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Full text of "Mitteilungen"

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THE  ROYAL  CANADIAN  INSTITUT 


MITTEILUNGEN 


DEK 


DEUTSCH!^  GESELLSCHAFT 


FÜR 


NATUR-  UND  VÖLKERKUNDE  OSTASIENS. 


HERAUSGEGEBEN  \^OM  VORSTANDE. 


BAND     IX. 

(3  TEILE,    1902-1903). 
3XIT    i:t    T.vi-'"aE:r^]v. 


TOKYO. 


FÜR  EUROPA 
IM  ALLEINVERLAG  VON  A.  ASHER  &  Co. 

Berlin  W.,  Unter  den  Linden  13. 


Die  ScJu'cibwcisc  japanischer  Aunneii  ist  die  phonetische,  mit 
nur  wenigen  unwesentHchen  Abweichungen  von  der  in  Wörter- 
büchern wie  IIkpburn  gebräuchlichen. 

Die  Vokale  werden  also  wie  im  Deutschen  gesprochen ; 
,,  ei  "  fast  wie   ,,  e  ". 

ch wie  tsch 

dsch 

sz  (s  scharf) 

seh 

ds  (s  weich) 

j- 


sh 
z 

y 


Im  Anfange  eines  Wortes  steht  ,,  y  "  vor  ,,  e  "  oder  ,,  ei  " 
nur  noch  in  allbekannten  Wörtern  wie  Yedo,  Yen  etc ;  man 
suche  also  ,,  Yebi  "   unter  ,,  Ebi"   u.a. 

,,  i  "  hinter  ,,  ch  "  vor  ,,  ü  "  ist  weggelassen;  man  suche 
ein  Wort  wie   ,,  chiügoku  "   unter  "  chügoku  ". 


Das  Redaktioxs-Ko.mitee. 


INHALT   DES    IX.    BANDES. 

DER  WIEDERABDRUCK  DER  AUFSÄTZE  IST  NUR 
MIT  ANGABE  DER  QUELLE  GESTATTET. 

TEIL    I. 

Seite 

Erinnerungen  an  Philipp  Franz  von  Siebold  (mit  5 
Tafeln),  von  Dr.    IL   ten  Kate     i 

Aus  der  japanischen  Physiognomik  (mit  1  Tafel),  von 
Prof   Dr.  K.  Miura    7 

Das  heutige  japanische  Gefängniswesen  (mit  3  Tafeln), 
von  Amtsrichter   Dr.    Grusen  17 

Der  Tabak,  sein  Bau  und  seine  weitere  Behandlung  in 
Japan,  von  Dr.  Max  Lehmann    57 

Ueber  den  Riesensalamander  Japans,  von  Prof  Dr.  C. 
Ishikawa 79 

Bücherbesprechungen,  (Seidel,  Jap.  Grammatik  ;  Itchi- 
kawa,  Hojö-ki),  von  Prof.   Dr.  K.  Florenz    95 

TEIL    II. 

Die  Verwendung  des  Bambus  in  Japan,  H.  Spörry  ...  119 
Forstliche  Reiseeindrücke  in  Japan,  von   Dr.   K.  Hefele.    147 

Aus  dem  Osten,  von  Dr.  K.  Hefele 169 

Tsubosakadera.      Uebensetzt  von  N.  Okamoto,  mit  P^in- 

leitung  von  Dr.   K.    Plorenz    273 

Die  Bedeutung  des  Pronomens  dore.  Bemerkungen  von 

R.  Lange  und  K.  Florenz    291 


TEIL    III. 

Seite 

Uebcr  die  Urbcwohncr  von  Japan,  von  Prof.  Dr.  Y. 
Ko<;anci  297 

ür.si)runij  des  Namens  Nippon,  von  Pfarrer  Hans  Haas.   331 

Japanische  Geschenksitten  (mit  4  Tafehi),  von  Pfarrer 
!<:.  Schiller.  (Schluss) 343 

Die  Besiedlung;-  von  Kronland  auf  Hokkaido,  von 
Forstrat  IL  Schilling    359 

Die  japanischen  Religionen  in  der  neuesten  Allgemeinen 
Religionsgeschichte,  von  Pfarrer  Hans  Haas    367 

SitzAingsberichte 39 1 

Mitgliederverzeichnis  und  Austauschliste    413 


MITTHEILUNGEN 

DER 

DEUTSCHEN  GESELLSCHAFT  FÜR 
NATUR-  UND  VÖLKERKUNDE  OSTASIENS. 


Band  IX,  Theil  1.  Tokyo,  1901. 

ERINNERUNGEN  AN  PHILIPP  FRANZ  VON  8IEB0LD. 

VON 

Dr.  H.  TEN  KATE. 

{^Hierzu   Tafel  i  bis  5.) 


Unter  allen  Erscheinungen  der  Welt  giebt  es  wohl  kaum 
einen  mächtigeren  Factor  als  die  Zeit.  Sie  erschafft  und  sie  ver- 
nichtet, unaufhörlich,  im  Grossen  und  Kleinen  :  Welten,  Völker, 
Individuen.  In  vielleicht  wenigen  Culturländern  der  Erde  drängt 
sich  diese  Wahrheit  mehr  auf  als  in  Japan,  wo,  wenigstens  dem 
Anschein  nach,  alles  in  gewisser  Beziehung  grösseren  und 
schnelleren  Veränderungen  unterworfen  ist  als   in  Europa. 

Besonders  derjenige,  der  sich  in  frühere  historische  Erinne- 
rungen, namentlich  der  Beziehungen  Japans  mit  der  Aussenwelt 
zu  vertiefen  und  die  stofflichen  Zeugen  dieser  Vergangenheit  der 
Vergessenheit  zu  entreissen  sucht,  wird  sich  oft  enttäuscht 
finden.  In  Nagasaki  z.  B.,  das  länger  als  jede  andere  Hafenstadt 
Japans  in  beständigem  Verkehr  mit  Fremden,  bezw.  Holländern, 
.stand,  findet  man  nur  noch  sehr  wenige  Dinge,  welche  reden 
von  früheren  Zeiten.  Das  historisch  interessante  Deshima  hat 
in  den  mehr  als  dritthalb  Jahrhunderten,  in  denen  es  von 
I'^remden  bewohnt  gewesen  ist,  zahlreiche  Umwandlungen  erlitten. 

Sogar  aus  den  letzten  fünfzig  Jahren  gibt  es  dort  nichts  mehr, 
was  sich  auf  frühere  Zeiten  bezieht.  Das  älteste  Haus  Deshimas 
ist    kaum    vierzig    Jahre    alt.     Der   dort   von    Siebold    angelegte 


2  II.    TKN    KATE,    i'.KIXNERUNGEN. 

Botanische  Garten  ist  spurlos  verschwunden.  Die  kleine  Insel, 
einmal,  in  Napoleons  Zeiten,  das  einzige  Stückchen  Erde,  wo 
die  holländische  Flagge  straflos  wehen  konnte,  wird  bald  nur 
noch  einen  eingebauten  Stadttheil  Nagasakis  bilden,  unerkennbar 
und  vergessen. 

Jedoch  den  Mann,  dessen  Name  so  innig  mit  Deshima 
und  Nagasaki  im  Speciellen  verknüpft  ist,  haben  die  Zeit  und 
das  Schicksal  etwas  weniger  rücksichtslos  behandelt.  Es  ist 
nicht  mt'inc  Absicht  die  Verdienste  von  Siebolds  als  eines  der 
wissenschaftlichen  Entdecker  Japans  zu  schildern.  Dies  ist 
Aviederholt  und  von  berufener  Seite  geschehen.  Ich  möchte  hier 
nur  hinweisen  auf  das  Wenige,  was  noch  jetzt  unmittelbar  an 
den  grossen  Meister  erinnert  an  dem  Ort.  wo  er  einst  lebte  und 
so  segensreich  arbeitete. 

Der  Same  des  Wissens,  einst  von  Siebold  und  den  nach 
ihm  lehrenden  holländischen  Aerzten  gestreut,  fiel  in  gute  Erde 
und  trug  tausendfach  Frucht. 

Aus  den  klinischen  Stunden  Siebolds  und  dem  Unterrichte 
Pompe  van  IVIeerdervoorts,  Bauduins  und  Anderer  ging  die  jetzige 
Medicinschule  Nagasakis  hervor.  Der  Einfluss  der  deutschen 
und  holländischen  medicinischen  Wissenschaft  in  Japan  überhaupt 
ist  allgemein  bekannt.  Wir  wollen  uns  aber  bei  diesen  ideellen 
Denk.steinen  nicht  länger  aufhalten,  sondern  die  Denksteine  im 
buchstäblichen  Sinne  einer  flüchtigen  Betrachtung  unterziehen. 

Wenn  man  einen  der  Glanzpunkte  Nagasaki's,  den  Osuwa- 
Park,  mit  seinen  herrlichen  alten  Kampferbäumen  besucht  und 
einem  der  aufwärts  führenden  Pfade  folgt,  so  stösst  man  links 
am  Fusse  des  Hügels,  in  unmittelbarer  Nähe  des  Handelsmuseums, 
auf  drei  in  einer  Reihe  stehende  Denksteine  (Taf  i)  Der  kleinste, 
dreieckige  Stein,  vom  dem  Tafel  2  eine  ausführlichere  Ab- 
bildung giebt,  ist  historisch  der  älteste  und  interes.santeste.  Er 
wurde  von  Siebold  selbst  zum  Andenken  seiner  zwei  grossen  Vor- 
gänger, des  l!)eutschen  Kaempfers  und  des  Schweden  Thunbergs, 
in  seinem  schon  beiläufig  oben  erwähnten  Botanischen  Garten  auf 
Deshima  1826  errichtet.  Demjenigen,  der  Siebolds  Flora  Japonica 
kennt,  ist  dieser  Stein  nicht  neu.  Siebold  hat  ihn  abgebildet  auf 
dem  Titelblatt  jenes  grossen  Werkes.* 

*  Dennoch    ist    dort    der  Name  Siebolds  mit  anderen  Buchstaben  angegeben 
vl\<.  die  auf  dem  Stein.  Vergl.  Nippon,  Archiv  etc.  Bd.  I.  9. 


1!.    TEX    KATE,    ERINNERUNGEN".  3 

Die  Inschrift  unter  den  Namen   der  beiden  Forscher  lautet : 

Ecce!  Virent  vestrae  hie  plantae  florentque  quotannis 
Cultorum  memores  serta  feruntque  pia. 

Der  Botanische  Garten  auf  Deshima  wurde  bekannth'ch  1823/24 
von  Siebold  im  Auftrage  der  niederländisch-indischen  Regierun:^ 
angelegt,  1859  aber  leider  aufgegeben,  denn  wie  Pompe  van 
Meerdervoort  *  sagt:  ,,  er  moest  ruimte  gemaakt  worden  voor 
woon-  en  pakhuizen,  ten  dienste  van  den  handelstand."  Die 
einstifre  Lage  des  Gartens  ist  nur  noch  fest  zu  stellen  nach  dem 
Plan  von  Deshima  in  Band  II,  Tab.  II  der  zu  Nippon  gehörigen 
Tafeln.  Nach  der  Aufhebung  des  Gartens  scheint  der  Kaempfer- 
Thunbergstein,  nach  kürzerem  oder  längerem  Aufenthalt  auf 
Zwischenstationen,  seinen  jetztigen  Platz  gefunden  zu  haben. 

Wendet  man  sich  jetzt  zu  dem-  grossen,  einem  breiten 
Alenhir  ähnlichen  .Stein,  so  erf:ihrt  man  laut  der  deutschen 
Inschrift  auf  der  Rückseite  (Taf.  3)  dass  derselbe  im  März  1879 
von  seinen  japanischen  Verehreren  errichtet  wurde.  P2s  würde 
zu  weit  führen,  die  auf  der  Vorderseite  des  Monolithen 
befindliche  japanische  Inschrift  in  Uebensetzung  wied^^rzugeben. 
Der  Schriftkundige,  der  sich  dafür  interessirt,  sei  hiermit  ver- 
wiesen auf  eine  japanische  Schrift  cL-s  Dr.  S.  Kure,  t  in 
welcher  der  Stein  abgebildet  ist.  Auch  in  der  neuen  Auflage 
des  N'ippo)i,X  von  Siebolds  beiden  Söhnen  besorgt,  is';  die  Ueber- 
setzung  eines  kleinen  Theiles  der  Inschrift  zu  finden.  Ich  will 
hier  nur  hervorheben,  dass  1875  sich  unter  Vors'.tz  des  alten 
Prinzen  Kuroda,  eines  Freundes  von  Siebold,  eine  Commission 
bildete  mit  der  Absicht  zum  Andenken  Siebolds  ein  Denkmal 
zu  errichten. 

Der  mittlere,  rundliche  Stein  der  Reihe  (Taf  l)  soll  angeblich 
die  Namen  der  Beitragenden  zu  dem  Denkstein  enthalten. 


*  Vijf  Jaren  in  Japan,  Bd.  II,  S.  53.— Es  ist  a  iffalleud,  d:is3  der  nieLleiiaiidLsche 
Marinearzt  Pompe,  der  1857-62  in  Nagasaki  niedicinlschen  Unterricht  crtheilte, 
also  theilweise  in  derselben  Zeit,  als  Siebold  daselbst  verweilte,  diesen  nur  ganz 
beiläufig  in  seinem  Buche  erwäluit. 

t  Philipp  Franz  von  Siebold.  Sein  Leben  und  "Wirken,  etc.  Tokyo  189G. 
Verlag  von  Masuzo  Tanaka. — In  diesem  Buche  befinden  sich  manc'.ie  interessante 
Einzelheiten  über  Siebolds  Privatleben,  seine  Gefangenschaft  132^/21)  und  seinen 
diesbezüglichen  Selbstmordversuch  betreffend.  Audi  das  17.  Capittl  i  Schüler  und 
Freunde)  ist  historisch  interessant. 

iBand  I,  S.  XXXIII. 


A  H.    TI:N"    KATE,    ERINNEKUXGEN. 

Als  von  Sicbolcl  1859  zum  zweiten  Male  nach  Nagasaki 
kam,  nahm  er  zunächst  seni  Absteigequartier  ,,  in  einem  Tem- 
pel "  (,,  Hon-rcn-si,"  Honrenji).  *  In  diesem  reizend  am  Abhang 
eines  Hügels  gelegenen  Tempel  (Taf.  4),  von  welchem  der  Blick 
die  ganze  Hafenbucht  umfasst,  schrieb  von  Sicbold  seine  O/^f/i 
Bricvcn  uit  Japan.  Er  scheint  aber  nur  einige  Monate  in  diesem 
Tempel  gewohnt  zu  haben,  denn  der  letzte  Brief  (vom  12.  August 
1860)  ist  von  ,,  V^illa  Narutaki  "  datirt,  woselbst  er,  nach  seinen 
Söhnen,  "i"  später  wieder,  wie  in  den  zwanziger  Jahren,  Aufenthalt 
nahm. 

In  dem  genannten  Xarutaki,  einem  ländlichen  Stadtthei! 
Nagasakis,  findet  man  den  zweiten  zu  Ehren  Siebolds  errichteten 
Stein  (Taf  5).  In  Narutaki,  in  dem  lieblichen  gri^inen  Thal,  stand 
einn:al  Siebolds  Wohnung.  Namentlich  dort  hat  er  geforscht 
und  gesammelt.  Kranke  geheilt  und  Schüler  belehrt. 

Ich  kaiin  verstehen,  dass  ihm,  dem  Naturfreunde,  dieses 
Stückchen  Erde  lieb  war.  Umgeben  von  seinen  Getreuen, 
Menschen  und  Thieren,  konnte  er  sich  hier  Allem  widmen 
was  ihm  am  Herzen  lag. 

W'ij  oft  wird  wohl  sein  sinnender  Blick  über  die  waldrei- 
chen iVbhänge  des  Thaies,  nach  dem  grünen  Hikosan  in  der 
Ferne  geschweift  sein!  So  dachte  ich  mir  jedesmal,  wenn  ich  von 
seiner  füheren  VVohnstätte  aus  das  reizende  Landschaftsbild 
betrachtete. 

Von  der  Wohnung  Siebolds  ist  seit  Jahren,  ausser  einem  Thcil 
der  Fundamente,  nichts  mehr  zu  finden.  X  Als  Dr.  A.  Wernich 
im  December  1876,  ,,  in  pietätsvoller  Rückerinnerung,"  die  Stätte 
besuchte,  konnte  man  sich  ,,  an  den  europäischen  Verbesserungen 
und  Anbauten  des  ursprünglich  japanischen  Hauses  noch  erfreuen." 
ferner  sagt  Wernich  diesbezüglich  in  seiner  gewohnten  eloquen- 
ten Sprache :  ,,  im  Garten  hatte  die  übermächtige  Vegetation 
ihr  Recht  gefordert  und  hatte  Bosquets,  Gänge  und  Beete,  denen 
unser  grosser  Vorgänger  seine  P^rholungsstunden  und  seinen 
rieiss  gewidmet,  mit  undurchdringlichem  Gestrüpp,  mit  starrem, 
zartere  Pflanzen  vernichtendem  Bambus,  mit  üppig  wucherndem 
Kankenunkraut  überzogen.  Manche  Culturpflanze  hatte  aus  den 
hier  gepflegten  Versuchsbeeten  ihren  Weg  über  das  Land  gefunden 

*  Nippon,  neue  Auflage,  Bd.  I,  »H.  XXVIIT. 
t  Nippon,  1.  c. 

;  In  dem    Kure'schen    J'.uelie  findet  man  S.  3'2  eine  Ahl.ildung  \Kn\   iSielxfld.s- 
"Wulmitätle.  die  einzige  welciie  mir  liekannt   i.-^l. 


U.    TEN    KATE,    ERINNERUNGEN'.  5 

und  Wenige  noch  ahnten  ihre  Ursprungsstätte  ;  Andere  waren , 
dem  Boden  fremdartig,  vom  KHma  feindhch  unterdrückt,  v^erküm- 
mert  und  untergegangen, — untergegangen  bis  zum  vollkommenen 
Vergessensein  von  allen  Lebenden."  * 

Der  grauweiss,  anscheinend  granitische  Denkstein  zu  Narutaki 
gehörte  einmal  zu  den  Fundamentsteinen  des  Siebold'schen 
Hauses.  P^r  erhebt  sich  unter  einer  Pinie,  die  Vorderseite  dem 
Osten  zugekehrt.  Die  auf  dieser  Seite  befindliche  Inschrift  lautet 
(japanisch  und)  englisch  :  ,,  Residence  of  the  late  Dr.  Ph.  von 
Siebold."  Die  Inschrift  auf  der  Hinterseite,  aus  dem  japanischen 
über.setzt,  lautet  wie  folgt :  t 

,,  P>innerung  an  die  frühere  Wohnstätte  des  Herrn  Siebold. 
Im  Sommer  des  Jahres  Teibi  von  Mei-ji  (1895)  suchte  ich  mit 
Herrn  Omori,  Gouverneur  von  Nagasaki-Ken,  die  Ueberbleibsel 
<ler  Wohnung  des  Oesterreichers  (sir)  Herrn  Siebold  auf,  welche 
wir  in  Narutaki-chi  fanden.  Seit  Jahren"  war  diese  Stätte  verlassen 
und  ganz  verödet.  Von  der  Wohnung  war  nichts  mehr  übrig 
geblieben  als  einige  Steine,  welche  einmal  die  Grundlage  bildeten, 
und  ein  zerfallener  Brunnen.  Das  Grundstück  war  bedeckt  mit 
verwilderten  Bäumen  und  Pflanzen,  einst  mit  eigener  Hand  von 
dem  Verstorbenen  gepflanzt. 

Herr  Omori  hegte  den  Wunsch,  auf  dieser  Stelle  einen  Stein 
zur  ewigen  Erinnerung  zu  errichten,  aber  vielseitiger  Beschäftigun- 
gen und  des  Zustandes  des  Landes  wegen,  war  es  ihm  nicht 
erlaubt,  seinen  Traum  verwirklicht  zu  sehen.  Im  P"rühjahre  des 
Jahres  Tei-yen  (1897)  aber  hat  Herr  Omori,  unterstützt  von 
mehreren  seiner  P^reunde,  die  alten  Grundlagen  (des  Hauses) 
freilegen  und  reinigen  lassen.  Auf  der  Seite,  wo  einst  die  P^in- 
gangspforte  war,  hat  er  einen  Stein  errichtet,  auf  welchem  mit 
grossen  und  deutlichen  I^uchstaben  geschrieben  steht:  Ueber- 
bleibsel der  Grundlagen  des  Hauses  von  Professor  Siebold. 

Dies  ist  tief  eingemeisselt  worden,  damit  es  weder  ausgewischt 
noch  vergessen  werden  kann. 

*  Geographisdi-nicdicinis(.-!ie  Studien  mich  den  Erlebnissen  einer  Reise  um 
«He  Erde.  Berlin  1878.  S.  280.— Dr.  Wernich  irrt  sich  aber,  wenn  er  siigt,  d:iss 
Siebold  ,,  mehr  als  zwanzig  Jalire"  auf  dem  ,,  Grundstück "  (sc.  Narutakij 
verlebte.  Siebold  brachte  im  Ganzen  gut  zwölf  Jahre  in  Japan  zu.  Die  Zeit, 
welclie  er  auf  Deshima  wohnte,  im  IIonrenji-Tempel,  auf  ßeisen  und  in  Yedo 
y.ubraclite,  zusammen  gewiss  einige  Jahre,  ist  überdies  von  dem  eigentlichen  Auf- 
enthalt in  Narutaki  abzuziehen. 

t  Herrn  Leon  van  de  Polder,  Sekretär  der  Xiederlilndischen  Gesandtsciiaft 
in  Tökyn,  bin  icli  Dank  schuldig  für  diese  Uel)ersetzung. 


6  II.    TI-.N    KATF-,    KKINNKRLNGEN. 

Ich,  der  dies  geschrieben  habe,  erinnere  mich,  dass  der  Meister 
haffte,  die  Luft  und  die  Erde  unseres  Nagasaki  seien  ihm  eine 
zweite  Meimath  geworden.  Ach  !  wie  weit  entfernt  -war  er  von 
seinen    Verwandten,    getrennt    durch  tausende    von    AV  über    das 

Meer. 

Die] cnigen,  welche  A\isscn  wollen,  was  er  ffu'  unser  Land  gethan 
l\at.  werden  alles  lesen  können  auf  dem  Denkmal,  das  ihm  in  dem 
l'ark  zu  Nagasaki  errichtet  ist.  Ich  brauche  es  also  hier  nicht  zu 
wiederholen. 

Mei-ji   30.   Jahr  3.   Monat 
Zu.sammengestellt  von  Yokin  Teki.sai  Saikosen 
Kgami  Yegon 

dem  Schrifisteller." 

Ausser  dem  oben  beschriebenen  Denksteine  gibt  es  noch 
eine  l^rinnerungsstätte  an  Siebold  in  der  Umgegend  von  Nagasaki. 
Dieselbe  ist  jetzt  nur  noch  sehr  Wenigen  bekannt.  Es  ist  dies 
ein  abgelegenes  Grundstück  Namens  Ippon-gi,  am  nordwestlichen 
Abhang  eines  zur  Kompira-yama-grupps  gehörenden  Hügels.  Hier 
in  der  Nahe  sammelte  Siebold  Pflanzen  und  trieb  er  seine  bota- 
nischen Studien.  I3ie  rücksichtslose  Zeit  hat  auch  hier  von  dem 
einstigen  Hause  nichts  mehr  zurückgelassen.  Die  jetztigen  ja- 
j):inischcn  Wohnungen,  in  der  Mitte  eines  Handelsgartens  gelep;en, 
sind  aber  theilweise,  wie  ich  nnch  überzeugen  konnte,  mit  dem 
Holze  des  alten  historischen  Hauses  aufgebaut. 

Dies  sind,  so  viel  mir  bekannt,  alle  Erinnerungszeichen  ar. 
Philipp  P'ranz  von  Siebold,  welche  die  Zeit  in  Nagasaki  uiul 
Umgebung  hinterlas.scn  hat.* 

Im  April    1901. 


"In  Murray:  ILindhook  for  Japan,  5tli  edition,  p.  471  wird  gesiigt,  (Ia,.ss 
il'o  Wohnini^  Sielxilds  in  Urakami  bei  Nagasaki  war.  Es  ist  mir  trotz  aller 
Mühe  an  Ort  iir.d  Ftelle  nicht  möglich  gewesen  darüber  etwas  siehere.s  zu 
er  ahren.     I)ie^e  Angabe  bciuht  wahrscheinlicli  a;:!' einem  Trrtlniui. 


Mitthi'ilnngen  der  Deutlichen  Geselb^chaft 

fijr    Xiihir-   II Ulf    Yölkerkniiifi'    <Hasiens. 


Bd.  IX.    Tafel  2. 


il-L. 


Ui' 


^'   -vrf' 


Ten  Kate. — Eiiniierunüen  an   P.   F.  v.  8ieh<»l<l. 


3Ii((lie!hiti(jen  der  Daitxcken  Geselhchuft 
Jyr  .V"/"*-   iihil    V'öÜxihinde   Oytas-ietis. 


Bd.  IX,    Tafel  3. 


Ten   Knte. — Eiinneruimen  an  P.   F.  v.  Sieboki. 


\[.iih^Hii„n,>n  der  Dcnhchm  Ccsd'i^chnß  ßr  iVa'w-  «'«^   VöJkerhuvk  Ost(mens. 


Ten  Kate.— Erinneru^ 


Bd.  IX.    Tafel  4. 


Mittlu'ihnHjen  der   DetifsrJien   GeselMtaft 

f'i.r   Nnliir-     uml     Völkerkidtde   CM<isit'ii..-i. 


Bd.  IX.    Tafel  ö. 


Ten  Kate. — Erinnerungen  an  P.   F.  v.  Siebold. 


AUS  DER  JAPANISCHEN  PHYSIOGNOMIK. 


VOX 

Prof.  Dr.  K.  Miiira. 

{Mit  I   Tafel). 


In  China  scheint  man  sicli  schon  mehrere  Jahrhunderte 
vor  Christi  Geburt  mit  der  Physiognomik  beschäftigt  zu  haben. 
Sie  wurde  von  dort  mit  der  cliinesischen  Cultur  zu  uns  herüber- 
genonmien  und  bald  folgten  Publicationen  zahlreicher  Schriften 
darüber,  entweder  in  der  unveränderten  Form  oder  ins  Japanische 
übersetzt  oder  von  iapanischen  Verfossern  neu  zusanimengestellt. 
Sie  stimmen  alle  in  den  Grundzügen  so  überein,  dass  die  Quelle 
immer  dieselbe  gewesen  sein  muss.  Es  entstanden  allmählich 
Leute,  welche  berufsmässig  diese  Kunst  trieben  und  weiter  ver- 
breiteten. Noch  heutzutage  findet  man  hie  und  da  in  der  Stadt 
Aushängeschilder,  worauf  zu  lesen  ist,  dass  der  Betreffende  Ninsö 
(A  ^B  Physiognomik)  treibt.  Mit  der  Entwicklung  des  modernen 
Lebens,  speciell  mit  der  Ausbildung  der  Naturwissenschaften 
ist  die  Physiognomik  so  sehr  in  den  Hintergrund  des  socialen 
Lebens  verdrängt  worden,  dass  sie  nur  noch  von  weniger  ge- 
bildeten und  abergläubischen  Kreisen  befragt  wird.  Sie  hat 
trotzdem  eine  mächtige  Geschichte  hinter  sich  und  fast  ein  Jeder 
kennt  einige  Fragmente  davon  ;  es  sollte  daher  nicht  ganz 
unterlassen  werden,  eine  wissenschaftliche  P>klärung  davon  zu 
geben,  soweit  es  möglich  ist. 

Die  japanische  Physiognomik  beschäftigte  sich  mit  der 
Besichtigung  des  Kopfes,  Gesichtes,  der  Hände  und  ihrer  einzelnen 
Teile — der  Piaare,  Augen,  Ohren,  Nase,  Zähne,  Lippen,  Zunge, 
Muttermale  u.  dgl. — ferner  mit  dem  Beobachten  des  Menschen 
während  des  Essens  und  des  Trinkens,  des  Gehens  und  Handelns, 
des  Schlafens  und  des  Sprechens,  ja  sogar  mit  der  Form  und 
Gestalt  der  Geschlechtsteile  und  der  Excremente.  In  diese 
Einzelheiten  will   ich    heute    nicht   eingehen    und    nur  die  PJiysio- 


S  K.    MIURA,    rilVSIOfiNOMIK, 

<:^iioiiiik  der  Ilani  daraus  als  cL'n  best  ijepflegten  Teil  hervorheben 
und  diesellie  mit  der  europäischen  Chiromantie  vergleichen. 

Die  Geschichte  der  Chiromantie  ist  ziemlich  dunkeL  Die 
Chaldäer  und  Aegypter  scheinen  diese  Kunst  nicht  gekannt  zu 
liaben,  im  alten  Testamente  wird  sie  auch  nicht  erwähnt.  Erst 
Cicero  und  Juvenal  bemerken,  dass  es  zu  ihrer  Zeit  Leute  gab, 
die  sich  besonders  damit  beschäftigten,  aus  den  Linien  der  Hand 
zu  weissagen.  Sie  wurde  dann  vergessen  und  im  Mittelalter 
scheinen  die  Zigeuner  die  Kunst  wieder  nach  Europa  gebracht 
zu  haben.  Li  der  Chiromantie  spielen  die  Lineamente  der  Hand, 
die  sog.  sieben  Berge,  die  Beschaffenheit  der  Finger  und  der 
Nägel  u.  dgl.  die  Hauptrolle.  Wir  wollen  hier  nur  diejenigen 
Punkte  daraus  hervorheben,  welche  auch  in  der  japanischen 
Chiromantie  berücksichtigt  werden  und  das  Uebrige  beü  Seite 
lassen. 

Die  Chiromantie  unterscheidet  zunächst  auf  dem  Handteller 
drei  flaupt'inicn  :  Die  am  distalsten  gelegene  von  der  Basis  des 
Zeigefingers  schief  nach  der  Kleinfingerseite  laufende  Linie  w'ird 
Tischlinie,  Mcnsalc  oder  auch  Hcrzlinic  genannt.  Sie  bedeutet  da.s 
Hauswesen,  das  eheliche  Glück,  sowie  die  oekonomischen  Ver- 
hältnisse. 

Die  mittlere,  welche  von  der  Mitte  zwischen  Daumen  und 
Zeigefinger  an  der  radialen  Seite  beginnend  schief  im  l^ogen  nach 
der  Ulnarseite  (Kleinfingerseite)  zu  läuft,  wurde  Natur-  oder 
Hauptlinic,  von  andern  auch  tablclinc  (Farwell)  genannt.  Aus  ihr 
7-og  man  Schlüsse  auf  den  Zustand  der  Seele  und  des  Kopfes. 
Die  dritte,  weiter  nach  der  Daumenseite  gelegene  Linie,  welche  im 
Ursprung  mit  der  vorhergehenden  verbunden  nach  der  Mitte  des 
Handgelenks  zu  strebt  und  den  Daumenballen  nach  der  Hohlhand 
zu  beginnt,  wurde  Lebcnsibnc,  Vitale,  von  andern  auch  Herdinie 
genannt.  Sie  sollte  die  Länge  des  Lebens  und  den  Zustand  des 
Herzens  verkünden. 

Diesen  drei  Hauptlinien  entsprechen  Temmon  ^^  ;^,  Jimmon 
A  |)C  und  Chimon  \^  ^  der  japanischen  Chiromantie.  Der 
Ti.schlinie  entspricht  Temmon  5^  |)C.  die  Himmelslinie.  Sie 
bestimmt  den  Rang,  die  gesellschaftliche  Stellung,  den  Beruf  des 
Men.schen.  Die  mittlere  hiess  Jimmon  A  ^)C  die  Menschenlinie, 
weil  zwischen  Himmel  und  Erde  gelegen,  und  sollte  Intelligenz, 
Charakter  und  Reichtum  anzeigen.  Der  Lcbenslinie  gleich  ist 
endlich  Chimon  j:{lj  |j(^  die  Erdlinie ;  aus  ihr  wird  die  Länge 
des     Lebens,     die    Familien-      und      Dienstbotenverhältnisse    etc. 


K.    -MILKA,    PHYSIOGNOMIK.  (J 

abgelesen.  Sowol  in  der  europäischen  als  auch  in  unserer 
Chiromantie  sollte  es  im  Allgemeinen  ein  gutes  Zeichen  sein, 
wenn  eine  Linie  scharf  und  deutlich  hervortritt,  nirgends 
abgebrochen  oder  gespalten  oder  von  anderen  Linien  durch- 
schnitten ist,  keine  Abknickungen  oder  abnorme  Biegungen 
erleidet  u.   s.  w. 

]3ie  europäische  Chiromantie  lehrte  ferner,  dass  es  desto 
besser  sei,  je  höher  die  TiscJdinic  an  der  Basis  des  Zeigefingers 
beginnt.  Erreicht  sie  die  Basis  des  Zeigefingers  (Metacarpophal- 
angealgelenk),  so  ist  es  ideal.  Beginnt  sie  dagegen  auf  der 
Rückseite  desselben  und  geht  um  den  Finger  herum,  so  bedeutet 
es  einen  L'eberschuss  von  Gefühl,  woraus  sich  leicht  Eifersucht 
entwickelt.  Teilt  sich  diese  Linie  gabelig  in  ganz  gleiche  Zweige, 
..so  ist  es  ein  unfehlbares  Zeichen  der  Treue  ;  einer  solchen  Person, 
sei  es  Mann  oder  Weib,  kann  man  sein  ganzes  Vertrauen  schenken. 
Gehen  dagegen  zahlreiche  Aeste  nach  der  Basis  des  Zeigefingers 
7.U,  so  zeigen  sie  die  Anzahl  von  Personen,  die  geliebt  sind 
oder  werden  ;  ihre  Länge  und  Tiefe  entsprechen  dann  dem  Grad 
der  Liebe  für  eine  jede.  P^ntspringt  die  Tischlinie  von  der 
Wurzel  des  Mittelfingers  und  sieht  wie  Ketten  aus,  oder  ist  sie 
in  ihrem  Laufe  von  kleinen  Linien  durchschnitten,  so  bedeutet 
€s  inconstante  Liebe.  Eine  innige  Vereinigung  dieser  Linie  mit 
der  Xatur-  und  L^ebenslinie  ist  manchmal  das  Zeichen  eines 
gewaltsamen  Todes.  Manche  Krankheiten  des  Herzens  oder 
der  grossen  Gefässe  sollten  sich  auch  hier  zeigen,  doch  müssen  sie 
durch  die  Leberlungenlinie,  wovon  später  die  Rede  sein  wird, 
■controlliert  werden. 

Was  wurde  nun  für  dieselbe  Linie  von  der  japanischen 
■Chiromantie  gelehrt  ?  Sie  sagt :  Steigt  die  Spitze  des  Temmon 
nach  der  Basis  des  Zeigefingers  empor,  dann  ist  der  Besitzer 
meist  glücklich.  Spaltet  sich  diese  Linie  nach  der  Kleinfin- 
gerseite (Ulnarseite)  in  zwei  oder  mehrere  Zweige,  so  ändert 
■^x  seinen  vererbten  Beruf  oder  wird  in  ein  fremdes  Maus 
.adoptiert;  eine  PVau  \erheirathet  sich  in  diesem  Falle  zwei  oder 
mehrmals.  Ist  die  Linie  abgebrochen  oder  wird  sie  von 
einer  anderen  Linie  durch.schnitten,  dann  deutet  es  auf  Ver- 
mögensverlust oder  auf  Hindernisse  im  Geschäft,  beginnt  sie 
zwischen  Zeige-  und  Mittelfinger — auf  mangelhafte  Ausdauer, 
ist  sie  kurz — auf  häufige  Berufsänderung.  Befindet  sich  neben 
ihr  noch  eine  ähnliche  Linie,  so  werden  Männer  von  höher  stehen- 
•den  Personen  unterstützt.  PVauen  bekommen  gute  Kinder.     Legt 


lO  K.    MIUKA,    PHVSI()GN(1MIK. 

man  beide  Hände  an  der  Kleinfingerseite  an  einander  und  die 
Tlimmelslinicn  beider  Hcände  treffen  dort  zusammen,  so  ist 
es  ein  Zeichen  des  glücklichen  Schicksals,  es  gelingt  einem  meist 
alles,  was  man  möchte.  Zeigt  diese  Linie  in  der  Mitte  eine 
bogenförmige  Krümmung,  so  lernt  -...'  Besitzer  solcher  Linie 
alles  rasch,  vergisst  aber  auch  rasch  und  bringt  die  Sache  nicht 
zu  Ende.  Erscheint  innerhalb  dieser  Linie  gelbe,  rothe  oder 
violette  Farbe,  so  ist  es  gut  ;  scliwarz  dagegen  weist  auf  Unglück, 
blau  auf  Krankheit  hin. 

Wir  kommen  jetzt  zu  der  zweiten  Linie,  der  sog.  Natur-  od. 
HaiiptHnic.  Lst  sie  lang  und  gerade,  so  vorspricht  sie  gesundes 
Urteil  und  stark'en.  Willen.  Geht  sie  durch  die  ganze  Hand 
hindurch,  zeigt  sie  eine  extreme  Sparsamkeit,  wenn  nicht  Geiz 
an  und  pflegt  an  der  Hand  eines  Egoisten  gefunden  zu  werden. 
Geht  die  Spitze  gabelig  au.seinander,  ist  der  Betreffende  unwahr, 
hört  sie  in  der  Mitte  des  Handtellers  auf,  statt  weiter  zu  gehen, 
deutet  sie  auf  Uncntschlossenheit.  Die  Art  und  Weise  der  Ver- 
bindung von  Natur-  und  Lebenslinie  ist  von  grosser  Bedeutung. 
Laufen  sie  eine  grössere  Strecke  weit  als  eine  Linie  zusammen, 
so  bedeutet  es  Mangel  an  Selbstvertrauen,  eine  frühzeitige 
Spaltung  beider  Linien,  das  Gegenteil. 

Ueber  dieselbe  Linie,  welche  in  der  jap.  Chiromantie  Jiniiiion 
od.   JlkiiscJiculinic  genannt  wurde,  lehrte  nian  folgendes  : 

Wer  eine  lange  beinah  den  ulnaren  Rand  der  Hand  er- 
reichende Mensclienlinie  besitzt,  verliert  früh  seine  Eltern  oder 
Kinder ;  wer  dagegen  eine  kurze,  seichte  und  breite  Linie  hat, 
bleibt  arm  und  wird  nicht  alt.  Ist  dieselbe  zerstückelt  und 
unterbrochen,  so  hat  der  Besitzer  einer  solchen  Hand  im  Leben 
schwere  Krankheiten  oder  hartes  Unglück  durchzumachen. 
Geht  die  Spitze  der  Linie  nach  der  Kleinfingerseite  des  Hand- 
gelenks gabelig  auseinander,  so  wird  der  Betreffende  in  fremdes 
Haus  adoptirt.  Läuft  sie  nicht,  wie  gewöhnlich,  bogenfc'n'mig 
nach  der  ulnaren  Seite  der  Hand  hin,  sondern  parallel  der 
ersten  Linie  quer  durch,  so  deutet  es  Dummheit  und  niedrige 
Gesinnung  an,  gehen  von  Anfang  bis  zum  Ende  derselben 
mehrere  Seitenzweige  ab,  ähnlich  den  Rippen  eines  Blattes,  so 
weist  das  auf  Verlust  des  Vermögens  und  auf  kommendes 
Unglück  hin.  Besteht  das  Jinimon  aus  mehreren  Linien,  so 
gelingt  dem  Bjtreffenden  nichts  und  er  muss  als  Vagabund  leben, 
(jeht  eine  Linie  durch  Himmels-  und  Menschenlinie  hindurch, 
so  ist  es  ein  gutes  Zeichen,    ebenso   ist  es   zu  deuten,  wenn    die 


K.    MILKA,    PlIVSIor.NOMlK.  II 

Mcnschenlinic  mit  drei  seitlichen  Ausbuchtuntjen  \crsehen 
ist.  Erscheine  innncrhalb  dieser  Linie  gelbe,  rothe  oder  violette 
J'^arben,  so  ist  es  ein  Zeichen  des  Gelingens,  blau  deutet  auf 
Aerger   oder  Krankheit,  weiss  und  schwarz  auf  Unglück  hin. 

Endlich  kommen  wir  zum  dritten  Hauptlineament  der  Hand, 
der  Lebcnslinic.  Geht  sie  rund  um  den  ganzen  Daumenballen 
herum,  vcrs[)richt  sie  ein  hundertjähriges  Alter,  geht  sie  nur  bis 
zur  Mitte,  ein  50  jähriges.  I-ang  und  von  anderen  Linien  nicht 
durchkreuzt,  von  gutem  Farbenton,  frei  von  Flecken  und  Grüb- 
chen bedeutet  sie  langes  glückliches  Leben  ;  kurz,  blass  und 
kettenartig  unterbrechen  oder  von  kleinen  TJnien  durchkreuzt 
u.  s.  w.  dagegen  Schwächlichkeit,  gegen  Ende  gabelig  geteilt 
Schwäche  im  Alter.  Ist  sie  von  vielen  kleinen  Linien  durch- 
schnitten, so  kann  es  auf  Schwierigkeiten  mit  den  \'er\vandten 
hinweisen,  eine  Nebenlinie  auf  dem  Daumenballen  auf  Geistes- 
schwäche. Ein  bedenkliches  Zeichen  ist  die  vollständige  L'nter- 
brechung  der  Lebenslinie.  Richtet  sich  dabei  eine  Spitze  nach 
der  Daumenseitc  zu,  so  deutet  dies  auf  Tod,  dreht  sie  nach  dem 
Handteller,  so  ist  noch  Hoffnung  vorhanden.  F.in  kleiner  Ring 
in  der  Lebenslinie  soll  Verlust  eines  Auges,  zwei  solche  den 
beider  Augen  bedeuten. 

Der  Lebenslinie  entspricht  Chili. on  i^jl  jj-^C  oder  die  lirdlinic 
der  japanischen  Chiromantie.  Letztere  sagte  :  Erscheint  gelbe, 
rothe  oder  x'iolette  Farbe  auf  die-^er  Linie,  so  ist.  gewiss  ein 
freudiges  Ereignis  bei  der  Mutter  oder  am  Wohnort  zu  erwarten. 
Blau,  schwarz  und  weiss  sind  dagegen  schlimme  Zeichen. 
Läuft  die  Erdlinie  gerade  und  lang  nach  dem  Handgelenk  zu, 
bedeutet  es  gute  Gesundheit  und  langes  Leben,  geht  die  Spitze 
nahe  dem  Handgelenk  auseinander,  so  geht  der  Betreffende 
in  ein  fremdes  Land  oder  führt  ein  einsames  Leben.  Wird  diese 
Linie  von  zahlreichen  kleineren  Linien  durchschnitten,,  so  zeigt  es 
unstetes  Leben  und  wiederholtes  Unglück  an  ;  zwei  kleine 
Kreuzehen  im  Verlaute  derselben  .'•ind  ein  Zeichen,  dass  jemand 
mit  der  Mutter  Streit  hat.  Wer  neben  der  Erdenlinie  noch 
eine  ähnliche  Linie  besitzt,  bekommt  zweimal  eine  Mutter, 
eine  wahre  und  eine  Stiefmutter.  Ist  die  Linie  nur  undeutlich 
gezeichnet,  hat  der  Betreffende  öfters  Kummer  wegen  der 
Wohnung.  Soweit  über  die  drei  Hauptlinien.  Zu  dcw  acces- 
sorischen  weniger  constanten  Linien  gehören  ; 

/.  Ht'patica  oder  LcbcrUingcidiiiic,  welche  nahe  dem  Hand- 
gelenk oder  von    dem   proximalen   Ende  der   Lebenslinie  beginnt 


12  K.    MIURA,    PIIVSlOr.NOMIK. 

und  der  l^asis  des  Kleinfiiigers  zustrebt.  Diese  Linie  felilt  an 
manchen  Händen  und  dinn  deutet  es  auf  Lebhaftigkeit  und 
Behändigkeit.  Ist  sie  klar  und  deuthch  vorhanden  und  von 
guter  r^arbe,  deutet  es  auf  gute  körperhche  und  geistige  Gesundheit 
bis  zum  hohen  Alter ;  ist  sie  dagegen  blass  und  wird  sie  von 
anderen  Linien  durchkreuzt,  weist  es  auf  Schwächlichkeit  oder 
Kränklichkeit   hin. 

In  der  morgenländischen  Chiromantie  wird  sie  Gwaigeimon 
^i*  ^  ^  genannt  und  soll  darauf  hinweisen,  dass  der  Betreffende 
ein  Künstler  sein  wird  oder  dass  er  im  Alter  reich  und  berühmt 
wird. 

2.  Satiiniia  oJcr  ScJiicksalsIinic,  welche  entweder  von  der 
Lebenslinie  oder  von  der  Hohlhand,  vom  Kleinfingerballen  oder 
vom  Handgelenk  ausgehend  die  Basis  des  Mittelfingers  erreicht. 
Schneidet  sie  die  Wurzel  des  Fingers  nicht,  so  bedeutet  es 
(jlück,  im  anderen  l'alle  dagegen   Gefalir. 

In  unserer  Chiromantie  wird  sie  Tenkimon  5^  ^  ^  oder 
Senkinmon  -f"  ^  |^  genannt,  je  nachdem  sie  gerade  oder  ge- 
schwungen verläuft  und  es  stimmt  mit  der  Angabe  abendländischer 
Chiromantie  überein,  dass  das  Vorhandensein  dieser  Linie 
als  glück\'erheissend  betrachtet  wird.  Steigt  sie  durch  den 
Mittelfinger  hinauf,  so  heisst  sie  Shotenmon  ^  ^  ^JC  u'^d  soll 
höhere  Würden  verheissen,  während  sie  in  der  europäischen 
Chiromantie  in  diesem  Falle  geradezu  als  gefahrbringend  be- 
zeichnet wird,  weil  der  Betreffende  bei  allem,  A\as  er  thut,  geneigt 
ist    zu    weit    zu  gehen. 

?.  Die  Sonnenlinic  oder  die  Luiic  des  Apollo  beginnt  von 
der  unteren  I^cke  des  Kleinfingerballens,  von  der  Lebenslinie 
oder  von  der  Hohlhand  und  endet  an  der  Basis  des  Ringfingers 
(.A.polloberg).  Im  ersten  Fall  deutet  es  auf  Glück  und  Erfolg, 
im  zweiten  auf  Erfolg  durch  Verdien.st,  im  dritten  auf  Erfolg 
nach  schwerem  Bemühen.  In  unserer  Chiromantie  ist  sie  nicht 
beschrieben,    obwol    sie  nicht  selten  vorzukommen  pflegt. 

Aus  den  kleinen  Linien  der  Hand  haben  die  abendländischen 
Chiromanten  Kreuze,  Sternchen,  Drei-  und  Vierecke,  die  morgen- 
ländischen ebenfalls  allerlei  Figuren  oder  gewisse  chinesische 
Zeichen  herausgelesen  und  je  nach  dem  Orte,  wo  sie  gefunden 
werden,  deutete  man  sie  auf  freudige  oder  traurige  Ereignisse 
oder  auf  glückliche  oder  unglückliche  Schicksale  im  Leben. 
Die    Arten     dieser    kleinen     Linien      sind     sehr     zahlreich ;     aus 


K.    MIL'KA,    PHYSIOGNOMIK.  I3 

ihnen  hebe  ich  liier  einit^e  Figuren  hervor,  die  mit  lebhafter 
Phantasie  herausgelesen  wurden  : 

O     f^  [1  ^    Buddha's    Augen,  ^     ^  ^     l-ischfigur 

>j^     ?^  ^ß  5^  Sternchen  mit  6  Hervorragungen,         |    /^:  fj-  |^ 

hängende    Nadel,  ^Qf       ^  jf;  ^      Schildkröten-Zeichnung, 

-Wl      J^;  ^  |)C    hängender  Fisch  u.  s.  \v.   u.  s.  \v. 

Von  den  Linien,  die  den  chinesischen  Zeichen  ähnlich  aus- 
sehen sind  zu  nennen  |  l       #  ^  |^     Zeichen   für    Brunnen, 

jtjt      A  ^  ^  Zeichen  für  Menschen,    /   /      -^  ^  Zeichen    für 

l'Vauen,  HH      ^  ^  ,^)C  Zeichen  für  gebrauchen,      -^    3i  ^ 

^  Zeichen  für  König,  /»l^  'f?  ^  |)C  Zeichen  für  Gehen  u. 
s.  \v.  u.  s.  w.  In  die  Bedeutung  aller  dieser  Zeichnungen  in 
Einzelfallen  näher  einzugehen,  glaube  ich  unterlassen  zu  dürfen. 

Den  7  Bergen  der  europäischen  Chiromantie  kann  man  die  8 
Himmelsrichtungen  oder  auch  12  Thierkreise  der  unserigen  gegen- 
überstellen. Die  ersteren  wurden  nach  den  Planeten  genannt 
und  heissen  :  Jupiter,  Saturn,  Apollo,  Mercur,  Mars,  Luna  und 
Venus  ;  die  8  Himmelsrichtungen  sind  Nord,  Süd,  Ost,  West 
und  die  dazwischen  gelegenen  Himmelsgegenden;  die  12  Thier- 
kreise Ne,  Ushi,  Tora,  etc.,  Avobei  Ne  und  Nord  zusammenfallen. 
Die  mittlere  Vertiefung  der  Hohlhand,  welche  dort  Cavea 
martis  heisst,  wurde  meidö  ^  ^   ,,  helles  Haus  "   genannt. 

Die  Bedeutung  der  Berge  stimmt  mit  den  Planeten  überein, 
So  hat  man  Schlüsse  gezogen  vom  Jupiterberg  auf  seelische 
Eigenschaften  und  den  selbsterworbenen  Ruf  des  Menschen,  vom 
Saturnberg  auf  oekonomische  Verhältnisse,  vom  Mondberg  auf 
die  Constitution  etc.  Von  den  Himmelsrichtungen  bedeutete 
Norden  Wohnort  und  Alter,  Süden  öffentliche  Verhältnisse, 
Osten  Schicksal  und  Verhältru'sse  zu  Geschwistern,  Westen 
Kinder  und  Familie  u.  dgl.  Sowol  hier  als  auch  dort  hat  man 
darauf  geachtet,  ob  das  Fleisch  dick  oder  mager  ist,  ob  der 
entsprechende  Ort  erhaben    oder    flach,   ob   die  P^arbe  frisch  oder 


I^  K.    MIURA,    PHYSIOGNOMIK. 

abgeblasst,  oder  ob    dort    verwirrende  Linien  oder    Flecken    sich 
finden.      Der    letztere  Fall  weist  z.  B.   auf  Unglück  hin. 

Ueber  die  TastbaUcn  d.  h.  die  wirbelformige  Zeichnung  an 
den  Fingerbeeren  findet  man  in  der  europäischen  Chiromantie 
nichts  erwähnt,  obwol  sie  von  den  Anatomen  eifrig  untersucht 
worden  sind.  Unsere  Chiromanten  nannten  sie  Hamon  [[^  ^ 
wegen  der  gerollten  Form  und  lehrten,  je  regelmässiger  sie  sind, 
desto  besser  ist  es,  und  je  nachdem  dieser  oder  jener  Finger  regel- 
mässige oder  unregelmässige  Wirbel  trägt,  weist  dies  auf  Glück 
oder  Unglück  verschiedener  Art  hin,  insbesondere  hat  man 
daraus  \-erschiedene  h^ähigkeiten  des  Menschen  ablesen  wollen. 

Ich  komme  jetzt  zur  Erklärung  der  Bildung  der  h\irchen 
und  ihrer  Bedeutung  in   der  Chiromantie  : 

Wir  können  an  den  I^\n'chen  und  Runzeln  der  Haut  im 
Allgemeinen  der  Entstehung  nach  4  v^erschiedene  Arten  unter- 
scheiden. I.  Interpapillare  Furchen  z.  B.  Vertiefungen  zwischen 
den  Tastleisten,  wie  man  sie  auf  den  Finger-  und  Zehenballen 
findet.  2.  Musculäre  I^^urchen,  welche  durch  Muskelinsertion. 
und  Muskelcontraction  entstehen  z.  B.  Furchen  auf  der  Stirne. 
Sie  sind  anfangs  nur  temporär  während  der  Contraction  vor- 
handen, um  sjiäter  durch  häufige  VViederholung  permanent  zu 
werden.  4.  Articuläre  Furchen,  entstanden  durch  Bewegung 
der  Gelenke,  wie  man  sie  am  Hand-  und  LLlIbogen-Gelenk 
findet.  5.  Senile  I^'urchen,  entstanden  durch  Verlust  des  Untcr- 
hautfettgewebes     und    der  Elasticität  der  Haut. 

Zu  welcher  Citegorie  sind  nun  die  3  Hauptfurchen  der 
Hand  zu  rechnen  ?  Unzweifelhaft  der  Hauptsache  nach  zu  den 
articulären,  zum  kleinen  Teil  zu  den  musculären  Furchen. 

Die  Tischlinie  oder  ^  ^)C  Himmelslinie  entspricht  der  Ar- 
ticulatio  mctacarpophalaugea  oder  dem  Gelenke  zwischen  den 
1^'ingern  und  den  Mittelhandknochen.  Die  Lebenslinie  oder 
iiil  |)C  Erdenlinie  ist  durch  Gegenüberstellung  des  Daumens  zu 
den  übrigen  Fingern  entstanden  und  bildet  daher  die  medile 
Grenze  des  Daumenballenmuskels ;  und  die  mittlere  Naturlinie 
o*^^t;r  A  ^  Menschenlinie  durch  P'altenlegung  der  Haut  zwischen 
beiden  Linien,  da  die  Haut  hier  im  Handteller  mit  der  Unterlage 
ziemlich  fest  verwachsen  ist.  Die  accessorischen  kleinen  Linien 
entstehen  ebenfalls  durch  Faltungen  der  Haut  bei  den  mannig- 
fachen Bewegungen  der  Hand  und  und  der  Finger  ;  denn  es 
steigen  unzählige  feine  sehnige   Fäden  von  unten   nach  der  Haut 


Mitihedungm  der  Deutschen  Geselkchaft 
/kr  yatur-  und    Völker  knitde    Ostasiejis. 


Bd.  IX.    Tafel  6- 


K.  Miura.— Avis  der  Japanischen  Physiognomik. 


K.    MIIRA,    PHYSIOGNOMIK.  I5 

ZU  ciTipor,  um  sie  gegen  die  Unterlage  zu  befestigen  und  zwischen 
ihnen  ist  dort  mehr  und  hier  weniger  Fett  eingelagert. 

Die  3  Hauptlinien  sind  schon  bei  der  Geburt  vorhanden, 
die  übrigen  kleinen  Linien  sind  bei  den  Kindern  im  Allgemeinen 
weniger  als  bei  ICrwachsenen  zu  finden,  doch  wechseln  sie  je 
nach  dem  Ernährungszustande. 

Ob  die  kleinen  Linien  der  Hand  zahlreicher  sind 
oder  nicht,  hängt  also  vom  Alter,  Ernährungszus tande, 
von  der  Dicke  und  Härte  der  Haut,  von  der  Entwick- 
lung des  L'nterhautfettge webes  und  der  Musculatur 
und  in  folgedessen  vom  Beruf,  von  der  Lebensweise, 
von  Gesundheit  und  Krankheit  u.  dgl.  ab.  Bei  den  wol- 
ge nährten  arbeitenden  Klassen  sind  sie  weniger 
zahlreich  als  bei  schwächlicheren,  mageren  alten 
.Leuten.  So  sind  die  Erhabenheiten  des  Handtellers, 
die  die  H  o  h  1  h  a  n  d  umwallen,  e  b  e  n  f a  1 1  s  von  der  E  n  t- 
H'icklung  der  Musculatur  und  des  Fettgewebes 
abhängig  und  von  den  genannten  Umständen  b  e  - 
c  i  n  f  1  u  s  s  t .  Sie  alle  sind  also  m  e  i  s  t  F  o  1  g  e  n  des  ( j  1  ü  c  k  s 
und  Unglücks,  des  guten  und  des  schlechten  Schick- 
sals, der  besseren  oder  der  schlechteren  socialen 
Stellung,  der  Gesundheit  oder  der  Krankheit,  und 
nicht  die  Ursache  davon.  Ihnen  ist  keine  primäre,  sondern 
nur  eine  secundäre  Bedeutung  zuzuschreiben.  Nur  die  Tastleisten 
der  Finger  haben  nicht  nur  phylogenetische  Bedeutung,  sondern 
sie  behalten,  von  der  Kindheit  bis  zum  mittleren  Alter,  vom 
mittleren  Alter  bis  zum  Greisenalter  ihre  Form  unverändert, 
nicht  nur  in  den  fundamentalen  Zügen,  sondern  auch  bis  zum 
kleinsten  Detail.  Die  Fingerabdrücke  sind  daher  ein  vorzügliches 
Mittel  der  Identification  und  können  eine  gewisse  Bedeutung  in 
der  gerichtlichen   Medicin  erlangen. 


DAS  HEUTIGE  JAPANISCHE  GEFANGNISWESEN. 

Von 
Amtsrichter  Dr.  Grusen,  Tokio. 


INHALT. 

^.  1,     Eiiileitiino'. 

§.  '2.     Das  Strafensystem  des  japanischen  Strafgesetzbuchs 

von  1880. 
§.  3.     Die  Arten  der  Gefiingnisse. 
§.  4.     GefängnisbaiT. 
§.  5.     Die  Verwaltung  des  Gefängniswesens.  Zentral-  und 

Lokal-Verw.iltung. 
§.  ö.     Das  Beamteni)ers'.)nal  der  Gefängnis- Yerwaltung. 
§.  7.     Die  Einzel  Verwaltung  der  Gefängnisse. 
§.  8.     Die  Fürsorge  für  entlassene  Gefangene. 
§.  9.     Ergebnisse  der  Strafvollstreckung  in  Japan. 
§.  10.  Litter atur. 

Anhange '    Drei  Gefänfaiis-Plfine. 


ly  CRLSEN,  c;i':faengxi.s\vi:skn. 


^.   1.     Einleituncr. 


Die  Gcfängniseinrichtungen  von  Japan  '  sind  in  Europa  viel 
weniger  bekannt,  als  die  seiner  Nachbarländer  Sibirien  und  China, 
über  die  eine  reichhaltige  Litteratur  existiert.  Allgemein  bekannt 
sind  die  Schilderungen  der  Zustande  in  Sibirien  durch  Dosto- 
jewski (Memoiren  aus  einem  Totenhause)  und  den  amerikanischen 
Zeitungskorrespondenten  George  Kennan.  Die  Behandlung  der 
chinesischen  Gefangenen  wird  fast  in  jedem  Reisewerke  über 
China  beschrieben. 

Das  Interesse  für  das  japanische  GeHingniswesen  ist  für  die 
in  Japan  lebenden  Ausländer  aktueller  geworden  seit  Inkrafttreten 
der  revidierten  Verträge  mit  den  Grossmächten  im  Sommer 
1899.  Früher  wurden  etwaige  Uebertretungen  der  Strafgesetze 
durch  die  Konsulargerichte  abgeurteilt ;  die  Vollstreckung  der 
erkannten  Freiheitsstrafen  erfolgte  bei  kür/:erer  Dauer  in  den 
Konsulatsgefangnissen,  bei  längeren  Strafen  in  der  Heimat.  Jetzt 
sind — natürlich  abgesehen  von  den  Exterritorialen — die  japanischen 
Gerichte  zuständig,  und  die  zu  Freiheitsstrafen  Verurteilten  ver- 
büssen  diese  in  den  japanischen   Gefängnissen. 


§.  2.     Das  Strafensystem  des  japanischen 
Strafgesetzbuchs  Mon  ISSO. 

Das  Gefängniswesen  eines  Landes  ist  abhängig  von  dem 
materiellen  Strafrecht,  zu  dessen  Durchführung  es  dienen  soll. 
Zum  Verständnis  der  japanischen  Strafvollzugseinrichtungen  ist 
deshalb  ein  kurzer  Blick  auf  das  Strafensystem  des  geltenden 
Strafgesetzbuchs  von  1880  erforderlich.  Es  beruht,  Dank  dem 
erheblichen  Anteil,  den  der  französische  Kriminalist  Boissonnadc 
an  seinem  Entstehen  hat,  vorwiegend  auf  dem  französischen 
Code  penal  von  1810  und  teilt  dessen  Hauptmangel  eines  viel 
zu  komplizierten  und  in  der  Praxis  undurchführbaren  Strafen- 
systems.     Es  giebt   sechs   verschiedene   Freiheitstrafen:    i)   I/a/i 

1).  Wer  sich  für  die  sehr  interessante  geschiclitliche  Entwickelung  des 
japanischen  Gefängniswesens  interessiert,  möge  die  im  Anhange  verzeichnete 
I.itteratur,  nanrienilicii  den  Aufsatz  von  Krauss  (in  den  Blättern  für  Ge- 
fängnisliunde  Band  ;50)  vergleichen. 


CRUSEX,    GEFAEXGXI.SWESEX.  jg 

(koryu,  Dauer  i-io  Tage);  2^  Gefängnis  (kinko,  Dauer  11  Tage 
bis    5     Jahre,    in    besonders   schweren  Fällen  7  Jahre)  ;     3)  und 

4)  eilte  politische  Strafe  in  der  doppelten  Form  von  einfacher 
Freiheitsentziehung  (kingoku)  auf  die  Dauer  von  6-11  Jahren 
und  von  Verbannung,  (ryukei)  auf  die  Dauer  von  12-15  Jahren 
oder  auf  Lebenszeit,  als  nicht  entehrende  Freiheitstrafen  für 
politische    Delikte,    entsprechend    der    deutschen    Festungshaft ; 

5)  Znchthaus  (choeki,  Dauer  6-1 1  Jahre) ;  endlich  6)  Zzuangs arbeit 
(tokei,  Dauer  12-15  Jahre  oder  auf  Lebenszeit). — Die  deutsche 
Nebenstrafe  der  Ueberweisung  an  die  Landespolizeibehörde 
(Deutsches  Strafgesetzbuch  §,  362),  welche  der  Verwaltungsbehörde 
die  Befugnis  giebt,  den  Verurteilten  nach  Verbüssung  der  Haupt- 
strafe (geschärfte  Haft  bis  zu  6  Wochen)  in  ein  Arbeitshaus 
unterzubringen  oder  zu  gemeinnützigen  Arbeiten  zu  verwenden, 
ist  dem  japanischen  Recht   unbekannt. 

Arbeitspflichtig  sind  von  den  Gefangenen  die  zu  Zwangsarbeit, 
zu  Zuchthaus  und  zu  schwerem  Gefängnis  (Gefängnis  mit  Ar- 
beitszwang) verurteilten.  Alle  anderen  brauchen  nicht  zu  arbeiten, 
nämlich  die  zu  leichtem  Gefängnis  (Gefängnis  ohne  Arbeits- 
zwang), zu  Verbannung  und  Einsperrung  sowie  zu  Haft  Verurteilten 
und  diejenigen  Personen,  bei  denen  eine  wegen  Vergehen  oder 
Uebertretung  erkannte,  aber  nicht  beizutreibende  Geldstrafe  in 
Freiheitsstrafe  (Gefängnis  oder  Haft  nach  dem  Satze  i  Yen  =  i 
Tag)  umgewandelt  ist.  Die  in  den  englisch-japanischen  Zeitungen 
häufig  wiederkehrende  Meldung,  dass  jemand  wegen  einer  leichten 
Strafthat  zu  mehreren  Wochen  Gefängnis  ,,  with  hard  labour " 
verurteilt  ist,  bedeutet  nur,  dass  er  übeihaupt  arbeiten  soll,  nicht 
dass  seine  Arbeit  besonders  schwer  sein  wird. 


§.  3.     Die  Arten   der  Gefängnisse. 

Sieht  man  von  etwaigen  Spezialstrafen  für  einzelne  Stände 
oder  besondere  Deliktgruppen  (wie  Stubenarrest,  Festungshaft, 
Verbannung)  ab,  so  kann  man,  ohne  in  überflüssige  und  kostspielige 
Künsteleien  zu  verfallen,  thatsächlich  nur  zwei  Hauptarten  der 
Freiheitsentziehung  unterscheiden  :  Strafe  mit  Arbeitszwang  und 
Strafe  ohne  Arbeitszwang.  Die  Unterschiede  in  der  Vollstreck- 
ung der  sechs  Strafarten  (deren  Zahl  übrigens  in  dem  zu 
erwartenden  neuen  Strafge.setzbuche  vermindert  werden  wird) 
stehen    deshalb     wohl    auf    dem     Papier,    verschwinden   aber    in 


20  GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN, 

der  Praxis  vollständig^.  Tliatsächlich  sind  denn  auch  so  viele 
Arten  von  Strafanstalten,  wie  nach  dem  Gesetze  und  der  Gefäng- 
nisordnung da  sein  sollten,  überhaupt  nicht  vorhanden.  Es  sollte 
nämlich  geben  sechs  verschiedene  Arten  von  Anstalten  (Gef. 
Ordnung  vom  12  Juli  1887,  Art.  i),  und  zwar:  i)  Shujikan 
(Zentral-Anstalten,  Zwangsarbeitshäuser)  für  die  zur  Zwangsarbeit, 
zur  Deportation  oder  nach  dem  alten  Recht  zur  lebensläng- 
lichen Einsperrung  Verurteilten;  2)  Kariukan,  Transportgefängnisse 
zur  Aufnahme  der  nach  den  Shujikan  zu  verschickenden 
Gefangenen  ;  3)  Chihokangoku,  Lokalgefängnisse  für  die  zu 
Haft,  Gefängnis,  Einsperrung  und  Zuchthaus  verurteilten  Männer 
und  Weiber  und  die  zu  Zwangsarbeit  verurteilten  Weiber ; 
4)  Kochikan,  Untersuchungsgefängnisse  ;  5).  Riuchijo,  Polizeige- 
fängnisse oder  Arresthäuser  zur  vorläufigen  Aufnahrne  von 
Untersuchungsgefangenen  und  "zur  Vollstreckung  von  kurzen  Haft- 
und  G-'fängnisstrafen  ;  endlich  6)  die  Chojijo,  Zwangserziehungs- 
anstaltcn  für  Kinder  von  8-12  Jahren  (welche  nach  Art.  79 
des  Strafgesetzbuchs  zwar  nicht  bestraft,  aber  bis  zum  vollendeten 
sechzehnten  Jahre  in  eine  Besserungsanstalt  gebracht  werden 
können)  sowie  ausserdem  für  Taubstumme  und  für  Minderjährige 
von  12-16  Jahren,  bei  deren  Verurteilung  angenommen  ist. 
dass  sie  ohne  Unterscheidungsvermögen  gehandelt  haben. 

Tliatsächlich  giebt  es  aber  zunächst  besondere  Anstalten  zur 
Vcrbüssung  der  beideti  politisc/ien  Strafen,  Transportgefängnisse  und 
Zwangserzieluingsa?istalten  überhaupt  nicht.  Eür  die  zur  einer 
der  politischen  Strafen  Verurteilten  sollten  ursprünglich  Spezial- 
anstalten  errichtet  werden,  und  zwar  für  die  zur  Freiheitsent- 
ziehung Verurteilten  auf  dem  Festlande,  für  die  Verbannten  auf 
einer  Insel  (Strafgesetzbuch  Art.  20  und  23).  Diese  Vorschrift 
des  Gesetzes  ist  aber  nicht  ausgeführt,  die  V^erurteilten  werden 
vielmehr  in  den  Lokalgefängnissen  und  (die  Verbannten)  in  den 
Zwangsarbeitsanstalten  untergebracht ;  Festungen,  die  zur  Voll- 
streckung dieser  Strafen  verwendet  werden  könnten,  giebt  es  in 
Japan  nicht.  Die  Transportgefangenen  und  die  Zwangszöglinge 
werden  in  die  Lokalgefangnisse  gebracht.  Diese  eignen  sich  zur 
Aufnahme  der  letzteren  recht  wenig.  Durch  das  Zwangserziehungs- 
Gezctz  vom  9  März  1900  sind  nun  die  Bezirke  verpflichtet,  beson- 
dere Zwangserziehungsanstalten  auf  ihre  Kosten  zu  errichten, 
wogegen  ihnen  die  Kosten  für  die  P2rhaltung  der  Lokalgefangnis.se 
abgenommen  sind.  Besondere  UntcrsueJinngsgefängyiisse  giebt 
es    nur    5    in    Tokio,    P^ukuoka,  Aomori,   Akita  und    Okayama; 


CRUSEN,    GEFAENGNISWESEK.  21 

in  allen  übrigen  Bezirken  bestehen  lediglich  in  den  Lokalgefang- 
nissen  besondere  Abteilungen  für   Untersuchungsgefangene. 

Es  giebt  also  thatsächlich  in  Japan,  wenn  man  von  den 
wenigen  besonderen  Untersuchungsgefängnissen  absieht,  nur 
drei  Kategorieen  von  Gefängnissen :  Polizeigefängnisse,  Zwangs- 
arbeitsanstalten und  Lokalgefängnisse. 

1.  Polizci^^cfängnissc  (riuchijo)  giebt  es  zur  Zeit  (nach  der 
Statistik  vom  i  Mai  1901)  1408  mit  einem  Gefangenenbestande 
von  1025  Köpfen  (243  Untersuchungsgefangenen  und  782  zu 
kurzen  Freiheitstrafen  verurteilten  Personen).  Sie  sind  meist 
ganz  klein  und  dienen  nur  zur  vorübergehenden  Aufbewahrung  von 
Untersuchungsgefangenen  und  Vollstreckung  ganz  kurzer  Strafen. 
Sie  unterstehen  nicht  der  Gefängnis-,  sondern  der  Polizei-Verwaltung 
und  sind  deshalb  im  Folgenden  nicht  mit  berücksichtigt. 

2.  Zzvangsarbeits]iäiiscr{^\\.\i\Vz.\\)  giebt  es  zur  Zeit  (Dezember 
190 1)  sechs,  davon  3  (Kabato,  Tokachi,  und  Abashiri)auf  Hokkaido, 
2  (Tokio  und  Sendai)  auf  Hondo  und  endlich  i  (in  Omuta)  auf 
Kiushiu.  In  diese  Anstalten  werden  nur  zu  Zwangsarbeit  und 
,,  ryukei  "  verurteilte  Männer  aufgenommen  ;  die  geringste  Straf- 
dauer beträgt  in  beiden  Fällen  12  Jahre.  Die  zu  ,,  tokei  " 
\-erurteilten  Weiber  werden  nicht  in  die  ,,  shujikan,"  sondern  in 
die  Lokalgefängnisse  gebracht.  Der  Ursprung  dieser  Praxis  beruht 
darin,  dass  die  Zwangsarbeitsstrafe  unter  vorzugsweiser  Ver- 
wendung der  Gefangenen  zu  landwirtschaftlichen  Arbeiten  eigent- 
lich auf  einer  Insel  vollstreckt  werden  sollte,  wo  man  Weiber 
aus  Gründen  der  Moral,  der  Disziplin  und  des  Arbeitsbetriebes 
nicht  unterbringen  wollte.  Nachdem  thatsächlich  die  Strafe  in 
den  Shujikan  verbüsst  wird,  könnte  man  in  diesen  besondere 
Weiberabteilungen  errichten,  deren  Kosten  aber  in  keinem 
Verhältnisse  zu  der  geringen  Zahl  der  weiblichen  Verurteilten 
stehen  würde.    Man  schickt  sie  deshalb  bes.ser  in  die  Gefängnisse. 

3.  LokaLgcfihignissc  (chiho-kangoku)  giebt  es  im  ganzen 
132,  wovon  49  selbständige  und  83  Zweiganstalten,  die  keinen 
eigenen  Direktor  haben,  sondern  unter  Verantwortung  des  Direktors 
der  Hauptanstalt  von  einem  Inspektor  verwaltet  werden.  Die  Lokal- 
gefangnisse dienen  zur  Aufnahme  aller  Gefangenen,  die  weder 
in  die  Polizeigefängnisse  noch  in  die  Zwangsarbeitsanstalten 
geschickt  werden.  Das  sind  :  a)  die  zur  Zwangsarbeit  verurteilten 
Weiber  ;  b)  die  zu   Haft,  Gefängnis,  einfacher  Freiheitsentziehung 


22  CRUSKN,    GEFAEXGNISWESEN. 

verurteilten  Männer  und  Weiber,  c)  zu  Geldstrafe  verurteilte 
Personen,  bei  denen  an  Stelle  dieser  nicht  beizutreibenden  Strafe 
Freiheitstrafe  »getreten  ist.  Die  Zahl  der  Strafgefangenen  in  den 
Lokalgefängnissen  und  den  Zentralanstalten  betrug  in  den  Jahren 
1893  bis  1900  am  31  Dezember  jeden  Jahres:  65617,  67261, 
65234,  642S7,  57127,  58918,  50576,  49260.  d)  Untersuchungs- 
gefangene beiderlei  Geschlechts  ;  ihre  Zahl  betrug  in  den  Jahren 
1893- 1900  am  31  Dezember  jedes  Jahres  :  11243,  10895,  10070, 
9202,  10050,9395,6287,7275.  Die  erhebliche  Abnahme  in  den 
letzten  Jahren  ist  (nach  amtlichen  Angaben)  teilweise  auf  grössere 
Nachsicht  bei  geringfügigen  Strafthaten  (namentlich  wohl  beim 
gewerbsmässigen  Glückspiel)  und  auf  grössere  Beschleunigung  des 
Strafverfahrens  zurückzuführen  ;  e)  Zwangszöglinge  ;  ihre  Zahl 
betrug  in  den  Jahren  1893- 1900  am  31  Dezember  jedes  Jahres: 
230,  252,  209,  157,  185,  213,  174,  144.  f)  eine  Kategorie  von 
Personen,  die  man  kaum  in  den  Gefängnissen  vermutet,  sind 
Personen,  die  ausser  zu  einer  Freiheitstrafe  auch  noch  zur  Stellung 
unter  Polizeiaufsicht  (zulässig  für  eine  Dauer  von  zwei  Monaten  bis 
zu  fünf  Jahren)  verurteilt  sind,  aber  nach  Verbüssung  der 
Hauptstrafe  kein  Unterkommen  nachweisen  können.  Sie  werden, 
solange  sie  hierzu  nicht  im  Stande  sind,  bis  zum  Ablauf 
der  Frist  für  die  Polizeiaufsicht  in  der  Anstalt  zurücl-cbehalten, 
wo  sie  von  den  übrigen  Gefangenen  abgesondert  werden  und 
gewis.se  F"reiheiten  geniessen.  Ihre  Zahl  betrug  am  3  i  Dezember 
der  Jahre  1893- 1900:  1693,  2192,  1694,  1436,  155 1,  1774, 
1008,  923.-  g)  p:ndlich  fällt  jedem,  der  die  Frauen-Abteilung 
eines  japanischen  Gefängnisses  besucht,  die  verhältnismässig  grosse 
Zahl  von  ganz  kleinen  Kindern  auf,  die  dort  bei  ihren  Müttern 
sind.  Ihre  Zahl  betrug  in  den  Jahren  1893  bis  1899:  392,  401, 
344,  341,  352,  332,  102,  100.  Die  japanische  Gefängnis-Ordnung 
gestattet  den  Müttern,  die  in  der  Anstalt  niederkommen  oder  bei 
Antritt  der  Strafe  ein  kleines  Kind  haben,  es  bis  zum  vollendeten 
dritten  Jahre  bei  sich  zu  behalten.  Die  Vorschrift  hängt  mit 
der  in  Japan  sehr  lang  ausgedehnten  Frnährung  der  Kinder 
durch  Muttermilch  zusammen  und  ist  humaner,  als  die 
Vorschrift  der  preussischen  Geföngnis-Ordnung,  nach  der  das 
Kind  aus  der  Anstalt  entfernt  werden  muss,  sobald  die  Trennung 
von  der  Mutter  inöglidi  ist.  Die  geringe  Belästigung,  die 
der  V^erwaltung  die  Anwesenheit  eines  Säuglings  verunsacht, 
wird  reichlich  aufgewogen  durch  die  günstigen  Wirkungen 
auf   die    Gesundheit  des  Kindes    und   den  Charakter  der    Mutter. 


CRUSEX,    GEFAEXGNISWESEX. 


23 


Der  Uebersichtlichkeit  wegen  mögen  hier  die  im  vor- 
■stehenden  angeführten  Zahlen  zai  einer  Tabelle  vereinigt  werden. 
Es  waren  am  31   Dezember  der  Jahre    1893  bis  1900  vorhanden: 


1893 

1894 

1895 

1896 

1897 

1898 

1899 

1900 

Strafgefangene 

65617 

67261 

65234  64287 

57127 

58918 

50576 

49260 

Untersuchungsgefan- 

II243 

10S95 

10070 

9202 

10050 

9395 

6287 

7^75 

gene 

Z\van'^sgöglinr;e  f taub- 
stumme und  jugend- 
liche). 

230 

252 

209 

157 

185 

213 

174 

144 

Gefangene          unter 
Polizeiaufsicht. 

1693 

2192 

1694 

1436 

1551 

1774 

1008 

923 

Sanglinge 
Ges.imt-Aimnie 

392 

401 

344 

341 

352 

33- 

102 

100 

79175 

81001 

77551 

75423 

69265 

70632 

58147 

57702 

Die  erhebliche  Verminderung  der  Zahl  der  Gefangenen  im 
Jahre  1897  beruht  darauf,  dass  bei  dem  Tode  der  Kaiserin-Mutter 
eine  umfassende  Amnestie  erfolgte,  durch  die  allen  Verurteilten 
ein  Viertel  der  Strafe  erlassen  wurde ;  von  54627  Gefangenen 
wurden  am  Tage  der  Amnestie  9983  entlassen.  Der  kleine 
Nachlass  in  den  folgenden  Jahren  ist  (nach  dem  amtlichen 
Rapport  sur  le  Systeme  penitentiaire  du  Japon  von  1900)  zurück- 
zuführen auf  grössere  Nachsicht  der  Behörden  bei  der  Verfolgung 
unbedeutender  Strafthaten,  Beschleunigung  des  Strafverfahrens, 
häufigere  Anwendung  der  bedingten  Entlassung,  vor  allem  aber 
auf  das  erhebliche  Steigen  der  Arbeitslöhne,  das  trotz  gleich- 
zeitiger Erhöhung  der  Lebensmittelpreise  den  unteren  Volksklassen 
ein  genügendes  Auskommen  verschaffte,  so  lange  sie  überhaupt 
Arbeit  fanden.  Das  Jahr  1901  hat  infolge  der  chinesischen 
Wirren  allgemeine  Geldknappheit,  Stocken  des  Handels  nach 
China  und  infolgedessen  Betriebseinschränkungen  in  zahlreichen 
Fabriken  gebracht,  die  wahrscheinlich  auch  in  einem  erneuten 
Anschwellen  der  Kriminalität  zum   Ausdruck  kommen  werden. 


§.  4.     Gefängnisbau. 

Planmässige,  den  Anforderungen  der  Strafvollstreckung  und 
der  Baukunst  gleichmässig  entsprechende  Gefängnisgebäude 
werden  in  Japan  erst  seit  der  Mitte  der  70ger  Jahre    aufgefiihrt. 


24  CRUSKN,    (;EI'AENGNIS\VESEN. 

nachdem  japanische  Beamte  der  Gefängnisverwaltung  die  Anstalten 
in  den  enghschen  Kolonieen  Asiens  und  später  auch  in  Europa 
und  Amerika  kennen  gelernt  hatten. 

In  den  älteren  Zeiten  und  noch  bis  /.ur  Wiederherstellung 
des  Kaisertums  dienten  die  Gefängnisse  in  erster  Linie  der  sicheren 
Verwahrung  und  Unschädlichmachung  der  Verbrecher.  Der 
Gedanke,  sie  '/.u  bessern  und  ihnen  Leben  und  Gesundheit  zu 
erhalten,  wurde,  wenn  er  auch  vielleicht  theoretisch  schon  früh 
(in  demTaihoritsu- des  Mommu  Tenno  von  702  n.Chr.)  anerkannt 
wurde,  jedenfalls  in  der  Praxis — wenigstens  unter  den  Tokugawa — 
nicht  durchgeführt. 

Als  nun  nach  der  Restauration  des  Kaisertums  im  Jahre 
1868  der  Strafrechtspflege  und  dem  Strafvollzuge  erhöhte  Auf- 
merk-samkeit  geschenkt  wurde,  benutzte  man  zunächst  die  alten, 
meist  sehr  mangelhaften,  Gefängnisse  der  Daimios,  baute  sie 
notdürftig  um  oder  richtete  andere,  gerade  zur  Verfügung  stehende 
Räumlichkeiten  (z.  B.  Daimio-Quartiere),  so  gut  es  eben  ohne 
grosse  Kosten  ging,  zu  Gefängnissen  ein.  So  entstanden  die 
Anstalten,  die  ich  als  Gefängnisse  alten  Stils  bezeichnen  möchte^ 
und  die  zur  Zeit  noch  die  Mehrzahl  bilden.  Es  sind  meist 
grosse  mit  Holz-  oder  Steinmauern,  oft  auch  mit  einem  Graben 
umgebene  Komplexe  rechteckiger  Holzbauten,  von  denen  die  dem 
P'ingange  am  nächsten  liegenden  als  Wirtschafts-  und  Ver- 
waltungsgebäude dienen,  die  übrigen  teils  Arbeitsbaracken,  teils 
Hafträume  sind.  Die  letzteren  pflegen  aus  einem  äusseren  Umbau 
japanischen  Stils  mit  Holz-  und  Papierwänden  zu  bestehen ;  im 
Inneren  sind  auf  einem  erhöhten  Unterbau  die  durchweg  für 
gemeinschaftliche  Haft  bestimmten  Zellen,  die  meüst  an  der  Rück- 
und  den  Seitenwänden  feste  Holzbekleidung,  an  der  Vorderseite 
aber  ein  durchbrochenes  Gitter  aus  Plolzbalken  haben,  das  ihnen 
das  Ansehen  von  Raubtierkäfigen  verleiht.  Die  Zellen  gestatten 
nur  ungenügenden  Abschluss  gegen  die  Aussenluft,  haben  keine 
Heizvorrichtungen  und  sind  im  Winter  empfindlich  kalt,  allerdings 
nicht  viel  kälter,  als  die  meisten  japanischen  Häuser.  Die  ganze 
Anlage  ist  meist  sehr  wenig  übersichtlich  und  erfordert  ein 
bedeutendes  Aufsichtspersonal ;  da  auch  jetzt  noch  dieser  Typus 
vorherrscht,  so  besteht  die  Vorschrift,  dass  auf  500  Gefangene 
75  Aufseher  kommen  müssen.     Beispiele  solcher  Anstalten   sind  : 

2)  Das  Strafgesetzbuch  heisst  so,  weil  es  iin  2.  Jahre  der  Periode  Taihö 
(701-70.3)  promulgiert  wurde.  Wir  besitzen  es  aber  erst  in  einer  späteren 
Eedaktiun  aus  dem  Jahre  718.  vergl.   Florenz,  Nihongi,  Einleitung,  p.  XXX). 


GRUSEN,    GEFAEN'GNISWESEN.  2$ 

Ichiga\-a  in  Tokio  (ist  zum  Abbruch  bestimmt),  Hiogo-Kobe, 
Osaka  (vgl.  den  im  Anhang  beigefügten  Plan),  Nagasaki  (wird  zur 
Zeit    durch    eine    neue    Anstalt    modernen    Stils  ersetzt). 

Die  Gefängnisse  nencren  Stils  haben  mehr  Aehnlichkeit  mit 
den  europäischen,  sind  zum  Teil  Backsteinbauten  nu't  hölzernem 
Dachstuhl  und  in  der  übersichtlichen  Fächerform  (mit  einem  oder 
zwei  Fächern  und  entsprechend  einer  oder  zwei  Zentralen)  gebaut. 
Die  Arbeitsbaracken  liegen  meist  zwischen  den  äusseren  Enden 
der  Flügel  ;  ganz  vereinzelt,  z.  B.  bei  dem  Gefängnisse  in 
Nagano,  sind  auch  sie  fächerförmig  angelegt.  Beispiele  dieser 
Bauart  sind  :  die  Zentralanstalten  in  Kosugei  bei  Tokio  (Tokio- 
Shujikan,  1879  gebaut,)  und  Sendai  (Miagi-Shujikan,  ebenfalls 
1879  gebaut),  die  Gefängnisse  in  Sugamo  bei  Tokio  und  Negishi 
bei  Yokohama  (\'gl.  die  Pläne),  Nagoya,  Takamatsu  auf  Shikoku. 
Alle  diese  sind  teilweise  für  P^inzelhaft  eingerichtet ;  aber  auch 
für  die  Gemeinschaftszellen  ist  das  Käfigsystem  aufgegeben, 
sie  liegen  meist  an  beiden  Seiten  der  Flügel,  sind  in  der  Mitte 
durch  einen  Gang  getrennt  und  haben  an  drei  Seiten  feste  Wände 
aus  Holz  oder  Stein. 

Einzelne  dieser  neueren  Anstalten  (z.  B.  Sendai  Shujikan,. 
das  Gefängnis  zu  Nagano)  haben  2  Stockwerke  ;  die  steigenden 
Grundstückspreise  machen  eine  bessere  Ausnutzung  des  Raumes 
wünschenswert.  Aber  gerade  bei  Gefängnissen  sind  natürlich  die 
Bedenken  gegen  hohe  massive  Gebäude  wegen  der  Erdbeben-  und 
Feuersgefahr  besonders  gross. 

Gegen  die  Kälte  gewähren  auch  diese  neueren  Anstalten 
keinen  genügenden  Schutz,  weil  auch  sie  (von  den  nördlichsten 
Teilen  des  Landes  abgesehen)  keine  Heizvorrichtungen  enthalten. 

In  allen  Anstalten  sind  die  verschiedenen  Abteilungen  (für 
Straf-  und  Untersuchungsgefangene,  für  Männer  und  Wtiber) 
durch  hohe  hölzerne  oder  steinerne  Scheidewände  \'on  einander 
getrennt. 

Eine  wesentliche  Verschiedenheit  zwischen  dem  japanischen 
und  dem  deutschen  Gefangniswesen  zeigt  sich  in  der  Grösse  der 
Anstalten.  In  Preussen  ist  fast  mit  jedem  der  1 1 10  Amtsgerichte 
ein,  allerdings  in  den  meisten  Fällen  nur  kleines,  Gefängnis 
\'erbunden,  das  zur  Aufnahme  von  vorläufig;  festgenommenen 
Personen,  von  Untersuchungsgefangenen  und  von  Strafgefangenen 
mit  kurzer  Strafdauer  dient.  Daneben  bestehen,  zum  Teil  in 
Verbindung  mit  den  94  Landgerichten,  grössere  Gefängnisse  für 
Untersuchungsgefangene  und  Strafgefangene  und  Zuchthäuser.    Im 


26 


CRUSEX,  GEFAEXGN ISWESEN. 


ganzen  gicbt  es  in  Prcussen  (nach  der  Statistik  vom  31  März 
1899)  1153  Anstalten;  von  diesen  hatten  nur  4  eine  Belcgungs- 
fähigkeit  von  über  1000  Köpfen,  und  31  eine  solche  von  500-900 
Köpfen;  95  Anstalten  konnten  100-500  Köpfe  fassen  und  der 
Rest  von  952  weniger  als  50.  In  Japan  zeigt  sich  das  l^estrcben 
nach  weitgehender  Zentralisation  auch  in  der  Gefangnisver- 
waltung.  Ausser  den  für  die  Strafvollstreckung  kaum  in  Betracht 
kommenden  kleinen  Polizeigefäiignissen  giebt  es  überhaupt  nur 
138  Anstalten,  die  meist  in  oder  bei  der  Bezirkshauptstadt  liegen  ; 
im  Jahre  1892  gab  es  noch  [63  Anstalten,  seitdem  sind  25 
kleinere  Gefängnisse  aufgehoben.  Die  Massregel  hat  ihre  Vorzüge 
und  ihre  Schattenseiten:  der  Strafvollzug  ist  zweifellos  in  einer 
grossen  Anstalt  besser,  geregelter  und  energischer,  als  in  einer 
kleinen,  meist  auch  billiger.  Andererseits  entstehen  durch  die 
grösseren  Entfernungen  und  weiteren  Transporte  für  den  Staat  wie 
für  des  Publikum  grössere  Kosten  und  Zeitversäumnisse. 

In  Japan  giebt  es  etwa  19  Anstalten''  mit  einer  l^elegungs- 
fähigkeit  von  über  1000  Köpfen,  wie  aus  folgender  Uebersicht 
hervorgeht. 

Maibashi  15  50 

Yokohama-Negishi  1025 

Gifu  II 19 

Hokkaido-Zentralanstalt  1 300 
Tokio-Zentralanstalt  1000 

Abashiri-Zentralanstalt       1 200 
Kumamoto  1006 

Saitama  1 1 14 

Ibaraki  10 14 

Tokachi-Zentralanstalt     1 200 

Die  Baukosten  für  die  Gefängnisse  sind  in  den  einzelnen 
Bezirken  sehr  verschieden  und  hängen  u.  a.  davon  ab,  ob  in  Holz 
oder  Stein  gebaut  wird  und  ob  Gefangene  in  grösserer  oder  gerin- 
gerer Anzahl  verwendet  werden.  Man  nimmt  an,  dass  bei  reichlicher 
Verwendung  von  Gefangenen  ein  Gefängnis  für  4-800  Gefangene 
einschliesslich    der    Grunderwerbskosten    3-4oo,ooo    Yen    kostet, 


Osaka 

3814 

Nagoya 

2089 

Tokio-Sugamo 

1927 

Kioto 

1481 

Tokio-Ichigaya 

I  222 

Hiogo-Kobe 

1608 

Sendai-Gefängnis 

I  164 

Miike-Zentralanstalt 

1400 

Hiroshima 

1283 

'•')).  Genauer  lä^st  sich  die  Zahl  niclit  feststellen,  weil  eine  amtliche  Ermittlung 
der  Ijelegniigsfähigkeit  der  Anstalten  niclit  stattfindet.  Die  im  Text  gegebenen 
Zahlen  herulien  teils  auf  mündlichen  Mitteilungen  der  Anstaltsdirektoren  bei 
Gelegenhil  amtlicher  Inspektionen,  die  ich  im  Auftrage  des  Ministeriums  vor- 
genoiamen  habe,  teils  auf  den  statistischen  Angaben  über  die  tliatsüchliclie 
Belegung  der  Anstalten  am  31   Dezember  190O. 


GRUSEN,    GEFAEN'GN'ISWESEX.  2/ 

also  gegen  500  Yen  für  den  Kopf  der  höchsten  Belegungsfähigkeit. 
Der  Neubau  für  das  Untersuchungsgefängnis  in  Tokio  ist  für 
1000  Gefangene  berechnet  und  auf  1,000,000  Yen  veranschlagt. 
Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  Gefängnisverwaltung  in 
dem  Shujikan  bei  Tokio  eine  grosse  eigene  Ziegelei  besitzt,  also 
die  Materialien  für  den  Ziegelbau  billig  beziehen  kann ;  dieser 
Vorteil  wird  allerdings  durch  die  hölieren  Arbeitslöhne  in  Tokio 
völlig  aufgewogen.  Für  die  nächsten  Jahre  ist  die  Verwendung 
von  jährlich  ungefähr  300,000  Yen  zum  Neubau  von  Gefängnissen 
in  Aussicht  genommen.  Es  sollen,  ausser  dem  erwähnten  Ge- 
fängnis in  Tokio,  zunächst  neu  gebaut  werden  die  Gefängnisse 
in  Chiba,  Nagasaki,  Kagoshima,  Ishikawa  und  Nara ;  die  Ge- 
samtkosten für  diese  5  Anstalten  sind  auf  1,453,063  Yen  ver- 
anschlagt.^ 

§.  8.     Die  Ver^vvaltung   des   Gefängniswesens. 
Zentral-  und  Lokal-  Verwaltung. 

Die  Verwaltung  des  Gefangniswcsens  zerfällt  in  die  Zentral- 
und  die  Lokalverwaltung.  Die  Oberleitung  ist  im  Laufe  der 
Zeit  in  verschiedenen  Händen  gewesen.  Seit  der  Wiederher- 
stellung des  Kaisertums  waren  abwechselnd  zuständig:  Ministerium 
für  Kriminal-  Sachen  (1868-1871),  Justiz-Ministerium  (1871-1876), 
Ministerium  des  Inneren  (1876  bis  1900),  Seit  dem  i  JuU  1900 
ist  der  Justizminister  oberste  Aufsichtsbehörde  für  das  gesamte 
Gefängni.swesen.  Zu  seiner  Unterstützung  sind  ihm  beigegeben  : 
I  Ministerialdirektor  (mit  Chokunin-Rang,  der  preussischen  ersten 
und  zweiten  Ratklassc  entsprechend).  4  Ministerialräte  (Sonin- 
Rang)  I  Hülfsarbeiter,  i  Architekt,  dazu  die  erforderliche 
Anzahl  von  Bureau-  und  Laiterbeamten.  Ausserdem  ist  seit  Ende 
1899  der  Verfasser  als  Beirat  der  Gefängnis  Verwaltung  thätig.  Die 
Ministerialräte    und     der    Hülfsarbeiter    sind     früher    Gefängnis- 

4).  Zum  V^ergleich  sei  bemerkt,  dtiss  in  Preussen  früher  hei  den  vom 
Ministerium  des  Inneren  ressortierendeu  Anstalten  die  Kosten  eines  grossen 
Gefängnisses  pro  Kopf  der  Belegnngsfdhigkeit  etwa  zwisclien  57(i0  und  3700 
Mark  betrngenn  Seit  etwa  188.5  said  sio  ej-hehlich  niedriger  geworden  und 
schwankten  für  die  in  den  Jahren  ] 885-1 89S  gebauten  5  grossen  Anstalten 
(Strafanstalt  in  Gross-Strelitz,  Gefängnisse  in  Düsseldorf,  Wohlan,  Siegburg  und 
Breslau)  zwischen  24G4  und  20G8  Mark.  (Statistik  der  zum  Kessort  des  Kgl. 
Preussischen  Ministerium  des  Inneren  geFiörenden  Strafanstalten  und  Getängni.s.se 
für  den  1  April  I.s98-18y9,  S.  XXVI).  Neuerdings  liofft  man  durch  ausgiebige 
Verwendung  von  Gefangenen  die  Kosten  auf  150i>  Mark  pro  Ke)pf  zu  ermässigen. 


28  GRUSEN,    GEKAENGNISWESEN. 

dircktoren  gewesen.  Die  Gefängnisabteilung  zerfällt  in  5  Unter- 
abteilungen für  Strafvollzug,  Oekonomie-Wesen,  Statistik,  Rech- 
nungswesen und  Bausachen. 

Der  Minister  kann  jeder  Zeit  jedes  Gefängnis  durch  seine 
Räte  revidieren  lassen  und  macht  von  dieser  Befugnis  umfassenden 
Gebrauch.   (Art.  4  Abs.    i   der  Gef  Ordn.). 

Die  Shujikan  in  Sendai,  Tokio  und  Miike  unterstehen 
direkt  dem  Minister.  Bei  allen  übrigen  Anstalten  giebt  es 
zwischen  diesem  und  der  Lokalverwaltung  eine  Zwischeninstanz, 
nämlich  :  auf  der  Insel  Hokkaido  der  Gouverneur,  in  Tokio  der 
Polizeipräsident,  für  alle  übrigen  Anstalten  der  zuständige 
Regierungspräsident.  Alle  diese  Beamten  sollen  die  ihnen 
unterstellten  Gefingnisse  mindestens  einmal  jährlich  revidieren. 
(Gef  Ordn.  Art.  3,  Art.  4  Abs.  2.).  Eine  Verpflichtung  zur 
zeitweiligen  Besichtigung  der  zu  ihrem  Amtsbezirk  gehörigen 
Gefängnisse  besteht  ausserdem  für  die  Staatsanwälte  und — 
bezüglich  der  Untersuchungsgefängnisse — für  die  Richter.  ländlich 
be-steht  aus  der  Zeit,  wo  die  Kosten  der  laufenden  Verwaltung 
der  Lokal-Gefängnisse  von  den  Bezirken  getragen  wurden,  die 
Bestimmung,  dass  die  Mitglieder  der  Bezirks- Versammlungen 
das   Recht  haben,  die  Gefängnisse  zu  besuchen. 


§.  6.     Das  BeaiTitenspersonal  der 
Gefängnis- Verwaltung. 

An  der  Spitze  jedes  Gefängnisses  steht  ein  Direktor,  von 
denen  insgesamt  55  vorhanden  sind.  Sie  haben  den  Rang  der 
8-5.  Klasse  der  Sonin  (die  5.  Klas.se  kann  jedoch  nur  von  den 
Direktoren  der  Shujikan  erreicht  werden)  und  müssen  vor  ihrer 
Ernennung  mindestens  3  Jahre  im  Gefängnisdienste  thätig  gewesen 
sein  (Kaiser!.  Erlass  von  1899).  Die  Nebenan  .stalten  \verden 
unter  Oberaufsicht  des  Direktors  der  Hauptanstalt  von  einem 
Inspektor  geleitet. 

Im  ganzen  sind  zur  Zeit  (Dezember    1901)  vorhanden  : 
55  Direktoren, 

603  Sekretäre, 

339  Inspektoren  (Oberaufseher) 

242  Aerzte 

177  Geistliche  (buddhistische) 


GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN.  29 


8489 

Aufseher 

f.^-, 
'^:):) 

Hülfsaufseher 

450 

Aufseherinnen 

459 

Werkmeister 

736 

Beamte    verschiedener  Art,  meist  Bureau- 

beamte u.   Schreiber. 

15 

Dolmetscher. 

zusammen     I2ig8 

Die  Zahl  der  Aufseher  ist  sehr  hoch  :  man  rechnet  auf  je 
500  Gefangene  75  Aufseher  und  vermindert  oder  erhöht  das 
Aufsichtspersonal  entsprechend,  sobald  die  Zahl  der  Gefangenen 
sinkt  oder  steigt.  Es  kommt  also  auf  je  6-7  Gefangene  i 
Aufseher.  Im  Zuchthause  Moabit-Berlin,  das  eine  Belegungsfahig- 
keit  von  550  Köpfen  in  der  Hauptanstalt  und  von  55  Köpfen 
in  der  Irrenabteilung  hat,  sind  nur  .46  Aufseher,  je  i  auf 
12-13  Gefangene,  vorhanden,  in  Halle  (Strafanstalt  und  Gefängnis) 
für  800  Gefangene  40  Aufscher  (i  :  20)  und  in  den  meisten 
preussischen  Anstalten  dürfte  die  Zahl  verhältnismässig  noch 
geringer  sein. 

Der  Ueberfluss  an  unteren  Beamten,  der  mit  einem  fühlbaren 
Mangel  an  wissenschaftlich  gebildeten  höheren  Beamten  einhergeht 
und  ein  Charakteristikum  der  gesamten  japanischen  Staatsverwaltung 
bildet,  datiert  noch  aus  der  Zeit,  in  der  die  menschliche  Arbeits- 
kraft so  billig  war,  dass  es  auf  einige  hundert  Beamte  mehr  oder 
weniger  nicht  ankam.  Die  Gefangnisverwaltung  wird  sich  vor- 
aussichtlich über  kurz  oder  lang  entschliessen  müssen,  ihr  Personal 
einzuschränken  und  die  Gehälter  zu  erhöhen.  ^  Denn  das  Ein- 
kommen der  Gefangnisbeamten  ist  allerdings  in  den  letzten  Jahren 
mehrfach  aufgebessert,  bleibt  aber  immer  noch  hinter  dem  Wün- 
schenswerten zurück.  Es  erhalten  (i  Yen  =  etwa  2,  10  Mark): 
der  lustizminister  6000  Yen 

der  Unterstaatssekretär  4000     ,, 

der  Ministerialdirektor  3000      ,, 

die  Ministerialräte  1400  und  2000      ,, 

die  Direktoren  600-1400      ,, 

die  Sekretäre  144-900     „ 

die  Inspektoren  144-900      „ 

5).   Der  gegenwärtige  Ministerpräsident  General  Vicomte  Katsura  beabsichtigt, 
die  gesamte  japanische  Verw  altung  in  diesem  Sinne  zu  reorganisieren. 


30  .GRUSEN,    GEFAKNGNISWKSEX. 

die  Aerztc  durchschnittlich  420   Yen 

die  Geistliclien  240      ,, 

die  Werkmeister  T  20      ,, 

die   Aufseher  108-180     ,, 

die  Aufselierinncn  50-180 

Das  Aufrücken  im  Gehalt  erfoh^t  jährlicli  nach  Massgabe 
der  nach  dem  Etat  vorhandenen  Mittel.  Der  Beamte  hat  keinen 
Rechtsanspruch  auf  Auszahlung  des  Gehalts  und  Gewährung 
der  Zulage. 

Das  Institut  der  Militäranwärter,  aus  denen  sich  in  Deutsch- 
land der  weitaus  grösste  Teil  der  unteren  und  mittleren  Ge- 
fängnisbeamten rekrutiert,  ist  in  Japan  unbekannt.  Die  Ver- 
waltung muss  daher  die  nötigen  Massregeln  treffen,  um  sich 
genügenden  Nachwuchs  zu  sichern.  Sie  thut  das,  indem  sie  den 
neu  eintretenden  von  Anfang  an  Gehalt  zahlt  und  indem  sie 
auch  dem  geringsten  Unterbeamten  die  Möglichkeit  gewäk.rt, 
sich  durch  den  Nachweis  der  verlangten  Kenntnisse  (Ablegung 
einer  Prüfung)  die  Anwartschaft  auf  die  Beförderung  in  höhere 
Stellen  zu  erwerben. 

Als  Aufseher  kann  nur  angenommen  werden,  wer  minde.stens 
21  und  höchstens  45  Jahre  alt  ist  und  ein  Examen  bestanden 
hat.  Nach  der  Zulassung  wird  der  Anwärter  zunächst  3  Monate 
theoreti-sch  ausgebildet  und  zum  praktischen  Dienst  erst  verwendet, 
wenn  seine  Tauglichkeit  dazu  feststeht.  Das  Mindestalter  für 
Aufseherinnen  ist  40  Jahre.  Aufseher  können  in  die  höheren 
Stellen  des  Gefangnisdienstes  aufrücken:  nach  längerer  Dienstzeit 
können  sie  durch  Ablegung  einer  Prüfung  die  Befähigung  zur 
Bekleidung  eines  Sekretär-  oder  Inspektorpostens  erwerben.  Aus 
diesen  werden  wiederum  die    Direktoren  genommen. 

Die  Monotonie  des  Gefängnisdienstes  macht  eine  besonders 
wohlwollende  Regelung  der  Urlaubsverhältnisse  erforderlich.  Die 
Aufsichtsbeamten  erhalten  deshalb  im  Monat  mindestens  2  ganze 
und  2  halbe  Tage  Urlaub,  ausserdem  thut  an  Sonntagen 
nur  ein  Teil  der  Beamten  Dienst.  Wer  ein  halbes  Jahr 
lang  niemals  im  Dienst  gefehlt  hat,  bekommt  5,  und  bei 
einem  ganzen  Jahre  10  Tage  Extra-  Urlaub —  eine  Bestimmung, 
die  jedem  Kenner  der  japanischen  Verwaltungspraxis  leicht 
verständlich  ist :  sie  soll  der  in  der  Beamtenwelt  allgemein  ver- 
breiteten Unsitte  entgegentreten,  dass  völlig  gesunde  Beamte 
.sich  krank  melden,  wenn  ihnen  aus  anderen  Gründen  das 
Fernbleiben  vom  Dienste  bequem   ist. 


CRUSEX,    GEFAENGNISWESEX.  3I 

Der  Vorlnldu}ig  der  Gcfängnisbcauiten  hat  die  Verwaltung 
von  jeher  grosse  Aufmerksamkeit  zugewendet  und  be/iighch 
der  besonderen  Vorkehrungen  und  der  Ausgaben  für  diesen 
Zweck  geht  Japan  wohl  allen  anderen  Ländern  voran.  Zunächst 
giebt  es  an  jedem  Gefängnis  Aufseher-Schulen,  in  denen  Instruktion 
über  Gegenstände  des  praktischen  Dienstes,  ausserdem  Unterricht 
im  Englischen  und  im  Fechten  erteilt  wird.  Weiter  besteht  in 
Tokio  eine  1890  gegründete,  dann  einige  Jahre  geschlossen  ge- 
wesene, im  Jahre  1899  wieder  eröffnete  Akademie  für  Polizei-  und 
Gefängnis-Beamte  (Keisatsu-kangoku-gakko)  mit  2  getrennten 
Abteilungen  für  jeden  Dienstzweig.  Die  Gefangnisabteilung  dient 
zur  Vorbildung  derjenigen  Personen,  die  nach  Absolvierung  der 
Mittelschule  (Chugakko)  oder  Ablegung  des  Examens  für  den 
unteren  Verwaltungsdienst  (als  Hannin)  in  den  Gefängnisdienst 
einzutreten  beabsichtigen,  und  ausserdem  zur  weiteren  theoretischen 
Ausbildung  der  bereits  im  Dienst  befindlichen  Beamten.  Der  Kursus 
dauert  für  beide  Klassen  ein  Jahr  ;  die  Studenten  hören  bei  14 
einheimischen  und  i  auswärtigen  (deutschen)  Professor  täglich  von 
8-12  und  von  1-3  Vorträge  über  Theorie  des  Strafvollzuges, 
Gefängnis-Hygiene,  Kriminal-P.sxxhologie,  Statistik,  Anthro- 
pometrie  (System  Bertillon),  Schutzfürsorge  für  entlassene  Gefan- 
gene, Grundsätze  der  Zwangserziehung  für  Jugendliche,  Strafrecht, 
Strafprozess,  Grundlagen  der  Staats\-erfa.ssung,  des  Zivil-  und 
des  Verwaltungsrechts.  Ausserdem  werden  militärisches  Turnen 
und  praktische  üebungen  (z.  B.  pj'ntragungen  in  die  Gefängnis- 
register) vorgenommen.  Zweimal  im  Jahre  sind  Ferien :  vom 
I  August  bis  2  September  und  vom  25  Dezember  bis  6  Januar 
(thatsächliche  Dauer  meist  etwas  länger j.  Die  Zahl  der  Studenten 
beträgt  90-100 ;  die  Beamten,  die  gesund  und  nicht  über  45 
Jahre  alt  sein  müssen,  werden  durch  die  Regierungspräsidenten 
nach  Anhörung  der  Gefängnisdirektoren  ausgewählt.  Alle  Stu- 
denten erhalten  Reisekosten  und  monatlich  10  Yen,  die  Beamten 
ausserdem  ihr  Diensteinkommen.  Sie  können  zu  einem  billigen 
Preise  (10  Sen)  ihr  Frühstück  in  der  Akademie  einnehmen, 
was  wegen  der  sehr  weiten  Entfernungen  in  Tokio  eine  erhebliche 
Annehmlichkeit  und  Ersparnis  bedeutet. 

Das  Nichtbestehen  des  Schlussexamens  hat  für  den  Anwärter 
die  Folge,  dass  er  nicht  angenommen  wird ;  für  die  Beamten 
sind  besondere  Folgen  nicht  bcstimimt.  W^er  das  Examen  besteht, 
ist  zu  mindestens  fünfjährigem  Dienst  in  der  Gefangnisverwaltung 
verpflichtet. 


32  GRUSEN,    GEFAENGMSWESEN. 

Die  jährlichen  Kosten  für  die  Akademie  betragen  im  Etatsjahr 
1899- 1900:  100,178  Yen,  (210373  Mark  80  Pfennig)  wovon 
etwa  die  Hälfte  auf  jede  Abteilung  entfallen  dürfte.  Dabei  ist  zu 
berücksichtigen,  dass  die  meisten  Professoren  dort  nur  im 
Nebenamte  thätig  sind  und  ihr  Haupteinkommen  bei  anderen 
Behörden  beziehen.  Vom  i  April  1902  an  erfährt  die  Zahl  der 
Professoren  und  Studenten  eine  erhebliche  Einschränkung  und 
wird  der  Etat  der  Akademie  auf  60000  Yen  herabgesetzt. 

Die  Akademie  gehört  zum  Ressort  des  Inneren  und  wird 
von  dem  Vizeminister  des  Inneren  als  Direktor  verwaltet. 
Ausserdem  sind  ein  Schulinspektor  und  nicht  weniger  als  4 
Sekretäre  und  7  Schreiber  vorhanden. 

Der  theoretischen  Unterweisung  in  der  Gefängniskunde 
dienen  ausserdem  noch  3  andere  Einrichtungen  in  Tokio,  nämlich 
zwei  von  buddhistischen  Geistlichen  gegründete  Schulen  zur 
Ausbildung  von  Geßingnisgeistlichen,  und  Vorlesungen  aus  dem 
Gebiete  des  Gefängniswesens,  die  an  der  Universität  seit  1898 
gehalten  werden  (zur  Zeit  von  Ministerialrat  Ogawa). 

PLndlich  ist,  als  ebenfalls  der  Weiterbildung  der  Beamten 
und  der  P'örderung  des  Gefangniswesens  dienend,  die  Japanische 
Geföngnis-Gesellschaft  zu  nennen  Sie  ist  1888  gegründet  und 
7.äh]t  über  12000  Mitglieder  aus  den  Kreisen  der  Gefängnisbeamten, 
Gelehrten,  Politiker,  Richter,  Staatsanwälte,  Rechtsanwälte, 
Verwallungsbeamten,  Kaufleute.  Geistlichen  und  Aerzte.  Präsident 
ist  der  um  das  japanische  Gefängniswesen  hochv^erdiente  Justiz- 
minister Kiyoura,  Vizepräsident  der  zweite  Dezernent  für  das 
Gefängnis wesen,  Ministerialrat  Yamakami.  Es  finden  monatliche 
Versammlungen  statt,  in  denen  Vorträge  gehalten  werden  ;  auch 
hat  die  Gesellschaft  eine  eigene,  monatlich  erscheinende  Zeitschrift 
die  über  hervorragende  Mitarbeiter  aus  allen  Berufen  verfügt ;  eine 
eigene  Vereinsbibliothek  ist  in  der  Entstehung  bec^riffen. 


§.  7.     Die  Einzelverwaltung  der  Gefängnisse. 

Uebersicht. 

Die  Grundlage  der  l^nzelverwaltung  bildet,  ausser  kurzen 
Bestimmungen  des  Strafgesetzbuchs  und  der  Strafprozessordnung 
(über  Arbeitszwang  und  Behandlung  der  Untersuchungsgefangenen) 
die    im  Jahre  1887  erlassene,   seitdem   aber   in   einzelnen   Punkten 


GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN.  33 

mehrfach  geänderte  Gefängnis-Ordnung  nebst  der  dazu  erlassenen 
Ausführungs-Verordnung.  Einzelne  Vorschriften  sind  auch  in 
den  Ausführungsverordnungen  zum  Strafgesetzbuch  und  zur  Straf- 
prozessordnung enthalten. 

Aus  dem  grossen  Kreise  der  in  Betracht  kommenden  Materien 
können  hier  nur  einige  der  wichtigsten  berührt  werden. 

I.  Die  Unterbringung  der  Gefangenen  wird  beeinflusst  \'on 
verschiedenen  Faktoren,  wie  Klima  des  Landes,  Karakter  und 
Gewohnheiten  der  Bevölkerung,  die  eine  vorsichtige  Verwaltung 
nicht  ausser  Acht  lassen  darf  Sie  wird  daher  in  einem  kalten 
Lande  wie  Schweden  oder  Norwegen  notwendig  anders  sein,  als 
etwa  in  Indien  oder  Südamerika.  Auch  die  Frage  des  Haft- 
systems— ob  Einzelhaft  oder  gemeinschaftliche  Haft — lässt  sich 
nicht  für  alle  Völker  gleichmässig  beantworten ;  so  wird  der 
ruhige  Norddeutsche  im  ganzen  die  strenge  Isolierung  leichter 
ertragen,  als  der  lebhafte  Italiener  oder  Südfranzose. 

Das  ältere  japanische  Gefängniswesen  beruhte  ausschliesslich 
auf  dem  System  der  Gemein.schaftshaft,  und  zwar  in  ihrer  über- 
triebensten Form  :  die  Gefangenen  wurden  in  übermässiger  Zahl 
auf  einen  kleinen  Raum  zusammengedrängt,  in  dem  sie  Tag  und 
Nacht  ohne  Arbeit  zubrachten.  Seit  der  Restauration  ist  darin 
ein  erheblicher  Wandel  zum  Besseren  eingetreten  ;  die  gemein- 
schaftlichen Hafträume  sind  verkleinert  und  werden  nur  mit  einer 
angemessenen  Zahl  von  Gefangenen  belegt,  und  es  sind  besondere 
Arbeitsräume  errichtet,  in  denen  die  Gefangenen  sich  den  Tag 
über  aufhalten,  sodass  eine  gründliche  Ventilation  der  Schlaf- 
räume möglich  ist.  Immerhin  blieb  zunächst  die  gemeinschaftliche 
Haft  herrschend  und  zeitigte  dieselben  schlechten  Folgen  wie 
überall  :  die  wenigen  guten  Elemente  werden  von  der  grossen 
Zahl  der  völlig  verkommenen  verführt  und  auch  die  schärfste 
Aufsicht  ist  nicht  im  Stande,  grobe  Unsittlichkeiten  zu  ver- 
hüten, sodass  man  sich  in  Europa  längst  daran  gewöhnt  hat, 
Anstalten  mit  Gemeinschaftshaft  als  ,,  Hochschulen  des  Ver- 
brechens"     zu  bezeichnen. 

Diesen  Schattenseiten  hat  sich  die  japanische  Gefingnis- 
vervvaltung  nicht  verschlossen  und  seit  einer  Reihe  von  Jahren 
den  Uebergang  zu  einem  gemischten  System  gemacht.  Es  besteht 
darin,  dass  für  einen  Bruchteil  der  Gefangenen  Einzelzellen  ein- 
gerichtet werden,  die  als  Arbeits-  und  Schlafzellen  dienen.  Das 
bei  uns  teilweise  eingeflihrte  System  der  gemeinschaftlichen  Arbeit 


34  GRUSEN',    GEFAENGNISWESEX. 

bei  Taf^c  mit  Trennung  bei  Nacht  (in  Schlafzellen  oder  eisernen 
Schlaf kojen)  wird  in  Japan  nicht  angewendet.  Die  Zahl  der 
Einzclzellen  ist  noch  verhältnismässig  gering  :  es  sind  im  ganzen 
3096  (meist  in  den  neu  erbauten  Anstalten)  vorhanden,  sodass 
von  den  57702  Gefangenen,  die  am  31  Dezember  1900  in  den 
japanischen  Gefängnissen  vorhanden  waren,  etwa  der  Rinfzehnte 
Teil  in  Einzelhaft  gehalten  werden  konnte.  Bei  zukünftigen 
Neubauten  wird  geplant,  für  2/3  der  Belegungsfähigkeit  von 
Strafgefängnissen  Einzelzellen  herzurichten  und  Untersuchungs- 
gefängnisse vollständig  als  Zellengef^ingnisse  zu  bauen.  Ueber 
die  Verteilung  der  Gefangenen  auf  die  Einzelhaft  und  die  ge- 
meinschaftliche Haft  bestimmt  die  Geföngnis-Ordnung  nichts.  Es 
werden  meist  die  schlechtesten  und  die  besten  Elemente 
isoliert,  letztere  damit  sie  nicht  im  Gefängnis  verdorben  werden, 
erstere,  damit  sie  nicht  in  der  Gemeinschaftshaft  den  noch 
Unverdorbenen  Lehrijieister  in  allen  bösen  Künsten  werden. 

Bezüglich  der  in  gemeinschaftlicher  Haft  zu  haltenden 
Gefangenen  schreibt  die  Gefängnis-Ordnung  (Art.  11-13)  eine 
verwickelte  und  umständliche  Klassifizierung  vor,  Sie  soll 
erfolgen  einmal  nach  dem  Alter  der  Gefangenen  und  ausserdem 
nach  der  Art  der  Strafthat,  wegen  welcher  der  Gefangene  verfolgt 
wird  oder  verurteilt  ist.  Bei  Strafgefangenen  sind  ausserdem 
aus  den  über  16  Jahre  alten  Rückfälligen  2  getrennte  Klassen 
(von  16-20  Jahren  und  über  20  Jahre)  zu  bilden.  Für  Zwangs- 
zöglinge giebt  es  drei  Altersklassen  (8-16,  16-20,  über  20  Jahre), 
für  erstmalig  bestrafte  Strafgefangene  ebenfalls  drei  Klassen, 
jedoch  mit  anderen  Grenzen  (12-16,  16-20,  über  20  Jahre).  Da 
ausserdem  natürlich  Männer  und  Weiber,  Untersuchungs-  und 
Strafgefangene,  Zwangszöglinge  und  unter  Polizeiaufsicht  stehende 
getrennt  w^erden  müssen,  so  begreift  man  leicht,  wie  viel  Kopf- 
zerbrechen den  Direktoren  diese  rein  mechanische  Vorschrift — die 
fa.st  überall  genau  befolgt  wird — macht  und  wie  leicht  es  vor- 
kommen kann,  dass  in  einem  japanischen  Gefängnis  eine  Abteilung 
bis  zum  äussersten  überRillt  ist,  während  nebenan  sich  einige 
wenige  Gefangene  in  saalartigen  Zellen  aufhalten.  Das  in  der 
japanischen  Verwaltung  überall  hervortretende  Bestreben,  den 
lokalen  Beamten  möglichst  wenig  Gelegenheit  zum  selbständigen 
Denken  zu  lassen,  hat  hier  zu  einem  übertriebenen  For- 
malismus geführt,  dessen  Blüten  nicht  sehr   erfreulich  sind. 

2.  Die  Einrichtung  der  Zellen  ist  einfach.  Sie  besteht  aus 
einem  hölzernen  Wasserbehälter  nebst  Trinknapf,  einem  Spucknapf^ 


GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN.  35 

zwei  Latrinenkübelii  (die  unter  einer  Oeffnung  des  Fussbodens 
in  der  in  Japan  üblichen  Weise  aufgestellt  und  täglich  gereinigt 
werden),  einem  Besen,  Essgeschirr  (Holzbecher,  Essstäbchen, 
Reisschüssel)  und  einer  Holzschüssel  zum  Händewaschen.  Die 
sonstige  Wascheinrichtung  ist  meist,  flir  eine  grössere  Zahl  von 
Gefangenen  eingerichtet,  in  einem  überdachten  Gange  ausserhalb 
der  Haftgebäude  angebracht,  zu  dem  die  Gefangenen  morgens 
und  abends  geführt  werden.  Endlich  enthalten  die  Zellen  die 
überall  in  Japan  üblichen  Futons,  dicke  wattierte  Decken,  in 
denen  die  Gefangenen  schlafen.  Sie  werden  auf  eine  den  Fussboden 
bedeckende  Matte  (Goza)  gelegt  und  sind  aus  einem  Stücke,  sodass 
die  eine  Hälfte  als  Unterlage,  die  andere  zum  Zudecken  dient. 
Um  Unsittlichkeiten  zu  vermeiden,  werden  sie  so  gelegt,  dass  die 
offene  Seite  der  einen  Decke  mit  der  geschlossenen  Seite  der 
benachbarten  zusammenstösst.  Am  Tage  werden  die  Futons 
zusammengelegt  und  aufgeschichtet.  Als  Koptkissen  dient  das 
in  Japan  übliche  Holzgestell. 

3.     Der   Arbeitsbetrieb   in   den   japanischen    Gefängnissen   ist 
sehr    interessant    und    zu    einer    erfreulichen     Höhe     entwickelt. 
Es   herrscht  der   Grundsatz,    dass    alle   durch   die  Hauswirtschaft 
im  Gefängnis  erforderten  Arbeiten  von    Gefangenen  vorgenommen 
und    dass    alle    zur    Bekleidung    und  Lagerung   der    Gefangenen 
verwendeten    Gegenstände,    soweit   es  möglich    ist,    im    Gefängnis 
angefertigt  werden.     Hierdurch  wird  bereits  ein  erheblicher   Teil 
der    Gefangenen    in    Anspruch    genommen ;     der     Rest    wird    zu 
industriellen,  gewerblichen  und  landwirtschaftlichen  Arbeiten  ver- 
wendet,   deren    Ertrag    zum    grössten     Teile    dem    Staate,    zum 
kleineren   Teile   den    Gefangenen    zufliesst.      Die    Gefängnisarbeit 
ist  bis  zu  einem  gewissen    Grade    von  der   Industrie  des    Landes 
abhängig  und  trägt  nationalen  Karakter.  Man  kann  nicht  in  jedem 
Lande  jede  Arbeit  von    Gefangenen  betreiben  lassen    und    selbst 
die  einzelnen    Teilen    eines   Landes  pflegen    grosse  Verschieden- 
heiten aufzuweisen  ;  es  wird  z.  B.  niemand  einfallen,  in  Ostpreussen 
Cloisonne-  Arbeiten  einzuführen.    Die  für  Japan  karakteristischen 
Arbeitszweige  in  den  Gefängnissen  sind :   Lackarbeiten,  Cloisonne, 
Fabrikation    von    Büttenpapier,    von    Papier-Sonnenschirmen   und 
Fächern,    von     europäischen    Regen-    und    Sonnenschirmen,    von 
Tatamis  {(\(t\\  Matten,  mit  denen  die    Fussboden    der  japanischen 
Häuser  bedeckt  werden),  das  Malen    von    Kakemonos   (schmalen 
Bildern,   mei.st   auf  Seide,   die   aufgerollt    werden    können),  Holz- 
schnhzereien  verschiedener  Art.    Diese  Aibe'ten  sind  nicht  gleich- 


36  CRUSr.N,    GEFAENGXISWESEN. 

massig  über  das  ganze  Land  verbreitet ;  die  Matten-Flechterei 
findet  sich  hauptsächHch  im  Süden  und  Süd- Westen,  Cloisonne 
wird  nur  noch  in  Kioto  und  Negishi  bei  Yokohama  gemacht, 
die  bis  vor  kurzem  im  Sugamo-Gefängnis  bei  Tokio  betriebene 
Fabrikation  ist  eingegangen.  Einzehie  Anstalten  haben  noch 
besondere  Spezialitäten ;  so  ist  im  Tokio-Shujikan  eine  grosse 
Ziegelei  mit  Ringöfen  eingerichtet,  in  der  etwa  5-600  Zwangs- 
arbeitssträflinge jährlich  Ziegel  im  Werte  von  100-150000  Yen 
brennen  ;  loooo  Stück  kosten  40  Yen,  während  der  Preis  der 
von  der  Privatindustrie  hergestellten  70-80  Yen  ist.  In  Kioto 
werden  sehr  hübsche  .seidene  Teppiche  gewebt,  in  Sugamo  bei 
Tokio  elektrische  Beleuchtungskörper  hergestellt. 

Gewisse  Arbeitszweige  sollen  in  jeder  Anstalt  vertreten  sein, 
(thatsächlich  sind  sie  es  nicht  überall),  nämlich  (nach  Artikel  43 
der  AusRihrungsbestimmungen  zur  Gefängnis-Ordnung) :  "Reis- 
auslesen, Ziegelbrennen,  Fabrikation  von  Backsteinen,  Steinmetz- 
arbeiten, Steinebrechen,  Schmiedearbeiten,  Oelfabrikation,  P'eld- 
arbciten,  Holzschnitzerei,  Papierfabrikation,  Holzbearbeitung,  Fass- 
binderei, Strohflechten,  Haus-,  Küchen-  und  Reinigungsarbeiten, 
ausserdem — für  weibliche  Gefangene — Stricken,  Anfertigung  v^on 
Kleiderstoffen  und  Kleidungsstücken,  Waschen.  Andere  Arbeiten 
können  mit  Genehmigung  des  Ministers  eingeführt  werden  ;  das 
i.st  in  grossem  Umfange  geschehen,  namentlich  bildet  jetzt  die 
Weberei  durch  Männer  den  bei  weitem  wichtigsten  Zweig  der 
japanischen  Gefängnisarbeit,  in  dem  7497  Gefangene  beschäftigt 
werden. 

Männliche  Gefangene  können  auch  zu  Arbeiten  ausserhalb  der 
Anstalt  verwendet  werden,  und  zwar  zum  Steinebrechen,  zur  Urbar- 
machung von  Land,  zu  Bergwerksarbeiten,  zur  Steinhauerei,  zu 
Damm-  und  P'eldarbeiten,  zu  Transporten  u.  s.  w.  Sie  werden  dabei 
zu  je  zwei  und  zwei  durch  eine  schmiedeei.serne  Kette  aneinander 
gefesselt  und  in  Trupps  von  je  10-20  Mann  durch  3  Aufseher 
be\\acht.  Die  Urbarmachung  von  Land  geschieht  hauptsächlich 
auf  der  nördlichsten  Lisel  Hokkaido,  wo  die  Gefängnis- Verwal- 
tung grosses  geleistet  hat  und  noch  weiter  leisten  kann.  Die 
Verwendung  von  Gefangenen  in  Bergwerken  besteht  in  Miike 
auf  Kiushiu  in  dem  jährlich  fast  i  Million  Tons  produzierenden 
Kohlenbergwerk    der   Mitsui    Kozan    Kaisha. 

Die  Gefangenen  werden  den  Unternehmern  zu  Löhnen 
überlassen,  die  erheblich  niedriger  sind  als  die  Tagelöhne  der 
dortigen  freien    Arbeiter;   diese    Beschäftigung    der    Gefangenen 


GRUSEN,    GEFAENGN'ISWESEN.  37 

stellt  also  eine  sehr  erhebliche  indirekte  staatliche  Subvention  der 
Bergwerksgesellschaften    dar,    die  für  das  Aufblühen    des  japan- 
ischen Kohlenexportes   von  erheblicher   Bedeutung   gewesen    sein 
dürfte.      Da  die    Beschäftigung    der   Gefangenen   unter    Tag   vom 
gesundheitlichen     und     disziplinaren    Standpunkte     aus    gewisse 
Nachteile  hat,  so  wird  ihre  Aufhebung  in  Erwägung  gezogen.    Die 
ausländische    Konkurrenz    auf  dem  ostasiatischen    Kohlenmarkte 
würde  diese  Massregel  sicher    mit  Freude    begrüssen  ;  vom  japa- 
nischen Standpunkte  aus  sprechen  aber  viele  Bedenken  dagegen. 
Von  den  Gefangenen    ist    ein    grosser   Teil   zur  Arbeit  nicht 
verpflicJitet,  nämlich  die  zu  Haft,  leichtem  Gefängnis,  Einsperrung 
und  Verbannung  verurteilten  Strafgefangenen,  die  zu  Polizeiaufsicht 
verurteilten    und    weeen    Mangels    eines    Unterkommens    in    der 
Anstalt  zurückbehaltenen,  endlich  alle  Untersuchungsgefangenen. 
Diese  Gefangenen  bilden    einen   ziemlich   erheblichen   Prozentsatz 
des  Gesamtbestandes  ;   allein   an    Untersuchungsgefangenen  waren 
Ende    1900  vorhanden:   7275,  also  etwa  ein  Achtel   des  Gesamt- 
bestandes   von    57702     Köpfen.       In    Preussen    beteiligen    diese 
Klassen    von    Gefangenen   sich    meist   freiwillig  an   den  Arbeiten, 
um  nicht  der  tötlichsten    Langeweile  zu  verfallen  und  sich  etwas 
zu  verdienen.      In  Japan   kommt  dieses  nur  sehr  selten  vor  ;   die 
Verschiedenheit     des     Temperamentes    findet     hier  einen  karak- 
teristischen    Ausdruck.     Wenn  die  nicht  zur  Arbeit   verpflichteten 
Gefangenen  arbeiten,  finden  die  für  die  arbeitspflichtigen  Gefangenen 
gegebenen  Vorschriften  über  Arbeits/.eit,  Arbeitsarten,  .Arbeitslohn 
u.  s,  w.  auf  sie  Anwendung. 

Die  Arbeitszeit  ist  in  den  einzelnen  Monaten  verschieden  und 
beträgt  ohne  lunrechnung  der  Pausen  mindestens  7  Stunden 
(im  Dezember)  und  höchstens  loVo  Stunde  (im  Juni  und  Juli). 
Die  Verschiedenheiten  sind  auf  das  Bestreben  der  Ersjjarnis 
von  Beleuchtungskosten  und  der  Vermeidung  der  Gefahren 
künstlicher  Beleuchtung  in  den  Holzbauten  (die  meisten  Anstalten 
haben  Petroleum-Beleuchtung,  nur  wenige  neuere  elektrisches 
Licht)  zurückzuführen.  Die  Arbeitszeit  ist  die  gleiche  für  alle 
Arten  von  Gefangenen.  Zum  Vergleich  sei  erwähnt,  dass  die 
Arbeitszeit  in  den  preussischen  Zuchthäusern  12  Stunden,  ohne 
Unterschied  zwischen  Sommer  und  Winter,  in  den  preussischen 
Justizgefängnissen  10- ii  Stunden  beträgt.  Arbeitsfrei  sind 
streng  genommen  jährlich  nur  12  japanische  P'esttage  (Art.  18 
der  Gefängnis-Ordnung)  ;  da  aber  für  die  Beamten  in  einem 
gewissen  Umfange    die  Sonntagsruhe  eingeführt   ist,    so  ruht    der 


38  CRL'SEN,    GEFAENGNISWESEN. 

Betrieb  an  diesen  Tagen  teilweise.  Ausserdem  bleibt  jeder 
Gefangene,  dessen  Vater  oder  Mutter  gestorben  ist,  3  Tage  lang 
von  der  Arbeit  frei  ;  durch  diese  Bestimmung  wird  der  Volksitte, 
die  strenge  Beobachtung  der  Trauerzeit  fordert,  Rechnung  getragen. 

Die  industriellen  und  gewerblichen  Arbeiten  werden  zum 
grössten  Teil  für  Rechnung  von  Unternehmern  ausgeRihrt, 
nur  zu  einem  geringen  Prozentsatz  für  andere  staatliche  Ressorts 
(zum  Beispiel  Eisenbahn-,  Post-  und  Militär- Verwaltung)  und  für 
eigene  Rechnung  der  Gefängnisverwaltung.  Der  Unternehmer 
liefert  die  Rohprodukte,  vielfach  auch  die  Arbeitsgeräte  und 
Maschinen,  stellt  die  erforderlichen  Werkmeister  an  (natürlich 
unter  Kontrole  der  Verwaltung)  und  zahlt  einen  vertragsmässig 
festgesetzten  Betrag,  entweder  für  das  fertige  Arbeitsprodukt 
oder — was  die  Regel  bildet — für  jeden  geleisteten  Arbeitstag. 
Die  Tagelöhne  sind  sehr  niedrig  und  betragen  jetzt  durch- 
.schnittlich  nur  5   Sen  4  Rin  (etwa   1 1   Pfennige). 

In  den  preussischen  Zuchthäusern  wird  bei  Arbeiten  für 
Staats-  und  Reichsbehörden  ein  Tagelohn  von  40  Pfennigen 
berechnet;  die  von  den  Privatunternehmern  zu  zahlenden  Beträge 
sind  verschieden,  der  durchschnittliche  Jahresertrag  war  im 
Etatsjahre  1898/99  pro  Kopf  203  Mark  Ol  Pfennig,  also  be- 
einer  Annahme  von  rund  300  Arbeitstagen  etwa  67-68  Pfennig. 
In  den  Gefängnissen  aus  dem  Ressort  des  Ministeriums  des  Inneren 
sind  die  P>träge  etwas,  in  den  Justizgefängnissen  erheblich 
niedriger. 

Für  alle  arbeitenden  Gefangenen  sind  nach  der  durchschnitt- 
lichen Leistungsfähigkeit  eines  erwachsenen  gesunden  Arbeiters 
für  jede  Arbeitsart  Tagespensa  festgesetzt,  die  das  Mindestmass 
des.sen  bezeichnen,  was  täglich  geleistet  werden  muss.  Die 
Leistung  des  Pensums  vor  Ablauf  der  Arbeitszeit  befreit  nicht 
von  der  Verpflichtung,  weiter  zu  arbeiten.  Für  jugendliche, 
alter-schwache,  kränkliche,  schwächliche  oder  aus  anderen  Gründen 
vermindert  arbeitsfähige  Gefangene  tritt  eine  P>mässigung  des 
Pensums  ein. 

Ein  Teil  des  von  den  Gefangenen  verdienten  Geldes  wird 
ihnen  als  sogenannte  Arbcitsbcitsbcloliniing  (Arbeitsgeschenk, 
Arbeitsverdienstanteil)  gut  geschrieben.  Die  Gefangenen,  welche 
für  die  Zwecke  der  Hauswirtschaft  verwendet  werden,  also  keinen 
baren  Lohn  verdienen,  sondern  der  Verwaltung  nur  Ausgaben 
ersparen,  werden  in  eine  der  anderen  Lohnklas.sen  eingeordnet. 
Die  Höhe  des  Arbeitsgeschenkes    ist  verschieden    für   die  wegen 


GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN.  39 

Verbrechens  und  wegen  Vergehens  oder  Uebertretung  bestraften, 
fiir  erstmalig  und  wiederholt  bestrafte,  für  diejenigen,  die  infolge 
besonders  guter  Führung  eines  der  noch  später  zu  erwähnenden 
Belohnungszeichen  erhalten  haben  und  die  noch  nicht  belohnten. 
Der  geringste  Satz  ist  jL^,  der  höchste  j'^  des  Arbeitsver- 
dienstes   nach   folgender  Skala  : 

y^Q     erhalten  solche  rückfallige  Gefangene,  die  wegen  Verbrechens 

verurteilt  sind ;    doch   kann    der    Direktor    sie    wie   erstmalig 

bestrafte  behandeln,  wenn    sie   besonders    geschickt   sind  und 

I   Jahr  der  Strafe  verbüsst  haben  ; 

j2^     erhalten  Gefangene,   die    erstmalig    wegen   Verbrechens  oder 

mehrmals  wegen  Vergehens  verurteilt  sind  ; 
-^Q     erhalten  Gefangene,   die    erstmalig  wegen  Vergehens  bestraft 
sind,  ausserdem   erstmalig   wegen    Verbrechens  bestrafte,  die 
ein  Belohnungszeichen  erworben  haben  ; 
^     erhalten  erstmalig  wegen  Vergehens  bestrafte  mit  einem  und 
erstmalig  wegen  Verbrechens  bestrafte  mit  zwei  Belohnungs- 
zeichen ; 
■^^     erhalten    erstmalig    wegen    Vergehens    bestrafte    mit    zwei, 
erstmalig  wegen  Verbrechens  bestrafte  mit  drei  Belohnungs- 
zeichen; 
j^     erhalten     erstmalig     wegen     Vergehens    bestrafte    mit    drei 
Belohnungszeichen    und  alle    nicht    arbeitspflichtigen    Gefan- 
genen, welche  freiwillig  arbeiten,  endlich  die  arbeitspflichtigen 
Gefangenen  für  das,  was  sie  über  das  Pensum  hinaus  leisten. 
Nach    japanischer     Auffassung    erwirbt    der  Gefangene    mit 
der    Gutschrift    des   Arbeitsverdienstanteils    einen   Rechtsanspruch 
auf  dessen    Auszahlung  bei  der  Entlassung  ;   er  kann    ihm  nicht 
entzogen  werden,  weder   zur    Strafe   für   schlechte  Führung  noch 
zum    Ersatz     für     Beschädigungen     von    staatlichem    Eigentum. 
Jedoch     kann     der    Gefangene    während    der    Strafvollstreckung 
nicht    beliebig     darüber     verfügen  ;    die    angesammelten     Beträge 
bilden  vielmehr   ein    Kapital,    das  ihm    den    Wiedereintritt  in  die 
menschliche  Gesellschaft    erleichtern    und    für    die  erste    Zeit,  wo 
er  noch  keine  Arbeit    hat,    die    Mittel    zum   Unterhalt  gewähren 
soll.     Die  Auszahlung  erfolgt  deshalb    erst    bei    der   Entlassung. 
Vorher  kann  der  Gefangene  über  die  Hälfte  verfügen  zu  Gunsten 
seiner  Angehörigen  oder  zum  Ankauf  von  Zusatznahrungsmitteln 
(Alkohol,  Bier,  Tabak  und  Thee  sind  jedoch  nicht  erlaubt). 

4.     Kosten  der    Gefängnisvcrivaltung.    Der   nicht   den   Gefan- 
genen zugewendete  Teil  des  Arbeitsverdienstes   fliesst  zur  Staats- 


40  GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN. 

kasse  uiul  bildet  einen — allerdings  recht  bescheidenen — Beitrag 
zu  den  Kosten  der  Gefängnisvcrwaltung.  Diese  Kosten  wurden  bis 
zum  I  Oktober  1900  auf  die  Staatskasse  und  die  Regierungsbezirke 
in  der  Weise  verteilt,  dass  aus  der  ersteren  die  Kosten  der  Zen- 
tralverwaltung und  der  Shujikan  bestritten,  von  den  letzteren  aber 
die  Kosten  der  Lokalgefangnisse  getragen  wurden.  Diese  Form 
der  Kostentragung  war  1880  gewählt,  um  die  Staatskasse  durch 
Verminderung  der  baren  Ausgaben  in  den  Stand  zu  setzen,  das 
im  Uebermass  umlaufende  Papiergeld  allmählich  einzuziehen  und 
die  Baarzahlungen  wieder  aufzunehmen  (Rathgen,  Japans  Volks- 
wirtschaft -und  Staatshaushalt,  S.  473).  Ausser  den  Gefängnis- 
kosten waren  noch  einige  andere  Ausgaben,  namentlich  für 
öffentliche  Bauten,  den  Bezirken  aufgelegt,  denen  zur  Ermög- 
lichung der  Durchführung  dieser  Massregel  das  zulässige  Maximum 
der  Grundsteuerzuschläge  von  einem  Fünftel  auf  ein  Drittel  erhöht 
wurde.  Die  dadurch  bewirkte  Erleichterung  der  Staatskasse  wurde 
auf  jährlich  2^  Millionen  Yen  geschätzt,  hat  thatsächlich  aber 
mehr  betragen.  Die  Folge  der  Uebertragung  war  eine,  auch 
durch  die  Aufsicht  der  Zentralbehörde  nicht  zu  vermeidende 
Ungleichmässigkeit  in  der  Verwaltung  der  Gefängnisse,  den 
persönlichen  Verhältnissen  der  Beamten,  der  Verpflegung  und 
Behandlung  der  Gefangenen.  Namentlich  ergab  sich  das  missliche 
Verhältnis,  dass  die  zu  Tokei  (Zwangsarbeit),  der  schwersten 
Freiheitstrafe,  Verurteilten  es  in  den  von  der  Zentralverwaltung 
unmittelbar  verwalteten  und  aus  Staatsmitteln  unterhaltenen 
Shujikan  vielfach  besser  hatten,  als  die  zu  leichteren  Strafen  Ver- 
urteilten in  den  Provinzialgefängnissen.  Seit  dem  i  Oktober 
1900  sind  die  sämtlichen  Kosten  wieder  auf  die  Staatskasse 
übernommen,  und  damit  der  Grund  zu  einer  grösseren  Gleich- 
mässigkeit  der  Verwaltung  gelegt. 

Die  jährlichen  Aufwendungen  für  Gefängniswesen  betrugen 
im  Durchschnitt  der  drei  Jahre  1897,  1898  und  1899:  4350290 
Yen,  wovon  1 269907  durch  die  Erträge  der  Gefängni.sarbeit 
gedeckt  wurden.  Die  Anzahl  der  Gefangenen  betrug  in  diesen 
drei  Jahren  durchschnittlich  pro  Tag  66009,  '-'''^  Ausgaben  pro 
Kopf  der  Gefangenen  beliefen  sich  also  auf  etwa  104  Yen  =  220 
Mark  jährlich  29  Sen  =  6o  Pfennig  täglich,  von  denen  nur  19 
Yen=40  Mark  jährlich,  5,2  Sen  =  10.92  Pfennig  täglich,  durch 
die  Arbeit  eingebracht  wurden.  Der  P!rtrag,  der  auf  den  einzelnen 
arbeitenden  Gefangenen    entfällt,    ist    aber   etwas    höher,    nämlich 


CRUSEN,    GEFAEXGNISWESEX.  4I 

ungefähr  23  Yen=48.3  Mark  jäbrlicli,  6.T,  Sen— 13.2  Pfennig 
täglich,  weil  man  die  Gesamtsumme  des  Arbeitsertrages  nicht 
durch  die  Gesamtzahl  der  Gefangenen  (66009),  sondern  durch 
die  Gesamtdurchschnittszahl  der  arbeitenden  Gefangenen  (55913) 
dividieren  muss,  um  ein  richtiges   Errebnis  zu  bekommen. 

Seit  dem  i  Oktober  1900  beträgt  der  Etat  der  Gefängnis- 
verwaltung jährlich  etwa  6,200,000  Yen,  von  denen  600,000  Yen 
zu   Neubauten  und  Reparaturen    bestimmt  sind. 

In    Preussen     betrugen    für    die    zum    Ressort    des    Inneren 
gehörigen   34  Zuchthäuser    und     18    grösseren    Gefangnisse,      die 
am   31    März    1899  einen    Bestand  von   24648   Gefangenen  hatten, 
in  dem  vorhergehenden   Etatsjahre  : 
die  Ausgaben  im  ganzen :  8 1 24 103  Mark,  pro  Kopf  und  Tag  91,5  Pf; 

,,  P:innahmen  ,,     ,,          2625974      ,,    ,  ,,       ,,       „       „    29,6  ,, 
der  Staatszuschuss  ,,    ,,    54981128    ,,    ,  ,,        „        ,,        ,,    61,9   ,, 

5.  Die  Bcliandhing  der  Gefangenen  muss  als  sehr  human 
bezeichnet  werden.  Der  Ton,  in  dem  die  Beamten  mit  den 
Gefangenen  verkehren,  ist  kurz,  aber  nicht  unfreundlich. 

Die  Strafgefangenen  und  Zwangszöglinge  erhalten  Kleider 
(Kimonos  und  Unterzeug)  von  der  Verwaltung  geliefert,  crstere 
von  lachsfarbigem,  letztere  von  blauem  Tuche.  Untersuchungs- 
gefangene können  eigene  Kleider  und  eigene  Betten  benutzen, 
erhalten  aber,  wenn  sie  mittellos  sind,  ebenfalls  solche  geliefert 
(von  blauer  P'arbe). 

Den  arbeitspflichtigon  (lefangenen  werden  die  Haare  kurz 
geschnitten  untl  der  Bart  abrasiert. 

In  der  arbeitfreien  Zeit  ist  das  Lesen  von  Büchern  und 
Zeitschriften,  mit  Ausnahme  solcher,  die  sich  mit  Tagespc^litik 
befassen,  gestattet.  Bei  jeder  Anstalt  besteht  eine  kleine 
Bibliothek  zur  Benutzung  der  Gefangenen  ;  Bleicher  von  ausserhalb 
müssen  vor  der  Aushändigung  an  einen  Gefangenen  dem 
Gefängnisdirektor  oder  (bei  Untersuchungsgefangenen)  dem 
Richter  zur  lünsicht  unterbreitet  werden.  (Gef  Ordnung  Art. 
32)  Strafgefangene  und  Zwangszöglinge  sollen  hauptsächlich 
Bücher  aus  dem  Gebiete  der  Moral,  der  Erziehung  oder  des 
Handwerks  lesen  ;  für  Untersuchungsgefangene  besteht  keine 
derartige  Beschränkung. 

Auch  im  übrigen  wird  für  die  sittliche  Förderung  der 
Gefingenen  gesorgt.  An  jede;n  Gefängnis  sind  einer  oder 
mehrere  buddhistische  Geistliche  thätig,  die  Gottesdienst  abhalten, 
die  Gefanszenen  besuchen  und  ausserdem  recrelmässigen  Unterricht 


42  CRUSEN,    ÜEFAEN'GN'ISWKSKN. 

erteilen.  Strafgefangene  unter  i6  Jahren  und  Zwangszöglinge 
erhalten  täglich  4  Stunden  Unterricht  im  Lesen,  Schreiben  und 
Rechnen  ;  Zwangszöglinge  ausserdem  noch  3  Stunden  täglich 
Unterweisung  in  industriellen  und  landwirtschaftlichen  Arbeiten. 

Um  die  Entfremdung  der  Gefangenen  von  ihren  Angehörigen 
zu  verhindern,  ist  ihnen  gestattet,  einmal  (den  Zwangszöglingen  : 
zweimal)  monatlich  einen  Brief  zu  schreiben  ;  der  Direktor  kann 
häufigeres  Schreiben  gestatten,  wenn  besondere  Umstände  vor- 
liegen. Für  die  Zahl  der  ankommenden  Briefe  besteht  keine 
Beschränkung.  Die  abgehenden  und  ankommenden  ]3riefe  unter- 
liegen der  Kontrole  des  Direktors  (bei  Untersuchungsgefangenen : 
des  Richters) ;  Briefe  verfänglichen  Inhalts  werden  weder  aus- 
gehändigt noch  abgesendet.  (Gef.   Ordn.  Art.   34). 

Den  gleichen  Zwecken,  wie  der  Briefwechsel,  dient  die 
Erlaubnis  zum  Empfang  von  Besuchen,  die  der  Direktor  (in 
einigen  F'ällen  der  Richter)  nach  Prüfung  der  Persönlichkeit  des 
Besuchenden  erteilen  kann.  Der  Besuch  findet  regelmässig  in 
Gegenwart  eines  Beamten  in  besonderen  dreiteiligen  Besuchzellen 
statt,  die  meist  in  der  Nähe  des  Haupteingangs  liegen  und  so 
eingerichtet  sind,  dass  jede  körperliche  Berührung  des  Gefan- 
genen und  des  Besuchers  ausgeschlossen  ist  und  der  Beamte 
jede  ihrer  Bewegungen  beobachten  kann. 

6.  Diszipli)iarstrafcn.  Das  Disziplinarstrafensystem  ist  ein- 
facher und  viel  milder  als  das  deutsch-preussische.  Die  Prügel- 
strafe, wie  sie  noch  heute  in  den  Zuchthäusern  Preussens  und 
einiger  anderer  Bundesstaaten  vorkommt,  der  Lattenarrest,  den 
wir  bis  von  wenigen  Jahren  in  Preussen  gehabt  haben,  die 
Entziehung  des  Arbeitsverdienstes,  die  fast  in  allen  Ländern 
zulässig  ist,  sind  dem  modernen  japanischen  Gefängniswesen 
fremd.  Das  gleiche  gilt  von  dem  Verweis,  der  Entziehung 
hausordnungsmässiger  Vergünstigungen,  der  Bücher,  der  Arbeit 
(bei  Einzelhaft),  der  Bewegung  im  Freien,  des  weichen  Lagers 
(Gef  Ordnung  für  die  Preussischen  Justizgefängnisse  vom  21 
Dezember  1898,  §.  58).  P^s  giebt  nur  4  Disziplinarstrafen: 
einsame  Einsperrung,  Kost.schmälerung,  Dunkelarrest  und,  jedoch 
nur  für  die  zu  lebenslänglicher  Zwangsarbeit  \'erurteilten,  das 
Kugelschleppen  (Gef    Ordnung  Art.   42-48). 

a)  Die  ciiisainc  llinsptrriDig,  zulässig  bis  zur  Dauer  von  2 
Monaten,  für  alle  Arten  von  Gefangenen,  besteht  in  der  Unter- 
bringung des  Gefangenen  in  einer  völlig  isoliert  liegenden   Zelle, 


GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN.  43 

WO  er  das  gleiche  Arbeitspensum  erledigen  muss,  ^v•ie  die 
übrigen  Gefangenen.  Die  Strafe  stammt  aus  der  Zeit,  wo  die 
gemeinschaftliche  Haft  uneingeschränkt  herrschte  und  die  plötz- 
liche unvermittelte  Einsamkeit  als  Uebel  empfunden  wurde.  Sie 
hat  ihren  Karakter  als  Strafe  im  wesentlichen  verloren  in  einer 
Zeit,  wo  man  die  Aussonderung  aus  der  Gemeinschaft  der  grossen 
Scliaar  von  schlechten  Elem.enten  als  Wohlthat  betrachtet  und 
deshalb  gutartige  Gefangene  in  Einzelhaft  unterbringt.  Die 
Verbindung  der  einsamen  Einsperrung  mit  anderen  Nachteilen 
(wie  Kostschmälerung,  Entziehung  des  weichen  Lagers)  ist  in 
Japan  nicht  zulässig. 

b)  Fi^ihlbarer,  als  diese  Strafe  ist  die  Verminderung  der  tag- 
liehen  Kost  bis  auf  etwa  ein  Drittel  (2-3  Go,  =0,38-0,54  Liter), 
zulässig  bei  Jugendlichen  unter  16  Jahren  und  Zwangszöglingen 
bis  zur  Dauer  von  3  Tagen,  bei  anderen  Gefangenen  bis  zur 
Dauer  von  7  Tagen.  Die  Gefangenen  brauchen  während  dieser 
Zeit  nicht  zu  arbeiten. 

c)  Die  fühlbarste  der  allgemeinen  Disziplinarstrafen  ist  der 
Dunkelarrest,  zulässig  gegen  alle  Gefangenen  mit  Ausnahme  der 
Jugendlichen  unter  16  Jahren  und  der  Zwangszöglinge,  und 
bestehend  in  Einsperrung  in  eine  ganz  enge,  niedrige  Zelle,  die 
völlig  dunkel  ist  und  nur  so  viel  Oeffhungen  hat,  dass  der 
Gefangene  vor  Erstickung  geschützt  ist.  Wenn  die  Gefängnis- 
Ordnung  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  die  Strafe  mit  Entziehung 
der  Lektüre  verbunden  ist,  so  glaubt  das  jeder,  der  einmal  eine 
derartige,  meist  vereinzelt  auf  dem  Gefängnishofe  stehende  Zelle 
gesehen  hat.  Die  längste  zulässige  Dauer  der  Strafe  beträgt 
5  Tage  und  5  Nächte  ;  während  dieser  Zeit  erhält  der  Gefangene 
nur  etwa  ein  Drittel  (2-3   Go)  der  Kostration. 

Kostschmälerung  und  Dunkelarrest  können  nur  verhängt 
werden,  nachdem  der  Arzt  festgestellt  hat,  dass  eine  Schädigung 
der  Gesundheit  des  Gefangenen  nicht  zu  befürchten  ist ;  während 
der  Vollstreckung  hat  der  Arzt  den  Gefangenen  täglich  zu 
besuchen  und  die  Vollstreckung  ist  sofort  aufzuheben,  wenn  eine 
Beeinträchtigung  der  Gesundheit  festgestellt  wird. 

d)  KugelscJileppen.  Eine  besondere  Disziplinarstrafe  ist  zulässig 
für  solche  zu  lebenslänglicher  Zwangsarbeit  Verurteilte,  die  ein 
neues  Verbrechen  oder  einen  schweren  Verstofs  gfeg:en  die 
Disziplin  begehen.  Sie  besteht  in  der  Anlegung  von  Ketten  an 
einen  oder  an  beide  P'üsse,  die  sich  bis  um  die  Taille  schlingen 
und    an    denen    eine    an    der    Erde    nachschleifende    Kug-el    im 


44  CRUSEN,    GEFAENGNISWESEK. 

Gewicht  von  200-1000  Momme  (750-3750  Gramm),  je  nach  der 
Beschaffenheit  des  Gefangenen,  hängt.  Die  Anlegung  erfolgt  ge- 
wöhnlich für  1-5  Jahre,  in  leichten  Fällen  für  i  Monat  bis  zu  i 
Jahre,  in  besonders  schweren  Fällen  für  5-10  Jahre.  Die  Kugel 
wird  im  allgemeinen  niemals  entfernt,  nur  zeitweise,  wenn  der  Arzt 
es  anordnet,  in  welchem  Pralle  aber  diese  fr.;ie  Zeit  in  die  Dis- 
ziplinarzeit  nicht  eingerechnet  wird.  Haben  die  zum  Kugeltragen 
verurteilten  Gefangenen  Hausarbeit  zu  verrichten,  so  wird  die 
Kugel  abgenommen,  die  Gefangenen  werden  aber  zu  2  und  2 
aneinander  gekettet. 

Gefangenen,  die  eine  Disziplinarstrafe  verwirkt  haben,  kann 
diese  erlassen  werden,  wenn  sie  Reue  zeigen  und  Aussicht  auf 
Besserung  vorhanden  ist. 

7.  Das  Gegenstück  zu  den  Disziplinarstrafen  bilden  die 
Bcloluiungcn.  Sie  werden  solchen  Gefangenen  zu  Teil,  die  sich  gut 
geführt,  fleissig  gearbeitet  und  die  Vorschriften  der  Hausordnung 
befolgt  haben,  sodass  bei  ihnen  aufrichtige  Reue  über  die  That 
und  begründete  Aussicht  auf  Bes.serung  als  vorhanden  anzunehmen 
sind.  Das  äussere  Zeichen  der  I^elohnung  besteht  in  Streifen,  von 
karriertem  blauem  Stoffe,  die  auf  den  linken  Aermel  des  Kimonos 
genäht  werden.  Die  so  ausgezeichneten  Gefangenen  werden  in 
einer  besonderen  Abteilung  untergebracht  und  haben  gewisse 
Vorteile  vor  (\c\\  anderen.  (Art.  96-98  der  Ausführungs-Bestim- 
mungen zur  Gefängnis-Ordnung).  Sie  bekommen  die  besten  der 
vorhandenen  Kleidungs-  und  Gebrauchs-Gegenstände,  dürfen 
monatlich  zweimal  einen  Brief  schreiben,  zuerst  baden  und  erhalten 
besondere  Zusatznahrungsmittel.  Die  Behandlung  wird  immer 
besser,  je  grösser  die  Anzahl  der  Belohnungszeichen  ist.  Gefangene 
mit  2  o(\zx  mehr  Abzeichen  werden  zu  leichteren  Arbeiten  ver- 
wendet und  erhalten  bessere  Nahrung  (halb  Reis,  halb  Gerste). 
Gefangene  mit  3  oder  mehr  Abzeichen  können  sich  eine  ihnen 
zusagende  Beschäftigung  wählen.  Muss  ein  belohnter  Gefangener 
disziplinarisch  bestraft  werden,  so  verliert  er  eines  oder  mehrere 
der  Abzeichen. 

Unter  Umständen  können  Gefangene  an  Stelle  der  Beloh- 
nungszeichen Geldgeschenke  bis  zu  50  Sen  erhalten,  wenn  sie 
von  einem  geplanten  Ausbruch  Anzeige  machen,  jemanden  das 
Leben  retten.  Entsprungene  wieder  einfangen  oder  bei  Natur- 
ereignissen, wie  Ueberschwemmungcn,  Bränden,  Taifunen,  thätige 
Beihülfe  zur  Rettung  der  Gefängnisgebäude  leisten. 


CRL'SEN,    GEFAEXGXISWESEX.  45 

8.  Hygiene,  Beköstigung  und  Sanitätszvcseji,  Ganz  eigenartig 
sind  die  hygienischen  und  sanitären  Verhältnisse  in  den  Gefang- 
nissen. Was  auf  diesem  Gebiete  geleistet  wird,  geht  zum  Teil 
über  das  in  Deutschland  erreichte  hinaus,  in  anderen  Beziehungen 
bleibt  es  hinter  den  Anforderungen  der  modernen  Gefängnis- 
praxis zuri^ick. 

Zu  den  ersteren  Gebieten  gehört  zunächst  zweifellos  alles, 
was  sich  auf  die  körperliche  Reinlichkeit  der  Gefangenen  bezieht. 
Der  grosse  Reinlichkeitsinn  des  japanischen  Volkes  macht  sich 
auch  in  den  Gefängnissen  bemerkbar.  In  jeder  Anstalt  sind, 
ausser  zweckmässigen  Waschvorrichtungen,  auch  umfassende 
Badeeinrichtungen  vorhanden,  die  es  ermöglichen,  jedem  Gefan- 
genen in  den  Monaten  Juni-September  mindestens  alle  5  Tage, 
von  Oktober-Mai  mindestens  alle  10  Tage  ein  heisses  Bad  zu 
Teil  werden  zu  lassen.  Das  sind  aber  nur  Minimalsätze,  that- 
sächlich  wird  viel  häufiger  gebadet,  namentlich  wenn  die  Anstalt 
nur  gering  belegt  ist.  Der  alten  japanischen  Sitte  entsprechend 
baden  die  Gefangenen  meist  truppweise  gemeinschaftlich  in 
grossen  Holzkasten ;  unzüchtige  Handlungen,  die  bei  einem 
solchen  Verfahren  in  einem  europäischen  Gefangnisse  ganz 
unvermeidlich  sein  würden,  werden  durch  scharfe  Aufsicht  ver- 
hindert und  sollen  kaum  vorkommen.  Gefangene  in  Einzelhaft 
erhalten  meist  auch  Einzelbäder. 

Auch  die  Anstalten  selbst  (Höfe,  Bureauräume,  Korridore, 
Arbeitssäle,  Schlafzellen)  werden  sehr  sauber  gehalten.  Die  von 
den  neueingelieferten  Gefangenen  mitgebrachten  Kleider  werden 
gründlich  gereinigt  und,  wenn  nötig,  im  Dampf-Desinfektions- 
Apparat  desinfiziert. 

Weniger  glänzend  steht  es  mit  der  Beköstigung,  der  Hygiene 
der  Arbeit  und  der  Eürsorge  für  Kranke. 

]3ie  Gefangenen  erhalten  täglich  drei  Mahlzeiten,  deren 
Hauptbestandteil  unabänderlich  aus  einer  Mischung  von  4 
Teilen  Reis  geringerer  Qualität  und  6  Teilen  gereinigter  Gerste 
besteht.  Die  Menge  ist  verschieden  nach  dem  Alter  und  der 
Arbeitsleistung  des  Gefangenen  ;  Kinder  unter  10  Jahren  erhalten 
täglich  3  Go,  Erwachsene  5-9  Go  (i  Go  =  o,  18  Liter),  je 
nachdem  sie  leichtere  oder  anstrengendere  Arbeiten  zu  verrichten 
haben.  Je  nach  den  Umständen  und  den  örtlichen  Gewohnheiten 
kann  der  Reis  durch  Hirse,  Kartoffeln  oder  andere  Früchte  ersetzt 
werden ;    in     Hokkaido    z.  B.    werden     vorzugsweise    Kartoffeln 


46  GRUSEN,    GEFAENGNISWESEN. 

gegeben.  Ausser  dieser  Hauptnahrung  bekommen  die  Gefangenen 
,,  Sai,"  Zusatznahrungsmittel,  wie  Fisch,  Rettig,  Miso,  (eine  aus 
Soyabohnen,  Salz  und  fermentierendem  Reis  bereitete  Sauce) 
Tofu,  (Rohnenkäse,  eine  wegen  seines  hohen  Nährwertes  für  die 
japanische  Küche  sehr  wichtige  Speise),  in  einigen  Anstalten 
mit  besonders  schweren  Arbeiten  auch  wohl  zuweilen  fleisch, 
deren  Wert  jedocli  3  Sen  täglich  für  jeden  nicht  übersteigen 
darf.  Die  Zubereitung  der  Kost  erfolgt  mit  peinlicher  Sauber- 
keit in  vorzüglich  eingerichteten  Küchen,  zu  deren  Bedienung 
ausschliesslich  Gefangene  verwendet  werden.  Die  besonderen 
Vergünstigungen  für  die  im  Besitze  von  Belohnungszeichen 
befindlichen  Gefangenen  sind  schon  erwähnt.  Natürlich  bekommen 
Kranke  erforderlichen  Pralls  besondere  Kost  nach  ärztlicher 
Anweisung.  Untersuchungsgefangene  können  sich  von  ausserhalb 
Lebensmittel  verschaffen  ;  thun  sie  es  nicht,  so  erhalten  sie  die 
Kost  der  übrigen  Gefangenen.  (Gef.  Ordnung  Art.  28  Abs.  3). 
Die  von  aussen  eingeführten  Nahrungsmittel  dürfen  nicht  erst 
Umstände  durch  besondere  Zubereitung  in  der  Anstalt  erfordern  ; 
die  Einführung  darf  dreimal  am  Tage  geschehen,  auf  einmal 
jedoch  nicht  mehr  gebracht  werden,  als  was  bei  einer  Mahlzeit 
verzehrt  werden  kann.  Berauschende  Getränke  und  Tabak  sind 
verboten.  Die  eingeführten  Gegenstände  unterliegen  einer 
genauen  Untersuchung  in  Gegenwart  des  Arztes  und  eines 
Inspektors  (Ausführungs-Bestimmungen  Art.   89.  und  90). 

Die  Beköstigung  der  Gefangenen  entspricht  im  Avesentlichen 
der  Lebensweise  der  ärmsten  Klassen  der  freien  Bevölkerung, 
über  deren  Zweckmässigkeit  die  Ansichten  der  P'achleute  geteilt 
sind.  Nach  Ansicht  von  Dr.  Bach  (Die  Ernährung  der  Japaner 
vom  volkswirtschaftlichen  Standpunkt,  Mitteilungen  der  Deut- 
schen Gesellschaft  fiir  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens,  Band 
IV  Seite  295)  ist  die  japanische  Kost  im  allgemeinen  keineswegs 
so  arm  an  Eiweiss-Substanzen,  wie  gewöhnlich  angenommen 
wird  ;  sie  ist  eine  gemischte,  keine  rein  vegetabilische  Kost  und 
vom  physiologischen  Standpunkte  aus  völlig  genügend.  Dem 
gegenüber  steht  allerdings  die  Ansicht  Dr.  Kellners  (Beiträge 
zur  Kenntnis  der  Ernährung  der  Japaner  in  den  Mitteilungen 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens, 
Band  IV  Seite  305)  dass  die  vegetarische  Nahrung,  welche  von 
einem  grossen  Teile  des  japanischen  Volkes  genossen  wird,  zur 
Erhaltung  eines  leistungsfähigen  Organismus  unzureichend  ist. 
Immerhin    aber    bildet    die    Gefängniskost    wohl    quantitativ    wie 


GRUSEN,    GEFAENGXISWESEN.  47 

qualitativ  nur  das  Minimum  dessen,  was  zur  notdürftigen 
Erhaltung  des  Lebens  und  der  Arbeitsfähigkeit  geboten  werden 
muss.  Die  sehr  bedeutende  Zahl  von  Erkrankungen  an  Ver- 
dauungsstörungen, Tuberkulose  und  den  auf  schlechter  Blut- 
beschaffenheit beruhenden  Krankheiten  macht  es  sogar  wahrschein- 
lich, dass  dieses  ^linimum  nicht  immer  erreicht  wird.  In  der 
That  haben  sehr  viele  Gefängnisdirektoren  und  Gefangnisärzte 
auf  meine  P>agen  eine  Verbesserung  der  Kost  für  wünschenswert 
erklärt.  Allerdings  ist  dabei  nicht  zu  vergessen,  dass  auch  der 
japanische  Kuli  sich  teilweise  kümmerlich  nährt  und  die  Gefängnis- 
kost nicht  viel  besser  sein  darf,  als  die  Nahrung  der  ärmsten 
Klasse  der  Bevölkerung. 

Die  Sorge  für  die  Erhaltung  der  Gesundheit  der  Gefangenen 
ist  in  Japan  um  so  wichtiger,  als  den  wenigen  gesundheitsförder- 
lichen Faktoren  (wie  grosse  körperliche  Reinlichkeit,  ausreichende 
Ventilation,  namentlich  in  den  Holzbauten,  täglich  i  Stunde 
Bewegung  im  Freien,  die  an  einigen  Anstalten  durch  gymnastische 
Uebungen  ausgefüllt  wird)  eine  ganze  Reihe  von  schädlichen 
Einflüssen  gegenübersteht.  Hierzu  gehören,  ausser  der  eben 
erwähnten  Unzulänglichkeit  der  Kost:  i)  die  ungenügende  Er- 
wärmung der,  in  dem  überwiegenden  Teile  des  Landes  mit 
keinerlei  Heizvorrichtungen  versehenen,  Hafträume.  Dieser  Mangel 
besteht  allerdings  in  gleicher  Weise  für  die  Mehrzahl  aller  japani- 
schen Häuser,  wird  aber  für  die  freie  Bevölkerung  ausgeglichen 
durch  die  Möglichkeit,  sich  Bewegung  zu  machen  und  dadurch 
die  Blutzirkulation  und  Wärmebildung  zu  beschleunigen.  2)  Diese 
Möglichkeit  fehlt  den  Gefangenen  in  Japan  noch  mehr,  als 
den  Gefangenen  anderer  Länder,  weil  infolge  eines  weitgehenden 
und  übertriebenen  Ordnungssinnes  bei  allen  Arbeiten,  die  es 
überhaupt  gestatten,  vorgeschrieben  ist,  dass  sie  im  Hocken 
verrichtet  werden,  und  jedes  Verlassen  des  Arbeitsplatzes  verboten 
ist.  Diese  Arbeiten  sind  aber  in  den  japanischen  Gefängnissen 
besonders  zahlreich  :  Strohflechten,  die  Anfertigung  von  Strick- 
arbeiten, Kleidungsstücken,  Schuhwerk,  Holzschnitzereien,  Getas 
(Holzschuhen  mit  zwei  hohen  Absätzen)  Waraji  (Strohsandalen) 
u.  a.  m.  lassen  sich  im  Hocken  auf  den  Waden  verrichten.  Die 
schädlichen  Folgen  für  die  Blutzirkulation  sind  bei  7-10  stündi- 
gem täglichen  Sitzen  sehr  erheblich,  und  zwar  selbst  in  der  guten 
Jahreszeit,  wie  viel  mehr  erst  im  Winter  bei  dem  Mangel  jeg- 
licher Heizvorrichtungen.  Eine  Besserung  wäre  zu  erreichen, 
wenn   den   Gefangenen    Schemel    gegeben    würden  ;    auch    gym- 


4S  CKUSF.N,    GEFAENGNISWESEN. 

nastische  Uebungcn,  die  aber  erst  an  wcnif;-cn  Anstalten  bestehen, 
bilden  ein  heilsames  Gegengewicht.  3)  Andere  Arbeitszweige 
haben  wieder  Gesundheitsschädigungen  abweichender  Art.  So 
befördern  die  Papierfabrikation  und  der  Ziegeleibetrieb  in  der 
kälteren  Jahreszeit  das  Entstehen  von  P'rkältungskrankheiten 
und  Rheumatismus,  Reisreinigen  und  die  Zubereitung  des  Strohs 
zur  Mattenfabrikation  sind  ausserordentlich  schädlich  für  die 
Lungen,  die  Beschäftigung  in  den  Bergwerken  hat  infolge  des 
schroffen  Wechsels  zwischen  der  heissen  Temperatur  in  den 
Gruben  und  der  kälteren  Temperatur  über  Tag,  sowie  infolge  der 
Einatmung  von  verdorbener,  sauerstoffarmer  und  staubreicher 
Luft  Schädlichkeiten  verschiedener  Art  im  Gefolge. 

Unter  diesen  Umständen  ist  es  kein  Wunder,  wenn  die  Zahl 
der  Erkrankungen  und  Todesfälle  unerfreulich  hoch  ist.  Von 
404124  überhaupt  vorhandenen  Gefangenen  im  Jahre'  1899 
erkrankten  266900,  also  auf  je  100  Gefangene  66.  Gestorben  sind: 
1731,  also  auf  je  looo  überhaupt  vorhanden  gewesene  Gefangene 
42,8.  Die  wichtigste  Todesursache  ist  auch  in  Japan  die  Tuber- 
kulose. 

Für  die  preussischen  Zuchthäuser  sind  die  Zahlen  folgende  : 
von  100  männlichen  Gefangenen  erkrankten  1898-99  nach  der 
Gesamtzahl  berechnet :  21,5,  nach  dem  Durchschnittsbestande 
32,  7  ;  von  100  weiblichen  Gefangenen  erkrankten  nach  der 
Gesamtzahl  berechnet  30,8,  nach  dem  Durchschnittsbestande 
berechnet  48,3.  Es  starben  von  1000  männlichen  Gefangenen 
der  Gesamtzahl  97,  von  1000  weiblichen  119,  von  1000  männ- 
lichen Gefangenen  des  Durchschnittsbestandes  14S,  von  lOOO 
weiblichen  186.  Die  wichtigsten  Todesursachen  sind  Tuberkulose 
(35,2  Prozent  aller  gestorbenen  Männer,  38,1  Prozent  aller 
gestorbenen  Weiber)  und  Infektionskrankheiten  (7.9  Prozent  aller 
gestorbenen  Männer,  7.1   Prozent  aller  gestorbenen  Weiber). 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  die  prozentuale  Ziffer  der  Er- 
krankten für  Japan  mehr  als  doppelt  so  hoch  ist,  als  in  Preussen, 
die  Zahl  der  Todesfälle  dagegen  weniger,  als  halb  so  gross.  Die 
letztere  Zahl  wird  aber  zu  Gunsten  Japans  dadurch  bedeutend 
beeinflusst,  dass  die  Statistik  alle  Gefangenen,  auch  die  bis  zu 
I  Tage  Strafdauer  herab,  umfasst,  während  sich  die  preussischen 
Zahlen  nur  auf  Gefangene  mit  einer  Mindeststrafe  von  i  Jahre 
Zuchthaus  beziehen. 

Die  Fürsorge  für  die  erkrankten  Gefangenen  in  den  japa- 
nischen Gefängnissen  lässt,  vom   europäischen    Standpunkte   aus, 


GRUSEN,    GEFAEXGNISWESEN.  49 

manches  zu  wünschen  übrig.  Jedes  Gefängnis  hat  zwar  ein  oder 
mehrere  Lazarette,  und  zwar  nicht  nur  getrennte  Gebäude  für 
männHche  und  weibliche  Gefangene,  sondern  überflüssiger  Weise 
auch  für  Strafgefangene,  Untersuchungsgefangene  und  Zwangs- 
zöglinge, sämtliche  mit  besonderen  Häusern  für  Männer  und 
Weiber ;  dazu  kommt,  dass  in  manchen  grösseren  Anstalten 
die  Lazarette  der  Strafabteilung  noch  in  besondere  Gebäude  für 
schwere,  für  leichte  und  für  Infektionskrankheiten  getrennt  sind. 
Infolgedessen  haben  viele  grössere  Anstalten  6-8  kleine  Kran- 
kenhäuser, die  aber  den  bescheidensten  hygienischen  An- 
forderungen kaum  entsprechen,  in  japanischem  Stile  aus  Holz  und 
Papier  mit  Schiebetüren  gebaut,  ohne  jegliche  Heizvorrichtungen 
und  dabei  häufig  noch  falsch  orientiert,  das  heisst  so  gebaut 
sind,  dass  die  Krankenzimmer  an  der  Schattenseite  liegen. 
Infolgedessen  schützen  sie  im  Winter  nicht  genügend  gegen 
Kälte  ;  in  dem  Gefängnisse  zu  Kioto  fand  ich  an  einem  Schneetage 
des  Februar  1900  in  dem  Hauptlazarett  eine  Temperatur  von 
2°  Celsius.  Auch  die  ärztliche  Behandlung  lässt  v^iel  zu  wünschen 
übrig  ;  die  Gefängnisärzte,  deren  medizinischen  Kenntnisse  etwa 
ihrer  Besoldung  (durchschnittlich  35  Yen  monatlich)  entsprechen, 
sind  fast  ausschliesslich  auf  Provinzial-oMedizin-Schulen  vorgebildet, 
in  die  von  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  nur  wenig  durch- 
gesickert sein  dürfte.  Das  gesamte  Gefängnismedizinalwescn  ist 
entschieden  der  schwächste  Punkt  der  japanischen  Gefangnis- 
verwaltung  und  bedarf  dringend  der  Reform.  Als  deren  Ziele  sind 
zu  fordern  :  i)  Aufgabe  des  bisherigen  Systems  der  Errichtung 
mehrerer  getrennter  Lazarette  für  die  verschiedenen  Arten  von 
Gefangenen  und  Beschränkung  auf  2  Gebäude,  je  i  fiir  Männer 
und  Weiber,  möglichst  mit  gemeinschaftlichem  Mittelbau,  der  die 
Laboratorien,  Apotheke,  Sektionsraum,  Verwaltungs-  und  Arzt- 
Zimmer  enthält ;  2)  Errichtung  der  Gebäude  in  europäischem 
Stile  und  mit  genügenden  Heizvorrichtungen  ;  3)  Verminderung 
der  viel  zu  grossen  Zahl  der  Aerzte  und  Verwendung  der 
ersparten  Gehaltbeträge  zur  Gewinnung  von  i  oder  2  tüchtigen, 
an  einer  der  Universitäten  ausgebildeten  Aerzten  für  jede  Anstalt ; 
4)  Anstellung  eines  hygienisch  (namentlich  in  der  Wohnungs- 
und Ernährungs-  Hygiene)  ausgebildeten  Arztes  in  der  Zentral- 
verwaltung. 

9.  BcJiandlung  der  Ausländer.  Die  Aufhebung  der  Kon- 
sulargerichtsbarkeit infolge  der  revidierten  Verträge  mit  den 
Grossmächten  und  die  Unterstellung  sämtlicher    Ausländer   unter 


50  CRUSEN,    GEFAENGNISWF.SEN. 

die  japanische  Strafgewalt  (seit  Juli  1899)  hat  für  die  japa- 
nische Gerdngnisverwaltunf:^  die  Tflicht  geschaffen,  besondere 
Vorkelirungen  für  die  Aufnahme  der  neu  zu  erwartenden  Gäste 
7,u  treffen.  Allerdings  kamen  auch  vorher  vereinzelt  ausländische 
Gefangene  in  den  japanischen  GeHingnissen  vor,  nämlich  Asiaten 
und  Angehörige  der  europäischen  Staaten,  welche  (wie  Griechen- 
land, die  Türkei,  Serbien,  Rurriänien,  Bulgarien)  das  Recht 
der  Konsulargerichtsbarkeit  nicht  hatten  oder  (wie  Portugal) 
es  nicht  ausübten.  Aber  die  Zahl  derartiger  Gefangener  war 
so  gering,  dass  für  sie  besondere  Vorkehrungen  kaum  erforderlich 
waren.  Dagegen  war  man  bei  Abschluss  der  revidierten 
Verträge  darüber  einig,  dass  Japan  für  eine  den  europäischen 
Anschauungen  im  wesentlichen  entsprechende  Unterbringung 
und  Behandlung  der  ausländischen  Gefangenen  Sorge  tragen 
müsse.  Denn  die  mechanische  Gleichstellung  dieser  Personen  mit 
den  Inländern  in  Bezug  auf  Unterbringung,  Lagerung  und 
Beköstigung  würde  wegen  der  abweichenden  Ivebensgewohnheiten 
eine  ungerechtfertigte  Härte  enthalten.  ])ie  japanische  Ge- 
fängnisverwaltung hat  auch  diese  ihre  Verpflichtung  von  vor- 
neherein anerkannt  und  hat  sofort  die  nötigen  Schritte  gethan, 
um  sie  zu  erfüllen.  Zunächst  sind  in  allen  Gefangnissen,  in 
denen  ein  Zuzug  von  ausländischen  Gefangenen  zu  erwarten 
steht,  besondere  Einzelzellen  für  Ausländer  gebaut,  die  für 
Inländer  nicht  verwendet  werden.  Solche  Zellen  sind  jetzt  im 
ganzen  314  vorhanden,  nämlich  2  in  Kajibashi  (Tokio),  11 
in  Kyoto,  42  in  Osaka,  13  in  Negishi  bei  Yokohama,  31  in 
Kobe,  15  in  Nagasaki,  15  in  Niigata,  2  in  Saitama,  4  in 
Gumma,  3  in  Chiba,  6  in  Ibaraki,  4  in  Tochigi,  6  in  Nara,  S  in 
Miye,  6  in  Shizuoka,  4  in  Yamanashi,  3  in  Shiga,  6  in  Gifu, 
2  in  Sendai,  2  in  Akita,  6  in  P^ukui,  2  in  Ishikawa,  5  in 
Toyama,  6  in  Tottori,  12  in  Shimane,  16  in  Okayama,  4  in 
Hiroshima,  4  in  Yamaguchi,  14  in  Wakayama,  5  in  Tokushima, 
8  in  Kagawa,  10  in  Fukuoka,  6  in  Saga,  5  in  Okinawa,  7 
in  Ilakodate,  16  in  Miike-Shujikan  bei  Omuta.  Ausserdem 
werden  in  Nagoya,  Sugamo,  Tokio  und  Sendai-Shujikan  alle 
Kinzelzellen  zugleich  als  Zellen  für  Ausländer  benutzt.  Sie 
sind  hinreichend  gross,  ähnlich  wie  die  Zellen  der  deutschen 
Gefängnisse  eingerichtet,  enthalten  ein  hölzernes  Bett,  Tisch  und 
Stuhl,  ein  genügend  grosses  Fenster.  Besonders  zweckmässig 
sind    die    Zellen    in    Tsu,    wo  das    Kloset   in   einem    besonderen 


GRUSEN",    GEFAEXGXISWESEX.  5  I 

kleinen  Nebenraunie  angebracht  ist.  Heizeinrichtungen  enthalten 
die  Zellen  allerdings  im  allgemeinen  nicht :  bei  grosser  Kälte 
bekommen  die  Gefangenen  ,,yutampo,"  Gefasse  mit  heissem 
Wasser.  Die  Zellen  dienen  als  Schlaf-  und  als  Arbeitsräume, 
Die  Gefangenen  erhalten,  wenn  sie  nicht  ihre  Kleider  behalten, 
von  der  Verwaltung  europäische  Kleidung  geliefert.  Die  Bekösti- 
gung ist  ebenfalls  europäisch,  mit  Gemüse,  Fisch  und  Fleisch. 
Täglich  ist  mindestens  i  Stunde  Bewegung  im  Freien  gestattet. 
Arbeitsfrei  sind  sowohl  die  japanischen  Festtage  wie  die  kirchlichen 
Feiertage  der  Konfession  des  Gefangenen.  Mindestens  alle  5 
Tage  im  Sommer  und  alle  10  Tage  im  Winter  wird  ein  heisses 
Einzelbad  gewährt.  In  jedem  Gefangnisse  sind  einer  oder  mehrere 
Beamte,  die  etwas  englisch  .sprechen ;  an  einzelnen  Anstalten 
(z.  B.  Nagasaki,  Negishi,  Hiogo-Kobe,  Niigata)  sind  ausserdem 
besondere  Dolmetscher  angestellt.  Der  Zuspruch  eines  Geistlichen 
seiner  Konfession  wird  keinem  Gefangenen  versagt. 

Die  Gesamtzahl  der  in  die  japanischen  Gefängnisse  aufgenom- 
menen Ausländer  betrug  1899:  21  Strafgefangene  und  40 
Untersuchungsgefangene  (meist  Chinesen,  weibliche  Gefangene 
waren  nicht  dabei). 

Es  spricht  für  die  Zweckmässigkeit  der  getroffenen  Ein- 
richtungen, dass  gegen  die  Behandlung  der  Ausländer  in  den 
Gefängnissen  Klagen  bislang  nicht  bekannt  geworden  sind.  Die 
laut  gewordenen  Beschwerden  bezogen  sich  ausschliesslich  auf 
gewisse  Eigenheiten  des  gerichtlichen  Verfahrens  und  die,  vielfach 
übrigens  auf  bindenden  Vorschriften  des  Strafgesetzbuches 
beruhende,  Höhe  der  Strafen.  IVIan  kann  also  sagen,  dass,  soweit 
die  Gefangnisv^erwaltung  in  Betracht  kommt,  der  Uebergang 
in  die  neuen  Verhältnisse  sich  glatt  und  ohne  Schwierigkeiten 
vollzogen  hat. 

§.  8.    Die  Fürsorge  für  entlassene 
Gefangene. 

Der  staatliche  und  private  Schutz  der  wirtschaftlich  und 
moralisch  Schwächeren  befindet  sich  in  Japan  noch  im  An- 
fangsstadium. Solange  Japan  noch  ein  abgeschlossener  Staat  mit 
vorwiegend  Landwirtschaft  treibender  Bevölkerung  war,  konnte 
man  die  Fürsorge  für  Arme,  Kranke,  Arbeitsunfähige  oder  aus 
anderen    Gründen    Hülfsbedürftige    dem  engen   F"amilien\xrbandc 


52  CRUSEX,    GEFAENGNISWESEX. 

Überlassen,  den  das  Sittengesetz  und  Herkommen  zur  Beistand- 
leistung in  weitestem  Umflmge  verpflichteten.  P:rst  mit  der  Er- 
schliessung des  Landes  und  dem  sich  allmählich  vollziehenden 
Uebergange  zum  Industriestaate  ergab  sich  die  Notwendigkeit  eines 
bewussten  Eingreifens  des  Staates  und  der  Gesellschaft.  Die 
ersten  Massnahmen  zum  Schutze  entlassener  Gefangener  datieren 
aus  dem  Jahre  1888  und  erfolgten  unter  energischer  Beihülfe  der 
Gefangnisverwaltung  und  ihrer  Beamten,  die  sich  auch  jetzt  noch 
lebhaft  an  den  l^estrebungen  der  Vereine  beteiligen.  Augenblick- 
lich giebt  es  381  Schutzfürsorge-Vereine,  durch  die  zahreiche 
entlassene  Gefangene  Unterstützung  erhalten  haben  in  der  Form 
der  Gewährung  von  Wohnung,  Verschaffung  von  Arbeit,  von 
baaren  Unterstützungen.  Besonders  erwähnenswert  ist  das  unter 
Leitung  seines  Gründers,  des  Herrn  Hara  stehende  Heim  für 
entlassene  Strafgefangene  in  Tokio,  das  in  den  Jahren  1 897-1900 
über  400  Entlassene  unterstützt  und  erfreuliche  Erfolge  aufzu- 
weisen hat ;  die  Entlassenen  verdienen  sich  zum  grössten  Teil 
ihren  Unterhalt  selbst,  sodass  die  Kosten  des  Asyls  verhältnis- 
mässicr  gering  sind. 


'ö  b^ 


§.  9.     Ergebnisse  der  Strafvollstreckung 
in  Japan. 

Wenn  man  das  Steigen  oder  Sinken  der  Kriminalitätsziffer 
zum  Teil  auf  die  Wirkungen  der  Strafvollstreckung  zurückführen 
will,  so  muss  man  sagen,  dass  die  Gefangnisverwaltung  in 
Japan  bessere  Erfolge  aufzuweisen  hat,  als  in  den  meisten 
europäischen  Ländern.  Denn  trotz  konstanten  Anwachsens  der 
Bevölkerung  (von  41,386,265  am  31  Dezember  1893  auf  46,008,264 
am  I  Januar  1897)  ist  die  absolute  Zahl  der  Verurteilten  gesunken, 
wenn  auch  nicht  sehr  erheblich ;  und  diese  Abnahme  wird 
dadurch  in  ein  besonders  günstiges  Licht  gerückt,  dass  der 
Prozentsatz  der  Rückfalligen,  der  in  Europa  im  Zunehmen  begriffen 
ist,  in  Japan  (mit  33,8  9^)  annähernd  stationär  geblieben  ist 
während  der  Anteil  der  jugendlichen  Verurteilten  (unter  20 
Jahren)  absolut  und  prozentual  gesunken  ist.  Auch  die  Zahl 
der  durch  Strafurteil  zur  Zwangserziehung  untergebrachten  Ju- 
gendlichen unter  16  Jahren  und  Taubstummen  hat  abgenommen. 
Die  Zahlen  ergeben  sich  aus  der  folgenden  Uebersicht ; 


GRUSEN,    GEFAENGNISWESEX. 


53 


I.     Gesamtzahl  der  Verurteilten. 


Erstmalig  Bestrafte 

Rückfällige 

In  Prozenten 

Jahr 

Männer 

Weiber 

Summe 

Männer 

Weiber 

Summe 

Erstmalig 
Bestrafte 

]\.ück- 
fällige 

1894 

S5669 

i"33 

96802 

46618 

30SS 

49706 

66.1 

33.0 

1S95 

76461 

10091 

86552 

41613 

2946 

44559 

66.0 

34.0 

1896 

79941 

9947 

89888 

40404 

2433 

42S37 

67.7 

32.0 

1S97 

81234 

10539 

91773 

42640 

2517 

45157 

67.0 

330 

189S 

77502 

10387 

878S9 

40819 

2477 

43269 

67.0 

33-0 

1899 

S5015 

13085 

9S100 

47831 

5455 

53286 

64.1 

35-3 

1900 

92043 

14143 

106185 

49166 

48S4 

54050 

66.2 

33.^ 

IL    Zahl  der  jugendlichen  Verurteilten 
unter  20  Jahren : 


Jahr 

Unter  i6 
Jahren 

Vun 

Jah 

16-20 
reu 

Summe 

Auf   100    erwach- 
sene   Verurteilte 
kommen 

-■\uf  100  iilierhaupt 
wegen  Verbrechen 
undVergehen  Ver- 
urteilte entfallen 

Knaben 

Miidehen 

Knalif-n 

Mädchen 

Knaben 

Mädchen 

Knaben 

Mädchen 

Knaben 

Mädchen 

1894 

6169 

990 

15886 

1922 

22053 

2912 

21.9 

27.6 

17.9 

21.7 

1895 

4928 

S04 

14260 

1817 

I9188 

2621 

20.9 

26.8 

17.3 

21. 1 

1896 

4519 

768 

14560 

1687 

19079 

2455 

20.0 

25.9 

16.7 

20.6 

1897 

4350 

759 

14979 

1811 

19329 

2570 

19.6 

25.2 

16.4 

20.3 

189S 

4411 

747 

14641 

1673 

19052 

2420 

20.4 

24.2 

169 

19.5 

1899 

3109 

468 

10979 

1285 

14088 

1753 

19.5 

20.1 

16.3 

20.0 

1900 

2750 

455 

109 10 

1214 

13660 

1669 

1S.9 

25.1 

15-9 

20.1 

54 


CRUSEN,    GEFAENGX ISWESEN. 


III.     Zur  Zwangserziehung  Verurteilte 

Minderjährige  unter  16  Jahren  und 

Taubstumme. 


Jahr 

Knabrn 
•leren  Alter 
nicht    or- 
mittclt 
werden 
konnte 

Unter  i6 
Jahren 

Knaben 

Mädelien 

Von  16-20 
Jahren 

Knaben 

Mädchen 

Leber    20 
Jihre 

Knaben 

Mädchen 

Gesamtsummen 

Mädchen 
Knaben               .Summe 

1894 

2 

927 

77 

8 

2 

29 

I 

966 

So 

1046 

1895 

— 

668 

71 

8 

— 

15 

3 

691 

74 

675 

1896 

I 

471 

43 

15 

3 

25 

I 

512 

47 

-   559 

1897 

3 

429 

65 

7 

— 

27 

3 

466 

68 

534 

1898 

— 

510 

62 

20 

— 

29 

2 

559 

64 

623 

1899 

— 

357 

33 

13 

2 

15 

— 

3S5 

35 

420 

1900 

— 

2S8 

29 

I 

2 

iS 

2 

307 

3i 

340 

§.   10.     Litteratur. 


I.    Amtliche  Veröfifentlichimgen : 

Rcsnuic  statistiqnc  de  /'  Empire  du  Japan.  Herausgegeben 
vom  Kaiserlichen  Statistischen  Amte.    15.  Jahrgang,  Tokio   1901. 

Aperpi  gcHcral  du  i'cgiuie  pcnal  appliquc  au  Japon  in  dem 
I^uUetin  du  V."'''  Congres  Pcnitentiaire  International  von  1895  ; 
Melun   1895. 

Rapport  siir  le  Systeme  penitentiaire  du  Japan,  dem  VI. 
Internationalen  Gefängnis-Kongress  zu  Brüssel  1900  im  Auftrage, 
der  Japanischen   Ivegierung  überreicht  von   Ministerialrat   Ogawa 

Reglement  der  Gefängnisse  des  PapainseJicn  Reiches  (Gefängnis- 
Ordnung  vom  12  Juli  1887  nebst  Ausführungs-Bestimmungen) 
Deutsche  llebcrsetzung  von  Takeda,  Blätter  für  Gefängniskunde, 
Band  30  S.  46. 


CRUSEX,    GEFAEXGNISWESEN,  55 


II.    Sonstige  Litteratur : 

Kraitss :  Das  Straf-  und  Gefängniswesen  in  Japan.  Blätter 
für  Gefängniskunde,  Band  30  S.   165. 

Xorinan :  The  real  Japan.  Kap.  3  :  Japanese  Justice. -3 
Aufl.  London    1893. 

RatJigcn  :  Japans  Volkswirtschaft  und  Staatshaushalt.  Leipzig 
1 89  r . 

Zcrstniite  Notizen  in  der  in  Yokohama  erscheinenden 
Zeitschrift  The  Japan  Weekly  Mail;  z.B.  Jahrgang  1898  S. 
199,  S.  235  (Japanese  Prisons),  S.  391,  S.  531  (Prison  Ex- 
penditures),  S.   556  (Prisons  in  Japan),   S.  651. 


Anhang  :  Drei  Gefängnispläne. 

Die  drei  abgebildeten  Pläne  der  Gefängnisse  von  Osaka, 
Negishi  bei  Yokohama  und  Sugamo  bei  Tokio  sollen  eine 
Uebersicht  über  die  im  gegenwärtigen  japanischen  Gefängnisbau 
vertretenen  Typen  geben. 

L  Das  Gefängnis  zu  Osak.i  ist  in  den  Jahren  1875-78 
gebaut,  zur  Aufnahme  von  Gefangenen  aller  Kategorieen  mit 
Ausnahme  der  zu  Zwangsarbeit  verurteilten  Männer  bestimmt 
und  mit  einer  Belegungsfähigkeit  von  etwa  3500  Köpfen  das 
grösste  japanische  Gefängnis,  wahrscheinlich  eines  der  grössten 
Gefängnisse  der  Welt.  Es  besteht  aus  einer  Kolonie  von  durchweg 
einstöckigen  Holzbauten  und  zeigt  auch  im  übrigen  die  karak- 
teristischen  Merkmale  des  älteren  japanischen  Gefängnisbaues, 
insbesondere  die  unübersichtliche  Anordnung.  Einzelzellen  sind 
nur  für  Ausländer,  und  zwar  2T,  vorhanden;  die  Zahl  der 
Beamten  beträgt  447. 

IL  Das  Gefängnis  zu  A^egishi  bei  Yokoliania  dient  den 
gleichen  Zwecken,  wie  das  zu  Osaka,  ist  aber  erst  1 897-1 898 
errichtet  und  repräsentiert  die  moderne  Bauart  der  zugleich  als 
Untersuchungs-  und  Strafgefängnisse  für  Männer  und  Weiber 
sowie  als  Zwangserziehungsanstalten  dienenden  japanischen  Lokal- 
gefangnisse. Bessere  Raumausnutzung,  übersichtlichere  Anord- 
nuniz;  und    die    Verwendune    von  Zieeeln   zu  den  durchwe«;  ein- 


56  CRUSEN,    GEFAF.XGNISWESEN. 

stockigen  Gebäuden  bezeichnen  die  gegen  früher  gemachten 
Fortschritte.  Die  Belegungsfahigkeit  beträgt  1800  Köpfe,  die 
Zalil  (k-r    ]?eaniten  241  ;   320  Einzelzellen    sind    vorhanden. 

in.  Das  Gefängnis  zu  Siigamo  bei  Tokio  giebt  das  Beispiel 
eines  1895  unter  ]>erücksichtigung  deutscher  Vorbilder  (Berlin- 
Moabit)  erbauten  Strafgefangnisses  für  1000  männliche  Gefangene. 
Von  den  neueren  prcussischen  Anstalten  unterscheidet  es  sich 
durch  die  Eingeschossigkeit  aller  Bauten  (abgesehen  von  den, 
lediglich  aus  architektonischen  Gründen  turmartig  gebauten 
Zentralhallen,  No  2  des  Planes)  und  durch  die  innere  Aus- 
stattung der  vSchlafzellen.  Es  sind  1 2  lunzelzellen  vorhanden ; 
die  Zahl  der  Beamten  beträgt  228. 


MiMheüwagen  der  Deutschen  Oesellachaft  für  Nalur-  und  Völkerkunde  Ostasiens. 


I.     Gefängnis  in  Osaka. 

m^m  #t  H  ;&  P^  :^ 


Crusen. — Das  heu 


Bd.  IX.    Tafel  7. 


7 

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7 

i 

ö 

Vfll.  Diot 

-10 

It 

u 

7 

in 

7 

Erklärung  der  Zahlen : 

I,  Eiugang  und  Verwaltungs- 
gebäude. 
II.  Abteilung  für  weibliche  Gefan- 
gene, a.  Arbeitsbaraeken.b.  Straf- 
zellen.  c.  Lazarett  d.  Unter- 
suchungsgefangeiie. 
m.  Uüieiöuobungsgefängnis    für 

Männer. 
IV.  Abteilung  für  jugendliche   und 
für  erwachsene  Gefangene    mit 
guter  Führung. 
V.  Küche. 

VI.  Lazarett    für    männiiche    Straf- 
gefangene. 
VII.  Arbeitsbaracken  für  Strafgefan- 
gene. 
VIII.  Sciilafzellen  für  Strafgefangene, 
JX.  Disziplinar-Zelien. 


1.  Thor. 

2.  Verwaltungsgebäude. 

3.  MHt';^zine. 

4.  Euiuii   für  Verteidiger. 

5.  Warteraura  für  das  Prblikum. 

6.  Wachthaus  (Aufseber-Posten). 

7.  Arheitsbaracken. 

8.  Wa.-ehküche. 

9.  Schlafzelion. 

10.  Verbindungsthüren. 

11.  Krankenhaus. 

12.  Hinriclktungsplatz. 

13.  Erholungsraura  für  Beamte. 

14.  Raum  zum  Kriefschreiben. 

15.  Raum     für     körperliche    Unter- 

suchung der  Gefangenen. 

16.  Desinfektiong-Apparat. 

17.  Kirche. 

18.  Schule. 

19.  Disziplinarzelleil  (für  Dunkelar- 

rest und  einfachen  Arrest). 

20.  Besuchs-Raum. 

21.  Küche. 

22.  Scliuppen     für     Feuerung     und 

Geräte. 

23.  Truckenraum. 

24.  Arzt-Zimmer. 

25.  Feclitsaal  für  Beamte. 

26.  Polizei-Abteilung. 

27.  Aufseher-Schule. 

28.  Feuerspritze. 


:he  Crefiingiiiswesen, 


Mütheüvngen  der  Ütulschen  Gesellschaft  für  Nalur-  und  VölJcerkuruk  Ostadens. 

IV. 


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Crusen. — Das  heutig* 


Bd.  IX.    Tafel  S< 


II.    Gefängnis  in  Negishi  bei  Yokohama. 

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I.    Männer-Untersucfaungs- 
Gefän^is. 
II!    Weiber-Gefängnis. 

III.  Männer-Lazarett. 

IV.  Dienstwohnungen. 


9. 
10. 

11. 
12. 
13. 

14. 
15. 
16. 

17. 

18. 


Brücke. 

Ilauptthor. 

Wartezämmer. 

Besuchszim  rner. 

Boreau-Räuiiie. 

Magazine. 

Einzelzellei;  für  Untersnch- 
ungs-Gefiingene. 

Gerneinschaftszelleii  für  Unter- 
suchungs-Gefangene. 

Einzeizellen  für  Strafgefangene. 

GemeinschaftBzellen  für  Straf- 
gefangene. 

Arbeitöbaracken, 

Kirche. 

Spazierhöfe. 

Schale. 

Tjazarett. 

Leichen  räum. 

Lazarett  für  ansteckende 
Krankheiten. 

Küche, 


ihe  Gefängni.swesen. 


MittheUuttgen  der  Deuttchm  Oegellaeha/t  für  Nalur-  und   Volkerkwnde  Oetasieru. 


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Grusen. — Das  heuti 


Bd.  IX.    Tafel  9. 


III.     Strafgefängnis  für  Männer 
in  Sugamo  bei  Tokio. 

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Eingang  und  Bureau-R*»ime. 

Zentral  halle  mit  Aufseher-Posten. 

Zellenflügel. 

Küche  und  Bad. 

Arbeitabaracken. 

Lazarett. 

Lazarett  für  Infektionskrankheiten. 

I^ichenraam. 

Desinfektionsapparat. 

Haapt-Thor. 

Dienstwohnungen. 

Haftraum    für    die  zur    Polizeiaufsicht  Verurteilten. 

Magazine. 

Wartezimmer. 

Magazin. 

Feuerspritze. 

Magpzin. 

Waschküche. 

Magazin.  (Schuppen). 

Kehricht-Platz, 

G«räte  für  die  Latrinenabfuhr. 

Disziplinarzellen  für  Dunkelarrest. 

Disziplinarzellen  für  einfachen  Arrest. 

Sitzungsz  mimer. 


Wacht-Türme. 
A  rbeitsbaracken 

Abort. 

Mauer. 

Brunnen. 

Rasenplatz. 

Mauer. 

Graben. 


für     Polizeiaufeicht-  Gefangene. 


ehe  Gefangniswesen. 


DER  TABAK,  SEIN  BAU  UND  SEINE  WEITERE 
BEHANDLUNG  IN  JAPAN, 


Von  Dr.  Max  Lehmann. 


Um  die  Zeit,  als  das  Christentum  von  den  Portugiesen  in 
Japan  eingeführt  wurde,  wurde  hier  auch  der  Genuss  des  Tabaks 
bekannt,  und  zwar  zuerst  auf  der  Insel  Kiushiu.  Von  der 
Kultivierung  der  Tabakspflanzc  findet  sich  jedoch  bis  zum  Ende 
des  i6.  Jahrhunderts,  also  etwa  50  Jahr  später,  in  der  Littera- 
tur  keine  Erwähnung. 

Um  das  Jahr  1596  wurde  zum  ersten  Mal  Tabaksamen 
importiert  und  in  der  Umgegend  der  Stadt  Ibusuki  im  südlichsten 
Teil  der  Provinz  Satsuma  ausgesät.  Diese  Gegend  ist  bis  auf 
den  heutigen  Tag  wegen  der  Güte  ihres  Tabaks  in  ganz  Japan 
berühmt  geblieben.  Der  damalige  Gouverneur  von  Satsuma, 
ein  Fürst  Shimatsu,  schenkte  \on  diesem  Samen  dem  Hof  in 
Kioto,  die  Pflanzen  wurden  auf  dem  Hanayama,  einem  Berg  in 
der  Provinz  Yamashiro,  gebaut  und  empfingen  daher  den  Namen 
Hanayama-Tabak.  Dies  war  das  zweite  Centrum,  von  dem  aus 
sich  der  Tabakbau  über  die  benachbarten  Städte  und  Provinzen 
verbreitete. 

Dann  soll  im  Jahr  1605  Tabaksamen  von  einem  fremden 
Schiff  nach  Japan  gebracht  und  zuerst  in  Sakura-baba  in  Nagasaki 
ausgesät  worden  sein.  Von  dort  soll  ein  buddhistischer  Priester 
aus  Shinano  Samen  nach  seiner  Heimat  und  der  Provinz  Kai 
geschickt  haben,  worauf  die  Kultur  des  Tabaks  sich  bald  über 
den  ganzen  östlichen  Teil  Japans  ausdehnte. 

Genau  wie  in  den  europäischen  Ländern,  so  sind  auch  in 
Japan  im  Anfang  alle  Mittel  des  Gesetzes  gegen  die  Verbreitung 
des  Tabaksgenusses  in  Anwendung  gebracht  worden,  und  mit 
genau  demselben  Miserfolg  Avie  anderwärts.  Im  Jahr  1607  wurde 
zunächst  nur  der  Genuss  des  Tabaks  als  gesundheitsschädlich 
verboten,  1609  auch  der  Anbau.     Als  eine  Wiederholung  dieses 


58  M.    LEHMANN,    TABAK. 

Verbots  im  Jalir  1611  immer  noch  keinen  Erfolg  hatte,  ordnete 
der  Shogun  von  Japan,  der  Fürst  Tokugawa  Hidetada,  161 2 
strengere  Massregeln  an.  Jeder,  der  Tabak  verkaufte,  sollte  sein 
ganzes  Vermögen  an  den  verlieren,  der  ihn  angab,  wer  ein  mit 
Tabak  beladenes  Pferd  auf  der  Strasse  anhielte,  sollte  mit  Pferd 
und  Ladung  belohnt  werden,  und  Tabak  sollte  nirgendwo  in 
Japan  mehr  angebaut  werden.  Trotzalledem  verbreitete  sich  das 
Tabakrauchen  immer  mehr,  z.  B.  rauchten  161 5  sogar  die 
Offiziere  des  Shogun  von  Yedo,  und  deshalb  wurde  ein  strenger 
Befehl  herausgegeben,  dass  ein  jeder  Offizier,  der  Tabak  genösse, 
mit  Einziehung  seines  Vermögens  bestraft  werden  sollte.  16 16 
ging  man  so  weit,  auf  Bau  und  Verkauf  von  Tabak  Gefängnis- 
strafe zu  setzen.  Ausserdem  sollten  von  jedem  Bauern  des  Ortes, 
in  dem  das  Vergehen  begangen  wäre,  i  Sen,  vom  Ortsvorsteher 
50  Sen  zur  Strafe  erhoben  werden. 

Auf  die  vielen  Ge.setze,  die  später  noch  in  dieser  Richtung 
erlassen  wurden,  will  ich  nicht  eingehen.  So  streng  sie  auch 
waren,  niemand  gehorchte  ihnen.  Schon  damals  ergab  sich  fast  jeder 
dem  Tabaks  genuss,  und  selbst  im  Palast  des  Mikado  rauchten 
viele,  wie  es  durch  ein  Gedicht  des  Kaisers  jener  Zeit  bewiesen 
wird. 

Infolgedessen  wurden  die  Gesetze  immer  milder,  und  bald 
war  nur  noch  das  Bauen  von  Tabak  auf  Reisfeldern  und  ui 
Gemüsegärten  verboten.  Nur  ab  und  zu,  in  langen  Zwischen- 
räumen, sind  dann  noch  Gesetze  über  den  Tabak  herausgekommen. 
So  wurde  1693  den  Bedienten  verboten  zu  rauchen,  wenn  sie 
auf  ihre  einen  Besuch  machende  Herrschaft  warteten.  1695 
wurde  angeordnet,  die  Polizei  sollte  die  Strafsen  bei  Tag  und 
Nacht  absuchen  und  jeden,  der  dort  rauchte,  festnehmen.  Später 
wurden  die  Verordnungen  noch  kleinlicher,  wie  jene  vom  Jahr 
1789,  die  Tabakspfeifen  mit  Gold,  Silber  oder  Messing  zu  \  er- 
zieren verbot,  bis  sie  schliesslich  ganz  verschwanden.  Erst  ganz 
neuerdings  ist  wieder  ein  solches  Gesetz  gegeben  worden,  das 
vom  Jahr  1900,  das  sich  gegen  den  Tabaksgenuss  der  Jugend 
richtet.  So  löblich  dieses  Gesetz  ist,  scheint  es  leider  auch  so 
ziemlich  das  Schicksal  seiner  Vorgänger  zu  teilen. 

Obgleich  der  Tabak  eine  Tropenpflanze  ist,  besitzt  er  doch 
ein  grosses  Akklimatisationsvermögen  und  kann  deshalb  noch 
in  ziemlich  nördlich  gelegenen  Ländern,  so  z.  B.  in  Schweden, 
gebaut  werden.  Der  grösste  Teil  Japans  bietet  daher  dem  Tabak 
die  geeigneten  klimatischen  Bedingungen.     Allerdings  ist  es  nötig, 


M.    LEHMANN,    TABAK.  50 

eine  Art  Kunstgriff  anzuwenden,  um  den  Tabak  in  den  gemässigten 
Zonen  zur  Reife  zu  bringen.  Man  muss,  wie  man  es  auch  z.  B. 
mit  dem  Reis  macht,  den  Tabak  bis  zu  einem  gewissen  Punkt 
der  Entwicklung  im  Saatbeet  ziehen  und  dann  erst  auf  den 
offenen  Acker  umpflanzen.  Dies  ist  nötig,  weil  der  Tabak  zu 
seiner  vollen  Entwicklung  bis  zur  Reife  5-6  Monate  gebraucht 
und  während  dieser  Zeit  vor  nichts  mehr,  als  vor  Frost  bewahrt 
Averden  muss.  Daher  wird  auch  für  die  Saatbeete  eine  womöglich 
etwas  nach  Süden  geneigte  und  vor  Winden  recht  geschützte 
Lage  ausgewählt.  Lässt  man  die  Pflänzchen  nun  i  V-'-2  Monate, 
unter  Umständen  auch  noch  länger,  in  diesen  Saatbeeten,  in 
denen  man  sie  auch  noch  durch  zweckmässige  Bedeckung  leicht 
vor  Frost  schützen  kann,  so  genügt  auch  eine  frostfreie  Zeit  von 
4  Monaten.  Im  Allgemeinen  steht  der  Tabak  in  Japan  etwa 
100  Tage  auf  dem  Felde. 

Dem  Saatbeet  wird  grosse  Fürsorge  gewidmet.  An  einer 
Stelle  mit  den  eben  erwähnten  Eigenschaften,  also  nach  Süden 
geneigt  und  vor  Winden  recht  geschützt,  wird  der  Boden  7-8" 
tief  sorgfältig  umgegraben.  Häufig  hebt  man  den  Boden  etwa 
10"  tief  vollständig  heraus,  kleidet  die  so  entstandene  Grube 
mit  Stroh-  oder  Schilfmatten  aus  und  füllt  den  Boden,  nachdem 
man  ihn  mit  Dünger  gemischt  hat,  wieder  hinein.  Diese  Aus- 
kleidung mit  Matten  bezweckt  wohl  zweierlei.  Erstens  mag  sich 
das  Saatbeet  dadurch  etwas  wärmer  halten  und  zweitens  werden 
tierische  Schädlinge,  die  von  unten  eindringen  könnten,  abgehalten. 
Das  Saatbeet  wird  in  einer  Breite  von  3-5'  und  einer  Län^^e 
von  30-1  So'  hergestellt.  Zur  Düngung  wendet  man  an:  o-ut 
zersetzten  Stalldünger,  Fäkalien,  Holzasche,  zuweilen  auch  Raps- 
kuchen, diesen  aber  nur  mit  grosser  Vorsicht,  w^eil  er  bei  seiner 
Zersetzung  leicht  schädigend  auf  die  jungen  Pflänzchen  einwirken 
könnte.  Der  Dünger  wird  mit  Erde  vermischt,  auf  das  Saatbeet 
gestreut  und  flach  untergebracht.  Die  Düngermengen  sind  in 
verschiedenen  Gegenden  sehr  verschieden.  In  Gegenden,  die 
durch  ihren  Tabak  berühmt  geworden  sind,  giebt  man  pro 
Tsubo  (  3  Ys  qm )  etwa : 

24  kg     Stalldünger, 

36  kg     Oelkuchen, 

1.4  kg     Strohasche, 
16.5   kg     Fäkalien. 
An  manchen  Orten  wird  nicht  die  ganze  Menge  des  Düno-qrs 
gleich    vor    der    Aussaat    gegeben,  sondern    es    wird    auch    eine 


60  M.    LEHMANN,    TADAK. 

Kopfdüni^uni;' angewandt.  In  dem  durcli  seinen  Tabak  ueitberühni- 
ten  Kokubu  (Prov.  Satsuma)  z.  B.  ist  sogar  eine  zweimalige 
Kopfdüngung  gebräuchlich.  Hier  wendet  man  auch  die  in 
Amerika  sehr  beliebte  Methode  an,  das  Saatbeet  vor  dem 
Umgraben  abzubrennen,  d.  h.  Holz,  Gras  u.  dergl.  darauf  auf- 
zuhäufen und  dann  anzuzünden.  Dadurch  werden  natürlich  alle 
Schädlinge,  die  sich  nicht  zu  tief  im  Boden  befinden,  vernichtet. 
^  Die  Aussaat  nimmt  man  je  nach  der  geographischen  und 
der  Höhenlage  zu  verschiedenen  Zeiten  vor,  im  Süden  im  Oktober 
oder  November,  weiter  nördlich  im  Februar,  in  der  Breite  von 
Tokio  im  März  oder  Anfang  April  und  in  nördlicheren  oder 
besonders  kalt  gelegenen  Gegenden  sogar  erst  Anfang  Mai. 
Der  Grund  dieser  so  verschiedenen  Aussaatszeit  ist  hauptsächlich 
die  "-rosse  Empfindlichkeit  des  Tabaks  gegen  Frost.  In  den 
Ge^-enden,  in  denen  den  Winter  über  nur  20-30  mal  ein  leichter 
Nachtfrost  eintritt,  lässt  sich  das  Saatbeet  natürlich  leicht  schützen. 
Anderwärts  muss  man  die  Hauptfrostzeit  vorübergehen  lassen, 
ehe  man   aussät. 

Das  Saatquantum  beträgt  etwa  ig  pro  iqm,  der  Samen 
wird  breitwürfig  ausgesät  und,  damit  man  sehen  kann,  ob  man 
ihn  auch  gleichmässig  über  das  Saatbeet  verteilt,  vorher  mit  Asche 
oder  Shirasu  (Seesand)  gemischt.  Stehen  die  Pflanzen  später 
auf  dem  Beet  zu  dicht,  so  werden,  wenn  sie  2-3"  lang  sind,  so 
viel  herausgezogen,  dass  die  übrigen  in  Zwischenräumen  von 
etwa  1"  stehen.  Natürlich  wählt  man  zum  Herausziehen  die 
schwächsten  Pflanzen.  Mancherorts  entfernt  man  auch  diejenigen 
Pflanzen,  die  zuerst  keimen.  Die  Insekten  werden  stets  sorgfaltig 
abgelesen,  vom  Unkraut  hält  man  die  Beete  frei  und  sucht  sie 
auch  vor  Maulwürfen  möglichst  zu  bewahren.  Auf  iha  Tabaks- 
acker rechnet  man  70-130  qm  Saatbeet. 

Die  Zeit  des  Verpflanzens  auf  den  Acker  richtet  sich  ebenso 
nach  dem  Klima,  wie  die  Zeit  der  Aussaat.  Während  man  in 
warmen  Gegenden  das  Verpflanzen  schon  im  April  vornimmt, 
n:uss  man  in  kälteren  damit  bis  Anfang  Juni  oder  sogar  Anfang 
Juli  warten.  Gewöhnlich  verpflanzt  man  nicht  vor  dem  letzten 
bisher  in  der  betreffenden  Gegend  beobachteten  PVosttermin. 
In  der  Provinz  Kagoshima  z.  B.  ist  dieser  Termin  der  29.  ]\Iärz  ; 
dort  wird  Anfang  April  mit  dem  Verpflanzen  begonnen.  Um 
diese  Zeit  Laben  die  Pflänzchen  5-6  Blätter,  von  denen  die 
grössten  3-4"  lang  sind. 

Der  Tabak  wird  in  Japan  meistens  im  Wechsel  mit  Weizen 


M.    LEHMANN,    TAIJAK.  Öl 

oder  Gerste,  zuweilen,  und  zwar  in  den  nördlichen  Gegenden, 
auch  mit  Raps  oder  Soyabohnen  angebaut.  In  dem  beri^ihmten 
Tabaksort  Kokubu  ist  die  Fruchtfolge  : 

1.  Jahr:  Awa,  Soyabohne,  Gerste; 

2.  Jahr  :  Tabak. 

In  Izumi,  gleichfalls  in  der  Provinz  Satsuma  gelegen,  baut 
man  : 

1.  Jahr:  Tabak,  Awa,  Gerste; 

2.  Jahr  :  Awa  oder  silisse  Kartoffel,  Gerste,  Tabak  ;   oder 

1.  Jahr  :  Tabak,   Roggen, 

2.  Jahr  :  Soyabohne,  Gerste, 

3.  Jahr  :  Awa,  Gerste,  Tabak. 

Früher  hat  man  dort  die  Fruchtfolge  noch  mehr  variiert, 
verschiedene  Pflanzen  wie  Rettig,  Eierpflanze  u.  s.  w.  dürfen  aber 
seit  einiger  Zeit  auf  Befehl  der  Regierung  nicht  mehr  im  Wechsel 
mit  Tabak  gebaut  werden,  weil  sie  für  einige  Tabakskrankheiten 
empfindlich  sind  und  dadurch  eine  dauernde  Infektion  des  Bodens 
verursachen.  In  die  Liste  dieser  verbotenen  Pflanzen  soll  jetzt 
auch  noch  die  süsse  Kartoffel  aufgenommen  werden.  In  der 
Provinz  Satsuma  hat  man  bisher  Tabak  zuweilen  auch  auf 
Reisfeldern  gebaut,  doch  auch  das  soll  von  jetzt  an  verboten 
werden,  weil  dieser  Tabak  sehr  schnell  an  Güte  verliert. 

Man  pflanzt  den  Tabak  entweder  noch,  bevor  das  Getreide 
geerntet  ist,  zwischen  die  Reihen  desselben,  oder  auch  erst  nach 
der  Ernte  des  Getreides.  Im  letzteren  Falle  ackert  man  das 
Feld  sofort  nach  der  Ernte  des  Getreides  um  und  zieht  etwa  3' 
breite  Dämme,  auf  die  der  Tabak  gepflanztwird.  Im  Allgemeinen 
pflanzt  man  hier  ziemlich  dicht,  die  Reihen  liegen  im  Durch- 
schnitt nicht  ganz  im  auseinander,  der  Abstand  der  Pflanzen 
von  einander  in  den  Reihen  beträgt  durchschnittlich  40  cm. 
Das  macht  pro  Tan  ('/„,  ha)  über  3000  Pflanzen.  Ist  der  Boden 
lehmig,  so  wird  die  Entfernung  der  Reihen  von  einander  ver- 
ringert,  ist  er  sandig,  so  wird  sie  vergrössert.  In  manchen 
Gegenden  stehen  4,  6,  loooo,  ja  sogar  bis  zu  12000  Pflanzen 
auf  einem  Tan.  Zum  Vergleich  will  ich  anführen,  dass  man  in 
der  Pfalz  3-4000,  in  Ungarn  nur  1500  Pflanzen  auf  i  Tait 
bringt.  Die  Reihen  werden,  wenn  es  möglich  ist,  in  der  Richt- 
ung von  Norden  nach  Süden  angelegt. 

Als  Düngemittel  für  Tabak  werden  in  Japan  verwendet  : 
P'äkalien,  Stalldünger,  Rapskuchen,  Reiskleie,  Soyabohnenkuchen, 
Fischguano,    Holzasche,   Strohasche,    Knochenmehl  u.  dergl.  und 


62  M.     r.KIlMAXN,    TAI'.AK. 

(irün(lüni(cr  in  Gestalt  von  Gräsern  oder  Blättern.  Obgleich  man 
mit  dem  Fischguano  und  der  Reiskleie  keine  guten  Erfahrungen 
gemacht  hat,  da  der  erstere  stark  beeinträchtigend  auf  die 
Qualität  des  Tabaks  wirkt,  die  letztere  leicht  die  Pflanzen  schädigt, 
hat  man  die  Anwendung  dieser  beiden  Düngemittel  immer  noch 
nicht  ganz  aufgegeben.  Ganz  besonders  hoch  ist  in  Japan  der 
Rapskuchen  als  Düngemittel  für  Tabak  geschätzt ;  nur  steht  der 
allgemeinen  Anwendung  desselben  seine  Kostspieligkeit  im  Wege. 
Man  ist  daher  seit  einiger  Zeit  mit  Versuchen  darüber  beschäftigt, 
ob  nicht  der  Soyabohnenkuchen,  der  ausserordentlich  billig  ist, 
bei  geeigneter  Behandlung  den  Rapskuchen  ersetzen  kann. 

Die  P'äkalien  werden  in  verhältnismässig  grossen  Mengen 
angewendet,  merkwürdigerweise  ohne  üble  Einwirkung  auf  den 
Tabak.  In  Deutschland  hat  man  nämlich  im  Lauf  der  Zeit 
erkannt,  dass  die  Anwendung  von  Fäkalien  als  Dünger  die 
Giimmföhigkeit  des  Tabaks  stark  herabsetzt,  wie  man  glaubt,  in- 
folge des  hohen  Gehalts  der  Fäkalien  an  Kochsalz.  Obgleich 
nun  die  Fäkalien  der  Japaner  nach  den  Anal}-sen  von  Kellner 
noch  mehr  Kochsalz  enthalten,  als  die  der  Europäer,  hat  doch 
der  japanische  Tabak,  trotzdem  er  stark  mit  P^äkalien  gedüngt 
wird,  im  Allgemeinen  eine  recht  gute  Glimmfähigkeit,  wahr- 
scheinlich wegen  der  ausserordentlichen  Dünne  der  Blätter. 

Wenn  man  auch  nicht  mit  genauen  Zahlen  angeben  kann, 
wieviel  von  den  drei  Hauptnährstoffen  Stickstoff,  Phosphorsäure 
und  Kali  der  japanische  Landwirt  seinem  Acker  für  eine 
Bestellung  mit  Tabak  zuführt,  weil  er  bis  jetzt  seine  Düngemittel 
noch  nicht  hat  chemisch  untersuchen  lassen,  so  kann  man  doch 
mit  gutem  Gewissen  sagen,  dass  weitaus  die  meisten  Landwirte 
in  Japan  viel  zu  schwach  düngen. 

Die  Normaldüngung  nach  dem  Urteil  der  japanischen  Sach- 
verständigen ist  pro  Tan  (Vi,,  ha)  : 

15  kg  Stickstoff,  7.5  kg  Phosphorsäure,  15  kg  Kali.  Nun 
giebt  es  allerdings  Ortschaften,  die  diese  Düngermenge  anwenden, 
oder  sogar  noch  weit  überschreiten,  z.  B.  : 

Kawaimura,  Nomigori,)32  kg    Stickstoff,    29  kg    Phosphorsäure, 
Provinz  Kaga  [54  kg  Kali, 

Kokubu,  Provinz  Satsuma:   25  kg  Stickstoff,  1 1 kg  Phosphorsäure, 

14  kg  Kali. 
Das   sind    aber  Ausnahmen.  Die  meisten  Bauern  sparen   am 
Dünger,    und  ein  Beispiel  für  besonders  schwache  Düngung  ist  : 


M.    LEHMANN,    TABAK.  63 

Yamashil'odani,  )S-7  ^S  Stickstoff,    1.5  kg  Fhosphorsäure, 

Provinz  Awa,  Shikoku.j3  kg  Kali, 

Die  Zahlen,  die  ich  soeben  angeführt  habe,  sind  nur  schätz- 
ungsweise gewonnene  Werte,  und  wenn  sie  auch  der  Wirklichkeit 
ziemlich  nahe  kommen  werden,  so  sind  sie  doch  nicht  ganz  genau. 
Deshalb  will  ich  jetzt  noch  an  einigen  Orten  gebräuchliche 
Düngemethoden  nach  der  Menge  der  dort  gegebenen  Düngemittel 
anführen. 

1.  Gegenden  mit  schlechtem  Tabak  wie  Miharu,  Okayama 
u.  s.  w. 

26  Ctr.   Kompost  oder  Stalldünger,  7  Ctr.   Fäkalien. 
In    diesen    Gegenden   lässt   gewöhnlich    auch  die    Behand- 
lung des  Komposts  und  des  Stalldüngers  zu  wünschen  übrig. 

2.  Gegenden  mit  besserem  Tabak,  wie  Hadano,  Ota  u.  s.  w. 
15  Ctr.  Kompost  oder  Stalldünger,  2.5-6  Ctr.  Rapskuchen. 
Ein  Teil  des  Rapskuchens  wird  als  Kopfdüngung  gegeben. 

3.  Gegenden  mit  dem  besten  Tabak,  das  ist  hauptsächlich 
die  Provinz  Satsuma.  Hier  führe  ich  die  an  den  drei 
Haupttabaksorten  der  Provinz  üblichen  Düngungsarten  an : 

Ibusuki.  5.5   Ctr  Rapskuchen,  6  Ctr  Stalldünger,  etwas  Sho- 

chukuchen  und  Fäkalien. 
Shochukuchen  sind  die  Pressrückstände,  die  bei  der  Spiritus- 
brennerei der  süssen  Kartoffel  gewonnen  werden.  Der  dabei 
erhaltene  Alkohol,  Shochu  genannt,  ist  ein  in  Satsuma  sehr 
beliebtes  Getränk,  das  stark  nach  Fuselöl  (Amylalkohol) 
schmeckt. 

Izumi.  Vor  dem  Verpflanzen  wird  gegeben  : 
20  Ctr.  Stalldünger,   1.3  Ctr  Rapskuchen. 
2-3  Wochen  nach  dem  Verpflanzen  : 
10  Ctr  Stalldünger,    i   Ctr  Rapskuchen. 
Wenn  die   Pflanzen  etwa  20  cm  hoch  sind  : 

3   Ctr  Rapskuchen 
Dazu    kommt  noch    etwas     Shochukuchen     und     Fäkalien. 
Kokubu.  5-7  Ctr  Rapskuchen,  11-12  Ctr  Stalldünger,  etwas 
Shochukuchen  und  Fäkalien.    Diese  gesamte  Menge  wird 
in    vier  Abschnitten  gegeben,  und  zwar  : 

1.  Düngung  (Shikingoye)- Rapskuchen  und  Stalldünger, 

2.  ,,  (Kakengoye)-verdünute  Fäkalien, 

3.  ,,  (Hongoye)-Rapskuchen, 

4.  ,,  (Oingoye)-Rapskuchen  und  Stalldünger, 
Alle  angeführten  Zahlen  beziehen  sich  auf  i   Tan   ('/jo  ha). 


64  M.    LEHMANN,    TABAK. 

Während  der  Entwicklung  des  Tabaks  auf  dem  Felde  wird 
der  Acker  zwei-oder  dreimal  gehackt  und  gejätet,  was  gewöhn- 
Hch  mit  einer  schwachen  Kopfdüngung  verbunden  wird.  Der 
Vernichtung  der  tierischen  und  pllanzlichen  Schädlinge  des  Ta- 
baks müssen  sich  die  Landwirte  in  Japan  besonders  eifrig  be- 
fleissigen,  weil  einerseits  Japan  an  derartigen  Feinden  der  Pflan- 
zenkultur sehr  reich  ist,  andrerseits  diese  Schädlinge  günstige 
Fortpflanzungsbedingungen  finden,  wenn  Jahr  für  Jahr  auf  dem- 
selben Felde  dieselben  ihnen  zusagenden  Pflanzen  gezogen 
werden,  wie  es  im  grössten  Teil  Japans  geschieht. 

Wenn  die  Pflanzen  anfangen  zu  blühen,  werden  sie  gekcjpft, 
d.  h.  die  Spitze  der  Pflanze,  ihr  Blütenstand,  wird  abgeschnitten. 
Dies  geschieht,  um  alle  Kräfte  und  Säfte  der  Pflanze,  die  sonst 
fiir  die  Ausbildung  der  Samen  beansprucht  werden  würden, 
ausschliesslich  den  Blättern  zugute  kommen  zu  lassen'  Die 
Pflanzen  natürlich,  die  flir  die  Samengewinnung  bestimmt  sind, 
und  dazu  werden  die  hervorragendsten  Exemplare  ausgesucht, 
werden  nicht  geköpft.  In  den  einzelnen  Ortschaften  gelten  ver- 
schiedene Regeln  über  die  rechte  Zeit  zum  Köpfen.  In  Ibusuki 
z.  B.  köpft  man,  sobald  die  Knospe  anfangt  sich  zu  öffnen,  das 
ist  etwa  2  Yo  Monat  nach  dem  Verpflanzen ;  in  Izumi,  wenn 
drei  Knospen  blühen  ;  in  Kokubu  60-70  Tage  nach  dem  Ver- 
pflanzen ;  der  Tabak  ist  dann  6'  hoch  und  hat  20-25  Blätter. 
Zuweilen  stülpt  man  nach  dem  Köpfen  eine  Blüte  über  die 
Schnittfläche  des  Stengels,  um  sie  vor  Regen  und  dem  dadurch 
eventuell  verursachten   Anfaulen  zu  schützen. 

Kurze  Zeit  nach  dem  Köpfen  beginnen  sich  an  den  Pflanzen 
Seitensprossen  zu  bilden.  Auch  diese  werden  entfernt,  damit 
die  Säfte  der  Pflanze  auf  die  wenigen  Blätter,  vielleicht  14,  16- 
20  konzentriert  werden  ;  diese  Massregel  nennt  man  in  Deutsch- 
land das  Geizen  des  Tabaks,  die  Seitensprossen  heissen  Geizen. 
In  manchen  Ländern  gewinnt  man  noch  eine  Geizenernte,  indem 
man  nach  der  Haupternte  einen  Seitenspross  sich  weiter  ent- 
wickeln lässt.  Wenn  der  so  gewonnene  Tabak  auch  nicht  die 
Qualität  der  Haupternte  erreicht,  so  erhöht  sich  doch  der  Ertrag 
des  Ackers  bei  Anwendung  dieser  Methode  beträchtlich.  Aller- 
dings wird  sich  nicht  jedes  Klima  und  jeder  Boden  dafür  eignen, 
auch  muss  besonders  stark  gedüngt  werden.  In  Japan  hat  man 
meines  Wissens  bis  jetzt  noch  keine  Versuche  darüber  ange- 
stellt. 

Die    Ernte    des    Tabaks    findet,    wie    ich    schon    erwähnte, 


M.    LEHMANN',    TAnAK.  65 

meistens  etwa  loo  Tage  nach  dem  Verpflanzen  statt,  d.  h.  die 
Haupternte,  die  Ernte  der  mittleren  Blätter,  die  in  Japan  Xakaha 
oder  Hompa  genannt  werden.  Die  unteren,  in  Deutschland 
Sandblätter,  hier  Doha  genannten  Blätter,  ungefähr  vier  an  der 
Zahl,  werden  etwas  früher,  sobald  die  Pflanzen  ausgewachsen 
und  diese  Blätter  gelb  oder  braun  geworden  sind,  die  oberen 
Blätter,  ,,Tempa",  etwas  später  geerntet.  Natürlich  erntet  man 
aber  die  oberen  Blätter  gleichzeitig  mit  den  mittleren,  wenn  man 
die  Blätter  noch  am  Pflanzenstock  hängend  trocknen  will.  Etwa 
1590  des  japanischen  Tabaks  wird  auf  diese  letztere  Weise  be- 
handelt. Dass  die  Blätter  reif  sind,  erkennt  man  daran,  dass 
sie  eine  etwas  hellere  Farbe  bekommen  haben  und  halbdurch- 
sichtig geworden  sind.  Uebrigens  gehört  viel  Erfahrung  dazu,  den 
Reifezustand  des  Tabaks  richtig  beurteilen  zu  können.  In  Nord- 
amerika heisst  es,  wenn  ein  Landwirt  sich  sagt:  ,,So,  jetzt  ist 
der  Tabak  reif,  und  du  kannst  ernten  ",  .dann  hätte  er  schon 
8-14  Tage  vorher  mit  der  Ernte  beginnen  müssen.  Die  beste 
Qualität  haben  die  mittleren  Blätter,  Nakaha  oder  Hompa,  dann 
folgen  die  unteren,  Doha,  und  am  schlechtesten  sind  die  oberen, 
Tempa,  weil  sie  nicht  ganz  ausreifen.  Die  16-18  Blätter  der 
ganzen  Pflanze  verteilen  sich  auf  die  einzelnen  Blattsorten  etwa 
folgendermassen  : 

Doha       -  3-4     Blätter, 

Hompa    -  9-10       ,,       , 

Tempa     -  3-4         ,,       . 
In  Kokubu,  wo  man  beim  Köpfen  bis  zu   23   Blätter  an  der 
Pflanze  stehen  lässt,  unterscheidet  man  noch  eine  vierte  Blattsorte, 
Chuha   genannt,    und  das  sind  die    zwischen   Doha    und    Hompa 
an  der  Pflanze  stehenden  Blätter.  Hier  erntet  man  : 

Doha     -  3-4     Blätter, 

Chuha    -  9-10       ,,       , 

Hompa  -  3-4         ,,       , 

Tempa  -  3-4 
Dazu  kommen  noch  die  Seridashi,  das  sind  Blätter,  die 
zuerst  als  Chuha  einsortiert,  später  aber  nach  dem  Trocknen 
beim  Glätten  wieder  ausgemustert  worden  sind.  Die  Tabaks- 
ernte beläuft  sich  in  Kokubu  pro  Tan  (Vio  ha)  durchschnittlich 
auf: 

Doha       —     18  kg, 

Chuha     —     60  kg, 


66  M.    I.KllMANX,    TABAK. 

Ilompa   —     17  kg, 

Tcmpa     —      10  kg, 
Scridashi   und  schlechte  Blätter — 15  kg, 
zusammen  also    auf    I20   kg  trockne  Blätter. 

In   Ibusuki  erntet  man  im  Durchschnitt  etwas  mehr,  nämlich  : 

Doha       —      15   kg. 

Chuha     —     71   kg, 

Hompa    —      19  kg, 

Tempa     —     23  kg, 
schlechte  Blätter    —     22  kg, 
insgesamt  150  kg. 

Die  Durchschnittsernte  \'on  ganz  Japan  beläuft  sich  auf  90- 
120  kg  pro  Tan. 

Die  Behandlung  des  Tabaks  nach  der  Ernte  ist  im  Aveitaus 
grössten  Teile  Japans  bis  jetzt  noch  .sehr  einfach.  Gewöhnlich 
verfährt  man  so,  dass  man  die  einzelnen  Blätter  mit  den  Stielen 
an  Strohseilen  befestigt  und  diese  Seile  in  einem  Schuppen, 
häufig  im  oberen  Teile  des  Wohnhauses,  aufspannt.  Sehr  oft 
trocknet  man  die  auf  Seile  aufgezogenen  Blätter  auch  an  von 
der  Sonne  beschienenen  Mauern  oder  Zäunen.  Zeigen  die  Blätter 
nach  dem  Trocknen  noch  grüne  Stellen,  so  breitet  man  sie  im 
1^^-eien  auf  dem  Boden  aus  und  lässt  sie  2-3  Tage  dort  liegen, 
wobei  sie  infolge  der  Durchfeuchtung  mit  dem  Tau  die  gewünsch- 
te Farbe  annehmen.  In  einzelnen  Teilen  Japans,  namentlich 
im  Westen,  in  der  Provinz  Okayama,  ist  die  Witterung  in  den 
auf  die  Ernte  folgenden  Wochen  sehr  feucht,  so  dass  es  sehr 
schwierig  wäre,  den  Tabak  auf  die  eben  beschriebene  Weise 
schnell  genug  zu  trocknen.  Man  ist  daher  dort  gezwungen, 
die  Blätter  unter  Anwendung  von  künstlicher  Wärme  zu  trock- 
nen, und  thut  dies  in  kleinen  Schuppen  von  etwa  io-i2m  Breite, 
5 -6m  Tiefe  und  5-6m  Höhe,  die  immer  von  mehreren  Bauern 
gemein-schaftlich  benutzt  werden.  Da  die  Holzkohle  ein  zu  teures 
Feuerungsmaterial  wäre,  so  benutzt  man  Holz  zum  Heizen,  am 
liebsten  Eichenholz,  das  in  einer  in  der  Mitte  des  Schuppens 
befindlichen  offenen  Grube  verbrannt  wird.  Obgleich  man,  um 
eine  zu  starke  Rauchentwicklung  zu  vermeiden,  nur  ganz  trock- 
nes  Holz  verwendet,  so  nimmt  doch  der  so  getrocknete  Tabak 
einen  eigentümlichen,  kreosotartigen  Geruch  und  Geschmack  an, 
der  aber  in  jener  Gegend  sehr  geschätzt  wird.  Die  Schuppen 
werden  zwar  etwas  feuersicher  o-ebaut  und   während  des    Trock- 


M.    LEHMANN-,    TABAK.  6/ 

nungsprozesses  sehr  sorgfältig  überwacht,  trotzdem  aber  kann  man 
es  nicht  verhindern,  dass  sie  ziemHch  häufig  in  Flammen  aufge- 
hen, zum  grossen  Schaden  ihrer  armen  Besitzer. 

Ebenso  wie  schon  auf  dem  Acker,  so  behandelt  man  den 
Tabak  auch  beim  Trocknen  in  der  Provinz  Satsuma  am  aller- 
sorgfaltigsten.  Dort  kommt  sogar  eine  Art  Fermentation  in 
Anwendung.  In  Kokubu  z.  B.  verfährt  man  folgendermassen  : 
Die  untersten  4  Blätter  werden  20-30  Tage  nach  dem  Köpfen 
abgebrochen  und  an  Schnüren  getrocknet.  Etwa  10  Tage  später 
werden  die  ganzen  Pflanzen  abgeschnitten,  mit  Matten  bedeckt 
und  nach  dem  Schuppen  gebracht,  wo  sie  mit  den  .Spitzen  nach 
unten  so  aufgehängt  werden,  dass  zwischen  den  einzelnen  Pflan- 
zen ein  Abstand  von  6-9  cm  verbleibt.  Ist  das  Wetter  feucht, 
so  wird  ein  schwaches  Feuer  von  Eichenholz  unterhalten,  und 
die  Läden  werden  geschlossen,  bei  trocknem  Wetter  wird  das 
Feuer  ausgelöscht,  und  die  Fäden  werden  geöfi"net.  Die  Ernte 
\-on  einem  Tan  wird  in  zwei  Partien  getrocknet.  Die  Trocken- 
schuppen gehören  gewöhnlich  Handwerkern  oder  Bauern,  die 
keinen  Tabak  bauen,  und  werden  \'on  ihnen  an  die  Tabak- 
pflanzer vermietet.  Nach  ungefähr  drei  Wochen  ist  der  Tabak 
trocken,  die  Blätter  werden  vom  Stanmi  abgebrochen,  indem 
man  am  unteren  Ende  anfängt,  sofort  nach  den  vier  Klassen 
Doha,  Chuha,  Hompa,  Tempa  sortiert  und  in  Bündel  von  je  ca. 
100  Blättern  gepackt.  Diese  Bündel  werden  mit  den  Stielen 
nach  oben  in  flache  Körbe,  Bara  genannt,  gelegt  und  so  der 
Sonne  ausgesetzt.  Nach  einem  Tag  werden  die  Bündel  umge- 
l)ackt  und  noch  einen  Tag  mit  den  Blätterspitzen  nach  oben 
gesonnt.  Nun  sind  die  Blätter  so  weit,  dass  sie  aufgespeichert 
werden  können,  bis  Zeit  vorhanden  ist  sie  zu  glätten.  Sie  wer- 
den zu  je  20  Bündeln  in  Säcke  gesteckt  und  auf  einem  Gestell 
unter  dem  Dach  des  Hauses  gelagert.  Vor  dem  Glätten  werden 
dann  die  Säcke  zunächst  mit  den  Blattstielen  nach  unten  auf  den 
Erdboden  gelegt,  damit  die  Blätter  soviel  Feuchtigkeit  aufsaugen, 
dass  sie  ohne  Beschädigung  aus  den  Säcken  herausgenommen 
w^erden  können.  Nun  werden  die  Blätter  im  Hof  ausgebreitet 
und,  wenn  sie  vom  Nachttau  völlig  durchfeuchtet  worden  sind, 
mit  Matten  bedeckt.  Darauf  können  sie  geglättet  werden.  Hat 
der  Arbeiter  600-700  Blätter  glatt  gestrichen  und  über  einander 
gelegt,  so  setzt  er  sich  darauf,  um  das  Packet  etwas  zusammen- 
zupressen. Ist  dies  geschehen,  so  wird  der  Tabak  in  Säcken  zu 
Haufen   von    75-95  cm    Höhe    aufgeschichtet    und    der    Gährung 


68  .M.    LKIIMAXN,    TAr.AK. 

ül^crlassen,  während  der  er  zwei-  bis  dreimal  umgepackt  wird. 
Wenn  die  Temperatur  des  Tabaks  konstant  bleibt,  ist  er  ver- 
kaufsfertig. 

In  l7Aimi  ist  das  Verfahren  ähnUch.  Die  Pflanzen  werden 
mittelst  eines  Holzpflockes,  der  in  das  untere  Ende  des  Stammes 
getrieben  w'ird,  an  Latten  oder  Seilen  im  Trockenscliuppen  auf- 
gehängt und  vier  bis  fünf  Tage  der  Abwelkung  überlassen.  Ist 
nach  Ablauf  dieser  Zeit  das  Wetter  feucht,  so  werden  die  Läden 
geschlossen  und  dann  Feuer  von  Eichenholz  unterhalten.  Die 
Schuppen  sind  5.6m  breit  und  4.5m  tief  und  enthalten  je  drei 
Feuerstellen  in  Gestalt  von  quadratischen  flachen  Gruben  von 
91cm  Seitenlänge.  Während  des  Trocknens,  das  drei  bis  vier 
Wochen  in  Anspruch  nimmt,  werden  die  Pflanzen  zwei  bis  drei- 
mal umgehängt  und  täglich  öfter  durchgemustert,  wobei  etwa 
vorgefundene  faule  Blätter  entfernt  werden.  Wenn  dann  die  Blätter 
vollständig  trocken  sind,  werden  sie  vom  Stamm  abgebrochen, 
durch  Nachttau  etwas  angefeuchtet  und  geglättet.  25  Blätter  kom- 
men in  ein  Bündel,  12  Bündel  bilden  ein  Packet  (shitoshiri) 
und  60  kg  solcher  Packete  werden  zu  einem  Haufen  von  45-52 
cm  Länge  und  Breite  und  55-6ocm  Höhe  aufgebaut  und  mit 
einer  Decke  bedeckt.  Ist  die  Temperatur  des  Haufens  infolge 
der  nun  einsetzenden  Fermentation  nach  vier  bis  sieben  Tagen 
auf  ungefähr  40°  C.  gestiegen,  so  wird  der  Haufen  umgebaut, 
und  dies  geschieht  zwei  bis  drei  mal,  bis  die  Temperatur  nicht 
mehr  zuninmit.  Bevor  das  Tabakmonopol  von  der  Regierung 
eingeführt  worden  war,  unterwarf  man  in  manchen  Gegenden 
Japans  den  Tabak  noch  einer  Art  Nachfermentation  im  Sommer 
nach  der  Ernte.  Man  sonnte  ihn  im  Mai  oder  Juni  eine  kurze 
Zeit  lang  (drei  bis  vier  Stunden),  verpackte  ihn  dann  wieder 
wie  vorher  und  liess  ihn  noch  zwei  Monat  lagern.  Jetzt  hat  man 
diese  Behandlungsweise  aber  wohl  aufgegeben,  weil  die  Regie- 
rung nur  in  Ausnahmefällen  gestattet,  dass  ein  Pflanzer  seinen 
Tabak  bis  in  den  Sommer  des  auf  die  pA'nte  folgenden  Jahres 
hinein  behält. 

Im  Allgemeinen  passen  sich  die  japanischen  Tabakpflanzer, 
so  weit  es  angeht,  den  in  ihrer  Gegend  herrschenden  Witterungs- 
verhältnissen an,  natürlich  aber  müssen  sie  sich  hauptsächlich 
darnach  richten,  welche  Geldmittel  ihnen  zur  Verfügung  stehen, 
und  diese  sind  ja  gewöhnlich  leider  recht  knapp. 

Durch  den  Trocknungsprozess  verliert  der  Tabak  durch- 
schnittlich 20-30^0   seines  Gewichts  im  frischen  Zustand. 


M.    LEtlMANX,    TAÜAK.  6g 

Fast  der  ganze    in  Japan  produzierte  Tabak    wird    fein    ge- 
schnitten und  aus  der    Pfeife    geraucht,    oder  zu    Cigaretten    ver- 
arbeitet.   Cigarren  werden  nicht  fabriziert,  bis  auf  einige  wenige  in 
Satsuma  wohl  mehr  als  Kuriosität  hergestellte.   Exportiert  ist  bis 
jetzt  nur  w^enig  worden,  hauptsächlich  nach  England.    Es  wurde 
Tabak  ausgefijhrt  im  Wert  von  : 
81068  Yen  im  Jahr   1888, 
189150     ,,       ,,       ,,       1889, 
120169      ,,       ,,_      ,,       1890, 

351741      ..       „       „       1897. 

187725      ,.       „       „       1898, 

343357  ,.  ,,  M  1899. 
Wie  ich  geh(5rt  habe,  hat  man  japanischen  Tabak  in  Eng- 
land bis  vor  einiger  Zeit  vielfach  als  Deckblatt  verwendet,  doch 
soll  man  neuerdings  wieder  davon  zurückgekommen  sein,  weil 
der  Tabak  auf  der  weiten  Reise  öfter  zu  starke  Schädigungen 
davontrug.  In  Deutschland  kennt  man  den  japanischen  Tabak 
fast  gar  nicht.  Ich  erinnere  mich,  dass  ich  im  Jahr  1899  ^^^ 
einem  grossen  Tabakhaus  in  Bremen  einen  kleinen  Posten  davon 
gesehen  habe,  doch  wurde  mir  dieser  Tabak  gewissermassen  nur 
als   Rarität  gezeigt. 

Bevor  der  Tabak  von  meistens  durch  W'asserkraft  betriebe- 
nen Maschinen  geschnitten  wird,  werden  die  Mittelrippen  entfernt 
und  dann  die  Blätterhälften  verschiedener  Tabaksorten  in 
bestimmter  Reihenfolge  übereinandergeschichtet.  Jeder  einzelne 
Fabrikant  hat  dabei  seine  besondere  Zusammenstellung,  wie  in 
Amerika  jeder  Fabrikant  sein  eigenes,  sorgfältig  geheim  gehaltenes 
Saucierungsrezept  besitzt.  Eine  grosse  Fabrik  in  ^lito  z.  B.,  die 
ich  im  Dezember  1899  besuchte,  macht  es  folgendermassen : 
Die  Blätter  werden  in  sechs  verschiedenen  Schichten  überein- 
andergelegt  und  dann  gefaltet.  Lage  i  ist  Deckblatt,  der  dazu 
verwendete  Tabak  muss  sich  also  besonders  durch  eine  schöne 
Farbe  auszeichnen,  d.  h.  er  muss  recht  gleichmässig  hellgelb  sein. 
Lage  2  und  3  geben  den  Geschmack,  Lage  4  und  5  dienen,  wie 
man  mir  sagte,  dazu,  das  Volumen  zu  vergrössern,  haben  also 
wohl  nur  den  Zweck,  die  ganze  Mischung  billiger  zu  machen ; 
die  Blätter  dieser  Lagen  müssen  ganz  indifferent  in  Geschmack 
und  Aroma  sein  und  brauchen  auch  keine  gute  Farbe  zu  haben. 
Lage  5  ist  etwas  besser,  als  Lage  4.  Lage  6  endlich  hat  dieselben 
Eigenschaften  wie  Lage  i,  sie  dient  auch  als  Deckblatt.  14  der- 
artige  Schichtungen   bilden   ein    Packet,   und    2    Packete    werden 


yO  M.    LEHMANN,    TABAK. 

Über  einander  in  die  Presse  gelegt  und  geschnitten.  Das  Ent- 
ripjien  und  Packen  der  Blätter  wird  von  Mädchen  besorgt,  die 
Maschinen  werden  von  Männern  bedient. 

In  den  Fabriken,  die  ich  besucht  habe,  wurden  nur  aus 
Holz  gebaute  Schneidemaschinen,  wie  sie  schon  seit  alten  Zeiten 
in  Japan  hergestellt  werden,  verwendet.  Der  Tabak,  der  aus  der 
kleinen  japanischen  Pfeife  geraucht  wird,  wird  haarfein  geschnit- 
ten ;  (\cn  zur  Cigarettenfabrikation  bestimmten  Tabak  aber 
schneidet  man  gröber,  damit  die  Cigaretten  nicht  zu  schnell 
abbrennen.  Maschinen  zur  Cigarettenfabrikation  werden  bis  jetzt 
in  Japan  noch  wenig  verwendet,  und  nur  ganz  grosse  Fabriken, 
wie  z.  B.  diejenige  von  Gebr.  Mural,  sind  damit  ausgerüstet.  In 
den  kleineren  P'abriken  werden  die  Cigaretten  mit  Hülfe  von 
kleinen  Stopfapparaten  mit  der  Hand  hergestellt.  Trotzdem 
kommen  sie  zu  erstaunlich  billigem  Preise  zum  Verkauf';  eine 
Cigarette,  von  der  50  Stück  7  Sen  kosten,  wird  sehr  viel  geraucht. 
Daraus  kann  man  sich  ungefähr  ein  Bild  machen,  w^ie  wenig  sich 
\'iclfach  der  Tabaksbau  für  den  japanischen  Landwirt  rentieren 
muss. 

Wie  sich  aus  meinen  bisherigen  Ausführungen  ersehen  lässt, 
harrt  noch  vielerlei  auf  dem  Gebiete  der  Tabakskultur  und  -be- 
arbeitung  in  Japan  der  Verbesserung.  Natürlich  wissen  das  die 
Japaner  selbst  ganz  genau,  und  sie  haben,  besonders  seitdem 
das  Tabaksmonopol  eingeführt  worden  ist,  eine  ganze  Reihe  von 
Massregeln  zur  Verbesserung  ihres  Tabaks  ergriffen.  Zunäch.st 
werden  jedes  Jahr  in  der  landwirtschaftlichen  Centralversuchs- 
Station  Japans  in  Nishigahara  Vegetationsversuche  über  das 
Düngebedürfnis  des  Tabaks,  die  Einwirkung  verschiedener  Dünge- 
mittel auf  ihn,  die  beste  Zeit  der  Aussaat  und  der  Verpflanzung, 
die  beste  Zeit  zum  Köpfen  und  zum  Geizen,  ferner  darüber,  ob 
höheres  oder  niedrigeres  Köpfen  empfehlenswerter  ist,  über  die 
Vorteile  und  Nachteile  verschiedener  Erntemethoden  u.  s.  w. 
ausgeführt.  Versuche  in  derselben  Richtung,  nur  in  etwas  grös- 
serem Massstabe,  werden  auf  den  Feldern  der  Centralv^ersuchs- 
station  in  Hadano  bei  Hiratsuka,  in  der  Nähe  des  Fuji-Yama 
gelegen,  und  in  Ota,  nicht  weit  von  Mito,  angestellt.  Die  Ver- 
suche werden  in  Nishigahara  sowohl  in  Vegetationstöpfen,  wie 
sie  Prof.  Wagner  in  Darmstadt  konstruiert  hat,  als  auch  auf 
freiem  p^elde,  in  Hadano  und  Ota  nur  in  letzterer  p^orm  aus- 
geführt. Diese  beiden  Arten  der  Vegetationsexperimente  zu 
kombinieren    ist  deshalb  ratsam,  weil    man  es   einerseits  bei    den 


M.    LEPIMANX,    TAHAK.  7I 

Topf^'ersuchcii  mehr  in  der  Gewalt  hat,  die  Pflanzen  genau 
unter  den  beabsichtigten  Bedingungen,  ohne  Einwirkung  irgend 
welcher  das  Resultat  verdunkelnden  oder  gar  fälschenden  Fak- 
toren (Krankheiten  ausgenommen)  sich  entwickeln  zu  lassen,  an- 
drerseits aber  bei  den  Feldversuchen  die  Pflanzen  ganz  in  den 
nati^u'lichen  Verhältnissen,  ohne  jede  Künstelei  wachsen.  Sache 
des  Experimentators  ist  es  dann,  die  Resultate  beider  Versuchs- 
arten in  P^inklang  zu  bringen  und  die  richtigen  Schlüsse  daraus 
zu  ziehen.  Die  Versuchsfelder  in  Nishigahara  haben  einen 
Umfang  von  3  Tan,  also  "/jo  ha  oder  i  7.5  preussische  Morgen, 
diejenigen  in  Hadano  und  Ota  von  je  40  Tan,  also  4  ha  oder 
16  Morgen.  Der  praktische  Wert  der  in  Nishigahara  ausgeführ- 
ten Vegetationsversuche  wird  leider  dadurch  beeinträchtigt, 
dass  der  Boden  dort  für  den  Tabakbau  nicht  recht  geeignet  ist. 
Sämtlicher  Tabak,  der  1900  dort  geerntet  wurde,  war  schlecht, 
besonders  in  Bezug  auf  seine  Glimmfähigkeit,  während  sich  sonst 
der  japanische  Tabak  gerade  in  dieser  Beziehung  auszuzeichnen 
pflegt.  Besser  steht  es  mit  Hadano  und  Ota,  die  beide  einen 
für  japanische  Verhältnisse  sehr  guten  Tabak  produzieren. 

In  Nishigahara  sowohl,  als  auch  in  Hadano  und  Ota  sind 
heizbare  Holzschuppen  erbaut  worden,  in  denen  Experimente 
über  das  Trocknen  des  Tabaks  ausgeführt  werden.  Es  wird 
dabei  versucht,  die  amerikanische  Methode,  die  z.  B.  in  Virginia 
üblich  ist,  für  japanische  Verhältnisse  zu  modifizieren.  Ein  Ver- 
such, der  Anfang  September  1901  in  Ota  ausgeführt  wurde, 
verlief  ungefähr  folgendermassen  : 

Nachdem  in  dem  Schuppen  von  7m  Breite,  6  m  Tiefe  und 
7m  Höhe  686  kg  Tabak  an  247  Seilen,  von  denen  jedes  durch- 
schnittlich 44  Blätter  trug,  aufgehängt  w-orden  war,  wurde  der 
Schuppen  vollständig  geschlossen  und  mit  der  Heizung  begonnen. 
Zunächst  wurde  nur  massig  geheizt,  .so  dass,  ausgehend  von  einer 
Anfangstemperatur  von  25°  C,  in  4  Stunden  28,5°  erreicht  wur- 
den. Nun  wurde  die  Temperatur  schnell  gesteigert,  bis  sie  nach 
weiteren  2"" /,,  Stunden  48°  betrug,  worauf  die  Feuer  gelöscht 
wau'den.  Diese  schnelle  Steigerung  sollte  bezwecken,  den  Tabak 
recht  bald  abwelken  zu  lassen.  Der  Schuppen  wurde  jetzt  der 
langsamen  Abkühlung  überlassen  und  dann  17  Stunden  lang 
ziemlich  konstant  auf  31-32°  gehalten.  Darauf  wurde  die  Tem- 
peratur in  14  Stunden  ganz  allmählich  bis  auf  39°  und  in  fer- 
neren 7  Stunden  auf  61°  gesteigert.     Nachdem  dieser  Hitzegrad 


72  M.    LI-.11M.\X.\,    TAliAK. 

noch  1  I  SUindcn  lang'  cinigcrmassen  gleichmässig  erhalten  worden 
war,  wurde  die  Temperatur  in  den  letzten  lO  Stunden  schliesslich 
bis  auf  72°  gehoben,  um  die  Mittelrippen  noch  v^ollständig  aus- 
zutrocknen. Der  ganze  Prozess  nahm  ungefähr  70  Stunden  in 
Anspruch.  Die  gewünschte  Farbe  hatte  der  Tabak  nach  ca.  40 
Stunden  bekommen,  worauf  dadurch,  dass  die  Temperatur  schnel- 
ler gesteigert  und  die  Ventilatoren  geöffnet  wurden,  mit  der 
eigentlichen  Trocknung  begonnen  werden  konnte.  Für  die  Feue- 
rung wurde  939  kg  Holz  zum  Preis  von  ca  10  Yen  verbraucht. 
4  Männer  und  9  Weiber  waren  je  7  Stunden  lang  damit  beschäf- 
tigt, die  Blätter  auf  die  Seile  zu  ziehen.  Das  Aufhängen  des 
Tabaks  im  Schuppen  erforderte  eine  vierstündige  Arbeit  von  2-3 
Männern  und  2-3  Weibern.  Der  Lohn  für  diese  Arbeiter  betrug 
im  Ganzen  3.20  Yen.  Dazu  kommt  noch  der  Lohn  der  Leute, 
die  zur  Unterhaltung  des  F"euers  und  zur  Bewachung  der  -ganzen 
Arbeit  benötigt  waren,  mit  etwa  10  Yen,  und  6  Yen  für  Ver- 
zinsung und  Amortisation  des  Kapitals,  so  dass  sich  die  Gesamt- 
unkosten auf  29.20  Yen  beliefen,  d.  h.  auf  4.25  Sen  pro  i  kg 
frischen,  oder  auf  25  Sen  pro  i  kg  trocknen  Tabak,  wenn  wir 
annehmen,  dass  der  Wasserverlust  beim  Trocknen  sich  auf  etwa 
84(^0  des  frischen  Tabaks  belief  Der  P^rfolg  des  Versuchs,  was 
Verbesserung  des  Tabaks  in  Farbe,  Geschmack  und  Aroma  be- 
trifft, war  sehr  befriedigend.  Ob  aber  die  Anwendung  dieser  Me- 
thode für  den  japanischen  Tabak  im  Allgemeinen  lohnend  sein 
wird,  ist  noch  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  sagen,  weil  die  Unkos- 
ten doch  recht  beträchtlich  sind.  Kann  der  japanische  "Tabak 
dadurch  exportfähig  gemacht  werden  und  infolgedessen  zu  be- 
deutend höheren  Preisen  verkauft  werden,  als  bis  jetzt  im  Inland, 
so  steht  natürlich  der  allgemeinen  Anwendung  dieser  Methode 
nichts  im  Wege.  Der  so  erstaunlich  niedrige  Preis  des  Tabaks 
in  Japan  stellt  überhaupt  allen  Verbesserungsversuchen  grosse 
Schwierigkeiten  entgegen  ;  der  Japaner  will  sich  selbstverständlich 
sein  Rauchen  nicht  verteuern  lassen  ;  auch  würde  ihm  vielleicht 
ein  den  Europäern  mundgerecht  gemachter  Tabak  gar  nicht 
schmecken. 

Ausser  den  Vegetations-  und  Trocknungsversuchen  soll  jetzt 
auch  mit  Fermentationsversuchen  angefangen  werden,  um  ein 
für  die  Cigarrenfabrikation  taugliches  Blatt  zu  bekommen.  Aller- 
dings sind  die  Tabakblätter,  wie  man  sie  jetzt  in  Japan  erzeugt, 
für  diesen  Zweck  wohl  zu  dünn  ;    man    wird  die   Pflanzen   daher 


M.    LEHMANN,    TABAK.  "JT^ 

schon  von  vornherein  auf  dem  P'elde  so  behandehi  müssen,  dass 
die  Bildung  etwas  dickerer  Blätter  begünstigt  wird.  Auch  beab- 
sichtigt man,  schon  in  nächster  Zeit  eine  Mustcrcigarrenfabrik 
in  kleinem  Massstabe  einzurichten. 

Die  mit  Tabak  bebaute  Fläche  ist  früher  in  Japan  etwa  eben 
so  gross  gewesen,  wie  in  Deutschland,  sie  hat  sich  aber  in  dcw 
letzten  Jahren  hier  stark  vergrössert,  dort  etwas  verringert  und 
betrug  : 

In  Japan.*  In  DeutsK:hland. 

1887  21710  ha  21466  ha 

1888  18032  ha 

1889  17400  ha 

1890  -Ol 95   ha 

1897  26466  ha 

1898  26277  ha  17652  ha 

1899  4- 143  ha  14618  ha 

1900  37434  ha  '   14781   ha 
Die  Anzahl  der  einzelnen  Tabakpflanzer  betrug  : 

In  Japan.  In  Deutschland. 

1898  347-54  .  139171 

1899  575485  116318 

1900  420793  II 47 16 

Die  durchschnittlich  von  einem  Pflanzer  mit  Tabak  bestellte 
Fläche  war  daher. 

In  Deutschland. 
12.7a 
12.5a 
12.9a 

In  Deutschland. 


In 

Japan. 

1898 

7.5a 

1899 

7-3a 

1900 

8.8a 

Die  Erntemenge  betrug  : 

In 

Japan. 

1887 

22  756582  kg 

1897 

36  1 12072  kg 

1898 

31  464585  kg 

1899 

52  603301  kg 

1900 

48  384003  kg 

32   559000  kg 
30  075000  kg 

d.  h.  von  je  einem  Pflanzer  wurde  geerntet  im  Ganzen  : 
In  Japan.  In  Deutschland. 

1898         90.6  kg  233.9  l^'g 

*  Die  hier  angcftilirlen  Zalilen  über  ältere  Jalire  sind  deiii  "Werke  M.  Feseas 
„Beiträge  zur  Kenuluip  der  ja[iani.selien  Laiidwirtseiiaft  "  emiuu.iiuen. 


258.6 

kg 

i8.4 

kg 

20.7 

kg 

74  M.  LEHMAKX,  TABAK. 

1899  91.4  kg- 

1900  II 5.0  kg 
oder  pro  a : 

1898  12.1  kg 

1899  12.5  kg 

1900  13-1,  kg 

im  Durchschnitt:   12.6  kg  19.6  kg. 

Der  deutsche  Landwirt  bebaut  also  nicht  nur  um  die  Hälfte 
mehr  Land  mit  Tabak,  sondern  gewinnt  auch  seinem  Acker 
einen  um  die  Hälfte  grösseren  Ertrag  ab,  als  sein  japanischer 
Berufsgenosse.  Allerdings  darf  hier  nicht  vergessen  werden,  dass 
man  in  Japan  jährlich  eine  Ernte  mehr  erzielt,  als  in  Deutsch- 
land. 

Der  höchste  Preis,  der  1900  von  der  japanischen  Regierung 
für  I  Kwamme  (3.75  kg)  Tabak  an  die  Landwirte  bezahlt  wurde, 
war  ca.  3  Yen.  Unberücksichtigt  lasse  ich  hier  den  Ort  Taru- 
mizu  in  der  Provinz  Satsuma,  der  für  eine  kleine  Menge  Tabak 
den  hohen  Preis  von  8  Yen  erzielte.  Der  niedrigste  Preis  war 
17  Sen.  Wie  hoch  der  Durchschnittspreis  war,  habe  ich  nicht 
erfahren  können,  doch  wird  er  seit  12-15  Jahren,  zu  welcher 
Zeit  er  sich  nach  P'escas  Annahme  auf  40  Sen  belief,  nicht  sehr 
gestiegen  sein.  Li  Deutschland  erzielten  die  Landwirte  im  Jahr 
1899  für  3.75  kg  durchschnittlich  2.80  M,  also  mehr  als  das 
Dreifache  von  dem,  was  der  japanische  Pflanzer  bezahlt  bekommt. 

Wie  sich  der  Tabaksbau  jetzt  für  den  japanischen  Landwirt 
im  Durchschnitt  rentiert,  kann  ich  leider  nicht  zahlenmässig 
angeben.  In  der  Provinz  Satsuma,  also  derjenigen,  die  den  besten 
und  teuersten  Tabak  Japans  produziert,  rechnet  man  pro  ha  auf 
einen  Verdienst  von  100-150  Yen.  Die  amtliche  Statistik  stellt 
folgende  Reinertragsberechnung  für  die  ganze  Tabaksernte  des 
Jahres  1884  auf: 

Productionskosten  pro  Tan  (Yio  ha). 


Saatgut 

0.610  Yen 

Düngung 

2.888      „ 

Arbeits  lohn:  19  IVIänncr 

.  j^ 

14-59 

Sen-2.772      „ 

17  Weiber, 

.  j^ 

9-59 

„    I-Ö30     „ 

Besondere  Ausgaben 

0.858      ,. 

Summa 

8758      „ 

P>rtrag 

pro 

Tan. 

25.385    Kwamme    zu   je 

Z7' 

.4  Sen 

i  -  9-494  Yen, 

also  Reinertrag. 

0.736  Yen. 

M.    LEHMANN,    TABAK.  75 

Das  kann  wohl  kaum  als  befriedigend  bezeichnet  werden. 

Die  Provinzen,  in  denen  hauptsächlich  Tabak  gebaut  wird, 
sind  :  Ibaraki,  Tochigi,  Fukushima,  Kanagawa,  Okayama,  Toku- 
shima,  Kagoshima.  Der  beste  Tabak  kommt  aus  Kokubu  und 
Izumi  in  Kagoshima,  aus  Ota  in  Ibaraki  und  aus  Hadano  in 
Kanagawa. 

Auf  dem  Tabak  lag  früher  in  Japan  hauptsächlich  eine 
Fabrikatsteuer  neben  einer  Gewerbesteuer  von  lo  Yen  fiir  Gross- 
und 5  Yen  flir  Kleinhändler;  sie  betrug  bis  1883  2-6%  vom 
Preise  des  Fabrikats.  In  diesem  Jahre  wurde  die  Gewerbesteuer 
flir  Kleinhändler  zwar  auf  5  Yen  belassen,  für  Fabrikanten  und 
Zwischenhändler  aber  auf  15  Yen  erhöht,  es  trat  die  Bestim- 
mung dazu,  dass  für  Ein-  und  Verkauf  von  Tabak  ausserdem  Ge- 
werbescheine für  eine  Gebühr  von  10-20  Sen  zu  lösen  wären, 
und  die  Höhe  der  Fabrikatsteuer  wurde  folgendermassen  festge- 
setzt:  Für  je  375g  war  zu  zahlen. 

4     Sen  bei  einem  Verkaufspreis  von  25   Sen, 

^       >»       M        '>  j>  >»     — 5~5^     )>  > 

8       ,,       ,,        ,,  ,,  „  50  Sen  und  darüber. 

1888  wurde  die  Fabrikatsteuer  auf  "/^^  und  1893  auf  "/lo  des 
Verkaufspreises  erhöht,  1898  endlich  trat  das  Tabaksmonopol  in 
Kraft.  Die  Hauptbestimmungen  dieses  Gesetzes  will  ich  kurz 
anftihren. 

1.  Die  Regierung  hat  das  Monopol  auf  Blättertabak. 

2.  Der  Blättertabak  wird  von  der  Regierung  gesammelt, 
importiert  und  verkauft. 

3.  Tabakpflanzer  sind  verpflichtet,  der  Regierung  ihren  gan- 
zen Tabak  nach  dem  Trocknen  abzuliefern.  Der  Tabak  darf 
nicht  verbraucht  oder  anderen  übertragen  werden. 

4.  Nach  der  Ablieferung  des  Tabaks  bezahlt  die  Regierung 
ihn  nach  Tarifen,  die  vorher  von  ihr  festgesetzt  werden.  Die 
P^igenschaften  und  Klassen  des  Tabaks  werden  von  Sachver- 
ständigen bestimmt.  Sind  P^inwände  gegen  eine  derartige  Ab- 
schätzung zu  erheben,  so  kann  eine  nochmalige  Beurteilung 
verlangt  werden. 

5.  Die  Regierung  hat  das  Recht  zu  bestimmen,  eine  wie 
grosse  Ackerfläche  mit  Tabak  bestellt  werden  darf  Dies  bezieht 
sich  jedoch  nicht  auf  Felder,  die  für  staatliche  Versuche  dienen. 

6.  Jeder,  der  Tabak  zu  bauen  wünscht,  hat  der  Regierung 
über  die  Art  des  Tabaks  und  die  Grösse  des  damit  zu  bestellenden 
Feldes  Mitteilung   zu   machen.     Diese    Mitteilung   ist   bei   jedem 


76  M.    I.KIIMANX,    TABAK. 

Wechsel  irgendwelcher  Einzelheiten  zu  erneuern.  Die  Regierung 
hat  da.s  Recht,  je  nach  Vorrat  und  Nachfrage  den  Anbau  einzel- 
ner Tabaksorten  und  den  Umfang  der  mit  Tabak  zu  bebauen- 
den Ackerflächen  einzuschränken. 

8.  Weder  Tabakfabrikanten  noch  Händler  dürfen  Tabak 
bauen. 

lo.  Die  Pflanzer  haben  ihren  Tabak  spätestens  bis  zum  31. 
März  des  auf  die  Beendigung  des  Trocknungsprozesses  folgenden 
Jahres  an  den  ihnen  von  der  Regierung  bekannt  gegebenen 
Stellen  abzuliefern.  Will  jemand  seinen  Tabak  über  diesen  Zeit- 
punkt hinaus  behalten,  so  hat  er  die  besondere  Genehmigung 
dazu  von  der  Regierung  einzuholen. 

18.  Die  Regierung  hat  das  Recht,  Tabakfelder  und  -lager- 
plätze  zu  inspizieren.  Zu  diesem  Zweck  dürfen  die  bevollmächtigten 
Beamten  dort  eintreten,  wo  sich  Tabak  befindet  oder  wo  er  ver- 
mutet wird,  und  die  zur  Ueberwachung  erforderlichen  Massregeln 
treffen. 

19.  Die  Regierung  wird  an  geeigneten  Plätzen  Geschäfts- 
stellen für  die  Sammlung  und  den  Verkauf  des  Tabaks  errichten. 
Tabak  darf  nur  von  der  Regierung  importiert  werden.  Wer 
Tabak  fabrizieren  oder  handeln  will,  hat  sich  jährlich  von  der 
Regierung  die  Erlaubnis  dazu  einzuholen  und  eine  Gebühr  von 
50  Yen  dafür  zu  bezahlen.  Niemand  darf  zur  Tabakfabrikation 
etwas  anderes  als  Blättertabak  benutzen.  Tabakfabrikanten  und 
Händler  haben  Bücher  zu  führen,  in  die  den  mit  der  Aufsicht 
betrauten  Beamten  cinzublicken  erlaubt  ist. 

Besondere  Bestimmungen  für   die   Ausführung  des  Gesetzes. 

1.  Die  Plätze  für  die  Saatbeete  und  deren  Grösse,  die  Aecker, 
auf  denen  Tabak  gebaut  werden  soll,  und  ihre  Grösse,  die  vor- 
aussichtliche Anzahl  der  Pflanzen,  die  Arten  des  zu  bauenden 
Tabaks  und  die  Plätze  für  Trocknung  und  Lagerung  sind  der 
Regierung  anzuzeigen. 

2.  Die  welken,  beschädigten  und  unreifen  Blätter  und  die- 
jenigen, die  der  Regierung  nicht  abgeliefert  werden  können,  sind 
zu  vernichten,  nachdem  die  bevollmächtigten  Beamten  ihre 
P^inwilligung  dazu  gegeben  haben. 

3.  Sofort,  nachdem  die  Ernte  der  Blätter  beendigt  ist,  sind 
die  Pflanzenstöcke  herauszureissen. 

4.  All  und  jeder  Blättertabak  ist  folgendermassen  zu  klassi- 
fizieren : 


M.    LKIIMANX,    TABAK.  'JJ 

A.  Grundblätter  —  3-4  Blätter  am  Boden. 

B.  Mittelblätter    —  Blätter  zwischen  Grund-    und  Ilaupt- 

blättern. 

C.  Hauptblätter  —  Blätter    zwischen  Mittel-    und  Gipfel- 

blättern. 

D.  Gipfelblätter    —  3-4  Blätter  an  der  Spitze. 

Je  nach  den  lokalen  Bedingungen  kann  die  Anzahl  der 
Klassen  vermehrt  werden,  wenn  die  Beamten  damit  einverstanden 
sind.  * 

5.  Die  Schnüre,  an  denen  die  Blätter  getrocknet  werden, 
müssen  von  bestimmter  Länge  sein.  Blätter,  die  am  Stamm 
getrocknet  worden  sind,  müssen  je  nach  ihrer  Art  in  Bündel  von 
bestimmter  Grösse  gepackt  werden. 

Artikel  6  handelt  von  der  Sortierung  der  Blätter,  von  der 
Verpackung,  dem  Gewicht  der  einzelnen  Packe,  der  Etikettierung 
u.  s.  w. 

7.  Die  Abnahme  von  Blättern  folgender  Art  ist  zu  verweigern: 

I.  Blätter,  die  zu  feucht  sind. 

II.  Blätter,  an  denen  noch  Teile  des    Stammes  hängen. 

III.  Blätter,  die  nicht  sortiert  sind. 

17.  Tabakbündel  dürfen  beim  Verkauf  nicht  geteilt  werden, 
ausgenommen,  wenn  es  sich  um  Proben  handelt. 

Die  Artikel  von  geringerer  Wichtigkeit  und  die  Strafbestim- 
mungen habe  ich  ausgelassen.  Es  ist  ersichtlich,  dass  die 
Landwirte,  die  Tabakfabrikanten  und  -händler  durch  dieses  Gesetz, 
das  ihnen  alles  bis  auf  die  kleinste  Einzelheit  vorschreibt,  ausser- 
ordentlich behindert  werden  müssen.  Daher  ist  es  auch  kein 
Wunder,  dass  jedes  Jahr  viele  Tausende  von  Vergehen  gegen 
dasselbe  zur  Bestrafung  kommen.  Jedoch  lässt  sich  ein  derartiges 
Monopol  wohl  kaum  konsequent  durchflihren,  ohne  dass  die 
Regierung  sich  möglichst  freie  Hand  hält.  Jedenfalls  sind  die 
Einkünfte  der  Regierung  infolge  der  Einführung  des  Monopols 
bedeutend  gestiegen.     Sie  betrugen  : 

1888  —   1907342  Yen  '        1898  —  5.145999  Ven 

1889  —   1492806     „  1899  —  7.559534 

1890  —   1825183     „ 

Zum  Vergleich  führe   ich   zwei  allerdings  schon  ziemlich  alte 
Zahlen  über  in  Deutschland  eingegangene  Tabaksteuer  an  : 
1880  —  7.000000  M. 

*  In    Izurai  z.    B.    imtersclicidet    man    G-7    Klassen. 


78 


M.    LEHMANN,    TABAK. 


1881  —   11.500000  M. 

Zum    Schlus.s   .seien   noch  cinit^c  Daten  über  den  Import  von 
Ta])ak  gegeben.   Ivs  wurde  importiert  (Wert  in  Yen)  : 

1897  1898                       1899 

Cigarren                       151221  198574                  14^7  3  3 

Geschnittener  Tabak  104244  '^7-797                    2070 1 

Cigaretten                   99/237  1720827                  760594 

Anderer  Tabak           327079  45  360 13                5088004 


15797'^!  66282 1 1  6016032 

Ins  Gewicht  fallen  nur  die  dritte  und  vierte  Reihe,  die 
dritte  wegen  des  starken  Imports  billiger  amerikanischer  Cigaret- 
ten, wie  z.  B.  Pin  Head,  und  die  vierte  wegen  der  in  den 
letzten  Jahren  kolossal  gestiegenen  Einfuhr  billigen  amerika- 
nischen Blättertabaks,  den  Gebrüder  Mural  und  andere-  grosse 
Firmen  zur  Her.stellung  ihrer  Cigaretten  benutzen.  Wahrschein- 
lich wird  aber  die  P^infuhr  dieser  Tabaksorten  durch  die  am 
I.  Oktober  1901  vorgenommene  Erhöhung  des  Zolls  von  1009^ 
auf  \^oc/o   des  Wertes  den  Todesstoss  erhalten  haben. 

In  den  vorstehenden  Zeilen  habe  ich  die  Art  und  Weise, 
wie  man  beim  I^au  und  der  weiteren  Behandlung  des  Tabaks 
in  der  Provinz  Satsuma  verfährt,  besonders  berücksichtigt,  weil 
sich  dort  die  Methoden  im  Lauf  der  Zeit  am  besten  ausgebildet 
haben,  und  infolgedessen  dort  auch  das  wertvollste  Produkt 
erzielt  wird. 


UEBER  DEN  RIESEN-SALAMANDER  JAPAN'S, 

Prof.    Dr.    C.    Ishikawa. 

(Vortrag    gehalten    A>r    28.    Xov.    1900.' 


FAwh  \-or  zweihundert  Jahren,  wurde  in  einem  kleinen 
Dorf  unweit  von  dem  schönen  Bodensee,  ein  sehr  interessanter 
Knochenrest  aus  einer  jungen  Tertiär-Ablagerung  gefunden.  Ein 
damaliger  sehr  gelehrter  Arzt,  Dr.  JoJiann  Jakob  ScJictichzer,  hielt 
ihn  flu'  einen  von  der  Sündfluth  abgeworfenen  Menschenknochen, 
und  gab  ihm  den  berühmten  Namen  "  Homo  tristis  deluvii  testis." 
Ein  Wachsmodell  dieses  Knochen restes,  dessen  Original  jetzt 
im  britischen  Museum  aufbewahrt  ist,  sehen  Sie  hier.  Es  ist 
sehr  zu  verwundern  wie  ein  Arzt,  der  gewiss  Menschenknochen 
gesehen  hat,  sich  mit  diesem  Knochenrest  so  getäuscht  hat,  dass 
er  in  diesem  Object  nicht  nur  die  harten  Knochenstücke,  sondern 
auch  die  weicheren  Theile  unterscheiden  wollte.  Vergleicht 
man  diese  Knochen  mit  denen  des  Menschen,  so  muss  sofort 
klar  werden,  dass  eine  grosse  Verschiedenheit  zwischen  den 
beiden  besteht.  Sonderbar  ist  es  aber,  dass  man  in  jener  Zeit 
das  nicht  gethan  hat,  und  alle  Naturforscher  damals  mit  Scheuchzer 
übei'einstimmten,  bis  Johann  Gesncr  zum  ersten  Male  Zweifel 
äusserte.  Aber  auch  er  hat  keine  weiteren  vergleichenden  Studien 
ange.stellt  und  glaubte  den  Knochenrest  eines  riesigen  Eischcs — 
Silurus  glandis — vor  sich  zu  haben.  Dieser  neue  Irrthum  wurde 
wieder  von  den  damaligen  Naturforschern  begrüsst  und  angenom- 
men. Im  Jahre  1811  hatte  Ciivier  Gelegenheit  diesen  Knochen 
zu  untersuchen,  und  dann  erst  wurde  er  als  Knochenrest  eines 
riesigen  Salamanders,  der  längst  ausgestorben  ist,  erkannt. 
Nachher  aber  glückte  es  von  Siebold'^'  einen  gigantischen  Sala- 
mander in  Japan  zu  finden,  der  eben   so  gross  ist.  wie   derjenige 


'"  Von  Sic'inlil.  Fauna  .Japonica,   1>^3;'>. 


80  C,    ISHIKAVVA,    RIESEN    SALAMANDER. 

von  Oeningen  war,  und  interessanterweise  sind  die  Knochen- 
gerüste beider  einander  sehr  ähnhch. 

Und  so  konnne  ich  zu  unserem  Riesen-Salamander  !  Er  ist 
in  Japan  unter  verschiedenen  Namen  in  verschiedenen  ProvinzxMi 
bekannt.  Der  Name  Sanshouwo,  unter  dem  dieses  Thier 
gewöhnlich  bekannt  ist,  kommt  von  Sansho,  Xanthoxylon 
piperitum,  eine  dornige  Pflanze,  deren  BLätter  von  aetherischem 
Oel  stark  riechen,  und  von  uwo,  der  Fisch.  Weshalb  die  Leute 
aber  diesen  Salamander  Sanshouwo  nennen  ist  mir  nicht  bekannt. 
Einige  behaupten,  und  auch  in  Büchern  steht  es  geschrieben,  dass 
das  Thier  sehr  gern  die  obige  Pflanze  frässe.*  Sie  behaupten  sogar, 
dass  es  zuweilen  auf  die  Sansho-Bäume  klettere,  um  die  Blätter  zu 
fressen.  In  der  chinesischen  Literatur  finden  wir  einen  Charakter 
bestehend  aus  den  zwei  Zeichen  von  ,,  Fisch"  und  von  ,,  Kind," 
es  bedeutet  deshalb  ,,  Kindfisch."  Und  in  einem  chinesischen 
Wörterbucht  hcisst  es,  dass  ,,  es  einen  Fisch  giebt,  welcher  mit 
vier  Fü.ssen  versehen  ist.  Die  Vorder-Füsse  gleichen  denen  des 
Affen  und  die  hinteren  denen  des  Hundes.  Er  giebt  einen  Laut, 
der  dem  Kindergeschrei  ähnelt,  und  deswegen  heisst  er  Kindfisch. 
Grössere  Exemplare  sind  8-9  l'uss  lang."  Dass  das  Thier 
einen  kuriosen  Ton  von  sich  giebt,  ist  wahr,  aber  er  ist 
sehr  verschieden  vom  Kindergeschrti,  mit  dem  er  kaum  zu 
verwechseln  ist. 

Was  die  Bezeichnung  Sanshouwo  betrifft,  so  ist  es  sicher, 
dass  sie  für  diese  Thiere  im  Allgemeinen  und  nicht  besonders  für 
den  grossen  Salamander  gilt.  Sie  bedeutet  also  grade  so  viel  wie 
Salamander  oder  Molch.  So  nennt  man  in  Hakone  ,, Sanshouwo" 
jene  kleine  Onychodactylus-Art,  deren  Fingerspitzen  mit  Klauen 
versehen  sind,  und  auch  in  Yumoto  (Nikko)  wo  dieser  kleine 
Salamander  vorkommt,  versteht  man  unter  Sanshouwo  diese 
kleinen  Geschöpfe.  In  den  Bezirken,  wo  die  grossen  Salamander 
vorkommen,  sind  sie  unter  verschiedenen  Namen  bekannt.  In  Iga 
und  Ise  unter  dem  Namen  ,,Hazekoi"  od.  ,,Hazekui '  ;  in  Tamba 
und  Tango  sind  sie  bekannt  unter  dem  Namen  ,,Hadakasu"  od. 
,,  Anko,"  und  in  Mimasaku,  Bitchu,  Hoki,  Idzumo  und  Bingo  nennt 
man  sie  „  Hanzaki,"  ,,  Hanzake  "  und  nur  selten  ,,  Anko."  Was 
diese  verschiedenen  Namen  bedeuten,  ist  mir  nicht  bekannt. 
Es    ist   aber    zu    vermuthen,    dass    Hazekoi    einen   Gobiusfresser 

*  T(iku.shin  Kiiibara,  Yamato-IIonzo  Bd.   K). 

t  m  ^Ä  ^  Ä. 


C.    ISHIKAWA,    RIESEN    SALAMANDER.  Hl 

bedeutet,  weil  ,,  Haze "  ein  Gobius  oder  Meergrundel  und 
,,  Kui  "  fressen  ist.  ,,  Anko  "  kommt  gewiss  vom  Fisch  ,,  Anko  " 
od.  Lophius,  der  unserem  Salamander  insofern  ähnlicli  ist,  als 
beide  hässliche  Thiere  mit  grossen  Mund  sind.  Bei  dem  letzten 
hier  erwähnten  Namen  ,,  Hanzaki "  denkt  man  an  ,,  Han  " 
Halb  und  ,,  Saki "  oder  ,,  Saku  "  zerreiszen,  d.  h.  der  Name  ist 
aus  zwei  Wörtern  ,,  Halb  "  und  ,,  zerreiszen  "  zusammengesetzt, 
und  bedeutet,  wie  auch  einige  unserer  Bücher  behaupten,  dass 
•das  Thier  in  zwei  Hälften  zerrissen  werden  kann  und  dennoch 
ganz  munter  weiter  lebt.*  Dieser  Name  deutet  also  die  ungemeine 
Regenerationsfahigkeit  dieses  Thieres  an,  wie  sie  schon  beim 
Salamander  bekannt  ist. 

Wissenschaftlich  ist  das  Thier  gegenwärtig  unter  dem  Namen 
Megalobatrachus  maximus  bekannt.  Doch  hatte  es  früher  noch 
verschiedene  andere  Namen.  So  nannte  es  Schlegel  Salamandia 
maxima.  Seitdem  aber  erhielt  es  die  Namen  Sieboldiana  maxima, 
Sieboldiana  davidiana,  Tritomegus  .Sieboldii,  Cryptobranchus 
japonicus  und  Megalobatrachus  Sieboldii,  bis  endlich  der  obige 
Name  angenommen  worden  ist.  Das  glückliche  oder  unglück- 
liche Thier  hat  also,  seitdem  es  von  Sicbold  in  die  Wissenschaft 
eingeführt  worden  ist,  siebenmale  seinen  Namen  verändern 
müssen  !  Es  zeigt  dieses  aber  grade,  dass  es  von  vielen  For- 
schern, besonders  in  Deutschland,  beachtet  worden  ist. 

Was  nun  seine  Verbreitungsgebiete  betrifft,  so  finden  wir 
ihn  in  Bergflüssen  in  der  unteren  Hälfte  von  Hondo,  d.  h.  von 
Mino  bis  nach  Iwami,  Nagato  und  Suwo.  Er  ist  also  in  der 
Gebirgskette  südwestlich  von  Mino  bis  Suwo  und  Nagato,  und 
auch  im  Gebirge  von  Iga  und  Ise,  einem  Ausläufer  der  Hauptge- 
birgskette zu  finden.  Was  die  Provinzen  betrifft,  in  denen  er 
vorkommt,  so  sind  Mino,  Omi,  Iga,  Ise,  Tamba,  Tango, 
Tajima,  Inaba,  Mimasaku,  Harima,  Hoki,  Bizen,  Bitchu,  Bingo, 
Idzumo,  Iwami,  Aki,  Suwo  und  Nagato  zu  erwähnen.  Er  ist 
bis  jetzt  noch  nicht  in  Kii  gefunden,  und  auch  nicht  in 
Shikoku  und  Kyushu.  Am  häufigsten  kommen  sie,  wie  mir 
bis  heute  bekannt  ist,  in  Gebirgsflüssen  vor,  die  von  dem 
berühmten  Vulcan  Daisen  kommen,  und  ausserdem  in  Bächen 
auf  der  südlichen  Seite  der  Hiruzenberge  und  deren  Nachbarschaft, 
besonders  in  den  hier  befindlichen  Quellen  des  reizenden  Asahi- 
gawa  oder  des  Sonnenaufeano-sflusses. 


*  So  berichtet  Eikei   Watanalio. 


Sj  C.    ISHIKAW  \,    KIESEN    .SAI^AMANnilK. 

In  der  Mitte  dieser  .sclu'inen  Gehir<^.sregi()n,  in  dem  L;anz 
kleinen,  aber  sehr  hübsch  t^elcg;encn  Dorf  Kogawa  oder 
Kleinfluss  verbrachte  ich  einen  Frülihngsnionat  und  zwei  Sommer, 
um  auf  den  Hanzaki,  sowie  seine  l^icr  und  Embryonen  Jagd  y.vt 
machen.  Zuerst  war  es  meine  Absicht,  die  ganze  Naturgeschichte 
des  Hanzaki  zu  untersuchen,  seine  Anatomie,  Physiologie, 
Lebensgeschichte  u.  s.  w  ;  wie  ich  aber  mit  meiner  Arbeit  ange- 
fangen hatte,  hat  mein  verehrter  College  und  Landsmann  Herr 
Dr.  Os/77C'a,  mir  angeboten  den  anatomischen  Theil  meiner 
Arbeit  zu  übernehmen,  was  ich  mit  Freuden  acceptierte,  indem 
ich  überzeugt  war,  dass  dieser  Theil  der  Arbeit  viel  besser 
in  den  Händen  von  Osaicn  liege  als  in  den  meinen  ;  ausserdem 
hätte  das  alles  mir  zu  viel  Zeit  genommen  ;  und  so  habe  ich 
mich  entschlossen  mich  nur  mit  der  entwicklungsgeschichtlichen' 
Arbeit  zu  beschäftigen. 

Da  aber  meine  diesbezügliche  Arbeit  nt)ch  nicht  abge- 
schlossen ist,  so  erlaube  ich  mir  Ihnen  heute  Abend  nur  über 
die  allgemeine  Lebensweise  des  Thieres,  sowie  über  meine  Jagd- 
geschichte  vorzutragen. 

Was  die  Arbeiten  meiner  Vorgänger  betrifft,  so  haben  Rein 
und  Ro!'cfrj'\  den  Riesen-Salamander  in  seinem  natürlichen  Wohnort 
besucht  und  zum  ersten  Male  eine  genaue  Mittheilung  über  die 
Lebensweise  des  Thieres  gegeben,  welche  in  .Siebold's  Berichten 
fehlt  oder  unrichtig  angegeben  ist.  Im  Jahre  1880  und  1881  hat 
mein  Freund  Prof.  C.  Sasaki  '■'  in  den  Proxinzen  Iga  und  Isc 
Salamander-Eier  gesammelt,  und  hat  dabei  viele  interessante 
Beobachtungen  gemacht.  lüne  kurze  Notiz  hierüber  erschien? 
im  I.   1kl.  des  Journal  of  the  Science  College. 

Der  Hanzaki  lebt,  wie  diese  Autoren  erwähnen,  in  Gebirgs- 
bächen,  wo  das  Wasser  nur  einige  Zolle  tief  ist.  Hier  findet 
man  ihn  oft  versteckt  unter  Steinen  und  Steinblöcken,  zuweilen 
in  der  Mitte  des  Stromes,  meistens  aber  an  den  Seiten.  Er 
lebt  gewöhnlich  einzeln,  zuweilen  begegnet  man  aber  zwei  oder 
drei  Thieren  beüsammen.  Der  Eingang  des  Hanzakiloches  zeichnet 
sich  gewöhnlich  dadurch  aus,  dass  der  Boden  von  dem  Thier 
ganz    rein    gehalten    ist.     Besonders    in    trockner    Zeit,    wenn  es. 

T  Ke'iu,  .).  .).  iinil  A.  von  IJorctz,  Beitrag  zur  Kcniitniss  des  Kiesensala- 
iiiunders.     Zool.  (iaitoii.  Isir.. 

*  Sasaki,  (',  Sonic  Note-  011  tlie  (iiaiit  Salainaiulvr  oi'  .I:i|ian.  Journ.  Coli. 
Pri.    vol.   I. 


c.  isHiKAWA,  Rri:si:x  .-alamanüer.  83 

wenig  Wasser  giebt,  kann  ein  geübter  l'ischer  gleich  sagen,  ob 
■ein  Thier  in  einem  Loch  zu  finden  ist  oder  nicht.  Aber  da 
■ein  Aal  gerade  so  eine  Pforte  wie  der  Hanzaki  macht,  kann  man 
sich  täuschen.  So  hat  in  einem  I^'all  ein  Fischer,  der  mir  mit 
aller  Gewissheit  die  Anwesenheit  eines  Hanzaki  versprach,  einen 
gro.ssen  Aal  aus  dem  Locii  gefischt.  Ein  Hanzakiloch  ist  entweder 
am  Ende  geschlossen  oder  bleibt  offen,  und  das  Wasser  kann 
in  letzterem  Falle  durchströmen.  In  welcher  Lage  sich  sein 
Körper  in  dem  Loch  befindet,  ist  mir  nicht  bekannt.  Es  ist  aber 
anzunehmen,  dass  er  seinen  Kopf  nach  dem  Eingang  hält,  da  er 
in  solcher  Weise  seine  Nahrung  besser  fangen  kann.  In  einem 
von  Wasser  durchströmten  Loch  hält  er,  wie  es  mir  schien, 
seinen  Kopf  gegen  den  Strom  gerichtet. 

Seine  Wohnung  ist  aber  nicht  fortdauernd  an  demselben 
Platz,  besonders  in  tiefem  Wasser,  wo  er  immer  gezwungen 
rst  bis  zur  (3berfläche  des  Wassers  zu .  steigen,  um  Luft  zu 
schöpfen.  Ob  er,  um  Futter  zu  suchen,  seine  Wohnung  verlässt, 
ist  nicht  sicher.  Es  scheint  aber,  dass  eine  stark  riechende 
Speise  ihn  aus  seinem  Verstecke  heraus  bringt.  Sicher  ist  es 
jedoch,  dass  er  bei  Tage  sehr  .selten  aus  dem  Loch  kriecht,  und 
nur  in  der  Zeit  der  Ueberschwemmung  seiner  Wohnung  ist  er 
-gezwungen  aus  seinem  Loch  herauszukriechen.  Nach  .starkem 
Regen  finden  wir  ihn  zuweilen  am  Ufer  des  Stroms  kriechen.  Auch 
trägt  ihn  eine  L'eberschwemmung  oft  sehr  weit  von  seiner  W^oh- 
nung  fort,  so  dass  er  weit  unten  im  Fluss  zu  finden  ist,  so  z.  B.  in 
Kanagawa  und  auch  in  der  Nähe  von  Okayama  wurde  er,  16 
■oder  20  Ri  von  Kogawa,  gefunden :  oder  in  der  Gegend  von 
Gifu,  in  ■Mino,  8  Ri  stromabwärts  von  seinem  Wohngebiet.  Es 
scheint  aber  ganz  sicher,  dass  er  während  der  Nachtzeit  aus 
seinem  Verstecke  wandert,  da  es  nicht  ungewöhnlich  ist,  dass 
■er  Nachts  in  einem  Wurfnetz  gefangen  wurde,  was  niemals  am 
Tage  geschieht ;  früh  Morgens  begegnen  wir  ihm  .sehr  oft 
Icriechend  im  Strombett. 

Das  natürliche  Wohngebiet  des  Hanzaki  sind  also,  wie 
gesagt,  kleine  Gebirgsbäche.  Wenn  er  grösser  wird,  so  wandert 
er  stromab\\ärts  zu  grösseren  Flüssen.  Mein  Pascher  Jto  ver- 
sicherte mir,  dass  Hanzaki  von  mehr  als  3  P^uss  Länge  nicht 
mehr  kleine  Bäche  bewohnen,  w'o  das  Wasser  nur  einige  Zolle 
tief  ist,  und  das  scheint  auch  die  Ansicht  aller  Fischer  zu  sein, 
mit  denen  ich  darüber  gesprochen  habe. 


84  C.     ISIIIKAWA,    RIESEN    SALAMANDICR. 

In  Bächen  wo  Hanzaki  xorkomnicn,  findet  man  viele  andere^ 
Thicre  die  ihm  gewöhnHch  als  Nahrung  dienen.  Vor  Allem  kommt 
die  interessante  Fischart  vor,  welche  Günther  als  neu  erklärte 
lind  Salmo  macrostoma  nannte,  welche  Hilgciidorf^''  aber  nur  als 
ein  junges  Exemplar  von  Masu,  Onchorhynchus  Perryi.t  erkannte 
was  ich  selber  nach  der  Zahl  der  Darmfortsätze  u.  s.  w.  als 
richti«'"  erweisen  konnte.  Diese  Fischart  heisst  in  Japan  Yamame, 
und  ist  ein  ,,  landlocked  Salm.on,"  wie  die  Amerikaner  es  nennen. 
.Sie  kommen,  wie  bekannt,  nur  in  Gebirgsbächen  vor,  und  wandern 
nicht  nach  dem  Meere,  wie  andere  lachsartige  Fische.  In  der 
Nähe  vom  Daisengebirge,  in  Hoki,  giebt  es  noch  eine  andere 
I'^orellenart,  die  die  dortigen  Leute  als  Omo  bezeichnen,  und 
diese  kommt,  wie  ich  erfuhr,  nur  in  <\<in  obersten  Flussläufen 
vor.  Ein  Dutzend  dieser  interessanten  Fische  habe  ich  Anfang 
October  in  dem  kleinen  Dorf  Sagarikaya  gefmgen.  Es  sind  _sehr 
feine  Fische  mit  Querfiecken  wie  Yamame  und  mit  milchweissen 
vorderen  Rändern  der  Flossen,  aber  ohne  die  kleinen  Punkte. 
Sie  werden,  Avie  die  Leute  mir  erzählten,  bis  zu  i  '/o  Fuss  lang 
und  legen  im  November  I{ier.  Diese  beiden  Fischarten  bewegen 
sich  wie  alle  anderen  lachsartigen  Fische  pfeilschnell  im  Wasser, 
doch  finden  wir  sie  sehr  oft  im  Magen  des  Hanzaki.  Es  ist  ganz 
unglaublicli,  wie  der  träge  Hanzaki  diese  Fische  fangen  kann  : 
beobachtet  man  aber  das  Thier  in  der  Zeit  wo  irgendwie  ein 
anderes  Thier  in  seine  Nähe  kommt,  dann  wird  man  gleich 
begreifen  wie  er  einen  solchen  Fisch  fangen  kann.  Im-  sitzt  wie 
bekannt  ganz  ruhig,  sogar  wie  ein  Steinblock  stundenlang,  "wenn 
aber  ein  Fisch,  ein  Wurm  oder  irgendwie  anderes  Thier  in 
seine  Nähe  kommt,  dann  öffnet  sich  sein  grosser  Mund  blitzschnell 
und  mit  einer  starken  seitlichen  Bewegung  des  Kopfes  geht  die 
Beute  in  seinen  Rachen  hinein.  Eine  andere  Fischart,  die  von 
Mimasakuleuten  als  Miyamadorobae  bezeichnet  wird  und  die  ich 
als  eine  neue  Art  von  Leuciscus  annehme,  kommt  gewöhnlich 
\\\  Gesellschaft  mit  Hanzaki  \'or.  Dies  sind  kleine  Fische  von 
etwa  lOO  mm.  Länge  mit  so  undeutlichen  Schuppen,  dass  man 
glaubt  sie  seien  schuppenlos.  Diese  kommen  meistens  in  kleinen 
Bächen  vor,    und  oft  in   Löchern  mit  Hanzaki  zusammen.     Aus- 

*  Ililgendorf:  Japanische  lachsartige  Fische:  Mittheihiiigcn  d.  deutsch. 
Gcsellsch.  f.  ^atiu-  und  Völkerkunde  Ostasiens,  II  lieft  1870. 

t  D.  S.  Jordan  nennt  es  neuerdings  ünoorhynchus  inacrostonuis  (rüntlicr  in 
seinem   neuen  List  of  tlie  l''islies  of  .lapan.  Annot.  Zonl.  .lap.m.   WA.  III. 


C.    ISHIKAWA,    RIESEN    SALAMANDER.  85 

ser  dem  Aal,  welchen  wir  auch  überall  finden,  kommen  in 
der  Hanzakigegend  in  Mimasaku  noch  vier  andere  Fischarten 
vor.  Dies  sind  Arten  einer  in  China  neuerdings  von  Günther  * 
beschriebenen  Fischgattung  Leucogobio,  und  eine  Art  von 
der  auch  nur  in  Japan  u.  in  Nord-China  gefundenen  Gattung 
Pseudogobio.  Alle  diese  kommen  aber  nicht  in  kleinen  Bächen, 
sondern  in  etwas  grösseren  Flüssen  vor,  wo  auch  viele  andere 
Fische  zu  finden  sind.  Ich  erwähne  dieses,  da  sehr  nahe  ver- 
wandte Fischarten  von  Leucogobio,  wie  wir  sie  liier  bei  uns 
haben,  auch  in  Nordchina  vorkommen,  wo  auch  Megaloba- 
trachus  maximus  von  einem  russischen  Reisenden  Abbe  David 
gefunden  wurde.  Diese  Fischarten  heissen  Okawadorobae,  Kin- 
dorobae  und  Yanagibae,  welche  ich  L.  güntheri,  jordani  und 
hilgendorfi  nenne,  t  Allerdings  kommen  diese  Arten  auch  in 
anderen  Gewässern  vor,  so  L.  güntheri  und  jordani  im  Biwasee, 
in  Centraljapan.  Von  wirbellosen  Thieren,  die  auch  sehr  häufig 
in  Hanzakibächen  vorkommen  und  die  als  sehr  beliebte  Nahrung 
ver/ehrt  werden,  ist  eine  Art  von  Gebirgskrabbe  zu  erwähnen, 
Sawagani  genannt,  welche  wissen.schaftlich  als  Grapsus  pusillus 
Fabr.  bezeichnet  ist.  Auch  diese  Krabben  kommen  in  anderen 
Gebirgsthälern  vor,  so  in  Hakone,  Nikko  u.  s.  w.  Zu  erwähnen 
ist  aber,  dass  sie  von  Hanzaki  sehr  gern  gefressen  werden,  da  in 
fast  jedem  Thier,  das  ich  in  Mimasaku  geöffnet  habe,  auch  diese 
Krabbenschale  im  Magen  gefunden  wurde.  Auch  fast  alle 
gefangenen  Thiere  speihen  die  leeren   Schalen  aus. 

Von  Amphibien  finden  wir  in  Mimasaku  u.  a.  Hanzaki- 
gegenden,  die  gewöhnliche  Kröte,  Bufo,  die  beiden  Froscharten, 
Rana  esculenta  und  japonica,  Hyla,  Rachophorus,  und  zwei 
Salamander,  Onychodactylus  und  Hynobius.  Alle  diese  Thiere 
werden  von  Hanzaki  als  Nahrung  verzehrt,  w^enn  sie  bis  zur 
Eintrittstelle  des  Loches  kommen.  Besonders  interessant  sind 
aber  Onychodactylus  und  Hynobius,  welche  auch  in  anderen 
Gegenden  wie  Hakone,  Nikko  und  in  anderen  Gebirgsge wässern 
vorkommen,  und  als  Gegenmittel  gegen  verschiedene  Krank- 
heiten vielfach    benutzt   werden.      Das  Interessanteste   bei  diesem 

*  Günther:  Report  011  tlie  collections  of  ßeptiles,  Batrachiaus  und  Fishes 
inade  by  Messrs.  Potaiiiii  and  I>orezow.ski  in  the  Cliiiiese  Pnjvint'es  Kansu  and 
Szeclmen  1890. 

t  Ishikawa  :  Notes  on  Tvvo  New  Species  of  FLshes  froni  the  Lake  Biwa.  Annot. 
Zoo].  .lapcn.    Vol.  rir.  Pars  IV.    1901. 


86  C.    ISHIKAWA,    KIESKN    SALAMANDER. 

Tliierc  ist  der  Umstand,  dass  seine  Jungen  sehr  oft  mit  den- 
jenigen des  Hanzaki's  verwechselt  worden  sind.  So  finden  wir 
die  jungen  Onychodactykis  od.  Hynobius  neben  einem  erwach- 
senen Hanzaki  in  einem  unserer  alten  Bilderbücher,  genannt 
,,  Senchuzufu  "  od.  Bilderbuch  der  Tausend  Insekten.  Aus  diesem 
haben  die  Vettern  Sarasvi*  in  ihren  werthvollen  Mittheilungen 
über  ceylonisches  Epicrium  die  genannten  Abbildungen  entnom- 
men. Auch  haben  viele  Leute  mir  die  Onychodactylus-  oder 
Hynobius-Jungen  zugeschickt,  als  ich  die  Jungen  des  Hanzaki 
haben  wollte.  Ein  Schulmeister  in  Tottori  hat  sogar  im  Zool. 
Magazine  eine  kleine  Notiz  über  die  jungen  Hanzaki  geschrieben, 
die  nachher  sich  als  Onychodactylus-Junge  erwiesen.  Dies  ist 
aber  nicht  zu  verwundern,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  jungen 
Hanzaki  sich  sehr  schwer  fangen  lassen,  und  dass  die  Onycho- 
dactylus und  Hynobiuslarven,  ungleich  ihren  Eltern,  einen  ganz 
platten  Körper  haben,  wie  die  alten  Hanzaki.  Im  Gegentheil  zu 
diesen  haben  die  jungen  Hanzaki  einen  von  beiden  Seiten  ab- 
geflachten Körper  mit  ziemlich  grossen  Augen  wodurch  sie  ein 
ganz  anderes  Aussehen  gewinnen,  als  ihre  Alten. 

Das  erwachsene  Thier  gilt  für  ein  sehr  hässliches  Geschöpf, 
mit  seinem  plattgedrückten  Kopf,  winzig  kleinen  Augen  u.  mit 
einem  grossen  Mund,  dessen  rothe  Fleischfarbe  sehr  stark  von 
dem  Dunkelbraun  des  Körpers  absticht.  Diess  giebt  ihm  ein 
abstossendes,  abscheuliches  Aussehen.  Und  zu  dieser  Hässlich- 
keit  kommt  noch  ein  niedriger,  dumpfer  Laut,  den  das  Thier 
von  sich  giebt,  und  die  kinderähnlichen  kurzen  Füsse.  Alles 
dies  hat  in  alten  Zeiten  manche  abenteuerliche  P>zählung  ver- 
ursacht, welche  teilweise  bis  heute  unter  den  Bauern  geglaubt 
wird.  Eine  solche  ist  die  Legende  von  J/ii  Hiko^Idro;''  welcher 
mit  einem,  riesigen  Hanzaki  in  dem  oberen  Strom  Asahigawa 
unweit  vom  Yubara-Dorf  gekämpft  haben  soll  ;  der  Platz  am 
Ufer  ist  heute  noch  als  Hanzakibuchi  unter  den  Leuten  bekannt. 

Im  ersten  Jahre  Bunroku,  Ende  1500,  hatten  sich  viele 
Arbeiter  am  Ufer  des  Asahigawa  in  Mukoyubara  mit  einem 
Hausbau    beschäftigt.     Da   erschien   ein    Pilger   am  andern   Ufer, 

*  Sarasin,  P.  u.  F. :  Zur  Kntwicklun.tpiji;escliichte  und  Anatomie  der  ceylone- 
sichen  Blindwülile  Ichtliyophis  Glutiiiosus. 

t  Die  Lejiende  ist  in  einem  japanischen  Buch  f^t  [^J  fS  ('<ies('Iii(hte  von 
iSiid-Sai<us]iu)  borielitet  und  wird  amh  in  etnns  vei'iindertir  Foi-m  von  den  Ilaueni 
heute  nncli  erziihh. 


C.    ISIilKAWA,    RIESEN    SALAMANDER.  8/ 

welcher  ungewöhnliche  Lichtstrahlen  aus  dem  Wasser  kommen 
sah  ;  gleich  darauf  bemerkte  er  ein  riesiges  Ungethüm.  Ganz 
erstaunt  rief  er  ,,  Ein  Ungeheuer !  Wagt  niemand  hier  mit 
demselben  zu  kämpfen?"  Die  Arbeiter  kamen  alle  zum  Ufer, 
und  sahen  ein  kolossales  Thier  tief  im  Wasser.  Aber  das 
Geschöpf  war  so  gross,  dass  erst  niemand  es  wagte  sich  mit  ihm 
einzulassen.  Unter  den  Arbeitern  war  ein  Jüngling  Namens 
Mii-HikosJiiro,  in  dessen  Adern  Samuraiblut  floss,  der  mit 
einem  kurzen  Dolch  in  der  rechten  Hand  sich  ins  Wasser 
hinunter  stih-zte.  Da  öffnete  das  Riesenthier  seinen  Mund  weit, 
sah  den  Jüngling  mit  seinen  kleinen,  aber  feurigen  Augen  an, 
und  mit  einem  Schluck  verschwand  der  Aermste  tief  in  des 
Ungeheuers  Bauche.  Schauer  ergriff  die  anderen  Arbeiter  und 
den  Pilger.  Sie  wussten  nichts  zu  thun.  Aber  sieh  !  der  brave 
Hikosliiro  öffnete  mit  seinem  Dolch  den  Bauch  des  Ungeheuers 
\-on  innen  her  und  schwimmend  kehrte  er  zum  Ufer  zurück.  Das 
krystallklare  Wasser  des  Stromes  wurde  von  des  Ungethier's  Blut 
ganz  roth,  und  der  riesige  Leichnam  lag  tief  auf  dem  Grunde. 
Hikoshiro  brachte  nun  eine  starke  Schnur  und  tauchte  zum 
zweiten  Male  ins  Wasser,  und  mit  Hilfe  der  anderen  Leute 
brachte  er  das  Ungethier  ans  Ufer.  Die  Körperlänge  desselben 
mass  35  Fuss,  sein  grösster  Umfang  war  13  Fuss.  —  —  Der 
Mond  schaute  fahl  aus  tlämmeriger  Wolkenhöhe,  Todtenstille 
herrschte  im  ganzen  Dorf.  Da  klopfte  in  tiefer  Nacht  ein  schönes 
I^'rauenbild  *  an  des  Jünglings  Thor  und  weinte  gar  bitterlich  ! 
YXn  seltsamer  Schauer  ergriff  ihn  und  streckte  ihn  todt  nieder, 
und  eben  so  starb  plötzlich  seine  ganze  Familie.  Das  brachte 
das  ganze  Dorf  in  Bewegung.  Die  Leute  begruben  den  Riesen- 
leichnani  auf  dem  Grunde  des  Dorfgottes  und  sprachen  ein 
Gebet  für  das  Seelenheil  des  Salamanders.  Einige  Steine  und 
ein  kleiner  Tempel  wurden  darauf  errichtet,  und  der  neue  Gott 
wurde  als  Hanzakiclaimyöjin  oder  der  Grosse  Gott  Hanzaki 
geehrt.  Zum  grossen  Glück  für  die  Naturwissenschaft  haben  die 
dortigen  Leute  auch  dem  Gott  versprochen,  dass  sie  niemals  einen 
Salamander  tödten  und  essen  wollen,  was  sie  auch  redlich  halten. 
Die  Photographie,  die  ich  Ihnen  hier  vorlege,  ist  aus  dieser 
Gegend.  An  der  rechten  Seite  des  Bildes  sieht  man  eine  kleine 
dichte  Baumgruppe,  wie  sie  gew(")hnlich  in  unseren  Tempelgründen 

■•■'  In   dem   P>n«'h   Sakiivoslii  lici^^'t  e>  nnr  .,  iemnnd." 


88  c.  i-siiiKAWA,  rip:sen  Salamander. 

7U  sehen  sind.  13as  i.st  der  Tempelgrund  des  Mukoyubaradorfes, 
und  darin  liegt  der  berühmte  Hanzakidaimyöjintempel,  ein  ganz 
kleines  h(")Izernes  Häuschen  von  ungefähr  2-3  Fuss  Höhe  und 
T  oder  i'/i  Fu.ss  Breite.  Heute  ist  der  Tempel  etwas  verfallen, 
und  in  dem  Tempel  liegt  ein  kleiner  dreieckiger  Stein,  welcher 
die  heiligen  Seelen  repräsentieren  soll. 

Solche  und  ähnliche  märchenhafte  Erzählungen  hört  man 
aber  sehr  viel  hier  in  dieser  Gegend  und  vielleicht  auch  in 
anderen  Hanzakigegenden.  Sogar  heutigen  Tages  glauben  viele 
Leute  an  die  Anwesenheit  kolossaler  Salamander  und  an  durch 
dieselben  veranlasste  Unglücksfalle.  So  ist  mir  einmal  erzählt 
Avorden,  dass  an  einer  tiefen  Stelle  ungefähr  zwei  Ri  am  Yubara 
stromaufwärts  ein  riesiges  Thier  lebte,  das  einmal  eine  Frau 
mit  ihrem  Kind  auf  dem  Rücken  \erschluckt  habe.  Der  Dorf- 
ciuacksalber,  der  mir  diese  abenteuerliche  Geschichte  erzählte, 
sagte  mir  zugleich:  ,,  Diese  Geschichte  hörte  ich,  als  ich  noch 
ein  junger  Knabe  war,  und  jetzt  noch  wage  ich  nicht  allein  an 
diese  Stelle  zu  gehen  !"' 

Obgleich  aber  das  Thier  hässlich  und  abscheulich  aussieht,  so 
übt  es  doch  ein  gewi.ssen  Reiz  auf  den  gastronomischen  Geschmack 
der  Leute.  Die  Hanzaki  werden  nämlich  in  grosser  Zahl  in  diesen 
Gegenden  gefangen  und  als  Leckerbissen  verzehrt.  Bei  passender 
Zubereitung  gibt  er  eine  schmackhafte  Speise.  Mir  wurde  auch 
einigemale  das  Fleisch  angeboten ;  einmal  in  Miso-  (Bohnen.) 
suppe  gekocht,  ein  andermal  in  Shoyu  und  Zucker  gesotten  und 
dann  wieder  in  Fett  gebraten.  Alle  diese  Zubereitungen  fand  ich 
nicht  schmackhaft.  Das  Fleisch  errinnerte  mich  zwar  an  das 
x'on  Lippenschildkröten,  Trionyx,  aber  der  Gedanke  an  den 
fossilen  Riesensalamander  nahm  mir  allen  meinen  Appetit  weg, 
wenn  es  auch  noch  so  gut  gekocht  war.  Aber  die  Leute  essen 
ihn  ohne  alles  Bedenken  und  zwar  essen  sie  ihn  nicht  nur 
als  gewöhnliche  Speise  oder  als  Delicatesse,  sondern  sie  ver- 
zehren ihn  auch  als  Arzneimittel.  Es  wird  im  allgemeinen  von 
den  Leuten  geglaubt,  dass  eine  Hanzakisuppe  mit  Miso  ein  treff- 
liches Gegenmittel  gegen  Dysenterie  sei,  und  unglücklicherweise 
herrscht  diese  Krankheit  fast  in  jedem  Jahre  in  Mimasaku,  Hoki 
und  Idzumo,  und  grade  in  der  Zeit,  wo  die  Thiere  ihre  Eier 
legen,  d.  h.  Ende  August  und  September !  So  werden  die 
schwangeren  weiblichen  Thiere  jährlich  in  grosser  Zahl  gefangen 
und    zu     hohen     Preisen      verkauft.       Die     Leute     kochen     die 


C.    ISHIKAWA,    KIESEN    SALAMANDER.  89 

Thiere  gewöhnlich   nach  Entfernung  der   Haut   und   zerschneiden 
sie  in  kleine  Stücke. 

Was  nun  den  Hanzakifang  betrifft,  so  fischt  man  ihn 
gewöhnlich  wie  einen  Aal,  nämlich  mit  einem  Fischhaken,  an 
dem  man  ein  grösseres  Exemplar  eines  Regenwurms  befestigt. 
Die  Spitze  desselben  wird  auf  das  Ende  einer  Bambusstange 
gesteckt,  und  so  bringt  man  den  Wurm  in  das  Loch,  worin  man 
einen  Hanzaki  vermuthet.  Ein  geübter  Fischer  kann  sehr  leicht 
einen  Aal  von  einem  Hanzaki  beim  Anbeissen  unterscheiden,  da  ein 
Hanzaki  die  Lockspeise  sammt  Bambusspitze  abbeisst,  während 
ein  Aal  nur  den  Wurm  verschluckt.  Da  aber  ein  Regenwurm  leicht 
zu  zeneissen  ist,  so  benutzt  man  für  den  Hanzakifang  einen  Frosch, 
und  zwar  am  häufigsten  den  gewöhnlichen  Wasserfrosch,  R.  escu- 
lenta,  als  Lockspeise.  Ein  Frosch  wird  mit  einem  starken  Haken 
an  seiner  Afteröffnung  durchstochen  in  der  Weise,  dass  die  Spitze 
des  Hakens  an  einer  Seite  des  Kopfes  hinausragt.  Diese  Haken- 
.spitze  wird  auf  eine  lange  Bambusstange  gesteckt,  und  die  Hin- 
ter-Beine  des  Frosches  werden  mit  einer  Schnur  ganz  fest  an 
der  gros.sen  Schnur  am  unteren  Ende  des  Hakens  befestigt,  und 
das  alles  wird  nun  mit  Hilfe  der  Stange  in  das  Loch  hineinge- 
bracht. Es  ist  ziemlich  sicher,  wenn  ein  Hanzaki  im  Loch  ist,  dass 
er  gleich  zubeisst.  Manchmal  aber,  wenn  das  Loch  sehr  tief  ist, 
niuss  man  lange  warten  bis  er  kommt.  So  bringt  man  gewöhnlich 
drei  oder  vier  solche  Lockspeisen  in  verschiedene  Löcher  und 
wartet  bis  einer  beisst.  Dann  nimmt  man  den  Bambus  weg  und 
zieht  ganz  leise  an  der  Schnur,  und  \v<:nn  man  findet,  dass  die 
Lockspeise  schon  im  Munde  des  Thieres  ist,  dann  zieht  man  die 
Schnur  mit  der  linken  Hand  an,  und  gleichzeitig  steckt  man 
seine  rechte  Hand  ins  Loch  hinein,  in  der  Weise  dass  man  mit 
derselben  das  Thier  unten  am  Hals  greift,  und  bringt  es  so  heraus. 
Dieses  Verfahren  passt  aber  nur  für  mittelgrosse  Thiere.  Thiere 
von  über  3  Fuss  Länge  könnte  man  in  dieser  Weise  nicht  fangen, 
da  sie  zu  stark  sind,  und  sie  fassen  auch  nicht  die  Lockspeise 
so  leicht  wie  die  kleineren.  Will  man  ein  grosses  Thier  fangen, 
so  muss  man  längere  Zeit  warten  bis  es  anbeisst.  Und  sehr  oft 
muss  man  viele  Frösche  vor  dem  Eingang  des  Loches  befestigen, 
um  den  Bewohner  herauszulocken.  Auch  kleinere  Thiere  von  unter 
I  Fuss  Länge  beissen  gewöhnlich  nicht  auf  den  Frosch,  aber  sie 
kommen  zuweilen  aus  dem  Loch,  falls  man  einen  Frosch  vor 
den  Eingang  setzt. 


•90  C.     ISIIIK AWA,     KIF.SF.N    SAIAMANDKR. 

Die  SalauKindcr  kriechen  aus  den  Löchern  ,,deni  \\\)hli;eruch 
des  Frosches  folgend",  so  sagte  mein  Hanzakifischer  //,',  und  ver- 
sicherte mir,  dass  die  Thiere  nicht  sehen,  sondern  nur  riechen.  Von 
den  kleinen  Augen  kann  man  das  erwarten,  und  man  f.lngt  die 
Thiere,  besonders  im  Frühjahr,  wenn  wenig  Wasser  vorhanden 
ist,  in  der  Weise,  dass  n^an  eine  stark  riechende  Speise  in  i\cn 
Strom  legt.  Zu  diesem  Zweck  mischt  man  gewöhnlich  ge- 
backcne  Nuka,  Frösche,  Irische  u.  a.  zu  Ballen  und  legt  diese 
in  den  oberen  Theil  des  Baches,  dann  kommen  die  Salamander 
■alle  aus  den  Löchern,  klein  und  gross.  Für  den  Fang  ist  das  zwar 
eine  sehr  kluge  Methode,  aber  für  die  Hanzaki  sehr  bedenklich, 
da  in  dieser  Weise  fast  alle  Thiere  gefangen  werden  können, 
die   in  einem  Bache  zu   finden  sind. 

Wie  gesagt,  werden  die  Riesen-Salamander  von  Jahr  zu  Jahr 
wcuiiger.  l^is  vor  30  oder  40  Jahren  sollen  sie  sehr  häufig  auch 
in  der  Gegend  von  Tsuyama  gewesen  sein,  wo  heute  fast  keine  - 
zu  finden  sind.  So  erzählte  man  zuerst,  als  ich  vor  5  Jahren  nach 
■dem  Hanzaki  fragte,  dass  sie  in  Tsuyama  leicht  zu  finden  seien, 
und  dass  man  ihre  l^^ier  leicht  bekommen  könne.  Wie  ich  aber 
hinging,  um  ernsthaft  zu  lagen,  wunderte  man  sich  sehr,  dass  sie 
nicht  zu  finden  waren.  Im  Maniwagori,  Mimasaku,  wohin  ich 
seit  4  Jahren  ging,  wurden  die  Hanzaki  jedes  Jahr  geringer  an 
Zahl.  Im  Onaru-Thal  z.  B.,  wo  ich  im  Jahre  1897  noch  viele 
Salamander  gefangen  habe,  und  im  letzten  Jahr  an  einem  Tage 
3  Exemplare  bekam,  konnte  ich  dieses  Jahr  nur  einen  finden. 
Ito  erzählte  mir,  dass  er  vor  6  Jahren,  als  er  zuerst  nach  Onaru 
kam,  in  einem  Tage  nicht  weniger  als  20  Exemplare  gefangen 
habe,  und  ein  Mann,  der  in  Onaru  wohnt,  sagte  mir,  dass  vor 
10  Jahren  die  Thiere  so  häufig  waren  wie  Frösche  heutzutage. 
Auch  im  Kuginuki-Thal,  wo  ich  vor  3  Jahren  3  oder  4  Exemplare 
an  3  aufeinander  folgenden  Tagen  fand,  konnte  ich  dieses  Jahr 
nicht  ein  einziges  Thier  finden.  Das  beweisst  natürlich  nicht, 
dass  die  Thiere  in  diesen  Thälern  heutzutage  nicht  mehr  vorkom- 
men, aber  es  zeigt  gewiss,  dass  die  Thiere  seltener  geworden 
sind.  Dieselbe  Geschichte  erzählte  mir  auch  ein  Bauermädchen, 
■das  ich  zufällig  auf  einem  Spaziergang  nach  Mikamo  traf  .\uf 
meine  Frage  nach  dem  Hanzaki  entgegnete  mir  das  Mädchen, 
•dass,  als  es  noch  klein  war,  Hanzaki  sehr  häufig  waren,  aber  jetzt 
lassen  sie  sich  nicht  mehr  in  dieser  Gegend  sehen. 

Die  rapide  Abnahme  von  Hanzaki  ist  nicht  allein  auf  seine 
medicinische    Verwendung  zurückzuführen;  es  kommt  auch  dazu, 


c.  isniKAWA,   rip:st:n  sai.amaxdek.  91 

dass  in  der  Zeit,  wo  die  Hanzaki  ihre  Eier  legen,  d.  h.  im  August 
und  September,  die  Länder  von  starken  Regenschauern  heim- 
gesucht werden,  und  die  Ueberschwemmung,  die  sehr  oft  nacli 
einem  solchen  folgt,  die  Thiere  zwingt  aus  ihren  Löchern  auszu- 
wandern ;  dabei  werden  sie  sehr  häufig  durch  Gesteine  u.  s.  w. 
verletzt,  besonders  die  jungen  Thiere,  welche  gewiss  bei  solchen 
Ueberschwemmungen  sehr  viel   zu   leiden  haben. 

Wie  gesagt,  jagte  ich  in  Mimasaku  auf  die  Riesensalamander 
und  ihre  Eier.  Aber  letztere  zu  finden  war  sehr  schwierig.  Anfangs 
wussten  wir  nicht  ganz  genau,  wo  und  wann  das  Thier  seine 
Eier  legt.  Nach  zwei  Sommern  eifrigen  Suchens  im  Iga-  und 
Isegebirge  hat  Herr  Prof.  Sasir/vi  ein  einziges  Mal  im  August 
einen   Haufen  Eier   gefunden,    die    schnurartig   verbunden    waren. 

Ich  habe  auch  sehr  lange  vergeblich  nach  den  Eiern  gesucht. 
Erst  nachdem  ich  mit  Hilfe  eines  Dorfschulzen  in  Kogawa, 
Herrn  Teshiuia,  die  Untersuchungen  der  Ovarialeier  von  jedesmal 
frisch  gefangenen  Thieren  vom  Frühiahr  bis  zur  Mitte  September 
unternahm,  konnte  ich  die  Zeit  der  Eiablage  feststellen.  Dieselbe 
fällt  hauptsächlich  in  die  letzte  Hälfte  des  Monats  August. 

Die  ersten  Eihaufen,  die  mir  zu  Gesicht  gekommen  sind, 
^\•aren  diejenigen,  welche  in  einem  Dorf  3  Ri  von  Kogawa  abgelegt 
waren.  Es  war  ein  Bauernhaus,  an  dessen  Hinterseite  sich 
eine  kleine  Wasserpfütze  befand,  worin  zwei  Thiere  seit  einiger 
Zeit  eingeschlossen  waren  ;  eines  \on  diesen  hatte  die  Eier 
abgelegt.  Dieselben  waren  aber  bereits  ganz  zerstreut  und  ver- 
dorben, und  waren  in  diesem  Zustande  zu  weiteren  Unter- 
suchungen nicht  mehr  zu  gebrauchen.  Da  errinnerte  ich  mich, 
dass  Ito  vor  ein  paar  Tagen  im  Onaruthal  einen  Hanzaki 
gefischt  hatte,  und  am  nächsten  Tage,  den  2  ten  September  ging 
ich  mit  Ito  nach  dem  Thal.  Der  W^eg  wer  sehr  schlecht.  F^in 
enges  Thal,  ohne  Weg  !  Wir  gingen  in  Bächen,  deren  Grund 
ganz  schlüpfrig,  und  an  beiden  Seiten  so  dicht  mit  Gräsern  und 
kleinen  Gewächsen  überwachsen  war,  dass  man  an  manchen 
Stellen  kriechen  musste.  luidlich  kamen  wir  an  einen  kleinen 
\\'asserfall,  wo  Ito  das  Thier  gefangen  hatte.  Wir  suchten  überall, 
aber  fanden  kein  einziges  Loch,  worin  ein  Hanzaki  leben 
konnte.  Endlich  fand  ich  aber  ein  ganz  kleines  Loch  am  I'uss 
eines  sehr  grossen  wandähnlichen  h'elsens,  welches  Ito  unter- 
suchte. Er  legte  .seine  Hand  hinein  und  .sagte  zuerst,  dass  das 
Loch  nicht  tief  sei,  dann  aber  schob  er  eine  Stange  hinein,  und 
fand  das    Loch   sehr  tief,  und    wie  er  mit  der   Spitze  der  Stange 


92  C.    ISlllKAWA.    1<IKS1-:N    SALAMANDER. 

den  (ii'uiul  aufi^crührt  hatte,  floss  kaltes,  klares  Wasser  heraus. 
Zu  meinem  grossen  Erstaunen  brachte  er  bald  mit  den  an  einer 
Ian_f^cn  Stange  befe.stigten  Haken  5-6  sehr  schöne  Eier  am 
Haken  hängend  heraus.  Schöne  glashelle  Eischalen,  worin 
fast  weisse  Dotterkugeln  schwammen !  Was  für  eine  Ereude  ich 
damals  hatte,  das  weiss  niemand  zu  würdigen  !  Auch  Ito  war  ganz, 
ausser  sich,  und  beim  nächsten  Ziehen  des  Hakens  kamen  60-70 
Eier  aus  dem  Loch  heraus.  Dieses  waren  die  ersten  leben- 
digen Eier,  die  ich  selber  gesehen  habe,  und  die  ersten  Eier, 
die  überhaupt  einigermassen  wissen.schaftlich  behandelt  werden 
konnten.  Mit  dieser  Beute  eilte  ich  überglücklich  nach  Kogawa 
zurück. 

Die  abgelegten  lüer  sind,  wie  zuerst  von  Sasaki  berichtet 
wurde,  durch  Schnüre  x'erbunden,  die  aber  nicht  glatt  und 
gleichdick  wie  diejenigen  der  Kröte  sind,  sondern  die  Zwischen- 
.stücke  je  zweier  Eier  sind  dünner,  und  das  Ganze  macht 
den  Eindruck  eines  Rosenkranzes.  Sasaki'^  sagte  darüber:  ,,  Each 
Qg^  floats  in  a  clear  fluid  inclosed  in  a  beadshaped  gelatinous 
envelope  (i. 62-1. 35  cm.);  and  this  cnvelope  is  connected  with 
the  next  by  means  of  a  comparatively  small  string  which  is 
about  equal  in  length  to  the  longer  axis  of  the  envelope. 
The  egg  has  an  oblate  spheroidal  form,  measuring  about  6 
mm.  by  4  mm.,  and  is  yellow  everywhere  cxcept  at  the 
Upper  pole,   where  it  is  whitish." 

Genauer  beobachtet  besteht  die  Eikapsel  aus  ver.schiedenen 
Theilen..  Zuinnerst  kommt  eine  ziemlich  feste  Membran,"  dann 
kommt  eine  sehr  fein  geschichtete  und  etwas  dickere  Mem- 
bran. Ueber  dieser  liegt  eine  dritte,  die  ebenso  dick  ist  wie  die 
zweite.  An  beiden  Polen  der  Kapsel  zieht  sich  diese  dritte 
Membran  aus  und  bildet  die  innerste  Achse  der  Schnur.  Dann 
kommt  eine  Anzahl  von  Membranen,  die  sich  auch  in  der  Eischnur 
fortsetzen.  Die  Zahl  dieser  Membranen  ist  verschieden,  doch  in 
manchen  Kapseln  zählte  ich  deren  12  bis  15.  Alle  diese  Mem- 
branen und  auch  die  Achsialtheile  der  Schnur  sind  leicht  dehnbar. 
Ueber  diese  folgt  dann  eine  ziemlich  dicke  GallerihüUe,  die  an 
beiden  Polen  auf  die  Entfernung  von  ca.  i  cm  eine  spiralartige 
Drehung  zeigt,  so  wie  es  bei  Hagelschnur  od.  Chalazen  der  P"all 
ist.  Bekanntlich  ist  die.se  Chalazenbildung  bei  Eiern  von  Am- 
phibien erst  von  den  Vettern  Sarasin  bei  Ichthyophis  beobachtet 


C.    ISHIKAWA,    KIESEN    SALAMANDER.  93 

und  beschrieben  worden.  Während  aber  diese  Hagelschnüre  bei 
Ichthyophis  gerade  so  sind,  wie  bei  Vogeleiern,  sind  sie  hier  bei 
Hanzaki  von  denjenigen  bei  Vögeln  insofern  verschieden,  als  hier 
die  äussere  Gallerthülle  gedreht  ist.  Die  Grösse  der  einzelnen 
Kapseln  sowie  die  Zahl  der  Eier  in  einem  Wurf  sind  je  nach  der 
Grösse  des  Thieres  verschieden,  d.  h.  ein  grosses  Thier  legt  mehr 
Eier  als  ein  kleines,  und  die  Eikapseln  sind  auch  grösser.  So 
fand  ich  die  Eikapseln  bei  einem  Thier  von  ungefähr  270  mm 
Länge  viel  kleiner  als  diejenigen  von  einem  anderen  Thier, 
welches  mehr  als  looo  mm  mass.  Die  Durchmesser  der  Ei- 
kapseln bei  dem  ersteren  Thier  fand  ich  durchschnittlich  ca. 
20  mm,  bei  dem  letzteren  über  25  mm.  Auch  beobachtete 
ich,  dass  kurz  vor  der  Ausschlüpfung  der  Embryos  die  Eikapsel 
bedeutend  an  Grösse  zunimmt.  Die  Form  der  Eikapsel  ist  ganz 
rund  oder  etwas  ov^al.  Der  Durchmesser  ist  an  den  Befestigungs- 
stellen vielleicht  ein  wenig  länger  als  a,n  den  anderen.  Die 
Schnur  zwischen  je  zwei  Eiern  ist  gewöhnlich  etwas  kürzer  als 
der  Durchmesser  der  Eikapsel,  sie  kann  aber  doppelt  so  lang  oder 
auch  sehr  kurz  sein.  Die  Dicke  der  Schnur  beträgt  etwa  4  mm, 
der    Achsialtheil  davon   2   mm. 

Das  eigentliche  Ei  liegt  am  Grunde  der  Eikapsel,  und  ist 
von  einer  sehr  zarten  Dotterhaut  umgeben.  Es  hat  ungefähr  7 
mm  Durchmesser  und  ist  an  der  unteren  Seite  ein  wenig  abge- 
flacht.     Seine  Farbe  ist  im  jungen   Blastoderm-Stadium    hellgelb. 

Das  Thier  legt  seine  Eier  in  tiefe  horizontal  verlaufende 
Löcher,  in  denen  das  Wasser  sehr  ruhig  ist.  Manchmal  ist  solch 
ein  Loch  10  oder  mehr  Fuss  tief  und  kaum  für  das  Licht  zu- 
gänglich. Die  Brutstellen  für  die  Eier  sind  aber  nicht  immer 
so  tief  Oft  fand  ich  Eier  in  einem  Loch  nicht  tiefer  als  3  oder 
4  Fuss.  Oeffnet  man  ein  solches  Loch,  so  findet  man  eine 
abgerundete  Stelle,  deren  Boden  ganz  rein  gehalten  ist.  Niemals 
habe  ich  die  Eihaufen  in  ihrer  natürlichen  Läge  im  Loch  gefunden, 
man  kann  aber  aus  einem  ausgebrachten  Eihaufen  schliessen,  dass 
die  Eier  nicht  unregelmässig  wie  diejenigen  der  Kröte  liegen, 
sondern  mehr  oder  weniger  regelmässig  zusammengebunden. 
Namentlich  sind  die  Eischnüre  an  3  Stellen  ganz  fest  knäuelartig 
verbunden.  An  solchen  Verbindungsstellen  findet  man  viele 
leere  Kapseln,  welche  zuweilen  so  gross  sind  wie  die  vollen  ; 
meistens  sind  sie  aber  viel  kleiner.  Diese  leeren  Kapseln  sind 
genau  so  gebaut  wie  die  vollen,  nur  dass  sie   der  Eier  entbehren. 


(^4  ^-    I^IIIKAW.V,    KIKSEN    SALAMAN  Dl'.K. 

Was  die  Begattung  der  Tliiere  betrifft,  so  habe  ich  bis  jetzt 
nichts  darüber  beobachtet.  Einige  Leute  erklärten  mir,  dass  bei 
einer  Begattung  zwei  Thiere  mit  einander  ganz  fest  zusammen- 
kommen und  mit  ihren  KloakeuölTnungen  verbunden  sind.  Ohne 
weiteres  kann  man  natürHch  das  nicht  glauben.  Fast  sicher 
aber  kann  man  behaupten,  dass  die  Befruchtung  im  Innern  des 
Thieres  stattfindet,  im  Gegensatz  zu  Fischen  und  Fröschen,  da 
die  Samenzellen  im  Innern  der  Eikapseln  zu  finden  sind,  und 
diese  Kapseln  schon  im  Oviductus  gebildet  sind.  Interessanter- 
weise findet  man  die  Samenhaufen  auch   in   leeren  Kapseln. 

Fast  in  jedem  Loch,  wo  man  von  Ende  August  bis  zu  Anfang 
October  ein  weibliches  Thicr  gefunden  hat,  findet  man  einen 
Eiklumpen.  Dieser  Umstand  lässt  schon  vermuthen,  dass  das 
Thier  eine  Brutpflege  hat  wie  Ichthyophis  oder  wie  so  viele 
andere  Amphibien.*  Das  Weibchen  aber  hält  nicht  wie  Ich- 
thyophis die  Eiklumpen  innig  umschlungen,  sondern  es  scheint 
die  Eier  manchmal  zu  verlassen,  um  Nahrung  aufzunehmen.  Diese 
Thatsache  habe  ich  nicht  direct  beobachtet  ;  sondern  dies  schliesse 
ich  aus  andern  Thatsachen,  die  ich  beobachtet  habe.  Am  14 
September  vorigen  Jahres  traf  Iü>  ganz  am  Eingang  eines 
Loches,  ein  Weibchen  welches  er  aber  nicht  fing.  Am  nächsten 
Tage  ging  ich  zusammen  mit  ihm  nach  der  Stelle  und  versuchte 
das  Thier  zu  fischen.  Wir  fanden,  dass  das  Loch  sehr  tief  war 
und  das  Thier  ganz  im  Grunde  desselben  lag.  Nach  einer 
halben  Stunde  biss  es  aber  auf  den  Froschköder  und  /to  zog 
es  heraus.  Das  war  ein  ganz  kleines  Weibchen,  und  als  wir 
fanden,  dass  es  keine  Eier  mehr  im  Körper  hatte,  suchte  ich  nach 
den  Eiern  in  dem  Loch,  und  fand  ca.  80  Stück  sehr  schöne 
Eikapseln  mit  weit  fortgeschrittenen  Embryonen.  Ein  anderesmal 
fand  /to  in  einer  Abendstunde  ein  mittelgrosses  Weibchen 
neben  einem  Loch.  Am  nächsten  Tage  ging  ich  mit  ihm  an  diese 
Stelle  und  fand  einen  Eiklumpen. 

Mittheilungen  über  die  Entwicklung  der  Embryonen,  sowie 
über  die  Ei-  und  Samenbildung  behalte  ich  mir  für  eine  spätere 
Zeit    vor. 

*  K.  Wiedershciin :    rirutpfleLro  hei   niediTi'H  Wirljcltliicron.  Biolog.  Ccntral- 
blatt.   1kl.  XX,  190(1. 


BÜCHEEBESPRECTIü  NGEN. 

VON 

Prof.  Dr.   Karl  Florenz. 


[Grammatik   der  Japanischen    Umgangssprache    mit  Uebuxgs- 

STÜCKEN    UND    WÖRTERVERZEICHNISSEN,    VON    A.    SeIDEL. 

Zweite  Auflage.    176  Seiten.  (Die  Kunst  der 

Polyglotte,  Teil   22.  A.  Hartleben's 

Verlag.  Preis  gek.  2.  m)]. 

Die  vorliegende  zweite  Auflage  dieses  Buches  ist  von  der 
ersten  so  vollständig  verschieden,  dass  sie  in  der  That  den 
Anspruch,  ein  ganz  neues  Buch  zu  sein,  erheben  kann.  Die  erste 
Auflage  war  eine  entschieden  verfehlte  Arbeit,  die  seiner  Zeit  mit 
Recht  von  Herrn  Dr.  H.  Weipert  in  dieser  Zeitschrift  (Band  V, 
Seite  279)  höchst  ungünstig  beurteilt  wurde.  Um  so  mehr  freut 
CS  mich,  über  die  neue  zweite  Auflage  —  mit  gewissen  Ein- 
schränkungen —  Günstigeres  sagen  zu  können. 

Das  Buch  zerfallt  in  drei  Teile  :  i)  eine  Lautlehre  und 
Wortbildungslehre,  S.  1-15  ;  2)  eine  systematische  Grammatik,  S. 
16-113;  und  3)  eine  praktische  Einführung  in  die  Elemente  der 
Sprache,  S.  1 14-176,  bestehend  aus  kurzgefassten  grammatischen 
Bemerkungen,  Vokabular  und  Uebungsstücken,  für  den  ersten 
Anfanger  berechnet.  Der  Verfasser  verspricht  uns  als  besondere 
Bändchen  demnächst  auch  ein  ,,  systematisches  Wörterbuch " 
und  eine  ,,  Grammatik    der    japanischen   Schriftsprache." 

Die  Struktur  der  japanischen  Sprache  ist  im  ganzen  klar  und 
geschickt  dargelegt ;  man  merkt,  dass  der  Verfasser  sprachwis- 
senschaftHches  Verständnis  besitzt.  Das  aufgeführte  sprachliche 
Material  ist  augen.scheinlich  mit  Flei-ss  und  Sorgfalt  gesammelt, 
erreicht  aber  leider  bei  weitem  noch  nicht  den  Grad  von  Kor- 
rektheit, den  wir  in  Chamberlain's  Colloquial  Handbook  oder 
Lange  s    Lehrbuch    der   Japanischen    L^mgangssprache   bemerken, 


96  ]?ljciiekbespki-:ciiu\(;k\. 

untl  den  wir  auch  von  diesem  Lehrbuch  uni  so  mehr  zu  erwarten 
bereclitigt  sind,  als  dem  Verfasser  so  vor/.üi^Hche  Hülfsmittel 
vorgelegen  haben.  Ueber  Anlage  und  Methode  des  Buches 
vermag  ich  mich  nur  sehr  anerkennend  auszusprechen  ;  es 
kommt  gerade  den  Bedürfnissen  derjenigen,  welche  sich  ohne 
«^rossen  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe  eine  elementare  Kenntnis 
der  Sprache  aneignen  wollen,  entgegen.  Nach  einer  gründlichen 
Ausmerzung  der  zahlreichen  Fehler  und  Umarbeitung  einer 
Menge  deutsch-japanischer  Ausdrücke  in  wirklich  idiomatisches 
Japanisch  —  aber  auch  nur  nach  solcher  Korrektur  !  —  würde 
das  Seidel'sche  Buch  in  der  That,  namentlich  für  Reisende  und 
Residenten  in  Japan,  eine  gute  Einführung  in  die  japanische 
Sprache  bilden.  Für  die  zahlreichen  Leser  dieser  Zeitschrift 
werde  ich  mir  erlauben,  im  folgenden  eine  Reihe  von  Bemer- 
kungen zu  machen,  die  mir  beim  Durchlesen  aufgestossen  sind, 
tmd  die  der  Herr  Verfasser  bei  einer  neuen  Auflage  zu  berück- 
sichtigen Gelegenheit  haben  dürfte.  Ich  möchte  dem  Verfasser 
übrigens  dringend  raten,  auf  jegliche  Selbstbildung  japanischer 
Sätze  auf  deutscher  Grundlage  in  Zukunft  ganz  zu  verzichten  ; 
es  kommen  dabei  meist  nur  unjapanische  Wendungen  heraus. 
Seit  dem  letzten  Jahrzehnt  ist  von  Japanern  selbst  so  sehr  viel  in 
gesprochener  Sprache  veröffentlicht  worden,  dass  man  bei  einiger 
Kenntnis  der  Litteratur  den  nötigen  BeispieLstoff  fa.st  durch^v'eg 
aus  Originalwerken  ausziehen  kann. 

S.  1.  §  2.  —  is  gehört  als  konsonantischer  Diphthong  unter  die 
Zahnlaute,  zu  denen  seine  Komponenten  /  und  .v  gehören. 
zu  ist  nicht  Zitterlaut,  sondern  bilabialer  tönender  Reibelaut. 
Auch  ist  es  wesentlich  verschieden  \'om  englischen  zv  (§  11). 

S.  2.  —  11^  cim  P2nde  der  Wörter  sowie  \'or  k  und  ^i^  lautet  leicht 
guttural  (nicht  )iasal,  wie  i^  10  gesagt  A\ird ;  ;/  ist  doch 
auf  alle  Fälle  nasal,  ob  es  nun  guttural,  palatal  oder 
dental  gesprochen  werde). 

§  13.  —  Die  Gruppen  hy,  ky  etc.  sind  nicht  durch  Ausfall 
\'on  /  bzw.  u  vor  folgendem  y,  bzw.  zv  entstanden.  Die 
Kanaschreibungen  kiya  statt  kya,  kuzva  statt  kzva  etc.  waren 
nur  graphische  Notbehelfe!  Ebensowenig  ist  sh  aus 
sy  entstanden,  wie  die  Fussnote  angiebt. 

S.  3.  §  15.  —  L)ie  langen  Vokale  tragen  nicht  inniier  den  Ton.  ICs 
sei  hier  bemerkt,  dass  die  Akzentbezeichnungen    überhaupt 


BUCHERBESPRECHl'XGEN.  97 

eine  der  schwächsten  Seiten  dieses  Werkes  darstellen  :  sie 
sind  zum  grossen  Teil  ganz  falsch.  Hin  und  wieder 
scheint  sich  der  Verfasser  durch  die  \ielfach  seltsamen 
Akzentuierungen  in  Yamada  Bimyösai's  Nihon  Daijisho 
haben  irrefuhren  zu  lassen.  J^ei  der  grossen  Anzahl  von 
Ausstellungen,  die  ich  hier  überall  zu  machen  hätte,  ist  es 
unmöglich  auf  Einzelheiten  einzugehen. 

S-  4.  ^  --• — ist  schief  und  unwissenschaftlich  ausgedrückt. 

S.  5.  §  -4-  —  >M  sind  nicht  Nomina  schlechthin,  denn  diese 
Wortklasse  schliesst  auch  die  Pronomina,  Zahlwörter,  Kon- 
junktionen und  Interjektionen  ein.  kotoba  sind  flektierende 
Wörter,  und   umfassen  Verp.a  uxd  adjectp/a  ! 

§  25.  —  Diese  Einteilung  giebt  keine  gute  japanische 
Grammatik.  Es  fehlen  übrigens  die  jodoshi  ,,  Hülfszeitwör- 
ter  "  ;  und  die  tcnio7ua  im  allgemeinen,  wofür  .zciishi  (Prä- 
positionen ?  !)  zu  streichen  ist.  Zahlwort  heisst  sTishi.  Der 
beste  moderne  Grammatiker,  Otsuki,  unterscheidet  acht 
Wortklassen  :  uicisJii  ^  p],  döshi  "^  |pj,  kciyosJd  ^^  ^  ['iiij, 
fodöshi  ^  fijj  3f>] .  fitkiisln  jyij  |ii] ,  sctsuzokitshi  ^  if^  %^ ,  te- 
nioiva  Ü  ^  -^  ^,  und  kandösld  [^^  M]  lA-  1^'t;  daivicishi 
und  Sushi  sind  Unterabteilungen  der  mcisld. 

S.  7.  ^29.  —  Jdtoyahiz^..  ,, Gefängnis."  \j.<t<.  kaiiiisori{<X.  kmnizori)^ 
kdrisidwri  (st.   kün:zubcri  ). 

Zu  Fussnote  3.  Lange  hat  aber  recht,  denn  iido  ist  eine 
aus  hito  entstandene  Form :  Idto,  iito,  udo.  Zur  Verände- 
rung des  ///  in  u  vgl. 

omoJdtc     (  ffl j        und     oinontc. 

diite  ,,        inte. 

kahitc        (^)         .,        kaute. 

vinJdto       (-^A.)     ..        uiauto. 
S.  9. — SU  (st.  su~)   ,,  Anzahl,"  aber   junrju. 

Da  Verfasser  kzcats^  etc.  schreibt,  muss  er  auch  ^Tt'.^/ 
j.Aeussere,"  und  ^g-urdkoku  schreiben,  ffiscn  (nicht  ///-.c-r?;) 
,,  Luftballon." 

niugi  in  inu-gi  ,,  Gerste  und  W^eizen "  zu  zerlegen,  'st 
seltsam.  Auch  Yamada's  Erklärung  \'on  /////i,''/ als  Kontraktion 
aus   untre  nogi  ist  lächerlich. 

S.  10.  ^  30.  —  kaisuiyokuba  ist  nicht  aus  nur  chinesischen  W'örtern 
zusammengesetzt,  ba   ,,Ort"    ist   rein   japanisch,  wird  aber 


98  nuc  1 1 1  .ki;ksi'Ki:(:  i  i  l'N(  .  i:.\'. 

auch  mit  chincs.  \\'<")itci'n  komponiert.  Alan  spricht  übrigens 
^  J|i  besser  yohijö. 

S.  11.  §32  —  hayaiiina  bedeutet  aber   „Eilbote." 

fi  „Weg"   ist  japanisch,  nicht  chinesisch  (////r/// wahrschein- 
lich ein  Kompositum  aus  ;///  und  c/ii  =Ji). 
afsiisö  iia  (^st.  no)  In. 

S.  12.  —  Fussnote  i.  Es  ist  sprachgeschichtlich  nicht  richtig  zu 
sagen,  dass  die  Endung  fs'  (von  Ititots)  in  Zusammen- 
sct7Amgen  abfalle;  die  Zusammensetzung  ist  viehnehr  direkt 
mit  der  Stammform  des  Zahlworts  (Jiito)  gemacht,  und  die 
Endung  nicht  abgefallen,  weil  sie  nie  da  war  und  nur  in 
gewissen   Fällen  an  den   Stamm  angefügt  wird. 

S.  13.  §  40.  —  Anm.  I  ist  sprachgeschichtlich  nicht  korrekt  aus- 
gedrückt. /,  -s"  sind  die  primären  Laute,  c/i,  sJi  sekundär. 
Lies  arai  (st.  arahi). 

S.  16.  §45-  —  Mit  jncs'-os'  bezeichnet  man  das  x.vtÜrliche, 
nicht  das  grammatische  Geschlecht !  Ebenso  mit  shijü  = 
Männchen  und  Weibchen  (eigentlich  \on  Vögeln).  ,,  Gram- 
matisches Geschlecht "  heisst  sei  '14,  daher  dansci,  j'osci, 
cliusci  =  masc,  fem.,  neutr. 

S.  17.  §48.  —  Fussnote  i.  Li  der  guten  Sprache  wird  dies  sJnt 
nur  ausnahmsweise  wie  shi  gesprochen,  z.  B.  in  ivakaisJii. 

S.   18.  Z.  6.  —  banihuts\    nicht    bainmots'.    ^   wird    vwts'    nur    in 
shokuviots  (was  auch  immer  seltener  gebraucht  wird),  Jidmots 
(^^),  knmots   ({*  ^)  gesprochen;  sonst  wird  es  als  vulgär 
betrachtet. 

>J  51. — Alle  h'ormen  auf  ni  als  Dati\'  zu  bezeichnen,  geht 
doch  nicht  an  ! !  ni  ist  vor  allem  auch  Lokativpartikel.  Und 
der  ,,Ad\-erbialkasus"  erscheint  bald  mit,  bald  ohne  ;//.  Man 
hat  kein  Recht,  den  Begriff  ,,  Adverbialkasus  "  so  willkür- 
lich zu  beschränken. 

S.  19.  —  oi^iie  ga  sJi ta   heisst    nicht    ,,  Unterseite   des    Himmels," 
sondern   ,,  das  unter   dem    Himmel    Befindliche,"    daher   die 
Welt,  das  Reich,  Japan. 
kaiva  ga  kitroi  .Schwärze  des  Felles  (st.   Himmels). 

S.  20.  >i  56. —  Der  Satz  unter  c)  hat  keine  Berechtigung  in 
diesem  Buche. 


BUClIERnESPRKCHL'NGEN. 


99 


§57.  —  Falsche  Ret^el,  s.  oben.  Der  Adverbialkasus  kann 
auch  lauten  natsii  ni.  Der  Adverbialkasus  ohne  Postposition 
könnte  so<rar  als  gekürzte   Redeweise  bezeichnet  werden. 

S.  21.  §63-  —  Fr.  Müller  irrt  sich,  wenn  er  so  weit  geht  zu 
behaupten :  ,,  Unangenehm  berülirt  der  gänzliche  Mangel 
eines  Pronomens."  Die  alten  P'ormen  7va  (wovon  ivatakushi 
abgeleitet  ist)  „ich"  und  na  ,,du"  sind  so  gut  echte 
Pronominalstämme  wie  irgend  ^v•elche  Pronomina  irgend 
einer  Sprache.  Der  Abschnitt  über  das  Japanische  in 
dem  Werke  des  ausgezeichneten  Sprachforschers  steht 
überhaupt  nicht  auf  der  wissenschaftlichen  Jiöhe  der 
übrigen    Teile. 

S.  22. — ■  Fussnote  4.  Der  Diener  .sagt  zur  Herrin  ok'smna;  oku 
gebraucht  der  Mann,  wenn  er  von  seiner  Frau  zum  Diener 
.spricht ;  oku  ist  deshalb  nicht  2.,  sondern  3.  Person. 
Anm.  5-  oiiiacsaii  wird  vorzugsweise  Niederem  gegenüber 
gebraucht ;  .selten  von  der  P'rau  dem  Manne,  nie  von  {\i:-<\ 
Kindern  dem  Vater  gegenüber. 

S.  23.  §66.  —  l^'ussnote  i.  linchiki  wird  besonders  von  Geisha, 
Jörö  u.  s.  w.  gebraucht. 

S.  24.  §  68.  —  eher  :  Jü  neu  han  :  ohne  to.  Aber  der  Gebrauch 
von  hau  in  solcher  Altersangabe  ist  ganz  unjapanisch.  Der 
Japaner  würde  j'ü  icJii  neu  angeben,  wenn  aber  die  Hälfte 
durchaus  ausgedrückt  werden  soll,  würde  er  jü  neu  rokkagets 
sagen. 

%'jO. — Anm.  2.  In  korc  isoir)  dakc  und  korc  {soir)  iiodo 
sind  korc  und  sorc  keineswegs  adjcktiviscJi  gebraucht,  sondern 
selbstverständlich  substantivisch,  und  Jiodo  resp.  dakc  ist 
das  bestimmende,  niclit  das  bestimnite  Element,  obgleich 
po.stponiert.  P2twa  ,,  soviel  wie  dieses."  Das.selbe  gilt  von 
dorc,  S.   27,  S^  75. 

S.  27.  §  76-  —  b)  darc  de  i/io,  darc  iiio  wer  auch  immer. 
dorc  de  iiio,  dorc  iiio  was  auch  immer. 

c)  dono  ...   nio,  etc. 

S.  28.  ^77- — Anm.  2.  ,,  wie  "  vor  onaji  wird  durch  to  au.sge- 
drückt. 

§  79-  —  Anm.  Von  töi  wird  to  und  tokii  gebildet:  tö gozaiiiias\ 
töku  de  gozaimas,  töku  de  ari)iias\ 


lOO  l'.LCIll'.KIJKSl'KKCHL'Xfn'.X. 

S.  29.  §  So.  —  Man  sat;"t  :  kono  kiiiiia  Tca  i^uikai  des'  (nicht  da  /). 
Wenn  das  Prädikat  ein  Adjektiv  ist,  sai^'t  man  nie  da  :  also 
/,•(>;/(>  yubhva  i^a  kin  des  ,  oder  wenit^er  i^ut 
,,  ,,  ,,       ,,    da, 

aber  inmiei"   nur     ,,  ,,  ,,  iits' kusJdi  des" . 

S.  32.  ^  <'^*'>.  —  l'iii'  ,,  Unix'ersität "  wird  jetzt  gewöhnlich  «'/(^^''''''/f'''^ 
{gebraucht,  /..  B.  Teikoku  Daigakti  ,,  Kaiserl.  U.",  nie  Teikokii 
Dai^i^akkö.  Daigakko  ist  ,,  Akademie,"  z.  B.  Rikugun  - 
daigakkö   ,,  Militär  -  Akademie,"   Kaigtoi-daigakkö. 

S.  36.  -J  ^ß-  —  I^'"^^  Präsens  zu  sitbcri  ist  ganz  regelmässig 
siibcni  !  Eine   Form  snbcrini  giebt's  nicht. 

S.   38.   >i  99.  —  Anm.  yonda   arö  -wird  in    yoiidarö  kontrahiert. 

S,  39.  ^  102.  —  b)  Man  sagt  nur  o  kakiyo,  nicht  kakiyo.  0  kaki 
oder  0  kaki  na  sagt  z.  B.  die  I'rau  zu  ihren  Kindern,  yo 
wird  an  die  eigentliche  Befehlsform  angehängt  :  kake  yo. 
o  kaki-dcnaiyo    wird    nur    von    den     J^Vauen  gebraucht. 

S.  41.  ^  105.  —  Das  Verbum  ko>ioi/ii  bedeutet  in  der  Umgangs- 
siii-ache  nicht  einfach  ,,  lieben,"  sondern  ,,  haben  mögen, 
X'orliebe  haben  für,  bestellen,"  z.  B.  o  konoini  id  öjite 
koshiraemasu.  Die  Bedeutung  ,,  lieben  "  hat  es  niu'  in  der 
Schriftsprache,  z.  B.  i^urre  i^ui  kaic  -l^'o  koiioiiiarni  ,,  ich 
liebe  ihn  nicht,  mag  ihn   nicht  leiden." 

Die  I^^ormen  auf  -r//  in  sli'tc  (koiioi/ia.:;!/  ni  s/i  tc)  werden 
in  der  Umgangssfirache  nie  gebraucht. 

Anm.  Die  in  Klammer  stehende  \^cn^.  (in  Tokyo  auch 
zu  )iakiit('/ia)  ist  zu   streichen. 

S,  42. /^.  4- — go'jaiinas'  iminrr  mit  i  .'  go:za{i)//ias  wohl  Druck- 
fehler für  go.::a{r)iiiias' . 

S.  43.   >^  112.  —  F.s    fehlt    das   Beispiel   für  den   Gebrauch  von    no 
[n ).     Z.  V>.    icakani    11     dcshö    ,,  er   \\\xd.    wohl  verstehen." 
Man  darf  aber  keineswegs  ohne  weiteres  no  für  mono  oder 
koto  gebrauchen,  ^\•ie  die  Regel  fälschlich  suggeriert. 
Fussnote  2.   Man  sagt  tabctc  ino,  nicht  tabcru  to  vio. 

S.  44.  ^  115.  —  tabc  des'  und  tabc  de  wa  nai  (ohne  Präfix  0-) 
ist  ungebräuchlich  ;  man  muss  o  labe  des'  und  0  tabe  de  wa 
nai  sagen,  was  übrigens  auch  keine  guten  Ausdrücke  sind. 
o  tabc  da  -wa  nai  wird  nur  \'on  T'rauen,  besonders  PVaueii 
der  niederen  Klassen,  gesagt. 


BUCHERBESPRECHUNGEX.  lOI 

tnbc  ist  übrigens  ein  niedriges  Wort  und  deshalb  in 
höflicher  Sprache  anstössig  ;  man  sagt  besser  o  agai'i  nasai 
statt  o  tahe  nasai. 

S.  45.  —  ConditicMial.  tabercba  (st.  tabeba) 

3.  0  tabc  ni  nareba,  o  tabc  ni  naraueba  (mit  o-  /) 
5.  Streiche  die  Form  mit  iba. 

Subordinationsform.       Streiche    tabczu     ni     slitc     (nicht 
Umgangssprache  !). 

S.  46.  —  Indicativ.    i.   Hes  o  tabc  dcsJtta,  0  tabc  de  i^'a    arimasen 
desJita. 

2.  Hes  taberu  no  {ji)  dcsJita. 

3.  lies  o  tabe  7ii  natta. 

Concessiv.  tabetattc  vio  oder  tabeta  tote  mo  (st.  tabcta  to 
vid).  Negativ  ergänze  tabcnakute  mo. 

S.  47.  —  Verbalsubstantiv.   Streiche   2.  tabeyö  koto. 

S.  50.  —  Indicativ,  umschreibende  Formen.  Man  sagt  nie  am 
da  (so  meines  Wissens  nur  im  Chiba  Dialekt),  sondern 
nur  am,  oder  da,  oder  am  no  da,  am  nda. 

S.  51.  —  Subordinationsform,  negativ :  man  sagt  arimasen  de, 
arimasezii  (ohne  ;//  slite)  oder  einfach  nak'te,  nicht  arima- 
scnak'te  (dies  letztere  in  Kyüslui-Dialekten). 

Imperativ.  Gute  Kenner  der  Sprache  versichern  mich, 
dass  sie  Imperativformen  von  ari  in  der  Umgangssprache 
noch  nie  gehört  haben.  Man  braucht  dafür  die  Formen  von 
ori  etc.  ore ;  aide,  oidenasai.  Auch  oke  als  Hülfswort, 
z.  B.  yomie  oke. 

S.  52.  —  Indicativ,  umschr.  Formen  :  3.  go^ariniasJita  des  ist 
eine  selten  gehörte,  überaus  nachlässige  Form. 

S.  53,  —  Concessiv  2  ariuiasJi tc  mo  (st.  ariniasli ta  to  mo). 

S.  54.  —  Indicativ,  umschr.  Die  Hinzufügung  von  des  in  gozari- 
masJitaro  des    u.  s.  w.  ist  auffallend. 

§  123. — lies  anata  iva  daitan  de  nakereba,  ikemasen  . 

S.  55.  §  125.  —  Imp.  entweder  oide  oder  irasshai,  nie  beide  zu- 
sammen i 

§126.  —  Präsens,    Imp.    o    sJiidenaiyo  wird  nur  von  Frauen 


I02  BLCIIKKIJKSPRKCHUNGEN. 

i^ebraucht.   Nicht  s/üyo,  sondern  o  shiyo  (ist  aber  Frauenspr.). 
scyo  ist  liöclist  selten. 

S.  56.  —  l'^iturum   1.     Immer  shiyo,  niclit  shö  .' 

S.  57.  —  d)   C(jnc.   nouiimasli te  uio  (st.  nmniuias    to  )no). 

f)  Imp.  viashi  als  Imperative-Endung  wird  immer  mit 
o  ...  nasai  verbunden,  also  0  nojui  nasai)n<rs/n,  o  agari- 
nasaiuiashi.  l-'ormen  wie  noiniinashi,  (tabeniashi)  sind 
direkt   falsch. 

Man  sagt  nie  nojiiii)ias!innia. 
S.  59.   §  133. — niji  zwei  Uhr,  nijikaii  zwei   Stunden. 
S.  60.  §  134.  — Der  Yen  steht  schon  seit  Jahren  auf  etwa  2,10  M, 

§135. — Jiatska  heisst  ,,20  Tage"  oder  ,,  der  20stc  Tag," 
misoka  aber  nur    „der   letzte    Tag   eines    Monats"    (ausser 
beim  Februar). 
Auch  yoiij'Tc  40  und  nanajTi  70  sind  sehr  gebräuchlich. 

S.  61.  —  Streiche  Fussnote  2.  Man  sagt  liito-tokoro,  mi-tokoro  etc. 

S.  62.  §  137-  —  sangats   no  niju  ni  nic/ii  (gesprochen  nijü}iin  chi). 

%  138.  —  Man  sagt  Im  in:  nibii  \,  gohu  -j^,  etc.  ;  aber  buii  in 
gobun  no  ichi  \,  gobun  no  san  f. 

P'ussnote     2.     /liki   ,,  Genosse,"    nicht    ,.  h'üsse."      Verfasser 
verwechselt  wohl  /£  und  j£. 

S.  63.  ^140. — fiikn  3.  für  Kakemono  (nicht  ,,  Gemälde "  im 
allgemeinen). 

/liki  I  (für  Rinder  etc.)  und  2  (Seide  etc.)  sind  ver- 
schiedene Wörter :  i  [TC,  2  ä£.  E^benscj  sind  S.  64  son  \ 
und  son   2  verschieden  :    1    ^f,   2  ;|sj-. 

S.  65.  Z.  4.  —  Gerade  das  Beispiel  dai-fii-no  nichi  wird  nie 
gebraucht  !  ,,  Der  zehnte  Tag"  heisst  immer  töka.  Bemerke, 
dass  ,,  der  letzte"  beim  Datum  nicht  (0)  sJiiinai  no  heisst, 
sondern  uiisoka. 

§  142.  —  der    14.    März  =  saiigats    no  jn  yokka. 

%,  143.  —  ]5ei   der   Bahn   ist  'y±/X  jötö,  cltütö,  katö  abgeschalft 
luid  ittö,  nitö,  Santo  stattdessen  eingeführt. 

S.   67.  —  d)  .Streiche  iijoujo.  njanja  (sie  I)  heisst  ,,  wimmelnd." 


HUCH  KR  BESI'RIXHUNGEX.  103 

S.  68.5^152  — b)  Streiche  das  substantivische  rj>ö  to  nie,  und 
fiige  adjektivisch  ryö toiiio  hinzu  (z.  B.  rydnln  toino). 

S.  69.  —  b)  }yöasJn  ;  lyöhö. 

moroaslü  ist  nur  Schriftsprache,   nie  kolloquial. 

e)    Die    Form    inattai    l<onimt    nicht    vor    (wohl    aber 
die  Adverbialform  matt^ku,  \'gl.   §    I59)- 

§153.  —  dorc    nur  von  Sachen!    (Lange's   dorc    „welcher," 

Lehrbuch  p.   39,  ist  unrichtig)  „Niemand"  heisst : 

darc  VW,  darc  de  mo  1     .^  ^- 

,  ,  ,  Vmtt  JNegation. 

donata  mo,  donata  de    mo] 

S.  70.  §  154.  —  Besser  kataho  —  kataJiö.  katappo  ist  etwas  vulgär. 

§  156. — hei,  Jiai  kann  als  Antwort  auf  einen  Befehl  allein 
stehen. 

S.  71.  —  unter  mata  :  Streiche  den  ganz  unjapanischen  Sat;:  mala 
0  me  in  kakarimas  made  ,,  bis  auf  Wiedersehen  !  "  Solch 
einen  Abschiedsgruss  giebt's  nicht.  Doch  kann  man  sagen  : 
/fiata  0  me  ni  kakarimas    (oder  kakariuiashö). 

S.  72.  —  shiöashi  no  liodo  in  nur  Schriftsprache. 

S.  73.  —  tada  b)  umsonst  (im   Sinn  von  gratis). 

yappari  ist  familiär. 

§158. — b)    Dieser    Adverbialkasus    auf    ///    ist    doch    kein 
Dativ,    sondern  ein    Lokativ  !  Dasselbe  gilt   von  S.   74  b) 

S.  76. — gasagasa^ ,,\'\c\  Geräusch  machend,"  nicht  ,, hastig" 

oder  ,,  ruhelos."  gongoii    (st.  gongou).    hatsnJiats     ni    nncni 
{iniyiiru  ist  Schriftsprache),  hoiwbono  (st.  hono/iono). 
Fussnote   i.   Hepburn's  Angabc  ist  die  richtige. 

S.  77.- — pieJu'ipieliä  klatschend  (\-on  Hieben),  iiageni  (^t.  luigitni). 
sassa  to  (st.  sasa). 

Die  Liste  der  (Jnomatopoetica  ist  für  das  kleine  Buch 
viel  zu  umfangreich  (S.  74-77) ;  die  Uebersetzungen  dazu 
sind  oft  ungenügend  und  schief;  manche  Ausdrücke  ge- 
hören nur  der  klassischen  Sprache  an. 

S.  78.  —  a)  Jahr:  streiche  kyokyoncn ;  lies  ototosJn. 

c)  Tag:  ergänze  asatte  ,,  übermorgen,"  shiasatte  ,,ül)er- 


I04  T?ucni:i<i!i':spRi-:cHUNGEN. 

übcrniüri;vn,"    ya)ioasattc    ,.  iibcrübcrübcrniort^cn,"    ototoi 

,,  vorgestern,"  sixki-ototoi  ,,  \'or\'orc:^e.stern." 

f)  Abend  :    baugata    (st.    bcDikata),  yJibf   (st.  yöbc),   asu 

(st.   asa)  HO  ban  ;  strciclie  chübo. 

\^)  Nacht  :   yaJian  nur  Schriftsprache. 

S.  79.  /^-  '^-  —  uöcJiiJiodo  ist  tlie  gebräuchhche  Redeweise,  nicht 
die  anL^cbhche  Kontraktion  )iocIiüdo,  die  gar  nicht  existiert. 
Z.    II.  sJiiju  (st.  shijii). 

%,  163.  — ,,  Ueberall  "  in  positiven  Sätzen  heisst  doko  de 
mo ;  doko  ni  7110  findet  sicli  xuR  ix  Verbixduxc;  mit 
Xk(;a  iiox  =  ,,  nirgends." 

soko    de    hat    auch    oft    die    Bedeutung     „darauf,  dann." 
Fussnote   2.   Auch   Hepburns    Angabc    ist    richtig. 
T.ics  k'nirai  (st.  kiitrai). 

S.  80.  Z.  4.  —  asiiko  (st.   asiika). 

{null  und  toiiae  sind  zwar  die  sprachhch  richtigen  Formen, 
doch  herrsclit  in  der  heutigen  Umgangssprache  die  Aus- 
s])rache  niai  und  tcniai  vor). 

S.  81.  >^  164. — streiche  dono  dakc  und  doiio  hodo.  Nur  dono 
kiinn  ist  gebräuchhch. 

§165.  —  streiche  fiifinninyd  ni  ,,  unklar,"  was  nur  Schrift- 
sprache ist  und  übrigens  fubntnmyö  heissen  muss.  Das 
Adverb  ,,  undeuthch "  ist  in  der  Umgangssprache  meist 
mit  bonyari  to  wiederzugeben,  z.  B.  bonyari  to  iincm 
,,  unklar  sichtbar  sein." 

S.  83.  —  Unter  dasln  1.  furi-dashi  (st.  Jiuri-dashi). 

Unter  agc  1.  fuki-agc  (st.  Jinki-agc). 

S.  90.  §  204.  —  a)  Die  Bedeutung  des  Wortes  viochi  ist  keines- 
wegs, wie  Verf  sagt,  auf  ,,  in  der  Hand  haben"  beschränkt. 
Man  sagt  auch  ganz  korrekt  z.  B.  ano  Jdto  wa  ie  zvo  tak'sa?i 
)>iottc  im  ,,  er  hat  \'iele  Häuser,"  usJii  iva  tsuno  zvo  motte 
im  ,,  das  Rind  hat  Hörner"  ctc  ;  dagegen  ist  zu  bemerken, 
dass  als  Subjekt  zu  viocJd  ein  lebloser  Gegenstand  nicht 
fungieren  kann.  Man  kann  also  nicht  etwa  sagen  :  ie  ga 
yane  zvo  motte  ini  ,,  das  Haus  hat  ein  Dach,"  sondern 
muss  sagen  ie  ni  7t v?  yane  ga  am. 

S.  91.  §  210.  — Alle  \'ier  Wörter  sore,  sono,  are  und  ano  beziehen 
sich  auf  die  dritte  Person. 


bucherresprechuxcex.  toj 

S.  92.   ?  2  I  1.  —  c)  aiiafa  ui  nitc  im  Jdto  (nicht  cviafa  no  nini  Jiito). 

§214.  —  Der  Satz  sono  yatna  yori  ano  yavia  ga  vio  takai 
ist  falsch.  Es  muss  heissen  :  kono  yama  yori  a)io  yaina  ga 
{jiao)  takai,  oder  koiio  yama  yori  mo  ano  yaina  ga  takai. 

S.  96.  §  222.  —  i)  Die  Anmerkung  ist  unverständUch. 

§  225.  —  Man  sagt  motte  mairu  ga  ii  (yoi),  oder  motte 
mairu  no  ga  ii,  oder  motte  mairu  hö  ga  ii,  aber  niemals 
motte    mairu    mono   ga  ii  oder    motte  mairu    koto  ga  ii ! 

S.  97.  §228.  —  Falsches  Beispiel.  Vgl.  die  vorhergehende  Bemer- 
kung. 

§  230.  —  Ano  hito  iva  budösJui  wo  nomu  bedeutet  in 
der  Umgangssprache  entweder  ,,  er  kann  Wein  trinken " 
oder  ,,  er  pflegt  Wein  zu  trinken,"  aber  nicht  „er  trinkt 
jetzt  (in  der  Gegenwart)  Wein."  Letzteres  heisst  ano  Jdto 
Iva  budöshu  ivo  nonde  im  ! 

S.  98.  §-3--  —  [taheru  to  mo)  :  to  mo  nur  in  der  Schriftsprache. 

S-  99.  §  239.  —  Streiche  yomiyo  und  yomero.  Man  kann  nicht 
von  jedem  Verbum  eine  Befehlsform  auf  ro  bilden.  Man 
bildet  z.  B.  sldro,  kurero  und  einige  andere.  Schon  tabero 
ist  nicht  empfehlenswert,  yomero  aber  entschieden  falsch. 

S.  100.  >^  239.  —  c)  o  yomiyo  und  0  yomina  sind  Formen  der 
Frauensprache. 

d)  youn-mase  nur  Schriftsprache  ;  streiche  die  Form 
auf  -mas/d.  Die  Formen  unter  e,  h,  i,  1  sind  falsch  und 
ungebräuchlich. 

Unter  m)  und  n)  kann  man  auch  kudasaimasJd  neben 
kudasaimase  sagen,  yondc  0  kudasaimasc  ist  ungebräuch- 
lich, 
g)  auch  nasaimashi  neben  innsaimase. 

§242. — streiche /c?/v;7/  to  mo ;  Wcs  tabenak'te  mo  {tabenaide 
mo). 

S.  101.  §  244.  —  am  in  diesem  Falle  wird  immer  mit  den 
Subordinationsformen  der  Transitiva  verbunden,  im  entweder 
mit  denen  der  Transitiva  oder  mit  denen  der  Intransitiva. 

S.  102.   §248.  — b)  tabereba  (st.  tabeba). 

S.  104.  §257.  —  Anm.  2.  Auch  das  regelmässige  Passivuni 
osJderarem  kommt  neuerdings  in  Gebraucli. 


106  lUH  iii:ki;f,si'ki:chl'N(.kn. 

S.  105.  ^  264.  —  Unrichtige  Regel.  Denn  vgl.  folgende  korrekte 
.Vu.sdruckswei.sen,  wo  die  Potentialforni  transitiv  ist  und 
ein  Objekt   hat  : 

anata  \vn    e     ^<^a  kakcmasu  ka   ,,k' (Minen  Sie   malen?" 
oder       ,,         ,,     ,,     Avo         ,,  ,, 

anata  7ca  aiio  Jiito  ga    iiiicuias    ka     ,, können    Sie    ihn 

sehen  ?  "     oder 
,,        ,,      ,.        ,,     IVO  ,,  ,,      „kommt   er   hier- 

her?" 

S.  113.  §  296  —  streiche  das  falsche  tabcta  to  iiio  ;  tabcni  to  »10 
geht  gleichfalls  nicht  an,  (\<i\\\\  to  uio  ist  Schriftsprache. 

PRAKTISCHE  EINFÜHRUNG. 

S.  114.  ;J  303.  —  hes  Jiayai  uma  (st.  nao-ai  iiina).  Ebenso  S. 
ri8  $  313. 

^304. — Wörter:   katana  Schwert  (st.  Messer). 
S.  115.  —  Uebung  :  chicJii  ga  yoi  heisst    gewöhnlich    ,,die    Milch 
ist  gut";    „der  Vater  ist  gut"   muss  durch  ein  Idiom  wie 
n  {foi)  otottsaii  des  ,  otottsan  ga  ii  wiedergegeben  werden. 

§  305.  — kc  sind  einfach  ,,  Haare."  ,,  Mähne"  heisst  tategavii. 

S.  117.  —  Wörter:  i/iakitabako  ist  sowohl  ,,Cigarre"  als  ,,Ciga- 
rette."  „Cigarre"  speziell  heist  haiiiaki.  Auch  kyaku-nia 
neben  kyakit  >U)  nia. 

Uebung,   Z.   2    w  u.  —  Itami    7va     doko     de    gorjaiiitas     ka 
(nicht  (/oko  iii). 

S.  119.  —  Uebung.  In  der  Umgangssprache  braucht  man  nicht 
JiauaJiada.  ,,.Sehr"  ist  viakoto  iii,  ta/sö,  taiJien.  yorokobasldi 
nir  , .erfreut  .sein  "  ist  falsch  ;  man  sagt  yorokondc  oni. 
Z.  5.  Ano  Jdtotacld  7^'a  doko  in  arimas  ka  ist  falsch  ;  man 
sage  doko  des  ka,  oder  doki  in  oriiiias  ka  oder  doko  ni 
orareru  ka. 
§315 — lit-'s   im  (st.   it)  in  li  zu.sammenge/.ogen. 

S.  120.  —  Wörter  :  ,,  Kaffee  "  heisst  kölii  (aus  dem  Englischen) 
oder  kahe  (aus  dem  Französischen),  nicht  kaJiii.  zbon  st. 
zübon  ,,  Ho.se." 

Uebung  ;   Statt  sore  zca  sörasJiii  gozaiinas   wäre  besser  tabiin 
so  dcslii)  ,,  das  ist   wahrscheinlich." 


BUCIIERliESPRECIIUXGKN.  lO/ 

kahü  i^'a  (und  koiio  clia  iva)  tsuyö  gozainias  ist  falsch. 
Von  Tabak  und  Wein  sagt  man  /iz/jv-'/ =,,  stark ",  v^on 
Thee  und  Kaffee   aber  koi. 

Man  sagt  kyö  wa  yoi  toiki  de  go:::aiiiuis\  aber  nicht 
kyö  (oder  koncJid)  wa  Kts'kus/m  go.zainias  .  Dies  ist  Deutsch- 
Japanisch. 

GinkösJähei  wa  tadainia  lianaJtachi  takö  gorjaimas  sagt 
und  versteht  kein  Japaner. 

Man  sage  :  kono  kutsn  wa  aiiiari  nagai  oder  iiagö 
gozainias\  nicht  nagakit  ariinas  ;  und  sorc  wa  ziäbun  takai 
oder  takö  gozaimas  (st.  takakii  aru).  zuibnn  ist  übrigens 
mehr  unser  ,,  gehörig,  in  ziemlich  hohem  Grade."  Das 
gewöhnliche  Wort  für  ,,  ziemlich  "   ist  kaiiiri. 

S.  122.  $?  3 19. — (mit  Rücksicht  auf  ;^  316).  Die  wirklich  ge- 
bräuchlichen  und  korrekten   Ausdrucksweisen   sind  : 

a)  wenn  das  Prädikat  ein   Aimkktu'  ist : 

ki  ga  takai  ^'«-'g-  /'/  ga  takakii  iiai 

,,    ,,    takai  des'  ,,     ,,     ,,  takaku  {wa)  nai  des 

„    ,,    takö  gosa{r)i///as'  ,,     ,,     ,,  takö  (rtw)  gorja{r)ijnasen 

b)  wenn  das  Prädikat  ein   Slij.staxti\'  ist  : 

köre  7ca  ki  de  ant  ^^tig.  ki  de  wa  nai 

,,       ,,    kl.  da  ,,  /'/  de  nai 

,,       ,,     kl  de  ariinas  ,,  ki  de  (zaa)  ariniasen 

,,       ,,    ki  des'  ,,  ki  de  iwa)  nai  des 

,,       ,,    ki  de  go:za{r)i!nas  ,,  ki  de  {wa)  go,za{r)in/asen 

go-kanai  bed.  in  der  Umgangsspr.  gewöhnlich  ,,  Ihre 
Frau  Gemahlin."  omoi  nio  yaranai  ,,  unerwartet,  unerhofft." 

S.  123.  —  Uebung,  Z.  2.  nare  ,,  Gewohnheit "  kommt  nur  in 
gewissen  Redensarten  vor,  wie  narau  yori  nare  (Variante 
des  Sprichworts  narau  yori  narern)  ,,  Erfahrung  geht  über 
Studieren,"  sonst  braucht  man  shlikan  oder  knse.  Man 
sage  etwa  :  Sore  wa  niakolo  ni  yoi  okinie  de  gorjahnas  . 

kyö  kirei  na  hi  de  zua  gorjainiasen  ist  unjaixanisch.     Man  sagt 
kyö  Iva  yoi  tenki  de  go.zainias  ,  oder 

M       ,.        ,,      id       ,,  ,, 

S.  125.  —  Uebung,  Z.   3  :  doko  dk  gorjainias  . 


lOS  iaCllI'.Kl!KSI'Ri:CIIUNr,EN. 

Z.  4:  AiKitd  110  o-roTTSAN  WA  koko  \w.  i:;o"aimasen  ka, 
(xlcr  f)cssci'  kocJiira  iii  oriiiiascn  ka. 

Z.  8.  Ko-usJii  110  a/aiiia  to  moiiio  no  nikn  ga  arimas  ist 
<;an/,  unjapanisch.  Ebensowenig^  saL,4  man  (Z.  12)  akigi 
no  rsubon  nur  ichiiiiai  iriyd  da.  Jütyit-:::/il>oii.  ga  liitots  iriyö 
des    wflrc   riclitii^". 

Z.    9.    .dnntsJn  (st.  sinishi). 

S.  127.  ^t2<S,  —  Z.  5  \".  u.  Dieses  substantivierende  no  darf 
man  niclit  als  (ti:xi  ri\'['AKTiKi:L  bezeichnen.  Die  sonstic^'e 
Geniti\funktion   der  l'artikel  l-commt  hier  nicht  in   Betracht. 

S.  128.  —  Z.    16  lies  dckinai  (st,  dckint)   „kann   nicht." 

Wörter  :  Streiche  uchi  ni.   ,,  Nach  Hause  "  lieisst  nur  uchi yc. 
to  inösJn  ,,  sagen "  (nicht  „sagen  zu"). 

S.  129-  —  Uebung,  Z.     3.    nein  yc  (.st.  nein   ni). 

Z.     5 ,    konna  si'/s'  wo  toiiaeru  Jnto,   oder 
,,  ,,       ,,     iii'  M    j 

aber  nicht      ,,  ,,       ,,     Iianasn     ,,    , 

letzte  Z.   Sugn  statt  tadachi  ni. 

S.  131.  —  Uebung,  Z.  5.  Anata  iva  ivatak' sJd  wo  odorokascuias 
,,Sie  setzen  mich  in  Erstaunen"  ist  eine  zu  wörtliche 
Uebersetzung  aus  dem  Deutschen.  Ein  Japaner  sagt 
einfach  :   Odorokiuiasli  ta. 

Z.    12.   sanji  wo  ...  kikinias    ka  ist  hart;   bes.ser: 
sanji  no  nt.^'   no  ga  kikocnias    ka. 

Z.  13,  u.  17.  cha  MATAWA  kaJni  und  bi(dos.hn  aruiw.v 
.mke  geht  nicht.  Man  sagt  in  solchem  Zusammenhange  r 
[anata  wa)  /nidö.s/in  wo  agarinias  ka  sakc  wo  agarinias 
ka ;  anata  wa  budöshu  wo  (oder  ga)  o  snki  des'  ka 
sakc  wo  (oder  ga)  o  snki  des   ka. 

Z.  19.  .statt  .  i//c?/c?'  wa  kaki  ivo  konominnus  ka  [konouiu 
ka)  ,,  lieben  Sie  Austern  ? "  muss  es  heis.sen :  anata 
wa  kaki  wo  o  .SUKI   des'   ka. 

Z.  21.  Mö  jiki  kacrn  {kacnias)  to  onioinias  (oinou)  ,,  ich 
glaube,  dass  er  sogleich  zurückkommt."  Die  höfliche 
Eorm  von  kacrn  ,,  zurückkom.men "  ist  kaeriniasit ! 
Hier    darf   aber    blos    das    eingehe  kacru    stehen,  oder 


BÜCHERBESPRECHUNGEX.  IO9 

noch  besser  kacrn  d'arö  to  rjonjiuias .  Merke  dagegen  : 
niö  jiki  kaerd  to  oinoii/tas'  =  ,,  ich  denke  sogleich 
zurückzukeliren." 

Alan  sage  gozoi  oder  golum  statt  uicshi. 
Fussnote.   3  verweist  unrichtig. 

S.  134.  —  üebung  Z.   3.   Nicht  anata  loa  tadaima  bakari  okivias 
710  des    ka,  sondern  : 

anata  zva  tadaima  o  oki  nasatta  no  des    ka 

,,        „  ,,  ,,    ,,  ,,         bakari  des'    ka 

„  stehen  Sie  jetzt  erst  auf?  " 

Z.  7.  Anata  wa  kaki  zco 

Z.    10.  Streiche  den  Satz  Anata  zca  elia  matazva  kahii... 

S.  136.  —  Wörter  :  yare  (st.  yareyo). 
Uebung :  Z.   i    ,,        ,,  ,, 

Z.  5  besser  Ajiata  no  go  ky5dai...Y)\Qs\'\Q\sst  3bci-  ,,  Ihre 
Brüder."  In  der  Einzahl  sagt  man  o  anisan  resp. 
0  tötosa/i. 

Z.  S  Watak' sJn  >io  onioivias  ni  zva  yorosJiü  gozavnas 
„  nach  meiner  Meinung  ist  es  gut "  i.st  unjapanisch. 
Man  sage  :  watak" sJii  iva  yoroshii  to  onioinias  . 

S.  137.  §345- — Zur  allgemeinen  Bezeichnung  des  Ortes  auf  die 
Frage  ,,  wohin  ?  "  steht  immer  ye,  niemals  ni.  Verfas.ser 
hat  sich  überhaupt,  wie  schon  oben  berührt  wurde,  von 
der  Partikel  ni  eine  grundfalsche  Anschauung  gebildet. 

S.  138.  —  Z.  4.  katana  ,,  Schwert."  „Messer"  (Taschenmesser) 
heisst  kogatana. 

Uebung,  Z.  3.  s  )nai  kam  ist  nicht  gut.  ,,  Ihr  Haus " 
heisst  o  sinnai.  Für  ,,  Haus  "  in  ,,  mein  Haus  "  sagt  man 
jedoch  gewöhnlich  nicht  snviai,  sondern  {zvatak'shi  no)  nehi 
oder  ie. 

Z.  5.  Nicht  ano  Jiito  iva  anata  to  JianasJiitai  des  ,,  er 
möchte  mit  Ihnen  sprechen,"   sondern 

ano  Iiito  z^'a  anata  to  hanaslä  zvo  shitai  no  des  ,  oder 
,,      ,,      ,,      ,,        ,,        ,,         ,,  shitagatte  oriinas . 

S.  140.  §  349. — kuraku  (st.   kurokii)  narinias    ,,  es  wird  dunkel." 

Man  gebraucht  aber  auch  die  kontrahierte  Adverbialform, 
z.  B.  knrd  narinias',  shird  nariinas' . 


r  lo  i;icm;KiiF.si'Ri:ciii.'N'(iKN'. 

Ucbung,  Z.  I.  Sak/iixin  iva  ilö  juis/iiK/d  kcx  heisst  ,,  Wie 
(d.  li.  in  welcher  Lage,  auf  dem  Ri'icken  oder  der  Seite) 
haben  Sie  die  letzte  Nacht  geschlafen  ?  "  Dagegen  ,,  wie 
luist  du  die  letzte  Nacht  geruht  ?  "  niuss  heissen  :  sakuban 
zva  yokii  o  yasumi  nas<xi)iiash' ta  ka. 

Z.  8.  zvatak' shi  \\\  )iaiiiiiio  mösanakatta  (aber  hesser 
wäre  entweder   kcaiiakattn  oder  möshiinasoi  desJtta). 

S.  141.  —  Uebung.  Z.  6.  /lamr/uK/a  ,,sehr"  wird  meist  nur  in 
der  Schriftsprache  gebraucht.  In  der  gesprochenen  Sprache 
klingt  es  pedantisch  und  wird  besser  vermieden. 

Fussnote    i.   Die  Aussprache  dck'ta  statt  dekita  ist  ganz 
verwerflich  [dck'fa   ist  Kyüshü-Dialekt). 

S.  143,  >?  353-  —  letzte  Zeile  ...  tritt  cJKWoF.iiXLicri  (st.  auch)  a 
zur  Stammform.  Der  Satz  wakari  ni  iiarimas/ita  wird  nie 
in  der  ersten  Person  gebraucht  ! 

§  354.  —  Wörter:  yöj'in  {wo)  itasii  nur  gebraucht,  wenn  man 
von  seiner  eigenen  Person  spricht  ;  sonst  yöfin  {100)  siini. 
kariire  ,,B>nte"   (st.  karikoini). 

S.  144.  —  Uebung,  vorletzte  Zeile :  körisubcri  ico  nasatta  küto 
GA  gosauiias    ka  (st.  Dioiio  de). 

S.  145.  —  Uebung,  v'orletzte  Zeile  :  oiiioshirö  gorjniinui   (st.   6»///^^- 
shiroi  de  ...). 
,,  In   (d.i.   nach)  einer  Stunde"   \\c\s^i  iefii  jikan  no  nochi  iii. 

S.  147.  —  Wörter:  ikari  ,,  zornig  werden"  nur  in  der  Schrift- 
sprache. Umgangsspr.  okoru.  l\Tan  sage  deshalb  (Uebung, 
Z.   8.)  Ano  hito  zva  faisö  okont  de  gozainiashd. 

ehikaßka  ni  bedeutet    ,,in  wenigen    Tagen;"    in    dem 
ersten  Uebungssatz   ,,  P^s    wird   bald    Zeit   sein,  zu    Bett  zu 
gehen "    muss    deshalb    siigii    ni    oder    ina    mo    naku  statt 
ehikaßka  ni    stehen. 
Lies  komban  (st.  ko)iban). 
Uebung,  vorletzte  Zeile  :  uro  ka  l'rumai  ka. 

Z.  II.  nats  (st.  nat).  Besser:  IVatak'shi  zva  NiJioii  de 
kono  nats  wo  okttrö  to  oinoivias  ,,  ich  werde  diesen 
Sommer  in  Japan  verleben,"  oder  kono  nats  zva  Nikon 
ni  taizai  shiyö  to  onioivias  ,  oder  Nikon  e  itte  orimasliö 
to    omoiinas\ 


BUCHERBESPRECHUNGEN.  1 1  I 

S.  148.  —  Wörter:  Die  sinico-jap.  Neubildung  gyurahi  „Butter" 
versteht  fast  kein  Mensch.  Man  sagt  immer  hata.  (Ebenso 
chls    ,,  Käse,"  nicht  kanraku). 

,,  Wein  "  ist  biidösJiu,  also  akalniddshii,  shirobiidösJiu.  Aber 
für  ,,  Rotwein  "  sagt  man  einfach  nur  budösJin.  budö  heisst 
nur  ,,  Traube." 

S.  149.  —  sJnobuta  ist  überhaupt  ,,  gesalzenes  Schweinefleisch." 
Man  sagt  kam  oder  rakan  (weniger  gebräuchhch)  für 
,,  Schinken." 

,,  anbieten,  vorlegen  "  ist  nur  age  (ohne  saki  ni  /) 
Uebung,  Z.   i.    Cliotto  statt  skoshi. 

Z.  lo.  somia  koto  ga  arlmashö  ka.  Man  sagt  yoina- 
reniashö  ka,  aber  nicht  arareniasJw  ka ;  dekiuiasJid  ka, 
nicht  dckarcmasJiö  ka,  u.  s.  w. 

S.  151.  —  Uebung,  Z.  4.  ,, Wollen  Sie  nicht  bleiben  und..." 
heisst  nicht  o  todoviattc  ...  ,  sondern  oidt'  ni  natte ... 

Z.  13.  y orok ond c  o-v.OTW.  shimashö  {mcht  o-kotacmasJib). 

S.  153.  —  Uebung,  Z.  7.  Jdjö  ni  isogasJiku  in  diesem  Satz 
klingt  sehr  hart.  Man  sollte  sagen :  Jnjö  7ii  isogasldi  no 
i<.'o,  oder  /dj'ö  ni  isogashik'tc. 

Z.  9.  Mata  siigu.  ni  kakari-nasaritö  gozainias'  ,,ich 
möchte  Sie  bald  wiedersehen  "  ist  seltsames  Japanisch. 
Man  sagt :  IMata  sugn  (oder  cläkai  nchi  ni)  o  ine  ni 
kaka7'itd  gozainias  . 

Der   Satz    0  yorokobi-mösJnuias     (Z.    16)    fehlt     in     der 
Uebersetzung. 

S.  155. — Wörter.  Allenfalls  kucJd  (st.  sJitd)  wo  tojirn ;  aber 
„schweig!"  heisst  daniare,  oder  höflich  o  sJdznka  ni! 

„  Uhr  aufziehen "    besser   tokci  wo  makn.    kakeru    wird 
meist  vom  Aufziehen  einer  Wanduhr  gebraucht. 

Uebung,  Z.  4.  v.  u.  Streiche  shda  wo  tojiro. 

Z.   3.  V.  u.  besser  kndasai  (st.  kudasare). 

S.  156.  —  Z.  2.  Anata  no  o  tokci  wo  0  niaki  nasai. 

S.  157.  —  Uebung,  Z.  5.  besser  sJdttc  orinias'  (st.  sJdriniash'te 
oriinas'). 


f  I  2  BL'CIIERDF.SPRF.CIIUNGEN, 

Z.  8.  Sac^c :  Koiio  yauiai  no  taiuc  [iii)  karada  ga  taiJien 
iii  yozvai'iuiasJita  kercdonw  ... 

Z.  lo.  Tokyo  ni  oriuinsJiö  oder  toryu  sJnniaslid  fnicht 
todo  iiiarhnaslü)). 

S.  159. — Uebunf^-,  Z.   2.  Zu  iiarc  vgl.  oben   Bern,  zu  S.    123. 

Z.    8.    Jndari  no  te  ga  itaku  ... 

Z.  14.  ,,  Noch  nicht  "  ist  7/ur'./a  de'  go.-:aiinas'  ga  (nicht 
gozaiviasen.  Das  jap.  Idiom  liat  hier  im  Gegensatz 
zum  Deutschen  die  positive  Form  des  Verbums  !)  Weiter 
sollte  es  heis-sen  :  ... /'(7r;'7/  jUnm  ni  tva  kittö  knfkn  ni 
narn  dcsJid. 

S.  160. — Uebung,  Z.     i.    IcJdha  ni  ittnra  oder   iku   nara,    nicht 
ikiL  toki  ni. 

S.  162- — Uebung.   Z.   I.    Streiche    Anata   iva,    setze    nara   statt 
naraba. 

Z.   2.   Gyliraku  iva...  konfuse    Zusammenstellung.     Man 

sagt :  {Moshi)   data  ga    yasnkattara,    sangin  katte   oide. 

,,  ,,        ,,     yam    gorjaivias'    nara,     sangin 

katlc  kitc  kudasai. 
„  ,,        ,,     yam      gorMiniasurcha,      sangin 

kattc  kitc  kudasai. 

Aber  niemals  ...jw.w/u'A'  7^'a ...katte  koi. — tc  wa  gebraucht 
man,  wenn  der  Hauptsatz  negativ  ist  oder  irgend  ein 
unangenehmes  Gefühl,  Schmerz  etc.  zum  Ausdruck  bringt, 
z.  B.  sonna  ni  yasuku  nttc  wa  son  ga  yuku  ,,  wenn  du  so 
billig  verkaufst,  hast  du  ja  Verlust." 

Z.  8.  Satd  ga  tarinai  nara  ... 

Z.  9.  TSUYO-suGiREBA  (nicht  tsnyosngi/m).  Aber  es  muss 
heissen  0  clia  ga  koker eha  oder  ko-sugimas'  naraba, 
inizu.   IVO  o  saslii  nasai.  tsiinietai  ist  überflüssig. 

Z.   10.  gyuniku  ga  (st.  iva^. 

Z.    15.  Besser  incshiagari-nasarn  koto  ga... 

S.  163.  §  383.  und   384.  —  Die    gebräuchlichen    Konzessivformen 
bei  Verben  auf  -e  und  -i  sind 


BUCHERBESPRECHUNGEN.  I  I 


PRAESENS. 


Pos.    tabc  —  iiias    kcndo  noini  —  inas'  keredo 
„         inaslitc  ino  ,,         masJite  ino 

„         nc  keredo  iiouiu  —  kcrcdo 

„         tc  ino  nonde  ino 

Neg.  tabc  —  naikcrcdo  nonia  —  naikcredo 
„          n{ji)kcrcdo  „  }i{ii)kcrcdo 

PRAETERITUM. 

Pos.    tabc  —  ta  kcrcdo  nonda  kcrcdo 

Neg.     ,,  nanda     kcrcdo  novianaiida     keredo. 

,,  nakatta      ,,  nomanakatta       ,, 

Vgl.  ferner  Chamberlain,  CoUoquial  Handbook,  §  288  f. 

Uebung,  Z.  i.  Allenfalls  Kusiiri  zvo  .yania  Jiodo  (st.  yauia- 
dake  no  knsuri  zuo).  Der  Vergleich  mit  einem  Berge 
wird  aber  nur  von  Geld  {kaue,  rjcni,  sats)  etc.  gebraucht, 
nicht  von  Medizin. 

Z.  2.  Aine  ga  furu  ka  furaxu  ka  shiranai  K£redo(mo) 

Z.   3.   Miiiai  fiiri  wo  sJite  mo  (oder  suni  ketedo,  shinias' 
keredo,  sJihnaslitc  ino),  naii  de  ino  mite  hnas . 

Z.  6.  OSO  (st.  onio). 

Z.  7.  Konna  ni  JiisasJdku  Nil  um  ni  {ivd)  orinias  keredo,... 

S.  164.  —  Wörter.  sJi  takii  surn  (st.  nasarii). 

Man  sagt  rjcnunai  für  ,,  Uhrfeder." 

S.  165.  —  Uebung,    Z.     2    sJttakiL    ivo    shunascn    dcs/itarö    oder 
sldnakattarö. 

Z.  9  einfach    todoniarn  koto  (st.  o-todoniarinasaru  kotd). 

§390. — Wörter,  incbatakihodo  ,,ein  Augenblick"  ist  unge- 
bräuchlich. ,,  Keinen  Augenblick  "  in  Uebung,  Z.  10.  hcisst 
chotto  mo  mit  Negation. 

S.  136.  — jöbit    „  stark  "    (st.  ydbit).     Gewöhnlich   toriko   ni  surii 
,,  gefangen  nehmen."  dekita  (nicht  dck^ta!). 
Uebung,  Satz   i   muss  heissen 

Nagaguts'  ga  nai  ka  mo  sldrcniasen,  oder 
,,     ariL  ka  nai  ka  sJdrunascii. 


1 14  BUCIIERBESPRECHUN'GEN., 

Z.  6  ariviashö  (st.  amre-uiashö).  Idiomatischer  wäre  : 
sonna  koto  ga  am  ka  sliini. 

Z.  y,,  iodoDiararcuiascnanda  oder  todouiararcmascn  des  , 
aber  idiomatisch  ikcnakcrcba  nariinascn  (,,  icli  muss 
gehen  "  statt  ,,  ich  kann  nicht  bleiben  "). 

S.  167.   W^örter:  JLakiihiitskan  (st.  kakubiitskaii). 

S.  168.  —  „  bestellen  "  ist  atswaeni  (nicht  atsiimc  sunt). 

Uebung,  Z.  4  tottc  o-ideyo  ist  Frauensprache.  Sage :  {Mosli'i) 
n  tainago  ga  attara  rohijü  tottc  oide. 

Z.  10  lies  kontrahiert  sanjissai  ,,30  Jahre"  st.  {sanju  sai). 

S.  169.  —  Z.  3.  Skats'  züo  f'tats  kai  ni  o-ide-nasaimaslita.  Kau 
/li  ist  falsch. 

S.  170.  —  Wörter:  futokoro  ,, Tasche"    ist  mindestens    ungenau. 
futokoro  ist  der  Busen  eines  jap.  Kleides,  daher  die  Brust- 
tasche ;    die    jap.    Aermeltasche    heisst    tanwto,    die    europ. 
Tasche  kak' sin. 
„Sporen"  heissen  Jiakuslia. 

,,  Stiefelknecht "  heisst  kutsjmuki.  kutsuiuigi  ist  der  Platz 
im  Eingangsflur  eines  Hauses,  wo  man  die  Strassen-Fuss- 
bekleidung  vor  dem  Betreten  des  Hauses  ablegt,  die  Schuh- 
garderobe. 

S.  171.  —  Uebung,  Z.  13  zuibun  (st.  zuibaii).  P^benso  S.  176,  Z.  12. 

S.  172.  §393.  —  li'asnntbcki  (nicht  loasurcbcki)  und  ivasuriibcka- 
rarjit  /  Genaueres  siehe  bei  Chamberlain,  a.  a.  O.  §  192. 
Ebenso  osorubcki  etc,  aber  tabc-bcki,  dcki-bcki  etc. 

S.  174.  —  Mitte,  im  Satz  tsitgi  /w  ...  ergänze  tayori  ga  ARU 
Iiarjii  des  . 

Ausser  den  besprochenen  Stellen  wäre  in  den  Uebungsstücken 
noch  auf  mancherlei  hinzuweisen,  ^\■as  zwar  theoretisch  hingehen 
mag,  aber  doch  strenggenommen  nicht  idiomatisches  Japanisch 
ist,  und  mancherlei  Unrichtiges  wird  mir  auch  entgangen  sein. 
Trotz  all  der  Ausstellungen  aber,  die  ich  im  Interesse  des 
Lernenden  /u  machen  verpflichtet  war,  möchte  ich  noch  einmal 
zum  Ausdruck  bringen,  dass  das  Seidel'sche  Buch  ein  sehr  prak- 
tisches ist,  und  dass  es  deshalb  wünschenswert  wäre,  die  vor- 
liegende zweite  Auflage  möglichst  bald  durch  eine  sorgfältig 
korrigierte  dritte  zu  ersetzen.    Ich  möchte  dann  auch  empfehlen, 


BÜCHERBESPRECHUNGEN.  1 1  5 

die  Vcrba  nicht  mehr  in  der  sog.  Stammform  [konojni,  machi, 
ii,  tabc,  ini  etc.),  sondern  in  der  Praesensform  {kononin,  viatsii, 
in,  tabcru,  miru  etc.)  aufzuführen,  wie  dies  von  allen  modernen 
japanischen  Grammatikern  und  Lexikographen,  von  Chamberlain, 
Lange  u.  s.  w.  geschieht.. 

Meinem  Kollegen  Herrn  Dr.  M.  Uyeda,  Professor  der  japa- 
nischen Philologie,  bin  ich  für  freundliche  Lesung  einer  Korrektur 
dieser  Bemerkungen  zu  Dank  verbunden. 


[Eine  Kleine   Huette.  Lebensansch.a.uüng  von  Kamo  no 

Chömei.     Uebersetzt    von    Dr.    Daiji    Itchikavva. 

Berlin,  C.  A.  Schwetschke  und  Sohn.   1902]. 

Dies  kleine  Büchclchen  von  nur  42  Seiten  ist  die  Ueber- 
setzung  eines  der  bekanntesten  und  berühmtesten  Prosawerke 
der  mittelalterlichen  japanischen  Litteratur,  verfasst  im  Jahre 
121 2  von  einem  in  den  Künsten  und  Wissenschaften  seiner  Zeit 
wohlbewanderten  Manne,  der  sich  im  Verdruss  über  fehlge- 
schlagene Lebenshoffnungen  ins  Einsiedlerleben  zurückzog  und 
im  58.  Lebensjahre  über  eine  Reihe  von  unglücklichen  Ereig- 
nissen, die  er  persönlich  beobachtet  hatte,  skizzenhafte  Berichte 
niederschrieb.  Buddhistischer  Pessimismus  beherrscht  das  Ganze. 
An  originellen  Ideen,  die  nur  dem  Verfasser  eigentümlich  wären, 
ist  wenig  vorhanden  ;  der  Hauptreiz  des  Werkes  liegt  in  der 
einfachen,  mustergültigen  sprachlichen  Darstellung  und  kommt 
natürlich  nur  im  japanischen  Original  selbst  zur  Geltung. 

Wir  müssen  Herrn  Dr.  Itchikawa  für  die  Verdeutschung 
des  Werkchens  aufrichtig  dankbar  sein.  Bisher  haben  sich  leider 
nur  gar  zu  wenig  Japaner  die  Mühe  genommen,  uns  die  Schätze 
ihrer  Nationallitteratur  aufzuschliessen.  Bei  der  ausserordentlichen 
Schwierigkeit,  welche  die  meisten  japanischen  Litteratur  werke 
der  Interpretation  durch  Europäer  entgegensetzen,  ist  gerade  eine 
rege  Beteiligung  litterarisch  gut  geschulter  Japaner  an  dem 
internationalen  Vermittelungswerk  zu  wünschen. 

Das  Höj'ö-ki  ist  einer  der  leichtesten  Texte  der  älteren  Zeit, 
und  die  Uebersetzung  darf  im  allgemeinen  als  befriedigend  be- 
zeichnet werden.  Hin  und  wieder  hätte  ich  mehr  Treue  ge- 
wünscht. So  heissen  die  beiden  letzten  Sätze  von  Kap.  2  bei 
Itchikawa  (Seite    1 2)  ; 


Il6  ßUCHERBESPRECIIUNGEN. 

,,  Sechzehn  der  grossartigsten  Bauten  wurden  zerstört  und 
unzählige  einfache  Wohnhäuser,  tausende  von  Menschen  fanden 
dabei  ihren  Tod.  Bei  solchem  Unglück  erkennt  man,  wie  thö- 
richt  der  Mensch  ist,  wenn  er  mit  Mühe  und  vielen  Kosten 
prachtvolle  Gebäude  baut."  Das  Original  hat  wörtlich :  » Sech- 
zehn Häuser  von  hohen  Adligen  brannten  nieder,  und  wie  viele 
ausserdem  noch,  ist  unbekannt.  Ein  Drittel  der  ganzen  Haupt- 
stadt ging  zu  Grunde.  Mehrere  Tausende  von  Männern  und 
Frauen  fanden  dabei  ihien  Tod,  sowie  eine  unzählige  Menge  von 
Pferden,  Rindern  und  dergleichen.  Alles  Thun  des  Menschen 
ist  eitel,  aber  man  mag  es  wohl  für  ganz  besonders  thöricht 
halten,  dass  er  an  einem  so  gefährlichen  Orte  wie  der  Haupt- 
stadt Häuser  baut  und  so  seine  Schätze  vergeudet  und  sein  Herz 
mit  unruhiger  Besorgnis  quält.«  Der  Wortlaut  des  Originals 
ist  so  leicht  wiederzugeben,  dass  ich  nicht  begreife,  warum  ihm 
der  Uebersetzer  aus  dem  Wege  gegangen  ist. 

Da  die  Daten  des  Originals  nach  dem  alten  Mondkalender 
gegeben  sind,  muss  man  entweder  die  Originalausdrücke  wie 
28.  Tag  des  4.  Monats  im  3.  Jahre  Angen  (Anfang  Kap.  2,  S. 
11),  29.  Tag  des  4.  Monats  im  4.  Jahre  Jishö  (Anfang  Kap.  3, 
S.  12)  u.  s.  w.  beibehalten,  oder  bei  Anwendung  unserer  Nomen- 
klatur in  das  richtige  Datum  umrechnen.  Dann  sind  nicht  der 
28.  April  1177  resp.  der  29.  April  1180,  sondern  der  27.  Mai 
1177,  resp.  der  24.  Mai  11 80  als  Daten  der  gros.sen  Feuersbrunst 
und  des  Orkans  anzugeben. 

Das  „Einfahren  der  Ernte"  (S.  17,  Z.  3  v.u.)  "ist  doch 
etwas  zu  europäisiert,  der  ganze  Satz  überhaupt  ungenau.  Es 
sollte  heissen :  Vergeblich  war  die  Arbeit  des  Pflügens  im 
Frühling,  des  [Reis-]  Pflanzens  im  Sommer;  nichts  war  da  vom 
Getümmel  des  Mähens  im  Herbst  und  des  Einsammelns  im 
Winter. 

S.  20.  —  richtiger :  Jedem  Leichnam  wurde  das  chinesische 
Zeichen  A  [des  Wortes  Amida]  auf  die  Stirne  geschrieben... 

S.  28.  —  Z.  3.  lies  :  es  ist  nur  r^chn  Fitss  im  Quadrat  mid  sieben 
Fuss  hoch  (nicht :  drei  Meter  breit  und  zwei  Meter  hoch). 
So  ist  auch  in  der  Vorrede  hjfö  im  Titel  falsch  als  ,,  drei 
Quadratmeter  "  interpretiert,  hdjö  heisst  ,,  ein  Jö  (d.  i.  10 
P\iss)  im  Quadrat,"  also  100  P   P\iss. 

S.  31.  —  Z.  5  ff  Erstaunlich  wegen  ihrer  Durcheinanderwürfelung 
chinesischer     und    japanischer     Anspielungen,     die     einem 


BÜCIIERBESPRFXnUXGEN.  II/ 

Japaner  nicht  passieren  sollte,  ist  die  Uebersetzung  von   % 

^  CA  ^o  ^  -C  -ö?,  ilS  #  CT)  7^  ;^>  n  V  7^  1^  ^  durch  : 
,,  Auch  abends  erweckt  die  Natur  künstlerische  Stim- 
mungen ;  fegt  der  Wind  durch  die  Katsurablätter,  so  mache 
ich  dem  Styl  des  beri^ihmten  Musikers  Gentötoku  am 
Flusse  Jinyö  no  kö  nach."  —  Die  erste  Anspielung  ist 
chinesisch  und  nimmt  Bezug  auf  eine  Stelle  in  dem  be- 
rühmten Gedichte  Ü  1q  ^I  PH-fa  yin  des  Dichters  Po  CJiü-i 
(772-846),  welche  lautet  :  yf  I^  lIIH^  ^  §.  m.%i%\^ 
■M  ^  >^:  ,.  Am  Ufer  des  Filisses  Hsün-yang,  in  der  Nacht, 
wurde  Abschied  vom  Gast  (d.  i.  vom  Dichter)  genommen. 
In  den  Blättern  des  Ahorns  und  den  Blumen  des  Rieds 
rauschet  und  brauset  der  Herbst."  (Vgl.  auch  die  Ueber- 
tragung  dieses  Gedichts  bei  Giles,  History  of  Chinese 
Literature,  p.  165  ff).  Die  zweite  Anspielung  ist  japa- 
nisch. Mit  Gen  Totolai  ,,  Generalgouverneur  Gen  (  =  Mina- 
motoj "  ist  Kaisiira  Dainagon  Tsuiienobii.  Kyö  gemeint, 
der  als  Dichter  chinesischer  und  japanischer  Gedichte  und 
als  Musiker,  besonders  als  ausgezeichneter  Biwa  -  Spieler, 
berühmt  war.  Seine  ,,  Weise  "  im  Biwaspiel  hiess  Katstira- 
ryu.  Er  starb  1097  als  Vice-Gouverneur  des  Dazai.  Die 
Uebersetzung  muss  deshalb  lauten  :  ,,  An  einem  Abend, 
w^o  der  durch  die  Katsura-Bäume  streichende  Wind  die 
Blätter  säuseln  macht,  denke  ich  an  [die  von  Po  Chü-i 
beschriebene  Situation  am]  Flus.se  Hsün-yang  chiang,  und 
ahme  [auf  der  Biwa]  die  von  Gen  Totoku  herrührende 
Weise  nach." 

33.  —  Für  die  kritische  Anmerkung  ,,Aermel,  sehr  lang, 
.spielen  die  Hauptrolle  in  der  jap.  Poesie "  werden  dem 
Uebersetzer  seine  Landsleute  wenig  dankbar  sein,  und 
mit  Recht. 

41.  —  Die  Jahresperiode,  in  welcher  das  Werk  verfasst  wurde, 
heisst  Kcnrekl  (^  /^),  nicht  Geiiriki,  und  das  Datum,  der 
letzte  Tag  des  3.  Monats  des  2.  Jahres,  war  der  2.  Mai 
12 12.  Es  wäre  wohl  empfehlenswert,  den  Priesternamen 
des  Verfassers  Ren-in  statt  einfach  Renin  zu  schreiben,  um 
die  richtige  Aussprache  (ren-in)  und  Etymologie  (Lotus, 
Same)  anzudeuten. 
Der  mit    „  Japanisches    Alphabet "    überschriebene    Anhang 


Il8  BÜCIIERBESPRECllUNGEN. 

wäre  besser  ■weggeblieben.  Er  ist  eine  vollständige  Missgeburt, 
sachlich  wie  im  Ausdruck.  ,,  Iliragana,  das  japanische  Alphabet 
ist  in  der  japanischen  Gedichtform  geordnet,  die  keinen  Reim 
hat  aber  Metrik ! ! "  Verf.  will  natürlich  darauf  hinaus,  dass 
Kobo  Daishi,  der  angebliche  Erfinder  der  Schriftform  Iliragana, 
die  47  Silben  des  jap.  Syllabars  zu  dem  bekannten  Imayö  Eiede 
Iro  Jta  iiilioJicdo  etc.  zusammengestellt  habe.  ,,  Wie  alles  im  Lande 
der  Sonne  an  die  Eehre  der  Entsagung  der  Welt  erinnert  ...," 
ein  höchlichst  zu  bestreitendes  Axiom  !  Die  Uebersetzung  des 
Iroha-uta's  schliesslich  ist  etwas  sehr  frei,  namentlich  der  Schluss : 
,,  Ein  Traum   ist  nur  das  Eeben,  darum  sollen  wir  nicht  klagen." 

Es  sei  noch  bemerkt,  dass  W.  G.  Astox  in  seiner  History 
of  Japanese  Literature  p.  146-156  eine  vorzügliche  Uebersetzung 
der  interessantesten  Abschnitte  des  Höjöki  gegeben  hat. 

Hoffentlich  bleibt  die  Erstlingsarbeit  der  Herrn  Dr.  Itchikawa 
nicht  seine  einzige  Leistung  auf  diesem  Gebiete  und  findet  bald 
Nacheiferune  bei  anderen  ! 


MITTHEILÜNGEN 

DER 

DEUTSCHEN   GESELLSCHAFT   FÜR 
NATUR-   UND   VÖLKERKUNDE  OSTASIENS. 

Band  IX,  Teil  2.  Tokyo,  1903. 

DIE  VERWENDUNG  DES  BAMBUS  IN  JAPAN. 

VON 

HANS     SPÖRRY. 

( Vortrag-,  gclialtcn   am   z/j.  Juni  i8g6. ) 


INHALTSÜBERSICHT. 

Seite. 

Einleitung 120— 121 

I. 

Die  Verwendung  des  Bambus  in  Alt- Japan  .      .      .      .  121  —  138 

1.  —  Werkzeuge  und  Materialien  zur  Bearbeitung  des  Bambus.        .  121  —  123 

a.  —  Bambus  im  öffentlichen  Leben  und  Verkelir 123  —  125 

3.  —  Bambus  in  Haus  und  Hof  und  Garten 125  —  127 

4.  —  Hausrat  und  Küchengerätschaften 127  —  129 

5.  —  Allgemeine  Gebrauchsgegenstände 129  —  130 

6. — Waffen  und  Geräte 130 —  136 

7.  —  Nahrungsmittel  und  Medizin 136  —  138 

II. 

Die  Verwertung  des  Bambus  als  Kunstmotiv  .     .  138  —  143 

III. 

Nevie  Verwendungen  des  Bambus.  —  Export .     .      .     .  143  —  144 

Schluss 144  —  145 


120  H.    SPÖKKV,    VERWENOL'XG    OE.S    BAMBUS. 

EINLEITUNG. 


Es  geschah  auf  Anregung  des  ScJnvcizcr  PolytccJuiikmns  \x\ 
Zürich,  dass  ich  seit  meiner  Ankunft  in  Japan  bestrebt  war, 
durch  eine  Sammlung  von  Gegenständen,  Notizen,  Photographien, 
Büchern  u.  s.  w.  die  Vetzvendung  des  Bambus  in  diesem  Lande 
zu  veranschaulichen.* 

Ich  sollte  auch  möglichst  vollständige  Angaben  über  die 
verschiedenen  Bambus-Arten  Japans,  deren  Kultur,  Standort 
u.  s.  w.  verschaffen.  Das  etwas  lückenhafte  Material,  das  mir 
möglich  war  in  dieser  Hinsicht  zusammenzubringen,  bietet  aber 
zu  wenig  Interesse,  um  hier  eingeflochten  zu  werden,  und  dies 
um  so  weniger,  als  vor  kaum  Jahresfrist  im  Schosse  unserer 
Gesellschaft  von  fachmännischer  Seite  darüber  gesprochen  wurde. 

Erwähnt  darf  wohl  werden,  dass  wenigstens  meines 
Wissens  nur  2  analoge  Sammlungen  existieren  : 

1.  —  diejenige    im    Kolonial-  Museum    zu    Hartem,   von   der 

jüngst  Prof.  Schär  in  Strassburg  (in  einem  Bericht 
über  jenes  Museum)  betonte,  dass  sie  weit  weniger 
reichhaltig  sei  als  meine  Sammlung. 

2.  —  die  im  JMnseum  of  Economic    Botany   in   Kew,    London, 

vor  wenigen  Jahren  durch  Herrn  CJi.  Hohne  angelegt  ■ 
und  in  den  Proceedings  of  thc  Japan  Society  in  London 
Vol.  I.  18 g2,  Seite  2J-4.8  besprochen;  dochumfasst 
die  Holmesche  Sammlung  nur  wenige  Dutzend  Ge- 
genstände und  kann  keineswegs  Anspruch  auf  Voll- 
ständigkeit machen. t 

Ich  gestehe,  dass  ich  selber  keine  Ahnung  hatte,  wie  tief  der 
Bambus  in  den  Lebenshaushalt  aller  Klassen  in  Japan  eingreift, 
und  wie  beinahe  unerschöpflich  das  ^laterial  war,  das  ich  zu 
sammeln  und  zu  ordnen  mich  anschickte.  Und  vielleicht  ist  es 
gut,  dass  ich  die  mir  bevorstehende  Aufgabe  nicht  überblicken 
konnte,  sonst  hätte  ich  wahrscheinlich  den  Mut  verloren,  sie 
durchzuführen. 

*  Meine  Sanuiiluny,  die  ca.  1400  A'os.  umfasst,  ist  nun  im  Besitz  der 
Ethnographischen  Gesellschaft  in  Zürich  und  öffentlich  nusgestellt. 

t  Ich  habe  sie  anno  1897  besucht  und  fand  sie  zum  Teil  bereits  wurmstichig. 
Es  waren  viele  Gegenstände  aus  neuem  Bambus  darunter. 


H.    SPÖRRY,    VERWEXDUXCx    DES    BAMBUS.  121 

Es  handelte  sich  nämlich  nicht  bloss  darum,  Gegenstände 
anzuschaffen,  sondern  es  war  vorgeschrieben,  auch  jeweilen 
japanische  Namen,  sowie  eine  Beschreibung  i^iber  Zweck  und 
Gebrauch  derselben  beizufügen.  Eine  derartige  Sammlung  in 
einem  Lande  wie  Japan  ist  ganz  besonders  für  einen  neu 
Angekommenen  ungleich  schwieriger  als  z.  B.  eine  solche  im 
Urwald  unter  ganz  wilden  Völkerschaften :  dort  braucht  man 
nur  zuzugreifen,  es  ist  alles  echt  u  id  autochthon,  während  man 
hier  zu  Lande  auf  allerlei  Unterschiebungen  fremdländischer  Ideen 
gefasst  und  stets  auf  der  Hut  sein  muss. 

Ich  habe  m^ine  Arbeit  in   3   Kapitel  geteilt  : 
I.  —  Die  Verwendung  des  Bambus  in  Alt-Japan. 
II.  —  Die  Verwertung   des  Bambus  als    Kunst-   und  Dekora- 
tionsmotiv. 
III. — Neue   Verwendungen   des    Bambus   für    Export- Artikel 
u.  s.  w. 

Jedes  dieser  Kapitel  musste  wiederum  in  Unterabteilungen  zerlegt 
werden,  um  eine  geordnete  Uebersicht  zu  gewinnen. 

Zuerst  ist  es  wohl  am  Platze,  die  Werkzeuge  und  Materialien 
etwas  näher  zu  betrachten,  welche  für  Bearbeitung  des  Bambus 
zur  Verwendung  kommen. 


I. 

DIE  VERWENDUNG  DES  BAMBUS  IN  ALT-JAPAN. 

1.  —  Werkzeuge   und   Materialien   zur   Bearbeitung 

des  Bambus. 

Für  industrielle  Zwecke,  besonders  für  feinste  Geflechtsarbeiten 
übertreffen  Madake  und  HacJiiku  alle  anderen  Bambusarten  an 
Brauchbarkeit,  da  sie  von  stärkerem  und  doch  gleich  biegsamem 
Holze  sind ;  indessen  finden  auch  alle  übrigen  Sorten  ausge- 
dehnteste  Verwendung;   für  allerlei  gerin<jere    Bedürfnisse.      Erst 


122  II.    SI'ORRV,    \"ERWEXnUXG    DES    BAMRUS. 

bei  Stämmen  im  Alter  von  3  Jahren  und  darüber  ist  das  Holz 
in  der  richtigen  Härte,  während  iojähri<je  schon  nicht  mehr 
industriell  \'cr\vendbar  sein  sollen.  Die  richtige  Zeit  zum  Fällen 
des  Bambus  ist  vom  Spätherbst  bis  zum  Februar,  indessen  wird 
er  für  alltägliche  I^edürfnisse  zu  jeder  Jahreszeit  gehauen  ; 
dergleichen  unreife  Rohre  sind  aber  dem  W'urmfrass  und  dem 
Springen  unterworfen.  Das  Holz  kann  sofort  verarbeitet  werden, 
aber  auch  langes  Lagern  schadet  ihm  nichts  ;  je  nach  der 
Verwendung  ist  die  Behandlung  eine  verschiedene,  mehr  oder 
weniger  sorgfütige.  Für  geringe  Geflechte  und  alltägliche  Zwecke 
werden  die  Rohre  ohne  weiteres  gespalten  und  verarbeitet,  flir 
bessere  und  beste  Zwecke  werden  sie  nach  dem  Fällen  entweder 
über  das  Feuer  gehalten  und  das  ausschwitzende  Oel  abgewischt, 
oder  man  legt  sie  in  frisches  Wasser,  wobei  das  Fett  sich 
absondert  und  wie  Rahm  obenauf  schwimmt,  oder  endlich  "es 
werden  die  Knoten  ausgesägt,  die  Internodien  gevierteilt  und 
diese  Stücke  30  Tage  lang  in  Sonne  und  Regen  liegen  gelassen. 
Alle  diese  Verfahren  sollen  das  Holz  vor  Wurmfrass  schützen. 
Eine  detaillierte  Schilderung  der  verschiedenen  Behandlungsarten 
würde  hier  zu  weit  fiihren,  im  allgemeinen  ist  folgendes  hervor- 
zuheben : 

Gewöhnlich  wird  das  Bambusrohr  mit  nassen  Strohwischen 
(mit  Weizenspreu  Rh'  bes.sere  Zwecke,  z.  B.  Zäune,  kakine)  und 
Sand  gefegt,  mit  Messern  geschabt  und  bei  feinerer  Ausarbeitung 
vermittelst  Fischhaut,  Schachtelhalm  [tokusd)  und  J^/Zv^-Blättern 
geglättet.  Zum  Beizen  :  in  hellgelblicher  Nuance  wird  der  Saft 
der  Gardenia-Früchte  verwendet,  zum  Schwarzfirben  :  ELsen- 
vitriol  {i'oha),  zum  Polieren  :  Pflanzenwachs  ;  ausserdem  kommen 
noch  helle  und  dunkle  Lacksorten  zur  Anwendung.  Durch 
Einbrennen  werden   oft  hübsche   Effekte  erzielt. 

Durch  blosses  Erwärmen  über  dem  Jnhachi,  nötigenfalls 
unter  Anwendung  von  etwas  Fett,  können  bis  zweifingerdicke 
Rohre  beliebig  gekrümmt  und  gebogen  werden.  Auf  diese  Art 
werden  Schirm-  und  Spazierstöcke,  Fischruten,  Zaunstecken  und 
dergl.  von  blosser  Hand  oder  vermittelst  eines  Richtholzes 
gerade  gedrückt.  Stärkere  Rohre  werden  mit  Stricken  und 
durch  Einklemmen  zwischen  starke  Holznägel  in  der  gewünschten 
Form  gehalten,  bis  das  Rohr  erkaltet  ist  und  dann  nicht  mehr 
reagiert.  Nach  dem  gleichen  I'rlnzip,  vermittelst  Erhitzung  durch 
Fett,  werden  die  flachen  Theebretter  herge.stellt.  Li  ein  dickes 
Rohrstück    wird    ein     Längsschnitt    gemacht,    sodann    wird    es 


II.    SPORRV,    VERWENDUNG    DES    CAMBUS.  I  23 

auseinander  gebogen  und  flach  geprcsst.  Während  die  harte 
Oberhaut  des  Bambusrohres  die  feinsten  Schnitzereien  treu 
bewahrt,  eignet  sich  seine  Innenfläche  zu  einer  noch  auffäUigeren 
Behandhuig.  Ganz  nach  Art  des  Radierens  können  vermittelst 
SJiosaii  (Salpeter-Säure)  und  Wachs  allerlei  Bilder  darein  geätzt 
werden. 

Wie  bei  anderen  Handwerkern  und  Künstlern  auch,  sind  die 
Werkzeuge  und  Einrichtungen  der  japanischen  Bambus-Tischler 
und  Flechter  recht  einfache.  Hobelbank  und  Schraubstock  sind 
unbekannt ;  zu  diesem  Zweck  gebraucht  der  Mann  seine  Beine  und 
Füsse,  und  die  wenigen  Werkzeuge,  Säge,  Hobel,  Stemmeisen, 
Zieheisen,  Stichel,  wenn  auch  nicht  unzweckmässig,  müssen 
doch  im  Vergleich  zu  unseren  vollendeteren  Instrumenten  als 
primitiv  bezeichnet  Averden.  Soviel  ist  sicher,  dass  die  Werkzeuge 
und  die  Einrichtung  des  japanischen  Bambusarbeiters  weit  weniger 
bewundernswert  sind  als  die  persönliche  Geschicklichkeit  des 
Mannes,  der  mit  so  einfachen  Hülfsmitteln  so  vollendet  schöne 
Arbeiten  zu  liefern  vermao-. 


2.  —  Bambus  im  öiientlichen  Leben  und  Yerkehr. 

Auch  demjenigen,  der  sich  für  Bambus  nicht  speziell  in- 
teressiert, drängt  sich  seine  vielfache  Verwendung  im  öffentlichen 
Leben  und  Verkehr  unwillkürlich  auf,  er  kann  kaum  vermeiden, 
Notiz  davon  zu  nehmen.  Ich  erinnere  an  die  30-40'  hohen 
Flaggenstangen,  an  denen  die  Reklamen  von  Theatern,  Schaubu- 
den u.  s.  w.  ausgehängt  sind,  an  die  mächtigen  Rohre,  an  welchen 
am  Tango  viatsuri  (5.  Mai)  2-5  Meter  lange  hohle  Papierfische 
{Jioi)  in  der  Luft  schwimmen,  sowie  an  all  die  Fahnenstangen 
der  Prozessionen  und  Umzüge  aller  Art.  Aber  der  Bambus 
dient  viel  wichtigeren  Zwecken.  Strassen  und  Wassern  entlang, 
wo  Rutschungen  entstanden  oder  befürchtet  werden,  bilden 
eingerammte  Holzpfahle  und  darüber  geflochtene  oder  auch  nur 
dahinter  gelegte  3-4  cm  dicke  Bambusrohre  die  Schutzwehren. 
Werden  beim  Anschwellen  der  I-^lüsse  Uferstücke  herausgerissen, 
so  wirft  man  zuerst  ganze  Bambus  in  die  Lücken,  um  weiteres 
Nachreissen  zu  verhindern,  dann  kommen  Faschinen  und  Flecht- 
werk wie  oben  beschrieben.  Um  bei  starken  Plusswindungen 
den  Anprall  der  Wasser  abzuschwächen,  auch  um  flache 
Uferstrecken    zu    schützen,    werden    30-50'    lange,    weitmaschige. 


124  H.    SrÖRRV,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS. 

Starke  Geflechte  aus  Bambusspähncn  mit  i^roljcn  Geschiebsteinen 
gefüllt  und  aufeinander  gescliichtet :  der  Japaner  nennt  sie  ganz 
zutreffend  ja  /{'rt^'-ö  =  Schlangenkorb.  Auch  werden  aus  Holz- 
balken eine  Art  Widerböcke  konstruiert,  die  mit  Bambuslamellen 
gebunden  und  mit  schwereren  Steinen,  auch  mit  kleineren  ja 
kago  belastet  sind.  An  Abhcängen  und  Abgründen  vorbei 
bilden  oft  l^ambusstangen  die  Schutzgeländer,  über  kleinere 
Schluchten  und  Plüsse  führen  improvisierte  Stege  aus  langen 
Rohren,  mit  Flechtwerk  \erbunden  und  mit  Erde  bedeckt  ;  auch 
hölzerne  Stege  sind  oft  mit  Bambuslamellen  gebunden.  In 
Yanioio  über  einen  Nebenfluss  des  Yodogaiva  fand  ich  eine 
ebenso  primiti\'e  wie  praktische  Brücke,  die,  wenn  weggerissen, 
in  kürzester  Frist  wieder  erneuert  werden  konnte.  Auf  je  ca.  lO 
Schritt  Distanz  waren  etwa  6'  hohe  und  5'  breite  starke,  runde 
Bambuskörbe  v'oll  grosser  Geröllsteine  aufgestellt  und  darauf 
zwei  starke  Bretter  neben  einander  gelegt,  die  eine  ganz  bequeme 
und  solide  Passage  für  P'ussgänger  bildeten.  In  Mitrray  s  Hand- 
book  lese  ich,  dass  die  berühmte  tsnri  basJii  über  den  Fiij'ikazva 
(bei  Omiya)  aus  starken  zusammengedrehten  Bambusseilen  und 
quer  darüber  gebundenen  ^-7'  langen  Bambusrohren  bestehe. 
Ich  selber  bin  unter  dieser  Brücke  durchgefahren,  aber  leider 
bei  so  abscheulichem  Wetter,  dass  ich  mich  nicht  aufhalten 
konnte,  um  die  Sache  näher  anzusehen. 

Für  Warcntransport  zu  Wasser  und  zu  Land,  auf  Schiffen, 
Wagen  und  Pferden,  auf  dem  eigenen  Rücken  oder  auf  Achseltrag- 
stangen liefert  der  Bambus  unendlich  mannigfaltige  Hülfsmittel  : 
runde  und  eckige,  grosse  und  kleine,  offene  und  gedeckte, 
weitmaschige  oder  enggeflochtene  Körbe  dienen  zum  Transportieren 
von  Gemüsen,  Cocons,  Seide,  totem  und  lebendem  Geflügel, 
getrockneten  Fischen,  trocl<:enen  Waren  überhaupt  und  nicht 
am  wenigsten  auch  von  Reiseeffekten.  Sake  wird  in  kübelartigen, 
mit  starken  Bambusreifen  gebundenen  P"ässern  versandt.  Nicht 
zu  vergessen  sind  die  yavia  kago,  Tragsessel,  sowie  die  sudarc 
an  den  norinion. 

Dem  japanischen  Theater  liefert  der  Bambus  eine  nicht 
geringe  Anzahl  von  Ausrüstungsgegenständen  wie  Coulissen, 
Schwerter,  Lanzen,  Larven.  In  einem  Marionettentheater  sah 
ich  halbierte  Bambusinternodien  als  Bühnenlami)enschirme. 

Gar  nicht  selten  werden  hübsch  belaubte  ]^:mibusstämme  als 
stattliche  Dekoration  verwendet;  in  der  Ballade  ,,Toiiii  uioto'-'' 
ist  die   begleitende  Musik  sogar  ,,  Bambusrauschen  "  genannt. 


H.    SPÖRRY.    VERWENDUNG    DES    BAMBUS.  12$ 

Bei  allen  öffentlichen  F"esten  spielt  der  Bambus  eine  mehr 
oder  weniger  wichtige  Rolle.  An  Neujahr  sind  es  namentlich 
die  kadomatsii  oder  kazari  (Bambus  mit  Fichtenbäumen)  vor  den 
Häusern,  dann  die  Neujahrsgeschenke  selbst,  vielfach  in  Bambus- 
körbchen überreicht  oder  aus  Bambus  verfertigt,  wie  die  ogi,  oder 
doch  mit  Bambus,  meist  aber  mit  der  Dreieinigkeit  aller  Glücks- 
symbole, dem  sJio  chikiL  bai  (Fichte,  Bambus  und  Pflaumen-Blüte) 
dekoriert.  An  Tempelfesten  werden  belaubte  Bambusstämme 
mit  Papierstreifen  und  buntem  Zierat  aufgepflanzt,  in  der  Provinz 
JosJiiu  findet  man  vor  jedem  Theehaus  solche  dem  durstigen 
Wanderer  weithin  sichtbare  Rettungsanker. 

Tagfeuerwerke,  darin  die  Japaner  besonders  exzellieren,  werden 
aus  mit  faustdicken  Bambusringen  gebundenen  Holzkanonen 
abgeschossen  u.  s.  w.  Bei  heftigen  Erdbeben  flüchten  sich  die 
Einwohner  in  die  Bambushaine,  weil  deren  starkes  Wurzelnetz 
das  Spalten  des  Bodens  wenn  nicht  unmöglich,  so  doch  weniger 
gefährlich  macht. 


3.  —  Bambus  in  Haus  und  Hof  und  Garten. 

Es  ist,  oder  war  eine  in  Europa  nicht  wenig  verbreitete 
Ansicht,  der  Japaner  baue  sein  Haus  aus  Bambus  ;  das  ist 
im  höchsten  Grade  unrichtig.  Menschliche  Wohnstätten,  ganz 
aus  Bambus  hergestellt,  gibt  es  keine  in  Japan,  selbst  zum 
elendesten  Notdach  für  Vieh  und  Feldfrüchte  wird  Holz  als 
Hauptrahmen  verwendet.  Diebe  und  andere  gesetzesscheue 
Leute  errichteten  einst  in  den  Bergen  Zufluchtshütten  aus 
Bambusgeflecht ;  dergleichen  Konstruktionen  können  indessen 
nicht  als  „  typisch "  angeführt  werden.  Bei  einem  so  kunst- 
fertigen Volke  ist  auch  gar  nicht  zu  erwarten,  dass  es,  gleich 
Wilden,  als  Hauptmaterial  den  bequemen  Bambusstamm  benütze, 
mit  welchem  schliesslich  nur  Hütten,  aber  keine  Bauten  hergestellt 
werden  können,  die  den  doch  ziemlich  vielseitigen  Ansprüchen 
des  Japaners  an  seine   Häuslichkeit  zu  genügen  vermöchten. 

In  einem  volkstümlichen  Liede  heisst  es  allerdings  : 

Take  HO  HasJdra  ni 

Kaya  no   Yanc 
(die    Stützen   von  Bambus,    das  Dach   von   Binsen),  um  das  Bild 
tiefster  Armut  zu  zeichnen  ;  dazu  erhält  man  aber  die  Aufklärung, 
dass   dieses   nur   als   poetische   Wendung    aufzufassen    sei,   indem 


120  H.    SPÖRRY,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS. 

niemand  in  Japan  so  miserabel  wohne.  Bambus  spielt  beim 
Hausbau  eher  eine  untergeordnete  Rolle.  In  Bauernhäusern 
wird  bei  Strohbedachung  das  Dachgerippe  häufig  aus  Bambus- 
stangen gemacht,  über  Schindeldächer  (die  Schindeln  sind  mit 
Bambusnägeln  befestigt)  werden  oft  Bambuslatten  genagelt; 
dagegen  sind  hohlziegelartig  verwendete  Rohrstücke  nur  als 
eine  seltene  Ausnahme  etwa  auf  kleinen  Anbauten  zu  sehen. 
Ein  leichtes  Bambusgitterwerk  dient  als  Unterlage  für  den  Putz, 
und  über  die  Lehmwände  sieht  man  oft  Bambusgeflechte  aus 
starken  Lamellen  oder  halbfingerdicken  Rohren  genagelt,  oder 
auch  eine  Umschalung  aus  starken  halbierten  Stämmen  oder 
breitgequetschten  jungen  Rohren,  zum  Schutz  gegen  Sonne 
und  Regen  ;  mitunter  sind  auch  die  (Lehm-)Hauskanten  durch 
Bambusrohre  geschützt.  An  kleineren  Bauten  sind  die  Dachrinnen 
recht  häufig  aus  Bambus.  Im  übrigen  kommt  letzterer  mehr 
als  gelegentliche  Verzierung  zur  Anwendung,  so  als  tokonouia 
HO  hashij-a,  Türgerichte,  Zimmerdecken,  Gitterwerk  in  Zuglöchern 
{raimna)  Fenstern  und  Türen,  sodann  als  Schüttboden  in  der 
Küche  und  beim  Wasserbecken  des  Abtrittes,  aus  besonderer 
Liebhaberei  auch  etwa  als  Verandaboden  und  unter  derselben 
als  Schutzwehr  gegen  Plühner,  Katzen  und  Hunde.  Schwere 
Schiebtüren  sollen  besser  glitschen  auf  Bambusschienen. 

Was  man  im  Hofe  unmöglich  übersehen  kann,  das  sind  die 
entweder  an  Schnüren  dem  Haus  entlang  aufgehängten  oder 
auf  besonderen  Gestellen  aufgelegten  Wäschestangen.  Im 
Geflügelhofe  sodann,  der  selbstverständlich  aus  Bambusstangen 
gemacht  ist,  befindet  sich  ein  Hahn  in  Einzelhaft  ;  man  hat  ihm 
einen  weitmaschigen  hohen  Korb  angewiesen,  damit  er  beim 
Krähen  sich  auch  ordentlich  strecken  könne  ;  unter  einem  runden 
niedrigen  Korbe  ist  die  Schar  der  Küchlein  vor  der  Katze 
sicher  gestellt.  Die  Umzäunung  ist  fast  immer  Bambus,  gibt 
es  doch  kaum  ein  Material  das  zu  diesem  Zwecke  geeigneter 
und  billiger  wäre.  In  Städten  allerdings  sind  die  kleinen  Höfe 
von  hohen  Holzwänden  umgeben,  in  denen  aber  sehr  oft  Bambus- 
rohre eingeschoben  sind.  Auf  solchen  Einfassungswänden  sieht 
man  als  Schutzwehr  schräg  geschnittene  gekreuzte  Rohrstücke, 
die  so  spitzig,  scharf  und  hart  sind  wie  eiserne  Nägel  oder  Messer. 

In  der  Konstruktion  der  Bambusumzäunungen,  worüber 
besondere  Lehrbücher  existieren,  trifft  man  im  Grunde  keine 
grossen  Variationen,  es  sind  immer  wiederkehrende  Geflechtsarten 
und  Formen,  etwas  höher  oder   niedriger,  enger  oder  weiter,  im 


n.    SPORRV,    \"ER\VENi:)UNG    DES    BAMBUS.  \2J 

Prinzip  aber  dasselbe.  Die  Hauptpfostcn  sind  immer  Holz.  Im 
Inlande  sind  lebende  Hecken  gebräuchlich,  oft  lO  Fuss  und  mehr 
hoch,  durch  Querstangen  und  Strohseile  zusammengebunden. 

In  der  Ebene  bedient  man  sich  der  Sodbrunnen,  aus  denen 
das  Wasser  im  Kübel  heraufgeholt  wird,  entweder  am  Bastseile 
über  eine  Rolle,  oder  vermittelst  einer  langen  Bambusstange, 
/.y?/;7/^r  — Storchen  hals  genannt.  In  den  Bergen  aber  weiss  man 
sich  die  Sache  bequemer  zu  machen.  Gute  Quellen  werden 
aufgefangen  und  in  Bambusrohren  über  Schluchten  und  Fluss- 
bette, an  Abhängen  und  Mauern  entlang,  ober-  und  unterirdisch 
zu  Tal  geleitet  bis  in  die  Küche  hinein.  Diese  Rohre,  einfach 
in  einander  gesteckt  und  etwa  mit  Bast  verstopft,  an  Biegungen 
des  Wegs  in  Holzklötze,  auch  Steinblöcke  eingelassen,  sind  eine 
ungemein  zweckdienliche  und  billige  Leitung  und  müssen  nur 
ungefähr  alle  3  Jahre  erneuert  werden. 

Die  Bohrung  dieser  Leitungsrohre  ,  geschieht  vermittelst 
472  ni  langen  Eisenstangen,  daran  ein  spitzer  oder  schart- 
kantiger runder  Kolben  sitzt;  damit  Averden  die  Knotenwände 
durchgeschlagen.  Im  Hakonegebirge  und  andern  Ort^n  werden 
auf  diese  Art  stundenweit  Schwefehvasser  hergeleitet,  die  so 
heiss  sind,  dass  man  die  Hand  nicht  hineinstecken  kann,  und 
diese  Rohre  bewähren  sich  hierfür  vortrefflich.  In  Gärten  werden 
vermittelst  solcher  Leitungen  allerlei  Wasserspiele  eingerichtet. 


4.  —  Hausrat  und  Küchengerätschaften. 

Obschon  im  Hausrat  und  unter  den  allgemeinen  Bedürf- 
nissen der  Japaner  eine  ganze  Menge  Gegenstände  aus  Bambus 
angetroffen  werden,  so  wäre  es  doch  unrichtig  zu  glauben,  dass 
solche  nur  aus  Bambus  gemacht  werden  können.  Die  weitaus 
grössere  Zahl  findet  sich  gleichzeitig  aus  verschiedenen  andern 
Materialien  im  Gebrauche,  dagegen  wird  eben  Bambus  vorgezogen 
aus  Billigkeits-  und  Bequemlichkeitsgründen  und  nicht  zum  wenig- 
sten aus  besonderer  Vorliebe.  Unter  dem,  was  man  als  Hausrat 
bezeichnen  kann,  erwähne  ich :  Lesepult,  allerlei  Etagereartige 
Gestelle,  Wandschirme  {bioöii^  tsuitate),  Handtuch-  und  Kleider- 
halter, Spiegelgestell,  Abstauber,  Fliegenklappe,  Rattenfalle, 
Leuchter  und  Kerzenstöcke,  natsu-niakura  (Sommerkopfkissen)^ 
kivashibon  (Kuchenschalen),  Nähkästchen  nebst  Fadenkörbchen 
und  Wickel,  Vogel-  und  Käferkäfige. 


128  H.    SPÖRRV,    \ER\VENDUNG    DES    BAMBUS. 

Besondere  Erwähnung  verdienen  die  Blumenvasen ;  darin  ist 
ein  Formen-  und  Ideenreichtum  vorhanden,  der  jeder  Beschreibung 
spottet. 

Abgesehen  von  der  allgemeinen  Einteilung  in  tsuri  Jiana  ike, 
kake  bana  ike  und  täte  hana  ike  zum  Freiaufhängen  an  Schnüren 
oder  Ketten,  zum  an  die  Wand  Hängen,  zum  Stellen,  wofür 
wieder  besondere  Blumenvasentische  erforderlich,  sind  zu  unter- 
scheiden :  aufrechtstehende  Rohrvasen  aus  Internodien,  entweder 
ganz  glatt,  oder  mit  Inschriften  und  Bildern  geschnitzt,  Rohr- 
vasen mit  bestimmten  nach  den  Regeln  des  Ikebana  vorgeschrie- 
benen oder  auch  sinnbildlichen  Ausschnitten,  wie  z.  B.  sho 
cJiiku  bai  oder  setsiigekkiua  (Schnee,  Mond  und  Blüte).  Es 
gibt  mindestens  20-30  solch  verschiedener  Ausschnitte  und 
ebensoviel  verschiedenartige  Rohrvasen  in  Schiffsform. 

Die  Geflecht- Vasen  sind  meist  von  tadelloser  Arbeit  und  oft 
klassischer  Form,  es  werden  auch  solche  in  Gestalt  von  Krebsen, 
Insekten  u.  s.  w.  hergestellt.  Die  Wasserbehälter  in  den  Ge- 
flechtvasen bestehen  in  der  Regel  aus  einem  Rohrabschnitt. 

Auf  dem  Ilau-saltar  und  für  den  Ahnen-  und  Götterkultus 
überhaupt  habe  ich  folgendes  aus  Bambus  gefunden  : 

Statuetten  des  Shaka  inuni,  buddhistische  Tempelchen  (sushi), 
Weihrauchbüchsen  {kord),  Blumenvasen  {butsii  no  hana  ike), 
Räucherkerzenrohr  {senko  tsutsii),  iniki  kiiclii,  blattförmiger 
Schmuck  der  Sake-Fläschchen,  Opferbüchse  {saisen  tszitsu),  aki  oder 
kainihashi  Schalen  und  Stäbchen  für  Opferreis,  Amulette  {inamori), 
iniki  tarUy  Sake -Fässchen,  sodann  in  allen  Tempeln  die  unent- 
behrlichen uiisii,  Vorhänge  aus  feinsten  Bambusstäbchen. 

An  Küchengerätschaften  im  allgemeinen  finden  sich  eine 
unendliche  Reihe  von  Gegenständen  aus  Bambus  gemacht : 
Kochkesselträger  (Jizai),  Kellenständer  {benkei),  allerlei  Geflecht- 
waren und  Siebe,  Fisch-,  Obst-,  Gemüse-  und  Kohlenkörbe, 
Speisendeckel,  Reis-  und  Feuerfächer,  Blasrohr,  Geschirrputzer, 
Servierstäbchen,  Löffel,  Fischspiesse,  Wasserschöpfer,  Daikon- 
hobcl,  sodann  Essstäbchen  nebst  Lager,  Gewürz-  und  Zahnstocher- 
büchsen u.  s.  w.  Wenn  fast  alle  diese  Bedürfnisse  unter  die 
gewöhnliche  billige  Machenschaft  rangieren,  so  sind  dagegen  fast 
alle  Gegenstände,  die  für  Thee  und  Sake  bestimmt  sind,  Ess-  und 
Trinkgeschirre  überhaupt,  mit  einer  gevvi.ssen  Eleganz  und 
Vollendung  au.sgearbeitet,  ja  gar  nicht  selten  von  wirklich 
künstlerischem  Wert. 

Für  Sake  erwähne  ich  :  tsitno  tarn  und  yanagi  tarn,  wie  sie 


H.    SPORRV,    VERWEXDL'NG    DES    BAMI5US.  1 29 

gefüllt  als  Hochzeitsgeschenke  überreicht  werden.  Kleine 
Fässchen  oder  Flaschen  (einfach  ein  Bambusinternodium)  für 
aufs  Feld  und  auf  Reisen,  Tässchen,  Spühlbeckengcstelle  und 
Unterlagen  für  Flaschen  und  Tässchen,  Zapfen  u.  s.  w.  Für 
Thee- Service  ist  alles  noch  viel  reichhalti";er  infolge  der 
endlosen  Vorschriften  und  Abwechslungen  des  cJia  no  yn.  Da 
findet  man  alle  denkbaren  Formen  von  Theebrettern,  aus  Wurzel - 
oder  Stammstücken,  ganz  aus  Geflecht  oder  aus  irgend  einem 
Material  mit  Geflechtüberzug,  sodann  Wassergefasse,  Theekannen 
und  Tassen  nebst  Unterlagen,  Theerestensammler,  Spühlbecken, 
Büchsen  für  Thcepulver  und  Blätter,  cha  saß  nebst  Futteralen, 
Theeröster,  Siebe,  Kluppen,  Deckellager  und  Spielmarken.  Daran 
reihen  sich  gar  nicht  aufzuzählende  Arten  von  Kuchenbecken 
und  Schüsseln,  Proviantkörbchen  und  Büchsen  {bento)  für  Aus- 
flüge und  ins  Theater.  Ein  anschauliches  Bild  all  dieser 
Erzeugnisse  in  Worten  zu  entwerfen  ist  unmöglich,  nur  durch 
Besichtigung  einer  geordneten  Sammlung  kann  man  sich  einen 
richtigen  Begriff  von  der  unendlichen  Ausnutzung  des  Bambus- 
stammes machen. 

5.  —  Allgemeine  Gebrauchsgegenstände. 

Für  Kleidung  und  Zubehör  spielt  Bambus  gar  keine  so 
unwichtige  Rolle,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  scheinen  mag. 
Der  Hut  aus  Bambus  war  nicht  nur  für  die  unteren  Klassen  die 
vorwiegende  Kopfbedeckung,  sondern  auch  im  Priester-  und 
Kriegerstande  recht  häufig.  Das  Gestell  für  Regen-  und  Sonnen- 
schirme, Blatt-  und  Faltfacher,  sowie  für  die  dutzenderlei  Laternen- 
arten war  immer  Bambus,  während  dagegen  Sandalen  aus  take  no 
kawa,  Hüllblättern  oder  Bambusholz  zu  den  Ausnahmen  gehören, 
ebenso  eine  Art  Unterfilet,  das  von  sendo  und  Reisenden  getragen 
wurde  {ase  tori).  Neben  Kleidermappen  nenne  ich  noch  Auf- 
steck- und  Staubkämme,  Haarpfeile,  Puderpinsel,  Zahnbürsten, 
Stöcke,  Reitgerten,  Ballfänger,  etc. 

An  blossen  Nippsachen  {pkiinond)  i.st  der  Haushalt  des 
Japaners  ziemlich  arm,  um  so  schöner  und  kunstreicher  gestaltet 
er  die  Gegenstände,  die  wirklichen  Bedürfnissen  entsprungen : 
inro,  Tabakbeutel  und  Büchsen,  Tabakpfeifen,  und  Futterale 
{tabako  boji)  mit  Fidibus.  Ueberall  ist  Bambus  anzutreffen,  ganz 
besonders  auch  bei  den  Schreib-  und  Malutensilien :  Pinsel, 
Linienzieher,    Zirkel,    Lesestäbchen,    Buchzeichen,    Pinselständer, 


130  11.    SPÖRRV,    XKRWENDL'XC}    DES    BAMBUS. 

Stcmix-l,  Tuschbcckcnlager,  Scrcen,  Tuschhalter,  Wasscrkännchcn, 
tra<;ban,^  Schreibzcugc  {yatatc),  Notiztafehi,  Papier-,  Brief-  und 
Schreibzeugschachtehi,  Papierhaltcr  und  Klammern.  Sodann  sind 
seit  alter  Zeit  die  Massstäbe  {kujira  sas/ii,  claikiisaii  sashi.  tabi 
Säs/ii)  u.  s.  w.  aus  Ikmbus  gemacht  worden. 

An  Musikinstrumenten  sind  in  eister  Reihe  die  Blas- 
instrumente zu  nennen:  das  i7rohrige  s//c?,  das  schon  von  den 
Göttern  gespielt  wurde,  die  j/oko  fiic,  sliaku  Jiachi,  Jiichi  riki,  bis 
hinunter  zur  Masseurpfeife,  sodann  die  i-3saitigen  koto,  ichi,  )ii, 
sau  yen  kin,  das  kokiii,  eine  Art  chinesische  Fiedel,  Windspiele 
(/;/  rill),  Bratschen,  nicht  zu  vergessen  die  leichten  und  eleganten 
Saitenstege.  Im  allgemeinen  darf  wohl  gesagt  werden,  dass  die 
japanischen  Musikinstrumente  bedeutend  schöner  sind  als  die, 
damit  verursachte  Musik. 

Die  Japaner  sind  recht  erfinderisch  für  die  Belustigung  und 
Unterhaltung  der  Kinder ;  eine  Menge  meist  ausserordentlich 
billiger,  jedoch  gefälliger  und  komischer  Spielwaaren  legen 
Zeugnis  dafür  ab.  Als  ganz  oder  teilweise  aus  Bambus  gemacht 
habe  ich  darunter  folgendes  gefunden  : 

Steckenpferde,  Stelzen,  Springreifen,  Drachen,  Bohnen- 
schleuder, Spritzen,  Flöten,  Pfeil  und  Bogen,  Schwerter, 
Käferkäfige,  Schwirbel  {tombd),  Hampelmänner,  Blasrohr  nebst 
Papierpfeilen  mit  Bambus-Spitze,  Ballfänger,  Kreisel,  Pfeifen  und 
Rohre  zum  Nachahmen  von  Vogel-  und  Tierstimmen  u.  a.  m. 
Auch  der  \yeniger  harmlose  Würfelbecher  ist  aus  Bambus 
hergestellt. 

6.  —  Waffen  und  Geräte. 

An  eigentlichen  Kriegswaffen  wurden  bloss  Bogen  und  Pfeile 
vornehmlich  aus  Bambus  gemacht,  dessen  hartes  imd  dennoch 
leichtes  und  biegsames  Holz  wie  geschaffen  zu  diesem  Zwecke 
ist.  Zu  Bogen  wurde  fast  ausschliesslich  hachiku  mit  einer 
Zwischenlage  von  kiiiva  benutzt,  zu  I*feilen  dagegen  yadake, 
woher  letzterer  wohl  seinen  Namen  hat.  Köcher  und  Kriegs- 
hüte sind  oft  aus  Bambus  gewesen,  aber  häufiger  aus  Holz,  Leder 
oder  Papier,  ebenso  selten  waren  Schwert-  und  Dolchscheiden 
und  Schwertlager.  Der  Schwertstift  {jiichtgi)  war  fast  immer 
Bambus,  besonders  berühmt  hiefür  war  das  Holz  aus  dem 
Yaviato  take  no  Yabn  bei  Kyoto.  Standarten  und  Fahnen- 
stangen waren  wohl  immer  von  Bambus,  dagegen  ist  mir  bis 
jetzt  noch  nicht  bekannt  geworden,  dass  für  Kriegslanzenschäfte 


II.    SPÖRRV,    VERWEN'DUN'G    DES    RAMBUS.  I3I 

anderes  Material  denn  schwere  und  harte  Holzarten  benutzt 
wurden.  Der  takc-yari  =  Bambusspiess  ist  die  eigenthche  "Bauern- 
waffe,  die  bei  keinem  Aufruhr  gefohlt  hat.  Es  ist  einfach  ein 
starkes  Rohr,  vorzugsweise  Hachikii,  dessen  schräg  und  scharf 
zugeschnittene  Spitze  metallhart  gemacht  wird,  indem  man  sie  in 
Oel  taucht  und  dann  in  heisse  Asche  steckt.  Arf  Bärenjagden 
u.  s.  w.  wurde  auch  irgend  eine  Eisenklinge  eingeRigt.  Bambus- 
schwert {shinai)  und  Brustpanzer  {do)  dienten  nur  zu  Fecht- 
übungen. Aus  Bambusfaser  gedrehte  Stricke  dienen  heute  noch 
als  Lunten,  schon  Kämpfer  erwähnt  diesen  ,,  Bambuszunder ", 
wie  er  ihn  auch  nannte.  Dass  zu  allerlei  Kriegsgeräten,  wie 
Pallisaden,  Brustwehren,  Sturmleitern,  Fackeln  u.  s.  w.  Bambus 
ein  vorzüglich  geeignetes  Material  lieferte,  ist  selbstverständlich. 
Zum  Transport  von  gefährlichen  Gefangenen  oder  Ver- 
brechern benutzte  man  früher  starke  Bambuskäfige  oder  den 
kubi~iva,  einen  offenen  eisernen  Halsring,  dessen  gerad  verlängerte 
P^nden  vermittelst  Stricken  durch  ein  mehrere  Fuss  langes 
Bambusrohr  gezogen  waren.  Zur  Bestrafung  von  Dieben  und 
Erzwingung  von  Geständnissen  spielte  die  Bambusrute  eine 
gefürchtete  Rolle.  Im  Gefängnis  zu  Nagasaki  erhielten  zu 
Kämpfers  Zeit  die  Gefangenen  Bambusnadeln  zum  Nähen  ihrer 
Kleider,  da  ihnen  alle  eisernen  Werkzeuge  verboten  waren. 

Landii  irtscJiaft. 

Für  seine  Kulturen  im  Felde  verwendet  der  Japaner  den 
Bambus  in  mannigfachster  Weise.  Frisch  besäter  Boden  wird 
mit  Bambuszweigen  umsteckt  zur  Warnung  vor  Betretung, 
vorgerücktere  Kulturen  werden  mit  einer  provisorischen  Bambus- 
hecke aus  fingerdicken  in  den  Boden  gesteckten  und  mit 
Strohschnüren  verbundenen  Ruten  vor  Hunden  und  Hasen 
geschützt.  Mitten  im  Felde  hängt  er  eine  alte  Papierlaterne  als 
Vogelscheuche  auf,  auch  Strohmänner  mit  grossen  Bambushüten 
werden  zum  gleichen  Zwecke  errichtet.  In  Reisfeldern  ward 
an  hohen,  durch  Seile  verbundenen  Stangen  eine  Art  Rassler 
in  Bewegung  gesetzt  zum  Verscheuchen  des  auch  in  Japan 
frechen  Spatzenvolkes.  Als  Stützen  für  Pflanzen,  Querstangen 
für  Baumreihen,  Spaliere,  zum  Gradziehen  von  Aesten  und 
Zweigen,  als  Bogen  und  Windungen  von  Zier-  und  Schling- 
pflanzen, Bohnenstangen,  Schutzdächer  für  besonders  empfindliche 
Pflanzen    und   dergleichen    ist    Bambus   ein    ungemein   geeignetes 


132  U.    Sl'ÜKKV,    VEKWENDUNU    DES    ]!AMBUS. 

und  vielgebrauchtes  Material.  An  l^auernwerkzcugen  und 
Geräten  sind  hervorzuheben  :  Hütten  und  Tragkörbe  {7/ic  und 
slioi-kagd),  Laub-  und  Grasrechen,  Frucht\vannen  (//«'),  niamc 
/{v/{7  =  ein  grober  Kamm  zum  Pflücken  der  Bohnen,  110  uclihua, 
ein  doppeUcr,  zweihändiger  Fächer  zum  Kornputzen,  wenn  kein 
Wind  geht;  auch  der  kiiro  ;77w  =  Dreschflegel  ist  mitunter,  aber 
selten,  ganz  aus  Bambus.  In  KosJdii  habe  ich  gesehen,  dass  die 
Pferde  im  Reisfeld  anstatt  am  Zügel  aus  Hanf  oder  Leder  an 
einem  Bambusstecken  geführt  werden.* 

Vieles  von  dem  Obengesagten  bezieht  sich  natürlich  auch 
auf  die  ,,  kleine  Landwirtschaft",  die  Gärtnerei.  Allerlei  P2in- 
fassungen,  Stützen  und  Spaliere  werden  da  aber  zierlicher  und 
künstlerischer  gemacht.  Li  Yasliiro  (Shinshiu)  habe  ich  eine 
solche  Einfassung  gesehen  aus  Liternodien  dicker  Rohre,  die  in 
den  Boden  gesteckt  genau  aussahen  wie  die  Beeteinrahmungen 
aus  umgekehrten  Selterswasserkrügen  in  unseren  Gärten.  Im 
Anbringen  von  Gartenhäuschen,  Lauben,  Nischen,  Zierwänden, 
Durchgängen  und  dergleichen  ist  der  Erfindungsgeüst  der  Japaner 
unerschöpflich.  Dass  in  den  meisten  Gärten  ein  hübscher 
Bambusbusch  steht,  ist  selbstverständlich,  sogar  in  Töpfen  zieht 
der  Japaner  nach  seiner  berühmten  Kunst  Zwergbambus,  oft 
nicht  höher  als  Schnittlauch. 

Fischer,  Schif/cr,  Flösscr. 

Der  P'ischer  ^veiss  wohl  die  Vorzüge  des  Bambus  besonders 
zu  schätzen,  denn  nicht  nur  in  Haus  und  Hof  dient  er  ihm, 
sondern  liefert  ihm  auch  die  Hauptgeräte  zu  seinem  Gewerbe. 
Ich  will  nicht  einmal  reden  vom  berufsmässigen  Fischer,  der  mit 
Schlepp-  und  W'urfnetz,  mit  grossen  viereckigen  Aushängenetzen 
aus  Bambus  {siidare),  mit  grossen  und  kleinen  Reusen  oder  der 
zwei-,  vier-  und  mehrzinkigen  Gabel  an  langer  Bambusstange  auf 
den  Fang  auszieht,  aber  vom  passionierten  Fischer,  und  fast  jeder 
Uferbewohner  in  Japan  ist  das,  der  mit  seinem  unvergleichlichen 
Bambusrohr,  der  geborenen  Angelrute,  Familie  und  Gewerbe 
vergessend  tagelang  im  glühenden  Sonnenbrand  allen  Wassern 
entlang  kauert,  um  auf  seinen  Lieblingsbissen  zu  passen. 
Bemerkenswert  ist,  dass  die  zusammensetzbare  Fischrute  sich 
besonderer  Gunst  erfreut,  da  man  sie  ins  Haus  hinein  nehmen 
und    somit    vor   dem    Weggenomm.enwerden  sicher   stellen  kann. 

*  (Geschieht  nur  bei  bissigen  Pferden.) 


H.    SPORRV,    VERWENDUNG    DES    DAMBÜS.  133 

•Gefangene  Fische  werden  in  zierlicli  kleinen  bis  riesengrossen 
bauchigen  Bambuslcörben  im  Wasser  aufbewahrt.  Wenn  Ebbe 
eintritt,  so  wimmelt  es  am  Strande  entlang  von  Jung  und  Alt, 
die  Krebse,  Austern  und  was  sonst  herum  liegt  oder  kriecht  in 
Bambuskörbchen  sammeln  ;  es  gibt  kaum  einen  Meeresbewohner, 
sei  es  Krabbe,  Qualle  oder  Fisch,  den  der  japanische  Gaumen 
verschmähen  würde.  Grössere  Fischnetze  werden  mit  Bambus- 
nadeln gestrickt,  wobei  20  verschiedene  Maschenstege  {avii  no 
ko'iud)  benutzt  werden.  Auch  die  Schnurwickel  sind  meist  aus 
Bambus.  Mastbäume,  Ruder  oder  Ruderstangen  aus  Bambus 
habe  ich  keine  gesehen,  immerhin  mögen  in  ganz  kleinen  Booten 
mitunter  solche  Masten  vorkommen.  An  Djunken  ist  oft  eine 
Art  Stulpe  aus  Bambus  vorgebunden,  um  beim  Anstossen  das 
Schiff  weniger  zu  beschädigen.  Im  Hafen  von  Atsnta  (Nagoya) 
sah  ich  Notladen,  die  aus  Bambusstangen  mit  dicken  Strohmatten 
dahinter  bestanden ;  auf  den  nämlichen  Schiffen  waren  Schutz- 
häuschen ganz  aus  Bambus  errichtet.  An  den  eisernen  Anker 
werden  Bambusschienen  gebunden,  um  ihn  leichter  über  Bord 
gleiten  zu  lassen.  Als  Stachel,  mit  eingetriebener  und  vermittelst 
eines  Eisenringes  festgehaltener  Holzspitze  oder  auch  als  blosses 
abgeschnittenes  Rohr  wird  Bambus  sehr  häufig  benutzt,  ebenso 
zu  Flösserhacken.  Solche  Stachel  beugen  sich  zum  vollendeten 
Halbkreis,  ohne  zu  brechen. 

Hamhvcrk  und  Gr^vcrbc. 

Das  Handwerk  der  Schirm-,  Laternen-,  Korb-,  Hut-, 
Zaun-,  Pinsel-,  Besen-  und  Spielzeugmacher  im  einstigen 
Japan  wäre  ohne  Bambus  beinah  undenkbar  gewesen.  Im 
heutigen  Japan  ist  das  nicht  mehr  so  unbedingt  der  Fall. 
Die  leichteren  Stoffschirme,  die  helleren  Stearinkerzen  und 
Petrollampen,  Lederschuhe,  Bleistifte,  Filz-  und  Strohhüte,  eiserne 
Umzäunungen,  importierte  Spielwaaren,  Eisennägel  und  Draht- 
stifte und  so  vieles  andere  haben  sich  einen  grossen  Teil  des 
japanischen  Konsums  für  bleibend  erobert.  Auch  die  Küfer 
haben  herausgefunden,  dass  die  guten,  billigen  Eisenbande,  die 
um  englische  Warenballen  ins  Land  kommen,  zum  Binden  von 
Eimern,  Kübeln  und  Badewannen  viel  bequemer  und  eleganter 
sind  als  die  .schwulstigen  Bambusreifen.  Ganz  verdrängt  ist 
hier  der  Bambus  aber  noch  lange  nicht,  besonders  Sakefässer 
sieht     man    imnier    noch    mit    Bambus     gebunden.       Uebrigens 


134  "•    SPORKV,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS. 

wurden  seit  ältester  Zeit  für  Reiskübel  Kupfer-  und  Messingreifen 
verwendet.  —  Wagner,  Schmiede,  Schlosser,  Giesser  und  Löter 
haben  l^anibus  wolil  kaum  anders  denn  etwa  als  Werkzeugstiele, 
Rohre  am  Blasbalg,  Gestelle  und  dergleichen  verwendet.  Bei 
Mauerern,  Steinhauern,  Dachdeckern,  Zimmerleuten,  Schreinern^ 
Drehern,  Malern  und  Lackierern  und  Tapezierern  findet  sich 
Bambus  auf  folgende  Hülfsmittel  beschränkt :  Stiele  und  Hand- 
haben an  Werkzeugen,  Futterale,  Büchsen,  Töpfe  für  Oelfarbe 
und  Schwärze,  Massstäbe,  Schreibzeug  {yatate),  Zirkel,  Pinsel, 
Streichmesser,  Richtschnur  {stiini  sashi),  Nägel,  Packnadeln, 
Kluppen,  Stützen  und  Gerüststangen.  Alle  diese  Gegenstände 
sind  indessen  vielfach  durch  solche  aus  anderem  Material  ersetzt. 
Steinquader  werden  statt  auf  Rollen  oft  auf  Bambusspälmen 
geschleift.  Stempelschneider  klemmen  den  zu  gravierenden  Stempel 
in  eine  Bambushandhabe,  ebenso  Krystallschleifer  den  Stein ;  ein 
anderer  machte  sich  die  Elastizität  des  Bambus  dadurch  zu  nutze, 
dass  er  sie  als  federnde  Kraft  beim  Marmorschleifen  verwendete. 
Bei  Schneidern  und  Posamentern  sah  ich  P'adenwickel,  kleine 
Spulen,  Haspeln,  Zeicjienmesser,  Kleiderhalter  aus  Bambus. 
Die  Färber  hängen  nasse  Garne  an  Bambusstangen,  Tücher 
dagegen  werden  zum  Austrocknen  und  zum  Bemalen  mit  beiden 
Enden  um  ein  Rohr  genäht,  angestreclct  und  dann  in  kurzen 
Abständen  mit  vielen  Bambusbogen  {shinshi)  gespreitzt,  damit 
sich  der  Stoff  beim  Trocknen  nicht  zusammenzieht.  In  kleinen 
Handmühlen  mit  Bambusflügeln  putzt  der  japanische  Müller  den 
Reis,  in  schaufelartigen  Körben  {vii)  wird  er  geprüft  und 
ausgelesen,  in  Standen  gelagert  und  vermittelst  des  jogo,  eines 
Trichters  aus  Bambusgeflecht,  in  die  Säcke  gefüllt,  deren  Inhalt 
beim  Verkauf  vermittelst  Musterstecher  d.  h.  mit  einem  zu- 
gespitzten Internodium  geprüft  wird.  In  Kanalläufen  findet  man 
Wasserrechen  aus  Bambus. 

In  der  gesamten  Seidenindustrie  ist  Bambus  reichlich  ver- 
treten. Körbe  zum  lunsammeln  des  Maulbeerbaumlaubes  und 
der  reifen  Cocons,  Tische  zum  Züchten  der  Würmer  sowohl  als 
zum  Töten,  zum  Transportieren  und  Lagern  der  Cocons,  Masse 
{itto  und  nittd)  zum  Handeln  der  Cocons.  Am  Spinnapparat 
sind  Fadenleiter,  Haspelgriff,  Abfallkörbchen  zu  verzeichnen, 
in  der  Weberei  (für  Seide,  Hanf  und  Baumwolle)  verschieden- 
artige Bobinen  und  Haspeln,  zum  Winden  und  Spulen, 
Tretten  ,,  Geschirr "  und  Maillongewichte  an  den  Jacquard- 
stühlen,   Zähne    der    Zettelrahme,    alles    aus  Bambus.    Besonders 


H.    SPÖRRY,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS.  I35 

hervorzuheben  sind  die  vollendet  gut  gearbeiteten  Weberblätter 
(ossa)  aus  HacJiiku  ;  ein  solches  soll  50-100  Stücke  @  28  sJiakii 
aushalten,  ehe  es  repariert  werden  muss ;  bei  uns  kann  man 
überhaupt  nur  mit  besten  Stahlblättern  weben.  Ebenso  treffliche 
Dienste  leisten  die  Bambus -5// ^/rt/r  für  die  Papierfabrikation,  die 
mit  solchen  Bambusstorren  viel  besser  reüssieren  soll  als  mit 
Drahtsieben.  Baumwollgarn  wird  von  der  Hand  vermittelst 
primitivster  Bambushaspeln  und  Spindeln  gesponnen.  Porzellan- 
händler prüfen  ihre  Ware  durch  Anschlagen  mit  einem  Bambus- 
stäbchen. Die  Schäfte  der  Feuerleitern  sind  immer  Bambus  mit 
Holzsprossen,  die  Feuerkübel  sehr  oft  aus  Bambusgeflecht,  mit 
Papier  und   Lack  überzogen. 

Beim  Bohren  eines  Brunnens  wird  ein  eisernes  Rohr  in  die 
Erde  getrieben,  daran  Bambuslamellen,  4  cm  breit,  72  cm  dick, 
60-70'  lang,  an  einander  befestigt  werden;  beim  Herausziehen  des 
Bohrers  wird  dieser  Bambusstreifen  jeweilen  auf  einen  mächtigen 
Haspel   aufgewunden. 

Sowohl  bei  der  festgesessenen  als  auch  bei  der  ambulanten 
Handelswelt,  überall  ist  Bambus  anzutreffen,  und  wenn  es 
schliesslich  nur  die  Stäbchen  am  soroban  sind. 

Fisch-,  Gemüse-  und  Kuchenhändler  stellen  ihre  Waren 
in  flachen,  runden  und  ov^alen  Gelten  mit  Bambusreifen,  in  Kör- 
ben und  auf  Unterlagmatten  von  Stäben  oder  Geflecht  zum 
Verkauf  aus.  Kleine  Fische  und  gewisse  Kuchen  werden  in 
bestimmter  Anzahl  an  kleinen  Bambusspiessen  verkauft.  Nasse 
und  klebrige  Sachen  überhaupt,  welche  die  Hände  beschmutzen 
könnten,  werden  in  Körbchen  oder  sorgfältig  in  take  no  kawa 
eingewickelt,  Fische  auch  am  Bambuszweig  nach  Hause  getragen. 
Theekrämer  sortieren  ihre  Waren  vermittelst  grosser  runder 
Bambussiebe  verschiedener  Grösse,  oder  lesen  sie  auf  gleichge- 
formten Geflechttellern  vermittelst  Kluppen.  In  geringeren  Thee- 
häusern  des  Inlandes  findet  man  mitunter  Teller,  Platten,  Ess- 
stäbchen, jedenfalls  die  Zahnstocherbüchse  aus  Bambus.  Kupfer- 
geld wird  von  Kleinkrämern  in  Bambuskörben  und  Rohrstücken 
aufbewahrt,  auch  gibt  es  nicht  zu  öffnende  Sparbüchsen  aus 
einem  Bambusinternodium  verfertigt.  In  der  Jahresperiode 
Eiroku  (i 558-1 569)  kursierte  als  Geld  Goldsand  in  fingerdicken 
Bambusröhren  mit  Holzzapfen  {sha  kin  tsiitsii-irc)  im  Werte 
von   10  ryo.       , 

Die  Zunft  der  Strassenfiguren  floriert  in  Japan,  Schuh-, 
Schirm-  und  andere  Flicker,  Gemüse-,  Blumen-,  Orangen-,  Fisch-, 


136  H.    SPÖRRY,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS. 

Vögel-,  Käfer-,  Schildkrötenhändler,  Verkäufer  von  Zuckerzeug 
und  Spielwaren,  fahrende  Köche,  Bettelniönche,  Wahrsager, 
Bänkelsänger,  Akrobaten,  Masseure  und  andere  Künstler  lösen 
einander  unaufhörlich  ab,  jeder  mit  einem  besonderen,  ihm 
eigentümlichen  Rufen,  Läuten,  Rasseln,  Singen,  Flöten  oder 
Klappern  sich  ankündigend,  und  es  ist  keiner  von  allen,  der  nicht 
in  irgend  einer  Weise  in  seinem  Berufe  Bambus  verwertete.  Ein 
ambulanter  Koch  bedient  umständlich  seine  Kundschaft.  Im 
Bambustrichter  zieht  er  Nudeln  durchs  siedende  Wasser,  schüttelt 
sie  in  Becken,  wo  sie  je  nach  Wunsch  mit  slioyu  begossen  oder 
mit  grünen  Zutaten  garniert  werden,  und  präsentiert  sie  nebst  2 
Bambus-Zjrtjr/// seinen  Klienten:  Kuli,  Fuhrleuten,  Magazinweibern, 
alles  für  2  Sen  die  Portion.  Bettelmönche  im  riesigen  Bambus- 
hut machen  mit  traurigen,  unmelodischen  Tönen  auf  einem  sJiaku' 
liachi  ihre  Anwesenheit  bemerkbar,  Lumpensammler  ziehen  mit 
Rückenkorb  und  Kluppe  auf  Beute  aus,  von  Buben  wird  ver- 
mittelst langer  Leimruten  auf  Wasserjungfern  und  Fledermäuse 
Jagd  gemacht,  und  nachts  stolpern  blinde  Masseure  am  Stocke 
durch  die  Strassen  und  avisieren  sich  durch  eigenartiges  Pfeifen 
(Bambuspfeife)  u.  d.  m. 


7.  —  Nahrungsmittel  und  Medizin. 

Als  Nahrungsmittel  kommen  in  erster  Linie  die  take  no  ko 
des  vwsucJiiku  in  Betracht.  Diese  Bambusart  wird  hauptsächlich 
der  Sprossen  wegen  kultiviert,  jedoch  werden  auch  Triebe  von 
madakc,  Jiachikii  u.  s.  w.  gegessen.  Moso  weist  die  dicksten 
Stämme  auf,  also  auch  die  dicksten  Sprossen,  welche  entsprechend 
zarteres  Fleisch  haben.  Dünne  Triebe  sind  naturgemäss  holziger 
und  w^erden  nur  im  Notfall  genossen.  Take  no  ko  gehören  bei 
Reich  und  Arm  zu  den  Lieblingsgerichten  und  haben  sich  auch 
in  verschiedenen  Zubereitungen  einen  Platz  auf  der  europäischen 
Tafel  erobert.  Die  Erstlinge,  die  schon  E^nde  Januar  auf  dem 
Markte  erscheinen,  werden  teuer  bezahlt,  gewöhnlich  werden 
sie  (zuerst  in  den  riyo-ri-ten  yadoyä)  in  kleinen  Würfeln  in  der 
Suppe  serviert.  Mit  vorrückender  Saison,  im  April,  Mai  sinkt 
der  Preis  für  Stücke  von  2'  Länge  auf  wenige  Sen  herunter. 
Uebrigens  haben  die  Japaner  nun  ihre  take  no  ko  in  Form  von 
Konserven  der  ganzen  Welt  zugänglich  gemacht.  Es  wird 
behauptet,    dass    zu   häufiger   Genuss   von    take   no    ko    eine    Art 


H.    SPORRY,    VERWEXDCXG    DES    BAMBUS.  I37 

Ausschlag  im  Gesicht  erzeuge,  weshalb  viele  Mädchen  lieber 
auf  den  Leckerbissen  Verzicht  leisten  sollen.  Es  wurde  mir 
ferner  erzählt,  dass  im  Winter  die  Bauern,  aus  Not  oder  Spass, 
sich  Bambussprossen  auf  folgende  Art  verschaffen  :  über  dem 
Wurzelterrain  wird  ein  nicht  allzustarkes  Strohfeuer  angezündet, 
die  Erde  also  künstlich  erwärmt,  und,  sagte  mein  japanischer 
Gewährsmann,  der  take  iio  ko  ouioimas  (meint),  es  sei  April, 
kommt  aus  dem  Boden  hervor  und  wird  ausgegraben,  und  dabei 
lachte  er  unbändig  über  die  zum  Narren  gehaltene  Bambus- 
sprosse und  den  schlauen  Bauern.  Die  Sache  macht  allerdings 
den  Eindruck  eines  Aprilscherzes. 

Im  Volke  herrscht  der  Glaube,  dass,  wenn  der  Bambus 
blühe,  in  jenem  Jahre  die  Reisernte  missrate,  Hungersnot  eintrete 
und  dann  Bambussamenkörner  gegessen  werden  müssen.  Gewisse 
sasa-Kx\.Q.\\  tragen  bisweilen  Früchte,  die  von  den  Armen 
gesammelt  und  gegessen  werden,  jedoch  sehr  schlecht  schmecken 
sollen  ;  im  Aussehen  sind  sie  wie  grosse  schwarze  Weizen- 
körner. Indessen  ist  Bambussamen  so  selten,  dass  er  nicht  als 
japanisches  Nahrungsmittel  bezeichnet  werden  kann.'^ 

In  Jos/du   und    SJänsJäu    werden  Pferde  und    Rindvieh  mit 

Sasc(!c>\k\Xftx\\   gefüttert,  man  sagte   mir,   dass    sie    nicht    nur  eine 

von  den  Tieren  gerne  genommene,  sondern  auch  ihnen  zu- 
trägliche Nahrung  seien. 

Medizin. 

In  japanischen  Apotheken  habe  ich  keine  Arzneimittel  aus 
Bambus  finden  können,  dagegen  existieren  allerlei  Volks-  oder 
Hausmittel,  die  im  Inlande  im  Gebrauch  sind,  wo  keine  Aerzte 
vorhanden  sind,  oder  wo  vielleicht  aus  Vorurteil  oder  Sparsamkeit 
keine  solchen  zugezogen  werden.  Die  hervorragendste  Rolle 
spielt  der  takc  no  abura  oder  take  no  sJiibu,  ein  Oel  oder  Saft, 
der  auf  die  denkbar  einfachste  W^eise  aus  frisch  gehauenem 
Bambus, — solcher  aus  inadake  soll  der  beste  sein — gewonnen 
wird.  Das  Rohr  wird  in  fusslange  Stücke  zersägt,  diese  werden 
gevierteilt  und  schräg  über  ein  hibacJii  gelegt,  und  der  zischend 
und  brausend  ausfliessende  Saft  wird  in  eine  Tasse  aufgefangen. 
Dieses  Oel  wird  nicht  nur  als  schmerzstillend  und  heilsam  für 
Schürfungen    und    Hautkrankheiten     sondern    auch     als     innere 

*  Sog.  Uli  takc  soll  in  Xippara,  Kanagawa  Ken,  häufig  vorkommen. 


I3(S  H.    SPÖRRV,    VERWF.XnUNG    DES    IJAMP-US. 

Medizin  i;-cnomnicn,  z.  B.  von  Lungcnsclnvindsüchtigcn  [ros/io)  ; 
langjährig  Leidende  sollen  durch  solche  Tränklein  leichter  zu 
Atem  kommen.  Aus  feinen  Spähncn  von  grossem  Bambus 
wird  auch  eine  Art  Brustthee  bereitet. 

Weisse  Würmer,  wie  Mehlwürmer  aussehend,  in  altem 
halb\'erfaultem  Bambus  vorkommend,  gibt  man  kleinen  Kindern 
als  Gegenmittel  gegen  Magenwürn-ier.  Sie  werden  an  ein 
l^ambusstäbchen  gesteckt,  gebraten  und  so  verabreicht.  Grössere 
Kinder,  die  wissen,  was  es  i.st,  essen  sie  nicht.  Doch  möchte 
ich  dieses  nicht  als  ein  Volksmittel  sondern  eher  als  ein  Haus- 
mittel bczeiclmen,  als  solches  aber  ist  es  verbürgt.  Ueber  die 
sogenannten  Gifthaare  scheinen  die  Japaner  nichts  zu  wissen.  In 
der  chinesischen  Apotheke  in  Yokohama  fand  ich  drei  Bambus- 
medizinen :  i).  Blätter;  2).  Holzspähne  ;  3).  tabasJiiru  d.h. 
beinah  reine  Kieselsäure  aus  alten  Bambusstämmen.  Alle  drei 
dienen,  als  Thee  zubereitet,  gegen  Husten,  Lungenleiden  u.  s.  w. 
Es  soll  noch  eine  ähnliche  Arznei  geben  aus  den  nadelartigen 
ersten  Sprösslingen  an  den  Zweigen. 

Ich  habe  vielfach  gehört,  dass  Bambus  zu  Arm-  und 
Beinschienen  und  für  andere  chirurgische  Hülfsmittel  benutzt 
werde,  konnte  aber  nie  solche  zu  Gesicht  bekommen. 

Erwähnt  mag  dagegen  werden,  dass  das  bohito,  das  Schein- 
schwert des  altjapanischen  Arztes,  oft  aus  einem  Stück  Bambus 
bestand. 


II. 

DIE  VERWERTUNG  DES  BAMBUS  ALS  KUNSTMOTIV. 

Um  die  Verwendung  des  Bambus  in  Japan  vollständig  zu 
illustrieren,  musste  ich  notwendig  auch  seine  künstlerische 
Verwertung  zur  Veranschaulich ung  bringen.  Eine  so  eigenartig 
schöne,  verehrte  und  symbolisch  verklärte  Pflanze,  die  dem 
Menschen  Nahrung,  Kleidung  und  Obdach,  Werkzeug,  Schmuck 
und  Waffen  liefert,  die  ihm  auf  Schritt  und  Tritt  in  irgend  einer 
Form  vor  Augen  steht,  musste  selbstverständlich  auch  auf  den 
Künstler  einen  besonderen  Reiz  ausüben,  insbesondere  bei  einem 
so  fein  beobachtenden,  kunstbegabten  Volke  wie  das  der  Japaner, 
das  seine    Motive  so    unmittelbar  aus   der   Natur  und   ihren    Er- 


H.  SPORRV,  VERWEXDUXG  DES  BAMBUS.  1 39 

scheinungen  schöpft.  Ein  schöner  Bambus  wird  nie  dem  Auge 
des  Japaners  entgehen,  und  Auswüchse,  Verkrüppelungen  und 
Naturspiele  jeder  Art  fesseln  seine  Aufmerksamkeit  erst  recht, 
auch  weiss  er  sie  immer  entsprechend  auszubeuten.  Ich  glaube, 
dass  Bambus  von  keinem  andern  Dekorationsmotiv  an  Beliebtheit, 
Häufigkeit  und  Variation  der  Darstellung  übertroffen  wird,  ja 
vielleicht  das  bedeutendste  ist.  Ich  habe  es  plastisch  oder  dekorativ 
nicht  nur  in  allen  überhaupt  zur  Verwendung  kommenden 
Materialien,  also  Holz,  Lack,  Bein,  Hörn,  Elfenbein,  Perlmutter, 
Stein,  Porzellan  und  Fayence,  in  allen  Metallen  und  Geweben 
und  nicht  zum  mindesten  in  Bambus  selbst  angetroffen,  sondern 
in  den  Gegenständen  meiner  Sammlung  auch  den  unanfechtbaren 
Beweis  niedergelegt,  dass  Bambus  gleichwie  als  Nutzpflanze  so 
auch  als  Kunstvorwurf  sich  in  allen  Klassen  des  japanischen 
Volkes  derselben  ungeteilten  Beliebtheit  erfreut,  und  dass  da,  wo 
überhaupt  noch  eine  Dekoration  angebracht  wird,  stets  auch 
Bambus  in  irgend  einer  Form  vertreten  ist ;  so  fand  ich  es  z.  B. 
sehr  bezeichnend,  dass  sogar  die  Tuschstücke  für  die  Schulkinder 
die  Form  eines  Bambusrohres  aufweisen. 

Die  künstlerische  Wiedergabe  dieser  merkwürdigen  Pflanze 
ist  gar  nicht  eine  konventionelle  oder  stereotype.  So  wie  der 
Zufall  das  Ganze  oder  einzelne  Teile  dem  Auge  des  Künstlers 
darbietet,  so  kopiert  er  sie,  unbekümmert,  ob  es  ein  ganzer  Busch 
oder  blosser  Stamm,  Zweig  oder  Blatt,  Sprosse  oder  Wurzel 
sei,  ob  im  Wind,  Regen  oder  Schnee  gesehen ;  er  dreht  sein 
Objekt  nicht,  um  eine  möglichst  günstige  Seite  zu  treffen,  im 
Gegenteil,  je  verdrehter  und  abnormer  der  Anblick,  umsomehr 
Reiz  hat  das  für  ihn.  Darin  Hegt  auch  ein  Grund,  warum  trotz 
ihrer  unendlich  häufigen  W^iederkehr  die  Bambusmotive  fast 
immer  eine  angenehme,  erfreuliche,  selten  unschöne  und  nie 
langweilige  Dekoration  bilden.  Allerdings  findet  sich  Bambus 
mit  gewissen  Zusammenstellungen  immer  wieder,  aber  in  der 
Darstellung  herrscht  unumschränkte  Freiheit.  Die  traditionellen 
Motive  stammen  aus  China  und  sind  : 

1.  takc    ni    tora  —  Tiger    im    Bambusforst  =  Sinnbild     der 

Vorsicht. 

2.  Moso  —  eines    der    24    Beispiele    kindlicher    Liebe    aus 

der  Lehre  des  Confucius.     Moso  geht  im  W^inter 
in  den  Wald,  um  für  seine   hungernden   Eltern 


140  H.    SPORRV,    VERWENDUNG    DES    BAMHUS. 

]-5ambussprosscn    unter    dem    Schnee    hervorzu- 
i;raben. 

3.  sJücIil  kcii  j'in  =■  die  7   Weisen  im   Iximl^usliain. 

4.  viatsii,  take,  iimc  oder  shocJnkii  bai,  sodann 

take  iii  surjitmc,  Spatzen  im  ]>ambusliain. 

,,  ,,    toj/ibo,  Libellen   und  Bambus. 

,,  ,,    niwatori,  Hühner  und   Bambus. 

,,  ,.    katixtsuiiiuri,  Schnecke  und  Bambus. 

,,  ,,    tsiiki,   Mond  und  Bambus. 

,,  ,,    kazc,  Bambus  im  Sturm. 

,,  ,,    avic,  Bambus  im   Regen. 

yuki  take,  schneebelasteter  Bambus  u.  s.  \v. 

Aber  nicht  bloss  als  Pflanze  an  und  für  sich  gibt  der  Bambus 
dem  Japaner  eine  unendliche  Fülle  von  Anregungen,  sondern 
alles,  was  er  daraus  verfertigt,  benutzt  er  unbedenklich  sofort 
wieder  als  Vorwurf.  Das  ist  ja  das  Verblüffende  in  seiner 
Kunst,  dass  der  Japaner  nichts  sucht,  sondern  eben  alles,  was 
er  gerade  sieht,  zu  verwerten  weiss  und  nichts  ihm  dabei 
zu  unbedeutend  ist.  Um  in  summarischer  Uebersicht  auf  die 
Gegenstände  überzucfehen,  auf  denen  Bambus  als  Ornament 
angetroffen  wird,  muss  in  erster  Linie  als  das  vornehmste  Ei- 
gentum des  Alt- Japaners  sein  Schwert  genannt  werden.  Auf  den 
tsuba,  fitcJii  kashira,  iiicmtki  und  kodzuka  findet  man,  ganz"  abge- 
sehen von  der  ins  Unendliche  gehenden  Wiedergabe  der 
Pflanze  selbst,  so  unbedeutende  Gegenstände  wie  Fischerruten, 
Brunnenstangen,  P^ischkörbe,  Vogelscheuchen,  Reitgerten,  Pil- 
gerhüte, ja  die  grobgeflochtene  Bauernhütte,  alles  noch  so  Un- 
scheinbare mit  einer  Kunstvollcndung  dargestellt,  darüber  wieder 
ein  eigenes  Buch  geschrieben  werden  müsste.  luserne  Panzer-  und 
Larvenschienen  haben  oft  Bambusform.  Li  Bronzegegenständen 
erscheint  er  plastisch  besonders  häufig  an  Jii-ire  und  hai-fnki,  fiide- 
tate  und  fiidc-oki,  fude  kakc,  yatate,  midcu-ire,  Papierbeschwerern 
und  dergl.  während  die  Gegenstände  mit  gegossener,  gravierter 
oder  eingelegter  Bambuszeichnung  ins  Unendliche  gehen.  Daran 
anschliessend  folgen:  Tabakpfeifen,  Essstäbchen,  SakcschzXcn,  ojinic 
(Spangen)  aus  Silber  und  anderen  Metallen  und  nctsuke,  inro, 
Nippsachen  u.  s.  w.  Wo  in  irgend  einer  japanischen  Töpferei  deren 
Erzeugnis.se  in  Porzellan,  P^a}'encc   oder  Steingut    plastisch    oder 


H.    SPORRV,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS.  141 

dekorativ  verschönert  wurden,  da  fehlte  nie  der  Bambus  als  Vorlage. 
Bambusmuster  auf  kimono  waren  nicht  etwa  nur  bei  Bauern  oder 
Geisha  gebräuchlich  sondern  auch  auf  den  happi  (Uniformen)  der 
Savmrai  und  Hatamoto  gar  nicht  selten  ;  desgleichen  eine  Fülle 
von  Wappenzeichen  {inoii)  mit  natürlichem  und  stilisiertem  Bambus. 
Das  Wappen  des  Daiviyo  von  Scndai  z.  B.  ist  ein  Bambusring 
mit  zwei  Sperlingen.*  In  der  Provinz  Sagami  existierte  eine 
Goldmünze,  genannt  sasa  koban,  mit  eingepressten  Saia-\:i\k\X.Q.xvi. 
Die  Bemalung  von  kakevwno,  gaku,  byöbu,  tsuitate,  kamkai)ii\  und 
ögi,  entweder  mit  sorgfältig  ausgeführten,  mehr  aber  noch  mit 
flüchtig  hingeworfenen  Bambusbildern,  ist  eine  ungemein  häufige  ; 
galt  es  ja  doch  in  Japan  als  ein  Zeichen  besonderer  Kunstfertig- 
keit, die  charakteristischen  Züge  dieser  Pflanze  mit  wenigen 
Pinselstrichen  darzustellen. 

Für  korrekte  Bambusmalerei  existieren  besondere  Lehrbücher, 
und  beim  cJui  no  yu  wurden  makimono  studiert,  darin  die  ver- 
schiedenen Bambusarten  in  Naturfarbe  vorgeführt  waren.  Nicht 
unerwähnt  darf  bleiben,  dass  die  Liebe  zum  Bambus  sogar  zu 
dessen  Imitation  in  Holz,  Papiermache  und  Lack  getrieben 
hat.  Mit  dieser  Kunst  ist  unzertrennbar  verbunden  der  Name 
ihres  grössten  Meisters  Haslii-ichi  (if*  Tokyo  1871),  der  darin 
eine  solche  Vollendung  erreichte,  dass  es  auch  Kennern  oft 
schwer  wurde  zu  sagen,  ob  sie  Bambus  oder  etwas  anderes  vor 
sich  hatten. 

Dass  auch  in  allerlei  Literatur  der  Bambus  vielfach  beschrie- 
ben und  besungen  wurde,  kann  nach  all  dem  Gesagten  nicht 
überraschen,  ich  habe  einige  bezügliche  Poesien  und  Sprichwörter 
gesammelt,  bin  aber  noch  nicht  in  der  Lage,  deren  Uebersetzungen 
mitteilen  zu  können.  Ebenso  selbstverständlich  muss  es  er- 
scheinen, dass  Take  (und  Zusammensetzungen  davon)  in  Japan 
ein  beliebter  Geschlechts-  und  Personenname  ist.  Als  inyöJL  sind 
mir  bis  dato  ca.  30  Namen  bekannt,;}:  und  als  männliche  naiiiai 
ca.   20.? 

Auffällig    erscheint,   dass   für   weibliche  namai   bloss  0  take 

-  Minainoto    Yoshitsune' s  sasa  rindo  7non  (Bambus  und  Gentian-Wappen). 

t  Im  GosJio  und  im  ?Jishi  Rikiu  sowie  im  Sho  reu  Tempel  in  Kyüto, 
ebenso  im  Tempel  zu  Nikko,  sind  derartige  Karakaini  und  Sttgi  do  mit  selir  schönen 
Malereien. 

X    Take  da,  take  iniira,   take  iski,  take  isuka,  take  shiba   (u.  s.  w.) 

\   Take  jiro.    Take  saburo,  take  goro,  take  matsu.  u.  s.  w. 


142  H.    SPORRY;    VERWENDUNG    DES    BAMBUS. 

San,  ohne  Zusammensetzungen  gebräuchlich  ist.  Allerdings  fand 
ich  auch  den  Namen  Takeko  (die  Tochter  des  Generals  Prinz 
Kitashirakawa  heisst  z.  B.  so),  aber  man  sagt  mir,  dass  das  als  ein 
blosser  Kosename,  etwa  wie  Aennchen,  Gretchen  zu  verstehen  sei. 

GeisJia  heissen  oft  Tixke  dayn^  Ko  Take,  Take  ji,  solche 
Benennungen  sind  aber  mehr  als  ,,  nom  de  guerre  "  zu  betrachten, 
ebenso  wie  „Chihi  ro''  für  Künstler.  Auch  als  Hausnamef  figuriert 
Bambus  nicht  selten,  sodann  für  Tanzhäuser,  yose  oder  sekäe.% 

Gewisse  Meeresmuscheln  und  Korallenarten  werden  ihrer 
Form  entsprechend  take  110  ko,  tiedake,  wni  a'ake,  cJiiku  rai 
genannt. 

Die  Prunk-  und  Prachtliebe  der  zahlreichen  grossen  und 
kleinen  Fürsten  des  früheren  Japans,  namentlich  unter  den  ToJsu- 
gawa  SJiogiins,  w^ar  ein  mächtiger  Stimulus  für  die  Kunstent- 
wicklung auf  allen  Gebieten.  Das  Verschwinden  der  Daimyo 
und  Samurai  in  Folge  der  Restauration  von  1866  bedeutete  den 
Rückgang,  für  einzelne  Zweige  sogar  den  Untergang  der  alt- 
japanischen Kunstgewerbe.  Die  jetzige  europäisch  prosaische 
Staatseinrichtung  vermag  in  nationalem  Sinn  keinen  neuen 
Impuls  zu  geben,  und  mit  der  Vorliebe  zu  allem  Fremdländischen 
ist  der  Kunstsinn  beim  japanischen  Volke  im  allgemeinen  im 
Rückgang  begriffen ;  denn  als  solchen  muss  man  es  doch 
bezeichnen,  wenn  wirklich  schöne  Kunstgegenstände  v^erkauft 
werden,  um  durch  Importartikel,  die  oft  zum  Geringsten  ge- 
hören, was  der  europäische  Markt  bieten  kann,  ersetzt  zu  werden. 
Das  Gleiche  gilt  für  allgemeine  Gebrauchsgegenstände  ;  für  diese 
tritt  allerdings  die  Preisfrage  in  den  Vordergrund ;  immerhin 
werden  die  form-  und  farbenschönen  Porzellane,  die  gediegenen, 
Kupferzinnguss-  und  Messinggegenstände  durch  geringe  Gläser 
und  Flaschen,  grobe  Blech-  und  Eisengeschirre  verdrängt ; 
schlechte  Oelfarbendruckbilder  und  andere  Dutzendware  jeder 
Art  haben  sich  den  Beifall  des  japanischen  Volkes  erobert,  denn 
so  feinfühlig  der  Japaner  über  seine  vaterländischen  Kunster- 
zeugnisse  zu  urteilen  vermag,  so  verständnislos  steht  er  gewöhn- 

■*  nicht  nur   Geisha^  sondern  überhaupt  Vortragende  auf  gewissen  Instrumenten, — 
es  können   auch  Männer  sein. 
t  Yadoya :     chikii  yo 

>,      an 

„      rin 

„      seki 
i  Marutake  tomi  take  man  iake 


H.    SPORRY,    VERWENDUNG    DES    BAMBUS.  I43 

lieh  fremden  Produkten  gegenüber.  Alles  dieses  in  Betracht 
gezogen,  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass  der  japanische 
Künstler  mehr  und  mehr  auf  eine  eigene  ^leisterschaft  im  alt- 
japanischen Sinne  verzichtet  und  sich  mit  einer  Art  Gesellentum 
begnügt,  das  seine  eminente  Kunstfertigkeit  den  Wünschen  und 
Ansprüchen  der  fremden  ^Märkte  unterordnet  zum  grossen  Bedauern 
aller  Kunstfreunde.  Auch  die  Bambusfrage  hat  darunter  gelitten. 
Wohl  sind  eine  Menge  neuer  Exportartikel  entstanden,  aber 
diese  Fabrikwaare,  die  in  erster  Linie  den  Ansprüchen  der 
Billigkeit  genügen  muss,  hat  nichts  gemein  mit  den  sauber  und 
graziös  gearbeiteten  altjapanischen  Bambusgegenständen,  die  gar 
nicb.t  zu  verraten  scheinen,  mit  welch  technischen  Schwierigkeiten 
die  Bearbeitung  dieses  merkwürdigen  Holzes  verbunden  ist. 
Einzig  in  den  Geflechtarbeiten  ist  vielleicht  ein  Fortschritt,  zum 
mindesten  kein  Rückschritt  zu  konstatieren.  Auch  als  Kunst- 
und  Dekorationsmotiv  tritt  Bambus  in  den  heutigen  Exportwaren 
vielfach  hervor,  aber  meist  schablonenmässig  und  überladen,  weit 
entfernt  von  dem  ursprünglichen  frischen  Reiz  der  Tsuba-  und 
Schwertornamente. 


III. 

NEUE  VERWENDUNGEN  DES  BAMBUS.  -  EXPORT. 

Die  heutigen  Erzeugnisse  in  Bambusartikeln  für  Export 
haben  nichts  gemein  mit  den  Bedürfnissen  eines  altjapanischen 
Haushalts.  Es  wäre  ganz  unrichtig  zu  glauben,  die  Japaner 
brauchten  für  sich  solche  Gegenstände,  wie  sie  heute  die  euro- 
päischen und  amerikanischen  Märkte  überschwemmen.  Einzelne 
Formen,  Geflechtsarten,  \^erschiedene  Gegenstände  sind  selbstver- 
ständlich altjapanische  Ueberlieferungen,  auf  die  neuen  Bedürfnisse 
umgeändert;  auch  findet  man  hie  und  da  solch  neue  Produkte 
bei  Japanern ;  das  widerlegt  aber  obige  Behauptung  durchaus 
nicht.  Das  heutige  Japan  ist  eben  eine  Verquickung  beidseitiger 
Sitten  und  Gebräuche.  Dagegen  verdient  hervorgehoben  zu  wer- 
den, dass  die  japanische  Bambusindustrie  beneidenswert  schnell  die 
möglichen  Verwendungen  ihrer  Arbeiten  für  fremde  Bedürfnisse 
■erkannt  und  ergriffen  und  sich  heute  bereits  einen  grossen 
und  konkurenzfahigen  Export  nach  allen  Ländern  der  Welt 
gesichert  hat. 


144  J'-    SPORRV,    VERWENDUNG    DES    I5AMBUS. 

Der  Hauptsitz  dieser  Bambusindustric  ist  in  Arinia  bei  Kobe 
und  in  Shizuoka,  sodann  weniger  bedeutend  in  Yokohama,  Oda- 
zvara  u.  s.  w.  Diese  Exportartikel  sind :  Schirm-  und  Spazier- 
stöcke aus  Rohren  und  Wurzehi,  Etageren,  Staffeleien,  Bilder- 
rahmen, Wandschirme,  Schirmständer,  Stühle  und  Bänke,  Tische 
und  Büffet,  Blumengestelle  und  Notenpulte,  Papiermesser,  Falz- 
beine, Fächer,  Serviettenringe,  Teller,  Platten,  Vasen,  Schachteln, 
Büchsen,  Laternen,  Pldibusse,  Zigarrenspitzen,  Schuhlöffel,  Lampen- 
gläserputzer,  Bürstenholz,  Zündhölzchen,  Inillspähne  in  Matratzen 
und  Kissen,  Glühdrähte  in  elektrischen  Lampen  und  an  Korb- 
ii'aroi  namentlich  die  Geflechtsüberzüge  auf  Holz-  Porzellan-  und 
Glaswaren,  sodann  Handkörbe,  Blumenkörbe,  Papier-,  Arbeits-, 
Faden-,  und  Besteckkörbe,  Pfeffergestelle  und  Brotkörbehen, 
Zeitungshalter,  Photographierahmen,  Blatt-  und  P^altfacher, 
Picnickörbe,  Arbeitstischchen. 

Anno  1891    war  der  Exportwert  von: 

Bambus.  B.imbus  Waren. 

Yen.    155,000  Yen.  226,000 
„      1895   dagegen  ....       ,,       283,000      „    417,000, 

hat  sich  also  innerhalb  der  letzten  5  Jahre  beinahe  verdoppelt 
und  ist  allem  Anschein  nach  immer  noch  im  Wachsen  begriffen. 
An  diesem  Export  ist  Kobe  mit  rund  900^,  alle  übrigen  Häfen 
zusammen  mit   loo-o   beteiligt.* 


SCHLUSS. 

Wer  die  Frage  der  Vei'zvendung  und  Verwertung  des  Bambus 
in  Japan  erschöpfend  beantworten  will,  der  muss  schon  im  Dunkel 
der  Göttergeschichte  zu  suchen  anfangen  und  darf  nicht  übersehen, 
dass  die  Attribute  des  Yebisu,  heute  noch  eines  der  beliebtesten 
Glücksgötter,  Angelrute  und  I^lsehkorb  aus   Bambus  sind. 

Er  muss  von  den  Mikados  abwärts,  die  Jahrhundeite  lang 
hinter  Bambusvorhängen  den  Blicken   ihrer  Untertanen  verborgen 

Bambus.         Bambus  Waren. 

*  Export  1891 Yen  155323  Yen  225669 

1892 „   I18614        „   228433 

1893 „   129737        „   25S235 

„     1894 „   188964        „   29S246 

„     1895 „   283138  „   417094 


U.    SPORRY,    VERWEXDL'XG    DES    BAMBUS.  I45 

blieben,  den  Haushalt  und  die  Berufsbedürfnisse  aller  Klassen 
und  Stände  durchforschen  und  darf  erst  anhalten  am  Grabe  des 
letzten  Bettlers,  darauf  er  immer  noch  eine  /mua  tsutsu  mit  einem 
Shikiiid'^-Zwtig  darin  findet. 

Er  wird  zu  dem  Schlüsse  kommen,  dass  es  im  Osten 
andere  Länder  geben  mag,  wo  der  Bambus  noch  üppiger  auftritt 
als  in  Japan,  aber  dass  wohl  kein  anderes  Volk  die  wunderbaren 
Eigenschaften  dieser  merkwürdigen  Pflanze  mit  so  \'iel  Findigkeit 
auszubeuten  gewusst  hat  wie  die  Japaner. 

"■=■  lUicium  reütiiosum. 


FORSTLICHE  REISEEINDRÜCKE  IN  JAPAN. 

Von 
Dr.    K.    HEFELE, 

Kfjl.     Tiin/,:    tOHSTMElSTIJll. 


Deutsches  Blut  ist  iinstät  Blut, 
Findst  es  woJil  auf  allen   Wegen. 
Wanderlust  und  HeinizvcJi  sind 
Ininierdar  darin  gelegen  ! 

Diese  Worte  eines  deutschen  Dichters  finden  die  lebende 
Bestätigung  in  uns,  die  wir  liier  auf  einem  Punkte  der  Erde  uns 
versammeln,  der  uns  fast  zu  Antipoden  unserer  Heimat  macht. 
Beruf,  Schicksalslaune  und  Sehnsucht  nach  der  weiten,  unend- 
lichen Welt  mit  ihren  Herrlichkeiten  sind  die  Ursachen  unseres 
Fernseins  vom  alten  Vaterlande,  das  uns  in  um  so  lichterem  Glänze 
erscheint,  je  mehr  der  goldene  Schimmer  verblasst,  mit  dem 
unsere  Phantasie,  namentlich  in  jüngeren  Jahren,  das  Fremde  zu 
umkleiden  pflegt,  und  je  mehr  wir  hier  an  der  grossen  Verkehrs- 
strasse der  W^elt,  am  Meere,  den  wachsenden  wirtschaftlichen 
und  politischen  Aufschwung  Deutschlands  zu  verfolgen  vermögen. 

Der  Wechsel  der  bei  der  Reise  von  Europa  hierher  sich 
darbietenden  Bilder  von  Landschaften  und  Menschen  ist  natur- 
gemäss  ein  kaleidoskopartiger.  Ueber  die  Schweiz  und  den  St. 
Gotthard,  auf  dem  Wunderwerke  der  Ingenieurkunst,  der  Gott- 
hardbahn,  nach  dem  sonnigen  Italien,  vorbei  am  rauchenden 
Aetna,  durch  Scylla  und  Charybdis  und  die  Strasse  von  Messina 
nach  dem  wüstenumsäumten  roten  Meere — Schnee,  Eis,  Gletscher, 
sonnige  Matten  und  glühende  Wüsten  in  unmittelbarer  Folge, 
sie  sind  fürwahr  hinreichend,  im  Vereine  mit  der  tropischen 
Pracht  Indiens,  die  uns  nunmehr  entgegentritt,  unauslöscliliche 
Eindrücke  zu  hinterlassen. 

Welch  ungeheuerer  Formen-  und  Artenreichtum  in  der 
Heimat  kaum  gekannter  oder  oft  nur  in  dürftigen  Treibhaus- 
exemplaren gesehener  Pflanzen  !    Und  doch  —  mag  es  nun  in  der 


148  K.    IIEFELK,    FORSTLICHE    REISEEINDRUCKE. 

Fremdartigkeit  an  sicli,  untcrstüt/.t  von  klimatischen  Verhältnissen 
und  dem  Anblick  der  dunklen  Menschenrassen  oder  in  der 
ungewohnten  Wirkung  des  Lebhaften,  Grellen,  ja  Absurden,  das 
unsere  Wege  kreuzt,  seinen  Grund  haben  —  die  tropische  Flora 
ermüdet,  sie  lässt  uns  in  kurzer  Zeit  nach  anfänglicher  Begeiste- 
rung erkalten,  und  wer  an  des  Nordens  einfacheres  Artenbild  sich 
unter  Palmen  und  Bananen  erinnert,  der  wird  die  Bestätigung  des 
alten  Satzes  empfinden,  dass  Bescheidenheit  eine  unverwelkliche 
Zier  sei,  und  dass  Uebermass  abstumpft — sei  es  auch  ein  Uebermass 
des  Schönen. 

Der  Forstmann  nun,  der  zuerst  sich  den  Gestaden  dieses 
Landes  nähert,  bei  Nagasaki,  ist  anfanglich  enttäuscht ;  er  ver- 
misst  die  Bewaldung  der  in  grotesken  vulkanischen  Formen 
sich  präsentierenden  Berge,  und  was  schliesslich  als  Weide  und 
grüne  Matte  mit  einer  gewissen  Beruhigung  und  mit  einigem 
Kopfschütteln  über  die  grosse  Ausdehnung  hingenommen  wird, 
entpuppt  sich  endlich  als  eine  ihm  ganz  neue  Form  der  Boden- 
deckung durch  Pflanzen,  die  Hara,  jenes  Totenfeld  vergangener 
Wälder,  das  ihn  auf  allen  Streifzügen  in  Japan  begleiten  \vird, 
soweit  menschliche  Wohnungen  sich   finden. 

Die  Hara,  nur  Japan  eigentümlich  und  durch  die  besonderen 
Verhältnisse  der  Landeskultur  hervorgerufen,  soll  in  der  Haupt- 
sache durch  ihren  Graswuchs  den  aus  dem  Pallien  von  Viehzucht 
erklärlichen  Mangel  an  Düng.stoffen  für  den  Reisbau  ersetzen.  Sie 
liefert  in  ihrer  grossen  Ausdehnung,  verschwenderischen  Nutzung 
und  dem  successiven  Rückgange  ihrer  Bodenkraft  ein.  beredtes 
Zeugnis,  dass  der  wirtschaftliche  Dualismus  von  Land-  und 
Forstwirtschaft  in  Japan  eine  .sehr  einseitige  Lastenverteilung 
vornimmt,  indem  sich  Schwester  Landwirtschaft  von  Schwester 
Forstwirtschaft  zum  grossen  Teile  erhalten  lässt,  unbekümmert 
um  das  allmählige  Siechtum  der  letzteren. 

Diese  Wahrnehmung,  welche,  wie  gesagt,  auf  allen  Touren 
in  Japan  immer  wieder  gemacht  wird,  zwingt  meines  Erachtens 
ernstlich,  sobald  es  nur  angängig  ist,  von  solcher  Art  der 
Bodenbenutzung  zurückzukommen. 

Diese  Hara,  nach  Rein*  die  Wohnstätte  jenes  überaus  bunten 
und  hochinteressanten  Gemisches  von  Pfianzentypen,  an  denen 
Japan  so  reich  ist  und  zwischen  welchen  Kräuter,  Halbsträucher 
und  einige  zin*  Krüppelform  degenerierte  Holzgewächse,  besonders 
Eichenarten,  allenthalben  vorkommen,  wird   aber  aus.serdem  dem 

"•■  Japan,  Bd.  I.  S.  163. 


K.    IIEFELE,    FORSTLICHE    REISEEIXDRUCKE.  I49 

Walde,  namentlich  dem  Staatswalde,  noch  direkt  schädlich  durch 
das  sorglose  jährliche  Brennen,  dem  bei  dem  Mangel  genügender 
Kontrolle  und  Aufsicht  ansehnliche  Flächen  der  angrenzenden 
Bestände  zum  Opfer  fallen,  namentlich  wenn  dieselben  aus 
Nadelholz  zusammengesetzt  sind. 

Die  Statistik  über  diesen  Punkt  hat  ihre  wunden  Seiten, 
doch  wird,  wenn  man  die  solcherweise  angerichtete  Vernichtung 
pro  Jahr  auf  ca  looo  ha  berechnet,  dieser  Ansatz  recht  bescheiden 
gegriffen  sein.  Die  Gesamtfläche  an  Hara  ist  mit  3  Alill.  ha 
ebenfalls  kaum  auch  nur  annähernd  dem  Mittel  entsprechend,  in 
Wirklichkeit  wohl  bedeutend  grösser.  — 

Der  Wald  selbst  nun,  der  in  erster  Linie  unser  Interesse 
beansprucht,  ist  in  Japan  mit  recht  erheblichen  P'lächenquoten 
vertreten.     So  beziffert  der  Wald  \'on 

i)     Alt-Japan  an 

Staatswald     Kronwald  Priv^atwald  Summa 

T<o  MiU.     1,436  Mill.  (Hondo)  (6,39  Mill.  Hondo) 


9,04  Mill.  ha  7,48  Mill.  ha-:  16,52  Mill.  ha 

2)     Hokkaido 

5,53   Mill.  0,63     Mill. 


6,16  Mill.   ha  7000  ha         =6,16    Mill.    ha 

3)     Riukiu  und  Formosa  hinzu  genommen  : 
,13,81  2,07 

15,88   Miirim  7,49  Mill.  ha  =  23.37  .Alill.  ha, 

das  sind  nicht  weniger  als  59,2 0^  der  Landesfläche  in  Alt-Japan, 
in  Hokkaido  65,20^  und  auf  Riukiu  bezw.  Formosa  71 — 74^0  : 
ganz  Japan  56,4^0  der  Landesfläche.  Auf  den  Kopf  der  Be- 
völkerung treffen  in  Alt- Japan  0,389  ha,  in  Hokkaido  10,12  ha 
und  im  ganzen  Japan  incl.  Formosa  und  Riukiu  0,502  ha  Wald. 
Ziehen  wir  einmal  die  Verhältnisse  von  Deutschland  zum 
Vergleiche  heran,  so  finden  wir  überhaupt  bloss  13,9  Mill.  ha 
Gesamtwaldfläche,  welche  25,70^  der  Landesfläche  ausmachen. 
Staats-  und  Privatwald  in  Japan  verhalten  sich  wie  2  :  i  ;  in 
Deutschland  ist  der  Staatswald  dem  Privatwald  wie  i  :  2  gegen- 
überstehend, und  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  Deutschlands 
entfallen  0,307  ha  Waldfläche. 


150  K.    HEFELE,    FORSTLICHE    RELSEEINDRÜCKE. 

Ich  bringe  Ihnen  diese  Zahlen  nur  zu  einem  ungefähren 
Vergleichsmassstabe  an  bekannteren  Verhältnissen  der  Heimat ;  wir 
werden  noch  im  nachfolgenden  erkennen,  wie  verschieden  die  nur 
4,5  Millionen  betragenden  deutschen  Staats  Waldungen  rentieren 
gegenüber  dem  über  das  Dreifache  der  Fläclie  nach  beziffernden 
japanischen  Staatswald  und  welche  F'olgerungen  daraus  zu  ziehen 
wären. 

Es  untersteht  in  Japan  ein  ganz  enormes  Areal  (15,21  Mill. 
ha)  der  Verwaltung  des  Staates  (13  Mill.)  und  der  Krone  (2  Mill.), 
ein  Tatbestand,  der  meines  Erachtens  wohl  wert  ist,  zum  Nach- 
denken über  den  dermalen  wenig  befriedigenden  Zustand  der  Rente 
und  des  Kapitales  zu  veranlassen. 

Warum  Alt-Japan  noch  so  eine  bedeutende  Bewaldungszifier 
aufweist,  hängt  innig  zusammen  mit  der  Entwicklung  seiner 
Naturalwirtschaft.  Der  fast  ausschliessliche  Betrieb  der  Reis- 
kultur, überkommen  von  China,  hat  zur  Folge,  dass  nur  solches 
Land  urbar  gemacht  wurde,  in  dem  Wasser  ausgiebigst  vorhanden 
war  und  dessen  klimatische  Verhältnisse,  insbesondere  grössere 
Wärme,  es  hiezu  geeignet  erscheinen  Hessen.  Das  sind  selbst- 
verständlich die  Niederungen  der  Flussmündungen  und  die 
Ebenen  in  warmer  Lage.  Ganz  richtig  bemerkt  eine  lesens- 
werte japanische  Schrift*  von  Dr.  Ota  Inazo  Nitobe,  dass 
darin  der  Grund  gesucht  werden  müsse,  weshalb  die  Extension 
des  Ackerbaues  seit  alters  eine  verhältnismässig  so  geringe  war . 
und  sich  weniger  gegen  Norden  und  das  Innere  des  Landes 
erstreckte  ;  dementsprechend  ist  auch  ein  grösseres  Areal  dem 
Walde  überlassen,  als  ihm  sonst  bei-  anderer  Ackerwirtschaft 
Avohl  heute  noch  verblieben  wäre. 

Das  Fehlen  einer  Viehzucht  Rihrte  mangels  anderer  Düriger- 
quellen  als  menschlicher  Fäkalien  zur  Konzentration  der  bäuerlichen 
Bevölkerung  um  die  Städte  in  den  Ebenen  und  Flussmündungen 
und  wirkte  der  Urbarmachung  entlegeneren  Landes  natürlich 
entg-eeen ;  unterstützt  in  diesem  allgemein  kulturfeindlichen  Be- 
streben  wird  der  dermalige  Zustand  noch  durch  die  geringe 
Aufschliessung  des  Landes,  die  aber  hinwiederum  in  den  oben 
erwähnten  eigenartigen  Verhältnissen  ihre  Erklärung  findet. 

Innerhalb  der  Interessensphäre  des  Reisbaues  ist  der  Wald 
im    grossen    ganzen    neben    einer    unvollls-ommenen    Befriedigung 

*  Ueber  den  japanischen    (Irundhesiti,  dessen  Verteilung   und  l.mdwiitjchafjiche 
Verwertung.     (Inauguraldissertation,  Halle  a.  S.  1890 ). 


K.    HEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRUCKE.  I5I 

der  Nutz-  und  Brennholznachfrage  wohl  mehr  und  mehr  zur 
Düngerquelle  der  Reiskultur  oder  zur  Form  der  „Hara"  herab- 
gesunken, und  diese  Gründlichkeit  der  Aenderung  seiner  inneren 
Verfassung  ist  nicht  ohne  Folgen  für  die  Allgemeinheit  geblieben  • 
es  würde  sonst  unerfindlich  sein,  warum  trotz  noch  vorhandener 
starker  Bewaldungsziffer  im  Inneren  kaum  ein  anderes  Land 
solch  hohe  Schadenbeträge,  verursacht  durch  Hochwasser,  auf- 
zuweisen vermag. 

Nach  einer  mir  von  befreundeter  Seite  gewordenen  Mit- 
teilung belaufen  sich  die  jährlichen  Verluste  durch  Hochwasser 
auf  ca  10  Millionen  Yen,  vermögen  aber  beträchtlich  nach  oben 
hin  abzuweichen,  wie  das  Jahr  1895  beweist,  in  dem  der  ganze 
Einnahmeetat  des  japanischen  Staates  zu  187  Mill.  Yen  fast 
völlig  sich  mit  dem  entstandenen  Wasserschaden  verglich.  Die 
Zahl  der  überschwemmten  Dörfer  und  Ansiedelungen  bezifferte 
damals  nicht  weniger  als  20.981,  und  etwa  0,785  Mill.  ha  Land 
(Acker)  waren  verwüstet  worden. 

Solche  Ziffern  geben  zu  denken  !  — 

Durch  ganz  Hondo  zieht  sich  nun,  einem  Rückerrat  ver- 
gleichbar  und  gebunden  an  die  zentralen  Gebirgsketten,  der 
Hauptwald.  Eines  der  interessantesten  Gebiete  in  demselben, 
das  ich  herausgreife,  ist  der  Kiso,  ein  massig  formierter  Komplex 
im  Oberlaufe  des  Kisogawa,  nordöstlich  von  Gifu,  so  recht  im 
Mittelpunkte  des  ganzen  Landes  gelegen.  Ich  widme  diesem 
Walde  eine  etwas  eingehendere  Besprechung,  nicht  bloss  aus  dem 
Grunde,  weil  ich  denselben  durch  Bereisung  genau  kennen  lernte, 
sondern  auch  um  deswillen,  weil  ausgeprägte  Charakteristika 
grossen  Massstabes  am  besten  ein  Urteil  über  den  Stand  der 
Waldwirtschaft  eines  Landes  zulassen.  Wohl  hat  die  gewandte 
Feder  meines  Vorgängers  Dr.  E.  Grasmann  diesem  Juwel  mit 
wissenschaftlicher  Gründlichkeit  ein  begeistertes  Erinnerungsbl  itt* 
gewidmet,  so  dass  ich  hinsichtlich  näherer  Informationen,  welche 
den  Rahmen  dieses  Vortrages  natürlich  zu  sehr  überschreiten 
würden,  auf  diesen  in  den  Mitteilungen  der  Deutschen  Ostasiatischen 
Gesellschaft  veröffentlichten  Essay  verweisen  kann. 

Dem  Forstmann  ist  dieses  Stück  Natur  gleich  einem  Wall- 
fahrtsorte. Schon  der  Zugang  zu  diesen  Forsten  mittels  einer 
Kurumafahrt  von  etwa  10  Stunden  ab  Tayimi  auf  ständig 
steigendem,    welligem    und    plateauartig    ausgeformtem    Terrain 

*  Forstliche  Exkursion  in  die  Kisowaldungen  Provinz  Shinano.  Mitth.  Bd.  V.  S.  249. 


152  K.    HEKELK,    FORSTLICHE    REISEEINDRÜCKE. 

bietet  eine  Fülle  von  Beweisen  für  die  Nachteile  der  schonungs- 
losen Ausnützung  des  vorhandenen,  kleinflächigen  Waldes,  meist 
Privat-  und  Gemeinde waldes,  und  der  Hara,  soweit  überhaupt 
der  hier  stark  vertretene  Reisbau  noch  das  Vorkommen  dieser 
parzellierten,  in  niedrigen  Umtrieben  bewirtschafteten  oder  ganz 
der  Hara  preisgegebenen  Waldorte  zugelassen  hat. 

Ueberall,  wo  grössere  Neigungen  des  Terrains  vorhanden 
sind,  ja  stellenweise  schon  auf  sanft  geneigten  Hängen,  verraten 
weisse  und  rote  Bodenflecke  von  ferne  die  Löcher  im  Pflanzen- 
kleide der  Natur,  in  denen  das  so  reichlich  in  Japan  nieder- 
strömende meteorische  Wasser  (2900  "i/m  pro  Jahr  z.  B.  in 
Agematsu)  einen  praktikablen  Spielball  seiner  kulturfeindlichen 
Launen  erblickt.  Das  vermag  für  die  Regulierung  der  Wasserver- 
hältnisse einer  Gegend  von  sehr  weitgehendem  Einfluss  zu  sein, 
denn  vom  Wasserriss  zum  Wildbach  ist  oft  nur  ein  kurzer  Schritt. 

Wenn  steile  Ausformung  der  Gebirge  etwa  noch  zusam- 
mentrifft mit  weitgehender  Umwandlung  ihrer  Oberfläche  in 
Hara  oder  schlechtweg  Ocdland,  so  ist  ein  rascher  Abfluss 
meteorischen  Wassers  ausserordentlich  leicht,  und  daher  die  Er- 
scheinung des  oft  rapiden  Anschwcllens  von  Bächen  und  Flüssen 
mit  den  unausbleiblich  folgenden  Wasserkatastrophen.  Die  grosse 
Schuttführung  aller  solchen  Wildbäche  oder  Wildflüsse,  wie  man 
das  z.  V>.  am  Tenriugawa,  Oigawa  etc.  auf  der  Fahrt  von  Yoko- 
hama nach  Kobe  so  gut  beobachten  kann,  rührt  davon  her, 
dass  die  innere  Grundstruktur  der  Berge  Japans  (Granit  etc.)  sehr 
häufig  mit  hohen  Schichten  alten  Schiefers  überdeckt  ist,  welche 
bei  dem  starken  Grade  ihrer  Verwitterung  dem  Angriff  des 
Wassers  nur  geringen  Widerstand  leisten. 

Es  sind  der  Stellen  nicht  wenige  auf  diesem  vom  Walde 
entblössten  Boden,  wo  der  Angriff  des  Wassers  erfolgt,  und  auf 
meinen  Wanderungen  sah  ich  manches  Bild  der  Terrainzerstörung, 
das  deutlich  genug  die  Folgen  einer  unterschätzten  Bedeutung 
des  Waldes  demonstrierte. 

Wir  würden  aber  noch  ganz  andere  Bilder  der  Verwüstung 
und  Verödung  in  Japan  erhalten,  wenn  nicht  die  geradezu 
beispiellose  Regenerationskraft  dieses  unergründlich  fruchtbaren 
Bodens  beinahe  den  Arm  des   Verwüsters  zu  lähmen  vermöchte. 

Wo  aber  als  letzter  Streiter  im  Kampfe  die  Akamatsu 
(Rotkiefer)  in  krüppeliger  Form  ihre  melancholischen  Aeste  über 
dem  Grabe  der  einst  so  üppigen  Waldvegetation  ausbreitet,  da 
haben  wir  ein  sichtbares  Warnungssignal  des  der  Verschlechterung 


K.    IIEFELE,    FORSTLICHE    REISEEIXDRU JKE.  I53 

und  schliesslich  dem  Untergänge  geweihten  Bodens,  und  man 
muss  tatsächlich  Forstmann  sein,  um  die  unendliche  Verwahr- 
losung mancher  Plätze  voll  zu  erkennen. 

Folgen  Sie  mir  im  Geiste  weiter  auf  dem  Wege  zum  Herzen 
des  Kiso.  Schaut  man  endlich  nach  zweitägiger  Wanderschaft  von 
der  Höhe  des  Magome-Passes,  nachdem  man  die  Zone  des  wirt- 
schaftlichen Kampfes  zwischen  Wald  und  Reiskultur  durchmessen 
hat,  in  diese  entzückende  Kisolandschafc  mit  ihrem  dunklen, 
dichten  Waldkleide  aus  Nadelholzforsten  und  ihren  Gebirgsketten, 
ihren  schmalen,  von  Wildwassern  durchflossenen  Tälern,  so 
erinnert  man  sich  beinahe  unwillkürlich  an  die  Gebirge  der  Heimat. 
Man  heisst  sie  auch  nicht  mit  Unrecht  die  ,,  Japanischen  Alpen". 
Zwar  fehlen  die  grossartigen  und  massigen  Züge  des  Berglandes 
in  Südbayern,  Tirol  oder  gar  der  Schweiz,  aber  die  grössere 
Einheitlichkeit  sticht  wohltuend  ab  von  der  etwas  flatterigen, 
uns  an  Kinderbaukästen  erinnernden  Zierlichkeit  der  gewohnten 
japanischen  Landschaft,  welche  in  der  Regel  auf  engem  Raum 
alles  in  allem  gibt. 

Was  dieses  etwa  350.000  ha  umfassende  Waldgebiet,  den 
Kiso,  unserem  deutschen  Schwarzwalde  oder  dem  Harze  so  ähnlich 
macht,  das  sind  die  mit  einigen  Ausnahmen  wie  Komagatake  und 
Ontake  etc.  nicht  gerade  bedeutend  zu  nennenden  relativen 
Erhebungen,  und  andererseits  ist  es  das  Fehlen  der  zackigen, 
vegetationslosen  Schroffen  und  Wände,  wie  sie  unsere  Kalk-  oder 
die  Zentralalpen  auszeichnen. 

Ein  Alpenglühen,  wie  es  die  Pleimat  so  wundervoll  aufzu- 
weisen hat,  ist  hier  deshalb  Unmöglichkeit — und  doch,  es  müsste 
einen  grandiosen  Anblick  gewähren,  wenn  man  sich  diese  bizarre 
Vulkanlandschaft,  gekrönt  von  starren  Felswänden,  mit  einem 
solchen  Feuerzauber  bei  untergehender  Sonne  denkt. 

Wir  Deutsche  speziell  fühlen  uns  von  den  gehäuften  Wald- 
massen mehr  angezogen,  da  sie  stimmungsvoller  sind  und  der 
ernsteren  deutschen  Natur  besser  entsprechen. 

Es  ist  unmöglich,  Ihnen  die  Ergebnisse  meiner  wochenlangen 
Durchforschung  dieser  Gegend  ausführlich  mitzuteilen,  aber  so 
viel  muss  gesagt  werden,  dass  hier  ein  eigenartiges  Stück  Natur 
mit  hohem  reellem  Wert  dem  Lande  beschieden  ist.  Voraus- 
sichtlich ist  die  neue  Kisobahn,  eine  Verbindung  zwischen  dem 
westlich  von  Tokio  liegenden  Kofu  und  Nagoya,  in  der  Haupt- 
sache die  alte  Mittellandstrasse,  den  Nakasendo,  entlang  führend, 
bestimmt,  breiteren  Schichten  der  15^völkerung  dieses  wunderbare 


154  K-    HEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRÜCKE. 

Bergland  zu  erschliessen  ;  icli  wenigstens  wüsste  mir  geradezu 
keine  schönere  Sommerfrische  zur  heissen  Jahreszeit  als  den 
Aufenthalt  in  einem  der  kleinen  Bergdörfer  entlang  dem  Haupt- 
flusse des  Kiso.  Lohnende  romantische  Partieen  finden  sich 
hauptsächlich  in  den  Seitenschluchten  der  wildbachartigen  Zuflüsse 
des  Kiso. 

Fünf  Hauptholzarten  sind  es,  die  den  Schatz  der  Kisoforste 
ausmachen. 

Hinoki  (Cham,  obtusa) 

Sawara  (     ,,         pisifera) 

Asunaro  (Thujopsis  dolabrata) 

Nedjuko  (         ,,  japonica) 

Koyamaki  (Sciadopitys  verticillata), 

eleich  wertvoll  durch  ihr  vorzügliches  Schaftwachstum  wie  durch 
die  technischen   Eigenschaften  ihres  Holzes. 

Wer  aber  die  Regelmässigkeit  und  scharfe  Altersabgrenzung 
deutscher  Waldungen  hier  suchen  wollte,  würde  alsbald  die  Segel 
streichen  müssen,  denn  es  ist  bei  der  P^orm  der  früheren  Nutzung 
(eine  ziellose  Art  des  Plenterbetriebes)  zur  Zeit  unmöglich,  zu 
unterscheiden,  was  die  Natur  in  langen  Zeiträumen  aus  sich 
selbst  schuf,  und  welche  Züge  die  Menschenhand  dieser  Natur 
aufzudrücken  versucht  hat. 

Nur  das  steht  unumstösslich  fest,  in  allen  oberen  und  abgele- 
genen Teilen  der  Berghänge  ist  das  Urbild  ungetrübt,  denn  die 
mangelhaften  Verkehrs-  und  Aufschliessungsverhältnisse  hinderten 
sicher  ehedem  ebenso  wie  jetzt  die  grössere  Nutzbarmachung. 

Der  japanische  Staat  versuchte  dem  allgemeinen  Gesetze, 
dass  politische  (wirtschaftliche)  Umwälzungen  immer  dem  Walde 
an  den  Leib  gehen,  wie  Riehl  so  treffend  bemerkt,  eine  weitere 
Bestätigung  1876  hinzuzufügen,  indem  dieser  nach  Hunderten 
von  Millionen  zu  bewertende  Wald,  „  der  Kiso  ",  um  40.000  Yen 
verkauft  werden  sollte.     Das  sind  pro  ha  24  Pfennig. 

Glücklicherweise  ist  durch  den  Uebergang  an  die  Krone 
(Krondömäne)  seit  1882  für  immer  solchen  Finanzoperationen 
der  Boden  entzogen.  Wo  man  aber,  an  Wasserläufen  zum 
Beispiel,  mit  dem  Hiebe  hingelangen  kann,  da  ward  und  wird 
noch  mit  anerkennenswerter  Gründlichkeit  in  den  Holzvorräten, 
allerdings  sehr  oft  unter  gänzlicher  Ausserachtlassung  der  ein- 
achsten  Gedanken  über  die  Zukunft,  aufgeräumt. 


K.    HEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRLCRE.  I55 

Die  Erbauung  der  Kisobahn  durchs  Herz  dieses  Waldes 
hätte,  so  sollte  man  meinen,  zum  intensivsten  Meinungsaustausche 
und  zur  festen  Kooperation  zwischen  Verkehrsbehörde  und 
Forstverwaltung  in  beiderseitigem  Interesse  Veranlassung  geben 
müssen.  Ich  konnte  aber  weder  er  ahren  noch  bemerken,  dass  man 
im  Anschluss  an  diese  Lebensader  des  grossen  Verkehres  die 
plamnässige  Anschliessung  von  Waldwegen  und  kleinen  Wald- 
bahnen in  grossen  Zügen  bestimmt  hätte  und  nun  energisch 
vorginge,  so  dass  bei  fertiger  Bahn  auch  der  Wald  seinen  Mann 
in  finanzieller  Beziehung  stellen  kann.  Was  man  sieht,  sind 
unzusammenhängende  Versuche  zum  Fortschritt,  deren  Erfolg 
aus  Mangel  an  Planmässigkeit  auch  nur  ein  teilweiser  sein  kann. 

Die  Divergenz  der  Ressorts  im  japanischen  Staate  ist  kaum 
besser  gekennzeichnet  als  durch  das  isolierte  Vorgehen  auf  jeder 
Seite,  wo  doch  im  Interesse  der  Zukunft  eine  Aussprache  über 
mehr  als  einen  Punkt  nötig  gewesen  wäre  und  wahrscheinlich 
Bahntrace  wie  Waldaufschliessungswege  etc.  stark  beeinflusst 
haben  möchte. 

Dass  die  Nutzung  aller  grossen  Waldmassen,  welche  sich, 
dank  ihrer  Abgelegenheit,  in  Japan  bis  heute  erhalten  haben, 
also  wie  hier  des  A'w^-oder  des  67.y/;//«/(:- Staatswaldes  bei  Aomori 
und  der  Waldungen  Hokkaidos,  grosse  Schuäerigkeiten  involviert, 
wird  niemand  leugnen,  aber  es  ist  ebenso  sicher,  dass  man  die 
kostbaren  Vorräte  vergangener  Zeit  nur  dann  richtig  und  ohne 
übergrosse  Verluste  liquidieren  kann,  wenn  man  sich  die  durch 
die  ganze  Welt  geltenden  elementaren  Grundsätze  der  Forst- 
politik zur  Richtschnur  macht. 

Die  Schaffung  der  nötigen  Verkehrsmittel  ist  hier  die  Grund- 
bedingung, denn  der  Gedanke  :  ,,  dass  man  eben  keine  Wege 
dorthin  bauen  will,  w^eil  das  Holz  keinen  Wert  hat",  ist  grund- 
falsch. ,,  Das  Holz  hat  keinen  Wert,  weil  keine  MöglicJikeit  der 
Bringnng  ist.'' 

~Sl\t  der  Aufschlicssung  muss  auch  die  Nutzung  zwar  intensiv, 
aber  im  Sinne  der  Nachhaltigkeit  nach  bestimmten  Regeln, 
garantiert  sein.  Auch  die  Nachwelt  hat  ein  Recht  auf  Wald 
und  zw^ar  ein  umso  begründeteres,  weil  man  sich  nicht  mehr  mit 
Unkenntnis  der  Grundlagen  der  Waldwirtschaft  und  der  Bedeu- 
tung des  Waldes  zu  entschuldigen  vermag. 

Ein  Nationalgut  ist  dem  gegenwärtigen  Geschlechte  zum 
Gebrauche,  nicht  zur  Vernichtung  oder  Verschlechterung  gegeben. 
Die  grossen  Kahlhiebe  in  Japan  in  solchen  Walddistrikten,  welche 


156  K.    HEFELE,    FORSTLICHE    KEISEEINDRÜCKE. 

durch  Wasserläufe,  wie  die  Natur  sie  bietet,  zur  Not  eine 
entsetzlich  extensive,  verschwenderische  Ausbeute  zur  Zeit 
zulassen,  sind  nach  mehr  als  einer  Seite  hin  bedenklich.  Die 
unökonomische  und  schlechte  Nutzung  möchte  noch  hingehen, 
da  sie  die  historische  Tradition  und  den  Mangel  einer  einsichts- 
vollen raschen  Abhilfe  als  Entschuldigungsgründe  anführen  kann  ; 
aber  die  Schaffung  von  gleichartigen  und  gleich  alten  Beständen 
durch  Pflanzungen  auf  solch  grossen  Flächen  in  unmittelbarer 
Aneinanderreihung  erreicht  keineswegs  den  beabsichtigten  Zweck 
der  Gewissensberuhigung  über  das  Vorgehen  im  Walde. 

Gleichalterige  und  gleichartige  Bestände  von  1000  und  mehr 
ha  aus  Nadelholz  gehören  später  zu  den  schwierigsten  Problemen 
der  Nutzung,  wenn  sie  über  den  Gefahren,  denen  sie  mehr  als 
andere  ausgesetzt  sind,  endlich  die  Zeit  der  Reife  und  Haubar- 
keit  erlangt  haben. 

]\Iüchten  die  einheimischen  Forstleute  diesen  Punkt  in  Zu- 
kunft mehr  berücksichtigen  und  konsequenter  Weise  darnach 
verfahren  ! 

Die  Gewinnung  eines  Ertrages,  unbekümmert,  ob  die  Rente 
auch  wirklich  den  Namen  einer  solchen  verdient,  kann  vielfach 
wahrgenommen  Averden  ;  sonst  bliebe  es  unverständlich,  was  die 
Devastationshiebe  im  Kronforstwalde  auf  einer  Seite  des  Fuji 
zur  Speisung  der  Papierfabriken  in  Omiya  bezwecken  sollen, 
wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  dass  die  Gewinnung  des  Holzes 
nicht  vom  P^igentümer  des  Waldes,  sondern  \'om  Käufer,  von 
der  Fabrik,  durch  ihre  Leute  und  nach  ihren  Ansichten  von 
Forstnutzung  ad  libitmn  betrieben  wird.  Die  ,,  Rückstände  "  sind 
denn  auch  derart,  dass  die  Räumung  dieser  Wüste  zum  Zwecke 
der  Neukultur  einmal  wohl  den  ganzen  unbedeutenden  Geldertrag 
verschlingen  wird. 

Man  fragt  sich  angesichts  dieser  und  so  mancher  anderen 
Erscheinungsform  der  Waldnutzung,  die  mir  aufstiess,  wirklich, 
was  man  mehr  bewundern  soll  :  den  Humor  der  Subsumierung 
solcher  Tätigkeit  unter  den  Titel  ,,  Wirtschaft "  oder,  um  einen 
Bismarckschen  Ausdruck  zu  gebrauchen,  die  enorme  ,,  Wurschtig- 
keit "  in  der  Verantwortung  gegenüber  den  später  folgenden  Zeiten 
und  der  Nachwelt. 

Zwischen  und  unter  den  mit  allen  Altersklassen  vertretenen 
herrschenden  Baumholzarten  im  japanischen  Walde  drängt  sich 
nun  jenes  Gemisch  von  blattwechselnden  P^ichen,  Kastanien  und 
den    unzähligen    Straucharten    neben    dem    l^ambus    empor,    das 


K.    IIEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRUCKE.  I57 

den  japanischen  Wäldern  ihre  Eigenart  aufdrückt.  Sie  kommt 
im  Kiso  vielleicht  weniger  zum  Vorschein  ;  aber  namentlich  in 
den  wärmeren,  tiefergelegenen  Zonen,  im  Laubwald,  kann  man 
diese  ungemein  hohe  Artenzahl  bewundern.  Japan  kennt  beispiels- 
weise nicht  weniger  als  i8  Eichen,  36  Nadelhölzer  und  an  600 
verschiedene  baumartige  Sträucher  neben  34  Bambusen. 

Wir  können  uns  diesen  Individuenreichtum  leicht  erklären, 
Avenn  wir  bedenken,  dass,  Formosa  eingerechnet,  alle  Vegetations- 
zonen von  der  subaequatorialen  bis  zur  polaren,  von  den  Ficus- 
Arten  nahe  dem  Aequator  bis  zur  Kriechzürbel  auf  den  Kurilen, 
vertreten  sind  und  Japan  bei  dem  Fehlen  einer  Eiszeit  jene 
Verluste  an  Artenreichthum  nicht  zu  verzeichnen  hatte  wie 
Europa  nach  dieser  Entwicklungsphase  unserer  Erde.  Ja,  ich 
erblicke  indirekt  einen  Beweis  für  die  oft  aufgestellte  und  bis  jetzt 
nicht  widerlegte  Behauptung  vom  Mangel  einer  Eisseit  darin. 

Bekanntlich  ist  die  dermalige  Vegetation  unserer  Erde  unge- 
fähr dieselbe  wie  unmittelbar  nach  der  Eiszeit.  Wie  ganz  anders 
in  manchen  Kontinenten  die  Pflanzenvegetation  vor  derselben 
gewesen  sein  müsse,  bezeugt  das  Vorkommen  von  Palmen- 
abdrücken in  den  Gesteinsschichten  Grönlands  und  ähnliche 
Einschlüsse  im  Bernstein  der  Ostseeküste,  also  von  Arten, 
welche  heute  nur  mehr  in  aequatorialen  Zonen  angetroffen  werden. 

Als  zur  Eiszeit  die  Kältewelle  mit  ihrem  alles  erstarrenden 
Hauche  von  den  Polen  gegen  den  Aequator  vorrückte,  da  waren 
in  Amerika  und  Ostasien  die  Pflanzen  bei  dem  parallellen  Lauf 
der  Gebirge  mit  der  Bewegungsrichtung  N  —  S.  des  Eisstromes 
Im  Vorteile ;  sie  konnten  nach  dem  wärmeren  Süden  aus- 
weichen ;  im  zentralen  Europa  aber  beispielsweise  stellten  sich 
die  Hauptmassive  der  Gebirge  senkrecht  zur  fortschreitenden 
Vereisung,  ja  sie  reichten  dem  von  Norden  anrückenden  Eise 
durch  ihre  Gletscher  gleichsam  freundschaftlich  die  Hand,  alles 
erdrückend  und  vernichtend,  was  zwischen  sie  geriet.  Der 
Rückwanderung  der  Pflanzenspecies  aus  dem  Süden  nach  der 
Eiszeit  stellten  sie  sich  durch  ihre  Streichrichtung  nicht  minder 
entgegen,  und  nur  vom  östlichen  Teile  Europas  (Ungarn)  war 
eine  gewisse  Rückeroberung  des  verlorenen  Terrains  den  ein- 
facheren und  bescheideneren  Species  möglich,  immerhin  nur 
entsprechend  den  zum  Kühleren  veränderten  klimatischen  Ver- 
hältnissen. 

In  Japan  hätte  eine  Eiszeit  bei  der  schmalen  Ausformung 
des    Landes   alles   vernichtet,    und   die   an   sich    schon   schwierige 


158  K.    HEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRUCKE. 

Rückwanderung  der  Arten  wäre  durch  die  die  einzelnen  Inseln 
trennenden  Meere  noch  bedeutend  erschwert  worden,  was  in 
einfacheren  Vegetationsbildern,  als  wir  sie  jetzt  finden,  sicher 
zum  Ausdruck  kommen  würde. 

Das  Uebel  der  Zerstreutlage  herrscht  beim  Staats-  wie  beim 
Kronwaldbesitz  in  Japan,  doch  bei  ersterem  mehr,  da  die  in 
erster  Linie  in  Betracht  kommenden  grösseren  Komplexe  von 
Wald  wenigere  sind  als  bei  der  Krone,  an  die  ja  auch  die 
besten  ehemaligen  Staatswälder  cessiert  wurden.  Doch  hat  der 
Staat  Ersatz  gefunden  in  Formosa  und  insbesondere  in  Hokkaido, 
in  welch  letzterem  nahezu  6  Mill.  ha  geschlossenen  Waldes  der 
Behandlung  harren. 

Für  den  Zustand  der  Kronwaldungen  ist  die  Staatsforst- 
verwaltung insofern  noch  als  verantwortlich  zu  betrachten,  als 
dieselben  bis   1882  ihrer  Verwaltung  unterstanden. 

Was  die  Gemeinde-  und  Privatwaldungen  in  Japan  anlangt, 
welche  im  Kiso  meist  die  untersten  Säume  der  Hänge  gegen 
die  Talwasser  zu  bekleiden,  so  kann  von  ihnen  kaum  etwas 
anderes  behauptet  werden,  als  was  man  überall  im  ganzen  Lande 
wahrnimmt :  Unsinnige  Ausnutzung  tind fehlende  Kontrolle.  Beides 
führt  zum  Niedergang  nach  jeder  Richtung  hin.  Ist  die  Zerstörung 
des  kleinen  Frivatwaldbesitzes  an  sich  vom  allgemeinen  sozial- 
politischen Standpunkte  aus  bedenklich,  so  kann  man  doch  wenig 
dagegen  auftreten,  solange  nicht  Schutzwald  in   Frage  kommt. 

Die  Gemeindewaldungcn  befinden  sich  trotz  aller  möglichen 
Bestimmungen  in  einem  geradezu  kläglichen  Zustande ;  auch  das 
ist  eine  nicht  auf  den  Kiso  beschränkte,  sondern  gleichmässig 
über  ganz  Japan  verbreitete  Erscheinung.  Das  gute  Beispiel, 
das  eine  geordnete  Staatsforstverwaltung  zu  geben  hätte,  fehlt 
eben,  und  der  Bevölkerung  ist  das  Verständnis  für  den  Wald 
und  seine  besondere  Fligenait  kaum  zuzumuten. 

Es  ist  bezeichnend,  dass  eine  armselige  kleine  Holzwclle 
den  hohen  Preis  von  4-5  sen  in  Tokio  hat,  und  dass  die  Rente 
aus  in  12—15  jährigem  Umtriebe  bewirtschafteten,  in  der  Nähe 
der  Städte  gelegenen  Waldungen  eine  hohe  ist,  wenn  sie  natürlich 
auch  nur  vorübergehend  eintritt.  Welche  Aussichten  hat  hier 
das  Holzgeschäft !  —  Sobald  aus  dem  Inneren  durch  Aufschliessung 
von  Verkehrswegen  genügend  stärkeres  und  gutes  Holz  in  die 
Verbrauchszentren  gelangt,  fallt  solcher  Raubbau  hoffentlich  in 
sich  zusammen. 

Der    teuere   Preis    von    Holz    in    diesem    holzreichen   Lande 


K.    HEFELE,    FORSTLICHE    KEISEEINDRL'CKE.  I59 

ist  charakteristisch  für  die  Unterbindung  des  Zuflusses  aus  den 
Gegenden  des  Ueberschusses.  Die  geringe  Rente  des  meist 
weitab  vom  Verkehr  hegenden  Staats-  oder  Kronwaldes  bildet 
das  Gegenstück  dazu. 

Wer  hier  aber  Wandel  schaffen  will,  muss  einen  mächtigen 
Arm  und  finanzielle  Mittel  zur  Verfügung  haben  ;  dem  europäischen 
Berater  wird  diese  Macht  kaum  gegeben,  und  die  halbwegs 
verlustlose  selbständige  Entwicklung  einer  solchen  grösseren 
Zukunftswirtschaft  übersteigt,  soweit  ich  urteilen  kann,  zweifellos 
die  verfugbaren  einheimischen  Kräfte. 

Dieses  Gefühl  des  Unbehagens,  das  dem  Kenner  bei  Be- 
trachtung so  vieler  ungesunden  Verhältnisse  kommen  muss, 
erhöht  sich,  wenn  man  bedenkt,  dass  Fehler  in  der  Behandlung 
des  Waldes  in  der  Regel  nicht  sofort  die  prompte  Reaktion  auf 
,,  falsch "  oder  ,,  richtig "  geben,  \yie  etwa  bei  den  jährlichen 
Ernten  der  Landwirtschaft  oder  bei  technischen  Betrieben.  Die 
mit  100  und  mehr  Jahren  an  Entwicklungszeitraum  rechnende 
Forstwirtschaft  ist  vielmehr  wie  kein  anderes  Gebiet  geeignet, 
namentlich  der  laienhaften  Aussenwelt  gegenüber  einen  Eingriff 
in  die  Substanz  und  einen  Angriff  der  Fonds,  mit  denen  sie 
arbeitet,  zu  verbergen,  und  ein  glänzender  Kassenabschluss  bedeutet 
nicht  immer  eine  hohe  Rente  und  gesunden  Zustand  des  Kapitals. 
Daher  meines  Erachtens  die  Notwendigkeit,  in  erster  Linie 
westeuropäischen  bewährten  Grundsätzen  verständig  zu  folgen. 

Eine  weitere  dem  Walde  drohende  Gefahr  liegt  in  der  oft 
skrupellosen  Anwendung  von  falsch  verstandenen  europäischen 
Wirtschaftsformen.  So  z.  B.  geht  man  in  einem  der  grössten 
dem  Staate  noch  in  Händen  gebliebenen  Staatsforste  auf  Hondo 
im  Ussimape  Walde  bei  Aomori  damit  um,  die  natürliche  Ver- 
jüngung in  grossem  Maasstabe  zur  Durchführung  zu  bringen. 
Dass  diese  Wirtschaftsform  aber  in  Europa  den  Abschluss  der 
ganzen  gereiften  Erfahrung  eines  Jahrhunderts  darstellt  und  zur 
Durchführung  ein  technisch  hochgebildetes  Personal  verlangt,  wird 
völlig  übersehen. 

Man  vergesse  nicht,  dass  die  wenigen  japanischen  Forstleute 
der  neuen  Richtung,  welche  westliche  Waldbilder  gesehen  haben, 
und  die  beim  Universitätsstudium  oder  bei  ein-  bis  zweijähriger 
Wanderschaft  von  Hochschule  zu  Hochschule  sich  die  Theorie 
wenigstens  zu  eigen  machten,  dennoch  niemals  praktisch  im 
Walde  wirtschafteten,  ganz  abgesehen  von  den  unteren  Hilfs- 
beamten,    denen    bei     der    Ausführung    ein    wesentlicher    Anteil 


l6o  K.    HEFELE,    EORSTLICÜE    REISEEINDRÜCKE. 

zufallen  müsste.  Es  erscheint  also  in  erster  Linie  notwendig, 
dem  Unterrichte  und  der  Ausbildung  der  jungen  Forstleute  in 
praxi  den  richtigen  Weg  vor/.uzeigen ;  die  dermaligen  Ver- 
hältnisse in  dieser  Hinsicht  sind  nach  jeder  Richtung  hin  unzu- 
länglich und  ungesund. 

Die  Liquidierung  einer  Vergangenheit  ist  eben  doch  nicht 
ohne  weiteres  so  leicht  möglich  auf  dem  Gebiete  der  Boden- 
produktion wie  auf  anderen,  und  es  soll  kein  Vorwurf  deshalb 
erhoben  werden.  Eine  richtige  Forstwirtschaft  existierte  im 
Grunde  in  Japan  nie  ;  sie  hat  sich  nicht  historisch  herausgebildet, 
und  man  mag  füglich  nur  befiirchten  und  bedauern,  dass  das 
Objekt,  der  Wald,  erheblichen  Schaden  bei  all  den  neueren 
Versuchen  leiden  wird,  ehe  die  Einsicht  Platz  greift,  dass  euro- 
päische Kräfte,  weil  erfahrener,  zur  Bewältigung  der  eminent 
wichtigen  Zukunftsgestaltung  des  japanischen  Waldes,  wenigstens 
einleitend  und  den  Weg  ebnend,  nicht  zu  entbehren  sind. 

Die  Finanzlage  des  Staates,  dessen  eine  grosse,  bis  jetzt  in 
jeder  Richtung  ungenügend  entwickelte  finanzielle  Hilfsquelle 
der  Wald  sein  könnte,  fordert  gebieterisch  raschen  Fortschritt, 
denn  schon  wartet  eine  neue  Aufgabe  des  jungen  Staatswesens  : 
Formosa  und  Hokkaido.  Namentlich  in  Hokkaido  gilt  es,  von 
Anfang  an  zielbewusst  ohne  Irrwege  den  unschwer  erkenn- 
baren Pfad  einer  einfachen,  extensiven  Waldwirtschaft  vorerst  zu 
wandeln  und  dies  schöne,  an  Wald,  Kohle  und  Mineralien  (Gold) 
so  reiche  Land  zu  dem  zu  machen,  was  es  einst  sein  kann,  zu 
einer  Quelle  des  Wohlstandes  seiner  Bewohner. 

Zur  Zeit  fehlt  auch  hier  für  den  Wald  und  sonst  wiederum 
der  grosse  Generalplan,  die  leitende  Idee,  deren  konsequente  Ver- 
folgung nach  vorausgegangener  richtiger  Fundierung  die  Früchte 
zeitigen  vniss,  die  man  erwarten  kann.  An  stossweiser  Inangriff- 
nahme aller  möglichen  Versuche  ist  ja  die  Geschichte  kaum 
irgend  einer  anderen  Kolonie  reicher. 

F"olgen  Sie  mir  im  Geiste  ins  Innere  dieser  Insel.  Vorbei 
an  neuangelegten  Reisfeldern  und  trockenem  Ackerlande  führt 
die  Eisenbahn,  welche  von  Mororan  in  nördlicher  Richtung  dem 
Haupttal  des  Ishikarigawa  folgt,  in  die  zentralen  Landesteile. 
Alsbald  bekommen  wir  ein  anschauliches  Bild  der  Kolonisation 
eines  wenig  bevölkerten  Waldlandes,  wie  man  es  in  gleicher 
Weise  nur  in  Amerika  sehen  könnte. 

Hier  stehen  die  mächtigen  Wurzelstöcke  noch  inmitten  der 
grünenden    Felder,    die   Zeugen   einer   einstigen    Bestockung    mit 


K.    HEFELE,    FORSTLICHE    KEISEEIXDRÜCKE.  l6l 

Waldesriesen  ;  dort  überstellt  ein  feuergeschwärzter,  abgestorbener 
Laubholzbestand  die  neue  landwirtschaftliche  Kultur  zu  seinen 
Füssen.  Kleine  Orte  längs  der  Bahn  wechseln  mit  den  zerstreut 
liegenden  einsamen,  der  Temperatur  und  dem  Klima  so  wenig 
angepassten  japanischen  Häusern  der  Kolonisten,  und  dazwischen 
durchfährt  man  ausgedehnte  reine  Laubholzwaldungen,  hoch- 
stämmig, ohne  Unterwuchs  ;  nur  Grasvegetation  füllt  die  lichten 
Zwischenräume  der  Baumstämme.  Man  kann  sich  anfanglich  in 
diesen,  an  das  Rheintal  gemahnenden  hochstämmigen  Eichen-, 
Ulmen-  und  Eschenbeständen  den  Mangel  an  Unterstand  nicht 
erklären,  bis  man  auf  den  letzten  Vorposten  der  Kultur,  nachdem 
der  Vernichtungskampf  gegen  den  übermächtigen  Wald  immer 
rohere  und  krassere  Form  angenommen  hat,  des  Rätsels  Lösung 
findet :  das  Feuer. 

Meilenweit  in  und  an  den  Tälern,  in  denen  die  Kolonisation 
ihre  Strasse  zieht,  ist  der  Nadelwald  und  der  Unterwuchs  an 
jungem  Laubholz  verschwunden,  da  beide  dem  Feuer  nicht 
widerstehen  können,  wie  dies  die  dickborkigen  alten  Laubholz- 
bäume zu  tun  vermögen. 

Wenn  man  auch  weiss,  dass  der  Wald  da  weichen  muss, 
wo  der  Mensch  den  Boden  für  seine  Ackerwirtschaft  beansprucht, 
so  begreift  man  doch  schlechterdings  nicht,  warum  das  Anzünden 
des  Bodenüberzuges  im  Frühjahr  in  den  Waldungen  in  der  Nähe 
der  Farmen  geduldet  wird,  dort  wo  es  einem  vernünftigen  Zwecke 
nicht  dient,  denn  der  spärliche  Reisbau  braucht  das  w^enigste 
des  auf  diese  Weise  in  den  lichten  Beständen  entstehenden  Grases, 
und  eine  so  unnütze  Vernichtung  von  Werten  hat  mehr  als 
eine  bedenkliche  Seite. 

Keine  Staatsaufsicht  wehrt  solchem  Treiben,  das  sich 
nicht  darum  kümmert,  wo  die  Grenzen  des  nutzlos  in  blinder 
Zerstörungswut  entfachten  Brandes  sein  werden  ;  fast  vermutet 
man,  es  solle  auch  hier  das  Beispiel  des  typischen  Amerika 
nachgeahmt  werden,  das  es  fertig  gebracht  hat,  (auch  ohne 
Nutzen!)  auf  solchem  Wege  seine  Waldgrenze  um  volle  lo 
Längengrade  von  Westen  nach  Osten  zurückzudrängen. 

Auch  sonst  finden  sich  natürlich  viele  Anklänge  an  die 
Ansiedelungsgeschichte  Amerikas,  und  es  muss  als  eine  herzer- 
quickende Stärkung  betrachtet  werden,  wenn  man  sieht,  wie- 
wenigstens  bei  der  Anlage  von  Städten,  wie  der  zukünftigen 
Hauptstadt  Asahikawa,  die  amerikanischen  Muster  in  gutem 
Sinne  zum  Vorbild   fienommen  wurden. 


102  K.    llEFELi:,    FORSTLICHE    REISEEINDRÜCKE. 

Breite  Strassen  bis  20  und  mehr  m  Breite  clurchschneiden  die 
lockerer  als  in  Alt-Japan  aneinandergereihten  natürlich  hölzernen 
Bauten,  und  Wcäre  nicht  der  jeder  Beschreibung  spottende  Zustand 
des  Planums  der  Verkehrswege  überall  derselbe,  man  möchte 
sich  behaglich  fühlen.  Unerfindlich  aber  bleibt,  warum  man  in 
all  den  Städten  und  sogar  auf  den  exponiertesten  Vorposten  der 
Kolonisation  bei  dem  Ueberfluss  an  Holz  nicht  zu  einem  soliden, 
einfachen  Blockbau  des  Hauses  wie  in  den  deutschen  Alpen 
seine  Zuflucht  nimmt.  Papier-Soji  und  zwei  Meter  Schnee  im 
Winter  sind  anscheinend  etwas  unvereinbare  Dinge  ;  sie  bekunden 
aber  das  zähe  Festhalten  der  aus  dem  Süden  gekommenen  Bevöl- 
kerung. Der  eingeborene  Ainu  greift  zum  dichten  warmen 
Strohhause. 

Im  allgemeinen  macht  die  Kolonisation  in  Hokkaido  nur 
langsame  Fortschritte  und  zwar  meines  Erachtens  aus  zwei  Gründen. 
Nur  die  ärmste  Bevölkerungsklasse  ist  zu  bewegen,  den  dem 
Japaner  unfreundlich  scheinenden  Norden  aufzusuchen  ;  anderseits 
liefert  sie  der  Mangel  an  Barmitteln  im  Anfange  trotz  der 
reichlichen  Ausstattung  mit  Land  (5  ha)  bald  in  die  Hände 
des  privaten  Kapitales,  und  an  Stelle  der  erhofften  Selbständigkeit 
der  tätigen  Arbeiter  und  Kolonisten  macht  sich  ein  verdecktes 
Latifundiensystem  einzelner  Begüterter  sicher  im  späteren  Verlaufe 
allenthalben  hindernd  bemerklich.  Vielleicht  auch  wird  stellen- 
weise einer  direkten  ungesunden  Bildung  von  zu  ausgedehntem 
Grossbesitz  nicht  die  nötige  kontroUirende  Aufsicht  der  Gründe 
hiefür  zu  teil. 

Man  müsste  den  Armen  von  Staatswegen  durch  Gewährung 
unverzinslicher  Darlehen  über  die  schwierige  Anfangszeit  hinaus 
unterstützend  unter  die  Arme  greifen. 

Die  Geschichte  der  Kolonisation  von  Hokkaido  wird  einmal 
ein  interessantes  Gegenstück  zu  der  amerikanischen  Kolonisation 
bilden,  und  es  wird  sich  hierin  der  nicht  bloss  auf  die  Hautfarbe 
beschränkte  Unterschied  zwischen  der  Rasse  hier  und  dem 
kaukasischen  Elemente  in  Amerika  widerspiegeln. 

Der  Ureinwohner,  der  Ainu,  nimmt  wenig  an  der  Kolonisation 
seines  letzten  Zufluchtsortes  nach  seiner  Verdrängung  von  Zentral- 
japan teil ;  in  der  Hauptsache  Fischer  und  Jäger,  scheint  er 
dem  Aussterben  verfallen  zu  sein.  Es  ist  dies  doppelt  bedauer- 
lich, weil  wir  hier  nach  Dr.  I^älz  einen  zweifellos  kaukasischen 
Typus  vor  uns  haben,  der  in  seiner  untersetzten  Figur,  muskulös 
und    kräftig    wie    kein    anderer,    berufen    scheinen    möchte,    am 


K.    HEFF.LE,    FORSTLICHE    REISEEINDRÜCKE.  163 

reichen  Tische  des  Landes  die  fetteste  Supps  zu  erhalten.  Eine 
interessante  Erscheinung  sind  sie  ohne  Frage,  diese  bärtigen, 
kühnen  Gestalten  mit  blitzenden  und  doch  so  gutmütigen  Augen, 
die  dem  Bären  mit  schlechter  Flinte  und  mit  dem  Messer  in  der 
Faust  zu  Leibe  gehen,  und  diese  schlanken,  an  Süditalien  erin- 
nernden Schönen  des  weiblichen  Geschlechtes.  — 

Die  Exkursionen  nun,  welche  ich  von  einer  der  letzten 
Stationen  im  Urwald  aus  im  Verein  mit  meinem  Kollegen 
Honda  unternahm,  gehören  zu  den  interessantesten  meines 
Lebens.  Schon  allein  das  Gefühl,  auf  einem  Terrain  sich  zu 
befinden,  das  ausser  dem  bärenjagenden  Ainu  vielfach  noch  keines 
Japaners,  geschweige  denn  eines  Europäers  Fuss  betreten  hat, 
verleiht  einen  besonderen  Reiz.  Da  hatten  wir  denn  reichlich 
Gelegenheit,  die  Natur  und  Zusammensetzung  dieser  der  ge- 
mässigt kälteren  Zone  bereits  zuzurechnenden  ürwaldungen 
kennen  zu  lernen. 

Während  in  den  südwestlichen,  noch  zur  gemässigt  wärmeren 
Zone  gehörigen  Teilen  von  Hokkaido  Buchen  und  Thujopsis 
dolobrata  neben  Eichen,  Eschen  etc.  die  charakteristischen 
Kolzarten  darstellen,  finden  wir  hier  bereits  Vertreter  der  kälteren 
nördlichen  Regionen,  wie  Abies  sachalinensis,  Picea  ajanensis, 
Taxus  cuspidata,   Pinus  pumila  etc. 

Aber  reich  gemischt  mit  Eschen,  Ulmen,  Eichen,  Pappeln, 
Nussbäumen  und  einigen  untergeordneten  Holzarten,  wie  Erlen, 
Kirschen,  Katoura  etc.,  sind  die  Nadelhölzer  in  der  Hauptsache 
in  ein  Minderverhältnis  gebracht,  was  praktisch  hier  in  Japan 
eine  grosse  Entwertung  der  Waldbestockung  bedeutet,  da  der 
japanische  Markt  vom  Laubholz  keine  oder  wenig  Notiz  nimmt. 
So  ist  tatsächlich  ein  beinahe  6  Mill.  ha  grosser  Staatswald,  der 
in  Deutschland  wegen  der  in  herrlichen  Exemplaren  vorhandenen 
edlen  Laubhölzer  zu  den  wertvollsten  zählen  würde,  hier 
umgekehrt  zur  Zeit,  neben  den  Konsequenzen  der  fehlenden 
Aufschliessung  natürUch,  beinahe  wertlos.  Allerdings  steht  noch 
eine  Möglichkeit  des  Absatzes  für  Laubholz  offen,  und  das  ist 
China  mit  Korea,  nachdem  zur  Zeit  schon  Eisenbahnschwellen 
von  P^schenholz,  Avenn  auch  in  keiner  besonders  nennenswerten 
Zahl,  exportiert  werden. 

Hier  muss  eine  gründliche  Untersuchung  der  chinesischen 
und  koreanischen  Absatzverhältnisse  der  endgiltigen  Entscheidung 
über  die  Gestaltung  der  Waldwirtschaft  in  Hokkaido  vorangehen, 
da  hiervon  das  Zukunftsbild  der  die  Waldungen  zusammensetzenden 


164  K.    HEFELE,    FORSTI-ICIIE    REISEEIXDRÜCKE. 

Bestände  stark  beeinflusst  wird.  Icli  schliesse  mich  gerne  der 
Ansicht  an,  dass  das  Nadelhol/,  mehr  vorwiegen  mi^isse,  und 
hinsichtHch  des  etwaigen  Anbaues  neuer  Arten  ist  der  Bhck  auf 
Amerika  und  die  Wuldbestockung  daselbst  in  gleichen  klima- 
tischen Zonen  und  Verhältnissen  zu  richten. 

Das  Urwaldbild  an  sich,  wie  es  mir  hier  entgegentrat,  war 
mir  keineswegs  neu  ;  es  ist  cetcris  paribus  in  der  ganzen  Welt, 
scheint  es,  dasselbe  ;  denn  die  schönen  Reste  einer  vergangenen 
Zeit  in  den  böhmischen  Wäldern  am  Kubani,  in  den  Forsten  des 
Fürsten  Schwarzcnberg  und  so  mancher  Bestand  auf  verlassener 
Scholle  in  Schluchten  des  Hochgebirges,  sie  stimmten  wohl  rrilt 
diesem  asiatischen  Urwalde  überein,  wenn  auch  die  Menge  der 
Arten  von  Bäumen  natürlich  hier  viel  grösser  ist. 

Geradezu  unglaublich  ist  aber  die  Strauch-  und  Unkraut 
(Bambus)-  Hecke  zu  Füssen  dieser  Riesen  des  schweigsamen 
Waldes  ;  es  ist  effektiv  ohne  Axt  und  Säge  unmöglich,  in  diese 
lebende  Holzmauer  einzudringen. 

W'ir  haben  denn  auch  den  praktikabelsten  Weg,  um  bergwärts 
bis  zur  Region  der  Kriechzürbel  vorzudringen,  gewählt,  nämlich 
den  Wasserweg.  Zehn  Stunden  in  einem  eiskalten  Wasser 
bergan  auf  spitzigen  Steinen  und  nicht  selten  bis  zur  Hüfte  im 
nassen  Elemente  gehören  keineswegs  zu  den  Annehmlichkeiten, 
abgesehen  von  den  endlosen  Kletterpartieen  über  hunderte  den 
Bach  überliegende  Stämme.  Die  wilde  Schönheit  aber  dieser 
keinem  Zwang  unterliegenden  Natur,  welche  sich  im  Vegetations- 
bilde widerspiegelt,  hat  uns  denn  auch  reichlich  für  die  Mühen 
entschädigt,  und  gleich  dem  alten  Homerischen  Vorbilde  erhob 
man  nach  des  Tages  Mühe  am  Abend  die  Hände  zum  lecker 
bereiteten  Mahle  von  Forellen  und  Haselhühnern. 

Man  braucht  gerade  nicht  Sentimentalist  zu  sein,  um 
eigentümlich  berührt  zu  werden  von  dem  Zauber  schöner 
Nächte  im  Urwalde.  Mit  silberhellem  Antlitz  lugt  des  Mondes 
freundlich  Vollmondgesicht  durch  die  Lücken  der  Baumkronen, 
deren  phantastische  Formen  uns  allerlei  Spuckgestalten  vor- 
zuzaubern  scheinen  ;  ein  feiner  Dunst  des  aufsteigenden  Nacht- 
nebels umkleidet  wie  mit  zartesten  Spinngeweben  die  dunklen 
ragenden  Schäfte  der  Bäume,  und  ein  leiser  Lufthauch  macht 
Sträucher  und  Gräser  lispeln.  Kein  Ton  sonst  ausser  dem 
Murmeln  des  Baches  in  der  Nähe.  Diese  stille  Grösse  unent- 
weihter  Natur,  sie  grenzt  an  Majestät.  — 

Gar    mannigfach    wechselten    Bilder    und    Wetter    während 


K.     HEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRÜCKE.  165 

meines  Aufenthaltes  dortselbst,  immer  den  Reiz  des  Ungekannten 
durch  eine  neue,  darum  aber  nicht  immer  Hebenswürdige,  Seite 
vermehrend. 

Schweren  Herzens  bin  ich  von  der  schönen  Insel  geschieden, 
die  in  ihrer  äusseren  Erscheinung  so  viel  Anklang  an  Deutschland 
zeigt  in  Wald  und  Konfiguration  des  Terrains,  mit  dem  es  auch 
hinsichtlich  Vegetation  und  Klima  natürlich  mehr  übereinstimmt 
als  Alt- Japan. 

Was  ich  im  vorausgehenden  über  den  Mangel  einer  Eiszeit 
für  Alt- Japan  behauptet  habe,  trifft  hier  nicht  zu  ;  es  scheint  die 
Tsugaru-Strasse  zwischen  Hondo  und  Hokkaido  die  Grenze  des 
von  Norden  kommenden  Eiswalls  gebildet  zu  haben.  — 

Hokkaidos  Berge  sind  in  ihrem  Aeusseren  so  auffallend 
kontrastierend  mit  den  steilen,  vielformigen  Gebirgsketten  und  der 
tausendfachen  Faltung  der  Täler  in  Ah- Japan,  dass  man  nicht 
ohne  weiteres  an  einen  Zufall  denken  darf.  Vermag  sich  natür- 
lich die  wilde  vulkanische  Form  auch  hier  keineswegs  ganz  zu 
verleugnen,  so  ist  doch  die  ganze  Ausformung  der  Täler  und 
der  Hänge  in  einer  sanften  Abmilderung  durch  langwellige,  ins 
Grosse  entwickelte  Linien  gegeben,  so  dass  man  eine  solche 
energische  Ueberarbeitung  der  trotzigen  Grundnatur  wohl  oder 
übel  auf  eine  gewaltige  Korrosion,  wie  sie  nur  Wasser  oder  Bis 
vollbringen  kann,  unzweifelhaft  zurückführen  muss. 

Ich  komme  zum  Schlüsse  dieser  naturgemäss  lose  aneinander- 
gereihten Skizzen  und  Eindrücke  über  japanischen  Wald  und 
japanische  Wirtschaft.  Aber  ich  wollte  Ihnen  gerne  im  all- 
gemeinen den  Eindruck,  den  die  Unmittelbarkeit  bei  persönlicher 
Augenscheinnahme  zurücklässt,  und  die  daran  geknüpften  Refle- 
xionen wirtschaftlicher  Natur  mitteilen,  ehe  ich  es  zu  anderer 
Stunde,  wenn  Sie  mir  erlauben,  unternehme,  Ihnen  die  wirtschaft- 
lichen Fragen  des  japanischen  Waldes,  gewissermassen  losgelöst  von 
der  konkreten  Scholle,  in  vielseitigerer  Beleuchtung  vorzuführen. 

Gestatten  Sie  mir  nur  noch,  Ihnen  den  letzten  und  schwersten 
Beweis  für  die  geringe  dermalige  Entwicklung  der  japanischen 
Forstwirtschaft  ins  Feld  zu  führen ;  es  wird  dies  mehr  als  alles 
andere  die  Zwangslage,  in  der  man  sich  befindet,  offenbaren. 

Der  japanische  Staatswald  (ohne  Kronwald)  in  Alt-Japan 
ohne  Hokkaido  gewährt  folgende  Einkünfte  : 

Von    7,608    i.Iill.    ha   einen    RoJicrtrag    im    Werte    von 
1,7  Mill  Ycu^i,\  Mill.  Mark  =  rund  pro  ha  42  Pfennig. 


l66  K.    HEFEL?:,    FORSTLICHE    REISEEIXDRÜCKE. 

Zur  Erzicluiif;"  dieser  Einnahmen  sind  nöti<^  an  Ausgaben  : 
0,926  Mill.    Yen  =  1,8  Mill.  Mark, 
das  sind  rund  56   90    der  Roheinnahme 

oder  0,122    ]?;/  pro  ha =    24  Pfennig, 

Das  gibt  einen  Reinertrag  von 

0,774  Mill.    Yen  =  1,344  Mill.  Mark 

oder  0,09    Yen  pro  ha =    18  Pfennig. 

Sie  nähern  sich  damit  den  Waldungen  Russlands,  welche  mit 
20  Pfennig  pro  ha  Reinertrag  nach  Japan  die  niedrigste  Stufe  in 
der  Forstwirtschaft  der  Welt  einnehmen. 

Die  Ausgaben  sind  in  Anbetracht  der  geringen  produzierten 
Werte  ebenfalls  sehr  hohe  zu  nennen. 

Vergleicht  man  nun  beispielsweise  deutsche  Reinerträge  des 
Staatswsi\^Q.s,  so  schwanken  dieselben  zwischen  ij  und  5/  Mark 
pro  ha,  je  nachdem  sie  Staaten  mit  grosser  Entwicklung  der 
Industrie  und  .starkem  Holzverbrauche  entnommen  sind  oder 
nicht. 

Die  jährlichen  Einnahmen  aus  den  Staatswaldungen  beziffern 
etwa  250  Millionen  Mark  im  Durchschnitt  auf  4,5    Mill  ha. 

Unterstellen  Sie  nun  sogar,  dass  die  innere  Verfassung  und 
Wirtschaftsform  der  japanischen  Wälder  dieselben  im  Verhältnis 
zu  europäischen  resp.  deutschen  Staatswaldungen  etwa  nur  halb- 
wertig  bemessen  lässt,  was  bei  den  hohen  Preisen  der  Hölzer  nicht 
einmal  zutreffen  dürfte,  so  stehen  immerhin  noch  3,8  Mill.  ha 
Staatswaldfläche  (Alt- Japan)  in  Frage,  die  zum  mindesten  einen 
Rohertrag  von  7,6  Mill.  Fm  oder  einen  Wert  von  wenigstens 
7  Mill.  Yen  ^=  Cti.  14  Mill.  Mark  produzieren  müssten,  auch  \venn 
man  die  geradezu  unglaublichsten,  ungünstigsten  Verhältnisse  ins 
Bereich  der  Möglichkeit  zieht. 

Zur  Erzielung  des  dermaligen  Reinertrages  des  ganzen  'j ,(y 
Mill.  ha  beziffernden  Staatswaldes  in  Alt-Japan  hätte  ein  kleiner 
deutscher  Staat,  Sachsen  beispielsweise,  nur  169^  seiner  Staats- 
waldfläche nötig  gehabt. 

Bayern  hat  2  Mill.  lia  Staatswald  und  20  Mill.  Mark  =  10 
Mill.    Yen  Reinertrag. 

Dabei  weiss  ich  recht  wohl,  dass  bei  Beurteilung  der 
Reineinnahme  die  verschieden  eelaeerten  forstlichen  und  volks- 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  berücksichtigt  werden  müssen  ;  sie 
wurden  auch  gewürdigt,  aber  die  Differenzen  in  Japan  sind  so 
schreiend   wie   die   Zustände  im   Walde,  und   man   braucht   nicht 


K.    PIEFELE,    FORSTLICHE    REISEEINDRÜCKE.  167 

einmal    Forstmann    zu    sein,    um    nach    wenig    Wanderungen     die 

Notwendigkeit    und    Möglichkeit   des    Wandels    in    der    Zukunft 

unzweideutig  einzusehen. 

Die    Grunderfordernisse    dazu    gipfeln    meines    Erachtens    in 

folgenden  Punkten  : 

i)  Der  grosse  Verbrauch  von  Holz  bei  der  üblichen  Konstruktion 
der  Bauten,  der  hohe  Preis  derselben  und  die  immer  mehr 
aufkommende  Industrie  sichern  einen  dauernden  steigenden, 
gute  Preise  liefernden  Absatz,  weshalb  die  Waldwirtschaft 
auf  eine  höhere  Stufe  gebracht  werden  muss,  um  eine  Quelle 
des  Staatseinkommens  von  nennenswerter  Bedeutung  zu 
werden  und  dem  Bedürfnisse  der  holzverbrauchenden  Gewerbe 
zu  genügen. 

2)  Der  erste  Weg  zur  Besserung  ist  die  forcierte  Inangriffnahme 
der  Aufschliessung  durch  Verkehrslinien,  Wege,  Waldeisen- 
bahnen etc.  Die  Direktiven  hierzu  müssen  nach  einem 
einheitlichen,  das  ganze  Land  berücksichtigenden  Plane 
gefasst  werden. 

3)  Die  Nutzung  der  vorhandenen  Vorräte,  die  Nachzucht  der 
Wälder,  muss  in  Anlehnung  an  die  erprobten  Fundamental- 
sätze aller  Waldwirtschaften  geschehen,  selbstredend  unter 
Berücksichtigung  lokaler  Eigentümlichkeit. 

4)  Bis  zur  Erzielung  eines  für  die  Durchführung  geeigneten 
Ausführungspersonales  ist  die  ganze  Waldwirtschaft  in 
Japan  nach  den  einfachsten  Regeln,  aber  nach  den  einfachstcji 
der  Technik,  zu  leiten  unter  tunlichster  Vermeidung  bezw. 
Einschränkung  des  Grosskahlflächenbetriebes. 

5)  Erhöhte  Kontrolle  der  Gemeindewaldungen,  Wiederaufforstung 
verödeter  Hänge  im  Gebirge,  eventuell  durch  Unterstützung 
bei  Privatgründen,  ist  zum  Grundsatze  zu  machen  mit 
Rücksicht  auf  die  Wassergefahr. 

6)  Umgestaltung  des  Unterrichtes  und  insbesondere  der 
praktischen  Vorbereitung  der  jungen  Forstleute. 

Endlich  für  Hokkaido  speziell  : 

in  niinimo  Verhütung  der  Vernichtung  von  Wald  aus 
Unkenntnis,  Spielerei  oder  Rohheit  und  Meditation  über 
generelle  Hauptzüge  der  zukünftigen  Liquidierung  des 
Waldbesitzes  sowie  Neugestaltung  seiner  Waldbestockung. 

Der  Wünsche  sind  es  wenige,  aber  gewichtige,  welche  man 
vom     technischen     wie    praktischen     Standpunkte    aus     für    die 


l68  K.    IIEFELI-:,    FORSTLICHE    RELSEKINDKLCKE. 

nächste  Zukunft  des  Weildcs  in  Japan  hctj;"en  niuss,  wie  Sie 
sehen.  Möchte  nicht  zu  spät  durch  Schaden  die  Erkenntnis  in 
diesen  Landen  durchdringen,  dass  ein  in  der  Geschichte  der 
Völker  immer  mehr  gewürdigter  Satz  heisst : 

,,  Den   Wakl  zu  pflegen,  bringt  allen  Segen." 


AUS  DEM  OSTEN. 

REISEN  IN  SACHALIN,  OSTSIBIRIEN,  DER  MANDSCHUREI, 
CHINA  UND  KOREA. 


Dr.   K.    Hefele, 

K  g- 1.     B  a  .V  >••    F  o  r  s  1 111  e  i  s  t  f  i-. 


Die  Absicht,  eines  der  Japan  zunächst  gelegenen  Länder, 
Korea  oder  China,  zu  besuchen,  stand  bei  mir  schon  seit  ge- 
raumer Zeit  fest,  aliein  die  Notwendigkeit,  einen  passenden  Reise- 
genossen auf  weiten  Touren  zu  haben,  ändert  nicht  selten  die 
ursprünglichen  Pläne,  und  so  ist  es  auch  mir  ergangen. 

Nachdem  sich  ein  zu  einer  längeren  Reise  geneigter  Begleiter 
in  der  Person  eines  liebenswürdigen  japanischen  Kollegen  gefunden 
hatte,  verschoben  sich  die  Ziele  durch  gegenseitige  Konzessionen 
und  andere  Gründe,  so  dass  schliesslich  der  Schwerpunkt  in 
einen  Besuch  der  Amurregion  in  Ostsibirien  verlegt  war.  Die 
Hinreise  erfolgte  über  Nordjapan,  Hokkaido  und  Sachalin,  und  die 
Rückkehr  über  die  Mandschurei,  einen  kleinen  Teil  der  chinesischen 
Provinz  Chili  und  endlich  über  Korea  nach  Japan,  alles  in  einem 
Zeitraum  von  3  Monaten.  Der  Zirkel  war  somit  keineswegs  klein 
im  Verhältnis  zur  Zeit  und  zu  den  in  Aussicht  genommenen 
Mitteln,  aber   man  konnte    hoffen,  den  Reisezweck    zu  erreichen. 

Dieser  war  allgemein  informatorisch  gedacht  hinsichtlich  der 
zu  besuchenden  Gebiete,  um  in  ferneren  Zeiten  die  Basis  abzugeben 
für  Reisen  mit  speziellen  Zwecken  und  für  intensivere  successive 
Erforschung  der  Verhältnisse  solcher  Regionen,  die  allgemein 
wirtschaftlich  und  selbstverständlich  auch  speziell  die  Auf- 
merksamkeit des  Forstmanns  beanspruchend  gefunden  würden. 
Folgen  Sie  mir  auf  dem  einijeschlagenen  Wege  in  Gedank'en 


170  K.    IIFJ'I'ir.E,    AUS    DEM    OSTEN. 

und  \'cr/,cihen  Sic  mir,  wenn  ich  die  wirkliche  Reihenfol^^e 
einer  GHedcruni;  nach  tatsächlicher  Wichtigkeit  oder  L;ln;ge  der 
dafiir  aufij^e wendeten  Zeit  vorziehe,  wodurch  ja  nicht  i^ehindcrt 
wird,  dem  interessanten  Platze  die  längere  Betrachtung  zu  widmen. 

Das  erste  Besuchsobjekt  waren  die  Waldungen  von  Akita 
bei  Aomori,  berühmt  durch  ihren  Iveichtum  an  der  in  Japan  so 
hoch  geschätzten  Sugi  (Cr}-ptomeria  Japonica),  welcher  Nadel- 
baum das  Hauptbau-  und  Brettholz  hierzulande  repräsentieren 
dürfte. 

Vüv  die  Reise  von  Tokio  dorthin  ward  diesmal  nicht  die 
schnellste  Verbindung  nach  Aomori  gewählt,  sondern  die  bei 
dem  herrlichen  Wetter  eine  Fülle  von  landschaftlichen  Reizen 
versprechende  Küstenlinie  über  Mito  nach  Sendai,  woselbst  die 
innere  Aomori-Bahn  erreicht  und  die  Seeküste  verlassen  wird. 
Die  lusenbahn  führt  den  Reisenden  zuerst  durch  die  unendlich 
fruchtbare  Ebene  des  Kuwanto  mit  ihren  unabsehbaren,  prächtig 
saftgrün  schimmernden  und  in  Sonnenglut  sich  wiegenden  Reis- 
feldern, deren  Begrenzung  oft  durch  schmale  Säume  \'on  Perlen, 
wohl  dem  Rest  der  ehemaligen  Hau[Jt\valdbcstockung  dieser 
wasserreichen  Niederungen,  gegeben   ist. 

Die  ganze  Provinz  Schimösa,  von  der  die  Kuwanto-Ebene 
den  grössten  Teil  einnimmt,  zählt  zu  den  Reiskammern  Japans, 
ebenso  wie  z.  B.  Mino  oder  Owari  im  Süden.  Nach  einigen 
Stunden  ist  die  Seeküste  erreicht,  und  nun  wechseln  groteske 
P\'lsenpartieen  und  flachuferige  prächtige  Plsch-  und  ISadestrände 
mit  den  phantastischen,  sturmzerzausten  Baumformen  der  aus 
Schvvarzkiefern  zusammengesetzten  schmalen  Küsten  Waldungen.  In 
See  winken  die  schneeweissen  Segel  der  P^ischerbote  herüber  wie 
eine  Schar  Möven  auf  den  spiegelglatten,  azurblauen  Pluten  des 
Meeres.  Landeinwärts  sind,  je  mehr  man  nördlich  kommt  umso 
besser  die  niedrigen  Vorberge  der  das  Rückengerippe  Japans 
bildenden  Zentralketten  aus  dunstiger  P'erne  sichtbar,  weil  näher 
an  die  Seeküste  herantretend.  Die  etwas  monotone  Haradcckung 
derselben  wird  nur  hie  und  da  durch  kleine  Bestände  von  Rot- 
kiefern, Kastanien  etc.  unterbrochen,  ein  typisches  Bild  des  der 
Landwirtschaft  als  Düngerproduzent  zum  Opfer  gefallenen  Waldes 
und  eines  in  langsamer  aber  sicherer  Verschlechterung  begriffenen 
Bodenzustandes.  Wo  eben  der  Rei.sbau  seine  Heimstätte  hat,  da 
ist  dem  Walde  auf  meilenweite  P^ntfernungen  in  der  Peripherie 
des  ersteren  das  Todesurteil  gesprochen. 

Ueber  Mito  hinaus  gegen   Sendai  gestaltet  sich    die  Gegend 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  I/I 

hügeliger,  und  die  jede  feuchte  Run.se  ausnutzende  Reiskuhur 
kommt  in  den  engeren  Schkichten  und  Tälchen  zu  jener  ter- 
rassenförmigen Anbauform,  welche  eine  der  Absonderheiten  japa- 
nischer Bodenkultur  bildet  und  z.  B.  in  grösstem  Umfange  bei 
Nagasaki  im  Süden  zu  sehen  ist.  Die  berühmten  Inseln  von 
Matsushima  sind  als  Xaturschönheit  wegen  ihrer  Form  und  der 
Farbent(3ne  ihres  Bodens  im  Verein  mit  der  Lieblichkeit  der  Bai 
durch  Photographieen  als  eine  der  Hauptsehenswürdigkeiten  Japans 
so  bekannt,  dass  ich  mir  ihre  Schilderung  w^ohl  erlassen  kann. 

Von  hier  bis  Aomori  behält  die  Landschaft  in  der  Haupt- 
sache einen  hügeligen  und  bergigen  Charakter  bei,  denn  bald 
nach  dem  Verlassen  von  Sendai  wendet  sich  die  Bahn  von  der 
Küste  dem  Innern  des  Landes  zu,  bis  endlich  einige  bestimmter 
ausgeprägte  höhere  vulkanische  Berggipfelformen  des  Hakköda- 
san  und  des  neiloidischen  Iwakiyama,  des  ,,  Tsuruga  Fuji  ",  wie 
er  wegen  der  Aehnlichkeit  mit  seinem  unübertroffenen  Kollegen 
und  Rivalen  im  Süden  genannt  wird,  das  Landschaftsbild,  in  dem 
das  etwas  unansehnliche  Aomori  gelegen  ist,  prägnanter  und 
belebter  gestalten.  Jenseits  der  stets  unruhigen  See  der  Tsuruga- 
.strasse  Hegt  die  Insel  Yezo  oder  Hokkaido  in  feinem  Morgen- 
schleier, und  ihr  Locken  blieb  nicht  unerhört,  wir  haben  sie  bald 
darauf  besucht. 

Zunächst  brachten  uns  einige  Stunden  weiterer  Bahnfahrt 
nach  Odate,  einer  der  Stationen  von  Akita,  der  auf  der  N.  W. 
Seite  Japans  gelegenen  Hauptstadt  des  Kens  (Regierungsbezirks) 
gleichen  Namens,  und  damit  war  der  Platz,  von  dem  aus  die 
Sugiwaldungen  der  Provinz  Akita  besucht  werden  sollten,  erreicht. 
Die  Flächen  in  bergigem  Terrain,  welche  von  den  Sugibeständen 
dort  in  grösseren  zusammenhängenden  Komplexen  eingenommen 
werden,  schätzt  man  auf  ca  500.000  ha,  wenn  ich  auch  auf 
Grund  von  Frfahrungen  der  Ansicht  zuneige,  dass  1-200.OOO 
ha  der  Wahrheit  näher  kommen  mögen  als  die  erstgenannte, 
etwas  zu  stolze  Ziffer. 

Wie  im  Utimappe-Walde  bei  Aomori,  so  hat  man  auch  hier 
einen  Rest  massierter  Staatswaldungen,  deren  Nutzung  und 
Neuverjüngung  ganz  besondere  Beachtung  verdient,  da  ja  sonst 
mit  wenigen  Ausnahmen  der  Staatswaldbesitz,  seine  Wirtschaft 
und  seine  Rente  in  gleichem  Masse  unter  der  geringen  speziellen 
Grösse  der  Teile  wie  unter  Zerstreutlage  und  Abgelegenheit  vom 
Verkehre  zu  leiden  haben. 

Handelt    es    sich    im    Utimappe-Walde    um     die     geschätzte 


1/2  K.    llKrELK,    AUS    [.W.M    OSTEN. 

Thujopsis  dolabrata,  so  haben  wir  liier  den  Xutzholzhauni  /)ar 
exccUcncc  \o\\  Japan,  die  Suf:^i  (Cr\'ptomeria  Japoniea)  vor 
uns.  Ich  habe  schon  erwäluit,  dass  sie  das  Material  für  die 
Konstruktionshölzer  beim  Hochbau  in  Ja[)an  liefert,  wie  sie  auch 
als  Brettware  und  tür  Schreiner-  und  Böttchergewerbe  um- 
fangreichste Verwendung  findet.  Der  feine  rötliche  Ton  des 
breiten  Kernes  (an  Lärche  erinnernd),  die  leichte  Bearbeitbarkeit 
durch  Handwerkzeuge,  \\'\c  Säge,  Axt,  Stemmeisen,  als  Folge 
der  geringen  Härte,  machen  sie  dem  Ja[)aner  besonders  lieb  ; 
von  europäischem  Standpunkte  aus  würde  man  sie  zweifellos 
nicht  höher  bewerten  als  die  Tanne.  Die  Rinde  liefert  schliesslich 
noch   Dachdeckmaterial  geschätzter  Art. 

Die  Erhaltung  einer  solchen  Waldmasse  ist  der  mächtigen 
Faust  des  früheren  Feudalherrn  (Daimyo)  von  Akita  zu  ver- 
danken, der  gleich  jenem  \-on  AooK^ri  (Utimappe-Wald)  energisch 
die  Zerstörungsgelüste  der  habgierigen  oder  unvernünftigen  Nutz- 
niesser  in  entsprechender  Unterordnung  zu  halten  wusste.  Die 
eigentliche  Bewirtschaftungstechnik  stand,  wie  überhaupt  zu  alter 
Zeit  in  ganz  Japan,  auf  keiner  hohen  Stufe,  sie  beschränkte  sich 
hier  auf  das  Verbot,  dass  die  Bauern  nichts  ausser  dem  Laubholz, 
wie  es  sich  in  reichem  Masse  den  lockeren,  ja  oft  beinahe 
verlichteten  Sugibeständen  beigemischt  findet,  'zu  ihrem  Gebrauche 
hauen  durften.  Die  Sugibestände  sind,  forsttechnisch  gesprochen, 
nicht  gerade  als  schön  anzu.sprechen,  da  sie  sich  aus  lockeren 
Gruppen  und  Horsten  sehr  ungleichen  Alters  aufbauen.  Infolge 
des  Aushauens  der  die  Verbindung  zum  kompakten  Walde 
liefernden  zwischen-und  unterständigen,  stellenweise  horstartige 
Form  annehmenden  Laubhölzer,  wie  Buchen,  blattwechselnde 
Kichen,  Kastanien  und  andere  Bäume  und  Sträucher,  mögen 
diese  Sugigruppen,  -Horste  und  -Bestände  in  den  \'erschiedenen 
Altersperioden  eine  wiederholte,  oft  recht  weitgreifende  und  lang 
andauernde  J'^reistellung  erhalten  haben,  welche  weder  im  Sinne 
von  Astreinheit  noch  bedeutender  Längenentwicklung  wirken 
konnte.  Der  Mangel  jeder  erziehenden  Massregel,  wie  Reinigung 
und  Durchforstung,  half  die  ungünstige  Seite  verstärken,  so  dass 
neben  schönen  Stämmen  eine  grosse  Uebermacht  zwar  massigen, 
oft  überalten,  aber  auch  schlechtformigen  und  astigen  Sugi- 
materials  sich  findet.  Langholz  oder  auch  nur  längeres  Bloch- 
liolz  auszuhalten  ist  in  der  Hauptsache  \vegen  der  grossen 
Astigkeit  unmöglich,  und  nur  der  Umstand,  dass  eben  von  Sugi 
jedes    Stück    von    jeder,    auch    sehr    geringen    Länge    und    \'ün 


K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  1/3 

iedem  Durchmesser  als  Nutzholz  zu  Schind^^ln,  Brettern  etc. 
verwertet  werden  und  auf  Absatz  rechnen  kann,  maclit  diese 
Walduncfen  so  wertvoll.  Gelinirt  es  der  neueren  Forstwirtschaft, 
der  ungezügelten  Natur  durch  ihre  Kunst  die  rechten  Wege  zu 
weisen,  so  wird  Masse,  Form  und  Wert  auf  eine  erheblich  höhere 
Stufe  zu  bringen  sein.  Was  von  Wirtschaft  aber  zu  bemerken  ist, 
trägt  ähnlich  wie  im  Utimappe-Wald  den  Stempel  des  halbernsten 
Versuchs  und  des  Hin-  und  Herschwankens  zwischen  Meinungen, 
denen  die  richtige  wissenschaftliche  und  namentlich  praktische 
Erziehungsbasis  fehlt,  um  sicher  und  unentwegt  den  nach  Lage 
der  Umstände  unzweifelhaft  klaren  Weg  zu  gehen. 

Neben  Kahlhieben,  welche  wohl  der  Periode  nach  Aufhören 
der  Feudalherrschaft  (1868)  angehören  mögen  und  natürlich, 
weil  ohne  Kultur  gelassen,  zur  //ara  wurden,  findet  man  dann 
die  ,,  Plenter  "-epoche,  d.h.  die  ,,  natürliche  Verjüngung",  klein- 
und  grosshorstig  versucht,  und  nach  begreiflichem  Misserfolge 
endlich  den  Kahlhieb  mit  künstlicher  Nachpflanzung. 

Mit  keiner  wirtschaftlichen  Nutzungs-  und  Verjüngungsart 
wird  in  Japan  eben  mehr  Missbrauch  getrieben  als  mit  diesen 
beiden  Namen:  „Plenterwirtschaft"  und  ,,  natürliche  Verjüngung". 
Ich  kann  das  Bestreben  verstehen,  auf  das  ,,  Neueste  und  Feinste  " 
der  europäischen  Waldwirtschaft  zurückzugreifen,  aber  ohne  die 
nötigen  Voraussetzungen  muss  der  Erfolg  unzweifelhaft  ein 
negativer  sein.  Natürliche  Verjüngung  und  richtiger  Plenterhieb 
sind  die  Resultate  eines  feinsten,  auf  langjährig  wohlerprobtem 
Fundament  von  Wissenschaft  und  Erfahrung  sowie  eines  speziell 
dazu  erzogenen  Personals  aufgebauten  Betriebs,  und  der  Akita-Sugi 
wie  der  Utimappe-Asunaro-Wald  bei  Aomori  liefern  den  deut- 
lichsten Beweis,  dass  ein  zielloses  Löcherhauen  mit  dem  Plenter- 
hiebe ebenso  wenig  gemein  hat  wie  verbuttete  und  überalte 
Vorwüchse  mit  natürlichen  Verjüngungshorsten.  Die  Grösse 
der  in  Frage  kommenden  Flächen,  die  Unklarheit  der  Begriffe, 
die  riesige  Unkrautentwicklung  im  Walde,  die  mangelnde  Pflege  der 
angehauenen  Bestände,  das  für  solche  Zwecke  nicht  ausreichende, 
auch  wohl  vielfach  unverwendbare  Personal  an  Holzarbeitern, 
Förstern  etc.,  ja  die  Unerfahrenheit  in  den  besprochenen  Ver- 
jüngungsarten überhaupt  führen  auf  die  einzige  derzeitig  praktische 
Nutzungsmöglichkeit:  Saumhieb  im  Berglande,  und  zwar  meist 
Kahlhieb  mit  nachfolgender  nicht  zu  dünner  Pflanzung. 

Die  Bringbarkeit  des  anfallenden  Materials  zu  Land  und  zu 
Wasser  (Noshirogawa  und  Seitenflüsse)  aus  den  Schlagregionen  ist 


1/4  K.    HEFKLE,    AUS   DEM    OSTEN. 

in  den  Akita-Waldungcn  zum  grossen  Teil  vorhanden  oder  muss 
geschaffen  werden,  und  der  steigende  Preis,  der  jetzt  pro  fm  ca 
3  Yen  =  6  Mark  beträgt,  wird  eventuellen  Aufwand  reichlich 
lohnen.  ])ie  Detaillierung  der  verschiedenen  Gründe,  warum  zur 
Zeit  die  natürliche  Verjüngung  und  der  Plenterhieb  in  Japan 
unmöglich  sind,  würde  eine  eigene  Schrift  füllen.  Ich  verweise 
den  Interessenten  auf  meinen  demnächst  in  der  Zeitschrift  des 
japanischen  P'orstvereins  erscheinenden  Artikel  „Ueber  Wirtschafts- 
formen im  japanischen  Walde  ". 

Auf  dem  Rückwege  fesselte  eine  kühne  P'örderanlage  mein 
Interesse.  Zum  Transport  von  Erz  war  von  einem  etwa  5  km 
landeinwärts  im  Berglande  gelegenen  Schmelzwerke  eine  Draht- 
seilrei.se  mit  Unterstützung  gebaut,  die  in  unserer  Sichtweite- 
drei Bergrücken  nacheinander  überwand  und  dabei  freie  Spann- 
weiten mitunter  bis  zu  400  oder  500  m  aufwies.  Das  Metall  wird 
auf  den  P^örderschalen  zur  Bahnstation  gebracht,  und  rücklaufend 
nehmen  dieselben  Schalen  die  in  Säcke  gefüllten  Kohlen  zum 
Betrieb  des  Schmelzwerkes  mit  sich.  Der  Antrieb  des  Zugseiles 
erfolgt  von  der  Schmelze  durch  Dampfkraft. 

Der  sich  an  diese  Waldexkursion  anschliessende  Besuch 
eines  grossen  Holzhofes  in  Noshiro  an  der  Mündung  des 
aus  dem  Herzen  der  Akita- Waldungen  kommenden  Noshirogawa, 
eines  60-80  m  breiten  und  zur  Zeit  der  Schneeschmelze  oder 
Regengüsse  in  seinem  .sandigen  Bette  grosse  Wassermassen 
dahinwälzenden  Stromes,  lieferte  einen  weiteren  Beweis  für  die  im 
allgemeinen  sehr  auf  Mittelmässig  gestimmte  Form  der  getrifteten 
kurzen  Blochhölzer  von  Sugi.  Trotzdem  ist  alles  Nutzholzsor- 
timent. Eine  grosse  moderne  Sägemühle  in  Noshiro  war  die 
erste  grosse  Einrichtung  dieser  Art,  die  mir  in  dieser  I^ianche 
in  Japan  zu  Gesichte  kam.  Das  Plscherdorf  Noshiro  bietet 
kaum  etwas  Interessantes  und  verdankt  seine  freundliche,  reinliche 
Aussen-  und  Innenseite  den  Neubauten,  welche  vor  einigen 
Jahren  nach  einem  grossen  Schadenfeuer  errichtet  wurden. 

Eine  mehrstündige  Fahrt  brachte  uns  gegen  Abend  zu  dem 
Ausgangspunkte  der  Tour,  Aomori,  zurück,  und  melancholisch 
hob  sich  der  Tsuruga-Fuji  vom  blauschwarzen,  von  einem  goldigen 
Saum  der  untergehenden  Sonne  begrenzten  Himmel  ab,  als  wir 
Hirosaki  passierten. 

Bei  wundervollem  Wetter  wurde  mit  dem  filiigen  Steamer 
alsdann  Hakodate  und  Otaru  in  Hokkaido  ancrelaufen.      Die  Fahrt 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  1/5 

um  die  S.  W.  Landzunge  Hokkaidos  herum,  zwischen  Hakodate 
und  Otaru,  ist  zwar  nicht  zu  vergleichen  etwa  mit  jener  der  In- 
landsee, ist  aber  trotz  der  grösseren  Einfachheit  und  der  etwas 
vordringlichen  Masse  des  festen  Landes  von  ausserordentlich 
anziehendem  Reize,  „  ruhiger  "  als  die  um  ihrer  Schönheit  willen 
so  berühmte  Lilandsee  mit  ihren  ewig  hin-  und  herhastenden 
Dampf-  und  Segelschiffen.  Ueber  die  Brandung,  welche  als 
weisser  Strich  scharf  vom  dunklen  Meere  sich  abhebt,  türmt 
sich  die  gebirgige  Festlandmasse  mit  ihren  grotesk  zerrissenen 
Felsenufern  in  die  Höhe  und  zeichnet  nunmehr  gegen  Abend  am 
dunkelnden  Himmel  die  uns  mehr  familiäre  Form  langwelliger 
Höhenzüge,  nicht  ohne  durch  einige  scharfe  Auszackungen  der 
fliessenden   Linie  die  vulkanische  Ursprungsnatur  zu  verleugnen. 

In  schmalen  fjordartigen  Buchten  der  wilden  Küste  nisten 
kaum  erkennbar  kleine  Fischerdörfer,  und  vom  Lande  losgewaschene 
trotzig  ragende  Klippen  im  Meere,  scheinbar  weit  weg  von  ihrem 
Ursprung,  bilden  seltsame  Naturbogentore.  ,  Die  Steilufer  entfalten 
ein  Farbenspiel  ihrer  nackten  Felsen  vom  tiefsten  Rot  bis  zur 
feinsten  Nuance  in  Schwachgelb  und  Braun,  und  je  mehr  die 
Sonne  hinter  uns  dem  Horizont  sich  nähert,  desto  zarter  sind 
diese  Lichter,  desto  wirksamer  flir  das  Auge  verschmilzt  der 
anfanglich  etwas  grelle  untere  Rand  des  Ganzen  mit  dem  tiefen 
Ton  der  nach  oben  sich  anschliessenden  dunkelgrünen  Hara  der 
Berge,  und  die  letzten  Strahlen  des  Tagesgestirnes  überziehen 
wie  mit  goldig  schimmerndem  feinsten  Schleier  das  prächtige 
Landschaftsbild. 

Otaru  ist  in  zwanzigstündiger  Fahrt  von  Hakodate  erreicht, 
eine  grosse  geschäftige  Stadt  mit  weitem,  grossem  Hafen,  und 
der  ,,  Fisch",  wie  die  Leute  am  Amur  in  Sibirien  sagen,  bildet 
nebst  Fischöl  und  gesalzenem  und  geräuchertem  Lachs  in  Form 
von  Fischdünger  (Hering)  den  Hauptexportartikel. 

Das  Gefühl,  der  um  diese  Jahreszeit  (Juli)  drückenden  Hitze 
von  Tokio  entflohen  zu  sein,  ist  an  einem  von  frischer  Brise 
belebten  kühlen  Sommertagsmorgen  hier  ein  doppelt  wohl- 
tuendes. 

Sapporo  einige  Stunden  landeinwärts  in  der  Mündungsebene 
des  Ishikarigawa,  eines  der  Hauptauslässe  der  Produkte  Hokkaidos 
aus  dem  Innern  zur  Westküste,  lehnt  sich  freundlich  malerisch 
auf  der  S.  W.  Seite  an  bergiges,  bewaldetes  Terrain  an.  Sitz  der 
Regierung    und    verschiedener    Bildunijsanstalten    mit    hübschem 


176  K.    HEl'KLE,    AUS    DEM    OSTEX. 

botanisclicn  Crarten,  mit  einem  liochinteressanteii  kleinen  Natu- 
ralienmuseum  (der  Flora,  Iviuna  etc.)  von  liokkaicio  ist  wohl 
jedem  Hokkaidoreisenden  bekannt  und  einen  Besuch  auch 
Wohl   wert. 

Die  Absicht,  einen  Abstecher  in  einen  grossen  Forstkomplex 
der  ja[)anischcn  Hofforstverwaltuny;  zu  machen,  wurde  auch  aus- 
geflihrt  und  zwar  zu  Pferde,  da  I  lokkaidostrassen  und  gewöhnliche 
Hokkaidowagen  eine,  wie  ich  aus  \'ielfacher  Erfahrung  bestätigen 
kann,  nur  zu  begründete  Berühmtheit  oder  besser  Berüchtigtkeit 
haben.  Vor  ein  unendlich  schmutziges  omnibusartiges  Vehikel 
mit  20  cm  breiten  langsseitigen  Sitzbrettern  und  einem  auf  8  Per- 
sonen berechneten  Rauminhalte,  den  drei  Europäer  von  einiger 
Statur  mit  Leichtigkeit  ausfüllen,  ist  ein  struppiger  kleiner  Ponny 
gespannt,  und  unter  Peitschenknall  und  Zuruf  des  P'ührers  zerrt 
das  kleine  Pferd  den  Ka.sten  in  markerschütterndem  Trapp  durch 
die  15-50  cm  tiefen  und  in  regelmässigen  Abständen  einiger 
Meter  sich  wiederholenden  Löcher  der  natürlich  jeden  Unterbaues 
und  Unterhaltes  entbehrenden  Strasse.  Wehe  dem  Europäer  von 
Durchschnittsgrösse,  der  vor  solcher  lugenart  nicht  in  P^rgeben- 
heit  sein  Haupt  dauernd  senkt  oder  seine  Verankerung,  wie  man 
das  krampfhafte  P^inhalten  mit  Händen  und  P^üssen  nennen 
möchte,  unvorsichtig  lockert,  sein  Kopf  wird  sich  alle  Augenblicke 
mit  dem  niederen  Dache  des  Wagens  in  empfindlichster  Weise  in 
Berührung  gebracht  sehen.  Man  kann  sich  nur  wundern,  dass. 
v^erhältnismässig  selten  ein  Wagen  umstürzt,  aber  sicherlich  sind 
längere  Fahrten  in  solchen  Omnibussen  ein  ausgiebiges  Aequivalent 
flu"  etwa  begangene  Sünden  mehrerer  Jahre. 

Der  Weg  nach  diesen  P^jrsten  von  Jösankei  nun  führt  bald 
hinter  Sapporo  den  Taihira,  einen  Nebenfluss  des  Lshikarigawa, 
entlang,  der  hier  in  vielgewundenem,  allmählich  sich  verengerndem 
Hochtale  dahinfliesst.  Die  Scenerie  wird  von  Kilometer  zu 
Kilometer  anmutiger,  hübscher  und  wildromantischer.  Die  mit- 
telhohen Berge  (500-700  m)  zeigen  grünes  Vegetationskleid  aus 
unregelmässiger,  etwa  einer  Art  Mittelwald  gleichender  Laubholz- 
bestockung  \^on  Buchen,  Eschen,  Ulmen,  Pappeln,  Birken, 
Weiden,  Cercidophyllum  etc.  mit  einiger  Beimischung  von  Tanne 
(Abies  Momi)  und  P^ichte  (Picea  Sachaliensis).  Der  Wald  hat,  je 
weiter  man  das  Bergtal  aufwärts  kommt,  desto  mehr  Beimengung 
von  Nadelholz  (Tanne  und  Fichte),  und  wäre  die  Höhenerhebung 
des  Berglandes  eine  bedeutendere,  so  würden  zweifellos  reine 
Nadelholzforste,  der  klimatischen  Lage  entsprechend,  angetroffen 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  IJJ 

werden.  Obgleich  die  Besiedelung  der  g-enannten  Gegend  vorerst 
noch  recht  spärHch  ist,  so  hat  sie  doch  schon  den  Fkich  so 
vieler  Hokkaidowaldungen,  das  Feuer,  mit  sich  gebracht,  und 
es  ist  kein  seltener  Anblick,  dass  auf  ganzen  Bergseiten  die 
geschwärzten  abgestorbenen  Stämme  wie  anklagend  ihre  laub-  und 
nadellosen  Aeste  zum  Himmel  strecken,  eine  schrille  Disharmonie 
an  diesem  lachenden  Morgen.  Zweifellos  ist  auch  die  vorherrschende 
Laubholzbestockung  in  allen  mehr  bewohnten,  gegen  Sapporo 
zu  gelegenen  Teilen  nur  den  Vernunft-  und  zwecklos  entfachten 
Bränden  zuzuschreiben,  soweit  nicht  schon  \'orher  eine  der  berüch- 
tigten ,,  Plenterungen "  das  halbwegs  brauchbare  Tannen-  und 
Fichtenholz  entnahm.  Sei  dem  wie  immer,  hätte  der  Wald 
Ruhe  vor  dem  nutzlosen  Brennen,  er  würde  zweifellos  in  seinem 
Nachwüchse  mehr  des  so  sehr  begehrten  Nadelholzes  aufweisen. 
Ich  habe  seinerzeit  in  meinem  Vortrage  über  eine  frühere  Reise 
im  Zentrum  von  Hokkaido  darauf  hingewiesen,  wie  man  wohl 
verstehen  kann,  dass  der  W'ald  dem  Ackerbau  weichen  müsse, 
wo  der  Mensch  den  Boden  für  eine  andere  Kultur  benötigt, 
wie  es  aber  ewig  rätselhaft  bleiben  wird,  welchen  vernünftigen 
Grund  das  alljährliche  Anzünden  des  Bodenüberzugs  und  damit 
des  Waldes  haben  soll  auf  Plätzen,  die  in  keiner  Weise  vom 
Ansiedler  zu  irgend  welchem  Zwecke  benötigt  werden.  Zer- 
störungswut, Spielerei  und  Gedankenlosigkeit  mögen  einen 
hervorragenden  Anteil  daran  haben,  aber  die  durch  keinerlei 
energische  Aufsicht  und  exemplarische  Bestrafung  von  über- 
führten Personen  gehemmte  Vernichtung  schätzbarer  Güter  der 
Natur  wird  dereinst  sehr  schmerzlich  empfunden  werden.  War- 
nende Beispiele  glaube  ich  Ihnen  später  aus  den  Amurgegenden 
in  Sibirien  anführen   zu  können. 

Ein  siebenstündiger  Ritt  hatte  uns  dem  Endpunkte  der 
ins  Auge  gefassten  Exkursion,  einem  kleinen,  sehr  ländlichen 
Schwefelbade  Jösankei  zugeführt,  und  wer  Einfachheit,  Ruhe 
und  Waldfrieden  liebt,  dem  sei  in  guter  Jahreszeit  ein  kürzerer 
Aufenthalt  dort  geraten.  Auf  Komfort  und  besondere  Küchen- 
ansprüche wird  er  freilich  verzichten  müssen.  Der  klare  Bergbach 
enthält  P'orellen,  und  in  den  Waldungen  findet  sich  reichlich 
Wild :  Shika,  Bären,  Hasen  etc.  Eine  Flinte  kann  man  sich 
ja  jederzeit  von  den  Bauern  entlehnen,  wie  mir  der  Förster 
treuherzig  zur  Antwort  gab,  als  ich  ihn  über  die  Ursache 
des  gänzlichen  p^ehlens  dieses  dem  deutschen  P'orstmann  so 
unentbehrlichen    Ausrüstungsgegenstandes   bei    ihm    interpellieren 


178  K.     IIKI'EI.E,    ALS    1)1:M    OSTEN'. 

licss,  und  dabei  sind  diesen  ]^etriebs\-oIIzui;"sorganen  15-20.OOO 
lia  Fläche  /.ur  Kontrolle  unterstellt.  Die  Nutzung;  des  ca  35.000 
ha  grossen  l-'"orstes,  in  dessen  Herzen  eben  Jösanlcei  liegt,  besteht 
in  einem  y\uszug  des  zu  l^locliholz  tauglichen  Tannen-und 
Fichtenholzes,  untl  es  mögen  auf  dem  Taihira  jfdirlich  bis  zu 
10.000  fm  nach  Sapporo  getriftet  werden. 

Reichlich  die  Hcälfte  des  Wertes  des  Holzes  loco  Sapporo 
wird  durch  die  Triftkosten  {yow  Jösankei  allein  aus  schon) 
aufgezehrt,  und  wenn  man  die  Kosten  der  Zubringung  zum 
Bache  bei  Jösankei  noch  hinzurechnet,  so  mag  die  Rente  der 
-dortigen  Waldungen  eine  recht  magere  sein.  Je  mehr  das 
Nadelholz  durch  diese  Auszugsnutzungen  und  das  Feuer  in 
Abnahme  begriffen  ist,  desto  sch\vieriger  und  kostspieliger  wird 
sich  zudem  später  die  Ueberführu.ng  dieser  zu  vorherrschendem 
Laubwald  gewordenen  Forste  in  nutzbringendere  Bestockungs- 
und Wirtschaftsformen  gestalten. 

Der  Landtransport  spielt  bei  den  miserablen  Wegen  und 
den  vielen  halbzerfallenen,  löcherigen  Brijcken,  welche  man 
passiert,  für  Holz  wenigstens  keine  besondere  Rolle.  Steine  aus 
einem  halbwegs  gelegenen  Sandsteinbruche  werden  zwar  viel 
durch  Wagen  nach  Sapporo  gebracht,  aber  nur  der  relativ  hohe 
Wert  derselben  macht  dies  möglich. 

Die  Tierquälerei  auf  diesen  sogenannten  Strassen  ist  ein 
widerlicher  Anblick, 

Ungern  bin  ich  aus  der  l^uhe  des  Waldes  zurückgekehrt 
zum  lebhaften  Treiben  in  Sapporo  und  von  hier  zum  Einschiffungs- 
hafen für  Sachalin,  Otaru.  An  Bord  des  nach  Sachalin  bestimmten 
Schiffes  wurde  uns  von  der  Reisegesellschaft,  meist  kleine  japa- 
nische Kaufleute,  Fischer  etc.,  viel  von  der  Rigorosität  russischer 
Behörden  und  der  Unsicherheit  auf  Sachalin  erzählt,  während 
der  Steamer  bei  herrlichem  Wetter  ausserhalb  des  Hafens  von 
Otaru  alsbald  seinen  Kurs  nördlich  nahm.  Gegen  Abend  Avar 
man  in  mehr  oder  minder  nebeliges  Wetter  geraten,  das  als 
regelmässige  Erscheinung  während  ■'/■»  ^^•'^  ganzen  Jahres  anzu- 
sehen ist,  je  mehr  man  sich  Sachalin  nähert.  Am  anderen 
^lorgen  ist  durch  den  leichten  Nebel  waldbedecktes  Land 
hügeligen  Charakters  wahrzunehmen,  und  als  gegen  Mittag  das 
Wetter,  sich  aufklärend,  eine  weitere  Fernsicht  erlaubt,  da  sind 
wir  bereits  tief  in  der  Bai  von  Aniva  und  nfiliern  uns  rasch 
dem    unscheinbaren    Küstenorte    Korsakoff  auf  Sachalin. 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  1/9 

Deutlich  heben  sich  die  hellgrauen  Häuser  ab  vom  dunklen 
Hintergründe  waldbedeckten  Terrains,  das  sich  in  unabsehbare 
Ferne  nordwärts  zu  erstrecken  scheint,  während  die  Steilufer  der 
felsigen  Küste  eine  scharf  helle  Accentuierung  der  Basis  des 
etwas  düsteren  Gesamtbildes  formen. 

Mit  begreiflicher  Spannung  erwartete  man  die  Abwickelung- 
verschiedener  Formalitäten,  nachdem  die  Anker  fielen,  um  an 
Land  zu  gehen.  Beim  Betreten  des  Landungssteges  empfing  uns 
ein  vom  japanischen  Konsul  entgegengesandter  Wagen,  und  in 
sausendem  Galopp  ging's  durch  eine  staubige,  pflasterlose  Strasse 
den  kleinen  Hügel  hinan,  auf  dem  das  Konsulat  steht.  Das  massiv 
hölzerne  Blockgebäude  mit  seinen  weissen  Fensterrahmen  und 
dem  freundlichen  kleinen  Garten  um  dasselbe  wirken  nicht  minder 
anheimelnd  wie  die  geradezu  riesigen  Oefen  in  den  Zimmern, 
\vclche  ihren  berechtigten  Wert  durch  ihre  Dimensionen  eindring- 
lichst zu  betonen  scheinen.  Der  russische  ,,  tsai  "  (Tee,  in  Gläsern 
getrunken  und  auf  dem  Samovar  bereitet)  .spielt  dieselbe  Rolle 
eines  gastfreundlichen  Litroduktions-oder  Generalbindegliedes  für 
den  fliessenden  Fortgang  der  Unterhaltung  wie  sein  Bruder 
,,  O  cha  "  in  Japan.  Die  Quantitäten,  welche  davon  von  Russen 
untertags  eingenommen  werden,  steigern  sich  bis  zu  25  und  30 
Glas  (ä  ^  liter),  je  nach  Laune  und  Temperatur.  V^om  Kon- 
sulate hat  man  einen  ziemlich  guten  Ueberblick  über  einen  Teil 
von  Korsakoff,  das  etwa  folgendermassen  sich  präsentiert. 

Ein  gegen  das  Meer  sich  senkender  talförmiger  Hügel- 
abhang ist  durch  einen  Mittelrücken  gleichen  Verlaufes  in  zwei 
Teile  gespalten,  in  deren  Grund  die  beiden  Hauptsträsschen  von 
dem  schmalen  Verbindungsstreifen  an  der  Küste  ziemlich  steil 
bergan  fahren.  Die  Häuser  sind  dadurch  in  der  Form  eines 
lateinischen  U  gruppirt,  das  seine  Rundung  dem  Hafen  zuwendet, 
und  die  spärliche  Bedeckung  des  trennenden  Rückens  mit  Ge- 
bäuden liegt  wohl  daran,  dass,  solange  Platz  vorhanden  war,  die 
geschütztere  Tieflage  aufgesucht  wurde.  Ringsum  auf  freiem 
Grunde  finden  sich  die  armseligen  Aecker  der  Strafkolonisten 
und  Wald,  d.  h.  eine  Wildnis  von  Baum-  und  Straucharten  als 
Rest  der  ehemaligen  Waldbestockung  nach  unzähligen  Brandver- 
wüstungen. 

Korsakoff  ist  die  Hauptstadt  eines  der  drei  Polizeibezirke,  in 
die  Sachalin  vom  Verwaltungsstandpunkte  geteilt  i.st,  nämlich 
Alexandrowsk,  Duinow.sk  und  Korsakoff  I^ie  Insel  Sachalin 
selbst    bildet    einen    Teil    von     Sibirien    und    zwar    des    Amur- 


l80  K.    HEFF.r.E,    AIS    DEM    OSTEN". 

Grenzlandes,  welches  dem  Generalgouvernement  in  Habarovsk 
untersteht.  Ursprünglich  im  Besitze  von  Japan,  wurde  es  durch 
Vertrag  im  Jahre  1<S75  \'on  Russland  gegen  die  Kurilen  ein- 
getauscht und  später  als  I-Lxilstation  für  schwere  \^erbrecher 
bestimmt. 

Die  Hauptstadt  Sachalins,  Alc.xandrowsk,  an  tlcr  Bai  von 
Ca.stri  gelegen,  zählt  heute  lo.ooo  Einwohner.  Ihre  Gründung 
(1853)  verdankt  sie  dem  tapferen  und  unerschrockenen  russischen 
Kapitän  Nevelski.  Dieser  energische  Alann,  welcher  die  In- 
tention des  damaligen,  um  die  Erforschung  des  Amur  und  seiner 
Machbarländer  so  verdienten  Generalgouverneurs  Aloraviov  aus- 
führte, umfuhr  die  Nordküste  Sachalins,  stellte  die  Mündung  des 
Amur  fest  und  wies  die  Vermutung,  dass  Sachalin  eine  Insel 
sei,  als   zu   Recht  bestehend  nach.'^ 

Die  jüngste  Zeit,  welche  Russland  in  engere  I^^ühlung  mit 
dem  Pacific  durch  die  sibirische  Eisenbahn,  Port  Arthur,  Wladivo- 
stock  etc.  brachte,  involviert  eine  weitere  Epoche  des  Aufschwungs 
für  das  Amur-Grenzland  und  Sa' haiin.  Durch  djn  Mangel  an 
genügender  Kohle  in  dem  östlichsten  Sibirien  hat  man  ein 
intensiveres  Augenmerk  auf  die  zweifellos  vorhandenen  Schätze 
an  diesem  wertvollen  ^^lineral  auf  Sachalin  gericlitet.  l^s  war 
schon  seit  1S59  das  Vorkommen  von  Kohle  auf  Sachalin 
bekannt  und  auf  mehreren  Plätzen  nachgewiesen.  Zwei  Bergwerke 
nahe  Doue  förderten  bisher  ein  Quantum  sehr  guter  Kohle  von 
ca  I  Mill.  pud  =  400  000  Zentner  und  genügten  dem  Bedürfnisse 
von  Marine  und  Handelsschiffen  in  den  dortigen  Gewässern. 
Die  beabsichtigte  Verbindr.ng  dieser  Minen  unter  sich  durch  eine 
Schmalspurbahn  und  die  .Schaffung  eines  sichern  Hafens  in  deren 
Nähe  wird  dort  eine  Kühlenstation  ersten  Ranges  in  näch.ster 
Zeit   entstehen   lassen. 

Die  eingehende  Untersuchung  des  Bodens  in  Sachalin  hin- 
sichtlich des  Reichtums  an  Naphtha,  Gold,  Kupfer  und  silber- 
haltigem Blei  mag  vielleicht  die  Zukunft  Sachalins  noch  in 
ungeahnter  Weise  beeinflussen  für  den  P'all,  dass  die  an  das 
bekatuite  Vorhandensein  der  genannten  Alineralien  geknüpften, 
einstweilen  wohl  noch  nicht  allseitig  sicher  genug  fundierten 
Hoffnungen  sich  erfüllen.     Manche   neigen  sogar  zu  der  Ansicht, 

*  Silieria  und  the  (Ircal  .Siheri.ui  Railway,  tiy  ilie  DeiJarimeni  of  Tratle  and 
Manufacturcs  Mini.'-lry  of  J-'inai.C;.  St.  I'clersburi;  1S93.  Translaiecl  by  J.  M.  Crawford. 
p.   14.  ff. 


K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN'.  l8l 

■class  sich  hier  vielleicht  ein  zweites  Jahrtausende  lang  im  Alärchen- 
schlafe    gelegenes  Alaska  finde. 

Bis  zu  einem  gewissen  Grade  wird  diese  Ansicht  untcrsti^itzt 
durch  die  Aehnlichkeit  der  gefundenen  Mineralien.  Vulkanische 
Felsen,  Basalte  etc.  bilden  den  Grundstock  der  auf  Sachalin 
vorhandenen  in  ziemliche  Höhe  aufragenden  Bergzüge.  Der 
Umstand,  dass  die  so  nahe  gegeni^iber  liegenden  ebenso  steilen 
Höhenzüge  der  mehr  erforschten  ostsibirischen  Küste  sowohl 
nach  Form  Avie  geologischem  Ursprünge  verschieden  sind  \-on 
jenen  auf  Sachalin,  berechtigt  zu  der  Ueberzeugung,  dass  v^on  der 
Armut  an  bestimmten  wertvollen  ^Mineralien  auf  der  Festland- 
küste keineswegs  ein  Schluss  auf  ähnliche  Verhältnisse  in  Sachalin 
sezogen  werden  darf 

Kehren  wir  zurück  zu  unserm  Ausgangspunkte   Korsakoff. 

Von  seinen  ungeföhr  i.ooo  Einwohnern  sind  ca  800  schwere 
Verbrecher,  welche,  wie  man  mir  sagte,  zum  Teile  eine  Strafzeit 
bis  zu  4  Jahren  in  Ketten  und  unter  Aufsicht  in  bestimmten 
Gefangenenhäusern  zubringen,  wo  sie  Zwangsarbeiten  verschiedener 
Art  verrichten  müssen.  Nach  Verbüssung  dieser  Strafzeit  sind 
sie  zu  6  jährigem  weiteren  Zwangsaufenthalte  als  unter  Polizei- 
aufsicht stehende  Ansiedler  gezwungen,  ehe  sie  nach  Russland 
zurückkehren  können.  Den  ungefesselten,  nicht  internierten  Ge- 
fangenen ist  erlaubt,  kleine  Häuschen  zu  bauen,  Ackerbau  zu 
treiben  oder  in  irgend  einem  Dienstverhältnisse  sich  den  Unter- 
halt des  Lebens  zu  erwerben.  Land  wird  ihnen  ebenso  wie  Holz 
unentgeltlich  nach  Bi:darf  zugewiesen.  Li  die  Zahl  der  Nicht- 
verbrecher  teilen  sich  die  Beamten,  ungefähr  50  im  ganzen,  mit 
ihren  Frauen  und  Kindern  und  einige  japanische  Kaufmannsfamilien 
mit  ca  70  Seelen.  Die  Garnison,  welche  in  der  Zahl  von  i.ooo 
Einwohnern  nicht  inbegriffen  ist,  setzt  sich  aus  ca  400  Mann 
ALlitär  und  Kosakenpolizei  zusammen  und  untersteht  einem 
besonderen  Gouverneur. 

Der  Anblick  der  Kettengefangenen  und  sonstigen  P2xilierten 
ist  im  allgemeinen  nach  jeder  Richtung  ein  herzbewegend 
trauriger.  Der  Menschheit  ganzer  Jammer  fasst  uns  an,  wenn 
man  auf  den  Gesichtern  dieser  Menschen  zu  lesen  versucht. 
Dumpfbrütend  sitzt  da  einer  auf  einem  Steine  in  zerrissenem 
braunen,  schmutzigen  Kittel  mit  verwildertem  Bart  vuid  Haupt- 
haar ;  stechenden  Blickes  verfolgt  ein  anderer  jede  Bewegung  des 
Beobachters  ;  mit  gemeinem  Gelächter  und  Spässen  necken  sich 
dort  ein  paar  der  zweifelhaftesten  Repräsentanten  der  holden  Weib- 


Iö2  K.    IIKFELE,    AUS    DP:M    OSTEN. 

liclikcit  herum  ;  der  sympathischen,  ruhigen  Gesichter  sind  wenige. 
Am  widerlichsten  berührte  mich  stets,  wenn  ich  aus  den  Reihen 
der  Kettengefangenen,  welche  von  Kosaken  mit  aufgepflanztem 
Bajonnet  zu  einer  Arbeit  am  Hafen  oder  dergl.  eskortiert  wurden, 
rohes,  gezwungenes  Lachen  vernahm.  Das  umheimliche  Klirren 
der  Ketten,  das  schmutzige,  zerlumpte  und  verwilderte  Aussehen 
dieser  eine  ganze  Völkerversammlung  Russlands  repräsentierenden 
Spezies  der  Gattung  Jiomo,  diese  lebenden  Beweise,  wie  der 
Mensch  zur  Bestie  herabsinken  kann,  denn  nur  Mörder  und 
Räuber  sind  es,  die  hier  ihr  gezwungenes  Asyl  für  Lebenszeit 
finden  :  sie  erfüllen  mit  Eckel  und  Mitleid  zugleich.  Denken 
zu  müssen,  dass  jeder  Mensch,  dem  man  begegnet  und  der  sich 
nicht  durch  Uniform  oder  Kleidung  sofort  unzweifelhaft  unter- 
scheidet, ein  Verbrecher  sei,  das  wirkt  auf  die  Dauer  unendlich 
deprimierend. 

Trübselig  blicken  die  grauen,  massiven  Blockwohnhäuser, 
finster  schaut  der  Kosak  auf  Wache  vor  einem  der  riesigen  staat- 
lichen Verkaufsmagazine,  wo  die  Ansiedler  das  Nötigste  zum 
Anbau  des  Bodens,  Korn,  Geräte  etc.  kaufen  können,  mürrisch 
patrouillieren  andere  Soldaten  die  Strassen,  den  schussbereiten 
Revolver  umgeschnallt ;  bleigrau  Himmel  und  Meer,  schweigend 
ein  Stück  verbrannten  Waldes  in  nächster  Nähe,  der  Wind  pfeifend 
und  scharf —  das  Ganze  wie  mit  Zentnerlast  des  Menschen  Herz 
bedrückend  ! 

Man  sieht  wenig  frohe  Mienen.  Sogar  die  durch  die  Gewohn- 
heit des  Alltagsverkehrs  daran  gewöhnten  Residenten,  wie  Beamte, 
Offiziere,  Soldaten  etc.,  tragen  unwillkürlich  einen  gewissen  Ernst 
und  Schweigsamkeit  im  Verkehre  auch  unter  sich  zur  Schau  ;  es 
bleiben  eben  die  äusseren  Umstände  nicht  ohne  eine  verdüsternde 
Wirkung,  das  ist  zweifellos  zu  erkennen,  es  brauchte  einem  nicht 
aus.serdem  noch  speziell  versichert  zu  werden. 

Vom  klimatischen  Standpunkte  aus  ist  Sachalin  trotz  seiner 
geringen  nördlichen  Breitenlage  {^a^-^^  n.  B)  keineswegs  günstig 
von  Mutter  Natur  bedacht  worden.  Die  kalten  Meeresströmun- 
gen von  der  Ochotzkischen  See,  welche  Massen  von  Eisblöcken 
grösster  Dimensionen  mit  sich  führen,  und  die  vorherrschend 
von  W.,  N.  und  O.  wehenden  Winde  beeinflussen  nach  mehr  als 
einer  ]<ichtung  alle  Verhältnisse  in  abnormer  Weise.  So  z.  B. 
sinkt  die  Temperatur  im  Winter  mitunter  bis  auf- 27,3°  (im 
Februar),  und  die  Temperatur  im  hei.ssesten  Monat  steigt  nicht 
über    +23°;    die   Durchschnittswintertemperatur    aus    einer   Reihe 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  183 

von  Beobachtungsjahren  ist  —15°,  jene  des  Sommers  +14,  der 
Durchschnitt  des  heissesten  Monates  +16.5°,  die  durchschnittHche 
Jahrestemperatur  etwa   +5°.* 

Die  Winter  sind  hinsichth'ch  der  Tiefe  der  Schneelage 
kaum  besonders  schneereich  zu  nennen,  60-70  cm  ist  die  durch- 
schnittliche Dicke  der  Schneedecke  ;  der  Schneefall  beginnt  relativ 
spät  und  dauert  von  Dezember  bis  März  incl.,  umso  unangeneh- 
mer aber  machen  sich  die  durchdringend  kalten  nördlichen 
Winde  geltend,  und  die  häufigen  Nebel  helfen  treulich  mit,  die 
Unfreundlichkeit  des  Eilandes  zu  steigern.  Nur  12-14  klare  Tage 
mit  heiterem  Himmel  sind  den  Einwohner  dieser  Insel  der 
Lebendig-Toten  beschieden.  (Die  Niederschläge  sind  beträchtlich, 
500  mm  pro  Jahr.) 

Von  den  weittragendsten  Folgen  aber  ist  die  geringe  Durch- 
schnittstemperatur der  vier  Hauptvegetationsmonate,  -Hi2°  C,  da 
sie  den  Kornanbau  sehr  schwierig  macht  und  ihn  tatsächlich 
nur  an  wenigen  geschützten  Stellen  ermöglicht.  Die  Region,  in 
der  der  Wald  zur  Strauch-  und  Kriechform  herabsinkt  ist,  selbst- 
verständlich schon  in   geringer  Erhebung  im  Bergland  erreicht. 

Der  Hauptwert  der  Insel  beruht  zur  Zeit  in  ihrem  enormen 
Reichtum  an  Fischen  in  ihren  Meeresbuchten  und  Flüssen, 
namentlich  die  Aniva-Bai,  an  der  Korsakoff  liegt,  ist  deshalb 
berühmt ;  auch  wird  dort  eine  essbare  Meeresalge  in  Massen 
gewonnen.  Unglaubliche  Mengen  von  Heringen  und  Sardellen 
werden  allein  schon  von  den  5.000  japanischen  Fischern  erbeutet, 
welche  alljährlich  zum  Fang  an  den  Küsten  von  Sachalin  er- 
scheinen und  sich  in  primitiven  Niederlassungen  über  die  ganze 
Insel  an  den  Meeresküsten  zerstreuen.  Im  Korsakoff-Bezirk  allein 
ernten  die  japanischen  Fischer  70.000 /'t'/C'«  =98.280  hl  getrockneten 
Fischdünger,  der  mit  dem  aus  den  Fischen  durch  Aussieden  in 
grossen  eisernen  Pfannen  gewonnenen  Oele  seinen  Hauptabsatz 
in  Japan  findet.  Ein  kokii  Fischdünger  von  140.4  Liter  hat 
in  Hakodate  einen  Wert  von  12  Yen.  Lachs  wird  ebenfalls  in 
grossen  Mengen  gefangen,  eingesalzen  und  geräuchert.  Den 
kalten  Polarströmungen  ist  ferner  das  häufige  Vorkommen  des 
Wales  an  der  Ostküste  zu  verdanken.  Eine  einzige  Fischerei  in 
]\Ieria  an  der  Ostküste  erbeutet  jährlich  durchschnittlich  14  Wale, 
deren  Wert  etwa  14.000  Rubeln  gleichkommt.  Im  ganzen  sind 
auf  Sachalin  225   Fischereien,  oft  mit  einem  Personalstand  bis  zu 

*   Silieiia  and    the  Great  Sibenan    Railway,  p.   66. 


184  K,    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

300  Personen  im  einzelnen.  Die  meisten  derselben  finden  sich 
an  den  fischreichen  Küsten  des  südlichen  Teiles  der  Insel,  nur 
etwa  5   sind  im  Norden  anzAitrcffen.* 

Einen  Einblick  in  die  Wald\erh;iltnisse  zu  bekommen,  war 
der  Zweck  der  geplanten  Exkursionen,  deren  Leitung  in  liebens- 
würdiger Weise  der  russische  Oberförster  zusagte.  Als  Ziel 
waren  I'^orste  in  Aussicht  genommen,  die  mir  als  für  die  ganze 
Insel  typisch  bezeichnet  wurden.  Ganz  Sachalin  besteht  ja  mit 
Ausnahme  der  Küsten  aus  einem  einzigen  Waldkomplexe,  der 
sich  also  fast  nahezu  mit  der  Flächengrösse  der  Insel  deckt, 
welche  wiederum  jener  von  Hokkaido  nur  um  weniges  nach- 
steht (  —  Bayern,  Baden,  Württemberg  zusammen).  Für  ganz 
Sachalin  ist  nur  ein  Forstinspektor  in  Alexandrowsk  aufgestellt, 
dem  der  Oberförster  in  Korsakoff,  als  dem  z.  Z.  einzigen  für 
Forstnutzung  in  einigem  Umfang  in  Betracht  kommenden  Platze, 
unterstellt  ist;  daneben  sorgen  noch  etwa  12  Waldwächter  für  die 
Ueberwachung  der  Forste,  angesichts  der  P'lächen  ihres  Bezirkes 
zweifellos  eine  etwas  problematische  Aufgabe  ! 

Die  Exkursionen  zum  Walde  werden  meiner  P>innerung  nicht 
so  schnell  entschwinden,  da  sie  an  Eigenart  das  Menschenmög- 
lichste boten.  Auf  dem  nationalrussischen  Gef^ihrte,  der  Troika, 
geht  es  mit  Windesgeschwindigkeit  einen,  Strasse  genannten, 
fahrbaren  Landstreifen  dahin,  das  Mittelpferd  in  scharfem  Trab 
und  die  beiden  Seitenpferde  im  Galopp.  Unermüdlich  halten  die 
struppigen,  muskulösen,  kleinen  Pferde  diese  Gangart  für  Stunden, 
und  Plindernisse  irgend  welcher  Art  scheinen  ft^ir  dieses  dem  Russen 
so  zusagende,  nach  Lage  der  Wegverhältnisse  einzig  richtige 
Gefährte  nicht  zu  existieren.  Hier  durch  ein  tiefes  Loch,  als 
wollte    man   im  Erdboden  versinken,  dort  über  einen   Stein  oder 

*  Die  Taxen,  welche  von  der  russischen  Kegierung  für  das  langrecht  erhoben 
werden,  setzen  sich  zusammen  aus  Abgaben  für  jede  Aiissiedepfanne,  aus  Entschä  li- 
gung  für  das  frjie  Brennholz  aus  nahen  Formten  (5  Rubel  pro  Jahr),  dann  für 
Grundbenutzung  (10  □  sarchinr=i  Kopek),  ferner  aus  einer  Taxe  pro  Pud  des  pro- 
duzierten Düngers  (5  Kop.)  und  variieren  au^serdenl  mit  der  Grösse  des  Betriebes, 
bemessen  nach  der  Zahl  der  darin  beschäftigten  Arbeiter,  so  dass  z.  B.  eine 
Fischerei  mit  50-200  Personen  allein  225  Rubel  Abgaben  für  diese  entrichten  muss. 

Die  Einnahmen  des  russischen  Finanzdepartements  aus  der  Fischerei  Sachalins 
wurden  mir  zu  150.000  Rubel  pro  Jahr  angegel.en.  Wie  armselig  nimmt  sich 
dagegen  der  Ertrag  aus  den  Waldungen  von  Sachalin  mit  10.000  l\ubeln  aus,  und 
von  diesen  10.000  Rubeln  sind  wiederum  nicht  weniger  als  -/i  Erlös  äus  Brennholz 
zum  Aussieden  des  Fischöles. 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  185 

Holzprüg^el,  stell  bergauf,  womöglich  noch  steiler  bergab,  rechts-, 
linksum,  so  dass  man  sich  wundert,  wie  der  kleine  Wagen  auf  seinen 
niederen  Rädern  mit  dem  in  Lederrieman  hängenden  Kasten  nicht 
zur  Seite  stürzt,  —  und  Galopp,  rasenden  Galopp  ohne  Untjrlass  1 
Die  Anfangsempfindungen  für  jeden,  der  auf  solchen  Wegen  zum 
erstenmale  eine  Troika  zu  kosten  bekommt,  sind  weit  entfernt 
vom  Gefühle  der  Sicherheit ;  denn  krampfhaft  umschlingt  die 
eine  Hand  das  Rückengeländer  des  Kutschersitzes,  während  der 
andere  Arm  nach  Art  der  Protzkanoniere  in  jenen  des  Begleiters 
fest  eingehackt  ist.  Die  ununterbrochene  Anstrengung,  sich  auf 
dem  für  eine  oder  höchstens  zwei  schlanke  Personen  berechneten 
Sitze  zu  erhalten,  ermüdet  zuerst  sehr,  bis  man  gelernt  hat,  zur 
rechten  Zeit  Pausen  in  seinen  Anklammerungsbestrebungen  ein- 
zulegen und  nur  im  kritischen  Momente  zuzufassen. 

Immerhin  war  das  nur  das  Vorspiel,  denn  bald  ist  der 
sogenannte  Weg  zu  P2nde,  und  die  einzige  Möglichkeit,  rasch 
weiter  zu  kommen,  bleibt  die  schmale  Seeküste  zur  Zeit  der 
P^bbe.  Die  beiden  in  innige  Umarmung  verschlungenen  und  in 
dicke  Mäntel  gehüllten  Insassen,  welche  sich  in  ununterbrochenem 
Wechsel  bald  rechts,  bald  links,  so  weit  überhaupt  w'ie  möglich, 
auf  der  jeweiligen  Bergseite  zum  Zwecke  der  Ausbalancierung 
des  Gefährtes  bei  der  Fahrt  auf  schiefen  INIeeresdünen  hinaus- 
hängen, mögen  für  einen  beobachtenden  Zuschauer  ein  heiteres 
Bild  geben.  Unzweifelhaft  aber  die  Krone  des  Ganzen  wird 
durch  einen  Trab  über  zu  Tag  liegende  Klippen  repräsentiert, 
die  bei  etwas  weniger  runden  Insassen,  als  wir  es  waren,  ein 
hörbares  Klappern  des  Knochengerüstes  durch  das  Stossen 
des  Wagens  auf  dieser  sägezahnartigen  P^ahrbalm  hervorgerufen 
haben  müssten. 

ländlich  nach  Stunden  am  Ziele,  wird  der  Wagen  verlassen, 
um  landeinwärts  in  den  Wald  vorzudringen.  Der  Kutscher  lässt 
die  Pferde  mit  halbgefesselten  Vorderbeinen  frei  laufen  und  folgt 
uns  als  Träger  der  Flinten,  Mäntel  etc. ;  die  Patronen  behält  man 
aber  doch  vorsichtshalber  selbst,  denn  genannter  Leibjäger  ist 
ehemaliger  dreifacher  Mörder  und  cjuittiert  die  Herausnahme  der 
Patronen  aus  dem  Gewehre  vor  der  Ueberreichung  desselben 
mit  verständnisinnigem  Grinsen,  keineswegs  beleidigt,  denn  eine 
Flasche  Wodka,  die  ihmi  zur  Stärkung  übergeben  wurde,  hat  er 
mit  einem  Zug  geleert,  ohne  sich  dabei  eben  viel  zu  denken.  Man 
versicherte  mir,  dass  7-'  Liter  90  «^ö  Alkohol  in  ei.ier  solch 
geübten     Kehle,    mit    einem    kräftigen    Schluck    hinabbefördert, 


l86  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

keinen    grösseren    Eindruck    hervorbrächten    als    etwa  bei  uns  ein 
Glas  Wasser. 

Der  Wald,  sobald  wir  in  ihn  eintreten,  bietet  in  seinem 
Aussehen  dasselbe  düstere  Bild  wie  die  ganze  Natur  auf  dem 
Wege  zu  ihm.  Schon  dicht  hinter  Korsakoff  waren  die  Haupt- 
repräsentanten der  ihn  zusammensetzenden  Species,  Fichten, 
Tanne  und  Lärchen  (Picea  ajanensis,  Abies  sachalinensis,  Lari.x 
dahurica),  wahrzunehmen,  junge  Bestände,  —  das  einstige  Altholz 
ist  längst  zum  Häuserbau  Korsakoffs  verschwunden  —  welche  durch 
ihre  dichte  Untermischung  mit  allem  möglichen  Laubholz,  wie 
Birken,  Erlen,  Weiden,  Kirschen,  Ulmen  etc.,  ihre  Entstehung  auf 
Brandflächen  verraten,  auch  wenn  man  nicht  endlose  Streifen 
durch  Feuer  zerstörten  Waldes  unmittelbar  vor  sich  sehen  würde. 
Die  Waldzerstörung  durch  Brände  ist  der  imzertrennbare  Appen- 
dix jeder  menschlichen  Ansiedelung,  mag  es  sich  wie  hier  um 
die  nächste  Umgebung  von  Korsakoff  selbst  oder  nur  um  irgend 
eine  noch  so  kleine  Niederlassung  von  Fischern  an  der  Küste 
handeln.  Nicht  als  ob  immer  ein  besonderes  Bedürfnis  dafür 
vorhanden  wäre,  nein,  Spielerei,  Unachtsamkeit,  Zerstörungswut, 
kurz  eine  Menge  Gründe  oder  besser  gesagt  Nichtgründe,  deren 
Würdigung  mit  der  klassisch  stoischen  Generalsentenz  und  dem 
Allheilmittel  des  Russen  ,,Nitschevo"  (s'ist  gleich,  macht  nichts) 
abgetan   wird. 

Der  Rand  des  an  die  Küste  unmittelbar  grenzenden  Terrains 
ist  aus  gleichen  Ursachen  meist  mit  Struppwalcl  oder  einem  Streifen 
Graslandes  eingefasst,  und  in  der  Nähe  der  Fischerwohnungen  ist 
natürlich  die  Waldbestockung  durch  Ausholzung  schon  an  sich 
weiter  zurückgedrängt. 

Die  bis  zu  60  m  Höhe  steil  abfallenden,  ihren  vulkanischen 
Ursi)rung  deutlich  verratenden  Felsen  der  Küste,  die  schmale 
Sand-  oder  Klippendüne  mit  ihren  darauf  zerstreuten  dunklen 
Felsbrocken  oder  ihren  weissschimmernden  angeschwemmten 
Walfischknochen,  der  wogende  Nebel  über  dem  aschgrauen 
Wasser  und  der  misstönende,  die  herrschende  Totenstille  jäh 
unterbrechende  Schrei  eines  Fischraubvogels  harmonieren  nur 
zu  gut  mit  dem  seltsam  düsteren  Eindruck,  den  die  qual- 
menden Feuer  und  dunklen  Gestalten  der  Fischer,  welche  eben 
einen  Fang  Heringe  auskochen,  hervorbringen.  Ich  bin  all  die 
Tage,  die  ich  auf  Sachalin  verbrachte,  den  Eindruck  des  Trüben, 
Gottverlassenen  nicht  losgeworden  !  Und  wie  niag  es  hier  erst 
aussehen,  wenn  der   Sturm   den  Nebel    und    Schnee  heulend    um 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  1 8/ 

die  Klippen  jagt,  die  Forste  landeinwärts  in  seiner  wogenden 
Masse  begräbt  und  der  Donner  des  berstenden  Eises  mit  dem 
Brüllen  der  Brandung  in  dieser  Symphonie  des  Aufruhrs  ent- 
fesselter Naturgewalten  um  die  Palme  des  Vorrangs  ringt. 

Der  Wald  zeigt  am  Aussenrande  deutlich  den  Einfluss  des 
kalten  Klimas  ;  wenigstens  werden  auf  den  konstanten  Nebel  und 
die  scharfen  Luftströmungen  die  verkrüppelten  Formen  der  oft 
.sehr  alten  Bestände  zurückgeführt  werden  müssen.  Zähe,  knorrige 
Widerstandskraft  ist  die  Signatur  dieses  runzeligen  Waldge- 
sichtes !  Das  Feuer  am  Rande  von  der  Küste  her  und  w^olil 
auch  mitunter  übergrosser  Salzgehalt  der  Luft  kämpfen  hart- 
näckig ihren  Weg,  groteske  Baumleichen  über  grasbewachsenem, 
hellgrünem  Grunde  zurücklassend. 

Weiter  im  Innern  sind  die  Bestände  geschlossener,  soweit 
man  von  Schluss  in  Urwaldungen  reden  kann,  und  man  findet 
neben  Birken  und  Tannen  als  Hauptsache  der  Bestückung  Fichten 
und  Lärchen  und  Pinus  Cembra  von  annehmbaren  Formver- 
hältnissen, wenn  auch  im  Höhenwuchse  sehr  zurückbleibend  und 
mit  vielen  Aesten  behaftet.  Hier  ist  natürlich  weder  Weg  noch 
Steg ;  nur  da,  wo  einige  Partieen  von  Lärchen  oder  Cembra 
ausgehauen  und  die  Stämme  auf  einer  erbärmlichen  Reissig-  und 
t^rdbahn  zum  Meere  geschleift  werden,  ist  das  Vordringen  er- 
leichtert. In  neuester  Zeit  wird  im  südlichen  Teile  Sachalins 
Bauholz,  und  zwar  Lärchenholz,  nach  Port  Arthur  für  Gouverne- 
mentsbauzwecke bestimmt,  ausgehalten.* 

Man  kann  nicht  umhin,  sich  an  die  grossen  Staatswaldungen 
Hokkaidos  zu  erinnern,  wo  Nadelholz  und  Laubholz  im  Ueber- 
flusse  vorhanden  ist,  das  zweifellos  an  den  chinesischen  und 
koreanischen  Küsten  einen  hohen  Preis  (bis  zu  20  Yen  der  cbm) 
erzielen  und  aus  diesen  zur  Zeit  in  der  Hauptsache  nur  dem 
Feuer    anheimfallenden    Forsten     eine     ganz     anständige      Rente 

*'■  Die  Länge  dieser  Slämrne  ist  ca  rund  5,7  m  bei  eine.n  Zopfcndiirchmesser  von 
22-26  cm.  Der  Stückpreis  variiert  je  nach  dem  Zopfdurchmesser  zwischen  J-iS 
Kopeken  =8-30  Pfennig  im  Walde,  so  dass  i  cbm  zwischen  17,5  und  20  Kopeken  = 
;;5  und  40-50  Pfennig  im  Werle  tchwankl.  Die  lällung-;-  und  namenllich 
Ausbringungskosten  b  s  zur  Einschiffung  verzehren  em  Vielfaches  des  Waldweries 
und  beiragen  beispielsweise  in  den  Forsten  von  Maria  hinter  der  gleichnamigen 
Fischerniederlassung  an  der  Ostkiiste  für  den  cbm  1,20  Rubel  =2  M  40  Pf.  Das  hier 
in  S  aaisregie  gew-onnene  Holz  würde  beim  Verkauf  in  Port  Arthur  wohl  einen  Preis 
von  30-50  M  pro  cbm  erzielen;  der  Transport  absorbiert  per  Steamer  leliglicli 
1    Rubel  =2  INI  pro  cbm. 


löö  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN, 

Hcfoni  würde.  Von  Russen  wie  Deutschen  wird  an  der 
chinesischen  Küste  neben  Nadelholz  auch  c^utes,  in  Ja[)an  so 
wenig  verwertbares  Laubholz  begehrt.  Hier  fände  sich  also 
wenigstens  teilweise  eine  Möglichkeit  der  Lösung  der  Ver- 
wertungsfrage für  die  Forste  der  dermaligen  Bestockung  Hok- 
kaidos.  Gerade  in  jüngster  Zeit  ist  durch  eine  Unternehmung 
dieser  Art  von  deutscher  Seite  in  Hokkaido  der  schlagendste 
Beweis  für  meine  Ansicht  geliefert  worden  ;  unerfindlich  bleibt 
mir  daher,  warum  der  japanische  Staat  nicht  durch  seine  Organe 
die  Lage  des  Holzmarktes  in  China  und  dessen  Bedürfnisse 
studieren  lässt  und  dann  zur  Selbstan Führung  von  Lieferungs- 
unternehmungen in  grösserem  Masse  schreitet,  um  den  hohen 
Gewinn  in  die  eigene  Tasche  zu  stecken.  Hierin  läge  nicht  nur  für 
die  Forstleute  eine  gute  Schulung  in  aktiver  Wirtschaftsbetätigung, 
sondern  dieselben  wäirden  auch  zum  Segen  des  Ganzen  von 
ihren  grünen  Tischen  mehr  auf  die  tatsächlichen  Verhältnisse 
abgezogen. 

Die  Umwandlung  der  Hokkaido-Waldungen  mit  dem  Schwer- 
gewichte in  gutem  Nadelholze,  wobei  man  auf  Amerikas  klima- 
tisch korrespondierende  Formen  zur  ev.  Beimischung  zurückgreifen 
müsste,  würde  dereinst  umso  wertvollere  Früchte  tragen,  je  mehr 
sie  der  kommenden  Kolonisation  vorauszueilen  vermag,  und 
andererseits  dürfte  sich  die  Besiedelungsfrage  wesentlich  erleichtern, 
w^enn  Waldwirtschaft  oder  gar  Holzindustrieen  sich  entfalten 
können.  Sehr  wohl  \vürdige  ich  den  Einwand,  dass  man  nicht 
allen  Wald,  namentlich  nicht  den  l^ergvv^ald  in  Hokkaido,  sofort 
nutzbringend  machen  kann,  aber  die  Anzeichen  sind  da,  dass  auf 
relativ  naheliegenden  Absatzgebieten  ein  Schritt  nach  \-orwärt3 
getan  werden  könnte,  wx'lcher  vielleicht  ungeahnte  Wege  er- 
öffnet ;  dabei  möchte  ich  aber  wiederum  nicht  missverstanden 
werden,  als  ob  ich  zielloses  Nutzen  und  Abholzen  als  Universal- 
mittel empfehle  ;  ich  meine,  aus  dem  Obigen  geht  unzweifelhaft 
hervor,  dass  mir  dies  fern  liegt ;  aber  etwas  grössere,  weitere 
Gesichtspunkte  in  Forstwirtschaft  und  Holzhandel,  sowie  nament- 
lich in  Ausnützung  der  Kräfte,  welche  Japan  in  der  Handelsflotte 
für  den  Fern\'erkehr  seiner  Naturprodukte  zur  Verfügung  stehen, 
müssen  fürderhin  zum  Segen  dieses  schönen  Landes  und  des 
Finanzdepartements  mehr  beachtet  werden  ! 

Die  Waldungen  nun  durch  ganz  Sachalin  sollen,  wie  mir 
versichert  wurde,  den  oben  geschilderten,  welche  ich  besuchte,  mit 
wenig    Variationen    in    Wachstum    und    Form   gleichen ;   sie   sind 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  1 89 

umso  mehr  unseren  Forsten  auf  Hochmooren  oder  an  der  Grenz- 
zone zwischen  Wald  und  improduktivem  Terrain  im  Hochgebirge 
äusserhch  ähnUch,  je  mehr  man  nach  Norden  kommt.  Der  Boden 
ist  meist  überreicli  mit  Feuchtigkeit  gesättigt  und  moorig  wie 
in  allen  Urwaldungen.  Das  Vorkommen  der  Lärche  in  grossem 
Umfange  auf  diesem  nebeHgen  Eiland  spricht  sehr  für  die  in 
letzter  Zeit  gerade  bei  der  Lärche  angegriffene  Behauptung,  dass 
eine  Baumart  nur  von  den  klimatischen  Faktoren  bedingt  sei,  mögen 
sich  diese  in  den  höchsten  Bergen  oder  auf  niedrigen  Plateaus 
und  Ebenen  finden ;  die  Differenz  der  Höhenlage  ist  eben  nur 
ein  Ausdruck  für  verschiedene  Breitengradhöhe,  abgesehen  etwa 
von  abnormen  lokalen  Verschiedenheiten. 

Künstliche  Holzzucht  wird  in  Sachalin  nicht  getrieben.  Was 
man  an  Jungwäldern  sieht,  ist  nichts  weiter  als  der  natürliche 
Anflug  und  Stockausschlag  auf  der  Brand-  oder  Abholzungsfläche 
für  den  Fall,  dass  er  einige  Jahre  vom  Feuer  verschont  blieb. 
Wohl  nur  das  rasche  Jugendwachstum  schützt  die  Lärche  vor 
der  andernfalls  vernichtend  wirkenden  Konkurrenz  der  Sträucher 
und  sonstiger  harter  und  weicher  Laubhölzer,  denen  übrigens  nur 
untergeordnetere  Bedeutung  zukommen  kann. 

An  Wild  kommt  auf  Sachalin  Hirsch,  Rehbock,  Fuchs  und 
Hase  vor,  sowie  hühnerartige  Vögel  und  unzählige  Varietäten 
des  Wassergeflügels.  Der  Bär,  dieses  mächtige  Raubtier  Sibiri- 
ens, fehlt  auch  hier  nicht,  führt  aber  ein  etwas  mehr  zurückge- 
zogenes Dasein  auf  wenig  betretenen   Pfaden  des  Inneren. 

Von  Sachalin  nach  Wladivostock  war  man  genötigt,  wieder 
Otaru  anzulaufen.  Von  da  wurde  Wladivostock  in  42  stündiger 
Fahrt  erreicht,  deren  Ende  umso  mehr  mit  Freude  begrüsst  wurde, 
als  die  See  von  Japan  ihren  Unmut  an  den  wehrlosen  Passagieren 
mit  sichtlichem  Erfolge  versuchte. 

Da  liegt  es  nun  vor  uns,  das  russische  Hongkong,  im  Grunde 
der  durch  zwei  lange  Landzungen  gebildeten  Bucht,  das  nicht 
eben  breite  Fahrwasser  des  Zuganges  von  zahllosen  Forts  und 
Batterieen  völlig  beherrscht  und  von  der  Seeseite  her  wohl  fast 
uneinnehmbar.  Hell  scheinen  grosse  Gebäude  und  die  hübsche 
Kirche  herüber  aus  dem  Häusergewirre,  das  sich  als  langes  Band 
dem  Abhänge  einer  Anzahl  zu  einem  niederen  Höhenzuge  ver- 
einigter Hügel  anschmiegt  und  in  einer  sehr  beträchtlichen 
Längenausdehnung  parallel  dem  Hafenufer  verläuft.  Nach  der 
üblichen  Zollrevision  mittels  Sampan  zum  Landungsplatze  gerudert, 
hat  man  den  Fuss  kaum  an  Land  gesetzt,  so  ist  man  auch  schon 


190  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

von  koreanischen  Kulis  wie  von  einem  Heusclireckenschwarm 
überfallen,  und  ist  die  Bagage  noch  so  klein,  es  bedarf  hand- 
greiflicher Ueberredungskünste,  will  man  die  einzelnen  Gepäck- 
stücke nicht  nach  allen  Himmelsrichtungen  ausschwärmen  sehen. 

Eines  hat  der  koreanische  Kuli  zweifellos  noch  vor  seinem 
chinesischen  Kollegen  voraus,  das  ist  die  intensivere  Schmutzig- 
keit, wenn  da  ein  Steigerungsgrad  über  den  Chinesen  noch  möglich 
ist.  Die  weisse  Kleidung,  der  Stolz  des  Koreaners,  scheint  ganz 
besonderes  geeignet,  durch  monatelange  Unbekanntschaft  mit 
Wasser  und  Seife  sowohl  für  Gewand  wie  für  Träger  desselben 
ein  besonderes  auffallendes  Relief  zu  schaffen. 

Ein  herbeigeholter  Isvotschik  (Kutscher)  in  roter  Bluse, 
grünem,  ärmellosen,  abgeschabten  Sammetrock  und  weiten  Ilosen 
in  hohen  Streifein,  auf  dem  freundlich  spiritusgeröteten  Kopfe 
einen  schäbigen  niedrigen  schwarzen  P'ilzhut  von  Zylinderform, 
nimmt  uns  in  seine  schmutzstarrende  Troika  auf  Was  der  des 
Russischen  nur  schlecht  mächtige  Eremde  dem  Kutscher  auch 
sagen  mag,  er  nickt  verständnisinnig,  und  los  geht  die  Fahrt  in 
tiefstem  Schlamm  oder  in  erstickender  Staubwolke,  je  nach 
Witterung,  und  das  Schicksal  mag  entscheiden,  wo  die  Landung 
erfolgt ;  an  irgend  einem  im  Ermessen  des  Isvotschik  liegenden 
Punkte  wird  gehalten,  und  wenn  es  sich  nicht  als  der  rechte  Platz 
erweist,  geht's  im  sausenden  Galopp  nach  einer  anderen,  ebenso 
beliebigen  Direktion,  bis  das  zuüxlligc  I^rblicken  eines  Firmenschil- 
des oder  eines  hilfsbereiten  deutscbsprechenden  Passanten  die 
Erlösung  von  dieser   Hetzjagd  bringt. 

Die  ungeheuer  schlechte  Verfassung  der  Strassenfahrbahn 
selbst  in  der  von  palastartigen  Gebäuden  eingefassten  einzigen 
Hauptstrasse  ist  eine  der  dem  P^remden  zuerst  aufsto.s.senden 
Eigentümlichkeiten  Wladivostocks.  Man  darf  aber  nicht  ver- 
gessen, dass  das  pilzartige  Entstehen  dieses  heute  nahezu  50.000 
Einwohner  zählenden  wichtigen  Platzes  in  einem  Zeiträume  von 
30  Jahren  wohl  kaum  Zeit  liess,  neben  dem  Bau  unzähliger 
Wohngebäude,  Magazine,  Werkstätten  etc.  auch  noch  besondere 
Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  Stras.sen,  so  dass  diese  praktisch 
Erdwege  darstellen,  deren  Planum  teilweise  zwar  mit  runden 
Grobsteinen  bepflastert  ist,  die  im  allgemeinen  aber  nichts  weiter 
sind  als  eine  mit  der  Witterung  zwischen  Schlammtümpel  oder 
Staubdüne  unablässig  schwankende  Verkehrsöffnung  in  der  Häu- 
ser woge. 

Neben  der  den  Hauptteil  ausmachenden  russischen  Beamten-, 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  I9I 

Kaufmanns-  und  Militärbevölkerung  sind  es  ca  2.000  Chinesen, 
welche  als  Kaufleute  hauptsächlich  den  Lebensmittelhandel  in 
Händen  haben,  und  3.000  Koreaner,  welche  sich  nebst  einem 
Bruchteil  der  Chinesen  in  die  Taglöhner-  und  Gewerksarbeiten 
teilen.  Die  Chinesen  leben  mehr  zerstreut  i^iber  die  ganze  Stadt, 
während  die  Koreaner  in  einem  eigenem  Stadtteil  angesiedelt 
sind,  der  in  seiner  äusserlichen  Erscheinung  nur  zu  sehr  an 
berüchtigte  Chinesen  viertel  anderer  Städte  erinnert.  Japaner  sind 
als  Kommis  oder  selbstständige  Geschäftsunternehmer,  Dienst- 
boten und  Werkleute  tätig  und  erfreuen  sich,  namentlich  die 
letzteren,  wegen  ihrer  Geschicklichkeit  grosser  Beliebtheit.  Die 
Gesamtzahl  derselben  mag  einige  Hundert  nicht  i^ibersteigen, 
wie  auch  andere  Nationen,  Deutsche,  Engländer  etc.  mit  kaum 
nennenswerten  Ziffern  vertreten  sind. 

Bemerkenswert  ist,  dass  die  grössten  Importfirmen  deutschen 
Ursprungs  sind  (Kunst  und  Albers) ;  an  sie  reihen  sich  einige 
japanische  Geschäfte  grösseren  Umfangs  an,  und  endlich  haben  in 
wachsender  Konkurrenz  chinesische  Firmen  einen  grossen  Anteil 
am  Handel. 

Die  erst  im  Vorjahre  aufgehobene  Eigenschaft  eines  Frei- 
hafens war  es  vorzüglich,  welche  den  rapiden  Aufschwung  von 
Handel  und  Gewerbe  in  Wladivostock  bewirkte.  Die  nun- 
mehrige Erhebung  von  beträchtlichen  Zöllen  wird  umso  fühlbarer 
empfunden,  als  hauptsächlich  chinesische  Konkurrenz  über  den 
Freihafen  Fort  Arthur  und  die  mandschurische  Bahn  dieses  junge 
Emporium  des  Handels  stark  in  Mitleidenschaft  zieht. 

Die  Hauptteile  der  Stadt  mit  ihren  Prunkbauten,  die  präch- 
tige Aussicht  auf  den  Hafen,  die  zahllosen  Schiffe  der  Handels- 
und Kriegsmarine,  das  geschäftige  Treiben  eines  Seehandelsplatzes 
fesseln  unser  Auge  nicht  minder  wie  die  Bevölkerung  und  ihre 
Lebensäusserungen.  Hier  findet  sich  in  rasender  Troika  die  typische 
Uniform,  dieses  überall  anzutreffende  Gespenst,  da  in  Russland  jede, 
auch  noch  so  unbedeutende  Zivilcharge  mit  einer  militärisch 
aussehenden  Uniform  ausgestattet  ist,  dort  ein  behäbiger  russi- 
scher Kaufmann  im  Wagen  mit  dem  wie  ein  Fechter  auswattierten 
und  in  einen  dunklen,  bis  zu  den  Füssen  herabreichenden  Rock 
gekleideten  Kutscher  auf  dem  Bocke,  der  in  einem  gewissen 
Missverhältnisse  zu  dem  oft  zierlichen  Gefährte  steht,  riesige 
Kosaken,  vollbärtige  Bauern,  schlitzäugige  Chinesen,  zerlumpte 
Koreaner,  stämmige  Matrosen,  wachsame  Polizisten,  kurz  ein 
kaleidoskopartiger  Wechsel  von  Hell  und  Dunkel  zieht  am  Auge 


192  K.    II1:FKLK,    aus    dkm    OSTEN. 

vorüber.  Dort  drüben  etwas  zur  Seite  sieht  man  den  Anlege- 
platz der  Handelsdampfer  mit  dem  Ameisengewühle  geschäftiger 
Menschen,  und  lange  gerade  Linien  von  Geleisen  in  der  Nähe 
eines  grossen  grauen  Gebäudes  zeigen  uns  den  Platz,  wo  der 
Bahnhof  der  sibirischen  Bahn  steht,  zu  der  der  jetzige  Zar 
(damas  Thronfolger)  im  Jahre  1891  den  ersten  Spatenstich  getan 
hat;  ein  hübscher  triumpfbogenartiger  Bau  auf  dem  Wege  von 
der  Hauptstrassc  zum  Regierungslandungsplatz  erinnert  an  diesen 
denkwürdigen  Tag.  Kathedrale,  Postoffice,  Rathaus,  Klub,  Nevel- 
ski-Denkmal  etc.  sind  trotz  ihrer  Grösse  geschmackvoll.  Kriegs- 
hafen, Docks,  Werkstätten  u.  s.  w.  erstrecken  sich  in  endlose 
Weite  entlang  der  geräumigen  Bucht. 

Für  den,  der  Wladivostock  vor  dem  eigentlichen  Sommer 
besucht,  ist  das  Klima  zweifellos  angenehm.  Der  Sommer  selbst 
treibt  die  bessere  Gesellschaft  in  ihrer  Müsse  landeinwärts 
nach  verschiedenen  ländlichen  Erholungsplätzen  oder  an  irgend 
einen  Punkt  der  vielgebuchteten  Meeresküste.  Man  flüchtet  gerne 
vor  der  Hitze  und  dem  unleidlichen  Staube.  Der  Winter  ist 
sibirisch  streng,  nicht  sehr  schneereich  und  lang,  aber  die  äusserst 
schneidenden  Winde  mögen  durch  die  vollständige  Abholzung 
der  Hügel,  an  deren  Hang  Wladivostock  sich  hinstreckt,  zwei- 
fellos   eine    unangenehm  gesteigerte  Accentuierung  erhalten. 

Eine  Merkwürdigkeit  des  ganzen  Ussuri-Grenzlandes  ist  die 
ausserordentliche  Trockenheit  des  August  und  September,  die 
uns  später  am  unteren  Amur  als  die  Ursache  der  Laubvertrocknung 
am  Baume,  lang  bevor  die  eigentliche  Abfallzeit  der  Blätter 
beginnt,  bezeichnet  wurde.* 

Was  die  Lebensverhältnisse  Wladivostocks  anlangt,  so  müssen 
dieselben   direkt  und  indirekt  als  sehr  teuer  bezeichnet  w'erden. 

Alles  kommt  von  auswärts !  Weizenmehl  von  der  Mandschurei 
und  von  Amerika,  sonstiges  Getreide  und  Ackerfrüchte  etc.  von 
der  Mandschurei,  Kartoffeln,  wenn  Zeiten  schlechter  Ernte  in  der 
Nähe  sind,  wie  auch  der  Reis,  von  Japan  und  Indochina,  Trauben, 
Aepfel,  Birnen  von  Hokkaido  und  Chefoo  und  die  Unzahl  der 
sonstigen    Provisionen    in    Tins   von    Deutschland    und    Amerika. 

*  Während  der  Monate  Mai  bi.s  Juli  .sind  Nebel  und  Regen  an  der  Tagesordnung 
(Juni  am  neljeheichsteii),  und  nur  vier  Monate,  Juni,  Juli,  August  und  September, 
sind  absolut  froslfiei  ;  der  Schneefall  beginnt  Ende  Oktober,  ist  am  stärksten  im 
Dezember  und  endet  Februar,  die  Begrünung  der  Gegend  erfolgt  spät  (anfangs  Juni). 
Während  der  letzten  zwei  Jahre  war  durch  Eisbrecher  der  Hafen  offen  gehalten 
worden. 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  I93 

Haushaltungsgegenstände,  Stoffe,  Toilettenartikel,  W<äsche,  kurz 
alles  unter  den  Titel  besserer  Hauseinrichtung  und  Lebens- 
haltung irgendwie  Subsumierbare  oder  Werkzeuge  flu'  Gewerbe 
sind  fast  ausschliesslich  von  Deutschland  importiert,  während 
für  die  Ausrüstung  und  Bekleidung  der  niedrigeren  Volksschichten 
japanische  Industrieerzeugnisse,  von  Chinesen  über  Port  Arthur 
und  Mandschurei  eingeführt,  einen  sicheren  und  weiteren  Markt 
sich  stetig  erobern. 

Sehr  fühlbar  macht  sich  zweifellos  die  Armut  an  Feuer- 
und  Konstruktionsholz  in  der  Nähe  geltend,  so  dass  die  Preise 
desselben  bemerkenswert  hohe  genannt  werden  müssen.  Wir 
begegnen  fast  überall  diesem  anscheinend  merkwürdigen  Phänomen, 
dass  in  einem  holzreichen  Gebiete,  wie  Ussuri-Grenzland,  Holz 
in  der  Nähe  von  Städten,  Ansiedelungen  nur  zu  unverhältnis- 
mässigen Kosten  und  schwer  erhältlich  ist.  Weit  und  breit  in 
der  Nähe  von  solchen  grösseren  Ansiedelungen  sind  nämlich  bei 
Begründung  derselben  die  Wälder  in  unvernünftigster  Weise 
zerstört  worden,  (ich  komme  darauf  noch  später  zurück)  und 
zwar  nicht  durch  die  Axt  allein,  sondern  hauptsächlich  durch 
Feuer,  und  nun  \-erursacht  natürlich  in  den  wenig  besiedelten 
weglosen  Gegenden  des  Hinterlandes  solcher  Plätze  die  Bei- 
schaffung von  Holz  auf  oft  kolossale  Entfernungen  auch  enorme 
Kosten.* 

Die  ganze  Ussuri-  und  sibirisch-mandschurische  Bahn,  welche 
bisher  allein  Holzfeuerung  hatte,  ward  mit  dem  Zurückweichen 
der  ausbeutbaren  Waldgrenze  in  kurzem  zur  Kohle  als  Heiz- 
material greifen  müssen.  Der  Verbrauch  von  Feuerholz  in  den 
Haushaltungen  ist  entsprechend  den  durch  das  Klima  nötigen 
riesigen  Oefen  ein  enormer,  und  3  Ster  mögen  pro  Jahr  als 
Minimum  pro  Kopf  der  Inwohner  bezeichnet  werden,  das 
Holz  für  Kochen  ungerechnet ;  Wohnungen,  Hotels,  Restaurants 
etc.  sind  auch    Rir  östliche  Verhältnisse   als  teuer  zu  bezeichnen. 

Dem  Wert  und  der  wirtschaftlichen  Bedeutung  der  sibi- 
rischen Bahn,  deren  östlicher  Endpunkt    in   Wiadivostock    dieser 

*  Ein  cbm  gute»  I,ärchenbauhoIz  erzielt  einen  Preis  vou  20-25  Rubel  =  40-50  M, 
und  Eichen,  E^cheo,  Akazien,  Piiellodendron  dai  Doppelte.  Die  Tanne  ist  in  der 
jüngsten  Zeit  in  grösserem  Umfange  an  Stelle  des  Lärchei.holzes  für  Bretter  getreten. 
Brennholz  variiert  zwischen  3-5  Rubel  oder  4-10  M.  pro  Ster;  Kohle  pro  I  To  ;nc 
sehr  schlechter  Qualität  von  Sachalin  kostet  zwischen  11-12  Rubel  (22-24  ^I)  i'T"- 
Gro^sankauf ;  man  bezieht  j;tzt  eine  viel  bessere  Qualilä'  von  Hokkaido  und  Moji  in 
Japan. 


194  ^-    IIHKKLE,    AUS    OEM    OSTEN. 

Stadt  haupt.s;ichlich  zu  ihrem  amerikanisch  rapiden  Aufschwung 
verhelfen  hat,  will  ich  später  nähertreten  und  zuerst  versuchen, 
den  Kindruck',  den  die  Ussuriregion  und  die  Gegend  am  unteren 
Amur  auf  mich   machte,  zu  schildern. 

Zuvor  jedoch  sei  mir  gestattet,  mit  ein  paar  Worten  den 
Befund  der  Waldregion  in  nächster  Nähe  Wladivostocks,  und 
yo  km  zählen  in  Sibirien  dazu,  zu  erwähnen.  Die  Gegend  um 
Wladivostock  ist  hügelig  und  mit  Ausnahme  der  grasigen 
Talsohlen  scheinbar  gut  bewaldet,  soweit  das  Auge  reicht. 
Betritt  man  aber  auch  diesen  sogenannten  Wald,  so  bleibt  kein 
Zweifel,  dass  er  praktisch  zerstört  und  durch  Axt  und  Feuer 
in  eine  Verfassung  gebracht  ist,  die  ihn  auch  nur  mit  Schwierig- 
keiten zur  Brenn holzlieferung  ferner  heranziehen  lässt.  Da  sich 
derzeit  die  einzige  wirtschaftliche  Massregel  auf  ein  völlig  unge- 
ordnetes, verschwenderisches  und  wüstes  Herumhauen  beschränkt, 
so  ist  das  Ende  leicht  abzusehen.  Die  einfachsten  Prinzipien 
einer  Regelung  und  etwas  Aufsicht  hätten  es  wohl  möglich 
gemacht,  das  Material  für  so  manche  Tausende  von  Holzhäusern 
in  Wladivostock  zu  entnehmen,  ohne  zugleich  so  bald  schon 
den  jetzt  fühlbaren  Holzmangel  heraufzubeschwören,  aber  in 
wilder  Zerstörung  ist  Sibirien  gross  wie  kaum  ein  anderes 
Land,  höchstens  Amerika  ausgenommen.  Die  Zusammensetzung 
solcher  ausgebeuteter  Forste  ist  jetzt  in  der  Hauptsache  durch 
schlechte  Eichen  (Quercus  Mongolica),  iM'len,  Linden,  Pappeln, 
Weiden,  ]?irken  und  Phellodendron  Amurense  gegeben,  die  wert- 
vollen Nadelhölzer,  wie  Lärchen,  P"ichten,  Kiefern,  sind  grossen- 
teils  verschwunden  und  waren  ehedem  zweifellos  in  guteni  Ver- 
hältnisse und  in  grösseren  Horsten  beigemischt.  Das  treuer  in 
seiner  vielfachen  periodischen  Wiederkehr  vernichtet  natürlich, 
wo  es  hingelangt,  das  Nadelholz  jeden  Alters,  und  die  wider- 
standsfähigen Laubhölzer  erhalten  dann  die  Oberhand  in  einer 
Weise,  die  den  mit  solchen  Bildern  Unbekannten  zu  dem  Glauben 
verführt,  als  ob  er  in  der  jetzigen  Zusammensetzungsweise  die 
ursprüngliche  vor  sich  habe,  was  keinesw'egs  der  Fall  ist.  Die 
ganzen  klimatischen  Verhältnisse  weisen  hier  auf  eine  Nadelholz- 
region hin,  und  an  einzelnen  dem  Verderben  entronnenen  Plätzen 
kann  man   sich  von  der  Richtigkeit  dieser  Ansicht  überzeugen. 

P'olgen  Sie  mir  nun  im  Geiste  durch  das  Ussurigebiet  zum 
Amur. 

Die  Strecke  Wladivostock-Habarovsk  stellt  eigentlich  das 
eine  Ende  der  sibirischen  Bahnlinie  zwischen  Transbaikalien  und 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  I95 

dem  pacifischen  Ozean  dar,  wie  selbe  ursprünc^Iich  geplant  war. 
Vom  Baikalsee  sollte  die  Trace  um  die  Mandschurei  herumführen, 
ungefähr  dem  Laufe  des  Amur  sich  anschmiegend,  bis  zur  Ein- 
mündung des  Ussuri  in  denselben  bei  Habarovsk.  Politische 
Konstellationen  und  diplomatische  Erfolge  Russlands  ermög- 
lichten nun  die  Ausführung  der  geraden  Verbindungslinie  vom 
Baikalsee  nach  Wladivostock  durch  die  Mandschurei  vor 
\^ollendung  der  ersteren  Trace.  Das  Stück  zwischen  Kaidalovo 
und  Stretensk  zeigt  auf  der  Transbaikalischen  Seite  noch  den 
Ansatzpunkt  der  erstgewählten  Route.  Diese  wird,  wenn  auch 
mit  einiger  Verspätung,  unzweifelhaft  noch  vollendet  werden,  um 
die  ungünstigen  Verkehrsverhältnisse  auf  dem  Amur  und  Shilka 
zugunsten  der  Amurprovinz  zu  bessern. 

Der  Zug,  der  den  Reisenden  aufnimmt,  um  ihn  in  27-30 
Stunden  die  716  verst  =  750  km  bis  Habarovsk  zu  bringen,  ist 
aus  10  bis  15  Waggons  zusammengesetzt,  deren  geräumige 
Platzeinteilung,  solide  Konstruktion  und  namentlich  Höhe,  z.  B. 
im  Vergleich  mit  der  Enge  der  japanischen,  als  eine  ausser- 
ordentliche Annehmlichkeit  empfunden  wird.  Die  Möglichkeit 
für  mindestens  die  Hälfte  der  Passagiere,  bei  Nacht  auf  sehr 
praktisch  angeordneten  breiten  Klappmatratzen  schlafen  zu  können, 
trägt  nicht  wenig  zur  Erleichterung  der  Tour  bei  ;  die  Vollbe- 
setzung eines  Zuges  dürfte  nur  sehr  selten  eintreten,  und  so 
findet  sich  durch  eine  selbstgeübte  liberale  Verteilung  der  Schlaf- 
plätze innerhalb  des  mit  durchlaufendem  Seitengang  versehenen 
Zuges  wohl  für  jeden  bei  Nacht  ein  Ruheplatz.  Wer  sich  besonderen 
Luxus  gestatten  will,  der  mag  Kopfkissen  und  Decke  mit- 
bringen ;  auf  der  sibirisch-mandschurischen  und  zentralmandschu- 
rischen Bahn,  wo  man  mehrere  Tage  zu  fahren  hat,  um  an  die 
grösseren  Knotenpunkte,  wie  Tashihchiao  (Newchwang),  Port 
Arthur,  zu  kommen,  wird  dies  zur  Notwendigkeit.  Das  Hand- 
gepäck wird  jedermann  in  Sibirien  und  der  Mandschurei  auf  das 
allernotwendigste  beschränken  müssen,  so  dass  er  sich  im  Ealle 
der  Not  auf  kurze  Strecken  selbst  behelfen  kann  ;  denn  nicht 
immer  sind  bei  einem  durch  irgend  welchen  Zufall  veranlassten 
Umparkieren  oder  dergleichen  hülfreiche  oder  sichere  Hände  in 
genügender  Anzahl  zur  Verfügung.  Das  erlaubte  Ereigepäck- 
gewicht  ist  zudem  sehr  beschränkt  und  die  Taxen  für  den  Ge- 
päcktransport ausserordentlich  hoch.  Die  Geschwindigkeitsleistung 
geht  bei  diesen  Zügen,  alle  Aufenthalte  eingerechnet,  selten  über 
25   km  pro  Stunde  hinaus. 


196  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Für  leibliche  Bedürfnisse  ist  durch  einen  Speisewagen  mit 
guter  Küche  gesorgt ;  das  russische,  aus  der  nationalen  Kraut- 
oder irgend  einer  andern  Suppe,  dann  aus  Fleisch  und  etwas 
Mehlspeise  bestehende  Menü  zu  i  Rubel  ist  als  preiswert  und 
verhältnismässig  billig  anzusehen.  Besondere  Gelüste  kulina- 
rischer Art  können  im  Umfang  der  Speisekarte  eines  kleinen 
Restaurants  befriedigt  werden,  und  alkoholische  Stärkungsmittel 
vom  simplen  Wodka,  dem  russischen  Nationalschnaps,  bis  zum 
Champagner  stehen  jederzeit  zur  Verfügung,  allerdings  zu  enor- 
men Freisen.*  Man  wird  stets  gut  tun,  sich  mit  einem  kleinen, 
womöglich  metallenen  Teekessel,  einem  ebensolchen  Becher,  Löffel 
sowie  mit  Tee  und  Zucker  zu  versehen ;  heisses  Wasser  ist 
überall  auf  den  Stationen  unentgeltlich  zu  haben,  und  ein  Glas  Tee 
wird  aus  irgend  einem  der  fünf  klassischen  Gründe  für  Trinken, 
inniier  gern  genommen. 

Die  Landschaft  ist  kurz  nach  dem  Verlassen  von  W'ladi\-o- 
stock  anfangs  wenig  interessant  und  die  Amurbai,  eine  Einbuchtung 
des  Meeres,  welche  unifahren  wird,  etwas  monoton.  Die  Bahn 
erreicht  nach  einigen  Stunden,  108  km  von  Wladivostock  entfernt, 
Nicholskoe,  und  hier  sieht  man  zuerst  die  Anzeichen  eines  etwas 
grösseren  Ackerbaus,  während  bis  zu  diesem  Punkte  die  Linie 
zwischen  den  niedrigen  mit  Eichen,  Pappeln,  Birken  etc.  schlecht 
bewaldeten  Hügeln  hin  und  abwechslungsweise  über  endlose  gras- 
.steppenähnliche  Talmulden  führt. 

Nicholskoe  ist  auch  die  Abzweigstation  für  die  sibirische 
Bahn  durch  die  Mandschurei,  und  ein  geschäftiges  Treiben  herrscht 
auf  dem  hübschen  geräumigen  Bahnhofe.  Die  Stadt  Nickolskoe 
liegt  ca  zwei  km  abseits  in  einer  weiten,  flachen  Terrainmulde 
und  inmitten  unabsehbarer  F'elder,  auf  denen  Weizen,  Gerste  und 
Kartoffeln,  bei  dem  Raumüberfluss  an  Ackerboden  einstweilen 
offenbar  niu"  auf  den  besten  Plätzen,  mit  sehr  gutem  Erfolge 
gebaut  werden. 

Wenn  einmal  die  Besiedelung  dieses  Landstriches  in  grösse- 
rem Umfange  vor  sich  gegangen  ist,  dann  wird  sich  auch  die 
Versorgung  der  grösseren  Städte  z.  B.  Wladivostock  mit  land- 
wirtschaftlichen Produkten  aus  der  Umgegend  besser  geltend 
machen  können,    und   die  derzeitigen,  künstlich  hoch   getriebenen 

*  Ein  Flasche  russisches  Bier  unbestritten  inittehiiässiger  Qualität  kos. et  z.  U.  I 
Rubel  25  Kop.  =  2  Maik  50  Pfennig  und  das  unschuldige  riäT:Chchen  Selterswasser 
zu  ca  }4  Liier  Inhalt  40  Ko2:).  =  So  Pfennig;  I  Flasche  Champagner  12-13 
Rubel  =  25-26  M. 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  I97 

Preise  djr  an  sich  trotz  weitem  Transport  nicht  teueren,  in 
erster  Linie  aus  der  Mandschurei  importierten  Lebensmittel  auf 
ein  mehr  bekömmHches  Mass  zurückführen.  Der  Ackerboden, 
ein  schwach  lehmiges  Land,  gedüngt  mit  dem  tausendjährigen 
Humus  der  einstigen  Wälder,  ist  bis  gegen  Habarovsk  und  noch 
eine  Strecke  darüber  hinaus  für  Landwirtschaft  zweifellos  sehr 
gut  geeignet,  in  erster  Linie  natürlich  im  Ussurital  selbst  und 
dann  auf  den  tieferen,  welligen  Abhangshügeln,  Avelche  die 
westlichen  Ausläufer  der  nord-südlich  verlaufenden  Grenzberge 
an   der   Seeküste  (Shikota-Alin)  darstellen. 

Die  Temperatur  der  5  Vegetationsmonate,  welche  allein  für 
Bodenkultur  in  Betracht  kommt,  ist  merkwürdigerweise  nörd- 
lich gegen  Habarovsk  hin  grösser  (+  17*  C)  als  in  Wladivostock 
trotz  der  selbstverständlich  hier  niedrigeren  Wintertemperatur. 
Als  Hinderungsmittel  des  bei  diesen  Wärmeverhältnissen  in 
beträchtlichem  Umfange  möglichen  Getreideanbaus  erscheint  aber 
die  ungemein  hohe  Feuchtigkeit   während  der  Sommermonate.* 

Ausgedehnte  Waldungen,  Sümpfe  und  Moräste  finden  sich 
allenthalben,  leider  die  ersteren  gegen  die  Talsohlen  und  die 
Besiedelungszone  hin  sichtlich  stark  durch  Feuer  in  Mitleiden- 
schaft gezogen. 

Das  ganze,  wenig  hinter  der  Grösse  Italiens  (ohne  Sardinien 
und  Sicilien)  zurückstehende  Ussuriland  ist  in  landwirtschaftlicher 
Hinsicht  bedeutend  höher  anzuschlagen  als  das  westlich  angren- 
zende Amurland,  wenigstens  im  zentralen  und  südlichen  Teile. 
Gegen  den  Unterlauf  des  Amur  (also  um  Nicholajevsk)  dagegen 
wird  Landwirtschaft  von  nennenswertem  Umfang  klimatisch 
unmöglich. 

Die  Fahrt  geht  ununterbrochen  abwechselnd  an  Feldern, 
Wiesen  mit  stattlichen  weidenden  Rinderherden,  sumpfigem  Ter- 
rain und  Wald  vorüber,  ausser  zwei  grossen  Flussüberbrückungen 
keineswegs  besondere  Schwierigkeiten  beim  Bau  aufweisend. 
Die  eine  dieser  beiden  mächtigen  eisernen  Brücken  ist  über  den 
Ussuri  gelegt,  etwa  auf  halbem  Wege  zwischen  Wladivostock  und 
Habarovsk,  und  von  da  an  läuft  die  Linie  den  genannten  Fluss 
entlang  und  in  geringer  Entfernung  von  demselben.  Die  Stationen 
sind  wenige  und  in  grossen  Intervallen  (15-20  km). 

Was  an  Wald  passiert  wird,  setzt  sich  durchschnittlich,  bis 
auf  weite  Distanzen  von  der  Bahnlinie  entfernt,  aus  einem  un- 
gleichalterigen    Gemisch    von    Eichen,    Erlen,    Ulmen,    Pappeln, 

'■■  560  nun  pro  Jahr^  davün  312  mm  während  des  Smiimerä. 


198  K.    IIEFEI.E,    AUS    DEM    OSTEN. 

Birken  und  (li\-oi'scn  Sträuchcrn  zusammen,  ist  unregelmässig, 
licht,  mit  viel  Gras  am  Boden,  das  richtige  Bild  des  wiederholt 
vom  Feuer  \-er wüsteten  Urwaldes.  Hier  waren,  wie  schon  betont, 
die  heute  nur  noch  in  grosser  Entfernung  von  den  Kolonisations- 
gründen vorhandenen  Nadelhölzer  wie  reichten,  Tannen,  speziell 
Pinus  Cembra  und  Lärche,  früher  umfangreich  beigemischt.  Ab 
und  zu  passiert  man  ein  kleines  Restchen  dieser  originalen  Be- 
stockungsform,  um  aber,  gewissermassen  als  Aequivalent,  kurz 
darnach  durch  das  Vorhandensein  grösserer  reiner  Partieen  von 
Krüppeleichen,  Pappeln  und  Birken  über  riesigen  Nadelholzstöcken 
wiederum  an  die  Herrschaft  des  Feuers  erinnert  zu  werden.  Dann 
und  wann  sind  abgestorbene  und  frisch  von  Feuer  und  Rauch 
geschwärzte  AValdriesen  in  der  I-'Y>rne  an  den  Abhängen  der 
Hügel  sichtbar,  oder  eine  gnädige  Laune  des  Schicksals  bereitet 
uns  nahebei  ein  solches  Brandschauspiel  in  v'oller  Aktion,  wie 
man  Aehnliches  ja  auch  in  Hokkaido  dutzendemal  wahrnehmen 
kann. 

Gegen  LIabarovsk  sieht  man  die  stattliche  Pinus  Cembra  mit 
ihrer  dunklen  Krone  und  der  eigentümlichen  Zwieselform  des 
Schaftes  häufiger,  ebenso  sind  Lärchen  (Lar.  dahur.)  auf  grossen 
Flächen  in  Mischung  mit  Cembra  erhalten  und  zwar  in  der  Form 
wertvollsten  starken  Altholzes  Ihre  Rettung  mögen  diese  Forste 
dem  ausserordentlich  nassen,  sumpfig  moorigen  Boden  verdanken, 
der  sie  vor  der  I-^euerpest  bewahrte.  Diesen  Waldungen  wurde 
auf  der  Rückreise  ein  Besuch  abgestattet.  Einstweilen  war  die 
Absicht,  unter  Ausnützung  des  guten  Wetters  womöglich  ohne 
grössere  Aufenthalte  die  Amurmündung  zu  erreichen.  Reizende 
kleine,  aus  Holz  konstruierte  Sommerwohnungen  bei  Korkovskoe 
verraten  die  Nähe  von  Habarovsk,  das  auch  nach  einer  Stunde 
erreicht  ist. 

Habarovsk  trägt  die  Anzeichen  einer  erzwungen  raschen 
Entwicklung  ;  es  ist  weitläufig  mit  breiten  geraden  Strassen  ohne 
Pflaster,  die  einzelnen  Quartiere  etwas  unzusammenhängend  über 
drei  Hügel  und  deren  Verbindungstäler  zerstreut,  mit  klaffenden 
Lücken  der  Häuserbebauung  und  dementsprechender  Ausdeh- 
nungsmöglichkeit im  fixierten  Räume.  Unscheinbar  und  im 
scharfen  Kontrast  zu  den  roten  Ziegelbauten  der  neueren  Zeit 
stehen  die  alten  Quartiere  mit  niedrigen  Holzhäusern,  und  eine 
gewaltsame  Hand  hat  mit  energischen  Strichen  in  neuerer  Zeit  ihr 
,,  Sic  volo,  sie  jiiheo "  hinsichtlich  der  Formung  der  Stadt  ins 
Terrain  gezeichnet,  seit  sie  von  einem  im  Jahre  1858  gegründeten 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  I99 

Kosakenposten  Hand  in  Hand  mit  den  Erfolgen  der  lautlosen 
und  energischen  russischen  Politik  an  Bedeutung  gewann.  Heute 
ist  sie  der  Sitz  des  Generalgouverneurs   von  Ost-Sibirien. 

Das  Mu.seum,  die  Kathedrale,  der  Palast  des  Gouverneurs, 
das  Kasino  der  Garnison  etc.  liegen  auf  dem  Plateau  des  hohen, 
steil  zum  Amur  abfallenden  nördlichen  Ufers.  Die  Böschung 
zum  Flusse  hinab  selbst  ist  in  hübsche  öffentliche  Anlagen  um- 
gewandelt. Weit  schweift  das  Auge  über  die  breite  Wasser- 
fläche des  majestätischen  Amur,  der  256  km  stromaufwärts  den 
Ussuri  in  sich  aufgenommen  hat,  und  marschige  Ebene  im  Vor- 
dergrunde, niedere  Hügelreihen  mit  dunklem  Walde  in  weiter 
Ferne  vervollständigen  ein  ruhiges  Panorama  von  imponierender 
Grösse.  Die  Statue  Muraviov's,  des  rastlosen  Eroberers  der  Länder 
am  Amur,  auf  einem  Vorsprunge  des  Plateaus  bringt  in  der  ein- 
fachen Komposition  der  sinnend  die  Arme  faltenden  überlebens- 
grossen  Figur  die  Willenskraft,  das  Zielbewusstsein  und  die 
Erfolge  des  eisernen  Mannes  beredt  zum  Ausdruck.  Nach 
Süden  ist  sein  Blick  gerichtet,  —  dort  überm  Fluss  liegt  Mandschu- 
ria,  und  die  Gegenwart  zeigt  nur  zu  deutlich,  wie  die  magischen 
Wellen  seines  Geistes  den  Tatendrang  seiner  Nachfolger  be- 
lebten ! 

Der  Aufenthalt  in  dem  Hotel  ,,  Habaro vski "  mit  seiner 
vordringlichen  neugebauten  P'ront  in  der  Hauptstrasse  wirkt 
ungemütlich  durch  die  schäbige  Eleganz,  zu  der  die  Preise  um 
so  weniger  passen,  als  die  Reinlichkeit  und  die  Qualität  alles 
Gebotenen  den  Grad  tiefer  Mittelmässigkeit  kaum  überschreiten. 
Gewisse  sanitäre  Einrichtungen  und  die  Wasserrationen  zur 
Reinigung  des  Körpers  lassen  einen  bedenklichen  Schluss  auf 
sibirische  Verhältnisse  in  dieser  Richtung  zu.  Die  daraus  kei- 
mende Voreingenommenheit  gegenüber  sibirischen  Zuständen 
findet  leider  ihre  Bestätigung,  je  kleinere  Orte  man  besucht,  und 
der  Kontrast  ist  umso  fühlbarer,  wenn  man,  wie  wir,  vom 
reinlichen  Japan  herüberkam.  Eine  gewisse  Abtönung  hatte 
freilich  schon   in  Wladivostock  Platz  gegriffen. 

Habarovsk  mit  16-18.000  Einwohnern,  die  Garnison  nicht 
eingerechnet,  zeigt  natürlich  die  Eigentümlichkeit  aller  gewaltsam 
in  grössere  Verhältnisse  heraufgepressten  Posten  in  Ostsibirien. 
Es  hat  keine  eigentliche  Umgebung  mit  landwirtschaftlichem 
Betriebe,  der  die  Stadt  oder  den  Platz  genügend  mit  Ixbens- 
mitteln  und  den  diversen  Produkten  des  Bodens  oder  der 
Viehzucht    versorgen    könnte.      Es    licet    dies    in     der    Art    des 


200  K.    HEFKLE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Fortschreitens  der  russischen  Okkupation  neuer  Länder.  Die 
politische  und  mihtärische  Wichtigkeit  erfordert  die  Schaffung 
eines  Stützpunktes  in  kürzester  Zeit  mit  vollem  Zubehör  an  Ver- 
waltungsorganen, oft  mitten  in  einer  bisherigen  Wildnis.  Die 
weitere  Entwicklung  geht  dann  später  von  diesem  Zentrum  aus, 
und  da  z.  B.  im  Ussuri-  und  Amurland  im  grossen  ganzen 
erst  eine  ackerbautreibende  Bevölkerung  durch  Kolonisten  vom 
europäischen  Russland  her  geschaffen  werden  muss,  so  steht 
man  hier  eben  vor  dem  umgekehrten  Faktum  sonstiger  Landes- 
entwicklung, wo  aus  den  sich  verdichtenden  Ansiedlungen  der 
Ackerbauern  durch  Abscheidung  der  Handwerker  etc.  sich 
Lidustrie-  und  Handelszentren,  eben  die  Städte  bilden.  Aehn- 
liches  findet  man  ja  auch  in  Amerika,  wo  die  Städte  pilzartig 
aus  dem  Boden  schiessen,  aber  man  darf  nicht  vergessen, 
dass  ein  gewaltiger  Unterschied  zwischen  der  Bevölkerung 
Amerikas  und  jener  Sibiriens  besteht.  Amerika  mit  seinen 
Legionen  werktätiger,  intelligenter  Kräfte,  mit  seiner  hohen 
Entwicklungstufe  hinsichtlich  Landwirtschaft,  Lidustriebetätigung 
und  Minenbenützung,  mit  dem  überall  bereiten  gesamten  Apparat 
der  Kultur  in  Eisenbahnen,  Telegraphen  und  Maschinen  etc., 
unter  der  Aegide  enormen  Kapitals  und  der  volkstümlichen 
amerikanischen  Unternehmungslust,  gestützt  durch  Freiheit  und 
Vielseitigkeit,  ist  grundverschieden  von  Sibiriens  zwangsweise 
angesiedelter,  der  amerikanischen  materiell  und  geistig  inferioren 
Bevölkerung.  Die  Absatzverhältnisse  der  Produkte  irgend  einer 
Unternehmung  sind  in  Amerika  durch  ein  reiches  Netz  von 
Verkehrslinien  und  die  Handels-  und  Kreditverhältnisse  auf 
eine  weitaus  günstigere  Basis  gestellt  als  hier,  wo  die  ge- 
nerelle Unaufgeschlossenheit  der  Gegend,  widriges  Klima  und 
namentlich  eine  zur  Initiative  erzogene  Bevölkerung  gänzlich  fehlt. 
Die  Zähigkeit  des  Russen  und  die  Konzentration  aller  geistigen 
Fähigkeiten  der  leitenden  Kreise  in  der  neueren  Zeit  auf  ein 
bestimmtes  Ziel,  das  meist  bemerkenswert  hoch  gesteckt  ist, 
werden  den  Erfolg  zweifellos  schliesslich  auch  hier  erreichen 
lassen,  wenn  auch  langsamer. 

Habarovsk  ist  klimatisch  sogar  günstiger  gestellt  '■'  als  die 
Gegend  am  oberen  Ussuri  und  mag  somit  erwartet  werden,  dass 
der  Anblick  grösserer  Getreidefelder  wie  bei  Nicholsk  nur  eine 
P'rage    der    Zeit    ist.      Gegenwärtig    kommen    die    landwirtschaft- 


*  (Während  der  \'egetaüonszeit   -i-  17°  C). 


K.    HEF-ELE,    AUS    DEM    OSTEN.  201 

liehen  Produkte  (Getreide  und  Vieh)  in  der  Hauptsache  von  der 
Mandschurei  auf  dem  Sungari  und  Amur  zum   Importe. 

Der  Wasserweg  nach  Transbaikahen,  den  Amur  und  Shilka 
hinauf,  repräsentiert  eine  lebhafte  Verkehrsstrasse  für  Produkte  aus 
Mandschurei  und  Transbaikahen  (Getreide,  Kartoffeln  etc.,  Rindvieh), 
obwohl  in  seiner  Wirksamkeit  nicht  wenig  gehemmt  durch 
ungünstige  Bettverhältnisse  des  Flusses  (Schiffe  können  höchstens 
4  Fuss  Tiefgang  haben)  und  Eis.  Blagoveschzenzk,  einige  975  km 
Amuraufwärts,  eine  blühende  Handelsstadt  und  das  Zentrum  der 
sibirischen  Goldindustrie,  mit  seinen  40.OOO  Einwohnern  wurde 
mir  ebenfalls  als  der  Tj'pus  einer  kontinentalen  sibirischen  Stadt 
bezeichnet,  aber  die  Fahrt  von  Habarovsk  über  Blagoveschzenzk 
nach  Stretensk  den  i\mur  und  Shilka  aufwärts  erfordert  einer- 
seits fast  24  Tage  Zeit,  und  zahlreiche  Cholera-Fälle  eröffneten 
anderseits  die  Möglichkeit,  bei  der  Ankunft  an  der  sibirischen 
Eisenbahn  in  Stretensk  ein  paar  weitere  Wochen  in  Quarantäne 
gelegt  zu  werden.  So  wurde  von  dem  Plane  des  Besuches  dieser 
interessanten  und  durch  waldbedecktes  Hügel-  und  Gebirgsland 
führenden  Strecke  abgesehen,  obwohl  ein  solcher  den  Vorteil 
gehabt  hätte,  uns  den  Rückweg  nach  Wladivostock  zu  ersparen. 

Um  von  Habarovsk  nun  weiter  nördlich  vorzudringen,  ist 
man  auf  die  Schifffahrtsgelegenheiten  auf  dem  Amur  angewiesen. 
Ein  regelmässiger  Postdampferdienst  ist  zwischen  Habarovsk  und 
Nikolajevsk  mit  einer  Anzahl  Anlegepunkte  auf  der  Strecke 
eingerichtet.  Die  hiefür  bestimmten  Schiffe  sind  flachgehende 
kleine  und  mittlere  Raddampfer  (ca  60  m  lang,  14  m  breit)  und 
enthalten  Kabinen  fiir  ca  50  Personen  im  Durchschnitt;  I.  und  II. 
Kl.  differieren  in  Bequemlichkeit  und  Pässen  nicht  auffallend,  die 
Räume  sind  jedoch  sehr  prekär  und  lassen  die  nötige  Sauber- 
keit oft  stark  vermissen.*  Das  vorhandene  Oberdeck  gewährt 
dagegen  die  Möglichkeit,  sich  angenehm  zu  ergehen.  Das 
Hauptdeck  und  der  hintere  Teil  des  Oberdecks  sind  für  die 
Zwischendeckpassagiere  bestimmt,  die  in  buntem  Durcheinander 
eine  interessante   Rassenmischung  aufweisen.      Die  Zwischendeck- 

""  Der  Fahrpreis  kann  nicht  elien  niedrig  genannt  werden,  er  beträgt  13.!-  Rulrjl 
=  27  M  in  II.  Kl.  für  die  ca  900  km  lange  Stiecke,  und  zwar  ohne  Verpflegung.  Die 
letztere  ist  genügend  und  besteht  aus  einer  einfachen  Mahlzeit  mit  reichlichen  Portionen, 
Abends  nur  i  Fleischgang,  Morgens  Kaffee  und  als  Beigabe  zu  jeder  Mahlzeit  Tee. 
Der  Preis  hiefür  ist  2  R  25=4  M  50  Pf.  pro  Tag.  Sehr  teuer  sind  Getränke  jeder 
Art  ausser  Tee  (i  Fl.  Bier  russischen,  japanischen  oder  amerikanischen  Ursprungs  kostet 
von    70    Kop. — 2  Ruljel,  Kwass    und  kohlensaueres  Wasser  30-40  Kop.  =60-80  Pfj. 


202  K.     IIEFELE,    AUS    DEM    O.STEX. 

passagicrc,  meist  i^aiize  r'aniilicn,  kampijren  schlecht  und  recht 
auf  dem  Ikxlen  unter  Zuhilfjnahnie  mitgebracliter  alter  Decken 
oder  Bündel,  welche  die  schmale  Habe  enthalten.  Man  findet 
da  repräsentiert  den  russischen  Bauern,  untersetzt,  mit  struppigem 
Vollbart,  Chinesen  als  Handwerker  oder  kleine  Kaufleute,  korea- 
nische Kuli.  G<^ld\väscher  von  den  Golddistrikten,  Jäger,  Kosaken 
und  ab  und  zu  ein  paar  Vertreter  der  einheimischen  Mon- 
golenstämme wie  Giliaken,  (lolden,  oder  JSuriaten  (letztere  vom 
oberen  Amur  aus  Transbaikalien  stammend).  Die  europäische 
Gesellschaft  der  I.  und  IL  Kl.  besteht  aus  einer  Anzahl  (uni- 
formierter) russischer  Beamten  und  aus  Kaufleuten,  welche  Dienst 
oder  Geschäft  zum  Reisen  veranlassen.  Die  ganze  3|  tägige  Fahrt 
ist  etwas  monoton  :  weit  und  breit  niedriges  Land  oder  schwach- 
wellige Hi^igel  mit  endlosem  Wald,  Sümpfen  oder  Grasland,  und 
nur  in  grosser  L^ntfernung  vom  Flusse  sieht  man  einmal  eine 
höhere  Bergkette  in  östlicher  Richtung,  die  bei  Sofiesk  etwas 
näher  herantritt.  Der  Fluss  ist  von  einer  wechselnden  Breite, 
zwischen  400  und  I.OOO  m,  und  kleine  Poststationen  an  seinen 
Ufern  werdei^  in  Zwischenräumen  von  6-10  Stunden  angelaufen. 
Es  sind  dies  Orte  von  20  bis  zu  loo  Häusern,  an  der 
Uferbank  langgestreckt  zerstreut  und  auf  Lichtungen  früheren 
Wald-  oder  Sum[)fterrains  erbaut.  Die  Häuser,  ganz  von  Holz 
konstruiert  und  niedrig,  machen  mit  ihren  weissen  Fensterrahmen 
keinen  unfreundlichen  Eindruck.  Frauen,  Männer  und  Kinder 
bieten  die  Erzeugnisse  ihrer  kleinen  Wirtschaft,  Milch  und  Brot 
oder  Backwerk,  auch  Fische  zum  Kaufe  an,  sobald  der  Dampfer 
anlegt.  Li  der  Hauptsache  ist  es  eine  Fischerbevölkerung-,  welche 
in  diesen  Niederlassungen  haust.  Nirgends  fehlt  die  Kirche 
(wenn  auch  oft  in  recht  baufälligem  Zustande)  als  Wahrzeichen, 
dass  orthodoxer  Glaube   hier  eine   Heimstätte  hat. 

Eine  Anzahl  der  Ansiedler  erwirbt  sich  neben  etwas  Vieh- 
zucht und  Ackerbau  noch  Verdienst  durch  Holzfallen  für  den 
Bedarf  der  Schiffe.  Holzzaine  grob  aufgespaltenen  Scheitholzes 
stehen  zur  Verladung  als  Feuerholz  am  Ufer  bereit.  Natürlich 
hilft  diese  Art  der  Kesselfeuerung  ebenso  kräftig  zu  der  Zerstörung 
des  Waldes  mit  wie  die  L,okomotive,  welche  auf  der  Ussuribahn 
oder  der  sibirischen  und  mandschurischen  Linie  ja  auch  nur 
mit  Holz  geheizt  wird.  Diese  Poststationen  erhalten  ihre  eigent- 
liche Wichtigkeit  erst  im  Winter,  wenn  der  ganze  Verkehr  von 
Nicholajevsk  nach  Habarovsk  und  umgekehrt  auf  dem  festge- 
frorenen .\mur  \"or  sich  geht ;  sie  sind  dann  die  Relaisplätze  für 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  203 

Pferde  und  Rastpunkte  der  Reisenden,  die  sich  an  den  riesigen 
aus  Ziegeln  gebauten  Ojfen  von  der  schneidenden  Kälte  der 
Fahrt  erholen  mögen. 

Was  den  Wald  entlang  dieser  ganzen  Flussstrecke  anbelangt, 
so  trägt  er  in  nächster  Nähe  der  Ufer  die  Zeichen  der  Ver- 
nichtung durch  Hochwasser  und  Eis  und  durch  Feuer  auf  weiter 
entfernten  Plätzen  nur  zu  deutlich  zur  Schau,  namentlich  jede 
hügelartige  Erhebung  lässt  dies  sicher  wahrnehmen.  Die  Brände 
am  Amur  erfreuen  sich  einer  gewissen  Selbstverständlichkeit, 
der  nur  Aufmerksamkeit  geschenkt  wird,  w'enn  dieselben  wie 
im  Jahre  1887  eine  solche  Ausdehnung  annehmen,  dass  die 
Schifffahrt  auf  dem  Amur  wegen  der  unerträglichen  Hitze  und 
des  jede  Aussicht  hindernden  Rauches  für  Wochen  eingestellt 
werden  muss.  Ungleichalterige  Horste  von  Lärchen,  Fichten, 
Erlen,  Birken,  Pappeln  und  \\'eiden  ziehen  in  reinen  Gruppen 
oder  untereinander  gemischt  am  Auge  vorüber,  und  die  Mono- 
tonie der  flachen  Uferlanclschaft  wird  durch  eine  stundenlang  das 
Ufer  einsäumende  niedere  Weiden-oder  Erlenbestockung  gerade- 
/Ai  unangenehm  gesteigert.  Freut  man  sich  einmal,  eine  Partie 
alten  Hochwalds  in  der  Nähe  zu  erblicken,  so  ist  man  nur 
umsomehr  enttäuscht  beim  Näherkommen,  da  man  in  der  Regel 
nur  einen  geschwärzten  abgestorbenen  Bestand  vor  sich  sieht, 
zu  dessen  Füssen  eine  junge  .Generation  von  Birken,  Pappeln 
etc  sich  anschickt,  dem  unausbleiblichen  Schicksal  des  Feuertodes 
entgegen  zu  wachsen.  Moorige  Wiesen  mit  hohem  Gras  'kon- 
trastieren in  ihrem  lebhaften  Grün  mit  dem  sie  um.schliessendcn 
dunkeln,  mattfarbigen  Walde.  Im  grossen  ganzen  bleibt  der 
Eindruck  eines  endlosen  moorigen,  waldbedeckten  Tief-  und 
niedrigen  Hügellandes,  das  wohl  in  der  Hauptsache  als  ewige 
Forstregion  bezeichnet  werden  muss,  zweifellos  in  seiner  nörd- 
licheren Plälfte  gegen  Nikolajevsk,  da  die  klimatischen  Be- 
dingungen dort  zu  ungünstig  für  Landwirtschaft  sind.  Rein 
landschaftlich  betrachtet  sind  manchmal  die  Gegenden  am  Amur, 
besonders  gegen  Abend,  von  einem  eigenartigen  Reize.  Ruhig 
zieht  das  Schiff  seinen  Kurs  auf  der  weiten  Wasserfläche, 
tief  schwarz  erscheint  das  Wasser  in  nächster  Nähe,  während 
es  gegen  die  Ufer  im  Westen,  wo  die  Sonne  eben  unter- 
gegangen ist,  in  successiv  hellere  Schattierungen  vom  tiefen 
Blau  in  Grün,  Rot  und  zuletzt  in  intensivst:;s  Gelb  verläuft,  wie 
ein  Regenbogen  von  riesiger  Breite.  Dazu  die  stillen  gespenster- 
haften   Uferweiden,  deren    unzählige    Spitzen    und    ]31ättchen  sich 


204  K.    I!EF?:LE,    aus    dem    OSTEN. 

mit  frappanter  Deutlichkeit  gegen  den  in  Glut  getauchten 
Himmel  abzeichnen.  Darüber  wiederum  die  allmähliche  Ab- 
tönung der  feurigen  Gloriole,  \'om  fli^issigen  Golde  zu  hellem 
Smaragd-Grün  und  Azur-Blau,  an  das  sich  im  Zenit  tiefstes  Violett 
anreiht,  um  gegen  Osten  in  unbestimmtes  Grauschwarz  über- 
zugehen. Kobaltblaue  Bergeshöhen  sind  gegen  Südosten  zu  in 
Dämmerung  versinkend  sichtbar,  und  über  ihnen  emporsteigend 
der  Mond,  dessen  langstreifiger  Widerschein  im  Kielwasser  des 
Schiffes  silberne  Kringel  formt.  Langsam  \ergeht  Glut  und 
1^'arbenspiel,  und  rotfunkelnd  wie  gierige  Augen  von  Dämonen 
blitzen  die  Signallichter  der  Richtpunkte  am  düsteren  Ufer  —  die 
Luft  eine  seltsame  Mischung  von  Maiglöckchen,  Kiefernduft  und 
moderiger  Substanz.  Wer  Abende  an  einem  der  moorumsäumten 
Seen,  etwa  dem  Chiemsee  im  südlichen  Bayern,  verlebt  hat.  dem 
werden   solche    Bilder  bekannte   Heimaterinnerungen    vorzaubern  ! 

Die  Temperatur  schwankt  im  Amurlande  zwischen  Extremen, 
und  wer  sich  im  Juli  bei  30°  im  Schatten  am  Vormittage  den 
zugigsten  Platz  auf  Deck  des  Schiffes  aufsucht,  um  etwas 
Kühlung  zu  erhalten,  wird  sich  schwer  mit  dem  Gedanken  be- 
freunden, dass  im  W'inter  hier  eine  Kälte  von — 25°  C  und  mehr 
eben  nicht  zu  den  Seltenheiten  gehört  und  dass  in  der  letzten 
Hälfte  des  Oktober  wegen  des  Eises  die  Schifffahrt  auf  dem- 
selben Amur  wieder  eingestellt  .werden  muss  bis  Ende  Mai, 
wo  dann   wiederum  verhältnismässig  rasch  der  Eisgang  erfolgt. 

Endlich  ist  Nikolaje\'sk  in  Sicht,  und  der  Dampfer  dreht, 
in  grossem  Bogen  laufend,  bei,  um  nicht  mit  den  angehängten 
Transportbarken  in  Kollision  zu  geraten.  Nach  dem  üblichen 
Aufenthalte  durch  ärztliche  L^ntersuchung  etc  legt  man  schliess- 
lich an  einem  Avellblechgedeckten  Schuppen  an,  der  den  kühnen 
Namen  ,,  Landungshalle  "  trägt.  Der  Pass  muss  vorgezeigt 
werden  und  stellt  in  meinem  Falle  den  riesigen  Gendarm  vor 
eine  recht  kitzlige  Alternative.  Lesen  kann  er  ihn  nicht,  weil 
er  deutsch  verfasst  ist,  luid  das  Publikum  betrachtet  mit  un- 
verhohlener Neugierde  den  Fremdling,  der  nicht  so  glücklich 
ist,  sofort  passieren  zu  können,  wohl  vermutend,  dass  mit  dem 
Fremden  ,,was"  nicht  ,,  richtig"  sei.  Ohne  weiteres  den 
Fremden  durchzulassen,  .scheint  dem  Gendarmen  nicht  angängig,, 
und  so  hilft  sich  der  Brave  unter  dem  Drucke  der  murrenden 
landungssüchtigen  Passagiere  durch  das  Auskunftsmittel  einer 
sinnenden  Miene,  und  weiss  Gott  was  murmelnd  gibt  er  mit 
gnädigem  Kopfnicken  das  Zeichen  zum  Passieren.     Staunend  be- 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  2O5 

wundert  wieder  einmal  das  niedere  Publikum  die  Ueberlegenheit 
der  Polizeimacht,  die  alles  kann,  sogar  verkehrt  in  der  Hand 
gehaltene  deutsche  Pässe  lesen. 

Da  mir  von  einem  Deutschen  an  Bord  der  Rat  gegeben 
war,  mich  bei  Zeiten  nach  Quartier  umzusehen,  so  gehts 
im  Galopp  mit  einer  der  schmutzigen  Troikas  durch  Staub  und 
Sonnenbrand  zum  Städtchen  hinauf,  von  dem  man  anfänglich 
recht  wenig  wahrnimmt,  da  es  auf  dem  Plateau  der  Ufereinfassung 
gelegen  ist  und  ganz  in  kleinen  Baumgruppen  versteckt  zu  sein 
scheint.  Das  einzige  Gasthaus  hat  nur  sieben  Schlafräume  ;  Zimmer 
sind  wohl  nur  zwei  davon  zu  nennen,  und  die  durchschnittliche 
Aus.stattung  derselben  lässt  alle,  auch  die  bescheidensten  Ansprüche 
unerfüllt.  Das  Einzige,  was  man  sich  ersehnt,  ein  annehmbares 
Bett  oder  eine  Lagerstatt,  ist  repräsentiert  durch  ein  Holzbrett- 
planum  in  einer  eisernen  oder  hölzernen  Bettstelle  und  darauf 
eine  3  cm  dicke  Matratze  sowie  eine  Decke  zum  Zudecken  ; 
Leintücher  sind  selbst  mitzubringen  oder  werden  extra  berechnet. 
Die  gute  Laune  wird  unter  solchen  Umständen  auch  bei  wenig 
verwöhnten  Forstleuten  nicht  gehoben,  denn  die  Aussicht,  nach 
drei  Tagen  harten  Liegens  auf  einer  Art  Panzermatratze  während 
des  Aufenthaltes  auf  dem  Schiffe  in  noch  weniger  einladende 
Verhältnisse  zu  geraten,  ist  wenig  dazu  angetan,  Segenswünsche 
für  sibirische  Gasthäuser  zu  erzeugen,  aber  die  begleitenden  Um- 
stände, die  wir  erst  nachher  erfahren  sollten  und  die  in  Sibirien 
als  selbstv^erständlich  hingenommen  werden,  hatten  nach  wenigen 
Tagen  den  Entschluss  gezeitigt,  im  Freien  auf  dem  Erdboden  zu 
kampieren.  Infolge  menschenfreundlicher  Vermittlung  des  Ver- 
treters der  deutschen  Export-  und  Importfirma  von  Kunst  und 
Albers  kam  dies  jedoch  nicht  zur  Ausführung. 

Es  i.st  mir  aus  begreiflichen  Gründen  nicht  möglich,  mehr 
wie  Andeutungen  über  die  Ursachen  des  obigen  Entschlusses  zu 
geben  ;  man  schien  in  ein  richtiges  Nest  verrufenster  Art  geraten 
zu  sein,  dessen  Spektakel  durch  mehrere  Tage  weder  bei  Tag  noch 
bei  Nacht  auch  nur  eine  Minute  Ruhe  erlaubte  und  dessen  Rein- 
lichkeitsverhältnisse  in  jeder  Richtung  eben  ,,  sibirisch  "  sind,  wor- 
über sich  freilich  der  Russe  als  über  etwas  Selbst\'erständliches 
ohne  jede  Notiz  hinwegsetzt.  Und  dabei  war  dieser  einstöckige 
halbv^erfallene  Blockhausbau  die  einzige  Unterkunftsmöglichkeit  in 
dem  ca  7.000  Einwohner  zählenden  Nikolajevsk,  wo  der  Verkehr 
von    Fremden,  d.  h.  Kaufleuten   immerhin  ein   ziemlich  reger  ist. 

Nikolajevsk   steht   unter    dem   Zeichen  des  „Fisches".     Der 


205 


K.    IIEFELK,    AUS    DEM    OSTEN. 


Fi-schfaiii^r  (Lachsfang)  und  Verkauf  desselben  beherrscht  alle 
Verhältnisse,  da  er  die  nahezu  einzige  Beschäftigung  und  Ein- 
nahme der  russischen,  seit  1850  angesiedelten  Bevölkerung  dar- 
stellt. In  ungezählten  Scharen  kommen  die  Lachse  aus  der 
Ochotskischen  See  den  Amur  zum  Laichen  herauf,  und  von 
der  25  km  von  Nikolajevsk  entfernten  Mündung  des  Amur  bis 
weit  hinauf  stromaufwärts  ist  im  Sommer  am  Ufer  Fischer- 
niederlassung an  Fischerniederlassung  gereiht,  deren  Lisassen  dem 
Fange  der  geschätzten  Wasserbewohner  obliegen.  Die  ganze 
Ausbeute  wird  tatsächlich  fast  allein  von  japanischen  Fischern 
gewonnen,  die  zur  warmen  Jahreszeit  mit  70-100  Dschunken  und 
6-700  Mann  hierher  eilen.  Der  Hafen  von  Nikolajevsk  hat  des- 
halb zu  gewisser  Zeit  einen  ganz  japanischen  Anstrich. 

Das  Geschäft  ist  zweifellos  sehr  lukrativ,  wenn  man  die 
Preise  der  gesalzenen  und  geräucherten  Lachse  in  Japan,  wohin 
fast  das  ganze  Fangergebnis  geht,  und  den  Wert  am  Fangorte 
in  Erwägung  zieht.  Literessant  ist,  dass  den  japanischen  Fischern 
theoretisch  nicht  erlaubt  ist,  den  ,,  Fisch  "  zu  fangen,  sie  dürfen 
ihn  nur  von  den  russischen  Fischern  kaufen  und  haben  natürlich 
auch  bestimmte  Abgaben  für  Benutzung  der  Ufer  zur  Errichtung 
von  einfachen  Holzbaulichkeiten  zwecks  des  Einsalzens,  Ver- 
packens  und  Räucherns  der  Lachse,  sowie  für  Brennholz  etc 
zu  zahlen.  Zwischen  Theorie  und  Praxis  scheint  aber  ein  grosser 
Unter.schied  zu  herrschen,  und  nur  zu  bereitwillio;  möoen  die 
Einheimischen  das  mühsame  Geschäft  des  P'angens  unter  nomi- 
neller Oberhoheit  den  Fremden  überlas.sen,  damit  ihnen  mehr 
Zeit  für  die  Konsumierung  von  Wodka  bleibt.  Wie  viel  \'on 
diesem  P^euerwasser  und  Pluch  Sibiriens  jährlich  vertilgt  wird,* 
mag  man  aus  dem  Umstände  entnehmen,  dass,  ein  paar  An- 
siedelungen der  Umgegend  mit  höchstens  i.ooo  Personen  zu  den 
7.000  Einwohnern  Nikolajevsks  hinzugerechnet  und  unter  Ausser- 
achtlassung  des  massenhaft  geschmuggelten  Alkohols,  pro  Jahr 
von  den  somit  insgesamt  8.000  Köpfen  dieses  Platzes  50.000  Eimer 
ä  20  FL,  also  =  1. 000.000  Flaschen  =  ca  800.000  Liter  vertilgt 
werden,  das  sind  ca  125  P'laschen  oder  100  Liter  pro  Kopf  der 
Bevölkerung.  Die  Ausgabe  hiefür  beziffert  ca  500.000  Rubel 
oder   I    Mill.  Mark  im  ganzen. 

Die  relativ  hohen  Löhne,  welche  gezahlt  werden  (il  Rubel 
pro  Tag  für  den  gewöhnlichen  Arbeiter),  gehen  meist  den  ,,  gei- 

*  In  Minusinsk,  einer  andern  Ortschaft  Sibiiiens,  hat  ebenfalls  die  dortige  Bevölke- 
rung in  I  Jahre  für  1  Mill.  Rubel  Wodka  verbraucht.  CT.  J.  Stadling,  Through  .Sibciia. 


K.    IIEI-ELE,    AUS    OEM    OSTEN".  20/ 

stieren  "  Weir,  und  für  die  Landwirtschaft,  die  in  beschränktem 
Umfanf^e  hinsichtlich  Gerste,  Hafer,  Kraut  und  insbesondere 
Kartoffehi  sowie  Viehzucht  niögUch  wäre,  sind  sie  geradezu  ein 
Hindernis,  soweit  die  in  der  verdorbenen  Bevölkerung  fcstwur- 
zehide  Faulheit  noch  eine  Neigung  hiezu  aufkommen  lassen 
würde.  25  Rubel  ist  für  den  landwirtschaftlichen  Arbeiter  neben 
Verpflegung  der  Monatslohn  im  Sommer  und  1 5  Rubel  im  Winter. 
Die  40.000.000  Pfund  Lachse  zu  rund  i.ooo.OOO  Rubel  =  2  ?vlill 
Mark  Wert,  welche  alljährlich  an  dem  Unterlauf  des  Amur 
'gefangen  werden,  sind  für  die  wenigsten  eine  Quelle  des  Wolil- 
.standes  geworden,  wie  sie  es  sein  könnten,  das  sieht  man  an 
dem  ganzen  x^crkommenen  Anblick  der  Leute  und  an  ihren 
W^ohnungen. 

Auch  Xikolajevsk  leidet  infolge  seiner  Waldbrände  in  der 
Umgegend  wie  alle  bisher  am  Amur  und  Ussuri  beobachteten 
grösseren  Niederlassungen  an  Mangel  von  Holz  in  einigermassen 
annehmbarer  Nähe.  Der  cbm  Lärchenholz,  das  meist  gebrauchte 
Bauholz,  erzielt  einen  Waldpreis  von  15  Kopeken  =  30  Pf,  aber 
die  Transportkosten  zu  i  Rubel  pro  cbm  und  i  verst  erhöhen 
bei  einer  mittleren  sehr  gewöhnlichen  Lieferungsentfernung  von 
20  verst  =  21  km  die  Kosten  auf  20-23  Rubel  —  40-50  Mark 
pro  cbm.  Wassertransport,  wenn  er  möglich  ist,  drückt  die 
Kosten  natürlich  bedeutend  herab,  immerhin  sind  solche  Preise  im 
Herzen  eines  Urwaldes  enorme.  Der  Preis  von  5  Rubel  =  20  M 
für  I  Ster  des  hauptsächlich  verwendeten  Lärchenbrennholzes 
ist  geradezu  deprimierend  hoch  für  einen  grösseren  Haushalt,  der 
mit  Leichtigkeit  in  einem  Winter  seine  50-60  Ster  und  mchr 
verfeuert. 

Die  hohen  Kosten  aller  Lebensmittel  in  Nikolajevsk  sind 
die  P'olge  des  Fehlens  von  Landwirtschaft  in  der  Umgegend,  und 
die  Aufhebung  der  zollfreien  Einfuhr  derselben  seit  einem  Jahr 
scheint  gleichfalls  bestimmt,  das  Uebel  zu  verschlimmern.  Der 
Preis  Von  i  Pud  (40  russische  Pfund)  Kartoffeln  vermag  bei 
geringer  Ernte  von  80  Kopeken  bis  auf  2  und  3  Rubel  =  4-6  M 
zu  steigen.  Das  sind  düstere  Schatten  auf  dem  sonst  so  freund- 
lichen Landschaftsbilde  ! 

Ein  Spaziergang  durch  das  Städtchen  macht  uns  in  kurzer 
Zeit  mit  den  Sehenswürdigkeiten!,  soweit  man  von  solchen 
sprechen  kann,  bekannt.  Die  Kirche  von  Holz,  etwas  baufällig 
und  schief,  der  Feuerturm  im  Stile  der  Holzkasten  ä  la  Tokio 
und  langestreckte   niedere  Kasernen   für  die    Garnison    sind   dazu 


208  K.    in:i-KLK,    AUS    DEM    OSTEN'. 

ZU  zählen.  Ami.selige,  Alpenhüttcn  ähnliche  Blockhäuschcn  mit 
bUnden  Ivnstern  und  .schreiend  roten  Vorhängen,  hinter  denen  .sich 
russische  und  namentlich  japanische  vorübergehend  stationierte 
Weiblichkeit  mit  grösster  Ungeniertheit  bewegt,  stechen  scharf  ab 
von  der  l^ebauung  der  paar  Strassen  oder  Strässchen,  in  denen 
gruppiert  um  die  öffentlichen  Gebäude  die  besser  situiertc  spärliche 
deutsche,  japanisclie  oder  russische  Kaufmannschaft  ihre  Quartiere 
aufgeschlagen  hat.  Zwischendurch  allüberall  dii;  kleinen  Detail- 
läden mit  dem  schlechtesten  Krimskrams  der  Bedürfnisse  des 
täglichen  I-ebens  und  dem  Kainsmal  des  allgegenwäitigen  Wodka. 
Gewerbetätigkeit  ist  verhältnismässig  wenig  wahrnehmbar.  Der 
Gesamteindruck  des  besseren  Stadtteils  mit  den  frischen  Farben 
des  Häuseranstriches  (weiss),  den  kleinen  Baumgärten  oder 
wenigstens  einzelnen  Exemplaren  von  Birke,  Pappel  oder  Därche 
um  das  Haus,  ist  kein  ungemütlicher,  er  entbehrt  durchaus  nicht 
einer  gewissen  einfachen  Behaglichkeit,  und  der  Ueberblick  über 
den  Landungsplatz,  die  den  Fluss  einsäumenden  niedrigen  Hügel 
und  die  breite  spiegelnde  Fläche  des  Amur  im  Sommer  muss  ein 
freundlicher  genannt  werden.  Und  warm  ist's  liier  im  Juli 
unglaublich.  Bei  den  Exkursionen  zum  W^alde  wähnte  man  sich  in 
die  Breiten  um  Kolombo  oder  Formosa  versetzt,  so  brütend  lag 
die  bleierne,  unbewegliche  Schwüle  über  dem  moorigen  Grunde 
der  Forste. 

Die  Wälder  selbst  sind  nur  in  grosser  Entfernung  \'on 
menschlichen  Ansiedelungen  in  natürlicher  und  einigermassen  durch 
Feuer  oder  Menscheneingriff  unveränderter  Form  anzutreffen.  Sie 
sind  ohne  besondere  Charakteristika  eben  Urwaldungen  schlecht 
und  recht,  wie  so  viele  andere,  die  ich  gesehen.  Aus  Lärchen,* 
mit  Fichten  von  mittlerem  Höhen-  und  Stärkenwuchse  in  der 
Hauptsache  zu.sammengesetzt,  verrät  sich  das  etwaige  längere 
Verschontsein  vom  Feuer  durch  die  Anwesenheit  von  Jungsvuchs- 
gruppen  in  allen  Altersstufen,  und  die  Aestigkeit  älterer  Bäume 
deutet  auf  ein  Aufwachsen  in  ziemlich  freiem  Stande  hin.  Birken, 
Pappeln,  Weiden,  Erlen  etc.  finden  sich  als  Füll-  und  Unter- 
standsholz und  helfen  getreulich  mit,  die  Schneedrucklöcher  sowie 
sonstige  dem  Menschen  oder  der  Natur  zu  dankende  Fehl- 
stellen im  Grundbestande  beschönigend  zu  decken,  so  dass  von 
der  p'erne  gesehen  solche  Bestände  mehr  konsoliiliert  und  ge- 
schlossen erscheinen,  als  sie  es  tatsächlich  sind.     Das  Eindringen 

'■'■  Lari\  daluuica. 


K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  209 

in  solchen  Wald  ohne  Weg  und  Steg  auf  moorigem  Boden  durch 
mannshohes  Gras,  Unkraut  und  Staudengewirr,  das  ungezählte 
Male  nötige  Ueberklettern  gestürzter  Waldriesen  mit  ihren 
harten,  dürren  Aesten  und  die  Monotonie  und  Gleichförmigkeit 
auf  endlosen  Flächen  ist  trotz  der  Grossartigkeit  des  Ausdrucks 
einer  ungezügelten  Natur  nicht  wenig  anstrengend  und  ermüdend. 
Man  freut  sich  darauf,  vielleicht  einem  der  Bären  zu  begegnen, 
deren  Fährten  man  hier  einen  kleinen  Fluss  entlang  deutlich 
wahrnehmen  kann,  aber  Meister  Petz  ist  untertags  wenig  zu 
Spaziergängen  aufgelegt,  und  ihn  etwa  schlafend  hinter  einem 
der  grossen  Wurzelstöcke  umgestürzter  alter  Bäume  zu  über- 
raschen,  war  uns  auch  nicht  beschieden. 

Müde  und  erschöpft  kehrt  man  gegen  Abend  über  ein  von 
brodelnder  Hitze  wogendes  Sumpfland  zurück,  auf  dem  sich 
neben  Laubhölzern  einige  Partieen  junges  Nadelholz  (Fichten) 
infolge  ihres  Standortes  auf  sehr  nassem  Grund  von  dem  letzten 
Feuer  erhalten  haben,  und  die  unfreundliche,  miserable  Herberge 
erhöht  am  Abend  in  keiner  Weise  die-  Annehmlichkeit  der 
Situation. 

Was  hätte  man  gegeben  um  einen  der  armseligsten,  aus 
Rinden  oder  Holz  erbauten  reinlichen  Holzarbeiter-Unterkunfts- 
räume im  stillen  Walde  !  Aber  auch  für  den  Fall  des  Vor- 
handenseins eines  solchen  hätte  es  wohl  zur  Unmöglichkeit 
gehört,  ihn  zu  benutzen,  denn  die  sibirischen  Wälder  scheinen 
im  Sommer  eben  nicht  blos  Moskitos  sondern  lO.OOO  losge- 
lassene Teufel  aller  Sorten  zu  beherbergen.  Eine  diesbezügliche 
Erfahrung  im  Walde  bei  Habarovsk  lässt  mich  die  Tatsache 
würdigen,  dass  Tausende  von  wilden  Renntieren  aus  der  endlosen 
,,  daiga  "  oder  Waldregion  Sibiriens  alljährlich  im  Sommer  zu  den 
kühlen  Küsten  des  arktischen  Ozeans  eilen,  um  diesen  Quälgei- 
stern zu  entrinnen. 

Ein  geplanter  Ausflug  in  die  Ochotskische  See  musste  leider 
infolge  des  nähergerückten  Abfahrtstages  des  Dampfers  unter- 
bleiben. Ungern  schied  man  von  dem  freundlichen  russischen 
Oberförster,  dessen  deutschsprechende  Gemahlin  die  Aussprache 
von  Ansichten  über  forstliche  Themata  mit  unendlicher  Geduld 
und  feinem  Verständnis  als  Dolmetscherin  ermöglichte.  Die 
Wirksamkeit  der  derzeitigen,  seit  den  8o"'  Jahren  eingerichteten 
Forstverwaltung  kann  bei  den  vorhandenen  Schwierigkeiten  der 
Kommunikation  naturgemäss  nur  eine  höchst  minimale  sein  und 
ist   auf  allmähliche  Ausscheidun";  \'on  Ansiedelungsland   und  von 


2IO  K.    IIKIT.LI'.,    AL'S    DKM    OSTKN'. 

bestininitcni  StaatskronwaUl  aus  dem  urs])rün!4iich  für  Joden 
freien  Kronwaldterrain  L;"crichtL-t,  sowie  auf  die  Kontrolle  be- 
sonderer Nebeneinnahmen  des  Waldlandes,  wie  Fischerei  etc. 

Dem  Oberförster  von  Nikolajevsk  unterstehen  ziu'  Aufsicht 
über  ein  Areal  von  ca  17.000.000  ha  W^ald  und  SumpHand  17 
Mann  Schutzpersonal,  Waldbereiter  genannt,  so  dass  auf  1  Mann  i 
Million  ha  treffen,  was  den  Inhaber  einer  solchen  Stelle  eigentlicli 
mit  berechtigtem  Stolze  ob  eines  solchen  Vertrauens  erfüllen  müsste. 
Zum  Abschiede  gab  uns  der  Wald  um  Nikolajevsk  einen  seiner 
selbstlosen  Brände  zum  besten,  und  der  Eindruck,  den  die  prasseln- 
de, wogende  Feuerglut  bei  dunkler  Nacht  macht,  ist  ein  wild- 
schöner.  Die  3  tägige  Rückfdirt  nach  Habarovsk  vollzog  sich 
ohne  bemerkenswertes  Ereignis,  man  müsste  nur  etwa  den 
momentanen  Wirrwarr  dazu  rechnen,  welcher  durch  ein  plötzlich 
entstandenes  Feuer  mit  kolossaler  Rauchentwicklung  an  Bord 
unseres  Schiffes  veranlasst  wurde.  Harziges  Holz,  welches 
neben  den  Kesseln  mittschiffs  lagernd  in  Brand  geraten  war,  gab 
die  Veranlassung  zu  dieser  aufregenden  Scene,  bei  der  sich 
insbesondere  die  Chinesen  unter  den  Zwischendeckpassagieren 
entgegen  ihrer  sonst  so  ruhigen  Art  wie  wahnsinnig  geberdeten, 
obwohl  das  Feuer  in  kürzerer  Zeit  von  der  Iksatzung  gelöscht 
war,  als  ich  hier  zum  Erzählen  des  Vorfalls  brauche. 

Von  der  einstigen  Herrschaft  der  Chinesen  über  diese  Ge- 
genden (rechts  des  Amur  \on  seiner  iNIündung  bis  zum  Ussuri 
und  diesen  aufwärts  ebenfalls  auf  dem  rechten  Ufer)  ist  keine 
Spur  übrig  geblieben ;  eine  halbverfallene  russische  Kirche  auf 
einem  steilen  Uferfelsen  bei  einem  armseligen  Fischerdorfe  Tir 
wird  als  der  Platz  einer  frülieren  chinesischen  Stadt  bezeichnet, 
und  es  sollen  diesbezügliche   Funde  gemacht  worden  sein. 

Von  Repräsentanten  einiieimischer  Mongolvolksstämme  be- 
gegnet man  hier  nur  den  Golden  und  Oroken  in  den  kleinen 
Fischeransiedelungen  am  Amur  und  vereinzelt  in  Nikolajevsk 
und  Habarovsk  auch  wohl  ab  und  zu  einem  Tungusen.  Sie 
bilden  im  Ussuriland  einen  so  geringen  Prozentsatz  neben  der 
russischen  angesiedelten  Bevölkerung,  dass  man  diese  Gegend 
als  rein   russisch  ansehen   darf 

John  Chinaman  ist  natürlich  in  einem  oder  ein  paar  Kx- 
emplaren  in  allen  Pocken  anzutreffen,  aber  nicht  von  früher  her 
sondern  in  der  Neuzeit  dem  Zug  des  Handels  und  Wandels,  wo 
der  Dollar  klingt,  folgend.  Man  findet  ihn  in  der  P'orm  des 
Kuli    von    Wladivostock   aneefaneen   an   der    "anzen   Ussuribahn 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  211 

d!s  Handlanger,,  Güterlader,  Erdarbeiter,  Maurer,  Steinbrecher, 
Holzarbeiter  u.  s.  \v.,  und  treu  bewahrt  er  seine  Eigenart  der 
\"ürliebe  für  den  schmutzigsten  Unterschlupf  und  das  Opium. 
Bei  Habarovsk  im  Walde  lebten  die  Leute  in  Erdlochern  wie 
Tiere,  und  man  mag  sich  füglich  nur  wundern,  wie  nicht  mehr 
an    Krankheiten    sterben. 

Die  Habarovsker  Waldungen,  deren  eigenartige  Form  mir 
.-.chon  bei  der  Hinfahrt  aufgefallen  war,  wurden  nunmehr  mit 
einem  besonderen  Besuche  bedacht.  Man  fährt  ein  paar  Stationen 
bis  Korkoffskoe  in  südlicher  Richtung,  um  in  das  Herz  typischer 
Forste  zu  gelangen,  die  in  ihrer  Zusammen.setzung  zweifellos 
eine  mir  interessante  Neuheit  boten.  Von  der  Bahnstation  aus  einen 
Bach  als  Weg  benützend,  ging  es  über  mooriges  Waldland  bergan 
durch  Unter-  und  Jungholz  sowie  dichtes  Unkraut  der  lockeren 
Bestände,  bis  man  auf  einer  Höhenkuppe  anlangte,  welche  einen 
prächtigen  Ueberblick  über  ein  wunderbares  Waldbild  gewährte. 
In  kolossaler  Ausdehnuno-  Weijt  zu  unseren  Füssen  ein  Wald, 
dessen  gleichmässige  Mischung  von  hell-  und  dunkelgrünen 
Holzarten  eine  dem  Auge  wohltuende  Harmonie  gewährt.  Den 
lielleren  Grundton  formen  weiss-  und  rötlich-borkige  Birken  (Betula 
:Jba,  Ermanni),  Pappelarten  (P.  alba,  tremula),  wenige  Eichen 
(Quercus  mongolica),  tischen  (Fraxinus  mandschurica)  und  Lärchen 
(Larix  sib.  und  dahurica).  Li  diese  Grundmasse  sind  nun  die 
dunklen  Pin.  Cembra  (Sibirische  Zeder)  und  ein  recht  beschei- 
dener Anteil  von  P^ichten  (Pic.  orientalis)  fast  gleichmässig  verteilt 
und  so  locker  eingesprengt,  dass  fast  jedes  einzelne  Exemplar  auf 
dem  hellen  Untergrunde  unterscheidbar  ist.  Die  vorherrschende 
Pin.  Cembra  ist  bei  einem  zwischen  150  und  200  Jahren 
schwankenden  Alter  in  Dimensionen  von  i  m  Brusthöhen- 
durchmesser und  25-30  m  Länge  sehr  zahlreich  anzutreffen,  die 
Fichten  stehen  in  Stärke  und  Höhe  der  Cembra  ein  weniges 
nach,  und  die  Lärchen  behaupten  die  letzte  Stelle  im  Range, 
indem  sie,  über  100  und  150  jg.,  den  mittleren  Durchmesser 
von  50-70  cm  bei  guter  Höhe  von  25  und  30  m  aufweisen. 
Birken  (VVeiss-wie  Schwarzbirken)  sind  in  Dimensionen  anzutreffen, 
wie  ich  sie  nie  zuvor  sah,  70-80  cm  Brustdurchmesser  bei  einer 
Höhe  von  20  m  (150  Jahre  alt)  sind  keine  Seltenheit.  Das 
frappierendste  der  ganzen  Erscheinung  ist  die  verhältnismässige 
Gleichalterigkeit  und  Gleichförmigkeit  der  Nadelholzbestockung 
auf  solch  riesigen  Plächcn.  Es  gibt  dafür  nur  eine  Erklärung 
und  zwar  das  EintTreifen  des  Feuers.    Durch  wiederholte  Brände  ist 


212  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

\-ornn!tlich  die  in  lichten  Urwaldbcständcn  sich  x'oUzichcndc  Natur- 
verjüngung im  neu  sich  bildenden  Bestände  all  der  schwächeren 
Glieder  beraubt  worden,  und  diese  wiederholte  Dezimierung  schuf 
nicht  nm-  den  Ivaum  für  die  heraufdrängenden  Lichtnadel-  und 
Laubhöl/er,  sondern  bewirkte  auch  die  lockere  Verteilung  der 
Ilauptholzart.  Die  stattlichen  Zapfen  der  Cembra  mit  den  öligen 
essbaren  Samen  sind  eine  Zierde  des  Baumes.  Mit  welcher 
Zähigkeit  sich  Cembra-Jungwüchse  oder  Einzelpflanzen  unter 
dichtem  Schirm  auf  feuergeschützten  Plätzen  zu  halten  vermögen, 
hat  man  vielfach  Gelegenheit  wahrzunehmen  ;  sie  gleichen  hierin 
den  Tannenvorwüchsen,  aber  mit  weniger  Neigung  zur  Verhüttung. 

Die  fast  durchweg  bei  Pin.  Cembra  zu  beobachtende  Zwie- 
selbildung des  sonst  schlanken,  vollholzigen  Stammes  scheint 
eine  Eigentümlichkeit  dieser  sibirischen  Nadelholzform  zu  sein. 
Der  Bahnbau  hat  die  unmittelbar  der  Strecke  anliegenden  Wald- 
teile natürlich  stark  von  Cembra  und  Lärche  entvölkert  untl 
wird  zweifelsohne  wie  in  Hokkaido  durch  P'euer  und  Ausnützung 
jene  merkwürdigen  Einfassungen  der  Bahnlinie  mit  reinen  Lmib- 
hölzerii  herbeiführen,  welche  dem  Uneingeweihten  ein  Rätse 
sind. 

Holz  ist  wiederum  auch  hier  im  Walde  billig,  während  die 
Preise  im  nahen  Habarovsk  bemerkenswert  hoch  stehen.  So 
erzielt  Lärchen-  und  Cen^brabauholz,  welches  beim  Häuserbau 
allein  verwendet  wird,  einen  Marktpreis  von  40  und  mehr  Rubel 
pro  cbm,  und  dabei  ist  die  Bringungsmöglichkeit  sogar  durch  die 
Bahn  erleichtert.  Man  kann  daran  die  harte  Strafe  erkennen,  welche 
einer  schrankenlosen  Vernichtung  von  Wald  in  der  Nähe  der 
grossen  Ansiedelungspunkte  unweigerlich  auf  dem  Fu.sse  folgt. 
Ich  bezweifle  jedoch  nicht,  dass  mit  der  steigenden  Entwicklung 
rührige  Geschäftsleute  dem  ausbeuterischen  Monopolsystem  der 
wenigen  Holzhändler  mit  ihrer  200  o/^  Rentierlichkeit  ihres 
Handels  durch  die  Konkurrenz  ein  Ende  machen  werden,  wie 
ja  auch  die  mehr  und  mehr  in  geregelte  Bahnen  einlenkende 
Benutzung  der  Waldungen  (wenigstens  in  besiedelten  Distrikten) 
zur  Verhinderung  planloser  Vernichtung  und  zur  richtigen  Auf- 
schliessung und  Verwertung  von  Naturschätzen  flihren  muss. 
Bei  den  in  I'rage  kommenden  immensen  P'lächen,  den  schmalen 
Personalv^erhältnissen  und  den  niedrigen  Einkünften  des  Waldes 
ist  schon  \-ieI  erreicht,  wenn  nur  eine  nutzlose  Zerstörung  des 
Vorhandenen  einigermassen  hintan  gehalten  werden  kann.  Die 
Tatsache,  dass  der  Bedarf  an  Eeuerholz  für   eine  kleine    Familie 


K.    HEFEL?:,    AUS    DEM    OSTEN.  2I3 

in  Habarovsk  pro  Jahr  einen  Aufwand  von  300  M  erfordern 
kann,  gibt  sicherlich  zu  denken. 

Das  Leben  der  sibirischen  Forstleute  in  diesen  Gegenden 
scheint  mir  einer  kurzen  Erwähnung  wohl  wert  zu  sein.  Die 
leitenden  Kreise  am  Sitze  der  Regierung,  z.  B.  des  General- 
gouvernements in  Habarovsk,  sind  in  Ansehung  des  ihnen 
zugeteilten  Waldes  zw^eifellos  oft  vor  die  Entscheidung  sehr  weit- 
reichender Zukunftsfragen  gestellt,  welche  neben  voller,  sichtlich 
vorzüglicher  Ausbildung  auch  reiche  Erfahrung  erfordern  ;  die 
untergeordneteren  Betriebsvollzugsstellen  und  -Organe  haben  mit 
klimatischen  und  Terrainverhältnissen  zu  kämpfen,  deren  Ueber- 
windung  zweifellos  die  höchsten  ph\'sischen  Anstrengungen  und 
volle  Hingabe  an  den  Beruf  verlangt.  Dieser  Punkt  verdient  eine 
besondere  Würdigung.  Es  erfordert  eine  kräftige  Konstitution, 
im  Winter  bei- 1 5  und  20°  oder  noch  mehr  im  Schlitten  pro  Tag 
300  km  in  einer  Tour  auf  dem  gefrorenen  Amur  zu  machen, 
mit  vorgespannten  Pferden  oder  den  zähen  sibirischen  Zughunden, 
welche  an  Schnelligkeit  mit  den  Pferden  wetteifern  und  halb 
hungrig  gehalten  werden,  um  vom  knurrenden  Magen  getrieben 
den    P^ifer   des  Strebens  nach  vorwärts  nicht  zu  vergessen. 

Nach  solch  einer  ,,  Tagesexkursion  "  in  einem  im  Schnee  be- 
grabenen Erdloche  zu  rasten,  wo  20-24  Giliaken,  enggepfercht  ^vie 
Heringe,  durch  den  augenbeizenden  Qualm  des  P'euers  hindurch 
kaum  zu  unterscheiden  sind,  gehört  m.  E.  auch  nicht  gerade  zu 
den  P^rholungen.  Aber  die  Dienstgeschäfte  fragen  wenig  darnach, 
ob  der  zu  erreichende  Punkt  in  der  Nähe  einer  der  halbwegs 
menschlichen  Amur-Poststationen  liegt  oder  nicht.  Von  der 
Vorzüglichkeit  des  Platzes  in  der  Mitte  einer  solchen  Giliaken- 
wohnung,  wo  sonst  die  Hunde  ihren  Lagerort  haben,  die  etwas 
unzart  in  solchem  Pralle  disloziert  werden,  vermochte  ich  mich 
bei  persönlich  mangelnder  P>fahrung  schwer  zu  überzeugen,  aber 
sie  wurde  mir  eindringlich  geschildert.  Die  Zughunde  selbst 
habe  ich  mehr  v/ie  einmal  gesehen,  da  sie  im  Sommer  etwas 
melancholisch  ihres  Daseins  Pfaden  spinnen,  indem  sie  holz- 
beladene  kleine  Boote  den  Aniur  aufwärts  ziehen.  Es  sind 
struppige,  untersetzte,  hellgelbe  oder  schwarze  Spitze,  denen  es 
bei  Hunger  im  Winter  auf  das  gelegentliche  Anfallen  eines 
einzelnen  Menschen  durchaus  nicht  ankommen  soll.  An  Riemen 
zu  1 1  oder  1 2  vor  einen  Schlitten  für  i  Person  gespannt, 
machen  sie  10-15  km  pro  Stunde,  und  Plindernisse  kennen  sie 
kaum.     Die  ganze    Leitung   geschieht   durch  Zuruf  des   frei   vor- 


214  ^-    HEFKI.K,    AUS    DEM    OSTEN. 

autlaufciidcn     Leithundes,    an     dessen    Tiitelligen/.    übrii:^ens    keine 
geringen  Anfurderu ngen  gestellt  werden. 

Das  Leben  der  Waldhi^iter  und  Schutzuächter  auf  ihren  ein- 
samen und  wrlorenen  Posten  kann  sich  dem  eines  Trappers  in 
Nordamerika  vergleichen,  nur  dass  das  aufregende  IClement  der 
Jagd  meist  wegfällt,  da  eine  besondere  Lust  und  Anlage  hiefür 
nicht  entwickelt  zu  sein  scheint.  Li  dem  niedrigen  Blockhaus 
eines  solchen  Wächters  nimmt  der  Raum  mit  dem  riesigen  Ofen 
den  Hauptplatz  ein,  entspricht  etwa  un.serem  Hausflur,  an  den 
sich  ein  oder  zwei  kleine  Nebenabteiie,  höflich  Zimmer  genannt 
anschliessen.  Eine  baufällige  Scheune  mit  einem  oder  zwei 
Stück  Vieh  und  einige  Hühner  vervollständigen  die-  ganze 
ärmliche  Niederlassung  im  schweigsamen,  sumpfdurchzogenen 
sibirischen  Wald. 

Der  Russe  liebt  Wärme,  und  der  Ofen  wird  selten  kalt. 
Was  das  aber  bedeutet,  wenn  4  Personen  an  einem  schwülen 
Sommerabend  eines  regnerisches  Tages  das  einzige  vorhandene 
kleine  Fenster  eines  loqm  haltenden  Zimmers  und  ausserdem 
dessen  Türe  beinahe  hermetisch  verschliessen  müssen,  der 
Moskitos  halber,  weiss  nur  der  zu  würdigen,  der  das  seilest- 
miterlebt  hat.  Die  Bruthitze  des  Ofens  im  Vorraum  steigert  sich 
durch  die  davor  gehängten  nassen  Kleider  zum  türkischen  Bad, 
und  wem  schliesslich  nach  ungezählten  Gläsern  Tee  auf  alten, 
moderigen  Getreidesäcken  am  Boden  Schlaf  beschieden  ist,  dem 
muss  eine  besondere  Fähigkeit  der  Ignorierung  äusserer  Einwir- 
kungen zu  Gebote  stehen.  Ich  für  meine  Person,  obwohl  ich  in 
dieser  Beziehung  einen  Hieb  vertragen  kann,  hörte  dem  Geknister 
der  Insekten  im  Balkenwerke  ein  gut  Teil  der  Nacht  mit 
erzwungener  Ruhe  zu.  Aufstehen  verbot  sich  gewöhnlich  für  jeden 
von  selbst,  da  es  ohne  P"usstritte  auf  menschliche  Nachbarwesen 
nicht  wohl  geschehen  honnte. 

Der  Tag  bringt  in  der  Sommerzeit  kaum  eine  Erleichterung 
\-on  solcher  ,,  Ruhe".  Zur  unerträglich  dumpfmodrigen  Hitze 
im  Walde  kommt  das  Heer  von  Stechfliegen  und  Insekten  etc, 
die  eine  der  ungeschwächten  Naturkraft  des  Urwaldes  propor- 
tionale individuelle  und  Massen  Wirkung  besitzen,  die  einen  Men- 
schen tatsächlich  zur  Verzweiflung  bringen  kann.  Tücher  etc, 
um  das  Gesicht  gebunden,  schützen  nicht,  sie  stechen  durch,  und 
nur  ein  eisengepanzerter  Ritter  der  alten  Zeit  hätte  etwa  höhnisch 
lächelnd  und  ungestraft  die  anerkennenswerten  l^emühungen  derer 
vom  genus  ,,  Moskito  "   ignorieren  können. 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  215 

Der  Herbst  mag.  wie  überhaupt  im  Walde  der  ganzen 
Welt  so  auch  hier,  als  schönste  Jahreszeit  angesehen  werden,  wenn 
frische  kalte  Nächte  von  klaren  sonnigen  Tagen  gefolgt  werden 
und  die  beschwingten  kleinen  Waldteufel  längst  in  die  ewigen 
Jagdgründe    verschwunden    sind.  — 

Man  wird  begreiflich  finden,  dass  schliesslich  unter  den  z.  Z. 
obwaltenden  Umständen  dem  Aufbruche  nicht  allzu  bedauerlich 
entgegengesehen  ward.  In  Habaro vsk  lohnte  ein  Besuch  des 
interessanten  Museums  mit  seinen  zoologischen,  botanischen  und 
ethnographischen  Sammlungen  den  darauf  verwendeten  Tag  reich- 
lich. Die  Anlage  eines  kleinen  forstlichen  Versuchsgartens  auf 
einem  der  Forstbehörde  gehörigen  Areale  zeugte  von  dem  Streben, 
botanischen  Fragen  näher  zu  treten. 

Die  Rückkunft  nach  Wladivostock  von  diesem  fast  3  Wochen 
dauernden  Ausfluge  ins  östlichste  Sibirien  erfolgte  sodann  ohne 
weitere  Zwischenfälle. 

Ehe  ich  nun  zur  Erzählung  meiner  Eindrücke  von  dem  in 
der  Mandschurei  Gesehenen  übergehe,  lassen  Sie  mich  einige 
Momente  bei  ,,  Sibirien "  als  Ganzem  verweilen  und  auch  der 
Bedeutung  der  sibirischen  Bahn,  die  die  Welt  in  so  grosses 
Erstaunen  gesetzt  hat,  einige  Betrachtungen  widmen,  die  bei  der 
Mandschurei  noch  ergänzt  werden   werden. 

Der  Grund,  warum  ich  das  Allgemeine  nicht  vorausgestellt 
habe,  wie  man  billigerweise  erwarten  könnte,  liegt  darin,  dass 
ich  den  Zuhörer  (Leser)  durch  die  Erzählung,  wie  mich  selbst 
tat.sächlich  persönlich  durch  Augenschein  auf  der  Reise,  etwas 
mehr  familiär  wenigstens  mit  einem  kleinen  Teile  der  sibirischen 
Verhältnisse  machen  wollte.  Auf  diese  Weise  wird  die  Ab- 
surdität mancher  Dinge  im  grossen  erklärbar  und  eine  Beurtei- 
lung bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine  gefestigtere  Richtung 
nehmen.  Was  vor  allem  Sibirien  als  Land  bedeutet,  kommt 
uns  erst  zum  vollen  Bewusstsein,  wenn  das  vage  Gefühl  eines 
grossen,  eisigen  und  unfreundlichen  Teiles  des  russischen  Reiches, 
in  präzise  Zahlen  gepresst,  dem  Bewusstsein  klarer  ist :  fünf- 
undzwanzigmal die  Grösse  des  deutschen  Reiches  oder  250.000 
geogr.  n  Meilen  asiatisches  Russland  ohne  Transkaukasien,  Trans- 
kaspisches Territorium  und  einen  Teil  von  Turkestan,  sich  hin- 
streckend vom  Ural  nach  Osten  bis  zum  Pacific  in  einer 
Ausdehnung  von  mehr  als  /\\  tausend  Meilen  und  einer  mitt- 
leren Breite  in  der  Nord-Süd  Richtung  von  etwa  der  Hälfte 
seiner  W-0  Dimension.      Dabei  handelt  es  sich  keineswegs  um 


2l6  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

nutzlose  Wüste,  wie  mitunter  anG^enommen  wird.  Eine  Fläche 
von  der  doppelten  Grösse  Deutschlands  ist  für  Agrikulturzwecke 
geeignet ;  tausende  von  Quadratmeilen  vt)n  Steppen,  für  Vieh- 
zucht passend,  formen  die  südliche  Zone  Sibiriens,  soweit  nicht 
Bergland  in  Frage  kommt,  und  daran  reiht  sich  nördlich  bis 
zum  Polarkreis  ein  Gürtel  von  Forstlaiid  und  Wald,  von  dessen 
Ausdehnung  man  sich  kaum  einen  Begriff  machen  kann.  Durch 
volle  130  Längengrade  erstreckt  sich  dieses  grüne  Band  in  einer 
wechselnden  Breite  von  1000-1300  Meilen  vom  Ural  bis  zu  den 
Ufern  des  Pacific.  Hier  liegt  der  Reichtum  der  Zukunft,  dessen 
Realisierung  eine  der  Riesenaufgaben  des  russischen  Volkes 
i  nvolviert  und  zu  deren  Lösung  die  Erbauung  der  sibirischen 
Bahn  einen  weitreichenden  Schritt  nach  vorwärts  darstellt.  Der 
kolossale  Raum  schliesslich  zwischen  Waldzone  und  den  ark- 
tischen Meeren  ist  von  den  öden  traurigen  Tundras  eingenommen, 
deren  Moos-,  P^lechten-  und  krüppelige  Staudenvegetation  höchstens 
während  der  kurzen  Sommerzeit,  wo  der  bis  zu  i.ooo  Fuss  Tiefe 
gefrorene  Boden  auf  einige  P\iss  zum  Auftauen  gelangt,  den 
Renntieren  zur  Nahrung  dienen  kann.  Wenn  nun  auch  zugegeben 
w^erden  muss,  dass  dieser  letztere,  praktisch  wertlose  Teil  Sibiriens 
einen  bedeutenden  Flächenraum  einnimmt,  so  wird  doch  ebenso 
klar,  dass  Agrikultur-  und  Waldzone  ein  Gewicht  in  die  Wagschale 
des  Wertes  von  Sibirien  zu  dessen  Gunsten  werfen,  das  in  seinen 
Konsequenzen  vielleicht  von  den  übrigen  Ländern  noch  nicht 
o-enügend  erkannt,  noch  weniger  richtig  geschätzt  wird.  Ich  bewerte 
die  AfJ-rikulturalzone  Sibiriens  weniger  im  Sinne  einer  entstehenden 
Konkurrenz  für  andere  Agrarstaaten,  obwohl  diese  einstige  Wirkung 
bis  zu  einem  gewissen  Sinne  nicht  geleugnet  werden  "kann, 
sondern  vorerst  noch  für  lange  Zeit  als  das  unentbehrliche 
Hilfsmittel  zur  Nutzbarmachung  der  unermesslichen  P'orste  und 
Mineralschätze  des  Landes. 

Hand  in  Hand  mit  der  natürlich  anfangs  im  Vorzugsrange 
befindlichen  Besiedelung  des  die  Nahrungsstoffe  für  den  Menschen 
produzierenden  Bodens  wird  und  muss  sich  wohl  eine  Lidustrie  ent- 
wickeln zur  Fruktifizierung  der  enormen  z.  Z.  latenten  Kapitalien 
an  Wald  und  Wasser  und  besonders  an  wertvollen  Mineralien. 
Hier  liegt  aber  eine  Macht  verborgen,  die  dereinst  die  Ver- 
hältnisse des  Weltmarkts  gewaltig  beeinflussen  mag,  und  dabei 
wird  oft  vergessen,  dass  sich  dieser  ziemlich  sichere  Schluss  einst- 
weilen schon  aus  einer  oberflächlichen  Erforschung  der  natür- 
lichen   Hilfsquellen   des    so  lange    Zeit  im    Schatten    gestandenen 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  217 

Landes  folgern  lässt.  Eingehende  üntersuchungea  in  dieser 
Richtung  versprechen,  wie  aus  den  diesbezüglichen  Feststellungen 
hervorgeht,  ein  weit  grösseres  Mass  von  natürlichem  Reichtum, 
als  man   ursprünglich  annahm. 

In  erster  Linie  wird  nun  die  Bevölkerungsziffer  und  damit 
die  Kolonisation  mit  allen  Mitteln,  über  die  ein  mächtiger  Staat 
wie  Russland  verRigt,  zu  heben  gesucht.  Es  handelt  sich  dabei  in 
vielen  Teilen  keineswegs  um  ein  Anfangsstadium.  Die  Zeiten, 
da  russische  Bevölkerung  in  Sibirien  eindrang,  liegen  jedoch 
nicht  sehr  weit  zurück.  Dem  Kosaken,  diesem  den  russischen 
Verhältnissen  so  wohl  angepassten  Bauernsoldaten,  ist  die  erste 
Aufschliessung  Sibiriens  zu  danken*  ;  ihre  flinken  Scharen  auf  den 
unscheinbaren  Rossen  drangen  in  schnellen  Raids  bis  tief  in  das 
Herz  des  Landes  vor,  durch  Steppen,  Berge,  Moräste,  unendliche 
Wälder,  Schnee  und  Eis  ;  kein  Hindernis  gab  es  für  diese  wetter- 
harten kriegserprobten  Scharen,  als  sie  gegen  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts den  Ural  überschritten,  um  nach  Osten  vorzudringen. 
Sie  trafen  auf  Staaten  nomadisierender  eingeborener  Völker, 
deren  gegenseitige  Befehdung  eine  Eroberung  durch  die  neu- 
auftretende Macht  nicht  allzu  schwer  gestaltete.  Die  folgende 
Abhängigkeit  derselben  war  eine  mehr  nominelle,  jedenfalls  sehr 
lockere,  auf  bestimmte  Abgaben  (Yassack)  sich  beschränkende, 
und  sicherlich  war  auch  die  stossweisse  Machtentfaltung  der 
beinahe  ebenso  nomadenhaft  auftretenden  Eroberer  bei  einer 
Nomadenbevölkerung  dem  Ausweichen  und  dem  Entschlüpfen 
vor  der  starken  Hand  vielfach  günstig.  Aber  schon  beginnt  in  den 
Fusstapfen  der  die  Hindernisse  zur  Seite  räumenden  bewaffneten 
Macht  der  russische  Fischer,  der  Jäger,  der  Kaufmann  zu  folgen, 
und  in  deren  allmählicher  Festsetzung  liegen  die  ersten  Anfänge 
einer  definitiven  Koloni.sation  bestimmter  Teile  des  unermesslich 
weiten  Landes,  die  in  weiterer  Entwicklung  vielfach  der  mit 
pekuniären  Mitteln  wohl  ausgestatteten  privaten  Initiative  gewisser 
Familien,  wie  der  Stroganov's  zu  danken  sind.  Der  Gedanke, 
den  eindringenden  westlichen  Kolonisten  gewisse  Stützpunkte  als 
Basis  für  weitere  Ausbreitung  zu  geben,  führte  zur  Gründung 
befestigter  Posten,  und  so  findet  man  1604  bereits  die  Namen 
Tiumen,  Tobolsk,  Tomsk,  Yenisseisk,  Irkutsk  etc.,  aus  denen 
sich  späterhin  die  heutigen  Städte  gleichen  Namens  entwickeln. 

Kosaken    hatten    um    diese    Zeit    ihre     Streifzüge    bis    zum 

*  cf.    ,,  Siberia    and    the    great    Siberiaii    railway"    by   the  departaieat    of  trade 
and    manufactures  niinistry  of  finance  ;  historical  sketch  p.   i   and  sequ. 


2l8  K,    IIKFELE,    AUS    DKM    OSTEN. 

arktischen  Ozean  und  anderseits  zum  Ochotskischen  Meere  aus- 
gedehnt und  somit  die  natürlichen  Grenzen  des  neuen  Landes 
erreicht.  In  dieselbe  P^pochc  (1647)  fällt  die  erste  Durchfahrt 
entschlossener  Seeleute  durch  die  Asien  und  Amerika  trennende 
Meerenge  (später  Behringstrasse  genannt),  sowie  die  Entdeckung 
des  Amur,  und  energische  Vorstösse  von  den  erwähnten 
Basispunkten  aus  führten  mit  wechselndem  Glück  im  Endeffekte 
zur  tributären,  wenigstens  teilvveisen  Abhängigkeit  der  ein- 
geborenen Volksstämme,  so  dass  gegen  das  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts in  erkennbaren  Umrissen  die  Grenzen  des  heutigen 
russischen  Sibirien  politisch  bestimmt  erscheinen.  Die  früher  mehr 
der  privaten  Initiative  entspringende  Niederlassung  russischer 
Kolonisten  erfuhr  eine  Unterstützung  von  selten  der  Regierung 
des  Heimatlandes,  mit  dem  Hauptziele,  den  Ackerbau  an  ge- 
eigneten Plätzen  als  Grundlage  zukünftiger  Festigung  der  Sess- 
haftigkeit  einzuführen  und  das  Kulturland  nach  Kräften  zu 
erweitern.  Nicht  wenige  der  bisher  an  ungebundenes  Nomaden- 
leben gewohnten  Kosakenhorden  werden  dadurch  schliesslich 
an  den  Boden  gefesselt,  an  und  neben  dem  Ackerbau  ist  der 
Tauschhandel  mit  den  sesshaften  oder  nomadisierenden  Einge- 
borenen in  Entwicklung  begriffen.  Die  Entdeckung  der  reichen 
Mineralschätze  im  Ural-  und  Altai-Gebirge  gab  einen  weiteren 
Anlass  zum  Zuzüge  aus  Europäisch  Russland  nach  diesen  Plätzen^ 
und  die  endlosen  Wälder  und  Sümpfe  werden  in  inmier  steigendem 
Masse  Zufluchtstätten  von  Flüchtigen,  welche  aus  politischen  oder 
weniger  raisonablen  Motiven  den  Staub  des  Landes  diesseits  des 
Ural  von  den  Füssen  schüttelten.  Diese  Niederlassungen,  -welche 
sie  bildeten  und  vergrösserten,  gewährten  ihnen  Freiheit  und 
Unterhalt,  und  es  verging  manchmal  lange  Zeit,  ehe  sie  offiziell 
entdeckt  wurden  und  schliesslich  um  des  Zweckes  willen  sogar 
die  schützende  Hand  der  ehemals  sie  verfolgenden  Heimat- 
regierung erfuhren. 

Hier  liegen  die  Anfangsgründe  zu  der  später  zur  russischen 
Staatsinstitution  gewordenen  Deportation  nach  Sibirien,  indem 
man  von  den  günstigen  Anfängen  solcher  freiwilligen  Nieder- 
lassungen auf  denselben  Effekt  bei  Zwang  schloss  und  neben  dem 
kolossalen  Missgriff  einer  mangelnden  durchgreifenden  Separat- 
behandlung politischer  und  gemeiner  Verbrecher  zu  jenem  Fehler- 
folge gelangte,  der  schliesslich  die  Aufhebung  der  Deportation 
in  der  Neuzeit  nur  mehr  eine  Frage  weniger  Jahre  macht.  Hand 
in    Hand    mit    der    Kolonisierung    des    neuen    Landes,    die    sich 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  2  IQ 

allerdings  wie  vereinzelte  Regentropfen  auf  einem  Teile  einer 
weiten  Fläche  ausnimmt,  greift  die  Erkenntnis  der  Notwendigkeit 
einer  wissenschaftlichen  Erforschung  des  riesigen  Territoriums  der 
neuen  Elerrschaft  Platz,  und  in  effektvoller  Eintracht  widmen 
Priv^ate  (Sibiriakoff,  Sidorov),  Staat  und  Männer  von  wissenschaft- 
lichem Rufe  mit  unentwegter  Ausdauer  sich  diesem  Riesenwerke. 
Die  frühere  Geschichte  ihrer  Unternehmungen  und  Erfolge 
füllt  Bände  und  ist  mit  den  bekannten  Herrscherfiguren  Peters 
des  Grossen  und  Katharinas  II.  eng  verknüpft.  Aus  der  grossen 
Reihe  der  Forscher  bis  zum  heutigen  Tage  seien  nur  die  Namen 
Gmelin,  Steller,  Lepeckhin,  Ledebur,  Humboldt,  Gebier,  Midden- 
dorf,  Schmidt,  ^Nlaximow  herausgegriffen. 

Die  Entdeckung  Alaskas  1768  (1867  an  Amerika  zurück- 
gegeben), die  Weiterentwicklung  der  südlichen  Teile  Sibiriens, 
die  allmähliche  Okkupation  der  Kirghisensteppe  von  ihren  früh- 
eren Herren  sowie  die  Einverleibung  der  Amurländer  geben  die 
markanten  Punkte  des  Fortschrittes  der  russischen  Machtent- 
wicklung bis  in  die  neuere  Zeit. 

Immerhin  ist  kein  Zweifel,  dass  das  schliesslich  rasche  Tempo 
des  ins  Rollen  gegen  ein  fernes  Ziel  gebrachten  Steines  seine 
Ursache  in  einer  Erscheinung  findet,  die  kaum  vorausgesehen 
wurde.  Die  Aufhebung  der  Sklaverei  in  Russland  1861  ver- 
stärkte den  Strom  der  Einwanderer,  der  einen  erhöhten  Antrieb 
in  der  intensiveren  Aufschliessung  eines  kleinen  Teiles  der 
entdeckten  Mineralschätze  (Ural)  bekam,  von  Jahr  zu  Jahr,  so 
dass  zwischen  10-20.000  Einwanderer  nach  Sibirien  seit  dieser 
Zeit,  abgesehen  von  den  abnorm  hohen  Ziffern  einzelner  Jahre, 
zu  rechnen  sind. 

Anderseits  war  die  Bevölkerung  aus  gleichem  Grunde  der 
Sklavereiaufhebung  in  einem  nicht  zu  erwartenden  Masse  in 
Europäisch  Russland  als  Folge  des  herrschenden  Agrarsystems  an- 
gewachsen, so  dass  das  verfügbare  Ackerland  sich  in  absehbarer 
Zeit  als  unzureichend  erweisen  musste.  Das  auf  der  Hand  ■ 
liegende  günstige  Auskunftsmittel  der  Ansiedelung  des  Ueber- 
flusses  in  den  volksleeren  Territorien  Sibiriens  bot  dem  Staate 
eine  Gelegenheit  zur  Lösung  der  brennenden  Frage  in  einer 
doppelt  vorteilhaften  Weise.  Die  Erfahrungen  der  Vergangen- 
heit sich  zunutze  machend,  warf  man  nun  neben  der  Fürsorge 
für  entsprechende  Land-  und  Mittelzuteilung  an  die  Auswanderer 
auch  ein  kritischeres  Auge  auf  die  Qualität  derselben  und 
nahm    eine     Sichtung     vor,     die    man    nur    als    günstig    für    die 


220  K.    HEFELP:,    aus    dem    OSTEN". 

i^utc  Lösung  des  Unternehmens  bezeichnen  kann.  Die  Ver- 
teilung des  Landes  unter  die  Kolonisten  hat  bislang  im  allge- 
meinen Umrisse  nach  dem  Grundsatze  stattgefunden,  dass  20  ha 
auf  den  Kopf  der  männlichen  Emigrantenbevölk-erung  treffen 
sollten  und  3   ha  für  den  exilierten  Verbrecher  oder  Deportierten. 

Die  Ansiedelung  selbst  weist  die  verschiedensten  Formen 
auf,  von  der  hofweisen  (würde  man  in  Deutschland  sagen)  bis 
zur  Schaffung  grösserer  Gemeinwesen,  deren  Land  cii  bloc  nach 
dem  Verhältnis  der  summierten  Kopfanteile  zugewiesen  wurde 
und  deren  weitere  Subdivision  den  Beteiligten  überlassen  ist. 
Diese  geregeltere  Form  ist  eine  Entwicklungsphase  neuerer 
Zeit ;  früher  fand  das  Besitztum  des  Einzelnen  oder  ganzer 
Korporationen  sein  Ende  lediglich  an  der  Grenze  der  physischen 
oder  pekuniären  P^ähigkeit  zu  weiterer  Okkupation. 

Das  Land  selbst  ist  Kroneigentum,  und  der  Ansiedler  ist 
für  lange  Jahre  von  einer  Taxe  für  den  Gebrauch  desselben  ent- 
bunden. Die  Erwerbung  von  Privateigentum  ist  unter  keineswegs 
schwere  Bedingungen  gestellt  z.  B.  im  Amurlande  3  Rubel  pro 
dessjatine.  Erleichterungen,  wie  Befreiung  vom  Militärdienst  für 
eine  gewisse  Anzahl  von  Jahren,  sind  dazu  vermeint,  die  An- 
siedlungslust  zu  wecken. 

Das  weitere  Wachstum  der  einzelnen  Kolonieen  wurde 
natürlich  von  äusseren  und  inneren  Verhältnissen  verschieden 
beeinflusst,  und  so  wird  man  heute  neben  respektablen  Städten 
in  dichtbevölkerten  Gegenden  ganze  Distrikte  antreffen,  wo  sich 
nur  ab  und  zu  eine  verlorene  Gemeinschaft  in  dürftiger  Existenz 
fristet.  Je  besser  der  Boden,  desto  dichter  die  Bevölkerung,  desto 
mehr  Subdivision  des  Landes,  um  den  zugezogenen  Neuan- 
kömmlingen Anteil  am  Lande  zu  verschaffen.  Je  weniger  ertrags- 
reich, je  schwieriger  die  Okkupation,  z.  B.  an  der  Grenze  der 
Waldzone,  desto  grössere  Areale  sind  infolge  geringeren  Zuzugs 
dem  Einzelnen  oder  der  Gemeinde  zur  Verfügung.  Die  Ver- 
schiedenheit der  natürlichen  Fruchtbarkeit  und  der  Gunst  oder 
Ungunst  der  klimatischen  P'aktoren  in  einem  so  weiten  Lande 
gruppiert,  ausserdem  noch  von  Zufallen  beeinflusst,  die  Bevölkerung 
in  launenhaftester  Weise,  und  man  darf  sich  keineswegs  dem 
Gedanken  hingeben,  die  für  Ackerbau  brauchbare  südliche  Land- 
zone auch  nur  ganz  obenhin  als  dünn  bevölkert  anzusehen  :  da 
sind  Lücken  und  Fehlstellen  von  hunderten  von  D  Meilen,  wo 
man  vergeblich  nach  menschlichen  Niederlassungen  suchen  würde. 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  221 

und  in  bergigem  Land  mögen  ein  oder  ein  paar  Täler  Ackerbau 
aufweisen  und  der  Rest  schlechthin  Wildnis   repräsentieren. 

Die  heutige  Bev^ölkerung  zählt  ungefähr  9  Millionen,  worin 
bei  2,5  Mill.  Eingeborene  inbegriffen  sind.  Die  Existenzmög- 
lichkeit einer  verzehnfachten  Zahl  ist  allein  mit  Beziehung  auf 
kulturfahiges  Land  ausser  Zweifel,  und  die  Expansionsfähigkeit 
über  einen  Teil  der  Forstzone  ist  nicht  minder  eine  Frage  der 
Zeit,  wenn  unter  dem  Druck  des  Raummangels  auf  minderwerti- 
geren Boden  zurückgegriffen  werden  wird.  Die  Steigerung  des 
Ertrags  durch  die  Mittel,  welche  die  Wissenschaft  an  die  Hand 
gibt,  ist  auf  weite  Zukunft  gegenstandslos,  solange  das  im 
Ueberflusse  vorhandene  brauchbare  Land  nur  in  extensivster 
Weise  zur  Nutzung  kommt.  Vom  ganzen  Territorium  Sibiriens 
mögen  zur  Zeit  jährlich  200.000.000  Pud  Getreide  zur  Ernte 
gelangen,  und  die  reichliche  Mehrproduktion  über  den  Bedarf 
der  Produzenten  muss  als  direkte  Vermögensquelle  für  dieselben 
betrachtet  werden.  Das  Plus  an  Getreide  findet  seinen  Weg  wohl 
nur  zum  geringsten  Teile  durch  Export  auf  weite  Entfernungen 
z.  B.  nach  Europäisch  Russland,  sondern  vermittelt  einen  mehr 
lokalen  Ausgleich  für  die  Gegenden,  wo  die  Natur  den  Getreide- 
bau nicht  zulässt  und  die  Bevölkerung  anderweitig  den  Unterhalt 
des  Lebens  erwirbt  wie  z.  B.  in  den  Minendistrikten  etc. 

Die  geringe  ^Entwicklung  des  Verkehrs  und  der  Kommuni- 
kationsmittel und  die  enormen  Distanzen  erlauben  jedoch  keinen 
genügenden  regulären  Ausgleich  auf  weite  Entfernungen,  so  dass 
oft  genug  überreiche  tarnte  in  dem  einen  Gouvernement  die 
Hungersnot  eines  Missjahres  in  allen  Teilen  einer  grossen  Nach- 
barprovinz nicht  zu  mildern  vermag ;  bei  allgemein  während 
eines  Jahres  ungünstigen  Verhältnissen  tritt  eine  jener  grossen 
periodischen  Hungersnöte  ein,  denen  infolge  der  mangelnden 
Verkehrsmittel  eben  nicht  wirksam  begegnet  werden  kann.  Der 
fernere  Mangel  von  geregeltem  Handel,  von  Kredit  und  die 
allgegenwärtige  Erpressung  und  Beraubung  der  wirtschaftlich 
Schwächeren  durch  einzelne  finanziell  Mächtigere,  die  geringe 
Bildungsstufe  der  Bevölkerung,  die  nur  zu  häufige  Aussaugung 
der  Bauern  durch  gewissenlose  Beamte,  die  Unsicherheit  von 
Recht  und  Gesetz,  wo  Bestechung  und  Begünstigung  die  Wahr- 
heit besudeln,  die  häufige  Gefährdung  von  Leben  und  Eigentum 
durch  das  vorhandene  Element  der  exilierten  Verbrecher,  die, 
gleich  ausgestossen  und  verachtet  von  Ansiedler  wie  Eingebornem, 
mitunter    ohne    Aussicht   auf  Lebensunterhalt,    zur    Verzweiflung 


222  K.    IIEFELE,    AUS    OEM    OSTEN'. 

getrieben  wie  wilde  Tiere  iliren  ungezügelten  Leidenschaften, 
freien  Lauf  lassen,  bis  eine  Kugel  oder  die  Wildnis  ihnen  den  Tod 
als  P^rlösung  bringt,  das  alles  hat  die  PIrfolge  der  Kultur  in 
Sibirien  in  starkem  Masse  beeinträchtigt  so  dass  der  Rückschritt 
und  schliesslich  der  Untergang  unausbleiblich  wäre,  wäre  nicht 
ein  neues  Lebenselement,  tatsächlich  das  Herz  Sibiriens,  ge- 
schaffen worden  —  die  sibirische  Eisenbahn  ! 

Die  Urteile  über  den  Erfolg  einer  nun  über  dreihundert- 
jährigen Kolonisationstätigkeit  und  Kulturmission  in  Sibirien,  wie 
sie  der  Stadtrat  von  Yenisseisk  1883  bei  dem  dreihundert- 
jährigen Jubiläum  der  Begründung  der  russischen  Hoheit  über 
Sibirien  in  einem  Rückblick  auf  die  Vergangenheit  bis  zur 
Gegenwart  gegeben  hat,  sind  so  deprimierend,  dass  man  an  ihrer 
Wahrheit  zu  zweifeln  beginnen  müsste,  wären  sie  nicht  sichtlich  der 
schrille  Notschrei  der  schwer  die  Hand  des  Schicksals  Fühlenden. 
Darüber  vermag  uns  der  glänzende  Anstrich  einiger  grösserer 
Städte,  den  sie  durch  staatliche  Initiative  in  gezwungener  W^eise, 
oft  mit  verschwenderischen  Mitteln,  erreicht  haben,  nicht  hinweg- 
zutäuschen, dass  im  allgemeinen  die  Seele  eines  jeden  Fortschritts 
des  Volkes,  seine  geistige  Entwicklung  und  damit  der  innere 
Impuls  zur  Regsamkeit  unter  Misswirtschaft,  Not,  Bedrückung  * 
und  nicht  zum  wenigsten  unter  dem  Einflüsse  des  allmächtigen 
Wodka  auf  einen  Gefrierpunkt  gelangt  war,  der  schliesslich 
doch  die  Aufmerksamkeit  der  offiziellen  Kreise  erregt  hat.  Mit 
staatlicher  materieller  Hilfe  und  Initiative  allein  ist  der  Erfolg  in 
der  Zukunft  auf  keinem  Gebiete  gesichert,  die  geistige  Hebung 
wird  Hand  in  Hand  mit  materieller  Unterstützung  als  die  con- 
ditio sine  c]2ta  non  angesehen  werden  müssen,  und  auch  nach 
dieser  Hauptrichtung  hin  scheint  die  Eröffnung  der  sibirischen 
Bahn  als  eine  Erlösung  und  als  Anbruch  einer  neuen  Aera 
betrachtet  werden  zu  müssen. 

Das  Sprichwort  ,,  der  Himmel  ist  hoch  und  der  Zar  weit" 
muss  durch  den  mit  dem  Schienenstrang  angebahnten  Zufluss 
gebildeter  und  charaktervoller  offizieller  und  privater  Elemente 
in  Beamten-  und  Kaufmannschaft  und  die  in  grossem  Masse 
ebenfalls  dadurch  geförderte  Kontrolle  nach  allen  Richtungen 
seinen  ominösen  Geschmack  verlieren  und  dem  Volke  die  Zu- 
kunft schaffen  helfen,  die  es  durch  unsägliche  Opfer  wohl  ver- 
dient hat.     Deportationssystem   und  Wodka  sind  grosse    Hinder- 

*  cf.  ,,Thrüugli  Siberia  "  by  StacUiiig.  p.  2S3  and  sequ. 


K.    HEFELE,    AUS    11EM    OSTEX.  223 

nisse  auf  dem  Wege  zum  Ziele.  Wie  soll  mit  den  an  sich 
geringen  Mitteln  Ruhe  und  Ordnung  auf  einem  solch  grossen 
Territorium  zur  Geltung  kommen,  wenn  pro  Jahr  bis  zur  4000 
wegen  gemeiner  Verbrechen  Verurteilte  von  Europäisch  Russland 
in  diese  Gegenden  entleert  werden.* 

Man  muss  solche  Verbrecher  konzentriert  gesehen  haben,  wie 
z.  B.  in  Sachalin,  um  den  vollen  Eindruck  ihrer  verderblichen 
Wirkung  auf  die  Bevölkerung  einfacher  Bauernansiedler  und  auf 
eingeborene  Stämme  zu  ahnen,  auch  wenn  man  nicht  aus  offiziellen 
Berichten  wüsste,  dass  sie  durch  ihre  Laster,  durch  Mord, 
Totschlag  und  Räubereien  fast  einen  ebenso  grossen  üblen  Effekt 
bewirkten,  wie  der  Wodka,  mit  dem  gewissenlose  Kaufleute 
die  Stämme  der  Daiga  und  Tundra  um  ilire  wertvollen  Pelze  und 
die  Bauern  um  ihr  Getreide  betrügen,  sie  dem  Siechtum  weihen, 
wie  einst  die  berüchtigten  amerikanischen  Vermittler  der  Kultur 
die  Indianer  mit  dem  Feuerwasser  auf  den  heutigen  Zustand  des 
geistigen  und  physischen   Elends  herabbrachten. 

Wodka  öffnet  Tür  und  Tor,  und  der  Gewinn  unendlicher 
Mühe  und  Arbeit  ist  in  wenigen  flüchtigen  Stunden  vergeudet, 
und  Hunger  und  Not  grinsen  dem  Ernüchterten  ins  Anlitz,  den 
der  Mangel  eines  inneren,  auf  etwas  Bildung  und  Erziehung 
ruhenden  Haltes  von  Stufe  zu  Stufe  und  bis  zum  Untergang 
sinken  lässt. 

Die  Bedeutung  Sibiriens  liegt  zweifellos  weit  weniger 
in  seinem  für  Ackerbau  tauglichen  Territorium,  das  aus  klima- 
tischen Gründen,  wie  gezeigt,  nur  einen  bescheidenen  Prozentsatz 
der  Landesfläche  aufweist,  als  vielmehr  in  den  Mineralschätzen 
des  Bodens,  deren  Umfang  noch  keineswegs  erschöpfend  erforscht 
ist.  Was  allein  davon  zur  Zeit  bekannt  ist,  verspricht  dem  Lande 
eine  glänzende  Zukunft,  sobald  Maschinen  und  Arbeitskräfte  durch 
erleichterte  Verkehrsmöglichkeit  beigeschafft  werden  können. 
Gold,  Silber,  Kupfer,  Eisen,  Quecksilber  und  Zinn  neben  Kohle, 
Schwefel,  Naphta  etc.  sind  schon  bis  jetzt  in  einer  Menge  nach- 
gewiesen, welche  die  sichere  Fundierung  von  Lidustrieen  der  ver- 
schiedensten Arten  garantiert,  und  ihren  Halb-  oder  Ganzfabri- 
katen ist  bei  dem  kaum  von  einem  anderen  Lande  in  solcher 
Ausdehnung  gebotenen  natürlichen  Flusssystem  die  weitgehendste 
Absatz-  und  Verbreitungsmöglichkeit   gesichert. 

Goldgewinnuncr   ist   als   der   Beginn  industrieller  Tätigkeit  in 


*   189S:   8000  e.\ilierte  Verbrecher  davon  die  Hälfte  wegen  gemeiner   Verbrechen. 


224  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Sibirien  bezeichnet  worden.  Lcidjr  steht  die  Technik  der  Au.s- 
bcutcarten  nocli  auf  einem  wenig  vollkommenen  Zustande.  Die 
vorhandenen  Minen  sind  in  einfachster  und  verschwenderischer  Art 
zin-  Nutzung  herangezogen,  und  ausgedehnte  Lager  des  Edelmetalls, 
welche  der  Entdeckung  harren,  sind  zweifellos  noch  vorhanden. 
Die  Produktion  an  Gold  bewegte  sich  während  der  letzten  lO 
Jahre  etwa  im  Rahmen  von  etwa  2.400  Pud  für  ganz  Russland  und 
pro  Jahr,  mit  einem  Werte  von  26. 500.000  Rubel  ;  davon  treffen 
auf  Sibirien  nicht  weniger  als  70   '^o. 

Der  bisherige  niedrige  Stand  der  Industrie  ist  auch  leicht 
ersichtlich  aus  einer  Angabe  vom  Jahre  1895,  wonach  im  ganzen 
die  Anzahl  der  Industrie-  Etablissements  zu  jener  Zeit  650  betrug, 
von  denen  nur  ein  sehr  geringer  Prozentsatz  auf  Metallindustrieen 
entfällt  ;  bis  vor  kurzem  zählte  man  beispielsweise  in  ganz  Sibirien 
nur  3  Eisengiessereien,  und  dadurch  ist  der  Preis  dieses  vorzugs- 
weisen Hilfsmetalls  einer  Produktionsentvvicklung,  in  P'orm  von 
Werkzeugen  aus  Europäisch  Russland  und  anderen  Ländern  P^uropas 
eingeführt,  ein  solch  hoher,  dass  manche  Lidustrieen  deshalb  z.  Z. 
ohne  weiteres  ausgeschlossen  sind. 

Durch  die  sibirische  P^isenbahn  werden  die  Schätze  des  Ural 
an  diesem  Metall  einen  weiteren  Absatz  erhalten,  und  die  Un- 
möglichkeit, z.  Z.  die  Eisenlager  bei  Yakutsk  wegen  ihrer  Ent- 
legenheit vom  Verkehrswege  der  sibirischen  Bahn,  auszubeuten, 
ist  nur  als  eine  vorübergehende  Schwierigkeit  zu  betrachten,  nach- 
dem der  Richtpunkt  alles  Absatzes  in  dem  neuen  Schienenwege 
klar  zu  Tage  liegt  und  an  die  eine  grosse  Hauptader  die  Saug- 
und  Verteilungslinien  zwi.schen  Ueberfluss  und  Mangel  in  dem 
Areale  sich  erst  allmählich  angliedern  werden. 

Neben  der  Goldindustrie  Sibiriens  verdient  noch  sein  Pelz- 
handel Erwähnung.  Ungeheuere  Massen  der  wertvollen  Pelztiere, 
wie  Zobel,  Bär,  Pouchs,  werden  in  den  unermesslichen  P'orsten  und 
Oedländereien  erbeutet.  Ueber  den  Wertumfang  dieser  Industrie 
ist  auch  nicht  annähernd  ein  Ueberblick  möglich,  da  der  Tausch- 
handel nach  den  Nachbarländern  und  nach  Europa  (London)  etc. 
die  verschiedensten  Wege  einschlägt.  Nur  das  dürfte  sicher  sein, 
dass  der  Wert  der  Beute  erst  zu  einer  einträglichen  Erwerbsquelle 
werden  kann,  wenn  die  bessere  Verbindung  und  Aufschliessung 
Sibiriens  dem  Raub-  und  Plündersystem  der  Händler  ein  Ende 
bereitet  und  den  Lohn  des  Schweisses  mehr  in  die  Hände  derer 
leitet,  die  ihn  verdient  haben,  und  dadurch  deren  materielle  Lage 
erhöht.  — 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN  225 

Alle  Betrachtungen  über  Gegenwart  und  die  mögliche  Zukunft 
Sibiriens  gipfeln  immer  wieder  in  der  Schätzung  des  Wertes,  den 
die  Aufschliessung  des  Landes  im  Gefolge  hat,  und  da  die 
sibirische  Bahn  das  schlafende  Riesenreich  mit  einem  Schlage 
mit  dieser  Lebensader  versehen  und  es  in  den  Vordergrund 
des  Literesses  gestellt  hat,  so  geziemt  sich  wohl,  einige  Momente 
bei  der  Frage  zu  verweilen,  inwieweit  die  Hoffnungen,  welche 
sich  an  die  sibirische  Bahn  für  Sibirien  knüpfen,  gerechtfertigt 
sein  mögen. 

Der  strategische  Wert  der  über  7.500  km  langen  und  bis  zu 
ihrer  definitiven  Fertigstellung  wohl  2000.000.000  Mark*  ver- 
schlingenden sibirischen  Bahn  ist  ein  so  unbestritten  anerkannter, 
dass  er  hier  keiner  weiteren  Erwähnung  bedarf.  Russland  hat 
sich  eine  Verbindungslinie  seiner  Operationsbasis  am  Pacific  mit 
der  Zentrale  in  der  Heimat  geschaffen,  deren  unschätzbare  Macht 
und  Kraft  im  gleichen  Verhältnisse  mit  der  durch  sie  zu  bewirken- 
den Bevölkerungszunahme  und  Entwicklung  Sibiriens  wachsen 
wird.  Aber  gerade  diese  letztere  Hoffnung  der  Stärkung  und 
günstigen  Entwicklung  Sibiriens,  die  einem  grossen  Teil  der  er- 
wähnten enormen  Kosten  auch  die  allgemein  ökonomische 
Rechtfertigung  verleihen  soll,  wird  keineswegs  durchgängig  ge- 
teilt, sondern  von  hervorragenden  Kennern  der  Verhältnisse  einst- 
weilen stark  bezweifelt. 

Es  liegt  klar  auf  der  Hand,  dass,  solange  Sibirien  der  Bahn 
nur  Ackerprodukte  zum  Transporte  zu  übergeben  hat,  ein  lebhafter 
Ein-  und  Ausfuhrhandel  sich  nicht  zu  entwickeln  vermag,  denn 
der  an  sich  niedere  Preis  der  Agrarprodukte  verbietet  den  teureren 
Bahntransport  auf  Streckenlängen  von  mehreren  Tau.senden  von 
km,  wie  er  hier  in  Frage  kommt.  Ein  Achnliches  mag  von 
den  Produkten  des  Waldes,  vom  Holze,  mit  noch  besserer  Be- 
gründung behauptet  werden.  Eine  Erhöhung  des  Wohlstandes 
der  vorhandenen  Bevölkerung  oder  ein  besonderes  Anlockungs- 
mittel fiir  Neuansiedler  ist  also  darin  kaum  zu  erblicken.  Solange 
kein  Einfluss  von  Kapital  als  Erlös  für  die  Ueberproduktion 
an  Getreide,  Holz  etc.  über  das  eigene  Bedürfnis  erfolgt,  fehlt 
auch  die  Kaufkraft  für  Einfuhrgüter  aus  den  Ländern,  mit  welchen 
der  Tauschverkehr  stattfinden  soll ;  und  technische  Hilfsmittel, 
Maschinen  etc.,  welche  in  Sibirien  ganz  besonders  nötig  wären, 
haben   durch    ihren  Bezug   von   Europäisch   Russland,  den  langen 

*  Henry  Norman  „  All  the  Russias." 


220  K.    HEFELi:,    AUS    DEM    OSTEN 

TransiK)rt  etc.  Preise,  welche  von  der  l^evölkeruiiL^  nicht  erschwun- 
i^en  werden  können.  Zudem  wird  i^eltend  gemacht,  dass  sich  der 
Einlluss  der  Bahn  aus  den  genannten  Gründen,  wegen  der  grossen 
l^ntfernungen  und  der  mangelnden  Kommunikationswege  auch  bei 
günstigen  Umständen  kaum  über  150  km*  zu  beiden  Seiten  der 
Bahn  erstrecken  wird,  im  Zusammenhalte  mit  der  Flächengrosse 
Sibiriens  ein  verhältnismässig  schmaler  Streifen,  und  als  wt^iterer 
nachteiliger  Umstand  wird  die  Tracenlage  der  Bahn  ins  Feld 
geführt,  welche  keineswegs  das  Herz  Sibiriens  durchschneide, 
sondern  sich  am  südlichen   Rande  desselben  halte. 

Industrieen,  deren  Produkte  durch  ihren  hohen  Wert  weite 
Transporte  lohnen  würden,  sind  praktisch  ausser  wenigen  Bergwerks- 
und sonstigen  Betrieben  noch  in  Iceincr  Weise  vorhanden,  und  der 
Schaffung  derselben  stehen  die  obengenannten  hohen  Preise  der 
Maschinen,  die  angeborene  geringe  Unternehmungslust  der  an 
Landwirtschaft  gewöhnten  niederen  Volksschichten  und  der  hohe 
Preis  v^on  Kapitalnutzung  wie  auch  Unsicherheit  der  gesetzlichen 
und  sozialen  Zustände  und  das  herrschende  Ausbeutesystem  ge- 
genüber den  wirtschaftlich  Schwächeren  stark  entgegen.  Wenn 
man  sich  vergegenwärtigt,  dass  den  Hungersnöten  in  den  nörd- 
lichen Teilen  Sibiriens  und  dem  Aussterben  ganzer  Volksstämme 
durch  die  Zufuhr  des  Ueberflusses  aus  anderen  südlichen  Distrik- 
ten durch  die  grosse  Entfernung  von  dem  Ausgleichsmittel  zwischen 
Ueberflussund  Mangel,  der  sibirischen  Bahn,  nicht  begegnet  werden 
kann,  so  wird  zweifellos  djr  Enthusiasmus,  mit  dem  die  Optimisten 
die  Eröffnung  dieser  neuen  Weltlinie  begleiteten,  bedeutendere 
Ernüchterung  erfahren  müssen.  Aber  es  ist  eine  Eigentümlichkeit 
unserer  hastenden  Zeit,  dass  sie  mit  Entwicklungen  und  Ent- 
wicklungsperioden nicht  mehr  rechnet,  sondern  das  Rennpferd 
mit  dem  neuen  Sattelzeug  sogleich  die  Bahn  entlang  in  rasender 
Gangart  dem  Ziele   zusteuernd  sehen  will  ! 

Wenn  je  ein  Land  vorsichtig  und  überlegt  einer  Zukunft 
entgegengeführt  werden  muss,  so  ist  es  das  sibirisch^  Russland. 
Denn  wo  die  Bildungsstufe  der  gewöhnlichen  Volksklasse  noch  so 
niedrig  steht  wie  in  Sibirien — und  teilweise  ist  das  Einwanderer- 
kontingent nicht  besser — ,  dass  kaum  0,5  ^o  den  dürftigsten 
Schulunterricht  geniessen,  da  kann  man  namentlich  in  industrieller 
Richtung  keine  raschen  P2volutionen  erwarten,  unsomehr  als 
tatsächlich    die    sibirische    Bahn    nur   einen   sehr   begrenzten   Teil 

*  J.  Stadlirig,  Through  Sibcrta  p.  274.  ff. 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  22/ 

Sibiriens  zum  Aufschluss  bringt  und  das  nicht  einmal  als  billiges 
Verkehrsmedium. 

Ein  Blick  auf  die  hydrographischen  Verhältnisse  des  Landes 
enthüllt  uns  seinen  Reichtum  an  Wasserkommunikationslinien  in 
den  Stromsystemen  riesiger  Flüsse  wie  Ob,  Yenissei,  Lena,  welche 
von  den  Küsten  des  arktischen  Meeres  bis  zur  Grenze  von  China 
Verbindungslinien  bilden  und  für  Seeschiffe  bis  zu  1.500  km  von 
der  Mündung  bis  in  das  Herz  des  nördlichen  Sibirien  hinein 
schiffbar  sind.  Die  natürlichen  Hindernisse  des  Zufrierens  der 
Mündungen  und  der  widrigen  Eisverhältnisse  des  arktischen  Meeres, 
in  das  unglücklicherweise  diese  Flüsse  einmünden,  scheinen  nach 
neuesten  Erfahrungen  keine  unüberwindbaren  Schwierigkeiten  zu 
bieten,  und  gelingt  es,  diese  Seeroute  während  eines  Teiles  des 
Jahres  auch  nur  dem  Schiffverkehr  dienstbar  zu  machen,  dann 
würde  eines  der  grössten  Hindernisse  der  raschen  Entwicklung 
Sibiriens,  die  grossen  Distanzen,  durch  den  billigen  Seeverkehr 
auf  die  Seite  geräumt  werden.  Anschliessend  daran  könnte  auch 
die  sibirische  Bahn  sofort  eine  enorm  gesteigerte  Bedeutung 
erhalten,  da  sie  rechtwinkelig  diese  Ströme  durchschneidet  und 
so  als  internes  Verbindungsglied  fungieren  würde  ;  auch  der  Be- 
dingung, dass  solch  grosse  Bahnen  nur  im  vielseitigen  Anschluss 
an  Wasserstrassen  ihre  volle  Bedeutung  und  Rentierlichkeit  er- 
langen, wäre  genügt. 

Was  man  an  ungünstigen  Urteilen  über  die  Rentabilität  der 
Bahn  z.  Z.  hört,  wird  kaum  überraschen  können,  da  die  Vor- 
aussetzungen zur  Rentierlichkeit  in  gewissem  Sinne  eben  erst 
geschaffen  werden  müssen  ;  latente  Güter  zu  realisieren  braucht  Zeit, 
und  Russland  selbst  hat  am  wenigsten  für  die  nächste  Zukunft 
auf  finanziell  günstige  FCrgebnisse  gerechnet,  da  vorerst  die  arithme- 
tisch nicht  ausdrückbaren  Vorteile  die  materiellen  Ergebnisse  über- 
wiegen. Aber  all  dies  vermag  die  Bedeutung  der  sibirischen  Bahn 
nicht  zu  verkleinern.  Sie  ist  der  erste  Schritt  zur  Verkörperung 
eines  in  riesenhaften  Zügen  entworfenen  Zukunftsprogramms. 
Mag  auch  vorerst  der  günstige  Einfluss,  den  ohne  Zweifel  die 
Aufschliessung  eines  so  weiten  Areals  für  sich  hat,  auch  nur  auf 
einen  schmalen  Saum  zu  beiden  Seiten  der  Bahn  sich  erstrecken, 
das  Weitergreifen  des  kulturellen  Ferments  wird  sich  von  selbst 
mit  der  materiellen  Hebung  der  ursprünglich  schmalen  Zone 
vollziehen,  Kapital,  Intelligenz  und  Unternehmungsgeist  werden 
mit  dem  Zuzug  besserer  Elemente  und  dem  Herrschen  geordne- 
terer Zustände,  wenn  auch  langsam,  sich  einfinden.     Liegt    nicht 


.228  K.    HKFELK,    AUS    DEM    OSTEN. 

eben  der  i:^i-üsste  Vorteil  gerade  darin,  dass  die  landwirtschaftlich 
beste  Zone  von  der  Bahn  berührt  ist,  auf  der  die  Möglichkeit 
des  Fussfassens  einer  Industrie  durch  die  allgemein  für  das  Leben 
nötigen  günstigen  Bedingungen  gegeben  sit  ?  Und  sind  nicht 
weite  Territorien  angeschnitten,  deren  Reichtum  an  Gold,  Eisen, 
Kohle  und  Holz  in  fabelhaften  Ziffern  zum  Ausdruck  kommt? 
Allmählich  werden  Seitenlinien  zu  Minenzentren  sich  angliedern 
an  dieses  mächtige  Rückgrat!  Die  Industrie,  durch  eine  Acker- 
bauzone gestützt,  vermag  in  die  Forstzone  inid  jene  Gebiete 
vorzudringen,  wo  sie  die  besten  Bedingungen  für  ihre  Fabrika- 
tion findet,  und  jede  neue  Industrie  macht  das  Land  unab- 
hängiger, selbstständiger,  lebensfähiger !  Aus  den  Anfängen  des 
lokalen  Austausches  von  Rohproduktion  in  der  Nähe  der  Bahn 
werden  sich  von  selbst  mit  dem  Ansiedeln  von  Industrieen 
die  Distanzen  kommerziellen  Ausgleichs  vergrösseren  und  die 
Unternehmungslust  die  Kreise  ihrer  Interessensphären  immer 
weiter  ziehen,  bis  sie  endlich  mit  den  Grenzen  des  bewohnbaren 
Landes  sich  decken.  Für  manche  Güter  besteht  schon  heute 
trotz  der  enormen  Distanzen  die  Weitwirkung  der  Bahn,  welche 
im  grossen  ganzen  allerdings  erst  nach  langer  Zeit  voll  zur 
Geltung  kommen  kann.  Chinas  Seide  und  Tee  finden  schon 
jetzt  ihren  Weg  nach  Europa  auf  diesem  Wege,  und  Russland 
wird  China  mit  Gütern  versorgen,  die  dieses  seither  von  anderwärts 
bezogen  hat,  z.  B.  Baumwolle  und  Wollefabrikate.  Aber  nicht 
nur  gegen  Westen  gravitiert  die  Bedeutung  der  Bahn,  der  Osten 
wird  durch  sie  nicht  weniger  beeinflusst  werden.  Je  schneller 
es  der  unerschütterlichen,  ruhigen  Energie  Russlands  gelingt, 
auf  liberaler  Basis  die  Schätze  Sibiriens  der  nationalen  Produk- 
tion dienstbar  zu  machen,  desto  überwältigender  wird  die  Wucht 
seines  Auftretens  im  Kampfe  der  Weltmächte  um  die  Märkte 
des   Pacific  sein. 

Der  persönliche  Eindruck,  den  man  auch  auf  einer  nur 
partiellen  Reise  mit  der  sibirischen  Bahn  empfängt,  ist  ein  ge- 
waltiger. Unwiderstehlich  kommt  in  ihr  die  Wucht  des  russi- 
schen Volkes  zum  Ausdruck,  dessen  Massenwirkung,  geleitet  von 
der  hochentwickelten  Intelligenz  in  seiner  Führung,  kein  Hinder- 
nis kennt.  Die  Einheit  der  Idee  und  Ausführung,  garantiert  durch 
die  absolutistische  Regierungsform,  die  Entfaltung  der  enormen 
materiellen  Mittel  nicht  minder  wie  die  intellektuelle  Höhe,  die 
sich  in  Ueberwindung  der  riesigsten  technischen  Schwierigkeiten 
äussert,  der  sichtliche  Verzicht  auf  momentane  Rente  fabelhafter 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN'.  229 

Bahnbaukapitalien  zugunsten  ferner  Zukunft  luid  der  vermutliche 
Siegespreis  solch  weitschauender  Politik  macht  geradezu  stumm  vor 
Staunen,  wo  solcher  Ehrgeiz  sich  dereinst  das  Ziel  nehmen  wird  ! 

Ich  stimme  Henry  Norman  bei:  „Seit  der  Erbauung  der 
chinesischen  Mauer  in  China  hat  die  Welt  kaum  ein  Werk 
ähnlicher  Grösse  gesehen."  Aber  es  ist  nicht  eine  tote  Masse 
wie  dort,  nein,  ein  lebendiger  Geist  beseelt  diesen  Koloss,  —  der 
Geist,  aus  dem  Weltherrschaften  geschmiedet  werden. 

Dem  Besuch  des  Ussurigrenzlandes  schloss  sich  die  Reise 
durch  die  Mandschurei  an.  W^enn  schon  an  sich  ein  Land 
unser  Interesse  beansprucht,  das  einst  den  Eroberer  Chinas 
gebar,  der  sicli  nach  der  Unterwerfung  und  Verschmelzung  der 
zahlreichen  kleinen  Herrschaften  des  eigenen  Landes  zu  einem 
einheitlichen  Staate  im  Jahre  1644  zum  Herrscher  Chinas  machte 
und  dessen  Nachkommen  noch  heute  die  herrschende  Dynastie 
dortselbst  bilden,  so  sind  es  namentlich  die  Ereignisse  seit  1894, 
welche  den  Namen  Mandscimrci  fast  ständig  bis  zum  heutigen 
Tage  unter  den  politisch  beachtenswerten  Veränderungen  finden 
lassen.  Ich  weise  nur  darauf  hin,  wie  hier  die  tapfere  japanische 
Armee  1894  der  Welt  die  staunenswerte  Genugtuung  verschaffte, 
zu  sehen,  wie  europäischer  Geist  in  ihr  wirkte,  so  dass  sie  die 
Streitkräfte  des  mächtigen  China  mit  seiner  unermesslichen  Be- 
völkerung in  wenigen  entscheidenden  Schlachten  und  in  unglaub- 
lich kurzer  Zeit  über  den  Haufen  warf,  und  wie  1896  die  Absicht 
der  Erschliessung  des  nördlichen  Teiles  dieses  wenig  gekannten 
Landes  durch  die  sibirisch-mandschurische  Bahn  von  russischer 
Seite  für  dasselbe  wohl  den  Beginn  einer  neuen  Aera  bedeutet. 
1897  war  der  erste  Spatenstich  zu  dieser  Abkürzung  der  ur- 
sprünglichen Trace  der  sibirischen  Eisenbahn  getan,  und  Schlag 
auf  Schlag  kam  nun  1898  die  Abtretung  eines  Teiles  der  Lia- 
tong  Halbinsel  *  an  Russland  durch  Vertrag  und  die  Inangriff- 
nahme einer  zentralmandschurischen  Bahn  von  Norden  nach 
Süden  als  Veibindung  der  sibirisch-mandschurischen  Linie 
mit  den  eisfreien  Häfen  Dalny  und  Port  Arthur.  Diesem  folgte 
die  Besetzung  der  Mandschurei  durch  Russland  während  der 
Boxerunruhen,  und  von  da  an  datiert  die  überwiegende  Macht 
Russlands  in  Mandschuria  infolge  der  ihm  mit  besonderen  Rechten 
eingeräumten  Besetzung  der  Bahnen,  wodurch  auch  nach  der 
sogenannten  Evakuation  eine  tatsächliche  Loslösung  der  drei  die 

*  Port  Arthur  und  Talienwan. 


230  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Mandschurei  bildenden  Provinzen,  Hai-lungchiang,  Kirin  und 
Feng-tien  (Liatong)  von  Chinas  Hoheit  bewirkt  ist.  Man  ist 
umsomehr  auf  den  PLindruck  dieses  Landes  gespannt,  als  man 
schon  am  Amur  und  in  Ussuriland  den  I^influss  des  mächtigen 
Importgeschäftes  der  beiden  nördlicheren  Provinzen  Hai-lungchiang 
und  Kirin  hinsichtlich  Vieh  und  Getreide  etc,  kurz  der  wichtigsten 
Agrarprodukte  zu  fühlen  bekam. 

Ich  stehe  nicht  allein  mit  der  Ansicht,  dass  Russland  zur 
Entwicklung  der  Amurprovinz  und  besonders  des  Ussurigrenz- 
landes  einstweilen,  bis  eine  bessere  Besiedelung  dieser  russischen 
Provinzen  stattgefunden  hat  und  dadurch  diese  selbst  genügend 
landwirtschaftliche  Produkte  hervorbringen,  in  dieser  Hinsicht 
fast  mit  zwingender  Notwendigkeit  auf  den  Reichtum  der 
Mandschurei  angewiesen  bleibt.  Das  gilt  ganz  besonders  für 
Wladivostocks  engere  Umgebung,  wo  strategische  Gründe  und 
der  Handel  eine  grosse,  zunehmende  Anzahl  nicht  ackerbau- 
treibender Bevölkerung  zusammenführt. 

Um  zur  Grenze  Mandschurias  zu  gelangen,  fährt  man  mit  einem 
der  täglich  in  diese  Richtung  abgefertigten  gewöhnlichen  Züge  von 
Wladivostock  bis  Nikolskoe  auf  der  Ussurilinie  ;  hier  zweigt 
die  sibirisch-mandschurische  Bahn  nach  Westen  ab,  um  mit  fast 
rein  östlich-westlicher  Richtung  gegen  Kaidalovo  1 146  verst  = 
1223  km  auf  mandschurischem  Boden  zu  laufen;  von  Nikolskoe 
bis  Krodekovoe  sind  1 10  verst=ii7  km  und  vom  Verlassen 
der  mandschurischen  Grenze  bis  nach  Kaidalovo  324  verst  =  346 
km  zu  rechnen,  so  dass  für  die  I>änge  zwischen  dem  Ansatz- 
punkte an  die  ursprüngliche  sibirische  Linie  in  Kaidalovo  (Trans- 
baikalien)  bis  zum  Einlaufen  in  dieselbe  Linie  in  Ussuriland  bei 
Nikolskoe  1580  verst  =  1686  km  zu  rechnen  sind.  Welche 
Ersparung  an  Weg  bei  der  direkten  Verbindung :  Baikalsee — 
Wladivostock  durch  die  Möglichkeit  der  geraden  Linie  via 
Mandschurei  erzielt  wurde,  mag  daraus  ersehen  werden,  dass 
dieselbe  Strecke  Kaidalovo-Nikolskoe  den  Amur  entlang  und  den 
Ussuri  von  Habarovskoe  aufv/ärts  bis  Nikolskoe  um  nicht 
weniger  als  nahezu  die  Plälfte  länger  sich  gestalten  würde. 

Hat  man  die  bereits  von  der  Fahrt  nach  dem  Amur  via 
Habarovskoe  bekannte  Strecke  Wladivostock-Nikolskoe  hinter 
sich,  so  hält  der  etwas  monotone  Charakter  dieser  Gegend  auch 
gegen  die  mandschurische  Grenze  zu  an  ;  welliges,  niederes,  breit 
angelegtes  Land  mit  wenig  Ackerbau  und  weiten  Grasflächen 
ohne    Wald   begleitet   den  Reisenden    rechts  und  links,    und   nur 


K.    HEFFXE,    AUS    DEM    OSTEN.  23 1 

gegen  Krodekovoe  zu,  nach  ijstündiger  Fahrt  von  Wladivostock, 
erhält  die  Landschaft  durch  eine  westwärts  sichtbare  höhere 
Hügelkette  einen  etwas  ausgeprägteren  Charakter.  Der  humose 
und  stellenweise  direkt  moorige  Boden  in  den  flachen  Mulden 
zwingt  die  Bahn,  sich  diclit  an  den  sanften  Böschungen  der 
niedrigen,  welligen  Bodenerhebungen  zu  halten,  um  härteren 
Boden  für  die  Linie  zu  gewinnen  ;  das  ist  naturgemäss  dann  die 
Ursache  einer  fortwährenden  Kurvenbildung.  Krodekovoe  liegt 
hart  an  der  mandschurischen  Grenze,  die  Wagen  müssen  ver- 
lassen werden  zum  Ucbersteigen  in  den  Zug  für  die  nominell 
der  chinesischen  Ostbahn  zugehörige,  aber  ohne  weiteres  durch 
ihre  Finanzierung  und  Besetzung  als  russische  Bahn  zu  be- 
zeichnende mandschurische  Strecke. 

Es  mag  spitzfindig  feine  Unterschiede  bezüglich  der  Eigen- 
tumsfrage der  Bahn  geben,  äusserlich  wenigstens  zeigt  sich  nicht 
im  geringsten  irgend  welche  Auffälligkeit  gegenüber  einer  Bahn  in 
Russland.  Die  Spurweite  ist  die  russische,  das  rollende  Material 
i.st  ebenfalls  russisch,  und  so  die  Besetzung  der  Bahn  und  die 
Bahnbeamten  bis  zur  allgegenwärtigen  Figur  des  gestiefelten 
Gendarmen.  Man  ahnt  noch  nicht,  dass  man  hier  von  dem 
nicht  übermässigen  Komfort  der  sibirischen  Bahn  für  einige  Zeit 
Abschied  zu  nehmen  hat,  denn  der  Teil  von  Krodekovoe  bis 
Harbin  ist  zweifellos  zu  den  am  wenigsten  fertigen  und  komfor- 
tablen Strecken  zu  rechnen.  Ein  regelrechter  Fahrplan  scheint 
nicht  zu  existieren,  wenigstens  ist  sehr  oft  niemand  im  stände, 
eine  Aufklärung  über  die  Dauer  des  Aufenthaltes  auf  einer 
Station  zu  geben;  er  mag  lO  Minuten,  unter  Umständen  auch 
wohl  mehrere  Stunden  betragen.  Ich  erinnere  mich  nicht  ohne 
ein  gewisses  Vergnügen,  wie  der  Gendarm  aus  den  sich  um  5 
Uhr  Nachmittags  in  Masse  für  die  Billetabgabe  an  den  Schalter 
drängenden  Passagieren  ein  Queue  bildete,  und  wie  die  definitive 
Abgabe  der  Billete  um  8  Uhr  Abends  erfolgte  ;  während  dieser 
ganzen  Zeit  passte  man  nebenbei  auf  den  Zug,  der  konmien 
sollte,  wann  —  das  wusste  niemand  oder  wollte  niemand  sagen. 
,,  Nitschewo  ",  denkt  sich  der  Schalterbeamte  und  liest  seine  Zei- 
tung weiter,  unbekümmert  um  die  Sehnsucht  der  Aussenstehenden 
nach  Billeten.  Die  Passagiere,  welche  den  Zug  zur  Mandschurei 
benützen,  sind  zweifellos  mehr  von  lokaler  Charakteristik  als 
auf  der  Ussuribahn,  wo  die  Nähe  des  Meeres  ein  grösseres 
Prozent  von  Internationalität  hineinbringt.  Hier  findet  man  rus- 
sische Ansiedler  oder  Arbeiter  für  einen  der  Golddistrikte,  Kosaken, 


232  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

russische  Offizicrsdamen,  welche  mit  dem  gesamten  Haushalt 
zu  ihren  Gatten  auf  einen  der  unwirtlichen  Posten  entlang  der 
mandschurischen  Bahn  reisen,  dann  etwas  zweifelhafte,  französisch 
aufo-eputzte  japanische  Damenwelt  und  endlich  den  allgcgcn- 
wärtityen  John  Chinaman  als  Bewohner  und  Passagier  der 
gedeckten    Viehwägen. 

Der  Bahnhof  in  Krodekovoe  ist  noch  nicht  ganz  fertigge- 
stellt, und  so  sitzt  oder  liegt  männiglich,  da  der  Abend  mild 
ist,  auf  seinem  Pack  oder  was  er  sonst  an  Reisegepäck  führt, 
und  zweifellos  tut  man  gut  daran,  sich  nicht  allzuweit  davon  zu 
entfernen,  denn  auf  den  sibirischen  und  mandschurischen  Bahnen 
haben  Gegenstände  jeder  Art  eine  unbegrenzte  Neigung  zu  ver- 
schwinden. Das  ist  auch  bei  dem  stark  vertretenen  P^Iement 
von  Exilierten  und  von  ebenso  skrupellosen  Mandschuren,  denen 
Räuberwesen  und  Diebstahl  ja  einen  nationalen  Hauptsport 
bedeutet,  eben  kein  Wunder.  Wie  endlich  der  langerwartete  Zug 
in  die  Station  keucht,  werden  die  Wagen  gestürmt,  und  da  die 
erste  Klasse  durch  Abwesenheit  glänzt,  begnügt  man  sich  gerne 
mit  einem  der  luftigen  Militärtransportwagen,  die  durch  eine 
Tafel  aussen  in  eine  stolze  II.  Klasse  verwandelt  werden.  F'ehlt 
genannte  Auszeichnung,  so  haben  wir  III.  Klasse,  und  Vich-und 
Packwagen  bilden  eine  Abart  der  III.,  die  namentlich  von 
Chinesen,  wohl  aus  Vorliebe  für  nationale  Klubbildung  und  den 
herrschenden  unendlichen  Schmutz   in    denselben  bevorzugt  wird. 

Die  36  Stunden  dauernde  Fahrt  bis  Harbin  gibt  ausreichende 
Gelegenheit  zu  Geduldproben  hinsichtlich  Fahrgeschwindigkeit 
und  Aufenthalten,  aber  es  wäre  ungerecht,  darüber  scharf  zu 
urteilen,  denn  zweifellos  ist  dieser  östliche  Teil  der  sibirisch- 
mandschurischen Bahn  zwischen  Krodekovoe  und  Harbin  in 
seiner  ersten  Hälfte  ein  schwieriges  Bauobjekt  gewesen  ;  zweimal 
werden  nördliche  Ausläufer  der  Shan  Alin  Berge  bis  zu  600  m 
Höhe  von  der  Bahn  unter  beträchtlichen  Steigungen  und  Gefällen 
überwunden  ;  dabei  trägt  die  Lage  der  Trace  und  ihre  Ausführung 
nur  zu  deutlich  den  Stempel  der  militärischen  Rücksicht  für  die 
rasche  Ausführung  aufgedrückt :  „  Durch  um  jeden  Preis  und  in 
kürzester  Zeit  vom  europäischen  Russland  nach  Sibirien,  Man- 
dschuria  und  Wladivostock "  zum  Pacific.  Ein  Unterbau  aus 
frisch  aufgeschütteten,  sich  er.st  setzenden  Dämmen,  vielfach 
manö'elhaftes  Schotterbett  der  Geleise,  ja  stellenweise  fast  unver- 
mittelte  Auflage  der  Schwellen  und  Schienen  auf  mehr  oder 
weniger  nachgiebigem  Boden  und  besonders  die  Wahl  der  Trace, 


K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEX.  233 

Avelche  im  Hügellande  fast  immer  die  Mulden  aufsucht,  wo  der 
feuchteste  und  sumpfigste  Boden  sich  findet,  um  möglichst  wenig 
Hindernisse  in  Anschnitten  oder  Tunnels  zu  erhalten,  das  alles 
zeugt  von  der  Hast  und  dem  Drängen  vorwärts  ohne  Rück- 
sicht auf  die  den  Erbauern  wohlbekannten  Nachteile  solcher 
Geschwindigkeitsarbeit.  Man  half  sich  über  die  Mängel  eines 
derartigen  schlechten  Unterbaues  einigermassen  hinweg  durch 
Anwendung  schweren  Schienenmaterials,  64  -\±  per  Yard,  und  durch 
starke  Schwellen  mit  einem  Abstände  von  76  cm  untereinander. 
Diese  Vorsicht  bei  den  zur  Verwendung  kommenden  schweren 
^Maschinen  (85-90  tons)  trägt  gute  F"rüchte,  sie  ist  wahrschein- 
lich eine  Folge  der  bösen  Erfahrungen,  die  man  auf  anderen 
Strecken  der  sibirischen  Bahn  mit  zu  leichtem,  aus  falscher 
Sparsamkeit  verwendeten  Schienenmaterial  machte.  Immerhin  ist 
noch  vieles  verbesserungsbedürftig.  Ich  erinnere  mich,  dass  auf 
einem  Plateau,  bevor  die  erste  der  erwähnten  Hügelketten  über- 
wunden war,  der  Zug  einen  Anblick  bot,  den  ich  bislang  noch 
nie  gehabt  hatte.  Fast  jeder  der  den  Zug  zusammensetzenden 
Wagen  hing  unter  einem  anderen  Winkel  aus  der  Senkrechten, 
rechts  und  links  abwechselungsweise,  wie  es  eben  kam,  zur  Seite, 
so  weich  war  der  moorige  Untergrund,  in  den  die  Schwellen  bis 
zu  7  und  8  cm  tief  ungleich  eingedrückt  wurden.  Der  Schlamm 
wurde  durch  den  Druck  neben  der  Schwelle  mit  einer  Vehemenz 
heraufgepresst,  dass  manchmal  ein  zufällig  aus  dem  Fenster 
sehender  Passagier  nicht  gerade  zum  Vergnügen  einen  saftigen 
Spritzer  erhielt.  Solche  gefährliche  Stellen,  die  eben  nur  ä  tont 
prix  für  Kriegszwecke  fahrbar  genannt  werden  können,  sind  nicht 
selten,  und  die  Umgestaltung  der  ersten  Bahntrace  in  das,  was 
man  eine  wirkliche  Verkehrslinie  nennen  kann,  ist  an  zahllosen 
Plätzen  nunmehr  erst  im  Gang.  Tunnels  werden  gebohrt,  die 
Mulden  mit  ihrem  Moorgrund  werden  durchweg  verlassen,  und 
die  Linie  wird  an  feste  Hänge  gelegt,  der  Bahnkörper  gut  mit 
Felsenkleinschlag  belastet  u.  s.  w.,  kurz  die  mannigfachen  Neu- 
bauten, namentlich  Umlegungen  der  Strecke,  dürften  wohl  einem 
kostspieligeren  Neubau  bis  zu  einer  guten  Hälfte  der  Gesamt- 
länge der  sibirisch-mandschurischen  Bahn  gleichkommen,  und 
erst  nach  P'ertigstellung  dieser  Verbesserungen  scheint  mir  die 
Einrichtung  eines  europäischen  Begriffen  verwandten  Verkehrs 
zwischen  Wladivostock — Baikalsee  möglich  zu  sein.  Die  Brücken 
sind  teilweise  ebenfalls  nur  provisorische  Holzgerüste  resp.  Pfahl- 
roste   mit    Schienen    oder   Holzkastenaufbau,  obwohl   auch   schon 


234  I^-    HKFKLE,    AUS    OEM    OSTEN. 

jetzt  manclic  fci'tii;"c  Stcinpfcilcrbrückc  von  erheblicher  Länge  in 
tadelloser  Vollendung  auf  dieser  und  der  zentralmandschurischen 
Linie  passiert  wird.  Es  ist  eben  unmöglich,  selbst  für  russische 
Energie,  in  so  kurzer  Zeit,  wobei  die  Arbeit  auch  noch  man- 
nigfache Unterbrechung  durch  Unruhen  (Boxeraufstand)  erhielt, 
alles  fix  'uid  fertig  zu  stellen.  Das  sollten  jene  bedenken,  die  mit 
Nörgeleien  über  Kleinigkeiten  die  Iviesengrösse  des  Unternehmens 
vergessen.  Eine  der  interessantesten  Partieen  auf  diesem  öst- 
lichen Teil  der  mandschurisch-sibirischen  Bahn  ist  zweifellos 
der  Abstieg  von  der  Höhe,  deren  Plateau  die  vorher  erwähnte 
üble  Sumpfstrecke  enthält.  Man  fährt  in  vier  Zickzacklinien  zu 
Tal  vor-,  rückwärts  ohne  Ausgleichung  des  zusammenlaufenden 
Kehren  durch  Kurven.  Der  Ausblick  des  Landes  von  diesem 
Punkte  über  einen  beträchtlichen  Umkreis  ist,  da  die  Passhöhe 
hier  offenbar  zu  den  höchsten  Lagen  der  Umgebung  gehört, 
prächtig.  Lii  hellen  Sonimersonnenschein  liegt,  einem  feinen 
Reliefbilde  vergleichbar,  ein  vielgefaltetes  Hügelland  mit  weiten 
Tälern  zu  unsern  P'üssen  ;  die  Berge  und  Hügel  tragen  nur  in  ihren 
oberen  Teilen  Bewaldung  von  Nadel-  und  Laubholz,  nach  unten 
schliesst  sich  dann  eine  der  Hara  Japans  vergleichbare  Vege- 
tationsform an,  um  endlich  in  den  tiefsten  Teilen  und  in  den 
Tälern  in  saftiggrünes  Grasland  überzugehen.  Die  Ursache  der 
mittleren  eigentümlichen  Hara-Waldvegetationsform  ist  dieselbe 
v>-ie  in  Japan  —  das  Feuer.  Offenbar  zur  vermeintlichen  Hebung 
des  Graswuchses  in  diesen  als  Viehweide  benützten  Gegenden 
der  Mandschurei  zünden  nomadisierende  Mandschuren  im  Herbst 
oder  zeitig  im  iM'ühjahr  den  Bodenüberzug  an  und  erreichen 
damit  die  Vernichtung  des  Waldes  hinsichtlich  Nadelholz  völlig, 
hinsichtlich  des  Laubholzes  nur  teilweise,  da  dieses  widerstands- 
fähiger ist ;  es  entsteht  derart  die  richtige  echte  Hara.  Li 
grösseren  Höhen  aber  ist  um  diese  Zeit  entweder  schon  Schnee 
gefallen  oder  noch  vorhanden,  und  dieser  schützt  nun  die 
Ilochlagen  vor  Zerstörung  ihres  W^aldmantels.  P^reilich  hat 
auch  dieser  seinem  Schicksal  nicht  entrinnen  können,  seit  die 
Bahn  den  jungfräulichen  Boden  mit  dem  eisernen  Schienen- 
strange durchschnitten  hat.  Tausende  \x)n  alten  Fichten,  Lärchen, 
Tannen,  Pinus  Cembra,  Rotbirken  und  z.  T.  Eichen  (Quercus 
niongolica)  sind  zur  Konstruktion  der  Bahn  und  der  Gebäude  an 
derselben,  soweit  die  Herbeischaffung  irgend  möglich  war,  her- 
ausgehauen, und  nur  das  weniger  begehrte  Laubholz  ist  stehen 
geblieben,    einen    zerrissenen    Laubhochwald    in    abnormer    und 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  235 

schlechter  Verfassung  zurücklassend.  All  den  Hochwaldungen 
auf  den  grösseren  bergartigen  Erhebungen  (bis  8co  m),  in 
beträchtlicher  Entfernung  von  der  Balinlinie,  dürfte  das  Todes- 
urteil gesprochen  sein,  denn  die  tiefer  liegenden  zentralen  und 
westlichen  Teile  der  IMandschurei  mit  ihrem  Steppencharakter 
zeigen  nirgends  eine  nennenswerte  Bewaldung,  und  so  muss, 
wie  man  sich  aus  den  Frachten  mancher  Züge  leicht  informieren 
kann,  das  Konstruktionsholz  flir  Hoch-  und  Brückenbauten,  das 
Schwellenholz  etc,  ja  selbst  das  Brennholz  für  die  grösseren,  im 
Entstehen  begriffenen  Stationsorte  in  der  Nähe  der  Bahn  aus 
dem  Berglande  oft  auf  ungeheure  Entfernungen  beigeschafft 
werden.  Vorerst  werden  auch  die  Maschinen  der  mandschurischen 
Bahn  noch  mit  Holz  geheizt,  und  man  fahrt  in  den  Bergen 
an  endlosen  Holzbeugen  von  zurechtgemachtem  Feuerholze  vor- 
über, das  ebenfalls  für  die  Stationen  in  den  Niederungen  bestimmt 
ist,  um  dort  zur  Aufflillung  und  Ergänzung  der  Tendervorräte 
der  Zugsmaschinen  und  zur  Feuerung  in  .den  Bahnhofgebäuden 
verwendet  zu  werden.  Dass  hiedurch  eine  weitere  tiefgreifende 
Ausholzung  oder  besser  gesagt  Verwüstung  des  Waldes  Platz 
greift,  liegt  auf  der  Hand ;  allein  die  Erfüllung  des  ins  Auge 
gefassten  Zwecks  ist  anderweitig  vorerst  nicht  zu  erreichen. 
Das  Spiel  der  Durchquerung  der  verschiedenen  Waldzonen  vom 
Grasland  über  Hara  zum  Laub-  und  endlich  vorwiegenden  Nadel- 
holzhochwald wiederholt  sich  natürlich  als  Folge  der  klimatischen 
Höhenzonen  und  der  geschilderten  besonderen  Verhältnisse  bei 
jedem  Anstiege  der  Bahn  auf  bedeutendere  Höhen. 

Bei  Chantachozu,  etwas  weiter  als  halbwegs  Harbin,  sind 
mächtige  Altholzforste  aus  Tanne,  P^ichte,  Lärche  und  Pinus 
Cembra  auf  einem  der  von  der  Bahn  mit  starker  Steigung  er- 
reichten Berghöhenrücken,  und  die  sämtlichen  Gebäude  der 
einer  kleinen  Stadt  gleichenden  hübschen  Ansiedelung,  welche 
die  Russen  aus  dem  Boden  stampften,  wo  vor  5  Jah.ren  höch- 
stens ein  halbes  Dutzend  Lehmhütten  mandschurischer  Räuber 
standen,  sind  durchwegs  in  Blockhausstil  aus  mächtigen  Stämmen 
der  genannten  Holzarten  gezimmert.  Wo  Laubwald  vorhanden 
ist,  findet  man  prächtige  Eichen,  Linden,  Ahorne,  Eschen,  Erlen, 
und  nur  wo  Birken  (Rot-  und  Weissbirken)  vorherrschen,  ist 
man  wohl  keine  Minute  im  Zweifel,  dass  man  den  Umwandlungs- 
wald durch  Feuer  vor  sich  hat  ;  dafür  spricht  schon  der  auf  grosse 
Strecken  auffallende  Mangel  an  Unterwuchs  und  Strauchholz. 
Der  schöne  hier  bei  Chantachozu  und  weiterhin  auf  dem  llöhen- 


236  K.    IIEFELE,    AUS    Di:^    OSTEN'. 

zugc  befindliche  Urwald  wird  bald  vcrmisst,  denn  nunmehr  f;illt 
die  Bahn  in  Richtlinie  auf  Harbin  zu  von  der  erreichten  Maximal- 
IkSIic,  etwa  600  m,  stetig  gegen  das  Steppenland  und  die  in 
Kultur  genommenen  Landteilc.  Was  man  dann  vom  Eisenbahn- 
wagen durch  die  ganze  Mandschurei  bis  zur  Liatong-Halbinsel  aus 
an  Wald  erblickt,  verdient  kaum  den  Namen  eines  solchen,  es 
sind  höchstens  zerrissene  kleine  Gebüschflecke  oder  gar  nur 
einzelne  Exemplare  melancholischer  Weiden  und  Pappeln.  Wer 
daraus  aber  schliessen  wollte,  dass  die  Mandschurei  im  allge- 
meinen holzarm  sei,  wäre  sehr  im  Irrtum,  denn  die  zentralman- 
dschurische Bahn  führt  eben  nur  durch  die  fruchtbare  Niede- 
rungs-  und  Ackerbauregion,  welche,  dem  Abhänge  der  Gebirge 
der  Provinz  Kirin  und  l'engtien  westlich  sich  anschliessend, 
über  das  paradiesisch  fruchtbare  Tal  des  Liao  hinüber  gegen 
die  endlosen  Steppen  der  Mongolei  sich  erstreckt. 

Die  Gebirge  der  noch  weniger  bevölkerten  und  unwirtlicheren 
nördlichen  Provinz  Heilungchiang  (169.000  qm.),  deren  Nord- 
grenze der  Amur  bildet,  sind  voll  jungfräulicher  P'orste,  ebenso 
wie  die  beiden  anderen  Provinzen  im  Innern  ihres  Berglandes 
die  wertvollsten  Wälder  von  P^ichen,  Ulmen,  Walnuss,  Birken 
Kiefern  etc  mit  dichtem  Unterwuchs  bergen,  was  darauf  schliessen 
lässt,  dass  der  Mensch  den  Boden  in  der  Nähe  noch  nicht 
ständig  okkupiert  und  das  P^euer  noch  nicht  zu  Hilfe  gerufen 
hat  zur  Waldvernichtung  gegen  die  Urkraft  der  Natur  im  Walde. 
Ist  dies  einmal  der  P"all,  so  wird  der  Wald  alsbald  beträchtlich 
quantitativ  und  qualitativ  reduziert,  leider,  wie  man  oft  in  Japan,. 
Sibirien  China  und  Korea  wahrnehmen  kann,  weit  über  das 
zuträgliche  Mass  hinaus.  Das  grosse  Holzhandelszentrum  der 
Mandschurei  liegt  an  der  Münduns;  des  Yalu,  auf  dem  kolossale 
Mengen  von  Starkholz  von  den  Changpaisan  Gebirgen  im  Zentrum 
der  Provinz  Kirin  an  die  See  getriftet  und  geflösst  werden. 
Aus  eben  demselben  waldreichen  Berglande  gelangt  Werkholz 
auf  dem  Sungari,  der  ebenfalls  in  den  Changpaisanbergen  ent- 
springt, nach  der  Hauptstadt  der  Provinz  Kirin,  um  dort  nament- 
lich zum  Bau  von   Dschunken  Verwendung  zu   finden. 

Bei  solchem  Reichtum  an  Holz  bleibt  es  nur  durch  die 
Wegelosigkeit  etc  erklärlich,  wie  Schwellen  für  den  ]^ahnbau 
im  Süden,  z.  B.  bei  Tashitschiao  vorteilhafter  \'on  Japan  bezogen 
werden  konnten. 

Mit  dem  HerabsteitJen  von  dem  Höhenzu<j  bei  Chantachozu 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  -  237 

gegen  Harbin  zu  ist  die  ebene  Steppen-  und  Ackerbauregion 
erreicht,  die  bis  zum  Uebertritt  ins  eigentliche  China  nicht  mehr 
verlassen  wird,  wenn  man  von  Harbin  die  zentralmandschurische 
Bahn  entlang  reist.  Harbin,  von  wo  die  zentralmandschurische 
Linie  mit  der  Richtung  NO-SW.  nach  Port  Arthur  abzweigt, 
präsentiert  sich  als  eine  durch  die  Russen  mit  Treibhausenergie 
geschaffene  Stadt,  deren  russische  Bevölkerung  z.  Z.  nahe  an 
9000  Seelen  beträgt  und  stark  im  Anwachsen  begriffen  ist,  während 
vor  wenigen  Jahren  höchstens  ein  paar  schmutzige  Chinesenhütten 
diese  weite  Ebene  zierten.  Dadurch  dass  ganz  nahe  der  Sungari 
vorüberfliesst,  auf  dem  stromauf-  und  -abwärts  ein  enormer 
Schiffsverkehr  mit  kleinen  Dampfbooten  und  Dschunken  aller 
Grössen  unterhalten  wird,  ist  Harbin  für  den  Binnenhandel  von 
ganz  besonderer  Bedeutung.  Der  Sungari  stellt  die  natürliche 
Verteilungsader  für  den  Import  von  auf  der  Eisenbahn  herange- 
führten Gütern  ins  Innere  der  zwei  Provinzen  Kirin  (Süden)  und 
Heilung-Chiang  (Norden)  dar.  Umgekehrt  ist  Harbin  zum  grössten 
Teile  auch  der  Zusammenflusspunkt  der  Exportprodukte  dieser 
Provinzen,  wenn  für  den  Weitertransport  die  Bahn  ins  Auge 
gefasst  wird.  Das  an  der  Bahn  gelegene  Harbin  selbst  wie  das 
Sungariviertel  am  Sungari  sind  ein  in  Schmutz  oder,  wie  bei 
meiner  Anwesenheit,  in  unglaublichen  Staub  eingehülltes  neues 
Gemeinwesen  mit  amerikanischen  Wachstumserscheinungen,  wo 
der  ,,  Saloon "  neben  der  Teebude  und  der  Bazar  japanischen 
Stils  neben  zweifelhaften  Fleischerläden  ein  bewegtes  Dasein  führt. 
Das  Treiben  in  den,  Strassen  genannten,  mehr  oder  weniger 
geraden  Geräumt- Erdlinien  ist  ein  buntes  :  Mandschure,  Chinese, 
Sibiriake,  Jäger,  Kaufmann,  Kuli,  Handwerker  und  Professions- 
räuber drängen  sich,  um  ihren  Geschäften  nachzugehen,  und  nur 
wenn  ein  Kosak  auf  seinem  kleinen  Gaule  sich  nähert,  stiebt 
die  Gesellschaft  etwas  bereitwilliger  aus  dem  Wege,  denn  der 
hat  eine  Peitsche,  die  zwar  offiziell  nur  für  den  Gaul  bestimmt  ist, 
aber  sich  doch  auch  für  Aufrechthaltung  der  Ordnung  sehr 
Wertvoll  und  nützlich  erweist. 

Zwischen  Alt-Harbin  und  der  geschäftigen  Sungari-Stadt 
stösst  man  auf  ein  ganz  neues,  aus  Ziegelstein  in  regelmässiger 
Bauordnung  errichtetes  und  mit  prächtiger  Kirche  ausgestattetes 
Viertel,  alles  damals  im  Rohbau  fertiggestellt  und  noch 
unbewohnt ;  es  ist  das  ein  für  die  russischen  Militär-  und 
Zivilbeamten  bestimmtes  besonderes  Quartier.  Sehr  gefällig  im 
Aeusseren,    in    guter   Lage   an   einem   sanften   Abhänge    und  jn 


238  K.     IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

den  Raunivcrhältiiissen  seiner  Teile  für  die  Zukunft  berechnet, 
hat  es  mit  der  Evakuierung  Mandschurias  zweifelk)s  nicht  das 
mindeste  gemein.  Ein  paar  sog.  Hotels  in  Sungari  und  Harbin 
gewähren  einen  gewissen  Komfort  europäischen  Anstrichs,  aber 
namentlich  die  Reinlichkeit  steht  im  argen  Kontrast  zu  den 
Preisen  ;  doch  ist  man  eben  von  Sibirien  her  in  dieser  Hinsicht 
nicht  allzu  verwöhnt.  Japanische  kleinere  Kaufmannsfirmen  sind 
auch  hier  zu  finden  neben  einer  Zweigniederlassung  von  Kunst 
und  Albers,  der  bekannten  deutschen  Export-  und  Importfirma 
mit  dem  palastartigen  Universalgeschäftshaus  in  Wladivostock. 

Die  Temperatur  war  zur  Zeit  meines  Aufenthaltes  in  Harbin 
geradezu  tropisch,  was  im  Verein  mit  dem  fürchterlichen 
Staube  beim  Fahren  im  Wagen  beinahe  das  Atmen  unmöglich 
machte.  Extreme  der  Temperatur  sind  in  der  ganzen  Mandschurei 
bemerklich,  und  wo  in  den  wärmeren  Jahreszeiten  relativ  hohe 
Temperaturen  herrschen  mögen,  da  tritt  in  langen,  nicht  sehr 
schneereichen  Wintern  ein  Tiefstand  des  Thermometers  ein,  der 
für  nahezu  6  Monate  Flüsse  und  Boden  auf  mehrere  Fuss  Tiefe 
in  den  eisigen  Banden  des  Frostes  gefangen   hält. 

Harbin  war  damals  von  dem  unheimlichsten  Gaste,  der 
Cholera,  heimgesucht,  und  wenn  wenn  man  die  schmutzigen 
Winkel  der  Sungari-Stadt  und  von  Alt-Harbin  in  Betracht  zog, 
so  konnte  man  sich  schliesslich  nicht  gerade  wundern,  dass 
sie  hier  Absteigequartier  genommen  hatte.  Durch  die  energische 
Initiative  der  russischen  Machthaber  aber  schien  das  Möglichste 
zu  geschehen,  einem  Umsichgreifen  Einhalt  zu  tun.  Man  .sah 
allenthalben  die  weissen  Krankenzelte,  an  deren  Anblick-  man 
sich  schon  auf  der  ganzen  Fahrt  in  Ostsibirien  am  Amur 
gewöhnte,  und  das  rote  Kreuz  hatte  in  den  Strassen  kleine 
Kochhütten  für  heisses  Wasser  aufgestellt,  denen  vom  Volke 
für  Teebereitung  etc  etc  fleissig  zugesprochen  wurde. 

Für  mich  bildet  Harbin  insofern  eine  unangenehme  Er- 
innerung, als  der  Reiseplan  mit  der  Absicht  bis  zum  Baikalsee 
vorzudringen  infolge  der  Nachrichten  von  zunehmender  Cholera 
längs  der  Line  dorthin,  von  Quarantänemassregeln,  wie  längeren 
zwangsweisen  Aufenthalten  zur  Beobachtung  etc  mit  Rücksicht 
auf  die  dadurch  ungebührlich  in  Anspruch  genommene  Zeit 
fallen  gelassen  werden  musste.  So  ging's  denn  schweren  Herzens 
gegen  Süden  auf  der  hier  abzweigenden  zentralmand-schurischen 
Bahn  durch  die  Mitte  der  Mandschurei  ! 

¥Än    gewöhnlicher    Zug    nimmt    uns    auf,    denn    besser    ein- 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  239 

gerichtete  Züge  mit  beschleunigter  Fahrt  sind  erst  von  jetzt  ab 
(1903)  einp^estellt,  und  die  nur  bis  zu  II  eniporreichende  Skala 
der  Waggonklassen  ist  für  nicht  all  zu  anspruchsvolle  Menschen 
m.  E.  auch  ausreichend.  Ein  Militärwaggon  neuesten  Stils, 
gross,  hell  und  freundlich,  dokumentiert  seine  II.  Kl.  Eigenschaft 
nicht  nur  durch  die  angehängte  Tafel,  sondern  auch  durch  etwa 
2  Zoll  dicke  harte  Polster,  welche  auf  die  abklappbaren  Brettbetten 
und  bei  Tag  auf  den  Sitz  gelegt  werden  können.  Ich  ziehe  stets 
etwas  weniger  komfortable  Züge  beim  Reisen  vor,  da  mir  die 
Reisegesellschaft  in  denselben  viel  bunter  und  ländlich  sittlich 
echter  erscheint  als  der  international  überpolierte,  oft  recht  farblose 
Inhalt  der  Express-  etc.  Trains,  wie  auch  unvorgesehene  Aufent- 
halte und  geringe  Fahrgeschwindigkeit  so  manches  beobachten 
lassen,  das  dem  im  Eilzuge  durch  die  Gegend  Jagenden  entgeht. 

Die  .Mitnahme  einigen  Proviantes,  der  Besitz  eines  Teekessels 
und  Bechers  und  für  Anspruchsvolle  die  Vervollkommnung  der 
Ausstattung  durch  ein  Kopfkissen  und  eine  besonders  dicke 
Decke  wird  .sehr  wohltätig  empfunden,  '  ist  im  Winter  auch 
wohl  unumgänglich  notwendig ;  für  mich  repräsentierten  der 
voUgepackte  bayrische  Rucksack  und  mein  Wettermantel  die 
letztgenannten  Gegenstände.  Etwas  unbehaglich  fühlt  man  sich 
berührt,  wenn  man  den  aus  14-16  Wagen  zusammengesetzten 
Zug  entlang  schlendert  und  an  dem  letzten  Zuggliecle,  einem 
in  Weiss-Anstrich  gehaltenen  Güterwagen  mit  intensivem  Karbol- 
geruch, anlangt :  es  ist  dies  der  sog.  Cholera waggon.  Ab  und 
zu  ereignet  es  sich  wohl  einmal,  dass  jemand  aus  dem  Zuge 
dorthin  getragen  wird,  um  bei  Erreichung  einer  Station  wieder  an 
Lazarette  etc.  abgegeben  zu  werden.  Das  unheimliche  Anhängsel 
begleitete  uns  auf  dieser  ganzen  Reise. 

Was  die  Verköstigung  anlangt,  so  ist  man  auf  dieser  Route 
zur  Zeit  noch  auf  die  Speisen  angewiesen,  welche  auf  bestimmten 
grösseren  Stationen  zu  haben  sind.  Solche  Punkte  mit  etwas 
längerem  Aufenthalte  werden  fast  regelmässig  Mittags  oder  Abends 
erreicht,  und  das  Hauptgericht  des  Menüs  am  „  Büffet "  bildet 
die  dampfend  heisse  ,,  russische  Krautsuppe  ",  eine  Fleischsuppe 
mit  gekochtem  Kohl  und  einem  handgrossen  Stück  Tellerfleisch, 
deren  guten  Geschmack  und  Bekömmlichkeit  ich  aus  Erfahrung 
bestätigen  kann,  wenn  auch  einige  darin  ertrunkene  Pliegen 
anfangs  irrtümlich  und  in  der  Eile  als  Gewürznelken  passierten. 
Die  privatim  mitgeführte  Verproviantierung  hilft  vielleicht  ab  und 
zu  mit  etwas  Konserven   nach   und  lässt  den  guten  Humor,  den 


240  K.     llEKKr.K,    AUS    DEM    OSTEN'. 

die  Fahrt  durch  das  fruchtbare,  wolilbebaute  Land  erzeugt, 
nicht  sinken. 

Welche  Inille  von  Reichtum  ini  Boden  der  Mandschurei  hegt, 
ist  auf  solcher  ]-'\ahrt  sehr  wohl  schon  vom  Zuge  aus  zu  beurteilen. 
Wohin  das  Auge  blickt,  Ackerbau,  Viehzucht  und  Regsamkeit. 
Und  zwar  ist  es  weniger  der  an  sich  faule  Mandschure,  der  dem 
Boden  dk^se  Schätze  abringt,  sondern  der  von  Süden  her  in 
immer  grösserer  Anzahl  das  Land  okkupierende  Chinese,  dessen 
xieltausendjähriges  von  den  Vätern  ererbtes  Geschick  im  Ackerbau 
und  dessen  besondere  Fähigkeit  für  Handel  allüberall  diese 
bienenartige  Geschäftigkeit  bemerkbar  macht. 

Die  sibirisch-mandschurische  Bahn  westlich  Harbin,  und  die 
zentralmandschurische  fuhrt  durch  die  für  den  Ackerbau  günstig- 
sten Teile  der  Mandschurei  mit  meist  ebenem,  tiefgründigem, 
mineralisch  reichem  Lehmboden.  Wenn  schon  jetzt  die  Produk- 
tion von  Zerealien  etc.  in  der  Mandschurei  einen  ganz  bedeutenden 
Betrag  aufweist,  was  mag  da  noch  zu  erwarten  sein,  da  doch 
zur  Zeit  erst  ungefähr  1/5  des  zur  Landwirtschaft  brauchbaren 
l^odens  in  Mandschuria  unter  Kultur  steht  !  Und  dabei  sind  die 
Gebirge  reich  an  Forsten,  wertvollen  Pelztieren  und  Wild,  die 
Ströme  voll  von  P'ischen,  und  das  Vorkommen  wertvoller  oder 
kostbarer  Metalle  wie  Eisen  und  Gold  ist  an  vielen  Plätzen 
nicht  nur  konstatiert,  sondern  der  Minenbetrieb  ist  tatsächlich 
bereits  da  und  dort  im   Gange. 

Einem  solchen  Ueberfluss  von  natürlichem  Reichtum  steht 
zur  Okkupation  z.  Z.  nur  eine  Bevölkerung  von  etwa  20  Millionen 
gegenüber,  und  w  ie  unzulänglich  dieselbe  ist,  mag  daraus  ersehen 
werden,  dass  in  der  südlichen  Provinz  Feng-tien  allein  zur 
Bestellung  der  Ländereien  der  P>nte  etc  als  Arbeiter  und 
Hülfskräfte  der  Bauern  im  Frühjahr,  Sommer  und  Herbst  nicht 
weniger  als  30.OOO  chinesische  Arbeiter  jährlich  aus  den  nörd- 
lichen Provinzen  Chinas,  besonderes  Shantung  und  Chili,  zu 
Schiff  herüberkommen. 

Die  tief  liegenden  Teile  Mandschurias  sind  als  die  natürliche 
und  unerschöpfliche  Getreidekammer  für  die  gebirgigen  Teile  nicht 
nur  des  eigenen  Landes  sondern  auch  fiir  die  angrenzenden 
Provinzen  von  Russland  zu  betrachten.  Ich  erinnere  daran,  dass, 
wie  ich  früher  erwähnte,  m.  E.  die  ganze  pjitwicklung  der  Amur- 
region und  des  Ussuri-Grenzlandes  zweifellos  noch  auf  längere 
Zeit  hinsichtlich  der  Versorgung  mit  Vieh  und  mit  Agrarprodukten, 
insbesondere  mit  Weizen,  auf  den  Reichtum  Mandschurias  hieran 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  24 1 

angewiesen  ist.  Vielleicht  ist  diese  xA.bhängigkeit  eines  Teiles  von 
Ostsibirien,  von  Mandschuria,  noch  in  manch  anderen  Punkten 
vorhanden  ;  auf  alle  Fälle,  schon  um  der  z.  Z.  bestehenden  offen 
erkenntlichen  Notwendigkeit,  Mandschuria  als  Hilfskraft  zur  Ent- 
wicklung des  Primorsk-Gebietes  zu  haben,  glaube  ich  nie  an 
eine  jemals  eintretende  E\'akuation  Mandschurias.  Was  darunter 
z.  Z.  zu  verstehen  sei,  ist  aus  den  Verträgen  Russlands  mit 
China  hinsichtlich  der  Bahnen  unter  russischem  Schutze  sofort 
klar,  es  ist  eine  Art  militärischen  Spazierganges  von  den  zur 
Zeit  der  Boxerunruhen  besetzten  Punkten  zur  nachten  russischen 
Niederlassung  in  der  Nähe  der  Bahnlinie,  woselbst  das  Recht 
der  Besetzung  mit  Truppen  und  deren  Zahl  ganz  dem  Ermessen 
Russlands  anheimgegeben  ist.  Die  Bahntrace  selbst  ist  so  geschickt 
gewählt,  dass  nicht  nur  die  fiir  die  Mandschurei  so  wichtigen 
Wasserwege  sondern  auch  alle  wichtigen  Handelsplätze  und 
Hauptstädte  innerhalb  Greifweite  sich  befinden. 

Es  liegt  auch  zweifellos  für  die  Mandschuren  kein  Grund 
vor,  sich  über  die  russische  Okkupation  zu  beklagen,  denn 
dieselbe  brachte  nicht  nur  bei  Bahnbau  etc  Millionen  von  Rubeln 
unter  das  Volk  und  gab  ihm  Sicherheit  und  Ruhe,  des  Erwor- 
benen sich  zu  erfreuen,  sondern  schuf  auch  den  grossen  Ver- 
kehrsweg, die  Grundlage  zum  Aufschwung  nach  allen  Richtungen : 
die  Eisenbahn.  Unter  dem  alten  chinesischen  Regime  blieb  die 
Entwicklun":  der  Einzelnen  und  ganzer  Kommunalwirtschaften  bei 
dem  blühenden  Räuberunwesen  und  dem  Mangel  eines  leichten 
Verkehrs  auf  grosse  Entfernungen  zwecks  Entwicklung  von 
Produktenau.stausch  mit  anderen  Nationen  ganz  erheblich  hinter 
der  natürlichen  Möglichkeit  in  dem  reichen  Lande  zurück. 

Die  hauptsächlichsten  Ackerprodukte  ^Mandschurias  sind 
Hirse  (Kao-liang,  Holcus  sorghum)  und  Bohnen  in  unzähligen 
Varietäten.  Allüberall  sieht  man  tatsächlich  unabsehbare  Felder 
damit  bestellt  und  man  begrüsst  in  dieser  eintönig  wirkenden 
Fülle  Gerste,  Mais,  Trockenreis,  Buchweizen,  Kartoffel  oder 
Eierpflanzen-P\'lder  als  eine  Abwechslung.  Ab  und  zu  sieht 
man  einen  Bauernhof  in  Ulmen,  Pappeln  oder  Weidenbüschen 
verborgen  ;  alle  sind  sie  aus  Lehm  erbaut,  ohne  P'enster  nach 
aussen,  und  nicht  selten  mit  einer  Art  von  Zinnen  versehen  oder 
mit  niederen  Türmen  in  den  Ecken  zur  Verteidigung  gegen  Räuber- 
banden. Diese  Räubergilden  bilden  eine  wahre  Landplage,  sind  aber 
erklärlich  in  einem  Lande,  wo  bis  jetzt  keine  starke  Faust  mit  ihnen 
abrechnete.      Die   reicheren  Leute  und  namentlich  die   Kaufleute 


242  K.    HKFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

schützen  ihr  Hab  und  Gut  und  ihre  Warcntransporte  durch  Zahkmg 
einer  gewissen  Quote  an  die  organisierten  Banden,  und  es  bestehen 
eine  Anzahl  von  Versicherungsanstalten  auf  dieser  Grundlage. 

Solange  die  militärische  Besetzung  des  ganzen  Landes  durch 
Russland  während  der  Boxerunruhen  dauerte,  war  denselben 
das  Handwerk  gelegt,  es  blüht  aber  jetzt  wieder  auf  in  ent- 
legeneren Punkten,  nachdem  die  Truppen  an  die  Bahn  evakuiert 
sind.  Man  kann  während  der  Bahnfahrt  viel  von  Räuberge- 
schichten erzählen  hören,  verliert  aber  auch  jedes  Bedauern,  wenn 
man  erfährt,  dass  sich  in  arbeitsfreier  Zeit  bisher  so  ziemlich 
jeder  Bauer  ein  bisschen  am  Räubern  beteiligce,  wx-nn  F'remde 
oder  ihm  nicht  Nahestehende,  z.  B.  Karawanen  von  Landsleuten 
aus  entlegenen  Gegenden,  diese  gemütlichen  Plätze  passierten. 

Die  Agrarprodukte  Mandschurias  sind  keineswegs  mit  den 
oben  genannten  Arten  erschöpft,  ich  habe  mich  nur  auf  die  Auf- 
zählung des  in  grösserem  Anbau  selbst  Gesehenen  beschränkt. 

Ein  vortreffliches  Buch  über  Mandschuria  von  Alexander 
Hosie  *  gibt  dem  sich  dafür  Interessierenden  weitgehenden  Auf- 
schluss.  Nach  derselben  Quelle  wird  Kaoliang  (Hirse)  fast 
vollkommen  im  Lande  selbst  aufoezehrt  als  Nahrungsmittel  für 
Menschen  und  Tiere  oder  zur  Samshu-  (Sake-)  Bereitung,  während 
die  Bohnen,  das  zweitbedeutendste  Ackerprodukt  der  Man- 
dschurei, fast  ebenso  völlig  zum  Export  gelangen,  entweder  in 
ihrer  natürlichen  Form  oder  als  Bohnenkuchen  und  Bohnenöl. 
Die  Bohnenkuchen  oder  gepressten  Rückstände  von  der  Oelbe- 
reitung  werden  neuerdings  vielfach  dem  teureren  Fischdünger  in 
Japan  vorgezogen,  wie  sie  seit  langem  als  Düngemittel  auf  den 
Zuckerplantagen  in  Südchina  und  auf  Jaxa  Absatz  gefunden 
haben. 

0[)ium  wird  meist  mit  anderen  Produkten  geschmuggelt. 
Von  der  Geschäftigkeit  und  dem  Treiben  auf  der  Haupthandels- 
und Verkehrsader  der  Mandschurei,  auf  dem  mittleren  und 
unteren  Liao-Fluss  mit  seinem  Hafen  bei  Newchwang,  mag  man 
sich  einen  Begriff  machen,  wenn  man  erfiihrt,  dass  die  ca  600.OOO 
tons  beziffernde  Produktion  der  Mandschurei  an  l^ohnen  auf 
diesem  Wege  zum  E.xport  gelangt. 

Da  für  6  Monate  aller  V^erkehr  auf  den  Flüssen  durch  das 
Zufrieren  derselben  unmöglich  ist,  so  werden  während  der  VVinter- 
saison  die  Bohnen   aus    dem    Innern   auf  dem  Landwege  an  ver- 

*  Manchuria,  Its  PLO[)le.  Resources  and   Recent  History.  London   1901. 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  243 

schiedene  grosse  Plätze  an  den  Ufern  des  Liao,  wie  Tien-cbuang- 
tai,  Hsinming,  Tienh-Hng  etc.  gebracht,  dort  aufbewahrt,  bis  die 
Schiffahrt  beginnt,  und  nun  bemühen  sich  nicht  weniger  denn 
20.000  Dschunken  von  8  bis  15  Tonnen  Inhalt  während  des 
Frühjahrs,  Sommers  und  Herbstes  in  wiederholten  Fahrten,  diese 
Bohnen  und  Cakes  nach  Newchwang  zu  bringen  und  auf  die  dort 
ihrer  harrenden  grossen  Exportdampfschiffe  zu  verladen. 

Dem  vorausgehenden  Landtransporte,  oft  auf  kolossale 
Distanzen,  stehen  nun  keineswegs  gute  Strassen  zur  Verfügung, 
wie  man  vermuten  könnte.  Von  den  Strassen,  die  ich  sah,  kann 
man  höchstens  behaupten,  dass  sie  nichtbebautes  Land  darstellen, 
sonst  aber  sich  in  keiner  Weise  von  dem  übrigen  Ackerboden 
unterscheiden.  Mangel  an  Steinen  und  auch  wohl  der  Ueber- 
fluss  an  Tierkraft  —  denn  die  Zahl  der  Ponny,  Esel  Maulesel  und 
Ochsen,  welche  im  Durchschnitt  jeder  Bauer  besitzt,  ist  sehr 
beträchtlich — ,  Gewohnheit  und  Indolenz  verhindern  ein  ernstes 
Zusammengehen  der  Leute  zur  Herbeiführung  besserer  Zustände. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  bei  solchen  Voraussetzungen 
der  Landtransport  nur  im  Winter  bei  gefrorenem  Boden  vor 
sich  gehen  kann,  und  es  mag  allerdings  ein  interessant  lebendiges 
Bild  sein,  diese  Tausende  von  zweiräderigen  schwergebauten 
und  schwer  beladenen  Fahrzeugen,  oft  mit  mehr  als  10  Tieren 
bespannt,  in  endlosen  Karawanenzügen  aus  dem  Innern  nach 
Newchwang  oder  einen  der  andern  stromaufwärts  gelegenen 
Hauptplätze  ziehen  zu  sehen,  wohin  sie  kommen,  um  ihre 
Ladung  abzusetzen  und  dafür  Salz,  Zucker  und  chinesische 
wie  fremde,  in  neuerer  Zeit  namentlich  japanische  Produkte 
nach  dem  Innern  zu  führen.  Schlitten  können  bei  dem  spär- 
lichen Schneefall  nur  in  der  nördlichen  ^landschurei  verwendet 
werden. 

Ich  konnte  zur  Zeit  meiner  Reise  auf  den  verschiedenen 
Stationen  ein  paar  solche  Lastwagen  bei  Arbeiten  für  die  Bahn 
in  der  Nähe  beobachten  :  sie  imponieren  namentlich  durch  ihre 
zahlreiche  Bespannung,  welche  der  auf  dem  Wagen  sitzende 
Chinese  ohne  Zügel  mit  mächtiger  Peitsche  dirigiert.  Eine  Reise 
aber  auf  den  etwas  leichteren,  wie  sie  an  grösseren  Stationen, 
z.  B.  in  der  Nähe  von  Mukden  (an  dem  die  Bahn  weitab  vor- 
beiführt), für  Passagiere  zur  Stadt  warten,  muss  bei  diesen 
Strassenverhältnissen  und  eventuell  noch  ungünstiger  Witterung 
fraglos  ein  sehr  problematisches  Vergnügen  sein. 

Eigenartig    ist    der    Anblick    reitender    Bauern-    oder    Kauf- 


244  K-    "EFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

mannsfraucn  in  ihrer  farbenprächtigeren  Tracht  auf  einem  heraus- 
geputzten Maulesel  oder  Pferde,  während  die  männliche  Bevölke- 
rung, wenn  nicht  mit  stattlichen  Ponny  oder  Mauleseln  beritten, 
vielfach  recht  k<Miiisch  wirkt  ;  man  denke  sich  nur  einen  6|  P\iss 
langen  Chinesen  auf  einem  winzigen  Esel  von  knapp  über  i  m 
Höhe  sitzend  ! 

Die  1^'ahrt  nach  Süden  auf  der  zentralmandschurischen 
Bahn  wird  trotz  der  in  vollem  Wachstum  stehenden  Felder  und 
der  weidenden  Herden  von  Vieh,  wie  Mauleseln,  Ochsen  und 
den  nach  Tausenden  zählenden  schwarzen  Schweinen,  dem 
Reisenden,  besonders  dem  Forstmanne,  durch  das  Fehlen  jeden 
grösseren  Forstes  oder  Waldes  langweilig.  Dabei  zeigen  sich 
deutlich  die  Folgen  der  an  manchen  Orten  geübten  rücksichts- 
losen völligen  Vernichtung  von  Wald  in  den  an  die  Ackerbau- 
zone anstossenden  Landesteilen.  Da  das  Land  hügelig  und  der 
Boden  weich  ist,  so  ist  die  Wirkung  der  Regengüsse  und  der 
Schneeschmelze  in  rascher  Wasserabfuhr  und  ausgedehnter  Ge- 
schiebeführung der  Wasserläufe  fühlbar.  Im  eigentlichen  Berg- 
iande  östlich  der  zentralen  Ackerlandpartie  Mandschurias,  durch 
welche  die  Bahn  führt,  ist,  wie  man  aus  der  Ferne  manchmal  sehr 
wohl  wahrnehmen  kann,  in  den  dem  kultivierten  Lande  zunächst 
liegenden  Teilen  der  Berge  ebenso  gründlich  mit  dem  Walde 
aufgeräumt ;  auch  darf  als  sicher  angenommen  werden,  dass  die 
ganze  Holznutzung  im  Lmern  der  Gebirge  ohne  Regelung  und 
Rücksicht  auf  Erhaltung  der  Bodendecke  ausgeübt  wird.  Kein 
Wunder  daher,  dass  Ueberschwemmungen  mit  allen  Begleit- 
erscheinungen zur  Regenzeit  an  der  Tagesordnung  sind. 

Der  Mangel  ausgesprochener  Betten  bei  den  kleineren 
Wasserläufen  hat  seinen  Grund  in  dem  sehr  schwachen  Gefälle 
und  der  sehr  breiten,  flachmuldigen  Ausbildung  der  Bachlauftäler 
im  Unterlauf;  dadurch  wird  die  bei  dem  leicht  abschwemmbaren 
Boden  (Lehm)  begreiflich  hohe  Mitführung  von  Sinkstoffen  im 
Wasser  zur  Regenzeit  die  Veranlassung  zur  Bachlaufauffüllung 
und  Verschwemmung.  Fehlende  Bewaldung  ist  lokal  auch  viel- 
fcich  die  Ursache,  dass  die  Wasserläufe  im  Sommer  ganz  aus- 
trocknen, und  nur  an  der  Form  oder  an  etwaigen  Geschieben  kann 
man  eine  solche  Mulde  im  Terrain  als  Bach  noch  erkennen. 
Bei  heftigen  Regengüssen  ist  infolge  der  aufgefüllten  Bette  dann 
eine  im  Verhältnis  zur  geführten  Wassermenge  ungeheuer  aus- 
gedehnte Uebcrschwemmung  und  Zerstörung  von  Kulturland  die 
Folge.     Diese  fällt  zwar  jetzt,  wo    der   Ueberfluss  an   Ackerland 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  245 

noch  keineswegs  haushälterische  Rücksichten  fordert,  nicht  so 
schwer  in  die  Wagschale  wie  sicher  einmal  in  späteren  Zeiten. 

Ich  passierte  mehrmals  auch  bedeutendere  Flüsse,  die,  damals 
zur  Sommerzeit  ausgetrocknet,  keine  genau  erkennbaren  Ufer  hatten 
und  sich  wie  eine  Kiesschlange  im  Terrain  ausnahmen.  Solche 
Zustände  bilden  grosse  Hindernisse  Rir  den  Brückenbau,  und  ein 
mitfahrender  Ingenieuro 3i zier  wusste  von  den  Schwierigkeiten  des 
Brückenbaues  infolge  der  unregelmässigen  Wasserstände  und  der 
enormen  Geschiebeführung,  den  umweigerlichen  Folgen  unver- 
nünftiger Waldbehandlung,  zu  erzählen. 

Die  Eisenbahnbrücken  waren  damals  noch  zum  Teil  in 
provisorischem  Baustadium,  mit  hölzernen  Kastenbauten  als 
Pfeilern,  die  aber  nunmehr  durch  Steinpfeiler  solidester  Konstruk- 
tion ersetzt  werden.  Die  übermässige  Länge  solcher  Brücken 
und  die  grosse  Zahl  der  teueren  Brückenpfeiler  ist  durch  die 
völlig  zugeschwemmten  Flussbetten  bedingt.  Weit  bergauf  und 
talwärts  müssen  dann  noch  die  weichen  Lehmufer  durch  Stein- 
belag geschützt  werden,  um  nicht  beim  geringsten  Hochwasser 
dem  Angriff  zu  erliegen  oder  den  Wasserlauf  zum  Vagabondieren 
zu  veranlassen,  eine  sonst  ganz  gewöhnliche  Erscheinung,  da 
schon  eine  Wassertiefe  von  i  m  infolge  der  seichten  Rinnsale 
Quadratkilometer  angrenzender  Uferländereien  unter  Wasser  zu 
setzen  vermag. 

Was  die  in  der  Nähe  der  Bahnstationen  gesehenen  Ort- 
schaften anlangt,  so  ist  allen  der  chinesische  Typ  unendlicher 
Schmutzigkeit  eigen,  und  nur  manchmal  wie  in  Tieh-ling  erzählt 
eine  Pagode  oder  eine  mit  Zinnen  gekrönte  zerfallene  Stadt- 
mauer vom  Glänze  vergangener  Zeiten.  Ich  möchte  hier  auch 
das  in  Zeitungen  so  vielfach  recht  verschieden  geschilderte  Ver- 
hältnis zwischen  Bevölkerung  und  den  russischen  Okkupations- 
truppen durch  ein  paar  selbstbeobachtete  Scenen  illustrieren. 
Im  allgemeinen  ist  der  ,,  Kosak ",  der  ja  die  Hauptsache  der 
„  Grenz-*'wache  ausmacht,  wie  die  Eisenbahnschutzarmee  be- 
zeichnenderweise heisst,  ein  gutmütiger  Mensch,  und  wenn  mit- 
unter berichtet  wird,  er  nehme  dem  Chinesen  alles  weg,  so 
vergisst  man,  dass  er  ebenso  gern  mit  ihm  teilt.  Ich  werde  das 
Genrebildchen,  das  sich  mir  auf  einer  der  Stationen  bot,  nie 
vergessen  :  zwei  ernste,  ganz  dem  Geschäfte  des  Verschlingens 
eines  Stücks  schön  geräucherten  und  von  Fett  triefenden  Schweine- 
specks sich  hingebende  Himmelssöhne  sehen  zu  ihrer  Ueber- 
raschung  plötzlich  ihre  Tafelrunde  durch  einen  hungrigen  Kosaken 


246  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

vermehrt,  der  ungeniert  fest  niitschncidet.  John  Chinaman  duldet 
diese  Einmiscliuny;  in  seine  Pri\'atrechte  aus  Gründen  ohne 
Protest,  aber  siehe  da,  I^'reund  Kosak  lässt  sich  nicht  lumpen, 
er  liat  Wodka  und  Tabak,  und  mit  ebenso  vieler  Freigebifrkeit  wird 
davon  ausgeteilt  und  angenommen ;  es  ist  ein  Picknick,  das  in 
allseitiger  P'röhlichkeit  schliesst.  Oft  kann  man  Chinesen  und 
Kosaken  sich  herzlichst  wie  alte  P^reunde  begrüssen  sehen,  und 
der  Grund  dazu  scheint  mir  darin  zu  liegen,  dass  der  Kosak, 
Bauer  und  Soldat  wie  er  ist,  dem  Bauernanwohner  manches 
Interesse  entgegenbringt  und  manche  Freude,  manche  Sorge  des 
Ackergewerbes  mitfühlen  und  mitverstehen  kann.  Ein  andermal 
sah  ich  einen  Kosaken  mit  vollem  Brotbeutel  ein  paar  erbärm- 
lich zerlumpte  Kinder  fütternd,  die  schliesslich  den  Beutel  nach 
besonderen  Leckerbissen  durchsuchen  durften.  Auch  dies  zeugt 
nicht  von  der  fettgedruck'ten  ,,  Roheit "  der  Barbaren,  in  welchen 
oft  solche  Berichte  sclnvelgen.  Der  Schrei  der  Entrüstung  über 
ein  paar  saftige  Durchzieher  der  Kosakenpeitsche  gegenüber  der 
unendlichen  P'rechheit,  Dreistigkeit  und  Unverschämtheit  manchen 
Gesindels,  das  die  Bahnstationen  aufsucht,  um  bei  günstiger 
Gelegenheit  zu  stehlen,  ist  gesund  denkenden  Naturen  nicht  nur 
verständlich,  ich  finde  darin  eine,  den  Umständen  entsprechende 
indirekte  Hebung  der  verloren  gegangenen  Moralität. 

Dass  bei  der  tatsächlich  vorhandenen  von  Nachbarnationen 
in  allen  Formen  und  Verkleidungen  durchgeführten  Spionage 
über  die  russischen  Verhältnisse  mitunter  das  Misstrauen  die  Be- 
satzungstruppen Fehlgriffe  machen  lässt,  soll  nicht  bezweifelt 
werden,  und  ebenso  sollen  sich  fremde  Reisende  nicht  wundern, 
wenn  sie,  womöglich  in  chinesischem  Kulianzug  mit  falschem 
Zopf  und  Notizbuch  beschwert  imd  fortwährend  schreibend,  etwas 
unsanft  im  Reisevergnügen  gestört  werden  ;  auch  in  Europa  stände 
ich  in  solchem  Falle  nicht  für  mehr  oder  weniger  kräftige  Inter- 
vention durch  einen  VVachsoldaten  etc  von  dem  hinwieder  auch 
nicht  verlangt  werden  kann,  dass  er  bei  seinem  Vorgehen  etwa 
ein  Höflichkeitskonversationsbuch  zur  Richtschnur  nehme.  Gerne 
gebe  ich  zu,  dass  mancher  Uebergriff  vorkommen  kann,  aber  im 
allgemeinen  erschienen  mir  die  Offiziere  (die  ich  sah  und  teilweise 
sprach)  viel  zu  gebildet  und  höflich,  um  eine  Zuwiderhandlung 
Untergebener  nicht  alsbald  zu  rektifizieren,  und  wer  die  armen 
Mandschuren  gar  so  bejammert,  der  vergisst,  dass  sie  sich  unter 
russischer  Oberhoheit  zweifellos  zehnmal  besser  befinden,  wenn 
sie  auch  dem  alten  Verenüeen  sich  untereinander  und  andere  zu 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTENS 


247 


berauben  und  zu  bestehlen  nicht  mehr  so  unbehindert  nachgehen 
können. 

Für  Fremde  jeder  Nation  ist  irgend  eine  Unannehmhchkeit 
auf  den  Reisen  kaum  zu  flirchten,  sobald  man  sich  vielen  Karten- 
schauens,  Notizenmachens  und  Photographierens  enthält,  eine 
bei  militärischer  Okkupation  und  einer  Art  Kriegszustand  von 
selbst  einleuchtende  Sache.  Schärfer  werden  infolge  der  Ab- 
neigung der  Russen  Reisende  aus  Japan  beobachtet,  ob  mit  oder 
ohne  Grund  will  ich  nicht  untersuchen.  Aber  es  steht  etwas 
im  Widerspruch  mit  der  Tatsache  einer  offenbaren  Zuneigung 
zum  weiblichen  Teile  japanischer  Nationalität,  von  dem  z.  B.  in 
Harbin  mehrere  Hunderte  ein   vergnügtes  Dasein  führen. 

Fhe  ich  mich  abwende  von  dem  Schienenstrange,  der  nun- 
mehr zu  so  hoher  Kulturaufgabe  in  Mandschuria  und  Sibirien 
berufen  ist  und  den  Osten  dem  Westen  nicht  nur  materiell  sondern 
auch  geistig  näher  bringen  soll,  geziemt  es  sich  wohl,  auf  die 
Leichtigkeit  hinzuweisen,  mit  der  schon  jetzt  die  Reise  nach 
Westen  oder  umgekehrt  gemacht  werden  kann,  und  es  ist 
selbstverständlich,  dass  mit  dem  Ausbau  der  Linie  von  einem 
strategischen  zu  einem  Verkehrs-  und  Handc;lsmittel  ersten 
Ranges  noch  weitgehende  Erleichterungen  und  Verbesserungen 
erwartet  werden  müssen,  worüber  noch  eine  geraume  Zeit  vergehen 
wird.  Nimmt  man  Dalny  oder  Port  Arthur  als  Ausgangspunkt 
an  (von  Wladivostock  aus  ungefähr  dieselben  Verhältnisse),  so 
durchfährt  man  die  Strecken  : 


I. 

Kl. 

Rubel. 

II. 

Kl.  Rubel. 

Tage. 

Dalny — Mandschuria    via 

Harbin                                 1.901  verst  (II. 

Kl.) 

39.60 

39.60 

4.5 

Mandschuria — •  Irkutsk 

(i    Mal    wöchentlich    i 

Speisenwagen).                  i-302        „ 

3960 

21.40 

3,5 

Irkutsk  Moskau  (Schnell- 

zug).                                    5.106        „ 

118.— 

66.95 

8.— 

(Luxuszug  zweimal  wöchentlich.) 

S:                       8.309  verst 

192.10 

127.95 

15.0 

Rechnet  man  hiezu  die  Verpflegung,  welche  für  I.  Kl.  zu  5 
Rubel  und  für  II.  Kl.  zu  3  Rubel  pro  Tag  anzuschlagen  sein 
mag,  so  kostet  die  Strecke  Dalny-Moskau  I.  Kl.  192  -f  15  x  5 
(=  75)  =  267  Rubel(=  534  M).'ll.  Kl.  128  +  75  =  203  Rubel 
(=406  M).  Die  Fahrt  von  Moskau  nach  Berlin  beansprucht 
weitere  2  Tage  und  eine  Auslage  von  ca  80  Rubel  I.  Kl.  und  56 


248  K.    HEFEI.E,    AUS    DEM    OSTEX. 

Rubel  IL  KL,  so  dass  mit  Verpflegung  90  Rubel  i.  Kl.  und  64 
Rubel  II.  Kl.  hinzugenommen  werden  müssten.  Die  Totalaus- 
gabe  mag  sich  also  beziffern  für: 

Dalny-Kerlin  17  Tage  I.  Kl.  357  Rubel  (  =  714  M) ;  IL  Kl. 
267  Rubel  (534  M).  Da  nun  ab  1903  nicht  nur  I.  Kl.  Wagen  in 
die  Züge  Dalny-Mandschuria  (oder  Wladivostock-Mandschuria) 
eingestellt  werden  sollen,  sondern  auch  eine  Vermehrung  der 
Geschwindigkeit  beabsichtigt  ist,  so  werden  sich  die  Zeit-  und 
die  Verpflegungskosten  vermindern.  Ist  endlich  die  Strecke  um 
den  Baikalsee  vollendet  und  sind  die  verschiedenen  Tu"nnels,  Um- 
leo"ungen  und  Brückenbauten  in  Transbaikalien,  West-  und  Zentral- 
Mandschuria  allseitig  fertig  gestellt,  so  dass  ein  eigentlicher  Schnell- 
verkehr Platz  greifen  kann,  .so  wird  die  Zeit  auf  9  Tage  reduziert 
werden  können,  und  da  die  russische  Regierung  dem  richtigen 
Prinzipe  huldigt,  den  Verkehr  durch  niedrige  Fahrtaxen  zu 
heben,  so  werden  auch  die  Fahrkosten  sich  um  ein  Bedeutendes 
vermindern  lassen. 

Passa^riere,  welche  grosse  Becjuemlichkeiten  lieben,  werden 
z.  Z.  noch  die  Seeroute  über  Indien  trotz  höheren  Zeit-  und 
Geldaufwandes  vorziehen.  Ich  zweifle  aber  nicht,  dass,  wenn  die 
Sache  ähnlich  den  amerikanischen  Bahnen  in  Fluss  und  Vollendung 
gekommen  ist,  die  Ostasiendampfer  sich  der  Scharen  ihrer  Passa- 
giere beraubt  sehen  werden. 

Kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung  zurück  zu  unserem 
Au.sgangspunte. 

Die  fernen  Berge,  die  umso  näher  herantreten,  je  mehr  man 
südlich  kommt,  liegen  blaudunstig  im  warmen  Sonnenschein, 
und  die  satten  Farben  roter  Mohnfelder  auf  dem  bräunlichen 
Unter""rund  des  Bodens  mit  den  in  hellem  Grün  versteckten 
Bauernhöfen  grauer  Schattierung  geben  ein  friedliches,  harmonisches 
Bild,  das  dem  Gedächtnis  nicht  so  schnell  entschwindet. 

Indessen  nähert  man  sich  unaufhaltsam  dem  Endpunkte, 
Tashitschiao,  wo  nach  inzwischen  erwogenem  Plane  die  Südbahn 
verlassen  werden  soll.  Port  Arthur,  vom  dem  mich  noch 
1/2  Tagereise  Fahrt  trennte,  musste  ich  leider  aus  demselben 
Grunde  wie  die  Baikalroute  bei  Harbin  vermeiden,  da  die 
Cholerafälle  von  dort  in  wachsender  Zahl  gemeldet  waren  und 
ein  vierzehntägiges  Festliegen  in  Quarantäne  sehr  tief  und  un- 
erwünscht in  die  zur  Verfügung  stehende  Zeit  eingeschnitten 
hätte.  In  Tashichiao  wurde  daher  der  Zug  verlassen  imd  auf 
die  Seitenlinie  nach  Yinkow,  dem  Hafen  von  Newchwang,  über- 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  249 

•gegangen.  Yinkow  war  in  zwei  Stunden  erreicht,  und  Nachts 
10  Uhr  entstiegen  wir  den  Wagen  auf  einem  massig  erleuchteten, 
von  dem  Höllenlärm  chinesischer  Gepäckträgerkulis  erfüllten 
Bahnhofe.  Wir  hatten  nach  einigen  handgreiflichen  Redensarten 
zwei  derselben  ausgewählt,  und  nun  gings  in  die  Nacht  hinein, 
dem  chinesischen  Gasthause  zu,  dessen  Diener  nach  Tashichiao 
gekommen  war,  um  Gäste  anzulocken  für  sein  Hotel,  das  auf 
einer  riesig  grossen  knallroten  Empfehlungskarte,  die  der 
Mann  verteilte,  als  ein  Ausbund  von  Sch(3nheit,  Eleganz  und 
Komfort  gepriesen  wurde,  in  dem  jeder  reisende  Europäer 
einkehre. 

P^in  junger  japanischer  Student,  der  auf  seiner  Fahrt  nach 
Habaro vsk  von  Harbin  auf  dem  Sungari  bei  einem  Ueberfall 
durch  Räuber  rattenkahl  ausgeplündert  worden  war,  hatte  sich 
uns  seit  unserer  Rückreise  von  Habarovsk  angeschlossen,  und  da 
er  ein  paar  Brocken  Chinesisch  verstand,  war  er  von  Nutzen, 
namentlich  aber  hier,  wo  es  die  Lage  dieses  Gasthausjuwels  aus 
den  Kulis  zu  eruieren  galt.  Die  Wanderung  der  kleinen  Karawane, 
aus  meinem  Begleiter,  dem  Studenten  und  mir  sowie  den 
beiden  Kulis  bestehend,  ging  am  Ufer  des  Liao-Hafens  entlang, 
durch  Strässchen  und  Winkel  zwischen  einzelnen  und  zu  Klumpen 
vereinigten  Lehmhütten  hindurch,  über  freie  Plätze  mit  Bauholz 
und  Tauen,  über  die  sichs  so  lieblich  stolperte ;  dazwischen 
huschten  mehr  wie  zweifelhafte  Gestalten  vorbei  und  drangen 
Stimmen  aus  einer  Art  Kneipe,  kurz,  man  war  in  einem  echten 
und  rechten  Chinesenhafenviertel  mit  Düften  ohne  gleichen  und 
einem  so  wenig  Vertrauen  einflössenden  Aeusseren,  dass  die 
Hand  den  Revolver  fester  umspannte.  Man  denke  sich  dabei 
diese  Nachtscene  durch  ein  fahles  Zwielicht  des  hinter  leichten 
Wolken  verborgenen  Mondes  undeutlich  erhellt,  das  Gurgeln  des 
nahen  Wassers,  die  gespenstischen  Spitzen  der  Hunderte  von 
Dschunkenmasten  auf  dem  P'lusse  und  die  so  herzlich  wenig 
Vertrauen  erweckenden  Gestalten,  denen  man  begegnete !  Es 
mag  eine  Stunde  so  fortgegangen  sein,  als  unsere  Kuli  vor  der 
Rückseite,  \\'ie  mir  schien,  eines  chinesischen  Bauernhofes  5*'''' 
Güte,  aus  dem  Licht  und  Lärm  kam.  Halt  machten.  Das  Plotel 
war  erreicht,  und  auf  etwas  unmelodisches  Schreien  unserer 
Träger  kam  der  Portier  und  stiess  das  zerfetzte  Hoftor  auf,  um 
uns  über  einen  richtigen  schmutzigen,  landwirtschaftlich  verzierten 
Hof  in  das  Zentralgebäude  abzuliefern,  über  dessen  türlosem 
Eingang    am    besten   die   Worte    Dantes :  ,,  Lasst  alle  Hoffnun» 


250  K.    IIKFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

/curück,  die  ihr  eintretet  !  "  gestanden  liätten,  wenn  dieser  Scheu- 
nenlehmbau eine  Tafel  wert  gewesen  wäre. 

Lassen  Sie  mich  Ihnen  diesse  Hütte  und  ihre  Gäste  etwas 
schildern.  Sie  bildet  einen  eigenen,  bisher  unerreichten  Punkt  in 
der  Reihe  meiner  Reiseerinnerungen.  iJie  ,,  Gasthof"  spielende 
Scheune  aus  Lehm  mit  wenigen  Papierfenstern  war  ein  länglicher 
Bau  von  einigen  15  oder  20  m  nu't  \'ier  durch  Lehnizwischen- 
wände  hergestellten  Räumen  und  den  Durchgängen  in  der  Mitte  ; 
der  Eintritt  von  aussen  erfolgte  direkt  in  die  in  ,,  Schwarz  "  ge- 
haltene Küche,  wo  bei  einer  unglaublichen  Hitze  auf  qualmendem 
Feuer  in  Töpfen  erheblicher  Grösse  ein  nichts  weniger  als 
angenehm  duftender  Inhalt  brodelte,  der  von  den  schlanken  und 
mit  langen  Nägeln  bewehrten  unsauberen  Händen  des  Koches 
in  diverse  Schüsseln  zum  Auftragen  verteilt  wurde.  Rechts  von 
der  Küche  ging  es  direkt  in  zwei  Haupträume,  wo  zu  beiden 
Seiten  des  Mittelganges  in  einer  Art  von  \^'andnischen  ein  im 
übrigen  zahlreiches  Publikum,  meist  nur  mit  Hose  bekleidet,  auf 
Matten  kauerte  und  mit  lauter  Unterhaltung  die  bereits  geschil- 
derten vom  Kellnerkuli  ohne  Ser\^iette  präsentierten  schmutzigen 
Schüsseln  ihres  Inhaltes  beraubte.  Rauch  und  Dampf  von  der 
,,  Küche "  Hessen  die  Oelfunzeln  dieser  Räume  bald  blinzeln 
wie  PÄilcn  und  bald  wieder  hell  aufjauchzend  ihre  volle  Leucht- 
kraft entfalten,  was  beinahe  einen  Walpurgisnachtähnlichen  Teufels- 
zauber hervorbrachte  ;  links  vom  Eingang,  und  durch  die  Küche 
zu  betreten  war  der  Staatsiaum  des  Hausherrn,  das  Privatkontor, 
mit  zwei  Hoizpritschen  zu  beiden  Seiten  und  einem  kleinen 
Tisch,  bereits  besetzt,  aber  nur  von  zwei  Gästen  und  daher  uns 
zum  Aufenthalte  angewiesen. 

Eine  im  Rucksack  noch  aufgefundene  Konserv^e  stillte  mir 
den  Hunger,  ein  Rest  von  Wodka  den  FJurst.  Auf  einer  der 
Pritschen  sitzend  und  umringt  von  neugierigen,  schwitzenden,  in 
nichts  weniger  als  Weiss  gekleideten  Küchenkulis,  hatte  ich  dabei 
genügend  Müsse,  die  Aussichten  auf  Nachtruhe  zu  überlegen, 
wenn  ich  die  Lumpen  ansah,  die  dem  schlafenden  vis-ä-vis  als 
Decke  dienten.  Der  edle  Gast,  der  auf  einer  etw-a  spannhohen 
Art  von  Longchair  aus  Holz,  mit  Matte  bedeckt,  ruhte,  bemühte 
sich  in  angemessenen  Zwischenräumen,  w^enn  ihm  im  Traum 
etwas  im  Hals  stecken  geblieben  sein  mochte,  sich  zu  räuspern, 
und  revidierte  bei  dieser  Gelegenheit  seine  Schlafstätte,  indem  er 
mit  einem  eigens  jedem  Reisenden  vor  dem  Bettgehen  überreichten 
kleinen    Besen    unberechtigte    Bewohner    seines    Longchairbettes 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  25  I 

unbarmherzig  auf  den  kalten  Lehmboden,  der  den  Alittelgang 
der  ,,  Zimmer"  bildete,  oder  auch  auf  die  Füsse  passierender 
Gäste  liinabbürstete.  Man  wird  es  mir  kaum  übel  nehmen,  dass 
ich  mich  auf  einen  Nachtspaziergang  bereit  machte  und  auf 
solche  Ruhekissen  v^erzichtete,  auch  war's  enorm  heiss  in  diesen 
Räumen.  Da  pries  der  aufmerksame  Wirt  der  räuberartigen 
Hotelgesellschaft  den  Pav'illon  im  Garten  an,  der,  erst  seit  lo 
Tagen  in  Form  eines  Pferdestalles  aus  Stroh  erbaut,  mit  zwei  Reihen 
Matten  einen  verhältnismässig  reinlichen  und  namentlich  kühlen 
Aufenthalt  versprach  ;  auch  mochten  die  Legionen  der  Klein- 
tierweltvertreter sich  dort  noch   nicht  so  üppig  eingenistet  haben. 

Hier  ruhte  ich  denn  auch,  gestiefelt  und  gespornt  hingestreckt 
den  Kopf  auf  dem  Rucksack,  den  Wettermantel  als  Deckbett 
nützend,  den  Revolver  in  Faust,  und  konnte  die  Nacht  mit 
Beobachtungen  zubringen,  wie  spät  das  Treiben  in  dieser  Höhle 
schloss,  und  wie  die  allmählich  im  Gartenpavillon  eintreffenden 
Schlafgäste  die  Austreibung  ihrer  Inwohner  per  Besen  ebenso 
gründlich  auf  den  Mittelgang  besorgten,  indem  sie  sorglich  ihre 
Hosen  abbürsteten,  ehe  sie  sich  auf  die  Matten  legten.  Manch 
ein  konfus  Problem  wanderte  mir  während  der  Nacht  durch  den 
Kopf,  und  eine  intensive  Beobachtung  einiger  mir  besonders  wenig 
vertrauenswürdig  erscheinender  Brüder,  die  beim  Schein  einer 
Lampe  geschlossenen  Auges  sich  stellten,  als  ob  sie  in  tiefem 
Schlafe  lägen,  vertrieb  mir  rasch  die  Nacht,  und  als  der  Morgen 
graute,  verschmähte  ich  sogar  das  vorhandene  gräuliche  Wasch- 
wasser ;  nach  Zahlung  der  Hotelrechnung  im  Betrage  von  20 
sen  pro  Mann  wanderten  wir  hinweg  von  dieser  schönen  Stätte, 
die  bei  Tag  noch  mehr  von  ihrem  romantischen  Reiiie  verlor  und 
geradezu  abschreckend  auf  Gesichts-  und  Geruchsnerven  wirkte 

So  bin  ich  auch  einmal  in  einer  richtigen  Chinesenkneipe 
gewesen  ! 

Der  Weg  zum  Fluss  war  bald  zurückgelegt,  denn  um  zum 
Bahnhof  der  nordchinesischen  Bahn  auf  der  anderen  Seite  des 
Liao  zu  gelangen,  ist  beim  Mangel  einer  Brücke,  welche  die 
Verbindung  zwischen  dem  russischen  Endstück  Tashichiao  — 
Yinkow  und  dem  Bahnhof  auf  dem  Westufer  des  Liao  der 
chinesischen  Nordbahn  herstellen  könnte,  eine  Bootfahrt  nötig, 
und  da  wir  Abends  weit  stromab  gewandert  waren,  hatte  man 
ein  gut  Stück  zurückzufahren.  P^ine  Schar  bezopfter  Ilimmels- 
söhne  verfolgte  das  gleiche  Ziel,  und  zum  Schluss  mochten  sich 
200  Menschen  auf  der  Dschunke  eingefunden  haben.     Da  war  der 


252  K.    IIKFELE,    AUS    DEM    OSTEN'. 

bcliäbige,  x'crhältnismässig  reinlich  gekleidete  chinesische  Beamte 
mit  seinem  Stab  von  Sekretären  und  Dienern,  daneben  Hand- 
werker, Kaufleute  und  endlich  ein  Lehrer  mit  sehr  intelligentem 
Gesichtsausdruck,  der  sich  kaum  über  das  schwankende  Lan- 
dungsbrett auf  das  Schiff  getraute  und  eine  an  einem  Stäbchen 
mitgeführte  kleine,  1/4  m  grosse  Flagge  mit  seinen  Personalien 
neben  seinem  geringen  Gepäck  aufpflanzte,  als  er  endlich  auf 
Deck  sass.  I^ine  unter  seinen  Nachbarn  lebhaft  geführte  Debatte, 
zweifellos  über  seine  Zaghaftigkeit  auf  dem  Brett,  bekundete, 
dass  auch  hier  die  reinste  Freude  die  Schadenfreude  ist. 

Geradezu  überwältigend  wirkte  während  der  ca  i  stündigen 
Fahrt  der  Anblick  des  Hafens  von  Newchwang  d.  h.  des  Liao- 
Flusses  bei  Yinkow.  Diese  Tausende  und  Tausende  von  Dschun- 
ken mit  ihren  Masten,  welche  Produkte  des  Landes  aus  dem 
Innern  den  Liao  herab  zur  F^inschiffung  auf  verankerte  grössere 
Dampfschiffe  brachten  oder  Rückfracht  aus  den.selben  landein- 
wärts nahmen,  gingen  und  kamen,  das  Ameisengewimmel  von 
geschäftigen  Menschen,  welche  dabei  ihren  Verdienst  finden, 
das  Schreien,  Gestikulieren,  Rennen,  Schimpfen,  Hasten  und 
Stossen,  es  ist  ganz  unglaublich.  Hier  bekommt  man  erst  einen 
Begriff  von  der  Bedeutung  des  Liao  als  Haupt-Export-  und 
Importkommunikationsmittels  während  des  Sommers.  Da  liegen 
bis  zum  Rande  mit  Bohnen  gefüllte  Boote,  dort  sind  hoch  auf- 
getürmt am  Lande  die  Bohnenkuchen,  diverse  Hülsenfrüchte, 
Reis  und  ungezählte  eigenartig  gleich  aussehende  Kisten  oder 
mit  Papier  wasserdicht  gemachte  Körbe,  Bohnenöl  enthaltend. 
Samshu  ist  in  Steinkrügen  oder  wasserdichten  Körben  v^erpackt. 
Tabak,  Seide,  Haut,  Hunde-  und  Ziegenhäute  (als  Decken  etc. 
präpariert)  warten  der  Verladung,  und  daneben  wird,  wie  man 
mir  versicherte,  unter  anderer  Ladung  Opium  aus  Heilung- 
chiang  und  Gold  aus  Pleilungchiang  und  Kirin  geschmuggelt.  All 
das  ist  im  Winter  zum  Liao  auf  dem  Landwege  gebracht  worden, 
und  die  gleich  dem  Sand  am  Meere  zahllosen  Aufbewahrungs- 
magazine  entleeren  nun  ihre  Schätze  in  die  Dschunken  und  diese 
wieder,  wenn  sie  Yinkow  erreicht  haben,  in  die  grossen  Dampfer. 
Als  Import  nehmen  sie  dann  Zucker,  Salz,  Baumwollstoffe  aus 
China  und  Japan  sowie  leichtere  englische  Stoffe  u.  s.  w.  auf 
ihrer  Bergfahrt  mit,  von  wo  diese  Importen  dann  im  umgekehrten 
Verfahren  ihren  Weg  ins  Innere  finden. 

Ob  die  Eisenbahn  diesem  Treiben  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  ein  Ende  machen  wird  ?   Man  behaupte!:  es,  da  die  Lager- 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  253 

gebühren  der  Exportprodukte  über  Winter  und  die  Kosten  des 
Land-  und  Flusstransportes  bis  Newchwang  der  Konkurrenz  der 
Eisenbahnfracht,  die  zudem  einen  Geschäftsgang  ohne  Unter- 
brechung garantiert,  nicht  standhalten  könne.  Ich  bin  auch  der 
Meinung,  dass  die  zentralmandschurische  Bahn  weitreichenden 
Einfluss  und  die  Oberhand  gewinnen  wird.  Ein  Land  von  360.000 
englischen  Quadratmeilen  wie  die  Mandschurei,  um  ein  gut 
Teil  also  grösser  als  Deutschland,  ist  namentlich  für  den  Osten 
ein  zweifellos  nicht  zu  unterschätzender  Faktor  als  Exporteur 
und  als  Abnehmer,  besonders  wenn  man  bedenkt,  dass  seine 
riesigen  natürlichen  Hilfsmittel  erst  zur  Vollentwicklung  gebracht 
werden  müssen,  und  als  ein  Mittel  dazu  ist  ja  die  zentral- 
mandschurische Bahn  gebaut  worden,  die  bestimmt  ist,  mit  den 
grossartigen,  aber  antiquierten  Transportverhältnissen  auf  dem 
Liao  aufzuräumen. 

Die  Eisenbahnfahrt  von  Yinkow  auf  der  nordchinesischen 
Bahn  nach  Shanghaikwan  in  ziemlich  guten,  wenn  auch  nicht 
so  grossen  Wagen,  wie  die  russisch-mandschurische  Linie  sie 
besitzt,  bot  des  Interessanten  nicht  viel.  Ode,  marschig  und 
höchstens  ab  und  zu  mit  einem  niederen  Gestrüpp  bedeckt,  liegt 
bald  nach  dem  Verlassen  der  Station  das  Tiefland,  auf  dem  die 
Salzgewinnung  durch  Austrocknen  von  Seewasser  erfolgt,  in  der 
Sonnenglut. 

Wir  sind  die  ersten  Stunden  Fahrt  noch  im  Flussgebiet  des 
Liao,  und  erst  späterhin  wird  das  Gelände  mit  seinem  langweiligen 
Grau  durch  Weidenbüsche  etwas  freundlicher,  um  aber  bald 
darauf  wieder  durch  den  Anblick  von  zerstörten  kleinen  Dörfern 
(wohl  vom  Kriege  her)  und  durch  die  zahllosen  Gräber  noch 
einen  um  einige  Töne  dü.stereren  Anstrich  zu  bekommen.  Wie 
eine  organisierte  Versammlung  nehmen  sich  diese  Totenstätten, 
einfache  runde  Erdkegel  von  i  m  Höhe,  an  der  Spitze  mit  einem 
abgeplatteten  Stein  bedeckt,  aus.  Um  einen  grösseren  Grabhügel 
scharen  sich,  wie  um  das  Haupt  der  Familie  oder  des  Clans, 
eine  Reihe  kleiner.  Kein  Name  nennt  ihre  Zugehörigkeit,  sie 
mögen  einzig  der  Familie  bekannt  sein,  deren  Glieder  hier  ruhen. 
Hochwasser  oder  eine  hohe  Flut  vom  Meere  her  wird  oft  genug 
auch  diese  letzten  verbliebenen  ^Erinnerungen  an  teure  Tote  vom 
Erdboden  verschwinden  lassen. 

Die  Gegend  ist  im  ferneren  wechselweise  hügelig  und  flach, 
im  allgemeinen  niedrig-wellig,  und  sobald  die  ursprünglich  nord- 
westliche   Richtung    der    Bahn    in    eine    südwestliche    übergeht, 


254  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Stellen  sich  auch  die  unabsehbaren  Felder  von  Kaoliang  (Holcus 
Sorghum),  Mais  und  Bohnen  ein,  unterbrochen  von  einigen 
Strichen  süsser  Kartoffeln.  Wald  ist  weit  und  breit  keiner  zu 
bemerken,  nur  Prunus  Mume,  Maulbeer,  Pappeln  und  W'eiden- 
bäume  sind  in  einzelnen  E.xemplaren  sichtbar  und  in  dem  üeber- 
schwemmungsgebiete  zahlreicher  Flüsse  und  Wasserläufe,  welche 
man  überfihrt,  haben  sich  einige  grössere  Partieen  von  Pappeln, 
Weiden,  Ulmen  als  eine  Art  von  Anwald  eingefunden. 

Gegen  Abend,  ehe  man  Shanghaikwan  erreicht,  sieht  man  auf 
einigen  grösseren  Hügeln  des  völlig  vegetationslosen  bergigen 
Terrains  Wachtürme  aus  alter  Zeit,  kühn  im  Bau  und  dräuend 
noch  trotz  des  bettelhaft  zerlumpten  Aeussern  ;  es  sind  die  Vor- 
posten der  chinesischen  Mauer,  die  hier  in  der  Nähe  aus  dem 
Innern  des  Landes  über  das  Gebirge  herab  zum  Meere  verläuft. 
Shanghaikwan,  das  mit  einbrechender  Dämmerung  erreicht  ward, 
liegt  unmittelbar  an  derselben,  ja  der  grosse  Wall  ist  auf  einer 
Seite  in  die  Stadtbefestigung  einbezogen,  so  dass  wir  Shanghai- 
kwan als  ein  Art  Festung  an  der  grossen  Mauer  selbst  betrachten 
müssen,  deren  Verteidigungskraft,  ebenso  wie  jene  der  grossen 
Mauer,  längstvergangener  Zeit  angehört.  Auf  den  drei  modernen 
Forts  in  der  Nähe,  die  den  Barbaren  des  Nordens  und  Ostens 
den  Einfall  ins  Himmlische  Reich  wehren  sollten,  weht  leider 
— die  russische  Flagge. 

Die  Lage  von  Shanghaikwan  entbehrt  durchaus  nicht  einer 
gewissen  natürlichen  Anmut,  und  das  dunkle,  zackige  Gebirge 
zur  einen,  die  fruchtbare  Ebene  zur  anderen  Seite,  die  Riesen- 
schlange der  chinesischen  Mauer,  wie  sie  sich  vom  Meere 
durchs  ährenwogende  Gelände  zum  Berge  hinanschlängelt,  bis 
Sie  in  einer  Hochschlucht  verschwindet,  um  an  einer  Biegung 
weiter  oben  wieder  wahrnehmbar  zu  werden,  die  altertümlichen  Be- 
festigungen, die  mächtigen  Tortürme  von  Stein  und  Holz,  deren 
zahllose  Fenster  in  kindlicher  Naivität  auf  den  Läden  der 
Fensterhöhlen  dräuende  Geschützmündungen  gemalt  zeigen,  so 
dass  man  sich  auf  ein  paar  Minuten  in  der  Entfernung  wirklich 
täuschen  lässt:  all  das  macht  in  seiner  malerischen  Gruppierung 
einen  günstigen  Eindruck. 

Die  Ruhe  des  Verfalls  herrscht  in  den  verwahrlosten  Strassen 
des  Städtchens  und  auf  der  einst  für  unüberwindlich  gehaltenen 
grossen  Mauer,  deren  turmartige  Verbreiterungen  in  regelmässi- 
gen Abständen  von  ca  lOO  m  die  Monotonie  der  langen  gleichar- 
tigen grauen  Linie   unterbrechen  und   deren  Wachthäuschen    mit 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  255 

ihrem  filigranartig  durchbrochenen  Holzwerk  und  den  bunten 
Ziegeln  von  künstlerischer  Vollendung  eine  gewisse  Abtönung  des 
rauhen  Zwecks  erreichen.  Hier  weht  Aloderluft  zerfallener  Grösse, 
dort  unten  aber  zieht  die  neue  Zeit  ein  unter  disharmonischem 
Pfiff  ihres  Symbols,  der  Lokomotive.  Die  grosse  Mauer  ist  für 
sie  durchbrochen,  als  ob  Artillerie  Bresche  geschossen  hätte, 
und  im  Widerspruche  mit  praktischen  Gründen  bedauere  ich  doch, 
dass  man  den  stolzen  Mauerkoloss  mit  seiner  nahezu  2.000 
jährigen  Vergangenheit  nicht  einmal  eines  Durchfahrt-Bogentores 
gewürdigt  hat,  so  dass  er  die  ewige  Wahrheit ;  ,.  Das  Alte 
stürzt,  es  ändert  sich  die  Zeit,  und  neues  Leben  blüht  aus  den 
Ruinen  "  der  Nachwelt  würdiger  überliefern  könnte. 

Ich  möchte  jedem  Reisenden  raten,  die  chinesische  Mauer 
hier  zu  besuchen,  wenn  ihm  nicht  Gelegenheit  gegeben  ist,  sie 
in  allerdings  besser  erhaltener  Gestalt  und  grossartiger  am  Nankow 
Pass,  ri  Tagereisen  westlich  von  Peking,  sehen  zu  können. 
Sie  ist  den  Besuch  wohl  wert  und  deucht  mir  nicht  der  ,,  riesen- 
hafte, nutzlose  Steinwall,  welcher  die  Hügel  und  Berge  hin- 
aufklimmt und  dann  wieder  in  die  Täler  hinabtaucht",  wie  ihn 
John  Thompson  *  genannt  hat,  sondern  sie  repräsentiert,  meine 
ich,  die  gigantische  Wucht  Chinas,  von  mächtiger  Faust  in 
Schwung  gesetzt ;  sie  ist  ein  Denkmal  seiner  riesigen  Bevölkerungs- 
grösse,  dieses  j^^  ^^^  Erdumfanges  messende  Verteidigungswerk 
gegen  die  nördlichen  Stämme,  und  ein  Ausdruck  der,  wenn  auch 
heutzutage  falsch  angewendet  erscheinenden  Kraft,  von  welcher 
der  Westen  zittern  mag,  wenn  sie  einmal  gelernt  hat,  ihre 
bisherige  philosophische  Weltanschauung  abzustreifen  und  ihre 
physischen  und  geistigen  Fähigkeiten  mehr  im  modernen  Sinne 
zur  Entfaltung  zu  bringen.  Vorerst  freilich  steht  die  ,,  gelbe 
Gefahr"  noch  im  langen  Felde,  und  der  Streit  über  die  Möglichkeit 
oder  Unmöglichkeit  des  Aufrütteins  Chinas  aus  seiner  Schlafsucht 
ist  ein  würdiges  Objekt  des  Disputes  zwischen  bewährten  Heroen 
des  Geistes  und  solchen  praktischer  Erfahrung.  ^Möchten  die 
Nationen,  welche  Chinas  Zukunft  auf  moderner  Linie  vorwärts  zu 
treiben  suchen,  niemals  erfahren,  dass  sie  die  Geister,  die  sie 
riefen,  nicht  mehr  werden  zu  bändigen  vermögen  ! 

Die  Eisenbahnlinie  von  Shanghaikwan  bis  Peking  bildet 
ausser  bis  gegen  das  letzte  Drittel  hin  wenig  Besonderheiten. 
Die  festungsartig  mit  Mauer,  Schiessscharten  und  Türmchen  ver- 

*  Through  China  witb  a  Camera  p.   269. 


256  K.     IIKFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

scheneii  Stationen  in  ihrem  weissen  oder  grauen  Anstricli  werden 
von  Shanghaikwan  ab  von  (englisch)  indischen  Shiks  bewacht,, 
während  bis  liierhcr  die  Russen  die  Besetzung  in  Händen 
haben.  Dass  wir  hier  noch  nicht  ganz  im  friedlichen  Zustande 
leben,  wurde  uns  zum  Bewusstsein  gebracht,  als  ein  paar  japa- 
nische Militärs  zu  uns  in  den  Wagenabteil  einstiegen,  um  ein 
paar  Stationen  mitzufahren  bis  zu  einem  Platze,  von  wo  aus 
sie  dann  eine  Strafexpedition  gegen  chinesische  Räuber,  welche 
eine  Ortschaft  beinahe  unter  den  Augen  der  Bahnbesatzungs- 
truppen niedergebrannt  und  geplündert  hatten,  zu  feiten.  Man 
könnte  sich,  ohne  um  eine  Antwort  verlegen  zu  sein,  doch 
leicht  auch  die  Frage  stellen,  was  aus  all  der  mühsam 
erzwungenen  Ordnung  und  Kultur  werden  wird,  wenn  die  Be- 
satzungstruppen abziehen  und  China  die  Ruhe  allein  aufrecht  zu 
halten  hat.  Hoffentlich  fehlen  ihm  die  Machtmittel  dazu  nicht, 
und  doch  bezweifle  ich,  ob  sich  hier  und  anderorten  die  Leute 
ebenso  sicher  fühlen  werden  wie  ehedem,  wo  die  allerdings 
fremde  bewaffnete  Faust  auf  Ordnung  und  Recht  hielt. 

Vom  Wagen  aus  sah  man  einige  Stunden  nach  Shanghaikwan 
über  niedriges  Küstenland  in  der  Ferne  die  See,  da  wo  Ching- 
wangtao  liegt,  ein  eisfreier  Hafen  mit  tiefem  Wasser,  dessen  Ein- 
richtung für  die  Zwecke  der  Schifffahrt  und  des  Handels  mit 
allen  Mitteln  vorwärts  getrieben  zu  werden  scheint,  um  einen 
neuen  Konkurrenten  für  Dalny  und  Newchwang  zu  schaffen. 
Von  Tangho  bis  Tangku  am  Peiho  bleibt  die  Bahn  ziemlich 
weitab  vom  Meere,  und  das  gewöhnliche  Bild  mandschurischer 
Ackerlandwirtschaft:  Sorghum-,  Mais-,  Tabak-, Bohnen-,  Melonen- 
und  Kürbisfelder  etc  tritt  wieder  in  sein  Recht ;  einzelne  Bäume 
und  Gebüsche  von  Weiden,  Pappeln,  Kiefern,  Gingko  oder  Ailan- 
thus  mögen  vielleicht  als  Reste  ehemals  grösserer  Waldstücke 
aufgefasst  werden,  zur  Zeit  dienen  sie  tatsächlich  fast  nur  als 
landschaftliche  Dekoration,  ein  wirtschaftlicher  Wert  kommt  ihnen 
in  keiner  Weise  zu.  In  der  Nähe  Tangshangs  befinden  sich 
Kohlenbergwerke,  und  man  begegnet  den  schwarzen  Diamanten, 
auf  zahllose  Waggons  verladen  und  in  Güterzügen  gegen  Norden 
geschleppt.  Aufgefallen  ist  mir  hiebei  die  geringe  Grösse  der 
Stücke,  ich  bin  jedoch  mangels  genügender  Information  ausser- 
stande,  anzugeben,  ob  dies  auf  natürliche  Ursachen  oder  auf 
Absicht  zurückzuführen  ist. 

Die  Gegend  um  Tangku,  jene  Station,  nach  welcher  die 
Bahn    in    scharfem    Winkel    ihre    bisherifie    Südrichtun<j    in    rein 


K.  HEFELK,  AUS  DEM  OSTEN.  25/ 

westliche  Direktion  verändert,  ist  als  marschiges  oder  Ueber- 
schwenimungsland  des  Meeres  und  insbesondere  des  hier  mün- 
denden Peiho  anzusehen  ;  gegen  Westen  zu  erkennt  man  den 
Rauch  der  Dampfer  auf  der  Taku  Rhede  weitab  vom  Lande, 
und  einzelne  unvermittelt  aufsteigende  Bodenerhebungen  in  glei- 
cher Richtung  wurden  als  die  vermutlichen  Reste  der  ehemaligen 
Forts  an  der  Peihomündung  richtig  angesprochen.  Eine  Zeitlang 
noch  ist  bei  der  Weiterfahrt  einiges  Land  vorherrschend,  dann 
mehren  sich  die  Zeichen  regen  landwirtschaftlichen  Betriebs, 
je  näher  man  Tientsin  kommt ;  weiterhin  bis  Peking  behält 
sodann  die  Gegend  in  der  zweifellos  ausserordentlich  fruchtbaren 
Peihoniederung  den  Charakter  reichster  Bodenfruchtproduktion  bei. 

Bei  Tientsin  sieht  m.an  ein  weites  Areal  von  Grabhügeln 
bedeckt :  der  Kirchhof  von  Tientsin.  Tientsin  selbst  ist  vom 
Bahnhofe  zu  weit  entfernt,  als  dass  man  viel  von  seinem  chine- 
sisch-europäischen Geschäftsleben  wahrnehmen  könnte  ;  der  Rück- 
weg von  Peking  sollte  uns  jedoch  näher  damit  bekannt  machen. 
Es  hat  eines  ganzen  Tages  Fahrt  ab  Shanghaikwan  auf  dieser 
sehr  gut  gebauten  Bahn  bedurft,  bis  wir  dem  ersehnten  Ziele 
Peking  nahe  kamen. 

Die  Einfahrt  in  Peking  ist  ziemlich  unvermittelt,  es  ist 
nicht  vieles,  das  auf  die  Nähe  einer  Millionenstadt  deutet,  man 
durchfa.hrt  eben  eine  Oeffnung  in  einer  plötzlich  auftauchenden 
Mauer  und  ist  in  der  Chinesenstadt,  in  Peking,  angelangt.  Zu- 
nächst saust  der  Zug  noch  eine  geraume  Weile  zwischen 
einem  regellos  scheinenden  Gemengsei  von  Häusern  mit  ihren 
Lehmwänden  und  grauen  Ziegeldächern,  von  Feldern,  Büschen 
und  Sumpflöchern,  Grabdenkmälern  und  Strässchen,  Bächen  und 
Brücken  hindurch,  bis  endlich  nach  Passierung  einer  grossen 
Pagode  aus  Lehm  und  Ziegeln  die  gewaltige,  zinnengekrönte 
Mauer  der  Tartaren.stadt  in  Sicht  kommt. 

Der  Zug  verminderte  seine  Geschwindigkeit,  als  wir  den  ge- 
waltigen Mauerkoloss  entlang  kamen.  Manch  neugieriges  Gesicht 
blickt  zwischen  den  Schiessscharten  von  oben  herab  auf  die  In- 
sassen des  Zuges,  und  siehe  da,  nicht  immer  ist's  ein  fremdes 
Mongolenantlitz,  das  unser  Auge  erspäht,  sondern  ab  und  zu 
begrüssen  wir  Europäer  oder  gar  uniformierte  engere  Landsleute, 
Deutsche,  mit  frohem  Kopfnicken.  Peking  ist  ja  besetzt,  und 
ich  habe  noch  oft  im  Laufe  der  folgenden  Tage  Gelegenheit 
gehabt,  Landsleuten  zu  begegnen,  ja  mit  ihnen  frohe  Stunden 
gemeinsam  zu  verbringen. 


258  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Fast  will  man  nicht  glauben,  dass  dieser  unscheinbare 
Bahnhof  von  Holz,  etwa  jenem  einer  kleineren  Station  der 
Hokkaido-Bahn  in  Japan  gleichend,  für  die  gewaltige  Millio- 
nenstadt Peking  passend  oder  zulänglich  sein  soll.  Aber  vor- 
derhand genügt's,  und  das  weitere  wird  folgen,  hat  einmal  der 
Chinese  sich  mit  der  Sache  als  solcher  ausgesöhnt.  Und  es 
scheint,  als  ob  dies  nur  zu  leicht  erfolge. 

Staubig,  müde  und  hungrig  die  Frage  nach  Unterkunft  v^on 
den  am  Bahnhof  zum  Empfang  erschienenen  Japanern  (im 
Konsulats-  etc-Dienste)  durch  die  Empfehlung  eines  chinesischen 
Hotels  beantwortet  zu  erhalten,  wirkte  nach  den  geschilderten 
Erfahrungen  von  Yinkow  keineswegs  im  Sinne  einer  Steigerung 
der  gehobenen  Stimmung  über  das  Erreichen  von  Peking  ; 
indessen  fanden  sich  die  Erwartungen  diesmal  tatsächlich  weit 
übertroffen.  Europäische  Hotels,  und  es  gibt  solche,  so  viel  ich 
weiss,  wurden  mit  Rücksicht  auf  den  Reiseetat  freilich  auch 
gerne  vermieden. 

Nach  kurzer  Kurumafahrt  in  schrecklichem  Staube  war  das 
an  der  Hatamenstrasse,  jedoch  gegen  die  Rückseite  gelegene 
Gasthaus  gefunden.  Da  der  Wirt  sich  als  Japaner  entpuppte, 
war  auch  die  Verständigungsfrage  gleich  in  bester  Weise  gelöst. 
Ehe  das  Flaus  diesem  Zwecke  diente,  war  es  wohl  das  Heim  eines 
chinesischen  Noblen,  wenigstens  deutete  darauf  die  Bauart,  die 
Pflasterung  seiner  Böden  mit  genau  verpassten  Steinfliesen  und 
das  Schnitzwerk  der  Wände  in  den  eben  gelegenen  Wohnräumen 
gegen  den  von  alten  schattenspendenden  Bäumen  überdeckten  Hof 
zu.  Wenn  auch  die  Einrichtung  der  stolz  Betten  genannten 
linnenbezogenen  Strohsäcke,  das  löcherio-e  Aloskitonetz  und  das 
sehr  sparsame  Waschmobiliar  keineswegs  noch  den  Gedanken 
an  Ebenbürtigkeit  mit  einem  wirklichen  Wirtshause  einfachster 
Art  aufkommen  Hessen,  so  schien  es  mir  doch  nach  den  Erfah- 
rungen der  Reise  bisher  wie  ein  Paradies.  Es  war  ein  stiller 
Platz,  zu  dem  der  entsetzliche  Lärm  Pekings  nur  ganz  ver- 
schwommen drang,  und  Speise  und  Trank  verdienten  Lob. 
Chinesisches  Essen  schmeckte  mir  in  der  Tat  besser  als 
japanisches,  und  ich  denke,  das  wird  jedem  Europäer  ebenso 
ergehen,  da  es  eben  mehr  ur.d  kräftigere  Pleischgerichte  enthält 
als  das  wenig  nachhaltige  japanische  mit  seiner  P"ischdiät.  Nach 
ca  acht,  fast  immer  in  Kleidern  verbrachten  Tagen  freut  man 
sich  doppelt  auf  das  Bad,  das  nach  guter  japanischer  Sitte  des 
•Gastes    wartet.      Noch    lancfe    sass    ich    am    Abend    im    Mond- 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  259 

schein  v^or  der  Tür  meiner  Schlafraumes  gegen  den  Hof,  durcli 
den  das  Laub  der  Bäume  seltsame  Figuren  auf  den  Boden  bildete,, 
und  da  nur  wenige  Gäste  hierher  zu  kommen  pflegen,  so  ist 
man  u'enig  in  seinen  Gedanken  gestört. 

Peking  !  wie  eine  längst  entschwundene  Erinnerung  aus  ver- 
gangener Jugendzeit  klingt  der  Name,  nach  dem  das  in  weite 
Fernen  sich  sehnende  Herz  in  seinem  unreifen  Jugendreisedrange 
verlangte,  ohne  viel  mehr  davon  zu  wissen,  als  dass  es  irgend- 
wo ganz  weit  im  Osten  liege.  Und  nun,  wie  anders  präsentiert 
sich  die  Märchenstadt  eines  der  grössten  Reiche  der  Erde  \ 
F'reilich  jene  Knabenträume  sind  längst  verschwunden,  und  der 
Aufenthalt  im  Osten  hat  auf  den  Alann  lange  genug  vorbereitend 
gewirkt,  dass  er  das  reale  Bild  nicht  allzuweit  von  der  Annahme 
entfernt  findet.  Aber  immerhin,  der  Hauch  des  Uralten,  des 
]\Iystischen  und  Fremden,  meine  ich,  umwebt  uns  hier  doch  noch 
mehr  als  an  manch  anderem  Wohnplatze  fremdartiger  Völker 
mit  eigenartiger  Kultur. 

Mit  gespannter  Erwartung  erfolgte  denn  auch  immer  schon 
in  aller  Morgenfrühe  der  Aufbruch,  um  noch,  ehe  die  unerträsr- 
liehe  Mittagshitze  einsetzte,  einen  Teil  der  Sehenswürdigkeiten 
kennen  zu  lernen.  Diese  Ausfahrten  machen  rasch  mit  dem 
Leben  und  Treiben  der  Stadt  bekannt,  und  wenn  sich  auch 
die  Läden,  das  Volk  und  der  Spektakel,  mit  dem  jegliches 
Geschäft  zur  Abwicklung  gelangt  fast  in  allen  chinesischen 
Städten  gleichen,  so  hat  man  hier  doch  potenzierte  Energieen 
und  Grössen  vor  sich,  und  das  Tohuwabohu  der  Hauptstrassen 
in  der  Tartaren-  und  noch  mehr  in  der  Chinesenstadt  ist  ganz 
unglaublich. 

Die  alte  Ordnung  der  Dinge,  wonach  die  nördliche  Stadt 
als  die  Stadt  des  Tartarenvolkes  galt  und  die  Anhänger  der 
regierenden  Mandschu  Dynastie  allein  beherbergte,  dagegen  die 
südliche  oder  Chinesen  Stadt  den  beherrschten  Untertanen  des 
Himmlischen  Reiches  zugewiesen  war,  ist  nicht  mehr  aufrecht 
erhalten.  Der  kaufmännisch  gewandte  Chinese  hat  eben  den 
-Stolzen  Tartaren  aus  seinem  durch  Sitte  und  Gesetz  so  .exklusiven 
Quartier,  der  Tartarenstadt,  vertrieben,  wo  er  als  eine  Art  grosse 
Leibwache  mit  Haus  und  Hof  um  die  kaiserliche  Palaststadt 
gruppiert  die  Dynastie  beschützte  ;  heute  findet  man  in  der  Tar- 
tarenstadt beinahe  mehr  Chinesen  als  Tartaren. 

Den  besten  Ueberblick  über  Peking  hat  man  natürlich  von 
seiner  grossen  Wallmauer,  diesem   14m  hohen  und  an  der  Krone 


200  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

14m  breiten  Bollwerke.  Und  docli,  was  man  eit^entlich  wahr- 
nimmt, ist  so  (gleichförmig  und  monoton,  dass  man  seine  Ent- 
täuschung für  den  ersten  Moment  nicht  verbergen  kann.  Zwischen 
Bäumen  versteckt  liegen  die  Tau.sende  niedriger,  aus  Lehm 
gebauter  und  mit  grauen  Ziegeln  gedeckter  Wohnhäuser  mit 
den  kleinen  von  ihnen  eingeschlossenen  Höfen,  und  nur  ein  Tempel, 
ein  Yamen  oder  die  Gebäude  und  Hügel  der  Kaiser-  und  der 
verbotenen  Stadt  ragen  etwas  höher  empor,  scheinbar,  aber 
eigentlich  nur,  um  noch  grössere  graugetönte  Ziegeldächer  zu 
entfalten.  Markant  stechen  dagegen  vom  Horizont  dje  auf  der 
Mauer  über  jedem  Durchgang  errichteten  Toraufbauten  ab  ;  es 
sind  teils  dekorative,  teils  zur  Verteidigung  bestimmte  niedrige 
Türme  mit  fensterartigen  Schiessscharten,  auf  deren  Schliessläden 
meist  Geschützmündungen  gemalt  sind,  welche  für  den  ersten 
Moment  ebenso  dräuend  wirken,  wie  sie  unschädlich  sind. 

Der  Platz,  auf  dem  wir  uns  eben  befanden,  war  die  auf  die 
Stadtmauer  aufgebaute  ehemalige  Sternwarte,  deren  aus  dem 
17.  Jahrhundert  stammende  von  Jesuiten  oder  nach  deren 
Angaben  künstlerisch  gegossene  kolossale,  astronomisch  freilich 
wertlose  Instrumente  bekanntlich  dem  Verfall  durch  Transport 
nach  Europa  entzogen  wurden.  Ich  kann  nur  bedauern,  dass 
die  wunderbaren  Marmoraufsitze,  auf  denen  sie  standen,  nicht 
alle  den  gleichen  Weg  gegangen  sind,  zerstreut  liegen  die 
prächtigen  reliefgeschmückten  Fundamentreste  der  Instrumente 
umher.  In  der  Nähe  übten  sich  Bannerleute  der  verschiedenen 
Banner  im  Bogenschiessen  nach  einer  Scheibe,  deren  Papier- 
spiegel längst  entschwunden  war,  so  dass  der  Treffer  durch 
Verschwinden  des  Pfeiles  in  dem  Loche  der  Scheibe  markiert 
ward.  Sie  mutet  komisch  an,  diese  Waffenübung,  wenn  man 
nebenan  vom  Schiessstand  der  Besatzungstruppen  an  der  Mauer 
die  Büchsen  knallen  hört. 

Bei  der  Fahrt  zu  den  ehemaligen  Prüfungshallen,  zum 
,,  Hanlin  ",  tra versierten  wir  die  Hattamen  Strasse  und  besuchten 
das  im  Bau  begriffene  Erinnerungstor  aus  weissem  Mormor, 
welches  auf  Kosten  der  chinesischen  Regierung  zur  Erinnerung 
an  die  Ermordung  des  P'rh.  v.  Ketteier  errichtet  wurde  und  vor 
einigen  Monaten,  wie  die  Zeitungen  bericliteten,  auch  vollendet 
und  eingeweiht  worden  ist. 

Das  Hanlin  (die  Prüfungshallen),  die  Stätte,  wo  Tausende 
nach  dem  höchsten  Grade  eines  ,,  Hanlin-Gelehrten "  oder  gar 
eines  ,,  Laureaten  "    strebten  und  sich  auf  Grund  ihrer  Examina 


K.    HEFELE,    AUS    DE.M    OSTEN.  201 

den  Zugang  zu  den  höchsten  Aemtern  und  Würden  erschlossen, 
ist  heute  ein  trauriges  Wahrzeichen  der  Vergänghchkeit.  Nur 
wenige  der  ca  lo.ooo  Zellen  sind  noch  vorhanden,  in  denen  die 
Kandidaten  für  14  Tage  eingeschlossen  und  scharf  bewacht  an  der 
Lösung  der  Fragen  arbeiteten,  wo  mancher  an  Aufregung  starb 
und  so  mancher  auch,  wie  ich  mir  denke,  mut-  und  ratlos  an 
seinem  Schreibpinsel  gekaut  haben  mag.  Eine  dem  Einsturz 
nahe  Konferenzhalle  und  ein  Aufsichtsturm  zeugen  noch  von 
einstiger  Pracht  und  schauen  trotzig  über  ein  zur  Unkrautwüste 
gewordenes  Trümmerfeld,  eine  Spur  der  letzten  Boxerunruhen. 

In  dem  grossen,  dann  zunächst  besuchten  Lamatempel  mit 
den  geräumigen  Höfen  und  den  Schätzen  an  alten  Bronzen,  Statuen, 
Büchern  etc,  den  wunderbaren  Ornamenten  seiner  Schnitzereien 
an  den  Decken  und  Toren,  üben  die  harmonischen  Verhältnisse 
des  Baus  eine  imposante  Wirkung  Freilich  wird  dieselbe  stark 
beeinträchtigt,  wenn  man  die  zerlumpte  und  schmutzige  bettelnde 
Gesellschaft  sieht,  welche  sich  im  priesterlichen  Gewände  zudring- 
lich unverschämt  in  verächtlichster  Weise  als  berufene  Vertreter 
einer  erhabenen  Philosophie  und  Religion  gebärden.  W^ohltuend 
wirkte  dagegen  wieder  auf  diese  widerliche  Erscheinung  die 
andächtige  Stille  im  Tempel  des  Confucius.  Kaum  eingetreten 
durch  den  Torbau  über  eine  kleine  Marmortreppe,  steht  man 
still  in  Bewunderung  dieser  des  grossen  Philosophen  würdigen 
Erinnerungsstätte.  Eine  kurze  Allee,  welche  die  Eingangstreppe 
und  den  Tempelbau  verbindet,  ist  durch  riesige,  Jahrhunderte  alte 
PZxemplare  einer  Zypresse  (Biota  orientalis)  mit  ihren  dunklen, 
beinahe  schwärzlichen  Zweigen  gegeben  und  drückt  dem  Ganzen 
den  Hauch  des  Mystischen  auf,  der  im  Verein  mit  der  hier 
herrschenden  Stille  ein  Gefühl  der  Abgeklärtheit  des  Geistes  und 
Herzens  von  irdischem  Tand  erstehen  lässt,  das  wie  erfrischende 
Luft  den  Geist  durchweht.  Der  Tempel  .selbst  enthält  nur  die 
Namenstafeln  des  ^Meisters  und  einer  Anzahl  seiner  berühmtesten 
Schüler. 

Unweit  des  Confuciustempels  befindet  sich  die  Nationaluni- 
versität, deren  Zentrum  die  Halle  der  Klassiker  bildet.  Dieser 
wunderbare  Rotundenbau,  in  nächster  Nähe  umgeben  von  einem 
marmoreingetassten  kleinen  Lotosteich,  steht  in  einem  grossen 
Baumgarten.  Dieser  hinwiederum  ist  eingeschlossen  von  einer 
Umfassungsmauer  mit  gedeckten  Arkaden,  unter  denen  ca  200 
aufrecht  stehende  kolossale  Steintafeln  den  Originaltext  der  neun 
heiligen  klassischen  Bücher,  das  Alpha   und  Omega  chinesischen 


202  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Wissens  uikI  chinesischer  Denkart,  cin^'cgraben  enthalten  —  eine 
steinerne  Bibhothek  für  Jahrtausende  und  in  einer  Unigebun<(, 
würdig  ihres  Wertes.  Der  Rotundenbau  selbst,  in  reichster  farbig 
bemalter  Schnitzerei  gehalten,  birgt  einen  Thron,  da  alljährlich  der 
Kaiser  durch  die  besonderen  prächtigen  Zugangstore  (Peilo's)  mit 
ihrer  wunderlichen  Architektur,  ihren  leuchtenden  Farben  und 
den  gelbglasierten  Ziegeln  (die  kaiserliche  Farbe  ist  gelb) 
einzieht,  inn  hier  den  Klassikern  den  Tribut  seiner  Verehrung 
zu  zollen. 

Man  sieht  so  Vieles  und  Herrliches,  dass  es  einen  b,esonderen 
Vortrag  füllen  würde,  wollte  man  einigermassen  erschöpfend  den 
Wundern  Pekings  gerecht  werden.  Was  ein  Maler  und  Zeichner 
dabei  ausserdem  auf  seinen  Streifzügen  erbeuten  würde,  möchte 
noch  ergiebiger  sein.  Nur  eines  möchte  ich  Ihnen  noch  mit 
ein  paar  Worten  zu  schildern  versuchen,  da  es  für  mich  wenig- 
stens das  Eindrucksvollste  gewesen  ist,  dem  ich  bisher  im  Osten 
begegnet  bin  :     es  ist  der  Tempel  des  Himmels. 

Man  fährt  von  der  Tartarenstadt  auf  der  mit  riesigen  Quadern 
bepflasterten  Strasse,  welche  vom  Kaiserpalast  her  zur  Chinesen- 
stadt führt,  und  deren  seit  Jahren  niemals  verbesserte  Fugen 
und  generelle  Vernachlässigung  die  Gefahr  eines  Beinbruches 
für  Menschen  und  Tiere  gleich  wahrscheinlich  macht,  um  nach 
ca  l  Stunde  durch  den  Trubel  der  chinesischen  Hauptgeschäfts- 
strasse endlich  an  einer  Mauer  abzusteigen,  die  einen  riesigen 
Park  einzuschliessen  scheint.  Tatsächlich  durchschreitet  man 
inseits  einen  weiten,  wiesenartigen  Raimi  mit  einigen  Baum- 
gruppen oder  kleinen  Wäldchen,  bis  man  am  eigentlichen 
Tore  des  Tempels  angelangt  ist  und  in  die  engeren  Tempel- 
gründe und  Gebäulichkeiten  Eintritt  erhält.  Auf  weite  Distanzen, 
wie  es  scheint  absichtlich  auseinander  gezogen,  finden  sich 
Tore,  Arkaden,  Marmorbrücken,  Lotosteiche,  Treppen  etc. 
Alle  überragend  und  sie  an  wirkungsvoller  Form  übertreffend 
ist  der  ,,  Tempel  des  Himmels  "  selbst.  Schon  der  lang  ver- 
zögerte Zugang  zum  Sanctuarium  über  die  Wiesen  mit  dem 
duftenden  Grase,  durch  die  dunklen,  ruhigen  Baumgruppen,  bereitet 
die  Stimmung  für  den  Anblick  vor,  der  den  Besucher  erwartet. 
Kein  Geräusch  dringt  in  diese  Abgeschiedenheit,  es  ist  ein  Platz, 
wie  ihn  mutatis  vmtamUs  unsere  Vorfahren  für  ihre  Götter  in 
heiligen  Hainen  hatten,  und  da  .steht  auf  dreifacher,  weiss  mar- 
morner Terrasse  mit  ebenfalls  dreifachem,  tiefblau-glasiertem 
Ziegeldach  und  goldener  abgestumpfter  Spitze    ein    runder,  roter 


K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN.  263 

Holztempel  mit  wunderbarer  Schnitzarbeit  der  Wände  gleich 
einem  Märchen  aus  Tausend  und  Eine  Nacht.  Man  weiss  nicht, 
was  man  mehr  bewundern  soll,  die  vollendete  Detailarbeit  in 
Zeichnung  und  Malerei  aussen  und  hauptsächlich  im  Innern 
oder  die  Geschicklichkeit,  mit  welcher  der  Ki^instler  bei  einem 
keineswegs  sehr  hohen  Bau  dem  dreifachen  Dache  das  Schwere 
und  Drückende,  Uebermässige  nimmt.  Das  Ganze  ist  aufgesetzt 
auf  eine  Marmorterrasse,  an  der  auch  kein  Ouadratcentimeter 
ohne  Reliefskulptur  ist.  Der  Tempel  des  Himmels  ist  durch  eine 
marmorbelegte  Strasse  mit  dem  ziemlich  weit  davon  entfernten 
Opferaltar  im  Freien,  wo  der  Kaiser  alljährlich  seine  Gebete  und 
Opfer  dem  Himmel  darbringt,  verbunden.  Auch  diese  Terrasse, 
welche  dem  Chinesen  als  das  Zentrum  der  Erde  gilt,  entspricht 
in  Kostbarkeit  und  Wirkung  der  Skulpturausstattung  jener  um 
den  Himmelstempel. 

Man  scheidet  nur  ungern  von  so  viel  Kunst  und  Geschmack, 
die  hier  in  Anlage  und  Ausfuhrung  an  den  Tag  gelegt  sind. 
Was  aber  bei  allem,  auch  dem  Kostbarsten  an  Tempeln,  Toren 
und  sonstigen  Bauten  etc  unlieb  in  Peking  ins  Auge  fallt,  das  ist 
der  Schmutz,  der  Staub,  die  Verkommenheit  und  Nachlässigkeit, 
unter  denen  solche  Gebäulichkeiten  zu  leiden  haben.  Zwischen  den 
Marmorstufen  des  Himmelstempels,  wo  doch  der  Kaiser  .selbst 
alljährlich  die  Opfer  darbringt,  rankt  das  Unkraut  ebenso  üppig 
hervor  wie  in  den  riesigen  Höfen  der  verbotenen  Stadt,  im  Kaiser- 
palaste. Gewaltige  Torbauten  sind  nicht  selten  in  einer  Verfassung, 
dass  des  Himmels  Wolken  an  einer  Dachecke  hoch  hineinschauen, 
und  mehrjährige  Gesträuche  aus  Mauerspalten  von  Verteidigungs- 
mauern, Toren  etc  erzählen  von  der  beschaulichen  Ruhe,  die 
ihnen  zu  teil  wird.  Ueberall  Verfall  und  Verkommenheit,  wohin 
man  blickt,  sobald  Kommunal-  oder  Staatseigentum  in  Frage 
kommt.  Mit  demselben  Gleichmut  wird  das  Steckenbleiben  des 
Wagens  im  Schmutz  einer  Strasse  ertragen  wie  das  zunehmende 
Ueberneigen  eines  riesigen  Peilos  in  irgend  einer  Strasse,  das, 
ein  Erinnerungszeichen  an  eine  heroische  Tat  oder  einen 
grossen  Mann,  eines  Tages  mit  Sicherheit  auf  die  Köpfe  der 
zu  seinen  Füssen  wimmelnden  Menschheit  herabfallen  wird. 
Und  erst  die  Läden  und  Buden  der  geschäfttreibenden  Welt! 
Gewiss,  es  gibt  reinliche  Läden  in  schönen  Gebäuden,  nament- 
lich sind  dies  Seidengeschäfte  von  reichen  Grosskauf  leuten ; 
aber  die  grosse  Masse  der  Händler  etc  vom  Kleinverkäufer  bis 
zum  behäbigen   Mittelstande  ist  in  allen  Formen  von   Häusern, 


2^4  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEX. 

Baracken  und  L(5chcrn  untergebracht,  und  da  wird  unaufhörlich 
gehandelt  und  oefeilscht  bis  spät  in  die  Nacht.  Schliesslich 
kommt  noch  eine  Armee  fliegender  Händler  mit  Esswaren  und 
kleiner  Handwerker  hinzu,  die  wie  eine  Schar  Heuschrecken 
rechts  und  links  die  eigentliche  Häuserreihe  belagern.  Das 
hämmert,  quiekst,  stampft,  läuft,  rennt,  brodelt  und  duftet,  ein 
rechter  Hexensabbat.  Rechnet  man,  wenn  eine  drückende  Hitze 
über  der  Stadt  lagert  und  die  zahllosen  Wassertünpel  und  grün- 
lichten Schlammpfützen  austrocknen,  den  JNIangel  jeglicher  Ab- 
fallgrube  und  jeder  Kanalisation  hinzu,  so  kann  man  «sich  eine 
Vorstellung  von  dem  Dufte  machen,  den  die  zahllosen  Bäume  in 
den  Hofräumen  und  Hausgärten  der  Pekinger  Einwohner  nicht 
immer  zu  paralysieren  imstande  sind. 

Wie  eine  Oase  nimmt  sich  dagegen  das  Gesandtschafts- 
viertel  durch  seine  Reinlichkeit  aus.  Vielleicht  mag  dies  auch 
für  die  leider  z.  Z.  unzugängliche  verbotene  Stadt,  wo  die  kaiser- 
lichen Paläste  sind,  gelten  ;  fiir  die  weitere  Umgebung  der 
verbotenen  Stadt,  für  die  Kaiserstadt,  ist  aber  das  geschilderte 
Stadtbild  Pekings  hinsichtlich  der  Verwahrlosung  ebenfalls  als 
zutreffend  zu  betrachten. 

Das  Gesandtschaftsviertel  ist  eine  Schöpfung  der  neuesten 
Zeit  seit  Beendigung  der  Boxerunruhen,  und  mit  einer  wahren 
Genugtuung  und  mit  freudigem  Aufatmen  durchwandert  man  die 
freundlichen  zusammenhängenden  Quartiere  der  Gesandtschaften. 
Reinlichkeit,  Ruhe  und  Ordnung,  dem  chinesischen  Polizisten 
unbekannte  Begriffe,  sind  hier  aufrecht  erhalten  durch  patroul- 
lierende Soldaten,  und  da  hier  nur  militärische  oder  Dienst- 
gebäude der  Zivilbehörden  der  fremden  Nationen,  Kirchen  etc 
sich  befinden,  so  ist  ein  Ruhepunkt  für  den  müden  Wanderer 
gegeben,  der  ihm  nach  dem  nervenaufregenden  Getriebe  der 
Stadt  einige  Erholung  bietet. 

Zwischen  Hatamen  und  Wassertor,  an  die  Nordseite  des 
die  Tartaren-  von  der  Chinesenstadt  scheidenden  grossen  Walles 
angelehnt,  hat  man  von  dem  letzteren  einen  guten  Ueberblick  über 
die  ganze  Fremdenkolonie.  Hier  tobte,  wie  mir  ein  befreundeter 
Offizier  erklärte,  der  Kampf  zwischen  Boxern  und  den  in  den 
Gesandtschaften  Eingeschlossenen,  (und  ich  habe  noch  eine  sehr 
mit  Kugeln  gespickte  Mauer  gefunden),  da  fiel  Graf  Soden  aus, 
dort  war  ein  Teil  der  deutschen  Gesandtschaft  in  Trümmern  etc 
etc.  Aber  im  grossen  ganzen  ist  wenig  mehr  von  der  ursprüng- 
lichen   Form   der  Bebauung,   wie   sie   vor  den   Unruhen   war,  zu 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  265 

sehen,  da  tausende  von  chinesischen  Häusern  dem  Erdboden 
gleichgemacht  wurden,  um  Raum  fdr  Konzentrierung  der  Gesandt- 
schaften, Neubauten  etc  zu  schaffen.  Vor  allem  ist  anlehnend 
an  die  in  die  Verteidigung  einbezogene  Partie  der  Stadtmauer 
(Tartarenmauer)  zwischen  Wasser-  und  Hatamentor  eine  Um- 
fassungsmauer um  das  ganze  Gesandtschaftsviertel  gezogen  mit 
Wassergraben  und  einem  abgeräumten  Glacis  von  ca  300  m 
Breite  davor.  Die  Schiessscharten  in  der  Mauer  sind  zwar 
verklebt,  aber  so  praktisch,  dass  ein  Stoss  mit  der  Faust  die 
Oeffnung  für  das  Gewehr  sofort  in  Bereitschaft  setzt.  Ein  kleines 
Häuschen  auf  der  grossen  IMauer,  unschuldig  nach  seiner  ehema- 
ligen Bestimmung  glaube  ich  ,,  Gartenhäuschen  "  genannt,  hat 
INIauern  von  Meterdicke  erhalten  und  beherbergt  Kanonen,  deren 
^^'irksamkeit  durch  den  hohen  luftigen  Standort  garantiert  ist ; 
iinderweitige  Ueberraschungen  sollen  für  die  Absicht  einer  Wieder- 
holung des  Rummels  von  Seite  der  Chinesen  noch  vorbereitet 
sein  ;  die  einzelnen  Abschnitte  der  Verteidigungslinie  sind  den 
diversen  Gesandschaftswachen  ständig  zugeÄviesen,  und  die  Schnell- 
feuergewehr-Stände, die  ich  in  Abständen  zwischen  den  Schiess- 
scharten angebracht  sah,  dienen  zweifellos  auch  nicht  blos  dekora- 
tiven Zwecken. 

Wie  schlug  das  Herz  höher,  als  man  wieder  deutsche 
Soldaten,  deutsche  Offiziere  in  der  kleidsamen  Tropenuniform 
sah  und  manch  bekannter  Dialekt  ans  langentwöhnte  Ohr 
schlug. 

Die  Tage  von  Peking  gingen  nur  zu  rasch  vorüber ;  ein 
anstrengender  Ritt  zum  kaiserUchen  Sommerpalast  war  leider 
nicht  von  Erfolg  gekrönt,  da  ihn  auch  die  Aktenformat  hal- 
tende knallrote  Visitenkarte  meines  deutschen  Freundes  nicht 
öffnen  konnte,  der  als  Mandarin  IV.  Ranges  (infolge  früherer 
Dolmetschertätigkeit  im  Kriege)  sicher  darauf  gebaut  hatte.  Die 
auf  Erpressung  eines  „  Bakschisch "  hinausgehende  Weigerung 
des  dortigen  Wachkommandanten  fand  bei  uns  statt  \'erständnis 
Entrüstung,  und  so  zogen  wir  leider  unverrichteter  Sache  ab ; 
aber  der  Ritt  gegen  die  hohen  Berge  zu,  welche  das  flach  liegende 
Peking  im  Westen  in  der  Ferne  halbmondförmig  cinschliessen, 
die  frische  reine  Morgenluft,  die  freundliche,  landwirtschaftlich 
gut  kultivierte  Gegend  und  die  Wohltat,  dem  Spektakel  Pekings 
entronnen  zu  sein,  taten  das  ihre,  um  keinen  üblen  Humor 
aufkommen  zu  lassen,  obwohl  der  Sommerpalast  nach  seiner 
Lage   und,  so   viel   man  von  aussen  davon  sehen   konnte,   auch 


266  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

nach  seiner  raffinierten  Ausstattunc^  ein  cclit  kaiserliches  Buen- 
Retiro  sein  muss.  Die  wachhabende  moderne  chinesische  In- 
fanterie machte  in  ihrem  blauem  Anzug,  dem  kleinen  Strohhütchen 
ä  la  bonnet  und  dem  in  einen  Knoten  geschlungenen  Zopf 
keinen  üblen  Kindruck,  wenn  auch  die  Gewehre  der  Wache 
so  ziemlich  in  allen  Ecken  und  Winkeln  lagen  und  standen. 
Beim  Ritt  nach  Hause  zurück  begegnete  man  einer  Menge 
festlich  geputzter  Chinesen  und,  was  seltsamer  schien,  einer 
Anzahl  mandschurischer  und  chinesischer  Frauen  der  besseren 
Stände,  die  sonst  so  selten  sichtbar  sind.  Es  galt,  wie  sich 
bald  herausstellte,  einem  Feste  bei  einem  Tempel.  Das, 
wie  es  scheint,  für  jede  Festlichkeit  unerlässliche  Abbrennen 
von  Schwärmern  etc  ist  dann  ein  Extravergnügen  zweifel- 
haftester Art  für  Reiter  mit  nervösen  Pferden.  Während 
es  dem  Fremden  unmöglich  sein  dürfte,  einen  Mandschuren 
von  einem  Chinesen  zu  unterscheiden,  ist  dies  leichter  bei 
den  Frauen,  da  diese  keine  verkrüppelten  Füsse  und  eine 
eigenartige  Haartracht  besitzen.  Diese  letztere  sieht  einem 
kurzen  horizontal  am  Hinterkopf  getragenen  Lineal,  um  das  die 
Haare  gewunden  sind,  nicht  unähnlich.  Alsbald  ist  man  wieder 
im  Bereich  der  grundlosen  staubigen  Stadtstrassen,  und  die  von 
Tag  zu  Tag  zunehmende  Hitze  machte  den  Abschied  von  Peking 
nicht  allzu  schwer. 

Als  allmählich  die  Mauern  und  Tortürme  Pekings  dem 
y\uge  entschwanden  und  der  Zug  wieder  durch  die  Kaoliang- 
und  Bohnenfelder  gegen  Tientsin  rollte,  da  erfüllte  es  mit 
innerer  Befriedigung,  diese  mysteriöse  Hauptstadt  eines  der 
grössten  Staaten  der  P>de  gesehen  zu  haben.  Die  Begriffe 
formen  sich  leichter,  wenn  man  das  Volk  im  Zentrum  seiner 
Eigenartigkeit  beobachten  kann.  Dass  aber  der  Chinese  der 
l^curteilung  ein  schwieriges  Problem  bietet,  das  unterliegt 
keinem  Zweifel  und  kommt  in  den  oft  divergierenden  Schlüssen 
der  Abhandlungen  über  Chinas  Zukunft  zum  Ausdruck.  Der 
Küstenchinese  ist  ein  anderer  als  der  Inlandbewohner,  der  Norden 
ist  verschieden  vom  Süden,  der  Osten  vom  Westen,  und  wenn 
man  von  der  Zahl  der  Dialekte  in  China  auf  die  Verschieden- 
hjiten  in  Anschauung  und  Sitte  und  Ciiarakter  des  Volkes 
einen  Schluss  zieht,  so  stellt  China  vielleicht  die  grösste  Ver- 
einigung von  Widersprüchen  dar,  die  nur  durch  gewisse 
Bande  der  Rasse  und  Religion  zusammengehalten  werden. 
Unter     fremdjni     Einüass     wird     djr     Cliinesc     zu     allem      zu 


K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEX.  20/ 

bringen  sein  und  seine  besseren  Eigenschaften  entwickeln,  wie 
man  dies  in  den  grossen  Hafenstädten  Hongkong,  Shanghai  etc 
leicht  wahrnehmen  kann.  Wie  grundverschieden  ist  dort  z.  B. 
der  unternehmende,  DollarHebende,  gewandte  Geschäftsmann 
oder  der  fleissige  Arbeiter,  der  gewöhnhche  KuH  vom  unendhch 
trägen  Bewohner  der  inneren  Landesteile,  wo  das  korrupte 
Regierungssystem  nicht  nur  jeden  Fortschritt  hemmt  und  so 
dem  Handel  den  Hauptnerv  unterbindet,  sondern  dem  Armen 
wie  dem  Reichen  durch  Duldung  von  unerhörten  Zuständen  den 
gesicherten  Besitz  des  Wohlerworbenen  weder  zu  garantieren 
vermag  noch  will.  Alle  Fortschritte  Chinas  im  Sinne  einer  gewissen 
Aufnahme  westlicher  Anschauungen  waren  stets  das  Resultat 
äusserer  Einwirkungen  und  erfolgten  stossweise  ohne  dauernden 
Nachhalt,  gerade  als  ob  die  Bewegung,  je  heftiger  sie  eintrat, 
desto  schneller  sich  auch  hätte  erschöpfen  müssen.  Und  so  auch 
jetzt.  Es  ist  m.  E.  sehr  fraglich,  ob  die  unzweifelhaft  vorhandene 
und  durch  schwere  Verluste  aufgezwungene  Erkenntnis  der 
Notwendigkeit  von  Reformen  der  zähen,  Jahrtausende  alten 
Politik  des  Festhaltens  am  Alten,  wenn  auch  noch  so  Korrupten, 
auf  die  Dauer  gewachsen  ist.  Sollte  die  Macht  der  süssen 
Gewohnheit  überwiegen,  dann  mag  es  noch  ansehnliche  Jahr- 
zente  erfordern,  bis  die  gelbe  Gefahr  den  Westen  zittern  machen 
wird.  Diesen  Eindruck  gewinnt  jeder  Reisende  in  China,  auch 
wenn  er  wie  ich  nur  kurze  Zeit  dort  weilen  kann  und  nur 
wenig  zu  sehen  vermochte.  Bei  der  Gleichheit  der  Grundzüge 
der  Anschauung  des  Chinesen  werden  trotz  sonst  auffallender 
Verschiedenheiten  der  einzelnen  Stämme  die  obigen  Bemerkungen 
wohl  auch  im  ganzen  zutreffen. 

Tientsin,  das  in  4  stündiger  Fahrt  von  Peking  erreicht 
wird,  der  ehemalige  Schauplatz  grösserer  Boxerunruhen,  weist  in 
den  vielen  Ruinen  innerhalb  der  europäischen  Niederlassungen 
noch  heute  die  ernste  Lage  der  damaligen  Zeit  auf,  und  mit 
welchen  Gefühlen  mögen  die  Scharen  der  unter  Seymours 
r^ührung  zum  Entsätze  Pekings  angerückten  Verbündeten  hierher 
zurückgekehrt  sein,  da  sich  dem  Vorgehen  auf  Peking  unüber- 
windliche Schwierigkeiten  entgegenstellten  ! 

Während  die  europäische  Niederlassung  einen  freundlichen 
Eindruck  macht  und  durch  ihre  Sauberkeit,  Behäbigkeit  und 
Ordnung,  durch  ihre  Gebäude  europäischen  Stils,  inbesondere 
durch  das  mächtige  Astor-Hotel  mit  seiner  trefflichen  Verpflegung 
an  den  fernen  Westen  erinnert,  ist  die  Chinesenstadt,  welche  eine 


268  K.    HEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

ziemliche  Strecke  davon  entfernt  liegt,  der  T\'pus  eines  winke- 
ligen, gedrängten  und  schmutzigen  chinesischen  Handelszentrums, 
in  das  jedoch  durch  Brände  gelegentlich  der  letzten  Unruhen 
und  durch  die  nachträgliche  Schleifung  von  S'adt-  und  Schloss- 
mauern berechtigte  Luftlöcher  gebrochen  wurden.  Die  Störungen 
seines  Handels,  welche  Tientsin  als  Folge  des  Boxerfeldzuges 
durchzumachen  hatte,  werden  bald  wieder  überwunden  sein. 
Ueberall  regt  sich  neue  Bautätigkeit,  und  namentlich  das  neue 
japanische  Quartier  zwischen  Chinesen-  und  Europäerstadt  ist 
in  vollem  Aufbau  begriffen.  Der  Teiho,  der  seine  schmutzig 
rotgelben  Fluten  an  Tientsin  vorüberführt,  ist  voll  von  Dschunken, 
welche  den  Handelsverkehr  von  und  nach  dem  Innern  vermitteln, 
und  aus  dem  geschäftigen  Treiben,  das  hier  herrscht,  lässt  sich 
wohl  ein  Schluss  auf  die  Bedeutung  Tientsins  in  dieser  Richtung 
ziehen.  Das  eroberte  chinesische  Arsenal  am  Peiho  vis  ä  vis  dem 
europäischen  Settlement  sieht  zwar  noch  drohend  herüber,  ebenso 
die  chinesische  Militärschule,  aber  über  beiden  wehte,  wenn  ich 
mich  recht  erinnere,  als  Friedensgewähr  die  russische  Flagge. 
Die  Okkupation  von  Tientsin  und  Peking  durch  die  ver- 
bündeten Truppen  sowie  einzelne  Detachements  in  Lazaretten, 
Depots  etc  entlang  der  ganzen  Bahnstrecke  Peking-Tonku  bringt 
viel  militärisches  Leben  in  das  Treiben  auf  den  Bahnhöfen,  das 
allerdings  jetzt  verschwunden  sein  wird,  seitdem  der  chinesische 
Vicekönig  wieder  in  den  grossen  geräumigen  Regierungsbau  mit 
seiner  eigenartigen,  an  Slam  erinnernden  Architektonik  ein- 
gezogen ist. 

Von  Tientsin  nach  Tonku  sind  ca  2  Stunden  Fahrt,  und 
man  hat  von  da  für  eine  mehrere  km  betragende  Strecke  (ca  i 
Stunde)  kleine  Dampferchen  zu  benützen,  um  den  Peiho  bis  zur 
Mündung  hinab  und  über  die  Barre  hinaus  zum  grossen  Passa- 
gierdampfer zu  gelangen.  Denkwürdige  Plätze,  bei  deren  Anblick 
dem  Deutschen  das  Herz  höher  schlagen  darf,  werden  passiert : 
da  sind  die  Reste  der  Takuforts,  deren  vernichtendem  Feuer  aus 
zehnfach  überlegener  Artillerie  die  verbündeten  Schiffe  und  voran 
der  kleine  ,,  Iltis"  nicht  nur  stand  gehalten  haben,  sondern  das  sie 
zum  Schweigen  brachten.  Die  Tat  des  Iltis  wird  ewig  ein 
Ruhmesblatt  unserer  jungen  Marine  sjin  und  hat  den  Beweis 
geliefert,  dass  deutsche  Disziplin  und  Ruhe,  verbunden  mit 
unerschrockenen  Mut,  den  P^rfolg  auch  unter  schwierigsten  Um- 
ständen an  die  geliebte  ITagge  zu  heften  weiss. 

Jeder,  dem    bei    stürmischem  Wetter    eine  Einschiffung    auf 


K.  HEFELE,  AUS  DEM  OSTEN.  269 

freier  Rhede  von  Taku  beschieden  ist,  wird  lange  daran  denken  ; 
die  unserige  zählt  wenigstens  zu  den  unvergesslichen  Reise- 
erinnerungen, denn  wir  wurden  mit  Seilen  und  Strickleitern  von 
der  mitunter  mehrere  Meter  an  der  Seite  des  grossen  Dampfers 
auf-  und  abstampfenden  Launch  übergeholt  und  waren  herzlich 
froh,  als  wir  heil  auf  Deck  gelangt  waren. 

Chefoo,  das  unser  Schiff  am  anderen  Morgen  anlief,  ist  ein 
prächtiger  Platz.  Den  Eingang  in  die  Bai  zur  Linken  beherrscht 
eine  Art  kleines  Vorgebirge,  auf  dem  das  offizielle  Chefoo,  die 
Konsulate  etc,  in  wunderbarer  Lage  um  die  Spitze  des  Hi^igels 
gruppiert  sind ;  ein  altes  kleines  Fort  bildet  den  Abschluss.  Von 
dort  erstreckt  sich  auf  dem  sanften,  niederen  Höhenrücken,  der 
dies  Vorgebirge  mit  den  Abhängen  der  die  Bai  zum  Teil  ein- 
schliessenden  Berge  verbindet,  das  europäische  Geschäftsviertel, 
Kirche  etc ;  jedoch  liegt  die  Hauptmasse  der  Gebäude  an  der 
Strandniederung  auf  der  Aussenseite  des  die  Bai  einschliessenden 
Landringes.  An  der  Innenseite  ist  dann  das  chinesische  Entai, 
von  den  Europäern  Chefoo,  genannt,  eine  nicht  unbedeutende 
Handelsstadt.  Gegenüber,  auf  der  anderen  Seite  der  Bai,  ist  auf 
niedriger  Halbinsel  Alt-Chefoo  zu  sehen,  das  für  den  Handel 
jedoch  ohne  jede  Bedeutung  ist. 

Chefoo  mit  seinen  Weinbergen  am  Abhang  der  Hügelketten, 
mit  seiner  lieblichen  Bai,  dem  waindervollen  Badestrande  und 
dem  klaren,  hellgrünen  Meerwasser  (es  münden  hier  keine  Flüsse) 
ist  trotz  seiner  nicht  unbedeutenden  Temperaturextreme  zwischen 
Sommer  und  Winter  doch  ein  prächtiger  Aufenthaltsort  während 
der  besseren  Jahreszeit  und  erinnert  viel  an  italienische  und 
sicilianische  Landschaften. 

Der  so  bekannt  und  europäisch  wirkende  Eindruck  Chefoos, 
ausserhalb  des  Chinesen  vierteis  natürlich,  ist  zum  Teil  zurückzu- 
führen auf  die  Wirkung  der  Missionstätigkeit  der  Jesuiten,  die 
hier  eine  Station  haben,  welche  durch  ihren  Baustil,  den  bekannten 
Jesuitenstil,  dem  europäischen  Viertel  das  besondere  Gepräge 
aufdrückt. 

Wald  ist  auf  keinem  der  Höhenzüge  zu  sehen,  nur  ein  paar 
ältere  zu  einem  kleinen  Hain  vereinte  Bäum.e  in  einer  ILM-gmuldc 
bei  Chefoo  bezeichnen  den  Platz,  auf  dem  keinem  Goringeren 
als  Laotse  in  einem  Tempel  Verehrung  bezeigt  wird.  Wir  sind 
in  der  Schantungprovinz,  berühmt  als  die  engere  Heimat  von 
Confucius  und  Mencius  und  in  l'ruchtbarkcit  wetteifernd  mit  Pechili. 
Neben    Tabak,    Reis,    Weizen    und   Bohnen    sind    es    namentlich 


270  K.    IIEFELE,    AUS    DEM    OSTEN. 

Seide  und  Obst,  welche  einen  j^^rossen  Ausfuhrartikel  bilden. 
Seidenspitzen  und  Seide  von  Chefoo,  das  als  ein  bedeutender 
Ausfuhrhafen  Schantungs  zu  betrachten  ist.  sind  als  besondere 
Arten  berühmt,  und  dem  Obste  aus  den  milden  Ge^^enden  des 
Landes  begegnet  man  bis  hinauf  nach  Wladivostock  wie  auch 
in  Japan  als  Importartikel. 

Das  Wandern  der  Bevölkerung  nach  der  Mandschurei  im 
allgemeinen  und  Newchwang  im  besonderen  habe  ich  bereits 
erwähnt. 

Das  klare  Meer  von  Chefoo  auf  dem  Wege  nach  Cltemulpo 
wirkt  ZAierst  ganz  auffallend,  so  sehr  hat  sich  das  Auge  an 
das  schlammige,  gelb-  oder  rotfarbige  Aussehen  des  Wassers 
in  den  Flussläufen  in  Mandschurei  und  China  gewöhnt. 
Die  Ueberfahrt  von  China  nach  Korea  bietet  wenig  Inter- 
essantes. Einige  kleine  Inseln  vulkanischen  Ursprungs  werden 
passiert,  und  schon  nach  ca  24  Stunden  ist  man  im  Angesicht 
von  Korea,  vor  der  Einfahrt  zum  Hafen  von  Chemulpo.  Inseln 
klein  und  gross  lagern  sich  dieser  Einfahrt  vor,  und  für  ein  paar 
Stunden  möchte  man  sich  beinahe  in  die  Inlandsee  versetzt 
glauben,  nur  dass  diese  Eilande  meist  kahl  sind  und  die  See 
melancholisch  grau.  Es  ist  eine  gefährliche  Passage,  und  die 
verminderte  Geschwindigkeit  des  Schiffes  gibt  das  Geduldrätsel 
zur  Lösung  :  ,,  Werden  wir  noch  den  letzten  Zug  von  Chemulpo 
nach  Seoul  erreichen  oder  nicht  ?  "  Und  siehe,  ehe  die  Sonne 
hinter  den  kahlen  Inseln,  Halbinseln  und  dem  I'^estlande  in  der 
Nähe  hinuntertaucht,  da  rasseln  die  Anker  nieder,  und  das 
kleine  Dampfboot  bringt  uns  noch  zu  rechter  Zeit  zum  Bahnhof 
Dort  trifft  man  einen  nach  amerikanischem  Muster  mit  äusserst 
bequemen  und  elegant  gehaltenen  Waggons  ausgestatteten  Zug, 
welcher  uns  nach  ca  ij  Stunden  in  der  Hauptstadt  Koreas,  in 
Seoul,  landet. 

Obwohl  Hotels  II.  Güte  in  europäischem  Stile  Unterkunft 
für  eine  beschränkte  Zahl  Besucher  bieten,  zog  ich  mit  meinem 
Begleiter  ein  japanisches  Gastliaus  vor,  und  auf  dem  Wege 
dorthin  bemühten  sich  einige  elektrische  Lampen,  das  mystische 
Dunkel,  durch  das  wir  tappten,  aufzuhellen.  Ausser  einigen 
weissgekleideten,  lautlos  wie  Geister  dahin  wandelnden  Koreanern 
war  nicht  viel  wahrzunehmen. 

Geradezu  wunderbar  war  der  folgende  Morgen  mit  seiner 
Frische.     Ein   Panorama   eigenartigster   Schönheit   enthüllte   sich 


K.    IIEFELK,    AUS    DEM    OSTEN.  2"]  \ 

vor  unseren  Augen,  als  wir,  um  vor  allem  eine  Uebersicht  über 
die  Stiidt  zu  erlangen,  aut  einen  nahen  Hügel  stiegen. 

Seoul  liegt  in  einem  Tale,  rund  umgeben  von  mittelhohcn, 
nackten  Bergen,  welche  durch  ihre  spärliche  Bodendecke  überall 
die  gelbliche  Farbe  des  Grundgesteins  durchblicken  lassen  und 
einen  eigentümlichen  Kontrast  zu  dem  vorherrschenden  mono- 
tonen Grau  der  Dächer  des  den  Grund  des  Kessels  ausfüllenden 
Häusermeeres  bilden.  Erfreulicherweise  ist  diese  enorme  gleich- 
förmige, ich  möchte  sagen  Ziegelplattenebene  am  Rande  mehr- 
fach gegen  die  Berghöhen  zu  unterbrochen  durch  kleinere  TTügel 
und  Vorsprünge  solcher,  auf  denen,  in  grünem  Baumschmuck 
halbverborgcn,  fremde  Konsulate  stehen  oder  stolze  Kirchen  der 
Missionen,  unter  denen  jene  der  Katholiken  nach  Grösse,  Schön- 
heit des  Baues  und  Lage  den  Vorrang  einnimmt.  Innerhalb  der 
umwallten  Stadt,  deren  weiter  entfernte  Tortürme  infolge  der 
grossen  i\.usdehnung  Seouls  kaum  mehr  erkennbar  sind,  unter- 
scheiden sich  deutlich  die  hohen  Tore  und  weiten  Höfe  des 
Kaiserpalastes  mit  seinen  endlosen  Gebäudekomplexen. 

Was  eine  Wanderung  durch  die  Stadt  dem  Besucher  sofort 
klar  macht,  ist  der  Fekingartige  Staub  oder  Schmutz,  die 
Monotonie  seiner  aus  I^ehm  gebauten  Häuser,  der  Verfall  all- 
überall und  die  unendliche  Faulheit  seiner  Bewohner,  wenigstens 
des  männlichen  Teiles,  der  ohne  Zweck  und  Arbeit  in  weissen 
Gewändern  vom  frühen  Morgen  bis  zum  späten  Abend  die  langen 
breiten  Hauptstrassen  oder  die  engen  übelriechenden  Seiten- 
gässchen  entlang  lungert  und  faulenzt.  Denkmäler  und  öffentliche 
Sehenswürdigkeiten  sind  nicht  allzu  viele  vorhanden,  stets  aber 
nach  der  einen  oder  anderen  Richtung  in  Unordnung,  Schmutz 
oder  Verfall. 

Wie  lange  dieses  schlafende  Volk  in  seiner  reich  mit  Getreide- 
land und  Bergforsten  gesegneten  Heimat  sich  der  dem  Sturme 
vcjrausgehenden  Ruhe  noch  erfreuen  mag,  wer  weiss  es  ?  Unge- 
stüm pocht  eine  neue  Zeit  an  die  altersschwachen  Pforten  seiner 
Abgeschlossenheit.  Japan,  \velches  regsten  Anteil  an  der  I'^nt- 
wicklung  des  Verkehrs  im  Innern  ninmit,  hat  den  Handel  in  iX^^w 
Seehäfen  Koreas  ast  ganz  in  Händen  ;  es  betrachtet  das  Land  als 
seine  Beute,  wenn  einmal  den  schwachen  Händen  des  I  terrschers, 
der  über  ein  zurückgebliebenes  Volk  regiert,  das  Zepter  entfällt; 
und  wahrlich,  wer  z.  B.  Fusan  sieht,  dem  wird  das  langsame 
aber  sichere  Fortschreiten  der  Japaner  deutlich  zum  Bewusstsein 
gebiaelit.    INIil  unendlichem  Fleiss  und  grös^^ter  Beharrlichkeit  hat 


2/2  K.    IIEFELE,    AUS    DE\f    OSTEN. 

der  japanische  Unternehmungsgeist  /..  H.  in  Fusan  eine  ganze 
japanische  Stadt  voll  prosperierender  Geschäfte  gegründet,  und 
man  sieht  sich  vergeblich  nach  dem  koreanischen  Fusan  um,  das 
als   Schmutzdorf  im  Winkel  weit  da  hinten  draussen  liegt.  — 

Nur  minimale  Zeit  stand  mir  für  die  beiden  Plätze  Seoul  und 
Fusan  zur  Verfügung.  Ich  bedauere  es  insofern  nicht,  als  ein  so 
eigenartiges  I^nd  ohnehin  niclit  mit  wenigen  Sätzen  und  kurzer 
Erforschung  abgetan  sein  kann ;  es  erfordert  eine  eigene  Reise 
für  sich,  und  diese  war  ja  auch,  wie  bemerlct,  in  meiner  ursprüng- 
lichen Absicht  gelegen,  bis  aus  anderen  Gründen  vorerst  das 
Amurland  den  Vorzug  erhielt.  Ich  hoffe  bei  längerer  Anwesen- 
heit in  Japan  eine  besondere  E.Kkursion  namentlich  auch  in  die 
bereioen  Teile  Koreas  unternehmen  zu  können  und  bei  dieser 
Gelegenheit  einen  richtigen  Einblick  in  die  Verhältnisse  Koreas  zu 
gewinnen.  V<m-i  Fusan  ward  Nagasaki  in  i  .|  Tagen  erreicht,  und 
freudig  begrüsste  das  Auge  das  Land  der  aufgcliciulen  Soiuie, 
die  derzeitige  Heimat.  Wie  lange  hatte  man  den  yVnbliek  grüner 
Beree  entbehren  müssen,  und  wie  wohltuend  wirkte  die  berühmte 
japanische  Reinliehkeil  in  1  kuis  und  Hof  um!  allüberall  auf  Körper 
und  Geist  I 

Eine  Reihe  strapaziöser  Wochen  liegt  hinter  mir,  und 
mancherlei  iM'fahrung  bildet  den  reichen  Lohn  der  Mühe.  Als 
eine  besondere  Frucht  meiner  Umschau  möchte  ich  die  Ueber- 
zeugung  bezeichnen,  dass  China  und  noch  mehr  das  näherliegende 
Korea,  ihrer  Walilungen  bis  auf  die  entlegen.sten  Gebirgsteile 
beraubt,  zur  Wiederaulforstung  in  grossem  Umfange  gezwungen 
sind,  wollen  sie  anders  den  immer  wiederkehrenden  W'asser- 
katastrophen  einigermassen  begegnen.  Die  Kräfte  hiefür  wird 
Japan  liefern  müs.sen  und  liefern  können,  liier  liegt  eine  dankbare 
Riesenaufgabe,  deren  Durchführung  unvergänglichen  Ruhm  nach 
sich  ziehen  dürfte. 

Ich  wünsche  den  japanischen  h'orstleuten,  wenn  der  RuI  an 
sie  erschallt,  dieselbe  glückliche  Hand,  die  ihre  Kaufleute  zeigen, 
die  Korea  in  aller  Stille  friedlich  erobern. 


TSÜBOSAKAUERA 

ODER 

DIE    WUNDERBARE    GNADE    DER   GOETTIN    KWANNON. 

Uebersetzt  von  N.  OKAMOTO. 
Revidiert  und  eingeleitet  von  K.  FLORENZ. 


EINLEITUNG. 

Das  kurze  Stück  Tsubosaka-dera,  welches  Herr  N.  Üka- 
MUTo  ins  Deutsche  übertragen  hat  und  das  ich  die  Ehre  habe, 
der  Deutschen  Gesehschaft  f.  N.  u.  V.  O.  vorzulegen,  gehört  zu 
einer  Klasse  von  Dramen,  welche  die  Japaner  als  Jjniri  ;ffJ  i»?  -^"^ 
bezeichnen  und  die  wir  ,, monodische  Dramen"  oder  ,, dramatische 
Monodien "  benennen  könnten.  Es  ist  nämlich  kein  Bühnen- 
drama im  eigentlichen  Sinne,  —  für  dieses  brauchen  die  Japaner 
den  Ausdruck  Kyakiilion  ^  i^  —  sondern  eine  dramatische 
Dichtung,  die  von  Anfang  bis  lünde  von  einem  einzigen  Sänger 
bald  mehr  singend,  bald  mehr  deklamierend  vorgetragen  wird, 
während  eine  zweite  Person  den  Gesang  auf  einem  Shamisen 
,,  Dreisait",  der  japanischen  dreisaitigen  Gitarre,  begleitet.  Nocli 
früher,  \-or  lunführung  des  Shamisen  in  Japan  aus  Ryükyü  gegen 
Ende  des  i6.  Jahrhunderts,  wurden  dergleichen  Gesänge  ohne 
Musikbegleitung  vorgetragen,  indem  der  Sänger  einen  h'ächer 
in  der  Hand  hielt  und  mit  demselben  durch  Aufschlagen  auf  das 
\'ur  ilun  stehende  Pult  oder  in  die  andere  Hand  den  Takt  angab 
(sog.     ögi-byjsJd  M  tÖ  "?"  >•  P'ächer-Taktschlagen  "). 

Die  Entstehung  des  Jöruri  ist  zwar  bis  jetzt  noch  nicht  in 
vollständig  befriedigender  Weise  dargelegt  worden,  und  vieles 
von  dem,  was  man  so  für  gewöhnlich  darüber  als  ausgemacht 
hinnimmt,  hält  vor  einer  kritischen  Untersuchung  nicht  stand- 
docli   darf  man  als   erwiesen   annehmen,    dass   es    vor   Abschluss 


2/4  TSUBOSAKADKRA.       EINLEITUNG    VON"    K.    FLORENZ. 

der  Ashikagapcriodc  aus  dem  Vortrag  romanzenhafter  epischer 
Texte,  die  mehr  oder  weniger  dramatisch  belebt  waren,  ähnlich 
denen  des  Heike-monogatari  2|i  ^  !j^  |§  und  Taiiieiki  >[>:^IS. 
hervorgegangen  ist. 

Der  Name  föntri  knüpft  nach  der  landläufigen  Ueberliefe- 
rung  an  das  erste  bekannte  Stück  dieser  Gattung  an,  die  Romanze 
Jöruri-monogatari  ?^A^jJu?^po  „Geschichte  der  Jöruri", 
die  auch  unter  dem  Titel  Jlni-dan-zösiii  +1115^:^^  ,,das 
zwölfaktige  Buch  "  bekannt  ist,  denn  sie  bestand,  wie  das  Heike- 
monogatari,  aus  zwölf  Kapiteln  oder  Gesängen.  Der  Inhalt  dieses 
Buches  ist  kurz  folgender :  ;:  Im  Flecken  Yahagi  der  Provinz 
Mikawa  lebte  ein  reiches  kinderloses  Ehepaar,  dem  endlich  auf 
seine  inständigen  Bitten  vom  Gotte  YaknsJd  Nyorai  q\\\  Töchter- 
chen von  wunderbarer  Schönheit  beschert  wurde.  Es  bekam 
dem  Gott  zu  Ehren  den  Namen  Jdnin-Jiiiiic  ,,  Fräulein  Jöruri  "."^^ 
Als  der  jugendliche  Held  Ushkoaknmani  ^^^  (Jugendname 
des  Yoshitsnne  ^  |M).  begleitet  von  dem  Kaufmann  Kaneuri 
KicJiiji  ^  M  ^  5^»  ^^'^  seiner  Fahrt  nach  den  östlichen  Provinzen 
durch  den  genannten  Flecken  kam  und  von  der  hohen  Schönheit 
des  inzwischen  zur  Jungfrau  herangewachsenen  Mädchens  hörte, 
suchte  er  sie  auf  und  knüpfte  ein  Liebesverhältnis  mit  ihr  an. 
Nach  Austausch  von  Liebespfändern  nahm  er  von  ihr  vorläufigen 
Abschied.  Auf  der  Reise  durch  die  Provinz  Suruga  wurde 
Ushiwakamaru  jedoch  von  einer  schweren  Krankheit  befallen,  die 
ihn  an  der  P^ortsetzung  seiner  P'ahrt  hinderte.  Der  hartherzige 
Kaufmann  Hess  ihn  grausam  im  Stich,  und  unter  schweren  Leiden, 
fast  im  Sand  des  Ufers  begraben,  benachrichtigte  Ushiwakamaru 
seine  Geliebte  von  seiner  Not.  Diese  eilt  sogleich  aus  dem 
Elternhause  herbei  und  pflegt  ihn  mit   liebender    Hingebung,  bis 

■■■  Der  populäre  Name  des  Ar/.neigottes,  Yaki/s/ü  Nyorai  |^  ßip  in  ^,  ist  eine 
Abkürzung  des  volleren  Namens  Yakus/u'-ntri-Ico  Nyorai  ^  ßip  iä  3^  pfc  ^U  ^j 
cl.  i.  Sanskrit  BhaisJiajyai^Kni  VaidTirya-prabhäsa  Tath7i<^ata.  Kiin'  o.ler  Jiiriiri 
H}j;  jg  ^  ist  also  Korriii)tion  aus  Skr.  Vaidurya  „  Katzenauge "  (Art  Edelstein). 
Nach  meiner  und  meines  Freundes  Prof.  Takakusu  Ansieht  ist  jT,-riir!  „reiner 
Ruri "  eine  Analogiebildung  /u  dem  l)uddhistischcn  Ausdruck  Jo-hari  \f  ^5^  ^ 
reii'.er  Sjüegel "  {/iiv/  aus  Skr.  spJiatikn,  siel.c  Kleinere  Sukhävatl-vyüha  \  4), 
womit  man  den  Spiegel  benennt,  welcher  den  Verstoibenen  in  der  Unterwelt 
voigelialtcn  wird  und  worin  sie  ihre  in  der  Welt  verübten  guten  und  bösen  Taten 
widergespiegelt  sehen.  Jo  „  rein "  deckt  sich  leidlich  mit  kZ  „  leuchtend "  im 
Namen  des  Gottes.  So  haben  wir  durch  eine  Umstellung  und  Ersatzbilduir^/ö-r;/;'/ 
statt  Riuik'i)  und  erhaltea  die  volkstü  nliche  Korruption  Vakii'ihi  Jöruri  Nyorai. 


TSUBOSAKAIJEKA.       KINLEITUXG    VON    K.    FLORENZ. 


-V^ 


er  wieder  vollständig  hergestellt  ist.  Nochmals  nimmt  er  von  ihr 
Abschied,  mit  dem  V^ersprechen,  sie  später  zu  ehelichen.^; 

Weder  die  Zeit  der  Entstehung"  noch  die  Verfasserschaft 
dieses  Werkes  lässt  sich  mit  Sicherheit  feststellen.  Gewöhnlich 
wird  es  einer  Frau  Namens  Ono  no  0-Tsu  /j>  5f  j^  ?M  zuge- 
schrieben, über  deren  Leben  und  Tun  aber  die  widersprechendsten 
Angaben  gemacht  werden.  Es  wird  etwa  gegen  Mitte  des  i6. 
Jahrhunderts  entstanden  sein,  und  das  Musikuistrument,  mit  des.sen 
Begleitung  die  Romanze  vorgetragen  wurde,  soll  zuerst  die  Biwa, 
dann  das  Shamisen  gewesen  sein.  Alle  genaueren  Angaben  der 
Traditit)n  werden  von  den  neueren  Gelehrten  als  unzuverlässig 
verworfen. 

Eine  neue  Phase  in  der  Entwickelung  des  Jöruri  wurde 
durch  die  Verbindung  dieser  gesanglich-  deklamatorischen  Vor- 
träge mit  dem  Puppentheater  {iiingyö  -  sJiibai  \  jf^  ^  ^ij)  zu 
Anfang  des  ly.  Jahrhunderts  herbeigeführt,  indem  sich  der  Jöruri- 
sänger  Mcnnkiya  Chdsabiiro  @  ^  M  :S  ^  ßp  niit  dem  Puppen- 
spieler Hikita  ^I  B5  ^^'■'^  Nishinomiya  in  der  Provinz  Settsu 
zusammentat.  Diese  beiden  sind  somit  die  Begründer  des  soge- 
nannten AyatsJiri-Jornri  \^  -^  i^  f,§j  [ayatsiini  =  die  Fäden  einer 
Gliederpuppe  ziehen),  das  in  der  Theatergeschichte  der  Tokugavva 
Zeit  eine  so  hervorragende  Rolle  gespielt  hat.  Neben  das  JuNi- 
DAN-ZüSHi  A\'aren  sehr  bald  eine  Reihe  anderer  Stoffe  populärer 
Art  getreten,  wie  die  Geschichte  der  Soga  usw.,  aber  der  Name 
Jöruri  verblieb  der  ganzen  Gattung. 

In  der  Hauptstadt  Kyoto  selbst  fand  das  neue  Puppenspiel- 
Jöruri  zunächst  noch  keine  sehr  günstige  Aufnahme  ;  seine  Ver- 
treter mussten  sich  meist  begnügen,  ihre  Aufführungen  in  der 
Shijögawara  zu  bewerkstelligen.  Dagegen  wurde  es  in  Yedo 
günstig  aufgenommen  und  gelangte  daselbst  rasch  zu  hoher  Blüte. 
Es  wurde  dort  1624  von  Toraya  Jirdiicinon  ^  M  ^  ßl>  <& -^  P^ 
(geb.  1595  in  Sakai  in  der  Provinz  Izumi)  eingeführt,  der  sich 
den  VS.\w~,\.\Kixx\-;\n\it\\  SatsinnadayYi  p^  If i  ^s;  ^  ,,  Satsuma-Meister  " 
und  noch  später,  nachdem  er  sich  wie  ein  Priester  den  Kopf 
kahl  geschoren  hatte,  den  priesterlich  klingenden  Namen  Sa- 
tsuina  JjiDi  ^  1^  '/^  ^  { Jjun  =  P^-iedens\volke)  beilegte.  Er 
genoss  nämlich  dort  die  P^hre,  von  dem  Fürsten  Shimazu  von 
Sitsuma  protegiert  und  von  ihm  zu  Aufführungen  in  seine 
Residenz  berufen  zu  werden.  Statt  der  bisher  gebrauchten 
tönernen  Puppen  kamen  jetzt  kunstvoller  gegliederte  Ilolzpuppca 
in  Verwendung  ;    den  papicrnen  Vorhang  seiner  Bühne  durfte  er 


2/6  'J'SUBOSAKADKKA.       EINLl-MTUNG    VON"    K.    l'LOKKNZ. 

durch  einen  seidenen  mit  Shiniazir.s  Wappen  ersetzen.  ]vs  lief 
jedoch  nicht  ohne  äussere  Zwischenfälle  ab.  Die  für  Sitte  und 
Sparsamkeit  des  Volkes  etwas  zu  väterlich  besorgte  Regierung 
war  dem  ,,  Theaterluxus  "  unhold  :  sie  setzte  Joun  hinter  Schloss 
und  Riegel  und  verbot  für  einige  Zeit  die  Jöruri  V\)rstellungcn. 
Allerdings  nicht  auf  lange,  denn  die  Spiele  hatten  beim  Publikum 
schon  derart  allgemeine  Beliebtheit  gewonnen,  dass  sie  sich 
schwerlich  mehr  unterdrücken  liessen.  Die  Texte  für  die  von 
Jöun  aufgeführten  Stücke  verfasste  ein  gewisser  Jldjo  Kiiiiai 
^bfili^l^'  ^'b^^'  ^^^^  nichts  Näheres  bekannt  ist.  Noch  eine 
Neuerung  Jöun's  verdient  I^rwähnung.  Seine  Vorgänger  führten 
immer  nur  einzelne  Bruchstücke  aus  Jöruri  auf  {Ila-Jöniri  ^  '^ 
ia  i^J  "  P  i'agment-Jöruri  "),  Jöun  dagegen  brachte  ein  ganzes 
abgerundetes  Stück  von  gewöhnlich  sechs  Akten  zur  Darstellung 
{Dan-Joruri  f^  '/f  ig  Üij) ' 

Jeder  bedeutendere  Joruri-Sänger  {Jöniri-katari)  hatte  seine 
besondere,  ihm  eigentümliche  musikalische  Vortragsweise  {fiisJd)^^' 
in  der  er  entweder  schon  bekannte  oder  extra  fiu'  ihn  neuverfasstc 
Texte  rezitierte.  Daher  die  verblüffend  vielen  Namen  für  indivi- 
duelle Spielarten,  als  Ozat'.iiiiia  ;;^  j^  1^  (von  einem  Schüler 
Satsuma  Jöun's),  Handayu-bushi  ^  >[g  ^  ®1,  Katö-bnsJii  'M  ;^  fp, 
Kiiupira-busln  #^ffj,  Tosa-bnshi  i^fp  usw.  Eine  Bespre- 
chung der  musikalisch -rezitatorischen  Unterschiede  dieser  ver- 
schiedenen Weisen  liegt  nicht  in  der  Kompetenz  des  Literar- 
historikers ;  als  besonders  wichtige  Spielart  muss  aber  doch  das 
Gidayu  ^  >[c  ^  noch  erwähnt  werden,  welches  allgemein  als  die 
beliebteste  und  künstlerisch  vollkommenste  Jöruri- Weise  anerkannt 
ist.  Sie  rührt  von  dem  ausgezeichneten  dramatischen  Sänger 
Takcnioto  Gidayu  Yl  ^  ^  :ic  ^  lie''>  der  im  Jahre  1685  in  Osaka 
ein  Theater,  das  berühmte  Takcuioto-zun  Ys  ^^^^  begründete,  und 
für  den  Japans  grösster  Dramatiker  Chikainatsit  Monzacmon 
pS,  ^/J  P^  ^  #J  P^  (1653- 1724)  seit  1686  die  meisten  seiner 
Mei^^terwerke  geschrieben  hat.  Unter  dem  Zweigestirn  Gidayu  — 
Chikamatsu  hat  das  Jöruri  sowohl  gesanglich  als  textlich  seine 
höchste  Vollendung  erreicht  und  seine  grössten  Triumphe  gefeiert. 
Die  Blütezeit  des  mit  dem  Jöruri  kombinierten  Puppentheaters, 
das  sjine  hauptsächliche  Pßege  in  den  beiden  Städten  des  Westens, 
Osaka  und   Kyoto,  fand,  hat  nicht  ganz  hundert  Jahre  gedauert. 


••*  \Vie  in  der    spälcrca  liüfischcii    Lyrik    Dculsclilands    auch  jeder   Meister   sciiic 
eiueiic  Weise  haUe. 


TSUßOSAlCAnEKA.       EINLEITUNG    VON    K.    FLORENZ.  2// 

In  der  Meiwa-Aera  (i  764-1 771)  sehen  wir  es  schon  bedenkhch 
in  Verfall  geraten ;  es  weicht  immer  mehr  zurück  vor  dem 
Kabiiki  1^  ^  ^,  dem  Theater,  in  ^v^elchem  statt  der  toten,  wenn 
auch  noch  so  kunstvoll  bewegten  Puppen  lebende  Schauspieler 
spielen. 

Das  Jöruri  Tsubosaka-dera  ^Wi"^  'st  ein  ganz  modernes 
Stück,  verfasst  von  Frau  Kako  CJiiga  Sl&'f"!!.  der  Gemahlin 
des  Shamisenspielers  Toyor^aiva  Danipci  ^  'i^.  [§]  ^.  Die  äusserst 
einfache  romantische  Begebenheit,  welche  es  darstellt,  ist  auf  den 
buddhistischen  Wunderglauben  gegründet,  besonders  den  Glauben 
an  die  gütige  Allmacht  der  Kwannon  Jl  "g-  (Avalökitecv^ara),  der 
Göttin  der  Barmherzigkeit.  Für  ihre  33  Gestalten  sind  sowohl 
in  der  westlichen  als  in  der  östlichen  Provinzengruppe  Japans  je 
33  Tempel  errichtet  w^orden,  —  der  Tsiibosaka-deraxw  Yamato  ist 
No  6  in  der  Liste  der  Saikoku  San-jTi-san  Sho  ,,33  Plätze  der 
Westprovinzen  "  '■"  —  und  eine  Pilgerfahrt  zu  ihnen  gehört  zu  den 
hochverdienstlichen  Werken.  Für  den  Buddhisten  gibt  es  eine 
Welt  der  Vergangenheit  {saki  110 yo),  eine  Welt  des  gegenwärtigen 
Lebens  {kono  yo)  und  eine  Welt  der  Zukunft  {cmo  yo),  und  was 
inmier  man  in  einer  früheren  Welt  begangen  hat,  hat  seine  Folgen 
in  der  nächsten  Welt.  Aber  andächtiges  l^eten  kann  die  Hülfe 
der  Götter  und  dadurch  Erlösung  erwirken. 

Auf  die  Technik  des  Jöruri  brauche  ich  den  Leser  wohl 
nicht  eingehender  aufmerksam  zu  machen  :  die  eigentümliche 
Mischung  von  epischer  Erzählung,  dramatischem  Spiel  und  ly- 
rischen Litermezzos  fällt  beim  ersten  Blick  auf.  Man  vergleiche 
auch  meine  Uebersetzung  des  Dramas  AsAGAO-xtKKi  in  ,,  Japanische 
Dramen"  (Verlag  von  Amelang,  Leipzig,  1901).  Bezüglich 
dieser  technischen  Eigenschaft  unterscheiden  sich  die  Jöruri  nicht 
wesentlich  von  den  älteren  No  no  utai  oder  Yökyoku  ^  [tÖ,  ^^'enn 
auch  der  Fortschritt  in  der  Richtung  des  reinen  Dramas  unver- 
kennbar ist. 

k:.   f. 

*  Ausführliches  über  die  damit  verbundene  Legende  siehe  bei  Chamberlain, 
Handbook  for  Travellers  in  Jai)an,  6th  ed.  p.  36S  f.  Daselbst  auch  eine  vollständige 
Tempelliste. 


278  TSUBOSAKAnERA.      I'EBERS.    VON   X.    ÜKAMOTO. 


UEBERSETZUNG. 

TERSONEX. 

Sawaichi,  ein  armer  lUindcr. 
Osatcj,  seine  treue  Frau, 
Ein  F,ii£;el. 

SZENE. 

Wohn/immer  im   Hause  des  Sawaichi  in  der  Stadt  Tosa  unweit  Tsul)(>sa^<a. 
Nach  der  Verwandlung:     Landschaft  an  der  steilen  Tsubosal<a  Strasse  und 
'rem])e!  der  Kwannon. 


REZITATIV. 


O  Traum,  bist  eine  wifkliche  Welt  du  ? 

O  wirkliche  Welt,  bist  du  ein  Traum  ? 

Wir  leben  in  der  Welt 

Und  nennen  sie  einen  Traum  ; 

Und  doch  ist  sie  kein  Traum, 

Nein,  wirklich  Seiendes. 

In  der  Provinz  Yamato  befindet  sich  die  steile  Strasse 
Tsubosaka,  und  nicht  weit  davon  liegt  Tosa,  wf)  ein  Blinder 
Namens  Sawaichi  wohnt.  Er  ist  ein  biederer  Mann,  besitzt  aber 
nichts  als  die  kärglichen  Mittel,  die  er  durch  Unterricht  im 
Harfen-  und  Gitarrenspiel  sich  erworben  hat.  Also  lebt  er 
sehr  ärmlich,  und  seine  Frau  Osato  trägt  zum  Lebensunterhalt 
durch  Nähen,  Micken  und  Waschen  von  Kleidern  bei.  Ihr  Leben 
ist  so  eintönig  wie  der  Schall  des  runden  Holzblocks,  wenn 
ihn  die  Frau  mit  dem  Holzhammer  schlägt,  nachdem  sie  das 
gewaschene  Kleid  darauf  gelegt  hat. 

Da  singt  Sawaichi  mit  Gitarrenbegleitung: 

Der  Vogel  singt  im  Walde, 
Die  Glocke  schallt  über  das  Feld. 
Es  packt  ein  altes  Sehnen 
Die  schmerzerfiillte  Brust, 
Und  in  den  Bach  der  Liebe 
Kinnt  Träne  hin  auf  Träne. 


TSüBOSAKADERA.       UEBERS.    VOX    X.    OKAMOTO.  2/9 

OSATO  (lächelnd). 

Sawaichi,  du  bist  ja  heute  so  fröhlich  und  spielst  die  Gitarre 
so  lustig  ! 

SAWAICHI  (sich  zu  ihr  wendend). 

Osato  !  glaubst  du,  dass  ich  fröhlich  bin? 

O.SATO. 

Ja  freilich. 

SAWAICHI, 

Hm,  das  ist  durchaus  nicht  der  Fall.  Der  Schmerz  wird 
mir  immer  von  neuem  lebendig,  es  wiederholt  die  Klage  des 
Lebens  labyrinthisch  ihren  Lauf —  o,  besser  wäre  der  Tod  ! 

OSATO. 

Ei  wie  ! 

.SAWAICHI. 

Nein  !  ein  grosser  Schmerz  ist  in  meiner  Brust  verborgen, 
so  dass  ich  am  liebsten  aus  dieser  Welt  gehen  möchte.  Osato, 
setze  dich  zu  mir  und  gib  mir  Antwort  auf  eine  Frage  ;  jetzt  ist 
es  gerade  die  rechte  Zeit.  Ach  !  die  Zeit  vergeht  immer  so 
schnell  wie  ein  Pfeil,  der  dem  Bogen  entflieht.  Es  sind  nun 
schon  drei  Jahre  vergangen,  seitdem  wir  zusammen  leben,  und 
wir  lieben  uns  seit  der  Zeit  unserer  Kindheit.  Und  doch  hast 
du  jetzt  ein  Geheimnis  vor  mir.  Ich  bitte  dich,  sage  mir  alles 
offen  ! 

REZITATIV. 

Unter  diesen  Worten  verbirgt  sich  ein  tiefer  Sinn,  aber 
Osato  versteht  ihn  nicht. 

OSATO. 

Was  sollte  das  sein,  Sawaichi  ?  Während  der  drei  Jahre 
unserer  P^he  glaube  ich  dir  nichts  v^erborgen  zu  haben.  Aber  da 
du  misstrauisch  gegen  mich  zu  sein  scheinst,  so  sage  mir  doch, 
was  du  im  Herzen  hegest. 

SAWAICHI  (etwas   erzürnt). 

Nun,  dann  werde  ich  dir  es  sagen. 


2^0  TSrr.nsAKADKRA.      l'F.np.RS.    V0\   N.    (IKAMOTO. 

OSX'T». 

Sag's,  was  es  auch  sei  ! 

SAWAKIII. 

Osato,  liöre  mich  an  I  Drei  Jahre  liintkirch  hast  (hi  keine 
einzige  Nacht  mit  mir  auf  meinem  Lager  geruht.  Du  hast 
gewiss  Grund,  mich  zu  verabscheuen,  da  ich,  durch  die  Blattern 
entstellt,  zu  einem  so  hässlichen  Krüppel  und  Blinden  geworden 
bin.  Gestehe  mir  nur  und  verhelile  mir's  nicht,  dass  du  einen 
andern  Mann  liebst ;  ich  werde  dir  nicht  zürnen.  Wir  sind  ja 
Vetter  und  Base;  ich  hörte  immer  von  deiner  Schönheit  —  ich 
hatte  mir  vorgenommen,  niemals  eifersüchtig  zu  sein.  O  liebe 
Frau,  bitte,  lass  mich  alles   wissen  ! 

REZITATIV. 

Indem  er  dies  sagt,  rinnen  dem  Schmerzüberwältigten  die 
Tränen  aus  den  Augen  und  er  schluchzt,  obgleich  er  so  mannhaft 
spricht.     Indem   Osato  ihn  leidenschaftlich  umarmt  und  weint  — 

«S.ITO. 

Du  Ungetreuer  !  hältst  du  mich  für  ein  Weib,  das  leichtsinnig 
ihren  Mann  verlassen  und  mit  einem  andern  eine  Ehe  schliessen 
könnte  ?  Glaubst  du,  dass  ich  eine  solche  Unwürdige  sei  ?  O, 
ich  kann  dich  nicht  begreifen,  dich  nicht  verstehen.  Seitdem  ich 
von  den  Eltern  den  letzten  Abschied  nahm,  stand  ich  unter  der 
Obhut  des  Onkels  und  ward  mit  dir  erzogen  ;  damals  nannte  ich 
dich  meinen  Bruder  ;  du  warst  drei  Jahre  älter  als  ich,  und  ich 
lebte  mit  dir  glücklich  und  zufrieden.  Aber,  o  weh,  du  Avurdest 
von  den  scheusslichen  Blattern  befallen  und  wurdest  blind  ;  dazu 
wurden  wir  immer  mehr  und  mehr  von  Armut  gei)lagt.  Aber 
bis  ins  Feuer  oder  Wasser,  bis  in  die  Nachwelt  bestimmte  ich 
dich  zu  meinem  Manne.  Wenn  die  Morgenglocke  Vier  schlägt, 
gehe  ich  heimlich  hinaus  —  ganz  allein  und  den  einsamen  Bergweg 
nicht  scheuend  —  zur  Kwannon  von  Tsubosaka  und  bete,  dass 
deine  Augen  durch  der  Göttin  Gnade  wieder  geheilt  werden. 
Obwohl  ich  *5chon  über  drei  Jahre  voll  Andacht  bete,  ist  bis 
jetzt  keine  göttliche  Hilfe  sichtbar.  I^ben  jetzt  klagte  ich  über 
die  Unbarmherzigkeit  der  Göttin.  Aber  die  Worte,  die  du  jetzt 
^gesprochen  hast,  ohne  zu  wissen,   wie  sehr  ich  für  dich  besorgt 


TSL'BO.SAKAOEKA.       UKI3ERS.    VON    N.    OKAMOTÖ.  28 1 

bin,  — dass   ich   einen   andern   Mann  liebe,  sie  zeugen  von   allz.u- 
grosser  Eifersucht  und  Argwolm  gegen  mich. 

REZITATIV. 

Diese  Worte  sind  gewiss  wahr  und  zeugen  von  einer  schönen 
weiblichen  Gesinnung.  Sawaichi  hört  die  treuherzigen  Worte 
seiner  Frau,  weiss  nichts  zu  erwidern  und  weint. 

SAWAICHI. 

Ach,  liebe  Frau  !  ich  weiss  nichts  zu  sagen  und  bitte  dich 
um  Verzeihung ;  was  ich  eben  gesagt,  war  Torheit.  Ich  habe 
nicht  gewusst,  dass  du  mir  so  treu  bist. 

REZITATIV. 

So  spricht  er,  die  Hände  ringend  und  weinend,  dass  die 
Tränen  den  Aermel  benetzen. 

OS.\TO. 

O  welche  Freude  !  Eine  Entschuldigung  brauchst  du  nicht 
vorzubringen  ;  ich  habe  keinen  Wunsch  auf  dieser  Welt,  als  dass 
dein  Argwohn  sich  lege. 

SAWAICHI. 

Nein,  nein  I  wenn  du  so  sprichst,  muss  ich  mich  vor  dir 
schämen.  Aber  meine  Augenkrankheit  wird  nie  wieder  geheilt 
werden,  wenn  du  auch  noch  so  andächtig  zur  Göttin  betest. 

OSATO  (erstaunt). 

Ei,  was  sagst  du?  Alles,  was  ich  für  dich  getan  habe,  dass  ich 
jahraus  jahrein  jede  Nacht,  bei  Regen,  Schnee  und  Frost,  bar- 
fuss  nach  dem  Tempel  von  Tsubosaka  gewandert  —  es  ist  nur  zu 
deinem  Heil  geschehen. 

SAWAICHI. 

Ja  nun  !  dein  treues  Herz,  das  zu  den  Göttern  so  grosses 
Vertrauen  hat,  i.st  zwar  gut  und  edel ;  doch  dass  ich  in  dieser 
langen  Zeit  gegen  dich  eine  so  niedrige,  argwöhnische  Gesinnung 
hegte,  ist  zu  beschämend,  so  dass  mir  dafür  sicherlich  göttliche 
Strafe  zuteil  werden  wird,  nicht  aber  göttliche  Gnade  und 
Gesundung  dieser  Augen. 


282  TSUBOSAKADERA.       UKIJERS.    VON"    X.    OKAMOTO. 

OSAT«. 

Ei  was,  mein  Leben  fiir  das  deinij^e  —  niicli  sdII  der  ^a'ittliche 
Zorn  treffen,  nicht  dicli  I  —  und  du  svjlltest  djine  Gedanken  auf 
etwas  Besseres  richten  als  leere  Worte  zu  sjjrechen  ;  rufe  mit 
mir  die  Hilfe  der  Göttin  an  ! 

REZITATIV, 

Die  treu1icrzi<rc  Sorge  des  Weibes  ist  Ax-irl'clich  lobenswert. 

SA"\VAI€IH  (unter  Tränen). 

O  meine  liebe  Frau  !  Die  Allgewalt  der  Götter  kann  selbst 
einen  vertrockneten  Baum  wieder  blühen  machen.  Dies  umflorte 
Auge  —  ein  verdorrter  Baum  —  kann  auch  wieder  durch  Gottes 
Barmherzigkeit  sich  öffnen  !  Aber  die  Sünde  wurzelt  tief  in 
meiner  Brust !   auch  ich  hoffe,   dass   wenigstens  in  der  künftigen 

Welt  die  Blüte (leise)   Liebe  Frau  !    führe  mich  jetzt  an 

der   Hand,    damit  ich   selbst   nach   dem    Tempel   gehe   und    bete. 
Wohlan,  wohlan  ! 

REXITATIV. 

Die  Frau  hört  hocherfreut  die  Worte  ihres  Mannes,  gibt  ihm 
den  schlanken  Stab  in  die  Hand  und  beide  begeben  sich,  ohne 
erst  ihre  Kleider  zu  wechseln,  nach  ck-m  Tempel  von  Tsubosaka, 
wo  sie  früher  inbrünstic"  die  Göttin  um   Hilfe  gebeten  hatten. 


VERWANDLUNG. 

(SZENE   AM   ABHANG   TSUBOSAKA}. 
REZITATIV. 

Es  gibt  eine  Tradition  :  der  Tempel  von  Tsubosaka,  worin 
ein  Bild  der  Göttin  Kwannon  steht,  wurde  von  dem  fünfzigsten 
Kaiser  Kwammu  gestiftet,  als  dieser  im  Palaste  der  alten  Haupt- 
stadt Nara  von  einer  heftigen  Augenkrankheit  befallen  worden 
war.  Der  damalige  Priester  Doki  betete  während  107  Tagen 
zu  der  Göttin  und  erlangte  dadurch  Genesung  für  die  Augen 
des    Kaisers.     Es    ist   also    ein    berühmter    Ort    und    wird  noch 


TSUBOSAKADERA.       UEDERS.    VON   N.    OKAMOTO.  283 

heute  als  die    sechste    von  den    33  Kultstätten  der    Kwannon  in 
den  westlichen  Provinzen  verehrt. 

Nun  kommen  Sawaichi  und  seine  Frau,  ein  frommes  Lied 
sini^end,  die  steile  Strasse  herauf  nach  dem  Tempel. 

OSATO. 

Sawaichi  !  Vor  allem  muss  man  zur  Göttin  beten,  doch 
wenn  du  so  trübsinnig  bist,  werden  deine  Augen  nicht  gesunden 
sondern  noch  schlimmer  werden,  denn  Krankheit  entsteht  allge- 
mein aus  trüben  Gedanken.  O,  A\-ie  würdest  du  mir  gefallen, 
wenn  du  jetzt  dein  altes  Lied  sängest,  um  in  dieser  traurigen 
Zeit  deine  Schwermut  zu  vertreiben. 

SAWAICHI. 

Gut !  Die  Augen  werden  sich  verschlimmern,  wie  du 
sagst,  wenn  ich  mir  Sorgen  mache.  Ja,  jetzt  singe  ich,  um 
die  Melodie  zu  üben  —  es  hört  doch  niemand  ?  —  es  kann  hören, 
wer  will.  —  (Er  singt  die  Melodie). 

Das  Mitleid,  erweckt  es  Leid  ? 
Das  Leid,  erweckt  es  Mitleid  ? 
Das  Leben  ist  so  vergänglich 
Wie  der  perlende  Tau 

Ach  Gott  I  Die  Fortsetzung  ist  mir  soeben  entfallen,  da  mein 
Fuss  gestrauchelt  ist. 

REZITATIV. 

Miteinander  scherzend  betreten  sie  die  Haupthalle  des 
Tempels. 

OSATO. 

Sawaichi !    Da  sind  wir. 

SAWAICHI. 

Ach,  stehen  wir  hier  schon  vor  der  Göttin  Kwannon  ? 
Dank  dem  erhabenen  Buddha  ! 

OSATO. 

Lieber  Mann  !  Willst  du  nicht  heute  Nacht  ein  frommes 
Lied  singen  ? 


284  'J'SUßOSAKAnr.KA.       UKIiKRS.    VON'    N.    OKAMOTO.. 

Es  ist  so  ergreifend,  wenn  sie  n'iit  heller,  tönender  Stimme 
singen  : 

Der  sandige  Hof  von  Tsubosaka, 
Wo  das  Wasser  des  Teichs 
Die  Felsen  rings  herum  bespült, 
Er  ist  ein  heil'ges  Land. 

S.VWAICIII.  ' 

Osato  !  ich  glaube  nicht,  dass  meine  Augen  wieder  geheilt 
werden,  obgleich  du  mich  hieher  geführt  hast. 

OSATO. 

Ei  was  !  Muss  ich  das  wiederum  hören  ?  Vor  alters  wurde 
dieser  Tempel  von  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  Kwammu  errichtet, 
als  er  in  der  Hauptstadt  Nara  residierte,  weil  seine  Augenkrankheit 
durch  die  Gnade  der  Göttin  Kwannon  geheilt  worden  war.  Die 
göttliche  Güte  geht  so  weit,  dass  sie  zwischen  dem  ärmsten 
Wicht  und  dem  Allerhöchsten  Kaiser  keinen  Unterschied  macht. 
Ich  empfehle  dir  also  das  Gebet,  um  die  Gnade  der  Göttin  anzu- 
rufen. Sie  ist  so  barmherzig,  dass  sie  deine  l-5itte  erfüllen  wird, 
wenn  du  mit  Andacht  betest.  Lass  uns  noch  ein  frommes  Lied 
singen. 

REZITATIV. 

Durch  diese  Worte   ermutigt  sie  ihn. 

SAW.IK'HI. 

Ja    wirklich  !    Es    soll   so    sein.      Ich    bleibe    hier    von  heute 

Abend  an  während  dreier  Tage  ohne  Essen  und  Trinken  ;  gehe 

du    nach    Hause    zurück,    um    alle    Arbeit    zu    erledigen  !  Diese 
drei  Tage  sollen  mein  Schicksal  bestimmen. 

O.SATO. 

Gut.  Ich  gehe  nach  Hause  zurück  und  komme  wieder. 
Aber  höre  mich  an  !  Nahe  bei  diesem  Berge  ist  ein  schroffer 
Abhang  und  darunter  eine  ungeheuer  tiefe  Schlucht.  Gehe 
nirgends  hin  1 


i 


TSUUOSAKADERA.       UEHERS.    VON    N.    OKAMOTO.  28$ 

SAWAIt  III. 

Xciii,  nirgends  !  Icli  will  vom  heutigen  Abend  an  hier  im 
Tem[)el  warten,  bis  die  Göttin  mir  gnädigst  hilft. 

REZITATIV. 

Beide  lächeln.  Die  Frau  eilt  dann  nach  Hause  und  lässt  ihr 
]  lerz  zurücke,  aber  sie  weiss  nicht,  dass  es  ein  letzter  Abschied 
werdjn  soll,  gleichwie  ein  Tautropfen  zerstäubt  und  nie  wieder 
erscheint. 

Denn  als  Sawaichi  allein  ist,  kann  er  sich  vor  Kummer  nicht 
beherrschen,  legt  sich  auf  die  Erde  nieder  und  weint. 

SAWAicm 

(das  Gcsichl.  in  tler  RicIiUiny;,   in  der  sie  fortgint;,  gewendet). 

()  liebe  Frau  !  Du  warst  Jahr  und.  Tag  gegen  mich  so 
überaus  liebevoll,  liast  trotz  meines.  Elends  mir  deine  Liebe  nicht 
entzogen  und  hast  mich  immer  sorgsam  gepflegt.  Ach,  ich 
muss  dich  um  Verzeihung  bitten,  dass  ich  an  deiner  Treue 
gezweifelt  habe  !  Wenn  wir  uns  jetzt  eiimial  trennen  müssen,  wann 
werden  wir  uns  wiederfinden  ?    O  du  treue,  mitleidige  Frau  ! 

REZITATIV. 

Er  wirft  sich  plötzlich  zu  Boden  nieder  und  klagt,  dann 
hebt  er  ein  wenig  sein  Angesicht  auf. 

SAWAIIIII. 

Ach,  ich  darf  doch  nicht  seufzen.  Noch  hat  die  Gnade  der 
Göttin  nicht  geholfen,  obwohl  meine  Frau  drei  Jahre  lang  mit  der 
grössten  Andacht  gebetet  hat ;  ich  kann   so  nicht  weiter  leben. 

,,  Wenn  von  Dreien  der  Eine  geht,  werden  die  beiden  andern 
glücklich",  sagt  das  Sprichwort.  Mein  Tod  ist  mein  Gegenge- 
schenk an  dich.  Lebe  lange  und  werde  durch  eine  andere 
I  leirat  glücklich  !  Man  soll  dort  drüben  auf  eine  ungeheuer  tiefe 
Schlucht  treffen,  wenn  man  jene  steile  Strasse  hinaufgeht  und 
sich  nach  rechts  wendet.  Wann  bietet  sich  eine  günstigere  Gele- 
genheit zum  Sterben  ?  Wenn  ich  jetzt  auf  diesem  heiligen  Boden 
sterbe,  werde  ich  im  Paradies  ein  neues  fröhliches  Leben  beginnen 
können.     O,  glücklich  werde  ich  sein  !    Die  Nacht  ist  schon  weit 


286  TSUHOSAKADKRA.       UEIiliKS.    VON"    N.    OKAMOTO, 

vorgeschritten,  aber  es  kommt  niemand.     Ja  anders,  anders  kann 
CS  nicht  sein. 

KEZITATIV. 

So  spricht  er  und  steigt  die  \'ier  und  fiinf  Terassen  hinauf. 
Die  Morgenglocke  schh'igt  schon  die  dritte  Stunde. 

SAMAICHI. 

Wohkm,  der  letzte  AugenbHck  meines  Lebens  ist  gekommen, 
so  will  ich  denn  dem  Tode  entgegen  eilen  ! 

REZ.II'ATIV. 

Mit  dem  Stocke  tastend  sucht  er  seinen  Weg  und  gerät 
dabei  auf  einen  seitwärts  stehenden  Felsen.  Darunter  in  der 
Schlucht  fliesst  ein  furchtbares  Wasser,  wogend  und  rauschend 
wie  ein  Ruf  aus  dem  Jenseits.  Da  stösst  er  seinen  Stock  in 
den  Boden  und  stürzt  sich  mit  dem  Rufe  ,,  Verehrung  sei  dem 
ewigen  Buddha  !  "  in  die  Schlucht  hinab.  Das  ist  das  traurige 
Ende  seines  Lebens. 

Von  diesem  Vorgange  ahnt  die  1^'rau  nichts.  Sie  kehrt  bald 
so  eiligen  Laufes  zum  Tempel  zurück,  dass  sie  sogar  auf  der 
bekannten  Strasse  ausgleitet  und  fällt.  Da  sie  niemanden  er- 
blickt, ruft  sie  vor  Schrecken  und  sucht  weinend  ihren  ]\Iann. 

OSATO. 

Ach,  niemand  hier  !  Wo  ist  mein  Mann  ? — Wohin  ?  Sawaichi  ! 
Sawaichi  !  Sawaichi  ! 

KEZITATIV. 

.Vber  da  sie  keine  Stimme  hört  und  keine  Spur  von  einem 
Menschen  findet,  so  läuft  sie  wie  irrsinnig  umher  und  ruft  den 
Namen  ihres  Mannes.  Wie  sie  so  überall  auf  dem  Boden 
lierum  sucht,  da  sieht  sie  etwas  liegen  ;  sie  tut  noch  einige 
Schritte  vorwärts  und  erkennt  seinen  Stock.  Da  sieht  sie 
erschreckend  in  die  weite  Schlucht  hinab,  wohin  der  Mond 
sein  mattes  Licht  wirft,  und  erblickt  den  Leichnam  ihres  Minn^^s. 

OSATO. 

O,  ihr  Götter  im  Himmel!  Welch  ein  Schicksall  Wie 
jammervoll,  wie  traurig  I 


TSUBOSAKADERA.       UEDERS.    VOX    N.    OKAMüTO.  28/ 


REZITATIV. 

Rasend  und  tobend  vor  Verzweiflung  will  sie  in  die  Schlucht 
hinab,  aber  es  trcägt  sie  kein  Mügel  dahin.  Ihr  Rufen  und 
Schreien  bringt  keine  Antwort,  nur  das  Echo  kommt  zurück. 

OSATO. 

O,  lieber  Mann,  nicht  verstehen  kann  ich  dich,  nicht  kann 
ich  dich  begreifen  !  Ach,  dass  nach  all  den  Leiden,  nach  all  den 
bittern  Noten  dieser  langen  Zeit  deine  Augen  durch  die  Gnade 
der  Göttin  Kwannon  sich  schnell  öffnen  möchten,  habe  ich  nicht 
darum  jeden  Augenblick  zu  ihr  gebetet  ?  Und  dass  dein  Leben 
gerade  heute  in  diesem  Unfall  endigt,  was  soll  das  bedeuten  ? 
Ach,  ich  bin  allein  übrig  —  was  soll  aus  mir  werden?  —  was 
soll  ich  tun  ?  Wenn  ich  jetzt  darüber  nachdenke,  wie  ich  durch 
sein  Lied  \-ün  unruhigen  Ahnungen  erfüllt  wurde,  erkenne  ich, 
dass  er  schon  damals  zu  sterben  entschlossen  war.  O,  dass  ich 
davon  nichts  ahnte,  dass  ich  nichts  ahnte,  nichts  ahnte,  nichts 
ahnte  !  Ach,  kein  Unglück  gibt  es  wohl  wie  meines  !  Bitte, 
verzeihe  mir !  Ich  konnte  es  nicht  voraussehen,  denn  ich  bin 
ein  Mensch  und  kein  Gott,  dass  es  ein  Abschied  für  immer  von 
meinem  Manne  werden  würde,  dem  ich  nicht  nur  in  dieser  Welt, 
sondern  bis  in  die  künftige  Welt  hinein  verkettet  bin.  Ist  dieser 
Jammer  die  Folge  einer  Sünde  oder  eines  PVevels  in  der  vorigen 
Welt  ?  Wer  wird  ihn  auf  seiner  Reise  im  Tode  begleiten,  die 
von  Finsternis  zu  Finsternis  geht  ?  O  Jammer !  Ich  fürchte, 
dass  er  dabei  den  rechten  AVeg  verlieren  ^\ird. 

REZITATIV. 

So  klagt  und  jammert  sie  heftig  und  vergiesst  Tränen  der 
ewigen  Liebe,  so  dass  der  Fluss  in  der  Schlucht  davon  anzu- 
schwellen scheint. 

«svro 

(riclUct  da;-  von  'l'räiicn  licucl/.tc  Anycsiclil  einpor). 

Ach  !  Traure  nicht  !  seufze  nicht !  Ich  muss  Trost  darhi 
finden,  dass  alles  menschliche  Los  im  voraus  bestimmt  worden 
st ;  auch  ich  will  jetzt  in  den  Tod  gehen,  auf  dass  ich  diesen 
Stab,  ein  Andenken  an  den  Verstorbenen,  ihm  überreiche.  Wenn 
ich  aus  dieser  Welt  L^ehe  —  o  Göttin  !  —  führe   mich  ! 


288  TSUIJO.SAKADKKA.       UKIJERS.    VON    X.    OKA.MOTO. 


]{i:XITATIV. 

])a  stürzt  sie  sicli  mit  dem  Ivuf  ,,  VcrcliruiiL;"  sei  dem 
unendlichen  l^uddha  !  "  in  die  Schlucht  hiucib.  Das  ist  das 
traurige  Ende  der  treuherzigen  Frau. 

Es  ist  Mitte  P^ebruar.  Plötzlich  glänzen  Lichtstndilen  durch 
die  Wolken  in  der  Morgendämmerung,  himmlische  Chöre  er- 
schallen, und  die  Göttin  Kwannon  erscheint  in  Gestalt  eines 
Engels  und  spricht  mit  gerührter  Stimme. 

Höre,  Sawaichi  !  Du  bist  \vegen  einer  in  der  Vorwelt 
begangenen  Sünde  blind  geworden  und  euer  Leben  hat  heute 
ein  P^nde  gefunden.  Aber  durch  die  Treue  deiner  P'rau  und  ihr 
Gebet  gibt  der  Himmel  euch  das  Leben  zurück.  Vergesset 
nimmer  das  Gebet  und  den  Glauben,  und  wallfahret  nach  den 
dreiunddreissig  Tempeln,  um  für  die  Gnade  Ijuddhas  zu  danken. 
Osato,  Osato  !  Sawaichi,  Sawaichi  ! 

ItEXlTATIV. 

Der  P2ngel    wiederholt  die  letzten   Worte  und   verschwindet. 

Schön  ertönen  die  Morgenglocken  von  allen  Türmen  und 
es  wird  allmählich  Tag  in  der  uöcn  finsteren  Schlucht.  Die 
Beiden  werden  lebendig,  als  erwachten  sie  aus  einem  Traume, 
und  richten  sich  auf. 

OSATO. 

Ha!  Welch  ein  fremdes  Leben!  Du  bist  Sawaichi!  — 
ach  !  —  mein  Mann  —  deine  Augen  sind  geöffnet  ! 

SAWAICHI   (vci-wuiulert). 

y\ch  ja,  meine  iVugen  sind  geöffnet,  o  geöffnet,  geöffnet  ! 
Die  Göttin  hat  geholfen  !  P)ank-  dir,  o  heilige  Kwannon!  Doch  — 
wer  bist  du  ? 

O.SAT». 

Wie  ?    Ich   bin  deine   P'rau. 

SAWAU  JIM. 

Ha,  du  bist  meine  P^rau  ?  Mein  Gott!  Ich  sehe  dich  zum 
ersten  Mal.     Ü  Glück  und  Lu^t  !    Doch   welches  Wunder  ist  ge- 


TSL'BOSAKADERA.       UEBERS.    VON    X.    OKAMOTO.  289 

schcheii !  Die  erhabene  Kwamioii  erschien  mir  und  teilte  mir 
mit,  dass  ich  in  der  Vorvvelt  eine  Sünde  begangen  liätte,  während 
ich  erlaubte,  dass  ich  in  die  Schlucht  hinab<jcstürzt  und  trestorben 


«SATO. 

So  ist  es  !  Auch  ich  habe  mich  dir  nach  in  die  Schlucht 
hinabgestürzt,  doch  bin  ich  unverletzt.  Und  deine  Augen  sind 
geöffnet.     Ist  es  ein  Traum  ? 

SAWAICm. 

Nun  !  Es  ist  gewiss  die  Göttin  Kwannon  gewesen,  die  unsere 
Namen  rief  und  uns  das  Leben  zurückgab.  O,  der  Heiligen  sei 
Dank  !  Ja  !  Von  jetzt  an  müssen  wir  nach  allen  ihren  Tempeln 
pilgern,  um  für  die  göttliche  Gnade  zu  danken.  Ach !  Mein 
Geschick  ist  mit  einer  blinden  Schildkröte  zu  vergleichen,  die 
im  Wasser  glücklich  ein  schwimmendes  Holz  ergriffen  hat. 
Ich  bin  wie  neu  geboren,  wo  ich  jetzt  den  Sonnenschein  sehe. 
Das  verdanke  ich  allein  der  Gnade  der  Kwannon,  dass  meine 
Augen  sehend  geworden,  und  ich  nun  alles  erblicken  kann. 
O  welches  Glück  !  o  welche  Freude  !  Dass  unser  Leben,  ja  das 
Leben  von  uns  beiden  Gatten,  gerettet  worden  ist,  es  ist  wie 
Frühlingswiederkehr  !  O  welche  Lust  !  Heute  bringe  ich  meinen 
Stab  zum  Tempel,  da  ich  ihn  nicht  mehr  brauche  und  die 
IMorgensonne  sehen  kann.  Den  Göttern  Dank  l  Dank  dir, 
erhabener  Buddha  !  Fürwahr,  Dank  der  heiligen  Kwannon,  Dank 
der  Kwannon  !    O  wie  wunderbar  ist  die  göttliche  Fügung  ! 

Der  sandige  Hof  von  Tsubosaka, 
Wo  das  Wasser  des  Teichs 
Die  Felsen  rings  herum  bespült. 
Er  ist  ein  hciri^es   Land. 


ENDE, 


DIE  BEDEUTUNG  DES  PRONOMENS  ..dorc". 


BEMERKUNGEN     VON     R.     LANGE     l^ND     K.     FLORENZ. 


Herr  Professor  Lange  hat  die  Redaktion  dieser  Zeitschrift  um 
Aufnahme  folgenden  Schreibens  in  die  ,,  Mitteilungen  "  ersucht : 

Beim  Durchblättern  des  i.  Teiles  des  9.  Bandes  der 
Mittheilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und 
Völkerkunde  Ostasiens  fiel  mir  eine  Bemerkung  auf,  welche 
der  Rezensent  der  Seidel'schen  Grammatik,  Herr  Dr.  Florenz, 
so  nebenbei  über  eine  Stelle  in  meiner  Grammatik  der 
japanischen  Umgangssprache  gemacht  hat.  Er  schreibt  S. 
103:  dorc  nur  von  Sachen!  (Lange's  dore  ,,  welcher ", 
Lehrbuch  p.   39  ist  unrichtig). 

Diese  mit  so  grosser  Bestimmtheit  aufgestellte  Behaup- 
tung ist  falsch  und  irreführend.  Es  unterliegt  auch  nicht 
dem  geringsten  Zweifel,  dass  dore  in  Bezug  auf  Personen 
und  Sachen  gesagt  werden  kann.  Dass  man  in  h(3flicher 
Redeweise  im  ersteren  Falle  daRir  dono  (<?)  kata  sagt,  ist 
selbstverständlich.  Ich  brauche  wohl  kaum  zu  bemerken, 
dass  ich  in  einer  2.  Auflage  manches  anders  fassen  würde 
als  vor  15  Jahren,  aber  die  Uebersetzung  und  Bemerkung 
bei  dore  welcher,  substantivisch  (von  mehreren)  würde  ich 
nie  ändern.  Höchstens  könnte  man,  um  jeder  Spur  einer 
Missdeutung  vorzubeugen,  in  der  Klammer  nach  ,,  mehreren  " 
hinzufügen  :     Personen  oder  Sachen. 

Berlin  d.  18.  Jamiar  igoj.         Prof.  Dr.  R.  Lange. 

Auf  Ansuchen  des  Vorstandes  an  Herrn  Professor  Florenz, 
im  Literesse  derjenigen,  welche  sich  mit  japanischer  Grammatik 
beschäftigen,  eine  Klarstellung  der  angeregten  Bedeutungsfrage 
herbeizuführen,  ist  von  Herrn  F.  folgende  Zuschrift  eingegangen  : 

Die  normale  japanische  Umgangssprache  kennt  nur  eine 
EINZIGE  Gebrauchsweise  von  dore,  nämlich  die  als  Fragepronomen 
mit  Bezug  auf  Sachen.     Jede  andere   Gebrauchsweise  ist  sprach- 


292  LANGE    U.    FLORENZ,    DEDEUTUNG    VON    dore. 

widrig.  \Venn  zuweilen  Kinder  aus  noch  mangelnder  sprachlicher 
Erziehung  dovc  mit  darc  (wer  ?  welcher  ?,  von  Personen) 
verwechseln  oder,  was  aber  höchst  selten  vorkommt,  Erwachsene 
absichtlich  im  Uebermass  zornig- verachtenden  Affektes  dorc 
statt  dai'c  gebrauchen,  um  dadurch  auszudrücken,  dass  sie  die 
betreffende  Person  überhaupt  nicht  als  Menschenwesen  gelten 
lassen  wollen,  dass  sie  eine  blosse  Sache  sei,  so  wird  dies  jederzeit 
und  von  jedermann  als  eine  Anomalie,  ja  als  ein  grober  Sprach- 
fehler betrachtet,  den  man  selbstverständlich  zu  vermeiden  hat. 
Als  daher  Herr  Lange  in  seinem  Lehrbuch  S.  39  dorc  mit  der 
Erklärung  ,,  welcher  (substantivisch)  von  mehreren  "  mitten 
zwischen  die  persönlichen  Interrogativpronomina  dare,  donata 
,,  wer  "  und  dochira,  doclii  ,,  welcher  von  beiden  (substantivisch)" 
einreihte,  war  er  in  einem  L-rtum  befangen  ;  und  er  setzt  an 
Stelle  des  alten  einen  neuen,  wenn  er  jetzt  behauptet,  dore  könne 
nicht  nur  in  Bezug  auf  Sachen,  sondern  auch  in  Bezug  auf 
Personen  gesagt  werden.  Die  Formel  wird  erst  korrekt,  sobald 
sie  heisst :  dorc  ,,  welches  "  (substantivisch)  von  mehreren  Dingen. 
Nichts  ist  leichter  als  den  vollkräftigen  Beweis  zu  führen, 
dass  Herr  Lange  Unrecht  hat.  Ich  werde  zu  dem  Zweck  zunächst 
eine  Reihe  von  Stellen  aus  grammatischen  und  lexikalischen 
Werken  der  hervorragendsten  einheimischen  Autoritäten  zitieren. 

Ötsuki,  K5-Nihon-bunten  ^  0  ;^;^^,  p.  61,  reiht  dorc 
in"  die  Kategorie  der  sog.  shishi-daimcislä  ^b  7j<  f^  ^  B").  ^-  ''^• 
sächlichen  und  lokalen  Pronomina  ein,  nicht  aber  in  die  der 
persönlichen  Pronomina  jindaimcishi  K\K'^  Wi-  I'^  ^'^^  darauf 
folgenden  Tabelle  steht  dorc  in  der  Kategorie  jibiitsii  I^  £j% 
,,  Sachen".  Als  ,,  ursprünglich  sächliche  und  lokale  Pronomina", 
welche  aber  auch  auf  Personen  Anwendung  finden,  zitiert  er 
p.  59  :  konata,  kochi,  sorc,  soko,  sonata,  sochi,  ka,  karc,  a,  arc, 
anata,  donata  etc.     Dorc  ist  nicht  darunter. 

Im  Kö-NiHON-BUNTEN-i5EKKi  ^  0  ^  ^  JÖ:  -^'J  öS  desselben 
Verfassers,  p.  14,  ward  dorc  gleichfalls  nur  als  sächliches  Pronomen 
aufgeführt;  ebenso  in  seinem  Gohö-shinan  In  y'i  ta  ^  P-  H-  I" 
seinem  berühmten  Wörterbuche  Genkai  g;  '\%  p.  734  gibt 
Ötsuki:  „dorc,  Pronomen,  fpj,  Alternativ  für  izwe'',  und  dies 
izure  erklärt  er  p.  71  :  „izurc,  Pronomen,  fpJ,  als  unbestimmtes 
sächliches  Pronomen  gebraucht".  Man  beachte  hierzu,  dass  das 
persönliche  Fragefürwort  tarc,  darc  mit  einem  anderen  Zeichen, 
nämlich  fg  geschrieben  wird. 


LANGE    U.    FLORENZ,    BEDEUTUNG    VON    doVC.  293 

N.  OciHAi  im  NinoN  Daibunten  H  ;^  ;;^  ^  M,  vol.  II, 
p.  15/16  und  ferner  in  der  grammatischen  Einleitung  zu  dem 
grossen  Wörterbuch  Kotoda  no  Izumi  p.  21  hat  eine  ausführliche 
Tabelle,  in  der  er  die  Fragepronomina  in   5   Klassen  einteilt : 

i)  auf  Personen    bezügliche  :  tarc,  darc,  donata. 

2)  ,,    Sachen  ,,  :  irjurc,  nani,  dorc. 

3)  ,,    Ort  „  :  iziire,  iziiko,  izitku,  doko. 

4)  ,,    Richtung  ,,  :  iziirc,    izukata,    izncJii,    donata, 

5)  ,,    Zeit  „  :  itsu.  \dochi. 

Man  beachte,  dass  donata  in  Klasse  i  und  4,  izjirc  in  Klasse 
2,  3  und  4  zitiert  werden,  dagegen  für  dore  nur  die  eine  Ge- 
brauchsweise. Im  Wörterbuch  p.  1015  registriert  Ochiai,  wie  in 
einem  solchen  alles,  auch  Dialektisches,  Obsoletes,  sprachlich 
Zweifelhaftes  umfassenden  Wörterbuche  zu  erwarten,  als  zweite 
Bedeutung  dorc=dan\  aber  unter  Nummer  i  gibt  er  die  eigent- 
liche Bedeutung  iziirc,  dono  mono,  d.  i.  ,,  welches,  was  ",  mit  dem 
ausdrücklichen  Zusatz  ,, Umgangssprache"  ;  zur  zweiten  Bedeutung 
gibt  er  diesen  Zusatz  nicht.  Ich  kann  hierzu  hinzufügen,  dass 
Ochiai  unter  No  2  auf  das  vereinzelte  obsolete  Vorkommen  von 
dore  statt  dare  in  der  älteren  Tokugawa- Literatur  hinweisen 
will.  Ein  solches  vereinzeltes  Beispiel  zitiert  Yamada  Bimyösai 
in  seinem  Dai-Nihon  jlsho  ::^  0  ;^^§  p.  11 -9,  nämlich  aus 
Saikaku's  Roman  Köshoku  Ichi-dai-onna  (erschienen  1686)  den 
Ausdruck    K   ^  |,k  >'*  doresania  zo. 

Nakashima,  Chugaku  Nihon-bunten  rf'  ^  0  ;$:  ;^  J^  p.  120 
bezeichnet  dore  als  sächliches    Interrogativpronomen. 

MivAKE  und  Tajima,  in  Shinsen  Nihon-bunten  =|ff  ^  0  ;$: 
^  ^,  vol.  I,  p.  45,  nennen  in  der  Tafel  der  persönlichen  Inter- 
rogativa  ta,  tarc,  izitrc  [mit  dieser  Bed.  in  Uta  vorkommend]  ; 
p.   46  als  sächliche  iznrc,  na)n,  dore. 

Mat.sushita,  Nihon-Zokugo-bunten  0  ;^ -fg:  Ig  ^  Ä.  (Spezi- 
algrammatik  der  Umgangssprache)  p.  17  :  auf  Personen  bezüglich: 
darc,doitsu  ;  auf  Sachen  bezüglich  dore  (Jfe),  doitsji ;  ortsbezüglich: 
doko,  richtungsbezüglich  :  dotcJd,  dotcJdra  etc. 

K.  IsHiKAWA,  Hanashi-Kotoba  NO  KisoKU  (Spczialgr.  der 
Umgangssprache)  p.  52  Tafel:  auf  Personen  bezüglich:  donata, 
dare,    dono    lato,    dono  yatsu,    doitsii ;    desgleichen    noch    einmal 


294  LAXGK    U.    FLORENZ,    in:i)i:L"rL'NG    vox    don. 

ausführlicher  p.  57 :  pcrsönHch :  darc  {Uvc),  doiiata,  doiio  /nto, 
dono  kata,  dono  o-kata,  iiainpito,  doitsit,  doitsitra.  Dagegen  auf 
Saclicn  bezügHch  p.   54  Tafel  :   nani,  dorc,  ikura,  ikiifsii. 

Diese  Zitate,  die  ich  noch  aus  RIo/Ainie,  Hayashi  und  vielen 
anderen  Autoren  beliebig  vermehren  könnte,  mögen  genügen. 
Wenn  je  in  einer  Frage  ein  conseiis?is  onuiuiiii  bestand,  so  ist 
es  hier  der  Fall.  Zitate  aus  den  \\'erken  europäischer  Japa- 
nologen  kommen  diesen  einheimischen  Autoren  gegenüber  wenig 
in  Betracht ;  die  Zitierenswerten  stimmen  aber,  so  weit  ich  es 
übersehen  kann,  mit  meiner  Auffassung  überein.  E's  sei  nur 
verwiesen  auf: 

Chamberlain,  Handbook  of  Colloquial  Japanese,  3rd  edition, 
p.  52  Tafel  und  Beispiel  da7Ai  p.  53  :  dore  ni  s/iii/iash')  ,,  which 
shall  I  take?" 

Lange's  Beispiel,  Lehrbuch  p.  41  :  ko//o  fitniddgu  no  11  du  de 
don  ga    icldban  ii  ga  ? 

Sämtliche    Beispiele    bei    Hepburn    und  Brincklcy,    nämlich  : 

Hepburn  (4th  edition,  p.  79J :  dorc  Avhich  : — ga  ii  which 
is  the  best,  or  which  do  you  prefer  ?  — 1110  onajikoto  they  are 
both  alike  ;  — demo  yoroshii  either  will  do  ;  kono  hon  n->  ucJn  — ;// 
am  in  \\'hich  of  these  books  is  it  ? — no  hikidaslu  ni  ani  in 
which  drawer  is  it  ?  (besonders  charakteristisches  Beispiel :  nicht 
etwa  in  whose  drawer!)  —  liodo,  or  —  dakc  how  much.  Syn. 
docJnra,  ir^urc. 

Brincklev  (p.  183):  dorc,  pron.  which;  any  one.  dorc 
de  1110  ii  whichever  or  any  one  will  do  ;  dorc  ga  yoi  Avhich  is 
good ;  which  do  (you)  prefer  ?  dorc  kara  Jiajimcyö  which  shall  we 
commence  with ;  where  shall  w'e  start  ?  dorc  dcvio  kaniazvan 
I  do  not  care  which. 

Hoffmann's  schiefe  Ausdrucksweise  (Japanische  Sprachlehre, 
1877,  p.  90):  „Dorc  welcher?  wer  von  einer  bestimmten 
Anzahl  ",  wozu  er  aber  ausser  dem  falsch  übersetzten  Beispiel 
,,  dorc  ino  welcher  immer,  jeder "  —  es  sollte  besser  heissen 
,,  welches  immer,  jedes  "  !  —  die  richtig  sächlich  gefassten  Beispiele 
,,  korcra  no  siyo  no  naka  de  dorcga  nandrji  ni  yokirjo  welches 
von  diesen  Büchern  gefällt  dir  ?  "  und  (p.  91)  dorc  kara  fazimcu 
ao  ?    wo    wird    man    anfangen  ?  "     hinzufügt,    mc")chte    zu    Herrn 


LANGE    U.    FLORENZ,    BEDEUTUNG    VON    dorc.  295 

Lange's     irrtiiinlichcr    .Viiffassung    beigetragen,    wenn     nicht    sie 
hervorgerufen  haben. 

Zu  guterletzt  habe  ich  noch  eine  grosse  Anzahl  Japaner 
aus  verschiedenen  Ständen  persönHch  gefragt,  in  erster  Linie  die 
Fachprofessoren  der  japanischen  Sprache  an  der  Kaiserhchen 
Universität,  die  Herren  Dr.  M.  Uyeda,  Dr.  S.  Fujioka,  Dr.  Y. 
Flaga,  Y.  Hagino,  Dr.  K.  Iloshina,  Dr.  L  Shinmura,  Ober- 
bibHothekar  Dr.  Wada  u.  s.  w.,  und  mehrere  der  namhaftesten 
japanischen  Schriftsteller.  Alle  diese  Herren  ohne  Ausnahme 
haben  meine  im  Gegensatz  zu  Herrn  Lange  aufgestellte  Erklärung, 
dass  nur  der  sächliche  Gebrauch  von  dorc  korrekt  und  zulässig 
sei,  als  die  einzig  richtige  bestätigt. 


Tokyo,  lm  jNIaekz  1903.  K.  Florenz. 


MITTEILUNGEN 

di-:r 

DP:U'rSCHEN  GESELLSCHAFT  FÜR 
NATl^R-  UND  VÖLKERKUNDE  OSTASIENS. 

Band  IX,  Teil  3.  Tokyo,  1903. 

ÖEBER  DIE  URBEWOHNER  VON  JAPAN. 

vox 

Dr.    Y.    KOGANEI, 

Professor  der  Anatomie  an  der  KaiserlieJien    Universität 
rjn   Tokyo. 


Mein'  als  zehn  Jahre  sind  verflossen,  seitdem  ich  die  Frage 
über  die  Urbewohner  von  Japan  behandelt  habe.  Inzwischen 
hat  diese  Angelegenheit  durch  die  Forschungen  sowol  fremder 
als  auch  namentlich  japanischer  Gelehrten  nicht  nur  eine  detail- 
liertere Form  angenommen,  sondern  auch  einen  erheblichen,  fast 
unerwarteten  r'ortschritt  gemacht,  so  dass  es  mir  nützlich  erscheint, 
diese  wichtige,  für  die  prähistorischen  Forschungen  von  Japan 
fundamentale  Frage  hier  einmal  in  zusammenfassender  Weise  dar- 
zustellen und  zugleich  die  Ergebnisse  derjenigen  japanischen 
Arbeiten,  die  nur  in  einheimischer  Sprache  veröffentlicht  worden 
sind,  in  Aveiteren  wissenschaftlichen  Kreisen  bekannt  zu  machen. 

Das  japanische  Reich  ist  bekanntlich  sehr  reich  an  Resten 
aus  der  Steinzeit.  Das  Verbreitungsgebiet  derselben  erstreckt 
sich  vom  Xorden  der  Kurilen  bis  zum  Süden  Forn:osas.  Die 
Zahl    der    Fundorte    der    Steinzeitreste    beläuft    sich    schon    auf 


298  V.    KOGAXEI,    UEIJEK    DIE    L'Rr.EWOlIXl'.K    JAPANS. 

niclir  als  2000,*  die  sich  auf  75  Provin/.cii  uiul  Forrnosa  verteilen, 
so  dass  nur  noch  \veni<^e  Provinzen  übrig  bleiben,  in  denen  solche 
Funde  bis  jetzt  noch  nicht  mit  Sicherheit  gemacht  worden  sind. 
])ie  Fundorte  sind  entweder  einfach  (Irte,  wo  man  auf  der 
■Oberfläche  des  Bodens  verschiedene  Gegenstände  aus  der  Stein- 
zeit fand  oder  eine  diese  Gegenstände  enthaltende  Erdschicht 
oder  Muschelhaufen  (Kjökkenmöddings)  oder  Erdgruben  (Reste 
von  ehemaligen  Wohnungen).  Die  wichtigsten  Gegenstände, 
welche  an  diesen  Orten  gefunden  wurden,  sind  vor  allem  ver- 
schiedene Steingeräte,  wie  behauene  oder  polierte  Steinbeile, 
Pfeilspitzen,  Bohrer,  Steinstäbe  etc,  dann  Geräte  aus  Knochen 
und  Geweih,  sowie  Tongegenstände  in  grosser  Menge,  wie 
allerlei  Gefasse,  menschliche  P'iguren,  irdene  Platten  etc,  ferner 
Knochen  von  verschiedenen  Tieren  und,  was  besonders  wichtig 
ist,  auch  von  Menschen. 

Zunächst  h'agt  es  sich,  ob  die  Menschen,  welche  alle  diese 
Reste  der  Steinzeit  hinterlassen  haben,  eine  einzige  Rasse 
gewesen  sind  oder  ob  es  deren  mehrere  waren.  Nach  den 
Untersuchungen  von  S.  Tsiihoi  Hessen  sich  die  Steinzeitmenschen 
von  Japan  in  zwei  Abteilungen  teilen,  welche  sich  dadurch  von 
einander  unterscheiden,  dass  die  eine,  deren  Reste  auf  den 
RyiTikyü-lnseln  und  P'ormosa  gefunden  ^\■erden,  irdene  Gefäs.se 
mit  Mattenabdruck  und  steinerne  Pfeilspitzen  nicht  gebrauchte, 
und  die  andere,  deren  Reste  auf  \'ezo  und  in  dem  grösseren  Teil 
der  Hauptinsel  vorhanden  sind,  irdene  Gefasse  mit  Mattenabdruck 
und  steinerne  Pfeilspitzen  gebrauchte  und  ausserdem  noch  Geräte 
aus  Knochen  und  Geweih  und  irdene  menschliche  P""iguren  machte. 
Auch  Denzd  Satö  f  ist  der  Meinung,  dass  die  Steinzeitreste  in 
der  Umgebung  von  Taipe  auf  Formosa  von  denjenigen  des 
eigentlichen  Japan  im  Charakter  verschieden  seien,  da  die  bis 
jetzt  dort  gefundenen  irdenen  Gefasse  keine  Verzierungen  haben 
im  Gegensatz  zu  den  reichlich  verzierten  im  eigentlichen  Japan 
und  die  Steinbeile  aus  p^ormo.sa  in  ihrer  ganzen  P\)rm  und  in 
der  P'orm  der  Schneide  sowie  in  der  scharfen  Abgrenzung  des 
Handgriffes  eigentümlich  seien  ;  da  ferner  auf  Formosa  bis  jetzt 
keine  einzige  der  in  Japan  gewöhnlichen  steinernen  Pfeilspitzen, 
kein    Steinstab,    keine    irdenen    menschlichen    Figuren    gefunden 

*  Tabelle    der    FunJorte  von    Keslen  aus  der  Steinz^'.t  in  Japan.  2.   Auil.    1S98. 
(Japanisch). 

I  Journ.  Anthroj)ü].  Soc.  Tokyo,  Xo.   179  (1901). 


Y.    KOGAXEI,    UEBER    DIE    URBEWOIIXER    JAPANS.  2gg 

worden  seien.  Die  erstere  Abteilung  bedarf  jedoch  noch  weiterer 
Untersuchungen,  bis  man  dari^iber  etwas  Bestimmtes  behaupten 
darf.  Diese  Abteilung  von  Steinzeitmenschen  schliessen  Avir 
somit  einstweilen  aus  unserer  Betrachtung  vvillkommen  aus,  und 
im  folgenden  handeln  wir  nur  von  der  letzteren  Abteilung,  weiche 
im  grössten  Teil  des  eigentlichen  Japan  (Honshü,  Shikoku  und 
Kyushü)  und  auf  Yezo  verbreitet  war,  und,  wie  allgemein  aner- 
kannt, als  eine  und  dieselbe  Rasse  zu  betrachten  ist,  da  die 
Reste  im  ganzen  miteinander  übereinstimmen  oder  sich  wenigstens 
keine  solch  erheblichen  Verschiedenheiten  zeigen,  dass  etwa  die 
Zusammengehörigkeit  derselben  ungewiss  werden  könnte. 

Da  stösst  uns  nun  zunr.chst  die  Frage  auf,  ob  diese  Stein- 
.zeitreste  den  Vorfahren  der  Aino  oder  einem  anderen  prä-ainoi- 
schen  Volke  zuzuschreiben  sind.  Mit  anderen  Worten  :  Ist  ein 
Zusammenhang  dieser  Reste  mit  den  Aino  auf  direkte  oder 
indirekte  Weise  nachzuweisen  oder  nicht  ? 

Der  Vertreter  der  einen  Ansicht,  dass  die  Steinzeitreste 
xiCHj'  zu  den  Vorfahren  der  Aino  gehören  und  dass  deshalb  ein 
prä-ainoisches  Volk  angenommen  werden  müsse,  welches  alle  diese 
Reste  hinterlassen  hat,  ist  S.  T^itboi^'^  Professor  der  Anthropologie 
an  der  Univ^ersität  zu  Tokyo.  Durch  langjährige  prähistorisch- 
archäologische  Scudien  suchte  Tsuboi  darzulegen,  dass  zwischen 
den  Urhebern  der  Steinzeitreste  und  den  gegenwärtigen  Aino 
kein  Zusamnienhang  nachzuweisen  sei.  Seine  Auffassung  lässt 
sich  folgendermassen  zusammenfassen  : 

i)  Unterschiede  in  den  Formcharakteren  zwischen  den 
Skelettteilen  der  Steinzeitmenschen  einerseits  und  denjenigen  der 
Aino  und  Japaner  anderseits  ;  hierbei  stützt  sich  Tsuboi  aus- 
schliesslich auf  meine  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand, 
worüber  ich  noch  weiter  unten  ausführlicher  sprechen  werde. 

*  Die  hiirauf  bezüglichen  Aufiätze  von  Isitboi  sind  zahlreich;  die  wicliügsttn 
sind  in  den  folg-nden  japanischen  Zeitschriften  enthalten;  Journ.  Anihropclog.  Soc. 
Tokyo  ( !|i  :§•  A  %.  $•##!£  TüKYÜ  JixiiuiGAKX'  Kwai  Zasshi),  No.  \i  (18S7  i. 
14  (1S87),  31  (18S8;,  llö  (1895J,  1"»  (1896),  120  (1S96  ,  154  (1899},  1«!  (1899;, 
178  (190IJ,   1»7   (1902),   1»S  (1902),   200  (1902)  20;j  (1903). 

Orienta!  Science  Journal  ( j|i  #  ^  ^  ^|  |J.  TöYÖ  Gakugei  Zapshi),  No.  14 S 
(1894),  149  (1894),  leS  (1895),  !'■*  (,1896),  191  (1897),  »9*  (1897),  *•»■>  (1897), 
197   (l89S>,   199   (1898),   206  (1898),  209  (1899)  226  (I900}. 

Historische  Zeitsclirift  (  {fe.  ^  ^.|  fj  SlIlGAKU  Zasshi},  No.  40,  41,  44. 

Religion  (^f!c  ShCkyö),  vol.  VIII.  Xo.  53. 

Ferner  in  Haiiptzügen  :  H  *  ^  tl  HJF  'f^  A  S  it  1^^  M  E  JÖ  ^  ^  Tabelle  der 
Fundorte  von  Resten  aus  der  Steinzeit  in  Japan.  2.  Aufl.   1S98  (Japanisch). 


300  V.    KOfiANKI,    II'.BKR    OIE    l"KI!i:\\()I  I  M:K     [APANS. 

2)  Zahncaries  ist  bei  tlcn  Stciii/citmcnschcn  wrhältnismässig 
häufii^,  während  sie  hS\  cL'ii  Aiiio  sehr  selten  ist,  indem  nach 
der  Untersucluin«;"  von  Adaciii"  an  5  Unterkiefern  der  Stein- 
zeitnienschen   2  da\'on  je    i    cariDSjn  Zahn   hatten. 

3)  Die  Resultate  der  Untersuchungen  an  irdenen  mensch- 
lichen Figuren.  Diese  repräsentieren  eine  grosse  Mannigfal- 
tigkeit bezüglich  Grösse  und  Kunstfertiglceit,  lassen  sich  jedoch 
im  ganzen   in  2   Gruppen  einteilen. 

Die  eine  Grup[)e  :  Koj^fhaar  als  ein  \erhältnismässig  ein- 
facher Knoten,  an  der  Augengegend  Schneebrillen  tragend, 
Obcrkleid  ähnlich  i\<:\\  Trikothemden  mit  engen  Aermehi'  und 
Löchern  an  der  Hrustgegend,  Mammalgegend  verhältnismässig 
schmächtig,  Beinkleid  mit  weitem  oberen  und  engem  imteren 
Teil"  (wie  das  jap.  Tattsuke  genannte  Kleidungsstück). 

Die  andere  Gruppe  :  Haarknoten  mehr  komi)liziert  und  in 
verschiedener  Form,  Gesicht  häufig  mit  Masken  bedeckt,  Ober- 
kleid mit  engen  Aermeln  und  von  Brust  bis  Bauch  aufgeschlitzt, 
Mammalgegend  hervorragend,  Bauch  aufgetrieben,  Beinkleid 
eng  anliegend.  l^s  würde  zutreffend  .sein  diesen  Unterschied 
zwischen  beiden  Gruppen  als  Unterschied  der  Geschlechter 
anzusehen,  und  wenn  dies  richtig  ist,  so  wird  die  erstere  männ- 
hch   und  die  letztere  weiblich  sein. 

Nun  ist  aber  bei  einer  genauen  Betrachtung  des  Gesichts 
der  als  männlich  zu  bezeichnenden  F'iguren  keine  Andeutung 
eines  Bartes  zu  sehen.  Dies  steht  im  Gegensatz  zu  den  so 
stark  behaarten  Aino,  denen  der  Bart  ein  wertvolles  Kleinod 
ist.  Untersucht  man  die  Kleidung  und  Tracht  an  iXcw  irdenen 
F'iguren,  .so  findet  man  verschiedene  Punkte,  die  mit  den  Aino 
nicht  überein.stimmen.  Die  Haartracht  ist  ganz  veischieden  ; 
die  männlichen  F^iguren  tragen  das  Haar  als  Knoten  \-on  mehr 
einfacher,  und  die  weiblichen  in  verschiedener,  weit  kom- 
plizierterer F'orm,  während  die  Aino  ihr  Haar  in  bekannter  Weise 
horiz<intal  abschneiden,  bei  Männern  in  der  Flöhe  des  Ohr- 
läppchens, bei  Weibern  etwas  tiefer.  Tätowierungen  am  Gesicht 
scheinen  wie  bei  den  Aino  so  auch  bei  den  Steinzeitmenschen 
\orgenommen  worden  zu  .sein  ;  aber  diejenigen  der  Steinzeit 
sind  auf  beiden  Wangen  durch  krumme  Linien  bezeichnet, 
wogegen  die  der  Aino  von  der  Umgebung  des  Mundes  nach  dem 
Ohr  spitz  auslaufen. 

-  Jüurn.  Anthropol.  Sjc.  Tokyo.  Xo.  121  (l.s96). 


V.    RÜGANEI,    UEDER    DIE    URHEWOHXER    JAPAN'-.  301 

Lässt  man  aber  die  J'^orm  der  Tätowierung  ausser  Acht, 
so  ist  die  Sitte  des  Tätou'ierens  beiden  gemein.  Aber  diese 
Sitte  ist  bei  so  vielen  Rassen  gebräuchlich,  dass  sie  als  Zeichen 
der  Zusammengehörigkeit  der  Rassen  nicht  verwertet  werden 
kann.  Ueberdies  sollen  die  Aino  nach  ihrer  Tradition  (Koro- 
pokguru-Sage)  diese  Sitte  den  Steinzeitmenschen  abgelernt  haben. 
Auch  Ohrringe  sind  bei  beiden  gebräuchlich,  was  gleichfalls 
wegen  der  grossen  Verbreitung  dieser  Sitte  niclit  als  Rassen- 
zeichen dienen  kann.  Die  Sitte  die  Lippen  zu  durchbohren  und 
darin  knopfartige  Dinge  zu  tragen  scheint  bei  den  Steinzeitmen- 
schen, gerade  wie  bei  den  Eskimo,  gebräuchlich  gev/esen  zu 
sein.  Es  sind  nicht  nur  als  mit  solchem  Schmuck  versehen  zu 
deutende  menschliche  Eiguren  vorhanden,  sondern  es  wurden 
auch  kleine  manchettenknopfförmige  Tongegenstände  gefunden, 
die  vielleicht  als  Lippenschmuck  gebraucht  worden  sind.  Die 
Aino  tragen  solchen  Schmuck  nie.  Die  Steinzeitmenschen  hatten 
eine  schirmartige  Kopfbedeckung  und  einen  Hut  ;  etwas  ähnliches 
haben  die  Aino  nicht.  An  manchen  Eiguren  der  Steinzeit  sieht 
man  eine  Kapuze,  etwa  wie  an  einer  Mönchskutte  ;  eine  ähnliche 
wird  auch  bei  den  Aino  gebraucht,  aber  der  Schnitt  und  die 
Art  und  Weise  sie  anzuziehen  ist  verschieden.  Schneebrillen 
wurden  von  Steinzeitmännern  sicher,  Gesichtsmasken  von  Stein- 
zeitweibern wahrscheinlich  gebraucht,  beide  sind  bei  den  Aino 
völlig  unbekannt.  Bei  weiterer  Untersuchung  von  Masken  und 
ähnlichen  Gegenständen  sind  ausser  den  mit  Masken  versehenen 
irdenen  Menschenfiguren  auch  eine  wirklich  als  solche  gebrauchte 
Maske  und  mehrere  jModelle  \on  Masken  in  kleinerem  Eormat 
sowie  einige  eine  Maske  darstellende  Handhaben  von  irdenen 
Gefässen  bekannt  geworden. 

Daraus  darf  man  jedoch  nicht  schliessen,  dass  die  Stein- 
zeitmenschen etwa  nur  irdene  Masken  gebraucht  hätten,  vielmehr 
werden  sie,  wie  dies  bei  vielen  Naturvölkern  der  Eall,  wahr- 
scheinlich auch  aus  Holz  oder  Leder  verfertigte  Masken  gehabt 
haben.  Auf  die  Erage,  zu  w^elchem  Zwecke  die  Masken  dienten, 
ob  sie  beim  Tanz,  resp.  bei  Vergnügungen,  oder  ob  sie  bei  aber- 
gläubischen Zeremonien  gebraucht  wurden,  lässt  sich  antworten, 
dass  das  letztere  mehr  wahrscheinlich  ist  als  das  erstere.  Die 
Aino  gebrauchen  nicht  nur  l-ceine  Masken,  sondern  es  ist  auch 
keine  Ueberlieferung  vorhanden,  dass  sie  üaiher  solche  gebraucht 
hätten.  Das  Oberkleid  der  Steinzeit  hat  enganliegende  Aermel 
und    ist    bei    den    Männern    vorne    creschlossen    wie    bei    einem 


302  V.    KOGAXEI,    l'Er.ER    DIE    LR]ii:\\()IIXER    JAPANS. 

Trikothemde,  so  dass  es  beim  Anziehen  über  den  Kopf  gezogen' 
werden  muss  ;  bei  den  weiblichen  1^'iguren  ist  es  vorne  anein- 
andergelegt. J)as  Aino-Kleid  hat  weite  Aermel  und  wird  wie 
das  japanische  Kleid  vorne  übereinandergelegt  und  darauf 
mit  einem  Gürtel  fest  gehalten.  Die  Steinzeitmenschen  hatten 
IV-inkleider,  die  Aino  aber  nicht. 

4)  In  der  Nahrung  sind  auch  Unterschiede  vorhanden, 
nämlich  die  Steinzeitmenschen  verzehrten  gerne  Muscheln,  so  dass 
die  weggeworfenen  Schalen  sich  zu  den  bekannten  Muschelhügeln 
anhäuften,  während  die  Aino  Muscheln  nicht  gerne  essen  oder 
di'ch  nicht  in  solcher  IMenge,  dass  die  Abfälle  Hügel  bilden 
könnten.  Unter  den  Resten  der  Steinzeit  kommen  neben  Tier- 
knochen Menschenknochen,  die  gebrochen,  gespalten  oder  ange- 
schnitten sind,  vor,  was  auf  die  Ausübung  des  Kannibalismus 
hinweist,  während  die  Aino  tote  Menschen  im  höchsten  Grade 
wrabscheuen. 

5)  Die  Wohnung  der  Steinzeitmenschen  war  eine  Erdjurte. 
Spuren  von  Erdjurten  sind  als  Gruben  auf  Yezo  in  grosser 
Zahl  vorhanden.  Die  k^orm  derselben  ist  rundlich,  viereckig, 
sanduhrförmig  oder  unregelmässig,  die  Aino-Hütteii  sind  stets 
rechteckig  und  nie  über  solchen  Gruben  sondern  auf  dem  platten 
Boden  gebaut.  Ueberhau[)t  ist  zwischen  den  Jurten-Wohnungen 
der  Steinzeitmenschen  und  den  Hütten  der  gegenwärtigen  Aino 
gar  keine  Aehnlichkeit  nachzuweisen. 

Auch  ist  unter  den  Yezo -Aino  keine  Ueberlieferung  vor- 
lianden,  dass  ihre  Vorfahren  in  iMTljurten  gewohnt  hätten,  obwohl 
aus  dem  Zustande  der  Gruben  zu  erraten  ist,  dass  diese  -nicht 
so  geraume  Zeit  zurückliegen,  dass  die  diesbezügliche  Ueber- 
lieferung hätte  ganz  verfälscht  werden  können  ;  kurz  es  ist  kein 
einziger  Grund  vorhanden,  die  Gruben  als  S[Hwen  von  Aino- 
W'ohnungen  zu  bezeichnen.  Die  Anordnung  der  Wohnungen 
ist  auch  zwischen  beiden  x'erschieden,  selbst  beim  grössten  Aino- 
Dorfe  sind  nur  etwa  30  Hütten  in  einer  Reihe  angeordnet, 
dagegen  bilden  die  Gruben  grössere  Gruppen,  ja  bis  hunderte 
an  einem   Orte. 

6)  Die  Steingeräte,  welche  von  den  Steinzeitmenschen  in 
ausgedehntem  Masse  gebraucht  wurden,  haben  die  Aino  jetzt 
nicht  mehr. 

Dass  die  Aino  früher,  ehe  sie  von  anderen  Vt'ilkern  k~isen- 
geräte  erhielten,  Steingeräte  gebraucht  haben,  ist  wohl  anzu- 
nehmen ;    aber  dieses  Zeitalter  muss  sehr,  sehr  weit  zurückliegen. 


Y.    KOGANEI,    UEBER    HIE    URBEWOHXER    JAPANS.  303 

denn  schon  seit  uralter  Zeit  befanden  sich  die  Aino  im  Südjn 
mit  den  Japanern  in  Berührunt:^,  und  im  Norden  habjn  sie  mit 
den  Kulturvölkern  des  Festlandes  direkt  oder  indirekt  Tausch- 
handel getrieben.  Dass  die  somit  in  so  entlegener  Zeit  von 
den  Aino  gebrauchten  Steingeräte  in  verhältnismässig  jungen 
W'ohnungsresten  auf  Yezo  in  so  grosser  Menge  gefunden  werden 
sollten,  ist  gar  nicht  annehmbar.  Vergleicht  man  die  Art  und 
\\'"eise,  wie  die  steinerne  Pfeilspitze  an  dem  Pfeilschaft  angebracht 
wird,  und  wie  die  Aino  mit  ihren  aus  Bambusstücken  verfertigten 
Pfeilspitzen  verfahren,  so  findet  man  darin  auch  einen  Unterschied. 

7)  In  den  Wohnstätten  der  Steinzeit  werden  sehr  viele  irdene 
Gefäs.se  gefunden,  die  Aino  jedoch  machen  nie  solche.  Wenn 
die  Aino  eiserne  Kochkessel  nicht  bekommen  können,  so  machen 
sie  aus  Birkenrinde  ein  Gefäss,  welches  mit  Erde  bestrichen 
wird,  und  kochen  darin.  Zum  Auftragen  von  Speisen  haben  die 
Aino  Holznäpfe,  Holzteller  und  dgl.  und  fühlen  so  nicht  den 
Mangel  an  irdenen  Geschirren. 

<S)  Auch  im  Kunstgeschmack  ist  ein  Unterschied  zwischen 
den  Steinzeitmenschen  und  den  Aino  zu  konstatieren.  Lnter 
den  Resten  der  Steinzeit  sind  schon  Hunderte  von  irdenen 
menschlichen  Figuren  gefunden  worden,  aber  Figuren  von  Säuge- 
tieren kamen  nur  3  mal  zur  Beobachtung,  solche  von  Vögeln 
oder  Fischen  keinmal  ;  dagegen  in  der  Schnitzerei  der  Aino 
sind  die  Figuren  von  Säugetieren,  Vögeln  und  Fischen  ganz 
gewöhnlich  und  es  finden  sich  nur  ausnahmsweise  Menschen- 
figuren. Die  Verzierungen  an  den  irdenen  Gefässen  der  Steinzeit 
stimmen  mit  denjenigen  der  hölzernen  Gegenstände  der  Aino 
nicht  überein  ;  bei  den  ersteren  überwiegen  fortlaufende,  bei  den 
letzteren  dagegen  in  Reihen  angeordnete  Muster.  Die  Steinzeit- 
menschen hatten  verschiedene  Dinge  mit  roter  Farbe  bestrichen, 
die  Aino  tun  das  sehr  selten. 

An  der  äusseren  Pläche  von  irdenen  Gefässen  sieht  man 
häufig  Abdrücke  von  einem  gewebten  Stoff.  Die  Webeweise 
dieses  Stoffes  und  die  des  ainoischen  Stoffes  Attushi  ist  ganz 
verschieden.  Häufig  sind  auch  an  der  Bodenfläche  Abdrücke 
von  verschiedenen  Geflechten  vorhanden,  deren  beinahe  20 
Sorten  sich  unterscheiden  lassen.  Keine  einzige  davon  hat  eine 
Aehnlichkeit  mit  den  geflochtenen  ainoischen  Gegenständen. 

Auf  Grund  der  obigen  Beobachtungen  kommt  Tsnboi  zu 
dem  Schlüsse,  dass  diese  Steinzeitmenschen  nicht  die  Vorfahren 
der  Aino  gewesen  seien,  und    nimmt  ein  anderes  Volk  dafür  an. 


304  V-    KO(;.\xi:r,  ueui<:r   pik   lki;i:\\()iixek  j.m'ans. 

9)  Ueber  dieses  Volk  der  Steinzeit  ist  unter  den  Japanern 
geschichtlich  nichts  bekannt,  unter  den  Aino  ist  aber  eine 
Ucberlieferunsj;  daiiiber  vorhanden,  deren  Hauptpunkte  die  folgen- 
den sind:  ,,  H^m  der  Einwanderung  der  Aino  von  der  Ilauptins,.-] 
nach  Ye/.o  war  diese  Insel  nicht  leer,  sondern  \'on  Menschen 
bewohnt,  die  von  kleinerem  Wüchse  als  die  Aino  waren  und 
keinen  Bart  hatten.  Diese  Menschen  wohnten  in  lu-djurten,  deren 
Dächer  hauptsächlich  mit  Pestwurzblättern  bedeckt  waren ;  sie 
gebrauchten  Steingeräte  und  irdene  Geschirre  ;  sie  unterhielten 
anfangs  mit  den  Aino  friedlichen  Verkehr  und  tauschten  Waren 
aus;  später  entstanden  in  Tokachi  Zwistigkeiten  und  sie  wollten 
nicht  mehr  mit  den  Aino  in  Berührung  bleiben  und  flüchteten 
allmählich  nach  Norden.  Sie  hatten  aus  leichtem  Material 
Kähne  verfertigt,  womit  sie  auf  dem  Wasser  fuhren,  auf  dem 
Lande  aber  wurden  dieselben  getragen.  Sie  hatten  gewöhnlich 
Kleider  an,  aber  in  der  Jurte  waren  sie  vielleicht  manchmal 
nackt ;  über  ihre  Haartracht  ist  nichts  sicher  bekannt,  aber  die 
Weiber  scheinen  zum  Teil  die  Haare  Avie  die  Aino-Weiber 
geschnitten  getragen  zu  haben  ;  die  W^-iber  tätowierten  sicli  um 
den  Mund  und  an  der  Hand  und  am  Vorderarm  ;  die  Aino- 
Weiber  haben  dies  nachgeahmt."  Die  Aino  bezeichnen  diese 
Menschen  mit  verschiedenen  Namen,  aber  der  gebräuchlichste 
ist  Koropokgnru,  womit  auch  Tsuboi  sein  prä-ainoisches  Volk 
gewöhnlich  bezeichnet.  Das  Zeitalter  der  grössten  Verbreitung 
der  Koropokguru  schätzt  Tsuboi  auf  etwa  3000  Jahre  \'or  jetzt. 
Ihre  Reste  seien  aber  in  Hokkaido  (Yezo)  verhältnismässig 
jünger  als  auf  der  Hauptinsel.  Dies  sei  aus  der  Entfernung  der 
Muschelhaufen  von  der  jetzigen  Meeresküste,  aus  der  Dicke  der 
Erdschicht,  welche  die  Steinzeitreste  bedeckt,  aus  VY'rschieden- 
heiten  der  Schalen  jener  Muschclhaufen  und  solcher  der 
Gegenwart  zu  schliessen.  Eine  genaue  Art  und  WV'ise  seiner 
Schätzung  ist  aber  nicht  angegeben.  Die  Richtung  der 
Wanderung  der  Koropokguru  genau  auszuforschen,  sei  keine 
leichte  Sache.  Dass  sie  aber  zuletzt  von  Süden  nach  Norden 
wanderten,  sei  zweifellos,  denn  die  Reste  der  Steinzeit  sind  auf 
Yezo  jünger  als  auf  der  Hauptinsel. 

7J///Wbehandelt  weiter  noch  die  Erage  betreffend  das  Schicicsal 
der  Koropokguru,  ob  sie  in  Yezo  ausgestorben  sind  oder  ob  weiter  im 
N^orden  irgendwo  ihre  Nachkommen  noch  existieren,  und  entwickelt 
eine  sehr  weitgehende  Hypothese  über  die  Beziehungen  zwischen 
den    Koropokguru    luid    den  h^skimo   in  folgender  Weise :     Eine 


y.    KÜGAXEI,    LEÜER    DIE    L'RÜEWOMXER    JAPANS.  305 

bestimmte  Antwort  auf  diese  Fra^"e  zu  geben  ist  wegen  Mangels 
an  Material  nicht  möglich.  Aber  unter  den  jetzt  existierenden 
Menschen  im  Norden  haben  die  körperlichen  Eigenschaften  und 
die  Sitten  und  Gebräuche  der  Eskimo  grosse  Aehnlichkeit  mit 
denen  der  Koropokguru,  welche  durch  die  Tradition  der  Aino 
und  durch  die  Untersuchungen  der  Steinzeitreste  erraten  worden 
sind.  Die  wichtigsten  Punkte,  in  denen  die  Koropokguru  und 
Eskimo  mit  einander  übereinstinmien,  sind  i)  rundes  Gesicht 
bei  beiden  ;  2)  Eartlosigkcit  der  Männer  bei  beiden ;  3) 
das  Haupthaar  scheint  bei  den  K.  herabhängend  und  ab- 
geschnitten oder  als  Knoten  getragen  worden  zu  sein  wie 
bei  den  E.,  bei  welchen  je  nach  der  Gegend  beide  Arten 
vorkommen  ;  4)  Tätowierung  an  Gesicht  und  Händen  bei  beiden  ; 
5)  Durchbohrung  der  Lippen,  um  daran  einen  Schmuck  zu 
tragen,  bei  beiden  ;  6)  Gebrauch  von  tierzahnähnhch  geformten 
Schmuckgegenständen  (ähnlich  dem  altjapanischen  Schmuck 
Magatama)  bei  beiden  ;  7)  Schneebrillen  bei  Männern  \'on  bei- 
den ;  8)  K.  sollen  manchmal  nackt  gewesen  sein,  was  bei  E. 
innerhalb  der  Jurten  auch  \'orkommt  ;  9)  Kapuze  wie  an 
Mönchskutten  bei  beiden  ;  10)  Lendentuch  zur  Bedeckung  der 
Schamteile  bei  beiden;  11)  Oberkleid  und  Hosen  von  Männern 
und  Weibern  bei  beiden  im  Stoff  möglicherweise  verschie- 
den, aber  in  der  Form  ganz  gleich;  12)  Jurtenwohnung  bei 
beiden,  aber  Baumaterialien  verschieden,  was  bloss  auf  einer 
Verschiedenheit  der  Naturbeschaffenheit  des  bewohnten  Landes 
beruht;  13)  dass  mehrere  Familien  in  einer  Jurte  zusammen- 
wohnen, scheint  bei  K.  üblich  gewesen  zu  sein  wie  bei  E.  ; 
14)  Steingeräte  bei  beiden  sind  so  ähnlich,  dass  sie  manchmal 
schwer  von  einander  zu  unterscheiden  sind;  15)  ähnlich  sind  auch 
viele  Geräte  aus  Knochen,  Geweihen  und  Zähnen  ;  16)  die 
irdenen  Menschenfiguren  und,  obwohl  viel  seltener,  Tierfiguren 
der  K.  und  diejenigen  der  E.  aus  Seetierzähnen  sind,  abgesehen 
von  der  Verschiedenheit  des  ^laterials,  sehr  ähnlich  ;  17)  in  der 
Art  der  Fischerei  ist  eine  bemerkenswerte  Uebereinstimmung 
vorhanden,  nämlich  unter  den  Steinzeitresten  sind  viele  Spiesse 
aus  Knochen  vorhanden,  uikI  man  hat  sogar  einen  Kopfknochen 
eines  Tai-Fisches  *  mit  einem  ebensolchen  Spiess  daran  aus 
einem  ]\Lischelhaufen  bei  Shiizuka  (Prov.  Hitachi)  gefunden.  Die 
Eskimo  gebrauchen  auch   solche  Knochenspiesse  und  binden  am 

*  Pagrus  tumifrons. 


305  V.    KOGANKF,    UEIÜCR    HIE    LKliEWOllXEK    JAPANS. 

S[)icssschafi:  eine  schwininicnde  IMasc  an,  deren  Mirndteil  aus 
Renntiei'gevvcih  oder  Scetierzahn  gemacht  ist  ;  diesem  Mundteile 
ganz  gleiche  aus  Hirschgeweih  v^erfertigte  Dinge  sind  an  einigen 
Orten  in  Japan  gefunden  worden.  Ferner  die  F.ntdeckung  einer 
aus  dem  Zahn  eines  Seesäugetiers  geschnitzten  menschlichen 
Figur  in  einem  Muschelhaufen  auf  der  kleinen  Insel  Rishiri  bei 
Yezo,  welche  mit  solchen  von  Ivskimo  grosse  Aehnlichkeit 
zeigt,  verstärkt  die  Aehnlichkeit  zwischen  den  Steinzeitmenschen 
und    den    Eskimo    noch    mehr. 

Die  Punkte  aber,  welche  die  Koropokguru  und  Eskimo 
von  einander  unterscheiden,  sind  aucli  in  Erwägung  zu  ziehen  : 
i)  die  K.  machten  verschiedene  irdene  Geschirre,  die  E.  machen 
gar  keine  ;  2)  die  K.  lieben  umschlungene  fortlaufende  Ver- 
zierungen (wie  japanisches  Karakusa),  die  Iv  nicht  ;  3)  unter 
den  Gegenständen  der  K.  sind  als  Bilder  zu  bezeichnende 
Sachen  gar  nicht  vorhanden,  unter  den  Gegenständen  der  E. 
sind  solche  Beispiele  nicht  selten  ;  4)  die  K.  verfertigten 
verschieden:  Gewebe  imd  Geflechte,  die  E.  nicht  ;  5)  die  K. 
gebrauchten  Feuer  zur  Bereitung  von  Speisen,  die  E.  verzehren 
ihre  Speisen  roh.  Dieses  letztere,  sowie  dass  die  Eskimo  keine 
irdenen  Geschirre  machen,  scheinen  bedeutsame  Unterschiede  zu 
sein,  aber  im  Mskimo-Lande  wachsen  keine  Pflanzen,  so  dass  es 
möglicherweise  nur  die  notwendige  P'olge  des  Mangels  an 
Brennmaterialien    sein    ktrante. 

Da  aber,  obwohl  Koropokguru  und  P^skimo  mit  einander  so 
grosse  Aehnlichk-eiten  haben,  beide  mit  einander  nicht  vollkommen 
übereinstimmen,  so  dürfen  die  Eskimo  nicht  einfach  als  Nach- 
kommen der  Koropokguru  bezeichnet  werden.  Man  kann  nicht 
wissen,  ob  durch  Mischung  von  Koropokguru  mit  anderen  Rassen 
die  Eskimo  entstanden  sind,  oder  ob  aus  einem  grossen  Rassen- 
stamm die  eine  Abzweigung  die  Ureskimo,  und  die  andere  auf  den 
japanischen  Boden  gekommene  die  Urkoropokguru  gebildet  hat. 
Ueber  die  wahren  Beziehungen  zwischen  beiden  lässt  sich  somit 
noch  kein  klares  Urteil  fällen,  aber  es  ist  doch  nicht  mehr  zweifel- 
haft, dass  zwischen  beiden  ein  inniger  Zusammenhang  besteht. 

In  der  neuesten  Nummer  (No.  203,  P'ebruar  1903)  des 
Journal  of  the  Anthropol.  Soc.  of  Tokyo  erwähnt  Tsnboi  auf 
Grund  der  Berichte  von  J.  Miirdoch  und  H..  \V.  XcUon,  dass 
auch  unter  den  Eskimo  die  Töi^ferkunst  bekannt  sei,  so  dass  der 
eine  von  den  angeführten  Unterschieden  zwischen  den  Koropok- 
guru und   den  I'.skimo  wegfallen  würde. 


V.    KOGAXEI,    L'EDER    DIE    URBEWOllNER    JAPANS.  307 

Der  Meinung  von  Tsiiboi  schlicsst  sich  Yagi^^  vollkommen 
an.  Vagi  und  Skiniomura\  zitieren  ferner  als  einen  (irund  für 
ihre  Annahme,  dass  die  Erbauer  der  Muschelhaufen  nicht  die 
Aino  waren,  eine  Stelle  aus  einem  alten  Werke,  dem  Hitachi- 
Füdoki,  t  welche  sich  auf  einen  Muschelhaufen  bezieht  und 
lautet  :  ,,  In  uralter  Zeit  waren  Menschen  von  riesii^er  Grösse 
\-orhanden,  auf  einem  Hüg;el  sitzend  fingen  sie  Muscheln  und  assen 
sie."  Hätten  die  Aino  Muscheln  als  Hauptnahrung-  verzehrt  und 
Muschelhaufen  gebildet,  so  wäre  es  nicht  denkbar,  dass  dies  zur 
Zeit,  wo  dieses  Werk  verfasst  wurde,  vollkommen  vergessen 
worden  und  nichts  darüber  erwähnt  sei.  }'.  Miyakc  §  sucht  gleich- 
falls aus  historischen  Daten  nachzuweisen,  dass  die  Aino  vor  etwa 
looo  Jahren,  in  welcher  Zeit  sie  noch  die  Gegend  v(jn  Nambu 
(Prov.  Rikuchü)  und  Tsugaru  fProw  Mutsu)  in  Besitz  hatten 
und  öfters  EinföUe  ^^w  Süden  machten,  siclisrlich  nicht  mehr 
Pfeile  mit  steinernen  Spitzen  gebrauchten,  \'ielmehr  dass  dieselben 
um  diese  Zeit  nach  einem  Gewitter  auf  dem  P^elde  in  demselben 
Zustande  wie  jetzt  gefunden  wurden  und  als  eine  Merkwürdigkeit 
grosses  Erstaunen  erregten,  und  er  fügt  hinzu,  dass  die  steinernen 
Pfeilspitzen  überhaupt  in  der  historischen  Zeit  Japans  unter  den 
Aino  nicht  mehr  gebräuchlich  gewesen  seien. 

Diese  historischen  Hinweisungen  wurden  von  Tsitboi\  auch 
als  ein  Hilfsgrund  für  seine  Ansicht  über  die  Koropokguru 
angenommen.  Dcnrjö  Satö  ||  äussert  gelegentlich  bei  der  Unter- 
suchung von  Erdgruben  auf  der  Hauptinsel  die  Vermutung,  dass 
die  Koropokguru-Sage  der  Aino  eine  Ueberlieferung  \-on  Tat- 
sachen sei.  So  weit  die  Ausführungen  von  Tsiiboi  und  seinen 
Anhängern. 

Andererseits  sind  nun  \-iele  Eorscher  vorhanden,  welche 
der  Ansicht  sind,  dass  alle  Reste  aus  der  Steinzeit  von  den 
Vorfahren  der  Aino  herrühren,  dass  die  sog.  Koropokguru 
somit  nui'  ein  imaginäres  \'olk  seien.  unter  den  japanischen 
Forschern    ist    zunächst     zu    nennen     S/nrai°    der    hauptsächlich 

■•'    n  ^#lS"$    Japanische  Arcl-.aeo]ogi8.     Bd.  I.   2.  Aufl.    1S98.  fjapanisch.) 
t  Jouni.  Anthrop.  S  ,c.  Tokyo.   Xo.  S7.  (1893). 

+   'J^i^MiitE    Topographische     ücichreibung     der     IVov.      Iliiachi.     verfasst 
vor  ca.   1200  Jahren. 

§  Journ.  Anthrop.  Soc.  Tokyo.  Xo.  56.  (1890:. 

•J  Ibid.  Xo.   198.  (1902). 

II   Ibid.  Xo.   145.  (1898). 

°  Ibid.  Xo.   II.  (1887),   13  (1887),  43  (1889). 


308  Y.   KoiiANEi,  L'Kiü'K    DU':  n<i!i-:\\niiM-;i<  jai-ans. 

hcrvor<4'chubci"i  hat,  tlass  die  Aino  ehemals,  als  ihnen  lCisen;4ei'rite 
noch  unbekannt  waren,  notwendigerweise  Steingeräte  und  irdene 
Gefässe  gebraucht  liaben  miissten  und  dass  die  Sachalin-Aino 
noch  jetzt  im  W'intjr  ICnljurten  bewohnen  ;  ferner  Shitoini 
Satö^'  Ycij/iaiiaka  '\  u.  a.  Auch  ich  |  habe  mich  schon  früher 
gegen  die  Ansicht  \on  Tsiiboi  ausgesprochen.  Im  folgenden 
möchte  ich  nun  die  Ausführungen  von  Tsnboi  etwas  Ucäher 
erörtern  und  meine  Meinung  über  die  \'orliegende  h^'age  ent- 
wickeln. 

Um  die  [)hysischjn  Verschiedenheiten  zwisclien  (k^w  Stein- 
zeitmenschen und  den  Aino  nachzuweisen;  benutzt  Tsnboi  die 
Zahlen  meiner  Messungen,  nämlich  den  kleinsten  luid  grössten 
Durchmesser  der  Mitte  des  Oberarmknochens,  den  transversalen 
und  sagittalen  Durchmesser  der  Mitte,  sowie  des  oberen  Teiles 
"(3  cm  unterhalb  des  Trochanter  minor)  des  Oberschenkelknochens 
und  der  Mitte  des  Schienbeins  und  die  Indices  von  allen 
■diesen  Knochen.  Hierbei  ist  zu  bemerken,  dass  Tsuboi  nicht 
meinen  neueren  §  an  Material  bereicherten  und  auch  etwas 
■  berichtigten,  sondern  (\c\\  älteren  Aufsatz  ^  benutzt  hat.  Ein 
'Grund  dafür  ist  nicht  angegeben.  Ich  möchte  hier  die  Zahlen 
wiedergeben. 

Oberarm  RX()CH?:x. 

Kleinstei'  luiis^ior 

Durt-lmiossov  il.     niinlnnrs^cr  il.         Imlox. 
Mitlc     mm  .Mille,     mm 

Oberarmkiiocbeii   aus  Miisclielluiufen     .     .     .        14,7  22,0  -    66, <S 

(Mittel  von  7   Siück) 

OI)erarmknocl.e'!  der  Aiiio i().7  220  75,9 

OljerannkiHjclien  der  Japaner 14.7  18,4  79,9 


""   Ibid.   Xo.  47  (1890). 

t   Ibid.   Xo.   50  (1890). 

X    Ibid.    Xo.   44-45   (1889),   56  (1890). 

Beiträge  z.  physiicheii  Anthropologie  d.  .Vino.  MiU.  der  med.  I'ak.  T'ikyo. 
•BJ.  II.  1894.  Kurze  MiUcüung  üb.  Unteraucli.  an  lebenden  Aino.  .\rcli.  f.  Anlliroj). 
■B.  XXIV. 

\  -Mut.  d.  med.   Fak.  T.lkyö.  Bd.  II.   1894.     .Vrch.  f.  .\nthrop.  15(1.  XXIV^ 

1  Journ.  -Vnthrop.  Soc.  Tokyo.     Xo.  56  (1890). 


V.    KOGANEI,    UEDER    DIE    URBEWOHXER    JAPANS.  3O9, 

OUERSCI  1EXKELKN"(  )CI  lEN . 

Trans  vcrsalcr  .Sauittalor 

DurcliJiicsser  d.     Durcliiucssor  d.  Iiiclox. 

Mitte,     miu  Mitto.     uiui 

Oberscl;enkelknoclien  aus  Muschelliaufen     .       24,1  266  110,4 

(Mittel  von   13  Stück) 

(»bersclienkclkiKichen  der  Aino      .     '.     .     .       258  26,6  103,1 

Oiierschenkelknochen  der  Japaner       .     .     .       23,2  23,2  loo,a 


Index  .'!  cm  unterluill 
d.  Trocli.   min.     nini 


OI)er^chenl^elknocLen  aus  Muschel  häufen     .     .     .  72.7 

(Miilel  von  7  Säick) 

Obersclienkelknochen   der  Aino 7-'7 

Gl)er>chenkclknochen   der   Jap-aner 75,1 

SCHIENP.EIX. 

Transversaler  ."^auit  taler 

Durchmesser  d.     Piirclimesser  d.  Imlex. 

Mitte,     mm  Glitte,     nun 

SchicnlK-in  aus  Muschelhaufrn       ....        17,2  29.0  59,3 

(Mittel  von  9  Stück) 

Sch!enl)ein  der  Aino 18,8  29.6  63,5 

Schienliein  der  Japaner iSo  24,3  74,1 

Indem  Tsnboi  einfach  die  Indices  für  die  Kn  )chcn  aus 
Mu.schelhaufen  mit  denjenigen  der  Aino  und  der  Japaner 
x'ergleicht  und  findet,  dass  für  die  beiden  Knochen,  Oberarm- 
und  Oberschenkelknochen,  die  Differenzen  der  Indices  zwischen 
Steinzeitmenschen  und  Aino  grösser  sind  als  die  Differenzen 
zwischen  Aino  und  Japanern,  betrachtet  er  diesen  Unterschied 
ohne  weiteres  als  einen  Grund  für  die  Annahme,  dass  die  Stein- 
zeitmenschen und  die  Aino  zwei  ganz  verschiedene  Rassen  seien. 
Darauf,  dass  für  die  Schienbeine  die  Differenz  der  Indices  zwischen 
Steinzeitmenschen  und  Aino  kleiner  ist  als  zwischen  Aino  und 
Japanern,  dass  somit  die  Platyknemie  sowohl  bei  den  Steinzeit- 
menschen   als    auch    bei    den    Aino    stark    ausgeprägt    ist.  könne 


3IO  V.   Koc..\.\i:i,  UF.r.KR  i:»ie  urukwoiixer  jafans. 

bei  der  P^rage  der  Gleichheit  oder  Ungleichheit  der  Rassen 
kein  grosses  Gewicht  gelegt  werden,  da  diese  Eigenschaft  der 
Schienbeine  bei  verschiedenen  anderen  Naturvölkern  auch  vor- 
komme. Unter  sonstigen  Merkmalen  erwähnt  l'siiboi  nur  noch, 
dass  die  I^llenbogenknochen  der  Steinzeitmenschen  die  bei  Aino 
auffallendj  Biegung  des  oberen  Drittels  nicht  besitzen. 

Zu  dem  eben  Erwähnten  nuiss  ic]\  bemerken,  dass  es  doch 
etwas  zu  gewagt  ist,  der  blossen  Differenz  der  nackten  Zahlen 
eine  so  grosse  Bedeutung  beizumessen,  ohne,  ausser  für  die 
Ellenbogenknochen,  andere  Avichtige  deskri[)tive  Merkmale  für 
die  grossen  Röhrenknochen  sowie  für  die  Schädelkn(5chen  zu 
berücksichtigen.  Alle  Eigenschaften,  die  an  den  Knochen  der 
Steinzeitmenschen  gefunden  wurden,  sind  doch  solche,  w^elche 
wir  auch  an  den  Knochen  der  Aino  wiederfinden.  Ereilich  sind 
diese  Eigenschaften  bei  den  ersteren  in  bald  mehr  bald  weniger 
stärkerem  Grade  ausgeprägt  als  bei  den  letzteren.  Dies  steht 
aber  gar  nicht  im  Gegensatz  zu  der  Annahme,  dass  die  Stein- 
zeitmenschen nichts  anderes  als  die  V^orfeihren  der  Aino  sind,  da 
wir  —  abgesehen  von  der  Transmutationstheorie  —  einen  Eaktor, 
welcher  wohl  auf  eine  Abnahme  dieser  Eigenschaften  gewirkt 
liaben  mag,  nachweisen  kcninen  :  dass  nämlich  eine  Vermischung 
der  Aino  mit  anderen  Völkern,  \-or  allem  mit  i\^\\  Japanern,  die 
solche  Eigentümlichkeiten  nicht  besitzen,  in  der  Jahrtausende 
dauernden  Berührung  stattgefunden  hat.  Xur  ist  auffallend,  dass 
von  Tsitboi  dieser  wichtige  h'aktor  nicht  berücksichtigt  worden 
ist.  Eerner  was  Tsuboi  über  den  Wert  der  Platyknemie  sagt,' 
ist  als  nicht  wissenschaftlich  anthropologisch  zu  bezeichnen.  Nicht 
nur  die  Platyknemie  sondern  alle  erwähnten  Eigenschaften  sind 
mehr  oder  weniger  an  den  Knochen  der  anderweitigen  Naturvölker 
sowie  an  den  prähistorischen  Knochen  konstatiert  worden.  Aber 
die  Platyknemie  ist  unter  diesen  P^igenschaften  die  konstanteste 
und  deshalb  auch  die  \\ichtigste.  Das  von  TorW^'  beschriebene 
Stück  von  einem  linken  Oberschenkelknochen,  welcher  in  dem 
Muschelhaufen  Fukiage  (Prov.  Hitachi)  gefunden  wurde,  zeigt 
ganz  diesell:)en  P'ormeigentümlichkeiten  wie  die  \o\\  mir 
untersuchten.  An  sich  können  die  angeführten  PLigenschaften 
der  Knochen  somit  weder  für  noch  gegen  die  Annahme  der 
Identifizierung  der  Steinzeitmenschen  mit  den  Aino  sprechen. 
Nur    erst    aus    dem    Umstände,    dass    auf   einem    und    demselben 

*  Jüurii.  Anthrop.  Soc.  Tokyo.  Xo.   156  (1S99). 


Y.    KOGAXEI,    UEHER    DIE    URBEWOHXER    JAPANS.  ßll 

Grund  und  Boden,  auf  welchem  die  Reste  der  Steinzeit  nebst 
den  Menschenknochen  vorhanden  sind,  ein  auf  einem  überaus 
tiefen  Kulturgrade  stehendes  Volk,  die  Aino,  wohnt,  können  sie 
einen  Anhalt  geben,  um  zu  ermitteln,  ob  zwischen  beiden  ein 
inniger  Zusammenhang  existiere.  Indem  ich  für  Einzelheiten  auf 
meinen  früheren  Aufsatz,  in  welchem  die  Sache  ausführlicher 
behandelt  ist,  verweise,  möchte  ich  hier  nur  eine  Stelle  aus 
demselben  anführen :  ,,  Trotzdem  scheinen  mir  bei  der  Behandlung 
der  für  die  prähistorisclien  Forschungen  von  Japan  fundamentalen 
Frage,  ob  das  Volk,  welches  vor  der  Einwanderung  unserer 
Vorfahren  das  Land  bewohnt  hat,  einfach  Aino,  oder  Aino  und 
noch  ein  anderes  Volk  (Ivoropokguru)  waren,  die  übereinstim- 
menden Befunde  bei  den  Knochen  aus  Aluschelhaufen  und  bei 
denen  der  Aino  mehr  für  die  erstere  Annahme  zu  sprechen, 
indem  wir  ja  wissen,  dass  auf  dem  Gebiete,  wo  man  verschiedene 
Reste  aus  der  Steinzeit  findet,  die  aus  dem  Steinzeitaiter  nicht 
weit  emporgekommenen  Aino  dagewesen  und  noch  da  sind.  So 
viel  steht  sicher  fest,  dass  die  Menschen,  .die  die  Muschelhaufen 
gebildet  haben,  nicht  kleiner  waren  als  die  jetzt  lebenden  ^\ino 
oder  Japaner." 

Die  auch  als  ein  physisches  Unterscheidungsmerkmal  der 
Steinzeitmenschen  von  den  Aino  angegebene  Häufigkeit  von 
Zahncarics  ist  als  sehr  seltsam,  ja  fast  bedenklich  zu  bezeichnen  ; 
denn  wenn  bei  der  auf  ein  so  kärgliches  Material  basierenden 
Untersuchung  kein  Zufall  mit.spielt,  so  steht  dies  im  schneidenden 
Gegensätze  zu  den  bisherigen  Befunden  der  Autoren,  dass  näni- 
lich  dx'se  Z:ihnerkrankung  bei  Naturvölkern  überliaupt  sehr 
selten  ist. 

Die  übrigen  \-on  Tsuboi  angefahrten  Funkte,  welche  Stein- 
zeitnienschen  und  Aino  von  einander  unterscheiden  sollen,  sind 
die  Resultate  seiner  eigenen  Untersuchungen  an  Resten  der 
Steinzeit.  Obwohl  sie  so  mannigfaltig  und  zahlreich  sind,  so 
bedürfen  sie  doch  alle  nach  meiner  Ansicht  noch  einer  ernstlichen 
Ueberlegung,  bis  sie  ihre  wahre  Bedeutung  bei  vorliegender 
Frage  bean.spruchen  können.  Jeden  Punkt,  der  bei  der  direkten 
\^ergleichung  einer  durch  die  Untersuchungen  an  Resten  der 
Steinzeit  erratenen  Sache  mit  dem  Leben  der  jetzigen  Aino 
nicht  übereinstimmt,  zählt  Tsiiboi  einfach  als  ein  unterscheidendes 
Merkmal  auf,  und  lässt  dabei  die  Zeit,  welche  ja  so  mächtigen 
Einfluss  auf  das  Menschenleben  hat,  ganz  und  gar  ausser  Acht. 
Sind    doch    das    Zeitalter,    aus   welchem    die    Reste  der   Steinzeit 


312  V.  KonwF.i,  LF.r.KR  nii-:  l  ri-.kwoiixer  japaxs. 

licrstamnicn,  und  die  Gegenwart  durch  einen  langen  Zeitraum 
von  einander  getrennt,  in  welchem  manche  Wandlungen  im 
Menschenleben  stattfinden  können,  durch  einen  so  langen,  in 
welchem,  wie  Jforsv''^'  durch  genaue  Vergleichungen  der  Mollus- 
kenschalen aus  Muschelhaufen  von  C  )mori  bei  Tokyo  mit  solchen 
der  Gegenwart  nachgewiesen  hat,  bei  gewissen  Species  eine 
Veränderung  in  l-?e/.ug  auf  Mengen-,  Grössen-  und  l^'ormver- 
hältnisse  eingetreten  ist  und  gewisse  Species  sogar  schon  aus- 
gestorben sind.  Brattns^^  konstatierte  durch  die  Untersuchungen 
von  Muschelhaufen  um  Tok\'o  gleichfalls  bedeutsame  Verände- 
rungen der  Muschelfauna  der  Ixai  von  Tokyo.  Milne\  schätzt 
nach  geologischen  Untersuchungen  das  Alter  der  Muschelhaufen 
von  Omori  auf  3000  Jahre  oder  weniger.  Dass  die  Japaner 
während  dieser  Zeit  nicht  nur  auf  eine  Veränderung  der  körper- 
lichen Eigenschaften  sondern  auch  auf  eine  Veränderung  des 
Lebens  der  Aino  nicht  -wenig  eingewirl  .  haben,  ist  wohl  anzu- 
nehmen. Uebrigens  ist  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  die 
bis  jetzt  aufgefundenen  Muschelhaufen  wie  Steinzeitreste  über- 
haupt untereinander  von  sehr  \erschiedenem  Alter  sein  können. 
Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  djss  sie  im  Norden  jünger  als 
im  Süden  und  am  jüngsten  im  gegenwärtigen  Ainogebiete  sind. 
Aber  die  prähistorischen  l'^orschungen  sind  noch  nicht  so  weit, 
die  chronologischen  V^erhältnisse  der  einzelnen  Reste  genau 
bestimmen  und  die  etwaigen  Aenderungen  im  Leben  der  Urheber 
derselben   festzustellen   zu   können. 

So  können  die  nicht  übereinstimmenden  Punkte  bei  den  Ver- 
gleichungen  der  durch  die  prähistorisch  archäologischen  For- 
schungen erhaltenen  Resultate  mit  dem  Leben  der  jetzigen  Aino 
überhaupt  nicht  als  beweiskräftig  betrachtet  werden,  um  zu 
entscheiden,  dass  die  Urheber  der  Steinzeitreste  nicht  die  Vor- 
fahren der  Aino  sind,  solange  w'w  nicht  feststellen  können,  in- 
wiefern der  Lebenszustand  der  Aino  seit  dem  Zeitalter  der 
Steinzeitmenschen,  des  \-ermeintlichen  Koropokguru-Volkes,  mit 
welchem  die  Aino  in  Nachbarschaft  gelebt  haben  sollen,  unver- 
ändert erhalten  geblieben  ist. 

Zu    den    irdenen    menschlichen    Figuren    möchte    ich    noch 

"  Shell  Mouiids  of  (;nioii.     Memoirs  Science  Departm.  Univ.  Tokyo.    1879. 
j  Conespondenzhl.  d.  deutsch,  des.  f.  Anthro]).  etc   18S3.  Xo.   2. 
"j:  'Jlio  Stone  Age  in  Japa)i ;   wiih    Xoies  on  ReCent    Geological    Chant^es  which 
liavj  laken  place.  Jouin.  Anthr.  Ini-t.  Cr.  Br.  &  Irel«.  vol.  X.   1881. 


V.    KOGANEI,    LEDER    DIE    L'RBEWOHNER    JAPANS.  313 

besonders  bemerken,  dass  sL-,  wenn  auch  die  Untersuchungen 
von  Tsiiboi  an  denselben,  wie  seine  archäologischen  Studien 
überhaupt,  von  grossem  Interesse  sind,  doch  neben  der  Kunst- 
fertigkeit primitiver  Art  bei  vielen  absichtlich  in  hohem  Grade 
bei  manchen  sogar  ornamentartig  entstellt  sind,  wie  wir  ja  auch 
wirklich  aus  Menschenfiguren  abgeleitete  Ornamente  *  haben, 
so  dass  daran  viele  zweideutige  Sachen  vorhanden  sein  können. 
An  solchen  Menschenfiguren  die  Form  und  Art  der  Kleidung, 
der  Haartracht,  des  Schmuckes  u.  s.  w.  zu  erkennen  ist  keine 
leichte  Sache,  und  ich  fürchte  nur,  dass  dabei  sehr  leicht 
irrtümliche-f.yrteile  entstehen  könnten. 

Dass  die  Steinzeitmenschen  grosse  Mengen  \on  Muscheln 
verzehrten,  ist  nicht  etwa  so  zu  deuten,  wie  Tsulwi  es  tut,  als 
ob  sie  einen  besonderen  \\\)hlgeschmack  daran  gefunden  hätten, 
sondern  vielmehr  die  ^Mollusken  lieferten  für  die  primitiven 
Menschen  die  animalische  Nahrung,  wie  die  Früchte  und  Wurzeln 
der  wilden  Gewächse  die  vegetabiHsche,  nur  deshalb,  weil  sie 
ohne  besondere  Kunst  und  INIühe  zu  erlangen  waren.  Daneben 
bildeten  auch  andere  Tiere  gewiss  einen  ansehnlichen  Teil  der 
Nahrung,  wie  die  in  Muschelhaufen  enthaltenen  Skelettteile 
beweisen,  welche  aber  nur  einen  unverhältnismässig  kleinen 
Bestandteil  derselben  bilden.  Bei  der  Beurteilung  der  Mengen- 
verhältnisse der  als  Nahrung  verzehrten  Muscheln  und  der  anderen 
Tiere  muss  selbstverständlich  in  Erwägung  gezogen  werden, 
dass  die  ersteren  weit  grössere  Mengen  von  Abfällen  hinterlassen 
als  die  letzteren.  Je  mehr  jedoch  die  Methode  der  Fischerei 
und  Jagd  Fortschritte  machte  und  dadurch  die  anderen  Tiere  in 
reichlicherer  Menge  die  Nahrung  lieferten,  nahm  wohl  das  Ver- 
zehren von  ]\Iuscheln  allmählich  ab.  Dass  die  jetzigen  Aino 
keine  Muschelhügcl  bilden,  kann  somit  nicht  als  ein  Unter- 
scheidungsmerkmal gelten. 

Vergleiche  der  Verzierungen  an  den  irdenen  Gewissen  mit 
den  Mustern  der  Schnitzereien  der  Aino-Gegenstände  oder  der 
Stickereien  der  Aino-Kleidung  sind  bis  jetzt  vielfach  versucht 
worden.  Im  Gegensatze  zur  Ansicht  von  Tsuboi  glauben 
Ciisf'i]ig,-\   Mibic,X  H.  v.    Sicbold,%   SJiirai^  J^^ki   Satd,^    Shitoini 

"^   Uno:  Journ.  Anthrop.  Soc.  Tokyo,  No.  184  (1901). 
t  American  Naturalist.   1878.  p.  323.  i  1.  c. 

^  Ethnnlog.  Studieu  üb.  die  Aino  auf  d.  Insel  Yesso.   1881.  p.  23. 
•y  Journ.  Anthrop.  .Soc.  Tokyo.  No.   13  (1887). 
ll  Ibid.   Xo.  46  (1889). 


314  "^'-    IvOCANEI,    UKBER    DIK    UKÜEWOI  IN1:R    JAPANS. 

Satö,*'  l'ainanaka/]'  u.  A.  eine  Uebereiiistinimuns^-  oder  eine 
gewisse  Aelinlichkcit  zwischen  beiden  nachweisen  zu  können. 
Bezüglich  dieser  Frage  muss  ich  die  ICntscheidung  den  Archäologen 
überlassen. 

Wenn  Tsuboi  aus  der  Koropokguru-Sage  der  Yczo-Aino 
nicht  bloss  schliesst,  dass  das  Volk  wirklich  existiert  hat,  .sondern 
daraus  auch  viele  Sitten  und  Gebräuche,  sogar  körperliche 
Ei<'"enschaften  des.selben  bestimmen  will,  so  geht  er  zu  weit. 
Dass  dieser  märchenhaften  Sage  nicht  so  grosse  Bedeutung 
bei""elegt  werden  kann,  habe  ich  schon  früher  x'orgebracht. 
Hier  sei  noch  erwähnt,  dass  in  dieser  Sage  die  KorojlDkguru 
von  den  Aino  stets  mit  Steinzeitresten,  wie  P>dgruben,  irdenen 
Gefässen,  Steinwerkzeugen,  in  Beziehung  gebracht  und  als  von 
kleinerem  Wüchse  angegeben  werden,  dass  aber  in  übrigen 
Teilen  des  Inhaltes  diese  Sage,  nach  Zusammenstellungen  von 
Tsuboi  an  19  Aino  und  an  16  verschiedenen  Orten,  in  sehr 
verschiedenen  Variationen  erzählt  wird.  Dass  das  Steinzeit\-olk 
nicht  von  kleinerem  Wüchse  als  die  Aino  war,  ist,  wie  oben 
erwähnt,  durch  die  Untersuchung  von  Skelettteilen  aus  IMuscliel- 
haufen  festgestellt.  Uebrigens  wird  das  Sagenvolk  mit  sehr  \-er- 
schiedenen  Namen  bezeichnet,  welche  sämtlich  von  den  Aino 
erfunden  worden  sind.  Koropokguni  oder  Korobokkitni  {koro  ist 
nach  der  Angabe  der  Aino  eine  Verkürzung  von  korokoni 
.Pestwurz  ",  pok  oder  bok  ,,  unter",  guru  oder  kurii  ,,  Mensch"; 
also  ,,  Leute  unter  der  Pestwurz")  ist  wohl  der  gebräuchlichste; 
ferner  Toicldsckuru  {toi  ,,Erde",  cJiisc  ,,  Wohnung",  also  ,,  I^rd- 
bewohner"),  ToncJiinkainoi  {ioiichin  Bedeutung  nicht  klar, 
kaiiioi  Gott). 

Tsuboi  hat  etwa  12  verschiedene  Namen  zusammengestellt. 
Die  bemerkenswerten  darunter  sind  ausser  den  eben  genannten  : 
Koropokunguru  oder  Koroboknuguru  {uii  ist  eine  Postposition  und 
bedeutet  ,,  an  "  oder  ,,  von  "),  Toichisckotkorokauioi  {kot  Bedeutung 
nicht  klar,  koro  „besitzen",  nach  BatchclorX  aber  bedeutet  kot 
(deichfalls  ,,  L'esitzen ",  würde  also  „  PLrdwohnung  besitzende 
Gottheit"  bedeuten),  Cliisckotchakckcniioi  {kotcha/cc  ,,  vor ",  also 
„Gottheit    vor    dem     Hause"    oder     ,,  benachbarte     Gottheit"), 


*  Ibid.  No.  47  (>S9o). 
t  Ibid.  No.  50  (1890). 
i  .\'.au-Eng'.i.sh-Jaiane-e  Dicüu:~.ary  and  tli-aiviaiar.  Tokyo.   1889. 


V.    KOGAXEI,    UEßER    DIE    URCEWOllXER    JAPANS.  315 

Toichikuni  {cid  ,,  erhitzen  ",  also  ,,  Erde  erhitzende  Leute  ",   d.h. 
,,  Topfer  "). 

Auf  SachaUn  ist,  wie  von  mir  u.  A.  und  neuerdings  von 
Läufer'^'  berichtet  wurde,  auch  eine  Sage  über  ein  prä-ainoisches 
Volk  vorhanden,  welches  die  Spuren  seiner  einstigen  Wohnungen 
in  Erdgruben  sowie  Steingeräten  und  Gefässscherben  hinterlassen 
hätte  und  von  den  Sachalin-Aino  Toticld  genannt  wird.  Während 
wir  auf  Yezo  für  dieses  Sagenvolk  so  viele  Namen  haben, 
scheint  auf  Sachalin  dies  nicht  der  Fall  zu  sein.  Ueber  die 
Identität  der  Koropokguru-Sage  und  der  Tonchi-Sage  habe  ich 
schon  früher  gehandelt.  Laufer  erklärt  den  Ausdruck  ToJicld 
als  Tüichi  [toi  ,,  Erde  ",  cid  ,,  Wohnung",  also  ,,  Erdwohnung  "), 
welche  beide  sich  lautgesetzlicli  sehr  wohl  identifizieren  liesscn  ; 
nach  ihm  soll  die  jetzige  Wohnung  der  Sachalin-Aino  auch 
ToicJd  heissen.  Ich  habe  von  Sachalin-Aino  ihre  Winterjurte 
als  ToicJdsc  und  die  Sommerhütte  als  Sakchise  bezeichnen  hören. 
Es  ist  möglich,  dass  auf  Sachalin  Toichi  als  ein  Dialekt  neben 
Toichise  gebräuchlich  ist,  da  die  Nordkurilen-Aino  auf  Shikotan 
ihre  Erdjurte  auch  sehr  ähnlich  nennen,  nämlich  ToicJie  {che 
,,  Wohnung ").  Es  sei  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  aus 
der  oben  er\vähnten  von  Tsid?oi  auf  Yezo  vernommenen  Be- 
zeichnung Toichikuru,  wenn  daraus  das  bekannte  Glied  kuru 
subtrahiert  wird,  derselbe  Ausdruck  wie  auf  Sachalin  nach  Lauf  er 
entsteht,  der  jedoch  anders  erklärt  wird,  ferner  dass  Tora  auf 
Eturupp  von  zwei  alten  Aino-Frauen  das  Sagenvolk  als  Toishckuru 
{she  ,,  Wohnung ")  bezeichnen  hörte.  Kurz  es  würden  noch 
weitere  sprachliche  Forschungen  notwendig  sein,  um  diese  Sache 
klar  zu  stellen. 

Höchst  bemerkenswert  ist,  dass  auf  Shikotan,  wie  ich  früher 
angegeben  habe,  keiner  etwas  von  der  Koropokguru-  oder  einer 
ähnlichen  Sage  wusste.  Die  gegenwärtig  auf  der  kleinen  Insel 
Shikotan  wohnhaften  Leute  sind  nämlich  Xordkurilen-Aino, 
welche  aus  den  Inseln  Shumshu,  Poromoshiri,  Onnekotan,  ]\Ia- 
kanrushi,  Harumkotan,  Shiashikotan,  Rashowa  u.  a.  im  Jahre 
1884  übergesiedelt  sind,  und  welche  deshalb  auch  als  Shikotan- 
Aino  bezeichnet  w^erden  können.  Sie  zeigen  in  Sitten  und 
Lebensweise  manche  Unterschiede  von  den  Yezo-Aino  und  den 
Aino  der   beiden  Südkurilen  f   (Kunashiri  und    Eturupp),   welche 

■■•■  Die   angeljliclieu   Urvolker  voa  Yezo  u.  Sachalin.     Ceutralbl.   f.  Aiulnop.   etc. 
5.   Tilirt;.    1900. 

t  Es  is:  für  unsere  Zwecke  vja  \'o.-;eil    de  Xord-  iriJ  .SLi.lkurilc:i  zu  uaterstlieiJen, 


3l6  V.    KOGAXEI,    l'EÜER    DIK    UK1!E\V(  )I  !XEI<    JAPANS. 

beide  in  nichts  von  einander  verschieden  sind  und  zu  einer  und 
derselben  Gi'uppe  gehören.  Diese  Unterschiede  sind  aber  einer- 
seits auf  einen  Kinfluss  der  Russen  zurückzuführen,  mit  welchen 
sie  seit  mehr  als  einem  Jahrhunderte  in  Berührung  gekommen 
sind  ;  andererseits  rühren  sie  daher,  dass  ihnen  wegen  ihres 
abgelegenen  Wohnortes  der  Verkehr  mit  den  Yezo-Aino  und 
den  Japanern  erschwert  war,  und  sie  deshalb  in  \ielen  Beziehungen 
in  der  Entwickelung  zurückgeblieben  sind.  Der  Häuptling  auf 
Shikotan,  Storosow  Jakow  (sein  Aino-Name  ist  Kongamakuru), 
konnte  mir  erzählen,  dass  die  Nordkurilen-Aino  früher  Stein- 
geräte und  irdene  Gefässj  gebraucht  hätten  ;  über  die  Her- 
stellungsvveise  wisse  man  nichts  mehr,  aber  er  vermochte  noch  die 
Gebrauchsweise  des  Steinbeils  genau  anzugeben.  Solche  S^ein- 
geräte  und  Gefässscherben  sollen  häufig  in  alten  verlassenen 
Wohnungen  gefunden  werden,  die  als  Gruben  in  grosser  Zahl 
auf  den  Inseln  Shumshu,  Poromoshiri  etc  \-orhanden  sein  sollen. 
So  liegt  bei  den  Nordkurilen-Aino  kein  greifbares  Motiv  vor, 
warum  sie  Sagen  wie  die  Koropokguru,  resp.  Tonchi-Sage 
erfinden  sollten. 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  ausdrücklich  her\-orheben,  dass 
in  den  ganzen  Auseinandersetzungen  von  Tsnhoi  eine  grosse  Lücke 
vorhanden  ist,  insofern  er  bei  seinen  Untersuchungen  die  Sachalin- 
und  die  Nordkurilen-Aino  vollkommen  ausschliesst  und  sich  bloss 
auf  Betrachjtung  der  Yezo-Aino  beschränkt,  während  doch  die 
Untersuchungen  gerade  an  jenen  beiden  Gruppen  für  unsere  Frage 
\-on  grosser  Wichtigkeit  sind.  Nur  in  einem  seiner  älteren 
Aufsätze  hat  Tsnboi'^  einmal  geäussert,  dass  die  Sachali-n-Aino 
und  die  Yezo-Aino  in  der  Gesichtsbildung  sowie  in  Sitten  und 
Gebräuchen  Verschiedenheiten  darböten,  weshalb  die  beiden  nicht 
als  eine  und  dieselbe  Rasse  zu  betrachten  seien,  dass  also  Befunde 
an  den  einen  nicht  auf  die  anderen  übertragen  werden  dürften  ; 
in  seinen  neueren  Aufsätzen  geht  er  aber  darüber  mit  Still- 
schweigen  hinweg. 

Ich  lege  nämlich  grosses  Gewicht  darauf,  dass  die  Nord- 
kurilen-   und     Sachalin- Aino    noch    jetzt     Erdjurten     bewohnen. 

deren  f '.renze  die  dr    1  )vV.v  Strasse  bildet.    \on  dun  elfteren  iclieinen  aber  die  l)eiden 
Inseln  Uru]ip  un  1  S'.iimusliiri  seit  längerer  Zeit  niclit  von   .Aino  bewohnt  gewesen  zu 
sein;  bis   1S75  waren  von  den  Russen  dahin  gelirachte  Aleuten  dort  wohnhaft. 
•■■  Joui-n.    Anllirop.  Soc.  Tokyo.  Xo   31   (18S8'. 


V.    KOGAXE[,    UEBER    DIE    URBEWOUXER    JAPANS.  317 

-V.  Schrciick''-'  führt  ein  Citat  aus  Golovin,  der  vow  1811-1813  in 
japanischer  Gefangenschaft  war,  an,  dass  die  Aino  von  Yezo 
gleichwie  diejenigen  von  SachaHn  im  Winter  auch  Erdjurten 
bew^ohnen.  In  den  japanischen  Chroniken  ist  jedoch  nichts 
darüber  bekannt,  dass  diese  Art  der  Wohnung  bei  den  Yezo- 
Aino  früher  gebräuchhch  war.  Dass  die  beiden  Aino-Grup[-)en 
diese  Sitte,  welche  freilich  im  Xorden  eine  weit  verbreitete  ist, 
ihren  Nachbarvölkern  abgesehen  hätten,  also  die  Nordkurilcn-Aino 
den  Kamtschadalen  und  die  Sachalin- Aino  den  Giljaken  oder 
einem  anderen  oder  gar  einem  eskimo- ähnlichen  Sagenvolke 
Koropokguru,  dessen  gegenwärtiges  Dasein  auch  für  Tsuboi 
völlig  unbekannt  ist,  ist  doch  höchst  unwahrscheinlich.  Vielmehr 
ist  anzunehmen,  dass  die  Jurtenwohnung  ehemals  unter  den 
Aino  in  grösserer  Verbreitung  gebräuchlich  war,  dass  aber  dieser 
Gebrauch  allmählich  abgenommen  hat,  wie  eine  solche  Abnahme 
der  Jurtenwohnungen  unter  den  Sachalin-Aino  nach  dem  Berichte 
von  Läufer  gegenwärtig  stattfindet.  Dass  nun  die  Erdjurte  die  ein- 
zige und  ausschliessliche  Art  der  W^ohnung  bei  den  Alt-Aino  gewesen 
sei,  lässt  sich  nicht  behaupten  ;  es  ist  wohl  möglich  oder  vielmehr 
sogar  wahrscheinlich,  dass  daneben  auch  einfache  Hütten  ge- 
braucht wurden,  so  wie  wir  gegenwärtig  bei  den  Sachalin-x-\ino 
Sakcläsc  {sah  ,,  Sommer",  also  ,,  Sommerhütten  ")  und  bei  <\^\\ 
Nordkurilen- Aino  InnncJic  [inun  ,,  fischen  ",  also  ,,  Fischerei- 
hütten ")  "f  haben,  und  wie  auch  bei  vielen  Völkern  im  Norden 
beide  Arten  vcm  Wohnungen  im   Gebrauche  sind. 

Spuren  der  Jurtenwohnungen  in  Form  von  Erdgruben  sind  in 
grosser  Anzahl  nicht  nur  auf  Yezo,  Sachalin  und  den  Kurilen, 
sondern  auch  selbst  auf  der  Hauptinsel  Japans  vorhanden.  Dciizd 
SatdX  hat  nämlich  in  neuerer  Zeit  bei  einem  Dorfe  Morita,  etwa 
28  Kilometer  westlich  von  der  Stadt  Aomori,  also  in  der  nörd- 
lichsten, allerdings  dem  Ainogebiet  am  nächsten  gelegenen 
Provinz  Mutsu,  solche  Gruben  gefunden,  in  einem  Orte  79 
beisammen,  etwas  entfernt  davon  noch  6,  zusammen  85  Gruben. 
Diese  stimmen  im  ganzen  mit  denjenigen  auf  Yezo  überein,  nur 
sind   sie    nicht    so    tief,    '/^,  m    oder   weniger ,    die    tiefste    erreicht 

'■■"  Reisen  und  Forschungen  im  AmurlanJe.  B.i.  III.  Die  Völker  des  -Vavarlandes 
2.  Lief.   1S91.  p.  2,12,- 

+   Toni,  Journ.    AnUuop.  Soc.  Tokyo.  No.   167  (lyoo;. 

i  Journ.  Anthrop.  Soc.  Tokyo.  Xo.  145  (189S).  Audi  im  Joarn.  of  Oeograiihy, 
Pulli,  by  Tokyo  Geogr.  Soc.  No.  iio. 


31 8  Y.    KOGAXEI,    L'EBEK    DIK    URin'.WOIlNF.R    JAPANS. 

kaum  I  ni,  die  Form  ist  meist  kreisförmig^.  Dass  diese  Gruben 
alte  Wohnungen  sind,  wurde  durch  Ausgrabungen  festgestellt. 
In  dieser  Gegend  sind  auch  Steingeräte  und  irdene  Gefässe  in 
grosser  Menge  vorhanden.  Die  von  [iiki  Satö  *  früher  erwähnten 
Gru[)pen  von  Erdgruben  bei  Shichinohe,  gleichfalls  in  Mutsu, 
gehören  wahrscheinlich  auch  hierher ;  ihr  Charakter  ist  aber 
nicht  durch  Ausgrabungen  festgestellt  worden.  Beiläufig  sei 
bemerkt,  dass  man  aus  der  Anzahl  der  jetzt  vorhandenen 
Erdgruben,  die  auf  \'ezo  \venigstens  nicht  geringer  sein  wird 
als  die  Anzahl  der  jetzigen  Aino-Hütten,  nicht  etwa  direkt  auf 
die  Stärke  des  Volkes  schliessen  darf,  da  diese  Gruben  'unter- 
einander chronologisch  sehr  verschieden  sein  können  und  wir 
nicht  den  Fehler  machen  dürfen,  heterochronischc  Dinge  isochro- 
nisch 7A\  betrachten. 

Bezüglich  der  alten  historischen  Nachricht,  woraus  man  zu 
schliessjn  glaubte,  dass  die  Aino  seit  der  geschichtlichen  Zeit 
Japans  keine  Steingeräte  mehr  gebrauchten,  lässt  sich  sagen,  — 
wenn  man  dieser  zum  Teil  seltsamen  Geschichte  überhaupt  eine 
solche  Bedeutung  beilegen  darf  wie  Tsiiboi  u.  A.  es  tun  — ,  dass 
der  Gebrauch  von  Steingeräten  unter  den  Aino  doch  wohl  sehr 
ungleichzeitig  aufgehört  haben  wird  ;  dass  dies  bei  den  Horden, 
die  mit  den  Japanern  in  nächster  Beziehung  standen,  infolge 
Uebernahme  von  Metallgeräten  sehr  frühzeitig  geschehen  sein 
muss,  während  bei  den  abgelegensten  der  Gebrauch  von  Stein- 
geräten, wie  wir  unten  sehen  werden,  sich  bis  zur  neuesten 
Vergangenheit  erhalten  hat. 

Eines  Umstandes  ist  noch  zu  gedenken.  Nämlich  wenn  man 
ein  prä-ainoisches  Steinzeitvolk  annimmt,  so  müsste  man  sagen, 
dass  bis  jetzt  im  eigentlichen  Japan  nirgends  als  Reste  der  Aino 
zu  bezeichnende  Gegenstände  gefunden  worden  sind,  während 
doch  viele  Ortsnamen,  welche  von  den  Aino  herstammen  oder 
sich  auf  dieselben  beziehen,  so  frisch  erhalten  geblieben  sind. 
Entweder  haben  die  Aino  gar  keine  Reste  zurückgelassen  oder 
diese  sind  noch  \'ergraben  oder  versteckt  oder  haben  noch  keine 
Beachtung  auf  sich  gezogen  :  alles  Dinge,  die  nicht  viel  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  haben.  Dieser  Punkt  wurde  namentlich 
von  Ilanindai  hervorgehoben. 

Aus    dem    oben    Auseinandergesetzten    geht   somit    hervor, 

*  Journ.  Aiulin)]\  Soc.  Tokyo.  Xo.  51   (1890). 

j  Journ.  Anthrop.  Soc.  Tokyo.   Xo.    198  11.  200  (1902). 


Y.    KOGAXEI,    LEDER    DIE    URBEWOHXER    JAPANS.  319 

dass  wir  keine  triftic;"en  Gründe  finden  können  flir  die  Annahme 
eines  prä-ainoischen  Volkes,  von  Koropokguru  nach  der  Sage  der 
Aino,  das  etwa  als  Urheber  der  im  grössten  Teile  des  japa- 
nischen Reiches  verbreiteten  Steinzeitreste  zu  betrachten  wäre. 
Ich  habe  mich  darüber  schon  früher  in  folgender  Weise  geäussert : 
,,  Abgesehen  von  der  Frage  der  Glaubwürdigkeit  der  Koropok- 
guru-, resp.  Tonchi-Sage.  sowie  der  Tradition  der  Shikotan-Aino, 
um  nicht  zu  weit  zu  gehen,  scheint  mir  der  Zusammenhang  der 
prä-historischen  Reste  mit  den  gegenwärtigen  Aino  noch  nicht 
ganz  erloschen  zu  sein.  Die  Sachalin-Aino  zum  Teil  und  die 
Shikotan-Aino,  deren  Gleichheit  mit  den  Yezo-Aino  oben  aus- 
einandergesetzt wurde,  wohnen  ja  noch  in  Jurten,  welche  nach 
dem  Einfallen  solche  Erdgruben  wie  die  fraglichen  hinterlassen 
können.  So  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  die  Yezo-Aino  früher 
auch  Jurten  gebraucht  haben,  die  sie  aber  im  relativ  milderen 
Klima  allmählich  aufgegeben  und  mit  Hütten  vertauscht  haben, 
welche  mit  viel  geringerer  Arbeit  herzustellen  waren.  Wenn 
man  dazu  noch  den  Kulturzustand  der  Aino  in  Betracht  zieht, 
so  wird  es  mir  noch  wahrscheinlicher,  dass  die  sogenannten  Koro- 
pokguru, re.sp.  Tonchi  die  Aino  selbst  waren.  Die  Aino  sind 
ein  Jäger-  und  Fischervolk,  welchem  die  Kunst  Metalle  zu  ver- 
arbeiten allem  Anscheine  nach  nie  bekannt  gewesen  ist,  und  sie 
sind  nur  dadurch,  dass  sie  Werkzeuge  und  Geräte  von  anderen 
Völkern  erwarben,  in  die  Eisenzeit  versetzt  worden,  sodass  sie 
seit  dem  Zeitalter,  wo  sie  durch  Pfeile  und  Spiesse  mit  Stein- 
spitzen das  W^ild  erlegten  und  die  Fisclie  harpunierten,  nicht 
sehr  weit  fortgeschritten  sind." 

Freilich  hat  Mamiya  *  bei  seiner  Reise  nach  Sachalin  im 
Jahre  1808  unter  den  Aino  daselbst  das  Schmieden  des  Eisens 
gesehen  und  die  Art  und  Weise,  wie  die  Aino  diese  Kunst 
ausüben,  genau  beschrieben.  Als  Material  dazu  wurden  allerlei 
alte  Eisenstücke  japanischen  Ursprungs,  wie  alte  Nägel  etc.  ver- 
wendet. Maviiya  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  die  Aino  diese 
Kunst  nicht  \on  anderen  Völkern  gelernt,  sondern  selbst  erfunden 
hätten.      Auch    unter    den    Smerenkuru    (Giljaken)    sah    er   diese 

*  4b  ®  Ä  Ulli:  Kita-Yezo  Zusetsu  (Auch  unter  dem  Titel :  isg  tfe  t^  IS  DöchQ 
Vowaj.  Die  das  Schmieden  des  Eisens  betreffende  Stelle  dieser  Scluift  wurde  von 
7/.  Siclwld  (Xippon.  2.  Aufl.  1897.  H-  I'«;^-  P-  226)  nicht  ginz  richtig  übersetzt, 
denn  im  Original  steht,  dass  diese  Kunst  nur  auf  Sachalin,  aber  nicht  mehr  auf 
Yezo  üblich  war. 


320  V.   ko(;axi':i,  UEr,i:K   die  UKiuiwonxi'.K  jArAN.-. 

Kunst  ausüben.  Also  um  diese  Zeit  war  die  Schniiedckunst  auf 
Sachalin  schon  hekaiuit.  Aber  Maiiiiya  bemerkt  auschaicklich, 
dass  auf  Yezo  das  lüsenschmieden  nicht  mehr  üblich  war,  und 
er  vermutet,  dass  die  Yezo-Aino  früher,  wo  japanische  iMsen- 
waren  auf  dieser  Insel  noch  nicht  alli^emein  verl:>reitet  waren, 
diese  selbst  verfertigt  hätten,  dass  aber  jetzt  in  Folge  der 
genügenden  Einfuhr  derselben  aus  Japan  diese  Kunst  allmählich 
verfallen  sei.  Unter  den  alten  Aino  in  der  Gegend  \on  Söya  * 
waren  solche  vorhanden,  welche  diese  Kunst  nocli  kannten. 
V.  ScJini-.ck^  stellt  nacli  einer  genauen  Schilderung  der  Ver- 
breitung des  Eisens  und  der  Kunst  seiner  Ik^arbeitung  bei  den 
Amurvölkern  die  Vermutung  auf,  dass  die  Schmiedekunst  den 
Giljaken,  welche  hierin  einen  hohen  Grad  von  Kunstfertigkeit 
erreicht  haben,  nicht  von  (\c\-\  Chinesen  durch  Vermittelung  der 
Mandschu  und  Golde  den  Sungari  und  Amur  abwärts  zuge- 
kommen, sondern  sich  aus  Japan  zu  <\t\\  Aino  von  Yezo  und 
Sachalin  und  durch  diese  zu  den  Giljaken  verbreitet  hätte,  und 
zwar  in  einer  sehr  alten  Zeit,  die  zu  weit  zurücklag,  als  dass 
sich  unter  den  Aino  zu  Mai/nyds  Zeit  noch  irgend  welche  auf 
jenes  Ereignis  bezüglichen  Erzählungen  und  Traditionen  hätten 
erhalten  können.  Ich  glaube  aber  behaupten  zu  dürfen,  dass 
die  Schmiedekunst  den  Yezo-Aino  vor  alters  her  lu'cht  bekannt 
war.  I£s  ist  doch  viel  natürlicher,  den  Yezo-Aino  \'on  Anfang 
an  diese  Kunst  abzusprechen,  als  anzunehmen,  dass  sie  die  einmal 
gewonnene  I^Vntigkeit  wegen  iM-werbung  \'on  p^isenwaren  von 
den  Japanern  wieder  verlernt  hätten.  Die  alten  Aino  von  Söya, 
welche  zu  Mmniyas  Zeit  die  Schmiedekunst  kannten,  werden 
wohl  nicht  die  letzten,  sondern  die  ersten  LIandw  erker  auf  Yezo 
gewesen  sein.  Ferner  spricht  auch  der  tiefe  Kulturstand  der 
Aino,  der  so  tief  war,  dass  bei  einem  Teile  derselben,  den 
Nordkurilen-Aino,  der  Gebrauch  von  Steingeräten,  \\\c  wir  sehen 
werden,  bis  in  die  neueste  Vergangenheit  nachgewiesen  werden 
kann,  gegen  eine  ehemalige  Verbreitung  der  Schmiedekunst  unter 
den  Yezo-Aino.  Auf  Sachalin  diirfte  die  Verbreitung  der  Schmie- 
dekunst somit  nicht  von  Japan  aus  über  Yezo,  sondern  \-om 
Festlande  her  durch  die  Mandschu-Chinesen  stattgefunden  haben, 
und  zwar  zuerst  zu  den  Giljaken,  untl  dann  x'on  diesen  zu  (\c\\ 
Sachalin-Aino. 

■•*■  An  der  Xordspitze  von  Vc/Dj  früher  ein  Han.ielsijlatz  mit  Sachalin. 
t  1.  c.  p.  566  ir. 


V.    KCXIANEI,    UEÜER    DIE    LRBEWOIIXEK    JAPANS.  32 1 

Ein  sehr  wichtiger  Fund  wurde  von  Giinji,  dem  I'^ihrer  des 
Kolonisationsvereins  für  die  Kurilen,  auf  djr  nördlichsten  Ins^4 
Shuinshu  gemacht.  In  einer  Ortschaft  Bettofu  (vielleicht  besser 
Fettopo)  sind  nänilich  etwa  60  Jurten  vorhanden,  bei  den  meisten 
derselben  ist  das  Dach  eingefallen,  darunter  sind  aber  auch 
solche,  welche  ihre  urspri^ingliche  Form  noch  behalten  haben. 
In  solchen  Jurten,  welche  bis  zur  Uebersiedelung  nach  Shikotan 
im  Jahre  1884  von  Nordkurilen  -  Aino  bewohnt  waren,  wurde 
neben  verschiedenen  Ainogeräten  ein  Bündel  von  20-30  Pfeilen 
an  dem  Dachboden  gefunden.  Diese  Pfeile  waren  teils  mit 
Messingspitzen,  teils,  was  sehr  beachtenswert  ist,  mit  Steinspitzen 
versehen,  welche  denen,  die  unter  den  Resten  der  Steinzeit 
gefunden  wurden,  vollkonunen  gleichen.  In  der  Nähe  ist  auch 
eine  als  P'abrikstätte  von  Steinspitzen  zu  betrachtende  Stelle 
vorhanden  mit  einer  grossen  INIenge  von  Steinspänen  und  fertigen 
Pfeilspitzen.  Dieser  Yund  wurde  von  Giinji  an  Tstiboi'^  münd- 
Hch  mitgeteilt  und  Tsuhoi  erklärt  denselben  in  sehr  gezwungener 
Weise  so,  dass  die  Bewohner  der  Jurten  zufällig  die  steinernen 
Pfeilspitzen  gefunden  und  dieselben  ihren  Pfeilen  angemacht 
hätten,  was,  da  auf  Shumshu  Steinspitzen  massenhaft  x^orhanden 
sind,  leicht  möglich  sei,  und  dass  somit  noch  lange  nicht  die 
Nordkurilen-  Aino  als  die  Nachkommen  der  Steinzeitmenschen, 
welche  die  Steinzeitreste  auf  Yezo  hinterlassen  haben,  zu  be- 
trachten seien.  Ich  halte  es  dagegen,  wenn  man  sich  nur  den 
Kulturgrad  der  Aino  etwas  überlegt,  für  weit  natürlicher,  die 
steinernen  Pfeilspitzen  als  Fabrikate  nicht  anderer  Menschen, 
sondern  der  Nordkurilen-Aino  selbst  zu  betrachten. 

Nun  müssen  wir  noch  die  Ansichten  von  fremden  P'orschern 
über  die  vorliegende  P'rage  erwähnen.  Ich  fange  mit  der  Ansicht 
von  Mllnc'\  an.  Dieser  P'orscher  nimmt  zwar  an,  dass  ein 
Koropokguru-Volk,  welches  Steingeräte  gebrauchte,  die  Töpfer- 
kunst kannte  und  in  Gruben  wohnte,  existiert  hat ;  seine  Auf- 
fassung weicht  aber  von  der  Tsnboi  s  insofern  ab,  als  er  den 
Aino  gleichfalls  Steingeräte,  Töpferwaren,  sowie  Grubenwoh- 
nungen zuschreibt.     Da  die  beiden  Völker  dicht  zusammenlebten, 

""   Journ.  Anthrop.  .Soc.   Tokyo.   Xo.    154  (189g). 

t  Notes  011  Ihe  Koro-j  ok-guiu  or  Pit-Dwellers  of  Vezo  and  the  Kurile  Islands. 
Transact.  Asiat.  Soc.  Japan.  Vol.  .\.  1S82.  Notes  on  Stone  Implements  from  Otani 
and  Hakodate,  with  a  few  (General  Re.narks  on  ihc  rrL-histnric  Remaiiis  of  Jai)an. 
Ibid.  Vol.  VIII.  1880.  The  .S^onc  A<^e  in  Japa  1  etc.  Jnurn.  Anthrop.  Inst.  Gr.  Br. 
and  Irel.  Vol.  X.   18S1. 


322  Y.    K()(;AX1:[,    UKUKR    die    URnEWOlIXER    JAPANS. 

so  sei  es  ihm  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  gleiche  Künste 
ausübten,  und  dennoch  zwei  verschiedene  Rassen  sein  könnten. 
Die  Koropokguru  seien  mehr  als  die  Ureinwohner  des  Nordens 
zu  betrachten,  während  die  Urheber  der  Muschelhaufen  auf 
Nipon  (Hauptinsel)  die  Aino  wären.  Die  Aino  hätten  \-on  chn 
Japanern  vertrieben  ihren  \\'eL^^  in  das  Gebiet  d_'r  Koropokguru 
genommen  und  diese  wiederum  nach  Norden  zurückgedrängt. 
Die  Reste  der  Koropokguru  seien  jetzt  die  Bewohner  von 
Sachalin,  der  Kurilen  und  vielleicht  auch  von  Süd-Kamtschatka. 
Milnc  hatte  im  Jahre  iS/.S  die  nördlichen  Kuriien  besucht  und 
auf  der  Insel  Shumshu  eine  kleine  Gruppe  von  Einwohnern, 
nämlich  einen  Teil  der  jetzigen  Shikotan-Aino  noch  in  ihrem 
früheren  Wohnsitze  gesehen.  Die  Männer  waren  von  kleiner 
Statur,  hatten  einen  rundlichen  Kopf  und  kurzen  dichten  Bart  ; 
keiner  hatte  einen  so  langen  Bart  wie  die  Aino  auf  Yezo,  und 
keiner  so  regelmässige  Gesichtszüge.  Dass  die  Auffassung  Alilne  s 
\ox  der  Kritik  nicht  Stand  halten  kann,  ist  leicht  einzusehen, 
da  einerseits  die  Sachalin-  und  Kurilen-Aino,  wie  schon  oben 
erörtert  wurde,  mit  {\i^\\  Yezo-Aino  zu  einem  und  demselben 
Stamme  gehören  und  andererseits  wir  nach  den  bisherigen 
Untersuchungen  wegen  der  Gleichartigkeit  der  Steinzeitre.ste  im 
eigentlichen  Japan  und  auf  Yezo'  die  Annahme  zweier  ver- 
schiedener Völker,  Welche  dieselben  hinterlassen  haben  sollten, 
nicht  zulassen  können.  Ferner  entspricht  seine  Vermutung,  dass 
die  Aino  jetzt  noch  irdene  Gefässe  machen,  nicht  den  tatsäch- 
lichen Verhältnissen. 

Etwas  verschieden  ist  die  Ansicht  von  Dunionticr''^ ,  welche 
dahin  lautet :  Die  verschiedenen  Varietäten  der  Aino  (Aino  von 
Yezo,  \on  Sachalin,  von  den  Kurilen,  \on  Smerenkuru  f  etc) 
seien  sehr  zurückgeblieben,  seien  unfähig  irgend  welche  feinere 
Arbeit  auszuführen,  verständen  nicht  irdene  Geschirre  zu  machen, 
so  dass  es  schw^erlich  angehe,  die  irdenen  Geschirre  und 
die  schönen  Steingeräte,  wie  diejenigen  von  Hakodate  und 
Otaru,  (\c\\  Vorfahren  der  Aino  zuzuschreiben.  Vielmehr  seien 
die  fein  gearbeiteten  Steingeräte,  die  öfters  an  die  schönsten 
dänischen  Exemplare  erinnerten,  den  in  der  F!rinnerung  der 
Aino  erhaltenen   Höhlenbewohnern,   Koropokguru,    zuzuschreiben, 

*  Notes  de  palüoctliuologie,  crarchcolü^ic  et  de  miiieralogie  archeologique  japo.. 
naises.  L'Antliropologie.  T.  XIT.    1901. 

t  Smerenkuru  sind  niclit   .Aino,  .sondern  die  ainoischc  Bezeichnung  für  Ciljaken, 


Y.    KOGANEr,    UEDER    DIE    URBEWOHXER    JAPANS.  323 

\\ä!ii'end  andere  Kjökkcnmöddings,  wie  die  von  Omori  (bei 
Tok\-o)  und  Okadaira  (Frov.  Hitachi),  viel  rohere  Erzeugnisse  der 
Vorfahren  der  Aino  enthielten.  Solche  Kjökkenmöddings  seien 
jct/t  noch  in  Bildung  begriffen  durch  die  Abfälle  aus  dem  Leben 
der  Aino.  Hierzu  ist  aber  zu  bemerken,  dass  die  Kjökkenmöddings 
und  die  anderen  Steinzeitreste,  wie  oben  erörtert,  nicht  ausein- 
anderzuhalten sind,  fjrncr  dass  die  Abfallhaufen,  welche  heute 
von  den  Aino  gebildet  werden,  nicht  mit  den  Kjökkenmöddings 
zusammengeworfen  werden  di^irfen. 

Auch  H.  V.  Sicbold'^  betrachtet  als  Urheber  der  Muschel- 
haufen die  Aino  ;  als  Gründe  werden  angeführt,  dass  er  in  den 
\on  ihm  untersuchten  Niederlassungen  aus  der  Steinzeit  an  der 
Westküste  von  Yezo  nicht  nur  dieselben  Tonscherben  sondern 
auch  dieselben  Steingeräte  wie  in  den  Muschelbergen  bei 
Tokyo  und  wie  sie  noch  heute  bei  den  Aino  in  Gebrauch 
sind,  vorfand,  dass  die  noch  jetzt  von  <\'C\\  Aino  hin  und  wieder 
angefertigten  Tongefässe  denselben  Charakter  haben,  ebenso  die 
Stickereien,  dass  die  Aino  heute  noch  mit  grosser  Gewissen- 
haftigkeit in  der  Nähe  ihrer  Hütten,  am  Meere  oder  am  Flusse 
Muschelhaufen  und  in  den  Bergen  einen  Abfallhaufen  errichten. 
Dass  solche  Gründe  keine  Geltung  mehr  haben,  geht  aus  dem 
oben  Auseinandergesetzten  leicht  hervor. 

Batchelor  t  meint,  dass  die  Koropokguru-Sage  wahr  sei  und 
dass  diese  Grubenbewohner  wirklich  existiert  hätten.  Sie  wären 
nahe  verwandt  mit  den  Aino  und  der  Rest  von  ihnen  sei  jetzt 
noch  auf  Shikotan  zu  sehen.  Die  Bewohner  von  Shikotan  seien 
von  kleinerem  Wüchse  als  die  Yezo-Aino  und  von  nicht  so 
gutem  Aus.sehen.  Nach  vor  kurzem  an  Dcnzö  SatJ  mündlich 
gemachter  Mitteilung  T  hält  Batcliclor  die  Koropokguru  für 
eine  und  dieselbe  Rasse  mit  den  Aino.  Die  angegebenen  Gründe, 
welche  für  seine  Meinung  sprechen  sollen,  k'önnen  freilich  nicht 
als  sehr  trifng  bezeichnet  werden. 

Griinin%  weist  durch  Vergleichung  der  Koropokguru-Gruben, 
welche  er  durch    Ausgrabungen    genau   untersucht   hat,   mit   den 

*  Eiwas  über  die  Steinzeit  in  Japan.  Zeitschr.  f.  Etimol.  \cihandl.  X.  1878. 
Japanische  Kjökkeniuöddinger.  Iljid.  XI.    1879. 

t  The   .■^inu  of  Jaimn.   1892.  Journ.   Anihrop.   .Soc.  Tokyo.     No.   72  (1892). 

%  Von  D-  Sato  mit  Erlaubniss  von  Batchelor  veröffentlicht  in  Journ.  Anthrop. 
i-oc.  Tokyo.  No.   197  (1902). 

''/,  Beitrag  zur  Kenntni.ss  der  Koropokguru  auf  Yezo  u.  Bemerkungen  über  die 
Shikolan-.Aino.    Mitth.  d.  deutsch.  Ges.  f.  Nalur-  u.  Völkerk.  03tasien.s.  48.  H.  1892. 


324  V.    KOGAXKr,    UKIiKR    DIE    UKI5i:\\()llXJ:i<    JAPANS. 

Ei'djurten  auf  Shikotan  auf  eine  Aehnlichlveit  zwischen  beiden 
hin  ;  aber  er  lässt  sich  niclit  nfilier  auf  unsere  Streitfrage  ein  und 
schhesst   sich    einfach    don   i\usfiihrungen   Milncs  an. 

Hitchcock"  spricht  nach  einer  Beschreibung  der  gegen- 
wärtigen I'^rdjurten  auf  Shikotan  die  Meinung  aus.  dass,  da 
dieselben  nach  dem  lunfdk-n  älinUche  Erdgruben  wie  die  auf 
Yezo  7Anaicklassen  würden,  ein  Zusammenhang  zwischen  den 
Erbauern  der  ahen  ludgruben  auf  Yezo  und  (\c\\  jetzigen 
Bewohnern  der  lu'tljurten  auf  Shikotan  vorhanden  sein  müsse. 
Die  alten  (irubenbewohner  hätten  aus  Yezo  vielleicht  von  <\(:.\\ 
Aino  vertrieben  ihren  Weg  über  P2turupp  nach  (\i^:\\  Kurilen 
genommen.  So  scheint  Hitchcock  die  Bewohner  von  Shikotan 
und  die  Yezo-Aino,  wie  Milnc,  als  zwei  verschiedene  Rassen 
aufzufassen.  Ueber  die  ethnologische  Beziehung  zwischen  beiden 
ist  jedoch  nichts  weiter  angegeben. 

Dagegen  sagt  Lanzor,  f  dass  die  Kurilsky  Aino  auf  Shikotan 
keine  Beziehung  zu  den  Koropokguru  hätten,  an  deren  einstige 
Existenz  auf  Yezo  und  den  Kurilen  auch  er  glaubt,  da  die  ersteren 
nic/it  in  Erdjurten  wohnten.  P'.s  ist  aber  erstaunlich,  wie  er  nach 
seiner  angeblich  persönlichen  Eorschung  auf  Shikotan  im  Jahre 
1890  die  so  bekannte  Tatsache,  dass  auf  Shikotan  neben  Stroh- 
hütten auch  Erdjurten  gebräuchlich  sind,  übersehen  konnte. 
Die  Shikotan-Aino  sollen  nach  ihm  keine  körperliche  Differenz 
von  den  Yezo-Aino  zeigen  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dass  die 
Tibia  bei  den  ersteren  mehr  rund  sei  als  bei  den  letzteren. 
Wie  er  aber  die  Eorm  der  Tibia  an  den  Lebenden  mit  solcher 
Sicherheit  feststellen  konnte,  ist  nicht  zu  ergründen.  Laiidor 
betrachtet  die  Koropokguru  als  ein  \'on  Nordosten  nach  Südwesten 
hingezogenes  Volk.  Die  Hauptniederlassungen  dieses  Volkes 
wären  die  beiden  Inseln  Eturupp  und  Kunashiri  und  bei  Kushiro 
auf  Yezo  gewesen,  und  nur  ein  kleiner  Teil  wäre  weiter  nach 
Süden  gegangen.  Die  Koropokguru  hätten  in  Sitten  und  Ge- 
bräuchen mit  den  Eskimo  mehrere  Punkte  gemein.  Aehnlich 
ist  die  Ansicht  von  S]ioiü.\  Nach  ihm  waren  die  Koropokguru 
unzweifelhaft  eine  nördliche  Rasse,  die  in  Yezo  via  Kurilen 
eindrang ;    sie  waren    wahrscheinlich   nie  sehr    zahlreich,    und  als 

■■*  The  Ancient  Pit-Dweilers  of  Yezo,  Japan.  Wasliingion   1S92. 
t  Alone  wilh  the  Hairy  Ainu,  London   1893. 

+  Notes  on  the  Kurile  Islands.   1S97.    Cil.  nach   Läufer^  Ciotralbl.  f.   AiUhrop, 
■etc.  V.  Jahrg.   1900. 


V.    KOGANEF,    UEHER    DIE    URDEWOIIXER    JAPANS.  325 

die  Aino  von  den  Japanern  nach  Yezo  getrieben  wurden,  konnten 
sie  keine  Schwierigkeiten  haben  diesen  Stamm  zu  vernichten 
oder  in  seine  urspri^ingHchen  Wohnsitze  zurückzutreiben  ;  ihre 
Grubenwohnungen  findet  man  auf  den  Kurilen,  Sachalin,  Kam- 
tschatka und  den  Aleuten  ;  die  Bauart,  die  sie  im  fernen  Norden 
l^flegten,  behielten  sie  selbst  dann  bei,  als  sie  ihren  Weg  in  ein 
weit  milderes  Klima  nahmen.  Gegen  die  Ansicht  \-on  Laiidor 
und  Snozu  ist  aber  einzuwenden,  dass  die  Reste  aus  der  Steinzeit, 
die  Spuren  der  Koropokguru  der  Autoren,  nicht  etwa  auf  Yezo 
und  die  Kurilen  beschränkt,  sondern  weiter  nach  Si^iden  bis  zum 
Südende  des  eigentlichen  Japan  verbreitet  sind. 

Neuerdings  behandelte  Lauf  er  *  die  Frage  über  die  Ur\"ölker 
\'on  Yezo  und  Sachalin  in  einer  kritischen  Weise  und  zieht  aus 
der  Angabe  eines  Aino -Häuptlings  im  Dorfe  Naiero  an  der 
Ostküste  von  Sachalin  über  die  Tonchi-Sage  wie  aus  der  Gleich- 
setzung von  tonchi  mit  toichi  (^\.c\\  Schluss,  ,,  dass  die  ehemaligen 
Bewohner  der  Erdgruben  nur  die  Ainu  selbst  gewesen  sein 
können."  Ferner  wird  erwähnt,  dass  das  Schauspiel  der  Ent- 
stehung der  Erdgruben  sich  noch  heutzutage  vor  unseren  Augen 
vollzieht,  indem  der  Gebrauch  von  Winterjurten,  deren  Bau  viel 
Zeit,  Kraft  und  Kosten  \-erursacht,  allmählich  abnimmt  und  wohl 
bald  ganz  aufhören  wird,  so  dass  es  nicht  lange  dauern  wird,  dass 
uns  das  südliche  Sachalin  in  dieser  Hinsicht  dieselben  Zustände 
darbietet  wie  Yezo  in  der  Gegenwart.  Die  Ursache  dafür  sei 
in  der  zunehmenden  wirtschaftlichen  Verarmung  der  Aino  zu 
suchen.     Zahoyoivski'S'  nimmt  die  Ansicht  von    Läufer  völlig  an. 

Um  aber  die  P"rage  über  die  Ureinwohner  \"on  Yezo,  resp. 
von  Japan  weiter  zu  verfolgen,  ist  es  unbedingt  notwendig  noch 
genauere  Forschungen  im  Norden,  auf  Sachalin  und  ganz  be- 
sonders auf  den  Nordkurilen  vorzunehmen.  Gerade  für  die 
letzteren  haben  wir  einen  neuen  Bericht  von  Torii,  welcher  flu^ 
unsere  Frage  \-on  hoher  Bedeutung  ist.  Bekanntlich  sind  die 
Ueberreste  aus  der  Steinzeit  auf  den  Südkurilen  \ox\  derselben 
Art  wie  auf  Yezo,  so  dass  beide  nur  als  von  einer  und  derselben 
Rasse  herstammend  aufgefasst  werden  müssen.  Wie  sie  sich 
aber  auf  den  Nordkurilen  verhalten,  fehlen  bis  jetzt  ausführliche 
Berichte.  Von  Milnc  und  namentlich  von  Snoz^\  der  in  seinem 
Bcrufe   als    Kapitän    eine    genaue    Kenntnis    der    Kurilen    besitzt, 

*  1.  c. 

t  Bulletins  et  Memoires  Slc.  d'  .\ntlirop.  Paris.  \ .  seiic.  T.  II.   1901.  p,  441- 


326  Y.    KOGAXEI,    UEBEK    DIE    URÜEWOI IXEK    JAI'ANS. 

wurden    nur     Juxljurtcn,    resp.    Erdf^Tubcn     erwähnt,    aber    nicht 
weiter  erforscht. 

Torii^''  ein  Schiller  von  Tsuboi,  hatte  im  Jahre  1899  auf 
den  Insehi  Shumshu  und  Poromoshiri  eine  ijenauere  Untersuchung 
über  diese  Angelegenheit  vorgenommen,  deren  ]<.esultate  nun  im 
folgenden  angeführt  sein  mögen.  Hie  und  da  sind  Muschelhaufen 
zu  sehen  ;  überall  sind  luxlgruben  \'orhanden  von  verschiedenem 
Alter,  von  den  neuesten,  bis  1884  von  Nordkurilen-Aino  be- 
wohnten bis  zu  den  ältesten.  In  solchen  alten  W'ohnstätten, 
namentlich  aber  in  Muschelhaufen  findet  man  in  reichlicher 
Menge  Stein-  und  Knochengeräte,  irdene  Geschirre,  Knocheii 
verschiedener  Tiere,  wie  Zobel,  Walfisch,  Fuchs,  Renntier,  Adler. 
Höchst  bemerkenswert  ist,  dass  darin  Gla.sperlen  und  Scherben 
von  Glasflaschen  russischer  Herkunft  aufgefunden  wurden  und, 
was  von  grösster  Wichtigkeit  ist,  dass  an  diesen  Glasscherben 
gearbeitet  w^orden  ist,  um  Pfeilspitzen  herzustellen.  Da  wir  nun 
wissen,  dass  die  Russen  zum  ersten  Male  im  Jahre  171 1  zunächst 
nach  Shumshu  und  dann  nach  Poromoshiri  gekommen  sind,  so 
können  wir  ganz  sicher  sagen,  dass  das  Zeitalter  dieser  russischen 
Glasperlen  und  Glasflaschen  nicht  älter  zurückdatiert  werden  kann. 
So  wissen  wir  ganz  sicher,  dass  zur  Zeit  der  ersten  Landung 
der  Russen  diese  Nordkurilen  von  Menschen  bewohnt  waren, 
die  Stein-  und  Knochengeiäte  gebrauchten.  Was  die  Koro- 
pokguru-Sage  auf  den  Kurilen  betrifft,  so  hat  Toiii  auf  Eturupp 
zwei  alte  Ainofrauen  darüber  ausgeforscht ;  sie  erzählten  diese 
Sage  in  ganz  derselben  Form,  wie  sie  auf  Yezo  verbreitet  ist, 
und  sie  nannten  dieses  Sagenvolk  Toishekuru.  Diese  Sage  ist 
also  bis  auf  Plturupp  zu  verfolgen,  sind  doch  die  Aino  auf  beiden 
Südkurilen  Kunashiri  und  Eturupp  in  keiner  Beziehung  \-er- 
schieden  von  den  Yezo-Aino.  Weiter  nordwärts  hört  aber  diese 
Sage  auf;  von  der  Koropokguru-Sage  weiss  keiner  etwas 
unter  den  Nordkurilen-Aino  und  gibt  keiner  an,  dass  diese 
Inseln  vor  Ankunft  der  Aino  von  jemand  bewohnt  waren  ;  sie 
sagen  nur,  dass  sie  schon  seit  den  ältesten  V^orfahren  auf  diesen 
Inseln  wohnen.  Bei  einer  Befragung  über  die  Reste  der  Stein- 
zeit geben  die  Nordkurilen-Aino  ohne  den  geringsten  Zweifel 
an,  dass  dieselben  von  ihren  Vorfahren  herrühren,  üeber  die 
Steingeräte  erzählten  sie,  dass  in  der  alten  Zeit,  wo  Prisen  noch 

"    lüuni.  AiUhrup.  Soc.  Tokyo.  Xo.  1S7-18S  (1901).  Audi  iin  Journ.  of  Geograjiliy. 
PuIjI.  by.  Üie  Tokyo  Geograph.  Sjc.  Xo.   151-152. 


V.    KOGANEI,    UEBER    DIE    URßEWOHNER    JAPANS.  32/ 

nicht  vorhanden  war,  Geräte  aus  Stein  gemacht  wurden.  Es 
gibt  deren  zwei  Sorten  :  Steinbeile,  Poinainukani  {poi  ,,  Stein  ", 
imikant  ,,  Beil  "),  aus  Plshuen  genannten  Steinen  gemacht,  und 
Pfeilspitzen,  Anjiai  {anji  ,,Obsidian",  ai  ,,  Pfeilspitze ").  Die 
Herstellungsweise  solcher  Steingeräte  ist  leider  schon  vergessen  ; 
aber  es  hat  sich  noch  unter  den  Nordkurilen-Aino  eine  bemerkens- 
werte Redensart  von  jener  Zeit  her  erhalten,  welche  noch  xielfach 
gebräuchlich  ist,  wenn  sie  irgend  eine  schwierige  Arbeit  \-er- 
richtet  haben,  und  welche  heisst  :  ,,  Poinamukaru  niushupe 
ashinka  shiri  tinka "  d.  h.  mit  dem  Steinbeil  Holz  zu  hauen 
kostete  grosse  Mühe.  Von  Knochengeräten  sind  verschiedene 
Sorten  vorhanden  :  Fönikeoi,  ein  aus  Walfischknochen  gemachter 
Keil  zum  Spalten  von  Holz  ;  Aipi,  eine  aus  Knochen  gemachte 
Pfeilspitze,  deren  Gebrauchsweise  genau  bekannt  ist ;  Kiikkuru- 
kesJii,  ein  aus  Walfischknochen  geschnitztes  Gürtelschloss,  das 
gleichfalls  in  Muschelhaufen  gefunden  wird  und  auf  Shikotan 
gegenwärtig  noch  im  Gebrauche  ist ;  ferner  ein  Gerät  aus 
Adlerknochen  zum  Aufbewahren  von   Nadeln. 

Ueber  die  irdenen  Geschirre,  die  ebenfalls  in  Muschelhaufen 
gefunden  werden,  erhält  man  weit  genauere  Angaben  als  über 
die  Steingeräte.  Bevor  eiserne  Töpfe  von  den  Yezo-Aino  (d.  h. 
aus  Japan  durch  Yermittelung  der  Yezo-Aino)  oder  von  den 
Russen  eingeführt  wurden,  haben  die  Nordkurilen-Aino  selber 
Töpfe  aus  Erde  verfertigt.  Ueber  die  P'abrikation  derselben  hat 
ein  Greis  von  über  70  Jahren  folgendes  erzählt :  Zuerst  werden 
Toi  (Ton)  und  Ottä  (Sand)  gemischt,  dazu  Wasser  zugesetzt  und 
geknetet,  als  Bindemittel  wird  klein  zerschnittenes  Xokkaiiki 
(ein  aus  feinen  Fasern  bestehendes  Gras)  zugetan  ;  dann  wird 
aus  dieser  Teigmasse  ein  Ring,  Toikaryu  genannt  {karyTc  ,,  Ring"), 
gemacht,  aus  welchem  ein  Geschirr  von  gewünschter  P^orm  her- 
gestellt wird.  Zuletzt  wird  das  Geschirr  mit  Wasser  gefüllt,  ins 
Eeuer  gesetzt  und  erhitzt,  das  W^asser  kocht  sich  bald  auf  und 
verdampft  ;  wenn  das  Geschirr  trocken  geworden  ist,  wird  es 
herausgenommen  und  die  ganze  Kunst  ist  fertig.  Die  zur 
Herstellung  von  Töpfen  geeignete  Tonerde  gibt  es  nicht  überall, 
sie  wird  oft  von  weit  entfernten  Orten  geholt ;  solche  Orte  sind 
die  Insel  Alait  und  Mojirikeshi  auf  Rashowa.  Gewerbsmässige 
Töpfer  gab  es  nicht,  jeder  machte  selbst  seinen  Bedarf,  jedoch 
war  die  Töpferei  hauptsächlich  die  Kunst  der  P^rauen.  Die 
Frauen  von  Poromoshiri  waren  sehr  geschickt,  die  von  Rashowa 
dagegen  sehr  ungeschickt.     Die  Kunstferticckeit  betrifft  \'or  allem 


328  V.   KOcAXEi,  ui-:r.KR   imk  lki;k\\()iini:r  jatans. 

die  An\vcnduni;".s\vcisj  des  Xokkanki.  1  )ic  irdcMicn  Geschirre 
waren  hauptsächlicii  in  zwei  Formen  gebräuchlich  :  ToisJut  {s/ui 
,,  Kochpfanne  ")  und  Toisara  {sara  ,,  Teller  ").  An  der  Koch- 
pfanne sind  an  der  inneren  Seite  nahe  am  Rande  Oehre  angebracht. 
lAIittels  eines  durch  die  Oehre  durchgezogenen  aus  Muri  Gras  ge- 
drehten Strickes  wird  die  Pfanne  über  den  1^'euerherd  gehängt 
und  darin  die  Speise  gekocht,  wobei  aber  öfters  Unfälle  vorkamen, 
indem  die  Pfanne  zerbrach,  was  grossen  Verdruss  erregte.  In  so 
frischer  Erinnerung  resp.  Tradition  bleibt  die  Lebensweise  der 
damaligen  Zeit  noch  im  Gedächtnis  der  Nordkurilen-Aino.  Was 
die  Erdgruben  betrifft,  so  ist  es  keine  P'rage,  dass  sie  die 'Hinter- 
lassenschaft der  Aino  sind  ;  die  Nordkurilen-Aino  wohnen  ja  noch 
gegenwärtig  auf  Shikotan  in  solchen  Erdgruben.  Es  sei  somit 
nunmehr  gar  kein  Zweifel  vorhanden,  dass  die  Urheber  der 
Steinzeitreste  auf  den  Nordkurilen  Shumshu  und  Poromoshiri 
die  Nordkurilen-Aino  selbst  sind  und  keine  anderen  Menschen, 
und  dass  die  sog.  Koropokguru,  falls  sie  wirklicli  existiert  hätten, 
nicht  über  die  Kurilen  nach  Norden  gegangen  sind.  Toi^ii  sagt 
weiter  :  Wenn  man  die  wohlbekannten  Reste  der  Steinzeit  von 
Yezo  und  den  Südkurilen  bis  P^turupp  einer  genauen  Vergleichung 
mit  denen  der  Nordkurilen,  Shumshu  und  Poromoshiri  unter- 
ziehe, so  sei  eine  vollkommene  Ut^bereinstimmung  zwischen 
beiden  noch  nicht  vorhanden,  insofern  als  diejenigen  irdenen 
Geschirre  mit  vielen  Verzierungen,  welche  auf  Yezo  und  den 
Südkurilen  gewöhnlich  gefunden  werden,  auf  Shumshu  und  Poro- 
moshiri bis  jetzt  vergebens  gesucht  worden  sind,  während  die 
oben  erwähnten  hierselbst  gefundenen  Toishu  \on  sehr  roher 
zerbrechlicher  Art,  ohne  jede  Ornamente  und  an  der  inneren 
Seite  mit  Oehren  versehen  sind.  Da  aber  Torii'^  bald  darauf 
aufmerksam  wau'de,  dass  ebensolche  Toishu  wie  die  der  Nord- 
kurilen mit  den  charalcteristischen  Oehren  an  der  Innenseite  auch 
auf  Sachalin  inid  auf  Yezo  gefunden  worden  sind,  so  kommt 
er  schliesslich  zu  dem  allgemeinen  Schlüsse,  dass  die  Aino 
Steinzeitmen.schen  waren,  irdene  Geschirre  machten  und  in  Erd- 
jurten wohnten  und  alle  die  Reste  aus  der  Steinzeit  hinterliessen. 
Wie  Tsiihoi  unter  Berücksichtigung  der  Forschungen  von 
Toi'ii  seine  Koropokguru-Hypotliese,  welche  ja  in  der  bisherigen 
unveränderten  Form  wohl  nicht  Stand  halten  kann,  auffasst,  hat 
er   noch    nicht   publiziert.      Dass    er   aber  noch    bis    zur    neuesten 

'■'•  Journ.  Anlhroj).  Soc.  Tokyo.  Xo.   iSS  (^1901). 


Y.    KOGANEI,    UEBER    DIE    URBEWOHXER    JAPANS.  329 

Zeit  an  seiner  Ansicht  über  die  Koropokguru  festhält,  hat  er 
gelegenthch  im  Journal  of  the  Anthropological  Society  of  Tokyo, 
No.  198  und  200  (Sept.  u.  Nov.  1902)  sowie  No.  203  (Febr. 
1903)  geäussert. 

Ich  kann  nun  sagen,  dass  Torii  mit  reichlichen  beweisenden 
Tatsachen  meine  Auffassung  im  vollen  Umfange  bestätigt  hat. 

Die  kleine  Gruppe  von  Nordkurilen-Aino  auf  Shikotan  von 
kaum  mehr  als  60  Seelen,"^'  die  vielleicht  nur  noch  bis  zu  einer 
absehbaren  Frist  die  weltliche  Existenz  behaupten  kann,  ist 
sozusagen  ein  iiiissing  link  zwischen  den  Steinzeit-Aino  und 
•den  Eisenzeit-Aino.  Ich  schliesse  mit  den  Worten,  welche  ich 
schon  früher  ausgesprochen  habe :  Das  japanische  Reich  war 
einst  ein  Aino- Reich. 

Tokyo,  März  i()Oj. 


*  Zur    Zeit    meines    Besuches    1SS9    waren    es    63    Aino ;     Tora  wählte   1899  62 
Aino. 


1 


iiisPRiiG  DES  umn  mm. 

Vox 
PFARRER    HANS    HAAS 

IN      TÜKYÖ. 


Dai  Nippon,  Gross-Nippon,  ist  der  Name,  mit  welchem  die 
Japaner  selbst  ihr  Land  bezeichnen.  Dass  das  Wort  Nippon 
(oder  Nihoii)  wie  unser  Japan  eine  Korrumpierung  von  Jih-pcn, 
der  chinesischen  Aussprache  der  auch  von  den  Japanern  ge- 
brauchten Schriftbilder  0  :^  ist,  ebenso  wie  wir  Marco  Polo's 
Zipangit  nur  als  eine  Transskription  von  JiJi-pcn-kiio  (/^//c;  =  Land) 
anzusehen  haben,  ist  eine  ausgemachte  Sache.  Um  so  mehr 
gehen  noch  heute  die  Ansichten  darüber  auseinander,  wie,  wo 
und  wann  zuerst  der  Name  0  ;^  ,,  Sonnen-Aufgang "  als 
Bezeichnung  für  das  äusserste  östliche  Thule  aufgekommen. 

Was  seitens  japanischer  Forscher  bis  jetzt  zur  Aufklärung 
des  Problems  geleistet  worden,  hat  vor  kurzem  Dr.  Murakawa 
mitgeteilt.  Sein  Resume  findet  sich  in  Gestalt  einer  ergänzenden 
Herausgebernote  in  dem  von  ihm  besorgten  Nachdruck  von 
Hildreth's  Japan  as  it  %^'as  and  is.^  Diese  neueste  Auflage 
des  noch  heute  vor  hundert  anderen  lesenswerten  Werkes  über 
Japan  erschien  leider  nur  in  300  Exemplaren,  die  an  die  Sub- 
skribenten verkauft  waren,  noch  ehe  der  Druck  beendigt  war. 
Von  Europäern  sind  nur  einige  wenige  dazu  gekommen,  sich 
das  Buch  zu  sichern.  So  wird  mit  einer  Wiedergabe  der  er- 
wähnten kurzen  Zusammenfassung  in  deutscher  Uebersetzung 
wohl  dem  einen  oder  andern  Leser  ein  Dienst  erwiesen. 

Dr.  Murakawa  bemerkt  :  ,,  Der  Ursprung  des  Namens 
,,  Nippon  "  oder  ,,  Nihon  "   [  3  ;^]  ist  oft  und  von  verschiedenen 

*  Richard  Hildreth,  Japan  as  it  ivas  and  is.     Edited  wilh  supplementary 
notes  by  K.  MuRAKAWA.  Tökyü.  Printed  at  the  Sanshüsha,  Kanda  1902.  S.  581  f. 


332  II.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPI'ON. 

Gelehrten  unseres  Landes  zum  Gei;"enstand  der  Untersuchung 
o-emacht  worden.  Indes  ist  keiner  von  ihnen  bis  jetzt  imstande 
o-ewesen,  eine  iM'klärung  zu  finden,  welche  so  sehr  befriedigt 
hätte,  dass  sie  die  von  den  übrigen  aufgestellten  Hypothesen 
verdrängte. 

Es  war  Norinaga  Mototiri  [/^^^:^],  ein  gcbilduter, 
in  Verbindung  mit  unserer  nationalen  Literatur  und  Geschichte 
wohlbekannter  Gelehrter,  der  als  erster  die  Frage  nach  der 
Herkunft  des  Namens  Nippon  systematisch  untersuchte.  l^r 
war  der  Ansicht,  dass  der  Name  Nippon :  (i)  offiziell  im 
I.  Jahre  Taikwa  [:^  ft]  d.i.  645  A.  D.  gebraucht  wurde,  als 
eine  vollständige  Reform  im  Verwaltungssystem  durchgeführt 
wurde  ;  (2)  dass  er  ein  Wort  für  die  Zeichen  0  ;$L  war,  die 
geflissentlich  mit  Rücksicht  auf  die  fremden  Länder  [China  und 
Korea]  gewählt  wurden,  um  von  diesen  erkannt  zu  werden,  und 
dass  sie  daher  auch  von  dem  Augenblicke  an,  da  man  sie 
annahm,  wie  Ni-hon  ausgesprochen  worden  sein  müssen.  Von 
einer  japanischen  Aussprache  derselben  wie  Hi-no-vioto  oder 
Yaniato  habe  man  zu  dieser  Zeit  nichts  gewusst.  [Siehe  Motoori's 
Kokugö-ko,  1^  ^  #]. 

Nobutomo  Ban  [j^  f^  ^],  ebenfalls  ein  wohlbekannter 
Gelehrter  am  Ende  der  Tokugawa-Dynastie,  veröffentlichte  als 
nächster  seine  Ansichten  im  Chügwai-keiiden  [ff»  ^  ^  |^  jl^]. 
Nach  ihm  waren  es  die  Koreaner,  die  unser  Kaiserreich  zuerst 
Ni-Jion  nannten,  und  da  dieser  Name  mit  seiner  Bedeutung 
Sonnen-Quelle "  sehr  glücklich  ist,  wurde  er  von  der  Regie- 
rung der  Zeit  ohne  weiteres  angenommen. 

Ganz  neuerdings  hat  Herr  Masakoto  Kimura  \^  j^  JE  ^] 
den  Gegenstand  von  neuem  behandelt  und  seine  Ansichten  in 
No.  9  der  Töyö  Gakukwai  Zasshi  [:^  V^  ^  #  ||  W,  veröfient- 
licht.  Sie  laufen  auf  das  folgende  hinaus :  Der  Name  Nippon 
wurde  wahrscheinlich  zuerst  von  den  Koreanern  gebraucht,  und 
ob""leich  es  schwer  ist,  genau  zu  bestimmen,  wann  derselbe 
zuerst  in  unserem  Lande  gebraucht  wurde,  ist  es  doch  wahr- 
scheinlich, dass  er  zur  Zeit  des  Kaisers  Sujin  Tennö  [^r  jji^  ^ 
^]  *  bereits  im  Gebrauche  war,  da  seit  seiner  Regierung  ein 
häufiger  Verkehr  zwischen  Japan  und  Korea  stattfand.  Er 
stimmt  mit  Ban  überein  in  der  Ansicht,  dass  wir  den  Namen 
von   den    Koreanern    übernahmen,   und   mit   Motoori   hinsichtlich 

*  Sujin-tennö,  angeblich  der  lo.  Kaiser,  soll  von  97-30  v.  Chr.  ü.  regiert  haben. 
(Anm.  des  Uebersetzers). 


H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS   NIPPON.  333 

der   Art   und    Weise  des  Aussprechens  der  chinesischen  Schrift- 
zeichen  0  :^. 

Sodann  veröffentHchte  Hoshino  [^  ff],  Professor  an  der 
Kaiserhchen  Universität  Tokyo,  seine  Ansichten  in  den  Nummern 
30  und  31  der  Shigaku  Zasshi  [^  ^  ^i  |^.].  Dies  gab  Anlass 
zu  einer  hitzigen  Diskussion  zwischen  ihm  und  Herrn  Kimura. 
Der  Hauptkontroverspunkt  war,  ob  der  Name  Hi-no-nioto,  die 
japanische  Lesung  der  Zeichen  0  ;^,  vor  der  EinRihrung  der 
Charaktere  (d.  h.  0  ;^)  in  Japan  existierte  oder  nicht :  Prof 
Hoshino  vertrat  die  Meinung,  dass  er  vorhanden  gewesen,  Herr 
Kimura  dagegen  stellte  diese  Tatsache  rundweg  in  Abrede. 

Während  viele  andere  wichtige  Fragen  ebenso  hitzig  zwischen 
den  zwei  Forschern  verhandelt  wurden,  publizierte  Dr.  Ginzö 
Uchida  [^09M|^]  das  Ergebnis  seiner  Untersuchungen  über 
den  Ursprung  des  Namens  Nippon  in  der  Shigaku  Zasshi.  P> 
machte  geltend,  dass:  (i)  Yamato,  der  ursprüngliche  Name  für 
Japan,  durch  0  ;^  dargestellt  wurde,  als  die  Literaten  ver- 
gangener Tage  das  Bedürfnis  fühlten,  zur  Ersetzung  anderer  im 
Gebrauche  stehender  Schriftzeichen  glückbedeutende  chinesische 
Charaktere  zu  wählen.  Die  zwei  in  Frage  stehenden  Zeichen 
sagten  ihnen  zu,  da  der  Gedanke,  dass  dieses  Land  ein  Land 
des  ,,  Sonnenquells  "  ist,  bereits  in  ihnen  schlummerte.  (2)  Die 
Zeichen  0  :^  wurden  zur  Zeit  ihrer  ersten  Anwendung  in 
unserem  Lande  von  den  Japanern  Yamato  gelesen.  (3)  Es  ist 
möglich,  dass  diese  Weise,  Yamato  durch  die  Zeichen  0  i^ 
darzustellen,  bei  den  Koreanern  vor  deren  wirklichem  Gebrauche 
in  Japan  gang  und  gäbe  war.  (4)  Obgleich  wir  den  genauen 
Zeitpunkt,  wann  die  Zeichen  0  i^  zuerst  in  unserem  Lande 
gebraucht  wurden,  nicht  genau  zu  bestimmen  vermögen,  ist  es 
doch  gewiss,  dass  sie  bereits  vor  der  Taikwa  {^  f|^)-Aera  im 
Gebrauche  waren.  (Siehe  Shigaku  Zasshi,  ^  ^  lÜlS  .  1^'J-  ^•. 
No.  7,   II   und  Bd.  XL,  No.    1,2). 

Dr.  Murakawa  schliesst  mit  den  Worten  :  ,,  Obgleich  dieser 
Gegenstand,  der  viele  unserer  Historiker  interessiert  hat,  noch 
viel  Raum  für  weitere  Untersuchung  lässt,  steht  uns  doch  wenig- 
stens das  eine  fest,  dass  der  Ursprung  des  Namens  nicht  chine- 
sisch ist." 

Eben  das  nun,  was  dem  japanischen  Historiker  bei  allen 
sonstigen  Ungewissheiten  fest  steht,  wird  von  dem  europäischen 
Japanologen,  der  sich  an  die  Untersuchung  des  Problems  gemacht 
hat,   von   Aston,   ebenso   entschieden   als  falsch  zurückgewiesen. 


334  H-    IIAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPON. 

Kr  meint,  der  Ausdruck  Nippon  trage  unverkennbar  das  Gepräge 
chinesischen  Einflusses.  ,,  Für  einen  Japaner  ist  sein  eigenes 
Land  ebensoviel  das  Land  des  Sonnenuntergangs,  wie  es  ihm 
das  Land  des  Sonnenaufgangs  ist.  Einzig  einem  Kopfe,  der  mit 
der  Vorstelkmg  erfüllt  ist,  dass  China  das  grosse  Reich,  das  Reich 
der  Mitte  ist,  kann  es  einfallen,  Japan  das  Land  des  Sonnen- 
aufgangs oder  das  Ostland   zu  nennen."  * 

Ich  selbst  habe  mich  noch  vor  Jahresfrist  gelegentlich  f  zu 
dieser  Frage  folgendermassen  geäussert :  ,,  Wäre,  was  jedoch 
höchst  unwahrscheinlich  ist,  der  Name,  der  nicht  vor  ö/o  n. 
Chr.  für  das  vorher  gebräuchliche  Wa  eingeführt  Avurde,'  nicht 
von  den  Chinesen  oder  Koreanern  aufgebracht  sondern  japa- 
nischen Ursprungs,  so  könnte  man  höchstens  annehmen,  dass  er 
vor  Alters  von  den  Eingebornen  der  westlichen  Provinzen  für 
die  östlich  gelegenen  gebraucht  worden  sei."  Es  ist  mir  schmei- 
chelhaft, dass  der  japanische  Historiker  diese  meine  cn  passaiit 
hingeworfene  Hypothese,  die  so  nahe  liegt,  dass  ich  mich 
wundern  würde,  wenn  nicht  schon  andere  vor  mir  auf  dieselbe 
gekommen  wären,  in  seinem  Resume  der  Wiedergabe  für  wert 
fand.  Aber  gerade  eine  persönliche  Diskussion  der  Streitfrage 
mit  Herrn  Murakawa  wurde  mir  die  Veranlassung  zu  eingehenderer 
Beschäftigung  mit  ihr,  die  mich  zu  einer  anderen  Hypothese 
geführt  hat.  Als  solche,  als  einen  erneuten  Versuch  zur  Lösung, 
den  ich  kompetenten  Beurteilern  zur  Prüfung  vorlege,  nicht 
als  meiner  Meinung  nach  unumstössliches  Resultat  möchte  ich 
die  nachfolcrenden  AusführunQ"en  an^resehen  wissen. 


Die  Chinesen  nannten  das  Liselreich,  mit  dem  sie  frühe 
schon  in  Verkehr  standen,  in  der  ältesten  Zeit,  v.'ie  die  Koreaner 
das  noch  heute  tun,  IVa.X  Das  Zeichen  ■^.  mit  welchem  die 
Chinesen  diesen  Namen  schreiben,  im  heutigen  Mandarindialekt 
Wo  ausgesprochen,  ist  ein  Kompositum  aus  )\^  ,,  Mensch  "  und 
^,,  gebeugt",  bedeutet  daher  soviel  wäe  ,,  gebückter  Mensch  ".§ 

•■"  Ear/v  Japanese  History.  Transactions  of  the  Asiatic  Society  of  J.i])an.  Vol. 
XVI,  p.  41  f. 

t  Siehe  Haas,  Geschichie  des  Chri,t;ntunis  in  Jai^an  (Supplement  der  „Mit- 
teilungen" der  Deutschen  Gesellschaft  für  Xalur-und  Völkerkunde  Ost.isiens,  Tokyo 
1902),  Bd.  I,  S.  2  f.  Anm,   t. 

X   Wa  findet  sich  zum  erstenmal  im  Shan-hai-king  ([Ij  ^  J.f ). 

l  Hiezu  darf  vit-lleiclit  eine  Hypothese  von  Dr.  Baelz  ang .-merkt  werden,  der 
in  den  Verhandlungen   der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft    1901,    S.    179    f. 


H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPON.  335 

Es  ist  begreiflich,  dass  sich  die  Japaner  an  einer  solchen 
Benennung  stiessen,  sobald  ihnen  der  Sinn  des  Scbrifrzeichcns 
deutlich  wurde,  und  dass  sie  selbst  ihr  Land  nicht  gern  so 
nannten.  Sie  lasen  das  Zeichen  gewöhnlich  Yaviaio,  was  im 
eigentlichen  Sinne  nur  eine  der  zentralen  Provinzen  des  Reiches 
ist.  ]Vanii  dafür  Nippon  (0  ;:^)  substituiert  wurde,  darüber 
gehen,  wie  das  oben  in  Uebersetzung  mitgeteilte  Resume  von 
Murakawa  zeigt,  bei  den  japanischen  Historikern  die  Ansichten 
auseinander.  Aston  "  und  Florenz  f  vertreten  auf  Grund  einer 
Angabe  des  koreanischen  Geschichtswerkes  Tongkam,  die  ihnen 

schreibt  :  „  Allen  Siirachforschern  Ostasiens  hat  die  Bezeichnung  der  Chinesen  für 
die  Japaner  ,,Wodjin"  viel  Kopfzerbrechen  bereitet.  Dieses  Wort  bedeutet  einen 
kleinen  gebückten  Menschen.  Man  hat  das  so  erklärt,  dass  man  sagt :  das  Wort 
kennzeichnet  einen  sklavischen  Charakter,  indem  die  Leute  sich  gebückt  halten, 
Weil  sie  nicht  wagen,  aufrecht  zu  gehen.  Es  ist  nun  kein  Wunder,  dass  die  Japaner 
sich  schon  von  ilirem  ersten  offiziellen  Verkehr  mit  China  an,  vor  mehr  als  tausend 
Jaliren,  geweigert  hal)en,  diesen  Namen  anzuerkennen.  Wer  die  Japaner  und  ihre 
Geschichte  kennt,  wird  auch  nimmer  glauben,  dass  sie  jemals  ein  sklavisches  Volk 
waren  ;  sie  sind  im  Gegenteil  immer  kriegerisch  und  stolz  gewesen.  Infolgedessen 
war  man  bisher  gänzlicii  im  Unklaren,  wie  diese  Bezeichnung  entstanden  ist.  Ich 
glaube  nun,  ich  kann  den  Schlüssel  dazu  geben.  Das  Wort  Wodjin  stammt  offenbar 
aus  der  Zeit,  in  der  die  Chinesen  zuerst  mit  Japan  in  Berührung  kamen ;  damals 
war  Japan  noch  ganz  oder  fast  ganz  in  den  Händen  der  xVino.  Kun  ist  aber  das 
Eigentümliche,  dass  kein  Volk  der  Welt  so  gebückt  geht  wie  die  Aino.  Ohne 
Ausnahme  geht  der  Aino  in  der  Weise,  dass  er  die  Arme,  im  Ellenbogen  gebeugt, 
an  den  Leib  hält,  den  Oberkörper  vorn  überneigt  und  ihn  dabei  ganz  starr  hält. 
Diese  charakteristische  Eigenschaft  des  Aino  ist  auf  allen  Aino-Bildern  der  Japaner 
vorzüglich  dargestellt.  Ich  habe  den  berühmten  alten  Häuptling  Penri,  den  einzigen 
Aino,  aus  dem  man  üljerhaupt  etwas  Vernünftiges  herausbringen  kann,  gefragt : 
„Warum  gehen  selbst  die  kräftigsten  Leute  so?"  .,  So  sind  die  Aino  gegangen,  seit 
es  Aino  gegeben  hat  ",  war  die  Antwort.  Auf  solche  Weise,  glaulie  ich,  lässt  sich 
diese  Crux  der  Sprachforscher  ohne  Schwierigkeit  erklären,  um  so  melir  als  ja  die 
Aino  sehr  klein  sind." 

Ein  Japaner  findet  eine  andere  Lösimg.  Er  nimmt  an,  dass  die  ersten  Japaner, 
die  China  besuchten,  auf  die  Frage,  wie  sie  ihr  Land  nennten,  antworteten  „  IVcii^a 
A'uni"  d.h.  „unser  Land".  „  Waga  "  wurde,  indem  man  es  für  einen  Eigennamen 
nahm,  zuerst  JVan:!  ^  ^),  und  dann  zufolge  der  chinesischen  Gewohnheit,  fremde 
Wörter  auf  das  Prokrustesbett  ihrer  eigenen  einsilbigen  Sprache  zu  spannen,  „  IVa^'-. 
Aston,  der  diese  seltsame  Erklärung  mitteilt  (a.  a.  O.  p.  41),  neigt  zu  der  Hypothese, 
dass  Wa  oder  vielleiclu  Wani  der  Name  des  herrschenden  Stammes  oder  der 
Familie  sei,  von  welcher  zu  einer  Zeit  die  Herrscher  Japans  genommen  wurden. 
Wani  erscheint  in  der  Tat  nicht  selten  im  Kojiki  und  Xihongi   als    ein    Eigenname. 

*  Early  JapaJiese  History  p.  42. 

t  Japanische  Annalen,    S.  XVI  und  29  f. 


33^  H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS   NIPPON. 

durcli  eine  chinesische  Autorität  noch  bekräftif^-t  wird,  die 
Meinung,  dass  der  Name  N'ippon  statt  Wa  im  Jahre  670  n. 
Chr.  G.  eingefülirt  wurde.  Beide  messen  den  mit  diesen  chine- 
sischen und  koreanischen  Autoritäten  in  Bezug  auf  die  Zeit  in 
Widerspruch  stehenden  Angaben  japanischer  Quellen,  nach 
Avelchen  der  Name  Nippon  schon  früher  an  die  Stelle  von  Wa 
gesetzt  wurde,  wenig  Glaubwürdigkeit  oder  Zuverlässigkeit  bei. 
Ich  vermag  nach  sorgfältiger  Erwägung  aller  in  Betracht  kom- 
menden Umstände  dem  Urteil  der  beiden  ausgezeichneten  Japan- 
forscher nicht  mehr  beizutreten.  Ich  meine,  die  Aussagen 
der  japanischen  Quellen  einerseits  und  die  Aussagen  der 
koreanischen  und  chinesischen  andererseits  lassen  sich  aufs 
beste  in    Einklang  bringen. 

Dass  im  Nihongi,  den  japanischen  Annalen,  lange  vor  dem 
Jahre  670  der  Name  Nippon  gebraucht  ist,  fällt  mir  natürlich 
nicht  ein,  als  Beweis  dafür  anzuziehen,  dass  er  in  dieser  Zeit 
bereits  in  Japan  in  Gebrauch  gewesen  sei.  Wo  er  da  vor- 
kommt, haben  wir  es  in  den  meisten  Fällen  mit  Anachronismen 
zu  tun.  Die  Kompilatoren  dieses  720  vollendeten  Zweitältesten 
Geschichtswerks  haben  den  zu  ihrer  Zeit  bereits  geläufigen  Namen 
in  ältere  Zeiten  zurückverlegt  und,  wo  in  ihren  Quellen  Wa  stand, 
dafür  Nippon  substituiert.  Zu  cüicr  Stelle  aber,  die,  ohne  Zweifel 
in  Anspielung  auf  die  Bedeutung  des  Namens,  von  dem  Lande 
Nippon  spricht,  bemerkt  Aston  selbst,*  dass  sie  ein  genuiner 
Fall  des  Gebrauchs  des  Namens  sein  möchte.  Es  ist  die 
folgende  zum  Jahr  621  :  ,,  Zu  dieser  Zeit  hörte  Weji,  der  bud- 
dhistische Priester  in  Koma,  von  dem  Tode  des  Prinzen  Kamu- 
tsu-miya  und  war  aufs  höchste  betrübt  darüber.  Er  forderte 
die  buddhistischen  Priester  zu  sich  und  bereitete  ein  geweihtes 
Mahl  [für  den  Geist  des  Toten],  und  an  dem  Tage,  an  welchem 
er  persönlich  über  die  heiligen  Schriften  predigte,  tat  er  das 
Gelübde  :  »  Es  ist  im  Lande  des  Aufgangs  der  Sonne  ein  Heiliger 
mit  Namen  Prinz  Kamu-tsu-miya  Toyotomimi,  der  in  der  Tat 
ein  vom  Himmel  begnadeter  Mann  war.  Mit  den  Tugenden 
eines  unergründlichen  Heiligen  wurde  er  im  Lande  des  Aufgangs 
DER  Sonne  geboren.  Die  drei  Grundprinzipien  hatte  er  in  sich. 
Er  folgte  den  erhabenen  Regeln  der  vorangegangenen  W^eisen, 
verehrte  die  Drei  Kostbaren  Dinge  und  erlöste  das  Volk  von 
seinen  Mühsalen.  Er  war  in  der  Tat  ein  grosser  Heiliger. 
Nun   ist   der   Prinz   gestorben.     Ich    gehöre  zwar  einem   fremden 

*  Nihongi,  Bd.  II,  S.   149. 


H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPOX.  337 

Lande   an,   doch   ist   mein    Herz    mit   dem   seinen    unzertrennlich 
verbunden...'-  "  * 

Der  HeiHge,  von  welchem  hier  die  Rede  ist,  ist  der 
berühmte  Fürst,  der  in  der  Geschichte  unter  seinem  posthumen 
Namen  Shötoku-taishi  bekannt  ist.  Der  Mann  in  Koma,  einem 
der  Königreiche  von  Korea,  aber,  der  den  Tod  des  japanischen 
Prinzen  mit  so  tiefem  Gefühl  beklagt,  war  einst  sein  Lehrer. 
Ks  ist  der  Priester  Hye-chä,  der,  nach  Japan  gekommen,  dem 
Nihongi  zufolge  im  Jahre  595  n.  Chr.  G.,  am  10.  Tag  des  5. 
Monats  naturalisiert  und  darauf  vom  Thronfolger,  der  buddhi- 
stische Studien  bei  ihm  trieb,  zum  Lehrer  angenommen  wurde 
und  erst  im  Jahre  615   wieder  nach  Korea  zurückkehrte. 

Shötoku-taishi  A\urde  alsbald  nach  dem  Regierung.santritt 
der  Kaiserin  Suiko  zum  präsumpti\"en  Thronfolger  ernannt  und 
in  Stellvertretung  der  Kaiserin  zur  Leitung  der  staatlichen 
Angelegenheiten  berufen  und  mit  allen  Staatsaffairen  betraut. 
Es  ist  nun  für  unsere  P'rage  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  wir 
eine  Nachricht  haben,  welche  besagt,  dass  eben  die  Kaiserin 
Suiko  im  Jahre  607  einen  Brief  an  den  chinesischen  Hof  sandte 
mit  der  i^inleitung  :  ,,  Der  Himmelssohn,  welcher  im  Lande  der 
AUFGEHENDEN  SoNXE  regiert,  sendet  diesen  Brief  dem  Himmelssohn, 
v/elcher  im  Lande  der  untergehenden  Sonne  regiert."  So  be- 
richtet das  Peh-sze,  Abt.  Wo-Ch'uen,  das  uns  weiter  erzählt: 
,,  Der  Kaiser  {'^  tci)  las  A^w  Brief  und  war  keineswegs  darüber 
erfreut.  Er  sagte  zum  Körokyö  {^%  ^t  ^|)) :  » Der  Brief  des 
Barbaren  enthält  Unhöflichkeiten,  gib  dich  nicht  weiter  damit  ab::." 
Dr.  Plorenz,  dem  wir  diese  Mitteilung  verdanken,  gibt  weiter 
an,  dass  auch  ein  anderes  chinesisches  Werk,  das  ^  IM  [^ 
T'ang-lui-han,  berichte  :  ,,  Im  20.  Jahre  Kai-hoang  (600),  unter 
Kaiser  Wen-ti  von  der  Sui-Dynastie,  schickte  der  König  von 
Japan  {\Va),  dessen  Familienname  (^)  Avie  und  dessen  Rufname 
(^)  Tarishihikö  ist  und  der  in  seinem  Lande  Amckimi  heisst, 
was  auf  Chinesisch   ,,  Kaiser  "    bedeutet,  einen  Gesandten  an  den 

Plof  [von    China].     Der   von    ihm    überbrachte  Brief  lautete 

(genau  wie  oben  !)."  Der  genannte  Autor  bemerkt  hiezu,  der 
in  diesen  beiden  Stellen  erwähnte  Brief  des  japanischen  Kaisers 
sei  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  derselbe,  welchen  im  Jahre 
607  ein  japanischer  Gesandte  namens  Imoko  überbracht  hatte, 
und    der    im    Nihongi    erwähnte    Brief  des    chinesischen    Kaisers, 

*  Fi.OREXZ,  Japanische  Annalen  S.  43  f. 


338  H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPON. 

di:^n  er  nach  demselben  auf  clcni  Rückwege  verlor,  werde  die 
Antwort  des  Kaisers  enthalten  haben.  Die  Sendung  werde 
auch  im  Peh-sze  erwähnt :  ,,  Im  nächsten  Jahre  schickte  der 
Kaiser  den  Wenlinlang  P'ei  Shi-ts'ing  nach  Japan  als  Gesandten  ", 
sowie  im  King-tsih-hou-ch'uen-ki  {^^_  ^  ^  f#  IS) :  .,  Unter  der 
Regierung  von  Oharuda  wurde  Ono  no  omi  Inkö  (0  j^  Yin-kao 
statt  Imokd)  nach  Sui  geschickt,  um  l^ücher  zu  beschaffen,  und 
bei  der  Gelegenheit  wurde  auch  ein  Brief  mitgeschickt,  welcher 
sich  nach  der  Gesundheit  des  Himmelssohnes  erkundigte.     Dieser 

Brief    lautete     wie     folgt (selbiger    Inhalt    wie    oben!).     Der 

Kaiser  Yang  (605-617)  las  ihn  und  war  nicht  erbaut  davon  und 
war  über  Acw  hochmütigen  Sinn  erstaunt.  P>r  schickte  den  P'ei 
Shih-ts'ing  und  andere,  im  ganzen  13  Mann,  in  Begleitung  Inkö's 
(nach  Japan),  um  die  Verhältnisse  des  Landes  kennen  zu  lernen." 
Florenz  führt  aus,  der  Name  Tarishihikö,  welchen  die  chinesischen 
Historiker  dem  japanischen  Kaiser  beilegen,  sei  jedenfalls  kor- 
rumpiert aus  Okinaga-tarisliUii,  dem  Namen  des  nächstfolgenden 
Kaisers  Jonici-tcnnö.  Es  liege  also  eine  Verwechslung  der  beiden 
Kaiser  Suiko-tcnnö  und  Jomci-tcnnd  seitens  der  chinesischen  Hi- 
storiker vor.  Das  im  T'ang-lui-han  angegebene  20.  Jahr  der 
Periode  Kai-Jioang  entspreche  dem  8.  Jahre  der  Kaiserin  Siiiko 
und  sei  zweifellos  ein  Irrtum,  während  das  Peh-sze  mit  dem 
Nihongi  übereinstimme. 

Was  liegt  nun  näher  als  die  Annahme,  dass  die  Abfassung 
des  hier  erwähnten  Schreibens  das  Werk  des  Prinzen  war,  der 
unter  Suiko-tennö  mit  der  Leitung  aller  Staatsgeschäfte  betraut 
war  ?  Für  eine  solche  Vermutung  fehlt  es  auch  nicht  an  einer 
Bestätigung.  Nach  dem  Nihongi  überbrachte  der  Gesandte  P'ei 
Shi-ts'ing  einen  Brief  des  chinesischen  Kaisers,  der  begann  : 
,,  Der  erhabene  Kaiser  erkundigt  sich  nach  dem  Erhabenen  von 
Wa".  Dieses  Schreiben  beantwortete  die  Kaiserin  mit  einem 
anderen,  das  folgenden  Wortlaut  hatte  :  ,,  Der  Himmelserhabene 
des  Ostens  gibt  dem  erhabenen  Kaiser  des  Westens  ehrfurchts- 
voll zu  wissen  etc.  etc."  Plorenz  teilt  hiezu  aus  dem  Taishidcnrcki, 
einer  im  Jahre  992  von  Taira  no  Motochika  verfasstcn  Biographie 
des  Prinzen  Shötoku,  mit :  ,,  Die  Kaiserin  rief  den  Thronfolger 
und  andere  zu  sich  und  beriet  mit  ihnen  über  den  Wortlaut  der 
Antwort.  Da  nahm  der  Thronfolger  einen  Pinsel  und  schrieb 
folgendes :  » Der  Himmelserhabene  des  Ostens  erkundigt  sich 
nach  dem  erhabenen  Kaiser  des  Westens  etc.  etc.  <  " 

Dass    der    Prinz   der   chinesischen   Schrift   kundig   war,  geht 


]I.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPON.  339 

auch  aus  einer  anderen  Angabe  derselben  Quelle  herv^or.  Mit 
Bezug  auf  die  in  dem  erwähnten  Briefe  des  chinesischen  Kaisers 
angewendeten  Titulaturen  bemerkt  dieselbe  :  Die  Kaiserin  fragte 
den  Thronfolger  um  Auskunft,  welcher  erwiderte  :  ,,  Dies  i^t  der 
Briefstil,  mit  dem  sich  der  Kaiser  (Himmelssohn)  an  die  Va- 
sallenfürsten  (^{^3E)  wendet.  Aber  die  Zeichen  ^^  werden 
nur  für  Einen  im  Reiche  angewendet,  und  indem  der  Kaiser 
[mit  Bezug  auf  uns]  die  Zeichen  ^  ^  (Erhabener  von  Wa) 
gebraucht,  bezeigt  er  sich  höflich.  Wir  müssen  daher  ehrerbietig 
sein  in  unserem  Verkehr  mit  ihm." 

So  ist  denn  wohl  die  Vermutung,  dass  auch  der  erste 
Brief  der  Kaiserin  Suiko  an  den  chinesischen  Hof  von  Shötoku 
verfasst  wurde,  zum  mindesten  sehr  wahrscheinlich.  Erinnern 
wir  uns  nun,  dass  sein  Lehrer  in  Koma  bei  der  Kunde  von 
des  Prinzen  Tod  von  ihm  als  einem  Heiligen  im  Lande  des 
Sonnenaufgangs  sprach,  so  legt  sich  der  Gedanke  nahe,  dass  er 
den  Namen  Nippon  von  diesem  seinem  einstigen  koreanischen 
Lehrer  lernte.  Dieser  mag  den  Thronfolger  darauf  aufmerksam 
gemacht  haben,  welche  Bedeutung  das  Schriftbild  für  Wa  im 
Chinesischen  habe,  und  ihm  die  neue  Bezeichnung  an  dessen 
statt  suggeriert  haben.  Unentschieden  wird  freilich  bleiben 
müssen,  ob  Weji  hiebei  dem  Prinzen  einen  Namen  an  die  Hand 
gab,  den  er  selbst  erst  ad  hoc  erfand,  oder  ob  derselbe  in  seiner 
Heimat,  in  Korea,  als  Bezeichnung  für  das  östlich  davon 
gelegene  Liselreich  bereits  im  Gebrauche  war.  Ein  chinesischer 
Autor  erwähnt  die  Tatsache,  dass,  wenigstens  um  540  A.  D., 
die  Koreaner  Japan  das  ,,  Grosse  Land  "  (;^  ^)  nannten.* 

Wie  dem  immer  sei,  ich  nehme  an,  dass  Shötoku-taishi, 
nachdem  ihm  durch  den  Koreaner  der  neue  Name  an  die  Hand 
gegeben  war,  bei  erster  Gelegenheit  in  dem  Schreiben  nach 
China,  den  Namen  JVa  umgehend,  von  Japan  als  dem  Lande 
redete,  wo  die  Sonne  aufgeht.  Mit  diesem  Neuerungsversuche 
aber  kam  er  schief  an.  Der  Kaiser  von  Japan  wird  nicht  so 
wohl,  wie  Florenz  annimmt,  darüber  so  gewaltig  verschnupft 
gewesen  sein,  dass  der  Herrscher  von  Japan  in  dem  von  Imoko 
überbrachten  Schreiben  ihn  wie  einen  Gleichstehenden  behandelte, 
als  vielmehr  darüber,  dass  er  im  Gegensatze  zu  China  als  dem 
Lande,  da  die  Sonne  untergehe,  Japan  als  das  Land  bezeichnete, 
wo  die  Sonne  aufgehe.     Aus  der  Verstimmung  des  chinesischen 

*  AsTüN,  Nihongi,  Bd.  II,  S.  42,  Anm.  4. 


340  H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPON. 

Kaisers  geht  dann  unzweifelhaft  hervor,  dass  der  Name  Nippon 
zu  dieser  Zeit  als  Bezeichnung  für  Japan  noch  unbekannt  und 
also  bis  dahin  nicht  in  offiziellem  Gebrauch  gewesen  war. 

Hicmit  steht  nun  gut  im  Einklang,  was  das  SJiakn-NiJiongi, 
ein  japanischer  Nihongi-Kommentar  des  13.  Jahrhunderts,  ver- 
merkt :  dass  Ono  no  Imoko,  der  Gesandte  für  China,  das  Zeichen 
f^  M'a  zu  ändern  wünschte  und  dafür  Q  if^  Nippon  setzte,  dass 
aber  der  Kaiser  der  Sui-Dynastie  blind  gegen  Vorstellungen 
gewesen  sei  und  seine  Zustimmung  nicht  gegeben  habe.*  Wenn 
aber  diese  Quelle  dann  fortfahrt,  erst  in  der  Periode  Wii-tcli 
(618-627)  sei  der  Name  Q  if.  Nippon  zum  erstenmale  angewendet 
worden,  so  steht  dies  mit  dem  koreanischen  Tongkam  m.  E. 
keineswegs,  wie  Florenz  meint,  in  Widerspruch.  Der  Name 
kann  langczeit  in  mehr  nichtamtlicher  Form  angewendet 
worden  sein,  bis  er  offiziell  durchdrang.  Und  670  ist  ja  nach 
dem  Tongkam  nur  das  Jahr,  in  welchem  die  Japaner  der 
koreanischen  Regierung  in  aller  Form  Nippon  als  die  eigentliche 
Bezeichnung  für  ihr  Land  notifizierten.  Aston  erwcähnt,t  dass 
auch  nach  einer  chinesischen  Autorität  670  das  Jahr  war,  wo 
Nippon  in  China  offiziell  gebraucht  zu  werden  anfing. 

Sonach  hätten  also  nicht  die  Chinesen  dem  Inselreich  den 
Namen  beigelegt  sondern  die  Japaner  selbst,  ist  gleich  die 
Anregung  dazu  auf  einen  Koreaner,  den  Priester  Weji  von 
Koma,  zurückzuführen.  Bestätigt  wird  mir  dies  Ergebnis  auch 
noch  durch  das  TJiang-shii,  welches  berichtet :  Im  ersten  Jahre 
der  Periode  Hien-heng  (670)  missfiel  [den  Japanern]  der  Name 
^  JVa,  und  sie  veränderten  ihn  in  0  ;?^  Nippon.  Der  [japanische] 
Gesandte  sagte  mit  eigenen  \\^orten :  ,,  Da  unser  Land  dem 
Aufgang  der  Sonne  näher  liegt  [als  die  anderen  Länder],  so 
benennen  wir  uns  nach  diesem  Umstände  ".;}] 

Auch  China  acceptiertc,  sein  anfängliciies  Widerstreben 
aufgebend,  allmählich  den  Namen  Nippon  zur  Bezeichnung  für 
Japan.  F>in  Brief  des  chinesischen  Kaisers  an  den  japanischen 
vom  Jahre  672  war  noch  adressiert :  ,,  Der  Kaiser  {Kötci)  von 
Gross  Thang  erkundigt  sich  respektvoll  nach  dem  Gesundheits- 
zustand    des     Königs    von    Wa    ('^i)."       In    einem    anderen 

*  Florenz,  Japanische  Annaleu  S.  29,  Anm. 

t  Nihongi,  Bd.  II,  S.  137,  Anm.   i. 

X  Florenz,  Japanische  Annalen  .S.  30,  Anin. 


H.    HAAS,    URSPRUNG    DES    NAMENS    NIPPON.  341 

Dokumente  eben  dieser  Zeit  aber  ist  die  Bezeichnung  H  ^  3E 
d.  i.   König  von  Japan  gebraucht."^ 

Unhaltbar  ist  die  von  japanischen  Historikern  aufgestellte 
Behauptung,  Nippon  sei  nur  die  chinesische  Uebersetzung  des 
Namens  Hi-no-moto,  der  älteren  Bezeichnung.  Selbstverständlich 
ist  das  Gegenteil  richtig.  Hi-no-moto  gibt  sich  deutlich  zu 
erkennen  als  das  später  gesuchte  japanische  Aequivalent  flu'  das 
chinesische  Nippon.  Es  verhält  sich  hier  analog  wie  mit  den 
Namen  für  die  altnationale  Religion,  avo  auch  Shintö  das 
Ursprüngliche,  das  japanische  Kami  no  michi  aber  nur  die 
nachträgliche  Uebersetzung  der  chinesischen  Bezeichnung  ist. 

Es  könnte  zum  Schlüsse  noch  die  Frage  aufgeworfen  Averden, 
Welchen  Namen  denn  die  Japaner  selbst  vorher  für  ihr  Land 
gehabt  haben.  Auf  diese  Frage  trage  ich  kein  Bedenken  zu 
antworten:  Keinen.  ,,  Unser  Land" — das  reichte  aus.  Gilt 
gleich  auch  für  den  Japaner,  was  die  Paradiessage  von  dem 
Protisten  Adam  sagt :  Und  der  Mensch  gab  einem  jeglichen 
Vieh  und  Vogel  unter  dem  Himmel  und  Tier  auf  dem  Felde 
seinen  Namen  —  er  Hess  doch  auch  manches  unbenannt.  So 
hatte  er,  ohne  dass  er  dies  als  Mangel  empfand,  nie  eine  besondere 
Bezeichnung  fiir  die  Hauptinsel,  auf  welche  die  älteren  europäischen 
Schriftsteller  durchweg  falschlich  den  Namen  Nippon  anwandten. 
Auch  daran  darf  schicklich  hier  erinnert  werden,  dass  die  alte 
Landesreligion  ursprünglich  namenlos  gewesen  und  dass  das 
Bedürfnis  sie  zu  benennen  erst  erwachte,  als  von  aussen  eine 
fremde,  die  buddhistische  Religion,  eingeflihrt  worden  war. 

"   Siehe  AsToy,  Xihongi,   KJ.  II,   S.  303,  Anin.   i. 


Japanische  Geschenksitten. 


vox 


PFARRER   E.    SCHILLER. 

(SCHLUSS). 


§  8.  —  Art  des  Verpackexs. 

Nachdem  wir  das  Wann  und  Was  der  Geschenkmacliung' 
erörtert  haben,  erübrigt  uns  noch,  auch  über  das  Wie  zu  reden. 
Hier  ist  zunächst  die  Art  des  Verpackens  zu  besprechen,  denn 
es  ist  nicht  gleichgültig,  in  welcher  Weise  das  Geschenk  über- 
reicht wird.  Vor  allen  Dingen  muss  alles  schön,  ordentlich  und 
eventuell  auch  möglichst  grossartig  aussehen,  weshalb  z.  B.  in 
Eierkästen,  Kuchenschachteln  und  Apfelsinenkörben  sich  gar  oft 
erhöhte  Böden  befinden,  so  dass  das  Quantum  doppelt  so  gross 
erscheint  als  es  wirklich  ist.     Man  verpackt  die  Geschenke  : 

a)  In  Fässchen,  wie  z.  B.  manches  Eingemachte  :  Kasuzuke, 
etwas,  das  mit  Kasu  (den  Ueberresten  bei  der  Reiswein- 
bereitung) eingelegt  ist,  oder  Misozuke,  das  mit  Miso 
(einer  Sauce  aus  Weizenmehl,  Bohnenmehl  und  Salz) 
eingemacht  ist,  ferner  Ayu  (Forellen),  auch  pulverisierter 
Zucker,  wie  er  gern  zu  Neujahr  geschenkt  wird. 
Würfelzucker,  oft  mit  Kaffeefullung,  wird  dagegen  in 
Papierschachteln,  pulverisierter  Zucker  auch  in  Papierdüten 
geschenkt. 

/>)  In  Holzkästchen,  wie  z.  B.  gedörrte  Forellen,  ge- 
dörrte Meerbrasse  (Tai),  getrocknete  Bonite  (Katsuobushi 
oder  Katsubushi).  Letzteres  sind  schmale,  fossilartig 
gedörrte  Stücke  des  Fleisches  von  Bonite,  einer  Thun- 
fischart, von  welchen  dünne  Spähne  in  die  Suppe,  über 
den  Gurkensalat  etc  gehobelt  werden  ;  sie  bilden  ein 
notwendiges  Stück  eines  japanischen  Haushalts,  werden 
viel  zu  Neujahr  geschenkt,  und  zwar  immer  in  ungerader 


344  E.    SCHILLKR,    JAPANISCHE    GESCHKNKSITTEN. 

Zahl,  mit  3  anfangend,*  in  kleinerer  Zahl  auch  in  Papier 
gewickelt,  und  da  sie  zur  Lieblingsspeise  der  Katzen 
gehören,  jedesmal  hinzugefügt,  wenn  man  eine  Katze 
verschenkt. 

r)  In  Porzellangefassen,  wie  z.  B.  alles,  was  mit  Zucker 
eingemacht  ist,  ferner  Konowata,  das  eingesalzene  Innere 
der  essbaren  Holothurie  (Seegurke),  Shimokara,  eingesal- 
zener, scharf  schmeckender  Fisch,  manchmal  auch  frische 
Fische. 

d)  In  Magemono,  runden  Dosen  aus  dünnem,  gebogenem 
Holz,  wie  z.  B.  Zucker,  Higwashi,  trockene  KuChen  aus 
Reis,  Weizenmehl  und  Zucker. 

r)  In  Jübako,  einem  Satz  aufeinander  gesetzter  Kästchen 
aus  Porzellan,  lackiertem  Holz  etc,  wie  z.  B.  Mochi- 
gwashi,  Klebreiskuchen. 

f)  In  Körbchen,  wie  z.  B.  frische  Fische,  wobei  aber  ein 
Untergestell  nötig  ist  (siehe  unten). 

g)  In  Papierumschlag  oder  Papierschachteln  z.  B.  Kuchen, 
P^ier,  getrockneter  Tintenfisch,  essbare  Muscheln,  aber 
auch  Höchö,  Küchenmesser,  Namasubashi,  Spiesse,  um 
l-lsche  beim  Ausnehmen  und  Schneiden  in  lebendigem 
Zustande  festzuhalten,  oder  Bratspiesse  für  P'ische,  ebenso 
Sumi,  Schreibtusche,  ferner  Schreibpinsel,  Kakekö,  d.  i. 
Parfumbüchschen,  die  im  Zimmer  aufgehängt  werden  etc. 

//)  Ohne  Umhüllung,  dann  aber  auf  einem  Untergestell, 
werden  überbracht  z.  B.  die  unter  g  erwähnten  Dinge 
ausser  Kuchen  und  Eiern. 

i)  Ohne  Umhüllung  und  Untergestell  werden  z.  B.  Leuchter 
und  Schachbretter  überreicht. 

Erwähnt  mag  werden,  dass  Fächer  gewöhnlich  in  einem  Kasten 
geschenkt  werden.  Eine  Ausnahme  findet  bei  der  Hochzeit  statt, 
wo  ::zi'ci  Fächer  (nicht  mehr  und  nicht  weniger),  mit  IMizuhiki 
(vgl,  §.  10)  zusammengebunden,  überreicht  werden.  Das  soll 
wohl  eine  Anspielung  auf  das  Band  dar  Ehe  sein,  welches  die 
beiden  Ehegatten  verbindet.  Ein  Fächergeschenk  ist  auch  sehr 
beliebt  bei    Gelegenheit  des  ersten  Besuches,  den   man  jemanden 

*  3  Stuck  kosten  etwa  2  Mark. 


E.    SCHILLER,    JAPANISCHE    GESCHENKSITTEN.  345 

macht  ;    im  alten  Japan  machte  man  ja  überhaupt  nie  mit  leeren 
Händen  einen  Besuch. 

Geldgeschenke  müssen  auf  jeden  I'all  in  Papier  gewickelt 
werden,  selbst  beim  Teegelde  im  Gasthause  ist  das  Brauch. 
Nicht  nötig  ist  es  beim  Kokorozuke  und  Sakate  bei  Dienstboten 
und  Arbeitern  (vgl.  Bd.  VIII,  Teil  3,  S.  259),  obwohl  es  auch 
hier  nichts  schadet.  So  z.  B.  wird  dem  Wagenzieher  eines 
Arztes,  der  infolgedessen  von  seinem  Herrn  keinen  Lohn 
erhält,  am  Hause  des  Patienten,  während  der  Arzt  den  Kranken- 
besuch macht,  ein  angemessener  Geldbetrag  in  Papier  gewickelt 
überreicht.  Die  Einwickelmethode  ist  nicht  gerade  einfach  und 
hat  viele  Arten.  Es  möge  genügen  zu  erwähnen,  dass  die 
Aussenseite  des  Papiers  obenauf  kommen  muss,  dass  das 
flach  zusammengefaltete  Papier  die  Form  eines  Rechtecks  haben 
und  dass  das  Ohr  des  Papiers  zum  Oeffnen  sich  rechts  befinden 
soll.  Links  befindet  es  sich  dagegen  bei  Geldgeschenken  zur 
Totenfeier  (vgl.  a.  a.  O.  S.  293),  wie  man  überhaupt  bei  Trauer- 
feiern vieles  umgekehrt  als  sonst  zu  machen  pflegt,  so  z.  B.  auch 
den  Rock  über  der  Brust  umgekehrt  zusammenlegt,  so  dass 
die  rechte  statt  der  linken  Seite  obenauf  kommt. 

Uebersendet  man  Geschenke  auf  einem  Untergestell,  so  wird 
dasselbe  mit  der  Breitseite  vor  dem  Empfänger  aufgestellt.  Die 
Art  des  Arrangements  der  einzelnen  Gegenstände  auf  dem 
Untersatz  ist  fest  geregelt,  z,  B.  in  der  folgenden  Weise : 

a)  Bei  Kleidern  und  Kleiderstoffen.  Legt  man  z.  B.  Kosode, 
wattierte  Seidenkleider  (wie  etwa  bei  der  Hochzeit,  vgl.  a.a. 
O.  S.  278)  auf  ein  Untergestell,  so  stellt  man  das  letztere 
der  Länge  nach  vor  sich  und  beginnt  an  der  linken 
Seite  die  Sachen  daraufzulegen  und  zwar  in  der  Richtung 
der  Hand.  Man  fasst  zu  diesem  Zwecke  ein  einzelnes 
Kosode  mit  der  rechten  Hand  beim  Kragen,  fasst  die 
oberen  Enden  der  beiden  Aermel  mit  der  linken  Hand, 
legt  das  Kleid  in  dieser  Weise  vor  sich  auf  den  Boden, 
faltet  nun  den  unteren  Teil  des  Kleides  von  der 
Lendengegend  abwärts  so  zusammen,  dass  der  untere 
Saum  oben  nach  hinten  kommt,  faltet  darüber  den 
oberen  Teil  des  Kleides  zusammen  und  deckt  das  Ganze 
mit  den  A.ermeln  zu.  Auf  dem  Gestelle  wird  immer 
das  links  liegende  Kleid  mit  einem  Aermel  des  rechts 
liegenden  zugedeckt.   Doch  eibt  es  auch  andere  Arten  des 


346  E.    .SCHILLER,    JAFANLSCHE    GESCHEN'KSrrTEX. 

Zusammenfaltens  je  nach  dem  Grade  der  Ehre,  den  man 
dem  Empfänger  erweisen  will  oder  muss.  Vergleiche  die 
Abbildungen 

No  I.  Shügen  (Hochzeit)  no  Kosode  aut  einem  Unter- 
gestell. 

No  2,  3  und  4.     Kosode  auf  Hirobuta  (grossem  Tablett). 

No  5.  Döbuku  (Oberkleid,  wie  es  Gelehrte  und  Priester 
viel  tragen,  siehe  Abbildung  auf  Seite  175  in 
Brinkley,  Unabridged  Japanese-Iuiglisch  IJictionary, 
1896)  und  Hakama  (weite  Faltenhosen,  wie  sie  zum 
zeremoniellen  Anzug  gehören). 

No  6.     Chirimen  (Seidenkrepp). 

No  7.  Kinu  no  Sukimono  (dünne,  durchsichtige  Seide 
flir  den  Sommer). 

No  8.  Kamishimo  (Staatskleid,  vgl.  Bd.  VIII,  Teil  3, 
S.   279). 

No  9.     Mawata  (Floretseide). 

d)  Bei  Fischen.  Hat  man  das  Gestell  der  Länge  nach  \'or 
sich  gestellt,  so  legt  man  den  Fisch  mit  dem  Kopfe  nach 
links  der  Länge  nach  darauf,  und  zwar  muss  der  Unter- 
leib des  Fisches,  wenn  es  ein  Flussfisch  ist,  dem 
Arrangierenden  zugekehrt,  wenn  es  ein  Seefisch  ist, 
dagegen  abgekehrt  sein.  Zwei  Fische  legt  man  nicht  quer 
sondern  in  der  Richtung  der  Hand,  und  zwar  mit  dem 
Bauche  einander  zugekehrt.  Sind  es  viele  Fische,  so 
legt  man  sie  auch  gern  paarweise,  mit  dem  Bauche 
einander  zugekehrt ;  der  erste  Fisch  links  hat  also  den 
Rücken  nach  links  und  die  Augen  nach  rechts  gewendet. 
Liegen  die  Fische  in  mehreren  Reihen,  so  legt  man  die 
hinterste  Reihe  zuunterst,  so  dass  die  vorderen  Reihen 
immer  halb  auf  den  vorhergehenden  liegen.  Vergleiche 
die  Abbildungen 

No  10.  Seefisch  (oben)  und  Flussfisch  (unten). 

No  II.  Ein  Paar  Fische. 

No  12.  Ein  Paar  Tai  (Aleerbrasse),  hübsch  arrangiert. 

No  13.  Viele  Plsche  auf  einem  Untergestell. 

No  14.  Tintenfische. 

No  15.  Katsuobu.shi   (vgl.   oben  unter  ö). 


E.    SCHILLER,    JAPANISCHE    GESCHEXKSITTEN.  347 

c)  Bei  Geflügel.  ]Man  legt  Geflügel  mit  dem  Kopfe  nach 
links  und  dem  Bauche  nach  oben.  Den  Kopf  eines 
grossen  Vogels  biegt  man  zurück  und  drückt  ihn  unter 
den  rechten  Flügel,  welchen  man  etwas  auszieht.  Dies 
geschieht  aber  nicht  bei  kleinen  Vögeln,  wie  Wachteln, 
Feldlerchen  und  Sperlingen  (Kansuzume,  siehe  a.  a.  O.  S. 
266),  die  in  jeder  Jahreszeit  verschieden  aufgestellt 
werden.  Im  Frühling  und  Sommer  föngt  man  nämlich 
links  mit  einem  männlichen  Vogel  an,  im  Herbst  und 
Winter  mit  einem  weiblichen.  Die  Vögel  werden  in 
der  Regel  paarweise  zusammengelegt,  so  dass  ein 
männlicher  und  ein  weiblicher  abwechselt.  Vergleiche 
die  Abbildungen 

No   16.     Gan  (Wildgans)  und  Kamo  Wildente). 
No    17,     Mehrere  Vögel. 
No   18.     Kiji  (Fasan). 

d)  Bei  Ori  no  INIono,  d.  h.  Sachen,  die  in  Kästchen  sind, 
wie  z.  B.  essbare  Seemuscheln,  Tintenfische,  Katsuobushi 
(vgl.  oben  unter  ö),  Gemüse,  Kuchen,  Eiern — die  letzteren 
schenkt  man  besonders  gern  zu  Neujahr  und  in  der 
Kälteperiode  (siehe  a.  a.  O.  S.  266) — Vergleiche  die 
Abbildungen 

No   19.     Kwashi  (Kuchen). 

No    20.     Nobegami  (Papier,    welches    die    Taschentücher 
vertritt). 

Werden  die  Geschenke  in  Papier  gewickelt,  was  namentlich 
bei  Sachen  geschieht,  die  weder  auf  einem  Untergestell  noch  in 
Kästchen  oder  andere  Behälter  verpackt  überreicht  Averden,  so 
gelten  natürlich  auch  hier  wieder  viele  Regeln,  die  wohl  zu 
beachten  sind.  So  ist  z.  B.  die  Wahl  des  Papieres  nicht  gleich- 
gültig, ebensowenig  wie  die  preussische  Bureaukratie  es  durch- 
gehen lassen  würde,  wenn  man  eine  Eingabe  auf  anderem  als 
dem  amtlich  vorgeschriebenen  Papier  machen  wollte.  Als  Papier- 
sorten erster  Klasse  zum  Einwickeln  der  Geschenke  gelten  in 
Japan  diejenigen,  welche  Danshi  und  Flösho  genannt  werden. 
Danshi  ist  dickes,  M-eisses  Papier  aus  den  Fasern  des  Papier- 
maulbeerbaumes hergestellt,  mit  rauher  Oberfläche  ;  das  grosse 
Format  heisst  Ötakadanshi,  das  kleinere  Kotakadanshi,  Hösho 
hat  seinen  Namen    daher,    dass  einst  die   Instruktionen    (Mösho) 


34^  E.    SClflLLEK,    JAPANISCHE    GESCHENKSITTEN. 

des  Kamakura-Sliögunates  auf  solchem  Papiere  geschrieben  wurden 
(\'gl.  auch  a.  a.  O.  S.  279).  Als  Papier  zweiter  Klasse  gilt 
Hikiai  oder  Hikiawase,  das  ebenfalls  in  zwei  Formaten,  einem 
grösseren  (Öhikiawase)  und  einem  kleineren  (Kohikiawase),  v^er- 
wandt  wird.  An  dritter  Stelle  gebraucht  man  Sugihara(gami), 
das  zu  Sugihara  im  Bezirke  Ittö  im  Lande  Harima  fabriziert  wird. 

Die  Art  des  Einwickeins  für  die  verschiedenen  Gegenstände, 
je  nachdem  es  Kleiderstoffe,  Handschuhe,  Pfeile,  Bogen  etc  sind, 
ist  sehr  verschieden  und  so  kompliziert,  dass  von  einer  näheren 
Auseinandersetzung  besser  abgesehen  und  auf  die  bildlichen 
Beispiele  in  No  21  verwiesen   wird. 

Europäische  Waren  lässt  man  gern  im  europäischen  Papier 
wegen  der  Seltsamkeit  desselben,  ausser  wenn  dasselbe  zu  sehr 
beschädigt  ist. 

Noch  ist  zu  bemerken,  dass  es  ein  Gebot  der  Höflichkeit 
ist,  ein  Geschenk  so  einzuwickeln,  dass  es  oben  und  unten  aus 
dem  Papier  herausragt,  so  dass  der  Empfänger  es  sofort  erkennen 
kann.  Denn  bei  der  Entgegennahme  eines  Geschenkes  darf  man 
seine  Freude  keineswegs  so  stürmisch  äussern,  dass  man  etwa 
die  Verpackung  öffnete,  um  den  Inhalt  sich  anzusehen.  Das 
darf  man  erst  nachher,  wenn  man  allein  ist.  Einige  Gegenstände 
werden  allerdings  ganz  eingewickelt,  wie  z.  B.  Medizin  und 
Weiiirauch  ;  dann  muss  aber  der  Inhalt  aussen  auf  die  Ver- 
packung aufgeschrieben  werden,  ebenso  wie  es  bei  Kasten  und 
Schachteln  geschieht  (v\gl.   §  10). 


§  9.  —  Die  eigextlichex  Geschexkabzeichex  : 

MlZUIIIKl    UXI)    NOSHI. 

Alle  Geschenke,  welche  in  Papier  eingewickelt  werden,  und 
vielfach  auch  andere  werden  zeremoniell  mit  Mizuhiki  (das  irrige 
]\Iizoshiki  a.  a.  O.  S.  264  ist  hiernach  zu  vei'bessern)  umwunden, 
unter  welches  ein  Noshi  gesteckt  wird.  Bei  Geschenken,  die  auf 
einem  Untergestell  überreicht  werden,  wird  gern  ein  gebundenes 
]\Iizuhiki  und  ein  oder  mehrere  Noshi  oben  darauf  gelegt. 

Das  IMizuhiki  besteht  aus  fünf  in  der  Mitte  durch  Gold- 
oder Silberpapier  zusammengehaltenen  dünnen,  gerollten  Papier- 
fäden (vgl.  Abbildung  No  22,  a).  Gewöhnlich  ist  die  linke 
Hälfte  weiss,  die  rechte  rot  gefärbt.  Ist  aber  als  rechter 
Farbstoff    Beni    verwandt,    d.  i.     ein    roter    Farbstoff    von     der 


E.    SCHILLER,    JAPANISCHE    GESCHENKSITTEN.  349 

Safranpflanze,  mit  welchem  die  Japanerinnen  die  IMitte  der 
Unterlippe  zu  schminken  pflegen,  so  wird  diese  Hälfl:e  des  Mizuhiki 
statt  rot  ganz  dunkelgrünschwarz.  Andere  Mizuhiki  sind  links 
Silber-  und  rechts  goldfarbig,  bei  Trauergeschenken  links  weiss 
und  rechts  schwarz  oder  auch  ganz  weiss.  Neuerdings  sieht 
man  auch  eine  andere  Variation,  indem  jeder  der  fünf  Fäden, 
ohne  (lass  eine  Zweiteilung  in  rechts  und  links  stattfände,  eine 
der  fünf  japanischen  Hauptfarben  :  rot,  gelb,  grün,  schw^arz  und 
weiss  (vgl.  a.  a.   O.   S.   260,  Anmerkung)  darstellt. 

Genau  vorgeschrieben  ist  auch  die  Form  des  Knotens,  der 
in  der  Regel  auf  der  Mitte  der  Oberseite  des  eingewickelten 
oder  eingepackten  Geschenkes  sich  befinden  soll.  Bei  runden 
Gegenständen  macht  man  nur  eine  Schlinge  (Katawana)  links 
vom  Knoten  und  lässt  die  Enden  der  Fäden  rechts  nach  oben 
stehen  (vgl.  Abbildung  No  23),  desgleichen  bei  kleineren  Gegen- 
ständen. Bei  flachen  Gegenständen  aber  bringt  man  zwei 
Schleifen  nach  beiden  Seiten  hin  oben  an  (Morowana)  und  lässt 
die  fanden  kreuzweis  rechts  und  links  schräg  herunterhängen 
(vgl.  Abbildung  Xo  24  und  No  22,  b).  Eine  Schleife  hcisst 
auch  In,  zwei  Schleifen  auch  Yö  ;  das  erstere  ist  das  weibliche, 
das  andere  das  männliche  Prinzip  der  chinesischen  Philosophie, 
nach  welchen  beiden  Prinzipien  alle  Dinge  eingeteilt  sind. 
Gehört  also  ein  Geschenk  zu  Yö,  z.  B.  ein  Bäumchen,  so  bindet 
man  zwei  Schlingen,  gehört  es  zu  In,  z.  B.  eine  Blume,  so 
bindet  man  nur  eine  Schlinge. 

Andere  Arten  des  Bindens  siehe  Abbildung  No  22  unter 
c  und  d,  während  a  das  ungebundene  ^lizuhiki  zeigt. 

Neuerdings  hat  man,  z.  B.  für  Geldgeschenke  an  die  Diener, 
für  Teegeld  etc  auch  fertige  Couverts  auf  welchen  Mizuhiki,  in 
der  üblichen  Weise  gebunden,  und  Noshi  gleich  aufgedruckt  sind. 

Das  Noshi  ist  ein  in  mannigfaltiger  Weise,  jedoch  nach 
einer  Hauptform,  zusammengefaltetes  buntes  Papier,  gewöhnlich 
mit  einem  schmalen  goldenen  Papierstreifen  quer  umwunden,  aus 
welchem  oben  und  manchmal  auch  unten  ein  schmaler  Streifen 
Awabi,  essbares  Meerohr  (Haliotis),  hervorragt.  Vergleiche  die 
vier  Beispiele  in  Abbildung  No  25.  Der  volle  Name  des 
Noshi  ist  darum  Noshiawabi.  Der  erste  Bestandteil  dieses 
Wortes,  Noshi,  ist  vielleicht  eine  Verkürzung  aus  Nobashi,  d.  h, 
Ausdehnung.  Das  ist  ein  glückbedeutendes  Wort ;  man  drückt 
-durch  die  Ueberreichung  des  Noshi  den  Wunsch  aus,  dass  sich 
vor  dem    Empfänger    ein    glückliches    Leben    ausdehnen    möge, 


350  E.    SCHILLER,    JAl'AXLSCIIE    GESCIIEXKSITTEX. 

SO  wie  (las  zum  Noslii  zusammeno'cfaltctc  Papier  sich  ausbreiten 
lässt.  Wem  diese  Erklärung  zu  künstlich  erscheint,  der  möge 
nicht  vergessen,  dass  in  Japan  bei  Geschenken  überhaupt  die 
Bedeutung  des  Wortes  bei  der  Auswahl  des  Geschenkes  eine 
wichtige  Rolle  spielt  (vgl.  weiter  unten  i^  12),  wie  ja  auch  keine 
andere  Sprache  so  reich  an  Worten  mit  mehrfacher  Bedeutung 
ist  wie  die  japanische. 

Der  eigentümliche  Usus,  einen  schmalen  Streifen  Awabi  in 
das  zum  Noshi  gefaltete  bunte  Papier  zu  stecken,  hat  seinen 
Ursprung  darin,  dass  im  Anfange  das  Noshi  überhaupt  nichts 
anderes  als  ein  eingewickeltes  Awabi-Geschenk  gewesen  ist. 
Awabi  war  ein  Reisegeschenk,  Miyage  (vgl.  a.  a.  O.  S.  259  und 
260),  welches  die  Scharen  von  Pilgern  ihren  P^reunden  und 
Verwandten  von  dem  Tempel  der  Sonnengöttin  in  Ise,  der 
Stammmutter  des  Kaiserhauses,  Daijingü,  dem  Hauptshintötempel 
des  Landes,  mitzubringen  pflegten,  wohin  früher  eigentlich  jeder 
einmal  im  Leben,  zumal  in  der  Jugend,  pilgerte,  wenn  er  hoffen 
wollte  im  Leben  zu  prosperieren.  Lehrlinge  entliefen  darum 
ihren  Meistern,  und  selbst  fromme  Hunde  sollen  laut  Volkserzäh- 
lungen die  W'allfahrt  gemacht  haben.  Allmählich  wurde  nun 
Awabi  ein  beliebtes  Geschenk,  das  man  anderen  Geschenken 
hinzufügte,  und  schliesslich  schrumpfte  es  immer  mehr  zusammen, 
so  dass  heute  die  bunte  Umhüllung  die  Hauptsache  ist  und  das 
Ganze,  das  Noshiawabi,  nur  noch  die  Bedeutung  eines  dekora- 
tiven Geschenksymbols  hat. 

Statt  des  Awabi  gebraucht  man  zuweilen  auch  Kobu  oder 
Konbu,  essbaren  Seetang  (Laminaria  Japonica),  der  vielleicht 
ebenfalls  ursprünglich  als  Miyage  von  Ise  mitgebracht  wurde. 
Kobu  hat  eine  schwärzlich-weissgraue  Farbe,  wird  von  Kindern 
gern  roh  gekaut,  aber  auch  sonst  in  der  Küche  verwendet ;  er 
wird  als  Geschenkzeichen  ähnlich  umwickelt  wie  Awabi  und  das 
Ganze  ebenso  mit  einem  goldenen  Papierstreifen  umwunden. 
Doch  ist  sein  Gebrauch  seltener  geworden.  Kobu  kann  nur  bei 
glücklichen  Anlässen  verwandt  werden,  denn  Kobu  ist  der  letzte 
Teil  des  W^ortes  yorokobu  d.  h.  sich  freuen.  In  Teijö  Sakki  (vgl. 
a.,  a.  O.  S.  257)  freilich  schreibt  Teijö  Ise,  dass  es  in  früheren 
Zeiten  Hirome  genannt  worden  sei,  d.  h.  ein  breites  (hiroi) 
Seegras  (me).  Hirome  enthält  aber  ein  Wortspiel  und  bedeutet 
Ausbreitung,  glückliches  Leben,  ähnlich  wie  oben  Nobashi. 
Uebrigens  wird  wegen  der  Wortbedeutung  Nobashi  auch  das 
Noshi  bei  Trauergeschenken  weggelassen. 


e.  schiller,  japanische  geschenksittex.  35 1 

§   10.  —  Die  Geschexkaufschrift. 

Hat  man  das  Geschenk  richtig  mit  Mizuhiki  umwunden  und 
an  der  rechten  Seite  desselben  oder  reclits  oberhalb  desselben 
das  Noshi  mit  der  Spitze  nach  unten  angebracht,  so  fügt  man  die 
Aufschrift  hinzu.  Diese  kommt  also  entweder  auf  den  Deckel  des 
Kastens  oder  der  Schachtel  oder  auf  das  Einwickelpapier  zu 
stehen.  Man  schreibt  die  Aufschrift  von  oben  nach  unten,  wie 
die  japanische  Schrift  läuft,  und  zwar  in  der  Länge  der  Adern 
des  Holzes  oder  der  Schachtel.  Quer  zu  den  Adern  zu  schreiben 
ist  verpönt,  denn  so  schrieb  man  einst  die  Aufschrift  auf  den  Holz- 
tafeln, die  neben  dem  ausgestellten  Kopfe  eines  Enthaupteten 
angebracht  waren  und  die  Ursache  der  Hinrichtung  angaben. 

Ueberreicht  man  das  Geschenk,  so  wird  es  natürlich  so  vor 
den  Empfänger  gestellt,  dass  er  die  Schrift  bequem  von  oben 
nach  unten  lesen  kann.  Nur  lange  Kasten  stellt  man  quer,  so 
dass  der  Empfänger  sie  von  links  nach  rechts  liest.  Abbildung 
No  26  zeigt  Aufschrift  und  Aufstellüngsweise  eines  langen 
Kastens,  No  27  einer  runden  Schachtel,  No  28  eines  kleinen 
Kastens.  Bei  einer  runden  Schachtel  (Magemono)  ist  darauf  zu 
achten,  dass  das  Band  zum  Oeffnen,  gewöhnlich  ein  Streifen 
Kirschbaumrinde,  zur  linken  Hand  des  Empfangers  sich  befindet, 
so  dass  er  die  Dose  mit  der  rechten  Hand  bequem  von  links 
nach  rechts  öffnen  kann.  Die  dem  Empfanger  zugekehrte  Seite 
heisst  On  Mae  (geehrtes  Vordere)  oder  Yö  no  Kata  (Seite  von 
Yö,  dem  männlichen  Prinzip  der  chinesischen  Philosophie),  die 
abgekehrte  Seite  heisst  In  no  Kata  (Seite  des  weiblichen  Prinzips). 
Unter  den  Kästchen  und  Schachteln  ist  ein  Fussgestell  angebracht, 
entweder  rund  herum  oder  gewöhnlich  an  den  beiden  Seiten 
rechts  und  links  vom  Empfänger. 

Die  Aufschrift  besteht  aus  folgenden  Sti^icken  : 

i)  In  die  Mitte  oberhalb  der  Schleife  des  Mizuhiki  schreibt 
man  Jö  (_h),  das  Zeichen  für  ,  oben '  =  ,  hinauf ',  d.  h. 
Hinaufgeben  zu  dem  E^mpfanger.  Höflicher  ist  es,  Teijö 
oder  gewöhnlicher  Shinjö  (vgl.  Abbildungen  No  26  und 
27  oben  rechts)  zu  schreiben ;  beides  bedeutet  ,  ehr- 
furchtsvoll hinaufgeben  '.  Bei  Geschenken  an  die  Kami 
(Shintügötter),  Hotoke  (buddhistische  Gottheiten)  und 
den  Kaiser  gebraucht  man  die  feierlicheren  Worte  Kenjö 


352  E.    SCHIIJ.ER,    JAPANISCHE    GESC1IENK.SITTEN. 

oder  Höken  (dargebrachtes  Opfer),  bei  Hochzeiten 
schreibt  man  Go  Shügi  (geehrten  Glückwunsch),  bei 
Geschenken  an  Diener  z.  B.  Kokorozuke  (eine  Aufmerk- 
samkeit, \-gl.  a.  a.  O.  S.  258  u.  ff,  Shininiots,  Slulgi, 
Kokorozuke,  Kenjömono,  Ilonö  u.  Kennö). 

2)  An  die  Stelle  der  obigen  Worte  tritt  auch  die  Bezeichnung 
des  geschenkten  Gegenstandes,  besonders  bei  geschlosse- 
nen Kästchen  und  Schachteln,  ausser  wenn  eine  be- 
sondere Geschenkliste  (vgl.  §  ii)  überreicht  wird.  Auch 
bei  Geschenken,  die  so  eingewickelt  sind,  dass  der  ge- 
schenkte Gegenstand  erkennbar  oben  und  unten^  heraus- 
ragt, wäre  es  widersinnig,  seinen  Namen  noch  oben 
darauf  zu  schreiben.  Wird  der  Name  des  Geschenkes 
aufgeschrieben,  so  rücken  die  obigen  Worte  unter  i)  nach 
rechts  oben,  wie  auf  Abbildung  No  26  und  27,  oder 
fallen  ganz  weg,  wie  auf  Abbildung  No  28.  Auf  Ab- 
bildung No  26  steht  in  der  Mitte  oben  ,  getrockneter 
Tai '  (Meerbrasse),  auf  No  27  ,  Zucker '  und  auf  No  28 
,  Reisschüsselchen '.  Gewöhnlich  klebt  schon  der  Laden, 
wo  das  Geschenk  gekauft  ist,  eine  Etikette  mit  dem 
Namen  des  Gegenstandes  oben  in  die  Alitte,  der  Laden 
bringt  dann  auch  wolil  statt  des  Mizuhiki  einen  anderen 
farbigen,  gewöhnlich  grünen  Papierstreifen  an. 

3)  Gibt  man  Zahl  oder  Gewicht  des  geschenkten  Gegen- 
standes an,  so  schreibt  man  dies  genau  in  die  Mitte  unter 
die  Schleife  des  Mizuhiki.  So  steht  z.  B.  auf  Abbildung 
No  26  (getrocknete  Meerbrasse)  ,  10  Stück  ',  auf  No  27 
(Zucker)  ,  10  Pfund',  auf  No  28  (Reisschälchen)  ,  zwanzig', 

4)  Die  Adresse  des  Empfangers  schreibt  man  links  oberhalb 
des  Mizuhiki,  und  zwar  gilt  als  alte  Regel,  oberhalb  des 
Zeichens  _tl  .  ich  gebe  hinauf  zu  beginnen,  wenn  der 
Empfänger  höher  im  Range  ist  als  der  Absender,  in 
gleicher  Höhe  zu  beginnen,  wenn  er  von  gleichem 
Range  ist,  und  sonst  etwas  tiefer  unten  anzufangen. 

5)  Den  Namen  des  Absenders  kann  man  an  die  Stelle  der 
Stückzahl  (vgl.  3)  setzen.  Je  nach  dem  Range  schreibt 
man  dann  den  Namen  entweder  mehr  links  oder  in  die 
Mitte  oder  mehr  rechts.  Gibt  man  aber  Stückzahl  oder 
Gewicht  an,  so  setzt  man  den  Namen  des  Absenders 
nicht  hin,  sondern  gibt  lieber  eine  Visitenkarte  mit. 


E.    SCHILLER,    JAPANISCHE    GESCHEXKSITTEX.  353 

§   II.  —  Gescmexkverzeiciixis  uxn  Utsuri. 

Es  gehört  zum  guten  Ton,  class  man  selbst  bei  einem  ein- 
zigen Geschenke  noch  ein  besonderes  Schriftstück  überreicht, 
welches  Mokuroku  (Namenliste)  heisst  und  ein  Geschenkv'er- 
zeichnis  darstellt.  Es  ist  dessen  schon  einmal  Bd.  Vlll,  Teil  3,  S. 
278  u.  279  bei  Gelegenheit  der  Hochzeitsgeschenke  Erwähnung 
getan  worden.  Das  Papier,  welches  zum  Mokuroku  gebraucht 
wird,  ist  Hösho  oder  Hikiawase  (vgl.  §  8).  Die  langen  Bogen 
werden  in  der  Mitte  einmal  gefaltet  und  nach  hinten  umgeschlagen. 
Dann  beginnt  man  rechts  mit  der  Aufschrift  Mokuroku  und  setzt 
dann  ein  Item  nach  dem  anderen  \on  rechts  nach  links  neben 
einander,  in  dem  man  jedes  Item  in  der  Weise  der  japanischen 
Schrift  von  oben  nach  unten  schreibt,  über  jedes  einzelne  Item 
einen  Quer.strich  setzt  (wie  es  überhaupt  bei  Schriftstücken,  die 
eine  Aufzählung  einzelner  Posten  enthalten,  üblich  ist)  und  unter 
das  Item  die  Stückzahl  oder  das  Gewicht  schreibt.  Links  am  Ende 
des  Verzeichnisses  steht  Ijö  =  das  Obere  oder  Vorhergehende, 
zum  Zeichen,  dass  die  Reihe  abgeschlossen  ist,  oder  auch  Shime  = 
Abschluss.  Beide  Worte  werden  aber  auch  am  Ende  von  anderen 
Schriftstücken,  z.  B.  Briefen,  gebraucht,  Shime  schreibt  man  bei 
Briefen  noch  aussen  aufs  Couvert  auf  die  zugeklebte  Stelle. 
Weiter  links  von  diesen  Worten  bringt  man  schliesslich  Jahr  und 
Datum  an  (vgl.  Abbildung  iSlo   29). 

Es  ist  seit  alters  üblich,  bei  der  Aufzählung  der  einzelnen 
Posten  in  der  Geschenkliste  Shöjinmono  voranzustellen.  Das 
sind  vegetabilische  Speisen,  wie  sie  der  Buddhismus,  der  jedes 
Töten,  auch  von  Tieren,  verbietet,  seinen  Gläubigen  eigentlich 
allein  erlaubt.  In  Wirklichkeit  beschränken  sich  freilich  nur  die 
Priester  einiger  strengerer  Sekten  .sowie  Eaien  im  pralle  einer 
besonderen  religiösen  Uebung,  z.  B.  während  einer  Wallfahrt 
(gewöhnlich  nur  auf  dem  Hinwege)  und  während  der  strengen 
Trauer,  auf  solche  Pflanzenkost.  Fisch  und  Geflügel  kommt  nach 
den  Shöjinmono  —  Fleisch  wurde  im  alten  Japan  nicht  gegessen — , 
aber  Reisbranntwein  soll  sogar  dem  Fische  vorangesetzt  werden, 
eine  Reihenfolge,  welche  die  altjapanische  Wertschätzung  der 
einzelnen  Speisen  erkennen  lässt. 

\'om  eigentlichen  Mokuroku  ist  zu  unterscheiden  Origami, 
d.  h.  ,  gefaltetes  Papier  '.  P^s  wird  gebraucht,  wenn  man  statt  des 
Geschenkes  Geld  zum   Ankauf  eines   solchen   übersendet.     Auch 


354  E.    SCHILLER,    JAPANLSCHE    GE.SCHICXKSITTKX. 

in  diesem  Vcillc  wird  "-cwöhnlich  das  Ilikiawasc-Papier  verwandt, 
was  ebenso  wie  beim  Mokuroku  gefaltet  wird.  Auf  einer  solchen 
Liste  rechnete  man  früher  nach  hiki,  z.  B.  Sembiki,  tausend 
Stück,  Scngohyappiki,  1500  Stück.  Iliki  war  das  Zählwort  für 
das  alte  Geld,  welches  selbst  nacli  seiner  Gestalt  Chomoku, 
Vogelauge,  liiess.  Ein  Chömoku  war  etwa  Y-.-  Pfennig  im  Werte 
"•leich.  Seit  der  Tokugawazeit  wurde  es  aber  Mode,  immer 
Kinsu  =  Geld  voranzusetzen,  und  man  schrieb  dann  Kinsu  Sembiki, 
Kinsu  Sengohyappiki  etc.  Noch  besser  war  es,  wenn  man  schrieb  : 
Sakanadai  Gohyappiki,  Geld  für  Fisch  500  Stück,  Tarudai  Sem- 
biki, Geld  fürs  Fass  (nämlich  Reisbranntwein)  1000  Stück. 
Natürlich  ist  bei  solchen  Geldgeschenken  das  Geld  zeremoniell 
einzuwickeln  (vgl.  §  8)  und  auf  einem  Gestell  zu  überreichen. 

Von  Mokuroku  ist  ferner  zu  unterscheiden  ChOmon,  d.  h. 
Bestellung.  Man  händigt  statt  eines  Geschenkes  oder  des  dafür 
bestimmten  Geldes  dem  zu  Beschenkenden  einen  Bon  auf  einen 
Laden  ein,  wo  er  das  Geschenk  zu  einer  ihm  gelegenen  Zeit 
erheben  kann,  was  z.  B.  bei  Fischen  und  leiern  für  den  Empfänger 
oft  angenehmer  ist.  Das  Chümon  wird  nicht  gefaltet,  sondern 
ist  ein  langer  Zettel.  ]\Ian  schreibt  z.  B.  Hitotsu  Kamo  go  Wa, 
5  Stück  Wildente,  oder  Hitotsu  Takigi  jü  Da,  10  Pferdeladungen 
Brennholz. 

Alle  diese  Schriftstücke  werden  nicht  in  Sösho,  Grasschrift, 
d.  h.  Kiu'sivschrift,  geschrieben  sondern  in  Kaisho,  der  quadra- 
tischen Schrift,  wie  sie  besonders  bei  Druckwerken  benutzt  wird. 
Ferner  benutzt  man  in  denselben  stets  die  einfacheren,  nicht  die 
komplizierteren  Zahlzeichen. 

Erwähnenswert  sind  auch  die  Namen  für  Sake,  Reisbrannt- 
wein, in  diesen  Schriftstücken.  Man  schreibt  z.  B.  Morohaku  = 
reiner  Sake,  oder  Jöshu  =  Sake  von  1^  Qualität,  oder  Seishu  = 
reiner  Sake,  oder  Masamune,  ein  in  der  Gegenwart  sehr  beliebter 
Name  für  Sake,  welcher  aufrichtiges  oder  gerades  Herz  bedeutet 
und  eigentlich  ein  männlicher  Vorname  ist  —  es  ist  das  ein 
Wort,  welches  den  Temperenzpredigern  in  Japan  nicht  geringe 
Verlegenheit  bereitet,  da  sie  genötigt  sind,  Masamune,  d.  h.  das 
aufrichtige  Herz,  zu  verdammen.  In  sehr  höflichen  Phallen  schreibt 
man  auch  Yanagidaru ;  das  ist  aber  der  Name  eines  lackierten 
Holzgefässes,  in  welchem   der  Sake  zuweilen  überreicht  wird. 

Ist  nun  das  Geschenkv^erzeichnis  fertig  gestellt,  so  faltet 
man  es  noch  zweimal  und  wickelt  es  dann  in  vorgeschriebener 
Weise  in  gutes  Papier,  z.  B.  Sugihara,  umwindet  es  mit  Mizuhiki 


E.    SCHILLER.    JAPANISCHE    GESCHEXKSITTEX.  355 

und  schreibt  in  die  Mitte  der  oberen  Hälfte  Mokuroku,  siehe 
Abbildung  No  30.  Ist  Geld  mit  eingewickelt,  so  schreibt  man  auf 
die  obere  Hälfte  gern  den  Zweck  des  Geldes,  z.  B.  On  Kwashi- 
ryö,  Kuchengeld,  oder  On  Sakana-ry(5,  Fischgeld,  siehe  Abbildung 
No  31  ;  auf  die  untere  Hälfte  kann  man  auch  die  Angabe  der 
Geldsumme  setzen. 

Der  Empfänger  hat  einen  Empfangsschein  zu  schreiben,  in 
welchem  das  ganze  Mokuroku  wiederholt  ist.  An  Stelle  von  Ijö 
oder  Shime  steht  dann  die  Empfangsbescheinigung  :  ,  Die  rechts 
stehenden  Sachen  habe  ich  für  lange  Zeit  (hisashiku)  respektvoll 
erhalten'.  Es  folgt  Datum,  Name  des  Geschenkempfängers 
und  Adresse  dessen,  an  welchen  der  Schein  gerichtet  ist,  aber  kein 
Stempel,  was  sonst  in  Japaii  bei  Unterschriften  unerlässlich 
ist ;  es  soll  wohl  der  Charakter  des  geschäftsmässig  Formellen 
vermieden  werden.  Bei  der  Adresse  gebraucht  man  für  ,  Herr  ' 
das  Wort  Dono  und  nicht  Sama,  wie  sehr  oft  auf  Briefadressen. 

Hat  man  ein  Geschenk  in  einem  Gefäss,  z.  B.  in  einer 
Schüssel  oder  auf  einem  Tablett  empfangen  —  es  ist  dann 
gewöhnlich  auch  mit  einem  Deckchen  aus  buntem  Seidenkrepp 
(Fukusa)  zugedeckt,  —  so  legt  man  beim  Rücksenden  des  Gerätes 
ein  Utsuri  hinein  und  darauf  das  zusammengefaltete  Fukusa. 
Das  Utsuri,  d.  h.  Entfernung,  nämlich  Entfernung  des  Gerätes, 
besteht  aus  5,  7,  10  oder  13  zusammengefalteten  Bogen  weissen 
Taschentuchpapiers,  auf  welchem  ein  zeremoniell  eingewickelter 
Geldbetrag  liegt  im  Werte  von  10  9^  (ichi  Wari)  oder  bei  kleineren 
Geschenken  von  20  %  (ni  Wari)  des  geschenkten  Gegenstandes. 
Dies  Geld  gehört  dem  Diener,  welcher  es  überbracht  hat.  Er 
erhält  es  aber  erst  von  seiner  eigenen  Herrschaft,  die  das  Utsuri 
in  Empfang  nimmt,  so  wie  überhaupt  in  Japan  die  Diener  alle 
Geschenke,  die  sie  von  Hausfreunden  und  Gästen  erhalten,  auch 
Geldgeschenke,  erst  der  Herrschaft  zeigen  und  so  gleichsam  erst 
von  dieser  nachträglich  die  Erlaubnis  zur  Annahme  erhalten. 


§   12. — Verschiedene  beim  Schenken  zu  beachtende 

Regeln. 

i)  In  allen  Büchern  über  den  guten  Ton  wird  emi)fohlen, 
dass  man  beim  Schenken  das  Uebermass  vermeiden  soll. 
Der  Grund  ist  wohl  der,  dass  man  durch  ein  grosses 
Geschenk    den    Empfänger    gleichsam    moralisch    zwingt, 


356  E.    SCHILLER,    LVI'ANISCHE    GESCÜENKSITTEX. 

wieder  ein  grosses  Geschenk  zu  machen.  Darum  sagt 
das  Sprichwort  ,  Kabi  naru  Reimotsu  wa  I  lireimotsu ', 
d.  h.  ,  Ein  übertriebenes  Geschenk  wird  zum  Unhöflich- 
keitsgeschenk  '. 

2)  Es  ist  selbstverständHch,  dass  man  bei  der  Auswahl 
eines  Geschenkes  Rücksicht  auf  die  Jahreszeiten  nimmt. 
Es  wäre  lächerhch,  im  Sommer  ein  Hibachi,  Feuerbecken, 
oder  im  Winter  ein  Sommerkleid  zu  schenken. 

3)  Macht  man  ein  Geschenk  zu  einem  Umzüge  in  ein  neues 
Haus,  so  muss  man  alle  Sachen  vermeiden,  in  deren 
Namen  das  Wort  Hi,  Feuer,  vorkommt,  sow'^ie  auch 
alle  diejenigen,  welche  rot,  d.  i.  die  Farbe  des  Feuers, 
oder  hellgrün  gefärbt  sind.  Das  letztere  deshalb,  weil 
,  hellgrün  '  moegi  heisst,  dieses  aber  auch  verstanden 
werden  kann  als  ,  Verbrennen  (Aloe)  des  Holzes  (Ki)  '. 
Anspielungen  aber  auf  Feuersbrünste,  eine  der  Geissein 
Japans,  die  z.  B.  in  Tokyo  so  häufig  sind,  dass  man 
sie  Yedo  no  Hana,  Blumen  T'jkyos  nennt,  sind  zu 
vermeiden. 

4)  Macht  man  einem  Kranken  ein  Geschenk,  so  ist  rot- 
schuppiger Tai  (Meerbrasse)  sehr  passend.  Der  blaue 
Tai  ist  zu  vermeiden,  da  die  blaue  Farbe  traurig  stimmt. 
Ebenso  ist  in  einem  solchen  Falle  die  Vierzahl  der  Ge- 
schenke zu  vermeiden,  denn  das  Wort  shi  —  4  kann  auch 
Tod  bedeuten,  was  natürlich  einen  Kranken  erschrecken 
würde. 

5)  Bei  Hochzeiten  und  überhauj^t  bei  Geschenken  an  Ehe- 
paare vermeide  man  Sachen,  welche  die  Farbe  von 
Affenhaaren  haben  ;  denn  das  Wort  Saru  =  Affe  bedeutet 
auch  ,  scheiden  '  und  könnte  also  an  Ehescheidung 
erinnern,  die  ja  in  Japan  so  häufig  ist,  dass  der  Gedanke 
an  sie  näher  liegt  als  bei  uns. 

6)  ]^ei  der  Mannbarkeitsfeier  eines  Knaben  (vgl.  Bd.  VIII, 
Teil  3,  S.  285-286)  darf  man  keine  Kirimochi,  geschnit- 
tene Klebreiskuchen,  schenken  ;  denn  kiri  =  schneiden 
erinnert  an  Wunden  und  Tod.  Aus  demselben  Grunde 
x'crmeidet  man  in  diesem  Falle  auch  Azuki,  eine  i\rt 
kleiner  roter  Bohnen,  obwohl  sonst  bei  Festen,  besonders 
an    Geburtstagen,    Azukimeshi,    Reis,    mit  solchen    roten 


E.    SCHILLER,    JAPANISCHE    CtESCHENKSITTEX.  35/ 

Bohnen  c;-emischt,  unbedenklich  irefjessen  wird.  Die  Azu- 
ki  liaben  die  Eigentümlichkeit,  dass  sie  sich  beim  Kochen 
an  der  Bauchseite  spalten,  was  an  Harakiri,  Selbstmord 
durch  Bauchaufschlitzen,  erinnert ;  daher  ihre  Verpönung 
bei  Gembuku  no  Iwai. 

7)  Unter  Fische,  welche  man  schenkt,  legt  man  kein 
Bambuslaub  ;  denn  das  war  Brauch  bei  der  letzten 
Mahlzeit  von  Samurai,  Kriegern,  welche  zum  Harakiri 
verurteilt  waren,  die  \"or  der  Ausführung  der  Selbst- 
entleibung noch  Reisbranntwein  und  Fisch  genossen. 

8)  Alle  Geschenke  sind  daraufhin  zu  prüfen,  ob  nicht  ihr 
Name  durch  eine  zweite  Bedeutung  des  Wortes  als 
eine  böse  Anspielung  aufgefasst  werden  oder  traurige 
Gedanken  erwecken  kann  (vgl.  vorher  3-6).  Solche 
Zweideutigkeiten  kommen  ja  in  der  japanischen  Sprache 
so  unendlich  oft  \'or,  dass  zwei  Japaner  bei  der  Unter- 
haltung gar  manchmal  genötigt  sind,  das  Schriftzeichen 
des  Wortes,  welches  sie  meinen,  mit  dem  Finger  in  die 
Luft  oder  in  die  Hand  zu  schreiben,  um  sich  verständ- 
lich zu  machen.  Auf  solchen  billigen  Wortspielen  beruht 
dann  auch  ein  guter  Teil  des  japanischen  Witzes  sowie 
der  Gesellschaftsspiele,  so  z.  B.  eine  Art  amüsanter 
Glückslotterie,  wobei  der  gezogene  Gegenstand  eine 
scherzhafte  Antwort  auf  eine  gestellte  Frage  darstellt. 
Sind  beim  Schenken  Gegenstände  mit  ominösen  Namen 
zu  vermeiden,  so  sind  solche  mit  glückbedeutenden 
Namen  um  so  willkommener.  Daher  der  enorme  Ge- 
brauch von  Katsuobushi,  Hobelfisch  (vgl.  §  8,  b),  denn 
dieses  W^ort  kann  auch  geschrieben  und  verstanden  werden 
als  ,  Sieg  des  Ritters  '. 

9)  Bei  Weihrauch  und  sonstigem  Räucherwerk  kann  man 
nicht  Hitotaki  (i  Taki)  und  auch  nicht  Mitaki  (3  Taki) 
schenken.  Taki-Brennen  ist  das  Zählwort  bei  solchen 
Sachen.  Hitotaki  kann  man  aber  auch  übersetzen  mit 
,  Das  Brennen  des  Menschen '  und  Mitaki  mit  ,  Das 
Brennen  des  Körpers  ',  w^as  eine  Anspielung  auf  Um- 
kommen bei  einem  Brande  oder  auf  die  in  Japan  übliche 
Leichenv^erbrennung  sein  könnte. 

10)  In  ähnlicher  Weise  darf  man  Sachen,  bei  welchen  das 
Zählwort  Kire  (Abschnitt  =  Stück)  gebraucht  wird,  z.  B. 


358  E.    SCIIILLKR,    JAPANISCIIK    (;KSCIIKXK.SITTKN'. 

Schnittwaren,  niclit  in  der  Dreizahl  schenken,  denn 
Mikire,  3  Stück  Schnittwaren,  kann  auch  mit  ,  Schnei(k^n 
des  Körpers  '  übersetzt  werden. 

11)  Die  Zahlen  4  und  6  sind  bei  Geschenken  zu  vermeiden. 
Denn  shi  =  4  bedeutet  auch  Tod  {vgl.  oben  4),  weshalb 
man  auch  im  gewöhnlichen  Leben  ,  4  Jahre '  nicht 
gern  mit  shi  Nen  (auch  gleich  ,  Todesjahr  *)  sondern 
mit  yo  Nen,  ,  4  Uhr  '  nicht  gern  mit  shi  Ji  (auch  gleich 
,  Todesstunde  ')  sondern  mit  yo  Ji,  ,  4  Taler  '  nicht  mit 
shi  Yen  (auch  gleich  ,  Todestaler  ')  sondern  mit  yo  Yen 
übersetzt.  Die  Zahl  6  ist  zu  vermeiden,  weil  ,  mutsu  ', 
wenn  es  in  Zusammensetzungen  zu  ,  mu  '  wird,  auch 
die  Bedeutung  von  .  nichts  '  hat. 

12)  Ueberhaupt  sind  die  geraden  Zahlen  beim  Schenken  zu 
vermeiden,  bei  kleineren  Sachen  z.  B.  Bonite,  natürlich 
auch  die  Zahl  i,  weil  i  Bonite  zu  ärmlich  aussieht.  Bei 
Sachen,  die  man  paarweise  schenkt  z.  B.  Geflügel,  kann 
man  unbedenklich  i  Paar,  2  Paar  oder  3  Paar  etc 
schenken,  obwohl  es  dann  2,  4,  6  etc  Stück  werden  ;  hier 
wird  eben  nach  Paaren  gezfdilt.  Auch  die  Zahl  10  ist 
erlaubt,  weil  es  eine  vollkommene  Zahl  ist,  desgleichen 
12,  20,  30,  40,  50  und  ICO.  Von  den  ungeraden  Zahlen 
sind  ausser  i  bei  kleinen  Geschenken  9  und  1 1  zu  ver- 
meiden, wohl  wegen  der  Nähe  von  lo.  Kurz  und 
gut,  auch  hier  ergeben  sich  wieder  allerlei  komplizierte 
Regeln. 

13)  Bei  Hochzeits-  und  Trauergeschenken  darf  man  das 
]\Iizuhiki  nicht  in  zwei  Schleifen  binden,  sondern  man 
macht  nur  eine  einzige  (vgl.  §  9).  Zwei  Schleifen 
könnten  darauf  hinweisen,  dass  man  eine  Wiederholung 
des  Ereignisses  wünscht,  als  eine  neue  Hochzeit  infolge 
von  ^Ehescheidung  oder  einen  neuen  Todesfall.  Andere 
freilich  sagen,  dass  eine  Düppelschlinge  (vgl.  Abbildung 
No  22,  l?)  an  das  Zahlzeichen  für  vier  (29)  erinnert,  shi  = 
vier  aber  auch  Tod  bedeutet  (vgl.  unter   11). 


Mütei 


lungen  der  Deutschen  GeselUchaftfär  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens. 


E.   Schiller. -Geachenhsltlfn    IL 


Bd.  IX.  Tafel     10. 


NO  3. 


'II    -"^^^ 


wm^mi 


MiUeilungen  der  Deutschen   Geselhchaftfür  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens. 


K9  10 


E.  Schiller. -Gesckenksitten   IL 


Bd.  IX.  Tafel     11. 


"^ 


NO  13, 


MiUeilunffen  der  Deutschen   Oenellschnflfär  Natur-  und  Völkerhiwh  Ostasiens. 


NO  20. 


E.  Schiller. -Geschenksitlen    II. 


Bd.  IX. Tafel      12. 


Miiiei 


lungert   der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkuud.  Oda.nen.. 


NP25. 


NO  28. 


NQ26. 


E.   Schiller. ~Ge.^ckniksii/c-n    H- 


ßd.  IX.  Tafel     13. 


^fm 

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4^ 

i-i  T^ 

Nö  30. 


NQ  31. 


DIE  BESIEDLUNG 


VON 


KRONLAND   auf  Hokkaido. 

[Referat  ülaer  einen  Vorlrai;,  gehalten   in  der  Sitzung   in    Yokohama    am  4.  Februar 
1903  von  Herrn  Kgl.  Preuss.   Regierungs-  und  Forstrat     II.    Seliilliiig',    z.   Zt. 

forstl.  Beirat  im   Kaiser!.  Japanischen  Hausministerium.] 


Die  zur  landwirtschaftlichen  Nutzung  bestimmten  Kron- 
ländereien  gehören  zur  Verwaltung  des  Kaiserlichen  Hofforstamtes 
zu  Tokyo.  Sie  liegen,  abgesehen  von  kleineren,  überall  in  den 
Waldtälern  zerstreuten  Teilen,  in  3  grossen  Stücken  zusammen  : 
eine  Fläche  von  3.500  ha  bei  Kamigawa  (=Asahigawa),  eine  von 
9.000  ha  bei  Teshkaga  und  eine  dritte  von  lo.ooo  ha  bei 
Teshio.  Die  Kamigawaländereien  gehören  zum  Kronfideikommiss- 
vermögen,  die  übrigen  zwar  augenblicklich  noch  zu  den  gewöhn- 
lichen Krongütern,  sie  sollen  jedoch  demnächst  gleichfalls  dem 
Kronfideikommiss  einverleibt  werden.  Hieraus  folgt,  dass  die 
Flächen  unveräusserlich  sind  und  nur  in  eigener  Verwaltung 
oder  durch  Verpachtung  genutzt  werden  können.  Die  Kamigawa- 
ländereien sind  bereits  voll  besiedelt,  in  Teshkaga  hat  die 
Besiedlung  erst  begonnen,  in  Teshio  sind  bis  jetzt  nur  die 
Vermessungsarbeiten  ausgeführt.  Soweit  die  Besiedlung  noch 
nicht  erfolgt  ist,  sind  die  Flächen  mit  Urwald  bestanden.  Die 
Nutzbarmachung  dieses  wertvollen  Landbesitzes  beginnt  mit  der 
Vermessung,  Kartierung  und  Teilung  in  regelmässig  sich 
aneinander  schliessende  Rechtecke  von  5  ha  Grösse.  Nur  längs 
des  Umrings  bleiben  unregelmässige  Restflächen  übrig.  Die 
Grenzpunkte  der  einzelnen  Grundstücke  werden  örtlich  durch 
Pfähle  bezeichnet.  An  die  Vorarbeiten  schliesst  sich  das  öffent- 
liche Ausgebot  der  Pachtflächen.  Die  sich  meldenden  Pacht- 
lustigen haben  unter  denselben  freie  Wahl.  Haben  sie  sich 
entschieden,  so  wird  mit  jedem  ein  besonderer  Pachtvertrag  Von 


360      SCillLLIXG,    P.KSiRnLUNG    VON    KRÜXLAND    ALT    IlOKKAIDO. 

bestimmt  \-ort;cschriebener  Form    abgeschlossen,    dessen  Beding- 
ungen weiter  unten  noch  nälier  angegeben  werden. 

Die  ersten  Arbeiten  der  jungen  Ansiedler  bestehen  in  dem 
Abbrennen  des  Urwaldes  und  in  der  Errichtung  einer  VVohnstätte 
auf  der  Pachtfläche.  Wegen  der  Armut  der  Pächter  und  des 
Mangels  an  bautechnischen  Kenntnissen  lassen  die  letzteren  anfangs 
viel  zu  wünsclien  übrig  und  werden  erst  ganz  allmählich  so 
hergerichtet,  dass  sie  ausreichenden  Schutz  gegen  die  langen 
und  harten  \\'inter  gewähren. 

Dem  Hausbau  folgt  unmittelbar  die  Reinigung  des  Bodens 
vom  Bodeni^iberzuge,  die  Einsaat  von  Hirse  oder  Bughweizen 
und  die  Entfernung  des  abgestorbenen,  meist  halb  verkohlten 
Holzbestandes.  Diese  Fällungsarbeiten  werden  in  der  Regel  im 
Winter  ausgeführt,  wenn  der  hartgefrorene  Schnee  den  Tran.sport 
erleichtert. 

Die  gefillten  Stämme  werden  einfach  bis  zum  nächsten 
W^asserlauf  gebracht,  hineingeworfen  und  sich  selbst  überlassen. 
Das  auf  der  Fläche  verbleibende  Stockholz  aber  wird  bei 
Gelegenheit  der  jährlichen  Feldarbeiten  inmier  von  neuem  Avieder 
angebrannt,  bis  es  von  Feuer  und  Fäulnis  zerstört  nach  7-8 
Jahren  verschwindet. 

Der  praktische  landwirtschaftliche  Betrieb  ist  noch  wenig 
entwickelt,  er  arbeitet  noch  mit  den  einfachsten  Geräten  und 
unter  grossem  Zeitaufvv^and.  Vorherrschend  ist  das  Trockenland, 
doch  sind  neuerdings  grosse  Flächen  auch  in  Reisland  um- 
gewandelt worden.  An  Früchten  werden  vorzugsweise  angebaut: 
Buchweizen,  Mais,  Hirse,  Bohnen,  Kartoffeln,  Weisskraut,  Mohr- 
rüben etc  und  namentlich  Hafer.  In  den  ersten  Jahren  nach  der 
Urbarmachung  kann  bei  dem  humusreichen  Boden  der  Dünger 
gespart  werden  ;  auf  den  älteren  Flächen  haben  sich  indessen  bei 
der  Beschaffung  der  nötig  werdenden  Düngemittel  Schwierig- 
keiten insofern  ergeben,  als  es  nicht  möglich  ist,  die  5  ha 
grossen  Ländereien  nach  japanischer  Sitte  mit  menschlichen 
Fäkalien  abzudüngen. 

Die  Verwaltung  hat  sich  daher  genötigt  gesehen,  das  benach- 
barte hügelige  Waldland  zur  Umwandlung  in  Flara  preiszugeben- 
trotz der  grossen  Nachteile,  die  sich  aus  dieser  Einrichtung  in 
Altjapan  ergeben  haben.  Daneben  verwendet  man  noch  künst- 
hchen  und  Fischdünger.  In  Teshkaga  aber  hat  die  Forstver- 
waltung   ausserdem    ein    Gestüt    errichtet,    bestehend    aus    zwei 


I 


SCHILLING,    BESIEDLUNG    VON    KRONLAND    AUF    HOKKAIDO.      36 1 

Hengsten  und  25  Stuten,  die  lediglich  der  Düngerbereitung  sich 
befleissigen  sollen. 

Die  beiden  Hengste  werden  in  der  landwirtschaftlichen 
Versuchsanstalt  daselbst  gehalten,  während  die  Stuten  bei  den 
einzelnen  Ansiedlern  untergebracht  sind.  Sämtliche  Pferde  sind 
Kroneigentum. 

Die  Pachtbedingungen  sind  für  die  drei  Ansiedlungsgebiete 
verschieden  und  haben  sich  schon  wiederholt  geändert.  P3s  sind 
zu    unterscheiden  : 


1.  — DIE   KAMIGÄWÄFLACHEN. 

Die  ersten  Ansiedler  —  das  sind  die  Leute  aus  den  Jahren 
1S94-1899  —  hatten  für  die  Pachtfläche  von  5  ha  5  Jahre  lang 
eine  Abgabe  von  im  ganzen  1 5  Sei  zu  entrichten.  Danach  war 
und  zwar  auf  die  Dauer  von  25  Jahren  ein  Pachtgeld  pro 
Jahr  und  ha  von  2  Vc^n,  für  das  einzelne  Pachtgut  also  ein 
jährlicher  Betrag  von  10  I ?«  zu  zahlen.  Sonstige  Erleichterungen 
bei  Uebernahme  des  Pachtlandes  wurden  nicht  gewährt. 

Diese  Bedingungen  wurden  bereits  nach  5  jährigem  Bestehen 
d.  h.  für  die  im  Jahre  1899  neu  eintreffenden  Ansiedler  ver- 
schärft. Von  diesem  Zeitpunkte  ab  gewährt  man  zunächst  5 
P"reijahre ;  nach  Ablauf  derselben  wird  das  Pachtgeld  alle  5 
Jahre  nach  der  Bodengüte,  nach  den  Pachtpreisen  in  der  Um- 
gegend und  nach  den  eigenen  Einnahmen  der  Pächter  aus 
ihren  Grundstücken  neu  festgesetzt.  Für  die  ersten  5,  jetzt 
laufenden  Jahre  schwankt  dasselbe  zwischen  2,50  und  5  It'c/i  pro 
Jahr  und  ha. 

Unter  diesen  Bedingungen  sind  die  Kamigawaländereien 
bereits  mit  700   P'amilien  besetzt  und   demgemäss  voll   besiedelt. 


2. —  DIE   TESHKAGALANDEREIEN. 

Die  Besiedlung  hat  hier  erst  im  Jahre  1899  begonnen. 
Abgelegenhcit  und  weniger  günstige  Bodenverhältnisse  nötigten 
hier  zu  einem  grösseren  Entgegenkommen.  Die  pachtlustigen 
Familien,  die  bis  jetzt  sämtlich  aus  der  Provinz  P^tchu  stammen, 
erhalten  zunächst  vom  Hafenorte  Fushigi  aus  ca  35  Yen  Reise- 
geld und,  am  Orte  ihrer  neuen  Heimat  angekommen,  auf  den 
noch    ertragslosen    Grundstücken    ein    Zehrgeld.      Dieses    betrug 


'362       SCHlLr-lXC;,    niCSIEOLUNG    von    KROXLAXD    auf    lIÜKICAini). 

für  die  beiden  ersten  Jalire  1899  und  1900  monatlich  10  ]'tii 
und  w  urde  i  I  Monate  hindurch  gewährt.  Seit  190 1  ist  dieser 
Zeitraum  auf  8  Monate  gekürzt  worden.  Ausser  diesen  Unter- 
stüt/AUigen  erhalten  die  Leute  noch  ein  Rodungsgeld,  aber  erst 
nacli  ausgeführter  Rodung.  Dieses  betrug  in  den  Jahren  1899 
und  1900  pro  ha  35  Yen,  jetzt  ist  es  auf  28  Yen  pro  ha  herab- 
gesetzt. Die  Rodung  muss  in  5  Jahren  beendet  sein.  Sämtliche 
Pächter  erhalten  ausserdem  5  Freijahre.  Mit  dem  Ablauf  der 
letzteren  beginnt  die  eigentliche  Pachtzahlung  und  zwar  hier 
nicht  nach  der  Bodengüte  sondern  nach  der  Flächengrösse. 
Die  Verträge  werden  auf  30  Jahre  geschlossen.  An  Pachtgeld 
haben  die  Ansiedler  aus  dem  Jahre  1899  pro  ha  4  Yen,  die 
späteren  aber  4,50  Yen  zu  entrichten.  Innerhalb  6  Jahren  nach 
Abschluss  des  Pachtvertrages  sind  das  Reisegeld  sowie  das 
Zehrgeld  der  Verwaltung  wieder  zurückzuzahlen.  Bis  jetzt  ist 
dieses  Ansiedlungsgebiet  erst  mit  78  P'amilien  besetzt. 


't>'"t) 


3.  — DIE    TESHIOWALDER. 

Auf  den  lo.ooo  ha  grossen  Flächen  bei  Teshio  sind  wie 
schon  erwähnt  erst  die  Einteilungsarbeiten  ausgeführt.  — 

Der  Vortragende  beleuchtete  hierauf  das  vorstehend  ge- 
schilderte Ansiedlungsverfahren  nach  Massgabe  der  in  Preussen 
für  ähnliche  Arbeiten  geltenden  Grundsätze  und  kam  dabei  zu 
folgendem  Urteil  : 

i)  Eine  schablonenmässige,  auf  die  Geländeverhältnisse 
nicht  Rücksicht  nehmende  Einteilung  landwirtschaftlichen 
Nutzlandes  ist  stets  fehlerhaft  und  führt  zu  allerlei 
Erschwernissen  des  landwirtschaftlichen  Betriebes.  Die 
Einteilung  hat  sich  immer  dem  Gelände  in  der  Weise 
anzupassen,  dass  zunächst  die  natürlichen  Trennungslinien 
wie  Wasserläufe,  Höhenzüge  etc  vermessen  und  kartiert, 
dass  hierauf  sämtliche  Hauptwege  mindestens  entworfen 
und  abgesteckt,  möglichst  aber  auch  sofort  gebaut  werden, 
und  dass  erst  dann,  d.  h.  im  Anschluss  an  die  natür- 
lichen Trennungslinien  und  Wege  die  Einteilung  in 
Pachtflächen  erfolgt. 

2)  rj)as  Abbrennen  des  Urwaldes  ist  zweifellos  das  ein- 
fachste,   billigste    und    daher   beste    Mittel,   die   äusserer- 


I 


SCHILLING,    BESIEDLUNG    VON    KRONLAND    AUF    HOKKAIDO.       363 

dentlich  zählebige  Pflanzenwelt  zu  zerstören.  Das  Ver- 
fahren wird  aber  zum  Verbrechen,  wenn,  wie  es  meistens 
geschieht,  diese  Feuer  sich  selbst  überlassen  werden, 
tage-  und  wochenlang  fortbrennen  und  sich  auf  Gebiete 
ausdehnen,  die  niemals  zur  landwirtschaftlichen  Nutzbar- 
machung sich  eignen.  ^Millionen  von  Werten  sind  in 
Hokkaido  auf  diese  Weise  dem  Feuer  zum  Opfer  gefallen 
und  ausgedehnte  Landstrecken  in  Wüsteneien  verwandelt. 

3)  Das  ganze  Ansiedlungsverfahren  nimmt  zu  wenig  Rücksicht 
darauf,  dem  meist  vollständig  besitzlosen  Ansiedler  die 
Uebergangszeit  d.  h.  die  ersten  Jahre  in  seiner  neuen 
Heimat  zu  erleichtern.  Selbst  die  in  Teshkaga  gewährten 
Rodungsgelder  verlieren  in  dieser  Beziehung  an  Bedeutung, 
da  die  Forstverwaltung  für  den  geringen  Preis  von  28 
Ycyi  I  ha  Urwald  gerodet  erhält,  der  sich  nicht  nur  bei 
einem  Pachtgelde  von  4,50  ]V;/  mit  16  ^4  verzinst 
sondern  der  Verwaltung  auch  ermöglicht,  bei  dem  herr- 
schenden Verpachtungsverfahren  ilach  Belieben  Pächter 
anzusetzen  und  die  Pachtpreise  zu  erhöhen.  Von  her- 
vorragender, die  t^ntv/ickelung  von  ganz  Hokkaido  vor- 
teilhaft beeinflussender  Bedeutung  wäre  die  Errichtung 
der  Wohn-  und  Wirtschaftsgebäude  durch  die  Hofforst- 
verwaltung selbst  und  zwar  vor  dem  Eintreffen  der 
Ansiedler.  Das  Klima  der  Insel  weicht  mit  seinen 
ausserordentlich  kalten  (bis- 43°  C)  und  schneereiclien 
Wintern  so  auff"allend  von  dem  der  übrigen  japanischen 
Inseln  ab,  dass  die  dagegen  zu  treffenden  Vorkehrungen 
dem  stets  aus  wärmeren  Gegenden  zuziehenden  Pächter 
völlig  unbekannt  sind.  Die  gegenwärtigen  Unterkunfts- 
hütten der  Ansiedler  sehen  schlechten  Ställen  ähnliclier 
als  einer  menschlichen  Wohnung. 

4)  Die  Errichtung  der  Wohnhäuser  nach  dem  Belieben  der 
Pächter  auf  den  einzelnen  Pachtflächen  führt  zu  einem 
Verzetteln  derselben  über  das  ganze  Ansiedlungsgebict 
und  infolgedessen  zu  allerlei  sozialen  Nachteilen  :  schwieri- 
ger Verkehr  der  Ansiedler  untereinander,  schwieriger 
Schulbesuch,  schwierige  Versorgung  mit  den  täglichen 
Lebensmitteln  u.  s.  w.  Es  ist  daher  der  Versuch  em- 
pfehlenswert, die  Pächter  in  Ortschaften  anzusiedeln. 

5)  Die  von  der  Hofforstverwaltung  im  Interesse  der  Pächter 


364       SCIIILLIXG,    I5KS1E1)LUNG    \'()X    KROXI.ANI)    All'-    HOKKAIDÜ. 

gemachten   baren  Aufwendunt^en,  also  auch    die    Kosten 

für  die  Errichtung  von  Gebäuden,  haben  diese  von  einem 

gewissen    Zeitpunkte    ab    massig  zu    verzinsen    und    zu 
amortisieren. 

6)  Dass  auf  den  ungeheueren  Gebieten  die  einzehien  Pacht- 
flcächen  nur  an  Landwirte  abgegeben  werden  können, 
und  alle  Nichtlandwirte,  also  auch  Handwerker  und 
KauOeute,  als  Ansiedler  ausgeschlossen  sind,  dass  man 
auch  nicht  daran  gedacht  hat,  die  neuen  Gemeinden  von 
vornherein  mit  Gemeindeland  auszustatten,  sind  grund- 
sätzliche Fehler. 

7)  Zur  Hebung  der  noch  wenig  entwickelten  praktischen 
landwirtschaftlichen  Tätigkeit  —  die  5  ha  grossen  Grund- 
stücke werden  z.  B.  in  der  Regel  nur  gehackt  statt  mit 
dem  Pfluge  bearbeitet  —  empfiehlt  es  sich,  auf  jedem 
der  3  grossen  Ansiedlungsgebiete  mindestens  ein  Mu- 
stergut in  der  Weise  zu  schaffen,  dass  auswärtigen 
praktischen  Landwirten  Gelegenheit  geboten  wird,  für 
eigene  Rechnung  die  Landwirtschaft  zu  betreiben,  aus- 
serdem aber  noch  mindestens  je  einen  praktischen 
fremden  Landwirt  anzustellen,  der  von  Haus  zu  Haus 
geht,  und  die  Ansiedler  von  amtswegen  in  den  landwirt- 
schaftlichen Verrichtungen  zu  unterweisen  hat.  Ein 
wesentlicher  Punkt  der  Tätigkeit  beider  Personen  wäre 
der  Versuch,  die  Rindvieh-  und  Schweinezucht  einzu- 
führen sowie  auf  dem  für  Reisbau  infolge  der  niedrigen 
Jahreswärme  meist  nicht  mehr  geeigneten  Boden  den 
Anbau  unserer  hauptsächlichsten  Getreidearten  wie 
Roggen,  Weizen,  Hafer,  ferner  die  Einführung  der  Milch- 
wirtschaft und  Geflügelzucht  zu  betreiben.  Da  es  sich 
überall  um  Pächter  handelt,  ist  die  Hofforstverwaltung 
in  der  glücklichen  Lage,  die  Fortschritte  der  Landwirt- 
schaft in  anderen  Ländern  für  die  Pächter  in  gewissem 
Sinne  zwangsweise  nutzbar  zu  machen. 

8)  Aus  den  Pacht\'erhältnissen  entwickeln  sich  \'oraussichtlich 
.sehr  schnell  P^rbpachtsgerechtigkeiten.  Das  von  der 
Verwaltung  bisher  geübte,  zwar  ausserordentlich  ent- 
gegenkommende aber  bedenkliche  Verfahren,  die  An- 
siedler auf  ihren  Flächen  nach  Belieben  schalten  und 
walten    zu    lassen,    auch    die    PLntwickelung  und    Bildung 


SCHILLING,    BESIEDLUNG    VON    KRONLANI)    AUF    HOKKAIDO.       365 

der  Gemeinden  m(3glichst  nicht  zu  beeinflussen,  haben 
auf  den  Kamigawalcändereien  bereits  zu  manchen  Eigen- 
mäclitigkeiten  der  Pächter  geführt  —  sie  haben  hier  z.  B. 
ohne  Zutun  der  Verwaltung  grosse  Strecken  in  Reisland 
umgewandelt,  ausgedehnte  Be-  und  Entwässerungsgräl^en 
gebaut  und  eine  Art  Reisbaugenossenscliaft  gebildet — , 
dass  zu  befürchten  ist,  es  erwächst  der  Verwaltung 
allmählich  in  der  Masse  der  Pächter  eine  gegnerische 
Macht,  der  sie  im  Ernstfalle,  namentlich  bei  den  vor- 
behaltenen periodischen  Erhöhungen  der  Pachtpreise, 
vermutlich  unterliegen  wird. 

9)  Die  Nutzung  so  ausgedehnter  Flächen  durch  Verpachtung 
von  immer  nur  5  ha  grossen  Abschnitten  führt  stets  zu 
Schwierigkeiten,  die  nur  gemildert  werden  können, 
wenn  die  Pflichten  und  Rechte  der  beiden  Teile  von 
vornherein  scharf  gekennzeichnet  und  fortlaufend  streng 
geschieden  werden.  Leider  ist  diese  Forderung  hier  aus 
verschiedenen  Gründen  nicht  durchführbar.  Es  empfiehlt 
sich  daher  mehr,  im  Laufe  der  Zeit  mehrere  der  kleinen 
Pachtflächen  zu  vereinigen  und  zur  Bildung  von  Domänen 
überzugehen  oder  aber  —  und  das  w-äre  nach  Ansicht  des 
Vortragenden  unter  den  eigenartigen  japanischen  Ver- 
hältnissen der  beste  Weg  —  die  betr.  Plächen  aus  dem 
Kronfideikommissvermögen  auszuscheiden  und  allmählich 
zu  verkaufen. 

Zum  Schluss  verbreitete  sich  der  Vortragende  noch  über 
die  Bedeutung,  die  Hokkaido  als  Ansiedlungs-  und  demgemäss 
als  Auswanderungsgebiet  für  Altjapan  im  allgemeinen  hat. 
Soweit  Hokkaido  zum  landwirtschaftlichen  Betriebe  sich  eignet, 
ist  der  Boden  mindestens  ein  mittelmässiger,  an  vielen  Stellen 
sogar  ein  guter  und  sehr  guter;  auch  alle  sonstigen  Verhältnisse 
sind  der  Besiedlung  ausserordentlich  günstig.  Es  ist  deshalb 
auffallend,  dass  die  japanische  Regierung  anscheinend  mehr  darauf 
Bedacht  nimmt,  den  Bevölkerungsüberschuss  im  Auslande  unter- 
zubringen als  in  Hokkaido,  also  im  eigenen  Lande,  sesshaft  zu 
machen.  Dieses  Verfahren  ist  um  so  befremdsamer,  als  die 
Schaffung  eines  steuerkräftigen  Bauernstandes  augenblicklich 
mit  zu  den  hauptsächlichsten  Aufgaben  der  Verwaltung  gezählt 
Werder  muss.  Der  Weg,  den  die  Verwaltung  zur  erfolgreichen 
Besiedlung  Hokkaidos  einzuschlagen  hätte,  wäre  im  allgemeinen 


366       SCHILLING,    BKSILnLL'NC.    VON    KRONLANI)    AL'K    HOKKAIDO. 

dcM'sclbc,  wie  er  fih'  die  l>cslctllun<^  der  Kronländereien  ange- 
deutet worden  ist.  Im  Vordergrunde  steht  auch  hier  die  For- 
derung, dass  die  Staatsverwaltung  die  Ansiedlungsflächen  ganz 
oder  teilweise  auf  eigene  Kijsten  urbar  machen  und  vor  dem 
Hintreffen  der  Ansiedler  die  Wohn-  und  Wirtschaftsräume  errichten 
müsste.  Zur  Durchführung  dieser  Massregcl  stehen  dem  Staate 
nicht  nur  grössere  Geldmittel  als  jeder  Privatverwaltung  sondern 
in  den  Strafgefangenen  auch  billige  Arbeitskräfte  zur  Verfügung. 
(Die  Tagelöhne  der  Sträflinge  betragen  augenblicklich  5,4  Scu) 
Eine  planmässige  Holzverwertung  wäre  auf  diese  Weise  gleich- 
falls gesichert.  Die  vom  Staate  auf  die  Urbarmachung  des 
Landes  verwendeten  Kosten  würden  die  Ansiedler  massig  zu 
Verzinsen  und  zu  amortisieren  haben.  Zur  Erleichterung  des 
Ueberganges  des  freien  Eigentums  an  den  Grundstücken  .auf 
die  Ansiedler  dürfte  sich  auch  in  Japan  eine  der  Preussischen 
Rentengutsgesetzgebung  entsprechende  Pünrichtung  empfehlen. 


DIE  JAPANISCHEN  RELIGIONEN  IN  DER  NEUESTEN 
ALLGEMEINEN  RELIGIÖNSGESCHICHIE, 

Von 

I»fai»rer    HÄN^S    HAAS 

IN   Tokyo. 


Die  Religionswissenschaft  ist  eine  Disziplin,  die  in  Deutsch- 
land noch  immer  um  akademische  Existenzberechtigung  zu 
ringen  hat.  Angesichts  dieser  bedauedichen  Rückständigkeit  ist 
es  erfreulich,  dass  wir  heute  doch  bereits  in  deutscher  Sprache 
wenigstens  zwei  grössere  Werke  über  allgemeine  Religions- 
geschichte besitzen.  Die  Abfassung  des  ersten,  für  deutsche 
Hochschulen  bestimmten,  musste  —  ein  charakteristisches  Zeichen 
des  embiyonalen  Zustandes,  in  welchem  sich  diese  in  Frankreich, 
Holland  und  England  schon  viel  früher  in  ihrer  Bedeutung 
erkannte  Wissenschaft  noch  vor  anderthalb  Jahrzehnten  bei  uns 
befand  —  einem  Lehrer  an  der  Amsterdamer  Universität,  P.  D. 
Chantepie  de  LA  Saussaye,  übertragen  werden.  Der  Bearbeiter 
des  zweiten,  1899  erschienenen,  ist  Dr.  phil.  et  theol.  Conrad 
VON  Orelli,  Professor  der  Theologie  in  Basel.  Was  an  dieser 
neuesten,  gegen  900  Seiten  umfassenden  Darstellung  als  ihr 
besonderer  Vorzug  gerühmt  wird,  ist,  dass  sie  ein  Werk  aus 
einem  Gusse  ist.  Das  war  auch  Chantepie  de  la  Saussaye's 
Handbuch  in  seiner  ersten  Auflage.  Der  Verfasser,  seinerzeit 
einer  der  ersten  auf  dem  Plane,  als  es  sich  um  die  Inaugurierung 
der  jungen  Wissenschaft  handelte,  ist  jedoch  inzwischen  zu  der 
Einsicht  gelangt,  dass  die  allgemeine  Religionsgeschichte  ein 
Gebiet  von  zu  immensem  Umfang  ist,  als  dass  ein  Einzelner  im 
Stande  wäre,  das  im  letzten  Jahrzehnt  so  mächtig  angewachsene 
Material  allein  zu  bewältigen.  So  hat  er  sich,  als  1896  eine  2. 
Auflage  nötig  wurde,  die  eben  jetzt  auch  ins  Französische  über- 
setzt   wird,    verständigerweise    dazu    entschlossen,    sich    die    Mit- 


3^>8  H.    HAAS,    DIE   JArANlSCIIKX    RELIGIONEX. 

Wirkung  von  Gelehrten  zu  sicliern,  die  auf  den  einzelnen  Gebieten 
den  Quellen  näher  standen  als  er  selbst.  IJass  es  ihm  auch  mit 
dieser  Beihilfe,  die  das  Werk  notwendiL,^  um  seinen  einheitlichen 
Charakter  und  den  festen  Gesichtspunkt  für  die  Würdigung  der 
religiösen  riiänomene  brachte,  nicht  gelang  zu  erreichen, 
worum  es  ijim  zu  tun  war  :  jeden  einzelnen  Teil  auf  die  Höhe 
der  heutigen  Forschung  zu  bringen,  das  zeigen  in  dem  Werke 
auch  die  den  Japanern  gewidmeten  Paragraphen  (§  i  3.  Geschichte 
und  Lehre  ;  §  14.  Cultus).  I\Iit  ihnen  füllte  der  Amerikaner  Dr. 
Edm.  Bucklev  eine  Lücke  aus,  welche  das  erste  Mal  offen 
geblieben  war.  Von  den  Kritiken,  die  mir  zu  Gesichte  kamen, 
bezeichnet  eine  von  Prof.  Bousset  (Theol.  Literaturzeitung  1898, 
No.  21)  die  bezüglichen  Kapitel  als  den  schwächsten  Teil  des 
Werkes,  und  ein  anderer  Kritiker,  der  sich  selbst  gründlich  mit 
den  Religionen  des  Ostens  befasst  hat,  J.  Happel,  bemerkt 
(Zeitschrift  für  Missionskunde  und  Religionswissenschaft,  Jahrg. 
XII,  1897,  S.  238  ff)  :  „  Die  Religionsgeschichte  Japans, 
Leistung  des  Herrn  Buckley  aus  Chicago,  möge  hier  mit  dem 
Schleier  der  Vergessenheit  bedeckt  bleiben."  Ich  finde  beide 
Urteile  nicht  ganz  billig.  Aber  vermag  ich  ihnen  darum  gleich 
nicht  beizutreten,  so  räume  ich  doch  ein,  dass  man  von  einem 
Gelehrten,  der  jahrelang  in  Japan  selbst  gewirkt  hat  und  sich  in 
Amerika  als  '  Lecturer  on  Shinto  '  bezeichnet.  Befriedigenderes 
hätte  erwarten  mögen.  Wenn  aber  schon  in  einem  Lehrbuch, 
das  einen  Spezialisten  als  Bearbeiter  heranzuziehen  für  gut  hielt, 
der  Abschnitt  über  die  japanische  Religionsgeschichte  Ansprüchen, 
die  man  füglich  sollte  machen  dürfen,  nicht  vollauf  gerecht  v/ird, 
so  wäre  es  mehr  als  unbillig,  einem  Autor,  der  es  unternommen 
allein  das  ganze  gewaltige  Gebiet  zu  behandeln,  Mängel  und 
Schwächen  der  einzelnen  Teile  aufzurücken.  Wem  es  wahrhaft 
um  den  Ausbau  der  allgemeinen  Religionsgeschichte  zu  tun  ist, 
der  wird  es  vielmehr  für  seine  Pflicht  erachten,  wo  und  wie  er 
kann,  Versuche  wie  den  v.  Orelli's  an  seinem  Teil  zu  unter- 
stützen. So,  als  Kärrner-  und  Handlangerdienste  für  einen 
bauenden  König,  sind  die  nachfolgenden  Ausstellungen  vermeint, 
die  ich  an  dem  von  ihm  der  japanischen  Religion  gewidmeten 
Kapitel  mache  und  die,  wenngleich  spät  als  Buchkritik,  doch 
wohl  noch  lange  zeitig  genug  für  Berücksichtigung  in  einer  2. 
Auflage  erscheinen  werden. 

Professor  Orelli's  grosses  Werk  ist  ein  Zeugnis  umfassender 
Studien  über  die  Religionsgeschichte.     Es  ist  auch  unverkennbar, 


H.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  369 

dass  der  Verfasser,  ein  tüchtiger  Kenner  der  israelitischen  Re- 
ligion, für  das  weitere  Gebiet  der  semitischen  Religionen  über- 
haupt Autorität  beanspruchen  kann.  Ebenso  unverkennbar  aber 
ist,  dass  in  anderen  Ausschnitten  des  ausgedehnten  Forschungs- 
feldes seine  Darstellung  nur  referierend  ist,  und  das  ist  vor 
allem  bezüglich  der  japanischen  Religionsgeschichte  der  Fall. 
Hier  ist  er  offenbar  mit  dem  neuesten  Stande  der  Forschung 
und  der  zu  einer  auf  der  Höhe  stehenden  Darstellung  zu  benützen- 
den Fachliteratur  weniger  als  anderwärts  vertraut.  Dem  Kenner 
zeigt  das  alsbald  ein  Blick  auf  die  Literaturnachweise.  Der 
Verfasser  gibt  an  :  Kaempfer,  Geschichte  und  Beschreibung  von 
Japan,  herausg.  von  Dohm,  Lemgo  1777-79  (2  Bde.).  —  P.  F.  v. 
Siebold,  Nippon,  Archiv  zur  Beschr.  von  Japan.  Leiden  1S32- 
51  (20  Sektionen).  —  Reed,  Japan,  Its  History,  Tradiüons  and 
Religions.  2  Bde.,  London  1880.  —  Cha:\iberlain,  TJie  Langnage, 
Mythology  and  GeograpJdcal  Nouicnclaturc  of  Japan,  rcvicii'ed  in 
tlie  Light  of  Ainii  Studios.  Tokyo  1887.  —  Die  Akten  des 
Kongresses  von  Chicago,  S.  451  ff. — Er  bemerkt  ferner  ■' 
,,  Manches  Material  enthalten  die  Transactions  of  the  Asiatic 
Society  of  Japan  (zu  Tokyo  herausgegeben)  und  die  Mitteilungen 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens 
(ebenda)." 

Es  muss  nun  freilich  beachtet  werden,  was  der  Herr  Verfasser 
in  der  Vorrede  betont,  dass  er  dem  Zwecke  seines  ganzen  W^erkes 
entsprechend  ,,  bei  der  Auswahl  der  aufzuführenden  Literatur  aus 
der  bald  überreichen  Zahl  der  Bearbeitungen  einzelner  Partien 
und  Gegenstände  die  dem  Theologen  zugänglicJieren  Schriften 
bevorzugte''.  Allein  dies  trifft  in  unserem  Falle  doch  schwerlich 
zu.  An  Stelle  des  kompilatorischen  Werkes  von  Reed,  das  auf 
besondere  Wissenschaftlichkeit  keinen  Anspruch  machen  kann  und 
überdies  im  Buchhandel  heute  ebenso  schwer  mehr  zu  haben  ist 
wie  auf  deutschen  Bibliotheken,  wären  doch  wohl  viel  zweckent- 
sprechender das  deutsch  geschriebene  Buch  von  Munzinger  (Die 
Japaner),  das  zur  Zeit  des  PZrscheinens  der  Religionsgeschichte 
bereits  seit  einem  Jahre  vorlag,  und  Rein's  ,,  Japan",  das 
Hauptwerk,  das  wir  über  Japan  besitzen,  anzugeben  gewesen. 
Kaempfer's  Beschreibung  und  Siedold's  grosses  Prachtwerk 
(anders  verhält  es  sich  mit  der  1897  von  Siebolds  Söhnen  in  2 
Bänden  herausgegebenen,  um  die  Anmerkungen  gekürzten  2. 
Aufl.)  können  wohl  kaum  als  Werke  hingestellt  werden,  welche 
heute  Theologen  leicht  zugänglich  sind,  und  ebensowenig  Cham- 


370  H.    HAAS,    1)11-:    JAPANISCHEN'    KKLlfJK  )NKN. 

iucri.ain's  Abhanclluni;,  die  in  den  IMcnioirs  of  thc  T.itcrature 
College  djr  Kais.  Universität  von  Japan  v^ei'öffcntlicht  wurde 
und  doch  nur  nebenbei  auf  die  Religion  eingeht.  Heutigen 
wissenschaftlichen  Ansprüchen  genügt  von  der  angeführten 
Literatur,  abgesehen  von  diesem  Essay,  nichts.  Die  Akten  des 
Kongresses  von  Chicago  kommen  von  vornherein  nicht  in 
Betracht.  Die  älteren  Arbeiten  über  den  Shintois:nus,  nicht 
nur  die  von  Kaempfer  und  Siebold,  sondern  auch  die  von 
Pfiz.maier,  Hoffmann  u.  A.  sind  gegenwärtig  völlig  antiquiert. 
Ein  sorgfältiges  Studium  dieser  Literatur  hat  micli  dax^on 
überzeugt,  dass  der  heutige  Rcligionsforscher  sie  sämtlicli  ruhig 
ungelesen  lassen  kann. 

Was  steht  nun  dem,  der  das  Verlangen  hat,  sich  über  die 
japanische  Religionsgeschichte  zu  belehren,  dermalen  an  zuver- 
lässigen Hilfsmitteln  zu   Gebote  ? 

Gewöhnlichen  Ansprüchen  dürfte  vollauf  das  Buch  von  W. 
E.  Griffis,  Thc  Rcligions  of  Japan  (2.  Aufl.  New  York  1S95) 
genügen,  Avelches  nicht  nur  den  Shintoismus  sondern  auch  den 
japanischen  Confucianismus  und  Buddhismus  wie  die  Geschichte 
des  Christentums  in  Japan  behandelt.  Einen  trefflichen  Ueberblick 
gibt  das  von  E.  M.  Satow  geschriebene  Kapitel  ,  Religions  '  in 
der  2.  Aufl.  (nur  in  dieser  !)  \'on  Murray's  Handbook  for 
Travellors  in  Japan,  die  freilich  kaum  mehr  zu  erlangen  ist. 
Der  Religionsforscher  kann  sich  natürlich  an  diesen  Darstel- 
lungen nicht  genügen  lassen.  Ihm  stehen  andere  Quellen  zur 
Verfügung. 

1.  — SHINTOISMUS. 

Der  Shintoismus,  um  mit  dieser  alten  nationalen  Götter- 
verehrung anzufangen,  ist  heute  eine  Buchreligion.  Ihre  Grundlage 
bilden  das  Kojiki,  das  Nihongi  und  das  Küjiki,  drei  japanische 
Geschichts werke,  die  gewöhnlich  unter  dem  gemeinsamen  Titel 
SambiiJioiisJio  „  die  drei  Hauptbücher  "  zusammengefasst  werden. 
Eine  weitere  Hauptquelle  sind  die  im  Engishiki  zusammengefassten 
Norito.  Alle  diese  Schriftwerke  sind  heute,  soweit  sie  hier  in 
Betracht  kommen,  auch  dem  europäischen  F"orscher,  w^elcher 
der  japanischen  Sprache  nicht  kundig  ist,  erschlossen. 

Das  Kojiki  (,,  Berichte  über  die  Begebnisse  im  Altertum  "), 
das,  im  Jahre  712  unserer  Zeitrechnung  vollendet,  das  älteste 
heute    noch    vorhandene     Literaturdenkmal     nicht     nur     Japans 


H.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  3/1 

sondern  der  gesamten  altaischen  Sprachfamilic  darstellt  und 
treuer  als  irgend  ein  anderes  Buch  wie  die  Sitten,  die  Sprache 
und  traditionelle  Geschichte  so  auch  die  Mythologie  des  alten 
Japan  bewahrt  hat,  hat  B.  H.  Chamberlain  durch  seine  als 
Supplement  zu  Band  X  der  Transactions  of  the  Asiatic  Society 
of  Japan  erschienene  kommentierte  englische  Uebersetzung  zugäng- 
lich gemacht.  (Yokohama  1883)  Vorausgeschickt  hat  er  ihr 
eine  ausgezeichnete  Einleitung,  deren  5.  Kapitel  auch  die 
religiösen  Ideen  der  ältesten  Japaner  behandelt. 

Das  Zweitälteste,  im  J.  720  n.  Chr.  G.  vollendete  Geschichts- 
v.'crk  is!;  das  Xi/uv;gi  (,,  Annalen  von  Japan  "),  das  in  Japan 
sogar  immer  mehr  geschätzt  war  als  das  ältere  Werk,  dies 
darum,  weil  es  im  Gegensatze  zum  Kojiki,  das  weniger  Wert 
darauf  legt,  mit  den  klassischen  chinesischen  Geschichtswerken 
im  Stil  zu  rivalisieren,  durchaus  chinesischen  Anstrich  hat. 
,,  Während  das  Xihongi  einerseits  manche  im  Kojiki  enthaltene 
Legenden  mit  Stillschweigen  übergeht,  mag  sein  mala  fidc,  gibt 
es  doch  andererseits  auch  einige  echt  japanische  Mythen,  von 
denen  das  Kojiki  nichts  weiss.  Die  Quellen  der  Tradition  für 
die  allerälteste  Zeit,  das  Götterzeitalter,  sind  bei  beiden  Werken 
im  grossen  und  ganzen  dieselben  und  weichen  nur  in  einer 
Reihe  von  einzelnen  Fällen  von  einander  ab.  Dass  die  Ab- 
weichungen des  Nihongi  vom  Kojiki  (abgesehen  von  ganz  groben 
und  für  den  Kundigen  meist  auf  den  ersten  Blick  erkenntlichen 
chinesischen  Pfropfreisern)  im  allgemeinen  auf  schon  länger  be- 
stehende Verschiedenheiten  in  der  Ueberlieferung  und  nicht  auf 
blosse  Willkür  und  Fälschungssucht    der  Verfasser    des  Nihongi 

zurückgehen,  halte  ich  für  ausgemacht Kojiki  und  Xihongi 

bilden  somit,  für  ihre  frühesten  Darstellungen  wenigstens,  eine 
ziemlich  glückliche  Ergänzung  zu  einander  "   (Florenz). 

Das  Xihongi  behandelt  die  Geschichte  Japans  bis  zum  Jahre 
697  n.  Chr.  G.  Für  die  Religion  Altjapans  kommen  von  den 
30  Büchern  nur  die  beiden  ersten,  betitelt  Jindaiki  (,,  Bericht 
über  das  Zeitalter  der  Götter  "),  als  Quellen  in  Betracht. 

Die  erste  systematische  Bearbeitung  des  Xihongi  hat  Leox 
DE  RosNY  in  Angriff  genommen.  Sie  ist  jedoch  Fragment 
geblieben.  Xur  zwei  Hefte  sind  davon  1884  und  1887  erschienen, 
die  auf  CXI II  4-  391  Seiten  ausser  einer  Einleitung  eine  kom- 
mentierte Uebersetzung  nur  des  i.  Buches  bieten  {Kajui  yo-no 
inaki.  Ilistoire  des  dynasties  divines.  Publiee  en  japonais, 
traduite   pour  la  premiere  fois  sur  le  texte   original,  accompagnee 


372  II.  HAAS,  niK  iapanisciiicx  ref.kuoxen. 

d'unc  glosse  incdite  composec  cn  chinois  et  d'un  coninicntairc 
perpetuel  redige  en  frangais). 

Die  erste  vollständige,  von  einem  knappen  aber  trefflichen 
Kommentar  begleitete  Uebersetzung  des  gesamten  Nihongi  hat 
der  gelehrte  Japanologe  W.  G.  Astox  1896  in  2  Bänden  er- 
scheinen lassen.  (Transactions  and  Proceedings  of  the  Japan 
Society,  T^ondon.   Supplement    I.). 

Dem  deutschen  Leser  hat  schon  vor  Aston  Dr.  K. 
Florenz  eine  Uebersetzung  und  Erläuterung  der  zweiten 
Hälfte  des  Nihongi  (Buch  XXII-XXX),  versehen  mit  einer 
gediegenen  Einleitung,  dargeboten.  Für  die  2.,  d^uxli  weg 
revidierte  Auflage,  die  kürzlich  (1903)  unter  dem  Titel  Japa- 
nische Annalen,  A.  D.  jc)2-6c)j.  Xiliongi  erscliien,  ist  Astons 
Werk  mit  benutzt.  Während  der  II.  Teil  des  Florenzschen 
Xihongikommentars  noch  aussteht,  ist  der  I.,  welcher  die  beiden 
ersten  Bücher  darbietet,  190 1  als  Supplement  der  ,,  Mitteilungen  " 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens 
in  Tokyo  erschienen.  Der  Spezialtitel  dieses  Bandes  ist :  Japa- 
nischc  Mythologie.  Da  ein  Appendi.x:  auch  eine  Anzahl  von 
Avichtigeren  im  Nihongi  fehlenden  Mythen,  welche  dem  Kojiki 
und  den  echten  alten  FOdoki  entnommen  sind,  enthält,  wird  in 
diesem  Buche  ein  ziemlich  umfassender  Ueberblick  über  das 
älteste  authentische  Material  gegeben.  Was  diese  echte  deutsche 
Gelehrtenleistung  von  dem  englischen  Werke  Aston's  unter- 
scheidet, ist  die  grössere  Ausführlichkeit  des  unter  Rücksichtnalime 
auf  die  neuesten  Forschungen  der  eingeborenen  Gelehrten,  welche 
einen  Fortschritt  über  die  älteren  von  Aston  benützten  Spezial- 
kommentare  hinaus  bedeuten,  beigegebenen  Kommentars  "und  die 
Einstreuung  einer  Reihe  von  kleineren  Exkursen.  Zu  bedauern 
ist  nur,  dass  der  Verfasser  gemeint  hat,  von  einer  Zusammen- 
fassung der  Resultate,  welche  sich  aus  der  Lektüre  des  Nihongi 
ergeben  und  wie  sie  Chamberlain  in  seiner  Einleitung  zum 
Kojiki  in  feinsinniger  Weise  geliefert  hat,  absehen  zu  müssen. 
Aus  den  vorliegenden  Rohstoffen  eine  wirkliche  geordnete  japa- 
nische Mythologie  zu  gestalten,  ist  nach  Dr.  Florenz'  Meinung 
eine  Aufgabe  der  Zukunft,  die  jetzt  schon  zu  unternehmen  noch 
verfrüht  wäre. 

Noch  viel  älter  als  das  Kojiki  und  das  Nihongi,  in  der  Tat 
das  bei  weitem  älteste  Denkmal  der  japanischen  Historik  wäre, 
wenn  es  echt  wäre,  das  Küjiki  (,,  Annalen  der  alten  Begebnisse  "), 
dessen    mit   dem  Jahre  621   n.  Chr.   G.  endende    10    Bücher   von 


H.    HAAS,    DIE   JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  373 

Shötoku-taishi  und  Soga  no  Umako  verfasst  sein  sollen.  In 
der  Gestalt,  in  der  uns  das  Werk  jetzt  vorliegt,  wird  es  jedoch 
seit  Motoori's  Kritik  (Kojikiden  1,20)*  selbst  von  den  japa- 
nischen Historikern  als  ein  späteres,  unzuverlässiges  Machwerk  be- 
trachtet. Auch  Dr.  Florenz  sieht  es  als  ein  Falsifikat  an.  Nur 
eine  Abteilung  desselben  {Kitni  no  Miyatsiiko  Hongi)  will  man 
einige rmassen  gelten  lassen.  Es  ist  darum  auch  kaum  zu  beklagen, 
dass  eine  Uebertragung  des  Küjiki  in  eine  europäische  Sprache 
bis  jetzt  nicht  vorliegt.f  Gelegentlich,  d.  h.  wo  es  Materialien 
enthält,  die  für  die  Kenntnis  des  Shintoismus  wichtig  sind,  ist  es 
von  Florenz  in  seiner   ,,  Japanischen  Mythologie  "  benützt. 

Eine  viel  wichtigere  Quelle  für  die  Erforschung  des  reinen 
Shintoismus  sind  die  in  Prosa  abgefassten,  an  die  Präfationen 
der  katholischen  Liturgie  gemahnenden  Norito,  indem  sie  am 
besten  erkennen'  lassen,  wie  vor  dem  Eindringen  chinesisch- 
confucianischer  und  buddhistischer  Einflüsse  die  religiösen  Gefühle 
der  Japaner  geartet  waren.  Eine  englische  Uebersetzung  der  im 
Engi-shiki  (,,  Zeremonialgesetze  ")  aus  viel  älteren  Quellen  im 
Jahre  927  n.  Chr.  G.  zusammengestellten  Norito  hat  E.  Satow 
('  Ancicnt  Japanese  Rituals  ')  in  den  Transactions  of  the  Asiatic 
Society    of   Japan    begonnen    (Vol.    VII,   pp.    97-132,    409-455  ; 

"■•"  Nach  Motoori  ist  das  Küjiki  eine  mit  Benützung  des  Kojiki  und  Nihongi 
bearl^eitete  Kompilation,  wie  man  aus  einer  Vergleichung  der  in  den  drei  Werken 
gebotenen  Bericlite  ans  dem  Zeitalter  der  Götter  ohne  weiteres  erkenne.  Im  Küjiki 
finde  man  ein  Gemisch  ganz  ungleicher  Stile,  und  ein  und  dasselbe  Begebais  sei  in 
zwei  verschiedenen  Formen  berichtet.  Besonders  auffällig  findet  er  die  Verschie- 
denheit in  den  chinesischen  Zeichen,  welche  zum  Schreiben  derselben  Eigennamen 
gebraucht  sind.  — 

Die  Tatsache,  dass  das  Küjiki  einen  Bericht  über  den  Tod  .Shötoku-taishi's 
tathält,  ähnlich  wie  das  letzte  der  sog.  5  Bücher  Mosis  den  Tod  des  Moses  erzählt, 
kann  für  sich  allein  nicht  als  Beweis  dafür  angezogen  werden,  dass  dem  Prinzen 
Shötoku  die  Verfasserschaft  zu  Unrecht  zugeschrieben  wird.  Dieser  Schluss  möchte 
einem  wirklich  von  ihm  verfassten  Werke  später  hinzugefügt  worden  sein. 

t  Anderer  Meinung  ist  freilich  Aston.  Er  hält  dafür,  dass  die  mythologischen 
Kapitel  des  Küjiki  zu  viel  originalen  .Sonderguts  enthalten,  als  dass  man  es  für  eine 
Kompilation  aus  dem  Kojiki  und  Nihongi  ansehen  könne.  Die  in  den  drei  Werken 
wahrnehmbaren  Uebereinstimmungen  ist  er  geneigt  auf  eine  gemeinsam  benützte 
Quelle  zurückzuführen.  Er  erkennt  an,  dass  das  Küjiki  oft  die  gleiche  Legende 
in  zwei  abweichenden  Versionen  gebe,  meint  aber,  dass  gerade  das  Ungeschick,  mit 
dem  dieselben  mit  einander  verbunden  sind,  bekunde,  dass  der  Schreiber  die  mehr 
folgerechte  Erzählung  des  Nihongi  eben  nicht  vor  sich  gehabt  haben  kann.  Ihm 
ist  umgei<ehrt  wahrscheinlich,  dass  das  Nihongi  in  einzelnen  Abschnitten  das  Küjiki 
als  (Quelle  benützt  hat.     (Siehe  Aston,   Nihongi  Bd.  II,  S.  431  f.). 


374  "•    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN'    RELK^IONEN. 

Vol.  IX,  183-211)  und  K.  Imx)rknz  fortgesetzt  (ebenda  \"ol. 
XXVII.  Part  I,    1-112). 

X"eben  diesen  Uebcrset/Aingen  der  japanischen  Ilauptquellen- 
werke  kommen  noch  einzelne  Abhandlungen  in  Betraciit.  Die  in 
Zeitschriften  verstreuten  Aufsätze,  die  man  bei  Wenckstern 
zusammengestellt  findet,  haben  zum  grössten  Teil  keinen  wissen- 
schaftlichen Wert.  Hervorzuheben  sind  aber  Arbeiten  wie  die 
folgenden  :  E.  Satow,  The  Afyt/ioloi^^}'  and  RcHgioiis  WorsJiip 
of  the  Ancicnt  Japanese,  Westminster  Review,  Juli  1878.  —  Dcrs. 
TJic  Revival  of  Pure  Shih-taji.  T.  A.  S.  J.  Vol.  III,  App.  pp. 
1-87.  —  Ders.  Tue  SJiin-taii  Teniples  of  he,  ebenda  Vol.  II,  pp. 
101-124.  —  h'erner  desselben  Verfassers  Alonographie  TJi'e  Use 
of  tJie  Fire  drill  in  Japan,  ibid.  Vol.  VI,  Part  II,  pp.  223-226. — 
Von  AIassa  Akira  Tomii  erschien  1887  in  x\nnales  du  Musee 
Guimct  Vol.  X,  pp.  309-328  ein  Aufsatz  Le  Shintdisni,  sa  niytJio- 
logic  et  sec  inorale.  —  Lesenswert  ist  trotz  vieles  Unhaltbaren,  das 
er  enthält,  noch  immer  der  Aufsatz  von  P.  Kempermann  ,,  Mit- 
teilungen über  die  Kamilehre  ",  der  1874  im  4.  Heft  des  I.  Jkl. 
dieser  Zeitschrift  erschien.  —  Von  Chamberlain  verdienen  ausser 
The  Classieal  Poetry  of  tJic  Japanese  ein  kürzerer  Beitrag  im 
Journal  Anthrop.  Institute  Vol.  XVIII  [No.  I]  p.  27-29  :  Xote 
an  the  Japanese  Go-hei  or  paperofferings  to  the  Shinto  Gods  und 
sein  Vortrag  Notes  on  sonie  minor  religions  practices  (London 
1892)  Beachtung.  —  Ueber  die  Bedeutung  des  Torii  gibt  ausser 
dem  bezüglichen  Artikel  in  Cpia:>iberlain's  Things  Japanese  ein 
Beitrag  von  Aston  im  XXVII.  Bd.  der  T.  A.  S.  J.  Auskunft: 
Toriivi,  its  Derivation.  —  Die  Verzückung  der  Besessenen  behandelt 
P.  Lowell  in  seinem  Buche  Occult  Japan  (1895).  —  Vgl.  auch 
desselben  Verf.  Abhandlungen  Esoteric  Shinto  in  Bd.  XXI  u. 
XXII  des  T.  A.  S.  J.  —  Eine  Monographie  von  E.  Buckley, 
Phallicisvi  in  Japan  (1895)  bietet  ebenfalls  manches  Material  zum 
Verständnis  der  alten  Naturreligion.  Das  gleiche  Thema  erörtert 
J.  Schedel,  Phallus-Cultus  in  Japan  (1896).  —  Eine  wertvolle 
Ergänzung  zu  Florenz,  Ancient  Jap.  Rituals  bildet  Dr.  Weipert's 
im  58.  Heft  dieser  Mitteilungen  veröffentlichte  Untersuchung  ,,  Das 
Shinto-Gebet  der  grossen  Reinigung".  Eine  gedrängte  Skizze 
des  Shintoismus  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschung 
habe  ich  im  i.  Bd.  meiner  Geschichte  des  Christentums  in 
Japan  S.    108-114  zu  geben  versucht. 

Nach  dieser  Aufführung  der  Literatur,  deren  Studium  für 
eine  dem  heutigen  Stande  der  Forschung  entsprechende  Darstellung 


]I.    HAAS,    DIE   JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  375 

des  Shintoismus  unentbehrlich  ist,  sei  es  mir  verstattet,  den  Finger 
auf  diejenigen  Angaben  und  Urteile  Orellis  zu  legen,  die  im  Falle 
einer  Neuauflage  einer  Revision  bedürftig  wären. 

Der  Name,  mit  dem  die  Japaner  selbst  ihr  Land  benennen, 
ist  nicht  Nipon  sondern  Nikon  oder  Nippon.  Die  von  Orelli 
gegebene  Uebersetzung  ,,  Ostreich  "  ist  etwas  sehr  frei.  Xippon 
0  'j^  ist  zusammengesetzt  aus  nicJii  ,,  Sonne "  und  /lou  ,,  Ur- 
sprung"  und  heisst  also  ,,  Sonnenaufgang  ".* 

Die  ursprünglichen  Einwohner  Japans  nennen  sich  Aiiiu^ 
nicht  Aino,  wie  J.  Batchelor  schon  1887  geltend  machte.  (In 
seinem  Vortrag  On  tlie  Aimt  Tcrni  ''  Kantui" ,  veröffentlicht  in 
den  T.  A.  S.  J.  Vol.  XVI,  S.  18  f ).  Trotz  des  Widerspruchs 
von  V>.  H.  Cha:\iberlain  {Rcply  to  Mr.  Batchelor  on  tJic  Words 
"  Kainni"  and  "  Ahio '' ,  ebenda  S.  33-38),  der  sich  gegen  diesen 
,,  Purismus  "  kehrte,  hat  sich  die  Form  Ainn  in  wissenschaftlichen 
Werken  durchgesetzt,  während  freilich  auch  die  von  den  Japa- 
nern korrumpierte  Form  Aino  in  der  populären  europäischen 
Literatur  weiterlebt.  Diese  alten  Ureinwohner  findet  man  heute 
nicht  nur  mehr  auf  Yezo  (so,  anstatt  Jcso)  sondern  auch  auf  der 
russischen  Insel  Sachalin ;  Dr.  Baelz  hat  sie  ferner  in  reicher 
Beimischung  auf  den  Liukiu-Inseln  gefunden.f  Nach  Prof  Orelli 
wurden  diese  ursprünglichen  Einwohner  durch  mongolische  YÄn- 
wanderer,  welche  über  die  Halbinsel  Korea  vordrangen,  zurück- 
geschoben. Auch  diese  Konstatierung  ist  nach  den  Forschungs- 
ergebnissen von  Dr.  Baelz,  der  Hauptautorität  auf  diesem  Gebiete, 
nicht  unanfechtbar.  Nach  ihm  war  es  eine  Rasse,  welcher  er 
den  Namen  MandscJm- Koreaner  gibt,  die  von  Korea  aus  durch 
die  kalte  Polarströmung  an  die  Südwestspitze  der  japanischen 
Hauptinsel  getrieben  wurde,  wo  sich  historisch  und  anthropologisch 
dieser  koreanerähnliche  Stamm  nachweisen  lässt.  Die  mongolische 
Rasse  und  speziell  ihr  südlicher  Zweig,  der  inalayiscJie ,  gelangte 
wie  nach  Süd-Korea  so  auch  nach  Süd-Japan  durch  den  Kuro- 
schiwo,  die  nordwärts  gehende  Aequatorialströmung,  die  in  der 
Nähe  der  Philippinen  entstehend  an  der  Ostküste  von  Formosa 
■;nd  an  den  Liukiu-Inseln  vorbeigeht  und  die  südliche  Hauptinsel 
von  Japan  Kyüshü  trifft,  wo  ihr  stärkerer  Arm  an  der  Westküste 
entlang  fliessend  die  Provinz    Hyüga   berührt,   den   Ort,  v.'o  nach 

"  Näheres  über  Ursprung  und  Bedeutung  der  Bezeichnung  iiehe  in  meinem 
diesbezüglichea  Beitrag  in  diesem  Heft,  S.  331-341. 

t  Siehe  mein  Referat  Die  Menschenrassen  Japans  nach  Dr.  ßaeh.  Die 
\Yahrheit,  Jahrg.  III,  Xo.   7  (^Tokvo   1902). 


3/6  H.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN. 

der  jaj)ani.schen  Mythologie  der  erste  mythische  Kaiser  vom 
Himmel  gekommen  sein  und  sein  Reich  begründet  haben  soll. 
Während  Dr.  Baelz  allerdings  auch  diese  letzte  und  ausschlag- 
gebende Invasion  früher  von  Korea  aus  stattfinden  Hess  (siehe 
Baelz,  Die  Körperlichen  Eigenschaften  der  Japaner,  Mitteilungen 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens, 
Bd.  III,  S.   334-346),  ist  es  ihm  später  (siehe  ebenda  Bd.   VIII, 

5.  233)  zweifelhaft  geworden,  ob  auch  sie  die  Strasse  von  Korea 
benützte  oder  mehr  von  Süden  kam.  In  einer  Sitzung  der 
Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  vom  16.  Februar  1901 
aber,  avo  er  sich  zuletzt  zu  diesem  Probleme  äusserte  (,,  Die 
Menschenrassen  Ostasiens  "),  lässt  der  unablässig  um  Vertiefung 
seiner  anthropologischen  Studien  bemühte  Forscher  keinen  Zweifel 
mehr  übrig,  dass  diese  Haupteinwanderung  der  jetzt  herrschenden 
Rasse  ihren  Weg  von  Süden  nahm.  Und  diese  von  dem 
Südwesten  von  Kyüshü  mählich  nach  Norden  vorrückenden 
Mongolo-Malayen  sind  es  hauptsächlich  gewesen,  welche  nicht 
nur  die  Ainu  verdrängten  sondern  auch  Jahrhunderte  lang  mit 
der  Niederkämpfung  der  vor  ihnen  von  Korea  gekommenen 
Mandschu-Koreaner  zu   tun   hatten. 

Der    von    China    her    über    Korea    ausgeübte  starke  zivilisa- 
torische   Einfluss,   dessen    Orelli   gedenkt,   erfolgte    nicht   erst  im 

6.  Jhd.  n.  Chr.  G.  Nicht  damals  erst  sondern  schon  viel  früher 
fand  chinesische  Schrift  ii^.  Japan  Eingang.  Die  ersten  Anfange 
zur  Verbreitung  ihrer  Kenntnis  wie  überhaupt  chinesischer 
Kultur  werden  gewöhnlich  auf  den  Gelehrten  Wani  aus  Korea 
zurückgeführt,  der,  als  Lehrer  des  kaiserlichen  Prinzen  berufen, 
im  Jahre  405  nach  Japan  kam.  (Siehe  Aston,  Early  Japanese 
History,  T.  A.  S.  J.  Vol.  NVI,  S.  39-75).  Dr.  Florenz  aber 
macht  nachdrücklich  geltend,  dass  die  Uebersiedelung  Wanis 
nach  Japan  nicht  mit  der  ersten  P2inführung  der  chinesischen 
Sprache  und  Schrift  identifiziert  werden  könne  sondern  nur  eine 
intensivere  und  allgemeinere  Aufnahme  des  bisher  sporadisch 
betriebenen  Studiums  bedeute,  und  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  der  erste  P'all  einer  Aufzeichnung  von  öffentlichen  Angelegen- 
heiten seitens  eines  Japaners  (natürlich  in  chinesischer  Sprache) 
vom  Nihongi  schon  für  das  41.  Jahr  des  Kaisers  Nintoku,  d.  i. 
353,  erwähnt  wird.  Und  bereits  im  Jahre  403  sollen  in  den 
verschiedenen  Ländern  Schreiber  eingesetzt  worden  sein,  von 
deren  Aufzeichnungen  uns  sehr  \\'ahrscheinlich  noch  in  den 
späteren  historischen  Werken,   in   welche  sie  übergegangen  sind, 


H.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  37/ 

Reste  erhalten  sind.  Die  chinesische  Zeitrechnung  dagegen 
wurde  erst  im  Jahre  602  von  Korea  aus  eingeführt,  und  auch 
die  chinesische  Staatsordnung  der  Thang- Dynastie  mit  ihrem 
Beamtentum  trat  niclit  schon  im  6.  Jhd.  n.  Chr.  G.  sondern 
erst  in  der  Mitte  des  7.,  seit  Kötoku-tenno  (645-654)  durch  die 
Umwälzung  von  Taikwa  an  die  Stelle  des  patriarchalischen 
Systems. 

Dass  die  umfängliche  Literatur,  welche  Japan,  nachdem  es 
durch  Uebernahme  der  chinesischen  Kultur  von  seiner  niedrigen 
Entwicklungsstufe  auf  eine  höhere  gehoben  worden  war,  hervor- 
gebracht hat,  soweit  sie  bekannt  geworden  sei,  wenig  Religiöses 
enthalte,  kann  man  —  besonders  für  das  ii.  und  12.  Jahrhundert 
—  nicht  gelten  lassen.  Auch  nur  ein  flüchtiges  Durchblättern  von 
Aston's  1899  erschienener  trefflichen  History  of  Japanese  Litcmture 
würde  den  Herrn  Verfasser  eines  besseren  belehren,  und  zu 
dem  Satze  ,,  Selbständige  Produktion  einer  philosophischen  oder 
religiösen  Gedankenwelt  scheint  das  Land  nicht  aufzuweisen  " 
hat  schon  die  Hand  dessen,  der  das  Buch  Orellis  vor  mir  las, 
an  den  Rand  den  Vermerk  gemacht :  ,,  Ebensoviel  wie  Deutsch- 
land". Nun  ist  ja  auch  diese  Randbemerkung  nicht  richtig. 
Aber  noch  weniger  stimmt  allerdings  das  Urteil  des  Autors. 
Originalität  kann  man  den  Japanern  nicht  nachrühmen.  Professor 
Inouye  Tetsujiro,  der  als  der  Hauptphilosoph  der  Gegenwart 
gilt,  hat  das  in  einem  auf  dem  internationalen  Orientalistenkongress 
in  Paris,  dem  er  als  Delegierter  der  japanischen  Regierung 
beiwohnte,  gehaltenen  Vortrag  über  die  Entwicklung  der  Philoso- 
phie in  Japan  nachdrücklichst  bestritten.  Aber  selbst  er  muss 
doch  in  seinem,  in  der  Hansei  Zasshi  abgedruckten,  Vortrage 
zugeben,  dass  in  Japan  der  erste  Impuls  zum  Philosophieren 
von  auswärts  kam,  durch  den  Confucianismus  und  Buddhismus. 
Andererseits  kann  freilich  auch  nicht  geleugnet  werden,  dass  Japan 
Denker  hervorgebracht  hat,  die  in  selbständiger  Weise  die  von 
auswärts  gegebenen  Anregungen  zu  verarbeiten  sich  bemühten. 
Es  war  vor  allem  der  bedeutendste  der  späteren  chinesischen 
Philosophen,  Shushi  ^^  (Chu-tsz'  11 30- 1200  n.  Chr.  G.),  mit 
dessen  pantheistischem  System  in  Japan  zuerst  Fujiwara  Seigwa 
(i 565-1619)  bekannt  wurde,  der  hier  Jahrhunderte  nach  seinem 
Tode  Schule  machte.  Eine  wichtige  Rolle  spielte  ferner  durch 
ihre  Beeinflussung  des  Denkens  der  gebildeten  Klassen  der  von 
Nakae  Töju,  dem  Weisen  von  Omi,  (1608- 1678)  in  Japan  ein- 
geführte idealistische  Intuitionalismus  des  chinesischen  Philosophen 


37^  II-    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN. 

Öyömei  (I  [^  Pi§  Wang  Yang  Ming,  1472-1528).  Eine  dritte 
philosophische  Schule  wurde  in  Japan  begründet  von  Yamazaki 
Anzai  (1618-1682),  der,  zuerst  buddhistischer  Priester,  dann 
Confucianist,  sich  zuletzt  die  Aufgabe  setzte  den  Shintoisnius  zu 
spiritualisieren,  indem  er  versuchte  die  alte  Naturreligion  des 
Landes  philosophisch  von  Shushi's  Prinzipien  aus  zu  erklären. 
Auch  Denkern  wie  Sokö,  Jinsai,  Yekken,  Sorai,  die  sämtlich 
dem  17.  und  18.  Jahrhundert  angehören,  und  Chijsai,  der  von 
1794-1 837  lebte,  lässt  sich  Selbständigkeit  nicht  ganz  absprechen, 
Ist  ihr  Streben  auch  durchweg  mehr  auf  praktische  Piiilosophie 
als  auf  metaphysische  Spekulation  gerichtet  und  gilt  ihnen 
gleich  Confucius  immer  als  höchste  Autorität,  so  versuchten  sie 
doch  dessen  Lehren  in  eigentümlicher  Weise  zu  interpretieren 
und  trugen  kein  Bedenken  am  System  Shushi's  Kritik  zu  üben 
und  es  in  mannigfacher  Weise  zu  modifizieren.  Es  sei  nur  auf 
das  eine  hingewiesen,  wie  im  japanischen  Confucianismus  im 
Kreise  der  Tugenden  an  Stelle  der  Pietät  den  ersten  Platz  die 
Loyalität  erhielt,  hinter  welcher  die  Pflichten  gegen  die  eigenen 
Angehörigen  und  Freunde  weit  zurückstehen  mussten.''^ 

Dass  auch  in  der  einheimischen  Priesterschaft  selbst,  wenn 
gleich  nur  einmal  in  der  Geschichte  des  japanischen  Buddhismus, 
sich  originale  Gedanken  geltend  machten,  zeigt  die  Lehrent- 
wicklung des  13.  Jahrhunderts,  das  man  wohl  das  Reformations- 
zeitaltcr  des  japanischen  Buddhismus  nennen  kann,  mit  ihrer 
Hervorbringung  von  zwei  auf  japanischem  Boden  selbst  er- 
wachsenen Sekten,  der  Shin-shü  und  der  Nichiren-shü. 

Allzu  kurz  tut  m.  E.  Orelli  die  Religion  der  Ainu  ab.  Das 
Wenige  aber,  was  er  von  ihr  sagt,  ist  korrekt.  So  bleibt  mir 
nur  übrig,  das  Desiderium  auszusprechen,  dass  hier  in  einer  2. 
Auflage  etwas  eingehender  auf  die  religiösen  Vorstellungen  dieser 
ältesten,  mit  uns  Europäern  verwandten  Bewohner  Japans  ein- 
gegangen werde,  die  immerhin  heute  noch  20.000  Seelen  zählen. 
Der  beste  Kenner  dieses  Volksstammes  ist  Rev.  John  Batciielor, 
der  seit  25  Jahren  als  Missionar  unter  ihnen  wirkt  und  der  auch 
viel  über  sie  geschrieben  hat.  Am  besten  zusammengestellt 
findet  man,  was  er  aus  seiner  langen  Erfahrung  heraus  zu  sagen 

*  Wer  sich  für  die  Entwicklung  der  chinesischen  confucianischen  Philosophie  in 
Japan  inteicssiert,  findet  im  20.  Band  der  Transactiuns  of  tlie  Asialic  Society  of  Japan 
mit  seinen  instruktiven  Abhandlungen  von  IvNOx,  IIaga  und  IxoUYii  genügende 
Belehrung. 


H.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN'.  3/9 

hat,  in  seinem  1901  erschienenen  Werke  "  The  Ainn  and  thcir 
Folk-Lore  "  (London,  The  Rehgious  Tract  Society).  Die  sonstige, 
bereits  sehr  umfassende  Buch-  und  Zeitschriftenhteratur  über  die 
Ainu,  soweit  sie  bis  1895  erschien,  ist  S.  301-307  zusammen- 
gestellt  in    Wenckstern's    BibliograpJiy   of  thc  Japanese    Empire 

(1895)- 

Von  der  alten  japanischen  Nationalreligion  sagt  der  Verfasser 
sie  sei  in  mancher  Hinsicht  noch  nicht  aufgehellt.  Ein  Durch- 
studium der  von  mir  oben  angeführten  Literatur  wird  zeigen, 
dass  wir  heute  über  alle  Phasen  ihrer  Entwicklung  in  aller  nur 
wünschenswerten  Weise  unterrichtet  sind,  und  es  ist  kaum 
abzusehen,  von  welcher  Seite  her  wir  noch  weitere  wesentliche 
Aufhellung  sollten  zu  erhoffen  haben.  Zu  wünschen  bleibt  nur, 
dass  ein  Forscher  es  unternehmen  möchte,  das  reiche  vorhandene 
Material  zu  einer  systematischen  Darstellung  der  Mythologie  und 
Religion  zu  verarbeiten,  eine  Aufgabe,  deren  Lösung  wir  wohl 
auch  in  nicht  allzuferner  Zeit  von  einem  der  Berufensten,  von 
Aston,  zu  erwarten  haben. 

Missdeutung  lässt  zu  Orelli's  Satz :'  ,,  Schinto  [die  alte 
Transskription  Schintao  bleibt  besser  weg]  ist  der  chinesische 
Ausdruck  für  ,,  Geisterweg  "  oder  ,,  Götterw^eg  "  ;  die  japanische 
Benennung  lautet  kami-no-mitsi."  Der  Name  SJiintö,  der  aller- 
dings chinesisch  ist,  den  es  aber  in  China  gar  nicht  als  Name 
für  diese  Religion  gibt,  wurde  von  den  Japanern  selbst  ihrer  bis 
dahin  namenlosen  Glaubensweise  gegeben,  als  es  nötig  wurde, 
sie  von  der  nachmals  aus  der  Fremde  eingeführten  zu  unter- 
.scheiden.  Er  ist  deutlich  erkennbar  nach  dem  Namen  für  die 
buddhistische  Religion,  BiUsudö  =  Weg  der  Buddhas,  gebildet 
(s/iiu  =  Götter,  dö  =  Weg).  Kami  no  mieJd  {diese  Transskription 
ist  heute  allgemein  gebräuchlich)  aber  ist  das  japanische  Ae- 
quivalent  hiefür  und  stellt  nur  eine  spätere  Uebersetzung  \'on 
Shiiitö  in  die  rein  japanische  Sprache  dar :  kami  ■=  Götter,  no 
ist  die  Genitivpartikel,  viiehi  =  Weg,  Lehre.  (Hienach  ist  Orelli 
zu  korrigieren,  dem  das  eigentümliche  Versehen  unterlief,  zu 
erklären:  ,,  kami  bedeutet  ,,Weg",  mitsi  ,,  Geist "  oder  ,,  Gott- 
heit ").  Ganz  ungebräuchlich  ist  es  in  Japan,  wie  Orelli  zu  sagen  : 
Isanagi-no-kami  (und  Isanami-no-kami).  Man  gebraucht  stets 
Izanagi  no  Mikoto  (Izanami  no  Mikoto),  wie  denn  dieses  ehrende 
Prädikat  {//n  ,,  hehr,  erlaucht",  /coio  ,,  Ding ",  also  ,,  hehres 
Ding "),  das  sich  etwa  durch  ,,  Seine  Hoheit,  Ihre  Hoheit " 
wiedergeben  lässt,  auch  sonst  an  die  Namen  von  Gottheiten  und 


380  Tl.    HAAS,    DIE    JAPAXISCIIEX    REEIGIOXEX. 

erlauchter  menschlicher  Persönlichkeiten  angehängt  wird.  Izanagf 
und  Izanami  stiegen  zunächst  nicJit  vom  Himmel  liernieder,  um 
Japan  zu  schaffen,  sondern  auf  der  Himmelsbrücke  stehend 
tauchten  sie  nach  dem  Kojiki  eine  Lanze  in  das  Meer,  worauf 
aus  den  von  dem  wieder  herausgezogenen  Speere  abfallenden 
Tropfen  ein  Eiland  entstand,  auf  das  sie  sich  alsdann  begeben. 
Das  Zitat  Orellis  :  sie  ,,  machten  und  befestigten  das  (japanische). 
Land"  findet  sich  so  weder  im  Kojiki  noch  im  Nihongi,  denen 
es  offenbar  entstammen  soll.  Ebenso  ein  auf  S.  104  angeführtes. 
Der  Name  der  von  beiden  Gottheiten  erzeugten  Sonnengöttin 
Ama-terasu  Ö-mi-kami  bedeutet  nicht  ,,  die  am  Himmel  schei- 
nende grosse  Heilige,  welche  den  hohen  Himmelsplan  regiert ", 
worin  offenbar  zwei  verschiedene  Erklärungen  versehentlich  in 
eins  verbunden  sind,  sondern  ,,am  Himmel  scheinende  grosse 
erlauchte  Gottheit  ". 

Die  Bezeichnung  Mikado  für  die  Herrscher  des  Landes  ist 
veraltet ;  und  nicht  von  Anfang  an  sondern  erst  nach  der 
Annahme  chinesischer  Titulaturen  wurde  die  Bezeichnung  Tennö  = 
„der  Himmelserhabene"  oder  Tenshi  ,,  Sohn  des  Himmels"  auf 
den  Kaiser  angewendet.  Dass  die  Erbfolge  nie  unterbrochen 
oder  gestört  worden  sei,  ist  zwar  ein  Dogma  der  japanischen 
Historik,  das  aber  nicht  auch  in  wissenschaftlichen  Werken  bei 
uns  Aufnahme  finden  sollte.  Die  Dynastie  ist  die  älteste  und 
besteht  mindestens  bereits  seit  dem  5.  Jahrhundert  unserer 
Zeitrechnung.  Erhalten  aber  ist  sie  so  lange  nur  dadurch  wor- 
den, dass  fortwährend  in  Ermangelung  erbberechtigter  Nachkom- 
menschaft zu  Adoptionen  die  Zuflucht  genommen  wurde  und  dass 
der  Kaiser  neben  seiner  rechtmässigen  Gemahlin  eine  Anzahl 
von  Nebenfrauen  hatte.  Nicht  richtig  ist  auch,  dass,  wie  Orelli 
S.  105  in  Anmerkung  angibt,  die  vornehmste  seiner  Frauen 
Mutter  des  Thronfolgers  war.  Das  trifft  bekanntlich  nicht  einmal 
V041  der  regierenden  Kaiserin  zu,  deren  Ehe  ohne  Kindersegen 
blieb.  Der  jetzige  Kronprinz  ist  der  Sohn  einer  kaiserlichen 
Nebenfrau. 

Die  altbekannte  Tatsache,  dass  eine  ganze  Reihe  von  Kaisern 
die  eifri""sten  Anhänger  und  Förderer  des  Buddhismus  waren,  ja 
selbst  vielfach  nach  freiwilliger  oder  gezwungener  Abdankung 
die  Tonsur  nahmen,  um  ihr  Leben  in  einem  Kloster  als  Mönche 
zu  beschliessen,  erledigt  ohne  weiteres  die  Konstatierung,  dass 
die  Herrscher  sich  stets  angelegen  sein  Hessen,  den  angestammten 
Kamidienst  zu  pflegen.      Von   Kötoku-tennö   (645-654),    um   nur 


H.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  381 

einen  Kaiser  namentlich  anzuführen,  sagt  schon  das  Nihongi  : 
,,  Er  verehrte  das  Gesetz  des  Buddha  und  verachtete  den  Shin- 
toismus  ".  Dass  zu  diesem  in  lange  vergangener  Zeit  auch 
Menschenopfer  gehört  hätten,  ist  durch  nichts  erwiesen.  W^is 
in  älteren  Zeiten  vorgekommen  sein  soll  —  man  kann  hier  kaum 
sagen  :  wirklich  vorkam  — ,  ist,  dass  hochgestellten  Verstorbenen 
ihre  Diener  ins  Grab  mitgegeben  wurden  oder  dass  diese  sich 
freiwillig  mitbegraben  liessen.  Diese  Sitte  aber  hatte,  wenn 
sie  wirklich  je  bestand,  nichts  mit  dem  Götterdienst  zu  tun. 
Doch  ist  es  zweifelhaft,  ob  sie  in  Japan  je  geherrscht  hat,  wie 
dies  in  China  und  Korea,  in  welch  letzterem  Lande  sie  erst  im 
J.  503  n.  Chr.  G.  durch  ein  Edikt  des  Königs  von  Silla  auf- 
gehoben wurde,  der  Fall  war.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass 
die  ganze  Vorstellung  eine  blosse  Fiktion  der  Japaner  ist, 
beruhend  auf  den  archäologischen  Funden  von  Tonfiguren  {tsuclii 
jiingyo),  die  in  alter,  —  7ächt  noch  in  neuerer  Zeit  ^  ins  Grab  gelegt 
wurden. 

Darüber,  ob  die  Wallfahrten  zu  heiligen  Stätten  den  bud- 
dhistischen nachgeahmt  sind,  wie  Orelli  meint,  oder  ob  diese 
Pilgerfahrten  in  Japan  ein  Stück  des  ursprünglichen  Gottesdienstes 
sind,  wie  ich  geneigt  bin  anzunehmen,  wird  sich  disputieren 
lassen.*  Der  Fromme,  der  am  Eingang  eines  Shintoschreins 
seine  wortlose  Andacht  verrichten  will,  schellt  nicht  mit  einer 
Glocke  sondern  schlägt  vermittest  eines  angebrachten  Stranges 
einen  frei  hängenden  Gong,  was  allerdings  buddhistischer 
Brauch  ist. 

Dass  zu  den  Dingen,  die  den  Menschen  unrein  machen,  der 
Genuss  des  Fleisches  von  Haustieren  gehöre,  kann  man  nicht 
sagen.  Es  sind  nur  bestimmte  Tiere,  Hund,  Katze,  Affe  u.  a., 
die  den  Göttern  nie  geopfert  werden  durften  und  deren  Fleisch 
man  auch  nicht  genoss.  Auch  die  Reinigungszeremonie  ist 
nicht  richtig  beschrieben.  Dass  sich  der  Japaner  zur  Reinigung 
im  Traueranzug  in  eine  einsame  Wohnung  zurückziehen  soll,  ist 
widersinnig.  Eben  durch  Anlegung  des  Traueranzugs  wird  er 
ja  unrein. 

Nicht   zutreffend    ist  die"  Be.schreibung  der    heiligen    Stätten, 

*  Siehe  hiezu  Ch.\mbeulain,  r/tings  Japanese,  sub  voce  PUgrimages. — Notes 
011  Soine  Minor  Japanese  Rellgious  Fractices.  Journal  of  the  Anthropological 
Institute,  Mai  1893.  —  Luwell,  Esoterk  Skintö,  T.  A.  .S.  J.  Vol.  XXI.  —  S.VTow, 
77ie  Shintu   Temples  0    Ise,  T.  A.  S.  J.  Vol.   II,  p.  113. 


382  H.    MAAS,       DIE    JAPAXISCIIEX    KELIGION'EX. 

wenn  von  ihnen  i^esagt  wird,  sie  seien  mit  Gärten  geschmückt. 
Die  Gartenbaukunst  wurde  erst  vom  Buddhismus  in  Japan 
eingeführt  und  nicht  für  die  Shintoschreine  in  Anwendung- 
gebracht,  die  sich  noch  heute  überall  ohne  künstliche  Garten- 
anlagen präsentieren.  Auch  sind  die  heiligen  Stätten  des 
Shintoismus  niemals  mit  Mauern  umschlossene  Ilöfe  mit  Hallen 
für  Aufnahme  der  Tilger  und  Priesterwohnungen.  Sieht  man  von 
den  Mauern  ab,  die  es  überhaupt  nicht  gibt,  so  passt  diese 
Beschreibung  nur  für  Buddhistentempel,  aber  nicht  für  Shinto- 
schreine {iiiiyd).  Von  diesen  kann  man  auch  nicht  sagen,  dass 
.sie  mit  Schindeln  gedeckt  seien,  obwohl  solche  Bedachung  bei 
einer  Art  von  Schreinen  üblich  war.  Die  gewöhnliche  wix  kaya, 
eine  Schilfart.  Der  Metallspiegel,  den  man  heute  oft  in  Shinto- 
tempeln  wahrnimmt,  ist  ohne  Zweifel  nicht  genuin  shintoistisch 
sondern  buddhistischen  Ursprungs.  Dagegen  befindet  sich  aller- 
dings abgeschlo.ssen  und  selbst  den  Priestern  nicht  sichtbar  in 
Shintoschreinen  ein  Spiegel,  der,  eines  der  drei  heiligen  Re- 
ligionsembleme und  Throninsignien,  Symbol  der  Sonne  (nicht 
des  Sownen-lichts)  ist.  Von  den  GoJiei  bemerkt  Orelli,  dass  ihre 
Bedeutung  noch  nicht  klar  sei.  Ich  denke,  die  Deutung  dieser 
Stäbchen  mit  darangehängten  zickzackförmigen  Papierstreifen  als 
s}'mbolische  Ersatzstücke  für  die  ursprünglichen  Opfergeschenke 
aus  wertvolleren  Stoffen,  Hanf-  und  Maulbeerrindenzeug,  ist 
lange  erwiesen.  Die  statistischen  Angaben  über  die  Zahl  der 
Shintotempel  (193.242)  und  Priester  (14.717)  sind  für  das  Jahr 
1890  gegeben.  Der  neuesten  offiziellen  Statistik  (Resume  Sta- 
tistique  de  fp^mpirc  du  Japon,  Tokio  1903)  zufolge  zählten  die 
Shintoisten  am  31.  Dezember  1900:  196.358  Tempel  (nämlich 
169  Staatstempel,  57.902  grosse  Distriktstempel  und  138.287 
kleinere  Schreine)  und  16.408  Priester.  Gewagt  scheint  mir  die 
Feststellung,  dass  sich  die  Priester  auf  10  verschiedene  Sekten 
verteilen.  In  Japan  kann  die  unbedeutendste  Differenz  zum 
Spaltungsgrunde  werden,  und  wer  will  sagen,  was  als  Haupt-  und 
was  als  Nebensekte  anzusehen  ist  ? 

Auch  die  kürzeste  Uebersicht  über  den  Shintoismus  sollte 
m.  E.  nicht  unterlassen  zu  erwähnen,  dass  sich  ungefähr  seit  dem 
Jahre  1700,  von  Gelehrten  wie  Mabuchi,  Motoori,  Hirata  ins 
Leben  gerufen  und  geleitet,  eine  Bewegung  geltend  machte, 
die  es  darauf  absali,  die  alte  nationale  Religion  wieder  in  ihrer 
ursprünglichen  Reinheit  herzustellen,  und  da.ss  nach  der  Restaura- 
tion   der    kaiserlichen    Macht    ein    erfolgloser    Versuch    cremacht 


H.    HAAS,    DIE   JAPANISCHEN    RELIGIONEN.  383 

wurde,  den  Shintoismus  neu  zu  beleben  und  zur  Staatsreligion 
zu  machen.  Ueber  diese  Galvanisierungsexperinicnte  hat  Dr. 
Spinner  in  mehreren  Aufsätzen  in  der  Zeitschrift  für  Missions- 
kunde und  Religionswissenschaft  gehandelt.  Satow's  The  Revival 
of  Pure  Sli'm-tau  unterrichtet  vorzüglich  über  die  Bestrebungen  der 
genannten  japanischen  Gelehrtenschule,  die  altnationale  Religion 
von  aller  Verquickung  mit  buddhistischen  und  confucianischen 
Elementen  zu  befreien. 

2.  — BUDDHISMUS. 

Soviel  über  den  Shintoismus.  Sehr  mager  ist,  was  die 
„Allgemeine  Religionsgeschichte"  über  den  japanischen  Bud- 
dhismus sagt.  Trotzdem  stösst  man  auch  hier  auf  manches 
Unhaltbare.  Schon  der  Name  desselben  ist  nicht  richtig  gegeben. 
Er  heisst  Biitsu-dö,  wie  schon  bemerkt,  nicht  Btctto,  was  vermut- 
lich ein  Verschreiben  für  das  andere  Wort  Bitppö  (aus  Butsu 
hö)  ,,  das  Gesetz  Buddhas"  ist.  Anfechtbar  ist  der  Satz  (S.  484), 
dass  seine  Einführung  in  Japan  namentlich  im  Jahre  552  von 
Erfolg  begleitet  gewesen  sei.  552  ist  nur  das  Jahr,  in  welchem 
zuerst  von  Korea  aus  buddhistische  Sütra  und  Bildnisse  an  den 
damaligen  Kaiser,  Kimmei-tennö,  geschickt  wurden.  Nicht  den 
Tatsachen  entspricht  die  Feststellung,  dass  der  Buddhismus  mit 
offenen  Armen  aufgenommen  worden  sei.  Nur  unter  sehr  starkem 
Widerstände  und  nach  verschiedenen  völligen  Niederlagen  konnte 
sich  die  eingeführte  fremde  Religion  trotz  kaiserlicher  Protektion 
neben  dem  nationalen  Götterdienste  behaupten,  hat  aber  dann 
sich  nicht  ziemlich  friedlich  mit  dem  Schintoismus  in  die  Herr- 
schaft geteilt  oder  sich  der  Kamireligion  nur  vielfach  angepasst, 
sondern  dieselbe  völlig  verschlungen,  allerdings  nicht  ohne  auch 
ihrerseits  gewaltig  shintoisiert  zu  werden.  Es  war  jedoch  erst 
in  der  sog.  Nara-Periode  (708-784),  nicht  schon  im  7.  Jahr- 
hundert, dass  dem  Buddhismus  der  grössere  Teil  des  Volkes 
zufiel.  Zu  bemängeln  ist  die  Anwendung  der  Bezeichnungen 
,,  Kirchen"  und  ,,  Kapellen "  auf  die  buddhistischen  Tempel. 
Ihre  Zahl  belief  sich  nach  der  neuesten  offiziellen  Statistik  am 
31.  Dezember  1900  auf  71.95  i -H  38.032,  denen  52.128  Oberpriester 
und  745  Oberpriesterinnen  vorstanden.  ,,  Pretres-precheurs  "  gab 
es  nach  derselben  Quelle  am  gleichen  Zeitpunkt  63.177,  ,,  simple 
pretres"  48.038.  Unterrichtet  wurden  in  buddhistischen  Schulen 
9.276  Schüler  (8.937  männl.  und  339  Mädchen).  Nicht  richtig 
ist  die  Angabe,  dass  es   1893    in  Japan    12  buddhistische  Sekten 


384 


H.    HAAS,    DIE   JAPANISCHEN    RELIGIONEN. 


I.  —  Tendai 

mit 

4.602 

Tempeln 

2.  —  Shingon 

!I 

12.965 

)) 

3.  — Jödo 

n 

«.343 

)! 

4.  —  Rinzai 

,j 

6.120 

„ 

5.  — Södö 

„ 

13.706 

!I 

6.  —  ( ibaku 

!J 

556 

?) 

7.  —  Silin 

19.608 

)» 

8.  —  Nichiren 

)> 

5.194 

J! 

9.-Ji 

)) 

S57 

„ 

gab.  12  ist  die  Zahl  der  Hauptsekten,  die  überhaupt  seit  dem 
6.  Jahrhundert  in  Japan  vertreten  waren  und  deren  Geschichte 
einige  sogleich  anzuführende  Bücher  geben.  Allein  mehrere 
(sechs)  von  diesen  Sekten  bestehen  schon  seit  langem  nicht 
mehr,  die  anderen  haben  sich  in  Untersekten  geteilt,  so  dass 
es  auch  hier  schwer  ist,  die  gegenwärtige  Zahl  genau  zu 
bestimmen.  Das  1903  erschienene  Resume  Statistique  zählt  die 
foleenden  Sekten  auf: 


(die   Tempel  der  IIo.ssü- Sekte  iiiliegriffen) 
(icl.  Kegon  -  SekteJ 


(icl.  Yuzu  -  Nembutsu  -  .shu). 

Wie  verschieden  aber  die  Bestimmung  der  Anzahl  der 
heute  noch  in  Japan  bestehenden  Buddhistensekten  ausfallen 
kann,  möge  die  hier  folgende  Tabelle  klar  machen  : 

Haii]itsokteii,  Untersckteii  und  Sthulen  .  IJogi'ünder : 

Hossö Döshö  (ca  653) 

Kegon Dösen  (ca  739) 

Ritsu Ganjin  (ca  754) 

rSammon Saicliö  (767-822) 

Enchin  (814-891) 

injö Shinjö  (1450-I495) 

fKogi KQkai  1774-835) 

Ishingi    Kakuhan  (1095-1144) 

Yüzü-Nembutsu Ryönin  (1067-1134) 

Genkn  (1134-1214) 

Sh5kü 

/Kenninji Eisai  (1140-1215) 


Tendai 


Shii 


Jodo 


iSammo 
Jimon 
Shinjö 


Zen 


^  Kenchöji Döiyü  (1253) 

Töfukuji Enniii   (1243) 

Nanzenji       .......  Bu.sshin  (1293) 

Rinzai  /  Enkakuji Sögen  (1282) 

Tenryüji Söseki  (1340) 

Myöshinji Egen  (1350) 

Eigenji Genkö  (1320) 

ShökoUuji Myöha  (1383) 

Voaltükuji jSIyöchö  (1267) 

Södö J^<'>g"i  (1 201-1254) 

^Obaku  Ingen  (1592-1673) 


n.    HAAS,    DIE    JAPAXISCIIEX    RELIGIONEN. 


jö:, 


Silin  oder 

jMonto  oder 

Ikk. 


Ji Tppen  (ca  1275) 

/Iloügwanji Shinran  (1174-1263) 

ötani Krjü 

Takada Shimbutsu 

Kibe Kt'gen 

/  Köshüji Keukyo 

Izumoji Zenran 

Yamamoto Zenran 

Jöshöji Döshö 

Sammonto Xyüdo 

xBukköji Sliimbutsu 

/Xichiren Xidiiren  (1222- 1282) 

Myömanji Xichijü 

Könion Xikkö 

[lachihon Xichiryü 

Xichiren   ^  Honjöii .  X'ichiin 

Honryüji Xisshin 

Fuju-fuze Xicliiwo 

Fuju-fuze-Kömon Xikkö 

(Nach  Papinot). 


Hokke 
oder 


Es  sei  mir  verstattet,  auch  hier  die,  leider  noch  recht 
spärhche,  Literatur  zu  vermerken,  die  für  den  japanischen 
Buddhismus  in  Betracht  kommt.  Seine  Einführung  von  Korea 
behandelt  ein  Aufsatz  von  Summers  in  den  T.  A.  S.  J.  Vol. 
XIV,  pp.  y^  ff.  {Budd/iis7/i  and  Traditions  coiicej'ning  its  In- 
troduction  into  Japan).  Doch  ist  v^or  dieser  kurzen  Abhandlung, 
der  Uebersetzung  eines  japanischen  Schriftchens  Buppö  den  rat, 
das  sich  im  Hokke  rei  jö  ki  findet,  direkt  zu  warnen,  da  sie 
von  Unrichtigkeiten  voll  ist  und  die  historischen  Data  völlig 
verrückt.  Das  einzige  zuv^erlässige  Material  zur  Geschichte  der 
Einführung  des  Buddhismus  bietet  das  Nihongi,  und  nach  diesem 
ältesten  authenischen  Quellenwerke  habe  ich  eine  Beschreibung 
gegeben,  die  noch  der  Veröffentlichung  in  der  Zeitschrift  für 
Missionskunde  und  Religionswissenschaft  harrt.  Ein  ganz  hüb- 
scher Ueberblick  über  die  ganze  Geschichte  des  japanischen 
Buddhismus  wird  dargeboten  in  dem  englisch  erschienenen 
Aufsatze  eines  Japaners,  Kaifu  Nukariya,  {Buddhism  in  Japan) 
in  der  eingegangenen  Zeitschrift  The  Far  East,  Vol.  III,  No. 
28.  29.  30  (1898).  Kürzer  gehalten  ist  ein  anderer  von  J. 
Tchicadzumi,  der  in  der  Revue  de  l'Histoire  des  Religions 
Tome  XLIII  (1901)  p.  147  -  i6o  unter  dem  Titel  Coup  d'oeil  sur 
V  Jdstoirc  du  Bonddläsvic  ait  Japan  aic  point  de  vue  de  la  pJalosopJite 


386  n.    HAAS,    DIE    JArAXISCHEN    RELIGIOXEX. 

de  VJiistoirc  veröffentlicht  wurde.  lune  lu'gänzung  hie/Ai  für  die 
jüngste  Periode  bildet  der  kurze  im  gleichen  Bande  der  Zeit- 
schrift S.  161 -165. zu  findende  Beitrag  von  Rvoox  Fujishima 
„Lctat  achtel  du  Bo2iddhisinc  Japonai^''.  Treffliche  Skizzen  des 
japanischen  Buddhismus  finden  sich  in  Reix's  ,,  Japan"  und  in 
Muxzixger's  ,,  Die  Japaner ".  Auch  Prof.  Dr.  Laxge  hat  eine 
solche  gegeben  in  einem  Aufsatz  ,,  Der  Buddliismus  in  Japan  ", 
abgedruckt  in  der  Zeitschrift  für  Missionskunde  und  Religions- 
wissenschaft",  Jahrg.  XII,  S.  143-157,  und  vv^eiter  hervorzuheben 
ist  die  von  Satow  für  die  2.  Auflage  von  Murray's  Handbook 
gelieferte. 

Eine  im  J.  1289  verfasste  Schrift  des  Priesters  Gyö-nen 
über  acht  Sekten  hat  l\.  IMillioud  mit  Hilfe  eines  Japaners 
Yoshitura  Högen  ins  Franz(3sische  übertragen  und  in  RHR. 
XXV,  219-243.  337.  360.  XXVI,  201-219.  279-315  ver- 
öffentlicht (Gyau-nen  de  la  Secte  Kegon,  csqnisse  des  Jmit  sectes 
boiiddldstes  du  Japoii).  Ein  anderes  japanisches  Buch  Biikkyö 
Jü  ni  s/m  köyö  von  Ogurisü  Köchö  Hegt  ebenfalls  in  zwei 
Uebersetzungen  vor.  Die  eine,  englische  [A  short  history  of  the 
tiuelvc  buddldstic  sects  in  Japan,  Tokyo  1887)  ist  von  Bunyu 
Nanjö,  dem  verdienten  Herausgeber  des  "  Catalogue  of  the 
Tripitaka"  und  (mit  seinem  Lehrer  Max  Müller  zusammen)  des  in 
Japan  aufgefundenen  Sanskrittextes  des  grösseren  und  kleineren 
Sukhävati  vyüha  (Dai  mur3'ö  ju  kyö  und  Amida  kyö).  Die 
andere,  französische  Uebersetzung  ,,  Lc  Bonddhisnie  Japonais, 
doctrines  et  Jästoire  des  doiize grandes  sectes  Boiiddlnqnes  du  Japoii^', 
Paris  1889  (zuerst  erschienen  in  Nouvelle  Revue  15.  Okt.  1888) 
ist  von  Ryöon  P'üjishima  und  ist  wegen  der  Einleitung  und  der 
Glossen  des  philosophisch  gebildeten  Autors  neben  der  englischen 
von  Wert.  In  mehr  genetischer  Darstellung  schildert  die  Ent- 
wicklung der  einzelnen  Sjkten  A.  Lloyd,  Developments  of 
Japanese  Bnddhisvi  (T.  A.  S.  J.  Vol.  XXII,  Part  III).  Von 
demselben  Verfasser  kommen  noch  in  Betracht  „  Buddhistische 
Gnadenmittel  "  in  Mitteil,  der  D.  G.  f.  N.  u.  V.  O.  Heft  60,  und 
,,  Dogmatische  Anthropologie  im  Buddhismus ",  ebenda  Bd. 
VIII,  Teil  II.  Eine  Skizze  der  Geschichte  der  Shinsekte  findet 
sich  in  Anecdota  O.xoniensia,  Aryan  Series,  Buddhist  Texts 
front  Japan  Vol.  I,  Part  II  von  der  Feder  Buxyu  Nanjö's.  Zur 
Lehre  dieser  Sekte  sehe  man  James  Troup,  On  the  Tenets  of 
the  SJtinshiii  or  "  Tnte  Sect"  of  Btiddhists.  T.  A.  S.  J.  Vol. 
XIV,  Part    I,    und    ebenda  Vol.    XVIII,    Part  I    von    demselben 


H.    HAAS,    DIE    JAPAMSCHEX    RELIGIONEN.  38/ 

Verfasser  77/6'  GobuiisJio  or  Ofnini,  of  Rcnnyo  SJi'jnin,  sowie 
J.  ]M.  James,  A  Discoursc  oii  Infinite  Vision.  T.  A.  S.  J.  Vol. 
VIII,  Part  IV.  In  den  Transactions  of  the  As.  Soc.  of  Japan 
findet  sich  ferner  in  Bd.  IX,  Part  II  ein  Beitrag  von  James  : 
Descriptive  Notes  on  the  Rosaries  {^Ju-zii)  as  iised  by  the  diffcrent 
seets  of  Biiddhists  in  Japan.  Einiges  über  die  Lehre  von  Himmel 
und  Hölle  bietet  Spinner,  Zur  buddhistischen  Itschatologie 
(Zeitschr.  für  Missionsk.  u.  Religionsw.  Jahrg.  XIV,  S.  193- 
204)  nach  einer  populären  Schrift,  die  sich  in  ihrer  japanischen 
Redaktion  OjoyosJdii  nennt.  Sehr  instruktiv  für  den  heutigen 
Stand  des  Buddhismus  ist  Busse's  Abhandlung  ,,  Streifzüge 
durch  die  japanische  ethische  Literatur  der  Gegenwart",  welche 
das  ganze  Fleft  50  der  Mitteil,  der  D.  G.  f.  N.  u.  V.  O.  einnimmt. 
Eine  Biographie  Buddhas  nach  einer  in  Japan  meistgelesenen 
Darstellung  gibt  J.  L.  Atkinson's  Prince  Siddartha,  tlie  Japanese 
Buddhist,  based  on  Japanese  Mamiscripts.  Für  die  in  Zeitschriften 
verstreuten  Aufsätze  und  sonstige  Literatur  kann  wieder  auf 
Wenckstern  verwiesen  werden. 

3.  —  CONFÜCIANISMUS. 

XToch  kürzer  als  den  Buddhismus  tut  Orelli  den  Confucianis- 
mus  ab.  Alles  was  er  über  ihn  sagt,  beschränkt  sich  auf  den 
einen  Satz  :  ,,  Den  Gebildeteren,  welche  nach  einer  moralischen 
Weltanschauung  verlangten,  bot  eine  solche  die  Lehre  des  Chi- 
nesen Kongtse,  welche  schon  seit  dem  3.  Jahrh.  in  Japan  Eingang 
gefunden  haben  soll,  wahrscheinlich  aber  erst  später  ihren  Einzug 
hielt."  Dass  die  confucianische  Ethik  nicht  schon  seit  dem  3. 
Jahrh.  sondern  erst  später  nach  Japan  gelangte,  ist  nicht  bloss 
wahrscheinlich,  sondern  durch  Aston  {Early  Japanese  History.  T. 
A.  S.  J.  Vol.  XVI,  S.  39-75)  ausser  Zweifel  gesetzt.  Beziehungen 
zu  Korea  und  Japan  bestanden  schon  früh.  Hier  ist  als  besonders 
bedeutungsvolle  Begebenheit  die  Ankunft  des  Gelehrten  Wani  aus 
Korea  zu  erwähnen,  der,  als  Lehrer  eines  kaiserlichen  Prinzen 
nach  Japan  berufen,  den  Anfang  mit  Verbreitung  der  Kenntnis 
chinesischer  Weltanschauung  machte.  Diese  Ankunft  aber  erfolgte 
nicht  schon  im  3.  Jahrh.,  wie  dies  das  Nihongi  will,  sondern  wie 
Aston  überzeugend  nachgewiesen  hat,  120  Jahre  (zwei  Sechziger- 
zyklen) später,  im  Jahre  405  n.  Gh.  G.  Der  weite  Einfluss  chine- 
sischer Denkweise  datiert  erst  von  der  lünführung  des  Buddhismus. 
Es  sollte  aber  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  während  des  ganzen 


38S  ir.    HAAS,    DIE    JAPANISCHEN    RELIGIONEN. 

Mittelalters,  solange  clor  l^uddliismus  blühte,  die  confueianische 
Philosophie  in  Japan  sozusagen  im  Schlafe  lag,  aus  dem  sie  erst 
7A1  Anfang  des  17.  Jahrh.  mit  einemmale  erweckt  wurde,  um  für 
die  ganze  Tokugawa-Periodc,  eine  Zeit  von  250  Jahren,  fast 
ausschliesslich  das  Denken  der  Gebildeten  zu  bestimmen  und 
erst  mit  dem  Zusammenbruch  des  P'eudahvesens  in  neuester  Zeit 
ihre  Grundlage  und  damit  mehr  und  mehr  ihren  Halt  und 
Einfluss  zu  verlieren,  wenn  sie  auch  als  Weltanschauung  noch 
fortwirkt.  Der  Religion  stand  diese  confueianische  Ethik  gänzlich 
ferne,  wie  andererseits  Shintoismus  und  Buddhismus  eine  ethische 
Bedeutung  eigentlich  nur  insoweit  gewannen,  als  sie  sich  zu 
Verbreitern  der  confucianischen  Tugendlehre  hergaben.  Üeber 
das  Verhältnis  des  Confucianismus  zum  Shintoismus  und  Ikid- 
dhismus  in  Japan  lässt  sich  trefflich  Munzinger  aus.  Munzinger's 
Urteil  muss  ich  auch  dem  Orellischen  über  die  religiöse  Ver- 
anlagung der  Japaner  entgegensetzen.  Während  dieser  sagt, 
das  Volk  sei  nicht  allzu  eifrig  im  Gottesdienst,  und  von  der 
,,  wenig  religiös  begabten  Natur "  desselben  spricht,  urteilt  er- 
sterer  m.  E.  durchaus  zutreffend  :  ,,  Der  Japaner  ist  gewiss 
religiös,  so  gewiss  als  die  Religion  in  dem  Geistesleben  eines 
jeden  Volkes  einen  Bestandteil  und  zwar  einen  Hauptbestandteil 
bildet ;  aber  für  die  Geisteshöhen  und-tiefen  der  Religion  ist  er 
weit  weniger  empfänglich  als  der  Arier  ". 


i 


Ungeheuerlich  übertrieben  ist,  was  Orelli  vom  Kaiser  schreibt : 
,,  Den  Mikado  kam  seine  göttlich  hohe  Würde  teuer  zu  stehen. 
Er  wurde  als  so  heilig  und  göttlich  erklärt,  dass  man  ihn.  dem 
Blicke  aller  Sterblichen  entzog  und  durch  die  lästigsten  Satzungen 
einschränkte  ;  durfte  er  doch  nicht  einmal  die  freie  Luft  oder 
einen  Sonnenstrahl  an  sich  kommen  lassen,  oder  die  Erde 
berühren,  sondern  musste  sich  tragen  lassen,  was  an  die  als 
Tabu  geltenden  Könige  bei  den  Polynesiern  erinnert."  Und  was 
er  von  ihm  in  Anmerkung  beifügt,  dass  Haare,  Bart  und  Nägel 
ihm  nur  im  Schlaf  geschnitten  werden  durften,  oder  dass  er 
täglich  einige  Stunden  unbeweglich  auf  dem  Throne  sitzen  musste, 
mit  der  Krone  bedeckt,  da  die  Ruhe  des  Landes  davon  abhänge, 
das  sind  Märchen,  die  vermutlich  dem  alten  Werke  unseres 
Landsmannes  Kaempfer  entnommen  sind.  Nicht  haltbar  ist 
auch  die  Schlussfolgerung,  dass  die  politische  Gewalt  des 
Mikado    daher    meistens   gleich    Null    eewesen    sei.     Es   Avar  erst 


H.    HAAS,    DIE    JAPANISCTIEN    RELIGIONEN.  389 

gegen  Ende  des  9.  Jahrb.,  dass  der  Hofadel  dem  zum  Herrschen 
Berufenen  mehr  und  mehr  die  Zügel  der  Regierung  entwand, 
und  dies  war  nicht  so  sehr  eine  Folge  der  hohen  göttlichen 
Würde  des  Mikado  als  vielmehr  der  Verweichlichung,  in  welche 
die  Inhaber  der  Würde  mehr  und  mehr  versanken.  Erst  seit 
II 86  war  der  tatsächliche  Regent  der  Shögun  (nicht  SJiugiin, 
wie  Orelli  schreibt).  Die  Aera,  mit  deren  Beginn  dieser  Zustand 
zin  Ende  nahm,  heisst  Mciji,  nicht  Meji,  und  diese  Be- 
leichnung  bedeutet  nicht  ,,  Aufklärung "  sondern  ist  ein  Kom- 
positum, das  mit  ,,  erleuchtete  Regierung"  zu  übersetzen  ist. 
Der  alte  Name  der  gegenwärtigen  Residenz  Tokyo  wird  heute 
nicht  mehr  Jedo  sondern  allgemein  Yedo  geschrieben. 

Das  ist  es,  was  ich  zu  dem  Kapitel  über  die  japanische 
Religion  in  der  neuesten  Allgemeinen  Religionsgeschichte  zu 
bemerken  hätte.  Für  4  72  Seiten  ist  es  der  Kritik  etwas  viel. 
Doch  würde  ich  die  an  solche  eindringende  Prüfung  gewendete 
Zeit  und  Mühe  nicht  als  verloren  betrachten,  wenn  meine  Aus- 
lassungen den  Herrn  Verfasser  bestimmen  würden,  das  Kapitel 
beim  Nötigwerden  einer  zweiten  Auflage  der  Neubearbeitung  zu 
unterziehen,  deren  es  vor  anderen  Kapiteln  seines  Werkes  bedürftig 
ist.  Aus  vorstehender  Besprechung  wird  wohl  auch  dies  für 
jeden  Leser  hervorgehen,  dass  in  einer  neuen  Auflage  der  Satz 
,,  Manches  Material  enthalten  die  Transactions  of  the  Asiatic 
Society  of  Japan  und  die  Mitteilungen  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  "  in  den  Literaturangaben 
bei  Prof  Orelli  einer  Modifizierung  bedarf.  Die  ,,  Transactions  " 
und  die  ,,  Mitteilungen  "  sind  recht  eigentlich  die  Hauptfund- 
gruben für  jeden,  der  es  unternimmt  über  die  Religionen  Japans 
zu  schreiben.  Dem  wird  der  Herr  Verfasser  mit  obigem  Hinweise 
auf  sie  nicht  gerecht. 


SITZUNGSBERICHTE. 

GENER^^LVERSAMMLUNG  IX  YOKOHAMA 

am   22.  Januar    1902. 


Vorsitzender  :    Merr    R.    Lehmann. 


Neue  Mitglieder  : 

Herr  H.   Kramer,  Yokohama. 

,,      Dr.  Marstkand-Mechlenburg,  Tokyo. 
,,      W.  Trautschold,  ,, 

Lebenslängliche  Mitgliedschaft  erwarb   . 

Herr  C.  Illies  jun.  Yokohama. 

Herr  Pfarrer  Haas  verliest  den  Jahresbericht  für  1901. 
Nachdem  auch  der  Kassenbericht  vorgelegt  wurde,  wird  der 
Vorstand  entlastet  und  dann  durch  Akklamation  für  ein  weiteres 
Jahr  wiedergewählt. 

Herr  Pfarrer  Haas  hielt  einen  Vortrag :  ,,  ^lendez  Pinto 
und  Japan ".  An  der  sich  anschliessenden  Diskussion  betei- 
Hgten  sich  Herr  Prof.  Dr.  Riess  und  der  Vortragende. 


SITZUNG  IN  TOKYO 

am  26.  Lebruar   1902. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    Lehmann. 


Neue  Mitglieder: 

Herr  C.  Schramm,  Yokohama. 

,,      Schulamtspraktikant  G.  Riegelsberger,  Tokyo. 
„      Prof.  M.  K0AKIMOTO,  „ 


392 


SIT/ANGSUKRICHTE. 


Lebenslängliche  Mitgliedschaft  erwarb 

Herr  ]\I.  Tors,  Yokohama. 

Herr   1^.  Klocke    hielt    einen    V^ortrag    ,,  Faunistisches    aus 
den  Gewässern  der  Insel  Hokkaido  ". 


SITZUNG  IX  YOKOHAMA 

am   26.   März    1902. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    Lehmann. 


Neue  Mitglieder  : 

Herr  P.  Griebel,  Yokohama. 

,,      H.  Bosch, 
,,      E.  Eichelberg, 

„        C.    SCH.MALBECR, 

,,  E.  Hasche, 
,,  R.  Wen  DT, 
,,      G.  \V.  Werckmeister, 

,,        BlELEELD, 

Ausgetreten  ist  Herr  H.  de  la  Camp. 

Der  Bibliothek  wurde  geschenkt :  Courant,  Catalogue  des 
Livres  Chinois  etc.   2497-3469  (vom  Herrn  Verfasser). 

An  Stelle  des  Herrn  Janson,  der  wegen  geschwächter 
Gesundheit  sein  Amt  niederlegt,  wird  Herr  Dr.  M.  Lehmann  in 
den  Vorstand  gewählt. 

Herr  Prof.  Dr.  Florenz  hielt  einen  Vortrag :  ,,  Aus  der 
Blütezeit  der  japanischen  Lyrik". 


(wieder  eingetreten). 


SITZUNG  IN  TOKYO 

am  3.   Mai   1902. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    Lehmann. 


Vor  Eintritt   in   die    Tagesordnung  erinnert  der  Vorsitzende 
an   zwei    der   Gesellschaft   durch  den  Tod  entrissene  Mitglieder  : 


SITZUNGSBERICHTE.  393 

die  Herren  Fürst  von  Schwarzenberg  und  Th.  Meyerdirks.  Die 
Versammlung  erhebt  sich  zur  Ehrung  der  Verstorbenen  von  den 
Sitzen. 

Neueingetreten  sind  die  Herren  : 

E.  Flaig,  Tokyo. 

K.  Steixek,  Yokohama. 

E.  Kraemer,  „ 

E.  Nimmerfall,  „ 

E.  Horstmann,  „ 

Hauptmann  a/D  Madlung,  ,, 
Schriftenaustausch  ist  angeknüpft  mit 

i)    The   State   Library   and   Home  Education,  University  of 

the  State  of  New- York  ; 
2)    KoninkHjk  Institut  voor  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde 

van  Nederlands  Indie,  im  Haag. 

Der  Bibliothek  wurde  von  Herrn  L.  Levbold  i  Ex.  eines 
von  ihm  ins  Japanische  übersetzten  Kochbuchs  Scyo  ryori  ho 
geschenkt. 

Herr  G.  H.  Prof.  Dr.  Baelz  hielt  einen  durch  viele 
Projektionsbilder  erläuterten  Vortrag  über  die  Menschenrassen 
Ostasiens. 


SITZUNG  IN  YOKOHAMA 

am  28.  Mai   1902. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    Lehmann. 


Neu  eingetreten  ist : 

Herr  Legationssekretär  F.  von  Erckert,     Tokyo. 

Der  Kaiserl.  Gesandte  z.  D.  Herr  J.  von  Waldhausen  hat 
der  Gesellschaft  einen  prächtigen  elektrischen  Kronleuchter  für 
den  Sitzungssaal  zum  Geschenk  gemacht.  Geschenkt  wurden 
ferner  von  Herrn  Dr.  H.  ten  Kate  eine  Reihe  von 
anthropologischen  Büchern  und  Zeitschriften ;  von  Herrn  Prof. 
ViRCiiow    ein    Sonderabdruck    „  Zur    Erinnerung.      Blätter    des 


394 


SITZUNGSBERI CI ITE. 


Dankes  für  meine  Freunde  von  Rudolf  Virchow",  und  von 
Herrn  Graf  von  Arco- Valley  ein  rrachtalbum  ,,  Souv^cnir  of 
the  AUies  in  North  China". 

Der  Vorsitzende  teilt  mit,  dass  der  3.  Teil  des  VIII.  Bandes 
der  „  Mitteilungen  ",  welcher  damit  vollständig  wird,  zur  Ausgabe 
fertig  ist,  und  dass  der  von  Frau  Pfarrer  Haas  bearbeitete 
Generalindex  für  die  6  ersten  Bände  der  ,,  Mitteilungen "  zu- 
sammen mit  einer  kurzen  Geschichte  der  Gesellschaft  nunmehr 
in  Druck  gegeben  werden  kann. 

Ferner  macht  er  die  Mitteilung,  dass  der  Vorstand  es  für 
geboten  hielt,  die  Versicherungssumme  um  2.200  Yen  erhöhen  zu 
lassen  : 

nämlich    für  Gebäude     von  iai   4.000  auf  Yen  4.500, 

,,  Einrichtung  ,,  ,,         600  ,,  ,,  i.ooo, 

„  Bibliothek     ,,  „      4.000  „  ,,  5.000, 

,,  Kegelbahn    ,,  ,,       1.200  ,,  ,,  1.500. 

Hierauf  hielt  Herr  Prof.  Dr.  Hefele  einen  Vortrag  über 
,,Wald  und  Wasserwirtschaft".  Zum  Schluss  machte  Herr  E. 
Klocke  noch  eine  kleinere  Mitteilung  über  den  Hakonesee. 

SITZUNG  IN  TOKYO 

am  5.  Juli   1903. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    LEnM.A.NN. 


Neueingetreten  sind  die  Herren  : 
P.  Nyffenegger, 
W.  St.  Moss, 
P.  Gampert, 
Alex,  von  Gülpen, 
Schroeder-Schroedershof, 
E.  Ohlmer, 

Vizekonsul  Freiherr  von  Stengel, 
Konsul  Nössler, 


Tokyo. 
Yokohama. 

Emmerich. 
Saipan,  Mariannen. 
Tsingtau. 
Yokohama. 
Bremen. 


SITZUNGSBERICHTE.  395 

Ausgetreten  sind  dagegen  die  Herren  Konsul  Krencky,  Graf 
Wydenbruck,  W.  Schwartz. 

Als  Geschenke  wurden  überreicht :  P.  D.  Fischer,  Italien 
und  die  Italiener,  vom  Herrn  V^erfasser,  und  Lindor  Sernier 
Herdacht,  door  Dr.  H.  ten  Kate,  vom  Herrn  Verfasser  ;  ferner 
zwei  kleine  Abhandlungen  von  Herrn  E.  Klocke, 

Der  Vorsitzende  teilt  mit,  dass  der  Vorstand  beschlossen 
hat,  dem  Ostasiatischen  Verein  zu  Hamburg  auf  sein  Ansuchen 
ein  vollständiges  Exemplar  der  ,,  Älitteilungen  "  zu  überlassen. 

Herr  Prof  Dr.  Lamprecht  in  Leipzig,  der  sich  als  Mitglied 
der  Gesellschaft  eintragen  liess,  hat  sich  bereit  erklärt,  gegen  die 
bisher  erschienenen  Bände  der  ,,  Mitteilungen "  die  bisher  er- 
schienenen Bände   seiner   Deutschen    Geschichte  auszutauschen. 

Sodann  überreicht  der  Vorsitzende  Herrn  Dr.  L.  Riess  im 
Namen  des  Vorstandes  die  Urkunde  seiner  Ehrenmitgliedschaft 
und  verliest  den  Wortlaut  der  Urkunde  wie  folgt : 

Herr  Professor  Dr.  Riess  ! 

Mit  Bedauern  sehen  wir  die  Zeit  gekommen,  wo  Sie 
nach  15  jährigem  Aufenthalt  Japan  verlassen.  Denn  durch 
Ihre  Rückkehr  nach  der  Heimat  verliert  die  Deutsche  Ge- 
sellschaft für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  eines  ihrer 
eifrigsten  und  verdienstvollsten  Mitglieder. 

Sie  haben  die  Interessen  der  Gesellschaft  stets  in  her- 
vorragender Weise  gefördert :  ebensowohl  durch  eine  Reihe 
wertvoller  Vorträge  und  Veröffentlichungen  in  den  ,,  Mittei- 
lungen "  wie  auch  durch  Ihre  unermüdliche  Tätigkeit  im 
Vorstande  als  Bibliothekar  und  als  Mitglied  des  Redak- 
tionskomitees. Auch  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  wie  viel 
Sie  zur  Hebung  des  geselligen  Verkehrs  unter  den  Mitgliedern 
der  Gesellschaft  beigetragen  haben. 

Zum  Zeichen  des  Dankes  für  Ihre  Verdienste  über- 
reichen wir  Ihnen  das  Diplom  der  Ehrenmitgliedschaft. 

Tokyo  im  Juli    1902. 

Der  Vorstand: 

Emerich  Graf  von  Arco-Valley, 
Kais.   Deutscher  Gesandter. 

Dr.  K.  Florenz.  R.  Lehmann. 

A.  Gerdts.  Dr.  M.  Lehmann. 

Pfarrer  H.  Haas. 


39^  SITZUNGSBERICHTE. 

Herr  Dr.  Riess  bemerkt  liierauf,  er  sei  in  Verler^'enheit,  wie 
gebührend  zu  danken.  Je  mehr  die  Ostasiatische  Gesellschaft 
bisher  mit  Verleihung  der  I'.hrenmitgliedschaft  gekargt  habe, 
desto  höher  wisse  er  die  ihm  zu  Teil  gewordene  Auszeichnung 
zu  bewerten.  Bei  Abschät/.ung  seiner  Verdienste  scheine  ihm 
das  Gesetz  der  Amplifikation  gewaltet  zu  haben.  Was  er  der 
Gesellschaft  habe  leisten  können,  habe  er  ihr  stets  gerne  geleistet, 
und  schwer  falle  es  ihm  aufs  Herz,  dass  er  es  künftighin  nicht 
mehr  solle  tun  können.  Dagegen  freue  er  sich,  dass  die  Ge- 
sellschaft jetzt,  wo  er  von  ihr  scheiden  müsse,  in  einer  aufstreben- 
den Epoche  sei.  Das  Ansehen,  das  sie  geniesse,  werde  auch 
ihm  als  ihrem  nunmehrigen  Ehrenmitgliede  zugute  kommen. 
Er  aber  werde  sich  bestreben,  sich  auch  in  der  Heimat  der 
erfahrenen  Ehre  jederzeit  würdig  zu  erweisen.  — 

Als  neues  Mitglied  wird  Herr  A.  Brandt  in  Tokyo 
angemeldet. 

Hierauf  nimmt  Rev.  A.  Lloyd  das  Wort  zu  einem  Vortrag 
über  Neuere  japanische  Erzählungsliteratur. 

Nach  ihm  machte  Herr  G.  H.  Prof.  Dr.  Baelz  zwei  kürzere 
Mitteilungen : 

a)  Ueber     den    Einfluss    des    japanischen    Sitzens    auf    die 
Körperformen. 

b)  Noch  einmal  die  Mongolenflecken. 


SITZUNG  IN  YOKOHAMA 

am    24.    September    1902. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


Der   Vorsitzende   gedenkt   zunächst   zweier   aus   dem   Leben 
gerufener    Mitglieder,     der    Herren    Mühle    und    Hartig,    deren 
Gedächtnis  die  Anwesenden  durch  Erheben  von  den  Sitzen  ehren. 
Ausgetreten  ist  Herr  C.  Kayser. 

Zum   Eintritt    in   die    Gesellschaft    haben    sich    dagegen    ge- 
meldet die  Herren  : 


SITZUNGSBERICHTE.  397 

W.  Kroneck,  Yokohama. 

K.  Westphahl,  „ 

M.  Blümer,  „ 

A.  F.  Jahn,  Kobe. 

Krebs,   i.  Dolmetscher  der  Kaiserl. 
D.  Gesandtschaft  in  Peking. 

Kapitän  z.  S.  Truppel,  Gouverneur 

im  Kiautschou  Gebiet. 
Major  von  Etzel,  Tokyo. 

G.  A.  Heise,  Shanghai. 

Lic.  Theol.  H.  Hackmann. 

LebenslängUche  Mitgliedschaft  erwarben  die  Herren  Le- 
gationssekretär von  Erckert,  Forstrat  Schilling  und  E.  Ellon. 

Geschenkt  A\-urden  vom  Verf ,  Herrn  Wenckstern  :  Aus 
Dazai  Shindai's  Staats-  und  Volkswirtschaftslehre ;  desgl.  vom 
Verf.,  Herrn.  Dr.  Haberer  :  Schädel  und  Skeletteile  aus 
Peking.  Ferner  vom  Unterrichtsministerium  in  Berlin  „  Neue 
Folge  der  Meeresuntersuchungen ".  Herr  Dr.  Haberer  über- 
reichte weiter  für  die  Bibliothek :  Ostasiatische  Dekapoden, 
von  Dr.  F,  Doflein. 

Der  Vorsitzende  teilt  den  Vorstandsbeschluss  mit,  dass 
auf  die  Einladung  des  Gouvernement  General  de  l'Indo- Chine 
zur  Entsendung  eines  Delegierten  zum  Kongress  in  Hanoi  Herr 
Prof  Dr.  Florenz  entsendet  werden  solle  ;  ferner  dass  ein 
Supplementband  der  ,,  Mitteilungen  "  :  „  Pfarrer  Hans  Haas, 
Geschichte  des  Christentums  in  Japan.  I.  Erste  Einführung  des 
Christentums  in  Japan  durch  Franz  Xavier "  erschienen  und 
bereits  zum  Versandt  gekommen  ist. 

Die  Versammlung  gibt  hierauf  ihre  Zustimmung  zu  der 
durch  Kooptation  des  Vorstands  vollzogenen  Wahl  des  Herrn 
Dr.  Ohrt,  der  an  Stelle  des  Herrn  Dr.  Riess  in  den  Vorstand 
eintritt. 

Herr  E.  Klocke  erhielt  sodann  das  Wort  zu  einem  Vortrag  : 
,,  Kreuz  und  quer  durch   Hokkaido." 


398  SITZUNGSßERICIITE. 

SITZUNG  IN  TOKYO 

am    29.    Oktober    1902. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


Neueingetreten  sind  die  Herren  : 

Korvettenkapitän  Funk.e,  Kiautschou. 

C.  Jungiienn,  z.  Zt.  in  Tokyo. 

An  Gesclienken  für  die  Bibliothek  gingen  ein  :  Adolf  Fischer, 
Wandlungen  im  Kunstleben  Japans ;  Ders.,  Streifzüge  durch 
Formosa,  beide  Werke  überreicht  vom  Herrn  Verfasser ;  Catalogue 
des  Livres  Chinois  etc.  3  fasc.  vom  Verfasser,  Herrn  Maurice 
Courant  ;  P^estschrift,-  dem  XIII.  Intern.  Orient.  Kongress 
Hamburg  1902  gewidmet  vom  Wa-Doku-Kwai  Berlin  ;  Dr.  H. 
TEN  Kate,  Zur  Psychologie  der  Japaner,  vom  Herrn  Verfasser. 

Der  Vorsitzende  bringt  zur  Kenntnis  der  Versammlung, 
dass  von  den  ,,  Mitteilungen "  ein  neues  Heft,  Bd.  IX,  Teil  i, 
zur  Ausgabe  fertig  ist,  ferner  dass  binnen  kurzem  auch  die  2. 
Aufl.  der  Bücher  XXII-XXX  des  Nihongi  von  Dr.  Florenz 
erscheinen  kann. 

Sodann  nahm  Herr  Betriebs-  und  Bauinspektor  F.  Baltzer 
das  Wort  zu  einem  Vortrag  :    ,,  Entwicklung  der  Shintobauweise  ". 


SITZUNG  IN  YOKOHAMA 

am    28.    November    1902. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


Der    Vorsitzende    gibt    bekannt,    dass    Herr  Dr.    Mansfeld 
seinen  Austritt   angemeldet  hat.     Dagegen  sind  eingetreten  : 

S.  Durchlaucht  Prinz  Koudacheff,  Tokyo. 

Herr  Dr.  Reidiiaar,  Yokohama. 

Herr  Dr.  A.  Menge  sprach  sodann  über  ,,  Japanische  Kunst". 


SITZUNGSBERICHTE.  399 

SITZUNG  IN  TOKYO 

am    20.    Dezember    1902. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


I 


Neue  Mitglieder  : 

Herr  R.  Heise,  Tokyo. 
K.  Takata,  „ 

Dr.  PH.  A.  Nagamatsu,  „ 

H.  Steinmann,  Yokohama. 
Droegkamp,  ,, 

R.  Bertoch,  „ 

Ausgetreten   ist  Herr  O.  Scherer. 

Als  Geschenck  für  die  Bibliothek  überreicht  Herr  Pfarrer 
Haas  Jahrgang  III  der  von  ihm  herausgegebenen  Zeitschrift 
,,  Die  Wahrheit ",  und  Herr  Regierungs-  und  Baurat  F.  Baltzer 
die  Nummern  83,  89,  91  des  Zentralblatts  der  Bauverwaltung 
mit  einer  Arbeit  seiner  Feder  über  ,,  Die  Tempelanlage  von 
Horiuji  bei  Nara  in  Japan  ". 

Herr  Prof.  Dr.  Hefele  hielt  sodann  einen  Vortrag  :  ,,  Reise- 
erinnerungen aus  Ostchina  und  der  Mandschurei  ". 


GENERALVERSAMMLUNG  IN  YOKOHAMA 

am    4.    Februar    1903. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


Herr  Pfarrer  Haas  erstattet  im  Namen  des  Vorstands  den 
Jahresbericht  für  1902.  Der  Kassenbericht  wird  zur  Einsicht 
aufgelegt.     Hierauf  wird  dem  Vorstand  Decharge  erteilt. 

Aus  der  sodann  vorgenommenen  Neuwahl  für  den  Vorstand 


gingen  hervor  die  Herren 


400  SITZUNGSBERICHTE. 

Graf  von  Arcü-Valley,  R.  Lehmann, 

Dr.  Florenz,  Pfarrer  Haas, 

Dr.  M.  Lehmann,  A.  Gerdts, 
V.  Thiel. 

Herr  Regierungs-  und  Forstrat  Schilling  hielt  einen  Vortrag 
,,  Die  Besiedlung  des  Kronlandes  in  Hokkaido  ". 


SITZUNG  IN  TOKYO 

am    25.    Februar     1903. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


Bekannt  gegeben  wird,  dass  der  Gesellschaft  als  Mitglieder 
beigetreten  sind : 

Herr  G.  Boden,  Kobe. 
Baron  Mario  von  Manteuffel,  ,, 

George  Killian,  „ 

Kais.  Russ.  Staatsrat  Grebnitzki,  z.  Zt.  in  Tokyo. 
Baron  Corvisart,  „ 

Prof.  H.  Hubert,  Paris, 

ferner  dass  Herr  Regierungs-  und  Baurat  F.  Baltzer  und  Herr 
B.   Runge  die  lebenslängliche  Mitgliedschaft  erworben  haben. 

Für  die  Bibliothek  lief  als  Geschenk  ein : 

Ein  Separatabdruck  aus  den  Preussischen  Jahrbüchern, 
enthaltend  :  Die  Reform  des  japanischen  Schriftwesens,  ein 
Kulturproblem,  von  Dr.  L.  Riess. 

Der  neue  Vorstand  setzt  sich  wie  folgt  zusammen  : 

Herr  Graf  von  Arco- Valley  Vorsitzender, 
,,      R.  Lehmann,  stellv.  Vorsitzender, 

„      Pfarrer  H.   Haas. 
„      Prof.  Dr. 


H.  Haas,  )    ,^  ,    .... 

^^    _,,  V  Schriftführer, 

'.  K.    r  LORENZ,        j 


SITZUNGSBERICHTE.  4OI 

Herr  Dr.  M.  Lehmann, 


^    „  ,    Bibliothekare, 

b.    Ihiel, 

,,      A.   Gerdts,  Schatzmeister. 

Herr  Forstrat  Dr.  Hefele  liält  einen  Vortrag  über  Nordchina 
und  die  Mandschurei. 


SITZUNG  IN  TOKYO 

am  25.  März   1903. 


Vorsitzender  :    Herr    R.  Lehmann. 


Der  Vorsitzende  bringt  zunächst  in  P>innerung,  dass  die 
Gesellschaft  am  22.  d.  M.  die  Wiederkehr  des  30.  Jahrestags 
ihrer  Gründung  hätte  feiern  können,  und  nimmt  daher  Anlass 
einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  drei  Dezennien 
zu  geben.  Hierauf  begrüsst  er  die  Gäste  des  Abends,  unter 
denen  der  Admiral  Graf  von  Baudissin,  und  eine  Anzahl  der 
Offiziere  S.  M.  S.   Hansa  sind. 

Neue    Mitglieder  : 

Herr  Legationssekretär  Loewenthal  von  Linau, 

Kais.  u.  Kgl.   Oesterr.  Ung.  Geschäftsträger, 
,,      Graf  Alexander  von  Hatzfeldt,  Tokyo. 

,,      Ludwig  Löffler,  Giehren  in  Schlesien. 

,,      Fregattenkapitän  Trummler,  Yokohama. 

Der  Bibliothek  wurden  folgende  Bücher  geschenkt : 
Ph.  v.  Siebold's  letzte  Reise  nach  Japan,  von  dem  Herrn  Verf 
A.  Freiherrn  v.  Siebold. 

Geomorphologische  Studien  aus  Ostasien  IIL 

Freiherr  von  Richthofen,  Die  morphologische  Stellung  von 
Formosa,  vom  Herrn  Verfasser. 

F.  Baltzer,  Das  japanische  Haus,  vom  Herrn  Verfasser. 

Herr  G.  H.  Prof  Dr.  Baelz  hielt  hierauf  einen  durch  Pro- 
jektionsbilder erläuterten  Vortrag  „  Aus  Tonkin  ". 


402  SITZUNGSBERICHTE. 

SITZUNG  IN  YOKOHAMA 

am  29.  April   1903. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    Lehmann. 


Der  Vorsitzende  begrüsste  zunächst  Seine  Königliche  Hoheit 
Prinz  Rupprecht  von  Bayern,  welcher  die  Sitzung  mit,  seiner 
Anwesenheit  beehrte,  und  gab  sodann  bekannt,  dass  Herr 
Kammerherr  Graf  Anton  von  Arco-Valley  sich  in  die  Liste  der 
lebenslänglichen  Mitglieder  hat  eintragen  lassen  und  dass  folgende 
Herren  ordentliche  Mitglieder  wurden  : 

Herr  Vizeadmiral  Graf  von  Baudissin, 
„     Generalleutnant  von  Janson,  Excellenz,     Yokohama. 
,,     Marineoberstabsarzt  Dr.  Matthiolius,  ,, 

„     O.  Mahrt, 
,,     Prof.  Maitre,  Kyoto. 

Ferner  bringt  er  zur  Kenntnis,  dass  die  Bibliothek  eine  wert- 
volle Bereicherung  durch  eine  Reihe  von  Schenkungen  erfahren  hat. 
Von  der  Ecole  Francaise  d'Extreme  Orient  gingen  ein  :  Compte 
rendu  analytique  des  Seances  (Premier  Congres  International 
des  Etudes  d'extreme  Orient,  Hanoi  1902)  ;  Atlas  Archeologique 
de  rindo-Chine  ;  Phonetique  Annamite  ;  Les  Chams  ;  Elements 
de  Sanscrit  Classique  ;    Bulletin  de  l'Ecole  etc.    i.  u.  2.  Jahrg. 

Herr  M.  G.  Dumoutier  Hess  der  Gesellschaft  durch  Prof. 
Florenz  eine  Anzahl  seiner  eigenen  Publikationen  überreichen  : 
L'Enseignement  Franco-Annamite ;  Etudes  sur  les  Tonkinois ; 
Etüde  Historique  et  Archeologique  sur  Cö-Loa ;  Chua-Hai-Ba^ 
le  temple  des  Deux  Dames  ;  Les  Hak-ka ;  Etüde  sur  un 
Portulan  Annamite  du  XV.  siecle ;  Legendes  Historiques  de 
lAnnam  et  du  Tonkin ;  Etüde  Historique  et  Archeologique 
sur  Hoa-Lu' ;  Etüde  sur  les  depots  archeologiques  d'Omori  et 
d'Okadaira  ;  Les  Pagodes  de  Hanoi  ;  La  Laque  et  les  Huiles  ä 
Lacquer  ;    De  la  Condition  Moralc  des  Annamites  du  Tonkin. 

Herr  Professor  Dr.  Florenz  erstattete  Bericht  über  den 
Kongress    in    Hanoi,    zu    welchem   er  als  Delegierter  der  Gesell- 


SITZUNGSBERICHTE.  403 

Schaft  entsendet  war.  Sodann  gab  er  ein  Resume  über  eine 
von  Herrn  Prof.  Dr.  Koganei  für  die  ,,  Mitteilungen  "  gelieferte 
Abhandlung  über  die  Ureinwohner  von  Japan. 


SITZUNG  IN  TOKYO 

am  27.  I\Iai   1903. 


Vorsitzender  :    Herr    R.    Lehmann. 


Der  Vorsitzende  bittet  zunächst  die  Anwesenden,  das 
Andenken  zweier  verstorbener  Mitglieder,  der  Herren  Schröder- 
Schrödershoff  und  Simon  Strauss  in  üblicher  Weise  durch  Erheben 
von  den  Sitzen  zu  ehren. 

Neueingetreten  sind  : 

die  Herren  Kais.  Russ.  Konsul 

Fürst  Gagarin,  Nagasaki. 

C.  Klepsch,  ,, 

Pfarrer  M.  Ostwald,  Tokyo. 

Ausgetreten  :  Herr  Pfarrer  A.  Wendt. 

Für  die  Bibliothek  wurden  verschiedene  neue  Werke 
angeschafft. 

Der  2.  Teil  des  IX.  Bandes  der  ,,  Mitteilungen "  ist  zum 
Versandt  gelangt. 

Der  Vorsitzende  bringt  zur  Kenntnis  der  Versammlung,  dass 
der  Vorstand  beschlossen  hat,  Herrn  Konsul  Dr.  Krien,  einem 
der  Mitbegründer  der  Gesellschaft,  anlässlich  seiner  Heimkehr 
eine  Ehrung  durch  Uebersendung  einer  Adresse  zu  erweisen. 

Der  Schriftflihrer  Herr  Pflirrer  Haas  verliest  hierauf  den 
Wortlaut  des  Schriftstückes  wie  folgt : 

Hochverehrter  Plerr  Konsul  Krien  ! 

Sie  waren  einer  von  den  IMännern,  die  vor  nunmehr 
drei  Jahrzehnten  den  Gedanken  fassten,  die  Deutschen 
in  Japan,  soweit  sie  wissenschaftlich  interessiert,  in  eine 
Vereinigung    zusammenzufassen,    die    den    Mitgliedern    zum 


404  SITZUNGSBERICHTE. 

Austausch  ihrer  Ansichten  und  Erfalirungen  inbctreff  der 
Länder  Ostasiens  Gelegenheit  geben  und  darüber  hinaus  die 
Erforschung  der  Länder  des  fernen  Ostens  fördern  und 
durch  herauszugebende  ,,  Mitteilungen  "  die  wissenschaftliche 
Kenntnis  Ostasiens  mehren  und  verbreiten  sollte. 

Von  jenem  Kaisergeburtstage,  dem  Stiftungstage  unserer 
Deutsch-Ostasiatischen  Gesellschaft,  bis  heute  haben  Sie  ihr 
ununterbrochen  durch  all  die  Jahre  hindurch  angehört,  zeit- 
weise als  Mitglied  des  Vorstands  an  den  Lasten  ihrer 
geschäftlichen  Leitung  mitgetragen  und  ihre  wissenschaftlichen 
Bestrebungen  auch  durch  Mitarbeit  an  den  ,,  Mitteilungen  " 
gefördert. 

Es  ist  deshalb  begreiflich,  dass  wir  Ihrer  in  diesem 
Augenblicke,  wo  Sie  nach  dreissigjährigem  Aufenthalte  im 
fernen  Osten  nach  Deutschland  reisen,  um  dort  Erfrischung 
und  Erholung  zu  suchen,  dankbar  und  freundschaftlich 
gedenken.  Unsere  besten  Wünsche  begleiten  Sie,  und  vor 
allem  hoffen  wir,  dass  Sie  gekräftigt  wieder  nach  Japan 
zurückkehren  imd  auch  weiter  Ihr  Interesse  für  unsere 
Gesellschaft  bekunden  werden. 

Tokyo,   den  21.  Mai    1903. 

Im  Namen 
der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde 
Ostasiens 

der  Vorstand 
(Gez.) 

Graf  von  Arco-Valley, 

Kaiserl.  Deutscher  Gesandter. 
R.  Lehmann. 
Pfarrer  H.  Haas. 
Dr.  M.  Lehmann. 
Dr.  K.  Florenz. 
Thiel. 
A.  Gerdts. 

Herr  Prof.  Dr.  Florenz  hielt  einen  Vortrag  ,,  Aus  der  japa- 
nischen Erzählungsliteratur." 

Dem  letzten  Teil  der  Sitzung  wohnte  wiederum  Seine 
Königliche  Hoheit  Prinz  Rupprecht  von  Bayern  bei. 


SITZUNGSBERICHTE.  4O5 

SITZUNG  IN  TOKYO 

am    24.    Juni     1903. 


Vorsitzender  :     Herr    R.    Lehmann. 


Der  Vorsitzende  stellt  im  Namen  des  Vorstandes  den  Antrag, 
Seine  Königl.  Hoheit  Prinz  Rupprecht  von  Bayern  um  die 
Annahme  der  Ehrenmitgliedschaft  der  Gesellschaft  zu  bitten. 
Nachdem  der  Antrag  einstimmig  angenommen  ist,  gelangt  die 
Ehrenmitgliedschaftsurkunde  zur  Verlesung,  die  Seiner  König- 
lichen Hoheit  überreicht  werden  soll.     Ihr  Wortlaut  ist  wie  folgt : 

Durchlauchtigster  Prinz  ! 
Gnädigster  Prinz  und  Herr  ! 

Euerer  Königlichen  Hoheit  gegenwärtiger  Aufenthalt 
in  Japan  weckt  unwillkürlich  die  Erinnerung  an  den  Verkehr, 
der  schon  durch  das  16.,  '17.  und  18.  Jahrhundert  wie 
überhaupt  zwischen  Ostasien  und  den  Ländern  Europas  so 
auch  zwischen  Ostasien  und  Bayern,  dem  Stammlande  des 
Witteisbacher  Fürstenhauses,  auf  wissenschaftlicher  und 
religiöser  Grundlage,  in  kommerzieller  und  künstlerischer 
Hinsicht  bestanden  hat. 

An  Euerer  Königlichen  Hoheit  erlauchten  Vorfahren 
und  Verwandten  hat  dieser  vielseitige  Verkehr  durch  alle 
die  Zeit  im  Bayernlande  seine  verständnisvollsten  Förderer 
gehabt,  von  jenem  Kurfürsten  Wilhelm  V.  an,  dem  schon 
im  Jahre  1570  mit  den  Epistolac  Japoiiicae  ein  Buch  über 
Japan  und  mit  Trigautius'  Historia  im  Jahre  16 17  ein 
anderes  über  China  gewidmet  w'urde,  bis  auf  den  Witteisbacher, 
während  dessen  Regierung  Japan  dem  Westen  seine  Tore 
schloss,  und  bis  auf  alle  die  feinsinnigen  Fürsten  der  baye- 
rischen Dynastie  nach  ihm,  die  als  eifrige  Sammler 
ostasiatischer  Kunstwerke  Einfluss  auf  die  Gestaltung  des 
deutschen  Kunstgewerbes  übten. 

Den  Traditionen  dieser  erlauchten  F"ürsten  des  baye- 
rischen Herrscherhauses  folgen  jetzt,  da  der  Osten  abermals 
dem    Abendlande  offen  steht.  Euere   Königliche  Hoheit,    an 


406  SITZUNGSBERICHTE. 

der  Welt  asiatischen  Denkens  und  Dichtens,  Bildens  und 
Schaffens  lebhaftes  Interesse  nehmend,  ihre  Entwicklung 
mit  Aufmerksamkeit  verfolgend,  eifrig  darauf  bedacht,  durch 
Studium  wie  selbsteigene  Anschauung  Euerer  Königlichen 
Hoheit  Kenntnis  ostasiatischer  Dinge  zu  erweitern  und 
zu  vertiefen,  und  Männern  der  Wissenschaft  Anregung  zu 
Eorschungen  auf  diesem  Gebiete  gebend  und  ihre  Arbeit  in 
mannigfacher  Weise  unterstützend. 

So  darf  eine  Gesellschaft  wie  die  unserige,  die  sich 
Förderung  der  Erforschung  der  Länder  des  fernen  Ostens 
als  ihren  besonderen  Zweck  gesetzt,  Euere  Königliche  Eloheit 
begrüssen  als  einen  hohen  Gönner,  mit  welchem  sie'  sich 
völlig  eins  in  ihrem  Streben  weiss. 

Sie  ist  sich  aber  wohl  bewusst,  dass  sie  sich  selbst  am 
meisten  ehrt,  indem  sie  in  Bekundung  dieses  Gefühls  geistiger 
Gemeinschaft  sich  die  Freiheit  nimmt,  Euerer  Königlichen 
Hoheit  in  aller  Ehrerbietung  die  höchste  Auszeichnung 
anzutragen,  die  sie  darzubieten  hat : 

Die  Ehrenmitgliedschaft 

Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens. 

Euere  Königliche  Hoheit  hatten  wiederholt  die  Huld,  höchst 
Ihr  Interesse  an  unseren  Bestrebungen  durch  Teilnahme  an  den 
Sitzungen  der  Gesellschaft  zu  bekunden.  Geruhen  Euere  König- 
liche Hoheit  dafür  unseren  ehrfurchtsvollen  Dank  entgegen 
zunehmen,  und  genehmigen  Euere  Königliche  Hoheit  weiter  die 
Versicherung,  dass  das  Ehrenrecht,  einen  so  erlauchten  Namen 
dauernd  in  den  Listen  ihrer  Mitglieder  führen  zu  dürfen,  der 
Gesellschaft  ein  neuer  Antrieb  sein  wird,  alles  zu  tun,  um  das 
Ansehen,  in  dem  deutsche  Wissenschaft  in  Japan  steht,  auch 
fürderliin    mit  deutschem  Ernst  zu  wahren. 

Tokyo,  den  24.  Juni   1903. 

Im  Namen  und  Auftrag  der 

Deutschen  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Völkerkunde  Ostasiens 
der  Vorstand. 


SITZUNGSBERICHTE.  40/ 

(Dieses  von  den  zur  Zeit  in  Tokyo  anwesenden  Vorstands- 
mitgliedern, den  Herren  Graf  Arco- Valley,  R.  Lehmann,  Pfarrer 
Haas,  F.  Thiel  und  A.  Gerdts,  unterzeichnete  Schriftstück 
wurde  Seiner  KönigHchen  Hoheit  am  2.  Juli  in  besonderer  Audienz 
vom  Vorstand  auf  der  Gesandtschaft  überreicht).  — 

Neu  eingetreten  sind  in  die  Gesellschaft 

die  Herren  L.  Niemann,  Yokohama  und 

Dr.  Mischke,  ,, 

Geschenk  für  die  Bibliothek  :  Spörrv,  Die  Verwendung 
des  Bambus  in  Japan,  vom  Verfasser. 

Hierauf  nimmt  Herr  Pfarrer  H.  Haas  das  Wort  zu  einem 
Vortrag  :     ,,  Die   Einführung  des  Buddhismus  in  Japan  ". 


JAHRESBERICHT  FÜR  1902. 


Die  Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde 
Ostasiens  hat  während  des  Berichtjahres  4  Mitglieder  durch  den 
Tod  verloren  :  die  Herren  Meyerdierks  in  Yokohama,  Mühle 
in  Temesvär,  Hartig  in  Dresden  und  Prinz  von  Schwarzenberg, 
der  in  Shanghai  einem  Fieber  erlag.  Ihren  Austritt  haben  5 
Herren  erklärt.  Hingegen  Hessen  sich  47  neue  in  die  Listen 
der  Gesellschaft  eintragen.  So  erscheinen  diese  um  38  Namen 
gemehrt,  und  die  Mitgliederzahl  hat  am  Schlüsse  des  Jahres  das 
vierte  Hundert  überstiegen.  Von  den  ordentlichen  Mitgliedern 
erwarben  5  die  lebenslängliche  Mitgliedschaft,  und  einem,  Herrn 
Dr.  L.  R1E.SS,  der  nach  16  jähriger  Dozentenwirksamkeit  an 
der  Universität  Tokyo  in  die  Heimat  zurückkehrte,  wurde  in 
Anerkennung  seiner  Verdienste  um  das  wissenschaftliche  und 
gesellige  Leben  der  Gesellschaft  die  Ehremnitgliedschaft  zuerkannt. 

Der  Vorstand,  der  zu  12  Sitzungen  zusammentrat,  setzte 
sich  zusammen  aus  den   Herren  : 

Graf  Arco-Valley  als   i.  Vorsitzendem, 

R.  Lehmann  als  2.  Vorsitzendem, 

Prof  Dr.  K.  Florenz  und  Pfarrer  H.  Haas  als  Schriftführern, 

Prof  Dr.  L.  Riess  und  nach  seinem  Ausscheiden  Dr. 
E.  Ohrt,  sowie 


408  SITZUNGSBERICHTE. 

Dr.  M.  Lehmann  als  Bibliothekaren,  und 
A.   Gerdts  al.s  Schatzmeister. 

Das  Redaktionskomitee  bestand  aus  den  Herren  R.  Lehmann, 
Dr.  Florenz  und  Pfarrer  Haas. 

Mit  einer  Reihe  von  wissenschaftlichen  Listituten  wurden 
neue  Austauschverbindun^^en  angeknüpft.  Auch  die  l^ibliothek 
hat  wieder  durch  Schenkungen  eine  nicht  unbeträchtliche 
Bereicherung  erfahren.  Neuanschaffungen  für  sie  wurden  im 
Verwaltungsjahre  nur  wenige  gemacht.  Der  Gesellschaft  erwuchsen 
mancherlei  Kosten  durch  nötig  gewordene  Reparaturen  an 
Gebäude  und  Garten.  Freiwillige  Beiträge  einer  Anzahl  von 
Mitgliedern  ermöglichten  es,  die  Kegelbahn  zu  erweitern.'  Der 
Sitzungssaal  erhielt  durch  einen  von  Herrn  J.  von  Waldhausen  der 
Gesellschaft  zum  Geschenke  gemachten  elektrischen  Kronleuchter 
einen  prächtigen  Schmuck.  In  Anbetracht  des  solcherweise 
gesteigerten  Wertes  der  Gesellschaftsbücherei,  des  Gebäudes  und 
des  Liventars  hielt  es  der  Vorstand  für  geboten,  auch  den  Betrag 
der  Feuerversicherungspolice   um  2.200    Yen  erhöhen  zu  lassen. 

Die  Hauptausgaben  aber  verursachten  Druck  und  Versandt 
einer  Anzahl  von  teilweise  ziemlich  umfangreichen  Publikationen. 
Von  den  ,,  Mitteilungen  "  erschien  im  Oktober  Band  IX,  Teil 
I,   enthaltend  : 

Erinnerungen    an    Philipp    PVanz    von    Siebold    (mit    5 

Tafeln).     Von  Dr.  H.  ten  Kate. 
Aus  der  japanischen  Physiognomik  (mit  i  Tafel).     Von 

Prof     Dr.  K.  Miura. 
Das   heutige  japanische   Gefängniswesen   (mit  3  Tafeln). 

Von  Amtsrichter  Dr.  Grusen. 
Der  Tabak,  sein  Bau  und  seine  weitere   Behandlung  in 

Japan.     Von  Dr.  Max  Lehmann. 
Ueber   den    Riesensalamander   Japans.      Von    Prof    Dr. 

C.  Ishikawa. 
Bücherbesprechungen    (Seidel,    Jap.    Grammatik ;    Itchi- 
kawa,  Höjöki).     Von  Prof  Dr.  K.  Florenz. 

Gleichzeitig  wurde  ausgegeben  die  Festschrift  zur  Erinne- 
rung an  das  2 j  jährige  Stiftungsfest  enthaltend:  i)  eine  Skizze 
der  Geschichte  der  Gesellschaft  in  den  ersten  25  Jahren  ihres 
Bestehens  1 873-1838,  von  Dr.  L.  Riess,  2)  einen  Generalindex 
(Autoren-   und  Sachregister)  zu  Band   I-VI    der   ,,  Mitteilungen  " 


SITZUNGSBERICHTE.  4O9 

von    Frau    Pfarrer    Paula    Haas,    3)    Liste    der    Mitglieder    von 
1873-1898. 

Als  Supplement  der  ,,  Mitteilungen  "  erschien  ferner 

H.  Haas,   Geschichte  des  CJiristcntmns  in  Japan. 

I.  Band :    Erste  Einführung  des  Christentums  in  Japan 
durch  Franz  Xavier. 

Von  Dr.  PYorexz'  NiJwngi,  Teil  III  wurde  ein  Neudruck 
nötig,  der  so  ziemlich  zur  Vollendung  gediehen  ist.  Das  Werk, 
das  in  dieser  neuen  Auflage  im  jetzigen  Format  der  ,,  Mit- 
teilungen "  erscheint,  wurde  vom  Verfasser  einer  gründlichen 
Revision  unterzogen  und  ist  mit  einem  von  Pfarrer  Haas  be- 
arbeiteten Index  versehen. 

Legen  schon  diese  verschiedenen  Veröffentlichungen  Zeugnis 
ab  von  dem  regen  wissenschaftlichen  Streben  der  Gesellschaft, 
so  bekundeten  dies  nicht  minder  die  10  abwechselnd  in  Tokyo 
und  in  Yokohama  abgehaltenen  Sitzungen  mit  den  in  ihnen 
dargebotenen  Vorträgen  : 

i)   Mendez  Pinto  und  Japan,  von  Pfarrer  H.  Haas. 

2)  Faunistisches    aus    den    Gewässern    der   Insel    Hokkaido, 
von  Herrn  E.  Klocke. 

3)  Aus  der  Blütezeit   der  japanischen   Lyrik,   von  Prof.  Dr. 
K.  Florenz. 

4)  Projektionsbilder    der   Menschenrassen    Ostasiens  mit  Er- 
klärungen, von  G.  H.  Prof  Dr.  Baelz. 

5)  Wald-  und  Wasserwirtschaft,  von    P'orstmeister  Prof.  Dr. 
Hefele. 

Ferner  eine  kleinere  Mitteilung:  ,,  Einige  neuere 
Untersuchungen  über  den  Hakonesee  nebst  Bekanntgabe 
einer  neuen  dort  gefundenen  Crustacee  Bosminopsis 
Ishikawai ",  von  Herrn  P3.  Klocke. 

6)  Neuere    japanische     Erzählungsliteratur,    von    Rev.    A. 
Lloyd. 

Ferner  zwei  Mitteilungen  von  Prof.  Dr.  E.  Baelz  : 
ß)    Ueber  den   Einfluss  des  japanischen    Sitzens  auf  die 

Körper  formen. 
h)    Noch  einmal  die  Mongolenflecken. 

7)  Kreuz  und  quer  durch   Hokkaido,  von  Herrn  E.  Klocke. 

8)  Entwicklung   der   Shintobauweise,   von    Regierungs-  und 
Baurat  F.  Baltzer. 


410  SITZUNGSBERICHTE. 

9)    Ucbcr  japanische  Kunst,  von   Dr.  A.   Menge. 
10)    Rciscerinnerungen   von    Ostcliina   und   der    Mandschurei, 
von  Prof.  Dr.  Hefele. 

Für  die  in  Yokohama  abgehaltenen  Sitzungen  stellte  auch 
in  diesem  Jahre  wieder  der  Vorstand  des  Klubs  Germania  dessen 
grossen  Saal  zur  Verfligung,  ein  I*Jitgegcnkommen,  für  welches 
sich  ihm   die  Gesellschaft  zu  Danke  verpOiclitet  bekenrrt. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  auf  eine  vom  Gouverne- 
ment general  de  l'Indo  Chine  ergangene  Einladung  hin  Prof. 
Dr.  Florenz  als  Delegierter  zu  dem  in  den  Tagen  vom  3.-8. 
Dezember  in  Hanoi  abgehaltenen  Kongresse  entsandt  wurde,  bei 
welchem  die  Gesellschaft  ausserdem  noch  durch  die  Herren  G. 
H.  Prof  Dr.  Baelz  und  Freiherr  von  Ritter  zu  Grünsteyn 
vertreten  war. 


411 


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MITGLIEDERVERZEICHNIS. 

(September    1903.) 


VORSTAND. 

Erster  Vorsitzender Graf  von  Arco-Vallev, 

Zweiter         ,,  R.  Lehmann. 

Schriftführer Prof.  Dr.   K.  I^Yorenz. 

Pfarrer  H.  Haas. 
Bibliothekare Dr.   M.   Lehmann. 

F.  Thiel. 
Schatzmeister A.   Gerdt.s. 


EHRENMITGLIEDER. 

1.  S.   KÖNIGE.  Hoheit  Prinz  Heinrich  von  Preussen. 

2.  M.  von  Brandt,  Wirkl.  Geh.  Rat  und  Kaiserl.  D.  Gesandter 

a.  D.,  Exe,  Weimar. 

3.  Th.    von    Holleben,    Dr.    jur.,    Wirkl.    Geh.    Rat,    Kaiserl. 

D.  Botschafter  a.   D.  Exe.  —  Berlin. 

4.  R.  Lehmann,  Tokyo. 

5.  Sir  Ernest  Satow,  Kgl.  Grossbritannischcr  Gesandter,  Exe. — 

Peking. 

6.  IDr.    A.    Bastian,    Professor    und    Geh.    Oberregierungsrat    in 

Berlin. 

7.  Geheimer  Hofrat  Prof.   Dr.  med.   1\.   Baelz,  Tokyo. 

8.  Dr.  Ludwig   Riess,  Berlin. 

9.  S.  KÖNIGE.  Hoheit  Prinz  Rupprecht  von  B.vvern. 


414  i\nTGLiEnKR\"i:RZEicnMS. 

ORDENTLICHE  MITGLIEDER. 

(Die  mit  '•'  bezeichneten  sind  Mitglieder  auf  Lebenszeit.) 

T  Ö  K  Y  Ö. 

1.  Amthor,  Ingenieur  R.  —  Köjimachi,  lidamaclii  rokuchömc  21. 

2.  Aoki,    Vicomte    S.,  Kxc.  —  Köjimachi,  Kami-Nibancho    15. 

3.  Arco-Valley,  Graf  E.  von,  Kaiserl.   Deutscher  Gesandter.  — 

Köjimachi,  Nagatachö  itchöme   14. 

4.  Bridel,  Prof.  L.  —  Hongö,  Kagayashiki    11. 

5.  Corvisart,  Baron  de,  Oberstleutnant. — Azabu,   Imaichö  41. 

6.  Dohi,  Prof   Dr.   Keizö  —  Fujimichö  yochöme  10. 

7.  "^'Erckert,    F.    von,    K.   D.    Legationsrat.  —  Köjimachi,     Na- 

gatachö itchöme    14. 

8.  Etzel,  Major  von — Köjimachi,   Nagatachö  nichöme  7. 

9.  Flaig,  Emil.  —  Imperial  Hotel. 

10.  ^Florenz,    Prof.    Dr.     K.,    Bungaku-Hakushi.  —  Koishikawa, 

Haramachi    102. 

11.  Grififin,     Prof.    Charles     Sumner  —  Koishikawa,     Kobinata, 

Suidöbatamachi  nichöme  83. 

12.  *Haas,  Pfarrer  H.  —  Koishikawa,  Kamitomizakachö  39. 

13.  Hallier,  E. — Koishikawa,  Sekiguchi-Daimachi  No.  6. 

14.  Hatzfeldt,    Graf  Alex,    von  —  Attache    der  K.    D.   Gesandt- 

schaft, Köjimachi,  Nagatachö  itchöme   14. 

15.  Heidenreich,  P.  —  Tsukiji   i,  Hotel  Metropole. 

16.  Heise^  R.  —  Tsukiji   5   B. 

17.  lierrmann,  IngenieurV. — Tsukiji  28. 

18.  Hidaka,  Dr.  T.  —  Nihonbashi,  Kakigarachö  nichöme  3. 

19.  Junker,  Prof.  A.  —  Tsukiji  44. 

20.  Katsura,    Graf  Tarö,    General    und    Premierminister,  Exc- 

Shiba,  Mita  itchöme  46. 

21.  Kellner,  E. — Tsukiji  48. 

22.  Kessler,  Oberingenieur  H.  —  Tsukiji  48. 

23.  Kimura,  Ingenieur  M.  —  Shibaku,  Sakurada-Hongöchö    14. 

24.  Klocke,  E.  —  Ushigome,  Ichigaya,  Kagachö  nichöme   i. 


-'5 


MITGLIEDERVERZEICHNIS.  415 

Koeber,  Prof.  Dr.   R.  von  —  Surugadai,  Suzukichö. 

26.  Konoye,    Fürst    Atsumaro,    Durchlaucht.  —  Köjimachi    shi- 

chichömc. 

27.  Koudacheff,  Prinz,  iter  Sekretcär  der  K.  R.  Gesandtschaft. — 

Köjimachi,  Toranomon. 

28.  Krebs,  F.  —  Tsukiji  44. 

29.  Kubo,  Prof.  M.  —  Yotsuya,  Sugaichö   27. 

30.  Kuwada,  Braumei.ster  Ryöhei  —  Meguro,  Mita. 

31.  Lehmann,  Dr.   M.  —  Oji,  Nishigahara. 

32.  Leybold,  Ingenieur  L. — Tsukiji   51. 

33.  Lloyd,    Rev.    Arthur  —  Azabu,  liguramachi   rokuchöme    13. 

34.  Lönholm,    Prof.    Dr.    L.     H.,    Kgl.     Sachs.     Landgerichts- 

direktor. — •  Akasaka,    Aoyania    Minamichö    shichichöme 
Gakuin  2. 

35.  Low,  Prof.  Dr. — Aoyama,  Kitamachi  rokuchöme  47. 

36.  Loewenthal    von    Linau,     H.     Ritter,    K.   u.  K.     Oesterr.  - 

Ungar.  Geschäftsträger  —  Köjimachi,  Kioichö. 
'})'j.     jMaitre,  Prof.  Gl.  E.  —  Koishikawa,  Haramachi    102. 
3<S.     Mechlenburg,    Dr.   jur.    K.,    Dolmetscher-Eleve    der    K.    D. 

Gesandtschaft.  —  Köjimachi,  Nagatachö  itchöme    14. 

39.  Menge,  Dr.  A.  —  Tsukiji  28. 

40.  JMiura,  Prof.  Dr.  K.  —  Surugadai,  Kita-Kögamachi    3. 

41.  Müller,  O.  —  Tsukiji,  Sanchöme   15. 

42.  Nagai,    Prof.    Dr.  W.   N.  —  Akasaka,    Aoyama,  Minamichö. 

43.  Nagamatsu,  Dr.  phil.  Atsusuke,  Direktor  der  Tökyö-Feuer- 

versicherungsge-sellschaft — Köjimachi, Nakarokubanchö  12. 

44.  Nyffenegger,  P.  —  Hotel  Metropole,  Tsukiji   i. 

45.  Omura   Jintarö.  —  Ushigome  Yokoteramachi  61. 

46.  Ostwald,  Pfarrer  M.  —  Koishikawa,  Kamitomizakachö  23. 

47.  Poten,  Oberleutnant  A.  —  K.   D.  Gesandtschaft. 

48.  Riegelsberger,     G.,    Lehramtspraktikant.  —  Hotel     Central, 

Tsukiji. 

49.  Rosen,    Baron    von,     Kaiserl.     Russ.     Gesandter,     Exe.  — 

Köjimachi,   Toranomon. 

50.  Sach.se,     Hofrat      R.  —  K.     D.     Gesandtschaft,    Köjimachi, 

Nagatachö  itchöme   14. 

51.  *Schaeffer,  E.  —  Akasaka,  Omotechö  nichöme    3. 


4i6 


MI  r(iLIKDl':R\"ERZi:iCllNlS. 


52.  *Schin/Jni;cr,   Hauptmann  ¥.  —  Tsukiji  29. 

53.  Schmidt,  P.  —  Tsukiji   34. 

54.  Scriba,  Prof.  Dr.  J. — Kojimachi,  Ilirakawachö  t;ochömc  19. 

55.  Starke,  F.  —  Tsukiji  5   B. 

56.  Takeita  Kunisaburö — Hongö,  Yushima,  Mikumichö  5cS. 

57.  Thiel,  Fr.,  Sccretaire  Interprcte  der  K.  D.   Gesandtschaft.— 

Kojimachi,  Nagatachö  itchöme   14. 

58.  Trautschold,    W.,    Dohiictscher-Eleve    der    K.    R.  Gesandt- 

scliaft.  —  Kojimachi,  Toranomon. 

59.  Vautier,  P.  —  Tsukiji  sanchöme    15. 

60.  Vogt,  Dr.  K.,  Dühnetscher-Elev'e  der  K.  D.  Gesandtschaft. — 

Kojimachi,  Nagatachö  itchöme    14. 

61.  VVada,  Dr.  T.,   P.xc.  —  Ushigome,  Sanaizaka  26. 

62.  Wihn,  A.,  Secretaire  Interprete  der  K.  R.  Gesandtschaft.  — 

Kojimachi,  Toranomon. 

63.  Wood,   Rev.   V.  K.  —  Tsukiji   15. 

YOKOHAMA. 


64. 

Abegg,  H.  —      Y. 

^mashitacho 

90  A 

65. 

Becker,  E.  H.  — 

>) 

195. 

66. 

Behr,  H. — 

>i 

199. 

^7- 

Behr,  W. — 

II 

25- 

68. 

Bengen,  M.  F.  — 

,, 

154- 

69. 

Bertog,   R. — 

,, 

196. 

70. 

Bielfeld,  F. — 

1 1 

54- 

71- 

Blümer  M.  — 

II 

19S. 

72. 

Bosch,  H. — 

II 

54- 

73- 

Boyes,   R.  — 

II 

153- 

74- 

Büller,  P.  — 

,, 

25- 

75. 

Büschel,  A.  — 

,, 

54- 

76. 

Deck,   H.  C  — 

) ) 

95- 

77- 

Dreyer,  A.  — 

II 

75. 

78. 

Droegkamp,  A.  — 

,, 

196. 

79- 

Eichelberg,  E.  — 

Yamate 

123. 

80. 

P^okkes,  H.  —     Y 

amashitachö 

198. 

81. 

Fox,  E. — 

,, 

27. 

82. 

Gampert,  P.  — 

,, 

90  B 

MITGLIEDER  VERZEICHNIS.  4I7 

83.  Geräts,  Ad.  —       Yaniashitachö     24  A. 

84.  Groener,  A. —  ,,  180. 

85.  *Haberer,  Dr.  phil.  et.  med.  —  Negishi,    Sagiyama  3708. 

86.  Hagen,  W.,  Kaiserl.  D.    Vicekonsul.  —  Yamashitnchö  24. 

87.  Hagmann,  G.  —  Yaniashitachö    214. 

88.  Hasche,  E.  —  „  202. 

89.  Haynemann,   O.  —          ,,  70. 

90.  Heitmann,  C.  —  ,,  198. 

91.  Helm,  J. —  Yamate  12. 

92.  Heyden,  Dr.   med.  W.  van  der  —  Yamate  270. 

93.  *Holm,  H.  J.  —  Yamashitachö       54. 

94.  *IIHes,  C,  jun.  —  ,,  54. 

95.  Janson,  Generalleutnant  von,  Exe.  —  Yamate  60. 

96.  Karcher,  E.  —    Yamashitachö     198. 

97.  Kaufmann,  M. —  ,,  25. 

98.  Kern.  J.  —  ,,  90  A. 

99.  Kramer,  H.  —  ,,  54. 

00.  Kraemer  E.  —  ,,  46. 

01.  Kroneck,   \V. —  ,,  j"]. 

02.  Kümmel,  P.  —  ,,  196. 

03.  Levedag,  E.  —  „  153. 

04.  Lürmann,  Stephan —     „  153. 

05.  Mahrt,  O.—  „  ji. 

06.  Mason,  A. —  „  153. 

07.  Matthiolius,  Marine-Oberstabsarzt,  Dr.  —  Yamate  42. 

08.  *Meyer,    O.  —      Yamashitachö      46. 

09.  Mischke,  Dr.  phil.  —    ,,  -j?,. 

10.  Moss,  W.,  Stanley,—  „  89  C. 

11.  Münster,  B.  —  „  34. 

12.  Nabholz,  E.  —  „  95. 
13-  Niemann,    L. —               ,,  24  A. 

14.  Oberlein,  C.  E. —  ,,  199. 

15.  Ohrt,  Dr.  E.,  Dolmetscher  des  K.   D.  General- 

konsulats. —  Yamashitachö       24. 

16.  Orth,  E.  —  „  177. 

17.  Pfister,  R.—  „  90  B. 

18.  Popert,  1\  —  „  29. 


■7  0 


-  J 


418  MITGLIEnKRVKRZEICIlNIS. 

19.  Rcfardt,  C. —      Yamashitachö  199. 

20.  Reidhaar  Dr.,  med. — Yamate.  179. 

21.  Rctz,  F. —  Yamashitachö  214. 
Rhino,  C.  F.  —  „  242. 
Runge,  B.  —                  ,,  90  C. 

24.  Scherer,  Otto  —  Hommoku,  Kitagata  Myokogi,  Yama  167. 

25.  Schmacdecke,  W. — Yamashitachö    29. 

26.  Schmalbcck,  C.  —  ,,  I54- 

27.  Schmidt-Scharff,  R.  —       „  208. 

28.  Schramm,  C.  —  „  202. 

29.  Schwanke,  R.  —  ,,  40- 

30.  Seekamp,  A.  —  „  70. 

31.  Seel,  R.,  Architekt—     Yamate     33   B. 

32.  Steiner,  K.  —  ,,  87. 

33.  Steinmann,  H.  —  Yamashitachö     208,  [34. 

34.  Stengel,  H.  Feiherr  von,  K.  D.  VicekonsuL  —  Yamashitachö 
Sulzer,    R. —      Yamashitachö        174. 


JO 


36.  Sürth,   M.  —  „  29. 

^y.  Suthof.  A. —  ,,  95. 

38.  Temme,   H.  —  ,,  70. 

39.  Temme,  L.  —  ,,  29. 

40.  Trummler,  Korvettenkapitän.  —  Yamate   1 1 2  B. 

41.  Unger,  Alfr.  —  „  28. 

42.  Urhan,  F.  —       Yamashitachö        180. 

43.  Vehling,  \V.  — 

44.  Weinberger,  C.  —  ,,  46. 

45.  Wendt,  R.,  Braumeister,  —  Yamate   123. 

46.  Westphalen,  J.  —  Yamashitachö  256. 

47.  Witte,  A.  —  ,,  y6. 

48.  Werckmeister,  G.  —  ,,  256. 

49.  Ziegfeld,  F.   H.  —  ,,  89  C. 

JAPAN,  AUSSER  TOKYO  UND  YOKOHAMA. 

150.  Ailion,  J.  A. — Köbe   50. 

151.  Albrecht,  Rev.  Dr.  G.  E.  —  Kyoto. 

152.  Behnke,  K.  —  Köbe  91. 


MITGLIEDERVERZEICHNIS.  4I9 

53.  Behr,  E.  —  Köbe  91. 

54.  Blümer,   H.  —  Köbe   8. 

55.  Ijobsien,  L.  —  Köbe  47. 

56.  Boden,  G.  —  Köbe  68. 

57.  Boetel,  H.  —  Köbe   'jG  B. 

58.  Braess,  Ch. — Köbe  91. 

59.  Braune,  \V.  —  Köbe  83. 
[60.  Brenner,  C.  —  Köbe    12. 
[61.  Brüll,  O. — Köbe   loi. 
[62.  Bunge,  Th.  —  Köbe  30. 
163.  Cohen,  O.  —  Köbe  25. 

[64.  Danckwerts,   Y .  —  Köbe   loo. 

[65.  De  la  Camp,  Ch.  Lange.  —  Köbe    121. 

[66.  Erich,  G.  —  Köbe   10. 

{dj .  Evers,  A.  —  Köbe   loi. 

[68.  *Favre,  J.  —  Osaka,  Kawaguchi    10. 

[69.  Fischer,  O.  —  Köbe    121. 

70.  Friedrichsen,  C. — Köbe    12. 

71.  Fuehr,  Dr.   Alex. — K.  Deutsches  Konsulat  Köbe. 
.'J2.  Gagarin,  Fürst  A.,  Kaiserl.   Russ.  Konsul.  —  Nagasaki. 
'.']Z-  Göriz,  Prof.  A.  —  Universität  Kyoto. 

[74.  Gramatzky,  Dr.  A.  —  Kagoshima,  Kötö  Gakkö. 

75.  Grauthoff,  W.  —  Köbe,  Ikuta  mae   i. 

."jG.  Griebel,  P.  —  Köbe. 

77.  Hasche,  A.  —  Köbe  31   A. 

[78.  Heitmann,  W.  —  Köbe  68. 

79.  Hoffmann,  Fr.  —  Köbe  91. 

80.  Hofmann,  A.  —  Köbe    10. 

[81.  Horstmann,  P2.  —  Köbe.   32. 

82.  Jahn,  Alex.  F.  —  Köbe  31   A. 

83.  Janson,  Prof.  J.  L. — Aomori. 

84.  Junker,  E.  —  Kanazawa,  Kötö  Gakkö. 

[85.  Kasai,  Dr.  phil.  Shinzö  —  Onoda,  Yamaguchiken. 

.  Kate,      Dr.     med.     et     phil.      H.     ten  —  Köbe,     Ikutachö 
itchöme   59. 

[87.  Killian,  Georges  —  Köbe.   Russo-China  Bank. 

[88.  Kipp,  C.  —  Köbe,  Xaniwamachi  66. 


420  •  Mn'(ii.ii:i)j:R\j:R/.i:iciiNis. 


Klcpsch,  C.  —  Nagasaki,  Oura  4. 

Krien,  F.,  Kaiserl.  D.  Konsul.  —  Köbc. 

Kroncck,  E.  —  Köbe   10. 

Kunze,  R. — Sendai,  Kötö-Gakkö. 

Lüdccke,   F.  —  Köbc    lOi. 

Mantcuffel,  Ikron  Mario  —  Köbc,   Russo-China  Bank. 

Milbei-g,   R.  —  Köbc    121. 

Müller,  Dr.  W.  —  Köbe,  Kaiserl.   Deutsch.   Konsulat. 

Müller-Hceck,  G.  —  Nagasaki,  Kaiserl.  D.   Konsul. 

Neubert.   G.  — -  Köbc. 

Nierop,   VA.  L.   van  —  Köbe   'j'^  B. 

Nirrnheim,  A. — Köbe  8  A. 

Oestniann,  A. — Köbe  47. 

Ohly,   R.  N. — Adr.  Taits  &  Co.,  Taipch,  Formosa. 

Papellicr,   Dr.   med.   E.  M.  —  Köbe,  Uraniachi  34. 

Pohl,  R.  —  Köbe    12. 

Popp.  E.  —  Köbe,  Yama  66. 

Ramseger,  H.  —  Köbc  40. 

Raspe,  H.  R.  —  Köbe  91. 

Rciff,  R.  —  Köbe  8  A. 

Reinsdorf,     Y.,    Kaiserl.    D.     Konsul.  —  Tanisui-Twatutia, 

P'ormosa. 
Röper,  G.  —  Köbe  91. 
Schiller,  Pfarrer  ¥..  —  Kyoto. 
Simon,  A.  —  Köbe    loi. 
"Specka.  Dr.   G.  —  Nagasaki,  Kaiserl.  Deutsch.   Konsulat. 
Stürcke,  J.  —  Köbe   26. 
Thomas,  G.  —  Köbe  32. 
Wilckens,  A.  —  Köbe. 
Wilckens,  C.  —  Köbe. 
Wohlfahrt.  —  Kanazawa,  Kötö-Gakkö. 
Wulff,  A.  —  Köbc   25. 
Yamakawa,  Dr.  jur.  Y.  —  K)'oto,  Daigaku  (Universität.) 

OSTASIEN,  AUSSI'LR  JAPAN. 

221.     Bauciissin,  Graf  von,  .^dniiral  ä  la  suitc  .S.  M.  des  Kaisers. — 
Tsinetau. 


189 
190 
191 
192 

193 
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217 
218 
219 
220 


mitglii:der\erzeiciixi.s.  42  r 

222.  Becker,  R.  —  Hongkong,  Adr.  Sander  &  Co. 

223.  Behrendt,  E.  —  Shanghai,  Russ.-Chhi.  Bank. 

224.  Benedickter,  K.   M.  —  Shanghai. 

225.  Betz,    Dr.,    Dohiietscher-Elev^e.  —  Shanghai,     KaiserL     D. 

Generalkonsulat. 

226.  Bolljahn,   J.  —  Adr.    KaiserL    D.    Ministerresidentur    Söul, 

Korea. 

227.  Boye,    Dr.,     KaiserL    Deutscher    Vizekonsul  —  Shanghai, 

KaiserL  Deutsches  Generalkonsulat. 

228.  *Coates,  G.,  KaiserL   D.  Ministerresident.  —  Bangkok. 

229.  *Crusen,  Kaiser!.  Oberrichter  Dr.  —  Tsingtau. 

230.  Daniels,  W.,   Ingenieur.  —  Shanghai. 

231.  Drösemeier,  W.  —  Shanghai,  Russ.-Chin.  Bank. 

232.  Eckert,   F.,    Kgl.    Pr.    Musikdirektor.  —  Adr.    Kaiser!.    D. 

Ministerresidentur  Söul,  Korea. 

233.  Fink,  C.,  Redakteur  des  Ostas.   Lloyd.  —  Shanghai. 

234.  Funke,  Korvettenkapitän,  Chef  des  Stabes  beim  Gouverneur 

des  Kiautscliou-Gebiets. 

235.  Goltz,     Freiherr    von    der,     Legationsrat,    erster    Sekretcär 

der  KaiserL    D.  Gesandtschaft  in  Peking. 

236.  Grebnitzki,    KaiserL     Russ.    Staatsrat    u.    Gouverneur    der 

Komandorski-In.se!n,  Kamtscliatka. — Adr.  KaiserL  Russ. 
Gesandtscliaft,  Tokyo. 

237.  Hart,  Sir  Robert,  G.  C.  M.  G.,  Lispector  General,  Imperial 

Maritime  Customs.  —  Peking. 

238.  Hartmann,  A.  —  Shanghai,  Adr.  Arnhold,  Karberg  &  Co. 

239 
240 
241 

242 


243 
244 
245 
246 

247 
248 


Heise,  G.  A.  —  Shangliai,  Bund  6. 

Kallen,  R.  —  K.   Deutscli.  Konsul,  Canton. 

Knappe,  Dr.  \V'.,    Kaiser!.  D.    Generalkonsul.  —  Shangliai. 

Krebs,  Secretaire  Interprete  der  Kais.  Deutschen  Gesandt- 
schaft in  Peking. 

Lülirs,  Karl  —  Adr.   E.,  Meyer  &  Co.,  Chemulpo,  Korea. 

Marcuse,  S.  —  Adr.   Schlieper  &  Co.,  Soerabaja. 

Marx,  E.  —  Hongkong,  Adr.   F.  Blackhead  &  Co. 

Maurer  F.  X.  —  Tsingtau. 

Mc  Cullagh  —  Port  Arthur,  Russ.-Chin.  Bank. 

May,  P.,  i"'''  Sekretär  der  Kgl.  Belg.  Gesandtscliaft, — 
London. 


.422  Mir(;LIKI)KKVERZEICIIMS. 

249.  Ohlmcr,   lu'nst  —  Tsingtau. 

250.  Plcssmann,   Ingenieur  E.  —  Peking. 

251.  Riege,  A.  —  Singapore.  Adr.  ruttfarcken  &  Co. 
Spahvingk,  E.  —  Wladivvostock. 
Speelman,   Miehel  —  Shanghai,   Russo-China  Bank. 

254.     Truppel,  Kapitän  z.  S.,  Gouverneur  des  Kiautschou-Gebiets. 
255,.     Weipcrt,  Dr.   IT.,  Kaiserl.   D.   Konsul.  —  Berhn. 
256.     Wolter,  Karl  —  Adr.  K.  Meyer  &  Co.,  Cheniulpo,  Korea. 
'Wunsch,  Dr.   med.   R.  —  Seoul. 


252 
253 


-3/ 


258.      Zur  Nedden,  \V.  —  Tientsin.   Adr.   Buchheister  &  Co. 

EUROPA,    AMERIKA    ETC. 

2^9.     Achilles,  F..  —  Berlin  W.   Kochstr.  6j.  Adr.   Heim  &  Co. 

260.  "^'Arco- Valley,    Graf   A.    von,    Kgl.     Bayer.     Kämmerer  — 

München,  Theatinerstr.   7. 

261.  Bahr,   H.  —  Adr.   C.   Rhode  &  Co.,  Hamburg. 

262.  Bair,  M.  M.,  Kais.  D.   Konsul   a.   D.  —  Paris,  Avenue   de 

Villicrs    104. 

263.  *Baltzer,  E.,   Reg.-  und  Baurat.  —  Stettin,  Moltkestr.   20. 

264.  Beenken,    H.,    Ingenieur  —  Köln    a.    Rh.,    Gereonsdriesch 

16  IL 

265.  Bergmann,  J.,  Geh.  Justizrat.  —  Celle. 

266.  Bibra,  Freiherr  von,  Kapitänleutnant  —  Kiel. 

267.  Bieler,  Dr.  K.  —  Halle  a.  d.   Saale. 

268.  Blüthgen,    W.,    Direktor  des    Itlektrizitätswerks    Chemnitz. 

269.  Böse,  Ch.  von  —  Hamburg,  Adr.   Carlowitz  &  Co. 

270.  Brandt,  A.  A.  —  Bjrlin,  Adr.  Allgem.  Elektrizitäts-Ges. 

271.  Busse.  Prof.  Dr.  E. — Königsberg  i.  Pr.,  Mittel-Tragheim  47. 

272.  Coblitz,  W.  —  Speyer  a/Rh,  Adr.   Ludwig  ]\Ioos,   Königs- 

platz. 

273.  Coudenhove,  Dr.   Graf  H.  —  Ronsberg  (Böhmen). 

274.  Courant,    M.  —  Lyon,    Rhone    3    Chemin    du    Chancelier, 

EcuUy. 

275.  Dönhoff,    Graf,    PVeiherr   zu    Krafft,    W.    Geh.    Rat,    Kgl. 

Preussischer    Gesandter    z.    D.,    Exe.  —  Berlin,    Ausw. 
Amt. 

276.  Dümelin,  A.  —  I'rauenfeld,   Schweiz. 


MITGLIEDERVERZEICHNIS.  423 

277.  Dürbig,  F.  L.  —  Leipzig-,  Centralstr.    i8   II. 

278.  P2hrenreich,    Dr.    med.    Paul  —  Berlin,    \V.     Nettelbcckstr. 

9.   III. 

279.  lusendecher,  K.  von,  Wirkl.  Geh.   Rat  und  Viceadmiral  a 

la  suite  der  Marine,  Kgl.  Preussischer  Gesandter,  Exe. — 
Karlsruhe. 

280.  *Ellon,  Fr.  —  Berlin  W.,  Älohrenstr   54. 

28 1.  P^rckens,  M.  —  Aachen. 

282.  Eschenburg,  G.  —  Lübeck,  Katharinenstr.   37. 

283.  *Feicke,  J.  —  Grünberg  i.  Schlesien,  Bismarckstr.  4  a. 

284.  Ferber,  A.  —  Aachen. 

285.  *P'esca,  Prof.  Dr.   M.  —  Witzenhausen  a  W. 

286.  Finckenstein,  Graf —  Reitwein,  Reg.  Bez.   P^rankfurt  a/O. 

287.  Fischer,  Prof.  A.  —  Berlin,  Nollendorfplatz    i. 

288.  Fischer,    A.,    Ingenieur  —  Hannover     Linden,     Beethoven 

Str.    12. 

289.  P"lesch.  A.  de,  K.  u.  K.   Ooster.-Ungar.    Generalkonsul   a. 

D.  —  Budapest,  Bastya  utca   12. 

290.  Freyvogel,  E.  —  Aarau,  Schweiz. 

291.  Fritze,  Dr.  A.,  Privatdozent  —  Genf,   Rue  Argaud  3.  I. 

292.  PVitzsche,  Karl  —  Leipzig,  Adr.   Schimmel  &  Co. 

293.  *Gebhardt,  F.  —  Nürnberg. 

294.  Genthe,    Dr.    phil.    S.,  Redakteur    der    Köln.    Zeitung.  — 

Köln  a.  Rh. 

295.  Gottsche,     Prof.      Dr.      C.  —  Hamburg,     Adr.     Naturhist. 

Museum. 

296.  Grasmann,  Dr.  E.,  Reg.-und  Forstrat — Würzburg. 

297.  ■■•Groth,    Oberlehrer    Dr.     A.  —  Xikolassee    bei     Wannsee, 

Berlin. 

298.  Gülpen,  Alex,  van  —  Enmierich  a/Rh. 

299.  Gysin,  A.  —  Paris,  Adr.  Gysin  und  Schoeninger. 

300.  Hackmann,    Lic.    theol.    H.  —  Adr.    Frl.    M.    Hoyermann, 

Hoheneggelsen.  Prov.   Hannover. 

301.  Hansen,  Hans  —  Adr.  C.  Illies  &  Co.  —  Hamburg. 

302.  Haeslop,   H.  —  Hamburg,  Adr.   Sander  &  Co. 
S03.     Hake,  Th.  —  Wiesbaden,  Parkstr.   24. 


424  MITGLIKDERVERZEICIIXIS. 

304.  Hefele,  Forstmeister  Dr.  K.  —  Kirchberc;",    W'acliterlniülile 

bei  Bad  Reichenhall,  Bayern. 

305.  Helm.     P.  —  i\dr.    Carl    Kojemann.    Hamburfj,    Bcrgfelder 

Str.  69. 

306.  Hermanns,    J.     I\I.     V.  —  Adr.     I'Y^lten     und     Guilleaume, 

Mülheim  a/Rhein. 

307.  Hernsheim,  Konsul   Ed.  —  Hamburg  I.   Mittelweg    16. 
30S.      Hertz,   Dr.  J.  —  Helmstedt,  Braunschweig. 

309.  Heyking,  ]^^-eiherr  \'on,  Kaiserl.   D.   Gesandter  in  Mexiko. 

310.  Hubert,  Henri,  Prof.,    Pxole  des  Hautcs    Etudcs.  —  Paris. 

311.  Hussmann,  W.  —  Hamburg,  Deichstr.   34   i. 

312.  Hütterott,  Ritter  G.  von,  Kais.  jap.  Konsul.  —  Triest. 

313.  Illies,  C.  —  Hamburg,   Glockengiesserwall. 

314.  Iswolski.  —  Kaiserl.  Russ.  Gesandter,  Exe.  —  Kopenhagen. 

315.  Jankowich,  B.   von  —  Budapest,  Kerepesi  Bazar. 

316.  Jauss,  K.  —  Brück   bei  München. 

317.  '''Jüngermann.  —  Berlin  W,  Nettelbeck  Str.  9  III. 

318.  Junghenn,  Caesar. — Burma,  Toungoa. 

319.  Kassel,  E.,  Rechtsanwalt  u.   Notar. — Schweidnitz. 

320.  Kellner,  Dr.    O.,  Kgl.   Sachs.    Geh.    Hofrat,    Direktor  der 

Landwirtschaftl.  Versuchsstation  in  Möckern  b.  Leipzig. 

321.  Kempte,  Dr.  H.  —  Bombay,   Adr.   Leopold  Casella  &  Co. 

322.  Kirchhoff,  l"'.   Oberlehrer.  —  Norden,  Ostfriesland. 

323.  Klüss,     F.  —  Hamburg,     Eimsbüttel,    Schäferkamps- Allee 

47- 

324.  Koch,  Dr.,  Marine  Generaloberarzt  —  Berlin. 

325.  Kochen,  M.  \\\  —  Hamburg. 

326.  Kozakow,  G.  —  Masampo. 

327.  Kropp.   Ph.  —  Berlin  W,  Gentiner  Str.   33. 

328.  Kügler,  Oberstabsarzt   i.  Klasse  Dr.  H.  —  Berlin,  Lützow- 

str.  6. 

329.  Lamprecht,  Prof.  Dr.  —  Leipzig. 

330.  Laufer,  Dr.  Berthold  —  Köln  a/Rh.   Hohe  Str.    125. 

331.  Lentze,  Dr.  Albr.,   Geh.  Legationsrat  —  Berlin,  Schaperstr. 

29  II. 

332.  Levy,  Alexis  —  Paris,  Rue  de  Trevise  6. 

333.  Leyden,    Graf  von,   K.   Deutsch.  Gesandter. — Stockholm. 


MITGLIEDERVERZEICHNIS.  425 

334.  Loeffler,  Ludw.  —  Giehren,  Kreis  Löwenberg,   Schlesien. 

335.  Löhr  von,  Kais.  D.  Konsul.  —  Sarajewo,   Bosnien. 

336.  Lord,  O.  —  Hamburg,  Eimsbüttel,  Am  IMarkt   12. 

337.  Lyman,  Prof.  B.   S. — Philadelphia,  Locust  Street  708. 

338.  Lyssakowsky,     A.,    K.     Russ.     Gesandtschaftssekretär    in 

Bangkok. 

339.  Marx,  Bergassessor,  W.  —  Siegen  a/R. 

340.  Maschke,    E.,    Kapitän   zur   See   z.    D.  —  Essen,    Adr.  Fr. 

Krupp. 

341.  Mayet.  Prof  Dr.  P.,  G^h.  Regierungsrat. — Berlin,  Kaiserin 

Augusta  Str.  So. 

342.  *]\Ieincke,  ^1.,  Hauptmann  und  Batteriechef  —  Wesel. 

343.  Meister,  Dr.   H.  von  —  Frankfurt  a/M.,  Savigny  Str.   3. 

344.  Mendelssohn-Bartholdy,  P.  von  —  Berlin  W.  Jägerstr.  54. 

345.  Meyer,  O.  —  Bombay,  Adr.  Messrs.  Gaddum  Sc  Co. 

346.  jNIerian-Zaislin,  J.  R.  —  Basel,  Missionsstr.   24. 

347.  *Mirre,    A.,    Kapitänleutnannt.  —  ,,  Vulkan  ",    Bredow    bei 

Stettin. 

348.  "Mosle,  G.  P.  —  Berlin,  N.  W.  Schumannstr.   5.  L 

349.  Mosle  A.   G.  —  Hamburg. 

350.  Mosse,  A.,  Oberlandesgerichtsrat.  —  Königsberg  i.  Pr. 

351.  Müller,  W.  —  Leipzig  Gohlis,  Louisenstr.   31. 

352.  Nachod,      Dr.     O.  —  Zschachwitz     b.     Dresden,      Laube- 

gasterstr.  44. 

353.  Naudin,  J.  —  Hamburg,  Adr.  Bollenhagen  &  Co. 

354.  Noltenius,  F.  H.  —  Borgfeld  bei  Bremen. 

355.  Nössler,  Max  —  Bremen. 

356.  Orlik,  E. — 

357.  Piorkowski,     Hauptmann     von  —  Shanghai,     Adr.     Mandl 

&  Co. 

358.  Piper,  K.  —  Rostock,  St.  Georgsstrasse  42. 

359-    *Poklewski-Koziell,    Stanislas — i**'''    Sekretär    bei    der    K. 
Russ.  Botschaft,  London. 

360.  Pollitz,  G.  —  St.  Petersburg,  \Vm.  Pollitz   &  Co. 

361.  *Pors,  M.  —  Hamburg,  Adr.  Otto  Reimers  &  Co. 

362.  Posse,    E.,    Redakteur.  —  Adr.    Kölnische    Zeitung,    Köln 

a/Rh. 


426  MITGLIEDERVERZEICIIXIS. 

363.  Pschorr,  Dr.  pliil.  —  München,  ]3aycrstr.   32. 

364.  Raspe,  M.  —  Adr.   Georg  Kleinwoit,  Hamburg  Bergstr.  4. 

365.  Rathgen,  Prof.    Dr.   K.  —  Heidelberg,   Ziegelhäuser   Lantl- 

str.    52. 

366.  Reddelin,  G.  —  Hamburg,  Goethe  Str.,  Uhlenhorst. 

367.  Reimers,  O.  —  Hamburg,  Alsterdamm  6,  I. 

368.  '''Rembielinsky,  Graf —  Paris. 

369.  Richter,  W.  E.  —  Dresden,  Hohe  Str.    13. 

370.  Richthofen,   Oberleutnant,  Freiherr  von  —  Potsdam. 

371.  Ritter    zu    Gruensteyn,    Frhr.     G.     von,     Oberleutpant  — 

Karlsruhe. 

372.  Robert,  R.  —  Le  Locle,  Rue  du  Temple  29. 

373.  Rohde,  C.  —  Hamburg,  Rolandsbri^icke  4. 

374.  *Rumschöttel,   Direktor    R.  —  Berlin,    Adr.    Schwartzkopff, 

Chausseestr.    17/18. 

375.  Runkwitz,  Marine-Generaloberarzt  Dr.  —  Berlin  W,    P'riedr. 

Wilhelm  Str.  10. 

376.  Schabert,  P.  —  Hamburg,  Adr.  G.  Schabert,  Paulstr.   29. 

377.  *Schanz,  Moritz  —  Chemnitz,  Weststr.   28, 

378.  Schauenburg,  Aug.  —  Lahr  (Baden). 

379.  Schedel,  J. — München,  Amalien.str.    16  IV. 

380.  Scheube,  Sanitätsrat  Dr.  B.  —  Greiz  i.  V. 

381.  '''Schilling,    Reg.    und   P^orstrat    H.  —  Berlin    W.    Leipziger 

Platz  7. 

382.  Schmidt-Leda,  Dr.,  Kaiserl.   D.    Ministerresident   a.    D.  — 

Homburg  v.  d.  Höhe,  Ferdinandsanlage  8. 

383.  Schmiedel,  Prof.  O.  —  PLisenach,  Neudietendorf. 

384.  Schumacher,    Dr.    jur.    H.  —  Direktor    der    Handelshoch- 

schule Köln  a/Rh. 

385.  Schwartz,  jun.,  Werner  —  Bocholt  (Westfalen). 

386.  Seckendorff,  Freiherr  von,  Kaiserl.  D.  Konsul.  —  Prag. 

387.  Seydlitz  und  Ludwigsdorf,  von,  Kammergerichtsreferendar. 

—  Berlin. 

388.  -"Soltmann,  A.  —  Berlin,  S.  W.   Hollmann  Str.   25. 

389.  Sonnenburg,  Major  P^alkner  von  —  München,  Herzog  Ma.x 

Str.    3.,   Adr.  Justizrat  Dr.  von  Kraussold. 

390.  Spooner,  D.  B.  —  Sanscrit  College,  Benares. 

391.  *Spörry,   H.  —  Zürich.  L   Gerechtigkeitsgasse  31. 


MITGLIEDERVERZEICUXIS.  42/ 

392.     Spring-Rice,    C.    A.,    Kgl.  Grossbrit.   Botschaftssekretär  — 

St:  Petersburg. 
293.   *Stöpel,  K.  Th.  — Halle  a/S.,  Adr.  Bankhaus  Steckel. 

394.  Techow,  H.,  Kgl.  Preussischer  Oberverwaltungsgerichtsrat. 

—  Berlin,  Martin  Luther  Str.   86. 

395.  Thiel,  ^lax  —  Hamburg,  Adr.  Jaluit  Gesellschaft. 

396.  "Toppe,  Hüttendirector  G.  —  Hostenbach,  Saar. 

397.  *Treutler,  C.  G.  von,  K.  D.  Gesandter.  —  Rio  de   Janeiro. 

398.  Troeltsch,  p]dm.  —  Weissenburg  am  Sand.  Bayern. 

399.  Voges,  P.  —  Hamburg.  Adr.   Rittmeister  &  Co. 

400.  Wach,    H.,     Ingenieur.  —  Adr.     Prof.    Wach,    Universität 

Leipzig. 

401.  W^aldthausen,  B.   von,  Kgl.  Preussischer   Regierungsrat  — 

Berlin,  ]\Iargarethenstr.   2  u.   3. 

402.  '^"Waldthausen,  J.  von,  Kaiserl.  D.  Gesandter.  —  z.  Z.  Pässen 

a.  d.   Ruhr,  Kettwiger  Chaussee  70. 

403.  *Wedel,    Dr.    jur.,    Graf   B.    von,    K.    D.    Botschaftsrat  — 

Wien. 

404.  Wenckstern,  Prof  Dr.  A.,  Privatdozent.  —  Berlin,  Marien- 

höhe Dorf 

405.  Westphal,  C.  —  Berlin  W.    10.  Königin-Augustastr.   52. 

406.  Winckler,  J.  —  Hamburg,  Rathausmarkt. 

407.  Wirth,  Dr.  Albrecht  —  P^rankfurt  a/M,   Hermannstr.  42. 

408.  Wismer,   P^.  —  Lilienthal  bei  Bremen. 

409.  Wollant,    G.    de,    Kaiserl.    Russischer    Geschäftsträger.  — 

Mexico,  Mexico  City. 


LISTE  DER  GE8ELL8GHAETEN,  INSTITUTE,  REDAKTIONEN 

ETC.,  AN  WELCHE  DIE  „  MIHEILUNGEN " 

VERSANDT  WERDEN. 


ALTENBURG   i.  S. 

1.  Naturforschende   Gesellschaft  des  Osterlandes. 

AMSTERDAM. 

2.  Koninklijke  Akademie  van  Wetenschappen. 

3.  Koninklijk  Zoologisch   Gcnootschap    „  Natura  Artis   Magis- 

tra  ". 

BASEL. 

4.  Universität. 

BATAVIA. 

5.  Bataviaasch    Genootschap  van    Künsten  en    Wetenschappen. 

6.  Koninklijke    Natuurkundige    Vereeniging   in    Nederlandsch- 

Lidie. 

7.  Nederlandsch  -  Lidische     Maatschappij     van     Nijx'erheid    en 

Landbouw. 

BELFAST. 

8.  Natural   History  and  Philosophical  Society. 

BERLIN. 

9.  Königi.    Akademie  der  Wissenschaften. 

10.  ,,         Kultus-Ministerium. 

11.  ,,  Bibliothek. 

12.  ,,         Meteorolocrischcs  Institut. 


LISTE    DER    GESELLSCHAFTEX,    INSTITUTE    ETC.  429 

13.  Königl.  Orientalisches  Seminar. 

14.  Ethnologische  Abteilung  der  Königl.  Museen. 

15.  Gesellschaft  für  Anthropoh^igie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

16.  Gesellschaft  für  Erdkunke. 

17.  Redaktion  der  ,,  Deutschen  Literaturzeitung." 

18.  Professor    Dr.     Freiherr    F.    von    Richthofen,    Geh.     Ober- 

Regierungsrat,  Exe. 

19.  Kaiser].   Japanische  Gesandtschaft. 

20.  Deutsche  Kolonialgesellschaft. 

21.  Zeitschrift  ,,  Ostasien." 

22.  Allgem.  Ev^angel.  Missionsverein. 

23.  Botanischer  Verein  der  Prov.  Brandenburg. 

BONN. 

24.  Naturhistor.  Verein  der  preussischen  Rheinlande,  Westfalens 

und  des  Reg-Bezirks  Osnabrück. 

25.  Professor  Dr.  J.  J.   Rein. 

BOSTON. 

26.  Society  of  Natural  History. 

BRAUNSCHVVEIG. 

27.  Verein  flir   Naturwissenschaft. 

BREMEN. 

28.  Geographische  Gesellschaft. 

29.  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

BRÜSSEL. 

30.  Academie  Royale   des  Sciences,  des  Lettres  et   des  Beaux- 

Arts  de   Belgique. 

31.  Societe  Royale  Beige  de  Geographie. 

32.  ,,  ,,         Malacologique  de  Belgique. 

BUENOS  AYRES. 
33-     Instituto  Geografico  Argentino. 


430  LISTK    DER     r.ESELLSCIIAFTKX,    INSTITUTE    ETC. 

34.  Deutsche  Akademische  Vereinigung. 

35.  Direccion  General  de  Estadistica  de  la  Provincia  de  Buenos 

Aires. 

BUDAri':ST. 

36.  Ungarisches  National-IMuseuni.   Ethnographische  Abteilung. 

CALCUTTA. 

37.  Asiatic  Societ)'  of  Bcngal. 

38.  Geological  Surx-ey  of  India. 

CAMBRIDGE,  MASS..  U.  S.  A. 

39.  Museum  of  Comparativc  Zoology  at  Harvard  College. 

CAMPINAS. 

40.  Instituto  Agronomico. 

CASSEL. 

41.  Verein  für  Naturkunde. 

CHAPEL  HILL,  RALEIGH,   N.  C,  U.  S.  A. 

42.  Elisha  Mitchell  Scicntiiic  Society, 

CHEMNITZ. 

43.  Königl.  Sachs.   Meteorolog.  Institut. 

CHICAGO. 

44.  Field  Columbia  Museum. 

CHRISTI  ANIA. 

45.  Königl.  Universität. 

46.  Videnscabs  Sclskabet. 

CINCINNATI. 

47.  Societ}'  of  Natural  History. 


LISTE    DER    GESELLSCHAFTEN,    INSTITUTE    ETC.  43 1 

DANZIG. 

48.  Naturforschende  Gesellschaft. 

DAVENPORT,  IOWA. 

49.  Davenport  Academy  of  Natural  Sciences. 

DRESDEN. 

50.  Isis,  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft. 

51.  Verein  für  Erdkunde. 

EDINBURGH. 

52.  Royal  Society  of  Edinburgh. 

FRANKFURT  a/M 

53.  Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft. 

54.  Neue  Zoologische  Gesellschaft. 

55.  Physikalischer  Verein. 

FRANKFURT  a/O. 

56.  Naturwissenschaftl.  Verein  des  Regierungsbezirks  Frankfurt. 

GIESSEN. 

57.  Oberhessische  Gesellschaft  für  Natur-und  Heilkunde. 

GÖTTINGEN. 

5<S.     Königl.   Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

GREIFSWALD. 

59.  Geographische  Gesellschaft. 

HAAG. 

60.  Allgemeines  Reichsarchiv. 

61.  Koninklijk   Institut   voor  de   Taal-,  Land-  en    Volkenkunde 

van  Nederlandsch  Indie  en  Indisch  Genootschap. 


432  LISTE    DER    GESELLSCIIAFTEX,    INSTITUTE    ETC. 

HAARLEM. 

62.  Miisec  Tcijlci". 

HALLE   a/S. 

63.  Leopoldino-CaroHna,  Kaiscrl.   Akademie. 

64.  Verein  für  Erdkunde. 

HAMBURG. 

65.  Deutsche  Seewarte. 

66.  Geographische  Gesellscliaft. 

6y.     Verein  für  Naturwissenschaft!.   Unterhaltung. 
68.     Naturwissenschaft!.     Verein. 

HANOI. 
6g.     Eco!e  Frangaise  d'Extreme-Orient. 

HAVRE. 

70.  Societe  de  Geographie  Comnierciale  de  Havre. 

HELSINGFORS. 

71.  Societe  de   Geograpliie  de   Einlande. 

HERMANNSTADT. 

72.  Siebenbürg.  Karpathen-Verein. 

INDIANOPOLIS,  IND.  U.  S.  A. 

73.  Indiana  Academy  of  Science. 

ITHAKA,  N.  Y.  U.  S.  A. 

74.  W""  Elliüt   Griffis. 

IRKUTSK. 

75.  Ostsibirische  Sektion  der  Kais.  Geogr.  Gesellschaft. 

JENA. 

76.  Geographische  Gesellschaft  für  Thüringen. 


LISTE    DER    GESELLSCHAFTEN",     INSTITUTE    ETC.  433 

KIEL. 

']'].     Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Schleswig-Holstein. 

KOBE. 

']?>.     Klub  Concordia. 

KÖLN. 

79.  Redaktion  der  ,,  Kölnischen  Zeitung  ". 

KÖNIGSBERG. 

80.  Physikalisch-Ökonomische   Gesellschaft. 

KYOTO. 
(Sr.     Kaiserl.   Univ^ersität. 

LANDSHUT. 

82.  Botanischer  Verein. 

LEIDEN. 

83.  Redaktion  des   ,,  Internationalen  Archiv^s  für  Ethnographie  ". 

84.  Prof.   Dr.   G.   Schlegel. 

85.  T'oung    Pao.    Archives   pour    servnr   ä    letude    de    l'histoire 

etc.    de    l'Asie    Orientale. 

LEIPZIG. 

86.  Naturforschende  Gesellschaft. 

87.  Verein  für  Erdkunde. 

88.  Redaktion  des  ,,  Litterarischen  Centralblattes  ". 

89.  Museum  für  Völkerkunde. 

LISSABON. 

90.  Sociedade  de  Geographia. 

LONDON. 

91.  Redaktion  der  ,,  Nature  ". 


434  LISTK    ni-.R    GESELLSCHAFTEN,     IXSTLrUTE    ETC. 

92.  Ro\"al  Goocjraphical  Societ}'. 

93.  Japan  Society. 

MADISON,  WISCONSIN. 

94.  Wisconsin  Acadcni)'  of  Sciences,  Arts  and  Letters. 

MARSRILLi:. 

95.  Bibliotheque  de  la  I^'aculte  des  Sciences. 

METZ. 

96.  Verein  für  Erdkunde. 

M  ENI  CO. 

97.  Institute  Geologico. 

M  OD  ENA. 

98.  Real  Academia  di  Scienze,  Eettere  ed  Arti. 

MOSKAU. 

99.  Societc  Imperiale  des  Naturalistes. 

MÜNCHEN. 

100.     Königl.  Akademie  der  Wissenschaften. 
lOi.     Redaktion  der  ,,  Allgemeinen  Zeitung". 

102.  Deutsche    Gesellschaft    für    Anthropologie,    Ethnologie    u. 

Urgeschichte. 

103.  Geographische  Gesellschaft. 

104.  Ornithologische   Gesellschaft. 

NEUCHATEL. 

105.  Societc  Neuchateloise  de  Geographie. 

NEWHAVEN,  CONN.,  U.  S.  A. 

106.  Redaktion  des  ,,  American  Journal  of  Science  "; 

NEW  YORK. 

107.  American    Museum  of  Natural  History,  Central  Park. 


LISTE    HER    GE-ELLSCHAFTEX,     INSTITUTE    ETC.  435 

108.  Univ'crsit}-    of   the    State    of   New    York,    State    Library, 

Albany  X.  Y. 

109.  Prof.  F.   Hirth,   Columbia  Universit}\ 

NÜRNBERG. 

1 10.  Naturhistorisclie  Gesell.schaft. 

ODESSA. 

111.  Societe  des  Naturalistes  de  la  Nouvelle  Russie. 

PARA,  BRAZIL. 

112.  Museu  Paraense. 

PARIS. 

113.  Societe  Asiatique. 

1 14.  Musee  Guimet. 

115.  Ecole  d' Anthropologie  de  Paris. 

PETERSBURG. 

116.  Kaiserl.  Akademie  der  AVissenschaften. 

117.  ,,          Geographische  Gesellschaft. 

118.  ,,         Botanischer  Garten. 

1 19.  ,,          Ministerium     der     Reichsdomänen    (Geologische.s. 

Institut). 

120.  Kaiserl.   Mineralog.  Gesellschaft. 

PHILADELPHIA. 

121.  Academy  of  Natural  Science. 

ROM. 

122.  Real  Academia  dei  Lincei. 

123.  Societä  Geografica  Italiana. 

124.  Bibliotheca  Nazionale  Centrale. 

125.  Redaktion  des  ,,  Cosmos  ". 

.     SAN  FRANCISCO. 

126.  California  Academy  of  Sciences. 


43^  LISTE    DER    GESELLSCHAFTEN,    INSTITUTE    ETC. 

SANTIAGO,   CHILE. 

127.  Deutscher  Wissenschaftlicher  \"erein. 

128.  Societe  Scientifique. 

SAO  PAULO,  BRASILIEN. 

129.  Museu  PauHsta. 

130.  Institute  Agronomico. 

SHANGHAI. 

131.  North-China  Branch  of  the  Royal  Asiatic  Society. 

132.  Imperial  Maritime  Customs. 

133.  Der  Ferne  Osten. 

SINGAPORE. 

134.  Straits  Branch  of  the  Royal  Asiatic  Society. 

ST.   LOüIS,   AIISSOURI. 

135.  Academy  of  Science. 

136.  Botanical  Garden  of  Missouri. 

STETTIN. 

137.  Entomologische  Zeitung. 

STOCKHOLM. 

138.  Kgl.  Akademie  der  schönen  Wissenschaften,  der  Geschichte 

und  Altertumskunde. 

STUTTGART. 

139.  Verein  für  Handelsgeographie  etc. 

TOKYO. 

140.  Kaiserl.  Deutsche  Gesandtschaft. 

141.  Kaiserl.  Jap.  Unterrichtsministerium. 

142.  Teikoku  Daigaku  (Kaiserl.  Universität). 

143.  Teikoku  Toshokwan  (Kaiserl.  Bibliothek). 


144 
145 
146 

147 

148 


LISTE    DER    GESELLSCHAFTEN,    INSTITUTE    ETC.  437 

Chishitsu  Kyoku  (Kaiserl.   Geolog.  Reichsanstalt), 

Asiatic  Society  of  Jai)an. 

Japan  Times. 

Societas  Zoologicae  Japonenses. 

Medizinische  Fakultät  a.  d.  Kaiserl.  Uni\'ersität. 


TORONTO. 

149.  Canadian  Institute. 

TSCHITA,   OST-SIBIRIEN. 

150.  Transbaikalische      Filialabteilung       der       Kaiserl.       Russ. 

Geograph.  Gesellschaft  im  Amur-Gebiet. 

UPSALA. 

151.  Königl.  Universitäts-Bibliothek. 

WASHINGTON. 

152.  Smithsonian  Institute. 

153.  Bureau  of  Ethnology. 

154.  Chief  Signal   Office. 

155.  United  States  Geological  Survey. 

156.  National  Medical  Library  of  the   United  States. 

157.  U.  S.  Department  of  Agriculture. 

WIEN. 

158.  Kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften. 

159.  Kaiserl.  Geograph.  Gesellschaft. 

160.  Kaiserl.  Oesterreich.  Gesellschaft  für  Meteorologie. 

161.  K.  u.  K.  Geolog.  Reichsanstalt. 

162.  K.  u.  K.  Naturhistor.  Hofmuseum. 

163.  K.  u.  K.  Oesterreichisches  Handelsmuseum. 

164.  Orientalisches  Museum. 

165.  Ornitholog.   Verein. 

166.  Wiener  Zeitschrift  für  die  Kunde  des  Morgenlandes. 

167.  Anthropologische  Gesellschaft. 


438  MSTE    DER    GESELLSCHAFTEN,    IXSTLrL  TE    ETC. 

WÜRZBURG. 
i68.     Phy.sikalisch-Medi/.ini.schc   Gesellschaft. 

YOKOHAMA. 

169.  Klub  Germania. 

170.  Redaktion  der  „Japan  Weekly  :\Iail". 

ZÜRICH. 

171.  Xaturforschende   Gesellschaft. 

ZWICKAU. 

172.  Verein  für  Naturkunde. 


I 


l 


2i  l'r.tturiTcus-'ytautrriusrz  MavrimUT  ex.  SoctccatC- 
l-e^y  /-iJe-Tn  in  InJi^sn  imicx^t.  dj/rin.  ift2^rj^.^<'mi'. 


C  H  » T  8  T  E  7^/  /j^,  'Umeui  gxsndant'uhcre  c^ 
-    Peäora:  w ec  Tantum  mens  capit  aräa  Deum. 
Vandeßnui, Fkancisce  ?ater , totnm^ui^i 
numen 
In  ^uci  effanda4,^Hodfu^€rfihit,eri4nu 


suppi:^£:ivi£:nx        l^icXxS 


,,  Mittheilungen  "  der  Deutsehen' Gesellschaf t für  Natur 
2tnd  Völkerkunde  Ostasiens. 


GESCHICHTE  DES  CHRISTENTUMS 


IN  JAPAN 


VON 


PFARRER  HANS  HAAS. 


I. 

Erste  Einführung  des  Christentums  in  Japan 
durch  Franz  Xavier. 


TOKYO. 
1902. 


Erste  Einfiilirung  des  Cöristentunis  in  Japan 
durcli  Franz  Xavier. 


VORW'ORT. 


Mit  der  Absicht,  die  Geschichte  des  Christentums 
in  Japan  zu  schreiben,  hat  sich  schon  \'or  mehr  als  drei 
Jahrzehnten  Leöx  Facies,  der  verdienstvoKe,  auch  durch 
seine  französische  Uebersetzung-  der  Briefe  Franz  Xaviers 
bekannte  Herausgeber  der  Bibliographie  japonaise,  ge- 
tragen. Er  hat  sie  jedoch — und  das  ist  zu  bedauern — nur 
teilweise  zur  Ausführung  gebracht.  Ausser  einer  Gelegen- 
heitsschrift ,,  Histoirc  des  26  inartyrs  Japonais  [en  1597] 
dont  la  ecinonisation  doit  avoir  Heu  ä  Roiue  en  1862 " 
(Faris,  1862)  und  einer  kleinen  Monographie  „La  per- 
seaition  des  chretieiis  au  Japon  et  l' ambassade  japonaise 
en  Europe''  (Faris,  1873)  veröffentlichte  er  einen  um- 
fangreichen Band  ,,  Histoire  de  la  religion  ehretienne  an 
yapoii  depuis  i^gS  jusqilä  16 ji,  conprenant  les  faits 
relatifs  aux  denx  ccnt  cinq  inartyrs  bcatifies  le  /  jnillet 
1S6/  ",  dessen  erster  Teil  die  Verfolgungen  der  katho- 
lischen Kirche  in  Japan  während  des  im  Titel  bezeichneten 
Zeitraums  berichtet,  während  der  zweite  Teil  die  dazu 
gehörigen  Dokumente  in  lateinischer,  spanischer  oder 
französischer  Sprache  gibt.  Der  1869  und  1870  zu  Faris  er- 
schienene starke  Band  war  als  dritter  eines  auf  vier  Bände 
anorelecrten  W^erkes  oredacht.  Wäre  es  zu  stände  ee- 
kommen,  so  wäre  damit  nicht  zwar  das  Bedürfnis  nach 
einer  japanischen  Kirchengeschichte,  wie  ich  sie  zu  liefern 
versuche,  und  von  welcher  ich   hiermit   den   Anfang   der 


\'i  J^orzc'or/. 

Oeffentlichkcit  ühcrQ-obc,  Ijcfricxli^t.  Nach  der  /Vnlag'e 
des  veröffendichten  Bruchstücks,  das  in  Annalenform 
gehalten  ist,  wäre  es  weniger  eine  kritische  Gescliiclits- 
darstelluno-  als  \ielmehr  eine  umfassende  Quellen — und 
Materialiensammlung  geworden.  Aber  als  solche  wäre 
es  eine  nicht  genug  zu  schätzende  \'orarl)eit  für  den 
späteren  Bearbeiter  gewesen,  wie  dies  denn  der  vorhan- 
dene Band  für  die  Periode,  welche  er  umfasst,  thatsächlich 
ist.  Nur  die  Schwierigkeit,  ohne  eine  solche  unerlässige 
Vorarbeit,  die  eben  für  das  erste  halbe  Jahrhundert  der 
katholischen  Mission  in  Japan  noch  fehlt,  die  Darstellung 
zu  unternehmen,  erklärt  es  wohl,  dass  seit  Pa(;ks  kein 
Versuch  gewagt  wurde.  Denn  wie  seit  der  \\^iedere?rschlies- 
sung  des  hiselreichs  das  Christentum  in  Japan  abermals 
seine  friedlichen  Eroberungen  macht  und  zum  zweitenmale 
sichtlich  bereits  als  Kulturfaktor  im  \"olksleben  wirksam 
ist,  ist  auch  das  hiteresse  wieder  lebendig  für  die  Schick- 
sale, welche  die  christliche  Religion  das  erstemal  \^on  ihrer 
ersten  Einführung  um  die  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhun- 
derts an  bis  zu  ihrer  völligen  Vernichtung  gegen  Mitte  des 
siebzehnten  Jahrhunderts  auf  demselben  Boden  hatte.- 

Wer  über  die  Fortschritte  der  neuen  cliristlichcn 
Mission  in  Japan  sich  unterrichten  will,  dem  bieten  zwei 
gleich  treffliche,  in  ihrer  Beschränkung  auf  die  Darstellung 
der  evangelischen  l)zw.  katholischen  Bemühungen  einander 
ergänzende  Bücher,  was  er  sucht  :  D.  Ritter's  Drcissi^^ 
yahrc  prolcstantischcr  Alissiou  in  Japan  (Berlin,  1890) 
das  eine,  zuerst  erschienen  in  fünf  Heften  der  Zeitschrift 
für  Missionskunde  und  Religionswissenschaft,  Jahrgang 
I\'   und    \' ;  0   das  andere  :   Francisque  Marxas,  La  „  Re- 


I     Audi  in  englischer  Uel;ersetzung  erschienen  :     A  History  of  Protestant  Mis- 
sions in  Japan   by    Fastor  II.    Killer,  FIi.    D.    Translated   by  the    Rcv.    George  K. 


Vorii'OTt.  vii 

//Q'/cvi  de  Jesus''  rcssiiscitcc  an  yapou  dans  la  secondc 
iiioitic  du  XIX'  siccic.  2  \o\\.  (Paris  et  L3-oii,  1896). 
Wem  es  jedoch  darum  zu  tluin  ist,  sich  mehr  als  nur 
oberflächlich  über  den  früheren  ,,  Kampf  des  Christentums 
mit  dem  Heidentum "  in  Japan,  der  mit  der  völli_a-en 
Niederlage  des  ersteren  endete,  zu  informieren,  der  ist 
um  ähnliche  W^erke  verlegen.  Wohl  ist  mehr  als  eine 
Gesamtdarstellung  gedruckt  Avorden.  Der  Jesuitenpater 
Fraxcois  Solier  gab  bereits  1627  eine  Histoirc  ecclcsia- 
stiqTLc  des  isles  ei  royauincs  du  yapou,  depuis  lau  1^42 
jusqu" ä  Fan  16^2  in  zwei  Bänden  heraus.  1 689  erschien 
sodann  in  Paris  unter  dem  Titel  Histoirc  de  F Eglise  du 
Japon,  par  AI.  hibbe  de  T.  eine  neue  zweibändige,  auf 
Solier  fussende  Darstellung,  deren  Verfasser,  der  Jesuiten- 
pater Crasset,  die  Geschichte  bis  zum  Jahre  1658  fort- 
führte, zugleich  die  Annalenform  des  Sollerschen  W^erks 
mit  einer  zweckmässigeren  Anordnung  des  Stoffs  vertau- 
schend. ^)      Einen    breiten    Raum    nimmt   in    P.    Daniello 


AWrecht,  A.  JIÄ  Reviscd  and  bnv/gJi/  iip  to  dafe  by  tlie  Rev.  D.  C.  Greene,  D.  D., 
linder  t/ie  editorial  care  of  Pastor  Max  Christlieb,  l^h.  D.  Tokyo,  The  Methodist 
Publishing  Ilouse,  1898.  Die  auf  den  doppelten  Umfang  der  deutschen  Ausgabe 
geljrachte  Uebersetzung  darf,  wie  schon  ihr  Titel  zeigt,  eine  neue,  stark  vermehrte 
Auflage  des  Ritterschen  Werkes  genannt  werden.  Die  wichtigeren  Abschnitte  von 
D.  Grkexks  Fortsetzung  hat  Dr.  Cmristliei;  auch  ins  Deutsche  übertragen  und 
unter  dem  Titel  „Geschichte  der  evangelischen  Mission  in  Japan  von  iSgo-iSgS " 
\\\  der  Zeitschrift  für  Missionskunde  und  Religionswissenschaft,  Jahrgang  XV, 
veröffentlicht. 

2  Aon  diesem  wiederholt  aufgelegten  und  in  die  englische,  portugiesische, 
Italienische  und  sogar  in  die  japanische  Sprache  üijersetzten  Werke  erschien  1738 
zu  Augsburg  auch  eine  deutsche  Ausgabe  mit  dem  langen  Titel  „Aussfuhrliche  Ge- 
schieht der  in  dem  äi/ssersten  U'elt-llieil  gelegenen  Japonesischen  Kirch,  worinn  die 
glr.cklicJie  Vertilgung  der  ylbgötterey,  EinfiUuting,  Fortpßantzung,  Verfolgung,  und 
letztens  gäntzliche  Verbannung  des  Heiligen  Römisch  Catliolischen  Glaid>ens  in  disem 
grossen  Reich  nach  denen  besten  Urkunden  erzehlet  wird,  von  R.  P.  Joanne  Cras->kt, 
der  Gesellschafft  Jesu  Priestern  anjetzo  aber  auf  viler  Verlangen  in  die  teutschz 
Sprach  übersetzi  worden,'''- 


viii  Vortcorf. 

Bartoli'-s  Jlr/r  isforia   dclla   Coiiipao-nia   di  Giesn   P Asia 
die    „  isioria    dclla    Compagnia    di   Giesn   ncl    Giapponc  " 
ein.     Mit  Benützung   Bartolis  hat  dann  P.  Fr.  de  Chari.k- 
voix    zwei    W^erke    q-eschrieben  :     1715    eine    Histoirc   de 
r etablisseinciit,  des  proQ-res  et  de  la   decadenec  du   ehrisli- 
auisni  dans  F euipire  du    j'apou,  oft  fou  voü  les  dif/ereutes 
7'evolutious  qui  onl  agile  eetle  uiouarclne  pcudant  plus  d'un 
siede;   1736  eine  vollständige  Umarbeituno-  mit  dem  Titel 
Histoire  et  Dcscription  generale  du  yapoii,  oü  fou  trouve 
tont  ee  (j?lou  a  pu  apprendre  de  la  na  Iure  et  des  produe- 
tions  du  pays,  du  caractere  et  des  eoutumes  des  liaöitants, 
du  Q-ouvernenient  et  du  eonunerce,  des  revolutions  avj-ivees 
dans   r empire  et   dans   la    religio?: ;    F examen  de  tous  les 
auteurs    qui  oid  ecrit  sur  le   inenie  sujet,    avec  le  Fastes 
ehronologiques  de  la  decouverte  du  Nouveau-Mond^.     Und 
der  letztgenannte   Autor  sagt  :    „  Jamals   peut-etre    aucun 
sujet   n'a  en  si   peu    de   temps    exerce    tant    d'Ecrivains." 
Allein   diese   gesamte    Literatur,    die    ihr    Entstehen    dem 
lebhaften    Interesse    verdankt,     welches    die    europäische 
katholische  Christenheit  vor  200 — 250  Jahren  an  dem  Auf- 
blühen und   an  der   schrecklichen    Ausrottung   der  Kirche 
Christi   in  dem   fernen   hiselreiche   nahm,  ist  heute   selten 
geworden  und  nur  noch  in  den   Bücherständen  staatlicher 
oder  kirchlicher  Bibliotheken  zu  finden.     Und  auch  wenn 
sie  weniger  schwer  zugänglich  wäre,  als   es  der   Fall  ist, 
könnte  sie  doch  in  ihrer  zum  Teil  erbaulichen  und  durch- 
weg unkritischen   Art   modernen   Ansprüchen   nicht    mehr 
genügen. 

Zur  eigenen  Vorbereitung  habe  ich  selbstverständlich 
nicht  unterlassen,  diese  alten  W'erke  sämtlich  gründlich 
durchzuarbeiten.  Für  meine  eigene  Darstellung  habe  ich 
mich   grundsätzlich   nur   an    die    Quellen    selbst   gehalten, 


Vortvort.  ix 

die  Kompilationen  der  Alten  aber  nur  da  angezogen,  wo 
es  mir  aus  dem  einen  oder  andern  Grunde  geboten 
schien,  sie  zu  korrigieren.  Meist  geschah  dies  in  solchen 
Fällen,  wo  unrichtige  Einzelangaben  oder  irreführende 
Geschichtskonstruktionen,  die  sich  bei  ihnen  finden,  durch 
Aufnahme  in  neuere  Bücher  und  durch  immer  neue  Wie- 
derholung sich  so  verfestigt  haben,  dass  es  ratsam  war, 
sie  nicht  bloss  stillschweigend  durch  das  Richtige  zu 
ersetzen,  sondern  ausdrücklich  zu  berichtigen. 

Für  diesen  ersten  Teil,  welcher  die  Geschichte  der 
ersten  Einführung  des  Christentums  in  Japan  erzahlt,  sind 
die  vorhandenen  Quellen  vor  alleni  die  Briefe  Franz 
Xaviers,  ferner  Sendschreiben  seiner  Ge/iil/en  ans  yapan 
und  Schreiben  anderer  Jesniten  ans  Indien,  welche  sich 
bei  Maffei  [Selectarnni  epistolarnm  ex  India  libi-i  qnatnor) 
finden,  sowie  des  Fernäo  INIexdes  Pinto  PereQrina^äo. 
Diese  Dokumente  sind  tüchtig  ausgenützt  und  kritisch 
verwertet  worden.  Zeitgenössische  japanische  Quellen 
zur  Geschichte  des  Christentums  stehen  ül^erhaupt  spcärllch 
und  für  den  zunächst  behandelten  Zeitabschnitt  gar  nicht 
zur  Verfügung.  Die  japanische  Inquisition  hat,  als  die 
Tokugawaregierung  einnial  den  Beschluss  gefasst  hatte, 
die  fremde,  als  staatsgefährlich  erkannte  Religion  mit 
Stumpf  und  Stiel  auszurotten,  mit  einer  Gründlichkeit  und 
Ausdauer  gearbeitet,  die  dem  japanischen  Volke  sonst 
nicht  eigentümlich  ist. 

Als  einen  nicht  eenufr  zu  schätzenden  Vorteil  habe 
ich  es  gleichwohl  empfunden,  dass  ich  die  Arbeit,  soweit 
sie  bis  jetzt  gediehen  ist,  an  Ort  und  Stelle  selbst  zu 
schreiben  in  der  Lage  war.  hi  sehr  \'ielen  Zweifclfällen, 
in  denen  fern  vom  Schauplatz  der  berlchtc;ten  Geschichte 
keinerlei    Auskunft    zu    erlangen   wäre,    war    es    mir    hier 


mög-lich,  mir  tlic  ncUii^c  Ik-lehninq-  und  Aiifkläninor  durch 
Befragen  japanischer  Buddhistenpriester  und  eingeborener 
wie  eurojjäischer  Gelehrten,  die  sich  ernsthaft  mit  dem 
Studium  der  japanischen  Vergangenheit  bcfasst  haben,  zu 
verschaffen.  Von  den  letzteren  nenne  ich  l)esonders  die 
Herren  Dr.  L.  Rikss,  Professor  der  Geschichte  an  der 
Kaiserlichen  Universität  in  Tokyo,  und  Dr.  K.  Im.orenz, 
Professor  der  japanischen  Philologie  an  derselben  Univer- 
sität, denen  auch  an  dieser  Stelle  zu  danken  ich  für  meine 
PHicht  halte.  Auch  die  eigene  durch  mehrjährigen  Aufent- 
halt gewonnene  Kenntnis  von  Japans  Land  und  \'olk  kam 
mir  zu  besserem  Verständnis  der  Quellen  wohl  zu  statten. 
Leichter  und  in  grösserer  Reichhaltigkeit  als  irgendwo 
sonst  war  ferner  hier  die  Literatur  über  Japan  Im  allge- 
meinen und  über  lliinos  Japanese — es  stellt  mir  kein 
entprechender  gleich  kurzer  und  vielsagender  Ausdruck  in 
der  eigenen  Sprache  zu  Gebote — erreichbar.  Und  nicht  nur 
die  neuere  und  neueste,  soweit  sie  von  wissenschaftlichem 
Werte  Ist,  sondern  auch  die  zum  Teil  sehr  wertvolle 
ältere  Literatur  ist  von  mir,  sofern  sie  irgend  in  Bezieh- 
ung zu  meiner  Materie  steht,  in  umfassender  Weise 
benützt  worden.  Dem  Leser  Nachprüfung  und,  falls  Ihn 
danach  verlangt,  weitere  hiformlerung  zu  ermöglichen, 
habe  ich  sie  entweder  im  Text  selbst  oder  In  den  Anmer- 
kungen sorefältlsf  verzeichnet. 

Richtig  \\ird  man  es  ohne  weiteres  finden,  dass  In 
einem  besonderen  Abschnitt  des  vorliegenden  Buches  das 
Wichtigste  über  die  politischen  und  sozialen  Verhältnisse, 
w^elche  die  ersten  christlichen  Glaubensboten  bei  ihrer 
Ankunft  im  Lande  vorfanden,  in  gedrängter  Kürze  aus- 
einandergesetzt ist.  l'nd  dass  die  religiösen  Zustände  in 
ausführlicher    Skizze    behandelt    sind,    wird    um    so    eher 


Vorzi'flrt.  X 

g-erechtfertig"t  erscheinen,  je  schwerer  es  ist,  and<^rwärts 
etwas  Zuverlässiges  und  genügend  Orientierendes  hie- 
rüber zu  finden.  Einiger  EntschuldiorunQf  aber  bedarf  es 
vielleicht,  ausser  der  bereits  im  betreffenden  Kapitel 
gegebenen,  dass  der  Entdeckungsgeschichte  Japans  ein 
so  verhältnismässig  breiter  Raimi  verstattet  worden  ist. 
Ich  wollte  das  von  der  bisher  geltenden  Anschauung  abwei- 
chende Resultat  meiner  eigenen  bezüglichen  Untersu- 
chunofen  nicht  o'eben,  ohne  es  durch  Unterbreituno-  des 
gesamten  I\Iaterials,  auf  welches  es  sich  stützt,  auch  vor 
dem  Leser  zu  begründen. 

Dem  Buche  ist  das  Bildnis  Franz  Xaviers  vorange- 
stellt, das  nur  fünfundfünfzig  Jahre  nach  dessen  Tod  sein 
erster  Biograph  Tursellin  mit  Approbation  der  Gesell- 
schaft Jesu  seinem  Leben  des  Heiligen  beigegeben  hat. 
Die  Reproduktion  ist  nach  dem  Stiche  in  der  Ausgabe 
Coloniae  Agrippinae,  apud  Joannem  Kinckium  sub  Mono- 
cerote.  Anno  M.DC.X.  anofefertiot  und  wurde  von  der 
Ogawa'schen  Druckerei  in  Tokyo  ausgeführt.  Das  Bild, 
das  die  nachfolgenden  Blätter  \-on  der  £'cis/ior/i  Persönlich- 
keit Xaviers  geben,  ist  merklich  günstiger  als  das,  welches 
protestantische  Beurteiler,  Vvie  H.  \'enx  und  \\\  Hoff.maxx 
von  ihm  ofezelchnet  haben.  Es  ist  so  ausgefallen,  nicht  nur 
weil  dem  Verfasser  die  väterliche  Mahnung  unvergessen 
ist,  die  ihm  vor  seiner  Ausreise  nach  Japan  der  am  5. 
Januar  1901  dahingeschiedene  hochsinnige  und  h'omme 
Grossherzog  Carl  Alexander  von  Sachsen,  der  warmherzige 
Gönner    der    deutschen    protestantischen    Missionsarbeit  3) 

3  Wie  sehr  dem  Enkel  Karl  Augusts  das  Werk  der  Mission  am  Herzen  lag, 
bezeugt  wolil  am  besten  folgende  Acusserung  des  eklen  Fürsten:  ,.  Ich  danke 
meinem  Gott,  dass  ich  in  meinem  hohen  Alter  noch  berufen  l)in,  an  einem  so  schönen 
Werke,  wie  es  die  ]SIis>ion  ist,  mitzuarbeiten  und  Gottes  Reich  im  fernen  Ostasien 
avsbreiten  zu  helfen.'- 


xii  Vorzi'flj't. 

und  Protektor  der  deutschen  evan^'elischen  Diaspora- 
Gemeinden  in  Japan  und  in  China,  in  der  Abschiedsstunde 
in  der  Luthcrzelle  auf  der  Wartburi.^  für  seine  Doppehvirk- 
sanikeit  im  Lande  dc;s  Sonnenaulg'angs  mit  auf  den  Weg 
gegeben  hat :  „  Halten  Sie  -christHch  k^ricden  mit  den 
KathoHken  !  " — es  ist  so  aufgefallen,  weil  ihm  die  Persön- 
lichkeit und  das  Wirken  des  ersten  Christentunisverkiin- 
digers  in  Japan  wirklich  je  länger  desto  mehr  Achtung 
und  Bewunderung  abgezwungen  liat,  und  weil  er  von  Dr. 
Martin  Luther  auch  dies  gelernt  hat,  der  Wahrheit  alle- 
zeit die  Ehre  zu  geben. 

Ich  schliesse  diese  Vorbemerkung,  indem  ich  mir  die 
Worte  zu  eigen  mache,  welche  der  Jesuitenpater  Crasset  in 
der  Vorrede  zu  seiner  japanischen  Kirchengeschichte  vor 
nun  mehr  als  zweihundert  Jahren  schrieb  :  ,,  Ich  schmeichle 
mir  mit  der  Hoffnung,  dass  die  Neugierige  hierinn  ein 
WM-gnügen  haben,  die  Fromme  erbauet,  die  Catholische 
in  dem  Glauben  gestärcket,  die  Ungläubige  von  der  Wahr- 
heit unserer  Religion  überwisen,  die  Kaltsinnige  zur 
Tugend  aufgemuntert,  und  die  V^ollkommene  mit  einer 
hefiftigen  Begiercl  werden  angeflammet  werden,  das  Liecht 
des  Glaubens  in  die  entferneste  Land  zu  bringen." 

HANS  HAAS. 

Tökvö,  Koishikawa,   im  Sommer   1902. 


»o-§r-o< 


Uebersicht  des  Inhalts. 


-►♦^- 


SEII E. 

Vorwort v 

Uebersicht  des  Inhalts xiü 


Erstes  Kapitel : — Erste  Kunde  von  Japan  in  pAiropa    .     .        i 

Zweites  Kapitel: — Auf  der  Suche  nach  Zipangu.     ...       9 

Drittes  Kapitel: — Entdeckung    Japans    durch    die    Portu- 
giesen      15 

Viertes  Kapitel : — Taufe  dreier  Japaner  in  Goa    ....      50 
Fünftes  Kapitel : — Entschki.'^^s  Xaviers,  das  EvangeHum  in 

Japan  zu   verkünden (i"/ 

Sechstes  Kapitel : — Xaviers    Fahrt  naeh    Japan  und"  Lan- 
dung in  Kagoshima 78 

Siebentes  Kapitel : — Pohtische    und     soziale    Verhältnisse 

J'ipans 95 

Achtes  Kapitel: — Religiöse  und  sittliche  Zustände    .     .     .106 

Neuntes  Kapitel : — Anfänge  der   Missionsarbeit   in    Kago- 
shima       139 

Zehntes  Kapitel: — Gemeindegri^indung    in  Hirado     .     .     .163 

,,  — Exkurs 167 

Elftes  Kapitel : — Aufenthalt  in  Yamaguchi  und  Reise  nach 

der  Hauptstadt 171 

Zwölftes  Kapitel : — Gri^indung    einer   Gemeinde    in    Yama- 
guchi        180 

Dreizehntes  Kapitel: — Franz  Xavier  geht  nach  Bungo    .   192 


xiv  UcbcrskJit  des  Inhalts. 

SKITK. 

Vierzehntes  Kapitel: — Schicksale  der  Gemeinde  in  Yania- 

L^uchi   nacli   Xaviers    Weg<^ani4- 205 

Fünfzehntes  Kapitel : — Rückblick  auf  Xaviers  Kämpfe  in 

Japan 214 

Sechzehntes  Kapitel : — Xaviers  Abschied  von  Japan.      .      .   229 

Siebzehntes  Kapitel: — Zur  Würdii^uno- Xaviers     ....   232 

Literatur  zum   Leben  Franz    Xax'iers 237 


ANHANG. 

I.  Katechetisches  Sendschreiben  an  die  Bewohner 

der  Moiukken  (Xaviers  ausführliche  luklärunij  des 
Glaubensbekenntnisses) 243 

II.  Auszuge  aus  dem  Berichte  des  Schiffskapitäns 

Georg  Alvarez  über  Japan 269 

III.  Beschreibung  der  Gebräuche  und  Sitten  auf  einer 

erst  küi'zlich  gegen  Norden  entdeckten  Insel, 
Japan  mit  Namen.  (Xach  den  INIitteilungcn  Pauls, 
früher  genannt  Angero,  der,  ein  Lingcborencr  der  ge-. 
nannten  Insel,  sich  kürzlich  zu  unserem  heiligen 
Glauben  bekehrte) 280 

IV.  Pauli  Japonii  ad  Societatem  Jesu  in  Indiam         301 


ERSTES  KAPITEL. 
Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa. 


Habcnt  sua  fata  libclli.  Auch  Bücher  haben  ihr  Erlebtes. 
Es  mögen  deren  aber  nicht  allzu  viele  sein,  von  denen  das  mehr 
gälte  als  von  einem,  das  im  Jahre  1298  in  Genua  entstand.  Sein 
Autor,  ein  vielgewanderter  Odysseus  und  offenbar  kein  Mann  der 
Feder,  hat  es  nicht  selbst  geschrieben!  Wie  ein  Ibn  Batuta,  der 
Mönch  Odoric,  Nicolo  Conti  und  andere  berühmte  Reisende  des 
Mittelalters,  die  nicht  nach  literarischen  Ehren  geizten,  hat  er  sich 
nur  bereden  lassen,  die  Beschreibung  seiner  Reisen  einem  andern 
zu  diktieren.  Seine  Zeitgenossen  nahmen  das  fertige  Werk  als 
Fabelbuch  auf,  so  et\v\a  wie  die  ,,  Cento  Novelle "  oder  w'ie 
,,  Tausend  und  Eine  Nacht ",  und  Jacopo  d'Acqui's  Chronik 
„  Iinago  JSIiDidi''  berichtet,  dass  der  Verfasser  sich  noch  auf 
seinem  Sterbebette  von  besorgten  Freunden  ermahnen  lassen 
musste,  seinen  Reiseerinnerungen  durch  Ausmerzung  alles  Fabulier- 
ten den  Doppelcharakter  von  Wahrheit  und  Dichtung  zu  beneh- 
men und  so  seine  Seele  zu  einem  frommen  Abscheiden  aus  der 
Welt  christlich  zu  salvieren.  Der  Sterbende  versicherte,  er  habe 
nicht  die  Hälfte  dessen  erzählt,  was  er  wirklich  gesehen,  und  Hess 
das  Buch  so,  wie  es  war.  Es  wurde  trotzdem,  oder  vielleicht  gerade 
wegen  der  unglaublichen  Dinge,  die  es  enthielt,  aufs  eifrigste 
gelesen,  durch  Abschriften  vervielfältigt  in  Italien  verbreitet,  auch 
in  eine  Reihe  anderer  europäischer  Sprachen  übertragen  und 
wieder  und  wieder  übersetzt.  Für  geraume  Weile,  für  ein  Jahr- 
hundert, war  es  alsdann,  so  scheint  es,  ganz  vergessen.  Im 
Zeitalter   der  grossen   Entdeckungen   aber   wurde   es  aus    seiner 


2  Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa. 

Verfressenheit  wieder  hervorgezogen  \\\\C[  niclit  lange  nach  Er- 
findung der  schwarzxn  Kunst  zum  erstenmal  1477  zu  Nürnberg 
und  gleichzeitig  in  Wien  deutsch  und  im  selben  Jahrhundert  noch 
in  vier  anderen  Ausgaben  in  deutscher  und  lateinischer  Sprache 
und  in  venetianischer  Mundart  gedruckt.  Lange  verkannt,  fing 
der  „Orbis  pictus"  nun  an,  eine  gerechtere  Schätzung  zu  erfahren, 
und  lieferte  zur  Begründung  der  modernen  Geographie  Asiens 
einen  wichtigen  Beitrag,  ohne  dass  jedoch  das  Misstrauen  gegen 
die  Glaubwürdigkeit  des  in  dem  Ikiche  Berichteten  völlig  ge- 
schwunden wäre.  Die  Anerkennung  aber,  die  das  Werk  von  An- 
fang an  verdient  hätte,  ist  ihm  erst  im  dahingegangenen  Jahrhun- 
dert ganz  zu  teil  geworden,  obwohl  es  auch  1829  noch  ein  K.  D. 
Hillmann  in  seinem  Werke  über  das  Städtewesen  des  Mittelalters 
allen  Ernstes  als  eine  im  Dienste  klerikaler  und  kaufmännischer 
Interessen  fabrizierte  kirchliche  Reisedichtung  bezeichnen  konnte, 
die  Begeisterung  fi^ir  die  Bekehrung  der  Mongolen  entzünden  und 
damit  den  Handel  in  ihren  Gebieten  erleichtern  sollte.  Erst  im 
dahingegangenen  Jahrhundert  auch  (1824)  wurde  das  Buch, 
nachdem  es  in  vielen,  sehr  von  einander  abweichenden,  Bearbei- 
tungen in  Italien,  Deutschland,  Portugal,  Spanien,  Frankreich, 
Holland  und  der  Schweiz  erschienen  war,  von  der  Societe  de 
Geographie  in  Paris  auf  Grund  der  in  der  dortigen  Bibliothek 
erhaltenen  wertvollsten  aller  Plandschriften  in  seiner  Urgestalt 
veröffentlicht.  P^s  ist  das  \\^erk,  dem  wir  ausser  vielem  anderem, 
davon  hier  nicht  zu  reden  ist,  die  erste  Kunde  von  Japan  ver- 
danken. 

Die  ^o'iiT.cn  ühQV  Zipangu^) — so  wird  Japan  genannt — ,  die 
es  in  einigen  kurzen  Kapiteln  des  dritten  Buchs  enthält,  sind  es 
wohl  wert,  in  vollständiger  Wiedergabe  hier  einen  Platz  zu  finden. 

I.  ZipangH,  in  anderen  Handschriften  Cipatigo,  Chipangu,  Sypangu,  Cipvtgu, 
Ciinpagu,  Simpagii,  Zipangri,  Cyaiiipagu,  Sapangu,  ist,  wie  unser  „Japan",  nichts  als 
eine  Korrumpierung  von  fj  TJs;  [§  Jilipen-kuo,  „Sonnenaufgangsland",  wie  die  Chine- 
sen oder  Koreaner  das  östlich  von  ilmcn  gelegene  Reich  benannten.  Die  Japaner 
bezeichnen  ihr  Land  mit  densellien  Zeiclien,  unter  Weglassung  des  Endworts  kuo 
„Land"  und  in  alter,  mit  den  Schriftbihlcrn  eingeführter,  chinesischer  Aussprache  : 
Nihon   oder  Nijjpon   {jncJd  ,, Sonne  ",  hon  „Ursprung"),  meist  mit  Vorsetzung  von 


Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa.  3 

,,  Zipangu  ist  eine  Insel  in  der  hohen  See  gen  Osten,  1500 
Meilen  vom  Festlande  entfernt.-)  Ihr  Umfang  ist  sehr  gross. 
Die  Einwohner  sind  von  weisser  Farbe,  wohlgestaltet  und  von 
guten  Sitten.  Sie  sind  Götzendiener  3)  und  von  niemandem 
abhängig.  Und  ich  kann  euch  sagen,  die  IMenge  Goldes,  die 
sie  haben,  ist  unendlich  ;  denn  sie  finden  es  auf  ihren  eigenen 
Inseln,  und  der  König  gestattet  seine  Ausfuhr  nicht.  Zudem 
besuchen    nur    wenige  Kaufleute  das  Land,4)  da  es  so  weit  vom 

;fc  Dai  „  Gross ",  beanspruchen  jedoch  die  Urheberschaft  für  sich.  Nach  dem 
S/iakum'/ioiigi,  einem  Nihongikommentar  des  13.  Jahrb.,  wäre  der  Name  zuerst  in 
der  Periode  Wuteh  (618-627)  angewendet  worden  (siehe  Florenz,  Niliongi,  Buch 
XXII.  S.  29).  Eine  schiefe  Darstellung,  die  nicht  nur  mit  den  koreanischen  und 
chinesischen,  sondern  selbst  mit  den  japanischen  Quellen  in  Widerspruch  steht,  gibt 
die  Hütory  of  the  Empire  of  Japan.  By  Order  of  the  Department  of  Education, 
Tokyo  1893,  P-  49-  ^Väre,  was  jedoch  höchst  unwahrscheinlich  ist,  der  Name,  der 
nicht  vor  670  n.  Chr.  für  das  vorher  gebräuchliche  IVa  eingeführt  wurde,  nicht  von 
den  Chinesen  oder  Koreanern  aufgebracht,  sondern  japanischen  Ursprungs,  so  könnte 
man  höchstens  annehmen,  dass  er  vor  Alters  von  den  Eingebornen  der  westlichen 
Provinzen  für  die  östlich  gelegenen  gebraucht  worden  sei.  (Vgl.  ^^^  G.  AsTOX, 
Early  Japanese  Histofy.  Transactions  of  the  Asiatic  Society  of  Japan,  Vol.  X\'I. 
Part  I.  p.  42). 

2.  Die  wirkliche  Entfernung  Japans  von  der  chinesischen  Küste,  an  die  hier 
gedacht  ist  (statt  Festland  lesen  andere  Handschriften  Mangi),  beträgt  nicht  mehr 
als  500  Meilen.  Th.  Wright  {T/ie  Travels  of  Marco  Polo,  London  1854,  p.  350) 
nimmt  daher  an,  dass  hier  chinesische  Meilen  (//)  gemeint  sind.  Ed.  Fraissi.net  {Le 
Japan,  Nouvelle  Edition,  Paris  1864.  Tome  I.  p.  30)  erklärt  die  Angabe  dahin, 
dass  die  Höflinge  des  Grossen  Chan,  an  dessen  Hof  Marco  Polo  lebte  und  seine 
Informationen  erhielt,  die  Entfernung  absichtlich  übertrieben,  um  das  Missglücken 
der  gegen  Zipangu  ausgerüsteten  Expedition  dem  Chan  verständlicher  und  ent- 
schuldbarer erscheinen  zu  lassen. 

3.  F.  Peregrin  [ßlarco  PaoMs  Reise  in  den  Orient,  Ronneburg  und  Leipzig 
1S02)  hat  statt  des.sen:  „Sie  bekennen  sich  zur  Lehre  Mahomeds."  So  liest  man 
wirklich  in  einigen  Handschriften,  eine  Variante,  die  offenbar  nichts  ist  als  der 
Korrekturversuch  eines  Abschreibers  oder  Uebersetzers. 

4.  Auch  Franz  X.A.VIER  schreibt  am  9.  April  1552  von  Goa  aus  an  P.  Simon 
Rodriguez :  „  Die  Japaner  verachten  alle  andern  Nationen.  Dies  war  auch  der 
Grund,  warum  sie  mit  keinem  Volke  Handelsverbindungen  hatten,  bis  die  Portu- 
giesen vor  acht  oder  neun  Jahren  dort  landeten."  In  Wirklichkeit  haben  Handels- 
beziehungen zwischen  China  und  Japan  fast  immer  bestanden.  Völlig  unterbrochen 
waren  sie  nur  auf  einige  Zeit  nach  den  wiederholten  Mongolenangriffen  gegen 
Ende  des  13.  Jahrhunderts. 


4  Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa. 

Fcstlandc  entfernt  ist ;  und   so    kommt  es,   dass   sie   einen    uner- 
messlichen  Ucberfluss  an  Gold   haben. 5) 

Ich  will  euch  etwas  Wunderbares  von  dem  Palaste  des  Beherr- 
schers dieser  Insel  erzählen.  Er  hat,  müsst  ihr  wissen,  einen 
grossen  Palast,  der  ganz  mit  feinem  Golde  gedeckt  ist,  gerade  so 
wie  bei  uns  die  Kirchen  mit  Blei  gedeckt  sind,  dass  es  schwerlich 
möglich  wäre,  seinen  Wert  zu  schätzen.  Zudem  sind  das  ganze 
Gefliese  des  Palastes  und  die  Böden  seiner  Gemächer  durchaus 
von  Gold,  in  Platten  gleich  Steintafeln,  gut  zwei  Finger  dick. 
Auch  die  P'enstcr  sind  von  Gold,  so  dass  überhaupt  der  Reich- 
tum dieses  Palastes  über  alle  Massen  ist  und  allen  Glauben 
übersteigt. 6) 

5.  In  Wirklichkeit  ist  die  Goldproduktion  in  Japan  verhältnismässig  gering. 
Im  J.  1887  z.  B.  betrug  sie  nur  521  kg,  wovon  lA;  auf  Sado,  1/4  auf  die  Bergwerke 
in  der  Provinz  Rikuchu  kommt.  Zeitweilig  hatten  sich  allerdings  während  langer 
Absperrung  Goldschätze  aufgesammelt.  (Siehe  K.Rathgen,  Japanh  Volksruirth- 
schaft  wid  Staatshaushalt,  Leipzig  1891,  S.  158  f.)  Entgegen  der  traditionellen,  auf 
einer  Reihe  von  Interpretationsfehlern  und  jNIissverständnissen  beruhenden  Annahme, 
dass  Japan  trotz  seiner  Abgeschlossenheit  im  16.  Jahrhundert  für  Europa  eine  Gold- 
quelle ersten  Ranges  gewesen  sei,  hat  Dr.  L.  Riess  in  einer  auf  die  im  Ilaager 
Reichsarchiv  aufbewahrten  Akten  der  ehemaligen  holländischen  Ostindischen  Kom- 
pagnie gestützten,  verlässlichen  Untersuchung  über  den  wirklichen  Umfang  der 
Goldausfuhr  aus  Japan  festgestellt :  Die  portugiesische  Goldausfuhr  aus  Japan  von 
1 542-1 640  ist  gleich  Null  anzusetzen.  Durch  die  Holländer  hat  bis  zum  Jahre 
1663  eine  Ausfuhr  japanischen  Goldes  überhaupt  nicht  stattgefunden.  Den  an  Ort 
und  Stelle  befindlichen  Kaufleulen  war  Japan  das  vSilberland,  und  Gold  auch  in 
Japan  ein  chinesisches  Produkt.  Der  Gesamtexport  von  Gold  seit  der  Ankunft  der 
Portugiesen  bis  zum  Ausfuhrverbot  von  1752  hat  nachweislich  nicht  über  50  Millionen 
Mark  betragen.  (Z'/V  GoldausfiiJir  aus  Japan  im  16.,  ij.  ^ciui  18.  Jalirliitiidcr.t 
Zeitschrift  für  Social-  und  Wirthschaftsgeschichte,  \'I.  S.  S.   144-169)- 

6.  Zu  dieser  Angabe  macht  O.  N.VCHOd  die  Bemerkung  :  „  Der  Goldreichtum 
Japans,  wohin  er  selbst  ja  nicht  gekommen,  ist  ihm  jedenfalls  übertrieben  ge- 
schildert worden.  Ob  nun  im  Paläste  des  Milcado  der  Belag  des  Fussbodens 
wirklich  zwei  Finger  dickes  Gold  gewesen,  ist  aber  auch  nicht  von  grossem  Belang ; 
unmöglich  wäre  eine  derartige,  allerdings  sonderbare  Form  der  Thesaurirung  im- 
merhin nicht;  denn  eine  damalige  Aufspeicherung  grosser  Goldschätze  in  Japan, 
wo  dieses  Metall  noch  keine  Bedeutung  für  Münzzwecke  erlangt  hatte  und  auch 
kaum  gegen  \\'aaren  ins  Ausland  abfloss,  kann  nicht  befremden."  (^Die  Beziehungen 
der  Niedefländischen  Ostindischen  Kompagnie  zu  Japan  im  siebzehnten  Jahrhutidert, 
Leipzig  1S97,  S.  26.) 


Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa.  5 

Sic  haben  auch  Perlen  in  grosser  Menge,  die  von  einer 
rosa  Farbe,  aber  fein,  gross  und  rund  und  eben  so  wertvoll  wie 
die  weissen  sind. 7)  Auf  dieser  Insel  werden  die  Toten  teils 
begraben,  teils  verbrannt.^)  Wenn  ein  Leichnam  verbrannt  wird, 
stecken  sie  ihm  eine  von  diesen  Perlen  in  den  Mund ;  denn  das  ist 
Brauch  bei  ihnen.     Sie  haben  auch  eine  Masse  andere  Edelsteine. 

Nun     müsst    ihr    wissen,    die    Götzen    von    Cathay9),   von 


Nahe  bei  Kyoto  in  Yawata  steht  ein  alter,  dem  Kriegsgotte  Hachiman  (Kaiser 
Ojin)  geweihter  Tempel,  dessen  80  Fuss  lange,  3  Fuss  breite  und  I  Fuss  dicke 
Dachrinne  [lü'n  no  ioyu-dake)  aus  Gold  ist  [„'ichich  remains  tuidistiirbed despite  tlie 
great  teniptation  to  convert  it  iuto  current  coin"^  bemerkt  Ml'rray's  Ilandbook  for 
Ti-ave/Iei's  in  Japan).  Goldene  Kronleuchter  und  Statuen  aus  alten  Zeiten  sind  noch 
heute  zu  Kyoto  im  Xishi  Hongwan-ji  und  anderen  Tempeln  zu  sehen.  Und  eine 
der  bekanntesten  Sehenswürdigkeiten  der  einstigen  Mikadostadt  ist  der  1397  von 
dem  Exshogun  Ashikaga  Yoshimitsu  errichtete  goldene  Pavillon  des  Kinkaku-ji, 
dessen  oberstes  Stockwerk  noch  heute  erkennen  lässt,  dass  seine  Decken,  Wände, 
Fussböden  etc.  dick  mit  Gold  belegt  waren. 

Nicht  am  Platze  ist  die  Anmerkung  Yl'le's,  dass  auch  nach  dem  arabischen 
Geographen  Edrisi  (1153-1154)  der  Uebertluss  an  Gold  so  gross  gewesen  sei,  dass 
die  Einwohner  die  Halsketten  für  ihre  Hunde  aus  Gold  fertigten.  {^T/ie  Book  of 
Ser  Marco  Polo,  2d.  ed.  Vol.  IL  p.  238,  und  CatJiay  and  the  IVay  tJnthei;  Vol.  I. 
pp.  CVI  und  CX).  Edrisi  spricht  von  Sila,  womit  nicht  Japan,  sondern  Korea 
gemeint   ist. 

7.  Kaempfer  berichtet,  dass  die  Perlen  von  Austern  und  anderen  Muschel- 
tieren, die  besonders  um  Satsuma  und  im  Seebusen  von  Omura  nicht  selten  sind 
und  von  jedem  frei  gesammelt  werden  durften,  von  den  Japanern  nicht  geachtet 
wurden,  bis  sie  deren  Wert  von  den  Chinesen  lernten,  welche  diese  Schmuckjuwelen 
für  ihre  Frauen  erhandelten.  Zu  seiner  Zeit  war  das  Einsammeln  dieser  Muscheln 
zur  Speise,  das  früher  erlaubt  war,  bereits  verboten.  {^GescJnchie  und  Beschreibung 
von  Japan.     Deutsche  Ausgabe  von  DoHM.  Bd.   I.  S.   126  f.) 

8.  Die  älteste  Weise  der  Leichenbestattung  in  Japan  war  die  Beerdigung. 
Die  erste  Leichenverbrennung  fand  im  J.  701  n.  Chr.  statt  in  dem  Fall  eines  bud- 
dhistischen Priesters  Dosho,  der  dieselbe  letztwillig  angeordnet  hatte.  Zwei  Jahre 
später  wurde  die  Leiche  der  Kaiserin  Jito  verbrannt,  und  seit  dieser  Zeit  war  diese 
vom  Buddhismus  eingeführte  Neuerung  bis  zum  J.  1644  am  Hofe  fester  Brauch. 
Beim  Volke  fand  die  Leichenverbrennung  erst  seit  Anfang  des  9.  Jahrhunderts,  d.h. 
mit  dem  allmählichen  Siege  der  fremden  Religion,  die  bis  dahin  ihre  Anhänger 
nur  unter  den  höheren  Klassen  gehabt  hatte,  allgemeinen  Eingang.  (Siehe  Arthur 
Hyde  Lay,  Japanese  Funeral  Rites.  Transact.  of  the  As.  Soc.  of  Japan,  Vol.  XIX. 
Part  III). 

9.  Dies  ist  der  Name^  unter  dem  das  chinesische  Reich  im  Mittelalter  Europa 


6  Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa. 

I\Tan/.i  i°),  und  die  Götzen  dieser  Insel  sind  alle  von  derselben 
Art.  Und  auf  dieser  Insel,  wie  auch  anderwärts,  gibt  es  einige 
Götzenbilder,  die  den  Kopf  von  einem  Ochsen,  andere,  die  den 
Kopf  von  einem  Schweine,  von  einem  Hunde  oder  Schaf  haben, 
und  noch  andere  von  mancherlei  Gestalt.  Manche  von  ihnen 
haben  vier  Köj)fe,  während  andere  drei  haben,  von  welchen  je  einer 
aus  beiden  Schultern  wächst.  Es  gibt  auch  solche,  die  vier,  an- 
dere, die  zehn,  und  wieder  andere,  die  tausend  Hände  haben.  Und 
sie  setzen  mehr  Vertrauen  auf  die  tausendhändigen  als  auf  irgend 
welche  andere. ^i)  Und  befragt  sie  ein  Christ,  weshalb  sie  ihre 
Götzen  in  so  vielerlei  verschiedenen  Gestalten  und  nicht  alle 
gleich  machen,  so  geben  sie  zur  Antwort,  dass  just  so  ihre  Väter 
gewohnt  waren,  sie  machen  zu  lassen,  und  gerade  so  würden  sie 
dieselben  ihren  Kindern  und  diese  den  nachfolgenden  Geschlech- 
tern hinterlassen.      Und    so    werden    sie    für   alle    Zeiten    vererbt 

und  für  nahezu  looo  Jahre  den  Völkern  Centralasiens  bekannt  war.  Die  Russen 
nennen  es  noch  heute  Khitai.  Ueber  die  Entstehung  des  Namens  siehe  YuLE, 
Cathay  aiui  ihc  M'ay  thilhcr,  Vol.  I.  p.  C'XVI  f ;  und  Yule,  The  Book  of  Ser  Marco 
Polo,  Introductory  Notices  p.  ii.  iJcr  Name  wird  besonders  für  die  nördlichen 
Provinzen    gebraucht. 

10.  Alaiizi  oder,  wie  andere  Reisende  schreiben,  ilLntgi  ist  .Südchina  im  Ge- 
gensatz zu  Cathay. 

11.  Die  Beschreibung  der  Götzenbilder  entspricht  vollkommen  der  Wirklich- 
keit. Mit  drei  Augen  und  sechs  Armen  wird  z.  B.  Aizcii-mvö-d,  die  Gottheit  der 
Liebe,  mit  acht  Armen  und  mehreren  Köpfen  Marishiten  dargestellt.  Die  Götlin 
K'iOtiinon  hat  oft  drei  Gesichter  mit  einem  Pferdekopf  über  dem  mittleren  und 
vier  Paar  Arme.  Sie  heisst  auch  die  „Tausendhändige."  In  Wirklichkeit  freilich 
haben  ihre  Bildnisse  nur  vierzig  Pfände,  welche  die  verschiedenen  buddhistischen 
Embleme  halten.  Sie  ist  identisch  mit  dem  in  Indien  verehrten  Avahkitecvara, 
der  in  ("hina,  zu  eijicr  weiblichen  (joltlieit  geworden,  Kw(Uiyiii  heisst  und  im 
ganzen  Gelnete  des  nördlichen  Buddhismus  alle  anderen  an  Popularität  übertrifft. 
Sie  ist  die  Gc'Hlin,  die  tausend  Arme  und  tausend  Augen  und  ein  erbarmungsvolles 
Herz  hat,  alle  Gebete  zu  hören  und  aus  aller  Not  zu  helfen.  Ihre  Darteilung  mit 
tausend  Händen  wird  so  erklärt.  T^in  König  in  China  befahl  die  Anfertigung  einer 
Kwanyin-statuc,  mit  Armen  und  Augen  vollständig  ausgeführt.  Da  aber  das  Wort 
„vollständig"  im  Chinesischen  denselben  Klang  [ts'-icn')  hat,  wie  das  Wort  für 
,,  tausend"  [tsU'cn),  geschah  es,  dass  der  Künstler  den  Auftrag  falsch  verstand. 
(Nach  Eitel,  BuddJiisni :  its  historkal,  tJieorctical  and  populär  aspccts.  3d  ed.  1SS4, 
pp.   124-131). 


Erste  Kunde  von  Japan  in  Europa.  y 

werden.  Und  merket  wohl,  die  Handlungen,  die  diesen  Götzen 
zugeschrieben  werden,  sind  ein  solcher  Ausbund  von  Teufelskram, 
dass  es  am  besten  ist,  nicht  davon  zu  reden.  So  sei  's  denn 
genug  von  den  Götzen — und  lasset  uns  von  andern  Dingen 
sprechen. 

Aber  ich  muss  euch  noch  etwas  von  dieser  Insel  erzählen 
(und  genau  so  ist  's  auf  den  andern  indischen  Eilanden) :  wenn 
die  Eingebornen  einen  Feind,  der  kein  Lösegeld  zahlen  kann, 
zum  Gefangenen  machen,  so  lädt  derjenige,  dess  der  Gefangene 
ist,  alle  seine  Freunde  und  Verwandten  ein,  und  sie  bringen  den 
Gefangenen  um,  und  dann  kochen  sie  ihn  und  verspeisen  ihn ; 
und  sie  sagen,  kein  Fleisch  in  der  Welt  sei  so  gut.''^^) 

Was  Marco  Polo  (geb.  1254,  gest.  1324)13) — denn  er  ist  es, 
von  dem  diese  erste  Erwähnung  des  Inselvolks  im  fernsten  Osten, 
durch  die  P^uropa  zuerst  von  der  Existenz  Japans  erfuhr,  stammt — 

12.  Neuere  Ausgrabungen  in  Omori,  wo  man  künstlich  gebrochene  menscHiche 
Gebeine  fand,  hat  man  als  Beweis  dafür  nehmen  wollen,  dass  den  Japanern  in  alter 
Zeit  wirklich  kannibalische  Gewohnheiten  eigen  gewesen  seien.  (Siehe  Ed.  vS. 
Morse,  The  Shell  Mounds  of  Omori.  Memoirs  of  the  Science  Dept.  of  the  Univer- 
sity  of  Tokyo  1879.  Vol.  I.  Part  I.  Idem,  Evidences  of  Cannibalism  in  a  nation 
before  the  Ainos  in  Japan.  Proceedings  American  Association  Advancement  of 
Science,  1878  und  Tokio  Times  1879,  18.  Januar;  und  H.  VON  SiEBOLD,  A'^oies  on 
Japanese  Archaeology  li'itJi-  cspecial  reference  to  the  stone-age,  Yokohama  1879.  p. 
14).  Sie  fielen  jedoch  wohl  eher  den  Ainu  zur  Last,  die  einst  die  Gegend  inne 
hatten.  Die  Angabe  bei  Marco  Polo  verrät  sich  als  Erfindung  der  Tartaren,  die 
über  die  ^'ernichtung  ihrer  Flotte  durch  die  Japaner  ergrimmt  waren.  Fraissixet 
(a.  a.  O.  I,  32)  spricht  die  Vermutung  aus,  dass  das  in  China  gehende  falsche 
Gerücht  über  die  Japaner  sich  vielleicht  aus  der  Kunde  von  der  altjapanischen 
Sitte,  beim  Tode  der  Grossen  ^'asallen  und  Sklaven  lebendig  mit  zu  begraben, 
herzuleiten  sei. 

13.  Henry  Yule,  The  Book  of  Ser  Marco  Polo.  In  2  Vul.  i.  ed.  1871  ;  2. 
ed.  1875,  """i  ^I-  ^-  Pauthier,  Le  Livre  de  Marco  Polo,  1865,  zwei  mit  bio- 
graphischen und  literargeschichtlichen  Einleitungen  und  Kommentar  versehene  ge- 
lehrte Werke,  durch  die  Marsdens  1818  erschienene  berühmte  englische  Marco  Polo- 
Ausgabe  mit  Anmerkungen,  die  merkwürdiger  Weise  noch  Muensterberg  in  seinem 
1896  erschienenen  Buch  „Japan'.  Answärtiger  Handel"  in  der  Bibliographie  als 
die  sorgfältigste  empfiehlt,  vollständig  antiquiert  ist.  An  einer  den  beiden  genannten 
französischen  und  englischen  ebenbürtigen  deutschen  Bearbeitung  fehlt  es  noch.  Die 
letzte  deutsche  Ucbersetzung,  erschienen  1845  '"  I^eipzig,  ist  von  BUERCK, 


8  Erste  Kunde  i'on  Japan  in  Europa. 

so  zwei  oder  drei  Jahre  nach  seiner  Heimkehr  aus  dem  Osten  in 
der  Müsse  seiner  nicht  ganz  ein  Jalir  dauernden  Gefangnishaft  in 
Genua,  in  die  er  als  sopraconiito  einer  Galeere  der  venetianischen 
Flotte  Andrea  Dandolos  mit  über  7000  anderen  in  der  Seeschlacht 
der  beiden  immer  aufeinander  eifersüchtigen  Handelsrcpubliken 
bei  Curzola  (7.  September  1298)  geraten  war,  einem  Pvlitgefang- 
enen,  dem  federgewandten  Pisaner  Rusticiano  oder  Rustichello, 
über  Japan  diktierte,  und  was  dieser  in  einem  seltsamen,  barbari- 
schen Französisch  zu  Pergament  brachte,  das  ist  freilich  im  ein- 
zelnen weniger  genau  als  die  sonstigen  Angaben  in  den  noch 
heute  fesselnden  Reiseerinnerungen  des  venetianischen  Patriziers, 
den  seine  ungläubigen  Zeitgenossen  wegen  der  Millionen,  von 
denen  er  zu  berichten  hatte,  ,,  Messer  Marco  Millioni",  sein 
jüngster  Uebersetzer  aber  in  gerechterer  Schätzung  i\c\\  ,,  Ilerodot 
des  Mittelalters "  und  JMalte-Briin  übertreibend  gar  den  Hum- 
boldt des  13.  Jahrhunderts  genannt  hat.  Das  macht,  er  hat 
Zipangu  nicht  selbst  gesehen,  wie  man  ihm  fälschlich  nach- 
gerühmt hat;H)  er  hatte  von  dem  Inselreich  im  Osten  Chinas 
nur  gehört  während  seines  siebzehnjährigen  (1275 — Anfang  1292), 
freilich  oft  durch  wichtige  Missionen  in  verschiedene  Länder 
Asiens  zeitweilig  unterbrochenen  Aufenthalts  in  Cambaluc  (Peking) 
an  dem  neuerrichteten  glänzenden  Hof  des  grossen  Mongolen- 
Chans  Kublai,  dem  gerade  in  dieser  Zeit  (1281)  seine  Dschun- 
ken zu  gründe  gegangen  waren  bei  dem  Versuche,  dasselbe 
seinem  ungeheueren  Reiche  als  Vasallenland  zuzufügen.  Nur 
drei  entrannen  nach  japanischen  Berichten  von  den  100,000 
Angreifern  nach  China,  um  ihrem  Herrn  das  Schicksal  anzusagen, 
das  seine  Plotte  getrvoffen.  Pls  war  das  Schicksal  der  spanischen 
Armada. 

14.     Rampoldi  in  seinen  Aiinali  Ähisiilmani,  Milan  1S25. 


ZWEITES  KAPITEL. 
Auf  der  Suche  nach  ZiDanau. 


Auf  der  Suche  nach  Indien,  dem  Lande  der  Spezereien, 
nach  Cathay,  dem  Reiche  des  grossen  Chan,  und  nicht  am  wenig- 
sten nach  Zipangu,  von  dessen  Goldreichtum  Marco  Polo  so 
verlockende  Schilderungen  gemacht  hatte,  war  zweihundert  Jahre 
später  Christoph  Columbiis,  als  ihm  die  Königin  von  Spanien 
die  Mittel  zur  Verfügung  stellte  zur  Ausrüstung  jener  kühnen 
Expedition,  zu  der  der  Plan  in  dem  erfahrenen  Seefahrer  von  lange 
lier  gereift  war.  Es  ist  nicht  richtig,  was  PauthierO  sagt,  dass 
Columbus,  was  er  nachher  durch  sie  erreichte,  seiner  Lektüre  des 
Buches  des  berühmten  Reisenden  von  Venedig  verdankt  habe. 
Zutreffender  ist  es,  wenn  YuLE  bemerkt,  dass  der  Sporn,  den  sein 
Buch  schliesslich  den  geographischen  Studien  gab,  und  die  Leucht- 
feuer, die  es  an  den  äussersten  Ostgrenzen  der  Erde  aufsteckte, 
dazu  halfen,  die  Absichten  des  grösseren  Sohnes  der  republikani- 
schen Rivalin  zu  leiten,  wenn  auch  schwerlich, die  Begeisterung 
dazu  erst  in  ihm  zu  entfachen. 2)  Der  Gedanke  Colons,  auf  west- 
licher Fahrt  nach  dem  Osten  zu  gelangen,  hatte  seinen  Grund  in 
der  irrigen  Anschauung,  die  er  mit  Ptolemaeus  und  vielen  Kos- 
mographen  des  Mittelalters  teilte,  dass  das  asiatische  Festland 
sich  viel  weiter,  als  es  in  Wirklichkeit  der  Fall  ist,  nach  Osten 
dehne,  und  in  seiner  Unterschätzung  der  Breite  des  Atlantischen 
Ozeans,  wodurch  in  seiner  Vorstellung  die  Westgestade  Europas 
und  die  äussersten  Enden  des  asiatischen  Kontinents  bedeutend 
aneinander    rückten. 3)      Delkcluse   ist,  so    zuversichtlich  er  sich 

1.  A.  a.  O.   Introduction  p.  LXXIX. 

2.  llic  Book  of  Sei-  I\Iarco  Polo.  2d.  ed.     Introductory  Notices  p.   103. 

3.  Vgl.  M.  VON  Br.V-NDT,  OstasiatiscJie  Fragen,  Berlin  1S97,  ^-  3  ff-  Abge- 
druckt aus  den  Rlittheilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde 
Ostasieus,  1S74.  Band  V.  S.  28. 


lO  Auf  der  Suche  nach  Zipangu. 

äussert,  im  Irrtum  mit  seiner  Ansieht :  ,,  0)i  iic  pcut  doutcr,  cn 
liSiDit  la  rchxtio)i  originale  du  prenner  voyagc  quc  fit  Christophe 
Cülond),  de  14^2  ä  1304.  [?],  que  toutes  /es  specidations  qu'd 
avait  faites  sur  l'etenduc  de  la  tcrre  et  la  position  relative  des 
dificrentes  contrccs,  ne  fussent  calculees  d' apres  les  rcnseignenicnts 
que  lui  avait  fournis  F ouvrage  de  Marco  Polo."^)  Schon  YuleS) 
hat,  wie  vor  ihm  Jancigny,6)  bemerkt,  dass  Columbus  niemals  mit 
Namen  auf  Marco  Polo  Bezug  nimmt.  Ich  finde  aber  in  seinem 
Tagebuche  eine  Eintragung,  aus  der  mit  Evidenz  hervorgeht, 'dass 
er  keine  direkte  Kenntnis  seines  Buches  hatte.  Cuba  für  einen 
Teil  des  asiatischen  Eestlands  nehmend,  vermutet  er  den  Gross- 
Chan  in  nächster  Nähe  ,,  oder  in  der  Stadt  Catai,  welche  diesem 
mächtigen  Eürsten  gehört,  wie  mir  vor  meiner  Abreise  von  Spanien 
gesagt  Avurde."7)  Columbus  waisste  von  dem,  was  ]\Iarco  Polo 
berichtet,  nur  aus  zweiter  Hand.  Am  Hofe  Alphons  V.  von 
Portugal  hatte  man  die  Frage,  die  damals  so  zu  sagen  in  der 
Luft  lag,  schon  oft  erörtert,  wie  die  ,, Länder  der  Spezereien"  am 
leichtesten  auf  dem  westlichen  Wege  aufgesucht  werden  könnten. 
Der  Kanonikus  Fernando  Martinez  hatte  im  Auftrage  des  Königs 
den  Florentiner  .Astronomen  Paolo  dal  Pozzo  Toscanelli  um  ein 
fachmännisches  Urteil  angegangen.  An  ihn,  der  bei  seinen  Zeit- 
genossen den  Ruf  des  grössten  Mathematikers  und  Kosmographen 
genoss,  wandte  sich  auch  Columbus,  der  sich  schon  damals  mit 
seinen  P^ntdeckerplänen  trug,  durch  Vermittlung  eines  Freundes 
in  Lissabon,  des  italienischen  Kaufmanns  Lorenzo  Giraldi,  und 
erhielt  von  ihm   eine  Abschrift  der  vom  25.  Juni   1474  datierten 

4.  A\itke  biographiqiie  sur  Marco  Polo  in  „Revue  des  Deux-Mondes  ",  Juliheft 
1S32.— Achnlich  f'K.\issiNET  {Le  Japan,  Tome  I.  pp.  35  ff.)  und  GuiFFiS  {The  Mi- 
kados Empire  p.  247  :  "  Columlms  7oas  an.  ardcnt  studcut  of  Polds  Book ")  und 
noch  1S92  Rein  [Geographische  tmd  Nalurwisscnsc/iafilic/ie  Abhhandluiigeii  S.  28).  u. 
a.  Auch  HlLDRETii  {Japan  as  it  luas  and  is.  p.  14)  sagt :  „  Columbus  was  grcatly 
stimulated  to  tmdcrtake  his  lücstern  voyages  by  thc  conslanl  study  of  Marco  Polu's 
iravels." 

5.  A.  a.  O.  Introductory  Notices,  p.   103. 

6.  Japan,  Indo-Chine,  Ceylan  etc.  Paris   1S50,  p.   i. 

7.  Navarrete,  Collecion  de  los   Viagcs.  1825,  I,  44  (zum  2P.  Oktober). 


Auf  der  Suche  nach  Zipangn.  1 1 

Antwort,  die  er  dem  Kanonikus  geschrieben,  nebst  einer  zu- 
gehörigen Seekarte,  die  genau  mit  der  diesem  übersandten  über- 
einstimmte und  die  Cokunbus  später  auf  seine  Entdeckungsreise 
mitnahm.  In  dem  Schreiben  an  INIartinez,  das  Henry  Harrisse 
in  der  Biblioteca  Colombina  zu  Sevilla  in  einer  von  Columbus  selbst 
geschriebenen  Kopie  in  der  ursprünglichen  lateinischen  Fassung 
entdeckte  (in  mangelhaften  italienischen  und  spanischen  Ueber- 
sctzungen  war  es  schon  innner  bekannt),  zeigt  Toscanelli  gute 
Vertrautheit  mit  Marco  Polos  Reisebeschreibung.  Columbus  aber 
verrät  keinerlei  Kenntnis  dieses  Buches,  die  hinausginge  über  das 
von  Toscanelli  in  diesem  Briefe  aus  demselben  Mitgeteilte.  Mit 
Bezug  auf  Zipangu  schreibt  Toscanelli:  ,,<?/;  insuLa  antilia  vobis 
nota  ad  iiisulaui  nobilissimain  cippangii  sunt  deccin  spatia.  est  cniiii 
illa  iiisula  fertilissima  auro  inargaritis  et  geininis,  et  amv  solido 
coope rinnt  tenpla  et  donios  regia s,  itäqne  per  yg)wta  itinera  non 
magna  nmris  spacia  transeundum.'''^) 

Es  war  Ehrgeiz  und  Eitelkeit  und  noch  mehr  als  beides 
Gier  nach  den  Goldschätzen  des  Ostens,  von  denen  nicht  durch 
Polo  allein  die  Kunde  nach  Europa  getragen  worden  war,  was  den 
Genuesen  mit  solcher  Zähigkeit  seinen  einmal  gefassten  Plan  ver- 
folgen liess,  den  unbekannten  Ozean,  der  sich  westlich  von  Europa 
hinbreitet,  durchfahrend  auf  vermeintlich  kürzerem  und  beque- 
merem Wege  als  bisher  die  Länder  des  Ostens  zu  erreichen. 
Aber  wie  bei  Königin  Isabella,  die  sich  für  sein  Projekt  gewinnen 
liess,  mit  der  Hoffnung  auf  Mehrung  der  spanischen  Macht  und 
des  Reichtums  der  Krone  der  religiöse  Beweggrund  verknüpft  war, 

8.  In  einem  soeben  als  erschienen  angekündigten  Buche  zur  Geschichte  der 
Entdeckung  von  Amerika  [La  lettre  et  la  carte  de  Toscanelli  siir  la  rötete  des  Indes 
par  P  Öltest.  Paris,  Ernest  I-eroux,  1902),  das  ich  nicht  selbst  mehr  einsehen  kann, 
sucht  IIknry  Vignaud  diese  berühmten,  Toscanelli  zugeschriebenen,  Dokumente, 
seinen  Brief  an  den  König  vom  Jahre  1474  und  die  denselben  begleitende  Karte,  als 
literarische  Fälschungen  zu  erweisen  und  zu  zeigen,  dass  der  Florentiner  niemals 
irgendwelche  Beziehungen  zu  Columbus  hatte.  Nach  Reccnsionen  des  Buchs  scheint 
es,  dass  Vignaud,  mit  gestützt  auf  diese  vermeintliche  Entdeckung,  den  Nachweis 
liefern  will,  dass  Colons  Plan  nicht  auf  wissenschaftlicher  Grundlage,  vielmehr  auf 
positiven  Nachrichten  über  westlich  gelegene  Länder  ruhte. 


12  Aiif  der  Suche  nach  Zipangii. 

durch  Christianisierung^  clor  zu  entdeckenden  und  zu  erobernden 
Insehi  ein  gottwohli^-enUhges  Werk  zu  thun,  so  hat  auch  Colunibus 
bei  seinem  Unternehmen,  wie  aus  seiner  an  die  spanischen  Hohei- 
ten gerichteten  Einleitung  zu  seinem  Schiffstagebuche  klar  her- 
vorgeht, den  Gedanken  gehabt,  zu  erkunden,  ,,wie  man  dort  unsern 
heiligen  Glauben  einführen  könnte." 

Schon  im  Jahre  1492  also  war  Japan  das  Christentum  zuge- 
dacht. Denn  dieses  der  Ostküste  Asiens  vorgelagerte  Goldland 
Zipangu,  auf  das  er  nach  Toscanelli  ja  zuerst  zu  stossen  hüffen 
musstc,  war  das  nächste  Ziel  Colons,  als  er  am  3.  August  dieses 
Jahres  an  einem  Freitag,  morgens  um  8  Uhr,  in  Palos  vom  Deck 
der  Santa  Maria  aus  im  Namen  Jesu  Christi  Befehl  zum  Lichten 
der  Anker  und  Hissen  der  Segel  gab.  Und  als  er  am  15.  März 
des  folgenden  Jahres,  wieder  an  einem  Freitag,  von  seiner  ersten 
Fahrt  heimgekehrt,  vor  Palos  Anker  warf,  nannte  er  Zipangu 
als  das  Land,  von  dem  er  gekommen.  Diese  Angabe  beruhte, 
wie  Hl'.mijjldt  aus  dem  Tagebuche  des  Entdeckers  erwiesen  hat, 
auf  einer  wirklichen  Ueberzeugung.  Wir  lesen,  dass  Martin  Alonso 
Pinzon  dem  Admiral  unterwegs  riet,  seinen  westlichen  Kurs  in 
einen  südwestlichen  umzuändern,  damit  sie  Zipangu  erreichen 
möchten,  und  dass  dieser  am  7.  Oktober  diesem  Rate  folgte.  Als 
sie  nach  dreiunddreissigtägiger  Fahrt  seit  Verlassen  der  Kana- 
rischen Liseln  und  nach  neunundsechzig  Tagen  seit  jenem  Freitag 
der  Ausfahrt  vom  heimischen  Ilafen,  auch  an  einem  Freitag 
Morgen,  dem  12.  Oktober,  endlich  auf  ihren  drei  Caravellen  im 
Anblick  des  ersehnten  Landes,  der  Insel  Guanahani,  das  Te  Dcuin 
anstimmen  konnten,  da  hatte  der  P^ntdecker  keinen  Zweifel,  dass 
diese  Insel  der  Bahamas,  der  er  den  Namen  San  Salvador  gab, 
der  Küste  des  asiatischen  Festlandes  vorgelagert  sei.  Einen  Tag 
nach  der  Landung  bemerkt  er  in  seinem  durch  La  Casas  bewahrt 
gebliebenen  Tagebuche :  ,,Das  Gold,  das  sie  (die  Eingeborenen) 
in  den  Nasenlöchern  tragen,  findet  sich  auch,  aber  ich  lasse  nicht 
darnach  suchen,  um  keine  Zeit  zu  verlieren,  denn  ich  will  sehen, 
ob  ich  nicht  an  der  Insel  Cipangu  landen  kann."  Die  Einge- 
orenen   anderer  Bahamaeilande,  die  er  in  den  folgenden   Tagen 


Auf  der  Suche  nach  Zipangn.  13 

auffand,  sprachen  ihm  von  der  grossen  Insel  Cuba,  in  der  er 
alsbald  Zipangu  vermutet :  ,,  Ich  glaube  nach  den  Angaben, 
welche  mir  alle  Indianer  dieser  Inseln,  und  ebenso  jene,  die  ich 
mit  mir  führe,  machten,  dass  jenes  die  Insel  Cipangu  ist,  von  der 
man  so  wunderbare  Dinge  erzählt.  Auf  den  Globen,  die  ich  sah, 
und  auf  den  Weltkarten  ist  sie  in  jener  Gegend."  Am  28. 
Oktober  berührte  er  die  Insel,  in  der  er  jedoch  dann  sehr  bald, 
durch  die  Grösse  des  Landes  in  seinem  Glauben  wankend  ge- 
macht, eine  Provinz  von  Cathay,  also  einen  Teil  des  asiatischen 
Kontinents,  vermutete.  Von  da  ab  war  er  wieder  auf  der  Suche 
nach  Zipangu.  Auf  seine  Fragen  wies  man  ihn  nach  dem  ost- 
wärts gelegenen  Haiti  (von  ihm  Espafiola  getauft).  Und  als  er 
daselbst  hörte,  dass  sich  im  Innern  des  Landes,  im  Gebiete  von 
Civao,  Gold  in  Menge  finde,  war  er  durch  die  Namensgleichheit 
verführt,  der  festen  Ueberzeugung,  nun  endlich  in  Zipangu  zu  sein. 
Auf  seiner  zweiten  Expedition  nach  dem  Westen,  im  Februar 
1494,  zog  er  nach  der  Goldlandschaft  Ci\'ao,  dem  vermeintlichen 
Zipangu,  das  er  später,  immer  mehr  einem  schwärmerischen 
Mysticismus  anheimfallend,  auch  mit  dem  Salomonischen  Ophir 
gleichsetzte,  was  freilich  schon  einen  Zeitgenossen  veranlasste  zu 
bemerken,  Columbus  sei  ,,  überspannt  und  rein  besessen  mit 
seiner  Insel  Cipangu. "9)  Wie  sehr  er  darauf  erpicht  war,  den 
westlichen  Seeweg  nach  dem  Reiche  des  grossen  Chan  gefunden 
zu  haben,  zeigt  nichts  deutlicher  als  dies,  dass  er  am  12.  Juni  1494 
seiner  ganzen  Mannschaft  einen  Eid  abnahm  und  von  jedem  seiner 
achtzig  I>eute  die  noch  heute  im  Archiv  von  Sevilla  aufbewahrte 
sonderbare  Urkunde  unterzeichnen  Hess,  dass  er  die  Küste  \'on 
Cuba,  an  der  sie  335  Leguas  Aveit  entlang  gesegelt  waren,  nicht 
für  eine  Insel  halten  wolle,  und  ,,  dass  er  nicht  den  geringsten 
Zweifel  aufkommen  lassen  wolle,  dass  es  das  Festland  wäre." 
Die  Zunge  sollte  jedem  ausgeschnitten  werden,  der  jemals  das 
Gegenteil  aussagen  würde. 

Von  Saul,  dem  Sohn  des  Kis,  erzählt  die   Sage  (i.  Sam.  9), 

9.     Barros,  da  Asia.  Decada  I.  Buch  III.  Kap.  il. 


14  Auf  der  Sud  IC  nach  Zipangu. 

dass  er  sich  aufmachte,  seines  Vaters  I'.selinnen  zu  suclicn.  Und 
der  Knecht,  den  er  bei  sicli  hatte,  sagte  zu  ilim  im  (iebiet  von 
Zuph :  Hier  in  dieser  Stadt  lebt  ein  Gottesmann,  der  Mann  ist 
berühmt  ;  alles,  was  er  sagt,  trifft  sicher  ein.  Lass  uns  doch 
gleich  hingehen  ;  vielleicht  gibt  er  uns  Bescheid  über  (X^tw  Weg, 
den  wir  unternommen  haben.  So  wandte  Colon  sich  an  Tos- 
canelli.  Und  ein  Saul,  der  ausging,  seines  Vaters  Eselinnen  zu 
suchen,  und  fand — ein  Königreich,  hat  Columbus  nicht  :^war 
gefunden,  was  er  suchte,  er  entdeckte  statt  dessen  im  Morgendäm- 
mern des  12.  Oktober  1492  eine  neue  Welt,  an  die  er  noch  viel 
w'eniger  gedacht  als  jener  Benjamit  an  das  Königreich,  zu  dessen 
P'ürsten  ihn  der  Seher  im  Schein  der  Morgenröte  salbte.  Ihm 
aber  kam  das  niemals  zum  Bewusstsein.  ,,  Der  Glaube,  dass  er 
der  Entdecker  der  ostasiatischen  Küste  auf  dem  Seewege  war, 
hat  ihn  bis  zu  seinem  letzten  Atemzuge  nicht  verlassen  ;  er 
leuchtet  allenthalben  aus  seinen  Briefen  und  anderen  Schriften 
hervor,  und  Columbus  hat  unausgesetzt  danach  getrachtet,  neue 
Beweismomente  für  diese  Ansicht  zu  gewinnen.  Denn  seine 
Entdeckungen  schienen  '  ihm  erst  dann  vollen  Anspruch  auf 
Bedeutung  zu  haben,  wenn  sich  die  von  ihm  aufgefundenen 
Länder  als  Teile  des  vielgepriesenen,  goldreichen  Ostens  Asiens 
erwijsen Jedes  Bedenken,  welches  gegen  diese  seine  Voraus- 
setzung laut  wurde,  empfand  er  als  die  bitterste  Kränkung,  als  die 
böswilligste  Blasphemie  seiner  Person. "i°) 

10.     K0NR.\D  Kretschmer,  Dk  Entdeckung  Amerikas  in  iJircr  Bedeiitttng  für 
die  Geschichte  des   Weltbildes.  Berlin  1892.  S.  277  und  296. 


DRITTES  KAPITEL. 
Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 


Passend  weist  IM.  von  Brandt  darauf  hin,  dass,  während 
Cokimbus  noch  von  den  Reichtümern  von  Zipangu  träumte,  in 
Japan  der  102.  IMikado,  Go-Tsuchi-tenno  (Kaiser  Tsuchi  IL),  in 
solcher  Armut  starb,  dass  sein  Leichnam  vierzig  Tage  vor  den 
Thoren  des  Palastes  stand,  weil  es  dem  Hofe  an  den  nötigen 
Mitteln  fehlte,  die  Kosten  der  vorschriftsmässigen  Beerdigung  zu 
bestreiten.  Aber  dass  der  grosse  Entdecker  nicht  der  einzige  war, 
der  sich  in  Hinsicht  auf  Japan  Illusionen  hingab,  die  mit  der 
Wirklichkeit  in  grellem  Kontraste  standen,  dass  man  sich  all- 
gemein von  der  Insel  im  fernen  Westen  goldene  Berge  versprach, 
das  verrät  beispielsweise  die  Anmerkung,  die  Behaim  auf  seinem 
bemhmten  Nürnberger  Globus,  der  in  demselben  Jahre  entstand, 
in  welchem  Columbus  seine  P^ntdeckungsfahrt  vollführte,  zu 
Zipangu  machte:  „In  der  Insel  weckst  übcrtrcffiich  vil  Goldts, 
mich  7i>cchst  do  allcrky  Edclgcstains,  Perlcin  Orienta/.''  Und  dass 
dieser  Glaube  anhielt,  beweist  ein  jüngerer,  in  der  Bibliothek  des 
Grossherzogs  von  Sachsen-Weimar  aufbewahrter  Globus,  auf 
welchem  man  die  Insel  5°  westlich  von  Veragua  und  dabei  die 
Legende  findet :     ,,  Zipangri,  tibi pipcr  et  auri  copia."' 

Gleichwohl  hörte  nach  der  Entdeckung  von  Amerika  das 
Suchen  nach  dem  Goldlande  Zipangri,  wie  es  scheint,  mit  cinem- 
male  völlig  aufi)  Als  Grund  hiefür  gibt  De  Colto-)  die  von 
Marco    Polo    verbreitete    Kunde    von    der    Menschenfresserei    der 

1.  Für  die  entgegengesetzte  Konstatierung  D.  MuRR-W's  [Japan,  3d.  ed.  1896, 
erschienen  als  Band  37  der  Serie  „  T/ie  Story  of  the  Nations ",  S.  2)  dass  aucli 
viele  Entdecker  ?iac/i  Columbus  danach  getrachtet  hätten,  den  Weg  nach  Zi^jangu  zu 
finden,  konnte  ich  keine  Belege  finden. 

2.  Decada  V.  Buch  VIII.  Kap.  12. 


i6  Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

japanischen  Insulaner  an.  Mit  Recht  findet  es  NaciiodS)  unwahr- 
scheinlich, dass  diese  Nachricht  die  allen  Gefahren  trotzenden, 
kühnen  Entdecker  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  irgend  abge- 
schreckt hätte.  Der  Grund  ist  einfich  der,  dass  das  Trachten  der 
Seefahrer  auf  andere  Gebiete  ging,  auf  das  neuentdeckte  Amerika 
und  den  durch  Bartholomaeus  Dias'  Umsegelung  des  Kaps  der 
guten  Hoffnung  (i4>S6)  erschlossenen  indischen  Ozean,  auf  dem 
fortab  die  Portugiesen  den  bislang  durch  die  Venetianer'  und 
Araber  über  Suez  betriebenen  Handel  zwischen  Asien  und  Europa 
an    sich    zogen. 

Der  eigentliche  Begründer  der  portugiesischen  Handelsherr- 
schaft  wurde,  nachdem  die  Westküste  von  Indien,  Malabar,  besucht 
und  im  Jahre  1505  Ceylon  entdeckt  war,  der  grosse  Admiral 
Albuquerque,  der  in  siegreichen  Expeditionen  die  Weltmachtstel- 
lung des  kleinen  europäischen  Königreichs  durchführte.  Der 
erste  Versuch  zwar,  Calicut,  das  Ilauptemporium  Ostindiens  an 
der  Küste  von  Malabar,  wo  im  Mai  1498  bereits  Vasco  de  Gama 
gelandet  hatte,  zu  erobern,  misslang  ihm.  Aber  im  Jahre  15 10 
zog  er  in  dem  etwa  300  Meilen  nördlich  davon  gelegenen  Goa  ein, 
das  bald  zum  ersten  Handelsplatze  Indiens  wurde.  1 5  1 1  eroberte 
er  Malakka,  wozu  bald  die  Molukken  kamen,  deren  Statthalter 
von  15  36- 1540  der  treffliche  Antonio  Galvano  war,  und  dann 
Ormuz  an  der  Küste  Persiens.  Nach  seinem  15 15  während  der 
Vorbereitungen  für  die  Eroberung  Arabiens  erfolgten  Tode  landete 
15 17  eine  portugiesische  P"lotte  unter  dem  Befehl  des  Fernäo 
Pirez  d'Andrade  in  Tamu  bei  Kanton,  eine  andere  1522  auf  der 
Insel  Sanshan  unweit  dieser  Stadt,  ohne  dass  es  gelungen  wäre, 
Handelsbeziehungen  mit  dem  exklusiven  China  anzuknüpfen. 
Doch  war,  wie  Mendez  Pinto  meldet,  in  Liampo  (Ningpo)  eine 
grosse  portugiesische  Kolonie  vorhanden,  die  1542  zerstört  wurde. 
Zwei  Jahre  danach  wurde  in  der  Stadt  Chincheu  (Tschangtschou) 
eine  ebenfalls  bereits  nach  achtzehn  Monaten  von  den  Chinesen 
verwüstete  Ansiedelung  errichtet.     Endlich  wurde  den  Portugiesen 

■\.     A.  a.  O.  S.  ^o. 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  if 

gestattet,  sich  auf  den  Inseln  Sanchan  und  Lampacau  in  der  Nähe 
Kantons  vorübergehend  mit  Schiffen  aufzuhalten  und  Handel  zu 
treiben,  und  im  Jahre  1557  \vurde  ihnen  zu  freiem  Handel  die  öde 
Insel  Macao  überlassen,  die,  in  der  Nähe  der  wichtigen  Handelsstadt 
Kanton  und  an  der  IMündung  des  gleichnamigen  Stromes  gelegen, 
später  ein  wichtiger  Stapelplatz  der  Portugiesen  und  zugleich  ein 
natürlicher /c»////  d'appui  für  die  Mission  der  Jesuiten  wurde. 4) 

Den  Handel  mit  den  Portugiesen  betrieben  zum  grossen  Teile 
chinesische  Korsaren,  die  mit  ihren  Dschunken  die  chinesische 
See  unsicher  machten.  Mit  ihnen  aber  wetteiferten  an  Unter- 
nehmungsmut und  Gewaltthätigkeit  seeräubernde  Bewohner  der 
Südwestküsten  von  Japan,  die  mit  ihren  Piratenschiffen,  von  den 
Chinesen  nach  der  Aufschrift  ,,  Hachiinaii-gn  "5)  auf  ihren  Flaggen 
Papan-sen  genannt,  nicht  nur  die  Küsten  Koreas  verwüsteten, 
sondern  auch  weiter  südwärts  vordrangen,  an  den  Gestaden  Chinas 
zu  rauben  und  zu  morden,  zu  sengen  und  zu  brennen.  ,,  Gerade 
so,  wie  Jahrhunderte  hindurch  in  Europa  christliche  Kirchen  w^ider- 
hallten  vom  Gebet  der  Litanei :  ,,Vor  der  Wut  der  Normannen 
bchüt'  uns,  lieber  Herre  Gott!"  so  flehten  weithin  die  öden  Küsten 
des  chinesischen  Asiens  entlang  die  armen  Bewohner  zu  ihren 
Götzen,  sie  zu  rächen  an  den  „JVq/en  ".  Bis  auf  den  heutigen  Tag 
schrecken  da  und  dort  in  Honan  in  China  die  Mütter  ihre  Kinder 
mit  den  Worten  :     Die  Japaner  kommen. "6) 

So  konnte  es,  nachdem  die  Portugiesen  bis  zu  den  chine- 
sischen Küsten  vorgedrungen  "waren,  nicht  ausbleiben,  dass  sie 
auch  mit  Eingeborenen  des  Inselreichs  in  Berührung  kamen  und 
den  Weg  zu  ihren  Küsten  fanden. 

4.  Siehe  Oscar  Müensterberg,  Japans  Aitswärfiger  Handel  von  ij42  bis  18^4, 
Stuttgart    1S96,  S.   1-7. 

5.  Hachiman  ist  der  sino-japanische  Xame  für  den  japanischen  Kriegsgott. 

6.  W.  E.  Griffis,  T/ie  Jieligions  of  Japan.  2d  ed.  1895,  S.  328.  Vgl.  hiezu  K. 
lIi.Mi.V,  lieber  zwei  chinesische  Kartenwerhe  (in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für 
Erdkunde,  Berlin  1879,  S.  387  f.) :  „  Längs  der  Küste  von  der  Yang-tz'-Iviang- 
iVIündung  bis  nach  Kuang-Tung  fällt  der  fünfmal  wiederholte  Name  Hai-lVoc  (Meer- 
Japaner)  auf,  der  sich  auf  die  zur  Zeit  der  Ming  geschehenen  Landungen  der  Japaner 
bezieht." 


1 8  Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

M.  VON  l^KAXDT  sagt  in  dem  bci'cits  erwähnten  Aufsatz  'TJie 
JJiscin'cry  of  Japan  and  t/ie  Introduction  oj  Christ ianity':  ,,VÄn  be- 
stimmtes Datum  für  die  luitdeckung  von  Japan  und  die  Namen  der 
Entdecker  anzugeben  ist  auch  heute  noch  nicht  möghch "  und 
hat  diesen  Satz  in  seinem  1897,  also  dreiundzwanzig  Jahre  später 
veröffentlicliten  Buche  ,, Ostasiatische  Fragen" ,  dem  er  den  in  den 
Mittheilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völker- 
kunde Ostasiens  zuerst  englisch  veröffentlichten  Essay  in  deutscher 
Uebertragung  einverleibte,  unverändert  abgedruckt.  Rein  7)  da- 
gegen setzt  für  die  Entdeckung  Japans  das  Jahr  1542  an  und 
schreibt  sie  dem  portugiesischen  Abenteuerer  Fernäo  Mendez 
Pinto  zu.  Der  gleichen  Ansicht  sind  Griffis,^)  Satow,9)  Gub- 
BiNS/°)  Meriwether,"!)  um  nur  einige  wenige  Namen  zu  nennen, 
auf  deren  Autorität  hin  gegenwärtig  das  von  ihnen  angenommene 
Entdeckungsjahr  wie  der  Name  Pintos  als  der  des  wirklichen  ersten 
Entdeckers  für  eine  ausgemachte  Sache  gelten.  In  Wirklichkeit 
ist  bei  diesem  denkwürdigen  P^reignisse,  von  dem  es  sehr  ver- 
schiedene Berichte  gibt,  die  nur  in  dem  einen  vollkommen  zusam- 
menstimmen, dass  sie  den  Ruhm  der  P^ntdeckung  den  Portugiesen 
zusprechen,  so  ziemlich  alles,  Jahr  und  Ort  der  ersten  Landung, 
Zahl  und  Namen  der  Entdecker,  ihr  Ausfahrtsort  und  die  näheren 
Umstände  ihrer  Ankunft  und  Aufnahme  in  Japan,  strittig.  So 
lohnt  es  sich  wohl  der  Mühe,  einmal  die  sämtlichen  vorhandenen 
Relationen  zu  sammeln,  einzeln  für  sich  zu  prüfen  und  miteinander 
zu  vergleichen,  um  womöglich  zu  einem  sicheren  Resultate  zu 
kommen  und   danach    die  aus    einem  Buch  ins  andere    übernom- 


7-  J.  J.  Reix,  JaJ^aii  nach  Reisen  und  Studien  i/n  Auftrage  der  K'öniglicJi 
Prenssisc/ien  Regierung  dargestellt.     Leipzig  l88i,  I.  Band,  S.  301   f. 

8.  W.  E.  Griffis,  T/ie  Jlli/^adds  Empire.  New  York  and  London.  Qtli  cd. 
1899,  p.  247  f. 

9.  A'otcs  an  the  Interconrsc  hetwee)i  Japan  and  Siaiu  in  tJie  ijth  Ceiituiy.  T.  A. 
S.  J.  Vol.  XIII.  p.  13g,  und  Vicissitiides  of  the  Chnrch  at  Yamaguclii  frovi  ijjo- 
ijS6.  Ibidem  Vol.  MI.  p.   137. 

10.  Revieni  of  the  Introduction  of  Christianity  into  China  and  Japan.  T.  A.  S. 
J.  Vol.  VI.  p.  9. 

11.  Life  of  Date  Masamiine.  T.  A.  .S.  J.  Vol.  XXI.  p.  39. 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  19 

mencn  irrigen  Angaben  zu  berichtigen,  oder,  falls  sich  dies  als 
unmöglich  erweisen  sollte,  festzustellen,  dass  es  bei  vox  Bii.vxDT's 
resignierter  Konstatierung  sein  Bewenden  haben  muss,  d.  h.  dass 
wir  uns  mit  dem  Gedanken  zu  bescheiden  haben,  dass  wir  nichts 
wissen  können.  Aus  dem  Rahmen  unserer  Darstellung  der  Ge- 
schichte des  Christentums  in  Japan  fällt  diese  Untersuchung 
darum  nicht,  weil  Mendez  Pinto,  der  die  Hauptrolle  bei  der  Ent- 
deckung Japans  gespielt  haben  soll  und  diese  als  sein  Verdienst 
auch  selbst  in  Anspruch  nimmt,  sowohl  in  eigener  Person  als, 
wenn  auch  nur  episodischer,  Aktor,  wie  durch  sein  Buch  als 
Quelle  für  die  Geschichte  der  Einführung  der  Jesuitenmission  in 
Japan  in  Betraclit  kommt. 

Da  ist  nun  vor  allem  bis  jetzt  kaum  beachtet  woixlen,  dass 
die  ältesten  Angaben  über  die  Zeit  der  Auffindung  des  neuen 
Inselrcichs  im  Osten  von  China  sich  in  einem  Briefe  Fi^\nz 
X.A.VIERS  an  die  Gesellschaft  Jesu  in  Europa,  d.  d.  Cochin,  29. 
Januar  1552,  und  in  einem  anderen,  an  Simon  Rodriguez  gerich- 
teten, mit  dem  Datum  Goa,  9.  April  1552  finden.  Im  ersten 
heisst  es  :  ,,Vor  ungefähr  acht  bis  neun  Jahren  {annis  ab  liinc 
octo  aut  novcni)  haben  die  Portugiesen  dieses  Land  entdeckt." 
In  dem  zweiten  schreibt  er  :  ,,  Die  Japaner  verachten  alle  andern 
Nationen.  Dies  war  auch  der  Grund,  warum  sie  mit  keinem 
Volke  Handelsverbindungen  hatten,  bis  die  Portugiesen  vor  acht 
oder  neun  Jahren  dort  landeten."  ^~)  Diese  beiden  Angaben  wür- 
den   auf  das    Jahr    1543    oder    1544   führen, i3)  zu    welcher    Zeit 


12.  Auf  diese  Briefstellen  stützt  sich  offenbar  TüRSELLixus,  der  im  Jahre  1594 
ein  Leben  Xaviers  schrieb,  wenn  er,  schon  ungenau,  sagt :  „  Haec  aiitem  oinnis  regio 
antüjidtati  penitus  igiiota,  casic  Liisifanis  eo  tempestate  abrcptis,  decennio  anteqiiain  eo 
venirel  Xaveriiis,  invcnta,  concUiiwi  comniercio  coeperat.^^  [De  Viia  B.  Fmncisci 
Xaverü,  qui  primiis  e  Soc.  Jesu  in  India  et  Japonia  Evangelium  proinulgavif).  In 
der  Ausgabe  in  meinem  Besitze,  Coloniae  Agrippinae  Anno  1610,  p.  299. 

13.  Falsch  referiert  der  Jesuitenpater  CR-VSSET,  wenn  er  sagt,  dass  Franciscus 
Xaverius,  während  einige  die  Entdeckung  Japans  ins  Jahr  i534  verlegten,  dafür 
gehalten  habe,  dass  sie  5  oder  6  Jahre  spätsr,  das  wäre  also  1539  oder  1540,  erfolgt 
sei.  (In  der  Uebersetzung  des  französischen  Originals,  erschienen  unter  dem  Titel 
„  Aussfi'ihrlictie   GescJiicJU  der  in   dem   äussersten   Well-  T/teil  gelegenen  Japonesisclien 


20  Rntdcckuiis;  Japans  durch  die  Portitgicscn. 

Xax'icr  l)crcits  in  Iiiclicii  thätiij;"  war,  wo  er,  !)c.st;"uuli;^'  in  Kontakt 
mit  den  l^^uropäern,  um  die  er  sich  seelsorgerlich  bemühte,  von 
der  erfolgten  Auffindung  neuer  Inseln  bald  hören  musste.  Wir 
sind  auch  im  Stande  nachzuweisen,  wann  ihm  zuerst  Kunde  davon 
ward.  In  einem  Briefe  vom  21.  Januar  154S  gibt  er  nämlich 
selber  an,  dass  im  April  1547  ein  portugiesischer  Kaufmann  ihm 
manches  über  kürzlich  entdeckte  grosse  Inseln,  welche  Japan 
genannt  werden,  mitgeteilt  habe,^)  eine  Stelle,  die  wohl  als  die 
früheste  in  europäischen  Quellen  nachweisbare  Erwähnung  des 
Ereignisses   gelten  darf 

In  demselben  Jahre  1552,  welchem  die  beiden  Briefe  Xa\'iers 
angehören,  die  die  ersten  auf  ein  bestimmtes  Jahr  führenden  Zeit- 
angaben enthalten,  begann  der  portugiesische  Geschichtschreiber 
De  Barros  mit  der  Herausgabe  seiner  Dekaden  ,,Da  Asia". 
In  der  ersten  derselben,  im  i.  Kapitel  des  IX.  Buchs,  wird  Japan 
erwähnt,^ 5)  aber  nicht  mehr  bemerkt  als  dies,  dass  eine  der  zahl- 
reichen Inseln,  welche  die  Portugiesen  ausser  dem  Festland  von 
Asien  besuchten,  auch  Japan   war. 

Hiernach  ist  die  Quelle  zu  nennen,  die  gewöhnlich  für  die 
älteste  gehalten  wird,  und  der  Maffei^ö)  in  seiner  zum  erstenmal 


Kirch.  Augspurg  1738"  S.  45).^ — Auch  von  Brandt  a.  a.  O.  drückt  sich  ähnlich 
ungenau  aus:  ,,  Der  Jesuit  Cornelius  Ilazart  legt  die  Entdeckung  von  Japan  in  das 
Jahr   1539,  Franz  Xavier  5-6  Jahre  später."     Das  wäre   1544  bzw.   1545.    ■ 

14.  Sclion  durch  diese  Briefstellen  erledigt  sich  die  in  älteren  Jesuitenwerken 
sich  findende  Angabe,  dass  durch  Xavicrs  eigene  in  das  Jahr  1549  fallende  Landung 
Japan  erst  entdeckt   worden  sei. 

15.  Das  hat  Rkin  ülicrsehcn,  der  (a.  a.  O.  r.inl  II.  S.  629)  sagt,  Barros  nenne 
die  Japaner  nicht. 

16.  N.vciion  a.  a.  O.  S.  31  gibt  an,  nach  \i).\  Su-moLD  hätte  JNIaffeil's  seine 
Angalien  ausser  von  Cai.a'Ano  auch  \'()X  Dk  Barkos,  Decada  V.  entlehnt,  und  weist 
dann  nacli,  dass  dies  niclit  stinnnen  kc"inne.  Hier  ist  dem  sonst  mit  peinliclier 
Akriliie  arbeitenden  Aut(jr  ein  \'crsehcn  unterlaufen.  Was  SlKBOLD  [^Nippon,  AnJtiv 
zur  Beschreibung  von  Japan,  und  dessen  hieben-  und  Schlitzländern,  Leiden  1852) 
Band  I.  S.  3  sagt,  ist  dieses.  Er  lierichtet  die  Ver.schlagung  dreier  Portugiesen  nach 
Japan  auf  einer  Reis;  von  Dodra  und  fährt  dann  fort :  ,,  So  erzälilt  uns  der 
Geschichtsschreiber  J.  V.  Maßeius,  welcher  dieses  Ereignis  aus  A.  Cialvano's  Ge- 
schichte der  Entdecker  der  neuen  ^Yclt  entlehnte,  und  Juan  de  Barrios  (In  der  1S97 
von  Sieljolds  Söhnen  besorgten  2.  Auflage  :  ebenfalls  Juan  de  Barrios)." 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  21 

1571  in  Dillingen  '7)  erschienenen  Indischen  Geschichte  folgt,iS)  dem 
hinwiederum  viele  andere,  wie  Jarric,i9)  Solier,-°)  ]\Ioxtanu.s,-0 
Kaempfer,22)  Valentvn,-3)  Thuxberg,24)  nacherzählen.  P2s  ist 
das  kleine  Buch  des  1540  aus  Indien,  wo  er  seit  1536  Gouverneur 
auf  den  Gewürzinseln  war,  zurückgekehrten  edlen  Antonio 
Galvano,  das,  nach  der  Gepflogenheit  mittelalterlicher  Chronisten 
von  der  Sintflut  anhebend,  die  zu  Lande  wie  zur  See  gemachten 
Entdeckungen,  besonders  der  Spanier  und  Portugiesen,  an  denen 
er  selbst  einen  Anteil  hatte,  bis  zum  Jahre  1555  kurz  aufzählt  und 
erst  nach  d^js  Verfassers  1557  erfolgtem  Tode  von  Francis  de 
Sousa  Tavares  im  Jahre  1563  herausgegeben  wurde.  Die 
Hakluyt  Society  hat  als  Supplement  zum  30.  Bande  ihrer  Pub- 
likationen  181 1   die  von  Richard  Hakluvt    1601    veröffentlichte 


17.  Nachod  (a.  a.  O.  S.  31)  hält  irrtümlich  die  1572  in  Paris  erschienene 
Ausgabe  für  die  älteste.     Hildretii  [Japan  as  it  was  and  is,  p.  22)  gar  die  von  15S9. 

18.  M.^FFEi  schreibt :  „Aditae  prinium  ejus  terrae  titidiiiii,  decusve,  et  alü  quidevi 
Liisitani  ad  se  trahunt ;  sed  ego  Antonio  Galuano  crediderini,  in  eo  libro  quem 
de  inventorilms  orbis  noi'i  conscripsit,  aperte  uarranti,  Antoniuin  JMotani,  Francis- 
cuin  Zeinioluni,  et  Antoniuin  Pexotuin,  cum  ex  iirbe  Sionis  Dodra  peferent  Sinas, 
pertinaci  vento   ad  insulas  Japonicoruin   ahreptos   anno   seculi  quadragesinio    secundo, 

cum  Sosa  [iiti  dicebamus)  Indiani  provinciam  regendain  accepisset."  (JOAXXis  Petri 
Maffei  Bergomatis  e  Societate  Jesu  Historiaruni  Iiuiicaruni  Libri  XVI.  Lib.  XII, 
In  der  mir  zugänglichen  Wiener  Ausgabe  von  1751  p.  273.) 

19.  Pü'.RRE  DE  Jarric,  Histoire  des  cJioses  plus  meniorables  advenues  taut  en 
Indes  orientales  que  autres  pais  de  la  descouverte  des  Poi'tugais.  3  vol.  1608  sq. 
Auch  K.  P.  Pi-rrRi  Jarrici  Thesaurus  Reruni  Indicaruin.  Coloniae  Agrippinae 
1615.  Cap.  XVIII-XX. 

20.  FRAXgoiS  SuLl.lER,  Histoire  ecclesiastique  des  isles  et  royaunies  du  Japon, 
depuis  Fan  IJ42  jusqiiä  Fan  1624.  2  vol.   1627  et    1629. 

21.  Arnoldus  Montaxus,  Geden/c'coaerdige  GesantscJuippen  der  Oost-Indislie 
Alaetscliappy  in  't  vereenigtc  N'ederland  aen  de  Kaisaren  van  Japan.  Amsterdam 
1669.  I  vol.  1669. 

22.  ExGELBERT  Kaemi'FERS  GcschicJite  tind  Beschreibung  von  Japan ;  aus  den 
Originalhandschriften  des  Verfassers  herausgegeben  von  Cur.  W.  Dohm.  3  Bände, 
Lemgo  1777.  (Die  englische  Uebersetzung  dieses  Werkes  von  Scheuchzer  erschien 
bereits  1727-S.) 

23.  Erax(;()IS  Valextvx,  Oud  en  Nieuiv  Ois!  Indien  etc.  5  Bände,  Dortlrecht 
und  Amsterdam  1724. 

24.  Voyages  de  C.  P.  Thuxuerg  au  Japiii.  Traduits,  rediges  etc.  par  I,. 
LANGLiis.     Paris  1796. 


22  Entdeckung  Japans  dnrcJi  die  Portugiesen. 

englische  Uebersetzung  des  Werks  zusammen  mit  dem  ])oi-- 
tugicsischcn  Urtext  herausgegeben.  Galvanos  licricht  lautet 
folgendermassen  : 

,,  Im  Jahre  des  Herrn  1542,25)  da  ein  gewisser  Diego  de 
Freitas  als  Kapitän  eines  Schifts  im  Reiche  Siam  v\\\<\  in  der 
Stadt  Dodra  war,  entflohen  ihm  drei  Portugiesen  in  einer 
Dschunke-^)  nach  China.  Ihre  Namen  waren  Antonio  da  Mota, 
I'^'ancisco  Zeimoto  und  Antonio  Pexoto.^?)  Sic  richteten  ihren 
Kurs  nach  der  Stadt  Liampo  im  30.  Breitengrad.  Da  aber  befiel 
ihr  Fahrzeug  ein  solcher  Sturm,  dass  sie  vom  Lande  abgetrieben 
Avurden.  Nach  einigen  Tagen  sahen  sie  östlich  eine  Insel  bei  32 
Grad,  welche  sie  Japan  nennen,  und  die  die  Insel  Zipangri  zu  sein 
scheint,  von  der  und  von  deren  Reichlümern  Paulus  Venetus^S) 
Erwähnung  thut.  Und  diese  Insel  Japan  hat  Gold,  Silber  und 
andere  Reichtümer. "29) 

Was  Galvano  gibt,  hat  er  aus  zweiter  Hand.  Denn  seit  1540 
war  er  nicht  mehr  selbst  in  Indien.  Die  Möglichkeit,  dass  er 
selbst  falsch  berichtet  wurde,  ist  nicht  ausgeschlossen.  Aber  der 
Charakter  des  Mannes  bürgt  dafür,  dass  er  wahrheitsgemäss 
erzählt  hat,  was  er  selbst  vernommen.  Dass  er  opiinux  fide 
berichtet  hat,  daRir  spricht  vielleicht  auch  der  Umstand,  dass  er 
sein  Manuskript  auf  dem  Sterbebette  einem  Freunde  zur  Ver- 
öffentlichung übergab.  Mit  Naviei's  knappen  l^riefangaben  .stehen 
seine  ausführlicheren  Mitteilungen   nicht   in    Widerspruch.     Denn 


25.  Cr.^sset  gil:)t  falsch  referierend  das  Jahr  1541,  ein  Fehler,  der  in  viele 
andere  Werke,  wie  Dick.son'.s  Japan  u.  a.,  überging. 

26.  Eine  Zulhat  M(,;kr.\v"s  ist  es,  wenn  er  in  seinem  Jkich  , Japan''  p.  169 
schreiljt :  in  einer  chinesischen  D.schunke. 

27.  In  Hakluyls  Englisch  erscheinen  die  Namen  sämtlich  etwas  verändert  : 
Antony  de  Moto,  Francis  Zimuro,  Antonio  l'erota. 

2S.     Mit  Paulus  Venetus  ist  natürlich  Marco  Polo  gemeint. 

29.  Wahrscheinlich  nach  Cr.vsskt  und  Ch.vrlevoix,  bei  denen  sich  .schon  diese 
falsche  Angabe  findet,  sagt  von  Pk.vndt  (a.  a.  O.  S.  9),  Galvano  erzähle,  dass  die 
drei  Kaufler.tc  nach  Kagoshima  verschlagen  wurden.  Galvano  gibt  indessen,  wie  obige 
Uebcr.set/.ung  seines  Textes  zeigt,  keinen  Ort  der  I^andung  an,  sondern  .spricht  nur 
unbestimmt  von  einem  Eiland  gegen  Osten  bei   X2  Grad. 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  23 

des  Paters  Zeitangabe  1543  oder  1544  gibt  sich  selbst  nur  als  unge- 
fähres Datum.  Beide  lassen  sich  aber  vielleicht  sogar  völlig  mitei- 
nander ausgleichen.  Es  bedürfte  dazu  nur  der  Annahme,  dass  die 
drei  Portugiesen,  die  dem  Freitas  entflohen,  dies  zu  l^^nde  des  Jahres 
1542  thaten,  und  dass  sie  nach  längerem  Umhertreiben  dann 
erst  zu  irgend  einer  Zeit  im  folgenden  Jahre  1543  in  Japan  landeten. 

P>s  bleibt  noch  eine  europäische  Quelle  zu  betrachten,  die 
Gewicht  hat,  die  Angabe,  die  Diogo  de  Couto  in  der  im  Jahre 
161 2  veröffentlichten  fünften  Dekade  (Teil  II.  Buch  VIII.  Kap. 
12)  macht. 30)  P^raissinetSO  ist  der  Meinung,  dass  dieser  Gelehrte, 
der,  gleich  achtenswert  als  Mensch  wie  wegen  seiner  Bildung, 
das  Amt  eines  Historiographen  bei  Philipp  IL,  dem  König  von 
Spanien  und  Portugal,  versah  und  ein  gut  Teil  seines  Lebens  in 
Indien  verbracht  hatte,  wo  er  das  unter  seiner  Hut  befindliche 
Archiv  von  Goa  hat  benützen  können,  vor  allen  anderen  vollsten 
Vertrauens  würdig  ist.  Was  er  berichtet,  ist  dies,  dass  drei 
Portugiesen  Antonio  da  INIota,  I'rancisco  Zeimoto  und  Antonio 
Peixoto  auf  einer  mit  Prellen  beladenen  Dschunke  im  Jahre  1 542 
vom  Wege  nach  Chinchcu  abgetrieben  wurden  und  in  Japan 
landeten.  Er  fügt  hinzu,  diese  drei  Portugiesen  seien  die  Männer, 
denen  die  P^ntdeckung  Japans  zu  verdanken  sei. 

Man  sieht  ohne  weiteres,  was  er  berichtet,  stimmt  vollkommen 
mit  Galvano  überein.  Dass  er  ein  und  dasselbe  Ereignis  wie 
dieser  beschreibt,  zeigt  die   Selbigkeit  der   Entdeckernamen.     Er 

30.  MUENSTERBERG,  der  Sie  die  erste  vorurteilsfreie  Darstellung  nennt,  ist 
(a.  a.  C).  S.  8.)  in  den  Irrtum  gefallen,  sie  De  Barrus  zuzuschreiben,  der  in 
Wirklichkeit  nur  die  drei  ersten  1552-1563  erschienenen  Dekaden  vollendete, 
während  die  vierte  auf  Grund  seiner  hinterlassenen  Papiere  erst  1615  lierausgegeben 
wurde,  und  die  Fortsetzung  der  übrigen  Dekaden  durch  De  Couto  geschah,  worauf 
Kachod  in  freilich  unberechtigter  Kritik  gegen  vox  Siebold  aufmerksam  gemacht 
hat.  In  der  seinem  Buche  vorausgeschickten  Bibliographie  meistert  Mltensterberg 
\j.  r.\Gi;s,  der  in  seiner  '  Biblio-^rapliic  Japonaise  ou  Catalogue  des  oiivragcs  relatifs 
an  Japan  qui  ont  eie  piiblies  depiiis  Ic  XV.  siede  jiisqiü  ä  nos  jcurs  '  (1859)  unter  No.  3 
nur  4  Bände  von  Barros'  Asia  angegeben  hal^e,  wälirend  der  wichtigste  gerade  der 
fünfte  sei.     Er  hätte  ihn  bei  Pagös  am  gehörigen  Orte  (No.  90)  finden  können. 

31.  FR.AISSINET,  Le  Japan.  Nouvelle  Edition  par  \'.  A.  Mai.te-Brun'.  Paris 
1S64.     Tome  I.  p.  i6Sf. 


24  pJitdcckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

lässt  vcrichicdcncs  wcl^,  was  Galvano  berichtet,  gibt  jedoch  auch 
eines,  was  sich  bei  jenem  nicht  findet :  dass  die  Dschunke  der  (hvi 
Portugiesen  mit  Fellen  beladen  war.  Es  ist  wohl  kaum  zu 
zweifeln,  dass  er  seine  Kunde  von  derselben  Quelle  wie  Galvano 
oder  wenigstens  von  einer,  die  derjenigen  Galvanos  nicht  ferne 
stand,  hatte.  So  mag  der  eine  Autor  dem  andern  zur  Bestätigung 
dienen.  Die  Frage  aber,  ob  1542  oder  1543  das  richtige  Datum 
der  ersten  luiropfierlandung  an  den  japanischen  Gestaden  ist, 
muss  vorläufig  noch  unentschieden  bleiben,  bis  Avir  etwa  für  das 
eine  oder  das  andere  dieser  beiden  Jahre  eine  Bestätigung  von 
anderer  Seite  her  gewinnen. 

Was  liegt  zu  diesem  Ende  näher,  als  in  der  japanischen  Ge- 
schichtsliteratur  Umschau  zu  halten,  ob  sich  nicht  hier  Auf- 
zeichnungen über  das  für  die  Nation  so  folgenreiche  Ereignis 
finden.  Das  ist  auch  in  der  That  der  Fall.  Schon  \ox  Siedold 
hat  einige  Auszüge  aus  japanischen  Werken  gegeben,  und  diese, 
aber  auch  nur  diese,  sind  von  Späteren  immer  Avicder  einfach 
übernommen  und  in  gleichem  Sinne  wie  von  ihm  verwendet 
worden.  Aber  was  Siebolds  Forscherfieiss  zugänglich  gemacht, 
ist  nicht  alles,  was  sich  in  japanischen  Geschichtswerken  findet. 
Im  Jahre  1897  erschien  in  Tokyo  ein  Buch  mit  dem  Titel  NicJa-ö 
kütsu  kigcns/ii  ( i\  ^^X  ^l^^  %\  Öl).  *-'iii<-'  Geschichte  des  frühesten 
Verkehrs  zwischen  Japanern  und  Europäern. 3-)  Die  Arbeit  eines 
vierundzwanzigj ährigen  Studenten  der  Agrikulturschule  in  Sap- 
poro, lässt  das  fleissigc  Buch  strenge  historische  Methode  und 
rechte  Ouellenkritil':  vermissen,  bietet  aber  auf  über  300  Seiten 
japanischen  Drucks  reiches  Material,  aus  dem  ersichtlich  wird, 
dass  sich  um  die  Untersuchung  der  Frage,  wann  und  wie  die 
ersten  Europäer  nach  Japan  kamen,  auch  japanische  Historiker 
älterer  und  neuester  Zeit  nicht  wenig  bemühten. 

32.  Das  japanisch  geschriebene  Buch  liat  ein  englisches  Titelblatt :  A  Hisiory 
of  the  Early  Inlcixoursc  behi<cc)i  Japanese  and  Eiiropeans  by  Kikutako  KAX.  .Super- 
vised  liy  Inazo  Nitobe,  A.  M.  Ph.  D.  Willi  annotations  by  Sliigelaka  Shiga,  Nö- 
gakushi.  (L)ic  Annolations  des  letzlcicn  fehlen  jedoch).  Shükwabü,  Tokyo,  2557 
(1897). 


Entdeckung  Japans  durch  die  Püftugkscn.  25 

Schon  VON  Siebold  33)  hat  mitgeteilt,  dass  das  Wa-kan-nin-kci 
(Chronologische  Parallele  von  Japan  und  Schina)  bereits  vom  4. 
Jahre  des  Nezigö  34)  Kwannin  (1020  n.  Chr.)  berichtet :  ,,  Nan-ban- 
sin  kommen  nach  Japan  und  stiften  viel  Unheil ",  und  später 
beim  19.  Jahre  O-ci  (141 2  n.  Chr.)  rühmt:  ,,  Nanban  brachten 
Tribut".  Es  ist  ja  nicht  ganz  ausgeschlossen,  dass  diese 
,,  Südbarbaren  "  vielleicht  kühne  Länderentdecker  aus  den  ersten 
Zeiten  Pleinrichs  des  Seefahrers  waren,  die  sich  so  weit  verirrten, 
die  Heimat  aber  nicht  v/ieder  erreichten,  so  dass  von  ihrer 
Entdeckung  keine  Kunde  nach  Europa  drang.  Aber  im  höchsten 
Grade  zweifelhaft  ist  es  doch,  dass  unter  diesen  ,,  Nanban",  die  an 
den  japanischen  Gestaden  erschienen,  Europäer  zu  denken  sind. 

Als  ganz  wertlos  darf  auch  die  Notiz  bei  Seite  gelassen 
werden,  die  sich  im  Yaso-tencJiiiki,  einer  in  der  Tokugawazeit 
verfassten,  gegen  die  ,,  vom  ITimmel  gestraften  Christen " 
gerichteten  Schrift  findet,  dass  Europäer  mit  ,,  schwarzen  Schiffen  " 
[kurofunc — das  Avar  und  ist  \'ielfach  noch  heute  in  Japan  die 
Bezeichnung  für  europäische  Fahrzeuge)  während  neun  Jahren 
nach  II 56,  in  den  Perioden  Högen  und  Heiji,  nach  Japan 
gekommen  seien.  Und  umsonst  müht  sich  Yutaka  Hagiwara 
in  dem  Buche  KcnsJw  jutsuryaku,  den  Nachweis  zu  führen,  dass  nur 
an  Europäer  gedacht  werden  könne,  wenn  japanische  Geschichts- 
bücher erzählen,  dass  im  März  des  4.  Jahres  Bunji  (11  SS  n.  Chr.) 
unter  der  Regierung   des  Kaisers  Gotoba  ein  Schiff  von  Makatsu 

ZZ-    A.  a.  O.  S.  5. 

34.  ^\''t7/^5  sind  Jahresperioden  («tv?  „  Jahr  ",  _i^y  „  Name  ")  wie  die  griechischen 
Olympiaden  mid  in  Japan  seit  der  Regierung  des  Kaisers  Kötolcu  (645-654  n.  Chr.) 
nach  chinesischem  Vollbild  eingeführt.  Eine  Aenderung  des  Kengö  trat,  allerdings 
nicht  immer,  mit  dem  Regiermigsantritt  eines  neuen  Kaisers  ein ;  später  wairden 
auch  aussergewöhnliche  Ereignisse  Veranlassung  zu  solcher  Aenderung,  so  dass 
sich  die  Regierung  eines  und  desselben  Kaisers  oft  iil)cr  mehrere  solche  Perioden 
erstreckt,  und  man  in  1260  Jahren  nicht  weniger  als  229  Xengö  zu  unterscheiden 
hat  (Näheres  bei  Floricnz,  Niho)igi,  Buch  XXV.  S.  6,  Anm.  45).  Das  gegenwärtige 
hat  den  Namen  JÄ'//V  (,,  Erleuchtete  Regierung")  und  begann  mit  der  Einsetzung 
des  gegenwärtig  regierenden  Kaisers  in  die  alte  kaiserliche  Herrlichkeit  und  Selb- 
ständigkeit oder  der  Aufhebung  des  Shögunats,  wobei  zugleich  die  Bestimmung 
getroffen  wurde,  dass  künftig  jede  Regierung  nur  ein  Nengö  haben  solle. 


20  Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

nach  Nambu  in  der  Provinz  Mutsu  mit  150  Mann  Schiffsvolk  kam, 
unter  dem  sich  ch'ci  grosse  Männer,  Purato,  Tempurato  und 
Kemurasets,  befanden,  die  auffallende  Kenntnisse  in  der  Heil- 
kunde, in  Geographie,  Astronomie,  Mathematik  und  der  Kriegs- 
führung besassen,  und  von  denen  einer  besonderes  Aufsehen 
dadurch  erregte,  dass  er  einem  kreissenden  Weibe  erfolgreich 
Beistand  leistete. 

In  einer  neueren  Geschichte  der  Seeräuberei  niit  dem  ^Titel 
Kaikö-sliiniatsu  liest  man  :  ,,  In  der  Periode  Kyöroku  (i 528-1 531) 
kamen  neun  portugiesische  Handelsschiffe  zu  Funai  in  Bungo  an. 
Auf  einem  derselben  war  ein  Mann  von  Ming  mit  Namen  Sankan. 
Der  Fürst  Otomo  Yoshitsumi  sandte  den  Bonzen  Hoshuza  und 
wollte  Verkehr  mit  ihnen  anknüpfen.  Der  genannte  Sankan 
schenkte  dem  Fürsten  einige  Gegenstände,  darunter  eine  Feuer- 
waffe. Dies  ist  die  heutige  Vogelflinte.  Das  war  der  Anfang  des 
europäischen  Handelsverkehrs  mit  unserem  Lande  ".  Was  hier 
berichtet  ist,  geht  ohne  Zweifel  auf  das  ältere  Geschichtsvverk 
KyJishYi-ki  zurück,  in  dem  es  heisst  :  ,,  Im  3.  Jahre  der  Periode 
Kyöroku  (1530),  im  Sommer,  kamen  neun  Handelsschiffe  der 
Namban.  Unter  der  Mannschaft  war  ein  Mann  von  Gross  Ming, 
Namens  Sankan.  Der  P^ürst  des  Landes,  Ctomo  Saemon  no 
Suke  Nyudö  Sörin,  liess  durch  einen  Bonzen  Hoshuza  V^erkehr  mit 
ihnen  anknüpfen.  Jene  Kaufleute  schenkten  viele  Kostbarlceiten. 
Darunter  war  eine  Feuerwaffe  von  2-3  P'uss  Länge,  die  man 
Teppö  35)  nannte.  Darnach,  im  20.  Jahre  Tembun  (155 1),  kamen 
]\Iänner  von  demselben  Lande  und  sch.enkten  P^euerwaffen 
{islübiya,  ,,  Steinfeuerpfeile  ")."  Hier  ist  offenbar  von  den  Bringern 
der  Feuerwaffen,  d.h.  den  Portugiesen,  die  Rede,  und  eine 
historische,  auch  sonst  erwähnte  Landung  europäischer  Schiffe 
berichtet.  P2benso  offenbar  aber  ist,  dass  sie  in  eine  falsche,  nämlich 
zu  frühe    Zeit   verlegt   ist,    ein    chronologischer    I'ehler,    der    in 


35.  Ti'ppö,  vom  chinesischen  fie-p'-ao  „eiserne  Röhre".  Unverständlich  ist 
die  Erklärung,  die  NlToni",  {^Thc  Infercoitrse  hehveen  the  United  States  and  Japan, 
Baltimore  1S91.  S.  8.)  für  die  Lczciclmung  gil^t.  Nach  ihm  ist  Teppö  aus  Chohö, 
„  kostbarer  Schatz  ",  entstanden. 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  27 

japanischen  Geschichtsbüchern  von  der  Art  des  Kylisliu-ki  sehr 
häufig  vorkommt,  vox  Siebold  36)  ist  zu  wenig  kritisch,  wenn  er 
schreibt :  ,,  Geschichthch  erwiesen  landete  das  erste  schwarze 
Schiff  (kurofune)  im  Jahre  1530  und  zwar  im  Hafen  Funai  in  der 
Provinz  Bungo  und  brachte  dem  Fürsten  Gtomo  ]\Iuneakira  zwei 
Feuergewehre  zum  Geschenk  ". 

Von  der  Landung  europäischer  Schiffe  in  einem  Hafen  \  on 
Bungo  ist  allerdings  in  japanischen  Büchern  viel  zu  lesen.  Unter 
dem  Titel  Givaikdshikö  kam  im  17.  Jahre  ^leiji  (1884)  ein  aus- 
fuhrliches, zwei  Bände  umfassendes  Werk  über  den  Verkehr 
Japans  mit  dem  Auslande  heraus.  Da  es  vom  Auswärtigen 
Ministerium  herausgegeben  wurde,  darf  man  wohl  annehmen,  dass 
es  über  die  erste  Kuropäerankunft  die  unter  den  gegenwärtigen 
Historikern  herrschende  Ansicht  gibt.  Es  konstatiert  folgendes  : 
,,  Im  Jahre  2201,  unter  der  Regierung  des  Kaisers  Gonara,  im 
Juli  des  10.  Jahres  Tembun  (1541)  geriet  ein  portugiesisches  Schiff 
mit  380  Mann  in  einen  Sturm.  Es  strandete  in  ShingOji-ura  in  der 
Provinz  Bungo.  Dies  ist  die  erste  Ankunft  der  Europäer. 
Damals  versah  der  Statthalter  Otomo  Sörin  die  Fremden  mit  Reis 
und  Holz  und  half  ihnen  zur  Heimkehr  ".  Kikutaro  Kan  führt 
eine  ganze  Reihe  von  AVerken  älteren  wie  neueren  Datums  auf,  in 
denen  diese  Ansicht  vertreten  ist,  wie,  um  einige  Titel  zu  nennen, 
Tsukö-icJiiran,  Yögakunenipyj ,  Setsubanncmpyd,  Sovioku  rokuhu 
köshühö,  Suganum.a's  Nikon  Shögyöshi,  und  das  im  23.  Jahre 
Meiji  von  den  drei  hervorragenden  Historikern  Shigexo,  Kume 
und  HosHiNO  veröffentlichte  KokusJdgan. 

Auch  in  dem  im  26.  Jahre  Meiji  erschienenen  Sekai  ni  okeru 
Nilionjin  (,,  Japaner  in  der  Welt  ")  finde  ich  sie  vorgetragen,  nur 
mit  der  Abweichung,  dass  der  Verfasser,  Wataxabe,  statt  der 
Zahl  380  die  Zahl  280  für  die  Schiffsbemannung  angibt. 

Er  scheint  hiebei  treuer  als  die  anderen  genannten  dem 
Sairan  Ig:cn  des  berühmten  Plistorikers  Ar.a.1  Hakuseki  gefolgt  zu 


36.     \"0X  Siebold,    Von  den    IVa/fen,  S.  24.     In  der  2.  Auflage  des  „  Xif/to 
Band  I.  S.  :!28. 


28  Eiitdcckujig  Japans  durch  die  Portugiesen. 

sein,  wo  CS  heisst :  ,,Das  Kommen  von  Sciban  (,,  Westbarbaren") 
beginnt  mit  der  Ankunft  der  rortugiesen.  Im  Herbste,  im  Juli 
des  lo.  Jahres  Tembun,  kam  ein  ungeheuer  grosses  Seeschiff  in 
Shingü-ura  in  der  Provinz  Bungo  an. 37)  Sein  Schiffs\^)llc  bestand 
aus  280  Leuten.  (Anm.  Hakusekls  :  Bogengi  von  Ming  sagt : 
Seiban  ist  das  Reich  Haratakaru  [Portugal]).  Ein  ATann  mit 
Namen  Futsurai  Shakuko  schenkte  eine  Feuerwaffe  an  Bungo 
(Anm.  Hakusekis  :  Futsurai  Shakuko  ist  der  Name  Franjvusu 
Saberius.  Er  ist  ein  Lehrer  von  grossem  Ruf)".  Die  älteste 
Quelle  aber,  aufweiche  diese  Nachricht,  wie  alle  übereinstimmenden 
Angaben  in  ([q.\\  anderen  genannten  Werken  zurückgehen,  scheint 
das  Geschichtswerk  Otonio-ki  zu  sein,  und  was  in  diesem  zu  lesen 
steht,  ist :  ,,  In  der  Zeit  des  Sörin  Nyüdö,  am  27.  Juli  des  10. 
Jahres  Tembun,  kamen  Männer  von  Dainnnkoku  [Gross  Ming] 
nach  Shingüji  in  der  Provinz  i^ungo.  Auf  dem  Schiffe  waren 
ungefähr  280  Mann  ". 

Neben  dieser  Ouelle,  die  als  Landungsort  den  Hafen 
Shingüji-ura  (Funai)  in  Bungo,  als  Jahr  der  Ankunft  das  zehnte  des 
Nengö  Tembun  angibt,  A\-elches  unserem  1541  n.  Chr.  entspricht, 
gibt  es  in  Japan  noch  eine  andere,  geschrieben  in  der  Periode 
Keichö  (1596- 16 14)  für  Hisatoki,  den  14.  Statthalter  der  Insel 
Tanega(shima),  den  Sohn  Tokitaka's.  Ihr  Verfasser  ist  ein 
buddhistischer  Priester  der  Landscliaft  Satsuma  mit  Namen 
Daikiuji  Bünji  (FuMivuKi).  Die  kleine  Schrift  ist,  wie  schon  ihr 
Titel  Teppö-ki  anzeigt,  eine  Geschichte  der  Plinten  und  findet  sich 
in  einer  .Sammlung  von  Schriften  desselben  Verfassers,  welche  den 
Titel    XanpühiinsJiH   trägt.     Der    Bericht,    welchen   sie    von    dem 


37.  IIlRAl  Kisno  hcviclitcl.  in  dem  Buche  Önaukens/n'kö  das  Gleiche  vom  il. 
Jahre  l'cmhun  (1542)  und  fiii^l  liiiizu,  dass  das  Schiffsvolk  dem  Fürsten  Ulomo  Sürin 
mit  Hinten  und  anderen  Kostbarkeiten  beschenkte,  und  von  ihm  die  Erlaubnis,  Handel 
zu  treiben,  erhalten  habe.  Nach  zwei  Jahren  seien  sechs  Schiffe  gekommen,  die  dem 
Fürsten  -wieder  seltene  Kostbarkeiten  brachten,  die  dieser  mit  einem  Gegengeschenke 
erwiderte.  Zugleich  habe  er  einem  seiner  Diener,  Saitü  Gensuke,  befohlen,  nach 
ihrem  Lande  zu  gehen,  wo  derselbe  indessen  gestorben  sei.  Sein  Grab  sei  noch  in 
der  Hauptstadt  dort  zu  sehen. 


Entdeckung  Japans  durcJi  die  Portugiesen.  29 

Ereignis  gibt,  ist  ziemlich  ausführlich.  Er  ist  in  Japan  allgemeiner 
bekannt  geworden,  seit  Nisiiimura  Tokihiko,  bekannter  unter 
seinem  literarischen  Namen  Tenshukosiii,  i88r  sein  kleines, 
vielgelesenes  Buch  Teppodenrciroku  erscheinen  liess.  Denn  dieses, 
geschrieben  mit  der  Absicht,  die  Verdienste  des  adeligen  Hauses 
Tanegashima  um  die  EinRihrung  der  Feuerwaffen  in  Japan  ins 
Licht  zu  stellen,  ist  im  ganzen  nichts  als  eine  Wiedergabe  des 
in  Fl^miyuki's  NanipobunsJiü  enthaltenen  Berichtes.  Ich  gebe  den 
letzteren  vollständig  wieder,  und  schalte  dabei  gleich  an  den 
gehörigen  Stellen  in  Klammern  dasjenige  ein,  wodurch  ihn 
Tenshukoshi,  gleichzeitig  die  CJironik  der  Familie  Yaita,  von 
deren  Ahnen  einer  bei  der  Einführung  der  Arkebusen  mit  eine 
Rolle  spielt,  benützend  ergänzt. 

,,  Südlich  der  Provinz  Csumi  liegt  eine  Insel,  18  /'/  von  der 
Provinz  entfernt.  Man  nennt  sie  Tanegashima.  Meine  Ahnen  sS) 
wohnten  von  Alters  her  auf  dieser  Insel.  Im  Herbste  des  12. 
Jahres  Tembun,  am  25.  August,  kam  ein  grosses  Schiff  nach 
Nishimura  Ko-ura.  Man  wusste  nicht,  woher  es  kam.  Das 
Schiffsvolk  bestand  aus  etwa  100  Mann.  Ihr  Aussehen  war 
verschieden  von  dem  unserigen.  Ihre  Sprache  war  uns  un- 
verständlich. Alle,  die  sie  sahen,  verwunderten  sich.  Unter 
dem  Schiftsvolk  befand  sich  ein  chinesischer  Schriftkenner  mit 
Namen  Gohö.  Seinen  Familiennamen  kennen  wir  nicht. 
Damals  war  der  Vorsteher  des  Dorfes  Nishimura  ein  Mann 
Namens  Oribenojö  39),  der  Schrift  wohl  kundig.  Er  traf  Gohö  und 
schrieb  mit  seinem  Stocke  in  den  Sand  :  ,,  Ich  weiss  nicht,  von 
welchem  Lande  die  Männer  auf  dem  Schiff  gekommen  sind. 
Wie  sonderbar  sehen  sie  aus!"  Daraufschrieb  Gohö:  ,,  Diese 
Männer  sind  Kaufleute  von  Scii:amban  (Südwestbarbarenland). 
[Sie  kennen  zwar  einigermassen  die  Scheidung  zwischen  Herr 
und  Knecht,  doch  weiss  ich  nicht,  ob  es  bei  ihnen    ein  strenges 


38.  Der  Ilistoriograph  spriclit  hier  nach  japanischem    Brauche    im  Xamen   des 
ITeirn,  dessen  Hausgeschichte  zu  schreiben  er  den  Auftrag  hat. 

39.  Nishimura  Oribenojö  Tokitsura.     Er  war  verwandt  mit  dem  StattliaUer  der 
Insel  Tanegashima,  Salvonye  Shöl^an  Tol-citaka. 


30  Fjitdcckitiig  JapcDis  diircJi  die  Portugiesen. 

Ilöflichkcitszcremonicll  gibt  oder  nicht.  Sie  trinken  aus  dem  Glase, 
ohne  es  dem  andern  zu  reichen  ;  sie  essen  mit  den  Händen  statt  mit 
Essstäbchen.  Sie  lassen  sich  von  ihren  Leidenschaften  treiben.  Mit 
dem  Sinn  der  Schriftzeichen  sind  sie  nicht  bekannt.  Ivs  sind  fah- 
rende Leute,  die,  bald  hier,  bald  dort,  keinen  festen  \\\^hnsitz  haben 
und  gegen  das,  was  sie  haben,  anderes  eintauschen  wollen,  was  sie 
nicht  haben.  Sie  sind  also  harmlose  Menschen."]  Darauf  schrieb 
Oribe  :  ,,  13  vi  von  hier  entfernt  ist  eine  Bucht,  die  Akaoki  heisst. 
Dort  haben  von  jeher  meine  Ahnen  ihren  Wohnsitz  gehabt.  Es 
sind  einige  taasend  Häuser  da,  und  die  Einwohner  sind  sehr  wohl- 
haDend.  Von  Norden  und  Süden  kommen  Kaufleute  dorthin. 
Euer  Schiff  hat  hier  Anker  geworfen ;  Ihr  thätet  aber  besser  daran, 
in  jenen  Hafen  einzufahren,  da  dort  die  See  tief  und  sehr  ruhig  ist." 
Er  machte  meinem  Grossvater  Yoshitoki  und  meinem  Vater  Toki- 
taka  Meldung.  Tokitaka  liess  zwanzig  bis  dreissig  Boote  abfahren, 
um  die  Fremden  zu  holen.  Erst  am  27.  August  fuhr  das  Schiff 
in  den  Hafen  Akaoki  ein.  Damals  war  ein  Bonze  Chyushuza, 
ein  guter  Kenner  der  chinesischen  Klassiker  und  der  Schrift. 
Er  und  Gohö  hatten  eine  Unterredung  mit  Hilfe  des  Schreibpinsels. 
Unter  den  Kaufleuten  waren  zwei  Vorsteher.  Der  eine  hiess 
]\Iura  Shukusha,  der  andere  Kirishita  ta  Mota.  Sie  hatten  einen 
Gegenstand  in  der  Hand.  Seine  Länge  betrug  2-3  sJiaku.  Er 
war  innen  hohl,  aussen  gerade  und  sehr  schwer.  Im  übrigen 
ausgehöhlt,  hatte  er  am  Boden  einen  sicheren  Verschluss,  an  der 
Seite  aber  ein  Loch — der  Weg  des  Feuers.  Das  Aussehen  des 
Gegenstandes  lässt  sich  mit  dem  keines  andern  vergleichen.  Was 
seine  Handhabung  anlangt,  so  legt  man  ein  wunderbares  Mittel 
{k?isuri)  hinein,  dazu  eine  kleine  bleierne  Kugel.  Man  heftet 
zuerst  eine  kleine,  weisse  Scheibe  an  den  Rand  eines  Felsens. 
Der  Schütze,  den  Gegenstand  in  der  Hand,  stellt  sich  zurecht, 
drückt  ein  Auge  zu,  entzündet  durch  das  Loch  das  Feuer 
und  verfehlt  dann  niemals,  augenblicklich  sein  Ziel  zu  treffen.  Es 
zuckt  wie  ein  Blitz  und  schallt  wie  erschreckender  Donner,  dass 
jedermann  sich  betäubt  die  Ohren  zuhält.  [Mit  diesem  Gegen- 
stande   kann    man    selbst   eine   eiserne   Wand    zermalmen,   auch 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  31 

Menschen  und  Haustiere  lassen  sich  damit  töten.  Im  übrigen  lässt 
sich  sein  Gebrauch  gar  nicht  aufzählen].  Tokitaka  sah  ihn  und 
dachte  :  Das  ist  ein  seltener  Schatz,  wie  es  seinesgleichen  nicht  oft 
in  der  \\'elt  gibt.  Anfangs  wusste  man  seinen  Xamen  nicht,  noch 
auch  kannte  man  seine  Handhabung  und  seinen  Zweck.  Nachher 
nannte  man  ihn  Teppö.  Vielleicht  ist  das  der  Name,  den  die  Leute 
von  Ming  dem  Gegenstande  gegeben  haben,  oder  es  mag  ihn  auch 
jemand  auf  meiner  Insel  so  benannt  haben.  Eines  Tages  sagte 
Tokitaka  mit  doppelter  Dolmetschung  zu  jenen  zwei  Barbaren  : 
,,  Ich  möchte  dies  gerne  lernen."  Die  Barbaren  antworteten 
vermittelst  doppelter  Dolmetschung :  ,,  Wenn  Ihr  es  lernen 
wollt,  wir  wollen  Euch  gerne  aufs  genaueste  darin  unterrichten." 
[Darauf  sagte  der  Fürst :  „  Kann  ich  das  letzte  Geheimnis  von 
Euch  lernen?"  Die  Barbaren  sagten:  ,,  Das  ganze  Geheimnis 
besteht  darin,  dass  man  das  Herz  aufrichtig  behält  und  ein  Auge 
zudrückt."  So  weihten  sie  den  Fürsten  in  das  ganze  Geheimnis 
ein.  Tokitaka  freute  sich  darüber  nicht  wenig.  In  diesem  Jahre  war 
das  Fest  Chöyö  no  setsu  [am  9.  Tag  des  9.  Monats].  An  diesem 
Feste  erlernte  er  die  Kunst.  Anfanglich  wunderten  sich  die 
Zeitgenossen  darüber.  Manche  hatten  Angst  vor  dem  Gegen- 
stande. Nachher  aber  sagten  sie  mit  einer  Stimme  :  Wir  wollen 
es  doch  lernen.]  Tokitaka  erbat  sich  von  den  Barbaren  zwei 
Flinten,  ohne  nach  dem  Preise  zu  fragen,  und  verleibte  sie  seinem 
Familienbesitze  ein.  Seinen  Diener  Shinogawa  Koshirö  liess  er 
lernen,  wie  man  jenes  treffliche  kusuri  (Pulver)  bereitet.  [Tokitaka 
lernte  tagtäglich  eifrig  ohne  Aufhören  und  brachte  es  so  weit,  dass 
er  unter  hundert  Schüssen  keinen  Fehlschuss  hatte.  Zu  der  Zeit 
war  ein  Mann  Namens  Sugibö  im  Tempel  Negoro  in  der  Provinz 
Kishü.  Trotz  der  weiten  Entfernung  von  100  ri  schickte  er  einen 
Boten,  um  sich  eine  Flinte  auszubitten.  Tokitaka  antu  ortete : 
,,  Der  Fürst  von  Jo  in  alten  Zeiten  sprach,  wie  sehr  ihn  auch 
verlangte,  das  Schwert  Kisatsu's  zu  besitzen,  doch  diesen  .seinen 
Wunsch  nicht  aus.  Kisatsu,  der  gleichwohl  seinen  Wunsch 
erriet,  gab  ihm  das  Schwert.  Meine  Insel  ist  zwar  klein  und  liegt 
am  äussersten  Ende  des  Landes.     Indessen  bin  ich  doch  nicht  so 


2,2  EntdcckiDig  Japans  durch  die  Portugiesen. 

{geizig,  irgend  etwas  vorzuenthalten.  Er  schickte  Tsuda  Kenmotsu- 
nojö  als  Boten  und  licss  dem  Sugibö  eine  Flinte  bringen. 
Ausserdem  Hess  er  ihn  in  djr  Bereitung  des  trefflichen  kusuri 
und  in  der  Handhabung  wie  im  Abfeuern  der  Waffe  unterrichten. 
Tokitaka  ging  so  weit,  dass  er  einen  Schwertschmied  Yaita 
Kimbei  Kiyosada  den  h^lintenguss  erlernen  lassen  wollte.  Die 
Kaufleute,  die  dieses  Geheimnis  zu  wahren  wünschten,  Avollten  ihn 
jedoch  nicht  darin  unterrichten.  Nun  hatte  dieser  Kiyosada  eine 
Tochter,  die  Wakasa  hiess  und  wunderschön  war.  Dieses  Mä'dchen 
brachte  Kiyosada  zu  dem  Schiffe  der  Kaufleute  und  bat  den 
Kapitän:  „Wenn  Ihr  mich  den  Flintcnguss  lehrt,  so  werde  ich 
Euch  als  Gegengeschenk  diese  meine  niedrige  Tochter  geben." 
Der  Kapitän  sah  Wakasa's  Schönheit,  sein  Herz  wurde  bewegt, 
und  endlich  lehrte  er  ihn,  wie  man  Flinten  macht.  PIr  ging  weg 
und  nahm  das  Mädchen  Wakasa  mit  sich.  So  lernte  Kiyosada 
Flinten  giessen.  Er  widmete  sich  dem  Gusse  Tage  und  INTonate 
und  brachte  eine  Flinte  zu  stände.  Sie  sah  aus  wie  die  andern, 
nur  brachte  er  es  nicht  zuwege,  den  Boden  abzuschliessen,  und 
war  nun  traurig  darüber,  dass  er  seine  Tochter  weggegeben  hatte. 
Wakasa  aber  war  mit  dem  Kapitän  nach  dessen  Lande  gegangen. 
Allein  sie  sehnte  sich  nach  ihrem  Vaterlande  und  schrieb  ein 
japanisches  Gedicht:  ,,Tage  und  Monate  sehne  ich  mich  nach 
Yamato,  daran  gedenkend,  dass  dort  meine  beiden  Eltern 
wohnen."  Das  teilte  sie  in  Uebersetzung  dem  Kapitäne  mit, 
der  Mitleid  mit  ihr  empfind.  Im  nächsten  Jahre  kam  er  wieder, 
Wakasa  mit  sich  bringend.  Das  Schiff  fuhr  in  den  Hafen 
Kuma  no  ura.  Tokitaka  dachte  :  Das  ist  des  Himmels  W^ille, 
Er  liess  den  Kiyosada  nun  belehren,  wie  man  den  Boden  schliesst. 
Erst  da  lernte  dieser,  dass  man  die  Flinten  rollen  m".ss.  Binnen 
etwas  über  Jahresfrist  hatte  er  einige  zehn  Arkebusen  gemacht. 
Darauf  verfertigte  er  Schaft  und  Zierrat.  Tokitakas  Absicht  war, 
die  Flinten  für  den  Krieg  zu  gebrauchen.  Darum  legte  er 
keinen  Wert  auf  die  Form.  Er  freute  sich  sehr  und  unterrichtete 
seine  Vasallen  in  der  Handhabung  des  Gewehrs.  Dies  war  der 
Anfang  der  Einführung  der  Feuerwaffen]." 


Entdeckung;  Japans  durch  die  Portugiesen.  33 

Sicher  war  es  auch  ein  auf  diesen  Bericht  des  Teppö-ki 
gegründetes  japanisches  Geschichtsbuch,  aus  dem  vox  Siebold 
seine  kurze,  seitdem  immer  wieder  abgeschriebene  Beschreibung 
der  ersten  Europäerankunft  nahm.  Er  nennt  es  ^.Wa-zi-si"'  und 
teilt  aus  demselben  mit :  ,,Iin  12.  Jahre  des  Nengo  Ten-bun,  am  22. 
Tage  des  8.  Monats,4o)  unter  der  Regierung  des  Kaisers  (Mikado) 
Konara,  und  des  Oberfeldherrn  (Sjögun)  Josiharu  (im  INIonate 
Oktober  1543)  landet  an  der  Insel  Tanega-sima  im  Bezirke 
Nisimura  beim  Dorfe  Ko-ura  ein  fremdes  Schiff.  Das  Schiffs- 
volk, etwa  hundert  an  der  Zalil,  hat  ein  sonderbares  Aussehen. 
Seine  Sprache  war  unverständlich,  sein  Vaterland  unbekannt. 
An  Bord  ist  ein  Chinese  Namens  Go-hou,  der  Schrift  kundig  ; 
durch  ^e.\\  erfahrt  man,  dass  es  ein  Nan-ban-Schiff  sei.  Am 
26.  desselben  Monats  wird  dieses  Fahrzeug  an  die  nordwest- 
liche 41)  Seite  dieser  Insel  nach  dem  Elafen  von  Aka-oki  ge- 
bracht, und  Toki-taka,  der  Befehlshaber  von  Tanega-sima,  stellt 
eine  genaue  Untersuchung  darüber  an,  wobei  der  japanische 
Bonze  Tsju-sju-zu  mittelst  chinesischer  Schriftzeichen  als  Dolmet- 
scher dient.  An  Bord  des  Nan-ban- Schiffes  befinden  sich  zwei 
Befehlshaber,  Mura  sjuksja  und  Krista-Moota  (Christ  da  Moota  ?). 
Diese  führen  Feuerwaffen — teppö — mit  sich  und  machen  die 
Japaner  zuerst  mit  dem  Gebrauche  des  Schiessgewehres  und 
der  Bereitung  des  Schiesspulvers  bekannt." 

Man  sieht,  dieser  Auszug  enthält  alles  Wesentliche  des  oben 
mitgeteilten,  umständlicheren  Berichts  des  Bonzen  Bl'.vji,  von 
welchem  er,  ausser  in  der  Transkription  der  Namen,  nur  darin 
abweicht,  dass  er  als  Datum  der  Landung  den  22.  anstatt  den  25. 

40.  vox  Siebold  identifiziert  dieses  Datum  einmal  „  ^lonat  Oktober  1543", 
ein  andermal  „  September  1543".  In  Wirklichkeit  entspricht  der  22.  Tag  des  8. 
Monats  des  12.  Jahres  Tembun  dem  20.  September  1543  unseres  Kalenders.  (Für 
Feststellung  der  Daten,  welche  in  unserer  Zeitrechnung  den  von  den  japanischen 
Werken  gegebenen  entsprechen,  wairde  von  mir  benützt  William  '&\<\m%v::^,  Japanese 
Chronological  Tables,  s/itnüiiig  the  date,  according  to  the  Julian  or  Gregorian  calendar, 
of  (he  fiist  day  of  each  Japanese  montli.    Tokyo  1880). 

41.  Wo  er  den  Bericht  zum  zweitenmale  wiedergibt,  ül^erset/.t  vox  Siebold 
„nördliche  ". 


34  Enfdcckung  Japans  diircJi  die  Portugiesen. 

des  S.  Monats  c^ibt.  Letzterem  Datum42)  j^t  wohl  der  Vor7.ug 
7Ai  geben.  Ivs  findet  sich  auch  in  einem  japanischen  Skizzenbuclie, 
Mangiva.  Im  sechsten  Bande  dieses  Werkes  ist  den  Abbildun- 
gen der  Feuergewehrc  und  der  dazu  gehörigen  Gerätschaften 
eine  Zeichnung  der  ersten  europäischen  Fremdlinge  von  der 
Hand  des  berühmten  Malers  Hokusai  beigefügt,  welche  die  y\uf- 
schrift  flihrt :  ,,  Am  25.  Tage  des  <S.  r^Ionats  im  12.  Jahre 
Tembun,  dem  Jahre  Mizuaoto  (dem  40.  des  sechzigjährigen 
Zyklus)  verschlagen  nach  Tanegashima  der  Landschaft  (^\sumi — 
Kirishita  Möta  und  Mura  Shukusha." 

Da  die  Schrift  Teppö-ki  bereits  in  der  Periode  Keicho  (1596- 
1614)  verfasst  und  im  Auftrage  Hisatokis  geschrieben  ist,  v/obei 
dem  Historiographen  doch  wahrscheinlich  schriftliche  y\ufzeich- 
nungen  zur  Verfügung  standen,  er  auch  im  stände  war,  sich  auf 
mündliche  Ueberlieferungen  zu  stützen,  so  ist  man  wohl  berechtigt, 
den  Bericht  als  vertrauenswürdigste  Quelle  zu  nehmen.  Auch 
trägt  die  Erzählung  selbst  das  Gepräge  der  Wahrheit.  Und 
zudem  fehlt  es  den  berichteten  Tliatsachen  nicht  ganz  an  Be- 
zeugung von  anderer  Seite.  Kikutaro  Kax  hat  mitgeteilt,  dass 
noch  heute  im  Besitze  eines  Nachkommen  der  Stattlialterfamilie 
von  Tanegashima,  Herrn  Tanegashima  Moritoki,  wohnhaft  im 
Distrikt  Kumao  in  der  Provinz  üsumi,  ein  l^rief  des  Kwambaku 
Konoye  Ue  le  sich  findet,  der  von  diesem  in  Begleitung  eines 
kaiserlichen  Diploms,  das  ihn  unter  dem  17.  des  2.  Monats  des  4. 
Jahres  Köji  (i55<S)  zur  Belohnung  für  die  Einführung  des  Pulvers 
und  der  lehnte  in  den  Rang  Jü-go-i  no  ge  erhob  und  zum  Sakonye 
Slidkan  ernannte,    an   Tatatoki    Danjö    geschickt    wurde. 43)      Bis 


42.  Entsprechend  dem  23.  September  1543. 

43.  Beides,  der  Wortlaut  des  Diploms  und  Konoye's  begleitendes  Glückwunsli 
.schreiben,  das  letztere,  vom  5.  des  3.  Monats  datierte,  in  autograpliischer  Reproduktion, 
sind  in  KlKüT.VRO  Kan's  Buch  mitgeteilt.  Ein  viertes  Jalir  Köji  gibt  es  freilich 
eigentlich  nicht.  Das  Nengo  dieses  Namens  umfasst  nur  die  drei  Jahre  1555-1557- 
Japanische  Geschichtskundige,  die  ich  konsultierte,  versicherten  mich  jedoch,  dass  es 
nichts  so  Ungewöhnliches  sei,  im  i.  Jahre  einer  neuen  Periode  noch  nach  der 
vorangegangenen  das  Datum  zu  bestimmen.  Das  4.  Jahr  Köji  wäre  danach  das  erste 
des  von   155S-1569  reichenden  Xengö  Eiroku  und  unser   155S  n.  Chr. 


Entdeckung  Japans  durcJt  die  Portugiesen.  35 

zum  heutigen  Tage  ferner  nennt  das  Volk  im  südlichen  Japan 
die  Gewehre  Tanegashiiiia  tcppd,  ,,  eiserne  Röhren  von  Tanega- 
shima",  ein  Zeugnis  dafür,  dass  die  Feuerwaffen  zuerst  auf  dieser 
Insel  eingeführt  wurden. 

Wenn  nun  aber  Teppö-ki  recht  hat,  indem  es  die  Portugiesen 
zuerst  im  Jahre  1543  in  Tanegashima  landen  lässt,  so  kann  es 
natürlich  nicht  ebenfalls  richtig  sein,  wenn  andere  japanische 
Geschichtsbücher  konstatieren,  dass  diese  erste  Ankunft  schon  im 
Jahre  1541,  und  zwar  im  Hafen  ShingOji-ura  in  der  Provinz  Bungo 
stattgefunden  habe.  Und  diese  Annahme,  so  sehr  ihr  die 
japanischen  Historiker  zuneigen,  hat  schon  ohnedies  nicht  wenig 
gegen  sich.  So  natürlich  es  ist,  dass  ein  Schiff  der  Portugiesen, 
von  den  Meeresregionen  kommend,  in  denen  ihre  Fahrzeuge  in 
dieser  Zeit  sich  zu  bewegen  pflegten.,  zuerst  nach  dem  der 
südlichsten  der  Hauptinseln  vorgelagerten  Eilande  Tanegashima 
gelangte,  so  unwahrscheinlich  ist  es,  dass  ein  solches  in  den  so  viel 
nördlicher  gelegenen,  im  Binnenmeer  verborgenen  Hafen  Shinguji- 
ura  einlief,  den  nur  mit  Land  und  See  von  Japan  wohlvertraute 
Schiffer  finden  konnten.  Noch  unwahrscheinlicher  wird  diese 
Annahme,  Avenn  überdies  an  eine  Strandung  gedacht  werden 
soll. 44)  Man  könnte  daher  versucht  sein,  zu  argwöhnen,  dass  der 
Historiograph  des  Hauses  Otomo,  um  für  dieses  das  Verdienst  in 
Anspruch  zu  nehmen,  um  dessentwillen  der  Befehlshaber  des 
kleinen  Eilands  im  Süden  vom  Hofe  in  Miyako  ausgezeichnet 
wurde,  die  Ankunft  eines  portugiesischen  Schiffes  in  einem  Hafen 
der  Provinz  Bungo  zwei  Jahre  vor  der  wirklichen  ersten  Ankunft 
der    Portugiesen    in    Tanegashima    erfunden    habe,    so    dass    die 


44.  Viel  eher  wahrscheinlich  wäre  dies  von  Bonotsu,  wo  nach  dem  Buche  Ki- 
risutoshiki  die  Portugiesen,  von  Slam  kommend,  zuerst  gelandet  sein  sollen,  da  Bonotsu 
eine  Landspitze  im  Süden  von  Satsuma  ist.  Die  verschiedenen  widersprechenden 
Angaben  sucht  das  in  Japan  geschätzte  neuere  Werk  KokiisJngan  künstlich  in  der 
Weise  miteinander  in  Einklang  zu  bringen,  da.ss  es  die  von  Malakka  kommenden 
Schiffe  zuerst  im  lo.  Jahre  Tembun  in  Tanegashima  landen  und  dann  nach  Kagcshima 
in  der  Nähe  von  Bonotsu,  und  von  da  nach  Bungo  kommen  lässt.  Ötomo  Yoshi- 
tsumi  habe  sie  in  Shingüji-ura  aufgenommen. 


36  Fjitdcclcung  Japans  diircli  die  Jhrtu^^icscn. 

Landunp^  bei  Nisliiiiuira  Kti-iira  als  zwcilmallc^es  Kommen  der 
Eui'opäcr  erschien.  Das  letztere  nimmt  '/..  ]>.  Arai  ITakl'seki 
in  seinem  Sairan  li^cn  an.  Nach  .seiner  Darstellung  wäre  derselbe 
Mann,  der  zuerst  in  .Shingiiji-ura  in  Bungo  landete,  im  August  des 
12.  Jahres  Tembun  wieder  gekommen,  und  zwar  mit  sechs  .Schiffen, 
von  denen  eines  mit  loo  Mann  bei  Tanegashima  Anker  warf, 
während  die  fünf  übrigen  wieder  nach  Bungo  fuhren. 45)  Indessen 
ist  die  Annahme,  dass  der  Verfasser  des  Ötoiuo-ki — ///  inajorcvi  sni 
ipsuis  pi'incipis  gloriani — eine  der  Landung  im  Süden  um  zwei 
Jahre  voraufgegangenc  in  einem  der  Häfen  seines  Herrn  nur 
erfunden  habe,  gar  nicht  nötig.  Wir  müssen  nur  beachten, 
dass  das  Otonio-ki,  auf  das  alle  japanischen  Darstellungen, 
welche  die  Portugiesen  zuerst  in  Shingüji-ura  landen  lassen,  zurück- 
gehen, gar  nicht  sagt,  da.ss  das  Schiff,  welches  um  die.se  Zeit  in 
Bungo  ankam,  ein  Portugiesenschiff  war.  Was  Otoino-Jd  sagt,  ist, 
dass  das  Schiff  von  Daiiinukokii  Icam.  Und  unter  Daiminkoku 
cl.  h.  dem  Lande  Gross  Ming  ist  zunächst  doch  nichts  anderes  als 
China  zu  verstehen.  Es  i.st  erst  Arai  Hakuseki,  der  im  Sairan 
Igen  Bogengi  als  Autorität  dafür  angibt,  dass  hier  Portugal  und 
unter  den  Seiban  Portugiesen  zu  verstehen  seien.  Dass  die 
Chinesen,  deren  Piratenschiffe  sich  damals  nachweislich  viel  an 
den  Küsten  von  Kyüshü  herumtrieben,  den  Weg  in  das  japa- 
nische Binnenmeer  fanden,  hat  nichts  Unwahrscheinliches.  Un- 
möglich freilich  wäre  es  auf  der  anderen  Seite  auch  nicht,  da.ss 
auf  einem  solchen  im  Jahre  1541  in  Bungo  landenden  Seeräuber- 
schiffe sich  auch  einige  Portugiesen  befanden. 

Das  Resultat  aber,  zu  ^\elchem  dij  Vergleichung  und  Prüfung 
der  japanischen  Berichte  über  das  in  Frage  stehende  P^reignis 
flihrt,  ist  dieses :  Die  ersten  Europäer,  die  den  Fuss  auf  die 
japanischen  Gestade  setzten,  waren  Portugiesen.  Ihre  früheste 
wohlverbürgte  Landung  erfolgte  am  23.  September  1543.  Sie 
geschah  auf  der  Insel  Tanegashima.  Auf  dem  Schiffe,  mit  dem  sie 
kamen,    waren    etwa    lOO    I\Iann.     Ihre    Vorsteher    waren    ]\lura 

45.     Nach  Arai  IIaki'skki  ist  dies  im  Satsmna  Natiipohtnshii  l^richtet. 


EiitdcckuJig  Japans  durch  die  Portugiesen.  37 

Shukusha  und  Kirishita  ta  INIöta.  Sie  schenkten  die  ersten 
Feuerwaffen  und  lehrten  die  Japaner  die  Bereitung  des  Pulvers. 

Vergleichen  wir  dieses  Ergebnis  mit  unserem  Befunde  der 
europäischen  Quellen,  so  zeigt  sich,  dass  sich  beide  keineswegs  so 
decken,  wie  man  wohl  wünschen  möchte.  Differenzpunkte  bleiben. 
Der  hauptsächlichste  ist  der,  dass  die  Südspitze  von  Tanegashima 
unter  30°  24'  n.  B.  liegt,  während  Galv.\xo  als  Ort  der  Landung  eine 
Insel  bei  32  Grad  bezeichnet.  Annehmen  lässt  sich  allerdings,  dass 
der  letztere  die  Lage  unrichtig  bestimmt  hat,  dies  um  so  mehr,  als 
er  auch  für  Lianipo,  das  in  Wirklichkeit  unter  dem  29.  Breitengrad 
lag,  den  30.  angibt.  Ebenso  wenig  wie  hinsichtlich  des  Landungs- 
ortes stimmen  beide  Angaben  ganz  zusammen  hinsichtlich  der 
Landungszeit.  Denn  wenn  es  auch  gestattet  ist,  Galvaxo's  und 
De  Couto's  Mitteilung  so  zu  deuten,  dass  die  Ankunft  in  das 
Jahr  1543  fiele,  so  fiele  sie  nach  ihnen  doch  in  den  Anfang  dieses 
Jahres,  während  die  japanischen  Berichte  den  8.  IMonat  nennen. 
Das  Wahrscheinlichere  ist  auch  hier,  dass  die  portugiesischen 
Geschichtschreiber  bzw.  ihre  gemeinsame  Quelle  sich  um  ein 
Jahr  geirrt  haben,  dass  also  ihr  1542  in  1543  zu  ändern  ist.  Eine 
andere  Abweichung  liegt  darin,  dass  die  europäischen  Geschicht- 
schreiber drei,  die  japanischen  nur  zwei  Portugiesen  als  Entdecker 
nennen,  eine  Abweichung,  die  sich  indessen  leicht  so  erklären 
lässt,  dass  sich  der  eine  von  den  dreien  in  Japan  weniger 
hervorgethan  hat.  Verschieden  sind  auch  die  Namen  angegeben. 
Indessen  ist  nichts  natürlicher  als  dies,  dass  die  Japaner  den 
Klang  der  ihnen  gänzlich  fremden  Namen  nicht  genau  auf- 
genommen haben. 46)  Und  im  übrigen  fehlt  die  Aehnlichkeit 
nicht.  Kirishita  ta  Möta  mag  sehr  wohl  mit  Zeimoto  oder  auch 
mit  Antonio  da  Mota  identisch  sein. 

In  der  ganzen  bisherigen  Untersuchung  ist  nun  eine  Quelle 
ausser  Betracht  gelassen  worden,  und  zwar  gerade  tliejenige,  die 
seit  VON  Siebold  und  Fraissinet,  welche  freilich,  verschieden  von 


46.     E'jenso,  wie  dies  umgekehrt  sehr  häufig   der   Fall    ist.      So   wird  /..  B.    in 
pinto's  Buch  Iliamongö  aus  dem  japanischen    Yainagazca. 


38  Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

den  Neueren,  aber  in  Ucbereinstimmung  mit  den  japanischen 
Berichten,  1543  anstatt  1542  als  Jahr  der  ICntdeckuni^  ansetzen, 
als  hauptsächlichste  Quelle  angezogen  wird  :  Ferxäo  Mexdes 
PiNTO's  Peregrina^äo,  die  berühir.te  Reisebeschreibung,  die  der 
abenteuernde  portugiesische  Matrose  nach  seiner  Rückkehr  aus 
dem  Osten  niedergeschrieben  hat,  um  sie,  wie  er  in  der  Vorrede 
sagt,  seinen  Kindern  als  Erinnerung  und  als  Erbschaft  /.u 
hinterlassen,  damit  sie  daraus  die  Lehre  zögen,  dass  sie  sich 
nicht  durch  die  Mühseligkeiten  des  Lebens  entmutigen  lassen 
sollten,  Gott  gegenüber  ihre  Schuldigkeit  zu  thun,  da  es  keine 
Widerwärtigkeiten  gebe,  welche  die  menschliche  Natur  nicht  mit 
Hilfe  der  göttlichen  Gnade  ertragen  könne,  wie  er  selber  das 
erfahren  habe,  der  im  Laufe  von  einundzwanzig  Jahren  drei- 
zehnmal gefangen  und  siebzchnmal  verkauft  worden  sei.  Li 
diesem  zuerst  1614  in  Lissabon  erschienenen,  nachmals  in  vielen 
Uebersetzungen  und  in  zahlreichen  Neuauflagen  verbreiteten 
Berichte  nimmt  Pinto  die  Ehre  der  ersten  Entdeckung  der 
japanischen  Liseln  für  sich  in  Ansprucli.  Auf  einem  chinesischen 
Seeräuberschiffe,  dem  er  sich  mit  zwei  Genossen,  Diego  Zeimoto 
und  Christovao  Borralho,  anvertraute,  um  von  Sanchan  nach  dem 
Hafen  Lailo  zu  gelangen,  das  aber  ein  heftiger  Sturm  von  der 
chinesischen  Festlandsküste  abtrieb,  Avill  er  nach  dreiundzwanzig- 
tägiger  Meerfahrt  mit  den  andern  beiden  als  erster  Portugiese  bei 
der  Lisel  Tanixumä  (  =  Tanegashima)  angelandet  sein. 

Charlevoix  47)  nimmt  nun  an,  dass  ungefähr  gleichzeitig  im 
Jahre  1542  zwei  gleichartige  Zufille  die  portugiesische  Dschunke, 
von  der  man  bei  Maftei  liest,  und  das  chinesische  Piratenschiff  4S)^ 
auf  welchem  Pinto  und  Genossen  sich  befanden,  beide  mit  je  drei 
Portugiesen,  ohne  dass  dieselben  von  einander  wussten,  nötigte, 
an  diesen  Inseln,  die  crstere  im  Hafen  von  Kagoshima,  das   andere 


47.  Ilisloire  ei  Description  gaüralc  du  Japan,  Tome  II.  p.   122  ff. 

48.  MuENSTERBERG  (a.  a.  O.  S.  <})  läs.st  sich  eine  Flüchtigkeit  zu  schulden 
kommen,  wenn  er  mitteilt,  dass  nach  Chari.evoix  die  beiden  verschiedenen  Ent- 
decker auch  bei  gleicher  Beförderung  mit  einem  chinesischen  Boote  nach  Japan 
tikcommen  seien. 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  39 

bei  Tanegashima,  zu  landen,  so  dass  beide  meinten,  ein  Recht  zu 
haben,  sich  für  die  ersten  Auffinder  dieses  bald  so  berühmten 
grossen  Archipels  zu  halten,  und  dass  entweder  die  Nachlässigkeit 
beider,  den  Zeitpunkt  der  Ankunft  genauer  zu  bestimmen,  oder  ihr 
Bestreben,  ihn  zu  verschweigen,  es  für  immer  unmöglich  gemacht 
habe,  eine  Entscheidung  darüber  zu  fällen,  wem  nun  eigentlich  der 
Ruhm  zukommt.  Er  meint,  es  scheine,  dass  man  sich  in  der 
Zeit,  wo  es  noch  leicht  gewesen  wäre,  sich  Gewissheit  zu  ver- 
schaffen, keine  ?^Iühe  darum  gegeben  habe,  ohne  Zweifel  des- 
halb, weil  für  Jahre  sich  die  Unterhaltung  ausschliesslich  um 
die  Entdeckung  Japans  durch  das  portugiesische  Schiff  (irehte, 
während  das  P^rlebnis  der  chinesischen  Dschunke  erst  durch 
die  Memoiren  Pinto's  in  die  weite  Oeffentlichkeit  drang,  dessen 
Bericht  wohl  im  einzelnen  wunderbar  ausgeschmückt  sein  möge, 
aber  doch  durch  spätere  Besucher  Japans  zu  gut  bestätigt  werde, 
als  dass  man  ihn  für  eine  blosse  Dichtung  halten  dürfte,  besonders 
wenn  man  bedenke,  dass  er  zu  einer  Zeit  schrieb,  wo  noch 
mehrere  Personen  ihn  zu  dementieren  in  der  Lage  waren.  ICr 
übersieht  dabei,  dass  Pinto's  Bericht  zunächst  nur  für  seine  Nach- 
kommen bestimmt  war  und  erst  einunddreissig  Jahre  nach  seinem 
Tode  veröffentlicht  wurde,  und  empfindet  nicht  das  Unwahrschein- 
liche der  Annahme,  dass  zwei  so  ganz  gleichartige  Vorfalle  in 
die  gleiche  Zeit  gefallen  sein  sollten. 49) 

Murray  5°)  stellt  die  Sache  so  dar,  dass  zunächst  die  drei  von 
Galvano  genannten  Flüchtlinge  vom  Schiffe  des  Diego  Freitas 
nach  Japan  gekommen  seien,  einige  Jahre  nach  ihnen  Pinto, 
der  nachmals  eine  ausführliche  Beschreibung  seines  Besuchs 
geliefert  habe.     Allein  das  von  Pinto,  und  das  von  den  anderen 


49.  Unter  den  Neueren  teilt  diese  Ansicht  Charlevoix'  noch  Ljungütedt, 
An  Historical  Sketch  of  the  Portuguese  SetilemoUs  aiui  of  the  Roman  Catholic 
Clmrch  and  Mission  in  China.  Boston  1836.  S.  I16,  und  Charles  M.\c  Fari.ank, 
Japan;  An  Accoiuii,  Geograpltical  and  Historical.  London  1S52.  Appendix,  p. 
397 ;  auch  Francisque  Marn.'VS  trägt  sie  noch  vor  (Z«  „Religion  de  Jestis''  res- 
suscitee  au  Japon.     Paris  et  Lyon   1S96.     Tome  I.  p.  3  u.  4). 

50.  Japan,  p.   170. 


40  Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

europäischen    und    den  japanischen   Geschichtschreibern   lu-/,ählte 
bezieht  sich  ohne  Zweifel  auf  einen  und  denselben  Vorfall. 

Da  l'into  eine  sein*  umständliche  Schilderung  gibt,  die  im 
Avesentlichen  den  Angaben  Galvano's  und  der  japanischen  Dar- 
stellung entsprechend  lautet,  der  Name  seines  einen  Begleiters,  Zei- 
moto,  auch  den  verschiedenen  Lesarten  gemeinsam  ist,  Pinto  also 
sichtlich  dasselbe  Ereignis  meint,  so  ist  es  nicht  zu  verwundern, 
dass  andere,  wie  ausser  den  schon  Genannten  z.  B.  auch  Lauts  50, 
ihm  die  I-'.hre  zuerkannt  und  dann,  wie  schon  von  Siebold,  die 
\-ün  Gal\ano  genannten  Entdecker  im  identisch  mit  ihm  und 
Diego  Zeimoto  und  Christovao  Borralho  gehalten  haben,  dies 
entweder  so,  dass  man  die  Namen  bei  Gaiaaxo  für  verstümmelt 
hält,  vvie  VON  Siebolü  und  ihm  nach  Eraissinet,  oder  zu  einer  der 
von  ÄIuENSTERBERG  geäusserten  Vermutungen  seine  Zuflucht 
nimmt,  dass  dem  Pinto  nach  \-ierzig  Jahren  die  Namen  seiner 
längst  verschollenen  Spiessgesellen  entfallen  gewesen  seien,  oder 
dass  er  und  der  eine  von  diesen  beiden  als  Leute,  die  vieles  zu 
verbergen  hatten  und  daher  sicher  interessiert  gewesen  seien, 
dass  ihr  Name  sie  nicht  verriet,  als  Piraten  und  Gesellen  eines 
chinesischen  Seeräubers  einen  anderen  Namen  führten. 

VON'  SiEBOLD  meint,  die  Umständlichkeit  in  Pinto's  Erzählung 
und  deren  Bewährung  von  der  andern  Seite  müssten  ihn  geradezu 
als  Augenzeugen  erkennen  lassen  ;  und  aus  gleichen  Gründen 
bringen  wohl  auch  alle  anderen  ihm  Vertrauen  entgegen. 5^)  In 
der  That  schreibt  Pinto,  wie  nur  jemand  schreiben  konnte,  der 
selbst  in  Japan  war  und  die  Sitten  und  Gewohnheiten,  wie  über- 
haupt die  Verhältnis.se  von  Land  und  Volk  aus  eigener  Anschauung 
kannte.     Aber  dass  er  wirklich   in  Japan  gewesen  ist,  unterliegt 

51.  Japan  in  zijinc  staalkiuiJige  cn  bürge rlij/cc  iiirigliiigcii  cn  liet  verkeer  7iict 
Europeschc  Naticii.     Amsterdam  1847.  S.  98. 

52.  .So  sai,rt  z.  I).  Fk.msslnet  (a.  a.  O.Tome  i.  p.  169):  Plus  on  ctudie  ce 
debat,  plus  on  deiiiciire  convaiiicu  quc  Ics  plus  fortes  raisons  militent  en  faveiir  de 
Pinto.  Vgl.  auch  Rein  (a.  a.  ().  I,  302) :  „  Uie  Glaubwürdigkeit  dieses  Berichtes 
wird  noch  erhöht  durch  die  sonstigen  Bemerkungen  über  die  Schönheit  der  Tempel 
und  dis  freundliche  Entgegenkommen  ihrer  Priester,  der  Bonzen." 


EntdcckiDig  Japans  durch  die  Portitgicscn.  41 

keinem  Zweifel.     \\\x  haben  die  unanfechtbarsten  Zeugnisse  dafür, 

dass  er  sogar  mehr  als  einmal  dahin  gekommen  ist.     Indess   nur 

hiefür,  nicht  dafür,  dass  er  gerade  das,  was  er  als  eigenes  Erlebnis 

berichtet,  auch  wirklich  selbst   in  Japan    erlebt    hat,   kann    man 

diese   Uebereinstimmung  seiner  Angaben  mit  den  thatsächlichen 

Verhältnissen    als    Zeugnis    nehmen.     Dieses,    und   damit   seinen 

P.ntdeckerruhm,  kann  man  trotzdem  in  Zweifel  ziehen,  dies  um  so 

mehr,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  es  eine  häufige  Gepflogenheit 

v^on  Reisenden  dieser  Zeit  war,  sich  als  Erlebnis  anzueignen,  was 

sie  nur  von  Hörensagen  wussten,  und  dass  besonders  über  Pinto's 

Schriftstellerwahrhaftigkeit  die   iNIeinungen  immer   geteilt   waren. 

Von  vielen  wurde  sein  Buch,  in  dem  er  nach  eigener  Versicherung 

eine    schlichte    und     ungeschminkte     Erzählung     gibt,    für     eine 

portugiesische    Robinsonade   genommen.     Wie   sich   IMarco    Polo 

spottend  Messer  Millioni  musste  nennen  lassen,  so,  und  aus  gleichem 

Grunde,  änderte  man  seinen  Namen  Alendez  um  in  Meiidarj  d.  h. 

Lügcnbeutel.     Und  wie  ihm  Cervantes  den  zweifelhaften  Ehientitel 

des  ,,  Fürsten  unter  den  Aufschneidern  "  verlieh,  so  lässt  Congreve 

in  ,,  Love  for  Love  "  einen  seiner  Helden  zu  dem   andern   sagen: 

„  Ferdinand  Alendea  Pinto  luas  bnt  a  type  of  thee,  tliou  liar  of  tlie 

first   inagnitudc ".      Auf  der   andern    Seite    hat    man   schon    früh 

gemeint,   ihn    gegen    so   harte   Beurteilung  in  Schutz  nehmen   zu 

müssen.     Bereits    der    1620    zuerst  erschienenen    s|;anischen    und 

der    1628    erstmalig   veröffentlicliten    französischen    Uebersetzung 

der    „  ÄbcnteiierlicJieu    Reisen "     ist    eine    Apologie    des    Autors 

vorausgeschickt.     Purchas    tritt    kräftig    für    die    Zuverlässigkeit 

seiner  Beschreibungen  ein,  besonders  soweit  sie  sich  auf  China  und 

Japan  beziehen;   der   Herausgeber  der    „Annales   des    Iqyages " 

erklärt,   dass  ein  ausgedehntes   Studium  aller   ihm    zugänglichen 

Werke  über  China  ihn  in  seinem  Vertrauen  zu  dem  Wahrheitssinne 

und   dem   Gedächtnisse  Pinto's  je  länger  je  mehr  bestärkt   habe  ; 

Remusat  zitiert  ihn  als  eine  gute  Autorität  für  Thatsachen,  und 

am    nachdrücklichsten    ist   ein    Deutscher,    Christoph    Arnold,    in 

seinen    1672    zu    Nürnberg    veröffentlichten    ,,  M'aJirJiaftigen   Bc- 

seJireibiuigen  dreyer  mächtigen  Königreiche  Japan,  Siani  und  Corea"' 


42  Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen. 

für  ilin  eingetreten.  Das  sind  sehr  entgegengesetzte  Urteile 
über  einen  und  denselben  Autor,  und  doch,  wird  man  sagen 
dürfen,  haben  beide  recht.  Man  wird  im  allgemeinen  dem  letzten 
deutschen  Ueberset/.er  Mendez  Pinto's  53)  zustimmen  können, 
nach  dem  man  bereitwillig  zugestehen  müsse,  dass  die  Einzelheiten 
durch  manche  Auswüchse  einer  reichen  Phantasie  ausgeschmückt 
sind,  aber  überzeugt  sein  dürfe,  dass  die  Erzählung  im  allgemeinen 
ein  lebendiges  und  getreues  Bild  des  Lebens  und  der  Sitten  der 
Völker  des  östlichen  Asiens  gibt.  Und  gewitzigt  durch  die 
v^ollständige  Korrektur  des  Urteils  über  Marco  Polo's  lange  als 
P^abelbuch  betrachtetes  Reisewerk,  zu  der  man  sich  nach 
genauerer  Bekanntschaft  mit  den  von  dem  italienischen  Reisenden 
beschriebenen  Leandern  und  Völkern  hat  entschliessen  müssen, 
wird  man  sich  doppelt  hüten  müssen,  bei  Pinto  vorschnell  als 
fabulös  zu  verwerfen,  was  bei  allem  Schein  des  Gegenteils  sich  doch 
als  auf  Wirklichkeit  beruhend  erweisen  möchte.  Es  gilt  in  jedem 
einzelnen  Punkte  genau,  aber  vorurteilslos  zu  prüfen,  ehe  man  eine 
PLntscheidung  fällt.  Das  ist  nun  freilich  in  einem  Betracht  bei 
Pinto's  Buch  viel  schwerer  als  bei  IMarco  Polo.  Das  hinterlassene 
Werk  des  portugiesischen  Autors,  in  zahlreichen  Handschriften 
und  Uebersetzungen  gekürzt,  mit  Interpolationen  versehen  und 
korrumpiert,  hat  bis  heute  noch  nicht  seinen  Marsden,  geschweige 
seinen  Pauthi<;r  oder  Yule  gefunden.  Von  allen  Uebersetzungen 
ist  die  zuverlässigste  die  auf  Kosten  der  französischen  Regierung 
im  Jahre  1830  zu  Paris  in  drei  Bänden  neugedruckte  französische 
Berxh.vrd  P^iguier's,  welche  zuerst  1628  erschienen  ist  54).     Aber 

53.  Pll.  H.  KUELB,  Fernand  Mendez  Pintds  abenteuerliche  Reise  durch  China, 
die  Tartarei,  Siain,  Pegii  und  andere  Länder  des  östlichen  Asiens.  Jena  1S68.  S. 
IX.  Diese  Uebersetzung  ist  leider,  wie  die  meisten  in  anderen  Sjjrachen  auch,  die 
wir  haben,  trotz  Külbs  gegenleiligcr  Versiclierung  in  der  \'orrede,  selber  das, 
weswegen  er  eine  andere  neuere  liearbeitung  im  zweiten  Bändchen  der  Reisenden 
der  Vorzeit  (Jena  1809)  kritisiert,  und  was  auch  schon  die  1671  in  Amsterdam  er- 
schienene deutsche  Uebersetzung  ist,  nur  ein  dürftiger  Auszug. 

54.  Die  beste  portugiesische  Ausgabe  ist  nach  Külb  die  1S29  zu  Lissabon 
erschienene  in  4  Bänden,  welche  der  ersten  genau  folgt  und  viele  Verbesserungen 
und    Zusätze    enthält.      Mir    stand    durch     die    Liebenswürdigkeit     des    Kaiserlich 


EntdcckiDig  Japans  durch  die  Portugiese n.  43 

auch  wer  nach  dieser  Ausgabe  Pinto's  Bericht  über  die  Entdeckung 
Japans  einer  sorgfältigeren  Durchsicht  unterzieht,  kann  nicht 
lange  im  Zweifel  bleiben,  dass  der  Verfasser  bei  der  Niederschrift 
desselben  seiner  südländischen  Phantasie  weniger  als  irgend  sonst 
in  seinem  Buche  Zwang  angethan.  Vieles  von  dem,  was  er 
erzählt,  verrät  sich  ohne  weiteres  als  blosse  dichterische  Aus- 
schmückung, anderes  hält  nicht  stand  vor  einer  kritischen  Prüfung 
an  der  Hand  der  japanischen  Geschichtsbücher. 

Der  Nautac|uim,55)  den  Pinto  als  den  Befehlshaber  von 
Tanegashima  anführt,  ist  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem  Statt- 
halter oder  Fürsten  der  Insel.  Pinto  nennt  ihn  Hiascarao  Goxo, 
was  wahrscheinlich  eine  Korrumpierung  \"on  Hyöbunojö56)  ist, 
welchen  Titel  der  damals  regierende  Tokitaka  führte.  Die 
Stadt  Miaiginä  (so  in  der  portugiesischen  Ausgabe ;  bei  Plguier  : 
Miaygimaa),  a\^o  die  europäischen  Ankömmlinge  nach  Pinto  mit 
dem  Befehlshaber  verkehrten,  steht  bei  ihm  für  die  im  Teppö-ki 
genannte  Stadt  Akaoki.57)  Pinto's  Bericht  weicht  hier  von  der 
japanischen  Lesart  ab,  nach  welcher  die  Landung  bei  Nishimura 
Ko-ura  geschah,  und  die  Dschunke  vier  Tage  später  erst  nach  der 
Bucht  von  Akaoki  kam.  Verschieden  ist  die  Jahreszeit  bestimmt. 
Nach  Pinto  fiele  die  Ankunfc  etwa  in  den  Monat  Mai,  wohingegen 
die  Japaner  den  23.  September  als  Datum  geben.  Während 
nach   ihnen   die  Unterhaltung  schriftlich   mit   Hilfe   der   Japanern 

Deutschen  Gesandten,  Herrn  Grafen  Arco-Valley  in  Tokyo,  die  5.  Auflage  des 
Üriginaldrucks  von  1762  zur  Verfügung,  welcher  eine  Reisebeschreibung  Antonio 
Tenreiro"s  (Reise  nach  Indien)  beigefügt  ist.  Die  2.  Auflage  erschien  Lisboa  167S, 
die  3.  ibid.   171 1   u.  die  4.  ibid.   1725. 

55.  Nach  vox  Siebold  ein  Amtsname,  entstanden  aus  einer  \'erstümmelung 
von  0]ijalc'nin,  Aufseher.  Rein  hat  versehentlicli  immer  Nantaqttui  gelesen. 
FiGUiER  und  alle  mir  zugänglichen  Uebersetzungen  schreiben  Naittaquin.  In  der 
von  mir  verglichenen  portugiesischen  Ausgabe  steht  das  Wort  wie  oben. 

56.  Nicht,  wie  Siebold  an  die  Hand  gibt,  von  Sasagawa  Kosiro,  den  er  lür 
den  Ortsvorsteher  von  Nishimura  nimmt,  der,  wie  oben  bemerkt,  Oribenojö  hiess. 
Shinogawa  Koshirö  ist  der  Name  des  Japaners,  den  der  Statthalter  die  Bereitung 
des  Pulvers  lernen  liess. 

57.  V.  SiEBOLD  vermutet,  Miaygimaa  müsse  der  Flecken  Ilirayama  sein. 


44  Entdeckung  Japans  durch  die  Porüigicscn. 

und  Chinesen  gemeinsamen  Schriftzeichen  durch  Schriftkundige 
beider  Teile  gefülirt  wurde,  erzälilt  der  l'ürtugiese,  v/enigcr 
glaubhaft,  dass  eine  Vvavx  von  den  Lekiosinseln  (Riukiu  oder 
I.iukiu),  die  der  Befehlshaber  bei  sich  halte,  als  Dolmetsch  gedient 
habe.  Unwahrscheinlich  ist  bei  der  Haltung,  welche  je  und  je 
die  von  Nationalstolz  erfüllten  Japaner  gegen  Fremde  beobachtet 
haben,  dass  der  Befehlshaber  beim  Anblick  der  bfu'tigen  Europäer 
ausgerufen  haben  sollte,  die  Japaner  dürften  sich  glücklich  preisen, 
Avenn  diese  welterobernden  Chenchicogins  5^)  als  gute  Freunde 
in  ihr  Land  kämen,  und  noch  unglaublicher  bei  dem  bekannten 
Unabhängigkeitssinn  der  Insulaner,  dass  ein  japanischer  Samurai 
je  Worte  spracli  wie  die:  ,,  Siclierlich,  keiner  der  Könige,  die 
wir  jetzt  auf  Erden  wissen,  kann  für  glücklich  gehalten  werden, 
es  sei  denn,  er  ist  der  V^asall  eines  so  grossen  Monarchen,  wie 
es  der  König  dieser  Männer  [von  Portugal]  ist."  Wie  ein  Akirchen 
aus  Tausend  und  Eine  Nacht  liest  sich  ferner,  dass  der  Befehls- 
haber von  Zeimotos  Feuerrohr  luid  vorher  nie  gesehener  Scliiess- 
kunst  so  hii;genommen  Avar,  dass  er  den  Schützen  hinter  sich 
auf  dem  Pferde  aufsitzen  hess  und  in  diesem  Aufzuge  nnt  ihm 
durch  die  Stadt  ritt,  während  Herolde  in  den  Strassen  ausrufen 
mussten,  alles  Volk  sei  gehalten,  den  Fremdling  \\\q  einen  seiner 
nächsten  Verwandten  zu  ehren.  Und  vollends  in  das  Reich  der 
Phantasie  gehört  die  ganze  Geschiclite  von  dem  Aufenthalte  Pinto's 
am  Hofe  des  Königs  von  Bungo,  der  bei  ihm  Oregendö  heisst, 
womit  Utomo  Yoshinori  gemeint  sein  muss.  Unrichtig  ist,  dass 
der  Statthalter  von  Tanegashima  eine  Tochter  des  Fürsten  von 
Bungo,  der  zugleich  sein  Onkel  gewesen  wäre,  zur  P^rau  hatte. 
Tokitakas  Mutter  war  die  Tochter  Shimazu  Tataokis,  und  seine 
P^rau  in  Wirklichkeit  eine  Tocliter  von  Yakubo  Yamato  no  Kami 
Takashige.  Dies  allein  schon  lässt  den  von  Pinto  wie  so  oft 
im  Wortlaut  mitgeteilten  Brief,59)  in  dem  Oregendö  seinen  Schwie- 


58.  Entstanden   aus    Tenjikii,   worunter  man   zunächst  Indien,  dann  al)er  alles 
unbekannte  Land  jenseits  Indiens  verstand. 

59.  Der  Brief  ist  bei  Pinto   datiert :   Da   casa  do  Fttchco  aos  sele  nianiocos  da 
Liüi,     liyuier  übersetzt :     Fucheo  le  septiesme  mamoque  de  la  Lune.     [  ?  ] 


Entdeching  Japans  diircli  die  Portugiesen.  45 

gersolm  ersucht,  ihm  einen  der  Fremden  zu  schicken,  als  frei 
komponiert  erkennen.  Zu  dem  Wege,  den  Pinto,  als  der  lustigere 
Patron  ausgewählt,  um  den  durch  zweijährige  Bettlägerigkeit 
in  seiner  Stimmung  niedergedrückten  Fürsten  aufzuheitern,  mit 
seinem  japanischen  Geleitsritter  O  Fingeandono  (On  Fizen  dono 
nach  von  Siebolds  Identifizierung)  nach  der  Residenz  von  Bungo 
eingeschlagen  haben  will,  hat  schon  vox  Siebold  die  Anmerkung 
gemacht,  dass  es  derselbe  ist,  den  noch  jetzt  die  japanischen 
Fahrzeuge  nehmen.  Von  Tanixumä  (Tanegashima)  ruderten  sie 
nach  dem  Hafen  Hiamongo  (Yamagawa),  begaben  sich  von  da  nach 
Quanguixumä  (Kagoshima),  setzten  ihre  Reise  fort  nach  Tanorä 
(Tano-ura),  übernachteten  zu  Minato,  d.h.  dem  ,, Hafen"  von  Uto- 
mari,  und  kamen  so  längs  Fiungä  (Hyüga)  nach  Osqui  (Usuki)  und 
vollendeten  von  hier  aus  zu  Lande  ihre  Reise  nach  Funai  oder,  wie 
Pinto  die  Residenz  nennt,  Fucheo.  Merkwürdiger  Weise  versteht 
Pinto,  kaum  bei  dem  ihm  gänzlich  fremden  Volke  angekommen, 
sich  in  Bungo  aufs  beste  mit  dem  Fürsten  und  seinen  Sühnen — er 
erwähnt  einen  neunzehn-bis  zwanzigjährigen  und  nennt  den  zwei- 
ten im  Alter  \-on  sechzehn  bis  siebzehn  Jahren  Arichandono 
(was  wohl  Hachirö  heissen  soll) — und  anderen  zu  unterhalten, 
selbst  die  Gespräche  mitzuteilen,  die  sie  untereinander  führten. 
Wenn  der  Kanon  Geltung  hat,  dass  bei  jeder  Nachricht,  die 
als  glaubwürdige  Erinnerung  auftritt,  sich  ein  Weg  denken  lassen 
muss,  der  von  den  Augen-oder  Ohrenzeugen  der  berichteten 
Thatsache  bis  zum  Berichterstatter  führt,  so  braucht  man  diesen 
Massstab  an  Pinto's  Mitteilungen  nur  anzulegen,  um  sich  sofort 
über  ihren  Charakter  klar  zu  sein.  Er  bemerkt  allerdings,  dass 
man  ihm  einen  sehr  guten  Dolmetscher  gegeben  habe.  Indessen 
hätte  ihm  ein  solcher  doch  schwerlich  jede  Aeusserung  der 
Hofleute  über  ihn,  auch  solche,  die  gar  nicht  für  sein  Ohr  bestimmt 
waren,  mitgeteilt.  Und  woher  hätte  derselbe  kommen  sollen  ? 
Wie  sollte  man  sich  denken,  dass  sich  im  Japan  jener  Zeit  einer 
hätte  finden  lassen,  wie  er  ihn  einzig  brauchen  konnte.  Da  er 
der  erste  Portugiese  im  Lande  gewesen  sein  will,  konnte  kein 
Japaner    im    Lande   bereits    Portugiesisch    ge'ernt    haben.      Und 


4(>  Entdeckung  Japans  durcJi  die  Portugiesen. 

auch  der  Nachweis  wäre  erst  nocli  zu  liefern,  dass  Japaner  zu 
dieser  Zeit  bereits  ausserhalb  Japans  in  so  dauernde  Berührung 
mit  Portugiesen  gekommen  waren,  dass  sie  mit  einer  Kenntnis 
der  i^iortugiesischen  Sprache  in  ilire  I  leimat  zurückkehrten.  Wäre 
dies  der  Fall  gewesen,  so  wäre  die  Entdeckung  der  japanischen 
Inseln  durch  die  Portugiesen  sehr  wahrscheinlich  auch  früher 
erfolgt  und  nicht  eine  P'rucht  des  Zufalls  gewesen.  Annehmen 
könnte  man  also  höchstens,  dass  Pinto  sich  auf  Chinesisch  mit 
seinem  Dolmetscher  verständigte.  Die  chinesische  Sprache  war 
ihm  jedoch  fremd,  und  selbst  wenn  sie  ihm  vertraut  gewesen 
Aväre,  hätte  er  sich  dem  japanischen  Dolmetscher  nur  durch  Schrift- 
zeichen verständlich  machen  können. 6°)  Es  wird  nicht  nötig  sein, 
auch  noch  die  Geschichte  von  dem  Unglücksfalle  Arichandonos, 
der  diesem  durch  ungeschickte  Hantierung  mit  Pinto's  Feuerrohr 
zustiess,  zu  analysieren.  Das  Gesagte  genügt,  zu  zeigen,  dass 
Pinto's  Darstellung  in  ihren  Einzelheiten  durchaus  romanhaft  i.st. 

Verschiedene  Gründe  aber  zwingen  geradezu,  auch  die  Haupt- 
thatsache  selbst,  nämlich  dass  Pinto  mit  zwei  Genossen  als  erster 
Europäer  in  Japan  gelandet  sei,  als  Erfindung  zu  betrachten.  Es 
ist  schon  bemerkt  worden,  dass  die  Historiker,  die  Pinto  die  Ehre 
der  P'ntdeckung  zusprechen  zu  müssen  glauben,  mit  Ausnahme 
VON  Siebold'.s  und  Frais.?inet's  seine  Ankunft,  wie  schon  Ciiarle- 
voix  gethan,  im  Jahre  1542  erfolgt  sein  lassen.  Nun  ist  die 
Chronologie  in  der  portugiesischen  Reisebeschreibung  unglaublich 
\erwirrt,  so  sehr,  dass  man  den  Gedanken  nicht  unterdrücken 
kann,  der  Verfasser  ist  durch  Dazwischentreten  des  Todes  nicht 
mehr  dazu  gekommen,  sein  Geschriebenes  selbst  einer  Durchsicht 
zu   unterziehen. 61)     Aber  schon  Langles  hat  in  einer  Anmerkunfr 


60.  Herr  Professor  Dr.  I^.  Riess  weist  micli  auf  die  Möglichkeit  hin,  dass 
Pinto  sich  vermittelst  des  Malayischen  allenfalls  in  Japan  hätte  verständlich  machen 
können.  Das  ist  zuzugeben,  wäre  jedoch  sicherlich  von  Pinto  bemerkt  worden, 
wenn  es  der  Fall  gewesen  wäre. 

61.  Dass  Pinto  sein  Werk  erst  kurz  vor  seinem  Tode  schrieb,  ist  mir  auch 
aus  einem  anderen  inneren  Grunde  wahrsclicinlich  geworden.  Siehe  weiter  unten 
Kap.  XIII,  Anm.  15. 


Entdeckung  Japans  durcli  die  Portugiesen.  47 

zu  Tlninbergs  Reisen  ^~)  die  richtige  Beobaclitung  geäussert,  class 
der  Autor  der  in  seinem  Buche  angegebenen  Zeitfolge  gemäss  nicht 
eher  als  im  Jahre  1545,  d.h.  also  zwei  Jahre  nach  der  wirklichen 
Entdeckung  Japans,  an  die  Küste  von  Tanegashima  verschlagen 
worden  sein  kann.  Ein  bisher  nie  bemerktes  und  beachtetes 
argiinientuni  c  silentio  aber  erhebt  die  Haltlosigkeit  des  Mendez' 
sehen  Anspruchs  zur  Gewissheit.  Der  portugiesische  Abenteuerer 
hat  in  Beziehung  zu  den  katholischen  Ordensgeistlichen  gestanden: 
er  wird  ein  guter  Freund  des  P.  Franciscus  Xaverius  genannt 
und  ist  später  selbst  als  Laienbruder  in  den  Jesuitenorden  einge- 
treten, um  als  solcher  mit  P.  Melchior  Nugnez  noch  einmal  die 
Fahrt  nach  Japan  zu  unternehmen.  Es  ist  noch  ein  Brief,  d.  d. 
Cochin  im  Mai  iSS^,  an  Ignatius  Loyola  vorhanden,  in  dem 
Nugnez  sehr  ausfuhrlich  über  Pinto,  durch  den  er  hauptsächlich 
in  dem  Gedanken  bestärkt  wurde,  das  Werl-:  des  seligen  Fran- 
ciscus in  Japan  aufzunehmen,  berichtet.  Er  spricht  von  den 
Beziehungen,  die  Pinto  zu  Japan  habe,  dass  er  durch  vierzehn 
Jahre  dort  und  in  China  Handelschaft  getrieben  und  daher  dem 
König  von  Japan  (er  meint  damit  den  Fürsten  von  Bungo) 
bekannt  sei,  was  ihn  auch  zum  Gesandten  des  Vizekönigs  von 
Portugiesisch-Indien  an  diesen  geeignet  erscheinen  Hess.  Es  ist 
undenkbar,  dass  Nugnez  in  diesem  Zusammenhange  nicht  mit  Stolz 
und  zum  grösseren  Ruhme  des  neuen  Gliedes  der  Gesellschaft 
Jesu  auch  das  betont  hätte,  dass  dieser  unter  den  ersten  Ent- 
deckern der  Inseln,  die  damals  schon  die  xA-ufmerksamkeit 
der  ganzen  katholischen  Welt  auf  sich  gezogen  hatten,  war, 
wenn  anders  er  das  hätte  sagen  können.  Auch  Arias  Braxdoxez, 
der  in  einem  Schreiben  ans  Goa  xova  gleichen  Jahre  auf  Mendez 
zu  sprechen  kommt,  weiss  nur  das  von  ihm  zu  sagen,  dass  er 
in  Japan  Handel  trieb  und  mit  I'ranciscus  vertraulich  gelebt  habe. 
Und  endlich  ist  ein  Brief  von  Pinto  selbst  an  die  Scholastiker  der 
Gesellschaft  im    KolLginni   sn    Coimbra   erhalten,    geschrieben    in 


62.      Voyages   de  C.  P.    Thtmberg   an  fapoii.     Traduits    etc.    par    L.    Langles. 
Paris  1796.  Tome  II.  p.  loi. 


48  Entdeckung  Japans  durcJi  die  Portugiesen. 

Jlfalakka  am  5.  Dezember  tSj  f  nach  seinem  Eintritte  in  den 
Orden.  ]u'  hebt  an  nüt  den  Worten :  ,,  Da  mir  empfohlen 
wurde,  Euch  von  den  Sitten  und  Gebräuchen  diesjr  Eänder, 
iHid  was  ich  da  alles  die  vielen  Jahre  sah,  die  ich  vor  meinem 
Eintritt  in  die  Gesellschaft  da  zugebracht  hatte,  zu  schreiben, 
so  werde  ich  die  merkwürdigen  Dinge  anführen,  die  mir  dermalen 
einfallen."  Dass  er  Japan  entdeckt  hatte,  ist  ihm  beim  Schreiben 
dieses  langen  Briefes  noch  nicht  eingefallen.  Dieser  glückliche 
Einfall  kam  ihm  erst,  als  er  seine  Memoiren  aufgezeichnet  hat. 
Sein  wiederholter  Aufenthalt  im  Lande  hat  es  ihm  ermöglicht, 
das  Erlebnis  der  wirklichen  Entdecker  mit  so  umständlicher 
Anschaulichkeit  zu  erzählen,  als  Aväre  er  wirklich  selbst  einer 
von  ihnen  gewesen.  Dass  er  andere  Namen  gibt  als  Galvano 
und  De  Couto,  erklärt  sich  einfach  daraus,  dass  in  dem  Ent- 
deckernamendreigestirne Raum  für  seinen  eigenen  Namen  ge- 
schaffen werden  musste,  den  er  an  Stelle  des  einen  derselben 
einsetzte.  Den  Namen  des  andern,  der  ihm  entfallen  sein  mochte, 
ersetzte  er  durch  Christovaö  ]^orralho,  der  auch  sonst  in  seinem 
Buche  eine  Rolle  spielt,  und  dem  dritten,  dessen  allenfalls  auch 
im  Kirishita  ta  Möta  der  japanischen  Lesart  wiederzuerkennender 
Name  ihm  in  Erinnerung  geblieben  war,  liess  er  den  Ruhm,  auf 
den  dieser  berechtigten  Anspruch  hatte.  Auch  die  übrigen 
Abweichungen  von  den  anderen  W-rsionen  über  die  Entdeckung, 
wie  vor  allem  die  Differenz  in  der  Zeitangabe,  haben  nichts 
Befremdliches,  wenn  man  annimmt,  dass  sein  Gedächtnis,  wie 
vortrefflich  es  immer  gewesen  sein  muss,  nicht  alles  genau  so 
festzuhalten  vermochte,  wie  er  sich's  in  China  oder  in  Japan  hatte 
erzählen  lassen. 

Wenn  wir  ni\n  auch  nach  der  geführten  Untersuchung  kaum 
umhin  können,  Pinto's  Anspruch  auf  den  Entdeckerruhm  als  eine 
Anmassung  zurückzuweisen,  so  enthält  sein  Bericht  doch  eines, 
was  als  historisch  wird  genommen  werden  dürfen,  und  was  uns 
dazu  dient,  das  aus  den  anderen,  zuverlässigeren  Quellen  über  die 
Auffindung  des  Sonnenaufgangslands  Erhobene  zu  \-ervollstän- 
digen.       Pinto    berichtet    nämlich,    die    Botschaft    der    drei    von 


Entdeckung  Japans  durch  die  Portugiesen.  49 

Tanegashima  Zurückgekehrten  habe  in  Liampo  bei  den  Portu- 
giesen grossen  Jubel  hervorgerufen  und  sei  alsbakl  durcli  eine 
Dankprozession,  die  sich  von  der  Kirche  „Unserer  Lieben  Frauen 
von  der  Empfängnis "  bis  zu  der  Jakobuskirche  bewegte,  und 
durch  eine  in  der  letzteren  abgehaltene  Messe  gefeiert  worden. 
Wie  kein  Grund  einzusehen  ist,  die  Richtigkeit  dieser  Mitteilung 
anzuzweifeln,  wenn  man  im  Sinne  behält,  dass  die  800  Portugiesen, 
die  in  Liampo  ansässig  waren,  durchweg  Kaufleute  waren,  die  sich 
vom  Handel  mit  dem  neuentdeckten  Absatzlande  sofort  reichen 
Gewinn  versprechen  mussten,  so  erscheint  auch  das  andere  wohl 
glaubhaft,  was  Pinto  meldet,  dass  jeder  der  erste  sein  wollte,  eine 
Dschunke  mit  Tauschwaren  zur  Fahrt  nach  dem  neuen,  aussichts- 
vollen Markte  auszurüsten. 

Die  Häfen  von  Kyüshü  wurden  fortab  von  portugiesischen 
Schiffen  in  wachsender  Zahl  besucht.  Der  erste  Anfang  dieses 
Handelsverkehrs  aber  fallt,  wie  gezeigt,  in  das  Jahr  des  Heils 
1543.  Die  japanischen  Annalen  bezeichnen  dieses  Jahr,  das 
zwölfte  des  Nengö  Tembun,  als  das  Jahr,  in  dem  das  ,,  Land 
der  Götter"  dreierlei  kennen  lernte,  davon  es  bis  dahin  nichts 
gewusst :  europäische  Kaufleute,  die  Feuerwaffen  und — das 
Christentum. 


VIERTES  KAPITEL. 
Taufe  dreier  Japaner  in  Goa. 


Die  Länder  Europas  \\'aren  eben  erschüttert  worden  von  der 
gewaltigen  Bewegung,  zu  der  das  Auftreten  Martin  Luthers  in 
Deutschland  den  Anstoss  gab.  Roms  Macht  über  die  Gei.ster  war 
durch  den  kühnen  Augustinermönch  von  Wittenberg  ins  Wanken 
gebracht  worden,  und  die  Kräfte  der  Ecclesia  militans  schienen  dem 
Ansturm  der  reformatorischen  Gedanken  gegenüber  für  geraume 
Zeit  vor  Schreck  gelähmt.  Dann  aber  ermannte  sich  die  schwer- 
geschädigte Kirche  zum  Kampf  auf  Tod  und  Leben  gegen 
die  Neuerer,  um,  so  viel  sie  konnte,  wieder  gut  zu  machen,  und 
zu  retten,  was  noch  zu  retten  war.  Die  Rekatholisierung  dv^r  an 
den  Protestantismus  verlorenen  Gebiete  nahm  vor  allem  die  just 
zur  rechten  Zeit  von  Ignatiiis  von  Loyola  begründete  Gesellschaft 
Jesu  mit  Eifer  in  die  Hand.  Den  höchsten  Aufschwung  erlebte 
in  diesem  Reformationszeitalter  der  Katholizismus  in  Spanien  und 
in  Portugal,  wo  der  neue  Orden  sehr  schnell  Fuss  fisste.  Während 
in  Spanien  nationaler  Stolz  auf  diQ.\\  Gründer  des  neuen,  vom 
päpstlichen  Stuhl  und  in  Italien  sehr  schnell  in  seiner  Bedeutung 
erkannten  und  darum  mit  ungewöhnlichen  Privilegien  ausge- 
statteten kirchlichen  Vereins  seiner  Ausbreitung  fördersam  war, 
war  es  in  Portugal,  wo  die  politische  Macht  sich  willig  in  den 
Dienst  kirchlicher  Ideen  stellte,  die  Gunst  des  Königs,  die  das 
Reich  von  Anfang  an  zu  einem  der  erfolgreichsten  Arbeitsfelder 
der  erlesenen  Streiterschar  Averdcn  Hess.  Schon  im  Jahre  1542 
kam  es  hier,  in  Coimbra,  zur  Erricht'.'.ng  des  ersten  Jesuiten- 
kollegiums, das,  unter  Simon  Rodriguez,  einen  der  ersten  Genossen 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  5 1 

Loyolas,  gestellt,  bestimmt  war,  jesuitische  Priester  zur  Heiden- 
bekehrung in  den  indischen  Kolonieen  auszubilden.  Johann  III. 
(15  21-15  5  7),  )>der  erste  und  aufrichtigste  Beschützer  der  ganzen 
Gesellschaft  Jesu,  ein  Beschützer,  der  durch  seine  Liebe  und  seine 
Wohlthaten  diesen  Namen  in  vollem  Masse  verdient"  0,  gewährte 
auch  den  Missionseroberungen  des  Katholizismus,  durch  die  ein 
Ersatz  für  die  gewaltigen,  durch  die  Reformation  verursachten  Ver- 
luste geschaffen  werden  sollte,  seine  wirksame  Unterstützung. 
Seit  Papst  Alexander  VI.,  im  Jahre  1493,  zur  Abgrenzung  der 
Interessensphären  der  beiden  seefahrenden  Nationen  Westeuroi)as 
einen  Meridian  von  Pol  zu  Pol  als  Demarkationslinie  ziehend,  die 
Erde  wie  einen  Apfel  geteilt  und  alle  entdeckten  oder  noch  zu 
entdeckenden  Länder  der  Westhälfte  den  Kastilianern,  die  andere 
Hemisphäre  ihren  portugiesischen  Nachbaren  zugesprochen  hatte, 
lag  wie  die  politische  so  auch  die  ganze  kirchliche  ^Macht  im  Osten 
in  den  Händen  des  Königs  von  Portugal.  Ohne  seine  Einwilligung 
konnte  kein  Bistum  gegründet  und  kein  Bischof  eingesetzt  werden. 
Kein  europäischer  Missionar  konnte  nach  dem  Osten  gehen  ohne 
seine  Sanktion,  und  auch  wenn  er  diese  hatte,  nur  auf  einem 
portugiesischen  Schiff  Keine  päpstliche  Bulle  war  wirkungskräftig 
im  Osten,  so  lange  sie  nicht  die  Approbation  des  Königs  hatte, 
von  dem  die  Kirche  von  Rom  als  Entgelt  für  solche  Privilegien 
eben  den  Schutz  und  die  L^nterstützung  des  weltlichen  Arms 
erwartete. 

So  lagen  die  Verhältnisse  zu  der  Zeit,  als  die  Portugiesen 
von  Indien  den  Weg  nach  Japan  fanden.  Und  so  folgten  auch 
hier,  wie  vorher  in  den  indischen  Ländern,  den  portugiesischen 
Kauffahrern  und  Abenteuerern  die  katholischen  Missionare  auf 
den  Fuss. 

Mendez  Pinto  erzählt,  wo  er  von  seinem  angeblich  zweiten 
Aufenthalte  in  Japan,  der  in  die  letzten  Monate  1546  bis  6.  Januar 
1547  fiele,  berichtet,  dass  er  und  andere  Portugiesen,  als  sie  eben  in 
Hiamongö  (=Yamagawa  in  Satsuma),  einem  Hafen  der  Bai  von 

I.     Brief  Franz  Xaviers  an  König  Johann  III.,  Cochin,  20.  Januar  1548. 


5  2  Tmife  dreier  Japaner  in  Goa. 

Kagoshima,  die  Anker  gelichtet,  zwei  Männer  zu  Pferd  gesehen 
hätten,  die,  in  grosser  Hast  den  Berg,  welcher  sich  an  der  Küste 
hinzog,  herabsprengend,  mit  einem  Tuche  winkten.  Die  Nacht 
vorher  seien  vier  Sklaven,  von  denen  einer  Pinto's  Eigentum  war, 
vom  Schiffe  geflohen.  In  der  Meinung,  von  den  Reitern  Nach- 
richt über  die  Flüchtlinge  zu  empfangen,  sei  er  mit  zwei  Kamera- 
den in  ein  Boot  gestiegen.  Als  wir  an  das  Ufer  kamen,  sagt 
Pinto,  wo  uns  die  zwei  Männer  zu  Pferd  erwarteten,  sprach  der 
eine,  welcher  der  Ansehnlichere  zu  sein  schien,  zu  mir  :  ,,ich  bin 
verfolgt  und  in  grosser  Furcht,  und  jeder  Verzug  kann  mir  gefahrlich 
werden.  So  bitte  ich  Euch,  um  der  Liebe  Gottes  willen,  nehmt 
mich  ohne  Verweilen  auf  in  Euer  Schiff,  ohne  Bedenken  zu  tragen 
oder  die  Unannehmlichkeiten  zu  erwägen,  die  Euch  möglicher- 
weise daraus  erwachsen  könnten  !"  Ueber  diese  Worte,  sagt 
Pinto,  war  ich  so  bestürzt,  dass  ich  kaum  wusste,  was  ich  thun 
sollte,  umsomehr  als  ich  mich  erinnerte,  ihn  zweimal  in  Hia- 
mongö  in  Gesellschaft  geachteter  Kaufleute  gesehen  zu  haben. 
Kaum  hatten  sie  aber  die  Schaluppe  bestiegen,  als  eine  Schar 
von  vierzehn  Reitern  ansprengte,  welche  mir  zuriefen  :  ,,  Gib  uns 
diese  Verräter  heraus,  oder  Du  bist  des  Todes !"  Bald  tauchten 
andere  neun  auf,  worauf  ich  bis  ausser  Bogenschussweite  abstiess 
und  sie  fragte,  was  sie  wollten.  Darauf  antwortete  einer  von 
ihnen  :  ,,Wenn  Du  Dir  beikommen  lassest,  diesen  Japaner — seines 
Begleiters  erwähnte  er  nicht — mitzunehmen,  so  wisse,  dass  tausend 
Deinesgleichen  es  schwer  büssen  sollen."  Auf  alles  dies  erwiderte 
ich  kein  Wort,  sondern  ruderte  nach  dem  Schiffe  und  ging  mit 
den  zwei  Japanern,  die  gut  aufgenommen  und  vom  Kapitän,  Jorge 
Alvares,  und  den  andern  Portugiesen  mit  allem,  was  für  eine  so 
lange  Fahrt  notwendig  ist,  versehen  wurden,  an  Bord.  Der  Name 
dieses  Flüchtlings  war  Angiro,  ,,ein  Werkzeug,  erwählt  vom 
Herrn",  bemerkt  Pinto,  ,,  zu  seinem  Ruhm  und  zur  Verherrlichung 
des   heiligen   Glaubens." 

Er  erzählt  weiter,  dass  sie  nach  Malakka  gekommen  seien, 
wo  sie  den  Pater  Franciscus  Xaverius,  der  einige  Tage  zuvor  mit 
dem  Rufe  eines  heilic^en  Mannes  von  den  Molukken  gekommen 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  5  3 

war,  trafen.     ,,  Sobald  dieser  Heilige  Kunde  davon  erhalten  hatte, 
dass  wir  diesen    Japaner  bei  uns  hätten,   kam   er,   um  Jorge  Al- 
vares   und  mich  in  dem  Hause  eines  gewissen  Cosmo  Rodrigues, 
der    da    verheiratet    war,    zu    besuchen,    und    verbrachte    einen 
Teil  des  Tages  mit  sehr  eingehenden    Erkundigungen    (alle    ge- 
gründet in  seinem   lebendigen  Eifer  für   Gottes  Ehre)  in  unserer 
Gesellschaft.       Nachdem     wir     ihm     alle    ge^vünschte    Auskunft 
gegeben  hatten,  erzählten  wir  ihm,  ohne  zu  wissen,  dass  er  bereits 
Kenntnis   davon   hatte,   dass   wir  zwei  Japaner  mit  uns  gebracht 
hätten,   von   denen   der  eine,   scheinbar  ein   Mann  von  Ansehen, 
sehr  bescheiden  und  wohl  unterrichtet  in  den  Gesetzen  und  Sitten 
des  ganzen  Landes  sei,  indem  wir  hinzufugten.  Seine  Ehrwürden 
würden  erfreut  sein,  dies  zu  hören.     Darauf  äusserte  er,  er  würde 
sich    höchlich  freuen,  ihn  zu  sehen.      Infolgedessen  begaben   wir 
uns  sogleich  nach  unserem  Schiff  und  brachten  den  Mann  zu  dem 
Pater,  der  keine  andere  Wohnung  hatte  als  das  Spital.    Nachdem 
er   ihn    gesehen    hatte,   nahm  er  ihn    sogleich   mit  nach    Indien, 
wohin   er   sich    eben    zur    Reise  rüstete.       In   Goa  angekommen, 
machte  er  ihn  zu  einem  Christen  und  gab  ihm  den  Namen  Paulo 
de  Santa  Fe.     Dort  lernte  dieser  in  kurzer  Zeit  lesen  und  schrei- 
ben und  machte  sich  vertraut  mit  der  ganzen  christlichen  Lehre, 
ganz  entsprechend  den  Absichten  des  seligen  Paters,  der  nur  auf 
den  Aprilmonsun  wartete,  um  den  Barbaren  der  Insel  Japan  Jesum 
Christum    zu  predigen,  den  Sohn  des  lebendigen    Gottes,   für  die 
Sünder  an   das   Kreuz  geschlagen,  Worte,  die  er   gewöhnlich  im 
Munde  führte.     Er  fasste  auch   den   Plan,   diesen  P'remdling,  wie 
er  nachher  wirklich  that,    mit   sich   zu   nehmen,   und  desgleichen 
seinen  Begleiter,  den  er  ebenso  zum  christlichen  Glauben  brachte, 
wobei  er  ihm  den  Namen  Joanne    gab." 

Das  ist  der  Bericht,  an  den  so  ziemlich  alle  neueren  Schrift- 
steller— ich  nenne  als  Beispiel  nur  Griffis  und  Rein — bei  ihrer 
Darstellung  sich  halten.  Sie  bereichern  ihn  noch  durch  die  schon 
bei  TuRSELLiNUS,  SoLiER,  Crasset,  Bartoli,  Charlevoix  u.  v.  a. 
sich  findende  Fiktion,  dass  der  Japaner,  von  dem  die  Rede  ist,  ein 
anderer  Moses,  im  Streite  einen  Mann  erschlagen  habe  und  dadurch 


54  Taufe  dreier  Japaner  in  Goa. 

genötigt  worden  sei,  sich  auf  das  zur  Abfahrt  bereit  hegende 
Schiff  Pinto's  zu  Hüchten,  mit  dem  er  nacli  Malakka  gelangte,  um 
nach  einigen  Jahren  als  Dolmetscher  des  grossen  Apostels  von 
Indien  mit  diesem  nach  seinem  Vaterlande  zurückzukehren.  Dabei 
bedenkt  man  nicht,  dass  der  Totschläger,  mochte  er  durch  seine 
Fluch.t  gerichtlicher  Bestrafung  sich  entzogen  haben  oder  der  in 
Japan  damals  herrschenden  Blutrache  2)  der  Verwandten  und 
Freunde  des  Ermordeten  ausgewichen  sein,  es  nicht  hätte  ^wagen 
können,  sich  nach  verhältnismässig  doch  kurzer  Zeit  wieder  nach 
dem  Orte  seiner  That,  über  die  noch  nicht  Gras  gewachsen  sein 
konnte,  zurückzubegeben. 

Es  liegt  nahe,  vorerst  nach  japanischen  Quellen  zu  fragen, 
die  über  den  ersten  japanischen  Anhänger  der  neuen  Religion 
berichten.  Griffis  3)  weist  auf  eine  in  den  Monaten  April  \uid 
Mai  1S94  in  der  „Japan  Älail''  unter  dem  Titel  ,,Paiil  Anjiro" 
erschienene,  übrigens  nachher  auch  in  Separatdruck  4)  veröffent- 
lichte Artikelserie  hin,  die  Uebersetzung  eines  nicht  genannten  japa- 
nischen Werks,  das  selbst  eine  Uebersetzung  aus  dem  Französischen 
ist.  Was  der  Herausgeber  als  ein  Werk  nahm,  das  unsere  Kenntnis 
der  frühesten  japanischen  Kirchengeschichte  erweitern  könne,  ist 
dasselbe  NiJion-sci-kyjslii,  das  Wjiitney  in  seinen  Notes  011  tlie 
History  of  ]\Icdical  Progress  in  Japan  (Transact.  Vol.  XII.  Part 
IV.  p.  309)  sogar  für  eine  japanische  Quelle  nahm  und  für  seinen 
Zweck  benützt  hat.  Es  ist  in  Wirklichkeit  die  japanische  Ueber- 
setzung der  1689  zum  erstenmal  in  Paris  erschienenen  Histoire  de 
V Eglise  du  Japan  par  ]\I.  l'Abbe  de  T.  (le  P.  Ckasset  de  la 
C.d.J.).5) 

Einem  neueren,  japanisch  geschriebenen  Buch  von  Watanabe 
SHUijiRÖ    (Ütl?' ^  M' ^ /i^  ü  ;^A)  niit  dem  lateinischen  Nebentitel 

2.  Siehe  J.  Dautremer,  T/ie  Vendetta  or  Legal  Reveiige  in  Japan.  Transact. 
of  the  As.  Soc.  of  Japan,  Vol.  XIII.  Pari  I. 

3.  The  Religions  of  Japan.  2d  ed.,  p.  442,  note  4. 

4.  ]-''aitl  Anjiiv ;  or  the  In'.rochiction  of  Christ'uviity  [Ro/nan  Catholicis/n)  in 
Japan.     Translated  and  Abridged  by  G.  E.  Dienst. 

5.  Vgl.  die  Kontroverse  zwischen  Rev.  Dienst,  Z.  Y.  (Dr.  L.  Ricss)  und  Dietz 
in  der  Japan  jNIail  von  1S94, 


Taufe  dreier  JapcDicr  in  Goa.  55 

„Res  gestae  Japonensium  qiiae  ad  externas  nationes  attinent'^  ver- 
danke ich  die  Notiz,  dass  nach  einem  japanischen  Berichte,  den  der 
Verfasser  leider  nicht  genauer  bezeichnet,  ein  Mann  aus  der 
Provinz  Yamato  mit  Namen  Ryösei  (im  KirisutokydsJnki  trägt  er 
den  anderen  Namen  Anjiro)  im  12.  Jahre  der  Periode  Tembun 
(1543)  mit  einem  portugiesischen  Schiffe  aus  Kagoshima  nach 
Goa  in  Indien  gefahren  sei,  sich  dort  zur  kathohschen  Lehre 
bekehrt  und  den  Bateren  (vom  spanischen  padre,  Patres)  ver- 
sprochen habe,  dass  er  diese  Lehre  in  Japan  verbreiten  wolle, 
worütter  diese  sehr  erfreut  waren.  Im  18.  Jahre  derselben  Periode 
(1549)  sei  er  mit  einigen  Schülern,  deren  Anführer  er  war,  nach 
Kyüshü  zurückgekehrt,  habe  einen  Teil  des  Buchs  der  Lehre  ins 
Japanische  übersetzt,  und  sei  wegen  seines  langen  Aufenthalts  in 
Indien  und  seiner  Kenntnis  der  europäischen  Sprache  und  Schrift 
sehr  berühmt  gewesen.  Es  wird  ihm  weiter  nachgerühmt,  dass 
er  die  Gerberkunst  von  Indien  mitgebracht  habe,  die  man  in  Japan 
daher  Indiagawa  nenne. 

In  der  GeJieinien  Geschichte  der  Familie  Oiintra  steht  folgen- 
des :  ,,Um  das  13.  Jahr  Tembun  wurde  ein  Arzt  aus  der  Provinz 
Yamato,  der  sich  auf  der  Insel  Tanegashima  authielt,  durch  List  auf 
ein  fremdes  Schiff  gebracht,  geraubt  und  nach  einem  Lande  der 
Barbaren  entführt.  Dort  bildete  man  ihn  zu  einem  Bateren  aus, 
führte  ihn  dann  wieder  zurück,  und  Hess  ihn  die  fremde  Lehre 
heimlich  verbreiten." 

Das  ist  alles,  was  ich  über  den  ersten  japanischen  Christen 
in  japanischen  Büchern  ausfindig  machen  kann.  P^s  wäre  wohl 
voreilig,  die  Möglichkeit  für  ganz  ausgeschlossen  zu  halten,  dass 
aus  den  erst  seit  kurzem  mit  ernstem  Eifer  durchforschten  Archiv^- 
schätzen  alter  P^amilien  eines  Tages  noch  anderes  ans  Licht  ge- 
zogen wird.  Vorläufig  sind  wir,  wie  man  sieht,  für  die  Geschichte 
des  ersten  japanischen  Konvertiten  leider  ausschliesslich  auf  die 
europäischen  Quellen  angewiesen. 

Von  diesen  Quellen  wurde  ]\Iendez  Pinto's  Bericht  bereits 
erwähnt  und  in  extenso  mitgeteilt.  Er  enthält  ausserdem  nur  noch 
eine  kurze  Mitteilung  über  Anjiros  Ende,  die  ich  an  ihrem  Orte 


56  Taufe  dreier  Japaner  in  Goa. 

mitteile.  In  den  Epistolae  Indicae  findet  sich  ein  Brief  von  P. 
Melchior  Nugnez  Barreto  an  Ignatius  Loyala,  d.  d.  Cocliin, 
Mai  1554,  mit  der  kurzen  Notiz,  der  Bruder  des  Paulus  vom 
heiligen  (jlauben  (d.  i.  Anjiro),  der  öfters  Xaviers  Reisegenosse 
war,  habe  ihm  als  gewisse  Wahrheit  erzählt,  dass  der  P.  Franciscus 
einem  Blinden  das  Augenlicht  wiedergegeben  habe.  Dieser 
Stelle  ist  nichts  zu  entnehmen,  als  dies,  dass  Anjiro,  was  freilich 
sonst  nicht  bestätigt  ist,  einen  Bruder  hatte,  und  dass  er,  was  den 
Thatsachen  entspricht,  Xaviers  Begleiter  auf  mancher  Wanderung 
gewesen.  In  der  gleichen  Sammlung  ist  ein  Brief  von  P.  Cosmo 
ToRRES,  d.  d.  Goa,  25.  März  1549,  der  einiges  wenige  sagt,  was  mit 
dem,  was  wir  sonst  von  Anjiro  erfahren,  gut  zusammenstimmt. 
Daneben  besitzen  \\\x  azvei  dem  j-bijiro  selbst  zugeschriebene  Briefe 
aus  den  Jahren  1548  und  1549,  der  erste  aus  Goa  vom  29. 
Dezember,^)  auch  in  zwei  Briefen  Xaviers  erwähnt,7)  der  andere, 
eine  blosse  Bitte  um  P'ürbitte  bei  Gott  an  seine  P'reunde  in  Goa,  in 
Kagoshima  geschrieben  und  vom  5.  November  1549  datiert,  also 
offenbar  zugleich  mit  Xaviers  ersten  Nachrichten  aus  Japan  weg- 
geschickt. Er  findet  sich  bei  Maffei.  Dazu  kommt  eine,  später 
zu  würdigende,  BescJireibung  Japans,  die  auf  Informationen  von 
Anjiro  zurückgeht,  aus  dem  fahre  ij-fS.  Das  zuverlässigste  Mate- 
rial, das  jedoch  mit  den  genannten  Briefen  anderer  wohl  im 
Einklang  steht,  bieten  zerstreute  Stellen  in  Xaviers  Briefen,  die 
sich  auf  dessen  ersten  Konvertiten  beziehen. S) 

Wir  werden  zu  sehen  haben,  was  sich  aus  ihnen  als  sicher 
erheben  lässt,  um  es  dann  mit  Pinto  s  Bericht  zu  vergleichen  und 
ein  kritisches  Urteil  über  diesen  letzteren  zu  gewinnen. 

Es  war  in   den  letzten    Monaten  des  Jahres    1546,   dass    in 


6.  Nach  Ck.\sset  :  29.  November.  In  der  1828  zu  Lyon  und  Paris  bei 
Perisse  freres  erschienenen  französischen  Ausgabe  der  Briefe  Xaviers  trägt  er  das 
Datum  27.  November.     VENN-Hori'Wi.-VNN  gibt  den  25.  November. 

7.  An  Ignatius,   14.  Januar  1549,  und  an  Rodriguez,  28.  Januar  1549. 

8.  Sämtliche  Stellen  wie  alles  iilirige    Material    halje  ich    gesammelt  mitgeteilt 
in  der  von  mir  herausgegebenen  Monatsschrift  „Die    IVa/ir/ieit^^,  Jahrgang  II.   1901  . 
SS.  105-110,   122-127,   155-158,  170-175,  186-190,  209-213,  225-229  und  249-253 
„Der  Samurai  Anjiro.     Quellen  zur  Ceschiehte  des  ersten  japanisc/ien  Chrislen.^^ 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  5  7 

einem  der  seit  der  Entdeckung  des  neuen  Inselreichs  häufig  be- 
suchten Häfen  von  Satsuma,  der  südHchsten  der  neun  Kyüshü- 
provinzen,  ein  portugiesisches  Handelsschiff  landete.  Unter  den 
Kaufleuten  befand  sich  einer  mit  dem  Namen  Alvaro  Vaz.  Ihn 
traf  ein  Eingeborener  von  Kagoshima,  ihm  schon  von  früher  her 
bekannt,  woraus  man  wird  zu  schliessen  haben,  dass  der  Portugiese 
schon  einmal  in  Japan  gewesen  war.  Xavier  in  seinen  Briefen 
nennt  den  Japaner  Angero.  Im  Japanischen  lautete  sein  Name 
wahrscheinlich  Anjiro.9)  Dass  er  aus  einer  angesehenen  Familie 
stammte,  haben  die  Jesuitenväter,  welche  die  japanische  Geschichte 
schrieben,  wohl  daraus  geschlossen,  dass  ihn  nachmals  zwei  Diener 
nach  Indien  begleiteten.  Dafür,  dass  seine  Familie  die  reichste 
iuid  angesehenste  in  Kagoshima  war,  wie  sie  weiter  phantasieren, 
liegt  nicht  das  geringste  Zeugnis  vor.  Richtig  ist  aber  wohl,  dass 
er  zur  Klasse  der  Samurai  gehörte,  die  in  hoher  Achtung 
standen,  auch  wenn  sie  arm  waren.  Innerlich  beunruhigt  durch 
die  quälende  Erinnerung  an  Sünden  seiner  Jugend,  zudem  ver- 
folgt von  persönlichen  Feinden,  hatte  er  in  einem  Bonzenkloster 
des  Ortes,  an  dem  das  Kauffahrteischiff  landete,  seine  Zuflucht 
gesucht.  Er  eröffnete  dem  befreundeten  Portugiesen  seine  Unruhe 
und  klagte  ihm  seine  Not,  gegen  die  er  bei  den  Bonzen  keine 
Hilfe  und  Beruhigung  fand.  Alvaro  schlug  ihm  vor,  mit  ihm 
nach  ]\Ialakka  zu  gehen.  Dort,  meinte  er,  werde  er  auch  den 
Seelenarzt  finden,  der  ihm  helfen  werde,  sich  mit  Gott  auszu- 
söhnen. Er  dachte  dabei  an  P.  Franciscus  Xaverius,  den  eifrigsten 
der  Jüngerschar  Ignatius'  von  Loyola,  der,  vom  Papst  zum  apo- 
stolischen Nuntius  für  Indien  ernannt,  mit  Martin  Alfonso  Sousa, 
dem  Gouverneur  von  Portugiesisch-Indien,  1542  nach  Goa  gekom- 
men war  und  damals  in  Indien  und  auf  den  Sundainseln  unter  den 
entarteten  Europäern  und  den  heidnischen  Eingeborenen  erfolgreich 

9.  Eine  japanisch  geschriebene  populäre  Kirchcngeschichte  von  Yamaguchi 
(|li  P  -i!^^^)  mit  dem  französischen  Titel  „Ilistoire  de  la  Mission  de  Yainagiic/W 
identifiziert  Xaviers  Angero  mit  Kanjird.  Bartoli,  Asia,  1.  2.  c.  33  schreibt  : 
Allgero  (o,  coine  altri  di  colä  emendano,  Jagiro).  Diese  letztere  Lesart  könnte  zu 
der  i\iniahme  führen,  dass  der  Name  in  Wirklichkeit  liachirö   gewesen. 


5  B  Tmife  dreier  Japaner  in  Goa. 

arbeitete  und  seines  asketischen  Lebens  und  christlichen  Ernstes 
wogen  bereits  im  Rufe  aussergewöhnlichcr  ITeihgkeit  stand.  Dem 
Japaner  gefiel  dieses  Anerbieten.  Aber  da  Ah^aro  noch  nicht 
zur  Abfahrt  fertig  war,  während  seinem  Schützling  längeres  Ver- 
weilen gefiihrlich  schien,  schickte  er  ihn  mit  einer  Emjsfehlung 
an  einen  Freund  Fernandez  Alvarez,  der  in  einem  anderen  nahen 
Hafen  sich  fertig  machte,  die  Anker  zu  lichten.  Anjiro,  der  sich 
noch  in  dunkler  Nacht  dahin  begab,  übergab  seinen  Brief  irrig 
dem  Kapitän  eines  anderen  Kauffahrers,  Georg  Alvarez,  der  ihn 
nicht  über  seinen  Irrtum  aufklärte,  sondern  gütig  aufnahm  und 
mit  nach  Malakka  brachte,  um  ihn  dem  Pater,  mit  dem  er  be- 
freundet Avar,  zuzuführen.  Ihn  für  diesen  einzunehmen,  und  ihm 
eine  Neigung  für  die  katholische  Religion  einzuflössen,  erzählte 
er  ihm  auf  der  Fahrt  täglich  x'on  Xaviers  Leben  und  Thaten  und 
vom  christlichen  Glauben,  dessen  Verkündiger  dieser  war,  wodurch 
er  mehr  und  mehr  in  dem  Japaner  eine  Begier  erweckte,  beide 
kennen  zu  lernen.  Aber  in  Malakka  angekommen,  erfuhr  dieser, 
dass  der  HciHge  sich  nach  den  Molukken  begeben  habe.  Er  wäre 
gleichwohl  beinahe  getauft  worden,  hätte  nicht  der  bischöfliche 
Vikar  Alfonso  Martinez  sein  Veto  eingelegt.  Er  wollte  ihm  die 
Taufe  nur  unter  der  Bedingung  erteilen,  dass  er  nach  ihrem  Em- 
pfange nicht  zu  seinem  heidnischen  Weibe  zurückkehren  wolle. 
Es  macht  dem  Japaner  alle  Ehre,  dass  er  auf  solche  Bedingung 
hin  vorzog,  auf  die  Taufe  zu  verzichten. 

In  seinen  Erwartungen  getäuscht,  entschloss  sich  Anjiro, 
unverrichteter  Sache  heimzulcehren,  ein  Schiff  benützend,  das  die 
Anker  zur  Fahrt  nach  einem  chinesischen  Hafen  lichtete  (jeden- 
falls Chincheu),  wo  er  ein  anderes  bestieg,  um  nach  der  nur 
sechs  bis  sieben  Tage  entfernten  Küste  seines  Vaterlandes 
überzusetzen.  1°)  Schon  hatte  er  sie,  nur  zwanzig  Meilen  noch 
vom    Lande   entfernt,   in    Sicht,    da    erhob   sich  jählings  ein  vier 


lO.  CharlevoIX,  [Ilistoire  de  PEfablissetiient,  des  Progres  et  de  la  Dccadence  du 
Christiaiiisvi  dans  V Empire  du  Japo)i  I.  39)  berichtet  ganz  falsch,  dass  er  beinahe 
2\vei  Jahre  auf  der  clainesischen  See  lierumgetrieben  und  unentschlossen,  was  er 
thun  sollte,  bald  in  diesem,  bald  in  jenem  Hafen  geblieben  sei. 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  59 

bis  fünf  Tage  anhaltendes  Ungewitter,  das  das  Schiff  in  den 
Ausgangshafen  zurückwarf")  Indem  er,  von  der  überstandenen 
Gefahr  noch  ganz  betäubt  und  im  Gewissen  geängstet,  sorgen- 
voll darüber  nachdachte,  was  er  thun  solle,  kam  ihm  Alvaro 
Vaz  in  den  Weg,  durch  dessen  Freundschaft  er  von  Japan 
fortgekommen  war.  Dieser  verwunderte  sich  nicht  wenig,  ihn 
hier  zu  treffen,  und  drängte,  nachdem  Anjiro  ihm  seine  Schick- 
sale erzählt  hatte,  in  ihn,  noch  einmal  mit  ihm  nach  Malakka 
zurückzukehren.  Sein  Drängen  unterstützte  ein  angesehener 
Mann,  Laurentius  Botellius,  der  sagte,  er  zweifle  nicht,  dass 
Xavier  nächstens  nach  Malakka  kommen,  ihn  sicher  in  das 
Kollegium  des  heiligen  Glaubens  in  Goa  zum  Unterricht  in  der 
christlichen  Religion  bringen,  und  ihm,  wenn  er  in  sein  Vaterland 
zurückkehren  werde,  einen  aus  der  Gesellschaft  Jesu  zum  Be- 
gleiter geben  würde.     Und  Anjiro  liess  sich  bereden. 

Der  Zufall  wollte  es,  dass  ihm  beim  Landen  sogleich  der- 
jenige begegnete,  der  ihn  das  erstemal  aus  Japan  nach  Malakka 
gebracht  hatte,  Georg  Alvarez.  Dieser  sagte  ihm,  dass  Xavier  von 
den  Molukken  zurückgekehrt  sei.  Voll  Verlangen,  in  der  christ- 
lichen Religion  unterrichtet  zu  werden,  liess  er  sich  sogleich  von 
ihm  zu  diesem  führen,  der  eben  in  der  Kirche  ein  Ehepaar 
feierlich  einsegnete.  Alvarez  sagte  dem  Pater,  wer  er  wäre,  und 
warum  er  käme.  Er  hatte  ihm  schon  vorher  von  dem  Japaner 
gesprochen.  Denn  ihn  meint  jedenfalls  Xavier,  wenn  er  in  einem 
Briefe  nach  Rom,  d.d.  Cochin,  21.  Januar  154S,  schreibt:  ,,Im 
April  1547  teilte  mir  ein  portugiesischer  Kaufmann  in  Malakka, 
ein  frommer  und  gewissenhafter  Mann,  manches  mit  über  kürzlich 
entdeckte  grosse  Inseln,  welche  Japan  genannt  werden.  Dort 
könne  viel  mehr  für  die  Verbreitung  des  Christentums  geschehen 
als  in  irgend  einem  Teile  Indiens  ;  denn  das  ganze  Volk  zeichne 
sich  vor  anderen  durch  Lernbegierde  aus."  Die  Worte  ,,  in 
Malakka,"  die  bei  Tursellix  sich  finden,  lässt  De  Vos  in  seiner 
deutschen   Uebersetzung    der    Briefe    aus.       Coleridge   in   seiner 

II.     Coleridge  I,  422  ist  liienach  zu  korrigieren. 


6o  Taufe  dreier  Japaner  in  Goa. 

cnglisclicn  Ausgabe  gibt  sie  wieder,  lässt  dagegen  die  Zeitangabe 
„  im  April "  weg.  Nur  Pages  übersetzt  genau  nach  Tursellin  : 
,,aH  viois  iVavril  iß 4.']  je  vis  ä  Malacca  ?in  inarehand portugais" , 
ohne  zu  bemerken,  was  dem  deutschen  und  dem  enghschen  Heraus- 
geber aufgefallen  zu  sein  und  sie,  den  einen  zu  dieser,  den  andern 
zu  jener  Auslassung  veranlasst  zu  haben  scheint :  dass  Xavicr  im 
April  1547  sich  nicht  in  ]\Ialakka  aufhielt,  wohin  er  erst  Mitte 
Juli  dieses  Jahres  kam.  Im  April  war  Xavier  höchst  wahrscliein- 
lich  noch  in  Ternate,  und  hier  wohl  war  es,  wo  er  den  Georg 
Alvarez  traf.  Dass  Tursellin  (der  übrigens,  die  Verwirrung  noch 
grösser  zu  machen,  das  Jahr  1548  statt  1547  gibt)  schon 
schreibt :  ,,  Ma/acae  iiicrcator  Lnsitanns ,  vir  viagiia  religione  ac 
fide,  niitd  de  insidis  permagnis  {Japojiiani  eam  regionein  vocant) 
niipcr  rcpcrtis  vinlta  narravif' ,  möchte  ich  aus  einer  Verwechs- 
lung mit  dem  ähnlich  lautenden  Namen  der  ,,Molukken"  erklären, 
als  deren  Hauptstadt  Xavier  Ternate  bezeichnet.  Dass  dem 
lateinischen  Uebersetzer  des  portugiesischen  Originalbriefs  eine 
solche  Verwechslung  begegnen  konnte,  erscheint  um  so  verständ- 
licher, wenn  man  weiss,  dass  Xavier  von  ,,Moluco"  öfters  im 
Singular  redet  und,  wie  z.  B.  im  Briefe  nach  Rom  d.  d.  Amboina, 
10.  Mai  1546,  aus  dem  Kontext  erhellt,  darunter  Ternate  versteht. 

Xavier  zeigte  grosse  Freude  über  seine  Begegnung  mit  dem 
ersten  Japaner  und  behandelte  ihn,  der  bereits  so  viel  Portugie- 
sisch verstand,  dass  er  sich  ohne  Dolmetscher  mit  ihm  unterhalten 
konnte,  aufs  freundschaftlichste.  Aber  auch  der  Japaner  "war 
alsbald  von  dem  ganzen  Wesen  des  Paters  eingenommen  und 
überzeugt,  Gott  müsse  alles  so  gefügt  haben,  wie  es  kam,  um 
ihn  mit  diesem  heiligen  Manne  zusammenzubringen.  Es  war  eine 
denkwürdige  Begegnung,  bedeutungsvoll  nicht  für  den  Japaner 
Anjiro  allein,  auch  für  Japan.  Von  Anjiro  vernahm  Xavier, 
der  sich  lebhaft  für  alles,  was  die  neuentdeckten  Inseln  anging, 
interessierte,    zuerst   den    Ruf:  Komm  herüber  und  hilf  uns  ! 

Acht  Tage  blieb  der  Samurai  in  ]\Ialakka.  Er  sollte  ins 
Kollegium  nach  Goa  gebracht  werden,  um  des  Portugiesischen 
vollkommen   mächti<j   zu   werden    und   sich   mit  der  Macht   der 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  6i 

Portugiesen  in  Indien,  den  Künsten  und  der  Lebensweise  der 
Europäer  bekannt  zu  machen  und  auf  die  Taufe  vorzubereiten. 
Xavier  hätte  ihn  am  Hebsten  mit  sicli  auf  das  Schiff  genommen, 
auf  dem  er  selbst,  nach  Pinto  (Kap.  CCVIII.)  im  Monat 
Dezember,  die  Fahrt  nach  Cochin  antrat,  \vo  er  am  13.  Januar 
1548  ^2)  anlcam.  In  dem  Briefe,  den  er  dort  am  21.  Januar  nach 
Rom  schrieb,  sagt  er,  dass  er  den  Anjiro  innerhalb  zehn  Tagen 
in  Cochin  erwartete.  Er  hatte  ihn  mit  Georg  Alvarez  und  den 
anderen  ihm  befreundeten  Portugiesen,  die  eben  nach  Indien 
fuhren,  vorausgehen  lassen,  da  Anjiro  diesen  zu  Dank  verpflichtet 
war,  und  Xavier  nicht  direkt  nach  Goa  fuhr,  sondern  die  Absicht 
hatte,  vorher  von  Cochin  aus  seine  neubekehrten  Paraver  am 
comorinischen  Vorgebirge  zu  besuchen. 

Anjiro  sagt  in  seinem  zu  Goa  geschriebenen  Briefe  unbe- 
stimmt, Xavier  sei  Anfangs  März,i3)  nachdem  er  die  Christen 
der  Fischerkijste  gesehen  hatte,  in  Goa  angekommen.  X'ach  P. 
Torres  H)  wäre  er  nur  vier  bis  fünf  Tage  nach  seinem  Schützling, 
am  20.  März,  in  Goa  eingetroffen,  zur  grossen  Freude  Anjiros, 
der  von  seiner  Leutseligkeit  und  Klugheit  bereits  über  die  massen 
eingenommen  war.  Xavier  schiffte  sich  indessen,  da  der  Vize- 
könig Joam  de  Castro,  mit  dem  er  zu  sprechen  hatte,  gerade  in 
Bazain  war,  sogleich  wieder  dahin  ein,  war  aber  bereits  Anfang 
April  Avieder  in  Goa,  wo  ihn  der  Vizekönig  für  einige  Monate 
festhielt,  bis  er  am  5.  Juni  einem  schleichenden  Fieber  erlag,  um 
dessentwillen  er  des  Seelsorgers  Nähe  gewünscht  hatte. 

12.  Pages  I,  pp.  LXXIV  und  242  schreibt:  21.  Januar.  Dass  dieses  Datum 
irrig  ist,  zeigt  der  Brief  vom  21.  Januar  1548  nach  Rom,  in  dem  Xavier  sagt,  dass 
er  seit  acht  Tagen  in  Indien  sei. 

13.  In  der  nach  Anjiros  ^vlitteilungen  verfassten  Beschreibung  Japans  ist  als  Tag 
der  Ankunft  der  i.  Mai,  nach  anderer  Lesart  der  letzte  April,  1548  angegeben. 

14.  Brief  d.  d.  Goa  25.  März  1549.  Hienach  ist  die  Angabe  Charlea'OIX', 
Hist.  de  FEtabl.  etc.  I.  40  :  „au  baut  de  quelqties  inois"  zu  berichtigen.  Falsch  gibt 
P.VgLs  als  Tag  der  Ankunft  Anjiros  den  20.  März  an,  eine  ^'er^vecllslung  mit  der 
Ankunft  Xaviers.  Ganz  unrichtig  übersetzt  I,  450  E.  DK  Vos  :  „Xavier  folgte  uns 
bald ;  denn  wir  schifften  uns  am  I.  März  ein,  und  er  am  4.  oder  5.  desselljen 
Alonats." 


02  7«?^  dreier  Japaner  in  Goa. 

So  konnte  Xavier  auch  selbst  zugegen  sein,  als  Anjiro  und 
die  beiden  anderen  Japaner,  nachdem  sie  genügend  im  Kollegium 
unterrichtet  waren,  im  Mai  am  Pfingstfeste  ^5)  in  der  prachtvollen 
Hauptkirchc  durch  die  Hand  des  Bischofs  Joam  d'Albuquerque  i6) 
die  Taufe  empfingen,  die  Erstlinge  der  japanischen  Kirche.  Anjiro 
erhielt  den  Namen  Paulo  de  Santa  Fe,  nach  dem  Namen  des 
Kollegiums,  in  dem  er  seinen  christlichen  Unterricht  empfangen 
hatte  ;i7)  \-on  den  andern  beiden  bekam  der  eine  in  der  Taufe 
den  Namen  Johannes,  der  andere  den  Namen  Antonius. i'"^) ' 

So  weit  in  der  Darstellung  der  Schicksale  des  ersten  japani- 
schen Täuflings  gekommen,  sind  wir  nun  im  stände,  sie  mit  dem 
oben  mitgeteilten  Pintoberichte  zu  vergleichen.  Das  erste,  was 
in  letzterem  auffallen  möchte,  ist  vielleicht  dies,  dass  nach  ihm 
nur  zwei  Japaner,  Anjiro  und  ein  Diener  desselben,  an  Bord  des 
portugiesischen  Schiffes  aufgenommen  wurden,  während  Xavier 
von  drei  Japanern  redet,  die  mit  ihm  von  Malakka  nach  Goa 
ins  Kolleg  des  heiligen  Glaubens  kamen.  Indessen  ist  zu 
bemerken,  dass  auch  Anjiro  in  seinem  Briefe  an  die  Gesellschaft 
Jesu,  in  dem  er  seine  Geschichte  erzählt,  nur  von  einem  Diener 
redet,  den  er  aus  Japan  mitgenommen,  so  dass  sich  der  Gedanke 
nahe  legt,  dass  der  dritte  keine  Beziehung  zu  ihm  hatte  und 
nicht  zusammen  mit  ihm,  sondern   nur   ungef^ihr   gleichzeitig  mit 

15.  De  Vos  (I,  450),  der  den  Brief  Anjiros,  in  dem  er  seine  Geschichte 
erzählt,  nach  der  1828  zu  Lyon  und  Paris  erschienenen  französischen  Uebersetzung 
der  Briefe  Xaviers  mitteilt,  hat  dafür  :  ,,  am  Tage  nach  Pfingsten." 

16.  Dom  loam  d'Albuquerque,  ein  Franziskaner,  Beichtvater  Jolianns  III.  von 
Portugal,  war  seit   1538  Bischof  von  (loa.     Er  starb   1553. 

17.  In  einem  Brief  aus  Goa,  der  verschieden  datiert  wirtl,  aber  wohl  ins  Jahr 
1543  fällt,  schreibt  Xavier:  ,,Ueber  den  Namen  des  Kollegiums  ist  man  noch  nicht 
einig.  Einige  möchten  es  das  Kollegium  ,,  Pauli  Bekehrang  ",  andere  das  Kollegium 
des  ,, heiligen  Glauliens"  nennen.  Der  letzte  Name  scheint  mir  jxassendcr,  denn  die 
Zöglinge  sind  ja  bestimmt,  den  Samen  des  christlichen  Glauljcns  in  die  Herzen  der 
Ungläubigen  zu  streuen." 

18)  Die  früheste,  auf  Xaviers  Sendschreiben  beruhende,  Nachricht  über 
Anjiros  Reise  nach  Goa  findet  sich  wolil  in  Prima  volitiue  delle  Navigationi  et 
"viaggi,  raccalto  gia  da  M.  Gru.  B.vttisi'A  Ramcsio.  Con  la  Relatione  delf  isola 
Giapan,  scoperia  iiella  parte  del  Settcittrione  etc.     A'enetia  1563,  S.   377. 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  63 

ihm  und  seinem  Diener  auf  einem  anderen  Schiffe  nach  Malakka 
gekommen  war.  Wenn  so  dieser  Widerspruch  bei  näherer 
Prüfung  eher  Vertrauen  zu  Pinto's  Bericht  erwecken  könnte, 
so  zeigen  andere,  unausgleichbare  Differenzen  zwischen  iliin  und 
den  anderen  vorliandenen,  zuverlässigen  Quellen,  dass  man  wohl 
thut,  ihn  mit  Vorsicht  aufzunehmen.  Pinto  hat  sich  offenbar  auch 
hier  als  eigenes  Erlebnis  zugeschrieben,  was  er  von  anderen 
erzählen  hörte.  Soweit  .sein  Gedächtnis  das  Gehörte  treu  be- 
wahrte, stimmt  seine  Erzählung  mit  den  echten  Quellen  überein. 
Wo  es  ihn  im  Stiche  liess  und  er  seine  ausgebildete  Phantasie 
sich  frei  ergehen  liess,  da  entstanden  Widersprüche,  die  ihn 
verraten.  Zwar  dass  er  berichtet,  er  und  Georg  Alvarez  hätten 
den  Japaner  in  das  Spital  gebracht,  wo  Xavier  wohnte,  während 
die  anderen  Quellen  kon.statieren,  dass  die  erste  Begegnung  in 
der  Kirche  stattgefunden  habe,  wäre  kein  unlöslicher  Widerspruch. 
Unter  der  Kirche,  in  der  Xavier  eben  eine  Trauung  vornahm, 
möchte  man  sich  die  Spitalkapelle  vorzustellen  haben.  Aber  der 
Darstellung  Pinto's,  nach  welcher  er  die  beiden  Japaner  in  Japan 
an  Bord  genommen  hat,  mit  ihnen  nach  Malakka  kam  und  sie 
dort  dem  Pater  Franciscus  zuführte,  steht  durchaus  entgegen, 
was  übereinstimniend  Anjiro  selbst  und  Xavier,  der  sich's  von 
diesem  erzählen  liess,  berichten,  dass  er  mit  den  Kaufleuten,  die 
ihn  im  japanischen  Mafen  an  Bord  nahmen,  Avohl  nach  ^lalakka 
kam,  von  dort  aber,  da  er  den  Gesuchten  nicht  antraf,  wieder 
japanwärts  fuhr,  um  erst  in  dem  chinesischen  Hafen,  nach 
welchem  er  zurückverschlagen  wurde,  von  Alvaro  Vaz  sich 
bestimmen  zu  lassen,  noch  einmal  mit  nach  Malakka  mitzufahren. 
Wenn  Pinto  erzählt,  der  Pater  habe  Kunde  erhalten,  dass  sie 
den  Japaner  Anjiro  mit  sich  gebracht  hätten,  so  könnte  man  ihm 
glauben,  dass  er  auf  diesem  Scliiffe  des  Alvaro  Vaz  sich  befand, 
mit  ciem  Anjiro  das  zweitemal  von  China  kam.  Misst  man 
dieser  Nachricht  Glauben  bei,  wie  man  das  wahrscheinlich  zu 
thun  das  Recht  hat,  so  kann  mian  ihm  nicht  wohl  zugleich  das 
andere  glauben,  dass  er  im  japanischen  Hafen  bei  der  Aufnahme 
Anjiros    zugegen    war    und    dabei    die  Rolle  spielte,  die  er  sich 


64  laufe  dreier  Japaner  in  Goa. 

zuschreibt.  Seine  Darstellung  des  ersten  Teils  von  Anjiros 
Geschichte  erweist  sich  so  als  freie  Erfindung  seiner  Phantasie, 
oder  als  eine  romanhafte  Ausschmückung  der  einfachen  Thatsa- 
chcn,  die  er  von  den  wirklichen  Zeugen  gehört  haben  mochte. 

Hätte  Pinto  selbst  erlebt,  was  er  erzählt,  so  müsste  er  etwa  im 
Herbst  des  Jahres  1546  in  Japan  angekommen  sein.  Was  er 
jedoch  sonst  noch  als  Erlebnisse,  die  er  während  dieses  Aufenthalts 
gehabt,  berichtet,  weist  für  diesen  auf  eine  ganz  andere  Zeit. 
Er  sagt,  dass  er  sich  mit  Georg  Alvarez  nach  Japan  eingeschifft 
und,  nachdem  er  Tanixumä  (  =  Tanegashima)  berührt  habe,  im 
Hafen  der  Stadt  Fucheo  (Funai)  in  Bungo  vor  Anker  gegangen 
sei,  wo  sie  wie  vom  Volk  so  vom  Fürsten  sehr  wohl  aufgenommen 
wurden  und  von  letzterem  noch  mehr  Gunst  erfahren  haben 
würden,  wenn  derselbe  nicht  eben  zur  Zeit,  wo  sie  im  Hafen 
lagen,  durch  einen  seiner  Vasallen,  Fukurandono  (Fukuharadono?), 
umgekommen  wäre.  Nach  Pinto's  Bericht  wäre  eine  unglückliche 
Ehestiftung  die  Ursache  der  Unruhen  gewesen.  Am  Hofe  von 
l^ungo  hielt  sich  Axirandono  auf,  der  junge  Neffe  des  Königs  von 
Arima,  von  dem  er  wegen  unbilliger  Behandlung  sich  bereits  seit 
mehr  als  einem  Jahr  dahin  geflüchtet  hatte.  Der  Tod  dieses  seines 
Oheims  machte  ihn  zum  Herrn  von  Arima.  l'ukurandono,  der  Karo 
(=Minister)  des  P\irsten  von  Bungo,  hätte  die  Tochter,  die  er  hatte, 
gerne  mit  dem  neuen  Regenten  vermählt  gesehen,  der  sich  dem 
Fürsten,  welcher  den  Mittelsmann  machte,  gegenüber  zu  dieser 
Heirat  bereit  erklärte.  Die  Braut  indessen,  insgeheim  bereits 
einem  andern  Adeligen  von  niedrigerem  Range,  dem  Sohn  eines 
gewissen  Groge  Aarum  (?),  in  Liebe  zugeneigt,  liess  sich  von 
diesem  in  ein  Nonnenkloster  entführen,  wo  eine  Tante  von  ihr 
Aebtissin  war.  Fukurandono,  dem  der  Fürst,  besorgt,  es  möchte 
ein  Aufruhr  dadurch  entstehen,  die  Genehmigung  verweigerte, 
die  Häuser,  wo  man  die  Geraubte  versteckt  glaubte,  zu 
durchsuchen,  griff  gleichwohl  zu  diesem  gewaltsamen  Verfahren. 
In  dem  Aufruhr,  der  infolge  dessen  wirklich  entstand,  wurden 
mehr  denn  12000  Menschen  getötet.  Der  Fürst,  der  die 
Ruhe    herstellen    wollte,    wurde    genötigt,    sich    in    sein   Schloss 


Taufe  dreier  Japaner  in  Goa.  65 

zurückzuziehen.  Hier  belagert,  wurde  er  nebst  1500  Leuten, 
worunter  sich  auch  sechsundzwanzig  Portugiesen  befanden,  auf 
die  jämmerHchste  Weise  niedergemetzelt.  Gleiches  widerfuhr 
seiner  Gemahlin  mit  ihren  Töchtern  und  Frauen.  Damit 
nicht  zufrieden,  legten  die  Wütenden  Feuer  an  die  Stadt, 
das  dieselbe  in  Asche  legte.  Wir  übrigen  siebzehn  Por- 
tugiesen, sagt  Pinto,  die  dem  Blutbade  entronnen  waren,  suchten 
unser  Leben  zu  retten  und  erreichten  wie  durch  ein  Wunder 
unsere  im  Hafen  liegenden  Schiffe,  wo  wir  nichts  Eiligeres  zu 
thun  hatten,  als  die  Anker  zu  kappen  und  unter  Segel  zu 
gehen.  In  dem  Kampfe  war  übrigens  auch  Fukurandono,  der 
Anstifter  des  Kampfes,  gefallen.  Dem  Sohne  des  umgekom- 
menen Königs,  der  sich  zu  dieser  Zeit  in  der  sieben  Meilen  von 
der  Stadt  entfernten  Feste  Usuki  aufhielt,  gelang  es  mit  Hilfe 
eines  schnell  gesammelten  Heeres,  durch  eine  blutige  Schlacht 
die  Rebellen  niederzuschlagen  und  die  Regentschaft  zu  behaupten. 
Das  ist  in  gedrängter  Kürze,  was  Pinto  sehr  ausführlich 
erzählt.  Ganz  anders  lautet  der  Bericht  von  dem,  was  er  im 
Auge  zu  haben  scheint,  in  der  authentischen  Geschichte  des  Hauses 
Ütomo.  Danach  hatte  der  Kokushu  (  =  Regent)  von  Bungo, 
Yoshinori,  drei  Söhne:  Yoshishige,  Yoshinaga  und  Someishi  oder 
Someishidono,  wie  er  gewöhnlich  genannt  wurde.  Dieser  letzte, 
jüngste,  war  der  Sohn  einer  zweiten  Frau  und  der  Liebling  seines 
Vaters,  der  ihn  darum  auch,  dem  Drängen  seines  Weibes  und 
seines  Günstlings  Chikatane  nachgebend,  zu  seinem  Nach- 
folger in  der  Regierung  zu  erwählen  dachte.  Vier  seiner  mäch- 
tigsten Vasallen  widersetzten  sich  dieser  Absicht,  den  ältesten 
Sohn  zu  enterben.  Zwei  von  ihnen  wurden  von  Yoshinori 
getötet,  aber  die  andern  beiden  drangen  nächtlicher  Weile  in 
sein  Schlafgemach  und  ermordeten  ihn,  seine  Gattin  und  seinen 
jüngsten.  Sohn,  der  sein  Nachfolger  werden  sollte,  worauf  sie 
hinwiederum  durch  andere  fielen.  Yoshishige  zog,  von  Beppu 
kommend,  wo  er  sich  aufhielt,  bald  in  Funai  ein.  Chikatane 
entkam  nach  Higo,  wo  er  von  seinem  Schwiegervater  getötet 
wurde.     Das  ereignete  sich  im   19.  Jahre  Tembun  d.  i.  im  Jahre 


^6  laufe  dreier  Japaner  in  Goa. 

1550.  War  Pinto,  wie  er  versichert,  und  woran  wohl  kaum  zu 
zweifehl  ist,  wenn  er  natürhch  auch  ihre  wahre  Ursache  verkannte, 
Zeuge  dieser  Unruhen,  so  fällt  sein  Aufenthalt  in  Japan  in  dieses 
Jahr,  während  die  Aussage,  dass  er  auf  seiner  Rückfahrt  Anjiro 
mitgenommen,  diese  Vorgänge  in  das  Ende  1546  verlegen  würde. 
Man  kann  auch  nicht  annehmen,  dass  er  von  anderen,  voraus- 
gegangenen Ereignissen  spricht.  Denn  vor  dem  Jahre  15  50 
ereignete  sich  nichts  Aehnliches  in  Funai,  man  müsste  denn  bis 
in  das  13.  Jahr  Tcmbun  (1544)  zurückgehen,  wo  sich 'gegen 
ütomo  Yoshinori  sein  Vasall  Shimotsuke  no  Kami  Chikamitsu 
erhob,  der  die  Hauptstadt  Funai  überfiel.  Dieser  Angriff  rief 
allerdings  Unruhen  hervor,  so  furchtbar  wie  die  von  1550;  aber 
der  Fürst  und  seine  Familie  wurden  in  dieser  Revolte  nicht  er- 
mordet, vielmehr  kam  der  aufständische  Vasall  dabei  ums  Leben. 


FÜNFTES  KAPITEL. 

Entschluss  Xaviers,  das  Evangelium  in 
Japan  zu  verkünden. 


Anjiro,  oder,  wie  er  seit  seiner  Taufe  heisst,  Paul  vom  heiligen 
Glauben,  von  Natur  klug  und  von  scharfem  Verstände,  geistig 
rege  und  voll  Lernbegier,  dabei  ausgezeichnet  durch  Herzensgüte, 
tugendhaft  und  zuverlässig,  gewann  sich  im  Kollegium  zu  Goa 
bald  aller  Achtung  und  Bewunderung.  Sein  P^ifer  setzte  sie  in 
Erstaunen.  Li  Zeit  von  acht  Monaten  lernte  er  sehr  gut  Portu- 
giesisch lesen,  schreiben  und  sprechen,  so  dass  er  am  Ende  des 
Jahres  bereits  einen  ziemlich  ausföhrlichen  Brief,  in  dem  er 
erzählt,  wie  er  den  Weg  des  Heils  gefunden,  nach  Europa  richten 
konnte,  auf  den  Xavier  als  Beweis  seiner  guten  Fortschritte  in 
Briefen  an  Rodriguez  und  Loyola  ausdrücklich  hinweist.  Ernst 
Hess  er  sich  angelegen  sein,  den  neuen  Glauben  gründlich  kennen 
zu  lernen.  Als  er  der  Erklärung  des  Katechismus  beiwohnte, 
schrieb  er  sich  die  Artikel  des  Glaubensbekenntnisses  genau  in 
einem  Büchlein  auf  Torres,  dem  Xavier  die  Unterweisung  der 
drei  japanischen  Zöglinge  aufgetragen  hatte,  erzählt,  was  auch 
Anjiro  selbst  berichtet,  dass  er  das  Evangelium  des  Matthaeus,  das 
er  ihm  nur  zweimal  ausgelegt  hatte,  in  kurzer  Zeit  ziemlich  gut 
auswendig  wusste.  Um  es  gewisser  zu  behalten,  übersetzte  er 
es  neben  einigen  vornehmeren  Hauptstücken  des  katholischen 
Glaubens  ins  Japanische.  Was  er  auswendig  gelernt  hatte,  sagte 
er  wiederholt  auch  in  der  Kirche  vor  dem  Volke  auf  und  stellte 
viele  scharfsinnige  Fragen.  Gleichen  Eifer  und  P2rnst  zeigten  die 
beiden  andern  Neophyten,  denen   Xavier   gleichfalls  das  Zeugnis 


68    Fjifschliiss  Xavicrs,  das  EvangcVnnn  in  Japan  zu  verkünden. 

gibt,  dass  sie  gutgesittet  und  talentvoll,  überaus  rechtschaffene  Leute 
und  selir  gute  Christen  seien.  Alle  drei  benutzten  die  erlangte 
Kenntnis  der  portugiesischen  Sprache,  um  christliche  Schriften 
zu  lesen,  verrichteten  gewissenhaft  die  kirchlichen  Gebete  und 
machten  zu  bestimmten  Zeiten  ihre  Iktrachtungen.  l^esonders 
zog  sie  die  Betrachtung  der  Leiden  und  Schmerzen,  des  Kreuzes 
und  Todes  Christi  an,  wovon  sie  oft  tief  und  bis  zu  Tliränen  er- 
griffen waren.  Aus  freien  Stücken  gingen  sie  häufig  zum 
Sakramente  der  Busse  und  des  Altars.  Auf  Xaviers  Frage, 
welche  Sakramente  sie  fiir  die  heilbringendsten  hielten,  nannten 
sie  diese  beiden,  fügten  aber  bei,  alle  Glaubenssätze  und  die 
ganze  Sittenlehre  der  christlichen  Religion  schienen  ihnen  in  einem 
so  innigen  Zusammenhange  zu  stehen,  dass  jeder  vernünftige 
Mensch  sie  annehmen  müsse,  der  sie  einmal  kennen  gelernt 
habe. 

Xavier  liess  sie  deshalb  auch,  nachdem  sie  ,,  die  Artikel  des 
Glaubensbekenntnisses  und  die  Geheimnisse  des  Lebens  Jesu 
Christi  auswendig  gelernt  und  die  Ursache  der  Menschwerdung 
des  Sohnes  Gottes  im  Schosse  der  Jungfrau  Maria  sowie  das 
ganze  Werk  der  Erlösung  des  Menschengeschlechtes  durch  den 
freiwilligen  Tod  unsers  Herrn  Jesu  Christi  recht  verstanden 
hatten  ",  um  die  Jahreswende')  unter  der  Leitung  des  P.  Torres 
die  Excrcitia  spiritualia  des  Ignatius  durchmachen,  die  vom 
Stifter  des  Jesuitenordens  zu  Manresa  entworfene  methodische 
Anweisung  zur  Meditation  nach  dem  Schema  der  drei  nachei- 
nander zurückzulegenden  Wege  der  Reinigung,  der  Erleuchtung 
und  der  Vereinigung. 

Vier  Wochen  lang  zogen  sie  sich  in  die  Einsamkeit  zurück, 
um  jene  Uebungen  anzustellen,  die  nach  Loyolas  Absicht  den 
Meditierenden  durch  Betrachtung  und  Gebet  in  eine  solche  Stim- 
mung versetzen  sollen,  dass  er  einen  kraftvollen  Entschluss  fasse 
und    durch    denselben    seinem    ganzen    Leben   eine  entscheidende 


I.  Nicht,  wie  CilARLKVOlX  ^Histoire  de  F  Etablisseiiicnt  e/c.\,  41)  sagt,  sogleich 
nach  ihrer  Taufe.  Xavier  schreibt  am  14.  Januar  1549  von  Aiijiro  :  „Augenblicklich 
macht  er  mit  grossem  Nutzen  die  geistlichen  Uebungen." 


Entschluss  Xavicrs,  das  Evangclutin  in  Japan  zu  verkünden.    69 

Richtung  gebe.  Die  erste  Woche  ist  dem  Nachdenken  über  das 
inenschHche  Sündenverderben  gewidmet,  die  zweite  dem  An- 
schauen des  Vorbilds  des  menschgewordenen  und  sündlos  und 
in  Selbstv^erleugnung  durch's  Leben  wandelnden  Erlösers,  die 
dritte  beschäftigt  sich  mit  Jesu  Leiden  und  Sterben,  die  vierte 
mit  seiner  Auferstehung  und  Verherrlichung.  Die  Betrachtungen 
werden  fünfmal  täglich  je  eine  Stunde  lang  angestellt.  Voraus 
gehen  Präludien :  der  Meditierende  vergegenwärtigt  sich  den 
Ort,  die  Personen  und  Umstände  des  betreffenden  biblischen 
Ereignisses  mit  grösstmöglicher  Lebendigkeit ;  er  sieht  die  Engel 
fallen,  die  Ureltern  sündigen,  den  Richter  verdammen,  die  Hölle 
ihren  Abgrund  öffnen ;  er  sieht  die  Personen  der  Trinität  den 
Ratschluss  der  Erlösung  fassen.  Er  steht  an  der  Krippe  zu 
Bethlehem,  am  Jordan  bei  der  Taufe  ;  er  weilt  auf  dem  Berge 
bei  dem  Verklärten,  verliert  sich  in  die  Leiden  und  Schmerzen 
des  Leidenden  und  Sterbenden,  er  wandelt  mit  dem  Aufer- 
standenen. Der  Meditierende  überschreitet  aber  hierauf  den 
geschichtlichen  Boden  und  ergeht  sich  ganz  teils  in  ermuntern- 
den, teils  in  erschreckenden  Phantasiebildern.  Er  sieht  Christum 
auf  einem  lieblichen  Gefilde  bei  Jerusalem  als  Heerführer  aller 
PVommen,  wie  er  die  Apostel  aussendet,  und  auf  einem  andern 
Felde  bei  Babylon  den  Teufel,  wie  er  die  Däm.onen  in  die  Welt 
aussendet,  um  die  Menschen  in  das  Verderben  zu  stürzen.  Zur 
Meditation  kommt  nun  die  äusserste  Applikation  und  Anstrengung 
der  Sinne  hinzu,  so  dass  der  Meditierende  durch  eine  Art  von 
Halluzinationen  sich  die  Hölle  vorstellt ;  er  sieht  ihre  öden 
Räume  von  Feuerglut  lodernd,  er  hört  den  Wehruf  der  Ver- 
zweifelnden, der  in  Gotteslästerungen  hervorbricht,  er  riecht  den 
Schwefeldarapf  der  Hölle,  er  schmeckt  in  sich  alle  Bitterkeit  der 
Hölle  mit  allen  Thränen,  die  dort  geweint  werden;  er  fühlt  an 
seinen  Gliedern  die  Flammen,  deren  Lohe  die  Seelen  brennt. 
Darauf  folgt  die  Generalbeichte.-) 

2.     Nach  Herzog,  Abriss  dei-  gesamten  Kirchengeschiclite  2.  A.,  II,  257. 
Bemerkenswert    ist,    dass   japanische  Buddhistensekten    der    Kf)ntcm])lalion,  wie 
besonders    die    Rinzaisekte,    eine    Untersektc  der  Zen-shu,  ganz    älinliche    asketische 


70    Eiitsclduss  Xaviers,  das  Evaiigdiiiin  in  Japan  rjn  verkünden. 

Es  ist  natürlich,  was  Xavier  crzälilt,  dass  die  japanischen 
Ncophyten,  besonders  Anjiro,  von  diesen  geistHchen  UebiniL^en,  mit 
denen  der  Ordensstiftcr  sclion  seine  ersten  Gehilfen  sich  heranbil- 
dete, die  tiefsten  Eindrücke  erhielten.  Sie  waren  beseligender  Art. 
Wie  sie  die  Exerzitien  mit  grossem  Eifer  durchmachten,  so  zogen 
sie  reichliche  Früchte  der  Erkenntnis  Gottes  daraus,  der  ,,  ihre 
Herzen  mit  den  lebhaftesten  Gefühlen  des  Dankes  für  seine  zahl- 
losen Wohlthaten  erfüllte,  die  sie  damals  zuerst  als  Geschenke  der 
freigebigen  Güte  des  Schöpfers  erkannten,  indem  sie  zugleich 
ihre  bisherige  Blindheit  reuig  verabscheuten."  Sie  erweckten, 
schreibt  Xavier,  so  glühende  Akte  der  Liebe  und  Verehrung 
Gottes  und  ähnlicher  Tugenden,  dass  wir  alle,  die  wir  mit  ihnen 
umgingen,  uns  glücklich  preisen  könnten,  \\'enn  wir  von  gleichem 
Eifer  beseelt  wären.  Paul  hörte  er  laut  aufseufzen  :  O  ihr 
unglücklichen  Völker  Japans,  ihr  betet  die  Geschöpfe  an,  welche 
Gott  zu  euerem  Dienste  gemacht  hat !  Als  Xavier  ihn  fragte : 
Warum  redest  du  so,  Paul  ?  antwortete  er  ihm  :  Ach,  meine  Lands- 
leute dauern  mich,  welche  der  Sonne  und  dem  IMond  göttliche 
Ehren  erweisen,  da  doch  die  Gestirne  Diener  derjenigen  sind,  welche 
unsern  Herrn  Jesus  Christus  erkennen,  und  den  Menschen  Tag 
und  Nacht  ihr  Licht  spenden,  damit  sie  es  zur  Erkenntnis  der 
Herrlichkeit  des  Sohnes  Gottes,  Jesus  Christus,  benutzen.  Allen 
dreien  wurde,  wie  Xavier  schreibt,  so  viel  himmlischer  Trost  und 
die  Gabe  so  reichlicher  Thränen  zu  teil,  dass  sie  mehrere  IMonate 
von  den  Uebungen  gestärkt  blieben  und  ein  überaus  grosses 
Verlangen  zeigten,  in  ihre  Heimat  zurückzukehren,  um  ihren 
Verwandten  und  P'reunden  den  Schatz  mitzuteilen,  den  sie  ge- 
funden hatten,  und  ihre  Landsleute  vom  Götzendienste  zu  Christus, 
dem  einzigen  Licht  und  Heil  der  W^elt,  zu  bekehren. 

Xavier  erzählt  dem  König  von  Portugal,  dass  er,  nachdem 
er  vieles  über  die  in  Japan  sich  kundgebende  Stimmung  gegen 
die  christliche  Religion  vernommen,  nach  reiflicher   Ueberlegung 


Medilationcn  kennen,  die  sich  sogar  über  zwei  Monate  ausdehnen.     Siehe  A.  Lloyd, 
Buddhistische  Cnadeninittel.     MiUh.  d.  D.  G.  f.  N.  u.  V.  ü.,  Heft  60,  S.  460  f. 


Elltsc hhiss  Xavicrs,  das  Evangelium  in  Japan  zu  verkünden.    71 

geglaubt  habe,  Gott  bitten  zu  sollen,  ihm  durch  innere  Erleuch- 
tung zu  zeigen,  ob  es  sein  heiliger  Wille  sei,  dass  er  dahin  reise, 
und  ihm  dann  die  Kraft  zu  verleihen,  seinen  heiligen  Willen 
auszuführen.  ,,Es  hat  der  göttlichen  Majestät  gefallen,  meinen 
Wunsch  zu  erfüllen.  Ich  bin  nämlich  vollständig  davon  überzeugt, 
es  sei  Gottes  heiliger  Wille,  dass  ich  nach  Japan  reise."  Indem 
er  an  den  Neophyten  solchen  frommen  Eifer  sah,  wurde  er  mehr 
und  mehr  in  dem  Glauben  bestärkt,  dass  ihm  Gott  durch  die 
Sendung  der  drei  Japaner  eine  Thüre  aufgethan.  Diese  Ueber- 
zeugung  wurde  noch  mehr  in  ihm  befestigt  durch  Anjiro  selbst 
und  durch  portugiesische  Kaufleute,  welche  die  Japaner  nicht 
genug  rühmen  konnten  als  ein  höfliches,  kluges,  lernbegieriges 
und  auch  für  religiöse  Dinge  aufgeschlossenes  Volk.  Anjiro  gab 
ihm,  wie  Xavier  schon  in  dem  an  die  Väter  seiner  Gesellschaft 
in  Rom  gerichteten  Briefe  vom  21.  Januar  1548  berichtet,  auf 
die  Frage,  ob  wohl  die  Japaner  geneigt  sein  würden,  den  christ- 
lichen Glauben  anzunehmen,  wenn  er  zu  ihnen  käme,  eine 
Antwort,  die  denkwürdig  genug  ist,  um  auch  hier  eine  Stätte  zu 
finden.  Er  antwortete  mir,  schreibt  er,  seine  Landsleute  würden 
nicht  sogleich  dem,  was  man  ihnen  sage,  beipflichten,  sondern 
würden  durch  Fragen  sich  genau  erkundigen,  was  ich  denn  für 
eine  Religion  bringe,  und  insbesondere  zusehen,  ob  meine  Hand- 
lungen im  Einklang  mit  meinen  Worten  stehen.  Wenn  ich  sie 
aber  in  dieser  zweifachen  Beziehung  befriedige,  wenn  ich  ihre 
Fragen  in  angemessener  Weise  beantworte,  und  wenn  mein  Leben 
nicht  ihren  Tadel  verdiene,  so  würden  der  König,  der  gesamte 
Adel  und  die  erwachsenen  Bürger  aus  Ueberzeugung  sich  Christus 
anschliessen  ;  denn  die  Japaner  seien  ein  Volk,  das  sich  durch 
die  Vernunft  leiten  lasse.  Er  erzählte  ihm  weiter,  es  gehe  eine 
alte  Rede  in  Japan,  dass  einmal  fremde  Männer  in  dieses  Reich 
kommen  würden,  ein  viel  heiligeres  und  vollkommeneres  Gesetz 
zu  predigen  als  das  bisher  von  den  Japanern  beobachtete. 3) 

3.  Dieser  Volksglaube,  von  dem  auch  Torres  (Brief  vom  25.  März  1549) 
berichtet,  und  der  ferner  in  der  auf  Anjiro  zurückgehenden  Beschreibung  Japans 
mitgeteilt     ist,     verdankt     vermutlich    sein     Entstehen     einem     Missverstande     der 


72    Entschliiss  Xavicrs,  das  Evaiigcliiiin  in  Japan  rjii  ^a-rkimdcn. 

Es  ist  interessant,  in  Xavicrs  Briefen  zu  verfolgen,  wie  der 
F.ntscliluss,  selbst  die  Arbeit  in  Japan  aufzunehmen,  mählich  in 
ihm  reifte.  Am  20.  Januar  1548  schreibt  er  noch  von  Cochin 
aus  an  Ignatius,  \\-ie  ganz  im  gleichen  Sinne  am  nämlichen  Tag 
auch  an  den  König:  ,,Ich  bin  noch  nicht  ganz  einig  mit  mir 
darüber,  ob  ich  selbst  mit  einem  oder  zwei  Priestern  der  Gesell- 
schaft nach  anderthalb  Jahren  nach  Japan  gehen,  oder  ob  ich 
zwei  dahin  vorausschicken  soll.  Das  steht  bei  mir  fest,  entweder 
selbst  zu  gehen  oder  andere  zu  schicken,  und  bis  jetzt  neige 
ich  mich  zu  dem  Entschlüsse,  selbst  zu  gehen.  Uebrigens  bete 
ich  zu  Gott,  dass  er  mir  seinen  Willen  klar  kund  thue."  Einen 
Tag  später,  in  einem  Schreiben  nach  Rom,  sagt  er  :  ,,  Ich  ahne, 
dass  entweder  ich  oder  ein  anderer  aus  unserer  Gesellschaft 
binnen  zwei  Jahren  nach  Japan  gehen  wird",  bittet  aber  hernach 
bereits  die  Genossen  um  ihre  Fürbitte,  ,,  dass  der  liebe  Gott  uns 
erhalte,  da  wir  eine  Reise  antreten  wollen,  auf  der  schon  viele 
umgekommen  sind".  Am  3.  April  teilt  er  dem  ihm  befreundeten 
Pereira  mit,  dass  er  gerne  vor  dessen  Abreise  nach  China 
einiges  über  die  Reise  nach  Japan,  die  er  nach  einem  Jahre 
anzutreten  gedenke,  mit  ihm  besprochen  hätte.  Am  14.  Januar 
des  folgenden  Jahres  1549  teilt  er  Ignatius  seinen  fertigen 
Entschluss  mit:  ,,  Ich  habe  mich  entschlossen,  ehestens  dahin  zu 
reisen.  Ich  trete  diese  Reise  mit  grosser  Freude  und  mit  noch 
grosserer  Hoffnung  an,  weil  ich  das  feste  Vertrauen  hege,  dass 
unsere    Arbeiten    unter   jenem    Volke    gediegene    und    dauernde 

P'rucht  bringen  werden Von  meinen   Mitbrüdern  gedenke 

ich  nur  einen  Europäer,  Cosmo  de  Torres  aus  Valencia,  welcher 
hier  in  unsere  Gesellschaft  eingetreten  ist,  und  ausserdem  die 
drei  jungen  Japaner,  von  denen  ich  gesprochen  habe,  mit- 
zunehmen.      So    Gott    will,    werden    wir    im    kommenden    April 

rrophezciuug  von  dem  Auftreten  neuer  Buddhas  in  der  Zukunft,  wie  sie  z.  B. 
in  dem  Buche  SaddJiarma  punJarika  sich  findet,  nach  welchem  Sakyamuni 
verhiess,  dass  in  den  letzten  Tagen  des  Gesetzes  vier  grosse  Reformatoren  aufstehen 
sollten,  \\w\  gleich  ihm  das  vollkommene  Gesetz  zu  lehren.  Als  der  Erstgekom- 
mene dieser  vier  gilt  der  Nichirensekte  ilir  Stifter. 


EiitscJduss  Xai'icrs,  das  Evangcäiun  in  Japan  .zu  vcrkiiiidoi.    y^ 

abreisen.  Japan  ist  von  Goa  mehr  als  1300  Stunden  entfernt. 
Auf  der  Reise  dahin  muss  man  Malakka  und  China  berühren. 
Ich  kann  gar  nicht  sagen,  wie  viel  himmlischen  Trost  ich  von 
dieser  Unternehmung  mir  verspreche.  Die  Reise  dahin  ist 
zwar  eine  sehr  gefahrvolle  durch  Stürme,  Klippen  und  Seeräuber, 
so  dass  man  zufrieden  sein  kann,  wenn  je  das  zweite  Schiff 
wirklich  nach  Japan  gelangt.  Doch  bin  ich  durch  ein  inneres 
Gefühl  so  mutig  gestimmt,  dass  ich  die  Reise  nach  Japan  nicht 
aufgeben  würde,  wenn  ich  auch  gewiss  wüsste,  dass  ich  noch 
grössere  Gefahren  bestehen  müsse,  als  ich  in  meinem  ganzen  Leben 
bestanden  habe.  So  grosse  Hoffnungen  für  die  Verbreitung  des 
Christentums  hat  mir  der  Japaner  Paul  oder  vielmehr  der  liebe 
Gott  selbst  gemacht." 

Nachdem  der  Entschluss  aber  einmal  gefasst  war,  war  nichts 
im  Stande,  ihn  wieder  wankend  zu  machen.  Die  Hindernisse, 
die  sich  seiner  Ausführung  in  den  V\'eg  stellten,  und  die  er  als 
IMachenschaften  des  Satans  ansieht,  der,  die  Erfolge  für  Gottes 
Reich  voraussehend,  alles  aufbiete,  sie  zu  hintertreiben,  werden 
ihm,  ferne,  ihn  abzuschrecken,  vielmehr  ein  Sporn  zu  grösserem 
Eifer.  Er  gibt  keinerlei  Bedenken  mehr  Raum,  weder  eigenen 
noch  fremden.  ,, Unsere  Freunde  und  Vertrauten",  schreibt  er 
am  I.  Februar  1549,  ,,  sprechen  insgesamt  ihre  Verwunderung 
darüber  aus,  dass  ich  eine  so  weite  und  gefährliche  Reise  unter- 
nehmen will.  Ich  aber  wundere  mich  vielmehr  über  ihr  schwaches 
Vertrauen.  Der  liebe  Gott  hat  die  Stürme  des  chinesischen  und 
japanischen  Meers,  denen  an  Heftigkeit  keine  anderen  gleich- 
kommen sollen,  in  seiner  Hand  und  Gewalt.  In  seiner  Macht 
sind  alle  Winde,  Felsenriffe  und  Sandbänke,  welche  dort  sehr 
zahlreich,  gefährlich  und  durch  Schiffbrüche  berüchtigt  sein  sollen. 
Seinem  Befehle  müssen  auch  alle  Seeräuber  gehorchen,  von 
denen,  wie  man  erzählt,  jene  Meere  wimmeln,  und  die  mit  aus- 
gesuchter Grausamkeit  die  Reisenden,  welche  sie  gefangen  neh- 
men, besonders  die  Portugiesen,  zu  Tode  martern.  Weil  nun 
alles  dies  in  Gottes-  Hand  steht,  so  habe  ich  von  allem  nichts 
zu  fürchten".     Allen  diesen  Gefahren  trotzten  auch  die  Kaufleute, 


74    Entschhiss  Xavicrs,  das  Evangclunn  in  Japan  cu  verkünden. 

Wie  hätte  ein  Apostel  sich  durch  sie  abhalten  lassen  sollen,  ihrer 
Spur  zu  folgen?  Eher  mochte  er  es  wie  eine  Beschämung  em- 
pfinden, dass  jene  das  japanische  Reich  vor  ihm  betreten  hatten, 
irdischen  Gewinnes  halber  ihr  Leben  auf's  Spiel  setzend.  Wenn 
man  sieht,  wie  er  so  recht  geflissentHch  alle  Gefahren  hervorhebt, 
wie  er,  nachdem  er  sie  am  i.  Februar  dem  Ordensgeneral  alle 
aufgezählt,  am  Tage  darauf  nicht  unterlassen  kann,  noch  nach- 
zutragen, wie  eben  angekommene  Schiffe  von  Malakka  ihm 
mitteilten,  dass  alle  chinesischen  Häfen  den  Portugiesen  durchaus 
feindselig  gesinnt  seien,  so  empfangt  man  den  Eindruck,  dass  sie 
ihm  eher  schmeichelten,  dass  seine  Phantasie  mit  einer  gewissen 
Wollust  in  ihnen  schwelgte.  Der  Gedanke  an  die  neuentdeckten 
Inseln  hatte  so  völlig  von  seinem  Geist  Besitz  genommen,  der 
Plan  war  so  unwiderruflich  gefasst,  dass  er  sich  sagte  :  ,,  W'ollte 
ich  jetzt  von  demselben  zurücktreten,  so  käme  ich  mir  schlechter 
und  verabscheuenswerter  vor  als  die  japanischen  Götzendiener." 
l{r  ist  seines  Erfolges  im  voraus  sicher,  und  obwohl  er  vor  der 
Abreise  in  Indien  alles  ordnet,  wie  wenn  er  nimmer  wiederkehren 
sollte,  ist  er  doch  der  festen  Zuversicht,  Gott  werde  ihm  die 
Gnade  widerfahren  lassen,  dass  er  von  Japan  wieder  zurückkomme, 
um  seinen  Freunden  zu  erzählen,  was  er  dort  zu  seiner  Ehre 
ausgerichtet.  Einstweilen  trat  ihm  Indien  in  den  Hintergrund. 
,,  Im  festen  Vertrauen ",  schreibt  er  dem  König  von  Portugal, 
,,  habe  ich  alle  Bande,  welche  mich  an  Indien  fesselten,  zerrissen, 
um  dem  unzweifelhaften  Rufe  Gottes  und  seinen  wiederholten 
drängenden  Mahnungen  zu  folgen." 

Warum  aber  zerriss  Xavier  diese  Bande  ? 
In  einem  Briefe  an  Simon  Rodriguez  in  Portugal  gibt  er  als 
Grund  für  seinen  P^ntschluss  dies  an,  dass  es  ihm  auf  seinem 
bisherigen  Arbeitsfelde  an  Arbeit  fehle.  Durch  die  Ankunft  neuer 
Priester  aus  Europa  sei  er  selbst  entbehrlich  geworden  und  würde 
es  noch  mehr  sein,  wenn  Simon  Rodriguez,  wie  derselbe  vorhatte, 
oder  an  seiner  statt  ein  anderer  mit  einer  Schar  von  Gehilfen  nach 
Portugiesisch-Indien  nachrücke.  Aber  das  Nachrücken  dieser 
neuen  Kräfte  war  von  ihm  selbst  veranlasst.      Nicht   an   Arbeit 


EntscJiluss  Kavier s,  das  Evangeliiun  in  Japan  zu  verkünden.     75 

fehlte  es  Kavier  in  Indien,  sondern  nur  an  Erfolgen,  die  seinem 
Bekehrungseifer  genügten  und  seiner  Ungeduld  entsprachen.  Er 
wollte  kommen,  sehen,  siegen.  Wo  das  nicht  möglich  war, 
liess  bei  ihm  die  Begeisterung  nach,  und  Niedergeschlagen- 
heit und  Enttäuschung  trat  an  ihre  Stelle.  Besonders  seine 
vielen  Briefe  an  seinen  Mitarbeiter  Franciscus  Mansilla  geben  der 
letzteren  unverhohlen  Ausdruck.  In  den  Briefen,  die  er  nach 
Europa  richtete  und  immer  mit  dem  Gedanken  schrieb,  dass  sie 
dort  von  vielen  gelesen  würden,4)  hielt  er  damit  zuri^ick,  ja,  schlägt 
sogar  geflissentlich  zur  selben  Stunde,  wo  er  sich  dem  Genossen 
in  Indien  gegenüber  so  ganz  anders  ausspricht,  einen  hoffnungs- 
vollen, optimistischen  Ton  an.  Aber  gelegentlich  fliessen  ihm  doch 
auch  in  einem  Brief  an  Ignatius  die  Worte  in  die  Feder  :  ,,  Nach 
meiner  hier  gemachten  Erfahrung  glaube  ich  behaupten  zu  dürfen, 
dass  für  unsere  Gesellschaft  keine  Aussicht  ist,  dass  sie  hier  durch 

4.  \w  einem  Schreiben  an  Johannes  Beira  gibt  Xavier  nachstehende  Anweisung 
über  die  Abfassung  der  nach  Europa  zu  schickenden  Sendschreiben:  „Doch 
müssen  Sie  den  Bericht  mit  Auswahl  abfassen,  indem  Sie  auslassen,  w'as  wegen  miss- 
liebiger  Aeusserungen  über  andere  Anstoss  erregen  könnte,  und  die  ganze  Darstellung 
muss  einen  gewissen  religiösen  Ernst  zeigen,  damit  der  Bericht  gleich  nach  seinem 
Eintreffen  in  Europa  veröffentlicht  und  auch  Auswärtigen  mitgeteilt  werden  könne. 
Man  wünscht  sehr  solche  Nachrichten  aus  den  fernen  Ländern  und  liest  dieselben 
mit  grossem  Eifer  in  Spanien,  Italien  und  anderswo.  Darum  müssen  wir  bei  der 
Abfassung  grosse  Sorgfalt  und  Vorsicht  anwenden,  um  allen  zu  genügen,  da  sie 
nicht  nur  Freunden,  sondern  auch  wenig  billig  denkenden  Menschen  und  selbst 
Feinden  in  die  Hände  kommen  werden.  Wir  müssen  den  Zweck  im  Auge  haben, 
dass  sie  zum  Lobe  Gottes  und  seiner  heiligen  Kirche  ermuntern,  aber  niemandem 
gerechten  Anlass  zum  Anstoss  oder  zu  hämischer  Deutung  geben.  ...  In  Ternate 
wird,  wie  bemerkt,  unser  Alphons  sein.  Sie  sollten,  denke  ich,  anordnen,  dass 
diesem  wahre  und  genaue,  wenn  auch  nicht  gerade  geordnete,  Berichte  über  alle 
Stationen  der  Unsrigen  auf  den  Molukken  übersendet  werden.  In  diesen  Berichten 
müsste  die  Rede  sein  von  den  Arbeiten  der  Unsrigen,  den  Mühen  und  Erfolgen 
derselben ;  von  den  Verfolgungen,  denen  sie  etwa  ausgesetzt  sind,  von  wem  dieselben 
ausgehen,  ob  sie  dieselben  standhaft  und  mit  Gottes  Gnade  siegreich  bestehen ; 
ferner  von  dem  Charakter  und  der  Stimmung  der  Völkerschaften  und  den  für  die 
Zukunft  darauf  beruhenden  Hoffnungen.  Aus  diesen  Berichten  müsste  er  dann,  da 
er  verständig  und  gewandt  ist  und  den  Stil  in  seiner  Gewalt  hat,  in  Ihrer  aller 
Namen  Briefe  so  abfassen,  wie  sie  mit  Nutzen  nach  Europa  und  Indien  geschickt 
würden." 


/ö    Entschluss  Xavicrs,  das  Ilvangcluini  in  Japan  zu  v:rkiindcn. 

cingcbornc  Indicr  werde  fortgepflanzt  werden,  und  dass  die  christ- 
liche ReHgion  uns,  die  wir  jetzt  hier  sind,  kaum  überleben  werde. 
....  Die  Eingebornen  sind  wegen  ihrer  schrecklichen  Laster 
für  das  Christentum  wenig  geeignet.  Sie  hassen  es  so  sehr,  dass 
sie  es  gar  übel  nehmen,  wenn  man  nur  davon  spricht ;  crmahnt 
zu  werden,  das  Christentum  anzunehmen,  das  fürchten  sie  wie  den 
Tod.  Darum  müssen  Avir  vorab  unsere  Sorge  darauf  verwenden, 
die  vorhandenen  Christen  zu  erhalten."  Ganz  anderes  verhofftc 
er  sich  von  dem  Inselvolk  im  Osten  Chinas.  Dort  glaubte  e?  das 
Feld  weiss  zu  reicher  Ernte.  Und  das  vor  allem  war  es,  was 
ihn  nach  Japan  zog. 

Was  es  Xavier  weiter  leicht  machte,  die  Bande  zu  lösen, 
die  ihn  an  Indien  fesselten,  war  das  ärgerliche  Auftreten  der 
meisten  Portugiesen  in  Indien.  Die  Klage  darüber,  dass  sie  dem 
Christennamen  ungescheut  und  offen  durch  ihr  Leben  Unehre  bei 
den  Heiden  machten,  und  nicht  nur  dies,  sondern  auch  die  Neu- 
bekchrten  verachteten  und  bedrückten  und  dadurch  das  Be- 
kehrungswerk direkt  hinderten,  kehrt  in  Xaviers  Schreiben  sehr 
oft  wieder.  Und  der  greise  P.  Cipriani  schreibt  von  Meliapor 
aus,  wo  er  zwölf  Jahre  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  1559  unter 
gleichen  Schwierigkeiten  thätig  war,  in  einem  noch  erhaltenen 
Briefe  an  den  Ordensgeneral,  dass  Xavier  nach  Japan  gegangen 
sei,  veranlasst  durch  den  Schaden,  der  aller  apostolischen  Arbeit 
durch  das  skandalöse  Leben  der  portugiesischen  ,,  Christen  " 
zugefügt  werde.  Dass  P.  Cipriani  damit  nicht  unrecht  hatte, 
zeigen  Xaviers  eigene  Briefäusserungen.  Schon  Anfang  1548, 
als  er  noch  nicht  entschieden  war,  ob  er  nach  Japan  gehen  solle, 
schreibt  er  dem  König  :  ,,  Der  Umstand  macht  mich  sehr  ge- 
neigt, mich  zur  Reise  zu  entschliessen,  dass  ich  wenig  Vertrauen 
habe,  hier  in  Indien  die  aufrichtige  und  wirksame  Unterstützung 
zu  finden,  welche  zur  Verbreitung  unseres  heiligen  Glaubens  und 
zur  P2rhaltung  der  schon  bestehenden  Christengemeinden  nötig 
wäre."  Lhid  wieder  ein  Jahr  später  lässt  er  den  König  wissen, 
dass  dessen  Befehl  an  den  Vizekönig,  die  Gouverneure  und  könig- 
lichen  Offiziere   in   Indien,  die    denselben  Förderung  und  Schut? 


EntscJiliiss  Xavicrs,  das  Evangclhiin  in  Japan  zu  verkünden. 


/  / 


der  clu-istlichcii  Religion  einschärften,  wenig  oder  kaum  beachtet 
würden.  ,,  In  der  That",  fährt  er  dann  fort,  ,,  da  icli  hier  den 
Stand  der  Dinge  mit  eigenen  Augen  sehe,  bin  ich  fest  über- 
zeugt, dass  gar  keine  Hoffnung  ist,  dass  man  solchen  Befehlen  je 
Avahrhaft  und  ernstlich  nachkommen  werde  ;  und  das  ist  fürwahr 
nicht  der  letzte  Grund,  weshalb  ich  meine  Gedanken  auf  Japan 
richte,  in  der  Hoffnung,  dass  ich  auf  diesen  äussersten  Inseln  des 
Ostens  meine  Mühe  nützlicher  als  bisher  verwende." 

Zu  den  Anordnungen,  die  Xavier  v^or  Antritt  seiner  Reise  traf, 
gehört  auch  die  Regelung  des  zur  Leitung  der  Gesellschaft  not- 
wendigen brieflichen  Verkehrs.  In  Goa  gab  er  den  Auftrag,  dass 
die  Briefe  aus  Europa  den  zwei  königlichen  Schiffen  mitgegeben 
würden,  die  alljährlich,  das  eine  im  September  nach  den  Bandain- 
seln  südwestlich  von  den  IMolukken,  das  andere  im  April  nach 
Ternate,  zu  fahren  pflegten,  um  sie  nach  Malakka,  wo  beide  für 
kurze  Zeite  anlegten,  mitzunehmen.  In  Malakka,  wohin  die  Väter 
und  Brüder  auch  von  den  anderen  Missionsstationen  ihre  Briefe 
an  den  Vorsteher  adressieren  sollten,  hatte  Franciscus  Perez 
Weisung,  von  den  Originalen  Abschriften  zu  nehmen  und  diese 
aus  dem  Hafen,  aus  dem  alljährlich  viele  Schiffe  nach  China 
und  Japan  abgingen,  auf  soviel  verschiedenen  Wegen  an  ihn 
abzusenden,  dass  wenigstens  auf  einem  derselben  eine  Abschrift 
pünktlich  an  ihn  gelange.  Den  Älitgliedern  der  Gesellschaft  zu 
Rom  hatte  er  aber  schon  Anfang  1548  mitgeteilt,  dass  sie  vor 
drei  Jahren  und  neun  Monaten  keine  Antwort  auf  Briefe,  die 
sie  ihm  nach  Japan  schrieben,  erwarten  dürften,  und  ihnen  vor- 
gerechnet, dass  ihre  Briefe  erst  im  neunten  Monat  in  Indien 
ankämen,  worauf  acht  ?vIonate  vergingen,  bis  die  Schiffe  bei 
günstigem  W^etter  nach  den  Molukken  abgingen.  Hin-  und 
Herreise  dauerten,  auch  im  günstigsten  Falle,  einundzwanzig 
]\Ionate,  und  wieder  nach  acht  Monaten  kämen  die  Briefe  aus 
Indien  erst  nach  Rom,  wenn  Wind  und  Wetter  günstig  seien.  Bei 
ungünstigem  Wetter  nämlich  brauchte  man  noch  mehr  als  ein 
Jahr  zur  Reise  nach  Rom. 


SFXHSTES  KAPITEL. 

Xaviers  Fahrt  nach  Japan  und  Landung 
in  Kasroshima. 


Am  14.  April  1549 — es  war  der  Palmsonntag — nahm  Xavier 
Abschied  von  den  Freunden  in  Goa  und  fuhr  mit  dem  alljährlich 
um  diese  Zeit  nach  den  Molukken  abgehenden  königlichen 
Schiffe  0  nach  Cochin  und  von  da,  wo  er  von  den  Franziska- 
nerpatres aufs  freundlichste  aufgenommen  wurde,  am  25.  April 
weiter  bis  Malakka.  Nach  glücklicher  Fahrt  langte  er  am  31. 
Mai  hier  an,  von  der  ganzen  Stadt,  von  Hoch  und  Nieder,  mit 
lebhafter  Freude  bewillkommt.  Pinto  erzählt,  er  habe  die  ihm 
vom  indischen  Vizekönig  Garcia  de  Sä,  Castro's  Nachfolger, 
ausgefertigten  Beglaubigungsschreiben  dem  Kommandanten  von 
Malakka  überreicht,  der  ihm  ein  Schiff  und  alles  zur  weiteren 
Reise  Nötige  zur  Verfügung  stellen  sollte ;  der  Befehl  sei  aber 
so  nachlässig  und  säumig  ausgeführt  worden,  dass  Magister 
Franciscus  sich,  nachdem  er  manche  Widerwärtigkeiten  erfahren, 
genötigt  gesehen  habe,  die  Dschunke  eines  chinesischen  Seeräu- 
bers Necoda  zu  besteigen.  Aus  zwei  Schreiben  Xaviers  selbst 
jedoch,  die  er  am  P'ronleichnamstage,  der  in  diesem  Jahre  auf 
den  20.  Juni  fiel,  an  den  König  von  Portugal  und  an  die  Patres 
Paul  von  Camerino,  Antonio  Gomez  und  Balthasar  Gago  richtete, 
erfahren  wir,  wie  Don  Pedro  de  Silva,  (der  dritte  Sohn  Vasco 
de  Gama's)  der  damals  Kommandant  der  Festung  war,  sein 
Unternehmen,  das  er  ihm  sofort  nach  der  Landung  empfahl, 
auf  jede  mögliche  Weise  mit  Rat  und  That    unterstützte.       ,,  In 

I.     Siehe  den  Brief  Xaviers  an  P.  Paul  von  Camerino  vom  April  1549. 


Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  und  Landimg  in  Kagoshhna.       79 

allem,  was  von  ihm  abhing,"  schreibt  Xavier,  ,,  hat  er  es  ganz 
unaufgefordert  an  Wohlwollen  und  Liebe  in  keiner  Weise  fehlen 
lassen ;  was  aber  von  der  Gunst  anderer  erbeten  werden  musste, 
darin  hat  er  keine  Mühe  und  Anstrengung  gescheut  und  uns  so 
grosse  Beweise  seiner  aufrichtigsten  Liebe  gegeben,  dass  wir  uns 
durchaus  ausser  stände  fühlen,  dieselbe  zu  vergelten ;  selbst 
unser  leiblicher  Bruder  hätte  uns  keine  grössere  Liebe  erweisen 
können."  Er  versah  ihn  und  seine  Genossen  reichlich  mit  allem, 
was  ihnen  not  war,  nicht  nur  für  die  Fahrt  von  IMalakka  nach 
Japan,  sondern  auch  mit  Mitteln  für  ihren  Unterhalt  daselbst. 
Li  einem  aus  Cochin  vom  29.  Januar  1552  datierten  Schreiben 
gibt  Xavier  an,  dass  er  während  der  ganzen  Zeit  seines  Auf- 
enthalts in  Japan  von  der  Freigebigkeit  des  Königs  von  Portugal 
gelebt  habe,  der  ihm  zur  Reise  nach  Japan  mehr  als  1000 
Goldstücke  {doblones  im  Werte  von  60  Realen =ä  4  Thaler)  als 
Almosen  habe  anweisen  lassen.  Ob  ihm  dieses  schon  in  Goa 
vom  Vizekönig  behändigt  wurde  oder  erst  hier  in  Malakka  durch 
Pedro  da  Silva,  ist  nicht  gesagt.  Xavier  bemerkt  nur,  dass  ihm 
der  letztere  zur  Ermöglichung  eines  längeren  Aufenthaltes  und 
zum  Bau  einer  Kapelle  in  Japan  dreissig  Scheffel  Pfeffer  und 
zwar  vom  besten  aus  dem  ganzen  Vorrat  von  Malakka  schenkte. 
Auch  viele  wertvolle  Geschenke  für  den  Herrscher,  um  diesen 
den  fremden  Missionaren  geneigt  zu  machen,  gab  er  mit.  Und 
nach  dem  Dankschreiben  zu  schliessen,  das  Xavier  von  Japan 
aus  an  ihn  richtete,  entnahm  er  wenigstens  die  200  Goldstücke, 
die  zur  Anschaffung  der  Geschenke  verwendet  wurden,  aus 
seiner  Privatkasse. 2) 

Am  24.  Juni,3)  dem  Tage  des  Täufers,  gegen  Abend  bestie- 
gen die  INIissionare  nach  mehr  als  dreiwöchentlichem  Verweilen 
in  IMalakka,  nachdem  Xavier  die  Nacht  vorher  in  der  Kapelle 
Unserer  lieben  Frau  vom  Berge  bei  Malakka  zugebracht,  das 
Schiff,  das  nach  Pinto  am  folgenden    Morgen   bei   Tagesanbruch 


2.  Dies  geht  auch  aus  einem   Briefe  an  Barzaeus  vom  i6.  Juli  1552  hervor. 

3.  CHtVRLEVOIX,   Hist.   de  r Etablissement  etc.    I,    49    gibt  das  falsche    Datum 
4.  Juni. 


8o       Xavicrs  Fahrt  naclt  Japan  und  Landung  in  Kagoshinia. 

die  Anker  lichtete,  zur  P^ahrt  nach  ihrem  neuen  Arbeitsfelde 
,,  alles  zur  Darbringung  der  heiligen  Messe  notwendige  Gerät  mit 
sich  nehmend,  um  gleich  beim  ersten  heiligen  Opfer  von  jenen 
Ländern  und  Völkern  im  Namen  unseres  Königs  Jesus  Christus 
gleichsam  Besitz  zu  nehmen."  Des  Kommandanten  Entgegen- 
kommen ging  so  weit,  dass  er  einzig  um  ihretwillen  ein  por- 
tugiesisches Schiff  hatte  ausri^isten  und  nach  Japan  schicken 
wollen.  Da  dies  so  schnell  nicht  anging,  Xavier  aber  nicht 
länger  verziehen  mochte,  dachte  er  an  ein  chinesisches  Fahrzeug. 
Das  beste,  das  gerade  zur  Verfügung  stand,  war  die  Dschunke 
eines  mit  seiner  Familie  in  der  Stadt  ansässigen  chinesischen 
Seeräubers,  der  sich  bereit  erklärte,  sie  direkt  nach  Japan 
bringen  zu  wollen.  Da  der  Kommandant  demselben  nicht  un- 
bedingt vertrauen  zu  dürfen  glaubte,  so  verlangte  er  von  ihm 
eine  schriftliche  Erklärung,  in  der  er  sich  freiwillig  anheischig 
machte,  seine  Frau  und  sein  ganzes  Vermögen  als  Unterpfand 
für  die  Erfüllung  seines  Versprechens  zu  stellen  und  zwar  unter 
der  Bedingung,  dass  seine  Frau  und  seine  Besitzungen  im  por- 
tugiesischen Gebiet  dem  F"iskus  zufallen  sollten,  wenn  nicht 
Briefe  aus  Japan  bestätigten,  dass  er  die  Religiösen  dem  Vertrag 
gemäss  dahin  gebracht  habe.  Der  Kapitän  kam  nicht  wieder 
zurück.  Er  ist  in  Japan  gestorben.  Von  dort  teilte  Xavier  Don 
Pedro  mit :  ,,  Fast  auf  der  ganzen  Seefahrt  ist  er  unsern 
Wünschen  nachgekommen ;  doch  leider  konnten  wir  ihm  im 
Hafen  und  in  der  Stunde  seines  Todes  keine  Vergeltung  zu  teil 
werden  lassen.  Er  wollte  in  seinem  Aberglauben  sterben  und 
hat  es  uns  dadurch  unmöglich  gemacht,  ihm,  wie  andern  im 
christlichen  Glauben  verstorbenen  Freunden,  noch  nach  dem  Tode 
durch  Gebete  für  ihre  Seelenruhe  unseren  Dank  zu  beweisen. 
Der  Unglückliche  hat  seine  Seele  der  Flölle  übergeben,  aus  der 
keine  Errettung  ist."  Hiernach  hätte  der  Seeräuber  Xavier 
eigentlich  keinen  Grund  zur  Unzufriedenheit  gegeben.  Ganz 
anders  indessen  berichtet  dieser  in  zwei  fast  gleichlautenden 
Briefen  vom  3.  und  5.  November  1549  an  die  Gesellschaft  in 
Goa  und  Coimbra.     Da  führt  er  sogar  recht  bittere  Klage    über 


Xai'icrs  Fahrt  nach  Japan  nnd  Landung  in  KagosJdnia.       8i 

die  Treulosigkeit  des  chinesischen  Barbaren.  Es  war  wohl  mit 
Rücksicht  auf  die  Familie  des  Schiffsinhabers  in  jNIalakka,  dass 
er  in  seinem  Schreiben  an  den  dortigen  Kommandanten  davon 
schwieg,  dem  Toten  im  Gegenteile  ein  gutes  Zeugnis  auszustel- 
len Rir  christliche  Pflicht  hielt. 

Der  Pater  gibt  in  den  erwähnten  Briefen  eine  sehr  aus- 
führliche Beschreibung  der  Fahrt  nach  Japan.  Wir  entnehmen 
derselben  nur  so  viel,  dass  der  Chinese  unterwegs  andern  Sinnes 
wurde.  Statt  auf  Japan  zuzusteuern,  wich  er  von  der  Linie  ab 
und  legte  da  und  dort  an  kleinen  Eilanden  an,  worüber  die 
günstigste  Zeit  verstrich.  Was  den  katholischen  Priester  weiter 
verdross,  war,  dass  der  Kapitän  und  seine  Leute  auf  dem  Schiffe 
einem  Götzen  ihre  Verehrung  erwiesen  und  ihn  befragten,  ob 
die  Fahrt  nach  Japan  glücklich  sein  werde.  Die  Lose  fielen, 
wie  sie  sagten,  bald  günstig,  bald  ungünstig  aus.  Als  es  den 
Schiffsleuten  nun  einfiel,  die  Frage  so  zu  stellen,  ob  das  Schiff 
auch  von  Japan  ^vieder  nach  Malakka  zurückkehren  würde,  luid 
die  Antwort  des  Götzen  verneinend  lautete,  beschloss  der  Schiffs- 
inhaber, die  P^ahrt  für  dieses  Jahr  aufzugeben  und  in  China  zu 
überwintern.  Sie  segelten  langsam  auf  Cochinchina  zu  und 
liefen  nach  einigen  Tagen  in  den  Hafen  von  Kanton  ein.  Die 
Missionare  protestierten  gegen  ein  L'eberwintern  mit  Bitten  und 
mit  der  Drohung,  Avegen  der  Treubrüchigkeit  Klage  beim 
Präfekten  von  Malakka  und  den  Portugiesen  zu  führen.  Ihr 
Bitten  und  Drohen  machte  keinen  Eindruck.  Die  Chinesen 
dachten,  weil  die  Zeit  für  die  Fahrt  nach  Japan  beinahe  vorüber  war, 
nur  daran,  in  den  mehr  nordöstlich  gelegenen  Hafen  Chincheu 
in  der  Provinz  Fo-kin  einzulaufen,  um  dort  zu  überwintern. 
Auf  die  Nachricht  vorüberfahrender  Schiffer,  dass  der  Hafen  von 
Seeräubern  besetzt  sei,  wich  ihm  das  Schiff  jedoch  aus,  und  nun 
kamen  die  Winde,  die  der  Rückkehr  nach  Kanton  zuwider,  der 
Weiterfahrt  nach  Japan  dagegen  günstig  waren,  den  Missionaren 
zu  Hilfe.  ,,  So  segelten  wir ",  schreibt  Xavier,  „  gegen  den 
Willen  des  Kapitäns,  der  Matrosen  und  des  Teufels  selbst  nach 
Japan."     Nach    siebenwöchentlichem    gefahrvollen    Umhertreiben 


82       Xavicrs  Falirl  nacli  Japan  und  Landung'  in  KagosJdina. 

landete  das  Fahrzeug  am  15.  Aiii^ust  1549,  ,,  einem  glückver- 
heissenden  Tage",  nämlich  dem  l'^este  Maria  Himmelfahrt,  drei 
Jahre  nach  dem  Tode  Luthers,  bei  Kagoshima,  dem  Haupthafen 
der  Provinz  Satsuma. 

Xavicrs  Zuv^ersicht  auf  Erfolg  war  noch  stärker  geworden, 
als  sie  in  Goa  vor  Antritt  der  Reise  gewesen  war.  Denn  un- 
terwegs, in  Malakka,  begegneten  ihm  verschiedene  übereinstim- 
mende Aeusserungen,  welche  der  Predigt  des  Evangeliums  in 
Japan  die  besten  Aussichten  eröffneten.  Sie  gründeten  sich  auf 
l^riefe,  welche  man  kürzlich  von  befreundeten  portugiesischen 
Kaußeuten,  die  in  Japan  Plandel  trieben,  erhalten  hatte.  In 
einem  dieser  Briefe  hiess  es :  ein  reicher  und  mächtiger  Fürst 
wünsche  Christ  zu  werden  und  habe  bereits  einen  Gesandten  an 
den  Vizekönig  von  Indien  abgeordnet  mit  der  Bitte,  ihm  Lehrer 
der  christlichen  Religion  zu  schicken.  Man  zeigte  Xavier  auch 
Briefe  von  Kaufleuten  in  Slam,  in  denen  es  hiess,  es  seien  dort 
einige  Japaner  angekommen,  von  denen  man  gehört  habe,  ihre 
Landslcute  wünschten,  dass  europäische  Priester  als  Lehrer  zu 
ihnen  kämen.  Andere  wussten  gar  zu  erzählen,  dass  einige 
Mächtige  des  Landes  mit  dem  Gedanken  umgingen,  in  gleicher 
Absicht  eine  Gesandtschaft  an  den  König  von  Portugal  zu 
schicken.  In  einem  andern,  an  Xavier  eigens  gerichteten  Schrei- 
ben hiess  es,  wie  er  in  einem  während  seines  kurzen  Aufenthaltes 
in  Malakka  geschriebenen  Briefe  berichtet :  Einigen  portu- 
giesischen Kaufleuten,  welche  jüngst  in  einer  bestimmten  Gegend 
von  Japan  gelandet  seien,  habe  der  Herr  jener  Gegend  ein 
Haus  angeboten,  welches  deshalb  von  seinen  Bewohnern  verlassen 
sei,  weil  man  die  Erfahrung  gemacht  habe,  es  werde  sehr  von 
Gespenstern  beunruhigt.  Die  Portugiesen,  welche  nichts  hiervon 
gewusst,  da  die  Japaner  es  A\ohhveislich  verschwiegen  hatten, 
habe  es  M'ährend  einiger  Nächte  sehr  gewundert,  dass  ihnen, 
wenn  sie  sich  schlafen  gelegt,  die  Kleider  und  Bettdecken  ab- 
gezogen wurden,  ohne  dass  sie  irgend  jemand  gesehen.  Endlich 
habe  einer  von  ihren  Dienern  in  der  Nacht  ein  Gespenst  gesehen 
und  vor  Schrecken  so  laut  aufgeschrieen,    dass    alle    erwachten. 


Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  und  Landung  in  Kagosliinia.       83 

Sie  sprangen  von  ihrem  Lager  auf,  griffen  zu  den  Waffen  und 
eilten  zu  dem  Schreienden,  um  etwa  eingedrungene  Räuber  zu 
vertreiben.  Als  sie  aber  die  Thüre  verriegelt  und  ihren  Diener 
ganz  allein  und  unversehrt  fanden,  haben  sie  ihn  gefragt,  warum 
er  denn  so  geschrieen  habe,  aber  keine  andere  Antwort  erhalten 
als  :  er  habe  eine  schreckliche  Erscheinung  gesehen,  dieselbe  sei 
aber,  als  er  das  Kreuzzeichen  gemacht  habe,  verschwunden. 
Infolgedessen  stellte  nun  der  Diener  an  verschiedenen  Stellen  des 
Hauses  und  an  den  Thüren  der  Zimmer  Kreuze  auf  Inzwischen 
erkundigten  sich  die  Nachbaren,  welche  um  die  Sache  wussten, 
wie  es  den  Fremden  in  dem  Hause  gehe  ;  sie  wunderten  sich 
nämlich,  dass  sie  so  lange  unbehelligt  darin  bleiben  konnten.  Da 
sie  auch  das  nächtliche  Schreien  des  Dieners  und  den  Lärm  der 
mit  den  Waffen  Herbeieilenden  gehört  hatten,  fragten  sie  am  folgen- 
den Tage,  warum  sie  in  der  Nacht  einen  solchen  Schrecken 
gehabt  hätten.  Als  die  Portugiesen  erzählten,  was  sich  zugetra- 
gen, haben  die  Japaner  auch  zugestanden,  man  habe  schon  seit 
längerer  Zeit  geglaubt,  dass  ein  böser  Geist  das  Haus  besetzt 
halte,  und  zugleich  haben  sie  gebeten,  weil  derartiges  in  jenen 
Gegenden  oft  vorkäme,  wenn  sie  ein  Mittel  dagegen  hätten,  es 
ihnen  doch  anzugeben  oder  mitzuteilen.  Auf  die  Antwort  der 
Portugiesen,  es  gebe  kein  wirksameres  Mittel  für  die  Vertreibung 
der  bösen  Geister  als  das  Zeichen  des  Kreuzes,  habe  man,  da  das 
Gerücht  von  dem  Vorfall  und  von  der  gegebenen  Antwort  sich 
rasch  verbreitet  habe,  bald  Kreuze  von  Papier,  Holz  und 
andern!  Stoffe  an  den  Thüren  fast  aller  Häuser  des  Orts 
gesehen,  indem  die  Eingeborenen,  welche  oft  von  höllischen 
Geistern  belästigt  werden,  sich  begierig  des  angegebenen  Amu- 
lets  bedienten.  ,,  So  eile  ich  denn ",  schreibt  Xavicr  von 
Malakka  aus,  nachdem  er  solche  Nachrichten  empfangen  hatte, 
„mit  freudiger  Hoffnung  hin,  und  meine  Seele  jubelt  auf  im 
vertrauensvollen  Vorgefühl  der  reichlichen  Ernte,  die  ich  dort 
erwarte."  4)     Ja,    er    gibt    der    Hoffnung    Ausdruck,    mit    Gottes 

4.     Charle\'OIX,  Hist.  de  P Etablissevient  etc.  I,  47  teilt  mit,  dass  Xavier,  kaum 
in    Malakka   angekommen,   angesichts  der  sich  ihm  entgegenstellenden   Hindernisse 


84       Ä'a'i'icis  FaJirt  nacJi  Japan  und  Landuns:  in  Kagosliinia. 

GiKulc  rcichliclic  L^-üclitc  bei  cinig'cn,  ja  \'icllcicht  bei  allen 
Japanern  zu  wirken,  und  schreibt  an  Johannes  Bcira  :  ,,  Obwohl 
ich  recht  <;ut  weiss,  ^vie  viel  Gutes  in  den  hiesigen  Gegenden 
gewirkt  werden  kann,  so  werde  ich  nach  meiner  Ankunft  auf 
jenen  entlegenen  Inseln,  sobald  ich  klar  erkenne,  dass  wir  von 
unseren  Arbeiten  dort  uns  noch  grösseren  Erfolg  versprechen 
dürfen,  Sic  zu  mir  rufen,  damit  Sie  an  der  reicheren  Ernte 
arbeiten." 

Nun,  zunächst  stiegen  nur  zwei  andere  Jesuiten  mit  ihm 
ans  Land  :  Pater  Cosmo  5)  de  Torres,  ein  spanischer  Priester  von 
Valencia,  vorher  Generalvikar  des  Bischofs  von  Goa,  derselbe, 
unter  dessen  Anleitung  Anjiro  die  geistlichen  Uebungen  durch- 
gemacht hatte,  und  Johann  Fernandez,'^)  ein  Laienbruder ;  ferner 
Anjiro  oder  Paul  vom  heiligen  Glauben,  der,  voll  Verlangen, 
seine  Landsleute  für  die  neue  Religion  zu  gewinnen,  ihm  gute 
Dienste  als  Dolmetscher  leisten  sollte,  und  dessen  beide  getaufte 
Diener,  die  Japaner  Johannes  und  Antonius. 7) 

uiul  Schwierigkeiten  von  tiefster  Entmutigung  l)efallen  worden  und  versucht  gewesen 
sei,  sein  ganzes  japanisches  Unternehmen  aufzugeben.  Alan  vergleiche  dagegen  noch 
Xaviers  Brief  von  Malakka  (22.  Juni  1549),  in  dem  es  heisst :  „Gerade  das  be- 
stärkt mich  in  meinem  \^orhaben,  dass  der  Feind  des  Menschengeschlechts  so  vieles 
aufbietet,  um  mich  von  demselben  abzubringen,  woraus  nicht  undeutlich  erhellt, 
dass  er  für  seine  Sache  viel  davon  fürchtet.  Aber,  was  er  auch  lärmen  und  ein- 
wenden mag,  wir  gehen  doch,  unbekümmert  um  seine  eitlen  Schreckbilder." 

5-  Cos II w,  nicht  BaltJiasar  de  Torres,  wie  M.  VON  Brandt,  „The  Discovery  of 
Japan  and  tJie  Introdiiction  of  Chrislianity "  in  den  Mitth.  der  D.  Ges.  f.  Natur-  u. 
Völkerk.  Ostasiens,  Bd.  I.  Heft  V,  31,  und  Rf.IX,  „Japan'-''  I,  305  u.  312  irrtümlich 
angeben.  Zwischen  beiden  Jesuitenjwtres  ist  zu  unterscheiden.  Balthasar  de  Torres 
ist  erst  später  nach  Japan  gekommen.  Der  Fehler  hat  sich  aus  A'un  BRANrn'  u. 
Rkin  in  andere  Publikationen  geschlichen,  wesjialb  ich  hier  Anlass  nehme,  ilin 
richtig  zu  stellen. 

6.  Johann  Fernandez  war  ein  reicher  Kaufmann  von  C'ordone  in  Andalusien. 
Nach  seiner  Bekehrung  in  Lissabon  im  Juni  1547  von  Simon  Rodriguez  in  die 
Gesellschaft  aufgenommen,  wurde  er  im  folgenden  Frühjahr  nach  Indien  geschickt,  wo 
Xavier,  seine  Tüchtigkeit  sofort  erkennend,  sein  Auge  auf  ilm  fallen  lies«,  als  er 
sich  nach  Begleitern  für  die  Reise  nach  Japan  umsah. 

7.  k.ia  Religiöse  von  Goa  schreibt  in  einem  Briefe  an  die  Brüder  im  Kolle- 
gium   zu    Coimbra    1549:     ,.  Alle,  die   I'.  Franciscus  aus  unseren  Briidern  besuchte, 


Xavicrs  Fahrt  iiacJi  Japan  und  Landung  in  Kagoshiina.        85 

Xaviers  Ziel  war  Kagoshinia  nicht  gewesen ;  er  hatte 
viehnehr  die  Absicht  gehabt,  sofort  nach  der  Hauptstadt  des 
Reiches,  nach  Meal-co,  zu  gelangen  und  dem  König  des  ganzen 
Reichs  zu  eröffnen,  welchen  Auftrag  er  für  ihn  von  dem  höch- 
sten Herrn  und  Könige  aller  Völker  habe,  und  darauf  die 
Gymnasien  und  Universitäten  zu  besuchen.  Da  es  nun  durch 
die  Ungunst  der  Winde  nicht  nach  seinem  Wunsche  ging,  hätte 
er  an  einem  günstigeren  Orte  nicht  wohl  landen  können.  Denn 
Kagoshima  war  Anjiros  Vaterstadt.  Dieser  Umstand  sicherte 
den  fremden  Ankömmlingen  eine  freundliche  Aufnahme  bei 
der  gesamten  Bürgerschaft  und  ihren  Vorstehern,  die,  fern  davon, 
ihm  seinen  Uebcrtritt  zur  Religion  der  fremden  Priester  übel  zu 
nehmen,  ihn  vielmehr  deshalb  achteten  und  ihm  Glück  wünsch- 
ten, dass  er  Indien  besucht  und  dort  Dinge  gesehen  habe, 
wie  sonst  keiner  von  den  Eingeborenen.  Die  Fremden  waren 
Gegenstand  höchsten  Interesses,  auch  für  das  Haus  des  Daimyö 
von  Satsuma,  Shimazu  Takahisa,  des  fünfzehnten  Regenten  aus 
dem  Geschlechte  Shimazu  (geb.  15 14,  Regent  seit  1526,  gest. 
1571),  der  zu  dieser  Zeit  schon  anfing,  danach  zu  streben,  seine 
Herrschaft  über  ganz  Kyüshü,  die  südliche  der  Hauptinseln  Japans, 
(von  den  Jesuiten  gewöhnlich  Ximo  oder  Saycocu  genannt),  aus- 
zudehnen, und  dem  sofort  der  Gedanke  gekommen  sein  mag,  dass 
die  Ankömmlinge  ihm  dazu  behülflich  sein  könnten.  Xavier 
erzählt,  wie  der  Fürst,  der  sechs  Meilen  von  Kagoshima  entfernt  sein 
Schloss  hatte,  dem  Anjiro,  als  er  ihm  seine  Aufwartung  machte,^) 

wollten  mit  ihm  reisen  :  weil  dies  indessen  nicht  anging,  Hess  er  uns  die  Hoffnung 
zurück,  wenn  Gott  in  jener  Gegend  dem  Evangelium  den  Weg  öffnen  solle,  uns  alle 
dahin  zu  laerufen,  indess  er  uns  im  Herzen  mit  sicli  führte  und  damit  tröstete,  dass 
die  hier  so  zerstreute  Gesellschaft  Jesu  sich  dort  im  himmlischen  Jerusalem  vereinigt 
wieder  linden  wird,  wenn  wir  in  dieser  Wanderschaft  einander  niclit  mehr  seilen 
sollen." 

8.  Wenn  Charlevoix,  Histoire  de  P jkiabUsscinent  etc.  I,  53  sagt,  Anjiro's  Gang 
zum  h'iusten  hal^e  auch  den  Zweck  gehabt,  ihn  um  Gnade  für  den  begangenen 
Mord  anzuflehen,  um  dessentwillen  er  entflohen  war,  so  ist  das  eine  Angabe,  für 
welche  die  authentischen  Quellen  keinen  Anhalt  bieten.  Sie  bekundet  aber,  dass 
schon  Charlevoix  der  Gedanke  aufstieg,  dass  der  Japaner  eigentlich  nicht  hätte 
daran  denken  können,  nach  seiner  Heimat  zurückzukehren,  wenn  ihn  eine  begangene 
Älordthat  zur  Flucht  aus  derselben  genötitrt  hätte. 


86       Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  und  Laiidiiiii^  in  Kao-oshiuia. 

viele  lüire  erwies.  Kr  forschte  ihn  angelegentlich  und  eingehend 
über  seine  Reisen  wie  über  Charakter,  Sitten  und  Macht  der 
Portugiesen  aus.  An  einem  von  Indien  mitgebrachten  Bildnisse 
der  Jungfrau  mit  dem  Jesuskinde,  das  Anjiro  ihm  zeigte,  fand  er 
grosses  Gefallen.  Dass  er  auf  den  Knieen  sich  davor  verbeugte, 
nahm  Xavier,  mit  japanischen  Gewohnheiten  noch  nicht  vertraut, 
als  ein  Zeichen  andächtiger  Verehrung  des  Madonnenbildes.  9) 
Auch  die  Mutter  des  Daimyö  war  von  dem  Gemälde  entzückt 
und  warf  sich  ebenfalls  mit  allen  ihren  Frauen  davor  nieder 
„ponr  adorcr  Ic  Dien  des  Chirticns."'^'^)  Sie  wünschte  sich 
sogar  eine  Kopie  davon,  ein  Wunsch,  der  ihr  nicht  befriedigt 
werden  konnte,  weil  sich  kein  Maler  in  Kagoshima  fand,  der  den 
Auftrag  auszuführen  im  stände  war,  und  bat  ferner  durch  ihren 
Boten  um  eine  Aufzeichnung  der  Hauptstücke  der  christlichen 
Religion  für  sie.  Anjiro  verwandte  einige  Tage  auf  diese  Arbeit, 
indem  er  einen  Abriss  der  christlichen  Glaubens-  und  Sittenlehre 
in  japanischer  Sprache  niederschrieb, — das  erste  christliche  Lite- 
raturprodukt in  Japan. 

Schon  Anjiro  hatte  den  Geistlichen  in  Goa  erzählt,  in  Japan 
sei  ein  Fürst,  auf  dessen  Fahne  ein  uncreheueres  Kreuz  ijemalt 
sei,  das  Familienwappen,  das  jedem  andern  bei  Todesstrafe  zu 
gebrauchen  verboten  sei.  Hieraus,  .  wie  aus  den  mancherlei 
Aehnlichkeiten  mit  der  katholischen  Religion,  die  er  in  der 
japanischen,    \v\c    sie    Anjiro    ihm   beschrieb,    entdeckte,    zog  der 

9.  Ihm  nach  thalcn  dies  dann  natürlich  die  jesuitischen  Geschichtschrciher. 
^'yl.  z.B.  CiiARLi'.Vüix,  Ilisfoire  et  Dcscriplion  generale  du  Japon  II,  171  :  „  Le 
Kvi  fiit  si  frappe  ä  eetle  vüe,  qne  par  iin  iiioiiveincnt  siibif,  dont  appareiiiineiit  il  tie 

fnt  pas  k  via'itre,  il  mit  les  detix  genonx  011  terre  ponr  rendre  ses  hoiiimages  ä  la 
Mere,  et  aufds,  dont  les  visages  lui parurent  respirer  ipielqtte  cJiose  daitguste  et  de  divin.'-'- 
Protestantische  Kritiker  Xaviers  haben  dann  aus  der  bezüglichen  Briefmilteilung  des 
Begründers  der  japanischen  Kirche  und  aus  der  Weiterinterj)retation  CH.\KLI-;^'OI.\'  u. 
a.  den  Vorwurf  a])geleitet,  ein  Akt  schlechter  Marialatrie  sei  der  Anfang  katholischer 
Missionsthätigkcit  in  Japan  gewesen.  Siehe  z.  B.  Vknn-IIokf.MANN,  P'ranz  Xavier, 
S.  215:  ,,l^eider  war  der  erste  Schritt  in  der  Bekehrung  Japans  durch  Marien-An- 
betung befleckt." 

10.  Cll-\KLE\"üI->:,  Ilist.  de  rPtablisseincni  ete.,  I,  54. 


Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  und  Landung  in  KagosJdnia.        8/ 

Religiöse,    der    im    Kollegium    aufzeichnete,    was    er    von    dem 

Japaner  erfragen  konnte,  den  Schluss,  es  sei  wahrscheinlich,  dass 
das  Land  einmal  das  P^vangelium  gehabt,  aber  seiner  Sünden 
wegen  wieder  verloren  habe,  wenn  nicht  etwa  eher  anzunehmen 
sei,  dass  die  Wahrheit  durch  einen  Betrüger  wie  Mohammed 
wieder  verdunkelt  wurde.  Xavier  sagt  dagegen  in  einem  Briefe 
vom  29.  Februar  1552,  er  habe  in  Japan  lange  und  fleissig  nach- 
geforscht, ob  er  etwa  Spuren  einst  vorhanden  gewesenen  Christen- 
tums finden  könne.  xA.ber  sowohl  aus  den  Schriften  der  Japaner 
als  auch  aus  mündlichen  Unterhaltungen  sei  er  zu  der  Ueber- 
zeugung  gelangt,  dass  sie  noch  gar  nichts  von  Christus  erfahren 
hatten.")     Zu  Kagoshima  habe  er  wohl  bemerkt,  dass  der  König 


II.  Japanische  Historiker  haben  die  Behauptung  aufgestellt  und  zu  begründen 
gesucht,  dass  schon  Jahrhunderte  vor  Xavier  das  Christentum  einmal  durch  Glau- 
bensboten in  Japan  gepredigt  wurde.  Daran  ist  wohl  ernstlich  nicht  zu  denken. 
Interessant  aber  wäre  es,  zu  untersuchen,  wie  viel  indirekt  durch  den  Buddhismus 
vom  Christentum  nach  Japan  gebracht  wurde.  Denn  der  Buddhismus,  wie  er  dahin 
kam,  hatte  sicherlich  in  Indien  und  China  auch  christliche  Ideen  von  den  Xestori- 
anern  assimiliert.  Dies  würde  die  vielen  Uebereinstimmungen  zwischen  der  katholi- 
schen Religion  und  dem  Buddhismus  in  Japan  erklären.  Ich  notiere  hier  noch 
eine  Bemerkung,  die  Hildreth  {^Japan  as  it  7vas  and  is,  p.  59)  macht.  Indem  er 
darauf  hinweist,  dass  die  Religion  Buddhas  in  iln'er  Organisation  und  ilrren  Ge- 
bräuchen bei  allerdings  teilweise  sehr  verschiedenen  Dogmen  ein  höchst  eigentüm- 
liches Gegenstück  zur  katholischen  Kirche  darbiete,  schreibt  er :  „a  siiniliarity  whicli 
tlie  missionaries  could  oiily  explain  by  the  theoiy  of  a  diabolical  iiiiitation  ;  and  lühich 
some  subsequent  Catholic  writers  have  been  inclined  fo  ascribe,  tipon  veiy  tmsatisfac- 
toiy  grounds,  to  ihc  ancient  labors  of  Arnienian  and  Ncstorian  missionaries,  being 
extrentely  umuilling  to  adinit  zu/iai  seeiits,  hozvevei;  very  probable,  if  not,  indeed,  cer- 
tain, — Utile  attention  Jias  as  yet  been  given  to  this  interesting  inqitiry, — that  soine 
leading  ideas  of  the  Catholic  chiirch  haiie  been  derived  fro/n  Buddhist  sotirces,  whose 
missionaries,  zuhile  penetrating,  as  ive  knoia  they  did,  to  the  East,  and  Converting 
entire  nations,  niay  well  be  supposed  not  to  have  been  ivithoiit  their  inßuence  also  on 
the  West.'-'-  Es  ist  besonders  R.  Seydel,  der  dieses  Problem  in  mehreren  Schriften 
behandelt  hat.  Die  Möglichkeit  der  von  ihm  angcnounncncn  Beeinflussung  l:icreits 
der  christlichen  Evangelien  durch  die  Buddhalegenden  ist  schwerlich  zu  bestreiten 
und  in  \Yirklichkeit  auch  von  keinem  ernst  zu  nehmenden  Beurteiler  bestritten 
worden.  Von  allem,  was  gegen  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Entlehnungshypothese 
geltend  gemacht  worden  ist,  scheint  mir  am  schwersten  dies  zu  wiegen,  dass  in  der 
christlichen  Literatur  bis  auf  Clemens    von    iUexandricn   jede    Erwähnung  des  Bud- 


88       Ä''ai'icrs  Fahrt  nach  Japa]i  und  Landung  in  KagosJdnia. 

und  seine  Verwandten  ein  weisses  Kreuz  im 
\Vappen  fülirten,  aber  von  Christus  hätten  sie 
L;ar  keine  Kenntnis.  Was  sein  erster  Konv^ertit 
dem  cliristlichen  Kreuze  ähnlieh  fand,  und  er 
selbst  als  Darstellung  eines  solehen  ansah,  ist  in 
Wirklichkeit  ein  Pferdegebissring  im  Shimazuwappen.^^)  y^uf 
eine  Erwälmung  dieses  letzteren  stiess  ich  beim  Studium  der 
Littcrae  annuac  auch  in  einem  Jahresschreiben  aus  Japan  vom 
Jahre  1581.  Da  schreibt  der  damalige  Vizeprovinzial  P.  Caspar 
Coegles,  dasselbe  scheine  den  apostolischen  Arbeitern  Gutes 
vorzubcdeuten.  Denn  der  P\irst  von  Satsuma  habe  als  Sinnbild 
ein  dem  christlichen  ganz  ähnliches  Kreuz.  \lx  knüpft  daran 
den  Wunsch,  Gott  möge  geben,  dass  er  und  die  Seinen  dies 
bald  erkennen  und  es  als  das  Wappen  Christi  anbeten. 

Xavier  nahm  jedenfalls  die  Gelegenheit  mit  Begier  wahr, 
den  Daimyö  mit  dem  Kreuze  Christi  bekannt  zu  machen. 
Durch  die  Erzählungen  seines  aus  Indien  zurückgekehrten  Un- 
terthans  war  dieser  neugierig  geworden,  (^c\\  fremden  Priester 
kennen  zu  lernen,  und  dieser  musste  sich  am  29.  September, 
von  Paul  als  Dolmetscher  begleitet,  ihm  vorstellen.  Es  war 
der  Tag  Ivlichaels.  Unter  den  Schutz  dieses  P^rzengels,  des 
I'ürsten  der  streitenden  Kirche,  stellte  er  darum  das  E^vangeli- 
sationswerk  in  Japan.  Yä  Avurde  sehr  ehrenvoll  aufgenommen, 
von  allen  Anwesenden  höchlich  angestaunt  und  bis  zum  I^in- 
bruche  der  Nacht  festgehalten.  Der  Fürst  ermahnte  ihn,  wie 
er  berichtet,  die    Bücher,    in  welchen    die    christliche    Lehre    ent- 


dhismus  fehlt.  Bis  jetzt  kennen  wir  die  Brücke  nicht,  über  welche  die  Buddhale- 
gende in  der  Zeit,  in  der  die  Evangelien  entstanden,  zu  Christen  gelangen  konnte. 
Vgl.  meinen  Aufsatz  „  Das  Lehen  Jesu,  und  die  Biiddhalegenden.  "  in  der  Zeitschrift 
für  Missionskunde  und  Religionswissenschaft,  Jahrgang  XIII.     .S.  72-So. 

12.  Es  ist  demnach  ein  Anachronismus,  wenn  in  einem  Artikel  des  „Japan 
Evangelist"  (Vol.  II.  Xo.  7.  Jahrgang  1899)  „Tlie  Gross  in  Japanese  Ileraldry '■'■ 
das  Kreuz  im  Wappen  der  Familie  Shimazu,  das  Xavier  l:)ereits  vorfand,  als  ein 
Ueljerbleibscl  aus  der  Zeit  der  Jesuitenmission  angeführt  wird,  unter  Beiiifung 
darauf,  dass  die  Jesuitenväter  ihren  adeligen  Konvertiten  neue  Wappen  gegeben 
haben  sollen. 


Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  nnd  Landung  in  KagosJänia.        89 

halten  sei,  recht  sorgniltig  zu  bewahren  ;  Avenn  er  nämhch  von 
der  Wahrheit  und  Richtigkeit  derselben  sich  überzeugt  hätte,  so 
würde  der  Teufel  vor  Aerger  ganz  ausser  sich  kommen.  Von 
seiner  beabsichtigten  Reise  nach  der  Reichshauptstadt  riet  ihm 
Takahisa,  der  sich  den  portugiesischen  Handel  durch  die  Glau- 
bensboten sichern  zu  können  glaubte,  unter  Hinweis  auf  die 
dortigen  Wirren  eindringlich  ab,  räumte,  um  ihn  festzuhalten, 
nach  wenigen  Tagen  allen  seinen  Unterthanen  die  Freiheit  ein, 
die  christliche  Religion  anzunehmen,  und  gab  ihm  selbst  natür- 
lich die  Erlaubnis,  in  seinem  Gebiete  frei  zu  predigen. 

Dazu  fehlte  dem  eifrigen  Apostel  zunächst  noch  das  Not- 
wendigste, die  Kenntnis  der  Landessprache,  wenn  er  sich  auch 
die  Anfangsgründe  derselben  auf  der  Reise  von  Anjiro  hatte 
beibringen  lassen.  Jetzt  in  Japan  machte  er  sich  mit  grösstem 
Eifer  an  die  Erlernung  des  Japanischen.  , »Verständen  war  die 
japanische  Sprache,"  schreibt  er  am  3.  November  nach  Goa,  ,,  so 
würden  viele  ohne  Zweifel  das  Christentum  annehmen.  Gebe 
Gott,  dass  wir  sie  bald  können ;  wir  haben  längst  sie  zu 
lernen  angefangen ",  und  ähnlich  wie  auch  in  diesem  Briefe 
schreibt  er  in  einem  nach  Coimbra.  ,, Jetzt  weilen  wir  unter  den 
Leuten  gleichsam  wie  Bildsäulen.  Sie  reden  viel  über  uns  und 
machen  sich  allerlei  Mitteilungen  ;  wir  aber  bleiben  stumm  und 
müssen  in  P>rlcrnung  der  Anfangsgründe  der  Sprache  wieder  zu 
Kindern  werden."  Für  den  Dreiundvierzigjährigen,  dem  beides, 
die  Sprachengabe  wie  die  Geduld  abging,  war  das  natürlich 
keine  leichte  Sache.  Doch  konnte  er  mitteilen,  dass  er  in 
vierzig  Tagen  mit  Gottes  Hilfe  solche  Fortschritte  gemacht,  dass 
er  bereits  die  zehn  Gebote  auf  Japanisch  erklären  könne.  Dies 
freilich  i.st  eine  Angabe,  die  nur  mit  grösster  Vorsicht  wird 
aufgenommen  werden  dürfen.  Allerdings  sagt  ein  japanischer 
Geschichtschreiber  vom  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  Arai 
Hakuseki,  dass  nach  alten  Berichten  die  Südbarbaren,  aller  Lan- 
dessprachen kundig,  auch  im  stände  waren,  binnen  fünf  bis  sechs 
Tagen  nach  ihrer  i\nkunft  die  japanische  ganz  gut  zu  verstehen  ; 
aber  einmal  wird  man  das  nicht  allzu  wörtlich  nehmen  dürfen,  und 


90       Xai'icrs  Falirt  iiacli  Japan  und  Landung  in  Kagoshinia. 

zum  zweiten  bezieht  es  sich  wohl  auf  eine  Zeit,  wo  bereits  in 
Indien  oder  Kuropa  den  Missionaren  Gelegenheit  gegeben  war, 
Japanisch  zu  erlernen,  so  dass  sie  wirklich  bald  nach  ihrer 
Ankunft  im  Lande  die  Japaner  zu  verstehen    vermochten. 

Dürften  wir  den  J^erichten  der  jesuitischen  Historio- 
graphen  glauben,  so  hätte  Xavier  so  rasche  und  erstaunliche 
Fortschritte  gemacht,  dass  er  nach  so  kurzer  Frist  bereits  im 
Stande  war,  einen  in  Indien  von  ihm  verfassten  Abriss  der 
christlichen  Lehre  in  h'orm  einer  Auslegung  des  Symbols  ins 
Japanische  zu  übersetzen.  Fr  selbst  bekennt,  dass  er  den 
Katechismus  mit  Hilfe  Anjiros  übersetzt  habe,  und  zwar  mit 
grosser  Mühe.  Und  da  er  schon  von  Cochin  aus,  noch  vor 
Antritt  seiner  Fahrt  nach  Japan,  (14.  Januar  1549)  von  Faul 
schreibt,  dass  er  keine  wissenschaftliche  13ildung  besitze  und  nie 
japanische  (er  meint  wohl  chinesisch  geschriebene)  Schriften 
gelesen  habe,  hat  wohl  eher  Tursellixu.s  recht,  wenn  er  schreibt : 
,,Paul,  weil  ein  ungelehrter  Mann  {Jiouio  idiotd),  war  um  nichts 
besser  zum  Dolmetscher  als  zum  Lehrer  geschickt.  Und  ob  er 
sich  gleich  über  sein  Vermögen  anstrengte,  brachte  er  doch 
weniger  zu  stände,  als  die  Sache  erheischte.  Denn  er  übersetzte 
jene  Hauptstücke  so  falsch,  dass  nirgends  ein  Zusammenhang  in 
der  Darstellung  war.  lu'  schrieb  ferner  so  ungeschickt,  da.ss 
seine  Schriften  von  den  japanischen  Literaten  nicht  ohne  Lachen 
gelesen  werden  konnten."  ^3) 

Die  Ausarbeitung  eines  japanischen  Katechismus  hatte 
Xavier  bereits  Anfang  1548,  sobald  er  sich  mit  dem  Gedanken 
an  ]\lissionsarbeit  in  Japan  trug,  ins  Auge  gefasst.  Schon  in  einem 
Schreiben  vom  21.  Januar  dieses  Jahres  an  die  Jesuiten  in  Rom 
spricht  er  von  dieser  seiner  /\bsicht  und  bemerkt,  dass  Anjiro  ihm 
dabei  als  Uebersetzer  Dienste  leisten  solle.  L'nd  in  dem  ersten 
Briefe  aus  Kagoshima  findet  sich  die  Stelle  :  ,,  Diesen  Winter 
gedenken    wir    auf   eine    ausführliche    japanische    Frklärung    des 


13.  HoR.vrius  TuRSELLiNL'S,  De  Vila  B.  Fraiichci  Xaverü,  p.  306  (ich  ziliere 
nach  der  in  meinem  Besitz  befmdliclicn  Ausgabe,  Rom  l6io.  Die  erste  erschien 
1594)- 


Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  und  Landung  in  Kagoshinia.        91 

Glaubensbekenntnisses  zu  verwenden,  mit  der  Absicht,  dieselbe 
drucken  zu  lassen,  damit  so  wenigstens  die  Kenntnis  der  christ- 
lichen Religion  zu  möglichst  vielen  Orten,  da  wir  unmöglich 
persönlich  überall  hinkommen  können,  durch  das  Mittel  der 
Schrift,  welche  die  meisten  Japaner  lesen  können,  gelange.  Unser 
Paul  übersetzt  getreu  in  die  Landessprache  alles,  was  zum  See- 
lenheile notwendig  ist."  Das  ist  am  5.  November  1549 
Sfeschrieben.  In  einem  Schreiben,  das  gewöhnlich  auf  den  20. 
November  1550  gesetzt  wird,  aber  kaum  vor  Juli  155  i  geschrie- 
ben sein  kann, 14)  bekennt  jedoch  Xavier,  dass,  als  sie  in  Hirado 
waren,  also  über  anderthalb  Jahre  später,  keiner  von  ihnen 
Japanisch  konnte,  und  sie  sich  auf  die  Vorlesung  der  Katechis- 
musübersetzung beschränken  mussten,  wenn  auch  daneben  ihr 
japanischer  Gehilfe  Ansprachen  gehalten  haben  mag.  Aus 
diesem  Selbstgeständnis  mag  man  schliessen,  was  von  der 
Behauptung  zu  halten  ist,  die  sich  bei  Crasset,  Ch.vrlevgix, 
BouHOURS  u.  a.  findetj'S)  er  habe  das  Japanische  mit  einer 
Leichtigkeit  und  Lleganz  gesprochen,  die  selbst  die  Einge- 
borenen nur  selten  erreichten. ^6)  Die  Sprachengabe,  die  ihm, 
um  ihn  zu  verherrlichen,  .seine  katholischen  Biographen  und 
selbst  die  päpstliche  Kanonisationsbulle  von  1623  i7)  beilegen, 
hat  der  grosse  Glaubensbote  nicht  besessen.  Und  wenn  er  auch 
nach  seiner  Rückkehr  aus  Japan  schrieb,  die  japanische  Sprache 


14.  Den  Nachweis  hiefiir  siehe  im  Exkurs  zmn  zehnten  Kapitel. 

15.  Anders  TüRSELLlN  (p.  321):  Itaqne  vi  coinpitis  ac  triiiis  bis  in  die  de 
scripta  {iiondui/i  eniiii  lingnaiii  Japonicain  probe  iiorat)  Evaiigeliicni  diuulgare  instiluit 
So  schreibt  er,  \vo  er  von  Xaviers  Aufenthalt  in  Yamagi.ichi  spricht,  wohin  sich 
dieser  von  Hirado  aus  begab. 

16.  Dieselben  Gewährsmänner,  ihnen  nach  aber  selbst  noch  P.\ges  I.  p.  XCVI. 
berichten  auch  allen  Ernstes,  dass  Xavier  den  chinesischen  Kaufleuten  in  Hirado 
täglich  in  ihrer  Sprache  jjredigte,  obgleich  er  diese  Sprache  nie  gelernt  habe. 

17.  In  dem  amtlichen  Prolokolle  über  die  Kanonisation  des  Heiligen  heisst 
es :  „Wenn  er  Völker  verschiedener  Sprachen  besuchte,  die  er  nie  gelernt  hatte,  so 
pflegte  er  diese  Sprachen  ebenso  fliessend  und  schön  zu  sprechen,  wie  wenn  er  im 
Lande  geboren  und  erzogen  worden  wäre,  und  es  geschah  oft,  dass  Leute  verschie- 
dener Sprachen,  die  seiner  Predigt  zuhörten,  jeder  seine  eigene  Sprache  vernahmen." 


92       A'tiz'ü'j's  FaJu't  iiacli  Japan  und  Landiiiif^  in  Kagosldnia. 

sei  nicht  so  gar  schwer  zu  erlernen,  so  kann  diese  Aeusscrung, 
die  er  wohl  nur  auf  Grund  dessen  that,  dass  der  sprachbegabte 
15rudcr  Johann  Funiandez  es  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit 
dazu  brachte,  sich  in  Japanisch  hören  lassen  zu  können,  doch 
nicht  auf  den  Glauben  kommen  lassen,  dass  ihm  selbst  die 
Erlernung  der  japanischen  Sprache  leichter  gefallen  sei  als  ander- 
wärts auf  seinen  Missionsfeldern  die  der  Kingeborenenidiome. 
Das  Geschick  zur  Erlernung  fremder  Sprachen  ging  ihm  viel- 
mehr völlig  ab.  Es  kann  daher  auch  darüber  kein  'Zweifel 
obwalten,  wie  viel  er,  und  wie  viel  sein  japanischer  Helfer  zur 
Uebersetzung  des  ,,  Christlichen  Unterrichts  "  gethan.  Derselbe 
wurde  in  zwei  Exemplaren  redigiert,  von  denen  das  eine,  in 
japanischen  Schriftzeichen,  für  die  Neophyten,  das  andere,  in 
lateinischen  Buchstaben,  für  den  Gebrauch  Xaviers  und  seiner 
Genossen  bestimmt  war. 

Dieser  Abriss  spielte  in  der  Missionsarbeit  des  Apostels 
in  Japan  eine  grosse  Rolle.  Seine  ganze  Predigtthätigkeit  be- 
schränkte sich,  soweit  er  nicht  mit  Dolmetscherhilfe  sprach,  auf 
die  Vorlesung  dessen,  was  hier  niedergelegt  war,  und  was  der 
Prediger,  indem  er  es  in  der  fremden  Sprache  mit  grossem 
Pathos  vortrug,  selbst  kaum  oder  doch  nur  sehr  unvollkommen 
verstand. iS)  Besässen  wir  diesen  Katechismus  noch,  so  wüssten 
wir  aufs  genauste,  was  den  Japanern  als  christliche  Lehre  von 
den  ersten  Christcntumsverkündigern  geboten  wurde.  Der  Ka- 
techismus ist  uns  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nicht  erhalten. 
Aber  der  Verfasser  gibt  uns  in  einem  seiner  Briefe  (dem  ge- 
wöhnlich fälschlich  vom  20.  November  1  550  datierten)  eine  kurze 
Beschreibung  seines   Aufrisses.     Wir  wissen  bereits,  es  war  eine 


18.  Dies  entsprach  iil)rlgcns  auch  seiner  sonstigen  Gcwolmheil.  Auf  Kap 
Comorin,  wo  er  ohne  alle  Kenntnis  des  Malaljarischcn  niclit  unterricliten  konnte, 
liess  er  nach  solclicn  suclien,  die  beide  Spraclien,  Spaniscli  und  Malaljarisch,  cini- 
germassen  verstanden.  Mit  ilinen  übersetzte  er  seinen  Katechismus  in  tagelangcr 
mühevoller  Arbeit  ins  Malabarische.  Dies  gethan,  lernte  er  das  Clanze  auswendig 
und  machte  sich  damit  auf  die  Predigttour.  (Brief  vom  12.  (nach  der  Löwener 
Ausgabe  15.)     Januar  1544  au  die  Gesellschaft  in  Rom). 


Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  7ind  Lamhing  in  Kagoshinia.        93 

Darlegung  der  liauptstücke  der  christliclien  Religion  in  I'""orm 
einer  Erklärung  des  apostolischen  Symbols.  In  dem  genannten 
Briefe  aber  bemerkt  Xavier  noch:  „Von  der  Erschaffung  der 
Welt  berührten  \\\x  in  Kürze  das,  was  für  die  Eingeborenen 
passend  schien,  wie  z.  B.  dass  Gott  der  Schöpfer  der  ganzen 
Welt  sei,  was  sie  durchaus  nicht  wussten,  und  ebenso  die 
übrigen  zum  Heile  notwendigen  Stücke,  vorzüglich,  dass  Gott 
die  menschliche  Natur  angenommen  habe.  Darum  haben  wir 
alle  Geheimnisse  des  Lebens  Jesu  Christi  bis  zu  seiner  Himmel- 
fahrt und  ebenso  die  Abhaltung  des  jüngsten  Gerichtes  genau 
auseinandergesetzt."  Nun  ist  uns  glücklicherweise  ein  anderer 
Katechismus  von  Xavier  erhalten,  derjenige  nämlich,  den  er  zum 
Gebrauche  auf  den  Molukken  im  Jahre  1546  verfasste  und  1548 
von  Franciscus  Coelho,  einem  Weltpriester,  auch  ins  Malabari- 
sche  übersetzen  liess.  Auch  er  gibt  das  Ganze  des  christlichen 
Glaubenssystems  in  Form  einer  Auslegung  des  Taufsymbols, 
zeigt  gleich  in  der  Einleitung  in  wenigen  Worten  an,  dsss  Gott 
der  Schöpfer  aller  Dinge  ist,  legt  besonderes  Gewicht  auf  die 
Lehre  von  der  INIenschwerdung  Gottes,  und  auch  er  verwebt  in 
die  Erklärung  des  Symbols  die  Erzählung  der  wichtigsten 
Thatsachen  aus  dem  Leben  Jesu  bis  zu  seiner  Himmelfahrt  und 
handelt  ausführlich  vom  jüngsten  Gericht.  So  wird  die  Ver- 
mutung schwerlich  trügen,  dass  der  von  Xavier  in  Japan 
gebrauchte  Proselytenkatechismus  im  wesentlichen  nichts  als 
eine  Uebersetzung  des  uns  erhaltenen  Abrisses  ist,  den  er  zum 
Gebrauche  auf  den  Gewürzinseln  entworfen.  Eine  weitere 
Bestätigung  hiefür  finde  ich  in  folgendem  :  Von  seinem  Auf- 
enthalte in  Yamaguchi  erzählt  Xavier,  dass  eine  Schar  von 
Kindern  und  Pöbel  ihm  und  seinen  Genossen,  so  oft  sie  sich  in 
den  Strassen  zeigten,  höhnend  zuriefen  :  ,,  Sieh  da,  die  Prediger, 
welche  behaupten,  es  sei  Unrecht,  mehr  als  ein  Weib  zu  haben." 
Dieses  christliche  Sitten<7ebot  schärft  der  genannte  Katechismus 
gleich  zu  Anfang  ein,  indem  er  von  der  Schöpfung  des  Protoplasten- 
paares  handelt.  Der  Spott  des  Pöbels  weist  darauf  hin,  dass  es 
auch   eine    der   ersten    Sittenforderungen    war,  die   der  in  Yama- 


94       Xavicrs  Fahrt  nach  Japan  7tn/i  Landung  in  Kagoshinia. 

guchi  in  den  Strassen  vorgelesene  Katechismus  vorhielt,  und  die 
sich  darum  auch  denen  einprägte,  die  nicht  Lust  hatten,  den 
fremden  Predigern  länger  zuzuhören.  Haben  wir  aber  recht 
mit  der  Annahme,  class  beide  Katechismen  identisch  sind,  so 
werden  wir  uns  später  bei  der  Beurteilung  der  missionarischen 
Predigtv^erkündigung  Xaviers  vor  allem  auf  den  Inhalt  dieses 
katechetischen  Sendschreibens  an  die  Bewohner  der  Molukken, 
das  wir  in  Uebersetzung  im  Anhang  wiedergeben  wollen, 
stützen  dürfen. 


SIEBENTES   KAPITEL. 
Politische  und  soziale  Verhältnisse  Japans. 


Ehe  Avir  daran  gehen,  die  Missionsthätigkeit  der  ersten 
christhchen  Glaubensboten  und  ihre  Schicksale  in  Japan  näher 
zu  betrachten,  müssen  wir  hier  zu  besserem  Verständnis  das 
Notwendigste  über  die  politische  Verfassung  des  Reichs  und 
die  sozialen  Verhältnisse  wie  insbesondere  über  die  religiösen 
Zustände  des  Volks  in  dieser  Zeit  sagen. 

Als  Xavier  den  japanischen  Boden  betrat,  war  er  über  alles 
das  schon  einigermassen  unterrichtet.  Ein  ihm  befreundeter 
Kaufmann,  der  lange  in  Japan  gewesen,  Georg  Alvarcz,  derselbe, 
der  ihm  Anjiro  zugefiihrt,  hatte  ihm  seine  sorgfaltigen  Aufzeich- 
nungen über  Land  und  Leute  gegeben,  wie  er  unter  gleich- 
zeitiger Uebersenclung  einer  Abschrift  derselben  von  Cochin  aus 
am  21.  Januar  1548  den  Mitgliedern  der  Gesellschaft  zu  Rom 
und  in  einem  Briefe  vom  Tage  vorher  auch  dem  Ordensgeneral 
schreibt.  Auch  nach  Anjiros  Auskünften  hatte  er  eine  Schil- 
derung Japans,  seiner  Einrichtungen  und  Sitten  aufsetzen  lassen, 
von  welcher  er  Ignatius,  zusammen  mit  einem  Briefe  vom  14. 
Januar  1549,  eine  Abschrift  sandte  0,  und  auf  die  er  Rodriguez 
in  einem   Schreiben  vom  28.  Januar  desselben  Jahres  verweist.  2) 

1.  In  dem  gleichen  Briefe  heisst  es :  „  Ich  übersende  Ihnen  die  japanische 
Buchstabenschrift.  Die  Japaner  weichen  in  ihrer  Schreibweise  bedeutend  von  anderen 
Menschen  ab ;  sie  schreiben  nämlich  von  oben  nach  unten.  Als  ich  den  Japaner 
Paul  fragte,  warum  sie  nicht  wie  wir  schrieben,  antwortete  er :  ,,  Aber  warum 
macht  ihr  es  niclit  wie  wir  ?  "Weil  beim  Menschen  der  Kopf  das  oberste  ist  und 
die  Füsse  das  unterste,  so  ziemt  es  sich  ja,  dass  die  Menschen  auch  von  oben  nach 
unten  schreiben." 

2.  Auch  P.  Cosmo  Torres  l3eruft  sich  in  einen  vSchreiben  aus  Goa  vom  25. 
März  1549  auf  diesen  nach  Europa  geschickten  Bcriclit. 


I 


gG  Politische  und sor:inlc  \\-rJiiUtiiissc  Japans. 

Beide  Berichte  finden  sich  in  der  im  Kollegium  7x\  Coimbra  auf- 
bewahrten Briefsammking,  der  nach  Anjiros  Angaben  verfasste 
noch  ausserdem  in  Rom. 3)  Sie  ergänzen  und  bestätigen  sicli  im 
ganzen  einaiulcr.  W'enn  Coleridge4)  zu  dem  zweiten  die  Be- 
merkung macht,  dass  er,  vermutlich  das  Werk  eines  ReHgiosen 
des  Kollegiums  zu  Goa,  das  bei  einem  solchen  verständliche 
Bestreben  kundgebe,  in  der  japanischen  Religion  möglichst  viele 
Aehnlichkeiten  zu  finden,  die  sich  in  der  Vorstellung  des  Schreibers 
nicht  nur  auf  äussere  Riten,  sondern  auch  auf  religiöse  Lehren  aus- 
dehnen, so  verkennt  er,  dass  solche  Aehnlichkeiten  nicht  von 
diesem  Religiösen  geflissentlich  aus  den  Japanern  herausgefragt 
zu  Averden  brauchten,  sondern  thatsächlich  vorhanden  waren  und 
vorhanden  bleiben.  Dagegen  hat  er  recht  mit  der  Meinung, 
dass  diese  Berichte  an  sich  von  Interesse  seien.  Denn  sie 
gehören  zu  den  ersten  über  Japan,  die  im  i6.  Jahrhundert 
nach  Europa  haben  gelangen  können,  und  sie  sind  interessant 
auch  insofern,  als  sie  uns  zeigen,  was  Xavier  über  dieses  Land 
und  seine  Einwohner  gehört  hatte,  ehe  er  selbst  an  seinen 
Gestaden  landete.  Sie  machen,  zusammen  mit  dem,  was  er  von 
anderen  Kaufleuten  sich  hatte  erzählen  lassen,  alles  das  aus,  was 
er  von  Japan  Avusste.  Ich  gebe  sie  deshalb  am  Schlüsse  dieses 
Buches  im  Anhang  wieder. 

Die  politischen  Zustände  des  Reichs  waren  der  Mission  in 
hohem  Grade  günstig.  Das  Eindringen  Fremder  war  erleichtert 
durch  dien  Mangel  eines  Zentralregiments.  Das  kam  nicht  nur  den 
europäischen  Kaufleuten,  sondern  auch  den  fremden  Glaubensbeten 
zu  gute.     Wohl  sass  zu  Kyoto,  dem  alten  Miyako,  der  MikadoS) 

3.  Coi.ERlDGF  sagt  {The  Life  and  Letters  of  St.  Francis  Xavier.  Vol.  II.  p. 
75),  es  sei  ihm  nicht  bewu-sst,  dass  dieses  Dokument  je  gedruckt  worden  sei.  Ich 
finde  es  abgedruckt  im  I.  I'ande  des  1795  in  Augsburg  bei  Nicolous  Doli  erschie- 
nenen Sammelwerks  ,,  Die  Alissionsgeschichte  späterer  Zeiten  oder  gesammelte  Briefe 
der  katholisclien  Missionare  aus  allen  J'/i eilen  der  Welt.  Der  73 riefe  ajis  Japan  erster 
T/ieil.''     S.   1-21. 

4.  A.  a.  O.  Vol.  II.  p.   222. 

5.  Heute  wird  die  Bezeichnung  i\n-/cado=:„\lo\\e  Pforte"  von  ;//?  „erhaben" 
und    kado    „  Thor "    (anders    Satow  :    mika-do     „  grosser    Platz ")    in   Japan     nur 


Politische  itnd  soziale  VerJiältnisse  Japans.  97 

oder,  wie  er  in  den  Jesuitenberichten  und  auch  bei  Kaempfer, 
TiiuxBEKG  u.  a.  gewühnHch  heisst,  Dairi^)  in  der  Theorie  souv^e- 
räner  Herrscher  im  Frieden  und  oberster  Feldherr  im  Krieg.  Aber 
in  dieser  Zeit  war  es  ein  Schattenkaisertum  ohne  wirkhche  Macht 
und  Bedeutung,  das  Gonara-tcnnd,  angebhch  der  105.  in  der  (dank 
einem  in  ausgedelintester  Weise  zur  Anwendung  gebrachten 
Adoptionssystem)  niemals  unterbrochenen  Linienfolge  des  einen 
japanischen  Kaisergeschlechts,  führte. 

Einst  unbeschränkter  Monarch,  der  in  Person  den  Krieg  führte, 
und  in  dessen  Namen  von  ihm  ernannte  und  durch  seine  Legaten 
oder  Fronboten  beständig  überwachte  Statthalter  {Kokiislii)  ähnlich 
den  Grafen  oder  comites  der  Korolingerzeit  in  den  Provinzen 
des  Reichs  die  kaiserlichen  Rechte  übten,  hatte  der  Kaiser  alle 
Regierungsgewalt  zuerst  an  den  Hofadel  {Kngc)  verloren.  P^s 
waren  besonders  die  Fujiwara,  die,  im  erblichen  Besitze  des  886  n. 
Chr.  errichteten  Kzcan/pa/cu  7)- Amtes  und  bis  in  die  Mitte  des  11. 
Jahrhunderts  thatsächlich  Lihaber  aller  wichtigen  Hofämter,  Zivil- 
und  Militärstellen,  die  Kaiser,  deren  Mütter,  Gemahlinnen  und  Kon- 
kubinen alle  von  dieser  Familie  gestellt  wurden,  und  ihr  Reich 
regierten,  Ehren  urid  Lehen,  Aemter  und  Pflichten  austeilten, 
wem  sie  wollten,  dem  Kaiser  aber,  wenn  er  aus  der  Art  schlagend 
Selbständigkeitsgelüste  zeigte,  die  seinen  abnahmen,  indem  sie  ihn 
zur  Abdankung  zwangen,  um  einen  unmündigen  Knaben  an  seine 
Stelle  zu  setzen,  von  dem  sie  sicher  waren,  dass  er  sie  nach 
Belieben  schalten  und  walten  Hess. 

Es  hatte  nichts  am  Lose  des  Throninhabers  gebessert,  als 
die  eigentliche  Macht  von  dem  mit  der  Zeit  verweichlichten 
Hofadel,  der  seine  Tage  mehr  und  mehr  nur  noch  mit  Ver.semachen, 


selten    mehr    gebraucht.       Man    nennt  den    Kaiser    gewöhnlich    Te)islii   „  Sohn    des 
Himmels",  oder    Teiind  „  llimmelskönig  ";  auch  S/utJö  „höchster  Herr". 

6.  Diiiri  „  Kaiserlicher  Palast ",  eine  früher  in  Gebrauch  gewesene  Bezeich- 
nung für  den  Kaiser,  der  als  zu  erhaben  galt,  um  direkt  genannt  zu  werden. 

7.  Der  Regent  des  Landes  im  Auftrage  des  IMilcado ;  Bezeichnung  für  den 
Premierminister,  an  den  alle  an  den  Herrscher  bestimmten  Eingaben  zu  richten 
waren. 


98  Jhlitisclic  und so'jialc  ]\'r]tältinssc  Jiipans. 

Go.5picl,S)  1^010,9)  Reiten,  I"iilkcnjäi^ci'ci,  Bogcnschiessen,  Hahnen- 
gefechten und  üppigeren  Lustbarkeiten  ausfüllte,  an  die  in  den 
beständigen  Kämpfen  gegen  die  Xordbarbaren,  die  Rebellen  im 
Süden  oder  gegen  Korea  sich  hcrvorthuenden  thatkräftigen  Mili- 
tärvasallen der  Krone  glitt,  die,  mit  der  Dämpfung  Aufrührischer 
betraut,  nach  glücklicher  Ausrichtung  ihres  Auftrags  sich  mit 
den  Ländereien  der  Niedergeworfenen  lohnen  Hessen  und  als 
erbliche  Territorialherren  die  nur  für  Zeit  ernannten  Reichsstatt- 
halter mehr  und  mehr  zur  Seite  drängten.  Damit  hatte  der  Kaiser 
nur  seine  Meister  gewechselt,  und  seine  Lage  war  noch  schlimmer 
geworden  als  zuvor.  Dadurch,  dass  die  Abgaben  in  die  Hände 
dieser  militärischen  Usurpatoren  anstatt,  wie  früher,  in  die  seinen 
flössen,  war  der  Hof  beinahe  ohne  Einkünfte.  Während  der 
Regierung  Gonara-tennö's  (1527-15 57)  litt  der  Hof  thatsächlich 
Mangel,  und  hätte  nicht  Ouchi  Yoshitaka,  ein  mächtiger  Terri- 
torialfürst, sich  dazu  herbeigelas.sen,  dem  Kaiser  die  Mittel  dafür  zu 
spenden,  so  hätte  seine  Krönungszeremonie  ebensowenig  abgehalten 
werden  können,  wie  schon  beim  Regierungsantritt  seines  unmittel- 
baren Vorgängers  Go-Kashiwabara  (i 501-1527),  dem  erst  im  20. 
Jahre  seiner  Regierung  der  Prälat  der  Llongwan-ji-Sekte  eine 
Summe  für  diesen  Zweck  zur  V^erfügung  stellte,  und  w  ie  bei  dem 
Antritt  der  Regierung  seines  Nachfolgers  Cgimachi  (i 558-1 5S6), 
dem  Möri  Motonari  den  gleichen  Beistand  leistete.  Ganz  un- 
glaublich klingt  es,  wenn  man  in  einer  Schrift  aus  dieser  Zeit 
{Röj'in  ZatsiiK'd)  liest:  ,,Bis  zur  Zeit  von  Nobunaga  unterschied 
sich  der  kaiserliche  Palast  nicht  von  einem  Bauernhaus,  keine 
Mauer  umschloss  den  Palast,  es  war  nur  eine  mit  Sträuchen 
verbundene  Hecke  \'on  Bambus.  Li  der  Jugendzeit  des  Verfassers 
spielten  wir  auf  dem  Balkon  des  Palastes  mit  Lehm  und  kneteten 
P'igürchen  daraus."  Und  wie  der  Kaiser  selbst,  so  gerieten  die 
Hofadeligen,  deren  erbeigentümliche  Aemter  ihnen  nur  geringen 
Sold  eintrugen,  innuer  tiefer  in  Verarnumg.  P"s  war  ihnen  \o\\ 
ihrer  früheren  Herrlichkeit  nichts  mehr  geblieben,  nichts    als    der 

8.  Ein  Brettspiel. 

9.  Ein  BalLspicl  zu  rftid. 


I 


Politische  Uli  I  soziale  1  \i-hältnissc  Japans.  99 

Stolz  auf  ihren  alten  Adel,  der  sie  trotz  ihrer  Armut  mit 
Verachtung  auf  die  neuaufgekommene  ]\Iilitäraristokratie  her- 
niederblicken liess. 

So  war  es  um  den  Kaiser  und  den  Hof  schon  seit  lange 
bestellt,  als  Japan  zum  erstenmale  mit  Europäern  in  Berührung 
kam. 

Und  wie  um  das  Kaisertum,  so  stand  es  zu  dieser  Zeit  um  die 
andere,  aus  dem  Militärvasallentum  erwachsene,  Regierungszentrale, 
welche  die  Portugiesen  in  Japan  vorfanden,  das  Militärregenten- 
tum  des  Shögiin  oder — wie  er  im  Munde  des  Volkes  gewöhnlich, 
nie  offiziell  hiess — Kiibd-sama. 

Ueber  die  erwähnten  kleineren  und  grösseren  erblichen  Terri- 
torialherren sich  emporhebend,  Avaren  im  Laufe  des  12.  Jahr- 
hunderts zwei  Geschlechter,  die  Hei  {Tai ra)  und  Gen  {Minanioto) 
vor  allen  mächtig  geworden,  und  nachdem  die  ersteren,  obsiegend 
über  ihre  Rivalen,  für  eine  Weile  im  Besitze  der  Hälfte  von  allen  CyG 
Provinzen  die  Herren  des  Reichs  gewesen,  hatte  der  junge,  nach 
dem  Norden  verbannte  Sohn  des  in  der  Schlacht  gefallenen 
Genjiführers,  INIinamoto  Yoritomo,  ihnen  eine  vernichtende  Nieder- 
lage bereitet,  die  ihn  zum  Herrn  der  Situation  machte.  Der 
Sieger  wurde  1186  vom  Kaiser  zum  Generalpolizeimeister  {Sö- 
isui-Iioshi)  des  gesamten  Reichs  und  1192  zum  lebenslänglichen  1°) 
Sei-i-tai-shögun  (,,die  Barbaren  züchtigender  Obergeneral")  er- 
hoben. Während  die  zur  Zivilverwaltung  bestellten  Provinzial- 
statthalter  bis  dahin  aus  dem  Hofadel  erwählt  worden  waren, 
erreichte  er  vom  Kaiser,  dessen  Sanktion  er  geflissentlich  für  alle 
seine  Anordnungen  einholte,  die  Anstellung  von  fünf  solchen 
aus  seiner  eigenen  Familie.  Den  mehr  und  mehr  an  Einfluss 
einbüssenden  Statthaltern  der  einzelnen  Provinzen  stellte  er  je 
einen  unter  seiner  Autorität  stehenden  Militärstatthalter  {Sluigo), 
der  alle  Benefizien  aus  seinem  Amtsbezirk  bezog,  jedem  der 
Territorialherren  einen  gleichfalls  seiner  eigenen  Sippe  entnom- 
menen   Bezirkshauptmann    {Jito)    an    die    Seite.        Auch    in    den 

10.     Vorher  war  dieses  Amt  mir  temporär  gewesen. 


100  PoIitisicJic  und sorÄalc  ]^crJiültiiissc  Japans. 

Go-kinai,  den  fünf  Kronländcrn  um  Miyako,  und  den  Haus- 
provinzcn  der  kaiserlichen  Prinzen  wurden  solche  Jitö  mit  der 
Ausübung"  der  Gerichtsbarkeit  und  Polizeig-ewalt  betraut,  die, 
meist  energische  Männer,  C\c\\  kaiserlichen  Statthaltern  Avenig 
Einfluss  neben  sich  verstatteten  und  zum  Teile  mit  der  Zeit  als 
erbliche  Militcärgouverneure  auch  den  Titel  \'on  Kokus/ii  an  sich 
zu  reissen  wussten  und  ihre  Provinzen  ganz  selbständig  regierten. 
So  begründete  der  Shögun  eine  Dynastie  und  legte  den  Anfang  zu 
der  fortab  in  Geltung  bleibenden  Militärherrschaft  und  zii  dem 
späteren  organisierten  P^eudahvesen.  Als  Ort  für  sein  Haupt- 
quartier wählte  er  1186  das  topographisch  wie  strategisch  trefflich 
gelegene  Kamakura  an  der  Meeresküste  unfern  dem  heutigen 
Yokohama,  das  bis  dahin  nichts  anderes  gewesen  war,  als  was 
es  heute  wieder  ist,  ein  imbedeutendes  Fischerdorf")  Von  hier 
aus  führte  der  Shögun,  die  politische  und  die  Heeresgewalt  in 
einer  ILand  einigend,  wenn  auch  immer  nur  im  Namen  und  als 
Vasall  dos  gänzlich  in  den  Hintergrund  gedrängten  Kaisers  in 
Kyoto,  so  doch  faktisch  im  unbeschränkten  Vollbesitz  der  Macht, 
die  I^egierung  in  den  66  Reichsprovinzen. 

Aber  es  war  eigentlich  nur  der  erste  in  der  Reihe  der 
Minamoto-Shögune,  der  das  in  eigener  Person  wirksam  that. 
Schon  Yoritomos  Sohn,  obwohl  vom  Kaiser  zum  Haupt  der- 
Militärbeamten  in  den  Provinzen  ernannt  und  mit  der  Shögun- 
würde  belehnt,  hatte  die  Führung  der  Staatsgeschäfte  dem  Vater 
seiner  ^Mutter,  Höjo  Tol-rimasa,  überlassen  müssen.  Und  diese 
PWhrung  behielten  auch  in  der  Folge  unter  ilcn  von  ihnen  ein- 
und  abgesetzten,  von  Kx'öto  bestellten  prinzlichen  Shögunpuppcn 
die  Höjö  als  ,,  Shikkcn  "  d.  h.  Regenten  oder  Ministerpräsidenten 
des  Kamakurashögunats,  ein  grausames  und  räuberisches  Regi- 
ment führend  und  selbst  Kaiser  absetzend  und  erwählend  nach 
Belieben,  bis  auch  sie  wieder  in  Verweichlichung  versanken  und 


II.  Heute  gemahnt  an  die  frülicrc  Cirösse  der  glänzenden  Sliögunresidenz,  der 
bedeutendsten  Stadt  näcli.st  Kyüto,  nur  nocli  der  Daibutsu,  eine  kolossale  Amida- 
statue,  und  der  llachiiiiantcmpel,  der  viele  Yoritomoreliquien  birgt. 


1 


Politische  und  soziale  Verhältnisse  Japans.  lOi 

in  Abhängigkeit  \'on  thatkräftigeren  Vasallen  gerieten.  Es  kam 
dahin,  dass  ein  Vormund  die  Regierung  für  den  Shikken  führte, 
der  berufen  war,  einen  ebenfalls  unreifen  Shögun  zu  leiten, 
während  dieser  seinerseits  wieder  das  Staatsruder  führen  und  den 
unmündigen  Kaiser  vertreten  sollte,  der  unter  der  Herrschaft 
eines  verderbten  und  feilen  Hofes  war,!^)  und  wie  die  Alikado- 
stadt  Kyoto  mehr  als  einmal  geplündert  und  zerstört  wurde,  so 
sank  auch  die  Shögunresidenz  Kamakura  1333  in  Schutt  und 
Asche. 

Nach  dem  Untergang-  des  Hauses  Höjö,  der  mit  dieser 
Zerst(3rung  Kamakuras  besiegelt  war,  fiel  das  Shögunat  erblich 
in  die  Hände  der  Familie  Ashikaga,  deren  erster  Inhaber  dieser 
Würde,  Takauji,  Kyoto  zum  Hauptquartiere  wählte,  während  er 
seinen  Sohn  als  ,,  Kvoanryö"'  (Regent)  von  Kwantö  ^3)  zur  Verwal- 
tung der  östlichen  Provinzen  in  dem  wieder  aufgebauten  Kamakura 
residieren  Hess  und  als  Statthalter  für  den  Süden  einen  General 
nach  K)'üshü  schickte.  Im  Besitz  dieser  Familie  war  es  noch, 
als  die  Portugiesen  ins  Land  kamen.  Aber  auch  dieser  Bakufu 
(so  nennt  man  die  v^on  Yoritomo  errichtete  Shögunatsregierung), 
eine  Weile  machtvoll  gebietend  von  einem  Ende  des  Reichs  zum 
andern,  war  gleich  der  kaiserlichen  Regierung  nur  eine  Schein- 
macht noch  zu  dieser  Zeit,  ohne  Kraft,  die  widerstrebenden 
P'lemente  zusammenzuhalten.  Der  Shögun,  der  bald  die  wirk- 
liche Leitung  dem  Kwanryo  in  Kwantö  und  seinem  Premier- 
minister in  K}-öto,  der  auch  den  Titel  Kwanryö  führte,  hatte 
überlassen  müssen,  war  nur  mehr  einer,  wenn  auch  der  erste — 
nicht  der  mächtigste — von  den  vielen  Reichsgrossen  oder  Daiinyo  s 
(,,  Grosser  Name  "),  von  den  Jesuiten  gewöhnlich  Könige  genannt, 

12.  Vgl.  Reix,  Band  I.  S.  286  und  Mukkav,  Japan,  3d  ed.,  p.  155. 

13.  K-ii'anto,  „  ostwärts  des  Thores ",  war  in  der  Tokugawazeil  die  Bezeich- 
nung für  die  Gegend  östlich  vom  Hakonepass,  umfassend  die  Provinzen  Musashi, 
Awa,  Kazusa,  .Shimösa,  Shimotsuke,  Hitachi,  Közuke  und  Sagami.  Zur  Zeit  der 
Ashikagashögune  verstand  man  jedoch  unter  dem.  Kwantö  noch  die  28  östlichen 
Provinzen  zum  Unterschied  von  den  38  'weshuärfs  der  Grcnzl)arriere  gelegenen,  die 
zusammen  Kwansci  genannt  wurden. 


102  PolitiscJic  inid  sorjialc  Wi-ludtiiissc  Japans. 

die,  in  festen  Schlössern  sitzend,  in  ihren  Gebieten  unumschränkt 
die  Regierung  führten  und  die  Gerichtsbarkeit  übten,  Soldaten 
hielten  und  Abgaben  erhoben,  also  durchaus  nicht  dem  Sho^un 
unterthänige  Barone  waren,  sondern  sich  wirklich  wie  Könige 
gerierten.  ,,  Diese  Daimyo's  waren  eine  bei  weitem  mehr  her- 
vortretende und  ins  Gewicht  fallende  Realität,  als  der  harmlose 
Kaiser  oder  auch  der  weit  entfernte  Shögun.  Während  ihre 
endlosen  Bürgerkriege  den  Zustand  des  Landes  so  unsicher  und 
schwankend  machten,  diente  die  Autorität  der  Lokalfürsten  doch 
dazu,  unter  ihren  eigenen  Unterthanen  P^ieden  zu  erhalten  und 
eine  rohe  Art  von  Gerechtigkeit  zu  handhaben. "^4) 

Die  Daiiuyo  s — man  zählte  im  ganzen  262 — hatten  nicht  alle 
gleiche  Macht.  Man  miterschied  18  A'c-'/v/j'/';/,  die,  zum  Teil  ihren 
Stammbaum  von  dem  ehemaligen  Provinzialstatthalter  herleitend, 
zunieist  aber  Günstlinge  des  Glücks,  Herren  über  eine  oder  auch 
mehrere  Pnjvinzen  waren,  und  32  RiyäsJiu,  Herren  kleinerer 
Territorien.  Die  [dshu  oder  Schlossherren,  deren  es  212  gab, 
obgleich  ebenfalls  Daimyö  genannt,  waren  in  Wirldichkeit  nur 
.S"/'J///'iO  (,,  Kleiner  Name  ").  Diese  Daim)-ö's,  die  seit  Yoritomos 
Tagen  keine  starke  Traust  mehr  über  sich  fl'ihlten,  hielten  nichts 
weniger  als  gute  Nachbarschaft,  lagen  vielmehr,  beständig  auf 
I^rweiterung  ihrer  Gebiete  und  Ausdehnung  ihrer  Macht  bedacht, 
in  steter  l'^ehde  miteinander,  der  auch  d.r  ohnmächtige -Shogua 
ruhig  zusehen  musste,  wenn  er  sich  nicht  selbst  gegen  solche 
Grosse  für  seine  eigenen  Gebiete  zu  wehren  hatte.  Kurz, 
,,  Reichtum  und  r^Iacht  waren  die  einzigen  treibenden  Prinzipien 
geworden  in  dieser  Aera  beständigen  Kriegens  und  Blutver- 
giessens.  Die  Schicksale  der  Taira,  der  Minamoto,  der  Höjö 
und  der  Ashikaga  hatten  unvermerkt  ^c\\  Glauben  aufkommen 
lassen,  ein  Preis,  nicht  geringer  als  das  Zepter  selbst,  sei  erreichbar 
für  jeden  Vornehmen,  dem  sein  territorialer  Einfluss  und  seine 
militärische  Macht  erlaubten,  die  Hand  danach  auszustrecken. "'5) 

14.  Murkay  a.  a.  O.  p.  16S. 

15.  History  of  tlie  Empire  of  Japan  p.  230. 


Politische  und  soziale  l^crJiältnissc  Japans.  103 

Und  war  durch  die  ganze  Geschichte  Japans  schon  Krieg 
nach  aussen  und  Krieg  im  Innern  der  normale  Zustand  und 
Friede  die  Ausnahme,  so  klang  zu  keiner  Zeit  mehr  als  zu 
dieser  der  Name  ,,  Land  des  grossen  Friedens  ",  wie  die  Japaner 
ihr  Fand  zu  nennen  lieben,  wie  F'onie. 

Unter  den  Daim\-ö's  standen,  ihnen  als  Vasallen  ergeben  und 
von  ihnen  unterhalten,  die  Samurai  oder  Zweischwertermänner, 
der  niedere  ^lilitäradel.  An  die  Stelle  der  früheren  allgemeinen 
Wehrpflicht  war  mit  der  Zeit  eine  besondere  Kriegerklasse 
getreten,  in  der  es  wieder  Rangklassen  und  Aftervasallen  gab, 
je  nachdem  einer  grössere  oder  kleinere  Grund-  oder  Säckelehen 
oder  nur  lebenslängliche  Reisrationen  hatte.  In  Zeiten  wie  den 
beschriebenen,  beständig  erRillt  von  Krieg,  spielten  diese  Samurai, 
ausgestattet  mit  reichen  Privilegien  und  allein  befähigt  zur  Füh- 
rung von  Aemtern  und  Titeln,  natürlich  eine  grosse  Rolle. 

Den  Samurai  als  höherem  und  niederem  Kriegeradel  {Ihikc) 
stand  der  Rest  der  Bewohner,  d.  i.  etwa  ^'/ii;  der  Nation,  eigentlich 
rechtlos,  von  allen  öffentlichen  x^emtern  und  selbst  von  der 
Schulbildung  ausgeschlossen,  als  gemeines  Volk  gegenüber.  Fs 
bestand  aus  drei  Klassen  :  den  Hyaknslid  oder  Landwirten,  den 
Shokunin  oder  Handwerkern  und  den  Akindo  {Shönin)  oder 
Kaufleuten.  Ausserhalb  der  bürgerlichen  Gesellschaft  standen  die 
Eta  und  Hinin,  die  japanischen  Parias,  deren  Domaine  die  als 
unrein  geltenden  Verrichtungen,  wie  Tierschlächterei,  Abdeckerei, 
Gerberei  u.  s.   w.  bildeten. 

Die  Lage  der  Bauern  beschreibt  ein  Japaner  ^'^)  also  :  ,,  An 
der  politischen  und  Kriegsgeschichte  nahmen  die  Bauern  keinen 
Anteil,  sie  waren  bloss  Zuschauer  der  in  alles  eingreifenden 
Umwälzungen  der  Ilerrschaft  und  des  Besitzes.  Wer  die  Herr- 
schergewalt über  sie  ausübe,  war  ihnen  ganz  gleichgültig ;  heute 
wurden  sie  von  einer  Kriegspartei  zu  Fron-  und  Spanndiensten 
gezwungen,  morgen  trat  die  andere  Kriegspartei  in  ihre  fried- 
samen Dörfer,  um  dasselbe    zu    fordern.     Ewig    an    die    Scholle 

16.     Sakuy.V  Yoshida,   Geschichtliche  Eiüivickhing  der  Sfaafsveifassiuig  und  des 
Lehnweseiis  von  Japan.     Bonn   1S90.  S.  68  f. 


I04  PolitiscJic  ?iii(( soziale  ]'crhältnissc  Japans. 

«gebunden,  gingen  sie  von  einem    Herrn    zum    andern    mit    dem 

UeJDergang    des    Landes Solange    ein    Herr   nicht    durch 

unmässige  Auflagen  sie  unterdrückte,  war  jeder  ihnen  willkommen. 
In  der  Kriegsära  des  INIittelalters  spottet  ihr  holend  jeder  Be- 
schreibung, unter  den  Höjö's  wurde  ihnen  80  Prozent  des 
Rohertrages  aus  dem  Grundstücke  als  Steuer  entrissen.  Stieg 
jedoch  der  Druck  über  die  nienschliche  Kraft  hinaus,  so  erhoben 
sie  sich  unter  der  Fahne  aus  Reisstroh,  um  mit  der  Bambuslanze 

einen    verzweifelten    Bauernkrieg     zu    führen Von    jeder 

Au.sübung  der  öffentlichen  Rechte  ausgeschlossen,  an  Leib  und 
Leben  vom  Schwert  der  Samurai  bedroht,  ewig  an  die  Scholle 
gebunden,  in  der  Veräusserungsbefugnis  beschränkt,  bald  zu  80, 
bald  zu  50  Prozent  besteuert,  waren  die  Bauern  dennoch  freie 
Menschen  und  wirkliche  iMgentümer.  Sie  waren  nicht  etwa  wie 
die  römischen  Kolonen,  indem  sie  Eigentumsrecht,  nicht  ein 
widerrufliches  Nutzungsrecht  an  Grund  und  Boden  hatten  ;  in- 
folgedessen hing  das  Anerbenrecht  von  wirtschaftlicher  Thätig- 
keit  ab.  Noch  weniger  waren  sie  den  Sklaven  ähnlich,  da  sie  in 
keiner  viehischen  Knechtschaft  standen.  Mit  der  Scholle  wurden 
sie  nicht  etwa  als  ein  lebendes  Zubehör  verkauft,  sondern  sie 
gingen  einfach  mit  ihren  Grundstücken  an  die  neuen  Lehensherren 
über,  gerade  wie  ein  heutiger  Staatsbürger  bei  Abtretung  eines 
Staatsgebietes  die  Staatsangehörigkeit  mit  seinem  Grundbesitz 
wechselt.  Ferner  hatte  niemand  Eigentum  am  Leibe  des 
l^aueru.  Vs  war  selbst  verantwortlich.  Keiner  ausser  ihm 
haftete  für  den  von  ihm  angerichteten  Schaden.  Weder  Leibzins 
noch  mortuarium  wurden  bei  seinem  Tode  als  Zeichen  der 
Hörigkeit  entrichtet.  Was  er  erwarb,  erwarb  er  für  sich.  Was 
nach  Abzug  der  Grundsteuer  noch  übrig  blieb,  fiel  ihm  als  freies 
Eigentum  zu.  Uebrigens  brachten  manche  Bauern  ein  grösseres 
Vermögen  zusannnen  als  der  Besitzer  eines  reichen  Lehens. "^7) 

Geringe  Achtung  genossen,  die  Schwertschmiede  ausgenom- 
men, die  Handwerker  ;  und  die  Stellung  der  oft  schwer  besteuerten 

17.     \'t;l.    hiezii   noch    D.  15.    .Sl.MMoNS,  A^otes  oii    I.ami  Teiiiirc   and  Local  In- 
stiliitkn',  in   Cd  Japan.     T.  A.  S.  J.  Vol.  XIX.  Part  I.  p.  37-270. 


Politische  iiiid  sorjialc  VcrJüiltiiissc  Japans.  105 

Kauflcutc,  die  freilich  wegen  ihres  RcichtuiTis  immer  die  Oberhand 
unter  den  drei  bürgerhchen  Klassen  behielten,  vergleicht  Yoshida 
derjenigen,  die  in  Europa  in  früherer  Zeit  die  Juden  einnahmen. 
Beide,  Handel  und  Gewerbe,  lagen  zudem  in  Folge  der  beständigen 
Kriegsunruhen  ganz  danieder. 

Das  waren  die  politischen  und  sozialen  Verhältnisse,  welche 
die  christlichen  Glaubensboten  in  Japan  vorfanden.  Ihre  Dar- 
stellung zu  vervollständigen,  bliebe  nur  noch  ein  A\'ort  (.iber  den 
Priesterstand  zu  sagen  übrig.  Dies  jedoch  bleibt  besser  auf- 
behalten für  das  folgende  Kapitel. 


ACHTES  KAPITEL. 


Religiöse  und  sittliche  Zustände.' 


Der  politische  Verfall,  in  dem  sich  Japan  gerade  zu  der 
Zeit  befand,  als  die  Portugiesen  kamen,  und  der  seinesgleichen 
nicht  hat  in  der  japanischen  Geschichte,  war  mitveranlasst  durch 
die  religiösen  und  sittlichen  Zustände  des  Reichs.  Denn  wenn 
der  Mikado,  oft  ein  Kind,  entrückt  den  kleinen  Miseren  des 
gemeinen  Lebens,  seine  Tage  in  einem  dolcc  far  iiiciitc  und  in 
behaglichem  Genüsse  hinbrachte  und  andere  regieren  Hess  oder 
nach  Icurzer  Regierung  freiwillig  oder  gezwungen  ganz  abdankte 
und  sich  das  Haupthaar  scheren  Hess,  um,  ein  Hö-ö,  in  klöster- 
licher Aiönchsabgeschiedenheit  sein  Leben  zu  beschliessen  luid 
nach  seinem  Tode  ein  Hotokc  zu  werden,  so  ist  das  zurückzuführen 
auf  Ideen  des  im  Prinzip  weltllüchtigen  BitddJnsutus,  der  in  Japan 
seit  über  700  Jahren  schon  die  Herrschaft  hatte,  und  dessen  heilige 
Bücher  die  Herrscher  in.  ihrer  durch  Geschäfte  nicht  unterbrochenen 
Müsse  eifrig  studierten.  Und  dass  sie  sich  selbst  „Diener  der  drei 
Kleinodien  "  d.  i.  Diener  Ikiddhas,  des  Gesetzes  und  der  Priester 
nannten,  musste  auch  dazu  beitragen,  ihrem  Ansehen  beim  Volke 
Abbruch   zu  thun,   so   dass    ihr   Wille  und  ihr    Wort    schliesslich 


I.  Eine  vollständige  Religionsgeschichte  Japans  schrieb  W.  E.  Griffis,  77/f 
/\'f/i[^ioiis  of  Japan  froiii  llic  Daio)!  of  Ilislorv  fo  /he  Era  of  Mciji  2.  ed.  1895. 
Ein  gutes  Resunie  der  japanischen  Religionen  findet  sich  in  ]\ItTKKA\"s  Ilaiidbook 
for  Japan,  2.  ed.  1S84  (in  den  späteren  Auflagen  leider  weggelassen).  Inhalt- 
reiche Skizzen  gab  L.VFCADlo  lIiiARX  in  seinen  Bänden  „  Gli/iipscs  of  UiiJ'aiiiiliar 
Japan  ",  „  Out  of  ihe  East ",  „  Kokoro ",  „  In  Ghostly  Japan ".  Die  sonstige, 
besonders  die  in  Zeitschriften  ver.streute  Literatur  siehe  l)ei  ]'"r.  \c)X  Wicnckstern, 
Bibliograph)'  of  Ihe  Japanese  Empire,  1895,  S.  52-59. 


Religiöse  und  sittlieJie  Zustände.  107 

weniger  galten  als  das  Gebot  der  Priesterschaft  des  Erleuchteten, 
falls  dieses  dem  ihrigen  entgegenstand. 

Freilich  darf  man  dafür,  dass  der  Hand  des  zum  Herrschen 
Berufenen  die  Zügel  der  Regierung  entglitten,  infolgedessen  dann 
mit  der  Zeit  zunehmende  Anarchie  die  Oberhand  gewann,  den 
Buddhismus  auch  nicht  allein  verantwortlich  machen.  Nicht 
zwar  der  Confucianismus,  der  vor  ihm  von  China  her  in  Japan 
Eingang  fand,  wohl  aber  der  gesamte  Chinesismus,  insbesondere 
die  chinesische  Etikette,  die  vom  Hofe  angenommen  A\urde, 
hatten  das  ihre  dazu  gethan,  die  Kluft  zwischen  dem  seine  frühere 
Einfachheit  gegen  eine  glänzende  Hofhaltung  nach  dem  fremden 
Muster  eintauschenden  Mikado  und  seinem  Volke  zu  erweitern, 
und  die  in  der  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  nach  dem  Vorbild 
der  Thang  Dynastie  (618-907)  durchgefiihrte  ,,  T^rf/X'rcvr-Reform", 
die  Zentralisierung  der  Regierungsgewalt,  mit  deren  Etablierung 
ein  Heer  \'on  Beamten  geschaffen  \vurde,  dem  es  an  wirklicher 
Beschäftigung  fehlte,  hatte  dazu  gedient,  ihn  selber  ernster  Thätig- 
keit  zu  entfremden  und  zu  verweichlichen,  so  dass  er  zu  eigener 
Regierung  untüchtig  und  ein  Spielball  in  den  Händen  herrsch- 
süchtiger  Reichsgrossen   wurde. 

Und  endlich,  dass  der  Kaiser  direkter  Abkömmling  der 
Götter  und  als  „der  erlauchte  Enkel  der  Sonne"  erhaben 
über  die  anderen  Sterblichen  sei,  diese  Theorie,  die,  in  die 
Wirklichkeit  umgesetzt,  konsequenterweise  dazu  führen  musste, 
ihn  vom  Volke,  das  er  zu  regieren  berufen  war,  abzusondern, 
damit  er  ihm  wirklich  Gegenstand  religiöser  Verehrung  sei,  war 
schon  der  alten  Landesreligion,  die  vor  dem  Eindringen  des 
Buddhismus  und  des  Confucianismus  die  Alleinherrschaft  über 
das  japanische  Denken  hatte,  dem  Shintoisnius,  eigen. 


I  o8  Religiöse  und  sittliche  Zustände. 

I. 

Shintoismus.- 

Es  wäre  ein  Anachronismus,  aus  der  chinesischen  l^cnennung 
dieser  alten  Nationah-eligion  auf  chinesischen  Ursprung  derselben 
zu  schliessen.  Der  Name  SJiintö  kam  erst  auf,  als  es  nötig  wurde, 
die  alte,  in  Wirklichkeit  bis  dahin  namenlose  Glaubensweise  von 
anderen,  nachmals  aus  der  Fremde  eingeführten,  vxx  unterscheiden. 
Auch  manche  Aehnlichkeiten  mit  alten  chinesischen  Mythen  3) 
und  Religionsbräuchen,  die  die  Vermutung  nahe  legen,  dass  sie 
in  prähistorischer  Zeit  vom  asiatischen  Festlande  nach  Japan  mit- 
gebracht wurde,  haben  nicht  Gewicht  genug,  der  Annahme  ganz 
zu  wehren,  dass  wir  es  in  Shintö  mit  einem  genuinen  Produkte 
des  japanischen   Geistes,  nicht  freilich  des  japanischen  Bodens,  zu 


2.  Die  ältere  Literatur  über  den  Shintoismiis  von  Kakmpfer,  von  Siebold, 
])K  Ros.w,  Pfizmaiek,  iroFFMANX  u.  a.  kommt  heute  wohl  kaum  mehr  in  Betracht. 
In  den  letzten  Jahrzehnten  haben  sich  um  die  wissenschaftliche  Erforschung  der 
altjai)anischen  Religion  besonders  Satuw,  AsT(jn,  Chamberlaix,  Kemfkk.maxn  und 
Florenz,  daneben  Dooman,  Bu'ckley,  Loweij.  und  Weipert  durch  Uebersetzungen, 
Kommentare  und  Abhandlungen  verdient  gemacht,  und  mit  ihnen  die  beiden 
gelehrten  Gesellschaften  in  Tokyo,  die  englische  und  deutsche,  welche  die  Arbeiten 
dieser  Forscher  zum  grössten  Teile  veröffentlicht  haben.  Von  E.  Satcav  erschien  in 
der  ,,  Westminster  Review  "  Juli  1S78  ein  Aufsatz  ,,  TIte  Jlfyt/wlogy  and  Religioiis 
U'orsliip   of  the   ylncieiit  Japanese^':    in    den    Transactions  of  the  Asiatic  Society  of 

Japan  „  The  Revival  of  Fitre  Shin-tau "  (Append.  zu  Vol.  IIL) ;  „  l'lic  Sliin-tau 
Teiupks  of  Ise  "  (Vol.  II.) ;  „  AiiciciU  Japanese  Rituals  "  (Vols.  VII.  Part  2  und  4, 
und  IX.  Part  2),  fortgesetzt  von  Dr.  Florenz  in  Vol.  XXVII. — Von  Chamkerlain 
kommt  neben  seiner  Uebersetzung  des  Kojiki  ujid  der  ihr  vorausgeschickten  wertvollen 
Einleitung  (T.  A.  S.  J.  Suppl.  zu  Vol.  X.)  in  Betracht  „  The  Classical  Poetry  of 
the  Japaiiesc'-\ — Das  Xilwngi  ist  vollständig  in  englischer  Uebersetzung  von  AsTOX, 
teilweise  in  deutscher  von  Dr.  Florenz  erschienen. — Den  Phallizismus  behandelt  E. 
BucKLEY,  Phallicisiii  in  Japan,  1895  >  ^^'^  Verzückung  der  Besessenen  P.  Lowell, 
Occult  Japan,  1895.  Anderes  zitiere  ich  gelegentlich.  Die  zahlreichen  Aufsätze  in 
Zeitschriften  gibt,  soweit  sie  bis  1895  erschienen,  von  Wenckstern's  Bibliographie 
S.  52-59. 

3.  So  ist  z.  B.  der  japanische  Mythus,  dass  die  Sonnengottin  dadurch,  dass 
Izanagi  sein  linkes,  der  Mondgott  dadurch,  dass  er  sein  rechtes  Auge  gewaschen 
habe,  entstanden,  auffallend  ähnlich  der  chinesischen  Sage  von  P'an-ku.  Näheres 
bei  FLOR]iNZ,  Japanische  Mythologie,  Kap.  IV,  Anm.  69. 


Religiöse  und  sittlicJie  Zustände.  109 

thun  haben.  Sein  Studium  ist  heute  das  Lesen  eines  PaUmpsests. 
So  viel  jedoch  scheint  sicher  :  dieser  altjapanische  Volksglaube 
war  ursprünglich  ein  Naturdienst,  der  erst  später,  wahrscheinlich 
nicht  ohne  chinesische  Einflüsse,  mit  Ahnenkult  verbunden  wurde 
und  mit  diesem  unlösbar  in  eins  verwachsen  ist. 4) 

Das  japanische  Aequivalent  für  die  chinesische  Benennung 
Shintö  (zusammengesetzt  aus  shin  ,,  Geist,  Gott"  und  tö 
,,Weg,  Lehre"),  entsprechend  etwa  der  griechischen  Zusammen- 
setzung dzoz'hoyo',  ist  Kami  no  niiehi,  Avas  Bucklev  unrichtig 
mit  ,,  Weg  des  Kami  "  übersetzt.  Der  Kami  oder  Götter  sind 
mehr  denn  Legion. 5)      Aber  allerdings :     ,,  Fünf  Männer  hast  du 

4.  Zu  der  PVage,  welches  von  den  beiden  in  der  Shintöreligion  enthaltenen 
Elementen  das  ursprüngliche  ist,  äussern  sich  die  meisten  unbestimmt,  oder  sie 
erkennen  der  Ahnenverehrung  die  Priorität  zu,  entweder  weil  diese  heute  im 
Shintoismus  wirklich  mehr  als  der  Naturdienst  in  den  Vordergrund  tritt,  oder  unter 
dem  Banne  der  zur  Zeit  noch  in  der  allgemeinen  Religionswissenschaft  geltenden 
Tylor-Spencej-''  sehen  Theorie,  nach  welcher  die  Entstehung  der  Religion  in  der 
Menschheit  überhaupt  aus  dem  allen  Menschenrassen  gemeinsamen  Animismus  und 
aus  dem  daraus  hervorgegangenen  Spiritismus  hergeleitet  wird.  Um  so  mehr  freue 
ich  mich,  in  meiner  gegenteiligen  Anschauung  mit  Dr.  Fl()R];nz,  einem  der  besten 
Shintökenner,  zusammenzutreffen,  der  in  seinem  jüngsten  Werke  sagt  :  ,,  Von  den 
beiden  Hauptelementen  der  shintoistischen  Religion,  dem  Kult  der  Xatnrkn'ifle  und 
dem  Alinenhilt,  halte  ich,  von  Kleinigkeiten  abgesehen,  das  erstere  für  das  entschie- 
den ursprünglichere  und  am  reinsten  japanische ;  für  das  letztere  wage  ich  zwar 
keineswegs  fremden  Urspiamg  zu  behaupten,  weise  aber  darauf  hin,  dass  beträcht- 
liche Teile  desselben,  wie  die  Ahnenreihe  von  Izanagi  und  Izanami,  sehr  späte 
Mache  verraten.  Mache  zu  einer  Zeit,  wo  Japan  schon  stark  unter  chinesischem 
Einflus.se  stand.  "Was  liegt  nun  näher,  denn  diesem  vor  Abfassung  des  Kojiki  und 
Nihongi  schon  seit  Jahrhunderten  wirkenden  Einflüsse  grössere  Resultate  zuzutrauen, 
als  wir  bis  jetzt  direkt  mit  Händen  greifen  können  ?  Ich  meine,  dass  der  chinesische 
Ahnenkultus  in  der  Entwicklung  der  japanischen  religiösen  Vorstellungen  wenigstens 
eine  sehr  beträchtliche  Rolle  gespielt  hat."     [Japanische  Mytholo^e  S.  253). 

Auch    Dr.    Bl'CKLEY    sagt :      „  Ahnen-und    Heroenkultus   wurde einem 

ursprünglichen  Naturkultus  aufgepfropft,  welcher  deshalb  in  den  meisten  Fällen  im 
Bewusstsein  der  Japaner  in  den  Hintergrund  getreten  ist.''  {Cliantepie  de  la  Saussaye, 
Lehrbuch  der  Religionsgeschichte  2.  Aufl.  I,  80). 

5.  Professor  Kume's  Behauptung,  die  älteste  Religion,  wenigstens  der  Bewohner 
von  Mittel-Japan,  sei  eine  Art  ^Monotheismus  mit  dem  ersten  der  im  Kojiki  auf- 
geführten Götter  als  höchster  und  ursprünglich  alleiniger  Gottheit  gewesen,  mit 
deren   Verehrung  sich,   ähnlich    wie   im  alten  China  mit  der  Tien's,  die  Verehrung 


1 10  RcHf^i'ösc  uiuJ  sittliche  Ziisläiuic. 

gehabt,  und  den  du  nun  liast,  der  ist  nicht  dein  Mann  ;  da  hast 
du  recht  i^esa<;t",  das  Hesse  sicli  in  Anwendung  auf  die  Shintö- 
theologie  wiriiercn :  ,,  Achthundert  Myriaden  Götter  hast  du 
gehabt,  und  die  du  nun  hast,  die  sind  keine  Götter."  Denn  das 
Wort  Kami  entspricht  durchaus  nicht  unserer  vergeistigten  Gottes- 
idee. Kami  heisst  ursprünglicli  das,  was  ,,  oben  ",  ,,hö]ier"  ist,^) 
und  dient,  der  I^^tymologie  des  elastischen  Worts  entsprechend, 
7Air  Bezeichnung  alles  dessen,  was  irgendwie  Furcht,  Respekt,  Er- 
staunen einflösst,  und  wü\-or  der  Mensch  sich  deshalb  als-  vor 
etwas  so  oder  anders  über  ihm  Stehendem  beugt.  Im  ersten 
Buch  des  im  Jahre  712  der  christlichen  Zeitrechnung  vollendeten 
Kojikil)  (,,  Geschichte  der  Begebenheiten  im  Altertum")  und  in 
(\q\\  beiden  ersten  l^iichern  des  acht  Jahre  jüngeren  Geschichts- 
werkes Nihongi  oder  Xihon  S/ioki^)  (,, Japanische  Chronik"), 
die,  etwa  noch  ergänzt  durch  Stücke  des  Knjiki,  die  Grundlage 
der   Shintö-/iiV/;r,   die    heute   eine   Buchreligion   ist,   bilden,   haben 

untergeordneter  Geister  verband,  kostete  ihm,  von  den  .Sliintoisten  als  ein  \'ersuch, 
die  alte  Landesreligion  zu  einem  Abzweiger  des  Christentums  zu  machen,  gedeutet, 
seinen  Lehrstuhl  an  der  kaiserlichen  Universität  in  Tokyo,  ohne  bei  europäischen 
Japanologen  Beifall  zu  finden. 

6.  Dies  ist  jedenfalls  die  einfachste  und  natürlichste  Erklärung  und  darum  von 
den  liesten  Japanologen  S.A.TOW,  Chamkeri.ain,  Fi.(iK];.\/.  als  die  richtige  acceptiert. 
Siehe  auch  Lafcadio  Hearn's  Ä'o/.-oro  p.  26S.  Takaiiasih  Goko  leitet  in  seinem 
Sliinfo  SJiiiiron  das  Wort  Kami  ab  von  Kahi  ,,  Kahm,  Schimmel,  Moder",  i.  e. 
„  was  bei  seinem  Erscheinen  Verwunderung  erregt  ".  Andere  gleich  wund-erliche 
Hypothesen,  die  von  japanischen  Philologen  erfunden  wurden,  um  das  Wort  ety- 
mologisch zu  erklären,  siehe  bei  Florenz  [Japajiisc/ie  IMytJwlogie,  S.  3  und  4). 

7.  Das  Kojiki  ist  zugänglich  gemacht  durch  B.  H.  Chamberlain's  mit  treulicher 
Einleitung  und  Kommentar  versehene  englische  Uebersetzung,  enschienen  als  .Sujijile- 
ment  zu  ]5and  X  der  Transact.  of  the  As.  Soc.  of  Japan. 

8.  Die  erste  vollständige  englische  Uebersetzung  des  Niliongi  ist  von  W.  G. 
A.SToN  veröffentlicht  worden.  Eine  deutsche,  mit  einer  vorzüglichen  Einleitung 
und  reicherem  Kommentar  versehene  L'ebersetzung  der  zweiten,  kürzeren  Hälfte 
des  Xihiuigi,  -welche  die  Geschichte  Japans  im  siebenten  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung behandelt,  hat  schon  vor  ihm  die  Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-und 
Völkerkunde  Ostasiens  von  Dr.  K.  I'I.orknv.  veröffentlicht.  Buch  i  und  2  sind  von 
demselben  Gelehrten  kürzlich  (1901)  als  Supplement  der  „Mittheilungen"  dieser 
Gesellschaft  erschienen  unter  dem  Titel  Jnpauische  Mythologie,  Ä'i/ioiigi  „  Zeilalter 
der  Gölter "". 


Religiöse  und  sittliehe  Zustände.  1 1 1 

wir  recht  eigentlich  ^\■ie  in  Hesiods  Theogonie  einen  Katalog 
der  Götter  vor  uns,  der  sich  aus  unter  einander  nicht  organi- 
sierten höheren  Wesen  der  verschiedensten  Art  zAisammensetzt, 
von  solchem,  das  oben  im  Himmel  und  unten  auf  Erden 
und  im  Wasser  unter  der  Erde  ist.  Um  Amaterasu,  die  himmel- 
erleuchtcnde  Göttin  der  Sonne,  die  das  Zentrum  der  frühesten 
Verehrung  gewesen  zu  sein  scheint, 9)  scharen  sich  ins  Zahllose 
wachsend  die  Kami-AIyriaden.  Zwei  Klassen  aber  lassen  sich, 
obgleich  nachmals  miteinander  verschmolzen,  noch  unterschei- 
den. Da  sind  höhere  Wesen,  die  sich  sofort  als  Kami- 
fikationen  von  Xaturmächten  oder  Xaturobjekten,  Licht,  Feuer, 
\\  ind,  Bergen,  Flüssen,  Bäumen,  Tieren  u.  s.  w.  zu  erkennen 
geben.  Aber  da  sind  auch  andere,  die,  augenscheinlich  ur- 
sprünglich Familienahnen,  mit  der  Zeit  Lokal-  und  National- 
gottheiten wurden,  an  ihrer  Spitze  der  Begründer  der  kaiserlichen 
Dynastie  und  andere  Heroen  des  mythischen  Zeitalters.  Dem 
Rat :  ,,  Lasset  uns  Götter  machen,  ein  Bild,  das  uns  gleich  sei !" 
scheint  immer  neu  die  That  gefolgt  zu  sein,  und  diesen  Rat  zu 
fassen  war  ein  Geschlecht,  dem  noch  kein  überlegen  warnendes 
A'il  adniirari  das  götterschaffende  Staunen  wehrte,  angesichts 
der  Phaenomene  der  Natur  stets  bereit.  Und  wenn  die  Deifikation 
der  Naturobjekte  schliesslich  ihre  Schranke  an  dei  thatsächlich 
gegebenen  Natur  finden  musste,  die  Apotheose  der  Abgeschie- 
denen, an  deren   Fortexistenz  geglaubt  wurde, 1°)  ohne  dass  man 

9.  ^'gl.  E.  Satow,  Aiicieut  Japanese  Rihials  (Transact.  of  the  As.  Soc.  of 
Japan  Vol.  VIII.  p.  121):  „Man  kann  schwerlich  den  Gedanken  unterdrücken, 
dass  die  Sonne  die  erste  unter  den  vergötterten  Xaturkräften  gewesen  ist,  und  dass 
die  lange  Reihe  von  Göttern,  welche  ihr  in  der  Kosmogonie  des  Kojiki  und 
Xihongi  vorhergehen,  und  von  denen  sich  die  meisten  durch  ihre  Xamen  als  blosse 
Abstraktionen  erweisen,  erfunden  wurden,  um  ihr  eine  Genealogie  zu  geben,  in 
welcher  zwei  oder  vielleicht  mehrere  ihrer  Attribute  als  besondere  Gottheiten  per- 
sonifiziert mit  aufgenommen  wurden  ", — eine  Anschauung,  die  Flore.nz  {Japanische 
J\[yiliologie  S.  12)  nur  dahin  einschränkt,  dass  jedenfalls  das  Götterpaar  Izanagi  und 
Izanami  echte  Gestalten  der  ältesten  Mythe  sind,  während  die  vier  ihnen  vorangeh- 
enden zweifellos  spätere  Erfindungen  der  Kosmogonen  seien. 

10.  Vgl.  Yi.OK¥.^A,  Japanisc/ie  MylJiologie  S.  47  ff.,  wonacli  die  Vorstellung  von 
einer  Unterwelt  zweifellos  schon  Eigentum  der  ältesten  Japaner  war. 


1 1 2  Rcliqiösc  und  sittiicJic  Zustände. 

über  das  Wie  derselben  sicli  Gedanken  machte,  hat  bei  der  unauf- 
hörHchen  Succession  einander  ablösender  Geschlechter  keine 
Grenze.  Jeder  Todesfall,  der  der  Erdcnfaniilie  eine  Lücke  riss, 
brachte  dem  Kami-Pantheon  ein  Wesen  höherer  Art  als  Zuwachs. 
Die  Götter  hatten  nicht  alle  gleichen  Rang.  Zuhöchst  standen 
jene,  die  dem  ganzen  Volke,  ihnen  zunächst  an  Bedeutung,  die 
nur  einer  Pro\inz,  niedriger  andere,  die  nur  einem  Distrikt, 
einem  Dorf  oder  einer  P'amilie  Kami  waren  und  als  solche  Ver- 
ehrung genossen.  Und  der  Kaiser  als  Spross  der  Sonnengöttin 
ist  ein  Gott  schon,  dieweil  er  lebt,  der  Mittler  zwischen  seinem 
Volke  und  den  Göttern  und  in  der  That  erhaben  selbst  über 
alle  Erdengötter,  ja,  das  gesamte  Kami-Pantheon,  dem  er  auch 
nach  Belieben  neue  Aspiranten  kreiert  und  deren  Rang  bestimmt. 
Denn   ,,der  Lebende  hat  Recht." 

Nicht  allen  Göttern  konnte  bei  solchem  cuibarras  de  ricJicssc 
in  Wirklichkeit  gedient  werden.  So  beschränkte  sich  der  Pri- 
witkult  des  Einzelnen  darauf,  den  .Seelen  seiner  Verstorbenen  \'or 
dem  Kaviidaiia,  dem  Göttersims  in  jedem  Hause,  Opferspenden 
darzubringen,  den  Schutz  der  besonderen  Gottheit,  der  er  alsbald 
nach  seinem  Püntritt  ins  Leben  war  befohlen  worden,  anzuflehen, 
die  Sonne  zu  grüssen,  der  Lokalgottheit  an  ihren  P'esten  einen 
Tempelbesuch  abzustatten  und  ausserdem  höchstens  bei  besonde- 
ren Gelegenheiten  einen  bestimmten  Nothelfer  oder  auch  ein 
Heer  der  Götter  zusammen  anzurufen,  ihnen  wohl  auch  ein  Opfer 
darzubringen,  sei  es  als  Dank  für  erfahrene  Hilfe,  sei  es  als  ^Mittel, 
ihre  Gunst  zu  gewinnen  und  sie  zur  Erhörung  seines  Gebets 
geneigt  zu  machen,  oder  sich  vor  Schaden  durch  einen  Kami- 
unhold  durch  ein  Speise-oder  sonstiges  Opfer  oder  eine  einfache 
Zeremonie  zu  schützen.  Auch  Pilgerfahrten  zu  entfernten  Gnaden- 
orten .scheinen  ein  Stück  ursprünglichen  Gottesdienstes  gewesen 
zu  sein.  Eine  Stelle  im  Nihongi,  auf  die  Dr.  Florenz  ")  hinge- 
wiesen hat,  zeigt,  dass  im  esoterischen  Shintoismus  auch  die 
relia;iöse  Zeremonie  des  sich  in  einen  visionären  Zustand  Versetzens 


II.    Jci/taiiisc/ie  MyiJiologie,  ?•.   loi. 


Re/(^/ösc  und  sittliche  Zustände.  1 1 3 

uralt  ist.^-)  Und  das  Kojiki  lässt  erkennen,  dass  man  auf  Träume 
grosses  Gewicht  legte  als  Vorschattungen  der  Zukunft  und  Offen- 
barungen des  göttlichen  Willens,  den  man  auch  in  anderer  Weise 
zu  erkunden  suchte. 

Die  öffentliche  Verehrung  blieb  dem  Mikado  und  den  Schreii:- 
luitern,  später  KannusJd  genannt,  überlassen.  Die  Zahl  der  öf- 
fentlichen Shintötempel  {iniya  oder  j'inja)  belief  sich,  die  unzähligen 
Dorfschreine  nicht  gerechnet,  im  Jahre  927  n.  Chr.  auf  3132. 
Die  heiligsten  waren  die  von  Ise,i3)  dem  Mekka  des  Shintoismus, 
wo  immer  eine  der  kaiserlichen  Prinzessinnen  als  Priesterin 
Wache  über  die  drei  heiligen  Kleinodien  Spiegel,  Schwert  und 
Edelstein,  die  Ivaibleme  der  Shintoreligion  und  Insignien  des 
Reichs,  hielt.  In  ihrer  Architektur  waren  sie  ebenso  einfach  wie 
die  anderen,  denen  sie  auch  in  allem  übrigen  glichen.  Ein  galgen- 
ähnliches Portal  aus  Holz  {ToriiY'^)  bildet  den  Zugang  zum  Tempel- 
grund {Yashiro)  mit  der  Haupthalle  {Hondcn  oder  SJdndcii),  die 
als  W^ohnung  der  Gottheit  nicht  betreten  werden  darf.  Plier 
finden  sich  die  S3'mboIe  der  Gottheit,  in  der  offenen  Vorkammer 
{Haiden)  aber  an  einem  Stab  befestigte,  aus  einem  Stück  in 
Zickzackform  geschnittene  weisse  Papierstreifen  {Gohei),  die  die 
Stelle  eines  ursprünglichen  Tuchopfers  vertreten.  Die  Aufgabe 
der,  wie  es  scheint,  nicht  von  Anfang  an  als  besondere  Klasse 
bestehenden,  zur  Samuraikaste  zählenden  Priester,  die  verheiratet 
waren  und  nur  während  des  Tempeldienstes  besondere  Gewandung 
trugen,  bestand  in  Darbringung  von  Gemüse-,  Fleisch-,  Sake-Opfern 
und   im   Rezitieren   von   Ritualgebeten    {N'oritoys)  zum  Preis   der 

12.  Dass  diese  Zeremonie  nicht  etwa  erst  durch  den  Buddhismus  zu  einem 
Bestandteil  der  Sliintöreligion  geworden  ist,  hatte  sciion  vor  Dr.  Florenz  Loweix 
in  seinem  Buche  „  Occiilt  Japan "  und  in  einem  Aufsatze  der  Transact.  of  the 
Asiatic  Society  of  Japan,  Vol.  XXII  nachzuweisen  gesucht. 

13.  Siehe  Satow,  „  The  Shin-tau   Teinpks  of  Ise". 

14.  lieber  die  Bedeutung  des  7'on'i  siehe  den  bezüglichen  Artikel  in  Chamder- 
i.ai.n's  „  T/iiiig.-JapaiH'se  "  und  Asrox,  lorhvi,  ils  Derivaticn  (Tr.  As.  Soc.  Jap.  Vol. 
XXVII.) 

15.  Die  in  poetischer  Prosa  abgefasslen,  an  die  Präfationen  der  katholischen 
Liturgie  gemahnenden  Xorito  sind  eine  Hauptquelle  für  die  Erforschung  des  reinen 


1 14  Rc/igiösc  und  sittlicJic  Zustäihlc. 

Gottheiten  und  zur  Angabe  der  Gründe,  aus  welchen  das  Opfer 
gebracht  wurde.  Ihnen,  deren  Amt  erbhch  war,  standen  zur  Seite 
jungfräuliche  rriesterinnen,  meist  Pricstertüchter,  denen  bei  Tem- 
pelfesten {Ulatsuri)  besonders  die  Ausführung  des  pantomimischen 
Kagin'a-\.2i\'\7.Qs  oblag.  Besonders  feierlichen  Charakter  trug  unter 
den  Festen  das  sogenannte  Oliarai,  die  mit  Opfergaben  verbundene 
grosse  Reinigung  oder  Entsühnung  des  ganzen  Volkes  für  ,,  Ver- 
brechen der  Störung  des  Reisbaus  und  der  Verunreinigung,  später 
auch  der  Tötung  und  Körperverletzung,  Leichenschändung^  Blut- 
sch.ande,  Sodomie,  Tötung  fremder  Tiere  und  Behexung,  sowie 
des  durch  Plagen  der  Götter  Gezeichnetseins." i^)  Das  bei  diesem 
Feste  gebrauchte  Gebet  zeigt,  dass  der  Shintöreligion  auch  der 
Gedanke  einer  sittlichen  Reinigung  von  Sünde  nicht  unbe- 
kannt war,  während  es  bei  dju  vielen  Reinigungszeremonien 
sich  mehr  um  Abwaschung  äusserer  Befleckung,  die  man  sich 
auf  viele  Weise,  besonders  durch  Berührung  mit  Leichen  zuzog, 
handelte.  Die  meisten  Feste  hatten  mehr  fröhliches  Gepräge  und 
wurden,  ausser  durch  Opferdarbringungen,  mit  theatralischen  Auf- 
zügen, Pantomimen,  Musik  und  Tanz  gefeiert,  alles  Zeremonien,  die 
bekunden,  dass  man  sich  die  Götter  kindlich  naiv  wie  seinesgleichen 
dachte,  hungrig  und  durstig,  leichtlebig  und  l'reunde  heiterer 
Unterhaltung.     ,,  Li  seinen  Göttern  malet  sich  der  Mensch." 

Shintoismus,  indem  sie  am  besten  erkennen  lassen,  wie  vor  dem  Eindringen  clii- 
nesisch-coufucianischer  und  l>uddliistischer  Einflüsse  die  religiösen  Vorstellungen  und 
Gefühle  der  Japaner  geartet  waren.  Eine  englische  Uebersetzung  der  im  Engi-sJiiki 
oder  Zeremonialgesctze  aus  viel  älteren  (Quellen  im  Jahre  927  n.  Chr.  zusammen- 
gestellten Norito  hat  E.  Satdw  l)egoiincn  und  I)k.  Fi.(>ri:n/,  fortgesetzt  {„  Aiicieiü 
JapcDicse  Rituals  "). 

16.  Dr.  II.  Wiai'KKT,  Das  Shiulo-gchct  de- r  grossen  Reinigung.  Mitth.  der 
Deutschen  Gesellsch.  f.  Xat.  u.  \'ülkerk.  Ostas.  Heft  58.  Siehe  auch  I)k.  Fi.hrknz, 
Ancirnt  Japanese  Rituals  (Tr.  A.  .S.  J.   \-ü1.  X.WII). 


Religiöse  iiu'i  sittliche  Zustände.  1 1 5 

IL 
Confucianismus. 

Der  am  meisten  in  die  Augen  fallende  Defekt  der  alten  japa- 
nischen Nationalreligion,  welcher  ja  eigentlich  so  ziemlich  alles  ab- 
geht, was  das  Wesen  einer  Religion  ausmacht,  ist,  wenn  man  davon 
absehen  \\\\\,  dass  die  Stelle  einer  bestimmten  Glaubenslehre  ein 
Sammelsurium  verschiedenartigster  abergläubischer  X'orstellungen 
vertritt,  vor  allem  der  IMangel  jeglicher  sittlicher  Gebote.  Die 
Götter,  selbst  keine  sittlichen  Wesen,  sondern  behaftet  mit  Men- 
schenschwächen, ein  Gemisch  von  Gut  und  Böse,  konnten  nicht 
wohl  moralische  Gesetzgeber  sein.  Diese  sittliche  Gehaltlosig- 
keit macht  es  verständlich,  dass  ein,  man  weiss  nicht  genau  wann, 
von  aussen  eingeführtes  ethisches  System  so  leicht  in  Japan 
Eingang  finden  konnte.  Denn  ein  praktisches  ^Nloralsystem,  und 
nicht  eine  Religion,  war  die  von  China  über  Korea  eingeführte 
Philosophie  der  chinesischen  Weisen  KdsJii  und  JMdsJii  (Confucius 
551-478  V.  Chr.  und  jMencius  372-2S9  v.  Chr.).  Was — nicht 
sowohl  die  Welt,  denn  das  Philosophieren  über  diese,  mag  man 
sie  in  kosmischem  Sinne  cder  als  die  universale  Menschheit 
fassen,  wies  KdsJii  so  weit  von  sich  wäe  metaphysische  Spekula- 
tionen über  Gott,  wohl  aber — die  menschliche  oder,  richtiger 
gesagt,  politische  Gesellschaft  im  Innersten  zusammenhält,  das 
ist  nach  ihm  in  erster  Linie  die  über  den  Tod  hinausdauernde 
Pietät  gegen  die  Eltern.  Sie  ist  die  höchste  ethische  Idee.  Erst 
in  zweiter  Reihe  kommt  die  treue  Erfüllung  der  sozialen  Pflichten, 
die  sich  aus  den  vier  anderen  Verhältnissen  von  älterem  und 
jüngerem  Bruder,  Gatten  und  Gattin,  Herrscher  und  Unterthan 
sowie  ^Mensch  und  ^Mensch  ergeben. 

Blieb  die  Wirkung  dieser  in  den  klassischen  Büchern  des  Con- 
fucianismus (in  Japan  Gokyj  und  Shisho  genannt)  zusammengefass- 
ten,  nicht  religiös  begründeten  Moralphilosophie  aus  der  Fremde 
ebenso  wie  die  höhere  chinesische  Kultiu'  im  allgemeinen  anfangs 
auch  nur  auf  den  Hof  und  das  Denken  und  Handeln  der  oberen 


1 16  Religiöse  und  sittliche  Zustände. 

Gcsellschaftsschicht  beschränkt,  so  ging  sie  doch  in  diesen  Kreisen 
um  so  tiefer.  Aber  obwohl  diese  fremde  IMoral  in  eine  vor- 
handene Lücke  trat,  fanc]  sie  doch  Annahme,  nicht  ohne  eine 
bemerkenswerte  Modifikation  zu  erfaln'cn,  wie  alles,  was  Japan 
je  von  aussen  übernahm.  Den  ersten  Platz  im  Kreis  der 
Tugenden  erhielt  an  Stelle  der  Pictfit  die  Loyalität,  hinter  der 
die  Pflichten  gegen  P^amilie  und  l-'reunde  weit  zurückstehen 
mussten.  I3ass  der  Confucianismus,  an  sich  schon  und  so 
modifiziert,  der  Shintöreligion  sich  leicht  amalgamierte,' dem 
Mikadokultus  zur  Stütze  diente  und  recht  danach  war,  die 
Ahnenverehrung  auszubilden,  ist  leicht  einzusehen. ' 7) 


III. 

Buddhismus. 

Der  Masse  des  japanischen  Volkes  vermittelte  die  confuci- 
anische  P^thik  durch  ein  Jahrtausend  der  Buddhismus.  Er  gab 
ihr  dabei  zugleich,  was  ihr  von  Haus  aus  fehlte,  die  religiöse 
Peoründung.  Seine  Priester  waren  indessen  nicht  nur  die  Lehrer 
der  Moral,  sondern  für  Jahrhunderte  die  Hauptträger  der  gesam- 
ten Bildung  in  Japan.  Sie  brachten  den  Bewohnern  des  Inselreichs 
so  ziemlich  alles,  was  ihnen  zu  höherer  Kultur  und  Zivilisation 
fehlte,  in  erster  Linie,  was  nötig  war,  ihre  eigene  dürftige  Religion 

17.  Vgl.  XonusiiiGE  \\o/.v\n,  Der  Einßuss  des  A/ineii/culhis  und  das  japa- 
nische Rechl,  Ostasien,  Feljruailicft  1900,  S.  494;  als  Buch  in  englischer  .Sprache 
erschienen  Tükyö   1901   [^Ancestor-]VorsJtip  and  Japanese  Law). 

Zum  Confucianismus  übcrhau])t  siehe :  J.  H.  Pi.ath,  Confncius  tind  seiner 
Schi'tler  Leben  und  L.ehren.  Abh.  der  Ak.  München,  1867-1874;  E.  Faker, 
Quellen  s«  Confncius  und  dem  Confucianismus  (1873)  und  L.ehrhegriff  des  Confuä- 
anisnuis  (1872};  C).  von  DER  Gabfxentz,  Confncius  tmd  seine  Lehre  (18SS); 
Legge'.S  Ausgabe  der  Chinese  Classics  in  6  Bänden  und  desselben  Autors  engllsclie 
Uebersetzung  des  Vi  Jung,  Sacred  Books  of  the  East,  \o\.  XVI ;  populär  gehalten 
ist  R.  K.  DouciLAS,  Confucianisin  and  Taois/n  (1SS9).  Ueber  die  späteren  jap;^- 
nischen  Confucianisten  hat  Rk\-.  Dr.  G.  W.  K.nox  in  Vol.  XX,  Part  I  der  Transact. 
of  the  As.  Soc.  of  Japan  geschrieben. 


Religiöse  und  sittliche  Zustände.  1 1 7 

7.W  ergänzen  :  zur  Theologie,  die  es  im  Shintö  hatte,  und  zur  An- 
thropologie, die  ihm  der  Confueianismus  lieh,  die  Soteriologie, 
und  daneben  alles,  was  dem  Denken  Nahrung  geben,  die 
Phantasie  anregen,  die  Sinne  rühren,  das  religiöse  Gefühl  an- 
sprechen und  den  Willen  stärken  konnte,  die  Dogmatik  des 
TantrasN'stems  und  eine  überreiche  Literatur,  eine  entwickelte 
Kunst,  prachtvolle  Tempel,  prangend  von  goldenem  Zierrat  und 
erfüllt  von  Weihrauchduft,  pompöse  Aufzüge,  feierliche  Gottes- 
dienste mit  glänzendem  Ritual,  mit  Singen  und  Klingen,  die 
Predigt  von  tlimmel  und  Hölle  und  allem  Uebersinnlichen,  und 
— die  Götter  selbst  in  handgreiflicher  Sichtbarkeit. 

Shintö  war  eine  Px.eligion  ohne  Idole. ^S)  Noch  war  in  Japan 
keine  Kunst  erblüht,  die  sich  an  die  Aufgabe  hätte  wagen  können, 
das  Göttliche  im  Bilde  darzustellen.  Die  Götter,  die  ihm  der 
Buddhismus  in  Holz  geschnitzt  und  in  Stein  gehauen  von  aus- 
wärts brachte  und  als  Gegenstände  der  Verehrung  darbot,  waren 
ihm  darum  etwas  ganz  Neues,  Fremdes,  Ungewohntes.  Und 
doch  gerade  die  zuerst  eingeführten,  deifizierte  Bödhisattvas 
(jap.  Bosatsu),  Buddhas  (jap.  Butsu  oder  Hotoke)  oder  Gestalten 
der  indischen  Arythologie,  gehören  bis  auf  den  heutigen  Tag  zu 
den  allerpopulärsten :  I\wannon,  die  Göttin  der  Barmherzigkeit, 
von  der  die  Jesuiten  in  ihren  Berichten  auffallenderweise  immer 
als  von  einer  männlichen  Gottheit  reden,  die  sie  als  Avalokitec- 
vara  ursprünglich  in  Indien  wirklich  gewesen,  um  erst  auf  ihrem 
Wege  durch  China  ihr  Geschlecht  zu  ändern  ;  Jirjo  (Kshitigarbha), 
gleich  ihr  ein  Helfer  in  aller  Not  des  Leibes  und  Lebers,  vcr  allem 
Schutzpatron  der  abgeschiedenen  Kinderseelen  in  der  andern  und 
der  W'egegott  der  Pilger  in  diesjr  Welt ;  der  schwarze  I^'udd 
(Achala) ;  Enuiiasan  (Yäma  räja),  der  Gott  der  Hölle,  und  die 
Zuflucht  der  Presshaften  :  der  Wunderdoktor  Bim^urn  (Pindola). 

Ya    war    das    Nachbarland    Kudara.    eines    der    drei    Köni"- 


l8.  Das  gilt  wenigstens  von  dem  Shintoismus  der  historischen  Zeit.  Siehe  aber 
Fi.OKKNZ,  Japaiiisclie  J]Fythologie  S.  5  f.,  wonach  die  Japaner  einst,  wie  noch  jetzt  die 
Koreaner,  Götzenbilder  l)esassen,  die  in  einem  hölzernen  Pfeiler  mit  oben  ausge- 
s:hnit/,lein  Kopf  oder  grolj  geschnitzter  ganzer  Menschengestalt  bestanden. 


I  1 8  Rdiii-iösc  Ulli  sittliche  Zustände. 

reiche  von  Korea,  das  zuerst  im  Jahre  552  n.  Chr.  SCitra's 
und  Bildnisse  an  Kimmei-tenno  sandte  und  so  dem  Butsudö 
(,,Weg  des  Erleuchteten"  oder  ,,\Veg  der  l^iiddhas "),  der 
freilich  trotz  kaiserlicher  Protektion  erst  nach  langen  Kämpfen 
und  nur  nach  wiederholten  völligen  Niederlagen  sich  gegen  den 
alten  Shintö  behaupten  konnte,  um  dann  in  der  Naraperiode 
(708-784)  vom  Paläste  und  den  Ministerresidenzen  i  1  die  Hütten 
des  Volks  zu  dringen,  die  ])ahn  gebrochen. ^9)  Aber  was  Korea 
dem  japanischen  Volke  v^ermittelte,  war  ein  Buddhismus,  toto  caclo 
verschieden  von  der  Lehre  des  grossen  indischen  Weisen,  deren 
reiner  Klang  bis  zur  .Stunde  in  Japan  nicht  vernommen  wurde, 
sowenig  wie  in  Korea,  das  ihm  die  ersten  Missionare  sandte,  und 
sowenig  wie  in  China,  wohin  seit  der  Mitte  des  siebenten  Jahr- 
hunderts japanische  Priester  als  Schüler  gingen,  um  das  fremde 
Religionssystem  in  seinen  neusten  P2nt\vicklungsphasen  zu  studieren 
und,  als  Lehrer  heimgekehrt,  der  zweiten  Periode  des  japanischen 
Buddhismus  den  Stempel  aufzudrücken.  Denn  auf  ihrem  Missions- 
zug von  ihrem  indischen  Ileimatlande  durch  Z^Mitralasien  nach 
dem  Westrande  des  Grossen  Ozeans  hatte  des  grossen  indischen 
Pessimisten  und  Philanthropen  akosmistische  Philosophie  der 
Selbstcrlösung  bereits  W^andlungen  durchgemacht,  die  ihr  ur- 
sprüngliches Gesicht  nicht  wenig  verändert  hatten,  die  bedeutendste 
die,  dass  der  atheistische  Stifter  eines  mönchischen  Ordens,  zum 
Gott  einer  Kirche  geworden  war,  und  einen  hervorragenden  Platz 
in  deren  Lehrs)'stem  die  Bucldhalogie  einnahm.  Ist  des  gewaltigen 
Gotania  \^erkündigung,  deren  religionsphilosophische  Bedeutung 
in  der  Plauptsache  in  einer  Vereinfachung  des  zum  unerträglichen 
Joche  gewordenen  Brahmanismus  zu  suchen  ist,  Jahrhunderte 
hindurch  von  Generation  zu  Generation  in  mündlicher  Tradition 
vererbt,  in  ilu'cni  Geburtslande  nach  schnellem  Triumphe  v^er- 
hältnisniässig  früh  wieder  in  hinduistischen  Polytheismus  ver- 
schlungen worden,   und  ist  sie  im   sogenannten  Hhiaj'äua-system. 


19.  .Sl'MMKI^s,  BuJdliisin,  and  Tradit'uvis  coiiccniing  its  Introdiiction  iiito  Japan. 
(Transact.  of  the  Asiat.  Soc.  of  Japan.  Vol.  XIV.  p.  73  iL)  und  K.viFU  Nukakiva, 
BuddJiism  in  Japan.     The  Far  East.  Vol.  III,  No.  28.  29.  30.  (1898). 


Religiöse  und  sittlicJic  Zt:stän<fe.  1 1 9 

oder  der  Lehre  des  ,,  Kleinen  Fahrzeugs  "  in  der  südUchen  Kirche 
von  Ceylon,  Burma,  Siam  und  Pegu  in  relativ  grösster  Reinheit 
erhalten  geblieben,  so  hat  dagegen  der  nördliche  Buddhismus, 
mit  der  altindischen  Brahmareligion  seinen  Kompromiss  schlies- 
send  und  in  toleranter  Anbequemung  an  alle  Volksglauben,  die 
er  nicht  überwinden  konnte,  einerseits  das  ursprüngliche  T^rbe 
verschmolzen  mit  dem  Besten,  dem  er  in  anderen  Religions- 
und Moralsystemen  begegnete,  aber  auch  durchtränkt  mit  Arj- 
mismus,  Fetischismus,  Thierdienst,  Zauberei  und  Aberglauben 
aller  Art,  andererseits  eine  Masse  mystischer,  zum  Teil  abstru- 
sester Spekulationen  und  neuer  Lehren  in  einer  üppig  aufschies- 
senden  Literatur  niedergelegt.  Dem  I'älikanon  der  Hinayäna- 
schule  mit  seinem  etwa  der  Bibel  gleichkommenden  Umfange 
trat  mit  dem  Ansprüche,  tiefere  Offenbarungen  des  Meis'ers  und 
korrektes  Interpretieren  und  Weiterdenken  seiner  Doktrin  zu 
enthalten,  der  Sanskritkanon  des  Mahaj'äna-\\udd\\\sxnu?>  oder  der 
Schule  des  ,,  Grossen  Fahrzeugs  "  gegenüber,  in  dem  alle  diese 
religionsphilosophischen  Produktionen  spekulativer  Denker  und 
Mystiker  aufgenommen  wurden. -°) 

20.  Ganz  anders  würdigt  die  Mahäyänalehre  im  Gegensatz  zu  den  modernen 
Indologen,  die  dem  Pälikanon  der  Ilinayänaschule  das  Zeugnis  geben,  dass  er  die 
wirkliche  Verkündigung  Sakyamunis  am  verhältnismässig  reinsten  erkennen  lässl, 
A.  Lloyd.  Da  seine  Ansicht  sich  mit  der  durchgängigen  Anschauung  der  japa- 
nischen Buddhisten  deckt,  setz;  ich  sie  in  Anmerkung  hierher.  Sie  geht  dahin, 
dass  „t'ie  ^lahäyäna  is  iiol  a  Idter  productioii,  an  iDiwarraiitahk  aiij  iiiiattllioi  izcd 
developnient  of  Sakyäs  leaching,  hat  tliat  it  is  all  iiiclndcd  in  liis  original  idea,  and  is 
io  he  explained  by  Ins  li^ell-known  iiiethod  of  preaching  thc  ti-uth  to  nien.,  accordiug 
to  the  Proportion  of  thc  faith,  accordiug  as  ihey  icc/r  able  to  bcar  it.'-''  l*'ür  die  Be- 
gründung dieser  anfechtbaren  Tliese  niuss  ich  auf  I.LOVD  selbst  verweisen  [„Develop- 
ments of  Japanese  Biidd'iisnt"  in  Transactions  of  the  As.  Soc.  of  Japan,  Vol.  XXII, 
pp.  340-344).  Dass  seine  Ansicht  sich  mit  derjenigen  der  japanischen  Buddhisten 
deckt,  zeige  ein  Satz  aus  „  Outlines  of  the  Jlfahäyäna  as  taugJit  by  Bnddita.  By 
S.  KüROD.\ "  :  „  Though  these  two  doctrines  are  not  withoiit  di(ferences,  they  zvere 
bofh  taiight  by  one  Buddha,  and  are  onc  and  the  saine  in  tlicir  aiin  of  renioving  the 
dehcsions  of  nten  and  of  Icading  theni  to  the  triie  enlightennient.  They  are  nothing 
biit  different  aspects  of  the  saine  principle,  adapted  to  the  capacitics  of  converts ;  and 
thus  the  ÄlaJuiyäna  doctrine  co/nprehends  the  ivhole  of  thc  Ilinayäna."  p.  II.  \"gl. 
p.  III:  „  W'hen  it  [Buddhism]  loas  ferst  inaJe  known  to  thcni  [the  Christian   pcoplc 


120  Rclii^iösc  Ulli  sitllichc  Zmiiaidc. 

China,  wo  die  iiidisclic  Religion  etwa  seit  Anfang  der  christ- 
lichen Aera  EinL^dng  fand,  um  \o\\  da  seit  dem  Jahre  372  nach 
Korea  vorzudringen,  hatte  sich  eiulHch  für  das  ,,  grosse  Vehikel  " 
entschieden.  .\ueh  der  chinesische  Tripitaka-Kanon  zählt  daher 
nicht  weniger  als  1662  heilige  Bücher. 21)  Diese  Masse  religiöser 
Urkunden,  hundertmal  umfisscnder  als  die  Bibel  und  zu  gewaltig, 
um  in  einem  Leben  ganz  von  einem  Menschen  durchforscht  zu 
werden,  nötigte  natürlich  zum  Eklektizismus  und  musste  zu 
Lehrzersplitterung  führen.  In  einer  Vielheit  von  Schulen  brach- 
ten den  Buddhismus  folglich  nach  Ablauf  der  ersten,  koreanischen, 
Periode  des  japanischen  l^uddhismus  zuerst  chinesische  Missio- 
nare, sehr  bald  aber  auch  eingeborene  Priester  nach  ihrem 
Auslandsstudium  aus  China  nach  Japan. 

Li  sechs  verschiedenen  Hauptsekten,  die  sie  auch  mit  Namen 
aufführen  und,  wenn  auch  nur  durch  sehr  unvollkommene 
Angabe  ihrer  L'nterscheidungslehrcn  charakterisieren,  trat  die 
Lehre  des  iM'Icuchteten  im  16.  Jahrhundert  den  Jesuiten  in  Japan 
entgegen.  Die  sechs  ältesten,  zum  Teil  auf  die  Hina\'änadoktrin. 
(jap.  Shöjö)  gegründeten,  chinesischen  Sekten  :  Sanron-shür-) 
/J/i/su-shü,  Hossö-shü,  K//s/ia-shü,  A'f^on-slm  und  RiVsu-shü,  die, 
in  dieser  Reihenfolge  eingeführt,  einst  ihre  Anhänger  in  Japan 
<7ehabt,  waren  nicht  mehr  von  Bedeutung. 

Was  den  noch  vorhandenen,  bei  sonstigen  Verschieden- 
heiten in  Lehre  und  Praxis,  gemeinsam  war,  war,  wird  man  sagen 
dürfen,  dieses,  cla.ss  alle  Antwort  ;uif  eine  und  dieselbe  P^rage 
üeben  wollten,  auf  die  P"ra""e  nämlich  :  Was  muss  ich  thun,  damit 
ich  selig  werde?  Selig  werden  aber  bedeutete  ihnen  allen 
das    gleiche :    nicht,    was    es    aller  Wahrscheinlichkeit  nach  dem 


of  ihe  ^^'cst],  c'zv/i  tJic  Ilhiayäna  doctrine  of  SoiUhem  India  luas  liighly  adiiiired  by 
Iheiii.  IIo'v  iitiicli  iiioir,  thcii,  iiiiist  tlicy  not  glorify  the  7Vonderfiil  doctrine  of 
I^Iahiiydna  !  " 

21.  Siehe  Ba.NVlu  Nanjiü,  A  Calaloguc  of  tlic  Chinese  Translation  of  tlie  Bitd- 
dhist  Tripifaka,  tJic  Sacred  Canon  of  tJie  Bnddhists  in  Cliinn  and  Japan.  Ferner 
Ern-:i,,  Sanskrit-C/iinese  Dictionary  [I/andIwok  for  Sttidents  of  Chinese  Buddhisin). 

22.  .V///"/ =  Sekte. 


Religiöse  und  sittliche  Zustände.  1 2 1 

Stifter  der  Religion  war  und  dem  Hinayäna-Buddhismus  ist,  ein 
Aufgehen  im  Nichts  oder  ein  völliges  Auslöschen,  das  durch 
mönchische  Askese  und  moralische  Selbstzucht  erreicht  wird, 
sondern :  die  Buddhaschaft  erlangen  oder,  was  dasselbe  gilt, 
eingehen  in  das,  hier  positiv  gedachte,  Nirväna  (jap.  Xehan) 
und  damit  entgehen  der  durch  das  Karma  (jap.  Ingzua)  bedingten 
Samsärakette  immer  neuer  Geburten  in  mehr  oder  weniger 
leidv'olle  Existenz,  wie  dieselbe  je  nach  dem  Grad  der  sittlichen 
Entwicklung  in  der  einen  oder  andern  der  sechs  existierenden 
Welten  erfolgt, -3)  solang  nicht  die  Begierde  nach  dem  Leben 
völlig  erstickt  und  die  demselben  anhaftende  Unwissenheit  aufge- 
hoben ist. 

Was  die  sechs  Sekten  aber  von  einander  unterschied,  das  war 
hauptsächlich  die  Verschiedenheit  der  Antwort,  die  sie  auf  die 
gleiche  Frage  gaben.  Dreifach  \'erschieden  wurde  von  drei 
Hauptrichtungen  des  Buddhismus  die  7:ia  saliitis  bestimmt,  indem 
die  eine  das  Heil  auf  dem  Wege  der  Gnosis,  die  andere  in 
mystischer  Kontemplation,  die  dritte  in  der  stellvertretenden 
Leistung  eines  Mittlers  suchte. ^4) 

23.  Die  sechs  Welten  (jap.  Jiokiidö)  sind:  i.  7'in,  die  hinniilisclie  Welt,  die 
Welt  der  Götter  (entsprechend  dem  -a  E7Toopa-/'.a  im  X.  T.).  2.  Jin,  die  Welt  der 
Menschen.  3.  Shiira,  die  Welt  der  Gewalt,  d.  li.  diejenige  Gesellschaftsstufe,  wo 
unter  menschlicher  Form  die  Gewaltthätigkeit  herrscht.  4.  Caki,  die  Welt  der 
hungrigen  Teufel,  wo  man  immer  isst  und  nie  satt  werden  kann,  d.  h.  diejenigen 
Menschen,  welche  den  Teufeln  ähnlich  sich  immer  von  ihren  unersättlichen  Begierden 
herumschleppen  lassen.  5-  Chikicshd,  die  Welt  der  Tiere.  6.  Jit^okic,  die  vielfachen 
Höllen  der  buddhistischen  Lehre.  (A.  Lloyd,  BiiddJnstischc  G)uide)iiiiillcl.  Mitth. 
d.  D.  G.  f.  X.  u.  \'.  ( ).  Heft  60,  S.  458). 

24.  Für  den  japanischen  Buddhismus  kommt  an  Literatur  besonders  in  Betracht : 
A.  Lloyd,  Developntoifs  of  Japanese  Buddhism  (1'.  A.  S.  J.  Vol.  XXIL  Part  III) 
und  Dogmatische  Anthropologie  im  Buddhismus  (Mitth.  d.  D.  G.  f.  X.  u.  V.  O.  Band 
\TII,  Theil  2). — Von  Japanern  verfasste  Werke  sind:  Bu^■^■ILr  X.VNJIO,  A  Ilistoiy  of 
the  Tivelve  Japanese  Buddhist  Secls,  translated  from  the  original  Jaijanese.  1886. — 
FujlSHLMA  Ryauon,  Le  botiddhism  japonais,  doctrines  et  histoire  des  douze  grandes 
scctcs  bonddhicjues  du  Japan,  1889  (in  kürzerer  Form  zuerst  veröffentlicht  in  Xou- 
velle  Revue  1888  pp.  741-766).  Das  Buch  ist  von  demselben  japanischen  Ori- 
ginal [^Bukkyö  Jfinishü  Köyo  von  Ogurisu  KöCHö)  wie  das  vorhergehende  übersetzt, 
aber  wegen  der  Einleitung  und   Glossen   des   philosophisch   gebildeten   L'ebersetzers 


122  Religiöse  iiiid  sittliche  Zustände. 

Die  längste  Geschichte  hatte  in  Japan  die  Ziv/^^irr/- Sekte  hinter 
sich,  so  genannt  nach  einem  heiligen  Berg  in  China,  in  dessen 
berühmten!  Kloster  i^<?/r/;,},  besser  bekannt  unter  seinem  posthumen 
Namen  Dcngyö  Daishi  {dai-shi=gvoss>ir  Lehrer),  auf  kaiserlichen 
Befehl  im  Jahre  803  dahin  gesandt,  seine  Studien  machte.  Im  Jahre 
805  nach  Japan  zurückgekehrt,  begründete  er  die  Tendaischule 
im  Enryaku-ji,  dem  Tempel  auf  dem  Hiyeizan.^S)  dessen  Vorsteher 
er  war,  nicht  ohne  sie  bedeutend  zu  modifizieren.  Denn  der 
Eklektizismus,  den  er  lehrte,  umfasst  nicht  nur  die  Doktrüi  des 
/m'/c^'-Intellektualismus,  sondern  auch  die  Ah'stik  der  Shiiigon-, 
die  Meditation  der  Zen-  und  dazu  die  Moralsätze  der  AV/i'/z-Sekte, 
in  denen  er  sich '  von  hervorragenden  Patriarchen  in  China  hatte 
unterrichten  lassen.  Der  rechte  Weg  zur  Erlösung  oder  zur 
lukenntnis  der  Wahrheit  ist  nach  Deng}'ö  Wissen  und  langan- 
lialtende,  durch  innerliche  und  äusserliche  Selbstzucht  vorbereitete 
und  unterstützte  Meditation.  Die  Wahrheit  aber,  wie  sie  neben 
zwei  anderen  heiligen  Schriften  besonders  der  Sütra  Saddharma 
pmilar'ika-'^)  (jap.  Hokekyj  ,,  Lotos  des  guten  Gesetzes")  lehrt, 
ist  ein  pantheistischer  Realismus,  der  sich  in  folgender  Weise  näher 
bestimmen  läs.st :  Die  Erleuchtung  oder  das  Nirväna  ist  nicht 
Befreiung  von  irrigen   Meinungen  und  Erstickung  der  Begierden, 

lieben  diesem  von  Wert.- — Ferner :  S.  Kuroda,  Outliiies  of  tJie  IMaJiüyüim  as  taii^lit 
l>y  Buddha,  1893. — Treffliche  Slvizzen  des  japani.schen  Buddhismus  linden  sicli  in 
REii\'.s  y,//,///  und  in  Munzin(;ek'.s  Buch  „  Die  Japaner"-.  Auch  Prof.  Dr.  L.VNCU'; 
n  I3erliii  hat  eine  solche  gegeben  in  einem  in  der  Nalionalzeitung  1S96,  No.  237,- 
254  und  272  erscliienenen  und  im  12.  Jalirgang  der  Zeitscli.  f.  iNIissionsk.  u.  Reli 
gionsw.  abgedruckten  Aufsatz. 

25.  Dieser  Ijerülimte  llauptsitz  der  Tendaiselctc,  durch  welclicn  der  Grund  zu 
dem  hohen  Ansehen,  welches  der  Hiyeizan  als  heiliger  Berg  in  der  Folge  genoss,  gelegt 
wurde,  war  im  Jahre  7S8  von  Kvvamu-tennö  erbaut  worden.  Dieser  hatte  dazu 
den  höchsten  Berg  im  Nordosten  des  kaiserlichen  Schlosses  ausgewählt,  weil  nacli 
einem  Aberglauben  der  Zeit  alles  Böse  durch  das  gen  Nordosten  liegend  gedachte 
Teufelsthor  (^Ki-i)wii)  kam.  Die  Gebete  der  Klostermönclie  sollten  die  neu  ge- 
gründete Residenz  Kyoto  gegen  alles  Unheil  schirmen. 

26.  Der  Saddharma  pundarika  Sütra  ist  ins  Englische  übersetzt  von  Kj;kx 
(in  Band  XXI  der  Sacred  ßooks  of  /he  Eas(),  ins  Französische  von  BiJRXouF,  /,' 
/uius  de  la  bonne  loi. 


Religiöse  lind  sittlicJic  Zustände.  123 

sondern  vollendete  Weisheit,  die  Erkenntnis  des  ursprünglichen 
Buddha  Tathägata,  des  Prinzips  alles  Seins.  In  vielen  ]3uddhas 
der  Vergangenheit  hat  er,  die  Welt  zu  erlösen,  sich  schon 
offenbart ;  auch  der  historische  Sakyamuni  ist  nur  eine  seiner 
Manifestationen,  doch  mit  ihm  eines  Wesens.  Wer  zur  Er- 
kenntnis dieses  Buddha  durchgedrungen,  der  hat  die  Buddhaschaft, 
das  Nirväna,  die  Erlösung  vom  Leid  der  Existenz  für  seine 
eigene  Person  erreicht.  Als  Mittel,  zu  solcher  Wissenschaft  zu 
gelangen,  wird  empfohlen :  Befolgung  der  Gebote,  bestimmte 
Nahrung,  Kleidung,  Wohnung,  Freiheit  von  weltlichen  Ge- 
schäften, Tugendübung,  Abstumpfung  der  Sinne  und  Beseitigung 
von  Habgier,  Zorn,  Trägheit,  Ruhelosigkeit,  Unglauben,  kurz 
aller  Hindernisse,  Zusammennähme  aller  Kräfte,  aber  auch 
bestimmte  Körperhaltung,  Augen fixierung  und  Regulierung  des 
Atmens  zur  Unterstützung  des  Prozesses  der  Meditation.  P^nt- 
sprechend  der  Tendai-Theorie,  die  eine  Vereinigung  zweier  einander 
vollständig  entgegengesetzter  Systeme,  des  Materialismus  und 
eines  subjektiven  Idealismus  darstellt,  wird  bald  der  eine  Budda 
ewigen  Lichts  und  Lebens  als  Amida,  bald  eine  Iiinheit  dreier 
Tathägata  in  einem  Wesen,  bald  eine  Mehrheit  von  Buddhamani- 
festationen, oder  eine  Vielheit  von  Hindugottheiten,  darunter  die 
beiden  gewöhnlich  vor  den  Tempeln  Thorwache  haltenden 
Könige  Ni-ö  (Indra  und  Brahma),  ferner y/;:;i^,  Fndö,  Kicannon  und 
andere  verehrt.  Ja,  die  Zahl  der  Verehrungsobjekte  hat  auch  in 
dieser  gelehrten  Sekte  in  der  That  keine  Grenze,  seit  Kükai  oder, 
wie  er  gewöhnlich  heisst,  Kobö  DaisJii  sich  im  Bunde  mit  Dengyö 
zum  Verkündiger  der  bereits  in  der  Naraperiode  von  dem  Priester 
Gyögi  Bosatsu  aufgestellten  Lehre  machte,  dass  alle  Shintö-Kami 
zeitweilige  Buddhamanifestationen  {Gongen)  in  vergangenen  Zeiten 
gewesen  oder  mit  untergeordneten  Gottheiten  oder  den  Heiligen 
{Hoto.h)  des  indischen  Buddhismus  identisch  seien. -7)  Seitdem  ging 

27.  Eines  der  interessantesten  Beispiele  für  die  innige  Vermcnguny;  eclit  japa- 
nischer und  ausländischer  Elemente,  das  von  dem  tiefgehenden  Einflüsse  des  Bud- 
dliismus  auf  den  Shintoismus  zeugt,  findet  man  bei  P'lorknz,  Japanische  Mythologie 
S.   12S  f. 


124  Rclr^iösc  und  sittlicJic  Zustände. 

es  wie  im  Traume  dos  Pharao,  da  er  .sieben  schöne,  fette  Kühe  aus 
dem  Wasser  steigen  sah,  die  an  der  Weide  im  Grase  gingen,  nach 
diesen  aber  andere  sieben,  liässHch  und  mager,  die  neben  die  Kühe 
an  das  Ufer  am  Weisser  traten,  und  die  hässlichen  und  mageren 
frassen  che  sieben  scliönen,  fetten  Kühe.  Es  kam  zu  einem  Syn- 
kretismus der  nationalen  und  der  eingeführten  Religion,  der  aus 
djm  Buddhismus  Japans  etwas  machte,  was  ihn  für  immer  vom 
Buddhismus  des  übrigen  Asiens  unterschied,  aber  auf  der  andern 
Seite  auch  die  Kamitempel  mit  Idolen  und  indischen  Heiligen 
füllte  und  die  Shintö-Feste  inid  Zeremonien,  wie  die  ganze  Shintö- 
Religion  buddhaisierte. 

Der  Schöpfer  des  Ryöbu  S/iintD  (,,  Zweifache  Götterlehre  "), 
wie  diese  neue  Mischform  genannt  \\-urde,  ein  Zeitgenosse 
Uengyö's,  iiiit  dem  zusammen  er  in  China  war,  um  die  mystischen 
Dogmen  des  Yogasystems  zu  studieren,  wurde  auch  nach  seiner 
Ivückkehr  im  Jahre  8o5  der  Gründer  einer  pantheistischen  Sekte, 
djr  S/iiug'oii-s\m  (,,S..'kte  der  wahren  Worte"),  die  seit  812  ihren 
llanpttempel  Kongjfu-ji  auf  dem  13erge  Köya  in  der  l'rovinz  Kii 
hatte.  Im  Mittelpunkte  ihres  gnostizistischen  Lehnsystems,  das 
durchaus  mystischen  Charakter  trägt,  steht,  was  Zentrum  im 
Shintö-Pantheon  gewesen  vvar,  Amatcrasu,  nur  identifiziert  als  eine 
l^uddhainkarnation,  grösser  und  älter  als  Sakyamuni:  Daiuiclii 
Nyorai  (Skr.  Vairocana),  die  ,,  grosse  Sonne  ",  um  welche  sich 
in  der  Ideenwelt  AsJiuku  (Akshobhya),  Idöshö  (Ratnasambhava), 
Ai/iida  (Amitäbha),  und  Sakjui  (Amoghasiddhi)  wie  blosse 
Planeten  mit  ihren  Bödhisattvatrabanten  drehen.  Die  Hirlösung 
besteht  in  der  Erkenntnis  dieses  allgegenwärtigen  Prinzips  oder 
Urquells  alles  Seins  nnd  Denkens,  zu  der  man  schon  in  diesem 
«jecenwärtitren  Leib  von  Fleisch  und  Blut  durch  intellektuelle 
und  moralische  Selbstdisziplinierung  zu  gelangen  vermag.  Zu 
ihr  gelangen  heisst :  eins  mit  Buddha  werden,  frei  von  weltlichen 
Affekten,  ein  Ziel,  das,  \\\c  gesagt,  im  gegenwärtigen  Leben  schon 
erreichbar  ist.  Wer  es  erreicht  hat,  ist  verbunden,  seinen  Brüdern 
die  helfende  Hand  zu  ihrer  P^rlösung  zu  reichen. 

Eine  ganz  neue  Idee,  die  Lehre  von  dem  westlichen  Paradies, 


Rcli[s^iösc  7t nd  sittUcJic  Zustände.  1 2  5 

wurde  dem  japanischen  Buddhismus  in  der  Kamakura-Periode 
aus  dem  Mahayänasystem  (jap.  Daijo)  zugeführt  von  der  Jödo- 
shü  oder  „Sekte  des  reinen  Lands",  deren  Stifter  Gcnku,  be- 
kannter als  Hünen  Sliönin,  lu'sprünglicli  ein  Priester  der  Tendai- 
Sekte,  im  Jalire  1175  wurde.  Gestützt  auf  drei  Sütra's,  die  von 
Indien  über  Cliina  kamen,  weist  sie  den  höchsten  Platz  in  ihrer 
Theologie  Aniida  {Tathägata  Aniifdö/ta)  an.  lu'  ist  keine 
historische  Person  \\'ie  Gotama,  vielmehr  eine  blosse  Abstraktion 
ohne  eigentl'ches  Leben,  der  anfangslose  Buddha  unendlichen 
Lichts,  von  dem  alle  Buddha's  kamen.  Vor  den  Tagen  Sak}^a- 
munis  war  er  ein  Mönch.  In  einer  Reihe  heiliger  P^xistenzen 
hat  er  die  Buddhaschaft  erworben,  aber  anstatt  nun,  am  Ziel  des 
Strebens,  in  das  Nirväna  einzugehen,  schuf  er  das  ,,  reine  Land  ", 
ein  Paradies  im  Westen,  in  dem  er  Herrscher  sein  wollte,  und 
in  dem  alle,  die  in  diesem  Leben  gläubig-  ihr  Vertrauen  auf  ihn 
setzen  imd  oft  die  P\")rmel  Nanin  Aniida  Butsu  (Ich  bete  dich  an,  o 
Buddha  Amida)  wiederholen, 2^)  nach  ihrem  Tode  wiedergeboren 
werden,  um  unfehlbar  von  diesem  Paradiese  aus,  wo  ungestört 
die  PZntwicklung  zur  Reife  vor  sich  geht,  in  das  Nirväna  einzu- 
gehen. Neu  war  die  Lehre  der  Jddo-?X\y\,  die  einen  völligen 
Bruch  mit  der  buddhistischen  Scholastik  bedeutet,  insofern,  als 
sie  den  Gläubigen  nicht  mehr  die  Selbstarbeit,  die  Anstrengung 
aller  Körper-uncl  Geisteskräfte,  Beobachtung  zahlloser  Moral- 
gebote, Meditation  und  Studium  der  heiligen  Schriften  zumutete, 
welche  es  erfordert,  den  ,,  heiligen  Pfad  "  zu  gehen,  um  dem 
vorgesteckten  Ziele  der  Seligkeit  im  gegenwärtigen  Leben  und 
in  folgenden  Wiedergeburten  durch  unzählige  Kaipas  sich  müh- 
sam entgegenzuringen.  Denn  in  dieser  Welt  sich  die  Buddha- 
schaft zu  erringen  ist  nach  Hünen  dem  Geschlecht  dieser  , .letzten 
Tage  "  nicht  mehr  wie  früheren  möglich.  Der  Schwachheit  der 
menschlichen  Natur  Rechnung  tragend  hat  Amida  gleichsam 
eine  iZo.ryrj  oui.drf/.r^  aufgerichtet,  nach  welcher  er  selbst,  stell- 
vertretend für  die  Gläubigen  einzutreten,  ins  Pleisch  kam,  um  ein 


28.     Der  Slifter  die.ser  Sekte  .soll  diese  Formel  täglich  60.000    mal    wiederholt 
haben. 


1 26  Rclig-iösc  und  sittticJtc  Ziistäiidc. 

rettender  Buddha  zu  werden.  Das  Seligwerden  wurde  unver- 
gleichlich leichter  gemacht  durch  diese  Lehre.  Denn  Hcils- 
bedingung  galt  allein  der  Glaube  (ohne  Werke)  und  gläubiges 
Gebet.  ,,  Werfet  euer  Vertrauen  nicht  weg,  welches  eine  grosse 
Belohnung  hat !  "  das  ist  die  stete  Vermahnung  dieser  Sekte, 
und  ,,  Sehet  nur,  die  Gnadenpforte  {tariJd  vwn  im  Gegensatz 
zu  jiriki,  eigene  Kraft)  ist  hier  völlig  aufgethan "  ihr  Evan- 
gelium. Und  wo  des  Glaubens  Lohn  ein  unmittelbar  nach 
dem  Tode  zu  gewärtigendes  Paradies  war,  dessen  glückvolle 
Gefilde  die  Phantasie  sich  nach  Gefallen  ausmalen  konnte,  und 
nach  dieser  Paradiesesseligkeit,  wenn  auch  erst  nach  Ablauf  von 
Aeonen,  das  Nirväna,  wer  hätte  da  nicht  gerne  glauben  sollen, 
und  wer  nicht  gerne  das  wenig  Synergismus  leisten,  das  im 
fleissigen,  als  verdienstliches  Werk  betrachteten  Gebrauche  der 
Gebetsformel  bestand  ?  Es  waren  besonders  die  ungebildeten 
Klassen,  die  in  Scharen  dieser  neuen  Predigt  zuströmten. 

Dieser  Sekte  des  reinen  Landes  folgte  zeitlich  eine  andere, 
quietistische,  deren  Anhänger  man  die  Quäker  des  japanischen 
Buddhismus  genannt  hat.  In  der  Form,  in  der  sie,  im  Jahre 
513  n.  Chr.  in  Indien  gegründet,  von  dem  Priester  Eis.ii  nach 
seiner  zweiten  Rückkehr  aus  China  im  Jahre  1191  nach  Japan 
verpflanzt  wurde,  d.  h.  in  der  7?//Ac<^/-Schule,  bezeichnet  die  Zcn- 
Sekte  als  den  Weg  zur  Seligkeit  ausschliesslich  individuelle 
Kontemplation  im  Gegensatz  zum  Studium  der  in  den  Sütra's 
niedergelegten  Tradition  mit  ihren  84.000  verschiedenen  Lehren, 
und  in  keiner  Sekte  ist  der  Kontemplationsstuhl  ein  mehr  ge- 
gebrauchtes Geräte  als  in  ihr.  In  der  Form  freilich,  die  die 
Zr/z-shü  in  der  anderen,  auf  Gelehrsamkeit  Gewicht  legenden  Sdtö- 
Schule,  die  1227  von  /^^^i^-^v/ eingeführt  wurde,  angenommen,  gelten 
Beschauung  und  Studium  zusammen  als  die  Mittel,  ins  Innere 
der  Natur  zu  dringen,  und  zugleich  wird  nachdrücklich  auf  die 
strikte  Befolgung  der  Gebote  gedrungen  als  Bedingung  zur 
Erlangung  der  Buddhasch.afl:.  Zu  dem  Schau  in  dich !  fügt 
sie  das  Schau  um  dich  !  und  Schau  auf  dich !  Die  Haupt- 
schrift ist  dieser  Sekte  die   Sltin-kyd  (Herzsütra),   die  jedoch,  wie 


Religiöse  und  sittliehe  Zustände.  127 

andere,  nur  gelesen  wird,  um  das  Verständnis  soweit  zu  fiihren, 
dass  es  fähig  wird,  die  Wahrheit  zu  erfassen.  Ihre  Hauptlclire 
ist  die  von  der  NichtreaHtät  aller  Erscheinungen ;  Geburt  und 
Tod,  Freude  und  Leid,  Weisheit  und  Thorheit  sind  nichts  als 
Schein  und  Sinnentrug.  Ihre  Stimniung  ist  die  Resignation  der 
Weise  : 

,,  Ist  einer  Welt  Besitz  für  dich  zerronnen. 

Sei  nicht  in  Leid  darüber ;  es  ist  nichts. 

Und  hast  du  einer  Welt  Besitz  gewonnen, 

Sei  nicht  erfreut  darüber ;  es  ist  nichts. 

Vorüber  gehn  die  Schmerzen  und  die  Wonnen  ; 

Geh'  an  der  Welt  vorüber  ;  es  ist  nichts  ", 
eine  Stimmung,  die  ihren  unübertroffenen  künstlerischen  Ausdruck 
in  der  um  1250  aus  Kupferbronze  gefertigten  Riesenstatue  Amidas 
in  Kamakura,  dem  Daibutsu,  gefunden  hat.  In  die  Kamakura- 
periode  fällt  die  Hauptblüte  der  .Ztv^-Sekte,  deren  Anhänger  sich 
besonders  aus  der  Samuraiklasse  rekrutierten.  ]\Iit  der  von  ihr 
auf  dem  W^ege  der  Meditation  angestrebten  und  von  ihren  in 
selbsterwählter  Armut  lebenden  und  soldatisch  geraden  Mönchen 
an  den  Tag  gelegten  Gleichmütigkeit,  die  allen  Wechselfällen  des 
Schicksals  sich  als  einem  Unv^ermeidlichen  beugte  und  in  jeder 
Lage  Geistesgegenwart  bewahrte,  war  sie  für  den  Kriegerstand 
jener  Zeit  Avie  geschaffen ;  und  in  ihrer  Schule  hauptsächlich 
haben  die  japanischen  Samurai  jene  Festigkeit  und  Selbstbeherr- 
schung gelernt,  die  es  eines  rechten  Mannes  unwürdig  hielt, 
Freude  oder  Schmerz  zu  äussern,  die  sie  das  Leben  so  gering 
werten  und  den  Tod  verachten  Hess. 

Auch  die  Mönche  der  Zen-shü  waren  i\sketen,  wenn  sie  avich, 
besonnener  als  andere,  mehr  Mass  in  derselben  hielten.  Alle 
Sekten,  die  bis  dahin  in  Japan  vertreten  waren,  hielten  strikte  auf 
Ehelosigkeit  der  Priester  und  auf  Enthaltung  von  berauschenden 
Getränken  und  Fleischkost.  Und  wenn  diese  mönchischen  Forde- 
rungen auch  in  der  Praxis  vielfach  übertreten  wurden,  in  der  Theorie 
standen  sie  fest.  Der  erste,  der  den  Mut  hatte,  offen  mit  ihnen  zu 
brechen,  war  Shinran.     Die  neue  Sekte,  die  ihn  als  ihren  Stifter 


T2.S  Rrügüisc  und silliicJic  Zustände. 

ehrt,  ist  die  .Sy////-.slui,  auch  Monto-odcr  //-/{v-Sckte  genannt.  Der 
Jödo-Sektc,  aus  der  ihr  Gründer  hervorging,  sehr  nahe  verwandt, 
nennt  sie  sich  auch  Jödo  SJän-sXvix,  ,,  die  wahre  Sekte  des  reinen 
Landes. "29)  Shaka  ist  ihr  gleich  allen  Buddhas,  die  ihm  vorauf- 
gegangen, nur  eine  zeitliche  Erscheinungsform  von  Aniida,  der 
sich  aus  Liel)e  zu  den  Menschen,  die  sonst  von  seinem  gütigen 
Willen  sie  zu  retten  nicht  wissen  könnten,  von  Zeit  zu  Zeit  auf 
Erden  manifestiert.  Was  die  .S////^shü  von  der  älteren  Jödo-'Awy 
unterscheidet,  ist,  dass  sie  noch  viel  nachdrücklicher,  mit  Verwer- 
fung alles  S\'nergismus  und  Vertrauens  auf  eigene  Vernunft  oder 
Kraft,  das  solafidc  3o)  betont,  die  Verehrung  und  Anrufung  anderer 
Gölter  illotokc),  ohne  sie  zu  leugnen,  streng  verbietet  und  selbst 
das  Anrufen  des  Namens  Amidas,  das  in  der  Jödo-sXm  so  grosse 
Bedeutung  hat,  nur  als  Aeusserung  des  Dankes  für  seine  Gnade 
gelten  lässt  und  auf  Bitten  um  geistliche  Güter  beschränkt. 
Nicht  nur  Amulette  und  dergleichen,  auch  Bussen,  Plasten, 
Wallfahrten,  Mönchtum,  Ehelosigkeit  und  alle  anderen  Arten 
von  Askese  werden  verworfen.  Auch  gute  W'erke  helfen  nicht 
zur  Seligkeit;  sie  sind  nur  ein  Beweis  und  Erucht  des  Glaubens. 
Aus  Dankbarkeit  für  Amidas  Barmherzigkeit  Icann  der  Gläubige 
nicht  anders  als  alle  Gebote  erfüllen.  Die  Seligkeit  aber  ist  nicht 
erst  mit  dem  Eintritt  des  Todes  zu  erw^arten,  wie  die  JödoSc\<.te 
lehrt,  wo  Amida  dann  zu  dem  an  ihn  Glaubenden  komme  und 
er  zu  ihm,  sondern  sie  ist  gegenwärtig.  Wer  an  ihn  glaubt, 
kann  seiner  Einwohnung    sich    getrosten.     Und    dieses    Heil    ist 

29.  Eine  Skizze  der  Geschichte  dieser  Sekte  von  der  Feder  Bunyiu  Nanjio's 
findet  sich  in  Anecdota  Oxoniensia,  Aryan  Series,  Buddhist  Texts  froni  Japan. 
Voh  I.  Part  ir,  herausg.  von  Max  Mc'ET.ler. — Zur  Lehre  siehe  James  Troi;p,  On 
the  71'iiefs  of  tlie  .SliiJis/iiu  or  „  Tnie  .SW/''  of  Bnddhists.  T.  A.  S.  J.  Voh  XR'. 
Part  I,  und  ebenda  \'o\.  XVIII.  Part  I:  James  Trolt,  7'Jie  Gohnnsho  or  Ofumi,  of 
Koniyo  S/nvii/i :  sowie  J.  M.  James,  A  Discourse  oii  Iiifimtc  Vision.  T.  A.  S.  J. 
\(.l.   \'III.   Part   IV. 

30.  iJcr  Name  Ikko  ,,ganz,  V(")]lig"  wird  daraus  erklärt,  dass  die  (Iläubigen 
ihr  N'ertrauen  rinzi:^  auf  .Vniida  Puihlha  setzen.  In  Wirklichkeit  wird  die  Sekte 
so  genannt,  weil  ein  Te.xl  in  ihrem  Ilauptbuche,  .Murioju  Kyö,  mit  diesem  Worte 
beginnt. 


Religiöse  und  sittlicJie  Zustände.  1 29 

gleicherweise  für  alle  da,  die  da  aufrichtig  glauben,  für  die 
Frauen  ebenso  wie  für  die  Männer,  wie  sündig  auch  ihr  Karma 
sei,  für  Laien  ebenso  wie  für  Priester,  für  die  es  auch  nicht  eine 
höhere  Sittlichkeit  gibt.  Die  Stellung  der  letzteren  ist  überhaupt 
eine  ganz  andere  als  in  den  übrigen  Sekten  ;  sie  sind  nicht  eine 
Bruderschaft  von  solchen,  die  auf  ausserordentliche  Weise  nach 
Vollkommenheit  streben,  sondern  Lehrer  der  Laien,  kleiden  sich 
wie  diese  und  leben  in  der  Ehe  wie  ihr  Stifter  Shinran,  der  damit 
einen  Schritt  that,  der  dem  Buddhismus  ebenso  neu  war,  wie 
Luthers  Vermählung  mit  Katharina  von  Bora  dem  Kirchentum 
seiner  Zeit. 

Schon  Franz  Xavier  erkannte  in  der  Lehre  Shinrans,  die 
mit  ihrer  Verwerfung  der  Erlösung  durch  eigene  Kraft  das 
gerade  Gegenteil  der  Lehre  des  Stifters  der  buddhistischen  Reli- 
gion und  der  meisten  übrigen  Sekten  predigt  und  beinahe  dem 
Apostel  Paulus  näher  als  dem  Weisen  Gotama  steht,30  nicht 
wenige  Züge  der  ,,  Ketzerei "  wieder,  in  deren  Bann  er  als 
Studierender  in  Paris  einst  zu  geraten  in  Gefahr  gewesen  war.  In 
ihrem  Zurückgehen  über  den  Stifter  der  buddhistischen  Kirche  zu 
Amida  Butsu  und  mit  ihrer  Losung  ,,  Gebt  ihm  allein  die  P^hre !" 
war  sie  wohl  konsequenter  noch  und  radikaler  als  der  Prote- 
stantismus der  deutschen  Reformation.  „  Es  zeigt  sich  hier  die 
merkwürdige  Erscheinung,  dass  die  ursprünglich  atheistisch  zu 
nennende  Lehre  durch  den  Polytheismus  zum  Monotheismus 
durchgedrungen  ist.  Aber  es  ist  festzuhalten,  dass  Amida  sich 
wesentlich  vom  Gotte  des  Alten  Testamentes  unterscheidet,  denn 
er  wird  im  Bilde  verehrt,  er  ist  nicht  der  Schöpfer  und  Er- 
halter der  Welt ;  er  ist  nicht  ewig,  denn  es  hat  eine  Zeit 
gegeben,  wo  er  noch  nicht  Buddha  war ;  er  ist  nicht  all- 
mächtig, er  lenkt  nich;  die  Geschichte  der  Menschen  auf  die- 
ser Welt  und  straft  nicht  die  Sünden  ;  nur  in  der  grossen  Liebe 
und  dem  Erbarmen  zu  den  Menschen  und   dem   Wunsche,    dass 

31.  Chamberlaix  :  At  firsf  sv:^ht,  one  would  iiiiaghie  the  Silin  sect  to  be  a 
travesty  of  Cluistianity  rathcr  lluvi  a  developinent  of  Biiddhism.  ( Things  Japanese, 
Artikel  „  Buddliism  ") 


130  Religiöse  und  sift/ic/ie  Zustände. 

alle  gerettet  werden  mögen,  ]<omnit  er  der  Gottesidee  am 
nächsten.  "32) 

Hat  so  der  Protestantismus  sein  Gegenstück  im  Kirchen- 
tum  des  japanischen  Buddhismus,  so  fehlt  ein  solches  auch  dem 
Katholizismus  nicht.  Der  Gründer  dieser  Sekte,  der  Hokke-shxx, 
deren  Hauptquartier  der  berühmte  Tempel  Minobu-san  in  der 
Provinz  Kai  (Köshü)  war,  ist  NicJiiren,  ein  Priester  der  Shingon-shü. 
Ihn  Hessen  Shinrans  Lorbeeren  nicht  schlafen,  oder  richtiger 
wohl,  der  lüfer  um  den  Meister,  den  Shinran  aus  seiner-eigenen 
Kirche  verdrängt,  frass  an  seinem  Herzen.  Ein  Reformator 
wollte  er  den  Tempel  Shakas  reinigen  von  allem,  was  andere 
hineingetragen,  und  sein  Schiboleth  war  die  Gebetsformel  Namu 
inyo  hörenge  kyd,  ,,  Verehrung  dem  Sütra  von  dem  wundervollen 
Gesetz  der  Lotusblume ",  und  seine  Bibel  das  Buch  Hoke-kyö 
(Saddharma  pundarika),  dessen  Wort,  von  dem  Propheten  voll 
von  Flammeneifer  mit  ganz  anderer  Gewalt  als  von  den  Tendai- 
priestern  gepredigt  und  ausgelegt,  ein  Hammer  wurde,  der  die 
Felsen  zerschmeisset.  Die  Amidadiener,  so  dekretierte  er,  sind 
der  Hölle  verfallen,  die  Jünger  der  Zensekte  sind  Teufel,  der 
Shingon-shü  anhangen  heisst  den  Staat  zerstören,  und  ein  Verräter 
ist,  wer  an  die  Ritsulehre  glaubt. 

Fanatikerin  der  Orthodoxie,  bigott  und — darin  sich  von 
allen  anderen  Buddhisten  unterscheidend — unduldsam  gegen 
Andersdenkende  ist  auch  Nichirens  Mönchsjüngerschaft.  Shin- 
ran hatte  den  Bilderdienst  verworfen  und,  wie  Luther,  ohne 
es  zu  wollen,  *,  von  dem  Bilderstürmer  Karlstadt  gefolgt  war, 
puritanische  Geister  gerufen,  die  die  bis  dahin  verehrten  Idole 
aus  den  Tempeln  schleiften.  Anders  stand  zum  Bilderkult, 
entsprechend  dem  panthcistischcn  Realismus  ihrer  Lehre,  die 
Sekte  Nichirens.  Keine  andere  kennt  mehr  Heilige  und  mehr 
Idole,  nicht  nur  aus  der  Menschen-,  auch  aus  der  Tierwelt,  als  sie. 
Der  Stifter  selber,  angesehen  als  eine  Buddhainkarnation,  ist 
seiner  Gemeinde    ein    Gegenstand    der   Verehrung,    und    so    das 

32.     L.A.NGE  a.  a.  O. 


Religiöse  wid  sittliche  Ziiständc.  131 

von  ihm  über  alle  anderen  Schriften  des  Kanons  gestellte  Buch 
der  Lehre.  Aber  im  Mittelpunkte  steht  ihr  der  Buddha,  freilich 
auch  nicht  der  historische,  sondern  der  personifizierte  Urbuddha, 
Honshi  Shakainiiiiibntsn.  Er  ist  der  Grund  der  gesamten 
Erscheinungswelt,  auch  aller  Buddhas,  die  je  erschienen,  der 
einzige  feste  Pol  in  der  Erscheinungen  Flucht  und  dem  gesamten 
Weltall  innewohnend.  Seine  Erkenntnis  aber  oder  das  Heil,  die 
einzige  wahre  Lehre,  die  höchste,  die  auch  Shaka  verkündigt 
hat,  ist  nirgends,  im  grossen  Fahrzeug  ebenso  wenig  wie  im 
kleinen,  zu  finden,  ausser  in  dem  ,,  einen  ",  wie  es  im  Hoke-kyö 
geschrieben  steht  und  in  der  alleinseligmachenden  Nichirenge- 
meinde  verkündet  wird.  Und  in  ihr  wieder  steht  dem  Himmel 
näher  als  alle  anderen  der  Mönch  mit  seiner  höheren  Sittlichkeit. 

Man  sieht :  wie  jeder  neue  Mönchsorden  des  euroi^äischen 
Mittelalters,  so  ist  jede  neue  Sektenstiftung  im  japanischen 
Buddhismus  ein  Reformationsversuch,  der  die  Bildung  einer 
ecclesiola  in  ccclcsia  zur  Folge  hat.  Wie  die  Pharisäer  zur  Zeit  Jesu 
machte  man,  ausser  stände,  das  Joch  des  ganzen  Gesetzes  zu 
tragen,  eine  Scheidung  zwischen  gros.sen  und  kleinen  Geboten. 
Jede  der  nacheinander  auftretenden  Sekten  wählte  sich  aus  der 
ungeheueren  Masse  der  kanonischen  Literatur  ein  Buch  oder 
einige  wenige  Bücher  aus,  in  denen  vermeintlich  die  tiefste 
Offenbarung  des  Erleuchteten  niedergelegt  ist,  wie  er  sie  in 
einer  gewissen  Periode  seines  Lebens  und  an  einem  gewissen 
Orte  verkündigt  hat.  Und  dieses  besondere  Buch  oder  diese 
enge  Auswahl  von  einigen  wenigen  Büchern  ist  der  Kanon, 
nach  dem  die  ganze  übrige  Schrift,  die  über  demselben  nicht 
bei  Seite  gelassen,  sondern  ihm  nur  untergeordnet  wird,  sich 
muss  erklären  lassen. 

Es  konnte  nicht  ausbleiben,  dass  es  zwischen  den  philo- 
sophisch gebildeten  Anhängern  der  verschiedenen  Schulen  häufig 
zu  Zänkereien  kam.  Am  feindseligsten  standen  sich  die  Priester 
der  beiden  zuletzt  im  dreizehnten  Jahrhundert,  der  Blütezeit  des 
Buddhismus,  auf  japanischem  Boden  selbst  entstandenen  Sekten, 
der  Shin-shü  und  Nichiren-shG,  einander  gegenüber, — die  Priester, 


132  Religiöse  lind  sittliehe  Zustände. 

nicht    das    von     Rcligionsfanatismus     im    allgemeinen     entfernte 
Volk. 

Der  Buddhismus  der  Masse  war  durciigängig  nichts  als  ein 
mit  Aberglauben  aller  Art  gepaarter  grober  Götzendienst,  eine 
polytheistische  Religion,  deren  in  Holz  oder  Stein  imd  in  Bronze 
abgebildete  Götter  vollendete  Heilige,  besonders  die  Gründer  der 
Einzelsekten,  und  daneben  die  altnationalen  Kami,  nur  meist  unter 
anderen  Namen,  waren.  Die  metaphysischen  Spekulationen  der 
einander  bekämpfenden  Schulen,  viel  zu  abstrus  und  schwerv^cr- 
ständlich  für  das  unwissende  Volk,  waren  diesem  so  gut  wie  un- 
bekannt. Die  Gläubifren  wurden  belehrt,  dass  sie  durch  einmaliges 
Umdrehen  der  um  eine  Axe  drehbaren  heiligen  Bibliotheken  sich 
das  gleiche  religiöse  Verdienst  erwerben  könnten,  als  wenn  sie 
sich  durch  die  in  jeder  derselben  aufbewahrten  67 11  Bände  vom 
ersten  bis  zum  letzten  hindurchläsen.  Natürlich  Hessen  die  also 
Belehrten  sich  an  der  leichteren  Mühe  der  ensteren  Frömmig- 
keitsübung genügen,  dies  um  so  mehr,  als  sie  gar  nicht  im  stände 
gewesen  wären,  die  heiligen  Handschriften  und  Drucke  zu  lesen. 
Denn  der  japanische  Klerus  hat  es  nie  für  nötig  gehalten,  den 
buddhistischen  Kanon  in  die  Landessprache  zu  übersetzen,  um 
den  Erleuchteten  ,, japanisch"  zum  Volke  reden  zu  lassen.  Es 
waren  auch  nur  die  Priester  der  Shinsekte,  die  ihre  Lehren  der 
Masse  in  populären  Schriften  nahe  zu  bringen  suchten.  So  war 
im  allgemeinen  der  religiöse  Volksunterricht  auf  die  mündliche 
Verkündigung  der  Priester  beschränkt.  Jede  Sekte  besass,  meist 
in  oder  bei  Kyoto,  einen  grossen  Haupttempel  {Jionzaii)  mit 
dem  geistlichen  Oberhaupt  nebst  Diözesantempeln  {cliü-hon.zaii), 
und  unter  diesen  Distriktstempel  (/eiiiiimi-dera.),  denen  die 
Tempel  und  Priester  der  Sekte  durch  alle  Provinzen  des 
Reiches  unter.stellt  waren.  Jeder  Japaner  leistete  seinen  Beitrag 
zur  Unterhaltung  des  Tempels  seines  Sprengeis  {danna-derd),  in 
dessen  Register  {shuinon-cJid)  sein  Name  eingetragen  war.33)     In 


■^T,.     Siehe  J.  H.  Wigmore,  Materials  for  the    Shidy  0/  Private    Law    in    0hl 
Jaj>an.  T.  A.  S.  J.  Vol.  XX.  Suppl.  Part  I.  pp.  63  fT. 


Religiöse  und  sittliche  Zustände.  1 3  3 

diesen  Tempeln  hielten  die  Priester,  die  in  Wirklichkeit  auch  die 
einzicren  Lehrer  des  cremeinen  Mannes  waren  und  im  Gemeinde- 
und  Familienleben  bei  allen  wichtigeren  Anlässen,  wie  Geburt 
und  Tod,  bei  Orts-und  Nationalfesten,  eine  wichtige  Rolle  spielten, 
öfter  oder  seltener  Predigten  Rir  die  Laien.  Aber  auch  diese 
Vorträge  gingen  nicht  auf  die  Lehrsubtilitäten  der  Sekten  ein, 
sondern  schärften  in  der  Hauptsache  nur  die  fünf  Plauptverbote 
{gokai)  des  Buddhismus  ein  (i.  kein  lebendes  Wesen  töten  ;  2.  nicht 
stehlen;  3.  nicht  der  Unzucht  frönen;  4.  nicht  lügen;  5.  keine 
berauschenden  Getränke  trinken)  und  malten,  oft  unter  Zuhilfenah- 
me bildlicher  Illustrationen,  in  grellen  Farben  die  Schrecken  der 
Hölle  aus,  die  denen  drohten,  welche  diese  Verbote  missachteten. 34) 
Von  der  Lehre  von  der  Seelenwanderung  war  wenig  die  Rede, 
und  an  die  Stelle  des  fernen  Ziels  Nirväna  trat  in  der  vulgären 
Verkündigung  zumeist  die  Himmelsseligkeit  im  Paradies  des 
Westens.  Ihre  Erlangung  wurde  an  die  Erfüllung  der  zehn 
Tugendakte  {j'ü  ccii)  geknüpft,  die  aus  den  fünf  Verboten  ab- 
geleitet wurden:  i.  statt  Tötens  Erweisung  höchstmöglicher 
Freundlichkeit;  2.  anstatt  Dieberei  Freigebigkeit;  3.  Keuschheit 
an  Stelle  blosser  Enthaltung  von  Unzucht ;  4.  Wahrhaftigkeit 
statt  Unterlassung  von  Lug  und  Trug;  5.  alles  zum  Besten 
kehren  ;  6.  Vermeidung  schandbarer  W^orte  und  Gebrauch  edler 
Rede ;  7.  ehrliche  Sprache  im  Gegensatz  zu  Falschheit  und 
Uebertreibung ;  8.  Bekämpfung  unreiner  Gedanken ;  9.  Barm- 
herzigkeit und  Langmut  statt  Zorn ;  10.  Pflege  reinen  Willens 
als  Erfüllung  aller  dieser  Gebote.  Wenn  Moralgebote  wie  diese, 
die  nicht  nur  die  groben  Sünden  streng  verboten,  sondern  auf 
Reinheit  des  Herzens  dringen,  ein  gutes  Vorurteil  fi^ir  die  Predigt 
der  Bonzen  erwecken  könnten,  so  ändert  sich  dies  Urteil  alsbald, 

34.  Näheres  über  die  buddhistische  Lehre  von  Himmel  mid  Hölle  bietet 
Spinner,  Zur  buddhistischen  Eschatologie  (Zeitschrift  für  j^lissionskunde  und  Religions- 
wissenschaft, XIV.  Jahrg.  1899,  S.  193-204)  nach  einem  der  populärsten,  bis  jetzt 
in  eine  europäische  Sprache  noch  nicht  übersetzten  Werke,  das  sich  in  seiner 
japanischen,  von  einem  (nicht  genannten)  Tendaipriester  stammenden  Redaktion 
Ojoyoshiu  nennt. 


134  Religiöse  und  sittliche  Zustände. 

wenn  man  hört,  dass  die  Priester  selbst  erklärten,  es  sei  ver- 
gebliches Bemühen,  im  bürgerlichen  und  im  Familienleben  solchen 
strengen  Forderungen  der  Religion  gerecht  zu.  werden  ;  nur  sie 
selbst,  die  der  Welt  entsagt  und  sich  ganz  dem  geistlichen  Leben 
gewidmet  hätten,  seien  dazu  im  stände ;  durch  das  Uebermass 
ihrer  Vollkommenheit  nähmen  sie  aber  auch  die  Sünden  der 
Weltkinder  auf  sich,  sofern  diese  nur  durch  reichliche  Gaben  für 
sie  sorgten  und  sie  von  der  irdischen  Not  befreiten.  Auch  für  die 
Seelen  der  Abgestorttenen,  die  in  den  Purgatorien  schmaclvteten, 
müsste  gesteuert  werden.  Nur  durch  Geldspenden  ist  das  Heil 
zu  erlangen  ;  den  Armen,  die  nichts  geben  können,  sich 
die  Interzession  der  Priester  zu  sichern,  ist  das  Hinmielreich 
unbedingt  verschlossen ;  den  Frauen  ist  es  ungleich  schwerer 
zugänglich  als  den  Männern,  da  sie  von  Natur  mit  allen  Sünden 
behaftet  sind.  Ihre  Gaben  müssen  daher,  wenn  sie  Erlösung 
hoffen  wollen,  ungleich  reicher  sein.  Gegen  Geld  konnten  die 
Laien  das  Gebet  der  Bonzen  zu  den  Hotokc  in  allen  Nöten  des 
Lebens  haben  ;  gegen  Geld  erhielten  sie  Ablasskarten,  sogenannte 
Oßida,  durch  deren  Erstehung  verbunden  mit  einer  Gebetsleistung 
sie  der  üblen  Folgen  begangener  Missethaten  quitt  wurden. 
Aber  auch  als  Mittel  gegen  Krankheiten  aller  Art,  gegen  böse 
Geister  u.  dgl.  wurden  dem  Volke  solche  Ofuda,  Amulette, 
heiliges  Wasser,  heiliger  Sand,  selbst  papierene,  mit  heiligen 
Bonjischriftzeichen  bedruckte  Totenhemden  angepriesen  und 
verkauft. 

Man  sieht,  die,  überdies  vielfach  in  frivolen  Unglauben 
versunkenen,  habgierigen  Bonzen  verstanden  es  trefflich,  die 
Ignoranz  des  leicht  zu  bethörenden,  weil  abergläubischen 
Volkes  zu  ihrem  Vorteile  auszubeuten,  woflir  auch  die  unzähli- 
gen milden  Stiftungen  und  der  enorme  steuerfreie  Grundbesitz 
der  Klöster,  Jiden  genannt,  ja  schon  die  grosse  Menge  der 
Priester  zeugen.  Die  geistig  Ueberlegenen  blieben  sie  der 
grossen  Masse  des  Volkes  gegenüber  eben  doch,  auch  wenn  sie 
selbst  zum  grossen  Teile  die  Spekulationen  ihrer  Sekten  nicht 
mehr  verstanden,  ja  nicht  einmal  mehr  die  Schriften  lesen  konnten, 


Religiöse  imd  sittliche  Zustände.  135 

und  darum  in  Aeusserlichkeiten  und  religiösen  Observanzen  auf- 
gingen. Wohl  fehlte  es  nicht  ganz  an  Ausnahmen.  Es  gab 
auch  noch  redliche  Denker  unter  den  Priestern.  Besonders  die 
RinzaiV\.ös\.Q.r  in  Kyoto  waren  Pflegestätten  der  W'issenschaft  und 
feineren  Bildung  in  einer  Zeit,  wo  die  Samurai,  einst  Literaten 
und  Krieger^in  einer  Person,  alle  Wissenschaft  v^ollständig  ver- 
lernt hatten,  und  buddhistischen  Geistlichen  ist  es  zu  danken, 
wenn  gelehrte  Bildung  sich  auch  durch  die  dunkelste  Periode 
der  japanischen  Geschichte  hindurch  erhielt.  Auch  die  theologi- 
schen Disputationen,  wenngleich  es  sich  bei  ihnen  zumeist  mehr 
um  Spitzfindigkeiten,  Paradoxen,  und  um  dialektische  Künste  der 
Rede-und  Schlagfertigkeit  als  um  ^Erforschung  der  Wahrheit 
handelte,  sind  ein  Zeugnis  dafür,  dass  die  Priesterschaft  nicht 
samt  und  sonders  in  Unwissenheit  versunken  war.  Aber  die  grosse 
Mehrzahl  der  Bonzen  erhob  sich  nicht  viel  über  das  allgemeine 
Bildungsniveau  der  Menge,  vor  der  sie  sich  hauptsächlich  nur 
durch  grössere  Schlauheit  auszeichneten,  wenn  es  sich  darum 
handelte,  sie  unter  frommen  Vorwänden  auszubeuten. 

Aber  eben  weil  sie  das  Volk  so  am  Gängelbande  zu  halten 
verstanden  und  ebenso  sehr  vielleicht,  weil  sie  durch  Rauchwerk, 
kostbare  Gewänder,  pompöse  Aufzüge  auf  die  Sinnlichkeit  der 
Laien  wirkten,  standen  sie  bei  diesen  in  hohem  Ansehen,  dies 
trotz  der  rohen  Sittenlosigkeit  der  grossen  Mehrzahl.  Nicht 
nur  die  höhere  Moral  der  Mahäyänalehre,  auf  die  der  japanische 
Buddhismus  sich  der  niedrigeren  der  Hinayänaethik  gegenüber 
so  viel  zu  gute  that,  auch  die  der  letzteren,  nach  der  die  voll- 
kommene Tugend  nur  in  Abwesenheit  von  vier  Dingen  besteht, 
im  sich  ferne  halten  von  Frauen,  den  Palästen  der  Könige,  von 
schönen  Sachen  und  von  Reichtum,  war  ihnen  völlig  abhanden 
gekommen.  Die  Jesuiten  können  sich  nicht  genug  thun 
im  Beschreiben  ihrer  Völlerei  und  ihres  Lasterlebens,  besonders 
ihres  ausgelassenen  Geschlechtsverkehrs  mit  dem  weiblichen 
Geschlechte,  auch  den  Nonnen,  sowie  des  unter  ihnen  auffal- 
lend gemeinen  Lasters  der  Päderastie,  und  Volkssprichwörter  wie 
2.  B.  Hokke  ga  hotoke  ni  narcba,  ushi  110  knso  ga  iniso  ni  naru, 


1 36  Religiöse  und  sittliche  Zustände. 

,,  wenn  ein  Ilükkcpricstcr  zum  Buddha  wird,  so  wird  Ochsenmist 
zu  uiiso  (Bohnensauce)  "  bekunden  wohl  besser  als  irgend  welches 
andere  Zeugnis,  dass  die  fremden  Beobachter  nicht  zu  schwarz 
malten.  Es  waren  auch  durchaus  nicht  etwa  nur  die  Priester  der 
Nichirensekte,  auf  welche  dieses  Wort  zunächst  geht,  die  in  so 
schlechtem  Rufe  standen.  Auch  in  sittlicher  Beziehung  fehlte 
es  natürlich  nicht  an  rühmlichen  Ausnahmen,  besonders  unter 
den  Mönchen  der  ^cv/sekten,  wenn  gleich  ihre  ernste  Sittlichkeit 
hinwiederum  sich  oft  in  Auswüchsen  unnatürlicher  Askese 
äusserte.  Aber  gerade  solche  Uebungen,  wie  \\enn  z.  B.  ein 
Mönch  Jahre  lang  an  einer  Stelle  verharrend  ein  Dogma  durch- 
dachte, verfehlten  nicht,  das  Ansehen  des  ganzen  geistlichen 
Standes  zu  heben. 

Ja,  die  Bonzen  waren  nicht  nur  beim  Volke  geehrt,  sondern 
auch  von  den  Grossen  gefürchtet.  Mit  ihrer  sittlichen  Korruption 
war  ihr  hochfahrender  Sinn  und  ihre  Arroganz  gewachsen.  Al- 
lerlei Elemente  waren  in  ihren  Reihen  zu  finden.  Die  Geistlichen, 
keiner  der  vier  sozialen  Klassen  zugehörig,  galten  als  ausser- 
weltlich.  Jeder  Verbrecher  konnte  sich  der  Bestrafung  entziehen, 
wenn  er  das  Haupt  sich  .scheren  Hess.  Ueber  andere  wurde  das 
Mönchtum  als  Strafe  verhängt.  Und  wie  im  europäischen  Mit- 
telalter traten  Mitglieder  höherer  Familien  oder  unglückliche 
Fürsten,  ja  selbst  Shögune  und  Kaiser  in  die  Klöster  ein,  die 
so  bald  ein  Heer  von  Halbpriestern  füllte,  flu-  die  Tonsur  und 
Kutte  nichts  als  eine  Verkleidung  war,  und  die  Weltsinn  und 
Ueppigkeit  mit  sich  brachten.  ,,  Die  buddhistische  Priester- 
schaft  war  der  hohen  Aufgabe,  ....  welche  ihr  Siddhärta 
einst  zugedacht  hatte,  längst  entfremdet.  Im  Streben  nach  Macht 
und  Einfluss  nahmen  sie  an  allen  Händeln  und  Intriguen  der 
Zeit  lebhaften  Anteil,  im  genusssüchtigen,  ausschweifenden 
Leben  standen  sie  den  Grossen  nicht  nach.  Ihre  Klöster 
waren  Festungen,  in  welchen  nur  der  grosse  politische  Kar- 
tenspieler, nicht  der  unterdrückte  gemeine  Mann  Trost  und 
Hilfe  fand. "35)  Dass  dieses  Urteil  Rein's  zutreffend  ist,  zeigen 
35.     Rein,  Japan,  Band  I,  S.  300. 


Religiöse  u)id  sittliche  Zustände.  137 

die  Bücher  japanischer  Geschichte  auf  gar  manchem  ihrer  Blätter. 
Dem  Beispiel  Ryözciis,  eines  Erzbischofs  des  Enryakuto.nv^&X'i  auf 
dem  Hiyeizan,  der  zuerst  während  des  Minamoto-Taira-Krieges 
(1069-1186)  eine  Armee  von  Priestersoldaten  organisierte,  waren 
die  Aebte  anderer  grosser  Tempel,  wie  des  Onjöji  und  Ko/ukiiß, 
gefolgt.  Ein  jeder  dieser  Haupttempel  hatte  Tausende  von 
bewaffneten  Bonzen.  Und  oft  lagen  sie  miteinander  in  blutigem 
Kampf,  brannten  einander  die  Tempel  nieder,36)  plünderten  auch 
harmlose  Dörfer,  erzwangen  Erfüllung  ihrer  Wünsche  durch  das 
Schwert,  schlugen  sich  in  den  Kämpfen  der  Zeit  auf  die  Seite 
dieser  oder  jener  Partei  und  widersetzten  sich  selbst  kaiserlichen 
Befehlen  oder  setzten  Bitten,  die  von  den  Herrschern  nicht  be- 
willigt wurden,  durch,  indem  sie  zu  Hunderten  mit  heiligen 
Palankins  {mikoshi),  gegen  welche  die  Krieger  sich  fürchteten  zu 
kämpfen,  an  den  Hof  zogen,  so  dass  Shirakawa-tennö  (1073- 
1086)  den  Ausspruch  that,  drei  Dinge  seien  in  der  Welt,  die 
nicht  nach  eines  JNIannes  Willen  gehen  :  der  Lauf  des  Kamo- 
flusses,  die  Würfel  des  Sugorokuspieles  und — die  Mönche  des 
Berges  (d.  h.  des  Berges  um  Kyoto). 

So  stand  es  um  die  buddhistische  Religion  und  ihre  Diener. 
Die  alte  Kamilehre,  in  verschiedene  kleine  Sekten  gespalten, 
hatte  daneben  gar  keine  Bedeutung  mehr.  Ihre  ^Mythen  waren 
kaum  mehr  gekannt  oder  doch  nur  noch  höchstens  am  kaiser- 
lichen Hofe  und  an  den  alten,  von  Vermischung  mit  dem  Bud- 
dhismus rein  gehaltenen  Shintöstätten  in  Ise  und  in  Izumo.  Was 
dem  Volke  die  Bonzen  nicht  leisteten,  das  leisteten  ihm  noch 
weniger  die  Kannushi,  die,  meist  ganz  ungebildet,  sich  Divina- 
tions-und  Zauberkünsten  ergaben.  So  unbedeutend  war  die  Rolle, 
die  sie  und  ihre  Religion  spielten,  dass  dieselben  in  den  Berichten 
der  Jesuiten  von  den  buddhistischen  Geistlichen  und  dem  Butsudö 
gar  nicht  unterschieden  werden.  Sie  scheinen  ihnen  überhaupt 
nicht  aufgefallen  zu  sein.      ,,  Die    Religion ",    sagt    ein    Japaner 


36.     Eine   ganze   Reihe  von  Beispielen  gibt  der  zitierte  Aufsatz  in  „  The  Far 

East". 


138  Religiöse  und  sittliche  Zjistände. 

selbst,  Koji  Inaba,37)  ,,  die  ein  Liclit  in  der  dunklen  Nacht 
gewesen,  hatte  ihre  Leucht-und  Lebenskraft  verloren  und  war  zu 
einem  unregelmässigen  Geflacker  geworden  ;  das  Volk  war 
genötigt,  auf  einem  anderen  Wege  Frieden  zu  suchen,  und  sehnte 
sich  nach  einer  neuen  Religion.  Die  Einführung  des  Christen- 
tums in  solcher  Zeit  war,  was  ein  labender  Trunk  einem  lech- 
zenden Gaumen  oder  was  Speise  ist  dem  Mungernden."  Mit 
anderen  Worten  :  Da  die  Zeit  erfüllet  war,  sandte  Gott  seinen 
Sohn,  geboren  von  einem  Weibe  und  unter  das  Gesetz  gethan, 
auf  dass  er  diCj'^so  unter  dem  Gesetz  waren,  erlösete,  dass  sie 
die  Kindschaft  empfingen.  Da  die  Zeit  erfüllet  war  im  Sonnen- 
aufgangsland, erschienen  die  I^oten  Gottes  und  predigten  :  ,,  Thut 
Busse  und  glaubt  an  das  Evangelium  !"  Das  ewige  Licht  geht 
da  herein  und  gibt  der  Welt  einen  neuen  Schein. 

37.     Artikel  in  NiJ^pon  Hydron. 


NEUNTES  KAPITEL. 
Anfänge  der  IVlissionsarbeit  in  Kagoshima. 


Den  Beginn  mit  direkter  Bekehrungsarbeit  machte  x'\njiro. 
Und  gleich  dieser  erste  Anfang  war  recht  ermutigend.  Zuver- 
sichthch  konnte  er  schon  in  einem  vom  5.  November  1549 
datierten,  nach  Indien  gerichteten  Briefe  schreiben  :  ,,  Die  Japaner 
hören  mich  sehr  gern  von  Jesu  Christo  reden  ;  daher  hoffe  ich, 
es  werden  sich  mit  Gottes  Gnade  noch  viele  zu  Christo  bekehren  " 
Die  ersten  Bekehrten  machte  er  im  eigenen  Hause,  unter  den 
Seinen.  Während  Xavier  dem  Studium  der  Landessprache  oblag, 
zeigte  sein  japanischer  Gehilfe  seinen  Eifer  für  die  Religion, 
welche  er  nicht  bloss  zum  Scheine  angenommen,  indem  er  Tag 
und  Nacht  seinen  Freunden  und  Verwandten  jeden  Alters, 
Standes  und  Geschlechts  die  christliche  Lehre  auseinandersetzte. 
Er  verstand  es,  dieselbe  so  wirksam  zu  empfehlen,  da.ss  er  seine 
Mutter  und  Schwester,  sein  Weib  und  seine  einzige  Tochter 
sowie  andere  Verwandte  und  Freunde  für  den  Glauben  an 
Christus  gewann.  Sie  alle  scheint  Xavier  bereits  getauft  zu 
haben,  als  er,  noch  nicht  drei  Monate  nach  seiner  Ankunft,  die 
ersten  Nachrichten  aus  Japan  sandte.  Und  das  Volk  sprach, 
wie  er  nach  Goa  und  Coimbra  berichtet,  keine  Missbilligung 
gegen  diejenigen  aus,  welche  sich  entschlossen,  Christen  zu  wer- 
den, daher  er  denn  auch  mit  gleicher  Zuversicht  wie  Anjiro  an 
Pedro  de  Silva  nach  Malakka  schreibt :  ,,  Soweit  ich  bis  jetzt 
bemerken  konnte,  ist  dieses  Land  gegenwärtig  in  der  rechten 
Stimmung,  den  Samen  des  göttlichen  Wortes  aufzunehmen,  so 
dass  wir,  wenn  die  pflegende  Hand  nicht  fehlt,  mit  vollem  Rechte 
eine  reichliche  Ernte  erwarten.     Bei  diesem  Volke    herrscht   die 


1 40  Anfänge  der  Missionsarbeit  in  Kagoshinia. 

Vernunft  weit  nielir  als  die  Leidenschaft.  Trotz  zahlreicher 
Verirrungen  behält  die  gesunde  Vernunft  doch  immer  ihr  Ansehen. 
Unwissenheit  ist  vielmehr  die  Quelle  ihrer  Verirrungen,  die  sie 
offenbar  ablegen  werden,  sobald  sie  nur  bekehrt  werden.  So 
bleibt  denn  auch  bei  ihren  Lastern  die  Herrschaft  der  Vernunft 
unangetastet ;  jene  werden  nicht  öffentlich  gegen  die  Stimme  der 
Vernunft  verübt,  sondern  heimlich  und  gleichsam  unvermerkt 
schleichen  sie  sich  ein,  so  dass  eine  zügellose  Hingabe  an  die 
Laster  ohne  Scheu  vor  der  Stimme  des  Gewissens  bei  -diesem 
Volke  nicht  so  eingerissen  ist  wie  dort,  wo  man  mit  unver- 
schämter Bosheit  sich  der  Sünde  hingibt." 

Es  ist  natürlich,  dass  der  eifrige  Apostel  brannte,  selbst  so 
bald  als  möglich  in  die  Arbeit  einzutreten.  Er  selbst  gibt  an, 
dass  er  bereits  nach  nur  vierzigtägigem  Sprachstudium  im  Japa- 
nischen so  weit  fortgeschritten  war,  dass  er  die  zehn  Gebote 
erklären  konnte ;  und  sobald  sein  Katechismus  übersetzt  war, 
säumte  er  nicht  länger,  auch  seinerseits  von  der  ihm  vom  Für- 
sten erteilten  Predigterlaubnis  Gebrauch  zu  machen,  d.  h.  Ab- 
schnitte aus  diesem  Abriss  öffentlich  vorzulesen. 

Ein  Mann  wie  er  war  dem  Volk  eine  ungewohnte  Erscheinung 
und  konnte  nicht  verfehlen,  Aufsehen  zu  erregen,  wo  sie  sich 
zeigte.  Staunte  man  schon  darüber,  dass  er  und  seine  Begleiter, 
aus  so  fernen  Landen  über  gefahrvolle  Meere  nicht  Gewinnes 
halber,  nur  um  ein  göttliches  Gesetz,  heiliger  als  das  japanische, 
zu  verkünden,  gekommen  waren,  so  flösste  noch  mehr  sein 
ganzes  Auftreten  Vertrauen,  Achtung,  ja  Bewunderung  ein.  In 
nichts  sich  von  den  Landesbonzen  übertreffen  zu  lassen,  hatte 
er  schon  vor  seiner  Ankunft  im  I^nde  sich  vorgenommen,  sich 
wie  diese  aller  Fleisch-  und  Fischkost  und  starker  Getränke  zu 
enthalten.  Li  schlechtem,  abgetragenem  Gewände  ging  er  einher. 
Und  es  konnte  nicht  lange  verborgen  bleiben,  dass  unter  dem 
armen  Kleide  auch  wirklich  ein  gottesfürchtiges  Herz  schlug, 
und  dass  seine  Enthaltsamkeit  und  Armut  nicht  Avie  bei  so  vielen 
Bonzen  nur  Schein,  zur  Schau  getragenes  äusseres    Wesen    war. 


Anfänge  der  Ulissionsarbcit  in  Kagoshivia.  1 4  r 

Sein  heiliger  Eifer  zeugte  für  des  Mannes  sittlichen  Ernst.  Sein 
untadeliges  Leben  nahm  ein  für  seine  Lehre. 

Nach  wenigen  Tagen  schon  hielten  einige  bei  ihm  um  die 
Taufe  an.  Der  erste,  der  sie  erhielt,  war  ein  Mann  aus  dem 
unteren  Volke,  der  sich  in  der  Folge  durch  frommen  Eifer  und 
christliche  Tugenden  auszeichnete.  Er  erhielt  den  Namen  Bern- 
hard. Schon  am  3.  November  1549  aber  kündigt  Xavier  den 
Patres  in  Goa  noch  für  dasselbe  Jahr  die  Ankunft  zweier  auf 
den  Akademieen  von  Meako  und  Bandu  {  —  Kwanto)  gebildeter 
Bonzen  an,  die  auch  den  Glauben  Jesu  angenommen  hatten  und 
nun  in  Indien  im  Kollegium  zu  Goa  sich  genauer  über  die 
christliche  Religion  und  die  europäische  Wissenschaft  unter- 
richten wollten.  Er  empfiehlt  sie  ihrer  besonderen  Aufmerk- 
samkeit mit  dem  BeiRigen,  die  Japaner  hätten  einen  Charakter, 
der  sich  nur  mit  Liebe  und  Freundlichkeit  behandeln  und  lenken 
lasse.  ,,  Sorgen  Sie  dafür",  schreibt  er,  ,,dass  die  Zöglinge  des 
Kollegiums  zu  einem  sehr  grossen  Teile  Chinesen  und  Japaner 
seien  ;  erziehen  Sie  dieselben  auch  im  Portugiesischen,  damit  sie 
hier,  wo  sie  vOn  grossem  Nutzen  sein  können,  als  Dolmetscher 
dienen."  Auch  andere,  noch  nicht  christliche  Japaner  machten, 
bestimmt  durch  Anjiros  Erzählungen  über  die  Portugiesen,  die 
Reise  nach  Malakka,  Und  auch  sie  wurden  von  Xavier  aufs 
angelegentlichste  an  den  dortigen  Präfekten  empfohlen.  ,,  Ich 
ersuche  Sie  bei  allem,  was  Sie  Gott  und  Ihrem  Adel  schulden, 
denselben  eine  ehrenvolle  und  gastfreundliche  Aufnahme  zu 
gewähren  und  ein  gutes,  bequemes  Absteigequartier  bei  reichen, 
angesehenen  Portugiesen  zu  bereiten,  denen  Sie  zugleich  eine 
recht  liebevolle  Behandlung  dieser  Gäste  empfehlen  wollen.  Es 
wird  diesen  Japanern  gewiss  ein  mächtiger  Antrieb  zur  Annahme 
des  Christentums  sein,  wenn  sie  durch  eigene  Erfahrung  sehen, 
dass  Paul  der  Wahrheit  gemäss  über  die  Portugiesen  berichtet 
hat." 

In  den  Epistolac  Indicac  findet  sich  ein  Brief  aus  dem  Jahre 
1550,  geschrieben  von  P.  Francisciis  Peraz  in  Malakka  an  die 
Brüder    im    Conrorinischen    Vorgebirge,    aus    dem    man    ersieht, 


142  Anfänge  der  Missionsarhcit  in  Kagoshima. 

welchen  Eindruck  die  ersten  Nachrichten  Xaviers  aus  Japan  dort 
maclitcn,  und  dass  gleichzeitig  mit  diesen  schon  Japaner  ankamen. 
„  Acngstlich  ",  heisst  es  da  ,,  warteten  wir,  etwas  von  ihm  zu 
hören,  und  gaben  schon  alle  Hoffnung  auf,  dass  mehr  ein  Schiff 
aus  Japan  kommen  werde,  da  die  Zeit,  zu  der  sie  in  diesen  Hafen 
einzulaufen  pflegen,  schon  vorüber  war,  als  den  2.  April,  an 
einem  Mittwoch  früh,  noch  ein  Schiff  ankam,  das  nicht  nur  uns, 
sondern  die  ganze  Stadt  in  eine  allgemeine  Freude  versetzte. 
Kaum  hörte  der  Präfekt,  dass  wir  etwas  Neues  erhalten  -hätten, 
so  schickte  er  zu  mir,  als  ich  eben  in  der  Kirche  der  Barmherzig- 
keit Messe  las.  Ich  ging  gleich  in  die  Hauptkirche,  wo  der 
Präfekt,  Don  Pedro  de  Silva,  meiner  wartete,  der  auf  die  ihm 
mitgeteilten  Nachrichten  vor  I'reude  ganz  ausser  sich  war.  Er 
sagte  zu  mir,  es  wäre  gut,  eine  Prozession  anzustellen.  Ich  sagte 
es  dem  Vikar,  der  nicht  weniger  erfreut  war.  Und  gleich  ver- 
sammelte sich  das  ganze  Volk,  und  der  Zug  ging  zu  Unserer 
Lieben  P>au  am  Berge,  von  der  Anrufung  der  Schmerzen 
genannt,  wo  der  Pater  Vikar,  damals  Vincentino  Riegas,  die 
Messe  von  der  Mutter  Gottes  absang.  Mit  dem  Schiffe  kamen 
vier  Japaner,  die  in  dem  Hause  eines  christlichen  Chinesen  sehr 
wohl  aufgenommen  und  von  den  Portugiesen  dieser  Stadt  sehr  oft 
eingeladen  wurden.  Wir  unterrichteten  sie  in  unserem  heiligen 
Glauben,  und  sie  empfingen  mit  vieler  Freude  am  Auffahrtstage 
die  heilige  Taufe.  Zwei  davon  kleidete  der  Präfekt  und  die  zwei 
andern  Pedro  Gomez  d'Almeida.  Der  Präfekt  war  auch  der 
Taufpate,  und  der  Vikar  taufte  sie  mit  vieler  Feierlichkeit. 
Drei  davon  kehrten  über  China  nach  Japan  zurück  ;  der  vierte 
aber  blieb  indessen  bei  uns,  weil  er  ein  grosses  Verlangen  hat, 
Goa  zu  sehen." 

In  der  gleichen  Briefsammlung  besitzen  wir  ein  kurzes 
Schreiben  des  P.  MelcJdor  Gonzalez  nach  Europa  d.  d.  CocJiin, 
23.  Januar  155  i.  Da  heisst  es:  ,,  Wir  haben  schon  Briefe  vom 
P.  M.  Franciscus  erhalten,  die  mit  gegenwärtigem  nach  Portugal 
abgehen.  Er  hat  mit  Gottes  Hilfe  vielen  Nutzen  in  Japan  ge- 
schafft.    Er   schickte   einige  von    diesem    Lande    nach    Malakka 


Anfänge  der  UTissionsarbeit  in  Kagoshiuia.  143 

und  Goa,  damit  sie  die  christliche  Lehre  lernten.  Dieses  Volk 
ist  sehr  emsig  und  nicht  wie  unsere  Canariner  und  Malabarer, 
die  keine  Politik  haben.  Es  sind  sehr  gesittete  und  vernünftige 
Leute,  und  so  hoffen  wir,  Gott  wird  da  dem  Christentum  ein 
grosses  Thor  öffnen." 

Nach  Rom  waren  die  ersten  Nachrichten  aus  Japan  noch 
im  Februar  1552  nicht  gelangt,  wie  wir  aus  einem  von  Loyola 
an  Xavier  gerichteten  Briefe  '^)  sehen.  Sie  waren  in  Portugal 
zurückgeblieben,  „  Trotzdem  ",  schreibt  Ignatius,  ,,  hat  es  uns 
grosse  Freude  im  Herrn  gemacht,  zu  erfahren,  dass  Sie  gesund 
in  jenem  Lande  angekommen  sind,  und  dass  der  Predigt  des 
Evangeliums  ein  Thor  geöffnet  ist.  Möge  es  demjenigen,  welcher 
es  gnädig  eröffnet  hat,  gefallen,  durch  dasselbe  die  Völker  aus 
ihrem  Unglauben  zu  retten  und  zur  Kenntnis  unseres  Heilandes 
Jesus  Christus  und  auf  den  Weg  des  ewigen  Heiles  der  Seelen 
zu  führen." 

Die  heftigsten  Widersacher  bei  seinem  Bemühen,  die  Seelen 
der  Japaner  auf  diesen  Weg  des  Heils  zu  führen,  fand  Xavier 
naturgemäss  in  den  Bonzen.  Wie  Cosino  Torrcs  am  29.  September 
155 1  der  Gesellschaft  in  Goa  schreibt,  hatten  sich  diese  anfangs 
über  die  Ankunft  der  europäischen  Glaubensboten  gefreut,  sehr 
bald  jedoch  ihre  freundliche  Stellung  zu  ihnen  ins  Gegenteil  ver- 
wandelt. Wie  hätte  es  auch  anders  sein  können  !  Wohl  hatte  sich 
Xavier  vorgenommen,  sich  nicht  unnötig  in  Dispute  und  Zänke- 
reien mit  ihnen  einzulassen,  aber  er  hatte  auf  der  andern  Seite  doch 
auch  den  entschlossenen  Willen,  sich  unter  keinen  Umständen 
seiner  Pflicht  zu  entziehen,  wo  die  Ehre  Gottes  und  das  Heil 
der  Seelen  es  erheischte.  ,,  Ohne  Gottes  Zulassung,  davon  sind 
wir  fest  überzeugt,  können  sie  uns  nicht  den  mindesten  Schaden 
zufügen.  Und  sollten  wir  für  eine  so  gute  und  heilige  Sache 
unser  Leben  hingeben  müssen,  so  werden  wir  dies  als  die  grösste 
Gnade  Gottes  ansehen  und  denen  danken,  welche  unserm  Leben 
hier  auf  P>den,  das  nur  ein  beständiger  Tod  ist,  ein  Ende  machen 

I.     Bei  Bouix  pp.  3S8  u.  488  f. 


144  Anfänge  der  Missionsarbeit  in  Kagoshinia. 

und  uns  den  Eintritt  ins  ewige  selige  Leben  eröffnen.  Durch  keine 
Droliungen  und  P^inschüchterungcn  von  seiten  derselben  werden 
wir  uns  von  der  Verkündigung  der  Wahrheit  abhalten  lassen." 
Dass  er  bei  solchem  Kampfmut  und  solch  entschiedener  Festig- 
keit der  Gesinnung,  wie  sie  in  dieser  und  anderen  ähnlichen 
Aeusserungen  sich  Icundgibt,  in  seinen  Reden  keinerlei  vor- 
sichtige Schonung  gegen  die  Bonzen  kannte,  lässt  sich  denken. 
Dass  er  keine  Gelegenheit  vorübergehen  liess,  vor  den  Augen 
und  Ohren  des  Volks  seine  intellektuelle  und  moralische  XTeber- 
legenheit  über  sie  zu  zeigen,  trug  natürlich  auch  nicht  dazu  bei, 
sein  Verhältnis  zu  ihnen  besser  zu  gestalten.  Die  Feindschaft 
der  buddhistischen  Priester  wuchs  in  dem  Masse,  als  des  ,,  euro- 
päischen Bonzen "  Erfolge  sich  mehrten.  Und  diese  nahmen 
zusehends  zu,  so  sehr,  dass  die  Bonzen  schon  am  empfindlichsten 
Punkte  sich  getroffen  fühlten,  d.  h.  einen  Ausfall  in  ihren  Ein- 
künften merkten,  Xavier  aber  bereits  ein  Vierteljahr  nach  seiner 
Landung  voll  Hoffnung  künftig  einzuthuender  Ernten  seine 
Genossen  in  Goa  aufforderte,  sich  bereit  zu  halten,  da  er  viel- 
leicht in  zwei  Jahren  viele  von  ihnen  einladen  werde,  nach  Japan 
zu  kommen,  ja  sogar  sich  vornimmt,  auch  die  Mitglieder  anderer 
von  Eifer  für  die  Verbreitung  des  Evangeliums  erfüllter  religiöser 
Ordensfamilien  inständig  zu  bitten,  nach  Japans  Inseln  zu  eilen, 
um  ihren  Durst  nach  Seelen  zu  stillen.  ,,  Wenn  sie  auch  in 
grosser  Zahl  kommen,  so  bleibt  doch  noch  für  die  Bemühungen 
und  Arbeiten  vieler  Raum."  Den  P.  Antonio  Gomez,  dessen 
Nachrücken  nach  Japan  Cosmo  sehr  gewünscht  zu  haben  scheint, 
vertröstete  er  mit  der  Aussicht,  ihn  vor  Ablauf  von  drei  Jahren 
nach  Meako  oder  Bandu  zu  grossen  Aufgaben  in  der  Hochburg 
und  Festung  des  japanischen  Aberglaubens  zu  rufen.  Dagegen 
weist  er  ihn  an,  dafür  zu  sorgen,  dass  drei  andere,  die  er  aus- 
drücklich benannte,  und  an  die  er  selbst  mit  gleicher  Post  eine 
diesbezügliche  briefliche  Weisung  richtete,  ungesäumt  sich  zur 
Reise  nach  Meako  im  April  des  folgenden  Jahres  vorbereiteten 
als  erste  Verstärkung  der  kleinen  Missionstruppe  auf  dem  ver- 
heissungsvollen  Arbeitsfelde.      Es   waren   dies    P.    Gaspard  Bar- 


Anfänge  der  Missionsarbeit  in  Kagosliinia.  T45 

sacnsf)  dessen  Versetzung  nach  Japan  er  schon  März  1549  vor 
Antritt  seiner  eigenen  Reise  dahin  ins  Auge  gefasst  hatte,  P. 
Balthasar  Gago,  und  Diego  de  Carvalho,  über  welch  letzteren 
das  zu  Coimbra  geführte  Register  der  von  dort  aus  nach 
Indien  entsandten  Väter  und  Brüder  keinerlei  Auskunft  gibt, 
wohl  weil  er,  wie  Coleridge  3)  vermutet,  ein  Spanier  war  und 
darum  nicht  von  Coimbra  aus  nach  Indien  geschickt  wurde. 
Aus  dem  Briefe  Xaviers  an  Gomcz  lässt  sich  nur  so  viel  entneh- 
men, dass  er  die  Priesterweihe  noch  nicht  empfangen  hatte. 
Jedenfalls  erschien  er  ihm  wie  die  beiden  Priester  vor  anderen 
geschickt  zur  Arbeit  in  Japan,  wie  man  daraus  erkennt,  dass  er 
den  P.  Gomez  aufs  ernstlichste  warnt,  einen  von  ihnen  zurück- 
zubehalten und  durcli  einen  andern  zu  ersetzen.  Aber  nur  einer, 
Balthazar  Gago,  kam  wirklich  nach  Japan,  Diego  Carvalho  starb 
kurze  Zeit,  nachdem  er  den  Brief,  der  ihn  dahin  rief,  empfangen 
hatte,4)  und  was  Barzaeus  anlangt,  änderte  Xavier  selbst  seine 
Bestimmung  nach  seiner  Rückkehr. 

Der  Gesellschaft  in  Goa  berichtet  er  im  Jahre  1 551,  dass  in 
etwas  mehr  denn  Jahresfrist  in  Kagoshima  mehr  als  100  Personen 
in  die  Plerde  Christi  aufgenommen  wurden,  und,  fügt  er  hinzu, 
hätten  die  übrigen  ebenfolls  Christen  werden  wollen,  so  hätten 
sie  es,  ohne  bei  ihren  Leitern  und  Verwandten  anzustossen,  thun 
können. 

Unter  den  gewonnenen  Bekehrten  war  die  Gattin  eines 
Beamten  des  Fürsten.  Sonst  aber  scheint  sich  die  Christenge- 
meinde nur  aus  den  Armen  und  Aermsten  rekrutiert  zu  haben, 
die  zum  Teil  auch  wohl  mehr  um  empfangener  oder  zu  ge- 
wärtigender  Almosen  willen  als  aus    innerer    Ueberzeugung    sich 


2.  Ich  behalte  die  geläufige  latinisierte  Form  des  Namens  des  1515  zu  Goes, 
Provinz  Seeland  in  den  Niederlanden,  geborenen  Missionars  [Barzaeus)  bei,  obwohl, 
wie  W.  V.  N.  Soc.  Jesu  in  seinem  Werke  „  Caspar  Berse  of  de  Ä^ederlaiidscke 
Franciscus  Xaverins",  Rotterdam  1S70  (Voorbericht  [•>.  VI.  VII.)  nacligewiesen 
hat,  die  richtige  Form  des  Namens  Berse  ist. 

3.  A.  a.  O.  Vol.  II,  p.  261. 

4.  OuLANnixi,  Historia  Societatis  Jesu  VII,  49. 


146  Anfänge  der  Missionsarbeit  in  KagosJmna. 

taufen  Hessen,  wie  sich  daraus  eiscliliessen  lässt,  dass  Xavier  den 
Don  Pedro  de  Silva  im  Interesse  der  Ausbreitung  des  christlichen 
Glaubens  um  Zuweisung  \^on  Unterstützungsgeldern  für  die  armen 
Neubekehrten  angeht.  ,,  Wenn  Sie  mir  so  viel  Vertrauen  schenk- 
ten, mich  zu  Ihrem  liiesigen  Verwalter  zu  machen,  so  glaube 
ich  Ihnen  versprechen  zu  dürfen,  dass  ich  Ihnen  alles  mir  anver- 
traute Geld  und  Gut  mit  mehr  als  hundertHütigen  Zinsen 
zurückgeben  würde.  Und  dieser  Gewinn  würde  vor  allen  Gefah- 
ren der  Reisen  und  Schiffbrüche  sicher  sein  infolge  der  zuver- 
lässigen Handelsgeschäfte,  wodurch  bisher  noch  kein  Präfekt  von 
Malakka  einen  so  reinen  und  reichen  Gewinn  erzielt  hat.  Sie 
wünschen  zu  wissen,  was  denn  das  für  Handelsgeschäfte  seien. 
Ich  will  es  Ihnen  ohne  Umschweife  sagen.  Entschliessen  Sie 
sich,  uns  eine  Summe  zur  Verteilung  unter  die  armen  Christen, 
welche  wir  jetzt  hier  haben  und  bald  haben  werden,  zur  Ver- 
fügung zu  stellen.  Ich  verbürge  Ihnen  dem  Worte  Christi  zu- 
folge, dass  Ihnen  das  also  angelegte  Kapital  mehr  als  hundert- 
fältig im  Himmel  erstattet  werden  wird,  ohne  von  Stürmen  und 
Wellen  und  von  der  Gewalt  und  List  der  Seeräuber  zu  fürchten 
zu  haben.  Indem  ich  dies  schreibe,  fürchte  ich  allerdings,  Sie 
möchten  augenblicklich  nicht  besonders  geneigt  sein,  sich  in  dieses 
Handelsgeschäft  einzulassen,  obwohl  es  doch  keines  gibt,  das 
grössere  Sicherheit  böte.  Weiss  ich  ja,  dass  Sie  Präfekten  von 
Malakka  bei  aller  Hochherzigkeit  und  bei  aller  Aufmerksamkeit 
auf  sich  darbietenden  Gewinn  meistens  doch  diese  sicherste  und 
kürzeste  Art,  vorteilhafte  Geschäfte  zu  machen,  vernachlässigen." 
Wären  die  drei  Jesuiten  im  Besitze  des  Rirstlichen  Wohl- 
wollens, dessen  sie  sich  anfangs  erfreuten,  geblieben,  so  hätte 
das  Bekehrungswerk  sicher  gedeihlichen  Fortgang  genommen, 
und  Xaviers  Hoffnung,  dass  leicht  die  ganze  Stadt  gewonnen 
würde,  möchte  sich  mählich  erfüllt  haben.  Aber  die  Gunst  dieses 
Grossen  war  nicht  von  Dauer.  Er  wurde  kälter  gegen  die 
fremden  Lehrer,  hauptsächlich  wohl  deshalb,  weil  er  ihnen  die 
Schuld  beimass,  dass  die  portugiesischen  Schiffe,  deren  geschätz- 
teste Handelsartikel  damals   noch    P'euerwaffen    waren,    statt    zu 


Anfänge  der  Missionsarbeit  in  Kagoshinia.  147 

Kagoshima  oder  in  einem  der  anderen  Häfen  seines  Gebietes,  in 
Hirado  (von  den  Portugiesen  Firando  genannt)  im  Gebiete  seines 
Rivalen  angelegt  und  so  diesem  die  Handelsvorteile  zugewendet 
hatten,  auf  welche  er  erpicht  gewesen  war. 

Nun  hatten  auch  die  Bonzen,  die  bisher  von  Haus  zu 
Haus  gehend  die  fremden  Prediger  diskreditiert  und  ihre  Predigt 
verächtlich  zu  machen  gesucht  hatten,  mit  ihren  Beschwerden 
beim  Fürsten  mehr  als  bisher  Erfolg.  Sie  hielten  ihm  vor,  wie 
unrecht  es  für  ihn  wäre,  die  Religion  seiner  Väter  zu  verlassen 
und  eine  fremde  anzunehmen,  mit  einem  Gotte,  der  keinen 
anderen  neben  sich  dulde.  Der  Kult  der  einheimischen  Götter 
und  die  Lehre  der  Vorfahren  würden  in  Verachtung  kommen. 
Denn  da  das  christliche  Gesetz  den  japanischen  widerstritte,  so 
würden  die,  welche  jenes  annehmen,  die  heiligen  Gesetzgeber 
der  uralten  Satzungen  hintansetzen.  Dies  aber  könne  nicht  ohne 
grossen  Schaden  der  Stadt  und  des  Landes  geschehen,  und  er 
selber  w^erde  seiner  Herrschaft  verlustig  gehen.  Aus  schuldiger 
Achtung  vor  den  heiligen  Urhebern  der  durch  die  fremde  Lehre 
bedrohten  japanischen  Gesetze  und  in  seinem  eigenen  Interesse 
wie  dem  seiner  Unterthanen  müsse  er  darum  die  Todesstrafe 
darauf  setzen,  wenn  in  Zukunft  jemand  Christ  werden  wolle. 

Shiina.ou  TakaJäsa  hatte  sicher  nie  im  Ernste  Religions- 
neuerungen in  seinem  Gebiete  gewünscht.  Die  Priester  der 
fremden  Religion  hatte  er  aufgenommen  und  begünstigt  einzig 
in  der  Absicht,  die  Portugiesen  dadurch  dauernd  in  seine  Häfen 
zu  ziehen  und  sich  durch  den  Handel  mit  ihnen  Vorteile  zu 
schaffen.  Da  er  sich  in  dieser  Erwartung  enttäuscht  sah,  war 
er  leicht  zu  bereden,  .seine  Hand  von  ihnen  abzuziehen,  ja  sich  für 
den  vermeintlichen  Undank  durch  Unterdrückung  ihrer  religiösen 
Thätigkeit  zu  rächen.  L^ngefahr  ein  Jahr  nach  ihrer  Ankunft 
änderte  er  offen  seine  Politik  und  verbot  die  Verkündigung  des 
Evangeliums  durch  ein  den  Forderungen  der  Bonzen  entsprechen- 
des Edikt.5) 

5.     MuENSTERBERG  a.  a.  O.  S.   i8  bemerkt:     „Der  Fürst  von  Satsuma  soll  die 
Missionäre  nicht  geduldet  haben,  da  die  Portugiesen  Waflen  und  Handel  zum  Fürsten 


148  Anfänge  der  ]\Iissio)isarbcit  in  Kagoslihna. 

Wenn  er  meinte,  P.  Xavier  darum,  weil  die  Portugiesen  in 
Hirado  statt  in  einem  seiner  Häfen  landeten,  grollen  zu  müssen, 
war  er  gewiss  im  Irrtum.  Die  Portugiesen  zogen  den  Hafen  v^on 
Hirado  vor,  weil  er  sich  ihnen,  wie  sie  gerade  zu  dieser  Zeit 
entdeckten,  um  seiner  leichteren  Zugänglichkeit  und  grösseren 
Sicherheit  für  ihre  Schiffe  willen  mehr  empfahl.  Gleichwohl  ist 
die  Mutmassung  nicht  .so  ganz  von  der  Hand  zu  weisen,  dass 
Xavier  anfangs  wenigstens  hatte  durchblicken  las.sen,  dass  es  bei 
ihm  stehe,  den  Handel  der  portugiesischen  Seefahrer  in  .sein' Land 
zu  ziehen,  um  sich  und  seinen  Genossen  dadurch  des  Fürsten 
Protektion  zu  sichern.  Nur  zu  oft  haben  auch  in  der  P^olge  die 
portugiesischen  Kaufleute  und  die  Jesuiten  in  Japan  einander  in 
die  Hände  gearbeitet.  Und  dass  Xavier  sich  in  Japan  ebenso- 
wenig wie  vorher  in  Indien  hütete,  sich  in  weltliche  Dinge  zu 
mischen,  wenn  es  galt,  sie  seinen  Zwecken  dienstbar  zu  machen, 
das  zeigen  aufs  deutlichste  zwei  Schreiben,  die  er  beide  am  5. 
November  1549  das  eine  an  den  Präfekten  von  Malakka,  das 
andere  an  P.  Antonio  Gomez  richtete. 

Im  ersteren  liest  man  :  ,,  Seien  Sie  versichert,  dem,  welcher 
zuerst  das  Reich  Gottes  sucht,  werden  auch  die  menschlichen 
Vorteile  nicht  fehlen.     Denn  irre  ich  nicht,  so  werden  auch  dem 

von  Biingo  und  nicht  zu  ihm  brachten.  Die  ErzähUmg  taucht  freilich  erst  im  17. 
Jahrhundert  auf  und  mag  eine  Au.srede  der  Jesuiten  sein,  um  ihre  Misserfolge  in 
Satsuma  zu  verbergen.  Es  ist  wenigstens  nicht  ausgeschlossen,  dass  dieser  mächtigste 
Purst  Japans  überhaupt  nichts  von  den  Fremden  wissen  wollte,  weder  von  den 
Handelsleuten  noch  von  den  Jesuiten."  An  diesem  Satze  ist  so  gut  wie  alles  falsch. 
Nirgends  geben  die  Jesuiten  an,  dass  die  Bevorzugung  der  Häfen  von  Bungo  durch 
die  Portugiesen  den  Daimyö  von  Satsuma  gegen  die  Jesuiten  verstimmt  habe.  Sic 
reden  vom  Hafen  von  Hirado.  Und  diese  Erzählung  taucht  nicht  erst  im  17. 
Jahrhundert  auf  und  ist  nicht  eine  blosse  Ausrede  der  Jesuiten,  ihre  Misserfolge  in 
.Satsuma  zu  verbergen.  Der  Statthalter  dieser  Provinz,  der  übrigens  zu  dieser  Zeit 
auch  nicht  der  mächtigste  Fürst  Japans  war,  war  endlich  recht  sehr  darauf  erpicht, 
die  Fremden  in  seine  Häfen  zuziehen.     Muensterbf.rc's  weitere  Bemerkung  :  „Zu 

allen  Zeiten waren  die  Satsumaleute  die  konservativsten  und  allen  Neuerungen 

feindlichst  gesinnten  Männer.  Vermutlich  liegt  darin  die  Ursache,  dass  sich  der  neue 
Handel  in  diesem  mächtigsten  Reiche  auf  Kyüshü  nicht  entwickeln  konnte  " 
erledigt  sich  danach  von  selbst. 


Anfänge  der  Missionsarbeit  in  KagosJiinia.  149 

Könige  und  dem  Königreiche,  deren  Interessen  Sie  mit  so 
grosser  Treue  und  Gewissenhaftigkeit  besorgen,  aus  unserer  Reise 
nach  Japan  grosse  Vorteile  erwachsen.  NämHch  ungefähr  zwei 
Tagereisen  von  Meako  entfernt  Hegt  die  Seestadt  Sakai,  welche 
der  erste  Handelsplatz  Japans  ist.  In  dieser  Stadt  werden,  mit 
Gottes  Hilfe,  Agenten  des  Königs  von  Portugal  unschwer  das 
Recht,  sich  niederzulassen,  erhalten  und  die  P^rlaubnis,  Älagazine 
zu  erbauen  zur  Niederlage  europäischer  und  indischer  Waren,  bis 
sie  gegen  dieselben  in  Müsse  die  kostbarsten  Metalle,  Kunstwerke 
und  sonstige  Erzeugnisse  des  Landes  eintauschen  können,  be- 
sonders Silber  und  Gold,  welches  beinahe  von  allen  Inseln  hiesiger 
Gegend  in  diesem  reichsten  Hafen  zum  Verkaufe  zusammenfliesst. 
Damit  diese  beiderseits  vorteilhafte  Handelsverbindung  abge- 
schlossen werde,  will  ich  dem  König  von  Japan  den  Rat  geben, 
einen  Gesandten  nach  Indien  abzuordnen,  der  die  zum  Leben  so 
dienlichen  Produkte  in  Augenschein  nehme,  woran  Indien  so 
reich  ist,  die  Japan  aber  fehlen.  Bei  seiner  Rückkehr  würde 
dieser  dar.n  das  Verlangen  darnach  bei  seinen  Landsleuten 
wecken  und  sie  geneigt  machen,  die  Bedingungen  eines  Handels- 
vertrages anzunehmen ;  und  so  würde  ohne  Schwierigkeit  zwischen 
dem  Vizekönig  von  Indien  und  dem  König  \'on  Japan  eine 
Uebereinkunft  über  die  Bedingungen  des  Handels  im  allgemeinen 
und  insbesondere  über  Errichtung  einer  portugiesischen  Zoll- 
station in  Sakai  zu  stände  kommen." 

Was  eigentlich  mit  dem  ganzen  Ratschlage  bezweckt  war, 
das  zeigt  das  andere  gleichzeitig  an  P.  Gomez  gerichtete  Schrei- 
ben. Da  weist  er  diesen  an:  ,,\\"ährend  sich  unsere  Brüder — 
er  meint  die  neuen  von  ihm  nach  Japan  gerufenen  Priester  und 
Laienbrüder — zur  Abreise  vorbereiten,  wünsche  ich,  dass  Sie  mit 
dem  Vizekönige  darüber  sprechen,  dass  er  einen  Brief  an  den 
König  von  Japan  schreibe  und  Geschenke  beifuge,  welche  in 
seinem  Namen  ihm  mit  dem  Briefe  überreicht  werden  sollen. 
Dies  wird  dazu  dienen,  jenen  Völkerschaften  die  Predigt  des 
Evangeliums  zu  empfehlen.  Kommt  zu  ihrer  übernatürlichen 
Kraft  noch  diese  äussere  lunpfehlung,  so  hege  ich  die  Zuversicht- 


1 5  O  Anfänge  der  Missionsarbeit  in  KagosJdnia. 

llclic  rloffnung,  in  kurzer  Zeit  in  Japan  durcli  zahlreiche  Be- 
kehnnigcn  eine  bK'ihende  christliclie  Kirche  erstehen  zu  sehen. 
W^eil  aber  die  Lockspeise  der  Natur  eines  jeden  anzupassen  ist, 
und  auf  diejenii^en,  welche  niit  zeitHcheni  Gewinn  zu  rechnen 
pflegen,  der  Hinweis  auf  den  geisthchen  Nutzen  weniger  Ein- 
druck macht,  so  stellen  Sie  den  Verwaltern  der  königlichen 
Finanzen  in  Indien  vor,  dass  sich  ihnen  eine  sehr  günstige 
Gelegenheit  bietet,  aus  Japan  neue,  überaus  reiche  Einkünfte  für 
den  König  zu  ziehen.  Es  wird  sich  nämlich  leicht  erreichen 
lassen,  dass  in  der  Seestadt  Sakai,  welche  der  erste  Hafen  von 
ganz  Japan  ist,  den  Beamten  des  Königs  von  Portugal  von  der 
japanischen  Regierung  ein  Haus  zur  Niederlage  europäischer 
Waren  angewiesen  werde,  gegen  welche  mit  grossem  Gewinne 
das  feinste  Gold  und  Silber,  das  in  grosser  Menge  aus  den 
Bergwerken  Japans  gewonnen  und  nach  Sakai  gebracht  wird, 
eingetauscht  werden  könnte  ;  ein  zugleich  dort  errichtetes  Zollamt 
würde  von  unberechenbarem  Vorteile  für  die  königlichen  Finanzen 
sein.  Wenn  diese  Hoffnung  nicht  gemacht  wird,  so  fürchte  ich 
sehr — möge  meine  Ahnung  falsch  und  irrig  sein  ! — dass  die 
königlichen  Finanzverwalter  Indiens  sich  nicht  bewegen  lassen, 
ein  grosses  Schiff  im  Namen  des  Königs  nach  Japan  zu  entsen- 
den, nur  um  Verkündiger  des  Evangeliums  dahin  zu  bringen. 
Wir  werden  uns  freuen,  wenn  auch  nur  bei  Gelegenheit  Christus 
gepredigt  wird,  und  es  für  Gewinn  erachten,  wenn  das  Himmel- 
reich wenigstens  als  eine  Zugabe  zu  zeitlichem  Gute  betrachtet 
wird,  und  hier,  wo  die  reife  Ernte  ruft,  so  notwendige  Arbeiter 
am  Heile  der  Seelen  sicher  mit  einem  Schiffe  ankommen  können, 
das  zunächst  zur  Gründung  eines  Handelsplatzes  bestimmt  ist. 
Sollte  man  vielleicht  mit  Rücksicht  auf  die  gegenwärtigen  Ver- 
hältnisse Indiens  es  nicht  für  passend  halten,  einen  Gesandten 
mit  einem  Schiffe  im  Namen  des  Königs  oder  Vizekönigs  ab- 
gehen zu  lassen,  so  könnte  sich  der  Vizekönig  um  einen  seiner 
Verwandten  oder  Freunde  verdient  machen,  wenn  er  ihm  eine 
unabhängige  Gesandtschaft  mit  dem  Privilegium  des  überaus 
einträglichen  japanischen  Handels  gestattete.     Dieser  würde,  wenn 


Anfänge  der  Missionsarbeit  in  KagosJnma.  1 5 1 

ich  mich  nicht  täusche,  crem  auf  eifjene  Kosten  einen  tüchticren 
Kauffahrer  zu  dieser  Reise  ausrüsten,  von  der  er  mit  Wahr- 
scheinlichkeit, ja  fast  mit  Sicherheit  grossen  Gewinn  erwarten 
dürfte.  Da  Sie  die  reichen  Kaufleute  von  Goa,  ihre  Verhält- 
nisse und  ihre  Wünsche  kennen,  so  überreichen  Sie  einem  der- 
selben, oder  überhaupt  allen,  denen  Sie  es  dienlich  glauben, 
beifolgendes  Verzeichnis  von  Waren,  an  denen  Indien  Ueberfluss 
hat,  und  die  hier  sofort  um  hohen  Preis  Absatz  finden  werden, 
um  dadurch  in  ihnen  das  Verlangen  zu  wecken,  in  Japan  Ge- 
winn zu  machen,  was  zugleich  der  Religion  zu  gute  kommen 
wird.  Das  Schiff,  welches  hierher  kommt,  muss  möglichst  viel 
von  diesen  Waren  mitbringen.  Wenn  der  Herr  sich  selbst  nicht 
der  Gefahr  der  Reise  auszusetzen  wagt,  so  möge  er  einen  Ver- 
treter, dem  er  sein  Vertrauen  schenkt,  senden ;  wir  unsererseits 
werden  uns  redlich  bemühen,  zum  raschen  Verkauf  der  Ladung 
mitzuwirken.  Nach  unserer  gegenwärtigen  Kenntnis  der  hiesigen 
Verhältnisse  dürfen  wir  dem  Kaufmanne  einen  überaus  reichen 
Gewinn  versprechen.  Wenn  Sie  bei  passender  Gelegenheit  den 
rechten  Persönlichkeiten  dies  mitteilen,  so  wird  sich  in  der  Aus- 
sicht auf  den  Gewinn  schon  jemand  finden,  der  auf  alle  Ihre 
Bedingungen  eingeht,  und  es  steht  nicht  zu  fürchten,  dass  das  Schiff 
nicht  fest  genug  sei ;  da  er  ihm  so  viele  Waren  anvertraut,  so 
wird  er  schon  Sorge  tragen,  dass  es  mit  allem  wohl  ausgerüstet 
sei,  und  wir  werden  den  Vorteil  haben,  dass  die  Verkündiger  des 
Evangeliums  auf  diesem  Schiffe  möglichst  sicher  hierher  kom- 
men, wo  sie  so  notwendig  sind.  Da  haben  P>uer  Hochwürden 
meinen  Gedanken  über  die  bestmögliche  Art  der  Ueberfahrt 
der  Unsrigen  von  Goa  hierher.  Ich  füge  ausserdem  noch  bei, 
was  ich  aus  Erfahrung  weiss.  Will  einer  die  Fahrt  hierher 
möglichst  sicher  und  schnell  machen,  so  muss  man  im  April  von 
Goa  und  im  Juni  von  Malakka  abreisen.  Deshalb  drängen  Sie, 
dass  das  Schiff,  welches  hierher  kommen  soll,  mit  seiner  ganzen 
Ladung  und  mit  reichlichem  Proviant  und  Vorräten  jeder  Art 
versehen,  an  den  bezeichneten  Terminen  zu  Goa  und  Malakka 
unter  Secrel  ccehc.     Auch  sollen  die  Besitzer  des  Schiffes  sich  auf 


152  Anfange  der  lilissionsarhcit  in  Kagoshima. 

keine  Weise  verleiten  lassen,  auch  nur  für  kurze  Zeit  in  den  ILifen 
von  China  an/Ailegen,  sei  es  unter  dem  Vorwande,  dort  vorteilhafte 
Geschäfte  zu  machen  oder  Vorräte  einzunehmen,  welche  von 
anderswo  ausreichend  besorgt  werden  müssen  ;  ebenso  sollen  sie 
auch  an  den  unterwegs  liegenden  Inseln  sich  nicht  des  Handels 
wegen  aufhalten,  sondern  nur,  wenn  notwendig  Wasser  einge- 
nommen werden  muss,  was  ebenfalls  möglichst  rasch  geschehen 
soll.  Will  man  nicht  grossen  Gefahren  sich  aussetzen,  so  sei 
man  überzeugt  und  glaube  denen,  welche  die  Erfahrung  ge-macht 
haben,  dass  man  von  Malakka  direkt  und  ohne  Unterbrechung 
die  Fahrt  nach  Japan  machen  muss.  Thut  man  es  nicht,  so 
läuft  man,  abgesehen  von  dem  nachteiligen  und  langweiligen 
Aufenthalte,  die  grössten  Gefahren.  Wie  viel  Zeit  aber  verloren 
geht,  sehen  Sie,  wenn  Sic  nur  die  Dauer  der  beiden  Fahrten 
vergleichen.  Im  günstigen  Falle  dauert  die  direkte  Fahrt  von 
Goa  nach  Japan  vier  und  einen  halben  Monat ;  legt  man  aber 
in  China  an,  so  gelangt  man  kaum  in  siebenzehn  Monaten  von 
Malakka  nach  Japan.  \Veil  ich  aber  weiss,  wie  leicht  die  Aus- 
sicht auf  einen  augenblicklichen  Gewinn  die  Habsucht  der  Kauf- 
leute bestechen  kann,  ihren  Plan  unbjkümmert  um  ihre  Verspre- 
chungen plötzlich  zu  ändern,  so  würde  ich  es  für  gut  halten, 
ihnen  durch  eine  gewisse  List  die  Gelegenheit,  in  China  Geschäfte 
zu  machen,  zu  entziehen,  indem  Sie  dahin  wirken,  dass  der 
Kaufführer  nicht  mehr  Pfeffer  lade,  als  durch  den  Handel  in 
Japan  mutmasslich  abgesetzt  werden  kann.  Sonst  wenn  sie 
wissen,  dass  sie  von  dieser  Ware  einen  solchen  Vorrat  führen, 
dass  noch  genug  für  Japan  übrig  bleibt,  wenn  auch  ein  Teil  in 
China  abgesetzt  wird,  so  werden  sie  in  der  Nähe  der  chinesischen 
Häfen  sich  kaum  enthalten  können,  ihrer  Habgier  nachzugeben 
und  die  Fahrt  zu  unterbrechen,  wenn  das  Wetter  auch  ent- 
schieden abrät  und  die  Matrosen  Gegenvorstellungen  machen. 
Wenn  darum  die  Ladung  von  dem  Schiffe,  welches  unsere  Patres 
benutzen  werden,  eingenommen  wird,  so  bewegen  Sie  diejenigen, 
welche  darüber  zu  bestimmen  haben,  dass  nicht  mehr  als  achtzig 
Kisten  Pfeffer    verladen    werden.     Soviel    kann    zu    Sakai    rasch 


Anfänge  der  Missionsarbeit  in  Kagoshima.  153 

und  mit  grossem  Vorteile  verkauft  Averden.  Noch  eine  andere 
Vorsichtsmassregel  möchte  ich  Ihnen  anraten,  damit  desto  leichter 
die  Habgier  der  Schiffsherren  in  Schranken  gehalten  werde. 
Bitten  Sie  nämlich  den  Herrn  Vizekönig,  der  Ihnen  gewiss  will- 
fahren wird,  dass  er  in  dem  Schriftstück,  wodurch  er  dem  Kapitän 
die  Sorge  für  die  Ueberfahrt  der  Unsrigen  nach  Japan  empfiehlt, 
ausdrücklich  beifügen  wolle,  er  verbiete  durchaus,  des  Flandels 
wegen  in  den  Häfen  von  China  anzulegen,  weil  der  i.  August 
der  äusserste  Termin  für  die  Fahrt  von  China  nach  Japan  ist. 
W'enn  man  nicht  wenigstens  an  diesem  Tage  abreist,  von  dem 
an  die  Passatwinde  noch  ungefähr  einen  Monat  wehen,  so  halten 
diejenigen,  welche  mit  den  Verhältnissen  des  dortigen  Meeres 
bekannt  sind,  es  für  unmöglich,  noch  in  dem  Jahre  nach  Japan 
zu  kommen,  es  sei  aber  klar,  dass  die,  welche  gegen  Ende  Juni 
von  Malakka  abfahren,  wenn  sie  wegen  Handelsgeschäften  sich 
in  den  Häfen  von  China  aufhalten,  nicht  am  i.  August  zur 
Weiterfahrt  bereit  sein  werden  ;  der  notwendige  Aufenthalt  in 
China  schneide  die  Gelegenheit  zur  Reise  nach  Japan  ab  und 
zwinge,  bis  zum  folgenden  Jahre  auf  die  Wiederkehr  des  Monsuns, 
eines  für  die  Ueberfahrt  nach  Japan  günstigen  Windes,  zu  warten, 
der  nur  zu  bestimmten  Zeiten  weht.  Weil  dies  der  Verkündi- 
gung des  Evangeliums,  welche  dem  Könige  vor  allem  am  Herzen 
liegt,  sehr  nachteilig  sein  würde,  so  müsste  der  Vizekönig  er- 
klären, dass,  Aver  ein  solches  Vergehen  sich  zu  schulden  kommen 
lässt,  derselben  Strafe  unterliege  wie  diejenigen,  welche  sich 
einem  königlichen  Befehle  mit  Wissen  widersetzen,  da  er  sich 
zur  Ueberfahrt  der  Patres  nach  Japan  unter  der  ausdrücklichen 
Bedingung  direkter  und  ununterbrochener  P^ahrt  verpflichtet  habe; 
hätte  er  diese  nicht  eingegangen,  so  würde  er  (der  Vizekönig) 
nach  des  Königs  Absicht  dieselben  dem  Kapitän  eines  andern 
Schiffes  anvertraut  haben." 

Zum  Erweis,  wie  immer  die  Politik  in  Xaviers  Gesichtskreis 
blieb,  darf  hier  an  ein  anderes  noch  erinnert  werden,  worauf 
schon  Venxö)  hingewiesen  hat.     Xavier  hatte  gehört,  dass  Spanien 

6.     VENN-H0FFJLA.NN,     Franz     Xavier.       Ein     iveltgeschichtliches     Missionsbild. 
Wiesbaden  1869.  S.  235. 


154  Anfänge'  der  JMissionsarhcit  in  KagosJiinia. 

ein  Auge  auf  die  ,,  Silbcrinseln "  Japan  geworfen  habe.  P> 
mahnt  (Goa,  6.  April  1552)  Simon  Rodriguez,  dahin  zu  wirken, 
dass  der  König  und  die  Königin  von  Portugal  dem  Kaiser  und 
König  von  Spanien,  Karl  V.,  schrieben,  wie  unmöglich  es  sei,  mit 
einer  Flotte  von  Neuspanien  nach  Japan  zu  gelangen.  Er  hatte 
bereits  selbst  in  diesem  Sinne  an  den  König  geschrieben,  wünschte 
aber  die  Sache  durch  die  portugiesischen  Hoheiten  in  Erinnerung 
zu  bringen.  Er  ermächtigt  Simon  Rodriguez  zu  erklären,  dass 
Schiffe  aus  Mexiko,  nachdem  sie  den  Ozean  durchsegelt,-  keine 
Häfen  in  Japan  finden,  sondern  durch  Stürme  und  Felsen  unter- 
gehen würden,  dass,  selbst  wenn  es  gelänge,  in  Japan  zu  landen,  die 
Truppen  in  den  unfruchtbaren  Eilanden  verhungern  müssten,  ja 
dass,  wenn  sie  unter  dem  Vorwande  friedlichen  Handels  in  einen 
Hafen  einliefen,  die  ebenso  kriegerischen  als  habsüchtigen  Japa- 
ner sie  samt  und  sonders  niedermachen  würden.  ,,  Es  war  nicht 
der  freie,  offene  Charakter  des  christlichen  Missionars  ",  bemerkt 
hiezu  Venn,  ,,  sondern  der  des  schlauen  Diplomaten,  der  den 
Xavier  so  über  eine  spanische  Unternehmung  sprechen  liess, 
während  er  eine  portugiesische  in  jeder  Weise  anriet." 

Gewiss  wird  niemand,  der  ihm  gerecht  werden  will,  Xavier 
Falschheit  zutrauen,  wenn  er  versichert,  dass  er  nur  die  eine 
Absicht  habe,  die  Japaner  zur  Erkenntnis  Christi  und  zum 
Glauben  an  ihn  zu  führen.  Er  täuschte  sich  auch  nicht  etwa  in 
sich  selbst,  wenn  er  schreibt :  ,,  Er  selbst,  der  alle  unsere  Ge- 
danken und  Absichten  kennt,  ist  mein  Zeuge,  dass  wir  nur 
seinetwegen  in  diese  Gegenden  gekommen  sind,  und  um  die 
Seelen  aus  der  langen  Knechtschaft  des  Teufels  zu  erretten." 
Aber  nach  den  absichtlich  in  grosser  Ausführlichkeit  mitgeteilten 
Briefauszügen,  die  keines  Kommentars  bedürfen,  ist  es  wohl  auch 
schwerlich  noch  geboten,  die  Vermutung  weiter  zu  begründen, 
dass  wenigstens  die  Möglichkeit  sehr  nahe  liegt,  dass  Xavier 
wirklich  beim  Fürsten  von  Satsuma  die  Hoffnung  erweckt  hatte, 
in  welcher  derselbe  sich  nun  mit  Verdruss  getäuscht  sah.  Und 
hätte  er  es  nicht  selbst  gethan,  so  liess  er  es  doch  ruhig  ge- 
schehen,   dass    Anjiro    und    dessen    beide    getaufte    Diener  aus- 


Anfänge  der  Missiousaröeit  in  KagosJiima.  155 

streuten,  dass  er  in  hohem  Ansehen  bei  den  Kaufleuten  stehe 
und  viel  über  sie  vermöge.  Dies  wird  schon  von  Maffei  und 
TuRSELLixi  zugegeben. 

Die  Hoffnung,  den  Fürsten  umzustimmen,  musste  aufgegeben 
werden.  Der  Erlass  gegen  die  fremde  Lehre  und  ihre  Ver- 
kündiger bheb  in  Kraft.  Das  war  ein  harter  Schlag  für  die  letz- 
teren. Sie  konnten  ihre  Zeit  nur  mehr  auf  die  Erlernung  der 
japanischen  Sprache  und  auf  den  Unterricht  der  bereits  Bekehrten 
verwenden.  Neue  am  Ort  zu  gewinnen  war  nicht  mehr  möglich. 
,,  Es  ist  den  Japanern  ganz  klar ",  meint  Xavier,  ,,  dass  die 
christliche  Religion  die  wahre,  dagegen  die  von  den  Vätern 
ererbte  falsch  ist ;  aber  die  Furcht  vor  dem  Könige  schreckt  sie 
von  der  Annahme  der  christlichen  Religion  zurück."  Als  er 
sah,  dass  der  Fürst  der  Stadt  seinem  Wirken  durchaus  entgegen 
sei,  beschloss  er  gegen  Ende  des  Jahres  (1550),  sich  anderswohin 
zu  wenden. 

Bevor  er  seine  erste  Wirkungsstätte,  wo  nach  seinem  eigenen 
Zeugnis  die  P^inwohner  grosse  Freude  gezeigt  hatten,  die  ihnen 
neue  Lehre  kennen  zu  lernen,  verliess,  befahl  er  die  Neophyten,  die 
ihn  mit  Schmerz  scheiden  sahen  und  ihm  in  ihrer  ausserordent- 
lichen Liebe  unter  Thränen  Dank  dafür  sagten,  dass  er  ihnen  mit 
so  vieler  Alühe  den  Weg  zum  Heile  gezeigt  hatte,  der  Obhut 
ihres  Mitbürgers  Anjiro,  der,  selb.st  ein  „ausgezeichneter  Christ", 
wohl  geschickt  war,  sie  in  der  christlichen  Lehre  weiter  aus- 
zubilden. Er  stand  der  Gemeinde  vor,  bis  auch  er,  vermutlich 
ebenfalls  den  Bonzen,  weichen  musste.  Die  einzige  und  darum 
unkontrollierbare  Nachricht,  die  wir  noch  über  ihn  erhalten,  gibt 
Mendez  Pinto^)  nach  welchem  er,  nach  etwas  mehr  als  fünf  Mo- 
naten von  seinen  Landsleuten  verdrängt,  nach  China  gegangen 
und  dort  in  Liampo  von  Räubern  ermordet  worden  wäre.  Aber 
die  kleine  Herde  der  von  Xavier  Getauften — nach  Pages  (p.  XC) 
300,  nach  Tursellini,  der  offenbar  Pintos  Angabe  folgt,  gar  800, 
während   Cosnio  Torres  in  einem  Briefe  vom  29.  September  155 1 

7.     Kap.  CCVIII. 


I 


156  Anfänge  der  MLssionsarbcit  in  Kagosldnux. 

nur  von  „einigen  Neubekehrten  dieses  Ortes  "spricht  und  Xavier 
selbst  nacli  Goa  schreibt :  ,,  Innerhalb  dieses  Zeitraumes  [von 
mehr  als  einem  Jahre]  wurden  mehr  als  100  in  die  Herde  Christi 
aufgenommen  " — harrte  auch  ohne  Hirten  aus.  Pagi-:s  und  andere 
berichten,  dass  Xavier  den  Katechismus  für  ihren  Gebrauch  habe 
drucken  lassen.  Das  ist  nicht  richtig.  Wohl  war  die  Druck- 
kunst seit  Jahrhunderten  in  Japan  bekannt,^)  und  Xavier  hatte 
an  Vervielfältigung  seines  Abrisses  durch  (fi'^w  Druck  allerdings 
von  Anfang  an  gedacht.  Aber  seine  Absicht  wurde  iit  dieser 
Zeit  wenigstens  noch  nicht  zur  Ausführung  gebracht.  Anzuneh- 
men ist  jedoch,  dass  er  den  Katechismus,  wohl  auch  Gebets- 
formeln und  anderes,  was  er  zum  Zweck  der  Unterweisung  von 
seinem  japanischen  Gehilfen  hatte  aufzeichnen  lassen,  in  Ab- 
schrift zurückliess,  wie  Pinto  9)  berichtet.  Und  wie  späterhin  an 
anderen  Orten,  wo  die  Missionare  nicht  ständig  sein  konnten, 
so  übernahm  wohl  auch  hier  in  Kagoshima  nach  Anjiros  Ent- 
fernung einer  der  reifsten  Neubekehrten  die  Pflege  der  andern. 
Anstatt  zusammenzuschmelzen,  wuchs  die  Gemeinde  sogar  trotz 
Bonzenanfeindung  von  100  Seelen  in  den  nächsten  Jahren  auf 
500,  wie  Alcaccva  in  Goa  der  Gesellschaft  in  Portugal  in  einem 
1554  nach  seiner  Rückkehr  aus  Japan  geschriebenen  Briefe 
meldet.  Als  1561  ein  Jesuitenfrater  nach  Kagoshima  kam,  fand, 
er  zu  seiner  Freude  noch  trotz  so  langer  Verwaieung  eine 
gläubige  Gemeinde. 

Xavier  hatte  Recht  behalten.  Die  Erfahrungen,  die  er 
während  des  ersten  Jahres  seines  Aufenthalts  im  Lande  machte, 
hatten  ihm  bestätigt,  was  er  in  seinen  ersten  Nachrichten  aus 
Japan  als  vorläufigen  P^indruck  in  die  Worte  gefasst  hatte : 
„Vom  Volke  selbst  scheint  uns  keine  Gefahr  zu  drohen,  es  sei 
denn,  dass  es  von  den  Bonzen  gegen  uns  gereizt  werde  ". 

cS.  Vgl.  E.  Satow,  On  the  Eaiiy  History  of  Printing  in  Japan.  (T.  A.  S.  J. 
\'ol.  X.  l'art  I)  und  Furiher  A'oies  on  Movabk  Typcs  in  Korea  and  Early  Japanese 
Prinlcd  Books  (Ibid.  Vol.  X.  Part  II)...l''crncr  E.  S.VTOW,  The  Jesuit  Mission 
F'ress  in  Japan.  i888  (privat ely  printed). 

9.     Kap.  CCVIII. 


Anfänge  der  Mtssionsarhcit  in  KagosJiiina.  157 

Uebcr  das  Volk  im  Ganzen  hatte  er  fast  enthusiastisch 
sich  geäussert :  ,,  Das  Volk,  mit  dem  wir  umgegangen  sind, 
übertrifft  an  Frömmigkeit  alle  übrigen  neuentdeckten  Nationen, 
so  dass  ich  glaube,  es  gebe  keine  barbarische  Nation,  welche 
den  Japanern  an  natürlicher  Güte  gleichkommt.  Sie  haben  einen 
leichtfassenden,  offenen  Geist  und  sind  sehr  begierig  nach  Ehre 
und  Ansehen  ;  die  Ehre  ziehen  sie  allem  Uebrigen  vor.  Manche 
sind  zwar  arm,  jedoch  gereicht  die  Armut  niemanden  zur 
Schande.  Sie  haben  einen  Brauch,  der  vielleicht  nirgends  bei 
den  Christen  varkommt.  Den  dürftigen  Adeligen  wird  von  den 
Uebrigen  nicht  weniger  Ehre  erwiesen  als  den  reichen  ;  und 
niemals  lässt  ein  Adeliger  sich  herbei,  wenn  er  auch  noch  so 
arm  und  dürftig  ist,  eine  Ehe  auch  mit  der  reichsten  Bürger- 
lichen einzugehen ;  so  weit  steht  der  Reichtum  bei  ihnen  an 
Achtung  gegen  die  Ehre  zurück.  Unter  einander  sind  sie  sehr 
höflich.  An  Waffen  haben  sie  grosse  P^-eude  und  setzen  auf 
dieselben  grosses  Vertrauen.  Alle,  Vornehme  und  Geringe, 
gehen  immer  mit  Schwert  und  Dolch  umgürtet  aus,  selbst 
Knaben  von  vierzehn  Jahren.  Wie  die  Bürgerlichen  grosse 
Achtung  vor  den  Adeligen  haben,  so  rechnen  diese  es  sich  zur 
Ehre,  den  Königen  und  Fürsten  zu  dienen  und  aufs  Wort  zu 
gehorchen.  Und  es  scheint  mir,  dass  sie  dies  mehr  aus  Ehr- 
geiz als  aus  Furcht  vor  den  Machthabern  thun,  um  nämlich 
nichts  von  ihrem  Ansehen  zu  verlieren.  Im  Genüsse  von  Speise 
sind  sie  massig,  nicht  so  im  Trinken.  Sie  bedienen  sich  einer 
Art  Wein,  der  aus  Reis  gepresst  wird  ;  anderen  Wein  gibt  es 
nämlich  in  diesen  Gegenden  nicht.  Vor  Würfelspiel  und  anderen 
Spielen  haben  sie  einen  wahren  Abscheu,  weil  die  Si)ieler  nach 
fremdem  Gut  begehren  unB  von  der  Gewinnsucht  zur  Leiden- 
schaft des  Stehlens  kommen.  Wenn  sie  schwören,  was  übrigens 
sehr  selten  geschieht,  so  thun  sie  es  bei  der  Sonne.  Die 
meisten  können  lesen  und  schreiben,  was  zur  Erlernung  der 
gewöhnlichen  Gebete  und  der  Hauptlehren  unseres  Glaubens 
sehr  förderlich  ist.  Sie  leben  in  der  Ehe  nur  mit  einem  Weibe. 
Diebe  kommen  unter  ihnen  wenig  vor,  wohl  wegen  der  strengen 


158  Anfänge  der  Missionsarbeit  in  KagosJiinia. 

Strafen,  v/clchc  auf  den  Diebstalil  stehen  ;  alle  Diebe  werden 
nämlich  mit  dem  Tode  bestraft ;  darum  hassen  sie  jede  Art 
von  Diebstahl.  Sie  sind  von  Natur  sehr  zur  Sittlichkeit  geneigt 
und  überaus  wissbegierig.  Reden  über  Gott  und  göttliche  Dinge 
hören  sie  sehr  gern,  zumal  wenn  sie  das,  was  gesagt  wird, 
hinreichend  verstehen.  Ich  habe  noch  nie  weder  unter  Christen 
noch  unter  Heiden  ein  Volk  gesehen,  welches  einen  so  grossen 
Abscheu  vor  dem  Diebstahl  hat. 

Von  Dingen,  welche  mit  der  Natur  und  Vernunft  ifberein- 
stimmen,  hören  sie  gern  reden.  Obwohl  sie  von  Sünden  und 
Lastern  nicht  frei  sind,  so  stimmen  sie  doch  leicht  zu,  wenn 
man  ihnen  nachweist,  die  Sünden  seien  gegen  die  Vernunft,  und 
erklären  sich  bereit,  der  Vernunft  zu  gehorchen." 

Ganz  anders  lässt  er  sich  schon  nach  nur  kurzem  Aufenthalte 
über  die  Bonzen  vernehmen.  So  entzückt  er  vom  Volke  spricht, 
so  wenig  Gutes  weiss  er  von  seinen  Priestern  zu  sagen.  Als 
ihr  Hauptlaster  bezeichnet  er  unverhohlene  grobe  Unsittlichkeit 
im  Verkehr  mit  den  Nonnen  und  Missbrauch  der  ihren  Klöstern 
zur  Erziehung  anvertrauten  Söhne  der  Vornehmen  zur  Sünde, 
ein  Laster,  das  durch  lange,  abstumpfende  Gewohnheit  so  gemein 
unter  ihnen  geworden  sei,  dass  sie  sich  dessen  nicht  einmal 
mehr  schämten  und  auf  die  ernstesten  Zureclitweisungen  nur  mit 
Lachen  und  Spottreden  erwiderten.  Von  den  übrigen  Irrtümern 
der  Bonzen,  die  zu  seiner  Verwunderung  trotz  ihres  offenkundi- 
gen Lasterlebens  dennoch  beim  Volke  in  Achtung  standen,  will 
er  nicht  reden  und  bemerkt  nur,  dass  von  ihnen  gelte :  Je 
gelehrter,  je  verkehrter.  Zwar  rühmt  er  übereinstimmend  mit 
der  schon  erwähnten  Briefaussage  Cosmo's  in  seinen  ersten  Schrei- 
ben nach  Indien  und  Europa  auch  ihnen  nach,  dass  sie  ebenso 
wie  die  Laien  gerne  mit  ihm  und  .seinen  Genossen  umgingen 
und  sie  bewunderten,  dass  sie  von  Portugal  nach  Japan — eine 
Entfernung  von  mehr  als  6000  Stunden — gekommen  seien,  einzig 
in  der  Absicht,  mit  ihnen  über  göttliche  Dinge  zu  reden  und 
durch  Verl<ündigung  der  Lehre  Christi  den  Irrenden  den  Weg 
zum    Heil    zu    zeigen,    eine    Absicht,    die    ihnen    nur    von    Gott 


Anfänge  der  Misslonsarbcit  in  KagosJnnia.  1 59 

eingegeben  sein  könne.  Xavier  hatte  sogar  im  Anfang  häufig 
einzehie  von  ihnen,  die  durch  ihre  Gelehrtheit  hervorragten,  auf- 
gesucht, einerseits  wohl  um  iiire  Philosophie  kennen  zu  lernen, 
andererseits  weil  ihm  bei  dijin  Ansehen,  das  sie  beim  Volk  ge- 
nossen, daran  liegen  musste,  auf  gutem  Fusse  mit  ihnen  zu 
stehen.  Freilich  den  einen,  den  er  besonders  herv^orhebt,  hat 
er,  so  scheint  es,  irrtümlich  dem  geistlichen  Stande  zugerechnet. 
Er  sagt,  dass  er,  gleichsam  der  Bischof  der  Bonzen,  wegen 
seiner  Gelehrsamkeit,  seiner  höheren  priesterlichen  Würde  und 
wegen  seines  hohen  Alters — er  war  schon  80  Jahre  alt — von 
allen  geachtet  und  geehrt  wurde.  Er  fügt  hinzu,  dass  er  den 
Ehrennamen  Xinxit  getragen  habe,  und  übersetzt  denselben  mit 
,,  Herz  der  Wahrheit".  In  der  Form,  wie  er  den  Namen  wie- 
dergibt, klingt  er  an  Negi  an,  einen  an  Kannushi  verliehenen 
Amtstitel,  und  so  könnte  man  geneigt  sein,  in  dem  Greise  einen 
Priester  der  Shintöreligion  zu  erblicken.  Aber  wahrscheinlicher 
als  dies  wäre  doch,  dass  er  gewesen,  wofür  ihn  Xavier  nahm, 
ein  Bonze.  Wenn  die  Bedeutung  seines  Ehrennamens,  den  er 
leicht  falsch  gehört  haben  kann  ,,  Herz  der  Wahrheit  "  war,  so 
möchte  dieser  in  W^irklichkeit  SJiinsJän  (zusammengesetzt  aus  >jj» 
iJdn  ,,  Herz  "  und  m.  shin  ,,\Vahrheit  ")  gewesen  sein.  Bedenken 
hiegegen  erweckt  indessen  dies,  dass  Xaviers  Ninxit  gar  zu  wenig 
an  SJnnsJnn  anklingt,  und  ferner,  dass  in  den  japanischen  Quellen, 
die  für  die  Geschichte  von  Kagoshima  in  Betracht  kommen,  1°)  ein 
Gelehrter  dieses  Namens  nirgends  vorkommt,  was  doch  auffallend 
wäre,  wenn  er  in  solchem  Ansehen  stand,  wie  Xavier  sagt.  Dage- 
gen findet  sich  ein  Vornehmer  von  Kagoshima  erwähnt,  der  als 
Nissin-Scijin  in  Achtung  stand.  Nissin  klingt  an  Xaviers  Ninxit 
an.  Seij'in  (^- A)  ist  schwer  genauer  zu  erklären.  Mit  ,,  der 
Weise "  ist  es  nicht  ganz  adäquat  übersetzt,  denn  es  bedeutet 
einen  Mann  von  ausserordentlicher  intellektueller  Begabung  und 
zugleich    makelloser    moralischer    Lebensführung,    wie    es    denn 

10.  Es  sind  dies  die  P.ücher  SIntiiazu  Kiiki ;  CJiTigokii-CJiirnuId ;  Kagoshima- 
G'iuaisJii ;  ausserdem  das  aus  So  Büchern  bestehende,  aber  novellistisch  gehaltene 
und  darum  wenig  zuverlässige  Kansei-Intokti-Taiheiki. 


l6o  Anfänge  der  Missionsarbcit  in  Kng-oshinia. 

in  der  rcliu,"iöscn  Sprache,  hier  SJiuiiin  ausgesprochen,  die  Jkzeicli- 
nung  für  einen  ,,  Heiligen  "  ist.  ]'^s  ist  nicht  unwahrsclieinhch, 
dass  man  Xavier  auf  Ik^fragen  den  Sinn  des  japanischen  Wortes 
gab,  indem  man  es  umschrieb,  und  dass  er  dies  dann  im  Portu- 
giesischen mit  ,,  Herz  der  Wahrheit  "  am  entsprechendsten  aus- 
zudrücken glaubte.  Nissin-Seijin  war  der  Vater  Takahisa's, 
des  regierenden  Herrn  von  Satsuma.  Sein  Alter  lässt  sich, 
da  der  Stammbaum  der  Familie  seinen  Geburtstag  nicht  angibt, 
nicht  mit  Sicherheit  ausmachen;  aber  soviel  lässt  sich,  da  i549 
sein  Sohn  Takahisa  35  Jahre  alt  war,  doch  sagen,  dass  er 
mindestens  55  Jahre  alt  gewesen  sein  muss,  aber  auch  80  ge- 
wesen sein  möchte.  Das  Wahrscheinliche  ist,  dass  er  in  Wirklich- 
keit jünger  war  und  sein  Alter  von  Xavier  nur  so  hoch  geschätzt 
wurde.  Er  war  nun  allerdings  kein  Bonze,  sondern  ein  hervor- 
ragender Gelehrter  d.  h.  ein  Kenner  der  chinesischen  Klassiker. 
Aber  das  zurückgezogene  Leben,  das  er  führte,  seine  Gelehrten- 
kleidung und  sein  Verkehr  mit  gelehrten  Bonzen  wie  z.  B.  mit 
Kenuan  von  Midkokn-ji  mochten  Xavier  verleiten,  ihn  selbst  fiir 
einen  solchen  zu  nehmen.  Er  stand  zu  Kagoshima  in  hoher 
Achtung  sowohl  wegen  seiner  Verwandtschaft  mit  dem  Daimyö 
als  auch  wegen  seiner  Gelehrsamlceit.  Alles  das  macht  es  sehr 
wahrscheinlich,  dass  man  ihn  für  den  Ninxit  zu  halten  hat,  dessen 
Xavier  Erwähnung  thut.  Er  erzählt,  dass  er  den  ehrwäirdigen 
Greis  bei  einer  Unterhaltung  über  die  Unsterblichkeit  der  Seele 
sehr  ungewiss  gefunden  ;  sehr  schwankend  habe  er  dieselbe  bald 
behauptet,  bald  verworfen.  Auch  dies  legt  die  Vermutung  nahe, 
dass  ihn  Xavier  fälschlich  für  ein  Glied  der  buddhistischen 
Hierarchie  gehalten  hat.  Von  ihm  schreibt  er  :  ,,  Es  ist  merk- 
würdig, wie  dieser  Greis  mich  lieb  hat".  Einem  Gelehrten  wie 
Nissin-Seijin  konnte  natürlich  der  Umgang  mit  einem  Genossen 
von  einer  andern,  den  Japanern  bis  dahin  unbekannten  Welt  nur 
angenehm  sein,  und  es  wäre  nicht  abzusehen,  was  einem  guten 
Einvernehmen  zwischen  beiden  hätte  im  Wege  stehen  sollen. 
Ganz  anders  war  es  mit  den  Bonzen.  Da  ging  es,  wie  Xavier 
es  vorausgesehen  ;  sobald  er  angefangen,  ihnen  das    Evangelium 


Anfänge  der  IMissionsarbcit  in  KagosJiima.  [6i 

zu  verkünden,  ihre  Lehrirrtümer  zu  widerlegen,  ihr  Lasterleben 
zu  strafen,  und  sobald  Erfolg  sich  anliess,  die  J\Iühe  der  Fremd- 
linge zu  krönen  zum  Schaden  der  eingeborenen  Priesterschaft, 
da  wandten  sich  die  gereizten  Geister  wie  ci)i  Mann  gegen  sie. 
Die  europäischen  Bonzen  mussten  den  japanischen  weichen. 

Freilich,  viel  länger  hätte  sich  der  ruhelose  Apostel  wohl 
auch  ohne  Bonzenfeindschaft  und  Fürstenungnade  nicht  in  Kago- 
shima  aufgehalten.  Er  hatte  von  Anfang  an  gedacht,  nicht 
länger  als  sieben  ]Monate  d.  h.  bis  zum  Eintreffen  günstigen 
Fahrwinds  da  zu  bleiben.  Er  strebte  weiter.  Seiner  Ungeduld 
konnte  es  nicht  rasch  genug  vorwärts  gehen.  ]\Iit  grösseren 
Plänen  trug  sich  bereits  sein  Geist.  Im  ersten  Schreiben  nach 
Indien  schon  spricht  er  von  seiner  Absicht,  an  die  berühmtesten 
Universitäten  Europas  ein  Rundschreiben  zu  richten  mit  der 
Bitte,  die  tüchtigsten  Arbeiter  auf  das  wichtige  Arbeitsfeld  zu 
senden,  wo  die  Wirksamkeit  an  den  berühmten  von  je  3500 
und  mehr  Studenten  besuchten  Akademieen  in  Bandu,  Mcako 
und  den  in  geringer  Entfernung  von  Meako  gelegenen  Coyan, 
Negni,  Fisson  {Frcrnyanid),  Hoiuian.  ")  Priester  von  gründlicher 
und  vielseitiger  Bildung  erfordere.  Seine  Gedanken  gingen  sogar 
schon  über  Japan  hinaus.  Der  unternehmungsfrohe  Mann  dachte 
über  Japans  Millionen  hinweg  schon  an  die  Millionen  Chinas. 
,,  Es  heisst",  so  schreibt  er,  ,,  der  Zutritt  zu  China  stehe  offen, 
ohne  dass  Unbilden  von  selten  der  Eingeborenen  zu  fürchten 
seien,  wenn  man  nur  einen  Geleitsbrief  des  Königs  von  Japan 
habe,  und  wir  hoffen  zu  Gott,  dass  derselbe    uns    gewogen    sein 

II.  ^lit  Bandu  ist  Kioaniö,  mil.  der  dortigen  Akademie  der  Ilon-san-teiiipel 
der  /?<?/;-Sekte  in  Kamakura,  und  mit  Mcako  natürlich  die  kaiserliche  Hauptstadt, 
das  heutige  Kyoto,  gemeint.  Coyan  ist  der  Berg  Köva-san  in  der  Provinz  Kii, 
auf  welchem  das  berühmte,  im  Jahre  8l6  von  Köbö  Daishi  gegründete  Kloster 
Kongöbushi  steht ;  Negru  ist  das  gleichfalls  in  Kü  gelegene  N'egcro  mit  seinen  dem 
Fudö  geweihten  Tempel-und  Klosteranlagen,  die  zwei  Hügel  bedeckten.  Bei  Fisson 
ist  wohl  an  die  DaijingüAzxw^A  von  he  zu  denken.  Homian  endlich  ist  wahr- 
scheinlich mit  Atsiita  in  Öwari  zu  identifizieren,  was  gewöhnlich  JMiya  oder  mit 
\'oransetzung  eines  Ö,  um  den  Respekt  vor  den  dortigen,  686  gegründeten  Shintö- 
lleiligtümern  auszudrücken,   Oniiva  genannt  wird. 


102  Anfänge  der  Missionsarhcit  in  Kagosliima. 

werde  ",  lu'  hatte  gehört,  der  ,,  KiMiig  v'on  Japan  "  sei  mit  dem 
Kaiser  von  China  befreundet  und  besitze  als  Zeichen  dieser 
I'^reundschaft  einen  Ring  und  ein  Siegel  des  Kaisers,  um  den  von 
Japan  nach  China  Reisenden  einen  mit  kaiserUchem  Insiegel 
versehenen  Geleitsbrief  mitgeben  zu  können.  Auch  darum  er- 
schien es  ihm  nichtig,  die  Residenz  des  japanischen  I  ferrschers 
aufzusuchen. 


ZEHNTES  KAPITEL. 
Gemeindegründung  in  Hirado. 


Anfang  September, 0  nach  einem  Aufenthalte  von  etwas  über 
einem  Jahre,  brachen  die  Missionare  zusammen  von  Kagoshima 
auf,  um  einen  günstigeren  Boden  für  ihre  christHche  Verkündi- 
gung zu  suchen.  Ilu'  nächstes  Reiseziel  war  das  weiter  im  Norden 
gelegene  Eiland  Hirado.  Was  ihnen  die  Ungnade  des  Daimyö 
von  Satsuma  zugezogen,  das  Einlaufen  der  portugiesischen 
Kauffahrer  in  den  Hafen  von  Hirado,  das  eben  musste  sie  auf 
freundliche  Aufnahme  dort  rechnen  lassen.  Auch  lag  es  ja  nahe 
genug  für  sie,  zuvörderst  den  Ort  aufzusuchen,  den  einzigen  in 
Japan,  wo  sie  eben  Landsleute  befindlich  wussten,  umsomehr 
als  diese  Briefe  für  sie  aus  Europa  oder  Lidien  mit  sich  gebracht 
haben  mochten,  die  besonders  Xavier  stets  mit  Ungeduld 
erwartete. 

Von  der  Wanderung  nach  dem  Eiland  erfahren  wir  durch 
die  Reisenden  selbst  kein  Wort.  Es  ist  einzig  ein  Brief  von 
Frater  Liidivig  Alincida,  geschrieben  am  25.  Oktober  1562,  also 
zwölf  Jahre  später,  aus  dem  man  ersieht,  dass  sie  unterwegs  sich 
einige  Zeit  an  einem  Orte  aufhielten  und  dass  Xavier  daselbst  auch 
an  etlichen  Japanern  die  Taufe  vollzog.  Auf  einer  Reise  in  das 
Gebiet  von  Satsuma,  die  Almeida  von  Bungo  aus  im  Dezember 
des  Jahres  1561  antrat,  stiess  er,  von  Akunc  (Almeida  schreibt 
Angund)  an  der  \\'estküste  der  Provinz  Satsuma  kommend, 
unterwegs  auf  das  Schloss  eines  Ritters,  der  nach  ihm  den  Namen 


I.     Siehe  den  kritischen  Exkurs  am  Ende  dieses  Kapitels. 


104  Gemcindegn'indiDi;';   'nt  Hirado. 

Ekandono  oder  Hexandono  \_Iga-no-kann\  hatte.  Er  beschreibt 
das  Schloss,  das,  18000  Scliritte  von  Kagoshima  entfernt,  auf 
einem  hohen  Berge  stand,  und  sagt,  es  sei  von  allen,  die  er  sich 
Zeit  seines  Lebens  gesehen  vxx  haben  erinnere,  sowohl  der  Lage 
als  der  Bauart  nach  das  festeste.  Ivs  sei  von  zehn  Vorwerken 
umgürtet,  von  deren  einem  /.um  andern  mau  durch  Zugbrücken 
kommen  könne.  Diese  seien  sehr  weit  von  einander  entfernt, 
die  Gräben  aber  so  tief,  dass  beim  Hinuntersehen  das  Auge  sich 
in  der  Tiefe  verliere.  Lie  hVlswände  seien  mit  Eisen  ausgehauen, 
\\as  ihm  für  IMenschenhände  eine  fast  unglaubliche  Arbeit  7X\ 
sein  schien.  Y^x  erzählt,  dass  er  in  diesem  .Schlosse  eingekehrt 
.sei,  um  die  Gemahlin  des  Burgherrn  und  vierzehn  andere,  die 
Xavier  zu  Christen  gemacht  habe,  darunter  auch  den  älteren 
Sohn  P2kandonos,2)  zu  besuchen.  Wir  erfahren  ferner  durch 
Almeidas  Brief,  dass  Xavier  ihnen  ein  Büchlein,  worin  er  mit 
eigener  Hand  die  Litanei  und  andere  Gebet.sformeln  abgeschrieben, 
sowie  eine  Ikissgeissel  zurückgelassen  hatte. 

Aus  dieser  Mitteilung  Almeidas  lässt  sich  schliessen,  dass 
Xax'ier  mit  .seinen  Wandergenossen  von  Kagoshima  aus  die  gute 
l'^ahrstrasse  einschlug,  die  heute  noch  zuerst  westwärts  nach 
Ichiki  Minato  und  dann  die  W^estküste  von  Satsuma  entlang  über 
Sendai,  Nishikata,  x^kune,  Kura-no-seto  lührt,  wo  sie  vermutlich 
ein  Boot  zur  Weiterfahrt  nach  Ushibuka  bestiegen,  um  von  dort 
nach  Hirado  zu  fahren,  wenn  .-^ie  nicht  etwa  von  L^shibuka  zu 
Fuss  nach  Hondo  und  Oni-ike  gingen,  hier  nach  Kuchinotsu 
übersetzten,  um  von  da  über  das  heutige  Nagasaki  den  \\'eg  zu 
ihrem  Ziel  zu  nehmen.  Möglich  wäre  es  allerdings  auch,  dass 
sie  die  Strasse  von  Akune  bis  Kumamoto  in  der  Provinz  Higo 
verfolgten  und  von  da  nach  Hirado  gelangten.  Ende  September 
oder  Anfluig  Oktober  mögen  sie  dort  angekommen  sein.  Heute 
ist  kaimi  noch  eine  Si)ur  \-on  luu'opäern  auf  dem  Eilande  zu 
entdecken.     Auch  vom  Schlosse  des  Daimyö  steht  nur  noch  eine 


2.  P.\c;ks  (a.  a.  O.  Tonic  I,  p.  XC)  sagt,  obwohl  er  selbst  im  Anhang  zu 
seinem  Werke  die  Ouelle,  Almeidas  Brief,  mitteilt,  im  Widersjirnch  zu  ihr  wie 
andere  vor  ihm,  Xavier  liabe  Gattin,  Sohn  und  15  andere  getauft. 


Geinc'üidcgnindiiiig  in  llirado.  165 

INIauerruinc,  von  der  aus  sich  eine  schöne  Aussicht  bietet.  Zu 
der  Zeit,  als  die  drei  ersten  Jesuiten  dort  ankamen,  war  das  mit 
der  Insel  gleichnamige  Hirado,  von  den  portugiesischen  und 
holländischen  Seefahrern  und  von  den  Jesuiten  Firando  genannt, 
die  Hauptstadt  der  Provinz  Hi.zcn,  und  die  von  Indien  und  China 
nach  Japan  kommenden  Schiffe  hatten  eben  angefangen,  den  neu 
ausgefundenen  günstigen  Hafen  anzulaufen,  wie  derselbe  denn 
bis  ins   17.  Jahrhundert  ein  Hauptemporium  blieb. 

Aus  einem  Briefe,  den  Xavier  nach  seiner  Rückkehr  aus 
Japan  von  der  Insel  Sanshan  am  12.  November  1552  an  Jakob 
Pereira  schrieb,  wissen  wir,  dass  zur  Zeit,  als  er  mit  seinen 
beiden  Genossen  in  Hirado  ankam,  sich  im  Hafen  eben  I'ranz 
Pereira  mit  zahlreichem  Gefolge  aufhielt,  und  dass  ihn  diese  durch 
das  Wohlwollen,  das  sie  ihm  bezeigten,  und  durch  mancherlei 
Liebesdienste  zu  ihrem  Schuldner  machten. 

Der  regierende  Daimyö — es  war  Matsura  Takanobu — nahm 
die  Ankömmlinge  sehr  freundlich  auf  und  versicherte  sie  aus  den 
gleichen  Beweggründen  wie  vorher  sein  Rivale  von  Satsuma, 
möglicherweise  auch  diesem  zum  Trotze,  alsbald  seiner  Huld, 
gewährte  ihnen  auch  sofort  mit  ""rösster  Bereitwilligkeit,  was 
jener  ihnen  wieder  entzogen  hatte,  die  Erlaubnis,  in  seinem 
Gebiete  zu  predigen  und  ihre  Religion  frei  auszubreiten.  Von 
dieser  Erlaubnis  machten  sie  ohne  Säumen  Gebrauch.  Xavier 
verweilte  jedoch  nur  einige,  nach  Mendez  Pinto  3)  mehr  als 
zwanzig  Tage  in  Hirado.  Aber  obwohl  nach  seinem  eigenen 
Geständnis  weder  er  noch  die  beiden  andern  Missionare  Japa- 
nisch konnten,  gelang  es  ihnen  doch,  in  so  kurzer  I'rist  durch  Vor- 
lesung ihres  halbjapanischen  Katechismus  und  durch  iVnsprachen 
an  das  Volk  ungefähr  hundert  Japaner  für  die  christliche  Religion 
zu  gewinnen. 

Damit  meinte  Xavier,  den  es  nirgends  lange  duldete,  am 
wenigsten  jetzt,  ^vo  er  ganz  von  dem  Gedanken  an  die  Reichs- 
hauptstadt und  den  Kaiser    erfüllt    war,    in    Hirado    den    Grund 

3.    Kap.  CCVIII. 


i66  Gcmci)idcgninduiig  in  Ilirado. 

genügend  gelegt  zu  haben.  Er  bestellte  V.  Torres,  das  Gewon- 
nene zu  erhalten,  die  Neubekehrten  zu  pflegen  und  weiter  zu 
bauen.  Vä  selber  brach  mit  Johann  Fernandez  und  mit  zwei 
christlichen  Japanern,  die  ihm  ]'\'ihrer-und  Dolmetscherdienste 
leisten  sollten,  Bernhard,  seinem  ersten  Konvertiten  in  Kagoshima, 
und  Matthaeus,  am  27.  Oktober  1550  von  Hirado  auf.  ,,  Ihr  könnt 
Euch  denken",  schreibt  Cosmo  de  Torres  nach  Goa,  ,,  meine 
Väter  und  Brüder,  wie  mir  zu  Mute  war,  zurückgelassen  und 
von  seiner  Gesellschaft  getrennt  zu  sein,  da  ich  die  grossen 
Gefahren  und  Mühen  kannte,  die  sie  zu  überstehen  hatten  ;  denn 
sie  verliessen  Firando  um  das  Ende  Oktober,  wo  in  dieser  Gegend 
der  grosse  Schneefall  und  der  Frost  einsetzt.  Aber  was  den 
Vater  Franciscus  anlangt,  konnten  ihn  bei  dem  Feuer  der  Liebe 
zu  Gott,  das  in  ihm  brannte,  und  dem  Verlangen,  den  heiligen 
katholischen  Glauben  zu  verkünden,  weder  P" röste  noch  Schneestür- 
me noch  die  Furcht  vor  dem  unbekannten  Volke  abhalten,  diese 
höchst  gefährliche  Reise  zu  unternehmen."  Sein  Ehrgeiz  war 
nun  darauf  gerichtet,  das  I{!vangelium  in  die  Hauptstadt  des 
Reichs,  das  Zentrum  japanischer  Bildung  und  Gelehrsamkeit  und 
die  Hochburg  des  13uddhismus,  zu  tragen,  von  deren  Grösse 
man  ihm  schon  in  Kagoshima  Ausserordentliches  erzählt  hatte  : 
dass  sie  mehr  als  90000  4)  Häuser  habe,  dass  dort  ein  sehr 
besuchtes  Gymnasium,  fünf  vorzügliche  Kollegien  für  Studierende 
und  mehr  als  200  Klöster  für  Bonzen  und  andere  mönchähnliche 
Götzendiener  seien,  welche  man  Legioxen  nenne,  und  desglei- 
chen für  Frauen,  welche  Hamakuten  genannt  würden.  Er  hatte 
in  Hirado  erfahren,  wie  förderlich  die  Gunst  eines  Feudalherrn 
der  Ausbreitung  der  christlichen  Religion  unter  seinen  Unterthanen 
war.  Welche  Erfolge  könnte  man  sich  erst  \ersprechen,  wenn 
der  Herrscher  des  gesamten  Reichs  dem  Christentum  günstig 
gestimmt  und  als  Schutzpatron  der  fremden  Religion  gewonnen 
werden  könnte  !  Also  zum  Kaiser,  zur  Hauptstadt !  ubnpli/is, 
aiiiplius !     Hatte    das    Evangelium    erst    einmal   in  INIiyako    eine 

4.     Bei  CüXlLLAS :  190.C00,  nach  TURSELLIN  gar  900.000. 


Gcineiiidcgrnndiing  in  Hirado.  167 

Stätte,  dann,  so  hoffte  er,  würde  es  bald,  wie  einst  von  Rom 
aus,  nach  allen  Seiten  seinen  lichten  Schein  werfen  und  sich 
ausbreiten.  Und  dass  er  es  in  Miyako  werde  pflanzen  k(3nnen, 
daran  zweifelte  er  nicht.  Schon  von  Kagoshima  aus  hatte  er 
dem  Präfekten  vosi  Malakka  geschrieben :  ,,  Ich  setze  grosses 
Vertrauen  auf  unsern  Herrn  Jesus  Christus,  dass  ich  Ihnen  vor 
Ablauf  von  z\vei  Jahren  schreiben  kann  :  wir  haben  in  Meako 
eine  Unserer  Lieben  Frau,  der  allerseligsten  Jungfrau  und 
Gottesmutter,  geweihte  Kirche,  so  dass  die,  welche  in  Zukunft 
die  Fahrt  nach  diesen  Inseln  unternehmen,  in  den  schrecklichen 
Stürmen  des  chinesischen  Archipels  die  ,,  AUerheiligste  Jungfrau 
von  Meako  "  anrufen  können  ". 


EXKURS. 


Als  Datum  für  Xaviers  Aufbruch  von  Kagoshima  nach 
Hirado  gibt  Bartoli  {Asia  proprianicntc  dctta,  lib.  3,  c.  13) 
Anfang  September  1550  an.  Satow  i^Tlic  C/iuirh  at  Yauiagncld 
frovi  1550  to  ijS6,  T.  A.  S.  J.  Vol.  VII,  Part  IL  Reprint  of 
1879,  p.  140)  ficht  dieses,  übrigens  auch  von  anderen  Kirchen- 
geschichtschreibern angegebene  Datum  m.  P>.  mit  Unrecht  an,  um 
„  ungefähr  Anfang  Juli  "  dafür  zu  setzen,  da  Bartolis  Zeitangabc 
sich  mit  den  Angaben  Xaviers  in  seinem  Briefe  nach  Goa,  d.  d. 
Amanguchi,  20.  November  1550,  nicht  vereinen  lasse.  Hier 
berichte  er,  dass  er  nach  einjährigem  Aufenthalte  in  Kagoshima 
diese  Stadt  verlassen  habe  und  nach  Hirado  weitergegangen  sei, 
wo  er  in  ein  paar  Tagen  nahezu  hundert  Konvertiten  machte, 
um  dann  über  Yamaguchi  seine  Reise  nach  der  Hauptstadt 
fortzusetzen,  von  wo  er  nach  Yamaguchi  zurückkehrte.  Satow 
lässt  Xavier  in  diesem  Brief  aussagen,  dass  er  in  der  Zeit  zwischen 
seiner  Abreise  von  Kagoshima  und  dem  Tage,  wo  er  seinen 
Brief  datierte  (20.  November  1550),  10  Tage  in  Hirado,  ebenso 
viele  zu  Yamaguchi  zugebracht,  zur  Reise  nach  Kyoto  und  von 
dort  zurück  nach   Yamacruchi  2  Monate    G:ebraucht   und  an  letz- 


i68  Ciciiiciiidegniiiduiig  in  llirado. 

tcrcm  Orte  in  anderen  2  Monaten  500  Konvertiten  bereits  gemacht 
habe.  HiezLi  noch  14  Tage  rechnend,  che  er  für  die  beiden 
Reisen  nach  llirado  und  von  dort  nach  Yamaguchi  ansetzt,  findet 
Satow,  dass  wenigstens  5  Monate  seit  Xaviers  Aufbruch  von 
seiner  ersten  Wirkungsstätte  vergangen  gewesen  sein  müssen,  als 
er  am  20.  November  seinen  l^rief  nach  Goa  schrieb,  der  diese 
Angaben  enthält,  weshalb  Bartolis  September  i  550  eine  falsche 
Zeitangabe  und  und  in  Juli  1550  zu  korrigieren  sei.  Er  stützt  das 
Ergebnis  seiner  l^erechnung  noch  durch  Berufung  auf  einen, Brief 
Cosmo  Torres',  in  dem  es  heisst,  Magister  Franciscus  habe 
beinahe  ein  Jahr  [aiuiuin  fcnnc)  in  Kagoshima  zugebracht,  wo 
iie  zusammen  am  15.  iVugust  1549  gelandet  waren.  So  berichtet 
thatsächlich  Torres.  Dem  steht  aber  entgegen  Xaviers  eigene 
]\Iitteilung,  dass  sie  über  ein  gan:zcs  Jahr  in  Kagoshima  gewesen 
seien,  was  Satow  entgangen  zu  sein  scheint,  obwohl  es  in  dem 
von  ihm  angezogenen  Briefe  steht.  Hätte  Torres  recht,  so  wür- 
den wir  auf  etwa  Anfang  Juli  geführt.  Nimmt  man  dagegen 
an,  dass  Xaviers  Angabe  die  genauere  ist,  so  erscheint  Bartolis 
,,  Anfang  September"  richtig.  Torres'  Aussage,  dass  sie  fast 
ein  Jahr  zu  Kagoshima  mit  einigen  Neubekehrten  dieses  Ortes 
zugebracht,  leirt  zudem  die  Annahme  nahe,  dass  er  nicht  die 
Dauer  ihres  gesamten  Aufenhaltes,  sondern  die  ])auer  ihres 
Zusammenseins  mit  den  ersten  japanischen  Konvertiten,  die 
doch  erst  nach  einigen  Wochen  gewonnen  wurden,  bestimmen 
wollte. 

Satow  hat  berechnet,  dass  seit  der  Abreise  Xaviers  von 
Kagoshima  bis  zum  20.  November  15 50  wenigstens  5  Monate 
vergangen  sein  mussten.  Rechnet  man  nun  von  letzterem  Datum 
,,  wenigstens  5  Monate"  rückwärts,  so  kommt  man  auf  den  20. 
Juni  1550,  nicht  auf  ,,  ungefähr  Anfang  Juli  1550".  Aber 
schon  die  Berechnung  der  Intervalle  auf  5  Monate  enthält 
Versehen  und  kommt  daher  zu  einem  unrichtigen  Resultate. 
Für  die  zwei  Reisen  nach  llirado  und  von  dort  nach  Yama- 
guchi mag  man  14  Tage  rechnen,  Ariewohl  diese  Zeit  sehr  kurz 
bemessen    ist,    zumal    man    doch    einen   mehrtägigen    Aufenthalt 


GciiiciiidcgriDidiiiig  in  Hirado.  169 

in  der  Burg  Ekandonos  anzunehmen  hat.  Für  den  Aufenthalt 
in  Hirado,  von  dem  Xavier  nur  unbestimmt  sagt,  dass  er  ,, einige 
Tage  "  gewährt,  und  für  den  in  Yamaguchi,  wo  er  nach  seiner 
Aussage  ,,  eine  gewisse  Zahl  von  Tagen "  blieb,  möchte  man 
auch  mit  Satow  je  10  Tage  in  Ansatz  bringen.  Freilich  lässt 
eine  andere  Briefäusserung  Xaviers,  nach  der  er  ,, viele  Tage" 
in  Yamaguchi  blieb,  einen  längeren  Aufenthalt  an  letzterem  Orte 
wahrscheinlicher  erscheinen,  wie  denn  die  alten  Geschichtschreiber 
wohl  nicht  mit  Unrecht  von  vier  Wochen  reden  ;  und  auch  die 
Dauer  seines  Verbleibens  in  Hirado  betrug  wenigstens  nach  Pinto 
(Kap.  CCVII)  über  20  Tage.  Für  die  Wanderung  nach  Kyoto 
und  zurück  rechnet  Satow  2  Monate,  übersehend,  dass  nach 
Xaviers  deutlichen  Angaben  2  Monate  mit  der  Hinreise  allein 
vergingen.  Für  die  Rückreise  nach  Yamaguchi,  die  er  auf  dem 
Umwege  über  Hirado  machte,  einschliesslich  der  Dauer  seines 
Aufenthalts  in  der  Hauptstadt,  müssen  wir  zum  mindesten  wie- 
der i^^  ]\Ionate  in  Anrechnung  bringen;  und  richtig  ist,  dass 
Xavier,  als  er  sein  Sendschreiben  nach  Goa  datierte,  bereits  seit 
2  Monaten  in  Yamaguchi  war.  Alles  addiert,  erhielte  man  also 
beinahe  7  Monate  als  die  Zeit,  die  am  20.  November  vergangen 
sein  musste,  seit  er  Kagoshima  verlassen,  und  nicht  5.  Das  gäbe 
als  Zeit  der  Abreise  von  dort  etwa  20.  April  15 50.  Und  auf 
dieses  Datum  statt  auf  Anfang  Juli  hätte  Satow  bei  genauerer 
Kalkulation  von  den  Briefmitteilungen  Xaviers  aus  kommen 
müssen. 

Xavier  selbst  macht  in  dem  in  Betracht  kommenden  Briefe 
keine  genaue  Angabe.  Er  sagt  nur  unbestimmt,  dass  sie  ,,  mit 
Ende  des  Jahres  "  {verteilte  anno,  in  der  lateinischen  Uebersetzung 
TuRSELLiX-s)  Kagoshima  verlassen,  eine  Angabe,  die  ohne  weiteres 
gegen  Satow  und  für  Bartoli  spricht.  Richtig  ist  die  Ik-mer- 
kung  S.\tows,  dass  die  Angaben,  die  Xavier  in  dem  Briefe,  der 
das  Datum  des  20.  November  15  50  trägt,  macht,  sich  nicht 
mit  dem  von  Bartoli  gegebenen  Datum  vereinigen  lassen  ;  aber 
sie  harmonieren,  wie  gezeigt,  ebenso  wenig  mit  dem  von  ihm 
dafür  gesetzten  Anfang  Juli. 


170  GcnicindcgriDidimg  in  Ilinuio. 

Ich  halte  fest  an  Bartolis  Datum.  Die  Jesuiten  landeten 
in  Japan  am  15.  August  1549  und  blieben  nach  Xavier  in 
Kagoshima  ütier  ein  ganzes  Jahr,  also  mindestens  bis  Anfang  Sep- 
tember 1550.  Dies  stimmt  nicht  zu  den  Angaben  in  dem  Schreiben 
Xaviers,  da  dieses  als  Datum  den  20.  November  1550  trägt. 
So  bleibt  nur  die  Annahme,  dass  der  Brief  falsch  datiert  ist.  Dass 
dem  wirklich  so  ist,  beweist  mir  folgendes  :  Am  20.  November 
1550  kann  Xavier  unmöglich  schon  auf  eine  zweimonatliche 
Thätigkeit  in  Yamaguchi  zurückgeblickt  haben  ;  denn  najch  der 
Angabe  des  F.  Torres,  die  sich  in  dem  oben  zitierten  Briefe  findet, 
verliess  er  Hirado  erst  Ende  Oktober  1550,  und  nach  seiner  eignen 
Angabe  ging  er  mitten  im  Winter  1550  nach  Miyako,  wo  er  nach 
zweimonatlicher  Wanderschaft  erst  im  Februar  1551  ankam. 
Wenn  er  sich  dort  auch  noch  so  kurz  aufhielt,  kann  er,  da  er 
sich  zuerst  wieder  nach  Hirado  und  erst  von  dort  nach  Yama- 
guchi zurückbegab,  an  letzterem  Orte  günstigsten  Falles  Anfang 
April  155  I  angekommen  sein.  In  seinem  Briefe  vom  29.  Septem- 
ber 1551  teilt  Torres  mit,  seit  Franciscus  in  die  Stadt  (Yama- 
guchi) gekommen,  seien  5  Monate  oder  noch  darüber  vergangen. 
Das  weist  auf  etwa  20.  April  1551  als  die  ungefähre  Zeit  seiner 
Ankunft  in  Yamaguchi.  Der  Brief  Xaviers  ist  dann  frühestens 
20.  Juni  1551  geschrieben.  Und  dieses  Datum  etwa  ist  ihm 
zu  geben  statt  des  falschen  vom  20.  November  1550,  das  er 
trägt. 5)  Dann  aber  stimmen  seine  Angaben  auch  aufs  beste 
zu  dem  von  Bartoli  gegebenen,  von  Satow,  wie  nachgewiesen, 
zu  Unrecht  beanstandeten  Datum. 

5.  Erst  nachträglich  entdecke  ich,  dass  auch  schon  der  Exjesuit  l\(oc:iius) 
M(ENCnACA)  in  der  Bologneser  Ausgabe  der  Briefe  Xaviers  (Proleg.  p.  CXXII) 
Anstand  an  dem  Datum  des  Briefes  nimmt  und  den  Xacliweis  unternommen  hat, 
dass  er  kaum  vor  Juli  1551  geschrieben  sein  könne.  I^er  französischen  Ueber- 
selzung  der  Briefe  von  Pages,  welche  SajuW  benutzt  hat,  liegt  diese  Bologneser 
Ausgabe  zu  Grunde ;  aber  Pages  hat  das  Datum  ungcändert  gelassen,  wohl  weil 
ihn  Menchacas  Gründe  nicht  überzeugten. 


ELFTES  KAPITEL. 

Aufenthalt  in  Yamaguchi  und  Reise  nach 
der  Hauptstadt. 


Xavier  schiffte  sich  In  Hirado  nach  Hakata  (bei  den  Jesuiten 
Fakata),  dem  Hafen  der  Stadt  Fukuoka  an  der  Westseite  der 
Provinz  Chikuzen  auf  Kyüshij,  ein  und  fuhr  von  da  weiter  nach 
dem  auf  der  Hauptinsel  gelegenen  Shimonoseki  oder,  wie  es 
damals  h'ess,  Akamagaseki.  Er  selbst  erzählt  nichts  von  dieser 
Fahrt.  Aber  es  ist  wohl  kaum  zu  zweifeln,  dass  Torres  diese 
Reise  im  Sinne  hat,  wenn  er  nach  Goa  schreibt :  ,,  Als  sie  (Xavier 
mit  seinen  Begleitern)  zu  Wasser  zu  reisen  hatten,  über  gewisse 
IMeerstrecken,  gab  es  viele  Piraten,  und  sie  mussten  sich  daher,  um 
nicht  entdeckt  zu  werden,  unter  dem  Decke  des  Bootes  verbergen". 
Von  Shimonoseki  aus  schlugen  sie  die  Strasse  nach  Yamaguchi 
ein.  YamagncJii,  heute  die  Hauptstadt  der  gleichnamigen 
Präfektur  und  der  Provinz  Suwö  mit  nur  3082  Häusern  und, 
nach  dem  Zensus  vom  25.  Jahre  Meiji,  14977  P.inwohnern, 
war  damals  die  Hauptstadt  der  Territorien  des  Fürsten  von 
Nagato  (Chöshü),  deren  Strassen  sich  bis  gegen  die  heutigen 
Dörfer  Mihori,  Hikami  und  N'agano  hingezogen  haben  sollen. 
Nach  dem  japanischen  Geschichtswerk  Intoku-Taiheiki  hatte  sie 
20000  Häuser.  Das  ist  sicher  eine  übertriebene  Angabe.  Aber 
auch  Torres  nennt  sie  doch  in  einem  Briefe  vom  29.  September 
155  I  eine  der  grössten  Städte  des  Landes,  und  Xavier  sagt,  dass 
sie,  die  Residenz  eines  nach  japanischen  Begriffen  sehr  reichen 
Königs,  mehr  als  loooo  Familien  und  ebenso  viele  Holzhäuser 
zählte. 

Hier  hielt  er  sich  für  einige  Zeit  auf.  Wie  lange,  lässt  sich 
genau  nicht   sagen  ;  aber  er   spricht  von    „  vielen "    Tagen,    und 


17-     AufoUhalt  in  Yatnagnclu  n.  Kvisc  iiacli  der  Hauptstadt. 

da  wir  wissen,  dass  er  Ilirado  luidc  Oktober  v^erliess,  in  Miyako 
aber,  woliin  er  zwei  Monate  l)rauebte,  erst  im  b'ebruar  ankam, 
niuss  man  wohl  einen  Aufenthalt  von  mehreren  Wochen  annehmen. 

Die  Glaubensboten  fanden  sehr  viele  aus  dem  Volk  wie  aus 
dem  Adel  begierig,  die  neue  Lehre,  die  sie  zu  v'erl'CÜndigen  hatten, 
kennen  zu  lernen.  Sie  predigten  zweimal  täglich  auf  öffentlichen 
Plätzen,  d.h.  sie  lasen  Abschnitte  aus  dem  übersetzten  Kate- 
chismus vor.  Einige  Vornehme,  denen  es  darum  zu  thun  war, 
sich  die  seltsamen  Fremdlinge  von  nahe  zu  besehen,  luden  sie 
auch  in  ihre  Häuser  ein  und  versprachen,  ihre  Religion  ohne 
Bedenken  annehmen  zu  wollen,  wenn  sie  dieselbe  besser  als  ihre 
eigene  fänden.  Manche  hörten  sie  geneigt  an,  andere  dagegen 
mit  Widerwillen,  von  dritten  wurde  ihnen  Hohn  und  Spott  als 
Antwort  auf  ihre  Predigt.  Xavier  aber  trat  diesen  Vornehmen 
gegenüber  selbst  mit  Vornehmheit  auf  P.  Melchior  Nugnez 
berichtet  1558  in  einem  Briefe  von  ihm,  Franciscus  habe  die  Sünden 
und  Abgöttereien  der  Japaner  mit  solcher  Strenge  bestraft,  dass 
der  13ruder  Johann  P'ernandez,  der  sein  Dolmetscher  war,  ihm 
erzählte,  dass  er  öfters  vor  Furcht  zitterte,  wenn  der  Pater  mit 
solcher  P^reimütigkeit  wider  \\c\\  immer,  auch  die  Grössten  des 
Reichs,  loszog.  P^ernandez  wollte  es  scheinen,  dass  er  oft  den 
Tod  für  den  Glauben  und  die  Ehre  Christi  ordentlich  aufgesucht 
habe.  Als  einige  der  Grossen  in  ihrer  eigenen  Sprache  zu  ihm 
redeten,  befahl  er  dem  P^ernanclez,  ihnen  in  dem  nämlichen  Tone 
zu  antworten.  Unter  Zittern  und  in  gewisser  Erwartung  des 
Todes  gehorchte  dieser.  Dem  Zagen  bedeutete  Xavier,  wenn 
sie  sich  nicht  höhere  Achtung  bei  den  Japanern  zu  verschaffen 
wüssten  als  die  doch  so  hochgeehrten  Landesbonzen,  so  sei 
nicht  zu  hofien,  dass  sie  ihren  Worten  glaubten  und  die  christliche 
Lehre  annähmen.  PZs  war  sein  Bewusstsein,  ein  Gesandter  des 
Höchsten  zu  sein,  das  ihm  diesen  unerschrockenen  Mut  gab. 

Spott  ernteten  die  beiden  P^remdlinge  auch  beim  \'olk  von 
Yamaguchi.  So  oft  sie  durch  die  Strassen  gingen,  waren  sie  der 
wilcJen  Ausgelassenheit  einer  Kinderschar  und  des  Pöbels  aus- 
gesetzt.    Höhnend  rief  man  ihnen  nach  :     Seht  da,  das  sind  die, 


Aufenthalt  in  YaniagncJii  ?/.  Reise  nacJi  der  Hauptstadt.      173 

welche  uns  auffordern,  das  Gesetz  Gottes  anzunehmen,  damit  wir 
seh'g  werden,  weil  wir  ohne  den  Schöpfer  aller  Dinge  und  seinen 
Sohn  uns  von  dem  Untergang  nicht  retten  können.  Seht  da,  die 
Prediger,  welche  behaupten,  es  sei  Unrecht,  mehr  als  ein  Weib  zu 
haben!  ,,So",  tröstet  sich  Xavier,  ,,  prägten  sie  sich  durch  Spott 
und  Hohn  die  Hauptlehren  unserer  heiligen  Religion  ein  ". 

Auch  zu  dem  Daimyö  drang  die  Kunde  von  dem  fremden 
Priester,  der  auf  dem  \\'ege  zum  Kaiserhofe  sei,  um  eine  neue 
Lehre  zu  verki^inden.  Nachdem  sie  einige  Tage  in  den  Strassen 
Aufsehen  erregt  hatten,  wurde  Xavier  zu  ihm  beschieden.  Er 
forschte  ihn  aus,  woher  und  wozu  sie  nach  Japan  gekommen. 
Xaviers  Antwort :  sie  seien  PZuropäer,  gesandt,  um  das  Gesetz 
Gottes  zu  verkünden,  da  niemand  dem  ewigen  \'erderben  ent- 
rinnen könne,  der  nicht  Gott  und  seinen  Sohn  Jesus  Christus,  den 
Heiland  und  P^rlcVser  aller  Völker,  mit  aufrichtigem  und  frommem 
Gemüt  verehre.  Darauf  Hess  der  PYu'st  sich  das  Gesetz  Gottes 
auseinandersetzen,  und  Xavier  las  ihm  einen  grossen  Teil  seines 
christlichen  Manuales  vor.  Er  hörte  ihm  während  der  ganzen 
Vorlesung,  über  eine  Stunde  lang,  mit  grosser  Aufmerksamkeit 
zu  und  entliess  ihn  sodann,  ohne  ihm  die  Erlaubnis  zu  öffent- 
licher Predigt  zu  erteilen,  aber  auch  ohne  ihm  etwas  in  den 
Weg  zu  legen.  Indessen,  war  Xaviers  ärmliche  Erscheinung 
Schuld  daran  oder  sein  mangelhaftes  Japanisch,  er  richtete  an 
diesem  Orte  nichts  aus.  W^ohl  hörten  manche  ihn  begierig  \'om 
Leben  Jesu  erzählen  und  konnten  sich,  wenn  die  Erzählung  zu 
seinem  bitteren  Leiden  und  Sterben  kam,  selbst  der  Thränen 
nicht  enthalten.  Gleichwohl  wurden  nur  sehr  wenige  durch  die 
Taufe  in  die  Kirche  aufgenommen. 

Da  Xavier  sah,  dass  der  lü-folg  den  aufgebotenen  An- 
strengungen nur  wenig  entsprach,  setzte  er  mit  Fernandez  und 
den  beiden  Japanern  seine  Reise  fort.^)  Noch  etwa  100  Meilen 
lagen  zwischen  ihnen  und  der  Hauptstadt.     Sie  zu  durchwandern 


I.     TrRSF.U.iN    gibt    als    Datum    des    Aufbruchs:     Oktober,    Crasset  :       Ende 
September,  Cn.VRLEVOiX  :   Ende  Dezember,  Coleridge  :    Anfang  Dezember  1550  an. 


1/4     Aufcntltaltiii  Yavmguchi  u.  Reise  iincJi  der  llaiiptstadt. 

brauchten  sie  zwei  Monate.  Die  eisii^e  Wintcrkältc  hatte  ein- 
gesetzt. Der  an  ein  milderes  Klima  Gewöhnte  hatte  zum 
Schutze  gegen  sie  nichts  als  seine  Pilgrimskutte.  Auf  rauhen 
Wegen,  durch  Dickicht  und  über  angeschwollene  Berggiessbäche 
hatten  sie  zu  wandern,  von  Buben  oft  mit  Steinen  geworfen, 
und  fanden,  wie  Torres  erzählt,  wenn  sie  zur  Nachtzeit  zu  einer 
Herberge  kamen,  tot  von  Kälte  und  Hunger  und  auf  die  Haut 
durchnässt,  keinerlei  Bequemlichkeit.  Melchior  Nugnez  Hess  sich 
von  Johann  Fernandez  berichten,  dass  Xavier,  ein  ganz  apostoli- 
sches Leben  ftihrend,  auch  auf  dieser  Reise  nichts  ass,  als  was  die 
Japaner  zu  essen  pflegen,  und  ,,  was  mehr  einer  Busse  als  einer 
ordentlichen  Nahrung  glich,  die  Wurzeln  nämlich  von  gewissen 
Kräutern ".  Xavier  selbst  sagt,  dass  sie  auf  der  Reise  viele 
Strapazen  and  Gefahren  zu  bestehen  hatten,  weil  sie  durch  Ge- 
genden kamen,  in  welchen  der  Krieg  wütete  und  in  denen  sie 
oft  von  Strassenräubern  bedroht  waren.  ,,  Allein  ",  so  bemerkt 
Melchior  Nugnez,  ,,je  mehr  Beschwerden  und  Ungemach  ihm 
aufstiessen,  desto  mehr  Freude  und  Vergnügen  verriet  der  stand- 
hafte und  unerschütterliche  Diener  Gottes  ".  Trotz  allen  Unge- 
machs hörten  sie  nicht  auf,  überall  zu  predigen,  und  Ciiarlevoix-) 
erzählt  (ich  weiss  freilich  nicht,  auf  Grund  welcher  Nachrichten) : 
„  Er  war  jedoch  glücklich  genug,  einige  Kinder  zu  taufen,  die 
er  sterbend  und  augenscheinlich  ausgesetzt  auf  der  Strasse  oder 
an  den  Wegen  fand,  und  die  P'reude,  welche  er  empfand,  indem  er 
so  diesen  unschuldigen  Kindern  das  Himmelreich  sicherte,  schien 
ihm  in  einem  AugJ^nblicke  alle  seine  Kraft  wiederzugeben  und 
ihn  alle  seine  Leiden  vergessen  zu  lassen  ". 

Xaviers  Biographen  erzählen  von  einem  Begebnis  dieser 
Reise,  das  der  Vollständigkeit  halber  auch  hier  nicht  übergangen 
werden  soll.  Wie  es  jedoch  hergebrachter  Weise  berichtet  wird, 
bedarf  es  sehr  der  Richtigstellung.  Crasset  z.  B.  erzählt  die 
Geschichte  folgendermassen :  ,,  Als  sie  sich  einstens  in  einem 
grossen  Wald  verirret,  haben  sie    einen   Reuter    angetroffen,  der 

2.     Histoire  et  Descripiion  generale  du  Japon,  Tome  II,  p.  207. 


Aiifcntlialt  in  J  ^nnaguclii  u.  Reise  nach  der  Hauptstadt.     1 7  5 

nachen  Meako  reisete.  Xav^erius  hat  sich  anerbotten,  er  wolle 
ihm  sein  Felleisen  trafen  und  ihm  allenthalben  folgen,  wann  sein 
Dienst  ihme  anständig  wäre.  Der  Reuter  hat  diss  für  genehm 
Cfehalten  und  Xaverio  sein  Felleisen  auf  die  Schulter  creleg-t, 
wodurch  ihme  dann  der  Weg  gar  beschwerlich  worden.  Der 
heilige  Mann  lauffte  ihme  nach  über  Stock  und  Stauden,  wodurch 
ihme  .seine  Füss  zerrissen  worden,  welches  dann  etwelche  Tagreiss 
gedauret  habe  ".3)  In  einigen  Punkten  anders,  findet  sich  die 
Geschichte  auch  bei  Charlevoix.  Nach  ihm  waren  die  Wande- 
rer bedeutet  worden,  dass  die  Gegend,  die  sie  zu  passieren  hatten, 
unsicher  sei  durch  Raubgesindel.  Das  nötigte  sie,  einen  Umweg 
zu  machen.  Xavier,  besorgt,  sie  möchten  sich  verirren,  bot  sich 
einigen  Kaufleuten,  die  dieselbe  Strasse  zogen,  zu  Knappendien- 
sten an,  um  unter  ihrer  Bedeckung  die  Reise  nach  Miyako  zu 
machen.  Einer  der  Kaufleute  gab  ihm,  nicht  bedenkend,  dass 
Xavier  zu  Fuss  gehe  und  mit  seinem  eigenen  Ranzen  beschwert 
sei,  noch  sein  Felleisen  zum  Tragen,  und  nachdem  sie  immer 
im  Galopp  geritten  waren,  um  Wegelagerern  zu  entkommen, 
hielten  sie  den  vom  starken  Laufen  Erschöpften  noch  an,  für 
ihre  Pferde  Sorge  zu  tragen.  Charlevoix  gibt  an,  so  wie  er, 
verschieden  von  Früheren,  die  Sache  darstelle,  weide  sie 
von  Johann  Fernandez,  der  als  Begleiter  Xaviers  auf  jener 
Wanderung  Glauben  verdiene,  erzählt.  Ich  habe  in  den  Brief- 
sammlungen keinen  Brief  Fernandez'  finden  können,  der  von 
diesem  Abenteuer  berichtet,  und  schwerlich  hat  auch  Charlevoix 
ein  solcher  vorgelegen.  Auch  seine  Darstellung,  so  scheint 
es,  ist  nichts  als  eine  Kombination.  Was  ich  zu  finden  ver- 
mag, und  worauf  wohl  auch  diese  Kombination  sich  aufgebaut 
hat,  ist  nur  dies,  dass  P.  Melchior  Nugnez  Barreto  in  Cochin 
im  Januar  1558  unter  Berufung  auf  Fernandez'  mündliche  lu-- 
zählung  nach  Europa  .schrieb  :  ,,  Oft  ging  oder  lief  er  in  dieser 
Kleidung  [seiner  Pilgerkutte]  wie  ein  Diener  hinter  Reisenden 
her,  denen  er  sich  beigesellte,    um    vor    den    Räubern  sicher  zu 


3.     Nach  der  1738  zu  Augsburg  erschienenen  deutschen   Uebersetzung,    Bd.    I, 
S.  74  f. 


1 7Ö     AufcutJialt  in  ]  'aiiiagitclti  ii.  Reise  nacJt  der  Hauptstadt. 

sein."  Coleridi^e  41  zitiert  ein  Schreiben  Cosmo  Torres'  nach 
Goa,  dessen  Datum  er  nicht  angibt  und  das  ich  in  den  liriefsamm- 
Uingen  ebenfalls  nicht  finde,  in  dem  es  mit  Bezug  auf  die  Reise 
nach  Miyako  heisst :  ,,Und  wenn  sie  zu  Lande  wanderten,  ging- 
en sie  als  Diener  gewisser  berittener  Herren  und  hatten  im 
Galopp  zu  laufen,  um  nachzukommen  und  ihren  Weg  nicht  zu 
\'erlieren."  Mendez  Pinto  endlich  erzählt  in  seiner  Reisebe- 
schreibung,5)  dass  gewisse  Barrieren  nicht  ohne  Zollabgaben  passiert 
werden  konnten  und  Xavier,  weil  ohne  ]Mittel,  keine  andere 
Wahl  gehabt  habe,  als  sich  dem  ersten  Vornehmen,  den  er  sah, 
als  Diener  anzubieten,  um  nicht  angehalten  zu  werden.  Da  der 
Japaner  ritt,  hatte  er  natürlich  hinter  dessen  Pferde  herzulaufen. 
Im  Februar  155 1  kam  Xavier  mit  seinen  Begleitern  in 
IMijMko  an.  Seit  794,  in  welchem  Jahre  der  Hof  mit  Kwam- 
mu-tennö  von  Nara  dahin  übersiedelte,  6)  war  Miyako  7)  die 
kaiserliche  Residenz.  Im  Jahre  1180  verlegte  der  mächtige 
Minister  Kiyomori,  nachdem  1177  der  Palast  durch  eine  P"euers- 
brunst  zerstört  worden  war,  den  Sitz  der  Regierung  nach  I'uku- 
wara,  dem  heutigen  Hyögo.  Der  Hof  kehrte  jedoch  bald 
wieder  nach  Kyoto  zurück,  um  bis  zur  Restauration  der  kaiser- 
lichen Macht  und  der  Uebersiedelung  nach  der  Shögunats- 
residenz  Yedo  fest  daselbst  zu  bleiben. 

4.  A.  a.  O.  Vol.  II,  p.  290. 

5.  Kap.  CCVIII. 

6.  Bis  dahin  hatte  sich  fast  jeder  neue  Mikado  innerlialh  der  fünf  Stamm- 
jirovin/.eii  [Go/ciiiai)  eine  andere  Residenz  gewälilt. 

7.  Mea/co  oder  J\Iiva/co  ist  nicht  ein  Name,  sondern  bedeutet,  wie  Xanking 
und  Peking  in  Cliina  oder  Shiuri  auf  den  Liukiu-Insehi,  nur  soviel  wie  Metropole. 
Das  chinesische  Aequivalent  dafür  ist  Kyoto,  wie  die  .Stadt  heute  genannt  wird. 
Den  anderen  Xamen  .SVr/'/'i'f'  ,,  westliche  Hauptstadt"  erhielt  sie,  seit  die  Kesidenz 
des  Kaisers  nach  der  1590  erriclileten  Tokugawahauptstadt  Yedo  verlegt  ward,  die 
zum  Unterschiede  von  ihr  seit  1869  Tö/cyö  „östliche  Hauptstadt"  heisst.  (Chari.E- 
voix  gibt  an,  Meako  bedeute  „  c/iosc  digue  d'eti-e  viie  ".  Diese  Erklärung,  die  in 
Wirklichkeit  nur  eine  Volksetymologie  ist,  hat  er  wohl  von  Pinto  übernommen, 
der  in  seinem  Briefe  vom  5.  Dezember  1554  an  die  Scholastiker  der  Gesellschaft 
im  Kollegium  zu  Coimbra  auch  Meako  erwähnt  mit  dem  Beifügen  ,,was  in  ihrer 
Sprache  sehenswert  heisst  "). 


Atifcutlialt  in  Vamai^iichi  u.  Reise  )tatJi  der  I faiiptstadt.     177 

Von  Kwamnui-tennö  erzählt  man,  er  habe  der  von  ihm  neu 
gegründeten  Hauptstadt  den  Namen  Ilciaiijö  ,,  Friedensstadt " 
gegeben.  Der  Name  kam  nie  in  Aufnalime.  Er  hätte  auch 
schlecht  getaugt  für  die  Stadt,  in  der  nur  zu  oft  des  Krieges 
Schrecken  tobten  und  verheerende  Feuersbrünste  wüteten,  aus 
denen  sie  in  immer  kleineren  Dimensionen  wieder  erstand,  von 
ihrem  ursprünglichen  Charakter  nichts  bewahrend  als  die  Regel- 
mässigkeit ihrer  Strassenanlagen,  die  noch  heute  an  ihr  auf- 
fällt. Wie  die  Stadt,  mit  dem  kaiserlichen  Palaste  im  Zentrum  des 
nördlichen  Distri]^:ts,  gegründet  wurde,  mass  sie  17.530  Fuss  von 
Norden  nach  Süden  und  15.080  Fuss  in  ostwestlicher  Ausdehnung. 
Zur  Zeit,  als  Xavier  nach  Kyoto  kam,  war  sie  bereits,  obwohl 
noch  immer  mehr  als  loo.ooo  Häuser  zählend,  nur  mehr  ein 
Schatten  ihrer  einstigen  Grösse,  auf  welche  indessen  den  Besucher 
noch  der  Umfang  ihrer  Ringmauern  schliessen  liess.  Er  traf 
in  den  Mauern  der  Residenz  eine  Unordnung,  die  an  völlige 
Anarchie  grenzte.  Die  Strassen  hallten  wider  vom  Waffenlärme 
streitender  Parteien. 

Xavier  hatte  sich  schon  vorher  von  den  durch  lange  Bürger- 
kriege herbeigeführten  Verheerungen  in  der  Hauptstadt  erzählen 
lassen.  Je  näher  er  ihr  gekommen  war,  desto  grösser  war  die 
Unsicherheit  der  Strassen  durch  bewaffnete  Banden  geworden. 
Er  musste  aber  doch  erst  an  Ort  und  Stelle  kommen  und  die 
Ruinen  und  die  Leichname  in  den  Strassen  sehen  und  den  Lärm 
der  Waffen  mit  eigenen  Ohren  hören,  ehe  er  seine  stolzen,  lange 
genährten  Hoffnungen  begrub.  Der  Mikado,  zu  dem  er  sich 
hatte  begeben  wollen,  um  ihm  vertrauensvoll  auseinanderzusetzen, 
welchen  Auftrag  er  an  ihn  von  Jesus  Christus,  dem  König  der 
Könige,  habe,  sass,  ein  ohnmächtiger  Mann  und  doch  als  Sohn 
des  Himmels  unnahbar  für  Leute  von  dem  Aussehen  der  Mis- 
sionare, vom  Verkehre  mit  der  äusseren  Welt  abgeschlossen  in 
seinem  Palaste,  der  auch,  wieder  und  wieder  ein  Opfer  der  Zerstö- 
rung, in  immer  bescheidenerer  Weise  neu  errichtet  worden  war, 
so  dass  nur  eine  schwache  Spur  noch  vorhanden  war  von  dem 
glänzenden  Bauwerke,  das  einst  im  Zentrum  der  Zitadelle  stand. 


178     ^liitcutlijl t  in   Wuma^i^iir/ii  u.  Kci^c  iiacli  der  I lauf->tstai{t. 

Auch  /um  Kubösaina  erlaiii^tr  .\a\'ier  den  ersehnten  Zuliitt 
nicht,  nacli  Tinhi  darum  niclu,  weil  ihm  die  Summe  \  on  Ooo 
Dukaten,  deren  ZalihuiL^  als  (he  Hedin^un«^  zur  KrlanL;un;4'  einer 
A\idii'n/.  he/.ciclmet  wurde,  nicht  zur  Verfüi^unc^  stand.  ])cr 
Cii'und  war  wdIiI  in  Wirkhchl^eit  ein  anderer.  Ashikaga  \'osldhani 
hatte  1545  nach  fiinriuidzwanzi^jaliriL!,er,  fast  L'eständi<:^  xon  Riir- 
il^erkrieL^en  zwischen  seinen  :\nh;inc;ern  unil  ilenen  seines  Wa- 
t^fmi^crs  Vüshitane  erfühter  Herrschaft  ch'e  Shögunwairck- 
_!^ezwunc,^en  niedergelegt.  An  seiner  statt  war  1546  sein  >^()hn 
Yoshitcni  zum  Generalissimus  ausgerufen  worden.  Xoch  lialh 
Knabe,  erst  15  Jahre  alt,  hatte  er  zur  Zeit,  als  Xavier  nach  der 
Hauptstadt  kam,  noch  sehr  lun  seine  Autorität  zu  kämj)fen.  Seit 
luni  des  Jahres  1549  lag  der  l-^iu'st  \'on  Chikuzen,  Miyoshi  XV)ri- 
naga  (auch  Chökei  genannt),  in  der  Provinz  Setsu  in  Streit  mit 
Miyoshi  Susan.  Diesen  unterstützte  Hosokawa  Harumoto,  seit 
1 548  im  Ik'sitz  der  Kwanrx'owürde.  Des  letzteren  Niederlage 
hatte  auch  den  Shögun  zur  J^'lucht  aus  Miwako  gen(")tigt.  Xori- 
naga  war  im  Xovember  mit  seinen  Truppen  in  die  Hauptstadt 
eingezogen  und  hatte  das  erst  von  Yoshiharu  erbaute  Schloss 
Higashi\-ama  zerstört.  \lx  \\\\({  Ise  Sadanori  A\aren  nun  die 
wirklichen  Herren  der  Stadt,  während  der  Shögun  gar  nicht 
in  derselben  weilte.  Yoshiteru  zog  erst  im  Frühjahr  1551, 
nachdem  der  Friede  zwischen  ihm  und  Miyoshi  hergestellt  war, 
wieder  in  die  Hauptstadt  zurück.  .Vber  auch  wenn  er  bei  Xäviers 
Anwesenheit  bereits  zurückgekehrt  gewesen  wäre,  er  hätte  damals 
doch  ganz  andere  Interessen  gehabt  als  solche,  wie  sie  der  christ- 
liche Priester  in  ihm  wecken  wollte. 

Auch  beim  Volke  in  den  Strassen,  das  von  Kriegsgedanken 
und  Kriegssorgen  erfüllt  war,  fand  Xavier  kein  Interesse  und  kein 
(  )hr  für  seine  religiö.sen  Vorträge.  Xach  einigen  missglückten 
X'ersuchen  musste  er  Verzicht  thun  auf  seinen  heissen  Wunsch, 
die  Fahne  Christi  in  der  l'leichsmetropole  aufzupflanzen.  Nach 
vierzehntägigem  Aufenthalte  \'erliess  er  die  Stadt,  ohne  das  (je- 
ringstc  ausgerichtet  zu  haben,  und  tlennoch  un\erzagt.  I'a-  freute 
sich,  wenigstens  den    Xamcn  Jesu  in  der   Hauptstadt   Japans  \'er- 


Aitfcuthait  in  Yciiiiiiiiiichi  ii.  Reise  nacJi  der  JUiupfsfadt.      179 

kündigt  zu  ]i:iben.  Sein  Geselle  Johann  Fernande/,  erzählt,  dass 
er  \om  Boote  aus,  in  dem  er  nach  Sakai  fuhr,  die  Augen  von  der 
Stadt  nicht  habe  abwenden  können,  auch  den  Triumphgesang  der 
Kinder  Israel  beim  Auszug  aus  Egypten,  den  Psalm  /;/  cxitu, 
gesungen  habe,  in  dem  Gedanken,  dass  Gott,  gleichwie  er  sein 
Volk  aus  Egypten  befreit  habe,  also  auch  die  lunwohner  von 
Miyako  dermaleinst  aus  der  Unvv'issenheit  und  dem  Unglauben, 
darin  sie  verstricket  waren,  ziehen  werde.  IMit  dem  Seherauge  des 
Glaubens  schaute  er  ihn  schon,  den  Tag,  da  Gott  seinen  Tempel 
und  seine  xA.nbeter  haben  werde  auch  in  der  Mikadostadt. 


z\\()ij-i'i>:s  KArniiL. 
Gründunp:  einer  Gemeinde  in  Yamaeuchi. 


Die  Reise  nach  ]\Ii\'ako  war,  das  konnte  Xavier  sich  bei 
allem  Gleichmut  nicht  verhehlen,  ein  Misserfoli;'.  Ganz  ohne 
Xutzen  war  sie  gleichwohl  nicht  für  ihn.  Zweierlei  hatte  er 
durch  sie  lernen  können  :  erstlich  dies,  dass  die  Feudalbarone, 
wie  der  ,,  Kom'g "  von  Satsuma  und  der  von  Nagato,  dessen 
Hauptstadt  \'amaguchl  war,  innerhalb  ihrer  Gebiete  in  ganz 
anderer  Weise  ausschlaggebende  Macht  hatten  als  der  Dairi 
oder  (_ler  Kubö,  deren  Autorität,  .selbst  wenn  sie  fiir  seine  Absich- 
ten hätte  gewonnen  werden  können,  ihm  zur  Zeit  wenigstens  kaum 
über  das  Weichbild  der  Ivesidenz  hinaus  hätte  forderlich  sein 
können,  und  dass  man  bei  solcher  Lage  der  Dinge  vorläufig 
mehr  Aussicht  habe,  etwas  zu  erreichen,  wenn  man  sich  angelegen 
sein  lasse,  sich  der  Freundschaft  dieser  kleinen  Könige  zu  \'er- 
sichern  ;  und  zum  andern  dies,  dass  mit  dem  bettlerhaften  Auf- 
treten in  Japan  wenig  auszurichten  sei.  In  Indien  hatte  sein 
Asketentum  hj'ndruck  gemacht,  in  Japan,  sonderlich  zuletzt  in 
der  Reichsmetropole,  hatte  seine  ärmliche  Erscheinung  ihm  die 
Häuser  der  Vornehmen  \'erschlossen  und  ihn  auch  dem  Volke 
zum  Gespötte  gemacht.  Diese  Doppelerfahrung  unterlicss  der 
kluge   Heilige  nicht  sich  zu  nutze  zu  machen. 

Er     kehrte,    in     Sakai  0    ein     Boot     nehmend,    durch    die 


I.  .So  Iierichtet  I'intd  in  seiner  Reisehesclirtilmni;,  Kap.  (■(■\'III,  wo  die 
Stadt  S/'mr  genannt  wird.  Audi  in  dem  Briefe,  den  dersellie  Autor  im  Jalire  1554 
(5.    l)ezcmliei)   von   Malakka  aus  an   die   Sclinlastiker  der  f 'lesellscliafl    im    Knllegium 


(iri'nuhiii;^  einer  (niiwindc  in   )  aniai:;nchi.  i  S  r 

Inlaiidscc  nach  Ilirado  zu  Cosiix)  lorrcs  zurück,  liier  1cl;1c 
er  sein  abgetragenes  Bettlergewand  ab  und  ein  neues,  besseres 
an.  Vä  hatte  beschlossen,  \\ieder  den  mächtigen  Inirsten  in 
Yamaguclii  aufzusuchen.  Man  könnte  sich  darüber  wundern,  wie 
er  zum  zweitenmale  nach  dem  Orte  gehen  nKJchte,  wo  er  kurz 
vorher  im  ganzen  doch  so  wenig  ermutigende  lü'fahrungen 
gemacht  hatte.  ]'"s  ist  schwerlich  eine  andere  Erklärung  dafür 
zu  finden  als  die,  welche  schon  der  alte  IVI.VFFEi  -)  gegeben  hat  : 
Ihi  (in  \'amaguchi)  qiiod  scsc  Juiud  iniquiun  Ulis  antca  pracbuerat 


zu  C<>iml)ra  richk'lc,  üesl  mau  :  ,,  In  Ja[)aii,  clie  man  nacli  Mcako  kuninil,  isl 
eine  sehr  volkreiclie  Stadt,  Oiacii  i^euaunt,  die  durch  Bürt^enncister  oder  ähnliclie 
( )briL;l<eilen  wie  \  enediL;  und  andere  christliche  Staaten  regiert  wird  und  unter 
keinem  andern  KTmig  stellt.  Ich  li^irte  unsern  seligen  P.  M.  Franciscus,  der  da 
war,  sagen,  es  scheinen  ihm  in  dieser  .Stadt  tausend  Kautleutc,  jeder  vnn  einem 
A'erniögen  von  50000  Dukaten,  zu  .sein,  vieler  anderer  zu  geschweigen,  ilie  nnch 
reicher  wären.  -VUe  Bürger  dieser  .Stadt,  die  grossen  wie  die  kleinen  bis  auf  die 
F'ischer  lierah,  werden  in  ihren  Häusern  König  genannt  und  ihre  Weiber  Königin- 
nen und  die  Srilnne  l'rinzen  und  die  Töchter  Prinzessinnen ;  und  diese  Freiheit 
haben  alle.  .Sie  haljen  im  Brauche,  in  die  andern  Königreiche  zu  schicken,  sich 
einen  Kapitän  mit  3000  Fussgängern  aufzusuchen,  der  aber  mit  seiner  Mannschaft 
nicht  in  die  Stadt  hineingeht,  sondern  nur  ausser  der  Stadt  unter  Zelten  liegt,  un<l 
wenn  er  in  die  Stadt  geht,  nur  vier  Mann  ohne  Waffen  mit  sich  nimmt.  Diesen 
Kapitän  mit  seinem  Volke  zahlt  die  Stadt  monatlich,  und  er  steht  damit  immer 
zu  den  Befehlen  deiselben  l:)ereit  ".  Nach  dieser  Briefmitteilung  muss  man  schliessen, 
dass  Xavier,  sei  es  auf  dem  Hinweg  nach  Kyoto,  sei  es  auf  der  Rückkehr  \o\\ 
dort,  auch  nach  Sakai  gekommen  ist.  I  )enn  dass  mit  Osacci  bei  Pinto  diese  Kauf- 
inannsstadt  und  niehi  etwa  Osaka  gemeint  ist,  wird  aus  seiner,  nach  Xaviers  Schilde- 
rung gegebenen  Besclireibung  klar.  Sakai  war  der  Mittelpunkt  des  inneren  Handels 
sowohl  als  auch  des  auswärtigen  Handels  mit  China.  Hier  hatte  sich  auch  eine 
eigenartige  städtische  Selbstverwaltung  entwickelt.  I  )io  Zivilverwaltung  und  die 
Rechtspflege  lagen  in  den  Händen  des  sogenannten  Kxiiaii^osJm,  einer  aus  den 
Patriziern  jjestehenden  Versanmilung.  Ferner  besass  die  .Stadt  ihre  eigenen  Kriegs- 
leute, die  sogenannten  Kdniiis  (herrenlose  Krieger),  welche  mit  Geld  besoldet  wurden. 
(F'UKUD.v,  Die  gcsellschaflliihc  it/nf  iL'/'j-fsc/ia/flic/nr  Kiifwickcliiiti:;  in  Japan.  S.  107). 
Der  Name  Osaka  war  freilich  damals  für  die  andere  elienso  bedeutende  Handels- 
stadt anstatt  des  früheren  XaninHi  schon  (seil  c.  1492)  in  Ciebrauch  (siehe  j. 
ScMMKKS,  Xoles  Oll-  Osaka.  T.A.S.J-  Vol.  VH,  p.  389  f.),  so  dass  man  Pinto.s  Osaai 
auch  mit  ihr  zu  identifizieren  versucht  sein  könnte. 

2.     JoANM.s  Pt'.TKi  Mai-Tf.i  Bergomatis  c  socictate  Jesu  Historiaiiiiii  /iiiiitani//i 
libri  XVL     Viennae  c\'  ofticina  'I'rattneriana   1751.  ])■   305. 


i82  (iniiiiiiiiii:;  djicr  (jcmcinde  in   )'ainaguihi. 

Rcx,  ccrtnin  erat  fixninqiic  Xavcrio,  tcrrain  caiii  nirsia  oiiini  arte 
ino/iri,  curaqiic  et  laborc,  qitoad  eins  ficri  passet,  sterilitatein  soll 
iiiaclcniqne  pcrvliicere.  ])azu  dachte  er  sicli  mit  Nutzen  der 
eigentlich  fiir  den  Kaiser  bestimmten  liriefe  des  Vizel^önigs  \o\\ 
Indien  und  des  Bischofs  von  Goa,  wie  der  ihm  \-om  Präfekteii 
von  AhUakka  mitgegebenen  Geschenke  vx\  bedienen,  l'^r  brachte 
die  letzteren  auf  ein  Schiff  und  fuhr  nach  nur  kurzem  \'er\veilen 
— Pinto  3)  spricht  von  einigen  Tagen — wahrscheinlich  Mitte  April 
15514)  niit  Johann  Fernandez  und  zwei  Japanern  wieder  , nach 
Yamaguchi,  wo  es  ihm,  da  er  als  Gesandter  der  portugiesischen 
Regierung  erschien,  nicht  schwer  fiel,  mit  seinen  Geschenken 
sogleich  eine  Audienz  bei  (Juchi  Yoshitaka,  dem  I'ürsten  von 
Chöshü,  zu  erlangen. 

Yashltaka,  in  den  Missionsberichten  Oxindono  genannt,  war 
nach  Satow,  5)  dem  ich  hier  folge,  der  Abkömmling  eines  korea- 
nischen Fürsten,  der  sich  in  Japan  um  das  Ende  des  6.  oder  den 
Anfang  des  7.  Jahrhunderts  niederliess.  Die  Familie  trat  zuerst 
in  der  Zeit  von  Yoritomo  hervor,  der  ihren  damaligen  Vertreter 
zum  Vizcstatthalter  von  Suwö  machte.  Während  der  Kriege  von 
1331-34,  als  die  Höjö-r^amilie,  die  für  die  letzten  130  Jahre  das 
ganze  Reich  von  Kamakura  aus  im  Namen  des  Shöguns  regiert 
hatte,  gestürzt  wurde,  machten  sich  die  Ouchi  selbst  zu  Herren 
der  zwei  Provinzen  Suwo  und  Nagato  und  hielten  es  eine  Zeit 
lang  mit  der  kaiserlichen  Partei,  die  den  Versuch  machte,  die 
von  den  ^Militärbefehlshabern  usurpierte  Regierungsgewalt  ihrem 
rechtmässigen  Inhaber  wieder  zurückzugewinnen.  Als  es  nach- 
her offenbar  wurde,  dass  die  Restauration  nicht  bestimmt  war 
zu  dauern,  begab  sich  ihr  Oberhaupt  unter  das  Banner  Yoshinoris. 
des  ersten  Sei-i-tai-Shöguns  der  Ashikaga-Dynastie,  und  wurde 
für    diese    Verräterei    mit   dem    Amte    des    Statthalters    in    den 


3.  Kap.  CC.VIIJ. 

4.  Cosmo  'loiTcs  teilt  in  cinciii  JSricfe  vom  29.  Suplcnibcr  1551  mit)  <^l^^s  fünf 
Monate  oder  noch  darüber,  von  seinem  J5riefdatum  Ljerechnct,  vergangen  seien,  seit 
Xavier  in  die  Stadt  (Yamaguchi)  gekommen. 

5.  ^yr/ff/Vw/t-.?  of  tJie  CJiurch  af   Vaiuaguclii  etc.  p.    140  f. 


Cniiidung  einer  Ccinciiidc  in  Yantaguchi.  183 

zwei  Provinzen  belohnt,  zu  denen  nachher  noch  die  ans^renzende 
l'roxinz  Iwami  hinzu^'efÜL;t  wurde.  Um  das  Ende  des  14.  Jahr- 
liunderts  kani  die  Familie  auch  in  den  Besitz  von  Buzen  und 
nahezu  !_;anz  Chikuzen,  welche  beide  Provinzen  noch  in  Lehens- 
|)tlichtverhältnis  zu  (  Kichi  Yoshitaka  standen,  den  Xa\'ier  in  Yama- 
i;"uchi  an  der  Regierung  fand.  P^iner  von  seinen  hervorragendsten 
Vasallen  war  Suwe  Takafusa,  ein  General  von  grosser  l'>fahrung 
und  ansehnlichem  Rufe,  dessen  einziger  Rivale  von  Belang  Mori 
Alotonari  war,  der  sich  \"or  kurzem  mit  dem  Mause  (Juchi 
verbunden  hatte.  Sai'ow  ist  geneigt,  zu  glauben,  dass  Xavier 
hauptsächlich  auf  Takafusas  Verwendung  hin  \on  Yoshitaka  die 
P^rlaubnis  erlangte,  in  seinem  Gebiet  zu  predigen  und  sich  nieder- 
zulassen, da,  nachdem  Takafusa  diesen  aus  seinem  Regiment 
\"erdrängt  hatte,  die  Cliristen  auch  unter  dem  neuen  von  ihm  an 
Yoshitakas  Stelle  gerufenen  Herrn  im  Besitze  ihrer  Prix'ilegien 
verblieben. 

Xavier  wurde  von  Yoshitaka,  dem  er  die  Briefe  des  indischen 
Statthalters  und  des  Bischofs  von  Goa  soAvie  die  Geschenke  des 
Präfekten  von  Malakka  überbrachte,  freundlich  em[)fangen.  Von 
den  letzteren  machten  ihm  nach  Torres  besonders  ein  ,,  manicordio 
c  rclox'\  ein  Musikinstrument  und  eine  Uhr  ungemeine  l^'reude, 
weil  diese  Artikel,  wiewohl  von  geringem  Werte,  nie  vorher  in 
(Jer  Prox'inz  gesehen  worden  seien.  Pls  ist  vielleicht  nicht  ohne 
Interesse,  anzumerken,  dass  sich  auch  in  japanischen  Werken 
Berichte  finden,  die  sich  sehr  wahrscheinlich  auf  die.se  Geschenk- 
überreichung beziehen.  So  meldet  das  (jeschichtsbuch  Xihon 
l'sugan,  dass  ein  Kaufmannsschiff  von  Ming  nach  Suwö  kam, 
dessen  p^igentümer  von  Yoshitaka  zur  Tafel  gezogen  und  jede 
Xacht  unterhalten  wurden,  wobei  alles  chinesisch  sprach.  Die 
Gäste  beschenkten  den  P\irsten,  dessen  Hauptstadt  durch  lebhaften 
Handelsverkehr  mit  Kaufleuten  von  IMing,  Korea  und  westlichen 
Rändern  blühender  war  als  Kyoto,  mit  seltenen  Artikeln,  woruntei' 
eine  Uhr,  die  bei  Tag  und  bei  Nacht  genau  zwölfmal  schlug; 
zwei  Augengläser,  ,,  bei  deren  Gebrauch  selbst  ein  alter  ]\Iann 
klar  wie  ein    junger  sehen  konnte",    ausserdem   Bücher,    Bilder,' 


1 84  Gr'ii)idiiii<^  einer  Gemeinde  in  )  'aniagnchi. 

Theeschalcn  und  anderes  mehr.  Und  ähnlich  erzählt  das  Werk 
Yosliitakaki,  die  l-'reniden,  welche  davon  ht")rten,  dass  im 
Distrikt  ( )ta  in  der  Provinz  Iwami  Silber  Ljewonncn  werde, 
liätten  Schiffe  von  Indien,  China  und  Korea  gcsar.dt.  Unter 
den  Geschenken,  welche  die  crstcren  mitgebracht,  sei  eine  Uhr 
gewesen,  die  Tag  wie  Naclit  z\v(")lfmal  schlug,  ein  Musikinstru- 
ment, das,  ohne  gespielt  zu  werden,  harmonische  Weisen  hören 
liess,  und  zwei  Augengläser,  mit  denen  auch  alte  Leute  deutlich 
sahen.  Dass  unter  den  Schenkern  Europäer  und  nicht 'etwa 
Chinesen  vorzustellen  sind,  ist  wohl  ausser  Zweifel.  Der  Jesuit 
Ricci  erregte,  wie  Le  Huc  erzählt,  am  Hofe  in  Peking  noch  ein 
halbes  Jahrhundert  später  mit  keinem  seiner  GeschenlvC  an  den 
Kaiser  mehr  Aufsehen  als  mit  einer  Uhr,  ein  Beweis,  dass  Uhren 
damals  in  China  selbst  noch  etwas  Unbekaiuites  waren. 

Die  ansehnliche  .Summe  Goldes  und  Silbers,  die  der  von 
den  seltenen  Gaben  entzückte  Yoshitaka  dem  Pater  als  Gegen- 
geschenk anbot,  lehnte  dieser  zu  seiner  Verwunderung  ab.  \''on 
seinen  Bonzen  war  ihm  solches  wohl  noch  nicht  vorgekommen. 
Xavier  bat  ihn  aber,  wenn  er  ihnen  etwas  Angenehmes  schenken 
wolle,  so  möge  er  ihnen  die  Verkündigung  des  Gesetzes  Gottes 
in  seinem  Reiche  und  seinen  Unterthanen  die  Annahme  desselben 
gestatten,  etwas  Angenehmeres  könne  er  ihnen  nicht  schenken, 
was  Yoshitaka,  durch  die  Geschenke  günstig  gestimmt,  ihm 
bereitwilligst  gewährte.  P^r  liess,  wie  Xavier  und  Torres  über- 
einstimmend berichten,  an  den  besuchtesten  Plätzen  der  Stadt  ein 
Pxlikt  anschlagen  und  ebenso  in  i\c\\  anderen  Orten  seines 
Gebiets  eine  öffentliche  Verordnung  ergehen  des  Inhalts :  es 
gefalle  ihm,  dass  das  Gesetz  Gcjttes  in  seinem  Reiche  verkündigt 
\\'erde ;  es  stehe  jedem  frei,  ihm  zu  folgen;  die  Prediger  und 
Dolmetscher  dieses  Gesetzes  sollten  auf  keine  Weise  von  jemand 
\'erlctzt  oder  verhindert  Averden.  Auch  wies  er  den  l'^'emden 
ein  leerstehendes  Buddhistenkloster  als  Wohnung  an. 

Dass  der  Landesherr  den  Missionaren  sich  so  gewogen  zeigte, 
diente  ihnen  und  ihrer  Verkündigung  beim  Volke  von  vornherein 
zur  Empfehlung.    Alsbald  waren  sie  in  ihrem  Kloster  vom  Morgen 


Gründung  einer  Gemeinde  in  Vaniaguehi.  185 

bis  tief  in  die   Nacht   von  Neugierigen  und  von  ernsten  h'ragern, 
freilich    auch    \'on    Spöttern    aus    allen    Ständen,    auch    Bonzen, 
überlaufen.     Allen  Avar  es  darum  zu  thun,  die  fremden  Ankömm- 
linge   und  ihre    neue    Religion   kennen  zu  lernen,    und    so   gross 
war    der   Zudrang,    dass    die    Räume    zuweilen    ihre    Zahl    niclit 
fassten,   und  die    Menge  der    Besucher  machte    den   Missionaren 
gehörig  zu  schaffen.     Sie  predigten  täglich  zweimal,    und  auf  die 
Predigt  folgte   immer  eine  lange  ]3isputation  zur  Widerlegung  der 
erhobenen  Einwürfe  und  zur  Befriedigung  der  vielen   Fragesteller. 
In  einem  Schreiben  vom  29.  Januar   1552,  das  Xavier,  nach- 
dem er  Japan  bereits  wieder  verlassen  hatte,  \on  Cochin  aus   A 
niy    en   Christo  Santo    Padre  Ignatio    richtete,   schreibt  er  diesem 
ausführlich,    welche    Eigenschaften    die    Priester  der    Gesellschaft 
Jesu  nötig  hätten,    die  für  das   japanische  Missionsfeld    bestimmt 
würden:    ,,  Ich  lialte  es    für    unumgänglich    notwendig,    dass    Sie 
ausgezeichnete,    mehr  als  gewöhnlich    mit    Tugend    und  Wissen- 
schaft ausgerüstete  Männer  an  die  Akademieen  von  Japan  senden, 
weil  dort  die    ungebildeten,  übrigens    verständigen    Leute,    wenn 
sie  ihrer  Irrtümer  überführt  werden,  zu  der  Aeusserung  ihre  Zu- 
flucht   nehmen,    es    gebe   auch  in    ihrem    Volke    viele    Gelehrte, 
welche  ihr  ganzes  Leben  auf  wissenschaftliche  Eorschungen  und 
Studien  verwendet  haben.     Darum  ist    es  notwendig,   mit  diesen 
Lehrern    des  Volkes    zu    disputieren,    und,    weil    sie   alle    unsere 
Lehren  leugnen,    dieselben  zuerst  zu  widerlegen    und  für  uns  zu 
gewinnen,  damit  dann  diejenigen,  welche  auf  ihre  Autorität  sich 
berufen,     gewonnen     werden    können.        Sehen    Sie.     darum    ist 
Bildung  und  Wissenschaft  notwendig.     Vorzüglich  aber  ist  Aus- 
dauer, Geduld,  tiefe  Demut,    kurz,  Vollendung  jeglicher  Tugend 
für  diejenigen  erforderlich,  welche  in  diese  endlosen  Streitigkeiten, 
zumal  mit  ^Xcn  Bonzen,  sich  einlassen  wollen.     Denn  nur  wenige 
arme  J-^remde  werden  gegen  ein  ganzes  Volk  untl  den  R.uf  einer 
berühmten  und  auf  sich  selbst  und  alle  ihre  pjnrichtungen  stolzen 
Nation  auftreten,  welche  ganz  in  der  Gewalt  der  Bonzen  ist,  die 
an  \\'ürde  und  Ansehen  obenan  stehen.     Es  liegt  auf  der  Hand, 
dass    diejenigen,    welche    das    wagen    wollen,    vieles    werden    zu 


I  (S6  Gntiiiiuiii:;  einer  Citinciiuic  in  )  'aniaj^nc/ii. 

leiden  haben,  \venn  sie  einnuil  in  tlieses  i;"i'o.ssartii;e  Wespennest 
i;"cstoclien  haben.  l'nd  es  wird  nielit  uni;"erächt  bleiben,  wenn 
sie,  was  doch  xor  allem  nolw  endi>;'  ist,  die  Trus^schlüsse  der 
Bonzen  zu  nichtc  machen,  ihre  Lü^en  widerlegen  und  ihre 
habsüchtigen  Ränl^e  und  Kiiiffe  ans  Liclit  ziehen,  wodurch 
dieselben  das  ]eichtL;iriubii;e  \'oIk  um  sein  (ield  brinj^en  .  .  .  . 
Ich  wiederhole  es,  sie  werden  i^rossere  Kampfe  und  Leiden  zu 
best  dien  haben,  als  man  _<;lai,l)t.  Man  wird  sie  uni^'cstüm  be- 
drängen ;  zu  keiner  Stunde  iles  'l'ages  oder  der  Nacht  werden 
sie  von  lästigen  1^'ragern  frei  sein  ;  mit  endlosen  h" ragen  wii-d 
man  ihnen  zusetzen  ;  xon  \'ornehmen  werden  sie  beschieden 
werden,  denen  man  den  J^esuch  nicht  abschlagen  darf.  Hier- 
durch wird  den  triglicheii  Gebeten  und  l^etrachtungen,  den  übrigen 
geistlichen  Uebungen  und  der  Geistessammlung  die  Zeit  entzogen  ; 
.selbst  zur  I^'eier  der  heiligen  iMesse  wird  die  Zeit  fehlen.  In 
tlen  ersten  Tagen,  wo  sie  sich  dort  .sehen  lassen,  werden  sie 
wegen  der  Menge  der  Fragenden,  welche  abzuweisen  nicht  gut 
wäre,  kaum  Zeit  haben,  das  Brevier  zu  beten,  zu  es.sen  und  zu 
sclilafen.  I'"s  ist  ein  Charakterfehler  der  Nation,  ohne  Scheu 
andern,  besonders  den  (lästen  und  h'remden,  hlstig  zu  fallen, 
sie  mit  Verachtung  zu  behandeln,  ja  frech  zu  verh(')hnen,  auch 
wenn  man  ihnen  nichts  zu  Leide  thut  und  gar  nicht  lästig 
ist.  Wenn  dann  die  k^'emden  das,  was  den  Ja[)aneni  heilig  ist, 
tadehi  und  angreiten  ;  wenn  sie  den  Aberglauben  der  Sekten 
rügen,  die  öffentlichen  Laster  ohne  Schonung  geissein  und 
züchtigen  und  mit  Entschiedenheit  behau[)ten,  dass  die,  welche 
einmal  zur  Hölle  verdammt  sind,  durch  keine  Sühne,  durch 
keine  Opfergaben  und  son.stige  religiöse  Handlungen  der  über- 
lebenden Freunde  und  Verwandten  errettet  werden  können,  so 
wird  alsbald  der  Hass  einen  gewaltigen  Sturm  erregen,  und 
selbst  die  Besten  werden  mit  Unwillen  gegen  diejenigen  erfüllt 
werden,  welche  über  ihre  teueren  Verstorbenen  eine  so  grausame 
Ansicht  haben,  und  gar  viele  werden  die  neue  Religion  als  eine 
schwache  und  unvollkommene  verachten,  da  sie  den  einmal 
X'erdammten  keine  Rettuny;  zu  bringen  xernvVe.     Solche  Vorur- 


Gniiidung  einer  Cioiicindc  in  )  'aniagiiclii.  i  '^y 

tjilc  und  Fraisen  werden  dort  viel  besprochen,  weil  in  den 
Schriften  und  alten  Ueberlieferungen  des  Volkes  \"iel  von  der 
Hölle  die  Rede  ist,  da^ej^en  i^ar  nicht  vom  Fegfeuer.  Da  nun 
dem  so  ist,  so  ist  es  selbstredend,  dass  dort  tüchtige,  in  der 
Logik  gewandte  Köpfe  notwendig  sind,  welche  eine  volkstüm- 
liche Beredsamkeit  und  Gewandtheit  besitzen,  (^tw  Irrenden  zu 
folgen  und  ihnen  zuvorzukommen,  Männer,  welche  die  initer 
dem  Scheine  der  Wahrheit  auftretenden  Lügen  entlarven  und 
die  sophistischen  ]3eweisführungen  durch  Nachweis  der  Unver- 
einbarkeit und  der  Widersprüche  der  falschen  Lehren  entkräften. 
Die  Bonzen  werden  nämlich  sehr  beschämt  und  \-erwirrt,  wenn 
man  offen  darlegt,  dass  in  ihren  Lehren  kein  Zusammenhang 
und  keine  Uebereinstimmung  ist,  oder  wenn  sie  durch  logische 
]^eweisführung  so  in  die  Lnge  getrieben  werden,  dass  sie  sich 
nicht  mehr  zu    helfen   wissen.       Zu  diesen    geistigen  Fähigkeiten 

muss  eine  kräftige  Gesundheit  hinzukmv.men Zum  Wirken 

in  diesem  La.nde  sind  Greise  nicht  tauglich,  weil  ihnen  die  Kräfte 
zu  den  notwendigen  Arbeiten  fehlen,  ebenso  Avenig  junge  Leute, 
es  sei  denn,  dass  der  Ahmgel  des  Alters  durch  ganz  erprobte 
Tugenden  ersetzt  werde;  sonst  würden  sie,  anstatt  anderen  zu 
nützen,  selbst  zu  Grunde  gehen    durch  die   \'ielen    Verlockungen 

und  Gelegenheiten  zu  allen  Sünden,  welche  das  Land  bietet 

]^s  kam  mir  der  Gedanke,  Belgier  oder  Deutsche,  welche  Spanisch 
oder  1  ortugiesisch  verständen,  würden  zu  dieser  Mission  tauglich 
sein.  Beide  Nationen  können  Strapazen  ertragen  und  sind  \'on 
Natur  und  durch  Frziehung  abgehärtet,  um  die  Kälte  von  Bandu 
auszuhalten.  Ich  hielt  es  für  wahrscheinlich,  dass  nicht  wenige 
von  beiden  Nationen  in  den  verschiedenen  Kollegien  von  Spanien 
und  Italien  leben,  ohne  jedoch  bedeutenden  Nutzen  zu  stiften, 
weil  ihnen  die  natürliche  Feinheit  der  Landessprache  abgeht. 
Wenn  diese  nach  Japan  kämen,  so  könnten  sie  ausgezeichnet 
wirken  und  viele  Frucht  bringen." 

\\i  vrar  in  Erinnerung  an  seinen  Aufenthalt  in  Japan  und 
an  die  dort  gemachten  Erfahrungen,  dass  Xavier  also  an  Ignatius 
und  in  ganz  gleicher  Weise  an  Simon  Rodriguez  schrieb.     \\^as 


l88  Cniiuiuiii:;  einer  Ciiiicuidc  in   \'aJiuio;uchi. 

tr  den  nach  Jajxin  Kommenden  in  Aussiclit  stellt,  L;enau  das 
berichtet  Torres  in  seinem  ßrie'f  \'om  29.  September  1551  als 
ilu'  .Miiebnis  in  "Samac;'uclii.  .\a\iLT  se]l)st  ^eniii^te  allen  An- 
forderungen, abgesehen  da\'on,  dass  ihm  die  ausdauernde  (icdvild 
abging.  Er  war  iniaufhörlich  thätig  \-om  Morgen  bis  in  die 
Xacht  untl  oft  auch  noch  in  dieser  untl  hihlte  sich  tlal)ei  nicht 
müde.  ,.  Ich  Ijin  alt",  schreibt  er,  ,,  ich  l)in  schon  \'ollst;indig 
ergraut,  und  doch,  ich  fühle  mich  kräftig  und  gesimd  wie  nie. 
Die  auf  die  Ausbildung  eines  ruhigen,  wahiiieits-und  hcilsbe- 
gierigen  Volkes  recht  xerwendeten  Müllen  gewähren  manchen 
Genuss  geistlicher  J^'reude."  ,,  Die  unendliche  ("lüte  (lottes  gegen 
uns  ist  so  augenfällig,  dass  wir  es  als  die  grosste  W'ohlthat  für 
uns  deutlich  eikennen,  hierher  gekommen  zu  sein,  während  wir 
früher  glaubten,  etwas  (lott  Wohlgefälliges  zu  thun,  wenn  wir 
IUI:;,  zur  \'erbreitung  dir  heiligen  Religion  hierher  begäben.  () 
ja,  da  der  liebe  Gott  uns  nach  Japan  geführt,  so  hat  er  alle 
Jlantle  iler  Diebe  zu  ([cw  (jcschopfen,  die  ims  fesselten,  gelöst, 
damit  wir  an  ihn  allein  gefesselt  .seien."  j)ieser  Herzenserguss 
bekundet,  wie  Xavier  auch  der  Gefahr  nicht  erlag,  über  der 
Vielgeschäftigkeit,  zu  der  sein  Wirken  auf  andere  ihn  nötigte, 
am  eigenen  inneren  IMenschen  zu  \erlieren. 

Cr.\sset  11.  a.  wissen  zu  melden,  dass  zu  Xaviers  Schmerz 
in  Yamaguchi  lange  niemand  die  Taufe  begehrt  habe,  bis  endlich 
einer,  überwunden  von  der  Ruhe,  mit  der  Fernandez  eine  ihm 
angethane  Schmach  hinnahm,  (k<^\\  Anfan.g  machte.  l'Y'rnandez 
habe  auf  einem  öffentlichen  Platze  der  St.idt  eine  l'redigt  gehal- 
ten. Da  nahte  sich  ein  Rohling,  räusperte  stark  und  .spuckte 
dem  rredigenden  seinen  Unrat  ins  Cicsicht,  eine  Unbill,  die 
alle  Umstehenden  emp(")rtc,  nur  einen  scheinbar  nicht — den  Ge- 
schändeten selbst,  der  sich  ruhig  den  Unflat  nu't  seinem  Taschen- 
tuch aus  dem  (lesichte  wischte  und  fortfuhr  zu  s[)rechen,  als 
wäre  nichts  gescliehen.  Diese  Gelassenheit  habe  tiefen  Kindruck 
besonders  auf  einen  J^esinnlichen  unter  i\c\\  Zeugen  des  Vorgangs 
gemacht.  P2r  sei  gleich  nach  der  Predigt  in  das  Kloster  gekom- 
men    und    habe    die    Taufe    begehrt,    die    er,    der    erste,    nach 


Grüitditiii^  einer  (jenieiiide  i)i  )  'aiuaij^iieJii.  i  S9 

\-ürausgegangencm  Unterrichte  auch  erhielt,  \-iele  andere  nacli 
sich  ziehend.  Diese  Geschichte,  die  sich  schon  bei  Maffei^) 
findet,  der  sogar  ganz  genau  anzugeben  weiss,  worauf  sich  die 
Taufx'orbereitung  erstreckte,  hat  an  sicli  nichts  Unwaln'schein- 
liclies.  In  (\<i\\  \'orhandenen  Quellen  indessen  ist  nichts  \'(>n  ihr 
zu  finden.  Von  Xavier  hören  wir  nur,  dass  die  Zuhörer  nach 
mehrtägigen  Disputationen  und  P^-agen  sich  endlich  ftir  besiegt 
erklärten  und  begannen,  die  christliche  Religion  anzunehmen. 
Die  ersten  von  allen  Avaren  die,  welche  in  (\<:\\  Disputationen 
als  die  heftigsten  Gegner  aufgetreten  waren,  zum  Teil  Japaner 
von  edler  Abkunft.  Unter  den  Konvertiten  wird  einer,  der  als 
früherer  Lehrer  an  der  Akademie  von  Bandu  in  der  Stadt  im 
Rufe  grösster  Gelehrtheit  stand  und  die  Absicht  gehabt  hatte, 
Bonze  zu  werden,  besonders  erwähnt.  Auch  Bonzen  schlössen 
sich  der  werdenden  Gemeinde  an.  Die  es  nicht  thaten,  wurden  von 
([q.\\  Alissionaren  um  so  wirksamer  bekämpft.  Durch  die  Ueber- 
getretenen  über  Lehren  und  Bräuche  der  \'erschiedenen  Sekten 
und  das  Klo.sterleben  der  ^Mönche  genauer  unterrichtet,  zogen 
sie  die  von  ihnen  erkundeten  Bonzenpraktiken  unbarmherzig 
ans  Licht  und  brachten  die  Priester  selbst  zu  grosser  Befriedi- 
gung der  Christen  durch  öffentliche  Widerlegung  ihrer  Irrtümer 
sehr  ins  Gedränge,  nicht  freilich,  ohne  dieselben  auch  aufs  ärgste 
gegen  sich  zu  erbittern,  umsomehr  als  sie  nicht  nur  täglich 
mehr  Einbus.se  an  ihrem  Renommee  litten,  sondern  auch,  wie 
Xavier  sagt,  bald  aus  Mangel  an  Unterstützungen  von  selten 
ihrer  früheren  Anhänger  in  häusliche  X^ot  gerieten.  Sie  predigten 
daher,  um  ihre  Existenz  kämpfend,  wenn  die  Missionare  predigten, 
auch  in  ihren  Tempeln  gegen  diese,  schmähend,  wie  Xavier 
sich  sagen  Hess,  der  Christengott  sei  ein  unbekanntes,  unerhörtes 
Wesen,  er  könne  nur  ein  grosser,  abscheulicher  Teufel  sein, 
und  die  fremden  Lehrer  seien  seine  Schüler.  Sobald  man  ihn 
als  Gott  zu  verehren  anfange,  werde  Japan  zu  Grunde  gehen. 
Das  portugiesische    Wort,  zu  welchem    Xa\ier  zur    Bezeichnung 

6.     .\.  n.  O.  p.  3o(J. 


190  (ii-'fiiuhtu!^-  einer  (iciiiciiuic  in   )'ani(i<:;nclii. 

Gottes  i^riiT,  da  die  i;ipanisehe  Spraehe  ihm  kein  entsprechendes 
Wort  bot — das  Wort  Kami  vermied jii  die  Jesuiten  auch  in  der 
Folge,  um  zu  verhüten,  dass  man  (iott  Rir  eins  mit  den  japani- 
schen Kami  nehme?) — deuteten  sie  sjiottend  :  Dcos  bezeichne 
nichts  anderes  als  daio,  was  in  ihrer  Sprache  Lüge  heisst.  Xavier 
erzählt  jedoch,  solche  Schmähungen,  entfernt,  ihnen  Abtrag  zu 
thun,  hätten  im  (legenteile  iiur  die  Folge  gehabt,  das  Ansehen 
der  Missionare  bei  der  Menge  zu  heben,  die  es  öffentlich  ausge- 
sprochen hätten,  dass  die  Bonzen  nur  aus  Neid  so  wüteten. 
Auch  solche,  die  der  Landesreligion  treu  blieben,  stellten  sich 
freundlich  zu  den  fremden  Gästen.  So  berichtet  Xavier,  dass 
einer  der  ersten  l'^irsten — er  meint  damit  den  Gouverneur  der 
Stadt,  Xaitd'^^,  und  .seine  Gemahlin  ihnen  hex  der  WM'breitung 
der  christlichen  Religion  alle  nur  denl'cbare  Fi'u'derung  angedeihen 
Hessen,  obwohl  sie  bei  aller  Hinneigung  zu  der  als  gut  und 
vernünftig  erkannten  Lehre  nicht  zu  deren  Annahme  bewegt 
werden  konnten,  \\'eil  sie,  beide  abergläubische  Verehrer  Amidas 
und  Shakas,  viele  Bonzenklöster  aus  eigenen  Mitteln  erbaut  und 
mit  Einkünften  versehen  hatten  und  der  in  einer  Iveihe  von 
Jahren  dadurch  vermeintlich  erworbenen  Anwartschaft  auf  Gnaden 
nicht  durch  Verlassen  dieser  Landesgottheiten  \erhistig  gehen 
wollten. 

Während  so  selbst  treue  buddhistische  Gläubige  den  fremden 
Glaubensboten  ihre  Hilfe  liehen,  erfreuten  sich  diese  natürlich 
noch  mehr  des  l^eistandes  ihrer  Neoph\'ten,  deren  Anhfuiglich- 
keit  sie  auch  gegen  feindselige  Nachstellungen  der  erregten 
]^onzen    schützte,    indem  sie    sie   von    allem,  was    gegen  sie    im 


7.  Chamiückt.ain  in  seinem  Ilandhook  of  Colloqiiial  Japanese  2(1  ed.,  ji.  8  i;ilil 
mich  das  nach  dem  enL;lischen  (lod  i^eliildete  liottn  als  Ae<|uivalenl  fih-  den  Cliii- 
slent^oll  an.  llcule  i>l  doch  das  sliinloislisclic  Wort  Kami  7X\x  l!e/,eichnung  (loltes 
von  den   ja])anisclieii   C'hrislen  aiiL^enommcn,   Gotliy  gelirauclit  niemand  melir. 

S.  S  \  i'dw  [C/iirrch  al  Yaiiiagiichi  p.  145)  hat  gefunden,  dass  zwei  Personen 
dieses  Nanien>  hei  /,eitf:;cn"issischen  ja]ianischen  Schriftstellern  erwälnit  sind:  A'aifo 
Okiin07-i,  ein  .\nliän<^er  'l'akafusas,  und  Xaito  TakaJwni,  der  .später  ilic  .^ladt  an 
Motonari  übergaJj,  und  ist  sjjeneigt,  anzunehmen,  dass  unter  dem  \on  den  [esuiten 
erwähnten  Naitondono  der  letztere  gemeint   ist. 


Gr'iiiuünii^-  iiiicr  Ccmciiidc  in  \  'aiiiai^iiclii.  1 9  r 

Werke  war,    in  Kenntnis    setzten.      Den    Pater  iiess  dies   liofffii, 
(lass  sie  einmal   \\ahrc,  eehte  Christen   wcrcicn  würden. 

Schon  nach  zweinionatHcheni  Aufenthalt  in  Yama^uchi 
Iconnte  er  berichten,  dass  fünfhundert  9 >  die  7\aufe  empfani^en 
hätten,  deren  Zahl  sich  täglich  um  einige  mehrte.  In  zufriedenem 
Rückblick  auf  diese  Zeit  gedeihlichen  Fortgangs  der  Missions- 
arbeit schreibt  er  später '°)  nach  lun'opa  :  ,,Ich  sah,  dass  diuxh 
unsere  \'ermittlung  der  Stolz  der  Bonzen  von  Gott  gebrochen 
und  ein  herrlicher  Sieg  über  die  erbitterten  Feinde  davongetragen 
wurde.  Und  dann  bemerkte  ich  wieder,  wie  die  Neophyten  sich 
freuten,  wenn  die  Bonzen  überführt  wurden,  und  wie  sie  sich 
-Mühe  gaben,  die  Heiden  zu  bekämpfen  und  zur  Taufe  zu  führen, 
wie  sie  jubelten,  wenii  es  ihnen  gelang,  und  wie  sie  ihre  Kämpfe 
mit  dem  überwundenen  Aberglauben  der  Heiden  erzählten.  Alles 
dieses  überströmte  mich  mit  solcher  geistlichen  Freude,  dass 
ich  alle  meine  Leiden  gar  nicht  mehr  fühlte." 

().  (lau/,  andere,  viel  höhere  Zahlen  geben  die  jesuitisclren  Ge.schichtschreiher. 
Aber  schon  PiNKi,  an  den  sie  sich  vermutlich  hielten,  spricht  übertreibend  von  über 
3000,  die  der  Heilige  in  weniger  als  einem  Jahre  zu  Vamaguchi  liekehrt  habe. 
(l!ei  FiOL'lER  Tome  III,  j).  361).  In  Wirklichkeit  war  Xavier  nicht  einmal  ein 
halbes  Jahr  in  der  Stadt. 

10.     Cochin,  29.  Januar  1552. 


dreizeitntp:s  ka?iti-:l. 
Franz  Xavier  geht  nach  Bungo. 


So  erfreuliclien  Fortgantj  nahm  das  Werk  in  Yaniaguclii, 
als  Xavier  gegen  I^nde  August  155 1  die  Nachricht  erhielt, 
dass  in  I^'igi  (/////),  ')  dem  Hafen  der  Hauptstadt  Funai  oder 
Fucheo  (heute  Oitd)  in  l^ungo,  ein  portugiesisches  Schiff  ange- 
kommen sei.  -)  ]^r  schickte  auf  diese  Kunde  sogleich  einen 
Neubekehrten,  Matthaeus,  mit  einem  Briefe  an  Kapitän  und 
Schiffsvolk.  Der  Brief,  vom  i.  September  155  i,  den  P.  PJiUip- 
piicci,  ein  Verehrer  des  Heiligen,  djr  sich  nach  einer  vermeint- 
lichen Gebetserhörung  durch  ihn  aus  Dankbarkeit  angelegen 
sein  Hess,  alle  l^riefe  Xaviers,  die  er  auftreiben  konnte,  drucken 
7X\  lassen,  aufgefunden  und  der  Jesuit  Possiit  in  seinem  Bande 
von  neunzig  bis  dahin  nocli  nicht  gedruckten  J^riefen  im  Jahre 
1661  zum  erstenmal  x'eröffentlicht  hat,  liegt  uns  ausser  in  dieser 
Fassung  noch  mit  einer  Einleitung,  die  in  Possins  Ausgabe  fehlt, 
in  Pintos  Reisebeschreibung  vor.  1m'  trägt  keinen  Namen  auf 
der  Adresse,  da  er  ja  eben  zu  dem  Zwecke  geschrieben  war, 
die    Namen  der    Unbekannten  und    ihres    Schiffes    zu    erkunden. 


1.  Finge  heisst  l)ei  Pintcj  (Ka|x  CCTX)  der  Fluss,  der  l)ei  ]"'unai  in  das  jai^a- 
iiisclic  Binnenmeer  mündet. 

2.  lüne  KrwähnunL;  dieses  SehüTes  findet  sieli  aucli  in  dem  jai^anisclien  Ge- 
schichtswerk Süho-(  )tomo  Köliaiki.  Dasselbe  berichtet,  dass  im  20.  Jahre  Tembiin 
(1551)  ein  Kaufmannsschiff  von  n^  P^  BE  (Goa?)  in  Shiiiguji-iira  ankam,  dessen  Schifis- 
volk  sämtlich  der  „  Tenshu-kyö  "  (Ilimmelsgottlehre)  angehörte  und  den  Statthalter 
von  l)Ungo  zur  Annahme  dieser  Religion  zu  bringen  suchte.  Der  IJericlit  nennt 
auch  einen  Japaner,  Tawaiv  S/u'iiiii,  durch  den  sie  Otonio  Sörin  zu  bereden  suchten. 


Franr:  Xavicr  gcJit  nach  Bimgo.  193 

Er  fragt,  ob  in  ^lalakka  bei  ihrer  Abfahrt  alles  in  Ordnung 
gewesen,  und  enthält  ausser  einer  seelsorgerlichen  IMahnung  an 
die  Kaufleute,  über  ihren  Handelsgeschäften  nicht  ganz  die 
Gewissenserforschung  zu  vergessen,  nur  noch  das  Versprechen, 
dass  der  Briefschreiber  nach  Empfang  einer  Antwort  zu  einem 
Besuch  zu  ihnen  kommen  werde.  Pinto  hat  so  ziemlich  densel- 
ben Wortlaut,  vorher  aber  nach  einem  Eingangsgrusse  noch  das 
folgende,  was  bei  Possin  fehlt :  ,,  Durch  Briefe,  welche  Kauf- 
leute dieser  Stadt  empfangen  haben,  haben  sie  von  P2uerer 
glücklichen  Ankunft  in  diesem  Lande  Kenntnis  erhalten.  Da 
mir  jedoch  diese  Nachricht  nicht  so  wahr  schien,  als  ich  im 
Herzen  wünsche,  hielt  ich  es  für  gut,  mir  selbst  durch  den  Chri- 
sten, den  ich  zu  Euch  schicke.  Gewissheit  zu  verschaffen.  Deshalb 
bitte  ich.  I^uch  dringend,  mich  durch  ihn  wissen  zu  lassen,  von 
wo  Ihr  jetzt  kommt,  auch  von  welchem  Hafen  Ihr  ausgefahren 
seid  und  Avann  Ihr  nach  China  zurückzukehren  gedenkt.  Denn 
ich  wünschte  sehr,  sofern  es  Gott  gefallt,  dazu  zu  thun,  soviel 
mir  möglich  ist,  dieses  Jahr  von  hier  nach  Indien  zu  kom- 
men".3) 

CoLERiDGE  4)  hält  CS  für  möglich,  dass  Pinto  den  ursprüng- 
lichen Text  gegeben  habe,  und  will  das  Fehlen  der  lunleitung 
bei  Possin  mit  der  Annahme  erklären,  dass  der  Anfang  des 
Originals  vielleicht  vor  seiner  Auffindung  durch  Philippucci  von 
einem  Reliquienjäger  abgerissen  wurde.  Hätte  er  mit  dieser 
Vermutung  recht,  so  wäre  diese  erste,  uns  in  Pintos  Reisebe- 
schreibung erhaltene  Briefhälfte  von  grösstem  Interesse.  Sie  thäte 
dar,  dass  Xavier  inmitten  des  gedeihlichen  Fortgangs  seiner 
Arbeit  in  Yamaguchi  sich  bereits  wieder  mit  dem  Gedanken  an 
die  Rückkehr  nach  Indien  trug.  Ausgeschlossen  ist  dies  keines- 
wegs. Den  ruhelosen  Geist  hielt  es  nirgends  lange.  Ferner : 
die  Zeit  seines  Aufenthaltes  im  Lande  genügte  ihm,  zu  sehen, 
dass  hier  Arbeit    für  viele  war,  und  er  mochte    denken,    dass  er 

3.  In  der  französischen  Ausgabe  FlGUlERS  Tome  III,  p.  362. 

4.  A.  a.  O.  II,  310. 


194  Franz  Xavii]\Q;c]tt  uacJi  Jhin<:^-o. 

in  Indien  besser  als  aus  so  weiter  T^erne  die  Auswahl  und 
Abordnung-  geeigneter  Missionare  nach  dem  hoffnungsvollen,  aber 
auch  ganz  besonders  tüchtige  Männer  fordernden  Missionsfelde 
betreiben  könne.  Endlich  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  er 
s'ch  auch  bereits  mit  dem  (iedanken  an  die  Begründung  einer 
lesuitenmission  in  China  trug,  der  Hoffnung,  dass  auch  die 
Japaner  dem  christlichen  Glauben  geneigter  würden,  wenn  sie 
sähen,  dass  die,  in  denen  sie  in  allen  Dingen  ihre  Lehrmeister 
zu  crl)licken  gewohnt  waren,  demselben  zufielen.  Und,  noch 
eines  :  Melchior  Nugxez  Barreto  berichtet  in  einem  Briefe  von 
Cochin,  8.  Januar  1558,  Franciscus  habe  einmal  dem  König 
\'on  Yamaguchi  eine  abscheuliche  Sünde  mit  so  viel  Eifer 
verwiesen,  dass  er  in  grosser  Gefahr  war.  Vielleicht  war  das 
eben  um  diese  Zeit,  und  Xavier  schien  seine  persönliche  Entfer- 
nung ratsam. 

Sein  christlicher  Bote  wurde  von  den  Kaufleutcn  \\ohl  auf- 
genommen. Der  Kapitän — es  war  Duarte  da  Gama — liess  ihm 
sagen,  dass  er  in  einem  IMonat  nach  China  abzusegeln  hoffe 
und  dass  von  dort  im  nächsten  Januar  drei  Schiffe  nach  Goa 
gehen  würden,  auf  deren  einem  sich  sein  Freund  Diego  I'ereira 
befinde.  Ausser  dieser  Antwort  und  den  Neuigkeiten  von  Indien 
und  Malakka  überbrachte  Matthaeus  seinem  Auftraggeber  ein 
Schreiben  der  Väter  in  Goa,  aus  dem  er  sah,  dass  seine  Gegen- 
Avart  in  Indien,  wo  ihn  zudem  der  Ordensgeneral  im  "Jahre 
1 549  zum  ersten  Provinzial  der  neuerrichteten,  bis  dahin  mit 
der  portugiesischen  verbundenen  indischen  Ordensprovinz  er- 
nannt hatte,  sehr  nötig  sei.  Er  .selbst  erzählt,  5)  dass  auch  der 
mächtige  König  \'on  Bungo  ihn  briefiich  ersucht  habe,  zu  ihm 
zu  kommen,  ein  portugiesisches  Schiff  sei  in  seinen  Hafen  einge- 
laufen,  und  er  wolle  ihm  gewisse  Mitteilungen   niachcn. 

So  .säumte  er  nicht  lange.  Zur  Pastorierung  der  Christen 
in  Yamaguchi  berief  er  Torres  von  Hirado,  dem  er  den  Bruder 
Johann    Fernandez  als    Koadjutor   an    die  Seite    gab,    die    Neu- 


5.     ISrief  aus  Cochin,  29.  Januar  1552. 


Franz  Kavier  geht  nach  Bimgo.  195 

bekehrten  dam  Aeltesteii  dortselbst  befehlend.  6)  Von  sehien 
Wände i'genossen  auf  seiner  Reise  nach  Bungo  werden  Bernhard 
und  Laurentius  genannt. 

Xavier  selbst  ist  in  seinen  Briefen  auffällig  schweigsam  über 
seinen  Aufenthalt  in  Bungo.  Alles,  was  er  darüber  mitteilt, 
beschränkt  sich  auf  die  Avenigen  Worte  :  ,,  Der  König  nahm 
mich  mit  grosser  Herablassung  auf,  und  das  Zusammentreffen 
mit  den  Portugiesen  bereitete  mir  gros.se  Freude."  7)  Die 
Biographen  des  Heiligen  sind  durchweg  der  Erzählung  gefolgt, 
die  Pinto  sehr  ausführlich  in  seiner  Reisebeschreibung  von  diesen 
Tagen  gibt.  An  der  Wahrheit  seiner  Angabe,  dass  er  sich  auf 
dem  Schiff  Duarte  da  Gamas  mit  befunden  habe  und  während 
der  Zeit  von  Xaviers  Aufenthalt  in  Funai  mit  diesem  zusammen 
war,  ist  wohl  kaum  zu  zweifeln.  Denn  Pater  Melchior  Nl'Gxez 
sagt  in  einem  Schreiben  aus  Cochin  vom  iMai  1554,  dass  Pinto 
dem  König  von  Bungo,  in  dessen  Reich  er  vierzehn  Jahre 
Handelschaft  trieb,  bekannt  und  dem  Pater  Franciscus  gut 
befreundet  war.  Zu  dieser  Freundschaft  könnte  er  nun  freilich 
auch  ausserhalb  Japans  gekommen  sein.  Dass  er  aber  gleichzeitig 
mit  Xavier  in  Bungo  war,  geht  aus  dem  schon  erwähnten  Briefe 
hervor,  den  er  nach  seinem  späteren  Eintritt  in  die  Gesellschaft 
Jesu  am  5.  Dezember  1554  von  Malakka  aus  an  die  Schola- 
stiker im  Kollegium  zu  Coimbra  richtete,  worin  er  mitteilt,  dass 
der  selige  Magister  Franciscus,  der  auch  in  Osacci  (  =  Sakai)  war, 
ihm  manches  \'on  dieser  Stadt  wie  auch  von  Miyako  erzählt  habe. 
Das  kann  dieser  nicht  wohl  zu  einer  anderen  Zeit  als  während 
dieses  Aufenthalts  in  Bungo  gethan  haben.  Und  hiefür  finde 
ich  noch  eine    Bestätigung  in  einem    am   24.   Dezember    1554  zu 

6.  So  stellt  die  Sache  aucli  Pagks  dar  ( Vie  de  Saint  Fraiifois  Kavier,  p.  XCVIII). 
Dazu  stimmt  aber  nicht,  wenn  er  sagt :  „  Man  weiss,  dass  sie  (die  Christen  von 
Yamaguchi)  räch  der  Abreise  des  Heiligen,  ohne  einen  Hirten  zu  haben,  während 
ganzer  25  Jahre  aushielten,  nach  welchen  sie  durch  neue  Missionare  getröstet  wurden." 
Torres  musste  erst  1556  die  Gemeinde  verlassen,  und  erst  von  da  ab  war  sie,  für 
iS  Jahre,  ohne  Hirten. 

7.  IJrief  an  die  Gesellschaft  in  Europa,  Cochin,  29.  Januar  1552. 


ig6  l'ram  Xa^ncr  gelti  ucicli  r>iiii£:;o. 

Goa  geschriebenen  Briefe  von  Arias  I^raxdoxkz,  der  keinen 
anderen  als  eben  Mendez  Pinto  meinen  kann,  wenn  er  \-on  einem 
Portugiesen  spricht,  der  zur  Zeit,  als  er  in  Japan  Mandel  trieb, 
vertraulich  mit  Xavier  lebte.  Man  wird  daher  ein  Recht  haben, 
Pintos  Beschreibung  als  Quelle  anzuziehen,  ohne  jedoch  bei  dem 
vollstfuidigen  k\'hlen  anderer  Xachrichten  in  der  Lage  zu  sein, 
sie  mit  solchen  zu  \-ergleichen.  J^s  l)leil)t  nichts  übrig,  als  diese 
isolierte  Quelle  für  sich  im  einzelnen  auf  ihre  innere  Wahrschein- 
lichlceit  zu  prüfen  und  mit  Vorsicht  zu  benützen.  Ich  gebe  sie 
liier  in  allem  W^esentlichen  wieder,  mich  darauf  beschränkend, 
nur  hie  und  da,  wo  es  nötig  scheint,  kritische  oder  erläuternde 
Anmerkungen  zu  machen. 

i\\\  einem  Samstag  sahen  die  Portugiesen  drei  Japaner  auf 
sich  zukommen,  Christen,  die  in  der  Gesellschaft  des  Paters 
waren  und  welche  er  vorausgeschickt  hatte.  IJer  Kapitän 
Duartj  da  Gama  h(")rte  von  ihnen,  dass  der  Diener  Gottes  zwei 
Meilen  von  da,  an  einem  Orte  Pinlaxau  ^)  sei,  da  ihn  Kopf- 
schmerzen überfallen  und  seine  Füsse  von  dem  sechzig  Meilen 
betragenden  Wege  so  angeschwollen  seien,  dass  er  sich  nicht 
von  der  Stelle  rühren  k'önne  und  ruhig  die  Heilung  derselben 
abwarten  müsse.  Gama  beriet  sich  sogleich  mit  den  schnell 
zusammengerufenen  Kaufleuten,  was  zu  thun  sei.  Man  be.schloss, 
ihn  an  dem  genannten  Orte  aufzusuchen.  Als  sie  etwa  eine 
Viertelmeile  zurückgelegt  hatten,  trafen  sie  ihn,  der  in  Gesell- 
schaft zweier  Christen  daher  kam,  die  er  seit  einem  Monat 
bekehrt  hatte.  Pinto  fügt  hinzu,  diese  beiden  iMngeborenen 
seien  ,,  hojueus  ßdalgos  principalcs  daqucUc  Rcyno"'  gewesen, 
was  den  König  von  Yamaguchi  veranlasst  habe,  unter  dem 
Vorwand  ihres  Uebertritts  ihre  reichen  Einkünfte  zu  konfiszieren. 
]\Tan  wird  berechtigt  sein,  Zweifel  in  diese  Mitteilung  zu  setzen, 
da  von  Bedrängnissen  der  Christen  in  Yamaguchi  seitens  Ouchi 
Yoshitakas  weder  in  den  Briefen  Xaviers  noch    seiner  Genossen 


8.     So  hcisst   der  Ort,  den   ich  nicht  identifizieren  konnte,  in    Pintos  Portut^ic- 
sisch.     ]''i(;rn;R  und  Kuici.n  haben   riiulaxaii. 


Franr:  Kavier  geht  nach  Biiiigo.  197 

das  Geringste  \'erlautet,  es  auch  an  sich  sehr  unwahrscheinlich 
ist,  dass  der  Daimyö,  der  den  Pater  als  Gesandten  empfangen 
und  ihm  ausdrücklich  freie  Predigtwirksamkeit  gestattet  hatte, 
einen  Uebertritt  eines  seiner  Vasallen  oder  Unterthanen  zum 
Vorwand  nahm,  denselben  seiner   t^inkünfte  zu  berauben. 

Die  Portugiesen,  die  in  ihren  Feierkleidern  zu  Pferde  ritten, 
waren  nicht  wenig  erstaunt,  den  Glaubensprediger  in  so  arm- 
seligem Aufzuge  daherwandern  zu  sehen.  Er  war  zu  Fuss 
und  trug  auf  den  Schultern  eine  Tasche  mit  allen  Messgeräten, 
die  ihm  abwechselnd  seine  beiden  Begleiter  abnahmen.  Da  er 
ein  Pferd,  das  man  ihm  anbot,  zurückwies,  waren  die  Portu- 
giesen gezwungen,  ihn — entgegen  seinem  Willen — zu  Fuss  zu 
begleiten,  was  auf  die  beiden  Christen  tiefen  Eindruck  machte. 
Am  Ankerplatz  in  Figi  angekommen,  wurde  er  mit  allem 
möglichen  Freuden-Pompe  aufgenommen ;  sämtliches  Geschütz 
wurde  viermal  gelöst  und  verursachte,  da  der  Schall  sich  an  den 
Felsen  brach,  ein  solches  Donnern,  dass  der  Fürst  in  der  Stadt, 
auf  den  Gedanken  kommend,  die  Portugiesen  seien  im  Kampfe 
mit  Korsarenschiften,  in  Eile  P2rkundigungen  einholen  licss  und 
ihnen  seinen  Beistand  anbot.  Der  Kapitän  jedoch  erwiderte 
seinem  Boten,  das  Geschütz  werde  abgefeuert  wegen  der  An- 
kunft des  Franciscus  Xaverius,  da  dieser  ein  heiliger  ^lann  sei, 
vor  welchem  der  König  von  Portugal  grosse  Ehrfurcht  habe. 
Der  Samurai  zeigte  sich  höclilich  erstaunt  und  sagte,  dass  die 
15onzcn  seinem  Herrn  eine  ganz  andere  Meinung  von  diesem 
I\Iann  beigebracht  hätten,  der  nach  ihnen,  fern  ein  Heiliger 
zu  sein,  in  geheimem  Bunde  mit  ()iQ.w  Dämonen  stehe  und  durch 
manche  wunderbare  Dinge,  die  er  vermittelst  Zauberei  vollführe, 
die  Unwissenden  bethöre.  Sic  hätten  ihn  überdies  als  eine  so 
klägliche  Figur  hingestellt,  dass  sie  allen  Glauben  beim  P'ürsten 
verlieren  würden,  wenn  dieser  nun  vom  Gegenteil  unterrichtet 
werde. 

Als  der  Bote  dem  Fürsten  hinterbrachte,  was  er  gesehen 
und  gehört,  richtete  dieser  ein  Schreiben  an  den  Pater,  worin 
er  ihn    in  sein  Schloss   einlud.      Pinto  teilt  das    Schreiben,    das 


198  Franz  XcrAcr  gcJit  nach  Bungo. 

jcclenfalh  aus  seinem  Reisewerke  in  die  jesuitischen  Brief- 
sammlungcn  genommen  wurde,  in  denen  es  sich  fast  genau  so 
findet,  mit,  und  ich  kann  mir  nicht  versagen,  es  liielier  7x\ 
setzen.  Ms  lautet  also:  ,,  Vater  Bonze  von  Chemahicogim.  9) 
Deine  glückliche  Ankunft  in  diesem  Lande  sei  Deinem  Gotte 
ebenso  angenehm,  als  ihm  das  Lob  seiner  Heiligen  ist.  Quamsio 
Nafama,  den  ich  nach  dem  Schiffe  Deiner  Landsleute  schickte, 
hat  mich  nicht  sobald  versichert,  dass  die  von  Omanguchc  in 
Finge  angekommen,  so  habe  ich,  wie  alle  die  Meinen  Dir'sagen 
werden,  eine  unglaubliche  Befriedigung  empfunden.  1°)  Daher 
bitte  ich,  da  Gott  mich  nicht  würdig  sein  lässt,  über  Dich 
befehlen  zu  können.  Dich  inständigst,  willst  Du  meinem  sehn- 
hchen  Verlangen,  mit  dem  ich  Dich  umfasse,  willfahren,  so 
komn^.e,  ehe  der  Morgen  anbricht,  am  Thor  meines  Palastes 
anzuklopfen,  es  sei  denn  dass  Du  mir  sagen  lässt,  dass  ich  Dir 
lästig  bin,  damit  ich  auf  die  Erde  hingestreckt  und  auf  den 
Knieen  liegend  diese  Gunst  von  Deinem  Gott  erbitte,  den  ich 
den  Gott  aller  Götter  und  den  Besten  der  Besten,  die  im  Him- 
mel sind,  zu  sein  bekenne,  und  ferner,  dass  es  durch  das  Locken 
Deiner  Lehre  den  von  der  Zeit  Aufgeblasenen  offenkundig  werde, 
wie  angenehm  ihm  Dein  heiliges  mit  Armut  verbundenes  Leben 
ist,  um  zu  verhüten,  dass  die  Blindheit  unserer  Kinder  durch 
die  eitlen  Verheissungen  der  Welt  missbraucht  wird.  Ich  bitte 
Dich  auch,  mir  Nachricht  von  Deinem  Befinden  zu  geben,  damit 
ich  diese  Nacht  in  Frieden  schlafen  kann,  bis  mich  der  Hahnen- 
schrei erweckt  und  mir  verkündet,  dass  Du  auf  dem  Weg  mich 
zu  besuchen  bist."  Coleridge  meint,  es  sei  kein  Grund,  zu 
misstrauen,  dass  diese  Lesart  in  der  Hauptsache  authentisch  ist. 
Ich  bin  anderer  Ansicht.  Der  ganze  Stil  dieses  Schreibens  ist 
viel  mehr  der  Stil  Pintos,  in  dessen  Buch  sich  gar  viele  ähnliche, 
offenbar    von    ihm  frei    komptjnijrte  Briefe    finden,   als  der  eines 


9.     Korrumpiert  aus  Tenjikujin,  Männer  von  Tenjiku.     Siehe  Kap.  III,  Anm.  5S. 

IG.  In  den  Epistolae  Japonicae  liest  mau  .statt  dessen:  „Wie  sehr  über  Dein 
l-".inlaufen  in  dem  Hafen  von  Figen,  von  Amanguzi  her,  alle  die  Meinigen  erfreut 
sind,  erfuhr  icli  von  dem  Quansin."     So  auch  bei  Cr.\sset. 


Fmn:z  Xavicr  gc/il  nach  Jhiiigo.  199 

ja[)anischen  Kokushi.  Historische  Thatsache  mag  nur  soviel 
sein,  dass  der  Fürst  eine  Einladung  zur  Audienz  an  den  fremden 
Glaubensprediger  ergehen  Hess.  Pinto  erzählt,  dass  die  Einladung 
von  einem  jungen  Verwandten  des  Fürsten  überbrächt  wurde, 
der  mit  einem  Schiffe,  begleitet  von  dreissig  anderen  jungen 
Samurai  kam,  denen  als  Gouverneur  ein  bejahrter  Alann  namens 
Pomindono,  der  natürliche  Bruder  des  Königs  \'on  Minato,  diente. 
Nachdem  dieser  Greis  seine  Botschaft  ausgerichtet,  verabschiedete 
er  sich  von  dem  Pater  und  den  Portugiesen,  die  gerade  bei  ihm 
waren.  Als  er  wieder  in  das  Schiff  gestiegen  war,  gaben  die 
Portugiesen  fünfzehn  Salutschüsse  ab,  was  dem  jungen  Edelmann, 
der  den  Brief  überbrachte,  und  dem  Greis  eine  noch  höhere 
Meinung  von  dem  armen  Pater  gab,  dem  sich  seine  Landsleute 
zu  Dienst  zu  stellen  so  beflissen  zeigten.  Ihre  bewundernden 
Aeusserungen  wie  ihre  Zwiesprach  mit  dem  l'ürsten  nach  ihrer 
Rückkehr  dürfen  füglich  als  blosse  Ausmalereien  des  Roman- 
ciers Pinto  übergangen  werden.  Dagegen  ist  bei  der  den  Portu- 
giesen eigenen  Vorliebe  für  Gepränge  und  pompöse  Aufzüge 
und  bei  ihrer  Hochschätzung  des  Magisters  Franciscus  kein  Grund 
vorhanden,  anzuzweifeln,  dass  dieselben  seinen  Gang  zur  ersten 
Audienz  im  Schloss  des  PTu'sten  zum  Anlass  nahmen,  in  recht 
ausserordentlicher  Weise  zu  zeigen,  in  welchen  lehren  der  Pater 
bei  seinen  Landsleuten  stand.  Dieser  musste  sich's,  obwohl  unter 
Widerstreben,  gefallen  lassen,  dass  sie  ihm  das  Geleite  gaben. 
Unter  klingendem  Spiel  fuhren  sie  in  einer  Schaluppe  zum  Quai, 
wo  sie  vor  dem  Andrang  der  durch  das  ungewohnte  Schauspiel 
angelockten  Menge  kaum  landen  konnten.  Die  Sänfte,  die  hier 
der  Befehlshaber  von  Canafama,  Quamsi  Andono,  auf  höheren 
Befehl  für  Xavier  bereit  hielt,  wies  dieser  zurück,  tä"  ging  zu 
l'uss  nach  dem  Schloss,  begleitet  von  einer  Anzahl  Samurai 
und  dreissig  Portugiesen.  Voran  gingen  dreissig  in  den  Dien- 
sten der  Portugiesen  stehende  Knaben  in  ihren  P'eierkleidern 
und  mit  goldenen  Ketten  um  den  Hals.  p'ranciscus  hatte  eine 
schwarze  Kamelottsoutane  mit  weissem  Rochette  nebst  einer 
Stola  von    grünem  Sammet    mit  brokatgesticktem  Saum ;    hinter 


2CO  Franz  Xavicr  gclit  nach  Jlniigo. 

ihm  schritt  der  l^cfchlshabcr  des  ScliilTcs  mit  einem  Kommando- 
stabe in  der  Hand.  Es  folgten  fünf  der  angesehensten  und 
vermögendsten  Kaufherren,  die  gleichsam  als  seine  Diener  ver- 
schiedene Gegenstände  trugen,  der  eine  ein  Ikich  in  einer  Tasche 
von  weissem  Atlaszeug,  der  andere  ein  Paar  Pantoffeln  von 
schwarzem  Sammet,  die  sie  zufällig  besassjn,  der  dritte  ein 
bengalisches  Rohr  mit  goldenem  Knopf,  der  vierte  ein  Bild  der 
Madonna,  eingehüllt  in  veilchenblauen  Damast,  und  der  letzte 
einen  kleinen  Sonnenschirm.  ")  In  diesem  Aufzug  schritt&n  sie 
durch  die  neun  Hauptstrassen  der  Stadt,  wo  sich  die  Einwohner 
gesammelt  und  die  Häuser  bis  zu  den  Dächern  hinauf  besetzt 
hatten,  bis  sie  vor  der  Wohnung  des  P^ürsten  angelangten,  wo 
sie  dessen  Leibwache  empfing.  In  dem  langen  Gang,  in  den. 
sie  zunächst  eintraten,  überreichten  die  erwähnten  Kaufleute  dem 
Pater  knieend  die  von  ihnen  getragenen  Gegenstände.  Durch 
eine  Flucht  von  Zimmern  schreitend,  in  deren  erstem,  mit  Hofleu- 
ten gefüllten,  ein  6-'/  jähriges  Kind  den  P.  P^'anciscus  mit  Vv'ohl- 
gesetzten  Worten  willkommen  hiess,  gelangte  dieser  endlich,  von 
des  Königs  Bruder  liachirö  i-)  geführt,  in  das  Gemach,  in  dem  der 
Fürst  bereit  stand,  ihn  zu  empfangen,  und  der  päpstliche  Nuntius 
stand  einem  der  mächtigsten  Grossen  des  japanischen  Reichs 
jener  Zeit  gegenüber,  der  fortab  der  hervorragendste  Förderer 
und  aüetzt  sogar  ein  ^persönlicher  Anhänger  der  von  Xavier 
nach  Japan  getragenen  fremden  Lehre,  ,,  unser  Maecenas  Jakaton- 
d  no  P'rancesco",  wie  die  Jesuiten  ihn  nannten,  werden  sollte. 

11.  ^'oN  SncßOLD  berichtet,  dass  noch  zu  seiner  Zeit  unter  den  Gegenständen, 
welche  die  niederländischen  Gesandten  in  Japan  bei  ihren  Aufzügen  anstatt  der  bei 
den  japanischen  Daimyös  gebräuchlichen  Insignien  fürstlicher  Würde — Piken,  Bögen, 
Pfeile,  Schiessgewehre,  Ilarnischkoffer,  Feldhut  etc.- — trugen,  die  folgenden  waren :  ein 
grosser  Sonnenschirm  in  Sammclfuttcral,  ein  Stahldcgen,  ein  spanisches  Rohr  mit 
goldenem  Knopf,  zwei  kostbar  gesliclvtc  Pantoffeln,  ein  Schreibschrank,  eine  Thee- 
maschine  u.  a.  und  fügt  liinzu  ,,  ob  alicr  dieses  entsprechende  Abzeichen  für  den 
Gesandten  einer  europäischen  Nation  sind,  darüber  mag  der  Leser  selbst  urteilen." 
N'ippou,  2.  Auflage,  Band  I,  S.  54. 

12.  Pinto  nennt  ihn  Facarandoiw.  Dass  damit  Hachiro  gemeint  ist,  erkennt 
man  aus  Pintos  Beifügung,  da.ss  er  nachmals  König  von  Yamaguchi  gewesen  sei 
{■jue  d.pois  succedeo  cm  Key  de  0/iiaiigiic/u). 


Fr  an::  Xavicr  gcJU  nach  Biingo.  201 

Otoino  Yoshihigc  Bjingo  no  Kami,  von  den  Jesuiten  gewöhnlicli 
Civandono  ''S)  genannt,  war  der  Spross  eines  der  hervorragend- 
sten Daimyögeschlecliter  Japans,  das  seinen  Stammbaun  auf 
Minamoto  Yoritomo  zurückführte.  Der  Gründer  der  T^amiHe 
war  nach  der  Ueberlieferung  Ichihoshi,  ein  natürliclier  Sohn 
Yoritomos  von  der  Tochter  eines  Adehgen  Otomo  Tsuneiye, 
dessen  Namen  er  annahm,  seit  seiner  im  Jahre  1193  erfolgten 
Erhebung  durch  Yoritomo  zum  Statthalter  (Kokushi)  von  Bunge 
und  Euzen  mit  dem  Titel  Sakon  Shögen  bekannt  unter  dem 
Namen  Otomo  Yoshinawo.  In  der  Zeit  der  Bürgerkriege  zwi- 
schen den  zwei  um  die  Mikadowürde  kämpfenden  Thronpräten- 
denten schlug  der  regierende  Fürst  Sadamune  sich  auf  die  Seite 
Ashikaga  Takaujis.  Der  Sieg  seiner  Partei  legte  (\c\\  Grund 
zur  nachmaligen  Grösse  des  Hauses  (^tomo.  Sadamunes  Enkel 
Chikayo,  der  es  verstand,  seine  Besitzungen  bedeutend  zu 
erweitern,  wurde  \'on  Yoshimitsu  zum  Tandai  (Gouverneur)  von 
Chikuzen  und  Chikugo  ernannt.  Von  da  ab  blieb,  obwohl  eine 
Periode  des  Niedergangs  folgte,  die  Würde  bei  der  Familie 
Ütomo  bis  in  die  Zeit  des  tüchtigen  Yoshinori,  während  dessen 
Regierung  die  Portugiesen  zuerst  in  Häfen  von  Bungo  einliefen, 
und  seines  thatk'räftigen  Sohnes  und  Nachfolgers  Yoshishige, 
der,  Herr  über  nicht  weniger  als  sechs  Pro\'inzen — Bungo,  Buzen, 
Chikuzen,  Chikugo,  Higo  und  Hizen — damals  wohl  weitaus  der 
mächtigste  von  den  drei  Daimyös  war,  unter  die  die  Herrschaft 
über  Kyüshü  sich  verteilte.  H)  Das  entging  auch  Navier  nicht, 
der  von  ihm  schreibt  :  ,,  Der  König  von  Bungo  besitzt  eine 
zahlreiche  Armee  sehr  tapferer  Krieger,  wie  es  bei  den  japa- 
nischen Königen  vorkommt,  hat  ein  weitausgedehntes  Reich 
und — eine  grosse  Liebe  zu  den  Portugiesen",  d.h.  er  war  trotz 

13.  Marnas  (a.  a.  Tome  I,  p.  13)  erklärt  dieses  Wort  als  eine  Entstellung 
des  gebräuchlichen  Familiennamens  Shiha  order  Shhca. 

14.  Die  japanischen  Autoritäten,  denen  diese  Notizen  ülicr  die  Geschichte  des 
Hauses  Utomo  entnommen  sind,  sind  :  Söho  Ötoino-Köhaiki  (48  Bijcher) ;  Otomo-ki 
(i  Band)  und  Kagoshinia  Gwaishi.  Siehe  auch  GunBlXS,  IJideyoshi  and  the  Satsitiiia 
Clan  in  the  Sixteenth  Cenhuy.     T.A.S.J.  Vol.  YIII,  Part  I,  p.  98  f. 


202  Prairj  Xavicr  ii'cht  nach  Biiib:;o. 

seiner  Jugend  und  obwolil  erst  su-'t  1550,  in  \velclieni  Jahre  sein 
Vater  Yoshinori,  der  ihn  zu  Gunsten  eines  jüngeren  Bruders 
hatte  enterben  wollen,  diaxh  die  ]Mörderhand  zweier  damit 
unzufriedener  Vasallen  gefallen  war,  an  der  Regierung",  klug 
genug,  einzusehen,  dass  ihm  der  Handel  rnit  den  Portugiesen 
Vorteile  brachte,  die  er  sich  auch  durch  besondere  Freundlich- 
keit gegen  den  bei  diesen  in  grosser  Verehrung  stehenden  Pater 
mit  zu  sichern  meinte. 

So  weit  ging  nun  wohl  freilich  diese  Freundschaft  nicht 
sofort,  wie  Pintos  Erzählung  den  Leser  glauben  machen  will, 
nach  welcher  Yoshishige  gleich  nach  dem  ersten  Austausch  der 
]k'grüssungen  in  die  Worte  ausbrach  :  ,,  Wie  glücklich  würden 
wir  sein,  wenn  wir  wissen  könnten,  woher  es  konmit,  dass  dieser 
]\Tann  so  klar  sieht,  während  wir  so  sehr  mit  Blindheit  geschla- 
gen sind,  imd  immer  so  einfach  und  der  Natur  gemäss  spricht, 
Avährend  unsere  Bonzen  nur  Verwirrtes  reden,  welches  in  Men- 
schen von  gesundem  Verstände  Zweifel  eiregt  und  an  der  Richtig- 
keit ihrer  Aussprüche  zweifeln  lässt!"  Ein  Kompliment,  so 
plump  wie  dieses,  wäre  für  Xavier  wenig  schmeichelhaft  gewesen, 
und  eine  so  ausgesprochene  Parteinahme  des  Fürsten  für  den 
fremden  Religiösen  gegen  die  einheimischen  Priester  ist  im 
höchsten  Grade  unwahrscheinlich,  da  sie  bei  dem  Ansehen,  das 
die  Bonzen  genossen,  und  bei  der  Macht,  die  sie  hatten,  auch 
im  höchsten  Grade  unpolitisch  gewesen  wäre.  Sie  hätte  die 
ganze  Bonzenschaft  gegen  den  Fürsten  wie  auch  von  vornherein 
gegen  den  also  von  ihm  Begünstigten  erregt,  was  Yoshishige 
doch  im  eigenen  Interesse  eher  zu  verhüten  bestrebt  sein  musste. 
Pinto  schreibt,  es  sei  zufällig  ein  Bonze  O  P^axiandono  zugegen 
gewesen,  der  dem  König  entgegnete,  dass  er  von  solchen  Dingen 
nichts  verstehe,  weil  er  kein  Studium  daraus  gemacht,  und 
seine  Standesgenossen  in  Schutz  nehmend  erwiderte,  sie  seien 
heilige  Leute,  die  selbst  ihre  Nächte  in  Gebet  zubrächten, 
beständige  Keuschheit  beobachteten,  sich  der  P^rziehung  der 
Jugend  widmeten,  Streitigkeiten  schlichtend  Rir  Erhaltung  des 
inneren    Friedens    sorgten,  sich    der  Armen    annähmen,    Kranke 


Franz  Xavicr  geht  nach  Binigo.  203 

heilten,  den  Toten  Pässe  für  das  Himmelreich  ausstellten  u. 
dergl.  m.,  ja  sich  zu  solchen  schmähenden  Ausfallen  gegen  den 
Fürsten,  dessen  Erregung  Xavier  zu  besänftigen  suchte,  hinreis- 
sen  Hess,  dass  er  aus  seiner  Gegenwart  verwiesen  wurde.  Dies 
alles  bis  auf  die  Verwünschung  hiacataa  passiravi  figiancor  pas- 
siiiait  ,,  möge  das  Feuer  des  Himmels  einen  König  verzehren, 
welcher  so  spricht  ",  mit  welcher  er  den  luirsten  in  Wut  ver- 
lassen haben  soll,  verrät  sich  auf  den  ersten  Blick  als  zur 
Unterhaltung  der  Leser,  noch  dazu  wenig  geschickt  erfundene 
Dichtung.  Dagegen  darf  man  Pinto  Avohl  unbedenklich  glauben, 
dass  Xavier  während  der  Zeit  seines  Aufenthaltes  in  P\inai  nach 
dieser  ersten  Audienz  noch  oft  Gelegenheit  gesucht  und  gefunden 
hat,  mit  dem  PWrsten  zusammen  zu  sein  und  auf  ihn  einzuwirken, 
wie  auch  dass  dieser,  wenn  auch  vielleicht  nuhr  nur,  um  sich 
dem  frommen  Priester  gefällig  zu  zeigen,  als  in  wirklicher  Sit- 
tenwandlung, ihm  versprach,  einige  Leidenschaften  (er  fröhnte 
nach  Pinto  u.  a.  der  Päderastie),  an  denen  dieser  besonderen 
Anstoss  nahm,  zu  entsagen,  auch  gegen  die  Armen  wohlthätiger 
wurde  und  ein  Verbot  gegen  den  sehr  verbreiteten  Kindermord 
und  das  Töten  der  Leibesfrucht  erliess.  Es  fehlte  nicht  viel, 
meint  Pinto  an  einer  Stelle  seiner  Beschreibung,  ^5)  so  hätte  er 
diesen  Fürsten  bewogen,  sich  zum  christlichen  Glauben  zu  be- 
kehren; und  dies  wäre  auch  geschehen,  wnww  der  selige  Vater 
länger  mit  ihm  in  Verkehr  gestanden  hätte,  so  gewichtige 
Gründe  dieser  auch  haben  mochte,  einen  solchen  Schritt  zu 
vermeiden.  ,,  Ii:dessen  ist  diese  Bekehrung  bis  auf  den  heutigen 
Tag  noch  nicht  erfolgt,  und  Gott  allein  weiss  warum,  da  Men- 
schen dem  Geheimnis  sich  nicht  nähern  können."  Yoshishige 
Hess  sich  erst  28  Jahre  später,  gegen  PZnde  seines  Lebens,  im 
Jahre  1579  taufen.  Aber  er  erwies  den  Jesuiten  auch  vor 
seinem    öffentlichen    Uebertritte    von    Anfang    an    die    grössten 

15.  Cap.  CCXI.  Diese  Stelle  ist  vielleicht  aucli  deshalb  wichtig,  weil  sie, 
soweit  ich  sehe,  die  einzige  im  ganzen  Buche  ist,  welche  erkennen  lä.sst,  dass  Pinto 
wenigstens  diesen  Teil  dessell^en,  wahrscheinlich  dann  aber  das  ganze,  erst  in  den 
letzten  Jahren  vor  seinem  Tode  und  bestimmt  nicht  vor  1579  niedergeschrieben  hat. 


2ü4  Franz  Kavier  gehl  nach  JJnngo. 

Dienste.  Schon  die  wohlwollende  Haltung,  die  er  zeigte,  war 
der  Ausbreitung  der  christlichen  Lehre  in  seinem  Gebiete  und 
ausserhalb  desselben  in  der  Inilge  wohl  mehr  als  irgend  etwas 
sonst  fördersam.  \ix  legte  natürlich  auch  dem  lüfer  Xaviers 
nichts  in  den  Weg,  der  allsofort  in  Funai  seine  apostolische 
Thätigkeit  wieder  entfaltete  und  an  nichts  anderes  als  an  Seelen- 
bekehrung dachte.  Den  Entschluss,  mit  dem  Schiff  Duarte 
Gamas  nach  Indien  zurückzukehren,  scheint  er  sehr  schnell 
gefasst  zu  haben.  Der  Gedanke  an  die  kurze  Zeit,  die  'ihm 
zum  Wirken  auf  japanischem  l^oden  noch  vergönnt  war,  Hess 
ihn  darum  alle  Kraft  anspannen,  um  noch  so  viel  wie  möglich 
auszurichten.  Diese  Arbeit  nahm  ihn  so  ganz  in  Anspruch, 
dass  ihn  seine  Landsleute  nur  spät  nachts  und  früh  am  Morgen 
sehen  konnten,  wenn  er  sie  Beichte  hörte  oder  erbauliche  Zu- 
sammenkünfte mit  ihnen  hielt.  Etliche  klagten,  dass  er  so  gar 
wenig  für  sie  zu  haben  wäre.  Er  bat  sie,  ihn  nicht  zu  ihren 
Mahlzeiten  zu  erwarten;  ihm  sei  die  liebste  Speise  die,  zu  sehen, 
Avic;  eine  Seele  sich  ihrem  Erlöser  ergebe.  Unter  den  Früchten 
seines  heiligen  Eifers  wird  ein  Bonze  Saquay  Gyran  von  Cana- 
fama  besonders  erwähnt,  der,  erst  A\-iderstrebend,  eines  Tages 
plötzlich  in  Gegenwart  vieler  auf  den  Knieen  seinen  Glauben 
an  Jesus  Christus  bekannte.  Den  Portugiesen  sagte  Xavier,  dass 
fünfhundert  Personen,  wenn  er  wollte,  bereit  wären,  sich  taufen 
zu  lassen.  Li  Erwägung  dessen,  dass  er  die  Stadt  bald  verlassen 
würde  und  die  Neugetauften  den  Anfeindungen  ihres  Glaubens 
durch  die  Bonzen,  nicht  genügend  gefestigt,  kaum  Stand  halten 
würden,  scheint  er  indessen  in  P\inai  weise  Zurückhaltung  be- 
obachtet zu  haben.  Alcaceva,  der  ein  Jahr  darauf  mit  zwei  an- 
deren nach  Japan  entsandten  Jesuiten  eine  Audienz  bei  Yoshi- 
shige  hatte,  teilt  in  einem  nach  seiner  Rückkehr  im  Jahre  1554 
geschriebenen  Briefe  mit,  derselbe  habe  ihnen  gesagt,  es  thue 
ihm  leid,  dass  es  nicht  wie  in  Yamaguchi,  so  auch  in  den 
Städten  seines  Gebietes  neubekehrte  Christen  gebe.  Das  ist  ein 
Zeugnis  dafür,  dass  Xavier  hier  in  Funai  keine  Gemeinde  zurück- 
liess,  wie  seine  Biographen  fälschlich  angeben. 


VIERZEHNTES  KAPITEL. 


Schicksale  der  Gemeinde  in  Yamaguchi  nacli 
Xaviers  Weggang. 


Von  Yamaguchi  aus  sandte  am  20.  Oktober  1551  Johann 
Fernandcz  einen  (von  jMaffei  n'iitgeteilten)  Brief  an  Xavier  nach 
Bungo.  Darin  erzählt  er:  ,,  Nach  Deiner  Abreise  aus  dieser 
Stadt  kamen  die  hochmütigen  Japaner  ■  zu  uns  in  das  Haus, 
um  uns  mit  verschiedenen  Fragen  zu  quälen;  denn  sie  meinten, 
CS  v^'ürde  in  Deiner  Abwesenheit  niemand  ihre  Argumente  wider- 
legen. Aber  Cosmo  Torres  drückte  mit  der  Gnade  Gottes  ihren 
Geist  zusammen;  denn  er  antwortete  ihnen  auf  jede  ihrer  Fragen, 
wobei  ich  der  Dolmetscher  war,  so,  dass  er  ihnen  genug  that. 
Da  ich  sie  auf  seinen  Befehl  in  japanischer  Sprache  aufschrieb, 
wollte  ich  nicht  ermangeln.  Dir  einige  davon   zu  übersenden. 

,,  Es  ward  die  Frage  aufgeworfen,  aus  was  für  einem  Stoffe 
Gott  die  Seele  erschaffen  habe;  denn  dass  der  Leib  aus  vier 
Elementen  bestelle,  Avar  ihnen  nicht  unbewusst.  Wir  antworte- 
ten hierauf,  dass  Gott,  gleichwie  er,  um  die  Elemente,  die  Sonne 
und  den  Mond  und  den  übrigen  Zierrat  der  Welt  zu  machen, 
keine  vorherbestehende  Materie  brauchte,  sondern  sie  durch 
seinen  Wink  und  durch  sein  blosses  Wort  ins  Dasein  rief,  so 
auch  die  Seelen  durch  seinen  blossen  Willen,  ohne  eine  Materie 
zu  gebrauchen,  erschaffen  habe.  Darauf  fragten  sie,  was  die 
Seele  für  eine  Farbe,  was  für  eine  Gestalt  sie  hätte.  Wir  ant- 
worteten :  keine,  denn  das  seien  Eigenschaften  der  Körper  und 
Elemente.  Da  sie  hieraus  folgerten,  weil  die  Seele  keinen  Leib 
hätte,  so    sei  sie    nichts,    fragte    sie  Cosmo,    um    sie    durch   ihre 


2oG  Sc/iic/csnlc  ih-r  Gemeinde  in  Yaniagnchi  n.  Xavieis  Weggang. 

cii;encn  Worte  zu  ül)ciTiihrcn,  ob  eine  Luft  in  der  Welt  wäre  ; 
und  da  sie  das  bejahten,  fragte  er  sie  weiter,  ob  die  Luft  eine 
l"\ube  hätte.  Sie  antworteten :  nein.  Darauf  sagte  er  :  Wenn 
die  Luft,  die  doch  etwas  KörpcrHches  ist,  keine  Farbe  liat,  um 
wie  \iel  weniger  die  Seele,  da  sie  keinen  Leib  hat?  Nachdem 
sie  dieses  gehört  hatten,  gaben  sie  nach.  Andere  fragten,  was 
die  Teufel  wären.  Da  Avir  ihnen  sagten,  sie  seien  eine  grosse 
Anzahl  Engel  unter  der  Anführung  Lucifers,  die  ihres  Stolzes 
A\-egen,  A\-eil  sie  sich  Gott  gleich  halten  wollten,  der  himmlischen 
]'^-eude  und  der  Anschauung  Gottes  beraubt  wurden,  versetzten 
sie  :  Warum  versucht  der  Teufel  die  Menschen  und  ist  ihnen  so 
sehr  feind  ?  Weil  er  weiss,  sagte  Cosmo,  dass  sie  zu  jener 
Seligkeit  erschaffen  sind,  die  er  verloren  hat,  so  beneidet  er  sie 
und  ist  bemüht,  sie  zu  hintergehen.  Einige  fragten  hernach, 
warum  Gott,  wenn  alles  gut  \\-ar,  was  er  gemacht  hatte,  den 
Lucifer  einen  bösen  und  widerspenstigen  Geist  erschaffen  hätte. 
Hierauf  antwortete  er :  Gott  habe  den  Lucifer  und  seinen  An- 
hang mit  einem  klaren  Verstände,  das  Gute  und  Böse  zu  unter- 
scheiden, und  mit  einem  freien  Willen,  eines  von  beiden  zu  wählen, 
erschaffen,  wofür  ihnen,  wenn  sie  das  Gute  gewählt  hätten,  die 
Seligi<eit,  wenn  aber  das  Böse,  die  Peinen  der  Hölle  zu  teil 
würden ;  weil  nun  der  Lucifer  und  die  übrigen  Teufel  diese 
.Ahicht  missbrauchten  und  an  Gottes  statt  angebetet  werden 
wollten,  so  wurden  sie  deswegen  gestraft  und  durch  eigene 
Schuld  böse  und  hoffärtig.  Anders  erging  es  den  guten  Engeln, 
die,  weil  sie  sich  Gott  unterworfen,  sich  die  ewige  Seligkeit 
verdient  haben.  \\'ieder  andere  fragten,  was  Gott,  und  wo  er 
wäre,  und  ob  er  gesehen  werden  könnte  ;  andere,  warum  Gott, 
da  er  so  gütig  ist,  den  Eingang  in  die  Seligkeit  so  schwer 
gemacht  habe.  Mit  einem  Wort :  es  war  vom  frühen  Morgen  bis 
7.\\\w  späten  Abend  die  Zahl  derer,  die  diese  und  andere  der- 
gleichen Fragen  aufvvarfen,  so  gross,  dass  das  Haus  von  ihnen 
voll  war.  Aber  Cosmo,  wie  ich  sagte,  that  allen  genug.  Die 
Bonzen  hören  nicht  auf,  weil  wir  ihre  Lasterthaten  mit  Worten 
strafen,  über    uns  zu  schmähen,     l'.inige    von    ihnen    erdichteten, 


Sr/u'rksnlc  der  Gemeinde  in  Vaniaguelii  n.  Xaviers  Weggang.  207 

der  Teufel  habe  aus  dem  Götzenbild  geredet :  wir  seien  seine 
Schi^iler ;  er  habe  unsertwegen  von  dem  Himmel  vor  vieler  Augen 
die  Residenz  mit  dem  Donner  getroffen.  Peinige  warfen  uns 
auch  vor,  wir  ässen  Menschenfleisch." 

In  die  Zeit  des  Aufenthalts  Xaviers  in  Funai  fällt  auch  eine 
in  diesem  nämlichen  Briefe  berichtete  Revolution  in  Yamaguchi, 
Avelche  seine  dort  zurückgebliebenen  Genossen  und  die  christ- 
liche Gemeinde  nicht  wenig  in  Mitleidenschaft  zog,  schliesslich 
aber  zu  ihrem  Guten  ausschlug.  Satow  hat  uns  in  seiner  bereits 
erwähnten  jMonographie  nach  japanischen  Quellen  über  die 
Veranlassung  und  den  \'erlauf  dieser  Revolution  unterrichtet.  Ich 
kann  nichts  besseres  thun,  als  ihm  hier  einfach  nacherzählen, 
mich  darauf  beschränkend,  selbst  nur  einiges  wenige  aus  anderen 
japanischen  für  die  Geschichte  von  Yamaguchi  in  Betracht  kom- 
menden Werk-en  ')   einzufügen. 

Unter  Yoshitakas  Günstlingen  war  Sagara  Taketö,  ein 
verschlagener  und  kluger  Mensch,  der  im  Vertrauen  auf  seinen 
Einfluss  beim  Fürsten  vieles  wagte  und  seinen  \'orteil  suchend 
beständig  Intriguen  spann.  Er  kam  auf  den  Gedanken,  seine 
Tochter  mit  dem  Sohne  Takafusas  oder,  wie  er  sich  nachmals 
nannte,  Suye  Harukata  Owari  no  Kami,  des  mächtigsten  Va- 
sallen in  Yoshitakas  Landen,  zu  verheiraten,  wurde  aber  von 
letzterem  trotz  des  Fürsten  Verwendung  verächtlich  abgewiesen. 
Sich  dafür  zu  rächen,  beredete  er  den  Fürsten,  einen  ausgedehn- 
ten Grund,  der  dem  Takafusa  gehörte,  zu  konfiszieren,  da  der- 
selbe eigentlich  buddhistisches  Klostergut  sei.  Takafusa,  der 
schon  den  Eheantrag  als  eine  Beleidigung  angesehen  hatte, 
hiedurch  noch  mehr  gegen  Taketö  aufgebracht,  verband  sich 
mit  zwei  anderen  vSamurai,  die  gleichen  Grund  hatten,  diesem 
feind  zu  sein,  zu  dem  Zwecke,  f\c\\  Günstling  zu  beseitigen. 
Taketö  machte  den  Versuch,  es  so  hinzustellen,  als  konspirierten 
die  drei  Samurai  gegen  Yoshitaka   selbst,    fand  aber  mit   seinen 


I.     Öuchi-Yoshitaka-Jd  [\  Band);  ferner  die  Werke  Chir:;okii-chiran-lci  (\   Band), 
OitcIii-jilsiirQkii  (5  Bände),    YainagticIii-ken-Sliiiyaku  (4  Bände). 


.?o8  Schicksale  der  Gemeinde  in  Yainagiichi  n.  Xaviers  \Veg-gaiig. 

Anschuldic;"ungcn  keinen  Glauben  und  war  genötigt,  sein  Heil 
in  der  Mucht  zu  suchen.  ])ie  Verbündeten  hatten  das  Feld 
behalten.  Dies  geschah  zwischen  lO.  Oktober  und  8.  November 
1550,  also  etwa  ein  halbes  Jahr  vor  Xaviers  Ankunft  in  der 
Stadt,  so  dass  es  Satow  ohne  Grund  befremdlich  findet,  dass  er 
\'on  diesem  Ereignis,  das  von  allen  Geschichtschreibern  dieser 
Periode  berichtet  ist,  in  seinen  l^riefen  nichts  verlauten  lässt.  -) 
In  Takafusa  und  seinen  AUiierlen  stieg  die  ]5efurchtung  auf, 
der  Fürst  könne  trotz  aller  seiner  gegenteiligen  Versicherungen 
daran  denken,  sie  für  ihr  Auftreten  zur  Strafe  zu  ziehen.  Für 
diesen  Fall  wollten  sie  sich  vorsehen.  Gegen  Ende  des  Jahres 
\-erliessen  sie  die  Stadt,  l'^ir  einige  Zeit  blieb  alles  ruhig.  Am 
27.  September  155 1  aber  wurde  Yoshitaka  mitten  während 
eines  Mahls  zu  Ehren  von  Gesandten  des  Shöguns  und  des 
Oberhaupts  des  Hauses  (;tomo  von  Bungo  durch  die  Nachricht 
alarmiert,  dass  Takafusa  an  der  Spitze  eines  Heeres  gegen 
die  Stadt  anrücke.  Yoshitaka  rief  zwei  Verwandte,  die  beiden 
im  Jahre  vorher  mit  Takafusa  gegen  Taketö  verbündeten 
Samurai,  zu  Hilfe.  Sie  erschienen  nicht.  Itr  schwankte,  was 
er  thun  sollte.  Endlich  folgte  er  dem  schlechten  Rate  eines 
verräterischen  Günstlings,  sein  Schloss  im  Stiche  zu  lassen, 
und  begab  sich,  begleitet  von  etwa  3000  Mann,  in  das  nahe 
Kloster  Hösen-ji.  Die  meisten  seiner  Leute  verliessen  ihn 
während  der  Nacht;  mit  <\q\\  kaum  looo,  die  ihm  blieben,  sah 
er  sich  am  andern  Morgen  von  seinen  Angreifern  umzingelt. 
Auf  Unterhandlungen  Hessen  sich  seine  ihm  fünffach  überlegenen 
Gegner  nicht  ein.  Es  blieb  ihm  nichts  übrig  als  die  Flucht. 
Die  Dunkelheit  benützend  verliess  er  das  Kloster  in  der  Absicht, 
nach  Chikuzen  sich  zu  retten.  Aber  wie  er  an  die  Küste  kam, 
wehte  ein  widriger  Wind.  Er  sah  sich  genötigt,  wieder  um- 
zukehren und  Ikrgung  im  Kloster  Fukakawa  Tainäji  zu  suchen. 
Auch  hier    umzingelt,  gab  er  sich,  43  Jahre  alt,    aller  Hoffnung 

2.     S.'VTOW  schreibt,  Xavier    müsse  zu    der   Zeit    in    Yainaguchi    gewesen    sein. 
Vgl.  dagegen  meinen  Nacliweis,  Kap.  X,  Exl^urs  und  Kaj).  XII,  .S.  1S2. 


Scliicks.'i/c  der  Gemeinde  in  YaviagucJn  n.  Xaviers  Weggang.  209 

beraubt,  <\t\\  Tod,  nachdem  er  seine  zwei  Söhne  der  Sorge  des 
Priors  anvertraut  hatte.  Dies  geschah  am  30.  Sei)tember  1551. 
Viele  seiner  Vasallen  folgten  ihrem  Tlerrn  in  freiwilligen  Tod 
oder  fielen  vor  dem  Feinde.  Der  Ahnich  entkam  mit  den  zwei 
Knaben  aus  dem  Tempel,  aber  sie  wurden  eingeholt  und  finden 
gleichfalls  ihren  Untergang.  Nach  anderen  l^erichten  starben 
Öuchi  und  sein  Sohn  gemeinsam,  und  dies  stimmt  zu  der  Dar- 
stellung der  Jesuiten. 

Xavier  schreibt  in  seinem  Cochin,  29.  Januar  1552  datierten 
Briefe  von  dieser  Revolution:  ,,  Während  meines  Aufenthaltes 
zu  Bungo  stiftete  der  Teufel  zu  Amanguchi  einen  grossen  Krieg 
an.  Ein  einfiussreicher  Fürst  überzog  seinen  König  mit  Krieg, 
vertrieb  ihn  aus  der  Hauptstadt  und  beraubte  ihn  des  Reiches. 
Da  der  König  nicht  wusste,  wohin  er  auf  seiner  Flucht  sich 
wenden  sollte,  stiess  er  sich  einen  Dolch  in  den  Leib  und  tötete 
sich,  um  nicht  lebend  in  die  Hände  seines  erbittertsten  Feindes 
zu  fallen,  der  noch  soeben  in  seiner  Gewalt  gewesen  war; 
zugleich  Hess  er  seinen  Sohn,  den  er  bei  sich  hatte,  töten  und 
befahl,  dass  beide  Leichname  verbrannt  würden,  damit  die  Feinde 
nichts  fänden,  woran  sie  ihre  \\\it  auslassen  könnten.  Alles 
geschah,  wie  er  befohlen.  Li  welch  grosser  Lebensgefahr  die 
Unsrigen  zu  Amanguchi  während  dieses  Krieges  schwebten, 
werden  Sie  leicht  aus  dem  von  denselben  an  mich  gerichteten 
Briefe  ersehen,  den  ich  Ihnen  übersende." 

Das  ist  der  bereits  erwähnte  Brief  Johann  Fernandez'  vom 
20.  Oktober.  Hier  wird  das  folgende  berichtet :  ,,  Es  entstand 
in  der  Stadt  ein  Aufruhr,  der  erst  durch  den  Tod  des  Königs 
gedämpft  wurde,  und  der  so  gross  und  verderblich  war,  dass 
man  acht  Tage  lang  nichts  als  Feuersbrünste  und  ]Mutbäche 
sah.  Alle  Gesetze  waren  aufgehoben,  und  die  Ruchlosigkeit 
schwärmte  überall  sieghaft  und  ungestraft  herum.  Ueberall  gab 
es  Totschlag  und  Räubereien.  Und  durch  diese  ganze  Zeit 
wurden  wir  beständig  teils  von  denen,  die  uns  hassten,  teils  von 
jenen,  die  nach  unsern  wenigen  Habseligkeiten  lüstete,  zum  Tode 
aufgesucht    und  waren    daher    oft    in    Lebenscrefahr.     Aber    aus 


2IO  Sc-///rhn7r  r/rr  CcDiciwIc  in  Yauiayiirlii  u.  Xavicrs  JVtxnifi/^'-. 

alle  (lein  enlriss  uns  die  ;4Ütii;stc  ATuttcr  des  Herrn,  die  ihre 
Pllec^ek Inder  mit  so  besonderer  Sorgfalt  sehützt.  Denn  da  die 
Sachen  so  bestellt  waren,  schickte  Cosmo  den  Antonius  3)  zur 
(Icniahlin  des  Nactondono,  4)  um  sich  bei  ihr  Rats  zu  erliolen. 
Sie  Hess  uns  sagen,  wir  sollten  allsogleich  zu  ihr  kommen.  J)a 
wir  dahin  gingen,  stiessen  mehrere  von  uns  auf  bewaffnete 
]  laufen.  Da  diese  der  Reihe  nach  an  uns  \-orübergingen,  sagten 
sii>  :  Warum  räumen  wir  diese  Kerle  \'on  Cengecu  5)  (denn  so 
n(Miiien  sie  die  Iun'oj);ier)  nicht  aus  dem  Wege?  Denn  sie,  die 
da  sagen,  die  hölzernen  oder  steinernen  Götzen  könnten  weder 
anderen  noch  sich  .selber  helfen,  tragen  doch  die  Schuld  daran, 
dass  die  erzürnten  Götter  diesen  Aufruhr  erregt  und  dem  Volke 
eine  so  grosse  Niederlage  beigebracht  haben.  Das  sagten  sie 
aber  deswegen,  weil  in  der  tollen  Verwirrung  das  Feuer  auch 
mehrere  Tempel  mit  den  Götzenbildern  eingeäschert  hatte,  und 
weil  die  J'^hrfurcht  vor  den  Götzenbildern  und  ihren  Dienern 
bereits  dadurch  sehr  vermindert  wurde,  indem  sich  zeigte,  dass 
dem  König,  der  doch,  wie  ]-)u  weisst,  diesem  Wesen  sehr  er- 
geben war,  sein  Aberglaube  nichts  genützt  hat.  Allein  wir 
entrannen  der  Gefahr  und  kamen  in  das  Haus  Naetondonos, 
de.s.sen  Frau  uns  einen  Knaben  mitgab,  welcher  uns  zu  einem 
von  ihr  erhaltenen  Bonzenkloster  führte,  wo  man  uns  x-erwahren 
sollte.  Aber  die  Bonzen,  da  sie  sehr  ungehalten  auf  uns  sind, 
zeigten  sich  ganz  grimmig,  nannten  uns  Teufel  und  sagten,  sie 
hfitten  keinen  Raum  für  so  verworfene  Leute  wie  wir ;  warum 
nähme  uns  der  Gott,  der  im  Himmel  wohnt,  und  dessen  Gesetze 
wir  verkündigen,  nicht  von  diesen  Gefahren  weg  in  den  Himmel 
liinauf?  Schliesslich  aber  wiesen  sie  uns  doch,  sei  es  aus  Furcht 
\"or  der  v^ornehmen  Frau  oder  auf  das  Zureden  des  Dieners, 
einen  Winkel  des  Tempels  an.  Dort  blieben  wir  zwei  ganze 
Tage,  bis  uns  die  l'^rau  wieder  in  ihr  Haus  kcMiimen  Hess  und 
uns    in    dem    hinteren    Teil    desselben    einen    kleinen    Gang    zur 


3.  Antonius  war  offenbar  ein  japanischer  Christ. 

4.  Zu  A'iiüö  siehe  Kap.  XII,  Anm.  8. 

5.  Tenjikit.     .Siehe  Kap.  II F,  Anni.  5S. 


Si-fiirksalc  tfcr  Gcviciiuh'  in  Yainaf^iicJii  n.  Xcrricrs  WLc;c;ciiii:;.  21  r 

Wohnung  gab.  Wie  \iclc  Gefahren,  wie  \"iele  MühseHgkeiten 
wir  da  ausgestanden  haben,  i^ibergehe  ich,  um  nicht  zu  weit- 
läufig zu  werden,  mit  Stillschweigen.  Wir  empfehlen  uns  sehr 
Deinem  und  der  liebsten  \'äter  und  Brüder  heiligen  Messopfern 
und  Gebeten,  die,  v/ie  ich  hoffe,  bald  kommen  werden,  um 
dieses  Volk  in  den  Lehren  des  Heils  zu  unterrichten  und  zur 
wahren  Kenntnis  ihres  (jottes  und  Schöpfers  zu  erziehen." 

Auch  Torres  erwähnt  diesen  Aufstand  in  einem  Schreiben 
an  die  Gesellschaft  Jesu  in  Portugal  vom  8.  September  1557. 
Er  meint,  der  Teufel  habe  diesen  Krieg  erweckt,  da  er,  als  er 
sah,  wie  sehr  die  Veiki^indigung  des  Evangeliums  fortschritt,  sie 
auf  alle  W^eise  zu  verhindern  suchte,  fiigt  aber  hinzu,  dass  er 
und  sein  Genosse,  die,  etwa  am  10.  September  angekommen, 
beim  Ausbruch  des  Aufstandes  erst  zwanzig  Tage  in  der  Stadt 
gewesen  waren,  sich  durch  die  Unruhe  nicht  von  ihren  Ver- 
richtungen abhalten  liessen.     Sie  war  auch  nur  von  kurzer  Dauer. 

Obwohl  mächtig  genug,  sich  zum  Herrn  von  Yamaguchi 
zu  machen,  fand  Harukata,  wie  Takafusa  sich  nach  dem  Auf- 
stand nannte,  dazu  nicht  den  Mut.  Er  schob  alle  Schuld  an 
dem  Untergang  des  Fürsten  auf  einen  seiner  Mitverschworenen, 
schaffte  denselben  aus  dem  Leben  und  wurde  dann,  seinen 
Namen  abermals  in  Zenkiyö  verändernd,  um  alle  feindseligen 
Anschläge  gegen  sich  hintanzuhalten,  Mönch,  zum  Schein  allen 
weltlichen  Herrschgelüsten  entsagend.  Doch  war  dies  nur  eine 
Klugheitsmassregel  des  berechnenden  Strategen.  In  W^irklich- 
keit  behielt  er  seine  ganze  Macht  als  Hauptratgeber  der  (Juchi- 
Familie  in  Händen  und  sandte  in  dieser  Eigenschaft  Suye  Awa 
no  Kami  als  Gesandten  nach  Bungo,  um  (jtomo  Yoshishige  zu 
bitten,  dass  er  seinem  Bruder  Hachirö  (Ctomo  Haruhide)  er- 
laubte, das  Regiment  zu  Yamaguchi  zu  übernehmen.  Nach 
einem  zeitgenössischen  Chronisten  des  Hauses  Otomo  ^),  dem 
S.\TOW  folgt,  hätte  Yoshishige  gewünscht,  seinen  Bruder  nicht 
nach  Suwö  zu  senden,  da  er  wusste,  dass  Möri  Motonari,  Haru- 

6.     Otomo-ki  in  den  GtmsJiiyo  Riiijü  von  IIan.-vwa  Kengyö. 


212  Sc/iirksalc  der  Gemeinde  in  yaninp:nrJn  n.  Xaviers  Weggang. 

katas  mä.clitigcr  Ri\'alc,  zu  stark  fi'ir  ihn  sein  und  versuchen 
nii'iclite,  das  I'jbe  der  ( Juchi-l'amiHe  an  sich  7,u  reissen.  Ilachirö 
aber,  besorgt,  eine  Ablelinung  könnte  als  Inircht  vor  ]\Töri 
ausgelegt  werden,  habe  auf  Annahme  gedrängt  und  schliesslich 
seinen  Bruder  auf  seine  Seite  gewonnen.  Ich  denke,  man  thut 
besser,  hier  eher  dem  Zeugnis  der  Chronisten  der  Familie  ( -uchi 
zu  folgen.  Nach  ihnen  hatte  Takafusa  \'on  Anfang  an  im 
Einverständnis  mit  dem  Daimyö  von  Bungo  gehandelt,  dem  er 
\'on  lange  her  versprochen  hatte,  seinem  l^ruder  zur  Regierung 
in  Suwö  zu  verhelfen,  natürlich  mit  dem  stillen  Vorbehalte, 
dass  er  selbst  die  wirkliche  Regierung  der  Provinzen,  wie  mehr 
oder  weniger  schon  bisher,  in  der  Hand  behielte.  Xavier  schreibt 
in  einem  ]^)riefe :  ,,Als  nach  dem  Tode  des  Königs  die  h^ürsten 
\\w([  \^irnehmen  einsahen,  dass  Amanguchi  nicht  ohne  König 
sein  k'(">nne,  ordneten  sie  eine  Gesandtschaft  an  den  König  von 
Jkingo  ab,  er  m(")ge  seinen  leiblichen  J^ruder  nach  Amanguchi 
schicken,  i\c\\  sie  zum  Könige  machen  wollten.  Alsbald  will- 
f  ihrte  ihnen  dieser  und  erhielt  damit  das  Königreich  Amanguchi." 
Man  wird  diese  Darstellung  schwerlich  als  ein  Zeugnis  für  die 
Richtigkeit  der  Darstellung  des  (Jtomo-Chronisten  und  gegen  die 
andere  Lesart  dieses  lu'cignisses  anziehen  dürfen.  Denn  Xavier 
war  zu  der  Zeit  in  Bungo,  wo  er  natürlich  die  Sache  in  Yoshi- 
shiges  Beleuchtung  sah.  Torres  dagegen,  der  sich  in  Yamaguchi 
aufhielt,  hat  zu  bemerken,  dass  des  Königs  von  Bungo  Bruder 
keineswegs  mit  Einverständnis  aller  Grossen  der  Ouchi-Familie 
dahin  eingeladen  wurde. 

Das  war  gerade  vor  Xaviers  Abreise  von  l^ungo  gegen 
luide  November  dieses  Jahres.  Er  und  die  Portugiesen  erhielten 
noch  nach  eigener  Mitteilung  Xaviers  \^on  Yoshishige  die  Zu- 
sage, er  werde  mit  seinem  Bruder,  dem  Könige  von  Yamaguchi, 
darüber  verhandeln,  dass  er  Cosmo  de  Torres  und  Johann 
Fernandez  sich  gewogen  erweise.  Dasselbe  versprach  ihnen 
auch  der  erwählte  Herr  von  Yamaguchi  zu  thun,  sobald  er 
seine  Herrschaft  werde  angetreten  haben.  So  konnte  Xavier,  als 
er  kurze  Zeit  darauf  von  Cochin  aus  an  Ignatius  schrieb,  diesem 


Schicksale  der  Gemeinde  in  Yauiaguchi  n.  Xaviers  Weggang.  213 

gute  Nachricht  geben :  „  Ich  hege  grosse  Moffnung,  dass  die 
Kirche  von  Amanguchi  grossen  Zuwachs  und  glückh"ches  Ge- 
deihen erlangen  werde.  Es  sind  dort  schon  \'iele  Christen,  und 
unter  diesen  nicht  wenige  recht  gute,  und  täghch  werden  viele 
neue  unterrichtet  und  getauft.  Auch  lebe  ich  der  Hoffnung, 
dass  Gott  der  Herr  uns  den  Pater  Cosmo  de  Torres  und  Johann 
Fernande^  erhalte  und  nicht  zulasse,  dass  sie  von  den  Götzen- 
dienern getötet  werden;  denn  einmal  sind  sie,  wie  es  scheint,  den 
ersten  augenscheinlichen  Gefahren  entgangen,  da  die  anninglich 
erregte  Wut  der  l^onzen  allmälilich  nachlässt  und  sich  legt. 
I^Arner  sind  dort,  wie  bemerkt,  viele  Christen,  und  unter  diesen 
manche  durch  Würde  und  Ansehen  her\-orragende  jMänner, 
welche  Tag  und  Xacht  mit  grossem  Eifer  für  die  Erhaltung  der 
Unsrigen  besorgt  sind.  Obwohl  Johann  l'ernandez  nur  ein  Laie 
ist,  so  ist  er  doch  dem  P.  Cosmo  de  Torres  sehr  nützlich,  weil 
er  geläufig  Japanisch  spricht  und  alles,  was  ihm  der  Pater  sagt, 
gena-.i  und  gut  in  diese  Sprache  übersetzt.  Jetzt  i.st  er  ganz 
damit  beschäftigt,  in  täglichen  Vorträgen  dem  Volke  sämtliche 
Geheimnisse  des  Lebens  Jesu  Christi  zu  erklären." 


FÜNFZIG  INTICS  KAriTFL. 
Rückblick  auf  Xavicrs  Kämpfe  in  Japan. 


¥üv  Xavicr  rückte  der  Tag  der  Abfahrt  von  Japan  ,näher. 
Denn  den  Gedanken,  mit  dem  er  sich  nach  einer  Aeusserung  in 
seinem  Briefe  vom  29.  Januar  1552  zuerst  getragen  hatte,  noch 
einmal  zu  seinen  Gesellen  in  Yamaguclii  zurücl-czukehrcn,  gab  er 
auf  Fr  wollte  die  Gelegenheit,  die  Gamas  Schiff  ihm  bot,  zur 
Rückkehr  nach  Indien  benützen. 

Nach  Pinto  wäre  es  vor  seiner  Abreise  noch  zu  einem 
heftigen  Zusammenstoss  mit  der  Priesterschaft  gekommen,  die, 
unzufrieden  mit  der  Begünstigung,  die  Yoshishige  dem  europä- 
ischen Geistlichen  angedeihen  Hess,  und  beschämt  durch  die  im 
Wortstreit  mit  ihm  davongetragenen  Niederlagen,  die  Tempel 
schliessend  P\inai  mit  einer  Art  von  Interdikt  belegt  und  dadurch 
eine  derartige  Frregung  des  bigotten  Volkes  gegen  die  Portugie- 
sen herbeigeführt  hätte,  dass  es  diese  fiir  geraten  hielten,  ohne 
Verzug  mit  ihren  Schiffen  abzustossen.  Sie  seien  jedoch  kurze 
Zeit  darauf  wieder  zum  Ankerplatz  zurückgekehrt,  da  sie  den 
Pater,  den  Gama  umsonst  zu  bewegen  suchte,  sich  in  Sicherheit 
zu  bringen,  nicht  allein  im  Stiche  lassen  wollten.  Pinto  berichtet, 
dass  die  Bonzen  hierauf  den  l-^irsten  bewogen  hätten,  eine  Reihe 
von  ihm  selbst  präsidierter  Disputationen  zwischen  dem  Pater 
und  einem  ob  seiner  Gelehrsamkeit  berühmten  Bonzen,  Fucaran- 
dono,')   dem  Vorsteher    des  zwölf   Meilen   von    l'unai    entfernten 


I.  AVohl  eigentlich  Fukuharadono.  Das  Postfixum  do/io  ist,  ebenso  wie  das 
gleichfalls  dem  Namen  angehängte  sivna,  ein  Titel,  entsprechend  etwa  unserem 
JIcTi:  Auf  portugiesischen  Ursjjrung,  wie  Nachoi)  [Die  Beziehiiigen  der  AHeder- 
liindischeii  Oslindischen  Kompagnie  zu  Japan  im  ly.  Jahrinmdert,  p.  X)  mutmasst, 
ist  diese  so  häutig  bei  den  Namen  vorkommende  Endung  selbstverständlich 
nicht  zurückzuführen. 


Rückblick  auf  Xavicrs  Kämpfe  in  Japa}i.  215 

Tempels  Miay  Gima  (Miyaji?),  zu  x'eranstaltcn,  die  er  \\\  die 
Zeit  verlegt,  wo  in  Yamaguchi  die  beiden  dort  \virl-:enden  Jesuiten 
durch  die  entstandenen  politischen  \^er\vicklungen  beunruhigt 
wurden.  Er  teilt  die  vorher  aufgestellten  Disputationsregeln, 
an  welche  die  Parteien  gebunden  sein  sollten,  mit:  i.  Es  sollte 
in  Ruhe  verhandelt  werden.  2.  Nach  Verhandlung  jedes  ein- 
zelnen Streitpunkts  sollten  sich  beide  Teile  bei  dem  Spruch  der 
Schiedsrichter  beruhigen.  3.  Am  Schluss  der  Disputation  sollte 
zur  Entscheidung,  wer  obgesiegt,  Stimmenmehrheit  den  Ausschlag 
geben.  4.  Wenn  die  Entscheidung  gegen  die  ]-)onzen  ausfalle, 
so  sollte  keinem  Japaner  verwehrt  sein,  Christ  zu  werden.  5.  Die 
Schiedsrichter  sollen  darüber  bestimmen,  ob  eine  der  Parteien 
bei  ihrem  Argumentieren  sich  in  Widersprüche  verwickelt  habe. 
6.  Kriterion  der  Wahrheit  solle  die  natürliche  \'ernunftmässig- 
keit  sein. 

Pinto  gibt  sogar  den  Verlauf  der  {xxwi  Tage  dauernden 
Disputation  wieder.  Das  Pcrcgri)ia(^-~io,  in  dem  sich  sein  Referat 
findet,  wurde  erst  im  Jahre  16 14  in  Lissabon  im  Druck  veröffent- 
licht. Im  Manuskript  aber  lag  dasselbe  bereits  dem  Portugiesen 
P.  LuCEXA  vor  untl  ist  von  diesem  schon  in  seine  im  Jahre 
1600  erschienene  Xaveriu.sbiographie  übernommen  worden.  Alle 
Späteren,  z.B.  Bartoli  und  Bouhours,  schrieben  sie  entweder 
LucENA  oder  dem  inzwischen  gedruckten  Werke  Pintos,  und  ihnen 
selbst  wieder  andere  nach.  Besonders  Crasset  aber  hat  in 
seiner  Histoirc  de  l'Kglisc  du  Japan  von  1689  den  Bericht  aus 
seinem  P^igenen  so  erweitert,  dass  er  in  breitester  Ausführlichkeit 
die  ganzen  Streitreden  im  W'ortlaut  mitteilt,  nicht  nur  die  des 
\\'iderparts,  deren  Inhalt  auch  Pinto  gibt,  sondern  auch  was  der 
streitbare  Magister  der  Universität  Paris  aus  der  Rüstkammer 
der  kirchlichen  Apologetik  zur  Abwehr  des  heidnischen  Gegners 
\\w^  zur  X'erteidigung  der  katholischen  Doktrin  zu  sagen  hatte, 
und  was  Pinto  mit  dem  Bemerken,  es  sei  seinem  I^uenverstande 
zu  hoch  gewesen,  als  dass  er  es  hätte  verstehen  und  nachher 
wiedergeben  können,   mitzuteilen  unterlässt. 

Diese  ,,  Disputation  von  Bungo"  spielt  in  katholischen  Wer- 


2i6  Rückblick  mif  Xavicrs  Kämpfe  'ui  Japan. 

kcn  bis  heute  eine  grosse  Rolle,  und  im  ersten  Bändchen  der  im 
Jahre  1795  zu  Augsburg  bei  Xicolaus  Doli  herausgekommenen 
„  Missionsgesc/nchlc  späterer  Zcitoi"  findet  sich  sogar  ein  Kupfer, 
das  in  einem  kirchencähnlichen  Saale  den  König  von  Bungo,  die 
Krone  auf  dem  Haupt  und  in  der  Hand  das  Zepter,  auf  erhabenem 
Throne  sitzend  zeigt,  während  zu  Ijeiden  Seiten  auf  den  Thron- 
treppenstufen Hofadelige  zu  sehen  sind  und  die  beiden  geistlichen 
Streiter,  der  eine  von  Portugiesen,  der  andere  von  einer  Bonzen- 
schar gedeckt,  im  Saalllur  einander  gegenüberstehen  und  zwi-schen 
ihnen  und  dem  Treiipenaufgang  rechts  und  links  mit  Lanzen 
gewaffnete  Krieger  Wache  halten.  Das  Bild  trägt  die  Unter- 
schrift :  Religiojisstreit  des  H.  Fraiicisciis  Xaveriiis  mit  dem 
Bonzier  Fucarandono  vor  dem  König  von  Bnngo. 

COLERIDGE  2)  urteilt :  da  es  sehr  unwahrscheinlich  sei,  dass 
Mendez  Argumente  von  der  Art  der  von  ihm  referierten  erfunden 
habe,  und  da  er  ehrlich  bekenne,  dass  er  nicht  immer  die  Antworten 
im  Gedächtnisse  behalten  habe,  die  der  selige  Vater  auf  die  Ein- 
\vände  und  Fragen  des  Bonzen  gab,  dürfe  man  seine  Aufzeich- 
nungen mit  grosserem  Vertrauen  aufnehmen,  als  wenn  sie  von  der 
Feder  irgend  eines  Theologen  des  16.  oder  17.  Jahrhunderts  auf 
uns  gekommen  wären,  da  in  dieser  Periode  selbst  Historiker  oft, 
dem  Beispiele  eines  Thukydides,  Livius  oder  Tacitus  folgend,  den 
Personen  der  \^on  ihnen  beschriebenen  Scenen  Reden  in  den 
Mund  legten,  die  sie  in  den  jeweiligen  Situationen  nach  ihrem 
Dafürhalten  schicklich  hätten  halten  mögen.  Wenn  Mendez  je 
der  Versuchung  erlegen  wäre,  Geschichten,  wie  sie  ,,  Reisende  " 
erzählen,  seinem  Buche  einzufügen,  so  hätte  er  sicher  andere 
Gegenstände  als  dij  in  diesen  Konferenzen,  bei  denen  er  zugegen 
war,  behandelten  gewählt.  Der  Historiker  wird  gleichwohl  nicht 
umhin  können,  diesen  ganzen,  allerdings  bis  jetzt  noch  nie  bezwei- 
felten Religionsstrcit  von  lUmgo  in  das  Gebiet  der  Dichtung  zu 
verweisen.  Aus  verschiedenen  Gründen.  Eine  Aktion,  wie  es 
die  von    Mendez    Pinto    beschriebene   fünftägige,    im  Beisein   des 

2.     A.  a.  ü.  Vol.  11,  p.  318. 


Rückblick  auf  Xavicrs  Kiimpjc  in  Japan.  217 

Fürsten  und  seiner  nächsten  Umgebung  gehaltene  theologische 
Disputation  ist,  wäre  sicherlich  von  den  eingeborenen  Geschicht- 
schreibern nicht  unerwähnt  gelassen  worden.  Die  Chronisten 
des  Hauses  Ctomo  erzählen  aber  nicht  das  mindeste  von  einem 
solchen  Religionsstreit.  Und  wollte  man  einwenden,  dass  in 
den  späteren  Zeiten  der  Verfolgung  der  Kirche  alles,  was  an 
Japans  christliche  Periode  erinnerte,  aus  den  japanischen  Büchern 
ausgemerzt  worden  ist  und  damit  auch  etwa  vorhandene  japanische 
Berichte  über  diesen  Vorgang  vernichtet  ^\'orden  seien,  so  bliebe 
doch  ein  anderes  befremdlich  :  in  d^n  Briefen  Xaviers,  der  über 
einen,  nach  Pinto  noch   dazu  für   ihn  so   sjlorreich  ausgreoraneencn 

'  0000 

Redekampf  mit  der  Blüte  buddhistischer  Theologengelehrsamkeit, 
der  in  der  ganzen  Geschichte  seiner  apostolischen  Thätigkeit 
kein  Analogon  hätte,  doch  sicher  nicht  geschwiegen  haben 
würde,  ist  keine  Silbe  von  einem  solchen  zu  finden.  Auch 
jedes  Zeugnis  von  anderer  Seite  fehlt.  Der  ganze  so  detailliert 
geschilderte  Vorgang  ist  eine  Mache  des  phantasijvollen  por- 
tugiesischen Romanciers  zur  Verherrlichung  des  grossen  Apostels 
von  Indien,  auf  dessen  Heiligsprechung  schon  alsbald  nach 
seinem  Tode  das  katholische  Volk  und  der  König  von  Portugal 
drängten,  daher  denn  solchen,  die  ihm  im  Leben  begegnet  waren, 
die  Versuchung  nur  allzunahe  lag,  seinen  Ruhm  durch  Legen- 
denbildung noch  geflissentlich  zu  steigern.  Aber  auch  wenn  an 
eine  solche  pia  frans  bei  Pinto  nicht  zu  denken  wäre,  die  ihm 
eigene  Lust  zum  Fabulieren  wäre  für  sich  allein  ein  ausreichender 
Erklärungsgrund  dafür,  wie  er  zu  seiner  Gcschichfskonstruktion 
kam.  Verdachterregend  sind  schon  Einzelheiten  seines  Berichts, 
wie  die,  dass  der  Fürst  den  Fucarandono,  der  alle  Haltung 
verloren,  unter  der  Drohung,  er  würde  ihm  den  Kopf  ab-schlagen 
lassen,  wenn  er  nicht  Priester  wäre,  vor  die  Thüre  .setzen  liess, 
oder  die  andere,  dass  derselbe  zur  ersten  Disputation  hernach 
mit  mehr  als  3000  Bonzen  erschienen  sei,  eine  Zahlangabe,  der 
gegenüber  schon  P.  Charlevoix  einiges  ]\I isstrauen  nicht  unter- 
drücken zu  können  scheint.  Das  Gleiche  gilt  von  der  Aussage, 
dass   eine   der   von  Fucarandono    an  Xavier   gerichteten   Fraeen 


21 S  Rnckhlick  auf  XtV'i'icrs  l\äiiif>fc  in  fapaii. 

I^cwcscn  sei,  warum  er  den  Japanern  die  Sodoniiterei  verbiete. 
Im  höchsten  Grade  unglaubhaft  aber  ist  es  auch,  wie  schon  be- 
merkt, dass  ütomo  Yoshishige  es  zu  einem  solchen  Aufeinander- 
platzcn  der  Geister  unter  seinen  Augen  hätte  sollen  kommen  lassen 
oder  gar  es  selbst  herbeiführte,  indem  er  tue  ganze  eindussreiche 
Bonzenschaft  durch  so  geringschätzige  Behandlung  eines  der  An- 
gesehensten aus  ihren  Reihen  vor  den  Kopf  gestossen  und  sich  zu 
Feinden  gemacht  hätte.  Und  unglaubhaft  macht  das  Ganze  die 
Krwägung,  dass  ein  siegreicher  Ausgang  einer  solchen  Disputation 
tloch  für  die  christliche  Sache  eine  grosse  Förderung  hätte  be- 
deuten müssen.  Statt  dessen  erfahren  wir,  dass  es  noch  im  Jahre 
hernach  im  Gebiete  von  Bungo  keine  Christen  gab.  Endlich  ist 
auch  daran  noch  zu  tlenken,  dass  Xavier,  der  allein  stand,  der 
japanischen  Sprache  weit  zu  wenig  mächtig  war,  als  dass  er 
sich  hätte  in  den  Sinn  kommen  lassen  können,  sich  in  einen  solchen 
öffentlichen  Redekampf  mit  der  Gelehrtesten  einem  einzulassen. 
Das  wäre  nicht  nur  eine  unbegreifliche  Verwegenheit,  sondern, 
da  ein  unglücklicher  Ausgang  der  christlichen  Sache  auf  lange 
Zeit  nicht  wieder  gut  zu  machenden  Schaden  bei  Fürst  und  Volk 
gethan  haben  würde,  eine  unverzeihliche  Unklugheit  gewesen, 
die  einem  ]\Ianne  wie  ihm  nur  zutrauen  kann,  wer  ihn  nicht 
kennt.  Colerid(;e,  der  findet,  Pintos  Bericht  mache  durchaus 
den  Findruck  der  \\'ahrhaftigkeit  und  Aufrichtigkeit,  bemerkt, 
dass  auch  seine  Angaben  \ollständig  mit  dem  übereinstimmen, 
was  sich  in  Xa\-iers  l^riefen  an  solchen  Angaben  über  Streit- 
fragen, denen  gegenüber  er  in  Jai)an  seinen  Mann  zu  stehen 
hatte,  finde.  Da  läge,  denke  ich,  \\o\\\  eher  die  W-rmutung 
nahe,  dass  der  portugiesische  Memoirenschreiber  bei  der  v\l)- 
fassung  der  betreffenden  Kapitel  seines  Buchs  die  Briefe  Xa\  iers, 
die  ja  in  ]{uropa  sehr  früh  schon  in  Kopieen  verbreitet  und 
gedruckt  wurden,  vor  sich  hatte  und  benützte.  Indessen  be- 
richtet er  doch  auch  von  etlichen  Streitpunkten,  die  man  in  O^cw 
Briefen  nicht  erwähnt  findet  und  die  allerdings  er,  der  theo- 
logische Laie,  auch  nicht  wohl  frei  erfunden  haben  kann.  Da 
bleibt    denn    nur  die    ganz    natürliche    Annahme    übrig,    dass    er 


Rückblick  auf  Xavicrs  Kämpfe  in  Japan.  219 

im  persönlichen  Unigani^  mit  P.  Franciscus  oder  später  nach 
seinem  Eintritt  in  die  Gesehschaft  Jesu  und  während  seines 
letzten  Aufenthalts  in  Japan  von  den  Jesuitenmissionaren  sich 
erzählen  Hess,  welcherlei  Einwände  die  Japaner  gegen  die  christ- 
liche Verkündigung  zu  machen  pflegten,  und  alle  diese  Einwände 
dann  bei  der  Niederschrift  seiner  Erinnerungen  dem  einen  Bonzen 
Eucarandono  in  den  Mund  legte  und  so  in  den  Rahmen  der 
von  ihm  erfundenen  Disputationsscene  gebracht  hat.  P>  hätte 
so,  wenn  Poesie  nach  der  bekannten  Definition  nichts  ist  als 
„  Xatur  in  dichterer  Fülle",  durch  die  Geschicklichkeit,  mit  der 
er  das  gethan,  nur  den  Beweis  geliefert,  dass  er  Dichter  war 
und  nicht  gewissenhafter  Historiker.  Dass  diese  Annahme  nicht 
ungerechtfertigt  ist,  mag  ein  Bjleg  darthun.  P>s  ist  oben  (Seite 
190)  erzählt  worden,  dass  nach  einer  Briefmitteilung  Xaviers  in 
Yamaguchi  die  eifersüchtigen  Bonzen  in  den  Predigten,  die  sie 
gleichzeitig  mit  den  Jesuitenvorträgen  in  ihren  Tempeln  hielten, 
um  den  Zulauf  des  Volks  zu  den  fremden  Religiösen  zu  min- 
dern, auch  unter  anderem  den  Namen  Gottes  spottend  so  deuteten  : 
Dcos  sei  identisch  mit  dem  japanischen  daio,  das  die  Bedeutung 
,,  Lüge "  hat.  Das  ist  ein  vom  Aerger  eingegebenes  rhetori- 
sches Stückchen  eines  buddhistischen  Abraham  a  Sancta  Clara, 
das  vor  einem  Publikum,  wie  es  zu  den  Tempeln  in  Yamaguchi 
lief,  ganz  wohl  passieren  konnte  und  da  seines  P2ffektes  sicher 
war.  Pinto  Hess  sich  das  erzählen  und  führte  es  in  seiner  lü"- 
zählung  als  einen  der  von  Eucarandono  erhobenen  Einwände 
ein.  Der  Bonze,  so  berichtet  er,  wollte  wissen,  warum  der  Pater 
den  Schöpfer  aller  Dinge  schmähe,  indem  er  ihn  Lügner  nenne, 
da  dieser  doch  allgemein  als  der  Gott  aller  Wahrheit  gelte. 
Aber  damit  man  versteht,  fügt  er  erklärend  bei,  wie  er  dazu 
kam,  so  zu  reden,  muss  man  wissen,  dass  bei  den  Japanern  Lüge 
eiinsaS)  heisst,  sie  aber,  weil  der  Pater  bei  seinem  Predigen  sagte, 
er    wolle    ihnen    das    wahre    Gesetz    Gottes     (Dcos)     verkünden, 

3.     Pinto  denkt  vermutlich  an  das  Wort  t/so  (|^),  das  die  Bedeutung  „Lüge", 
„  Betrug  "  hat. 


220  Rückblick  auf  Xavicrs,  Kämpfe  in  Japan. 

nicht  im  Stande,  dieses  Wort  wie  wir  auszusprechen,  anstatt  Dcos 
zu  sagen,  dins  sagten.  Daher  also  nahmen  die  Diener  des 
Teufels  Anlass,  die  Ihrigen  glauben  zu  machen,  der  Pater  sei 
eine  Inkarnation  des  Teufels  und  wt)Ile  Gott  mit  dem  Namen 
Lügner  verunehren.  Das  ist  ganz  offenbar  dasselbe,  was  Xavier 
von  Yamaguclii  erzählt.  Denn  besonders  bei  der  Seltsamkeit 
des  Vorwurfs  \\ird  man  nicht  annehmen  wollen,  dass  er  zweimal 
an  verschiedenen  Orten  ganz  in  derselben  Weise  von  Bonzen 
erhoben  worden  sein  möchte.  Er  ist  auch  von  der  Art,  dass  jnan 
sich,  wie  gesagt,  ganz  wohl  denken  kann,  dass  ihn  ein  Bonze  in 
Yamaguchi  vor  dem  Volke  erhob,  aber  es  kaum  für  möglich  halten 
wird,  dass  ihn  ein  im  Rufe  höchster  Gelehrsamkeit  stehender 
Japaner  dem  Pater  selbst  vor  einer  Versammlung  von  gebildeten 
Männern,  wie  sie  am  Hof  von  Bungo  sich  fanden,  entgegenhielt. 
1  )ieselbe  Bewandtnis  v.ird  es  mit  dem  Streitpunkt  haben,  den 
Pinto  sogleich  an  diesen  anschliesst.  \\\  berichtet,  l'ucarandono 
habe  darüber  ein  Geschrei  erhoben,  dass  der  fremde  Pater  auch 
die  Heiligen  verunehre,  und  das  habe  er  gethan,  weil  dieser 
nach  der  I\Iesse  in  der  Litanei  mit  den  Christen  betend,  wie  es 
Brauch  sei,  immer  gesagt  habe:  Sancte  Petrc,  ora  pro  nobis ! 
Sande  Paule,  ora  pro  nobis!  u.  s.  w.,  das  Wort  saiicti  in  der 
jaimnischen  Sprache  aber  soviel  wie  schändlich  und  infam  {torpc 
c  infame)  bedeute.  Der  König,  von  Xavier  über  den  Sachverhalt 
leicht  aufgekl;irt,  habe  diesem  den  Rat  gegeben,  um  das  "bös- 
willige Missverständnis  auszuschliessen,  künftig  statt  Sande  immer 
Beate  zu  sagen. 

Schon  der  Jesuitenpater  Crasset  sagt,  nur  weil  er  gesehen, 
tlass  ein  boshafter  l'rotestant  die  Streitfragen,  die  bei  der  Dispu- 
tation verhandelt  wurden,  vergrössert  und  vergiftet  habe,  verleibe 
er  sie  seiner  liistorie  ein.  Für  uns  liegt,  da  sich  uns  die  ganze 
Disputation  als  blosse  Kompilation  l'intos  erwiesen  hat,  natür- 
lich gar  kein  Grund  vor,  seine  lu-zählung  wiederzugeben.  Ich 
ziehe  es  statt  dessen  vor,  einige  'der  beständig  in  Japan  von 
Laien  wie  von  Bonzen  gegen  die  katholische  Predigt  erhobenen 
P.inwürfe,  wie  Xavier  uns  dieselben  in  seinen  Briefen  selbst  mit- 


R'ücJcblick  mif  Xavicrs  Kämpfe  in  Japan.  221 

teilt,  hier  in  einem  Rückblick  auf  seine  Kämpfe  in  Japan  zu- 
sammenzustellen und  seine  Antworten  beizufügen,  wo  er  selbst 
uns  dieselben  nicht  vorenthalten  hat.  4)  Zur  Ergänzung  mögen 
dann  immerhin  einige  der  im  Pcrcgrinaaio  mitgeteilten  Ein- 
wendungen folgen,  die  klar  als  solche  zu  erkennen  sind,  wie 
sie  wirklich  von  den  japanischen  Bonzen  erhoben   werden  mussten. 

\\\\\  Einwand,  gegen  cien  der  Pater  oft  zu  kämpfen  hatte, 
und  der  ihm  den  Gedanken  mit  nahe  legte,  das  Evangelium 
in  China  zu  predigen,  Avar  der,  die  christliche  Eehrc  könne  nicht 
wahr  sein,  da  sie  sonst  sicherlich  bei  den  Chinesen  nicht  bis 
auf  diesen  Tag  unbekannt  wäre. 

Auch  die  Frage  wurde  ihm  öfter  vorgelegt,  warum  Gott  das 
iapanische  Reich  so  lange  in  Unwissenheit  gelassen  habe.  Wir 
sind  in  der  Lage,  die  Antwort,  die  er  hierauf  gab,  aus  seinen 
Briefen  zu  erheben.  Dieser  gehässige  Gedanke,  schreibt  er,  hielt 
sie  am  meisten  von  der  Verehrung  des  wahren  Gottes  zurück". 
Aber  mit  Gottes  Gnade  ist  ihnen  aller  Irrtum  und  alle  Beun- 
ruhigung" genommen.  Zuerst  bewiesen  wir  ihnen,  das  göttliche 
Gesetz  sei  das  älteste  von  allen.  Ehe  sie  Gesetze  von  den 
Chinesen  bekommen,  wussten  die  Japaner,  durch  die  natürliche 
Vernunft  belehrt,  es  sei  nicht  erlaubt,  zu  töten,  zu  stehlen,  falsch 
zu  schwören,  kurz  alles,  was  in  den  zehn  Geboten  Gottes  ent- 
halten ist.  Beweis  dafür  sei,  dass  sie  von  Gewissensbissen 
gequält  würden,  so  oft  sie  ein  derartiges  Verbrechen  begingen. 
F'erner  lehre  schon  die  Vernunft,  man  müsse  das  Böse  fliehen, 
das  Gute  thun;  und  dies  sei  der  Seele  des  Menschen  von  Xatur 
so  eingepflanzt,  dass  alle  Menschen  durch  die  Natur  und  Gott, 
den  Urheber  der  Natur,  Kenntnis  vom  göttlichen  Gesetze  ohne 
jeglichen  Unterricht  haben.  Wenn  dies  zweifelhaft  scheine,  so 
könne  man  es  an  jemandem  versuchen,  der  ohne    Unterricht  auf 


4.  Eine  solche,  freilich  sehr  unvollkommene  Zusammenstellung  hat  schon  der 
holländische  Arzt  \'.arenius  in  einem  „  De  Ulis,  quae  a  Jnponüs  ohjecta  vfl  qiiaesi/a 
siDif"  überschriebenen  Kapitel  gegeben.  {^Descriptia  l\c;^}ii  Japoniae  cniii  qnihiisdani 
apfiiiis  materiae,  ex  variis  auctorilnis  collecta  et  in  oi-diiiriu  rcdacla.  Amstclodami, 
apud  Ludovicum  Elzevirium.     Anno  1649). 


222  Rückblick  cutfXavicrs  Kämpfe  in  Japan. 

einem  J>ei"<:^c  oder  in  einer  I^inöcle  ohne  Kenntnis  der  vater- 
ländisehen  (lesetze  aufwachse.  Wenn  ein  solcher,  der  gar  keinen 
Unterricht  von  Mensclien  genossen  habe,  gefragt  werde,  ob  es 
sündhaft  sei  oder  nicht,  einen  Menschen  zu  töten,  zu  stehlen  und 
anderes  zu  thun,  was  das  göttliche  Gesetz  xerbietet,  ob  es  gut, 
sich  solcher  Handlungen  zu  enthalten,  so  werde  er  so  antworten, 
dass  es  klar  sei,  er  sei  mit  dem  göttlichen  Gesetze  nicht  unbe- 
kannt. Woher  anders  als  von  Gott,  dem  Schöpfer  der  Natur, 
müsse  er  wohl  diese  Kenntnis  erhalten  haben?  Wenn  man -dies 
bei  w  ildiMi  Menschen  bemerke,  was  müsse  dann  wohl  bei  gebil- 
deten und  zivilisierten  Nationen  der  Fall  sein  ?  Daraus  folge 
doch  wohl  mit  Notu^endigkeit,  dass  es  vor  allen  menschlichen 
(iesetzen  ein  der  Seele  des  Menschen  eingepflanztes  göttliches 
Gesetz  gegeben  habe. 

Etwas  ganz  Neues  war  den  Japanern  in  der  missionarischen 
Unterweisung  die  Lehre  von  einer  Weltschöpfung,  und  nicht 
einwandfrei  erschien  ihnen,  dass  es  nur  cinoi  Schöpfer  und  Vater 
aller  Seelen,  nur  ein  Prinzip  aller  Dinge  geben  solle.  Sie  fragten, 
wie  bei  dem  Glauben  an  die  Vollkommenheit  des  Urgrunds  alles 
Seienden  das  Dasein  der  Dämone  zu  erklären  sei.  Auf  Xaviers 
Rescheid,  dass  die  Dämone,  ursprünglich  gut  von  Gott  geschaffen, 
durch  eigene  Schuld  böse  geworden  seien  und  nun  dafür  eunge 
Strafe  zu  erleiden  hätten,  erhob  sich  der  andere  Einwurf,  dass 
solche  Strenge  sich  nicht  mit  Gottes  Barmherzigkeit  vereinigen 
lasse.  Ferner :  wenn  Gott  gut  wäre,  dürfte  er  die  Menschen  so 
schwach  und  zur  Sünde  geneigt  schaffen?  und  könnte  er  sie 
ohne  Ende  in  Höllenqualen  lassen  zur  Strafe  ihrer  Sünden  ? 
Otler  würde  er  ihnen  jemals  Gebote  auferlegt  haben,  die  so 
schwer  zu  befolgen  seien  ? 

y\m  schwersten  wollten  sie  sich  in  den  Gedanlcen  finden, 
auf  den  der  römische  Priester  gerade  mit  das  grösste  Gewicht 
legte,  dass  es  aus  der  Hölle  k-ein  Entrinnen  gäbe.  ,,  Sie  be- 
dauern nämlich  schmerzlich",  lässt  uns  Xavier  wissen,  ,,  das  Los 
ihrer  \-erstorbenen  Kinder,  Poltern,  Verwandten  und  Vorfahren 
und  geben  ihren  Schmerz  durch  W^einen  kund.     Auf  ihre  Frage, 


Rnckhlkk  auf  Xavicn  Käii/p/c  in  fapa)i.  223 

ob  es  denn  gar  keine  Hoffnung;  für  sie  gebe  und  gar  kein  Mittel, 
sie  vom  ewigen  Verderben  zu  befreien,  gebe  ich  eine  entschieden 
verneinende  Antwort.  Diese  Unrulie  quält  sie  in  ausserordent- 
licher Weise,  so  dass  sie  vor  Schmerz  fast  hinsiechen.  Indessen 
hat  dies  doch  auch  das  Gute,  dass  Hoffnung  vorhanden  ist,  sie 
werden  umsomehr  für  ihr  eigenes  Seelenheil  besorgt  sein, 
damit  sie  nicht  wie  ihre  Vorfahren  zur  ewigen  Strafe  verdammt 
werden.  Wiederholt  fragten  sie,  ob  Gott  jene  denn  nicht  aus 
der  Hölle  erretten  könne,  und  warum  denn  die  Höllenqualen 
ewig  tlauern.  Auf  alle  diese  Fragen  gab  ich  ihnen  eine  genü- 
gende Antwort.  .Vber  dennoch  hörten  sie  nicht  auf,  das  Los 
ihrer  Angehörigen  zu  beweinen,  so  dass  ich  mich  der  Thränen 
kaum  erwehren  konnte,  wenn  ich  sah,  wie  mir  so  teuere  Men- 
schen von  so  bitterm  Schmerz  wegen  einer  Sache  gequält  wurden, 
die  einmal  geschehen  ist  und  nicht  mehr  geändert  werden  kann." 
Wer  kann  das  lesen,  ohne  dass  er  sich  lieber  auf  die  Seite  der 
heidnischen  Japaner  stellt,  deren  natürliches,  nicht  theologisch 
verbildetes  Gemüt  so  \-iel  grösser  von  der  Macht  der  göttlichen 
Liebe  denkt,  die  da  nicht  will,  dass  jemand  verloren  werde,  als 
auf  die  Seite  des  sonst  bewundernswürdigen  christlichen  Priesters, 
der  im  Banne  einer  starren  mittelalterlichen  Schuldoktrin,  die 
uneingestanden  seinem  eigenen  natürlichen  Empfinden  widerstrebt, 
Seelen,  fiir  die  er  sich  mit  einer  I>iebe,  grösser  als  die  er  seinem 
Gotte  zutraut,  zu  opfern  bereit  gewesen  wäre,  so  tiefes  Weh 
bereitete !  Die  Japaner  hatten  so  Unrecht  nicht,  wenn  sie  he- 
rausfühlten, dass  in  dieser  Hinsicht  ihre  Sekten  mehr  auf  Güte 
und  Milde  beruhten  als  Xaviers  Verkündigung,  da  nach  bud- 
dhistischer Lehre  der  verschiedenen  Schulen  die  Anrufung  der 
Sektengründer,  die  ja  meist  als  Hotoke  verehrt  wurden,  selbst 
aus  (\q.\\  Qualen  der  Hölle  errette. 

Auf  der  antlern  Seite  wieder  hatte  freilich  Xa\ier  ein  l{\an- 
gelium  zu  verkünden,  wo  die  l^onzen  keines  oder  statt  dessen 
ein  hartes,  unbarmherziges  Gesetz  hatten.  Pinto  berichtet,  P\ica- 
randono  habe  dem  Pater  gegenüber  den  Standpunkt  vertreten, 
dass  die    Armut   der    Elenden    ein    Zeichen  dafür    sei,    dass    die 


224  RücJx  blick  auf  Xavicrs  Kämpfe  iii  Japan. 

Gütthcit  denselben  tlurehaus  feincl  sei  und  ihnen  deshalb  versage, 
was  sie  ([^\\  Reiehen  gebe.  Das  war  in  Wirklichkeit  die  'iheorie 
\-ieler  Bonzen,  ein  Abfall  selbstverständlich  von  der  Lehre 
Sakyamunis,  der  selber  in  Arnuit  und  Entbehrung  mit  seinen 
Jüngern  lebte,  aber  ganz  im  lünklang  stehend  mit  der  Praxis 
\'ieler  seiner  Nachfolger  im  Japan  dieser  Periode,  die,  sich  und 
ihre  Klöster  zu  bereichern,  sich  zu  (^.tw  Grossen  und  Wohl- 
liabcnden  hielten  und  sich  um  die  Armen  wenig  kümmerten. 
Dem  hatten  die  INIissionare  ihre  Predigt  entgegenzuhaltea  von 
dem  Gott,  der  der  rechte  Vater  ist  über  alles,  was  Kinder 
heisst,  im  Mimmel  und  auf  Erden,  und  von  einem  Heilande, 
der  gerade  die  Mühseligen  und  Beladenen  zu  sich  ruft  und  in 
die  Welt  kam,  zu  suchen  und  selig  zu  machen,  das  verloren  ist. 

In  Gegensatz  zu  der  Theorie  und  Praxis  der  Bonzen  traten 
sie  ferner  mit  der  Lehre,  dass  dem  weiblichen  Teile  der  Himmel 
ebensogut  offen  stehe  wie  dem  männlichen,  während  jene 
darauf  bestanden,  dass  es  dem  Weibe  als  Weib  wegen  der 
Unreinigkeit  seiner  Natur  viel  schwerer  als  dem  Manne  sei,  die 
Seligkeit  zu  erlangen,  und  dass  es  die  Anwartschaft  auf  eine 
Geburt  in  anderer  P^orm  nur  durch  Schenkungen  und  Almosen 
an  die  Klöster  und  durch  reichbezahlte  Ablasszettel  sich  erkaufen 
k'önne.  Xavier  bekämpfte  diese  Lehre  als  einen  von  der  Hab- 
sucht der  Bonzen  ersonnenen  Betrug. 

Dass  er  durch  die  Verwerfung  der  Landesgötter,  der  Plotoke 
und  Kami,  die  er  für  Teufel  erklärte,  in  Kämpfe  geriet,  braucht 
nicht  gesagt  zu  werden.  Pinto  lässt  den  P'ucarandono  in  der 
Disputation  mit  Xavier  sagen  :  er  wolle  nicht  leugnen,  dass  Gott 
als  der  Allmächtige  alL'  Dinge  zum  Besten  der  INIenschen 
geschaffen  halje  ;  durch  die  Macht  der  Sünde  aber  seien  sie 
verderbt,  und  um  sie  wieder  vollkommen  zu  machen,  wie  sie 
urspriinglich  waren,  sei  es  notwendig  gewesen,  dass  Amida 
achthundertmal  geboren  wurde,  damit  er  ^^iw  achthundert  ver- 
schiedenen Arten  von  Dingen,  die  es  in  der  Welt  gebe,  zur 
Erlösung  helfe,  woraus  denn  ganz  von  selbst  für  jeden  Ver- 
nünftigen folge,    dass    dem    Amida   ebenso    viel   Verehrung    von 


Rückblick  auf  Xavicrs  Kämpfe  in  Japan.  225 

den  Menschen  für  die  Erhaltung  des  Geschaffenen  gebühre  wie 
Gott  flir  die  That  der  Schöpfung.  Argumentationen  wie  diese 
von  Pinto  dem  Fucarandono  zugeschriebene  hatte  der  Pater  sicher 
öfters  von  gewandten  Dialektikern  zu  hören. 

Die  Lehre  von  der  Seelenwanderung  war,  so  wenig  sie  von 
praktischer  Bedeutung  im  V^olksglauben  war,  doch  theoretisch 
beibehalten  und  ist  sicherlich  der  katholischen  E.schatologie 
mehr  als  einmal  als  die  höhere  Wahrheit  entgegengehalten  worden. 
So  darf  man  auch  wohl  annehmen,  dass  die  Scene,  die  sich 
nach  ^lendez  zwischen  Xavier  und  Fucarandono  bei  ihrer  ersten 
Begegnung  abgespielt  hat,  nicht  bloss  von  ihm  erdichtet  ist, 
wenn  schon  die  Situation,  in  die  er  sie  verlegt,  \'on  ihm  ge- 
schaffen wurde.  Sie  sei  daher  zum  Schlüsse  dieses  Kapitels 
hier  wiedergegeben,  wie  Pinto  selber  sie  in  seinem  Reisewerk 
erzählt. 

Der  Bonze  fragte  den  Pater,  ob  er  ihn  nicht  kenne.  ,,  Durch- 
aus nicht",  antwortete  der  Pater,  ,,  habe  ich  Sie  doch  nie 
gesehen.  "  Auf  diese  Erwiderung  brach  der  Bonze  in  Lachen 
aus,  wandte  sich  zu  seinen  sechs  Begleitern  und  sagte :  ,,  Ich 
sehe  wohl,  es  wird  mir  ein  Geringes  sein,  mit  diesem  fertig  zu 
werden.  Aleint  er  nicht,  ich  sei  ihm  unbekannt,  obgleich  er 
doch  so  viel  Verkehr  mit  mir  gehabt  hat,  dass  wir  neunzig  bis 
hundertmal  zusammen  Waren  verkauft  und  gekauft  haben  !  Das 
lässt  mich  annehmen,  dass  er  auch  auf  alle  meine  übrigen 
Fragen  nichts  Rechtes  wird  zu  sagen  haben.  "  Hierauf  sich 
direkt  zum  Pater  wendend,  sagte  er :  ,,Hast  Du  noch  von  derselben 
Ware,  die  Du  mir  zu  Frenojama  verkauft  hast?"  „Es  ist  nicht 
meine  Gewohnheit  ",  versetzte  der  Pater,  ,,  auf  etwas  zu  antworten, 
was  ich  nicht  verstehe.  Drücke  Dich  also  deutlicher  aus,  und 
dann  will  ich  Dir  Antwort  stehen.  Ich  weiss  nur,  dass  ich  nie 
Kaufmann  gewesen  bin,  und  dass  ich  den  Ort  Frenojama  nicht 
kenne.  Und  wenn  ich  niemals  mit  Dir  gesprochen  hab 
kann  ich  Dir  Handelswaren  verkauft  haben.?" 
Dich  dessen  also  nicht",  antwortete  ihm  der  Bv^nzc,  ,,  tum-i  uct- 
nach  scheint  es  mir,  dass  Du  ein  sehr  kurzes  Gedächtnis  hast. " 


226  Rückblick  auf  Xavicrs  Kiiuipfc  in  Japan. 

,,l);i  icli  niicli  nicht  darauf  besinnen  Ivann",  erwiderte  der  Pater, 
,,  und  l^u  ein  besseres  Gedächtnis  liast  als  icli,  so  rede  Du, 
betlenke  aber,  dass  l^u  vor  dem  Könii^e  liist.  "  Hierauf  sagte 
der  Bonze  voll  \on  l^igendünkel  und  ihn  mit  hochfahrender 
Miene  anblickend:  ,,  Ivs  ist  gewiss  nunmehr  1500  Jahre  her, 
dass  Du  mir  luindert  Sti^icke  Seidenzeug  verlcauft  hast,  die  ich 
wieder  n";it  grossem  Gewinn  \erhandelt  habe.  "  Mit  heiterem 
]^licke  schaute  auf  diese  Worte  hin  der  Pater  auf  den  König 
und  bat  ihn  um  die  lu'laubnis,  antworten  zu  dürfen,  Okc  ihm 
der  Ki'niig  aufs  bereitwilligste  gew.'ihrte.  1m'  x'erbeugte  sich  tief 
vor  ihm,  dann,  sich  zu  deni  Bonzen  wendend,  fragte  er  ihn  nach 
seinem  Alter.  Auf  des  Bonzen  Antwort,  er  sei  52  Jahre  alt, 
fragte  der  Pater  weiter:  ,,  Wenn  Du  nicht  älter  bist  als  so  alt, 
w'xc  ist  es  möglich,  dass  Du  \'or  1500  Jahren  ein  Kaufmann 
warst,  und  dass  ich  Dir  Waren  \'erkaufte?  und  vorausgesetzt,  es 
ist  wahr,  dass  Japon  erst  seit  600  Jahren  bewohnt  ist,  wie  Ihr 
öffentlich  predigt,  wäe  ist  es  möglich,  dass  Du  vor  1 500  Jahren 
Handel  zu  P^renojama  getrieben  hast,  während  man  doch  an- 
nehmen muss,  dass  das  ganze  Dand  in  dieser  Zeit  eine  Oede 
war?"  ,,  Ich  will  Dir's  sagen",  entgegn(^te  der  Bonze,  ,,  und 
Du  wirst  daraus  lernen,  dass  wir  mehr  von  den  Dingen  der 
\x'rgangenheit  wissen  als  Du  \-on  denen  der  Gegenwart.  Wisse 
denn,  dass  die  Welt  nie  einen  Anfang  gehabt  hat,  und  dass  die 
Menschen,  die  in  ihr  geboren  werden,  kein  I\nde  nehmen  kömien, 
dass  vielmehr  die  Natur  sie  beim  letzten  Atemzug  nur  in  andere, 
bessere  Körper  übergehen  lässt,  wie  das  kklrlich  zu  sehen  ist, 
wenn  wir  bald  männlichen,  bald  weiblichen  Geschlechts  von 
unseren  Müttern  geboren  werden,  je  nach  der   Konstellation  der 

Himmelskörper  bei  der  Geburt Diejenigen  aber,  die  ein 

gutes  Gedächtnis  haben,  erinnern  sich  stets  sehr  wohl  dessen, 
was  sie  während  aller  anderen  Zeiten  ihres  früheren  Lebens 
gethan  haben.  " 

Soweit  Pinto.  VXw  Irrtum,  darf  man  annehmen,  ist  ihm 
nur  unterlaufen  bei  der  Bestimmung  des  Grundes,  den  der  Bonze 
dafür  angegeben  haben  soll,  da.ss  er   1500  Jahre  zurückzudenken 


Rückblick  auf  Xavicrs  Kämpfe  in  Japan.  227 

vermochte.  Das  Gedächtnis  gehört  nach  buddhistischer  Lehre 
zu  dem  phänomenalen  Teile  des  Menschenwesens,  zu  den 
Khandos,  die  im  Tode  ihre  Verbindung  lösen.  Es  kann  also 
nicht  in  die  folgende  Geburt  mit  hinübergenommen  werden, 
ebensowenig  wie  erworbene  wissenschaftliche  Kenntnisse  oder 
künstlerische  Fertigkeiten.  Das  Selbstbewusstsein  beleuchtet 
stets  nur  diejenigen  Seiten  der  Individualität,  welche  gerade  in 
der  jeweiligen  Geburt  zur  Entfaltung  kommen,  erschöpft  also 
keineswegs  die  Tiefe  der  Individualität.  Dagegen  aber  gibt  es 
neben  dem  beschränkten  ,,  Ich  "-bewusstsein  der  gerade  erreich- 
ten Entwicklungsform  noch  ein  hidividiialhcivusstsciii,  welches 
die  ganze  Reihe  der  durchlaufenen  Entwicklungsstufen  umfasst, 
aber  gleichsam  latent  bleibt  und  erst  nach  Erlangung  des 
Nirv^äna  in  Thätigkeit  tritt,  nachdem  Begier,  Uebelwollen  und 
Wahn,  die  seine  Entfaltung  verhinderten,  restlos  vernichtet 
sind.  5)  Wenn  daher  ein  Bonze  in  Japan  sich  Xavier  gegenüber 
in  der  von  Pinto  mitgeteilten  Weise  etwas  darauf  zu  gute  that, 
dass  er  die  Erinnerung  an  seine  vergangene  Existenz  habe,  so 
erhob  er  damit  den  Anspruch,  ein  Heiliger  zu  sein,  der  dem 
Endziele  der  Buddhaschaft  sehr  nahe  gerückt  sei,  während  der 
Pater,  dem  diese  Erinnerung  an  seine  früheren  Lebensläufe 
fehlte,  ihm  eben  damit  verriet,  dass  noch  der  Schleier  der  Un- 
wissenheit sein  Auge  bedecke.  Freilich  ist  es  sehr  \\ahrschein- 
lich,  dass  nicht  erst  Pinto,  sondern  schon  Xavier  selbst  dies 
verkannte.  Denn  schwerlich  verstand  und  wusste  der  Pater 
mehr  als  der  portugiesische  Abenteuerer  \^on  buddhistischer 
Philosophie.  Wenn  man  in  seinen  Briefen  liest,  was  er  über 
die  Lehre  der  Bonzen  schrieb,  so  gewinnt  man  den  Eindruck, 
dass  er  nicht  viel  mehr  mit  Klarheit  erkannte  als  dies,  dass  sich 
ganz  anders  als  in  Menschenköpfen  sonst  die  Welt  im  Kopfe 
der  japanischen  Theologen  malte.  Man  kann  auch  gar  nicht 
einmal  erwarten,  dass  er  eine  vollkommenere  Kenntnis  der 
fremden  Religion   sollte    besessen  haben.     Seine    geistige  Ueber- 

5.     Vgl.  SuBH.U)R.\  Bhikshu,  Buddhistischer  Katechismus.     Frage  137  und  138 


228  R'iicJddich  a?if  Xaricrs  Kärnpfc  i)i  Japan. 

legenheit  über  die  japanisclien  Rf]i;j;if>ns(licnei'  kiMinte  er  daher 
niclit  wcilil  in  sic;j;rciclu>n  llu-oloiiischcn  Disputationen  liewährcn, 
sofern  es  dazu  nötig  ist,  dass  man  \'or  allem  die  Position  des 
Gegners  versteht.  Dagegen  \\i\\  er  im  ]k\sitze  naturwisKenschaft- 
licher  Kenntnisse,  die  ihn  über  die  Träger  der  japanischen 
Bildung  erhoben.  ,,  Sie  ^\•ussten  nicht ",  schreibt  er  selbst  in 
einem  ]5riefe  aus  Cochin,  29.  Januar  1552,  ,,  dass  die  I'jde 
rund  sei,  und  kannten  gar  nichts  vom  Lauf  der  Sonne  und  der 
Sterne.  Als  wir  nun  auf  ihre  Fragen  dies  und  Aehnliche's,  ^\'ie 
die  Ursachen  der  Kometen,  des  Blitzes  und  des  Regens  erklär- 
ten, hörten  sie  uns  mit  grosser  Aufmerksamkeit  zu,  bekundeten 
grosses  Vergnügen  und  achteten  uns  als  Gelehrte ;  diese  Mei- 
nung \on  unserer  Gelehrsamkeit  ermöglichte  es  uns,  den  Samen 
der  Reliciion   in   ihre   Herzen  zu  streuen.  " 


SECHZEHNTES  KAPITEL. 
Xaviers  Abschied  von  Japan. 


Am  20.  November  155 1,  nachdem  Xavier  noch  einmal  mit 
grossem  Ernste  zu  dem  jungen  Fürsten  gesprochen,  hchtete 
Duarte  da  Gama's  Schiff  die  Anker.  Es  trug  nun  ausser  den 
Kaufleuten  und  dem  Priester  auch  einen  pohtischen  Gesandten,  0 
der,  von  Yoshishige  an  den  Vizekönig  von  Indien  abgeord- 
net, um  diesem  seine  Freundschaft  und  sein  Bündnis  anzutra- 
gen, in  Goa  natürhch  sehr  ehrenvoll  und  freundlich  aufgenommen 
wurde.  Xavier  hatte  sich  angelegen  sein  lassen,  Beziehungen 
zwischen  dem  König  von  Portugal  und  dem  P^irsten  von  Bungo 
anzuspinnen.  Sobald  dieser,  schreibt  er,  \on  der  Macht 
und  dem  Charakter  des  Königs  von  Portugal  hörte,  ersuchte 
er  ihn  durch  ein  Schreiben,  ihn  in  die  Zahl  seiner  P^'eun- 
de  aufzunehmen,  und  sandte  ihm  zum  Zeichen  seiner  P^-eund- 
schaft  einen  kostbaren  Panzer.  Derselbe  ging  nach  Portugal  ab 
in  Begleitung  eines  Schreibens  \-on  Xavier,  in  welchem  er  Johann 
III.  mitteilte,  der  König  von  Bungo  sei  ein  grosser  Bewunderer 
seiner  königlichen  Tugenden  und  übersende  ihni  den  kostbaren 
Panzer  als  Zeichen  seiner  Freundschaft. 

Zwei  Jahre  und  drei  ]\Ionate  hatte  Xavier  in  dem  Inselreich 
gewirkt.  Wie  er  nun  Indienwärts  fuhr,  nahm  er  keinen  anderen 
Reichtum  mit  sich  als  zwei  von  ihm  getaufte  Christen.     Er  hätte 

I.  Da  P.  Antonius  Hereda  in  einem  Briefe,  der  das  ofl'enbar  unrichtige  Datum 
19.  Januar  1552  trägt,  dem  Ignatius  mitteilt,  dass  V.  'M.  Franciscus  anr  24.  Januar 
mit  fünf  Japanern  in  Cochin  angekommen  sei,  wird  man  annehmen  dürfen,  dass 
der  Gesandte  von  zwei  anderen  Landsleuten  begleitet  war. 


230  Xavkrs  Abschied  von  Japan. 

L^^crn  ein  paar  gelehrte  Bonzen  nacli  Portugal  geschickt,  tlamit 
man  dort  einige  Muster  japanischer  Köpfe,  die  sich  durch  be- 
sonderen Scharfsinn  und  Klugheit  auszeichneten,  sähe.  Aber  es 
liess  sich  keiner  dazu  bereden,  auch  nur  auf  einige  Zeit  sein 
Vaterland  vxx  verlassen.  Die  vornehmen  Japaner  haben  kein 
Verlangen,  fremde  Länder  zu  bereisen,  sagt  Xavier  zur  Er- 
klärung. Auch  andere  Neophytcn,  die  er  gerne  mit  sich  genom- 
men hätte,  liessen  sich  durch  die  Beschwerden  der  langen  Seereise 
abschrecken.  Die  beiden,  die  mit  dem  Wunsche,  Jerusalem  zu 
besuchen  und  die  heiligen  Stätten  zu  sehen,  ihn  begleiteten,  waren 
zwei  Neophyten,  mit  denen  er  schon  in  Japan  viel  Umgang 
gehabt  und  Freundschaft  geschlossen  hatte._  Er  bezeichnet  sie 
als  Männer,  die  zwar  ein  geringes  Vermögen,  aber  grossen 
Glauben  hätten.  Er  gedachte  sie  nach  Rom  zu  schicken  als 
die  Erstlinge  der  japanischen  Kirche  und  damit  sie  unterwegs 
in  Portugal  und  besonders  am  Sitz  des  Papsttums  die  Herrlich- 
keit der  römischen  Kirche  mit  eigenen  Augen  schauten.  Sie 
Averden  erwähnt  in  einem  an  den  Ordensgeneral  gerichteten 
Schreiben  von  Barzaeus  aus  Goa  (vom  12.  Januar  1554),  in  dem 
der  Briefschreiber  mitteilt,  dass  P.  Franciscus  sie  diesem  mit 
erster  Gelegenheit  zuschicken  werde,  damit  sie  alsdann  mit  noch 
grösserem  Wachstum  in  den  Tugenden  zum  grösseren  Nutzen  der 
'■liris'licIiLU  Herde  in  ihr  Vaterland  zurückkehrten.  Der  Religiöse 
.  r.-.s  P^ernandez,  der  nach  P2uropa  entsandt  wurde,  um  per- 
sönlich dem  Oberhaupt  der  Kirche  wie  dem  König  von  Portugal 
■•(■ii.Micren  J^ericht  über  die  Verhältnisse  der  Gesellschaft  in  In- 
dien zu  erstatten,  sollte  sie  mit  sich  nehmen.  Wir  haben  den 
Brief,  in  dem  Xavier  ihre  Ankunft  dem  Simon  Rodriguez  an- 
kündigt. ,,  Ich  empfehle  Ihnen  dieselben",  schreibt  er,  ,,  so 
angelegentlich,  wie  ich  überhaupt  nur  jemanden  empfehlen  kann. 
Sorgen  Sie  dafür,  dass  sie  froh  und  befriedigt  zurückkehren,  da 
ihr  Zeugnis    uns  und   dem    christlichen  Namen    grosses  Ansehen 

verleihen  wird Nochmals  empfehle  ich  Ihnen,  die  beiden 

Japaner  so  aufzunehmen,  dass  sie  ihren  Landsleuten  von  unseren 
Kirchen,  Akadcmieen  u.  s.  w.  viel  Merkwürdiges  erzählen  können. 


Xa-i'icFS  Absclikd  von  Japan.  231 

Ich  hoffe,    sie  werden    über  die    ]\Tacht  und    den  Reichtum    der 

Christen  staunen Also  senden  Sie  Matthaeus  und  Ikrn- 

hard  nach  Rom  ;  aber  machen  Sie,  dass  sie  von  einigen  l'atres 
begleitet  nach  Japan  zurückkehren  und  ihren  Landsleuten  be- 
zeugen, was  für  ein  Unterschied  zwischen  der  I\Iacht  der  Chri- 
sten und  der  Japaner  ist." 

Aber  der  eine  von  den  beiden  starb  in  Goa  vor  der  Abreise, 
der  andere  kam  wirklich  nach  Rom,  der  erste  Sohn  des  Landes 
der  aufgehenden  Sonne  in  der  ewigen  Stadt.  -)  Aber  erzählen 
durfte  auch  er  seinen  Landsleuten  nicht  von  dem,  was  er  gesehen 
und  erfahren.  Er  starb  auf  der  Rückreise  von  Italien  zu  Coimbra 
in  Portugal  eines  gottseligen  Todes  als  Mitglied  der  Gesellschaft 
Jesu,  in  die  er  eingetreten  war.  3) 

Auch  Xavier  starb,  ein  Jahr,  nachdem  er  Japan  verlassen 
hatte,  und  ohne  nach  China  gekommen  zu  sein,  auf  der  Insel 
Sanshan  am  20.  Dezember  1552.  Kr  war,  als  er  seine  Augen 
zum  ewigen  Schlunuiier  schloss,  erst  46  Jahre  alt.  Zwölf  Jahre 
seines  irdischen  Pil^erlaufes  hatte  er  im  fernen  Osten  verbracht. 


2.  Satow  bemerkt  (Transact.  of  tlie  As.  Soc.  of  Japan  Vol.  XXVI,  p.  XLVIII), 
dass  sich  in  einem  Briefe  Loyolas  vom  26.  Juli  1554  eine  Erwähnung  eines  japa- 
nischen Christen  finde,  der  Rom  besuchte,  von  dessen  Ankunft  auch  in  einem 
anderen  vom  21.  ]\Iärz  1555  die  Kedc  ist,  und  fügt  hin/,u,  er  haljc  nicht  feststellen 
können,  wer  dieser  Japaner  war.  Seil. st  verständlich  war  dies  der  eine  der  beiden 
von  Xavier  aus  Japan  mitgeführten  Ncophylen. 

3.  Vgl.  Oi'iLANr).     14  n.   14. 


SIEBZEHNTES  KAPITEL. 


Zur   Würdigung   Xaviers. 


Franz  Xavler  ist  der  Apostel  Indiens  genannt  worden.  Mit 
grösserem  Rechte  noch  kann  man  ihn  den  Apostel  Japans  nen- 
nen. Denn  hier  trat  er  nicht  wie  dort  in  eine  längst  bestehende 
Missionsarbeit  ein,  sondern  war  recht  eigentlich  der  Pionier,  der 
allen  nachfolgenden  Christentumsverkündigern  im  Lande  der  auf- 
gehenden Sonne  die  l^ahn  gebrochen.  Wer  sein  unermüdliches 
missionarisches  Wirken,  wie  wir  es  beschrieben  haben,  unbefangen 
betrachtet,  der  kann  nicht  wohl  verkennen,  dass  er  den  Ehren- 
titel eines  Apostels  nicht  mit  Unrecht  trägt.  Xavier  war  nicht 
nur  ein  Jünger  Loyolas,  an  dem  er  mit  einer  fast  religiös  zu 
nennenden  Verehrung  hing,  nicht  nur  ein  Jünger  der  Gesellschaft 
Jesu,  im  Gedeni^en  an  welche  er  einst  schrieb  :  ,,  .SV  oblitus  wi- 
quavi  fncro  tili,  socictas  Jesu,  ohiivioni  detur  dcxtcra  mca  "  (Ps. 
137,5);  er  war  ein  Jünger  Jesu  selbst,  an  dessen  Vorbild  er 
sich  gebildet,  von  dem  er,  wie  wenige,  Demut,  Anspruchslosig- 
keit, Selbstverleugnung,  opferfreudige  Hingebung  und  liebevolle 
Herablassung  zu  d:n  Geringsten  gelernt.  Im  frommen  Herzens- 
verkehr mit  ihm  war  der  aufrichtige  Mann  in  die  Geheimnisse 
des  Reiches  Gottes  eingedrungen.  Sein  ganzes  Auftreten  aber 
zeigt,  dass  er  sich  berufen  fühlte,  nicht  von  Menschen,  auch 
nicht  durch  Menschen,  sondern  durch  Jesum  Christum  und  Gott, 
zu  verkündigen,  was  er  gesehen  und  gehört,  ein  Gesandter  und 
I^otschafter  Gottes,  beauftragt  mit  der  \^erkündigung  des  Evan- 
geliums an  die  Heiden.  Dies  gab  ihm  den  todeskühnen,  uner- 
schrockenen   Heldenmut,    der,  Gott    fürchtend   und    sonst  nichts 


Zur  Wiirdigimg  Xavicrs.  233 

auf  dieser  Welt,  vor  keiner  Gefahr  bangte  und  ihn  auch  den 
Höchsten  freimi^itig  gegenübertreten  Hess ;  dies  spornte  ihn  an 
zu  dem  flammenden  Eifer,  in  dem  er  nicht  müde  wurde,  zu 
wirken,  solange  es  Tag  für  ihn  war;  dies  erfüllte  ihn  mit  der 
Siegeszuversicht,  welche  die  Bürgschaft  des  Erfolges  ist. 

Zu  solchem  Apostelberufe  war  Xavier  von  der  Natur  mit 
Eigenschaften  ausgestattet,  die  ihm  in  Ausübung  desselben  sehr 
zu  statten  kommen  mussten:  begabt  mit  klarem,  scharfem  Ver- 
stände und  geistig  rege,  grossherzig  und  begeisterungsfähig,  bei 
aller  Sanftmut  und  Weichheit  doch  voll  Willensenergie  und  Feuer, 
bei  aller  Demut  doch  voll  Selbstvertrauens  ;  ein  Rüstzeug,  mit 
dem  Gott  besondere,  grosse  Gedanken  haben  konnte,  nachdem 
sein  Leben,  weltlicher  Lust  und  irdischem  Elirgeiz  entsagend, 
für  immer  die  Richtung  auf  ihn  und  auf  das  Ewige  genommen. 
Allerdings  war  Xa\ier  nicht  nur  ein  Knecht  Gottes  und  ein 
Jünger  Jesu,  er  war  auch  ein  Sohn  und  Diener  seiner  Kirche 
und  ein  ergebener  Jünger  der  Gesellschaft,  der  er  sich  verschwo- 
ren. Seine  Auffassung  der  Lehre  Christi  war  die  der  katho- 
lischen Kirche,  seine  Frömmigkeit  die  seines  Ordens.  Das  darf 
indessen  auch  seinen  protestantischen  Beurteiler  nicht  blind 
machen  gegen  die  Thatsache,  dass  er  ein  Gottesmann  war,  dem 
auf  der  Stirn  geschrieben  stand :  ,,  Der  Flerr  ist's,  der  mich 
sendet",  dem  der  Eifer  für  das  Reich  Gottes  aus  den  Augen 
flammte,  der  mit  Herz  und  Seele  aufging  in  seinem  heiligen, 
erhabenen  Beruf 

Seine  äussere  Beglaubigung  durch  Gott  sind  nicht  die  Mirakel, 
die  er,  einer  der  grössten  Thaumaturgen  der  katholischen  Kirche, 
die  evangelischen  Wunder  überbietend  in  Japan  wie  vorher  in 
Indien  vollbracht  haben  soll,  von  denen  er  aber  selbst  in  seinen 
Briefen  nichts  zu  berichten  weiss,  und  die  auch  keinen  einzigen 
wirklichen  Zeugen  für  sich  haben.  Seine  Beglaubigung  durch 
Gott  ist  der  Erfolg,  der  seiner  rastlosen  Thätigkeit  beschert  wurde. 
Zwar  als  er  Japan  verlies.s,  hatte  er  nicht  so  viel  ausgerichtet,  als 
er  auszurichten  gehofft  hatte.  Gleich  seinen  ersten  stolzen  Plan, 
die  Fahne    Jesu  in  der    Metropole  des    Liselreichs    aufzurichten, 


234  '^^''^   JVürdigiiiig  Xcwicrs. 

hatte  er  nicht  ausführen  Ivönncn.  1  )ic  Zalil  der  Getauften  betrug" 
nur  einii^e  hundert,  'j  an  nieht  mehr  als  drei  Orten  waren 
kleine  Gemeinden  gegründet.  Kam  Xa\ier  auf  der  einen  Seite 
die  Gunst  der  Territorialherren  zu  statten,  die  ihm,  wenn  auch 
nicht  aus  lauteren  Interessen,  die  \'üllniacht  zu  predigen  erteilten, 
so  war  ihm  andererseits  die  Soelengewinnung  durch  seine  Un- 
kenntnis der  Landessprache  erschwert. 

Aber  die  Bahn  für  das  Evangelium  hat  Xa\ier  doch  ge- 
brochen in  den  zwei  Jidiren  und  drei  Monaten  seines  Aufijnt- 
haltes  auf  japanischem  Boden  ;  er  hat  der  christlichen  Religion 
in  einem  Lande,  wo  der  Name  Jesu  vorher  gänzlich  unbekannt 
gewesen,  dcw  Weg  bereitet ;  er  hat  Samen  ausgestreut,  den  seine 
Nachfolger  durften  aufgehen  sehen.  Er  hat  den  Anfang  mit 
Schaffung  einer  christlichen  Literatur  in  Japan  gemacht.  Auch 
das  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  er  durch  seine  Briefe  an 
die  Gesellschaft  Jesu  und  Rundschreiben  an  die  Univ^ersi täten 
die  Aufmerksamkeit  des  Jesuitenordens  und  des  katholischen 
Europa  auf  das  neue  verheissungsvolle  Arbeitsfeld  gelenkt,  so 
dass  in  der  P'olge  eine  Schar  von  geistlichen  Arbeitern  dahin 
entsendet  wurde.  Und  ein  Verdienst  Xaviers  ist  auch  dies,  und 
nicht  das  geringste,  da.ss  die  letzteren  zum  grossen  Teile  tüch- 
tige Priester  waren.  Denn  immer  und  immer  wieder  hat  er  in 
seinen  Briefen  mit  allem  Nachdruck  betont,  dass  nur  Männer 
höherer  Bildung  und  gründlicher  Gelehrsamkeit  für  die  Arbeit 
an  den  Japanern  geschickt  und  brauchbar  seien. 

Was  auszusetzen  ist  an  Xavier,  das  ist  die  Flüchtigkeit  und 
das  Summarische  seiner  Bekehrungsmethode.  Die  oberflächliche 
Kenntnis  einiger  Gebote  und  Lehrsätze  des  Christentums  hielt 
er  für  eine  genügende  Vorbereitung  zur  Aufnahme  der  Erwach- 
senen in  die  Kirche.  Oft  taufte  er  Leute  noch  an  demselben 
Tage,  an  dem  sie  durch  ihn  zum  erstenmale  etwas  von  einer 
anderen  Religion   als  ihrer   bisherigen    gehört.      Bezeichnend  für 

I.     Nicht  „plusktirs  ini/lie?-s",  wie  noch  1896  Marnas  (a.  a.  ü.  Tome  I,  p.  15 
übertreibend  antribt. 


Zur  Würdigung  Xavicrs.  235 

die  Oberrtächlichlceit  seiner  Methode  ist,  was  er  in  einem  seiner 
Briefe  schreibt.  Da  teilt  er  als  etwas  Verwunderungswertes  mit, 
seine  Gläubigen  zeigten  so  tiefgehendes  Interesse  für  ihre  neue 
Religion,  dass  sie  fragten,  was  das  Bekreuzen  bedeute,  das  er 
sie  gelehrt,  Avelchen  Sinn  es  habe,  dass  sie  zuerst  die  Hand  an 
die  Stirne  heben  sollten  mit  den  Worten  ,,  Im  Xamen  des 
Vaters",  darauf  zur  Brust  senken  müssten  mit  den  Worten 
,,  und  des  Sohnes "  und  endlich  von  der  rechten  zur  linken 
Schulter  zu  flihren  hätten,  sprechend  ,,  und  des  heiligen  Geistes". 
Auch  das  erachtet  er  als  mitteilenswert,  dass  sie  zu  wissen 
begehrten,  was  die  Worte  Kyrie  eleison,  Cliriste  eleison  meinten, 
die  er  sie  lernen  und  sagen  Hess.  Hieraus  ersieht  man,  dass 
Xavier  sich  vielfach  an  einer  bloss  äusserlichen  xA.pplizierung  des 
Christentums  genug  sein  Hess.  Von  einer  wirklichen  Predigt- 
thätigkeit  und  von  einem  rechten  Unterricht  der  Neophyten  vor 
der  Taufe  konnte  ja  schon  darum  keine  Rede  sein,  weil  weder 
Xax'ier  noch  seine  Genossen  der  japanischen  Sprache  hinreichend 
mächtig  waren. 

Diesem  IMangel  half  er  allerdings  einigermassen  dadurch 
ab,  dass  er  einzelnen  Bekehrten  wie  den  Gemeinden  seinen 
,,  Christlichen  Unterricht"  in  Abschrift  zu  weiterem  Selbstunter- 
richte hinterliess.  Ich  habe  oben  (Kapitel  VI)  die  Vermutung- 
ausgesprochen  und  zu  begründen  versucht,  dass  dieser  japanische 
Katechismus,  der  verloren  ist,  mit  einem  von  Xavier  auf  den 
Molukken  gebrauchten,  der  uns  erhalten  ist,  sich  deckt.  Ich 
gebe  ihn  als  Anhang  in  deutscher  Uebersetzung  wieder.  Der 
Inhalt  dieses  Dokuments,  den  er  selbst  als  eine  Probe  von  dem 
bezeichnet,  was  er  den  Heiden  bringe,  2)  gibt  uns  das  Recht,  zu 
sagen  :  was  den  Japanern  von  Xavier  gepredigt  worden  ist,  war 
das  Wese»tliche  des  orthodoxen  Christentums,  vielleicht  weniger 
versetzt  mit  Menschensatzung  als  die  landläufige  katholische  Ver- 
kündigung in  der  europäischen  Christenheit,  die  Luther  zu  seinem 
folgenschweren  Protest  veranlasste ;   und  mehr  noch  :  was  Xavier 

2.     Brief  an  Ignatius  Ix)yola,  Cochin,  29.  Januar  1552. 


236  Zur   Wnrdigiiiii^  Xavici'S. 

gelehrt,  war,  ob  auch  in  kalholisclicr  l-'\)rni  c^cbotcn,  doch  das 
Evangchutii  von  Jesus,  eine  Kraft  Gottes  sch"y;  zu  maclicii  alle 
die  daran   erlaubten.  3) 


3.  Zur  Vergleichung  stehe  dagegen  hier,  weil  ganz  cnlgegengesetzt,  das  harte 
Urteil  Venn's,  des  protestantischen  englischen  Biographen  Xaviers.  Er  sagt  S.  l86 
f.:  „In  seinem  Handbuch  für  den  Unterricht  für  Neubekehrte,  das  er  in  mehrere 
Sprachen  üljcrsetzen  Hess  und  allen  Missionaren  zum  Gebrauche  vorschrieb,  sollte 
man  billig  von  einem  Manne  wie  Xavier  erwarten,  doch  trotz  des  römisch-katho- 
lischen Systems  einige  Grundwahrheilcn  des  Christentums  zu  finden,  ^\'ie  sehr  man 
aber  in  dieser  Erwartung  getäuscht  wird,  zeigt  die  folgende  Darstellung  der  Erret- 
tung   des    Menschen    nach    dem    Sündenfall [siehe    diese    im    Anhang    I]. 

Kann  man  nach  dieser  Probe  noch  verkennen,  dass  das  von  den  Jesuiten  gelehrte 
Christentum  schon  damals  die  Art  und  Form  der  indischen  Göttersage  angenommen, 
und  die  sogenannten  IJekehrungen  daher  nicht  Dekehrungcn  vom  Heidentum  zum 
Christentum,  sondern  nur  Uebergänge  von  einer  Art  des  Heidentums  zu  einer  andern 
waren,  und  dass  die  späteren  Jesuiten  im  südlichen  Indien  mit  ihren  schliesslich 
auch  vom  Tapste  verdammten  Trügereien  wesentlich  doch  auf  dem  Wege  Xaviers 
wandelten? — Durch  das  ganze  Handbuch  hindurch  findet  sich  kaum  eine  Verwei- 
sung auf  die  Bibel,  auf  die  Notwendigkeit  der  Busse  oder  des  Glaubens  an  die 
\  ersöhnung  in  Christo.  Nichts  als  trockene  Darstellung  abstracter  Glaubenssätze 
oder  auch  Thatsachen  aus  der  llibelgeschichte  mit  Fabeln  gemischt  und  am  Schhiss 
die  umfassendste  Versicherung  unbedingten  Glaubens  an  die  Kanones  der  heiligen 
Väter,  die  Decrete  der  Concilien,  die  Edicte  der  Päpste,  wie  sie  von  Cardinälen, 
Patriarchen,  Erzbischöfen  und  anderen  Prälaten  der  Kirche  bekannt  gemacht  seien. 
Was  mochten  die  armen  Ileidenchristen  von  all  diesen  kirchengeschichtlichen 
Dingen  wissen?  Konnte  man  eigentlich  nach  solchem  Unterricht  die  Leute  zum 
Christentum  bekehrt  nennen  ?  ■' 


Literatur  zum  Leben  Franz  Xaviers. 


Die  Hauptquelle  für  Xaviers  Leben  sind  seine  in  spanischer 
oder  portugiesischer  Sprache  abgefassten  Briefe,  von  denen  jedoch 
eine  grosse  Anzahl  verloren  ist.  Die  vorhandenen  sind  haupt- 
sächlich in  lateinischer  Sprache  erhalten.  In  den  zahlreichen 
Sammlungen  unter  dem  Titel  ,,  Epistolac  Indicae "  sind  nur 
wenige  derselben  erschienen. — Horatius  Tursellinus  liess  1596 
zu  Rom  52  Xavierbriefe  in  lateinischer  Uebersetzung  drucken. — 
1667.  168 1  veröffentlichte  der  Jesuitenpater  Possinus  einen  Band 
von  90  neuen,  noch  ungedruckten  Briefen  aus  den  Archiven  zu 
Rom,  Lissabon  und  Goa  ; — andere  machte  P^r.\xz  Cutill.\s  be- 
kannt (Madrid  1752). — Die  bis  jetzt  vollständigste  und  zugleich 
sorgsamste  Sammlung  hat  in  2  Bänden  der  P>xjesuit  RociR's 
AIexcpiaca  geliefert  unter  dem  Titel  ,,  S.  Francisci  Xavcrii  e  Soc. 
J.  Indiaruin  apostoli  cpistolariun  oinnium  libri  quatiior,  ex  Pctro 
Maffcio,  Horatio  Tiwscllino,  Pctro  Possino  et  Francisco  Cutillas. 
Ac  cedit  dcnuo  ca  rund  cm  chronotaxis,  tum  iudex  multiplex  et  ap- 
pendix.  Opera  R.  M.  oliui  Societatis  Jesu.  Saccrdotis  in  Castcllana 
provincia  "  {Bononiae).  Titelblatt  und  Vorrede  sind  ohne  Jahr- 
zahl, aber  die  Approbation  ist  vom  2.  August  1795.  Der 
Wert  dieser  Sammlung  von  146  Briefen  wird  noch  durch  die 
ihr  beigedruckten  Untersuchungen  Menchacas  über  die  Zeitfolge 
der  Briefe  erhöht,  sowie  durch  den  X^achweis,  dass  mehrere  der 
in  früheren  Ausgaben  erschienenen  gefälscht  sind. — Von  dieser 
Hauptsammlung  erschien  eine  französische  Uebersetzung  ,,Lettres 
de  St.  Fran^ois  Kavier,  apotrc  des  Indes  et  dn  Japon  etc.  par 
A.M.T.''   (Faivre).     Lyon  et  Paris    1828.  2    voll.— Die  \\o\og- 


23 S  Literatur  r:uvi  Lcboi  Frajiz  Kavier s. 

nescr  Aus_<;abe  liegt  auch  zu  Grunde  der  zweiten  französischen 
Uebcrsetzung  ,,  Lettres  de  S.  FraiK^ois  Xavier  de  la  Compagiiie 
de  Jesus,  apbtre  des  Lides  et  du  Japan  etc.  par  M.  I.eon  Pages." 
Paris  1855.  2  voll., — sowie  der  englischen  Ausgabe  von  H.  J. 
CoLERiDc.E  ,,  77/r  Life  and  L^etters  oj  St.  Francis  Xavier".  Second 
cdition,  London  1S74.  2  voll. — I\Iit  Benutzung  der  vier  letzt- 
genannten Sammlungen  hat  Eduard  de  Vos  eine  deutsche  Aus- 
gabe veranstaltet:  „Lieben  und  Briefe  des  heiligen  Franciscus 
Xaverius,  Apostels  von  Lndien  und  Japan  ".  Regensburg  1877. 
2  Bd. — Durch  dieses  Werk  ist  die  ältere  dreibändige  Ueberset- 
zung  antiquiert,  welche  in  i.  Aufl.  1836  und  1840  in  Neuwied, 
in  2.  Aufl.  1845  in  Coblenz  bei  Philipp  Werle  unter  dem 
Titel  ,,  Die  Brieje  des  grossen  Apostels  von  Lndien  uiui  Japan, 
des  heiligen  Franz  von  Xavier  aus  der  Gesellschajt  Jesu,  als 
Grundlage  der  JMissionsgeschiclite  späterer  Zeiten  übersetzt  und 
erklärt  von  Jo.seph  Burg"  erschien.  —  Auch  in  japaniscJier 
Uebersetzung  sind  die  Biiefe  1891  in  3  Bänden  veröffentlicht 
worden  (I^^^AßPlTä  :   ifeÜ.  ^  A^t  1  •   ?"^'  ^  Jl^^lEHl-. 

Als  weitere,  freilich  mit  grosser  Vorsicht  zu  benützende 
Quelle  ist  Mexdez  Pinto  zu  nennen,  der  in  seiner  portugiesischen 
Reisebeschreibung  einzelne  Zi'ige  aus  dem  Leben  Xaviers  auf- 
bewahrt hat. 

Es  gibt  schwerlich  einen  Heiligen,  dessen  Leben  öfter  ge- 
schrieben worden  und  im  Druck  erschienen  ist  als  das  Franz 
Xaviers.  Eine  kritische,  wissenschaftlichen  Ansprüchen  genügende 
Darstellung  existiert  gleichwohl  bis  heute  noch  nicht.  Die 
gesamte  Xavierliteratur  hier  zu  registrieren  wäre  überflüssige 
Arbeit.  Der  Leser  findet  sie,  soweit  sie  bis  1859  erschienen  ist, 
ziemlich  vollständig  in  Leon  Pages'  Bibliographie  Japonaise  auf- 
gefi'ihrt  unter  den  Nummern  52,  56  et  bis,  ter,  84,  104,  126, 
149,  150,  151,  160  et  bis,  161  et  bis,  162,  226,  235,  243,  244, 
258  et  ter,  270,  280,  281,  287,  298,  299,  302,  310,  317,  318, 
322,  340,  34T,  346,  347,  352,  358,  369,  383,  448,  641.  Ich 
merke  daher    hier  von  den    älteren  Werken  nur   rlie    wichtigsten 


Literatur  ziuii  Leben  Fra}i:~  Xaviers.  239 

und  dazu  die  neuere  cinschlägii^'e  Literatur  an,  die  bei  Pages  nicht 
zu  finden  ist. 

Die  älteste  Lebensbesclireibung  Xaviers  ist  die  von  dem  Jesui- 
ten Emanuel  Acosta  aus  den  „  Epistolae  Lndicae"'  zusammen- 
gestellte und  von  Maffei  1571  herausgegebene  dürftige  Skizze. — 
Sein  nächster  Biograph  ist  der  Jesuit  Horatius  Tursellinus  mit 
seinem  unkritischen,  erbaulichen  Werkchen  ,,  De  Vita  S.  Francisci 
Xaverii  qui prinnis  e  Societate  Jes2i  in  India  et  Japonia  Evangelium 
promulgavit''.  Rontac  1594. — Im  Todesjahre  ihres  Verfassers, 
des  portugiesischen  Jesuiten  und  Professors  an  der  Universität 
l^vora,  JoAM  DE  LucEXA,  erschien  die  „  Historia  da  i'ida  do  padre 
Francisco  de  Kavier,  c  do  que  fizeräo  na  Lndia  os  niais  reiigiosos 
da  Covipanhia  de  Jesu''  {Lisboa  1600),  deren  Autorsich  mit  der 
Geschichte  der  Portugiesen  im  Osten  wohl  vertraut  zeigt  und  s!ch 
durch  die  nüchterne  Art  seiner  Darstellung  vorteilhaft  von  den 
späteren  Lebensbeschreibern  unterscheidet. — Material  zum  Deben 
des  Paters  enthält  Nicaolo  Orlaxdixi's  LIistoria  Societatis  Jesu 
{Roniae  161 5). — P^ine  sehr  ausführliche  Darstellung  des  Lebens 
und  Wirkens  Xaviers,  die  Hauptquelle  llir  alle  späteren  Bio- 
graphen, findet  sich  im  i.  Teil  (Buch  LIV)  des  erstmalig  1653 
zu  Rom  gedruckten  Werkes  ,,Deir  istoria  della  Conipagnia  di 
Giesu  r Asia "  von  Daniel  Bartoli,  der  bereits  die  Kanonisa- 
tionsakten  benützen  konnte. — Erwähnenswert  ist  Fr.  Garcia's 
,,  Vida  y  Milagros  de  S.  Francisco  Kavier  de  la  C  de  J.,  apostol 
de  las  Indias  ",  Madrid,  ohne  Jahr  ;  die  Approbation  ist  vom  Jahre 
1672. — 1682  schrieb  der  französische  Jesuitenpater  Dominique 
BouFiouRS  zu  Paris  seine  berühmte  ,,  [/V  de  S.  Fran^ois  Kavier 
de  la  C.  de  J.,  apötrc  des  Inlcs  et  du  Japon'\  die  guten  Gebrauch 
\-on  Xa\'iers  Briefen,  soweit  sie  damals  bekannt  waren,  macht, 
aber  auch  Legenden  in  Menge  spinnt  und  ihren  Helden  zu 
einem  Thaumaturgen  stempelt.  Eben  das  hat  sie  wohl  inner- 
halb der  katholischen  Kirche  zur  klassischen  Lebensbeschreibung 
werden  lassen,  die  schon  vierundzwanzigmal  neu  aufgelegt  und 
ins  Lateinische,  Englische,  Hämische  und  ins  Deutsche  übersetzt 
worden  ist,  in  welch  letzterer  S[)rache  sie  bereits  zwei  Auflagen 


240  Utcraiiir  r:uiii  Leben  Frair:  Xa^'irrs. 

(Fi'anl<furt  1S30  und  Münster  1855)  crliallcn  liat. — Kürzer,  aber 
selbständig;"  und  hie  und  da  Neues  beibrinc;'end  ist  das  „Coiiipcndio 
dclla  Mda  di  S.  Francisco  Siwcrio''  von  P.  Giuseppe  Massei 
{Roniac  1793). — Bei  Pages  nicht  erwähnt  ist  Meer  van  Kuffelek, 
Jlct  Icvcn  van.  Francisciis  Xa^'crins  Inj  gen  Apostel  van  Indie.  Ley- 
dcn  I.S4I. — Einen  Icurzen,  ]<ritilvlosen  Lebensabriss  hat  Pages  seiner 
französischen  Ausgabe  der  Xavierbriefe  von  1S55  vorausgeschickt. 
— Zwei  Jahre  später  erschien  Daukignac's  2  bändige  ,,  Histoire  de 
St.  Fraii^ois  Xavier,  apotre  des  Indes  et  du.  Japon''. — -Auf 
mangelhaften  Quellen  fusst  Luinvio  de  Marees  in  seiner  Abhand- 
lung ,,Die  Missionsthätigkeit  des  Jes7iiten  Franc  Xavier  in  Asien", 
Zeitschrift  für  lutherische  Theologie,  Bd.  21.  (1860)  S.  222-253. 
— Die  Darstellung  eines  Protestanten  ist  auch  das  Buch  ,,  Ulis- 
sionary  Life  and  Labonrs  of  Francis  Xavier  taken  froi/i  Jus  oivn 
correspondcnce  ivitJi  a  sketch  of  tJie  gener al  results  of  Roman 
CatJiolic  JMissions  aniong  tJie  heatJien  by  Henry  Venn",  London 
1862. — Hie  und  da  abgekürzt,  seltener  mit  einigen  Zusätzen 
versehen,  findet  sich  diese  Schrift  in  deutscher  Uebersetzung  im 
zweiten  Buche  des  1869  in  Wiesbaden  erschienenen  Werkes  „Franz 
Xavier.  FJn  iveltgescJiicJttlicJics  Missionsbild  von  Rev.  H.  Venn 
nndW.  HoFF.MANX  ".  Dem  Urteil  IT.  Daltons  (Auf  Missionspfaden 
in  Japan,  S.  431),  dass  dieses  Werk,  gerecht  abwägend  im  Urteil, 
ein  würdiges  Gegenstück  zu  den  Entstellungen  des  römischen 
Tendenzschriftstellers  Marshall  sei,  vermag  ich  nicht  beizutreten, 
\\iinschte  vielmehr,  eben  als  Protestant,  die  Müsse  zu  haben,  an 
die  Stelle  dieses  einzigen  bisher  von  nichtkatholischer  Seite 
gezeichneten  Lebensbildes  ein  besseres  zu  setzen,  das  ohne  Vor- 
eingenommenheit der  achtungswürdigen  Persönlichkeit  des  japa- 
nischen Missionspioniers  und  seinem  unermüdlichen  Wirken  mehr 
Gerechtigkeit  widerfahren  liesse,  ohne  ihn  auf  der  andern  Seite 
panegyrisch  in  der  Weise  der  katholischen  Historiographen  zum 
vollkommenen  Heiligen  und  Wunderthäter  zu  erheben. — Die 
beste  Leben.sbeschreibung  Xaviers  hat  bis  jetzt  P.  Coleridge  in 
seine  englische  Briefausgabe  verwoben.  Seine  Absicht  war  nach 
der  Vorrede    ,,  to  give  a  clear  narrativc    of  his    life  as   it  Stands 


Litcralnr  zum  Lcboi  franrj  Xaz'icrs.  24.I 

iit  tlic  onünary  biograpidcs,  aiid  to  2isc  thc  z^'/iolc  of  tlic  uitcrs 
and  fragiiiciits  zchich  havc  survivcd  to  iis,  in  thc  form  in  zchich 
ICC  posscss  t/icm,  to  Uli  ist  rate  tlic  lifc  and  to  spcak  to  us  of  his 
cliaractcr  for  tJicmsclvcs'' . — Diesem  in  seiner  Art  trefflichen  eni;"li- 
schen  W'erl^e  ist  der  ausser  von  demselben  besonders  von  Bou- 
hours  abhängige  deutsche  Autor  Eduard  de  Vos  auch  in  der 
Anlage  seiner  Ausgabe  gefolgt,  in  der  Weise,  dass  er  eine 
Erzählung  des  Lebens  gibt  und  jedesmal  an  cbn  betreffenden 
Stellen  die  Briefe  einschaltet. — Populär  gehalten  sind  W.  REriii- 
MEiER,  Leben  des  hedigen  Franz  Xavier,  Apostels  von  Indien  und 
fapan.  Schaffhausen  1846.  2.  vollst,  umgearb.  Aufl.  von  F. 
FiRXSTEix,  Regensburg  1881  ; — N.  Grefe,  Das  Lebendes  h.  fr. 
Xaverius  (für  das  deutsche  V^olk),  Einsiedeln  18S5.  3.  Aufl. 
1S97. — Siehe  ferner:  E.  Gothei.m,  Ignatius  von  Loyola  und  die 
Gegenreformation.  Malle  1895,  S.  268  f.,  615-646,  793. — Zuletzt 
erschienen  sind  A.  Peltier,  Saint  Fran^ois  Xavicj-,  Paris  [1898] 
und  J.  Gros,  St.  Fran^-ois  de  Xavier,  Paris,  Retaux  [1900]. — 
Peinige  weitere,  wertlose.  Literaturangaben  gibt  Professor  C.  Mirbt 
zu  dem  Artikel  Franz  Xavier  im  6.  Bande  der  Realencyklopädic 
tür  protestantische  Theologie  und  Kirche  von  I  lauck. — handlich  ist 
über  Xaxäer  unter  dem  Titel  ,,  Monumenta  Xavcriaiui  ex  auto- 
graphis  vel  ex  antiquioribus  exemplis  collecta "  in  den  von  -den 
Madrider  Jesuiten  herausgegebenen  ,,J\Ioiiumcnta  LIistorica  Soeictatis 
fesn  nunc  prinium  edita"'  1 899-1 900  der  erste  l^and  einer  beach- 
tenswerten Oucllenveröffentlicluing  erschienen  (Tomus  I.  Saneti 
Früncisei  Xaz'crii  epistolas  aliaque  scripta  eompleetens,  quibus 
pracmittitur  ejus  vita  a  /'.  ^ILxandro  WdigiMiio  ex  Lidia  Ronuiin 
tnissd). 


►♦O-^e^- 


ANHANG. 
I. 

Katechetisches  Sendschreiben   an   die   Bewohner 
der  IVloIukken. 

(Ausführliche   Erklärung  des  Glaubensbekenntnisses),  i) 


Es  ist  ein  grosses  Glück  für  Christen,  zu  hören  und  zu 
wissen,  wie  und  in  welcher  Ordnung  Gott  aus  Nichts -alle  Dinge 
zum  Gebrauche  und  zum  Dienst  der  Menschen  geschaffen  hat. 

Im  Anfang  schuf  er  Himmel  und  I'^rde,  die  Engel,  Sonne. 
Mond  und  Sterne,  Tag  und  Xacht ;  die  Pflanzen  und  alle  Arten 
von  Gewächsen,  die  Erüchte  des  Eeldes  und  der  Bäume,  die 
Vögel  und  die  Landtiere ;  das  Meer,  die  Elüsse  und  die  Seen 
und  die  Tiere,  die  im  Wasser  leben.  Nachdem  ades  dies  ge- 
schaffen war,  schuf  er  zuletzt  den  Menschen,  den  er  nach  seinem 
Bilde  und  Gleichnisse  machte. 

Der  erste  von  Gott  erschaffene  Mann  war  Adam,  und  das 
erste  Weib  Ev^a.  Nachdem  er  beide  gebildet  und  ihnen  den 
lebendigen  Odem  eingehaucht  und  sie  in  das  irdische  Paradies 
gesetzt  hatte,  segnete  er  sie,  gab  sie  zusammen  und  vereinte  sie 
durch  das  Band  der  Ehe  und  gebot  den  so  Verbundenen,  Kinder  zu 
erzeugen  und  die  Erde  zu  bevölkern.  Von  diesem  Adam  und 
dieser  Eva  stammen  wir  alle  ab,  von  ihnen  durch  P'ortpflanzung 
das    ganze    menschliche    Geschlecht.       In    diesem    ersten    Paare 

I     Siehe  Kap.  VI  am  Ende. 


244  /liihang  I. 

haben  wir  ein  Vorbild  der  iM'nheit  in  der  inenschliehen  l'"J-ie. 
In  der  That,  da  der  Gott  aller  W^eisheit,  der  Schcjpfer  der  Natiii', 
iVdani  nicht  mehr  als  ci)ie  Gattin  gab,  so  ist  die  l^^-eiheit,  welche 
die  Mohammedaner  und  Götzendiener  und — was  noch  schlimmer 
\\wi\  noch  mehr  zu  beklagen  ist — auch  oft  schlechte  Christen  sich 
nehmen,  nämlich  mit  melireren  Weibern  zu  gleicher  Zeit  zu- 
sammen zu  leben,  offenbar  gegen  Gottes  Willen  ;  und  auch  die- 
jenigen, die  nur  mit  einer  Konkubine  zusammenleben,  Verstössen 
gegen  das  ursprüngliche  Beispiel  ;  denn  Gott  erlaubte  Adam  -und 
E\^a  nicht  eher,  Kinder  zu  erzeugen,  als  bis  sie  von  ihrem 
Herrn  und  Schöpfer  rechtmässig  durch  das  Band  der  l^he  \er- 
einigt  waren.  Deshalb  haben  die  Unzüchtigen,  weil  sie  gegen 
den  Willen  Gottes,  der  sie  geschaffen  hat,  sich  auflehnen,  Strafe 
zu  gewärtigen,  wie  sie   ihrem  Vergehen  entspricht. 

Auch  diejenigen,  welche  Götzen  anbeten,  mögen  erkennen, 
weiches  Vergehens  sie  sich  dadurch  schuldig  machen,  dass  sie 
Gott,  den  einen  wahren  Schöpfer  aller  Dinge,  verachten  und 
x'crlassen  und  in  ihrem  Wahne  stunmie  Bilder  und  Ausgeburten 
der  Hölle  anbeten.  Während  die  gesunde  Vernunft  uns  klar 
und  deutlich  lehrt,  dass  wir  uns  in  unserm  Leben  den  Weg 
sollen  weisen  lassen  von  dem,  der  uns  das  Leben  gegeben  hat, 
setzen  sie  in  ihrem  gottlosen  W'ahne  alle  ihre  Hoffnung  auf 
Zauberei,  Gaukelei  und  auf  die  eitlen  VorherverküncHgungen  der 
Wahrsager  und  lassen  ihr  Thun  durch  sie  bestimmen.  Sie 
weihen  dem  Teufel,  dem  un\ersöhnlichen  Feinde  ihres  Seelen- 
heils, den  Glauben  und  die  Verelu'ung,  die  sie  Gott,  dem 
Urheber  alles  Guten,  schuldig  sind,  der  ihnen  Seele  und  Leib, 
alles,  was  sie  sind  und  haben  und  vermögen,  gegeben  hat — eine 
Sünde,  die  ebenso  schändlich  und  abscheulich  an  sich  ist,  als 
sie  den  Unglücklichen,  welche  sie  begehen,  verderblich  ist;  denn 
ihr  thörichter  Aberglaube  schliesst  sie  aus  vom  Himmel,  wo  den 
Seelen  derer,  die  Gott  dienen,  eine  Stätte  ewiger  Ruhe  und  eine 
F"ülle  des  Trostes  bereitet  ist,  die  heiligen  Gefilde  der  Glück- 
seligkeit, zu  welcher  der  Schöpfer  in  seiner  unendlichen  Güte  die 
Menschen  bestinnnt  h.it. 


Xcn'ic'i's  Erklärung  des  Glmibcnsbckcnntnisscs.  245 

Wie  viel  weiser  sind  doch  die  wahren  Ciiristen,  die,  treu 
Gott,  ihrem  Herrn,  an  ihn  glauben,  ihn  im  Geiste  anbeten,  alle 
Kräfte  ihres  Verstandes  und  alle  Empfindungen  ihres  Herzens 
hingeben  an  den  einen  wahren,  höchsten  und  ewigen  Geist, 
den  Schöpfer  Himmels  und  der  Erden,  und  ihre  innere  Hingabe 
an  Gott  durch  äussere  Andachtszeichen  an  den  Tag  legen,  indem 
sie  die  Kirchen  besuclien,  wo-  sie  an  den  Altären,  die  zu  Ehren 
des  lebendigen  Gottes  errichtet  sind,  die  Bilder  seines  Sohnes 
Jesus  Christus,  der  jungfräulichen  Gottesmutter  und  der  Heiligen, 
der  Diener  Gottes,  verehren,  die  nach  einem  Leben,  in  Treuen 
verbracht  in  seinem  Dienst,  mit  ihm  herrschen  in  der  Herrlich- 
keit des  Paradieses. 

Inmitten  dieser  erhabenen  Denkmäler,  dem  Werke  heilsamen 
Andenkens  an  die  Gegenstände  und  Personen,  die  sie  abbilden, 
richten  sie,  auf  dem  Boden  knieend  und  die  Hände  zum  Himmel 
erhoben,  aufwärts  Auge  und  Herz  und  bekennen  ihren  Glauben 
an  Gott,  dessen  Wohnung  der  Himmel  ist,  und  von  dem  allein 
sie  alles  Glück  und  allen  Trost  erwarten,  mit  diesen  dem  heili- 
gen Petrus  zugeschriebenen  Worten  :  ,,  IcJt  glaube  an  Gott  den. 
Vater,  allmächtigen  Schöpfer  Himmels  jind  der  Erdenk  -) 

Die  P'ngel  im  Himmel  schuf  Gott,  ehe  er  die  Menschen  auf 
Erden  schuf  Die  grössere  Zahl  der  Engel  nun  betete  alsbald 
ihren  Gott  an,  ihm  Dank  sagend  und  ihn  preisend  Rir  die 
Wohlthat  der  P^rschaffung.  Lucifer  hingegen  und  viele  Engel 
mit  ihm    weigerten  ihrem    Schöpfer    die    gebührende    Anbetung ; 

2  Nach  einer  schon  in  der  Explanatio  symboli  des  Ambrosius  auftauchenden 
und  bei  Rufinus  und  Späteren  wiederkehrenden  Sage  wurde  das  Symbol  bald  nach 
der  Ausgiessung  des  heiligen  Geistes  von  den  Aposteln,  ehe  sie  sich  zur  Verkün- 
digung des  Evangeliums  in  verschiedenen  Ländern  trennten,  gemeinsam  verfasst. 
In  ausgebildeterer  Gestalt  erscheint  diese  Legende  in  einer  pseudoaugustinischen 
Rede,  nach  w-elcher  das  Bekenntnis  in  der  Weise  entstanden  ist,  dass  bei  einer 
Zusammenkunft  in  Jerusalem  jeder  der  zwölf  Apostel  durch  Aussprechung  eines 
Glaubensartikels  seinen  Beitrag  zum  Symbol  beigesteuert  habe.  Dieser  alten  Ueber- 
lieferung,  die  vielleicht  schon  Ambrosius  kannte,  da  er  bereits  das  Symbol  in  zwölf 
Sätze  eingeteilt  wissen  will,  folgt  hier  in  Uebereinstimmung  mit  der  katholisclicn 
Tradition  Xavier. 


246  Anhang  I. 

sie  sprachen  in  ihrem  Hochmut:  ,,  Lasst  uns  aufstehen  und  uns 
zu  Gott  erheben,  der  hoch  im  Himmel  thront!"  Diese  frevle- 
rische Ueberhebung  zu  strafen,  stürzte  Gott  den  Lucifer  samt 
seinem  Anhange  vom  Himmel  in  die  Hölle. 

Als  Lucifer  so  gestürzt  war,  sah  er  Adam  und  h2va,  die 
ersten  Menschen,  und  neidete  ihnen  die  Gnade,  in  der  sie  Gott 
geschaffen  hatte,  und  um  sie  derselben  zu  berauben,  suchte  er 
ihnen  denselben  Hochmut,  der  seinen  Fall  vom  Himmel,  ver- 
ursacht hatte,  einzuflössen.  Er  erschien  vor  ihnen  im  irdischen 
Paradiese  und  spiegelte  ihnen  die  falsche  Hoffnung  vor,  sie 
würden  gleiche  Ehre  wie  Gott  erlangen,  wenn  sie  von  der  vom 
Schöpfer  verbotenen  Frucht  ässen.  Adam  und  Eva  wurden 
verlockt  von  dieser  trügerischen  Vorspiegelung,  dass  sie  wie 
Gott  würden,  willigten  in  die  Versuchung  ein  und  assen  von 
der  Frucht  des  Baumes,  der  verboten  war.  Zu  derselbigen  Stunde 
gingen  sie  der  Gnade  verlustig,  in  der  sie  erschaffen  waren, 
und  zur  Strafe  für  ihre  Sünde  verstiess  sie  Gott  sofort  aus  dem 
irdischen  Paradiese.  Von  da  an  lebten  sie  verbannt  von  diesem 
Wohnort  der  Freude  neunhundert  Jahre  in  Mühseligkeiten  und 
thaten  Busse  für  ihre  begangene  Sünde.  Aber  so  unsühnbar 
war  ihre  Schuld,  dass  alle  auch  noch  so  harten  Leiden,  welche 
Adam  luid  seine  Kinder  erduldeten,  niemals  genug  gewesen 
wären,  den  Makel  auszulöschen  und  ihnen  die  Hoffnung  auf  die 
ewige  Seligkeit  wieder  zu  eröffnen,  welche  sie  zur  gerechten 
Strafe  für  den  thörichten  Stolz,  in  dem  sie  begehrt  hatten,  Gott 
gleich  zu  werden,  verloren  hatten.  Der  Zugang  zum  Himmel 
blieb  fortan  fest  verschlossen,  und  der  Weg  zu  der  Herrlichkeit, 
die  er  unwiderruflich  verloren  hatte  durch  Begehung  einer  Sünde, 
die  sein  und  seiner  Kinder  Verderben  war,  war  für  Adam  und 
seine   Nachkommen  unerbittlich  versperrt. 

O,  ihr  unglücklichen  Christen,  was  denn  wird  unser  Geschick 
sein?  Wenn  eine  Heer.schar  von  Engeln  wegen  einer  einzigen 
Hochmutssünde  aus  dem  Himmel  verwiesen  und  in  den  Abgrund 
der  Hölle  gestürzt  wurde ;  wenn  Adam  und  P"^va  um  einer 
ähnlichen    Hochmutssünde    willen    den    glückseligen    Besitz    des 


Xavicrs  ErkläriDig  des  Glaubcns.bckcnntnisscs.  247 

irdischen  Paradieses  verloren,  welche  Hoffnung,  welches  Mittel 
haben  wir,  die  wir  mit  Sünden  aller  Art  behaftet  sind,  je  aus 
diesem  Sündenwust  herauszukommen  oder  unsere  Makel  ab- 
zuwaschen und  zum  Himmel  emporzusteigen,  wo  den  unsterb- 
lichen Seelen  eine  Stätte  ewiger  Seligkeit  von  Gott  bereitet 
worden  ist.  Es  war  um  uns  geschehen,  die  Verdammnis  und 
der  ewige  Untergang  des  menschlichen  Geschlechtes  waren  sicher, 
und  da  war  kein  Entrinnen.  Da  warfen  sich  der  heilige  Michael, 
unser  wahrster  Freund,  und  die  Engel,  die  gleich  ihm  gehorsam 
geblieben  und  zum  Lohn  für  ihre  Beharrlichkeit  schon  zum 
seligen  Genuss  der  ewigen  Herrlichkeit  des  Himmels  gelangt 
waren,  bewegt  von  Mitleid  mit  dem  Elende  des  Menschenge- 
schlechtes, alle  zusammen  demütig  zu  Gottes  Füssen  und  suchten 
durch  Gebete  ein  Heilmittel  von  ihm  zu  erflehen  für  das  un- 
ermessliche  Elend,  welches  in  Folge  der  Sünde  Adams  und 
Evas  sich  über  die  gesamte  Nachkommenschaft  dieser  beiden 
Schuldigen  ergossen  hatte,  indem  sie  etwas  also  sprachen  : 

,,0  guter  Gott,  barmherziger  Herr,  du  Vater  aller  Völker; 
endlich  ist  die  Zeit  gekommen  und  der  von  Anbeginn  der  Zeiten 
heiss  ersehnte  Tag  erschienen,  den  du  von  Ewigkeit  her  bestimmt 
und  vorbereitet  hast,  ein  Zeugnis  deiner  Barmherzigkeit  gegen 
die  verlorene  Menschheit  zu  sein.  Wir  sehen  schon  die  Mor^- 
genröte  des  Tages  angebrochen,  welcher  den  wieder  in  Gnaden 
als  deine  Kinder  angenommenen  Kindern  Adams  die  Pforten  des 
Himmels  wieder  aufschliessen  soll;  denn  von  dem  heiligen 
Elternpaare  Joachim  und  Anna  ist  eine  Tochter  geboren,  ohne 
Adams  Sünde,  die  allerheiligste  Jungfrau  unter  den  Weibern, 
Maria,  deren  Tugend  und  Heiligkeit  in  unvergleichlicher  Weise 
alles  überstrahlt,  was  geringer  als  Gott  ist.  Da  diese  Jungfrau 
so  rein  und  herrlich  ist,  so  scheint  es  ein  Werk,  nicht  unwürdig 
deiner  Weisheit  und  Allmacht,  aus  ihrem  jungfräulichen  Blute, 
was  dir,  o  Herr,  ein  Leichtes  ist,  einen  menschlichen  Leib  zu 
bilden,  wie  du  voreinst,  o  Herr,  den  Leib  Adams  gebildet  hast, 
als  es  deinem  heiligen  Willen  so  gefiel.  Und  in  diesen  Leib, 
gebildet  aus  dem  reinsten  Fleische  der  Jungfrau,  kannst  du  auch, 


24S  Anhang  I. 

allniiichtigcr  Herr,  /.u;j,icich  eine  Seele  sehaffen  und  eingiessen 
und  aufs  innigste  mit  ihm  x'ereinigen,  welche  vor  allen  ausge- 
zeichnet ist  und  durch  ihre  unendliche  Heiligkeit  alle  Seelen  über- 
trifft, die  du  jemals  geschaffen  hast  oder  je  erschaffen  wirst", — 
(unterdessen  hatte  Gott  im  geheimen  Ratschluss  der  heiligen 
Dreifiütigkeit  beschlo.';sen,  eine  göttliche  Person  im  Schosse  der 
Jungfrau  Maria  mit  unserer  menschlichen  Xatur  zu  vereinigen) — 
,,  auf  class  von  dieser  Jungfrau,  der  \^ollkommensten  unter  allen, 
Jesus  Christus  geboren  werde,  dein  Sohn,  der  ganzen  Welt 
Heiland.  Also,  o  Herr,  wird  die  Schrift  in  l^rftillung  gehen, 
und  also  werden  die  Verheissungen  treu  hinausgeführt,  durch 
welche  du  den  Patriarchen  und  Propheten,  deinen  I'reunden, 
dich  verpflichtet  hast,  welche  im  Vertrauen  auf  sie  in  der  Vor- 
h(")lle  deines  Sohnes  Jesus  Christus,  ihres  Herrn  und  lü'lösers, 
warten/' 

Da  die  heiligen  luigel  also  beteten,  sandte  der  Allerhöchste, 
der  hehre  und  allmächtige  Gott,  gerührt  von  tiefstem  Mitleiden 
mit  unserem  unermesslichen  Palende,  das  er  sehr  wohl  kannte, 
den  heiligen  P2rzengel  Gabriel  vom  Himmel  in  die  Stadt  Nazareth, 
wo  die  Jungfrau  Maria  wohnte.  Und  dieser  P^ngel  sprach  zu 
ihr  gemäss  dem  Befehle,  den  er  von  dem,  der  ihn  gesandt  hatte, 
empfangen  hatte  :  ,,  Gegrüsset  seist  du,  Maria,  voll  der  Gnade, 
der  Herr  ist  mit  dir,  du  bist  gebenedeiet  unter  den  Weibern: 
der  heilige  Geist  ^vird  über  dich  kommen,  und  die  Kraft  des 
Allerhöchsten  wird  dich  überschatten  ;  was  aus  dir  wird  geboren 
werden,  wird  Jesus  Christus,  der  Sohn  Gottes,  genannt  werden." 
Als  die  allerheiligste  Jungfrau  Maria  diese  Worte  des  Erzengels 
vernommen  hatte,  antwortete  sie:  ,,  Siehe,  ich  l)in  die  ]\higd  des 
J  lerrn,  mir  geschehe,  wie  du  gesagt  hast  I"  In  dem  selben  Augen- 
blicke, als  die  allerheiligste  Jungfrau  dem  zustimmte,  was  ihr  von 
Gott  durch  den  Erzengel  verkündigt  wurde,  bildete  Gott  im  Schosse 
d ;r  Jungfrau  aus  ihrem  reinsten  Blute  einen  menschlichen  Leib, 
mit  dem  er  aufs  innigste  eine  Seele  vereinigte,  die  er  im  selben 
Augenblicke  schuf;  und  zur  gleichen  Zeit  wurde  die  zweite 
Person  der  heiligen  Trinität,  Gott  der  Sohn,   Mensch  im  Schos.se 


Xwc'icrs  Erklärung  des  GlauhcnsbcJanntnisscs.  ia^*:) 

der  Jungfrau  Maria,  indem  er  mit  seiner  göttlichen  Person  diese 
heilige  Seele  und  diesen  heiligen  Leib  vereinigte. 

Darnach,  als  vom  Tage  der  Fleisch  werdung  des  Sohnes 
Gottes  bis  zum  Tage  seiner  Geburt  neun  volle  Monate  verflossen 
waren,  wurde  Jesus  Christus,  der  Heiland  der  ganzen  Welt, 
wahrer  Gott  und  wahrer  Mensch,  aus  Maria,  der  Jungfrau,  geboren. 
Und  dies  bekannte  der  heilige  Andreas  mit  den  Worten  :  ,,  IcJi 
glaube  a?i  Jesus  C/iristus,  den  eingeborncn  Sohn  Gottes,  unsern 
Herj'u'' ,  und  sofort  fügte  der  heilige  Johannes  bei:  ,,der  em- 
pfangen ist  vom  heiligen  Geiste,  geboren  ans  Maria,  der  Jangfran'' . 

Christus,  unser  Herr  und  Erlöser,  wurde  geboren  zu  Beth- 
lehem, nahe  bei  Jerusalem.  Dort  beteten  ihn  die  Engel,  seine 
jungfräuliche  Mutter  mit  dem  heiligen  Joseph,  ihrem  Verlobten, 
und  die  drei  Könige  des  Ostens  mit  vielen  anderen  als  ihren 
höchsten  Herrn  an. 

Herodes  indess,  der  zu  Jerusalem  herrschte  und  fürchtete, 
er  möchte  durch  das  Kind  seiner  Herrschaft,  an  welcher  er 
selir  hing,  verlustig  gehen,  wollte  es  töten.  Doch  wurde  seine 
grausame  Absicht  vereitelt ;  Jesus  wurde  zur  rechten  Zeit  in 
Sicherheit  gebracht.  Denn  Joseph,  im  Traum  von  einem  Engel 
gewarnt,  floh  mit  Jesus  Christus  und  seiner  jungfräulichen  Mutter 
von  Bethlehem  nach  Aegypten  und  blieb  dort,  bis  Herodes  sein 
Leben  durch  einen  schrecklichen  Tod  beschloss,  wie  der  ver- 
ruchte Tyrann  es  \'erdient  hatte.  Seine  Grausamkeit  war  in 
der  That  so  weit  gegangen,  dass  er  alle  Kinder  in  l^ethlehem 
und  den  umliegenden  Orten  von  zwei  Jahren  und  darunter 
hinmorden  Hess,  in  der  Hoffnung,  durch  dieses  Blutbad  Jesum 
mit  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Darin  jedoch  täuschte  er  sich, 
denn  Jesus  wurde,  wie  bemerkt,  gerettet  und  kehrte  mit  seiner 
jungfräulichen  Mutter  und  dem  heiligen  Joseph  in  seine  Heimat 
und  in  die  Stadt  Nazareth  zurück,  nachdem  Joseph  in  Aegypten 
w^ieder  durch  einen  Engel  ermahnt  war. 

Als  Jesus  das  zwölfte  Jahr  erreicht  hatte,  ging  er  von  Nazareth 
hinauf  nach  Jerusalem  in  den  Tempel,  wo  die  Schriftgelehrten 
waren,    und  er  erklärte    ihnen  die    Schriften  der    Propheten  und 


250  Anhaiiß^  I. 

ratriarclicn,  wclclic  die  Ankunft  des  Sohnes  Gottes  vorherv^er- 
kündet  hatten  :  und  er  lehrte  mit  wunderbarer  Weisheit,  dass 
sich  alle,  di^'  ihn  hörten,  verwunderten.  Von  da  kehrte  er  nach 
Nazareth  zurück,  wo  er  bis  ungeHihr  zu  seinem  dreissigsten 
Jahre  blieb.  Sodann  ging  er  an  den  Fluss  Jordan,  wo  der 
heilige  Johannes  der  Täufer  viele,  die  zu  ihm  hinausströmten, 
taufte  ;  und  mit  ihnen  taufte  er  nun  auch  Jesus  Christus  in  den 
Wassern  des  Jordan.  Von  dort  zog  sich  Jesus  auf  einen  Berg 
in  der  Wüste  zurück,  wo  er  sich  vierzig  Tage  und  vierzig 
Nächte  lang  jeder  Speise  und  alles  Trankes  enthielt.  Auf  diesem 
Berge  versuchte  der  Teufel,  welcher  nicht  wusste,  dass  Jesus 
Christus  war,  ihn  zu  den  drei  Sünden  der  Sinnlichkeit,  der 
flabsucht  und  des  eitlen  Ruhms. 

Jesus  aber  schlug  alle  diese  Versuchungen  zurück  und  ver- 
liess  den  Berg  als  Sieger  über  den  Teufel  und  kam  nach 
Galilaea,  wo  er  viele  bekehrte  und  viele  Teufel  aus  den  Leibern 
von  Besessenen  austrieb,  indem  er  ihnen  befahl,  von  ihnen  aus- 
zufahren ;  und  selbst  diese  widerspenstigen  und  rebellischen 
Geister  gehorchten  alsbald  seinem  Worte,  so  dass  das  Volk  sich 
verwunderte,  das  weithin  den  Ruhm  seiner  göttlichen  Lehre, 
welche  er  mit  unendlicher  Weisheit  vortrug,  und  seiner  Wunder- 
macht, die  sich  in  Heilung  von  allerhand  Krankheiten  offenbarte, 
ausbreitete.  So  wurden  viele  bewogen,  auf  die  Worte  eines 
Lehrers  von  solchem  Ansehen  zu  hören,  und  wetteiferten  mit- 
einander. Kranke  aller  Art  zu  ihm  zu  bringen,  die  er  durch 
l^crührung  mit  seinen  allerheiligsten  Händen  von  allen  Gebresten 
befreit  und  geheilt  und  erfüllt  von  Dankbarkeit  nach  Hause 
sandte. 

Darauf  erwählte  Jesus  zwölf  Apostel  und  zweiundsiebenzig 
Jünger,  welche  ihn  auf  seinen  Wanderungen  durch  die  Städte 
und  Dörfer  begleiteten,  wo  er  die  Geheimnisse  des  Reiches  Gottes 
lehrte,  den  zusammenströmenden  Scharen  predigte  und  die  Wahr- 
heit seiner  Lehre  durch  viele  Wunder  bekräftigte  ;  denn  vor  den 
Augen  des  ganzen  Volkes,  in  Gegenwart  .seiner  Apostel  und 
Jünger  gab  er  Blinden  das  Gesicht,  Stummen  die  Sprache,  Tauben 


Xmncrs  Erklärung  des  Glaiibcnshckciintnisscs.  251 

das  Gehör,  Lahmen,  dass  sie  gehen.  Gichtbrüchigen,  dass  sie 
ihre  GHeder  wieder  gebrauchen  konnten,  und  der  AnbHck  dieser 
täglichen  Zeichen  bestärkte  seine  Apostel  und  Jünger  mehr  und 
mehr  in  ihrem  Glauben  an  Jesus  Christus.  Er  teilte  ihnen  solche 
Weisheit  und  Macht  mit,  dass  sie,  diese  rohen  und  ungebildeten 
Fischer,  dem  Volke  predigten,  indem  die  göttliche  Unterweisung 
Jesu  Christi,  des  Sohnes  Gottes,  den  IMangel  des  Studiums  und 
menschlicher  Gelehrsamkeit  ersetzte.  Auch  \\irkten  die  Apostel 
selbst  durch  Anrufung  seines  Namens  Wunder,  indem  sie  die 
Menschen  von  verschiedenen  Krankheiten  und  von  Besessenheit 
befreiten  und  durch  solche,  IMenschenkraft  übersteigende  Werke 
die  Wahrheit  ihrer  Predigt  von  der  Ankunft  des  Sohnes  Gottes 
besiegelten.  So  neu  diese  Wahrheiten  waren,  so  wurden  sie 
doch  durch  so  viele  wunderbare  Thaten,  die  unverkennbare 
Zeugnisse  von  Gott  waren,  bestätigt,  und  glaubhaft. 

Der  Ruf  Jesu  und  seiner  Jünger,  welcher  sich  durch  Judaea 
verbreitete,  ärgerte  die  Ersten  des  Volkes,  die  erfüllt  von  Eigen- 
dunkel  waren.  Es  waren  besonders  die  sogenannten  Pharisaeer, 
hochmütige  Verächter  alles  dessen,  was  sich  über  das  Gewöhn- 
liche erhob,  die  erbittert  waren,  wenn  irgend  eine  andere  Partei 
oder  S^-kte  als  die  ihrige  auch  nur  den  geringsten  Ruhm  der 
Bildung  gewann.  Man  kann  sich  daher  leicht  denken,  welche 
bittere  Demütigung  es  für  diese  stolzen  Menschen  gewesen  sein 
muss,  zu  sehen,  dass  Jesus  Christus,  der  ihre  Lehre  tadelte,  mit 
Beifall  vom  Volke  angehört  und  von  der  enthusiasmierten  Menge 
so  hochgehalten  wurde,  dass  nicht  mehr  viel  fehlte,  dass  sie 
selbst  von  dem  lange  eingenommenen  Thron  ihres  Ansehens 
und  Ruhmes  gestürzt  wurden,  und  der  neue  Lehrer  mit  den  paar 
Fischern,  die  ihn  begleiteten,  denselben  einnahm.  Von  höllischer 
P^ifersucht  ergriffen,  beschlossen  sie  daher  alle  Künste  der  Ver- 
leumdung dran  zu  setzen,  um  Christus  seinen  guten  Xamen 
und  zugleich  sein  Leben  zu  nehmen. 

In  dieser  Absicht  bearbeiteten  sie  die  Obrigkeit  und  brach- 
ten Pilatus,  zu  der  Zeit  Statthalter  von  Judaea,  durch  Bitten, 
Verdächtigungen    und    direkte    Beschuldigungen    endlich    dahin, 


252  Aii/iaui^-   I. 

dass  er  ihiirii  die  GefangennehnuiUL;'  Jesu  gestattete,  die  sie  als 
zur  öftentliehen  Ruhe  erforderlich  sti^irniisch  verlangten.  Der 
fremde  Statthalter  liess  sich  durch  ihre  hinterlistigen  Machen- 
schaften so  ins  Schlepptau  nehmen,  nicht  etwa  darum,  weil 
er  nicht  klar  darüber  war,  dass  ihr  Vorschützen  des  öffentlichen 
\\\)hles  nur  ihren  persönlichen  Hass  verhüllen  sollte;  sondern 
entweder  weil  er  ihres  ungestümen  Drängens  überdrüssig  war, 
oder  weil  es  ihm  darum  zu  thun  war,  gut  mit  den  Ersten  des 
\\)lks  zu  stehen,  hielt  er  es  fih'  ratsam,  seine  eigene  Ruhe  'oder 
die  Gunst  anderer  auf  Kosten  eines  berühmten  Mannes  zu  er- 
kaufen, der  ihm  jedenfalls  ein  Mann  von  dem  Schlage  des  Elias 
oder  Jeremias  der  alten  Zeit  oder  Johannes  des  Täufers  in 
neuerer  Zeit  zu  sein  schien,  den  er  jedoch  nicht  für  mehr  als 
einen  Menschen  hielt.  Denn  hätte  er  klar  erk-annt,  dass  Jesus 
der  Sohn  Gottes  war,  so  hätten  wohl  schwerlich  irgendwelche 
Umtriebe  vermocht,  ihn  zur  Auslieferung  Jesu  Christi  in  die  Wut 
seiner  Feinde  zu  bewegen. 

Da  nun  aber  Jesus  so  mit  Gutheissung  der  Obrigkeit  <gc- 
^3.ngtti\  genommen  wurde,  trieben  es  seine  Feinde  aus  eigener 
Bosheit  so  weit,  dass  sie  ilin  duich  ih.re  Helfershelfer  mit  aller 
nur  möglichen  Grausamkeit  und  Schmach  behandeln  Hessen. 
Ya  wurde  durch  die  Strassen  und  Hauptplätze  der  Stadt  geschleppt 
unter  dem  Zusammenlauf  eines  Pöbels,  der  ihn  in  aller  Weise 
beschimpfte,  von  einem  Gerichtshause  zum  andern  geführt,  ver- 
spottet, geschmäht,  bespeit,  mit  Fäusten  geschlagen  und  endlich 
zu  Pilatus  gebracht.  Und  hier  standen  falsche  Zeugen  gegen 
ihn  auf,  während  das  aufgeregte  Volk  mit  wütendem  Geschrei 
seinen  Tod  verlangte,  und  das  seinen  Tod  am  Kreuze.  Der 
Richter  war  gleichwohl  unschlüssig,  weil  er  von  der  Unschuld 
des  Angeklagten  überzeugt  war,  bis  man  ihm  zu  verstehen  gab, 
dass  er  des  Kaisers  P^-euncl  nicht  länger  sein  werde,  Avenn  er 
einen  Mann  freilasse,  der  sich  als  Köin'g  der  Juden  bezeichnet 
liabe  und  eine  Empörung  veranlassen  \vürde.  Aus  l'urcht  gab 
er  dem  Begehren  der  Ankläger  nach,  und  nachdem  er  Jesum 
auf   die  unmenschlichste    Weise  am  ganzen    Körper,    vom    Kopf 


Xavicrs  Erklärung  des  Gliinbcnsbckcn)it)iisscs.  253 

bis  zu  den  Füssen,  hatte  »jeisseln  lassen,  übei'cjab  er  ihn,  dem 
wi^itenden  Geschrei  der  Juden  willRihrend,  dass  er  gekreuzigt  würde. 

Aber  ehe  sie  ihn  kreuzigten,  verspotteten  ihn  die  Leute  der 
Pharisaeer,  indem  sie  ihm  ein  l-cönigHches  Gewand  anlegten,  eine 
Krone  von  Dornen  auf  sein  Haupt  setzten,  ihm  ein  Rohr  als 
Zepter  in  die  Hand  gaben,  höhnisch  die  Kniee  \'or  ihm  beugten 
und  ihn  als  König  der  Juden  begrüssten.  JJann  spieen  sie  ihm 
ins  Angesicht,  gaben  ihm  zahlreiche  Faustschläge  auf  seine 
Wangen,  nahmen  das  Rohr  aus  seiner  rechten  Hand  imd  schlu- 
gen damit  sein  dornengekröntes  Haupt.  Zuletzt  hefteten  sie  ihn 
an  ein  Kreuz  auf  dem  Kalvarienberge  nahe  bei  der  Stadt  Jeru- 
salem. So  starb  Jesus  Christus  am  Kreuze,  um  die  sündigen 
jMenschen  zu  erlösen,  so  dass  im  Augenblicke  seines  Verschei- 
dens  am  Kreuze  seine  allerheiligste  Seele  sich  wirlclich  \on  sei- 
nem kostbaren  Leibe  trennte,  während  jedoch  sowohl  seine  Seele 
als  auch  sein  Leib  trotz  ihrer  Trennung  von  einander  mit  der 
göttlichen  Person  \ereinigt  blieben.  L^nd  ^vie  der  Geist  entfloh, 
ohne  aufzuhören,  mit  der  Gottheit  geeint  zu  sein,  so  blieb 
auch  der  entseelte  Leib,  sowohl  als  er  noch  am  Kreuze  hing, 
als  auch  nachdem  er  im  Grabe  beigesetzt  war,  immer  und  überall 
mit  der  Gottheit  aufs  innigste  verbunden,  die  niemals  von  dem- 
selben getrennt  war. 

Als  Jesus  Christus  v^erschied,  verfinsterte  sich  die  Sonne 
und  verlor  ihr  Licht,  die  ganze  Erde  erbebte  bis  in  ihre  Tiefen, 
die  Felsen  spalteten  sich,  und  die  Gräber  der  Toten  thaten  sich 
von  selbst  auf,  und  viele  Leiber  von  Heiligen  gingen  daraus 
herx'or,  welche  sich,  wieder  lebendig  geworden,  von  vielen  in 
der  Stadt  Jerusalem  sehen  Hessen.  Beim  Anblick  solcher  Zei- 
chen riefen  die,  welche  beim  Tode  Jesu  zugegen  waren,  nun- 
mehr überzeugt:  ,,  Wahrlich,  dieser  ist  Gottes  Sohn  gewesen!" 
Alles  das  soeben  Herzählte  ist  enthalten  in  dem  Bekenntnis  des 
Apostels  St.  Jakobus,  der  den  \-on  den  vorhergehenden  Aposteln 
ausgesprochenen  Worten  diese  anderen  hinzufügte  :  ,,  IcJi  glaube 
an  Jesus  Christus,  der  gelitten  hat  unter  Pontius  Pilatus,  ge- 
kreuzigt, gestorben  und  begraben  ist' . 


254  All! Lang  I. 

Jesus  Christus  war  Gutt,  da  er  die  zweite  Persou  der  alier- 
heiligsten  Dreifaltigkeit  war,  zugleich  war  er  aber  auch  wahrer 
Mensch  als  der  Sohn  der  Jungfrau  Maria,  der  eine  vernünftige 
Seele  und  einen  menschlichen  Ixnb  besass.  Insofern  er  Mensch 
war,  ist  er  wirklich  am  Kreuze  gestorben,  nachdem  er  an  das- 
selbe geheftet  war.  Der  Tod  ist  ja  in  Wirklichkeit  nichts 
anderes  als  die  Trennung  der  Seele  vom  Leib,  in  dem  und  mit 
dem  sie  lebte.  Und  so  trennte  sich  die  heiligste  Seele  Jesu 
Christi  von  seinem  Leibe,  als  er  am  Kreuze  verschied. 

Und  dann  stieg  seine  allerheiligste  Seele,  losgelöst  von 
seinem  Leibe  und  in  ihrer  Vereinigung  mit  der  Gottheit  des 
Sohnes  Gottes  verbleibend,  wie  sie  es  immer  gewesen  war,  seit  Gott 
der  Herr  sie  erschaffen  hat,  hinab  in  die  Vorhölle.  Die  Vorhölle 
ist  ein  unterirdischer  Ort,  an  dem  die  Seelen  der  heiligen  Väter, 
Propheten,  Patriarchen  und  vieler  anderer  Gerechten  aufbewahrt 
wurden,  miteinander  wartend  auf  die  Ankunft  des  Sohnes  Gottes, 
\ün  dem,  wie  sie  wussten,  sie  befreit  und  von  diesem  Aufent- 
haltsort in  das  Paradies  eingeführt  werden  sollten.  Denn  seit 
Anfang  der  Welt  haben  immer  gute  Menschen  auf  Erden  gelebt, 
die  als  P^reuncle  Gottes  und  als  offene  Bekenner  der  erkannten 
W^ahrheit  auch  unter  Bösen  ihren  Glauben  niemals  verhehlten. 
Sie  rügten  die  Sünder,  indem  sie  strenge  allen,  die  sich  frevelnd 
gegen  Gott,  den  Schöpfer  aller  Dinge,  auflehnten,  ihre  Sünden 
verwiesen.  Aber  die  ]:5osheit  und  \"erkehrtheit  dieser  Menschen 
wollte  sich  das  nicht  gefallen  lassen.  Deshalb  verfolgten  sie, 
vom  Teufel,  ihrem  Bundesgenossen,  dessen  P'ahne  sie  folgten, 
angetrieben  und  unterstützt,  die  Guten,  Gottes  P^reunde,  mit 
allen  möglichen  Uebelthaten,  warfen  sie  ins  Gefängnis,  schickten 
sie  in  die  Verbannung  und  thaten  ihnen  Unbilden  und  Un- 
gerechtigkeiten aller  Art  an. 

Entsprechend  dieser  grossen  Verschiedenheit  zwischen  dem 
Leben  der  Guten  und  der  Bösen  war  nun  auch  das  Los  ihrer 
Seelen  nach  deren  Trennung  von  ihren  Leibern  sehr  verschieden. 
Alle  Seelen  nämlich,  welche  im  Leben  tugendhaft  gewesen  waren, 
begaben  sich,    sobald  der    Tod  sie  von    den   Banden    des  Leibes 


Xavici's  Erklciniiig  des  Glaubt  iisbckoiiitinssts.  255 

befreit  hatte,  an  den  eben  erwähnten  Ort,  welcher,  wie  bemerkt, 
Vorhölle  genannt  wird,  und  da  er  tief  unter  der  Oberfläche 
mitten  in  der  Erde  liegt,  auch  Hölle  oder  Unterwelt  heisst, 
jedoch  nicht  als  wenn  dort,  wie  das  in  der  eigentlichen  Hölle 
ist,  ein  Feuer  brennte,  sie  zu  quälen,  oder  eine  andere  Art  von 
Qual  wäre,  den  Seelen  Leiden  zu  bereiten.  Denn  solche  Strafen 
sind  den  Verdammten  aufbewahrt,  während  die  Seelen  dieser 
Gerechten,  wie  es  Seelen,  die  rein  von  Missethat  und  bei  Gott 
in  Gnaden  waren,  zukam,  an  ihrem  Aufenthaltsorte  in  seligem 
Frieden  ruhten. 

Aber  unter  dieser  Wohnung  des  Friedens  liegt  ein  tieferer 
Ort,  Fegfeuer  genannt,  weil  er  gleichsam  ein  Reinigungsplatz 
ist,  um  die  Seelen  zu  läutern  und  schön  zu  machen,  welche  ihr 
sterbliches  Leben  zwar  frei  von  schwerer  Schuld  in  Gottes  Gnade 
beschlossen  haben,  aber  doch  noch  die  geringeren  Makel  läss- 
licher  Sünden  an  sich  tragen  oder  noch  nicht  ganz  der  Schuld 
begangener  Todsünden  c^uitt  sind,  die  sie  zwar  durch  heilsame 
Busse  teilweise,  jedoch  nicht  so  ginz  und  vollkommen  getilgt 
haben,  dass  sie  der  göttlichen  Gerechtigkeit  vollständig  Genug- 
thuung  leisteten.  Hier  blieben  sie,  um  sich  durch  Ertragung 
fortgesetzter  bitterer  Strafen  von  den  ihnen  noch  anklebenden 
Sündenmakeln  zu  reinigen,  bis  die  gesamte  noch  erübrigende 
Schuld  und  Strafe  völlig  ausgeglichen  und  durch  Leiden  getilgt 
ist.  L^nd  wenn  so  ihre  Seelen  zu  glänzender  Reinheit  geläutert 
sind,  dann  erst  dürfen  sie  das  Erbteil  schauen  und  geniessen, 
dessen  Besitz  ihnen  zur  Strafe  für  ihre  Sünde  für  eine  bestimmte 
Zeit  vorenthalten  war,  nun  aber  frei  erschlossen  ist. 

Der  letzte  dieser  unterirdischen  Orte  ist  die  eigentliche 
Hölle  oder  der  Abgrund,  der  traurige  Ort  der  schrecklichen, 
ewigen,  unauslöschlichen  Flammen  und  so  unaussprechlicher  und 
unerträglicher  Qualen  aller  Art,  dass,  wenn  die  lebenden  Men- 
schen täglich  nur  eine  kurze  Stunde  sich  diese  Qualen,  so 
unvollkommen  das  bei  der  Finsternis  unserer  Vernunft  im  gegen- 
wärtigen Leben  möglich  ist,  vergegenwärtigen  wollten,  sie  gewiss 
mehr  davor  zurückschrecken  würden,  in  all  die  Sünden  und  Laster 


256  jliihaiv^  I. 

7.W  fallen,  A\()durcli  sie  unbedenklich,  i^Ieichsani  spielend  und  in 
Leichtsinn,  sich  anheischii;'  machen,  diese  fürchterlichen  Qualen 
in  alle  Ewigkeit  auszuhalten.  Dort  ist  Lucifcr,  der  i'^ürst  der 
Geister,  die  sich  gegen  (lutt  auHehnten  ;  dort  sind  alle  Teufel, 
die  sich  zu  ihm  schlugen  und  mit  ihm  vom  Himmel  dahinab 
gestürzt  Avurden  ;  dort  sind  auch  alle  Menschen,  welche  seit 
Anbeginn  der  Welt  in  Todsünden  ihren  Geist  im  Zustand  der 
Ungnade  Gottes  aufgegeben  haben.  Diejenigen,  welche  einmal 
in  diese  Möllennammen  geworfen  sind,  leiden  und  stöhnen 'dort 
ewig  ohne  Hoffnung,  immer  gepeinigt  von  der  Empfindung  uner- 
messlicher  und  zahlloser  Qualen,  mit  dem  Bewusstsein,  dass  ihnen 
für  alle  Ewigkeit  von  keiner  Seite  auch  nur  die  geringste  L-nde- 
rung  und  lu'leichterung  oder  der  geringste  Trost  zu  teil  werden 
könne. 

ü  meine  Brüder,  was  für  eine  Thorheit  ist  es  also  von  uns, 
so  leichtsinnig,  wie  wir  thun,  ohne  alle  Eurcht  vor  der  Hölle 
dahinzuleben,  während  wir  all  die  Zeit  Brennstoff  herbeischaffen 
für  diese  Flammen,  die  nicht  verlöschen,  indem  wir  unser  Ge- 
wissen mit  der  Bürde  immer  ärgerer  Sünden  belasten.  Ist  das 
nicht  ein  deutliches  Zeichen,  dass  unser  Glaube,  ich  sage  nicht, 
schwach,  sondern  ganz  erstorben  ist?  Wir  bekennen  ihn  zwar 
mit  unseren  Lippen,  aber  unsere  Thaten  und  unser  ganzes  Leben 
legen  ein  anderes,  richtigeres  Zeugnis  ab,  das  unsere  Worte 
Lügen  straft  und  verstummen  macht.  Denn  sicherlich  muss 
einer,  der  sich  einen  Christen  nennt  und  dabei  doch  die  Ereiheit 
der  Mohammedaner  und  Heiden  im  Sündigen  in  Anspruch  nimmt, 
als  Lügner  und  I^etrüger  gelten,  wenn  er  sagt,  er  glaube  an  das 
ewige  Eeuer  und  die  ewigen  Strafen,  welche  denen  aufbehalten 
sind,  die  Gottes  Gesetz  verletzen.  Die  Kirche,  und  zwar  die 
auf  Erden  streitende  der  Gläubigen  ebensowenig  wie  die  im 
Jlimmel  triumphierende  der  Heiligen,  die  mit  Gott  herrschen, 
betet  niemals  für  die  Toten,  die  in  iXiiw  Abgrund  der  Hölle 
gestossen  sind ;  denn  sie  weiss,  dass  sie  für  immer  \^om  Paradies 
ausgeschlossen  und  hoffnungslos  und  unwiderrullich  verloren 
sind.     Dagegen    kommt  die  Kirche,    sowohl  auf   Erden  wie    im 


Xiwicrs  ErJcläning  des  Glaubcmbckcuntuisics.  257 

Himmel,  durch  mildreiche  Fürbitten  den  Seelen  zu  Hilfe,  welche 
in  der  Pein  des  Fegfeuers  leiden,  und  ist  desgleichen  besorgt 
für  die  Seelen  derer,  die  noch  auf  Erden  leben;  sie  trachtet 
danach,  ihnen  Gnade  von  Gott  zu  erwiiken,  durch  welche  sie 
dem  äussersten  Unglück,  in  die  ewigen  Höllenflammen  zu  fallen, 
entrinnen  können. 

Als  Jesus  Christus  am  Freitag  gestorben  war,  stieg  seine 
heiligste,  stets  mit  der  Gottheit  vereinigte  Seele  in  die  Vorhölle 
hinab  und  führte  von  dort  alle  Seelen  heraus,  die  sie  dort  in 
Erwartung  seiner  Ankunft  fand  ;  und  am  dritten  Tage,  der  der 
Sonntag  war,  stand  er  wieder  auf  von  A^w  Toten,  indem  er 
seine  heiligste  Seele  wieder  mit  dem  Körper  vereinte,  den  sie 
bei  seinem  Verscheiden  am  Kreuze  verlassen  hatte.  Und  im 
Wiederbesitz  seines  Lebens  und  mit  allen  Eigenschaften  seliger 
Unsterblichkeit  erschien  er  dann  zuerst  seiner  IMutter,  der  allerse- 
ligsten  Jungfrau  Maria,  sodann  seinen  Aposteln  und  Jüngern 
und  anderen  Freunden  und  machte  durch  seine  Erscheinungen, 
dass  an  die  Stelle  des  tiefen  Schmerzes,  in  den  sie  sein  Tod 
versetzt  hatte,  eine  unaussprechliche  Freude  trat.  Er  bot  durch 
den  Mund  seiner  Jünger  seinen  Feinden  und  denen,  die  ihn 
gekreuzigt  hatten,  Verzeihung  an  und  gewährte  sie  thatsächlich 
allen,  die  diese  Gnade  anzunehmen  willig  waren.  Und  ihrer 
waren  sehr  viele,  denn  es  geschah  wundersamer  Weise,  dass 
viele  von  denen,  die  sich  hartnäckig  geweigert  hatten,  an  Jesus 
Christus,  als  er  lebte,  selbst  sein  Evangelium  verkündigte  und 
seine  Lehre  durch  auffallende  Wunder  bekräftigte,  zu  glauben, 
jetzt,  da  sie  ihn  nicht  mehr  sahen  und  hörten,  auf  das  Zeugnis, 
welches  seine  Apostel  von  seiner  Auferstehung  ablegten,  fest 
an  ihn  glaubten,  alle  ihre  Hoffnung  auf  ihn  setzten  und  sich 
offen  zu  seiner  Reli":ion  und  zu  seiner  Verehrung  als  zur  Reli- 
gion  und  Verehrung  Gottes  und  des  Erlösers  der  Menschen 
bekannten.  Das  sind  die  W^ahrhciten,  die  St.  Thomas  bekräftigt 
hat  mit  diesen  Worten:  ,,  Ich  glaube  an  Jesus  Christus,  der 
abgestiegen  ist  .zitr  Hölle,  am  dritten  Tage  tvicdcr  an/erstanden 
von  den  Tötend 


258  AnJiang  I. 

Nacli  seiner  Auferstehung  von  (Xcw  Toten  verweilte  Jesus 
vierzig  Tage  auf  Erden,  aus  zwei  (jründen,  soweit  wir  sehen 
können.  Erstens,  um  seine  Jünger  ganz  von  seiner  Auferstehung 
zu  überzeugen,  und  zweitens,  um  sie  zu  belehren,  was  sie  zu 
thun  hätten.  Sie  ^\•aren  durch  das  ganz  unvorhergesehene  Er- 
eignis seines  Todes  so  verwirrt,  sie  waren  dadurch  so  ganz  in 
tiefstes  Leid  versunken  nach  diesem  schmerzlichen  Ereignis, 
dass  es  ihnen  schwer  wurde,  an  seine  Auferstehung  zu  glauben. 
Es  war  nicht  genug,  dass  er  sich  ihnen  ein-oder  zweimal  zeigte. 
Es  brauchte  Zeit,  und  es  bedurfte  eines  wiederholten  Zusammen- 
seins mit  ihm,  um  ihnen  so  offenkundig  als  möglich  zu  beweisen, 
dass  er  wirklich  ins  Leben  zurückgekehrt  war.  Darum  verschob 
der  Herr,  der  sie  in  seiner  wunderbaren  Barmherzigkeit  durch 
Sanftmut  überzeugen  und  sich  herablassend  der  menschlichen 
Schwäche  anbequemen  wollte,  seinen  triumphierenden  Einzug 
in  den  Himmel  vierzig  Tage  und  belehrte  in  dieser  Zwischen- 
zeit seine  Jünger  durch  wiederholte  Unterredungen  über  das, 
was  sie  glauben,  was  sie  thun,  was  sie  alle  Völker  lehren,  und 
was  sie  den  gläubig  Gewordenen  zu  beobachten  vorschreiben 
sollten,  auf  dass  sie  und  alle,  die  in  der  Eolge  ihrer  Predigt 
glauben  würden,  in  den  Himmel  kommen  und  ihm  zu  ihrer 
Zeit  dahin  folgen  könnten,  wohin  er  vor  ihnen  gehen  sollte. 

Als  er  beides  erreicht,  was  er  sich  vorgesetzt,  aus  den  Her- 
zen seiner  Jünger  jeden  Zweifel  mit  l^ezug  auf  A^w  Tod  und  die 
Auferstehung  des  wahren  Sohnes  Gottes  und  ]^2rlösers  der  Men- 
schen hinweggeräumt  und  sie  hinreichend  über  alles,  was  das 
Reich  Gottes  anlangt,  d.  h.  über  die  Gründung  der  Kirche,  die 
Lehre,  die  darin  verkündigt  werden  sollte,  die  Sakramente  und 
alle  Punkte  der  christlichen  Kirchenzucht,  welche  sie  in  der 
ganzen  Welt  einRihren  sollten,  unterrichtet  hatte,  hatte  er  keinen 
Grund  mehr,  auf  P'rden  zu  verweilen.  Im-  ging  deshalb  mit 
seiner  jungfräulichen  Mutter  Maria,  mit  seinen  Aposteln  und 
vieL'U  andern  auf  den  Oelberg  und  fuhr  vor  aller  Augen  in  den 
Himmel  auf,  begleitet  von  den  aus  der  Vorhölle  befreiten  Vätern. 
Da    eröffneten    sich    weit     die    hohen     Himmelsthore,    und     alle 


Xm'icrs  Erk.'üninj^  des  Glanbcmbckcnntnisscs.  259 

Engel  kamen  hervor,  dem  Herrn  in  seinem  Triumph  entgegen, 
und  geleiteten  ihn  in  glorreichem  Zuge  zu  dem  Throne,  der  ihm 
zur  Rechten  seines  Vaters  bereitet  war.  So  kehrte  er  an  den 
Ort  zurück,  von  dem  er  herniedergestiegen  war,  um  im  heiligen 
Schosse  seiner  jungfräulichen  Mutter  unser  Fleisch  anzunehmen. 
Dort  sitzt  er  jetzt,  als  Fürsprecher  beim  Vater  für  uns 
eintretend,  um  dessen  gerechten  Zorn  zu  besänftigen,  und  uns 
seinen  Beistand  sendend,  mit  dessen  Hilfe  wir  in  den  Stand 
gesetzt  werden,  der  Gefahr  der  ewigen  Verdammnis  zu  entgehen. 
Und  dies  ist  der  Sinn  des  Glaubensartikels,  der  dem  heiligen 
Jakobus  dem  Jüngeren  zugeschrieben  ^\  ird  :  ,,  IcJi  glaube  an  Jesus 
Christus,  dei'  aufgefahren  ist  gen  Himmel  und  sitzet  zur  recJiten 
Hand  Gottes,  des  allmächtigen    J^aters." 

Wie  aber  diese  Welt  einen  Anfang  gehabt  hat,  so  muss  sie 
auch  ein  Fmde  haben.  Und  damit  dies  ihr  Ende  sei,  wie  es  die 
Gerechtigkeit  erfordert,  und  voll  der  Vorsehung  ihres  göttlichen 
Erschaffers  entspreche,  so  soll  das  menschliche  Gemeinschafts- 
leben und  die  Aufeinanderfolge  der  sich  allenthalben  auf  Erden 
fortpflanzenden  IMenschengeschlechter  nicht  eher  aufhören,  als 
bis  ein  gerechtes  Gericht  über  alle  Gedanken,  Worte  und  Werke 
der  Menschen  gehalten  und  einem  jeden  geschehen  ist,  je  nach- 
dem er  es  verdient  hat.  Jesus  Christus  wird  als  höchster  Richter 
vom  Himmel  herniedersteigen,  um  über  alle  Menschen  dieses 
Urteil  zu  sprechen ;  und  dass  dies  gewisslich  geschehen  wird, 
ist  schon  bei  seiner  Auffahrt  in  den  Himmel  vorherverkündet 
worden.  Er  wird  sein  Gericht  eröffnen,  in  dem  alle  Menschen, 
welche  jemals  allenthalben  auf  Erden  gelebt  haben,  vor  dem 
unerbittlichen  Richterstuhl  des  allmächtigen  und  allwissenden 
Richters,  vor  dem  nichts  verborgen  ist,  erscheinen  müssen  und 
auf  die  Fragen  zu  antworten  haben  werden,  ob  sie  an  die 
Lehren  geglaubt,  welche  die  Kirche  ihnen  zu  glauben  vor- 
gestellt, und  ob  sie  die  Gebote  beobachtet  haben.  Diejenigen, 
welche  dies  gethan  haben,  werden  in  die  Herrlichkeit  des 
Himmels  eingehen;  diejenigen  welche  sich  zu  glauben  geweigert 
haben  wie  Mohammedaner,  Juden  und  Heiden,  werden  zum  ewigen 


200  AnJiaiis;  I. 

Feuer  verdammt  werden,  aus  dem  es  Iceiue  KrrettuiiL;  gibt; 
und  ebenso  werden  diejenis^en,  welche,  wie  die  schlechten  Chri- 
sten, (.\c\\  Glauben  zwar  bekannt,  aber  die  zehn  Gebote  nicht 
gehalten  haben,  durch  den  unwiderruflichen  Urteilsspruch  Jesu 
Christi  zu  den   h'lammen  verdammt  werden,  \\elche  nie  verlöschen. 

]5evor  dies  geschieht,  müssen  alle  Menschen,  \\clchc  beim 
Herannahen  des  Weltendes  noch  am  Leben  sind,  sterben.  Denn 
der  Tod  ist  eine  Schuld,  die  jeder  Mensch  der  Natur  zahlen 
muss.  Jeder  wird  unter  der  Bedingung  geboren,  dass  er  einmal 
aufhört  zu  leben  ;  und  da  nicht  einmal  Jesus  Christus,  der  Sohn 
Gottes,  selbst  von  diesem  Gesetze  befreit  wurde,  so  wäre  es 
eitel  und  vermessen,  wenn  jemand  sonst  diese  Hoffnung  für  sich 
hegen  wollte.  Uebrigens  starb  Jesus  Christus  nicht  seinetwegen, 
sondern  um  unserer  Sünden  \\illen,  und  erstand  bald  durch 
seine  eigene  Kraft,  um  durch  seine  Auferstehung  die  Hoffnung 
unserer  künftigen  Auferstehung  zu  begründen  und  durch  sein 
eigenes  Beispiel  die  bittere  Notwendigkeit  des  Todes  guten  und 
frommen  Menschen  erträglicher  zu  machen.  Wenn  demnach 
beim  Herannahen  des  Weltendes  noch  Heilige  und  Vollkommene 
auf  Erden  gefunden  werden  sollten,  so  dürfen  wir  nicht  glauben, 
dass  diese,  ohne  den  Tod  zu  schmecken,  in  die  erwartete  und 
verdiente  Seligkeit  eingehen  werden;  auch  sie  müssen  zuvor  den 
Tod  kosten  und  werden  dann  mit  den  übrigen  zu  neuem  Leben 
erweckt,  wobei  ein  jeder  denselben  Leib  Avieder  annimmt,  den 
er  früher  hatte,  nur  in  verschönter  und  durch  die  Seligkeit  ver- 
klärter Gestalt,  um  in  die  verheissene  ewige  Freude  einzugehen. 

Wenn  Jesus  Christus  also  zur  Abhaltung  des  jüngsten 
Gerichts  vom  Himmel  herabsteigen  wird,  werden  alle  Menschen 
vom  ersten  bis  zum  letzten,  nachdem  sie  zuvor  gestorben,  wieder 
auferstehen  und,  Gute  wie  Böse,  von  ihm  gerichtet  werden. 
Aber  das  in  alle  Ewigkeit  unabänderliche  Urteil  wird  ein  unend- 
lich verschiedenes  sein  :  die  Guten  werden  eingehen  zur  ewigen 
Freude,  die  Bösen  aber  werden  in  einen  ewigen  Tod  und  in 
ewige  Pein  gestürzt.  Diese  Wahrheit  bekannte  der  heilige 
Philippus  in  diesen  Worten  :  „  IcJi  glaube  an  Jesus  Christus,  der 


Xavicrs  Erklärung  des  Glaubcusdckciuiliiisscs.  261 

vom  Hiiniiicl  loicdcrkoimncn  icird,  rju  richten  die  Lebendigen  nn.l 
die  Toten."' 

Wenn  wir  Christen  uns  mit  dem  Kreuzzeichen  bezeichnen, 
bekennen  wir  unseren  aufrichtigen  Glauben  iui  die  allerheiligste 
Dreifaltigkeit.  Dieses  Geheimnis  ist  das  folgende :  Wir  glauben 
und  verehren  einen  einigen  Gott  in  drei  Personen.  Die  erste 
Person  ist  Gott  der  Vater,  der  weder  gemacht,  noch  erschaffen, 
noch  erzeugt  ist.  Die  zweite  Person  ist  Gott  der  Sohn,  der 
von  Gott  dem  Vater  erzeugt,  nicht  gemacht,  und  nicht  erschaffen 
ist.  Die  dritte  Person  ist  Gott  der  heilige  Geist,  der  vom  Vater 
und  vom  Sohne  ausgeht,  jedoch  weder  geschaffen,  noch  erzeugt 
ist.  Dies  deuten  wir  an,  so  oft  wir  uns  mittelst  Bewegung  der 
Hand  mit  dem  Kreuze  bezeichnen.  Indem  wir  nämlich  die 
rechte  Hand  zur  Stirn  führen,  wobei  Vvir  die  Worte  sprechen  : 
im  Namen  des  Vaters,  bezeugen  wir,  dass  Gott  der  Vater  nicht 
gemacht,  und  nicht  erzeugt  ist,  indem  wir  sie  dann  zur  Brust 
hinabführen  unter  den  Worten :  njid  des  Sohnes,  bekennen  wir, 
dass  der  Sohn  Gottes  von  Gott  dem  Vater  erzeugt,  nicht  ge- 
macht, und  nicht  erschaffen  ist.  Sodann  bewegen  wir  die  Hand 
zur  linken  Schulter  unter  den  Worten :  nnd  des  Jieiligcn,  und 
von  da  zur  rechten  Schulter  unter  dem  Worte :  Geistes,  wobei 
wir  bekennen,  dass  der  heilige  Geist  vom  Vater  und  \'om  Sohne 
ausgehe. 

Dies  ist  der  Glaube,  den  jeder  gute  Christ  festhalten  und 
sonder  P"urcht  und  Scheu  bekennen  muss,  indem  er  an  den 
heiligen  Geist,  der  von  gleicher  Wesenheit  ist  mit  dem  Vater 
und  dem  Sohne  und  von  beiden  ausgeht,  glaubt,  ihn  anbetet 
und  verherrlicht,  den  heiligen  Geist,  welcher  durch  seine  heiligen 
Einsprechungen  uns  vor  Sünden  warnt  und  unsern  Willen  zur 
Haltung  der  zehn  Gebote  des  göttlichen  Gesetzes  und  der  Gebote 
unserer  heiligen  Mutter,  der  katholischen  Kirche  bewegt  und 
uns  anregt,  leibliche  und  geistliche  Werke  der  Barmherzigkeit 
zu  verrichten.  Diesen  Glaubenssatz  von  der  Gottheit  des  heiligen 
Geistes  bekannte  St.  Bartholomaeus  in  diesen  W^orten :  ,,  IcJi 
glaube  an   den  Jicilis^en  Geist."' 


202  ^In/uiiig  I. 

Wir  alle,  die  wir  die  christliche  Religion  angenomnun  haben, 
haben  den  Entschluss  gefasst,  die  Pflichten  zu  erfüllen  und  ihren 
Glauben  zu  bewahren,  und  wir  sollten  nicht  nur,  ohne  zu  zwei- 
feln, als  zum  Heil  notwendig  alles  glauben,  was  die  Apostel, 
Jünger,  Märtyrer  und  Heiligen  von  dem  Gottmenschen,  unserm 
Herrn  Jesus  Christus,  geglaubt  haben ;  sondern  zugleich  sind  wir 
auch  mit  derselben  Notwendigkeit  alle  verbunden,  unzweifelhaft 
zu  glauben,  dass  er  auf  Erden  die  katholische  Kirche  gestiftet 
hat,  deren  Vorsteher  vom  heiligen  Geiste  geleitet  werden. 
Darum  dürfen  wir  in  keiner  Weise  daran  zweifeln,  dass  recht 
und  wahr  ist,  was  sie  zu  halten  lehren  und  zu  glauben  vorstellen. 
Denn  in  allen  ihren  mit  allgemeiner  Uebereinstimmung  gefassteu, 
sich  auf  das,  was  von  allen  zu  thun  oder  zu  lassen  ist,  bezieh- 
enden Beschlüssen,  z.  B.  wenn  sie  nach  reiflicher  Ueberlegung 
etwas  über  alte  Glaubenssätze  oder  über  Streitigkeiten  in  Sachen 
dieser  Glaubenssätze,  wie  sie  von  Zeit  zu  Zeit  entstehen,  be- 
stimmen, haben  sie  die  Verheissung  des  Beistandes  des  heiligen 
Geistes,  der  sie  nicht  irren  lässt.  Daher  müssen  v.'ir  die  heiligen 
Kanones  der  Väter,  die  Beschlüsse  der  Konzilien,  die  allgemeinen 
Erlasse  der  Päpste,  welche  von  den  Kardinälen,  Patriarchen, 
Erzbischöfen,  l^ischöfen  und  den  übrigen  Prälaten  der  Kirche  uns 
vorselect  werden,  mit  tiefer  Verehrung,  festem  Glauben  und 
willigem  Gehorsam  annehmen,  und  müssen  fest  überzeugt  sein, 
dass  dieselben  in  der  Autorität  und  Weisheit  unseres  Herrn 
Jesus  Christus  vorgeschrieben  und  gelehrt  werden,  der  fortfährt, 
die  Kirche  zu  regieren  und  durch  die  Diener,  -welche  er  als 
seine  Stellvertreter  gesetzt  hat,  zu  ihrem  bestimmten  Ziele  der 
ewigen  Seligkeit  zu  führen.  Das  ist  es,  was  uns  der  heilige 
Apostel  und  P^vangelist  St,  Matthaeus  empfehlen  wollte,  als  er 
sprach :   ,,  Ich  glaube  an  eine  heilige,  katholische  Kirche.'' 

YAw  anderes,  das  wir  fest  für  wahr  halten,  wenn  wir  nicht 
fälschlich  den  Namen  Christen  tragen,  ist  dies,  dass  die  uner- 
mcsslichen  Verdienste,  welche  Jesus  Christus  in  seinem  Leben 
hier  auf  Erden  durch  sein  Wirken  und  Leiden  und  durch  seinen 
Gehorsam    gegen    seinen    Vater    zum    Heil    der    Menschen    auf- 


Xaz'icrs  ErJdäruiig  des  Glanbcnsbckciiiitinsscs.  263 

gehäuft  hat,  allen  wahren  Christen,  welche  im  Stande  der  Gnade 
sind,  mitgeteilt  werden  und  auf  geheimnisvolle  Weise  zu  gute 
kommen.  Wie  nämlich  im  natürlichen  Körper  die  Glieder  einan- 
der mitteilen,  was  ein  jedes  Gutes  hat,  indem  vorzüglich  vom 
Haupte  die  Lebenskraft  in  alle  Glieder  überströmt :  so  empfangen 
auch  in  einem  mystischen  Leibe,  wie  die  Kirche,  deren  Haupt 
Jesus  Christus  ist,  einer  ist,  alle  die  einzelnen  Glieder,  d.  h.  alle 
Gläubigen  insgesamt  eine  geheinmisvolle  Lebenskraft,  durch  die 
sie  blühen  und  wachsen,  von  Jesus  Christus,  Gottes  eingeborenem 
Sohn,  mit  dem  als  mit  ihrem  Haupte  sie  verbunden  sind.  Diese 
geistliche  Nahrung  und  himmlische  Speise  kommt  ihnen  vor- 
nehmlich durch  den  Kanal  der  sieben  Sakramente  von  ihm  zu. 
Diese  sind  die  Taufe,  die  Firmung,  gewöhnlich  heilige  Salbung 
""enannt,  die  Eucharistie,  die  Busse,  die  letzte  Oelunu",  die  Prie- 
sterweihe  und  die  Ehe.  Diejenigen,  welche  diese  heiligen  Ge- 
heimnisse mit  der  rechten,  geziemenden  Verfassung  empfangen, 
empfangen  die  Mitteilung  oder  Vermehrung  der  heiligmachenden 
Gnade,-^eiiie  belebende  Kraft  der  Seele,  welche  Gott  den  Men- 
schen, die  an  sich  einer  solchen  Wohlthat  unwürdig  sind,  in 
Ansehung  der  von  Jesus  Christus  während  seines  Erdenlebens 
vollbrachten  heiligen  Werke  mitteilt.  Denn  da  Jesus  Christus 
im  Gehorsam  gegen  seinen  Vater  so  viele  Leiden  erduldet,  so 
viele  Unbilden  und  Schmach  aus  eigenem  freien  Willen  ertragen, 
die  bittersten  Qualen  und  den  Tod  am  Kreuze  erlitten  hat,  so 
hat  er  damit  jeden,  auch  den  grössten  Lohn  verdient.  Da  er 
indessen  alle  Seligkeit  in  sich  selbst  hat,  so  bedarf  er  keines 
Lohnes  und  überträgt  sein  Anrecht  auf  solchen  Lohn  auf  uns 
und  lässt  den  Nutzen,  welchen  wir  daraus  ziehen,  als  ihm  selbst 
zugeflossen  gelten.  Somit  ist  die  Gnade,  welche  uns  erteilt  wird, 
die  Frucht  der  Verdienste  Jesu  Christi  und  ist  gleichsam  eine 
Wirkung,  die  sich  vom  Haupte  über  die  Glieder  erstreckt. 

Und  wie  so  im  natürlichen  Körper  es  nicht  das  Haupt  allein 
ist,  das  den  ihm  untergeordneten  Gliedern  Nahrung,  Kraft  und 
Leben  spendet,  sondern  auch  die  Glieder  selbst  durch  geheim- 
nisvolle Wirkungen    diesen    Dienst    einander    leisten,    so    werden 


264    ■  ^InJuvii^  I. 

wir  zwar  vor/ug;swcisc,  doch  nicht  ausschliesslich  durch  die 
Teilnahme  an  'Acw  Schätzen,  welche  Jesus  Christus  durch  seine 
Verdienste,  tluich  seinen  heili^'en  Wandel  und  durch  sein 
geduldiges  Leiden  auf  iM'den  erworben  hat,  bereichert.  I'Ls  war 
nämlich  der  Wille  Jesu  Christi,  dass  auch  aus  dem  Gnaden- 
schatze, welchen  seine  Diener,  unsere  I^rüder,  bei  ihm  (.lurch  ihre 
Tugendwerke  und  ihre  schmerzvollen  Prüfungen  erworben  haben, 
uns  etwas  zufliesse.  So  wenn  sie  beten,  wird  uns  Gnade  zu 
teil,  wenn  sie  für  uns  leiden  oder  ihre  früheren  Leiden  für  uns 
darbieten,  wird  uns  die  Strafe  nachgelassen,  die  wir  der  göttlichen 
Gerechtigkeit  schulden.  Endlich,  alle  ihre  guten  Werke,  von 
welcher  Art  sie  auch  sein  mögen,  kommen  uns,  solange  wir  im 
Stande  der  göttlichen  Gnade  und  Glieder  am  Leibe  der  einen 
Kirche  bleiben,  auf  verschiedene  Weise  zu  nutze,  indem  ihr 
Ueberschuss  denen  mitgeteilt  wird,  die  mit  ihnen  verbunden 
sind,  und  sie  mit  heilsamer  Kraft  überströmt. 

Wir  erkennen  und  bekennen  auch,  dass  Gott  der  Herr 
Gewalt  und  Recht  hat,  die  Sünden  nachzulassen,  d.  h.  die 
Schuld  und  Strafe  unserer  sündigen  Handlungen  zu  tilgen,  durch 
welche  wir,  die  verliehene  Freiheit  des  Willens  missbrauchend, 
uns  von  Gott  trennen  und  gegen  ihn  auflehnen  und  darum 
Verdientermassen  aus  seiner  Gnade  fallen,  zu  der  er  uns  in 
seiner  Erbarmung  aufgenommen  hatte.  Wir  glauben  und  be- 
kennen ferner,  dass  diese  nämliche  Gewalt  von  Jesus  Christus 
unserm  Herrn  den  Priestern  der  katholischen  Kirche  verliehen 
worden  ist,  und  dass  sie  in  Kraft  dieser  Mitteilung  nun  die 
Vollmacht  haben,  alle  von  ihren  Sünden  loszusprechen,  welche 
sie  genügend  vorbereitet  finden,  um  vor  Gott  rechtmässig  von 
den  Banden  der  Sünden  gelöst  zu  werden. 

Deshalb  nun  müssen  diejenigen,  welche  sich  bewusst  sind, 
Gott  durch  Sünden  beleidigt  zu  haben,  sich  ernstlich  bemühen, 
die  gebührende  Reue  für  ihre  Verfehlungen  an  den  Tag  zu 
legen  und  sich  so  in  den  Stand  zu  setzen,  Verzeihung  derselben 
7x\  erlangen  und  das  Heil  ihre  Seele  zu  sichern.  Der  Ort,  wo 
ihre    Sache    entschieden    wird,    ist    der    heilige    Richterstuhl  der 


Xavicrs  Erklärung  des  Glaubensbekenntnisses.  265 

Busse,  dem  sich  die  Sünder  nahen,  und  der  Priester  ist  der 
Richter,  der  entscheidet,  ob  sie  der  Gnade  der  Absolution 
würdig  sind  oder  nicht.  Der  Ankläger  aber  ist  in  diesem 
Gerichte  eins  mit  dem  Angeklagten.  Der  Priester  als  Richter 
stellt  die  Untersuchung  an,  indem  er  alles,  wie  sein  erhabenes 
Amt  es  erheischt,  gewissenhaft  erwägt.  Der  Sünder  muss  ein 
vollkommenes  Bekenntnis  aller  seiner  Todsünden  ablegen,  es  sei 
denn  dass,  wie  etwa  in  Fällen  äusserster  Gefahr,  keine  Zeit 
dazu  vorhanden  wäre.  Wenn  der  Priester  alle  Sünden  hin- 
reichend erforscht  hat  und  die  Worte  der  Absolution  über  (\c\\ 
Sünder  ausspricht,  so  ergiesst  sich  Gottes  Gnade  wieder  frisch 
in  die  Seele  des  Beichtenden,  wodurch  die  Sünden  getilgt  werden, 
durch  die  sie  vorher  verunstaltet  war,  und  zugleich  erlangt  er 
Nachlass  der  ewigen  Strafe,  die  er  sich  durch  diese  Sünden 
zugezogen  hatte.  Diese  beiden  Artikel  der  katholischen  Lehre 
sind  enthalten  in  diesen  Worten  des  heiligen  Simon  :  ,,  leh  glaube 
an  die  Gemeinschaft  der  Heiligen,  Naeldass  der  Sün'ien" 

\\"eil  es  aber  ein  Unrecht  gegen  Gottes  unendliche  Güte 
und  Gerechtigkeit  wäre,  wenn  wir  nicht  den  festen  Glauben 
hätten,  dass  Gott  nie  unterlassen  wird,  diejenigen  reichlich  zu 
belohnen,  die  ihm  durch  gewissenhafte  Befolgung  seines  heiligen 
Gesetzes  treu  dienen,  hingegen  verdiente  Strafe  zu  verhängen 
über  die  unseligen  Verächter  seines  Namens  und  die  wider- 
spenstigen Uebertreter  seiner  Gebote,  so  glauben  wir  fest  an  eine 
dereinstige  Auferstehung  des  Fleisches,  d.  h.  dass  alle  Menschen 
ohne  Ausnahme,  die  vor  uns  gelebt  haben  in  vergangenen 
Zeiten,  die  jetzt  leben,  und  die  nach  uns  leben  werden,  wieder 
lebendig  werden  und  am  Ende  der  Welt  dieselben  Leiber 
wieder  annehmen  werden,  die  sie  bei  ihrem  Tode  hatten,  und 
dass  sie  in  denselben  ewig  leben  werden,  entweder  in  Peinen 
oder  in  Herrlichkeit.  Denn  es  ist  klärlich  eine  Notwendigkeit, 
dass  Gott  der  Herr  nach  seiner  vollkommenen  und  unverbrüch- 
lichen Gerechtigkeit  die  Leiber  der  Heiligen,  die  während  ihres 
Lebens  ihre  Sinnen  und  Glieder  beständigen  Arbeiten  unter- 
warfen und,  um    nicht    von    Gottes    Liebe    getrennt    zu    werden, 


206  AiiJiang  I. 

selbst  viele  Unbilden  und  INIisshandlungen  ihrer  Verfolger  er- 
tru<Tcn,  welche  mit  ieglicher  Gewalt  und  roher  Grausamkeit  sie 
zwingen  wollten,  Gott  zu  beleidigen,  mit  ewigen  Freuden  segne. 
Denn  wenn  gleich  ihre  Tugendhaftigkeit  und  Mannhaftigkeit 
vorzüglich  das  Verdienst  der  Seele  ist,  die  treu  in  der  Pflicht 
verharrte,  so  verdient  doch  auch  der  Leib  ebensowohl  wie  die 
Seele  seinen  Anteil  an  der  Ruhe,  Freude  und  Herrlichkeit  der 
Seele,  weil  er  um  viele  Güter  kam,  die  ihm  zugekommen  wären, 
gepeinigt,  gefoltert  und  oft  grausam  zerfleischt  wurde. 

Andererseits  ist  es  ebenso  billig,  dass  die  Leiber  der  Gott- 
losen mit  gestraft  werden,  welche  sich  in  ihrem  Leben  un- 
bekümmert um  das  göttliche  Gesetz  jeder  Schlechtigkeit  in 
zügellosester  Weise  ergaben  und  ihren  Leidenschaften  der  Un- 
mässigkcit  und  Unkeuschhcit  unter  Verachtung  der  göttlichen 
Gebote  die  Zügel  schiessen  Hessen.  Fs  entspricht  der  göttlichen 
Gerechtigkeit,  dass  sie  wider  ihren  Willen  für  immer  das  un- 
auslöschliche Feuer  zu  tragen  und  so  für  die  Freuden  zu  büssen 
haben,  die  sie  ihren  unerlaubten  Lüsten  nachgebend  genossen 
haben,  damit  sie,  wennschon  zu  spät,  einsehen,  was  für  ein 
Uebel  es  ist,  wenn  eine  elende,  unnütze  Kreatur  sich  heraus- 
nimmt, Gott  zu  verachten  und  die  höchste  Majestät,  über  alles 
anbetungswürdig,  herauszufordern.  Deshalb  werden,  wie  bemerkt, 
alle  Menschen,  gute  und  böse,  an  diesem  Tage  des  letzten 
Gerichtes  wieder  auferstehen,  und  ihre  Seelen  werden  wiederum 
dieselben  Leiber  annehmen,  welche  sie  bei  der  Geburt  empfingen 
and  bis  zu  ihrem  Tode  belebten.  Sic  werden  hinfort  in  Fwig- 
keit  unlöslich  mit  ihnen  verbunden  sein  und,  je  nachdem  es  ein 
jeder  in  seinem  Leben  verdient  hat,  mit  ihnen  entweder  in  den 
Himmel  eingehen,  um  mit  Christus  in  der  Glorie  des  Paradieses 
zu  herrschen,  oder  in  die  Hölle,  um  mit  dem  Teufel  ohne  Ende 
zu  heulen  und  zu  wehklagen.  Dies  ist  es,  was  der  heilige 
Thaddaeus  bekannte,  als  er  sprach  :  ,,  IcJi  glaube  an  die  Auf 
ersteJuuig  des  Fleisches." 

Da  aber  unsere  nach  dem  l^ilde  und  Gleichnisse  des  all- 
mächtigen   Gottes    geschaffene    Seele,    weil    geistiger  Natur,  mit 


Xavicrs  Erklärung  cfcs  Glcmbcnsbckcnntiiisscs.  267 

Fähigkeiten  ausgestattet  ist,  welche  die  göttlichen  Volllcoinmen- 
heiten  abbilden,  nämlich  mit  Willen,  Verstand  und  Gedächtnis, 
und  da  sie  von  ihrer  Erschaffung  an  durch  ein  von  ihrem 
Schöpfer  in  sie  gelegtes  Verlangen  getrieben  ist,  sich  mit  ihm, 
dessen  Abbild  sie  ist,  zu  vereinigen,  so  kann  man  nicht  glauben, 
dass  ein  so  edles  Geschöpf  Gottes  diesen  immer  lebendigen 
Instinkt  und  dieses  Sehnen  von  seinem  Schöpfer  ohne  Zweck 
erhalten  hat.  Vielniehr  ist  es  unbezweifelt  ftir  wahr  zu  halten, 
wie  alle  Christen  davon  überzeugt  sind,  die  Seele  des  Menschen 
werde  mit  Gottes  Beistand,  falls  sie  nicht  selbst  es  verhindert, 
die  Befriedigung  ihres  Verlangens  erfahren  und  zum  Besitz  des 
höchsten  Gutes  gelangen,  welches  wir  das  ewige  Leben  nennen  ; 
und  noch  vor  der  Auferstehung  des  Leibes  gelangen  die  in  der 
Gnade  Gottes  abgeschiedenen  und  von  allen  Makeln  der  Si^inde 
vollkommen  gereinigten  Seelen  zum  ewigen  Leben,  indem  sie 
im  Augenblick  des  Hinscheidens  zum  seligen  Schauen  Gottes 
zugelassen  werden. 

Nachmals  aber  werden  diese  Seelen,  wenn  sie  ihre  Leiber 
wieder  angenommen  und  mit  sich  vereinigt  haben,  in  einem 
weit  besseren  und  vollkommeneren  Zustande  diese  Seligkeit 
ohne  Unterbrechung  geniesscn  in  alle  Ewigkeit.  Die  ganze 
unermessliche  Ewigkeit  hindurch  werden  die  Seelen  der  Heiligen 
mit  Gott  im  Himmel,  zusammen  mit  den  Chören  zahlloser 
seliger  Engel  und  den  frohlockenden  und  triumphierenden 
Scharen  menschlicher  Heiligen,  die  traute  und  beseligende  Ge- 
genwart Gottes,  des  Schöpfers  und  Herrn  Aller,  geniessen,  der 
jeden  einzelnen  von  ihnen  mit  der  Fülle  der  himmlischen  Güter 
überhäufen  wird.  Die  Pierrlichkeit  dieser  Gnaden  ist  so  hoch, 
dass  wir  in  diesem  irdischen  Leben  bei  aller  Anstrengung 
unserer  Einbildungskraft  und  unseres  Verstandes  uns  niemals 
ein  Bild  oder  eine  Vorstellung  davon  machen  können,  die  auch 
nur  entfernt  an  die  Wirklichkeit  hinanreichte.  So  all  unser 
Vermögen  weit  übersteige  11  d  ist  die  göttliche  Herrlichkeit  Gottes, 
wenn  sie  ihr  ganzes  Selbst  ausschüttet  über  die  Heiligen,  die  er 
liebt,  und  dennoch  ist  das  wenige,  das  wir  gleichsam  von  dieser 


208  AnJuiiii^  I. 

unauss[)rcch'ichcn  GlückscliL^kcit  stammeln    können,    hinreichend, 
uns  zu  zeigen,  wie  sehr  wir  nach  ihr  uns  sehnen  müssen. 

Dort  leben  dann  die  Heiligen  glücklich  und  ruhig  in 
herrlichem  P'rieden,  keine  Klage  vernehmend  und  keine  er- 
hebend, von  allen  geliebt  und  geehrt  und  sich  alle  untereinander 
min  gegenseitiger  Liebe  und  Verehrung  umfassend  ;  an  allem 
haben  sie  Ueberfluss,  nicht  nur  am  Notwendigen,  sondern  an 
allem,  das  sie  nur  zu  vollkommener  Glückseligkeit  und  Herrlich- 
keit wünschen  können.  Sie  fühlen  kein  Uebel,  keines  kann'  sie 
treffen,  vor  keinem  haben  sie  zu  bangen  ;  vielmehr  so  gross 
und  übervoll  ist  ihr  seliger  Reichtum  an  Gütern  aller  Art,  dass 
er  alle  ihre  Wünsche  übersteigt  und  für  die  ganze  Ewigkeit 
ausreicht.  Und  alle  diese  Seligkeit  ist  ihnen  so  gewiss  und  so 
sicher  verbürgt,  dass  sie  keine  Furcht  oder  Besorgnis  zu  hegen 
haben,  sie  könnte  ihnen  jemals  genommen  oder  auch  nur  ver- 
mindert werden. 

Dies  ist  es,  was  der  heilige  Matthaeus  meinte,  da  er  sprach 
,,  IcJl  glaube  an  ein  civigcs  Leben."' 


II. 

Auszüge  aus  dem  Berichte  des  SchifPskapitäns 
Georg  Alvarez  über  Japan.  0 


Der  Bericht  beginnt  mit  einer  Aufzählung  der  Ilaupthäfen 
von  Japan  und  gibt  dann  eine  kurze  Beschreibung  des  Landes. 
Er  schildert  es  als  schön  und  fruchtbar  und  reich  an  Gewächsen 
aller  Art,  die  zum  grösstcn  Teil  dieselben  sind  wie  in  Portugal. 
Die  Eingeborenen  thun  jährlich  drei  Ernten  ein.  Für  alle  land- 
wirtschaftlichen Zwecke  gebrauchen  sie  Pferde,  da  Ochsen  selten 
anzutreffen  sind,  wie  es  überhaupt  nicht  viele  Haustiere  gibt.  -) 
Dagegen  ist  viel  Wild  vorhanden  und  als  Nahrungsmittel  sehr 
begehrt.  Das  gewöhnliche  Volk  fängt  seine  Beute  mit  Netzen  ; 
die  oberen  Klassen  bedienen  sich  der  Falken,  die  Vornehmsten 
dürfen  Adler  gebrauchen.  Hochwild  wird  stets  mit  Pfeilen  ge- 
schossen, Fische  aller  Art  kommen  in  Menge  vor  sowohl  in 
der  See  wie  in  den  Flüssen.  3) 

1.  Siehe  Kapitel  VII,  S.  95  f.  Ich  gebe  diesen  Bericht,  der  vieles  enthält,  was 
auch  in  dem  folgenden,  von  Anjiro  herstammenden  steht,  nur  im  Auszug,  und  zwar  nach 
der  englischen  Uebersetzung  von  Coi.eridge  (77/t'  L^fe  and  Letters  of  St.  Francis 
Kavier.  2d  ed.  Vol.  II,  pp.  216  ff.)  wieder.  Einer  Korrektur  iiedarf  die  Angabe 
von  Coleridge,  dass  er  mit  dem  nach  Anjiros  Informationen  abgefassten  gleichzeitig 
sei,  also  vom  Anfang  Januar  1549  stamme.  Xavier  hat  ihn,  wie  oben  (Kap.  VII.) 
gezeigt  ist,  schon  ein  ganzes  Jahr  vorher  in  Absclirift  nach  Europa  gesandt.  So  ist 
er  vielleicht  der  erste  Bericht,  der  Europa  eine  genauere  Kenntnis  Japans  vermit- 
telte, und  eben  dies  gibt  ihm  besonderes  Interesse. 

2.  Die  landwirtschaftlichen  Verhältnisse  Japans  hat  am  gründliclisten  der 
deutsche  Gelehrte  Prof.  Dr.  M.  F.  SCA  dargestellt  in  seinem,  gleichzeitig  in  japa- 
nischer Ausgabe  erchienenen  umfangreichen  Werke  „  Beiträge  zur  A'enntniss  der 
japanischen  Landwirthschaft  '■'■ ,  herausgegeben  von  der  kaiserlich  geologischen  Reiclis- 
anstalt.     Berlin,  I.  Allgemeiner  Theil,   1890.  IL  Specieller  Theil,   1893. 

3.  Beides,  Jagdsport  wie  Fischfang,  bekunden,  dass  das  liuddhistische  Gebot, 
kein  lebendes  Wesen  zu  töten,  nie  strikt  befolgt  wurde,  wie  sich  denn  seilest  die 
Mönche  vielfach  über  das  Verbot  des  Fleischgenusses  hinwegsetzten. 


270  All  hau  (^  II. 

An  verschiedenen  Plätzen  gibt  es  heisse  Quellen.  V\\\  Fliiss 
ist  dadurch  merkwürdig,  dass  er  an  seiner  Quelle  sehr  kalt  ist 
und  in  seinem  Unterlaufe  ebenso  heiss  wird  ;  er  bricht  sich  den 
Weg  durch  ein  Schlammbett  zur  See.  In  diesem  Schlamm 
graben  die  ärmeren  lunwilmer  Löcher  aus,  die  sich  mit  Avarmem 
Wasser  füllen  ;  in  diesen  baden  sie  sich  bei  Sonnenaufgang.  4) 
Die  Weiber  haben  die  Gewohnheit,  ihren  Kopf  dreimal  unter 
das  Wasser  zu  tauchen.  lütwas  von  diesem  nehmen  sie  in 
Holzgefässen  mit  sich,  um  es  auf  dem  I  leimwege  mit  ihren 
P'ingern  durch  die  Strassen  und  auf  iXi^w  Flur  ihrer  Häuser  zu 
sprengen,  wobei  sie  gewisse  Worte  sprechen,  ,,  die  ich",  sagt 
Alvarez,  ,,  niclit  verstehen  kennte,  obwohl  es  mir  gewiss  scheint, 
dass  dieselben  eher  eine  fromme  Uebung  als  ein  blosser  gewöhn- 
licher lirauch   waren,  da  dies  nicht  alle  Weiber  thaten." 

Japan  wird  oft  von  Erdbeben  heimgesucht.  Es  ist  von 
zahlreichen  vulkanischen  Eilanden  von  verschiedenem  Umfang 
umgeben,  die  das  ganze  Jahr  hindurch  rauchen  und  nicht  selten 
Feuer  speien.  5)  Orkane  sind  etwas  Gewöhnliches  zur  Zeit  des 
Vollmonds  ;  aber  im  Monat  September  kommt  immer  ein  Orkan 
von  grösserer  Heftigkeit  und  längerer  Dauer  als  die  übrigen. 
Indessen  zeigen  diese  Stürme  ihr  Nahen  an,  indem  ihnen  re- 
gelmässig ein  feiner  Regen  vorangeht,  so  dass  die  Eingeborenen 

4.  Japan  ist  bei  seinem  zum  grossen  Teile  vulkanischen  Terrain  wie  kaum  ein 
Land  der  Erde  reich  an  wannen  Wassern,  besonders  Schwefelthermen,  deren 
r^uellentemperatur  oft  bis  zu  ioo°C  beträgt  ;  zum  Baden  sucht  sich  der  Japaner 
gewöhnlich  die  Stellen  aus,  an  denen  sich  die  Temperatur  des  ^^'assers  im  Weiter- 
laufe auf  40 -50°C  reduziert  hat.  Der  Fluss,  von  dem  Alvarez  erzählt,  muss  irgend 
ein  nicht  näher  zu  bezeichnender  in  Kyüslul  sein,  dem  sich  während  des  Laufes 
eine  heisse  Quelle  mitteilt. 

5.  Japan  ist  das  Land  der  Vulkane  auch  heute  noch.  Neben  mindestens 
hundert  sogenannten  erloschenen  Vulkanen  gibt  es  im  japanischen  Reich  immer 
noch  eine  Anzahl,  in  deren  Schlünden  es  wie  gewaltiges  Meeresbrausen  rollt  und 
zischt,  aus  denen  beständig  glühende  Dämpfe  aufsteigen,  den  .Schiffen  ein  Wahr- 
zeichen in  dunkler  Nacht,  untl  die  von  Zeit  zu  Zeit  ihre  verderlilichen  Lavacrgüssc 
oder  Aschenregen  aussenden.  (Rein,  Bd.  T,  S.  46)  Damit  hängt  die  Häufigkeit 
der  oft  ausserordentlich  heftigen  Erdbeben  zusammen.  Siehe  die  bezüglichen  Aufsätze 
in  den  Transaci.  of  the  As.  Soc.  of  Jaj)an  uinl  in  den  Mitth,  der  D.  G.  f.  N.  u.  V.  U. 


Georg-  Alvarcz  Bericht  nlnr  Japan.  271 

in  der  Lagc^sind,"  Massrcgcln  für  ihre  persönliche  Sicherheit  zu 
treffen.  6)  Die  Häuser  sind  niedrig  und  der  Sicherheit  wegen 
stark  gebaut,  mit  Strohdächern,  die  mittelst  grosser  Steine  fest- 
gehalten werden.  Sie  sind  in  Zimmer  und  Vorzimmer  abgeteilt. 
Schlösser  und  Riegel  scheint  man  nicht  zu  kennem.  Jedes  Haus 
ist  von  einem  umzäunten  Stück  Land  umgeben,  das  als  Küchen- 
garten dient ;  und  jedes  Haus  ist  mit  seinem  besonderen  Brun- 
nen versehen,  desgleichen  mit  einem^liackofen,  einem  Webstuhl, 
einer^Holzmühle  zum  Reisschroten  und  einer  .Steinmühle  zum 
Getreidemahlen. 7)  Der  Geflügelstand  ist  in  jeder  Familie  auf 
einen  einzigen  Hahn  und  eine  Henne  beschränkt. 

Die  Eingebornen  sind  zum'  grössten  Teil  von  mittlerer 
Grösse,  kräftig,  ^  wohl  gebaut  und  von  heller  Hautfarbe.  Die 
Adeligen  tragen  ihre  Barte  kurz  geschoren  wie  die  Mohren  ; 
die  aus  niedrigen  Ständen  tragen  sie  lang.  Es  scheint,  dass 
Alle  Wangen  und  Scheitel  rasieren  und  die  Haare  des  Hinter- 
kopfes lang  lassen.  Sie  haben  den  Kopf  beständig  unbedeck't, 
nur  die  alten  IMänner  tragen  bei  kaltem  Wetter  eine  seidene 
Kappe.  Die  Männer  tragen  ein  leinenes  Untergewand,  das  bis 
zu  den  Knieen  reicht,  mit  Aermeln  bis  zu  den  Ellenbogen  ;  der 
Unterarm  ist  immer  bloss.  Ueber  diesem  Hemd  wird  eine  Art 
Jacke  von  ungebleichtem  Leinen  getragen,  welche  mit  Stickereien 
in  weisser,  grauer,  schwarzer  ur.d  blauer  Farbe  verziert  i.st.  Dazu 
kommen  weite,  an  den  Seiten  aufgeschlitzte]Hosen,  welche  über 
den  Hüften  durch  einen  ledernen  Gürtel  festgehalten  werden  ; 
bei  schmutzigem  Wetter  wird  der  Anzug  vervollständigt  durch 
eine  Art  von   Halbschuhen  zum  Schutz  der  Füsse. 


6.  Die  Orkane,  dereiiThier  gedaclU  ist,  sind  die  in  Ostasien  zu  Land  wie  zur 
.See  gefürchteten  Tnifui/e  (nicht  gebildet  von  dem  griechischen  Wort  xu^ow,  wie 
man  vielfach  annimmt,  und  wie  z.  B.  Himi.y  in  einem  Aufsatz  in  den  Mitth.  d.  I). 
G.  f.  N.  u.  V.  ( ).  VA.  I,  Heft  VIII,  zu  beweisen  suchte,  sondern  von  dem  chinesi- 
sclien  Worte  lai-fciig,  welches  in  Formosa,  nicht  von  den  Chinesen  selbst,  zur  l!e- 
zeicluiung  der  Zyklone  gebraucht  wird).  .Sie  stellen  sicli  meist  im  Septemljer,  oft 
aucli  sclion  inr  Juli  und  August  ein. 

7.  Die  Beschreibung  der  Häuser  stimmt  noch  heute  für  das  Land  und  z.um 
grossen  Teil  auch  für  die  .Städte,  wo  nur  an  Stelle  der  Slrohbedachung  meist  Ziegel 
getreten  sind. 


2/2  AuJiaiig  II. 

,,  Dieses  Volk  ",  ffdirt  der  Schreiber  fort,  ,,  ist  sehr  stolz 
und  leicht  beleidigt.  Alles,  Alt  und  Jung,  trägt  Schwerter  und 
andere  Waffen,  ^)  was  ihnen  vom  achten  Jahre  an  gestattet  wird. 
Sie  sind  fast  alle  geschickt  im  Gebrauche  der  Pfeile  und  tragen 
grosse  Bogen.  Zum  Schutze  des  Leibes  bedienen  sie  sich 
enganliegender,  bemalter  Panzerhemden  von  Eisen.  Sie  sind 
nicht  habsüchtig,  sondern  im  Gegenteil  freigebig  und  gastfreund- 
lich gegen  Fremde,  mit  denen  sie  gern  Freundschaft  zu  schlies- 
scn  scheinen,  und  von  denen  sie  Nachrichten  über  andere  Län- 
fler  zu  erhalten  suchen.  Doch  sind  sie  zu  letzterem  nur  in 
beschränktem  Masse  im  stände,  da  sie  nicht  die  rechten  PVagen 
zu  stellen  verstehen.  .Sehr  i.st  es  ihnen  darum  zu  thun,  dass 
ihre  Gastfreundschaft  erwiedert  werde  ;  diejenigen,  die  an  Bord 
unserer  Schiffe  kamen,  suchten  ihre  Neugierde  auf  alle  Weise 
zu  befriedigen.  Diebstahl  ist  bei  ihnen  besonders  \-erabscheut ; 
auch  die  geringste  Unredlichkeit  wird  mit  dem  Tode  bestraft. 
Wenn  sie  von  einem  Diebe  hören,  der  frei  umhergeht,  so  stürzen 
die  Anführer  fort,  ihn  einzufangcn,  und  es  gilt  als  eine  grosse 
PIhre,  der  erste  zu  sein,  der  ihn  entdeckt  und  tötet." 

Es  folgen  im  Berichte  einige  Mitteilungen  über  die  Nahrung 
der  Einwohner  und  über  die  Art,  wie  sie  dieselbe  zu  sich  neh- 
men. Sie  essen  dreimal  in  Tage  und  immer  sehr  spärlich, 
indem  sie  nur  sehr  wenig  P"leisch  zu  sich  nehmen  und  niemals 
das  Pleisch  eines  Haustieres.  Ihre  Nahrung  besteht  hauptsächlich 
aus  verschiedenen  Getreidearten,  wie  Reis,  Hirse  u.  dgl.  ;  sie 
backen,  wenn  überhaupt,  nur  selten  Brot.  Ein  aus  Reis  berei- 
teter Wein  ist  das  allgemeine  Getränke  ;  aber  Trunkenheit  ist 
offenbar  unbekannt,  denn  sobald  einer  merkt,  dass  er  sich  nicht 
mehr  ganz  in  der  Herrschaft  hat,  stellt  er  das  Trinken  ein 
und  legt  sich  schlafen.  Die  Japaner  speisen,  indem  sie  mit 
kreuzweise  unterschlagenen  Beinen  auf  dem  Boden  sitzen  wie 
die  Mohren,  und  bedienen  sich  wie  die  Chinesen  kleiner  Stäbchen. 
Sie  essen  aus  irdenen  Näpfen,   welche  aussen  schwarz,  innen  rot 


8.     In  ^^■u■ldichkcit  war  das  Tratten  von  ^^■affc^  ein  Privilei;  der  Saniuraiklasse, 


Georg  Alvarc:  Bericht  über  Japan.  273 

beiiialt  sind.  Kaltes  Wasser  wird  niemals  getrunken,  weder  im 
Sommer  noch  im  Winter.  P"s  gibt  in  Japan  viele  Gasthciuser, 
wo  Reisende  Erfrischungen  haben  und,  falls  sie  dies  wollen, 
auch  übernachten  können. 

Niemand  kann  mehr  als  ein  Weib  haben ;  9)  die  Weiber 
werden  von  ihren  Eltern  verheiratet,  und  es  erregt  grossen 
Verdruss,  wenn  eine  Partie  nicht  die  Zustimmung  derjenigen  hat, 
die  sie  zu  erteilen  haben.  Wenn  ein  Weib  sich  träge  oder 
untreu  beweist,  so  kann  ihr  Mann  sie  in  ihr  elterliches  Haus 
ZAUTickschicken,  sofern  sie  ihm  noch  keine  Kinder  geboren  hat ; 
hat  sie  dagegen  bereits  Kinder,  so  kami  er  sie  ohne  weiteres 
wegen  eines  dieser  Fehler  töten,  ohne  straffällig  dadurch  zu 
werden.  Die  T'olge  von  solch  scharfen  Bestimmungen  ist,  dass 
die  Frauen  eifersi^ichtig  darauf  bedacht  sind,  die  h^hre  ihrer 
Männer  zu  wahren,  und  gerne  ruhig  leben  und  für  ihr  Heim 
sorgen.  Gefängnisse  gibt  es  nicht,  da  man  von  jedem  erwartet, 
dass  er  Justiz  in  seinem  eigenen  Hause  übt.  Die  Reichen  und 
Vornehmen  dürfen  Sklaven  halten ;  doch  haben  die  letzteren  so 
viel  Freiheit,  dass  sie  ihrem  Herren  nur  ihren  Wunsch  aus- 
sprechen müssen,  wenn  sie  nicht  mehr  bei  ihm  bleiben  wollen. 
In  diesem  Falle  ist  dieser  verpflichtet,  ihnen  einen  andern  Herrn 
zu  suchen;  thut  er  es  nicht,  so  mögen  sie  ihm  entlaufen,  wenn 
sie  können  ;  wenn  sie  aber  ohne  vorherige  Warnung  entlaufen, 
so  setzen  sie  sich  der  Gefahr  aus,  getötet  zu  werden.  1°)  Die 
Japaner  haben  ein  besonderes  Vergnügen  an  farbigen  Menschen. 
Ihre  Hauptlieblinge  sind  Kaffern  ;  um  sie  zu  sehen,  machen  sie 
beträchtliche  Reisen,  und  behandeln  sie  mit  aller  möglichen 
Auszeichnung.") 

Sie  sind  der  Person  ihres  Königs    sehr    zugethan  ;    die    vor- 

9.  Daneben  wurden  freilich,  wie  noch  heute  vielfach,  Konkubinen  gehalten. 

10.  Schon  diese  Mitteilungen  des  Schiffskapitäns  zeigen,  dass  es  sicli  um 
Knechte,  nicht  eigenllicli  um  Sklaven  liandelt,  die  es  in  dieser  Zeit  bereits  seit 
vielen  Jahrhunderten  nicht  mehr  gab. 

11.  Diese  „Farbigen"  können  nur  solche  sein,  die  Portugiesen  auf  ihren 
Schiften  mit  sich  führten. 


2/4  Anhanfi;  II. 

nchmstcn  Adeligen  bctracliten  es  als  eine  Ehre,  ihre  Söhne  am 
Hofe  des  Königs  in  Dienst  zu  hal)cn.  Vor  dem  König  hat 
jeder  auf  den  Händen  und  Knieen  liegend  zu  erscheinen. i^) 
Selbst  unter  Gleichen  werden  die  Gäste  knieend  empfangen,  und 
die  Bewirtenden  verharren  in  dieser  Stellung,  bis  die  Eingetre- 
tenen Platz  genommen  haben.  Jedermann,  von  welchem  Range 
er  auch  sei,  bleibt  doppelt  gebeugt  stehen,  wenn  er  draussen 
dem  König  begegnet,  bis  dieser  vorbei  gegangen  ist ;  und  wenn 
Personen  niedrigeren  Standes  ihren  Vorgesetzten  begegnen;  so 
ziehen  sie  ihre  Schuhe  aus  und  beugen  sich  in  Demut  tief  zur 
Erde.  Sie  sprechen  gewöhnlich  beinahe  im  Flüsterton  und  ver- 
achten die  Fremden  wegen  ihres  lauten  Sprechens.  In  ihren 
Häusern  sitzen  sie  rund  im  Kreise,  selbst  bei  den  Mahlzeiten. 
Sie  lieben  die  Musik  ;  ihre  hauptsächlichsten  Instrumente  sind 
Trommeln  und  Pfeifen.  Sie  haben  feste  Regeln,  die  bei  Unter- 
haltungen beobachtet  werden.  Spiele  lieben  sie  nicht. ^3)  Sie 
sind  gute  Reiter ;  ihre  Pferde,  deren  sie  sehr  viele  haben,  sind 
klein.  Die  Fürsten  und  Adeligen  haben  sehr  schöne  Rosse, 
welche  sie  selbst  züchten. 

Die  Wohnungen  der  Häuptlinge  sind  feste,  auf  einem  allein- 
stehenden Hügel  liegende  Burgen,  immer  in  einer  Entfernung 
von  etwa  zwei  Stunden  von  der  Küste.  Der  Hügel,  der  fiir 
dieselben  gewählt  wird,  darf  aber  nicht  felsig  sein  und  muss 
Wasservorrat  haben.  Die  Erde,  welche  beim  Bau  zur  Herstel- 
lung der  Wassergänge  ausgegaben  wird,  dient  zur  Errichtung  eines 
Walles  von  mehr  als  Manneshöhe,  der  sich  zum  Schutz  gegen 
die  Orkane  um  den  ganzen  Gebäudekomplex  herumzieht.  Die 
Wohnung  des  Häuptlings  zeichnet  sich  durch  ihre  zentrale  Lage 
und  grössere  Höhe  aus.  ,,  Ich  selbst",  sagt  der  Verfasser  des 
l^erichts,  ,,  besuchte  die  Festung  des  Königs.  Sie  enthielt  neun- 
zehn separate  Häuser,  aber  nicht  weniger  als  siebenundvierzig 
Thore,  die  auf  ebenso  viele  Wege    oder    Strassen    führten.     Die 


12.  l'iitei'  dem  Könit^  sind  hier  die  Daimyös  zu  verstehen. 

13.  Dies  gilt  nur  vom  unteren  Volke.  IJesondcrs  am  Hofe  füllten   .Spiele    ver- 
schiedener Art  einen  erossen  Teil  der  Ta^e. 


Georg  Alvarcz  Bericht  über  Japan.  275 

Umfassung  bestand  aus  Sandstein  ;  die  Wälle,  die  breiter  als  lioch 
waren,  waren  von  fester  Erde  und  mit  Pallisaden  befestigt.  Der 
Eingang  zu  dieser  Burg  ist  hoch  oben  und  schwer  zugänglich  ; 
er  ist  so  ^^'\'g,  dass  Reiter  ihn  nur  einer  hinter  dem  andern 
passieren  können.  Ich  habe  in  der  That  nie  eine  Festung,  selbst 
von  Stein,  gesehen,  die  uneinnehmbarer  schien. 

Die  Eingeborenen  haben  in  ihren  Häusern  Götzenbilder, M) 
zu  denen  sie  beten,  sobald  sie  am  Morgen  aufstehen,  und  zwar 
mit  einem  Rosenkranze  ^5)  in  den  Händen ;  am  Schlüsse  ihrer 
Andacht  ziehen  sie  denselben  dreimal  schnell  durch  die  Finger 
und  begleiten  diesen  Akt  mit  einem  dreifachen  Gebete — um 
Bewahrung  vor  Uebel,  um  zeitlichen  Segen  und  um  Rettung 
von  ihren  Feinden.  Manche  nehmen,  entweder  zur  Sühne  eines 
früher  begangenen  Verbrechens  oder  veranlasst  durch  eine  grosse 
Trauer,  Gelübde  der  Armut  und  Keuschheit  auf  sich,  indem  sie 
ihre  Weiber  verlassen,  falls  sie  solche  haben,  und  ihre  Flabe  an 
ihre  Götzen  und  die  Armen  verteilen.  Die  Frauen  sind  anmutig, 
haben  eine  hübsche  Haut  und  gefällige  Manieren  ;  sie  besorgen 
alle  Hausarbeit,  wie  Weben,  Kochen  u.  dgl.  Gute  Gattinnen 
werden  von  ihren  Männern  in  hoher  Achtung  gehalten  ;  ja  sie 
regieren  sie  und  gehen  nach  Belieben  hierhin  und  dorthin,  ohne 
daran  zu  denken,  ihre  Gebieter  um  Erlaubnis  zu  bitten.  Die 
Frauen  tragen  ein  langes,  vom  Nacken  bis  zu  den  Füssen 
hinabreichendes  Gewand,  das  um  die  Hüften  zusammengehalten 
Avird  ;  über  diesem  tragen  sie  Röcke  wie  die  Frauen  in  Europa, 
und  wie  diese  bewundern  auch  sie  langes  und  dickes  Haar  und 
wenden  viel  Zeit  und  Sorgfalt  auf  ihre  Kopffrisur. 

Die  Stirne  lassen  sie  sich  ziemlich  hoch  hinauf  rasieren. 
Sie  sind  sehr  fromm  und  gehen  immer  zu  den  Tempeln,  um 
zu  beten  und  ihre  Rosenkränze  herzusagen. 

14.  D.  h.  das  kainidann  oder  Göttersims. 

15.  Der  Rosenkranz  ist  ebenso  ein  Requisit  der  buddliistischen  wie  der 
katholischen  Religionspraxis.  Siehe  den  Aufsatz  von  J.  M.  James  in  den  T.  A.  .S. 
J.  V(;l.  IX,  1 73-182:  Dcscriptive  iVo/es  on  tlie  Rosaries  [Jiii-Dzii)  as  tised  by  the 
di/fereiii  sccfs  of  Biidditists  in  Japan. 


376  AuJiang  II. 

Die  Japaner  haben  zwei  Arten  von  Tempeln. 'f')  Die  eine 
Art  schlicsst  sich  an  die  Wohnungen  der  Priester  oder  Bonzen 
an,  die  zusammen  leben,  doch  so,  dass  jeder  seine  eigene  Zelle 
hat,  wo  er  schläft  und  studiert.  Sie  alle  stehen  in  der  Nacht 
auf  und  verrichten  eine  gemeinsame  Andachtsübung,  wobei  der 
Aelteste  laut  vorliest,  die  andern  aber  antworten.  Gegen  Abend 
läuten  sie  Glocken,  die  sie  mit  einem  eisernen  oder  kupfernen 
Hammer  schlagen.  Sic  gebrauchen  auch  Gongs,  die  sie  von 
den  Chinesen  geborgt  haben,  wie  sie  dies  auch  mit  allen  'den 
heiligen  Schriften,  die  sie  besitzen,  und  ebenso  mit  vielen  ihrer 
religiösen  l^räuche  gethan  haben.  Von  Zeit  zu  Zeit  beten  sie 
ihren  Rosenkranz  ab  wie  die  Laien.  Sie  nähren  sich  von 
Pflanzenkost  und  werden  von  Hoch  und  Nieder  hochgehalten, 
so  dass  selbst  der  König  in  gewissem  Masse  ihnen  unterthan 
ist.  Die  geringsten  Mitglieder  der  Gemeinschaft  werden 
manchmal  ausgeschickt,  um  in  den  Strassen  und  Dörfern  zu 
betteln,  oder  sie  werden  angehalten,  den  alten  Weibern  zu 
helfen,  die  ihre  Hausarbeit  verrichten,  Ihre  Andachtshäuser 
sind  gut  gehalten ;  die  Götzenbilder  sind  vergoldet  und  haben 
Köpfe  wie  diejenigen  der  Kaffern,  mit  durchbohrten  Ohren  wie 
die  Malayen.  Diese  Tempel  sind  von  Bäumen  umgeben  und 
gewähren  mit  einziger  Ausnahme  der  Diebe  für  eine  gewisse 
Zahl  von  Tagen  Verbrechern  jeder  Art  ein  Asyl.  Manche  der 
Götzenbilder  gleichen  christlichen  Märtyrern  und  Bekennern  wie 
St.  Stephan  und  St.  Laurentius.  Sie  sind  mit  geschorenem 
Haupte  dargestellt.  Rund  herum  an  den  Seiten  des  Tempels 
sind  Kissen  gelegt,  auf  die  sich  die  Priester  zum  Beten  setzen  ; 
der  Mittelraum  ist  für  die  Leute  bestimmt,  die  da,  Männer  und 
Frauen  durcheinander,  knicen  und  mit  erhobenen  Händen  die 
Märtyrer  anrufen. 

Die  Bonzen  sind  alle  rasiert ;  sie  haben  Räume  in  geringer 
Entfernung     von     ihren     Klöstern,     wohin    sie    zweimal    täglich 

16.  Der  .Schiffskapilän  unterscheidet  hier  offenbar  zwischen  den  grossen,  in  der 
Regel  mit  Priesterwohnungen  verbundenen  Buddhistentempebi  (Jcra)  und  den 
unscheinbareren,  isolierten  Shintöschreinen  {iiiiya). 


Georg  ÄlvarcrS  Bericht  über  [cxpan.  277 

gehen,  um  ihre  Abwaschungen  zu  vollziehen.  Sie  erhitzen 
das  nötige  Wasser  in  Oefen,  die  zu  dem  Zwecke  errichtet  sind  ; 
das  Brennholz  wiid  ihnen  aus  Liebe  zu  Gott  geschenkt. 
Sie  tragen  weite  Hemden  gleich  denen  der  Laien  und  über 
diesen  ein  schwarzes  Gewand,  das  bis  zu  den  Füssen  reicht; 
um  den  Hals  haben  sie  eine  Stola  und  tragen  Kappen  wie 
Weiber  und  keine  Beinkleider.  vSie  sind  ausserordentlich  be- 
gierig, von  unserer  Religion  zu  hören,  und  freuen  sich  sehr  an 
unseren  Heiligenbildern,  die  sie  an  ihren  Kopf  halten. ^7)  Es 
scheint,  sie  haben  den  Wunsch,  unser  Land  zu  besuchen.  Es 
gibt  Orden  von  schwarzen  und  solche  von  grauen  Mönchen ; 
alle  pflegen  Gütergemeinschaft.  Sie  können  Chinesisch  lesen 
und  schreiben,  aber  nicht  sprechen,  und  sind  deshalb  genötigt, 
sich  mit  den  Chinesen  mittelst  der  Schrift  zu  verständigen,  da 
die  letzteren  nicht  Japanisch  sprechen  können.  Sie  begehen 
Totenfeiern  für  die  Verstorbenen  und  beten  auch  in  folgender 
Weise  für  die  Kranken.  Sämtliche  Väter  versammeln  sich  im 
Tempel,  wo  sie  in  bestimmter  Ordnung  sitzen,  der  älteste  nächst 
dem  Altar  und  so  weiter,  der  jüngste  in  der  Mitte.  Sie  haben 
eine  grosse  Trompete,  und  nachdem  einer  der  ältesten  Väter 
Gebete  vorgelesen  hat,  blasen  sie  diese  Trompete,  und  alle 
respondieren  unisono  oder  in  Harmonie.  Die  Zeremonieen  dauern 
von  Tagesanbruch  bis  Mittag.  Während  dieser  Zeit  wird  den 
Bonzen  Essen  von  denen  gebracht,  die  ihre  Dienste  in  An- 
spruch genommen  haben  und  mit  ihren  Verwandten  zugegen 
sind. 

Diese    Orden    schliessen    Frauen    ebensowohl    wie    Männer 
ein ;    die    Frauen    leben    in    Häusern    gesondert    und    legen    das 

17.  Die  Jesuitenmissionare  nahmen  diesen  Braucli  als  eine  den  katholischen 
Heiligen  erwiesene  Verehrung  bzw.  Anbetung.  Er  lebt  noch  heute.  Dass  dieser, 
übrigens  durchaus  nicht  auf  Japan  beschränkte,  sondern  sich  auch  sonst  vielfach  im 
Orient  findende  Brauch  in  keiner  Weise  etwas  mit  religiöser  Verehrung  zu  thun 
hat,  darüber  kann  man  keinen  Augenblick  im  Zweifel  sein,  wenn  man  die  gleiche 
Ehre  sogar  dem  Geldschein  erwiesen  sieht,  mit  denr  man  in  Jajian  eine  Schuld 
bezalilt.  Das  Ertieben  des  Gegenstandes,  den  man  von  einem  Andern  erhält,  zur 
Stirn  ist  nichts  als  eine  Ilöllichkeitsforju. 


2/8  Anliaiv^-  II. 

Gelübde  der  Keuschheil  ab.  Jeder  Bruch  desselben  wird  streiiL^" 
geahndet.  Sie  haben  keine  besondere  Gewandung.  Viele  Glieder 
der  höchsten  h'aniilien  treten  in  diese  Orden  ein  ;  manche  ver- 
heiratete Frauen    verlassen  sogar  ihre  Männer,    um  das  zu  thun. 

Es  gibt  noch  einen  anderen  Männerorden.  Seine  Angehörigen 
haben  andere,  kleinere  Idole,  die  in  Tabernakeln  abgeschlossen 
sind  und  nur  an  Festtagen  heraus  genommen  werden.  Diese 
Götzenbilder  werden  in  Häusern  aufbewahrt,  die  in  Hainen  in 
einiger  Entfernung  von  jeglicher  Wohnung  gebaut  sind  'und 
mit  \'iel  Ehrfurcht  betrachtet  werden.  Die  Priester,  die  diese 
Tempel  bedienen,  kleiden  sich  wie  die  Laien  und  tragen  Waffen. 
Auf  ihrem  Kopfe  tragen  sie  viereckige  Kappen,  die  an  Schiff- 
segel erinnern,  und  einen  kleinen,  bis  unterhalb  des  Bartes  rei- 
chenden Umhang.  Sie  sind  stark  der  Zauberei  ergeben  und 
tragen  ihre  Rosenkränze  um  (\q\\  Hals,  woran  man  sie  erkennen 
kann.  Sie  gestatten  Frauen,  in  ihrem  Kultus  eine  Rolle  zu  spie- 
len, sind  aber  nichtsdestoweniger  verpflichtet,  strikte  Keuschheit 
zu  beobachten.  Sie  haben  keine  Verbindung  mit  der  anderen 
Art  von  Bonzen,  gleichen  ihnen  aber  darin,  dass  sie  keine 
eigenen  heiligen  Bücher  besitzen,  und  darin,  dass  sie  dieselbe 
Art  Glocken  benützen,  i^) 

Ihre  Weise,  Totenfeiern  zu  begehen,  ist  die  folgende  :  Vier 
oder  fünf  Väter  begeben  sich  zum  Tempel,  eine  alte  Frau  mit 
sich  nehmend;  \\\c  im  vorhergehenden  Falle  versehen  diejenigen, 
auf  deren  Ersuchen  die  Zeremonieen  vollzogen  werden,  den 
fungierenden  Priester  mit  Speise  und  Wein,  i^iner  der  Priester 
öff"net  das  Tabernakel,  nimmt  eine  Trommel,  ein  Paar  Kastag- 
netten,  einen  Keifen  mit  Schellen,  einen  P'rauenrock-  und  eine 
bunte  Schärpe  heraus  und  schliesst  es  dann  wieder  zu.  Die 
P^rau  tritt  vor,  um  das  Kleid  anzuziehen  und  die  Schärpe  umzu- 
binden;  dann    singt    und    tanzt    sie    nach  den    verschiedenen   In- 

iS.  Iliemil  sind  die  Kannushi  der  Shintöreligion  gemeint,  die,  der  Samurai- 
klasse zugezählt,  das  Recht  hatten,  Waffen  z.u  tragen.  Nicht  richtig  ist,  dass  sie 
zur  Haltung  .strikter  Keuschheit  verpflichtet  waren;  wühl  aljcr  folgten  sie  in 
dieser  Beziehung  vielfach  der  asketischen  Pra.xis  der  Uonzen. 


Georg  Alvarcz  Bericht  über  Japan.  279 

Strumenten,  während  die  Bonzen  eine  halbe  Stunde  lang  mit 
einstimmen.  Nach  Ablauf  dieser  Zeit  essen  und  trinken  sie 
wieder,  und  so  schliesst  die  Zeremonie.  Ich  habe  eines  dieser 
Idole  gesehen ;  sie  sind  hässlich  und  schlecht  gemacht. 

Soweit    unsere    Erkundungen    bis    jetzt    gehen,    scheint    im 
ganzen  Lande   nur   eine  einzige    Sprache  im    Gebrauch  zu  sein." 


III. 

Beschreibung  der  Gebräuche  und  Sitten  auf  einer 

erst  kürzlich  gegen  Norden  entdeckten 

Insel,  Japan  mit  Namen. 

(Nach  den  Mitteil unL;-cn    Pauls,    fiüher  c;'enannt  Angero,  der,  ein 

Einijeboi'ner  der  genannten    Insel,   sich  kürzlich  zu 

unserem  heiligen  Glauben  bekehrte).  M 


Nordüstwärts  unweit  China  entdeckten  portugiesische  Kauf- 
leute eine  Insel,  Japan  mit  Namen,  von  gleicher  Höhe  mit 
Italien.  Ihre  Ausdehnung  soll  sehr  gross  sein,  i8oo  Meilen  in 
tlie  Länge,  900  in  die  Breite.  -)  Von  dieser  Insel  kam  am  ersten 
Mai  3)  ein  dem  Anscheine  nach  ganz  kluger  und  verständiger 
Mensch  zu  uns,  Angero  mit  Namen,  begleitet  von  zwei  Dienern.  4) 
Begierig,  die  Geheimnisse  unseres  Glaubens  zu  erfahren,  machte 
er  in  sehr  kurzer  Zeit  so  grosse  Fortschritte  darin,  dass  er  nicht 
nur  das    Christentum  annahm,    sondern   auch,    nachdem    er    gar 

1.  Siehe  Kapitel  VII,  S.  95  f. 

2.  Xacli  einer  andern  Vension,  der  Coi.i.ridck  in  .seiner  eni^li.schen  Ueb'ersetz- 
ung  fulgt :  600  Meilen  von  ( ).slen  nacli  Westen  und  300  in  die  Breite.  Es  ist 
unnötig,  darauf  aufmerlvsam  zu  machen,  da.ss  diese  Angahjen  sein'  ungenau  sind. 
Japan  l)esteht  aus  vier  grossen  Inseln  {lloudö,  KyhsIiTt,  Sliikokii  und  Yczo  oder  Ilok- 
A-aicü'i)  und  einer  Unzahl  von  grösseren  und  kleineren  Eilanden  (etwa  3000),  die  sicli 
über  27  l!reilen-und  2i?>^l-z  Längengrade  hinziehen  (24°6^  ])is  50°56^  N.  uml  I22°45^ 
bis  I56°32^  Oc.).  Nach  japanisclien  Angaben  hat  das  Land  500  ;-/  in  der  Länge 
und  30-60  in  der  Breite  (i  ?7'=3927,27m).  Der  Gesamtflächcninhalt  beträgt  24.790 
(^uadrat-;7'=c.  7000  g.  Quadratmeilen. 

3.  .So  die  Version  dieses  Bericlits,  welche  das  Datum  „Ende  154S  "  trägt 
die  andere,  datiert  „Anfang  Januar  154g",  hat  statt  dessen:  „im  Monat  April 
vorigen  Jahres  ". 

4.  Der  /Aisatz  ,,  begleitet  von  zwei  Dienern"  felilt  in  einer  der  vorliegenden 
Versionen  des  Berichts,  wie  dieselbe  aucli  den  Namen  des  Japaners  niclit  gilit.  Vgl. 
oben  S.  62  f. 


Mitteilungen  des  Japaners  Anjiro  über  Japan.  281 

nicht  lange  im  Kollegium  des  heiligen  Glaubens  zu  Goa  war, 
Portugiesisch  lesen  und  schreiben  lernte  und  einige  der  vor- 
nehmeren Hauptstücke  unseres  Glaubens  in  seine  Landessprache 
übersetzte,  die  er  nun  beständig  liest.  5)  Er  widmet  sich  fleissig 
dem  Gebete  und  der  Betrachtung  und  ruft  dabei  unsern  Herrn 
Jesum  Christum  mit  brünstigen  Seufzern  an.  Er  ist  so  fromm 
und  sittsam,  dass  es  sich  nicht  sagen  lässt,  und  er  sich  dadurch 
aller  Hochachtung  gewann.  Zur  Zeit  als  er  noch  Katechumen 
war,  verlangte  ich  einmal  von  ihm,  dass  er  mir  die  Sitten  und 
Gebräuche  seines  Vaterlandes,  wenn  er  gleich  in  ihrem  Götzen- 
dienst nicht  förmlich  unterrichtet  war,  erzähle.  Er  teilte  mir 
mit,  was  er  wusste,  doch  so,  dass  ich  abnahm,  seine  Erzählung 
sei  mehr  die  Sprache  des  gemeinen  Volks  als  derjenigen,  die 
wirklich  eingeweiht  in  den  Sekten  sind.  Da  seine  Mitteilungen 
indessen  viele  wissenswürdige  Dinge  enthalten,  werde  ich  sehen, 
sie  Ihnen  mit  erster  Gelegenheit  zu  überschiclcen,  bis  wir  durch 
unsern  P.  Magister  Franciscus,  der  nach  Japan  geht.  Genaueres 
erfahren  werden. 

Erstlich  also  teilte  er  uns  mit,  dass  die  ganze  Insel  Japan 
unter  der  Herrschaft  eines  einzigen  Königs  steht.  6)  Unter  ihm 
stehen  grosse  Herren,  die  unsern  Herzogen  oder  Grafen  sehr 
ähnlich  sind,  im  ganzen  vierzehn  7)  in  Japan.  Stirbt  einer  der- 
selben, so  erbt  sein  ältester  Sohn  die  Güter  samt  der  Würde, 
so  dass  den  jüngeren  Söhnen,  wenn  solche  da  sind,  nur  so  viele 
Städte  zufallen,  als  zu  ihrem  standesgemässen  Unterhalte  hinläng- 
lich sind,  doch  mit  der  Bedingung,  dass  sie  immer  unter  dem 
Gehorsam  ihres  ältesten  Bruders  stehen  und  ihn  wie  Vasallen 
ihren    Eehensherrn  verehren,    so  dass    alstj   die    Besitzung    nicht 

5.  Das  Summarium  der  katholischen  Lehre,  das  Anjiro  nach  seiner  Heimkehr 
auf  Verlangen  für  die  Mutter  des  Daimyö  in  Kagoshima  verfasste  (s.  S.  86),  war 
vermutlich  eine  Umsclirift  dieser  seiner  in  Goa  zum  eigenen  Gebrauch  gemachten 
Au  fze  ichnungen . 

6.  Damit  ist,  wie  aus  dem  Folgenden  ersichtlich  wird,  der  Kaiser,  nicht  etwa 
der  Shögun  gemeint. 

7.  Hier  ist  wohl  an  die  Kokushu  genannten  grossen  Tcrritorialherren  gedacht. 


282  Anluing  III. 

geteilt  wird.  8)  Der  geringste  dieser  Fürsten  ist  im  stände,  lo.ooo 
Mann  ins  Feld  zu  stellen,  andere  15.000,  20.000,  auch  30.000. 
Der  König  heisst  in  ihrer  Sprache  Voo.  9)  Er  ist  aus  der 
adeligsten  von  allen  Familien  entsprossen  und  kann  nur  in  seiner 
eigenen  Familie  heiraten.  1°)  Dieser  Voo  scheint  uns  gleichsam 
ihr  Papst  zu  sein,  ^i)  Denn  er  übt  in  geistlichen  und  weltlichen 
Dingen  Gerichtsbarkeit  aus  sowohl  über  Welt-als  auch  über 
Ordensleute  und  Priester,  deren  es  da  eine  ungeheuere  Menge 
gibt.  Obwohl  er  Autorität  über  alles  hat,  so  führt  er  doch- in 
eigener  Person  niemals  Krieg  und  verhängt  auch  keine  Strafe 
über  Missethäter.  Dies  alles  überlässt  er  einem  andern,  einem 
gewissen    Goxo,  ^2)    was    bei  uns  soviel  als   der  oberste  Befehls- 

8.  Das  vom  7.  bis  ins  19.  Jahrhundert  wirksame  TaihS-gesetz,  die  einzige 
umfangreiche  Kodifikation,  welche  die  Geschichte  bis  in  unsere  Tage  kennt,  enthielt 
in  Betreff  der  Nachfolge  der  Rangwürdenträger  die  Bestimmung,  dass  Erben  vor 
allem  die  erstgeborenen  Söhne  sein  sollen  ;  ist  der  erstgeborene  Sohn  nicht  mehr 
am  Leben  oder  durch  Krankheit  oder  Kriminalität  erbunfähig  bzw.  erbunwürdig,  so 
soll  der  erstgeborene  Sohn  des  erstgeborenen  Sohnes  erben.  Stirbt  dieser  Enkel 
vor  seinem  Vater,  so  erbt  des  Vaters  nächstjüngerer  Bruder,  selbst  wenn  er  der 
Sohn  einer  Nebenfrau  ist.  Ist  kein  jüngerer  Bruder  des  Sohnes  vorhanden,  so  geht 
die  Erbfolge  auf  den  jüngeren  Bruder  des  verstorbenen  Enkels  über,  selbst  wenn  er 
der  Sohn  einer  Nebenfrau  ist.  Es  war  jedoch  auch  gestattet,  durch  Adoption  eines 
Erstgeborenen  das  Haus  vor  dem  Erlöschen  zu  bewahren  (TOKUZO  Fukud.\,  Die 
gesellschaftliche  und  -wirtschaftliche  Entwickelniig   in  Ja^an.      Stuttgart    1900.  S.  66). 

9.  Voo  ist  eine  Transskription  des  "Wortcrs  3£  „  Ö",  d.  i.  König  oder  Ö-o 
{Dai  O)  „  grosser  König ",  einer  der  Titel,  mit  denen  das  Volk  den  Kaiser 
bezeichnete. 

10.  In  Wirklichkeit  sind  es  fünf  Adelsfamilien  des  nächst  der  engeren  ISIikado- 
familie  ältesten  und  angesehensten  Geschlechts  der  Fujiwara,  Go-Sekke  genannt,  aus 
denen  allein  der  Kaiser  seit  alter  Zeit  seine  Gemahlin  wählen  konnte. 

11.  Es  war  eine  lange  gehegte  irrige  Vorstellung,  dass  man  im  Unterschied 
zu  dem  Shögun,  der  als  weltlicher  Herrscher  galt,  den  Mikado  für  den  geistlichen 
Herrscher  ansah.  Richtig  jedoch  ist,  wie  Rein  (I,  366,  Anm.)  bemerkt,  dass  sich 
zwischen  der  Stellung  des  Kaisers  und  der  des  Papstes  manche  Analogieen  finden 
liessen,  wie  denn  z.  B.  das  Dogma  der  Unfehlbarkeit,  das  hier  Nigi-mitama  hiess, 
auch  auf  ihn  angewandt  wurde. 

12.  Goxo  oder  Gozo,  das  japanishe  Gosho  „erhabener  Platz",  ist  eigentlich 
eine  Bezeichnung  für  den  Palast  des  Kaisers  und  dann  für  diesen  selbst,  die  aber 
in  der  Ashikaga-Periode  auf  den  Gencralissinuis  des  Kaisers  d.  i.  den  faktischen 
Shögunregenteu  angewendet  wurde. 


MittciliDigcn  des  Japaners  Anjiro  über  Japan.  283 

haber  ist.  Dieser  übt  die  gesamte  Regierungsgewalt  über  die 
ganze  Insel  aus.  Er  steht  unter  dem  Gehorsam  des  Voo. 
Wenn  er  diesen  besucht,  so  kniet  er  vor  ihm  nieder  und  beugt 
sein  Haupt  bis  zur  Hälfte  des  Schenkels,  so  dass  es  ihn  berührt, 
herab,  und  obwohl  er  einen  grossen  Hof  von  Herren,  Offizieren 
und  Soldaten  hat,  welche  das  Kriegswesen  und  die  Rechtspflege 
überwachen,  so  kann  der  Voo  ihn  doch  im  Falle  eines  Ver- 
gehens seiner  königlichen  Würde  entsetzen  und  enthaupten 
lassen.  ^3)  Die  Geringeren  gehorchen  den  Höheren  pünktlich 
wegen  der  strengen  Gerechtigkeit,  welche  diese  üben.  Alle 
Vergehen  werden  mit  derselben  Strenge  bestraft,  und  ein  Dieb, 
der  zehn  Basaruchos  stiehlt,  empfangt  die  gleiche  Strafe  wie 
einer,  der  einige  tausend  Dukaten  entfremdet.  H) 

Die  Lebensweise  des  Voo  ist  diese :  Er  heiratet  eine  I'rau 
aus  seiner  eigenen  Familie.  Wenn  dei"  Mond  abnimmt,  so  ent- 
hält er  sich  von  seinem  Weibe  und  fastet  ganze  fünfzehn  Tage 
nacheinander,  so  dass  er  nur  einmal  des  Tages  und  da  sehr 
massig  isst,  obliegt  dabei  stets  dem  Gebete  und  der  Betrachtung 
und  e^eht    während    dieser  e^anzen    Zeit  in  weisser  Kleiduner  mit 


13.  Diese  Darstellung  entspricht  mehr  der  Wahrheit  als  die  der  anderen 
Version  dieser  Stelle,  welche  lautet :  „  Seine  [des  Gosho]  Macht  ist  so  gross,  dass 
er  den  Voo  sowohl  des  Reichs  und  der  Würde  als  auch  des  Lebens,  wenn  sein 
begangenes  Verbrechen  eine  so  grosse  Strafe  verdient,  berauben  kann  ".  Selbst  in 
den  Zeiten  tiefster  Ohmnacht  war  die  Person  des  Kaisers  heilig  und  unantastbar. 

14.  Die  bereits  erwähnte  Hauptquelle  des  alten  japanisclien  Rechts,  das  ein- 
heitliche kaiserliche  Strafgesetz  des  Taihd-ritsu-ryö  bedrohte  vollendeten  Diebstahl 
mit  Strafen,  deren  Strenge  sich  je  nach  dem  Werte  des  gestohlenen  Gutes  ver- 
schieden bemass,  von  der  Prügelstrafe  aufsteigend  zur  Zwangsarbeit,  Vcrijannung 
und  schliesslich  Verbannung  mit  Zwangsarbeit  am  Verbannungsorte.  (Vgl.  G. 
^Michaelis,  Beitrag  zur  Geschichte  des  japa)iiscJien  Straf  rechts,  Mitth.  d.  D.  G.  f. 
Natur-u.  Völkerk.  Ostasiens,  Bd.  IV,  351  ff.  und  KOE.A.  S.vr)AT.A.KE,  Geschichte  des 
jap.  Strjfrechts,  Oesterr.    Monatsschrift    f.    d.    Orient,    Bd.    IX,  139    ff.)     In    dieser 

Zeit  aber,  in  der  die  Beamten  fehlten,  diesem  Rechte  Autorität  zu  verschaffen, 
hatte  längst  jeder  Territorialherr  die  Strafgerichtsbarkeit  an  sich  gerissen  und  die 
Bestimmungen  des  Strafrechts  nach  Willkür  verändert.  Dabei  war  durchweg  eine 
Verschärfung  der  Strafen  eingetreten,  die  man  bei  der  Anarchie  der  damaligen  Zeit 
für  erforderlich  hielt. 


284  jliiJiang  III. 

einer  breiten  Krone  auf  dem  Haupte  einher.  Wenn  der  Mond 
wieder  anfänj^t  zuzunehmen,  kehrt  er  die  übrigen  fünfzehn  Tage 
zu  seiner  gew(")hnHchen  Lebensart  zurück,  wohnt  seiner  GemahHn 
bei  und  unterliält  sich  mit  Jagen  und  anderen  Ergötzungen. 
Stirbt  seine  Gattin,  ehe  er  das  dreissigste  Jahr  voUendet,  so  kann 
er  wieder  heiraten.  Ist  er  aber  schon  über  dreissig  hinaus,  so 
muss  er  die  übrige  Zeit  seines  Lebens  in  Keuscliheit  zubringen 
und  wie  ein  ReHgiose  leben;  niemals  aber  darf  er  mit  einem 
Weibe  Umgang  haben  ausser  mit  seiner  Gattin.  '5) 

Ausser  den  Fürsten  gibt  es  noch  andere  Ritter,  Kaulleute 
und  Beamte  jeden  Ranges  wie  bei  uns. 

Insgemein  hat  jeder  nur  ein  Weib.  ^^)  Wird  dieses  mit 
einem  andern  im  lüiebruch  betroffen,  so  halten  sie  unverbrüch- 
lich diese  Sitte  und  dieses  Gesetz,  dass  beide  zugleich  von  dem 
Manne  getötet  werden  können.  Tötet  er  nur  einen  der  beiden 
Teile,  so  macht  die  öffentliche  Gerechtigkeit  dem  andern  den 
Prozess  imd  spricht  das  Todesurteil  über  ihn  aus ;  tötet  er  keinen 
von  beiden,  so  gereicht  ihm  dies  zur  Schande.  '7)  Kommt  ein 
Weib  in  Verdacht  des  Ehebruchs,  ohne  dass  sie  desselben  über- 
führt werden  kann,    so  wird  sie    in  das  väterliche  Haus  zurück- 

15.  Von  Interesse  sind  diese  Mitteilungen  insofern,  als  sie  zeigen  nicht  wie 
die  LcLensweise  des  „  Voo "  wirklich  war,  wohl  aber  welche  Vorstellungen  über 
sie  im  Volke  lebten.  Nicht  richtig  ist  die  Angabe,  dass  der  Kaiser  streng  monogam 
lebe.  Die  Gesetze  des  lyeyasu,  die  doch  auf  die  alte  Praxis  sich  stützten,  gestat- 
teten dem  Kaiser  neben  seiner  rechtmässigen  Gattin  nicht  weniger  als  zwölf  Konku- 
binen.    Auch  eine  Wiederverehelichung  war  ihm  nicht  verwehrt. 

16.  Dies  ist  nur  für  die  untersten  Stände  zutreffend,  für  die  sich  das  Halten 
mehrerer  Frauen  in  den  meisten  Fällen  schon  durch  die  Vcrmogensverhältnisse 
von  sell)St  verljot.  Die  Gesetze  des  lyeyasu  waren  alicr  dazu  vermeint,  den  oberen 
Klassen  Schranken  zu  setzen,  indem  sie  den  Fürsten  acht,  Titelträgern  fünf,  den 
Samurai  zwei  Beischläferinnen  erlaubten.  {y<\€i\Q\\.y<!v.\vvA\'\',  JapaiilscJies  Fainilieii- 
und  Erbrecht.  Mitth.  d.   D.  G.  f.  N.  u.  V.  O.  IJd.  V,   107  f.) 

17.  Vgl.  liiezu  das  48.  der  sog.  loo  Gesetze  des  lyeyasu,  ül)ersctzt  von 
Ki-.MrKRMANN  (Mitth.  d.  D.  G.  f.  N.  u.  V.  O.  IJd.  I,  lieft  I,  14),  wonach  der 
l^hemann  befugt  war,  den  Ehebrucli  in  ßci^ranli  durch  Tötung  der  Frau  wie  ihres 
Mitschuldigen  zu  bestrafen.  Doch  durfte  er  nur  beide  oder  keinen  töten.  Zeigte 
er  die  Schuldigen,  statt  sie  zu  töten,  an,  so  war  es  seinem  Ermessen  anhcimgestellt, 
ob  dieselben  mit  dem  Tode  bestraft  werden  sollten  oder  nicht. 


Mitteilungen  des  Japaners  Anj'iro  iih  er  Japan.  285 

geschickt,  und  der  ]\Iann  verliert  seine  Ehre  nicht.  Er  nimmt 
alsdann  eine  andere  ;  ihr  aber  bleibt  immer  ein  Makel  anhaften, 
und  niemand  nimmt  sie  mehr  zur  Ehe.  Eür  einen  P3hemann 
gilt  es  als  eine  Schande,  mit  andern  Weibern  Umgang  zu 
pflegen.  ^S) 

Die  Adeligen  geben  ihre  Söhne  vom  siebenten  oder  achten 
Jahre  an  bis  in  das  siebzehnte  oder  zwanzigste  in  die  Kloster, 
wo  sie  lesen,  schreiben  und  die  Religion  lernen. '9)  Sobald  sie 
herauskommen,  verheiraten  sie  sich  und  widmen  sich  den 
öffentlichen  Angelegenheiten. 

Auf  dieser  Insel  gibt  es  drei  Arten  von  Geistlichen, 20)  die 
Klöster  haben  wie  unsere  Mönche,  einige  in  den  Städten,  andere 
ausserhalb  derselben. ^i)  Die  in  den  Städten  heiraten  niemals, 22) 
leben  von  Almosen  -3)  und  rasieren  Haupt  und  Bart. 24)  Sie 
tragen  lange  Kleider  mit  weiten  Aermeln.  Im  Winter  haben 
sie  Kappen,  die  übrige  Zeit  des  Jahres  aber  gehen  sie  barhaupt. 
Sie  speisen  gemeinschaftlich  und  fasten  zu    gewissen    Zeiten    des 

iS.     Gesetzlich  war  dem  Ehemanne  der  Ehebruch  nicht  verwehrt. 

19.  Die  Schulerziehung  der  japanischen  Knaben,  die  in  dieser  Zeit  durchaus 
nicht  allgemein  war,  begann  am  sechsten  Tage  vom  sechsten  Monat  ihres  sechsten 
Lebensjahres  an.  Viele  Vornehme  hielten  für  ilire  Söhne  Hauslehrer. 

20.  Wie  dieser  Bericht,  so  unterscheidet  auch  das  sechste  der  sog.  achtzehn 
Gesetze  des  lyeyasu  drei  Arten  von  Iniddhistischen  Geistlichen  nach  ihrer  verschie- 
denen Kleidung. 

21.  Bei  den  ausserhalb  der  Städte  wohnenden  Geistlichen  ist  offenbar  an  die 
sog.  Yamabiishi,  die  Büsser  der  Berge,  gedacht,  eine  religiöse  Bruderschaft  der 
.Shingonsekte,  die  sich  bettelnd  und  mit  W'ahrsagerei  befassend  im  Lande  herum- 
trieben.    Sie  kannten  keinen  Zölibat. 

22.  Mit  Ausnahme  der  Priester  der  Shinsekte. 

23.  Vgl.  das  sechste  der  sog.  achtzehn  Gesetze  des  lyeyasu,  in  dem  es  heisst : 
„  Der  hochweise  und  vor  allen  verehrungswürdige  Shaka  Nyorai  war  aus  dem  Volke 
hervorgegangen  und  verordnete,  dass  man,  um  die  Menschen  zur  Erkenntnis  zu 
bringen,  als  Bettler  die  Welt  durchziehen  solle  ;  dieses  und  die  Obdachlosigkeit  in 
den  drei  Welten,  die  allen  gemein  ist  trotz  dem  dreifachen  Unterschied  der 
Kleidung,  ist  für  den  Priester  dasjenige,  was  für  den  Vogel  die  zwei  Flügel  sind  ". 
In  der  Ashikaga-Periode  waren  indess  die  I'riester  vielfach  Vögel  ohne  Elügel. 

24.  Auch  die  Tonsur  gehört  zu  den  Institutionen,  welche  Buddhismus  und 
Katholizismus  gemein  haben.     Doch  sind  die  Buddhistenjjriester  ganz  kahl  geschoren. 


286  AnJiang  III. 

Jalirs.  Diese  Geistlichen  essen  kein  Fleisch,  angeblich,  um 
durch  Ausmerglung  ihres  Leibes  alle  Begierlichkeit  zAir  Sünde 
auszurotten.  Diese  Enthaltsamkeit  ist  allen  Geistlichicn  auf 
dieser  In.sel  gemein. ^5)  Mitten  in  der  Nacht  stehen  sie  auf  zum 
Gebete,  welches  sie  ungefähr  eine  halbe  Stunde  singen.  Dann 
gehen  sie  wieder  zu  Bette,  ruhen  bis  zur  a\Iondstunde,26)  stehen 
wieder  auf  und  verrichten  verschiedene  Gebete.  Ebenso  beten 
sie  bei  Sonnenaufgang,  mittags  und  abends.  Und  wie  wir 
Christen  beim  englischen  Grusse,  so  kniet  das  Volk  auf  -das 
Läuten  einer  Glocke  nieder,  um  mit  gen  Himmel  erhobenen 
Händen  zu  beten  ;  die  Geistlichen  beten  in  einer  Sprache, 
welche  das  gewöhnliche  Volk  nicht  versteht,  gerade  wie  bei  uns 
die  Priester  lateinisch  beten.-/)  Sie  predigen  häufig  dem  Volke 
und  werden  aufmerksam  angehört  ;  sie  selbst  wie  ihre  Zuhöre' 
Averden  dabei  zu  Thränen  gerührt.  Sie  lehren,  es  gebe  einen 
höchsten  Gott,-^)  den  Schöpfer  ~9)  und  Erhalter  aller  Dinge  ;  es 
gebe  einen  Reinigungsort,  die  Hölle  i.md  ein  Paradies,  und  alle 
.Seelen,  gute  wie  böse,  kämen  in  einen  Ort  der  Strafen,  das  ist, 
in  einen  Reinigungsort,  und  würden  dann  getrennt,  und  zwar 
die  Guten  kämen  dahin,  wo  Gott  ist,  die  Bösen  und  Ver- 
worfenen aber  in  die  Hölle,    um  da  mit  dem  Teufel  zu  wohnen, 

25.  Auch  im  Volke  verdrängte  der  Buddhismus  in  Japan  vielfach  vollständig 
die  animalische  Kost.  \'gl.  ÖTA  NiTOBE,  Ueher  den  japanischen  Gnmdhesilz,  dessen 
Vcrteiliini;  itiid  laiidivirlschaftUche   Venverlung.     Berlin   1890.  S.  26. 

26.  Was  mit  Mondstunde  gemeint  ist,  vermochte  ich  nicht  zu  erkunden.  Der 
Tag  war  in  Japan  in  12  Zeitabschnitte  von  je  2  Stunden  geteilt,  die  man  nach  den 
12  Tieren  des  chinesischen  Zodiakus  benannte.  Die  Nacht  zerfiel  danach  in  ne  no 
toki  (die  Zeit  der  Ratte)  von  ii-i  Uhr,  ttshi  no  ioki  (die  Zeit  des  Ochsen)  von 
1-3  Uhr,  and  tora  no  toki  (die  Zeit  des  Tigers)  von  3-5  Uhr.  Näheres  bei  E.  W. 
C\.\■^\v.•:i\•,  Japanese  Calendars,  T.  A.  S.  J.   Vol.  XXX,  Part  I,  S.  1-82. 

27.  Hiemit  ist  das  lautliche  Ablesen  der*  in  Bonji  (Sanskrit-oder  Päli-) 
Zeichen  geschriebenen  Gebete  gemeint,  die  indessen  ihrem  Sinn  nach  selbst  den 
meisten  Mönchen  fremd  waren. 

28.  jVmida. 

29.  In  Wirklichkeit  weiss  der  Buddhismus  nichts  von  einer  Well  Schöpfung. 
Man  verglciclic  mit  den  hier  über  den  Buddhismus  gemachten  Angaljen  das  im 
betreffenden  Kapitel  dieses  Buches  Ausgeführte. 


]\Iittcihingcn  des  Japaners  Anjiro  über  Japan.  2S7 

den  Gott  in  diese  Welt  geschickt  habe,  um  die  Uebelthäter  zu 
bestrafen.  Diese  Geistlichen  nun  sind  zwar  übrigens  in  dem 
Rufe  eines  ganz  ehrbaren  Wandels,  doch  machen  sie  sich 
schändlicher  Sünden  schuldig  mit  den  Knaben,  welche  sie  in 
ihren  Klöstern  unterrichten,  obwohl  sie  dem  Volke  predigen, 
dass  dies  eine  grosse  Sünde  ist,  und  obwohl  sie  die  Keuschheit 
preisen.  Sie  tragen  schwarze  Kleider,  die  ihnen  bis  an  die 
Knöchel  gehen,  und  sind  sehr  gelehrt  3o)  Jedes  Haus  hat  einen 
Oberen,  dem  alle  gehorchen,  und  nur  Tugendhafte  werden 
aufgenommen,  um  Priester  zu  werden. 

Es  gibt  auch  eine  Art  Priester,  die  aschgraue  Kleider  und 
grosse  Stricke  um  den  Leib  tragen.  Auch  sie  heiraten  nicht. 
An  ihre  Klöster  stossen  andere,  worin  gleichsam  Nonnen  von 
gleicher  Tracht  wohnen.  Auch  diese  sind  bei  dem  Volke  in 
einem  bösen  Rufe,  dass  sie  verbotenen  Umgang  mit  den 
Priestern  pflegen,  aber  die  Geburt  der  Kinder  werde  durch 
gewisse  JNIittel  verhindert.  Obgleich  sie  sehr  wenig  Bildung 
haben,  bestehen  sie  doch  schon  seit  dreihundert  Jahren.  Sie 
verrichten  ihre  Gebete  wie  die  übrigen,  nur  dass  die  Männer 
auf  einer  Seite  des  Tempels,  die  Nonnen  auf  der  andern  sind, 
und  halten  auch  gewisse  Fasten. 

Eine  dritte  Art  von  Religiösen  geht  schwarz  gekleidet  und 
legt  sich  die  schwersten  Bussübungen  aufsO  Dreimal  des  Tags 
gehen  sie  zum  Gebete,  früh,  abends  und  um  Mitternacht. 

Alle  Bethäuser  dieser  Religiösen  sind  gleich  und  bergen 
Bilder,  die  von  Holz  und  vergoldet  sind  ;  auch  an  den  Wänden 
sind  gemalte  Bilder.  Alle  beten  einen  Gott  an,  den  sie  in  ihrer 
Sprache    Doniche    (Dinicho)32)    nennen.      Bisweilen    machen    sie 

30.  D.  h.  sie  erschienen  dem  Vollie  so ;  es  waren  in  dieser  Periode  nur 
wenige,  die  in  Wirklichkeit  Gelehrsamkeit  besassen. 

31.  Die  im  Bericht  gegebene  Beschreibung  von  drei  Arien  von  Priestern  ist 
zu  konfus,  als  dass  sich  bestimmen  Hesse,  welche  Sektenmönche  damit  charakteri- 
siert sein  sollen. 

32.  Korrumpiert  aus  Dainichi  ]^Nyoriu'\  „  Grosse  .Sonne ",  dem  japanischen 
Namen  für  Vairocana.  Der  Name  schon  besagt,  dass  es  der  Quell  alles  Lichts 
und  Lebens  ist. 


288  Auhano;  III. 

ihm  einen  Leib  und  drei  K(")j)re,  dann  nennen  sie  ilm  Cogi.33) 
l'^s  scheint,  sie  verstellen  unter  Doniche  und  CoL;i,  was  wir 
Christen  unter  einem  Gott  und  drei  l'ersünen.34) 

Dieser  treffliche  ]\hinn  erzählte  luis  auch  die  Geschichte 
eines  Mannes,  welcher  wie  ein  Heiliger,  wie  \vir  sagen,  verehrt 
wird.  Er  sagte,  in  einem  Lande  jenseits  China  westwärts, 
Cegnico  35)    genannt,    habe  einst  36)    ein  König  mit  Namen  Gioi- 

33.  Ich  vermute,  Cogi  ist  entweder  eine  Korrumpierung  von  Kongo  shitsii 
(Sanskr.  VaJmsaUva),  wie  der  oberste  der  Dhyänibuddlias  im  Japanischen  heisst, 
oder  aller,  und  das  ist  nach  dem  Laute  wahrscheinlicher,  von  Go-chi  \^IVyorai\  i.  e. 
die  fünf  Buddhas  der  Kontemplation  oder  Weisheit  (  Yakushi,  TaJiö,  DaiiiicJii, 
As/iiikii,  S/iaka),  deren  Zahl  auf  einer  früheren  Stufe  der  Lehrentwicklung  nicht 
fünf,  Sondern  i/rci  war.  \'gl.  A.  Lr.oiD,  Devclopniciils  <>/  Japanese  Biiddhisiii  p. 
3S0  f. 

Auf  ein  Dainichi  Nyorai-IÜld  mit  (/;r/  Köpfen  und  einem  Ix'ib  bin  ich  nach 
langem  Suchen  in  Japan  wirklich  gestossen,  wiewohl  mir  ISuddhistenpriester  die 
Existenz  eines  solchen  Idols  nicht  hatten  zugeben  wollen. 

34.  Von  einer  Trinität  im  Buddhismus  zu  reden,  erklären  tüclitige  Kenner  dieses 
Religionssystems  für  unstatthaft  (s.  z.  B.  iNloNiKR  Williams,  Buddltisni  in  its  Con- 
77exion  zvilh  Bi-aluiianisni  and  Hindhisni  and  in  i/s  Contrasl  7i<ilh  C/iristiani/y,  2- 
ed.  London  1890.  pp.  XI  und  179).  Mir  ist  nach  vielen  L'nterredungen  mit  japa- 
nischen gelehrten  Priestern  kein  Zweifel,  dass  der  esoterische  Buddhismus  der  IMahä- 
yänaschule,  ausgeh.end  von  der  fonnii/a  fidei  der  Laienglieder,  dem  dreifachen 
Bekenntnis  [Jris/tarana)  zu  Buddha,  dem  Erleuchteten,  zu  Dliarina,  seiner  Lehre, 
und  zu  Saniglia,  seiner  Gemeinde,  diese  personifizierend,  wahrscheinlich  unter  <lem 
Einflüsse  der  brahminüschen  Trimürti-Dreieinigkeit  (Brahma,  \'ishnu  und  Shiva) 
sowie  des  Shivaismus  zu  Spekulationen  gekommen  ist,  welche  eine  geradezu  "  frap- 
pante Aehnlichkeit  mit  dem  orthodoxen  christlichen  Trinitätsdogma  haben.  Die 
ja[)anische  Formel  iltai  ni  sliitc  san-tai  nari  besagt  ganz  ebenso  wie  die  der 
christlichen  Kirche  : 

LiHi  divina  essentia  in  tribns  personis  snhsislil ;  vel 

(quod  idem  est)  : 
In  di7'inis  snnt  tirs  persouae  et  una  essentia, 
dass  das  seinem  Wesen  nach  eine  Göttliche  sich  zu  drei  Subsistenzweisen   besondert 
hat,  ohne  damit  seine  Wesenseinheit  aufzugeben. 

35-     Cegnico  ist  korrumpiert  aus   l'enjikn  i.  e.   Indien. 

36.  Die  Geburt  Siddhärlhas  in  Kapilavastu  (jajj.  Kapirajo)  wird  von  den 
japanischen  Buddhisten  gewöhnlich  in  das  Jahr  1027,  aber  auch  in  das  Jahr  742  v. 
Chr.  versetzt.  Nach  europäischen  Indologen  ist  der  Buddha  c.  560  v.  Chr.  geboren 
und  477  oder  4S0  gestorben,  während  die  japanische  Chronologie  9S4  als  Jahr 
seines  Todes  angibt. 


]\Iittcilungc]i  des  Japaners  Anjiro  über  Japan.  289 

bondarnus  37)  gelebt,  dessen  Gemahlin  Alagabonina  3^)  hicss.  In 
einer  Nacht  träumte  dieser  König,  er  höre  einen  Knaben 
schreien,  der  öfters  diese  Worte  wiederholte  :  König,  du  sollst 
deiner  Gemahlin  beiwohnen. 39)  Der  König  erzählte  diesen 
Traum  seinem  Weibe,  und  sie  entsetzten  sich  darüber  so  sehr, 
dass  sie  nicht  mehr  zusammenkamen.  Bald  hierauf  ward  die 
Königin,  ohne  dass  sie,  wie  man  glaubte,  mit  einem  Sterblichen 
etwas  zu  thun  hatte,  schwanger.  Nach  neun  Monaten  gebar  sie 
einen  Sohn,  den  sie  Xaqua  4°)  nannten,  der  zwar  lebte,  aber 
der  Mutter  in  der  Geburt  das  Leben  kostete.  Der  König  über- 
gab also  das  Kind  ihrer  Schw-ester  zu  erziehen.  Bei  seiner 
Geburt  sah  man  zwei  schreckliche  geflügelte  Schlangen  von 
ungewöhnlicher  Grösse  über  dem  Palaste  fliegen  und  sich  dann 
hinabsenken,  wo  das  Kind  lag.  Sie  gössen  eine  Menge  Wassers 
auf  das  Haupt  des  Neugeborenen  und  verschwanden  wieder.4i) 
Nach  einer  Zeit  von  drei  Monaten  richtete  sich  der  Knabe  auf, 
stand  auf  seinen  Füssen,  ging  drei  Schritte  vorwärts,  und  indem 
er  eine  Hand  gegen  den  Himmel  erhob,  die  andere  zur  P2rde 
hinabhielt,  sprach  er :  Ich  bin  der  Einzige  im  Himmel,  der 
Einzige  auf  Erden.  Da  er  achtzehn  Jahre  alt  war,  wünschte 
ihn  sein  Vater  zu  verheiraten. 42)      Er  aber  erwog  bei  sich  reifer 

37.  Korrumpierung  von  Jdbon  Dai  O  (Sanskr.  Suddhodhana). 

38.  Maya  Bunin  (Sanskr.  Mäyä). 

39.  Nach  einer  anderen  Version  dieses  Berichtes :  „  In  einer  Nacht  träumte 
dieser  König,  es  werde  ihm  ein  Sohn  geboren  werden,  der  ein  grosser  Mann  werden 
und  wie  ein  Gott  in  allen  jenen  Ländern  würde  angesehen  werden." 

40.  Schreibweise  der  Jesuiten  für  Shaka,  wie  der  Buddha  Sakya  in  Japan 
hcisst. 

41.  Nach  einem  populären  japanischen  Leben  Buddhas  „Shaka  jitsu-ro/cu'^ 
waren  es  die  zwei  Naga-Könige,  A'aiida  und  Ubananda  (Sanskr.  Nanda  und  Upä- 
nanda),  die  Strome  von  Wasser  aus  ihrem  Munde  auf  das  Kind  gössen  und  dann 
wieder  zum  Himmel  aufstiegen. 

42.  Nach  dem  eben  zitierten  japanischen  Leben  Sliakas  wie  auch  nacli  der 
kurzen  Biographie  in  BuxYlU  Nanjio's  Short  History  of  ihe  Twelve  Japanese  Bud- 
dhist Seets  vermählte  er  sich  wirklich  mit  der  anmutigen  Yashudara  (Sanskr. 
Yasodhara),  woher  denn  auch  Shinran  den  Priestern  seiner  Sekte  das  Heiraten 
gestattete. 


290  Anltang  III. 

das  Elend  dos  menschlichen  Lebens  und  beschloss,  nicht  zu 
heiraten,  ergriff  heimlich  bei  der  Nacht  die  Flucht  und  ging  auf 
einen  sehr  hohen  und  öden  Berg,  wo  er  sechs  43)  Jahre  hindurch 
ein  einsiedlerisches  Büsserleben  fiihrte.  Nach  Verlauf  dieser 
Zeit  erschien  er  wieder  unter  seinen  Landsleuten  und  begann 
mit  grossem  Eifer  und  mit  Beredtsamkeit  allem  Volke  zu 
predigen.  Ucr  Ruf  seiner  Heiligkeit  verbreitete  sich  bald,  und 
er  erwarb  sich  einen  so  unumschränkten  Einfluss,  dass  er  die 
Gesetze  des  Landes  cänderte  und  das  Volk  lehrte,  wie  -man 
Gott  anbeten  müsse.  Er  hatte  bei  achttausend  Schi^iler,  die 
seine  Lehre  sowohl  als  seine  Lebensart  befolgten.  Von  diesen 
gingen  einige  nach  China  und  brachten  den  Einwohnern  seine 
Lehren  und  Gesetze,  die  sie  auch  willig  annahmen  wegen  des 
grossen  Rufes,  welchen  ihr  Lehrer  hier  bereits  genoss.  Sie 
Hessen  auch  alle  ihre  Götzenbilder  und  Pagoden,  denen  diese 
bis  dahin  geopfert  hatten,  zerstören.  Nachdem  sie  in  China  und 
Chenguinquo  44)  festen  Euss  gefasst,  seien  sie  nach  Japan  ge- 
kommen und  haben  das  Volk  vermocht,  dasselbe  zu  thun  ;  und 
noch  jetzt  werden  dort  Bruchstücke  alter  Statuen  gefunden,  wie 
man  sie  in  Rom  findet.45) 

Xaqua  lehrte,  es  gebe  nur  einen  Gott,  Schöpfer  aller 
Dinge,  und  schnitzte  auf  obgcsagte  Art  einen  Stock  mit  drei 
Köpfen.  Er  schrieb  auch  fünf  Gebote  zu  halten  vor:  i.  Du 
sollst  nicht  töten.  2.  Du  sollst  nicht  stehlen.  3.  Du  sollst 
nicht  Unzucht  treiben.  4.  Du  sollst  dich  nicht  über  Dinge 
bekümmern  und  traurig  werden,  dawider  es  kein  Heilmittel  gibt. 
5.     Du    sollst    Beleidigungen    verzeihen.  46)       Er    schrieb    ferner 

43.  Nach  japanischen  Uingraphieen  zwölf  Jahre. 

44.  Siehe  Anm.  35. 

45.  Man  vcrgleiclie  mit  dieser  japanischen  \"crsion  des  Lehens  Shakas  die 
l'.iographiecn  des  Erleuchteten,  die  Beal  und  Rückhiu,  vinn  Standpunkte  des 
nördlichen  Buddhismus,  der  eine  von  dem  des  chinesischen,  der  andere  von  dem 
des  tibetanischen,  gegeben  haben 

46.  Das  vierte  und  fihifte  der  fünf  Ilauptgeljute  des  Buddhismus  (^^o-l'ai), 
welche  Lügen  und  Genuss  geistiger  Getrcänke  verbieten,  sind  hier  falsch  wieder- 
gegeben. Das  vierte  erscheint  ,wie  es  in  dem"  Berichte  lautet,  wie  eine  Uebcrsetzung 
des  in  Japan  in  jeder  Verlegenheit  gebrauclitcn  resignierten  Shikata  ga  nai,  „  es 
ist  nichts  zu  machen." 


Mitteilungen  des  Japaners  A)ijiro  über  Japan.  291 

manche  nützliche  Bücher  über  die  Tugenden  und  Laster,  in 
denen  er  lehrte,  wie  sich  die  Menschen  gemäss  ihrem  Stande 
benehmen  sollten.47)  Er  schrieb  häufige  Fasten  vor  und  lehrte, 
Leibeskasteiungen  seien  Gott  sehr  wohlgefällig  und  überaus 
notwendig  zur  Vergebung  der  Sünden. 

Da  wir  ihn  fragten,  ob  sie  in  diesen  Provinzen  eine  Taufe 
hätten,  antwortete  er,  die  Kinder  würden,  sobald  sie  zur  Welt 
kämen,  nach  dem  Beispiele  des  Xaqua  gewaschen,  den  die 
Schlangen  gleich  bei  seiner  Geburt  gewaschen  haben.  Stirbt 
eines,  ehe  es  gewaschen  wird,  so  glauben  sie,  die  Eltern  haben 
schwer  gesündigt.48) 

Die  Geistlichen  besuchen  auch  die  kranken  Männer,  trösten 
sie  und  mahnen  sie,  ein  Testament  zu  machen.  Sehen  sie,  dass 
der  Kranke  in  Todesgefahr  ist,  so  reden  sie  ihm  von  den 
Gütern  des  anderen  Lebens  und  ermuntern  ihn,  wegen  der 
zeitlichen  Dinge  nicht  in  Sorge  zu  sein,  da  alles  eitel  sei. 
Stirbt  der  Kranke,  so  kommen  die  Religiösen  unter  Gesang  in 
Prozession,  holen  die  Leiche  zum  Kloster  ab  und  beten  um 
Vergebung  seiner  Sünden.  Sie  begraben  Arme  und  Reiche 
ohne  Unterschied  ihrer  Pflicht  gemäss  unentgeltlich,  ja  es  würde 
einem  zur  ewigen  Schande  gereichen,  wenn  er  nur  das  Mindeste 
als  einen  Lohn  dafür  annähme.  Geben  aber  die  Freunde  des 
Verstorbenen  Almosen,  so  nehmen  sie  dieselben  an. 

Busse  thut    man  in    Japan  in  folgender    Weise :    Man    fastet 

47.  Hier  liegt  offenbar  eine  Verwechslung  Sliakas,  der  sowenig  wie  Jesus 
etwas  Geschriebenes  hinterliess,  mit  Confucius  vor,  die  einem  Mann  aus  dem  \^olkc 
wie  Anjiro  um  so  näher  lag,  als  es  Jahrhundertelang  der  Buddhismus  war,  der 
sich  in  Japan  die  Verkündigung  der  Morallehren  dieses  chinesischen  Weisen  an- 
gelegen sein  liess. 

48.  Diese  Waschung  der  Neugeborenen  hat  natürlich  mit  der  Religion  nichts 
zu  thun.  Einleuchtender  ist  die  Begründung,  welche  schon  der  JesuileniDater  CrassI'-T 
(a.  a.  O.  in  der  deutschen  Ausgabe  S.  Il)  gibt:  „  .iMsbald  das  Kind  gebühren  ist, 
wird  es  mit  kalten  Wasser  gewaschen,  um  selbes  wider  die  widrige  Lufft  starck 
und  dauerhaft  zu  machen."  Etwas  der  Taufe  Aehnliches  bestand  frülier  bei  den 
Orden.  Die  Zeremonie  hiess  Kivanjd  (Sanskr.  Abhisheka).  Der  'l'aufritus  bestand 
in  Besprengung  des  Hauptes  des  Kandidaten  mit  Wasser. 


293  Anhang-  III. 

und  beobachtet  die  Keuschheit  hundert  Tage  nacheinander  und 
zieht  sich  dann  in  einen  an  der  Seite  eines  Berges  gelegenen 
Wald  zurück,  cier  voll  Pagodenbilder  und  Tempel  ist,  und  in 
dem  einige  strenge  lunsiedler  leben.  Da  hört  man  furchtbare 
Taute  und  schreckliches  Geschrei  und  sieht  sonderbares  Feuer, 
liier  bleiben  die  Büsscr  fünfundzwanzig  Tage  und  nehmen  täglich 
nicht  mehr  Reis  zu  sich,  als  sie  dreimal  mit  der  hohlen  Hand 
fas-sen  können,  und  trinken  nur  Wasser.  Am  Ende  dieser  Zeit 
vereinigen  sie  sich  alle  und  gehen  in  eine  jenseits  des  Waldes 
liegende  Wüste,  oft  mehr  als  tausend  auf  einmal,  luid  knieen 
tlort  vor  einer  Tagode  nieder,  und  ein  jeder  bekennt  laut  die 
Sünden  seines  ganzen  Tebens,  indess  die  andern  stillschweigend 
zuhören.  Wenn  alle  ihre  Beichte  abgelegt  haben,  legen  sie  alle 
ihre  Mand  auf  den  Pagoden  und  verpflichten  sich  durch  einen 
l^id,  keinem  Menschen  jemals  zu  entdecken,  was  sie  gehört 
haben,  wenn  sie  diese  Einöde  wieder  verlassen  werden.  Während 
dieser  ganzen  Zeit  schlafen  sie  nie  und  kleiden  sich  nicht  aus. 
Sie  tragen  Kleider  von  gröberem  Stoff  und  enger  zusammen- 
geschnürt und  gehen  ohne  Schuhe  und  mit  blossem  Haupte. 
Sie  bleiben  fast  niemals  an  einem  Orte,  sondern  gehen  den 
ganzen  Tag  im  Walde  um  den  Berg  wie  in  einem  Bittgange 
herum.  Wenn  sie  an  bestimmte  Orte  kommen,  ruhen  sie  etwas 
aus  und  richten  einen  grossen  Scheiterhaufen  auf,  um  sich  bei 
dessen  Feuer  zu  wärmen.  Ein  Führer  leitet  alle  ihre  Gebete 
und  Bussen.  Wenn  einer  während  der  Ruhezeit  einzuschlafen 
anfängt,  wird  er  vom  Führer  mit  einigen  Stössen  aufgeweckt. 
Kann  einer  vor  Mattigkeit  die  Reise  mit  den  übrigen  nicht 
weiter  fortsetzen,  so  lässt  man  ihn  allein,  und  er  muss  aller 
Hilfe  beraubt  zu  gründe  gehen.  Stirbt  einer  vor  den  andern, 
so  bedecken  sie  seinen  Leichnam  mit  Steinen  und  stecken  einen 
Pfahl  in  die  Erde  mit  der  Inschrift  des  Namens  des  Verstor- 
benen und  des  Orts,  woher  er  konunt.  Jeder  Pilger  trägt  ein 
Täfelchen  um  den  Hals,  worauf  sein  Name  und  der  seiner 
Heimat  geschrieben  steht.  Wenn  sie  in  diesen  Wüsteneien 
herumirren,  sehen    sie  oft  schreckliche  Gestalten   und  diabolische 


]\nttcilnngcn  des  Japaners  Aujiro  'über  Japan.  293 

Trugbilder,  indem  die  Teufel  sich  oft  unter  sie  mengen,  so  dass 
manchmal  hundert  Personen  zweihundert  zu  sein  scheinen.  Wenn 
der  Führer  dann  bemerke,  dass  einige  das  Täfelchen  mit  ihrem 
Namen  nicht  haben,  so  bäte  er  die  Büsser,  ruhig  zu  sein  und 
eifrig  zu  ihrem  Gotte  Doniche  zu  beten,  er  möge  sie  von  dieser 
Gesellschaft  befreien.  Auf  dieses  Gebet  verschwinden  dann  die 
Teufel  und  lassen  die  Büsser  ihre  Uebungen  vollenden.  Diese 
Leute  sehen  nach  Vollendung  ihrer  Busszeit  so  ausgezehrt  aus, 
dass  sie  vor  Blässe  dem  Tode  selbst  ähnlich  sind.  Nach  Hause 
kehren  sie  in  Begleitung  vieler  Leute  aus  der  Stadt,  die  sogar 
ihre   Kleider  mit  vieler  Ehrfurcht  küssen.  49) 

Es  gibt  in  Japan  viele  Zauberer  und  Hexen  ;  5°)  jedoch 
stehen  sie  nur  bei  den  Einfältigen,  gar  nicht  aber  bei  vernünf- 
tigen und  klugen  Leuten  in  Achtung.  Auch  Sterndeuter  gibt 
es,  die  hochgeschätzt  werden,  weil  sie  sehr  vieles  richtig  vor- 
hersagen. Die  Eingeborenen  schreiben  Chroniken  ihrer  Ge- 
schichte gerade  wie  wir,  und  da  sie  uns  an  Sitten  und  Scharfsinn 
so  gleich  kommen,  so  ahmen  sie  auch  in  vielen  Stücken  unsere 
Lebensart  nach.  Der  Mann,  der  mir  alles  das,  was  ich  bisher 
schrieb,  erzählte,  ist  in  der  That  von  einem  Scharfsinn  und 
Verstand,  um  den  manche  von  uns  ihn  beneiden  möchten. 
Ebenso  besitzt  er   eine  in  Wort  und  That   bewiesene    praktische 

49.  Aehnlich  berichtet  der  Jesuitenfrater  Pedro  Alcaceva  nach  seiner  Rückkehr 
aus  Japan  in  einem  1554  zu  Goa  geschriebenen  Briefe  an  die  Gesellschaft  Jesu  in 
l'ortugal :  „  Gewisse  Bonzen  verfügen  sich  Busse  halber  auf  einen  hohen  Berg  zu 
einem  Götzenbilde.  Da  fasten  sie  sechzig  Tage  und  essen  achtmal  nur  so  viel,  als 
sich  mit  einer  Hand  fassen  lässt.  Dann  bekennen  sie  einander  ihre  Sünden  und 
schwören,  sich  nicht  zu  verraten."  Die  Religiösen,  an  die  hiebei  zu  denken  ist,  sind 
die  der  Shingonsekte  zugehörigen  Yamabushi  oder  Bergmönche  (auch  SJiiigenja 
genannt),  wie  schon  daraus  ersichtlich  wird,  dass  sie  nach  Anjiros  Bericht  zu 
Doniche  {^  —  Dainichi)  beten.  Die  hauptsächlichsten  Berge,  zu  denen  solche  Pilger- 
züge gingen,  sind  der  Tateyama  in  der  Proving  Etchü,  Ontake  oder  Mitake  in 
Shinano,  der  Öyama,  und  der  heiligste  von  allen,  Japans  Kleinod,  der  Fujisan. 
Von  dialiolischen  Erscheinungen  wie  den  im  Bericht  erwähnten  fälbelte  mir  selbst 
noch  ein  alter  Shugcnja. 

50.  Es  waren  besonders  die  Yatnahiishi  oder  Shtigcn,  aljer  auch  die  Shintö- 
priester,  die  sich  mit  Zauberkünsten  und  Wahrsagerei  befassten. 


294  Aiihaiii^  in. 

Geschicklichkeit.  An  den  Sünden,  die  er  unter  den  Christen 
wahrnimmt,  nimmt  er  grossen  Anstoss. 

lu"  glaubt,  alle  Japaner  würden  den  christlichen  Glauben 
sehr  gern  annehmen,  wenn  einige  Christen  zu  ihnen  kämen, 
weil  in  ihren  Büchern  geschrieben  steht,  es  werden  einmal  alle 
Menschen  ein  Gesetz  haben,  und  weil  sie  ein  vollkommeneres 
Gesetz  als  das  ihrige  erwarten.  13a  aber  niemand  einen  besseren 
Glauben  als  den  unsrigen  finden  kann,  was  auch  dieser  Japaner 
einsieht  und  gern  bekennt,  so  preist  er  sich  glücklich,  von  Gott 
die  grosse  Gnade  erhalten  zu  haben,  zum  Werkzeuge  auserwählt 
zu  sein,  Christen  nach  Japan  zu  führen,  welche  das  heilige  Gesetz 
dort  verkünden  wollen.  Obwohl  er  verheiratet  ist,  so  bietet  er 
sich  doch  an,  die  Patres,  die  dahin  reisen  werden,  zwei  bis  vier 
Jahre  zu  begleiten,  bis  sie  in  dieser  Proxinz  einen  guten  Grund 
des  Christentums  gelegt  und  die    Sprache  werden  erlernt  haben. 

Das  Klima  ist,  wie  er  sagt,  sehr  gesund,  doch  kommen 
häufig  Orkane  und  Erdbeben  vor.  Es  ist  ein  Ueberfluss  an 
Früchten  aller  Art  wie  auch  an  Vögeln  und  Metallen,  wie  in 
Europa.  Es  gibt  da  wenige  giftige  Schlangen,  aber  viel  Wild, 
wie  Hirsche,  Wildschweine,  Hasen  und  dergleichen.  Wein  aus 
Trauben  wird  nicht  gemacht,  aber  man  bedient  sich  eines  aus 
Reis  gegohrenen  Trankes,  50  ähnlich  dem  Gerstensaft  in  Flan- 
dern. In  den  Wäldern  kommen  wilde  Weinstöcke  vor,  welche 
Trauben  tragen.  Die  gewöhnliche  Nahrung  ist  Reis  mit  Kohl 
und  Fische  wie  in  Indien.  Weizen  kommt  viel  vor,  wird  aber 
nicht  zu  Erot  benützt,  sondern  zu  feinem  Gebäck  u.  dgl. ;  der 
Reis  vertritt  die  Stelle  des  Brotes.  Man  isst  dass  Fleisch  wilder 
Hühner;  Haustiere  dienen  nicht  als  Lebensmittel. 

Er  sagt,  es  sei  im  Lande  ein  Fürst,  welcher  in  seinem 
Banner  ein  Zeichen  wie  ein  Kreuz  habe,  und  das  sei  das  Wap- 
pen seiner  Familie,  das  sonst  niemand  führen  dürfe.  5^)  Das 
ganze  Volk  bete  an  Körnern  wie   wir  am  Rosenkranz,  und  die- 


51.  Sake  genannt. 

52.  Familicnwappcn  des  Hauses  Shimazu  in  Satsuma.     Siehe  S.  86.  ff. 


Mitteilungen  des  Japaners  Anjiro  nher  Japan.  395 

jenigen,  welche  lesen  können,  bedienen  sich  kleiner  Bücher; 
die,  welche  an  den  Körnern  beten,  verrichten  bei  jedem  ein 
Gebet,  das  nocheinmal  so  lang  ist  als  das  Vaterunser,  Diese 
Rosenkränze  haben  hundertundacht  Körner ;  und  da  wir  ihn 
um  die  Ursache  dieser  Zahl  fragten,  antwortete  er,  die  Gelehrten 
sagten,  dass  der  Mensch  auf  hundertachterlei  Arten  sündige, 
und  gegen  jede  derselben  müsse  er  ein  Gebet  verrichten.  53) 
Dieses  Gebet  ist  in  einer  Sprache  abgefasst,  welche  das  Volk 
nicht  versteht,  wie  bei  uns  das  Lateinische.  54)  Früh  morgens, 
wenn  sie  aufstehen,  sagen  sie  neun  Worte  55)  und  bezeichnen 
sich  mit  zwei  aufrecht  gehaltenen  Fingern  der  rechten  Hand 
(wie  wir  Christen  es  zu  thun  pflegen,  wenn  wir  das  Kreuz 
machen)  mit  neun  Kreuzen  nach  Art  des  Andreaskreuzes, 
wodurch  sie  vor  den  Teufeln  sicher  zu  sein  glauben.  5^) 

Ihre  Religiösen  legen  die  Gelübde  der  Keuschheit,  der 
Armut  und  des  Gehorsams  ab  und  üben  dieselben  in  Demut, 
bevor  sie  in  den  Orden  aufgenommen  werden. 

Diese  Völker  sind,  da  sie  fast  unter  einem  Himmelsstriche 
mit  uns  sind,  auch  weiss  von  Farbe  und  von  gleichem  W'uchse.57) 

53.  Dass  die  hundertacht  Körner  des  Rosenkranzes  ebensovielen  Sünden  oder 
Fleischeslüsten  {JivaI:ii-JiacJii-lwii-iiö')  entsprechen,  welche  allen  menschlichen  Wesen 
anhaften,  ist  auch  heute  noch  die  von  buddhistischen  Priestern  gegebene  Erklärung. 

54.  D.  h.  im  Bonji,  einem  korrumpierten  Sanskrit. 

55.  N'aiuH  Diyd  Jw  Jvnje  lyö  d.  i.  „Verehrung  der  Sfltra  von  dem  wunder\-ollen 
Gesetz  des  Lotus  !  "  ist  die  von  den  Anhängern  der  Nichirensekte  gebrauchte,  aus 
einer  der  ältesten  kanonischen  Schriften  genommene  chinesische  Transliteration. 
Das  gewöhnliche  Gebet  der  andern  Buddhisten  sind  die  Worte  Namii  Amida  Butsu 
d.  i.  „  ^'^erehnlng  dem  Amida  Buddha ! "  Die  Kamiverehrer  sprechen  jeden 
Morgen,  bevor  sie  ihr  Tagewerk  l)eginnen,  vor  einer  Krystallkugel,  dem  Symbol 
des  göttlichen  Wesens,  die  fünf  Worte  „  to  Ito  kaiiii  emi  tarne  ",  deren  Bedeutung 
schwer  wiederzugeben  ist.  Ein  aus  neun  Worten  bestehendes  Gebet  wusste  mir 
kein  Priester  zu  sagen. 

56.  Solche  Zeichen  sind  bei  den  Religiösen  der  Shingon-shü  üblich. 

57.  Ueber  Abstammung  und  körperliche  Eigenschaften  der  Japaner  haben  wir 
ganz  vorzügliche  Arbeiten  von  Dr.  E.  Baelz  in  den  Mittheil,  der  Deutschen 
Gesellschaft  für  Natur-u.  Völkerkunde  Ostasiens  Bd.  III,  326-328,330-359;  367-368» 
Bd.  IV,  35-103;  Bd.  VIII,  227-235,  sowie  in  den  \'erhandlungen  der  Berliner 
anthropologischen  Gesellschaft  1901. 


296  AiiJiaup;  III. 

Sie  sind  klug  und  hochherzig,  h'eben  Tugend  und  Wissenschaft 
und  crweiseii  den  Gelehrten  viele  Achtung. 

Die  Weise  der  Regierung  im  Frieden  und  im  Kriege  ist 
wie  die  unserige,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  bei  Gericht 
alles  mündlich,  nichts  schriftlich  abgethan  wird.  Die  Rechts- 
pflege hat  einen  sehr  raschen  Gang.  Wenn  ein  Diener  seinen 
Herrn  schmäht  oder  ihm  eine  andere  Unbill  zufügt,  steht  es 
diesem  zu,  ihn  auf  der  Stelle  zu  t(3ten,  ohne  dass  er  deswegen 
zur  Rechenschaft  gezogen  würde.  Die  höchste  Würde  des  Yoo 
geht  auf  dessen  ältesten  Sohn  oder  ([c\\  nächsten  Verwandten 
von  väterlicher  Seite  über.  Dasselbe  ist  auch  bei  den  anderen 
Fürsten  Regel.  Der  Goxo  vermittelt,  wenn  diese  Streit  unter- 
einander bekommen ;  wenn  einer  widerspenstig  oder  ungehorsam 
ist,  so  erklärt  er  ihm  den  Krieg,  beraubt  ihn  des  Reichs  und 
zuweilen  auch  des  Lebens  ;  doch  wird  die  Würde  der  Familie 
nicht  genonnnen,  sondern  er  räumt  sie  dem  ein,  dem  sie  von 
Rechts  wegen  zugefallen  wäre,  wenn  der  Fürst  eines  natürlichen 
Todes  gestorben  wäre. 

Um  Nachlass  der  Sünden  für  Lebende  wie  Verstorbene  zu 
erhalten,  beten  die  Japaner,  geben  Almosen,  machen  Wallfahrten 
und  halten  Plasten  zu  verschiedenen  Zeiten  im  Jahre.  Sie  essen 
zwar  gleich  uns  um  die  Mittagszeit,  doch  ist  ihr  Fasten  viel 
strenger  als  das  unsrige. 

Auf  einem  Berge  der  Insel  leben  fünftausend  Religiöse, 
welche  sehr  reich  sind,  viele  Diener,  gute  Wohnungen  und  feine 
Kleider  haben.  Sie  beobachten  die  Keuschheit  so  strenge,  dass 
kein  weibliches  Wesen  auf  dreitausend  Schritte  sich  dem  Kloster 
nähern  darf  5^) 

Weiber  dürfen  fünfzehn  Tage  hindurch  nach  der  Geburt 
eines    Kindes    nicht  berührt  werden,  und  während  vierzig  Tagen 

58.  Der  hier  erwähnte  Berg  möchte  eljensowohl  der  Hiyeizan  bei  Kyoto  wie 
der  Köyasan  sein.  Auf  ersteren  weist  die  grosse  Zahl  und  der  Reichtum  der 
Mönclie,  auf  letzteren  die  Angabe,  dass  kein  weil)liches  Wesen  Zutritt  zu  ihm 
hatte.  Erst  seit  der  letzten  Revolution  ist  es  Frauen  gestattet,  zu  dem  Kongufuji- 
Kloster  auf  dem  Köyasan,  einer  Gründung  Köbö  Daishis,  zu  pilgern. 


Mitteilungen  des  Japaners  Auj'iro  über  Ja  ['an.  297 

gehen  sie  nicht  in  den  Tempel.  Die  Dienstmägde  wohnen, 
wenn  sie  niederkommen,  in  einem  andern  Hause  abgesondert ; 
so  auch  zur  Zeit  der  Menstruation.  Wer  sie  zu  dieser  Zeit 
berührt,  wird  für  unrein  gehalten  und  muss,  wie  nach  dem 
mosaischen  Gesetz,  gewaschen  werden.  59) 

Arme  Weiber,  welche  viele  Kinder  haben,  töten  die  jüng- 
sten, damit  sie  nicht  sehen  müssen,  was  für  ein  elendes  Leben 
sie  führen,  und  dies  wird  nicht  gestraft.  ^) 

Er  erzählte  uns  ferner,  vor  fünfhundert  61)  (andere  sagten, 
noch  früher)  Jahren  seien  im  Königreiche  Cenico,  von  wannen 
man  durch  die  Tartarei  und  China  nach  Japan  kommt,  und  in 
Japan  selbst  infolge  der  Lehre  Xacjuas  die  Götzenbilder  zerstört 
worden.  Wenn  Xaqua  über  die  Hölle  predigte,  sagte  er,  die 
Seelen  würden  darin  von  den  Teufeln  mit  verschiedenen  Feinen 
gequält,  die  Verdammten  seien  in  ewigem  Feuer  und  anderen 
ähnlichen  Qualen  ;  es  gebe  einen  Reinigungsort,  wo  die  Seelen, 
welche  in  diesem  Leben  nicht  genugsam  Busse  für  ihre  Sünden 
gethan  haben,  zurückgehalten  würden,  bis  sie  geläutert  seien ; 
und  im  Paradiese  seien  Engel,  welche  die  Majestät  Gottes  be- 
trachten. Sie  glauben,  dass  die  Engel  die  Menschen  beschützen, 
und  darum  tragen  sie  Bilder  von  Engeln  bei  sich,  welche,  wie 
sie  sagen,  aus  anderer  Substanz  und  anderen  Elementen  wie  wir 
gemacht  seien.  62) 

59.  Wie  der  lod,  so  verunreinigt  im  Sliintoismus  auch  die  Geburt.  S.vniw 
und  DiCKlNS  fanden  die  altjapanische  Sitte,  dass  sich  die  Frauen  zum  Zwcclc  ihrer 
Entbindung  in  eine  dafür  temporär  erbaute  Hütte  (//(5«-j'rt  =  Geburtsliaus  genannt) 
zurückzogen,  nocli  auf  der  Insel  Ilachijö  vor,  als  sie  dieselbe  im  Jahre  1878 
liesuchten.     Vgl.  T.  A.  S.  J.  Vol.  VI,  p.  455  f. 

60.  Dies  gab  den  Jesuiten  sehr  bald  Veranlassung,  Findelhäuser  zu  errichten. 

61.  Nach  der  andern  Version  des  Berichts  vor  1600  Jahre7i. 

62.  \Vas  hier  den  Engeln  verglichen  wird,  sind  die  japanischen  Tenuin. 
Schon  Arai  Hakuseki  fiel  die  Aehnlichkeit  zwisclien  beiden  auf.  Vgl.  FoXiioi.M, 
Arai  Haktiseki  mid  Fa/er  Sidotti  in  Mitth.  d.  D.  G.  f.  N.  u.  V.  O.  Bd.  VI,  165  f. 
Dr.  LöXHOLM  gil)t  für  Kzwonteiiin  die  Uebersetzug  ,,  strahlende  himmlische 
Männer".  Ich  finde  jedoch  diese  imaginären  Wesen  in  Japan  stets  als  schöne  weib- 
liche Gestalten  mit  Flügeln,  nie  in  männlicher  Form  abgebildet.  Sie  gelten  als 
ewig  jung  und  wohnen  im  Paradies  des  Westens,  dem  buddhistischen  Himmel,  wo 
sie  die  Seelen  der  Aijgeschiedenen  Amida  vorstellen,  singen  und  musizieren. 


29H  AnJtans;  III. 

Sic  verrichten  viele  Gebete  zum  Lobe  Gottes,  und  besonders 
die  Religiösen  üben  die  Betrachtung.  Wenn  sie  singen,  ver- 
sammeln sie  sich  um  (\i::\\  Altar;  sie  läuten  mit  Glocken,  um 
das  Volk  7x\  den  Predigten,  /.um  Gottesdienste  und  Gebete  zu 
versammeln.  Wenn  jemand  stirbt,  so  versammeln  sie  sich  mit 
brennenden  Kerzen,  um  ihn  zu  begraben  oder  zu  verbrennen. 
Alle  ihre  Gesetze,  Schriften  und  Gebete  sind  in  einer  von  der 
gewöhnlichen  abweichenden  Sprache  verfasst,  wie  bei  uns  die 
lateinische  ist.  Da  wir  ihn  fragten,  ob  sie  auch  Opfer  hätten, 
antwortete  er,  an  «/ewissen  Taljen  verrichteten  die  Priester  einen 
gewissen  Gottesdienst,  besonders  aber  ihr  Vorsteher,  der  in  einer 
besonderen  Kleidung  in  den  Tempel  gehe  und  in  Gegenwart 
des  Volkes  gewisse  wohlriechende  Sachen  gleich  dem  Weihrauch 
— Aloeholz  und  gewisse  wohlriechende  Blätter — auf  einem 
Steine  wie  einem  Altare  unter  Absingung  von  Gebeten  verbrenne. 
Die  Tempel  haben  dasselbe  Privilegium  wie  die  unsrigen,  so 
dass  die  Diener  der  Gerechtigkeit  niemanden  aus  denselben 
herausholen  dürfen,  ausgenommen  solche,  die  einen  Diebstahl 
begangen  haben.  Sie  haben  in  ihren  Kirchen  manche  Bilder 
von  Heiligen  beiderlei  Geschlechts,  die  teils  geschnitzt,  teils 
gemalt  sind,  eine  Krone  oberhalb  und  einen  Schein  darum 
haben.  ^3)  Wenn  sie  gleich  nur  einen  Gott,  den  Schöpfer  aller 
Dinge,  anbeten,  so  beten  sie  doch  zu  den  Heiligen,  dass  sie  bei 
Gott  für  sie  bitten.  Sie  pflegen  auch  ein  iM-auenbild  mit  einem 
Kinde  auf  den  Armen  abzumalen ;  sie  nennen  es  Quaneuoa 
[Kwannon].  Zu  ihm  nehmen  sie  als  zu  ihrer  allgemeinen  Schutz- 
frau in  allen  ihren  Nöten  ihre  Zuflucht,  so  wie  es  die  Christen 
zur  seligsten  Jungfrau  zu  thun  pflegen.  Von  der  Lebens- 
gcschichtc  dieser  heiligen  P^'au  konnte  er  uns  nichts  sagen.  ^4) 

Die  Japaner  machen  keinen  Unterschied  der  Speisen  und 
haben    keine    Beschneidung.       P^s    scheint,   dass  das  Evangelium 


63.  Dieser    Ileiligenscliein,    go-kd    genannt,    initcrsclicidet    sich    in    nichts    von 
dem   in  der  christlichen  läildkunst  geljräuclilichen. 

64.  Siehe  Kap.  I,  Anm.  11  und  Kap.  VIII,  S.  117. 


Uliitcilungcn  des  Japayicrs  Anjiro  nhcr  Japan.  299 

dort  schon  verkündet  wurde,  dass  aber  sein  Licht  infolge  der 
Sünden  verdunkelt  und  dann  durch  irgend  einen  Irrlehrer  wie 
Mohammed  ganz  genommen  wurde.  65) 

Während  ich  dies  schrieb,  kam  ein  armenischer  Bischof  zu 
mir,  der  über  vierzig  Jahre  in  diesen  Gegenden  gewesen  ist. 
Er  sagte  mir,  er  habe  gelesen,  Armenier  hätten  im  Anfang  der 
Kirche  in  China  gepredigt  und  hätten  es  zu  Christo  bekehrt.  66) 
Doch  würde  es  sehr  gut  sein,  wenn  das  Licht  des  wahren 
Glaubens  und  die  Lehre  des  Evangeliums  noch  einmal  diesen 
Nationen  gebracht  würde.  Um  wie  viel  verdienter  um  die 
Kirche  Gottes  als  diejenigen,  die  durch  ganz  Europa  bei  ihrem 
Priestertum  lustig  und  wohlauf  und  im  Ueberflusse  leben,  das 
Talent,  das  sie  von  Christo  empfangen  haben,  vergraben  und 
weder  für  ihr  noch  für  Anderer  Heil  sorgen,  würden  sich  daher 
jene  machen,  die,  wo  es  um  das  Heil  der  Menschen  sich 
handelt,  keinerlei  Arbeit  oder  Beschwerde  scheuend,  in  diesen 
weiten  Erdstrich  das  Licht  des  Glaubens  brächten.  Niemand 
lasse  sich  durch  die  Entfernung  abschrecken,  der  weiss,  dass 
ihm  die  Sorge  für  das  Heil  seines  Nächsten  anbefohlen  ist. 
Obwohl  die  Reise  von  Rom  nach  Japan  8000  Stunden  beträgt, 
so  sind  doch  denen,  welche  Gott  und  das  Heil  der  Seelen 
lieben,  alle  Mühen  und  Gefahren  der  Welt  eine  Lust. 

65.  Siehe  S.  87  f.  und  Anm.   il. 

66.  Ein  merkwürdiges  Denkmal  aus  dem  Jahre  781,  der  1625  beim  l!au  einer 
Mauer  in  der  Nähe  von  Siganfu  aufgefundene  Stein  mit  seiner  teils  in  chinesischer, 
teils  in  .syrischer  Syrache  abgefassten  Inschrift,  bezeugt,  dass  die  armenischen 
Nestorianer  seit  625,  begünstigt  von  den  Kaisern,  das  Evangelium  in  China  ver- 
kündigt haben.  Manches  aber  spricht  dafür,  da.ss  sich  schon  im  J.  505  dieses 
„  chaldäische "  Christentum  der  Syrer  von  Persien  aus  bis  nach  dem  Reich  der 
Mitte  verbreitet  hatte.  Das  erwähnte  Steindenkmal  gibt  einen  Ueberblick  ül)er  die 
chinesische  Missionsthätigkeit  für  beinahe  150  Jahre.  Von  781  ab  scheint  sie  sich 
fortgesetzt  zu  haben,  bis  die  zunächst  gegen  den  Buddhismus  gerichtete  Verfolgung 
auch  sie  heftig  in  Mitleidenschaft  zog.  Ob  die  von  Marco  Polo  im  13.  Jahr- 
hundert erwähnten,  von  den  mongolischen  Herr.schern  geduldeten  und  erst  seit 
deren  Niederwerfung  durch  die  Mingdynastie  (1368)  verschwuntlenen  nestorianischen 
Kirchen  in  China  auf  die  früher  daselbst  bestehenden  und  zu  Kirclicnprovin/en 
verbundenen,  von  Seleucia  abhängigen  zurückgingen,  ist  zweifelhaft. 


300  Allhang  III. 

So  Gott  will,  wird  unser  l\itcr  Magister  Franciscus  mit 
l'aul,  tlcr  uns  dies  alles  erzählt  hat,  zwei  anderen  christlichen 
Japanern  und  mit  drei  anderen  ]5rüdern  aus  unserer  Gesellschaft 
zu  Anfang  kommenden  Aprils  die  Reise  nach  Japan  antreten, 
\\x\(\  in  zwei  Jahren  werden  Ew.  Hochwürden  Nachricht  haben 
\-(>n  dem  Guten,  welches  wir  in  diesem  Lande  zu  wirken 
hoffen  mit  der  Gnade  unsers  Herrn  Jesus  Christus,  der 
gebenedeit  ist  von   Ewigkeit  zu   Ewigkeit.      Amen. 

Cochin,  Anfangs  Januar   1549.  67J 
Laus  Dco. 

67.     Nach  anderer  Datierung:  Ende  des  Jahres  154S. 


IV. 

Pauli  Japonii  ad  Societatem  Jesu  in  Indiam.') 


Quod  mihi  maxime  fuit  optatuni,  ut  in  Japoncm  rcdirc, 
matrcm  nieam,  &  uxorcm,  ac  filiam,  cognatos  praeterea  ac  fami- 
liäres meos  ab  impio  daemonum  cultu  ad  Christi  rehgionem 
traducere  mihi  hcerct ;  id  jam  Dei  Domini  nostri  dementia  sin- 
gulari  SLim  consequutus.  Nunc  autem  aha  me  coquit  cura,  ut 
ii,  quemadmodum  ad  Christum  conversi  sunt,  sie  in  fide,  quam 
ei  dederunt,  firmi  stabilesque  persistant.  quod  ego  cum  a 
Domino  precor  itendidem  ;  tum  vos,  per  Christum,  ut  in  precibus 
vestris  ac  sacrificiis  mei  meorumque  memores  sitis,  obtestor : 
quandoquidem  ad  salutem  (nisi  principiis  consentiant  exitus) 
coepisse  nil  prodest.  Japonii  me  sane  quam  Hbenter  audiunt 
de  Jesu  Christo  verba  facientem.  itaque  multos,  favente  Deo, 
Christianos  fore  confido.  Nos  hie  omnes  corpore  (utinam  aeque 
spiritu)  bene  valemus.  &  quamquam  a  vobis  locorum  intervallo 
disjuncti  sumus  ;  tamcn  &  animis  in  praesentia  conjuncti  vide- 
mur  ;  &  erimus  ahquando  corporibus  :  videHcet  cum  ad  extremum 
Judicium  excitabimur,  utinam  cum  Domino  regnaturi.  Con- 
goxima,  Nonis  Novembris,  M.D.XLIX. 

I.  Siehe  S.  139.  Dieses  Schreiben  des  ersten  japanischen  Christen  Anjiro 
findet  sicli  in  der  hier  wiedergegebenen  lateinischen  Ucbersctzung  bei  Maffki. 


\ 


FESTSCHRIFT  ^  "^ 

ZUR  ERINNERUNG 

AN  DAS  25  JÄHRIGE  STIFTUNGSFEST 

DER 

DEUTSCHEN  GESELLSCHAFT  FÜR  NATUR-  UND 
VÖLKERKUNDE  OSTASIENS 

a)}i,  2g.   Okiober  iSgS 
Herausgegeben  von  dem  Vorstande 


TOKYO 

nriKk   «ler   KIliliTO  UAlil'lX   Bl'CJlWRlC'liEREl,    l>«iikiji, 

1902 


DIE    ERSTEN 
FÜNFUNDZWANZIG    JAHRE 

DER 

DEUTSCHEN  GESELLSCHAFT  FÜR 
NATUR-  UND  VÖLKERKUNDE  ÖSTASIENS. 

1873  —  1898. 

SKIZZE 
DER   GESCHICHTE   DER   GESELLSCHAFT. 

Im  Auftrage  des  Vorstandes  verlesen  in  der  Festsit/.ung 
IX  Tokyo  am  29.  Octodek,  1898. 


An  einem  nationalen  Festtage,  dem  Geburtstage  Kaiser 
Wilhelms  I,  ist  vor  25  Jahren  die  ,,  Deutsche  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Völkerkunde  Ostasiens  "  begründet  worden.  In  den  in  der 
ersten  Generalversammlung  am  26.  April  1873  vereinbarten 
Statuten  wurde  als  Zweck  der  Gesellschaft  angegeben,  den  Mit- 
gliedern 7Aim  Austausch  ihrer  Ansichten  und  Erfahrungen  in 
Betreff  der  Länder  Ostasiens  Gelegenheit  zu  geben,  darüber 
hinaus  aber  die  Erforschung  der  Länder  des  fernen  Ostens  zu 
fördern  und  durch  die  herauszugebenden  Mittheilungen  der  Ge- 
sellschaft die  wissenschaftliche  Kenntniss  Ostasiens  zu  mehren  und 
zu  verbreiten.  Es  waren  71  Herren,  die  sich  unter  Vorsitz 
unseres  jetzigen  Ehrenmitgliedes,  des  damaligen  Kaiserlich 
Deutschen  Ministerresidenten  Herrn  M.  von  Brandt,  endgültig 
am  5.  Juli  1873  als  Begründer  der  Gesellschatt  für  Natur-  und 
Völkerkunde  Ostasiens  constituierten.  Eilf  dieser  Herren  si,;d 
bis  zum  heutigen  Tage  fast  ununterbrochen  Mitglieder  unserer 
Gesellschaft  geblieben  ;  ausser  dem  genannten  Vorsitzenden  die 
Herren 


G.  Rcddcliii,  damals  in  ^'okoliania,  jetzt  in  IlaniburG^ 

INI.  J5air,  ,,        „Tokyo,  ,,         Kaiser).   1).    Konsul 

a.  ]).  in  Paris. 
V.  Kricn,  ,,        ,,        ,,  ,,  ,,        D.    Konsul 

in  Seoul. 
C.  Illics,  ,,        ,,  Yokoliania,      ,,    in  I[aml)urg. 

J.  Naudin,  ,,        ,,        ,,  ,,     ,,  Yokoliama. 

H.  O.  de  la  Camp,  tiamals  in  ^^)k()hama,  jetzt  in  New  York. 
A  Oestmann,  ,,         ,,  ,,  ,,     ,,  Kobe. 

Dr.  Th.  V.  Ilolleben,     ,,        ,,  Pekinj^,  ,,          Kaiserl.    I). 

Botschafter-  in 
Washington,  Excellcnz,  Ehrenmitglied  d.  Gesellschaft. 
Dr.  \-on  Möllendorf,  damals  in  Peking,  jetzt  in  Shanghai. 
P.  Kempcrmann,  ,,        ,,  Tokyo,     ,,         Kaiserl.  D.  ]\Iini- 

sterresident  in  Bangkok. 

Gleicli  von  Anfang  an  ^\■urde  festgesetzt,  dass  die  Sitzungen 
einmal  im  Monat  und  zwar  in  der  Regel  abwechselnd  in  Tokyo 
und  \'okohama  stattfinden  sollten.  In  Yokohama  stellte  der 
Yorstand  des  Clubs  Germania  bereitwillig  einen  Saal  für  die 
Sitzungen  zur  Verfügung,  während  an  dem  Hauptsitze  der  Ge- 
sellschaft im  Shibapark  ganz  nahe  bei  dem  jetzigen  Bazaar  ein 
Tempelgrundstück  Tenkoin  als  Heim  der  Gesellschaft  gemiethet 
wurde.  Um  den  wissenschaftlichen  Aufgaben  des  Vereins  gerecht 
zu  werden,  wurde  auch  auf  die  Anlage  einer  auf  Ostasien 
bezüglichen  Bibliothek  und  auf  die  Sammlung  ethnographischer 
und  naturhistorischer  Objekte  Bedacht  genommen.  Mit  bewunde- 
rungswürdiger Opferfreudigkeit  schenkten  sehr  viele  Mitglieder 
werthvolle  Bücher  und  interessante  Veranschaulichungsmittel  der 
l^ibliothek  und  der  Sammlung  der  Gesellschaft.  Manches,  beson- 
ders Bücher,  wurde  auch  durch  Austausch  erworben.  Die 
japanische  Regierung  überlicss  die  von  Siebold  nachgelassene 
l^ücher.sammlung  der  deutschen  Gesellschaft  zur  Benützung.  '  Ei- 
frige Thätigkeit  und  gedeihlicher  P^ortschritt  sprechen  aus  den 
Berichten  tles  Vorstandes  in  den  ersten  vier  Jahren,  und  docu- 
mentieren  sich  in  den  umfangreichen  \^eröffentlichungen  der 
Gesellschaft  in  dieser  Zeit.  Namentlich  meteorologische  Er- 
scheinungen,   die    P\auna    und     Plora    Japans,    medicinische    und 


phannakülügische  Studien,  die  japanische  und  chinesische  Musik, 
das  Schachspiel  im  fernen  Osten,  und  die  Geheimnisse  der 
Rechenmaschine  standen  neben  Reiseschilderungen  und  topo- 
graphischen Messungen  im  ^littelpunkte  des  Interesses. 

Bald  stellte  sich  aber  heraus,  dass  man  das  Ziel  ein  wenig 
zu  hoch  gesteckt  hatte  und  von  den  Mitgliedern  Leistungen 
forderte,  die  auf  die  Dauer  von  vielen  nicht  willig  getragen 
wurden.  Das  Eintrittsgeld  betrug  damals  trotz  des  hohen  Silber- 
kurses zehn,  und  der  monatliche  Beitrag,  auch  für  auswärtige 
Mitglieder,  zwei  Dollar.  Namentlich  die  nach  Europa  zurück- 
gekehrten Mitglieder  empfanden  bald  eine  solche  sich  auf  jährlich 
etwa  loo  ]vlark  belaufende  Beisteuer  recht  drückend.  Der 
damalige  Vorstand  befand  sich  in  der  schwierigen  Lage,  für 
Aufbewahrung  der  durch  interessante  Geschenke  und  sorgfaltige 
Ordnung  an  Werth  gestiegenen  Sammlung  erhebliche  Summen 
an  Miethe,  Dienerlohn,  Feuerversicherimg  und  passende  Schränke 
und  Behälter  aufwenden  zu  müssen,  so  dass  bei  den  hohen 
Kosten  der  oft  mit  Abbildungen  geschmückten  Publicationen  das 
Budget  kaum  balanciert  werden  konnte  ;  und  doch  musste  er  die 
Klagen  über  die  Höhe  des  Beitrages  als  gerechtfertigt  anerken- 
nen. ¥a-  suchte  Abhilfe  zunächst  durch  Beschaffung  billigerer 
Miethsräume  und  Herabsetzung  der  Druckkosten.  Dadurch  Hess 
sich  seit  1877  eine  Ermässigung  der  Beiträge  Rir  auswärtige 
]\Iitglieder  auf  jährlich  zwölf  Dollar  durchRihren.  Inzwischen 
hatte  aber  auch  die  japanische  Regierung  das  Tokyo-Museum 
begründet  und  mit  reichen  ^vlitteln  zu  Anschaffungen  versehen, 
so  dass  für  die  Zwecke,  für  die  bis  hahin  allein  die  private 
Vereinigung  der  Deutschen  in  Japan  so  erhebliche  Opfer  gebracht 
hatte,  nunmehr  von  Staatswegen  gesorgt  wurde.  Da  die  Unter- 
haltungs-  und  Bergungskosten  der  Sammlungen  nicht  weniger 
als  60  ^0  der  Einnahmen  unserer  Gesellschaft  verschlangen,  so 
ergab  sich  als  einfachster  Ausweg  aus  den  finanziellen  Schwierig- 
keiten die  Auflösung  des  Museums.  In  der  ordentlichen  General- 
versammlung vom  19.  Januar  1878  schlug  Herr  Dr.  Baelz  vor, 
die  Sammluniren  der  Gesellschaft  dem  Museum  für  Völkerkunde 


4 

in  Leipzig  zu  schenken,  um  diu-cli  die  lü'sparniss  der  Auf- 
bewahrungskosten in  die  Lage  zu  kommen,  die  I^^iträge  auch 
der  Yokohama  Mitglieder  herabzusetzen,  und  doch  für  den 
Druck  der  Mitteikingen  grössere  Mittel  verfügbar  zu  haben. 
Der  \-erdiente  Conservator  der  Sammlungen,  Herr  Dr.  Wagener, 
schritt  sofort  zur  lünpackung  der  sorgfältig  gehegten  Schätze. 
Am  2''-'"  l'^ebruar  1878  wurde  in  einer  ausserordentlichen  General- 
versammlung in  Yokohama  der  Vorschlag  des  Herrn  Dr.  Baelz 
zum  Keschluss  erhoben. 

Mit  der  Ausführung  dieses  Beschlusses  kam  eine  Periode 
der  Aufregung  über  unsere  Gesellschaft.  Die  in  Tok3'o  und 
Yokohama  anwesenden  Mitglieder  nämlich,  denen  der  Conservator 
des  Museums  oft  und  eindringlich  die  Lücken  der  verschiedenen 
Abtheilungen  x^orgehalten  hatte,  um  sie  zu  weiterem  Sammeln 
und  Schenken  anzuspornen,  unterschätzten  den  Werth  des  bereits 
Zusamunengebrachten  so  sehr,  dass  sie  fürchteten,  in  Deutshland 
würde  kaum  eine  Museumsverwaltung  die  Transportkosten  daran 
wenden,  um  eine  solche  Sammlung  geschenkt  zu  erhalten. "  Merr 
Consul  Bair  erbot  sich  deshalb  sogar,  um  das  Geschenk  an- 
nehmbar zu  machen,  als  Beihilfe  zu  den  Frachtspesen  seinerseits, 
wenn  nöthig,  ein  pecuniäres  Opfer  zu  bringen.  Aber  man 
wurde  bald  eines  Besseren  belehrt.  Während  nämlich  die  un- 
erwartete Schenkung  in  Leipzig  eine  so  kühle  Aufnahme  fand, 
dass  die  Annahme  nicht  einmal  hierher  telegraphiert  wurde, 
bewarb  sich  das  Berliner  Museum  für  Völkerkunde  telegraphisch 
um  Berücksichtigung  bei  der  Entäusserung,  und  bot  ent.spre- 
chende  (Gegenleistungen  an.  So  gern  der  Vorstand  das  vorteil- 
haftere Angebot  aus  der  Reichshau[)lstadt  im  Interesse  der 
(jesellschaft  verwerthet  hätte,  so  konnte  die  ausserordentliche 
Gener^jlversammlung  vom  27.  April  die  Schenkung  doch  nicht 
mehr  zurücknehmen  und  nur  von  der  Leipziger  Gesellschaft  das 
Verprechen  erwirken,  dass  die  Doubletten  oder  für  das  Berliner 
Museum  hervorragend  wichtige  Gegenstände  der  Reichshauptstadt 
überlassen  wurden.  Die  damals  in  Berlin  ansässigen  Mitglieder 
waren  mit  dem  Verlauf  der   Sache  so  unzufrieden,  dass  sich  die 


bis  dahin  bestehende  Section  Berlin  auflöste.  Uebrigens  hat 
die  Sammlung  im  Leipziger  Museum  für  Völkerkunde  später 
eine  zweckentsprechende  würdige  Aufstellung  gefunden.  Auch 
ist  unserer  Gesellschaft  ein  Diplom  übersandt  worden,  worin  der 
Dank  für  die  Förderung  des  Museums  ausgesprochen  ist. 

In  diesem  zweiten  Triennium  unserer  Gesellschaft  brachten 
unsere  Mittheilungen  an  neuen  Gegenständen  namentlich  oekono- 
mische  Themata,  Probleme  des  Bergbaues  und  der  Erdbeben- 
messung, aber  auch  schon  Uebersetzungen  von  chinesischen  und 
japanischen  Literaturvv^erken.  Herr  von  Eisendecher,  kaiserl. 
Ministerresident,  Herr  Prof  Dr.  Docnitz  und  Herr  Kempcrmann, 
Secretaire  interprete,  führten  den  Vorsitz  im  Vorstande.  Die 
Entäusserung  des  Museums  erwies  sich  in  der  Tluit  als  eine 
Lebensbedingung  für  die  Gesellschaft.  Man  konnte  jetzt  die 
theuren  Räumlichkeiten  im  Tenkoin  aufgeben  und  sich  mit  der 
allerdings  b-cir^ten  Unterbringung  der  Bibliothek  in  der  vom 
japanischen  Unterrichti^tiinisterium  zur  Verfügung  gestellten 
Halle  Seido,  neben  dem  Tempel  des  Confucius  an  der  Ochano- 
midsubashi,  begnügen,  wo  auch  die  Tokyo-.Sitzungen  abgehalten 
wurden.  Lifolgedessen  besserte  sich  die  Finanzlage  der  Gesell- 
schaft von  Jahr  zu  Jahr,  obwohl  jetzt  auch  der  monatliche  Beitrag 
der  in  Tokyo  residierenden  Mitglieder  herabgesetzt  war.  Der 
Vorstand  konnte  die  günstige  Gelegenheit  benutzen,  eine  Reihe 
wertvoller  Zeitschriften  und  Bücher  aus  der  Bibliothek  des  Japan 
verlassenden  Mitgliedes  Herrn  Bramsen  zu  erwerben.  Seit  dieser 
Zeit  hat  unsere  Bibliothek  in  ihrer  auf  Ostasien  bezüglichen 
Specialität  vor  allen  andern  in  Japan  befindlichen  Büchersamm- 
lungen den  Vorsprung  gewonnen. 

Das  Jahr  1879  brachte  für  unsere  Gesellschaft  zwei  Gelegen- 
heiten, das  Ansehen,  das  sie  sich  erworben  hatte,  auch  öffentlich 
zu  documentieren.  Am  21.  Juni  beehrte  Seine  Königliche  Hoheit 
Prinz  Heinrich  \'on  Preussen  die  Sitzung  der  Deutschen  Gesell- 
schaft für  Xatur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  in  Tokyo  mit 
seinem  Besuche.  P3s  wurde  ihm  das  von  u.>serm  IMitgiied  Herrn 
Netto    künstlerisch    ausgeführte    Diplom  der    I^hrenmitgliedschaft 


6 

und  ein  seltenes,  auf  die  erste  brandenbui-i;"i.sche  Colonisation  in 
.Afi'ica  durch  Major  \on  der  Groeben  beziigliches  Buch  aus 
dem  Jahre  1092  überreicht.  Dann  (^dh  die  glückliche  Ankunft 
der  Vega  nach  ihrer  Fahrt  durch  das  nördliche  Eismeer  die 
Veranlassung,  am  15.  September,  gemeinsam  mit  der  japanischen 
Geographischen  Gesellschaft  und  der  Asiatic  Society,  dem  Leiter 
der  Ivxpedition  Professor  Nordenskjöld  zu  lehren  ein  PY-stmahl 
zu  veranstalten,  bei  dem  Seine  Kaiserl.  Hoheit  Prinz  Kitashira- 
kawa  praesidierte  und  in  deutscher  Sprache  den  Toast  auf  den 
Gast  des  Abends  ausbrachte.  Auch  zeigte  sich  von  diesem  Jahre 
an,  durch  den  aus^serordentlich  zunehmenden  Verkauf  unserer 
Hefte  in  pAU'opa  und  sich  mehrende  Austauschgesuche,  dass  die 
Bestrebungen  un.serer  Gesellschaft  gewürdigt  wurden.  P^s  wurde 
von  einzelnen  Heften  bereits  eine  neue  Auflage   nöthig. 

Besonders  reich  an  umfangreichen  geographischen  und  ethno- 
graphischen Monographien  waren  unsere  Publicationen  in  den 
Jahren  i88[,  1S82  und  1883.  Die  damals  veröffentlichten  Bei- 
trage über  Yeso  und  die  Ainos,  die  grundlegenden  Arbeiten 
über  die  Liukiu  Inseln  und  die  Körpereigenschaften  der  Japaner 
haben  grade  unserm  dritten  Bande  zu  besonders  zahlreichen 
Einführungen  in  den  verbreiteten  Handbüchern  der  Völkerkunde 
verhelfen. 

Während  so  die  wissenschaftliche  Thätigkeit  der  Deutschen 
Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  sich  schon 
im  ersten  Decennium  ihres  Bestehens  auf  achtunggebietender 
Höhe  hielt  und  allmählich  auch  die  Finanzen  auf  eine  gesunde 
Basis  kamen,  machte  sich  ein  andrer  Uebelstand  sehr  störend 
fühlbar.  PJ)er  Mangel  eines  eigenen  Heims  machte  die  Benutzung 
der  Bibliothek  und  die  gesellige  Vereinigung  der  ^^litgiieder  in 
Tokyo  nur  an  bestimmten  Tagen  der  Woche  möglich.  Dazu 
kam,  dass  das  Gebäude,  in  dem  die  japanische  Regierung  einige 
Räume  der  Gesellschaft  in  entgegenkommender  W^-ise  drei  Jahre 
lang  überliess,  im  Herbst  1881  einem  Umbau  unterworfen  werden 
musste.  In  dieser  Verlegenheit  gestattete  die  deutsche  Reichs- 
regierung   für    einige    Zeit    die    Benutzung  eines  Backsteinhauses 


auf  dem  Gcsandtschaftsgrundstück  für  die  Bergung  der  Bibliothek. 
Auch  fanden  die  Sitzungen  jetzt  auf  der  Gesandtschaft  statt. 
Vom  September  1881  bis  zum  December  1883  war  auf  diese 
Weise  unsere  Gesellschaft  in  Japan  auf  deutschem  Boden  unter- 
gebracht. Dann  musste  der  Vorstand  schleunigst  ein  neues 
Unterkommen  suchen.  Wieder  half  die  Liberalität  der  japa- 
nischen Regierung  aus  der  Verlegenheit,  indem  sie  der  Gesell- 
schaft ein  im  U}XMiopark,  Seikendera  5,  gelegenes  geräumiges 
Haus  zur  Verfügung  stellte.  Aber  auch  hier  traten  wegen  der 
Baufälligkeit  des  Hauses  nach  2-jähriger  Benutzung  Schwierig- 
keiten ein.  Um  den  Uebelständen,  die  mit  so  häufigen  Umsiede- 
lungen verbunden  sind,  für  die  Zukunft  zu  entgehen,  beschloss 
die  in  Yokohama  am  27.  Juli  1885  abgehaltene  ausserordentliche 
Generalversammlung  den  Ankauf  eines  eigenen  Hauses.  Das 
central  gelegene  und  vor  Feuersgefahr  relativ  geschützte  Grund- 
stück in  Kanda  Imagawakoji  Itchöme'  8,  wurde  im  Namen 
un-eres  Mitgliedes  Herrn  Director  Wada  erworben  und  bereits 
am  29.  Oktober  1885  durch  eine  Festsitzung  und  eine  Ansprache 
des  Vorsitzenden  Herrn  Dr.  Wagener  eingeweiht.  Damit  begann 
eine  neue  Periode  in  der  Entwickelung  unserer  Gesellschaft. 
Es  wurde  ein  besonderes  Zimmer  für  die  Benutzung  der  neu- 
eingegangenen Zeitschriften  eingerichtet  und  einer  sich  aus  Mit- 
gliedern der  Gesellschaft  zusammensetzenden  Kegelgesellschaft 
die  Erlaubnis  gewährt,  an  der  Xordseite  des  Grundstückes  eine 
Kegelbahn  zu  erbauen.  Mehr  und  mehr  wurde  das  Vereinshaus 
auch  zu  geselligen  Vereinigungen  der  Mitglieder,  namentlich 
auch  zur  Feier  des  Geburstages  des  Deutschen  Kaisers,  verwer- 
thet.  Vor  allem  hat  aber  die  nunmehr  täglich  zugängliche 
Bibliothek  erst  seit  der  Begründung  des  eigenen  Heims  eine 
entsprechende  Benutzung  gefunden.  Auch  wurden  die  in  Tokyo 
gebildeten  Sectionen  des  Deutschen  Kolonialvereins  und  des 
Allgemeinen  Deutschen  Schulvereins  ermächtigt,  ihre  Sitzungen 
in  den  Räumen  der  Gesellschaft  abzuhalten.  Zeitlich  v^orgreifend 
darf  hier  schon  erwähnt  werden,  dass  durch  einen  grossen  Umbau, 
den  Herr  Architekt  Tietze  sowie  unser  Ehrenmitglied  und  Vice- 


8 

Präsident  Herr  \i.  Lehmann  im  Jahre  1891  au.sf^efülirt  haben, 
ein  geräumiger  Sil/iingssaal  und  ein  fciicrsiclieres  Bibliotheks- 
gebäude geschaffen  worden  sind,  so  dass  seitdem  unsere  Gesell- 
schaftsräurne  den  an  sie  gestellten  Anforderungen  vollkommen 
geni^igen.  Die  PLiblicationen  der  Gesellschaft  spiegeln  auch  die 
in  der  intellectuellen  japanischen  Kntwickelung  bemerkbaren 
Veränderungen  einigermassen  wieder.  Wie  früher  medicinische 
und  naturhistorische,  so  traten  in  den  Jahren  1884  bis  1886 
von  später  angekommenen  Fachmännern  bearbeitete  statistische, 
geologische  und  landwirtschaftliche  Themata  in  den  Vordergrund. 
Nicht  ohne  Zusammenhang  mit  den  seit  1884  stärker  hervor- 
tretenden Bemühungen  um  Vertragssrevision  ist  es,  dass  1888 
und  1889  deutsche  Juristen  in  der  Lage  waren,  uns  auf  Grundlage 
von  Quellenstudien  über  älteres  und  neues  japanisches  Strafrecht, 
über  die  Lntwickelung  der  Rechtsverwaltung  und  über  das  so 
eigentümlich  gestaltete  Familien-  und  Erbrecht  in  Japan  zu  be- 
lehren. Sehr  bald  darauf  documentierte  sich  auch  die  Anstellung- 
deutscher  Lehrer  in  der  philosophischen  Facultät  und  die  neube- 
gründete Mission  des  allgemeinen  evangelischen  Missions-vereins 
in  literarischen,  philosophischen,  historischen  und  religions-ge- 
schichtlichen  Vorträgen  und  Arbeiten.  In  den  letzten  Heften 
des  fünften  Bandes  kommen  dann  auch  die  Forstwissenschaft  und 
die  Veterinär-Medizin  zu  ihrem  Rechte.  Durch  Reisen,  Studien 
oder  langjährigen  Aufenthalt  waren  einige  unserer  Mitglieder 
auch  in  den  Stand  gesetzt,  interessante  Vorträge  über  chinesische 
Verhältnisse  und  Korea,  über  die  Shan-Staaten,  Neu-Guinea  und 
Hawaii  zu  halten,  die  meist  in  unsern  Heften  zum  Abdruck 
kamen.  An  Mannigfaltigkeit  des  Inhalts  kann  es  der  jüngst 
abgeschlossene  sechste  Band  mit  seinen  Vorgängern  ruhig  auf- 
nehmen. 

Die  reicheren  Mittel  der  Gesellschaft  erlaubten  ihr  auch  die 
J^erausgabe  von  wichtigen  Sammel-  und  Uebersetzungswerken 
als  Supplement  unserer  Mittheilungen.  Rudorffs  Tokugawa- 
gesetzgebung,  Florenz'  Nihongi  und  Ehmann's  Sprichwörter  und 
bildliche  Ausdrücke  der  japanischen  Sprache  sind  von  so  hohem 


wisscnschaftUclien  Interesse,  dass  die  Kosten  der  DruckleG^uni^ 
von  der  Gesellschaft  gern  getragen  wurden.  JMit  dem  zulet/.t 
genannten  Werke  ist  auch  der  Uebergang  zu  dem  handlicheren 
Octavformat  gemacht  worden.  Wir  hoffen  in  wenigen  Wochen 
den  ersten  Halbband  des  siebenten  Bandes  in  gleichem  Format 
zur  Vertheilung  zu  bringen;  über  loo  Seiten  sind  bereits  ge- 
druckt. 

Dass  die  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  sich  einer 
gedeihlichen  Entwickelung  erfreut,  beweist  die  stetig  wachsende 
Zahl  unserer  Mitglieder  und  die  immer  eifrigere  Nachfrage  nach 
unsern  Mittheilungen,  namentlich  auch  seitens  anderer  gelehrter 
Gesellschaften,  die  mit  uns  in  Austauschverkehr  zu  treten  wün- 
schen. Die  Auflage  ist  im  Laufe  der  Jahre  von  250  auf  700 
gesteigert  worden.  Für  die  Zunahme  der  jMitgliederzahl  mögen 
die  Ziffern  in  Abständen  von  fünf  zu  fünf  Jahren  sprechen. 
Wir  hatten  im  Juni  1883  nur  78  Mitglieder,  1888  beinahe  doppelt 
so  viel,  nämlich  145,  1893  wider  44  mehr,  nämlich  189,  in 
diesem  Augenblick  265   Mitglieder. 

Eine  so  gedeihliche  Entwickelung  einer  gelehrten  deutschen 
Gesellschaft  ausserhalb  Europas  steht  wohl  ohne  Beispiel  da 
und  berechtigt  uns  mit  Befriedigung  auf  die  nunmehr  abgelaufe- 
nen 25  Jahre  zurückzublicken.  Wir  sind  daflir  allen  Mitgliedern 
und  besonders  den  Herren,  die  uns  durch  Vorträge  und  wissen- 
schaftliche Beiträge  unterstützt  haben,  zu  Dank  verpflichtet. 
Den  hervorragendsten  Antheil  an  diesem  guten  Erfolge  haben 
aber  vier  Männer,  die  wir  schon  früher  bei  Gelegenheit  geehrt 
haben,  deren  Andenken  in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völker- 
kunde Ostasiens  aber  niemals  erlöschen  darf.  Herrn  von  Brandt, 
Herrn  von  Holleben,  Herrn  Lehmann  haben  wir  zum  Zeichen  des 
Dankes  zu  Ehrenmitgliedern  gewählt,  der  vierte  weilt  leider  nicht 
mehr  unter  den  Lebenden  :  es  ist  der  uns  am  8.  Nov.  1892  durch 
den  Tod  entrissene  Dr.  Wagener,  dessen  in  unseren  Heften  ein 
Nekrolog  wehmüthig  und  dankerfüllt  gedenkt.  Auch  hat  die 
Gesellschaft  dem  Begründer  der  Japanologie  Sir  Ernest  Satow 
gelegentlich   seiner    Rückkehr   nach    Japan    als   Gesandter,  sowie 


lO 


Herrn  Professor  Bastian  y.u  seinem    siebenzi^rsten   Geburtstag  die 
Ehrenmitgliedschaft  7Aierkannt. 

Möge  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völker- 
kunde Ostasiens  noch  eine  lange  fortschreitende  Entwickelung 
beschieden  sein  !  Möge  sie  immer  hervorragende  Kräfte  finden, 
die  sich  ihren  Zwecken  so  opferwillig  hingeben,  wie  es  in  den 
abgelaufenen  25   Jahren  geschehen  ist ! 


GENERAL-INDEX 


ZU 


Band  I  bis  VI 


DER 


Mittheilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für 
Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens. 


Vorbemerkung. 


Die  vollen  Titel  der  einzelnen  Aufsätze  sind  nur  im  Ver- 
zeichnis der  Autoren  gegeben.  Hier  ist  auch,  um  sclion  aus  dem 
Index  ein  genaues  Citieren  zu  ermöglichen,  d'e  von  den  Veufasscrn 
selbst  beliebte  Orthographie,  besonders  ihre  eigene,  stark  dif- 
ferierende Schreibweise  japanischer  Worter  beibehalten.  Im 
Sachregister  ist  dagegen  die  vom  Redaktionscomitee  für  die 
,,  Mittheilungen  "  gewählte  Schreibweise  durchgeRihrt.  Es  ist 
die  phonetische  mit  nur  wenigen  unwesentlichen  Abweichungen 
von  der  in  Hepburn's  Wörterbuch  in  Anwendung  gebrauchte. 

Die  Vokale  werden  also  wie  im  Deutschen  gesprochen  ;  ,,  ei  " 
fast  wie   ,,  e."'. 

ch tsch,  tsh. 

j         dsch,  dj. 

s sz,  s  (scharf). 

sh seh, 

ts z. 

z        s,  dz,  ds. 

y j- 


I.     \'ERZEICHNIS  DER  AUTOREN, 


Ahlburg".     Ein  neues  japanisches  Pflanzengenus.     Bd.  II,  150. 

Balistes  conspicillum  (seltener  Fisch).     Bd.  II,  150. 

Centrisciden  (Fisch).     Bd.  II,  150. 
Arendt,  C.     Beiträge    zur    Kenntniss   der  neuesten    chinesischen 
Literatur.       Bd.  I,  Heft  VIII,  37-39.     Bd.  II,  25. 

Das  schöne  ]\Iädchen  von  Pao.  Eine  Erzählung  aus  der 
Geschichte  Chinas  im  8.  Jhd.  \-.  Chr.     Bd.  II,  Beilage  I. 

Chu-Hsü,  der  Usurpator  von  W'e,  Aus  dem  Jahr  719  v.  Chr. 
Bd.  II,  Beilage  II. 

Der  Kaiser  in  seinem  Verhältniss  zu  den  Vasallenfürsten  nebst 
Andeu'.ungen  über  die  barbarischen  (nicht  chines.)  Völ- 
kerschaften im  jetzigen  China.  Zur  Zeit  der  Chou — Dynas- 
tie.    Bd.  II.  Beilage  II,  7  ff 

Die  Schlacht  bei  Hsüko  (707  v.  Chr.)  Bd.  II,  Beilage  III, 
259-267  bis. 

B 

Baelz,  Dr.  K.     Japanischer  Bandwurm.     Bd.  II,  151  f 

Ueber  einige  unbeschriebene  japanische  Krankheiten.  I.  Das 
japanische  Ueberschwemmungs-oder  I'lussfieber.  Bd.  II, 
409-415. 

Ueber  die  in  Japan  vorkommenden  Infectionskrankheiten. 
Bd.  III,  295-31 8. 

Die  körperlichen  Eigenschaften  der  Japaner.  Bd.  III,  326— 
328;  330-359;  3^7-3^^-     Bd.  IV,  35-103. 

Vortrag  über  die  Verbesserung  der  japanischen  Rasse  (Er- 
wähnung).    Bd.  IV,  292. 


14 

Nikko  im   Herbst  (Envälmung).     1kl.  IV,  293. 

Vortrag'  über  die  Ernährung  der  Jai)aner  vom  volkswirt- 
schaftlichen Standpunkt.  (Bericht  und  Diskussion).  Bd. 
IV,  295-297  ;   397. 

Japanische  Badeanstalten  (Bericht).     Bd.  IV.  395. 

Lebensdauer  der  Japaner  (Erwähnung).     Bd.  IV,  398. 

Die  religiöse  Ekstase  (Erwähnung).  Bd.  IV,  421.  cf.  Bd. 
III,  253. 

Kiodens  historischer  Roman  :  ]  )er  treue  Ritter  Uto  Yasu- 
kata  nebst  biographischen  r>emerkungen  über  den  Vcrfass^^r 
und  andere  zeitgenössische  Schriftsteller  des  18.  Jahr- 
hunderts.    Bd.  V,  282-284. 

Vorkommen  von  Parasiten  bei  Menschen  in  Japan.  Bd.  V, 
346  f. 

Festrede  auf  Phil.  Franz  von  Siebold.     Bd.  II,  392-397. 

Besessenheit,    religiöse    PLkstase    und    Verwandtes    in    Japan. 

Bd.  II,  453  f. 

Beukema,  Dr.  T.  W.      Die   Leichenverbrennung   in   Japan,   und 

Flügge,   Dr.  PI. — deren    Geschichte    und    gegenwärtiger 

Zustand.     Bd.  III,    1-12  ;    131   f. 

Boyle. — Bestimmungen  von  Höhen  am  Nakasendo  in  Japan.     Bd. 

I,  lieft  III,  6. 
Bramsen,  W. — Notes  on  Japanese  Coins.     Bd.  III,  21-28. 
Brandt,   M.   v. — Chronologisches    Verzeichniss    der    Kaiser    und 
Siogune.     Bd.  I,  Heft  I,   14-18. 

Stammtafel  der  Siogun  I'amilien  bis  zu  lye  Yasu.  Bd.  I, 
Heft  I,    19-20. 

Das  Solfatarenfeld  des  Vulkans  Komangatake  und  des  Yesan 
bei  Hakodate.     Bd.   I,  Heft  III,  4  f. 

Höhenbestimmungen.     Bd.  I,  Heft  lil,   10. 

Ueber  den  P^arbendruck  der  Japaner.     Bd.  I,  Heft  IV,  2. 

Ueber  japani-sche  Emailarbeiten.     Bd.   I,  Heft  V,    1-3. 

Die  Anfertigung  des  Krepppapiers.     Bd.   I,   Heft  V,   5-7. 

The  Discovery  of  Japan  and  thc  Introduction  of  Christianity. 
Bd.  I,  Heft  V,  28-33. 


15 

The  Relations  betwcen  the  lüiL^lish   and  thc   Japanese   from 

1600  to   1854.     Btl.  I,  Heft  V,   33-37. 
Der  japanische   Adel   in   seinen   \-erschiedenen    Classen,   Ein- 
theilungen,    Titeln  und  Würden,  I.  Vor  1868.     Bd.   I,  Heft 
VI,   5-8. 
Der   Taifun    vom    13.       September    1874.      Bd.  I,  Heft  VI, 
11-13. 
Brauns,    Dr.   D. — Vorläufige    Notizen    über   Vorkommnisse    der 

Juraformation  in  Japan.     Bd.  II,  440-442. 
Bretschneider,  Dr.  E. — Ueber  das  Land  Fu  Sang  nach  den  alten 

chinesischen  Berichten.     Bd.  II,   i-ii. 
Busse,  Dr,  L. — Streifzüge  durch  die  japanische  ethische  Litteratur 
der  Gegenwart.     Bd.  V,  439-500. 

c 

Christlieb,   Dr.    M. — Neueste    Literatur   über  Japan.      (Bericht). 

Bd.  VI,  453;  477  f. 
Cochius,    Dr.    H. — Ueber    ein    eigenthümliches    Meeresleuchten. 
Bd.  I,  Heft  I,  23   f. 
Die  Solfatara  von  Ashinoyu.     Bd.  I,  Heft  III,  2  f. 
Blumenfeste  in  Yedo.     Bd.  I,  Heft  IV,  26-28. 
Nara,  Bd.  I,  Heft  VII,  32-36. 
Ontake  in  Shinano.     Bd.   I,  Heft  X,  4. 

D 

Dittrich,    R. — Beiträge    zur    Kenntniss    der   japanischen    Musik. 

Bd.  VI,  37^391- 
Doederlein,  Dr.  L. — Jungfernkranich.     Bd.  III,  89. 
Kreuzotter  auf  Sachalin.     Bd.  III,  89. 
Die  Liu-Kiu-Insel  Amami  Oshima.     Bd.  III,   103-117;    140- 

156;  cf.    132. 
Japanische  Seeschlangen,  Bd.  III,  209  f. 
Ueber  einige  japanische  Säugetiere.     Bd.   III,   210  f. 
Termiten  in  Japan.     Bd.  III,  211   f. 


\6 

Doenitz,    Dr.    W. — Ucbcr    Shinio-Basliira,    eine     eic^cntümliche. 

l<:isbildun--  in  Japan.     1kl.   I,   lieft  IV,  2  f. 
Bemerkungen  über  Ainos.     Bd.   I,   Heft  VI,  61-67. 
Ueber  einen  Töne  von  sich  gebenden  Schmetterling.     Bd.  I, 

Heft  VI,  68  f. 
Ueber  eine  eigentümliche  Missbildung  bei  einer  Katze.     Bd. 

I,  lieft  VI,  69  f. 

Fehlen  der  Fische  im  Chuzenjisee.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2. 

Fossiles  Holz.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2. 

Japanische  Plätteisen.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2. 

Ueber  die  Abstammung  der  Japaner.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2  ; 

39-41- 
Zwei  abnorme  Japanerschädel.     Bd.   I,  Heft  X,  7. 
Ueber  Leichenverbrennung  in  Japan.     Bd.  I,  Heft  X,  28-29. 
Beobachtungen  an  Becken  von  Japanerinnen.     Bd.   II,   1-3. 
Tabelle  der  Maasse  von  sieben  weiblichen  japanischen  Ikcken. 

Bd.  II,  32. 
Ueber  drei  verschiedene  Typen   unter  Japancrschädeln.     1kl. 

II,  69-70. 

Ueber  den  Vogelfang  in  Japan.     Bd.   II,  71-72. 
Namengebung  in  Japan.     Bd.   II,  79. 

Mittheilung  über  den  Giftfisch  Sebastes  marmcratus.     Bd.   II, 
151. 

E 

Eastlake,  F.  W. — Die  geflügelte  Sonnenscheibe.   Bd.  III,  426-434. 
Eckert,  F. — Japanische  Lieder.     Bd.   II,  423-428. 
Die  japanische  Nationalhymne.     Bd.   III,    131. 
Ehmann,  P. — Erwiderung  auf  die  Einwürfe  von  Herrn  Dr.  Seitz 
gegen   meine    Bemerkungen    zum     i.    Theil    seiner    ,,  Ver- 
gleichenden Studien  über  die  Faunen  von  China  und  Japan." 
Bd.  VI,  67-69. 
Japanische    Sprichwörter    und    sprichwörtliche    Redensarten. 

Bd.  VI,  70-102. 
Volksthümliche  Vorstellungen  in  Japan.     Bd.  VI,  329-341. 


17 

Elkan,    W. — Kunstgewerblicher    Unterricht    in    Jajjan.     Bd.  VI, 

397  f- 
Japanischer  Bronzeguss.     Bd.  VI,  450. 

Eykman,    J.  F. — Ueber  den  giftigen   l^estandteil,  das  ätherische 
und  das  fette  Oel  von  Illicium  reh'giosum  von  Siebolds.     Bd. 
III,   120-130.  cf;    177  f. 
Chemische     Untersuchung    japanischer    Pflanzen.      Bd.    III, 
436  ff.  IV,    108. 

F 

Fesca,    Dr.    M. — Vulkanische    Verwitterungsprodukte    aus    dem 

Toyama  Ken.     Bd.   IV,   160. 
Die    landwirthschaftlichen     Verhältnisse    der   Kai-Provinz    in 

Beziehung    zu     denen    des   japanischen    Reichs.      Bd.  IV, 

163-187.  cf    161. 
Bestimmung    der   Wassercapacität    und   Durchlüftbarkeit  des 

Bodens  für  Bonitierungszwecke.     Bd.  IV,  230-231. 
Ueber  die   Entstehung  des   Raseneisensteins.     Bp.  IV,  231— 

233- 
Literatur  über  die   Verhältnisse  des    Bodens   und   der  Land- 
wirtschaft in  Japan.     Bd.  IV,  410-415. 
Ueber  das  Klima  Japans  und  den  Einfluss   desselben   auf  die 

Pflanzenproduktion.     Bd.  V,  78. 
Der    Boden    Japans    als    wirtschaftlicher    Produktionsfaktor. 

Bd.  V,   143.  f. 
Bemerkungen    zu    den    Ursachen    des    Erdbebens    vom    28. 

Oktober  1891.     Bd.  V,  380-383. 
Ueber  vulkanische  Aschen,  vulkanischen  Schlamm  und  durch 

Solfataren  zersetzte  Gesteine.     Bd.  VI,  342-351. 
Florenz,    Dr.  C.  A. — Beiträge  zur  chinesischen  Poesie.     Bd.  V, 

43-68. 
Die    staatliche    und    gesellschaftliche    Organisation    im   alten 

Japan.     Bd.  V,  164-282.  cf.    141. 
Zur  japanischen  Literatur  der  Gegenwart.     Bd.  V,  314-341. 


i8 

Allitcration  in  der  japanischen  Poesie.     l-5cl.  Y,  342-344. 
Zur  rs)xlioloi4ic  des  japanischen  Witzes.     Bd.  V,  424-430. 
Focke,  Dl'. — Der  liadeort  Arima  bei    lliojTo.       ]k\.  1.   Heft  IV, 

.    41-44. 
Forke,    Dr.   jur. — Ueber    den    Strassenhandel    \]U(]   das   Stras.sen- 

gewerbe  in  IVkinq;.      Bd.  Y,   295-30(S. 
Fritze,  Dr.  A. — Saison-Dinior])hisn-ius  bei  japanischen  Schinctter- 
lini^en.     Bc].  V,    144  f. 
Die  Fauna  von  Yezo  im   \'ergleich   zur   Fauna   des   übrigen 
Japan.     Bd.  V,  235-248. 
Funk,   1  )r. — Ueber  die  japanischen  Theegesellschaften  cha  no  ju. 
Bd.   I,  Heft  VI,  41-45. 
Ueber  Wahrsagung  aus  dem  Panzer  der  Schildkröte.     Bd.   I, 

Heft  IX,  36-40. 
Ueber  Japanische  Gebete.     Bd.   I,  Heft  IX,  40-42. 

G 

Gebauer. — Notizen    über  den  P^ortschritt   der  japanischen   Civili- 

sation  auf  dem  Gebiete  der  Ehe.     Bd.  II,  81-85. 
Geerts. — Ueber    die    Pharmacopoe'e    Japans.       Bd.    I,    Heft    IV, 
36-41;  Heft  V,   16-21;  Heft  VI,  46-52. 
Zur  Kenntniss  des  japanischen  Pflanzenwachses.     Bd.   I,   Heft 

V,  38  f. 
Nachtrag    zu    den    Mitteln    zur    künstlichen    Erregung    des 
Abortus  in  Japan.     Bd.   I,  Heft  \^  39. 
Goertz,  Dr.  A. — Ueber  in  Japan  vorkommende  P1sch-und  Lack- 
vergiftungen.    Bd.   I,  Heft  VIII,  23-27. 
von  der  Goltz,  Freiherr. — Zauberei  und  Hexenkünste,  Spiritismus 

und  Shamanismus  in  China.     Bd.  VI,    1-36. 
Gottsche,     Dr.     G. — Bemerkungen     zu     Herrn     Schütt's     topo- 
graphischer Skizze  des  I'uji.     Bd.   III,  363-365. 
Ueber    die    Verbreitung    der    mesozoischen    P'ormationen    in 

Japan.     Bd.   III,  369 ;  438. 
Ueber  Mineralproduktion  in  Japan.     Bd.  III,  400. 


19 

iJic  erste  japanische  Fischereiausteilung  zu  Tokyo.      13d.   III, 

434  f- 
Ueber  Spirifer  disjunctus  von  Forniosa  in  Japan.       (Schma- 
rotzer).    Bd.  III,  438. 
Grasmann,  Dr.  E. — Forstliche   Flxcursion   in  die  Kiso-W'aldun- 
gen,  Provinz  Shinano.     Bd.  V,  249-276;  cf.  V,    145   f. 
Der  Kampferbaum.     Bd.  VI,  277-315. 
Greeven,  O.  A.— Ueber  den  Udji.     Bd.   I,  Heft  VH,  20  f;  Bd. 
II,  93-96. 
Deichenverbrennung  in  Japan.     Bd.  II,  S.   III  f. 
Grimm,  Dr.   H. — Ansichten  über  die  Aino.     Bd.  V,    186. 

Ansichten  über  die  Koropokgurugruben  auf  Yezo.     Bd.  V,  1S7. 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  Koropokguru  auf  Yezo  und  Bemer- 
kungen über  die  Shikotan-Aino.     Bd.  V,  369-373. 
Groth,    Dr.   A. — Ueber    das   höhere    Unterrichtswesen   in  Japan. 
Bd.   III,  366  f. 
Die  Aussprache  des  Wortes  ,,  Japan."     Bd.   I\',   106. 

H 

Hagmaier,    C. — Reise    nach    Kosaka    und    Aufenthalt    daselbst. 

Bd.  II,  64-69. 
Heeren,  O. — Eine  japanische  Erdkugel  (von  1670).     Bd.  I,  Heft 

n,  9-13- 
Hering,  Dr.  O. — Die    Frauen    Japans    im    Spiegel    der    für   sie 

bestimmten    Literatur.     Bd.  V,    10-27;  cf     Bd.  IV,  457- 

459. 
Die  literarische  Thätigkeit  Japans  in  der  Gegenwart.     Bd.  V, 

141-143. 
Heusken,  Hendrik. — Auszug  aus   seinem  Tagebuch.     Mitgeteilt 

von  Dr.  G.  Wagener.     Bd.  III,  375-390. 
Hilgendorf.   Dr.  F. — F^in  grosser  japanischer  Dintenfisch.     (Om- 

mastrephes).     Bd.   I,  Heft  I,  21. 
Vorläufige    Notiz    über  Talpa    Mogura.      (Schleg).       Bd.    I, 

Heft  I,  25. 


20 

Ueber  eine  an  den  Schädeln   dei'  Japaner  häufig  auftretende 

Varietät  des  Jochbeins.     Bd.  I,  Heft  III,   i   f. 
Ueber  einige  für  die  japanische  Fauna   neue   Typen.     Ikl.   I, 

1  left  IV,  4. 

Bemerkungen  über  die  japanische  Antilope.     Bd.   I,   Heft  V, 

37  r. 
Auffällige  Gegendänunerung.     Bd.   I,  Heft  V,  39. 
Ueber  eine  Süsswasser-Assel.     Bd.   I,  Heft  V,  39. 
Japanische  Süsswasser-Moosthierchen.      Bd.  j,  Heft  VI,  08. 
Bemerkungen  über  die  Behaarung   der   Aino's.      Bd.   I,  Heft 

VII.    11-13.       (Forts,    zu  Bemerk,  über  Aino's  von  Prof. 

W.  Doenitz  in  Heft  VI). 
Der  Tara  (Gadus  Brandtii).     Bd.   I,  Heft  VII,  39-40. 
Japanische   Drachenkugeln   (Rionotama).     Bd.   I,  Heft  VIII, 

2  f. 

Der  Kampferspinner  (Genziki-Mushi).     Bd.  I,  Heft  IX,  56-58. 
Mitsugi  Kaiko  (Seidenwurm).     Bd.  I,  Heft  IX,  58. 
Geologische  Beschaffenheit  der  Insel  Fnoshima.     Bd.   I,  Heft 

X,  5- 
Artbestimmung  des  giftigen  Fugu.     Bd.  I,  Heft  X,  6. 
Die  japanischen  Schlangen.     Bd.   I,  Heft  X,  29-34. 
Japanische    lachsartige    Fische.       Bd.    II,    25-31.    cf  Bd.  I, 

Heft  X,  7. 
Hirose,  Sataro. — Das  japanische  Neujahrsfest.     Bd.  III,  257-275. 
Hofimann,  Dr. — Die  Heilkunde  in  Japan  und  japanische  Aerzte, 

Bd.  I,  Heft  I,  23-25.     Heft  IV,  9-20. 
Die  japanische  Kakke.     Bd.  I,  Heft.  II,   16-21. 
Ueber  die  künstliche  Frregung  des  Abortus  in  Japan.     Bd.  I, 

Heft  IV,  28  f. 
Grosse  Chiningaben  bei  chronischer  Pneumonie  und  Lungen- 
blutungen.     Bd.   I,  Heft  IV,  48. 
Ueber   die   Bereitung  von   Shoju,   Sake   und   Myrin.     Bd.  I, 

Heft  VI,  8-1 1. 
Holh'Ung,     Dr.     M.— Ueber     Kaiser— W'ilhclmsland.        Bd.     IV, 

447-456. 


21 


Honda,  Dr-  M. — Eine   Besteigung  des  Mount  Morrison  auf  der 

Insel  Formosa.     Bd.  VI,  469-473. 
HÜtterott,    G. — Das  japanische  Schwert.     Bd.  IV',    111-128.   cf. 

i6r  f. 


Janson,  J.  L. — Das   Veterinär-Institut   zu   Tokio.     Bd.   V,  395- 

423- 
Die  Bedeutung  weisser  Tiere  in  Japan.     Bd.  V,  431-434. 
Die  tierischen  Parasiten  bei  japanischen  Wiederkäuern.     Bd. 

VI,  272-275. 
Der  schwarze  Tod  bei  Tieren.     Bd.  VI,  45  i   f. 
Distoma  pulmonale  bei  Tieren.     Bd.  VI,  454  f. 
Ueber    scheinbare    Geschlechtsmetamorphose    bei    Hühnern, 

Bd.  VI,  478-480. 
Janson,  J.  L.  und  IL  Tekishige. — Filaria  immitis  und  andere  bei 

Hunden   in   Japan  vorkonniiende  Parasiten.     Bd.  V,  349- 

360.  cf.  345  ff. 
Jaquet,  L. — Un  nouveau  succedane  du  cafe.     Bd.  II,  102. 


K 

Kellner,    Dr.    O. — Zusammensetzung   japanischer    landwirtschaft- 
licher und  technischer  Produkte  und  Materialien.     Bd.  IV, 

20s— 222. 

Ueber   den    Gehalt    der    atmosphärischen    Niederschläge     in 

Japan  an  Stickstoffverbindungen.     Bd.  IV,  236-238. 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  Ernährung  der  Japaner.     Bd.  IV. 

305-321  (von  Kellner  und  Mori).  cf.  397.  f. 
Untersuchungen  über  das  Rösten  des  Thecs.  (von  Kellner  und 

Mori).     Bd.  IV,  416-417. 
Untersuchungen   einiger  japanischer    Düngemittel.       Bd.    V, 

28-36. 


Besprechung  von  Fcsca,  Beiträge   zur    Koniitniss   der  japani- 
schen T.andwirthschafl:.     1kl.  VI,  195  f. 
Kempermann,    !'■ — Die    Gesetze    des    lyeyasu.     Ikl.    I,    Heft   I, 

5-14.     Heft  II,  2-8. 
Mittheihingen  über  die  Kamilehre'     Bd.  I,  Heft  IV,  30-36. 
Die    Einwohner    von    Yezo    in    historischer    Zeit    in    Japan 

sesshaft.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2. 
Die  Kami  yo  no  modji  oder  Götterschrift.      Bd.  II,  85-93. 
Ueber  die  Population  Japans.     Bd.  II,  104. 
Reise  durch  die  Ccntralprovinzen  Japans.     Bd.   II,  1 21-145. 
Ueber  die  Einführung  der  Obstorten  in  Ostasien.     Bd.  II,  407. 
Kitao,  Dr.  D. — Bewegung  der  Erdatmosphäre,  insbesondere  der 

Wirbelstürme.     Bd.  V,  395. 
Knipping,  E. — Meteorologi.sche  Beobachtungen  aufgezeichnet  auf 

der  Station  zu  Yedo,  Japan.     Bd.  I,  Heft  I,  3. 
Tabelle    der    monatlichen    Resultate    für    Oktober    1872    bis 

März   1873.     Heft  I,  S.  4. 
Resultate    1873.     Heft  II,   8   nebst   Tabellen.     Heft   III,    14 

nebst  Tabellen  ;  Heft  IV,  47. 
Resultate  1874.     Heft  V,  40  nebst  Tabellen  ;    Heft  VI,  71. 
Resultate  1874.   1875.     PleftVIII,  41. 
Resultate  1875.     Heft  IX,  63. 
Resultate  1875.    1876.     Heft  X,  38. 
Resultate  1876.    1877.     Bd.  II,  107-108. 
Resultate  1877.     Bd.  II,  226. 
Resultate  1877.    1878.     Bd.  II,  227. 
Resultate  1878.     Bd.  II,  272  bis. 
Resultate  1878.     Bd.  II,  332. 
Gleichzeitige    Barometerbeobachtungen    angestellt    auf    dem 

Gipfel  und  am  Eusse  des  Eujiyama  vom  27.  Juli  bis    10. 

August  1873.     Bd.  I,  Heft  III,  7-9. 
Zur  Strömungsgrenze  im  Norden  von  Formosa.     Bd.  I,  Heft 

V,  27  f. 
Einige  Ilöhenbestimmungen.     Bd.  I,  Heft  VI,  52-54. 


23 

lieber  eine  neue  Karte  von  Japan  und  ihre  Oucllen.  ]>d. 
II,  20-24. 

Local — Attraction,  beobachtet  auf  dem  Gipfel  des  Futarassan 
(Nantaisan).     Bd.  II,  35. 

Bemerkungen  zur  Kartenskizze  des  Wegs  von  Tokio  bis 
Yumoto.     Bd.  II,  61-63. 

Verzeichniss  von  Erdbeben,  wahrgenommen  in  Tokyo,  Japan, 
in  35°  41'  N.  B.  139°  4/'  O".  L.  v.  G.  von  September 
1872  bis  November  1877.     Bd.  II,  109-118. 

Das  Tokyo — Sendai  Nivellement.     Bd.   II,   118-119. 

Der  Flächeninhalt  \'on  Yezo  und  den  Kurilen.     Bd.  II,  120. 

Areal  des  japanischen  Reiches.     Bd.   II,   120. 

Versuch,  das  in  Tokyo  wahrscheinlich  zu  erwartende  Wet- 
ter nach  täglichen  Beobachtungen  anzugeben.  Bd.  II, 
146-150. 

Temperatur  von  Brunnenwasser  in  Japan.     Bd.   II,  223. 

Ueber  die  Genauigkeit  der  Jissoku  Xippon  Chidzu  Kampan. 
Bd.  II,  224. 

Vergleich  meteorologischer  Instrumente.     Bd.  II,  300-302. 

Der  Wagenersche  Erdbebenmesser.     Bd.  II,  318. 

The  September  Taifuns  1878,  with  12  Charts  and  i  Dia- 
gramm.    Bd.  II,  333-366.  cf.   325   f. 

Die  K.  J.  Telegraphenämter  am  16.  Januar  1880.  1kl.  II, 
421-422. 

Einige  Angaben  über  die  vier  letzten  starken  Erdbeben  in 
Tokyo  (1880).     Bd.  II,  442-444. 

The  great  Taifun  of  August  1880,  with  a  Chart  and  a  Dia- 
gramm.    Bd.   III,  90-102;    166-170. 

Beobachtungen  der  Modalität  des  Erdbebens  vom  25.  Juli 
1880  am  Wagenerschen  Erdbebenmesser.     Bd.  III,  52-53. 

Verzeichniss  von  Erdbeben  vom  Nov.  1877  bis  März  188 1. 
Bd.   III,    174-176. 

Die  Bahnbestimmung  der  Wirbelstürme  durch  Normalörter. 
Bd.  III,  255. 


Die  Wettertelegraphic  in  Japan.     l>cl.  IV,    11-17. 

Der  Schneesturm  vom  30.  Jan.  bis  2.  Feb.     Bd.  IV,  188-192. 

Japanische  Wetterrege hi,  übersetzt  von  E.   Knipping  und  K. 

Kawashima.      I^d.   IV,  223-229. 
Regenzeiten   und  Regenzonen  in  Japan.     Ed.  IV,  238. 
Taifunbahnen  loci  Japan.     Bd.  IV,  293-294. 
Ueber  das    japanische    meteorologische   Stationsnetz  und  die 

V'eröffentlichungen  des  K.  J.   Central-Observateriums.     Bd. 

V,  80-82. 
Der  I^\")hn  bei  Kanazawa.     Bd.  V,   149-155. 
Der  Kawaguchi — See.     Bd.  V,  309-313. 

Knoblauch,  F. — Einige  Notizen  über  Formosa  (nebst  einer 
Karte).     Bd.  I,  Heft  VIII,  35-37. 

Knobloch,  A.  v, — Antrag  des  Gentendji  des  Miyoto-Ken, 
Okada  Shin,  die  Gräber  der  beiden  Kaiser  Tsutsi  Mikado 
und  Djiunin  wiederherzustellen.     Bd.  I,  Heft  I,  21   f. 

Bericht  aus  Shirakawa-Ken  über  die  kürzlich  stattgefunde- 
nen Ausbräche  des  Aso-dsan  (1872).     Bd.  I,  Heft  I,  22, 

Japanische  Sprichwörter  u.  Redensarten.  Bd.  I,  Heft  IV, 
23-26. 

Momotaro,  der  Pfirsichjunge.     Bd.     I,  Heft  IV,  49. 

Die    Begräbnisgebräuche    der    Shintoisten.     Bd.   I,  Heft  VI, 

39-41- 
Korschelt,  O.— Ueber  Sake.     Bd.  II,  240-258. 

Das  ,,Go" — .Spiel.     Bd.  III,    12-20;   54-74;  118-119;  159- 

165. 
Japanischer    Ackerboden    ein    natürlicher    Cement.     Bd.  III, 

180-201.     254 ;  439. 
Ueber   den   Meteoriten   von   Tajima  vom   18.  Februar   1880. 

Bd.  III,  204-205. 
Chemische   Untersuchung   des  japanischen    Lacks.     Bd.    III, 

439- 
Kreitner,  G.  v. — Die  chinesische  Provinz  Kansu.     Bd.  IV,  399- 

409. 


25 

Kvien,  F. — Kötcho  Enkaku  Dsukai  oder  Erlclärung  der  Karten 
für  die  Veränderungen,  welche  in  dem  Kaiserreiche  statt- 
gefunden haben.     Bd.  I,  Heft  VI,  32-38. 

Klintze,  O. — Der  Geyser  in  Atarni.     Bd.  I,  Heft  VII,  30-32. 


Lange,    Dr.    R. — Noch    einige    Sprichwörter    u.    sprichwörth'che 
Redensarten  der  Japaner.     Bd.  I,  Heft  VIII,  50-52  ;  Heft 
IX,  59-60;  Heft  X,  34-37- 
Der  Kampf  auf  Ueno  (4.  Juli  1868).     Bd.  II,  96-101. 
Das  Taketori   Monogatari.     Bd.  II,  302-318.  cf   325. 
Japanische  Sprichwörter.     Bd.  II,  415-421. 
Langgaard,    Dr.    A. — Ueber    die    wirksamen     Bestandteile    der 
Wurzel  von  Scopolia  Japonica.     Bd.  II,  Beilage  III,  267  f. 
Bemerkungen   über  den   Nährwert    des  Tofu    nach  Analysen 
von  T.  Shimoyama.     Bd.  II,  Beilage  III,  268-269.  cf.  271. 
Giftigkeit    des    japanischen    Sternanis    (lUicium    religiosum). 
Bd.  III,  177-178. 
Lehmann,  R. — Gesellschaftsspiele  der  Japaner  (Utagaruta).    Bd. 
III,  422-425. 
Ueber    Zogan    oder   eingelegte    Arbeit    auf   Gusseisen.      Bd. 

III,  441. 
Ueber  einige  japanische  Bodenerzeugnisse  u.  deren  Bearbei- 
tung.    Bd.  IV,  346-347- 
Notizen  über  japanische  Stenographie.     Bd.  V,  159-163. 
Lemmer,    A. — Das    Auftauchen    der    Theorie    der    künstlichen 

Befruchtung  des  Getreides.  Bd.  I,  Heft  IX,  55-56. 
Lepissier,  K. — La  hauteur  du  Fusi}'ama.  Bd.  I,  Heft  III,  d-j. 
Leysner,  Ad. — Das  Klima  von  Niigata,  nach  10  jähriger  Beo- 
bachtung. Bd.  III,  319-322. 
Lloyd,  Rev.  A. — Buddhistische  Gnadenmittel.  Bd.  VI,  457-468. 
Loenliolm,  Dr.  L. — Arai  Hakuseki  u.  Pater  Sidotti.  Bd.  VI, 
146-189. 


26 

l^as  iapanischc  Handelsrecht.     Bd.  VI,  197-270. 
Loew,  l)r.  O. — Uclicr    einic^c   ja]ian!sche    Nahruni:^smittel.      Bd. 

VI,  352-354- 
Rote  Ilcfciiartca  in  Japan.     Bd.  VI,  39S  f. 
Uebcr  die  Bereitung  der  Shoyusauce.      l'd.  VI.  474-476. 


M 

Martin,   Dr.   G. — lieber  das  Vorkommen  einer    Reihe    von   Mi- 

neraUen  in  Japan.      Bd.  I,  Heft  IV,  4-6. 
Iiereituni;'    und  Benutzung    des  Opiums.      Bd.    I,   Heft  VIII, 

5-7;   Heft  IX,  1-4. 
Untersuchung   japanischer    Mineralquellen.      Ikl.  I,  Haft   X, 

20-7.6. 

Ueber  die  Versorgung  mit  Trinkwasser  der  Metropc^le  Japans. 

Bd.  II,  18-20. 
Untersuchung  von   japanischen    Theesorten.     Bd.   II,  33-34. 
Ueber  die  Flora  des  Tschuzenji-Sees.     Bd.  II,  1 01-102. 
Marx,  h- — Mittheilungen   über  Destillation  von  Pfeffermünzöl  in 

Japan.     Bd.  VI,  355  f. 
Mayet,  Dr.  P. — Die  Collectix'versicherung  der  Gebäude  in  Japan. 
Bd.  II,  228-239. 
Die    japanische    Staatsschuld.       Bd.    II,   259-299;   319-321; 

Das  Japanische  Vereinswesen  in  Tok\-o.     Bd.  III,  359-363  ; 

370-371- 

VAw  Besuch  in  Korea  im  Oktober  1883.  Bd.  IV.  18-28; 
146-152. 

Hungersnöte  in  Japan.     Bd.  IV,  200  f.  cf.  Bd.  II,  319. 

Japanische  Bevölkerungs.statistik,  historisch,  mit  Hinblick 
auf  China,  und  kritisch  betrachtet.     Bd.  IV,  245-264. 

Ueber  eine  Schätz.ung  der  Ikvölkerungszahl  der  chinesi- 
schen Provinz  Kansu.     Bd.  IV,  347-350. 

Die  japanische  Geld-und  Effectenbörse.      Bd.  V,  1-9. 


27 

Mezger,  A. — Tägliche  meteorologische  Beobachtungen  tür  1880, 
angestellt  in  Ani.     Bd.  III,  214  (3  Tafeln  ohne  Text). 

Meteorologische  Beobachtungen  in  Ani  für    1881,  graphisch 
dargestellt  in  3  Tafeln.     Bd.  III,  323. 

Einiges    über    Bergbau  u.  Hüttenwesen    in    Japan.     Bd.  III, 
408-415  ;   435  f.  441.  cf.  400  f.  401. 
Michaelis,  Dr.  G. — iiind  Baron  von  Siebold).     Praktische    Rat- 
schläge für  Reisen  auf  die  nördlichen  Inseln  Japans.     Bd. 
IV,  287-288. 

Ueber  eine  Reise    nach  dem    nordöstlichen    Theil  von  Yezo 
und  den  Kurilen.     Bd.  IV,  289-291. 

Einleitung  zur  Geschichte  des   japanischen  Strafrechts.     Bd. 

IV,  298-299. 

Beitrag  zur  Kenntniss  der  Geschichte  des  japanischen  Straf- 
rechts.    Bd.   IV,  351-377. 
Miyake,  B. — Ueber    die    japanische    Geburtshülfe.     Bd.  I,  lieft 

V,  21-27;  Heft  VIII,  9-13;  Heft  X,  9-16. 
Moellendorf,  v.    Dr.  O.F. — Ein   Ausflug  in  Xordchina.     Ikl.    I, 

Heft  VII,  17-20. 
Contributions  to  the    Natural  History  of  North  China.     Bd. 

I,  Heft  IX,  7-19. 
Ueber  die  nordchinesische  Gemse.     Bd.  I,  Heft  X,   19-20. 
Das  Schachspiel  der  Chinesen.     Bd.  II,  11-18. 
Mori,    Y. — s.   Kellner,    Untersuchungen    über    das    Rösten    des 
Thees  uud 
Kellner,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Ernährung  der  Japaner. 
Müller,  Dr. — Thränencanal  der  Japaner.     Bd.  I,  Heft  V,  38. 
Der  Augenhintergrund  der  Japaner.     Bd.  I,  Heft  V,  38. 
Einige    Notizen    über    die   japanische    INIusik.      Bd.   I,  Heft 

VI,  13-31  ;  Heft  VIII,  41-48;   Heft  IX,  19-35. 

Ueber  den  Fengshui,  Excerpt  aus  dem  Buche  des  Dr.  Eitel. 

Bd.  I,  Heft  VII,  4  f. 
Ein  hydraulischer  Fliegenwedel.     Bd.  I,  Heft  VIII,  49-50. 
Müller-Beeck. — Kazusa  u.    Awa,    abgekürzt    nach    dem    Nihon 

Chishi-Teio.     Bd.  III,  156-158. 


28 

Die  wichtigsten  Trutzwaffen  Altjapans.     Bd,  IV,  i-8. 

lünigc  INIitthcilungen  über  Seladone.     Bd.  IV,  193-195. 

Von  Fries,    Abriss  der    Geschiclite    Chinas  seit    seiner  Ent- 
stehung.    Besprechung.     Bd.  IV,  196-197. 
Mimzillger,   C. — Die  Psychologie  der  Japanischen  Sprache.     Bd. 
VI,  103-142. 

Muraoka,  I3r.   JI. — lu-klärung  der  magischen  Eigenschaften  des 
japanischen  Bronzespiegels    und    seiner    Herstellung.     Bd. 
IV,  8-1 1. 
Deformation    von    Metallplatten    durch    Schleifen.     Bd.  'IV, 
293- 


N 


Nagai,  Dr.  W. — Chemische    Untersuchungen    von  Ephedra  vul- 
garis.    Bd.  V,  232. 
Naumann,    Dr.    K. — Ueber    Erdbeben    u.    Vulkanausbrüche    in 
Japan.     Bd.  II,  163-216. 

Japanische  Kjoekkcnmoeddinger.      Bd.  II,  152. 

Ueber  das  Vorkonmieii  der  Kreideforniation  auf  der  Insel 
Yezo.     Bd.  III,  28-33. 

Die  Triasformation  im  nördlichen  Japan.     Bd.  III,  205-209. 

Notizen  über  die  Höhe  des  Fujinoyama.     Bd.  IV,  104. 

Ueber  den    geologischen    Bau  der    japanischen   Inseln.     Bd. 

IV,  153-159- 

Netto,  C. — Ueber  japanisches  l^erg-und  Hüttenwesen.  Bd.  II, 
367-405. 

Niewerth,  Apotheker. — Eine  botanische  Excursion  im  Monat 
August  von  Yedo  nach   Nikko.     Bd.  I,  Heft  VII,  9-1 1. 

Musikalische  Spielerei.     Bd.  I,  Heft  VIII,  52. 

Aus  dem  Pflanzenreiche  (Stärkebereitung).  Bd.  I,  Heft  IX, 
6;    58-59- 


29 


Piquet,  E.— Note  sur  l'Uji.     Bd.  II,  96. 
Plugge,  Dl'.  P-C. — Siehe  Bcukcina. 

R 

Rathgen,  Dr.  K. — Die  Ergebnisse  der  japanischen  Bevölkerungs- 
statistik.    Bd.  IV,  299.  300. 
Ergebnisse    der    amtlichen     Bevölkerungsstatistik    in    Japan. 

Bd.  IV,  322-340. 
Die  landwirtschaftliche  Bevölkerung  Japans.     Bd.  IV,  421. 
Rein,   Prof.   Dr.  J. — Uebcr    die    Plohmaterialien    zur  Anfertigung 

des    Satsunia-Porcellans    in    Ota    bei    Yokohama.      Bd.   I, 

Heft  V,  3. 
Naturwissenschaftliche    Reisestudien    in    Japan.     Bd.  I,  Heft 

VI;  60-61  ;  Heft  VII,  21-26. 
Die  Küste  von  Sendai  und  Nambu.     Bd.  I,  Heft  VII,  26-29. 
Riess,  Dr.  L. — Der  Aufstand    von  Shimabara    1637-1638.     Bd. 

V,  191-214. 
Geschichte  der  Insel  P'ormosa.     Bd.  VI,  405-447. 
Die  Goldausfuhr  der  Holländer  aus  Japan.     Bd.  VI,  449. 
Nekrolog  für  Dr.  Gottfried  Wagener.     Bd.  VI,  357-364. 
Ein  Neujahrsausflug    nach  Idsu  no  Oshima.     Bd.  VI,  480  f. 
Ritter,  Dr.   IL— Solfatara  am  Od'.shingoku.     Bd.  I,  Heft  III,  3  f. 
Höhenbestimmungen  einiger  Punkte    im  Hakonegebirge  und 

am  P'usiyama.     Bd.  I,  Heft  III,  9  f. 
Analyse  der  Arimaquellen.     Bd.  I,  Heft  IV,  44  f. 
Anfertigung  von  Tofu,  Yuba  und  Ame.     Bd.  I,  Heft  V,  B-5. 
Ueber  eine  Reise  im  südwestlichen  Theile  von    Yezo.      Bd. 

I,  Heft  VI,  55-59;  Heft  VII,  13-17. 
Roesing,  B. — Zur    Kartenskizze  des    Weges  von    Yamagata  bis 

Innai.     Bd.  III,  390-392. 
Mittheilungen  aus  Innai.     Bd.  111,415-421. 


Roesler,   I^i'-   1 1- — Ucbcrsicht  des  japanischen  Aussenhandels  seit 

dem  Jahre   1868.      Bd.  III,  35-44- 
Rudoi'fF,    O. — Hei nerl< untren    über    die    Rechtspflege     unter    den 
Tokugawa.     Bd.  IV,  378-394- 
Die    Rechtspflege    in    Japan    in  der    gegenwärtigen    Periode 

(Mciji).     Bd.  IV,  423-44Ö. 
Die  neueste  Justizgesetzgebung    Japans.      Bd.  V,  2  i  5-228. 


Sasaki,  C. — Ueber  die  Entwickknig  der  Udjifliegc.     Bd.  IV,  162. 
Satow,  k^ — Bemerkungen    zu    Herrn    Schütt's    topographischer 

Skizze  des  Fuji.      Bd.  III,  365. 
Savatier,  D.M. — Sur    les    mutisiacees    du    Japon.      Bd.    I,    Hefl; 

VII,  36-39- 

Schedel. — k)ie  Meeresmolkiskenfauna  Japans.     Bd.  V,  347. 

Schenck,  C. — Beschreibung  eines  in   Japan  gebräuchlichen  Erd- 
bohrers.    Bd.  I,  Heft  VIII,  20-21. 
Rei.se  von    Kofu  nach  den  Quarz-  und  Bergkrystallgruben  bei 
Kurobara.     Bd.  I,  Heft  VIII,  21-23. 

van  Schermbeck.— u.  Dr.  G.  Wagener.     Dcppelbikler  des  Fuji- 
yama.     Bd.  IV,  234. 

Scheilbe,   Dr.  B. — Der  Bärcnkultus  u.  Bärenfeste  der  Ainos,  mit 
einigen  Bemerkungen  über  die  Tänze  derselben.     Bd.    III, 
44-51.  cf.    133. 
Itinerar    einer    Reise    im    südlichen    Teile    von    Yezo.      Bd. 

III,  88. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Kak-ke.     Bd.  III,  170-174. 
Die  Ainos.     Bd.  III,  220-250 ;   255.     (Berichtigungen). 
Bemerkungen    über    die    Nahrung    der    Japaner.      Bd.  III, 

282-294. 
Die  Länge  des  Darms  bei  Japanern.     Bd.  III,  294. 
Schmidt,  C. — Aus  der    Geschichte  \'on    Schanghai.     Bd.  I,  Heft 

IV,  20-23;  Heft  V,  13-16. 


31 

Sehmidt-Leda. — Ucbcrblick  über  die  Geschichte  des  japanischen 

Holzschnittes  u.  Buntdruckes.     Bd.  V,  287. 
Schutt,  O. — Ein  l^eitrag  zur  Kenntniss  der  magnetischen  Krdkraft. 

(Alagnetische  Ortsbestimmungen  in  Japan).     Bd.  III,  71-87. 
cf.  401. 

Zur   topographischen    Skizze    des    Weges    von    Nikko   nach 
Ikao.     Bd.  III,  202  f.  252. 

Termiten  in  Japan.     Bd.  III,  250-252. 

Zur    topographischen    Skizze  des  Vulkans    Fuji    und    seiner 
Umgebung.     Bd.  III,  275-282. 
Scriba,  Dr.    J. — Bemerkungen    über   japanische    Gold-u.    Silber- 
münzen.    Bd.  III,  392-398. 

Ansicht  über    die    Koropokguru-Gruben    auf  Yezo.     Bd.  V, 
188. 

Eine  Expedition  nach    den  vom  Erdbeben   des  28.  Oktober 
1891   betroffenen  Bezirken.     Bd.V,  3/5-380. 

Noch  einmal  die  Koropokguru.     Bd.  V,  435. 
Seitz,  Dr.    A. ^Vergleichende    Studien    über    die    Faunen    von 
China  u.  Japan.     Bd.   V,  361-368  ;  cf   389-391.     Bd.  VI, 
5  1-66  cf.  67-69. 
Siebold,    A.    v     Baron    und    ]\IicJiaclis    Dr.  G.    Praktische    Rat- 
schläge für  Reisen  auf  die  nördlichen  Inseln  Japans.     Bd. 
IV,  287-288. 
Siebold,  H.  v.— Etwas    über  die    Tsutschi    Ningio.      Bd.  I,  Heft 
VIII,   13-14. 

Das   Harakiri.     Bd.  I,  Heft  X,  26-28. 
Spinner,  W. — Moderner  Staatsshintoismus.     Bd.  V,  78-79. 

Leichenverbrennung  in  Tokyo.     Bd.  V,  156-158. 

Reste  alten  Christentums  auf  den  Goto-Inseln.     Bd.  V,  230. 

Die  Idee  stellvertretenden    Leidens  in  Verbindung    mit  tlem 
Sonnencult  in  Japan.     Bd.  V,  230. 

Opfer  für  Abwesende.      Bd.  V,  230. 

Vermeintlicher  Ursprung  des  Wortes  ,,  baka  "   (Thor,  Xarr). 
Bd.  V,  230. 

Schutz  vor  Erdbeben.     Bd.  V.  230. 


Shinto  Totenfeier,     l^d.  V,  285-286. 
SpÖlTV,  H. — VcrwcndunL;"  des  BambiLS  in  Japan.      Ikl.  VI,  399  f. 
Stein,   \'- — Zur  Vcrf^leichung  chinesi.scher  und  japanischer  Musik. 

Iki.  I,  lieft  IX,  60-62. 
Stephenson,  i'M>. — Color  blindne.ss  in  Asiatics.    Bd.  VI,  190-194. 


Terada,  V. —  l)c\'ölkerun<j,',s.statistik  des  Regierungsbezirks  Tol^'o. 
Hd.  II,  429-439.     Bd.  III,  139. 

Tietze,  (^- — Hauteclinischc  Bemerkungen  über  die  durch  das 
gros.se  lüdbeben  von  1891  an  Gebäuden  angerichteten 
Verwüstungen.     Bd.  V,   383-387, 

Tokishige,  H. — ^lehc  /a/iso/t,  J.L.   I-'iUiria  immitis. 

Tsuneto,  N. — siehe  /rsca,  Die  landwirtschaftHclicn  Verhält- 
nisse der  Kai-Provinz. 


w 

Wada,  T. — Der    Au.sbruch  des   Bandai-.san   im    Juli    1888.     Bd. 

V,  69-74.  cf.  37  f. 
Wagener,  Dr.   G. — Geschichtliches    über    Maass-und    Gewichts- 
systeme in  China  und  Japan.     Bd.  II,  35-42;  61. 

Bemerkungen  über  die  Theorie  der  chinesischen   Musik  und 

ihren  Zusammenhang  mit  der  Philosophie.     Bd.  II,  42-61. 

Ueber  Shimobashira.     ]5d.  II,  70-71 

Bemerkungen  über  P3rdbebenmesser  und  Vorschläge  zu  einem 
neuen  Instrumente  dieser  Art.      Bd.  II,  216-223. 

Beobachtung  einer  hellen  I^'euerkugel  am  Himmel.     Bd.    II, 
209. 

Aus  dem  Tagebuche  Hendrik  Heuskens.     Bd.  III,  372-390. 

I.  I.  Rein,  Japan  nach  Reisen  u.  Studien.     Theil  II.     Iksprc- 
chung.     Bd.  IV,  265-286. 


33 

Eine  japanische  Parade  vor  250  Jahren.     Bd.  IV,  341-345. 
Reisenotizen  aus  Mitteljapan.      Bd.  IV,  396  f.  397. 
Reisenotizen  aus  dem  Hokkaido.     Bd.  V,  184-188. 
Ueber  Handels-  und  Industriegescllscliaften  in  Osaka.    1x1.  \', 

75  f- 
Weber,  A.R. — Ueber   den  Anbau  des  Thee's  an  der  Westküste 
Japan's  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  klimatischen 
Verhältnisse.     Bd.  I,  Heft  III,  10-13. 
"Weipert,  Dr-   H. — Japanisches  Familien-  und  Erbrecht.     Bd.  V, 
8  3- 140. 
Deutsche    Werke    über    japanische    Sprache.      Besprechung. 

Bd.  V,  272-281.  cf.  284  f. 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  älteren  Eitcratur  über  Japan.     Bd. 

V,  76  f. 
Das  Shintogebet  der  grossen   Reinigung.      Bd.  VI,  365-375. 
Wernich,  Dr.    A. — Lieber    einige    Eomien    nervöser    Störungen 

bei  den  Japanern.     Bd.  Heft  X,  16-19. 
Wernicke,  Dr.  J. — ,,  Japans  Volkswirtschaft  und  Staatshaushalt 

von  Karl  Rathgen."     Bd.  V,  374. 
Westphal,  A. — Fudjiyu  auf   der    Kokiu.      (Musikstück).      Bd.  I, 
Heft  II,  19  ff 
Chinesische  Zahlenlx-nennung    nach    Botenzen  \'on    10.      Bd. 

I,  Heft  VIII,  1-2. 
Ueber    die    japanisch-chinesische    Rechenmaschine.      Bd.    I, 

Heft  VIII,  27-35  ;  cf.  Heft  VII,  4. 
Wahrsagen  auf  der  Rechenmaschine.    Bd.  I,  Heft  VIII,  48-49. 
Ueber  die  chinesische  Swan-pan.     Bd.  I,  Heft  IX,  43-53. 
Beitrag  zur    Geschichte  der    Mathematik  in    Japan.      Bd.  I, 
Heft.  IX,  54-55. 
Weyhe,    C.    v. — Bemerkungen    zu    den    Wetterbeobachtungsta- 
bellen für  Ani,  Akita-Ken,   1882.     Bd.  III,  399. 
Willemoes-Suhm,  Dr.  v. — Ueber  einen  Besuch  auf  Neu  Guinea 

und  den  Admiralitätsinseln.     Bd.  I,  Heft  VIII,  3-5. 
"Witkowsky,  Julian. — Erklärung  zweier  chinesischer  Bilder  aus- 
rotem Eack-.     Bd.  I,  Heft  X,  37. 


34 


Zappe,    E. — Bcrcltunc:^    des    japanischen    Papiers.       Bd.    I,   lieft 
II,  14-16. 
Die  Zubereitung  des  Pflanzenwachses  in  Japan.     Bd.  I,  Heft 
IV,  29. 
Zedwitz     von. — Japanische     Musikstücke.         Bd.    IV,    129-145 
(v-i.  107). 
Die  Kleidung  der  a'ten  Japaner.     1kl.  I,  Heft  VI,  59. 


1 


II.     SACHREGISTER. 


Abdankung  (Altenteil,  Inkyotum)    in  Japan.      Bd.  V,  138-139. 
Aberglaube  in  China,  {von  der  Goltz).     Bd.  VI,  1-36. 
in  Japan,  s.  /'.  Ehmann,  Volksti^iml.     Vorstellungen, 
s.  Baelz  Besessenheit,  relig.     Ekstase  und  Verwandtes. 
Sandkörner  vom    Biwasse  machen    Tote    geschmeidig.     Bd. 

I,   Heft  VI,  39 ;  Heft  X,  29. 
Steine    als  Schutzmittel    gegen   böse    Geister.      Bd.   I,   Heft 

VI,  52. 
Drachenkugeln.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2  f 

Zaubermittel  in  Tempeln  verkauft.   Bd.  I,  Heft  VTII,  10  Anm. 
Glückbringende  weisse  Schlange.     Bd.  II,  444. 
Bei  den  Ainu.     Bd.  III,  234  f 
Beim  japanitchen  Neujahrsfest.     ]5d.   III,  260  f 
s.   Gcomantik;    Wahrsagen. 
Abstammung  der  Japaner.     Bd.  II,  103. 

s.  Badz.     Bd.  III,  334-346  und  Bd.  IV,  ^,7. 
Docnitz.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2;  39-41. 
Ackerbau  s.  Lanckvirtschaft. 
Acupunctur  in   Japan.     Bd.  I,  Heft  IV,  16  f. 

18  (durch  Blinde  ausgeübt). 
Adams  William  s.  M.  v.  Brandt,  The   Relations    between  thc 

English  and  thc  Japanese  from   1600  to   1854. 
Adel  der    Japanische    s.   Gesetze    des  lyeyasu.      In    seinen    ver- 
schiedenen   Klassen,     Einteilungen,    Titeln    und    Würden 
vor  1868  (J/.  V.  Brandt).     Bd.    i,  Heft  VI,  5-8. 
In  der  ältesten  Zeit.     Bd.  V,  174-176. 
Admiralitätsinseln  ein  Besuch  auf  Neu-Guinca  u.  O^kiw  (Wille- 
moes-Suhm).     Bd.  I,  Heft  VIH,  3-5. 


36 

Adoption  in  Jaixm  :   ILstininiungcii  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu. 
lüi.   I,   lieft  I,   6  f.    13. 
Ado[)tion  des  Lehrlini^s  durch  den   Lehrhcrrn.      Bd.   I,   Heft 

IV,  9.    12. 
a.     Geschichtliches,  b.    l)cc;"rirfe  und  Arten,  c.    Iv fordern isse, 
d.     ch'e     l'\)rni,    e.     Wirkungen,    f.     Audosung     (Weipert). 
15d.  V,   109-1 16. 
Aclteste  Form  der  Adoption.     ]k\.  V,  180. 
Aesthetik  in    Japan.     Aesthetisches    über  den  Körj^erbau,    über 
Haltung  u.  Gang.     Ikl.  IV,  58-63. 
Aesthetik  u.  Kosmetik  des  Gesichts.      Bd.  IV,  78  (^f. 
Agrilsultur  s.  LandK'irtscliaft. 
Agl'ikulturclieniie  s.  die  Beiträge  von  Fcsca,  Kellner,  Korselielt, 

Loeiv. 
Ainu  die  Vorfahren  der  Ainu.     Bd.  I,  Heft  IV,  31. 

Bemerkungen  über  Ainus   [DoenitrS).     Bd.  I,  Heft  VI,  61-67. 
Bemerkungen    über  die    Behaarung  der    Ainu  {Hilgcndorf). 

Bd.  I,  Heft  VIII,    11-13. 
In    historischer    Zeit    in    Nordjapan    sesshaft.       Bd.  I,    Heft 

VIII,  2;  40. 
Bärenfest.     Bd.  I,  Heft  IX,  6. 
In  chinesischen  Werken  erwähnt.     Bd.  II,   5- 
Bärenkult    u.    Bärenfeste    mit    Tänzen    {Seheuöe).       Bd.    III, 

45-51-   U3- 

Dr.  B.  Scheiibe.     Die  Ainus.     Bd.  III,  220-250  und  Tabel- 
len nach  256. 

Ihre  Rassenangehöriglceit  {Baeh).     Bd.  III,   334-346. 

Einiges  über  Ainuschädel  [Baelrs).     Bd.  III,  358  f 

Von  den  Japanern  zu  Slclaven  gemacht.      Ikl.   V,    171. 

Rcisenotizen  aus  dem  Hokkaido  {IVageiier).    Bd.  X ,  184-1 88. 

Dr.  Grimms  Ansichten    über  sie.     Bd.  V,    1 86  f. 

Kurilen   (Shikotan)  ^Ainus.      Bd.  V,   372   f. 

Ihi'e  Verehrung   weisser   Bären.      Bd.   V,  431. 

In   der    Mythologie.      IVl.   VI,   369. 

s,  auch    Yerjo. 


I 


17 

Albinismus  Weisse  Pferde  in  Shintotetiipeln.     VA.  I,  Heft  IV,  34. 
Die    Bedeutung    weisser    Tiere  in  Japan    {Jaiisoii).      Bd.  V, 

431-434- 
Alkoholische  Getränke  s.  Sake. 

Alt-Japan  Altjapanische    Kulturzustände   (staatl.   u.  gesellschaft- 
liche Organisation)  {Flore iirS).     Bd.  V,   164-182. 
Amerika  im   5.    Jahrhundert  von  Chinesen    entdeckt?     s.  Bret- 

sein  leider  oder  Fi  i  saug. 
Angeln  in  Japan  für  Seefische.     Bd.  I,  Heft  IX,  4  f. 

für  Forellen  und  Dintenfische.      Bd.  III,  435. 
Anthropologie  Thränenkanal  u.  Augenhintergrund    der  Japaner 
{Aliillei).      Bd.  I,  Heft  V,  38. 
Beckenmessungen    an    Japanerinnen    {DoenitrS).       Bd.  II,  S. 

I-III,  32. 
s.  Baelz,  Körperliche  Eigenschaften, 
s.  Doenitz,  Bemerkungen  über  Ainus. 

s.  Hilgciidorf,  Bemerkungen  über  die  Behaarung  der  Aino's. 
s.  auch  Abstaimnung ;  ScJiädel. 
Arbeiterorganisation  in  Japan,    in  (\^\\    Kiso-W'aldungen.     Bd. 

V,  270-272. 
Archaeologie    Pfeilspitzen    aus     der    Stein[)eriude    Japans.     Bd. 
I,  Heft  VI,  50. 
Drachenkugcln.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2  f 
Küchenabfälle.     Bd.  II,   152. 
Architektur  moderne  japanische.     Bd.  VI,  398. 
Areal    des    japanischen    Reichs.       Bd.   II,    120. 

von  Yezo.     Bd.  II,    120. 
Aerzte  in  Japan.     Bestimmung    über  ihre    Ilonorierung    in  d^n 
Gesetzen    des   lyeyasu    und    Klassifizierung.       Ikl.  I  Heft 
I,   12. 
Die  Heilkunde  in  Japan  und  japanische  Aerzte  {Hoffnianii). 

Bd.  I,  Heft  I,  23-25  ;  Heft  IV,  9-20. 
Strafen  gegen  Aerzte  im  Taihoritsu  vorgesehen.     Bd.  IV,  360. 
s.  auch  GcbnrtsJnIfe. 
Arima  s.  Badeorte. 


Arzneikunde   u.   Arzneimittel.       Ucber    die    Pharmaco[)oc'c 

Japan  {(Jaiis).     Ikl.  I,  lieft  IV,   36-41.     Heft  V,    16-21; 

Heft  VI,  46-52. 
Chiningaben  hc'\   chronischer  Pneumonie  u.  Lungenbkitungen 

{lioffman).     Bd.  I,  Heft  IV,  48  ;   Heft  VIII,  6. 
Kaki,   Saft    unreifer    Früchte    gegen    Schlangenbiss.     Bd.  I, 

Heft  IX,  6. 
Taifushifrüclite    als    Heihiiittel    gegen     Lepra.       Bd.   I,  Heft 

X,  5- 
Gcmsenhörner  als  Arzneimittel.      Bd.   I,   Heft  X,  20. 
Wurzel  von  Scopolia  Japcjnica.      1kl.   II,  267  f 
Schlangen  als  Arzneimittel.     Ikl.   III,  210. 
Arzneien  der  Ainu.     Bd.  III,  242. 
Volkstümliche  Heilmittel.      Bd.  VI,  332  f. 
s.  auch  ^Icr.ztc. 
Astrologie  und   Astronomie    in    Japan.       Erwähnung    in    den 

Gesetzen  des  lyeyasu.      Bd.   I,  Heft  I,    12. 
in  China  s.  lUülicr,  Ueber  den  Fengshui.     Bd.   I,  Heft  VII, 

Atami  Der  Geyser  in  Atami  {Kiintrjc).     Bd.  I,  Heft  VII,  30-32. 

Analyse  eines  Mineralwassers  {Martin).     Bd.  I,  Heft  X,  21. 

Ausländer    Bestimmung  über    ihre   Behandlung    in  Japan.     Bd. 

I,  Heft  II,  7. 
Aussenhandel  Japans,     s.  Kocslcr,    Uebersicht  des  japanischen 
Aussenhandels  seit    1868. 
Goldausfuhr  der  Ilollcinder  {Ricss).     Bd.  VI,  449. 

B 

Bad  bei  Entbindung.     Bd.  I,  Heft  V,  23;   27;   Heft  X,    10. 

das  heisse  japanische  (Oyu),  seine  Vor-  und  Nachteile  {FxnclrS). 

Bd.  III,   178  f 
Badeanstalten  japanische  {Dacl.-j).     Bd.  IV,  395. 
Badeorte  und  Thermen:  shinoyu.     Bd.  I,  Heft  III,  3;  Heft 

X,  24;    r>d.  III,  253. 


39 

Arlnia,  bei  Hiögo.     Bd.  I,  Heft  IV,  41-45. 

Allgemeine  Verteilung  über  die    verschiedenen  Teile  Japan. 

Bd.  I,  Heft  V,   19  ;     Bd.  II,  204. 
Atami.     Bd.  I,  Heft  VII,  30-33  ;   Heft  X,  23. 
Untersuchungen  japanischer  ]\Hnc:ral\vasser.     Bd.   I,  Heft  X, 

20-26. 
Kusatsu.     Bd.  VI,  452. 
Bärenfeste  s.  Ainu  und  Yc.':o. 

Baka  (Xarr,  Thor),  Ursprung  des   Wortes.     Bd.  V,  230. 
Bambus  Ueber  die  Verwendung  des  Bambus  in  Japan  {Spöny). 
Bd.  VI,  399  f.  cf     Bd.  I,  Heft  IV,  2;   Heft  V,   17;  Heft 
VI,  46;     Bd.  II,  303.  373;     Bd.  III,  31. 
Begräbnisgebräuche  In  China.    Bd.  I,  Heft  V  3. 
bei  den  Shintoisten.     Bd.  I,  Heft  VI,  39-41. 
Thonpuppen  als  Ersatz  für  INIenschcnopfer  bei  Bestattungen. 

Bd.  I,  Heft  VIII,   13-14  cf  Heft  II,  5  ;  Heft  IV,  32. 
nach  der  Verbrennung.     Bd.  III,   ii. 
Bei  den  Ainus.     Bd.  III,  240. 
s.  auch   Lciclicnverbvcnmtng. 
Beischläferinnen  s.  Konkubinat. 

Berg-  und  Hüttenwesen  s.  die  Beiträge  von  Hagmaicr,  Mczgcr , 
Netto,  Rocsing  (Innai). 
Einrichtung  der  Bergwerke.     Bd.  I,  Heft  VI,  47. 
Erdbohrer.     Bd.  I,  Heft  VIII,  20  f. 

Quarz-  und  Bergkrystallgruben.     Bd.  I,  Heft  VIII,  21    ff. 
Bevölkerungsstatistik  \^on  Japan  s.  Fcsca,  Alayct,  RatJigcn. 
Mittheilungen  über  die  Population  Japans.     Bd.  II,    104. 
des  Regierungsbezirks  Tokyo,  {Tcradd).      Bd.   II,  429-439  ; 

Bd.  III,  139. 
der  Ainu.     Bd.  III,  220. 

der    chinesischen    Provinz    Kansu    {Alayct).      Bd.    IV,    347- 
350. 
Bibliographie  Beiträge  zur  Kenntnis  der  älteren  Literatur  über 

Japan  {Weipcrt).     Bd.  V,  jG  L 
Bienenzucht  in  Japan.     Bd.  II,  73. 


40 

Blutrache  l'cslininnmc:^    darüber  in    den  Gesetzen    des  lyeyasu. 
jkl.  I,    Heft  I,    14. 
Beseitigung  durch  das   revidierte    Strafgesetzbuch  von    1873. 

Bd.  V,  117. 
Interessantes   Beispiel.     Bd.  IV,  271. 
Bodenerzeugnisse  -s.  Larnkvirtschaft. 

BÖrsenweseil  -s.  JMayct,  Die  jap.  Geld-  und  Effelctenbörse. 
Botanik  Werke  über  japanische  Botanik.     Bd.  I,  lieft  IV,  37- 
41  ;  Bd.  II,  S.  IV. 
Botanische    Exkursion  im  Monat    August    von    Tokyo  nach 

Nikko  {NiczücrtJ^.     Bd.  I,  Heft  VII,  9-1 1. 
Sur  les  Mutisiacees  du    Japon    {Savatici).     Bd.  I,  Heft  VII, 

3Ö-39- 
Aus  dem  Pflanzenreiche   {NiczccrtJi).     Bd.   I,  Heft  IX,  58  f. 
Flora  des  Chuzenjisees  {Illartiii).     Bd.  II,  loi  f. 
Un    nouveau    succedane    du    cafe    {^Jaqnct-GocrtrS).       Bd.   II, 

102,   103. 
Aucubaephyllum  Lioukiense  Ahlbg.     ]kl.   II,    150. 
Illicium  religiosum,  {Eyki/ianii).     Ikl.   III,  120-130,  cf.  177  f. 
Bambussamen   und    Kaffee  von    den    Ogasawarainseln.     Bd. 

IV,  31. 
Der  Kampferbaum  {Grasiunuii).     Bd.  V^I,  277-315. 
Flora  auf  Liukiu.     Bd.  III,   145   f.    154. 
Blumenfeste  in  Yedo.     {CocJnus).     Bd.  I,  Heft  IV,  26-28. 
TJicc  s.  dieses  Wort. 
BroilzegllSS  in  Japan.     Bd.  VI,  450. 

Buch-  und  Zeitungswesen  in  Japan  s.  Busse  und  Hering. 
Buddhismus  Strafandrohung  an    die  Tendai-priester  des  Hiyei- 

san.     VA.  I,  Heft  I,  5  f. 
Prinzen,    PTu'sten   und    Krieger    treten  in    den  Priesterstand. 

Bd.  I,  Heft  I,  6.  8. 
Priesterliche  Würden.     Ebenda. 
Erwähnung  des    Buddhismus  in    (\q.\\  Gesetzen  des  lyeyasu. 

Bd.  I,  Heft  I,  6.   II  f.     Heft  II,  4.  6. 
Shotoku,  ein  Beförderer  des  Buddhismus.     Bd.  I,  Heft  I,  8. 


41 

Der    Toyeisantempel  in  Ueno    übt    die   Herrschaft   über  alle 

Tempel.     Bd.  I,  Heft  I,  8  cf     Heft  IV,  27. 
Hiyeisantempel.     Bd.   I,  Heft  II,  6. 
Kopfscheeren  der  Priester.     Bd.   I,  Heft  IV,    1 1. 
Kübo  Daishi.     Bd.  I,  Heft  IV,  30.     Bd.  II,    142  f. 
Seine  Beeinflussung  der  Kamilehre.     Bd.  I,  Heft  IV,  30. 
Buddhistische  Tempel  von  Shanghai.     Bd.  I,  Heft  V,   13  ff. 
Tempel  und  Daibuts  von  Nara.     Bd.  I,  Heft  VII,  32  f 
Zaubermittcl  in  Tempeln  verkauft.    Bd.  I,  Heft  VIII,  10,  Anm. 
Musikalische    Instrumente    des    Buddhismus.       Bd.    I,  Heft 

IX,  26.  f 
Buddhismus  und  Leichenverbrennung.     Bd.  I,  Heft  X,  28  f  u. 

Bd.  III,  3. 
Buddhistische  Lehre  in  Fusang.     Bd.  II,  4. 
Einführung  des  Buddhismus  in  Japan  und  Korea.     Bd.  II,  7. 
Buddha   Maulbeerbaum.     Bd.  II,   11. 
Entstehung  der    Etakaste  mit    Einführung    des  Buddhismus. 

Bd.  II,   103. 
Einführung  in  Japan.     Bd.  III,  2  cf     Bd.  I,  Heft  I,   14. 
Sekten,     Bd.  III,  3. 
Symbolik  desselben.     Bd.  III,  427  f 
Einführung    desselben    begünstigt     durch    den    iSdci    nijiit 

kaiserlicher  Abstammung.     Bd.  V,   176. 
In  der  schönen  Literatur.     Bd.  V,   317. 
Ethische  Literatur  in  der  Gegenwart.     Bd.  V,  443-452. 
Buddhistische  Zeitschriften  der  Gegenwart.     Bd.  V,  444. 
Hervorragende    Buddhisten  der  Gegenwart.     Bd.  V,  444  ff 

495  ff- 
Reformbuddhismus.     Bd.  V,  448  ff 

Buddhistische  Gnadenmittel  \Lloyd').     Bd.  VI,  457-468. 
Bücherbesprechungen  von  Fries,  Abriss  der  Geschichte  Chinas. 

Bd.  IV,   196  f 
Rein,  Japan.     Bd,  V,  265-286. 
Noack's  Seidel's  und  Lange's  japanische  Grammatiken.    Bd. 

V,  277-286. 


42 

RatJigcn,  Japans  Volkswirtschaft  etc.     Bd.  V,  374. 

Fesen,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  japanischen  Landwirtscliaft, 

1kl.  VI,   195  f. 
Neueste  Literatur  über  Japan.     VA.   \'I,  453.  477  f. 
Buntdrucke  s.  Farbcudmcke. 


c 

Chemie     Chemische     Untersuchungen     von     Ei)hedra     xailgaris 
{Nagai).     ]5d.  V,  232. 
Destillation  von  rfeffermünzöl    in    Japan    ^Marx).      Bd.  VI, 

355  f- 
Untersuchungen  roter  Ilefenarten  {Locw).     V>d.  VI,   398  f. 

s.  auch  AgrikultiircJieiuic. 
China  Chinesische  Werke  über  Meilkunde.      Bd.   I,  lieft   I   23  f. 
Begräbnisstätten  in  China.     Bd.   I,  Heft   \",   3. 
Chinesische  Geomantik.     1kl.   I,  Heft  \^II,  4  f. 
Hin   Ausflug  in  Nordchina  {JMdUcndorf).      Bd.   I,  Heft  \'ir 

17-20. 
Naturgeschichte    von    Nordchina   {JWdllcndorf).     Bd.   I,  Heft 

7-19. 
Jetzt  noch  in  China    übliche  musikalische  Instrumente.      Bd. 

I,  Heft  IX,  27-30. 
Chinesisch-japanische     Rechcnmachine     (Westphal).      Bd.    I, 

Heft  VIII,  27-35  ;  Heft  IX,  43-53- 
Taiping-Rebcllen.     Bd.  I,  Heft  VIII,   37. 
Nienfai-Rebellen.     Bd.    I,  Heft  VIII,  37-38. 
Das    Skizzenbuch    des    Ch'i-hsio-ch'in.       BmI.   I,    Heft  VIII, 

38-39;  Bd.  II,  25. 
Opiumrauchen.     Bd.  I,  Heft  IX,    1-4. 
Zur  Vergleichung  chinesischer  und  japanischer  Musik.     Bd. 

I,  Heft  IX,  60-62. 
I'.rldärung  zweier  chinesischer  Bilder  aus  rotem  Lack.     Bd. 

1,  Heft  X,   37. 


43 

Maas-und  Gcwichtssystcnie.     Bd.  II,  35-52;  6r. 

Theorie  der  Musik  und  Zusammenhang"  mit  der  Philosophie. 

Bd.  II,  42-61. 
Minenproduktion  von  China.      Bd.  II,  399. 
Chinesisclie  Literatur  s.  Arendt ;  I'loi'ciirj. 
Bevölkerung  s.  Mayct. 
Bevölkerung  von  Kansu  s.  JMayct. 
Provinz  Kansu  (Kreitner).     Bd.  IV,   399-409. 
Amerika  von  Chinesen  entdecl^t  s.  Brctschncidcr ;  Fiisaiig. 
Chinas  P'auna  verglichen  mit  der  Japans  s.  Scitr:. 
Abriss  der  chinesischen  Geschichte  von  P^ries.     Bd.  IV,  196. 
Chinesen  als  Sklaven  im  alten  Japan.     Bd.  V,   173. 
Chinesen  auf  P'ormosa.     Bd.  VI,  433, 

Chinesisches  Zauberwesen    {i'on  der  GoltrS).     Bd.  VI,   1-36. 
Strassenhandel  in  Peking  {Forke).     Bd.  V,  295-308. 
Shanghai  s.  dieses. 
Chirurgie    von    den    Portugiesen    in    Japan    eingcRihrt.     Bd.    I 

Heft  IV,   16. 
V.  Siebolds    Einfluss    auf   die    Anatomie  in    Japan.      Bd.  I, 

Heft  I,  24. 
s.  auch  Acupuiictiir,  JMoxa. 
Christentum  in  Japan:     Religio    illicita    in    den    Gesetzen    des 

lyeyasu.     Bd.  I,  lieft  I,   12.  28. 
Buddhismus  mit  dem  Amte  betraut,  darüber  zu  wachen,  dass 

niemand  der    christlichen  Religion   anhängt.     Bd.  II,  134. 
Einführung  in   Japan  s.  ■:•.  Brandt. 
Shimabaraaufstand  s.  Riess. 
Reste  alten  Christentums  auf  den  Got(jinseln  {Spinner).    Bd. 

V,  230. 
Arai  Hakuseki  und  Pater  Sidotti  {L'önholni).     Bd.  VI,   146- 

189. 
Christentum  im  gegenwärtigen  Japan  s.  d.  Aufsatz  von  Busse 

über  die  japanische  ethische  Literatiu'  der  Gegenwart. 
Cloisonne  s.  Eniaüarbeiten. 
Civilgesetz  japanisches  s.  Kudorff.  • 


44 

Confucianismus  Erste  Einführung  in  Japan.     Md.  I,  Heft  I,  14. 

Erwälinung"  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu.      ]^d.  I,  Heft  II,  4. 

Die  fiiiif  Beziehungen  (Gorin).     Bd.  I,  lieft  II,  8. 

Einfluss  des  Buches  Raiki  auf  das  soziale  Leben  Jai)ans. 
Bd.  I,  Heft  IV,  33. 

Confuciustempel  in   Shanghai.     Bd.  I,  Heft  V,   14. 

Schriften  des  Confucius  in  Japan.     Bd.  II,  36. 

Confucianismus  im  gegenwärtigen  Japan,  s.  den  Aufsatz  von 
J3ussc  über  die  japanische  ethische  Literatur  der  Gegen- 
wart.    Bd.  V,  452-462.  497  ff. 


D 

Deutsche  Literatur  Einfluss  derselben  auf  die  japanische.    Bd. 

V,  317. 

Deutsche    Werke  über  japanische  Sprache,    bes[)rochen  von 
Dr.  Weipert.     Bd.  V,  277-281. 
Dichter,  Japanische  der  Gegenwart  {Florciirj).     Bd.  V,  314-341. 


E 

Ehe  in  Japan.     Bestimmung  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd. 

I,   Heft  I,    13   und  Heft  I,    14  (Ehebruch). 
Verhältnis  der    Ehefrau  zu    den    Beischläferinnen    nach  den 

Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  II,  2. 
Pflichtenkreis  der  Ehefrau.     Bd.  I,  Heft  II,  2. 
Notizen    über    den    Fortscliritt    der   japanischen    Civilisation 

auf  dem    Gebiet  der    Ehe    {Gcbaiicr).      Bd.  II,  81-85   (cf- 

Bd.  II,  72  f.) 
Heiratsfrequenz    und  geschiedene    Ehen    im    Tokyo-fu   1878. 
.       Bd.  II,  437-438. 
bei  den  Ainu.     Bd.  III,  236. 
s.    Wcipcrt,  Japanisches  Eamilienrecht.     Bd.  V,  94-109. 


45 

s.  Frau;  Konkubinat. 

Häufigkeit  der  Ehescheidungen.     13d.  IV,  299. 
Eltern  und  Kinder  in  Japan,  s.  Familie. 
Emailarbeiten,  japanische.     Bd.  I,  Heft  V,   1-3. 
Engländer  in    Japan.     The  Relations  between  the  EngHsh  and 
the  Japanese    from   1600-185 8    {Brandt).     Bd.  I,  Heft  V, 

Entdeckungsgeschichte  Japans.     Bd.  I,  Heft  V,  28-33. 
Erbfolge  {Erbrecht)  s.  den    Aufsatz    von     IVcipcrt.     Bd.  V,  83- 
140. 
Bestimmung    in    den    Gesetzen    des    lyeyasu.       Bd.  I,   Heft 

I,  6  f. 
Erbfolge  der  Herren  von  Owari,  Kii,  Mito  etc.  etc.     Bd.  I, 
Heft  II,  5. 
Erdbeben  s.  die  Beiträge  von  Fcsca,  Knipping,  Naumann,  Scriba, 
Tictzc,   Wagcncr. 
Zerstörung    von    Gebäuden    durcli    Erdbeben.      Bd.   II,   128. 

228     2^2 

Schutz  vor  Erdbeben.     Bd.  V,  230. 
Erdbohrer.    Bd.  I,  Heft  VIII,  19-20. 
Erdmagnetismus  s.  Schutt. 
Ernährung  s.  Nalmingsmittcl. 
Eta  in  den  Gesetzen  des   lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  I,   12. 

mit  der  Einfülirung  des  Buddhismus  entstanden.     Bd.  II,  103. 
Ethik  in  Japan  s.  Aufsatz  von  Busse.     Bd.  V,  439-500. 

F 

Familie  bei  den  Ainu.      Bd.   III,  239-241. 

Verhältnis    der   Kinder    zu  den    Eltern    in    Japan.     Bd.   III, 

364  f;   Bd.  V,    109- 119. 
Familienrecht    in    Japan,    s.    den    Aufsatz    von    Weipert.      Bd. 

V,  83-140. 
Farbendrucke  und  Holzschnitte  in  Japan.     Bd.   I,  Heft  IV,   2 

Bd.  III,  253;  Bd.  V,  287.     {Schmidt- Leda). 


46 

Fauna  von  China. 

Contributions    to     thc     Natural     Iliston'     of     Norlh     China 

{jMölkndorff).     15d.  I,  lieft  IX,  7-19. 
Ucber   die  nordchinesische   „Gemse"  (^M'öUciidorff).      Bd.  I, 

Heft  X,   19  f 
Vergleichende    Studien    über    die     I'\aunen     von    China    untl 

Japan  {Scitz).      1kl.    V,    361-368    cf,    389-391.      Bd.  VI, 

5 1-66  ;  67-69. 
Fauna  Japans  verglichen  mit  der  China.s  (Seit::;).     Bd.  V',  361- 

368  cf.   389-391.     Bd.  VI,  51-66;  67-69. 
Grosser   japanischer    Dintenfisch    {^HilgciidorJ).     Bd.  I,  Heft 
I,  21. 

Japanische  Talpa  ]\Iogura    {Hilgciidoif).     Bd.   I,  Heft  I,   25. 
Süsswasserschwämme  {Ililgcndorf).     Bd.  I,  Heft  II,    i  f. 
Vorkommen    animalischen    Lebens    auf    Solfataren.      Bd.   I, 

Heft  III,  4. 
Avricola  {Hdgcndorf).     Bd.  I,  Heft  IV,  4. 
Eine  Süsswasser-hydra  {Hi/gcndorf).     Bd.  I.  Heft  IV,  4. 
Sternaspis  {Ililgcndojf).     Bd.  I,  Heft  IV,  4. 
Japanische   Antilope    {Hilgcndorf).     Bd.  I,  Heft  V,  37-38.  cf 

Heft  VII,  26. 
Süssvvasserassel  {Hilgcndorf).     Bd.  I,  Heft  V,  39. 
Süsswassermoostierchen   {Hdgendorf).      Bd.   I,  Heft  V^I,   68. 
Ein  Töne  von  sich    gebender  Schmetterling  {Docnitrj).     13d. 

I,  Heft  VI,  68  f. 

]\Iissbildung  bei  einer  Katze  {Docnit.-j).     Bd.  I,  lieft  VI,  69  f. 
Gadus  Brandtü  (Schellfisch)  {Hilgcndorf).     Bd.  I,  Heft  VII, 

3;  29  f- 
Fauna  des  Chuzenjisees  bezw.     Ursache    des  Mangels  einer 

Fauna  in  demselben.     Bd.  I,  Heft  VII,  3.     Heft  VII,  26; 

Heft  VIII,  2.     Bd.  II,  76  f.  yj  f.   loi  f.    151. 
Udji  {Grccvcn).     Bd.  I,  Heft  VII,  20  f.     Bd.  II,  93-96. 
Augenloser  Fisch  (Amblyopus).     IW.  I,  Heft  VIII,  5. 
Giftige  Fische.     Bd.  I,  Heft  VIII,  23-26.     Heft  X,  6.    Bd. 

II,  151. 


47 

Schlangen.     Bd.  I,  Heft  IX,  6  ;  Heft  X,  29-34. 
Moschustier  von  der  Insel  Sachalin.     Bd.  II,  S.   IV. 
Lachsartige  Fische  [Hilgcndorf).     Bd.   II,  25-31. 
Katzen,  Seltenheit  im  Norden  Chinas.     Bd.  II,  6']. 
Katzen,  Stumpfschuänze.     Bd.  II,  68.  cf    Bd.  I,  lieft  IV,  69. 
Balistes  conspicillium  {A/dbnrg).     Bd.  II,   150. 
Centri-sciden  {A/Miirg).     Bd.  II,    150. 
Anthropoides  virgo  {Doederlein).      ßd.  III,  89. 
Kreuzotter  auf  Sachalin  [Docdaicin).     Bd.  III,  83. 
Land-  und  Seefauna  von  Oshima  (Liukiu)  (Docdciicin).     Bd. 

III,   146-151-   154  f- 
Springende  Fische.     Bd.  III,   151. 
Fauna  von  Okinawa  (Liukiu).     Bd.  III,    154. 
Seeschlangen  {Doederkin).     Bd.  III,  209  f. 
Fuchs,  tiase,  Mochusratte  {Doederlein).     Bd.   III,  210  f 
Termiten  {Doederlein).     Bd.  III,  211  f.   250-252. 
Vögel  am  Fujisan.     Bd.   III,  280. 
Saison-Dimorphismus  bei  japanischen  Schmetterlingen  {Frit:~e). 

Bd.  V,   144  f 
Fauna  von  Yezo  in  Vergleich  zur  Fauna  des  übrigen  Japan 

{Frifrje).     Bd.  V,  235-248. 
Meeresmolluskenfauna  {Sehcdel).     B.  V,  347. 
Feste  Erwähnung  der  Sekkufeste  in  den  Gesetzen  des  Iye\-asu. 

Bd.  I,  Heft  I,   II. 
Das  Daishoyefest.     ßd.  I,  Heft  II,  7. 
Genesung-sfeste.     Bd.  I,  Heft  IV,    19. 
Shintofeste.     Bd.  I,  Heft  IV,  36. 

Blumenfeste  in  Tokyo  {Cochins).     Bd,  I.   Heft  IV,  26-28. 
Laternenfest  in  Nara.     Bd.  I,  Heft  VII,  34. 
Bärenfest  bei    den  Ainu.       Bd.   I,  Heft  IX,  6.     Bd.  III,  44- 

51  ;    133,  236. 
Fest  der  Anzündung  des  Feuers.     Bd.   II,    143. 
Fe.ste  auf  Liukiu.     Bd.  III,   11 5-1  16. 
Das  japanische  Neujahrsfest  {Hirosc).     Bd.   III,  257-275. 
Das  japanische  Sternenfest  Bd.   IV,  294-295. 


48 

Bonfcst  in  Shikoku.     Bd.  IV,  295. 

llauptfcstc  des    modernen    Staatsshintoismus  [Spinner).     Bd. 

V,  78.  f. 
s.  aucli  Shiiitoisiiiiis ;  Buddhismus. 
Feudalwesen    s.  Rudorff,    Die  l-vechtspflege    unter    den    Toku- 
gawa.     Bd.  V,  378-394- 
s.   Gesetze  des   lyeynsu  passim. 
Finanzwesen  s.  Mayet,  Die  japanische  Staatsschuld. 

s.  B'örsemvescii. 
Fische  -s.  Fauna. 

nsclierei-AusstcHung.     Bd.   III,  434-435. 
Fischzucht    (Schildkrötenzucht).     Bd.  III,  434. 
Fliegenwedel  hydraulischer,      l^d.   I,   Heft  VIII,  49  f. 
Flora  s.  ] Botanik. 

Formosa  Strümun<^"sgrenze  im   Norden  von  Formosa  {Knipping). 
Bd.  I,  Heft  V,  27  f 
seit  605   den    Chinesen   unter  dem    Namen   Liu-kiu  bekannt. 

Bd.  I,  Heft  VII,  4.  cf.     Bd.  VI,  405  {{. 
Einige    Notizen    über    Formosa    {^Knoblauch).       Bd.   I,  Heft 

VIII,  35-37- 
Beitrag  zur  Geologie  \'on  Formosa.     Bd.   III,  438. 
Besteigung  des  Mount   Morrison  {Plonda).     Bn.  V,  469-473. 
Geschichte  der  Insel  Formosa  {Riess).     Bd.  VI,  405-447. 
Forstwesen   Holzkultur    zum   IV'huf    der    Isetempelbauten.     Bd, 

I,  Heft  I,  7. 
Bestimmung  über  Waldungen  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu. 

Bd.  I,  Heft  II,  4. 
Abholzen  der  Wälder  in  Japan.      I^d.   II,  JJ. 
Waldbenutzung  auf  Liu-kiu.      Bd.   III,    142. 
Das  Kapitel  über  Forstwirtschaft  in   Rein's  Japan.     Bd.  IV, 

273- 
Forstliche     h^xcursion     in    die    Kisowaldungen     [Grasniann). 
P)d.  V,  249-276.  cf    145  f 
Fossiles    Holz    Jindaiboku    gefunden    bei    Nikko.      \\(\.   I,   1  left 
VIII,  2. 


49 

Umoregi,  Nachahmunr^  des  Jindaiboku.      Bd.  I,  lieft  VIII,  2. 
Frau  Pflichtenkreis    der  k^au    nach  den    Gesetzen    des  Iye}-a.su. 
Bd.  I,  Heft  III,   3. 
Stellung  der  Frau  in  Japan.     Bd.  II,  84  f     Bd.  IV,  457-459. 
Frauen  bheben  ungezählt.     Bd.  II,  319. 
F'rauen  von    Echigo  füllen    die  Bordelle    des   Nordens.      Bd, 

II,  406. 

Körper    und    Körperpflege,    siehe    Bacl:~,    Die    körperlichen 

Eigenschaften  der  Japaner. 
Die    Frauen    Japans    im    Spiegel    der    für    sie    bestimmten 

Literatur,    siehe    {Hering).      Bd.   V,   10-27;  cf     Bd.    IV, 

457-459- 
Stellung  der  japanischen  Ehefrau,  s.  die  Aufsätze  von  Ilcringy 

G  dun  II  er,   1 J  ^cipert. 
Strafen,  die  über  Frauen  verhängt  wurden.     Bd.   IV,  374. 
s.  auch  EJic ;  Konkubinat. 
Fürsten  unter  den  Tokugawa  s.   Gesetze  dss  lyeyasu. 
Fujinoyama    Höhenbestimmung.      Bd.  I,  Heft  III,    6  f ;  Bd.  I, 
Heft  III,  7-9;    9-10;    Heft  IV,   18   f.      Bd.  II,  22.     Bd. 

III,  275  ff.  364;  Bd.  IV,  48,   104.    108. 
Barometerbeobachtungen  vom  Fuji,  {Knipping).     Bd.   I,  Heft 

III,  7^- 

Entstehung  des  Fuji.     Bd.   II,   10;    164. 

Fuji-karte.     Bd.  II,  24. 

Fujiausbrüche.     Bd.  II,    165.    177.    193-195. 

Zur  topographischen  Skizze  des  Fuji  und  seiner  Umgebung 
s.  Schutt,  GottscJie,  Satozv. 

Doppelbilder  des   Fuji.     Bd.  IV,  234. 
Fusang  Ueber    das  Land    Fusang    nach    chinesischen  Berichten 

{Bretschneider).     Bd.   II,   i-ii. 
Geburtshilfe  in  Japan  s.  die  Abhandlung  von  Miyakc. 

zum  erstenmal  in  Japan    literarisch    bearbeitet.     Bd.   I,  Heft 

IV,  17. 

Künstliche  Erregung  des  Abortus  in  Jai)an  {Iloßinami).    Bd. 
I,  Heft  IV,  28  f.  39. 


50 

bei  (Ich   Ainu.      1k1.   III,   259. 
Geographie  in  Japan  s.   die  15citrägc  von  Ifccrcii;   ]\ricn\   Kiiip- 

ing.     (Bd.   II,   20-24,  cf.    124.   35;  61    f.    ii<S   f.);   M'iillcr- 

Bceck  (KazLisa  u.  Awa) ;    ScJiciibc   (Itincrar  einer  Reise  im 

südlichen  Teil  von  Yczo). 
s.  Ftijinoyama  ;  Fusang ;   irdliciiincssungcn  ;   Rehen. 
Geographische  NoniencLatur  Japans.     VnX.  II,  121. 
Die  geoorapliischc  Gesellschaft  in  Tolcyo.     1kl.  III,  361. 
Geologisches    Geologische    Beschaffenheit    der    Insel    Enoshima 

{Hilgcndorf).     Bd.  I,  Heft  X,  5. 

Geologische   Zusammensetzung   der  Gebirge  der  Centralpro- 

vinzen  Japans.     Bd.   II,    12S. 
Geologie  Japans  s.  Naunianii s  sämtliche  iVufsätze  ;  KorscJuit 

Japanischer  Ackerboden  ;   GottscJic. 
Geologie  der  Insel  Oshima  (Liu-kiu).     Bd.  III,    109  f. 
Okinawa  und  Oshima  (Liu-kiu).      Bd.   III,    1 5  i  f . 
Innai.     Bd.   III,  415. 

Bestimmung    der  Wassercapacität    und    Durchlüftbarkeit  des 
Bodens  für  Bonitierungszwecke  {Fcscti).     Bd.  IV,  230-231. 
Juraformation  in  Japan    {^Brauns).     Bd.   IV,  440-442. 
s.  auch  Erdbeben. 
Geomantik,  chinesische-Fengshui.     Bd.   I,  Heft  VII,  4  f. 
Gerichtsverfahren,   GerieJitsverfassung,  s.  Miehaelis,  Rudorff. 
Gesang  s.  Alnsik. 
Geschichte    chinesische   s.  Arendt;    HFidler-Beeek    (Besprechung 

von  Fries,  Abriss  der  Geschichte  Chinas). 
Geschichte  japanische.    Stand  der  äUeren  jai^anischen  Geschichts- 
forschung {Kempennann).     Bd.   I,  Heft  III,  2. 
Japanische    Seeräuber    verheeren    die    chinesischen    Küsten. 
Bd.  I,  Heft  IV,  22  f;   Heft  V,   13. 

Aelteste  Einwanderungen  in  Japan.     VA.   I,  Heft  IV,   31. 
Tcrritorialeinteilung  Japans  {Krien).     Ikl.  I.  Heft  VI,  32-38. 
Das  Monument  von  Taga-jo  nohi  (ältester  Denkstein  Japans 
bei  Sendai).     Bd.  I,  Heft  VII,  26  f. 


51 

Beiträge  zur  neueren  Geschichte  Japans,  s.  Wagencr,  Hen- 
drik Heuskens  Tagebuch. — S.  auch  Bd.  II,   103  f. 

Kampf  auf  Ueno  (16S6)  {Lange).  Bd.  II,  96-101  und  Bd. 
II,   104. 

Yoshitsune  auf  Yezo  ?     Bd.  IV',  290.     . 

Staatliche  und  gesellschaftliche  Organisation  im  alten  Japan 
{Florenz).     Bd.  V,    164-182;  cf    141. 

Shimabaraaufstand  {Riess).     Bd.  V.   19 1-2 14. 

Geschichte  von  Formosa    {Riess).     Bd.  VI,  405-447. 

s.  ferner    Abstaininnng;    Adel  \     Christentnvi\    Englaiul   und 

Japan  ;     EiitdeekuiigsgeseJiiehte  ;      Geset:^gebung  ;     Kaiser  ; 

Kaisergräber;  ReeJitspflege  (Rudorff) ;  Religion;  Straf reeht 

(Michaelis) ;  Shdgnn  ;    Verkehr. 

Gesetzgebung  Gesetze    des   lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  I,  5-14;   Heft 
II,  2-8. 

Getetzgebung  im  gegenwärtigen  Japan  s.  Rudorff. 
Gesinde  zur  Sittlichkeit  angehalten.     Bd.   Heft  I,    14. 

Strafe  für  einen  Diener,  der  seinen  Herrn  tötet.  Bd.  I, 
Heft  II,  2. 

Globus,  jap.  von   1670  {dierren).     Bd.  I,  Heft  II,  9-13. 
Goldausfuhr  der    Holländer   aus    Japan  {Riess).     Bd.  VI,  449- 

450. 
Grammatiken  der  japanischen  Sprache  (besprochen  von  Weii)ert). 

Bd.  V,  277-281. 

Gynäkologie  s.   Geburtshilfe. 


H 

Hakuseki  Arai  und  P.  Sidotti  ;   {L'dnJiolm).     Bd.  VI,    146-189. 
Handel  Handel  Japans  seit   1868  s.  Roeser. 

Goldausfuhr    der    Holländer    aus    Japan    {Riess).      Bd.    VI, 
449-450. 
Handelsgesetzbuch  jap.  s.  Rndorff. 


5^? 

Handels- und  Industriegesellschaften    in  Osaka   (ll'ai^f/nT). 

Bd.  V,  75  f- 
Handelsrecht  japanisches  (Lön/io////).     Bd.  VI,    \(jy-2jo. 
HarakÜ'i    (Scppuku-15auchaufschlitzcn    in    Jai)an).       ]kl.    I,   lieft 

X,  26-28. 
Heilkunde  s.  Acrclc,  Arznciknndc. 
Herrschaften  und  Diener,  Verhältnis.     Ikl.  I,  Haft  II,  4. 

Verbot,    ckiss  die    Diener  dem    lierrn   in    den    Tod    folgen. 

Bd.  I,  Heft  II,  5. 
Heusken  Hendrik,    Aus    seinem    Tagebuch    {]Vagcncr).      Bd. 

III,  372-390. 
Hochzeit  s.  Ehe. 
Höhenbestimmung    s.  Fujinoyauia;   Knipping.      Bestimmungen 

von  Hohen  am  Nakasendo,    zwischen  Kyoto    und  Tokyo. 

Bd.  I,  Heft  6. 

im  Hakonegcbirg.     Bd.   I,   Heft  III,  9  f. 

von  Tokyo  über  Utsunomiya,  Imaichi,  Nikko,  Yumoto ;  von 
Imaichi  bis  Wakamats ;  von  Wakamats  bis  Shirakawa 
über  (  tahara  nach  Imaichi.     Bd.   I,  Heft  VI,  52-55. 

Ontake  in  Shinano.      Bd.   I,  Heft  X,  4. 

in  Idzu  und  Sagami.     Bd.  I,  Heft  X,  26. 

Nikkoberge.     Bd.  II,  63. 

in  Idzumo.     Bd.   II,    125;    136. 

Das  Tokyo-Sendai  Nivellement.     Bd.  II,   11 8-1 19. 

in  Südyczo.     Bd.  III,  88. 

Passhöhen  im  Norden  von  Japan.      Bd.   III,   205. 

am  Fuji.     1kl.   III,  275-282. 

im  Akita-ken.     Bd.   III,   391. 
Hokkaido  s.   Yczo  und  ^\i)iu. 
Holländer  Goldausfuhr    der   Holländer  aus    Japan    [^Ricss).     Bd. 

IV,  449-450. 

ihre   Haltung  bei  dem  Shimabaraufstand.     Bd.  V,   205  f. 
Holländische    Niederlassungen    auf   k\)rmosa.      VA.   W,  420- 
432. 


53 


lyeyasu  (Gongensama)    Die    i8    Gesetze    des    lyeyasu.      Bd.   I, 
Heft  I,  5-14. 
Die   100  Gesetze.     Bd.  I,  Heft  II,  2-8. 
Industrie  s.  Hamid. 


Jagd  Bestimmung    in    den    Gesetzen    des   lyeyasu.     Bd.  I,   Heft 
I,    II. 
Lockpfeife  für  Plirsche.     Bd.  I,  Heft  X,  4. 
Jagdfalken  zum   Vogelfang.     Bd.  II,  71-72. 
Jagd  auf  Oshima  (Liu-kiu).     Bd.  III,   143. 
Jagd  bei  den  Ainu.     Bd.  III,  228-229. 
Japan  Aussprache  des  Wortes.     Bd    IV,    106. 

(Die    auf  japanische  Dinge    sich    beziehenden    Gegenstcände 
suche  man  unter  den  betreffenden  I'achausdrücken). 
Japanisches  Meer  Strömungen.    Bd.  I,  Heft  III,  1 1  f. 
Jödo-Lehre  von  den  Tokugawa  begünstigt.     Bd.   I,  Heft  I,  i  i  ; 

Heft  II,  6. 
Justizwesen  s.  Illichaclis ;  Rudorjf. 


K 

Kaiser    in    Japan.       Chronologisches     V^erzeichnis     der     Kaiser 

(f.  Brandt).     Bd.  I,  Heft  I,   14-17. 
Verhtältnis  der  Kaiser  zu  den  Shogunen,  s.  Gcsct::^  des  lyeyasu. 
s.  Rndorff,  Rechtspflege  unter  den  Tokugawa. 
Stellung  des  japanischen  Kaisers    in  der  ältesten  Zeit.     Bd. 

V.   165. 
Vorrecht  desselben.     Bd.  V,   166.    176. 
Mas.st  sich  unter   dem  Einduss   der    chinesischen    |)olitischen 

Theorien  Souveränitätsrechte  an.     Bd.  V,    173. 


54 

Aeltcstc  Bezeichnungen  für  den  Kaiser.     Bd.  V,    176. 
Gründe  des  Wachstums  der  KaiserHchen    Macht  in  der  alten 

Zeit.     1kl.  V,    180. 
Schaffung  neuer  Uji    (Geschlechter)    durch  die   Kaiser.     Bd. 

V,  180. 

Landbesitz  des  Kaiser.     Bd.  V,    187. 

Erlass  des  Kaisers  vom   30.   Oktober    1890.     Bd.   V,  455. 
Kaisergräber    in    Japan.        Bd.    I,  Heft    I,   21  f;     Heft  VI,  40; 

Bd.  IV,  357. 
Kaiserliche  Insignien.     Bd.  I,  Heft  I,  5;  Heft  I\',  32. 
Kaiser-Wilhelmsland  (yHollmng).     Bd.  IV,  447-456. 
Kakke  (Krankheit)  s.  den  Aufsatz   von    Hoffinaiui.      Bd.  I,  Heft 
II,    16-21. 

Erwähnung.     Bd.   I,  Heft  X,    18. 

Fälle  der  Krankheit  bei  luu'opäern.     Bd.   II,   'J2. 

Geschichte  der  Kakke  von  ScJiciibc.     Bd.  III,   170-174. 

Beschrieben  von  Bätj.     Bd.   III,  301-319. 
Kamilehre  s.  Sltintoismus. 
Kampferbaum  s.  den    Aufsatz  von   Grasmann.      (Bd.    VI,  277- 

315)- 
Karten  Erklärende    Karten  für    die    VY-ränderungen,    welche    in 
dem  Kaiserreiche  stattgefunden  haben  {Kricn)  : 

I.  Karte  des  japanischen  Reichs,  wie  es  von  Jimmu  Tenno 
begründet  worden  ist.     Bd.  I,  Heft  VI,  32  f. 

II.  Karte  des  japanischen   Reichs  unter  Keiko  Tenno  nach 
der  Unterwerfung  des  Ostens  und   Westens.      Bd.  I,  Heft 

VI,  33  f. 

Ueber  eine  neue  Karte  von  Japan  und  ihre  Quellen   [Knip- 

ping).     Bd.   II,  20-24. 
Das    Klima    Japans    und    der    Einfluss    desselben    auf   die 

Pflanzenproduktion  {Fcsca).     Bd.  V,  78. 
Klima  in  den  Kisowaldungen.     Bd.  V,  255  f. 
s.  auch  JMctcorologiscJus. 
Konkubinat  Unterschied  zwischen  Ehefrau  und  Beiscliläfcrin  in 

(\cn  Gesetzen  des  lycyasu.     Bd.  I,  Heft  II,  2. 


55 

Bestimmungen    über  die    Zahl  der    Beischläferinnen    für    die 

einzelnen  Stände.     Bd.  I,  Heft  II,   2. 
Landestrauer    für    kaiserliche    Beischläferinnen.     1kl.  I,  Heft 

II,  7. 

Stellung  der  Konkubinen.     Bd.  II,  84. 

s.    den    betreffenden    Abschmitt    in    Wcipcrfs    Aufsatz    über 
japanisches  Familien-  und  lu-brecht.     (Bd.  V,   107-109). 
Kinder  s.  Eltern. 

Kleidung^  der  alten   Japaner.       Bd.  I,  Heft  VI,   59  (mit  2  Far- 
bendrucken).    Bd.   II,  76. 

in    Idzumo.     Bd.  II,   132. 

der  Oshimaner  (Liu-kiu).     1kl.   III,   i  14  f. 

der  Ainu.     Bd.  III,  223  f. 
Klima  Klimatische  Verhältnisse  der  Westküste  Japans   {]Vchcr\ 
Bd.   I,  Heft  III,   10-13. 

Das  Klima  von  Oshima  (Liu-kiu).     Bd.  II,   1 1 1  f. 

Das  Klima  Japans.     Bd.  II,  301  f. 

Einfluss    des    Klimas    auf   gewisse    Krankheiten,    besonders 
Kakke.     Bd.  II,  306  f 

Das  Klima  von  Niigata.     Bd.  III,  319-322. 
Korallen  Edelkorallen,  japanische.     VA.  III,  435. 
Körperliche  Eigenschaften  der  Japaner  s.  die  Abhandlung 

von  Baclz. 
Korea  Einwanderungen  von  Korea  nach  Japan.     Bd.  III,  341. 

Besuch  in  Korea  ;  Unreinlichkeit.     Bd.   III,  440. 

Ein  Besuch  in  Korea  {Mayct).     Bd.  IV,   18-28.    146-152. 
Koreaner,  verschiedene  Gesichtstypen  derselben.     Bd.  III,  339  f. 
Koropokguru  (Grubenbewohner)  auf  Yezo.     Bd.  IV",  292  bis. 

Bd.  V,   187  f.  u.  435. 

Bd.  V,  369-373. 
Krankheiten  in  Japan  s.  Kakke. 

Pneumonie  und  Lungenblutungen    {Hoffiiiann).     Bd.  I,  Heft 
IV,  4S. 

Augenkrankheiten  {Jinilla').     Bd.   I,  Heft  V.  38  f 

Farbenblindheit  {Stc_phaison).     Bd.  VI,    19Q-194. 


56 

Fisch-  und  Lackvcri^irtungcn.     Vn\.  I,  ITcft  VIIT,  23-27. 

Woclicnbcttkrankhcitcn.     Bd.  I,   lieft  X,    10  f. 

Nervöse  Störuni^cn  {W^cniic/i).     Bd.   I,  Heft  X,  16-19. 

Lepra.     Bd.  II,  S.  IV. 

Ueberchwemmungs-oder  Flussfieber  [Bad.':).    Bd.  II,  409-415. 

Krankheiten  bei  den  Ainu.     Bd.  III,  241  f 

Infektionskrankheiten  (I.  Flecktyphus   II.  Abdominartyphus. 

III.  Rückfalltyphus.  IV.  Pock-en.  V.  Masern.  VI.  Schar- 
lach. VII.  Röthein.  VIII.  Cholera.  IX.  Dysenterie. 
X.  Diphterie.  XI.  Puerperalfieber.  XII.  Malariakrank- 
heiten. XIII.  (Kakke) :  beschrieben  von  Bäl::.  Bd.  III, 
295-318. 

Kranlcheiten  durch  Parasiten  {Bach).     Bd.  III,  36R  f  cf.    Bd. 

V,  34^>- 
Religiöser    Wahnsinn,    Besessenheit    etc.    (Bäh).      Bd.    IV, 

421;  cf.     Bd.  III,  253.     Bd.  VI,  453- 
Kriegskunst  s.  MUitäriscJics. 
Kunstgewerbe    Japanische    Darstellung   des  Wirbelwinds.     Bd. 

IV,  300. 

Kunstgewerblicher  Unterricht  in  Japan.     Bd.  VI,  397-398. 
Kurilen  Reisen    nach   Yezo   und   den    Kurilen  (MicJiaclis).     Bd. 

IV,  089-291. 
Kwanto.    Bd.  I,  Heft  I,  5. 
Kyoto  Gründung    durch  Kwammu    Tenno  und    Errichtung   des 

Hiyeizantempels.     Bd.  I,  Heft  I,  5  f. 


Lack  geschnittener,  roter    chinesischer,  zwei   Bilder  aus.     Bd.  I, 

Heft  V,  7;   Heft  X,   37. 
Landstrassen  Bestimmung    über    die    Breite    derselben    in    den 

Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  II,  4 
Landwirtschaft  Bestimmung    zum    Schutze    des    Ackerlands   in 

den  Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  II,  4. 


57 

Künstliche    Befruchtung    des   Getreides.     Bd.  I,  Heft  IX,  4 ; 
55-56;  Heft  X,  5. 

Ackerbau    und  Viehzucht    auf   Oshima    (Liu-kiu).     Bd.   III, 
140-143. 

Ackerbau  auf  Okinawa  (Liu-kiu).     Bd.  III,  152  f. 

Feldwirtschaft  bei  den  Ainu.     Bd.  III,  230. 

Düngung  mit  Kalk.     Bd.  III,  254. 

Japanischer    Ackerboden    {Korschclt).        Bd.   III,    180-201  ; 

254;  439- 
Hungersnöte  in  Japan  {JMayci).     Bd.  IV,  200  f. 
Die    Zahl    der    landwirtschaftlichen    Bevölkerung    in    Japan. 

Bd.  IV,  421. 
Zur    Landwirtschaft   in  Japan  s.    auch  Fcsca,    Kellner,  Rein, 

LeJniiann. 
Theekultur  s.    TJice. 
Lehnswesen    in    Japan    s.     Rudor-ff' '   Bemerkungen     über     die 

Rechtspflege  unter  den  Tokugawa.     (Bd.  IV,  378-394). 
Leichenfeier    Verbot    dass    die    Diener    dem    Herrn    im    Tode 

nachfolgen,    in  den    Gesetzen   des    lyeyasu.      Bd.  I,  Heft 

II,  5.     Siehe  auch  Florenz'  Nihongi. 
Begräbnisgebräuche  der  Shintoisten.     Bd.  I,  Heft,  VI,  39-41. 
Leichenverbrennung  in  Japan  s.  die  Aufsätze  von  Docnits  und 

Greevcn.     Bd.  I,  Heft  X,  6.  7.  28-29 ;  Bd.  II,  S.  III,  f. 
Geschichte    und    gegenwärtiger    Zustand.       [Beukenia    und 

Pliiggc).     Bd.  III,  1-12;  131  f. 

Leichenverbrennung  in  Tokyo  {Spinne)').     Bd.  V,  156-158. 

Lieder  japanische  Lieder  {Hol::;).     Bd.  I,  Heft  III,  13  f. 

Drei  japanische  Lieder  {Hol::).     Bd.  I,  Heft  IV,  45-47. 
Zwei    japanische    Lieder,    mitgeteilt    von    Eckert.      Bd.   II, 

423-428. 
Kimigayo  die  japanische   Nationalhymne  {Eckert)      Bd.   III, 

lieber  die  Uta.     Bd.  III,  422-424. 


58 

s.  avicli  Literatur,  Poesie,  Alitsik,  und  Gesans;. 
Literatur  chin.  s.  Arendt ;  Floren':. 
Literatur   japanische.       Momotaro,    der    rfir.sichjuni;c,    übersetzt 

\-on  A.  von  KnohloeJi.     Bd.  I,  Heft  IV,  49. 
Das    Taketori    Monogatari,    übersetzt    von    Lange.       ]kl.   II, 

304-318. 
Japanische  l'^raueiihteratur  {LIering).     Bd.  V,  10-27. 
Die  literarische  Thätigkeit  Japans  in  der  Gegenwart  [Hering). 

Bd.  V,  141-143- 
Kiodens   historischer   Roman   ,,  Der  treue  Ritter  Uto   Yasu- 

kata    (die    E^mpörung    des     Masakado    im    9.    Jahrliundert 

beliandehid),  nebst   biographischen    Bemerkungen  über  den 

Verfasser  und   andere  zeitgenössische    Schriftsteller  des    18. 

Jahrhunderts.     Mitgeteilt  von  Bäe!.':.     Bd.  V,  282-284. 
Japanische  Literatur  der  Gegenwart  {Floren.'::).     W\.  V,  314- 

341- 
Alliteration    in   der    japanischen    Poesie    (Floren.o).       Bd    V, 

342-344. 
Psychologie  des  japanischen  Witzes  [Floren::).     ])d.  V,  424- 

430. 
Ethische  Literatur  der   Gegenwart  [Dnsse).     Bd.  V,  439-500. 
Liukiu  Liukiu   im  7.  Jahrhundert   n.   Chr.    der  chinesische    Name 

für  Formosa.     Bd.  I,  lieft  VII,  4.  cf     Bd.  VI,  408  ff.  415. 

417. 
Die  Bewohner  ncähern  sich  dem  Typus  der  Chinesen.     Bd.  I, 

Heft  VIII,  41. 

Die    Musikinstrumente  auf   Liukiu   den   chinesischen   gleich. 

IM.  I,  Heft  IX,  27. 
Vulkanische  Thätigkeit  sehr  rege.     Bd.  II,  2^13. 
Wetterbeobachtungen  zur  Zeit  des  Taifuns  in  August    18S0. 

Bd.  III,  99.  107  f. 

Die  Liukiuinsel   Amami  Oshima   [Doederlein).     Bd.  III,  103- 
117;    140-156. 
Loreleysage  in  Japan.     Bd.  IV,  107. 


59 


M 

Magie  chinesische  s.  den  Aufsatz  von  der  Goltz.     (Bd.  VI,  1-36). 
Malaiische  Elemente  in  der  Bevölkerung  Japans  s.  Abstamninng. 
Mass-  und  Gewichtssystem    in    China   und   Japan   ( Wagener). 
Bd.  II,  35-42.  61. 
Masse  und  Gewichte  in  Japan.     Bd.  II,  215    . 
Masse  bei  den  Ainu.     Bd.  III,  232. 
Mathematik  Chinesische   Zahlenbenennung   nach   Potenzen    von 
10  {Wcstphal).     Bd.  I,  Heft  VIII,  i  f 
Gescliichte   derselben    in   Japan  [IVcstphal).     Bd.  I,  Heft  IX, 

54  f. 
Mechanik  s.  Flicgcmvcdd. 
Medizin    siehe    AerrJe,    Arzneikunde ,    Geburtslnlfc,    Kraiikheiten, 

Sicbold. 
Meeresleuchten  eigentümliches.      Bd.  I  Heft  I,  22  f. 
Meeresuntersuchungen.     Strömungsverhältnisse   an  der   West- 
küste Japans  [IVeber).     Bd.  I,  Heft  III,  11   f. 
Strömungsgrenze  im   Norden  von   Formosa  i^Knipping).     Bd. 
I,  Heft  V,  27  f. 
Menschenopfer    in    Japan.        Ersatzpuppen    für    Menschenopfer. 

Bd.  I,  Heft  VIII,  13  f. 
Meteoriten.     Ein    Meteorit    von    der    Insel    Mikomoto.       Bd.    I, 
Heft  IV,  5. 
Einfluss  der  Meteoriten  auf  Erdbeben.     Bd.  II,  212-214. 
Der  Meteorit  von  Tajima,  Februar  1880.     Bd.  III,  202  f. 
Meteorologisches  -s.  von  Kitao,  Knipping,  Mezger,  Weyhe,  Kellner. 
Eigentümliche   Eisbildung  in  Japan,   shimo-bashira  (Doeniiz). 

Bd.  I,  Heft  IV,  2  f;  Bd.  II,  70-71  {Wagencr). 
Auffällige  Gegendämmerung  {Hilgendorf).    Bd.  I,  Heft  V,  39. 
Feuerkugel.     Bd.  II,  269. 
Anschauungen  der  Amv\.     Bd.  III,  234. 
Beobachtungen  in  Innai.     Bd.  III,  416. 
Wolkenbildungen  am  Fuji.     Bd.  III,  281. 


6o 

Wetterbeobachtungen   aus   Korea.      ]5d.  IV,  29.  cf.      Ikl.  V, 
27  f.  s.  auch  Klima. 
Mexico  und  Japan  (Si)rachverwandtschaft  ?).      l^tl.  I\s  199. 

s.  auch  Fusang. 
Militärisches.     Kriegsadel.      Bd.  I,  Heft  I,  7;   Heft  II,  5  ;   Heft 

VI,  5- 

Kriegsmusik.     Ikl.  I,  Heft  IX,  26. 

Zerstörung  der  Häuser  durch  Krieg  in  Japan.     Bd.  II,  233  f. 
Faniihenpcnsionen  der  Kriegerkaste  in  Japan.      Bd.  II,  261. 
Japanische  Kriegsausgaben.     Bd.  II,  262. 
Heiratskonsenz  der  japanischen  Offiziere.     Bd.  II,  446. 
Eine  Parade  vor  250  Jaliren  {]Vagcncr).     Bd.  IV,  341-345. 
s.  au  eil  Waffen. 
Minen wesen  s.  Berg-  und  Hitticin^'cscn. 
Mineralien  Japanische   Mineralien  (Schwefel  Graphit,  Molybda- 

englanz,  Antimon,  Eisenerze,  Kupfer)  Martin.     Bd.  I,  Heft 

IV,  4-6. 
Reise   von    Kofu   nach    den   Quarz-   und   Bergkrystallgruijen 

{Schenk).     Bd.  I,  Heft  VI  11,  21  ff. 
Mineralien  auf  Oshima  (Liukiu).     Bd.  III,  144. 
Seltenheit  interessanter  Mineralien  in  Japan.     Bd.  III,  254. 
Mineralproduktion  Japans.     Bd.  III,  414. 
Natrolith  aus  Awa.     Bd.  III,  448. 
Mineralquellen  Analyse  der  Arimaquellen  (AV/Av-j.     Bd.  I,  Heft 

IV,  44  f. 
Warmes   Mineralwasser  in  Japan  zu   medizinischen  Zwecken 

verwendet.     Bd.  I,  Heft  V,  17  ;  Bd.  II,  253. 
Geysir  in  Atami  (Ann/::e).     Bd.  I,  Heft  VII,  3(^32. 
Untersuchungen  japanischer  Mineralwässer  von  JMartin.     Bd. 

I,  Heft  X,  20-26. 
Verteilung  der  Quellen  auf  die  verschiedenen  Teile  Japans. 

Bd.  II,  204. 
Momotaro  der  Pfirsichjunge.     Bd.  I,  Heft  IV,  49. 
Moxa.      Bd.  i,  Heft  TV,  17,  18  (durch  Blinde  ausgeübt);   Heft  V, 

2  1  ;  Heft  VI,  46. 


6i 

Pjcrcitung,  Prozedur  und  Zweck  der  Moxa.     Bd.  IV,  46. 
Münzen  s.  die  Beiträge  von  Branisen  und  Scriba. 
Musik  auf  den  Adniiralitätsinseln  s.  dieses  Wort. 
Musik  chinesische.     Jetzt  noch  in  China  üljliche  Instrumente.    Bd. 

I,  Heft  IX,  27  ff 
Zur  Verglcichung  chinesischer  und  ja[janischer  Alusik  (Stein). 

Bd.  I,  Heft  IX,  60-62. 
Theorie  der  chinesischen  Musik  und  ihr  Zusaninienliang  mit 
der  Philosophie  {Wajroicr).     Bd.  II,  42-61. 
Musik  und  Gesang  in  Japan-     Am  Hof  des  Shogun.    1kl.  I, 

Heft  ,11. 
Notizen  über  die  japanische  Musik  {Mitllcr).     Bd.  I,  Heft  VI, 

13-31  ;  Heft  VIII,  41-48  ;  52  ;   Heft  IX,  19-35. 
Zur  Verglcichung  chinesischer  und  japanischer  Musik  {Stein). 

Bd.  I,  Heft  IX,  60-62. 
Musikinstrumente  der  Ainu.     Bd.  III,  237. 
ICrläuterung  japanischer  Musikstücke.     1kl.  IV,  107. 
Japanische     IMusikstücke    (r-.    Zcdtii'itrj).     Bd.    IV,     129-145. 

(vgl.  107). 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  japanischen  Musik  (Dittrich).     Bd. 

VI,  37^>-39i- 
s.  auch  Lieder. 
Mythologie   japanische   s.    SJdntoismus.     Japanische   Mythologie 

buddhistisch-chinesischer  Färbung.     Bd.  I,  Heft  III,  2. 
llir.sch  als  Götterbote.     Bd.  Heft  III,  2. 
Vergleichende    Mythologie  :     Die     geflügelte    Sonnenscheibe 

{Rastlakx).     Bd.  III,  426-434. 


N 

Nagasaki  {Ili.-.en)  Verwaltung  und  Bewachung  des  Fremdenhafens. 

Bd.  I,  Heft  II,  3. 
Nahrungsmittel  der  Japaner.     Anfertigung  von  Tofu,  Yuba  und 

Arne  {KUier).     Bd.  I,  Heft  V,  3-5. 


62 

Bereitung  von  Shoyu,  Sake  und  Myrin  {Ifoß'uiajiii).  lul.  I, 
Heft  VI,  8-1 1. 

Nahrungsmittel  der  japanisehen  Bauern.     Bd.  II,  139. 

Ncährwert  des  Tofu  {Langgaard).     Bd.  II,  268  f.  bis  cf.  271. 

Nahrung  der  Oshimaner  (Liukiu).     Bd.  III,  1 17. 

Nahrung  der  Ainu.     Bd.  III,  223. 

I^enierkungen  von  Sclicubc  über  die  Nahrung  der  Ja[)aner. 
Bd.  III,  282-294. 

Die  Ernährung  der  Japaner  vom  volkswirt.schaftlichen  Stand- 
punkt {Baclz).     Bd.  IV,  295-297. 

Beiträge  zur  Kenntnis  der  h>rnährung  der  Japaner  {Kc/nicr 
7ind  Mori).     Bd.  IV,  305-321  ;   397  f. 

Ueber   einige    japanische    Nahrungsmittel    {Löio).       Bd.    VI, 

JD-   :)54- 
Bereitung  der  Shoyu-Sauce  [Löio).     Bd.  VI,  474-476. 

Namengebung  der  Kinder  in  Japan.     Bd.  II,  79. 

Nara  s.  den  Aufsatz  von  Cocliius.     (Bd.  I,  Heft  VII,  32-36). 

Erwähnung  von  KcmpcnnauJi.     Bd.  II,  143  f 

Nebenfrauen  s.  Konkubinat. 

Neu-Guinea  s.  MWcniocs-Sulim. 

Neujahrsfest   das  japanische  s.  den  Aufsatz  von  Sataro  liirosc. 

(1kl.  III,  257-275)- 
Nikko    Naturwissenschaftliche     Reisestudien     in    Japan  :     Nikko 
[^Rcin).     Bd.  I,  Heft  VI,  60-61  ;  Heft  VII,  21-29. 
l^otanische   Exkursion  von    Tokyo   nach   Nikko   {^Nicu'crth). 

Bd.  I,  Heft  VII,  9-11. 
Nikkoberge  {Knipping).     Bd.  II,  61-63. 
Weg  von  Nikko  bis  Ikao,  mit  Karte  {Schutt).    Bd.  III,  202. 
Numismatik  s.  Bramscn  ;  Scriba. 

o 

Obstbau  in  Japan.     Obstbäume  bei  Kozaka.     Bd.  II,  66. 
Obstbau,  Diskussion.     Bd.  II,  159. 
Einführung  der  Obstsorten  in  Ostasien,     Bd.  II,  406  f. 


63 

Olltake  in  Shinano.     Bd.  I,  lieft  X,  4. 

Opium  Bereitung  und   Benutzung   {Martin).      Bd.    I,  lieft  VIII, 
5-7  ;  Heft  IX,  1-4. 


Papier  Aus    Papier  gefertigte    spanische   Wände    aus    Japan    ex- 
portiert.    Bd.  I,  Heft  II,  14. 
Bereitung  des  japanischen  Papiers  {Zappe).    Bd.  I,  Heft  II,  14. 
Verzeichniss  von  Papiersorten.     Bd.  I,  Heft  II,  14-16. 
Anfertigung  des   Kreppapiers   (r'.   Brandt).      Bd.  I,  Heft  V, 

5-7- 
Stärke  zur  Fabrikation  des  Shibukanii.      Bd.  I,  Heft  IX,  59. 
Parasiten  Drei  Arten  von  menschlichen   Parasiten  {BacLz).     Bd. 

II,  368  f. 
Pllaria  immitis  und  andere  in  Japan  bei  Hunden  veorkommende 

Parasiten  {Janson).     Bd.  V,  345-347  ;   349-360. 
Die  tierischen  Parasiten  bei  Wiederkäuern  {Janson).     Bd.  VI, 

-7---75- 
Petroleum  in  Japan.     Bd.  I,  Heft  VI,  48. 
Pflanzenwachs,  japanisches.     Zubereitung  {Zappe).     Bd.  I,  Heft 

IV,  29. 

Zur  Kenntnis  des  japanischen  Pflanzenwachses  {Gecrdts).    Bd. 

I,  Heft  V,  38  f 
Pharmacopoeie  s.  Arzneikunde. 

Philippinen  Thongefasse   für    Thee    aus  den Bd.  I,  Heft, 

II,  I. 

Japanische  Kupferbehandking  auf  den Bd.  I,  Heft  V,  3. 

Philosophie  chinesische.     Theorie   der  chinesischen   Musik   und 

ihr  Zusammenhang  mit  der  Philosophie   {Wagener),     ßd. 

II,  42-61. 
japanische  der  Gegenwart  s.  den  Abschnitt  über  philosophische 

Ethik  in  der  Abhandlung  von  Bnsse.     Bd.  V,  471-487. 
Philosophen,   bedeutendere  japanische    der  Gegenwart.     Bd. 

V,  471  ;  500. 


64 

Physik  kosmische  s.  Scli'ütt,  Kin  Beitrag  zur  magnetischen  luxl- 

kraft.     (Bd.  III,  71-87). 
Plätteisen  /wei  Arten  japanischer.     Bd.  I,  Heft  VIII,  2. 
Poesie  chinesische  s.  die  Beiträge  von  ^Ircndt  und  Florenz. 

japanische  s.  Literatur. 
Politische  Einteilung  Japans  {Kricn).     Bd.  I,  Heft  VI,  32-38. 
Porzellan  Satsumaporzehanfabrik    in   Uta  bei  Yokohama  [Rciu). 
Bd.  I,  Heft  V,  3. 
Izumoporzellan  (Fayence).     Bd.  II,  130. 
Porzellanöfen  in  Japan.     Bd.  III,  177. 
Seladone  {Müller- Becck).     Bd.  IV,  193-195. 
Poststationen  Bestimmungen  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd. 

I,  Heft  II,  4. 
Prostitution  Stellung  der  Gesetze  des  lyeyasu  zu  derselben.     Bd. 
I,  Heft  II,  5. 
Prostituiertensteuern.     Bd.  II,  235. 
Echigofrauen  in  Bordellen  des  Nordens.     Bd.  II,  406. 
Psychologie  die  der  japanischen  Sprache  {j\Iundnger\     Bd.  VI, 
103-142. 
des  japanischen  Witzes  {Floren.-^).     Bd.  V,  424-430. 


Quarz.    Bd.  I,  Heft  VIII,  2; 


Q 


R 


Rechenmaschine  (Soroban)  s.  Wcstphal. 

Rechtspflege  s.    Gesetze  des  lyeyasu.     L'önhohn ;  Michaelis ;  Rii- 

dorff;    Weipert. 
Reis  Mass  der  Reisproduktion  in  Japan.     Bd.  I,  Heft  I.  9. 

Bestimmung  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu  über  Anlage  neuer 

Reisfelder.     Bd.  I,  Heft  II,  10. 
Reis  zur  Sakefabrikation,     Bd.  II,  240  f.  244. 


65 

Stärke-  und  Wassergehalt.     Bd.  II,  250. 

Nährwert.     Bd.  II,  268  f.  bis. 

Reis  als  Nahrungsmittel.     Bd.  III,  289  f. 

Analysen  s.  Kellner. 

Reisbau  s.  Fesca. 

Reisen  in  Japan  Praktische  Ratschläge  für  Reisen  auf  die  nörd- 
lichen Inseln  Japans.     Bd.  IV,  287  f. 
Naturwissenschaftliche   Reisestudien  in  Japan  {Rein).     Bd.  I, 
Heft  VI,  60-61  ;  Heft  VII,  21-29. 

Nara  {Cochius).     Bd.  I,  Heft  VII,  32-36. 

Reise  von  Kofu  nach  den  Quarz-  und  Bergkrystallgruben  bei 

Kurobara  {Schenk).     Bd.  I,  Heft  VIII,  21-23. 
Reise  nach  Kosaka.     Bd.  II,  64-68. 
Reise  durch  die  Centralprovinzen  Japans  {Kempennann).     Bd. 

II,  121-145. 

Reise  nach  dem  nordöstlichen  Teil  A'on  Yezo  und  den  Kurilen 
{Michaelis).     Bd.  IV,  289-291. 

Reisenotizen  aus  Mitteljapan  {IVagener).     Bd.  IV,  396  f.  397. 
Reisenotizen  aus  dem  Hokkaido  {JVagener).    Bd.  V,  184-188. 
Der  Kawaguchisee  {Knipping).     Bd.  V,  309-313. 
Neujahrsausflug  nach  Idzu  no  Oshima  {Riess).    Bd.  VI,  480  f. 
Religion  in  Japan  s.  Aberglaube,  Buddhisnins,  Christentum,  Con- 
fncianisnuis,  Feste,   Mythologie,  Leichenfeier    bzw.  Verbren- 
nung,  SJiinto.     Wallfahrten  der   Kaiser  zu  den  Tempeln. 
Bd.  I,  Heft  I,  6. 

Oberaufsicht  über  die  Tempel.     Bd.  I,  Heft  I,  8. 

Tempelcommissare.     Bd.  I,  Heft  I,  10. 

Ahnenkult  am  Shogunhof.     Bd.  I,  Heft  I,  1 1. 

Freiheit  der  Religionswahl  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu.      Bd. 

I,  Heft  I,  12  cf  Heft  II,  4  f 
Oberaufsicht  über  die  Religionen.     B.  I,  Heft  II,  6. 
Kopfscheeren  der  Blinden  und  Witwen  in  Japan.      Bd.  I,  Heft 

IV,  1 1  Anmerkung, 
bei  den  Ainu  s.  Ainu. 


66 

auf  den  Liukiu-Inscln  s.  Linkiu. 
Riukiu  s.  Lmkiu. 


s 

Sake  Bereitung  des  Sake.     Bd.  I,  Heft  VI,  9  f. 

Sakctrinkcn  bei  den  Ainus.     Bd.  I,  lieft  VI,  49  ;   58. 
Aufsat;^  von  O.  KorscJiclt.     Bd.  II,  240-258. 
Sakcanalysc  von  Kellner.     Bd.  IV,  221  f. 
Schachspiel  chinesisches  s.  den  Aufsatz  von  M'öllcndorff.     Bd. 
II,  11-18. 
japanisches  s.  den  Aufsatz  von  Holtz.     Bd.  I,  Heft  V,  10-12. 
Schädel  Varietät  des  Jochbeins  an  Japanerschädeln  {Hilge)idorf). 
Bd.  I,  Heft  III  I  f. 
Abnorme  Schädel,     ßd.  I,  Heft  X,  7. 
Ueber  drei   verschiedene  Typen   unter  Japanerschädcln  {Doe- 

nit.::).     Bd.  II,  69  f. 
s.  auch  Daelz,  Körperliche  Eigenschaften  der  Japaner. 
Schlangen  s.  Fauna. 

Schmetterlinge    Ein    Töae    von    sich    gebender   Schmetterling 
{Hilgendcrf).     Bd.  I,  Heft  VI,  68. 
Schmetterlinge  in  China.     Bd.  I,  Heft  IX,  8. 
Saison-Dimorphismus  bei  japanischen  Schmetterlingen  {Fritze). 

Bd.  V,  144  f. 
Schmetterlinge  auf  Yezo.     Bd.  V,  242-247. 
Schminke    japanische.     Schwärzen    der    Zähne    und    Lippen- 
schminke.    Bd.  I,  Heft  II,  I. 
Kosmetik  des  Gesichts  in  Japan  {BaelrS).     Bd.  IV^  '$^J  f. 
Schrift,    japanische.       Kami    yo    no    modji    oder    Götterschrift 
{Keniperniann).     Bd.  II,  85-93.  cf.     Bd.  V,  174. 
Anmerkung  über  die  japanische  Schrift.     Bd.  IV,  35  f. 
Problem   der  Abänderung  der  japanischen  Schrift.      Bd.  VI, 
104. 
Schulen  s.  UntcrricJitsivesen. 


67 
Schwert  Bestrafung  des  Verlierens  des  Schwerts.     Bd.  I,   Heft 

I,   12. 

s.  auch  Waffen. 
Seeschwämme  von  Enoshima.     Bd.  I,  Heft  II,  i  f 
Seidenbau  Seidenspinnerei  in  Kofu.     Bd.  I,  Heft  VIII  21  f 
Kampferspinner  {Hilgcndorf).     Bd.  I  Heft  IX,  56-58. 
Seidenraupe   s.   die   Beiträge  von    GrccvcUy  Ueber  den    Udji. 
Bd.  I,  Heft  VII,  20  f;    Bd.  II,  93-96  und  Piquct.     Bd.  II, 
96-105  und  Sasaki.     Bd.  IV,  162. 
Seidenausfuhr  aus  Japan  in  den  Jahren    1868,    1872,    1873, 
1876,  1877,  1878.     Bd.  III,  38. 
Sendai  Die  Küste  von  Sendai  und  Nambu   {Rein).     Bd.  I,  Heft 

VII,  26-29. 
Shanghai  Aus  der  Geschichte  von  Shanghai  {C.  Schmidt).    Bd. 

I,  Heft  IV,  20-23. 
Shimabara  Aufstand  von   1637-1638  {Riess).     Bd.  V,   191-214. 
Shintoismus  Die  drei  Götterdinge.     Bd.  I,  Heft  I,  5. 

Isetempel  alle  21  Jahre  neu  ersetzt.     Bd.  I,  Heft  I,  7. 
Strafandrohung    an  die  Shintopriester  in   den    Gesetzen    des 

lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  I,  12. 
Gohei.     Bd.  I,  Heft  I,  13. 

Moderner  Shintotempel  in  Yedo  (1868).     Bd.  I,  Heft  II,  2. 
Warnung  vor    Vernachlässigung    des    Kamidienstes    in    den 

Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  II,  4  f. 
Mittheilungen    über    die    Kamilehre    {Kempcrniann).     Bd.  I, 

Heft  IV,  30-36. 
Begräbnisgebräuche  [Kjioöloc/i).     Bd.  I,  Heft  VI,  39-41. 
Shintodienst.     Bd.  I,  Heft  VII,  22. 
Shintotempel  in  Nara.     Bd.  VII.  35  f. 
Shintomusikinstrument.     Bd.  I,  Heft  IX,  27. 
Japanische  Gebete  {Funk).     Bd.  I,  Heft  IX,  40-42. 
Shintopriester  führen  chinesiches  Getreidemass    ein.     Bd.  II, 

36. 
Die    Kamiyo    no    modji    oder    Götterschrift    {Kcinpcrnuvui). 
Bd.  II,  85-93. 


6gi 

Reise    durch    die    Ccntralprovinzcn    Jai)aus    {Kaiipcn/iann). 

Bd.  II,  121-145. 
Idzumo,  die  Hauptstätte  des  Shintoismus.     Bd.  II,  133  K. 
Shintoismus  in  Yamato.     Bd.  II.  142  fif. 
Pension  der  Shintopriester.     Bd.  11'  261  ;   265. 
Ursprünglichste  Form  des  Shintoismus  auf  Liukiu  zu  finden  ? 

Bd.  III,  115. 
Moderner  Staatsshintoismus  {Spiinicr).     Bd.  V,  78-79. 
Shintofcste  [Spinner).     Bd.  V,  7<S-79. 
Öharai  (Grosses  shintoistisches  Sühnefest,  Beschreibung  nebst 

der  Sühneformel)  s.  Spinner,    Moderner  Staatsshintoismus. 

Opfer  für  Abwesende  {Spinner).     Bd.  V,  230. 
Idee  des   stellvertretenden    Leidens  in  Verbindung    mit  dem 

Sonnenkult  {Spinner).     Bd.  V,  230. 
Totenfeier  nach  Shintoritus  {Spinner).     Bd.  V  285-286. 
Gegenwärtige  Bedeutung  des  Shintoismus  und  Shintoliteratur 

s.  den  Aufsatz  von  Busse.     Bd.  V,  439  ff.  455  ;  563  ;  491  ; 

497- 
Das  Shintogebet  der  grossen  Reinigung  (Üharai  no  kotoba) 

{Weipert).     Bd.  VI,  365-375- 
s.  auch  Aberglauben  ;  Feste  ;   Jl'ahrsagen. 
Shogunat  Zur  Stellung  des  Shogun  s.   Gesetze  des  lyeyasu. 

Chronologisches  Verzeichnis    und  Stammtafel    der    Shogune. 

Bd.  I,  Heft  I,  17-20. 
Der  japanische  Adel  vor  1 868  {i<.  Brandt).    Bd.  I,  Heft  VI,  5-8. 
Der  letzte  Shogun  s.  La)ige,  Kampf  auf  Ueno. 
Shogunatsgründung.     Bd.  II,  164  f. 
Schulden  der  Shogune.     Bd.  II,  261. 
Andere  Titel  des  Shogun.     Bd.  III,  374. 
Harris'  Empfang  beim    Shogun.     Bd.  III,  380. 
Shogunregierung  s.  Ilenskens  Tagebuch. 
Zwangsanleihen  des    Shogunats.     Bd.  III,  390. 
Rechtspflege  unter  den  Tokugawa  {Rudorff).     Bd.  IV,  378- 

394- 
Sidotti  Pater  und  Arai  Hakuseki  {Lonhobn).      Bd.  VI,  147-189. 


69 

Siebold,  Phil.  Franz  von,  Freiherr  Sein  Einfluss  auf  die  japa- 
nische Ileilkunde.     Bd.  I,  Heft  I,  24. 
Seine  Verdienste    um  die  Flora   japonica.     I3d.   I,  lieft  IV, 

38. 
Festrede  auf  ihn  {Baelz).     Bd.  VI,  392-397. 
Sklaverei   Japaner  kaufen  schwarze    Sklaven  von   den  Portugie- 
sen.    Bd.  I,  Heft  IV,  23. 
Portugiesen     kaufen     und    verkaufen    Japaner    als    Sklaven. 

Bd.  I,  Heft  V,  32  f 
in  Fusang.     Bd.  II,  3. 
in  Korea.     Bd.  IV,  20  f 
Landverteilung  an  Privatsklavcn  und  Staatshandwcrkssklaven 

in  Japan.     Bd.  V,  122. 
Dr.    Florenz    Polemik  gegen  Chamberlain's  Behauptung,  dass 
es  im  alten    Japan  keine    Sklaverei    gegeben    habe.      Bd. 
V,   168-172. 
Solfataren    Die    Solfatare    von    Ashinoyu    [Cochhis).     Bd.   Heft 
III,  2  f. 
Die  Solfatara  am  Ojingoku  {Ritter).     Bd.  I,  Heft  III,  3  f. 
Solfatarenfeld    des   Komangatake  bei   Hakodate  (v.  Brandt). 

Bd.  I,  Heft  III,  4. 
Solfatare  des  Esan    bei    Hakodate    (v.  Brandt).     Bd.   I,  Heft 
Der  Geysir  in  Atami  {Kiuitse).     Bd.  I,  Heft  VII,  30-32. 
Sonnenkult    Die  Idee    des  stellvertretenden   Leidens  in  Verbin- 
dung   mit    dem    Sonnenkult  in   Japan    {Spinner).     Bd.  V, 
230. 
Sonnenscheibe,  die  geflügelte  (Eastlake).     1kl.  III,  426-434. 
Soroban  s.  RecJiemnaschine. 
Soziale  Gliederung  in  Japan  s.  Adel,  der  japanische. 

s.  Gesetze  des  lycyasn  passiui ;  und  Hoffniaiui,  Die  PIcilkunde 
in  Japan  und  japanische  Aerzte. 
Spiegel  s.  Zauberspiegel. 
Spiele  chines.  s.  Sehachspiel. 

Spiele  japanische    Go    (Brettspiel).      Bd.    I,   Heft  IV,    19  (von 
Fürstenärzten  zu  spielen). 


s.  KorscJicU. 

Scliachspiel  {Holtz).     Bd.  I,  lieft  V,  10-12. 
Spiel  am  Neujahrsfest  s.  Hirosc. 

Gesellschaftsspiel  {Lehmann).     Bd.  III,   422-425.  cf     Bd.  I, 
lieft  X,  37. 
Sprache  japanische  Deutsche  Werke  über  die  japanische  Sprache 
{Wcipert).     Bd.  V,  277-2S1. 
l'sycholoi^ie  derselben  {Muiirängcr).     Bd.  VI,  103-142. 
Sprichworter   japanische.      Gesammelt    von    Knoblocii.      Bd,   I, 
Heft  IV,  23-26. 
Gesammelt  von  Lange.     Bd.   I,  Heft  VIII,  50-52  ;   Heft  IX, 

59-60  ;   Heft  X,  34-37.'     Bd.  II,  415-421- 
Gesammelt  von  EJunann.     Bd.  VI,  70-102. 
Staatshaushalt  Japans,  s.  Mayct,  Die  jap.  Staatsschuld. 
Stände  s.  Sorjia/e  Gliederung. 
Stärkefabrikation  aus  Reisabfällen.     Bd.  I,  Heft  IX,  59. 

aus  Kudsukadsura    (Pueraria  Thunbergiana)    Katakuri  (Ery- 
thronium   grandiflorum)   Warabi  (Pteris   aquilina).     Bd.    I, 
Heft  IX,  58-59. 
Statistik  s.  Bcvdlkemngsstaüstik. 

Stenographie,  japanische  {Lehmann).     Bd.  V,  159-163. 
Steuerwesen  in  den  Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd.  I.  Heft  I,  12. 
Beisteuern  der    Provinzen    zur    Ausbesserung    von    Schäden, 
welche    durch  die    Elemente    angerichtet    werden.     Bd.  I, 
Heft  II,  4. 
Steuerfreies  Land.     Bd.  I,  Heft  II,  4. 

Itinkünfte  aus    Wäldern,    P'lüssen  etc.       Bd.  I,  Heft  II,  4  bis. 
Strafen  in  P\isang.     Bd.  II,  3. 

in  den  Gesetzen  des  lyeyasu.      Bd.  I,   Heft  I,    11.    13;  Heft 
II,  2.  7. 
Strafgesetze  der  Ming  Dynastie.     Bd.  II,  93  Ammerkung. 
Strafrecht    Japans  in  den    Gesetzen    des    lyeyasu.     Bd.   I,  Heft 
II,  8. 
Altjapanisches  sacrales  Strafrecht.     Bd.  VI,  371-375. 
s.  besonders  Michaelis  und  Riidorff. 


71 


Taifune  Der  Taifun  vom   13.  Sept.    1874   {M.  v.  Brandt).     Bd. 

Bd.  I,  Heft  VI,  ir-13. 
Ursprung  des  Wortes    Typhon  und  der    Aussprache  Taifun 

{Himl)!).     Bd.  I,  Heft  VIII,  14-20. 
Die  Zerstörung  der    Gebäude  durch    Stürme  in  Japan.     Bd. 

n,  233. 

Die    grossen    September    taifuns     1878    {Knipping).     Bd.  II, 

343-336;  cf.  325  f. 
Der  grosse  Taifun    vom  August  1880   {Knipping).     VA.  III, 

90-102;   166-170. 
Wirkungen    desselben  auf  Oshima   (Liukiu).     Bd.  III,  107  f. 
Taifunbahnen  bei  Japan  {Knipping).     Bd.  IV,  293  f. 
Tätowierung  der  Ainufrauen.     Bd.  I,  Heft  VI,  57  ;  Bd.  III,  225. 
in  Wen  shen  kuo.     Bd.  II,  2. 
auf  Oshima.     Bd.  III,  115. 
in  Japan,  Ursprung  und  Bedeutung    derselben  {Bacl.z).     Btl. 

IV,  41-45. 
Taxen  für  Schiffe,  Pferde,  Kulis.     Bd.  I,  Heft  IL  6. 
Thee    Japanische    Theegesellschaften    {Fnnk).     Bd.    I,   Heft   VI, 

41-45. 
auf  Formosa.     Bd.  I,  Heft  VIII,  37.     Bd.  VI,  441. 
Ueber  den  Anbau  des  Thees  an  der  Westküste  Japans  (//?/w) 

Bd.  II,  10-13. 
Theeanalysen.     Bd.  II,  IV;  Bd.  IV,  212  fl 
Färben  des  Thees,  grüner,  schwarzxr  Thee.     Bd.  II,  V. 
Untersuchung    japanischer    Theesorten     {Martin).       15(1.    II, 

33-34- 
Theeausfuhr  aus  Japan.     Bd.  III,  38. 
Analyse  des  Bodens  des  Theegartens.     Bd.  III,  182  f 
Theesurrogate.     Bd.  IV,  214  f. 

Rösten  des  Thees  {Kellner  nnd  Mori).     Bd.  I\^,  416-417. 
Thermen  s.  Badeorte,  Mineralquellen,  Solfataren. 


72 

Thongefässe  alte,  Japanische.     1kl.  1,  Heft  II,  i. 
Tierheilkunde  s.  Vctcrinärhinde. 

Toilettenkunst  in  Japan  s.  im  Aufsatz  von  Baeh  über  Körper- 
liche lügenchaften  der  Japaner.     Bd.  IV,  "^-J  {^. 
Tokugawa  s.  lyeyasu. 

Chronologische    Tafel    der    Tokugawashogune    {v.    Brandt). 

Bd.  I,  Heft  I,  i8. 
Rechtspflege  unter  den  Tokugawa,  s.  J\IicJiaclis,  Riuforff. 
Tsuchi  Ningyo    (Thonfiguren    in    Gräbern).      Bd.  I,  Heft  VIII, 

13-14.  cf;   Heft  II,  5;  Heft  IV,  32. 
Tusche,  japanische.     Bd.  I,  Heft,  48. 

U 

Unterrichtswesen  in  Japan.  Adelsschulen  zu  Kyoto  in  der 
Tokugawazeit.     Bd.  I,  Heft  I,  5. 

Gründung  von  Schulen  befohlen  in  den  Gesetzen  des  lye- 
yasu.    Bd.  I,  Heft  I,  12. 

Studium  der  Heilkunde  in  Japan.     Bd.  I,  Heft  IV,  12  f. 

s.  Bericht  über  den  Vortrag  von  Groth.     Bd.  III,  366  f. 

Die  pädagogischen  Bestrebungen  Rekkös  in  Mito  {]Vcipcri). 
Bd.  VI,  38  f. 

Kunstgewerblicher  Unterricht  in  Japan  {El/:an).  Bd.  VI, 
397  f- 


Vaccination  durch    Dr.  v.  Siebold  in    Japan  eingeführt.     Bd.  I, 

Heft  I,  24. 
Vereinswesen  das  japanische  in  Tokyo  {Mayct).     Bd.  III.  359- 

363 ;  370-371 ;  400. 

Verkehr  Japans  mit  Slam,  Java,  Philippinen.     Bd.  I,  Heft  II  i. 
Ikstimnuing    über    Empfang    fremder     Gesandten.       Bd.    I, 

Heft  II,  7. 
mit  China.     Bd.  I,  Heft  V,  i  ;  Bd.  II,  9  f. 


mit  Portugal  s.  v.  Brandt,  Discovery  of  Japan, 
mit    England  s.   v.   Brandt,  Rclations    betwecn  the   Eiiglish 
and  the  Japanese. 
Versicherung  der  Gebäude  in  Japan  {May et).     Bd.  II,  228-239. 
Veterinärwissenschaft  s.  die  Beiträge  \o\\Jamon  und  Tokishige. 
Viehzucht  s.  Land^Lcirtschaft. 
Volkstümliche  Vorstellungen  in  Japan  {E/unaim).    Bd.  VI, 

329-341- 
Volkszählung  s.  Brodlkernngs Statistik. 

Vulkane    Ausbruch    des  Asoyama  im  Dezember  1872  {y.  Kno- 
bloch).    Bd.  I.  Heft  I,  22. 
Esan,  Komagatake  (erloschene  Vulkane).     B.  I,  Heft  III  4  f. 
Hakusan,  Ontake,  Tateyama,  Asamayama.     Bd.  I,  Heft  X,  4. 
Erdbeben  und  Vulkanausbrüche  in    Japan  {Xanuiann).     Bd. 

II,   163-216. 
Verbreitung,  Anordnung  und  Aufzählung  der  jap.  Vulkane. 

Bd.  II,  203. 
Vulkanische  Verwitterungs-produkte  {Fesca).     Bd.  IV,  160. 
Ausbruch   des    Bandaisan   im    Juli  1888    (IVada).      Bd.  V, 

69-74.  cf.  37  f. 
Vulkanische    Aschen,    vulkanischer    Schlamm    {Fcsca).     Bd. 

VI,  342-351. 


w 

Waffen  der   Ainu.     Bd.  III,  228  f. 

Trutzvvaffen  Altjapans  {Muller-Beeck).     Bd.  IV,  1-8. 

Das  japanische  Schwert  {Hütterott).     Bd.  I,  111-128. 
Wagener,   Dr.    Gottfried,    Nekrolog    für    ihn    {Ricss).     Bd.   VI, 

357-364- 
Wahrsagen  Androhung  von  Strafen  an  Wahrsagerinnen  in  i^^cn 
Gesetzen  des  lyeyasu.     Bd.  I,  Heft  I,  12. 
aus  den  Schulterblättern  des  Hirsches.     Bd.  I,  Heft  III,  2.  d\ 
Bd,  II,  91  f. 


74 

r^ijistraucli  als  Licbcsorakcl.     IM.  I,  Heft  IV^,  27. 

Auf   der    Rechenmaschine    (fM'v///^^?/).       P>d.     I,  Heft  VIII, 

48  f. 
Aus   dem    Panzer  der  Schildkröte    {Funk).     Bd.  I,  Heft  IX, 

36-40. 
]3ei  den  Ainus.     Bd.  III,  235. 
s.  auch  Gcomantik  und   VolstiimlicJic   ]'orstclhingcn. 
Wasserleitimg-en  Tokyos  {Martin).     Bd.  II,  18-20. 
Wassertemperatur  in  Japan.     Bd.  II,  223  f. 
Wechsell'echt  jap.  s.   Ldn/io/m,  Das  japanische    Handelswrecht. 

VA.  VI,  197-270. 
Wetterregeln  japanische  {Knip/^lng).     Bd.  IV,  223-229. 

X 

Xaverius  Franciscus,    führt  das  Christentum  in  Japan  ein.     Bd. 
I,  Heft  V,  31;  Bd.  VI,  166  f. 


Yamabushi.    Bd,  I,  Heft  I.  12. 

Yedo  Das  Shogunschloss.     Bd.  I,  Heft  I,  9. 

Gründung  der  Medizinschule.     Bd.  I,  Heft  I,  25. 
Yezo  Reise  im  südwestl.     Teil    von    Yezo    {Ritter).     Bd.  I,  Heft 

VI,  55-59.     Heft  VIII,  13-17. 

Erwcähnung  auf  dem  ältesten  Denkstein  Japans.     Bd.  I,  Heft 

VII,  26.  .     ■  ■. 
Yezo,  das  Land  der  Tätowierten.     Bd.  II,  5. 
Küstenkarte.     Bd.  II,  21. 

Karte  von  Matsura.     Bd.  II,  21.  22. 
Fi.sche  in  Yezo.     Bd.  II,  26,  28.  29. 
Krieg  in  Yezo.     Bd.  II,  103  f. 
Areal  von  Yezo.     Bd.  II,  120. 
Juraformation.     Bd.  II,  441. 
Kreideformation  {A'^ain/iann).     Bd.  III,  28-33. 


75 

Itinerar  einer    Reise  im    südl.      Teile    von  Yezo    (Scheube). 

Bd.  III,  88. 
Ratschläge  für  Reisen  in  Yezo  (Mic/uniis).     Bd.  IV,  287-288. 
Reise  nach  dem  nordöstl.    Teil  von  Yezo.     Bd.  IV,  289-291, 
Ausgrabungen.     Bd.  IV,  291  f.  292. 
Die  Kolonisation  Hokkaidos.     Bd.  IV,  413  ff. 
Reisenotizen  aus  dem  Hokkaido  {Wage7ici').    Bd.  V,  184-188. 
Grubenbewohner  auf  Yezo.     Bd.  V,  187  f.  369-373  cf.     Bd. 

IV,  292  bis. 
Fauna  von  Yezo  [Fritze).     Bd.  V,  236-248. 
Yezobär.     Bd.  VI,  68. 
s.  auch  Aiiut. 


Zauberspiegel  Erklärung  der  magisch-en  Eigenschaften  des  japa- 
nischen Bronzespiegels  und  seiner  Herstellung  {Mnraokd). 
Bd.  IV,  8-1 1  cf.  31  f.  32.  293. 
Magischer  Spiegel  in  China.     Bd.  VI,  28. 

Das  Supplement  "  NniONGl "  von  Dr.  K.  Florenz  hat  einen  besonderen  ausführ- 
lichen Index. 


i^c=S®S= 


Mitglieder 

der 

Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und 
Völkerkunde  Ostasiens. 

1873—1898. 


Ehrenmitglieder : 

Datum  der  Ernennung  : 

S.  Königl.  Hoheit  Prinz  Heinrich  von 

Preussen.  4.  Juli  1879 

M.  von  Brandt,   Wirkl.    Geh.    Rath   und 

Kaiserl.   D.   Gesandter  a.  D.  Exceli.  2.  Juli  1884 

Th.   von   Holleben,    Dr.  jur.  Kaiserl.   D. 

Botschafter,  Exceli.  23.  Dcc.  1891 

R.  Lehmann,  Ingenieui*.  20.  Jan.    1894 

Sir  Ernest  Satow.  Kgl.  Grossbritannischer 

Gesandter.  iS.  Dcc.  1S95 

Dr.  A.  Bastian,  Professor.  7-  OJ<t.  1896 


7S 


Mitglieder. 

Eini^ctrctcn  : 

Dcinerkuugcri. 

Abegg,  F. 

Feb. 

1889 

Abegg,  H. 

l<eb. 

1889 

AchrciUlial,  Baron  d 

, 

Juli 

1896 

Ahlburg, 

Juli 

j  >^y6 

gest.  1879 

Ahrcns,  11. 

Feb. 

1874 

gest.  1886 

Ahrcns,  H.  A. 

Nov. 

1892 

Aillion,  I.  A. 

Nov. 

1892 

Albrecht,  Dr.  G.  E. 

Re\-. 

Okt. 

1893 

^\ndcrscn, 

Mai 

1873 

Aoki,  Vicomte  S.  E 

xcell. 

April 

1886 

Arendt,  C. 

Okt. 

1873 

Ausgetr.  Jan.  1891 
gest.  1902 

Arncmann,  A. 

Dec. 

1S88 

Ausgetr.  Mai  1891 

^\rnold, 

Mai 

^^7?> 

Au,  Dr.  von  der, 

Feb. 

1870 

Ausgetr.  März   1893 

Baehr,  H. 

Mai 

1874 

Wiedereingetreten 
Mai  1888 

Baelz,  Dr.  E.  Geh. 

Hofrath 

Sep. 

1876 

Ehrenmitglied    1901 

Bahlsen,  E. 

Okt. 

1897 

Bair,  M.  M.  Kaiser 

.  Deutschet 

-  Mai 

1873 

s.     Geschichte     der 

Consul  a.  D. 

Gesellschaft. 

Balck,  O. 

Feb. 

1890 

Baltzer,  F. 

Juli 

1898 

Bansa, 

Juli 

1880 

Bavier,  E.  von. 

Mai 

1873 

Beate, 

Feb. 

1873 

*  Die  Namen  der  Leim  25  jährigen  Stiftungsfest  aktiven  Mitglieder  sind  im 
Druck  hervorgehoben.  Ein  Stern  (*)  vor  dem  Namen  be-icichnet  lebenslängliche 
Mitglieder. 


79 


Becker,  E.  K. 

Feb.    1893 

Becker,  R. 

Sep.    1 897 

Beenken,  H. 

Okt.    1889 

Behnke 

Mai     1873 

Beitter,  E. 

März  1890 

Benjamin  L. 

Okt.    1895 

Ausgetr.  Der  1897. 

Bergmann,  J.  Ober 

-Landes 

April  1887 

gerichtsrat 

Bergmann,  O. 

Mai     1887 

Wiedereingetreten 
April  1891 

Beukema.  Dr.  T.  W. 

Feb.    1874 

Wiedereingetreten 
Okt.  1880 

Bianchi 

April  1874 

Ausgetr.  Aug.    1886 

Biber,  Consul, 

Mai    1878 

Bibra,  Freiherr  von, 

März  1897 

Bieler,  Dr.  K 

Nov.  1897 

Bielfeld,  F. 

Mai    1 894 

Bing,  S. 

Feb.    1875 

Bismarck 

Okt.    1873 

Blankenburg.  M.  von 

General, 

Dec.    1886 

Ausgetr.  Jan.   1890 

Bluethgen,  VV.  Ingenieur. 

Juni    1890 

Biumenstein,  H. 

Sept.  1891 

Bobsien,  L. 

Nov.  1897 

Boeddinghaus 

März  1874 

Boegel-  Nehring,  F. 

Jan.     1880 

Ausgetr.  Mai  1894 

Boeger 

Okt.    1873 

Boldemann,  G. 

Sept.  1891 

Bolljahn,  J. 

Okt.    1889 

Böse,  C.  von, 

Okt.    1895 

Boyes,  R. 

März  1892 

Braess,  Ch.  Consul. 

Juli     1874 

Bramsen,  W. 

Feb.    1879 

Braun 

Nov.  1875 

Braune,  W.  W. 

Mai     1 894 

Brauns,  Dr.  D.  Professor. 

Jan.     1880 

8o 


Brcarly.  D.  S. 

l^rcmer,  C. 

J^rcniiwakl. 

lirinkniann,  Pfarrer. 

lUifHcr,   IT.  Consul 

Bueller,  V. 

Bueschel,   A 

Bunge  Th. 

Burchard,  M-  Consul 

Burrmeister 

Biu'ton,  W.  K. 

lUiscli 

Busse,  I^r.  T..  Professor 

Bylandt,  Graf  von,  Kgl.  Nieder- 

länd.  Gerandter  a.  D. 
Carcano,  Graf  von 
Chiossone,  E. 

Christlieb,  Dr.  M.  Pfarrer. 
Clouth,  Dr. 

*  Goates,  G.  Generalconsul 
Cochius,  Dr.  II. 
Cordes,  Y. 

Coudenhove,  GrafH. 
Coui'ant,  M.  Professor. 
Cramer,  F. 
Damma,  O. 
Danckwerts,  P^ 
Daniels,  W- 
Deck,  11.  C. 
Deck,  A. 
De  la  Camp,  sen. 
De  la  Camp,  ILO. 
De  la  Camp,  Ch.  Lange 
Delbrück,  K.  Geh.  Reg.  Rath 
Delbrück,  F,  Staatsanwalt 


Okt. 

1887 

Au.sgetr.  Feb.  1889 

Mai 

1893 

Ausgetr.  Feb.  1895 

Juni 

1^73 

April 

1 892 

Mai 

1886 

gest.  1893 

Dec. 

1892 

Dec. 

1896 

Dec. 

1873 

ge.st.  1901 

Mai 

1873 

Feb. 

1894 

gest.  1899 

Nov. 

1875 

ge.st.  1890 

Jan. 

1887 

Juni 

T890 

Mai 

1881 

Dec. 

1890 

gest.  1897 

Oct. 

1892 

Jan. 

1876 

Mai 

1886 

Mai 

1873 

Okt. 

1873 

Mai 

1892 

Feb. 

1895 

Feb. 

1874 

Ausgetr.  Nov.  185 

Mai 

1892 

Okt. 

1896 

Okt. 

1898 

Jan. 

1887 

Mai 

1873 

Jan. 

1891 

Nov. 

1892 

Apri: 

l  1887 

Apri: 

1  1887 

Ausgetr.  April  iSc 

Dell'oi-o,  T. 

Okt.    1 

874 

Denso 

Juni     ] 

874 

Dickens 

Mai     ] 

878 

Dietz,  F.  O. 

Feb.    I 

891 

Ausgetr.   Jan.    1895 

Disse,  Dr.  J.  Professor 

Sept.  I 

885 

Ausgetr.  Sept.    1892 

Dittrich,  R.  Musikdirektor 

April  I 

892 

Doederlein,  Dr.  med. 

Jan.     ] 

881 

Doenhoflf,     Graf,     Freiherr    7ai 

Sept.   ! 

885 

Kraft,     Kgl.     Preussischer 

Gesandter  z.  D. 

Doenitz,  Prof.  Dr.  VV. 

Okt.    ] 

873 

Doernberg,  Freiherr  von, 

Sept.  I 

885 

Ausgetr.  März  1889 
gest.  1895 

Dross.  R. 

Sept. 

885 

Dürbig,  F.  L. 

Sept. 

897 

Dumelin,  A.  Generalconsul  a  D. 

884 

Eastlake,  F.  W. 

Jan.     ] 

885 

Eby.  Rev. 

IN'Iärz  ] 

882 

Eckert,    F,    Kgl.    Preussischei 

Jan. 

881 

Musikdirector. 

Eggert,  Dr.  U.,  Professor 

April 

887 

gest.  1893 

Ehlers,  O.  E, 

Dec.   ] 

892 

gest.  1895 

Ehlert,  F. 

April 

[886 

Ausgetr.  Sep.    1891 

Ehmann,  P. 

Okt. 

[887 

gest.  1901 

Ehrenreich,  Dr.  P.  Professor. 

April 

[894 

Eisendecher,    K.    von,  Kgl. 

Nov. 

[875 

Preussischer  Gesandter 

Elkan,  W. 

Mcärz  1 

895 

EUon,  F. 

Sep.    ] 

898 

P^lmore,  Dr. 

Feb. 

875 

Engert,  M. 

März  ] 

874 

Wiedereingetreten 
Mai  1888 

Eschenburg,  G. 

März 

897 

Evers,  A. 

Mai 

t873 

Wiedereingetreten 
April  1892 

Eykmann,  J. 

Mai 

[880 

Wicdereingetreten 
September      1881 

Ausg.  Okt.   189: 


82 


Eytcl,  W. 

Okt. 

[886 

Faber,  II. 

Juli      ] 

874 

Ausgetr.  Juni  1893 

Fallet,  von,  Inc^cnicur. 

Veb.    I 

886 

gest.  1886 

*  Favi-e,  J. 

Sep. 

1898 

•  Feicke,  J- 

Juli 

897 

Fcindcl,  Kaiserl.  Coiisul. 

Feb. 

875 

Fesca,  Dr.  M.  Trofessor. 

Dec. 

882 

Fest,  Dr.  B.  T. 

Okt.    ] 

897 

Fic^aszewski,  E. 

Jan.     ] 

886 

gest.  1889 

Finckenstein,  Graf 

Nov. 

[896 

, 

Fischer,  E.  von. 

Okt.    1 

874  . 

Fischer,  A,  Professor 

Feb. 

895 

Wiedereingetreten 
Sep.  1897 

Fischer,  A,  Ingenieur 

März 

898 

Fischer,  O. 

Sept. 

[897 

J^'ischer,  V. 

Nov. 

[875 

Flesch,  Dr.  de,  Consul 

Feb. 

1895 

Flintsch,  O 

Feb. 

[881 

Ausgetr.   Apr.    1884 

*  Florenz,  Dr.  K.  Professor 

Nov. 

[888 

Focke,  Dr.  H.  Generalconsul 

Mai 

873 

Fox,  E. 

Sept. 

[895 

Francke,  Yokohama. 

Mai 

1873 

Francke,  Kobe 

Mai 

873 

Freyvogel,  E. 

März 

897 

Fritze,  Dr.  A. 

Feb. 

[889 

- 

Fritzsche,  K. 

Okt. 

[898 

I'\inck,  Dr. 

Mai 

1873 

Gebauer 

Dec. 

[873 

Geerts.  J. 

Mai 

1873 

gest.  [881 

Geisenheimer 

Mai 

1873 

Gerdts,  A. 

Sept. 

[898 

Gericke,  V,  Ingenieur 

Sept. 

[893 

Gerlach.  Dr. 

Jan. 

879 

Ausgetr.  Sept.    18S5 

Geslin,  H. 

Jan. 

885 

Ausgetr.    Jan.    1888 

Gcssler,  Alex,  von, 

Feb. 

[874 

Gierke,  Dr.  Professor.  April  1877 

Goeriz,  Dr.  O.  Professor.  Sep,    1898 

Gocrty,  Dr.  A.  Mai     1^74 

Goltz,  Freiherr  von  der,  Mai     1893 

Gottburg,  Dr.  Dec.    1874 

GottSChe,  Dr.   C.  März  1882 
Grasmann,  Dr.  E.,  Forstmeister  Jan.     1888 

Grauert,  H.        "  Dec.    1883     gest.  1901 

Grautoflf,  W.  Feb.    1897 

Greeven.  G.  A.  Mai     1873 

Greppi,  A  Jan.    1886 

Grimm  Dr.  H.  Dec.    1891 

Groesser,  E.  Mai     1873 

Groesser,  F.  Feb.    1878 

*Grotll,  Dr.  A.  Jan.    1881 

Grunwald,  F.  Feb.    1878     gest.  1897 

Grutschreiber,  Freiherr  von,  Okt.    1891     gest.  1901 

Generalmajor. 

Gutschmidt,  Baron  von,  Kaiserl.  Dec.    1875     Wiedereingetreten 

Deutscher  Gesandter  a.  D.  Feb.  1893 

Excell. 

Gutschow  Dr.  med.  Generalarzt  Mai     1873 

d.  Marine 

Haber,  L.  Consul.  Feb.    1874     Ermordet 

Aug.  1874. 

*Haberer,  Dr.  Juli    1896 

Hagelstange  Okt.    1873 

Hagen,  W.  Consul.  Okt.    1898 

Hake,  Th.  Nov.   1873 

Hamann  Feb.    1874 

Hansen.  H.  März  1897 

Harada,  Dr.  T.  Mai     1889     gest.  1894 

Hare,  A.  T.  Mai     1894     Ausgetr.  Nov.    1895 

Hart,  Sir  Robert  März  1874 

Harst,  L.  von.  der,  Okt.    1885 


84 

Hartig,    G.  Nov.   1897 

Hasche,  A.  April  1892 

Heckert,  H.  Mai    1889    gest.  1899 

Heeren,  A,  Feb.    1874 

Heinemann,  Mai     1873 

Heise,  W.  Juli      1874     gest.  1895 

Heitmann,  A.  W.  Mai    1895 

Heitmann,  C.  Sept.  1898 

Helm,  Feb.    1878 

Helm,  P.  Sept.  1898 

Herb,  F.  Okt.   1894 

Hering.  Dr.  O.  Juni    1885 

Hernsheim,  E.  Consul.  April  1898 

Herrmann,  V.  Juni   1897 

Herz,  Dr.  Sep.    1893 

Herz,  Dr.  J.  Juli     1898 

Heuser,  C  April  1898 

Heyde,  E.  von  der  Mai     1873 

Heyden,  Dr.  W.  van  der  Okt.    1873 

Heyking,  Baron,  von.  Kaiserl.    Juli     1896 

Gesandter 

Hildebrand,  Maler,  Okt.    1873 

Hilgendorf,  Dr.  Mai     1873 

Hirsch,  L  Okt.    1889 

Hochn,  W.   Hauptmann,  Feb.    1886     gest.  1892 

Hofier  von  Hoffenfels  Jan.     1881 
Hoffmann,  Dr.  med.  Professor.     Mai     1873 

Hoffmann,  F.  Dec.  1897 

*Holm,  J.  Jan.    1888 

Holm,  P.  Sept.  1897 

Holtz.  Mai     1873 

Howell  Mai     1873 

Hudofisky  Juli     1874 

Hucbner  Mai     1873 

Huetterott,  G.  Consul  Nov.   1884 


85 


Hussmann,  W. 

Ilgncr,  E.  Oberstleutnant 

April 
Feb. 

898 
886 

Ausgetr.  Sep. 

[897 

lUies,  C. 

Mai     1 

873 

S.     Geschichte 
Gesellschaft. 

der 

Inouyc,  Dr.  T.  Augenarzt 
Iversen,    H. 

Jan. 
Feb. 

888 

874 

Ausgetr.  Jan. 

gest. 
gest.  1895 

[889 
1895 

I Versen,  Ch. 

Juli      ] 

874 

gest.  1893 

Jacobi,  K.  Ingenieur 

Nov. 

888 

Ausgetr.   Nov. 

1892 

Jankovich,  B.  von. 

Okt.    ] 

892 

Janson,  J.  L.  Professor 

Dec.   I 

880 

Jasmund,  von,  Assessor 

Jun.    I 

88; 

gest.  1891 

Jauss,  C. 

Okt.    ] 

880 

Johst,  H. 

*  Juengermann,  Direktor. 
Junker  von  Langegg,  Dr. 
Junker,  E, 

Feb.    ] 

Nov. 
Okt.    ] 
Nov.'  ] 

881 
895 
873 
896 

*  Kaemp,  R.  H. 
Kalkhof,  C. 
Kallen,  Dr.  R.  Consul 

Mai 
März 
Nov.   ] 

888 
898 
893 

Karcher,  E. 

Feb.    I 

890 

Kassel,  E.  Rechtsanwalt 

Nov.    I 

893 

Katsura,  Vicomte,  General, 
Minister-President  Excell. 

Mai     I 

887 

Kauffmann,  E.  Architekt 

Mai      1 

888 

gest.    1889 

Kaufmann,  M. 

Kayser,  C 
Kayscr,  Th. 
Keil,  O. 
Kelch,  0. 

Dec. 

Okt. 
April 
Jan. 
Jan. 

884 

[889 
1890 
1885 
1891 

Wiedereingetre 

März  1889 
Ausgetr,  Jan. 
Ausgetr.  Feb. 
gest.    1899. 
Ausgetr.  März 

ten 

1895 
1893 

1891 

Kellmann,  E. 

Kellner,  Dr.  O.  Geh.  I  lofrath 

Nov. 
Jan.     ] 

[897 
882 

gest.   1899 

Kempermann  J. 

Kempermann,  P.  Kaiserlichci 
Ministerresident. 

I\Iai     ] 
Mai     I 

873 
^73 

gest.  1900 

86 

Kcmpte,  l>r  II. 

Kern,  !••  April  1898 

Kessler,  H  l^^c.   1887 

Kitao,  Dr.  R.  Professor  März  1890     Ausgetr.  Nov.    1891 

Klaas.  W.  Juli      1881 

Kleffel,  Dr.  R.  Gcncralstabsiuzt  Jan.     1888 

Klcinwächtcr,  F.  Okt.    1889     Au.sgctr.    Mai    1899 

Klcinworth,  r.  Mai.    1894 

Kleinworth,  A.  O. 

Knappe,    Dr.    \V.    Kaiserlicher 

Generalconsul  Nov.  1889 

Kniffler,  H.  Juli     1875 

Knipping,  E.  Mai     1873 

Knoblauch,  F.  Okt.    1874 

Knobloch,  A  von,  Mai     1873     gest.   1875 

Knobloch,  von.  Mai     1873 

Knoop,  A.  W.  Okt.    1873 

Knoop,  Th.  Okt.    1873 

Koch,  A.  L.  Feb.   1889     Ausgetr.  Jan.  1891 

Wiedereinge. 
Feb.  1898. 
Koch,  H.  Mcärz  1898     Augetr.  Juli  1891 

Koch,  W.  Jan.     1893 

Koch,  Dr.  med.  Oberstabsarzt 
Kochen,  M.  Okt.   1886 

Koeber,  Dr.  R.  von,  Professor  Sept.  1893 
Koenigsmarck,  Graf  H.  Nov.  1897 

Koeppe,  K.  Jan.     1885      gest.    1897 

Korscheit,  Dr.  Jan.     1877 

Korthals  Mai     1873 

Kozakow,  A.  Feb.  1895 

Krauel,  Dr.  Mai     1873 

Krebs,  F.  Okt.    1880 

Krcitncr,  G.  von,  Generalconsul    Okt.    1885     gest.    1893 
Krencki,  R.  von,  Generalconsul  Jan.     1891 


^7 


Krien,  F.  Kaiscrl.  Consul 

Mai 

1843 

Kroneck,  E. 

April 

1898 

Kuegler,  Dr.    H.  Oberstabsan 

:t 

IKl. 

Sept. 

883 

Kunberger.  W. 

Dec. 

[886 

Ausgetr.  Feb.   1889 

Lange,  Dr.  R.  Professor, 

Feb.    I 

875 

Wiedereingetreten 
Juli  1889 

Langfeld,  A. 

Jan. 

881 

Langgaard,  Dr.  A. 

Jan. 

[876 

Larrong,  P, 

Okt. 

881 

Laufer,  Dr.  B. 

Sept.  ] 

898 

Leesen,  von 

Mai 

873 

Lemmer,  A. 

Feb.    ] 

875 

Lentze,    Dr.    A.    Wirkl. 

Voi 

■- 

tragender  Rath 

Sept. 

890 

Lenz, 

Feb. 

874 

Lenz,  T. 

Mai 

[893 

gest.    1897 

Levy,  A. 

Sept. 

[895 

Levy,   L, 

Jan.     ] 

880 

LcAvisch,  R. 

Jan. 

[888 

Leybold,  L.   Ingenieur 

Mal     1 

897 

Leyden,  Graf  C.  von,  Kaiscrl  E 

>. 

Gesandter 

]\Lii     1 

898 

Leysner, 

Okt.    I 

873 

Liebscher,  Dr.  Professor, 

Okt.    I 

880 

Lienhardt, 

Okt.    I 

873 

Litta,  Graf. 

Mai     1 

873 

Lloyd,  Rev.  A. 

Feb.    I 

894 

Lodter,  Dr.  H. 

Nov. 

893 

gest.    1894 

Loebbecke,  Leutnant, 

Okt.    1 

875 

Loehr,  von,  Consul 

No\'.   I 

892 

Loenholm,  Dr.  L.,  Landgerichts 

- 

direkter. 

Okt.    1 

889 

Loew,  Dr.  0.,  Professor, 

Okt.    I 

893 

Ausgetr.  Jan.  1898 

Lord,  O. 

Okt.    I 

898 

88 


Ludwig;,   O. 

Nov. 

S/5 

Luedecke,  I' 

März 

898 

Lueder, 

Mai 

873 

Luehrs,  K- 

Sep. 

898 

Liiethy,  I>. 

Okt. 

898 

Luther,  II. 

März 

H95 

Lyman,  BS. 

April 

879 

Maack, 

Mai 

873 

gest.    1 894 

MacCarthy 

Nov. 

878 

MacCaulay,  Clay, 

Nov. 

«93 

' 

IMachcnliauer, 

Mai 

^73 

Maenz,  IL 

Juni.   I 

886 

Ausgetr. 

Apri 

1  1890 

Mammelsdorf,  J. 

Mai     ] 

893 

Mandl,  H. 

Feb. 

891 

Marcks,  W.  l^ergassessor 

Mai 

879 

Marciise,  S. 

Mai 

893 

Marischall,  H. 

März 

889 

Martin,  Dr. 

Mai 

1873 

Marx,  E. 

Okt. 

889 

Ausgetr. 

Jan. 

1891 

Maschke,  K.  Kapitien  z.  S. 

Nov. 

[895 

Mason,  A. 

Nov. 

[897 

Matsugasaki,  Baron. 

Dec.   I 

886 

Ausgetr. 

Jan. 

1887 

Mayet,  Dr.  P.  Professor 

Feb.   I 

876 

Ausgetr. 

Sep. 

1897 

Meckel,  M.  General 

Juni    1 

885 

Ausgetr. 

Nov 

1891 

Meier,  A. 

Mai    I 

884 

Ausgetr. 

Sep. 

1888 

Meier,  O. 

Jan.    I 

885 

Ausgetr. 

Sep. 

1888 

■  Meincke,  M.  Hauptmann 

Okt. 

895 

Meister,  Dr.  11. 

Okt. 

1 896 

Merck,  Dr.  W. 

Feb. 

1888 

Merian,  J.  R. 

Sept. 

883 

Meyer,  O.  (Bombay) 

März 

[898 

"Meyer,  0.  (Yokohama) 

Okt. 

[898 

i\Iezger, 

Jan. 

[881 

Michaelis,  Dr.  G.  Regierungsi 

ath.  Okt. 

1885 

Ausgetr 

Juni 

1893 

Milberg,  R. 

Sep. 

[897 

89 


Milnc,  J.  Professor 

Mai 

1898 

Ausgctr.   Oct. 
Wiedereingetr. 

Sep.  1892 
Ausgetr.  Sep. 

1886 
[894 

*Mirre,  H.  Kapitänleutnant  a.  D 

.  Nov. 

1895 

Miura,  Dr.  K.  Professor 

März 

1896 

Miyashita,  Dr.  med. 

Mai 

1894 

gest.    1900 

INIoehlmann,  P.  A. 

Feb. 

1888 

]\Ioellendorf  Dr.  O.  von. 

Mai 

1873 

Ausgetr,  Sept. 
gest. 

18S5 
1901 

Moellendorflf,  P.  G.  von,  Sekretär 

der  Generalzollinspection 

Feb. 

1874 

Mohl,  von 

Okt. 

1873 

Mohl,  O.  von, 

Mai 

1887 

Ausgetr.  Nov. 

1891 

Mosle,  A.  G. 

Nov. 

1885 

*  Mosle,  G.  R. 

Juni 

1890 

Mosse,  A.  Oberlandesgerichtsrath  INIai 

1886 

Mosthaf,   H.  von.   Ober   Regie 

"- 

rungsrath. 

Juni 

1891 

Müller,  A. 

Nov. 

1884 

Müller,  Dr.  med,  Oberstabsarzt 

^lai 

1873 

gest.    1893 

Müller,  Dr.  W. 

März 

1897 

Müller,  W. 

Sep. 

1898 

Mnller-Beeck,   G.    Kaiserl.  E 

). 

Konsul 

Juni 

1880 

Münch,  O. 

Juni 

1889 

ge-st.    1894 

Münster,  B. 

März 

1881 

Munzinger,  C.  Pfarrer 

März 

1890 

Muthesius,  H. 

Nov. 

1887 

Ausgetr.   Feb. 

1893 

Nagai,  Dr.  K.  W.  Professor 

Jan. 

1891 

Nascentes-Ziese, 

Apr. 

1887 

Ausgetr.   Jan. 

1888 

Naudin,  J. 

Mai 

1873 

S.    Geschichte 
GeselLschaft 

der 

Naumann,  Dr.  Professor. 

Okt. 

1875 

Netto,  C. 

Ausgetr.  April 

1893 

Neubert,  G. 

April 

1892 

gest.    r897 

90 


Neydhart, 

Dec.    I 

887 

Nielsen,  II. 

Okt.    I 

^73 

Niewerth, 

Mai     I 

873 

NIppold,  Dr.  F. 

Okt.    1 

889 

Ausgetr.  Sep. 

1892 

NiiTnheim,  A, 

Sept.  I 

898 

Nissle,  I^. 

Mcärz  1 

898 

Nitzsche,  C.  G. 

Okt.    I 

873 

Noltenius,  I''.  H. 

Nov.   I 

897 

Ochlniann, 

Sept.  1 

875 

Oestmann,  A. 

Mai     I 

873 

S.    Geschichte 
Gesellschaft 

der 

OhI 

Mai 

873 

Ohly,  R. 

Sept.  I 

897 

Ohne 

Okt.    ] 

876 

Ohrt,  Dr.  E. 

Sept.  ] 

893 

Olarowsky 

Mai 

874 

Cordt  van, 

Jan.     ] 

874 

Orth,  E. 

Sept. 

891 

Orth,  H. 

Feb.    I 

889 

gest.  1894 

Ostermeyer,  M 

Dec. 

886 

Owen 

Mai 

875 

Papelier,  Dr.  E.  M. 

Mai 

891 

Pardun 

Feb. 

[879 

Paulsen,  J. 

Mai 

[894 

Pelikan,  Consul 

Mcärz  ] 

876 

Ausgetr.  Dec. 

1889 

Pelldram,  Consul 

Nov. 

[881 

Peltzcr,  J. 

Juli 

[886 

Pfister,  R. 

März 

[897 

Pietzcker,  V.  Th. 

März 

897 

Piorkowski,  Ilauptmanna  D. 

Nov. 

1895 

Pistorius 

Mai 

1873 

Plate,  F. 

Mai 

1875 

Polder,  van  der,  Legations-Secr. 

Feb. 

1890 

Ausgetr.    Jan. 

1898 

Pollitz,  G. 

März 

1898 

Popert,  l\ 

März 

[898 

91 


*Pors,  M. 

Feb.    1 896 

Posch,  W. 

März  1881 

Ausgetr.   Sep.    18 

Posse,  E. 

Juli     1895 

Praun, 

Mai     1873 

Pschorr,  Dr.  phil. 

Okt.    1896 

Putzier,  V. 

Jan,     1884 

gest.  1901 

Ouadt,  Graf,  Legationssekretär 

Nov.   1893 

Ramseger,  H. 

Juni     1892 

Rasch 

Mai     1873 

Raslaff,  V.  Excell. 

Nov.  1875 

Raspe,  H. 

Juli     1896 

Raspe,  M. 

Juli     1884 

Rathgen,  Dr.  K,  Professor 

Mai     1881 

Reddelien,  A, 

Mai     1873 

Wiedereingetreten 
Sep.   1885 

Refardt,  C. 

Dec.    1896 

Reh, 

Feb.    1 874 

Reifif,  R. 

Nov.  1897 

Reimers,  A. 

Juli     1874 

Reimers,  O. 

Feb.    1890 

Reimmann,  K. 

Okt.    1897 

Reinsdorf,  Kaiserl  D.  Konsul. 

Okt.    1828 

*  Rembielinski,  St. 

Juli     1884 

Retz,  F. 

Sep.    1885 

Rhine,  Ch. 

Juli     1898 

*  Riess,  Dr.  L. 

Feb.    1887 

Ritter,  Dr.  P.,  Schweizer.  Gene- 

Sep.    1 894 

Ausgetr.  Nov.   i8g 

ralconsul. 

Ritter,  Dr.  H. 

Mai     1873 

gest.  1874 

Robert,  R. 

Dec.    1886 

Rodrigues  y  Munor 

Mai     1873 

Roehr, 

Nov.  1875 

Roesing 

Mai     1881 

Roesler,  Dr.   II.   Professor 

März  1879 

ge.st.  1893 

Rohde,  C. 

März  1889 

92 


Rorctz,  von 

Rosen,     l^aron,    Kaiscrl.    Rus- 
sischer Gesandter 
Rottmann,  A. 

Rudolph,  C,  Regicrungsrath 
Rugter,  J.  S. 

*  Rumschöttel,  R.  Direktor 
Runkwitz,    Dr.    med.    Ober- 
stabsarzt 

Sachse,     R.     Geh.      expedie- 
render Sekretär 
Sagel,  W. 
Sakaki,  Dr.  H. 

Sciiabert,  P. 

Schaeffer,  A, 
*Schaeffer,  E. 

*  Schanz,  M. 

Schanz,  O. 
Schauenburg,  A. 
Schedel,  J. 

SchelUng,  Dr.  K.  von,  Legations- 

rath. 
Schendel,  Dr. 
Schenck      von      Schweinsburg, 

Freiherr, 
Schenk,  C. 
Scherer,  O. 
Schermbeeck,   von. 
Scheube,  Dr.  ]i.  Sanitätsratli 
Schiff,  F. 
Schiller,  E,  Pfarrer 

*  Schinzinger,  A,  Hauptmann, 
Schlippenbach,  Baron 
Schmiedel,  O,  Pfarrer. 


Feb.    1 

875 

März  I 

876 

Jan.     ] 

885 

April  I 

884 

Ausgctr.  Nov.  1891 

Dec.    ] 

874 

Mai 

888 

Nov.   ] 

892 

Juli 


895 


Okt. 

880 

Mai 

888 

Ausgetr.   Jan.    1894 
gest.  1899 

Nov.  ] 

897 

April  ] 

876 

Feb.    ] 

890 

Okt. 

897 

März  I 

891 

Ausgetr.  April  1893 

Feb. 

887 

Jun. 

[S91 

gest.  1897 

Feb. 

S75 

Okt. 

876 

Mai 

1873 

Nov. 

[894 

Dec. 

[883 

Dec. 

1877 

März 

1887 

Apr. 

1895 

Juli 

1896 

März 

1882 

Nov. 

1887 

93 


Schmid,  E. 

Mai     ] 

873 

Schmidt, 

Scp.    ] 

877 

Schmidt,  P. 

Okt.    I 

897 

Schmidt-Leda,  Dr.  jur.  Kaiscrl 

Sep.    I 

888 

IMinister-Rcsident 

Schmidt-Scharflf,  R. 

März  I 

897 

Schnell,  T. 

Feb. 

874 

Schoenicke,  J.  F.   Zolldircktor. 

Feb.    1 

893 

Schuett,  O. 

Sep.    I 

880 

Schultz 

Mai 

873 

Schnitze,  Dr.  med.  Professor 

Feb.    ] 

875 

Schumacher,  Dr.  H.  Professor 

Okt.    I 

897 

Schurig,  A.   H. 

Feb.    I 

889 

Ausgetr.  Nov.  1891 

Scott,  J.  K. 

Feb.    I 

874 

gest.  1888 

Scott,  J. 

Jan. 

881 

Scott,  R. 

Okt.    ] 

880 

gest. 

Scriba,  Dr.  J,  Professor, 

Juli 

881 

Seckendorff. 

Sep. 

875 

Seckendorff,  Baron  von,  Kuiserl 

Juli 

895 

D.  Konsul. 

Seebach,  Graf 

Jan. 

[882 

Seebach,  K.  von, 

Okt.    ] 

889 

gest.  1891 

Seeger,  P. 

Feb. 

[874 

Seekamp,  A 

Okt. 

894 

Seel,  R,  Baumeister 

März 

[889 

Seligmann, 

Okt. 

t873 

Seydlitz  und  Ludwigsdorf, 

Dec. 

896 

v^on 

Siebold,  Baron  A  von. 

Feb. 

[875 

Wiedereingetreten 
Okt.  1885 

Siebold,  Baron  H  von, 

Feb. 

[875 

Simmons,  Dr. 

Mai 

873 

gest.  1891 

Simon,  A, 

Feb. 

1893 

Simon,   sen. 

März 

1874 

Snethlage. 

Mai 

1873 

94 


■  Soltmann,  A. 

Okt. 

889 

Sonnenbiirg,    l'all 

<ner   von, 

Okt. 

898 

Major, 

*  Specka,  Hi'-  Ct. 

Mai 

897 

Spinner,  W.  Obcrhc 

fprediger, 

Sep.    I 

885 

Ausgetr.  Okt. 

1895 

Spocrcr, 

Oct. 

■^"97 

Spoerry,  H. 

Sep.    I 

895 

Sporer, 

Mai 

880 

Spring-Rice,   Kgl. 

Grossbri- 

Dec. 

892 

tanniseher  Botschafts-Secr, 

Staeubli,  T. 

Mai 

896 

Ausgetr.  Sep. 

1898 

Stahlknecht,  C.  G. 

Mai 

«75 

Stahlknecht,  I). 

Mai 

^^75 

Stannius,  D.  H. 

Feb. 

[881 

Staupe,  C. 

Mai 

[887 

Stegniüller,  A. 

Okt. 

887 

Ausgetr.  Nov. 

1890 

Stein,  A. 

Mai 

893 

gest.    1897 

Stein,  V. 

Okt.    ] 

873 

Stiebcl 

Dec. 

1880 

Ausgetr.  Sep. 

1885 

Stingelin  V. 

Jan. 

[885 

Stock,  A. 

März 

[897 

*Stoepel,  T.  11. 

Sep.    ] 

897 

Stoffregen,  \V. 

Nov. 

[887 

Ausgetr.  Nov. 

1892 

Straehler,  T. 

März 

[891 

Strauss,  S. 

Juni 

[886 

Strucker, 

Okt. 

873 

Struve,  von, 

Nov. 

874 

Stucken,  C. 

Dec.    ] 

874 

Stucken,  E. 

März 

898 

Stuercke,  J. 

Sep. 

893 

Stucrcke  T. 

Nov. 

[887 

Suerth,  M. 

Jan. 

887 

Sulzer,  E. 

Dec. 

886 

Ausgetr.  Mai 

1899 

Sutor 

Mai 

[876 

Szechenyi,  Graf. 

Mai 

1893 

95 


Tachibana,  S. 

Juni 

1898 

gest.    1901 

Techow,  H.  Oberverwaltungs- 

gerichtsrath, 

Jan. 

1884 

Teichmann,  Hauptmann, 

Dec. 

[888 

Ausgetr.  Juui 

1893 

Temme,  L. 

Mcärz 

1897 

Thiel,  F.  Secretaire-Interprete 

Nov. 

1887 

Thomas,  G. 

Sep. 

1897 

Tietze,  O.  Stadtbaumeister. 

Nov. 

[887 

Ausgetr.  Mai 

1899 

*  Toppe,  G.  Ingenieur, 

Okt. 

1898 

Toselowski, 

Mai 

1873 

Trebing, 

Okt. 

1878 

*  Treutier,   CG.  von,   Kaiser 

D.  Gesandter. 

Okt. 

1895 

Trieb. 

Nov. 

1875 

Troester,  C. 

Jan. 

1881 

Unger,  A. 

Feb. 

1895 

Urhan,  F. 

Juni 

1896 

Varsilieff.  T. 

Nov. 

[890 

Ausgetr.  Dec. 

1892 

Vautier,  F. 

Mai 

[889 

Vogel, 

Feb. 

[874 

Vorwald,  M. 

Jan. 

1888 

Wada,  T.  Ministerialdirector 

Sep. 

885 

Waepenaert,  von,  Consul 

Sep. 

894 

Ausgetr.  Nov. 

1896 

Wagener,  Dr.  G. 

Feb. 

875 

gest.    1 892 

Waldthausen,  B.  von,  Regie- 

rungsrath. 

Juni     1 

895 

*  Waldthausen,  J.   von,   Kai- 

ser!. D.  Gesandter 

Okt.    ] 

889 

Walsh,  John  G. 

März  1 

874 

Walsh,  Th. 

März  I 

874 

Webendoerfer,  P. 

Juni    ] 

890 

Weber,  A.  R. 

Mai    I 

873 

Ausgetr.  Dec. 

1889 

Wedel,  Graf. 

Feb.    I 

893 

Ausgetr.  Sep. 

.899 

Wehrle,  R. 

Okt.    1 

897 

Weidenweber, 

Mai    1 

880 

96 


Weinberger,  C. 

Jan. 

1885 

Weipert,   l>r.   H.  Kaiserl 

FJ. 

Dec. 

1886 

Konsul. 

Wenckstern,  Dr.  A. 

von 

> 

Nov. 

'S93 

Professor. 

Wendt,  A,  Pfarrer 

Mai 

1897 

Wernich,  Dr. 

Feb. 

1875 

Wernicke,  Dr.  J. 

Okt. 

[889 

Werthemann,    E 

Dec. 

[886 

Wertheimer. 

Feb. 

[878 

Westphal, 

Mai 

t873 

Westphal,  W.  jun. 

Okt. 

1889 

Weyhe,  von. 

März 

[882 

Wichmann, 

Sep. 

[888 

Wilckens,  A. 

Okt. 

[894 

Wildenbruch,  von,  General 

major 

Mai 

888 

Wilm,  A, 
Winekler,  J. 
Wirth,  Dr.  A, 
Wismer,  E 

Witkowski, 

Wolf,  A 

Wolf,  L. 

Wolfram,  Dr.  O. 

WoUant,  G.  de,  Kaiserl.  Rus- 
sischer Legations  Sekretär. 

Wollheim,    M.   Mexikanischer 
Gesandter, 

Wolter,  K. 

Wood,  Dr.  A. 

Wood,  Rev.  J.  E. 

Wydenbruck,  Graf  C,  K.  K. 
Gesandter. 

Yark,  J.  A. 


Feb. 

Nov. 

März 

Mai 

Mai 

Dec. 

Okt. 

Okt. 

P>b. 

Feb. 

Sep. 
Mai 
Juni 
Juli 


895 

893 
896 
889 
873 
873 
874 
873 
^73 

892 

898 

893 
898 
896 


Ausgetr.  April  1893 

Ausgetr.  Juni  1893 

gest.  1890 

Ausgetr.  Nov.    1892 
gest.  1893 


Ausgetr.  Dec.  1896 
gest.  1898 


Sep.    1888     Ausgetr.  Jan.  1891 


97 


Zachariae,  Kaiserl.  D.  General-  Okt.  1873 

consu!. 

Zappe,  Kaiserl.   D.   General  Mai  1873     gest.  1889 

Konsul. 

Zander,  F.  von.  Nov.  1805     gest.  1892 

Zedtwitz,  Baron  von,  Kaiserl.  Juli  1881     gest.  1900 

D.  Gerandter. 

Ziegler,   C.  Sep.  1883 

Zwingemann,  Dr.  Dec.  1874 


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Bd. 9  fütteiluagen. 

Bd.  9 

CIRCULATE  AS  MONOGRAPH