonzen von Gott gebrochen
und ein herrlicher Sieg über die erbitterten Feinde davongetragen
wurde. Und dann bemerkte ich wieder, wie die Neophyten sich
freuten, wenn die Bonzen überführt wurden, und wie sie sich
-Mühe gaben, die Heiden zu bekämpfen und zur Taufe zu führen,
wie sie jubelten, wenii es ihnen gelang, und wie sie ihre Kämpfe
mit dem überwundenen Aberglauben der Heiden erzählten. Alles
dieses überströmte mich mit solcher geistlichen Freude, dass
ich alle meine Leiden gar nicht mehr fühlte."
(). (lau/, andere, viel höhere Zahlen geben die jesuitisclren Ge.schichtschreiher.
Aber schon PiNKi, an den sie sich vermutlich hielten, spricht übertreibend von über
3000, die der Heilige in weniger als einem Jahre zu Vamaguchi liekehrt habe.
(l!ei FiOL'lER Tome III, j). 361). In Wirklichkeit war Xavier nicht einmal ein
halbes Jahr in der Stadt.
10. Cochin, 29. Januar 1552.
dreizeitntp:s ka?iti-:l.
Franz Xavier geht nach Bungo.
So erfreuliclien Fortgantj nahm das Werk in Yaniaguclii,
als Xavier gegen I^nde August 155 1 die Nachricht erhielt,
dass in I^'igi (/////), ') dem Hafen der Hauptstadt Funai oder
Fucheo (heute Oitd) in l^ungo, ein portugiesisches Schiff ange-
kommen sei. -) ]^r schickte auf diese Kunde sogleich einen
Neubekehrten, Matthaeus, mit einem Briefe an Kapitän und
Schiffsvolk. Der Brief, vom i. September 155 i, den P. PJiUip-
piicci, ein Verehrer des Heiligen, djr sich nach einer vermeint-
lichen Gebetserhörung durch ihn aus Dankbarkeit angelegen
sein Hess, alle l^riefe Xaviers, die er auftreiben konnte, drucken
7X\ lassen, aufgefunden und der Jesuit Possiit in seinem Bande
von neunzig bis dahin nocli nicht gedruckten J^riefen im Jahre
1661 zum erstenmal x'eröffentlicht hat, liegt uns ausser in dieser
Fassung noch mit einer Einleitung, die in Possins Ausgabe fehlt,
in Pintos Reisebeschreibung vor. 1m' trägt keinen Namen auf
der Adresse, da er ja eben zu dem Zwecke geschrieben war,
die Namen der Unbekannten und ihres Schiffes zu erkunden.
1. Finge heisst l)ei Pintcj (Ka|x CCTX) der Fluss, der l)ei ]"'unai in das jai^a-
iiisclic Binnenmeer mündet.
2. lüne KrwähnunL; dieses SehüTes findet sieli aucli in dem jai^anisclien Ge-
schichtswerk Süho-( )tomo Köliaiki. Dasselbe berichtet, dass im 20. Jahre Tembiin
(1551) ein Kaufmannsschiff von n^ P^ BE (Goa?) in Shiiiguji-iira ankam, dessen Schifis-
volk sämtlich der „ Tenshu-kyö " (Ilimmelsgottlehre) angehörte und den Statthalter
von l)Ungo zur Annahme dieser Religion zu bringen suchte. Der IJericlit nennt
auch einen Japaner, Tawaiv S/u'iiiii, durch den sie Otonio Sörin zu bereden suchten.
Franr: Xavicr gcJit nach Bimgo. 193
Er fragt, ob in ^lalakka bei ihrer Abfahrt alles in Ordnung
gewesen, und enthält ausser einer seelsorgerlichen IMahnung an
die Kaufleute, über ihren Handelsgeschäften nicht ganz die
Gewissenserforschung zu vergessen, nur noch das Versprechen,
dass der Briefschreiber nach Empfang einer Antwort zu einem
Besuch zu ihnen kommen werde. Pinto hat so ziemlich densel-
ben Wortlaut, vorher aber nach einem Eingangsgrusse noch das
folgende, was bei Possin fehlt : ,, Durch Briefe, welche Kauf-
leute dieser Stadt empfangen haben, haben sie von P2uerer
glücklichen Ankunft in diesem Lande Kenntnis erhalten. Da
mir jedoch diese Nachricht nicht so wahr schien, als ich im
Herzen wünsche, hielt ich es für gut, mir selbst durch den Chri-
sten, den ich zu Euch schicke. Gewissheit zu verschaffen. Deshalb
bitte ich. I^uch dringend, mich durch ihn wissen zu lassen, von
wo Ihr jetzt kommt, auch von welchem Hafen Ihr ausgefahren
seid und Avann Ihr nach China zurückzukehren gedenkt. Denn
ich wünschte sehr, sofern es Gott gefallt, dazu zu thun, soviel
mir möglich ist, dieses Jahr von hier nach Indien zu kom-
men".3)
CoLERiDGE 4) hält CS für möglich, dass Pinto den ursprüng-
lichen Text gegeben habe, und will das Fehlen der lunleitung
bei Possin mit der Annahme erklären, dass der Anfang des
Originals vielleicht vor seiner Auffindung durch Philippucci von
einem Reliquienjäger abgerissen wurde. Hätte er mit dieser
Vermutung recht, so wäre diese erste, uns in Pintos Reisebe-
schreibung erhaltene Briefhälfte von grösstem Interesse. Sie thäte
dar, dass Xavier inmitten des gedeihlichen Fortgangs seiner
Arbeit in Yamaguchi sich bereits wieder mit dem Gedanken an
die Rückkehr nach Indien trug. Ausgeschlossen ist dies keines-
wegs. Den ruhelosen Geist hielt es nirgends lange. Ferner :
die Zeit seines Aufenthaltes im Lande genügte ihm, zu sehen,
dass hier Arbeit für viele war, und er mochte denken, dass er
3. In der französischen Ausgabe FlGUlERS Tome III, p. 362.
4. A. a. O. II, 310.
194 Franz Xavii]\Q;c]tt uacJi Jhin<:^-o.
in Indien besser als aus so weiter T^erne die Auswahl und
Abordnung- geeigneter Missionare nach dem hoffnungsvollen, aber
auch ganz besonders tüchtige Männer fordernden Missionsfelde
betreiben könne. Endlich ist nicht daran zu zweifeln, dass er
s'ch auch bereits mit dem (iedanken an die Begründung einer
lesuitenmission in China trug, der Hoffnung, dass auch die
Japaner dem christlichen Glauben geneigter würden, wenn sie
sähen, dass die, in denen sie in allen Dingen ihre Lehrmeister
zu crl)licken gewohnt waren, demselben zufielen. Und, noch
eines : Melchior Nugxez Barreto berichtet in einem Briefe von
Cochin, 8. Januar 1558, Franciscus habe einmal dem König
\'on Yamaguchi eine abscheuliche Sünde mit so viel Eifer
verwiesen, dass er in grosser Gefahr war. Vielleicht war das
eben um diese Zeit, und Xavier schien seine persönliche Entfer-
nung ratsam.
Sein christlicher Bote wurde von den Kaufleutcn \\ohl auf-
genommen. Der Kapitän — es war Duarte da Gama — liess ihm
sagen, dass er in einem IMonat nach China abzusegeln hoffe
und dass von dort im nächsten Januar drei Schiffe nach Goa
gehen würden, auf deren einem sich sein Freund Diego I'ereira
befinde. Ausser dieser Antwort und den Neuigkeiten von Indien
und Malakka überbrachte Matthaeus seinem Auftraggeber ein
Schreiben der Väter in Goa, aus dem er sah, dass seine Gegen-
Avart in Indien, wo ihn zudem der Ordensgeneral im "Jahre
1 549 zum ersten Provinzial der neuerrichteten, bis dahin mit
der portugiesischen verbundenen indischen Ordensprovinz er-
nannt hatte, sehr nötig sei. Er .selbst erzählt, 5) dass auch der
mächtige König \'on Bungo ihn briefiich ersucht habe, zu ihm
zu kommen, ein portugiesisches Schiff sei in seinen Hafen einge-
laufen, und er wolle ihm gewisse Mitteilungen niachcn.
So .säumte er nicht lange. Zur Pastorierung der Christen
in Yamaguchi berief er Torres von Hirado, dem er den Bruder
Johann Fernandez als Koadjutor an die Seite gab, die Neu-
5. ISrief aus Cochin, 29. Januar 1552.
Franz Kavier geht nach Bimgo. 195
bekehrten dam Aeltesteii dortselbst befehlend. 6) Von sehien
Wände i'genossen auf seiner Reise nach Bungo werden Bernhard
und Laurentius genannt.
Xavier selbst ist in seinen Briefen auffällig schweigsam über
seinen Aufenthalt in Bungo. Alles, was er darüber mitteilt,
beschränkt sich auf die Avenigen Worte : ,, Der König nahm
mich mit grosser Herablassung auf, und das Zusammentreffen
mit den Portugiesen bereitete mir gros.se Freude." 7) Die
Biographen des Heiligen sind durchweg der Erzählung gefolgt,
die Pinto sehr ausführlich in seiner Reisebeschreibung von diesen
Tagen gibt. An der Wahrheit seiner Angabe, dass er sich auf
dem Schiff Duarte da Gamas mit befunden habe und während
der Zeit von Xaviers Aufenthalt in Funai mit diesem zusammen
war, ist wohl kaum zu zweifeln. Denn Pater Melchior Nl'Gxez
sagt in einem Schreiben aus Cochin vom iMai 1554, dass Pinto
dem König von Bungo, in dessen Reich er vierzehn Jahre
Handelschaft trieb, bekannt und dem Pater Franciscus gut
befreundet war. Zu dieser Freundschaft könnte er nun freilich
auch ausserhalb Japans gekommen sein. Dass er aber gleichzeitig
mit Xavier in Bungo war, geht aus dem schon erwähnten Briefe
hervor, den er nach seinem späteren Eintritt in die Gesellschaft
Jesu am 5. Dezember 1554 von Malakka aus an die Schola-
stiker im Kollegium zu Coimbra richtete, worin er mitteilt, dass
der selige Magister Franciscus, der auch in Osacci ( = Sakai) war,
ihm manches \'on dieser Stadt wie auch von Miyako erzählt habe.
Das kann dieser nicht wohl zu einer anderen Zeit als während
dieses Aufenthalts in Bungo gethan haben. Und hiefür finde
ich noch eine Bestätigung in einem am 24. Dezember 1554 zu
6. So stellt die Sache aucli Pagks dar ( Vie de Saint Fraiifois Kavier, p. XCVIII).
Dazu stimmt aber nicht, wenn er sagt : „ Man weiss, dass sie (die Christen von
Yamaguchi) räch der Abreise des Heiligen, ohne einen Hirten zu haben, während
ganzer 25 Jahre aushielten, nach welchen sie durch neue Missionare getröstet wurden."
Torres musste erst 1556 die Gemeinde verlassen, und erst von da ab war sie, für
iS Jahre, ohne Hirten.
7. IJrief an die Gesellschaft in Europa, Cochin, 29. Januar 1552.
ig6 l'ram Xa^ncr gelti ucicli r>iiii£:;o.
Goa geschriebenen Briefe von Arias I^raxdoxkz, der keinen
anderen als eben Mendez Pinto meinen kann, wenn er \-on einem
Portugiesen spricht, der zur Zeit, als er in Japan Mandel trieb,
vertraulich mit Xavier lebte. Man wird daher ein Recht haben,
Pintos Beschreibung als Quelle anzuziehen, ohne jedoch bei dem
vollstfuidigen k\'hlen anderer Xachrichten in der Lage zu sein,
sie mit solchen zu \-ergleichen. J^s l)leil)t nichts übrig, als diese
isolierte Quelle für sich im einzelnen auf ihre innere Wahrschein-
lichlceit zu prüfen und mit Vorsicht zu benützen. Ich gebe sie
liier in allem W^esentlichen wieder, mich darauf beschränkend,
nur hie und da, wo es nötig scheint, kritische oder erläuternde
Anmerkungen zu machen.
i\\\ einem Samstag sahen die Portugiesen drei Japaner auf
sich zukommen, Christen, die in der Gesellschaft des Paters
waren und welche er vorausgeschickt hatte. IJer Kapitän
Duartj da Gama h(")rte von ihnen, dass der Diener Gottes zwei
Meilen von da, an einem Orte Pinlaxau ^) sei, da ihn Kopf-
schmerzen überfallen und seine Füsse von dem sechzig Meilen
betragenden Wege so angeschwollen seien, dass er sich nicht
von der Stelle rühren k'önne und ruhig die Heilung derselben
abwarten müsse. Gama beriet sich sogleich mit den schnell
zusammengerufenen Kaufleuten, was zu thun sei. Man be.schloss,
ihn an dem genannten Orte aufzusuchen. Als sie etwa eine
Viertelmeile zurückgelegt hatten, trafen sie ihn, der in Gesell-
schaft zweier Christen daher kam, die er seit einem Monat
bekehrt hatte. Pinto fügt hinzu, diese beiden iMngeborenen
seien ,, hojueus ßdalgos principalcs daqucUc Rcyno"' gewesen,
was den König von Yamaguchi veranlasst habe, unter dem
Vorwand ihres Uebertritts ihre reichen Einkünfte zu konfiszieren.
]\Tan wird berechtigt sein, Zweifel in diese Mitteilung zu setzen,
da von Bedrängnissen der Christen in Yamaguchi seitens Ouchi
Yoshitakas weder in den Briefen Xaviers noch seiner Genossen
8. So hcisst der Ort, den ich nicht identifizieren konnte, in Pintos Portut^ic-
sisch. ]''i(;rn;R und Kuici.n haben riiulaxaii.
Franr: Kavier geht nach Biiiigo. 197
das Geringste \'erlautet, es auch an sich sehr unwahrscheinlich
ist, dass der Daimyö, der den Pater als Gesandten empfangen
und ihm ausdrücklich freie Predigtwirksamkeit gestattet hatte,
einen Uebertritt eines seiner Vasallen oder Unterthanen zum
Vorwand nahm, denselben seiner t^inkünfte zu berauben.
Die Portugiesen, die in ihren Feierkleidern zu Pferde ritten,
waren nicht wenig erstaunt, den Glaubensprediger in so arm-
seligem Aufzuge daherwandern zu sehen. Er war zu Fuss
und trug auf den Schultern eine Tasche mit allen Messgeräten,
die ihm abwechselnd seine beiden Begleiter abnahmen. Da er
ein Pferd, das man ihm anbot, zurückwies, waren die Portu-
giesen gezwungen, ihn — entgegen seinem Willen — zu Fuss zu
begleiten, was auf die beiden Christen tiefen Eindruck machte.
Am Ankerplatz in Figi angekommen, wurde er mit allem
möglichen Freuden-Pompe aufgenommen ; sämtliches Geschütz
wurde viermal gelöst und verursachte, da der Schall sich an den
Felsen brach, ein solches Donnern, dass der Fürst in der Stadt,
auf den Gedanken kommend, die Portugiesen seien im Kampfe
mit Korsarenschiften, in Eile P2rkundigungen einholen licss und
ihnen seinen Beistand anbot. Der Kapitän jedoch erwiderte
seinem Boten, das Geschütz werde abgefeuert wegen der An-
kunft des Franciscus Xaverius, da dieser ein heiliger ^lann sei,
vor welchem der König von Portugal grosse Ehrfurcht habe.
Der Samurai zeigte sich höclilich erstaunt und sagte, dass die
15onzcn seinem Herrn eine ganz andere Meinung von diesem
I\Iann beigebracht hätten, der nach ihnen, fern ein Heiliger
zu sein, in geheimem Bunde mit ()iQ.w Dämonen stehe und durch
manche wunderbare Dinge, die er vermittelst Zauberei vollführe,
die Unwissenden bethöre. Sic hätten ihn überdies als eine so
klägliche Figur hingestellt, dass sie allen Glauben beim P'ürsten
verlieren würden, wenn dieser nun vom Gegenteil unterrichtet
werde.
Als der Bote dem Fürsten hinterbrachte, was er gesehen
und gehört, richtete dieser ein Schreiben an den Pater, worin
er ihn in sein Schloss einlud. Pinto teilt das Schreiben, das
198 Franz XcrAcr gcJit nach Bungo.
jcclenfalh aus seinem Reisewerke in die jesuitischen Brief-
sammlungcn genommen wurde, in denen es sich fast genau so
findet, mit, und ich kann mir nicht versagen, es liielier 7x\
setzen. Ms lautet also: ,, Vater Bonze von Chemahicogim. 9)
Deine glückliche Ankunft in diesem Lande sei Deinem Gotte
ebenso angenehm, als ihm das Lob seiner Heiligen ist. Quamsio
Nafama, den ich nach dem Schiffe Deiner Landsleute schickte,
hat mich nicht sobald versichert, dass die von Omanguchc in
Finge angekommen, so habe ich, wie alle die Meinen Dir'sagen
werden, eine unglaubliche Befriedigung empfunden. 1°) Daher
bitte ich, da Gott mich nicht würdig sein lässt, über Dich
befehlen zu können. Dich inständigst, willst Du meinem sehn-
hchen Verlangen, mit dem ich Dich umfasse, willfahren, so
komn^.e, ehe der Morgen anbricht, am Thor meines Palastes
anzuklopfen, es sei denn dass Du mir sagen lässt, dass ich Dir
lästig bin, damit ich auf die Erde hingestreckt und auf den
Knieen liegend diese Gunst von Deinem Gott erbitte, den ich
den Gott aller Götter und den Besten der Besten, die im Him-
mel sind, zu sein bekenne, und ferner, dass es durch das Locken
Deiner Lehre den von der Zeit Aufgeblasenen offenkundig werde,
wie angenehm ihm Dein heiliges mit Armut verbundenes Leben
ist, um zu verhüten, dass die Blindheit unserer Kinder durch
die eitlen Verheissungen der Welt missbraucht wird. Ich bitte
Dich auch, mir Nachricht von Deinem Befinden zu geben, damit
ich diese Nacht in Frieden schlafen kann, bis mich der Hahnen-
schrei erweckt und mir verkündet, dass Du auf dem Weg mich
zu besuchen bist." Coleridge meint, es sei kein Grund, zu
misstrauen, dass diese Lesart in der Hauptsache authentisch ist.
Ich bin anderer Ansicht. Der ganze Stil dieses Schreibens ist
viel mehr der Stil Pintos, in dessen Buch sich gar viele ähnliche,
offenbar von ihm frei komptjnijrte Briefe finden, als der eines
9. Korrumpiert aus Tenjikujin, Männer von Tenjiku. Siehe Kap. III, Anm. 5S.
IG. In den Epistolae Japonicae liest mau .statt dessen: „Wie sehr über Dein
l-".inlaufen in dem Hafen von Figen, von Amanguzi her, alle die Meinigen erfreut
sind, erfuhr icli von dem Quansin." So auch bei Cr.\sset.
Fmn:z Xavicr gc/il nach Jhiiigo. 199
ja[)anischen Kokushi. Historische Thatsache mag nur soviel
sein, dass der Fürst eine Einladung zur Audienz an den fremden
Glaubensprediger ergehen Hess. Pinto erzählt, dass die Einladung
von einem jungen Verwandten des Fürsten überbrächt wurde,
der mit einem Schiffe, begleitet von dreissig anderen jungen
Samurai kam, denen als Gouverneur ein bejahrter Alann namens
Pomindono, der natürliche Bruder des Königs \'on Minato, diente.
Nachdem dieser Greis seine Botschaft ausgerichtet, verabschiedete
er sich von dem Pater und den Portugiesen, die gerade bei ihm
waren. Als er wieder in das Schiff gestiegen war, gaben die
Portugiesen fünfzehn Salutschüsse ab, was dem jungen Edelmann,
der den Brief überbrachte, und dem Greis eine noch höhere
Meinung von dem armen Pater gab, dem sich seine Landsleute
zu Dienst zu stellen so beflissen zeigten. Ihre bewundernden
Aeusserungen wie ihre Zwiesprach mit dem l'ürsten nach ihrer
Rückkehr dürfen füglich als blosse Ausmalereien des Roman-
ciers Pinto übergangen werden. Dagegen ist bei der den Portu-
giesen eigenen Vorliebe für Gepränge und pompöse Aufzüge
und bei ihrer Hochschätzung des Magisters Franciscus kein Grund
vorhanden, anzuzweifeln, dass dieselben seinen Gang zur ersten
Audienz im Schloss des PTu'sten zum Anlass nahmen, in recht
ausserordentlicher Weise zu zeigen, in welchen lehren der Pater
bei seinen Landsleuten stand. Dieser musste sich's, obwohl unter
Widerstreben, gefallen lassen, dass sie ihm das Geleite gaben.
Unter klingendem Spiel fuhren sie in einer Schaluppe zum Quai,
wo sie vor dem Andrang der durch das ungewohnte Schauspiel
angelockten Menge kaum landen konnten. Die Sänfte, die hier
der Befehlshaber von Canafama, Quamsi Andono, auf höheren
Befehl für Xavier bereit hielt, wies dieser zurück, tä" ging zu
l'uss nach dem Schloss, begleitet von einer Anzahl Samurai
und dreissig Portugiesen. Voran gingen dreissig in den Dien-
sten der Portugiesen stehende Knaben in ihren P'eierkleidern
und mit goldenen Ketten um den Hals. p'ranciscus hatte eine
schwarze Kamelottsoutane mit weissem Rochette nebst einer
Stola von grünem Sammet mit brokatgesticktem Saum ; hinter
2CO Franz Xavicr gclit nach Jlniigo.
ihm schritt der l^cfchlshabcr des ScliilTcs mit einem Kommando-
stabe in der Hand. Es folgten fünf der angesehensten und
vermögendsten Kaufherren, die gleichsam als seine Diener ver-
schiedene Gegenstände trugen, der eine ein Ikich in einer Tasche
von weissem Atlaszeug, der andere ein Paar Pantoffeln von
schwarzem Sammet, die sie zufällig besassjn, der dritte ein
bengalisches Rohr mit goldenem Knopf, der vierte ein Bild der
Madonna, eingehüllt in veilchenblauen Damast, und der letzte
einen kleinen Sonnenschirm. ") In diesem Aufzug schritt&n sie
durch die neun Hauptstrassen der Stadt, wo sich die Einwohner
gesammelt und die Häuser bis zu den Dächern hinauf besetzt
hatten, bis sie vor der Wohnung des P^ürsten angelangten, wo
sie dessen Leibwache empfing. In dem langen Gang, in den.
sie zunächst eintraten, überreichten die erwähnten Kaufleute dem
Pater knieend die von ihnen getragenen Gegenstände. Durch
eine Flucht von Zimmern schreitend, in deren erstem, mit Hofleu-
ten gefüllten, ein 6-'/ jähriges Kind den P. P^'anciscus mit Vv'ohl-
gesetzten Worten willkommen hiess, gelangte dieser endlich, von
des Königs Bruder liachirö i-) geführt, in das Gemach, in dem der
Fürst bereit stand, ihn zu empfangen, und der päpstliche Nuntius
stand einem der mächtigsten Grossen des japanischen Reichs
jener Zeit gegenüber, der fortab der hervorragendste Förderer
und aüetzt sogar ein ^persönlicher Anhänger der von Xavier
nach Japan getragenen fremden Lehre, ,, unser Maecenas Jakaton-
d no P'rancesco", wie die Jesuiten ihn nannten, werden sollte.
11. ^'oN SncßOLD berichtet, dass noch zu seiner Zeit unter den Gegenständen,
welche die niederländischen Gesandten in Japan bei ihren Aufzügen anstatt der bei
den japanischen Daimyös gebräuchlichen Insignien fürstlicher Würde — Piken, Bögen,
Pfeile, Schiessgewehre, Ilarnischkoffer, Feldhut etc.- — trugen, die folgenden waren : ein
grosser Sonnenschirm in Sammclfuttcral, ein Stahldcgen, ein spanisches Rohr mit
goldenem Knopf, zwei kostbar gesliclvtc Pantoffeln, ein Schreibschrank, eine Thee-
maschine u. a. und fügt liinzu ,, ob alicr dieses entsprechende Abzeichen für den
Gesandten einer europäischen Nation sind, darüber mag der Leser selbst urteilen."
N'ippou, 2. Auflage, Band I, S. 54.
12. Pinto nennt ihn Facarandoiw. Dass damit Hachiro gemeint ist, erkennt
man aus Pintos Beifügung, da.ss er nachmals König von Yamaguchi gewesen sei
{■jue d.pois succedeo cm Key de 0/iiaiigiic/u).
Fr an:: Xavicr gcJU nach Biingo. 201
Otoino Yoshihigc Bjingo no Kami, von den Jesuiten gewöhnlicli
Civandono ''S) genannt, war der Spross eines der hervorragend-
sten Daimyögeschlecliter Japans, das seinen Stammbaun auf
Minamoto Yoritomo zurückführte. Der Gründer der T^amiHe
war nach der Ueberlieferung Ichihoshi, ein natürliclier Sohn
Yoritomos von der Tochter eines Adehgen Otomo Tsuneiye,
dessen Namen er annahm, seit seiner im Jahre 1193 erfolgten
Erhebung durch Yoritomo zum Statthalter (Kokushi) von Bunge
und Euzen mit dem Titel Sakon Shögen bekannt unter dem
Namen Otomo Yoshinawo. In der Zeit der Bürgerkriege zwi-
schen den zwei um die Mikadowürde kämpfenden Thronpräten-
denten schlug der regierende Fürst Sadamune sich auf die Seite
Ashikaga Takaujis. Der Sieg seiner Partei legte (\c\\ Grund
zur nachmaligen Grösse des Hauses (^tomo. Sadamunes Enkel
Chikayo, der es verstand, seine Besitzungen bedeutend zu
erweitern, wurde \'on Yoshimitsu zum Tandai (Gouverneur) von
Chikuzen und Chikugo ernannt. Von da ab blieb, obwohl eine
Periode des Niedergangs folgte, die Würde bei der Familie
Ütomo bis in die Zeit des tüchtigen Yoshinori, während dessen
Regierung die Portugiesen zuerst in Häfen von Bungo einliefen,
und seines thatk'räftigen Sohnes und Nachfolgers Yoshishige,
der, Herr über nicht weniger als sechs Pro\'inzen — Bungo, Buzen,
Chikuzen, Chikugo, Higo und Hizen — damals wohl weitaus der
mächtigste von den drei Daimyös war, unter die die Herrschaft
über Kyüshü sich verteilte. H) Das entging auch Navier nicht,
der von ihm schreibt : ,, Der König von Bungo besitzt eine
zahlreiche Armee sehr tapferer Krieger, wie es bei den japa-
nischen Königen vorkommt, hat ein weitausgedehntes Reich
und — eine grosse Liebe zu den Portugiesen", d.h. er war trotz
13. Marnas (a. a. Tome I, p. 13) erklärt dieses Wort als eine Entstellung
des gebräuchlichen Familiennamens Shiha order Shhca.
14. Die japanischen Autoritäten, denen diese Notizen ülicr die Geschichte des
Hauses Utomo entnommen sind, sind : Söho Ötoino-Köhaiki (48 Bijcher) ; Otomo-ki
(i Band) und Kagoshinia Gwaishi. Siehe auch GunBlXS, IJideyoshi and the Satsitiiia
Clan in the Sixteenth Cenhuy. T.A.S.J. Vol. YIII, Part I, p. 98 f.
202 Prairj Xavicr ii'cht nach Biiib:;o.
seiner Jugend und obwolil erst su-'t 1550, in \velclieni Jahre sein
Vater Yoshinori, der ihn zu Gunsten eines jüngeren Bruders
hatte enterben wollen, diaxh die ]Mörderhand zweier damit
unzufriedener Vasallen gefallen war, an der Regierung", klug
genug, einzusehen, dass ihm der Handel rnit den Portugiesen
Vorteile brachte, die er sich auch durch besondere Freundlich-
keit gegen den bei diesen in grosser Verehrung stehenden Pater
mit zu sichern meinte.
So weit ging nun wohl freilich diese Freundschaft nicht
sofort, wie Pintos Erzählung den Leser glauben machen will,
nach welcher Yoshishige gleich nach dem ersten Austausch der
]k'grüssungen in die Worte ausbrach : ,, Wie glücklich würden
wir sein, wenn wir wissen könnten, woher es konmit, dass dieser
]\Tann so klar sieht, während wir so sehr mit Blindheit geschla-
gen sind, imd immer so einfach und der Natur gemäss spricht,
Avährend unsere Bonzen nur Verwirrtes reden, welches in Men-
schen von gesundem Verstände Zweifel eiregt und an der Richtig-
keit ihrer Aussprüche zweifeln lässt!" Ein Kompliment, so
plump wie dieses, wäre für Xavier wenig schmeichelhaft gewesen,
und eine so ausgesprochene Parteinahme des Fürsten für den
fremden Religiösen gegen die einheimischen Priester ist im
höchsten Grade unwahrscheinlich, da sie bei dem Ansehen, das
die Bonzen genossen, und bei der Macht, die sie hatten, auch
im höchsten Grade unpolitisch gewesen wäre. Sie hätte die
ganze Bonzenschaft gegen den Fürsten wie auch von vornherein
gegen den also von ihm Begünstigten erregt, was Yoshishige
doch im eigenen Interesse eher zu verhüten bestrebt sein musste.
Pinto schreibt, es sei zufällig ein Bonze O P^axiandono zugegen
gewesen, der dem König entgegnete, dass er von solchen Dingen
nichts verstehe, weil er kein Studium daraus gemacht, und
seine Standesgenossen in Schutz nehmend erwiderte, sie seien
heilige Leute, die selbst ihre Nächte in Gebet zubrächten,
beständige Keuschheit beobachteten, sich der P^rziehung der
Jugend widmeten, Streitigkeiten schlichtend Rir Erhaltung des
inneren Friedens sorgten, sich der Armen annähmen, Kranke
Franz Xavicr geht nach Binigo. 203
heilten, den Toten Pässe für das Himmelreich ausstellten u.
dergl. m., ja sich zu solchen schmähenden Ausfallen gegen den
Fürsten, dessen Erregung Xavier zu besänftigen suchte, hinreis-
sen Hess, dass er aus seiner Gegenwart verwiesen wurde. Dies
alles bis auf die Verwünschung hiacataa passiravi figiancor pas-
siiiait ,, möge das Feuer des Himmels einen König verzehren,
welcher so spricht ", mit welcher er den luirsten in Wut ver-
lassen haben soll, verrät sich auf den ersten Blick als zur
Unterhaltung der Leser, noch dazu wenig geschickt erfundene
Dichtung. Dagegen darf man Pinto Avohl unbedenklich glauben,
dass Xavier während der Zeit seines Aufenthaltes in P\inai nach
dieser ersten Audienz noch oft Gelegenheit gesucht und gefunden
hat, mit dem PWrsten zusammen zu sein und auf ihn einzuwirken,
wie auch dass dieser, wenn auch vielleicht nuhr nur, um sich
dem frommen Priester gefällig zu zeigen, als in wirklicher Sit-
tenwandlung, ihm versprach, einige Leidenschaften (er fröhnte
nach Pinto u. a. der Päderastie), an denen dieser besonderen
Anstoss nahm, zu entsagen, auch gegen die Armen wohlthätiger
wurde und ein Verbot gegen den sehr verbreiteten Kindermord
und das Töten der Leibesfrucht erliess. Es fehlte nicht viel,
meint Pinto an einer Stelle seiner Beschreibung, ^5) so hätte er
diesen Fürsten bewogen, sich zum christlichen Glauben zu be-
kehren; und dies wäre auch geschehen, wnww der selige Vater
länger mit ihm in Verkehr gestanden hätte, so gewichtige
Gründe dieser auch haben mochte, einen solchen Schritt zu
vermeiden. ,, Ii:dessen ist diese Bekehrung bis auf den heutigen
Tag noch nicht erfolgt, und Gott allein weiss warum, da Men-
schen dem Geheimnis sich nicht nähern können." Yoshishige
Hess sich erst 28 Jahre später, gegen PZnde seines Lebens, im
Jahre 1579 taufen. Aber er erwies den Jesuiten auch vor
seinem öffentlichen Uebertritte von Anfang an die grössten
15. Cap. CCXI. Diese Stelle ist vielleicht aucli deshalb wichtig, weil sie,
soweit ich sehe, die einzige im ganzen Buche ist, welche erkennen lä.sst, dass Pinto
wenigstens diesen Teil dessell^en, wahrscheinlich dann aber das ganze, erst in den
letzten Jahren vor seinem Tode und bestimmt nicht vor 1579 niedergeschrieben hat.
2ü4 Franz Kavier gehl nach JJnngo.
Dienste. Schon die wohlwollende Haltung, die er zeigte, war
der Ausbreitung der christlichen Lehre in seinem Gebiete und
ausserhalb desselben in der Inilge wohl mehr als irgend etwas
sonst fördersam. \ix legte natürlich auch dem lüfer Xaviers
nichts in den Weg, der allsofort in Funai seine apostolische
Thätigkeit wieder entfaltete und an nichts anderes als an Seelen-
bekehrung dachte. Den Entschluss, mit dem Schiff Duarte
Gamas nach Indien zurückzukehren, scheint er sehr schnell
gefasst zu haben. Der Gedanke an die kurze Zeit, die 'ihm
zum Wirken auf japanischem l^oden noch vergönnt war, Hess
ihn darum alle Kraft anspannen, um noch so viel wie möglich
auszurichten. Diese Arbeit nahm ihn so ganz in Anspruch,
dass ihn seine Landsleute nur spät nachts und früh am Morgen
sehen konnten, wenn er sie Beichte hörte oder erbauliche Zu-
sammenkünfte mit ihnen hielt. Etliche klagten, dass er so gar
wenig für sie zu haben wäre. Er bat sie, ihn nicht zu ihren
Mahlzeiten zu erwarten; ihm sei die liebste Speise die, zu sehen,
Avic; eine Seele sich ihrem Erlöser ergebe. Unter den Früchten
seines heiligen Eifers wird ein Bonze Saquay Gyran von Cana-
fama besonders erwähnt, der, erst A\-iderstrebend, eines Tages
plötzlich in Gegenwart vieler auf den Knieen seinen Glauben
an Jesus Christus bekannte. Den Portugiesen sagte Xavier, dass
fünfhundert Personen, wenn er wollte, bereit wären, sich taufen
zu lassen. Li Erwägung dessen, dass er die Stadt bald verlassen
würde und die Neugetauften den Anfeindungen ihres Glaubens
durch die Bonzen, nicht genügend gefestigt, kaum Stand halten
würden, scheint er indessen in P\inai weise Zurückhaltung be-
obachtet zu haben. Alcaceva, der ein Jahr darauf mit zwei an-
deren nach Japan entsandten Jesuiten eine Audienz bei Yoshi-
shige hatte, teilt in einem nach seiner Rückkehr im Jahre 1554
geschriebenen Briefe mit, derselbe habe ihnen gesagt, es thue
ihm leid, dass es nicht wie in Yamaguchi, so auch in den
Städten seines Gebietes neubekehrte Christen gebe. Das ist ein
Zeugnis dafür, dass Xavier hier in Funai keine Gemeinde zurück-
liess, wie seine Biographen fälschlich angeben.
VIERZEHNTES KAPITEL.
Schicksale der Gemeinde in Yamaguchi nacli
Xaviers Weggang.
Von Yamaguchi aus sandte am 20. Oktober 1551 Johann
Fernandcz einen (von jMaffei n'iitgeteilten) Brief an Xavier nach
Bungo. Darin erzählt er: ,, Nach Deiner Abreise aus dieser
Stadt kamen die hochmütigen Japaner ■ zu uns in das Haus,
um uns mit verschiedenen Fragen zu quälen; denn sie meinten,
CS v^'ürde in Deiner Abwesenheit niemand ihre Argumente wider-
legen. Aber Cosmo Torres drückte mit der Gnade Gottes ihren
Geist zusammen; denn er antwortete ihnen auf jede ihrer Fragen,
wobei ich der Dolmetscher war, so, dass er ihnen genug that.
Da ich sie auf seinen Befehl in japanischer Sprache aufschrieb,
wollte ich nicht ermangeln. Dir einige davon zu übersenden.
,, Es ward die Frage aufgeworfen, aus was für einem Stoffe
Gott die Seele erschaffen habe; denn dass der Leib aus vier
Elementen bestelle, Avar ihnen nicht unbewusst. Wir antworte-
ten hierauf, dass Gott, gleichwie er, um die Elemente, die Sonne
und den Mond und den übrigen Zierrat der Welt zu machen,
keine vorherbestehende Materie brauchte, sondern sie durch
seinen Wink und durch sein blosses Wort ins Dasein rief, so
auch die Seelen durch seinen blossen Willen, ohne eine Materie
zu gebrauchen, erschaffen habe. Darauf fragten sie, was die
Seele für eine Farbe, was für eine Gestalt sie hätte. Wir ant-
worteten : keine, denn das seien Eigenschaften der Körper und
Elemente. Da sie hieraus folgerten, weil die Seele keinen Leib
hätte, so sei sie nichts, fragte sie Cosmo, um sie durch ihre
2oG Sc/iic/csnlc ih-r Gemeinde in Yaniagnchi n. Xavieis Weggang.
cii;encn Worte zu ül)ciTiihrcn, ob eine Luft in der Welt wäre ;
und da sie das bejahten, fragte er sie weiter, ob die Luft eine
l"\ube hätte. Sie antworteten : nein. Darauf sagte er : Wenn
die Luft, die doch etwas KörpcrHches ist, keine Farbe liat, um
wie \iel weniger die Seele, da sie keinen Leib hat? Nachdem
sie dieses gehört hatten, gaben sie nach. Andere fragten, was
die Teufel wären. Da Avir ihnen sagten, sie seien eine grosse
Anzahl Engel unter der Anführung Lucifers, die ihres Stolzes
A\-egen, A\-eil sie sich Gott gleich halten wollten, der himmlischen
]'^-eude und der Anschauung Gottes beraubt wurden, versetzten
sie : Warum versucht der Teufel die Menschen und ist ihnen so
sehr feind ? Weil er weiss, sagte Cosmo, dass sie zu jener
Seligkeit erschaffen sind, die er verloren hat, so beneidet er sie
und ist bemüht, sie zu hintergehen. Einige fragten hernach,
warum Gott, wenn alles gut \\-ar, was er gemacht hatte, den
Lucifer einen bösen und widerspenstigen Geist erschaffen hätte.
Hierauf antwortete er : Gott habe den Lucifer und seinen An-
hang mit einem klaren Verstände, das Gute und Böse zu unter-
scheiden, und mit einem freien Willen, eines von beiden zu wählen,
erschaffen, wofür ihnen, wenn sie das Gute gewählt hätten, die
Seligi<eit, wenn aber das Böse, die Peinen der Hölle zu teil
würden ; weil nun der Lucifer und die übrigen Teufel diese
.Ahicht missbrauchten und an Gottes statt angebetet werden
wollten, so wurden sie deswegen gestraft und durch eigene
Schuld böse und hoffärtig. Anders erging es den guten Engeln,
die, weil sie sich Gott unterworfen, sich die ewige Seligkeit
verdient haben. \\'ieder andere fragten, was Gott, und wo er
wäre, und ob er gesehen werden könnte ; andere, warum Gott,
da er so gütig ist, den Eingang in die Seligkeit so schwer
gemacht habe. Mit einem Wort : es war vom frühen Morgen bis
7.\\\w späten Abend die Zahl derer, die diese und andere der-
gleichen Fragen aufvvarfen, so gross, dass das Haus von ihnen
voll war. Aber Cosmo, wie ich sagte, that allen genug. Die
Bonzen hören nicht auf, weil wir ihre Lasterthaten mit Worten
strafen, über uns zu schmähen, l'.inige von ihnen erdichteten,
Sr/u'rksnlc der Gemeinde in Vaniaguelii n. Xaviers Weggang. 207
der Teufel habe aus dem Götzenbild geredet : wir seien seine
Schi^iler ; er habe unsertwegen von dem Himmel vor vieler Augen
die Residenz mit dem Donner getroffen. Peinige warfen uns
auch vor, wir ässen Menschenfleisch."
In die Zeit des Aufenthalts Xaviers in Funai fällt auch eine
in diesem nämlichen Briefe berichtete Revolution in Yamaguchi,
Avelche seine dort zurückgebliebenen Genossen und die christ-
liche Gemeinde nicht wenig in Mitleidenschaft zog, schliesslich
aber zu ihrem Guten ausschlug. Satow hat uns in seiner bereits
erwähnten jMonographie nach japanischen Quellen über die
Veranlassung und den \'erlauf dieser Revolution unterrichtet. Ich
kann nichts besseres thun, als ihm hier einfach nacherzählen,
mich darauf beschränkend, selbst nur einiges wenige aus anderen
japanischen für die Geschichte von Yamaguchi in Betracht kom-
menden Werk-en ') einzufügen.
Unter Yoshitakas Günstlingen war Sagara Taketö, ein
verschlagener und kluger Mensch, der im Vertrauen auf seinen
Einfluss beim Fürsten vieles wagte und seinen \'orteil suchend
beständig Intriguen spann. Er kam auf den Gedanken, seine
Tochter mit dem Sohne Takafusas oder, wie er sich nachmals
nannte, Suye Harukata Owari no Kami, des mächtigsten Va-
sallen in Yoshitakas Landen, zu verheiraten, wurde aber von
letzterem trotz des Fürsten Verwendung verächtlich abgewiesen.
Sich dafür zu rächen, beredete er den Fürsten, einen ausgedehn-
ten Grund, der dem Takafusa gehörte, zu konfiszieren, da der-
selbe eigentlich buddhistisches Klostergut sei. Takafusa, der
schon den Eheantrag als eine Beleidigung angesehen hatte,
hiedurch noch mehr gegen Taketö aufgebracht, verband sich
mit zwei anderen vSamurai, die gleichen Grund hatten, diesem
feind zu sein, zu dem Zwecke, f\c\\ Günstling zu beseitigen.
Taketö machte den Versuch, es so hinzustellen, als konspirierten
die drei Samurai gegen Yoshitaka selbst, fand aber mit seinen
I. Öuchi-Yoshitaka-Jd [\ Band); ferner die Werke Chir:;okii-chiran-lci (\ Band),
OitcIii-jilsiirQkii (5 Bände), YainagticIii-ken-Sliiiyaku (4 Bände).
.?o8 Schicksale der Gemeinde in Yainagiichi n. Xaviers \Veg-gaiig.
Anschuldic;"ungcn keinen Glauben und war genötigt, sein Heil
in der Mucht zu suchen. ])ie Verbündeten hatten das Feld
behalten. Dies geschah zwischen lO. Oktober und 8. November
1550, also etwa ein halbes Jahr vor Xaviers Ankunft in der
Stadt, so dass es Satow ohne Grund befremdlich findet, dass er
\'on diesem Ereignis, das von allen Geschichtschreibern dieser
Periode berichtet ist, in seinen l^riefen nichts verlauten lässt. -)
In Takafusa und seinen AUiierlen stieg die ]5efurchtung auf,
der Fürst könne trotz aller seiner gegenteiligen Versicherungen
daran denken, sie für ihr Auftreten zur Strafe zu ziehen. Für
diesen Fall wollten sie sich vorsehen. Gegen Ende des Jahres
\-erliessen sie die Stadt, l'^ir einige Zeit blieb alles ruhig. Am
27. September 155 1 aber wurde Yoshitaka mitten während
eines Mahls zu Ehren von Gesandten des Shöguns und des
Oberhaupts des Hauses (;tomo von Bungo durch die Nachricht
alarmiert, dass Takafusa an der Spitze eines Heeres gegen
die Stadt anrücke. Yoshitaka rief zwei Verwandte, die beiden
im Jahre vorher mit Takafusa gegen Taketö verbündeten
Samurai, zu Hilfe. Sie erschienen nicht. Itr schwankte, was
er thun sollte. Endlich folgte er dem schlechten Rate eines
verräterischen Günstlings, sein Schloss im Stiche zu lassen,
und begab sich, begleitet von etwa 3000 Mann, in das nahe
Kloster Hösen-ji. Die meisten seiner Leute verliessen ihn
während der Nacht; mit <\q\\ kaum looo, die ihm blieben, sah
er sich am andern Morgen von seinen Angreifern umzingelt.
Auf Unterhandlungen Hessen sich seine ihm fünffach überlegenen
Gegner nicht ein. Es blieb ihm nichts übrig als die Flucht.
Die Dunkelheit benützend verliess er das Kloster in der Absicht,
nach Chikuzen sich zu retten. Aber wie er an die Küste kam,
wehte ein widriger Wind. Er sah sich genötigt, wieder um-
zukehren und Ikrgung im Kloster Fukakawa Tainäji zu suchen.
Auch hier umzingelt, gab er sich, 43 Jahre alt, aller Hoffnung
2. S.'VTOW schreibt, Xavier müsse zu der Zeit in Yainaguchi gewesen sein.
Vgl. dagegen meinen Nacliweis, Kap. X, Exl^urs und Kaj). XII, .S. 1S2.
Scliicks.'i/c der Gemeinde in YaviagucJn n. Xaviers Weggang. 209
beraubt, <\t\\ Tod, nachdem er seine zwei Söhne der Sorge des
Priors anvertraut hatte. Dies geschah am 30. Sei)tember 1551.
Viele seiner Vasallen folgten ihrem Tlerrn in freiwilligen Tod
oder fielen vor dem Feinde. Der Ahnich entkam mit den zwei
Knaben aus dem Tempel, aber sie wurden eingeholt und finden
gleichfalls ihren Untergang. Nach anderen l^erichten starben
Öuchi und sein Sohn gemeinsam, und dies stimmt zu der Dar-
stellung der Jesuiten.
Xavier schreibt in seinem Cochin, 29. Januar 1552 datierten
Briefe von dieser Revolution: ,, Während meines Aufenthaltes
zu Bungo stiftete der Teufel zu Amanguchi einen grossen Krieg
an. Ein einfiussreicher Fürst überzog seinen König mit Krieg,
vertrieb ihn aus der Hauptstadt und beraubte ihn des Reiches.
Da der König nicht wusste, wohin er auf seiner Flucht sich
wenden sollte, stiess er sich einen Dolch in den Leib und tötete
sich, um nicht lebend in die Hände seines erbittertsten Feindes
zu fallen, der noch soeben in seiner Gewalt gewesen war;
zugleich Hess er seinen Sohn, den er bei sich hatte, töten und
befahl, dass beide Leichname verbrannt würden, damit die Feinde
nichts fänden, woran sie ihre \\\it auslassen könnten. Alles
geschah, wie er befohlen. Li welch grosser Lebensgefahr die
Unsrigen zu Amanguchi während dieses Krieges schwebten,
werden Sie leicht aus dem von denselben an mich gerichteten
Briefe ersehen, den ich Ihnen übersende."
Das ist der bereits erwähnte Brief Johann Fernandez' vom
20. Oktober. Hier wird das folgende berichtet : ,, Es entstand
in der Stadt ein Aufruhr, der erst durch den Tod des Königs
gedämpft wurde, und der so gross und verderblich war, dass
man acht Tage lang nichts als Feuersbrünste und ]Mutbäche
sah. Alle Gesetze waren aufgehoben, und die Ruchlosigkeit
schwärmte überall sieghaft und ungestraft herum. Ueberall gab
es Totschlag und Räubereien. Und durch diese ganze Zeit
wurden wir beständig teils von denen, die uns hassten, teils von
jenen, die nach unsern wenigen Habseligkeiten lüstete, zum Tode
aufgesucht und waren daher oft in Lebenscrefahr. Aber aus
2IO Sc-///rhn7r r/rr CcDiciwIc in Yauiayiirlii u. Xavicrs JVtxnifi/^'-.
alle (lein enlriss uns die ;4Ütii;stc ATuttcr des Herrn, die ihre
Pllec^ek Inder mit so besonderer Sorgfalt sehützt. Denn da die
Sachen so bestellt waren, schickte Cosmo den Antonius 3) zur
(Icniahlin des Nactondono, 4) um sich bei ihr Rats zu erliolen.
Sie Hess uns sagen, wir sollten allsogleich zu ihr kommen. J)a
wir dahin gingen, stiessen mehrere von uns auf bewaffnete
] laufen. Da diese der Reihe nach an uns \-orübergingen, sagten
sii> : Warum räumen wir diese Kerle \'on Cengecu 5) (denn so
n(Miiien sie die Iun'oj);ier) nicht aus dem Wege? Denn sie, die
da sagen, die hölzernen oder steinernen Götzen könnten weder
anderen noch sich .selber helfen, tragen doch die Schuld daran,
dass die erzürnten Götter diesen Aufruhr erregt und dem Volke
eine so grosse Niederlage beigebracht haben. Das sagten sie
aber deswegen, weil in der tollen Verwirrung das Feuer auch
mehrere Tempel mit den Götzenbildern eingeäschert hatte, und
weil die J'^hrfurcht vor den Götzenbildern und ihren Dienern
bereits dadurch sehr vermindert wurde, indem sich zeigte, dass
dem König, der doch, wie ]-)u weisst, diesem Wesen sehr er-
geben war, sein Aberglaube nichts genützt hat. Allein wir
entrannen der Gefahr und kamen in das Haus Naetondonos,
de.s.sen Frau uns einen Knaben mitgab, welcher uns zu einem
von ihr erhaltenen Bonzenkloster führte, wo man uns x-erwahren
sollte. Aber die Bonzen, da sie sehr ungehalten auf uns sind,
zeigten sich ganz grimmig, nannten uns Teufel und sagten, sie
hfitten keinen Raum für so verworfene Leute wie wir ; warum
nähme uns der Gott, der im Himmel wohnt, und dessen Gesetze
wir verkündigen, nicht von diesen Gefahren weg in den Himmel
liinauf? Schliesslich aber wiesen sie uns doch, sei es aus Furcht
\"or der v^ornehmen Frau oder auf das Zureden des Dieners,
einen Winkel des Tempels an. Dort blieben wir zwei ganze
Tage, bis uns die l'^rau wieder in ihr Haus kcMiimen Hess und
uns in dem hinteren Teil desselben einen kleinen Gang zur
3. Antonius war offenbar ein japanischer Christ.
4. Zu A'iiüö siehe Kap. XII, Anm. 8.
5. Tenjikit. .Siehe Kap. II F, Anni. 5S.
Si-fiirksalc tfcr Gcviciiuh' in Yainaf^iicJii n. Xcrricrs WLc;c;ciiii:;. 21 r
Wohnung gab. Wie \iclc Gefahren, wie \"iele MühseHgkeiten
wir da ausgestanden haben, i^ibergehe ich, um nicht zu weit-
läufig zu werden, mit Stillschweigen. Wir empfehlen uns sehr
Deinem und der liebsten \'äter und Brüder heiligen Messopfern
und Gebeten, die, v/ie ich hoffe, bald kommen werden, um
dieses Volk in den Lehren des Heils zu unterrichten und zur
wahren Kenntnis ihres (jottes und Schöpfers zu erziehen."
Auch Torres erwähnt diesen Aufstand in einem Schreiben
an die Gesellschaft Jesu in Portugal vom 8. September 1557.
Er meint, der Teufel habe diesen Krieg erweckt, da er, als er
sah, wie sehr die Veiki^indigung des Evangeliums fortschritt, sie
auf alle W^eise zu verhindern suchte, fiigt aber hinzu, dass er
und sein Genosse, die, etwa am 10. September angekommen,
beim Ausbruch des Aufstandes erst zwanzig Tage in der Stadt
gewesen waren, sich durch die Unruhe nicht von ihren Ver-
richtungen abhalten liessen. Sie war auch nur von kurzer Dauer.
Obwohl mächtig genug, sich zum Herrn von Yamaguchi
zu machen, fand Harukata, wie Takafusa sich nach dem Auf-
stand nannte, dazu nicht den Mut. Er schob alle Schuld an
dem Untergang des Fürsten auf einen seiner Mitverschworenen,
schaffte denselben aus dem Leben und wurde dann, seinen
Namen abermals in Zenkiyö verändernd, um alle feindseligen
Anschläge gegen sich hintanzuhalten, Mönch, zum Schein allen
weltlichen Herrschgelüsten entsagend. Doch war dies nur eine
Klugheitsmassregel des berechnenden Strategen. In W^irklich-
keit behielt er seine ganze Macht als Hauptratgeber der (Juchi-
Familie in Händen und sandte in dieser Eigenschaft Suye Awa
no Kami als Gesandten nach Bungo, um (jtomo Yoshishige zu
bitten, dass er seinem Bruder Hachirö (Ctomo Haruhide) er-
laubte, das Regiment zu Yamaguchi zu übernehmen. Nach
einem zeitgenössischen Chronisten des Hauses Otomo ^), dem
S.\TOW folgt, hätte Yoshishige gewünscht, seinen Bruder nicht
nach Suwö zu senden, da er wusste, dass Möri Motonari, Haru-
6. Otomo-ki in den GtmsJiiyo Riiijü von IIan.-vwa Kengyö.
212 Sc/iirksalc der Gemeinde in yaninp:nrJn n. Xaviers Weggang.
katas mä.clitigcr Ri\'alc, zu stark fi'ir ihn sein und versuchen
nii'iclite, das I'jbe der ( Juchi-l'amiHe an sich 7,u reissen. Ilachirö
aber, besorgt, eine Ablelinung könnte als Inircht vor ]\Töri
ausgelegt werden, habe auf Annahme gedrängt und schliesslich
seinen Bruder auf seine Seite gewonnen. Ich denke, man thut
besser, hier eher dem Zeugnis der Chronisten der Familie ( -uchi
zu folgen. Nach ihnen hatte Takafusa \'on Anfang an im
Einverständnis mit dem Daimyö von Bungo gehandelt, dem er
\'on lange her versprochen hatte, seinem l^ruder zur Regierung
in Suwö zu verhelfen, natürlich mit dem stillen Vorbehalte,
dass er selbst die wirkliche Regierung der Provinzen, wie mehr
oder weniger schon bisher, in der Hand behielte. Xavier schreibt
in einem ]^)riefe : ,,Als nach dem Tode des Königs die h^ürsten
\\w([ \^irnehmen einsahen, dass Amanguchi nicht ohne König
sein k'(">nne, ordneten sie eine Gesandtschaft an den König von
Jkingo ab, er m(")ge seinen leiblichen J^ruder nach Amanguchi
schicken, i\c\\ sie zum Könige machen wollten. Alsbald will-
f ihrte ihnen dieser und erhielt damit das Königreich Amanguchi."
Man wird diese Darstellung schwerlich als ein Zeugnis für die
Richtigkeit der Darstellung des (Jtomo-Chronisten und gegen die
andere Lesart dieses lu'cignisses anziehen dürfen. Denn Xavier
war zu der Zeit in Bungo, wo er natürlich die Sache in Yoshi-
shiges Beleuchtung sah. Torres dagegen, der sich in Yamaguchi
aufhielt, hat zu bemerken, dass des Königs von Bungo Bruder
keineswegs mit Einverständnis aller Grossen der Ouchi-Familie
dahin eingeladen wurde.
Das war gerade vor Xaviers Abreise von l^ungo gegen
luide November dieses Jahres. Er und die Portugiesen erhielten
noch nach eigener Mitteilung Xaviers \^on Yoshishige die Zu-
sage, er werde mit seinem Bruder, dem Könige von Yamaguchi,
darüber verhandeln, dass er Cosmo de Torres und Johann
Fernandez sich gewogen erweise. Dasselbe versprach ihnen
auch der erwählte Herr von Yamaguchi zu thun, sobald er
seine Herrschaft werde angetreten haben. So konnte Xavier, als
er kurze Zeit darauf von Cochin aus an Ignatius schrieb, diesem
Schicksale der Gemeinde in Yauiaguchi n. Xaviers Weggang. 213
gute Nachricht geben : „ Ich hege grosse Moffnung, dass die
Kirche von Amanguchi grossen Zuwachs und glückh"ches Ge-
deihen erlangen werde. Es sind dort schon \'iele Christen, und
unter diesen nicht wenige recht gute, und täghch werden viele
neue unterrichtet und getauft. Auch lebe ich der Hoffnung,
dass Gott der Herr uns den Pater Cosmo de Torres und Johann
Fernande^ erhalte und nicht zulasse, dass sie von den Götzen-
dienern getötet werden; denn einmal sind sie, wie es scheint, den
ersten augenscheinlichen Gefahren entgangen, da die anninglich
erregte Wut der l^onzen allmälilich nachlässt und sich legt.
I^Arner sind dort, wie bemerkt, viele Christen, und unter diesen
manche durch Würde und Ansehen her\-orragende jMänner,
welche Tag und Xacht mit grossem Eifer für die Erhaltung der
Unsrigen besorgt sind. Obwohl Johann l'ernandez nur ein Laie
ist, so ist er doch dem P. Cosmo de Torres sehr nützlich, weil
er geläufig Japanisch spricht und alles, was ihm der Pater sagt,
gena-.i und gut in diese Sprache übersetzt. Jetzt i.st er ganz
damit beschäftigt, in täglichen Vorträgen dem Volke sämtliche
Geheimnisse des Lebens Jesu Christi zu erklären."
FÜNFZIG INTICS KAriTFL.
Rückblick auf Xavicrs Kämpfe in Japan.
¥üv Xavicr rückte der Tag der Abfahrt von Japan ,näher.
Denn den Gedanken, mit dem er sich nach einer Aeusserung in
seinem Briefe vom 29. Januar 1552 zuerst getragen hatte, noch
einmal zu seinen Gesellen in Yamaguclii zurücl-czukehrcn, gab er
auf Fr wollte die Gelegenheit, die Gamas Schiff ihm bot, zur
Rückkehr nach Indien benützen.
Nach Pinto wäre es vor seiner Abreise noch zu einem
heftigen Zusammenstoss mit der Priesterschaft gekommen, die,
unzufrieden mit der Begünstigung, die Yoshishige dem europä-
ischen Geistlichen angedeihen Hess, und beschämt durch die im
Wortstreit mit ihm davongetragenen Niederlagen, die Tempel
schliessend P\inai mit einer Art von Interdikt belegt und dadurch
eine derartige Frregung des bigotten Volkes gegen die Portugie-
sen herbeigeführt hätte, dass es diese fiir geraten hielten, ohne
Verzug mit ihren Schiffen abzustossen. Sie seien jedoch kurze
Zeit darauf wieder zum Ankerplatz zurückgekehrt, da sie den
Pater, den Gama umsonst zu bewegen suchte, sich in Sicherheit
zu bringen, nicht allein im Stiche lassen wollten. Pinto berichtet,
dass die Bonzen hierauf den l-^irsten bewogen hätten, eine Reihe
von ihm selbst präsidierter Disputationen zwischen dem Pater
und einem ob seiner Gelehrsamkeit berühmten Bonzen, Fucaran-
dono,') dem Vorsteher des zwölf Meilen von l'unai entfernten
I. AVohl eigentlich Fukuharadono. Das Postfixum do/io ist, ebenso wie das
gleichfalls dem Namen angehängte sivna, ein Titel, entsprechend etwa unserem
JIcTi: Auf portugiesischen Ursjjrung, wie Nachoi) [Die Beziehiiigen der AHeder-
liindischeii Oslindischen Kompagnie zu Japan im ly. Jahrinmdert, p. X) mutmasst,
ist diese so häutig bei den Namen vorkommende Endung selbstverständlich
nicht zurückzuführen.
Rückblick auf Xavicrs Kämpfe in Japa}i. 215
Tempels Miay Gima (Miyaji?), zu x'eranstaltcn, die er \\\ die
Zeit verlegt, wo in Yamaguchi die beiden dort \virl-:enden Jesuiten
durch die entstandenen politischen \^er\vicklungen beunruhigt
wurden. Er teilt die vorher aufgestellten Disputationsregeln,
an welche die Parteien gebunden sein sollten, mit: i. Es sollte
in Ruhe verhandelt werden. 2. Nach Verhandlung jedes ein-
zelnen Streitpunkts sollten sich beide Teile bei dem Spruch der
Schiedsrichter beruhigen. 3. Am Schluss der Disputation sollte
zur Entscheidung, wer obgesiegt, Stimmenmehrheit den Ausschlag
geben. 4. Wenn die Entscheidung gegen die ]-)onzen ausfalle,
so sollte keinem Japaner verwehrt sein, Christ zu werden. 5. Die
Schiedsrichter sollen darüber bestimmen, ob eine der Parteien
bei ihrem Argumentieren sich in Widersprüche verwickelt habe.
6. Kriterion der Wahrheit solle die natürliche \'ernunftmässig-
keit sein.
Pinto gibt sogar den Verlauf der {xxwi Tage dauernden
Disputation wieder. Das Pcrcgri)ia(^-~io, in dem sich sein Referat
findet, wurde erst im Jahre 16 14 in Lissabon im Druck veröffent-
licht. Im Manuskript aber lag dasselbe bereits dem Portugiesen
P. LuCEXA vor untl ist von diesem schon in seine im Jahre
1600 erschienene Xaveriu.sbiographie übernommen worden. Alle
Späteren, z.B. Bartoli und Bouhours, schrieben sie entweder
LucENA oder dem inzwischen gedruckten Werke Pintos, und ihnen
selbst wieder andere nach. Besonders Crasset aber hat in
seiner Histoirc de l'Kglisc du Japan von 1689 den Bericht aus
seinem P^igenen so erweitert, dass er in breitester Ausführlichkeit
die ganzen Streitreden im W'ortlaut mitteilt, nicht nur die des
\\'iderparts, deren Inhalt auch Pinto gibt, sondern auch was der
streitbare Magister der Universität Paris aus der Rüstkammer
der kirchlichen Apologetik zur Abwehr des heidnischen Gegners
\\w^ zur X'erteidigung der katholischen Doktrin zu sagen hatte,
und was Pinto mit dem Bemerken, es sei seinem I^uenverstande
zu hoch gewesen, als dass er es hätte verstehen und nachher
wiedergeben können, mitzuteilen unterlässt.
Diese ,, Disputation von Bungo" spielt in katholischen Wer-
2i6 Rückblick mif Xavicrs Kämpfe 'ui Japan.
kcn bis heute eine grosse Rolle, und im ersten Bändchen der im
Jahre 1795 zu Augsburg bei Xicolaus Doli herausgekommenen
„ Missionsgesc/nchlc späterer Zcitoi" findet sich sogar ein Kupfer,
das in einem kirchencähnlichen Saale den König von Bungo, die
Krone auf dem Haupt und in der Hand das Zepter, auf erhabenem
Throne sitzend zeigt, während zu Ijeiden Seiten auf den Thron-
treppenstufen Hofadelige zu sehen sind und die beiden geistlichen
Streiter, der eine von Portugiesen, der andere von einer Bonzen-
schar gedeckt, im Saalllur einander gegenüberstehen und zwi-schen
ihnen und dem Treiipenaufgang rechts und links mit Lanzen
gewaffnete Krieger Wache halten. Das Bild trägt die Unter-
schrift : Religiojisstreit des H. Fraiicisciis Xaveriiis mit dem
Bonzier Fucarandono vor dem König von Bnngo.
COLERIDGE 2) urteilt : da es sehr unwahrscheinlich sei, dass
Mendez Argumente von der Art der von ihm referierten erfunden
habe, und da er ehrlich bekenne, dass er nicht immer die Antworten
im Gedächtnisse behalten habe, die der selige Vater auf die Ein-
\vände und Fragen des Bonzen gab, dürfe man seine Aufzeich-
nungen mit grosserem Vertrauen aufnehmen, als wenn sie von der
Feder irgend eines Theologen des 16. oder 17. Jahrhunderts auf
uns gekommen wären, da in dieser Periode selbst Historiker oft,
dem Beispiele eines Thukydides, Livius oder Tacitus folgend, den
Personen der \^on ihnen beschriebenen Scenen Reden in den
Mund legten, die sie in den jeweiligen Situationen nach ihrem
Dafürhalten schicklich hätten halten mögen. Wenn Mendez je
der Versuchung erlegen wäre, Geschichten, wie sie ,, Reisende "
erzählen, seinem Buche einzufügen, so hätte er sicher andere
Gegenstände als dij in diesen Konferenzen, bei denen er zugegen
war, behandelten gewählt. Der Historiker wird gleichwohl nicht
umhin können, diesen ganzen, allerdings bis jetzt noch nie bezwei-
felten Religionsstrcit von lUmgo in das Gebiet der Dichtung zu
verweisen. Aus verschiedenen Gründen. Eine Aktion, wie es
die von Mendez Pinto beschriebene fünftägige, im Beisein des
2. A. a. ü. Vol. 11, p. 318.
Rückblick auf Xavicrs Kiimpjc in Japan. 217
Fürsten und seiner nächsten Umgebung gehaltene theologische
Disputation ist, wäre sicherlich von den eingeborenen Geschicht-
schreibern nicht unerwähnt gelassen worden. Die Chronisten
des Hauses Ctomo erzählen aber nicht das mindeste von einem
solchen Religionsstreit. Und wollte man einwenden, dass in
den späteren Zeiten der Verfolgung der Kirche alles, was an
Japans christliche Periode erinnerte, aus den japanischen Büchern
ausgemerzt worden ist und damit auch etwa vorhandene japanische
Berichte über diesen Vorgang vernichtet ^\'orden seien, so bliebe
doch ein anderes befremdlich : in d^n Briefen Xaviers, der über
einen, nach Pinto noch dazu für ihn so sjlorreich ausgreoraneencn
' 0000
Redekampf mit der Blüte buddhistischer Theologengelehrsamkeit,
der in der ganzen Geschichte seiner apostolischen Thätigkeit
kein Analogon hätte, doch sicher nicht geschwiegen haben
würde, ist keine Silbe von einem solchen zu finden. Auch
jedes Zeugnis von anderer Seite fehlt. Der ganze so detailliert
geschilderte Vorgang ist eine Mache des phantasijvollen por-
tugiesischen Romanciers zur Verherrlichung des grossen Apostels
von Indien, auf dessen Heiligsprechung schon alsbald nach
seinem Tode das katholische Volk und der König von Portugal
drängten, daher denn solchen, die ihm im Leben begegnet waren,
die Versuchung nur allzunahe lag, seinen Ruhm durch Legen-
denbildung noch geflissentlich zu steigern. Aber auch wenn an
eine solche pia frans bei Pinto nicht zu denken wäre, die ihm
eigene Lust zum Fabulieren wäre für sich allein ein ausreichender
Erklärungsgrund dafür, wie er zu seiner Gcschichfskonstruktion
kam. Verdachterregend sind schon Einzelheiten seines Berichts,
wie die, dass der Fürst den Fucarandono, der alle Haltung
verloren, unter der Drohung, er würde ihm den Kopf ab-schlagen
lassen, wenn er nicht Priester wäre, vor die Thüre .setzen liess,
oder die andere, dass derselbe zur ersten Disputation hernach
mit mehr als 3000 Bonzen erschienen sei, eine Zahlangabe, der
gegenüber schon P. Charlevoix einiges ]\I isstrauen nicht unter-
drücken zu können scheint. Das Gleiche gilt von der Aussage,
dass eine der von Fucarandono an Xavier gerichteten Fraeen
21 S Rnckhlick auf XtV'i'icrs l\äiiif>fc in fapaii.
I^cwcscn sei, warum er den Japanern die Sodoniiterei verbiete.
Im höchsten Grade unglaubhaft aber ist es auch, wie schon be-
merkt, dass ütomo Yoshishige es zu einem solchen Aufeinander-
platzcn der Geister unter seinen Augen hätte sollen kommen lassen
oder gar es selbst herbeiführte, indem er tue ganze eindussreiche
Bonzenschaft durch so geringschätzige Behandlung eines der An-
gesehensten aus ihren Reihen vor den Kopf gestossen und sich zu
Feinden gemacht hätte. Und unglaubhaft macht das Ganze die
Krwägung, dass ein siegreicher Ausgang einer solchen Disputation
tloch für die christliche Sache eine grosse Förderung hätte be-
deuten müssen. Statt dessen erfahren wir, dass es noch im Jahre
hernach im Gebiete von Bungo keine Christen gab. Endlich ist
auch daran noch zu tlenken, dass Xavier, der allein stand, der
japanischen Sprache weit zu wenig mächtig war, als dass er
sich hätte in den Sinn kommen lassen können, sich in einen solchen
öffentlichen Redekampf mit der Gelehrtesten einem einzulassen.
Das wäre nicht nur eine unbegreifliche Verwegenheit, sondern,
da ein unglücklicher Ausgang der christlichen Sache auf lange
Zeit nicht wieder gut zu machenden Schaden bei Fürst und Volk
gethan haben würde, eine unverzeihliche Unklugheit gewesen,
die einem ]\Ianne wie ihm nur zutrauen kann, wer ihn nicht
kennt. Colerid(;e, der findet, Pintos Bericht mache durchaus
den Findruck der \\'ahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, bemerkt,
dass auch seine Angaben \ollständig mit dem übereinstimmen,
was sich in Xa\-iers l^riefen an solchen Angaben über Streit-
fragen, denen gegenüber er in Jai)an seinen Mann zu stehen
hatte, finde. Da läge, denke ich, \\o\\\ eher die W-rmutung
nahe, dass der portugiesische Memoirenschreiber bei der v\l)-
fassung der betreffenden Kapitel seines Buchs die Briefe Xa\ iers,
die ja in ]{uropa sehr früh schon in Kopieen verbreitet und
gedruckt wurden, vor sich hatte und benützte. Indessen be-
richtet er doch auch von etlichen Streitpunkten, die man in O^cw
Briefen nicht erwähnt findet und die allerdings er, der theo-
logische Laie, auch nicht wohl frei erfunden haben kann. Da
bleibt denn nur die ganz natürliche Annahme übrig, dass er
Rückblick auf Xavicrs Kämpfe in Japan. 219
im persönlichen Unigani^ mit P. Franciscus oder später nach
seinem Eintritt in die Gesehschaft Jesu und während seines
letzten Aufenthalts in Japan von den Jesuitenmissionaren sich
erzählen Hess, welcherlei Einwände die Japaner gegen die christ-
liche Verkündigung zu machen pflegten, und alle diese Einwände
dann bei der Niederschrift seiner Erinnerungen dem einen Bonzen
Eucarandono in den Mund legte und so in den Rahmen der
von ihm erfundenen Disputationsscene gebracht hat. P> hätte
so, wenn Poesie nach der bekannten Definition nichts ist als
„ Xatur in dichterer Fülle", durch die Geschicklichkeit, mit der
er das gethan, nur den Beweis geliefert, dass er Dichter war
und nicht gewissenhafter Historiker. Dass diese Annahme nicht
ungerechtfertigt ist, mag ein Bjleg darthun. P>s ist oben (Seite
190) erzählt worden, dass nach einer Briefmitteilung Xaviers in
Yamaguchi die eifersüchtigen Bonzen in den Predigten, die sie
gleichzeitig mit den Jesuitenvorträgen in ihren Tempeln hielten,
um den Zulauf des Volks zu den fremden Religiösen zu min-
dern, auch unter anderem den Namen Gottes spottend so deuteten :
Dcos sei identisch mit dem japanischen daio, das die Bedeutung
,, Lüge " hat. Das ist ein vom Aerger eingegebenes rhetori-
sches Stückchen eines buddhistischen Abraham a Sancta Clara,
das vor einem Publikum, wie es zu den Tempeln in Yamaguchi
lief, ganz wohl passieren konnte und da seines P2ffektes sicher
war. Pinto Hess sich das erzählen und führte es in seiner lü"-
zählung als einen der von Eucarandono erhobenen Einwände
ein. Der Bonze, so berichtet er, wollte wissen, warum der Pater
den Schöpfer aller Dinge schmähe, indem er ihn Lügner nenne,
da dieser doch allgemein als der Gott aller Wahrheit gelte.
Aber damit man versteht, fügt er erklärend bei, wie er dazu
kam, so zu reden, muss man wissen, dass bei den Japanern Lüge
eiinsaS) heisst, sie aber, weil der Pater bei seinem Predigen sagte,
er wolle ihnen das wahre Gesetz Gottes (Dcos) verkünden,
3. Pinto denkt vermutlich an das Wort t/so (|^), das die Bedeutung „Lüge",
„ Betrug " hat.
220 Rückblick auf Xavicrs, Kämpfe in Japan.
nicht im Stande, dieses Wort wie wir auszusprechen, anstatt Dcos
zu sagen, dins sagten. Daher also nahmen die Diener des
Teufels Anlass, die Ihrigen glauben zu machen, der Pater sei
eine Inkarnation des Teufels und wt)Ile Gott mit dem Namen
Lügner verunehren. Das ist ganz offenbar dasselbe, was Xavier
von Yamaguclii erzählt. Denn besonders bei der Seltsamkeit
des Vorwurfs \\ird man nicht annehmen wollen, dass er zweimal
an verschiedenen Orten ganz in derselben Weise von Bonzen
erhoben worden sein möchte. Er ist auch von der Art, dass jnan
sich, wie gesagt, ganz wohl denken kann, dass ihn ein Bonze in
Yamaguchi vor dem Volke erhob, aber es kaum für möglich halten
wird, dass ihn ein im Rufe höchster Gelehrsamkeit stehender
Japaner dem Pater selbst vor einer Versammlung von gebildeten
Männern, wie sie am Hof von Bungo sich fanden, entgegenhielt.
1 )ieselbe Bewandtnis v.ird es mit dem Streitpunkt haben, den
Pinto sogleich an diesen anschliesst. \\\ berichtet, l'ucarandono
habe darüber ein Geschrei erhoben, dass der fremde Pater auch
die Heiligen verunehre, und das habe er gethan, weil dieser
nach der I\Iesse in der Litanei mit den Christen betend, wie es
Brauch sei, immer gesagt habe: Sancte Petrc, ora pro nobis !
Sande Paule, ora pro nobis! u. s. w., das Wort saiicti in der
jaimnischen Sprache aber soviel wie schändlich und infam {torpc
c infame) bedeute. Der König, von Xavier über den Sachverhalt
leicht aufgekl;irt, habe diesem den Rat gegeben, um das "bös-
willige Missverständnis auszuschliessen, künftig statt Sande immer
Beate zu sagen.
Schon der Jesuitenpater Crasset sagt, nur weil er gesehen,
tlass ein boshafter l'rotestant die Streitfragen, die bei der Dispu-
tation verhandelt wurden, vergrössert und vergiftet habe, verleibe
er sie seiner liistorie ein. Für uns liegt, da sich uns die ganze
Disputation als blosse Kompilation l'intos erwiesen hat, natür-
lich gar kein Grund vor, seine lu-zählung wiederzugeben. Ich
ziehe es statt dessen vor, einige 'der beständig in Japan von
Laien wie von Bonzen gegen die katholische Predigt erhobenen
P.inwürfe, wie Xavier uns dieselben in seinen Briefen selbst mit-
R'ücJcblick mif Xavicrs Kämpfe in Japan. 221
teilt, hier in einem Rückblick auf seine Kämpfe in Japan zu-
sammenzustellen und seine Antworten beizufügen, wo er selbst
uns dieselben nicht vorenthalten hat. 4) Zur Ergänzung mögen
dann immerhin einige der im Pcrcgrinaaio mitgeteilten Ein-
wendungen folgen, die klar als solche zu erkennen sind, wie
sie wirklich von den japanischen Bonzen erhoben werden mussten.
\\\\\ Einwand, gegen cien der Pater oft zu kämpfen hatte,
und der ihm den Gedanken mit nahe legte, das Evangelium
in China zu predigen, Avar der, die christliche Eehrc könne nicht
wahr sein, da sie sonst sicherlich bei den Chinesen nicht bis
auf diesen Tag unbekannt wäre.
Auch die Frage wurde ihm öfter vorgelegt, warum Gott das
iapanische Reich so lange in Unwissenheit gelassen habe. Wir
sind in der Lage, die Antwort, die er hierauf gab, aus seinen
Briefen zu erheben. Dieser gehässige Gedanke, schreibt er, hielt
sie am meisten von der Verehrung des wahren Gottes zurück".
Aber mit Gottes Gnade ist ihnen aller Irrtum und alle Beun-
ruhigung" genommen. Zuerst bewiesen wir ihnen, das göttliche
Gesetz sei das älteste von allen. Ehe sie Gesetze von den
Chinesen bekommen, wussten die Japaner, durch die natürliche
Vernunft belehrt, es sei nicht erlaubt, zu töten, zu stehlen, falsch
zu schwören, kurz alles, was in den zehn Geboten Gottes ent-
halten ist. Beweis dafür sei, dass sie von Gewissensbissen
gequält würden, so oft sie ein derartiges Verbrechen begingen.
F'erner lehre schon die Vernunft, man müsse das Böse fliehen,
das Gute thun; und dies sei der Seele des Menschen von Xatur
so eingepflanzt, dass alle Menschen durch die Natur und Gott,
den Urheber der Natur, Kenntnis vom göttlichen Gesetze ohne
jeglichen Unterricht haben. Wenn dies zweifelhaft scheine, so
könne man es an jemandem versuchen, der ohne Unterricht auf
4. Eine solche, freilich sehr unvollkommene Zusammenstellung hat schon der
holländische Arzt \'.arenius in einem „ De Ulis, quae a Jnponüs ohjecta vfl qiiaesi/a
siDif" überschriebenen Kapitel gegeben. {^Descriptia l\c;^}ii Japoniae cniii qnihiisdani
apfiiiis materiae, ex variis auctorilnis collecta et in oi-diiiriu rcdacla. Amstclodami,
apud Ludovicum Elzevirium. Anno 1649).
222 Rückblick cutfXavicrs Kämpfe in Japan.
einem J>ei"<:^c oder in einer I^inöcle ohne Kenntnis der vater-
ländisehen (lesetze aufwachse. Wenn ein solcher, der gar keinen
Unterricht von Mensclien genossen habe, gefragt werde, ob es
sündhaft sei oder nicht, einen Menschen zu töten, zu stehlen und
anderes zu thun, was das göttliche Gesetz xerbietet, ob es gut,
sich solcher Handlungen zu enthalten, so werde er so antworten,
dass es klar sei, er sei mit dem göttlichen Gesetze nicht unbe-
kannt. Woher anders als von Gott, dem Schöpfer der Natur,
müsse er wohl diese Kenntnis erhalten haben? Wenn man -dies
bei w ildiMi Menschen bemerke, was müsse dann wohl bei gebil-
deten und zivilisierten Nationen der Fall sein ? Daraus folge
doch wohl mit Notu^endigkeit, dass es vor allen menschlichen
(iesetzen ein der Seele des Menschen eingepflanztes göttliches
Gesetz gegeben habe.
Etwas ganz Neues war den Japanern in der missionarischen
Unterweisung die Lehre von einer Weltschöpfung, und nicht
einwandfrei erschien ihnen, dass es nur cinoi Schöpfer und Vater
aller Seelen, nur ein Prinzip aller Dinge geben solle. Sie fragten,
wie bei dem Glauben an die Vollkommenheit des Urgrunds alles
Seienden das Dasein der Dämone zu erklären sei. Auf Xaviers
Rescheid, dass die Dämone, ursprünglich gut von Gott geschaffen,
durch eigene Schuld böse geworden seien und nun dafür eunge
Strafe zu erleiden hätten, erhob sich der andere Einwurf, dass
solche Strenge sich nicht mit Gottes Barmherzigkeit vereinigen
lasse. Ferner : wenn Gott gut wäre, dürfte er die Menschen so
schwach und zur Sünde geneigt schaffen? und könnte er sie
ohne Ende in Höllenqualen lassen zur Strafe ihrer Sünden ?
Otler würde er ihnen jemals Gebote auferlegt haben, die so
schwer zu befolgen seien ?
y\m schwersten wollten sie sich in den Gedanlcen finden,
auf den der römische Priester gerade mit das grösste Gewicht
legte, dass es aus der Hölle k-ein Entrinnen gäbe. ,, Sie be-
dauern nämlich schmerzlich", lässt uns Xavier wissen, ,, das Los
ihrer \-erstorbenen Kinder, Poltern, Verwandten und Vorfahren
und geben ihren Schmerz durch W^einen kund. Auf ihre Frage,
Rnckhlkk auf Xavicn Käii/p/c in fapa)i. 223
ob es denn gar keine Hoffnung; für sie gebe und gar kein Mittel,
sie vom ewigen Verderben zu befreien, gebe ich eine entschieden
verneinende Antwort. Diese Unrulie quält sie in ausserordent-
licher Weise, so dass sie vor Schmerz fast hinsiechen. Indessen
hat dies doch auch das Gute, dass Hoffnung vorhanden ist, sie
werden umsomehr für ihr eigenes Seelenheil besorgt sein,
damit sie nicht wie ihre Vorfahren zur ewigen Strafe verdammt
werden. Wiederholt fragten sie, ob Gott jene denn nicht aus
der Hölle erretten könne, und warum denn die Höllenqualen
ewig tlauern. Auf alle diese Fragen gab ich ihnen eine genü-
gende Antwort. .Vber dennoch hörten sie nicht auf, das Los
ihrer Angehörigen zu beweinen, so dass ich mich der Thränen
kaum erwehren konnte, wenn ich sah, wie mir so teuere Men-
schen von so bitterm Schmerz wegen einer Sache gequält wurden,
die einmal geschehen ist und nicht mehr geändert werden kann."
Wer kann das lesen, ohne dass er sich lieber auf die Seite der
heidnischen Japaner stellt, deren natürliches, nicht theologisch
verbildetes Gemüt so \-iel grösser von der Macht der göttlichen
Liebe denkt, die da nicht will, dass jemand verloren werde, als
auf die Seite des sonst bewundernswürdigen christlichen Priesters,
der im Banne einer starren mittelalterlichen Schuldoktrin, die
uneingestanden seinem eigenen natürlichen Empfinden widerstrebt,
Seelen, fiir die er sich mit einer I>iebe, grösser als die er seinem
Gotte zutraut, zu opfern bereit gewesen wäre, so tiefes Weh
bereitete ! Die Japaner hatten so Unrecht nicht, wenn sie he-
rausfühlten, dass in dieser Hinsicht ihre Sekten mehr auf Güte
und Milde beruhten als Xaviers Verkündigung, da nach bud-
dhistischer Lehre der verschiedenen Schulen die Anrufung der
Sektengründer, die ja meist als Hotoke verehrt wurden, selbst
aus (\q.\\ Qualen der Hölle errette.
Auf der antlern Seite wieder hatte freilich Xa\ier ein l{\an-
gelium zu verkünden, wo die l^onzen keines oder statt dessen
ein hartes, unbarmherziges Gesetz hatten. Pinto berichtet, P\ica-
randono habe dem Pater gegenüber den Standpunkt vertreten,
dass die Armut der Elenden ein Zeichen dafür sei, dass die
224 RücJx blick auf Xavicrs Kämpfe iii Japan.
Gütthcit denselben tlurehaus feincl sei und ihnen deshalb versage,
was sie ([^\\ Reiehen gebe. Das war in Wirklichkeit die 'iheorie
\-ieler Bonzen, ein Abfall selbstverständlich von der Lehre
Sakyamunis, der selber in Arnuit und Entbehrung mit seinen
Jüngern lebte, aber ganz im lünklang stehend mit der Praxis
\'ieler seiner Nachfolger im Japan dieser Periode, die, sich und
ihre Klöster zu bereichern, sich zu (^.tw Grossen und Wohl-
liabcnden hielten und sich um die Armen wenig kümmerten.
Dem hatten die INIissionare ihre Predigt entgegenzuhaltea von
dem Gott, der der rechte Vater ist über alles, was Kinder
heisst, im Mimmel und auf Erden, und von einem Heilande,
der gerade die Mühseligen und Beladenen zu sich ruft und in
die Welt kam, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist.
In Gegensatz zu der Theorie und Praxis der Bonzen traten
sie ferner mit der Lehre, dass dem weiblichen Teile der Himmel
ebensogut offen stehe wie dem männlichen, während jene
darauf bestanden, dass es dem Weibe als Weib wegen der
Unreinigkeit seiner Natur viel schwerer als dem Manne sei, die
Seligkeit zu erlangen, und dass es die Anwartschaft auf eine
Geburt in anderer P^orm nur durch Schenkungen und Almosen
an die Klöster und durch reichbezahlte Ablasszettel sich erkaufen
k'önne. Xavier bekämpfte diese Lehre als einen von der Hab-
sucht der Bonzen ersonnenen Betrug.
Dass er durch die Verwerfung der Landesgötter, der Plotoke
und Kami, die er für Teufel erklärte, in Kämpfe geriet, braucht
nicht gesagt zu werden. Pinto lässt den P'ucarandono in der
Disputation mit Xavier sagen : er wolle nicht leugnen, dass Gott
als der Allmächtige alL' Dinge zum Besten der INIenschen
geschaffen halje ; durch die Macht der Sünde aber seien sie
verderbt, und um sie wieder vollkommen zu machen, wie sie
urspriinglich waren, sei es notwendig gewesen, dass Amida
achthundertmal geboren wurde, damit er ^^iw achthundert ver-
schiedenen Arten von Dingen, die es in der Welt gebe, zur
Erlösung helfe, woraus denn ganz von selbst für jeden Ver-
nünftigen folge, dass dem Amida ebenso viel Verehrung von
Rückblick auf Xavicrs Kämpfe in Japan. 225
den Menschen für die Erhaltung des Geschaffenen gebühre wie
Gott flir die That der Schöpfung. Argumentationen wie diese
von Pinto dem Fucarandono zugeschriebene hatte der Pater sicher
öfters von gewandten Dialektikern zu hören.
Die Lehre von der Seelenwanderung war, so wenig sie von
praktischer Bedeutung im V^olksglauben war, doch theoretisch
beibehalten und ist sicherlich der katholischen E.schatologie
mehr als einmal als die höhere Wahrheit entgegengehalten worden.
So darf man auch wohl annehmen, dass die Scene, die sich
nach ^lendez zwischen Xavier und Fucarandono bei ihrer ersten
Begegnung abgespielt hat, nicht bloss von ihm erdichtet ist,
wenn schon die Situation, in die er sie verlegt, \'on ihm ge-
schaffen wurde. Sie sei daher zum Schlüsse dieses Kapitels
hier wiedergegeben, wie Pinto selber sie in seinem Reisewerk
erzählt.
Der Bonze fragte den Pater, ob er ihn nicht kenne. ,, Durch-
aus nicht", antwortete der Pater, ,, habe ich Sie doch nie
gesehen. " Auf diese Erwiderung brach der Bonze in Lachen
aus, wandte sich zu seinen sechs Begleitern und sagte : ,, Ich
sehe wohl, es wird mir ein Geringes sein, mit diesem fertig zu
werden. Aleint er nicht, ich sei ihm unbekannt, obgleich er
doch so viel Verkehr mit mir gehabt hat, dass wir neunzig bis
hundertmal zusammen Waren verkauft und gekauft haben ! Das
lässt mich annehmen, dass er auch auf alle meine übrigen
Fragen nichts Rechtes wird zu sagen haben. " Hierauf sich
direkt zum Pater wendend, sagte er : ,,Hast Du noch von derselben
Ware, die Du mir zu Frenojama verkauft hast?" „Es ist nicht
meine Gewohnheit ", versetzte der Pater, ,, auf etwas zu antworten,
was ich nicht verstehe. Drücke Dich also deutlicher aus, und
dann will ich Dir Antwort stehen. Ich weiss nur, dass ich nie
Kaufmann gewesen bin, und dass ich den Ort Frenojama nicht
kenne. Und wenn ich niemals mit Dir gesprochen hab
kann ich Dir Handelswaren verkauft haben.?"
Dich dessen also nicht", antwortete ihm der Bv^nzc, ,, tum-i uct-
nach scheint es mir, dass Du ein sehr kurzes Gedächtnis hast. "
226 Rückblick auf Xavicrs Kiiuipfc in Japan.
,,l);i icli niicli nicht darauf besinnen Ivann", erwiderte der Pater,
,, und l^u ein besseres Gedächtnis liast als icli, so rede Du,
betlenke aber, dass l^u vor dem Könii^e liist. " Hierauf sagte
der Bonze voll \on l^igendünkel und ihn mit hochfahrender
Miene anblickend: ,, Ivs ist gewiss nunmehr 1500 Jahre her,
dass Du mir luindert Sti^icke Seidenzeug verlcauft hast, die ich
wieder n";it grossem Gewinn \erhandelt habe. " Mit heiterem
]^licke schaute auf diese Worte hin der Pater auf den König
und bat ihn um die lu'laubnis, antworten zu dürfen, Okc ihm
der Ki'niig aufs bereitwilligste gew.'ihrte. 1m' x'erbeugte sich tief
vor ihm, dann, sich zu deni Bonzen wendend, fragte er ihn nach
seinem Alter. Auf des Bonzen Antwort, er sei 52 Jahre alt,
fragte der Pater weiter: ,, Wenn Du nicht älter bist als so alt,
w'xc ist es möglich, dass Du \'or 1500 Jahren ein Kaufmann
warst, und dass ich Dir Waren \'erkaufte? und vorausgesetzt, es
ist wahr, dass Japon erst seit 600 Jahren bewohnt ist, wie Ihr
öffentlich predigt, wäe ist es möglich, dass Du vor 1 500 Jahren
Handel zu P^renojama getrieben hast, während man doch an-
nehmen muss, dass das ganze Dand in dieser Zeit eine Oede
war?" ,, Ich will Dir's sagen", entgegn(^te der Bonze, ,, und
Du wirst daraus lernen, dass wir mehr von den Dingen der
\x'rgangenheit wissen als Du \-on denen der Gegenwart. Wisse
denn, dass die Welt nie einen Anfang gehabt hat, und dass die
Menschen, die in ihr geboren werden, kein I\nde nehmen kömien,
dass vielmehr die Natur sie beim letzten Atemzug nur in andere,
bessere Körper übergehen lässt, wie das kklrlich zu sehen ist,
wenn wir bald männlichen, bald weiblichen Geschlechts von
unseren Müttern geboren werden, je nach der Konstellation der
Himmelskörper bei der Geburt Diejenigen aber, die ein
gutes Gedächtnis haben, erinnern sich stets sehr wohl dessen,
was sie während aller anderen Zeiten ihres früheren Lebens
gethan haben. "
Soweit Pinto. VXw Irrtum, darf man annehmen, ist ihm
nur unterlaufen bei der Bestimmung des Grundes, den der Bonze
dafür angegeben haben soll, da.ss er 1500 Jahre zurückzudenken
Rückblick auf Xavicrs Kämpfe in Japan. 227
vermochte. Das Gedächtnis gehört nach buddhistischer Lehre
zu dem phänomenalen Teile des Menschenwesens, zu den
Khandos, die im Tode ihre Verbindung lösen. Es kann also
nicht in die folgende Geburt mit hinübergenommen werden,
ebensowenig wie erworbene wissenschaftliche Kenntnisse oder
künstlerische Fertigkeiten. Das Selbstbewusstsein beleuchtet
stets nur diejenigen Seiten der Individualität, welche gerade in
der jeweiligen Geburt zur Entfaltung kommen, erschöpft also
keineswegs die Tiefe der Individualität. Dagegen aber gibt es
neben dem beschränkten ,, Ich "-bewusstsein der gerade erreich-
ten Entwicklungsform noch ein hidividiialhcivusstsciii, welches
die ganze Reihe der durchlaufenen Entwicklungsstufen umfasst,
aber gleichsam latent bleibt und erst nach Erlangung des
Nirv^äna in Thätigkeit tritt, nachdem Begier, Uebelwollen und
Wahn, die seine Entfaltung verhinderten, restlos vernichtet
sind. 5) Wenn daher ein Bonze in Japan sich Xavier gegenüber
in der von Pinto mitgeteilten Weise etwas darauf zu gute that,
dass er die Erinnerung an seine vergangene Existenz habe, so
erhob er damit den Anspruch, ein Heiliger zu sein, der dem
Endziele der Buddhaschaft sehr nahe gerückt sei, während der
Pater, dem diese Erinnerung an seine früheren Lebensläufe
fehlte, ihm eben damit verriet, dass noch der Schleier der Un-
wissenheit sein Auge bedecke. Freilich ist es sehr \\ahrschein-
lich, dass nicht erst Pinto, sondern schon Xavier selbst dies
verkannte. Denn schwerlich verstand und wusste der Pater
mehr als der portugiesische Abenteuerer \^on buddhistischer
Philosophie. Wenn man in seinen Briefen liest, was er über
die Lehre der Bonzen schrieb, so gewinnt man den Eindruck,
dass er nicht viel mehr mit Klarheit erkannte als dies, dass sich
ganz anders als in Menschenköpfen sonst die Welt im Kopfe
der japanischen Theologen malte. Man kann auch gar nicht
einmal erwarten, dass er eine vollkommenere Kenntnis der
fremden Religion sollte besessen haben. Seine geistige Ueber-
5. Vgl. SuBH.U)R.\ Bhikshu, Buddhistischer Katechismus. Frage 137 und 138
228 R'iicJddich a?if Xaricrs Kärnpfc i)i Japan.
legenheit über die japanisclien Rf]i;j;if>ns(licnei' kiMinte er daher
niclit wcilil in sic;j;rciclu>n llu-oloiiischcn Disputationen liewährcn,
sofern es dazu nötig ist, dass man \'or allem die Position des
Gegners versteht. Dagegen \\i\\ er im ]k\sitze naturwisKenschaft-
licher Kenntnisse, die ihn über die Träger der japanischen
Bildung erhoben. ,, Sie ^\•ussten nicht ", schreibt er selbst in
einem ]5riefe aus Cochin, 29. Januar 1552, ,, dass die I'jde
rund sei, und kannten gar nichts vom Lauf der Sonne und der
Sterne. Als wir nun auf ihre Fragen dies und Aehnliche's, ^\'ie
die Ursachen der Kometen, des Blitzes und des Regens erklär-
ten, hörten sie uns mit grosser Aufmerksamkeit zu, bekundeten
grosses Vergnügen und achteten uns als Gelehrte ; diese Mei-
nung \on unserer Gelehrsamkeit ermöglichte es uns, den Samen
der Reliciion in ihre Herzen zu streuen. "
SECHZEHNTES KAPITEL.
Xaviers Abschied von Japan.
Am 20. November 155 1, nachdem Xavier noch einmal mit
grossem Ernste zu dem jungen Fürsten gesprochen, hchtete
Duarte da Gama's Schiff die Anker. Es trug nun ausser den
Kaufleuten und dem Priester auch einen pohtischen Gesandten, 0
der, von Yoshishige an den Vizekönig von Indien abgeord-
net, um diesem seine Freundschaft und sein Bündnis anzutra-
gen, in Goa natürhch sehr ehrenvoll und freundlich aufgenommen
wurde. Xavier hatte sich angelegen sein lassen, Beziehungen
zwischen dem König von Portugal und dem P^irsten von Bungo
anzuspinnen. Sobald dieser, schreibt er, \on der Macht
und dem Charakter des Königs von Portugal hörte, ersuchte
er ihn durch ein Schreiben, ihn in die Zahl seiner P^'eun-
de aufzunehmen, und sandte ihm zum Zeichen seiner P^-eund-
schaft einen kostbaren Panzer. Derselbe ging nach Portugal ab
in Begleitung eines Schreibens \-on Xavier, in welchem er Johann
III. mitteilte, der König von Bungo sei ein grosser Bewunderer
seiner königlichen Tugenden und übersende ihni den kostbaren
Panzer als Zeichen seiner Freundschaft.
Zwei Jahre und drei ]\Ionate hatte Xavier in dem Inselreich
gewirkt. Wie er nun Indienwärts fuhr, nahm er keinen anderen
Reichtum mit sich als zwei von ihm getaufte Christen. Er hätte
I. Da P. Antonius Hereda in einem Briefe, der das ofl'enbar unrichtige Datum
19. Januar 1552 trägt, dem Ignatius mitteilt, dass V. 'M. Franciscus anr 24. Januar
mit fünf Japanern in Cochin angekommen sei, wird man annehmen dürfen, dass
der Gesandte von zwei anderen Landsleuten begleitet war.
230 Xavkrs Abschied von Japan.
L^^crn ein paar gelehrte Bonzen nacli Portugal geschickt, tlamit
man dort einige Muster japanischer Köpfe, die sich durch be-
sonderen Scharfsinn und Klugheit auszeichneten, sähe. Aber es
liess sich keiner dazu bereden, auch nur auf einige Zeit sein
Vaterland vxx verlassen. Die vornehmen Japaner haben kein
Verlangen, fremde Länder zu bereisen, sagt Xavier zur Er-
klärung. Auch andere Neophytcn, die er gerne mit sich genom-
men hätte, liessen sich durch die Beschwerden der langen Seereise
abschrecken. Die beiden, die mit dem Wunsche, Jerusalem zu
besuchen und die heiligen Stätten zu sehen, ihn begleiteten, waren
zwei Neophyten, mit denen er schon in Japan viel Umgang
gehabt und Freundschaft geschlossen hatte._ Er bezeichnet sie
als Männer, die zwar ein geringes Vermögen, aber grossen
Glauben hätten. Er gedachte sie nach Rom zu schicken als
die Erstlinge der japanischen Kirche und damit sie unterwegs
in Portugal und besonders am Sitz des Papsttums die Herrlich-
keit der römischen Kirche mit eigenen Augen schauten. Sie
Averden erwähnt in einem an den Ordensgeneral gerichteten
Schreiben von Barzaeus aus Goa (vom 12. Januar 1554), in dem
der Briefschreiber mitteilt, dass P. Franciscus sie diesem mit
erster Gelegenheit zuschicken werde, damit sie alsdann mit noch
grösserem Wachstum in den Tugenden zum grösseren Nutzen der
'■liris'licIiLU Herde in ihr Vaterland zurückkehrten. Der Religiöse
. r.-.s P^ernandez, der nach P2uropa entsandt wurde, um per-
sönlich dem Oberhaupt der Kirche wie dem König von Portugal
■•(■ii.Micren J^ericht über die Verhältnisse der Gesellschaft in In-
dien zu erstatten, sollte sie mit sich nehmen. Wir haben den
Brief, in dem Xavier ihre Ankunft dem Simon Rodriguez an-
kündigt. ,, Ich empfehle Ihnen dieselben", schreibt er, ,, so
angelegentlich, wie ich überhaupt nur jemanden empfehlen kann.
Sorgen Sie dafür, dass sie froh und befriedigt zurückkehren, da
ihr Zeugnis uns und dem christlichen Namen grosses Ansehen
verleihen wird Nochmals empfehle ich Ihnen, die beiden
Japaner so aufzunehmen, dass sie ihren Landsleuten von unseren
Kirchen, Akadcmieen u. s. w. viel Merkwürdiges erzählen können.
Xa-i'icFS Absclikd von Japan. 231
Ich hoffe, sie werden über die ]\Tacht und den Reichtum der
Christen staunen Also senden Sie Matthaeus und Ikrn-
hard nach Rom ; aber machen Sie, dass sie von einigen l'atres
begleitet nach Japan zurückkehren und ihren Landsleuten be-
zeugen, was für ein Unterschied zwischen der I\Iacht der Chri-
sten und der Japaner ist."
Aber der eine von den beiden starb in Goa vor der Abreise,
der andere kam wirklich nach Rom, der erste Sohn des Landes
der aufgehenden Sonne in der ewigen Stadt. -) Aber erzählen
durfte auch er seinen Landsleuten nicht von dem, was er gesehen
und erfahren. Er starb auf der Rückreise von Italien zu Coimbra
in Portugal eines gottseligen Todes als Mitglied der Gesellschaft
Jesu, in die er eingetreten war. 3)
Auch Xavier starb, ein Jahr, nachdem er Japan verlassen
hatte, und ohne nach China gekommen zu sein, auf der Insel
Sanshan am 20. Dezember 1552. Kr war, als er seine Augen
zum ewigen Schlunuiier schloss, erst 46 Jahre alt. Zwölf Jahre
seines irdischen Pil^erlaufes hatte er im fernen Osten verbracht.
2. Satow bemerkt (Transact. of tlie As. Soc. of Japan Vol. XXVI, p. XLVIII),
dass sich in einem Briefe Loyolas vom 26. Juli 1554 eine Erwähnung eines japa-
nischen Christen finde, der Rom besuchte, von dessen Ankunft auch in einem
anderen vom 21. ]\Iärz 1555 die Kedc ist, und fügt hin/,u, er haljc nicht feststellen
können, wer dieser Japaner war. Seil. st verständlich war dies der eine der beiden
von Xavier aus Japan mitgeführten Ncophylen.
3. Vgl. Oi'iLANr). 14 n. 14.
SIEBZEHNTES KAPITEL.
Zur Würdigung Xaviers.
Franz Xavler ist der Apostel Indiens genannt worden. Mit
grösserem Rechte noch kann man ihn den Apostel Japans nen-
nen. Denn hier trat er nicht wie dort in eine längst bestehende
Missionsarbeit ein, sondern war recht eigentlich der Pionier, der
allen nachfolgenden Christentumsverkündigern im Lande der auf-
gehenden Sonne die l^ahn gebrochen. Wer sein unermüdliches
missionarisches Wirken, wie wir es beschrieben haben, unbefangen
betrachtet, der kann nicht wohl verkennen, dass er den Ehren-
titel eines Apostels nicht mit Unrecht trägt. Xavier war nicht
nur ein Jünger Loyolas, an dem er mit einer fast religiös zu
nennenden Verehrung hing, nicht nur ein Jünger der Gesellschaft
Jesu, im Gedeni^en an welche er einst schrieb : ,, .SV oblitus wi-
quavi fncro tili, socictas Jesu, ohiivioni detur dcxtcra mca " (Ps.
137,5); er war ein Jünger Jesu selbst, an dessen Vorbild er
sich gebildet, von dem er, wie wenige, Demut, Anspruchslosig-
keit, Selbstverleugnung, opferfreudige Hingebung und liebevolle
Herablassung zu d:n Geringsten gelernt. Im frommen Herzens-
verkehr mit ihm war der aufrichtige Mann in die Geheimnisse
des Reiches Gottes eingedrungen. Sein ganzes Auftreten aber
zeigt, dass er sich berufen fühlte, nicht von Menschen, auch
nicht durch Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott,
zu verkündigen, was er gesehen und gehört, ein Gesandter und
I^otschafter Gottes, beauftragt mit der \^erkündigung des Evan-
geliums an die Heiden. Dies gab ihm den todeskühnen, uner-
schrockenen Heldenmut, der, Gott fürchtend und sonst nichts
Zur Wiirdigimg Xavicrs. 233
auf dieser Welt, vor keiner Gefahr bangte und ihn auch den
Höchsten freimi^itig gegenübertreten Hess ; dies spornte ihn an
zu dem flammenden Eifer, in dem er nicht müde wurde, zu
wirken, solange es Tag für ihn war; dies erfüllte ihn mit der
Siegeszuversicht, welche die Bürgschaft des Erfolges ist.
Zu solchem Apostelberufe war Xavier von der Natur mit
Eigenschaften ausgestattet, die ihm in Ausübung desselben sehr
zu statten kommen mussten: begabt mit klarem, scharfem Ver-
stände und geistig rege, grossherzig und begeisterungsfähig, bei
aller Sanftmut und Weichheit doch voll Willensenergie und Feuer,
bei aller Demut doch voll Selbstvertrauens ; ein Rüstzeug, mit
dem Gott besondere, grosse Gedanken haben konnte, nachdem
sein Leben, weltlicher Lust und irdischem Elirgeiz entsagend,
für immer die Richtung auf ihn und auf das Ewige genommen.
Allerdings war Xa\ier nicht nur ein Knecht Gottes und ein
Jünger Jesu, er war auch ein Sohn und Diener seiner Kirche
und ein ergebener Jünger der Gesellschaft, der er sich verschwo-
ren. Seine Auffassung der Lehre Christi war die der katho-
lischen Kirche, seine Frömmigkeit die seines Ordens. Das darf
indessen auch seinen protestantischen Beurteiler nicht blind
machen gegen die Thatsache, dass er ein Gottesmann war, dem
auf der Stirn geschrieben stand : ,, Der Flerr ist's, der mich
sendet", dem der Eifer für das Reich Gottes aus den Augen
flammte, der mit Herz und Seele aufging in seinem heiligen,
erhabenen Beruf
Seine äussere Beglaubigung durch Gott sind nicht die Mirakel,
die er, einer der grössten Thaumaturgen der katholischen Kirche,
die evangelischen Wunder überbietend in Japan wie vorher in
Indien vollbracht haben soll, von denen er aber selbst in seinen
Briefen nichts zu berichten weiss, und die auch keinen einzigen
wirklichen Zeugen für sich haben. Seine Beglaubigung durch
Gott ist der Erfolg, der seiner rastlosen Thätigkeit beschert wurde.
Zwar als er Japan verlies.s, hatte er nicht so viel ausgerichtet, als
er auszurichten gehofft hatte. Gleich seinen ersten stolzen Plan,
die Fahne Jesu in der Metropole des Liselreichs aufzurichten,
234 '^^''^ JVürdigiiiig Xcwicrs.
hatte er nicht ausführen Ivönncn. 1 )ic Zalil der Getauften betrug"
nur einii^e hundert, 'j an nieht mehr als drei Orten waren
kleine Gemeinden gegründet. Kam Xa\ier auf der einen Seite
die Gunst der Territorialherren zu statten, die ihm, wenn auch
nicht aus lauteren Interessen, die \'üllniacht zu predigen erteilten,
so war ihm andererseits die Soelengewinnung durch seine Un-
kenntnis der Landessprache erschwert.
Aber die Bahn für das Evangelium hat Xa\ier doch ge-
brochen in den zwei Jidiren und drei Monaten seines Aufijnt-
haltes auf japanischem Boden ; er hat der christlichen Religion
in einem Lande, wo der Name Jesu vorher gänzlich unbekannt
gewesen, dcw Weg bereitet ; er hat Samen ausgestreut, den seine
Nachfolger durften aufgehen sehen. Er hat den Anfang mit
Schaffung einer christlichen Literatur in Japan gemacht. Auch
das darf nicht vergessen werden, dass er durch seine Briefe an
die Gesellschaft Jesu und Rundschreiben an die Univ^ersi täten
die Aufmerksamkeit des Jesuitenordens und des katholischen
Europa auf das neue verheissungsvolle Arbeitsfeld gelenkt, so
dass in der P'olge eine Schar von geistlichen Arbeitern dahin
entsendet wurde. Und ein Verdienst Xaviers ist auch dies, und
nicht das geringste, da.ss die letzteren zum grossen Teile tüch-
tige Priester waren. Denn immer und immer wieder hat er in
seinen Briefen mit allem Nachdruck betont, dass nur Männer
höherer Bildung und gründlicher Gelehrsamkeit für die Arbeit
an den Japanern geschickt und brauchbar seien.
Was auszusetzen ist an Xavier, das ist die Flüchtigkeit und
das Summarische seiner Bekehrungsmethode. Die oberflächliche
Kenntnis einiger Gebote und Lehrsätze des Christentums hielt
er für eine genügende Vorbereitung zur Aufnahme der Erwach-
senen in die Kirche. Oft taufte er Leute noch an demselben
Tage, an dem sie durch ihn zum erstenmale etwas von einer
anderen Religion als ihrer bisherigen gehört. Bezeichnend für
I. Nicht „plusktirs ini/lie?-s", wie noch 1896 Marnas (a. a. ü. Tome I, p. 15
übertreibend antribt.
Zur Würdigung Xavicrs. 235
die Oberrtächlichlceit seiner Methode ist, was er in einem seiner
Briefe schreibt. Da teilt er als etwas Verwunderungswertes mit,
seine Gläubigen zeigten so tiefgehendes Interesse für ihre neue
Religion, dass sie fragten, was das Bekreuzen bedeute, das er
sie gelehrt, Avelchen Sinn es habe, dass sie zuerst die Hand an
die Stirne heben sollten mit den Worten ,, Im Xamen des
Vaters", darauf zur Brust senken müssten mit den Worten
,, und des Sohnes " und endlich von der rechten zur linken
Schulter zu flihren hätten, sprechend ,, und des heiligen Geistes".
Auch das erachtet er als mitteilenswert, dass sie zu wissen
begehrten, was die Worte Kyrie eleison, Cliriste eleison meinten,
die er sie lernen und sagen Hess. Hieraus ersieht man, dass
Xavier sich vielfach an einer bloss äusserlichen xA.pplizierung des
Christentums genug sein Hess. Von einer wirklichen Predigt-
thätigkeit und von einem rechten Unterricht der Neophyten vor
der Taufe konnte ja schon darum keine Rede sein, weil weder
Xax'ier noch seine Genossen der japanischen Sprache hinreichend
mächtig waren.
Diesem IMangel half er allerdings einigermassen dadurch
ab, dass er einzelnen Bekehrten wie den Gemeinden seinen
,, Christlichen Unterricht" in Abschrift zu weiterem Selbstunter-
richte hinterliess. Ich habe oben (Kapitel VI) die Vermutung-
ausgesprochen und zu begründen versucht, dass dieser japanische
Katechismus, der verloren ist, mit einem von Xavier auf den
Molukken gebrauchten, der uns erhalten ist, sich deckt. Ich
gebe ihn als Anhang in deutscher Uebersetzung wieder. Der
Inhalt dieses Dokuments, den er selbst als eine Probe von dem
bezeichnet, was er den Heiden bringe, 2) gibt uns das Recht, zu
sagen : was den Japanern von Xavier gepredigt worden ist, war
das Wese»tliche des orthodoxen Christentums, vielleicht weniger
versetzt mit Menschensatzung als die landläufige katholische Ver-
kündigung in der europäischen Christenheit, die Luther zu seinem
folgenschweren Protest veranlasste ; und mehr noch : was Xavier
2. Brief an Ignatius Ix)yola, Cochin, 29. Januar 1552.
236 Zur Wnrdigiiiii^ Xavici'S.
gelehrt, war, ob auch in kalholisclicr l-'\)rni c^cbotcn, doch das
Evangchutii von Jesus, eine Kraft Gottes sch"y; zu maclicii alle
die daran erlaubten. 3)
3. Zur Vergleichung stehe dagegen hier, weil ganz cnlgegengesetzt, das harte
Urteil Venn's, des protestantischen englischen Biographen Xaviers. Er sagt S. l86
f.: „In seinem Handbuch für den Unterricht für Neubekehrte, das er in mehrere
Sprachen üljcrsetzen Hess und allen Missionaren zum Gebrauche vorschrieb, sollte
man billig von einem Manne wie Xavier erwarten, doch trotz des römisch-katho-
lischen Systems einige Grundwahrheilcn des Christentums zu finden, ^\'ie sehr man
aber in dieser Erwartung getäuscht wird, zeigt die folgende Darstellung der Erret-
tung des Menschen nach dem Sündenfall [siehe diese im Anhang I].
Kann man nach dieser Probe noch verkennen, dass das von den Jesuiten gelehrte
Christentum schon damals die Art und Form der indischen Göttersage angenommen,
und die sogenannten IJekehrungen daher nicht Dekehrungcn vom Heidentum zum
Christentum, sondern nur Uebergänge von einer Art des Heidentums zu einer andern
waren, und dass die späteren Jesuiten im südlichen Indien mit ihren schliesslich
auch vom Tapste verdammten Trügereien wesentlich doch auf dem Wege Xaviers
wandelten? — Durch das ganze Handbuch hindurch findet sich kaum eine Verwei-
sung auf die Bibel, auf die Notwendigkeit der Busse oder des Glaubens an die
\ ersöhnung in Christo. Nichts als trockene Darstellung abstracter Glaubenssätze
oder auch Thatsachen aus der llibelgeschichte mit Fabeln gemischt und am Schhiss
die umfassendste Versicherung unbedingten Glaubens an die Kanones der heiligen
Väter, die Decrete der Concilien, die Edicte der Päpste, wie sie von Cardinälen,
Patriarchen, Erzbischöfen und anderen Prälaten der Kirche bekannt gemacht seien.
Was mochten die armen Ileidenchristen von all diesen kirchengeschichtlichen
Dingen wissen? Konnte man eigentlich nach solchem Unterricht die Leute zum
Christentum bekehrt nennen ? ■'
Literatur zum Leben Franz Xaviers.
Die Hauptquelle für Xaviers Leben sind seine in spanischer
oder portugiesischer Sprache abgefassten Briefe, von denen jedoch
eine grosse Anzahl verloren ist. Die vorhandenen sind haupt-
sächlich in lateinischer Sprache erhalten. In den zahlreichen
Sammlungen unter dem Titel ,, Epistolac Indicae " sind nur
wenige derselben erschienen. — Horatius Tursellinus liess 1596
zu Rom 52 Xavierbriefe in lateinischer Uebersetzung drucken. —
1667. 168 1 veröffentlichte der Jesuitenpater Possinus einen Band
von 90 neuen, noch ungedruckten Briefen aus den Archiven zu
Rom, Lissabon und Goa ; — andere machte P^r.\xz Cutill.\s be-
kannt (Madrid 1752). — Die bis jetzt vollständigste und zugleich
sorgsamste Sammlung hat in 2 Bänden der P>xjesuit RociR's
AIexcpiaca geliefert unter dem Titel ,, S. Francisci Xavcrii e Soc.
J. Indiaruin apostoli cpistolariun oinnium libri quatiior, ex Pctro
Maffcio, Horatio Tiwscllino, Pctro Possino et Francisco Cutillas.
Ac cedit dcnuo ca rund cm chronotaxis, tum iudex multiplex et ap-
pendix. Opera R. M. oliui Societatis Jesu. Saccrdotis in Castcllana
provincia " {Bononiae). Titelblatt und Vorrede sind ohne Jahr-
zahl, aber die Approbation ist vom 2. August 1795. Der
Wert dieser Sammlung von 146 Briefen wird noch durch die
ihr beigedruckten Untersuchungen Menchacas über die Zeitfolge
der Briefe erhöht, sowie durch den X^achweis, dass mehrere der
in früheren Ausgaben erschienenen gefälscht sind. — Von dieser
Hauptsammlung erschien eine französische Uebersetzung ,,Lettres
de St. Fran^ois Kavier, apotrc des Indes et dn Japon etc. par
A.M.T.'' (Faivre). Lyon et Paris 1828. 2 voll.— Die \\o\og-
23 S Literatur r:uvi Lcboi Frajiz Kavier s.
nescr Aus_<;abe liegt auch zu Grunde der zweiten französischen
Uebcrsetzung ,, Lettres de S. FraiK^ois Xavier de la Compagiiie
de Jesus, apbtre des Lides et du Japan etc. par M. I.eon Pages."
Paris 1855. 2 voll., — sowie der englischen Ausgabe von H. J.
CoLERiDc.E ,, 77/r Life and L^etters oj St. Francis Xavier". Second
cdition, London 1S74. 2 voll. — I\Iit Benutzung der vier letzt-
genannten Sammlungen hat Eduard de Vos eine deutsche Aus-
gabe veranstaltet: „Lieben und Briefe des heiligen Franciscus
Xaverius, Apostels von Lndien und Japan ". Regensburg 1877.
2 Bd. — Durch dieses Werk ist die ältere dreibändige Ueberset-
zung antiquiert, welche in i. Aufl. 1836 und 1840 in Neuwied,
in 2. Aufl. 1845 in Coblenz bei Philipp Werle unter dem
Titel ,, Die Brieje des grossen Apostels von Lndien uiui Japan,
des heiligen Franz von Xavier aus der Gesellschajt Jesu, als
Grundlage der JMissionsgeschiclite späterer Zeiten übersetzt und
erklärt von Jo.seph Burg" erschien. — Auch in japaniscJier
Uebersetzung sind die Biiefe 1891 in 3 Bänden veröffentlicht
worden (I^^^AßPlTä : ifeÜ. ^ A^t 1 • ?"^' ^ Jl^^lEHl-.
Als weitere, freilich mit grosser Vorsicht zu benützende
Quelle ist Mexdez Pinto zu nennen, der in seiner portugiesischen
Reisebeschreibung einzelne Zi'ige aus dem Leben Xaviers auf-
bewahrt hat.
Es gibt schwerlich einen Heiligen, dessen Leben öfter ge-
schrieben worden und im Druck erschienen ist als das Franz
Xaviers. Eine kritische, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende
Darstellung existiert gleichwohl bis heute noch nicht. Die
gesamte Xavierliteratur hier zu registrieren wäre überflüssige
Arbeit. Der Leser findet sie, soweit sie bis 1859 erschienen ist,
ziemlich vollständig in Leon Pages' Bibliographie Japonaise auf-
gefi'ihrt unter den Nummern 52, 56 et bis, ter, 84, 104, 126,
149, 150, 151, 160 et bis, 161 et bis, 162, 226, 235, 243, 244,
258 et ter, 270, 280, 281, 287, 298, 299, 302, 310, 317, 318,
322, 340, 34T, 346, 347, 352, 358, 369, 383, 448, 641. Ich
merke daher hier von den älteren Werken nur rlie wichtigsten
Literatur ziuii Leben Fra}i:~ Xaviers. 239
und dazu die neuere cinschlägii^'e Literatur an, die bei Pages nicht
zu finden ist.
Die älteste Lebensbesclireibung Xaviers ist die von dem Jesui-
ten Emanuel Acosta aus den „ Epistolae Lndicae"' zusammen-
gestellte und von Maffei 1571 herausgegebene dürftige Skizze. —
Sein nächster Biograph ist der Jesuit Horatius Tursellinus mit
seinem unkritischen, erbaulichen Werkchen ,, De Vita S. Francisci
Xaverii qui prinnis e Societate Jes2i in India et Japonia Evangelium
promulgavit''. Rontac 1594. — Im Todesjahre ihres Verfassers,
des portugiesischen Jesuiten und Professors an der Universität
l^vora, JoAM DE LucEXA, erschien die „ Historia da i'ida do padre
Francisco de Kavier, c do que fizeräo na Lndia os niais reiigiosos
da Covipanhia de Jesu'' {Lisboa 1600), deren Autorsich mit der
Geschichte der Portugiesen im Osten wohl vertraut zeigt und s!ch
durch die nüchterne Art seiner Darstellung vorteilhaft von den
späteren Lebensbeschreibern unterscheidet. — Material zum Deben
des Paters enthält Nicaolo Orlaxdixi's LIistoria Societatis Jesu
{Roniae 161 5). — P^ine sehr ausführliche Darstellung des Lebens
und Wirkens Xaviers, die Hauptquelle llir alle späteren Bio-
graphen, findet sich im i. Teil (Buch LIV) des erstmalig 1653
zu Rom gedruckten Werkes ,,Deir istoria della Conipagnia di
Giesu r Asia " von Daniel Bartoli, der bereits die Kanonisa-
tionsakten benützen konnte. — Erwähnenswert ist Fr. Garcia's
,, Vida y Milagros de S. Francisco Kavier de la C de J., apostol
de las Indias ", Madrid, ohne Jahr ; die Approbation ist vom Jahre
1672. — 1682 schrieb der französische Jesuitenpater Dominique
BouFiouRS zu Paris seine berühmte ,, [/V de S. Fran^ois Kavier
de la C. de J., apötrc des Inlcs et du Japon'\ die guten Gebrauch
\-on Xa\'iers Briefen, soweit sie damals bekannt waren, macht,
aber auch Legenden in Menge spinnt und ihren Helden zu
einem Thaumaturgen stempelt. Eben das hat sie wohl inner-
halb der katholischen Kirche zur klassischen Lebensbeschreibung
werden lassen, die schon vierundzwanzigmal neu aufgelegt und
ins Lateinische, Englische, Hämische und ins Deutsche übersetzt
worden ist, in welch letzterer S[)rache sie bereits zwei Auflagen
240 Utcraiiir r:uiii Leben Frair: Xa^'irrs.
(Fi'anl<furt 1S30 und Münster 1855) crliallcn liat. — Kürzer, aber
selbständig;" und hie und da Neues beibrinc;'end ist das „Coiiipcndio
dclla Mda di S. Francisco Siwcrio'' von P. Giuseppe Massei
{Roniac 1793). — Bei Pages nicht erwähnt ist Meer van Kuffelek,
Jlct Icvcn van. Francisciis Xa^'crins Inj gen Apostel van Indie. Ley-
dcn I.S4I. — Einen Icurzen, ]<ritilvlosen Lebensabriss hat Pages seiner
französischen Ausgabe der Xavierbriefe von 1S55 vorausgeschickt.
— Zwei Jahre später erschien Daukignac's 2 bändige ,, Histoire de
St. Fraii^ois Xavier, apotre des Indes et du. Japon''. — -Auf
mangelhaften Quellen fusst Luinvio de Marees in seiner Abhand-
lung ,,Die Missionsthätigkeit des Jes7iiten Franc Xavier in Asien",
Zeitschrift für lutherische Theologie, Bd. 21. (1860) S. 222-253.
— Die Darstellung eines Protestanten ist auch das Buch ,, Ulis-
sionary Life and Labonrs of Francis Xavier taken froi/i Jus oivn
correspondcnce ivitJi a sketch of tJie gener al results of Roman
CatJiolic JMissions aniong tJie heatJien by Henry Venn", London
1862. — Hie und da abgekürzt, seltener mit einigen Zusätzen
versehen, findet sich diese Schrift in deutscher Uebersetzung im
zweiten Buche des 1869 in Wiesbaden erschienenen Werkes „Franz
Xavier. FJn iveltgescJiicJttlicJics Missionsbild von Rev. H. Venn
nndW. HoFF.MANX ". Dem Urteil IT. Daltons (Auf Missionspfaden
in Japan, S. 431), dass dieses Werk, gerecht abwägend im Urteil,
ein würdiges Gegenstück zu den Entstellungen des römischen
Tendenzschriftstellers Marshall sei, vermag ich nicht beizutreten,
\\iinschte vielmehr, eben als Protestant, die Müsse zu haben, an
die Stelle dieses einzigen bisher von nichtkatholischer Seite
gezeichneten Lebensbildes ein besseres zu setzen, das ohne Vor-
eingenommenheit der achtungswürdigen Persönlichkeit des japa-
nischen Missionspioniers und seinem unermüdlichen Wirken mehr
Gerechtigkeit widerfahren liesse, ohne ihn auf der andern Seite
panegyrisch in der Weise der katholischen Historiographen zum
vollkommenen Heiligen und Wunderthäter zu erheben. — Die
beste Leben.sbeschreibung Xaviers hat bis jetzt P. Coleridge in
seine englische Briefausgabe verwoben. Seine Absicht war nach
der Vorrede ,, to give a clear narrativc of his life as it Stands
Litcralnr zum Lcboi franrj Xaz'icrs. 24.I
iit tlic onünary biograpidcs, aiid to 2isc thc z^'/iolc of tlic uitcrs
and fragiiiciits zchich havc survivcd to iis, in thc form in zchich
ICC posscss t/icm, to Uli ist rate tlic lifc and to spcak to us of his
cliaractcr for tJicmsclvcs'' . — Diesem in seiner Art trefflichen eni;"li-
schen W'erl^e ist der ausser von demselben besonders von Bou-
hours abhängige deutsche Autor Eduard de Vos auch in der
Anlage seiner Ausgabe gefolgt, in der Weise, dass er eine
Erzählung des Lebens gibt und jedesmal an cbn betreffenden
Stellen die Briefe einschaltet. — Populär gehalten sind W. REriii-
MEiER, Leben des hedigen Franz Xavier, Apostels von Indien und
fapan. Schaffhausen 1846. 2. vollst, umgearb. Aufl. von F.
FiRXSTEix, Regensburg 1881 ; — N. Grefe, Das Lebendes h. fr.
Xaverius (für das deutsche V^olk), Einsiedeln 18S5. 3. Aufl.
1S97. — Siehe ferner: E. Gothei.m, Ignatius von Loyola und die
Gegenreformation. Malle 1895, S. 268 f., 615-646, 793. — Zuletzt
erschienen sind A. Peltier, Saint Fran^ois Xavicj-, Paris [1898]
und J. Gros, St. Fran^-ois de Xavier, Paris, Retaux [1900]. —
Peinige weitere, wertlose. Literaturangaben gibt Professor C. Mirbt
zu dem Artikel Franz Xavier im 6. Bande der Realencyklopädic
tür protestantische Theologie und Kirche von I lauck. — handlich ist
über Xaxäer unter dem Titel ,, Monumenta Xavcriaiui ex auto-
graphis vel ex antiquioribus exemplis collecta " in den von -den
Madrider Jesuiten herausgegebenen ,,J\Ioiiumcnta LIistorica Soeictatis
fesn nunc prinium edita"' 1 899-1 900 der erste l^and einer beach-
tenswerten Oucllenveröffentlicluing erschienen (Tomus I. Saneti
Früncisei Xaz'crii epistolas aliaque scripta eompleetens, quibus
pracmittitur ejus vita a /'. ^ILxandro WdigiMiio ex Lidia Ronuiin
tnissd).
►♦O-^e^-
ANHANG.
I.
Katechetisches Sendschreiben an die Bewohner
der IVloIukken.
(Ausführliche Erklärung des Glaubensbekenntnisses), i)
Es ist ein grosses Glück für Christen, zu hören und zu
wissen, wie und in welcher Ordnung Gott aus Nichts -alle Dinge
zum Gebrauche und zum Dienst der Menschen geschaffen hat.
Im Anfang schuf er Himmel und I'^rde, die Engel, Sonne.
Mond und Sterne, Tag und Xacht ; die Pflanzen und alle Arten
von Gewächsen, die Erüchte des Eeldes und der Bäume, die
Vögel und die Landtiere ; das Meer, die Elüsse und die Seen
und die Tiere, die im Wasser leben. Nachdem ades dies ge-
schaffen war, schuf er zuletzt den Menschen, den er nach seinem
Bilde und Gleichnisse machte.
Der erste von Gott erschaffene Mann war Adam, und das
erste Weib Ev^a. Nachdem er beide gebildet und ihnen den
lebendigen Odem eingehaucht und sie in das irdische Paradies
gesetzt hatte, segnete er sie, gab sie zusammen und vereinte sie
durch das Band der Ehe und gebot den so Verbundenen, Kinder zu
erzeugen und die Erde zu bevölkern. Von diesem Adam und
dieser Eva stammen wir alle ab, von ihnen durch P'ortpflanzung
das ganze menschliche Geschlecht. In diesem ersten Paare
I Siehe Kap. VI am Ende.
244 /liihang I.
haben wir ein Vorbild der iM'nheit in der inenschliehen l'"J-ie.
In der That, da der Gott aller W^eisheit, der Schcjpfer der Natiii',
iVdani nicht mehr als ci)ie Gattin gab, so ist die l^^-eiheit, welche
die Mohammedaner und Götzendiener und — was noch schlimmer
\\wi\ noch mehr zu beklagen ist — auch oft schlechte Christen sich
nehmen, nämlich mit melireren Weibern zu gleicher Zeit zu-
sammen zu leben, offenbar gegen Gottes Willen ; und auch die-
jenigen, die nur mit einer Konkubine zusammenleben, Verstössen
gegen das ursprüngliche Beispiel ; denn Gott erlaubte Adam -und
E\^a nicht eher, Kinder zu erzeugen, als bis sie von ihrem
Herrn und Schöpfer rechtmässig durch das Band der l^he \er-
einigt waren. Deshalb haben die Unzüchtigen, weil sie gegen
den Willen Gottes, der sie geschaffen hat, sich auflehnen, Strafe
zu gewärtigen, wie sie ihrem Vergehen entspricht.
Auch diejenigen, welche Götzen anbeten, mögen erkennen,
weiches Vergehens sie sich dadurch schuldig machen, dass sie
Gott, den einen wahren Schöpfer aller Dinge, verachten und
x'crlassen und in ihrem Wahne stunmie Bilder und Ausgeburten
der Hölle anbeten. Während die gesunde Vernunft uns klar
und deutlich lehrt, dass wir uns in unserm Leben den Weg
sollen weisen lassen von dem, der uns das Leben gegeben hat,
setzen sie in ihrem gottlosen W'ahne alle ihre Hoffnung auf
Zauberei, Gaukelei und auf die eitlen VorherverküncHgungen der
Wahrsager und lassen ihr Thun durch sie bestimmen. Sie
weihen dem Teufel, dem un\ersöhnlichen Feinde ihres Seelen-
heils, den Glauben und die Verelu'ung, die sie Gott, dem
Urheber alles Guten, schuldig sind, der ihnen Seele und Leib,
alles, was sie sind und haben und vermögen, gegeben hat — eine
Sünde, die ebenso schändlich und abscheulich an sich ist, als
sie den Unglücklichen, welche sie begehen, verderblich ist; denn
ihr thörichter Aberglaube schliesst sie aus vom Himmel, wo den
Seelen derer, die Gott dienen, eine Stätte ewiger Ruhe und eine
F"ülle des Trostes bereitet ist, die heiligen Gefilde der Glück-
seligkeit, zu welcher der Schöpfer in seiner unendlichen Güte die
Menschen bestinnnt h.it.
Xcn'ic'i's Erklärung des Glmibcnsbckcnntnisscs. 245
Wie viel weiser sind doch die wahren Ciiristen, die, treu
Gott, ihrem Herrn, an ihn glauben, ihn im Geiste anbeten, alle
Kräfte ihres Verstandes und alle Empfindungen ihres Herzens
hingeben an den einen wahren, höchsten und ewigen Geist,
den Schöpfer Himmels und der Erden, und ihre innere Hingabe
an Gott durch äussere Andachtszeichen an den Tag legen, indem
sie die Kirchen besuclien, wo- sie an den Altären, die zu Ehren
des lebendigen Gottes errichtet sind, die Bilder seines Sohnes
Jesus Christus, der jungfräulichen Gottesmutter und der Heiligen,
der Diener Gottes, verehren, die nach einem Leben, in Treuen
verbracht in seinem Dienst, mit ihm herrschen in der Herrlich-
keit des Paradieses.
Inmitten dieser erhabenen Denkmäler, dem Werke heilsamen
Andenkens an die Gegenstände und Personen, die sie abbilden,
richten sie, auf dem Boden knieend und die Hände zum Himmel
erhoben, aufwärts Auge und Herz und bekennen ihren Glauben
an Gott, dessen Wohnung der Himmel ist, und von dem allein
sie alles Glück und allen Trost erwarten, mit diesen dem heili-
gen Petrus zugeschriebenen Worten : ,, IcJt glaube an Gott den.
Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels jind der Erdenk -)
Die P'ngel im Himmel schuf Gott, ehe er die Menschen auf
Erden schuf Die grössere Zahl der Engel nun betete alsbald
ihren Gott an, ihm Dank sagend und ihn preisend Rir die
Wohlthat der P^rschaffung. Lucifer hingegen und viele Engel
mit ihm weigerten ihrem Schöpfer die gebührende Anbetung ;
2 Nach einer schon in der Explanatio symboli des Ambrosius auftauchenden
und bei Rufinus und Späteren wiederkehrenden Sage wurde das Symbol bald nach
der Ausgiessung des heiligen Geistes von den Aposteln, ehe sie sich zur Verkün-
digung des Evangeliums in verschiedenen Ländern trennten, gemeinsam verfasst.
In ausgebildeterer Gestalt erscheint diese Legende in einer pseudoaugustinischen
Rede, nach w-elcher das Bekenntnis in der Weise entstanden ist, dass bei einer
Zusammenkunft in Jerusalem jeder der zwölf Apostel durch Aussprechung eines
Glaubensartikels seinen Beitrag zum Symbol beigesteuert habe. Dieser alten Ueber-
lieferung, die vielleicht schon Ambrosius kannte, da er bereits das Symbol in zwölf
Sätze eingeteilt wissen will, folgt hier in Uebereinstimmung mit der katholisclicn
Tradition Xavier.
246 Anhang I.
sie sprachen in ihrem Hochmut: ,, Lasst uns aufstehen und uns
zu Gott erheben, der hoch im Himmel thront!" Diese frevle-
rische Ueberhebung zu strafen, stürzte Gott den Lucifer samt
seinem Anhange vom Himmel in die Hölle.
Als Lucifer so gestürzt war, sah er Adam und h2va, die
ersten Menschen, und neidete ihnen die Gnade, in der sie Gott
geschaffen hatte, und um sie derselben zu berauben, suchte er
ihnen denselben Hochmut, der seinen Fall vom Himmel, ver-
ursacht hatte, einzuflössen. Er erschien vor ihnen im irdischen
Paradiese und spiegelte ihnen die falsche Hoffnung vor, sie
würden gleiche Ehre wie Gott erlangen, wenn sie von der vom
Schöpfer verbotenen Frucht ässen. Adam und Eva wurden
verlockt von dieser trügerischen Vorspiegelung, dass sie wie
Gott würden, willigten in die Versuchung ein und assen von
der Frucht des Baumes, der verboten war. Zu derselbigen Stunde
gingen sie der Gnade verlustig, in der sie erschaffen waren,
und zur Strafe für ihre Sünde verstiess sie Gott sofort aus dem
irdischen Paradiese. Von da an lebten sie verbannt von diesem
Wohnort der Freude neunhundert Jahre in Mühseligkeiten und
thaten Busse für ihre begangene Sünde. Aber so unsühnbar
war ihre Schuld, dass alle auch noch so harten Leiden, welche
Adam luid seine Kinder erduldeten, niemals genug gewesen
wären, den Makel auszulöschen und ihnen die Hoffnung auf die
ewige Seligkeit wieder zu eröffnen, welche sie zur gerechten
Strafe für den thörichten Stolz, in dem sie begehrt hatten, Gott
gleich zu werden, verloren hatten. Der Zugang zum Himmel
blieb fortan fest verschlossen, und der Weg zu der Herrlichkeit,
die er unwiderruflich verloren hatte durch Begehung einer Sünde,
die sein und seiner Kinder Verderben war, war für Adam und
seine Nachkommen unerbittlich versperrt.
O, ihr unglücklichen Christen, was denn wird unser Geschick
sein? Wenn eine Heer.schar von Engeln wegen einer einzigen
Hochmutssünde aus dem Himmel verwiesen und in den Abgrund
der Hölle gestürzt wurde ; wenn Adam und P"^va um einer
ähnlichen Hochmutssünde willen den glückseligen Besitz des
Xavicrs ErkläriDig des Glaubcns.bckcnntnisscs. 247
irdischen Paradieses verloren, welche Hoffnung, welches Mittel
haben wir, die wir mit Sünden aller Art behaftet sind, je aus
diesem Sündenwust herauszukommen oder unsere Makel ab-
zuwaschen und zum Himmel emporzusteigen, wo den unsterb-
lichen Seelen eine Stätte ewiger Seligkeit von Gott bereitet
worden ist. Es war um uns geschehen, die Verdammnis und
der ewige Untergang des menschlichen Geschlechtes waren sicher,
und da war kein Entrinnen. Da warfen sich der heilige Michael,
unser wahrster Freund, und die Engel, die gleich ihm gehorsam
geblieben und zum Lohn für ihre Beharrlichkeit schon zum
seligen Genuss der ewigen Herrlichkeit des Himmels gelangt
waren, bewegt von Mitleid mit dem Elende des Menschenge-
schlechtes, alle zusammen demütig zu Gottes Füssen und suchten
durch Gebete ein Heilmittel von ihm zu erflehen für das un-
ermessliche Elend, welches in Folge der Sünde Adams und
Evas sich über die gesamte Nachkommenschaft dieser beiden
Schuldigen ergossen hatte, indem sie etwas also sprachen :
,,0 guter Gott, barmherziger Herr, du Vater aller Völker;
endlich ist die Zeit gekommen und der von Anbeginn der Zeiten
heiss ersehnte Tag erschienen, den du von Ewigkeit her bestimmt
und vorbereitet hast, ein Zeugnis deiner Barmherzigkeit gegen
die verlorene Menschheit zu sein. Wir sehen schon die Mor^-
genröte des Tages angebrochen, welcher den wieder in Gnaden
als deine Kinder angenommenen Kindern Adams die Pforten des
Himmels wieder aufschliessen soll; denn von dem heiligen
Elternpaare Joachim und Anna ist eine Tochter geboren, ohne
Adams Sünde, die allerheiligste Jungfrau unter den Weibern,
Maria, deren Tugend und Heiligkeit in unvergleichlicher Weise
alles überstrahlt, was geringer als Gott ist. Da diese Jungfrau
so rein und herrlich ist, so scheint es ein Werk, nicht unwürdig
deiner Weisheit und Allmacht, aus ihrem jungfräulichen Blute,
was dir, o Herr, ein Leichtes ist, einen menschlichen Leib zu
bilden, wie du voreinst, o Herr, den Leib Adams gebildet hast,
als es deinem heiligen Willen so gefiel. Und in diesen Leib,
gebildet aus dem reinsten Fleische der Jungfrau, kannst du auch,
24S Anhang I.
allniiichtigcr Herr, /.u;j,icich eine Seele sehaffen und eingiessen
und aufs innigste mit ihm x'ereinigen, welche vor allen ausge-
zeichnet ist und durch ihre unendliche Heiligkeit alle Seelen über-
trifft, die du jemals geschaffen hast oder je erschaffen wirst", —
(unterdessen hatte Gott im geheimen Ratschluss der heiligen
Dreifiütigkeit beschlo.';sen, eine göttliche Person im Schosse der
Jungfrau Maria mit unserer menschlichen Xatur zu vereinigen) —
,, auf class von dieser Jungfrau, der \^ollkommensten unter allen,
Jesus Christus geboren werde, dein Sohn, der ganzen Welt
Heiland. Also, o Herr, wird die Schrift in l^rftillung gehen,
und also werden die Verheissungen treu hinausgeführt, durch
welche du den Patriarchen und Propheten, deinen I'reunden,
dich verpflichtet hast, welche im Vertrauen auf sie in der Vor-
h(")lle deines Sohnes Jesus Christus, ihres Herrn und lü'lösers,
warten/'
Da die heiligen luigel also beteten, sandte der Allerhöchste,
der hehre und allmächtige Gott, gerührt von tiefstem Mitleiden
mit unserem unermesslichen Palende, das er sehr wohl kannte,
den heiligen P2rzengel Gabriel vom Himmel in die Stadt Nazareth,
wo die Jungfrau Maria wohnte. Und dieser P^ngel sprach zu
ihr gemäss dem Befehle, den er von dem, der ihn gesandt hatte,
empfangen hatte : ,, Gegrüsset seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir, du bist gebenedeiet unter den Weibern:
der heilige Geist ^vird über dich kommen, und die Kraft des
Allerhöchsten wird dich überschatten ; was aus dir wird geboren
werden, wird Jesus Christus, der Sohn Gottes, genannt werden."
Als die allerheiligste Jungfrau Maria diese Worte des Erzengels
vernommen hatte, antwortete sie: ,, Siehe, ich l)in die ]\higd des
J lerrn, mir geschehe, wie du gesagt hast I" In dem selben Augen-
blicke, als die allerheiligste Jungfrau dem zustimmte, was ihr von
Gott durch den Erzengel verkündigt wurde, bildete Gott im Schosse
d ;r Jungfrau aus ihrem reinsten Blute einen menschlichen Leib,
mit dem er aufs innigste eine Seele vereinigte, die er im selben
Augenblicke schuf; und zur gleichen Zeit wurde die zweite
Person der heiligen Trinität, Gott der Sohn, Mensch im Schos.se
Xwc'icrs Erklärung des GlauhcnsbcJanntnisscs. ia^*:)
der Jungfrau Maria, indem er mit seiner göttlichen Person diese
heilige Seele und diesen heiligen Leib vereinigte.
Darnach, als vom Tage der Fleisch werdung des Sohnes
Gottes bis zum Tage seiner Geburt neun volle Monate verflossen
waren, wurde Jesus Christus, der Heiland der ganzen Welt,
wahrer Gott und wahrer Mensch, aus Maria, der Jungfrau, geboren.
Und dies bekannte der heilige Andreas mit den Worten : ,, IcJi
glaube a?i Jesus C/iristus, den eingeborncn Sohn Gottes, unsern
Herj'u'' , und sofort fügte der heilige Johannes bei: ,,der em-
pfangen ist vom heiligen Geiste, geboren ans Maria, der Jangfran'' .
Christus, unser Herr und Erlöser, wurde geboren zu Beth-
lehem, nahe bei Jerusalem. Dort beteten ihn die Engel, seine
jungfräuliche Mutter mit dem heiligen Joseph, ihrem Verlobten,
und die drei Könige des Ostens mit vielen anderen als ihren
höchsten Herrn an.
Herodes indess, der zu Jerusalem herrschte und fürchtete,
er möchte durch das Kind seiner Herrschaft, an welcher er
selir hing, verlustig gehen, wollte es töten. Doch wurde seine
grausame Absicht vereitelt ; Jesus wurde zur rechten Zeit in
Sicherheit gebracht. Denn Joseph, im Traum von einem Engel
gewarnt, floh mit Jesus Christus und seiner jungfräulichen Mutter
von Bethlehem nach Aegypten und blieb dort, bis Herodes sein
Leben durch einen schrecklichen Tod beschloss, wie der ver-
ruchte Tyrann es \'erdient hatte. Seine Grausamkeit war in
der That so weit gegangen, dass er alle Kinder in l^ethlehem
und den umliegenden Orten von zwei Jahren und darunter
hinmorden Hess, in der Hoffnung, durch dieses Blutbad Jesum
mit aus dem Wege zu räumen. Darin jedoch täuschte er sich,
denn Jesus wurde, wie bemerkt, gerettet und kehrte mit seiner
jungfräulichen Mutter und dem heiligen Joseph in seine Heimat
und in die Stadt Nazareth zurück, nachdem Joseph in Aegypten
w^ieder durch einen Engel ermahnt war.
Als Jesus das zwölfte Jahr erreicht hatte, ging er von Nazareth
hinauf nach Jerusalem in den Tempel, wo die Schriftgelehrten
waren, und er erklärte ihnen die Schriften der Propheten und
250 Anhaiiß^ I.
ratriarclicn, wclclic die Ankunft des Sohnes Gottes vorherv^er-
kündet hatten : und er lehrte mit wunderbarer Weisheit, dass
sich alle, di^' ihn hörten, verwunderten. Von da kehrte er nach
Nazareth zurück, wo er bis ungeHihr zu seinem dreissigsten
Jahre blieb. Sodann ging er an den Fluss Jordan, wo der
heilige Johannes der Täufer viele, die zu ihm hinausströmten,
taufte ; und mit ihnen taufte er nun auch Jesus Christus in den
Wassern des Jordan. Von dort zog sich Jesus auf einen Berg
in der Wüste zurück, wo er sich vierzig Tage und vierzig
Nächte lang jeder Speise und alles Trankes enthielt. Auf diesem
Berge versuchte der Teufel, welcher nicht wusste, dass Jesus
Christus war, ihn zu den drei Sünden der Sinnlichkeit, der
flabsucht und des eitlen Ruhms.
Jesus aber schlug alle diese Versuchungen zurück und ver-
liess den Berg als Sieger über den Teufel und kam nach
Galilaea, wo er viele bekehrte und viele Teufel aus den Leibern
von Besessenen austrieb, indem er ihnen befahl, von ihnen aus-
zufahren ; und selbst diese widerspenstigen und rebellischen
Geister gehorchten alsbald seinem Worte, so dass das Volk sich
verwunderte, das weithin den Ruhm seiner göttlichen Lehre,
welche er mit unendlicher Weisheit vortrug, und seiner Wunder-
macht, die sich in Heilung von allerhand Krankheiten offenbarte,
ausbreitete. So wurden viele bewogen, auf die Worte eines
Lehrers von solchem Ansehen zu hören, und wetteiferten mit-
einander. Kranke aller Art zu ihm zu bringen, die er durch
l^crührung mit seinen allerheiligsten Händen von allen Gebresten
befreit und geheilt und erfüllt von Dankbarkeit nach Hause
sandte.
Darauf erwählte Jesus zwölf Apostel und zweiundsiebenzig
Jünger, welche ihn auf seinen Wanderungen durch die Städte
und Dörfer begleiteten, wo er die Geheimnisse des Reiches Gottes
lehrte, den zusammenströmenden Scharen predigte und die Wahr-
heit seiner Lehre durch viele Wunder bekräftigte ; denn vor den
Augen des ganzen Volkes, in Gegenwart .seiner Apostel und
Jünger gab er Blinden das Gesicht, Stummen die Sprache, Tauben
Xmncrs Erklärung des Glaiibcnshckciintnisscs. 251
das Gehör, Lahmen, dass sie gehen. Gichtbrüchigen, dass sie
ihre GHeder wieder gebrauchen konnten, und der AnbHck dieser
täglichen Zeichen bestärkte seine Apostel und Jünger mehr und
mehr in ihrem Glauben an Jesus Christus. Er teilte ihnen solche
Weisheit und Macht mit, dass sie, diese rohen und ungebildeten
Fischer, dem Volke predigten, indem die göttliche Unterweisung
Jesu Christi, des Sohnes Gottes, den IMangel des Studiums und
menschlicher Gelehrsamkeit ersetzte. Auch \\irkten die Apostel
selbst durch Anrufung seines Namens Wunder, indem sie die
Menschen von verschiedenen Krankheiten und von Besessenheit
befreiten und durch solche, IMenschenkraft übersteigende Werke
die Wahrheit ihrer Predigt von der Ankunft des Sohnes Gottes
besiegelten. So neu diese Wahrheiten waren, so wurden sie
doch durch so viele wunderbare Thaten, die unverkennbare
Zeugnisse von Gott waren, bestätigt, und glaubhaft.
Der Ruf Jesu und seiner Jünger, welcher sich durch Judaea
verbreitete, ärgerte die Ersten des Volkes, die erfüllt von Eigen-
dunkel waren. Es waren besonders die sogenannten Pharisaeer,
hochmütige Verächter alles dessen, was sich über das Gewöhn-
liche erhob, die erbittert waren, wenn irgend eine andere Partei
oder S^-kte als die ihrige auch nur den geringsten Ruhm der
Bildung gewann. Man kann sich daher leicht denken, welche
bittere Demütigung es für diese stolzen Menschen gewesen sein
muss, zu sehen, dass Jesus Christus, der ihre Lehre tadelte, mit
Beifall vom Volke angehört und von der enthusiasmierten Menge
so hochgehalten wurde, dass nicht mehr viel fehlte, dass sie
selbst von dem lange eingenommenen Thron ihres Ansehens
und Ruhmes gestürzt wurden, und der neue Lehrer mit den paar
Fischern, die ihn begleiteten, denselben einnahm. Von höllischer
P^ifersucht ergriffen, beschlossen sie daher alle Künste der Ver-
leumdung dran zu setzen, um Christus seinen guten Xamen
und zugleich sein Leben zu nehmen.
In dieser Absicht bearbeiteten sie die Obrigkeit und brach-
ten Pilatus, zu der Zeit Statthalter von Judaea, durch Bitten,
Verdächtigungen und direkte Beschuldigungen endlich dahin,
252 Aii/iaui^- I.
dass er ihiirii die GefangennehnuiUL;' Jesu gestattete, die sie als
zur öftentliehen Ruhe erforderlich sti^irniisch verlangten. Der
fremde Statthalter liess sich durch ihre hinterlistigen Machen-
schaften so ins Schlepptau nehmen, nicht etwa darum, weil
er nicht klar darüber war, dass ihr Vorschützen des öffentlichen
\\\)hles nur ihren persönlichen Hass verhüllen sollte; sondern
entweder weil er ihres ungestümen Drängens überdrüssig war,
oder weil es ihm darum zu thun war, gut mit den Ersten des
\\)lks zu stehen, hielt er es fih' ratsam, seine eigene Ruhe 'oder
die Gunst anderer auf Kosten eines berühmten Mannes zu er-
kaufen, der ihm jedenfalls ein Mann von dem Schlage des Elias
oder Jeremias der alten Zeit oder Johannes des Täufers in
neuerer Zeit zu sein schien, den er jedoch nicht für mehr als
einen Menschen hielt. Denn hätte er klar erk-annt, dass Jesus
der Sohn Gottes war, so hätten wohl schwerlich irgendwelche
Umtriebe vermocht, ihn zur Auslieferung Jesu Christi in die Wut
seiner Feinde zu bewegen.
Da nun aber Jesus so mit Gutheissung der Obrigkeit <gc-
^3.ngtti\ genommen wurde, trieben es seine Feinde aus eigener
Bosheit so weit, dass sie ilin duich ih.re Helfershelfer mit aller
nur möglichen Grausamkeit und Schmach behandeln Hessen.
Ya wurde durch die Strassen und Hauptplätze der Stadt geschleppt
unter dem Zusammenlauf eines Pöbels, der ihn in aller Weise
beschimpfte, von einem Gerichtshause zum andern geführt, ver-
spottet, geschmäht, bespeit, mit Fäusten geschlagen und endlich
zu Pilatus gebracht. Und hier standen falsche Zeugen gegen
ihn auf, während das aufgeregte Volk mit wütendem Geschrei
seinen Tod verlangte, und das seinen Tod am Kreuze. Der
Richter war gleichwohl unschlüssig, weil er von der Unschuld
des Angeklagten überzeugt war, bis man ihm zu verstehen gab,
dass er des Kaisers P^-euncl nicht länger sein werde, Avenn er
einen Mann freilasse, der sich als Köin'g der Juden bezeichnet
liabe und eine Empörung veranlassen \vürde. Aus l'urcht gab
er dem Begehren der Ankläger nach, und nachdem er Jesum
auf die unmenschlichste Weise am ganzen Körper, vom Kopf
Xavicrs Erklärung des Gliinbcnsbckcn)it)iisscs. 253
bis zu den Füssen, hatte »jeisseln lassen, übei'cjab er ihn, dem
wi^itenden Geschrei der Juden willRihrend, dass er gekreuzigt würde.
Aber ehe sie ihn kreuzigten, verspotteten ihn die Leute der
Pharisaeer, indem sie ihm ein l-cönigHches Gewand anlegten, eine
Krone von Dornen auf sein Haupt setzten, ihm ein Rohr als
Zepter in die Hand gaben, höhnisch die Kniee \'or ihm beugten
und ihn als König der Juden begrüssten. JJann spieen sie ihm
ins Angesicht, gaben ihm zahlreiche Faustschläge auf seine
Wangen, nahmen das Rohr aus seiner rechten Hand imd schlu-
gen damit sein dornengekröntes Haupt. Zuletzt hefteten sie ihn
an ein Kreuz auf dem Kalvarienberge nahe bei der Stadt Jeru-
salem. So starb Jesus Christus am Kreuze, um die sündigen
jMenschen zu erlösen, so dass im Augenblicke seines Verschei-
dens am Kreuze seine allerheiligste Seele sich wirlclich \on sei-
nem kostbaren Leibe trennte, während jedoch sowohl seine Seele
als auch sein Leib trotz ihrer Trennung von einander mit der
göttlichen Person \ereinigt blieben. L^nd ^vie der Geist entfloh,
ohne aufzuhören, mit der Gottheit geeint zu sein, so blieb
auch der entseelte Leib, sowohl als er noch am Kreuze hing,
als auch nachdem er im Grabe beigesetzt war, immer und überall
mit der Gottheit aufs innigste verbunden, die niemals von dem-
selben getrennt war.
Als Jesus Christus v^erschied, verfinsterte sich die Sonne
und verlor ihr Licht, die ganze Erde erbebte bis in ihre Tiefen,
die Felsen spalteten sich, und die Gräber der Toten thaten sich
von selbst auf, und viele Leiber von Heiligen gingen daraus
herx'or, welche sich, wieder lebendig geworden, von vielen in
der Stadt Jerusalem sehen Hessen. Beim Anblick solcher Zei-
chen riefen die, welche beim Tode Jesu zugegen waren, nun-
mehr überzeugt: ,, Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!"
Alles das soeben Herzählte ist enthalten in dem Bekenntnis des
Apostels St. Jakobus, der den \-on den vorhergehenden Aposteln
ausgesprochenen Worten diese anderen hinzufügte : ,, IcJi glaube
an Jesus Christus, der gelitten hat unter Pontius Pilatus, ge-
kreuzigt, gestorben und begraben ist' .
254 All! Lang I.
Jesus Christus war Gutt, da er die zweite Persou der alier-
heiligsten Dreifaltigkeit war, zugleich war er aber auch wahrer
Mensch als der Sohn der Jungfrau Maria, der eine vernünftige
Seele und einen menschlichen Ixnb besass. Insofern er Mensch
war, ist er wirklich am Kreuze gestorben, nachdem er an das-
selbe geheftet war. Der Tod ist ja in Wirklichkeit nichts
anderes als die Trennung der Seele vom Leib, in dem und mit
dem sie lebte. Und so trennte sich die heiligste Seele Jesu
Christi von seinem Leibe, als er am Kreuze verschied.
Und dann stieg seine allerheiligste Seele, losgelöst von
seinem Leibe und in ihrer Vereinigung mit der Gottheit des
Sohnes Gottes verbleibend, wie sie es immer gewesen war, seit Gott
der Herr sie erschaffen hat, hinab in die Vorhölle. Die Vorhölle
ist ein unterirdischer Ort, an dem die Seelen der heiligen Väter,
Propheten, Patriarchen und vieler anderer Gerechten aufbewahrt
wurden, miteinander wartend auf die Ankunft des Sohnes Gottes,
\ün dem, wie sie wussten, sie befreit und von diesem Aufent-
haltsort in das Paradies eingeführt werden sollten. Denn seit
Anfang der Welt haben immer gute Menschen auf Erden gelebt,
die als P^reuncle Gottes und als offene Bekenner der erkannten
W^ahrheit auch unter Bösen ihren Glauben niemals verhehlten.
Sie rügten die Sünder, indem sie strenge allen, die sich frevelnd
gegen Gott, den Schöpfer aller Dinge, auflehnten, ihre Sünden
verwiesen. Aber die ]:5osheit und \"erkehrtheit dieser Menschen
wollte sich das nicht gefallen lassen. Deshalb verfolgten sie,
vom Teufel, ihrem Bundesgenossen, dessen P'ahne sie folgten,
angetrieben und unterstützt, die Guten, Gottes P^reunde, mit
allen möglichen Uebelthaten, warfen sie ins Gefängnis, schickten
sie in die Verbannung und thaten ihnen Unbilden und Un-
gerechtigkeiten aller Art an.
Entsprechend dieser grossen Verschiedenheit zwischen dem
Leben der Guten und der Bösen war nun auch das Los ihrer
Seelen nach deren Trennung von ihren Leibern sehr verschieden.
Alle Seelen nämlich, welche im Leben tugendhaft gewesen waren,
begaben sich, sobald der Tod sie von den Banden des Leibes
Xavici's Erklciniiig des Glaubt iisbckoiiitinssts. 255
befreit hatte, an den eben erwähnten Ort, welcher, wie bemerkt,
Vorhölle genannt wird, und da er tief unter der Oberfläche
mitten in der Erde liegt, auch Hölle oder Unterwelt heisst,
jedoch nicht als wenn dort, wie das in der eigentlichen Hölle
ist, ein Feuer brennte, sie zu quälen, oder eine andere Art von
Qual wäre, den Seelen Leiden zu bereiten. Denn solche Strafen
sind den Verdammten aufbewahrt, während die Seelen dieser
Gerechten, wie es Seelen, die rein von Missethat und bei Gott
in Gnaden waren, zukam, an ihrem Aufenthaltsorte in seligem
Frieden ruhten.
Aber unter dieser Wohnung des Friedens liegt ein tieferer
Ort, Fegfeuer genannt, weil er gleichsam ein Reinigungsplatz
ist, um die Seelen zu läutern und schön zu machen, welche ihr
sterbliches Leben zwar frei von schwerer Schuld in Gottes Gnade
beschlossen haben, aber doch noch die geringeren Makel läss-
licher Sünden an sich tragen oder noch nicht ganz der Schuld
begangener Todsünden c^uitt sind, die sie zwar durch heilsame
Busse teilweise, jedoch nicht so ginz und vollkommen getilgt
haben, dass sie der göttlichen Gerechtigkeit vollständig Genug-
thuung leisteten. Hier blieben sie, um sich durch Ertragung
fortgesetzter bitterer Strafen von den ihnen noch anklebenden
Sündenmakeln zu reinigen, bis die gesamte noch erübrigende
Schuld und Strafe völlig ausgeglichen und durch Leiden getilgt
ist. L^nd wenn so ihre Seelen zu glänzender Reinheit geläutert
sind, dann erst dürfen sie das Erbteil schauen und geniessen,
dessen Besitz ihnen zur Strafe für ihre Sünde für eine bestimmte
Zeit vorenthalten war, nun aber frei erschlossen ist.
Der letzte dieser unterirdischen Orte ist die eigentliche
Hölle oder der Abgrund, der traurige Ort der schrecklichen,
ewigen, unauslöschlichen Flammen und so unaussprechlicher und
unerträglicher Qualen aller Art, dass, wenn die lebenden Men-
schen täglich nur eine kurze Stunde sich diese Qualen, so
unvollkommen das bei der Finsternis unserer Vernunft im gegen-
wärtigen Leben möglich ist, vergegenwärtigen wollten, sie gewiss
mehr davor zurückschrecken würden, in all die Sünden und Laster
256 jliihaiv^ I.
7.W fallen, A\()durcli sie unbedenklich, i^Ieichsani spielend und in
Leichtsinn, sich anheischii;' machen, diese fürchterlichen Qualen
in alle Ewigkeit auszuhalten. Dort ist Lucifcr, der i'^ürst der
Geister, die sich gegen (lutt auHehnten ; dort sind alle Teufel,
die sich zu ihm schlugen und mit ihm vom Himmel dahinab
gestürzt Avurden ; dort sind auch alle Menschen, welche seit
Anbeginn der Welt in Todsünden ihren Geist im Zustand der
Ungnade Gottes aufgegeben haben. Diejenigen, welche einmal
in diese Möllennammen geworfen sind, leiden und stöhnen 'dort
ewig ohne Hoffnung, immer gepeinigt von der Empfindung uner-
messlicher und zahlloser Qualen, mit dem Bewusstsein, dass ihnen
für alle Ewigkeit von keiner Seite auch nur die geringste L-nde-
rung und lu'leichterung oder der geringste Trost zu teil werden
könne.
ü meine Brüder, was für eine Thorheit ist es also von uns,
so leichtsinnig, wie wir thun, ohne alle Eurcht vor der Hölle
dahinzuleben, während wir all die Zeit Brennstoff herbeischaffen
für diese Flammen, die nicht verlöschen, indem wir unser Ge-
wissen mit der Bürde immer ärgerer Sünden belasten. Ist das
nicht ein deutliches Zeichen, dass unser Glaube, ich sage nicht,
schwach, sondern ganz erstorben ist? Wir bekennen ihn zwar
mit unseren Lippen, aber unsere Thaten und unser ganzes Leben
legen ein anderes, richtigeres Zeugnis ab, das unsere Worte
Lügen straft und verstummen macht. Denn sicherlich muss
einer, der sich einen Christen nennt und dabei doch die Ereiheit
der Mohammedaner und Heiden im Sündigen in Anspruch nimmt,
als Lügner und I^etrüger gelten, wenn er sagt, er glaube an das
ewige Eeuer und die ewigen Strafen, welche denen aufbehalten
sind, die Gottes Gesetz verletzen. Die Kirche, und zwar die
auf Erden streitende der Gläubigen ebensowenig wie die im
Jlimmel triumphierende der Heiligen, die mit Gott herrschen,
betet niemals für die Toten, die in iXiiw Abgrund der Hölle
gestossen sind ; denn sie weiss, dass sie für immer \^om Paradies
ausgeschlossen und hoffnungslos und unwiderrullich verloren
sind. Dagegen kommt die Kirche, sowohl auf Erden wie im
Xiwicrs ErJcläning des Glaubcmbckcuntuisics. 257
Himmel, durch mildreiche Fürbitten den Seelen zu Hilfe, welche
in der Pein des Fegfeuers leiden, und ist desgleichen besorgt
für die Seelen derer, die noch auf Erden leben; sie trachtet
danach, ihnen Gnade von Gott zu erwiiken, durch welche sie
dem äussersten Unglück, in die ewigen Höllenflammen zu fallen,
entrinnen können.
Als Jesus Christus am Freitag gestorben war, stieg seine
heiligste, stets mit der Gottheit vereinigte Seele in die Vorhölle
hinab und führte von dort alle Seelen heraus, die sie dort in
Erwartung seiner Ankunft fand ; und am dritten Tage, der der
Sonntag war, stand er wieder auf von A^w Toten, indem er
seine heiligste Seele wieder mit dem Körper vereinte, den sie
bei seinem Verscheiden am Kreuze verlassen hatte. Und im
Wiederbesitz seines Lebens und mit allen Eigenschaften seliger
Unsterblichkeit erschien er dann zuerst seiner IMutter, der allerse-
ligsten Jungfrau Maria, sodann seinen Aposteln und Jüngern
und anderen Freunden und machte durch seine Erscheinungen,
dass an die Stelle des tiefen Schmerzes, in den sie sein Tod
versetzt hatte, eine unaussprechliche Freude trat. Er bot durch
den Mund seiner Jünger seinen Feinden und denen, die ihn
gekreuzigt hatten, Verzeihung an und gewährte sie thatsächlich
allen, die diese Gnade anzunehmen willig waren. Und ihrer
waren sehr viele, denn es geschah wundersamer Weise, dass
viele von denen, die sich hartnäckig geweigert hatten, an Jesus
Christus, als er lebte, selbst sein Evangelium verkündigte und
seine Lehre durch auffallende Wunder bekräftigte, zu glauben,
jetzt, da sie ihn nicht mehr sahen und hörten, auf das Zeugnis,
welches seine Apostel von seiner Auferstehung ablegten, fest
an ihn glaubten, alle ihre Hoffnung auf ihn setzten und sich
offen zu seiner Reli":ion und zu seiner Verehrung als zur Reli-
gion und Verehrung Gottes und des Erlösers der Menschen
bekannten. Das sind die W^ahrhciten, die St. Thomas bekräftigt
hat mit diesen Worten: ,, Ich glaube an Jesus Christus, der
abgestiegen ist .zitr Hölle, am dritten Tage tvicdcr an/erstanden
von den Tötend
258 AnJiang I.
Nacli seiner Auferstehung von (Xcw Toten verweilte Jesus
vierzig Tage auf Erden, aus zwei (jründen, soweit wir sehen
können. Erstens, um seine Jünger ganz von seiner Auferstehung
zu überzeugen, und zweitens, um sie zu belehren, was sie zu
thun hätten. Sie ^\•aren durch das ganz unvorhergesehene Er-
eignis seines Todes so verwirrt, sie waren dadurch so ganz in
tiefstes Leid versunken nach diesem schmerzlichen Ereignis,
dass es ihnen schwer wurde, an seine Auferstehung zu glauben.
Es war nicht genug, dass er sich ihnen ein-oder zweimal zeigte.
Es brauchte Zeit, und es bedurfte eines wiederholten Zusammen-
seins mit ihm, um ihnen so offenkundig als möglich zu beweisen,
dass er wirklich ins Leben zurückgekehrt war. Darum verschob
der Herr, der sie in seiner wunderbaren Barmherzigkeit durch
Sanftmut überzeugen und sich herablassend der menschlichen
Schwäche anbequemen wollte, seinen triumphierenden Einzug
in den Himmel vierzig Tage und belehrte in dieser Zwischen-
zeit seine Jünger durch wiederholte Unterredungen über das,
was sie glauben, was sie thun, was sie alle Völker lehren, und
was sie den gläubig Gewordenen zu beobachten vorschreiben
sollten, auf dass sie und alle, die in der Eolge ihrer Predigt
glauben würden, in den Himmel kommen und ihm zu ihrer
Zeit dahin folgen könnten, wohin er vor ihnen gehen sollte.
Als er beides erreicht, was er sich vorgesetzt, aus den Her-
zen seiner Jünger jeden Zweifel mit l^ezug auf A^w Tod und die
Auferstehung des wahren Sohnes Gottes und ]^2rlösers der Men-
schen hinweggeräumt und sie hinreichend über alles, was das
Reich Gottes anlangt, d. h. über die Gründung der Kirche, die
Lehre, die darin verkündigt werden sollte, die Sakramente und
alle Punkte der christlichen Kirchenzucht, welche sie in der
ganzen Welt einRihren sollten, unterrichtet hatte, hatte er keinen
Grund mehr, auf P'rden zu verweilen. Im- ging deshalb mit
seiner jungfräulichen Mutter Maria, mit seinen Aposteln und
vieL'U andern auf den Oelberg und fuhr vor aller Augen in den
Himmel auf, begleitet von den aus der Vorhölle befreiten Vätern.
Da eröffneten sich weit die hohen Himmelsthore, und alle
Xm'icrs Erk.'üninj^ des Glanbcmbckcnntnisscs. 259
Engel kamen hervor, dem Herrn in seinem Triumph entgegen,
und geleiteten ihn in glorreichem Zuge zu dem Throne, der ihm
zur Rechten seines Vaters bereitet war. So kehrte er an den
Ort zurück, von dem er herniedergestiegen war, um im heiligen
Schosse seiner jungfräulichen Mutter unser Fleisch anzunehmen.
Dort sitzt er jetzt, als Fürsprecher beim Vater für uns
eintretend, um dessen gerechten Zorn zu besänftigen, und uns
seinen Beistand sendend, mit dessen Hilfe wir in den Stand
gesetzt werden, der Gefahr der ewigen Verdammnis zu entgehen.
Und dies ist der Sinn des Glaubensartikels, der dem heiligen
Jakobus dem Jüngeren zugeschrieben ^\ ird : ,, IcJi glaube an Jesus
Christus, dei' aufgefahren ist gen Himmel und sitzet zur recJiten
Hand Gottes, des allmächtigen J^aters."
Wie aber diese Welt einen Anfang gehabt hat, so muss sie
auch ein Fmde haben. Und damit dies ihr Ende sei, wie es die
Gerechtigkeit erfordert, und voll der Vorsehung ihres göttlichen
Erschaffers entspreche, so soll das menschliche Gemeinschafts-
leben und die Aufeinanderfolge der sich allenthalben auf Erden
fortpflanzenden IMenschengeschlechter nicht eher aufhören, als
bis ein gerechtes Gericht über alle Gedanken, Worte und Werke
der Menschen gehalten und einem jeden geschehen ist, je nach-
dem er es verdient hat. Jesus Christus wird als höchster Richter
vom Himmel herniedersteigen, um über alle Menschen dieses
Urteil zu sprechen ; und dass dies gewisslich geschehen wird,
ist schon bei seiner Auffahrt in den Himmel vorherverkündet
worden. Er wird sein Gericht eröffnen, in dem alle Menschen,
welche jemals allenthalben auf Erden gelebt haben, vor dem
unerbittlichen Richterstuhl des allmächtigen und allwissenden
Richters, vor dem nichts verborgen ist, erscheinen müssen und
auf die Fragen zu antworten haben werden, ob sie an die
Lehren geglaubt, welche die Kirche ihnen zu glauben vor-
gestellt, und ob sie die Gebote beobachtet haben. Diejenigen,
welche dies gethan haben, werden in die Herrlichkeit des
Himmels eingehen; diejenigen welche sich zu glauben geweigert
haben wie Mohammedaner, Juden und Heiden, werden zum ewigen
200 AnJiaiis; I.
Feuer verdammt werden, aus dem es Iceiue KrrettuiiL; gibt;
und ebenso werden diejenis^en, welche, wie die schlechten Chri-
sten, (.\c\\ Glauben zwar bekannt, aber die zehn Gebote nicht
gehalten haben, durch den unwiderruflichen Urteilsspruch Jesu
Christi zu den h'lammen verdammt werden, \\elche nie verlöschen.
]5evor dies geschieht, müssen alle Menschen, \\clchc beim
Herannahen des Weltendes noch am Leben sind, sterben. Denn
der Tod ist eine Schuld, die jeder Mensch der Natur zahlen
muss. Jeder wird unter der Bedingung geboren, dass er einmal
aufhört zu leben ; und da nicht einmal Jesus Christus, der Sohn
Gottes, selbst von diesem Gesetze befreit wurde, so wäre es
eitel und vermessen, wenn jemand sonst diese Hoffnung für sich
hegen wollte. Uebrigens starb Jesus Christus nicht seinetwegen,
sondern um unserer Sünden \\illen, und erstand bald durch
seine eigene Kraft, um durch seine Auferstehung die Hoffnung
unserer künftigen Auferstehung zu begründen und durch sein
eigenes Beispiel die bittere Notwendigkeit des Todes guten und
frommen Menschen erträglicher zu machen. Wenn demnach
beim Herannahen des Weltendes noch Heilige und Vollkommene
auf Erden gefunden werden sollten, so dürfen wir nicht glauben,
dass diese, ohne den Tod zu schmecken, in die erwartete und
verdiente Seligkeit eingehen werden; auch sie müssen zuvor den
Tod kosten und werden dann mit den übrigen zu neuem Leben
erweckt, wobei ein jeder denselben Leib Avieder annimmt, den
er früher hatte, nur in verschönter und durch die Seligkeit ver-
klärter Gestalt, um in die verheissene ewige Freude einzugehen.
Wenn Jesus Christus also zur Abhaltung des jüngsten
Gerichts vom Himmel herabsteigen wird, werden alle Menschen
vom ersten bis zum letzten, nachdem sie zuvor gestorben, wieder
auferstehen und, Gute wie Böse, von ihm gerichtet werden.
Aber das in alle Ewigkeit unabänderliche Urteil wird ein unend-
lich verschiedenes sein : die Guten werden eingehen zur ewigen
Freude, die Bösen aber werden in einen ewigen Tod und in
ewige Pein gestürzt. Diese Wahrheit bekannte der heilige
Philippus in diesen Worten : „ IcJi glaube an Jesus Christus, der
Xavicrs Erklärung des Glaubcusdckciuiliiisscs. 261
vom Hiiniiicl loicdcrkoimncn icird, rju richten die Lebendigen nn.l
die Toten."'
Wenn wir Christen uns mit dem Kreuzzeichen bezeichnen,
bekennen wir unseren aufrichtigen Glauben iui die allerheiligste
Dreifaltigkeit. Dieses Geheimnis ist das folgende : Wir glauben
und verehren einen einigen Gott in drei Personen. Die erste
Person ist Gott der Vater, der weder gemacht, noch erschaffen,
noch erzeugt ist. Die zweite Person ist Gott der Sohn, der
von Gott dem Vater erzeugt, nicht gemacht, und nicht erschaffen
ist. Die dritte Person ist Gott der heilige Geist, der vom Vater
und vom Sohne ausgeht, jedoch weder geschaffen, noch erzeugt
ist. Dies deuten wir an, so oft wir uns mittelst Bewegung der
Hand mit dem Kreuze bezeichnen. Indem wir nämlich die
rechte Hand zur Stirn führen, wobei Vvir die Worte sprechen :
im Namen des Vaters, bezeugen wir, dass Gott der Vater nicht
gemacht, und nicht erzeugt ist, indem wir sie dann zur Brust
hinabführen unter den Worten : njid des Sohnes, bekennen wir,
dass der Sohn Gottes von Gott dem Vater erzeugt, nicht ge-
macht, und nicht erschaffen ist. Sodann bewegen wir die Hand
zur linken Schulter unter den Worten : nnd des Jieiligcn, und
von da zur rechten Schulter unter dem Worte : Geistes, wobei
wir bekennen, dass der heilige Geist vom Vater und \'om Sohne
ausgehe.
Dies ist der Glaube, den jeder gute Christ festhalten und
sonder P"urcht und Scheu bekennen muss, indem er an den
heiligen Geist, der von gleicher Wesenheit ist mit dem Vater
und dem Sohne und von beiden ausgeht, glaubt, ihn anbetet
und verherrlicht, den heiligen Geist, welcher durch seine heiligen
Einsprechungen uns vor Sünden warnt und unsern Willen zur
Haltung der zehn Gebote des göttlichen Gesetzes und der Gebote
unserer heiligen Mutter, der katholischen Kirche bewegt und
uns anregt, leibliche und geistliche Werke der Barmherzigkeit
zu verrichten. Diesen Glaubenssatz von der Gottheit des heiligen
Geistes bekannte St. Bartholomaeus in diesen W^orten : ,, IcJi
glaube an den Jicilis^en Geist."'
202 ^In/uiiig I.
Wir alle, die wir die christliche Religion angenomnun haben,
haben den Entschluss gefasst, die Pflichten zu erfüllen und ihren
Glauben zu bewahren, und wir sollten nicht nur, ohne zu zwei-
feln, als zum Heil notwendig alles glauben, was die Apostel,
Jünger, Märtyrer und Heiligen von dem Gottmenschen, unserm
Herrn Jesus Christus, geglaubt haben ; sondern zugleich sind wir
auch mit derselben Notwendigkeit alle verbunden, unzweifelhaft
zu glauben, dass er auf Erden die katholische Kirche gestiftet
hat, deren Vorsteher vom heiligen Geiste geleitet werden.
Darum dürfen wir in keiner Weise daran zweifeln, dass recht
und wahr ist, was sie zu halten lehren und zu glauben vorstellen.
Denn in allen ihren mit allgemeiner Uebereinstimmung gefassteu,
sich auf das, was von allen zu thun oder zu lassen ist, bezieh-
enden Beschlüssen, z. B. wenn sie nach reiflicher Ueberlegung
etwas über alte Glaubenssätze oder über Streitigkeiten in Sachen
dieser Glaubenssätze, wie sie von Zeit zu Zeit entstehen, be-
stimmen, haben sie die Verheissung des Beistandes des heiligen
Geistes, der sie nicht irren lässt. Daher müssen v.'ir die heiligen
Kanones der Väter, die Beschlüsse der Konzilien, die allgemeinen
Erlasse der Päpste, welche von den Kardinälen, Patriarchen,
Erzbischöfen, l^ischöfen und den übrigen Prälaten der Kirche uns
vorselect werden, mit tiefer Verehrung, festem Glauben und
willigem Gehorsam annehmen, und müssen fest überzeugt sein,
dass dieselben in der Autorität und Weisheit unseres Herrn
Jesus Christus vorgeschrieben und gelehrt werden, der fortfährt,
die Kirche zu regieren und durch die Diener, -welche er als
seine Stellvertreter gesetzt hat, zu ihrem bestimmten Ziele der
ewigen Seligkeit zu führen. Das ist es, was uns der heilige
Apostel und P^vangelist St, Matthaeus empfehlen wollte, als er
sprach : ,, Ich glaube an eine heilige, katholische Kirche.''
YAw anderes, das wir fest für wahr halten, wenn wir nicht
fälschlich den Namen Christen tragen, ist dies, dass die uner-
mcsslichen Verdienste, welche Jesus Christus in seinem Leben
hier auf Erden durch sein Wirken und Leiden und durch seinen
Gehorsam gegen seinen Vater zum Heil der Menschen auf-
Xaz'icrs ErJdäruiig des Glanbcnsbckciiiitinsscs. 263
gehäuft hat, allen wahren Christen, welche im Stande der Gnade
sind, mitgeteilt werden und auf geheimnisvolle Weise zu gute
kommen. Wie nämlich im natürlichen Körper die Glieder einan-
der mitteilen, was ein jedes Gutes hat, indem vorzüglich vom
Haupte die Lebenskraft in alle Glieder überströmt : so empfangen
auch in einem mystischen Leibe, wie die Kirche, deren Haupt
Jesus Christus ist, einer ist, alle die einzelnen Glieder, d. h. alle
Gläubigen insgesamt eine geheinmisvolle Lebenskraft, durch die
sie blühen und wachsen, von Jesus Christus, Gottes eingeborenem
Sohn, mit dem als mit ihrem Haupte sie verbunden sind. Diese
geistliche Nahrung und himmlische Speise kommt ihnen vor-
nehmlich durch den Kanal der sieben Sakramente von ihm zu.
Diese sind die Taufe, die Firmung, gewöhnlich heilige Salbung
""enannt, die Eucharistie, die Busse, die letzte Oelunu", die Prie-
sterweihe und die Ehe. Diejenigen, welche diese heiligen Ge-
heimnisse mit der rechten, geziemenden Verfassung empfangen,
empfangen die Mitteilung oder Vermehrung der heiligmachenden
Gnade,-^eiiie belebende Kraft der Seele, welche Gott den Men-
schen, die an sich einer solchen Wohlthat unwürdig sind, in
Ansehung der von Jesus Christus während seines Erdenlebens
vollbrachten heiligen Werke mitteilt. Denn da Jesus Christus
im Gehorsam gegen seinen Vater so viele Leiden erduldet, so
viele Unbilden und Schmach aus eigenem freien Willen ertragen,
die bittersten Qualen und den Tod am Kreuze erlitten hat, so
hat er damit jeden, auch den grössten Lohn verdient. Da er
indessen alle Seligkeit in sich selbst hat, so bedarf er keines
Lohnes und überträgt sein Anrecht auf solchen Lohn auf uns
und lässt den Nutzen, welchen wir daraus ziehen, als ihm selbst
zugeflossen gelten. Somit ist die Gnade, welche uns erteilt wird,
die Frucht der Verdienste Jesu Christi und ist gleichsam eine
Wirkung, die sich vom Haupte über die Glieder erstreckt.
Und wie so im natürlichen Körper es nicht das Haupt allein
ist, das den ihm untergeordneten Gliedern Nahrung, Kraft und
Leben spendet, sondern auch die Glieder selbst durch geheim-
nisvolle Wirkungen diesen Dienst einander leisten, so werden
264 ■ ^InJuvii^ I.
wir zwar vor/ug;swcisc, doch nicht ausschliesslich durch die
Teilnahme an 'Acw Schätzen, welche Jesus Christus durch seine
Verdienste, tluich seinen heili^'en Wandel und durch sein
geduldiges Leiden auf iM'den erworben hat, bereichert. I'Ls war
nämlich der Wille Jesu Christi, dass auch aus dem Gnaden-
schatze, welchen seine Diener, unsere I^rüder, bei ihm (.lurch ihre
Tugendwerke und ihre schmerzvollen Prüfungen erworben haben,
uns etwas zufliesse. So wenn sie beten, wird uns Gnade zu
teil, wenn sie für uns leiden oder ihre früheren Leiden für uns
darbieten, wird uns die Strafe nachgelassen, die wir der göttlichen
Gerechtigkeit schulden. Endlich, alle ihre guten Werke, von
welcher Art sie auch sein mögen, kommen uns, solange wir im
Stande der göttlichen Gnade und Glieder am Leibe der einen
Kirche bleiben, auf verschiedene Weise zu nutze, indem ihr
Ueberschuss denen mitgeteilt wird, die mit ihnen verbunden
sind, und sie mit heilsamer Kraft überströmt.
Wir erkennen und bekennen auch, dass Gott der Herr
Gewalt und Recht hat, die Sünden nachzulassen, d. h. die
Schuld und Strafe unserer sündigen Handlungen zu tilgen, durch
welche wir, die verliehene Freiheit des Willens missbrauchend,
uns von Gott trennen und gegen ihn auflehnen und darum
Verdientermassen aus seiner Gnade fallen, zu der er uns in
seiner Erbarmung aufgenommen hatte. Wir glauben und be-
kennen ferner, dass diese nämliche Gewalt von Jesus Christus
unserm Herrn den Priestern der katholischen Kirche verliehen
worden ist, und dass sie in Kraft dieser Mitteilung nun die
Vollmacht haben, alle von ihren Sünden loszusprechen, welche
sie genügend vorbereitet finden, um vor Gott rechtmässig von
den Banden der Sünden gelöst zu werden.
Deshalb nun müssen diejenigen, welche sich bewusst sind,
Gott durch Sünden beleidigt zu haben, sich ernstlich bemühen,
die gebührende Reue für ihre Verfehlungen an den Tag zu
legen und sich so in den Stand zu setzen, Verzeihung derselben
7x\ erlangen und das Heil ihre Seele zu sichern. Der Ort, wo
ihre Sache entschieden wird, ist der heilige Richterstuhl der
Xavicrs Erklärung des Glaubensbekenntnisses. 265
Busse, dem sich die Sünder nahen, und der Priester ist der
Richter, der entscheidet, ob sie der Gnade der Absolution
würdig sind oder nicht. Der Ankläger aber ist in diesem
Gerichte eins mit dem Angeklagten. Der Priester als Richter
stellt die Untersuchung an, indem er alles, wie sein erhabenes
Amt es erheischt, gewissenhaft erwägt. Der Sünder muss ein
vollkommenes Bekenntnis aller seiner Todsünden ablegen, es sei
denn dass, wie etwa in Fällen äusserster Gefahr, keine Zeit
dazu vorhanden wäre. Wenn der Priester alle Sünden hin-
reichend erforscht hat und die Worte der Absolution über (\c\\
Sünder ausspricht, so ergiesst sich Gottes Gnade wieder frisch
in die Seele des Beichtenden, wodurch die Sünden getilgt werden,
durch die sie vorher verunstaltet war, und zugleich erlangt er
Nachlass der ewigen Strafe, die er sich durch diese Sünden
zugezogen hatte. Diese beiden Artikel der katholischen Lehre
sind enthalten in diesen Worten des heiligen Simon : ,, leh glaube
an die Gemeinschaft der Heiligen, Naeldass der Sün'ien"
\\"eil es aber ein Unrecht gegen Gottes unendliche Güte
und Gerechtigkeit wäre, wenn wir nicht den festen Glauben
hätten, dass Gott nie unterlassen wird, diejenigen reichlich zu
belohnen, die ihm durch gewissenhafte Befolgung seines heiligen
Gesetzes treu dienen, hingegen verdiente Strafe zu verhängen
über die unseligen Verächter seines Namens und die wider-
spenstigen Uebertreter seiner Gebote, so glauben wir fest an eine
dereinstige Auferstehung des Fleisches, d. h. dass alle Menschen
ohne Ausnahme, die vor uns gelebt haben in vergangenen
Zeiten, die jetzt leben, und die nach uns leben werden, wieder
lebendig werden und am Ende der Welt dieselben Leiber
wieder annehmen werden, die sie bei ihrem Tode hatten, und
dass sie in denselben ewig leben werden, entweder in Peinen
oder in Herrlichkeit. Denn es ist klärlich eine Notwendigkeit,
dass Gott der Herr nach seiner vollkommenen und unverbrüch-
lichen Gerechtigkeit die Leiber der Heiligen, die während ihres
Lebens ihre Sinnen und Glieder beständigen Arbeiten unter-
warfen und, um nicht von Gottes Liebe getrennt zu werden,
206 AiiJiang I.
selbst viele Unbilden und INIisshandlungen ihrer Verfolger er-
tru<Tcn, welche mit ieglicher Gewalt und roher Grausamkeit sie
zwingen wollten, Gott zu beleidigen, mit ewigen Freuden segne.
Denn wenn gleich ihre Tugendhaftigkeit und Mannhaftigkeit
vorzüglich das Verdienst der Seele ist, die treu in der Pflicht
verharrte, so verdient doch auch der Leib ebensowohl wie die
Seele seinen Anteil an der Ruhe, Freude und Herrlichkeit der
Seele, weil er um viele Güter kam, die ihm zugekommen wären,
gepeinigt, gefoltert und oft grausam zerfleischt wurde.
Andererseits ist es ebenso billig, dass die Leiber der Gott-
losen mit gestraft werden, welche sich in ihrem Leben un-
bekümmert um das göttliche Gesetz jeder Schlechtigkeit in
zügellosester Weise ergaben und ihren Leidenschaften der Un-
mässigkcit und Unkeuschhcit unter Verachtung der göttlichen
Gebote die Zügel schiessen Hessen. Fs entspricht der göttlichen
Gerechtigkeit, dass sie wider ihren Willen für immer das un-
auslöschliche Feuer zu tragen und so für die Freuden zu büssen
haben, die sie ihren unerlaubten Lüsten nachgebend genossen
haben, damit sie, wennschon zu spät, einsehen, was für ein
Uebel es ist, wenn eine elende, unnütze Kreatur sich heraus-
nimmt, Gott zu verachten und die höchste Majestät, über alles
anbetungswürdig, herauszufordern. Deshalb werden, wie bemerkt,
alle Menschen, gute und böse, an diesem Tage des letzten
Gerichtes wieder auferstehen, und ihre Seelen werden wiederum
dieselben Leiber annehmen, welche sie bei der Geburt empfingen
and bis zu ihrem Tode belebten. Sic werden hinfort in Fwig-
keit unlöslich mit ihnen verbunden sein und, je nachdem es ein
jeder in seinem Leben verdient hat, mit ihnen entweder in den
Himmel eingehen, um mit Christus in der Glorie des Paradieses
zu herrschen, oder in die Hölle, um mit dem Teufel ohne Ende
zu heulen und zu wehklagen. Dies ist es, was der heilige
Thaddaeus bekannte, als er sprach : ,, IcJi glaube an die Auf
ersteJuuig des Fleisches."
Da aber unsere nach dem l^ilde und Gleichnisse des all-
mächtigen Gottes geschaffene Seele, weil geistiger Natur, mit
Xavicrs Erklärung cfcs Glcmbcnsbckcnntiiisscs. 267
Fähigkeiten ausgestattet ist, welche die göttlichen Volllcoinmen-
heiten abbilden, nämlich mit Willen, Verstand und Gedächtnis,
und da sie von ihrer Erschaffung an durch ein von ihrem
Schöpfer in sie gelegtes Verlangen getrieben ist, sich mit ihm,
dessen Abbild sie ist, zu vereinigen, so kann man nicht glauben,
dass ein so edles Geschöpf Gottes diesen immer lebendigen
Instinkt und dieses Sehnen von seinem Schöpfer ohne Zweck
erhalten hat. Vielniehr ist es unbezweifelt ftir wahr zu halten,
wie alle Christen davon überzeugt sind, die Seele des Menschen
werde mit Gottes Beistand, falls sie nicht selbst es verhindert,
die Befriedigung ihres Verlangens erfahren und zum Besitz des
höchsten Gutes gelangen, welches wir das ewige Leben nennen ;
und noch vor der Auferstehung des Leibes gelangen die in der
Gnade Gottes abgeschiedenen und von allen Makeln der Si^inde
vollkommen gereinigten Seelen zum ewigen Leben, indem sie
im Augenblick des Hinscheidens zum seligen Schauen Gottes
zugelassen werden.
Nachmals aber werden diese Seelen, wenn sie ihre Leiber
wieder angenommen und mit sich vereinigt haben, in einem
weit besseren und vollkommeneren Zustande diese Seligkeit
ohne Unterbrechung geniesscn in alle Ewigkeit. Die ganze
unermessliche Ewigkeit hindurch werden die Seelen der Heiligen
mit Gott im Himmel, zusammen mit den Chören zahlloser
seliger Engel und den frohlockenden und triumphierenden
Scharen menschlicher Heiligen, die traute und beseligende Ge-
genwart Gottes, des Schöpfers und Herrn Aller, geniessen, der
jeden einzelnen von ihnen mit der Fülle der himmlischen Güter
überhäufen wird. Die Pierrlichkeit dieser Gnaden ist so hoch,
dass wir in diesem irdischen Leben bei aller Anstrengung
unserer Einbildungskraft und unseres Verstandes uns niemals
ein Bild oder eine Vorstellung davon machen können, die auch
nur entfernt an die Wirklichkeit hinanreichte. So all unser
Vermögen weit übersteige 11 d ist die göttliche Herrlichkeit Gottes,
wenn sie ihr ganzes Selbst ausschüttet über die Heiligen, die er
liebt, und dennoch ist das wenige, das wir gleichsam von dieser
208 AnJuiiii^ I.
unauss[)rcch'ichcn GlückscliL^kcit stammeln können, hinreichend,
uns zu zeigen, wie sehr wir nach ihr uns sehnen müssen.
Dort leben dann die Heiligen glücklich und ruhig in
herrlichem P'rieden, keine Klage vernehmend und keine er-
hebend, von allen geliebt und geehrt und sich alle untereinander
min gegenseitiger Liebe und Verehrung umfassend ; an allem
haben sie Ueberfluss, nicht nur am Notwendigen, sondern an
allem, das sie nur zu vollkommener Glückseligkeit und Herrlich-
keit wünschen können. Sie fühlen kein Uebel, keines kann' sie
treffen, vor keinem haben sie zu bangen ; vielmehr so gross
und übervoll ist ihr seliger Reichtum an Gütern aller Art, dass
er alle ihre Wünsche übersteigt und für die ganze Ewigkeit
ausreicht. Und alle diese Seligkeit ist ihnen so gewiss und so
sicher verbürgt, dass sie keine Furcht oder Besorgnis zu hegen
haben, sie könnte ihnen jemals genommen oder auch nur ver-
mindert werden.
Dies ist es, was der heilige Matthaeus meinte, da er sprach
,, IcJl glaube an ein civigcs Leben."'
II.
Auszüge aus dem Berichte des SchifPskapitäns
Georg Alvarez über Japan. 0
Der Bericht beginnt mit einer Aufzählung der Ilaupthäfen
von Japan und gibt dann eine kurze Beschreibung des Landes.
Er schildert es als schön und fruchtbar und reich an Gewächsen
aller Art, die zum grösstcn Teil dieselben sind wie in Portugal.
Die Eingeborenen thun jährlich drei Ernten ein. Für alle land-
wirtschaftlichen Zwecke gebrauchen sie Pferde, da Ochsen selten
anzutreffen sind, wie es überhaupt nicht viele Haustiere gibt. -)
Dagegen ist viel Wild vorhanden und als Nahrungsmittel sehr
begehrt. Das gewöhnliche Volk fängt seine Beute mit Netzen ;
die oberen Klassen bedienen sich der Falken, die Vornehmsten
dürfen Adler gebrauchen. Hochwild wird stets mit Pfeilen ge-
schossen, Fische aller Art kommen in Menge vor sowohl in
der See wie in den Flüssen. 3)
1. Siehe Kapitel VII, S. 95 f. Ich gebe diesen Bericht, der vieles enthält, was
auch in dem folgenden, von Anjiro herstammenden steht, nur im Auszug, und zwar nach
der englischen Uebersetzung von Coi.eridge (77/t' L^fe and Letters of St. Francis
Kavier. 2d ed. Vol. II, pp. 216 ff.) wieder. Einer Korrektur iiedarf die Angabe
von Coleridge, dass er mit dem nach Anjiros Informationen abgefassten gleichzeitig
sei, also vom Anfang Januar 1549 stamme. Xavier hat ihn, wie oben (Kap. VII.)
gezeigt ist, schon ein ganzes Jahr vorher in Absclirift nach Europa gesandt. So ist
er vielleicht der erste Bericht, der Europa eine genauere Kenntnis Japans vermit-
telte, und eben dies gibt ihm besonderes Interesse.
2. Die landwirtschaftlichen Verhältnisse Japans hat am gründliclisten der
deutsche Gelehrte Prof. Dr. M. F. SCA dargestellt in seinem, gleichzeitig in japa-
nischer Ausgabe erchienenen umfangreichen Werke „ Beiträge zur A'enntniss der
japanischen Landwirthschaft '■'■ , herausgegeben von der kaiserlich geologischen Reiclis-
anstalt. Berlin, I. Allgemeiner Theil, 1890. IL Specieller Theil, 1893.
3. Beides, Jagdsport wie Fischfang, bekunden, dass das liuddhistische Gebot,
kein lebendes Wesen zu töten, nie strikt befolgt wurde, wie sich denn seilest die
Mönche vielfach über das Verbot des Fleischgenusses hinwegsetzten.
270 All hau (^ II.
An verschiedenen Plätzen gibt es heisse Quellen. V\\\ Fliiss
ist dadurch merkwürdig, dass er an seiner Quelle sehr kalt ist
und in seinem Unterlaufe ebenso heiss wird ; er bricht sich den
Weg durch ein Schlammbett zur See. In diesem Schlamm
graben die ärmeren lunwilmer Löcher aus, die sich mit Avarmem
Wasser füllen ; in diesen baden sie sich bei Sonnenaufgang. 4)
Die Weiber haben die Gewohnheit, ihren Kopf dreimal unter
das Wasser zu tauchen. lütwas von diesem nehmen sie in
Holzgefässen mit sich, um es auf dem I leimwege mit ihren
P'ingern durch die Strassen und auf iXi^w Flur ihrer Häuser zu
sprengen, wobei sie gewisse Worte sprechen, ,, die ich", sagt
Alvarez, ,, niclit verstehen kennte, obwohl es mir gewiss scheint,
dass dieselben eher eine fromme Uebung als ein blosser gewöhn-
licher lirauch waren, da dies nicht alle Weiber thaten."
Japan wird oft von Erdbeben heimgesucht. Es ist von
zahlreichen vulkanischen Eilanden von verschiedenem Umfang
umgeben, die das ganze Jahr hindurch rauchen und nicht selten
Feuer speien. 5) Orkane sind etwas Gewöhnliches zur Zeit des
Vollmonds ; aber im Monat September kommt immer ein Orkan
von grösserer Heftigkeit und längerer Dauer als die übrigen.
Indessen zeigen diese Stürme ihr Nahen an, indem ihnen re-
gelmässig ein feiner Regen vorangeht, so dass die Eingeborenen
4. Japan ist bei seinem zum grossen Teile vulkanischen Terrain wie kaum ein
Land der Erde reich an wannen Wassern, besonders Schwefelthermen, deren
r^uellentemperatur oft bis zu ioo°C beträgt ; zum Baden sucht sich der Japaner
gewöhnlich die Stellen aus, an denen sich die Temperatur des ^^'assers im Weiter-
laufe auf 40 -50°C reduziert hat. Der Fluss, von dem Alvarez erzählt, muss irgend
ein nicht näher zu bezeichnender in Kyüslul sein, dem sich während des Laufes
eine heisse Quelle mitteilt.
5. Japan ist das Land der Vulkane auch heute noch. Neben mindestens
hundert sogenannten erloschenen Vulkanen gibt es im japanischen Reich immer
noch eine Anzahl, in deren Schlünden es wie gewaltiges Meeresbrausen rollt und
zischt, aus denen beständig glühende Dämpfe aufsteigen, den .Schiffen ein Wahr-
zeichen in dunkler Nacht, untl die von Zeit zu Zeit ihre verderlilichen Lavacrgüssc
oder Aschenregen aussenden. (Rein, Bd. T, S. 46) Damit hängt die Häufigkeit
der oft ausserordentlich heftigen Erdbeben zusammen. Siehe die bezüglichen Aufsätze
in den Transaci. of the As. Soc. of Jaj)an uinl in den Mitth, der D. G. f. N. u. V. U.
Georg- Alvarcz Bericht nlnr Japan. 271
in der Lagc^sind," Massrcgcln für ihre persönliche Sicherheit zu
treffen. 6) Die Häuser sind niedrig und der Sicherheit wegen
stark gebaut, mit Strohdächern, die mittelst grosser Steine fest-
gehalten werden. Sie sind in Zimmer und Vorzimmer abgeteilt.
Schlösser und Riegel scheint man nicht zu kennem. Jedes Haus
ist von einem umzäunten Stück Land umgeben, das als Küchen-
garten dient ; und jedes Haus ist mit seinem besonderen Brun-
nen versehen, desgleichen mit einem^liackofen, einem Webstuhl,
einer^Holzmühle zum Reisschroten und einer .Steinmühle zum
Getreidemahlen. 7) Der Geflügelstand ist in jeder Familie auf
einen einzigen Hahn und eine Henne beschränkt.
Die Eingebornen sind zum' grössten Teil von mittlerer
Grösse, kräftig, ^ wohl gebaut und von heller Hautfarbe. Die
Adeligen tragen ihre Barte kurz geschoren wie die Mohren ;
die aus niedrigen Ständen tragen sie lang. Es scheint, dass
Alle Wangen und Scheitel rasieren und die Haare des Hinter-
kopfes lang lassen. Sie haben den Kopf beständig unbedeck't,
nur die alten IMänner tragen bei kaltem Wetter eine seidene
Kappe. Die Männer tragen ein leinenes Untergewand, das bis
zu den Knieen reicht, mit Aermeln bis zu den Ellenbogen ; der
Unterarm ist immer bloss. Ueber diesem Hemd wird eine Art
Jacke von ungebleichtem Leinen getragen, welche mit Stickereien
in weisser, grauer, schwarzer ur.d blauer Farbe verziert i.st. Dazu
kommen weite, an den Seiten aufgeschlitzte]Hosen, welche über
den Hüften durch einen ledernen Gürtel festgehalten werden ;
bei schmutzigem Wetter wird der Anzug vervollständigt durch
eine Art von Halbschuhen zum Schutz der Füsse.
6. Die Orkane, dereiiThier gedaclU ist, sind die in Ostasien zu Land wie zur
.See gefürchteten Tnifui/e (nicht gebildet von dem griechischen Wort xu^ow, wie
man vielfach annimmt, und wie z. B. Himi.y in einem Aufsatz in den Mitth. d. I).
G. f. N. u. V. ( ). VA. I, Heft VIII, zu beweisen suchte, sondern von dem chinesi-
sclien Worte lai-fciig, welches in Formosa, nicht von den Chinesen selbst, zur l!e-
zeicluiung der Zyklone gebraucht wird). .Sie stellen sicli meist im Septemljer, oft
aucli sclion inr Juli und August ein.
7. Die Beschreibung der Häuser stimmt noch heute für das Land und z.um
grossen Teil auch für die .Städte, wo nur an Stelle der Slrohbedachung meist Ziegel
getreten sind.
2/2 AuJiaiig II.
,, Dieses Volk ", ffdirt der Schreiber fort, ,, ist sehr stolz
und leicht beleidigt. Alles, Alt und Jung, trägt Schwerter und
andere Waffen, ^) was ihnen vom achten Jahre an gestattet wird.
Sie sind fast alle geschickt im Gebrauche der Pfeile und tragen
grosse Bogen. Zum Schutze des Leibes bedienen sie sich
enganliegender, bemalter Panzerhemden von Eisen. Sie sind
nicht habsüchtig, sondern im Gegenteil freigebig und gastfreund-
lich gegen Fremde, mit denen sie gern Freundschaft zu schlies-
scn scheinen, und von denen sie Nachrichten über andere Län-
fler zu erhalten suchen. Doch sind sie zu letzterem nur in
beschränktem Masse im stände, da sie nicht die rechten PVagen
zu stellen verstehen. .Sehr i.st es ihnen darum zu thun, dass
ihre Gastfreundschaft erwiedert werde ; diejenigen, die an Bord
unserer Schiffe kamen, suchten ihre Neugierde auf alle Weise
zu befriedigen. Diebstahl ist bei ihnen besonders \-erabscheut ;
auch die geringste Unredlichkeit wird mit dem Tode bestraft.
Wenn sie von einem Diebe hören, der frei umhergeht, so stürzen
die Anführer fort, ihn einzufangcn, und es gilt als eine grosse
PIhre, der erste zu sein, der ihn entdeckt und tötet."
Es folgen im Berichte einige Mitteilungen über die Nahrung
der Einwohner und über die Art, wie sie dieselbe zu sich neh-
men. Sie essen dreimal in Tage und immer sehr spärlich,
indem sie nur sehr wenig P"leisch zu sich nehmen und niemals
das Pleisch eines Haustieres. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich
aus verschiedenen Getreidearten, wie Reis, Hirse u. dgl. ; sie
backen, wenn überhaupt, nur selten Brot. Ein aus Reis berei-
teter Wein ist das allgemeine Getränke ; aber Trunkenheit ist
offenbar unbekannt, denn sobald einer merkt, dass er sich nicht
mehr ganz in der Herrschaft hat, stellt er das Trinken ein
und legt sich schlafen. Die Japaner speisen, indem sie mit
kreuzweise unterschlagenen Beinen auf dem Boden sitzen wie
die Mohren, und bedienen sich wie die Chinesen kleiner Stäbchen.
Sie essen aus irdenen Näpfen, welche aussen schwarz, innen rot
8. In ^^■u■ldichkcit war das Tratten von ^^■affc^ ein Privilei; der Saniuraiklasse,
Georg Alvarc: Bericht über Japan. 273
beiiialt sind. Kaltes Wasser wird niemals getrunken, weder im
Sommer noch im Winter. P"s gibt in Japan viele Gasthciuser,
wo Reisende Erfrischungen haben und, falls sie dies wollen,
auch übernachten können.
Niemand kann mehr als ein Weib haben ; 9) die Weiber
werden von ihren Eltern verheiratet, und es erregt grossen
Verdruss, wenn eine Partie nicht die Zustimmung derjenigen hat,
die sie zu erteilen haben. Wenn ein Weib sich träge oder
untreu beweist, so kann ihr Mann sie in ihr elterliches Haus
ZAUTickschicken, sofern sie ihm noch keine Kinder geboren hat ;
hat sie dagegen bereits Kinder, so kami er sie ohne weiteres
wegen eines dieser Fehler töten, ohne straffällig dadurch zu
werden. Die T'olge von solch scharfen Bestimmungen ist, dass
die Frauen eifersi^ichtig darauf bedacht sind, die h^hre ihrer
Männer zu wahren, und gerne ruhig leben und für ihr Heim
sorgen. Gefängnisse gibt es nicht, da man von jedem erwartet,
dass er Justiz in seinem eigenen Hause übt. Die Reichen und
Vornehmen dürfen Sklaven halten ; doch haben die letzteren so
viel Freiheit, dass sie ihrem Herren nur ihren Wunsch aus-
sprechen müssen, wenn sie nicht mehr bei ihm bleiben wollen.
In diesem Falle ist dieser verpflichtet, ihnen einen andern Herrn
zu suchen; thut er es nicht, so mögen sie ihm entlaufen, wenn
sie können ; wenn sie aber ohne vorherige Warnung entlaufen,
so setzen sie sich der Gefahr aus, getötet zu werden. 1°) Die
Japaner haben ein besonderes Vergnügen an farbigen Menschen.
Ihre Hauptlieblinge sind Kaffern ; um sie zu sehen, machen sie
beträchtliche Reisen, und behandeln sie mit aller möglichen
Auszeichnung.")
Sie sind der Person ihres Königs sehr zugethan ; die vor-
9. Daneben wurden freilich, wie noch heute vielfach, Konkubinen gehalten.
10. Schon diese Mitteilungen des Schiffskapitäns zeigen, dass es sicli um
Knechte, nicht eigenllicli um Sklaven liandelt, die es in dieser Zeit bereits seit
vielen Jahrhunderten nicht mehr gab.
11. Diese „Farbigen" können nur solche sein, die Portugiesen auf ihren
Schiften mit sich führten.
2/4 Anhanfi; II.
nchmstcn Adeligen bctracliten es als eine Ehre, ihre Söhne am
Hofe des Königs in Dienst zu hal)cn. Vor dem König hat
jeder auf den Händen und Knieen liegend zu erscheinen. i^)
Selbst unter Gleichen werden die Gäste knieend empfangen, und
die Bewirtenden verharren in dieser Stellung, bis die Eingetre-
tenen Platz genommen haben. Jedermann, von welchem Range
er auch sei, bleibt doppelt gebeugt stehen, wenn er draussen
dem König begegnet, bis dieser vorbei gegangen ist ; und wenn
Personen niedrigeren Standes ihren Vorgesetzten begegnen; so
ziehen sie ihre Schuhe aus und beugen sich in Demut tief zur
Erde. Sie sprechen gewöhnlich beinahe im Flüsterton und ver-
achten die Fremden wegen ihres lauten Sprechens. In ihren
Häusern sitzen sie rund im Kreise, selbst bei den Mahlzeiten.
Sie lieben die Musik ; ihre hauptsächlichsten Instrumente sind
Trommeln und Pfeifen. Sie haben feste Regeln, die bei Unter-
haltungen beobachtet werden. Spiele lieben sie nicht. ^3) Sie
sind gute Reiter ; ihre Pferde, deren sie sehr viele haben, sind
klein. Die Fürsten und Adeligen haben sehr schöne Rosse,
welche sie selbst züchten.
Die Wohnungen der Häuptlinge sind feste, auf einem allein-
stehenden Hügel liegende Burgen, immer in einer Entfernung
von etwa zwei Stunden von der Küste. Der Hügel, der fiir
dieselben gewählt wird, darf aber nicht felsig sein und muss
Wasservorrat haben. Die Erde, welche beim Bau zur Herstel-
lung der Wassergänge ausgegaben wird, dient zur Errichtung eines
Walles von mehr als Manneshöhe, der sich zum Schutz gegen
die Orkane um den ganzen Gebäudekomplex herumzieht. Die
Wohnung des Häuptlings zeichnet sich durch ihre zentrale Lage
und grössere Höhe aus. ,, Ich selbst", sagt der Verfasser des
l^erichts, ,, besuchte die Festung des Königs. Sie enthielt neun-
zehn separate Häuser, aber nicht weniger als siebenundvierzig
Thore, die auf ebenso viele Wege oder Strassen führten. Die
12. l'iitei' dem Könit^ sind hier die Daimyös zu verstehen.
13. Dies gilt nur vom unteren Volke. IJesondcrs am Hofe füllten .Spiele ver-
schiedener Art einen erossen Teil der Ta^e.
Georg Alvarcz Bericht über Japan. 275
Umfassung bestand aus Sandstein ; die Wälle, die breiter als lioch
waren, waren von fester Erde und mit Pallisaden befestigt. Der
Eingang zu dieser Burg ist hoch oben und schwer zugänglich ;
er ist so ^^'\'g, dass Reiter ihn nur einer hinter dem andern
passieren können. Ich habe in der That nie eine Festung, selbst
von Stein, gesehen, die uneinnehmbarer schien.
Die Eingeborenen haben in ihren Häusern Götzenbilder, M)
zu denen sie beten, sobald sie am Morgen aufstehen, und zwar
mit einem Rosenkranze ^5) in den Händen ; am Schlüsse ihrer
Andacht ziehen sie denselben dreimal schnell durch die Finger
und begleiten diesen Akt mit einem dreifachen Gebete — um
Bewahrung vor Uebel, um zeitlichen Segen und um Rettung
von ihren Feinden. Manche nehmen, entweder zur Sühne eines
früher begangenen Verbrechens oder veranlasst durch eine grosse
Trauer, Gelübde der Armut und Keuschheit auf sich, indem sie
ihre Weiber verlassen, falls sie solche haben, und ihre Flabe an
ihre Götzen und die Armen verteilen. Die Frauen sind anmutig,
haben eine hübsche Haut und gefällige Manieren ; sie besorgen
alle Hausarbeit, wie Weben, Kochen u. dgl. Gute Gattinnen
werden von ihren Männern in hoher Achtung gehalten ; ja sie
regieren sie und gehen nach Belieben hierhin und dorthin, ohne
daran zu denken, ihre Gebieter um Erlaubnis zu bitten. Die
Frauen tragen ein langes, vom Nacken bis zu den Füssen
hinabreichendes Gewand, das um die Hüften zusammengehalten
Avird ; über diesem tragen sie Röcke wie die Frauen in Europa,
und wie diese bewundern auch sie langes und dickes Haar und
wenden viel Zeit und Sorgfalt auf ihre Kopffrisur.
Die Stirne lassen sie sich ziemlich hoch hinauf rasieren.
Sie sind sehr fromm und gehen immer zu den Tempeln, um
zu beten und ihre Rosenkränze herzusagen.
14. D. h. das kainidann oder Göttersims.
15. Der Rosenkranz ist ebenso ein Requisit der buddliistischen wie der
katholischen Religionspraxis. Siehe den Aufsatz von J. M. James in den T. A. .S.
J. V(;l. IX, 1 73-182: Dcscriptive iVo/es on tlie Rosaries [Jiii-Dzii) as tised by the
di/fereiii sccfs of Biidditists in Japan.
376 AuJiang II.
Die Japaner haben zwei Arten von Tempeln. 'f') Die eine
Art schlicsst sich an die Wohnungen der Priester oder Bonzen
an, die zusammen leben, doch so, dass jeder seine eigene Zelle
hat, wo er schläft und studiert. Sie alle stehen in der Nacht
auf und verrichten eine gemeinsame Andachtsübung, wobei der
Aelteste laut vorliest, die andern aber antworten. Gegen Abend
läuten sie Glocken, die sie mit einem eisernen oder kupfernen
Hammer schlagen. Sic gebrauchen auch Gongs, die sie von
den Chinesen geborgt haben, wie sie dies auch mit allen 'den
heiligen Schriften, die sie besitzen, und ebenso mit vielen ihrer
religiösen l^räuche gethan haben. Von Zeit zu Zeit beten sie
ihren Rosenkranz ab wie die Laien. Sie nähren sich von
Pflanzenkost und werden von Hoch und Nieder hochgehalten,
so dass selbst der König in gewissem Masse ihnen unterthan
ist. Die geringsten Mitglieder der Gemeinschaft werden
manchmal ausgeschickt, um in den Strassen und Dörfern zu
betteln, oder sie werden angehalten, den alten Weibern zu
helfen, die ihre Hausarbeit verrichten, Ihre Andachtshäuser
sind gut gehalten ; die Götzenbilder sind vergoldet und haben
Köpfe wie diejenigen der Kaffern, mit durchbohrten Ohren wie
die Malayen. Diese Tempel sind von Bäumen umgeben und
gewähren mit einziger Ausnahme der Diebe für eine gewisse
Zahl von Tagen Verbrechern jeder Art ein Asyl. Manche der
Götzenbilder gleichen christlichen Märtyrern und Bekennern wie
St. Stephan und St. Laurentius. Sie sind mit geschorenem
Haupte dargestellt. Rund herum an den Seiten des Tempels
sind Kissen gelegt, auf die sich die Priester zum Beten setzen ;
der Mittelraum ist für die Leute bestimmt, die da, Männer und
Frauen durcheinander, knicen und mit erhobenen Händen die
Märtyrer anrufen.
Die Bonzen sind alle rasiert ; sie haben Räume in geringer
Entfernung von ihren Klöstern, wohin sie zweimal täglich
16. Der .Schiffskapilän unterscheidet hier offenbar zwischen den grossen, in der
Regel mit Priesterwohnungen verbundenen Buddhistentempebi (Jcra) und den
unscheinbareren, isolierten Shintöschreinen {iiiiya).
Georg ÄlvarcrS Bericht über [cxpan. 277
gehen, um ihre Abwaschungen zu vollziehen. Sie erhitzen
das nötige Wasser in Oefen, die zu dem Zwecke errichtet sind ;
das Brennholz wiid ihnen aus Liebe zu Gott geschenkt.
Sie tragen weite Hemden gleich denen der Laien und über
diesen ein schwarzes Gewand, das bis zu den Füssen reicht;
um den Hals haben sie eine Stola und tragen Kappen wie
Weiber und keine Beinkleider. vSie sind ausserordentlich be-
gierig, von unserer Religion zu hören, und freuen sich sehr an
unseren Heiligenbildern, die sie an ihren Kopf halten. ^7) Es
scheint, sie haben den Wunsch, unser Land zu besuchen. Es
gibt Orden von schwarzen und solche von grauen Mönchen ;
alle pflegen Gütergemeinschaft. Sie können Chinesisch lesen
und schreiben, aber nicht sprechen, und sind deshalb genötigt,
sich mit den Chinesen mittelst der Schrift zu verständigen, da
die letzteren nicht Japanisch sprechen können. Sie begehen
Totenfeiern für die Verstorbenen und beten auch in folgender
Weise für die Kranken. Sämtliche Väter versammeln sich im
Tempel, wo sie in bestimmter Ordnung sitzen, der älteste nächst
dem Altar und so weiter, der jüngste in der Mitte. Sie haben
eine grosse Trompete, und nachdem einer der ältesten Väter
Gebete vorgelesen hat, blasen sie diese Trompete, und alle
respondieren unisono oder in Harmonie. Die Zeremonieen dauern
von Tagesanbruch bis Mittag. Während dieser Zeit wird den
Bonzen Essen von denen gebracht, die ihre Dienste in An-
spruch genommen haben und mit ihren Verwandten zugegen
sind.
Diese Orden schliessen Frauen ebensowohl wie Männer
ein ; die Frauen leben in Häusern gesondert und legen das
17. Die Jesuitenmissionare nahmen diesen Braucli als eine den katholischen
Heiligen erwiesene Verehrung bzw. Anbetung. Er lebt noch heute. Dass dieser,
übrigens durchaus nicht auf Japan beschränkte, sondern sich auch sonst vielfach im
Orient findende Brauch in keiner Weise etwas mit religiöser Verehrung zu thun
hat, darüber kann man keinen Augenblick im Zweifel sein, wenn man die gleiche
Ehre sogar dem Geldschein erwiesen sieht, mit denr man in Jajian eine Schuld
bezalilt. Das Ertieben des Gegenstandes, den man von einem Andern erhält, zur
Stirn ist nichts als eine Ilöllichkeitsforju.
2/8 Anliaiv^- II.
Gelübde der Keuschheil ab. Jeder Bruch desselben wird streiiL^"
geahndet. Sie haben keine besondere Gewandung. Viele Glieder
der höchsten h'aniilien treten in diese Orden ein ; manche ver-
heiratete Frauen verlassen sogar ihre Männer, um das zu thun.
Es gibt noch einen anderen Männerorden. Seine Angehörigen
haben andere, kleinere Idole, die in Tabernakeln abgeschlossen
sind und nur an Festtagen heraus genommen werden. Diese
Götzenbilder werden in Häusern aufbewahrt, die in Hainen in
einiger Entfernung von jeglicher Wohnung gebaut sind 'und
mit \'iel Ehrfurcht betrachtet werden. Die Priester, die diese
Tempel bedienen, kleiden sich wie die Laien und tragen Waffen.
Auf ihrem Kopfe tragen sie viereckige Kappen, die an Schiff-
segel erinnern, und einen kleinen, bis unterhalb des Bartes rei-
chenden Umhang. Sie sind stark der Zauberei ergeben und
tragen ihre Rosenkränze um (\q\\ Hals, woran man sie erkennen
kann. Sie gestatten Frauen, in ihrem Kultus eine Rolle zu spie-
len, sind aber nichtsdestoweniger verpflichtet, strikte Keuschheit
zu beobachten. Sie haben keine Verbindung mit der anderen
Art von Bonzen, gleichen ihnen aber darin, dass sie keine
eigenen heiligen Bücher besitzen, und darin, dass sie dieselbe
Art Glocken benützen, i^)
Ihre Weise, Totenfeiern zu begehen, ist die folgende : Vier
oder fünf Väter begeben sich zum Tempel, eine alte Frau mit
sich nehmend; \\\c im vorhergehenden Falle versehen diejenigen,
auf deren Ersuchen die Zeremonieen vollzogen werden, den
fungierenden Priester mit Speise und Wein, i^iner der Priester
öff"net das Tabernakel, nimmt eine Trommel, ein Paar Kastag-
netten, einen Keifen mit Schellen, einen P'rauenrock- und eine
bunte Schärpe heraus und schliesst es dann wieder zu. Die
P^rau tritt vor, um das Kleid anzuziehen und die Schärpe umzu-
binden; dann singt und tanzt sie nach den verschiedenen In-
iS. Iliemil sind die Kannushi der Shintöreligion gemeint, die, der Samurai-
klasse zugezählt, das Recht hatten, Waffen z.u tragen. Nicht richtig ist, dass sie
zur Haltung .strikter Keuschheit verpflichtet waren; wühl aljcr folgten sie in
dieser Beziehung vielfach der asketischen Pra.xis der Uonzen.
Georg Alvarcz Bericht über Japan. 279
Strumenten, während die Bonzen eine halbe Stunde lang mit
einstimmen. Nach Ablauf dieser Zeit essen und trinken sie
wieder, und so schliesst die Zeremonie. Ich habe eines dieser
Idole gesehen ; sie sind hässlich und schlecht gemacht.
Soweit unsere Erkundungen bis jetzt gehen, scheint im
ganzen Lande nur eine einzige Sprache im Gebrauch zu sein."
III.
Beschreibung der Gebräuche und Sitten auf einer
erst kürzlich gegen Norden entdeckten
Insel, Japan mit Namen.
(Nach den Mitteil unL;-cn Pauls, fiüher c;'enannt Angero, der, ein
Einijeboi'ner der genannten Insel, sich kürzlich zu
unserem heiligen Glauben bekehrte). M
Nordüstwärts unweit China entdeckten portugiesische Kauf-
leute eine Insel, Japan mit Namen, von gleicher Höhe mit
Italien. Ihre Ausdehnung soll sehr gross sein, i8oo Meilen in
tlie Länge, 900 in die Breite. -) Von dieser Insel kam am ersten
Mai 3) ein dem Anscheine nach ganz kluger und verständiger
Mensch zu uns, Angero mit Namen, begleitet von zwei Dienern. 4)
Begierig, die Geheimnisse unseres Glaubens zu erfahren, machte
er in sehr kurzer Zeit so grosse Fortschritte darin, dass er nicht
nur das Christentum annahm, sondern auch, nachdem er gar
1. Siehe Kapitel VII, S. 95 f.
2. Xacli einer andern Vension, der Coi.i.ridck in .seiner eni^li.schen Ueb'ersetz-
ung fulgt : 600 Meilen von ( ).slen nacli Westen und 300 in die Breite. Es ist
unnötig, darauf aufmerlvsam zu machen, da.ss diese Angahjen sein' ungenau sind.
Japan l)esteht aus vier grossen Inseln {lloudö, KyhsIiTt, Sliikokii und Yczo oder Ilok-
A-aicü'i) und einer Unzahl von grösseren und kleineren Eilanden (etwa 3000), die sicli
über 27 l!reilen-und 2i?>^l-z Längengrade hinziehen (24°6^ ])is 50°56^ N. uml I22°45^
bis I56°32^ Oc.). Nach japanisclien Angaben hat das Land 500 ;-/ in der Länge
und 30-60 in der Breite (i ?7'=3927,27m). Der Gesamtflächcninhalt beträgt 24.790
(^uadrat-;7'=c. 7000 g. Quadratmeilen.
3. .So die Version dieses Bericlits, welche das Datum „Ende 154S " trägt
die andere, datiert „Anfang Januar 154g", hat statt dessen: „im Monat April
vorigen Jahres ".
4. Der /Aisatz ,, begleitet von zwei Dienern" felilt in einer der vorliegenden
Versionen des Berichts, wie dieselbe aucli den Namen des Japaners niclit gilit. Vgl.
oben S. 62 f.
Mitteilungen des Japaners Anjiro über Japan. 281
nicht lange im Kollegium des heiligen Glaubens zu Goa war,
Portugiesisch lesen und schreiben lernte und einige der vor-
nehmeren Hauptstücke unseres Glaubens in seine Landessprache
übersetzte, die er nun beständig liest. 5) Er widmet sich fleissig
dem Gebete und der Betrachtung und ruft dabei unsern Herrn
Jesum Christum mit brünstigen Seufzern an. Er ist so fromm
und sittsam, dass es sich nicht sagen lässt, und er sich dadurch
aller Hochachtung gewann. Zur Zeit als er noch Katechumen
war, verlangte ich einmal von ihm, dass er mir die Sitten und
Gebräuche seines Vaterlandes, wenn er gleich in ihrem Götzen-
dienst nicht förmlich unterrichtet war, erzähle. Er teilte mir
mit, was er wusste, doch so, dass ich abnahm, seine Erzählung
sei mehr die Sprache des gemeinen Volks als derjenigen, die
wirklich eingeweiht in den Sekten sind. Da seine Mitteilungen
indessen viele wissenswürdige Dinge enthalten, werde ich sehen,
sie Ihnen mit erster Gelegenheit zu überschiclcen, bis wir durch
unsern P. Magister Franciscus, der nach Japan geht. Genaueres
erfahren werden.
Erstlich also teilte er uns mit, dass die ganze Insel Japan
unter der Herrschaft eines einzigen Königs steht. 6) Unter ihm
stehen grosse Herren, die unsern Herzogen oder Grafen sehr
ähnlich sind, im ganzen vierzehn 7) in Japan. Stirbt einer der-
selben, so erbt sein ältester Sohn die Güter samt der Würde,
so dass den jüngeren Söhnen, wenn solche da sind, nur so viele
Städte zufallen, als zu ihrem standesgemässen Unterhalte hinläng-
lich sind, doch mit der Bedingung, dass sie immer unter dem
Gehorsam ihres ältesten Bruders stehen und ihn wie Vasallen
ihren Eehensherrn verehren, so dass alstj die Besitzung nicht
5. Das Summarium der katholischen Lehre, das Anjiro nach seiner Heimkehr
auf Verlangen für die Mutter des Daimyö in Kagoshima verfasste (s. S. 86), war
vermutlich eine Umsclirift dieser seiner in Goa zum eigenen Gebrauch gemachten
Au fze ichnungen .
6. Damit ist, wie aus dem Folgenden ersichtlich wird, der Kaiser, nicht etwa
der Shögun gemeint.
7. Hier ist wohl an die Kokushu genannten grossen Tcrritorialherren gedacht.
282 Anluing III.
geteilt wird. 8) Der geringste dieser Fürsten ist im stände, lo.ooo
Mann ins Feld zu stellen, andere 15.000, 20.000, auch 30.000.
Der König heisst in ihrer Sprache Voo. 9) Er ist aus der
adeligsten von allen Familien entsprossen und kann nur in seiner
eigenen Familie heiraten. 1°) Dieser Voo scheint uns gleichsam
ihr Papst zu sein, ^i) Denn er übt in geistlichen und weltlichen
Dingen Gerichtsbarkeit aus sowohl über Welt-als auch über
Ordensleute und Priester, deren es da eine ungeheuere Menge
gibt. Obwohl er Autorität über alles hat, so führt er doch- in
eigener Person niemals Krieg und verhängt auch keine Strafe
über Missethäter. Dies alles überlässt er einem andern, einem
gewissen Goxo, ^2) was bei uns soviel als der oberste Befehls-
8. Das vom 7. bis ins 19. Jahrhundert wirksame TaihS-gesetz, die einzige
umfangreiche Kodifikation, welche die Geschichte bis in unsere Tage kennt, enthielt
in Betreff der Nachfolge der Rangwürdenträger die Bestimmung, dass Erben vor
allem die erstgeborenen Söhne sein sollen ; ist der erstgeborene Sohn nicht mehr
am Leben oder durch Krankheit oder Kriminalität erbunfähig bzw. erbunwürdig, so
soll der erstgeborene Sohn des erstgeborenen Sohnes erben. Stirbt dieser Enkel
vor seinem Vater, so erbt des Vaters nächstjüngerer Bruder, selbst wenn er der
Sohn einer Nebenfrau ist. Ist kein jüngerer Bruder des Sohnes vorhanden, so geht
die Erbfolge auf den jüngeren Bruder des verstorbenen Enkels über, selbst wenn er
der Sohn einer Nebenfrau ist. Es war jedoch auch gestattet, durch Adoption eines
Erstgeborenen das Haus vor dem Erlöschen zu bewahren (TOKUZO Fukud.\, Die
gesellschaftliche und -wirtschaftliche Entwickelniig in Ja^an. Stuttgart 1900. S. 66).
9. Voo ist eine Transskription des "Wortcrs 3£ „ Ö", d. i. König oder Ö-o
{Dai O) „ grosser König ", einer der Titel, mit denen das Volk den Kaiser
bezeichnete.
10. In Wirklichkeit sind es fünf Adelsfamilien des nächst der engeren ISIikado-
familie ältesten und angesehensten Geschlechts der Fujiwara, Go-Sekke genannt, aus
denen allein der Kaiser seit alter Zeit seine Gemahlin wählen konnte.
11. Es war eine lange gehegte irrige Vorstellung, dass man im Unterschied
zu dem Shögun, der als weltlicher Herrscher galt, den Mikado für den geistlichen
Herrscher ansah. Richtig jedoch ist, wie Rein (I, 366, Anm.) bemerkt, dass sich
zwischen der Stellung des Kaisers und der des Papstes manche Analogieen finden
liessen, wie denn z. B. das Dogma der Unfehlbarkeit, das hier Nigi-mitama hiess,
auch auf ihn angewandt wurde.
12. Goxo oder Gozo, das japanishe Gosho „erhabener Platz", ist eigentlich
eine Bezeichnung für den Palast des Kaisers und dann für diesen selbst, die aber
in der Ashikaga-Periode auf den Gencralissinuis des Kaisers d. i. den faktischen
Shögunregenteu angewendet wurde.
MittciliDigcn des Japaners Anjiro über Japan. 283
haber ist. Dieser übt die gesamte Regierungsgewalt über die
ganze Insel aus. Er steht unter dem Gehorsam des Voo.
Wenn er diesen besucht, so kniet er vor ihm nieder und beugt
sein Haupt bis zur Hälfte des Schenkels, so dass es ihn berührt,
herab, und obwohl er einen grossen Hof von Herren, Offizieren
und Soldaten hat, welche das Kriegswesen und die Rechtspflege
überwachen, so kann der Voo ihn doch im Falle eines Ver-
gehens seiner königlichen Würde entsetzen und enthaupten
lassen. ^3) Die Geringeren gehorchen den Höheren pünktlich
wegen der strengen Gerechtigkeit, welche diese üben. Alle
Vergehen werden mit derselben Strenge bestraft, und ein Dieb,
der zehn Basaruchos stiehlt, empfangt die gleiche Strafe wie
einer, der einige tausend Dukaten entfremdet. H)
Die Lebensweise des Voo ist diese : Er heiratet eine I'rau
aus seiner eigenen Familie. Wenn dei" Mond abnimmt, so ent-
hält er sich von seinem Weibe und fastet ganze fünfzehn Tage
nacheinander, so dass er nur einmal des Tages und da sehr
massig isst, obliegt dabei stets dem Gebete und der Betrachtung
und e^eht während dieser e^anzen Zeit in weisser Kleiduner mit
13. Diese Darstellung entspricht mehr der Wahrheit als die der anderen
Version dieser Stelle, welche lautet : „ Seine [des Gosho] Macht ist so gross, dass
er den Voo sowohl des Reichs und der Würde als auch des Lebens, wenn sein
begangenes Verbrechen eine so grosse Strafe verdient, berauben kann ". Selbst in
den Zeiten tiefster Ohmnacht war die Person des Kaisers heilig und unantastbar.
14. Die bereits erwähnte Hauptquelle des alten japanisclien Rechts, das ein-
heitliche kaiserliche Strafgesetz des Taihd-ritsu-ryö bedrohte vollendeten Diebstahl
mit Strafen, deren Strenge sich je nach dem Werte des gestohlenen Gutes ver-
schieden bemass, von der Prügelstrafe aufsteigend zur Zwangsarbeit, Vcrijannung
und schliesslich Verbannung mit Zwangsarbeit am Verbannungsorte. (Vgl. G.
^Michaelis, Beitrag zur Geschichte des japa)iiscJien Straf rechts, Mitth. d. D. G. f.
Natur-u. Völkerk. Ostasiens, Bd. IV, 351 ff. und KOE.A. S.vr)AT.A.KE, Geschichte des
jap. Strjfrechts, Oesterr. Monatsschrift f. d. Orient, Bd. IX, 139 ff.) In dieser
Zeit aber, in der die Beamten fehlten, diesem Rechte Autorität zu verschaffen,
hatte längst jeder Territorialherr die Strafgerichtsbarkeit an sich gerissen und die
Bestimmungen des Strafrechts nach Willkür verändert. Dabei war durchweg eine
Verschärfung der Strafen eingetreten, die man bei der Anarchie der damaligen Zeit
für erforderlich hielt.
284 jliiJiang III.
einer breiten Krone auf dem Haupte einher. Wenn der Mond
wieder anfänj^t zuzunehmen, kehrt er die übrigen fünfzehn Tage
zu seiner gew(")hnHchen Lebensart zurück, wohnt seiner GemahHn
bei und unterliält sich mit Jagen und anderen Ergötzungen.
Stirbt seine Gattin, ehe er das dreissigste Jahr voUendet, so kann
er wieder heiraten. Ist er aber schon über dreissig hinaus, so
muss er die übrige Zeit seines Lebens in Keuscliheit zubringen
und wie ein ReHgiose leben; niemals aber darf er mit einem
Weibe Umgang haben ausser mit seiner Gattin. '5)
Ausser den Fürsten gibt es noch andere Ritter, Kaulleute
und Beamte jeden Ranges wie bei uns.
Insgemein hat jeder nur ein Weib. ^^) Wird dieses mit
einem andern im lüiebruch betroffen, so halten sie unverbrüch-
lich diese Sitte und dieses Gesetz, dass beide zugleich von dem
Manne getötet werden können. Tötet er nur einen der beiden
Teile, so macht die öffentliche Gerechtigkeit dem andern den
Prozess imd spricht das Todesurteil über ihn aus ; tötet er keinen
von beiden, so gereicht ihm dies zur Schande. '7) Kommt ein
Weib in Verdacht des Ehebruchs, ohne dass sie desselben über-
führt werden kann, so wird sie in das väterliche Haus zurück-
15. Von Interesse sind diese Mitteilungen insofern, als sie zeigen nicht wie
die LcLensweise des „ Voo " wirklich war, wohl aber welche Vorstellungen über
sie im Volke lebten. Nicht richtig ist die Angabe, dass der Kaiser streng monogam
lebe. Die Gesetze des lyeyasu, die doch auf die alte Praxis sich stützten, gestat-
teten dem Kaiser neben seiner rechtmässigen Gattin nicht weniger als zwölf Konku-
binen. Auch eine Wiederverehelichung war ihm nicht verwehrt.
16. Dies ist nur für die untersten Stände zutreffend, für die sich das Halten
mehrerer Frauen in den meisten Fällen schon durch die Vcrmogensverhältnisse
von sell)St verljot. Die Gesetze des lyeyasu waren alicr dazu vermeint, den oberen
Klassen Schranken zu setzen, indem sie den Fürsten acht, Titelträgern fünf, den
Samurai zwei Beischläferinnen erlaubten. {y<\€i\Q\\.y<!v.\vvA\'\', JapaiilscJies Fainilieii-
und Erbrecht. Mitth. d. D. G. f. N. u. V. O. IJd. V, 107 f.)
17. Vgl. liiezu das 48. der sog. loo Gesetze des lyeyasu, ül)ersctzt von
Ki-.MrKRMANN (Mitth. d. D. G. f. N. u. V. O. IJd. I, lieft I, 14), wonach der
l^hemann befugt war, den Ehebrucli in ßci^ranli durch Tötung der Frau wie ihres
Mitschuldigen zu bestrafen. Doch durfte er nur beide oder keinen töten. Zeigte
er die Schuldigen, statt sie zu töten, an, so war es seinem Ermessen anhcimgestellt,
ob dieselben mit dem Tode bestraft werden sollten oder nicht.
Mitteilungen des Japaners Anj'iro iih er Japan. 285
geschickt, und der ]\Iann verliert seine Ehre nicht. Er nimmt
alsdann eine andere ; ihr aber bleibt immer ein Makel anhaften,
und niemand nimmt sie mehr zur Ehe. Eür einen P3hemann
gilt es als eine Schande, mit andern Weibern Umgang zu
pflegen. ^S)
Die Adeligen geben ihre Söhne vom siebenten oder achten
Jahre an bis in das siebzehnte oder zwanzigste in die Kloster,
wo sie lesen, schreiben und die Religion lernen. '9) Sobald sie
herauskommen, verheiraten sie sich und widmen sich den
öffentlichen Angelegenheiten.
Auf dieser Insel gibt es drei Arten von Geistlichen, 20) die
Klöster haben wie unsere Mönche, einige in den Städten, andere
ausserhalb derselben. ^i) Die in den Städten heiraten niemals, 22)
leben von Almosen -3) und rasieren Haupt und Bart. 24) Sie
tragen lange Kleider mit weiten Aermeln. Im Winter haben
sie Kappen, die übrige Zeit des Jahres aber gehen sie barhaupt.
Sie speisen gemeinschaftlich und fasten zu gewissen Zeiten des
iS. Gesetzlich war dem Ehemanne der Ehebruch nicht verwehrt.
19. Die Schulerziehung der japanischen Knaben, die in dieser Zeit durchaus
nicht allgemein war, begann am sechsten Tage vom sechsten Monat ihres sechsten
Lebensjahres an. Viele Vornehme hielten für ilire Söhne Hauslehrer.
20. Wie dieser Bericht, so unterscheidet auch das sechste der sog. achtzehn
Gesetze des lyeyasu drei Arten von Iniddhistischen Geistlichen nach ihrer verschie-
denen Kleidung.
21. Bei den ausserhalb der Städte wohnenden Geistlichen ist offenbar an die
sog. Yamabiishi, die Büsser der Berge, gedacht, eine religiöse Bruderschaft der
.Shingonsekte, die sich bettelnd und mit W'ahrsagerei befassend im Lande herum-
trieben. Sie kannten keinen Zölibat.
22. Mit Ausnahme der Priester der Shinsekte.
23. Vgl. das sechste der sog. achtzehn Gesetze des lyeyasu, in dem es heisst :
„ Der hochweise und vor allen verehrungswürdige Shaka Nyorai war aus dem Volke
hervorgegangen und verordnete, dass man, um die Menschen zur Erkenntnis zu
bringen, als Bettler die Welt durchziehen solle ; dieses und die Obdachlosigkeit in
den drei Welten, die allen gemein ist trotz dem dreifachen Unterschied der
Kleidung, ist für den Priester dasjenige, was für den Vogel die zwei Flügel sind ".
In der Ashikaga-Periode waren indess die I'riester vielfach Vögel ohne Elügel.
24. Auch die Tonsur gehört zu den Institutionen, welche Buddhismus und
Katholizismus gemein haben. Doch sind die Buddhistenjjriester ganz kahl geschoren.
286 AnJiang III.
Jalirs. Diese Geistlichen essen kein Fleisch, angeblich, um
durch Ausmerglung ihres Leibes alle Begierlichkeit zAir Sünde
auszurotten. Diese Enthaltsamkeit ist allen Geistlichicn auf
dieser In.sel gemein. ^5) Mitten in der Nacht stehen sie auf zum
Gebete, welches sie ungefähr eine halbe Stunde singen. Dann
gehen sie wieder zu Bette, ruhen bis zur a\Iondstunde,26) stehen
wieder auf und verrichten verschiedene Gebete. Ebenso beten
sie bei Sonnenaufgang, mittags und abends. Und wie wir
Christen beim englischen Grusse, so kniet das Volk auf -das
Läuten einer Glocke nieder, um mit gen Himmel erhobenen
Händen zu beten ; die Geistlichen beten in einer Sprache,
welche das gewöhnliche Volk nicht versteht, gerade wie bei uns
die Priester lateinisch beten.-/) Sie predigen häufig dem Volke
und werden aufmerksam angehört ; sie selbst wie ihre Zuhöre'
Averden dabei zu Thränen gerührt. Sie lehren, es gebe einen
höchsten Gott,-^) den Schöpfer ~9) und Erhalter aller Dinge ; es
gebe einen Reinigungsort, die Hölle i.md ein Paradies, und alle
.Seelen, gute wie böse, kämen in einen Ort der Strafen, das ist,
in einen Reinigungsort, und würden dann getrennt, und zwar
die Guten kämen dahin, wo Gott ist, die Bösen und Ver-
worfenen aber in die Hölle, um da mit dem Teufel zu wohnen,
25. Auch im Volke verdrängte der Buddhismus in Japan vielfach vollständig
die animalische Kost. \'gl. ÖTA NiTOBE, Ueher den japanischen Gnmdhesilz, dessen
Vcrteiliini; itiid laiidivirlschaftUche Venverlung. Berlin 1890. S. 26.
26. Was mit Mondstunde gemeint ist, vermochte ich nicht zu erkunden. Der
Tag war in Japan in 12 Zeitabschnitte von je 2 Stunden geteilt, die man nach den
12 Tieren des chinesischen Zodiakus benannte. Die Nacht zerfiel danach in ne no
toki (die Zeit der Ratte) von ii-i Uhr, ttshi no ioki (die Zeit des Ochsen) von
1-3 Uhr, and tora no toki (die Zeit des Tigers) von 3-5 Uhr. Näheres bei E. W.
C\.\■^\v.•:i\•, Japanese Calendars, T. A. S. J. Vol. XXX, Part I, S. 1-82.
27. Hiemit ist das lautliche Ablesen der* in Bonji (Sanskrit-oder Päli-)
Zeichen geschriebenen Gebete gemeint, die indessen ihrem Sinn nach selbst den
meisten Mönchen fremd waren.
28. jVmida.
29. In Wirklichkeit weiss der Buddhismus nichts von einer Well Schöpfung.
Man verglciclic mit den hier über den Buddhismus gemachten Angaljen das im
betreffenden Kapitel dieses Buches Ausgeführte.
]\Iittcihingcn des Japaners Anjiro über Japan. 2S7
den Gott in diese Welt geschickt habe, um die Uebelthäter zu
bestrafen. Diese Geistlichen nun sind zwar übrigens in dem
Rufe eines ganz ehrbaren Wandels, doch machen sie sich
schändlicher Sünden schuldig mit den Knaben, welche sie in
ihren Klöstern unterrichten, obwohl sie dem Volke predigen,
dass dies eine grosse Sünde ist, und obwohl sie die Keuschheit
preisen. Sie tragen schwarze Kleider, die ihnen bis an die
Knöchel gehen, und sind sehr gelehrt 3o) Jedes Haus hat einen
Oberen, dem alle gehorchen, und nur Tugendhafte werden
aufgenommen, um Priester zu werden.
Es gibt auch eine Art Priester, die aschgraue Kleider und
grosse Stricke um den Leib tragen. Auch sie heiraten nicht.
An ihre Klöster stossen andere, worin gleichsam Nonnen von
gleicher Tracht wohnen. Auch diese sind bei dem Volke in
einem bösen Rufe, dass sie verbotenen Umgang mit den
Priestern pflegen, aber die Geburt der Kinder werde durch
gewisse JNIittel verhindert. Obgleich sie sehr wenig Bildung
haben, bestehen sie doch schon seit dreihundert Jahren. Sie
verrichten ihre Gebete wie die übrigen, nur dass die Männer
auf einer Seite des Tempels, die Nonnen auf der andern sind,
und halten auch gewisse Fasten.
Eine dritte Art von Religiösen geht schwarz gekleidet und
legt sich die schwersten Bussübungen aufsO Dreimal des Tags
gehen sie zum Gebete, früh, abends und um Mitternacht.
Alle Bethäuser dieser Religiösen sind gleich und bergen
Bilder, die von Holz und vergoldet sind ; auch an den Wänden
sind gemalte Bilder. Alle beten einen Gott an, den sie in ihrer
Sprache Doniche (Dinicho)32) nennen. Bisweilen machen sie
30. D. h. sie erschienen dem Vollie so ; es waren in dieser Periode nur
wenige, die in Wirklichkeit Gelehrsamkeit besassen.
31. Die im Bericht gegebene Beschreibung von drei Arien von Priestern ist
zu konfus, als dass sich bestimmen Hesse, welche Sektenmönche damit charakteri-
siert sein sollen.
32. Korrumpiert aus Dainichi ]^Nyoriu'\ „ Grosse .Sonne ", dem japanischen
Namen für Vairocana. Der Name schon besagt, dass es der Quell alles Lichts
und Lebens ist.
288 Auhano; III.
ihm einen Leib und drei K(")j)re, dann nennen sie ilm Cogi.33)
l'^s scheint, sie verstellen unter Doniche und CoL;i, was wir
Christen unter einem Gott und drei l'ersünen.34)
Dieser treffliche ]\hinn erzählte luis auch die Geschichte
eines Mannes, welcher wie ein Heiliger, wie \vir sagen, verehrt
wird. Er sagte, in einem Lande jenseits China westwärts,
Cegnico 35) genannt, habe einst 36) ein König mit Namen Gioi-
33. Ich vermute, Cogi ist entweder eine Korrumpierung von Kongo shitsii
(Sanskr. VaJmsaUva), wie der oberste der Dhyänibuddlias im Japanischen heisst,
oder aller, und das ist nach dem Laute wahrscheinlicher, von Go-chi \^IVyorai\ i. e.
die fünf Buddhas der Kontemplation oder Weisheit ( Yakushi, TaJiö, DaiiiicJii,
As/iiikii, S/iaka), deren Zahl auf einer früheren Stufe der Lehrentwicklung nicht
fünf, Sondern i/rci war. \'gl. A. Lr.oiD, Devclopniciils <>/ Japanese Biiddhisiii p.
3S0 f.
Auf ein Dainichi Nyorai-IÜld mit (/;r/ Köpfen und einem Ix'ib bin ich nach
langem Suchen in Japan wirklich gestossen, wiewohl mir ISuddhistenpriester die
Existenz eines solchen Idols nicht hatten zugeben wollen.
34. Von einer Trinität im Buddhismus zu reden, erklären tüclitige Kenner dieses
Religionssystems für unstatthaft (s. z. B. iNloNiKR Williams, Buddltisni in its Con-
77exion zvilh Bi-aluiianisni and Hindhisni and in i/s Contrasl 7i<ilh C/iristiani/y, 2-
ed. London 1890. pp. XI und 179). Mir ist nach vielen L'nterredungen mit japa-
nischen gelehrten Priestern kein Zweifel, dass der esoterische Buddhismus der IMahä-
yänaschule, ausgeh.end von der fonnii/a fidei der Laienglieder, dem dreifachen
Bekenntnis [Jris/tarana) zu Buddha, dem Erleuchteten, zu Dliarina, seiner Lehre,
und zu Saniglia, seiner Gemeinde, diese personifizierend, wahrscheinlich unter <lem
Einflüsse der brahminüschen Trimürti-Dreieinigkeit (Brahma, \'ishnu und Shiva)
sowie des Shivaismus zu Spekulationen gekommen ist, welche eine geradezu " frap-
pante Aehnlichkeit mit dem orthodoxen christlichen Trinitätsdogma haben. Die
ja[)anische Formel iltai ni sliitc san-tai nari besagt ganz ebenso wie die der
christlichen Kirche :
LiHi divina essentia in tribns personis snhsislil ; vel
(quod idem est) :
In di7'inis snnt tirs persouae et una essentia,
dass das seinem Wesen nach eine Göttliche sich zu drei Subsistenzweisen besondert
hat, ohne damit seine Wesenseinheit aufzugeben.
35- Cegnico ist korrumpiert aus l'enjikn i. e. Indien.
36. Die Geburt Siddhärlhas in Kapilavastu (jajj. Kapirajo) wird von den
japanischen Buddhisten gewöhnlich in das Jahr 1027, aber auch in das Jahr 742 v.
Chr. versetzt. Nach europäischen Indologen ist der Buddha c. 560 v. Chr. geboren
und 477 oder 4S0 gestorben, während die japanische Chronologie 9S4 als Jahr
seines Todes angibt.
]\Iittcilungc]i des Japaners Anjiro über Japan. 289
bondarnus 37) gelebt, dessen Gemahlin Alagabonina 3^) hicss. In
einer Nacht träumte dieser König, er höre einen Knaben
schreien, der öfters diese Worte wiederholte : König, du sollst
deiner Gemahlin beiwohnen. 39) Der König erzählte diesen
Traum seinem Weibe, und sie entsetzten sich darüber so sehr,
dass sie nicht mehr zusammenkamen. Bald hierauf ward die
Königin, ohne dass sie, wie man glaubte, mit einem Sterblichen
etwas zu thun hatte, schwanger. Nach neun Monaten gebar sie
einen Sohn, den sie Xaqua 4°) nannten, der zwar lebte, aber
der Mutter in der Geburt das Leben kostete. Der König über-
gab also das Kind ihrer Schw-ester zu erziehen. Bei seiner
Geburt sah man zwei schreckliche geflügelte Schlangen von
ungewöhnlicher Grösse über dem Palaste fliegen und sich dann
hinabsenken, wo das Kind lag. Sie gössen eine Menge Wassers
auf das Haupt des Neugeborenen und verschwanden wieder.4i)
Nach einer Zeit von drei Monaten richtete sich der Knabe auf,
stand auf seinen Füssen, ging drei Schritte vorwärts, und indem
er eine Hand gegen den Himmel erhob, die andere zur P2rde
hinabhielt, sprach er : Ich bin der Einzige im Himmel, der
Einzige auf Erden. Da er achtzehn Jahre alt war, wünschte
ihn sein Vater zu verheiraten. 42) Er aber erwog bei sich reifer
37. Korrumpierung von Jdbon Dai O (Sanskr. Suddhodhana).
38. Maya Bunin (Sanskr. Mäyä).
39. Nach einer anderen Version dieses Berichtes : „ In einer Nacht träumte
dieser König, es werde ihm ein Sohn geboren werden, der ein grosser Mann werden
und wie ein Gott in allen jenen Ländern würde angesehen werden."
40. Schreibweise der Jesuiten für Shaka, wie der Buddha Sakya in Japan
hcisst.
41. Nach einem populären japanischen Leben Buddhas „Shaka jitsu-ro/cu'^
waren es die zwei Naga-Könige, A'aiida und Ubananda (Sanskr. Nanda und Upä-
nanda), die Strome von Wasser aus ihrem Munde auf das Kind gössen und dann
wieder zum Himmel aufstiegen.
42. Nach dem eben zitierten japanischen Leben Sliakas wie auch nacli der
kurzen Biographie in BuxYlU Nanjio's Short History of ihe Twelve Japanese Bud-
dhist Seets vermählte er sich wirklich mit der anmutigen Yashudara (Sanskr.
Yasodhara), woher denn auch Shinran den Priestern seiner Sekte das Heiraten
gestattete.
290 Anltang III.
das Elend dos menschlichen Lebens und beschloss, nicht zu
heiraten, ergriff heimlich bei der Nacht die Flucht und ging auf
einen sehr hohen und öden Berg, wo er sechs 43) Jahre hindurch
ein einsiedlerisches Büsserleben fiihrte. Nach Verlauf dieser
Zeit erschien er wieder unter seinen Landsleuten und begann
mit grossem Eifer und mit Beredtsamkeit allem Volke zu
predigen. Ucr Ruf seiner Heiligkeit verbreitete sich bald, und
er erwarb sich einen so unumschränkten Einfluss, dass er die
Gesetze des Landes cänderte und das Volk lehrte, wie -man
Gott anbeten müsse. Er hatte bei achttausend Schi^iler, die
seine Lehre sowohl als seine Lebensart befolgten. Von diesen
gingen einige nach China und brachten den Einwohnern seine
Lehren und Gesetze, die sie auch willig annahmen wegen des
grossen Rufes, welchen ihr Lehrer hier bereits genoss. Sie
Hessen auch alle ihre Götzenbilder und Pagoden, denen diese
bis dahin geopfert hatten, zerstören. Nachdem sie in China und
Chenguinquo 44) festen Euss gefasst, seien sie nach Japan ge-
kommen und haben das Volk vermocht, dasselbe zu thun ; und
noch jetzt werden dort Bruchstücke alter Statuen gefunden, wie
man sie in Rom findet.45)
Xaqua lehrte, es gebe nur einen Gott, Schöpfer aller
Dinge, und schnitzte auf obgcsagte Art einen Stock mit drei
Köpfen. Er schrieb auch fünf Gebote zu halten vor: i. Du
sollst nicht töten. 2. Du sollst nicht stehlen. 3. Du sollst
nicht Unzucht treiben. 4. Du sollst dich nicht über Dinge
bekümmern und traurig werden, dawider es kein Heilmittel gibt.
5. Du sollst Beleidigungen verzeihen. 46) Er schrieb ferner
43. Nach japanischen Uingraphieen zwölf Jahre.
44. Siehe Anm. 35.
45. Man vcrgleiclie mit dieser japanischen \"crsion des Lehens Shakas die
l'.iographiecn des Erleuchteten, die Beal und Rückhiu, vinn Standpunkte des
nördlichen Buddhismus, der eine von dem des chinesischen, der andere von dem
des tibetanischen, gegeben haben
46. Das vierte und fihifte der fünf Ilauptgeljute des Buddhismus (^^o-l'ai),
welche Lügen und Genuss geistiger Getrcänke verbieten, sind hier falsch wieder-
gegeben. Das vierte erscheint ,wie es in dem" Berichte lautet, wie eine Uebcrsetzung
des in Japan in jeder Verlegenheit gebrauclitcn resignierten Shikata ga nai, „ es
ist nichts zu machen."
Mitteilungen des Japaners A)ijiro über Japan. 291
manche nützliche Bücher über die Tugenden und Laster, in
denen er lehrte, wie sich die Menschen gemäss ihrem Stande
benehmen sollten.47) Er schrieb häufige Fasten vor und lehrte,
Leibeskasteiungen seien Gott sehr wohlgefällig und überaus
notwendig zur Vergebung der Sünden.
Da wir ihn fragten, ob sie in diesen Provinzen eine Taufe
hätten, antwortete er, die Kinder würden, sobald sie zur Welt
kämen, nach dem Beispiele des Xaqua gewaschen, den die
Schlangen gleich bei seiner Geburt gewaschen haben. Stirbt
eines, ehe es gewaschen wird, so glauben sie, die Eltern haben
schwer gesündigt.48)
Die Geistlichen besuchen auch die kranken Männer, trösten
sie und mahnen sie, ein Testament zu machen. Sehen sie, dass
der Kranke in Todesgefahr ist, so reden sie ihm von den
Gütern des anderen Lebens und ermuntern ihn, wegen der
zeitlichen Dinge nicht in Sorge zu sein, da alles eitel sei.
Stirbt der Kranke, so kommen die Religiösen unter Gesang in
Prozession, holen die Leiche zum Kloster ab und beten um
Vergebung seiner Sünden. Sie begraben Arme und Reiche
ohne Unterschied ihrer Pflicht gemäss unentgeltlich, ja es würde
einem zur ewigen Schande gereichen, wenn er nur das Mindeste
als einen Lohn dafür annähme. Geben aber die Freunde des
Verstorbenen Almosen, so nehmen sie dieselben an.
Busse thut man in Japan in folgender Weise : Man fastet
47. Hier liegt offenbar eine Verwechslung Sliakas, der sowenig wie Jesus
etwas Geschriebenes hinterliess, mit Confucius vor, die einem Mann aus dem \^olkc
wie Anjiro um so näher lag, als es Jahrhundertelang der Buddhismus war, der
sich in Japan die Verkündigung der Morallehren dieses chinesischen Weisen an-
gelegen sein liess.
48. Diese Waschung der Neugeborenen hat natürlich mit der Religion nichts
zu thun. Einleuchtender ist die Begründung, welche schon der JesuileniDater CrassI'-T
(a. a. O. in der deutschen Ausgabe S. Il) gibt: „ .iMsbald das Kind gebühren ist,
wird es mit kalten Wasser gewaschen, um selbes wider die widrige Lufft starck
und dauerhaft zu machen." Etwas der Taufe Aehnliches bestand frülier bei den
Orden. Die Zeremonie hiess Kivanjd (Sanskr. Abhisheka). Der 'l'aufritus bestand
in Besprengung des Hauptes des Kandidaten mit Wasser.
293 Anhang- III.
und beobachtet die Keuschheit hundert Tage nacheinander und
zieht sich dann in einen an der Seite eines Berges gelegenen
Wald zurück, cier voll Pagodenbilder und Tempel ist, und in
dem einige strenge lunsiedler leben. Da hört man furchtbare
Taute und schreckliches Geschrei und sieht sonderbares Feuer,
liier bleiben die Büsscr fünfundzwanzig Tage und nehmen täglich
nicht mehr Reis zu sich, als sie dreimal mit der hohlen Hand
fas-sen können, und trinken nur Wasser. Am Ende dieser Zeit
vereinigen sie sich alle und gehen in eine jenseits des Waldes
liegende Wüste, oft mehr als tausend auf einmal, luid knieen
tlort vor einer Tagode nieder, und ein jeder bekennt laut die
Sünden seines ganzen Tebens, indess die andern stillschweigend
zuhören. Wenn alle ihre Beichte abgelegt haben, legen sie alle
ihre Mand auf den Pagoden und verpflichten sich durch einen
l^id, keinem Menschen jemals zu entdecken, was sie gehört
haben, wenn sie diese Einöde wieder verlassen werden. Während
dieser ganzen Zeit schlafen sie nie und kleiden sich nicht aus.
Sie tragen Kleider von gröberem Stoff und enger zusammen-
geschnürt und gehen ohne Schuhe und mit blossem Haupte.
Sie bleiben fast niemals an einem Orte, sondern gehen den
ganzen Tag im Walde um den Berg wie in einem Bittgange
herum. Wenn sie an bestimmte Orte kommen, ruhen sie etwas
aus und richten einen grossen Scheiterhaufen auf, um sich bei
dessen Feuer zu wärmen. Ein Führer leitet alle ihre Gebete
und Bussen. Wenn einer während der Ruhezeit einzuschlafen
anfängt, wird er vom Führer mit einigen Stössen aufgeweckt.
Kann einer vor Mattigkeit die Reise mit den übrigen nicht
weiter fortsetzen, so lässt man ihn allein, und er muss aller
Hilfe beraubt zu gründe gehen. Stirbt einer vor den andern,
so bedecken sie seinen Leichnam mit Steinen und stecken einen
Pfahl in die Erde mit der Inschrift des Namens des Verstor-
benen und des Orts, woher er konunt. Jeder Pilger trägt ein
Täfelchen um den Hals, worauf sein Name und der seiner
Heimat geschrieben steht. Wenn sie in diesen Wüsteneien
herumirren, sehen sie oft schreckliche Gestalten und diabolische
]\nttcilnngcn des Japaners Aujiro 'über Japan. 293
Trugbilder, indem die Teufel sich oft unter sie mengen, so dass
manchmal hundert Personen zweihundert zu sein scheinen. Wenn
der Führer dann bemerke, dass einige das Täfelchen mit ihrem
Namen nicht haben, so bäte er die Büsser, ruhig zu sein und
eifrig zu ihrem Gotte Doniche zu beten, er möge sie von dieser
Gesellschaft befreien. Auf dieses Gebet verschwinden dann die
Teufel und lassen die Büsser ihre Uebungen vollenden. Diese
Leute sehen nach Vollendung ihrer Busszeit so ausgezehrt aus,
dass sie vor Blässe dem Tode selbst ähnlich sind. Nach Hause
kehren sie in Begleitung vieler Leute aus der Stadt, die sogar
ihre Kleider mit vieler Ehrfurcht küssen. 49)
Es gibt in Japan viele Zauberer und Hexen ; 5°) jedoch
stehen sie nur bei den Einfältigen, gar nicht aber bei vernünf-
tigen und klugen Leuten in Achtung. Auch Sterndeuter gibt
es, die hochgeschätzt werden, weil sie sehr vieles richtig vor-
hersagen. Die Eingeborenen schreiben Chroniken ihrer Ge-
schichte gerade wie wir, und da sie uns an Sitten und Scharfsinn
so gleich kommen, so ahmen sie auch in vielen Stücken unsere
Lebensart nach. Der Mann, der mir alles das, was ich bisher
schrieb, erzählte, ist in der That von einem Scharfsinn und
Verstand, um den manche von uns ihn beneiden möchten.
Ebenso besitzt er eine in Wort und That bewiesene praktische
49. Aehnlich berichtet der Jesuitenfrater Pedro Alcaceva nach seiner Rückkehr
aus Japan in einem 1554 zu Goa geschriebenen Briefe an die Gesellschaft Jesu in
l'ortugal : „ Gewisse Bonzen verfügen sich Busse halber auf einen hohen Berg zu
einem Götzenbilde. Da fasten sie sechzig Tage und essen achtmal nur so viel, als
sich mit einer Hand fassen lässt. Dann bekennen sie einander ihre Sünden und
schwören, sich nicht zu verraten." Die Religiösen, an die hiebei zu denken ist, sind
die der Shingonsekte zugehörigen Yamabushi oder Bergmönche (auch SJiiigenja
genannt), wie schon daraus ersichtlich wird, dass sie nach Anjiros Bericht zu
Doniche {^ — Dainichi) beten. Die hauptsächlichsten Berge, zu denen solche Pilger-
züge gingen, sind der Tateyama in der Proving Etchü, Ontake oder Mitake in
Shinano, der Öyama, und der heiligste von allen, Japans Kleinod, der Fujisan.
Von dialiolischen Erscheinungen wie den im Bericht erwähnten fälbelte mir selbst
noch ein alter Shugcnja.
50. Es waren besonders die Yatnahiishi oder Shtigcn, aljer auch die Shintö-
priester, die sich mit Zauberkünsten und Wahrsagerei befassten.
294 Aiihaiii^ in.
Geschicklichkeit. An den Sünden, die er unter den Christen
wahrnimmt, nimmt er grossen Anstoss.
lu" glaubt, alle Japaner würden den christlichen Glauben
sehr gern annehmen, wenn einige Christen zu ihnen kämen,
weil in ihren Büchern geschrieben steht, es werden einmal alle
Menschen ein Gesetz haben, und weil sie ein vollkommeneres
Gesetz als das ihrige erwarten. 13a aber niemand einen besseren
Glauben als den unsrigen finden kann, was auch dieser Japaner
einsieht und gern bekennt, so preist er sich glücklich, von Gott
die grosse Gnade erhalten zu haben, zum Werkzeuge auserwählt
zu sein, Christen nach Japan zu führen, welche das heilige Gesetz
dort verkünden wollen. Obwohl er verheiratet ist, so bietet er
sich doch an, die Patres, die dahin reisen werden, zwei bis vier
Jahre zu begleiten, bis sie in dieser Proxinz einen guten Grund
des Christentums gelegt und die Sprache werden erlernt haben.
Das Klima ist, wie er sagt, sehr gesund, doch kommen
häufig Orkane und Erdbeben vor. Es ist ein Ueberfluss an
Früchten aller Art wie auch an Vögeln und Metallen, wie in
Europa. Es gibt da wenige giftige Schlangen, aber viel Wild,
wie Hirsche, Wildschweine, Hasen und dergleichen. Wein aus
Trauben wird nicht gemacht, aber man bedient sich eines aus
Reis gegohrenen Trankes, 50 ähnlich dem Gerstensaft in Flan-
dern. In den Wäldern kommen wilde Weinstöcke vor, welche
Trauben tragen. Die gewöhnliche Nahrung ist Reis mit Kohl
und Fische wie in Indien. Weizen kommt viel vor, wird aber
nicht zu Erot benützt, sondern zu feinem Gebäck u. dgl. ; der
Reis vertritt die Stelle des Brotes. Man isst dass Fleisch wilder
Hühner; Haustiere dienen nicht als Lebensmittel.
Er sagt, es sei im Lande ein Fürst, welcher in seinem
Banner ein Zeichen wie ein Kreuz habe, und das sei das Wap-
pen seiner Familie, das sonst niemand führen dürfe. 5^) Das
ganze Volk bete an Körnern wie wir am Rosenkranz, und die-
51. Sake genannt.
52. Familicnwappcn des Hauses Shimazu in Satsuma. Siehe S. 86. ff.
Mitteilungen des Japaners Anjiro nher Japan. 395
jenigen, welche lesen können, bedienen sich kleiner Bücher;
die, welche an den Körnern beten, verrichten bei jedem ein
Gebet, das nocheinmal so lang ist als das Vaterunser, Diese
Rosenkränze haben hundertundacht Körner ; und da wir ihn
um die Ursache dieser Zahl fragten, antwortete er, die Gelehrten
sagten, dass der Mensch auf hundertachterlei Arten sündige,
und gegen jede derselben müsse er ein Gebet verrichten. 53)
Dieses Gebet ist in einer Sprache abgefasst, welche das Volk
nicht versteht, wie bei uns das Lateinische. 54) Früh morgens,
wenn sie aufstehen, sagen sie neun Worte 55) und bezeichnen
sich mit zwei aufrecht gehaltenen Fingern der rechten Hand
(wie wir Christen es zu thun pflegen, wenn wir das Kreuz
machen) mit neun Kreuzen nach Art des Andreaskreuzes,
wodurch sie vor den Teufeln sicher zu sein glauben. 5^)
Ihre Religiösen legen die Gelübde der Keuschheit, der
Armut und des Gehorsams ab und üben dieselben in Demut,
bevor sie in den Orden aufgenommen werden.
Diese Völker sind, da sie fast unter einem Himmelsstriche
mit uns sind, auch weiss von Farbe und von gleichem W'uchse.57)
53. Dass die hundertacht Körner des Rosenkranzes ebensovielen Sünden oder
Fleischeslüsten {JivaI:ii-JiacJii-lwii-iiö') entsprechen, welche allen menschlichen Wesen
anhaften, ist auch heute noch die von buddhistischen Priestern gegebene Erklärung.
54. D. h. im Bonji, einem korrumpierten Sanskrit.
55. N'aiuH Diyd Jw Jvnje lyö d. i. „Verehrung der Sfltra von dem wunder\-ollen
Gesetz des Lotus ! " ist die von den Anhängern der Nichirensekte gebrauchte, aus
einer der ältesten kanonischen Schriften genommene chinesische Transliteration.
Das gewöhnliche Gebet der andern Buddhisten sind die Worte Namii Amida Butsu
d. i. „ ^'^erehnlng dem Amida Buddha ! " Die Kamiverehrer sprechen jeden
Morgen, bevor sie ihr Tagewerk l)eginnen, vor einer Krystallkugel, dem Symbol
des göttlichen Wesens, die fünf Worte „ to Ito kaiiii emi tarne ", deren Bedeutung
schwer wiederzugeben ist. Ein aus neun Worten bestehendes Gebet wusste mir
kein Priester zu sagen.
56. Solche Zeichen sind bei den Religiösen der Shingon-shü üblich.
57. Ueber Abstammung und körperliche Eigenschaften der Japaner haben wir
ganz vorzügliche Arbeiten von Dr. E. Baelz in den Mittheil, der Deutschen
Gesellschaft für Natur-u. Völkerkunde Ostasiens Bd. III, 326-328,330-359; 367-368»
Bd. IV, 35-103; Bd. VIII, 227-235, sowie in den \'erhandlungen der Berliner
anthropologischen Gesellschaft 1901.
296 AiiJiaup; III.
Sie sind klug und hochherzig, h'eben Tugend und Wissenschaft
und crweiseii den Gelehrten viele Achtung.
Die Weise der Regierung im Frieden und im Kriege ist
wie die unserige, nur mit dem Unterschiede, dass bei Gericht
alles mündlich, nichts schriftlich abgethan wird. Die Rechts-
pflege hat einen sehr raschen Gang. Wenn ein Diener seinen
Herrn schmäht oder ihm eine andere Unbill zufügt, steht es
diesem zu, ihn auf der Stelle zu t(3ten, ohne dass er deswegen
zur Rechenschaft gezogen würde. Die höchste Würde des Yoo
geht auf dessen ältesten Sohn oder ([c\\ nächsten Verwandten
von väterlicher Seite über. Dasselbe ist auch bei den anderen
Fürsten Regel. Der Goxo vermittelt, wenn diese Streit unter-
einander bekommen ; wenn einer widerspenstig oder ungehorsam
ist, so erklärt er ihm den Krieg, beraubt ihn des Reichs und
zuweilen auch des Lebens ; doch wird die Würde der Familie
nicht genonnnen, sondern er räumt sie dem ein, dem sie von
Rechts wegen zugefallen wäre, wenn der Fürst eines natürlichen
Todes gestorben wäre.
Um Nachlass der Sünden für Lebende wie Verstorbene zu
erhalten, beten die Japaner, geben Almosen, machen Wallfahrten
und halten Plasten zu verschiedenen Zeiten im Jahre. Sie essen
zwar gleich uns um die Mittagszeit, doch ist ihr Fasten viel
strenger als das unsrige.
Auf einem Berge der Insel leben fünftausend Religiöse,
welche sehr reich sind, viele Diener, gute Wohnungen und feine
Kleider haben. Sie beobachten die Keuschheit so strenge, dass
kein weibliches Wesen auf dreitausend Schritte sich dem Kloster
nähern darf 5^)
Weiber dürfen fünfzehn Tage hindurch nach der Geburt
eines Kindes nicht berührt werden, und während vierzig Tagen
58. Der hier erwähnte Berg möchte eljensowohl der Hiyeizan bei Kyoto wie
der Köyasan sein. Auf ersteren weist die grosse Zahl und der Reichtum der
Mönclie, auf letzteren die Angabe, dass kein weil)liches Wesen Zutritt zu ihm
hatte. Erst seit der letzten Revolution ist es Frauen gestattet, zu dem Kongufuji-
Kloster auf dem Köyasan, einer Gründung Köbö Daishis, zu pilgern.
Mitteilungen des Japaners Auj'iro über Ja ['an. 297
gehen sie nicht in den Tempel. Die Dienstmägde wohnen,
wenn sie niederkommen, in einem andern Hause abgesondert ;
so auch zur Zeit der Menstruation. Wer sie zu dieser Zeit
berührt, wird für unrein gehalten und muss, wie nach dem
mosaischen Gesetz, gewaschen werden. 59)
Arme Weiber, welche viele Kinder haben, töten die jüng-
sten, damit sie nicht sehen müssen, was für ein elendes Leben
sie führen, und dies wird nicht gestraft. ^)
Er erzählte uns ferner, vor fünfhundert 61) (andere sagten,
noch früher) Jahren seien im Königreiche Cenico, von wannen
man durch die Tartarei und China nach Japan kommt, und in
Japan selbst infolge der Lehre Xacjuas die Götzenbilder zerstört
worden. Wenn Xaqua über die Hölle predigte, sagte er, die
Seelen würden darin von den Teufeln mit verschiedenen Feinen
gequält, die Verdammten seien in ewigem Feuer und anderen
ähnlichen Qualen ; es gebe einen Reinigungsort, wo die Seelen,
welche in diesem Leben nicht genugsam Busse für ihre Sünden
gethan haben, zurückgehalten würden, bis sie geläutert seien ;
und im Paradiese seien Engel, welche die Majestät Gottes be-
trachten. Sie glauben, dass die Engel die Menschen beschützen,
und darum tragen sie Bilder von Engeln bei sich, welche, wie
sie sagen, aus anderer Substanz und anderen Elementen wie wir
gemacht seien. 62)
59. Wie der lod, so verunreinigt im Sliintoismus auch die Geburt. S.vniw
und DiCKlNS fanden die altjapanische Sitte, dass sich die Frauen zum Zwcclc ihrer
Entbindung in eine dafür temporär erbaute Hütte (//(5«-j'rt = Geburtsliaus genannt)
zurückzogen, nocli auf der Insel Ilachijö vor, als sie dieselbe im Jahre 1878
liesuchten. Vgl. T. A. S. J. Vol. VI, p. 455 f.
60. Dies gab den Jesuiten sehr bald Veranlassung, Findelhäuser zu errichten.
61. Nach der andern Version des Berichts vor 1600 Jahre7i.
62. \Vas hier den Engeln verglichen wird, sind die japanischen Tenuin.
Schon Arai Hakuseki fiel die Aehnlichkeit zwisclien beiden auf. Vgl. FoXiioi.M,
Arai Haktiseki mid Fa/er Sidotti in Mitth. d. D. G. f. N. u. V. O. Bd. VI, 165 f.
Dr. LöXHOLM gil)t für Kzwonteiiin die Uebersetzug ,, strahlende himmlische
Männer". Ich finde jedoch diese imaginären Wesen in Japan stets als schöne weib-
liche Gestalten mit Flügeln, nie in männlicher Form abgebildet. Sie gelten als
ewig jung und wohnen im Paradies des Westens, dem buddhistischen Himmel, wo
sie die Seelen der Aijgeschiedenen Amida vorstellen, singen und musizieren.
29H AnJtans; III.
Sic verrichten viele Gebete zum Lobe Gottes, und besonders
die Religiösen üben die Betrachtung. Wenn sie singen, ver-
sammeln sie sich um (\i::\\ Altar; sie läuten mit Glocken, um
das Volk 7x\ den Predigten, /.um Gottesdienste und Gebete zu
versammeln. Wenn jemand stirbt, so versammeln sie sich mit
brennenden Kerzen, um ihn zu begraben oder zu verbrennen.
Alle ihre Gesetze, Schriften und Gebete sind in einer von der
gewöhnlichen abweichenden Sprache verfasst, wie bei uns die
lateinische ist. Da wir ihn fragten, ob sie auch Opfer hätten,
antwortete er, an «/ewissen Taljen verrichteten die Priester einen
gewissen Gottesdienst, besonders aber ihr Vorsteher, der in einer
besonderen Kleidung in den Tempel gehe und in Gegenwart
des Volkes gewisse wohlriechende Sachen gleich dem Weihrauch
— Aloeholz und gewisse wohlriechende Blätter — auf einem
Steine wie einem Altare unter Absingung von Gebeten verbrenne.
Die Tempel haben dasselbe Privilegium wie die unsrigen, so
dass die Diener der Gerechtigkeit niemanden aus denselben
herausholen dürfen, ausgenommen solche, die einen Diebstahl
begangen haben. Sie haben in ihren Kirchen manche Bilder
von Heiligen beiderlei Geschlechts, die teils geschnitzt, teils
gemalt sind, eine Krone oberhalb und einen Schein darum
haben. ^3) Wenn sie gleich nur einen Gott, den Schöpfer aller
Dinge, anbeten, so beten sie doch zu den Heiligen, dass sie bei
Gott für sie bitten. Sie pflegen auch ein iM-auenbild mit einem
Kinde auf den Armen abzumalen ; sie nennen es Quaneuoa
[Kwannon]. Zu ihm nehmen sie als zu ihrer allgemeinen Schutz-
frau in allen ihren Nöten ihre Zuflucht, so wie es die Christen
zur seligsten Jungfrau zu thun pflegen. Von der Lebens-
gcschichtc dieser heiligen P^'au konnte er uns nichts sagen. ^4)
Die Japaner machen keinen Unterschied der Speisen und
haben keine Beschneidung. P^s scheint, dass das Evangelium
63. Dieser Ileiligenscliein, go-kd genannt, initcrsclicidet sich in nichts von
dem in der christlichen läildkunst geljräuclilichen.
64. Siehe Kap. I, Anm. 11 und Kap. VIII, S. 117.
Uliitcilungcn des Japayicrs Anjiro nhcr Japan. 299
dort schon verkündet wurde, dass aber sein Licht infolge der
Sünden verdunkelt und dann durch irgend einen Irrlehrer wie
Mohammed ganz genommen wurde. 65)
Während ich dies schrieb, kam ein armenischer Bischof zu
mir, der über vierzig Jahre in diesen Gegenden gewesen ist.
Er sagte mir, er habe gelesen, Armenier hätten im Anfang der
Kirche in China gepredigt und hätten es zu Christo bekehrt. 66)
Doch würde es sehr gut sein, wenn das Licht des wahren
Glaubens und die Lehre des Evangeliums noch einmal diesen
Nationen gebracht würde. Um wie viel verdienter um die
Kirche Gottes als diejenigen, die durch ganz Europa bei ihrem
Priestertum lustig und wohlauf und im Ueberflusse leben, das
Talent, das sie von Christo empfangen haben, vergraben und
weder für ihr noch für Anderer Heil sorgen, würden sich daher
jene machen, die, wo es um das Heil der Menschen sich
handelt, keinerlei Arbeit oder Beschwerde scheuend, in diesen
weiten Erdstrich das Licht des Glaubens brächten. Niemand
lasse sich durch die Entfernung abschrecken, der weiss, dass
ihm die Sorge für das Heil seines Nächsten anbefohlen ist.
Obwohl die Reise von Rom nach Japan 8000 Stunden beträgt,
so sind doch denen, welche Gott und das Heil der Seelen
lieben, alle Mühen und Gefahren der Welt eine Lust.
65. Siehe S. 87 f. und Anm. il.
66. Ein merkwürdiges Denkmal aus dem Jahre 781, der 1625 beim l!au einer
Mauer in der Nähe von Siganfu aufgefundene Stein mit seiner teils in chinesischer,
teils in .syrischer Syrache abgefassten Inschrift, bezeugt, dass die armenischen
Nestorianer seit 625, begünstigt von den Kaisern, das Evangelium in China ver-
kündigt haben. Manches aber spricht dafür, da.ss sich schon im J. 505 dieses
„ chaldäische " Christentum der Syrer von Persien aus bis nach dem Reich der
Mitte verbreitet hatte. Das erwähnte Steindenkmal gibt einen Ueberblick ül)er die
chinesische Missionsthätigkeit für beinahe 150 Jahre. Von 781 ab scheint sie sich
fortgesetzt zu haben, bis die zunächst gegen den Buddhismus gerichtete Verfolgung
auch sie heftig in Mitleidenschaft zog. Ob die von Marco Polo im 13. Jahr-
hundert erwähnten, von den mongolischen Herr.schern geduldeten und erst seit
deren Niederwerfung durch die Mingdynastie (1368) verschwuntlenen nestorianischen
Kirchen in China auf die früher daselbst bestehenden und zu Kirclicnprovin/en
verbundenen, von Seleucia abhängigen zurückgingen, ist zweifelhaft.
300 Allhang III.
So Gott will, wird unser l\itcr Magister Franciscus mit
l'aul, tlcr uns dies alles erzählt hat, zwei anderen christlichen
Japanern und mit drei anderen ]5rüdern aus unserer Gesellschaft
zu Anfang kommenden Aprils die Reise nach Japan antreten,
\\x\(\ in zwei Jahren werden Ew. Hochwürden Nachricht haben
\-(>n dem Guten, welches wir in diesem Lande zu wirken
hoffen mit der Gnade unsers Herrn Jesus Christus, der
gebenedeit ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Cochin, Anfangs Januar 1549. 67J
Laus Dco.
67. Nach anderer Datierung: Ende des Jahres 154S.
IV.
Pauli Japonii ad Societatem Jesu in Indiam.')
Quod mihi maxime fuit optatuni, ut in Japoncm rcdirc,
matrcm nieam, & uxorcm, ac filiam, cognatos praeterea ac fami-
liäres meos ab impio daemonum cultu ad Christi rehgionem
traducere mihi hcerct ; id jam Dei Domini nostri dementia sin-
gulari SLim consequutus. Nunc autem aha me coquit cura, ut
ii, quemadmodum ad Christum conversi sunt, sie in fide, quam
ei dederunt, firmi stabilesque persistant. quod ego cum a
Domino precor itendidem ; tum vos, per Christum, ut in precibus
vestris ac sacrificiis mei meorumque memores sitis, obtestor :
quandoquidem ad salutem (nisi principiis consentiant exitus)
coepisse nil prodest. Japonii me sane quam Hbenter audiunt
de Jesu Christo verba facientem. itaque multos, favente Deo,
Christianos fore confido. Nos hie omnes corpore (utinam aeque
spiritu) bene valemus. & quamquam a vobis locorum intervallo
disjuncti sumus ; tamcn & animis in praesentia conjuncti vide-
mur ; & erimus ahquando corporibus : videHcet cum ad extremum
Judicium excitabimur, utinam cum Domino regnaturi. Con-
goxima, Nonis Novembris, M.D.XLIX.
I. Siehe S. 139. Dieses Schreiben des ersten japanischen Christen Anjiro
findet sicli in der hier wiedergegebenen lateinischen Ucbersctzung bei Maffki.
\
FESTSCHRIFT ^ "^
ZUR ERINNERUNG
AN DAS 25 JÄHRIGE STIFTUNGSFEST
DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR NATUR- UND
VÖLKERKUNDE OSTASIENS
a)}i, 2g. Okiober iSgS
Herausgegeben von dem Vorstande
TOKYO
nriKk «ler KIliliTO UAlil'lX Bl'CJlWRlC'liEREl, l>«iikiji,
1902
DIE ERSTEN
FÜNFUNDZWANZIG JAHRE
DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR
NATUR- UND VÖLKERKUNDE ÖSTASIENS.
1873 — 1898.
SKIZZE
DER GESCHICHTE DER GESELLSCHAFT.
Im Auftrage des Vorstandes verlesen in der Festsit/.ung
IX Tokyo am 29. Octodek, 1898.
An einem nationalen Festtage, dem Geburtstage Kaiser
Wilhelms I, ist vor 25 Jahren die ,, Deutsche Gesellschaft für Natur-
und Völkerkunde Ostasiens " begründet worden. In den in der
ersten Generalversammlung am 26. April 1873 vereinbarten
Statuten wurde als Zweck der Gesellschaft angegeben, den Mit-
gliedern 7Aim Austausch ihrer Ansichten und Erfahrungen in
Betreff der Länder Ostasiens Gelegenheit zu geben, darüber
hinaus aber die Erforschung der Länder des fernen Ostens zu
fördern und durch die herauszugebenden Mittheilungen der Ge-
sellschaft die wissenschaftliche Kenntniss Ostasiens zu mehren und
zu verbreiten. Es waren 71 Herren, die sich unter Vorsitz
unseres jetzigen Ehrenmitgliedes, des damaligen Kaiserlich
Deutschen Ministerresidenten Herrn M. von Brandt, endgültig
am 5. Juli 1873 als Begründer der Gesellschatt für Natur- und
Völkerkunde Ostasiens constituierten. Eilf dieser Herren si,;d
bis zum heutigen Tage fast ununterbrochen Mitglieder unserer
Gesellschaft geblieben ; ausser dem genannten Vorsitzenden die
Herren
G. Rcddcliii, damals in ^'okoliania, jetzt in IlaniburG^
INI. J5air, ,, „Tokyo, ,, Kaiser). 1). Konsul
a. ]). in Paris.
V. Kricn, ,, ,, ,, ,, ,, D. Konsul
in Seoul.
C. Illics, ,, ,, Yokoliania, ,, in I[aml)urg.
J. Naudin, ,, ,, ,, ,, ,, Yokoliama.
H. O. de la Camp, tiamals in ^^)k()hama, jetzt in New York.
A Oestmann, ,, ,, ,, ,, ,, Kobe.
Dr. Th. V. Ilolleben, ,, ,, Pekinj^, ,, Kaiserl. I).
Botschafter- in
Washington, Excellcnz, Ehrenmitglied d. Gesellschaft.
Dr. \-on Möllendorf, damals in Peking, jetzt in Shanghai.
P. Kempcrmann, ,, ,, Tokyo, ,, Kaiserl. D. ]\Iini-
sterresident in Bangkok.
Gleicli von Anfang an ^\■urde festgesetzt, dass die Sitzungen
einmal im Monat und zwar in der Regel abwechselnd in Tokyo
und \'okohama stattfinden sollten. In Yokohama stellte der
Yorstand des Clubs Germania bereitwillig einen Saal für die
Sitzungen zur Verfügung, während an dem Hauptsitze der Ge-
sellschaft im Shibapark ganz nahe bei dem jetzigen Bazaar ein
Tempelgrundstück Tenkoin als Heim der Gesellschaft gemiethet
wurde. Um den wissenschaftlichen Aufgaben des Vereins gerecht
zu werden, wurde auch auf die Anlage einer auf Ostasien
bezüglichen Bibliothek und auf die Sammlung ethnographischer
und naturhistorischer Objekte Bedacht genommen. Mit bewunde-
rungswürdiger Opferfreudigkeit schenkten sehr viele Mitglieder
werthvolle Bücher und interessante Veranschaulichungsmittel der
l^ibliothek und der Sammlung der Gesellschaft. Manches, beson-
ders Bücher, wurde auch durch Austausch erworben. Die
japanische Regierung überlicss die von Siebold nachgelassene
l^ücher.sammlung der deutschen Gesellschaft zur Benützung. ' Ei-
frige Thätigkeit und gedeihlicher P^ortschritt sprechen aus den
Berichten tles Vorstandes in den ersten vier Jahren, und docu-
mentieren sich in den umfangreichen \^eröffentlichungen der
Gesellschaft in dieser Zeit. Namentlich meteorologische Er-
scheinungen, die P\auna und Plora Japans, medicinische und
phannakülügische Studien, die japanische und chinesische Musik,
das Schachspiel im fernen Osten, und die Geheimnisse der
Rechenmaschine standen neben Reiseschilderungen und topo-
graphischen Messungen im ^littelpunkte des Interesses.
Bald stellte sich aber heraus, dass man das Ziel ein wenig
zu hoch gesteckt hatte und von den Mitgliedern Leistungen
forderte, die auf die Dauer von vielen nicht willig getragen
wurden. Das Eintrittsgeld betrug damals trotz des hohen Silber-
kurses zehn, und der monatliche Beitrag, auch für auswärtige
Mitglieder, zwei Dollar. Namentlich die nach Europa zurück-
gekehrten Mitglieder empfanden bald eine solche sich auf jährlich
etwa loo ]vlark belaufende Beisteuer recht drückend. Der
damalige Vorstand befand sich in der schwierigen Lage, für
Aufbewahrung der durch interessante Geschenke und sorgfaltige
Ordnung an Werth gestiegenen Sammlung erhebliche Summen
an Miethe, Dienerlohn, Feuerversicherimg und passende Schränke
und Behälter aufwenden zu müssen, so dass bei den hohen
Kosten der oft mit Abbildungen geschmückten Publicationen das
Budget kaum balanciert werden konnte ; und doch musste er die
Klagen über die Höhe des Beitrages als gerechtfertigt anerken-
nen. ¥a- suchte Abhilfe zunächst durch Beschaffung billigerer
Miethsräume und Herabsetzung der Druckkosten. Dadurch Hess
sich seit 1877 eine Ermässigung der Beiträge Rir auswärtige
]\Iitglieder auf jährlich zwölf Dollar durchRihren. Inzwischen
hatte aber auch die japanische Regierung das Tokyo-Museum
begründet und mit reichen ^vlitteln zu Anschaffungen versehen,
so dass für die Zwecke, für die bis hahin allein die private
Vereinigung der Deutschen in Japan so erhebliche Opfer gebracht
hatte, nunmehr von Staatswegen gesorgt wurde. Da die Unter-
haltungs- und Bergungskosten der Sammlungen nicht weniger
als 60 ^0 der Einnahmen unserer Gesellschaft verschlangen, so
ergab sich als einfachster Ausweg aus den finanziellen Schwierig-
keiten die Auflösung des Museums. In der ordentlichen General-
versammlung vom 19. Januar 1878 schlug Herr Dr. Baelz vor,
die Sammluniren der Gesellschaft dem Museum für Völkerkunde
4
in Leipzig zu schenken, um diu-cli die lü'sparniss der Auf-
bewahrungskosten in die Lage zu kommen, die I^^iträge auch
der Yokohama Mitglieder herabzusetzen, und doch für den
Druck der Mitteikingen grössere Mittel verfügbar zu haben.
Der \-erdiente Conservator der Sammlungen, Herr Dr. Wagener,
schritt sofort zur lünpackung der sorgfältig gehegten Schätze.
Am 2''-'" l'^ebruar 1878 wurde in einer ausserordentlichen General-
versammlung in Yokohama der Vorschlag des Herrn Dr. Baelz
zum Keschluss erhoben.
Mit der Ausführung dieses Beschlusses kam eine Periode
der Aufregung über unsere Gesellschaft. Die in Tok3'o und
Yokohama anwesenden Mitglieder nämlich, denen der Conservator
des Museums oft und eindringlich die Lücken der verschiedenen
Abtheilungen x^orgehalten hatte, um sie zu weiterem Sammeln
und Schenken anzuspornen, unterschätzten den Werth des bereits
Zusamunengebrachten so sehr, dass sie fürchteten, in Deutshland
würde kaum eine Museumsverwaltung die Transportkosten daran
wenden, um eine solche Sammlung geschenkt zu erhalten. " Merr
Consul Bair erbot sich deshalb sogar, um das Geschenk an-
nehmbar zu machen, als Beihilfe zu den Frachtspesen seinerseits,
wenn nöthig, ein pecuniäres Opfer zu bringen. Aber man
wurde bald eines Besseren belehrt. Während nämlich die un-
erwartete Schenkung in Leipzig eine so kühle Aufnahme fand,
dass die Annahme nicht einmal hierher telegraphiert wurde,
bewarb sich das Berliner Museum für Völkerkunde telegraphisch
um Berücksichtigung bei der Entäusserung, und bot ent.spre-
chende (Gegenleistungen an. So gern der Vorstand das vorteil-
haftere Angebot aus der Reichshau[)lstadt im Interesse der
(jesellschaft verwerthet hätte, so konnte die ausserordentliche
Gener^jlversammlung vom 27. April die Schenkung doch nicht
mehr zurücknehmen und nur von der Leipziger Gesellschaft das
Verprechen erwirken, dass die Doubletten oder für das Berliner
Museum hervorragend wichtige Gegenstände der Reichshauptstadt
überlassen wurden. Die damals in Berlin ansässigen Mitglieder
waren mit dem Verlauf der Sache so unzufrieden, dass sich die
bis dahin bestehende Section Berlin auflöste. Uebrigens hat
die Sammlung im Leipziger Museum für Völkerkunde später
eine zweckentsprechende würdige Aufstellung gefunden. Auch
ist unserer Gesellschaft ein Diplom übersandt worden, worin der
Dank für die Förderung des Museums ausgesprochen ist.
In diesem zweiten Triennium unserer Gesellschaft brachten
unsere Mittheilungen an neuen Gegenständen namentlich oekono-
mische Themata, Probleme des Bergbaues und der Erdbeben-
messung, aber auch schon Uebersetzungen von chinesischen und
japanischen Literaturvv^erken. Herr von Eisendecher, kaiserl.
Ministerresident, Herr Prof Dr. Docnitz und Herr Kempcrmann,
Secretaire interprete, führten den Vorsitz im Vorstande. Die
Entäusserung des Museums erwies sich in der Tluit als eine
Lebensbedingung für die Gesellschaft. Man konnte jetzt die
theuren Räumlichkeiten im Tenkoin aufgeben und sich mit der
allerdings b-cir^ten Unterbringung der Bibliothek in der vom
japanischen Unterrichti^tiinisterium zur Verfügung gestellten
Halle Seido, neben dem Tempel des Confucius an der Ochano-
midsubashi, begnügen, wo auch die Tokyo-.Sitzungen abgehalten
wurden. Lifolgedessen besserte sich die Finanzlage der Gesell-
schaft von Jahr zu Jahr, obwohl jetzt auch der monatliche Beitrag
der in Tokyo residierenden Mitglieder herabgesetzt war. Der
Vorstand konnte die günstige Gelegenheit benutzen, eine Reihe
wertvoller Zeitschriften und Bücher aus der Bibliothek des Japan
verlassenden Mitgliedes Herrn Bramsen zu erwerben. Seit dieser
Zeit hat unsere Bibliothek in ihrer auf Ostasien bezüglichen
Specialität vor allen andern in Japan befindlichen Büchersamm-
lungen den Vorsprung gewonnen.
Das Jahr 1879 brachte für unsere Gesellschaft zwei Gelegen-
heiten, das Ansehen, das sie sich erworben hatte, auch öffentlich
zu documentieren. Am 21. Juni beehrte Seine Königliche Hoheit
Prinz Heinrich \'on Preussen die Sitzung der Deutschen Gesell-
schaft für Xatur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo mit
seinem Besuche. P3s wurde ihm das von u.>serm IMitgiied Herrn
Netto künstlerisch ausgeführte Diplom der I^hrenmitgliedschaft
6
und ein seltenes, auf die erste brandenbui-i;"i.sche Colonisation in
.Afi'ica durch Major \on der Groeben beziigliches Buch aus
dem Jahre 1092 überreicht. Dann (^dh die glückliche Ankunft
der Vega nach ihrer Fahrt durch das nördliche Eismeer die
Veranlassung, am 15. September, gemeinsam mit der japanischen
Geographischen Gesellschaft und der Asiatic Society, dem Leiter
der Ivxpedition Professor Nordenskjöld zu lehren ein PY-stmahl
zu veranstalten, bei dem Seine Kaiserl. Hoheit Prinz Kitashira-
kawa praesidierte und in deutscher Sprache den Toast auf den
Gast des Abends ausbrachte. Auch zeigte sich von diesem Jahre
an, durch den aus^serordentlich zunehmenden Verkauf unserer
Hefte in pAU'opa und sich mehrende Austauschgesuche, dass die
Bestrebungen un.serer Gesellschaft gewürdigt wurden. P^s wurde
von einzelnen Heften bereits eine neue Auflage nöthig.
Besonders reich an umfangreichen geographischen und ethno-
graphischen Monographien waren unsere Publicationen in den
Jahren i88[, 1S82 und 1883. Die damals veröffentlichten Bei-
trage über Yeso und die Ainos, die grundlegenden Arbeiten
über die Liukiu Inseln und die Körpereigenschaften der Japaner
haben grade unserm dritten Bande zu besonders zahlreichen
Einführungen in den verbreiteten Handbüchern der Völkerkunde
verhelfen.
Während so die wissenschaftliche Thätigkeit der Deutschen
Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens sich schon
im ersten Decennium ihres Bestehens auf achtunggebietender
Höhe hielt und allmählich auch die Finanzen auf eine gesunde
Basis kamen, machte sich ein andrer Uebelstand sehr störend
fühlbar. PJ)er Mangel eines eigenen Heims machte die Benutzung
der Bibliothek und die gesellige Vereinigung der ^^litgiieder in
Tokyo nur an bestimmten Tagen der Woche möglich. Dazu
kam, dass das Gebäude, in dem die japanische Regierung einige
Räume der Gesellschaft in entgegenkommender W^-ise drei Jahre
lang überliess, im Herbst 1881 einem Umbau unterworfen werden
musste. In dieser Verlegenheit gestattete die deutsche Reichs-
regierung für einige Zeit die Benutzung eines Backsteinhauses
auf dem Gcsandtschaftsgrundstück für die Bergung der Bibliothek.
Auch fanden die Sitzungen jetzt auf der Gesandtschaft statt.
Vom September 1881 bis zum December 1883 war auf diese
Weise unsere Gesellschaft in Japan auf deutschem Boden unter-
gebracht. Dann musste der Vorstand schleunigst ein neues
Unterkommen suchen. Wieder half die Liberalität der japa-
nischen Regierung aus der Verlegenheit, indem sie der Gesell-
schaft ein im U}XMiopark, Seikendera 5, gelegenes geräumiges
Haus zur Verfügung stellte. Aber auch hier traten wegen der
Baufälligkeit des Hauses nach 2-jähriger Benutzung Schwierig-
keiten ein. Um den Uebelständen, die mit so häufigen Umsiede-
lungen verbunden sind, für die Zukunft zu entgehen, beschloss
die in Yokohama am 27. Juli 1885 abgehaltene ausserordentliche
Generalversammlung den Ankauf eines eigenen Hauses. Das
central gelegene und vor Feuersgefahr relativ geschützte Grund-
stück in Kanda Imagawakoji Itchöme' 8, wurde im Namen
un-eres Mitgliedes Herrn Director Wada erworben und bereits
am 29. Oktober 1885 durch eine Festsitzung und eine Ansprache
des Vorsitzenden Herrn Dr. Wagener eingeweiht. Damit begann
eine neue Periode in der Entwickelung unserer Gesellschaft.
Es wurde ein besonderes Zimmer für die Benutzung der neu-
eingegangenen Zeitschriften eingerichtet und einer sich aus Mit-
gliedern der Gesellschaft zusammensetzenden Kegelgesellschaft
die Erlaubnis gewährt, an der Xordseite des Grundstückes eine
Kegelbahn zu erbauen. Mehr und mehr wurde das Vereinshaus
auch zu geselligen Vereinigungen der Mitglieder, namentlich
auch zur Feier des Geburstages des Deutschen Kaisers, verwer-
thet. Vor allem hat aber die nunmehr täglich zugängliche
Bibliothek erst seit der Begründung des eigenen Heims eine
entsprechende Benutzung gefunden. Auch wurden die in Tokyo
gebildeten Sectionen des Deutschen Kolonialvereins und des
Allgemeinen Deutschen Schulvereins ermächtigt, ihre Sitzungen
in den Räumen der Gesellschaft abzuhalten. Zeitlich v^orgreifend
darf hier schon erwähnt werden, dass durch einen grossen Umbau,
den Herr Architekt Tietze sowie unser Ehrenmitglied und Vice-
8
Präsident Herr \i. Lehmann im Jahre 1891 au.sf^efülirt haben,
ein geräumiger Sil/iingssaal und ein fciicrsiclieres Bibliotheks-
gebäude geschaffen worden sind, so dass seitdem unsere Gesell-
schaftsräurne den an sie gestellten Anforderungen vollkommen
geni^igen. Die PLiblicationen der Gesellschaft spiegeln auch die
in der intellectuellen japanischen Kntwickelung bemerkbaren
Veränderungen einigermassen wieder. Wie früher medicinische
und naturhistorische, so traten in den Jahren 1884 bis 1886
von später angekommenen Fachmännern bearbeitete statistische,
geologische und landwirtschaftliche Themata in den Vordergrund.
Nicht ohne Zusammenhang mit den seit 1884 stärker hervor-
tretenden Bemühungen um Vertragssrevision ist es, dass 1888
und 1889 deutsche Juristen in der Lage waren, uns auf Grundlage
von Quellenstudien über älteres und neues japanisches Strafrecht,
über die Lntwickelung der Rechtsverwaltung und über das so
eigentümlich gestaltete Familien- und Erbrecht in Japan zu be-
lehren. Sehr bald darauf documentierte sich auch die Anstellung-
deutscher Lehrer in der philosophischen Facultät und die neube-
gründete Mission des allgemeinen evangelischen Missions-vereins
in literarischen, philosophischen, historischen und religions-ge-
schichtlichen Vorträgen und Arbeiten. In den letzten Heften
des fünften Bandes kommen dann auch die Forstwissenschaft und
die Veterinär-Medizin zu ihrem Rechte. Durch Reisen, Studien
oder langjährigen Aufenthalt waren einige unserer Mitglieder
auch in den Stand gesetzt, interessante Vorträge über chinesische
Verhältnisse und Korea, über die Shan-Staaten, Neu-Guinea und
Hawaii zu halten, die meist in unsern Heften zum Abdruck
kamen. An Mannigfaltigkeit des Inhalts kann es der jüngst
abgeschlossene sechste Band mit seinen Vorgängern ruhig auf-
nehmen.
Die reicheren Mittel der Gesellschaft erlaubten ihr auch die
J^erausgabe von wichtigen Sammel- und Uebersetzungswerken
als Supplement unserer Mittheilungen. Rudorffs Tokugawa-
gesetzgebung, Florenz' Nihongi und Ehmann's Sprichwörter und
bildliche Ausdrücke der japanischen Sprache sind von so hohem
wisscnschaftUclien Interesse, dass die Kosten der DruckleG^uni^
von der Gesellschaft gern getragen wurden. JMit dem zulet/.t
genannten Werke ist auch der Uebergang zu dem handlicheren
Octavformat gemacht worden. Wir hoffen in wenigen Wochen
den ersten Halbband des siebenten Bandes in gleichem Format
zur Vertheilung zu bringen; über loo Seiten sind bereits ge-
druckt.
Dass die Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde sich einer
gedeihlichen Entwickelung erfreut, beweist die stetig wachsende
Zahl unserer Mitglieder und die immer eifrigere Nachfrage nach
unsern Mittheilungen, namentlich auch seitens anderer gelehrter
Gesellschaften, die mit uns in Austauschverkehr zu treten wün-
schen. Die Auflage ist im Laufe der Jahre von 250 auf 700
gesteigert worden. Für die Zunahme der jMitgliederzahl mögen
die Ziffern in Abständen von fünf zu fünf Jahren sprechen.
Wir hatten im Juni 1883 nur 78 Mitglieder, 1888 beinahe doppelt
so viel, nämlich 145, 1893 wider 44 mehr, nämlich 189, in
diesem Augenblick 265 Mitglieder.
Eine so gedeihliche Entwickelung einer gelehrten deutschen
Gesellschaft ausserhalb Europas steht wohl ohne Beispiel da
und berechtigt uns mit Befriedigung auf die nunmehr abgelaufe-
nen 25 Jahre zurückzublicken. Wir sind daflir allen Mitgliedern
und besonders den Herren, die uns durch Vorträge und wissen-
schaftliche Beiträge unterstützt haben, zu Dank verpflichtet.
Den hervorragendsten Antheil an diesem guten Erfolge haben
aber vier Männer, die wir schon früher bei Gelegenheit geehrt
haben, deren Andenken in der Gesellschaft für Natur- und Völker-
kunde Ostasiens aber niemals erlöschen darf. Herrn von Brandt,
Herrn von Holleben, Herrn Lehmann haben wir zum Zeichen des
Dankes zu Ehrenmitgliedern gewählt, der vierte weilt leider nicht
mehr unter den Lebenden : es ist der uns am 8. Nov. 1892 durch
den Tod entrissene Dr. Wagener, dessen in unseren Heften ein
Nekrolog wehmüthig und dankerfüllt gedenkt. Auch hat die
Gesellschaft dem Begründer der Japanologie Sir Ernest Satow
gelegentlich seiner Rückkehr nach Japan als Gesandter, sowie
lO
Herrn Professor Bastian y.u seinem siebenzi^rsten Geburtstag die
Ehrenmitgliedschaft 7Aierkannt.
Möge der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völker-
kunde Ostasiens noch eine lange fortschreitende Entwickelung
beschieden sein ! Möge sie immer hervorragende Kräfte finden,
die sich ihren Zwecken so opferwillig hingeben, wie es in den
abgelaufenen 25 Jahren geschehen ist !
GENERAL-INDEX
ZU
Band I bis VI
DER
Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für
Natur- und Völkerkunde Ostasiens.
Vorbemerkung.
Die vollen Titel der einzelnen Aufsätze sind nur im Ver-
zeichnis der Autoren gegeben. Hier ist auch, um sclion aus dem
Index ein genaues Citieren zu ermöglichen, d'e von den Veufasscrn
selbst beliebte Orthographie, besonders ihre eigene, stark dif-
ferierende Schreibweise japanischer Worter beibehalten. Im
Sachregister ist dagegen die vom Redaktionscomitee für die
,, Mittheilungen " gewählte Schreibweise durchgeRihrt. Es ist
die phonetische mit nur wenigen unwesentlichen Abweichungen
von der in Hepburn's Wörterbuch in Anwendung gebrauchte.
Die Vokale werden also wie im Deutschen gesprochen ; ,, ei "
fast wie ,, e."'.
ch tsch, tsh.
j dsch, dj.
s sz, s (scharf).
sh seh,
ts z.
z s, dz, ds.
y j-
I. \'ERZEICHNIS DER AUTOREN,
Ahlburg". Ein neues japanisches Pflanzengenus. Bd. II, 150.
Balistes conspicillum (seltener Fisch). Bd. II, 150.
Centrisciden (Fisch). Bd. II, 150.
Arendt, C. Beiträge zur Kenntniss der neuesten chinesischen
Literatur. Bd. I, Heft VIII, 37-39. Bd. II, 25.
Das schöne ]\Iädchen von Pao. Eine Erzählung aus der
Geschichte Chinas im 8. Jhd. \-. Chr. Bd. II, Beilage I.
Chu-Hsü, der Usurpator von W'e, Aus dem Jahr 719 v. Chr.
Bd. II, Beilage II.
Der Kaiser in seinem Verhältniss zu den Vasallenfürsten nebst
Andeu'.ungen über die barbarischen (nicht chines.) Völ-
kerschaften im jetzigen China. Zur Zeit der Chou — Dynas-
tie. Bd. II. Beilage II, 7 ff
Die Schlacht bei Hsüko (707 v. Chr.) Bd. II, Beilage III,
259-267 bis.
B
Baelz, Dr. K. Japanischer Bandwurm. Bd. II, 151 f
Ueber einige unbeschriebene japanische Krankheiten. I. Das
japanische Ueberschwemmungs-oder I'lussfieber. Bd. II,
409-415.
Ueber die in Japan vorkommenden Infectionskrankheiten.
Bd. III, 295-31 8.
Die körperlichen Eigenschaften der Japaner. Bd. III, 326—
328; 330-359; 3^7-3^^- Bd. IV, 35-103.
Vortrag über die Verbesserung der japanischen Rasse (Er-
wähnung). Bd. IV, 292.
14
Nikko im Herbst (Envälmung). 1kl. IV, 293.
Vortrag' über die Ernährung der Jai)aner vom volkswirt-
schaftlichen Standpunkt. (Bericht und Diskussion). Bd.
IV, 295-297 ; 397.
Japanische Badeanstalten (Bericht). Bd. IV. 395.
Lebensdauer der Japaner (Erwähnung). Bd. IV, 398.
Die religiöse Ekstase (Erwähnung). Bd. IV, 421. cf. Bd.
III, 253.
Kiodens historischer Roman : ] )er treue Ritter Uto Yasu-
kata nebst biographischen r>emerkungen über den Vcrfass^^r
und andere zeitgenössische Schriftsteller des 18. Jahr-
hunderts. Bd. V, 282-284.
Vorkommen von Parasiten bei Menschen in Japan. Bd. V,
346 f.
Festrede auf Phil. Franz von Siebold. Bd. II, 392-397.
Besessenheit, religiöse PLkstase und Verwandtes in Japan.
Bd. II, 453 f.
Beukema, Dr. T. W. Die Leichenverbrennung in Japan, und
Flügge, Dr. PI. — deren Geschichte und gegenwärtiger
Zustand. Bd. III, 1-12 ; 131 f.
Boyle. — Bestimmungen von Höhen am Nakasendo in Japan. Bd.
I, lieft III, 6.
Bramsen, W. — Notes on Japanese Coins. Bd. III, 21-28.
Brandt, M. v. — Chronologisches Verzeichniss der Kaiser und
Siogune. Bd. I, Heft I, 14-18.
Stammtafel der Siogun I'amilien bis zu lye Yasu. Bd. I,
Heft I, 19-20.
Das Solfatarenfeld des Vulkans Komangatake und des Yesan
bei Hakodate. Bd. I, Heft III, 4 f.
Höhenbestimmungen. Bd. I, Heft lil, 10.
Ueber den P^arbendruck der Japaner. Bd. I, Heft IV, 2.
Ueber japani-sche Emailarbeiten. Bd. I, Heft V, 1-3.
Die Anfertigung des Krepppapiers. Bd. I, Heft V, 5-7.
The Discovery of Japan and thc Introduction of Christianity.
Bd. I, Heft V, 28-33.
15
The Relations betwcen the lüiL^lish and thc Japanese from
1600 to 1854. Btl. I, Heft V, 33-37.
Der japanische Adel in seinen \-erschiedenen Classen, Ein-
theilungen, Titeln und Würden, I. Vor 1868. Bd. I, Heft
VI, 5-8.
Der Taifun vom 13. September 1874. Bd. I, Heft VI,
11-13.
Brauns, Dr. D. — Vorläufige Notizen über Vorkommnisse der
Juraformation in Japan. Bd. II, 440-442.
Bretschneider, Dr. E. — Ueber das Land Fu Sang nach den alten
chinesischen Berichten. Bd. II, i-ii.
Busse, Dr, L. — Streifzüge durch die japanische ethische Litteratur
der Gegenwart. Bd. V, 439-500.
c
Christlieb, Dr. M. — Neueste Literatur über Japan. (Bericht).
Bd. VI, 453; 477 f.
Cochius, Dr. H. — Ueber ein eigenthümliches Meeresleuchten.
Bd. I, Heft I, 23 f.
Die Solfatara von Ashinoyu. Bd. I, Heft III, 2 f.
Blumenfeste in Yedo. Bd. I, Heft IV, 26-28.
Nara, Bd. I, Heft VII, 32-36.
Ontake in Shinano. Bd. I, Heft X, 4.
D
Dittrich, R. — Beiträge zur Kenntniss der japanischen Musik.
Bd. VI, 37^391-
Doederlein, Dr. L. — Jungfernkranich. Bd. III, 89.
Kreuzotter auf Sachalin. Bd. III, 89.
Die Liu-Kiu-Insel Amami Oshima. Bd. III, 103-117; 140-
156; cf. 132.
Japanische Seeschlangen, Bd. III, 209 f.
Ueber einige japanische Säugetiere. Bd. III, 210 f.
Termiten in Japan. Bd. III, 211 f.
\6
Doenitz, Dr. W. — Ucbcr Shinio-Basliira, eine eic^cntümliche.
l<:isbildun-- in Japan. 1kl. I, lieft IV, 2 f.
Bemerkungen über Ainos. Bd. I, Heft VI, 61-67.
Ueber einen Töne von sich gebenden Schmetterling. Bd. I,
Heft VI, 68 f.
Ueber eine eigentümliche Missbildung bei einer Katze. Bd.
I, lieft VI, 69 f.
Fehlen der Fische im Chuzenjisee. Bd. I, Heft VIII, 2.
Fossiles Holz. Bd. I, Heft VIII, 2.
Japanische Plätteisen. Bd. I, Heft VIII, 2.
Ueber die Abstammung der Japaner. Bd. I, Heft VIII, 2 ;
39-41-
Zwei abnorme Japanerschädel. Bd. I, Heft X, 7.
Ueber Leichenverbrennung in Japan. Bd. I, Heft X, 28-29.
Beobachtungen an Becken von Japanerinnen. Bd. II, 1-3.
Tabelle der Maasse von sieben weiblichen japanischen Ikcken.
Bd. II, 32.
Ueber drei verschiedene Typen unter Japancrschädeln. 1kl.
II, 69-70.
Ueber den Vogelfang in Japan. Bd. II, 71-72.
Namengebung in Japan. Bd. II, 79.
Mittheilung über den Giftfisch Sebastes marmcratus. Bd. II,
151.
E
Eastlake, F. W. — Die geflügelte Sonnenscheibe. Bd. III, 426-434.
Eckert, F. — Japanische Lieder. Bd. II, 423-428.
Die japanische Nationalhymne. Bd. III, 131.
Ehmann, P. — Erwiderung auf die Einwürfe von Herrn Dr. Seitz
gegen meine Bemerkungen zum i. Theil seiner ,, Ver-
gleichenden Studien über die Faunen von China und Japan."
Bd. VI, 67-69.
Japanische Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten.
Bd. VI, 70-102.
Volksthümliche Vorstellungen in Japan. Bd. VI, 329-341.
17
Elkan, W. — Kunstgewerblicher Unterricht in Jajjan. Bd. VI,
397 f-
Japanischer Bronzeguss. Bd. VI, 450.
Eykman, J. F. — Ueber den giftigen l^estandteil, das ätherische
und das fette Oel von Illicium reh'giosum von Siebolds. Bd.
III, 120-130. cf; 177 f.
Chemische Untersuchung japanischer Pflanzen. Bd. III,
436 ff. IV, 108.
F
Fesca, Dr. M. — Vulkanische Verwitterungsprodukte aus dem
Toyama Ken. Bd. IV, 160.
Die landwirthschaftlichen Verhältnisse der Kai-Provinz in
Beziehung zu denen des japanischen Reichs. Bd. IV,
163-187. cf 161.
Bestimmung der Wassercapacität und Durchlüftbarkeit des
Bodens für Bonitierungszwecke. Bd. IV, 230-231.
Ueber die Entstehung des Raseneisensteins. Bp. IV, 231—
233-
Literatur über die Verhältnisse des Bodens und der Land-
wirtschaft in Japan. Bd. IV, 410-415.
Ueber das Klima Japans und den Einfluss desselben auf die
Pflanzenproduktion. Bd. V, 78.
Der Boden Japans als wirtschaftlicher Produktionsfaktor.
Bd. V, 143. f.
Bemerkungen zu den Ursachen des Erdbebens vom 28.
Oktober 1891. Bd. V, 380-383.
Ueber vulkanische Aschen, vulkanischen Schlamm und durch
Solfataren zersetzte Gesteine. Bd. VI, 342-351.
Florenz, Dr. C. A. — Beiträge zur chinesischen Poesie. Bd. V,
43-68.
Die staatliche und gesellschaftliche Organisation im alten
Japan. Bd. V, 164-282. cf. 141.
Zur japanischen Literatur der Gegenwart. Bd. V, 314-341.
i8
Allitcration in der japanischen Poesie. l-5cl. Y, 342-344.
Zur rs)xlioloi4ic des japanischen Witzes. Bd. V, 424-430.
Focke, Dl'. — Der liadeort Arima bei lliojTo. ]k\. 1. Heft IV,
. 41-44.
Forke, Dr. jur. — Ueber den Strassenhandel \]U(] das Stras.sen-
gewerbe in IVkinq;. Bd. Y, 295-30(S.
Fritze, Dr. A. — Saison-Dinior])hisn-ius bei japanischen Schinctter-
lini^en. Bc]. V, 144 f.
Die Fauna von Yezo im \'ergleich zur Fauna des übrigen
Japan. Bd. V, 235-248.
Funk, 1 )r. — Ueber die japanischen Theegesellschaften cha no ju.
Bd. I, Heft VI, 41-45.
Ueber Wahrsagung aus dem Panzer der Schildkröte. Bd. I,
Heft IX, 36-40.
Ueber Japanische Gebete. Bd. I, Heft IX, 40-42.
G
Gebauer. — Notizen über den P^ortschritt der japanischen Civili-
sation auf dem Gebiete der Ehe. Bd. II, 81-85.
Geerts. — Ueber die Pharmacopoe'e Japans. Bd. I, Heft IV,
36-41; Heft V, 16-21; Heft VI, 46-52.
Zur Kenntniss des japanischen Pflanzenwachses. Bd. I, Heft
V, 38 f.
Nachtrag zu den Mitteln zur künstlichen Erregung des
Abortus in Japan. Bd. I, Heft \^ 39.
Goertz, Dr. A. — Ueber in Japan vorkommende P1sch-und Lack-
vergiftungen. Bd. I, Heft VIII, 23-27.
von der Goltz, Freiherr. — Zauberei und Hexenkünste, Spiritismus
und Shamanismus in China. Bd. VI, 1-36.
Gottsche, Dr. G. — Bemerkungen zu Herrn Schütt's topo-
graphischer Skizze des I'uji. Bd. III, 363-365.
Ueber die Verbreitung der mesozoischen P'ormationen in
Japan. Bd. III, 369 ; 438.
Ueber Mineralproduktion in Japan. Bd. III, 400.
19
iJic erste japanische Fischereiausteilung zu Tokyo. 13d. III,
434 f-
Ueber Spirifer disjunctus von Forniosa in Japan. (Schma-
rotzer). Bd. III, 438.
Grasmann, Dr. E. — Forstliche Flxcursion in die Kiso-W'aldun-
gen, Provinz Shinano. Bd. V, 249-276; cf. V, 145 f.
Der Kampferbaum. Bd. VI, 277-315.
Greeven, O. A.— Ueber den Udji. Bd. I, Heft VH, 20 f; Bd.
II, 93-96.
Deichenverbrennung in Japan. Bd. II, S. III f.
Grimm, Dr. H. — Ansichten über die Aino. Bd. V, 186.
Ansichten über die Koropokgurugruben auf Yezo. Bd. V, 1S7.
Beitrag zur Kenntnis der Koropokguru auf Yezo und Bemer-
kungen über die Shikotan-Aino. Bd. V, 369-373.
Groth, Dr. A. — Ueber das höhere Unterrichtswesen in Japan.
Bd. III, 366 f.
Die Aussprache des Wortes ,, Japan." Bd. I\', 106.
H
Hagmaier, C. — Reise nach Kosaka und Aufenthalt daselbst.
Bd. II, 64-69.
Heeren, O. — Eine japanische Erdkugel (von 1670). Bd. I, Heft
n, 9-13-
Hering, Dr. O. — Die Frauen Japans im Spiegel der für sie
bestimmten Literatur. Bd. V, 10-27; cf Bd. IV, 457-
459.
Die literarische Thätigkeit Japans in der Gegenwart. Bd. V,
141-143.
Heusken, Hendrik. — Auszug aus seinem Tagebuch. Mitgeteilt
von Dr. G. Wagener. Bd. III, 375-390.
Hilgendorf. Dr. F. — F^in grosser japanischer Dintenfisch. (Om-
mastrephes). Bd. I, Heft I, 21.
Vorläufige Notiz über Talpa Mogura. (Schleg). Bd. I,
Heft I, 25.
20
Ueber eine an den Schädeln dei' Japaner häufig auftretende
Varietät des Jochbeins. Bd. I, Heft III, i f.
Ueber einige für die japanische Fauna neue Typen. Ikl. I,
1 left IV, 4.
Bemerkungen über die japanische Antilope. Bd. I, Heft V,
37 r.
Auffällige Gegendänunerung. Bd. I, Heft V, 39.
Ueber eine Süsswasser-Assel. Bd. I, Heft V, 39.
Japanische Süsswasser-Moosthierchen. Bd. j, Heft VI, 08.
Bemerkungen über die Behaarung der Aino's. Bd. I, Heft
VII. 11-13. (Forts, zu Bemerk, über Aino's von Prof.
W. Doenitz in Heft VI).
Der Tara (Gadus Brandtii). Bd. I, Heft VII, 39-40.
Japanische Drachenkugeln (Rionotama). Bd. I, Heft VIII,
2 f.
Der Kampferspinner (Genziki-Mushi). Bd. I, Heft IX, 56-58.
Mitsugi Kaiko (Seidenwurm). Bd. I, Heft IX, 58.
Geologische Beschaffenheit der Insel Fnoshima. Bd. I, Heft
X, 5-
Artbestimmung des giftigen Fugu. Bd. I, Heft X, 6.
Die japanischen Schlangen. Bd. I, Heft X, 29-34.
Japanische lachsartige Fische. Bd. II, 25-31. cf Bd. I,
Heft X, 7.
Hirose, Sataro. — Das japanische Neujahrsfest. Bd. III, 257-275.
Hofimann, Dr. — Die Heilkunde in Japan und japanische Aerzte,
Bd. I, Heft I, 23-25. Heft IV, 9-20.
Die japanische Kakke. Bd. I, Heft. II, 16-21.
Ueber die künstliche Frregung des Abortus in Japan. Bd. I,
Heft IV, 28 f.
Grosse Chiningaben bei chronischer Pneumonie und Lungen-
blutungen. Bd. I, Heft IV, 48.
Ueber die Bereitung von Shoju, Sake und Myrin. Bd. I,
Heft VI, 8-1 1.
Holh'Ung, Dr. M.— Ueber Kaiser— W'ilhclmsland. Bd. IV,
447-456.
21
Honda, Dr- M. — Eine Besteigung des Mount Morrison auf der
Insel Formosa. Bd. VI, 469-473.
HÜtterott, G. — Das japanische Schwert. Bd. IV', 111-128. cf.
i6r f.
Janson, J. L. — Das Veterinär-Institut zu Tokio. Bd. V, 395-
423-
Die Bedeutung weisser Tiere in Japan. Bd. V, 431-434.
Die tierischen Parasiten bei japanischen Wiederkäuern. Bd.
VI, 272-275.
Der schwarze Tod bei Tieren. Bd. VI, 45 i f.
Distoma pulmonale bei Tieren. Bd. VI, 454 f.
Ueber scheinbare Geschlechtsmetamorphose bei Hühnern,
Bd. VI, 478-480.
Janson, J. L. und IL Tekishige. — Filaria immitis und andere bei
Hunden in Japan vorkonniiende Parasiten. Bd. V, 349-
360. cf. 345 ff.
Jaquet, L. — Un nouveau succedane du cafe. Bd. II, 102.
K
Kellner, Dr. O. — Zusammensetzung japanischer landwirtschaft-
licher und technischer Produkte und Materialien. Bd. IV,
20s— 222.
Ueber den Gehalt der atmosphärischen Niederschläge in
Japan an Stickstoffverbindungen. Bd. IV, 236-238.
Beiträge zur Kenntniss der Ernährung der Japaner. Bd. IV.
305-321 (von Kellner und Mori). cf. 397. f.
Untersuchungen über das Rösten des Thecs. (von Kellner und
Mori). Bd. IV, 416-417.
Untersuchungen einiger japanischer Düngemittel. Bd. V,
28-36.
Besprechung von Fcsca, Beiträge zur Koniitniss der japani-
schen T.andwirthschafl:. 1kl. VI, 195 f.
Kempermann, !'■ — Die Gesetze des lyeyasu. Ikl. I, Heft I,
5-14. Heft II, 2-8.
Mittheihingen über die Kamilehre' Bd. I, Heft IV, 30-36.
Die Einwohner von Yezo in historischer Zeit in Japan
sesshaft. Bd. I, Heft VIII, 2.
Die Kami yo no modji oder Götterschrift. Bd. II, 85-93.
Ueber die Population Japans. Bd. II, 104.
Reise durch die Ccntralprovinzen Japans. Bd. II, 1 21-145.
Ueber die Einführung der Obstorten in Ostasien. Bd. II, 407.
Kitao, Dr. D. — Bewegung der Erdatmosphäre, insbesondere der
Wirbelstürme. Bd. V, 395.
Knipping, E. — Meteorologi.sche Beobachtungen aufgezeichnet auf
der Station zu Yedo, Japan. Bd. I, Heft I, 3.
Tabelle der monatlichen Resultate für Oktober 1872 bis
März 1873. Heft I, S. 4.
Resultate 1873. Heft II, 8 nebst Tabellen. Heft III, 14
nebst Tabellen ; Heft IV, 47.
Resultate 1874. Heft V, 40 nebst Tabellen ; Heft VI, 71.
Resultate 1874. 1875. PleftVIII, 41.
Resultate 1875. Heft IX, 63.
Resultate 1875. 1876. Heft X, 38.
Resultate 1876. 1877. Bd. II, 107-108.
Resultate 1877. Bd. II, 226.
Resultate 1877. 1878. Bd. II, 227.
Resultate 1878. Bd. II, 272 bis.
Resultate 1878. Bd. II, 332.
Gleichzeitige Barometerbeobachtungen angestellt auf dem
Gipfel und am Eusse des Eujiyama vom 27. Juli bis 10.
August 1873. Bd. I, Heft III, 7-9.
Zur Strömungsgrenze im Norden von Formosa. Bd. I, Heft
V, 27 f.
Einige Ilöhenbestimmungen. Bd. I, Heft VI, 52-54.
23
lieber eine neue Karte von Japan und ihre Oucllen. ]>d.
II, 20-24.
Local — Attraction, beobachtet auf dem Gipfel des Futarassan
(Nantaisan). Bd. II, 35.
Bemerkungen zur Kartenskizze des Wegs von Tokio bis
Yumoto. Bd. II, 61-63.
Verzeichniss von Erdbeben, wahrgenommen in Tokyo, Japan,
in 35° 41' N. B. 139° 4/' O". L. v. G. von September
1872 bis November 1877. Bd. II, 109-118.
Das Tokyo — Sendai Nivellement. Bd. II, 118-119.
Der Flächeninhalt \'on Yezo und den Kurilen. Bd. II, 120.
Areal des japanischen Reiches. Bd. II, 120.
Versuch, das in Tokyo wahrscheinlich zu erwartende Wet-
ter nach täglichen Beobachtungen anzugeben. Bd. II,
146-150.
Temperatur von Brunnenwasser in Japan. Bd. II, 223.
Ueber die Genauigkeit der Jissoku Xippon Chidzu Kampan.
Bd. II, 224.
Vergleich meteorologischer Instrumente. Bd. II, 300-302.
Der Wagenersche Erdbebenmesser. Bd. II, 318.
The September Taifuns 1878, with 12 Charts and i Dia-
gramm. Bd. II, 333-366. cf. 325 f.
Die K. J. Telegraphenämter am 16. Januar 1880. 1kl. II,
421-422.
Einige Angaben über die vier letzten starken Erdbeben in
Tokyo (1880). Bd. II, 442-444.
The great Taifun of August 1880, with a Chart and a Dia-
gramm. Bd. III, 90-102; 166-170.
Beobachtungen der Modalität des Erdbebens vom 25. Juli
1880 am Wagenerschen Erdbebenmesser. Bd. III, 52-53.
Verzeichniss von Erdbeben vom Nov. 1877 bis März 188 1.
Bd. III, 174-176.
Die Bahnbestimmung der Wirbelstürme durch Normalörter.
Bd. III, 255.
Die Wettertelegraphic in Japan. l>cl. IV, 11-17.
Der Schneesturm vom 30. Jan. bis 2. Feb. Bd. IV, 188-192.
Japanische Wetterrege hi, übersetzt von E. Knipping und K.
Kawashima. I^d. IV, 223-229.
Regenzeiten und Regenzonen in Japan. Ed. IV, 238.
Taifunbahnen loci Japan. Bd. IV, 293-294.
Ueber das japanische meteorologische Stationsnetz und die
V'eröffentlichungen des K. J. Central-Observateriums. Bd.
V, 80-82.
Der I^\")hn bei Kanazawa. Bd. V, 149-155.
Der Kawaguchi — See. Bd. V, 309-313.
Knoblauch, F. — Einige Notizen über Formosa (nebst einer
Karte). Bd. I, Heft VIII, 35-37.
Knobloch, A. v, — Antrag des Gentendji des Miyoto-Ken,
Okada Shin, die Gräber der beiden Kaiser Tsutsi Mikado
und Djiunin wiederherzustellen. Bd. I, Heft I, 21 f.
Bericht aus Shirakawa-Ken über die kürzlich stattgefunde-
nen Ausbräche des Aso-dsan (1872). Bd. I, Heft I, 22,
Japanische Sprichwörter u. Redensarten. Bd. I, Heft IV,
23-26.
Momotaro, der Pfirsichjunge. Bd. I, Heft IV, 49.
Die Begräbnisgebräuche der Shintoisten. Bd. I, Heft VI,
39-41-
Korschelt, O.— Ueber Sake. Bd. II, 240-258.
Das ,,Go" — .Spiel. Bd. III, 12-20; 54-74; 118-119; 159-
165.
Japanischer Ackerboden ein natürlicher Cement. Bd. III,
180-201. 254 ; 439.
Ueber den Meteoriten von Tajima vom 18. Februar 1880.
Bd. III, 204-205.
Chemische Untersuchung des japanischen Lacks. Bd. III,
439-
Kreitner, G. v. — Die chinesische Provinz Kansu. Bd. IV, 399-
409.
25
Kvien, F. — Kötcho Enkaku Dsukai oder Erlclärung der Karten
für die Veränderungen, welche in dem Kaiserreiche statt-
gefunden haben. Bd. I, Heft VI, 32-38.
Klintze, O. — Der Geyser in Atarni. Bd. I, Heft VII, 30-32.
Lange, Dr. R. — Noch einige Sprichwörter u. sprichwörth'che
Redensarten der Japaner. Bd. I, Heft VIII, 50-52 ; Heft
IX, 59-60; Heft X, 34-37-
Der Kampf auf Ueno (4. Juli 1868). Bd. II, 96-101.
Das Taketori Monogatari. Bd. II, 302-318. cf 325.
Japanische Sprichwörter. Bd. II, 415-421.
Langgaard, Dr. A. — Ueber die wirksamen Bestandteile der
Wurzel von Scopolia Japonica. Bd. II, Beilage III, 267 f.
Bemerkungen über den Nährwert des Tofu nach Analysen
von T. Shimoyama. Bd. II, Beilage III, 268-269. cf. 271.
Giftigkeit des japanischen Sternanis (lUicium religiosum).
Bd. III, 177-178.
Lehmann, R. — Gesellschaftsspiele der Japaner (Utagaruta). Bd.
III, 422-425.
Ueber Zogan oder eingelegte Arbeit auf Gusseisen. Bd.
III, 441.
Ueber einige japanische Bodenerzeugnisse u. deren Bearbei-
tung. Bd. IV, 346-347-
Notizen über japanische Stenographie. Bd. V, 159-163.
Lemmer, A. — Das Auftauchen der Theorie der künstlichen
Befruchtung des Getreides. Bd. I, Heft IX, 55-56.
Lepissier, K. — La hauteur du Fusi}'ama. Bd. I, Heft III, d-j.
Leysner, Ad. — Das Klima von Niigata, nach 10 jähriger Beo-
bachtung. Bd. III, 319-322.
Lloyd, Rev. A. — Buddhistische Gnadenmittel. Bd. VI, 457-468.
Loenliolm, Dr. L. — Arai Hakuseki u. Pater Sidotti. Bd. VI,
146-189.
26
l^as iapanischc Handelsrecht. Bd. VI, 197-270.
Loew, l)r. O. — Uclicr einic^c ja]ian!sche Nahruni:^smittel. Bd.
VI, 352-354-
Rote Ilcfciiartca in Japan. Bd. VI, 39S f.
Uebcr die Bereitung der Shoyusauce. l'd. VI. 474-476.
M
Martin, Dr. G. — lieber das Vorkommen einer Reihe von Mi-
neraUen in Japan. Bd. I, Heft IV, 4-6.
Iiereituni;' und Benutzung des Opiums. Bd. I, Heft VIII,
5-7; Heft IX, 1-4.
Untersuchung japanischer Mineralquellen. Ikl. I, Haft X,
20-7.6.
Ueber die Versorgung mit Trinkwasser der Metropc^le Japans.
Bd. II, 18-20.
Untersuchung von japanischen Theesorten. Bd. II, 33-34.
Ueber die Flora des Tschuzenji-Sees. Bd. II, 1 01-102.
Marx, h- — Mittheilungen über Destillation von Pfeffermünzöl in
Japan. Bd. VI, 355 f.
Mayet, Dr. P. — Die Collectix'versicherung der Gebäude in Japan.
Bd. II, 228-239.
Die japanische Staatsschuld. Bd. II, 259-299; 319-321;
Das Japanische Vereinswesen in Tok\-o. Bd. III, 359-363 ;
370-371-
VAw Besuch in Korea im Oktober 1883. Bd. IV. 18-28;
146-152.
Hungersnöte in Japan. Bd. IV, 200 f. cf. Bd. II, 319.
Japanische Bevölkerungs.statistik, historisch, mit Hinblick
auf China, und kritisch betrachtet. Bd. IV, 245-264.
Ueber eine Schätz.ung der Ikvölkerungszahl der chinesi-
schen Provinz Kansu. Bd. IV, 347-350.
Die japanische Geld-und Effectenbörse. Bd. V, 1-9.
27
Mezger, A. — Tägliche meteorologische Beobachtungen tür 1880,
angestellt in Ani. Bd. III, 214 (3 Tafeln ohne Text).
Meteorologische Beobachtungen in Ani für 1881, graphisch
dargestellt in 3 Tafeln. Bd. III, 323.
Einiges über Bergbau u. Hüttenwesen in Japan. Bd. III,
408-415 ; 435 f. 441. cf. 400 f. 401.
Michaelis, Dr. G. — iiind Baron von Siebold). Praktische Rat-
schläge für Reisen auf die nördlichen Inseln Japans. Bd.
IV, 287-288.
Ueber eine Reise nach dem nordöstlichen Theil von Yezo
und den Kurilen. Bd. IV, 289-291.
Einleitung zur Geschichte des japanischen Strafrechts. Bd.
IV, 298-299.
Beitrag zur Kenntniss der Geschichte des japanischen Straf-
rechts. Bd. IV, 351-377.
Miyake, B. — Ueber die japanische Geburtshülfe. Bd. I, lieft
V, 21-27; Heft VIII, 9-13; Heft X, 9-16.
Moellendorf, v. Dr. O.F. — Ein Ausflug in Xordchina. Ikl. I,
Heft VII, 17-20.
Contributions to the Natural History of North China. Bd.
I, Heft IX, 7-19.
Ueber die nordchinesische Gemse. Bd. I, Heft X, 19-20.
Das Schachspiel der Chinesen. Bd. II, 11-18.
Mori, Y. — s. Kellner, Untersuchungen über das Rösten des
Thees uud
Kellner, Beiträge zur Kenntniss der Ernährung der Japaner.
Müller, Dr. — Thränencanal der Japaner. Bd. I, Heft V, 38.
Der Augenhintergrund der Japaner. Bd. I, Heft V, 38.
Einige Notizen über die japanische INIusik. Bd. I, Heft
VI, 13-31 ; Heft VIII, 41-48; Heft IX, 19-35.
Ueber den Fengshui, Excerpt aus dem Buche des Dr. Eitel.
Bd. I, Heft VII, 4 f.
Ein hydraulischer Fliegenwedel. Bd. I, Heft VIII, 49-50.
Müller-Beeck. — Kazusa u. Awa, abgekürzt nach dem Nihon
Chishi-Teio. Bd. III, 156-158.
28
Die wichtigsten Trutzwaffen Altjapans. Bd, IV, i-8.
lünigc INIitthcilungen über Seladone. Bd. IV, 193-195.
Von Fries, Abriss der Geschiclite Chinas seit seiner Ent-
stehung. Besprechung. Bd. IV, 196-197.
Mimzillger, C. — Die Psychologie der Japanischen Sprache. Bd.
VI, 103-142.
Muraoka, I3r. JI. — lu-klärung der magischen Eigenschaften des
japanischen Bronzespiegels und seiner Herstellung. Bd.
IV, 8-1 1.
Deformation von Metallplatten durch Schleifen. Bd. 'IV,
293-
N
Nagai, Dr. W. — Chemische Untersuchungen von Ephedra vul-
garis. Bd. V, 232.
Naumann, Dr. K. — Ueber Erdbeben u. Vulkanausbrüche in
Japan. Bd. II, 163-216.
Japanische Kjoekkcnmoeddinger. Bd. II, 152.
Ueber das Vorkonmieii der Kreideforniation auf der Insel
Yezo. Bd. III, 28-33.
Die Triasformation im nördlichen Japan. Bd. III, 205-209.
Notizen über die Höhe des Fujinoyama. Bd. IV, 104.
Ueber den geologischen Bau der japanischen Inseln. Bd.
IV, 153-159-
Netto, C. — Ueber japanisches l^erg-und Hüttenwesen. Bd. II,
367-405.
Niewerth, Apotheker. — Eine botanische Excursion im Monat
August von Yedo nach Nikko. Bd. I, Heft VII, 9-1 1.
Musikalische Spielerei. Bd. I, Heft VIII, 52.
Aus dem Pflanzenreiche (Stärkebereitung). Bd. I, Heft IX,
6; 58-59-
29
Piquet, E.— Note sur l'Uji. Bd. II, 96.
Plugge, Dl'. P-C. — Siehe Bcukcina.
R
Rathgen, Dr. K. — Die Ergebnisse der japanischen Bevölkerungs-
statistik. Bd. IV, 299. 300.
Ergebnisse der amtlichen Bevölkerungsstatistik in Japan.
Bd. IV, 322-340.
Die landwirtschaftliche Bevölkerung Japans. Bd. IV, 421.
Rein, Prof. Dr. J. — Uebcr die Plohmaterialien zur Anfertigung
des Satsunia-Porcellans in Ota bei Yokohama. Bd. I,
Heft V, 3.
Naturwissenschaftliche Reisestudien in Japan. Bd. I, Heft
VI; 60-61 ; Heft VII, 21-26.
Die Küste von Sendai und Nambu. Bd. I, Heft VII, 26-29.
Riess, Dr. L. — Der Aufstand von Shimabara 1637-1638. Bd.
V, 191-214.
Geschichte der Insel P'ormosa. Bd. VI, 405-447.
Die Goldausfuhr der Holländer aus Japan. Bd. VI, 449.
Nekrolog für Dr. Gottfried Wagener. Bd. VI, 357-364.
Ein Neujahrsausflug nach Idsu no Oshima. Bd. VI, 480 f.
Ritter, Dr. IL— Solfatara am Od'.shingoku. Bd. I, Heft III, 3 f.
Höhenbestimmungen einiger Punkte im Hakonegebirge und
am P'usiyama. Bd. I, Heft III, 9 f.
Analyse der Arimaquellen. Bd. I, Heft IV, 44 f.
Anfertigung von Tofu, Yuba und Ame. Bd. I, Heft V, B-5.
Ueber eine Reise im südwestlichen Theile von Yezo. Bd.
I, Heft VI, 55-59; Heft VII, 13-17.
Roesing, B. — Zur Kartenskizze des Weges von Yamagata bis
Innai. Bd. III, 390-392.
Mittheilungen aus Innai. Bd. 111,415-421.
Roesler, I^i'- 1 1- — Ucbcrsicht des japanischen Aussenhandels seit
dem Jahre 1868. Bd. III, 35-44-
Rudoi'fF, O. — Hei nerl< untren über die Rechtspflege unter den
Tokugawa. Bd. IV, 378-394-
Die Rechtspflege in Japan in der gegenwärtigen Periode
(Mciji). Bd. IV, 423-44Ö.
Die neueste Justizgesetzgebung Japans. Bd. V, 2 i 5-228.
Sasaki, C. — Ueber die Entwickknig der Udjifliegc. Bd. IV, 162.
Satow, k^ — Bemerkungen zu Herrn Schütt's topographischer
Skizze des Fuji. Bd. III, 365.
Savatier, D.M. — Sur les mutisiacees du Japon. Bd. I, Hefl;
VII, 36-39-
Schedel. — k)ie Meeresmolkiskenfauna Japans. Bd. V, 347.
Schenck, C. — Beschreibung eines in Japan gebräuchlichen Erd-
bohrers. Bd. I, Heft VIII, 20-21.
Rei.se von Kofu nach den Quarz- und Bergkrystallgruben bei
Kurobara. Bd. I, Heft VIII, 21-23.
van Schermbeck.— u. Dr. G. Wagener. Dcppelbikler des Fuji-
yama. Bd. IV, 234.
Scheilbe, Dr. B. — Der Bärcnkultus u. Bärenfeste der Ainos, mit
einigen Bemerkungen über die Tänze derselben. Bd. III,
44-51. cf. 133.
Itinerar einer Reise im südlichen Teile von Yezo. Bd.
III, 88.
Beiträge zur Geschichte der Kak-ke. Bd. III, 170-174.
Die Ainos. Bd. III, 220-250 ; 255. (Berichtigungen).
Bemerkungen über die Nahrung der Japaner. Bd. III,
282-294.
Die Länge des Darms bei Japanern. Bd. III, 294.
Schmidt, C. — Aus der Geschichte \'on Schanghai. Bd. I, Heft
IV, 20-23; Heft V, 13-16.
31
Sehmidt-Leda. — Ucbcrblick über die Geschichte des japanischen
Holzschnittes u. Buntdruckes. Bd. V, 287.
Schutt, O. — Ein l^eitrag zur Kenntniss der magnetischen Krdkraft.
(Alagnetische Ortsbestimmungen in Japan). Bd. III, 71-87.
cf. 401.
Zur topographischen Skizze des Weges von Nikko nach
Ikao. Bd. III, 202 f. 252.
Termiten in Japan. Bd. III, 250-252.
Zur topographischen Skizze des Vulkans Fuji und seiner
Umgebung. Bd. III, 275-282.
Scriba, Dr. J. — Bemerkungen über japanische Gold-u. Silber-
münzen. Bd. III, 392-398.
Ansicht über die Koropokguru-Gruben auf Yezo. Bd. V,
188.
Eine Expedition nach den vom Erdbeben des 28. Oktober
1891 betroffenen Bezirken. Bd.V, 3/5-380.
Noch einmal die Koropokguru. Bd. V, 435.
Seitz, Dr. A. ^Vergleichende Studien über die Faunen von
China u. Japan. Bd. V, 361-368 ; cf 389-391. Bd. VI,
5 1-66 cf. 67-69.
Siebold, A. v Baron und ]\IicJiaclis Dr. G. Praktische Rat-
schläge für Reisen auf die nördlichen Inseln Japans. Bd.
IV, 287-288.
Siebold, H. v.— Etwas über die Tsutschi Ningio. Bd. I, Heft
VIII, 13-14.
Das Harakiri. Bd. I, Heft X, 26-28.
Spinner, W. — Moderner Staatsshintoismus. Bd. V, 78-79.
Leichenverbrennung in Tokyo. Bd. V, 156-158.
Reste alten Christentums auf den Goto-Inseln. Bd. V, 230.
Die Idee stellvertretenden Leidens in Verbindung mit tlem
Sonnencult in Japan. Bd. V, 230.
Opfer für Abwesende. Bd. V, 230.
Vermeintlicher Ursprung des Wortes ,, baka " (Thor, Xarr).
Bd. V, 230.
Schutz vor Erdbeben. Bd. V. 230.
Shinto Totenfeier, l^d. V, 285-286.
SpÖlTV, H. — VcrwcndunL;" des BambiLS in Japan. Ikl. VI, 399 f.
Stein, \'- — Zur Vcrf^leichung chinesi.scher und japanischer Musik.
Iki. I, lieft IX, 60-62.
Stephenson, i'M>. — Color blindne.ss in Asiatics. Bd. VI, 190-194.
Terada, V. — l)c\'ölkerun<j,',s.statistik des Regierungsbezirks Tol^'o.
Hd. II, 429-439. Bd. III, 139.
Tietze, (^- — Hauteclinischc Bemerkungen über die durch das
gros.se lüdbeben von 1891 an Gebäuden angerichteten
Verwüstungen. Bd. V, 383-387,
Tokishige, H. — ^lehc /a/iso/t, J.L. I-'iUiria immitis.
Tsuneto, N. — siehe /rsca, Die landwirtschaftHclicn Verhält-
nisse der Kai-Provinz.
w
Wada, T. — Der Au.sbruch des Bandai-.san im Juli 1888. Bd.
V, 69-74. cf. 37 f.
Wagener, Dr. G. — Geschichtliches über Maass-und Gewichts-
systeme in China und Japan. Bd. II, 35-42; 61.
Bemerkungen über die Theorie der chinesischen Musik und
ihren Zusammenhang mit der Philosophie. Bd. II, 42-61.
Ueber Shimobashira. ]5d. II, 70-71
Bemerkungen über P3rdbebenmesser und Vorschläge zu einem
neuen Instrumente dieser Art. Bd. II, 216-223.
Beobachtung einer hellen I^'euerkugel am Himmel. Bd. II,
209.
Aus dem Tagebuche Hendrik Heuskens. Bd. III, 372-390.
I. I. Rein, Japan nach Reisen u. Studien. Theil II. Iksprc-
chung. Bd. IV, 265-286.
33
Eine japanische Parade vor 250 Jahren. Bd. IV, 341-345.
Reisenotizen aus Mitteljapan. Bd. IV, 396 f. 397.
Reisenotizen aus dem Hokkaido. Bd. V, 184-188.
Ueber Handels- und Industriegescllscliaften in Osaka. 1x1. \',
75 f-
Weber, A.R. — Ueber den Anbau des Thee's an der Westküste
Japan's mit besonderer Berücksichtigung der klimatischen
Verhältnisse. Bd. I, Heft III, 10-13.
"Weipert, Dr- H. — Japanisches Familien- und Erbrecht. Bd. V,
8 3- 140.
Deutsche Werke über japanische Sprache. Besprechung.
Bd. V, 272-281. cf. 284 f.
Beiträge zur Kenntniss der älteren Eitcratur über Japan. Bd.
V, 76 f.
Das Shintogebet der grossen Reinigung. Bd. VI, 365-375.
Wernich, Dr. A. — Lieber einige Eomien nervöser Störungen
bei den Japanern. Bd. Heft X, 16-19.
Wernicke, Dr. J. — ,, Japans Volkswirtschaft und Staatshaushalt
von Karl Rathgen." Bd. V, 374.
Westphal, A. — Fudjiyu auf der Kokiu. (Musikstück). Bd. I,
Heft II, 19 ff
Chinesische Zahlenlx-nennung nach Botenzen \'on 10. Bd.
I, Heft VIII, 1-2.
Ueber die japanisch-chinesische Rechenmaschine. Bd. I,
Heft VIII, 27-35 ; cf. Heft VII, 4.
Wahrsagen auf der Rechenmaschine. Bd. I, Heft VIII, 48-49.
Ueber die chinesische Swan-pan. Bd. I, Heft IX, 43-53.
Beitrag zur Geschichte der Mathematik in Japan. Bd. I,
Heft. IX, 54-55.
Weyhe, C. v. — Bemerkungen zu den Wetterbeobachtungsta-
bellen für Ani, Akita-Ken, 1882. Bd. III, 399.
Willemoes-Suhm, Dr. v. — Ueber einen Besuch auf Neu Guinea
und den Admiralitätsinseln. Bd. I, Heft VIII, 3-5.
"Witkowsky, Julian. — Erklärung zweier chinesischer Bilder aus-
rotem Eack-. Bd. I, Heft X, 37.
34
Zappe, E. — Bcrcltunc:^ des japanischen Papiers. Bd. I, lieft
II, 14-16.
Die Zubereitung des Pflanzenwachses in Japan. Bd. I, Heft
IV, 29.
Zedwitz von. — Japanische Musikstücke. Bd. IV, 129-145
(v-i. 107).
Die Kleidung der a'ten Japaner. 1kl. I, Heft VI, 59.
1
II. SACHREGISTER.
Abdankung (Altenteil, Inkyotum) in Japan. Bd. V, 138-139.
Aberglaube in China, {von der Goltz). Bd. VI, 1-36.
in Japan, s. /'. Ehmann, Volksti^iml. Vorstellungen,
s. Baelz Besessenheit, relig. Ekstase und Verwandtes.
Sandkörner vom Biwasse machen Tote geschmeidig. Bd.
I, Heft VI, 39 ; Heft X, 29.
Steine als Schutzmittel gegen böse Geister. Bd. I, Heft
VI, 52.
Drachenkugeln. Bd. I, Heft VIII, 2 f
Zaubermittel in Tempeln verkauft. Bd. I, Heft VTII, 10 Anm.
Glückbringende weisse Schlange. Bd. II, 444.
Bei den Ainu. Bd. III, 234 f
Beim japanitchen Neujahrsfest. ]5d. III, 260 f
s. Gcomantik; Wahrsagen.
Abstammung der Japaner. Bd. II, 103.
s. Badz. Bd. III, 334-346 und Bd. IV, ^,7.
Docnitz. Bd. I, Heft VIII, 2; 39-41.
Ackerbau s. Lanckvirtschaft.
Acupunctur in Japan. Bd. I, Heft IV, 16 f.
18 (durch Blinde ausgeübt).
Adams William s. M. v. Brandt, The Relations between thc
English and thc Japanese from 1600 to 1854.
Adel der Japanische s. Gesetze des lyeyasu. In seinen ver-
schiedenen Klassen, Einteilungen, Titeln und Würden
vor 1868 (J/. V. Brandt). Bd. i, Heft VI, 5-8.
In der ältesten Zeit. Bd. V, 174-176.
Admiralitätsinseln ein Besuch auf Neu-Guinca u. O^kiw (Wille-
moes-Suhm). Bd. I, Heft VIH, 3-5.
36
Adoption in Jaixm : ILstininiungcii in den Gesetzen des lyeyasu.
lüi. I, lieft I, 6 f. 13.
Ado[)tion des Lehrlini^s durch den Lehrhcrrn. Bd. I, Heft
IV, 9. 12.
a. Geschichtliches, b. l)cc;"rirfe und Arten, c. Iv fordern isse,
d. ch'e l'\)rni, e. Wirkungen, f. Audosung (Weipert).
15d. V, 109-1 16.
Aclteste Form der Adoption. ]k\. V, 180.
Aesthetik in Japan. Aesthetisches über den Körj^erbau, über
Haltung u. Gang. Ikl. IV, 58-63.
Aesthetik u. Kosmetik des Gesichts. Bd. IV, 78 (^f.
Agrilsultur s. LandK'irtscliaft.
Agl'ikulturclieniie s. die Beiträge von Fcsca, Kellner, Korselielt,
Loeiv.
Ainu die Vorfahren der Ainu. Bd. I, Heft IV, 31.
Bemerkungen über Ainus [DoenitrS). Bd. I, Heft VI, 61-67.
Bemerkungen über die Behaarung der Ainu {Hilgcndorf).
Bd. I, Heft VIII, 11-13.
In historischer Zeit in Nordjapan sesshaft. Bd. I, Heft
VIII, 2; 40.
Bärenfest. Bd. I, Heft IX, 6.
In chinesischen Werken erwähnt. Bd. II, 5-
Bärenkult u. Bärenfeste mit Tänzen {Seheuöe). Bd. III,
45-51- U3-
Dr. B. Scheiibe. Die Ainus. Bd. III, 220-250 und Tabel-
len nach 256.
Ihre Rassenangehöriglceit {Baeh). Bd. III, 334-346.
Einiges über Ainuschädel [Baelrs). Bd. III, 358 f
Von den Japanern zu Slclaven gemacht. Ikl. V, 171.
Rcisenotizen aus dem Hokkaido {IVageiier). Bd. X , 184-1 88.
Dr. Grimms Ansichten über sie. Bd. V, 1 86 f.
Kurilen (Shikotan) ^Ainus. Bd. V, 372 f.
Ihi'e Verehrung weisser Bären. Bd. V, 431.
In der Mythologie. IVl. VI, 369.
s, auch Yerjo.
I
17
Albinismus Weisse Pferde in Shintotetiipeln. VA. I, Heft IV, 34.
Die Bedeutung weisser Tiere in Japan {Jaiisoii). Bd. V,
431-434-
Alkoholische Getränke s. Sake.
Alt-Japan Altjapanische Kulturzustände (staatl. u. gesellschaft-
liche Organisation) {Flore iirS). Bd. V, 164-182.
Amerika im 5. Jahrhundert von Chinesen entdeckt? s. Bret-
sein leider oder Fi i saug.
Angeln in Japan für Seefische. Bd. I, Heft IX, 4 f.
für Forellen und Dintenfische. Bd. III, 435.
Anthropologie Thränenkanal u. Augenhintergrund der Japaner
{Aliillei). Bd. I, Heft V, 38.
Beckenmessungen an Japanerinnen {DoenitrS). Bd. II, S.
I-III, 32.
s. Baelz, Körperliche Eigenschaften,
s. Doenitz, Bemerkungen über Ainus.
s. Hilgciidorf, Bemerkungen über die Behaarung der Aino's.
s. auch Abstaimnung ; ScJiädel.
Arbeiterorganisation in Japan, in (\^\\ Kiso-W'aldungen. Bd.
V, 270-272.
Archaeologie Pfeilspitzen aus der Stein[)eriude Japans. Bd.
I, Heft VI, 50.
Drachenkugcln. Bd. I, Heft VIII, 2 f
Küchenabfälle. Bd. II, 152.
Architektur moderne japanische. Bd. VI, 398.
Areal des japanischen Reichs. Bd. II, 120.
von Yezo. Bd. II, 120.
Aerzte in Japan. Bestimmung über ihre Ilonorierung in d^n
Gesetzen des lyeyasu und Klassifizierung. Ikl. I Heft
I, 12.
Die Heilkunde in Japan und japanische Aerzte {Hoffnianii).
Bd. I, Heft I, 23-25 ; Heft IV, 9-20.
Strafen gegen Aerzte im Taihoritsu vorgesehen. Bd. IV, 360.
s. auch GcbnrtsJnIfe.
Arima s. Badeorte.
Arzneikunde u. Arzneimittel. Ucber die Pharmaco[)oc'c
Japan {(Jaiis). Ikl. I, lieft IV, 36-41. Heft V, 16-21;
Heft VI, 46-52.
Chiningaben hc'\ chronischer Pneumonie u. Lungenbkitungen
{lioffman). Bd. I, Heft IV, 48 ; Heft VIII, 6.
Kaki, Saft unreifer Früchte gegen Schlangenbiss. Bd. I,
Heft IX, 6.
Taifushifrüclite als Heihiiittel gegen Lepra. Bd. I, Heft
X, 5-
Gcmsenhörner als Arzneimittel. Bd. I, Heft X, 20.
Wurzel von Scopolia Japcjnica. 1kl. II, 267 f
Schlangen als Arzneimittel. Ikl. III, 210.
Arzneien der Ainu. Bd. III, 242.
Volkstümliche Heilmittel. Bd. VI, 332 f.
s. auch ^Icr.ztc.
Astrologie und Astronomie in Japan. Erwähnung in den
Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft I, 12.
in China s. lUülicr, Ueber den Fengshui. Bd. I, Heft VII,
Atami Der Geyser in Atami {Kiintrjc). Bd. I, Heft VII, 30-32.
Analyse eines Mineralwassers {Martin). Bd. I, Heft X, 21.
Ausländer Bestimmung über ihre Behandlung in Japan. Bd.
I, Heft II, 7.
Aussenhandel Japans, s. Kocslcr, Uebersicht des japanischen
Aussenhandels seit 1868.
Goldausfuhr der Ilollcinder {Ricss). Bd. VI, 449.
B
Bad bei Entbindung. Bd. I, Heft V, 23; 27; Heft X, 10.
das heisse japanische (Oyu), seine Vor- und Nachteile {FxnclrS).
Bd. III, 178 f
Badeanstalten japanische {Dacl.-j). Bd. IV, 395.
Badeorte und Thermen: shinoyu. Bd. I, Heft III, 3; Heft
X, 24; r>d. III, 253.
39
Arlnia, bei Hiögo. Bd. I, Heft IV, 41-45.
Allgemeine Verteilung über die verschiedenen Teile Japan.
Bd. I, Heft V, 19 ; Bd. II, 204.
Atami. Bd. I, Heft VII, 30-33 ; Heft X, 23.
Untersuchungen japanischer ]\Hnc:ral\vasser. Bd. I, Heft X,
20-26.
Kusatsu. Bd. VI, 452.
Bärenfeste s. Ainu und Yc.':o.
Baka (Xarr, Thor), Ursprung des Wortes. Bd. V, 230.
Bambus Ueber die Verwendung des Bambus in Japan {Spöny).
Bd. VI, 399 f. cf Bd. I, Heft IV, 2; Heft V, 17; Heft
VI, 46; Bd. II, 303. 373; Bd. III, 31.
Begräbnisgebräuche In China. Bd. I, Heft V 3.
bei den Shintoisten. Bd. I, Heft VI, 39-41.
Thonpuppen als Ersatz für INIenschcnopfer bei Bestattungen.
Bd. I, Heft VIII, 13-14 cf Heft II, 5 ; Heft IV, 32.
nach der Verbrennung. Bd. III, ii.
Bei den Ainus. Bd. III, 240.
s. auch Lciclicnverbvcnmtng.
Beischläferinnen s. Konkubinat.
Berg- und Hüttenwesen s. die Beiträge von Hagmaicr, Mczgcr ,
Netto, Rocsing (Innai).
Einrichtung der Bergwerke. Bd. I, Heft VI, 47.
Erdbohrer. Bd. I, Heft VIII, 20 f.
Quarz- und Bergkrystallgruben. Bd. I, Heft VIII, 21 ff.
Bevölkerungsstatistik \^on Japan s. Fcsca, Alayct, RatJigcn.
Mittheilungen über die Population Japans. Bd. II, 104.
des Regierungsbezirks Tokyo, {Tcradd). Bd. II, 429-439 ;
Bd. III, 139.
der Ainu. Bd. III, 220.
der chinesischen Provinz Kansu {Alayct). Bd. IV, 347-
350.
Bibliographie Beiträge zur Kenntnis der älteren Literatur über
Japan {Weipcrt). Bd. V, jG L
Bienenzucht in Japan. Bd. II, 73.
40
Blutrache l'cslininnmc:^ darüber in den Gesetzen des lyeyasu.
jkl. I, Heft I, 14.
Beseitigung durch das revidierte Strafgesetzbuch von 1873.
Bd. V, 117.
Interessantes Beispiel. Bd. IV, 271.
Bodenerzeugnisse -s. Larnkvirtschaft.
BÖrsenweseil -s. JMayct, Die jap. Geld- und Effelctenbörse.
Botanik Werke über japanische Botanik. Bd. I, lieft IV, 37-
41 ; Bd. II, S. IV.
Botanische Exkursion im Monat August von Tokyo nach
Nikko {NiczücrtJ^. Bd. I, Heft VII, 9-1 1.
Sur les Mutisiacees du Japon {Savatici). Bd. I, Heft VII,
3Ö-39-
Aus dem Pflanzenreiche {NiczccrtJi). Bd. I, Heft IX, 58 f.
Flora des Chuzenjisees {Illartiii). Bd. II, loi f.
Un nouveau succedane du cafe {^Jaqnct-GocrtrS). Bd. II,
102, 103.
Aucubaephyllum Lioukiense Ahlbg. ]kl. II, 150.
Illicium religiosum, {Eyki/ianii). Ikl. III, 120-130, cf. 177 f.
Bambussamen und Kaffee von den Ogasawarainseln. Bd.
IV, 31.
Der Kampferbaum {Grasiunuii). Bd. V^I, 277-315.
Flora auf Liukiu. Bd. III, 145 f. 154.
Blumenfeste in Yedo. {CocJnus). Bd. I, Heft IV, 26-28.
TJicc s. dieses Wort.
BroilzegllSS in Japan. Bd. VI, 450.
Buch- und Zeitungswesen in Japan s. Busse und Hering.
Buddhismus Strafandrohung an die Tendai-priester des Hiyei-
san. VA. I, Heft I, 5 f.
Prinzen, PTu'sten und Krieger treten in den Priesterstand.
Bd. I, Heft I, 6. 8.
Priesterliche Würden. Ebenda.
Erwähnung des Buddhismus in (\q.\\ Gesetzen des lyeyasu.
Bd. I, Heft I, 6. II f. Heft II, 4. 6.
Shotoku, ein Beförderer des Buddhismus. Bd. I, Heft I, 8.
41
Der Toyeisantempel in Ueno übt die Herrschaft über alle
Tempel. Bd. I, Heft I, 8 cf Heft IV, 27.
Hiyeisantempel. Bd. I, Heft II, 6.
Kopfscheeren der Priester. Bd. I, Heft IV, 1 1.
Kübo Daishi. Bd. I, Heft IV, 30. Bd. II, 142 f.
Seine Beeinflussung der Kamilehre. Bd. I, Heft IV, 30.
Buddhistische Tempel von Shanghai. Bd. I, Heft V, 13 ff.
Tempel und Daibuts von Nara. Bd. I, Heft VII, 32 f
Zaubermittcl in Tempeln verkauft. Bd. I, Heft VIII, 10, Anm.
Musikalische Instrumente des Buddhismus. Bd. I, Heft
IX, 26. f
Buddhismus und Leichenverbrennung. Bd. I, Heft X, 28 f u.
Bd. III, 3.
Buddhistische Lehre in Fusang. Bd. II, 4.
Einführung des Buddhismus in Japan und Korea. Bd. II, 7.
Buddha Maulbeerbaum. Bd. II, 11.
Entstehung der Etakaste mit Einführung des Buddhismus.
Bd. II, 103.
Einführung in Japan. Bd. III, 2 cf Bd. I, Heft I, 14.
Sekten, Bd. III, 3.
Symbolik desselben. Bd. III, 427 f
Einführung desselben begünstigt durch den iSdci nijiit
kaiserlicher Abstammung. Bd. V, 176.
In der schönen Literatur. Bd. V, 317.
Ethische Literatur in der Gegenwart. Bd. V, 443-452.
Buddhistische Zeitschriften der Gegenwart. Bd. V, 444.
Hervorragende Buddhisten der Gegenwart. Bd. V, 444 ff
495 ff-
Reformbuddhismus. Bd. V, 448 ff
Buddhistische Gnadenmittel \Lloyd'). Bd. VI, 457-468.
Bücherbesprechungen von Fries, Abriss der Geschichte Chinas.
Bd. IV, 196 f
Rein, Japan. Bd, V, 265-286.
Noack's Seidel's und Lange's japanische Grammatiken. Bd.
V, 277-286.
42
RatJigcn, Japans Volkswirtschaft etc. Bd. V, 374.
Fesen, Beiträge zur Kenntnis der japanischen Landwirtscliaft,
1kl. VI, 195 f.
Neueste Literatur über Japan. VA. \'I, 453. 477 f.
Buntdrucke s. Farbcudmcke.
c
Chemie Chemische Untersuchungen von Ei)hedra xailgaris
{Nagai). ]5d. V, 232.
Destillation von rfeffermünzöl in Japan ^Marx). Bd. VI,
355 f-
Untersuchungen roter Ilefenarten {Locw). V>d. VI, 398 f.
s. auch AgrikultiircJieiuic.
China Chinesische Werke über Meilkunde. Bd. I, lieft I 23 f.
Begräbnisstätten in China. Bd. I, Heft \", 3.
Chinesische Geomantik. 1kl. I, Heft \^II, 4 f.
Hin Ausflug in Nordchina {JMdUcndorf). Bd. I, Heft \'ir
17-20.
Naturgeschichte von Nordchina {JWdllcndorf). Bd. I, Heft
7-19.
Jetzt noch in China übliche musikalische Instrumente. Bd.
I, Heft IX, 27-30.
Chinesisch-japanische Rechcnmachine (Westphal). Bd. I,
Heft VIII, 27-35 ; Heft IX, 43-53-
Taiping-Rebcllen. Bd. I, Heft VIII, 37.
Nienfai-Rebellen. Bd. I, Heft VIII, 37-38.
Das Skizzenbuch des Ch'i-hsio-ch'in. BmI. I, Heft VIII,
38-39; Bd. II, 25.
Opiumrauchen. Bd. I, Heft IX, 1-4.
Zur Vergleichung chinesischer und japanischer Musik. Bd.
I, Heft IX, 60-62.
I'.rldärung zweier chinesischer Bilder aus rotem Lack. Bd.
1, Heft X, 37.
43
Maas-und Gcwichtssystcnie. Bd. II, 35-52; 6r.
Theorie der Musik und Zusammenhang" mit der Philosophie.
Bd. II, 42-61.
Minenproduktion von China. Bd. II, 399.
Chinesisclie Literatur s. Arendt ; I'loi'ciirj.
Bevölkerung s. Mayct.
Bevölkerung von Kansu s. JMayct.
Provinz Kansu (Kreitner). Bd. IV, 399-409.
Amerika von Chinesen entdecl^t s. Brctschncidcr ; Fiisaiig.
Chinas P'auna verglichen mit der Japans s. Scitr:.
Abriss der chinesischen Geschichte von P^ries. Bd. IV, 196.
Chinesen als Sklaven im alten Japan. Bd. V, 173.
Chinesen auf P'ormosa. Bd. VI, 433,
Chinesisches Zauberwesen {i'on der GoltrS). Bd. VI, 1-36.
Strassenhandel in Peking {Forke). Bd. V, 295-308.
Shanghai s. dieses.
Chirurgie von den Portugiesen in Japan eingcRihrt. Bd. I
Heft IV, 16.
V. Siebolds Einfluss auf die Anatomie in Japan. Bd. I,
Heft I, 24.
s. auch Acupuiictiir, JMoxa.
Christentum in Japan: Religio illicita in den Gesetzen des
lyeyasu. Bd. I, lieft I, 12. 28.
Buddhismus mit dem Amte betraut, darüber zu wachen, dass
niemand der christlichen Religion anhängt. Bd. II, 134.
Einführung in Japan s. ■:•. Brandt.
Shimabaraaufstand s. Riess.
Reste alten Christentums auf den Got(jinseln {Spinner). Bd.
V, 230.
Arai Hakuseki und Pater Sidotti {L'önholni). Bd. VI, 146-
189.
Christentum im gegenwärtigen Japan s. d. Aufsatz von Busse
über die japanische ethische Literatiu' der Gegenwart.
Cloisonne s. Eniaüarbeiten.
Civilgesetz japanisches s. Kudorff. •
44
Confucianismus Erste Einführung in Japan. Md. I, Heft I, 14.
Erwälinung" in den Gesetzen des lyeyasu. ]^d. I, Heft II, 4.
Die fiiiif Beziehungen (Gorin). Bd. I, lieft II, 8.
Einfluss des Buches Raiki auf das soziale Leben Jai)ans.
Bd. I, Heft IV, 33.
Confuciustempel in Shanghai. Bd. I, Heft V, 14.
Schriften des Confucius in Japan. Bd. II, 36.
Confucianismus im gegenwärtigen Japan, s. den Aufsatz von
J3ussc über die japanische ethische Literatur der Gegen-
wart. Bd. V, 452-462. 497 ff.
D
Deutsche Literatur Einfluss derselben auf die japanische. Bd.
V, 317.
Deutsche Werke über japanische Sprache, bes[)rochen von
Dr. Weipert. Bd. V, 277-281.
Dichter, Japanische der Gegenwart {Florciirj). Bd. V, 314-341.
E
Ehe in Japan. Bestimmung in den Gesetzen des lyeyasu. Bd.
I, Heft I, 13 und Heft I, 14 (Ehebruch).
Verhältnis der Ehefrau zu den Beischläferinnen nach den
Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft II, 2.
Pflichtenkreis der Ehefrau. Bd. I, Heft II, 2.
Notizen über den Fortscliritt der japanischen Civilisation
auf dem Gebiet der Ehe {Gcbaiicr). Bd. II, 81-85 (cf-
Bd. II, 72 f.)
Heiratsfrequenz und geschiedene Ehen im Tokyo-fu 1878.
. Bd. II, 437-438.
bei den Ainu. Bd. III, 236.
s. Wcipcrt, Japanisches Eamilienrecht. Bd. V, 94-109.
45
s. Frau; Konkubinat.
Häufigkeit der Ehescheidungen. 13d. IV, 299.
Eltern und Kinder in Japan, s. Familie.
Emailarbeiten, japanische. Bd. I, Heft V, 1-3.
Engländer in Japan. The Relations between the EngHsh and
the Japanese from 1600-185 8 {Brandt). Bd. I, Heft V,
Entdeckungsgeschichte Japans. Bd. I, Heft V, 28-33.
Erbfolge {Erbrecht) s. den Aufsatz von IVcipcrt. Bd. V, 83-
140.
Bestimmung in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft
I, 6 f.
Erbfolge der Herren von Owari, Kii, Mito etc. etc. Bd. I,
Heft II, 5.
Erdbeben s. die Beiträge von Fcsca, Knipping, Naumann, Scriba,
Tictzc, Wagcncr.
Zerstörung von Gebäuden durcli Erdbeben. Bd. II, 128.
228 2^2
Schutz vor Erdbeben. Bd. V, 230.
Erdbohrer. Bd. I, Heft VIII, 19-20.
Erdmagnetismus s. Schutt.
Ernährung s. Nalmingsmittcl.
Eta in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft I, 12.
mit der Einfülirung des Buddhismus entstanden. Bd. II, 103.
Ethik in Japan s. Aufsatz von Busse. Bd. V, 439-500.
F
Familie bei den Ainu. Bd. III, 239-241.
Verhältnis der Kinder zu den Eltern in Japan. Bd. III,
364 f; Bd. V, 109- 119.
Familienrecht in Japan, s. den Aufsatz von Weipert. Bd.
V, 83-140.
Farbendrucke und Holzschnitte in Japan. Bd. I, Heft IV, 2
Bd. III, 253; Bd. V, 287. {Schmidt- Leda).
46
Fauna von China.
Contributions to thc Natural Iliston' of Norlh China
{jMölkndorff). 15d. I, lieft IX, 7-19.
Ucber die nordchinesische „Gemse" (^M'öUciidorff). Bd. I,
Heft X, 19 f
Vergleichende Studien über die I'\aunen von China untl
Japan {Scitz). 1kl. V, 361-368 cf, 389-391. Bd. VI,
5 1-66 ; 67-69.
Fauna Japans verglichen mit der China.s (Seit::;). Bd. V', 361-
368 cf. 389-391. Bd. VI, 51-66; 67-69.
Grosser japanischer Dintenfisch {^HilgciidorJ). Bd. I, Heft
I, 21.
Japanische Talpa ]\Iogura {Hilgciidoif). Bd. I, Heft I, 25.
Süsswasserschwämme {Ililgcndorf). Bd. I, Heft II, i f.
Vorkommen animalischen Lebens auf Solfataren. Bd. I,
Heft III, 4.
Avricola {Hdgcndorf). Bd. I, Heft IV, 4.
Eine Süsswasser-hydra {Hi/gcndorf). Bd. I. Heft IV, 4.
Sternaspis {Ililgcndojf). Bd. I, Heft IV, 4.
Japanische Antilope {Hilgcndorf). Bd. I, Heft V, 37-38. cf
Heft VII, 26.
Süssvvasserassel {Hilgcndorf). Bd. I, Heft V, 39.
Süsswassermoostierchen {Hdgendorf). Bd. I, Heft V^I, 68.
Ein Töne von sich gebender Schmetterling {Docnitrj). 13d.
I, Heft VI, 68 f.
]\Iissbildung bei einer Katze {Docnit.-j). Bd. I, lieft VI, 69 f.
Gadus Brandtü (Schellfisch) {Hilgcndorf). Bd. I, Heft VII,
3; 29 f-
Fauna des Chuzenjisees bezw. Ursache des Mangels einer
Fauna in demselben. Bd. I, Heft VII, 3. Heft VII, 26;
Heft VIII, 2. Bd. II, 76 f. yj f. loi f. 151.
Udji {Grccvcn). Bd. I, Heft VII, 20 f. Bd. II, 93-96.
Augenloser Fisch (Amblyopus). IW. I, Heft VIII, 5.
Giftige Fische. Bd. I, Heft VIII, 23-26. Heft X, 6. Bd.
II, 151.
47
Schlangen. Bd. I, Heft IX, 6 ; Heft X, 29-34.
Moschustier von der Insel Sachalin. Bd. II, S. IV.
Lachsartige Fische [Hilgcndorf). Bd. II, 25-31.
Katzen, Seltenheit im Norden Chinas. Bd. II, 6'].
Katzen, Stumpfschuänze. Bd. II, 68. cf Bd. I, lieft IV, 69.
Balistes conspicillium {A/dbnrg). Bd. II, 150.
Centri-sciden {A/Miirg). Bd. II, 150.
Anthropoides virgo {Doederlein). ßd. III, 89.
Kreuzotter auf Sachalin [Docdaicin). Bd. III, 83.
Land- und Seefauna von Oshima (Liukiu) (Docdciicin). Bd.
III, 146-151- 154 f-
Springende Fische. Bd. III, 151.
Fauna von Okinawa (Liukiu). Bd. III, 154.
Seeschlangen {Doederkin). Bd. III, 209 f.
Fuchs, tiase, Mochusratte {Doederlein). Bd. III, 210 f
Termiten {Doederlein). Bd. III, 211 f. 250-252.
Vögel am Fujisan. Bd. III, 280.
Saison-Dimorphismus bei japanischen Schmetterlingen {Frit:~e).
Bd. V, 144 f
Fauna von Yezo in Vergleich zur Fauna des übrigen Japan
{Frifrje). Bd. V, 235-248.
Meeresmolluskenfauna {Sehcdel). B. V, 347.
Feste Erwähnung der Sekkufeste in den Gesetzen des Iye\-asu.
Bd. I, Heft I, II.
Das Daishoyefest. ßd. I, Heft II, 7.
Genesung-sfeste. Bd. I, Heft IV, 19.
Shintofeste. Bd. I, Heft IV, 36.
Blumenfeste in Tokyo {Cochins). Bd, I. Heft IV, 26-28.
Laternenfest in Nara. Bd. I, Heft VII, 34.
Bärenfest bei den Ainu. Bd. I, Heft IX, 6. Bd. III, 44-
51 ; 133, 236.
Fest der Anzündung des Feuers. Bd. II, 143.
Fe.ste auf Liukiu. Bd. III, 11 5-1 16.
Das japanische Neujahrsfest {Hirosc). Bd. III, 257-275.
Das japanische Sternenfest Bd. IV, 294-295.
48
Bonfcst in Shikoku. Bd. IV, 295.
llauptfcstc des modernen Staatsshintoismus [Spinner). Bd.
V, 78. f.
s. aucli Shiiitoisiiiiis ; Buddhismus.
Feudalwesen s. Rudorff, Die l-vechtspflege unter den Toku-
gawa. Bd. V, 378-394-
s. Gesetze des lyeynsu passim.
Finanzwesen s. Mayet, Die japanische Staatsschuld.
s. B'örsemvescii.
Fische -s. Fauna.
nsclierei-AusstcHung. Bd. III, 434-435.
Fischzucht (Schildkrötenzucht). Bd. III, 434.
Fliegenwedel hydraulischer, l^d. I, Heft VIII, 49 f.
Flora s. ] Botanik.
Formosa Strümun<^"sgrenze im Norden von Formosa {Knipping).
Bd. I, Heft V, 27 f
seit 605 den Chinesen unter dem Namen Liu-kiu bekannt.
Bd. I, Heft VII, 4. cf. Bd. VI, 405 {{.
Einige Notizen über Formosa {^Knoblauch). Bd. I, Heft
VIII, 35-37-
Beitrag zur Geologie \'on Formosa. Bd. III, 438.
Besteigung des Mount Morrison {Plonda). Bn. V, 469-473.
Geschichte der Insel Formosa {Riess). Bd. VI, 405-447.
Forstwesen Holzkultur zum IV'huf der Isetempelbauten. Bd,
I, Heft I, 7.
Bestimmung über Waldungen in den Gesetzen des lyeyasu.
Bd. I, Heft II, 4.
Abholzen der Wälder in Japan. I^d. II, JJ.
Waldbenutzung auf Liu-kiu. Bd. III, 142.
Das Kapitel über Forstwirtschaft in Rein's Japan. Bd. IV,
273-
Forstliche h^xcursion in die Kisowaldungen [Grasniann).
P)d. V, 249-276. cf 145 f
Fossiles Holz Jindaiboku gefunden bei Nikko. \\(\. I, 1 left
VIII, 2.
49
Umoregi, Nachahmunr^ des Jindaiboku. Bd. I, lieft VIII, 2.
Frau Pflichtenkreis der k^au nach den Gesetzen des Iye}-a.su.
Bd. I, Heft III, 3.
Stellung der Frau in Japan. Bd. II, 84 f Bd. IV, 457-459.
Frauen bheben ungezählt. Bd. II, 319.
F'rauen von Echigo füllen die Bordelle des Nordens. Bd,
II, 406.
Körper und Körperpflege, siehe Bacl:~, Die körperlichen
Eigenschaften der Japaner.
Die Frauen Japans im Spiegel der für sie bestimmten
Literatur, siehe {Hering). Bd. V, 10-27; cf Bd. IV,
457-459-
Stellung der japanischen Ehefrau, s. die Aufsätze von Ilcringy
G dun II er, 1 J ^cipert.
Strafen, die über Frauen verhängt wurden. Bd. IV, 374.
s. auch EJic ; Konkubinat.
Fürsten unter den Tokugawa s. Gesetze dss lyeyasu.
Fujinoyama Höhenbestimmung. Bd. I, Heft III, 6 f ; Bd. I,
Heft III, 7-9; 9-10; Heft IV, 18 f. Bd. II, 22. Bd.
III, 275 ff. 364; Bd. IV, 48, 104. 108.
Barometerbeobachtungen vom Fuji, {Knipping). Bd. I, Heft
III, 7^-
Entstehung des Fuji. Bd. II, 10; 164.
Fuji-karte. Bd. II, 24.
Fujiausbrüche. Bd. II, 165. 177. 193-195.
Zur topographischen Skizze des Fuji und seiner Umgebung
s. Schutt, GottscJie, Satozv.
Doppelbilder des Fuji. Bd. IV, 234.
Fusang Ueber das Land Fusang nach chinesischen Berichten
{Bretschneider). Bd. II, i-ii.
Geburtshilfe in Japan s. die Abhandlung von Miyakc.
zum erstenmal in Japan literarisch bearbeitet. Bd. I, Heft
IV, 17.
Künstliche Erregung des Abortus in Jai)an {Iloßinami). Bd.
I, Heft IV, 28 f. 39.
50
bei (Ich Ainu. 1k1. III, 259.
Geographie in Japan s. die 15citrägc von Ifccrcii; ]\ricn\ Kiiip-
ing. (Bd. II, 20-24, cf. 124. 35; 61 f. ii<S f.); M'iillcr-
Bceck (KazLisa u. Awa) ; ScJiciibc (Itincrar einer Reise im
südlichen Teil von Yczo).
s. Ftijinoyama ; Fusang ; irdliciiincssungcn ; Rehen.
Geographische NoniencLatur Japans. VnX. II, 121.
Die geoorapliischc Gesellschaft in Tolcyo. 1kl. III, 361.
Geologisches Geologische Beschaffenheit der Insel Enoshima
{Hilgcndorf). Bd. I, Heft X, 5.
Geologische Zusammensetzung der Gebirge der Centralpro-
vinzen Japans. Bd. II, 12S.
Geologie Japans s. Naunianii s sämtliche iVufsätze ; KorscJuit
Japanischer Ackerboden ; GottscJic.
Geologie der Insel Oshima (Liu-kiu). Bd. III, 109 f.
Okinawa und Oshima (Liu-kiu). Bd. III, 1 5 i f .
Innai. Bd. III, 415.
Bestimmung der Wassercapacität und Durchlüftbarkeit des
Bodens für Bonitierungszwecke {Fcscti). Bd. IV, 230-231.
Juraformation in Japan {^Brauns). Bd. IV, 440-442.
s. auch Erdbeben.
Geomantik, chinesische-Fengshui. Bd. I, Heft VII, 4 f.
Gerichtsverfahren, GerieJitsverfassung, s. Miehaelis, Rudorff.
Gesang s. Alnsik.
Geschichte chinesische s. Arendt; HFidler-Beeek (Besprechung
von Fries, Abriss der Geschichte Chinas).
Geschichte japanische. Stand der äUeren jai^anischen Geschichts-
forschung {Kempennann). Bd. I, Heft III, 2.
Japanische Seeräuber verheeren die chinesischen Küsten.
Bd. I, Heft IV, 22 f; Heft V, 13.
Aelteste Einwanderungen in Japan. VA. I, Heft IV, 31.
Tcrritorialeinteilung Japans {Krien). Ikl. I. Heft VI, 32-38.
Das Monument von Taga-jo nohi (ältester Denkstein Japans
bei Sendai). Bd. I, Heft VII, 26 f.
51
Beiträge zur neueren Geschichte Japans, s. Wagencr, Hen-
drik Heuskens Tagebuch. — S. auch Bd. II, 103 f.
Kampf auf Ueno (16S6) {Lange). Bd. II, 96-101 und Bd.
II, 104.
Yoshitsune auf Yezo ? Bd. IV', 290. .
Staatliche und gesellschaftliche Organisation im alten Japan
{Florenz). Bd. V, 164-182; cf 141.
Shimabaraaufstand {Riess). Bd. V. 19 1-2 14.
Geschichte von Formosa {Riess). Bd. VI, 405-447.
s. ferner Abstaininnng; Adel \ Christentnvi\ Englaiul und
Japan ; EiitdeekuiigsgeseJiiehte ; Geset:^gebung ; Kaiser ;
Kaisergräber; ReeJitspflege (Rudorff) ; Religion; Straf reeht
(Michaelis) ; Shdgnn ; Verkehr.
Gesetzgebung Gesetze des lyeyasu. Bd. I, Heft I, 5-14; Heft
II, 2-8.
Getetzgebung im gegenwärtigen Japan s. Rudorff.
Gesinde zur Sittlichkeit angehalten. Bd. Heft I, 14.
Strafe für einen Diener, der seinen Herrn tötet. Bd. I,
Heft II, 2.
Globus, jap. von 1670 {dierren). Bd. I, Heft II, 9-13.
Goldausfuhr der Holländer aus Japan {Riess). Bd. VI, 449-
450.
Grammatiken der japanischen Sprache (besprochen von Weii)ert).
Bd. V, 277-281.
Gynäkologie s. Geburtshilfe.
H
Hakuseki Arai und P. Sidotti ; {L'dnJiolm). Bd. VI, 146-189.
Handel Handel Japans seit 1868 s. Roeser.
Goldausfuhr der Holländer aus Japan {Riess). Bd. VI,
449-450.
Handelsgesetzbuch jap. s. Rndorff.
5^?
Handels- und Industriegesellschaften in Osaka (ll'ai^f/nT).
Bd. V, 75 f-
Handelsrecht japanisches (Lön/io////). Bd. VI, \(jy-2jo.
HarakÜ'i (Scppuku-15auchaufschlitzcn in Jai)an). ]kl. I, lieft
X, 26-28.
Heilkunde s. Acrclc, Arznciknndc.
Herrschaften und Diener, Verhältnis. Ikl. I, Haft II, 4.
Verbot, ckiss die Diener dem lierrn in den Tod folgen.
Bd. I, Heft II, 5.
Heusken Hendrik, Aus seinem Tagebuch {]Vagcncr). Bd.
III, 372-390.
Hochzeit s. Ehe.
Höhenbestimmung s. Fujinoyauia; Knipping. Bestimmungen
von Hohen am Nakasendo, zwischen Kyoto und Tokyo.
Bd. I, Heft 6.
im Hakonegcbirg. Bd. I, Heft III, 9 f.
von Tokyo über Utsunomiya, Imaichi, Nikko, Yumoto ; von
Imaichi bis Wakamats ; von Wakamats bis Shirakawa
über ( tahara nach Imaichi. Bd. I, Heft VI, 52-55.
Ontake in Shinano. Bd. I, Heft X, 4.
in Idzu und Sagami. Bd. I, Heft X, 26.
Nikkoberge. Bd. II, 63.
in Idzumo. Bd. II, 125; 136.
Das Tokyo-Sendai Nivellement. Bd. II, 11 8-1 19.
in Südyczo. Bd. III, 88.
Passhöhen im Norden von Japan. Bd. III, 205.
am Fuji. 1kl. III, 275-282.
im Akita-ken. Bd. III, 391.
Hokkaido s. Yczo und ^\i)iu.
Holländer Goldausfuhr der Holländer aus Japan [^Ricss). Bd.
IV, 449-450.
ihre Haltung bei dem Shimabaraufstand. Bd. V, 205 f.
Holländische Niederlassungen auf k\)rmosa. VA. W, 420-
432.
53
lyeyasu (Gongensama) Die i8 Gesetze des lyeyasu. Bd. I,
Heft I, 5-14.
Die 100 Gesetze. Bd. I, Heft II, 2-8.
Industrie s. Hamid.
Jagd Bestimmung in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft
I, II.
Lockpfeife für Plirsche. Bd. I, Heft X, 4.
Jagdfalken zum Vogelfang. Bd. II, 71-72.
Jagd auf Oshima (Liu-kiu). Bd. III, 143.
Jagd bei den Ainu. Bd. III, 228-229.
Japan Aussprache des Wortes. Bd IV, 106.
(Die auf japanische Dinge sich beziehenden Gegenstcände
suche man unter den betreffenden I'achausdrücken).
Japanisches Meer Strömungen. Bd. I, Heft III, 1 1 f.
Jödo-Lehre von den Tokugawa begünstigt. Bd. I, Heft I, i i ;
Heft II, 6.
Justizwesen s. Illichaclis ; Rudorjf.
K
Kaiser in Japan. Chronologisches V^erzeichnis der Kaiser
(f. Brandt). Bd. I, Heft I, 14-17.
Verhtältnis der Kaiser zu den Shogunen, s. Gcsct::^ des lyeyasu.
s. Rndorff, Rechtspflege unter den Tokugawa.
Stellung des japanischen Kaisers in der ältesten Zeit. Bd.
V. 165.
Vorrecht desselben. Bd. V, 166. 176.
Mas.st sich unter dem Einduss der chinesischen |)olitischen
Theorien Souveränitätsrechte an. Bd. V, 173.
54
Aeltcstc Bezeichnungen für den Kaiser. Bd. V, 176.
Gründe des Wachstums der KaiserHchen Macht in der alten
Zeit. 1kl. V, 180.
Schaffung neuer Uji (Geschlechter) durch die Kaiser. Bd.
V, 180.
Landbesitz des Kaiser. Bd. V, 187.
Erlass des Kaisers vom 30. Oktober 1890. Bd. V, 455.
Kaisergräber in Japan. Bd. I, Heft I, 21 f; Heft VI, 40;
Bd. IV, 357.
Kaiserliche Insignien. Bd. I, Heft I, 5; Heft I\', 32.
Kaiser-Wilhelmsland (yHollmng). Bd. IV, 447-456.
Kakke (Krankheit) s. den Aufsatz von Hoffinaiui. Bd. I, Heft
II, 16-21.
Erwähnung. Bd. I, Heft X, 18.
Fälle der Krankheit bei luu'opäern. Bd. II, 'J2.
Geschichte der Kakke von ScJiciibc. Bd. III, 170-174.
Beschrieben von Bätj. Bd. III, 301-319.
Kamilehre s. Sltintoismus.
Kampferbaum s. den Aufsatz von Grasmann. (Bd. VI, 277-
315)-
Karten Erklärende Karten für die VY-ränderungen, welche in
dem Kaiserreiche stattgefunden haben {Kricn) :
I. Karte des japanischen Reichs, wie es von Jimmu Tenno
begründet worden ist. Bd. I, Heft VI, 32 f.
II. Karte des japanischen Reichs unter Keiko Tenno nach
der Unterwerfung des Ostens und Westens. Bd. I, Heft
VI, 33 f.
Ueber eine neue Karte von Japan und ihre Quellen [Knip-
ping). Bd. II, 20-24.
Das Klima Japans und der Einfluss desselben auf die
Pflanzenproduktion {Fcsca). Bd. V, 78.
Klima in den Kisowaldungen. Bd. V, 255 f.
s. auch JMctcorologiscJus.
Konkubinat Unterschied zwischen Ehefrau und Beiscliläfcrin in
(\cn Gesetzen des lycyasu. Bd. I, Heft II, 2.
55
Bestimmungen über die Zahl der Beischläferinnen für die
einzelnen Stände. Bd. I, Heft II, 2.
Landestrauer für kaiserliche Beischläferinnen. 1kl. I, Heft
II, 7.
Stellung der Konkubinen. Bd. II, 84.
s. den betreffenden Abschmitt in Wcipcrfs Aufsatz über
japanisches Familien- und lu-brecht. (Bd. V, 107-109).
Kinder s. Eltern.
Kleidung^ der alten Japaner. Bd. I, Heft VI, 59 (mit 2 Far-
bendrucken). Bd. II, 76.
in Idzumo. Bd. II, 132.
der Oshimaner (Liu-kiu). 1kl. III, i 14 f.
der Ainu. Bd. III, 223 f.
Klima Klimatische Verhältnisse der Westküste Japans {]Vchcr\
Bd. I, Heft III, 10-13.
Das Klima von Oshima (Liu-kiu). Bd. II, 1 1 1 f.
Das Klima Japans. Bd. II, 301 f.
Einfluss des Klimas auf gewisse Krankheiten, besonders
Kakke. Bd. II, 306 f
Das Klima von Niigata. Bd. III, 319-322.
Korallen Edelkorallen, japanische. VA. III, 435.
Körperliche Eigenschaften der Japaner s. die Abhandlung
von Baclz.
Korea Einwanderungen von Korea nach Japan. Bd. III, 341.
Besuch in Korea ; Unreinlichkeit. Bd. III, 440.
Ein Besuch in Korea {Mayct). Bd. IV, 18-28. 146-152.
Koreaner, verschiedene Gesichtstypen derselben. Bd. III, 339 f.
Koropokguru (Grubenbewohner) auf Yezo. Bd. IV", 292 bis.
Bd. V, 187 f. u. 435.
Bd. V, 369-373.
Krankheiten in Japan s. Kakke.
Pneumonie und Lungenblutungen {Hoffiiiann). Bd. I, Heft
IV, 4S.
Augenkrankheiten {Jinilla'). Bd. I, Heft V. 38 f
Farbenblindheit {Stc_phaison). Bd. VI, 19Q-194.
56
Fisch- und Lackvcri^irtungcn. Vn\. I, ITcft VIIT, 23-27.
Woclicnbcttkrankhcitcn. Bd. I, lieft X, 10 f.
Nervöse Störuni^cn {W^cniic/i). Bd. I, Heft X, 16-19.
Lepra. Bd. II, S. IV.
Ueberchwemmungs-oder Flussfieber [Bad.':). Bd. II, 409-415.
Krankheiten bei den Ainu. Bd. III, 241 f
Infektionskrankheiten (I. Flecktyphus II. Abdominartyphus.
III. Rückfalltyphus. IV. Pock-en. V. Masern. VI. Schar-
lach. VII. Röthein. VIII. Cholera. IX. Dysenterie.
X. Diphterie. XI. Puerperalfieber. XII. Malariakrank-
heiten. XIII. (Kakke) : beschrieben von Bäl::. Bd. III,
295-318.
Kranlcheiten durch Parasiten {Bach). Bd. III, 36R f cf. Bd.
V, 34^>-
Religiöser Wahnsinn, Besessenheit etc. (Bäh). Bd. IV,
421; cf. Bd. III, 253. Bd. VI, 453-
Kriegskunst s. MUitäriscJics.
Kunstgewerbe Japanische Darstellung des Wirbelwinds. Bd.
IV, 300.
Kunstgewerblicher Unterricht in Japan. Bd. VI, 397-398.
Kurilen Reisen nach Yezo und den Kurilen (MicJiaclis). Bd.
IV, 089-291.
Kwanto. Bd. I, Heft I, 5.
Kyoto Gründung durch Kwammu Tenno und Errichtung des
Hiyeizantempels. Bd. I, Heft I, 5 f.
Lack geschnittener, roter chinesischer, zwei Bilder aus. Bd. I,
Heft V, 7; Heft X, 37.
Landstrassen Bestimmung über die Breite derselben in den
Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft II, 4
Landwirtschaft Bestimmung zum Schutze des Ackerlands in
den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft II, 4.
57
Künstliche Befruchtung des Getreides. Bd. I, Heft IX, 4 ;
55-56; Heft X, 5.
Ackerbau und Viehzucht auf Oshima (Liu-kiu). Bd. III,
140-143.
Ackerbau auf Okinawa (Liu-kiu). Bd. III, 152 f.
Feldwirtschaft bei den Ainu. Bd. III, 230.
Düngung mit Kalk. Bd. III, 254.
Japanischer Ackerboden {Korschclt). Bd. III, 180-201 ;
254; 439-
Hungersnöte in Japan {JMayci). Bd. IV, 200 f.
Die Zahl der landwirtschaftlichen Bevölkerung in Japan.
Bd. IV, 421.
Zur Landwirtschaft in Japan s. auch Fcsca, Kellner, Rein,
LeJniiann.
Theekultur s. TJice.
Lehnswesen in Japan s. Rudor-ff' ' Bemerkungen über die
Rechtspflege unter den Tokugawa. (Bd. IV, 378-394).
Leichenfeier Verbot dass die Diener dem Herrn im Tode
nachfolgen, in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft
II, 5. Siehe auch Florenz' Nihongi.
Begräbnisgebräuche der Shintoisten. Bd. I, Heft, VI, 39-41.
Leichenverbrennung in Japan s. die Aufsätze von Docnits und
Greevcn. Bd. I, Heft X, 6. 7. 28-29 ; Bd. II, S. III, f.
Geschichte und gegenwärtiger Zustand. [Beukenia und
Pliiggc). Bd. III, 1-12; 131 f.
Leichenverbrennung in Tokyo {Spinne)'). Bd. V, 156-158.
Lieder japanische Lieder {Hol::;). Bd. I, Heft III, 13 f.
Drei japanische Lieder {Hol::). Bd. I, Heft IV, 45-47.
Zwei japanische Lieder, mitgeteilt von Eckert. Bd. II,
423-428.
Kimigayo die japanische Nationalhymne {Eckert) Bd. III,
lieber die Uta. Bd. III, 422-424.
58
s. avicli Literatur, Poesie, Alitsik, und Gesans;.
Literatur chin. s. Arendt ; Floren':.
Literatur japanische. Momotaro, der rfir.sichjuni;c, übersetzt
\-on A. von KnohloeJi. Bd. I, Heft IV, 49.
Das Taketori Monogatari, übersetzt von Lange. ]kl. II,
304-318.
Japanische l'^raueiihteratur {LIering). Bd. V, 10-27.
Die literarische Thätigkeit Japans in der Gegenwart [Hering).
Bd. V, 141-143-
Kiodens historischer Roman ,, Der treue Ritter Uto Yasu-
kata (die E^mpörung des Masakado im 9. Jahrliundert
beliandehid), nebst biographischen Bemerkungen über den
Verfasser und andere zeitgenössische Schriftsteller des 18.
Jahrhunderts. Mitgeteilt von Bäe!.':. Bd. V, 282-284.
Japanische Literatur der Gegenwart {Floren.'::). W\. V, 314-
341-
Alliteration in der japanischen Poesie (Floren.o). Bd V,
342-344.
Psychologie des japanischen Witzes [Floren::). ])d. V, 424-
430.
Ethische Literatur der Gegenwart [Dnsse). Bd. V, 439-500.
Liukiu Liukiu im 7. Jahrhundert n. Chr. der chinesische Name
für Formosa. Bd. I, lieft VII, 4. cf Bd. VI, 408 ff. 415.
417.
Die Bewohner ncähern sich dem Typus der Chinesen. Bd. I,
Heft VIII, 41.
Die Musikinstrumente auf Liukiu den chinesischen gleich.
IM. I, Heft IX, 27.
Vulkanische Thätigkeit sehr rege. Bd. II, 2^13.
Wetterbeobachtungen zur Zeit des Taifuns in August 18S0.
Bd. III, 99. 107 f.
Die Liukiuinsel Amami Oshima [Doederlein). Bd. III, 103-
117; 140-156.
Loreleysage in Japan. Bd. IV, 107.
59
M
Magie chinesische s. den Aufsatz von der Goltz. (Bd. VI, 1-36).
Malaiische Elemente in der Bevölkerung Japans s. Abstamninng.
Mass- und Gewichtssystem in China und Japan ( Wagener).
Bd. II, 35-42. 61.
Masse und Gewichte in Japan. Bd. II, 215 .
Masse bei den Ainu. Bd. III, 232.
Mathematik Chinesische Zahlenbenennung nach Potenzen von
10 {Wcstphal). Bd. I, Heft VIII, i f
Gescliichte derselben in Japan [IVcstphal). Bd. I, Heft IX,
54 f.
Mechanik s. Flicgcmvcdd.
Medizin siehe AerrJe, Arzneikunde , Geburtslnlfc, Kraiikheiten,
Sicbold.
Meeresleuchten eigentümliches. Bd. I Heft I, 22 f.
Meeresuntersuchungen. Strömungsverhältnisse an der West-
küste Japans [IVeber). Bd. I, Heft III, 11 f.
Strömungsgrenze im Norden von Formosa i^Knipping). Bd.
I, Heft V, 27 f.
Menschenopfer in Japan. Ersatzpuppen für Menschenopfer.
Bd. I, Heft VIII, 13 f.
Meteoriten. Ein Meteorit von der Insel Mikomoto. Bd. I,
Heft IV, 5.
Einfluss der Meteoriten auf Erdbeben. Bd. II, 212-214.
Der Meteorit von Tajima, Februar 1880. Bd. III, 202 f.
Meteorologisches -s. von Kitao, Knipping, Mezger, Weyhe, Kellner.
Eigentümliche Eisbildung in Japan, shimo-bashira (Doeniiz).
Bd. I, Heft IV, 2 f; Bd. II, 70-71 {Wagencr).
Auffällige Gegendämmerung {Hilgendorf). Bd. I, Heft V, 39.
Feuerkugel. Bd. II, 269.
Anschauungen der Amv\. Bd. III, 234.
Beobachtungen in Innai. Bd. III, 416.
Wolkenbildungen am Fuji. Bd. III, 281.
6o
Wetterbeobachtungen aus Korea. ]5d. IV, 29. cf. Ikl. V,
27 f. s. auch Klima.
Mexico und Japan (Si)rachverwandtschaft ?). l^tl. I\s 199.
s. auch Fusang.
Militärisches. Kriegsadel. Bd. I, Heft I, 7; Heft II, 5 ; Heft
VI, 5-
Kriegsmusik. Ikl. I, Heft IX, 26.
Zerstörung der Häuser durch Krieg in Japan. Bd. II, 233 f.
Faniihenpcnsionen der Kriegerkaste in Japan. Bd. II, 261.
Japanische Kriegsausgaben. Bd. II, 262.
Heiratskonsenz der japanischen Offiziere. Bd. II, 446.
Eine Parade vor 250 Jaliren {]Vagcncr). Bd. IV, 341-345.
s. au eil Waffen.
Minen wesen s. Berg- und Hitticin^'cscn.
Mineralien Japanische Mineralien (Schwefel Graphit, Molybda-
englanz, Antimon, Eisenerze, Kupfer) Martin. Bd. I, Heft
IV, 4-6.
Reise von Kofu nach den Quarz- und Bergkrystallgruijen
{Schenk). Bd. I, Heft VI 11, 21 ff.
Mineralien auf Oshima (Liukiu). Bd. III, 144.
Seltenheit interessanter Mineralien in Japan. Bd. III, 254.
Mineralproduktion Japans. Bd. III, 414.
Natrolith aus Awa. Bd. III, 448.
Mineralquellen Analyse der Arimaquellen (AV/Av-j. Bd. I, Heft
IV, 44 f.
Warmes Mineralwasser in Japan zu medizinischen Zwecken
verwendet. Bd. I, Heft V, 17 ; Bd. II, 253.
Geysir in Atami (Ann/::e). Bd. I, Heft VII, 3(^32.
Untersuchungen japanischer Mineralwässer von JMartin. Bd.
I, Heft X, 20-26.
Verteilung der Quellen auf die verschiedenen Teile Japans.
Bd. II, 204.
Momotaro der Pfirsichjunge. Bd. I, Heft IV, 49.
Moxa. Bd. i, Heft TV, 17, 18 (durch Blinde ausgeübt); Heft V,
2 1 ; Heft VI, 46.
6i
Pjcrcitung, Prozedur und Zweck der Moxa. Bd. IV, 46.
Münzen s. die Beiträge von Branisen und Scriba.
Musik auf den Adniiralitätsinseln s. dieses Wort.
Musik chinesische. Jetzt noch in China üljliche Instrumente. Bd.
I, Heft IX, 27 ff
Zur Verglcichung chinesischer und ja[janischer Alusik (Stein).
Bd. I, Heft IX, 60-62.
Theorie der chinesischen Musik und ihr Zusaninienliang mit
der Philosophie {Wajroicr). Bd. II, 42-61.
Musik und Gesang in Japan- Am Hof des Shogun. 1kl. I,
Heft ,11.
Notizen über die japanische Musik {Mitllcr). Bd. I, Heft VI,
13-31 ; Heft VIII, 41-48 ; 52 ; Heft IX, 19-35.
Zur Verglcichung chinesischer und japanischer Musik {Stein).
Bd. I, Heft IX, 60-62.
Musikinstrumente der Ainu. Bd. III, 237.
ICrläuterung japanischer Musikstücke. 1kl. IV, 107.
Japanische IMusikstücke (r-. Zcdtii'itrj). Bd. IV, 129-145.
(vgl. 107).
Beiträge zur Kenntniss der japanischen Musik (Dittrich). Bd.
VI, 37^>-39i-
s. auch Lieder.
Mythologie japanische s. SJdntoismus. Japanische Mythologie
buddhistisch-chinesischer Färbung. Bd. I, Heft III, 2.
llir.sch als Götterbote. Bd. Heft III, 2.
Vergleichende Mythologie : Die geflügelte Sonnenscheibe
{Rastlakx). Bd. III, 426-434.
N
Nagasaki {Ili.-.en) Verwaltung und Bewachung des Fremdenhafens.
Bd. I, Heft II, 3.
Nahrungsmittel der Japaner. Anfertigung von Tofu, Yuba und
Arne {KUier). Bd. I, Heft V, 3-5.
62
Bereitung von Shoyu, Sake und Myrin {Ifoß'uiajiii). lul. I,
Heft VI, 8-1 1.
Nahrungsmittel der japanisehen Bauern. Bd. II, 139.
Ncährwert des Tofu {Langgaard). Bd. II, 268 f. bis cf. 271.
Nahrung der Oshimaner (Liukiu). Bd. III, 1 17.
Nahrung der Ainu. Bd. III, 223.
I^enierkungen von Sclicubc über die Nahrung der Ja[)aner.
Bd. III, 282-294.
Die Ernährung der Japaner vom volkswirt.schaftlichen Stand-
punkt {Baclz). Bd. IV, 295-297.
Beiträge zur Kenntnis der h>rnährung der Japaner {Kc/nicr
7ind Mori). Bd. IV, 305-321 ; 397 f.
Ueber einige japanische Nahrungsmittel {Löio). Bd. VI,
JD- :)54-
Bereitung der Shoyu-Sauce [Löio). Bd. VI, 474-476.
Namengebung der Kinder in Japan. Bd. II, 79.
Nara s. den Aufsatz von Cocliius. (Bd. I, Heft VII, 32-36).
Erwähnung von KcmpcnnauJi. Bd. II, 143 f
Nebenfrauen s. Konkubinat.
Neu-Guinea s. MWcniocs-Sulim.
Neujahrsfest das japanische s. den Aufsatz von Sataro liirosc.
(1kl. III, 257-275)-
Nikko Naturwissenschaftliche Reisestudien in Japan : Nikko
[^Rcin). Bd. I, Heft VI, 60-61 ; Heft VII, 21-29.
l^otanische Exkursion von Tokyo nach Nikko {^Nicu'crth).
Bd. I, Heft VII, 9-11.
Nikkoberge {Knipping). Bd. II, 61-63.
Weg von Nikko bis Ikao, mit Karte {Schutt). Bd. III, 202.
Numismatik s. Bramscn ; Scriba.
o
Obstbau in Japan. Obstbäume bei Kozaka. Bd. II, 66.
Obstbau, Diskussion. Bd. II, 159.
Einführung der Obstsorten in Ostasien, Bd. II, 406 f.
63
Olltake in Shinano. Bd. I, lieft X, 4.
Opium Bereitung und Benutzung {Martin). Bd. I, lieft VIII,
5-7 ; Heft IX, 1-4.
Papier Aus Papier gefertigte spanische Wände aus Japan ex-
portiert. Bd. I, Heft II, 14.
Bereitung des japanischen Papiers {Zappe). Bd. I, Heft II, 14.
Verzeichniss von Papiersorten. Bd. I, Heft II, 14-16.
Anfertigung des Kreppapiers (r'. Brandt). Bd. I, Heft V,
5-7-
Stärke zur Fabrikation des Shibukanii. Bd. I, Heft IX, 59.
Parasiten Drei Arten von menschlichen Parasiten {BacLz). Bd.
II, 368 f.
Pllaria immitis und andere in Japan bei Hunden veorkommende
Parasiten {Janson). Bd. V, 345-347 ; 349-360.
Die tierischen Parasiten bei Wiederkäuern {Janson). Bd. VI,
-7---75-
Petroleum in Japan. Bd. I, Heft VI, 48.
Pflanzenwachs, japanisches. Zubereitung {Zappe). Bd. I, Heft
IV, 29.
Zur Kenntnis des japanischen Pflanzenwachses {Gecrdts). Bd.
I, Heft V, 38 f
Pharmacopoeie s. Arzneikunde.
Philippinen Thongefasse für Thee aus den Bd. I, Heft,
II, I.
Japanische Kupferbehandking auf den Bd. I, Heft V, 3.
Philosophie chinesische. Theorie der chinesischen Musik und
ihr Zusammenhang mit der Philosophie {Wagener), ßd.
II, 42-61.
japanische der Gegenwart s. den Abschnitt über philosophische
Ethik in der Abhandlung von Bnsse. Bd. V, 471-487.
Philosophen, bedeutendere japanische der Gegenwart. Bd.
V, 471 ; 500.
64
Physik kosmische s. Scli'ütt, Kin Beitrag zur magnetischen luxl-
kraft. (Bd. III, 71-87).
Plätteisen /wei Arten japanischer. Bd. I, Heft VIII, 2.
Poesie chinesische s. die Beiträge von ^Ircndt und Florenz.
japanische s. Literatur.
Politische Einteilung Japans {Kricn). Bd. I, Heft VI, 32-38.
Porzellan Satsumaporzehanfabrik in Uta bei Yokohama [Rciu).
Bd. I, Heft V, 3.
Izumoporzellan (Fayence). Bd. II, 130.
Porzellanöfen in Japan. Bd. III, 177.
Seladone {Müller- Becck). Bd. IV, 193-195.
Poststationen Bestimmungen in den Gesetzen des lyeyasu. Bd.
I, Heft II, 4.
Prostitution Stellung der Gesetze des lyeyasu zu derselben. Bd.
I, Heft II, 5.
Prostituiertensteuern. Bd. II, 235.
Echigofrauen in Bordellen des Nordens. Bd. II, 406.
Psychologie die der japanischen Sprache {j\Iundnger\ Bd. VI,
103-142.
des japanischen Witzes {Floren.-^). Bd. V, 424-430.
Quarz. Bd. I, Heft VIII, 2;
Q
R
Rechenmaschine (Soroban) s. Wcstphal.
Rechtspflege s. Gesetze des lyeyasu. L'önhohn ; Michaelis ; Rii-
dorff; Weipert.
Reis Mass der Reisproduktion in Japan. Bd. I, Heft I. 9.
Bestimmung in den Gesetzen des lyeyasu über Anlage neuer
Reisfelder. Bd. I, Heft II, 10.
Reis zur Sakefabrikation, Bd. II, 240 f. 244.
65
Stärke- und Wassergehalt. Bd. II, 250.
Nährwert. Bd. II, 268 f. bis.
Reis als Nahrungsmittel. Bd. III, 289 f.
Analysen s. Kellner.
Reisbau s. Fesca.
Reisen in Japan Praktische Ratschläge für Reisen auf die nörd-
lichen Inseln Japans. Bd. IV, 287 f.
Naturwissenschaftliche Reisestudien in Japan {Rein). Bd. I,
Heft VI, 60-61 ; Heft VII, 21-29.
Nara {Cochius). Bd. I, Heft VII, 32-36.
Reise von Kofu nach den Quarz- und Bergkrystallgruben bei
Kurobara {Schenk). Bd. I, Heft VIII, 21-23.
Reise nach Kosaka. Bd. II, 64-68.
Reise durch die Centralprovinzen Japans {Kempennann). Bd.
II, 121-145.
Reise nach dem nordöstlichen Teil A'on Yezo und den Kurilen
{Michaelis). Bd. IV, 289-291.
Reisenotizen aus Mitteljapan {IVagener). Bd. IV, 396 f. 397.
Reisenotizen aus dem Hokkaido {JVagener). Bd. V, 184-188.
Der Kawaguchisee {Knipping). Bd. V, 309-313.
Neujahrsausflug nach Idzu no Oshima {Riess). Bd. VI, 480 f.
Religion in Japan s. Aberglaube, Buddhisnins, Christentum, Con-
fncianisnuis, Feste, Mythologie, Leichenfeier bzw. Verbren-
nung, SJiinto. Wallfahrten der Kaiser zu den Tempeln.
Bd. I, Heft I, 6.
Oberaufsicht über die Tempel. Bd. I, Heft I, 8.
Tempelcommissare. Bd. I, Heft I, 10.
Ahnenkult am Shogunhof. Bd. I, Heft I, 1 1.
Freiheit der Religionswahl in den Gesetzen des lyeyasu. Bd.
I, Heft I, 12 cf Heft II, 4 f
Oberaufsicht über die Religionen. B. I, Heft II, 6.
Kopfscheeren der Blinden und Witwen in Japan. Bd. I, Heft
IV, 1 1 Anmerkung,
bei den Ainu s. Ainu.
66
auf den Liukiu-Inscln s. Linkiu.
Riukiu s. Lmkiu.
s
Sake Bereitung des Sake. Bd. I, Heft VI, 9 f.
Sakctrinkcn bei den Ainus. Bd. I, lieft VI, 49 ; 58.
Aufsat;^ von O. KorscJiclt. Bd. II, 240-258.
Sakcanalysc von Kellner. Bd. IV, 221 f.
Schachspiel chinesisches s. den Aufsatz von M'öllcndorff. Bd.
II, 11-18.
japanisches s. den Aufsatz von Holtz. Bd. I, Heft V, 10-12.
Schädel Varietät des Jochbeins an Japanerschädeln {Hilge)idorf).
Bd. I, Heft III I f.
Abnorme Schädel, ßd. I, Heft X, 7.
Ueber drei verschiedene Typen unter Japanerschädcln {Doe-
nit.::). Bd. II, 69 f.
s. auch Daelz, Körperliche Eigenschaften der Japaner.
Schlangen s. Fauna.
Schmetterlinge Ein Töae von sich gebender Schmetterling
{Hilgendcrf). Bd. I, Heft VI, 68.
Schmetterlinge in China. Bd. I, Heft IX, 8.
Saison-Dimorphismus bei japanischen Schmetterlingen {Fritze).
Bd. V, 144 f.
Schmetterlinge auf Yezo. Bd. V, 242-247.
Schminke japanische. Schwärzen der Zähne und Lippen-
schminke. Bd. I, Heft II, I.
Kosmetik des Gesichts in Japan {BaelrS). Bd. IV^ '$^J f.
Schrift, japanische. Kami yo no modji oder Götterschrift
{Keniperniann). Bd. II, 85-93. cf. Bd. V, 174.
Anmerkung über die japanische Schrift. Bd. IV, 35 f.
Problem der Abänderung der japanischen Schrift. Bd. VI,
104.
Schulen s. UntcrricJitsivesen.
67
Schwert Bestrafung des Verlierens des Schwerts. Bd. I, Heft
I, 12.
s. auch Waffen.
Seeschwämme von Enoshima. Bd. I, Heft II, i f
Seidenbau Seidenspinnerei in Kofu. Bd. I, Heft VIII 21 f
Kampferspinner {Hilgcndorf). Bd. I Heft IX, 56-58.
Seidenraupe s. die Beiträge von GrccvcUy Ueber den Udji.
Bd. I, Heft VII, 20 f; Bd. II, 93-96 und Piquct. Bd. II,
96-105 und Sasaki. Bd. IV, 162.
Seidenausfuhr aus Japan in den Jahren 1868, 1872, 1873,
1876, 1877, 1878. Bd. III, 38.
Sendai Die Küste von Sendai und Nambu {Rein). Bd. I, Heft
VII, 26-29.
Shanghai Aus der Geschichte von Shanghai {C. Schmidt). Bd.
I, Heft IV, 20-23.
Shimabara Aufstand von 1637-1638 {Riess). Bd. V, 191-214.
Shintoismus Die drei Götterdinge. Bd. I, Heft I, 5.
Isetempel alle 21 Jahre neu ersetzt. Bd. I, Heft I, 7.
Strafandrohung an die Shintopriester in den Gesetzen des
lyeyasu. Bd. I, Heft I, 12.
Gohei. Bd. I, Heft I, 13.
Moderner Shintotempel in Yedo (1868). Bd. I, Heft II, 2.
Warnung vor Vernachlässigung des Kamidienstes in den
Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft II, 4 f.
Mittheilungen über die Kamilehre {Kempcrniann). Bd. I,
Heft IV, 30-36.
Begräbnisgebräuche [Kjioöloc/i). Bd. I, Heft VI, 39-41.
Shintodienst. Bd. I, Heft VII, 22.
Shintotempel in Nara. Bd. VII. 35 f.
Shintomusikinstrument. Bd. I, Heft IX, 27.
Japanische Gebete {Funk). Bd. I, Heft IX, 40-42.
Shintopriester führen chinesiches Getreidemass ein. Bd. II,
36.
Die Kamiyo no modji oder Götterschrift {Kcinpcrnuvui).
Bd. II, 85-93.
6gi
Reise durch die Ccntralprovinzcn Jai)aus {Kaiipcn/iann).
Bd. II, 121-145.
Idzumo, die Hauptstätte des Shintoismus. Bd. II, 133 K.
Shintoismus in Yamato. Bd. II. 142 fif.
Pension der Shintopriester. Bd. 11' 261 ; 265.
Ursprünglichste Form des Shintoismus auf Liukiu zu finden ?
Bd. III, 115.
Moderner Staatsshintoismus {Spiinicr). Bd. V, 78-79.
Shintofcste [Spinner). Bd. V, 7<S-79.
Öharai (Grosses shintoistisches Sühnefest, Beschreibung nebst
der Sühneformel) s. Spinner, Moderner Staatsshintoismus.
Opfer für Abwesende {Spinner). Bd. V, 230.
Idee des stellvertretenden Leidens in Verbindung mit dem
Sonnenkult {Spinner). Bd. V, 230.
Totenfeier nach Shintoritus {Spinner). Bd. V 285-286.
Gegenwärtige Bedeutung des Shintoismus und Shintoliteratur
s. den Aufsatz von Busse. Bd. V, 439 ff. 455 ; 563 ; 491 ;
497-
Das Shintogebet der grossen Reinigung (Üharai no kotoba)
{Weipert). Bd. VI, 365-375-
s. auch Aberglauben ; Feste ; Jl'ahrsagen.
Shogunat Zur Stellung des Shogun s. Gesetze des lyeyasu.
Chronologisches Verzeichnis und Stammtafel der Shogune.
Bd. I, Heft I, 17-20.
Der japanische Adel vor 1 868 {i<. Brandt). Bd. I, Heft VI, 5-8.
Der letzte Shogun s. La)ige, Kampf auf Ueno.
Shogunatsgründung. Bd. II, 164 f.
Schulden der Shogune. Bd. II, 261.
Andere Titel des Shogun. Bd. III, 374.
Harris' Empfang beim Shogun. Bd. III, 380.
Shogunregierung s. Ilenskens Tagebuch.
Zwangsanleihen des Shogunats. Bd. III, 390.
Rechtspflege unter den Tokugawa {Rudorff). Bd. IV, 378-
394-
Sidotti Pater und Arai Hakuseki {Lonhobn). Bd. VI, 147-189.
69
Siebold, Phil. Franz von, Freiherr Sein Einfluss auf die japa-
nische Ileilkunde. Bd. I, Heft I, 24.
Seine Verdienste um die Flora japonica. I3d. I, lieft IV,
38.
Festrede auf ihn {Baelz). Bd. VI, 392-397.
Sklaverei Japaner kaufen schwarze Sklaven von den Portugie-
sen. Bd. I, Heft IV, 23.
Portugiesen kaufen und verkaufen Japaner als Sklaven.
Bd. I, Heft V, 32 f
in Fusang. Bd. II, 3.
in Korea. Bd. IV, 20 f
Landverteilung an Privatsklavcn und Staatshandwcrkssklaven
in Japan. Bd. V, 122.
Dr. Florenz Polemik gegen Chamberlain's Behauptung, dass
es im alten Japan keine Sklaverei gegeben habe. Bd.
V, 168-172.
Solfataren Die Solfatare von Ashinoyu [Cochhis). Bd. Heft
III, 2 f.
Die Solfatara am Ojingoku {Ritter). Bd. I, Heft III, 3 f.
Solfatarenfeld des Komangatake bei Hakodate (v. Brandt).
Bd. I, Heft III, 4.
Solfatare des Esan bei Hakodate (v. Brandt). Bd. I, Heft
Der Geysir in Atami {Kiuitse). Bd. I, Heft VII, 30-32.
Sonnenkult Die Idee des stellvertretenden Leidens in Verbin-
dung mit dem Sonnenkult in Japan {Spinner). Bd. V,
230.
Sonnenscheibe, die geflügelte (Eastlake). 1kl. III, 426-434.
Soroban s. RecJiemnaschine.
Soziale Gliederung in Japan s. Adel, der japanische.
s. Gesetze des lycyasn passiui ; und Hoffniaiui, Die PIcilkunde
in Japan und japanische Aerzte.
Spiegel s. Zauberspiegel.
Spiele chines. s. Sehachspiel.
Spiele japanische Go (Brettspiel). Bd. I, Heft IV, 19 (von
Fürstenärzten zu spielen).
s. KorscJicU.
Scliachspiel {Holtz). Bd. I, lieft V, 10-12.
Spiel am Neujahrsfest s. Hirosc.
Gesellschaftsspiel {Lehmann). Bd. III, 422-425. cf Bd. I,
lieft X, 37.
Sprache japanische Deutsche Werke über die japanische Sprache
{Wcipert). Bd. V, 277-2S1.
l'sycholoi^ie derselben {Muiirängcr). Bd. VI, 103-142.
Sprichworter japanische. Gesammelt von Knoblocii. Bd, I,
Heft IV, 23-26.
Gesammelt von Lange. Bd. I, Heft VIII, 50-52 ; Heft IX,
59-60 ; Heft X, 34-37.' Bd. II, 415-421-
Gesammelt von EJunann. Bd. VI, 70-102.
Staatshaushalt Japans, s. Mayct, Die jap. Staatsschuld.
Stände s. Sorjia/e Gliederung.
Stärkefabrikation aus Reisabfällen. Bd. I, Heft IX, 59.
aus Kudsukadsura (Pueraria Thunbergiana) Katakuri (Ery-
thronium grandiflorum) Warabi (Pteris aquilina). Bd. I,
Heft IX, 58-59.
Statistik s. Bcvdlkemngsstaüstik.
Stenographie, japanische {Lehmann). Bd. V, 159-163.
Steuerwesen in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I. Heft I, 12.
Beisteuern der Provinzen zur Ausbesserung von Schäden,
welche durch die Elemente angerichtet werden. Bd. I,
Heft II, 4.
Steuerfreies Land. Bd. I, Heft II, 4.
Itinkünfte aus Wäldern, P'lüssen etc. Bd. I, Heft II, 4 bis.
Strafen in P\isang. Bd. II, 3.
in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft I, 11. 13; Heft
II, 2. 7.
Strafgesetze der Ming Dynastie. Bd. II, 93 Ammerkung.
Strafrecht Japans in den Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft
II, 8.
Altjapanisches sacrales Strafrecht. Bd. VI, 371-375.
s. besonders Michaelis und Riidorff.
71
Taifune Der Taifun vom 13. Sept. 1874 {M. v. Brandt). Bd.
Bd. I, Heft VI, ir-13.
Ursprung des Wortes Typhon und der Aussprache Taifun
{Himl)!). Bd. I, Heft VIII, 14-20.
Die Zerstörung der Gebäude durch Stürme in Japan. Bd.
n, 233.
Die grossen September taifuns 1878 {Knipping). Bd. II,
343-336; cf. 325 f.
Der grosse Taifun vom August 1880 {Knipping). VA. III,
90-102; 166-170.
Wirkungen desselben auf Oshima (Liukiu). Bd. III, 107 f.
Taifunbahnen bei Japan {Knipping). Bd. IV, 293 f.
Tätowierung der Ainufrauen. Bd. I, Heft VI, 57 ; Bd. III, 225.
in Wen shen kuo. Bd. II, 2.
auf Oshima. Bd. III, 115.
in Japan, Ursprung und Bedeutung derselben {Bacl.z). Btl.
IV, 41-45.
Taxen für Schiffe, Pferde, Kulis. Bd. I, Heft IL 6.
Thee Japanische Theegesellschaften {Fnnk). Bd. I, Heft VI,
41-45.
auf Formosa. Bd. I, Heft VIII, 37. Bd. VI, 441.
Ueber den Anbau des Thees an der Westküste Japans (//?/w)
Bd. II, 10-13.
Theeanalysen. Bd. II, IV; Bd. IV, 212 fl
Färben des Thees, grüner, schwarzxr Thee. Bd. II, V.
Untersuchung japanischer Theesorten {Martin). 15(1. II,
33-34-
Theeausfuhr aus Japan. Bd. III, 38.
Analyse des Bodens des Theegartens. Bd. III, 182 f
Theesurrogate. Bd. IV, 214 f.
Rösten des Thees {Kellner nnd Mori). Bd. I\^, 416-417.
Thermen s. Badeorte, Mineralquellen, Solfataren.
72
Thongefässe alte, Japanische. 1kl. 1, Heft II, i.
Tierheilkunde s. Vctcrinärhinde.
Toilettenkunst in Japan s. im Aufsatz von Baeh über Körper-
liche lügenchaften der Japaner. Bd. IV, "^-J {^.
Tokugawa s. lyeyasu.
Chronologische Tafel der Tokugawashogune {v. Brandt).
Bd. I, Heft I, i8.
Rechtspflege unter den Tokugawa, s. J\IicJiaclis, Riuforff.
Tsuchi Ningyo (Thonfiguren in Gräbern). Bd. I, Heft VIII,
13-14. cf; Heft II, 5; Heft IV, 32.
Tusche, japanische. Bd. I, Heft, 48.
U
Unterrichtswesen in Japan. Adelsschulen zu Kyoto in der
Tokugawazeit. Bd. I, Heft I, 5.
Gründung von Schulen befohlen in den Gesetzen des lye-
yasu. Bd. I, Heft I, 12.
Studium der Heilkunde in Japan. Bd. I, Heft IV, 12 f.
s. Bericht über den Vortrag von Groth. Bd. III, 366 f.
Die pädagogischen Bestrebungen Rekkös in Mito {]Vcipcri).
Bd. VI, 38 f.
Kunstgewerblicher Unterricht in Japan {El/:an). Bd. VI,
397 f-
Vaccination durch Dr. v. Siebold in Japan eingeführt. Bd. I,
Heft I, 24.
Vereinswesen das japanische in Tokyo {Mayct). Bd. III. 359-
363 ; 370-371 ; 400.
Verkehr Japans mit Slam, Java, Philippinen. Bd. I, Heft II i.
Ikstimnuing über Empfang fremder Gesandten. Bd. I,
Heft II, 7.
mit China. Bd. I, Heft V, i ; Bd. II, 9 f.
mit Portugal s. v. Brandt, Discovery of Japan,
mit England s. v. Brandt, Rclations betwecn the Eiiglish
and the Japanese.
Versicherung der Gebäude in Japan {May et). Bd. II, 228-239.
Veterinärwissenschaft s. die Beiträge \o\\Jamon und Tokishige.
Viehzucht s. Land^Lcirtschaft.
Volkstümliche Vorstellungen in Japan {E/unaim). Bd. VI,
329-341-
Volkszählung s. Brodlkernngs Statistik.
Vulkane Ausbruch des Asoyama im Dezember 1872 {y. Kno-
bloch). Bd. I. Heft I, 22.
Esan, Komagatake (erloschene Vulkane). B. I, Heft III 4 f.
Hakusan, Ontake, Tateyama, Asamayama. Bd. I, Heft X, 4.
Erdbeben und Vulkanausbrüche in Japan {Xanuiann). Bd.
II, 163-216.
Verbreitung, Anordnung und Aufzählung der jap. Vulkane.
Bd. II, 203.
Vulkanische Verwitterungs-produkte {Fesca). Bd. IV, 160.
Ausbruch des Bandaisan im Juli 1888 (IVada). Bd. V,
69-74. cf. 37 f.
Vulkanische Aschen, vulkanischer Schlamm {Fcsca). Bd.
VI, 342-351.
w
Waffen der Ainu. Bd. III, 228 f.
Trutzvvaffen Altjapans {Muller-Beeck). Bd. IV, 1-8.
Das japanische Schwert {Hütterott). Bd. I, 111-128.
Wagener, Dr. Gottfried, Nekrolog für ihn {Ricss). Bd. VI,
357-364-
Wahrsagen Androhung von Strafen an Wahrsagerinnen in i^^cn
Gesetzen des lyeyasu. Bd. I, Heft I, 12.
aus den Schulterblättern des Hirsches. Bd. I, Heft III, 2. d\
Bd, II, 91 f.
74
r^ijistraucli als Licbcsorakcl. IM. I, Heft IV^, 27.
Auf der Rechenmaschine (fM'v///^^?/). P>d. I, Heft VIII,
48 f.
Aus dem Panzer der Schildkröte {Funk). Bd. I, Heft IX,
36-40.
]3ei den Ainus. Bd. III, 235.
s. auch Gcomantik und VolstiimlicJic ]'orstclhingcn.
Wasserleitimg-en Tokyos {Martin). Bd. II, 18-20.
Wassertemperatur in Japan. Bd. II, 223 f.
Wechsell'echt jap. s. Ldn/io/m, Das japanische Handelswrecht.
VA. VI, 197-270.
Wetterregeln japanische {Knip/^lng). Bd. IV, 223-229.
X
Xaverius Franciscus, führt das Christentum in Japan ein. Bd.
I, Heft V, 31; Bd. VI, 166 f.
Yamabushi. Bd, I, Heft I. 12.
Yedo Das Shogunschloss. Bd. I, Heft I, 9.
Gründung der Medizinschule. Bd. I, Heft I, 25.
Yezo Reise im südwestl. Teil von Yezo {Ritter). Bd. I, Heft
VI, 55-59. Heft VIII, 13-17.
Erwcähnung auf dem ältesten Denkstein Japans. Bd. I, Heft
VII, 26. . ■ ■.
Yezo, das Land der Tätowierten. Bd. II, 5.
Küstenkarte. Bd. II, 21.
Karte von Matsura. Bd. II, 21. 22.
Fi.sche in Yezo. Bd. II, 26, 28. 29.
Krieg in Yezo. Bd. II, 103 f.
Areal von Yezo. Bd. II, 120.
Juraformation. Bd. II, 441.
Kreideformation {A'^ain/iann). Bd. III, 28-33.
75
Itinerar einer Reise im südl. Teile von Yezo (Scheube).
Bd. III, 88.
Ratschläge für Reisen in Yezo (Mic/uniis). Bd. IV, 287-288.
Reise nach dem nordöstl. Teil von Yezo. Bd. IV, 289-291,
Ausgrabungen. Bd. IV, 291 f. 292.
Die Kolonisation Hokkaidos. Bd. IV, 413 ff.
Reisenotizen aus dem Hokkaido {Wage7ici'). Bd. V, 184-188.
Grubenbewohner auf Yezo. Bd. V, 187 f. 369-373 cf. Bd.
IV, 292 bis.
Fauna von Yezo [Fritze). Bd. V, 236-248.
Yezobär. Bd. VI, 68.
s. auch Aiiut.
Zauberspiegel Erklärung der magisch-en Eigenschaften des japa-
nischen Bronzespiegels und seiner Herstellung {Mnraokd).
Bd. IV, 8-1 1 cf. 31 f. 32. 293.
Magischer Spiegel in China. Bd. VI, 28.
Das Supplement " NniONGl " von Dr. K. Florenz hat einen besonderen ausführ-
lichen Index.
i^c=S®S=
Mitglieder
der
Deutschen Gesellschaft für Natur- und
Völkerkunde Ostasiens.
1873—1898.
Ehrenmitglieder :
Datum der Ernennung :
S. Königl. Hoheit Prinz Heinrich von
Preussen. 4. Juli 1879
M. von Brandt, Wirkl. Geh. Rath und
Kaiserl. D. Gesandter a. D. Exceli. 2. Juli 1884
Th. von Holleben, Dr. jur. Kaiserl. D.
Botschafter, Exceli. 23. Dcc. 1891
R. Lehmann, Ingenieui*. 20. Jan. 1894
Sir Ernest Satow. Kgl. Grossbritannischer
Gesandter. iS. Dcc. 1S95
Dr. A. Bastian, Professor. 7- OJ<t. 1896
7S
Mitglieder.
Eini^ctrctcn :
Dcinerkuugcri.
Abegg, F.
Feb.
1889
Abegg, H.
l<eb.
1889
AchrciUlial, Baron d
,
Juli
1896
Ahlburg,
Juli
j >^y6
gest. 1879
Ahrcns, 11.
Feb.
1874
gest. 1886
Ahrcns, H. A.
Nov.
1892
Aillion, I. A.
Nov.
1892
Albrecht, Dr. G. E.
Re\-.
Okt.
1893
^\ndcrscn,
Mai
1873
Aoki, Vicomte S. E
xcell.
April
1886
Arendt, C.
Okt.
1873
Ausgetr. Jan. 1891
gest. 1902
Arncmann, A.
Dec.
1S88
Ausgetr. Mai 1891
^\rnold,
Mai
^^7?>
Au, Dr. von der,
Feb.
1870
Ausgetr. März 1893
Baehr, H.
Mai
1874
Wiedereingetreten
Mai 1888
Baelz, Dr. E. Geh.
Hofrath
Sep.
1876
Ehrenmitglied 1901
Bahlsen, E.
Okt.
1897
Bair, M. M. Kaiser
. Deutschet
- Mai
1873
s. Geschichte der
Consul a. D.
Gesellschaft.
Balck, O.
Feb.
1890
Baltzer, F.
Juli
1898
Bansa,
Juli
1880
Bavier, E. von.
Mai
1873
Beate,
Feb.
1873
* Die Namen der Leim 25 jährigen Stiftungsfest aktiven Mitglieder sind im
Druck hervorgehoben. Ein Stern (*) vor dem Namen be-icichnet lebenslängliche
Mitglieder.
79
Becker, E. K.
Feb. 1893
Becker, R.
Sep. 1 897
Beenken, H.
Okt. 1889
Behnke
Mai 1873
Beitter, E.
März 1890
Benjamin L.
Okt. 1895
Ausgetr. Der 1897.
Bergmann, J. Ober
-Landes
April 1887
gerichtsrat
Bergmann, O.
Mai 1887
Wiedereingetreten
April 1891
Beukema. Dr. T. W.
Feb. 1874
Wiedereingetreten
Okt. 1880
Bianchi
April 1874
Ausgetr. Aug. 1886
Biber, Consul,
Mai 1878
Bibra, Freiherr von,
März 1897
Bieler, Dr. K
Nov. 1897
Bielfeld, F.
Mai 1 894
Bing, S.
Feb. 1875
Bismarck
Okt. 1873
Blankenburg. M. von
General,
Dec. 1886
Ausgetr. Jan. 1890
Bluethgen, VV. Ingenieur.
Juni 1890
Biumenstein, H.
Sept. 1891
Bobsien, L.
Nov. 1897
Boeddinghaus
März 1874
Boegel- Nehring, F.
Jan. 1880
Ausgetr. Mai 1894
Boeger
Okt. 1873
Boldemann, G.
Sept. 1891
Bolljahn, J.
Okt. 1889
Böse, C. von,
Okt. 1895
Boyes, R.
März 1892
Braess, Ch. Consul.
Juli 1874
Bramsen, W.
Feb. 1879
Braun
Nov. 1875
Braune, W. W.
Mai 1 894
Brauns, Dr. D. Professor.
Jan. 1880
8o
Brcarly. D. S.
l^rcmer, C.
J^rcniiwakl.
lirinkniann, Pfarrer.
lUifHcr, IT. Consul
Bueller, V.
Bueschel, A
Bunge Th.
Burchard, M- Consul
Burrmeister
Biu'ton, W. K.
lUiscli
Busse, I^r. T.. Professor
Bylandt, Graf von, Kgl. Nieder-
länd. Gerandter a. D.
Carcano, Graf von
Chiossone, E.
Christlieb, Dr. M. Pfarrer.
Clouth, Dr.
* Goates, G. Generalconsul
Cochius, Dr. II.
Cordes, Y.
Coudenhove, GrafH.
Coui'ant, M. Professor.
Cramer, F.
Damma, O.
Danckwerts, P^
Daniels, W-
Deck, 11. C.
Deck, A.
De la Camp, sen.
De la Camp, ILO.
De la Camp, Ch. Lange
Delbrück, K. Geh. Reg. Rath
Delbrück, F, Staatsanwalt
Okt.
1887
Au.sgetr. Feb. 1889
Mai
1893
Ausgetr. Feb. 1895
Juni
1^73
April
1 892
Mai
1886
gest. 1893
Dec.
1892
Dec.
1896
Dec.
1873
ge.st. 1901
Mai
1873
Feb.
1894
gest. 1899
Nov.
1875
ge.st. 1890
Jan.
1887
Juni
T890
Mai
1881
Dec.
1890
gest. 1897
Oct.
1892
Jan.
1876
Mai
1886
Mai
1873
Okt.
1873
Mai
1892
Feb.
1895
Feb.
1874
Ausgetr. Nov. 185
Mai
1892
Okt.
1896
Okt.
1898
Jan.
1887
Mai
1873
Jan.
1891
Nov.
1892
Apri:
l 1887
Apri:
1 1887
Ausgetr. April iSc
Dell'oi-o, T.
Okt. 1
874
Denso
Juni ]
874
Dickens
Mai ]
878
Dietz, F. O.
Feb. I
891
Ausgetr. Jan. 1895
Disse, Dr. J. Professor
Sept. I
885
Ausgetr. Sept. 1892
Dittrich, R. Musikdirektor
April I
892
Doederlein, Dr. med.
Jan. ]
881
Doenhoflf, Graf, Freiherr 7ai
Sept. !
885
Kraft, Kgl. Preussischer
Gesandter z. D.
Doenitz, Prof. Dr. VV.
Okt. ]
873
Doernberg, Freiherr von,
Sept. I
885
Ausgetr. März 1889
gest. 1895
Dross. R.
Sept.
885
Dürbig, F. L.
Sept.
897
Dumelin, A. Generalconsul a D.
884
Eastlake, F. W.
Jan. ]
885
Eby. Rev.
IN'Iärz ]
882
Eckert, F, Kgl. Preussischei
Jan.
881
Musikdirector.
Eggert, Dr. U., Professor
April
887
gest. 1893
Ehlers, O. E,
Dec. ]
892
gest. 1895
Ehlert, F.
April
[886
Ausgetr. Sep. 1891
Ehmann, P.
Okt.
[887
gest. 1901
Ehrenreich, Dr. P. Professor.
April
[894
Eisendecher, K. von, Kgl.
Nov.
[875
Preussischer Gesandter
Elkan, W.
Mcärz 1
895
EUon, F.
Sep. ]
898
P^lmore, Dr.
Feb.
875
Engert, M.
März ]
874
Wiedereingetreten
Mai 1888
Eschenburg, G.
März
897
Evers, A.
Mai
t873
Wiedereingetreten
April 1892
Eykmann, J.
Mai
[880
Wicdereingetreten
September 1881
Ausg. Okt. 189:
82
Eytcl, W.
Okt.
[886
Faber, II.
Juli ]
874
Ausgetr. Juni 1893
Fallet, von, Inc^cnicur.
Veb. I
886
gest. 1886
* Favi-e, J.
Sep.
1898
• Feicke, J-
Juli
897
Fcindcl, Kaiserl. Coiisul.
Feb.
875
Fesca, Dr. M. Trofessor.
Dec.
882
Fest, Dr. B. T.
Okt. ]
897
Fic^aszewski, E.
Jan. ]
886
gest. 1889
Finckenstein, Graf
Nov.
[896
,
Fischer, E. von.
Okt. 1
874 .
Fischer, A, Professor
Feb.
895
Wiedereingetreten
Sep. 1897
Fischer, A, Ingenieur
März
898
Fischer, O.
Sept.
[897
J^'ischer, V.
Nov.
[875
Flesch, Dr. de, Consul
Feb.
1895
Flintsch, O
Feb.
[881
Ausgetr. Apr. 1884
* Florenz, Dr. K. Professor
Nov.
[888
Focke, Dr. H. Generalconsul
Mai
873
Fox, E.
Sept.
[895
Francke, Yokohama.
Mai
1873
Francke, Kobe
Mai
873
Freyvogel, E.
März
897
Fritze, Dr. A.
Feb.
[889
-
Fritzsche, K.
Okt.
[898
I'\inck, Dr.
Mai
1873
Gebauer
Dec.
[873
Geerts. J.
Mai
1873
gest. [881
Geisenheimer
Mai
1873
Gerdts, A.
Sept.
[898
Gericke, V, Ingenieur
Sept.
[893
Gerlach. Dr.
Jan.
879
Ausgetr. Sept. 18S5
Geslin, H.
Jan.
885
Ausgetr. Jan. 1888
Gcssler, Alex, von,
Feb.
[874
Gierke, Dr. Professor. April 1877
Goeriz, Dr. O. Professor. Sep, 1898
Gocrty, Dr. A. Mai 1^74
Goltz, Freiherr von der, Mai 1893
Gottburg, Dr. Dec. 1874
GottSChe, Dr. C. März 1882
Grasmann, Dr. E., Forstmeister Jan. 1888
Grauert, H. " Dec. 1883 gest. 1901
Grautoflf, W. Feb. 1897
Greeven. G. A. Mai 1873
Greppi, A Jan. 1886
Grimm Dr. H. Dec. 1891
Groesser, E. Mai 1873
Groesser, F. Feb. 1878
*Grotll, Dr. A. Jan. 1881
Grunwald, F. Feb. 1878 gest. 1897
Grutschreiber, Freiherr von, Okt. 1891 gest. 1901
Generalmajor.
Gutschmidt, Baron von, Kaiserl. Dec. 1875 Wiedereingetreten
Deutscher Gesandter a. D. Feb. 1893
Excell.
Gutschow Dr. med. Generalarzt Mai 1873
d. Marine
Haber, L. Consul. Feb. 1874 Ermordet
Aug. 1874.
*Haberer, Dr. Juli 1896
Hagelstange Okt. 1873
Hagen, W. Consul. Okt. 1898
Hake, Th. Nov. 1873
Hamann Feb. 1874
Hansen. H. März 1897
Harada, Dr. T. Mai 1889 gest. 1894
Hare, A. T. Mai 1894 Ausgetr. Nov. 1895
Hart, Sir Robert März 1874
Harst, L. von. der, Okt. 1885
84
Hartig, G. Nov. 1897
Hasche, A. April 1892
Heckert, H. Mai 1889 gest. 1899
Heeren, A, Feb. 1874
Heinemann, Mai 1873
Heise, W. Juli 1874 gest. 1895
Heitmann, A. W. Mai 1895
Heitmann, C. Sept. 1898
Helm, Feb. 1878
Helm, P. Sept. 1898
Herb, F. Okt. 1894
Hering. Dr. O. Juni 1885
Hernsheim, E. Consul. April 1898
Herrmann, V. Juni 1897
Herz, Dr. Sep. 1893
Herz, Dr. J. Juli 1898
Heuser, C April 1898
Heyde, E. von der Mai 1873
Heyden, Dr. W. van der Okt. 1873
Heyking, Baron, von. Kaiserl. Juli 1896
Gesandter
Hildebrand, Maler, Okt. 1873
Hilgendorf, Dr. Mai 1873
Hirsch, L Okt. 1889
Hochn, W. Hauptmann, Feb. 1886 gest. 1892
Hofier von Hoffenfels Jan. 1881
Hoffmann, Dr. med. Professor. Mai 1873
Hoffmann, F. Dec. 1897
*Holm, J. Jan. 1888
Holm, P. Sept. 1897
Holtz. Mai 1873
Howell Mai 1873
Hudofisky Juli 1874
Hucbner Mai 1873
Huetterott, G. Consul Nov. 1884
85
Hussmann, W.
Ilgncr, E. Oberstleutnant
April
Feb.
898
886
Ausgetr. Sep.
[897
lUies, C.
Mai 1
873
S. Geschichte
Gesellschaft.
der
Inouyc, Dr. T. Augenarzt
Iversen, H.
Jan.
Feb.
888
874
Ausgetr. Jan.
gest.
gest. 1895
[889
1895
I Versen, Ch.
Juli ]
874
gest. 1893
Jacobi, K. Ingenieur
Nov.
888
Ausgetr. Nov.
1892
Jankovich, B. von.
Okt. ]
892
Janson, J. L. Professor
Dec. I
880
Jasmund, von, Assessor
Jun. I
88;
gest. 1891
Jauss, C.
Okt. ]
880
Johst, H.
* Juengermann, Direktor.
Junker von Langegg, Dr.
Junker, E,
Feb. ]
Nov.
Okt. ]
Nov.' ]
881
895
873
896
* Kaemp, R. H.
Kalkhof, C.
Kallen, Dr. R. Consul
Mai
März
Nov. ]
888
898
893
Karcher, E.
Feb. I
890
Kassel, E. Rechtsanwalt
Nov. I
893
Katsura, Vicomte, General,
Minister-President Excell.
Mai I
887
Kauffmann, E. Architekt
Mai 1
888
gest. 1889
Kaufmann, M.
Kayser, C
Kayscr, Th.
Keil, O.
Kelch, 0.
Dec.
Okt.
April
Jan.
Jan.
884
[889
1890
1885
1891
Wiedereingetre
März 1889
Ausgetr, Jan.
Ausgetr. Feb.
gest. 1899.
Ausgetr. März
ten
1895
1893
1891
Kellmann, E.
Kellner, Dr. O. Geh. I lofrath
Nov.
Jan. ]
[897
882
gest. 1899
Kempermann J.
Kempermann, P. Kaiserlichci
Ministerresident.
I\Iai ]
Mai I
873
^73
gest. 1900
86
Kcmpte, l>r II.
Kern, !•• April 1898
Kessler, H l^^c. 1887
Kitao, Dr. R. Professor März 1890 Ausgetr. Nov. 1891
Klaas. W. Juli 1881
Kleffel, Dr. R. Gcncralstabsiuzt Jan. 1888
Klcinwächtcr, F. Okt. 1889 Au.sgctr. Mai 1899
Klcinworth, r. Mai. 1894
Kleinworth, A. O.
Knappe, Dr. \V. Kaiserlicher
Generalconsul Nov. 1889
Kniffler, H. Juli 1875
Knipping, E. Mai 1873
Knoblauch, F. Okt. 1874
Knobloch, A von, Mai 1873 gest. 1875
Knobloch, von. Mai 1873
Knoop, A. W. Okt. 1873
Knoop, Th. Okt. 1873
Koch, A. L. Feb. 1889 Ausgetr. Jan. 1891
Wiedereinge.
Feb. 1898.
Koch, H. Mcärz 1898 Augetr. Juli 1891
Koch, W. Jan. 1893
Koch, Dr. med. Oberstabsarzt
Kochen, M. Okt. 1886
Koeber, Dr. R. von, Professor Sept. 1893
Koenigsmarck, Graf H. Nov. 1897
Koeppe, K. Jan. 1885 gest. 1897
Korscheit, Dr. Jan. 1877
Korthals Mai 1873
Kozakow, A. Feb. 1895
Krauel, Dr. Mai 1873
Krebs, F. Okt. 1880
Krcitncr, G. von, Generalconsul Okt. 1885 gest. 1893
Krencki, R. von, Generalconsul Jan. 1891
^7
Krien, F. Kaiscrl. Consul
Mai
1843
Kroneck, E.
April
1898
Kuegler, Dr. H. Oberstabsan
:t
IKl.
Sept.
883
Kunberger. W.
Dec.
[886
Ausgetr. Feb. 1889
Lange, Dr. R. Professor,
Feb. I
875
Wiedereingetreten
Juli 1889
Langfeld, A.
Jan.
881
Langgaard, Dr. A.
Jan.
[876
Larrong, P,
Okt.
881
Laufer, Dr. B.
Sept. ]
898
Leesen, von
Mai
873
Lemmer, A.
Feb. ]
875
Lentze, Dr. A. Wirkl.
Voi
■-
tragender Rath
Sept.
890
Lenz,
Feb.
874
Lenz, T.
Mai
[893
gest. 1897
Levy, A.
Sept.
[895
Levy, L,
Jan. ]
880
LcAvisch, R.
Jan.
[888
Leybold, L. Ingenieur
Mal 1
897
Leyden, Graf C. von, Kaiscrl E
>.
Gesandter
]\Lii 1
898
Leysner,
Okt. I
873
Liebscher, Dr. Professor,
Okt. I
880
Lienhardt,
Okt. I
873
Litta, Graf.
Mai 1
873
Lloyd, Rev. A.
Feb. I
894
Lodter, Dr. H.
Nov.
893
gest. 1894
Loebbecke, Leutnant,
Okt. 1
875
Loehr, von, Consul
No\'. I
892
Loenholm, Dr. L., Landgerichts
-
direkter.
Okt. 1
889
Loew, Dr. 0., Professor,
Okt. I
893
Ausgetr. Jan. 1898
Lord, O.
Okt. I
898
88
Ludwig;, O.
Nov.
S/5
Luedecke, I'
März
898
Lueder,
Mai
873
Luehrs, K-
Sep.
898
Liiethy, I>.
Okt.
898
Luther, II.
März
H95
Lyman, BS.
April
879
Maack,
Mai
873
gest. 1 894
MacCarthy
Nov.
878
MacCaulay, Clay,
Nov.
«93
'
IMachcnliauer,
Mai
^73
Maenz, IL
Juni. I
886
Ausgetr.
Apri
1 1890
Mammelsdorf, J.
Mai ]
893
Mandl, H.
Feb.
891
Marcks, W. l^ergassessor
Mai
879
Marciise, S.
Mai
893
Marischall, H.
März
889
Martin, Dr.
Mai
1873
Marx, E.
Okt.
889
Ausgetr.
Jan.
1891
Maschke, K. Kapitien z. S.
Nov.
[895
Mason, A.
Nov.
[897
Matsugasaki, Baron.
Dec. I
886
Ausgetr.
Jan.
1887
Mayet, Dr. P. Professor
Feb. I
876
Ausgetr.
Sep.
1897
Meckel, M. General
Juni 1
885
Ausgetr.
Nov
1891
Meier, A.
Mai I
884
Ausgetr.
Sep.
1888
Meier, O.
Jan. I
885
Ausgetr.
Sep.
1888
■ Meincke, M. Hauptmann
Okt.
895
Meister, Dr. 11.
Okt.
1 896
Merck, Dr. W.
Feb.
1888
Merian, J. R.
Sept.
883
Meyer, O. (Bombay)
März
[898
"Meyer, 0. (Yokohama)
Okt.
[898
i\Iezger,
Jan.
[881
Michaelis, Dr. G. Regierungsi
ath. Okt.
1885
Ausgetr
Juni
1893
Milberg, R.
Sep.
[897
89
Milnc, J. Professor
Mai
1898
Ausgctr. Oct.
Wiedereingetr.
Sep. 1892
Ausgetr. Sep.
1886
[894
*Mirre, H. Kapitänleutnant a. D
. Nov.
1895
Miura, Dr. K. Professor
März
1896
Miyashita, Dr. med.
Mai
1894
gest. 1900
INIoehlmann, P. A.
Feb.
1888
]\Ioellendorf Dr. O. von.
Mai
1873
Ausgetr, Sept.
gest.
18S5
1901
Moellendorflf, P. G. von, Sekretär
der Generalzollinspection
Feb.
1874
Mohl, von
Okt.
1873
Mohl, O. von,
Mai
1887
Ausgetr. Nov.
1891
Mosle, A. G.
Nov.
1885
* Mosle, G. R.
Juni
1890
Mosse, A. Oberlandesgerichtsrath INIai
1886
Mosthaf, H. von. Ober Regie
"-
rungsrath.
Juni
1891
Müller, A.
Nov.
1884
Müller, Dr. med, Oberstabsarzt
^lai
1873
gest. 1893
Müller, Dr. W.
März
1897
Müller, W.
Sep.
1898
Mnller-Beeck, G. Kaiserl. E
).
Konsul
Juni
1880
Münch, O.
Juni
1889
ge-st. 1894
Münster, B.
März
1881
Munzinger, C. Pfarrer
März
1890
Muthesius, H.
Nov.
1887
Ausgetr. Feb.
1893
Nagai, Dr. K. W. Professor
Jan.
1891
Nascentes-Ziese,
Apr.
1887
Ausgetr. Jan.
1888
Naudin, J.
Mai
1873
S. Geschichte
GeselLschaft
der
Naumann, Dr. Professor.
Okt.
1875
Netto, C.
Ausgetr. April
1893
Neubert, G.
April
1892
gest. r897
90
Neydhart,
Dec. I
887
Nielsen, II.
Okt. I
^73
Niewerth,
Mai I
873
NIppold, Dr. F.
Okt. 1
889
Ausgetr. Sep.
1892
NiiTnheim, A,
Sept. I
898
Nissle, I^.
Mcärz 1
898
Nitzsche, C. G.
Okt. I
873
Noltenius, I''. H.
Nov. I
897
Ochlniann,
Sept. 1
875
Oestmann, A.
Mai I
873
S. Geschichte
Gesellschaft
der
OhI
Mai
873
Ohly, R.
Sept. I
897
Ohne
Okt. ]
876
Ohrt, Dr. E.
Sept. ]
893
Olarowsky
Mai
874
Cordt van,
Jan. ]
874
Orth, E.
Sept.
891
Orth, H.
Feb. I
889
gest. 1894
Ostermeyer, M
Dec.
886
Owen
Mai
875
Papelier, Dr. E. M.
Mai
891
Pardun
Feb.
[879
Paulsen, J.
Mai
[894
Pelikan, Consul
Mcärz ]
876
Ausgetr. Dec.
1889
Pelldram, Consul
Nov.
[881
Peltzcr, J.
Juli
[886
Pfister, R.
März
[897
Pietzcker, V. Th.
März
897
Piorkowski, Ilauptmanna D.
Nov.
1895
Pistorius
Mai
1873
Plate, F.
Mai
1875
Polder, van der, Legations-Secr.
Feb.
1890
Ausgetr. Jan.
1898
Pollitz, G.
März
1898
Popert, l\
März
[898
91
*Pors, M.
Feb. 1 896
Posch, W.
März 1881
Ausgetr. Sep. 18
Posse, E.
Juli 1895
Praun,
Mai 1873
Pschorr, Dr. phil.
Okt. 1896
Putzier, V.
Jan, 1884
gest. 1901
Ouadt, Graf, Legationssekretär
Nov. 1893
Ramseger, H.
Juni 1892
Rasch
Mai 1873
Raslaff, V. Excell.
Nov. 1875
Raspe, H.
Juli 1896
Raspe, M.
Juli 1884
Rathgen, Dr. K, Professor
Mai 1881
Reddelien, A,
Mai 1873
Wiedereingetreten
Sep. 1885
Refardt, C.
Dec. 1896
Reh,
Feb. 1 874
Reifif, R.
Nov. 1897
Reimers, A.
Juli 1874
Reimers, O.
Feb. 1890
Reimmann, K.
Okt. 1897
Reinsdorf, Kaiserl D. Konsul.
Okt. 1828
* Rembielinski, St.
Juli 1884
Retz, F.
Sep. 1885
Rhine, Ch.
Juli 1898
* Riess, Dr. L.
Feb. 1887
Ritter, Dr. P., Schweizer. Gene-
Sep. 1 894
Ausgetr. Nov. i8g
ralconsul.
Ritter, Dr. H.
Mai 1873
gest. 1874
Robert, R.
Dec. 1886
Rodrigues y Munor
Mai 1873
Roehr,
Nov. 1875
Roesing
Mai 1881
Roesler, Dr. II. Professor
März 1879
ge.st. 1893
Rohde, C.
März 1889
92
Rorctz, von
Rosen, l^aron, Kaiscrl. Rus-
sischer Gesandter
Rottmann, A.
Rudolph, C, Regicrungsrath
Rugter, J. S.
* Rumschöttel, R. Direktor
Runkwitz, Dr. med. Ober-
stabsarzt
Sachse, R. Geh. expedie-
render Sekretär
Sagel, W.
Sakaki, Dr. H.
Sciiabert, P.
Schaeffer, A,
*Schaeffer, E.
* Schanz, M.
Schanz, O.
Schauenburg, A.
Schedel, J.
SchelUng, Dr. K. von, Legations-
rath.
Schendel, Dr.
Schenck von Schweinsburg,
Freiherr,
Schenk, C.
Scherer, O.
Schermbeeck, von.
Scheube, Dr. ]i. Sanitätsratli
Schiff, F.
Schiller, E, Pfarrer
* Schinzinger, A, Hauptmann,
Schlippenbach, Baron
Schmiedel, O, Pfarrer.
Feb. 1
875
März I
876
Jan. ]
885
April I
884
Ausgctr. Nov. 1891
Dec. ]
874
Mai
888
Nov. ]
892
Juli
895
Okt.
880
Mai
888
Ausgetr. Jan. 1894
gest. 1899
Nov. ]
897
April ]
876
Feb. ]
890
Okt.
897
März I
891
Ausgetr. April 1893
Feb.
887
Jun.
[S91
gest. 1897
Feb.
S75
Okt.
876
Mai
1873
Nov.
[894
Dec.
[883
Dec.
1877
März
1887
Apr.
1895
Juli
1896
März
1882
Nov.
1887
93
Schmid, E.
Mai ]
873
Schmidt,
Scp. ]
877
Schmidt, P.
Okt. I
897
Schmidt-Leda, Dr. jur. Kaiscrl
Sep. I
888
IMinister-Rcsident
Schmidt-Scharflf, R.
März I
897
Schnell, T.
Feb.
874
Schoenicke, J. F. Zolldircktor.
Feb. 1
893
Schuett, O.
Sep. I
880
Schultz
Mai
873
Schnitze, Dr. med. Professor
Feb. ]
875
Schumacher, Dr. H. Professor
Okt. I
897
Schurig, A. H.
Feb. I
889
Ausgetr. Nov. 1891
Scott, J. K.
Feb. I
874
gest. 1888
Scott, J.
Jan.
881
Scott, R.
Okt. ]
880
gest.
Scriba, Dr. J, Professor,
Juli
881
Seckendorff.
Sep.
875
Seckendorff, Baron von, Kuiserl
Juli
895
D. Konsul.
Seebach, Graf
Jan.
[882
Seebach, K. von,
Okt. ]
889
gest. 1891
Seeger, P.
Feb.
[874
Seekamp, A
Okt.
894
Seel, R, Baumeister
März
[889
Seligmann,
Okt.
t873
Seydlitz und Ludwigsdorf,
Dec.
896
v^on
Siebold, Baron A von.
Feb.
[875
Wiedereingetreten
Okt. 1885
Siebold, Baron H von,
Feb.
[875
Simmons, Dr.
Mai
873
gest. 1891
Simon, A,
Feb.
1893
Simon, sen.
März
1874
Snethlage.
Mai
1873
94
■ Soltmann, A.
Okt.
889
Sonnenbiirg, l'all
<ner von,
Okt.
898
Major,
* Specka, Hi'- Ct.
Mai
897
Spinner, W. Obcrhc
fprediger,
Sep. I
885
Ausgetr. Okt.
1895
Spocrcr,
Oct.
■^"97
Spoerry, H.
Sep. I
895
Sporer,
Mai
880
Spring-Rice, Kgl.
Grossbri-
Dec.
892
tanniseher Botschafts-Secr,
Staeubli, T.
Mai
896
Ausgetr. Sep.
1898
Stahlknecht, C. G.
Mai
«75
Stahlknecht, I).
Mai
^^75
Stannius, D. H.
Feb.
[881
Staupe, C.
Mai
[887
Stegniüller, A.
Okt.
887
Ausgetr. Nov.
1890
Stein, A.
Mai
893
gest. 1897
Stein, V.
Okt. ]
873
Stiebcl
Dec.
1880
Ausgetr. Sep.
1885
Stingelin V.
Jan.
[885
Stock, A.
März
[897
*Stoepel, T. 11.
Sep. ]
897
Stoffregen, \V.
Nov.
[887
Ausgetr. Nov.
1892
Straehler, T.
März
[891
Strauss, S.
Juni
[886
Strucker,
Okt.
873
Struve, von,
Nov.
874
Stucken, C.
Dec. ]
874
Stucken, E.
März
898
Stuercke, J.
Sep.
893
Stucrcke T.
Nov.
[887
Suerth, M.
Jan.
887
Sulzer, E.
Dec.
886
Ausgetr. Mai
1899
Sutor
Mai
[876
Szechenyi, Graf.
Mai
1893
95
Tachibana, S.
Juni
1898
gest. 1901
Techow, H. Oberverwaltungs-
gerichtsrath,
Jan.
1884
Teichmann, Hauptmann,
Dec.
[888
Ausgetr. Juui
1893
Temme, L.
Mcärz
1897
Thiel, F. Secretaire-Interprete
Nov.
1887
Thomas, G.
Sep.
1897
Tietze, O. Stadtbaumeister.
Nov.
[887
Ausgetr. Mai
1899
* Toppe, G. Ingenieur,
Okt.
1898
Toselowski,
Mai
1873
Trebing,
Okt.
1878
* Treutier, CG. von, Kaiser
D. Gesandter.
Okt.
1895
Trieb.
Nov.
1875
Troester, C.
Jan.
1881
Unger, A.
Feb.
1895
Urhan, F.
Juni
1896
Varsilieff. T.
Nov.
[890
Ausgetr. Dec.
1892
Vautier, F.
Mai
[889
Vogel,
Feb.
[874
Vorwald, M.
Jan.
1888
Wada, T. Ministerialdirector
Sep.
885
Waepenaert, von, Consul
Sep.
894
Ausgetr. Nov.
1896
Wagener, Dr. G.
Feb.
875
gest. 1 892
Waldthausen, B. von, Regie-
rungsrath.
Juni 1
895
* Waldthausen, J. von, Kai-
ser!. D. Gesandter
Okt. ]
889
Walsh, John G.
März 1
874
Walsh, Th.
März I
874
Webendoerfer, P.
Juni ]
890
Weber, A. R.
Mai I
873
Ausgetr. Dec.
1889
Wedel, Graf.
Feb. I
893
Ausgetr. Sep.
.899
Wehrle, R.
Okt. 1
897
Weidenweber,
Mai 1
880
96
Weinberger, C.
Jan.
1885
Weipert, l>r. H. Kaiserl
FJ.
Dec.
1886
Konsul.
Wenckstern, Dr. A.
von
>
Nov.
'S93
Professor.
Wendt, A, Pfarrer
Mai
1897
Wernich, Dr.
Feb.
1875
Wernicke, Dr. J.
Okt.
[889
Werthemann, E
Dec.
[886
Wertheimer.
Feb.
[878
Westphal,
Mai
t873
Westphal, W. jun.
Okt.
1889
Weyhe, von.
März
[882
Wichmann,
Sep.
[888
Wilckens, A.
Okt.
[894
Wildenbruch, von, General
major
Mai
888
Wilm, A,
Winekler, J.
Wirth, Dr. A,
Wismer, E
Witkowski,
Wolf, A
Wolf, L.
Wolfram, Dr. O.
WoUant, G. de, Kaiserl. Rus-
sischer Legations Sekretär.
Wollheim, M. Mexikanischer
Gesandter,
Wolter, K.
Wood, Dr. A.
Wood, Rev. J. E.
Wydenbruck, Graf C, K. K.
Gesandter.
Yark, J. A.
Feb.
Nov.
März
Mai
Mai
Dec.
Okt.
Okt.
P>b.
Feb.
Sep.
Mai
Juni
Juli
895
893
896
889
873
873
874
873
^73
892
898
893
898
896
Ausgetr. April 1893
Ausgetr. Juni 1893
gest. 1890
Ausgetr. Nov. 1892
gest. 1893
Ausgetr. Dec. 1896
gest. 1898
Sep. 1888 Ausgetr. Jan. 1891
97
Zachariae, Kaiserl. D. General- Okt. 1873
consu!.
Zappe, Kaiserl. D. General Mai 1873 gest. 1889
Konsul.
Zander, F. von. Nov. 1805 gest. 1892
Zedtwitz, Baron von, Kaiserl. Juli 1881 gest. 1900
D. Gerandter.
Ziegler, C. Sep. 1883
Zwingemann, Dr. Dec. 1874
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