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Full text of "Darstellungen aus der sittengeschichte Roms in der zeit von August bis zum ausgang der Antonine"

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DARSTELLUNGEN  AUS  DER 

SITTENGESCHICHTE 

ROMS 

IN  DER  ZEIT 
VON  AUGUST  BIS  ZUM  AUSGANG  DER  ANTONINE 

VON 

LUDWIG  FRIEDLAENDER 

NEUNTE  NEU  BEARBEITETE 
UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 

BESORGT  VON 

GEORG  WISSOWA 

DRITTER  BAND 


VERLAG    VON     S.   HIRZEL    •    LEIPZIG  1920 


Copyright  by  S.  Hirzel  at  Leipzig,  1920. 


Das  Recht  der  Übersetzung  ist  vorbehalten. 


INHALT 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  S.  1-117. 

Zwecke  und  Verwendung  der  Architektur  S.  l— 34.  Menge  und  Großartigkeit  der 
Überreste  S.  I.  Kultur  und  Wohlstand  der  alten  Welt  in  der  früheren  Kaiserzeit  S.  2.  Menge 
und  Schönheit  der  Städte  S.  2.  Lagerstädte  S.  2.  Lambäsis  S.  2.  Camuntum  S.  3.  Mainz 
S.  3.  Aristides  über  die  Menge  und  Schönheit  der  Städte  S.  3.  Städte  in  Italien  S.  4.  Ober- 
S.4  —  Mittel-  S.  5  —  Unteritalien  S.  5.  Sicilien  S.  5.  Gallien  S.  5.  Narbonensis  S.  6.  Lugdu- 
nensis  S.  6.  Aquitania  S.  7.  Belgica  S.  7.  Spanien  S.  8.  Afrika  S.  8.  Ägypten  S.  10.  Syrien 
S.  10.  Phönizien  S.  12.  Palästina  S.  12.  Das  Haurän  S.  12.  Arabien  S.  13.  Asia  S.  13.  Bi- 
thynien  S.  14.  Kappadocien  S.  15.  Pamphylien  und  Pisidien  S.  15.  Lycien  S.  16.  Thracien 
S.  17.  Macedonien  S.  17.  Dalmatien  S.  17.  Griechenland  S.  18.  Britannien  S.  18.  Zehntland 
S.  19.  Rätien  und  Vindelicien  S.  19.  Noricum  S.  19.  Pannonien  S.  20.  Mösien  S.  20.  Dacien 
S.  20.  Bauten  der  Kommunen  S.  21.  Nachahmung  Roms  S.  21.  Bauten  bithynischer  Städte 
S.  22.  Die  Brücke  von  Alcantara  S.  23.  Einkünfte  der  Kommunen  zur  Bestreitung  der  Bau- 
kosten S.  23.  Öffentliche  Bauten  von  Privatleuten  S.  24.  Bauten  der  griechischen  Sophisten 
S.  25.  Herodes  Atticus  S.  26.  Bauten  von  Senatoren  S.  27  —  kaiserlichen  Freigelassenen 
S.  27  —  und  fremden  Fürsten.  Herodes  von  Judäa  S.  28.  Bauten  der  Kaiser  S.  28.  Ihre  Unter- 
stützungen der  Städte  S.  28  —  besonders  bei  Bränden  S.  28  —  und  Erdbeben  S.  29.  Bauten 
der  Julier  und  Flavier  S.  30  —  Trajans  S.  30  —  Hadrians  S.  30  —  besonders  in  Griechenland 
S.  31  —  der  Antonine  S.  31.  Bauleidenschaft  Diocletians  S.  31.  Privatbauten  in  den  Provinzen 
S.32. 
Verwendung  und  Zwecke  der  Plastik  und  Malerei  S.  34—82. 

a.  Dekorative  Kunst  S.  34—48.  Anschluß  der  bildenden  Künste  an  die  Architektur  S.  34. 
Künstlerische  Dekoration  der  öffentlichen  Bauten  S.  35  —  und  Plätze  in  den  Städten  Grie- 
chenlands S.  36  —  und  Italiens  S.  36.  Statuen  der  Könige  und  Feldherrn  S.  37  —  und 
sonstige  Statuen  der  Foren  S.  37.  Statuen  der  Stadtgenien  S.  38.  Künstlerische  Dekoration 
der  Privatgebäude,  Parks  und  Gärten  S.  38  —  in  der  letzten  Zeit  der  Republik  S.  38  —  in 
der  Kaiserzeit  S.  39.  Berichte  über  Ausgrabungen  in  Villen  S.  40.  Die  Villa  Hadrians  zu 
Tivoli  S.  40.  Allgemeinheit  der  künstlerischen  Dekoration  und  Universalität  der  Kunst 
S.  41.  Reichliche  Anwendung  wohlfeiler  Materialien.  Plastik  in  weichen  Stoffen  S.  42. 
Stuckmalerei  S.  43.  Fortdauer  der  Allgemeinheit  der  künstlerischen  Dekoration  bis  ins  spä- 
teste Altertum  S.  44.  Künstlerischer  Schmuck  des  Hausrats  S.  46.  Kunstwerke  als  Satur- 
nalien- und  andere  Geschenke  S.  47.    Künstlerischer  Schmuck  der  Grabdenkmäler  S.  47. 

b.  Monumentale  Kunst  S.  48— 78.  Persönliche  Denkmäler  S.  48.  Alter  der  Ehrenstatuen 
in  Rom  S.  49.  Bilder  historischer  Ereignisse  S.  49.  Bilder  für  besondere  Veranlassungen 
S.  50.  Bilder  für  Triumphzüge  S.  50  —  kaiserliche  Scheiterhaufen  S.  51  —  Gerichtsver- 
handlungen S.  51.     Bilder  für  Schiffbrüchige  S.  51.     Votivbilder  S.  51.     Sonstige  Darstel- 

.  lungen  persönlicher  Erlebnisse  S.  52.  Darstellungen  von  Traumgesichten  S.  53.  Für  die 
Dauer  bestimmte  Bilder  S.  53.  Porträtmalerei  S.  54.  Porträts  der  Kaiser  S.  54.  Porträts 
orientalischer  Prinzessinnen  zur  Brautwahl  S.  54.  Porträts  von  Privatpersonen  S.  54.  Por- 
träts in  Büchern  S.  55  —  in  Bibliotheken  S.  55.  Allgemeine  Verwendung  der  Porträtmalerei 
S.  56.  Plastische  Darstellungen  von  Personen  S.  57.  Büsten  und  Statuen  der  Kaiser;  ihre 
allgemeine  Verbreitung  und  iiir  Kultus  S.  57.  Zerstörung  der  Denkmäler  verhaßter  Kaiser, 
besonders  Domitians  S.  58.  Erhaltung  der  Kaiserdenkmäler,  hauptsächlich  durch  die  Kon- 
sekration S.  59.     Schnelle  Herstellung  der  Kaiserdenkmäler  im  ganzen  Reich  S.  61.     Ihre 


IV  INHALT 

Errichtung  durch  Beamte  S.  6i  —  durch  Provinzialverbände  und  Kommunen  S.  62  —  durch 
Privatpersonen  S.  62.  Statuen  Hadrians  in  Griechenland  S.  62  —  Augusts  in  Rom  S.  63. 
Büsten  Napoleons  I.  S.  64.  Die  Kaiserdenkmäler  selten  durch  Umarbeitung  älterer  herge- 
stellt S.  64.  Denkmäler  der  Mitglieder  des  Kaiserhauses  S.  65  —  der  höchsten  Beamten 
S.  65  —  der  Provinzialstatthalter  S.  66  —  der  angesehenen  Römer  in  den  Provinzen  S.  67  — 
der  Subaltembeamten  S.  67.  Ehre  der  Statue  in  den  Munizipien  S.  68.  Statuen  der  Provin- 
zialpriester  S.  69.  Veranlassungen  zur  Errichtung  von  Statuen  S.  69.  Mehrere  Statuen  der- 
selben Person  S.  70  —  durch  Kurien,  vici,  pagi  und  Phylen  errichtet  S.  71.  Errichtung  aui 
Kosten  der  Geehrten  S.  72.  Statuen  von  Fremden  S.  72.  Votierung  der  Statuen  durch  die 
Gemeinderäte,  in  Rom  durch  den  Senat  S.  73.  Öffentlich  errichtete  Statuen  Verstorbener 
S-  73  —  und  Lebender  S.  74.  Orte  der  Aufstellung  in  Rom  S.  74.  Die  Statuen  der  Ober- 
vestalinnen  S.  74.  Privatmonumente  S.  75.  Veranlassungen  zur  Errichtung  derselben  S.  76. 
Errichtung  der  eigenen  Statue  S.  76.  Privatmonumente  für  Verstorbene  S.  77  —  besonders 
als  Grabdenkmäler  S.  77.  Statuen  berühmter  Männer  der  Vorzeit  S.  78.  Fortdauer  der  Er- 
richtung persönlicher  Denkmäler  bis  in  die  letzte  Zeit  des  Altertums  S.  78. 
c.  Religiöse  Kunst  S.  79 — 82.  Menge  der  Götterbilder  infolge  der  Theokrasie  S.  79.  An- 
siedlungen  von  Künstlern  bei  großen  Tempeln  S.  80.  Ausdehnung  des  Kunstbedürfnisses 
und  der  Massenproduktion  über  das  ganze  römische  Reich  S.  81.  Herculaneum  und  Pom- 
peji zeigen  das  Durchschnittsmaß  des  künstlerischen  Schmucks  der  Städte  Italiens  S.  81. 
Statistische  Angaben  über  den  künstlerischen  Schmuck  Roms  S.  82. 

3.  Der  Kunstbetrieb  S.  82—102.  Gleichartigkeit  der  Kunst  und  des  Kunstbetriebes  S.  84  — 
mit  Ausnahme  von  Gallien  S.  84  —  Ägypten  S.  85  —  Palästina  S.  86.  Ausführung  von  Kunst- 
werken für  die  Provinzen  in  Rom  S.  87.  Ausführung  in  den  Steinbrüchen  S.  88.  Arbeiten  in 
den  Steinbrüchen  Pannoniens  S.  88.  Im  Vorrat  gearbeitete  Bildwerke  S.  89.  Götterbilder  S.  89. 
Sarkophage  S.  90.  Ehrenstatuen  S.  90.  Ausführung  am  Ort  der  Verwendung,  teils  durch  wan- 
dernde S.  90  —  teils  durch  ansässige  Künstler  S.  91.  Überall  Gleichförmigkeit  der  Behandlung, 
selbst  der  Technik  S.  92.  Festhalten  an  der  Tradition  S.  92.  Bronzen  des  Epikureischen  Philo- 
sophen in  Herculaneum  S.  93.  Rom  auch  hier  das  Vorbild  für  das  ganze  Reich  S.  93.  Die 
Produktion  wesentlich  Reproduktion  S.  94.  In  der  Plastik  S.  94.  Kopien  berühmter  älterer 
Werke  S.  95  —  in  Malerei  und  Mosaik  S.  96  —  Geräten,  Gefäßen,  Gemmen  S.  96  —  Tonwaren 
S.  97.  Hohe  Entwicklung  des  Kunsthandwerks  S.  97.  Einfluß  der  herculaneischen  Ent- 
deckungen auf  die  Pariser  Kunstindustrie  S.  98.  Fabrikmäßiger  Kunstbetrieb  S.  98.  Weitge- 
triebene Arbeitsteilung  S.  99.  Zusammenarbeiten  mehrerer  Künstler  S.  99.  Kunstarbeiten 
großenteils  durch  Sklaven  ausgeführt  S.  99.  Wohlfeilheit  der  gewöhnlichen  Kunstarbeit  S.  loo. 
Künstlerhonorare  in  der  Kaiserzeit  S.  loi  —  im  18.  und  19.  Jahrhundert  S.  loi. 

4.  Die  Künstler  S.  102 — 106.  Gründe  für  die  Geringschätzung  der  Künstler  bei  den  Römern 
S.  102.  Die  Plastik  in  den  Händen  der  Griechen  S.  103.  Die  Malerei  auch  von  Römern  be- 
trieben S.  103.  Malerinnen  S.  104.  Weibliche  Modelle  der  Bildhauer  S.  104.  Die  Architektur 
von  den  Römern  hochgeschätzt  S.  105.    Römische  Architekten  zahlreich  S.  105. 

5.  Der  Kunstsinn  S.  106— 117.  Gründe  für  die  Geringschätzung  der  Kunst  bei  den  Römern 
S.  106.  Verbreitung  von  Kunstkenntnis  und  Kunstinteresse  in  Rom  S.  106.  Anerkennung 
der  Bedeutung  der  Kunst  von  selten  der  Römer  S.  107.  Dilettantismus  in  der  Skulptur  und 
Malerei  S.  108.  Kunstbetrachtung  auf  Reisen  S.  109.  Kunstsammlungen,  hauptsächlich  durch 
Prachtliebe  veranlaßt  S.  109  —  bestanden  vorzugsweise  aus  älteren  Werken  S.  109.  Die  Samm- 
ler mit  Kopien  viel  betrogen  S.  in.  Kunstwerke,  die  berühmten  Personen  gehört  hatten,  be- 
sonders geschätzt  S.  1 12.  Ansprüche  der  Sammler  auf  Kennerschaft  S.  1 13.  Mangel  an  wahrem 
Kunstsinn  S.  1 13.  Keine  Spur  von  Interesse  und  Verständnis  für  Kunst  in  der  römischen  S.  114 
—  zahlreiche  Zeugnisse  für  beides  in  der  griechischen  Literatur  S.  114.  Die  gleichzeitige  Kunst 
In  beiden  Literaturen  wenig  berücksichtigt  S.  117. 

XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  S.  118-242. 

I.  Der  Götterglaube  S.  118— 199.  Verschiedenartigkeit  der  literarischen  und  monumentalen 
Quellen  S.  118.  Die  Literatur  bisher  fast  ausschließlich  berücksichtigt  S.  118.  Irreligiöse 
Richtungen  in  der  letzten  vorchristlichen  und  ersten  nachchristlichen  Zeit  S.  119.  Haß  des 
Glaubens  vereinzelt  S.  119.     Lucrez  S.  120.    Epikureer  und  Skeptiker  S.  120.     .Standpunkt  der 


INHALT  V 

nicht  philosophisch  gebildeten  Römer  S.  1 2 1 .  Glaube :  Tacitus  S.  1 2 1  Schwanken  zwischen  Poly- 
theismus und  Monotheismus:  Quintilian  S.  121.  Unbedingte  Leugnung  der  Götter:  Plinius  S.  121. 
Versöhnung  von  Vernunft  und  Glauben  in  der  Theologie  des  Stoizismus  S.  123.  Restauration 
des  Glaubens  im  2.  Jahrhundert  S.  123.  Ausbildung  und  dogmatische  Geltung  der  Dämonen- 
lehre S.  124.  Plutarch  S.  124.  Apulejus  S.  125.  Maximus  von  Tyrus  S.  125.  Gesamteindruck 
der  römischen  und  griechischen  Literatur  des  2.  Jahrhunderts  S.  126.  Lucian  S.  128.  Die 
Kaiser  des  2.  Jahrhunderts  S.  128.  Charakteristische  Erscheinungen  des  neu  erwachten  religiö- 
sen Lebens.  Orthodoxie  und  Intoleranz:  Aelianus  S.  129.  Schwärmerei:  Aristldes  S.  131.  Un- 
veränderte Stärke  und  Fortdauer  des  Volksglaubens  S.  133.  Seine  Assimilationskraft  S.  134. 
Die  Theokrasie  eine  notwendige  Wirkung  der  Völkermischung  S.  135.  Der  Begriff  der  Super- 
stition ein  relativer  und  wechselnder  S.'I37.  Die  Theokrasie,  nur  von  Ungläubigen  verspottet 
S.  139  —  den  Gläubigen  unanstößig  S.  139.  Plutarchs  Verehrung  ägyptischer  Götter  neben 
den  griechischen  S.  140.  Hellenisierung  der  orientalischen  S.  141  —  und  barbarischen  Götter 
S.  142.  Verbreitung  barbarischer  Kulte  durch  die  Soldaten  S.  142,  Benennungen  der  barba- 
rischen Gottheiten  S.  143  —  von  dem  Grade  derRomanisierung  der  einzelnen  Länder  abhängig 
S.  144.  Orientalische  Gottesdienste  S.  144.  Isis  und  Sarapis  S.  144.  Die  syrischen  Götter 
S.  145.  Mithras  S.  146.  Produktivität  des  Götterglaubens.  Neue  Gottheiten  S.  147.  Annona 
S.  147.  Der  Genienglaube  S.  148.  Die  Vergötterung  der  Menschen.  Der  Kaiserkult  S.  148.  Die 
Verehrung  Verstorbener  S.  149  —  und  Lebender  als  Heroen  in  Griechenland  S.  150.  Königs- 
kult in  den  Reichen  der  Diadochen  S.  150.  Apotheose  des  Antinous  S.  151.  Widerstandskraft 
des  Götterglaubens.  Sein  Einfluß  auf  die  Christen  S.  153.  Direkte  Zeugnisse  für  die  unveränderte 
Stärke  des  Volksglaubens.  Der  Wunderglaube  S.  153.  Leibhaftes  Erscheinen  der  Götter  S.  154. 
Andre  von  den  Göttern  bewirkte  Wunder  S.  154.  Steigerung  des  Wunderglaubens  durch  den 
Kampf  der  Religionen  S.  155.  Dasselbe  Wunder  von  beiden  Seiten  in  Anspruch  genommen 
S.  156.  Der  Glaube  an  Vorausverkündigung  der  Zukunft  S.  156  —  die  verbreitetste  Form  des 
Wunderglaubens  unter  den  Gebildeten  S.  157.  Berichte  über  Vorzeichen  bei  den  Geschicht- 
schreibem  S.  157.  Tacitus  S.  158.  Sueton  über  August  S.  158.  Fortdauer  des  Glaubens  an  die 
herkömmlichen  Weissagungsmethoden  S.  158.  Die  Haruspicin  S.  159.  Die  Astrologie  S.  160. 
Die  Orakel  S.  161.  Ihr  zeitweiliger  Verfall  durch  das  überwiegende  Ansehen  der  italischen 
Prophezeiung  S.  161.  Ihre  Restauration  S.  161.  Die  Verbreitung  ihres  Ansehens  außerhalb  der 
griechischen  Länder  S.  162.  Das  Orakel  des  Alexander  von  Abonuteichos  S.  163.  Der  Glaube 
an  vorbedeutende  Träume  S.  166.  Sein  Zusammenhang  mit  dem  Vorsehungsglauben  S.  166. 
Seine  allgemeine  Verbreitung  S.  167.  Die  Traumdeutung  als  Wissenschaft  S.  168.  Das  Traum- 
buch des  Artemidor  S.  168.  Heilung  von  Krankheiten  duich  Träume  S.  169.  Heilurkunden  in 
Epidaurus  S.  171.  Inschrift  des  Julius  Apellas  S.  171.  Die  Votivsteine  der  Minerva  Memor 
S.  172.  Glaube  an  die  Wirksamkeit  der  Lokalgötter  außerhalb  ihrer  eigentlichen  Machtsphäre 
S.  172.  Der  Glaube  an  die  Götter  als  Geber  des  Guten  S.  174.  Das  Gebet  S.  174.  Votiv- 
inschriften  und  andre  religiöse  Denkmäler  S.  175.  Anrufung  von  Landes-  und  Lokalgottheiten 
S.  176.  Anrufung  der  Götter  einer  bestimmten  Wirksamkeit  an  bestimmtem  Orte  S.  178.  All- 
gemeine Anrufung  der  Götter  einer  bestimmten  Wirksamkeit  S.  179.  Der  unteren  S.  179  — 
der  oberen  S.  180  —  besonders  des  Juppiter  S.  181.  Mangel  an  Angaben  über  die  Menge  der 
Ungläubigen  und  Indifferenten  S.  182.  Die  Atheisten  eine  kleine  Minorität  S.  183.  Der  Kultus 
und  seine  Wirkungen  auf  die  Erhaltung  des  Glaubens  S.  184.  Erhaltung  uralter  Kulte  und 
Rituale  in  Rom  S.  184.  Das  Ritual  der  Arvalbrüder  S.  185.  Alte  Lokalkulte  im  übrigen  Italien 
S.  186.  Fortdauer  uralter  Kulte  in  Griechenland  S.  187.  Fortdauer  der  allgemeinen  Beteiligung 
am  Gottesdienste  S.  190.  Opfer  S.  190.  Betätigung  der  Frömmigkeit  durch  Tenipelbauten  S.  191 
—  und  andre  Stiftungen  zu  Kultuszwecken  S.  192  —  besonders  von  Götterbildern  S.  193  —  und 
deren  Ausstattung  mit  Kleidern  und  Schmucksachen  S.  194.  Kostbarkeit  der  Tempelgeschenke 
S.  194.  Zuwendungen  für  Priester  und  Tempeldiener  S.  195.  Die  Bilderverehrung  S.  195.  Iden- 
tifikation des  Bilds  mit  der  Gottheit  S.  196.  Mißhandlungen  von  Götterbildern  ein  Beweis  der 
Stärke  des  Glaubens  an  die  Macht  der  Götter  S.  196. 
.  Judentum  und  Christentum  S.  199 — 242.  Gegensatz  des  Monotheismus  zum  Polytheismus 
S.  199.  Verschiedenes  Verhältnis  des  Judentums  und  Christentums  zum  Polytheismus  S.  199. 
Zerstreuung  der  Juden  in  der  alten  Welt  S.  200.  Die  jüdische  Emigration  keine  vorzugsweise 
handeltreibende  S.  201.  Ihre  Ansiedlungen  in  den  östlichen  Ländern  und  Afrika  S.  202  —  in 
Rom  S.  206  —  im  übrigen  Italien  S.  20S  —  in  den  westlichen  und  nördlichen  Ländern  S.  210. 


VI  INHALT 

Bürgerliche  S.  2ii  —  und  soziale  Stellung  der  Juden.  Der  Judenhaß  S.  212.  Anziehungskraft 
des  Judentums  S.  213.  Religions-  und  Bekehrungsfreiheit  bis  auf  Hadrian  S.  215.  Das  Christen- 
tum S.  216.  Der  Bekehrungseifer  der  Christen  S.  216.  Stellung  des  römischen  Staates  zum 
Christentum  S.  216.  Christenhaß  S.  217.  Nero  gegen  die  Christen  S.  219.  Verfolgungen  seit 
Trajan  S.  220.  Montanisten  S.  221.  Verhältnismäßig  geringe  Zahl  der  Märtyrer  S.  222.  Haupt- 
ursachen der  schnellen  Ausbreitung  des  Christentums  S.  223.  Unlautere  Elemente  in  den  christ- 
lichen Gemeinden  S.  226.  Sektenwesen  S.  227.  Der  Verfasser  der  »Widerlegung  aller  Ketze- 
reien« (Hippolyt)  S.  227.  Seine  Darstellung  der  Laufbahn  des  Callistus  S.  22S.  Äußerungen 
christlicher  Autoren  über  Zustände  in  den  christlichen  Gemeinden  S.  230.  Verbreitung  des 
Christentums  (besonders  in  Rom)  im  ersten  S.  231  —  und  2.  Jahrhundert  S.  232.  Verhältnis 
der  fChristen  zur  Gesamtbevölkerung  S.  232.  Verbreitung  des  Christentums  in  den  höheren 
Ständen  erst  seit  Commodus  S.  233.  Seltene  Erwähnung  und  Unkenntnis  des  Christentums  bis 
ins  3.  Jahrhundert  S.  233.  Heidnische  Konvertiten  der  höheren  Stände  vor  Commodus  S.  234. 
Das  angebliche  Verhältnis  des  Seneca  zum  Apostel  Paulus  S.  235.  Geringschätzung  des  Chri- 
stentums in  der  heidnischen  Welt  bis  zum  3.  Jahrhundert  S.  236.  Die  lange  Agonie  des  Heiden- 
tums ein  Beweis  für  seine  Lebenskraft  S.  237.  Heidnische  Elemente,  die  den  Untergang  des 
Heidentums  überlebten  S.  239.    Polytheismus  und  Heiligenverehrung  S.  241. 

XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  ZUR  SITTLICHKEIT  S.  243-297. 

Der  Zusammenhang  der  antiken  Sittlichkeit  mit  der  Religion  und  ihre  angebliche  Gefährdung 
durch  den  Authropomorphismus  S.  243.  Die  Quelle  der  Entschuldigung  der  Sünde  durch  das 
Beispiel  der  Götter  wohl  die  Sophistik  S.  243.  Wesen  der  antiken  Sittlichkeit  im  Gegensatz  zur 
christlichen  S.  246.  Die  Moralphilosophie.  Die  Erkenntnis  Grundlage  der  Glückseligkeit  S.  246. 
Die  Glückseligkeit  Resignation  S.  247.  Verhältnis  zur  Gottheit  und  Menschheit  S.  248.  Anerken- 
nung der  heidnischen  Ethik  durch  die  Christen.  Clemens  von  Alexandria  S.  248.  Verbreitung  der 
griechischen  Philosophie  in  der  römischen  Welt  S.  249.  Die  Opposition  gegen  die  Philosophie. 
Die  im  römischen  Nationalcharakter  begründeten  Antipathien  S.  249.  Mißliebigkeit  der  Philo- 
sophie bei  den  Regierungen.  Verfolgungen  der  Philosophen  S.  250.  Umschlag  nach  dem  Tode 
Domitians  S.  252.  Begünstigung  der  Philosophie  unter  Marc  Aurel  S.  253  —  und  Severus  S.  253. 
Versuche,  die  Vorwürfe  der  Regierungsfeindlichkeit  der  Philosophie  zu  entkräften  S.  253.  Senecn 
S.  254.  Abneigung  der  großen  Menge  gegen  die  Philosophie  S.  255.  Ihre  Zwecklosidkeit  nach 
der  Ansicht  der  meisten  Ungebildeten  S.  255  —  und  vieler  Gebildeten  S.  256.  Der  Gegensatz 
zwischen  Rhetoren  und  Philosophen  S.  256.  Der  ältere  Seneca  S.  257.  Quintilian  S.  257.  Fronto 
S.  258.  Lucian  S.  258.  Aristides  S.  259.  Berufung  der  Gegner  der  Philosophie  auf  die  Unsittlich- 
keit  der  Philosophen  S.  260.  Afterphilosophen  in  Rom  S.  262  —  und  Griechenland  S.  263  —  na- 
mentlich unter  Marc  Aurel  S.  263.  Die  Kyniker  S.  265.  Anerkennung  der  Philosophie  als  Führerin 
zur  Sittlichkeit  bei  den  Römern  S.  266.  Differenzen  über  das  erforderliche  Maß  philosophischer 
Bildung  S.  267.  Teilnahme  der  Römer  an  der  Philosophie  S.  269.  Die  Schule  der  Sextier  S.  269. 
Verbreitung  des  Stoizismus  S.  269  —  Epikureismus  S.  269  —  und  der  übrigen  Systeme  bei  den 
Römern  S.  270.  Beginn  des  philosophischen  Unterrichts  gewöhnlich  im  ersten  Jünglingsalter 
S.  272.  Logik  und  Dialektik  S.  273.  Physik  S.  275.  Ethik  S.  276.  Pflicht  und  Recht  der  Lehrer, 
den  ganzen  Lebenswandel  der  Schüler  zu  beaufsichtigen  und  zu  leiten  S.  276.  Dreierlei  Stellungen 
der  Philosophen  als  Lehrer  S.  280.  Philosophen  als  Erzieher  und  Seelsorger  in  vornehmen  Häusern 
S.  280.  Behandlung  dieser  Hausphilosophen  nach  Luciaus  Schilderung  S.  281.  Philosophen  am 
Hofe  S.  282.  Philosophen  als  Vorsteher  öffentlicher  Schulen  S.  283.  Übelstände  des  Unterrichts  in 
den  Philosophenschulen  S.  283.  Vereitelung  der  Wirkungen  des  Unterrichts  durch  die  Schuld  der 
Schüler  S.  284  —  durch  die  Schuld  der  Lehrer  S.  285.  Schönrednerei  und  Haschen  nach  Beifall 
S.  286.  Philosophen  als  Missionare  der  Sittlichkeit  und  Volksprediger  (Kyniker)  S.  288.  Demetrius 
S.  290.  Demonax  S.  291.  Peregrinus  S.  291.  Verwandtschaft  zwischen  Kynismus  und  Christentum 
S.  292.  Läuterung  der  sittlichen  Anschauungen  durch  die  Entwicklung  der  Philosophie  in  den 
ersten  Jahrhunderten  S.  204.  Unhaltbarkeit  der  Annahme  eines  allgemeinen  Sittenverfalls  in  dieser 
Zeit  S.  296. 


INHALT  vn 


XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  S.  298-327. 

Das  Verhältnis  der  Gebildeten  zum  Unsterblichkeitsglauben.  Die  Leugner  S.  298.  Der  ältere  Plinius 
S.  298.  Die  Epikureer.  Materialistische  Grabschriften  S.  299.  Leugnung  der  Unsterblichkeit  in 
andern  Systemen  S.  302.  Glaube  und  Beweis  der  Unsterblichkeit  S.  303.  Platonisraus  und  Neu- 
pythagoreismus  S.  303.  Die  Zweifler  S.  306.  Galen  S.  307.  Quintilian  S.  307.  Tacitus  S.  307. 
Cicero  als  Repräsentant  der  Gläubigen  unter  den  gebildeten  Eklektikern  S.  307.  Seneca  S.  308. 
Andeutungen  des  jenseitigen  Lebens  auf  Sarkophagen  und  andern  Grabdenkmälern  S.  310.  Der 
Glaube  der  Ungebildeten  S.  312.  Fortdauer  der  mythischen  Vorstellungen  von  der  Unterwelt 
S.  313.  Der  Glaube  an  den  Totenfährmann  S.  314.  Zeugnisse  für  die  Verbreitung  der  volkstüm- 
lichen Vorstellungen  S.  314.  Die  Existenz  der  Seelen  als  eine  materielle  gedacht  S.  315.  Die  All- 
gemeinheit des  Geisterglaubens  als  Beweis  für  die  Allgemeinheit  des  Unsterblichkeitsglaubens 
S.  317.  Die  Totenbeschwörung  S.  320.  Die  Devotion  S.  322.  Unterschiede  des  christlichen  und 
antiken  Unsterblichkeitsglaubens.  Der  letztere  dem  diesseitigen  Leben  zugewandt  S.  322.  Der 
Wunsch  einer  Fortdauer  im  Gedächtnis  der  Nachwelt  S.  323,  Der  antike  Unsterblichkeitsglaube 
nicht  wie  der  christliche  ein  unentbehrlicher  Trost  S.  324.  Pessimismus  und  Weltschmerz  im 
Altertum  S.  325, 

Register  S.  329 — 369. 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 

I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR. 

Wäre  auch  von  der  Römerzeit  jede  andere  Kunde  verschollen,  so  Menge  und  Groß- 
würden die  auf  dem  ganzen  Boden  der  alten  Welt  in  so  großer  Zahl  Artigkeit  der  Über- 
stehen gebliebenen,  zum  Teil  so  gewaltigen  Ruinen  ihrer  Bauten, 
sowie  die  unermeßlichen,  aus  bergenden  Schutt-  und  Aschendecken  hervorge- 
zogenen Überbleibsel  der  bildenden  Künste  schon  allein  laut  genug  bezeugen, 
welche  hohe  und  reiche  Kultur  mit  dem  römischen  Weltreiche  zugrunde  ge- 
gangen ist.  Bei  weitem  die  meisten  und  bedeutendsten  erhaltenen  römischen 
Bauten  stammen  aus  der  Kaiserzeit.  Sie  stehen  zum  Teil  in  weiten  Einsamkeiten 
als  Marksteine  jener  Kultur,  deren  Herrschaft  sich  über  ungeheure  Gebiete  er- 
streckte, die  seit  Jahrhunderten  wieder  der  Barbarei  oder  völliger  Verödung  an- 
heimgefallen sind:  wie  die  gewaltigen  Ruinen  von  Ba'^albek  und  Tadmor;  die 
Hunderte  von  ganz  aus  Stein  erbauten  verlassenen,  noch  bewohnbaren  Städten 
und  Dörfern  in  Ostsyrien  mit  ihren  eigentümlichen  Bogen-  und  Kuppelbauten, 
Grabpyramiden  und  Taubentürmen;  die  überraschend  wohlerhaltenen  Reste 
so  überaus  zahlreicher  römischer  Städte  in  Kleinasien  und  Nordafrika.  Manche 
sind  erst  im  letzten  Jahrhundert  verschwunden:  die  in  den  französisch-spanischen 
Kriegen  zerstörte  Brücke  von  Almaraz  stand  noch  1806,  die  die  Riesenschlucht 
des  Rumad  überwölbende,  die  den  einzigen  Zugang  zu  Constantine  bildete,  ist 
erst  1857  eingestürzt').  Zum  Teil  beschämen  sie  in  Landern  der  heutigen 
Kultur  mit  ihrer  imposanten  Großartigkeit,  ihrer  unverwüstlichen  Solidität,  ihrer 
hohen,  noch  dem  jetzigen  Bedürfnis  entsprechenden  Zweckmäßigkeit  alles, 
was  spätere  Jahrhunderte  ihnen  an  die  Seite  gestellt  haben:  wie  die  Brücken 
von  Rimini''),  von  Alcantara  und  Merida,  der  Pont  du  Gard,  die  Aquädukte  von 
Segovia  und  so  manche  andre  Römerbauten  in  den  Mittelmeerländern.  >Eine 
zweite  Natur,  die  zu  bürgerlichen  Zwecken  handelt,  das  ist  ihre  Baukunst»^). 
Versucht  man  vollends,  aus  der  unübersehbaren,  verwirrenden  Masse  von 
Trümmern  aller  bildenden  Künste  ein  Bild  von  der  unermeßlichen  Fülle  und 
Mannigfaltigkeit  des  künstlerischen  Schmucks  zu  gewinnen,  in  dem  die  so 
äußerst  zahlreichen  größeren  und  reicheren  Städte  des  römischen  Reichs  prang- 
ten: wie  gering  und  armselig  erscheinen  dann  die  modernen  Bestrebungen,  das 

i)  Rist,  Lebenserinnerungen  I  347.  Maltzan,  Drei  Jahre  im  NW  von  Afrika  III  28  f.      2)  CIL  XI 
367  =:  Dessau  113.     3)  Goethe,  Ital.  Reise,  Werke  XXX  190  d.  Weimar.  Ausg. 

Frie  dlaender,  DarstelluQgen.  III.    9.  Aufl.  I 


2  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  183] 

öffentliche  und  Privatleben  durch  den  Schmuck  der  Kunst  zu  verschönern  und 
zu  adeln. 
Kultur  und  Wohl-  Eine  SO  großartige  und  umfassende  Verwendung  der  Architektur  und  der 
stand  der  alten  bildenden  Künste  setzt  eine  Verbreitung  nicht  nur  der  Kultur,  sondern  auch 
\cn  Kaiserzeit'  des  Wohlstands  voraus,  wie  das  ganze  frühere  Altertum  beides  nicht  gekannt 
hat.  Das  römische  Kaisertum  brachte  der  bis  zum  Tode  erschöpften  Welt 
den  allgemeinen  Frieden,  der  mit  geringen  Unterbrechungen  mehr  als  zwei 
Jahrhunderte  dauerte;  den  aufs  äußerste  ausgesogenen  Provinzen  eine  bessere 
Verteilung  der  Lasten  und  eine  im  ganzen  wenigstens  leidliche  Verwaltung. 
Mit  der  wiederhergestellten  Sicherheit  und  Ordnung,  dem  gewaltigen  Auf- 
schwünge des  Verkehrs  hob  und  verbreitete  sich  Wohlstand  und  Reichtum  -in 
einem  Grade  wie  nie  zuvor. 
Menge  und  Am  augenfälligsten  gab  sich  dies  in  der  fortwährend  im  Wachsen  begrifif?nen 
Schönheit  Schönheit  und  Pracht  der  Städte  in  fast  allen  Provinzen  kund.  Auch  die  Zahl 
der  tadte.  ^jg^g^j^gn ')  nahm  durch  neue  Anlagen,  Kolonisationen,  Verleihungen  von  Stadt- 
rechten und  Vereinigungen  mehrerer  kleiner  Orte  zu  einer  Kommune  stetig  zu. 
So  namentlich  in  den  gallischen  und  spanischen  Provinzen,  wo  früher  die  Gau- 
verfassung in  voller  Geltung  gewesen  war.  Im  tarraconensischen  Spanien  waren 
unter  August  von  293  Gemeinden  nur  179  in  Städten  vereinigt,  doch  unter 
Antoninus  Pius  gab  es  nach  Ptolemäus  dort  bereits  248  Städte").  Auch  »in  den 
östlichen  Provinzen,  in  Galatien,  in  Kappadocien  und  den  gräzisierten  Teilen 
Syriens  entstanden  zwar  langsam,  aber  doch  fortwährend  neue  Kommunen,, 
und  selbst  in  den  Uferländern  der  Donau  und  in  Numidien  und  Mauretanien 
hatte  die  durch  die  militärische  Besatzung  sich  vollziehende  Romanisierung  zahl- 
reiche neue  Städteanlagen  zur  unmittelbaren  Folge  «^). 
I.agerstädte.  Nur  auf  eine  Art  der  Entstehung  neuer  Städte,  die  aus  Lagern,  soll  hier  näher 
Lambäsis.  eingegangen  werden.  In  Afrika  verdankten  die  Städte  Lambäsis  (Lambessa) 
und  Verecunda  ihren  Ursprung  dem  am  Ende  der  Regierung  Trajans  oder  am 
Anfange  der  Hadrians  errichteten  und  128  an  den  endgiltigen  Platz  verlegten 
Lager  der  dritten  Legion"*).  Aus  den  Baracken  und  Buden  der  dort  nicht  zu- 
gelassenen, in  einer  Entfernung  von  etwa  einem  Kilometer  angesiedelten  Mar- 
ketender, Frauen  und  Mädchen,  Kaufleute,  Händler,  Lieferanten,  Handwerker 
usw.  entstanden  jene  beiden  Ortschaften,  die  Antoninus  Pius  sofort  als  Gemein- 
den konstituiert  haben  wird;  Lambäsis  erhielt  Stadtrecht  spätestens  207,  Vere- 
cunda wohl  erst  durch  Valerian  und  Gallienus^).  Lambäsis  war  mit  dem  Lager 
durch  eine  schöne,  mit  Quadern  gepflasterte  Straße  verbunden,  die  durch  einen 
dreitorigen  Triumphbogen  in  die  Stadt  eintrat  und  durch  einen  andern  Bogen 
hinaus  auf  den  Weg  nach  Verecunda  führte.  Sie  war  reich  an  stattlichen  Bauten 
aller  Art  (Tempeln,  Thermen,  einem  Amphitheater,  einem  viele  Quellen  in  eine 
große  Leitung  zusammenfassenden  Septizonium);  vor  dem  Haupttempel  war 

l)  Mit  der  in  einer  Pariser  Handschrift  des  9.  Jahrh.  sich  findenden  Notiz  s[itnf  in]  hoc  mundo 
civitates  'VDCXXVII  [Uommstn,  Ges.  Schrift.  V  559  f.)  ist  nicht  viel  anzufangen  (vgl.  Kubitschek, 
Hermes  XXII  1887,  465  fr.).  2)  Mommsen  RG.  V  65  f.         3)  Marquardt  StV,  T  19;  vgl.  373  f. 

4)  Das  Genauere  bei  Cagnat,  M^m.  de  l'acad.  d.  inscr.  XXXVIII  i  (1909)  S.  21 9 ff.;  L'armee  Rom. 
d'Afrique^  S.  433 ff.  5)  Mommsen  CIL  VIII  p.  283 f.  423;  vgl.  J.  Schmidt  ebd.  p.  1723.  Hirsch- 
feld, Arch.  epigr.  Mitt.  V  1881  S.  214,  3.  Cagnat,  L'armee  Rom.^  S.  591  f. 


[IIL  184]  I.   ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR 


eine  forumartige  Anlage  mit  zahlreichen  Statuen  von  Legionslegaten;  im  Jahre 
208  erhielt  die  Stadt  ihr  Kapitor).  Als  sie  für  immer  von  der  Legion  verlassen 
wurde,  ist  sie  schnell  verfallen.  Als  die  Byzantiner  die  Städte  Afrikas  in  Ver- 
teidigungszustand setzten,  errichteten  sie  dort  aus  Architraven,  Friesen,  Altären, 
Grabsteinen  und  Postamenten  eine  Zitadelle;  wie  sie  den  Ort  verließen,  haben 
ihn  die  Franzosen  bei  der  Besitznahme  Algeriens  gefunden''). 

In  derselben  Weise  entstanden  aus  Ansiedelungen  von  Römern  in  Baracken 
[canabae)  neben  den  Lagern ^j  mehrere  Städte  in  den  nördlichen  Provinzen,  wo 
die  Lager  oft,  wenn  nicht  in  der  Regel  in  der  Nähe  schon  bestehender  einhei- 
mischer Niederlassungen  errichtet  wurden,  die  dann  allmählich  mit  den  römi- 
schen zu  einem  Gemeinwesen  verschmolzen"*).  Das  Lager  der  15.  Legion 
wurde  (wohl  unter  Claudius)  nach  dem  wie  es  scheint  schon  ansehnlichen  kel- 
tischen Handelsplatz  Carnuntum  (Petronell  in  der  Nähe  von  Wien)  verlegt;  be-  Carnuntum. 
reits  Hadrian  erhob  bei  seinem  dortigen  Aufenthalte  die  römische  Ansiedlung 
zur  Stadt 5).  In  der  Nähe  des  Lagers  von  Castra  vetera  (Xanten)  waren  infolge 
des  langen  Friedens  Bauten  »nach  Art  einer  Stadt«  entstanden,  die  im  Jahre  69 
niedergerissen  wurden,  um  nicht  den  aufständischen  Barbaren  als  Stützpunkt 
beim  Angriff  des  Lagers  zu  dienen^).  Der  Komplex  von  Ortschaften  bei  dem 
großen  Lager  von  Mainz  wurde  eine  römische  Stadt  erst  unter  Diocletian,  ihre  Mainz. 
Blüte  fällt  ins  4.  Jahrhundert,  diesem  werden  die  noch  erhaltenen  Architektur- 
stücke angehören,  die  einen  Schluß  auf  sehr  stattliche  Bauwerke  gestatten 7). 
Eine  ähnliche  Entstehungsgeschichte  haben  Straßburg  (Argentorate),  Alt-Ofen 
(Aquincum),  Wien  (Vindobona),  Iglitza  (Troesmis),  Karlsburg  (Apulum)  und 
viele  andre  Städte  gehabt^). 

In  der  im  Jahre  145  gehaltenen  Prunkrede  des  Aristides  auf  die  Größe  Roms  Aristidesüber 
kann  man  bei  aller  Überschwenglichkeit  die  Wirkung  großer,  ja  überwältigender  SnhlitTcr 
Eindrücke  nicht  verkennen,  die  allerdings  vorzugsweise  aus  den  östlichen  Län-  Städte. " 
dern  stammten «).    Wann,  heißt  es  dort,  gab  es  so  viel  Städte  auf  dem  Festlande 
und  auf  dem  Meere,  oder  wann  waren  sie  so  durchaus  geschmückt?  oder  wel- 
cher Herrscher  der  Vorzeit  konnte  jemals  in  seinem  Reiche  mit  jeder  Tagereise 
eine  Stadt  erreichen,  manchmal  auch  an  demselben  Tage  durch  zwei  und  drei 
Städte  wie  durch  Straßen  fahren?   Man  möchte  sagen,  daß  alle  früheren  nur 
Könige  einer  Wüste  mit  festen  Plätzen  waren,   ihr  allein  aber  über  Städte 
herrscht.    Unter  euch  heben  sich  jetzt  alle  griechischen  Städte,  und  alle  ihre 
monumentalen  Zierden  und  Kunstwerke  suchen  bei  euch  Ehre  einzulegen;  mit 
Städten  sind  Küsten  und  Binnengegenden  angefüllt,  die  teils  unter,  teils  durch 
euch  gegründet,  teils  vergrößert  sind.   lonien  steht  durch  Glanz  und  Schönheit 

l)  St.  Gsell,  Les  monuments  antiques  de  TAlgerie  I  115  f.  128  f.  202.  218.  242  u.  a.  2)  Jung, 
Die  roman.  Landsch.  d.  röm  Reichs  S.  137 f.  3)  Über  die  römischen  Lagerstädte  s.  Mommsen^ 
Ges.  Schrift.  "VI  I76ff.  G.  Wilmanns,  Comment.  Mommsen.  S.  190—212  und  weitere  Literatur  bei 
A.  Schulten,  Real-Encykl.  III  145 1  ff.  4)  Bergk,  Westd.  Ztschr.  I  1882  S.  498—515.  5)  v.  Do- 
maszewski.  Arch.  epigr.  Mitt.  X  1886  S.  ^ff.  6)  Tac.  H.  IV  22:  opera  haud procul  castris  in 

moduvi  municipii  extructa  wie  I  67  longa pace  in  ?nodum  municipii  extrucius  locus  (Baden  bei  Zürich) 

7)  J.  Becker,  Bonner  Jahib.  LXVII  1879  S.  I  ff.    K.  Schumacher,  Mainzer  Zeitschr.  I  1906  S.  Kjtf. 

8)  Marquardt  StV.  P  21.  9)  Aristid.  or.  26,  92  ff.  (II  ii8ff.  K.);  über  die  Zeit  s.  E.  Schwartzj 
Christi,  u.  jüd.  Ostertafeln  (Abhdl.  Götting.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  N.  F.  VIII  6,  1905)  8.132- 
Zum  Inhalt  vgl.  W.  Gernentz,  Landes  Romae,  Dissert.  Rostock  191 8. 


4  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [111.  185,  186] 

an  erster  Stelle,  und  um  wie  viel  es  früher  durch  Schmuck  und  Anmut  andre 
Länder  überragte,  um  so  viel  hat  es  nun  selbst  im  Vergleiche  zu  seiner  eignen 
Vergangenheit  gewonnen.  Die  große  und  stolze  Stadt  Alexanders  ist  eine 
Zierde  eurer  Herrschaft  geworden,  wie  ein  Halsschmuck  einer  reichen  Frau 
unter  vielen  andern  Besitztümern.  Die  ganze  Erde  ist  im  Festkleide,  sie  hat  ihre 
alte  Tracht,  das  Eisen,  abgelegt  und  sich  zu  Pracht,  Zier  und  Lustbarkeit  aller 
Art  gewandt.  Alle  Städte  beherrscht  nur  der  eine  Wetteifer,  daß  jede  als  die 
schönste  und  gefälligste  erscheine.  Alles  ist  voll  von  Ringplätzen,  Wasser- 
leitungen, Propyläen,  Tempeln,  Werkstätten  und  Schulen,  und  mit  Fug  darf 
man  sagen,  daß  die  Erde,  die  von  Anbeginn  krank  war,  nun  genesen  ist.  Un- 
ablässig kommen  Gaben  von  euch,  und  von  eurer  gegen  alle  gleichen  Huld 
kann  man  keine  Stadt  vor  andern  bevorzugt  finden.  Die  Städte  strahlen  in  Glanz 
und  Lieblichkeit,  und  die  ganze  Erde  ist  wie  ein  Garten  geschmückt. 

Daß  die  Bewunderung  des  Rhetors  für  die  Menge  und  Schönheit  der  Städte 
des  Weltreichs  in  der  Tat  begründet  war,  beweisen  außer  ihren  zahlreichen 
Ruinen  manche  statistische  und  sonstige  Angaben.    Bei  der  Angabe  Aelians^), 

Städte  In  daß  Italien  »einst«  1197  Städte  gehabt  habe,  ist  ebenso  ungewiß,  aufweiche 
liüiicn.  2,Q[i  sie  sich  bezieht,  wie  worauf  sie  beruht;  vielleicht  hat  aber  auch  das  Land, 
trotz  der  Verödung  mancher  Orte,  wie  überhaupt  seine  höchste  Blüte,  so 
namentlich  die  größte  Zahl  bedeutender  und  reicher  Städte  in  der  Zeit  von 
August  bis  Marc  Aurel  gehabt^].  Von  den  18  »durch  Reichtum,  Bauart  und 
Lage  an  Schönheit  hervorragenden«  Städten  Italiens,  welche  die  Triumvirn 
jii  =  43  V.  Chr.  den  Soldaten  als  Lohn  aussetzten,  nennt  Appian  als  die  an- 
sehnlichsten Capua,   Rhegium,  Venusia,   Benevent,  Nuceria,  Ariminum   und 

Ober —  Hipponium  (Vibo)^j.  In  Strabos  Zeit  übertraf  Oberitalien  (Gallia  cisalpina)  die 
übrigen  Landschaften  an  Reichtum  und  Größe  der  Städte*).  Von  diesen  ist 
Verona  die  einzige,  deren  Ruinen  noch  jetzt  an  den  alten  Glanz  erinnern;  unter 
August  \var  die  bedeutendste  Stadt  der  ganzen  Gegend  Patavium  mit  500  Fa- 
milien, die  den  Ritterzensus  und  darüber  besaßen.  Erst  in  der  späteren  Zeit 
erhob  sich  Mediolanium  zur  »ersten  Stadt  Italiens  (nach  Rom)  an  Größe,  Be- 
völkerung und  Reichtum«,  wie  Procop  es  nennt^);  seine  Angabe,  daß  bei  der 
Zerstörung  der  Stadt  durch  Witichis  300000  Erwachsene  männlichen  Ge- 
schlechts ums  Leben  gekommen  seien,  ist  allerdings  ohne  Zweifel  stark  über- 
trieben^). Andre  bedeutende  Städte  Oberitaliens  waren  Altinum  und  Ravenna, 
beide  im  Wasser  auf  Pfählen  gebaut,  das  letztere  ein  antikes  Venedig,  nur  auf 
Brücken  oder  Fahrzeugen  gangbar^),  Aquileja,  Placentia,   Cremona  (bis  zur 

i)  Aelian.  V.  bist.  IX  16.  2)  Hock,  Gesch.  Roms  I  2,  151.  Bestimmungen  gegen  Schädigung 
und  Verunstaltung  der  Städte  durch  Abbruch  von  Gebäuden  wurden  schon  in  der  letzten  Zeit  der 
Republik  getroffen.  Lex  munic.  Tarent.  (Dessau  6o86  =  Bruns-Gradenwitz,  Fontes^  nr.  27)  Z.  32  ff. 
7!ei  quis  in  oppido,  quod  eins  municipi  e[r  it,  aedificiuni  dttegito  neivi  de>n[olito]  tuivt  disturbato,  nisei 
ijuod  non  deterius  restituturtis  erit;  sie  kehren  dann  nahezu  wörtlich  in  den  Städteordnungen  der 
Folgezeit,  so  in  der  Lex  Ursonensis  (CIL  II  5439  =  Dessau  6087;  Bruns- Gradenwitz  nr.  28J 
c.  75  und  der  Lex  Malacitana  (CIL  II  1964  ^Dessau  6089;  Bruns-Gradenwitz  nr.  30)  c.  62  wieder; 
Senatsbeschlüsse  gleicher  Richtung  CIL  X  1041  =  Dessau  6043;  Bruns-Gradenwitz  nr.  54;  vgl. 
Mommsen,  Ges.  Schrift.  I  158.  263  f.  371  ff.  3;  Appian.  B.  C.  IV  3.  4)  Strabo  V  218.  5)  Procop. 
B.  Got.  II  21,  6.  6;  Pöhlmann,  Übervölkerung  d.  antiken  Großstädte  S.  19,  4.  7)  Nissen,  Ital. 
Landesk.  II  251. 


[III.  187]        I.   ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR  5 

Zerstörung  im  Jahre  69  sehr  reich,  blühend  und  stark  bevölkert)'),  Parma,  Mu- 
tina, Bononia,  Ariminum,  Ticinum,  Dertona.  Aquileja,  das  große  Emporium 
für  den  nordischen  Handel,  »in  mehr  als  einem  Sinne  die  Mutterstadt  Venedigs«, 
galt  im  4.  Jahrhundert  der  Vokszahl  nach  als  die  vierte  Italiens  (nach  Rom, 
Capua,  Mediolanium)^).  Außerhalb  der  sie  umschließenden  doppelten  Mauer 
breiteten  sich  weite  Vorstädte  aus.  Der  Boden  der  bis  auf  die  Fundamente  zer- 
störten Stadt  ist  reich  an  industriellen  Erzeugnissen.  An  mehreren  Orten  Istriens 
stehen  noeh  stattliche  Ruinen  aufrecht;  so  inTergeste(Triest),Tarsatica(Fiume), 
Parentium  (Parenzo).  Doch  die  bedeutendsten  Reste  aus  römischer  Zeit  hat 
Pola:  einen  ganz  und  einen  größtenteils  zerstörten  Tempel,  einen  eleganten, 
reich  verzierten  Triumphbogen,  das  berühmte  Amphitheater,  das  20 — 25000 
Menschen  fassen  konnte;  die  letzten  Reste  eines  im  17.  Jahrhundert  zerstörten 
Theaters  sind  erst  um  1870  hinweggeräumt  worden;  von  den  ebenfalls  erst  im 
19.  Jahrhundert  eingerissenen  Stadtmauern  stehen  noch  2  Tore^).  In  Mittel-  Mittel — 
Italien  zeugen  Ruinen,  wie  die  von  Ocriculum,  Asisium,Hispellum  sowie  die  sehr 
stattlichen  von  Ancona  in  Picenum  von  der  Ansehnlichkeit  auch  der  Mittel- 
städte, Das  von  Trajan  als  Hafen  für  die  Kriegsmarine  ins  Leben  gerufene 
Centumcellä  (Civitä  Vecchia)  war  noch  in  Procops  Zeit  groß,  bedeutend  und 
volkreich.  Von  dem  Wohlstände  der  Hafenstadt  Ostia  (mit  wohl  mehr  als 
50000  Einwohnern)  zeugen  ihre  Ruinen  und  die  Kunstschätze,  die  sie  bergen, 
ihre  stattlichen  Straßen,  Kaufhallen,  Tempel,  Thermen,  Theater"*).  Der  Hercules- 
tempel  der  Villenstadt  Tibur  gehörte  zu  den  größten  und  reichsten  in  Latium, 
ebenso  der  Fortunatempel  des  »zinnenreichen«,  in  5  Terrassen  zu  seiner  Burg 
herankletternden  Präneste.  In  Unteritalien  haben  Pompeji  und  Herculaneum  in  Unteritalien. 
der  überraschendsten  Weise  gezeigt,  daß  es  auch  Orten,  die  von  den  antiken 
Autoren  nur  ganz  selten  und  beiläufig  erwähnt  werden,  an  zahlreichen  statt- 
lichen, mit  bescheidenem  Luxus  dekorierten  öffentlichen  Bauten  nicht  fehlte. 
Neapel  war  unter  Domitian  eine  prächtige,  reich  geschmückte  Stadt,  mit  vielen 
Tempeln,  mit  Plätzen,  die  von  unzähligen  Säulen  eingefaßt  waren^).  Von  dem 
alten  Glänze  Capuas,  das  noch  in  Domitians  Zeit  nicht  allzu  weit  hinter  Rom 
zurückstand  und  noch  in  Ausonius  Zeit  zu  den  14  berühmten  Städten  des  Reichs 
gerechnet  wurde,  ist  außer  seinem  mächtigen  Amphitheater  wenig  übrig.  Pu- 
teoli,  die  erste  Handelsstadt  Italiens  (mit  vielleicht  nicht  viel  unter  loocoo  Ein- 
wohnern), war  reich  an  Prachtbauten  aller  Art^).  Unter  den  68  Städten  Siciliens'')  Sicilien. 
war  gegen  Ende  der  Republik  die  größte  und  blühendste  Centuripä  mit  10 000 
Bürgern,  d.  h.  etwa  100 000  Einwohnern^);  Syracus  und  Catina  (Catania)  nennt 
Ausonius  unter  den  14  berümten  Städten').    Corsica  hatte  32  Städte '°). 

Die  Städte  Galliens  gibt  Josephus  nach  einem  offiziellen  Verzeichnis  auf  etwa   Gallien. 

l)  Cass.  Dio  LXV  15.  Tac.  Hist.  III  33  f.  2)  Auson.  ordo  nob.  urb.  9.  3)  R.  v.  Schneider, 
Drei  römische  Städte  (Aquileja,  Pola,  Salona)  in  A.  Ilg,  Kunstgesch.  Charakterbilder  aus  Oester- 
reich-Ungam  (1893).  4)  Guter  L^berblick  über  die  Ergebnisse  der  neuesten  Ausgrabungen  bei 
D.  Vaglieri,  Ostia,  cenni  storici  e  guida,  1914.  5)  Stat.  Silv.  III  5,  896'.  Oben  I  401.  6)  Belege 
für  alle  obigen  Angaben  bei  Nissen,  Ital.  Landesk.  Bd.  II.  Für  die  reiche  Literatur  über  neuere 
Ausgrabungen  und  Funde  sei  ein  für  allemal  auf  Mau-v.  Mercklin,  Katalog  d.  Bibl.  d.  kaiserl. 
deutschen  archäol.  Instituts  in  Rom,  Bd.  I  (19 14)  verwiesen.  7)  Plin.  n.  h.  III  88.  Marquardt  StV. 
P  244.       8)  Cic.  Verr.  II  2,  163.  4,  50.       9)  Auson.  ordo  nob.  urb.  16.  17.       10)  Plin.  n.  h.  III  80. 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  i88] 


I200  an'),  und  wenn  ein  großer  oder  der  größte  Teil  noch  in  der  Kaiserzeit 
dorfartig  gewesen  sein  mag,  so  haben  andrerseits  auch  manche,  namentlich  im 

Narbonensis.  Narbonensischen  Gallien,  die  heute  auf  demselben  Boden  stehenden  Städte 
weit  übertrofifen.  Unter  den  neun,  die  Pomponius  Mela  um  die  Mitte  des  i.  Jahr- 
hunderts dort  als  die  ansehnlichsten  nennt ""j,  haben  Vasio  (Vaison)  und  Bäterrä 
(Beziers)  wenig  oder  gar  keine  Reste  aus  dem  römischen  Altertum  aufzu- 
weisen^), nicht  geringe  Avennio  (Avignon),  wo  sich  unter  andern  Trümmer 
eines  Triumphbogens  aus  der  ersten  Kaiserzeit  finden"*);  sehr  großartige  Arau- 
sio  (Orange),  dessen  Triumphbogen  und  Theater  zu  den  am  besten  erhaltenen 
Bauten  dieser  Gattungen  gehören^).  Die  erste  Stelle  behauptete  in  Melas  Zeit 
dort  Narbo,  die  Residenz  des  Prokonsuls  und  der  größte  Hafen  Galliens,  welche 
noch  um  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  von  Sidonius  ApoUinaris  hochgepriesen 
wird^).  Aber  die  imposantesten  und  am  besten  erhaltenen  römischen  Bauten 
außerhalb  Italiens  sind  die  von  Nemausus  (Nimes),  das  unter  Hadrian  und  den 
Antoninen  zu  seiner  höchsten  Blüte  gelangte^),  und  von  Arelate,  >dem  zwie- 
fachen« (da  es  sich  seit  Constantin  auf  beiden  Rhoneufern  ausbreitete),  »dem 
gallischen  Rom«,  wie  es  Ausonius  nennt,  das  seinen  Höhepunkt  erst  nach  dem 
Niedergange  von  Lugdunum  erreichte  und  noch  im  5.  Jahrhundert  eine  sehr 
blühende  Handelsstadt  war^).  Tolosa,  das  gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderts 
neben  Narbo  die  erste  Stelle  einnahm,  war  eine  fünffache  Stadt,  vier  Städte 
hatte  sie  aus  sich  geboren,  die  sie  mit  ihren  gewaltigen  Backsteinmauern  um- 
schloßt). Vienna,  früher  ein  offener  Flecken,  eine  Stadt  erst  seit  August  und 
von  ihm  mit  einer  5 — 6  Kilometer  langen  Mauer  umgeben,  war  reich  an  schönen 
Bauwerken;  Ruinen  eines  Tempels  (vielleicht  Augusts  und  seiner  Gemahlin 
Livia),  Amphitheaters,  Theaters,  Thermengebäudes,  einer  Porticus  sind  noch 
vorhanden '°). 

I^ugdonensis.  Vienna  galt  als  die  zweite  Hauptstadt  von  ganz  Gallien '  ^).  Die  erste  war  Lug- 
dunum (Lyon),  welche  sich  als  Residenz  des  Statthalters  von  Lugdunensis, 
Zentralpunkt  für  die  Verwaltung,  am  Zusammenfluß  zweier  großer  Ströme  und 
im  Schnittpunkt  der  Hauptstraßen  gelegen,  schnell  zu  großem  Glanz  entwickelte 
und  schon  unter  Nero  an  den  herrlichsten  Bauwerken  reich  war,  deren  jedes 
allein  hingereicht  hätte,  eine  Stadt  zu  schmücken").  Seit  die  »große  und  reichet 
Stadt  197  von  den  Soldaten  des  Septimius  Severus  zerstört  worden  war,  scheint 
sie  die  alte  Bedeutung  nicht  wiedergewonnen  zu  haben '^).  Das  »Städtchen  der 
Pariser«,  wie  der  Kaiser  Julian  Lutetia  nennt'*),  auf  der  Seineinsel  gelegen,  hatte 
sich  auf  das  linke  Ufer  ausgebreitet;  bekannt  sind  dort  die  Überreste  des  soge- 


i)  Joseph.  B.  J.  n  373.  Vgl.  Friedlaender,  Deutsche  Rundschau  XIII  1877  S.  396  ff.  Hirschfeld, 
Kl.  Schrift.  S.  27ff.  2)  Pompon.  Mela  II  75.  3)  Hirschfeld  CIL  XU  p.  i6of.  511.  4)  ebd. 
p.  i3of.  5)  Noack,  Baukunst  d.  Altert.  Taf.  88.  89.  152.  L.  Chatelain,  Les  monuments  Romains 
d'Orange,  Paris  1909.  6)  Sidon.  Apollinar.  C.  23,  37  ff.  7)  Hirschfeld  CIL  XU  p.  383.  H.  Bazin, 
Villes  antiques,  I  Paris  1891.  8)  Auson.  ordo  nob.  urb.  10.  Oben  I  377.  Hirschfeld,  Kl.  Schrift. 
27 f.;  CIL  XII  p.  83 f.  Maaß,  Österr.  Jabresh.  X  1907  S.  99 ff.  Bazin  a.  a.  O.  III,  1896.  9)  Auson. 
a.  a.  O.  18.  Ammian.  XV  11,  14.  Hirschfeld  CIL  XII  p.  626.  10)  Hirschfeld  CIL  XU  p.  218. 
H.  Willemsen,  Die  Römerstädte  in  Siidfrankreich,  Gütersloh  1911.  11)  Euseb.  H.  eccl.  V  i,  i. 
Über  Vienne  und  Lyon  Bazin  a.  a.  O.  11,  1891.  12)  Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  S.  133  ff.  13)  Hero- 
dian.  III  7,  7.  Weder  Ausonius  noch  Ammian  nennen  sie  unter  den  bedeutenden  Städten  Galliens. 
14)  Julian.  Misopog.  p.  340  D. 


[III.  189]         I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR  7 

nannten  Palais  desthermes;  ein  in  der  Nähe  des  Pantheon  aufgedecktes  Amphi- 
theater ist  etwa  im  3.  Jahrhundert  erbaut.  Augustodunum  (>Augustusburg«, 
ehemals  Bibracte),  die  Hauptstadt  der  Äduer,  hatte  wie  Vienna  einen  Mauer- 
umfang von  5 — 6  Kilometer  mit  220  Türmen  und  2  dreibogigen  Stadttoren^; 
im  17.  Jahrhundert  waren  dort  noch  bedeutende  Reste  eines  Theaters  und 
Amphitheaters,  das  zu  den  größten  bekannten  gehörte  (157  X  131  m),  vor- 
handen''). 

In  Aquitanien  war  um  die  Mitte  des  i .  Jahrhunderts  die  ansehnlichste  Stadt  Aquitania. 
Eliumberrum  (Auch)^).  Burdigala  (Bordeaux),  gewiß  von  jeher  der  wichtigste 
Handelsplatz  an  der  atlantischen  Küste,  wird  als  bedeutend  nicht  vor  dem  Ende 
des  4.  Jahrhunderts  erwähnt,  auch  tragen  die  Überreste  den  Charakter  der  spät- 
römischen Zeit^).  Ihre  Mauern  bildeten  ein  Viereck  mit  hohen  Türmen  und 
genau  einander  entsprechenden  Toren;  ihre  Straßen  waren  breit  und  regel- 
mäßig^), ihr  Stolz  die  herrliche,  die  ganze  Stadt  überreichlich  mit  Wasser  ver- 
sorgende Quelle  Divona^J" 

In  Belgica  war  die  bereits  unter  August  sehr  volkreiche,  noch  im  4.  Jahr-  Belgica. 
hundert  bedeutende  Stadt  der  Remer,  Durocortorum  (Reims),  die  Residenz  des 
Statthalters^).  Die  (wahrscheinlich  durch  Claudius®)  mit  einer  Militärkolonie 
besiedelte)  Hauptstadt  der  Trevirer  (Trier)  nennt  schon  Mela  eine  sehr  ansehn- 
liche Stadt;  ihr  6148  m  langer  Mauerring  umschließt  ein  (nur  auf  dem  rechten 
Moselufer  gelegenes)  Areal  von  285  Hektar,  so  daß  ihr  Umfang  den  des 
mittelalterlichen  und  bis  vor  kurzem  auch  des  modernen  Trier  um  das  Doppelte 
übertraf;  ihre  Mauer  (mit  der  Porta  Nigra)  ist  zu  Anfang  der  zweiten  Hälfte  des 
3.  Jahrhunderts  erbaut').  Ihre  Glanzzeit  war  das  4.  Jahrhundert,  wo  die  Kaiser 
oft  hier  residierten;  aus  dieser  stammen  die  Prachtbauten,  von  denen  noch  be- 
deutende Reste  vorhanden  sind;  doch  gehört  das  Amphitheater  einer  früheren 
Periode  an").  Die  Ubierstadt,  die  unter  Claudius  eine  römische  Grenzfestung 
geworden  war  und  im  Jahre  50  als  Militärkolonie  ihren  neuen  Namen  (Colonia 
Agrippinensis,  Köln)  erhalten  hatte"),  war  schon  im  Jahre  71  durch  ihre  Wohl- 
habenheit und  ihr  Wachstum  ein  Gegenstand  des  Neids  für  die  Deutschen  auf 
dem  rechten  Rheinufer").  Ihre  (derselben  Zeit  wie  die  von  Trier  angehörige) 
Ringmauer  umschließt  einen  Flächenraum  von  97  Hektar,  auf  dem  eine  Ein- 
wohnerschaft von  30000  Seelen  Platz  finden  konnte.  Köln  und  Deutz  sind  er- 
giebige Fundstätten  von  Architekturstücken,  Skulpturen,  Mosaiken,  Metall- 
arbeiten, Glas-  und  Tongefäßen '^).  In  der  westlichen  Schweiz  waren,  wie  die 
baulichen  Trümmer  beweisen,  die  Flecken  Vindonissa  (Windisch,  bis  zur  Ver- 

i)  Hirschfeld  CIL  XIII  p.  402;  Kl.  Schrift.  S.  191.  2)  Edm.  Thomas  (+  1660),  Hist.  de  l'an- 
tiquecit^d'Autun(i846jS.  32.61.63.215.  3)  Pomp.  Mela  III 20.  4)  Vortreff  lieh  C.  JuUian,  Histoire 
de  Bordeaux,  1895.  5)  Auson.  a.  a.  O.  20.  6)  Oben  II  374.  7)  Strabo  IV  194.  Hieronym. 
epist.  123,  16.  Ammian.  XV  11,  i.  8)  Nach  Komemann,  Westd.  Zeitschr.  XXII  1903  S.  178 ff. 
erst  durch  Vitellius.  9)  Lehner,  Westd.  Ztschr.  XV  1896  S.  217 f.  260 ff.;  vgl.  Nissen,  Bonner 
Jahrb.  XCVI 1895  S.  loff.  Über  die  Porta  Nigra  v.  Behr,  Zeitschr.  f.  Bauwesen  LVm  1908  S.  574  ff. 
R.  Schnitze,  Bonner  Jahrb.  CXVIII  1910  S.  334  ff.  10)  Hettner,  Verhandl.  der  Trierer  Philologen- 
versamms.  1879  S.  15 — 28.  F.  Gramer,  Das  römische  Trier,  1911.  Ii)  Asbach,  Bonner  Jahrb. 
LXXXVIi888S.i2iff.  Nissen,  ebd.  XCVIII  (1895)  S.i45ff.  12)  Tac.Hist.  IV63.  13)  R.  Schultze 
und  C.  Steuemagel,  Bonner  Jahrb.  XCVIII  1895  S.  iff.  J.  Klinkenberg,  Das  römische  Köln  (in 
P.  Giemen,  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz  VI  2),  1906. 


8  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [111.190,191] 

legung  der  Grenze  Standquartier  einer  Legion),  Salodurum,  Turicum,  Lousanna, 
Genava  zu  Städten  aufgeblüht,  wenn  sie  auch  rechtlich  viel  d.  h.  Dorfgemein- 
den blieben');  auch  Baden  bei  Zürich  war  zu  Anfang  des  2.  Jahrhunderts  ein 
lebhafter  >in  städtischer  Weise  gebauter«  Ort^).  Die  bedeutendste  Stadt  dieser 
Gegend,  Aventicum  (Avenches),  stand  »an  Glanz  und  Stattlichkeit  der  öffent- 
lichen Gebäude,  an  Luxus  und  Pracht  der  Wohnungen  und  Landhäuser  der 
reicheren  Bewohner  wohl  nur  wenigen  Provinzialstädten  des  Westens  nach«. 
Ihre  Mauern  waren  mit  vielleicht  gegen  100  Türmen  bewehrt,  eine  treffliche 
Leitung  versorgte  sie  mit  Wasser,  sie  hatte  ein  Theater  und  ein  Amphitheater, 
welches  letztere  etwa  17000  Zuschauer  fassen  konnte^). 

Spanien.  Das  tarraconensische  Spanien  (der  Norden  und  die  östliche  Hälfte)  hatte,  wie 
bemerkt"*),  bereits  unter  August  179,  unter  den  Antoninen  248  selbständige 
Kommunen;  die  Hauptstadt  Tarraco  war  reich  an  Tempeln  und  öffentlichen 
Gebäuden  aller  Art  sowie  an  plastischen  Kunstwerken;  Häuser,  Villen  und 
Grabdenkmäler  zeugten  von  ihrer  Wohlhabenheit^).  Bätica  (Sevilla,  Cordova, 
Granada  und  Teile  der  angrenzenden  Provinzen)  besaß  schon  unter  August 
175  Städte^),  unter  denen  Gades,  von  keiner  Stadt  außer  Rom  an  Einwohner- 
•  zahl  übertroffen,  mit  500  Bürgern,  die  mindestens  400000  Sesterzen  im  Ver- 

mögen hatten^),  zu  den  größten  und  reichsten  der  Monarchie  gehörte.  »Die 
Ruinen  von  Emerita  Augusta,  der  Hauptstadt  von  Lusitania  (einer  der  1 4  Städte 
des  Ausonius),  erregten  schon,  damals  noch  vollständiger  erhalten,  das  Staunen 

^  der  arabischen  Schriftsteller ;  obwohl  sie  seitdem  jahrhundertelang  als  Steinbruch 

benutzt  worden,  sind  doch  noch  Zirkus,  Amphitheater,  Stadtmauer,  Wasser- 
leitung, eine  Brücke  über  das  Anastal  von  81  Bogen  fast  vollständig  vorhanden, 
zahlreiche  Tempelreste,  Statuen  u.  a.  mehr  oder  weniger  zerstört«^). 
Afrika.  Auch  in  Afrika  hat  die  Zahl  und  der  Wohlstand  der  Städte  bis  gegen  das 
Ende  des  3.  Jahrhunderts  wohl  stetig  zugenommen^).  Bereits  Ptolemäus  zählt 
deren  324,  darunter  nur  wenige  als  Flecken  bezeichnete'").  In  einem  Seitental 
des  Medscherda  (Bagradas)  findet  man  in  einer  Zone  von  55000  Hektar  eine 
Gruppe  von  6  Städten,  deren  Entfernung  voneinander  nur  wenige  Kilometer 
beträgt;  weiter  südlich  auf  der  Hochebene,  die  sich  zu  den  Schotts  (Salzseen) 
und  zum  Meere  abdacht,  liegen  die  Städte  noch  so  dicht  (im  Abstand  von  30 
bis  40  Kilometer),  daß  man  bequem  in  einer  Tagereise  von  einer  zur  andern 
gelangen  kann").  Die  Militärkolonien,  deren  wir  in  beiden  Mauretanien  33,  in 
der  Doppelprovinz  Numidia-Afrika  (wo  es  in  Plinius  Zeit  nur  6  gab)  50  kennen"), 
führten  nicht  bloß  zur  Vergrößerung,  sondern  auch  zur  Vermehrung  der  Städte, 
da  Dörfer,  in  denen  Veteranen  angesiedelt  wurden '3),  sich  allmählich  zu  städti- 
scher Verfassung  entwickelten.    Auch  bei  manchen  der  als  Zufluchtsorte  für 


l)  Mommsen,  Ges.  Schrift.  V  376.  2)  Oben  S.3  A.6.  3)  Bursian,  Aventicum  Helvetiorum,  Mitt. 
d.  Antiq.  Gesellsch.  in  Zürich,  Bd.  XVI  i  (1867).  4)  Oben  S.  2.  5)  Hübner,  Rom.  Herrschaft  in 
Westeuropa  (1890)8. 167  ff.  6)  Marquardt  StV.  I^  257,  2.  7)  Strabo  III  i68f.  8)  Kiepert,  Lehrb. 
d.  alt  Geogr.  S.  488  A.  i;  über  neuere  Funde  vgl.  P.  Paris,  Archäol.  Anzeig.  1912  S.  456ff.  1914 
S.  370  ff.,  über  die  Aufdeckung  der  alten  Griechenstadt  Emporiae  (Ampurias)  A.  Schulten,  N.  Jahrb. 
f.  d.  klass.  Altert.  XIX  1907  S.  334  ff.  9)  Vgl.  Friedlaender,  Deutsche  Rundschau  XXXIV  1883 
S.  44ff.  241  ff.  10)  Jung,  Roman.  Landschaften  S.  121.  11)  Schulten,  Das  röm.  Afrika  S.  35f. 
12)  Marquardt  StV.  1''  477  ff.  Plin.  n.  h.  V  29.     13)  CIL  VIII  885  =  Dessau  6803. 


[III.  192]        I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR 


die  Landbevölkerung  bei  Einfällen  unabhängiger  Stämme  dienenden  »Türme« 
und  Burgen  vermehrte  sich  die  seßhafte  Bevölkerung  so,  daß  sie  Stadtrecht 
beanspruchen  konnte  und  erhielt').  Von  der  Entstehung  der  Lagerstädte  Lam- 
bäsis  und  Verecunda  ist  die  Rede  gewesen^).  Landgemeinden,  die  als  unselb- 
ständige Glieder  zu  selbständigen  Stadtgemeinden  gehörten,  erwuchsen  mit  der 
Zeit  selbst  zu  solchen,  wie  die  anfangs  zum  Kommunalverbande  von  Cirta  ge- 
hörigen Orte  ChuUu,  Mileu  und  Rusicade  (Philippeville)  etwa  zu  Ende  des  3.  Jahr- 
hunderts ^j;  das  letztere  war  reich  an  öffentlichen  Gebäuden  und  statuarischem 
Schmuck*).  Ebenso  erscheinen  die  4  Landgemeinden  Thignica,  Thibursicum 
Bure,  Thugga,  Agbia  unter  Gallienus  sämtlich  als  Städte^),  und  bedeutende 
Ruinen^)  geben  eine  Vorstellung  von  ihrem  Wohlstande. 

Überhaupt  ist  die  Blüte  der  römischen  Städte  in  Afrika  in  der  Zeit  von 
Hadrian  bis  zu  den  Severen'')  vorzugsweise  durch  ihre  Überreste  bezeugt. 
Während  solche,  die  für  nahe  gelegene  arabische  Orte  als  Steinbrüche  dienen 
konnten,  zum  Teil  so  gut  wie  ganz  von  der  Erde  verschwunden  sind,  wie  Kar- 
thago (das  im  3.  Jahrhundert  mit  Alexandria  um  die  zweite  Stelle  nach  Rom 
rivalisierte)^),  Utica,  Hadrumetum  (Susa),  geben  von  andern  in  der  antiken  Li- 
teratur nie  genannten,  wie  Uthina^j,  Seressita  (jetzt  von  ihren  vier  noch  stehen- 
den Toren  Um-el-Abuab  d.  h.  Mutter  der  Tore  genannt) '°),  Sufetula ' '),  Gigthis '"), 
Thubursicum'3)  u.  a.,  sehr  ansehnliche  Reste  Zeugnis.  In  dem  jetzt  spärlich 
bewohnten,  im  Frühjahr  von  Fieberluft  erfüllten  Tale  des  Bagradas,  einer  afrika- 
nischen Campagna,  stößt  man  bei  jedem  Schritt  auf  Ruinen  römischer  Tempel, 
Bäder,  Wasserleitungen;  stellenweise  deuten  nur  noch  Trümmerhaufen  die 
einstigen  Ortschaften  an,  anderswo  ragen  wieder  großartige  Bauten  mit  Skulp- 
turen und  Inschriften  bedeckt  über  das  elende  Gemäuer  der  hier  eingenisteten 
arabischen  Duars  "*).  In  Groß-Leptis,  von  wo  ganze  Schiffsladungen  von  Säulen 
nach  England  und  Frankreich  gegangen  sind,  erkennt  man  in  dem  westlichen 
tief  verschütteten  Stadtteile  noch  zahlreiche  Reste  von  Bauten,  die  sich  durch 
Kostbarkeit  des  Materials  sowie  durch  Menge  und  Größe  der  Säulen  auszeich- 
nen'5).  Sehr  umfangreich  sind  u.  a.  die  Ruinen  von  Thamugadi"^)  (Timgad), 
einem  unter  Wüstensand  begrabenen  afrikanischen  Pompeji'^),  sowie  die  der 
Vaterstadt  des  Augustinus,  Thagaste  '^),  und  des  Apulejus,  Madaura  '^).  Theveste 
(Tebessa)  ist  ^e'me  antike  Stadt  mit  antiken  Häusern,  die  noch  bewohnt  werden, 
wenn  auch  noch  viel  mehr  in  Schutt  und  Ruinen  liegen«;  ein  Tempel,  ähnlich 

l)  Mommsen  CIL  VIII  p.  21.  2)  Oben  S.  2  f.  3)  Marquardt  479  f.  4)  St.  Gsell,  Les  monuments 
antiques  de  l'Alg^rie  I  108.  192.  201.  232  u.  a.  5)  Mommsen  CIL  VIII  p.  173  f.  6)  Besonders 
reich  sind  die  Überreste  von  Thugga  (heute  Dougga),  vgl.  Carton,  Ruines  de  Dougga,  1909;  über 
das  Forum  L.  Homo,  M^langes  d'arch^ol.  et  d'hist.  XXI  1901  S.  3ff.,  das  Kapitol  bei  Noack 
a.  a.  O.  Taf.  180.  7)  Schulten  a.  a.  O.  S.  72.  8)  CIL  VIII  p.  133.  Herodian.  VII  6,  i.  Über  Utica 
(1^  öeurepa  luexä  Kap\r]b6ya  Strabo  XVH  832)  CIL  VIII  p.  149.  9)  Barth,  Wanderungen  I  1 14  f. 
P.  Gauckler,  Monum.  Piot  III  1896,  177  ff.  10)  Gu^rin,  Voyage  arch^ol.  dans  la  r6gence  de  Tunis 
^  354ff-  11)  A.  Schulten,  Arch.  Anzeig.  1913  S.  252  ff.  12)  ebd.  1911  S.  253  f.  13)  Diese 
numidische  Stadt  besaß  einen  Flächeninhalt  von  66  ha  (Pompeji  hat  64.7  ha),  Schulten  a.  a.  O. 
1901  S.  76.  14)  Hesse-Wartegg,  Tunis,  Land  und  Leute  S.  I59f.  15)  Barth,  Wanderungen  I 
S.  310— 312.  16)  CIL  VIII  p.  259.    E.  Boeswillwald,  R.  Cagnat,  A.  Ballu,  Timgad,   une  cite 

africaine  sous  l'empire  romain,  1905.  H.  Holtzinger,  Timgad  und  die  römische  Provinzialarchitektiir 
in  Nordafrika,  1906;  vgl.  auch  Noack  a.  a.  O.  Taf.  149.  177.  178.  17I  Schulten  a.  a.  O.  S.  61  f. 
18)  CIL  VIU  p.  508.     19)  ebd.  p.  472. 


lo  XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [HI.  193] 

der  Maison  carree  in  Nimes^),  Thermen,  ähnlich  denen  des  Caracalla,  das  Forum, 
eine  Basilika  und  andres  ist  wohl  erhalten'').  Auch  von  den  Hauptstädten  des 
östlichen  Mauretaniens  Sitifi  und  Cäsarea  sind  große  Überreste  vorhanden ;  das 
letztere  hatte  einen  Umfang-  von  einer  geographischen  Meile,  mindestens  den 
achtfachen  des  heutigen  ScherschelP).  Die  Ruinen  der  in  West-Marokko  (Mau- 
retania  Tingitana)  gelegenen  Stadt  Volubilis  (Reste  eines  Triumphbogens,  eines 
Tempels  und  der  Umfassungsmauer)  bedecken,  obwohl  sie  lange  als  Steinbruch 
für  das  nahe  Miknes  gedient  haben,  noch  einen  Hügel'*).  Auf  eine  Zunahme 
der  Gesamtbevölkerung  während  der  Kaiserzeit  läßt  die  Zunahme  und  das 
Wachstum  der  Städte  um  so  mehr  schließen,  als  nach  Herodian  um  die  Mitte 
des  3.  Jahrhunderts  auch  die  Ackerbau  treibende  Bevölkerung  groß  war 5), 
Nach  Procop  sollen  in  Afrika  durch  die  Vandalen  5  Millionen  Menschen  umge- 
kommen sein^j. 
Ägypten.  Die  Bevölkerung  Ägyptens,  das  unter  den  Ptolemäern  7  Mill.  Einwohner 
gehabt  haben  solF),  war  im  i.  Jahrhundert  auf  etwa  8'/,  gewachsen^)  (das  sind 
vielleicht  280  auf  den  Quadratkilometer,  wie  etwa  heutzutage  im  dicht  bevölker- 
ten Königreich  Sachsen).  Es  sollte  in  alter  Zeit  20000,  unter  den  Ptolemäern 
30000  Ortschaften  gehabt  haben^),  und  noch  in  der  Kaiserzeit  war  es  reich  an 
Städten,  wenn  auch  die  Mehrzahl  derselben  klein  und  unberühmt  war"""),  zumal 
die  Metropolen  der  Gaue  mit  Ausnahme  der  Griechenstädte  Naukratis  und 
Ptolemais  (wozu  später  Antinoupolis  kam)  bis  auf  Septimius  Severus  der  Auto- 
nomie entbehrten  und  daher  staatsrechtlich  nur  den  Charakter  von  Dörfern 
trugen").  Die  Weltstadt  Alexandria  aber,  die  wohl  über  i  Million  Einwohner 
hatte"),  konnte  mit  Rom  wie  in  andern  Beziehungen  so  namentlich  in  der  Pracht 
und  Größe  ihrer  Bauten  wetteifern.  Noch  im  4.  Jahrhundert  hatte  Ägypten  mit 
Libyen  und  der  Pentapolis  zusammen  100  Bischofssitze'^). 
Syrien.  Die  Hauptstadt  Syriens,  Antiochia,  stand  an  Umfang,  Glanz  und  Volksreich- 
tum Alexandria  gleich;  sie  bestand  aus  vier,  von  besonderen  Mauern  und  einer 
Hauptmauer  umschlossenen  Städten'*)  und  hatte  wie  Alexandria  zwei  von  be- 
deckten Säulengängen  eingefaßte,  einander  rechtwinklig  schneidende  Haupt- 
straßen, deren  längere  36  Stadien  (6,5  km)  lang  war'^).  Durch  die  Trefflichkeit 
und  Fülle  ihrer  Wasserleitungen  übertraf  sie  nach  Libanius  alle  Großstädte'^, 
und  sie  war  die  einzige,  von  der  wir  wissen,  daß  sie  (im  4.  Jahrhundert)  Straßen- 
beleuchtung hatte.    Die  beiden  einander  ebenfalls  rechtwinklig  schneidenden 

i)  Noack  a.  a.  O.  Taf.  179.  Gsell  a.  a.  O.  I  133  ff.  2)  Maltzan,  Drei  Jahre  im  Nordwesten  von 
Afrika  II  306 — 314.  R.  Cag^at,  Carthage,  Timgad,  T^bessa  et  les  villes  antiques  de  l'Afrique  da 
Nord,  1909.  Gsell  a.  a.  O.  I  109  f.  129.  203.  234.  265  ff.  3)  Barth,  Wanderungen  I  56.  4)  Duruy, 
Hist.  Rom.  V  200,  i;  vgl.  auch  Cagnat,  L'arm^e  Rom.  d'Afrique"  S.  669  f.  5)  Herodian.  VII  4,  4. 
6)  Procop.  Anecd.  18,  8.  7)  Diodor.  I  31,  8;  vgl.  dazu  Wilcken,  Griech.  Ostraka  S.  487 ff. 
8)  Joseph.  B.  J.  II  385:  71/2  Millionen  mit  Ausschluß  von  Alexandrien  (jedoch  vgl.  dazu  Wilcken 
a.  a.  O.  S.  239).  9)  Diod.  I  31,  7.  10)  Plin.  n.  h.  V  60  nunc  quoqut  multis  etiamsi  ignobilibus 
[urbibus]  frequens.  11)  Wilcken,  Grundzüge  der  Papyruskunde  I  38  ff.    A.  Stein,  Untersuch,  z. 

Gesch.  u.  Verwalt.  Ägyptens  S.  84  f.  Arsinoe  hatte  nach  Wessely,  Mitteil,  aus  d.  Samml.  d.  Papyr. 
Erzherz.  Rainer  II,  III  1887  S.  261  mindestens  100 000  Einwohner.  12)  Oben  I  43of.  13)  Mar- 
quardt  a.  a.  O.  I^  439,  11.  14)  Strabo  XVI  750,  vgl.  oben  I  370.  15)  O.  Müller,  Kunstarch. 
Werke  V  57;  s.  im  allgemeinen  R.Förster,  Archäol.  Jahrb.  XII  1897  S.  103 ff.  und  über  den 
Flächeninhalt  der  Stadt  (481  ha)  J.  Partsch,  Arch.  Anz.  1898  S.  222ff.     l6j  Oben  II  372f. 


[lU.  194]        I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARG HITEICTUR  ii 

Hauptstraßen  von  Apamea  am  Orontes  (mit  1 17000  freien  Einwohnern  im 
Jahre  759/60  =  5/4  v.  Chr.)  waren  etwa  1  7a  und  i  km  lang;  seine  Akropolis, 
auf  der  jetzt  ein  Araberdorf  von  100  Häusern  steht,  hatte  wenigstens  für  4  bis 
500  Häuser  Raum*).  Von  Apamea  bis  zur  Wendung  des  Orontes  gegen  das 
Meer  stehen  an  seinem  rechten  Ufer  auf  einer  Strecke  von  1 50 — 180  km  Länge 
»heute  noch  die  Ruinen  von  gegen  hundert  Ortschaften,  ganze  noch  erkenn- 
bare Straßen^  die  Gebäude  mit  Ausnahme  der  Dächer  ausgeführt  in  massivem 
Steinbau,  die  Wohnhäuser  von  Säulenhallen  umgeben,  mit  Galerien  und  Bai- 
konen geschmückt,  Fenster  und  Portale  reich  und  oft  geschmackvoll  dekoriert 
mit  Steinarabesken,  dazu  Garten-  und  Badeanlagen,  Wirtschaftsräume  im  Erd- 
geschoß, Ställe,  in  den  Felsen  gehauene  Wein-  und  Ölpressen,  auch  große, 
ebenfalls  in  den  Felsen  gehauene  Grabkammern  mit  Sarkophagen  gefüllt  und 
mit  säulengeschmückten  Eingängen«.  Es  sind  die  Landwohnungen  der  Kauf- 
leute und  Industriellen  von  Apamea  und  Antiochia,  Ansiedlungen,  die  der  Zeit 
vom  Anfang  des  4.  bis  zur  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  angehören,  denen  aber 
sicher  ähnliche,  minder  dauerhafte  Villenanlagen  vorausgegangen  sind:  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  kann  der  Wohlstand  der  syrischen  Kaufmannswelt,  von 
dem  wir  hier  ein  Bild  haben,  auch  für  die  frühere  Kaiserzeit  vorausgesetzt  wer- 
den'). Das  »heilige  und  sehr  große  Damascus«  nennt  Kaiser  Julian  »das  Auge 
des  ganzen  Orients*  und  rühmt  die  Schönheit  und  Größe  seiner  Tempel,  die 
Pracht  und  Reichlichkeit  seiner  Wasserleitungen^).  Samosata  am  Euphrat  war 
eine  große  und  volkreiche  Stadt  mit  einem  großen  Zeustempel^),  für  die  Be- 
deutung von  Heliopolis  (Ba'albek)  zeugen  die  großartigen  Tempeltrümmer,  die 
zu  den  imposantesten  Ruinenstätten  der  alten  Welt  gehören^).  Das  schon  in 
der  ersten  Kaiserzeit  zum  römischen  Reiche  gezogene  Palmyra  verdankte  dem 
Karawanenhandel  nach  den  Handelsplätzen  am  Euphrat  und  persischen  Meer- 
busen seine  Bedeutung  und  seinen  Wohlstand,  von  dem  »die  noch  heute  stehen- 
den Tempel  der  Stadt  und  die  langen  Säulenreihen  der  städtischen  Hallen,  so- 
wie die  massenhaften,  reich  verzierten  Grabmäler  zeugen«  ;  »mit  Hilfe  der  großen 
unterirdischen  Wasserleitungen  und  ungeheuren,  künstlich  aus  Quadern  an- 
gelegten Wasserreservoirs,  von  denen  sich  in  der  Umgegend  noch  Reste  finden, 
muß  der  jetzt  aller  Vegetation  bare  Boden  einst  eine  reiche  Kultur  entwickelt 
haben«.  Nach  der  Zerstörung  der  Stadt  durch  Aurelian  (273)  »suchte  und  fand 
der  Handel  andere  Bahnen,  und  dem  kurzen  meteorartigen  Aufleuchten  Pal- 
myras  folgte  unmittelbar  die  Öde  und  Stille,  die  seither  bis  auf  den  heutigen 
Tag  über  dem  kümmerlichen  Wüstendorf  und  seinen  Kolonnadenruinen  lagert«  ^). 

l)  Sachau,  Reise  in  Syrien  und  Mesopotamien  (1883)  S.  71  ff.,  vgl.  CIL  III  p.  1223.  Chapot,  La 
frontiere  de  l'Euphrate  (1907)  S.  334  f.  2)  Mommsen  RG.  V  469  f.  Der  außerordentliche  Reichtum 
Syriens  an  Ortschaften  tritt  namentlich  in  den  Reiseberichten  der  amerikanischen  Expedition  her- 
vor, die  in  jüngster  Zeit  größere  Teile  des  Landes  aufgenommen  hat,  Publications  of  an  American 
archaeological  expedition  to  Syria  in  1899 — 1900  (1904  ff.)  und  Publications  of  the  Princeton  Uni- 
versity  archaeological  expedition  to  Syria  in  1904 — 1905  and  1909  (1907  ff.).  Vgl.  dazu  H.  Glück, 
Der  Breit-  und  Langhausbau  in  Syrien,  1916.  3)  Julian,  ep.  24  p.  392  C.  4)  Liban.  or.  18,  214 
(n  330  F.).  5)  O.  Puchstein,  Arch.  Jahrb.  XM.  1901  S.  I33ff.  XVII  1902  S.  87ff.;  Führer  durch 
die  Ruinen  von  Ba'albek,  1905.  Noack  a.  a.  O.  Taf.  186 — 190;  vgl.  E.  Weigand,  Arch.  Jahrb. 
XXIX  1914  S.  37  ff.  Einen  sehr  lehrreichen  Überblick  über  die  wichtigsten  Ruinenstätten  Syriens 
gibt  Puchstein,  Arch.  Jahrb.  XVII  1902  S.  103  fiF.  6)  Mommsen  RG.  V  423,  428  f.  441  f.  Über  die 
Denkmäler  von  Palmyra  vgl.  Puchstein,  Arch.  Anz.  1906  S.  428".  193  f.  Noack  a.  a.  O.  Taf.  183—185, 


12 


XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  195] 


Phönizien.  Unter  den  Städten  Phöniziens  waren  Sidon  und  Tyrus  (mit  sechsstöckigen 
Häusern)')  die  größten:  Zabulon,  sagt  Josephus,  hatte  schöne  Häuser,  gleich 
denen  in  Sidon,  Tyrus  und  Berytus");  auch  Ptolemais  war  eine  große,  Aradus 
Palästina,  eine  sehr  volkreiche  Stadt  mit  vielstöckigen  Häusern^).  Unter  den  Städten  Pa- 
lästinas ragte  nächst  Jerusalem  (mit  60000  Einwohnern  im  Jahre  70)'*)  Gaza'') 
und  die  von  Herodes  prachtvoll  erbaute  Hafenstadt  Cäsarea  hervor '^);  ihr  Tetra- 
pylon, ein  Triumphbogen  mit  vier  Toren  (wohl  auf  dem  Schnittpunkt  ihrer 
beiden  Hauptstraßen),  wurde  noch  im  4,  Jahrhundert  als  Sehenswürdigkeit  ge- 
nannt^). 

Für  Ostsyrien  und  das  Nabatäerland  brach  mit  der  Einrichtung  der  Provinz 
Arabien  und  der  Verlegung  einer  Legion  nach  der  Hauptstadt  Bostra  (106)  die 
einzige  Epoche  der  Ruhe  und  guten  Verwaltung  an,  deren  diese  Länder,  jetzt 
eine  fast  unbewohnte,  nur  von  Beduinen  durchstreifte  Wüste,  sich  jemals  er- 
freut haben:  der  Zeit  der  römischen  Herrschaft  (von  Trajan  bis  Justinian)  ge- 
Das  Haiirfin.  hören  fast  sämtliche  dort  erhaltene  bauliche  Überreste  an^).  In  der  Ledjä, 
einem  13  Stunden  langen  und  8 — 9  Stunden  breiten,  jetzt  fast  menschenleeren, 
damals  hochkultivierten  Lavaplateau,  durch  welches  die  Bostra  mit  Damascus 
verbindende  Römerstraße  führte,  und  um  sie  zählt  man  die  Ruinen  von  12 
größeren  und  3g  kleineren  Ortschaften.  Schon  der  erste  Statthalter  der  neuen 
Provinz  ließ  Aquädukte  bauen,  die  das  Wasser  vom  Gebirge  des  Hauran  nach 
Canatha  (Kerak)  und  Arrha  (Rahä)  führten.  Bostra,  durch  eine  römische  Straße 
mit  dem  persischen  Meerbusen  verbunden,  nahm  als  Handelsplatz  einen  ge- 
waltigen Aufschwung;  es  vermittelte  nun  neben  Palmyra  und  Petra  den  Ver- 
kehr vom  Osten  zum  Mittelmeer;  seine  langen  Reihen  steinerner  Buden  be- 
zeugen noch  jetzt  seine  damalige  sowie  die  Möglichkeit  seiner  künftigen  Größe. 
Die  bei  dem  Mangel  des  Holzes  ganz  aus  Stein  aufgeführten  Bauwerke  des 
Hauran  geben  von  der  ganz  eigenartigen  dort  in  dem  halben  Jahrtausend  zwi- 
schen Trajan  und  Mohammed  blühenden  Kultur  ein  überraschend  anschau- 
liches Bild^).  Durch  die  römische  Herrschaft  »erhielt  das  Bauen  einen  Anstoß, 
der  nicht  wieder  zum  Stillstand  kam.  Überall  erhoben  sich  Häuser,  Paläste, 
Bäder,  Tempel,  Theater,  Aquädukte,  Triumphbogen ;  Städte  stiegen  aus  dem 
Boden  binnen  weniger  Jahre,  mit  der  regelmäßigen  Anlage,  den  symmetrisch 
geführten  Säulenreihen,  die  die  Städte  ohne  Vergangenheit  bezeichnen  und  für 
diesen  Teil  Syriens  während  der  Kaiserzeit  gleichsam  die  unvermeidliche  Uni- 
form sind«  (M.  de  Vogue).  Die  östliche  Abdachung  des  Hauran  weist  ungefähr 
300  derartige  verödete  Städte  und  Dörfer  auf,  während  dort  jetzt  nur  5  Ort- 
schaften vorhanden  sind;   einzelne  von  jenen  zählen  bis  800  ein-  bis  zwei- 


1)  Oben  I  5  A.  6.  2)  Joseph.  B.  J.  II  504.  3)  Strabo  XVI  753. ,758.  4)  Tac.  bist.  V  13;  vgl. 
Marquardt  StV.  II'  121,  2.  5)  Mela  I  64  mgens  et  munita  admodum;  vgl.  R.  Förster,  Arch.  Jahrb. 
IX  1894  S.  166,  I.  6)  Joseph.  B.  J.  III  409.  Tac.  bist.  II  78  und  mehr  bei  Benzinger,  Real-Encykl. 
TII  1291  flF.  7)  Expos,  tot.  mundi  26.  8)  Brünnow  u.  v.  Domaszewski,  Die  Provincia  Arabia  III 
(1909)  S.  iff.  Publications  of  the  Princeton  University  Archaeological  Expeditions  to  Syria  in 
1904 — 1905  and  1909,  Division  II.  III  Section  A  part  4  (1914).  9)  Ein  sehr  gutes  Beispiel  dafür 
liefern  die  bei  dem  heutigen  Umm  idj-Djimäl  gefundenen  bedeutenden  Überreste  einer  antiken 
Stadt,  deren  Name  [Thantia  in  der  Tab.  Peut.,  Thainaia  in  der  Not.  dign.)  nur  vermutungsweise 
festgestellt  werden  kann.  Public,  of  the  Princet.  Univ.  a.  a.  O.  Sect.  A  part  3  (1913)  Divis.  II  1490'. 
m  131fr. 


[III.  196]        I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR  13 

stöckige,  noch  bewohnbare  Häuser,  durchaus  aus  Basalt  gebaut,  mit  wohlge- 
fügten, ohne  Zement  verbundenen  Quadermauern,  meist  ornamentierten,  oft 
auch  mit  Inschriften  versehenen  Türen,  die  flache  Decke  gebildet  durch  Stein- 
balken, welche  von  Steinbogen  getragen  und  durch  eine  Zementlage  regenfrei 
gestellt  werden.  Die  Bauweise  ist  im  ganzen  die  gewöhnliche  griechische  der 
Kaiserzeit  mit  einzelnen  Anklängen  an  die  ältere  orientalische ;  doch  mit  einer 
durch  das  Fehlen  des  Holzes  bedingten  Entwicklung  des  Steinbogens  und  der 
Kuppel,  die  diesen  Bauten  technisch  wie  künstlerisch  einen  originellen  Cha- 
rakter verleiht.  Die  Stadtmauer  wird  gewöhnlich  nur  durch  die  zusammen- 
geschlossenen Rückseiten  der  Häuser  gebildet  und  ist  durch  zahlreiche  Türme 
geschützt.  Vor  den  Toren  liegen  die  oft  unterirdischen  oder  mit  künstlichem 
Steindach  versehenen,  zum  Teil  noch  heute  von  den  Beduinen  instand  gehal- 
tenen Zisternen'). 

Unter  den  dortigen  römischen  Städten  ist  Gerasa  von  einer  noch  überall  zu 
verfolgenden,  stellenweise  3,5  m  dicken,  3552  m  langen  Quadermauer  um- 
geben und  von  drei  gewaltigen  Säulenstraßen  durchzogen;  außer  dem  groß- 
artigen HaupttempeP)  sind  noch  zwei  kleinere  Tempel,  zwei  Theater,  mehrere  ^ 
große  Bäder,  Aquädukte  und  andere  Reste  übrig.     Eine  gräberreiche  Nekro- 
polis,  welche  die  Größe  der  Bevölkerung  beweist,  umgibt  die  Stadt  auf  allen 
Seiten^).    Das  erst  von  Kaiser  Philipp  dem  Araber  zur  Stadt  erhobene  Philip- 
popolis  war  nach  seinen  Ruinen  ein  bedeutender  Ort,  von  einer  rechteckigen                            •  • 
Mauer  umschlossen,  von  zwei  gepflasterten  Hauptstraßen  kreuzweise  durch- 
schnitten, mit  einem  Theater,  einer  Wasserleitung,  Bädern,  Tempeln  und  zahl- 
reichen andern  öffentlichen  Gebäuden**).     Die  meist  in  den  lebendigen  Felsen 
gehauenen,  größtenteils  erst  der  Römerherrschaft  angehörigen  Prachtbauten 
von  Petra  (der  alten  Residenz  der  nabatäischen  Könige)  zeigen  alle  phantasti-  Arabien.  ' 
sehen  Ausartungen  des  sinkenden  Architektur-  und  Skulpturstils  des  2. — 3.  Jahr-                            ] 
hunderts^).    »Die  Grabstätten,  welche  in  die  östlich  und  westlich  von  Petra  auf-                             ] 
steigenden  Felswände  und  in  deren  Seitentäler  eingebrochen  sind,  mit  ihren 
oft  in  mehreren  Reihen  übereinandergestellten  dorischen  oder  korinthischen  i 
Säulenfassaden  und  ihren  an  das  ägyptische  Theben  erinnernden  Pyramiden  j 
und  Propyläen  sind  nicht  künstlerisch  erfreulich,  aber  imponierend  durch  Masse                             | 
und  Reichtum.     Nur  ein  reges  Leben  und  ein  hoher  Wohlstand  hat  also  für  i 
seine  Toten  zu  sorgen  vermocht«').                                                                                                       j 

Von  den  500  Städten  der  Provinz  Asia,  welche  die  Küstenstriche  und  Inseln  Asi«.  | 

von  lonien,  Äolis  und  Doris,  die  Landschaften  Phrygien,  Mysien,  Karlen  und  •] 

Lydien  umfaßte,  ist  wiederholt  die  Rede^) :  auch  diese  Zahl  beruht  auf  einer  ] 

amtlichen  Angabe.     Eine  der  reichsten  und  prachtvollsten  Städte  nicht  bloß 
dieser  Provinz,  sondern  ganz  Kleinasiens,  deren  Größe  noch  jetzt  die  Ruinen 

i)  Alles  Obige  nach  Moinmsen  RG.  V  4S2 — 485,  großenteils  wörtlich.    Über   die  Landschaft  ' 

Haurän  in  römischer  Zeit  und  in  der  Gegenwart  vgl.  G.  Rindfleisch,  Zeitschr.  d.  dtsch.  Palästina-  1 

Vereins  XXI  1898  S.  iff.         2)  Noack  a.  a.  O.  Taf.  182.         3)  G.  Schumacher,  Zeitschr.  d.  dtsch.  I 

Palästina -Vereins  XXV  1902  S.  logff.    Benzinger,  Real-Encykl.  VII  1244.         4)  CIL  III  p.  2303.  j 
Brünnow-v.  Domaszewski  a.  a.  O.  III  i45tT.    Kubitschek,   Sttz.Ber.  Akad.  Wien    Bd.  177   (1916) 

Abh.  IV  40 ff.       5)  Brünnow-v.  Domaszewski  I  125  ff.  Thiersch,  An  den  Rändern  des  röm.  Reichs  < 

S.  29  ff.  Puchstein,  Archäol.  Anz.  1910  S.  3  ff.   Noack  a.  a.  O.  Taf,  159.     6j  Mommsen  RG.  V  485.  ] 

7)  Marquardt  StV.  P  340,  3.  ■ 


14  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  197,  198] 

ihres  Theaters  und  Amphitheaters  bezeugen,  war  Cyzicus^),  die  bedeutendste 
des  Binnenlands  Apamea  (KißujTO?)*];  daß  aber  auch  Städte  zweiten  Ranges  an 
Umfang,  Wohlstand  und  Denkmälern  sehr  ansehnlich  waren,  haben  die  Aus- 
grabungen auf  dem  Boden  des  durch  seine  heißen  Quellen  berühmten  phrygi- 
schen  Hierapolis  gezeigt^).  Von  elf  Städten,  die  sich  im  Jahre  26  n.  Chr.  um 
die  Ehre  bewarben,  dem  Kaiser  Tiberius  einen  Tempel  erbauen  zu  dürfen, 
wurden  fünf  als  zu  unbedeutend  sogleich  zurückgewiesen,  darunter  Laodicea*); 
doch  sagt  Strabo  von  dieser  Stadt,  daß  ihre  Wollproduktion  und  die  Frucht- 
barkeit ihres  Bodens  sie  reich  und  die  Munifizenz  einiger  Bürger  groß  gemacht 
hatte.  Ein  Hiero  hatte  ihr  eine  Erbschaft  von  mehr  als  2000  Talenten  (nahezu 
IG  Mill.  Mark)  hinterlassen;  überdies  hatte  er,  und  nach  ihm  der  Rhetor  Zeno 
und  der  (von  Antonius  und  August  zur  Königswürde  erhobene)  Polemo  sie 
durch  Bauten  und  Monumente  verschönert^).  Hiernach  mag  man  sich  den 
Glanz  und  Reichtum  der  zur  Bewerbung  zugelassenen  Städte  Halikamaß,  Per- 
gamum  (mit  120000  Einwohnern)^),  Ephesus,  Milet,  Sardes  und  Smyrna  vor- 
stellen. Unter  ihnen  galten  Pergamum  und  Ephesus  für  die  Zierden  Asias^), 
das  letztere,  die  Residenz  der  Statthalter,  für  eine  der  volkreichsten  und  am 
schönsten  gebauten  Städte  der  Welt^);  doch  Smyrna  behauptete  unbestritten 
den  Ruhm  der  schönsten  in  der  Provinz').  Von  Aphrodisias,  von  dessen  Wohl- 
stande und  Blüte  die  reichlichen,  auf  Inschriftensteinen  erhaltenen,  bis  in  die 
Zeit  der  Gordiane  reichenden  Nachrichten  über  den  dort  für  Schauspiele  ge- 
machten Aufwand  einen  hohen  Begriff  geben '°),  haben  sich  trotz  der  Benutzung 
der  älteren  Bauten  zu  einer  im  4.  Jahrhundert  aufgeführten  Mauer  und  der  fort- 
währenden Ausbeutung  der  Trümmer  als  Steinbruch  bedeutende  Reste  aus 
römischer  Zeit  erhalten");  desgleichen  von  Stratonicea").  Die  Hauptstadt  der 
wahrscheinlich  unter  Vespasian  der  Provinz  Asia  einverleibten*^)  Insel  Rhodus 
war  bis  zu  ihrer  Zerstörung  durch  ein  Erdbeben  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhun- 
derts die  reichste  und  blühendste  griechische  Stadt,  und  zugleich  eine  der  am 
schönsten  und  regelmäßigsten  gebauten  und  an  prachtvollen  Anlagen  reichsten 
Städte  der  Welt  *^). 

Im  übrigen  Kleinasien  war  das  wasserlose,  zum  Teil  nur  zur  Weide  geeignete 

Binnenland  Phrygiens,  Lykaoniens,  Galatiens,  Kappadociens  auch  in  jener  Zeit 

nur  dünn  bevölkert,  doch  die  übrige  Küste  stand  hinter  Asia  nicht  weit  zu- 

Bithynien.    rück*^).     Unter  den  Städten  Bithyniens  stritten  Nicäa  und  Nicomedia  um  den 

l)  Hasluck,  Cyzicus,  Cambridge  1910.     2)  Dio  Chrys.  or.  18,  I3ff.  I  335  ff.  Arn.),  vgl.  Ramsay, 
Cities  and  bishoprics  of  Phrygia  I  3966".  3)  Altertümer  von  Hierapolis,  Jahrb.  d.  Arch.  Inst. 

Erg.Heft  IV  1898.  4)  Tac.  A.  IV  55,  vgl.  XIV  27:  ex  inlustribus  Asiae  urbibus  Laodicea.  5)  Strabo 
XII  578.  Rsmsoy  a.  a.  O.  I  32  if.  Über  die  Wasserleitung  G.  Weber,  Arch.  Jahrb.  XIII  1898  S.  i  ff. 
XIV  1899  S.  4 ff.  167 ff.  6)  Galen.  V  49.  7)  Plin.  n.  h.  V  120.  126.  8)  Hier  wie  in  Pergamum 
haben  die  Ausgrabungen  der  letzten  Jahrzehnte  reiche  Beweise  für  die  glänzende  wirtschaftliche 
und  bauliche  Entwicklung  beider  Städte  während  der  Kaiserzeit  geliefert;  vgl.  außer  den  großen 
Ausgrabungswerken  (Forschungen  in  Ephesos,  1906 — 1912;  Altertümer  von  Pergamon  1885  ff.)  zur 
kurzen  Orientierung  J.  Keil,  Ephesos,  ein  Führer  durch  die  Ruinenstätte  und  ihre  Geschichte,  1915 
(auch  Bürchner,  Real-Encykl.  V  2796  ff.  28i3ff.).  Ziebarth,  Kulturbilder  aus  griech.  Städten^  S.  32  ff., 
über  Milet  A.  v.  Salis,  N.  Jahrb.  i.  klass.  Altert.  XXV  1910,  I03  ff.  9)  Oben  1 4l9f.  10)  Liemiann, 
Analecta  epigraphica  et  agonistica  (Dissert.  phil.  Halenses  X  1889).  Il)  M.  Collignon,  Comptes 
rendus  de  l'acad.  d.inscr.  1904  S.  703  ff.  1906  S.  158 ff.  12)  G.  Hirschfeld,  Zeitschr.  f.  Erdkunde  XIV 
(1879)  S.  311  ff.     13)  Marquardt  a.  a.  O.  I'  348 f.     14)  Oben  I  4i5f.     15]  Mommsen  RG.  V  327. 


[III.  199]        I-   ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR 


15 


und  Fisidicn. 


ersten  Rang.  Die  letztere  war  nach  Ammian  von  früheren  Kaisern,  namentlich 
Diocletian*),  so  erweitert  und  verschönert  worden,  daß  sie  dem  Kaiser  Julian 
nach  der  Masse  ihrer  öffentlichen  und  Privatgebäude  wie  ein  Teil  von  Rom  er- 
schien^); außer  Rom  übertrafen  es  damals  nur  Antiochia,  Alexandria  und  Con- 
stantinopel  an  Größe,  keine  an  Schönheit^).  In  der  Provinz  Pontus,  wo  die 
Hauptstadt  des  Königs  Mithridates,  Amasea,  ein  blühender  Ort  blieb*),  erwuchs 
Trapezunt  erst  in  der  römischen  Kaiserzeit  zu  einer  bedeutenden  Stadt').  Die 
Einwohnerzahl  der  Hauptstadt  von  Kappadocien,  Cäsarea,  wurde  im  3.  Jahr-  Kappadocicn. 
hundert  auf  400000  geschätzt*^).  Die  dort  an  der  Grenze  von  Armenien  er- 
baute Festung  Melitene,  von  Trajan  zur  Stadt  erhoben,  wurde  mit  der  Zeit 
groß  und  volkreich  und  breitete  sich  nun  unter  dem  Kastell  aus.  Die  Ebene 
bedeckte  sich  mit  Tempeln,  Wohnungen  für  Behörden,  Straßen  und  Markt, 
Läden  und  Magazinen,  Säulenhallen,  Bädern,  Theatern  und  allem,  was  zum 
Schmuck  einer  großen  Stadt  gehört;  Justinian  ummauerte  sie^). 

Doch  die  überraschendsten  und  reichsten  Anschauungen  von  der  Menge,  ^^"P'^yJif^ 
Größe  und  Pracht  der  Städte  Kleinasiens  in  jener  Zeit  bieten  die  massenhaften, 
wohlerhaltenen  Ruinen  in  Pamphylien  und  Pisidien,  jetzt  »einem  vergessenen, 
verschollenen  Winkel  der  Welt«^).  Die  einzige  lebendig  gebliebene  Stadt  der 
ganzen  lykisch-pamphylischen  Küste,  Attalia  (Adalia),  zeigt  als  bedeutendstes 
Denkmal  ein  dreibogiges  Prachttor,  das  die  Erinnerung  an  einen  Einzug  Ha- 
drians  verewigt^).  Termessus,  940  m  hoch  auf  einer  von  Höhen  umgebenen 
Einsenkung  mit  dem  Blick  aufs  Meer  gelegen,  ist  >ein  herrliches,  überaus  voll- 
ständiges Bild  einer  alten  Stadt  mit  allen  ihren  wichtigen  Bestandteilen,  Tem- 
peln, Theater,  Gymnasium,  öffentlichen  Bauten,  die  den  schön  und  zierlich  ge- 
ordneten Marktplatz  umringten,  und  Gräberfeldern,  die  sich  an  den  Abhängen 
hinaufziehen« '°).  Perge  erscheint  wie  ein  bewohnter  oder  eben  erst  verlassener 
Ort.  An  den  Burgberg  schließen  sich  in  einer  Länge  von  goo  m  und  einer 
Breite  von  beinahe  600  m  lückenlos  die  zinnengekrönten  Mauern,  auf  denen  von 
70  zu  70  Schritten  viereckige  Türme  stehen,  oft  bis  zu  ihrer  ursprünglichen 
Höhe  erhalten.  Die  Straßen  kreuzen  sich  regelmäßig,  aus  dem  Haupttor  im 
Süden  führt  eine  von  Säulenhallen  flankierte  Straße  auf  die  Mitte  der  Burg  zu; 
Theater  und  Stadium  konnten  etwa  je  15000  Zuschauer  fassen").  Unter  den 
Ruinen  von  Aspendus")  ragt  außer  einem  großartigen  Aquädukt,  der  das  Wasser 
auch  über  die  Berge  führte,  neben  den  Trümmern  des  Stadiums  das  Theater 
mit  der  überladenen  Marmorpracht  seiner  Szenenwand  hervor,  das  etwa  8  bis 
9000  Zuschauer  fassen  konnte'^).  Side  zieht  sich  auf  einer  spitzen  Halbinsel  ins 
Meer  hinaus,  gegen  das  Festland  abgemauert;  eine  zweite  innere  Festlands- 
mauer schließt  das  gewaltige,  gleich  einem  Berge  aus  dem  niedrigen  Trümmer- 
haufen der  Stadt  emporsteigende  Theater  ein,  das  für  mehr  als   15000  Zu- 


l)  Lact,  de  mortib.  persecut.  7,  8 — 10.  17,  4.  2)  Ammian.  XXII  9,  3.  3)  Liban.  or.  61,  7  (IV 
332  f.  F.).  4)  Cumont,  Studia  Pontica  II  138  ff.  5)  Cumont  a.  a.  O,  II  363  ff.  Chapot,  La  kon- 
tiere de  l'Euphrate  S.  364  f.  6j  Zonaras  XII  23  p.  141,  12  Dind.  7)  Procop.  de  aedific.  III  4 
p.  254  Dind.  Chapot  a.  a.  O.  S.  349.  8)  Das  Folgende,  großenteils  wörtlich,  nach  G.  Hirschfeld, 
Zeitschr.  f.  Erdkunde  XIV  S.  279 — 315.  Lanckoronski,  Städte  Pamphyliens  u.  Pisidiens,  1890 — 92. 
9)  Lanckoronski  a.  a.  O.  I  7ff.  Noack  a.  a.  O.  Taf.  159.  10)  Vgl.  Lanckoronski  a.  a.  O.  II  21  ff. 
II)  Vgl.  Lanckoronski  I  33  ff.     12)  ebd.  I  85  ff.     13)  Noack  a.  a.  O.  Taf.  142. 


i6  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  200] 

schauer  Raum  hatte').  Die  Ruinen  von  Selge')  zerfallen  in  zwei  Massen:  der 
stark  befestigte  obere  Teil  der  Stadt,  der  zwei  Akropolen  nebst  dem  dazwischen 
liegenden  Sattel  (dem  prächtigsten  Bezirk)  umfaßte,  enthielt  die  öffentlichen 
und  religiösen  Gebäude,  Im  unteren  stehen  noch  fünf  Säulen  einer  Kolonnade, 
die  einst  den  ganzen  Marktplatz  umzog;  oberhalb  derselben  das  auf  8 — 9000 
Menschen  berechnete  Theater  und  das  Stadium.  Auch  in  dem  looom  hoch 
gelegenen  Cremna^),  das  unter  August  eine  römische  Kolonie  erhielt,  gehören 
die  meisten  Bauten  der  mittleren  und  späteren  Kaiserzeit  an.  Sagalassus^)  liegt 
auf  einem  ansteigenden  und  zugleich  wellenartigen  Terrain:  >indem  jede  der 
wellenartigen  Erhebungen  mit  bedeutenden  Gebäuden  gekrönt  war,  die  durch 
Säulenhallen  und  bei  der  Unebenheit  des  Bodens  durch  breite  Treppen  und 
Terrassen  miteinander  verbunden  waren,  entstand  ein  überaus  malerisches  Bild, 
dessen  Eindruck  auch  die  ungeheuren  Trümmer  noch  ganz  hervorzurufen  ver- 
mögen.« Unter  ihnen  ist  die  Ruine  eines  korinthischen  Tempels  (vielleicht  aus 
der  Zeit  Trajans)  und  die  des  Theaters,  über  dem  sich  wieder  die  Reste  eines 
sehr  großen  Tempels  befinden.  Auch  eine  Kleinstadt  wie  Sillyon')  hatte  ein 
Theater,  ein  Odeum  und  ein  Stadium.  >Am  Ausgange  des  2.  Jahrhunderts 
a.  Chr.,  so  kurz  vor  dem  nahenden  Verfall,  müssen  diese  Städte  den  Eindruck 
von  großen,  einheitlichen  Kunstwerken,  von  Idealbildern  gemacht  haben,  mit 
ihrem  malerischen  Mauerringe,  aus  dem  vvohlgepflegte,  gräberumsäumte  Wege 
hinausführten,  ihren  gerade  gezogenen  Straßen,  den  öffentlichen  Anlagen,  Tem- 
peln, Bädern,  Gymnasien,  Markthallen  in  jedem  Quartier,  darüber  die  Burg  mit 
stolzen  Säulenbauten,  dem  Wohnplatz  der  die  Stadt  beschützenden  Götter«^). 
Die  baulichen  Anlagen  der  Küste  Ciliciens  sind  ebensogut  erhalten,  wie  die 
pamphylischen,  »desto  mehr  tritt  eine  verhältnismäßige  Ärmlichkeit  im  Mate- 
rial und  der  ganzen  Bauweise  hervor«.  Eine  Ausnahme  macht  Antiochia  am 
Kragos  mit  seinen  beiden  Hallenstraßen  und  dem  prächtigen  Marmortempel. 
Reste  von  Hallenstraßen  haben  sich  auch  in  Pompejopolis,  Seleucia  am  Caly- 
cadnus  und  in  Hierapolis-Castabala  erhalten.  Von  der  einstigen  Bedeutung 
von  Mopsuestia  zeugen  eine  ansehnliche  Stadtbefestigung,  ein  Theater  und  eine 
große  Wasserleitung.  Das  Innere  der  gänzlich  verlassenen  Stadt  Anazarba  ist 
tief  verschüttet  und  überv\aichert  von  einer  üppigen  Vegetation,  aus  welcher 
einzelne  Säulen  einstiger  Hallenstraßen  hervorragen;  von  andern  aus  dem  Alter- 
tum stammenden  Bauten  sind  zwei  großartige  Wasserleitungen,  ein  Theater, 
Stadium  und  Amphitheater  erkennbar'). 

Aber  nicht  bloß  hier,  sondern  überall,  wo  »ein  von  der  Verwüstung  der 
anderthalb  Jahrtausende,  die  uns  von  jener  Zeit  trennen,  vergessener  V/inkel 
des  Lands  sich  der  Forschung  erschließt,  da  ist  das  erste  und  mächtigste  Ge- 
fühl das  Entsetzen,  fast  möchte  man  sagen  die  Scham  über  den  Kontrast  der 
elenden  und  jammervollen  Gegenwart  mit  dem  Glück  und  dem  Glanz  der  ver- 
Lycien.  gangenen  Römerzeit«.  Als  unter  Claudius  Lycien  Provinz  ward,  verlegte  man 
die  alte  Bergstadt  Kragos  in  die  Ebene;  auf  dem  Marktplatz  der  neuen  Stadt 
Sidyma  stehen  noch  die  Reste  des  viersäuligen  dem  Kaiser  damals  gewidmeten 

i)  Lanckoronski  I  125  ff.  2)  ebd.  II  I73ff.  3)  ebd.  II  161  ff.  4)  ebd.  II  iijff.  5)  ebd. 
I  65  ff.  6)  G.  Hirschfeld,  Berliner  Philol.  Wochenschr.  1890  S.  1525.  7)  R.  Heberdey  u.  A.  Wil- 
helm, Reisen  in  Kilikien,  Denkschr.  d.  Wien.  Akad.  XLIV  1896  Abhdl.  VI  S.  25  f.  34  f.  100  f.  152. 


[III.  2oi]        I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR 


»7 


Tempels  und  einer  stattlichen  Säulenhalle,  welche  ein  von  dort  gebürtiger  und 
als  Arzt  zu  Vermögen  gelangter  Bürger  in  seiner  Vaterstadt  baute').  Statuen 
der  Kaiser  und  verdienter  Mitbürger  schmückten  den  Markt;  es  gab  in  der 
Stadt  einen  Tempel  ihrer  Schutzgötter  Artemis  und  Apollon,  Bäder,  Gym- 
nasien für  die  ältere  wie  für  die  jüngere  Bürgerschaft;  vor  den  Toren  zogen  sich 
an  der  Hauptstraße,  die  steil  hinab  nach  dem  Hafen  von  Kalabatia  führte, 
Reihen  hin  von  steinernen  Grabmonumenten,  stattlicher  und  kostbarer  als  die 
Pompejis  und  großenteils  noch  aufrecht.  Dies  Kragos-Sidyma  gehörte  nicht 
zu  den  Städten  erster  Klasse  der  kleinen  Provinz  Lycien,  war  ohne  Theater, 
ohne  Ehrentitel,  eine  kleine  Provinzialstadt  und  durchaus  eine  Schöpfung  der 
römischen  Kaiserzeit.  Aber  im  ganzen  Vilajet  Aidin  ist  heute  kein  Binnenort, 
der  für  zivilisierte  Existenz  auch  nur  entfernt  diesem  Bergstädtchen,  wie  es  war, 
an  die  Seite  gestellt  werden  könnte''). 

Byzanz,  die  größte,  sehr  wohlhabende  und  volkreiche  Stadt  Thraciens,  wurde  Thracien. 
bei  der  Einnahme  durch  Septimius  Severus  nach  einer  dreijährigen  Belagerung 
1 96  größtenteils  zerstört,  ihrer  Theater,  Bäder  und  allen  Schmucks,  sogar  des 
Stadtrechts  beraubt ;  ihre  gewaltigen,  auf  der  Landseite  5  Stadien  (rund  900  m) 
langen  Quadermauern,  mit  hohen,  die  Verteidiger  völlig  deckenden  Schutz- 
wehren und  zahlreichen,  kunstvoll  angelegten  Türmen  erregten  noch  als  Ruinen 
Bewunderung^).  Im  Innern  des  Landes,  das  in  der  Zeit  seiner  Selbständigkeit 
nur  Dörfer  und  Fürstenburgen  enthalten  hatte,  sind  außer  Philippopolis,  das  im 
Jahre  251,  wo  es  den  Goten  erlag,  looooo  Einwohner  gezählt  haben  soll"*),  die 
größeren  Orte  erst  unter  den  Römern  entstanden  oder  städtisch  ausgebaut  wor- 
den^), namentlich  unter  Trajan  und  Hadrian  (u.  a.  Hadrianopolis,  wo  sich  im 
späteren  Altertum  ausgedehnte  Waffenfabriken  befanden^)).  Die  Hauptstadt 
Macedoniens,  Thessalonice,  preist  Lucian  in  einer  dort  gehaltenen  Rede  wegen  Macedonien. 
ihrer  Schönheit  und  Volksmenge,  ihres  Reichtums  und  Glanzes,  und  nennt  sie 
eine  mit  allen  wünschenswerten  Gütern  geschmückte  Stadt^).  Die  Hauptstadt  Dalmatien. 
Dalmatiens,  Salonä,  die  als  bedeutendster  Handelsplatz  in  diesen  Gewässern 
neben  Aquileja  eine  der  volkreichsten  und  wohlhabendsten  des  Okzidents  ge- 
wesen sein  muß,  war  von  einer  Mauer  mit  88  Türmen  und  3  Toren  umgeben. 
Ihre  im  17.  Jahrhundert  noch  sehr  bedeutenden  Überreste  sind  zu  Neubauten 
verbraucht,  doch  Reste  eines  Theaters  und  Amphitheaters  noch  vorhanden. 
Der  gewaltige  Palast,  den  Diocletian  sich  in  der  Entfernung  von  etwa  einer 
halben  Meile  am  Meere  erbaute,  war  nach  Art  eines  Lagers  angelegt  und  er- 
schien von  außen  als  ein  von  Mauern  umschlossenes  Rechteck  (175  X  215  m) 
mit  4  Türmen  an  den  Ecken.  Die  heutige  Hauptstadt  Spalato  hat  zum  größten 
Teil  innerhalb  seiner  Mauern  Platz  gefunden,  und  dessen  Tempel  dienen  ihr 
als  Dom  und  Baptisterium^).  Auch  in  Jader  (Zara)  zeugen  Säulen  und  Architrav- 
blöcke  von  entschwundener  Pracht,  und  die  Lage  des  alten  Burnum  bezeichnen 


i)  IGRIII  578  f.  2)  Größtenteils  wörtlich  nach  Mommsen  RG.  V  327  f.  Benndorf  u.  Niemann, 
Reise  in  Lykien  und  Karlen  I  58  ff.  3)  Herodian.  III  i,  6f.  6,  9.  Cass.  Dio  LXXIV  10 — 14.  Ober- 
hummer, Real-Encykl.  III  11 19  ff.  4)  Ammlan.  XXXI  5,  17.  5)  Kalopathakes,  De  Thracia  pro- 
vincia  Roraana  (Diss.  Berol.  1893)  S.  24  ff.  6)  Notit.  dign.  or.  XI  32.  Ammian,  Marc.  XXXI  6,  2. 
7)  Lucian.  Scytha  9;  vgl.  Asin.  46.  8)  Mommsen  RG.  V  186.  Schneider  a.  a.  O.  S.  40!?.  G.  Nie- 
mann, Der  Palast  des  Diocletian  zu  Spalato,  1910. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.   9.  Aufl.  2 


i8 


XU.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  202,  203] 


zwei  luftige  Bögen  bei  Kistagne,  nach  denen  die  Stätte  im  Volksmunde  noch 
heutigen  Tages  -»archi  Rojfiafii*.  heißt'). 
Griecheuland.         Griechenland  (ohne  Thessalien  und  Epirus)  besaß,  obgleich  sehr  verarmt 
und  verödet,  unter  den  Antoninen  auf  dem  Festlande  neben  einer  großen  Zahl 
von  Dörfern  und  Flecken  noch  über  100  Orte  (davon  60  im  Peloponnes),  in 
denen  ein  wirkliches  städtisches  Leben  fortbestand "^j:  die  meisten  waren  ohne 
Zweifel  sehr  herabgekommen,  doch  hatten  sich  auch  manche  gehoben,  wenig- 
stens von  Tithorea  sagt  es  Plutarch^).     Von   dem  neuen  Glänze,  den  Athen 
durch  die  Bauten  Hadrians  und  des  Herodes  Atticus  erhielt,  wird  unten  die  Rede 
sein.    Die  Hauptstadt  und  Residenz  des  Statthalters,  Korinth,  war  auch  als  rö- 
mische Kolonie  groß,  reich,  glänzend  und  stark  bevölkerf*).     Die  von  August 
als  Denkmal  des  Seesiegs  von  Actium  an  dem  südlichsten  Punkt  von  Epirus 
(lYa  Stunden  n.  von  Prevesa)  gegründete  Stadt  Nicopolis  »blieb,  wie  die  aus- 
gedehnten Ruinen  und  zahlreichen  Münzen  beweisen,  ebenfalls  verhältnismäßig 
blühend  und  bevölkert«^). 
Britannien.       Auch  in  den  nördlichen  Ländern  blühten  die  Städte  in  erstaunlich  kurzer  Zeit 
empor.    Selbst  in  dem  sehr  allmählich  eroberten,  durch  Kriege  und  Aufstände 
fortwährend  in  Unruhe  erhaltenen  Britannien,  wo  die  Spuren  städtischen  Lebens 
sehr  gering  sind,  waren  die  römischen  Orte  an  stattlichen  Bauten  nicht  arm. 
Die  Hauptstadt  Camulodunum  (Colchester)  wurde  im  Jahre  61,  18  Jahre  nach 
der  Eroberung  des  Landes,  von  den  aufständischen  Einwohnern  leicht  einge- 
nommen, weil  man  bei  ihrer  Anlage  mehr  für  Annehmlichkeit  als  für  Festig- 
keit gesorgt  hatte.     Sie  besaß  eine  Kurie,  ein  Theater  und  einen  Tempel  des 
Claudius,  in  dem  sich  die  römischen  Soldaten  zwei  Tage  lang  halten  konnten. 
Londinium  (London)  war  ein  durch  Handel  sehr  lebhafter  Ort;  an  beiden  Orten 
und  Verulamium  (nahe  St.  Albans)  zusammen  wurden  im  Jahre  61  an  70000 
Bürger  und  Provinzialen  von  den  Aufständischen  erschlagen^).    Die  in  bedeu- 
tendem Umfange  auf  dem  Boden  Londons  gefundenen,  zum  Teil  Prachtge- 
bäuden angehörigen  römischen  Reste  bestätigen  diese  Angabe  vollkommen^). 
Auch  von  Viroconium  (Wroxeter,  dem  infolge  der  1859  begonnenen  Ausgra- 
bungen sogenannten  »britischen  Pompeji«)  sind  erhebliche  Ruinen  übrig^).    In 
Bath,  wo  keine  Spur  von  städtischem  Leben  sich  gefunden  hat,  sind  bedeu- 
tende Reste  von  Thermen  und  einem  Tempel,  geringere  auch  von  andern  Tem- 
peln entdeckt  worden^);  an  verschiedenen  Orten  Britanniens  werden  Tempel  in 
Inschriften  genannt'").    Agricola  benutzte  schon  den  ersten  Winter  seines  Auf- 
enthalts in  Britannien  78  dazu,  die  zerstreuten  und  rohen  und  deshalb  kriegs- 
lustigen Einwohner  durch  Lebensgenuß  an  Ruhe  und  Frieden  zu  gewöhnen, 
indem  er  Bauten  von  Tempeln,  Foren  und  Wohngebäuden  durch  Ermahnungen 

i)  CIL  in  p.  367.  2)  Kuhn,  Stadt,  u.  bürgerl.  Verf.  II  64 ff.  Hertzberg,  Gesch.  Griechenlands 
unter  den  Römern  II  438.  3)  Plutarch.  Sulla  15,  5.  4)  Oben  I  412  f.  5)  Mommsen  RG.  V  272. 
Neuerdings  sind  die  Fundamente  des  von  Augustus  zur  Erinnerung  an  seinen  Sieg  dem  Ares  und 
Poseidon  erbauten  Tempels  aufgedeckt  worden,  Archäol.  Anz.  1914  S.  12S.  6)  Tac.  A.  XIV 
31—33-  Vgl.  Hübner  CIL  VII  p.  21.  33  f.  7)  F.  Haverfield,  Joum.  of  Rom.  Stud.  I  191 1  S.  141fr. 
8)  Kiepert  S.  531;  vgl.  J.  C.  Anderson,  the  Roman  city  of  Uriconium  at  Wroxeter,  1867.  Wichtige 
Fundstätten  neuerer  Ausgrabungen  in  England  sind  Silchester  (Calleva  Atrebatum),  Caerwent 
(Venta  Silurum)  und  Corbridge  (Corstopitum),  vgl.  F.  Haverfield,  Archäol.  Anz.  1909  S.  247  f.  191 1 
S.  307f.  1913  S.  295 ff.     9)  Hübner  CIL  VII  p.  24.     10)  ebd.  p.  332. 


|IU.  2  04]        I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR  19 

und  Unterstützungen  förderte ;  und  bald  ging  man  zu  Bädern  und  Säulenhallen 
über').  So  schnell  schmückte  sich  auch  diese  abgelegenste  Provinz  mit  Luxus- 
bauten, deren  besiegter  Fürst  Caractacus  nur  ein  Menschenalter  früher  beim 
Anblick  Roms  unbegreiflich  gefunden  hatte,  daß  die  Besitzer  solcher  Pracht 
die  armseligen  Hüttchen  von  Wilden  begehren  konnten^). 

Die  Ebene  am  rechten  Rheinufer  und  das  Neckargebiet  bis  zur  Rauhen  Alp  Zehntland. 
hinauf  mit  Einschluß  des  Schvvarzwalds  (das  Zehntland)  ist  nur  vom  Ende  des 
I.  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  in  römischem  Besitz  gewesen; 
doch  sind  in  Württemberg  allein  an  weit  über  100  Orten  Spuren  römischer 
Niederlassungen  gefunden  worden,  und  das  städtische  Leben  blühte  innerhalb 
des  neuen  Grenzschutzes  auf,  fast  wie  auf  dem  linken  Rheinufer:  >Sumelocenna 
(Rottenburg  am  Neckar),  Aqua  [civitas  Aurelia  Äqiiensis^  Baden-Baden),  Lopo- 
dunum  (Ladenburg)  hatten,  wenn  man  von  Köln  und  Trier  absieht,  in  römisch- 
städtischer Entwicklung  den  Vergleich  mit  keiner  Stadt  der  Belgica  zu 
scheuen«  ^);  auch  die  römische  Ortschaft  bei  Wiesbaden  [aquae  Mattiacae)  wird 
zu  den  bedeutenderen  gehört  haben'').  Sumelocenna  war  am  Ende  des  zweiten 
und  im  dritten  Jahrhundert  der  bedeutendste  Ort  nicht  allein  des  Neckargebiets, 
sondern  vielleicht  der  rechtsrheinischen  Provinz  überhaupt.  Die  römische  Stadt 
erstreckte  sich  auf  beiden  Seiten  des  Flusses  weit  über  die  heutige  hinaus.  Fort- 
während werden  in  und  bei  Rottenburg  die  Werkstücke  monumentaler  Bauten, 
Säulen,  Kapitelle  und  Gesimse,  Bildwerke  und  Inschriften  aufgefunden,  die 
Ruinen  von  Heiligtümern  und  Bädern,  auch  ein  großes  Theater  ist  zum  Vor- 
schein gekommen^). 

Bei  Rottweil  war  auf  dem  rechten  Neckarufer  eine  sehr  bedeutende  römische 
Niederlassung,  Arae  Flaviae,  wohl  der  Vorort  einer  Gaugemeinde,  deren  Blüte 
in  der  mittleren  Kaiserzeit  Grundmauern  vornehmer  Privathäuser,  ein  sehr  statt- 
liches Bad,  schöne  Mosaiken  und  Einzelfunde  aller  Art  aus  Bronze,  Glas  und 
Terrakotta  beweisen^).  Die  1 784  durch  Zufall  entdeckten  Bäder  in  Badenweiler, 
deren  Bauten  eine  Fläche  von  gegen  300  qm  bedecken,  setzen  eine  ständige 
Niederlassung  voraus,  und  sicherlich  war  das  römische  Badenweiler,  wenn  es 
auch  an  Baden-Baden  nicht  heranreichte,  ein  ansehnlicher  Vicus^).  Die  Haupt-  Rätien  und 
Stadt  des  mit  dem  nur  sehr  unvollkommen  und  spät  romanisierten  Rätien  ver-  Vmdehcien. 
bundenen  Vindelicien,  die  unter  August  gegründete  und  nach  ihm  benannte, 
schon  zu  Ende  des  i.  Jahrhunderts  sehr  ansehnliche  Niederlassung^)  Augusta 
Vindelicorum  (Augsburg)  bewahrt  in  ihrem  Perlach  noch  die  Erinnerung  an  das 
römische  Amphitheater^),  und  zahlreiche  Inschriften  und  Skulpturen  zeugen 
von  ihrer  einstigen  Blüte.  Während  sie  aber  in  Rätien  das  einzige  Zentrum 
römischer  Zivilisation  blieb,  drang  diese  in  dem  angrenzenden  Noricum  so  tief  Noricum. 
ein,  daß  es  »ein  Vorland  und  gewissermaßen  ein  Teil  Italiens«  wurde.  Die 
kleinen  dortigen  Standlager  und  selbst  das  von  Marc  Aurel  eingerichtete  Lager 

i)  Tac.  Agrlc.  21.     2)  Cass.  Dio  LX  33,  i.     3)  Mommsen  RG.  V  145.     4)  Vgl.  F.  Otto,  Gesch. 
d,  Stadt  Wiesbaden  (1877)  S.  I  ff .  5)  E.  Fabricius,  Die  Besitznahme  Badens  durch  die  Römer 

(1905)  S.  60.  Haug  u.  Sixt,  Rom.  Inschr.  u.  Bildwerke  Württembergs^  S.  199 ff.     6)  Fabricius  a.a.O. 
S.  68.  Haug-Sixt.  a.  a.  O.  S.  143  ff.  7)  E.  Fabricius  a.  a.  O.  S.  66  f.    K.  Büchler,  Das  Römerbad 

Badenweiler,  Straßburg  1909.         8)  Colotiia  nennt  sie  Tac.  Germ.  41,  vgl.  dazu  Mommsen  CIL  III 
p.711.     9;  J.  Becker,  Bonn.  Jahrb.  XLII  1867  S.  71. 


20 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  205] 


einer  Legion  Lauriacum  bei  Enns  waren  für  die  städtische  Entwicklung  Nori- 
cums  ohne  Bedeutung.  Die  großen  Ortschaften,  w^ie  Celeja  (Cilli),  Aguontum 
(Lienz),  Teurnia  (St.  Peter  im  Holz),  Virunum  (Zollfeld  bei  Klagenfurt),  der  Zen- 
tralpunkt der  Provinz,  von  dem  sehr  ausgedehnte  Reste  übrig  sind,  im  Norden 
Juvavum  (Salzburg)  sind  rein  aus  bürgerlichen  Elementen  hervorgegangen^). 
Paiinonien.  Dagegen  in  Pannonien  stand  und  blieb  die  Zivilisation  ganz  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Lager  der  drei,  später,  wie  es  scheint,  nur  zwei  Legionen;  das  Haupt- 
quartier wurde  wohl  unter  Vespasian  Carnuntum  (Petronell  östlich  von  Wien) 
und  daneben  Vindobona  (Wien)'j;  von  der  neben  dem  ersten  Ort  entstandenen 
Lagerstadt  ^)  sind  weit  ausgedehnte  Ruinen  übrig.  Erst  seit  dieser  Zeit  ging  die 
Regierung  daran,  die  Provinz,  die  bis  dahin  nur  in  ihrem  westlichen  Teil  Städte 
gehabt  hatte,  wie  Emona  (Laibach) "^i  und  Savaria  (Stein  am  Anger),  städtisch 
zu  organisieren.  In  dem  westlichen,  ursprünglich  norischen  Gebiet  erhielt  Scar- 
bantia  (Ödenburg  am  Neusiedler  See)  Stadtrecht  unter  den  Flaviern,  zwischen 
Save  und  Drau  Siscia  (Sziszek)  und  Sirmium  (Mitrovitza)  zu  derselben  Zeit,  an 
der  Drau  Poetovio  (Pettau)  unter  Trajan,  Mursa  (Eszeg)  unter  Hadrian  Kolonial- 
recht =).  Die  Hauptorte  waren  Sirmium  und  Savaria,  das  unter  seinem  alten 
Namen  bis  zur  magyarischen  Eroberung  im  10.  Jahrhundert  fort  bestand  und 
an  römischen  Resten  sehr  reich  ist.  Von  dem  Wohlstande  Sirmiums  zeugen 
namentlich  auch  die  zahllosen,  vielgestaltigen  Funde  an  plastischen  Kunstwer- 
ken, Geräten  aller  Art,  Münzen  usw.  und  z.  B.  auch  die  im  Agramer  Museum 
lagernden  mächtigen  Brunnenröhren,  welche  aus  beträchtlicher  Höhe  weither 
von  Norden  klares  Wasser  leiteten^). 
Mösien.  Noch  geringer  als  in  Pannonien  war  die  Entwicklung  der  Städte  in  Mösien. 
Auch  hier  ging  die  italische  Zivilisation  von  den  Lagern  aus,  von  denen  die  bei 
Singidunum  (Belgrad)  und  Viminacium  (Kostolatz)  wahrscheinlich  die  ältesten 
waren;  die  Bedeutung  der  letzteren  Stadt  beweist  ein  großes  Ruinenfeld  und 
die  Menge  der  von  hier  durch  das  benachbarte  Serbien  verschleppten  Kunst- 
reste^).  In  Untermösien  (zwischen  Balkan  und  Donau)  entstanden  die  Anfänge 
einer  römischen  Zivilisation  erst  mit  der  Gründung  der  Legionslager  von  Nova 
(bei  Svischtova),  Durostorum  (Silistria)  und  Troesmis  (Iglitza  bei  Galatz)  ^). 
Dacien.  Auch  in  der  jüngsten  und  nach  170  Jahren  wieder  aufgegebenen  Provinz 
Dacien  (Siebenbürgen,  Banat,  Moldau  und  Walachei)  haben  anderthalb  Jahr- 
tausende nicht  völlig  zu  zerstören  vermocht,  was  die  römische  Herrschaft  in  so 
kurzer  Zeit  geschaffen  hat.  In  dem  ganz  neu  mit  Ansiedlern  aus  verschiedenen 
Provinzen  (namentlich  Dalmatien  und  Kleinasien)  bevölkerten  Lande  ent- 
wickelte sich  das  römische  Städtewesen  schneller  und  kräftiger  als  in  den 
übrigen  Donaulandschaften.  Eine  Fülle  der  mannigfaltigsten  Überreste  aller 
Art  bezeugt  die  Existenz  von  weit  über  100  mehr  oder  minder  blühenden  römi- 
schen Orten,  größtenteils  in  Siebenbürgen^).    Sarmizegetusa  (Värhely),  die  von 

l]  Mommsen  RG.  V  180  f.  F.  Pichler,  Virunum,  1888.  2)  Über  Geschichte  und  Überreste 

der  römischen  Niederlassung  vgl.  A.  v.  Domaszewski  u.  F.  Kenner  in  Geschichte  Wiens  I  11897) 
S.  37ff.  42  ff.  3)  Oben  S.  3.  Über  die  neuesten  Ausgrabungen  in  Carnuntum  vgl.  Der  römische 
Limes  in  Österreich,  1900  ff.  4)  Jahrb.  f.  Altertumsk.  \T;I  19 18  S.  61  ff.  5)  Mommsen  RG.  V  188. 
6)  W.  Goetz,  Die  Verkehrswege  im  Dienste  des  Welthandels  S.  387**.  7)  F.  Kanitz,  Rom.  Stu- 
dien in  Serbien  (Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  XLI  1892  Abhdl.  TL)  S.  i6ff.  S]  Mommsen  194 f.  207. 
9)  Neigebauer,  Dacien  S.  5. 


[Iir.  206,  207]     I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR      21 

Trajan  zur  römischen  Kolonie  umgeschafifene  Landeshauptstadt,  blieb  der 
Mittelpunkt  der  Provinz  und  die  Residenz  des  Statthalters:  zwölf  walachische 
Dörfer  erfüllen  heute  den  Raum  ihres  einstigen  Umfangs,  noch  sieht  man  den 
Felsen  ihres  Kapitels  und  die  Arena  ihres  Amphitheaters.  Von  der  Bedeutung 
des  militärischen  Zentrums  der  Provinz,  Apulum,  zeugt  das  weite  Trümmerfeld 
um  das  heutige  Karlsburg').  Eine  Reihe  von  Dorfgemeinden  in  Dacien  er- 
wuchs zu  Städten,  und  die  Militär-  und  Straßenstationen,  mit  denen  das  Land 
wie  mit  einem  Netze  überzogen  war,  gewannen  mit  der  Zeit  mehr  oder  weniger 
stadtartige  Bedeutung"). 

Sowohl  für  die  Kommunen  als  für  die  einzelnen  Bürger  war  der  im  Altertum  Bauten  der 
in  so  hohem  Grade  entwickelte  und  auch  in  jener  Zeit  noch  durch  die  relative  immunen. 
Selbständigkeit  der  Gemeinden  genährte  Munizipalpatriotismus  (eine  der  besten 
Seiten  des  antiken  Städtelebens)  der  stärkste  Sporn,  nach  Kräften,  ja  selbst  mit 
großen  Opfern  zur  Ausstattung  der  Städte  mit  notwendigen  und  nützlichen 
Bauten  und  Anstalten,  sowie  zu  ihrer  Verschönerung  auf  jede  Weise  beizu- 
tragen. Der  in  der  antiken  Menschheit  so  mächtig  wirkende  Trieb,  sich  an- 
sehnlich, würdig  und  prächtig  darzustellen,  beherrschte  die  Gemeinden  nicht 
weniger  als  die  einzelnen  und  trieb  sie  allem  Anscheine  nach  nicht  selten  zu 
Anstrengungen,  die  ihr  Vermögen  überstiegen.  Dazu  kam  besonders  in  den 
griechischen  Ländern  die  Eifersucht  der  Städte  aufeinander,  »diese  alte  Krank- 
heit der  Hellenen«  ^),  und  das  daraus  entspringende  Trachten,  einander  zu  über- 
bieten. 

Die  römischen  Kolonien  sollten  i>  Abbilder  der  Hauptstadt  im  kleinen«  sein^),  Nachahmung 
was  sich  selbst  in  der  Anwendung  von  Namen  römischer  Lokalitäten  zeigt:  die  '^"^^' 
(je  7)  Bezirke  zweier  von  August  kolonisierter  Städte,  Ariminum  und  Antiochia 
in  Pisidien,  sind  allem  Anscheine  nach  mit  denselben  von  Gegenden  Roms  ent- 
lehnten Namen  (wie  Cermalus,  Aventin,  Velabrum,  Tuskerquartier)  bezeichnet 
gewesen^):  und  wahrscheinlich  wurden  solche  in  Kolonien  häufig  angewandt, 
doch  nicht  bloß  hier.  So  hatte  Falerii  eine  heilige  Straße^),  Benevent  eine  es- 
quilinische^j,  Puteoli  eine  palatinische  Region^),  Lyon  und  die  Chattenhaupt- 
stadt  Mattiacum  einen  Vatikan^),  Aquileja  vielleicht  eine  Region  Isis  und  Sera- 
pis "^)  usw.  Das  Recht,  ein  Kapitol  zu  besitzen,  das  wie  das  römische  Tempel 
des  Juppiter,  der  Juno  und  Minerva  trug,  oder  die  Statue  des  Marsyas  (wie  eben- 
falls in  Rom)  auf  dem  Forum  aufzustellen,  scheinen  (bis  auf  Caracalla)  nur  Ko- 
lonien gehabt  zu  haben").    An  einigen  Orten,  wie  Köln,  Florenz,  Nimes,  Ca- 

i)  C.  Gooß,  Die  röm.  Lagerstadt  Apulum  in  Dacien,  Progr.  Schäßburg  1878.  2)  Jung,  Römer  und 
Romanen'  S.  109  ff.  3)  Herodian.  HI  2,  8.  4)  Gell.  XVI  13,  9.  5)  Bormann,  Variae  observationes 
de  antiquitate  Rom.  (Ind.  Marburg,  aestiv.  1 883)  S.  V  f.  und  CIL  XI  p.  76  f.  6)  CIL  XI  3 1 26  =  Dessau 
5374-  7)  CIL  IX  1569;  eine  lpor]ta  Esquiliyia  in  Tibur  CIL  XIV  3679  =  Dessau  6245.  8)  CIL 
X  1700  =  Dessau  1231;  ein  vicus  Palatius  in  Cales  CIL  X  4641  ==  Dessau  6301;  ebenda  ist  auch 
ein  vequs  Esqelinus  aus  republikanischer  Zeit  bezeugt,  Dessau  8567.  9)  CIL  XIII  1751-  7281  = 
Dessau  4131.  3805.  10)  Nach  einer  Vermutung  Mommsens  zu  CIL  V  8211 ;  vgl.  im  allgemeinen 
De  Rossi,  Not.  d.  scavi  1888  S.  712.  Ein  vicus  capitis  Africae  und  ein  Septizonium  in  Karthago: 
De  Rossi,  Bull.  arch.  comun.  XVII  1889,  S.  361  f.  11)  So  Castan,  Les  capitoles  provinciaux  du 

monde  Romain  (1886)  gegen  Kuhfeldt,  De  capitoliis  imperii  Romani  (Regim.  1882),  dessen  Ansicht 
auch  von  Toutain,  Les  cultes  pai'ens  dans  l'empire  Romain  I  181  ff.  vertreten  wird,  mit  Anführung 


nischer  Städte. 


22  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  208; 

gliari,  hat  sich  die  Erinnerung  an  die  Kapitole  in  Benennungen  von  Kirchen 
(»Sta.  Maria  im  Kapitol«  u.  dgl.)  erhalten. 

Die  Ausführung  der  städtischen  Bauten  erfolgte  entweder  durch  eigens  er- 
nannte Baukommissare  [curatores  operumY)  oder  durch  die  jährlich  wechseln- 
den obersten  Gemeindebeamten,  die  sie  in  der  Regel  an  den  Mindestfordemden 
in  Akkord  gaben  und  nach  der  Vollendung  abnahmen^).  »Wenn  die  Städte 
eine  Vergebung  von  Tempelbauten  oder  Errichtungen  von  Kolossen  ausschrei- 
ben«, sagt  Plutarch,  »so  hören  sie  die  Künstler  an,  die  sich  um  die  Übernahme 
bewerben  und  ihre  Anschläge  und  Risse  vorlegen;  dann  wählen  sie  den,  der 
bei  den  geringsten  Kosten  die  beste  und  schnellste  Ausführung  verspricht«^). 
Bauten  bithy-  Den  Umfang,  die  Bedeutung  und  die  Zwecke  der  städtischen  Bauten  mögen 
zunächst  einige  Mitteilungen  aus  der  Korrespondenz  veranschaulichen,  die  Pli- 
nius  (in  den  Jahren  iii  — 113  etwa)  als  Statthalter  von  Bithynien  mit  Trajan 
führte.  Zu  allen  städtischen  Neubauten  aus  öffentlichen  Mitteln  bedurfte  es  der 
kaiserlichen  Erlaubnis'').  Für  Prusa  am  Olymp  erwirkte  Plinius  diese  zum 
Bau  eines  neuen  Bads,  wie  es  »die  Würde  der  Stadt  und  der  Glanz  der  Regie- 
rungsperiode« erforderte;  der  Bau  erfolgte  auf  der  Stelle  eines  in  Ruinen  liegen- 
den Hauses,  und  so  wurde  zugleich  die  häßlichste  Stelle  der  Stadt  verschönert^). 
Zu  Nicomedia  war  eine  Wasserleitung,  die  der  Stadt  3329000  S.  (gegen  712520 
Mark)  gekostet  hatte,  unvollendet  geblieben,  dann  abgebrochen  worden,  ebenso 
eine  zweite,  für  die  bereits  200000  S.  (43500  Mark)  ausgegeben  waren.  Nun 
erteilte  Trajan  die  Erlaubnis  zum  Bau  einer  dritten,  die  auf  Bogen  (teils  aus 
Quadern,  teils  aus  Backstein)  das  Wasser  auch  in  die  höheren  Teile  der  Stadt 
führen  sollte :  Plinius  versicherte,  daß  sowohl  der  Nutzen  als  die  Schönheit  des 
Baus  der  Regierungszeit  Trajans  höchst  würdig  sein  werde^).  Kurz  vorher 
hatte  dieselbe  Stadt  den  Bau  eines  neuen  Forums  neben  dem  alten  begonnen'). 
Zu  Nicäa  hatte  der  Bau  eines  Theaters  bereits  mehr  als  10  Mill.  S.  (2175000 
Mark)  verschlungen;  Privatleute  hatten  sich  anheischig  gemacht,  es  aus  eigenen 
Mitteln  mit  mannigfachen  Verschönerungen  auszustatten,    namentlich  einen 

von  40  Kapitolen,  zu  denen  De  Rossi,  Bull.  arch.  com.  XV  1887  S.  66  ff.  noch  die  von  Arsinoe, 
Nicopolis  in  Untermösien  und  Caralis  (Kirche  S.  Nicoiao  in  Capitolio)  hinzufügt  (vgl.  auch  Wissowa. 
Real-Encykl.  III  1538  ff.)-  In  demselben  Sinne  schon  Jordan,  Marsyas  auf  dem  Forum  in  Rom 
(1883)  S.  20:  >Klein-Rom,  die  colonia  civium  Romanorum,  empfing  in  der  östlichen  Hälfte  als 
Symbol  den  Marsyas,  in  der  westlichen  und  südlichen,  wie  im  Stammlande  Italien,  das  Capito- 
lium«;  über  die  Bedeutung  des  Marsyas  als  Abzeichen  der  Bürgercolonien  italischen  Rechtes  vgl. 
Mommsen  StR.  III  809  f.,  dagegen  Kubitschek,  Archäol.  epigr.  Mitteil.  XX  1897  S.  151  ff.  Kome- 
mann,  Real-Encykl.  IV  580  f.  Das  Signum  lupae  cum  insignibus  suis  als  Zeichen  des  römischen 
Bürgerrechts  in  dem  (Ende  des  2.  oder  Anfang  des  3.  Jahrhunderts)  zum  Munizipium  erhobenen 
Flecken  Aurelia  Vina  CIL  VIII  958  =  Dessau  6819  und  an  einem  andern  Orte  des  prokonsulari- 
schen Afrika  CIL  VIU  12200  =  Dessau  6820  (vgl.  auch  CIL  VIII  22699),  sowie  in  Singilia  in 
Hispania  Baetica  CIL  II  5063  =  Dessau  6912;  vgl.  die  Weihungen  an  die  Lupa  Romana  oder 
Augusta  CIL  II  2156  (=  Dessau  6913).  4603.  Ebenso  weihen  in  Obulco  (Baetica)  zwei  Würden- 
träger des  Orts  scrofam  cum  porcis  triginta  zum  Zeichen  des  latinischen  Rechts  der  Gemeinde 
(CIL  II  2126  =  Dessau  691 1). 

1)  Komemann,  Real-Encykl.  IV  1802  f.  2)  Liebenam,  Städteverwaltung  S.  384  ff.  3)  Plutarch. 
An  vitiositas  ad  infelic.  suffic.  3.  4)  Dig.  L  10,  3  §  2  publice  vero  sumphi  opus  novum  sine  principis 
auctontate  fiiri  non  Heere  cofistitufionibus  declaratttr.  5)  Plin.  ad  Tr.  23  f.  70 f.  6)  ebd.  37f. 
7)  ebd.  49. 


[III.  209]        I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR  23 

Säulengang  oberhalb  des  Zuschauerraums  und  Basiliken  im  Umkreise  aufzu- 
führen. Aber  noch  vor  Vollendung  des  Hauptgebäudes  zeigten  sich  so  große 
Risse,  daß  eine  Reparatur  kaum  zu  lohnen  schien.  Gleichzeitig  wurde  an  Stelle 
des  abgebrannten  Gymnasiums  ein  weit  größeres  und  weitläufigeres  gebaut, 
dessen  Mauer  aber  der  mit  der  Fortführung  des  (von  einem  andern  begonnenen) 
Baus  beauftragte  Architekt  trotz  der  kolossalen  Dicke  von  22  röm.  Fuß  (6'/,  m) 
für  zu  schwach  erklärte,  um  die  in  Aussicht  genommene  Belastung  zu  tragen. 
Zu  Claudiopolis  befand  sich  eine  ungeheure  städtische  Badeanstalt  im  Bau"). 
Zum  Bau  eines  Aquädukts,  der  das  Wasser  aus  einer  Entfernung  von  1 6  Mil- 
lien  (24  km)  nach  Sinope  führen  sollte,  gab  Trajan  der  Stadt  die  Erlaubnis, 
falls  der  Bau  ihre  Kräfte  nicht  überstiege,  da  er  sehr  zur  Erhöhung  der  Gesund- 
heit und  Annehmlichkeit  beitragen  würde  ^).  Die  schöne  und  prächtige  Stadt 
Amastris  hatte  unter  andern  herrlichen  Bauwerken  eine  sehr  stattliche  und  lange 
Straße,  die  aber  ein  übelriechender  Fluß  ihrer  ganzen  Länge  nach  durchfloß: 
auch  hier  genehmigte  Trajan  dessen  Bedeckung  aus  städtischen  Mitteln^). 

Dieselbe  Wohlhabenheit  der  Städte  und  dieselbe  Verwendung  großer  Mittel 
für  bauliche  Zwecke,  wie  sie  diese  Angaben  für  Bithynien  erweisen,  darf  für  die 
meisten  Provinzen  des  römischen  Reichs  in  jener  Zeit  vorausgesetzt  werden. 
Bauten,  die  für  eine  ganze  Landschaft  wichtig  waren,  wurden  von  mehreren 
Städten  gemeinsam  ausgeführt:  wie  die  im  Jahre  105/6  vollendete  Brücke  von  Die  Brücke  von 
Alcantara  von  elf  Munizipien  der  Provinz  Lusitanien'^).  Alcantara. 

Zu  den  regelmäßigen  Einnahmen  der  städtischen  Gemeinden  Italiens  und  der  Einkünfte   der 
Westprovinzen  (seltener  im  Osten  des  Reiches)  gehörten  die  Antrittsgelder,  Kommunen  znr 

°  07    Bestreitung  dci 

welche  die  zu  Ehrenämtern  und  Priestertümern  erwählten  Männer  und  Frauen  Baukosten, 
sowie  die  in  den  Gemeinderat  (Dekurionat),  den  zweiten  Stand  (die  Augustali- 
tät)  oder  dessen  Vorstand  (den  Sevirat)  Erwählten  auf  Grund  der  Festsetzungen 
des  Gemeindestatuts  ^)  an  die  Stadtkasse  zu  zahlen  hatten,  und  welche  nach  der 
Bedeutung  des  Orts  und  des  Amts  sehr  verschieden  waren.  Sie  betrugen  für 
denDuumvirat  2000,  3000,  4000  bis  loooo  S.  (die  letzte  Summe  in  Pompeji^)), 
für  die  Quinquennalität  sogar  einmal  (in  Turris  Libisonis)  35000,  für  die  Ädili- 
tät  4000,  aber  auch  20000  (Rusicade),  für  den  Dekurionat  1000,  2000,  in  Cirta 
und  Rusicade  20000,  für  das  Priestertum  des  Pontifex  loooo,  aber  auch  55000 
(in  Rusicade),  für  den  Flaminat  2000,  10000  (zu  Mustis  und  Diana  in  Numidien), 
1 2  000  (zu  Lambäsis  in  derselben  Provinz),  2000  für  den  Sevirat^).  Die  Summe 
von  400000  S.,  die  eine  zu  Calama  in  Numidien  auf  Lebenszeit  zur  Flaminica 
erwählte  Frau  zum  Bau  eines  Theaters  versprochen  hatte,  war  eine  ganz  un- 
gewöhnlich hohe^).  Aber  es  war  wohl  überall  Sitte,  über  den  Minimalsatz  hinaus- 
zugehen oder  andre  Leistungen  hinzuzufügen,  die  auch  anstatt  der  Zahlungen 
erfolgen  konnten,  wie  Schauspiele,  Volksbewirtungen  oder  Bauten.  So  zahlte 
z.  B.  ein  T.  Flavius  Justinus  in  Porto  Torres  auf  Sardinien  für  die  Erwählung 
zum  höchsten  Amt  (der  Quinquennalität)  35000  S.  und  legte  überdies  auf  eigne 
Kosten  ein  Bassin  an,  in  welches  er  auch  das  Wasser  hineinleiten  ließ^).     In 

i)  Plin.  ad  Tr.  39.  2)  ebd.  90  f.  3)  ebd.  98  f.  4)  CIL  II  760  =  Dessau  287a,  vgl.  Hühner 
CIL  II  p.  89 — 96.  5)  Sequendttm  cuiusqju  civitatis  legem  puto  Trajan  bei  Plin,  ep.  ad  Trai.  113 
(vgl.  112).  6)  CIL  X  1074  =  Dessau  5053.  7)  Marquardt  StV.  1^  180—183.  206.  liebenam 
a.  a.  O.  S.  54fr.     8)  CIL  VIII  5365.     9)  CIL  X  7954  =  Dessau  5765. 


24 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  210] 


Öfifentliche  Bau- 
ten von  Privat- 
leuten. 


Äclanum  ließen  einmal  die  Quattuorvirn  für  das  Geld,  das  sie  für  die  Erwählung 
zu  diesem  Ehrenamt  zu  zahlen  verpflichtet  waren,  auf  den  Beschluß  des  Ge- 
meinderats einen  Weg  durch  den  Viehmarkt  führen  und  pflastern ').  In  La- 
nuvium  (Cittä  Lavigna)  wurden  die  aus  den  Antrittsgeldern  der  Priester  geflosse- 
nen Kapitalien  neben  andern  Einnahmen  (mit  Erlaubnis  von  Sever  und  Cara- 
calla)  zum  Bau  von  Thermen  verwendet")  usw. 

Derselbe  Munizipalpatriotismus,  der  die  Städte  trieb,  nach  Kräften  oder  selbst 
über  ihre  Kräfte  in  Bauten  miteinander  zu  wetteifern,  beseelte  gewöhnlich  auch 
ihre  wohlhabenden  Bürger.  Zum  Teil  spornte  diese  auch  die  Ruhmbegier,  ihre 
Namen  in  würdigster  Weise  auf  großen  Bauwerken  durch  Inschriften  auf  die 
Nachwelt  zu  bringen,  deren  Unvergänglichkeit  gesetzliche  Bestimmungen  ge- 
währleisteten^). Aber  auch  schon  der  Ehrgeiz,  der  seine  Befriedigung  in  den 
städtischen  Ämtern,  in  Belobungen,  Bekränzungen,  Statuen,  Ehrenplätzen  u.  dgl. 
fand,  trieb  manche,  große  Summen  für  öffentliche  Bauten  herzugeben,  ja  nicht 
selten  sich  zu  ruinieren:  und  die  öffentliche  Meinung,  die,  wie  in  den  alten  Re- 
publiken, noch  immer  von  den  Angesehenen  und  Reichen  große  Leistungen 
für  die  Gemeinde  erwartete,  ja  forderte*),  bestimmte  ohne  Zweifel  viele  selbst 
wider  ihren  Willen  zu  großen  Opfern.  In  der  Tat  sind  die  in  der  damaligen 
Zeit  in  allen  größeren  und  vielen  kleineren  Städten  der  ganzen  Monarchie  fort 
und  fort  von  Privaten  zu  Kommunalzwecken  freiwillig  gegebenen  Beisteuern 
wahrhaft  erstaunlich,  und  namentlich  die  aus  Privatmitteln  aufgeführten  Bauten 
haben  wahrscheinlich  an  sehr  vielen  Orten  die  städtischen  an  Umfang  und  Be- 
deutung weit  übertroffen,  deren  Einschränkung  sie  ja  auch  eben  ermöglichten 
und  veranlaßten.  Öffentliche  Bauten  aus  Privatmitteln  bedurften  keiner  kaiser- 
lichen Erlaubnis,  »außer  wenn  sie  aus  Rivalität  gegen  eine  andre  Stadt  unter- 
nommen wurden,  oder  Veranlassung  zum  Aufruhr  wurden,  oder  in  der  Um- 
gegend eines  Theaters  oder  Amphitheaters  stattfanden«^].  In  größter  Menge 
sind  in  der  Literatur,  noch  mehr  in  den  Denkmälern  aller  Provinzen  Zeugnisse 
von  gemeinnützigen  Bauten  einzelner  erhalten,  von  den  geringfügigsten  bis  zu 
wahrhaft  fürstlichen.  Zahlreiche  Inschriften  bezeugen  die  Errichtung  der  größ- 
ten öffentlichen  Gebäude,  wie  Tempel,  Portiken,  Theater,  Amphitheater, 
Brücken,  durch  reiche  Privatpersonen  aus  eignen  Mitteln^).  Andre  Inschriften 
zeigen,  daß  auch  minder  Wohlhabende  zur  Wohlfahrt  und  Behaglichkeit  der 
Städte  beizutragen  bemüht  waren,  indem  sie  z.  B.  Straßen  pflastern,  die  öffent- 
lichen Spielplätze  ebnen  und  einfassen,  Sonnenuhren  aufstellen,  auf  den  Märk- 
ten Buden  für  die  Verkäufer  und  Steintische  für  die  Waren  errichten  ließen,  für 
Normalmaße  und  Gewichte  sorgten  u.  dgl.^).  Seit  durch  Nerva  die  Städte  die 
Erlaubnis  zur  Annahme  von  Legaten  erhalten  hatten^),  erfolgten  auch  Ver- 

I)  CIL  X  7954;  vgl.  IX  808  =  Dessau  5381.  2)  CIL  XIV  2101  =  Dessau  5686.  3)  Dig. 
L  10,  2 — 4.  4)  Oben  II  377  ff.  5)  Dig.  L  10,  3  pr.  6)  Reiche  Materialsammlung  bei  J.  C.  Rockwell, 
Private  Baustiftungen  für  die  Stadtgemeinde  auf  Inschriften  der  Kaiserzeit  im  Westen  des  röm. 
Reiches,  Diss.  Jena  1909.  7)  z.  B.  eine  Kunstuhr  [horologmm  cum  suo  aedificio  et  signis  omnibus 
et  clatris)  in  einem  Orte  Savoyens  (CIL  XII  2522  =  Dessau  5624),  eine  öffentliche  Wage  mit  Ge- 
wichten und  Zubehör  in  Tuficum  in  Umbrien  (CIL  XI  5695  =  Dessau  5612),  eine  Markthalle  für 
Lebensmittel  mit  steinernen  Verkaufstischen  in  einer  spanischen  Stadt  (CIL  II  3570  =  Dessau 
5586},  eine  Porticus  für  diejenigen  qti[i]  7tundinandi  gratia  cons\istere7ii\  in  Nepet  CIL  XI  3208. 
8)  Ulpian.  reg.  24,  28;  ausführlich  darüber  Liebenam  a.  a.  O.  S.  I79ff.  Vgl.  z.B.  CIL  XII  1357 
=  Dessau  2709  (Vasio  Voc). 


rm.  2  11,  212]     I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR     25 


mächtnisse  zu  öffentlichen  Bauten  sehr  häufig,  und  es  war  keineswegs  selten, 
daß  Testamente  den  Erben  die  Verpflichtung  zur  Ausführung  eines  Bads, 
Theaters  oder  Stadiums  auferlegten'). 

Einige  Beispiele  werden  die  Allgemeinheit  der  Beteiligung  einzelner  an  der 
Verschönerung  ihrer  Städte  sowie  die  Großartigkeit  solcher  Leistungen  ver- 
anschaulichen. Nach  der  Zerstörung  Cremonas  im  Jahre  69  wurden  Foren  und 
Tempel  durch  die  Munifizenz  von  Bürgern  wiederhergestellt^).  Der  Großvater 
der  dritten  Frau  des  jüngeren  Plinius  erbaute  zu  Como  in  seinem  und  seines 
Sohns  Namen  eine  prachtvolle  Kolonnade  und  schenkte  der  Stadt  ein  Kapital 
zur  Verschönerung  der  Tore^).  In  Oretum  (in  Tarraconensis)  ließ  ein  Bürger 
>  auf  die  Bitte  des  Rats  und  der  Bürgerschaft  zu  Ehren  des  göttlichen  (d.  h.  Kaiser-) 
Hauses«  eine  Brücke  für  80000  S.  (17400  Mark)  bauen  und  gab  bei  ihrer  Ein- 
weihung Zirkusspiele'*).  In  Thagaste  (Numidien)  errichtete  ein  römischer  Ritter 
eine  Portikus  für  300000  S.  (65250  Mark)^).  Der  Arzt  Crinas  ließ  Mauern  in 
seiner  Vaterstadt  xMassilia  und  andre  Mauern  für  beinahe  10  Mill.  S.  (2  275000 
Mark)  erbauen;  die  beiden  Brüder  Stertinius,  Leibärzte  des  Claudius,  er- 
schöpften ihr  Vermögen  durch  Ausstattung  der  Stadt  Neapel  mit  Bauwerken^). 
Die  Inschrift  an  dem  Postament  einer  Ehrenstatue  eines  Bürgers  von  Citium 
auf  Cypern  meldet,  daß  derselbe  ein  Theater  von  Grund  auf  nebst  allem 
Zubehör  auf  eigene  Kosten  habe  aufführen  lassen^).  Dio  von  Prusa,  dessen 
Großvater  sein  ganzes  Vermögen  für  Kommunalzwecke  geopfert  hatte,  er- 
baute in  seiner  Vaterstadt  eine  Kolonnade  bei  den  Thermen  nebst  Läden 
und  Werkstätten;  den  Boden  allein  hatte  er  mit  50000  Drachmen  (etwas  über 
39000  Mark)  bezahlt^).  C.  Antius  A.  Julius  Quadratus,  der  um  106  das  Pro- 
konsulat  der  Provinz  Asia  bekleidete^),  war  nach  Aristides  von  Gott  gesandt 
worden,  um  seine  Vaterstadt,  das  gealterte  Pergamum,  neu  zu  verjüngen,  und 
hatte  sie  zu  dem  gemacht,  was  sie  nun  war;  wenn  andre  Geschlechter  von 
der  Stadt  abstammten,  so  konnte  man  sagen,  die  Stadt  stamme  von  ihm:  »sie 
selbst  bekannte  es  laut  in  den  Ratssälen,  den  Theatern,  den  Versammlungs- 
plätzen, in  welchem  Teil  man  will,  da  ja  alles  durch  jenen  verschönert  ist<'°). 
Die  schönste  Ruine  von  Ephesus  sind  die  Überreste  der  prächtigen  öffentlichen 
Bibliothek,  die  unter  Trajan  der  Konsular  Ti.  Julius  Aquila  als  Heroon  seines 
Vaters  Ti.  Julius  Celsus  Polemaeanus  errichtete  und  mit  Mitteln  reichlich  aus- 
stattete"). Die  meisten  noch  mit  Weihinschriften  versehenen  öffentlichen  Ge- 
bäude in  den  Städten  Pamphyliens  und  Pisidiens  sind  von  Privaten  errichtet"). 

In  den  griechischen  Ländern  waren  es  ganz  besonders  die  Sophisten,  die  Bauten  der 
einen  Teil  der  oft  ungeheuren,  durch  ihre  Kunst  erworbenen  Reichtümer  zur  griechischen 
baulichen  Verschönerung  ihrer  Geburts-  oder  Wohnorte  verwandten.    Nicetes  '  °^ 

l)  Dig.  XXXV  2,  80  §  I.  Vgl.  z.  B.  Sueton.  Tiber.  31,  i  iterittn  cmsente,  ui  Trebianis  legatam 
in  opus  novi  theatri pecuniam  ad  mtmitionem  viae  conferre  concedcrettir.  CIL  V  969. 4059  (=  Dessau 
5012).  2)  Tac.  Hist.  m  34.  3)  Plin.  ep.  V  11,  i.  4)  CIL  II  6339  =  Dessau  5901.  5)  CIL  VIII 
5146.  5147.  6)  Plin.  n.  h.  XXIX  8  f.  7)  Lebas -Waddington  2735.  8)  Dio  Chr.  or.  29,  3.  9 
(II  77  f.  Arn.).  9)  Waddington,  Fastes  des  prov.  Asiat,  nr.  114.  10)  Aristid.  or.  30,  9  'II  204  K.); 
über  die  zahlreichen  pergamenischen  Denkmäler  dieses  Mannes  s.  Fränkel,  Inschr.  v.  Pergam.  II 
S.  298  ff.  Dittenberger,  Or.  gr.  486  Anm.  il)  J.  Keil,  Ephesos  S.  66  ff.  Heberdey,  Österr.  Jahresh. 
Vn  1904  Beibl.  S.  52  ff.  VIH  1905  Beibl.  S.  61  ff.  W.  Wilberg  ebd.  XI  190S  S.  118  ff.,  vgl.  Dessau 
8971.  Groag,  Real-Encykl.  X  i68ff.  544ff.     12)  Lanckoronski  a.  a.  O.  I  13. 


26  XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [111.213] 

legte  in  Smyrna  glänzende  Straßen  an  und  erweiterte  die  Stadt  bis  an  das  nach 
Ephesus  führende  Tor^j.  Alexander  von  Cotyäum  erbaute  (nach  dem  über- 
treibenden Ausdruck  des  Aristides)  diese  seine  Vaterstadt  fast  ganz  neu"). 
Damianus  von  Ephesus  (ein  Schüler  des  Aristides  und  Hadrian)  verband  unter 
anderm  den  dortigen  Artemistempel  mit  der  Stadt  durch  eine  (in  ihren  Funda- 
menten neuerdings  wieder  aufgefundene)  bedeckte  Halle  von  der  Länge  eines 
Stadiums  (180  Meter),  damit  die  Andächtigen  auch  bei  Regenwetter  in  den 
Tempel  gehen  könnten,  und  in  dem  heiligen  Bezirke  selbst  erbaute  er  einen 
ungeheuren  Saal  zu  Opferschmäusen,  der  aufs  prachtvollste  mit  Pavonazzetto 
geschmückt  war.  Auch  seine  Nachkommen  wurden  in  Ephesus  »wegen  der 
Geringschätzung  des  Geldes«  hoch  geehrt^). 
Herodes  Atticus.  Doch  selbst  die  größten  derartigen  Leistungen  verdunkelte  die  beispiellose, 
mehr  als  fürstliche  Munifizenz  des  Herodes  Atticus  (geb.  zu  Marathon  um  101, 
f  gegen  177),  der  an  Reichtum  und  Rang  zu  den  Ersten  seiner  Zeit  gehörte 
(er  war  Konsul  143),  unter  den  damaligen  Virtuosen  der  Redekunst  (Sophisten) 
unbestritten  der  Erste  war.  Sein  Ehrgeiz  war,  seinen  Namen  nicht  minder  durch 
massenhafte,  prachtvolle  und  gemeinnützige  Bauten,  als  durch  seine  von  der 
Mitwelt  hoch  bewunderten  Reden  auf  die  Nachwelt  zu  bringen;  von  jenen  sind 
zahlreiche  Reste  und  noch  mehr  Nachrichten,  von  diesen  nichts  erhalten. 
Schon  als  Herodes  um  das  Jahr  130  Präfekt  der  freien  Städte  Asias  war,  hatte 
ihn  sein  Vater  Tiberius  Claudius  Atticus  in  den  Stand  gesetzt,  gegen  die  Stadt 
Alexandria  Troas  eine  großartige  Freigebigkeit  zu  üben:  zu  den  3  Mill.  Drach- 
men, die  ihr  Hadrian  zu  einer  Wasserleitung  bewilligt  hatte,  ermächtigte  er  ihn, 
die  noch  erforderlichen  4  Mill.  (über  3  Mill.  Mark)  zuzulegen.  Die  Freigebig- 
keit des  Herodes  erstreckte  sich  später  auch  auf  Italien,  wo  er  die  Stadt  Canu- 
sium  (Canosa)  mit  einer  Wasserleitung  versorgte,  galt  aber  hauptsächlich 
Griechenland,  vor  allem  seinem  Vaterlande  Attika  und  dessen  Hauptstadt,  in 
deren  Nähe  er  in  dem  reizenden,  noch  jetzt  als  Sommeraufenthalt  benutzten 
Kephisia  den  Abend  seines  Lebens  in  vornehmer  Zurückgezogenheit  verbrachte. 
Er  ließ  den  Städten  in  Euböa,  im  Peloponnes,  in  Böotien  Unterstützungen  zu- 
fließen, half  dem  herabgekommenen  Oricum  in  Epirus  auf,  baute  in  Korinth 
ein  bedecktes  Theater*),  in  Olympia  eine  Wasserleitung,  in  Thermopylä  Bassins 
zu  Schwefelbädern  und  baute  zu  Delphi  das  Stadium  in  Stein  aus,  wie  er  auch 
für  die  Ausschmückung  des  isthmischen  Heiligtums  reiche  Mittel  verwendete. 
Selbst  die  Durchstechung  des  korinthischen  Isthmus  hatte  er  ins  Auge  gefaßt. 
In  Attika  ließ  er  in  dem  Demos  Myrrhinus  einen  Tempel  der  Athene  herstellen, 
in  Athen  selbst  das  panathenäische  Stadium  des  Lycurgus  innerhalb  von  vier 
Jahren  aufs  prächtigste  vollständig  mit  pentelischem  Marmor  auslegen^);  er- 
richtete auf  einem  der  Felshügel  oberhalb  seiner  Langseiten  einen  Tempel  der 
Glücksgöttin  mit  deren  elfenbeinernem  Bilde  und  erbaute  am  Fuße  der  Akro- 

l)  Philostr.  Vit.  soph.  I  19,  l.  Die  Vermutung  Waddingtons,  daß  der  Rufinus,  dessen  Bauten 
Aristides  or.  50,  28  (II  432  K.)  erwähnt,  der  Vater  des  Sophisten  Claudius  Rufinus  in  Smyrna  ge- 
wesen sei,  entbehrt  der  Begründung,  vgl.  A.  Stein,  Real-Encykl.  I  A  I185.  2)  Aristid.  or.  32,  17 
(II  221  K.).  3)  Philostrat.  Vit.  sophist.  11  23,  if.;  vgl.  die  ephesische  Inschrift  Dessau  8830  und 
Groag,  Österr.  Jahresh.  X  1907  S,  295  f.  4)  Vgl.  dazu  R.  B.  Richardson,  Amcric.  Journ.  of  Ar- 
chaeol.  2.  ser.  IV  1900  S.  235  ff,  5)  Wahrscheinlich  war  er  Besitzer  der  pentelischen  Marmor- 
brüche, Hirschfeld,  Kais.  Verw.Beamt.  S.  147  Anm. 


[III.  214]       I-  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR 


Bauten    ron 
Senatoren 


polis  zu  Ehren  seiner  gestorbenen  Gemahlin  Regula  ein  mit  Zedernholz  ge- 
decktes Theater  (Odeum)  für  etwa  6oqo  Personen,  das  nach  Pausanias  an  Größe 
und  Pracht  der  Ausstattung  alle  ähnlichen  Bauten  übertraf  und  jetzt  wieder 
bloßgelegt  ist'). 

Man  sieht,  daß  die  Freigebigsten  unter  den  Reichen  und  Vornehmen  ihre 
Munifizenz  nicht  auf  ihre  eignen  Städte  beschränkten,  wenn  es  auch  vielleicht 
niemand  dem  Herodes  gleichtat,  der,  als  er  des  Mords  der  Regilla  angeklagt 
vor  Gericht  stand,  und  sein  Gegner  sich  einer  Wohltat  gegen  eine  Stadt  Italiens 
rühmte,  erwidert  haben  soll:  »auch  ich  könnte  vieles  der  Art  von  mir  sagen, 
wenn  ich  auf  der  ganzen  Erde  vor  Gericht  gezogen  würde«  ""j. 

Es  war  wohl  die  Regel,  daß  Munizipale,  die  sich  zum  Senatorenstande 
(durch  den  sie  aufhörten,  Bürger  ihrer  Vaterstadt  zu  sein)  oder  sonst  zu  hohen 
Stellungen  in  Rom  aufgeschwungen  hatten,  und  römische  Große,  die  als  Patrone 
oder  anderweitig  zu  einer  Stadt  in  Beziehung  standen,  ihr  durch  Bauten  und 
Zuwendungen  ihre  Anhänglichkeit  und  ihr  Wohlwollen  bewiesen.  Der  jüngere 
Plinius,  der  in  seinem  Testament  seine  Vaterstadt  Como  mit  einem  bedeutenden 
Kapital  zur  Erbauung,  Einrichtung  und  Instandhaltung  von  Thermen  bedachte^), 
erwies  der  Stadt  Tifernum  Tiberinum,  die  ihn  sehr  jung  zum  Patron  erwählt 
hatte,  seine  Erkenntlichkeit  durch  den  Bau  eines  Tempels,  dessen  Einweihung 
er  mit  einem  Festmahl  beging"*).  Die  sehr  vornehme  Ummidia  Quadratilla,  die 
in  Rom  einen  Palast  in  der  12.  Region  bewohnte^)  und  etwa  im  Jahre  107  fast 
Sojährig  starb,  stammte  aus  Casinum:  eine  dort  gefundene  Inschrift  meldet  in 
fünf  Zeilen,  daß  sie  den  Casinaten  auf  eigene  Kosten  ein  Amphitheater  und 
einen  Tempel  erbaute^).  Dasumius  (wahrscheinlich  der  Urheber  des  S.  C.  Da- 
sumianum  98  oder  99  n.  Chr.)  hatte  seine  Vaterstadt  Corduba  mit  öffentlichen 
Bauten  zu  schmücken  begonnen,  deren  Vollendung  und  Übergabe  er  in  seinem 
(im  Jahre  108  verfaßten)  Testament  einer  Kommission  rechts-  und  sachverstän- 
diger Personen  übertrugt).  Ein  L.  Dasumius  TuUius  Tuscus  (Konsul  unter  Marc 
Aurel)  vollendete  zu  Tarquinii  den  Bau  von  Thermen,  zu  welchen  sein  Vater 
der  Konsular  P.  TuUius  Varro  der  Stadt  3  300000  S.  (717  850  Mark)  vermacht 
hatte,  indem  er  das  Kapital  vergrößerte  und  den  Bau  erweiterte^):  auch  bei 
dieser  Munifizenz  war  ohne  Zweifel  der  Grund  einer  der  angegebenen.  Um  den 
Kurort  Epidaurus  machte  sich  in  der  Antoninenzeit  der  Senator  Julius  (Major) 
Antoninus,  ein  Gönner  des  Periegeten  Pausanias,  durch  eine  stattliche  Reihe 
von  Baulichkeiten  hoch  verdient'). 

Auch  kaiserliche  Freigelassene  statteten  nicht  selten  ihre  Geburtsorte  und  kaiserlichen  Frei- 
andre Städte  mit  Bauten  aus.    Cleander  z.  B.,  der  mächtige  Freigelassene  des  gelassenen  — 
Commodus^  verwandte  einen  Teil  seines  ungeheuren  Vermögens  auf  Häuser, 
Bäder  und  »andre,  sowohl  einzelnen  als  ganzen^Städten  nützliche  Anstalten« '°). 
Endlich  betätigten  auch  abhängige  oder  befreundete  Fürsten  ihre  Freigebigkeit 


i)  C.  Schulteß,  Herodes  Atticus,  Progr.  Hamburg  1904.  Münscher,  Real-Encykl.  VIII  9216". 
Judeich,  Topogr.  von  Athen.  S.  98.  291  f.  370.  2)  Philostrat.  Vit.  soph.  11  l,  8.  3)  Oben  I  126. 
4)  Plin.  ep.  IV  I,  4  fr.  5)  CIL  XV  7567.  6)  CIL  X  5183  =  Dessau  5628;  vgl.  Plin.  ep.  VII  24,  i. 
Oben  II  131.  7)  CIL  VI  10229  =  Bruns-Gradenwitz,  Font.  iur.  Rom.  ant.^  nr.  117;  vgl.  Groag. 
Real-Encykl.  IV  2223  f.  8)  CIL  XI  3366,  vgl.  3365  =  Dessau  1081.  9)  Pausan.  II  27,  6  f.  IG  IV 
1311.  1416;  vgl.  Groag,  Real-Encykl.  X  666ff.     10)  Cass.  Dio  LXXII  12,  5.  Oben  I  47. 


28 


XIL  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  215] 


ond  fremden  Für- 
sten. Herodes 
von  Judäa. 


Bauten  der 
Kaiser. 


Ihre  Unter- 
stützungen 
der  Städte  — 


besonders  bei 
Bränden  — 


und  Prachtliebe  vor  allem  durch  Bauten,  und  nicht  bloß  in  ihren  eigenen  Län- 
dern. Herodes  der  Große,  der  Judäa  mit  zahlreichen,  großartigen  Bauwerken 
und  Anlagen  hauptsächlich  zu  Ehren  Augusts  füllte,  unter  welchen  die  von  ihm 
geschaffene  Hafenstadt  Cäsarea  die  großartigste  war,  schmückte  auch  die  Städte 
Phöniziens,  Syriens,  Kleinasiens  und  Griechenlands  aufs  reichste  und  prächtigste. 
Athen,  Sparta,  Nicopolis,  Pergamum  waren  nach  Josephus  voll  von  seinen  Gaben ; 
in  Antiochia  hatte  er  eine  bis  dahin  sehr  schmutzige,  zwanzig  Stadien  (über 
3  7^  Kilometer)  lange  Straße  mit  Marmorplatten  gepflastert  und  mit  einer 
ebenso  langen  Kolonnade  zum  Schutz  gegen  den  Regen  ausgestattet').  Auch 
die  übrigen  Herodeer  bauten  viel,  namentlich  Herodes  Antipas,  der  Gründer 
der  neuen,  glänzenden  Hauptstadt  Tiberias^), 

Zu  den  Motiven  dieser  Munifizenz  gehörte  für  die  Fürsten  wie  für  die  hoch- 
gestellten Männer  Roms  das  Beispiel,  ja  die  direkte  Aufforderung  der  Kaiser 
(eine  solche  erließ  z.  B.  Nerva  in  einer  »herrlichen  Rede«)^),  so  wie  die  Kaiser 
ihrerseits  offenbar  mit  durch  die  Absicht  bestimmt  wurden,  eine  möglichst  aus- 
gedehnte Nachahmung  ihres  Beispiels  zu  veranlassen.  Sie  veranstalteten  fort 
und  fort  große  öffentliche  Bauten"*)  nicht  bloß  in  Rom,  sondern  auch  in  den 
Städten  Italiens  und  selbst  der  Provinzen^),  und  unterstützten  diese  namentlich 
bei  den  so  häufigen  Kalamitäten,  wie  Überschwemmungen,  Feuersbrünsten, 
Erdbeben,  in  freigebigster  Weise  zu  den  erforderlichen  Neubauten. 

Große  Brände  haben  wahrscheinlich  oft  ungeheure  Verheerungen  angerichtet, 
obwohl  sie  außerhalb  Roms  selten  berichtet  werden.  In  Nicomedia  hatte  kurz 
vor  Plinius  Anwesenheit  eine  Feuersbrunst  gewütet:  in  dieser  so  bedeutenden 
Stadt  waren  weder  Feuereimer  noch  Spritzen  vorhanden,  noch  überhaupt  von 
selten  der  Kommune  die  geringste  Sorge  für  Löschanstalten  getroffen.  Den 
Antrag  des  Plinius  auf  Errichtung  einer  Gilde  von  (höchstens  150)  Zimmerleuten, 
die  hauptsächlich  als  Feuerwehr  dienen  sollten^),  lehnte  Trajan  als  bedenklich 
ab  und  ordnete  nur  die  Anschaffung  der  nötigen  Gerätschaften  und  die  Auf- 
forderung der  Hausbesitzer  an,  erforderlichenfalls  unter  dem  Beistande  des 
Volks  zu  löschen^).  Aber  auch  in  den  Städten,  wo  Gilden  von  Zimmerleuten 
und  Verfertigern  von  Lappendecken  [centonarii]  bestanden  (welche  letztere, 
wie  noch  im  17.  und  18.  Jahrhundert  in  Holland  und  Bremen  Schiffssegel ^),  mit 
Wasser  getränkt,  zum  Feuerlöschen  dienten)^),  haben  sie  schwerlich  viel  aus- 
gerichtet, da  ja  auch  die  größte  und  bestorganisierte  Feuerwehr,  die  7000  Mann 
starke  Nachtwache  der  Stadt  Rom,  gegen  die  dortigen  unaufhörlichen  Brände 
so  wenig  vermochte '°).  Auch  anderwärts  nahmen  diese  gewiß  nicht  selten  große 
Dimensionen  an.  Im  Jahre  64/65  brannte  Lyon  so  völlig  ab,  daß  Seneca,  wenn 
auch  mit  noch  so  großer  Übertreibung,  sagen  konnte,  man  suche  es  vergebens: 


1)  Joseph.  B.  J.  I  425 ;  vgl.  W.  Otto,  Real-Encykl.  Suppl.  II  73 ff.  2)  W.  Otto  a.  a.  O.  S.  I74ff- 
3)  Plin.  ad  Tr.  8,  l ;  daß  munificentia  hier  (wie  bei  Tac.  Hist.  III  34  tnagnißcentia)  auf  Bauten  zu 
beziehen  ist,  ergibt  der  Zusammenhang.  4)  Über  das  kaiserliche  Personal  für  die  opera  publica 
vgl.  Hirschfeld,  Kais.  Verw.Beamte  S.  267  ff.,  auch  Mommsen  StR.  II^  950.  5)  Wasserleitungs- 
bauten der  Kaiser  bei  Liebenam,  Städteverwaltung  S.  158,  i.  6)  X^her  fabri  und  cetitonarii  als 
Feuerwehren  Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  S.  98  ff.  7)  Plin.  ad  Tr.  33  f.  8)  Kohl,  Alte  u.  neue  Zeit 
S.  37.  40  f.  9)  A.  Mau^,  Die  Vereine  der  fabri,  centonarii  und  dendrophori  im  röm.  Reiche,  Progr. 
Frankfurt  a.  M.  1886.  Kornemann,  Real-Encykl.  VI  1905  ff.      10)  Oben  I  23  f. 


[III.  2i6,  217]     I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR     29 

eine  Nacht  habe  diese  große  Stadt  völlig  vernichtet  und  so  viele  herrliche  Bau- 
werke, deren  jedes  allein  eine  Stadt  hätte  schmücken  können,  in  Schutt  gelegt'). 
Im  Jahre  65  bewilligte  Nero  dazu  die  Summe  von  4  Mill.  S.,  welche  die  Lugdu- 
nenser  früher  bei  dem  großen  Brande  Roms  angeboten  hatten^).  Auf  einen  sehr 
großen  Umfang  des  Brandes  in  Bologna  im  Jahre  53  läßt  die  zur  Unterstützung 
bewilligte  Summe  von  10  Mill.  Sesterzen  schließen^). 

In  einem  am  Schlüsse  des  selbstverfaßten  Rechenschaftsberichts  Augusts  und  Erdbeben, 
hinzugefügten  Anhange  heißt  es:  die  Geschenke,  die  er  in  Italien  und  den  Pro- 
vinzen Städten,  die  durch  Brand  und  Erdbeben  zerstört  waren,  zugewendet  habe, 
seien  zahllos.  Durch  anderweitige  Nachrichten  sind  solche  Unterstützungen 
von  ihm  bezeugt  für  Neapel,  Paphus  auf  Cypern,  Chios,  mehrere  Städte  Klein- 
asiens, wie  Laodicea  am  Lycus,  Thyatira,  Tralles"*).  Auch  Vespasian  > stellte 
sehr  viele  Städte  im  Reiche  schöner  wieder  her,  die  durch  Brand  oder  Erdbeben 
gelitten  hatten«^);  und  die  Bemerkung  des  Tacitus,  daß  Laodicea  nach  einem 
Erdbeben  im  Jahre  60  sich  aus  eignen  Mitteln  ohne  Staatshilfe  wieder  erhoben 
habe^),  zeigt,  daß  diese  letztere  in  solchen  Fällen  in  der  Regel  erfolgte.  Noch 
existiert  ein  in  Puteoli  dem  Tiberius  von  14  Städten  Kleinasiens  errichtetes 
Monument,  die  —  zwölf  im  Jahre  17,  die  beiden  andern  23  und  2g  —  durch 
Erdbeben  mehr  oder  weniger  zerstört  worden  waren,  und  die  er  beim  Wieder- 
aufbau reichlich  unterstützt  hatte^).  Die  Weltchronik  des  Eusebius  verzeichnet 
in  der  Zeit  von  August  bis  Commodus  elf  Erdbeben,  davon  10  in  Griechen- 
land und  im  Orient,  aber  auch  für  diese  Länder  ist  das  Verzeichnis  durchaus 
unvollständig.  Unter  andern  fehlt  darin  das  ungeheure  Erdbeben,  das  zwischen 
138  und  142  auf  dem  griechischen  Festlande  Sicyon,  von  den  Inseln  Rhodus 
und  Kos,  in  Asien  Lycien  und  Carien  furchtbar  verwüstete^].  Die  erforder- 
lichen Neubauten  ließ  Antoninus  Pius  mit  bedeutenden  Summen  aufs  herrlichste 
ausführen^).  Stratonicea  erhielt  allein  i  Mill.  S.'°)  Ganz  besonders  warLesbos 
wie  die  nahen  Inseln  und  das  gegenüberliegende  Festland  von  Erdbeben  heim- 
gesucht"); eines  derselben  verwüstete  im  Jahre  151/52  Mytilene  und  erschüt- 
terte auch  Kleinasien '^).  Unter  den  von  Eusebius  verzeichneten  Erdbeben  , 
waren  die  bedeutendsten  das  von  1 15,  das  u.  a.  Antiochia  etwa  zum  dritten  Teil 
völlig  zerstörte,  das  von  122,  das  Nicomedia  und  Nicäa  hart  beschädigte'^),  und 
das  von  178,  das  ganz  lonien  erschütterte,  am  furchtbarsten  aber  Smyrna  ver- 
wüstete'*). Bei  den  beiden  letzten  wird  die  in  umfassendster  Weise  zum  Wieder- 
aufbau geleistete  kaiserliche  Hilfe  ausdrücklich  erwähnt'^).  Im  Westen  war 
namentlich  Campanien  »niemals  vor  diesem  Übel  sicher«'^);  im  Jahre  62  am 
5.  Februar  wurde  Pompeji  sehr  hart,  Herculaneum  in  geringerem  Grade,  einiger- 
maßen auch  Neapel  und  Nuceria  durch  ein  Erdbeben  beschädigt''). 

i)  Seneca  ep.  91,  if.  Über  die  Zeit  s.  Jonas,  De  ordine  librorum  Senecae  (Diss.  Berol.  1870) 
S.  62  ff.  Hirschfeld  CIL  XÜI  p.  252.  2)  Tac.  A.  XVI  13.  3)  ebd.  XII  58.  4)  Mommsen,  Res 
gest.  d.  Aug.*  p.  I59f.  5)  Sueton.  Vespasian.  17.  6)  Tac.  A.  XIV  27.  7)  O.  Jahn,  Ber.  d.  Sachs. 
Ges.  1851  S.  iigff.  CIL  X  1624  =  Dessau  156  (oben  I  423);  vgl.  Tac.  A.  II  47.  Dittenberger, 
Or.  gr.  471.  CIG  3450.  8)  Waddington,  Mem.  de  l'acad.  d.  inscr.  XXVI  i  1867  S.  242ff. 
9)  Hist.  aug.  Anton.  P.  9,  i.  Pansan.  VIII  43,  4.  10]  CIG  2721.  Il)  Cichorius,  Rom  und  Myti- 
lene S.  50.  12)  Waddington  a.  a.  O.  13)  Weber,  Untersuch,  z.  Gesch.  d.  Kaisers  Hadrianus 
S.  127 f.  14)  Hertzberg,  Gesch.  Griechenlands  II  371.  15)  Vgl.  auch  Hist.  aug.  Alex.  Sev.  44,  8- 
16)  Seneca  Nat.  qu.  VI  i,  2.     17)  Tac.  A.  XV  22.  Seneca  a.  a.  O.  §  i,  wo  die  Namen  der  Konsuln 


30 


XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.    2  1  8] 


BauteD  der  Julier  Aber  die  durch  Verwüstungen  veranlaßten  Neubauten  waren  nur  ein  geringer 
Flavier  —  ^^.^  ^^^  Bauunternehmungen,  die  von  allen  Regierungen  (mit  Ausnahme  der 
des  Tiberius) ')  in  großem  Maßstabe  in  und  außerhalb  Roms  betrieben  wurden^ 
nicht  bloß  zum  Besten  der  damit  bedachten  Städte,  sondern  gewiß  auch,  um 
große  Massen  freier  Arbeiter  lohnend  zu  beschäftigen.  Doch  haben  die  Juli- 
schen  und  die  Flavischen  Kaiser  bei  ihren  gemeinnützigen  Bauten  außerhalb 
Roms  vorzugsweise  oder  ausschließlich  Italien  berücksichtigt:  so  baute  Claudius 
den  Emissar  des  Fucinersees  und  den  neuen  Hafen  bei  Ostia  (Portus)  mit  mäch- 
tigen Molen  und  einem  sehr  hohen  Leuchtturm^),  Nero  den  Hafen  von  Antium^). 
Vespasian  scheint  sich,  abgesehen  von  seinen  großen  Neubauten  in  Rom,  im 
wesentlichen  auf  Herstellung  des  dort,  in  Italien  und  den  Provinzen  Zerstörten 
beschränkt  zu  haben*),  ohne  doch,  wenigstens  in  Rom,  alles  Begonnene  vollenden 
zu  können^);  und  da  während  der  kurzen  Regierung  des  Titus  wieder  ein  großer 
Brand  einen  Teil  Roms  in  Asche  legte ^),  fand  Domitian  dort  selbst  Raum  genug 
zur  Befriedigung  seiner  fast  leidenschaftlichen  Baulust^);  übrigens  ließ  er  auch 
in  Italien  einige  Straßenbauten  ausführen. 
Trajans  —  Trajan,  der  gleich  bei  seinem  Regierungsantritte  seine  großen,  zum  Teil  alle 
früheren  überbietenden  Bauunternehmungen  in  Rom  in  Angriff  nahm  ^)  und  sie 
in  seiner  späteren  Regierungszeit  in  solchem  Umfange  betrieb,  daß  er  in  Rom 
und  der  Umgegend  kaum  Techniker  genug  hatte^),  sorgte  auch  für  das  übrige 
Italien  in  der  großartigsten  Weise,  namentlich  durch  Straßen-,  Hafen-  und 
Wasserbauten^"),  führte  aber  außerdem  in  den  Provinzen")  auch  abgesehen  von 
seinen  Städte-  und  Kolonieanlagen  bedeutende  Werke  aus;  das  größte  von 
allen  war  nach  Cassius  Dio  die  auf  20  Pfeilern  ruhende,  1070  Meter  lange'") 
Donaubrücke '^).  Ihre  nach  der  Abtragung  stehengebliebenen  Pfeiler  schienen 
ihm  da  zu  sein,  um  zu  zeigen,  daß  der  menschlichen  Natur  nichts  unmöglich 
sei'*). 
Hftdrians  —  Die  Bauten  Hadrians,  dessen  erster  Regierungsakt  ein  Erlaß  rückständiger 
Steuern  im  Betrage  von  qoo  Mill.  S.  (über  195  Mill.  Mark)  war'^),  geben  einen 
gleich  hohenBegriffvon  den  unerschöpflichen  Hilfsquellen  des  römischenReichs, 
wie  von  der  rastlosen  Tätigkeit  dieses  merkwürdigen  Manns '^).  Er,  der  Rom 
mit  den  glänzendsten  Prachtgebäuden  schmückte,  zu  denen  die  Erneuerung  des 


(des  J.  63)  interpoliert  scheinen;  vgl.  Jonas  a.  a.  O.  S.  53 f.  S.  Chabert,  M^langes  Boissier  (1903) 
S.  115  ff.  Über  sonstige  Erdbeben  in  Italien  s.  Nissen,  Ital.  Landesk.  I  283  ff.,  vgl,  auch  CIL  IX 
1466  (Erdbeben  bei  den  Ligures  Baebiani).  3046  =  Dessau  5609  (in  Interpromium). 

l)  Sueton.  Tiber.  47,  dazu  Geizer,  Real-Encykl.  X  530.  2)  Sueton.  Claud.  20,  2  f.  3)  Sueton. 
Nero  9.  4)  So  in  Herculaneum  (CIL  X  1406  =  Dessau  250)  und  einigen  lycischen  Städten  (IGR  III 
507.  659.  690).         5)  Weynand,  Real-Encykl.  VI  2688  ff.  6)  Weynand  a.  a.  O.  S.  2719  f.  2724; 

Bauten  des  Titus  in  Neapel:  CIL  X  1481  =  IG  XIV  729.  7)  Weynand  a.  a.  O.  S.  2519 ff.;  auf 
diese  Bauten  bezieht  sich  auch  Stat.  silv.  III  3,  98  ff.  8)  Plin.  Paneg.  51,  3.  9)  Plin.  ad  Tr.  18,  3. 
10)  Große  Wasserleitung  in  Forum  Clodii  (Bracciano)  impensa  fisci  CIL  XI  3309.  Il)  Eutrop. 
VIII  4  per  orbeni  terrartim  aedificans  viulta.  U.  a.  hat  er,  wie  die  dort  gefundenen  Inschriften  be- 
zeugen, auch  den  heiligen  Weg  von  Milet  nach  dem  Apolloheiligtume  von  Didyma  excisis  collibus, 
completis  vallibus  angelegt,  CIL  III  14195*2  =  Dessau  4051 ;  vgl.  Th.  Wiegand,  Abhandl.  d.  Berl. 
Akad.  1911  Anhang  S.  35ff'.  12)  Michaelis-Wolters,  Die  Kunst  des  Altertums'"  S.  5iof.  Cichorius, 
Die  Reliefs  der  Traianssäule  III  135  ff.  Taf.  72.  13)  Dierauer  in  Büdingers  Untersuchungen  z.  röm. 
Kaisergesch.  I  96  ff.  I27ff.  14)  Cass.Dio  LXVIU  13,5.  Procop.  de  aedif.IV  6  p.  288Dind.  I5)CIL 
VI  967  =  Dessau  309.     16)  Gregorovius,  Hadrian'  S.  468  ff. 


[IlL  219,  220]      I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR      31 


besonders  in 
Griechenland 


HO  abgebrannten  Pantheon  125  — 130  gehörte'),  in  Tibur  sich  einen  auch 
architektonisch  überreich  ausgestatteten  Feensitz  schuft"),  ließ  sich  auf  den  Reisen, 
in  denen  er  von  121  — 134  sein  ganzes  Reich  durchzog,  von  einem  militärisch 
organisierten,  in  Kohorten  geteilten  Heer  von  Architekten,  Bauhandwerkern, 
Technikern  und  Künstlern  begleiten  ^j,  die  überall  die  Ausführung  seiner  nie 
versiegenden  Pläne  durch  einheimische  Arbeiter  leiten  konnten.  Darunter 
waren  auch  Gründungen  neuer  Städte  wie  Hadrianotherä  in  Mysien,  Hadriano- 
polis  in  Thracien,  Aelia  Capitolina  auf  den  Trümmern  von  Jerusalem  und  An- 
tinoupoHs  in  Ägypten. 

Von  den  Bauten,  mit  denen  Hadrian,  wie  sein  Biograph  sagt,  fast  alle  von 
ihm  berührten  Städte  schmückte^),  werden  in  den  westlichen  Provinzen  nur 
einzelne  erwähnt,  wie  die  Herstellung  des  Augustustempels  zu  Tarraco^),  eine 
zu  Ehren  Plotinas  erbaute  Basilika  in  Nemausus^),  eine  Wasserleitung  in  Sar- 
mizegetusa,  eine  der  »unzähligen«,  die  seinen  Namen  trugen^).  Aus  dem  langen 
Verzeichnisse  seiner  noch  jetzt  nachweisbaren  Bauten  im  Orient  nnd  Griechen- 
land, wo  fast  jede  Stadt  Wohltaten  von  ihm  aufzuweisen  hatte,  mehrere  ihn  mit 
Recht  als  ihren  »Erretter«  und  »Gründer«  preisen  konnten,  genügt  es,  hier 
einige  der  bedeutendsten  hervorzuheben.  Auch  Palmyra,  das  er  im  Jahre  1 2g 
besuchte,  verdankte  ihm  so  viel,  daß  es  sich  fortan  Hadriansstadt  nannte^). 
Auf  dem  Isthmus  schuf  er  aus  dem  höchst  gefährlichen  und  beschwerlichen 
Bergpfade  der  skironischen  Klippen  durch  umfassende  Felsarbeiten  und  kolos- 
sale Substruktionen  eine  fast  2  Kilometer  lange,  bequeme,  für  Lastwagen  gang- 
bare Kunststraße,  deren  Möglichkeit  an  dieser  Stelle  man  heute  kaum  noch 
begreift;  führte  aus  dem  Hochtale  von  Stymphalus  in  einem  gewaltigen  Aquä- 
dukt eine  Überfülle  kühlen  Bergwassers  nach  Korinth  und  schmückte  diese 
Stadt  mit  prächtigen  Thermen^).  Vor  allem  aber  erhob  er  Athen  durch  eine 
Menge  der  prächtigsten  Bauten '°)  zu  neuem  Glanz,  dessen  südöstlichen  Teil  er 
in  eine  »neue  Hadriansstadt«  umschuf.  Antoninus  Pius  hat  namentlich  in  Rom  der  Antonine. 
und  Italien  mehrere  bedeutende  Bauwerke  teils  wiederhergestellt  (wie  den  Leucht- 
turm —  wohl  zu  Ostia  —  und  die  Häfen  zu  Terracina  und  Puteoli),  teils  neu  aus- 
geführt, wie  den  Hafen  zu  Cajeta,  ein  Bad  zu  Ostia,  einen  Aquädukt  zu  Antium, 
Tempel  zu  Lanuvium.  Außerdem  setzte  er  viele  Städte  durch  Geldunter- 
stützungen zur  Ausführung-  neuer  wie  zur  Restauration  älterer  Bauten  in- 
stand") und  baute  unter  anderm,  wie  bemerkt,  in  Athen  und  den  von  dem  Erd^ 
beben  zwischen  138  und  142  betroffenen  Gegenden,  ferner  in  Syrien  und  Kar- 
thago''')  und  in  dem  von  einer  großen  Feuersbrunst  heimgesuchten  Narbo'^). 
Von  Septimius  Severus  sah  man  in  sehr  vielen  Städten  herrliche  Bauwerke"*). 
Unter  den  späteren  Kaisern  war  Diocletian  (nach  einem  feindseligen  christlichen  Bauleidenschaft 

Diocletians. 


i)  Michaelis-Wolters  a.  a.  O.  S.  515  ff.  2)  Oben  II  340.  3)  Aurel.  Vict.  epit.  14,  5.  4)  Schulteß, 
Bauten  des  Kaisers  Hadrian  (Virchow-Holtzendorff,  Vorträge  nr.  289)  1898.  5)  Hist.  aug.  Hadr. 
12,  3;  vgl.  Hübner,  Römische  Herrschaft  in  Westeuropa  S.  203.  6)  Hist.  aug.  a.  a.  O.  12,  2,  vgl. 
Weber,  Untersuch,  z.  Gesch.  d.  Kais.  Hadr.  S.  1 12  f.  7)  CIL  III  1446;  vgl.  Hist.  aug.  Hadr.  20,  5. 
8)  Marquardt  StV.  I'' 414.  9)  Hertzberg  a.  a.  O.  II  311  ff.  10)  S.  oben  I  411.  11)  Hist.  aug. 
Anton.  P.  8,  2 — 4.  12)  Hist.  aug.  Anton.  P.  9,  2.  Pausan.  VIII  43,  4;  vgl.  Sievers,  Studien  z.  röm. 
Kaisergcsch.  198  f.  13)  CIL  XII  4342  (vgl.  Hirschfeld  ebd.  p.  521).  14)  Hist.  aug.  Sever.  23,  i; 
vgl.  oben  I  9  A.  6. 


32  XII.   Dlt  BILDENDEN  KÜNSTE  [IIL  221] 

Berichte)  von  einer  maßlosen  Leidenschaft  des  Bauens  beherrscht,  die  schwere 
Belastungen  der  Provinzen  zur  Folge  hatte.  »Hier  entstanden  Basiliken,  dort 
ein  Zirkus,  hier  eine  Münze,  dort  eine  Wafienfabrik,  hier  ein  Palast  für  seine 
Gemahlin,  dort  für  seine  Tochter. «  Oft  mußte  behufs  der  Neubauten  ein  Teil 
der  Stadt  geräumt  werden  und  die  Einwohner  mit  Frauen  und  Kindern  aus- 
ziehen, wie  nach  einer  Einnahme  durch  Feinde.  War  alles  zum  Ruin  der  Pro- 
vinzen fertig  gebaut,  so  erklärte  er  es  für  schlecht,  es  solle  anders  werden;  dann 
mußte  wieder  zerstört  und  umgebaut  werden  und  das  Neuerrichtete  vielleicht 
nochmals  fallen').  In  der  Tat  aber  stand  seine  fast  fieberhafte  Bautätigkeit  ganz 
im  Dienste  des  Staats.  Überall  erhoben  sich  auf  sein  Geheiß  monumentale 
Bauten,  in  Alexandria,  in  Antiochia  und  Palmyra,  in  Mailand  und  Karthago'). 
Seine  Thermen  in  Rom  übertrafen  an  Größe  und  Pracht  selbst  die  Caracallas^). 
Die  kolossale  Bautätigkeit  Justinians,  der  sich  auch  dadurch  gleichsam  als  eben- 
bürtiger Nachfolger  der  römischen  Kaiser  zu  legitimieren  strebte,  hat  Procop 
zum  Gegenstand  einer  ausführlichen  Darstellung  in  drei  Büchern  gemacht. 

Diese  Nachrichten  werden  einige  Vorstellung  davon  geben,  wie  großartig 
die  Kaiser  für  die  bauliche  Ausstattung  der  Städte  in  Italien  und,  namentlich 
seit  Trajan,  auch  in  den  Provinzen  sorgten.  Doch  den  ganzen  Umfang  der 
kaiserlichen  Bauten  außerhalb  Roms  auch  nur  annähernd  zu  schätzen,  sind  wir 
schwerlich  imstande,  da  Erwähnungen  und  Spuren  derselben  sich  nur  gelegent- 
lich und  zufällig  und  sicher  sehr  unvollständig  erhalten  haben.  Wenn  z.  B.  Ari- 
stides  in  dem  Briefe,  in  dem  er  Marc  Aurel  und  Commodus  um  die  Wieder- 
herstellung Smyrnas  nach  dem  Erdbeben  von  178  bittet,  sich  beiläufig  auf  die 
Fürsorge  beider  Kaiser  für  die  Städte  Italiens  beruft,  die  sie  aus  ihrem  Verfall 
aufgerichtet  und  erhoben  haben"*):  so  ist  hier  wie  in  der  Angabe  der  Biographie 
Marc  Aureis,  »daß  er  wankenden  Städten  Hilfe  geleistet  habe«^),  doch  wohl 
auch  an  Förderung  und  Unterstützung  städtischer  Bauten  zu  denken.  Die  so 
überaus  glänzenden  öffentlichen  Bauten  der  Kaiser  in  Rom  selbst  bedürfen  hier 
keiner  besonderen  Aufzählung  und  Beschreibung. 
Privatbauten  Neben  den  im  ganzen  römischen  Reiche  während  der  beiden  ersten  Jahr- 
m  den  Pro-  hunderte  fort  und  fort  in  den  größten  Dimensionen  betriebenen  öffentlichen 
Bauten  wurde  die  Architektur  überall  auch  für  Privatzwecke  vielleicht  in  um- 
fassenderer Weise  in  Anspruch  genommen  als  zu  irgend  einer  andern  Zeit,  da 
nicht  nur  der  Privatwohlstand  ein  verhältnismäßig  sehr  hoher  und  weitverbrei- 
teter war,  sondern  auch  diese  Kunst  (wie  bereits  erwähnt)  mehr  als  irgend  eine 
andre  den  Neigungen  und  Tendenzen  dieses  Zeitalters  zu  entsprechen  ver- 
mochte. Von  der  Pracht  und  Großartigkeit  der  Palast-  und  Villenbauten  in 
Italien  ist  die  Rede  gewesen.  In  wie  hohem  Grade  sich  aber  der  Luxus  der 
Privatbauten  auch  in  die  Provinzen  verbreitet  hatte,  bezeugen  außer  einzelnen 
Nachrichten  noch  heute  Überreste  römischer  Wohngebäude  in  allen  Teilen  des 
Reichs;  so  die  bereits  erwähnten,  so  wohl  erhaltenen  von  Villen  am  Orontes^). 

i)  Lact,  de  mortib.  persecutor.  7,  8  ff.  2)  Schiller,  Gesch.  d.  röm.  Kaiserzeit  II  150.  3)  Hülsen- 
Jordan,  Topogr.  I  3,  S.  377ff.  4)  Aristid.  or.  19,  10  (U  15  K.).  5)  Hist.  aug.  M.  Aurel.  23,  3. 
6)  Oben  S.  il.  Reste  großer  herrschaftlicher  Villenanlagen  im  Val  Banden  zwischen  Pola  und 
Fasana  und  im  Val  Catena  auf  der  Insel  Brione  grande,  Gnirs,  Österr.  Jahresh.  X  1907  Beibl. 
S.43fr.  XIV  191 1  Beibl.  S.  155  ff. 


vmzen. 


[III.  222]       I.  ZWECKE  UND  VERWENDUNG  DER  ARCHITEKTUR  33 

Eine  der  zahlreichen  Villen  des  Herodes  Atticus,  in  Kephisia  (nordöstlich  von 
Athen),  hatte  elegante,  reichlich  versorgte,  von  Licht  strahlende  Bäder,  lange 
und  bequeme  Wandelbahnen.  Auch  in  der  höchsten  Glut  gewährte  das  Haus, 
noch  mehr  sehr  große  Haine,  Schatten  und  Kühlung,  und  von  allen  Seiten  er- 
tönte das  melodische  Rauschen  der  Wasser  und  der  Gesang  der  Vögel.  Daß 
auch  bei  der  Ausstattung  des  Inneren  nicht  gespart  war,  darf  man  daraus 
schließen,  daß  Herodes  beim  Tode  seiner  Gemahlin  Regilla  die  Räume  seines 
Hauses  nicht  bloß  mit  schwarzem  Anstrich,  schwarzen  Vorhängen  und  Teppi- 
chen, sondern  auch  mit  schwarzem  Marmor  dekorieren  ließ ').  Die  Vorstadtvilla 
der  Laberier  bei  Uthina  (unweit  Tunis)  enthielt  67  Mosaikfußböden  mit  figür- 
lichen Darstellungen^).  Ein  in  der  Gegend  von  Constantine  (Cirta)  gefundenes 
Mosaik  zeigt  ein  herrschaftliches  Schloß,  einen  ausgedehnten  mehrstöckigen  Bau 
mit  flankierenden  Türmen,  den  Besitzer  selbst  zu  Pferde  jagend,  ein  andres  seinen 
Marstall  mit  beigeschriebenen  Namen  der  Pferde.  Auf  einem  bei  Hadrumetum 
(Sussa)  gefundenen  Mosaik  sitzt  die  Gutsherrin  sich  fächelnd  unter  einer  Palme; 
ein  Diener  hält  den  Sonnenschirm  über  ihr  und  ein  Hündchen  an  der  Leine^). 
In  den  prachtvollen  Villen  und  Gärten  von  Karthago  überließen  sich  die  Van- 
dalen  einer  ebenso  zügellosen  Schwelgerei  wie  die  früheren  Besitzer.  Aus  dem 
5.  und  6.  Jahrhundert  haben  wir  Schilderungen  des  Lebens  auf  den  behaglich 
und  herrschaftlich  eingerichteten  Landsitzen  an  den  Ufern  der  Garonne  mit 
seinen  mannigfachen  Lustbarkeiten,  wie  Falkenjagden  und  Fahrten  auf  schönen 
Flußgondeln,  die  nicht  bloß  mit  hohen  Geländern,  Polster  und  Zeltdach,  son- 
dern auch  mit  Mosaiktischen  und  kunstvoll  gearbeiteten  Würfelspielen  ausge- 
stattet waren"*).  Wie  reich  die  künstlerische  Dekoration  mancher  der  größten 
unter  denselben  war,  haben  in  überraschender  Weise  die  Überreste  der  am 
linken  Ufer  der  Garonne  (40  km  von  Toulouse)  gelegenen  Villa  von  Chirangy 
(Martres-Tolosanes)  gezeigt,  deren  wohl  aus  der  Zeit  Augusts  stammendes, 
durch  mehrfache  Umbauten  auf  das  Dreifache  erweitertes  Wohnhaus  bis  ins 
4.  Jahrhundert  bestanden  und  seinen  Skulpturenschmuck  hauptsächlich  unter 
den  Antoninen  erhalten  hat.  Zum  Teil  sind  diese  Bildwerke  an  Ort  und  Stelle 
nach  guten  Vorbildern  mittelmäßig  ausgeführt,  zum  Teil  von  Rom  oder  einem 
andern  Kunstzentrum  beschafft.  Zu  den  letzteren  gehört  eine  etwa  unter  Trajan 
begonnene,  durch  200  Jahre  fortgesetzte  Sammlung  von  Kaiserbüsten  (einige 
in  mehreren  Exemplaren)  und  Büsten  von  Mitgliedern  der  kaiserlichen  Familie; 
zu  den  ersteren  Medaillons  mit  Götterköpfen  (in  anderthalbfacher  Lebensgröße), 
und  zwar  außer  den  zwölf  Olympiern  Äskulap,  Hygiea,  Mithras,  Hercules  aus 
Marmor  von  St.  Breat,  frühestens  aus  dem  2.  Jahrhundert;  ferner  zwei  Serien 
von  Reliefs  der  Herculesarbeiten  mit  Figuren  von  zwei  Drittel  Lebensgröße  aus 
demselben  Marmor  und  derselben  Zeit;  bacchische  und  szenische  Masken  aus 
italienischem  Marmor;  Statuen  und  Büsten  von  Göttern,  Philosophen,  Rednern 
usw.  ^). 

An  die  heimatlichen  Ufer  der  Garonne  fand  sich  Ausonius  durch  die  ebenfalls 

i)  Philostr.  Vit.  soph.  II  i,  8.  2)  P.  Gauckler,  Monum.  Piot  III  1896  S.  177 ff.  3)  Schulten, 
Das  römische  Afrika  S.  47 ff.  63  f.  4)  Stark,  Städteleben  in  Frankreich  S.  224 f.  609.  5)  Joulin, 
Memoires  presentes  ä  l'inst.  par  divers  savants  XI  i  (1901)  S.  219  ff.  Esperandien,  Recueil  general 
des  bas-reliefs  de  la  Gaule  Romaine  II  (1908)  S.  29  ff. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.   9.  Aufl.  , 


34 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  223 


mit  Wein  bepflanzten  und  mit  Villen  geschmückten  der  Mosel  erinnert'),  und 
zahlreiche  Funde  hier  und  an  der  Saar  zeigen,  daß  die  ganze  Gegend,  selbst  heute 
unwirtliche  Gebiete  der  Eifel,  angefüllt  waren  mit  römischen  Landhäusern  von 
sehr  umfassender  Anlage  und  reicher  Ausstattung^),  namentlich  mit  Mosaik- 
fußböden (wie  z.B.  die  Villen  zu  Nennig  bei  Trier  und  Kreuznach) ^j  und  Skulp- 
turenschmuck (wie  die  Villa  zu  Welschbillig)*),  in  denen  durch  vorgelegte 
Säulenhallen  dem  Bedürfnisse  nach  Aussicht  Rechnung  getragen  war^).  Auch 
im  Zehntlande  waren  die  Villen,  wie  zahlreiche  Überreste  zeigen,  mit  Bädern 
und  Wasserleitungen  ausgestattet,  mit  Marmorornamenten,  Skulpturen,  Mosaiken 
und  Bronzen  geschmückt^).  Überhaupt  darf  man  sich  nach  den  Ausgrabungen 
in  den  Rheinlanden  und  der  Schweiz  die  Wohnungen  der  Wohlhabenden  auch 
in  den  Grenzprovinzen  nicht  ohne  den  Schmuck  von  Mosaik  und  Wandmalerei 
vorstellen^).  Selbst  in  den  vereinzelten  römischen  Ansiedelungen  der  niemals 
völlig  romanisierten  Ostschweiz  fehlt  beides  nicht,  wenn  auch  der  künstlerische 
Wert  dieser  Dekorationen  sehr  gering  ist^).  Auch  Britannien  erhielt  mit  der 
Zeit,  wie  die  erhaltenen  Reste  (besonders  Mosaiken)  schließen  lassen,  in  seinen 
mittleren  und  südlichen  Teilen  so  viele  große  und  reich  dekorierte  Villen  wie 
nur  irgend  eine  andre  Provinz  des  römischen  Reichs^).  Sogar  vorübergehende 
Aufenthalte  erhielten  eine  den  Ansprüchen  eines  verwöhnten  Geschmacks  ent- 
sprechende Gestalt.  Unter  den  Maßregeln,  die  Hadrian  zur  Herstellung  der 
gelockerten  Disziplin  in  den  Heeren  Germaniens  traf,  war  auch  die  Wegräumung 
von  Speisesälen,  Kolonnaden,  Krypten  und  Gärten  aus  den  dortigen  Lagern"*;. 


VERWENDUNG  UND  ZWECKE  DER  PLASTIK  UND 

MALEREI. 


Anschluß  der  bil- 
denden Künste  an 
die     Architektur. 


a.  DEKORATIVE  KUNST. 

Schon  allein  durch  die  wahrhaft  unermeßliche  Tätigkeit  der  Architektur  auf 
einem  so  ungeheuren  Gebiete  war  eine  höchst  umfassende  Beschäftigung 
der  sämtlichen  bildenden  Künste  bedingt,  die  überall  zur  Ausschmückung  und 
Dekoration  des  Äußern  und  Innern  von  Bauten  aller  Art  in  reichem  Maße  in 
Anspruch  genommen  wurden.  Nirgends,  am  wenigsten  in  Rom,  erhob  sich  ein 
bedeutenderer  öffentlicher  Bau,  zu  dessen  Verzierung  nicht  auch  der  Meißel 
des  Bildhauers  mit  tätig  gewesen  wäre,  neben  dem  nach  Bedürfnis  Stukkateur, 
Ziseleur,  Schnitzer,  Gießer,  Maler  und  Mosaizist  mitarbeiteten.  Statuen,  einzeln 


i)  Auson.  Mosella  18  ff.  2)  Über  das  römische  Landhaus  in  Deutschland  G.  Kropatschek, 

VI.  Bericht  d.  röm.-germ.  Komm.  (1910 — 1911)  S.  5iff.;  vgl.  Dragendorff,  Westdeutschland  zur 
Römerzeit  S.  45ff.  3I  v.  Wilmowsky,  Die  röm.  Villa  zu  Nennig  und  ihr  Mosaik,  Bonn  1865. 
O.  Kohl,  Bonn.  Jahrb.  XCV  (1894)  S.  102  ff.  F.  Gramer,  Das  römische  Trier  S.  51  ff.  4)  F.  Hettner, 
Westd.  Ztschr.  XII  1893  S.  18  ff.  5)  F.  Hettner,  VVestd.  Ztschr.  II  1883  S.  146".  6)  Stalin,  Gesch. 
Württembergs  I  104—109.  7)  Vgl.  z.  B.  Hettner,  Bonner  Jahrb.  LXII  (1878)  S.  64  ff.  Taf.  III— V. 
8)  F.  Keller,  Mitt.  d.  Antiquar.  Gesellschaft  zu  Zürich  XV  (1863)  S.  52.  57.  9)  Hübner,  Röm. 

Herrschaft  in  Westeuropa  S.  52.  So  namentlich  in  Caerwent  (Venta  Silurum),  z.B.  Morgan, 
Archaeologia  XXXVI  (1855)  S.  418  ff.  Mehr  bei  Marquardt,  Privatl.'  276,  8.  292  f.  63 1,  5.  Gauckler 
bei  Daremberg-Saglio,  Dictionn.  III  2  S.  2109,  18  —  20.     10)  Hist.  aug.  Hadrian.  10,4. 


[III.  224,225] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


35 


und  in  Gruppen,  füllten  Giebel  und  Dächer,  Nischen,  Interkolumnien  und 
Treppenwangen  der  Tempel,  Theater  (das  des  Scaurus  hatte  3000  Bronze- 
statuen) ^),  Amphitheater,  Basiliken  und  Thermen,  schmückten  Brückenportale 
und  -geländer  und  Bogen  aller  Art,  wie  von  Stadttoren  und  Viadukten;  vor 
allem  Triumphbogen  pflegten  mit  Reiterfiguren,  Trophäen,  Vier-  und  Sechs- 
gespannen, die  von  Viktorien  gelenkt  wurden,  bekrönt  zu  sein^).  Reliefs  und 
Medaillons  zierten  die  Friese,  Reliefs  oder  Malereien  die  Wandflächen,  Gewölbe 
und  Decken  prangten  mit  Stuckverzierungen  oder  buntem  Farbenschmuck,  die 
Fußböden  mit  schimmernden  Mosaiken  ^).  Alle  architektonischen  Glieder,  Pfosten 
und  Schwellen,  Gesimse  und  Fenster,  selbst  Dachrinnen  waren  mit  plastischem 
Schmuck  wie  aus  einem  unerschöpflichen  Füllhorn  überschüttet. 

Schon  von  der  Masse  öflentlicher  Anlagen  und  Bauten,  die  in  Rom  allein  Künstlerische  De- 
während der  ersten  Jahrhunderte  neben-  und  nacheinander  wie  durch  Zauber  iichen°°Bauten^— 
aus  der  Erde  wuchsen,  ist  es  kaum  möglich,  sich  eine  Vostellung  zu  machen. 
Schon  diese  unaufhörlichen,  sich  drängenden  großen  Unternehmungen  waren 
hinreichend,  neben  den  Architekten  und  Bauhandwerkern  einem  ganzen  Heer 
auch  von  bildenden  Künstlern  und  Kunsthandwerkern  vollauf  dauernde  Be- 
schäftigung zu  geben.  Agrippa,  der  während  seiner  Adilität  (33  v.  Chr.)  durch 
großartige  Bauten  für  die  Versorgung  Roms  mit  Wasser  tätig  war,  legte  in 
diesem  einen  Jahre  nach  Plinius  700  Bassins,  500  Röhrenbrunnen,  130 Reservoirs 
[castella]  —  worunter  mehrere  prachtvoll  geschmückte  —  an  und  verwandte 
zur  dekorativen  Ausstattung  dieser  Werke  400  Marmorsäulen  und  300  Bronze- 
und  Marmorstatuen'').  Die  späteren  derartigen  Anlagen  standen  hinter  denen 
Agrippas  wohl  nicht  zurück:  auch  Claudius  leitete  das  Wasser  des  von  ihm  ge- 
bauten Aquädukts  »in  sehr  viele  und  sehr  reich  verzierte  Bassins«  ^).  Das  Bassin 
des  Orpheus  in  der  fünften,  das  des  Ganymedes  in  der  siebenten  Region  hatten 
ohne  Zweifel  von  Bildwerken,  die  sie  schmückten,  den  Namen ^).  Domitian 
baute  u.  a.  in  allen  Regionen  Roms  so  viele  und  so  große  Durchgangs-  und 
Triumphbogen  mit  Viergespannen  und  Triumphinsignien,  daß  darüber  gespottet 
wurde').    Die  Pracht  dieser  Bauten  veranschaulicht  eine  Abbildunsf  des  auch 


i)  Plin.  n.  h.  XXXVI  115.  Statuen  des  Theaters  von  Tusculum  CIL  XIV  2647—2651;  vgl.  IX 
5428  =  Dessau  5652  (Falerio) :  statuas  —  ad  exo\rnandum  thea\trum.  CIL  VIII  7960  =  Dessau  5077 
Rusicade) :  praeter  HS  X  [milia]  n{ttmmum)  —  in  opus  cultumve  theatri  —  statuas  duas.  2)  Zahl- 
reiche Beispiele  zeigen  die  Münzbilder  mit  Darstellungen  von  Baudenkmälern,  z.  B.  Donaldson: 
Architectura  numismatica  Nr.  54 — 84.  Im  Jahre  405  errichtete  Senat  und  Volk  für  Theodosius 
und  seine  Söhne  arcum  cum  simulacris  eorum  tropaeisque  decoratum ,  CIL  VI  1196  =  Dessau  798. 
In  Seressita  25000  S.  für  ornamenta  arcus,  außerdem  eine  quadriga  CIL  VIII  937;  vgl.  III  2922 
=  Dessau  559^  arcitni  fieri  et  statuas  superponi  test[amento)  iuss[it].  3)  Auch  die  Inschriften  ge- 
denken dieses  Schmucks  sehr  häufig,  z.  B.  CIL  VI  I179  =  Dessau  5732  colymbiwi  nemus  vetustate 
lapsum  testacio  picturis  ac  statuis  cum  omni  cultu  ador[navit].  CIL  VIII  7957  =  Dessau  5408  (Rusi- 
cade) templum  cum  omnibus  ornamentis  et pictura  sua peq[unia)  renovavit.  VIII  828  =  Dessau  5713 
apodyterium  . . .  cetera  restaurata  adq'ue)  statuis  inarmoribus  tabulis  pictis  columnis  [al]v[ib]us  cella- 
ruin  catkedrebus  ornata.  VIII  25520  =  Dessau  9358  (Bulla  Regia)  aedes publicas  vetustate  conlapsas 
cameris  et  picturis  et  j/iarmoribus  und  die  oft  wiederkehrende  Wendung  cum  suis  [omnibus]  07-na- 
mentis.  4)  Plin.  n.  h.  XXXVI  121.  Vgl.  Jordan,  Topogr.  II  58  ff.  5)  Sueton.  Claud.  20,  i.  Vgl. CIL 
II  3240  =  Dessau  5764  (Hugo,  Tarraconensis) :  lacus  cum  suis  ornamentis.  6)  Hülsen-Jordan, 
Top.  I  3  S.  345.  460.  7)  Sueton.  Domitian.  13,  2;  vgl.  Plin.  n.  h.  XXXIV  27:  tol/i  super  ceteros 
i/iortalis  —  et  arcus  significant  novicio  invento. 


36 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  2261 


und  Plätze  iu  den 
Städten  Griechen- 
lands — 


von  Martial  beschriebenen  Triumphtors,  dc^s  nach  der  Rückkehr  Domitians  aus 
dem  Sarmatenkriege  im  Januar  93  errichtet  wurde:  Medaillonbüsten  schmück- 
ten die  Räume  über  den  Bogenöffnungen,  Reliefs  oder  runde  Skulpturen  Ge- 
bälk und  Attika,  zwei  Elefantenquadrigen,  beide  von  kolossalen  Figuren  des 
Kaisers  aus  vergoldeter  Bronze  gelenkt,  krönten  den  Bau").  Wie  überreich 
das  alle  Prachtbauten  Roms  verdunkelnde  Forum  Trajans  und  dessen  Teile 
fdie  Basihka  Ulpia,  der  Triumphbogen  und  der  ihm  von  Hadrian  errichtete 
Tempel)  auch  mit  plastischem  Schmuck  ausgestattet  waren,  lassen,  außer  großen 
(zum  Teil  durch  die  Ausgrabungen  des  ersten  Napoleon  zutage  geförderten) 
Trümmern,  ebenfalls  Abbildungen  auf  Münzen  ahnen"). 

Überhaupt  entbehrten  die  öffentlichen  Plätze  Roms  wie  der  übrigen  Städte 
den  Schmuck  der  Plastik  so  wenig  wie  die  Gebäude:  natürlich  bestand  er  dort 
vorzugsweise  oder  ausschließlich  aus  freistehenden  Statuen.  Der  ungeheure 
Vorrat  derselben  in  griechischen  und  asiatischen  Städten  war  auch  durch  die 
systematischen,  zwei  Jahrhunderte  fortgesetzten  Plünderungen  der  Römer,  die 
selbst  die  Marktplätze  der  kleinsten  Orte  wie  Andros  und  Mykonos  geleert 
hatten,  um  die  Foren  und  Tempel  Roms  zu  füllen,  nur  teilweise  erschöpft  wor- 
den. Eine  sehr  umfassende  Plünderung  erfolgte  durch  Nero,  dessen  Kommis- 
sar, der  Freigelassene  Acratus,  »fast  die  ganze  Welt  zu  diesem  Zwecke  bereiste 
und  kein  Dorf  überging«  ^).  Rhodus  allein  war  angeblich  von  ihm  wie  von  allen 
früheren  Kunsträubern  verschont  worden ;  dort  befanden  sich  (vermutlich  nach 
amtlichen  Verzeichnissen)'*)  unter  Vespasian  3000  Statuen,  doch  schätzte  man 
die  Summen  der  zu  Athen,  Olympia  und  Delphi  befindlichen  nicht  niedriger-^) : 
nach  dieser  Angabe  muß  für  Griechenland  und  die  Inseln  allein  die  Gesamtzahl 
von  IG — 20000  in  jener  Zeit  eher  zu  klein  als  zu  groß  erscheinen^).  Aber  selbst 
noch  dritthalb  Jahrhunderte  später  wurden  zur  Ausstattung  der  neuen  Reichs- 
hauptstadt Constantinopel  die  Reste  dieses  Reichtums  noch  nicht  völlig  aufge- 
braucht. Die  Beamten  der  Kanzlei  des  Kaisers  Constantius  fanden  in  den  alten 
Städten  immer  noch  genug  zu  rauben,  »und  Prachtwerke,  die  der  Zeit  ge- 
trotzt hatten,  wurden  über  das  Meer  geführt,  um  Söhnen  von  Walkern  ihre 
Wohnungen  glänzender  zu  schmücken  als  die  Kaiserpaläste« ^).  Wie  reich  an 
Kunstwerken  die  griechischen  Länder  aber  nach  allen  Plünderungen  und  Zer- 
störungen des  Altertums  und  Mittelalters  immer  noch  blieben,  und  welche 
Schätze  sie  bargen,  das  zu  ermessen  ist  erst  dem  ig.  Jahrhundert  beschieden 
gewesen,  in  dem  nach  den  Gestalten  des  Phidias  die  Venus  von  Melos,  der 
Hermes  des  Praxiteles  und  die  Trümmer  des  Pergamenischen  Zeusaltars  der 
Welt  wiedergegeben  worden  sind, 
und  Italiens.       Schmückte  nun  gleich  im  Altertum  ein  großer  Teil  der  Skulpturen  die  öfifent- 

I)  Donaldson,  Arch.  num.  Nr.  57.  Martial.  VIII  65,  7  ff.  2)  Dierauer  in  Büdingers  Unters,  z.  röm. 
Kaisergesch.  I  S.  133  ff.  Donaldson  a.  a.  O.  Nr.  7.  58.  66  f.  Jordan,  Topogr.  I  2,  S.  467.  3)  Die  Chrys. 
or.  14,  148  ff.  (I  261  f.  Am.).  Daß  aber  die  Akropolis  damals  der  meisten  Bildsäulen  beraubt  worden 
sei,  ist  eine  starke  Übertreibung  Dios,  wie  Pausanias  beweist.  Wachsmuth,  Stadt  Athen  I  681  f. 
4)  Die  a.  a.  O.  48  (I  233  Arn.):  örmoöi'qi  Toüc;  dv6pidvTa(;  ä-fi€fpa.\\iaaQe  ujueTc;.  5)  Plin.  n.  h. 
XXXIV  36;  vgl.  oben  I  416  A.  8.  6)  Von  Delos  heißt  es  in  der  Pseudoovidischen  Herold.  21,  100: 
miror  et  in  cunctis  stantia  sigiia  locis.  7)  Liban.  or.  18,  132  (II  293  F.):  äWä  ripiraZiovTO  TToXaiai 
uöXeiq,  Kai  KdXXri  veviKriKÖxa  xpovov  6iä  GaXctTTri^  riyeTO  TroinöovTa  Kvaqpetwv  uieaiv  oiKiac;  tOjv 
ßaaiXeiuuv  qpai&poTepac;. 


[III.    2  2  7] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


37 


liehen  Gebäude,  namentlich  (als  Weihgeschenke)  die  Tempel'),  so  blieb  von 
einem  solchen  Reichtume  doch  immer  genug  übrig,  um  auch  Straßen  und 
Plätze  mit  älteren  und  neueren  Erz-  und  Marmorbildern  von  Göttern  und  He- 
roen, von  verdienten  und  geehrten  Männern  und  Frauen  zu  bevölkern:  und  wie 
während  der  ersten  Jahrhunderte  nicht  bloß  die  Lücken  dieses  Vorrats  sich 
wieder  füllten,  sondern  auch  sein  Bestand  sich  noch  vermehrte,  wird  bald  aus- 
führlich nachgewiesen  werden. 

Die  Städte  Italiens  (außer  Rom)  und  der  westlichen  Provinzen  hatten  zu  An- 
fang der  Kaiserzeit  allerdings  einen  statuarischen  Schmuck,  der  sich  mit  dem 
seit  der  Alexandrinischen  Zeit  angesammelten  der  griechischen  messen  konnte, 
nicht  aufzuweisen.  Ganz  ohne  solchen  Schmuck  waren  jedoch  auch  sie  schon 
in  der  späteren  Zeit  der  Republik  nicht  mehr.  Vitruv  sagt,  die  Güte  des  auf 
dem  Gebiete  von  Tarquinii  am  See  von  Bolsena  gebrochenen  Steins  werde  be- 
wiesen durch  die  Monumente  der  Stadt  Ferentinum  (in  Etrurien):  dort  seien 
große,  trefflich  gearbeitete  Statuen,  kleine  Figuren  (wohl  Reliefs)  und  zierliche 
Blumen-  und  Acanthusornamente  aus  diesem  Stein,  die,  obwohl  alt,  so  neu  er- 
scheinen, als  wären  sie  eben  fertig  geworden^).  Zu  den  neu  aufgestellten  Sta- 
tuen gehörten  wahrscheinlich  in  vielen  Städten  Italiens  die  der  siegreichen 
Könige  und  Feldherrn  Roms,  in  derselben  Auswahl,  wie  sie  August  im  J.  2  v.  Chr.  Statuen  der 
in  den  Säulenhallen  des  Marstempels  auf  seinem  Forum  aufgestellt  hatte ^).  In  ^^^^P  "°^ 
Arezzo  sind  sieben  Postamente  derselben  gefunden  worden:  des  M.  Valerius 
Maximus,  Appius  Claudius  Caecus,  Q.  Fabius  Maximus,  L.  Aemilius  Paullus, 
Tib.  Sempronius  Gracchus,  C.  Marius,  L.  Licinius  Lucullus;  in  Pompeji  zwei 
(des  Aeneas  und  Romulus),  desgleichen  in  Lavinium  (der  Lavinia  und  ihres 
Sohnes  Aeneas  Silvius). 

Überhaupt  wurde  eine  angemessene  Ausstattung  der  öffentlichen  Plätze  mit  uQd  sonstige 
Statuen  zu  den  wünschenswertesten  Zierden  der  Städte  gerechnet  und  allge-  S*^^^^^°  ^^^ 
mein  erstrebt;  wenigstens  die  Foren  der  großen  Orte  werden  überall  von  Säulen- 
hallen umgeben  und  mit  Bildsäulen  geschmückt  gewesen  sein,  wie  beides  von 
dem  Forum  zu  Arles  noch  im  5.  Jahrhundert  bezeugt  ist*).  In  Cirta  (Constan- 
tine)  verengten  einmal  die  Statuen  das  Forum  so  sehr,  daß  Raum  zum  Gehen 
geschafft  werden  mußte  ^].  Hier  hatte  der  Ehrgeiz  oder  Bürgersinn  solcher  Per- 
sonen Gelegenheit  sich  zu  betätigen,  deren  Mittel  zur  Ausführung  öffentlicher 
Bauten  nicht  hinreichten.  Wie  diese  wurden  auch  Statuen  vielfach  aus  den  An- 
trittsgeldern der  Priester  und  Beamten  oder  als  Äquivalent  derselben  errichtet^), 

i)  Dio  Chrys.  or.  14,  89  (I  245  Arn.).         2)  Vitruv.  II  7,  4.  3)  Mommsen  und  Hülsen  CIL  V 

p.  187 ff. ;  vgl.  Julian,  or.  V  p.  161  AB:  tu  |aev  ouv  Tf\(;  laxopi'ac;  (der  punischen  Kriege)  —  öuj26- 
)iieva  6e  Kai  em  xa^KiIiv  eiKÖvuJv  €v  rfi  KpaTiarri  Kai  GeoqpiXeT  'Pujiuj^.  Tou^  en  d^opa  ävbpi&v- 
TOc;  xo^KOÖt;  in  Rom  erwähnt  das  Leben  des  h.  Melania  bei  Pallad.  bist.  Laus.  54  p.  148  Butler. 
Lumbroso,  Bull.  d.  Inst.  1880  S.  136.  Eine  Statue  des  C.  Marius  sah  Plutarch  (Mar.  2,  i)  in 
Ravenna.  Überreste  ähnlicher  Denkmäler  aus  Karthago  CIL  VIII  12535.  12538.  4)  Sidon. 
Apoll,  ep.  I  II,  7.  S.  unten  S.  68.  5)  CIL  VIII  7046:  aequaltisqiie]  statuis  quae  it[er  totius]  {if[um 
in  area]  Jordan,  Topogr.  I  2  S.  178,  21)  fori  angtist{abani\.  Vgl.  CIL  VIII  8935  ^  Dessau  5484 
(Saldae):  — statuas  equestres  propatrui  stti  vetustate  conlabsas  eforo  ad  ornandum  templum  permissu 
ordinis  transtulerunt.  6)  Namentlich  in  den  afrikanischen  Provinzen  sind  sehr  zahlreiche  In- 
schriften von  der  Form  ob  honorem ßaminat[us)perpet{ui),  quod  (lies  quem)  in  se  absentem  contuler{unt), 
pr amissa  statua  ex  HS  IUI  m{ilibus)  n[ummum)  ampUata  pecunia  fecit  (CIL  VIII  18214  =  Dessau 
6847);  auch  Spanien  bietet  dafür  viele  Beispiele. 


Foren. 


38 


XIL  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[IIL  228] 


Statuen    der 
Stadtgenien. 


Künstlerische 

Dekoration  der 

Privatgebäude, 

Parks  und 

Gärten  — 

in  der  letzten  Zeit 
der  Republik  — 


oder  ihre  Herstellung  testamentarisch  angeordnet').  Ein  Provinzialpriester  von 
Bätica,  der  zugleich  die  höchsten  Priestertümer  und  städtischen  Ämter  in  Cor- 
duba  bekleidet  hatte,  ließ  dort  in  Anerkennung  der  sämtlichen  ihm  von  der 
Stadt  erwiesenen  Ehren  Statuen  im  Gesamtwert  von  400000  S.  (87000  Markj 
aufstellen^},  welche  Summe  auf  eine  Zahl  von  20 — 130  Statuen  schließen  läßt^). 
Die  für  öffentliche  Gebäude  und  Plätze  bestimmten  Statuen  waren  wohl  mei- 
stens Kaiser-  oder  Götterbilder"*].  Unter  den  letzteren  werden  Bilder  des  Ge- 
nius der  Stadt  in  der  Regel  um  so  weniger  gefehlt  haben,  als  auch  auf  dem 
Forum  Roms  der  Genius  des  römischen  Volks  (seit  Aurelian  eine  Statue  aus 
Gold  oder  vergoldeter  Bronze)  stand  ^).  In  welcher  Ausdehnung  auch  im  Westen 
die  überhandnehmende  Verschwendung  persönlicher  Ehrendenkmäler  dazu 
beitrug,  die  öffentlichen  Plätze  der  Städte  mit  Statuen  zu  füllen,  wird  unten  ge- 
zeigt werden. 

Aber  vielleicht  noch  in  höherem  Grade  als  die  Ausschmückung  der  Plätze 
und  öffentlichen  Gebäude  nahm  die  der  Privatbauten  die  Tätigkeit  der  bilden- 
den Künste  in  Anspruch:  denn  auch  für  Paläste,  Landhäuser,  Parks  und  Gärten 
galt  eine  reiche  Ausstattung  mit  künstlerischem  Schmucke  jeder  Art  als  unent- 
behrlich. Bilder  und  Statuen  schmückten  schon  in  Sullas  Zeit  ein  reiches  Haus 
ebenso  regelmäßig  wie  Teppiche  und  Silbergerät^),  und  nicht  minder  die  Land- 
häuser der  Großen.  Es  war  eine  Ausnahme,  wenn  sie  fehlten,  wie  in  dem  des 
M.  Sejus  bei  Ostia^)  und  später  in  den  Villen  Augusts,  wo  statt  der  Kunstwerke 
Altertümer  und  naturhistorische  Seltenheiten  zur  Dekoration  dienten^).  Cicero 
stattete  eine  auf  seinem  arpinatischen  Gute  gelegene,  als  Amaltheum  bezeich- 
nete Anlage  sowohl  mit  Wandgemälden  wie  mit  den  Statuen  berühmter  Männer 
(darunter  kurze  metrische  Inschriften)  aus^),  und  ließ  für  die  sogenannte  Aka- 

I  ]  Dig.  XXXV  1 ,  1 4,  z .  B.  qitod . . .  codi\c\illis  stiis  statuam  [dei  Nep\ttmi  inforo  novo  ex  HS  V  inilibus) 
n[timmum)  poni  iussisse\f,  id  hered{es)  ...ex  HS  VDCXL  posuerant  (CIL  VIH  5299  =  Dessau  5475). 
Bewilligung  des  Platzes  zur  Aufstellung:  Dig.  XLIII  9,  2.  Liebenam  a.a.O.  S.  379 f.  2)  CIL 
n  5523  =  Dessau  5079.  3)  Vgl.  den  Anhang  XXVII  über  Preise  der  Statuen.  4)  z.  B.  CIL  II  1956 
=  Dessau  5512  (Cartima):  signum  aereum  Martis  inforo  — porticus  ad  balinetwi  —  cum  piscina  et 
signo  Cupidinis.  CIL  II  2098  =  Dessau  5356  (Cisimbrium,  Baetica):  aedes  quinque,  sigtui  deor[uni) 
quinque,  statuas  suas  stm  impensa  dedit  donavit.  CIL  VIII  7094 — 7098  =  Dessau  2933  (Cirtaj : 
Schenkungen  des  höchsten  Beamten  an  die  Stadt  (210),  u.  a.  statuam  aeream  Securitatis  saeculi  et 
aediculam  tetrastylam  cuT?t  statua  aerea  Indulgentiae  domini  nostri  —  arcum  triumphalem  cum  statua 
aerea  Virtutis  domini  nostri.  Eroten  öfters  in  Kleinasien,  Lebas-Waddington  618  (— CIG  3946  Sardes) 
Toüq  TtevTe 'Epuuxac;  Tfl  YXuKUTarri  iTaTp(6i.  1663a  (=  CIG  2925  Mastaura):  if\  Y^uKUTarr]  ira- 
xpiöi  Touq  einxpuaouc;  "Epuixac;  iri'  koi  lac,  ß'  NeiKOc;  öüv  raiq  ßoiaeöiv.  1588  (Aphrodisias,: 
TOÜ(;^Epu>Ta(;.  In  Olbia  sind  silberne  Niken  eine  offenbar  solenne  Weihegabe.  Latj'schew,  Inscr. 
orae  sept.  Ponti  Eux.  I  53.  56.  59.  61.  63.  70  f.  75  f.  5)  Jordan,  Topogr.  I  2  S.  377,  86.  Vgl.  z.  B. 
CIL  Vin  7960  =  Dessau  5077.  CIL  II  2006.  III  153  (Berjtus):  Genium  col[oniae).  III  6671  = 
Dessau  5447  Genium  cum  [colujnnis  et  cutomate  et  incrustaßo  ne  7?tarm[orea).  Dessau  6865  statuam 
Geni patriae.  Silberne  Statuen  des  Stadtgenius:  CIL  11  3228  signum  argenteum  cum  domo.  4071 
ex  arg[enti)  libris  XFiunciis)  //.  CIL  V  2795  =  Dessau  3625  (Patavium):  Genio  domnoi\um)  Cereri 
...  Laribus  publicis  dedit  imagines  argent\eas)  duas  testamento  ex  HS  COCD  versteht  Borghesi, 
Oeuvres  VII  397  f.  so,  daß  der  Geber  die  beiden  silbernen  Figuren  des  Genius  der  Kaiser  und  der 
Ceres  den  Lares  publici  d.  h.  der  Kurie  schenkte.  CIL  X  7223  =  Dessau  6768  (Lilybaeumj :  ima- 
ginem  Gen[ii)  municipii  Lilybitanorum  ex  arg{enti)  [p  ondo)]  V  p[ecunia)  s[ua)  p[osuit).  XII  II 59 
(Carpentoratae] :  Genio  coloniae  Iinilviri.  6)  Cic.  pro  Rose.  Amer.  133;  de  orat.  I  l6l.  Sallust. 
Catil.  20,  12.  7)  Varro  r.  r.  III  2,  8.  8)  Sueton.  August.  72,  3.  9)  Vgl.  O.  E.  Schmidt,  N.  Jahrb. 
f.  klass.  Altert.  III  1899  S.  340ff.  F.  G.  Moore,  Classic.  Philologj'  I  1906  S.  121  ff. 


[III.  229,  23o]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  39 

demie  in  seinem  Tusculanum  Ankäufe  von  Kunstwerken  durch  Atticus  machen. 
Für  megarische,  von  diesem  erworbene  Statuen  wies  er  20400  S.  (gegen  3600 
Mark)  an;  außerdem  hatte  Atticus  für  ihn  Herculeshermen  aus  pentelischem 
Marmor  mit  Bronzeköpfen  und  eine  Hermathena  gekauft,  und  Cicero  bat,  ihm 
noch  so  viel  wie  möglich  andere  geeignete  Kunstsachen  anzuschaffen;  ausdrück- 
lich bat  er  um  Reliefs,  die  man  in  die  Stuckbekleidung  eines  kleinen  Atriums 
einlassen  könnte,  und  zwei  mit  erhabener  Arbeit  verzierte  Brunneneinfassungen. 
Alles  von  Atticus  Gekaufte  sollte  nur  im  Tusculanum  verwandt  werden,  die 
Villa  bei  Gaeta  wollte  er  ausstatten,  wenn  er  einmal  Überfluß  haben  werde. 
Dagegen  mit  dem  Ankaufe  von  vier  oder  fünf  Statuen  (worunter  Bacchantinnen 
und  ein  Silen,  den  Fadius  Gallus  für  ihn  gemacht  hatte)  war  er  unzufrieden,  weil 
sie  ihm  viel  zu  teuer  waren  und  nicht  in  die  Akademie  paßten.  Er  hatte  dort 
in  einer  Kolonnade  neue  Ruheplätze  anlegen  lassen,  diese  wünschte  er  mit  Ge- 
mälden zu  schmücken :  denn  wenn  ihn  überhaupt  etwas  aus  diesem  ganzen  Gebiet 
interessierte,  so  war  es  die  Malerei ').  Je  weniger  aber  Cicero  Liebe  und  Ver- 
ständnis für  Kunst  besaß ""),  desto  schlagender  beweist  sein  Beispiel  die  damalige 
Allgemeinheit  der  Mode,  Häuser  und  Landsitze  künstlerisch  zu  dekorieren. 

In  der  Kaiserzeit  hat  diese  Mode  mehr  zu-  als  abgenommen.  Wenn  das  in  der  Kaiserzeit 
Haus  eines  Reichen  abbrannte,  schafften  die  für  den  Neubau  beisteuernden 
Freunde  schon  »nackte  Marmorstatuen«,  herrliche  Bronzen  von  berühmten 
Künstlern,  alte  Ornamente  aus  kleinasiatischen  Tempeln  und  Minervenbüsten 
für  die  Bibliothek  herbei ^j.  Betrat  man  Bäder  von  Freigelassenen,  so  staunte 
man  über  die  Menge  der  Statuen  und  der  nichts  tragenden,  sondern  nur  zum 
Schmuck  aufgestellten  Säulen'*).  Besonders  Villen  und  Gärten  mögen  wohl  oft 
von  Kunstwerken  dermaßen  angefüllt  gewesen  sein,  daß  man  von  > marmornen 
Gärten«  sprechen  konnte^).  Rund  um  eine  Quelle  im  Garten  des  Arruntius 
Stella  z.  B.  stand  eine  Schar  von  Marmorfiguren  schöner  Knaben,  in  einer 
Grotte  daneben  sah  man  einen  Hercules^):  die  Ausstattung  des  übrigen  wird 
entsprechend  gewesen  sein.  Der  reiche  Domitius  TuUus  hatte  in  seinen  Maga- 
zinen einen  solchen  Vorrat  der  herrlichsten  Kunstwerke  (um  die  er  sich  nicht 
kümmerte),  daß  er  einen  sehr  weitläufigen  Park  an  demselben  Tage,  wo  er  ihn 
gekauft  hatte,  mit  sehr  zahlreichen  und  alten  Statuen  ausstatten  konnte^).  Silius 
Italicus  besaß  mehrere  Villen,  auf  jeder  sah  man  eine  Menge  von  Statuen  und 
Bildern^).  In  den  Gärten  des  Regulus  in  Trastevere  war  eine  sehr  große  Fläche 
durch  ungeheure  Säulengänge  eingenommen,  das  Ufer  mit  den  Statuen  des 
Besitzers  gefüllt^).  Die  künstlerische  Dekoration  der  Häuser  und  Gärten  Pom- 
pejis dürfen  wir  als  eine  in  den  Städten  Italiens  allgemeine  voraussetzen.  In 
dem  1894 — 1895  ausgegrabenen  Hause  der  Vettier,  dessen  Wände  im  ganzen 
192  Bilder  enthalten,  ist  der  reiche  plastische  Schmuck  des  (jetzt  wiederherge- 
stellten) Gartens  fast  vollständig  erhalten:  von  1 2  Statuetten,  die  Wasserstrahlen 
in  Marmorbecken  entsandten,  sind  noch  9  vorhanden,  auch  mitten  im  Garten 
stehen  Skulpturen'"). 

l)  Cic.  ad  Att.  I  5,  7.  6,  2.  8,  2.  9,  2.  10,  3.  3,  2.  4,  3;  ad  fam.  VII  23,  2  aus  den  Jahren  67  bis 
62  V.  Chr.  2)  Vgl.  dazu  M.  Schneidewin,  Die  antike  Humanität  (1897)  S.  410 ft'.  3)  Juv.  3,  2i5ft' 
4)  Seneca  ep.  86,  7.  5)  Juv.  7,  79.  6)  Martial.  VII  50.  7)  Plin.  ep.  VIII  18,  11.  8)  ebd.  III  7,  8. 
9;  ebd.  IV  2,  5.     10)  Mau,  Pompeji^  S.  338  ff. 


40 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  231] 


Berichte  über  Wären  aus  früheren  Jahrhunderten  mehr  und  genauere  Ausgrabungsberichte 
"^^[n  vnfen  erhalten,  so  würde  sich  vielleicht  von  der  künstlerischen  Ausstattung  mancher 
römischen  Villen  eine  ebenso  deutliche  Vorstellung  gewinnen  lassen,  wie  sie 
uns  alte  Aufzeichnungen  von  der  sogenannten  Villa  des  Epikureischen  Philo- 
sophen in  Herculaneum  geben.  Dort  war  in  einem  großen  Hofe  ein  länglicher, 
an  beiden  Enden  halbkreisförmig  abgeschlossener  Teich  mit  Gartenstücken 
umgeben,  und  der  ganze  Platz  mit  Säulen  besetzt,  »us  denen  oben  Balken  bis 
in  die  Gartenmauer  gingen,  so  daß  sich  eine  Laube  um  die  ganze  Anlage  zog. 
Unter  der  Laube  waren  Abteilungen  zum  Waschen  oder  Baden,  abwechselnd 
halbrund  und  eckig;  in  jedeift  Winkel  stand  ein  marmorner  Terminus  mit  einer 
Bronzebüste,  zwischen  den  Säulen  abwechselnd  Hermen  (Römerköpfe  und 
Götterbüsten,  griechische  Dichter  und  Weise,  Porträts  nach  dem  Leben  und 
der  Idee)  und  weibliche  Bronzefiguren.  Vor  jeder  Herme  war  ein  kleines  Bassin, 
aus  einer  Schale  am  Boden  erhob  sich  ein  Säulchen  mit  einer  zweiten,  muschel- 
artigen Schale,  die  den  Wasserstrahl  emporsandte.  Um  einen  andern  kleinen 
Teich  waren  zehn  Statuetten  von  Putten,  Satyrn  und  Silenen  gruppiert  als 
Wassergießer,  in  der  Mitte  ritt  Silen  auf  einem  Schlauch.  Aus  dem  Garten 
führte  ein  langer  Gang  zu  einer  erhöhten  runden  Loggia,  wahrscheinlich  im 
Meere  selbst  angelegt,  deren  Boden  mit  einem  runden  Mosaik  aus  Africano  und 
Giallo  geschmückt  war").  Die  zehn  schönen  Statuen,  welche  später  als  Achill 
mit  den  Töchtern  des  Lycomedes  ergänzt  in  den  Antikentempel  zu  Sanssouci 
kamen''),  sind  1792  in  den  Ruinen  des  sogenannten  Landhauses  des  Marius  zu 
Frascati  gefunden  worden^).  Die  jetzt  in  Madrid  befindliche  Sammlung  des 
Ritters  Azära,  hauptsächlich  aus  (mindestens  30)  Büsten  bestehend,  stammt  ganz 
oder  größtenteils  aus  den  von  Azära  1779  in  der  sogenannten  Villa  der  Pisonen 
von  Tivoli  gemachten  Ausgrabungen'*). 

Alle  derartigen  Anlagen  übertraf  die  Villa  Hadrians  zu  Tivoli  durch  den  un- 
geheuren Reichtum  ihrer  künstlerischen  Ausstattung  ebensosehr  wie  durch 
ihren  kolossalen  Umfang;  sie  schloß  eine  ganze  Kunstwelt  in  sich.  Aus  ihren 
unerschöpflichen  Ruinen  haben  sich  der  Vatikan,  die  Farnesina,  die  Villen  der 
Este  in  Tivoli  und  auf  dem  Quirinal,  das  kapitolinische  Museum,  die  Villa  Albani 
bereichert.  Schon  unter  Alexander  VI.  hatte  man  begonnen,  diese  Statuen- 
schachte auszubeuten.  Aus  den  Grabungen,  die  der  Kardinal  Ippolito  d'Este, 
wie  es  scheint  unter  Leitung  Pirro  Ligorios  (1530 — 86),  des  Erbauers  der  Villa 
d'Este  in  Tivoli,  veranstaltete,  scheint  nur  ein  sehr  kleiner  Teil  des  Statuen- 
vorrats derselben  herzurühren.  Im  18.  Jahrhundert  wurden  die  Ausgrabungen 
im  größten  Maßstabe  und  fast  durchaus  mit  Rücksicht  auf  den  Kunsthandel  be- 
trieben; auch  wurden  sehr  bedeutende  Funde  gemacht,  von  denen  Benedikt  XIV. 


Die  Villa 
Hadrians 
zu  Tivoli. 


i)  Justi,  Winckelmann  11^  I79ff.  D.  Comparetti  e  G.  de  Petra,  La  villa  ercolanese  dei  Pisoni, 
i  suoi  monumenti  e  la  sua  biblioteca,  Torino  1883.  Ruggiero,  Storia  degli  scavi  di  Ercolano  (1885) 
p.  XL  ff.  Mau,  Pompeji^  S.  545  ff.  Über  den  verfehlten  Versuch  Comparettis,  als  Besitzer  der  Villa 
L.  Calpumius  Piso  Cäsoninus  (Konsul  58  v.  Chr.)  und  als  sein  Porträt  die  dortige  sogenannte  Seneca- 
büste  nachzuweisen,  vgl.  Mommsen,  Archäol.  Zeitung  XXXVIII  1880  S.  32  ff.  und  Mau,  Bull.  d. 
Inst.  1883  S.  Syff.  Zu  den  Porträtbüsten  vgl.  A.  Gercke,  Bonner  Studien  f.  R.  Kekule  (1890) 
S.  I39ff.  2)  Jetzt  in  den  Königl.  Museen  in  Berlin,  s.  Beschreib,  d.  ant.  Skulpt.  nr.  50.  218.  221  f. 
497.  588.  593  f.     3)  Justi,  Winckelmann  V  256.     4)  Hübner,  Antiken  v.  Madrid  S.  19 — 21. 


[in.  232] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


41 


mehreres,  besonders  die  neuägyptischen  Statuen  des  Canopus-  oder  Sarapis- 
heiligtums, dem  kapitolinischen  Museum  einverleibte'). 

Allerdings  sind  nun  sehr  vielfach  zur  Dekoration  auch  ältere  Werke  der 
Malerei  und  Skulptur  verwendet  worden,  wie  z.  B.  in  jenem  Parke  des  Domitius 
Tullus  und  in  dem  von  Vespasian  erbauten  prachtvollen  FriedenstempeP).  Aber 
teils  war  dies  nicht  überall  möglich,  teils  konnten  selbst  die  umfassendsten 
Plünderungen  der  griechischen  Länder  dem  ins  Grenzenlose  wachsenden  Be- 
dürfnis gewiß  nur  zu  einem  geringen  Teil  genügen,  besonders  da  die  häufigen 
und  massenhaften  Zerstörungen  von  Kunstwerken,  hauptsächlich  durch  die 
wiederholten  ungeheuren  Brände  Roms,  schon  im  i .  Jahrhundert  immer  neue 
Lücken  hervorbrachten,  deren  Ausfüllung  immer  neue  Massenproduktion  erfor- 
derte. Bei  weitem  der  größte  Teil  der  Nachfrage  nach  künstlerischem  Schmuck 
ist  also  nicht  durch  den  alten  Bestand,  sondern  durch  die  Produktion  von  Kunst- 
werken befriedigt  worden,  um  so  mehr,  als  in  sehr  vielen  Fällen  Beziehungen 
auf  die  Gegenwart  verlangt  wurden. 

Es  ist  aber  nicht  bloß  die  Massenhaftigkeit  der  künstlerischen  Produktion  zu  Allgemeinheit 
dekorativen  Zwecken,  durch  die  sich  der  damalige  Kunstbetrieb  von  jedem  ^5  ^  ^^  ^"[ 
späteren  unterscheidet:  ein  viel  wesentlicherer  Unterschied  beruht  auf  der  viel  tion  und  Uni- 
größeren Allgemeinheit  ihrer  Verwendung.  Denn  die  Verbreitung  des  Kunst-  versalität  der 
bedürfnisses  in  der  damaligen  Welt,  das  die  Produktion  auf  allen  Gebieten  der 
bildenden  Künste  zu  befriedigen  hatte,  ist  beispiellos;  und  beispiellos  wie  der 
kolossale  Umfang  ihres  Schaffens  ist  auch  die  Universalität,  mit  der  sie  einer 
Unzahl  der  verschiedenartigsten  Wünsche,  Forderungen  und  Liebhabereien 
Genüge  leistete,  den  höchsten  und  gemeinsten,  den  ausschweifendsten  wie  den 
bescheidensten;  mit  der  sie  den  Sultanslaunen  der  Herren  der  Erde  diente, 
während  sie  zugleich  die  arme  Zelle  des  Sklaven  freundlicher  machte.  Die 
Kunst  aller  neueren  Zeiten  ist  mehr  oder  weniger  aristokratisch  gewesen,  sie 
hat  mehr  oder  weniger  ausschließlich  für  eine  kleine  Minorität  von  Bevorzugten 
gearbeitet.  Sie  hat  im  Dienste  der  Kirche,  der  Macht,  des  Reichtums  gestanden 
und  nur  unter  besonders  günstigen  Umständen  dazu  beigetragen,  die  Existenz 
der  mitderen,  nie  der  untersten  Schicht  der  Gesellschaft  zu  verschönern.  Sie  hat 
in  großen  Zentren  des  nationalen  Lebens,  in  Hauptstädten  und  an  Fürsten- 
sitzen gewohnt  und  diesen  vereinzelten  Punkten  einen  Glanz  verliehen,  den 
ganze  Provinzen  und  Länder  entbehrten  und  noch  entbehren.  In  Wechsel- 
wirkung mit  dieser  Ausschließlichkeit  hat  stets  die  Beschränkung  der  Genieß- 
barkeit ihrer  Schöpfungen  auf  kleine  Kreise  gestanden:  zur  Voraussetzung  des 
Verständnisses  derselben  hat  in  der  Regel  eine  Bildung  und  Abstraktionsfähig- 
keit gehört,  die  den  Massen  immer  gefehlt  hat.  So  hat  die  moderne  Kunst  nur 
für  verhältnismäßig  wenige  existiert.  Die  Kunst  der  römischen  Kaiserzeit  pro- 
duzierte für  alle  Bildungsgrade  und  alle  Klassen  der  Gesellschaft  und  verbreitete 
darum  auch  Verständnis  und  Genußfähigkeit  für  einen  sehr  viel  größeren  Teil 
ihrer  Leistungen  und  in  sehr  viel  weitere  Kreise.  Sie  schuf  fein  gedachte  und 
virtuos  ausgeführte  Kabinettstücke  zum  Hochgenüsse  der  Kenner  und  füllte 


i)  Winnefeld,  Die  Villa  des  Hadrian  bei  Tivoli  (1895)  S.  4 — II.  I50ff.;  vgl.  auch  Lanciani, 
Storia  degli  scavi  di  Roma  II  108  ff.     2)  Joseph.  B.  J.  VII  159  f. 


42 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  233,  234~ 


Reichliche  An- 
wendung wohl- 
feiler Materialien. 
Plastik  in  wei- 
chen Stoffen. 


zugleich  Tempel,  Hallen  und  Plätze  mit  allgemein  verständlichen  Figuren,  und 
lange  Wände  und  Fußböden  mit  bunten  Schilderungen,  die  auch  das  Gassen- 
publikum fesselten.  Ihre  Werke  machten  nicht  bloß  die  Hauptstadt  der  Welt 
zu  einer  Stadt  der  Wunder,  sie  verliehen  auch  den  Munizipien  und  Kolonien 
Italiens  und  der  Provinzen  einen  allerdings  nach  der  Wohlhabenheit,  der  Kultur 
und  dem  Geschmack  ihrer  Bewohner  sehr  verschiedenartigen,  im  Verhältnis 
zu  neueren  Zeiten  aber  jedenfalls  höchst  reichen  Schmuck,  und  dieser  Schmuck 
wurde  auch  dort  keineswegs  nur  für  die  öffentlichen  Bauten  beansprucht.  Die 
Entdeckung  von  Herculaneum  und  Pompeji  hat  der  modernen  Welt  zu  ihrem 
Erstaunen  offenbart,  wie  allgemein  und  in  wie  hohem  Grade  die  Dekoration  der 
Privatwohnungen  durch  Plastik  und  Malerei  auch  in  Mittelstädten  des  Kaiser- 
reichs zu  den  unentbehrlichsten  Annehmlichkeiten  selbst  bescheidener  Existenzen 
gerechnet  ward. 

Eine  reiche  Anwendung  von  kostbaren  Materialien  in  der  Architektur,  von 
Marmor-  und  Bronzefiguren  zur  Dekoration  der  Räume  konnte  natürlich  nur  in 
den  Häusern  und  Gärten  der  Wohlhabendsten  stattfinden:  zum  Luxus  dieser 
aber  gehörten  besonders  die  letzteren  ganz  allgemein'),  und  nicht  bloß  in  Rom. 
Auch  in  den  Häusern  von  Pompeji  und  Herculaneum  ergoß  sich  das  Wasser 
der  Brunnen  aus  Urnen  und  Schläuchen  von  marmornen  und  bronzenen  Satyrn, 
Silenen  und  Nymphen^).  Doch  mit  der  Allgemeinheit  des  Kunstbedürfnisses 
in  den  mittleren  und  unteren  Klassen  stand  eine  umfassende  Anwendung  wohl- 
feiler Materialien  notwendigerweise  in  Wechselwirkung,  namentlich  des  Tons 
und  Stucks.  Stuckreliefs  und  -Ornamente,  oft  bemalt,  besonders  an  Gesimsen, 
Decken  und  Gewölben,  waren,  wie  Plinius  sagt  und  die  Ausgrabungen  der 
verschütteten  Städte  bestätigen^),  in  den  Häusern  allgemein'*).  Gipsbüsten 
schmückten  die  Räume,  besonders  Bibliotheken  und  Studierzimmer  derer,  denen 
marmorne  und  bronzene  zu  teuer  waren :  überall  sah  man  in  Martials  und  Ju- 
venals  Zeit  bei  den  Heuchlern  des  Stoizismus  und  sonstigen  Afterphilosophen 
die  Gipsköpfe  des  Demokrit,  Chrysipp,  Zeno,  Plato  und  andre  mit  struppigen 

i)  Dig.  XVIII  I,  34  ^x.:  plerasque  enim  res  aliquando  propter  accessioiies  emimiis,  sicuti  cum  do- 
mus p7-opter  marmora  et  statuas  et  tabulas pictas  emattir.  VII  i,  13  §7:  sed  si  aediuni  ususfructus 
legatus  sit,  No-va  filius  et  himina  immittere  euin  posse  ait:  sed  et  colores  et  picturas  et  marmora 
poterit,  et  sigllla,  et  si  quid  ad  domtts  ornatum.  XXXIII  7,  12  §  23 :  Papinianus  quoqtie  Hbro  septimo 
Responsoru7n  ait:  sigilla  et  statuae  affixae  instrumenta  domus  non  continentur,  sed  domus  portio  sunt. 
§  36:  imagines  (wohl  Büstenl  quoque  eae  solae  legatae  videntur,  quae  in  aliquo  ornatu  villae  fuerunt. 
Unter  sigilla  dürften  hauptsächlich  Reliefs  zu  verstehen  sein  (wie  Cic.  in  Verr.  II  4,  48;  vgl.  auch 
vestes  sigillatae,  Zeuge  mit  Figurenmustem,  Marquardt,  Privatl.^  533,  4;  540),  die  allerdings  meist 
aus  Ton  (Marquardt  a.  a.  O.  S.  461)  und  Stuck  waren.  Plin,  n.  h.  XXXVI  183:  usus  gypsi  in  alba- 
riis,  sigillis  aedificiorutn  et  coronis  gratissimus.  PassioSS.IVcoronatorum  2:  concas  sigillis  ornatas  — 
concas  et  lacus  cum  sigillis  et  catttaris  cum  magna  tenuitate  artis  (dazu  Benndorf  bei  Büdinger, 
Untersuch,  z.  rüm.  Kaisergesch.  III  349  f.).  CIL  VI  18378  =  Dessau  8022  sarcophago  aeterno 
sigi[lario]  cum  opere  et  basibus.  2)  Mau,  Pompeji^  S.  466  f.  E.  Curtius,  Arch.  Zeit.  XXXVII  1879 
S.  19  fr.  3)  Schöne  Beispiele  davon  bieten  außer  den  bekannten  Gräbern  an  der  Via  Latina 
(Monum.  d.  Inst.  VI  43  f.  49fr.,  vgl.  E.  Petersen,  Ann.  d.  Inst.  1860  S.  348 fif.  1861  S.  1908".)  die 
Stuckreliefs  aus  dem  im  Garten  der  Famesina  ausgegrabenen  römischen  Hause,  Monum.  d.  Inst. 
Suppl.  Taf.  32  ff.,  vgl.  J.  Lessing  und  A.  Mau,  Wand-  und  Deckenschmuck  eines  röm.  Hauses  aus 
der  Zeit  d.  Augustus  (1891)  u.  Heibig,  Führer  durch  die  Samml.  klass.  Altertümer  in  Rom^ 
nr.  1327  ff.  4)  Diodor.  V  12,  2  sagt  von  Malta:  exei  —  Totq  xe  oiKtiöeiq  dEioXoYOuc;  KOi  xare- 
öKCuaaiacvaq  q)iXoT{|nu;(;  y^idoxc,  koi  Kovidnaöi  uepiTTÖTepov. 


[III.  235]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  43 

Barten^).  Aus  Ton  sind  architektonische  Verzierungen  an  Säulen,  Fenstern, 
Gesimsen  und  Dachrinnen  und  Friese  zur  Dekoration  der  äußeren  und  inneren 
Wände,  Formen,  in  denen  sie  gearbeitet  wurden,  zahlreich  erhalten;  oft  sind 
auch  solche  Tonornamente  und  -reliefs  bemalt,  teils  mit  einer  Farbe,  teils  mit 
den  natürlichen  Farben  der  dargestellten  Gegenstände^);  und  gerade  in  diesen 
geringen  und  fabrikmäßigen  Arbeiten  sind  die  herrlichsten  Erfindungen,  die 
edelsten  Gestalten  reproduziert,  die  der  Blütezeit  der  griechischen  Kunst  ihren 
Ursprung  verdanken. 

Noch  allgemeiner  als  die  Plastik  in  weichen  Stoffen,  vielfach  auch  mit  ihr  in 
Verbindung,  wurde  (wo  die  Marmorinkrustierung  unerschwinglich  war)  die 
Malerei  zum  Schmucke  der  Wohnräume  verwandt.  Farbendekoration  war  von  Stuckmalerei. 
Stuckbekleidung  unzertrennlich^).  Wie  in  Pompeji  Haus  für  Haus,  Zimmer  für 
Zimmer  in  heiterem,  mit  keckem  Pinsel  flüchtig  hingeworfenem  und  doch  oft 
hinreißend  schönem  malerischen  Schmucke  prangt,  ist  allbekannt;  und  daß  diese 
Wandmalerei  in  den  Wohnungen  so  weit  verbreitet  war  wie  die  römische  Kultur 
überhaupt,  zeigen  außer  Überresten  in  den  Provinzen^)  zahlreiche  gelegent- 
liche Erwähnungen^).  Wenn  übrigens  auch  die  Entdeckung  von  Herculaneum 
und  Pompeji  allein  hingereicht  hat,  die  Vorstellungen  von  der  antiken  Malerei 
je  länger  je  mehr  umzugestalten,  so  ist  doch  klar,  daß  diese  und  andre  ver- 
einzelte Funde  uns  nur  einen  verschwindend  kleinen  Bruchteil  des  mit  der  Zeit 
im  ganzen  römischen  Reiche  angesammelten  Bildervorrats,  folglich  nur  einen 
beschränkten  Teil  der  Gegenstände  und  Stoffe  kennen  lehren,  welche  die  De- 
korationsmalerei behandelte.  Mythologische  Bilder  werden  allerdings  zu  allen 
Zeiten  die  gewöhnlichsten  gewesen  sein^);  der  Kampf  bei  den  Schiffen  vor  Troja 
wird  als  ein  gewöhnliches  Wandbild  erwähnt^).    Doch  daß  historische  Darstel- 

l)  Martial.  IX  47.  Juv.  2,  4.  Wenn  auch  bei  Mattial  und  Lucian  (Nigrin.  2:  ttoWÖk;  eiKovac; 
TraXaiuJV  öoqpiliv  ev  kukAuj  Keijaevac;)  das  Material  nicht  angegeben  ist,  darf  doch  namentlich  an 
der  letzteren  Stelle  das  wohlfeilste  vorausgesetzt  werden.  In  dem  Hause  des  Sophisten  Julianu^ 
zu  Athen  Kai  eiKovec;  Tötv  uir'  auToO  0au|uaö9evTuuv  exaipiuv  dvexeivro,  Eunap.  Vit.  sophist. 
p.  483,  10  Boiss.  Prudent.  c.  Symmach.  I  436  spricht  von  Götterbildern,  an  denen,  mollis  si  bractea 
gypsutn  texerat,  infido  rarescit  glutine  sensim.  2)  H.  v.  Roden,  Architektonische  röm.  Tonreliefs 
der  Kaiserzeit  (1911)  S.  26*  ff.  3)  Semper,  Der  Stil  P  458.  Tectorium picturaeque  verbunden:  Dig. 
VI  I,  38;  vgl.  XV  3,  3  §4:  sed  si  —  donnim  dominicaiu  exaniavit  tectoriis,  wo  offenbar  Wand- 
malereien gemeint  sind.  In  der  praescriptio  der  fasti  Maffeiani  CIL  P  p.  222:  expoliendic\m  ej 
pingendum.  Pers.  5,  25:  pictae  tectoria  linguae.  CIL  XIV  391 1  =  Buecheler,  Carm.  ep.  865,  10 
(Aquae  Albulae):  frontibus  et  pictis  Aelia  villa  nitet.  4)  Überreste  z.  B.  in  den  römischen  Nieder- 
lassungen bei  Bonn  (Hettner,  Bonner  Jahrb.  LXII  1878  S.  64 ff.)  und  Trier  (Hettner,  Illustr.  Führer 
durch  das  Provinzialmuseum  in  Trier  S.  73  ff.  R.  Steiner,  Röm.-germ.  Korr.Bl.  VII  1914  S.  41  f.)  so- 
wie sonst  in  Gallien  (F.  Koepp,  Bonn.  Jahrb.  CXXV  19 19  S.  43  f.),  in  der  Ostschweiz  (F.  Keller, 
Mitt.  d.  Antiqu.  Gesellsch.  in  Zürich  XV  1863  S.  52.  57.  R. Pagenstecher,  Germaniall  1918  S.  33ff.;, 
in  Noricum  und  Pannonien  (v.  Jabornegg- Altenfels,  Kärntens  röm.  Altertümer  S  62.  Archäol. 
Anzeig.  1906  S.  188.  1913  S.  328.  A.  Hekler,  Österr.  Jahreshefte  XV  1912  S.  I76f.),  in  Britannien 
(Lysons,  Reliqu.  Brit.  Rom.  II  Taf.  l)  und  Afrika  (A.  Schulten,  Arch.  Anz.  1900  S.  60).  5)  Tertullian. 
de  idolol.  8.  Philostrat.  Apoll.  Tyan.  V  22.  Lucian.  de  domo  21 — 31.  Plutarch.  Coni.  praec.  48 
bezeichnet  Ypaqpäq  oiKimaxioiv  als  überflüssigen  Luxus.  Piclura  porticus  in  Sarmizegetusa,  CIL 
III  7960  —  Dessau  5548,  aedes  picta  in  Gigthis,  CIL  VIII  22698.  6)  Ps.  Dosith.  Corp.  gloss.  lat. 
III  56,  47  sagt  in  der  Vorrede  des  mythologischen  Abschnitts :  picturae  igitur  huius  laboris  multtj 
locis  dant  testimcniittm.  7)  Lucillius  (in  Rom  unter  Nero)  Anthol.  Pal.  XI  211,  if. :  TpaTmfiv  ev 
Toi'xifi  KaXiToüpvioc  6  axpaTiüjTric;,  \uc,  €6o(;  eoxiv,  iöuuvrnv  eni  vauöi  \xa-fY\y  usw. 


44 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  236] 


Fortdauer  der 
Allgemeinheit 
der  künstleri- 
schen Deko- 
ration bis  ins 
späteste  Alter- 
tum. 


lungen  nicht  fehlten,  beweist  neben  den  esquilinischen  Bildern  von  Kriegs- 
ereignissen und  Szenen  aus  der  Gründungssage  Roms ')  die  Beschreibung,  welche 
Sidonius  ApoUinaris  von  der  Villa  Burgus  des  Pontius  Leontius  gibt.  Dort 
waren  außer  Szenen  aus  der  jüdischen  Geschichte^)  auch  Ereignisse  des  dritten 
Mithridatischen  Kriegs  gemalt:  wie  Mithridates  dem  Meergott  Rosse  opfert, 
die  Belagerung  von  Cyzicus  und  die  Entsetzung  der  Stadt  durch  Luculi;  man 
sah  einen  Soldaten  durch  das  Meer  schwimmend  einen  Brief  emporhalten  ^). 
Von  einem  des  Kriegs  völlig  Unkundigen  sagte  man  in  Griechenland,  er  habe 
ihn  nicht  einmal  auf  einer  Wand  gemalt  gesehen'*),  aber  ohne  Zweifel  waren 
Schlachtenbilder  nicht  bloß  dort  häufig.  Daß  zu  den  Gegenständen  der  Wand- 
malerei auch  komische  Szenen  aus  dem  Tierleben  gehörten^),  erwähnt  gelegent- 
lich der  Fabeldichter  Phädrus,  in  dessen  Zeit  (unter  Tiber)  man  in  den  Tabernen 
Roms  häufig  den  Krieg  der  Mäuse  und  Wiesel  gemalt  sah^). 

Wie  die  Verwendung  der  übrigen  Künste  zur  Dekoration,  so  blieb  nament- 
lich auch  die  der  Wandmalerei  bis  in  die  letzten  Zeiten  des  Altertums  im  römi- 
schen Reiche  allgemein.  In  dem  Maximaltarif  Diocletians  vom  Jahre  301,  der 
auch  für  alle  gangbaren  Arbeiten  die  höchsten  Tagelöhne  festsetzt,  werden 
unter  den  zum  Hausbau  erforderlichen  Handwerkern  folgende  mit  aufgezählt: 
der  Marmorarbeiter  (hauptsächlich  für  Inkrustation  von  Wänden  und  Fußboden, 
auch  wohl  für  Ornamente),  der  Mosaizist,  der  Estrichleger,  der  Wandanstreicher, 
der  Bildermaler;  ferner  werden  Preise  für  den  Bronzeguß  in  Reliefs  und  Statuen, 
für  das  Modellieren  von  Figuren  (in  Stuck  und  Ton)  und  für  die  sonstige  Stuck- 
arbeit angesetzt^).  Dieselben  Arbeiter  werden  auch  in  einem  Erlaß  Constantins 
vom  Jahre  337  an  den  Reichsverweser  der  westlichen  Provinzen  über  die  Frei- 
heit der  Künstler  und  Handwerker  von  kommunalen  Leistungen  aufgeführt, 
gehörten  also  auch  damals  noch  zu  denen,  die  in  der  Regel  in  den  dortigen 
Städten  ansässig  waren.  Noch  größere  Privilegien  erteilte  Valentinian  den 
Malern  ^aber  nur  den  freigeborenen)  in  einem  Erlaß  an  den  Statthalter  von 
Afrika  vom  Jahre  3  74.  Unter  anderm  sollten  sie  Lokale  und  Werkstätten  auf 
städtischen  Grundstücken  zur  Ausübung  ihrer  Kunst  ohne  Miete  erhalten,  sich 
in  jeder  Stadt  niederlassen  und  von  den  Beamten  nicht  gezwungen  werden 
dürfen,  ohne  Bezahlung  heilige  d.  h.  kaiserliche  Porträts  zu  liefern  oder  öffent- 
liche Bauten  auszumalen*).  Die  bis  in  die  letzten  Zeiten  fortdauernde  Verwen- 
dung der  Steinskulptur  zu  dekorativen  Zwecken  zeigt  sich  aufs  anschaulichste 

i)  Brizio,  Pitture  e  sepolcri  sull'  Esquilino,  1876.  Robert,  Annali  d.  Inst.  1878  S.  234  ff.  (Monum. 
d.  Inst.  X  60.  60a).  Heibig  a.  a.  O.  nr.  145 1 — 1454.  2)  Sidon.  Apoll.  Carm.  22,  201  ff.  3)  ebd. 
158 ff.  Eine  nicht  sicher  zu  deutende  Szene  aus  der  römischen  Geschichte  auf  einem  Gemälde 
eines  Grabes  vom  Esquilin,  C.  L.  Visconti,  Bnll.  arch.  comun.  XVII  1889  S.  340  ff.  Taf.  Ii.  12. 
Michaelis-Wolters  a.  a.  O.  S.  464  Abb.  883 ;  vgl.  Heibig  a.  a.  O.  nr.  967.  4'  Lucian.  de  conscr.  hist. 
29.  Liban.  progymn.  XI  19  (VIII  417  F.):  Ti'vaq  äv  eiTioi  X6you(;  6ei\6(;,  Geaod|uevo^  Tr6\€)iOV  ev 
TU)  oiKeujJ  oiKUJ  Y€TPaM|nevov.  5)  Heibig,  Untersuch,  über  die  campan.  Wandmalerei  S.  92  f.,  vgl. 
Wandgemälde  S.  383  f.  Vgl.  die  Storchengeschichte  auf  zwei  Silberbechem  aus  Boscoreale, 
Monum.  Piot  V  1899  Taf.  13.  14.  6)  Phaedr.  fab.  IV  6,  2.  Auch  app.  16:  Galhis  lectica  afelibus 
vectus  beschreibt  wohl  ein  Bild.  Ps.  Dosith  a.a.O.  p.  39,  34  sagt  von  Aesopus:  per  cum  enim 
pictiirae  constant.  Eine  Darstellung  der  gegenseitigen  Bewirtung  von  Storch  und  Fuchs  hat  ein 
Grabstein  aus  der  Gegend  von  Florenz  aufbewahrt,  Bormann  und  Benndorf,  Österr.  Jahreshefte  V 
1902)  S.  I  ff.;  vgl.  dazu  Savignoni  ebd.  VII  (1904)  S.  72fl.  i\  Bliimner,  Maximaltarif  Diocletians 
S.  106 f.  Ulf.     8)  Cod.  Theodos.  XIII  4,  2.  4. 


[III.  237]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  45 

auch  in  dem  früh  aufgezeichneten  Bericht  vom  Martyrium  der  fünf  Steinmetzen 
unter  Diocletian,  dessen  Verfasser  die  Arbeiten  in  den  Steinbrüchen  Pannoniens 
(dem  Lokal  der  Erzählung)  offenbar  aus  Autopsie  kannte.  Der  Kaiser  ließ  nach 
seinem  Berichte  dort  aus  Porphyr  Säulen  mit  Blätterkapitälen,  ferner  Wasser- 
behälter in  Wannenform  [conchaeY)  und  Becken  [lacus)^  teils  mit  Früchten  und 
Acanthusblättern,  teils  mit  Figuren  in  erhabener  Arbeit  verziert,  ausführen.  Er 
bestellte  auch  Victorien  und  Liebesgötter,  wasserspeiende  Löwen,  Adler  und 
Hirsche  und  Bilder  vieler  Tierarten,  alles  offenbar  als  Ornamente;  vielleicht  für 
große  marmorne  Brunneneinfassungen  und  Bassins:  was  auch  für  jene  Zeit  eine 
durchgehende  Anwendung  der  Steinornamentik,  soweit  sie  in  der  Architektur 
und  Tektonik  zulässig  war,  voraussetzen  läßt^). 

Wie  in  der  Plastik,  so  scheinen  auch  in  der  Wandmalerei  bis  in  das  späteste 
Altertum  die  Gegenstände  und  (wo  diese  der  Gegenwart  entnommen  waren) 
die  Darstellungsweisen  der  früheren  Zeiten,  wenigstens  zum  großen  Teil,  bei- 
behalten worden  zu  sein.  Im  kaiserlichen  Palast  zu  Mailand  stellte  ein  Gemälde 
die  Cäsaren  thronend,  scythische  Fürsten  zu  ihren  Füßen  dar:  Attilaließ  es  452 
in  der  Art  umgestalten,  daß  die  ersteren  vor  den  letzteren  in  demütiger  Haltung 
Tribute  darbringend  erschienen^).  Im  Speisesaale  des  kaiserlichen  Palasts  zu 
Aquileja  waren  Constantin  und  Fausta,  beide  als  Kinder,  gemalt :  das  Mädchen 
reichte  dem  Knaben  einen  mit  Gold  und  Edelsteinen  geschmückten  Helm  mit 
einem  wallenden  Federbusch*).  Ausonius,  der  ein  Epigramm  auf  ein  Gemälde 
gedichtet  hat,  das  den  Kaiser  Gratianus  einen  Löwen  durch  einen  einzigen  Pfeil- 
schuß erlegend  vorstellte^),  sagt,  daß  man  auch  damals  mythologische  Szenen 
häufig  auf  Wänden  dargestellt  sah;  er  beschreibt  ein  Wandgemälde  in  dem 
Speisesaal  eines  Zoilus  zu  Trier:  Heroinen,  welche  die  Liebe  zu  einem  tragischen 
Schicksal  geführt  hat,  peinigen  und  binden  Cupido^).  Libanius  erwähnt  Bilder, 
welche  die  Liebschaften  der  Götter  darstellten''),  und  beschreibt  zwei  in  der  aus 

i)  CIL  VIII  8396  =  Dessau  5728  conchas  de  suo posuit.  Anth.  lat.  377,  3  R.  2)  Die  Passio 
sanctorum  IV  coronatorum,  mitgeteilt  von  Wattenbach  mit  einem  Vorwort  von  v.  Karajan, 
Sitzungsber.  d.  Wiener  Akad.  X  (1853)  S.  115 — 137  und  in  Büdingers  Untersuchungen  z.  röm. 
Kaisergeschichte  III  323  ff.  mit  Benndorfs  archäologischen  und  Büdingers  chronologischen  Be- 
merkungen. Die  Frage,  wie  die  Verbindung  der  Legende  vom  Martyrium  der  5  pannonischen 
Steinmetzen  mit  der  von  den  4  römischen  contictdarii  [coronati  Benennung  für  höhere  Offizialen, 
vielleicht  nach  einem  Abzeichen,  Hirschfeld,  Arch.  epigr.  Mitteil.  IX  1885  8.23!.)  und  die  Be- 
nennung der  ersteren  als  Passio  SS.  IV  coronatorum  entstanden  sei,  haben  auf  verschiedene  Weise 
zu  lösen  versucht  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  ser.  3,  IV  1879  S.  45  ff.,  C.  Erbes  [Ztschr.  f.  Kirchen- 
gesch.  V  1882  S.  466  ff.)  und  Edm.  Meyer,  Über  die  Passio  SS.  IV  coronatorum,  Progr.  d.  Luisen- 
gymnasiums, Berlin  1886.  De  Rossi  setzt  das  Martyrium  der  Pannonier  305/6,  das  römische  früher 
(nach  288  ,  die  Aufzeichnung  des  ersteren  (durch  einen  Porphyrius  censualis  a  gleba)  unter  Galerius, 
dessen  Name  dann  später  mit  dem  Diocletians  vertauscht  worden  sei.  Meyer  setzt  das  pannonische 
Martyrium  293,  das  römische  303,  die  Legende  von  dem  ersteren  sei  einige  Zeit  im  Volksmunde 
umgelaufen,  ehe  sie  aufgezeichnet  wurde.  Petschenig,  Sitzungsber.  d.  Wiener  Akad.  XCVII  1S80 
S.  761  ff.  setzt  auf  Grund  einer  Untersuchung  der  Sprache  die  Abfassung  spätestens  ins  6.,  wahr- 
scheinlich 5.  Jahrhundert.  Neuer  Text  von  Wattenbach,  Sitz.-Ber.  der  Berliner  Akademie  1896 
S.  I28iff.  3)  Suidas  s.  MeöiöXavov  und  KopuKOc;.  Vgl.  dazu  das  große  Wandgemälde  der  Welt- 
herrscherin Roma  im  Palazzo  Barberini,  G.  Körte,  Arch.  Zeit.  XLIII  1885  S.  23  ff.  Taf.  4.  4)  Paneg. 
lat.  VII  6,2.  5)  Auson.  Epigr.  30  p.  322  Peip.  6)  Auson.  Cupido  cruciat.  p.  109  Peip.  Vgl. 
dazu  den  Gemäldezyklus  aus  der  antiken  Villa  bei  Tor  Marancio  (Helbig,  Führer^  nr.  415).  Fried- 
laender.  Über  den  Kunstsinn  der  Römer  (1852)  S.  271.     7)  Liban.  progj'mn.  XI  27,  3  (VIII  436  F.,. 


46  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  238,  239] 

Pompeji  bekannten  Weise  des  Studius')  staffierte  Landschaften;  die  eine  mit 
ländlichen  Gebäuden,  verschiedenen  Menschen  und  Tieren,  einem  zweirädrigen, 
beladenen,  von  Ochsen  gezogenen  Wagen,  einem  Tempel  mit  Bäumen;  die 
andre  mit  einer  bekränzten  Festgesellschaft,  die  im  Freien  unter  einem  zwischen 
Bäumen  ausgespannten  Zeltdache  schmaust,  im  Hintergrunde  eine  Stadt  mit 
Mauern  und  Türmen^),  Sidonius  ApoUinaris  (Bischof  zu  Clermont  um  450), 
dem  die  ganze  heidnische  Kunst  wegen  ihrer  Gegenstände,  noch  mehr  wegen 
ihrer  Nacktheit  verhaßt  war,  Heß  die  inneren  Wände  des  Bads  auf  seinem  Land- 
gut einfach  weißen:  *da  steht«,  sagt  er,  > keine  Darstellung  zur  Schau,  die  durch 
die  nackte  Schönheit  gemalter  Körper  häßlich  ist,  und  wie  sie  die  Kunst  ehrt, 
so  den  Künstler  verunziert« ;  dasind  keine  Komödianten  mit  lächerlichen  Fratzen 
und  bunten  Harlekinstrachten,  keine  verschlungenen  Ringerpaare ^).  Auch  die 
Gegenstände  der  von  Luxorius,  welcher  unter  dem  Vandalenkönige  Thrasa- 
mund  (496 — 523)  in  Afrika  dichtete,  beschriebenen  Bilder  wird  man  für  längst 
gebräuchliche  oder  in  üblicher  Weise  behandelte  zu  halten  haben :  Fridamal 
einen  Eber  erlegend ;  Romulus,  wie  er  auf  der  Mauer  Roms  seinen  Bruder  Remus 
tötet;  Diogenes,  von  einer  Dirne  am  Barte  gezupft,  hinter  seinem  Rücken  von 
einem  Liebesgott  verhöhnt"*).  Daß  endlich  auch  die  christliche  Kunst  (auf  welche 
hier  nicht  eingegangen  werden  soll)  bis  zu  einem  gewissen  Grade  sich  an  die 
überlieferten  Motive  und  Gestalten  halten  mußte,  ist  bekannt.  Die  Wichtigkeit 
der  Malerei  im  Dienst  der  Kirche  wurde  früh  erkannt.  Paulinus  von  Nola  sagt 
(403),  daß  die  Betrachtung  der  Bilder  in  einer  Säulenhalle  bei  der  dortigen 
Basilika  des  heiligen  Petrus  (Darstellungen  aus  dem  Alten  und  Neuen  Testament 
und  der  Geschichte  der  Märtyrer)  den  zum  Feste  des  Heiligen  massenhaft 
herbeiströmenden,  des  Lesens  unkundigen  Pilgern  die  angemessenste  Unter- 
haltung bot  und  sie  von  fleischlichen  Genüssen  zurückhielt^),  »Die  Bilder  sind 
die  Bücher  der  Ungelehrten«,  ist  ein  Ausspruch  Gregors  des  Großen. 

Weit  zahlreichere  Reste  als  von  den  Wandmalereien  haben  sich  von  den  so 
viel  dauerhafteren  Mosaiken  der  Fußböden  in  fast  allen  Provinzen  erhalten,  wie 
in  Spanien,  Frankreich,  England,  der  Schweiz^),  den  Rheinlanden,  Bayern,  Salz- 
burg, Siebenbürgen,  vor  allem  in  Nordafrika'):  sie  machen  die  Allgemeinheit 
auch  dieser  Dekoration,  die  sogar  das  Altertum  überdauert  hat,  unzweifelhaft. 
Künstlerischer  Dieselbe  Allgemeinheit  des  künstlerischen  Schmucks  wie  die  Wohnungen 
Schnwck  des  ^Qigt  der  Hausrat.  Schon  allein  die  Geräte  und  Möbel  der  pompejanischen 
Häuser,  deren  größter  Teil  doch  wohl  von  den  fliehenden  Einwohnern  gerettet 
oder  aus  der  lockeren  Aschendecke  sofort  wieder  herausgegraben  worden  sein  wird, 
Tische,  Bänke,  Sessel,  Sofas,  Kandelaber,  Gefäße,  Lampen,  Dreifüße,  Toiletten- 

i)  Vgl.  Rodenwaldt,  Die  Komposition  der  pompejan.  Wandgemälde  (1909)  S.  24  ff.  2)  Liban. 
progymn.  XII  2.  4  (VIII  465.  470  F.  €KqppdaeK  YPOtpiJüv  ev  ßouXeuTripiuj).  3)  Sidon.  Apoll,  ep. 
II  2,  6.  4)  Anthol.  Lat.  304.  325.  374  R. ;  vgl.  auch  312  f.  334  f.  [de  venatore  picto  in  manibus  oculos 
habetUe,  weil  er  nie  fehlte).  5)  Paulin.  Nolan.  carm.  27,  51 1  ff.  542  ff.  6)  H.  A.  O.  Reichard  hörte  in 
Avenches  iSll,  daß  5 — 6  neue  Mosaikfußböden  kürzlich  entdeckt,  aber  von  den  Bauern  zerstört 
Morden  seien;  er  selbst  sah  noch  in  einer  Scheune  einen  wenigstens  60'  langen,  bereits  halb  zer- 
schlagen. Die  Zeichnung  war  edel  und  in  großem  Stil,  die  Farben  ganz  frisch.  Uhde,  Reichards 
Selbstbiographie  (1877)  S.  406.  Vgl.  auch  Matthisson,  Schriften  (Zürich  1825)  II  I94ff.  7)  Nach- 
weise über  die  Verbreitung  der  Mosaiktechnik  in  den  Provinzen  seit  dem  Ende  des  ersten  Jahr- 
hunderts gibt  P.  Gauckler  bei  Daremberg-Saglio,  Dictionn.  III  2  S.  2 108  ff. 


[III.  24o] 


2.  PLASTIK  UND  MALERKI 


47 


Utensilien  und  andre  Schmuckgegenstände  aller  Art,  haben  der  modernen 
Kunstindustrie  eine  kaum  zu  erschöpfende  Fülle  geschmackvoller  Vorbilder  ge- 
liefert']. Und  nicht  bloß  um  marmorne  und  bronzene  Kandelaber  rankte  sich 
der  Schmuck  phantastischer  Vegetationsformen,  nicht  bloß  silberne  und  goldene 
Schalen  und  Kannen  prangten  in  getriebener  Arbeit  und  mit  schön  verzierten 
Henkeln,  gläserne  Prachtvasen  mit  figurenreichen  Reliefs  in  verschiedenen  Far- 
ben: auch  das  irdene  Geschirr  des  Armen,  die  Siegelringe  aus  Glasfluß,  die 
tönerne  Lampe,  die  bei  später  Arbeit  leuchtete  —  alles  hatte  seinen  bildlichen 
Schmuck,  und  namentlich  die  Deckel  der  Tonlampen  haben  einen  reichen 
Schatz  von  künstlerischen  Gegenständen  und  Motiven  bewahrt.  Auch  die 
ärmste  Wohnung  entbehrte  oft  eher  den  notwendigsten  Hausrat  als  den  künst- 
lerischen Schmuck.  Juvenal  schildert  die  Einrichtung  eines  blutarmen  Gelehr- 
ten oder  Dichters:  da  war  ein  kurzes  Bett  und  eine  alte  Kiste  mit  göttlichen 
griechischen  Gedichten,  an  denen  ungebildete  Mäuse  nagten,  doch  auch  eine 
marmorne  Tischplatte  mit  sechs  Henkeltöpfchen,  darunter  ein  hoher  gehenkel- 
ter Becher,  und  die  Figur  eines  liegenden  Zentauren  als  Stütze  (Trapezophor)"). 
Figuren  und  Figürchen  [sigilla)^  die  als  Zimmerschmuck  dienen  konnten,  waren 
darum  auch  stets  willkommene  Geschenke  und  gehörten  zu  denen,  die  man  in 
der  Saturnalienzeit  regelmäßig  austauschte:  man  kaufte  sie  dann  auf  einem 
eigens  eröffneten  Markte,  sonst  auch  in  den  Läden  der  ebenfalls  nach  ihnen 
benannten  Sigillarstraße^).  Unter  den  Saturnaliengeschenken,  für  die  Martial 
Aufschriften  gedichtet  hat,  sind:  Figuren  aus  Ton  (der  Lieblingsknabe  des 
Brutus,  Hercules,  ein  Buckliger,  eine  Germanenmaske),  aus  Marmor  (ein  Herma- 
phrodit, Leander),  aus  korinthischer  Bronze  (Hercules,  Apoll  als  Eidechsentöter), 
aus  Silber  (Minerva),  aus  Gold  (Victoria),  außerdem  drei  Bilder  (Hyacinthus, 
Danae,  Europa)"*).  Überhaupt  aber  waren  Kunstwerke  gewöhnliche  Geschenke; 
schon  Horaz  entschuldigte  sich  gleichsam,  daß  er  nicht  imstande  sei,  eine  Arbeit 
von  Skopas  oder  Parrhasius  zu  schenken^);  Seneca,  der  empfiehlt,  zu  Geschen- 
ken nicht  schnell  vergängliche  Dinge  zu  wählen,  sagt:  er  schenke  lieber  Silber- 
gerät als  Geld,  lieber  Statuen  als  Kleider  und  Teppiche^);  und  unter  den  Gaben, 
die  ein  beschäftigter  Rechtsanwalt  in  Martials  Zeit  an  seinem  Geburtstage  von 
dankbaren  Klienten  erwarten  durfte,  waren  auch  Werke  »des  Phidiasischen 
Meißels«  ^). 

Am  deutlichsten  aber  zeigt  sich  in  den  Grabdenkmälern,  wie  die  bildende 
Kunst  jener  Zeit  auch  dem  Geringsten  und  Unbeglücktesten  ihre  Gaben  spen- 
dete. Zwar  die  Sarkophage  mit  ihrem  reichen  Reliefschmuck  waren,  wenn 
auch  ohne  Zweifel  im  Verhältnis  zu  modernen  Preisen  wohlfeil,  doch  in  der 
Regel  nur  für  Wohlhabende  erschwinglich^);  aber  wenigstens  im  i.  Jahrhundert 
war  nicht  das  Begraben,  sondern  das  Verbrennen  der  Toten  die  Regel,  in  der 
Gräberstraße  von  Pompeji  hat  sich  kein  Sarkophag  gefunden,  das  Begraben  ist 


Kunstwerke    als 
Sammalien-  und 
sonstige  Ge- 
schenke. 


Künstlerischer 
Schmuck  der 
Grabdenkmäler. 


i)  Mau,  Pompei^  S.  389  ff.  2)  Juv.  3,  203 — 207.  Marquardt,  Privatl.^  319,  5.  3)  Marquardt 
StV.  IIP  587 f.  Hülsen-Jordan,  Top.  I  3  S.  574,  41.  Blümner,  Technologie  II  124 f.  4)  Martial. 
XIV  170— 182.  5)  Horat.  Carm.  IV  8,  5— 8.  6)  Seneca  de  benef.  I  12,  2.  7)  Martial.  X  87,  16. 
8)  Philogelos  97  Eberh.  wird  eine  oopo^  für  5  Myriaden  erwähnt.  Vielleicht  ist  hier  nach  dem 
Denar  der  Diocletianischen  Zeit  (Hultsch,  Metrol.^  S.  333)  gerechnet,  wonach  die  Summe  1269  Mark 
betragen  würde. 


48  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  241] 

erst  im  2.  Jahrhundert  wieder  aufgekommen  und  alimählich  immer  allgemeiner 
geworden.  Jene  kleinen,  oft  so  überraschend  schönen,  reich  »mit  Leben  ver- 
zierten« marmornen  Urnen  aber,  in  denen  »die  Asche  noch  im  stillen  Bezirk 
sich  des  Lebens  zu  freuen  scheint«,  sind  offenbar  größtenteils  aus  den  Werk- 
stätten untergeordneter  Kunsthandwerker  hervorgegangen  und  wohl  auch  für 
Unbemittelte  nicht  zu  teuer  gewesen.  Vor  allem  schmückte  die  Malerei  die 
inneren  Räume  der  Grabmäler  ganz  allgemein'),  wie  namentlich  auch  die  Bei- 
behaltung dieser  Dekoration  in  christlichen  Grüften  beweist,  gewiß  nicht  selten 
auch  die  Außenwände').  Selbst  die  Kolumbarien  (große  Gewölbe  mit  langen, 
übereinander  liegenden  Reihen  von  Nischen  für  Aschenurnen),  die  Ruhestätten 
kleiner  Leute,  auch  der  Sklaven,  also  der  Niedrigsten  und  Unseligsten,  sind  zu- 
weilen freundlich  wie  Wohnräume  mit  Wandbildern  dekoriert,  die,  manchmal 
recht  leidlich,  die  unbenutzten  Stellen  der  Pfeiler  und  Wände  füllen.  Wenn 
hier  eine  neue  Urne  in  der  für  sie  gekauften  Nische  beigesetzt  wurde,  mögen 
die  Leidtragenden  mit  Wohlgefallen  den  Schmuck  betrachtet  haben,  den  sie 
aus  ihren  kleinen  Ersparnissen  für  die  Wohnungen  ihrer  Toten  angeschafft 
hatten.  Da  waren  mythologische  Szenen,  Bilder  aus  dem  täglichen  Leben, 
Landschaften,  Tier-,  Blumen-  und  Fruchtstücke;  da  schoß  Hercules  dem  Pro- 
metheus den  Geier  von  der  Leber  weg,  Ulysses  blickte  gerührt  auf  den  sterben- 
den Hund  Argus,  groteske  Pygmäen  ergriffen  vor  einem  Krokodil  die  Flucht, 
Gaukler  tanzten  einen  Kastagnettentanz,  eine  Giraffe  mit  einer  Glocke  um  den 
Hals  ward,  wie  im  Amphitheater,  von  ihrem  Wärter  geführt  u.  dgl.  mehr^). 

b.  MONUMENTALE  KUNST. 

Neben  dieser  unermeßlichen  Beschäftigung  der  Skulptur  und  Malerei  für 
dekorative  Zwecke  ging  eine  Verwendung  beider  Künste  für  monumentale  im 
eigentlichen  Sinne  des  Worts,  d.  h.  zur  Verewigung  von  Personen  und  Ereig- 
nissen her,  die  weder  vorher  noch  nachher  jemals  in  so  riesenhaften  Dimensio- 
nen betrieben  worden  ist  wie  in  den  beiden  ersten  Jahrhunderten  und  selbst 
noch  im  dritten  und  vierten  kolossal  war. 
Persönliche  Wie  überall,  war  die  Kunst  den  Römern  auch  hier  nicht  Zweck,  sondern 
Denkmäler,  j^j^^gi  sjg  ^jg  ^j^tei  ^ur  Erhöhung  der  Schönheit,  Pracht  und  Behaglichkeit 
ihrer  Wohnungen  und  Städte  zu  verwenden,  haben  sie  erst  durch  die  Eroberung 
der  griechischen  Länder  gelernt;  sie  als  Mittel  zur  Fixierung  des  Erlebten  und 
Geschehenen  für  Mit-  und  Nachwelt,  zur  Verewigung  der  Gesichtszüge  und 

i)  z.  B.  ein  innen  bemaltes  Grab  in  Krain  bei  Thurn  am  Hart  (Helios  auf  dem  Viergespann,  Europa 
auf  dem  Stier),  Hörnes,  Arch.  epigr.  Mitt.VIII  1884  S.  237  f.,  desgleichen  bei  den  afrikanischen  Städten 
Hadrumetum  (Sussa)  und  Oea  (Tripolis),  A.  Schulten,  Arch.  Anz.  1901  S.  72.  1904  S.  Il7f.  2)  Bei 
den  'übertünchten  Gräbern'  des  Evangelisten  (Matth.  23,  27)  kann,  wie  der  Gegensatz  von  eSuuGev 
und  eöuj6ev  zeigt,  nur  an  Außendekoration  gedacht  sein,  wie  es  auch  die  alte  Kirche  stets  auf- 
gefaßt hat,  vgl.  z.  B.  Orig.  in  Levit.  hom.  8,  10  (Migne  gr.  XII  502).  Hieronym.  adv.  Pelag.  II  13 
(Migne  lat.  XXIII  549);  epist.  108,  17  p.  328,  20  Hilb.  Sedul.  op.  Pasch.  V  2  p.  275 ,  3  Huem. 
3)  O.  Jahn,  Die  Wandgemälde  des  Columbariums  in  der  Villa  Pamfili,  Abhandl.  Akad.  München 
VIII  2  (1857).  E.  Samter,  Rom.  Mitt.  VIII  1893  S.  105«".;  vgl.  auch  Real-Encykl.  IV  598.  Ein 
curator  eines  colleglhwi)  fumratichim  läßt  eine  Wand  (des  Kolumbariums)  malen  8  n.  Chr.,  CIL 
VI  21383. 


[III.    242,   243] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


49 


Alter  der  Ehren- 
statuen in  Rom. 


Gestalten  geehrter  und  geliebter  Personen  zu  benutzen,  war  ein  nationales 
römisches  Streben,  das  sich  schon  in  der  alten  Sitte  der  adeligen  Geschlechter 
offenbart,  bemalte  Wachsmasken  der  Ahnen  aufzubewahren.  Sehr  alt  war  auch 
in  Rom  die  Sitte  der  öffentlichen  Aufstellung  von  Ehrenstatuen,  sie  reicht  min- 
destens in  die  Zeit  der  Dezemvirn  (450  v.Chr.)  zurück'),  die  älteste  mit  Sicher- 
heit nachzuweisende  ist  die  des  griechischen  Dolmetschers  derselben  auf  dem 
Forum;  diese,  sowie  alle  aus  den  beiden  nächsten  Jahrhunderten  bekannten, 
waren  aus  Bronze,  die  man  zu  Götterbildern  seit  269  =  485  zu  verwenden  an- 
gefangen hatte,  die  erste  aus  vergoldeter  Bronze  war  die  Reiterstatue  des  Be- 
siegers des  Antiochus,  Acilius  Glabrio,  von  dessen  Sohn  im  Tempel  der  Pietas 
573  =  181  errichtet).  Um  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  d.  St.  (etwa  300  v.  Chr.) 
scheinen  die  Könige  und  berühmten  Männer  der  ersten  Republik  Statuen  er- 
halten zu  haben ^).  Nach  dem  zweiten  punischen  Kriege  waren  Kapitol  und 
Forum"*)  bereits  mit  Statuen  überfüllt.  Von  dort  wurde  ein  Teil  derselben  im 
Jahre  575  =  179  entfernt,  und  vom  Forum  ließen  596  =  158  die  Zensoren 
sämtliche  Ehrenstatuen  von  Beamten,  die  nicht  auf  Volks-  oder  Senatsbeschluß 
gesetzt  waren,  wegräumen^).  Schon  Cato  wollte  lieber,  daß  die  Leute  fragten, 
warum  ihm  keine,  als  warum  ihm  eine  Statue  gesetzt  sei ;  er  hatte  zu  klagen, 
daß  solche  in  den  Provinzen  sogar  schon  Frauen  errichtet  wurden,  und  bald 
geschah  dies  auch  in  Rom  selbst^).  Die  gleichzeitige  Statue  der  Mutter  der 
Gracchen,  Cornelia,  sah  man  noch  in  Plinius  Zeit  in  der  Porticus  der  Octavia^), 
wo  ihre  durch  Feuer  beschädigte,  später  zur  Aufstellung  einer  Statue  von  Tisi- 
crates  verwendete  Basis  wieder  aufgefunden  worden  ist^). 

Auch  die  Sitte,  über  große  Taten  und  Ereignisse  dem  Volke  durch  Bilder  zu  BilderMstori 
berichten,  kam  früh  auf  Zuerst  stellte  M.'  Valerius  Maximus  Messalla  das  Bild  ^^^^^^ 
seiner  siegreichen  Schlacht  gegen  die  Karthager  und  Hiero  in  Sicilien  490  = 
264  V.  Chr.  auf  einer  Wand  der  Curia  Hostilia  aus.  Solche  Bilder  auf  Holz  und 
Leinwand  wurden  namentlich  in  den  Triumphzügen  getragen,  wie  in  dem  des 
M.  Marcellus  ein  Bild  der  Einnahme  von  Syracus  (212).  Ämilius  PauUus  ließ 
zur  Illustration  seines  Triumphs  im  Jahre  168  einen  Maler  (Metrodorus)  aus 
Athen  eigens  kommen.  L.  Hostilius  Mancinus,  der  zuerst  ein  Außenwerk  von 
Karthago  im  Jahre  148  eingenommen  hatte,  ließ  Bilder  der  Stadt,  der  Belage- 
rung und  Erstürmung  auf  dem  Forum  aufstellen,  die  er  dem  Volke  selbst  er- 
klärte, wodurch  er  sich  so  populär  machte,  daß  er  (141)  das  Konsulat  erhielt. 
Tiberius  Gracchus  ließ  ein  Gastmahl  im  Tempel  der  Freiheit  malen,  das  die 
Beneventaner  seinem  Heer  im  Jahre  2 1 4  nach  dem  in  der  Nähe  erfolgten  glück- 
lichen Gefecht  gegeben  hatten.  Man  sah  darauf  besonders  die  in  das  Heer  ein- 
gestellten Sklaven  mit  den  Zeichen  der  ihnen  zum  Lohn  für  die  bewiesene 
Tapferkeit  geschenkten  Freiheit^).     Ein  Bild  eines  Gladiatorenkampfs  stellte 


Ereig- 


l)  Die  Zeugnisse  bei  D.  Detlefsen,  De  arte  Romanorum  antiquissima  II  (Glückstadt  1868)  S.  I4flf. 
2)  Liv.  XL  34,  5.  Val.  Max.  II  5,  l ;  Cic.  Philipp.  IX  13  (s(ahm)  inmirata  equestris,  quatis  L.  Sullac 
primum  statuta  est  ist  also  im  Irrtum ;  vielleicht  war  die  Sullas  die  erste  auf  dem  Forum.  3)  Det- 
lefsen a.  a.  O.  S.  6f.  4)  Jordan,  Topogr.  I  2  S.  56ff.  401.  5)  Plin.  n.  h.  XXXIV  30;  vgl.  auch  Liv. 
XL  51,  3.  6)  Detlefsen  a.a.O.  S.  21.  7)  Plin.  n.  h.  XXXIV  31.  8)  CIL  VI  31610=  Dessau  68, 
vgl.  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  nr.  493.  9)  R.  Rochette,  Peint.  ined.  S.  303  ff.  L.  Urlichs, 
Die  Malerei  in  Rom  vor  Caesars  Dictatur,  Würzburg  1876, 

Friedlaen der,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl.  . 


50 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  244] 


Bilder  für  be- 
sondere Ver- 
anlassungen. 


zuerst  (im  Dianentempel  zu  Aricia)  ein  L.  Terentius  Lucanus  (im  6.  oder  7.  Jahr- 
hundert d.  St.)  aus'). 

Diese  Verwendung-  der  bildenden  Künste  zur  Veranschaulichung-  und  Ver- 
herrlichung von  Personen  und  Ereignissen,  sowohl  bei  bestimmten  Veranlas- 
sungen als  für  die  Dauer,  fand  auch  in  der  Kaiserzeit  im  weitesten  Umfange 
statt.  In  dem  »Hervortreten  des  schildernden  Prinzips,  das  einen  entschiedenen 
Gegensatz  bildet  zu  dem  plastisch-idealen  in  der  Malerei  der  Griechen«,  »in 
dem  breiten  illustrierenden  Ton  der  Darstellungen«  (H.  Semper)^),  nähert  sich 
die  damalige  Malerei  in  Zweck  und  Behandlung  in  hohem  Grade  der  altägyp- 
tischen und  altassyrischen,  ihre  Werke  den  Gemälden  der  Paläste  von  Theben, 
den  Alabastertafeln  derer  von  Ninive,  den  babylonischen  Teppichen.  Nament- 
Bilder  für  üch  die  römischen  Kaiser  selbst  redeten  durch  sie  zum  Volke.  Bilder  vertraten 
Triumphzüge  —  .^  ^jigger  Zeit  ohne  Presse  die  Stelle  von  Manifesten  und  Proklamationen 3),  wie 
man  auch  im  Mittelalter  in  Florenz  und  Rom  durch  historische  und  allegorische 
Bilder  sich  an  das  Volk  wandte;  durch  solche  entflammte  z.  B.  Cola  di  Rienzi 
die  Römer^).  Jeder  Triumph  beschäftigte  eine  Menge  von  Künstlern,  welche 
die  Natur  des  besiegten  Landes  und  die  Geschichte  des  Feldzugs  den  Zuschauern 
des  Aufzugs  durch  bildliche  Darstellungen  aller  Art  zu  veranschaulichen  hatten; 
vermutlich  konnten  hierbei  oft,  wenn  nicht  in  der  Regel,  Skizzen  von  Malern 
benutzt  werden,  welche  zu  diesem  Zwecke  den  Heeren  beigegeben  waren^). 
Bei  dem  Triumphe  des  Vespasian  und  Titus  über  Judäa  wurden  Schaugerüste 
von  drei  bis  vier  Stockwerken,  mit  goldgestickten  Teppichen  behängt,  mit 
Ornamenten  aus  Gold  und  Elfenbein  geschmückt,  getragen ;  teils  auf  diesen, 
teils  auf  andern  Bildern  war  der  Krieg  in  seinem  ganzen  Verlaufe  dargestellt. 
»Da  sah  man  ein  reiches  Land  verwüsten,  ganze  Scharen  von  Feinden  töten, 
fliehen  oder  als  Gefangene  abgeführt  werden,  ungeheure  Mauern  unter  den 
Stößen  von  Belagerungsmaschinen  einbrechen,  starke  Festungen  erstürmen, 
die  Ringmauern  volkreicher  Städte  ersteigen,  das  Heer  sich  ins  Innere  ergießen 
und  alles  mit  Mord  erfüllen,  die  Wehrlosen  flehend  die  Hände  erheben ;  man 
sah  Feuer  in  Tempel  schleudern,  Häuser  über  den  Bewohnern  zusammenstürzen, 
und  nach  vieler  Verwüstung  und  Trauer  Wasserströme  nicht  über  bebaute  Fel- 
der, noch  zum  Trunk  für  Menschen  und  Tiere,  sondern  durch  die  von  allen 
Seiten  brennende  Stadt  sich  ergießen«^).  So  wehten  auch  dem  Don  Juan 
d'Austria  bei  seinem  Einzüge  in  Brüssel  (i.  Mai  1577)  Banner  voraus,  deren 
Malerei  die  Schlacht  von  Lepanto  und  andre  große  Szenen  seines  Lebens  ver- 
herrlichte''). Im  Altertum  fehlten  bei  Triumphen  auch  plastische  Darstellungen 
nicht,  namentlich  Figuren  der  nach  antiker  Weise  personifizierten  Berge,  Flüsse, 
Länder  und  Städte.    Noch  heute  sehen  wir  auf  einem  Relief  des  Titusbogens, 

i)  Oben  II  51.  Pliu.  n.  h.  XXXV  52,  der  zugleich  bezeugt,  daß  solche  Bilder  als  Ankündigungen 
abzuhaltender  Gladiatorenspiele  ausgestellt  wurden,  vgl.  Horat.  sat.  II  7,  95  ff.  2)  Vgl.  F.  Wick- 
hoff, Römische  Kunst  (Schriften  III)  S.  175  f.  3)  Solche  Bilder  dienen  den  Kaisern  zur  Verbrei- 
tung der  Nachricht  von  ihren  Siegen  und  Erfolgen  (z.  B.  Herodian.  III  9,  12.  V  5,  6.  VII  2,  8),  der 
Opposition  zu  Angriffen  durch  Karikaturen  (Eunap.  frg.  78,  FHG  IV  49).  Mehr  bei  Burckhardt, 
Zeitalter  Constantins''  S.  272.  4)  Gregorovius,  Gesch.  d.  St.  Rom  VI  235  ff.  5)  L.  Verus  schreibt 
an  Fronto,  der  die  Geschiebte  des  parthischen  Feldzugs  schreiben  wollte:  quod si picturas  quoque 
quasdam  desideravcris ,  poteris  a  Fulviano  accipere,  Fronto  ep.  ad  L.  Ver.  11  3  p.  131  Nah.  6)  Jo- 
seph. B.  J.  VII  139  ff.     7)  Motley,  Abfall  der  Niederlande  (deutsch)  III  141. 


[III.  245] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


51 


wie  bei  dem  Triumph  über  Judäa  die  liegende  Statue  des  Jordan  getragen 
wurde,  und  wenn  Triumphe  über  deutsche  Völker  bevorstanden,  wurden  ganz 
gewiß  kolossale  Figuren  des  Rhein  bestellt').  In  dem  Triumphzuge  Octavians 
nach  der  Schlacht  bei  Actium  sah  man  ein  Bild  der  Kleopatra  mit  der  Natter 
am  Arm^). 

Auch  die  künstlichen  Scheiterhaufen,  die  bei  der  Konsekration  verstorbener 
Kaiser  nach  asiatischem  Gebrauche  auf  dem  Marsfelde  errichtet  wurden  und 
aus  mehreren  in  Pyramidenform  sich  allmählich  verjüngenden  Stockwerken 
bestanden,  deren  oberstes  die  Bahre  mit  dem  Toten  trug,  waren  äußerlich  über 
und  über  mit  goldgestickten  Decken,  Elfenbeinreliefs  und  Gemälden  bekleidet, 
die  ohne  Zweifel  das  Leben  des  vergötterten  Herrschers  darstellten.  Wenn 
diese  ganze,  in  echt  barbarischer  Weise  zur  Vernichtung  bestimmte  Pracht  in 
heller  Flamme  aufloderte,  schwang  sich  vom  Giebeldache  des  Tabernakels  auf 
dem  obersten  Stockwerke  ein  Adler  in  die  Luft^j. 

Nichts  aber  zeigt  so  sehr,  in  welchem  Grade  man  sich  gewöhnt  hatte,  die 
Malerei  zur  momentanen  Veranschaulichung  des  Geschehenen  zu  benutzen,  als 
ihre  Verwendung  vor  den  Schranken  der  Gerichte.  Schon  in  der  letzten  Zeit 
der  Republik  wurden  Anklagen  wenigstens  in  Volksversammlungen  durch 
Schildereien  unterstützt,  welche  die  angeblichen  oder  wirklichen  Verbrechen 
der  Angeklagten  vor  Augen  stellten.  Der  Tribun  A.  Gabinius  zeigte  und  er- 
klärte im  Jahre  67  dem  Volk  ein  Bild  der  tusculanischen  Villa  des  Luculi,  um 
es  von  der  Üppigkeit  des  Konsulars  zu  überzeugen"*).  Als  Galba  zu  Cartagena 
im  Jahre  68  seine  Truppen  aufforderte,  gegen  Rom  zu  ziehen,  ließ  er  auf  dem 
Tribunal  vor  sich,  gleichsam  als  stumme  Ankläger  Neros,  möglichst  viele  Porträts 
von  Männern  aufstellen,  die  Opfer  seines  Despotismus  geworden  waren  ^j.  Ein 
Angeklagter,  den  sein  Gegner  auf  einer  Leinwand  in  verschiedenen  Szenen  als 
unverbesserlichen  Spieler  hatte  malen  lassen,  bald  bis  aufs  Hemd  entblößt, 
bald  im  Schuldgefängnis,  bald  von  seinen  Freunden  losgekauft,  sagte  zu  den 
Richtern:  ich  habe  doch  auch  manchmal  gewonnen^).  Quintilian  hatte  selbst 
zuweilen  gesehen,  wie  die  Richter  durch  abschreckende  Bilder  des  Angeklagten 
auf  Holz  oder  Leinwand  gegen  diesen  eingenommen  werden  sollten.  Er  miß- 
billigte dieses  Mittel  höchlich,  weil  damit  der  Ankläger  sich  das  Armutszeugnis 
ausstelle,  daß  ein  stummes  Bild  beredter  sei  als  er  selbst^). 

Wie  es  gemalte  Anklagen  gab,  gab  es  auch  gemalte  Bettelbriefe.  Die  an- 
geblichen oder  wirklichen  Schiffbrüchigen  führten  in  der  Regel  Bilder  bei  sich, 
die  sie  auf  einer  dunkelblauen  Meeresfläche  von  dem  Wrack  ans  Land  schwim- 
mend darstellten^),  und  solche  wurden  auch  in  den  Tempeln  als  Votivtafeln  auf- 
gehängt^), namentlich  in  denen  der  Isis,  als  der  Schutzpatronin  der  Schiffahrt; 
man  weiß,  sagt  Juvenal,  daß  die  Maler  von  der  Isis  ernährt  werden'").  Nur  im 
Vorbeigehen  mag  hier  der  zahllosen  Votivbilder  und  -reliefs  gedacht  werden. 


kaiserliche 
Scheiter- 
haufen — 


Gerichtsver- 
handlungen. 


Bilder 
für  Schiff- 
brüchige. 


Votivbilder. 


i;  Pers,  6,  47;  vgl.  Ovid.  trist.  IV  2,  41  f.;  ex  Ponto  III  4,  107 f.  Lucan.  III  76.  2)  Plutarch. 

Anton.  86, 6.  Drumann,  Gesch. Roms  P  368.  3;  Herodian.  IV  2,  6  ff.,  vgl.  dazu  Cumont,  Revue  de  l'hist. 
des  religions  LXII  1910  S.  iigff.  H.  Graeven,  Rom.  Mitteil.  XXVIII  1913  S.  283  ff.  4)  Cic.  pro 
Sestio  93.  5)  Sueton.  Galba  10,  i;  vgl.  R.  Rochette  S.  358,  l.  6)  Quintilian.  VI  3,  72.  7)  ebd. 
VI  I,  32.  8*  Pers.  6,  32 f.,  vgl.  i,  89  (u.  Schol.).  Hör.  a.  p.  20 f.  Juven.  14,  302.  Martial.  XII  57, 
12.  Phaedr.  IV  22,  24.     9)  Horat.  c.  I  5,  13  f.  Cic.  de  nat.  deor.  III  89.      10^  Juv.  12,  27  f.  u.  Schol. 


52 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[IIL  246] 


Sonstige  Darstel- 
lungen persönli- 
cher  Erlebnisse. 


die  das  gefährliche  Ereignis,  aus  dem  der  Darbringer  entronnen  war,  möglichst 
genau  mit  allen  Einzelheiten  vor  Augen  stellten ') :  Arbeiten,  die  zwar  (wie  die 
andern  zuletzt  erwähnten)  in  überwiegender  Mehrzahl  von  untergeordneten 
Kunsthandwerkern  geliefert  wurden,  doch  sicherlich  nicht  ohne  zahlreiche  Aus- 
nahmen ;  denn  die  Reichen  und  Vornehmen  ließen  natürlich  auch  solche  Arbeiten 
von  guten  Künstlern  ausführen.  Tacitus  erwähnt  z.  B.,  daß  Domitian,  der  bei 
der  Erstürmung  des  Kapitols  in  der  Nacht  des  18.  Dezember  69  in  großer  Gefahr 
geschwebt  hatte,  auf  der  Stelle  der  Wohnung  eines  Tempeldieners,  in  der  er 
versteckt  gewesen  war,  dem  Juppiter  Erhalter  eine  Kapelle  erbauen  und  darin 
einen  Altar  aufstellen  ließ,  der  mit  der  Darstellung  seiner  Gefahren  in  Marmor 
geschmückt  war^). 

Überhaupt  aber  dürfte  die  Darstellung  persönlicher  Erlebnisse  in  Bildern  und 
Skulpturen  keineswegs  ungewöhnlich  gewesen  sein.  Wie  die  Amme  des  großen 
Schauspielers  Roscius  einst  ihren  im  Freien  schlafenden  Säugling  von  einer 
Schlange  umwunden  gefunden,  hatte  Pasiteles  in  einem  Relief  aus  Silber  dar- 
gestellt^).  Im  Roman  des  Apulejus  will  die  Braut,  die  mit  Hilfe  des  Esels  den 
Räubern  entflohen  ist,  ein  Bild  dieses  Ereignisses  im  Atrium  ihres  Hauses  auf- 
stellen lassen^).  In  de'm  Hause  des  Trimalchio  bei  Petron  sind  verschiedene 
Wände  einer  Kolonnade  mit  der  Ilias  und  Odyssee,  einem  Gladiatorenspiel  und 
der  ganzen  Laufbahn  des  Hausherrn  in  teilweise  allegorischer  Darstellung  be- 
malt. Man  sieht  ihn  als  Knaben  auf  einem  Sklavenmarkt,  als  künftigen  Lieb- 
ling Mercurs  mit  dem  Caduceus  in  der  Hand,  von  Minerva  in  Rom  eingeführt. 
Dann  folgen  Bilder,  auf  denen  er  rechnen  lernt,  Kassierer  wird  usw.,  alles  mit 
Unterschriften;  am  Ende  der  Wand  wird  er  von  Mercur  auf  eine  hohe  Tribüne 
gehoben,  ihm  zur  Seite  steht  eine  Glücksgöttin  mit  dem  Füllhorn  und  drei  Par- 
zen, die  goldene  Fäden  spinnen^).  Wie  überhaupt  in  diesem  Roman,  darf  man 
auch  hier  Schilderungen  des  in  gewissen  Kreisen  der  Gesellschaft  Üblichen 
voraussetzen,  wenigstens  annehmen,  daß  derartige  Geschmacklosigkeiten  nicht 
gerade  unerhört  waren.  Das  Grabmal,  das  Trimalchio  sich  bestellt,  erinnert 
übrigens  daran,  daß  auch  auf  solchen  Monumenten  Ereignisse  aus  dem  Leben 
der  Verstorbenen  dargestellt  wurden,  und  zwar  gewiß  oft  in  breitester  Ausführ- 
lichkeit. Trimalchio  will  auf  dem  seinigen  eine  von  ihm  veranstaltete  Bewirtung 
der  ganzen  Gemeinde  abgebildet  haben :  ihn  selbst  soll  man  auf  einer  erhöhten 
Bühne  sitzen  sehen,  in  einer  purpurumsäumten  Toga,  fünf  goldene  Ringe  an 
den  Fingern,  wie  er  aus  einem  Beutel  Geld  unter  das  Volk  streut,  ringsumher 
Tafeln,  an  denen  die  ganze  Bürgerschaft  sich  gütlich  tut^).  Ein  Grabstein 
mit  Darstellungen,  die  den  hier  beschriebenen  ähnlich  sind,  das  Denkmal 
eines  Sevirn  der  Augustalen  in  Brescia,  hat  sich  erhalten^).  Namentlich  die 
hohen,  obeliskenartigen  Grabmäler  der  Maas-  und  Moselgegend  ^)  (wie  das  der 


i)  Daher  Horat.  Sat.  II  l,  32fF.  quo  fit  ut  omnis  votiva  pateat  veluti  descripta  tabella  vifa  setiis. 
2)  Tac.  Hist.  III  74.  Das  angebliche  Bild  der  Abenteuer  von  Daphnis  und  Chloe  im  Hain  der 
Nymphen  zu  Lesbos  im  Eingange  des  Romans  des  Longus  ist  wohl  auch  als  Votivbild  der  beiden 
Liebenden  gedacht.  3)  Cic.  de  div.  I  79.  4)  Apulei.  Metam.  VI  29.  5)  Petron.  29,  3  ff.  6)  ebd. 
71,  9.  7,  CIL  V  4482,  abgebildet  bei  Joh.  Schmidt,  De  seviris  August.  S.  81  ff.  m.  Taf.  Es  gab 
auch  Malereien  auf  Grabdenkmälern.  Lebas-Waddington  1164  =  Kaibel,  Epigr.  gr.  347  (Cius]: 
ev6(i6e  rnvö'  dveGriKa  Ypctqpriv  ör||ardv]Topa  TÜ|ußou.     8)  s.  oben  II  363,  unten  "III  288f.]. 


[UI.  247,  248]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  53 

Secundinier  zu  Igel  und  die  zerstörten  von  Neumagen,  deren  Reliefs  bis  zu  ihrer 
teilweisen  Vernichtung  durch  Fliegerbomben  im  Jahre  19 18  einen  besonderen  • 
Schmuck  des  Trierer  Provinzialmuseums  bildeten)  sind  auf  allen  Seiten  mit  Szenen 
aus  dem  Leben  der  Verstorbenen  geschmückt.  Sie  zeigen  uns  den  Hausherrn 
zu  Pferde  von  der  Jagd  heimkehrend,  die  Hausfrau  im  Ankleidezimmer,  von 
ihren  Sklavinnen  bedient,  Kaufleute  im  Kontor  am  Zahltisch,  im  Warenhause 
an  der  Schnellvvage,  Küfer  im  Weinkeller,  einen  Obstverkauf,  Gutsbesitzer, 
denen  ihre  Pächter  Schafe,  Fische,  Geflügel,  Eier  bringen,  einen  mit  Fässern 
beladenen  Flußkahn  usw.  und  beweisen,  »daß  in  diesem  schönen  Lande  bereits 
vor  anderthalb  Jahrtausenden  friedliche  Tätigkeit,  heiterer  Genuß  und  warmes 
Leben  pulsiert  hat< '). 

Aber  nicht  bloß  Erlebnisse,  auch  bedeutende  Träume  wurden  durch  die  Darstellungen  von 
bildenden  Künste  verewigt.  Eine  Darstellung  des  wichtigsten  der  zahlreichen  Traumgesic  ten. 
Träume,  die  dem  Severus  die  Herrschaft  vorherverkündigten,  in  sehr  großem 
Maßstabe  in  Bronze  ausgeführt,  hatte  Herodian  auf  dem  Forum  zu  Rom  gesehen. 
Severus  hatte  geträumt,  daß  er  Pertinax  auf  einem  königlich  geschmückten 
Pferde  über  die  heilige  Straße  reiten  sah;  aber  am  Anfange  des  Forums  ange- 
kommen, warf  das  Pferd  den  Reiter  ab,  hob  Severus  auf  seinen  Rücken  und 
blieb  mitten  auf  dem  Forum  mit  ihm  stehen^).  Cassius  Dio  hatte  in  Mallos  in 
Cilicien  das  Bild  eines  Traumorakels  gesehen,  das  dem  S.  Quintilius  Condianus 
dort  von  dem  Heros  Amphilochus  erteilt  worden  war,  und  das  jener  sich  hatte 
malen  lassen:  ein  Knabe,  der  zwei  Schlangen  erwürgt,  und  ein  Löwe,  der  ein 
Hirschkalb  verfolgt.  Daß  und  wie  dies  auf  den  Untergang  der  beiden  Brüder- 
Quintilius  hindeutete,  erkannte  man  erst,  als  derselbe  im  Jahre  183  erfolgt  war^). 
In  Lebena  auf  Kreta  weihte  nach  einer  noch  vorhandenen  Inschrift  ein  Diodo- 
rus  dem  Asklepios  für  die  Herstellung  seiner  Augen  »zwei  Traumgesichte«,  d,  h. 
bildliche  Darstellungen  derselben'^). 

Die  denkwürdigsten  Vorgänge  und  Begebenheiten  sollten  durch  plastische  Für  die  Dauer 
und  malerische  Darstellungen  nicht  bloß  für  bestimmte  Veranlassungen  ver-  bestimmte  Bil- 
anschaulicht,  sondern  für  alle  Zeiten  dem  Andenken  der  Nachwelt  erhalten  wer- 
den. Schlachten  und  Belagerungen,  Friedensschlüsse  und  Verträge,  Triumphe, 
Standreden,  Wohltätigkeitshandlungen,  Opfer,  Jagden  usw.  der  Kaiser,  ferner 
Schauspiele,  besonders  Gladiatorenkämpfe  und  Tierhetzen,  wurden  während 
der  ganzen  Kaiserzeit  in  allen  Maßstäben  massenweise  durch  Skulptur,  Malerei 
und  Mosaik  verewigt,  seit  dem  3.  Jahrhundert  hauptsächlich  durch  die  beiden 
letzteren  Künste,  da  teils  die  Technik  der  Plastik  immer  unbehilflicher  wurde, 
teils  große  bunte  Schilderungen  ohne  Zweifel  dem  Geschmack  wie  dem  Illusions- 
bedürfnis der  Massen  mehr  zusagten^).  Der  traurige  Verfall,  den  schon  die 
Reliefs  am  Triumphbogen  des  Severus  zeigen,  läßt  vermuten,  daß  z.  B.  die 
gewiß  sehr  umfangreiche  Darstellung  seiner  sämtlichen  Taten  in  einer  wahr- 
scheinlich von  seinem  Sohne  erbauten  Säulenhalle^)  in  Malerei  oder  Mosaik 
ausgeführt  war.    Wenn  nach  dem  Tode  eines  verhaßten  Regenten  seine  Statuen 

i)  Mommsen  RG.  V  105  f.  H.  Dragendorff,  Westdeutschland  zur  Römerzeit  S.  87 ff.  F.  Hettner, 
lllustr.  Führer  durch  das  Provinzialmuseum  in  Trier  S.  2  ff.  2)  Herodian.  II  9,  5  f.  3)  Cass.  Dio 
LXXII  7,  I  f.  4)  Kaibel,  Epigr.  gr.  839.  5)  Burckhardt,  Zeitalter  Constantins^  S.  269  ff.  6)  Hist. 
aug.  Sever.  21,  12;  Carac.  9,  6. 


54 


XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  249] 


Porträtmalerei. 


Porträts  der 
Kaiser. 


Porträts  orien- 
talischer Prin- 
zessinnen    zur 
Brautwahl. 


Porträts  von 
Privatpersonen. 


und  Denkmäler  umgestürzt  und  zerstört  wurden,  blieben  auch  solche  Bilder 
natürlich  nicht  verschont.  So  ließ  der  Senat  ein  großes  vor  der  Kurie  aufge- 
stelltes Bild,  auf  dem  Maximinus  einen  von  ihm  über  die  Germanen  erfochtenen 
Sieg  hatte  malen  lassen,  nach  seinem  Falle  verbrennen').  Doch  vieles  entging 
auch  in  solchen  FälUen  der  Zerstörung,  besonders  im  Innern  der  kaiserlichen 
Schlösser. 

Porträtbilder  lieferte  die  Malerei  natürlich  vorzugsweise  für  innere  Räume, 
also  mehr  für  private  als  öffentliche  Zwecke,  doch  waren  neben  Ehrenstatuen 
auch  Ehrenbilder,  die  in  Tempeln  oder  öffentlichen  Gebäuden  angebracht 
wurden,  besonders  in  griechischen  Städten  nicht  selten^).  Nero  ließ  sich  auf 
Leinwand  in  einer  Figur  von  120  Fuß  (=  35  7,  Meter)  Höhe  malen ^j.  Herodian 
hatte  ein  Bild  gesehen,  auf  dem  ein  Leib  einen  Kopf  mit  zwei  Gesichtern, 
Alexanders  des  Großen  und  Caracallas,  trug'*].  Elagabal  kündigte  sich  durch 
ein  großes  selbstgemaltes,  nach  Rom  vorausgesandtes  Bild  dort  an,  auf  dem  er 
in  einheimischer  Priestertracht  seinem  Gotte  opfernd  dargestellt  war,  mit  dem 
Befehl,  es  im  Senatssaal  über  der  Statue  der  Victoria  anzubringen^).  Die  Ein- 
fachheit der  Kleidung  des  Claudius  Gothicus  sah  man  noch  in  Julians  Zeit  an 
dessen  Bildern^);  und  die  Ähnlichkeit  Theodosius  des  Großen  mit  Trajan  ließ 
sich  aus  den  Bildern  des  letzteren  feststellen^).  Als  Constantin  die  Statuen  des 
alten  Maximianus  niederreißen  ließ,  verschwanden  auch  seine  Bilder  von  den 
Wänden^).  Die  »Sitte  der  Könige«,  sich  zur  Brautwahl  Porträts  von  Prinzes- 
sinnen senden  zu  lassen,  von  welcher  Honorius  bei  Claudian  spricht^),  dürfte 
•im  Orient  heimisch  gewesen  sein'°)  und  von  dort  sich  in  den  Westen  verbreitet 
haben.  Die  jüdische  Fürstin  Alexandra  sandte  auf  den  Rat  des  Dellius  an  Marc 
Anton  Porträts  ihrer  beiden  Kinder,  des  sechzehnjährigen  Aristobulus  und  der 
Gemahlin  des  Herodes  Mariamne,  um  durch  die  wunderbare  Schönheit  beider 
ihn  für  ihr  Anliegen  (die  Verleihung  des  Priestertums  an  Aristobulus)  günstig 
zu  stimmen"). 

Auch  im  Privatleben  wurde  die  Porträtmalerei  ganz  allgemein  in  Anspruch 
genommen,  um  die  Züge  und  Gestalten  berühmter  und  interessanter,  geliebter 
und  verehrter  Personen  für  einzelne  wie  für  größere  Kreise  festzuhalten.  Ein 
Porträt  der  durch  ihr  Verhältnis  zu  dem  jugendlichen  Pompejus  berühmten, 
wunderschönen  Kurtisane  Flora  stellte  Metellus  Dalmaticus  in  dem  von  ihm 


I)  Herodian.  VII  2,  8  =  Hist.  aug.  Maximini  duo  I2,  lof.  Mosaikbild  des  Theoderich  auf  einer 
Wand  auf  dem  Forum  zu  Neapel  Procop.  B.  G.  I  24,  22.  Mosaiken  im  kaiserlichen  Palast  zu 
Byzanz,  Taten  Justinlans  darstellend,  I'roc.  de  aedif.  I  lo  p.  204  Dind.  2)  Eikujv  YpoTTTf)  xeXei'a 
eines  auXr)Tri(;  ev  Aiovuöi'uj  (Teos)  CIG  3068  B.  Vgl.  3524  (Cyme).  3085.  2775  c.  d  (Aphrodisias): 
eiKova^  YPö^fTTCK;  ev  ottXok;  emxpvooic,,  in  Lycien  häufig  Ehrungen  cIkovi  x^tA-Krl  koi  eiKOvi  Ypairx^ 
emxpuöuJ,  z-  B.  IGR  III  488.  515  und  in  den  Opramoas-Inschriften  ebd.  739  II  76.  IV  86.  V  47.  IX  5 
(s.  dazu  Dittenberger,  Or.  gr.  571  n.  4).  CIL  XIV  24lo  =  Dessau  6190  (Bovillae  158  n.  Chr.):  tjuod 
permiserunt  in  clufeo,  quod  ei  posucrun\t  ante\  templum  ?toum  [iic),  pingere  effigiem  Ma[nliae\  Severinae 
virginis  Albänae  maxi[ifiae  soro]ris  suae  post  excessum  vitae  eiu[s\.  Vgl.  Marquardt,  Privatl.*  244,  4. 
Aufstellung  der  Statue  eines  Patrons  cum picturam  similitudinis  eins  (Aquinum)  CIL  X  5426.  3)  Plin. 
n.  h.  XXXV  51.  4)  Herodian.  IV  8,  2.  5)  ebd.  V  5,  6  f.  (cIkÖvo  |U€YiöTriv  yP<^M^ci^  iravTÖq 
eauToO).  6)  Julian,  orat.  i  p.  7A.  7)  Victor  Epit.  48,  8.  Vgl.  über  Gemälde  der  Kaiser  Gotho- 
fred.  zu  Cod.  Theodos.  XV  4,  i.  8)  Lact,  de  mort.  persec.  42,  i.  9)  Claudian.  epithal.  de  nupt. 
Honor.  23 — 27.  10)  Regum  externonim  consuetudine  Tac.  A.  XVI  6:  nach  der  Sitte  orientalischer 
Könige.     1 1)  Joseph.  A.  J.  XV  26  f. 


[III.  250,  25 i] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


55 


Büchern  — 


restaurierten  und  mit  Gemälden  und  Statuen  geschmückten  Kastortempel  am 
Forum  auf).  Die  Freunde  des  Atticus  in  Athen  besaßen  das  Porträt  Epikurs 
auf  Bildtafeln,  Trinkbechern  und  Ringsteinen ^).  Die  Bilder  der  damals  gesuch- 
testen Porträtmaler  Roms,  Sopolis  und  Dionysius,  füllten  noch  in  Plinius  Zeit 
die  Galerien,  viel  höher  als  ihre  Bilder  wurden  jedoch  die  Frauenporträts  der 
unvermählt  gebliebenen  Malerin  Jaja  aus  Cyzicus  bezahlt,  die  auch  sich  selbst 
im  Spiegel  gemalt  hatte  ^).  Unter  den  Wandbildern  Pompejis  sind  besonders 
bemerkenswert  die  Porträts  des  Bäckermeisters  P.  Paquius  Proculus  mit  seiner 
Frau'*)  und  ein  neuerdings  aufgedecktes  Miniaturporträt  hinter  BergkristalP). 
Die  Angabe  des  Plinius,  daß  die  Porträtmalerei  durch  die  Mode  der  bronzenen 
und  silbernen  Medaillons  völlig  verdrängt  worden  sei,  bezieht  sich  zunächst  auf 
die  Atrien  vornehmer  Häuser;  eine  große  Verbreitung  dieser  Medaillons  war 
durch  ihre  Kostbarkeit  ausgeschlossen. 

Bereits  in  der  letzten  Zeit  der  Republik  entstanden  infolge  der  Beliebtheit  von  Porträts  in 
Porträtbildnissen  Zusammenstellungen  von  solchen,  die  durch  den  Buchhandel 
verbreitet  wurden.  Atticus  gab  eine  Sammlung  von  Porträts  berühmter  Römer 
mit  kurzen  Unterschriften  biographischen  Inhalts  heraus;  Varro  ein  großes 
Werk,  das  700  Bildnisse  von  Griechen  und  Römern  (Staatsmännern,  Feldherrn, 
Dichtern,  Schriftstellern,  Gelehrten,  Künstlern  usw.)  enthielt  und  diesen  nach 
dem  Ausdruck  des  Plinius  durch  seine  Versendung  in  alle  Länder  eine  Art 
Allgegenwart  verlieh^).  Mindestens  die  Porträts  der  Autoren  vor  ihren  Schriften 
blieben  gewöhnlich.  Seneca  spricht  von  den  Werken  großer  Geister,  die  samt 
deren  Bildnissen  vervielfältigt  sind^);  Martials  erste  Sammlung  von  Sinngedich- 
ten war  mit  dem  Bildnisse  des  Dichters  geschmückt^);  er  erwähnt  eine  kleine 
Pergamentausgabe  des  Vergil  mit  einem  solchen^)  und  bezeichnet  philosophische 
Bücher  als  diejenigen,  welche  durch  Köpfe  mit  struppigem  Haar  und  Bart 
verunziert  werden  *°).  Vermutlich  ist  auch  bei  den  Augenkrankheiten,  welche 
nach  Galen  Maler  sich  durch  Malen  auf  weißem  Pergament  zuzogen,  an  diese 
Titelbilder  und  andre  Illustrationen  der  Bücher  zu  denken").  Der  nestorianische 
Christ  Honein  ibn  Ishäq  (f  873)  sagt,  daß  in  den  alten  Rollen,  aus  denen  er 
griechische  Autoren  ins  Syrische  und  Arabische  übersetze,  am  Anfange  jedes 
Buchs  eines  Philosophen  dessen  Figur  auf  einem  Hochsitz,  vor  dem  die  Schüler 
standen,  abgebildet  war").  Die  Bibliotheken  wurden  nicht  bloß  mit  Büsten  und 


in  Biblio- 
theken. 


Der  jüngere  Plinius  bestellte  bei  einem  Freunde  in  einer  Stadt  Oberitaliens  (im 


i)  Plutarch.  Pompei.  2;  vgl.  Jordan,  Topogr,  I  2  S.  371,  79.  2)  Cic.  de  fin.  V  3.  3)  Plin.  n.  h. 
XXXV  147 f.;  der  Name  der  Malerin  ist  wahrscheinlich  entstellt.  4)  Delbrück,  Antike  Porträts 
Taf.  38,  vgl.  S.  XLIX.  5)  Notiz,  d.  Scavi  1910  S.  382;  ein  Mosaikporträt  ebd.  1898  S.  172 f. 

6)  Plin.  n.  h.  XXXV  11.  Nep.  Attic.  18,  5.  7)  Seneca  de  tranquill,  animi  9,  7.  8)  Crusius,  Rhein. 
Mus.  XLIV  1889  S.  455.  Immisch,  Hermes  XLVI  1911  S.  484.  9)  Martial.  XIV  186.  Über  Por- 
träts von  Dichtern  und  Schriftstellern  in  Handschriften  s.  E.  Bethe  in  der  Leidener  Reproduktion 
des  Ambrosianus   des  Terenz  (1903)  S.  60  ff.  10)  Martial.  IX  47,  2:  quidqiiid  et  hirsutis  squakt 

imaginibtis.  Il)  Galen.  III  776.  12)  Steinschneider,  Hebräische  Bibliographie  XXI  1881  S.  36. 
13)  In  der  Inschrift  CIL  VI  8679  Onesinms  Cacs{aris  servus)  vilic[us)  ther7nar[jim]  bybliothe[cat) 
Graec{ae)  ist  tkermar.  nicht  in  hermar.zw  ändern;  vielleicht  war  er  in  der  Bibliothek  in  den  Alexander- 
thermen angestellt,  Hirschfeld,  Rom,  Verw.-Beamt.  304,  5.  M.  Ihm,  Centralbl.  f.  Bibliothekswesen 
X  1893  S.  527. 


56 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[IIL  252] 


Allgemeine 
Verwendung 
der   Porträt- 
malerei. 


Lande  der  Insubrer)  Bilder  des  Cornelius  Nepos  und  des  epikureischen  Philo- 
sophen T.  Catius,  die  dort  geboren  waren,  für  die  Bibliothek  eines  andern 
Freunds:  er  bittet,  die  Kopien  der  dort  vorhandenen  Porträts  einem  möglichst 
zuverlässigen  Künstler  zu  übertragen"). 

Ohne  Zweifel  hatte  man  wenigstens  in  jeder  größeren  Stadt  die  Wahl  zwischen 
mehreren  Künstlern  und  war  in  der  Lage,  sich  nur  für  einen  bewährten  ent- 
scheiden zu  dürfen''),  Martial  ließ  sich  für  den  an  der  Donau  kommandierenden 
Cäcilius  Secundus  malen  ^);  sein  Porträt  für  die  Bibliothek  des  Stertinius  Avitus 
kann  ebenfalls  ein  gemaltes  gewesen  sein^);  er  erwähnt  ferner  Porträtgemälde 
des  Tragödiendichters  Memor,  des  Cäsonius  Maximus,  des  (im  Alter  von  20 
Jahren  verstorbenen)  Camonius  Rufus  als  Kind,  des  M,  Antonius  Primus  (das 
er  mit  Violen  und  Rosen  bekränzte):  sämtlich,  wie  es  scheint,  Brustbilder^). 
Statius  hatte  die  Mutter  des  Claudius  Etruscus  nicht  persönlich  gekannt;  aber 
ihr  Bild  zeigte  ihm,  daß  ihre  außerordentliche  Schönheit  dem  Ruf  entsprach^). 
Daß  Familien  von  ihren  verstorbenen  Angehörigen  nicht  bloß  plastische,  son- 
dern auch  gemalte  Bildnisse  machen  ließen,  war  oftenbar  ganz  gewöhnlich^). 
Die  Züge  des  Antinous  kannte  Pausanias  aus  dessen  Statuen  und  Bildern,  letz- 
tere waren  besonders  zahlreich  in  seinem  Tempel  zu  Mantinea,  wo  er  meist 
als  Dionysos  gemalt  war^).  Commodus  ließ  seine  Geliebte  Marcia  als  Amazone 
malen^).  Die  Mutter  des  Sophisten  Alexander  Peloplaton  war,  wie  ihre  Ge- 
mälde bewiesen,  von  seltener  Schönheit  und  der  Helena  des  Eumelus  ähnlich '°). 
Ein  Bild  des  Sophisten  Varus  aus  Perge  sah  man  in  dem  dortigen  Tempel  der 
Artemis").  Plotinus,  der  sich  weigerte,  einem  Maler  oder  Bildhauer  zu  sitzen, 
wurde  ohne  sein  Wissen  von  dem  besten  damaligen  Maler  Carterius  gemalt,  der 
seinen  Vorträgen  beiwohnte  und  dann  sein  Porträt  nach  der  Erinnerung  aus- 
führte"'').  Auch  der  Spott  Lucians  über  die  Torheit  derer,  'die  den  Porträtmalern 
auftrugen,  sie  zu  verschönern,  »etwas  von  der  Nase  abzunehmen,  die  Augen 
schwärzer  zu  machen«  usw.,  was  besonders  Frauen  taten,  setzt  eine  allgemeine 
Anwendung  der  Porträtmalerei  voraus'^  ;  desgleichen  die  Bemerkung  Plutarchs, 
daß  die  Maler  nur  nach  der  Ähnlichkeit  des  Gesichts,  in  welchem  sich  der 
Charakter  offenbart,  strebten,  um  die  übrigen  Körperteile  aber  sich  wenig  küm- 
merten"*). Die  Rede  des  Malers,  der  sich  in  ein  von  ihm  porträtiertes  Mädchen 
verliebt  hat,  war  ein  Thema  der  griechischen  Rhetorenschule'^). 

Einen  überraschenden  Einblick  in  die  von  ägyptischen  Griechen  geübte 
Porträtmalerei  haben  uns  die  zahlreichen,  auf  Holz  gemalten  Bildnisse  gewährt, 
die  im  Faijüm  am  Mörissee  zum  Vorschein  gekommen  sind;  sie  waren  bestimmt, 
über  dem  Gesichte  der  Mumie  in  defen  Umhüllung  eingelassen  zu  werden  und 
so  die  Züge  der  Verstorbenen  zu  zeigen'^).   »Sie  stammen  alle  aus  der  Kaiser- 


l)  Plin.  ep.  IV  28.  2)  Scribon.  Larg.  compos.  praef.  p.  4,  10  Helmr.  cum  Interim  ncvio  71c  ima- 
ginem  qiiidem  suam  coDimittat  phigcndam  nisi  probate  prius  artifici  per  qnaedam  experimenta  atcpie 
ita  ehcto.  3)  Martial.  VII  84.  Vgl.  Mommsen,  Ges.  Schrift.  IV  413,  4.  4)  Martial.  IX  praef. 
5)  ebd.  XI  9.  VII  44.  IX  74.  76.  X  32.  6)  Stat.  S.  III  3,  112  f.  7)  Plin.  ep.  III  10,  6.  8)  Pausan. 
VIII  9,  7.         9)  Hist.  aug.  Commod.  11,  9.  10)  Philostrat.  Vit.  soph.  II  5,  i.  Ii)  ebd.  II  6. 

12)  Porphyr.  Vit. Plotini  i,  i.  13)  Lucian.  Quom.  hist.  conscr. s.  13;  Pro  imag.  6.  Vgl.  Eunap.  v. soph. 
p.  460,  51  Boiss.  14)  Plutarch.  Alex,  i,  3.  15)  Liban.  prog.  XI  27  (VIII 435  F.).  16)  Vgl.  damit  die 
karthagischen  Steinsarkophage  aus  dem  4.  und  3.  Jahrhundert  v.  Chr.,  die  auf  dem  Deckel  die  be- 


[n.  253] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


57 


zeit,  die  meisten  aus  dem  2.  Jahrhundert.  Teils  mit  Wachsfarben,  teils  mit 
Temperafarben,  teils  in  gemischter  Technik  ausgeführt,  bieten  sie  lebensvolle 
Darstellungen  von  Männern  und  Frauen  von  höchst  individuellem  Gepräge, 
man  glaubt  das  Völkergemenge  Ägyptens  vor  sich  zu  sehen« '). 

Die  zur  Aufstellung  in  unbedeckten,  besonders  öffentlichen  Räumen  bestimm- 
ten Bildnisse  von  Personen  konnten  fast  nur  plastische  sein.  Ein  immerhin  nicht 
geringer  Teil  derselben  hat  sich  erhalten,  von  einem  bei  weitem  größeren  die 
mit  Inschriften  versehenen  Postamente:  und  diese  äußerst  zahlreichen  Über- 
bleibsel, verbunden  mit  Nachrichten  der  Schriftsteller,  lassen  uns  von  der  wahr- 
haft unglaublichen  Menge  sowie  den  Gattungen  und  Veranlassungen  dieser 
Monumente  einen  ganz  andern  Begriff  gewinnen,  als  die  angeführten  dürftigen 
Nachrichten  von  der  Verwendung  der  Malerei  zu  persönlicher  Darstellung.  In 
der  Tat  ist  nichts  so  geeignet,  von  der  Unermeßlichkeit  der  künstlerischen 
Produktion  in  den  beiden  ersten  Jahrhunderten  eine  annähernde  Vorstellung  zu 
geben  wie  eine  Betrachtung  der  Hauptgattungen  der  zum  öffentlichen  oder 
Privatgedächtnis  bestimmten  persönlichen  Bildwerke  dieser  Zeit. 

In  erster  Reihe  stehen  hier  die  Büsten,  Medaillons  und  Statuen  der  Kaiser 
und  Personen  der  kaiserlichen  Familie.  Ein  öffentlich  aufgestelltes  Bild  des 
regierenden  Kaisers  konnte  schon  darum  in  keiner  Stadt,  in  keinem  Lager"") 
fehlen,  weil  es  bald  Gegenstand  eines  überall  eingeführten  und  geforderten 
Kultus  war.  Schon  zu  Ehren  Cäsars  hatte  der  Senat  beschlossen,  »daß  seine 
Statue  in  den  Städten  und  in  allen  Tempeln  Roms  sein  sollte«  ^).  August  hatte 
den  Kult  seiner  Person  auf  die  Provinzen  beschränkt,  Tiber  die  Aufstellung 
seiner  Statue  unter  den  Bildern  der  Götter  überhaupt  verboten  und  nur  unter 
den  zum  Schmucke  der  Tempel  dienenden  Kunstwerken  erlaubt^).  Noch  Cali- 
gula  erließ  im  Anfange  seiner  Regierung  ein  ähnliches  Verbot,  das  er  aber 
schnell  zurücknahm^);  und  bald  hatten,  wie  Josephus  sagt,  alle  unterworfenen 
Völkerschaften  Stadt  für  Stadt  neben  den  andern  Göttern  auch  seine  Bildsäule 
aufgestellt^).  Vielleicht  schon  seit  dem  Anfange  des  Kaisertums,  jedenfalls  wohl 
seit  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts,  bestand  die  Sitte,  daß  bei  jedem  Regierungs- 
antritt lorbeerbekränzte  Bilder  des  neuen  Kaisers  (die  allerdings  auch  gemalte 
sein  konnten  und  in  der  späteren  Zeit  wohl  in  der  Regel  solche  waren)  in  die 

malte  Reliefdarstellung  des  Verstorbenen  in  ganzer  Figur  zeigen  (A.  Schulten,  Arch.  Anz.  1904 
S.  118  ff.),  offenbar  unter  ägyptischem  Einfluß. 

l)  Michaelis -Wolters  a.  a.  O.  S.  551;  vgl.  dazu  Wilcken,  Arch.  Anz.  1889  S.  i  ff.  Wickhoff, 
Rom.  Kunst  (Schriften  III)  S.  174  f.  Gute  Abbildungen  bei  G.  Möller,  Das  Mumienporträt  (Was- 
muths  Kunsthefte  i),  dort  auch  Literaturangaben.  2)  Mommsen  StR.  I^  450.  IP  814 f.  Tac.  Hist. 
I  36:  in  stiggestu,  in  quo  patilo  a7ite  aurea  Galbae  stattia  fueraf,  medium  inter  signa  Othonem.  IV  37 : 
Vitellii  tarnen  imagines  in  castris  et  per  proximas  Belgarum  civitates  repositae,  cum  iam  Vitellius 
occidisset.  Hist.  aug.  Elagab.  13,  7:  misit  qui  et  in  castris  statuaru/n  eius  titulos  luto  tegeret.  Vgl. 
O.  Hirschfeld,  Arch.  epigr.  Mitt.  II  (1878)  S.  179  f.  und  über  signa  castrensia  zu  CIL  XII  3058 
(Nemausus) :  signa  deoriiui  argentea  castrensia.  Die  Aufstellung  der  Statue  auch  des  Thronfolgers 
im  Fahnenheiligtum  ist  von  Hadrian  verfügt  worden,  der  die  Form,  durch  Ernennung  eines  Cäsars 
über  die  Nachfolge  zu  bestimmen,  erdacht  hat.  v.  Domaszewski,  Westd.  Zeitschr.  XIV  (1895) 
S.  72,  3)  Cass.  Dio  XLIV  4,  4.  4)  Sueton.  Tiber.  26,  i.  Cass.  Dio  LVII  9,  i.  Dagegen  errichtet 
der  Senat  dem  Nero  im  Tempel  des  Mars  Ultor  eine  Statue  von  gleicher  Größe  wie  die  des  Gottes, 
Tac.  A.  XIII  8.     5)  Cass.  Dio  LIX  4,  4.     6)  Joseph.  B.  J.  II  194. 


Plastische  Dar- 
stellungen von 
Personen. 


Büsten  und  Sta- 
tuen der  Kaiser; 
ihre  allgemeine 
Verbreitung  und 
ihr  Kultus. 


58  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  254] 

Provinzialstädte  gesandt  wurden;  Trompetenschall  kündigte  sie  an,  ein  langer 
Zug  von  Soldaten  schritt  dem  reich  geschmückten  Träger  des  Bildnisses  voraus, 
das  Volk  zog  ihm  zum  festlichen  Empfange  mit  Lichtern  und  Weihrauchfässern 
entgegen^].  Verfolgten,  namentlich  Sklaven  boten  die  Kaiserbildnisse  ein 
AsyP),  man  huldigte  ihnen  wie  den  Götterbildern  mit  Opfern  und  Spenden  von 
Weihrauch  und  Wein.  Unter  Domitian  war  die  auf  das  Kapitol  führende  Straße 
nicht  breit  genug  für  die  Herden  von  Opfertieren,  die  dort  fortwährend  hinauf- 
geführt wurden,  um,  wie  Plinius  sagt,  die  scheußlichen  Bilder  des  Despoten  mit 
so  viel  Blut  zu  verehren,  als  er  selbst  Menschenblut  vergoßt).  Die  Weigerung 
der  Adoration  wurde  als  Majestätsbeleidigung  bestraft  und  war  ein  Hauptgrund 
der  Christenverfolgungen'*).  Doch  auch  in  der  christlichen  Zeit  dauerte  der 
heidnische  Kultus  der  Kaiserbildnisse  fort,  und  Theodosius  II.  sah  sich  im 
Jahre  425  veranlaßt,  ihn  durcU  einen  eignen  Erlaß  einzuschränken,  damit 
»eine  Verehrung,  welche  die  Menschenwürde  übersteigt,  der  Gottheit  gewahrt 
bleibe«^).  Noch  viel  strenger  als  die  Weigerung  der  Adoration  wurde  jede 
Antastung  oder  Beleidigung  der  Kaiserbildnisse  geahndet,  am  schärfsten  bei 
Soldaten.  Schon  im  Jahre  1 5  wurde  Granius  Marcellus,  Prätor  von  Bithynien, 
der  einer  Statue  Augusts  den  Kopf  abgenommen  hatte,  um  den  Tibers  aufzu- 
setzen, wegen  Majestätsverletzung  angeklagt  und  entging  mit  Not  der  Verurtei- 
lung; bald  galt  es  als  Kapitalverbrechen,  bei  dem  Bilde  Augusts  einen  Sklaven 
geschlagen,  die  Kleider  gewechselt  zu  haben^).  Ausdrücklich  bemerken  die 
Juristen  des  3.  Jahrhunderts,  daß,  wer  verworfene  Statuen  des  Kaisers  ein- 
schmelze, sich  der  Majestätsverletzung  nicht  schuldig  mache;  ebensowenig,  wer 
schadhaft  gewordene  ausbessere,  wer  eine  durch  einen  Steinwurf  zufällig  treffe; 
auch  den  Verkauf  von  noch  nicht  konsekrierten  Kaiserbildnissen  erklärten  Sever 
und  Caracalla  nicht  für  strafbar:  um  so  selbstverständlicher  ist,  daß  es  die  Ein- 
schmelzung  oder  sonstige  Antastung  von  bereits  konsekrierten  war^). 
Zerstörung  der  Je  Schwerer  nun  unter  der  Regierung  verhaßter  Kaiser  der  Zwang  der  Ver- 
Denkmaler  yer-  e^rung  ihrer  Bildnisse  ertragen  wurde,  desto  leidenschaftlicher  tobte  sich  die 
besonders  Do-  lange  verhaltene  Volkswut  bei  einem  Regierungswechsel  in  ihrer  Zerstörung 
mitians.  und  Beschimpfung  aus^).  Am  allgemeinsten  war  vielleicht  der  Ausbruch  der 
Volkswut  beim  Tode  Domitians,  und  darum  auch  die  Zerstörung  seiner  Denk- 
mäler die  gründlichste.  Ganz  Rom  war  mit  seinen  prahlenden,  häufig  kolossalen 
Monumenten,  die  besonders  zahlreich  am  Aufgange  von  der  heiligen  Straße 
zum  Palatium  standen^),  und  nicht  das  Kapitol  allein  mit  seinen  goldenen  und 
silbernen  Statuen  und  Bildnissen  angefüllt*"),  sondern,  wie  Cassius  Dio  sagt, 

l)  Gothofred.  zu  Cod.  Theodos.  VIII  11,  4.  5.  Mommsen  StR.  II  2^  S.  X  l.  2)  Philostr.  Apoll. 
Tyan.  I  15.  Plin.  ad  Trai.  74,  i.  Sueton.  Aug.  17,  5;  Tiber.  53,  2.  Gaius  I  53.  Cod.  lust.  I  25, 
wo  confugere  ad  imperatoria  simulacra  gleichbedeutend  mit  dem  allgemeinen  Ausdrucke  ad  statuas 
confugere  (Seneca  Controv.  X  2,  10.  Seneca  de  dem.  I  18,  2.  Digest.  I  6,  2.  12,  l  §  i.  XXI  l,  19 
§  I  u.  a.)  gebraucht  ist.  3)  Plin.  Paneg.  52,  7.  4)  Plin.  ad  Tr.  96,  5  f.  5)  Cod.  Theodos.  XV  4,  i. 
6)  Tac.  A.  I  74,  vgl.  Sueton.  Tiber.  58.  Gamurrini,  Strena  Helbigiaiaa  (1900)  S.  93fF.  Philostr. 
Apoll.  Tyan.  I  15.  Mommsen,  Strafrecht  S.  585,  i.  7)  Dig.  XLVIII  4,  4  §  i.  5  f.  7  §  4.  8)  Auch 
die  Statuen  Napoleons  und  seiner  Familie  wurden  1813  in  Massa  und  Carrara  zertrünjmert :  Eggers, 
Christian  Daniel  Rauch  I  133.  9)  Martial.  I  70,  6.  10)  Plin.  Paneg.  52,  3;  andre  als  goldene  und 
silberne  wurden  von  ihm  dort  überhaupt  nicht  zugelassen,  und  auch  diese  nur  von  einem  be- 
stimmten Mindestgewicht,  Sueton.  Domitian.  13,  2.  Stat.  Silv.  V  i,  189 f. 


[II.  2  55,  256] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


59 


fast  das  ganze  Reich').  Auf  die  Nachricht  von  seiner  Ermordung  machte  der 
Senat  seiner  Freude  nicht  bloß  durch  laute  Schmähungen  des  Gefallenen  Luft, 
sondern  beschloß,  daß  sogleich  Leitern  gebracht,  seine  Medaillons  und  Bild- 
nisse herabgerissen  und  auf  den  Boden  geschmettert,  dann,  daß  seine  Inschrif- 
ten überall  ausgemeißelt,  und  sein  ganzes  Gedächtnis  vertilgt  werden  solle*). 
Der  Umsturz  und  die  Zerstörung  seiner  zahllosen  kostbaren  Statuen,  sagt  der 
jüngere  Plinius  4  Jahre  später,  war  ein  der  allgemeinen  Freude  gebrachtes 
Opfer.  Man  freute  sich,  das  übermütige  Gesicht  gegen  den  Boden  zu  schlagen, 
mit  Eisen,  mit  Beilen  dagegen  zu  wüten,  als  wenn  die  Schläge  verwunden  und 
Schmerzen  zufügen  könnten.  Niemand  konnte  seine  Freude  und  den  so  späten 
Jubel  so  weit  mäßigen,  daß  es  ihm  nicht  als  eine  Rache  erschien,  den  Körper 
und  die  Glieder  zerrissen  und  verstümmelt,  endlich  das  finstere  und  abschreckende 
Gesicht  in  die  Flammen  geworfen  und  geschmolzen  zu  sehen  ^).  Diese  oder 
eine  ähnliche  Stelle  hat  die  von  Procop  erzählte  Sage  veranlaßt:  Domitian  sei 
in  Stücke  zerrissen  worden,  seine  Gemahlin  habe  mit  Erlaubnis  des  Senats  die 
Stücke  des  Körpers  zusammengesetzt  und  danach  eine  Bronzestatue  gießen 
lassen;  diese,  die  am  Aufgange  zum  Kapitol  vom  Forum  rechter  Hand  stand, 
war  nach  Procop  die  einzige  vorhandene  Domitians  und  zeigte  die  größte  Ähn- 
lichkeit zwischen  ihm  und  Justinian"*).  Ähnliche  Zerstörungen  wie  die  Bildnisse 
des  Domitian  erfuhren  die  des  Commodus^),  Maximinus  (die  Gemälde  des  letz- 
teren wurden  zum  Teil  mit  schwarzer  Farbe  überzogen)^)  und  andre:  infolge 
der  unaufhörlichen  Empörungen,  Bürgerkriege  und  gewaltsamen  Thronwechsel 
in  den  späteren  Jahrhunderten  wiederholten  sich  solche  Szenen  immer  von 
neuem  bis  in  die  letzten  Zeiten  des  Altertums^).  Daß  in  diesen  (wie  natürlich 
nicht  selten  auch  früher)  statt  der  Zerstörung  meist  eine  Umwandlung  der  Bild- 
nisse stattfand,  bezeugt  Hieronymus:  wenn  ein  Tyrann  getötet  wird,  werden 
auch  seine  Statuen  und  Bilder  umgestürzt,  und  nachdem  nur  das  Gesicht  ver- 
ändert und  der  Kopf  abgenommen  ist,  das  Gesicht  des  Siegers  aufgesetzt,  um 
später  mit  neuen  Köpfen  vertauscht  zu  werden,  während  der  Körper  derselbe 
bleibt'). 

Doch  in  den  beiden  ersten  Jahrhunderten  ist,  soviel  wir  wissen,  Domitian  Erhaltung  der 
der    einzige    Kaiser    gewesen,    dessen  Bildnisse    überall    vernichtet    wurden  f^r^^hau^t'sS- 
und  der  Zerstörung  nur  ausnahmsweise  entgingen.     Denn  die  Statuen  und  Hch  durch  die 
Denkmäler  des  Commodus  müssen  wenigstens  zum  Teil  wieder  aufgerichtet  Konsekration, 
worden  sein.    Am  ersten  Januar  193  hatte  der  Senat  mit  leidenschaftlichen  Ak- 
klamationen die  Niederreißung  der  Bildsäulen  >des  Vaterlandsfeinds,  des  Mör- 
ders, des  Gladiators«  dekretiert  und  an  Stelle  einer  der  Kurie  gegenüber  stehen- 
den, ihn  (wie  so  viele  andre)  als  Hercules  mit  drohend  gespanntem  Bogen 

l)  Cass.  Dio  LXVn  8,  i.  2)  Sueton.  Domitian.  23,  i.  Gewiß  wurde  auch  die  von  Statins  be- 
schriebene Reiterstatue  auf  dem  Forum  umgestürzt,  Jordan,  Eph.  ep.  III  p.  257;  vgl.  Hülsen,  Das 
Forum  Romanum^  S.  I28f.  3)  Plin.  a.  a.  O.  §  4.  5.  Vgl.  die  ganz  ähnliche  Beschreibung  der  Zer- 
störung einer  kolossalen  Bronzestatue  Albas  in  Antwerpen  (1577),  bei  Motley,  Abfall  der  Nieder- 
lande (deutsch)  III  204.  4)  Procop.  Hist.  arcana  8  p.  55  f.  Dind.  5)  Cass.  Dio  LXXIII  2,  i.  Hist. 
aug.  Commod.  20,  4;  Pertin.  6,  3.  6)  Euseb.  H.  e.  IX  11,  2;   vgl.  Hist.  aug.  Elagab.  13,  7. 

7)  Marcellin.  Comes  z.  J.  512  [Mommsen,  Chron.  min.  II  98,  4)  Areobindam  sibi  imperatortm  fieri 
clamitant,  imaginibus  deinde  statuisqiu  Anastasii  in  terram  deiectis  usw.  8)  Hieronym.  in  Habacuc 
II  3,  14  (Migne  lat.  XXV  1329). 


6o  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  257J 

darstellenden  Statue  die  der  Göttin  der  Freiheit  errichten  lassen').  Im  Jahre 
197  wurde  derselbe  Senat  von  Severus  gezwungen,  Commodus  als  Gott  anzu- 
erkennen': .  Selbstverständlich  sicherte  die  Konsekration  auch  die  fernere  Dauer 
der  Bildnisse  und  veranlaßte  selbst  die  Errichtung  neuer^).  Wie  Severus  die 
Apotheose  des  Commodus  und  Pertinax,  so  ließ  Macrinus  die  des  Caracalla, 
durch  dessen  Ermordung  er  auf  den  Thron  gelangt  war,  vom  Senat  beschließen, 
bei  welcher  Gelegenheit  er  die  Errichtung  von  zwei  Statuen  Severs  in  Trium- 
phaltracht, und  sechs  Caracallas  (zwei  Reiterstatuen,  zwei  stehende  in  kriege- 
rischer, zwei  sitzende  in  bürgerlicher  Tracht)  verfügte"*).  Außer  Domitian  sind 
die  nicht  unter  die  Götter  versetzten  Kaiser  der  beiden  ersten  Jahrhunderte 
Tiber,  Caligula,  Nero,  Galba,  Otho,  Vitellius  gewesen  (die  von  Nero,  wohl  nach 
dem  Tode  der  Octavia,  aufgehobene  Konsekration  des  Clauaius  wurde  von 
Vespasian  wiederhergestellt)^).  Die  auch  von  all  diesen,  zum  Teil  verhältnis- 
mäßig sehr  zahlreich  erhaltenen  Bildnisse  und  Denkmäler  bezeugen  hinläng- 
lich, daß  die  Konsekration  keineswegs  eine  unerläßliche  Bedingung  der  Erhal- 
tung war.  Daß  sie  diese  aber  am  wirksamsten  sicherte,  ist  selbstverständlich. 
In  Tarraco,  der  Hauptstadt  des  diesseitigen  Spaniens  und  zugleich  dem  Mittel- 
punkte des  dortigen  Kaiserkults,  war  einer  der  angesehensten  Männer  vom 
Provinziallandtage  »zur  Instandhaltung  der  Statuen  des  vergötterten  Hadrian« 
eigens  erwählt  worden^).  In  den  Besitz  des  jüngeren  Plinius  waren  mit  ver- 
schiedenen Grundstücken  auch  die  auf  denselben  errichteten  Statuen  der  frühe- 
ren Kaiser  übergegangen  und  dort  von  ihm  erhalten  worden.  Schon  unter  Nerva 
hatte  er  zu  Como  einen  Tempel  erbauen  wollen,  um  sie  darin  aufzustellen,  doch 
verzögerte  sich  die  Ausführung,  und  im  Jahre  loi  erbat  und  erhielt  er  noch- 
mals von  Trajan  die  Erlaubnis,  jene  Statuen  nach  Como  zu  versetzen  und  die 
Trajans  hinzuzufügen^).  Die  Konsekration  trug  aber  auch  zur  Vermehrung  der 
betreffenden  Denkmäler  bei,  insofern  die  immer  wachsende  Gruppe  der  ver- 
götterten Kaiser  und  Kaiserinnen^;  zu  monumentalen  und  Kultuszwecken  auch 
als  Ganzes  neu  hergestellt  wurde.  So  gab  es  in  Rom  seit  der  Mitte  des  zweiten 
Jahrhunderts  einen  Gesamttempel  der  vergötterten  Kaiser  auf  dem  Palatino), 
einen  andern  erbaute  der  Kaiser  Tacitus,  Alexander  Severus  errichtete  auf  dem 
Forum  des  Nerva  ihre  Kolossalstatuen '°).  Zuweilen  verband  sich  mit  dem  offi- 
ziellen Kultus  eine  unbefohlene  allgemeine  Verehrung  zur  Erhaltung  und  Er- 

i)  Herodian.  I  14,  9.  2)  Hist.  aug.  Sever.  12,  8.  19,  3.  Victor  Caes.  20,  30.  Cass.  Dio  LXXV 
7,  4.  3)  Von  seinen  zahlreichen  erhaltenen  Bildnissen  (Bernoulli,  Rom.  Ikonogr.  II  2,  226  ff.)  sind 
am  bemerkenswertesten  die  jugendliche  Büste  im  Kapitel  (Delbrück  a.  a.  O.  Taf.  48  '49;  und  die 
technisch  hersorragende  im  Konservatoreupalast,  die  ihn  als  Hercules  darstellt  (Heibig,  Führer^  ■ 
nr.  930).  4)  Hist.  aug.  Macrin.  6,  8.  Die  erhaltenen  Bildnisse  (Bernoulli  a.  a.  O.  II  3,  47  ff.),  die 
'mit  unheimlicher  Gewalt  die  grundböse  Natur  des  verbrecherischen  Kaisers  verkörpern'  (Michaelis- 
Wolters  a.  a.  O.  S.  531),  zeigen  in  anschaulicher  Weise,  was  damals  die  römische  Porträtkunst 
noch  zu  leisten  vermochte.  5)  Sueton.  Claud.  45.  O.  Hirschfeld,  Götting.  g.  Anz.  1873  S.  747 f. 
Nordmeyer,  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIX  1893  S.  291  ff.  6)  CIL  II  4230  =  Dessau  6930  (wo 

Hirschfeld  a.  a.  O.  1870  S.  1095  richtig  ad  statzias  ciirandas  statt  aiirandas  liest).  7)  Plin.  adTr.  8. 
Eine  Örtlichkeit  in  Rom  heißt  VII  Caesares,  vgl.  negotiator  vinariits  a  VII  Caesaribus  CIL  IX 
4680  =  Dessau  7484,  a  VII  Caesares  argentar'.ms)  coactor  CIL  XIV  2886.  8)  Mommsen  StR.lP 
818, 1.  833;  Ges.  Schrift.  VIII  318.  Liste  der  konsekrierten  Personen  des  Kaiserhauses  bei  Beurlier, 
Le  culte  imperial  (1891,  S.  325  ff.,  dazu  E.  Stein,  Hermes  LH  1917  S.  571  ff.  9)  Wissowa,  Religion 
und  Kultus  d.  Römer^  S.  347.  3.      10}  Hist.  aug.  Tacit.  9,  5;  Alex.  Sev.  28,  6. 


[in.  258] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


61 


lung  der  Kaiser- 
denkmäler  im 
eanzen  Reich. 


neuerung  kaiserlicher  Bildnisse').  Mit  anhänglichster  Pietät  hielt  die  römische 
Welt  die  verklärte  Gestalt  Marc  Aureis  unter  den  guten  Geistern  fest,  zu  denen 
sie  sich  im  Gebet  wandte:  länger  als  ein  Jahrhundert  nach  seinem  Tode  sah 
man  noch  in  vielen  Häusern  seine  Statue  unter  den  Hausgöttern'^). 

Schon  weil  die  möglichst  schnelle  Aufstellung  der  kaiserlichen  Bildnisse  in  Schnelle  Herstel 
allen  Städten  und  Lagern  zu  den  ersten  Sorgen  jeder  neuen  Regierung  gehörte, 
müssen  auch  in  allen  Zentralpunkten  Italiens  und  der  Provinzen  Bildhauer  und 
Maler  zur  Verfügung  gewesen  sein :  vielleicht  gehörten  sie  regelmäßig  zu  dem 
amtlichen  Gefolge  der  Statthalter,  Feldherrn  und  hohen  Beamten.  Daß  von 
Galba,  der  erst  nach  der  Ankunft  der  Nachricht  von  Neros  Tode  (9.  Juni  68) 
aus  Spanien  aufbrach  und  Italien  in  langsamem  Marsche  erreichte,  sich  zur 
Zeit  seiner  Ermordung  (15.  Januar  69)  dort  ^in  allen  Munizipien«  Bildnisse  be- 
fanden^), ist  ebensowenig  überraschend,  wie  daß  noch  vor  der  Schlacht  von  Cre- 
mona  (gegen  Ende  69)  im  Lager  der  Flotte  zu  Ravenna  Bildnisse  von  Vitellius 
umgestürzt  werden  konnten,  der  erst  zu  Ende  des  Mai  in  Oberitalien  erschienen 
war"^).  Aber  schon  auf  dem  Marsche  von  Köln  über  Lyon  nach  Italien  waren 
ihm,  bevor  er  noch  Vienne  erreicht  hatte,  an  mehreren  Stellen  Reiterstatuen 
errichtet  worden,  deren  Zusammensturz  als  übles  Vorzeichen  galt^).  Der  Be- 
schluß der  Errichtung  einer  Statue  der  jüngeren  Faustina  in  Olympia,  deren 
Postament  noch  vorhanden  ist,  kann  erst  gefaßt  worden  sein,  nachdem  ihr 
Vater  durch  die  Adoption  von  seiten  Hadrians  Thronerbe  und  Mitregent  ge- 
worden war,  d.  h.  nach  dem  25.  Februar  138;  die  Inschrift  des  Postaments  muß 
aber  eingehauen  sein,  bevor  die  Nachricht  von  dem  am  10.  Juli  desselben  Jahres 
zu  Bajä  erfolgten  Tode  Hadrians  nach  Griechenland  gelangte^).  Die  Herrschaft 
der  beiden  ersten  Gordiane  dauerte,  wie  es  scheint,  nur  20  Tage;  gleich  nach 
der  Proklamierung  des  älteren  hatten  sich  die  Städte  Afrikas  mit  seinen  Statuen 
und  Bildern  geschmückt '').  Die  Herrschaft  des  Pupienus  und  Balbinus  dauerte 
drei  Monate  (Mai  bis  August  238)^):  als  Maximinus  zu  Anfang  des  Juli  vor  Aqui- 
leja  ermordet  wurde,  stürzte  man  dort  seine  Statuen  und  Bildnisse  um  und  nötigte 
seine  in  die  Stadt  zugelassenen  Soldaten,  die  der  beiden  Senatskaiser  zu  ado- 
rieren^);  der  Konsul  Claudius  JuHanus  beglückwünscht  in  einem  an  Pupienus 
und  Balbinus  (wohl  gleich  nach  ihrer  Ernennung)  erlassenen  Schreiben  die  Le- 
gionen und  Hilfstruppen,  >diebereits  im  ganzen  Reiche  eure  Bildnisse  anbeten« '°). 
In  den  Lagern  machte  schon  die  Herstellung  und  Erneuerung  der  kaiserlichen 
und  sonstigen  Medaillonbilder,  mit  denen  auch  die  Feldzeichen  geschmückt 
waren"),  die  Anwesenheit  von  Künstlern  wünschenswert,  die  dann  auch  zu 
andern  Zwecken  verwandt  werden  konnten ;  Caracalla  ließ  z.  B.  von  Alexander 
dem  Großen  auch  in  den  Lagern  zahlreiche  Statuen  errichten"). 

Die  Statuen  und  Bildnisse  der  regierenden  Kaiser  fehlten  aber  nicht  bloß  an 


i)  Vereine  der  cultores  Larum  et  hnaginis  Augzisti  bestehen  nicht  nur  in  Rom,  sondern  überall 
im  Reiche,  Wissowa  a.  a.  O.  S.  173,  3,  vgl.  auch  Dessau  zu  3543  n.  i.  2)  Hist.  aug.  M.  Aurel. 

18,6.  3)  Tac.  Hist.  m  7.  4)  ebd.  III  12  f.  5}  Sueton.  Vitell.  9.  6)  Dittenberger-Purgold, 
Inschr.  von  Olympia  nr.  382.  7)  Herodian.  VII  5,  8.  8j  v.  Domaszewski.  Sitz.Ber.  d.  Heidelb. 
Akad.  1917  Abhdl.  I  S.  10.  9)  Hist.  aug.  Maximin.  duo  23,  7.  24,  2.  10)  ebd.  Maxim,  et  Baibin. 
17,  2.  II)  Mommsen  StR.  11-"^  8i4f.  v.  Domaszewski,  Die  Fahnen  im  röm.  Heere  S.  69 ff.,  vgl. 

56fiF.     12)  Cass.  Dio  LXXVII  7.  i. 


Ihre  Errich- 
tung durch 
Beamte    — 


62 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  259,  260] 


iirch  Provinzial- 
verbände  und 
Kommunen  — 


durch  Privat- 
'^  personen. 


Statuen  Ha- 
drians  in  Grie- 
chenland    — 


keinem  Orte  der  Monarchie,  sondern  waren  an  allen  größeren  auch  zahl- 
reich. Sie  schmückten  wohl  in  der  Regel  die  öffentlichen  Plätze  und  Gebäude 
besonders  der  Regierung,  Verwaltung  und  Rechtspflege.  Apulejus  äußert  in 
seiner  vor  dem  Prokonsul  Claudius  Maximus  in  Sabrata  (Tripolis)  gehaltenen 
Verteidigungsrede  seinen  Unwillen,  daß  »vor  diesen  Statuen  des  Kaisers  Pius* 
der  Sohn  der  Mutter  schändliche  Dinge  vorwerfe").  Für  die  Autstellung  an 
solchen  Orten  mögen  die  Statthalter  und  sonstige  Regierungsbeamte  gesorgt 
haben:  aber  auch  landschaftliche  und  Provinzialverbände  sowie  alle  wohl- 
habenderen Kommunen  mußten  den  Kaisern  ihre  Huldigung  durch  Errichtung 
von  Statuen  darbringen:  und  wenn  dies  in  ausgezeichneter  Weise  geschehen 
sollte,  mußten  es  mehrere  oder  kolossale  oder  ungewöhnlich  kostbare  sein. 
Eine  eigene  Gesandtschaft  z.  B.  überbrachte  an  Caligula  im  ersten  Jahre  seiner 
Regierung  die  ihm  vom  Provinziallandtage  der  Provinz  Achaja  (Synode  der 
Panhellenen)  votierten  Ehrenbezeigungen;  zu  diesen  gehörte  auch  der  Beschluß, 
ihm  eine  große  Menge  von  Statuen  zu  errichten,  doch  Caligula  nahm  nur  vier 
an,  die  an  den  Orten  der  heiligen  Spiele  (Olympia,  Delphi,  Nemea  und  auf  dem 
Isthmus)  stehen  sollten^].  Am  zahlreichsten  und  ansehnlichsten  werden  die 
Bildsäulen  der  Kaiser  in  denjenigen  Provinzialhauptstädten  gewesen  sein,  deren 
Tempel  die  Mittelpunkte  des  von  den  Festgemeinschaften  der  Landtagsabge- 
ordneten geübten,  von  den  Provinzialpriestern  geleiteten  Kaiserkults  bildeten 2); 
aber  auch  sonst  muß  es  bildliche  Darstellungen  der  Kaiser  überall  für  die  Zwecke 
des  Kultus  gegeben  haben,  an  welchem  sich  alle  Kommunen  beteiligten'*).  In 
Ägypten  ist  sogar,  um  die  Kosten  für  die  in  den  Tempeln  allerorten  aufzu- 
stellenden Kaiserstatuen  aufzubringen,  dem  Volk  eine  (durch  Scherbenquittungen 
bezeugte)  »Statuensteuer«  auferlegt  worden,  welche  wie  eine  Kopfsteuer  für 
alle  Untertanen  in  gleicher  Höhe  normiert  war^}. 

Endlich  aber  durften  auch  Privatleute  sehr  oft  nicht  unterlassen,  ihre  Loyalität 
auf  diese  Weise  zu  bezeugen,  namentlich  in  Rom  selbst.  Wenn  man  zur  Zeit 
der  Antonine  die  Bildnisse  der  Kaiser  dort  überall  »in  Wechselkontoren,  Läden 
und  Werkstätten,  unter  allen  Vordächern,  auf  allen  Vorplätzen,  in  allen  Fenstern« 
aufgestellt  sah,  freilich  meist  schlecht  gemalt  und  plump  bossiert^):  so  werden 
auch  in  reichen  und  vornehmen  Häusern  gute  Bilder  und  Statuen  von  ihnen 
nicht  gefehlt  haben.  Überdies  war  auch  die  öffentliche  Aufstellung  von  Kaiser- 
statuen durch  Privatpersonen  in  den  größeren  Städten  keineswegs  selten. 

Von  sämtlichen  Kaisern  ist  vielleicht  Hadrian  derjenige  gewesen,  der  in  allen 
Provinzen  durch  die  zahlreichsten  Denkmäler  geehrt  wurde,  gewiß  aber  nirgends 
durch  so  viele  wie  in  dem  von  ihm  mit  Wohltaten  am  reichsten  bedachten 
Griechenland.  Mehrere  von  einzelnen  Gemeinden,  ganzen  Kantonen,  größeren 
Volksverbänden  errichtete  Statuen  Hadrians  lassen  sich  dort  an  vielen 
Orten  nachweisen^),  wie  zu  Delphi,  Olympia,  Theben,  Syrus,  Coronea,  auf 
Samothrace  und  sonst  an  zahlreichen  Stellen:  bei  weitem  die  meisten  aber  in 


I)  Apulei.  Apolog.  85.  2)  IG  VII  2711  (Dessau  8792).  3)  Marquardt  St.V.  I^  504ff.  Vgl,  z.  B. 
über  die  Basen  von  Kaiserstatuen  in  Tarraco  Hübner,  Rom.  Herrschaft  in  Westeuropa  S.  200. 
4)  Toutain,  Les  cultes  paiens  dans  l'empire  Rom.  I  54ff.  102  ff.  5)  U.  Wilcken,  Griech.  Ostraka 
I  152  ff.  6]  Fronto  ep.  ad  M.  Caes.  IV  12  p.  74  N.  Oben  I  166.  7)  Hertzberg,  Gesch.  Griech enl. 
I^  333  f-;  s.  die  InschriftensammJung  bei  Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian  S.  104  ff. 


[III.  261]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  63 

Athen,  das  ihm  am  meisten  verdankte,  und  wo  auch  die  umfassendsten  Nach- 
forschungen stattgefunden  haben").  In  jedem  der  dreizehn  keilförmigen  Ab- 
schnitte des  neuerdings  bloßgelegten  Dionysostheaters  hat  eine  Statue  Hadrians 
gestanden,  welche  bis  auf  eine  (die  große,  schon  früher  vom  Rat  und  Volke 
errichtete  des  Kaisers  als  Archonten)  von  den  zwölf  Phylen  (Stämmen)  Attikas 
nach  der  von  ihm  veranstalteten  prachtvollen  Feier  der  Dionysien  im  Frühjahre 
125  dargebracht  waren^).  Zwei  andere  erwähnt  Pausanias  im  Kerameikos  und 
auf  der  Akropolis  im  Parthenon.  Ein  ganzer  Wald  von  Statuen  Hadrians  aber 
befand  sich  in  und  bei  dem  von  ihm  ausgebauten  (129  geweihten)  Tempel  des 
olympischen  Zeus.  Wahrscheinlich  vor  den  Fronten  standen  zwei  Statuen  des 
Erbauers  aus  thasischem  und  zwei  aus  ägyptischem  Marmor,  vor  den  Säulen 
(wohl  der  ringsum  laufenden  Kolonnaden)  bronzene  von  überseeischen  Städten, 
an  andern  Stellen  andre  von  griechischen  Städten  sowie  von  Privatpersonen, 
einzeln  oder  gemeinschaftlich,  gestiftete  Standbilder,  von  denen  noch  zahlreiche 
Postamente  und  Inschriften  vorhanden  sind.  Alle  überragte  eine  von  den  Athenern 
hinter  dem  Tempel  errichtete  »sehenswerte  Kolossalstatue«  ^).  Doch  können  die 
uns  bekannten  Statuen  Hadrians  nur  ein  kleiner  Teil  der  sämtlichen  in  Athen  vor- 
handenen gewesen  sein,  wenn  die  gut  bezeugte  Nachricht  wahr  ist,  daß  die 
Athener  einst  dem  Demetrius  von  Phaleron  360  Statuen  errichtet  hatten*). 
Gegen  Hadrian  hatten  sie  vielleicht  mehr  Grund  zur  Dankbarkeit,  gewiß  aber 
mehr  Veranlassung,  diese  in  der  überschwenglichsten  Weise  zu  äußern;  über- 
dies war  die  Herstellung  der  Statuen  weniger  kostspielig  als  450  Jahre  früher. 

Wie  sehr  nun  aber  auch  die  Provinzen  und  Städte  wetteifern  mochten,  ihre  Augosts  m  Rom. 
Treue  und  Loyalität  gegen  den  regierenden  Kaiser  durch  zahlreiche  Bildsäulen  zu 
bekunden,  so  dürfte  doch  deren  Menge  und  Pracht  in  Rom  immer  am  größten  • 
gewesen  sein.  August  sagt  in  der  Denkschrift  über  seine  Taten,  daß  ihm  zu 
Rom  etwa  80  silberne  Statuen  (teils  auf  dem  Boden,  teils  auf  Viergespannen 
stehend,  teils  Reiterstatuen)  von  Staaten  und  Einzelnen  errichtet  worden  seien, 
die  er  sämtlich  einschmelzen  ließ,  um  in  dem  Tempel  des  Apollo  auf  dem 
Palatin  von  dem  gewonnenen  Gelde  im  Namen  der  Stifter  und  dem  seinigen 
goldene  Weihgeschenke  (besonders  Dreifüße)  aufzustellen  5).  Man  kann  hier- 
nach nicht  anders  glauben,  als  daß  seine  bronzenen  und  marmornen  Stand- 
bilder in  Rom  bereits  zu  seinen  Lebzeiten  nach  Hunderten,  im  ganzen  Reich 
vielleicht  nach  vielen  Tausenden  zählten,  so  fabelhaft  solche  Zahlen  gegen- 
wärtig auch  klingen  mögen.  Wenn  übrigens  in  der  Zeit  der  werdenden  Mon- 
narchie  die  sich  in  so  massenhaften  Darbringungen  äußernde  Untertänigkeit  noch 
weit  von  ihrer  größten  Verbreitung  und  Stärke  entfernt  war  und  überdies  von 
August  geflissentlich  im  Zaumegehalten  wurde,  so  ist  doch  keinem  späteren  Kaiser 
wie  ihm  als  Erretter  der  Welt  und  Begründer  der  neuen  Ordnung  gehuldigt 
worden,  auch  dauerte  seine  Herrschaft  44  Jahre;  und  so  mag  denn  allerdings  die 

i)  Judeich,  Topogr.  von  Athen  S.  97.  Inschriften  von  Basen  IG  III  464—524.       2)  W^.  Weber, 
Untersuch,  z.  Gesch.  d.  Kaisers  Hadrianus  S.  161  ff.  3)  Pausan.  I  18,  6.  Judeich  a.  a.  O.  S.  343. 

4)  Wachsmuth,  Stadt  Athen  I  6ii,  i.  Judeich  a.  a.  O.  S.  85;  solche  Statuen  in  den  attischen 
Demen  IG  II  584.  1217  =  Dittenberger,  Syll.^  318.  319.  Noch  Constantin  aTparr]fbc,  eK€(vu)v 
(der  Athener)  r\liov  KuXeiöGai  Km  TOiaÜTii^  eiKÖvoq  tutxövujv  IuICt'  eiriYpcijaiuaTOi;  eYCtvuTO  ttXiov 
r\  TU)v  lae-fiöTUJv  tijlwjjv  dEiuuGeiq,  Julian,  or.  i  p.  8  CD.     5)  Mommsen,  Res  gest.  d.  Aug.*  p.  97. 


64 


Xn.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  262,  263 


Büsten  Na- 
poleons   I. 


Die  Kaiser- 
denkmäler sel- 
ten durch  Um- 
arbeitung älte- 
rer hergestellt. 


Zahl  der  ihm  während  seines  Lebens  wie  nach  seinem  Tode  errichteten  Denk- 
mäler größer  g-ewesen  sein  als  bei  irgend  einem  andern  Regenten.  Von  diesem 
Vorrat  haben  sich  denn  auch  nicht  ganz  unbeträchtliche  Überreste  erhalten*). 

Übrigens  hat  noch  im  Anfange  des  ig.  Jahrhunderts  die  Produktion  eines 
Herrscherbildnisses  durch  die  Skulptur  trotz  ihrer  so  vielfach  gehemmten  Ent- 
wicklung und  der  Kostbarkeit  ihrer  Arbeiten  verhältnismäßig  große  Dimen- 
sionen angenommen.  Der  erste  Napoleon  beherrschte  (unmittelbar  oder  durch 
die  von  ihm  abhängigen  Fürsten)  ein  im  Verhältnis  zum  römischen  Kaiserreiche 
nur  kleines  Gebiet ;  das  Bedürfnis  nach  Darstellungen  seiner  Person,  schon 
darum  ein  sehr  viel  geringeres,  weil  dieselbe  nie  der  Gegenstand  eines  religiösen 
Kultus  war,  wurde  ganz  überwiegend  durch  die  zeichnenden  und  vervielfäl- 
tigenden Künste  befriedigt:  dennoch  sind  in  den  drei  Jahren  von  1809  — 181 2 
von  Carrara  etwa  1500  Büsten  von  ihm  nach  Chaudet  in  die  Welt  gestreut 
worden^). 

Nur  sehr  selten  und  ausnahmsweise  können  in  den  ersten  Jahrhunderten 
Kaiserbildnisse  durch  Umarbeitung  oder  neue  Benennung  älterer^)  hergestellt 
worden  sein,  weil  diejenigen,  die  durch  das  Denkmal  geehrt  werden  sollten,  in 
einem  solchen  Verfahren,  wie  Dio  von  Prusa  mit  Recht  sagt,  eher  eine  Belei- 
digung als  eine  Huldigung  erblicken  konnten'*).  Vorgekommen  war  dergleichen 
in  Griechenland  schon  in  der  Zeit  der  Republik.  Von  falschen  Inschriften  fremder 
Statuen  spricht  Cicero  im  Jahre  50;  zwei  Kolosse  des  Eumenes  und  Attalus 
waren  zu  Athen  auf  den  Namen  des  Antonius  umbenannt  worden^).  Pausanias 
sah  vor  dem  Heratempel  bei  Mykenä  eine  Statue,  nach  der  Inschrift  des  August, 
die  aber  nach  dortiger  Angabe  eine  des  Orest  war^j.  Doch  sind  außer  dem  be- 
reits angeführten  wenige  Beispiele  der  Umbenennung  einer  fremden  Statue  zu 
einer  kaiserlichen  aus  der  früheren  Kaiserzeit  bekannt^).  Seit  dem  Jahre  15^] 
wagten  wohl  wenige  um  des  Gewinns  oder  der  Ersparnis  willen  auch  noch  so 
heimlich  eine  Handlung,  deren  Entdeckung  sie  der  Gefahr  einer  Anklage  auf 
Majestätsverletzung  aussetzen  konnte.  Dio  hat  den  Rhodiern,  die  mit  der  Ehre 
der  Statue  mehr  als  freigebig  waren,  aber  sehr  oft,  statt  neue  aufzustellen,  nur 
ältere  auf  den  Namen  des  zu  Ehrenden  umtaufen  oder  umarbeiten  ließen,  die 
Unwürdigkeit  dieses  Verfahrens  in  einer  langen  Rede  vorgehalten.  Es  sei, 
sagt  er  u.  a. ,  um  so  weniger  zu  entschuldigen,  als  sie  ja  doch  fort  und  fort 
auch  wirklich  neue  Bildsäulen  errichteten,  nämlich  für  die  Kaiser  und  die  hohen 
Beamten;  ja  man  würde  ihnen  keine  Vorwürfe  machen,  wenn  sie  wenigstens  bei 
allen  »außer  den  Kaisern«  in  gleicher  Weise  verführen^);  eine  derartige  Herstel- 
lung von  Kaiserbildnissen  erschien  ihm  also  als  ganz  undenkbar.  Philo  erzählt, 
daß  die  Alexandriner  alle  dortigen  Synagogen,  die  sie  nicht  zerstören  konnten, 
durch  Aufstellung  von  Bildern  Caligulas  entweihten,  in  der  größten  stellten  sie 
seine  Bronzestatue  auf  einem  Viergespann  auf.    In  der  Eile  aber  hatten  sie  kein 


l)  BernouUi  a.  a.  O.  11  i,  24 if.,  dazu  Gardthausen,  Augustus  11  277 ff.  2)  Eggers,  Christian 

Daniel  Rauch  I  120.  3)  Vgl.  oben  I  162  A.  14.  4)  Dio  Chr.  or.  14,  44  (I  232  Am.).  5)  Plutarch. 
Anton.  60,  6.  Cic.  ad  Attic.  VI  i,  26.  Judeich  a.  a.  O.  S.  236,  8.  6)  Pausan.  11  17,  3.  7)  Hula, 
Österreich.  Jahresh.  I  189S  S.  2 7 ff.  Über  einen  mit  veränderter  Inschrift  später  dem  Constantin 
geweihten  Caracallakopf  des  Museums  zu  Philippeville  (Algier;  vgl.  A.  Schulten,  Arch.  Anz.  1899 
S.  76.     8)  Oben  S.  58.     9  Dio  a.  a.  O.  107  f.  (I  250  Am.). 


[III.  264] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


65 


neues  auftreiben  können,  sondern  ein  altes  verrostetes,  schadhaftes  aus  dem 
Gymnasium  genommen,  welches,  wie  manche  sagten,  einer  älteren  Kleopatra 
dediziert  gewesen  war.  »Was  für  einer  Anklage  die  Aufstellenden  sich  dadurch 
aussetzten,  ist  klar;  ja  schon  dann,  wenn  es  ein  neues,  aber  eines  Weibs,  oder 
eines  Manns,  aber  ein  altes,  ja  wenn  es  überhaupt  einem  andern  gewidmet  war. 
Mußten  die,  welche  zu  Ehren  des  Kaisers  eine  solche  Aufstellung  gemacht 
hatten,  sich  nicht  offenbar  hüten,  daß  er,  der  alles  auf  ihn  Bezügliche  be- 
sonders wichtig  nahm,  eine  Anzeige  erhielt?«')  Aber  auch  bei  andern  als 
kaiserlichen  Monumenten  scheint  das  Anbringen  neuer  Köpfe  oder  Inschriften'') 
statt  der  Errichtung  neuer  Figuren  in  der  früheren  Kaiserzeit  keineswegs  häufig 
gewesen  zu  sein:  hauptsächlich  geschah  es  wohl  in  denjenigen  griechischen 
Städten,  wo  der  Vorrat  an  alten  Statuen  sehr  groß  war.  Nicht  bloß  sind  die 
bekannten  derartigen  Fälle  vereinzelt^),  sondern  Dio  sagt  auch  in  der  Rede, 
in  der  er  den  Rhodiern  diese  »seit  einiger  Zeit«  bei  ihnen  eingerissene  Unsitte'*) 
vorhält,  daß  andere  weniger  reiche,  zum  Teil  äußerst  arme  Städte,  wie  Athen, 
Sparta,  Byzanz,  Mytilene,  sich  davon  völlig  frei  erhielten-).  Allem  Anschein 
nach  war  es  im  damaligen  Griechenland  eben  nur  Rhodus,  wo  dies  Verfahren 
in  großem  Umfange  geübt  wurde;  man  sagte,  daß  die  dortigen  Statuen  wie 
Schauspieler  die  Rollen  wechselten^). 

Was  von  den  Kaiserbildnissen  gilt,  gilt  zum  größten  Teile  auch  von  denen  Denkmäler  der 
der  Kaiserinnen  und  designierten  Thronfolger,  zum  großen  Teil  selbst  von  Kaiserhauses— 
denen  andrer  Angehörigen  des  Kaiserhauses.  Wenn  in  der  Zeit,  wo  Tiber 
während  seines  Aufenthalts  auf  Rhodus  in  tiefster  Ungnade  stand,  die  Bewohner 
von  Nimes  nach  seinem  Zerwürfnisse  mit  Gajus  Cäsar  seine  Statuen  und  Bild- 
nisse umstürzten^),  so  wird  es  damals  so  gut  wie  dort  deren  in  allen  größeren, 
namentlich  aber  in  denjenigen  Städten  gegeben  haben,  die  wie  Nimes®) 
zum  Kaiserhause  in  Beziehung  standen").  Bei  der  Nachricht  vom  Tode  der 
Cäsaren  Gajus  und  Lucius  beschloß  die  Stadt  Pisa,  deren  Patron  der  letztere 
gewesen  war,  die  Errichtung  eines  mit  den  Spolien  der  von  ihm  besiegten 
Völker  geschmückten  Bogens,  auf  dem  seine  Statue  im  Triumphalschmuck 
und  zu  dessen  beiden  Seiten  vergoldete  Reiterstatuen  von  Gajus  und  Lucius 
stehen  sollten '°).  Ähnliches  wird  auch  in  andern  Städten  geschehen  sein.  Dem 
zur  Thronfolge  bestimmten  Aelius  Verus  ließ  Hadrian  nach  seinem  Tode  in 
einigen  Städten  Tempel  bauen  und  »im  ganzen  Reiche«  Kolossalstatuen  er- 
richten ^ ').  Die  Darstellung  des  Antinous  hat  bekanntlich  die  Malerei  und  Skulptur 
in  den  verschiedensten,  wenn  nicht  in  allen  Provinzen  beschäftigt. 

Auch  die  höchsten  Beamten,  die  Leiter  der  Regierung,  wurden  im  ganzen  «^er  höchsten 
Reich  durch  Monumente  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Kaiser  geehrt,  besonders  ^^™  ^"  ~~ 
natürlich,  wenn  sie  deren  erklärte  Günstlinge  waren.    Als  Sejan  im  Zenit  seiner 


l)  Philo  Leg.  ad  Gai.  134  ff.  2)  Plin.  n.  h,  XXXV  4.  3)  Köhler,  Verm.  Sehr.  VI  357  ff.  Wachs- 
muth,  Stadt  Athen  I  668,  3.  679,  i.  Ilelbig,  Bull.  d.  Inst.  1885  S.  95  f.  4)  Dio  a.a.  O.  8  (I  221 
Arn.).  5)  ebd.  105.  123  (I  249.  255).  6)  ebd.  155  (I  263).  7)  Sueton.  Tiber.  13,  i.  8)  Über  die 
Beziehungen  von  Nemausus  zu  Agrippa  und  seinem  Hause  (daher  die  Errichtung  eines  Tempels 
für  Gaius  und  Lucius  Cäsar  nach  deren  Tode,  der  Maison  carr^e)  vgl.  Hirschfeld,  Kl.  Schrift. 
S.  486,  I.  9)  Statuen  der  Familie  Augusts  in  Athen  IG  III  439—453.  lo)  CIL  XI  i42i=Dessau 
140.     II)  Hist.  aug.  Ael.  Ver.  7,  i. 

FriedlaenUer,  Darstellungen.  HI.   9.  Aufl.  r 


66  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [IIL  265] 

Macht  stand,  wurden  ihm  von  Senat  und  Ritterschaft,  den  Tribus  und  den  vor- 
nehmsten Männern  Roms  so  viele  Bildsäulen  errichtet,  daß,  wie  Cassius  Dio 
sagt,  niemand  ihre  Zahl  anzugeben  vermocht  hätte '),  besonders  seit  Tiberius 
auf  den  Beschluß  des  Senats  sein  Bronzestandbild  im  Theater  des  Pompejus 
hatte  aufstellen  lassen^).  Allgemein  wurden  Bilder  und  Statuen  des  Kaisers 
und  seines  anderen  Ich  nebeneinander  gestellt^);  selbst  in  den  Lagern,  mit  ein- 
ziger Ausnahme  der  syrischen  Armee ^):  und  Tiber  ließ  es  geschehen,  daß  die 
Bildnisse  seines  Günstlings  dort  auf  den  Sammelplätzen  der  Legionen  sowie 
auf  den  Foren  und  in  den  Theatern  der  Städte  verehrt  wurden^].  Der  jähe  Fall 
Sejans  im  Jahre  31  war  das  Signal  zum  Umsturz  seiner  Denkmäler.  Seine 
Statuen,  sagt  Juvenal,  wurden  an  Seilen  von  den  Postamenten  herabgerissen 
und  auf  dem  Boden  geschleift.  Beilhiebe  zerschmetterten  die  Räder  der  Zwei- 
gespanne und  die  Beine  der  unschuldigen  bronzenen  Gäule,  bald  schmolz  in 
den  knatternden,  von  Blasebälgen  angefachten  Feuern  der  Gußöfen  das  vom 
Volk  angebetete  Haupt  und  verknisterte  der  ganze  kolossale  Sejanus,  und  aus 
dem  Anlitz,  das  im  ganzen  Reiche  das  zweite  war,  wurden  Töpfe,  Pfannen, 
Becken  und  Nachtgeschirre  verfertigt^).  Ganz  Ähnliches  wird  von  dem  Günst- 
linge Severs,  Plautianus,  berichtet,  der  von  ebenso  schwindelnder  Höhe  plötzlich 
herabstürzte.  Cassius  Dio  sagt,  daß  ihm  nicht  nur  viel  mehr,  sondern  auch 
größere  Statuen  und  Bilder  errichtet  wurden  als  den  Kaisern,  und  nicht  bloß  in 
den  andern  Städten,  sondern  auch  in  Rom,  und  nicht  bloß  von  Privatpersonen, 
sondern  auch  vom  Senat.  Gerade  dies  trug  dazu  bei,  den  Argwohn  Severs  zu 
erregen;  nach  Plautians  Fall  wurden  »im  ganzen  Reiche«  seine  Statuen  um- 
gestürtzt«  ^). 
der  Proviiizial-  Wenn  aber  notwendig  die  Zahl  derer  sehr  klein  war,  denen  im  ganzen  Reiche 
Statthalter  —  s^^tugn  errichtet  wurden,  so  war  dagegen  die  Menge  derjenigen,  denen  diese 
Ehre  innerhalb  bestimmter  Gebiete  oder  an  einzelnen  Orten  widerfuhr,  un- 
glaublich groß.  Sie  war  vor  allem  die  gewöhnlichste  Huldigung  der  Provin- 
zialen  gegen  alle  Römer,  die  wirklich  oder  scheinbar  die  Macht  hatten,  ihnen 
*zu  schaden  oder  zu  nützen,  in  erster  Reihe  natürlich  die  Statthalter.  Schon  in 
den  letzten  Zeiten  der  Republik  war  es  allgemein  üblich,  daß  diesen  in  den  Pro- 
vinzen Tempel  erbaut  wurden^).  Cicero  hatte  in  Cilicien  als  Prokonsul  »Statuen, 
Tempel,  Viergespanne«  abzulehnen^):  aber  Verres  hatte  die  Gemeinden  Siciliens 
gezwungen,  nicht  bloß  ihm  selbst,  sondern  auch  seinem  Vater  und  seinem 
Sohne  (einem  Knaben)  eine  Menge  von  Standbildern  zu  errichten;  in  Syrakus 
waren  deren  so  viele,  daß  es  schien,  er  habe  ihrer  dort  nicht  weniger  aufgestellt 
als  weggenommen '°).  Außerdem  sah  man  von  ihm  in  Rom  vergoldete  Reiter- 
statuen, die  von  den  römischen  Kaufleuten,  den  Getreideproduzenten,  dem 
Provinzialverbande  Siciliens  gestiftet  waren").    Das  entsetzliche  Satrapenregi- 

i)  Cass.  Dio  LVIII  2,  7.  2)  ebd.  LVR  21,  3.  Tac.  A.  III  72.  IV  7.  3)  Cass.  Dio  LVin  4,  4. 
Tac.  A.  IV  74.  4)  Sueton.  Tiber.  48,  2.  5)  Tac.  A.  IV  2.  Vgl.  Mommsen  StR.  I^  450,  i.  Eine 
in  Rheingönheim  bei  Ludwigshafen  gefundene  kleine  Bronzebüste  (jetzt  in  Speier)  hat  Studniczka 
auf  Sejan  gedeutet;  vgl.  dazu  Ber.  d.  rom.-gennan.  Kommission  VII  1914  S.  188 f.  (Abb.  S.  l86j. 
6)  Juv.  10,  56 — 64.  7)  Cass.  Dio  LXXV  14,  6  f.  16,  2.  Hist.  aug.  Sever.  14,  5.  8)  Sueton.  August. 
52.  9)  Cic.  ad  Attic.  V  21,  7.  10]  Cic.  in  Verr.  II  2,  145.  154.  161.  4,  90.  139.  11)  ebd.  II  2, 
I44f.  165.  168. 


lIII.  266, 267] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


67 


ment  jener  Zeit  hat  nun  zwar  die  Monarchie  sehr  eingeschränkt,  doch  nie  ganz 
beseitigt;  und  wenn  immer  noch  die  Provinzialen  direkt  oder  indirekt  gezwungen 
wurden,  ihre  Plünderer  und  Tyrannen  durch  Denkmäler  zu  ehren,  so  konnten 
sie  diese  Ehre  überhaupt  keinem  Statthalter  vorenthalten,  ohne  damit  eine 
Anklage  auszusprechen.  Nach  Dio  entschuldigten  die  Rhodier  die  Verwendung 
alter  Statuen  zu  neuen  Ehrenbezeigungen  damit,  daß  es  eine  Notwendigkeit 
sei,  so  viele  hohe  Beamte  zu  ehren,  und  eingestandenermaßen  geschah  es  sehr 
häufig  nicht  wegen  ihrer  wirklichen  Verdienste,  sondern  nur  wegen  ihrer  Macht'). 
Jeden,  der  zu  ihnen  kam,  fürchteten  sie  und  glaubten  ihre  Freiheit  in  Gefahr, 
wenn  sie  einmal  von  einem  kein  Bronzestandbild  aufstellten.  Mußten  sie  wirk- 
lich jeden  Ankommenden  freundlich  anwedeln  wie  gemeine  Hunde  und  Haß 
und  Zorn  besorgen,  \\4enn  sie  nicht  dem  und  jenem  schmeichelten,  dann,  meinte 
Dio,  stand  es  schlimm  um  sie^). 

Die  Ehre  der  Statue  wurde  auch  (namentlich  in  Griechenland)  angesehenen  der  angesehenen 
Römern,  die  sich  in  außeramtlicher  Stellung  dort  aufhielten,  desgleichen  vor-  p  '".^'^  m^den 
nehmen  Römerinnen  erwiesen;  wie  besonders  in  Athen  die  Inschriften  zahl- 
reicher Postamente  aus  der  ersten  Kaiserzeit  beweisen^).  Um  so  unerläßlicher 
war  es  für  Städte  und  Provinzen,  sich  für  wirkliche  Wohltaten  auf  diese  Weise 
dankbar  zu  bezeigen,  vor  allem  für  die  Übernahme  ihres  Schutzes  und  ihrer 
Vertretung  (des  Patronats).  In  den  Städten  Siciliens  sah  man  überall  auf  den 
Foren  Reiterstatuen  der  Marceller  als  der  Patrone  der  Insel  "^j.  Der  Held  des  Apu- 
lejanischen  Romans,  aus  einer  in  Thessalien  angesehenen  Familie  stammend, 
wird  in  Hypata  zum  Gegenstande  eines  öffentlichen  Scherzes  gemacht;  worauf  * 

die  Magistrate  ihn  um  Entschuldigung  bitten  und  ihm  anzeigen,  daß  die  Stadt, 
um  ihn  zu  versöhnen,,  ihn  zum  Patron  gewählt  und  die  Aufstellung  seines  Bild- 
nisses in  Bronze  beschlossen  habe  5).  Von  den  amtlichen  und  halbamtlichen 
Stellungen  in  den  Provinzen  gaben  schon  die  subalternen  einen  Anspruch  auf 
diese  Ehre.  Dem  Vater  des  Vespasian,  Flavius  Sabinus,  der  die  Erhebung  des 
Warenzolls  von  2  7,  Prozent  in  der  Provinz  Asia  gepachtet  hatte,  waren  dort  Bild- 
nisse und  lobende  Inschriften  aufgestellt  worden^).  Titus  hatte,  wie  Sueton  sagt, 
als  Militärtribun  in  Germanien  und  Britannien  sich  den  Ruhm  der  Energie  und 
zugleich  der  Mäßigung  erworben,  »wie  sich  aus  der  Menge  und  den  Inschriften 
seiner  Statuen  und  Bildnisse  in  beiden  Provinzen  ergibt«^).  Unter  den  (min- 
destens fünfzehn)  in  Barcelona  nachweisbaren  Statuen  des  L.  Licinius  Secundus, 
welcher  Amtsdiener  des  mächtigen  L.  Licinius  Sura  in  dessen  drei  Konsulaten 
(zuletzt  107)  war,  sind  vier  von  den  Gemeinderäten  spanischer  Städte  errichtet 
worden^).  Bei  einer  so  grenzenlosen  Verschwendung  der  monumentalen  Ehren 
konnte  eine  wirkliche  Auszeichnung  auch  von  Untertanen  nur  durch  ungewöhn- 
lich große  und  kostbare  Denkmäler  erfolgen;  und  es  ist  wohl  nicht  zu  sehr 
übertrieben,  wenn  Apulejus  zum  Ruhme  des  Konsularen  Strabo  Aemilianus 
(Konsul  156)  sagt,  daß  alle  Provinzen  sich  Glückwünschen,  ihm  vier-  und  sechs- 
spännige Wagen  (mit  seinem  Standbilde)  zu  errichten 5). 

l)  Dio  Chr.  or.  14,  26.  41  (I  226.  231  Arn.).        2)  ebd.  Ii2ff.  (I  25lf.).        3)  Hertzberg,  Gesch. 
Griechenlands  II  68,  23.    IG  III  561—641.  865—884.         4)  Cic.  in  Verr.  II  4,  86.  5)  Apulei. 

Metam.  III  11.  6)  Sueton.  Vespas.  i,  2.  7)  Sueton.  Titus  4,  i.  8)  CIL  II  4536—4548.  6148. 
6149  (Dessau  1952.  6956).     9)  Apulei.  Florida  16. 


der  Subaltern- 
beamten. 


pien. 


68  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  268] 

Ehre  der  Statue  Die  Errichtung  von  Statuen  war  auch  in  den  Städten  der  ganzen  Monarchie 
in  den  Munm-  ^jj^^  allgemeine  Belohnung  wirklicher  oder  angeblicher  Verdienste  einzelner  um 
die  Gemeinde.  Der  anfänglich  seltene  Gebrauch  der  Bildnisstatuen  wurde 
später,  wie  Plinius  sagt,  von  der  ganzen  Welt  aus  einem  höchst  menschenfreund- 
lichen Ehrgeiz  aufgenommen;  Statuen  fingen  an,  eine  Zierde  der  Foren  aller 
Munizipien  zu  sein;  so  wurde  das  Gedächtnis  von  Menschen  auf  die  Nachwelt 
gebracht,  auch  ihre  Ehren  zur  Kenntnis  aller  Zeiten  auf  den  Postamenten  ver- 
zeichnet, damit  man  sie  nicht  bloß  auf  den  Gräbern  läse^).  Tausende  von  er- 
haltenen Postamenten  mit  griechischen  und  römischen  Inschriften  bezeugen 
dies.  Überall  wo  der  Spaten,  gleichviel  ob  im  Osten  oder  im  Westen  des 
Reiches,  den  Mittelpunkt  des  öffentlichen  Lebens  einer  antiken  Stadt  bloßlegt, 
fördert  er  eine  geradezu  überwältigende  Menge  von  Übecresten  solcher  Ehren- 
denkmäler zutage,  auf  der  Agora  von  Ephesus  und  im  Peribolos  des  perga- 
menischen  Athenaheiligtums  ebenso  wie  auf  den  Fora  der  nordafrikanischen 
Städte'').  Pompeji  hat  mehr  Porträtstatuen  gehabt  als  irgend  eine  moderne 
Hauptstadt.  Auf  dem  Forum  waren  (außer  den  5  Kolossalstatuen  von  Kaisern 
und  Mitgliedern  des  Kaiserhauses)  für  Reiterstatuen  in  Lebensgröße  wohl  70 
bis  80  Plätze  vorgesehen,  und  hinter  jedem  derselben  einer  für  ein  Standbild; 
doch  sind  vielleicht  nicht  alle  diese  Plätze  besetzt  gewesen.  Die  Vorhalle  des 
Macellum  enthielt  25  Statuen,  8  der  offene  Raum  des  städtischen  Larentempels, 
21  die  Vorhalle  des  Gebäudes  der  Eumachia.  Schwerlich  hat  aber  die  Zahl 
der  dortigen  Ehrenstatuen  die  durchschnittliche  der  Mittelstädte  überstiegen^ . 
An  einer  wohl  zu  Anfang  des  2.  Jahrhunderts  angelegten  Doppelhalle  zu  Ter- 
messus  in  Pisidien  sind  46  Basen  von  Standbildern  verdienter  Männer  und 
Frauen  gefunden  worden,  die  meist  vor  oder  zwischen  den  Säulen  gestanden 
haben  (darunter  26  von  Siegern  in  Wettkämpfen,  15  von  Beamten,  Priestern 
und  Priesterinnen)'*).  Eine  Überfüllung  der  Foren  mit  Statuen,  die  den  Verkehr 
behinderte,  wie  in  Cirta^),  wo  auch  einmal  eine  gestohlen  wurde '^),  mag  nicht 
selten  gewesen  sein.  Ruhmbegier  und  Munizipalpatriotismus  verbanden  sich, 
wie  bemerkt,  mit  der  Rücksicht  auf  die  öffentliche  Meinung,  um  die  Wohlha- 
benden und  Angesehenen  zu  Leistungen  für  die  Kommunen  anzuspornen,  und 
diese  setzten  ihrerseits  einen  Ruhm  darein,  durch  zahlreiche  Monumente  zu  be- 
zeugen, daß  viele  es  sich  zur  Ehre  geschätzt  hatten,  ihnen  Opfer  zu  bringen, 
und  daß  sie  ihrerseits  wohl  imstande  seien,  solche  zu  belohnen  und  zugleich 
ihre  Stadt  zu  schmücken^).  Schwerlich  konnte  eine  reiche  und  ansehnliche 
Familie  in  einer  größeren  Stadt  einige  Generationen  hindurch  ihren  Wohnsitz 
gehabt  haben,  ohne  in  die  Notwendigkeit  versetzt  worden  zu  sein,  sich  die  Ehre 
der  Statue  zu  verdienen.  Die  von  Prusa  rühmt,  daß  seine  Großväter  und  andre 
Vorfahren,  sein  Vater  (der  lange  Zeit  der  Stadt  vorgestanden  hatte),  seine  Brüder 
und  Verwandten  von  der  Stadt  geehrt  worden  seien  durch  viele  Statuen,  öffent- 
liche Begräbnisse,  Kampfspiele  an  ihren  Gräbern  und  viele  andre  Auszeich- 

l)  Plin.  n.  h.  XXXIV  17.  2)  z.  B.  J.  Keil,  Ephesos  (1915)  S.  63  ft".  Fränkel,  Inschr.  v.  Perga- 
mon  nr.  377 ff.  Kern,  Inschr.  v.  Magnesia  nr.  156!?.  Inschriften  vom  Forum  von  Thamugadi  CIL 
Vni  2356 ff.  I7844ff.  Vgl.  im  allgemeinen  auch  E.  Kuhnert,  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIV  (1885) 
S.  281fr.  3)  Mau,  Pompeji^  S.  463.  4)  Lanckoronski,  Städte  Pamphyl.  u.  Pisid.  II  55.  5^  CIL 
Vin  7046.  Oben  S.  37.     6)  CIL  Vni  7063.     7)  Dio  Chr.  a.  a.  O.  7  (T  220 f.'. 


[III.  269]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  69 

iiungen:  seiner  Mutter  war  nach  ihrem  Tode  nicht  bloß  ein  Standbild,  sondern 
auch  ein  Tempel  errichtet  worden'). 

Auch  die  Bekleidung  mancher  nur  der  Aristokratie  der  Provinzen  zugäng-  Statuen  der 
liehen  hohen  Würden  hatte  die  Ehre  der  Statue  mehr  oder  minder  regelmäßig  pri^Iter!^ " 
zur  Folge,  wie  namentlich  die  des  höchsten  Provinzialpriestertums.  In  einem 
die  Ehrenrechte  desselben  bestimmenden  Gesetz  in  Narbo  wird  den  nach  Ab- 
lauf ihres  Amtsjahrs  abtretenden  Provinzialpriestern  das  Recht  eingeräumt,  sich 
auf  einen  (wahrscheinlich  durch  den  Provinziallandtag  zum  Beschluß  erhobenen) 
Antrag  ihres  Nachfolgers  eine  Statue  selbst  zu  setzen'').  Postamente  solcher 
Statuen  sind  in  Tarraco^)  und  Lugdunum  zahlreich  gefunden  worden;  doch  hier 
nicht  von  den  Priestern  selbst,  sondern  in  Lugdunum  ausnahmlos,  in  Tarraco 
in  weitaus  überwiegender  Zahl  (52  unter  etwa  70)  von  der  Provinz,  seltener  von 
den  Heimatsgemeinden  oder  den  eigenen  Angehörigen  auf  Beschluß  des  Land- 
tags gesetzt,  und  zwar  ist  in  Spanien  auch  auf  die  an  der  Würde  ihrer  Gatten 
teilnehmenden  Priesterinnen  diese  Ehre  entweder  sofort  oder  im  Laufe  der  Zeit 
erstreckt  worden'*).  Ähnliche  Bestimmungen  werden  auch  in  den  übrigen  Pro- 
vinzen bestanden  haben. 

Um  von  der  Allgemeinheit  der  Ehre  der  Statue  in  den  Städten  Italiens  sowie  Veranlassungen 
aller  Provinzen  =)  eine  Vorstellung  zu  geben,  genügt  es,  diejenigen  Verdienste  ^,"^  statuen""^ 
anzuführen,  die  am  häufigsten  durch  diese  Ehre  belohnt  wurden.  Hauptsäch- 
lich waren  es  große  zum  Besten  der  Stadt  gebrachte  Geldopfer  und  persönliche 
Leistungen:  nächst  den  bereits  erwähnten,  so  häufigen  Verschönerungs-  oder 
Nützlichkeitsbauten  Zuwendungen  und  Schenkungen  zu  den  verschiedensten 
Zwecken  (z.  B.  zum  Ankauf  von  Getreide  bei  Teuerungen),  ganz  besonders 
häufig  aber  (einmalige  oder  jährlich  wiederkehrende)  Bewirtungen  der  gesamten 
Bürgerschaft,  bei  denen  auch  Geld  verteilt  zu  werden  pflegte ;  ferner  Schau- 
spiele aller  Art  (namentlich  Tierhetzen  und  Gladiatorenkämpfe) ,  endlich  frei- 
willig übernommene  und  auf  eigene  Kosten  ausgeführte  Gesandtschaften  an 
die  Kaiser  und  Statthalter.  Aber  neben  diesen  gewöhnlichsten  Veranlassungen 
für  die  Ehre  der  Bildsäule  gab  es  noch  viele  andre.  Auch  eine  ausgezeichnete 
Wirksamkeit  in  einem  Lehramt  gab  Anspruch  darauf;  und  nicht  bloß  die  welt- 
berühmten Professoren  der  Bedsamkeit,  die  Scharen  von  Schülern  aus  weiter 
Ferne  herbeizogen,  erhielten  sie,  sondern  zuweilen  wurden  auch  bescheidene 
Schullehrer,  wenn  sie  Gelehrte  von  Ruf  waren,  mindestens  nach  ihrem  Tode 
so  geehrt.  Von  Horazens  Lehrer  Orbilius  Pupillus,  der  als  fast  100 jähriger 
Greis  in  einer  Dachkammer  starb,  sah  man  zu  Benevent  auf  dem  Kapitol  eine 
sitzende  Statue  im  griechischen  Mantel  mit  zwei  Bücherbehältern;  zu  Präneste 
eine  des  M.  Verrius  Fiaccus  über  seinem  dort  auf  demForum  auf  Marmortafeln 
eingegrabenen  Kalender^).  Auch  literarische  Leistungen  (von  Einheimischen 
und  Fremden)  wurden  wenigstens  in  Griechenland  durch  diese  Anerkennung 
belohnt,  mit  der  die  Städte  zuweilen  nur  zu  freigebig  verfuhren.    Nach  Dio  von 

i)  Dio  Chr.  or.  27,  3  f.  (II  67  Arn.).  2)  CIL  XII  6038  =  Dessau  6964  Z.  loflf.  3)  CIL  II 
4248  =  Dessau  6937  stahtam  inter  flaminahs  viros positam.  4)  Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  S.  501  f. 
5)  Einiges  zusammengestellt  bei  Liebenam,  Städteverwaltung  S.  121  ff.,  vgl.  auch  Liermann,  Bcr. 
d.  fieien  dtsch.  Hochstiftes  zu  Frankfurt  a.  Main  N.  F.  VIII  1892  S.  372  ff.  6}  Sueton.  de  gramra. 
et  rhct.  9.  17. 


70  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  270 

Prusa  hatten  die  Athener  einem  höchst  unbedeutenden  Dichter  (vielleicht  dem 
Improvisator  Q.  Pompejus  Capito)  eine  Bronzestatue,  und  zwar  neben  der  des 
Menander  aufgestellt 'j.  In  Halikarnaß  wurde  der  Tragödiendichter  C.  Julius 
Longianus  aus  Aphrodisias  (unter  Hadrian),  der  bei  seinem  dortigen  Aufenthalt 
durch  mannigfaltige  poetische  Vorträge  »die  Älteren  erfreut  und  die  Jüngeren 
gefördert«  hatte,  durch  mehrere  Bronzebüsten  geehrt,  die  an  den  besuchtesten 
Orten,  im  Heiligtum  der  Musen  und  im  Gymnasium  der  Epheben  »neben  dem 
alten  Herodot«  aufgestellt  wurden:  seinen  Schriften  wies  man  einen  Platz  in  der 
öffentlichen  Bibliothek  an;  außerdem  ließ  der  Verein  der  Bühnenkünstler  sein 
Bild  in  ganzer  Figur  malen,  um  es  in  Aphrodisias  an  einem  von  ihm  zu  wählen- 
den Orte  aufstellen  zu  lassen").  Der  Dichter  Maximus  von  Apamea  erhielt  in 
Cyzicus,  wo  er  in  einem  poetischen  Wettkampfe  zweimal  den  Preis  davonge- 
tragen hatte,  auch  ein  Standbild^).  Doch  wird  man  natürlich  vor  den  auswär- 
tigen Berühmtheiten  überall  die  einheimischen  geehrt  haben,  unter  diesen  erhielten 
namentlich  auch  Künstler  aller  Art  Statuen.  So  in  Ostia  ein  Athlet  oder  Musiker, 
der  in  allen  Weltteilen  Siegespreise  errungen  hatte,  > wegen  seiner  hervor- 
ragenden Virtuosität  und  großen  Ergebenheit  gegen  seine  Vaterstadt«'^);  in 
Präneste  der  erste  Pantomime  seiner  Zeit,  M.  Aurelius  Agilius  Septentrio, 
»wegen  seiner  ungemeinen  Liebe  zu  seinen  Mitbürgern  und  seiner  Vaterstadt«  ^;. 
Auch  Frauen  wurde  diese  Ehre  sehr  häufig  erwiesen.  Es  war  ferner  Sitte,  Verstor- 
benen Statuen  zu  errichten,  um  ihre  Angehörigen,  namentlich  Eltern,  zu  trösten 
und  zu  ehren^),  selbst  kleinen  Kindern.  In  Brixia  hat  der  Gemeinderat  einmal 
für  einen  Knaben,  der  im  Alter  von  6  Jahren  2  Monaten  5  Tagen  gestorben  war, 
eine  vergoldete  Reiterstatue  dekretiert,  um  den  überlebenden  Vater  zu  erfreuen^): 
so  gemein  war  also  diese  Art  von  Monumenten  allmählich  geworden,  in  denen 
noch  Cicero  einen  Beweis  für  die  Maßlosigkeit  seines  Zeitalters  gefunden  hatte®). 
Eine  noch  höhere,  doch  ebenfalls  nicht  selten  von  städtischen  Behörden  be- 
schlossene Auszeichnung  war  eine  Statue  auf  einem  Zweigespann 5).  Eine  solche 
hatte  für  einen  dem  Ritterstande  angehörigen  Patron  der  Stadt  Präneste  die 
dortige  Bürgerschaft  zum  Dank  für  ein  von  ihm  gegebenes  glänzendes,  zwei- 
tägiges Gladiatorenspiel  verlangt;  doch  der  Gemeinderat  beschloß,  ihm  nur 
eine  Reiterstatue  zu  setzen '°).  Für  einen  vom  Kaiser  ernannten  Verwalter  des 
städtischen  Zinsbuchs  in  Panhormus  (Palermo)  war  von  der  dortigen  Einwohner- 
schaft eine  größere  Anzahl  von  Statuen  auf  Zweigespannen  dringend  verlangt 
worden,  und  es  wurde  ihm  als  Bescheidenheit  angerechnet,  daß  er  sich  mit  zwei 
solchen  und  (vermutlich)  drei  Reiterstatuen  begnügte"). 
Mehrere  Sta-  Eine  andre  Steigerung  der  Ehre  war  die  Errichtung  von  mehreren  Statuen 
*"'°Person*'—  ^^^selben  Person.  Auf  die  Weise  belohnten  z.  B.  die  Athener  ihren  reichen 
(auch  als  epischer  Dichter  bekannten)  Mitbürger  Julius  Nicanor,  der  (unter 
August)  die  von  ihnen  aus  Geldnot  verpfändete  oder  verkaufte  Insel  Salamis 

I,  Dio  Chr.  a.a.O.  116  (I  253).  IG  III  769  (nach  der  Vermutung  von  Kumanudes;.  Wachsmuth, 
Stadt  Athen  I  679  A.  2)  Lebas-Waddington  1618.  1619.  3)  CIG  3672  =  Kaibel,  Epigr.  gr.  881. 
4)  CIL  XIV  474  =  Dessau  5233.  5)  CIL  XIV  2977  =  Dessau  5194.  6)  Vgl.  z.  B.  CIL  II  3251 
(mit  Mommsens  Anm.).  VIII  7066  =  Dessau  II05  u.  a.     7J  CIL  V  4441.      8)  Cic.  Philipp.  IX  13. 

9)  Statuen  auf  Bigae  z.  B.  CIL  X  6090  =  Dessau  6295  (Mintumae  .    CIL  II  1086  =  Dessau  2712. 

10)  CIL  XIV  2991.     11)  CIL  X  7295  =  Dessau  5055:  vgl.  CIL  X  3704  =  Dessau  5054. 


[III.  271,  272] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


7^ 


für  sie  zurückkaufte:  in  rühmenden  Inschriften  wird  er  als  »neuer  Homer«  und 
> neuer  Themistocles<:  gepriesen'].  In  der  Zeit  der  Antonine  erhielt  ein  P.  Lu- 
cilius  Gamala  für  seine  zahlreichen  Bauten  und  Schenkungen  zu  Ostia  zwei 
Bronzestatuen,  wovon  eine  vergoldet^).  Artemidor,  Sohn  des  Theopomp,  eines 
Freunds  des  August,  erhielt  in  seiner  Vaterstadt  Cnidus  »drei  marmorne,  drei 
goldene  und  drei  bronzene  Büsten«,  außerdem  stand  eine  goldene  Büste  von  ihm 
in  dem  dortigen  Artemistempel  ^''.  In  Sardes  wurde  kurz  vor  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung ein  um  das  Wohl  der  Stadt  in  hervorragender  Weise  verdienter  Mann 
außer  durch  Verleihung  zweier  goldener  Kränze  durch  die  Errichtung  von  drei 
Statuen  aus  vergoldeter  Bron7,e  (darunter  eine  von  mehr  als  Lebensgröße,  eine 
andre  als  Reiterstandbild),  weiter  von  vier  Bronzestandbildern,  drei  Marmor- 
statuen und  vier  Porträtgemälden  ausgezeichnet^).  In  Aphrodisias  beschloß 
man  für  einen  Unbekannten  »vergoldete  Porträtmedaillons  und  Statuen  aus 
Marmor  und  Bronze  in  Tempeln  und  an  öffentlichen  Orten,  die  er  selbst  wählen 
sollte«,  zu  errichten^).  Einer  Priesterin  in  Calama  in  Numidien,  die  eine  außer- 
ordentliche Freigebigkeit  gegen  die  Stadt  bewiesen  hatte,  beschloß  der  Ge- 
meinderat fünf  Statuen  zu  setzen^).  Ebenso  viele  Statuen  der  Sosia  Falconilla 
wurden  nach  deren  Tode  ihrem  Vater  Q.  Pompejus  Sosius  Priscus  (Konsul  169; 
von  der  Gemeinde  zu  Cirta  angeboten,  von  denen  er  jedoch  nur  eine  an- 
nahm^). 

Die  Fünfzahl  erklärt  sich  in  diesen  beiden  Fällen  wohl  daraus,  daß  von  den  durch  Kurien, 
zehn  Kurien,  in  die  hier  wie  in  andern  Städten  Afrikas^)  die  Bürgerschaft  ge-  ph^.'ie^n^er-""^ 
teilt  gewesen  sein  wird,  je  zwei  sich  zur  Errichtung  einer  Statue  vereinigt  hatten.  Hebtet. 
Doch  zu  Hippo  Regius  in  Numidien  hatte  einem  Kaiserpriester  und  obersten 
Magistrat  zum  Dank  für  ein  prachtvolles  Gladiatorenspiel  und  andre  Verdienste 
jede  Kurie  aus  eignen  Mitteln  eine  Statue  (wohl  auf  seiner  Villa)  errichtet^;, 
und  auch  sonst  finden  sich  in  afrikanischen  Städten  Errichtungen  von  Stand- 
bildern durch  »sämtliche  Kurien«  ^°),  wie  in  den  Städten  andrer  Provinzen  durch 
sämtliche  Stadtbezirke  Hnci] ;  so  in  Alexandria  Troas,  wo  es  deren  mindestens 
zehn  gab");  in  Rom  hatten  schon  in  Sullas  Zeit  sämtliche  Bezirke  dem  sehr 
populären  M.  Marius  Gratidianus  Statuen  gesetzt,  die  Sulla  nach  dessen  scheuß- 
licher Ermordung  umstürzen  ließ'^).  Einem  C.  Valerius  Camillus  beschloß  nach 
einer  in  Avenches  gefundenen  Inschrift  (etwa  in  Claudius  Zeit)  die  Gemeinde 
der  Helvetier  sowohl  für  sich  als  für  ihre  einzelnen  Gaue  Statuen  zu  errichten'^). 
Auf  dieselbe  Weise  statteten,  wie  es  scheint,  die  sämtlichen  zwölf  Phylen  Attikas 
dem  Tiberius  Claudius  Atticus  ihren  Dank  für  eine  allgemeine  Bewirtung  ab: 


i)  Oben  I  85 f.,  vgl.  auch  Dio  Chrysost.  or.  14,  116  (I  253  Am.,.  2)  CIL  XIV  375.  376  (Dessau 
6147];  vgl.  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VIII  3290".  3)  Lebas-Waddington  15721'is.  4)  Americ.  Journ. 
of  Archaeol.  2.  Ser.  XVII  1913  S.  29  fr.,  wo  die  Herausgeber  W.  H.  Buckler  und  D.  M.  Robinson 
reiches  Erläuterungsmaterial  beibringen.  5)  Lebas-Waddington  1 594 ;  vgl.  die  ähnliche  Inschrift  von 
Colossus  1697.  6]  CIL  VIII  5365  f.  Vgl.  oben  S.  23.  7)  CIL  VIII  7066  =  Dessau  1 105;  vgl.  CIL  XIV 
353  =  Dessau  6148  (Ostia) :  inforo  ante  staUias  fili.  8)  Mommsen  StR.  III  100,  2,  weitere  Zeug- 
nisse bei  Kubier,  Real-Encykl.  IV  iSigf.  9)  CIL  Vm  5276.  10)  CIL  VIII  1888.  11332.  11345. 
11813.  12354.  16556  =  Dessau  6838.  6836.  7796.  1410.  6826.  6S39.  Il)  CIL  ÜI  384.  386  = 

Dessau  1018.  2718.  12)  Plin.  n.  h.  XXXIII  132.  Seneca  de  ira  III  18,  l.  Vicatim  errichtete  Sta- 
tuen eines  Ti.  Claudius  Piso  in  Apamea,  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VIII  531  ff.  13]  CIL  XIII  5110  = 
Dessau  7008,  vgl.  Mommsen  a.  a.  O.  V  398  ff. 


72 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  273I 


ehrten. 


Statuen  von 
Fremden. 


eine  Ehre,  die  bis  dahin  vielleicht  nur  dem  Kaiser  Hadrian  erwiesen  wor- 
den war^). 
Errichtung  auf  Sehr  häufig,  wenn  nicht  in  der  Regel,  erfolgte  übrigens  die  Errichtung  der 
Kosten  «ierGe-  Statuen  auf  Kosten  der  Geehrten.  Man  liest  auf  ihren  Inschriften  die  Formel :  »mit 
der  Ehre  zufrieden,  hat  er  die  Kosten  erlassen«  so  äußerst  oft,  daß  man  nicht 
zweifeln  kann,  die  Statuen  sind  in  sehr  vielen  Fällen  erst  dekretiert  worden, 
nachdem  eine  vertrauliche  Erklärung  der  zu  ehrenden  Personen  erfolgt  war, 
daß  sie  die  Kosten  selbst  tragen  würden.  Ausnahmsweise  ließ  jemand  auch 
wohl  zu,  daß  die  erforderlichen  Beiträge  gesammelt  wurden,  um  sie  dann  zurück- 
zuerstatten^). In  Forum  Sempronii  (Fossombrone)  ließ  der  Gemeinderat  ein- 
mal eine  im  geheimen  votierte  Statue  fertig  zu  dem  Geehrten  hinschaffen,  da- 
mit er  sie  nicht  aus  zu  großer  Bescheidenheit,  wie  schon  früher  einmal, 
ablehne^).  In  manchen  Gegenden  Griechenlands  übernahmen  öfters  die  An- 
gehörigen des  durch  Votierung  einer  Statue  Geehrten  die  Kosten  der  Er- 
richtung*). 

Zu  den  ausgezeichneten  Fremden,  denen  man  diese  Ehre  erwies,  gehörten  im 
2.  Jahrhundert  außer  Dichtern  besonders  die  bedeutendsten  der  von  Ort  zu  Ort 
ziehenden  Virtuosen  der  Beredsamkeit  (Sophisten).  So  hatte  Aristides  an  mehre- 
ren Orten  Statuen  erhalten ;  eine  derselben  zu  Alexandria  war  ihm  gemeinschaft- 
lich von  Alexandria,  Hermopolis  magna,  Antinoe  und  den  Griechen  des  Delta 
sowie  des  thebäischen  Gaues  errichtet  worden^).  Eine  Statue  des  Verfassers 
einer  dem  Dio  von  Prusa  beigelegten  Rede  (Favorinus),  welche  die  Stadt  Ko- 
rinth  in  ihrer  öffentlichen  Bibliothek  hatte  aufstellen  lassen,  damit  er  ihrer 
Jugend  zum  Vorbild  diene,  war  bald  nachher  verschwunden  %  Apulejus  sagt 
in  seiner  Dankrede  für  die  ihm  vom  Gemeinderate  zu  Karthago  votierte  Statue, 
ihm  sei  diese  Ehre  bereits  an  andern  Orten  erwiesen  worden;  auch  in  mittel- 
mäßigen Städten  habe  es  dazu  nicht  an  den  Kosten  für  die  Bronze  und  an  der 
Tätigkeit  eines  Künstlers  gefehlt^).  Als  der  Philosoph  Demonax  einmal  nach 
Olympia  kam,  votierten  ihm  die  Eleer  eine  Bronzestatue:  er  lehnte  sie  ab,  weil 
sie  damit  einen  Tadel  ihrer  Vorfahren  ausdrücken  würden,  die  dem  Sokrates 
und  Diogenes  keine  gesetzt  hätten^).  Bildnisse  des  ApoUonius  von  Tyana  hatte 
der  Kaiser  Aurelian  in  vielen  Tempeln  gesehen^).  Der  unter  Domitian  wegen 
Fälschung  verurteilte  Philosoph  Flavius  Archippus  in  Bithynien  hatte  die  Ehre 
der  Statue  dort  öfters  erhalten'").  Noch  in  der  Zeit  des  Severus  Vv^ar  es  gewöhn- 
lich, daß  Philosophen  durch  Statuen  geehrt  wurden").   Den  Arzt  und  medizi- 


i)  IG  m  669—673,  vgl.  Dittenberger,  Hermes  XIII  1878  S.  72!.  2)  CIL  XI  3258  (Sutrium}. 
U  1971.  3)  CIL  XI  6123.  4;  z.B.  IG  V  I  nr.  II 70.  II 77.  1369.  5)  Dittenberger,  Or.  gi.  nr.  709. 
Über  eine  ähnliche  Statue  in  Smyrna  Philostr.  Vit.  soph.  II  9,  i;  vgl.  auch  Liban.  epist.  1551. 
Die  Echtheit  der  Inschrift  (IG  XIV  156*)  der  in  der  vatikanischen  Bibliothek  befindlichen  Statue 
des  Aristides  (Heibig,  Führer^  nr.  413,  vgl.  813)  ist  sehr  zweifelhaft  (vgl.  Hülsen,  Rom.  Mitteil. 
XVI  1901-S.  176  nr.  23*;.  6)  Dio  Chr.  or.  20,  8 f.  (II  iSf.  Arn).  Statue  des  Proäresius  in  Rom: 
Eunap.  Vit.  sophist.  p.  492,  23  Boiss.,  des  Libanius  in  vielen  Städten,  Liban.  or.  2,  15,  vgl.  42,  43 
(I  244.  III  328  F.),  des  Themistius  or.  4,  54  B.  17,  214  B.  7)  Apulei.  Florid.  16.  Augustin.  Ep. 

13S,  19:  (Apuleius)  qjii  — pro  statiia  sibi  apud  Occnscs  locanda  —  adver siis  coTitradictiofuni  quoriui- 
dam  chnum  litigarct.  quod  posferos  iu  lateret,  eiusdem  litis  orationem  scriptum  7nemoriae  commeti- 
davit.  8)  Lucian.  Demon.  58.  9)  Hist.  aug.  Aurelian.  24,  5.  10)  Fun.  ad  Tr.  60.  ii)Tertull. 
Apol.  46. 


[in.  274] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


73 


nischen  Schrifsteller  Heraclitus  ehrte  seine  Vaterstadt  Rhodiapolis  in  Lycien 
(im  I.  Jahrhundert  n.  Chr.)  mit  einer  vergoldeten  Büste  und  »der  Statue  für 
wissenschaftliche  Bildung«  (d.  h.  einer  solchen,  wie  sie  Gelehrten  und  Schrift- 
stellern gewöhnlich  errichtet  wurde) ;  auf  dieselbe  Weise  war  er  von  den  Ge- 
meinden zu  Alexandria,  Rhodus,  Athen,  von  dem  dortigen  Areopag,  den 
dortigen  Epikureischen  Philosophen  und  der  »heiligen <<  Genossenschaft  der 
dramatischen  Künstler  geehrt  worden'). 

Wie  in  den  Munizipien  diese  Ehre  im  Namen  der  Stadt  (wenn  nicht  durch  die 
gesamte  Bürgerschaft)  durch  den  Gemeinderat  dekretiert  zu  werden  pflegte"), 
so  in  Rom  bis  auf  Diocletian  durch  den  Senat  3).  Für  Lucilius  Longus,  einen 
der  ältesten  und  nächsten  Freunde  Tibers,  beschloß  der  Senat  nach  dessen 
Tode  im  Jahre  23  unter  andern  Ehren  eine  Statue  auf  dem  Forum  des  August 
auf  öffentliche  Kosten;  denn  damals,  sagt  Tacitus,  wurde  noch  alles  im  Senat 
verhandelt^).  Caligulas  Verbot,  einem  Lebenden  ohne  seine  ausdrückliche  Er- 
laubnis eine  Statue  oder  ein  Bildnis  zu  setzen 5),  hob  das  selbständige  Beschluß- 
recht des  Senats  auf;  doch  Claudius  stellte  es  wieder  her,  da  er  sogar  (im  Jahre 
45)  die  öffentliche  Aufstellung  der  Bildsäulen  durch  Private  von  der  Erlaubnis 
des  Senats  abhängig  machte:  nur  solchen,  die  ein  öffentliches  Gebäude  auf 
eigne  Kosten  aufgeführt  hatten,  oder  deren  Verwandten  war  es  in  demselben 
gestattet.  Bis  dahin  hatte  es  jedermann  frei  gestanden,  sein  Bildnis  gemalt  oder 
in  Stein  und  Erz  öffentlich  aufzustellen.  Die  Folge  war  eine  Überfüllung  Roms 
mit  persönlichen  Denkmälern  gewesen,  welcher  Claudius  durch  eine  neue  Ver- 
teilung abhalft).  'Doch  eine  Errichtung  von  Statuen  in  Tempeln  (wie  z.  B.  der 
des  Antonius  Musa,  des  Arztes  Augusts,  aus  freiwilligen  Beiträgen  im  Äsculap- 
tempel)^)  dürfte  nach  wie  vor  Privaten  erlaubt  gewesen  sein. 

Da  übrigens  der  Senat  diese  Ehre  sicherlich  immer,  wenn  nicht  auf  den  Be- 
fehl, so  doch  im  Einverständnisse  mit  den  Kaisern  votierte,  so  wird  die  Errich- 
tung von  Statuen  ebensogut  auch  diesen  zugeschrieben.  Von  Tiberius  sagt 
z.  B.  Cassius  Dio,  daß  er  viele  Verstorbene  durch  Bildsäulen  ehrte ^).  Lebenden 
wurden  (abgesehen  von  den  Mitgliedern  des  Kaiserhauses)  Statuen  überhaupt 
in  Rom  nicht  gar  zu  oft  gesetzt;  gegen.  Tote  dagegen  waren  Senat  und  Kaiser 
mit  dieser  Ehre  freigebig.  Unter  Nerva  erhielt  der  sehr  jung  verstorbene  Vestri- 
cius  Cottius  eine  Statue  5);  unter  Marc  Aurel  die  Vornehmsten  der  durch  die 
Pest  Hingerafften  und  die  im  Markomanenkriege  gefallenen  Adligen,  die  letz- 
teren auf  dem  Trajansforum'°).  Bei  einem  Regierungsantritte  scheinen  in  der 
Regel  die  verstorbenen  Verwandten  des  neuen  Kaisers  Statuen  erhalten  zu 
haben.  Claudius  wäre  unter  Caligula  fast  des  Konsulats  (37)  entsetzt  worden, 
weil  er  die  Ausführung  und  Aufstellung  der  Statuen  der  verstorbenen  Brüder 

I)  IGR  III  733:  TW  Tnc;  naibeiaq  dv&piavTi  (dazu  unten  S.  90  A.  5).  2)  Huic primo  omnium 
pMke  decurionum)  d[ecret6)  statua  posita  est  heißt  es  in  einer  Inschrift  von  Antiochia  in  Pisidien 
aus  der  Zeit  des  Augustus,  Dessau  9502.  3)  Mommsen  StR.  III  1 184  ff.  Erst  seit  Diocletian  be- 
antragte der  Senat  sie  beim  Kaiser.  Der  Erlaubnis  des  Senats  bedurfte  es  nicht  bei  den  Statuen 
der  Triumphatoren  (vor  Hadrian)  und  anfangs  der  Bauherren,  Mommsen  a.  a.  O.  P  450  f.  4)  Tac. 
A.  IV  15.  5)  Sueton.  Calig.  34,  i.  6)  Cass.  Dio  LX  25,  2 f.;  vgl.  Mommsen  a.  a.  O.  P  451  2 
7)  Sueton.  Aug.  59.  8)  Cass.  Dio  LVII  21,3.  9)  Plin.  ep.  II  7,  3.  10)  Hist.  aug.  M.  Aurel. 
13,  5.  22,  7;  vgl.  Cass.  Dio  LXXI  3,  5.  CIL  VI  1377  =  Dessau  1098,  s.  auch  CIL  VI  1540.  1549 
=  Dessau  11 12.  iioo. 


Votierung  der 
Statuen  durch 
die  Gemeinde- 
räte, in  Rom 
durch  den  Se- 
nat. 


Öffentlich  errich- 
tete Statuen  Ver- 
storbener — 


74 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[in.  275] 


und  Lebender 


Orte  der  Aufstel- 
lung in  Rom. 


Die  Statuen 
der  Ober- 
vestalinnen. 


des  Kaisers,  Nero  und  Drusus  (f  30),  nachlässig  betrieben  hatte').  Nero  erbat 
noch  im  Jahre  54  vom  Senat  eine  Statue  für  seinen  Vater  Gnaeus  Domitius^). 
Antoninus  Pius  »nahm  die  (vom  Senat)  für  seinen  Vater,  seine  Mutter,  seine 
Großeltern  und  Brüder,  die  sämtlich  schon  tot  waren,  dekretierten  Statuen  gern 
an«^).  Marc  Aurel  ehrte  sogar  die  Freunde  seiner  Eltern  nach  ihrem  Tode 
durch  Statuen'*).  Sever  setzte  deren  seinen  verstorbenen  Angehörigen,  seinen 
Eltern,  seinem  Großvater  und  seiner  ersten  Gemahlin^). 

Doch  auchLebenden  erwiesen  Senat  und  Kaiser  zuweilen  diese  Ehre;  soTrajan 
seinen  besonders  geschätzten  Freunden  Sosius  Senecio,  Cornelius  Palma  und 
Publilius  Celsus^).  Marc  Aurel,  der  für  seinen  Lehrer  in  der  Philosophie  Junius 
Rusticus  nach  dessen  Tode  im  Senat  mehrere  Statuen  forderte,  verlangte  eine  für 
seinenLehrer  in  der  Beredsamkeit,  Fronto,  offenbar  noch  bei  dessenLebzeiten^). 
Aufseinen  und  seines  Mitregenten  Commodus  Antrag  votierte  der  Senat  dem  Prä- 
fekten  des  PrätoriumM.BassäusRufus  drei  Statuen:  eine  vergoldete  auf  dem  Forum 
Trajans,  eine  in  bürgerlicher  Tracht  in  dem  Tempel  des  Pius,  eine  im  Harnisch 
wahrscheinlich  in  dem  des  rächenden  Mars ^).  Statuen  gehörten  zuweilen  auch  zu 
denmilitärischenBelohnungen^).  Constantius  ließ  z.  B.  die  der  Führereines  kühnen 
Ausfalls  aus  dem  von  den  Persern  (359)  belagerten  Amida  in  Armenien  (Diar- 
bekir)  auf  einem  belebten  Platze  zu  Edessa  aufstellen,  wo  sie  Ammian  noch  sah '°). 

Mit  Statuen  waren  in  Rom  vor  allem  die  sämtlichen  Foren  mit  ihren  Kolon- 
naden und  die  bedeutendsten  Tempel  und  deren  V^orplätze  gefüllt;  das  alte 
Forum")  und  der  Vorplatz  des  Juppitertempels  auf  dem  Kapitol  schon  in  der 
Republik.  Von  hier  versetzte  August  eine  Anzahl  von  Statuen  berühmter 
Männer  wegen  Mangels  an  Raum  auf  das  Marsfeld '").  Auf  dem  Forum  Augusts 
wurden  bis  auf  Trajan  die  vom  Senat  dekretierten  Triumphalstatuen  aufgestellt, 
nach  Trajan  gewöhnlich  auf  dessen  Forum.  Überhaupt  wurde  dieses  je  länger 
je  mehr  »der  Mittelpunkt  des  Glanzes  und  der  Auszeichnung«,  schon  seit  der 
Zeit  der  Antonine,  wovon  auch  zahlreiche  (bis  ins  6.  Jahrhundert  hinabreichende) 
dort  gefundene  Postamente  zeugen'^).  Eine  sehr  seltene  Ehre  war  eine  Statue 
auf  dem  Palatium,  die  der  Senat  dem  Vater  des  Kaisers  Otho  (L.  Otho)  für  die 
Entdeckung  eines  Mordanschlags  auf  Claudius  votierte''*).  Dort  ȟber  den 
Triumphalstatuen  auf  dem  Forum«  ließ  Nero  auch  im  Jahre  65  die  Statuen  des 
nachherigen  Kaisers  Nerva  und  des  Tigellinus  aufstellen '5).  Sejan  erhielt  auf 
den  Beschluß  des  Senats  eine  Statue  im  Pompejustheater,  weil  er  die  Ausbrei- 
tung eines  Brandes,  der  darin  im  Jahre  22  ausgebrochen  war,  verhindert  hatte '^). 
Passienus  Crispus,  der  sich  als  Anwalt  in  Centumviralprozessen  ausgezeichnet 
hatte,  erhielt  eine  Statue  in  der  Basilica  Julia '^). 

Die  lebensgroßen  Statuen  der  Obervestalinnen  standen  im  Peristyl  des  jetzt 
wieder  aufgedeckten  Vestalinnenhauses  ringsum  unter  der  Säulenhalle;  sech- 

l)  Sueton.  Claud.  9,  i.  2)  Tac.  Ann.  XIII  10.  3)  Hist.  aug.  Anton.  P.  5,  2.  4)  ebd.  M.  Aurel. 
29,  8.  5)  ebd.  Sever.  14,  4,  wo  nach  ntmore  belli  Parthici  eine  Lücke,  dann  etwa  [propinquis]  ex- 
stinctis  patri  matri  usw.  zu  lesen  ist.  6)  Cass.  Dio  LXVIII  16,  2.  Basis,  wahrscheinlich  von  der 
Statue  des  Palma  auf  dem  Forum  des  August,  CIL  VI  1386  =  Dessau  1023.  7)  Hist.  aug.  M.  Aurel. 
2,  5-  3.  5.  8)  CIL  VI  1599  =  Dessau  1326.  9)  CIL  II  3272.  10)  Ammian.  XIX  6,  12.  11)  Jor- 
dan, Ephem.  epigr.  III  1877  S.  248 ff.;  Topogr.  I  2  S.  228f.  12)  Sueton.  Calig.  34,  l.  13)  Jordan, 
Topogr.  I  2  S.  465f.  14)  Sueton.  Otho  i.  3.  15)  Tac.  A.  XV  72.  16)  ebd.  III  72;  vgl.  Seneca 
cons.  ad  Marc.  22,4.     17)  Schol.  Juv.  4,  Si. 


mente. 


[lU.  276,  277]  2.  PLASTIK  UND  MALEREI  75 

zehn  davon  sind  ganz  oder  bruchstückweise  erhalten,  außerdem  30  Postamente 
mit  Inschriften,  von  welchen  27  der  Zeit  vom  Anfange  des  dritten  bis  zum  acht- 
zigsten Jahre  des  vierten  Jahrhunderts  angehören.  Errichtet  waren  diese  Statuen, 
deren  feierlicher  Ernst  an  dieser  Stelle  für  den  Beschauer  etwas  Ergreifendes 
hatte,  teils  von  Priesterkollegien  und  einzelnen  Priestern,  teils  von  nahen  Ver- 
wandten (meist  Brüdern  und  Schwestern  mit  ihren  Familien),  teils  von  Unter- 
gebenen, Freigelassenen  und  solchen,  die  den  Obervestalinnen  zu  Dank  ver- 
pflichtet waren.  Von  Zeit  zu  Zeit  muß  hier  immer  durch  Wegräumung  älterer 
Statuen  für  neu  aufzustellende  Platz  geschafft  worden  sein,  zumal  da  die  den- 
selben Personen  gesetzten  sehr  zahlreich  sein  konnten;  wir  kennen  sieben  einer 
Flavia  Publicia  aus  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  und  ebensoviele  einer  Coelia 
Claudiana  aus  der  nächstfolgenden  Generation'). 

Derartigfe  von  Privatpersonen  errichtete  Denkmäler  werden  selbstverständ-  Privatmonu- 
lieh  weit  seltener  erwähnt  als  öffentliche;  aber  ob  sie  weniger  zahlreich  waren, 
ist  die  Frage.  Zu  ihnen  gehören  u.  a.  die  von  den  Kollegien  (Zünften,  religiösen 
und  andern  Genossenschaften)  ihren  Patronen,  Patroninnen^)  und  sonstigen 
Gönnern^),  von  Soldaten  ihren  Befehlshabern'*)  usw.  gesetzten  Statuen.  In  Pal- 
myra  war  es  im  2.  und  3.  Jahrhundert  offenbar  gewöhnlich,  daß  die  an  einer 
Karawanenreise  teilnehmenden  Kaufleute  dem  Karawanenführer  (cruvobidpxn^S- 
der  aus  den  angesehensten  Bürgern  der  Stadt  entnommen  zu  sein  pflegte,  eine 
Statue  errichten  ließen^).  Besonders  häufig  aber  waren  die  beliebten  und  be- 
rühmten Bühnenkünstlern,  Musikern,  Athleten  und  Wagenlenkern  von  ihren 
Anhängern  und  Verehrern  errichteten  Denkmäler;  die  der  Wagenlenker  waren 
wohl  wenigstens  großenteils  von  den  Faktionen  gestiftet.  Die  Menge  solcher 
Statuen  in  dem  eigentümlichen  Kostüm  des  Zirkus  fiel  in  Rom  um  die  Mitte 
des  2.  Jahrhunderts  den  Fremden  auf,  und  nicht  bloß  diese  Statuen,  sondern  auch 
die  von  Pantomimen  sah  man  mit  Götterbildern  zusammen  (d.  h.  in  Tempeln)  auf- 
gestellt^). Daß  übrigens  solche  Künstler  auch  von  den  Gemeinden  mit  Stand- 
bildern geehrt  wurden,  und  nicht  bloß  in  Griechenland,  ist  bereits  erwähnt 
worden^).  So  werden  denn  die  Denkmäler  der  berühmten  sehr  zahlreich  ge- 
wesen sein.  Nero  zwang  den  schon  sehr  alten  Tragöden  Pammenes  zum  Wett- 
kampf, um  nach  erlangtem  Siege  seine  Statuen  beschimpfen  zu  können^).  Be- 
rühmte Athleten  kannte  man  nach  ihren  an  vielen  Orten  aufgestellten  Bronze- 
statuen ^).    Solche  wurden  besonders  von  den  Genossenschaften  der  Athleten 

li  Jordan,  Tempel  der  Vesta  u.  Haus  der  Vestalinnen  (1886)  S.  44 — 47.  CIL  VI  2131 — 2145. 
32409 — 32428  (p.  3296  ff.).  Dessau  4923 — 4939.  2)  Bronzestatue  einer patro/ta  colkgii  neben  der 
ihres  Manns  in  schola  collegi  fabrum  civitatis  Volsiniensiitm,  CIL  XI  2702  =  Dessau  7217-  3;  CIL 
XII  4393  =  Dessau  7259  (die  zum  Schmuck  der  Stadt  Augustodunum  beim  Einzüge  Constantins 
verwandten  signa  collegiortim  Paneg.  lat.  V  8,  4  waren  wohl  Götterbilder).  Bildnisse  der  Stifter  und 
verdienter  Lehrer  werden  vielfach  in  den  Gymnasien  (Ziebarth,  Aus  dem  griech.  Schulwesen^ 
S.  108),  der  Kosmeten  von  den  Epheben  (IG  IE  735  ff".),  der  Beamten  der  öi'aöoi  von  den  letzteren 
(Poland,  Gesch.  d.  griech.  Vereinswesens  S.  431  ff".)  errichtet.  4)  CIL  V  7007  =  Dessau  2544  (Aug. 
Taurin.)  — primipilari  —  dcciirioncs  alae  Gaetztlontm,  quibus  praefuit  bello  ludaico.  5)  Lebas- 
Waddington2589 (142 n.Chr.).  259o(i55).2596 (193). 2599 (247). 2603 ( — dpxejuiropov dvaKO|ui(JavTa 
Triv  öuvo6(av  TTpoiKC*  et  iöituv,  257/58).  Vgl,  2606a.  Mommsen  RG.  V  428 f.  6)  Vgl.  oben  II  27. 
7)  Oben  S.  70.  S)  Cass.  Dio  LXIII  8,  5;  vgl.  Sueton.  Nero  24,  l.  9)  Philostrat.  Heroic.  2,  6 
p.  146  Teubn. 


76 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  278] 


errichtet ') ;  in  manchen  Spielen  Griechenlands  waren  sie  ein  Teil  des  dem  Sieger 
zuerkannten  Preises");  in  den  Leonideen  zu  Sparta  erhielten  die  Sieger  hundert 
Drachmen  zu  einer  Büste ^). 
Veranlassungen  In  den  mannigfachsten  Verhältnissen  des  Privatlebens  war  die  Errichtung 
^^^  ^"rselbeif  ^^^^^  Statue  ein  gewöhnlicher  Ausdruck  der  Freundschaft  und  Hochachtung,  der 
Ehrerbietung  und  Dankbarkeit.  Schüler  erwiesen  diese  Ehre  ihren  Lehrern'*), 
geheilte  Patienten  ihren  Ärzten^),  freigesprochene  Angeklagte  ihren  Verteidi- 
gern^), Klienten  und  Freigelassene  ihren  Patronen  (wie  der  ältere  Plinius  be- 
richtet, in  deren  Atrien)^),  Gastfreunde  vornehmen  Gästen^).  Der  Obervestalin 
Campia  Severina  (im  3.  Jahrhundert)  errichtete  jemand  eine  Statue,  der  ihr  den 
Ritterstand  und  eine  militärische  Beförderung  verdankte ;  ein  andrer,  weil  er  auf 
ihre  Empfehlung  zum  Leiter  der  Verwaltung  der  kaiserlichen  Bibliotheken  er- 
nannt worden  war^).  Für  einen  D.  Junius  Melinus,  der  in  der  Stadt  Cartima 
in  Bätica  zuerst  römischer  Ritter  geworden  war,  hatten  seine  Freunde  dort  noch 
während  seines  Lebens  eine  Statue  bestellt;  als  er  (wie  es  scheint  vor  der  Er- 
richtung) starb,  setzte  die  Mutter  sie  dem  Toten  auf  eigne  Kosten '°).  Von  den 
oben  erwähnten  fünfzehn  Statuen  des  konsularischen  Amtsdieners  L.  Licinius 
Secundus  zu  Barcelona  ist  eine  von  den  Sevirn  der  Augustalen  zu  Barcelona,  zu 
denen  er  gehörte,  eine  von  einem  Kollegium,  zwei  von  einzelnen  Sevirn,  fünf 
von  Freunden,  eine  von  einem  Freigelassenen  errichtet  worden").  Doch  auch 
höher  Gestellte  bezeugten  Geringeren  auf  diese  Art  ihre  Achtung.  Der  Kon- 
sular  Aemilianus  Strabo  hatte  in  einem  Schreiben  an  den  Gemeinderat  zu  Kar- 
thago erklärt,  dort  dem  Apulejus  eine  Statue  errichten  zu  wollen,  und  Apulejus 
äußert  sich  für  diese  Ehre  überschwenglich  dankbar"). 

Endlich  war  es  offenbar  zu  allen  Zeiten  häufig,  daß  Privatpersonen  sich  selbst 
bei  Lebzeiten  durch  Statuen  verewigten,  was  ja,  wie  bemerkt,  zu  Rom  vor  dem 
Jahre  45  sogar  an  öffentlichen  Orten  hatte  geschehen  können.  Wie  seitdem  dort 
der  Senat,  so  mußte  in  den  übrigen  Städten  der  Gemeinderat  zur  öffentlichen 
Aufstellung  von  Privatdenkmälern  die  Erlaubnis  geben,  beziehentlich  den  Platz 
anweisen.  In  einer  Stadt  in  Südspanien  wurde  einem  lebenslänglichen  Augustalen 
außer  öffentlicher  Bewirtung  [ccnae  publicae)  vom  Gemeinderat  ein  Platz  ange- 
wiesen, um  Statuen  für  sich,  seine  Frau  und  Kinder  zu  errichten,  was  auch  ge- 
schah*^). Auf  eignem  Grund  und  Boden  stand  selbstverständlich  die  Errichtung 
beliebiger  Denkmäler  jederman  frei"*).  Der  Redner  M.  Aquilius  Regulus  hatte  in 
seinem  Garten  jenseits  des  Tiber  eine  sehr  weite  Strecke  mit  unermeßlichen  Ko- 
lonnaden bebaut,  das  Ufer  mit  seinen  Statuen  besetzt ;  wie  er  denn  (nach  der  Ansicht 


Errichtung  der 
eigenen  Statue. 


i)  Lebas-Waddington  1620.  1620a.  2)  CIG  4352  (Side):  Xaßoiv  äöXov  to  re  6e|Lia  Kai  töv 
dvöpidvTO  OÜv  Trj  ßaaet.  IG  V  I  nr.  530  (Spartaj:  Agonothet  der  Cäsareen  und  Eurykleen  ikc,  T6 
ciKOvaq  KOI  toÜ(;  dvöpidvxa^  tOüv  veviKriKOTUJV  ävaaTrjöaq.  3)  IG  V  i  nr.  19.  Kuhnert,  De 
cura  statuar.  (Regim.  1883)  S.  26.  4)  z.  B.  IG  III  773.  775.  Dittenberger,  Syll.^  828.  CIL  VI  32051 
=  Dessau  1237  (aus  dem  4.  Jahrhundert):  Ravctmates  monumeittum peretinis  mcmoriae  —  stattiali 
veneratione  dicavenmt.  5)  z.  B.  IG  HI  778.  6)  Oben  I  182.  7)  Plin.  n.  h.  XXXIV  17.  8)  IG 
VII  87  (Megara):  TTöirXiov  fAi\x\i\ov  PfiY^ov  —  rvaiO(;  OuireWioq  fvai'ou  uiöq  Kpiairoq  töv 
€auToO  Eevov  (unter  Claudius).  9)  CIL  VI  2131.  2132  =  Dessau  4929-  4928.  10)  CIL  II  1955. 
II)  Oben  S.  67.  CIL  II  4536—48.  6148.  6149.  12)  Apulei.  Florid.  16.  13)  CIL  II  1721  = 

Dessau  5492.       14)  Statuen  vornehmer  Personen  in  deren  Villen:  De  Rossl,  Bull.  arch.  crist.  N.  S. 
m  (1872)  S.  96.  104  f.  109. 


[III.  279] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


77 


seines  erbitterten  Gegners  Plinius)  bei  großem  Geize  verschwenderisch,  bei  all 
seiner  Verrufenheit  prahlerisch  war").  Seinem  im  Jahre  104  im  Knabenalter 
verstorbenen  Sohne  ließ  er  eine  Menge  Statuen  und  Bildnisse  errichten,  betrieb 
die  Herstellung  in  allen  Werkstätten,  ließ  ihn  in  enkaustischen  und  andern  Ge- 
mälden, in  Bronze,  Silber,  Gold,  Elfenbein,  Marmor  abbilden').  Ebenso  will 
Claudius  Etruscus  bei  Statius  die  Züge  seines  in  hohem  Alter  gestorbenen 
Vaters  in  »leuchtendem  Stein«,  in  Elfenbein  und  Gold,  und  auf  Tafeln  mit  far- 
bigem Wachs  verewigen  lassen^;. 

Wie  unter  den  öffentlichen,  so  werden  auch  unter  den  Privatdenkmälern  die  Frivatmonumente 
Bildnisse  der  Toten,  gemalte  wie  gemeißelte'^),  zahlreicher  gewesen  sein,  als  f är Verstorbene - 
die  der  Lebenden.  Herodes  Atticus  ehrte  nicht  bloß  seine  verstorbene  Gemahlin 
Annia  Regula  durch  eine  Menge  von  Monumenten^),  sondern  errichtete  auch 
von  seinen  Pflegesöhnen  Achilles  und  Polydeukes  (f  nach  130)  nach  ihrem  Tode 
>  auf  Feldern,  in  Gebüschen,  an  Quellen  und  unter  schattigen  Platanen«  Marmor- 
statuen, die  sie  jagend,  sich  zur  Jagd  rüstend  oder  davon  ausruhend  vorstellten: 
Inschriften  (die  zum  Teil  noch  erhalten  sind)  sprachen  Verwünschungen  gegen 
jeden  aus,  der  diese  Figuren  verstümmeln  oder  von  der  Stelle  rücken  würde  ). 
Ein  Teil  der  Monumente  von  Verstorbenen  schmückte  natürlich  ihre  Gräber. 
Auch  unter  diesen  waren  öffentliche,  deren  Errichtung  nicht  selten  mit  einem  besonders 

Begrräbnis  auf  öffentliche  Kosten  verbunden  wurde ^).    Sehr  häufig  wurden  in  als  Grab- 
r^  ,  ,  ^     ,  .  ■,  ■,        r-  T-.-  denkmäler. 

Testamenten  über  die  am  Grabe  zu  errichtenden  Statuen  Bestimmungen  ge- 
troffen^); so  z.  B.  von  einem  Duumvirn  in  Brixia  über  sieben  Statuen  nebst 
Postamenten,  die  ihm,  seinem  Sohn  und  fünf  andern  Personen  gesetzt  werden 
sollten^).  In  einer  nordafrikanischen  Stadt  vermachte  jemand  der  Gemeinde  ein 
Kapital,  von  dessen  Zinsen  eine  jährliche  Geldverteilung  an  seinem  Geburts- 
tage, außerdem  aber  die  Errichtung  seiner  Statue  für  3200  S.  in  jedem  siebenten 
Jahre  bestritten  werden  sollte '°).  In  einer  Stadt  Südspaniens  verordnete  eine 
Frau,  daß  ihr  eine  Statue  für  8000  S.  (1740  Mark)  errichtet,  und  verschiedene 
Geschmeide  daran  angebracht  werden  sollten,  mit  genauer  Angabe  der  Zahlen 
der  (goldenen)  Glieder  und  Perlen,  aus  denen  die  einzelnen  Schnüre  bestehen 
mußten;  ihr  Sohn  fügte  noch  silberne,  mit  Edelsteinen  besetzte  Armbänder  und 
einen  Jaspisring  für  7000  S.  hinzu  ").  In  dem  Testament  eines  begüterten  Manns 
in  der  Gegend  von  Langres  wird  die  Errichtung  eines  zweistöckigen  Grabmals 
angeordnet,  dessen  Oberstock  einen  nach  vorn  offenen,  durch  Säulen  abge- 
schlossenen Raum  [exedra]  bilden  sollte:  hier  sollten  zwei  Statuen  des  Ver- 
storbenen stehen,  eine,  sitzend,  »aus  dem  besten  überseeischen  (wohl  griechi- 
schen) Marmor«,  die  andre  aus  der  besten  Bronze  zweiter  Sorte  (die  zu  öffent- 
lichen Publikationen  verwandt  wurde  —  aes  tabidare)^  mindestens  fünf  Fuß 
hoch").     Der  Trimalchio  Petrons  (dessen  testamentarische  Bestimmungen  in 

i)  Plin.  ep.  IV  2,  5.  2)  ebd.  IV  7,  i.  3)  Stat.  S.  III  3,  200—202.  4)  Plin.  ep.  III  IC,  6. 
5)  Dittenberger,  Syll.^  857.  IG  III  I417.  XIV  1389— 1392  (Dittenberger  Syll.^  858.  Kaibel, 
Epigr.  gr.  1046).  6)  Philostrat.  Vit.  sophist.  II  i,  10.  IG  IH  810.  811.  813—818.  1418  (=  Kaibel, 
Epigr.  gr.  1090),  vgl.  1417.  1419 — 1422.  Dittenberger,  Syll.^  861.  7)  z.B.  CIL  II  339.  2063. 
2131.  2188.  2344f.  3251.  4268  (ein  Standbild  post  mortem  adicctis  ornamentis  aediliciis);  vgl. 
F.  Vollmer,  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIX  1893  S.  328  f.  8)  z.  B.  CIL  II  1923.  1941.  4020.  9)  €11, 
V  4462.  10)  CIL  Vin  II20I  =  Dessau  5494  (civitas  Zuccharitana).  11)  CIL  II  2060  =  Dessau 
5496.     12)  CIL  XTII  570S  =  Dessau  8379.  oben  II  363.  Vgl.  CIL  II  3165a. 


XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  280,  281] 


Statuen  be- 
rühmter Män- 
ner der  Vorzeit. 


Fortdauer  der 
Errichtung  per- 
sönlicherDenk- 
mäler  bis  in  die 
letzte  Zeit  des 
Altertums. 


manchen  Beziehungen  an  die  dieser  Urkunde  erinnern)  bestellt  für  sein  Grab- 
mal seine  Statue  mit  einem  Hündchen,  nebst  Kränzen  und  Salben  am  Boden; 
zu  seiner  Rechten  soll  die  seiner  Frau  stehen,  eine  Taube  in  der  Hand  und  eben- 
falls ein  Hündchen  an  einem  Bande  haltend'].  Der  freigelassene  Abascantus, 
Sekretär  Domitians,  errichtete  seiner  Gemahlin  Priscilla  ein  palastartiges  Grab- 
mal, in  welchem  ihr  Bild  mehrmals  wiederholt  in  den  Gestalten  verschiedener 
Göttinnen  stand,  als  Ceres  und  Ariadne  in  Bronze,  als  Maja  und  keusche  Venus 
in  Marmor').  Verstorbene  in  der  Gestalt  von  Gottheiten  darstellen  zu  lassen, 
war  überhaupt  nicht  selten^),  doch  die  Darstellung  nach  dem  Leben  die  Regel. 
Ein  großer  Teil  der  erhaltenen  Porträtstatuen  und  -büsten  stammt  von  Grab- 
denkmälern. Die  Wanderer,  welche  zwischen  diesen  rechts  und  links  an  den 
Landstraßen  sich  hinziehenden  Monumenten  den  Toren  großer  Städte  zuschrit- 
ten, sahen  sich  gleichsam  von  langen  Reihen  von  Erz-  und  Marmorbildern  der 
Männer  und  Frauen  früherer  Geschlechter  begrüßt,  ehe  sie  in  das  Gewühl  des 
Lebens  der  Gegenwart  eintraten. 

Übrigens  dürfte  auch  die  Errichtung  von  Denkmälern  hervorragender  Männer 
aus  älterer  Zeit  durch  ihre  Verehrer  und  Bewunderer  immer  häufig  gewesen 
sein.  So  ließ  Caracalla  nicht  bloß  »in  allen  Städten«  Bildnisse  und  Statuen  von 
Alexander  dem  Großen,  teils  allein,  teils  zusammen  mit  dem  seinigen  aufstellen 
(das  letztere  namentlich  zu  Rom  auf  dem  Kapitol  und  sonst  in  Tempeln),  son- 
dern auch  von  Sulla  und  Hannibal''). 

Die  Herstellung  persönlicher  Denkmäler  ist  bis  in  das  späteste  Altertum  nicht 
bloß  durch  die  Malerei,  sondern  auch  durch  die  Plastik  in  verhältnismäßig 
großem  Umfange  betrieben  worden.  Die  Sucht,  sich  durch  prunkende  Bild- 
werke, namentlich  vergoldete  Bronzestatuen  zu  verewigen,  wurde  noch  zu  Ende 
des  4.  Jahrhunderts  von  Ammian  zu  den  charakteristischen  Neigungen  des  rö- 
mischen Adels  gezählt^).  Von  den  hervorragendsten  Schriftstellern  und  Dich- 
tern dieser  Zeit  wurde  die  Ehre  der  Statue  dem  Rhetor  Marius  Victorinus  und 
dem  Dichter  Claudianus  (beiden  auf  dem  Trajansforum)^)  zuteil;  und  Ausonius 
sagt,  wenn  er  die  Zuschrift  des  Kaisers,  die  seine  Ernennung  zum  Konsul  ent- 
hielt, überall  anschlagen  ließe,  würde  er  mit  so  vielen  Statuen  geehrt  werden, 
wie  die  Bücher  Seiten  haben^).  Noch  unter  Zeno  wurden  zu  Rom  Standbilder 
errichtet^),  und  es  gab  deren  dort  auch  von  Theoderich  (dieRusticiana  umstürzen 
ließ) 5).  Unter  den  gewiß  zahlreichen  Statuen  Justinians  zu  Constantinopel  wird 
seine  kolossale  Reiterstatue  aus  Bronze  auf  dem  Augusteum  die  hervorragendste 
gewesen  sein:  in  der  Linken  hielt  der  Kaiser  die  Weltkugel  mit  dem  Kreuz, 
und  die  Rechte  war  wie  gebietend  nach  Osten  ausgestreckt'"). 


i)  Petron.  71,  6.  11.  2)  Stat.  Silv.  V  i,  231  ff.  Vgl.  oben  I  57.  3)  W.  Schwarzlose,  De  titulis 
sepulcralibus  latinis  quaest.  (Diss.  Halis  Sax.  1913)  S.  45  ff.,  vgl.  auch  Stat.  silv.  II  7,  125  mit  der 
Anm.  von  Vollmer;  z.B.  CIL  VI  15594  =  Dessau  80631^:  simtilacra  Claudiae  Semnes  in  formam 
deonim.  4)  Herodian.  IV  8,  if.  5.  5)  Ammian.  XIV  6,  8.  6)  Augustin.  conf.  VIII  2,  3  (vgl. 
Hieron.  chron.  z.  J.  Abr.  2370).  CIL  VI  1710  :=  Dessau  2949  (vgl.  Claudian.  de  bell.  Poll.  praef. 
7  ff.).  Das  Bild  des  Sidonius  ApoUinaris  stand  nicht  auf  dem  Forum  Traiani,  sondern  in  der  Biblio- 
theca  Ulpia,  s.  oben  11  223.  7)  Auson.  Gratiar.  act.  10  p.  365  f.  Peip.  8)  Anon.  Vales.  9,  44. 
9)  Procop.  B.  Got.  III  20,  29.  10)  Procop.  De  aedif.  I  2  p.  182  Dind.  (vgl.  I  11  p.  205  Statue  der 
Theodora). 


III.  282 1 


2.  PLASTIK  I;ND  MALEREI 


79 


c.  RELIGIÖSE  KUNST. 

Das  dritte  große  Kunstgebiet  außer  dem  dekorativen  und  dem  monumentalen, 
auf  dem  eine  unaufhörliche  Massenproduktion  einem  in  der  ganzen  römischen 
Welt  verbreiteten  Bedürfnisse  zu  entsprechen  hatte,  war  das  religiöse.  Hier 
konnte  freilich  für  die  eigentlichen  Kultuszwecke  fast  allein  die  Plastik  tätig  sein, 
Malerei  und  Mosaik  nur  für  die  Dekoration  der  heiligen  Räume  in  Anspruch 
genommen  werden').  Die  Natur,  die  Stärke  und  allgemeine  Verbreitung  des 
Götterglaubens  in  jener  Zeit,  von  dem  der  Bilderdienst  unzertrennlich  war,  wird 
später  ausführlich  behandelt  werden.  Mindestens  von  der  großen  Zahl  der  be- 
deutenderen Gestalten  der  römisch-griechischen  Götterwelt  hatte  damals  noch 
keine  ihre  Verehrung  eingebüßt,  dagegen  hatten  zahlreiche  früher  auf  enge 
Gebiete  beschränkte  Fremdgötter,  namentlich  des  Orients,  sich  über  das  ganze  Menge  der  Götter- 
Weltreich  verbreitet:  die  Zahl  der  göttlichen  Personen  war  also  gewachsen.  Theokrasie.^^ 
Doch  das  Ansehen  und  die  Verbreitung  der  einzelnen  Götterdienste  nahm  infolge 
verschiedener  Einflüsse  nicht  selten  erheblich  ab  oder  zu.  Namentlich  der  zur 
Schau  getragene  Eifer  einzelner  Kaiser  für  bestimmte  Kulte  (wie  August  für 
den  des  Apollo,  Domitian  für  den  der  Minerva,  Commodus  für  Hercules  und 
verschiedene  Fremdkulte,  Sever  für  Hercules  und  Bacchus)  ^j  konnte  nicht  ohne 
Wirkungen  bleiben:  jede  dieser  Regierungen  machte  den  von  ihr  ausgezeich- 
neten Dienst  in  weiten  Kreisen  zum  herrschenden  und  trug  im  entsprechenden 
Maße  zur  Vervielfältigung  seiner  Idole  bei.  Die  Massen  von  Götterbildern,  die 
infolge  der  zunehmenden  Theokrasie  sich  in  allen  größeren,  an  Tempeln  reichen 
Städten  gesammelt  haben  müssen,  sind  wir  völlig  außer  stände  uns  vorzustellen^). 
Die  Angabe  einer  Legende,  daß  auf  dem  Kapitol  zu  Trier  hundert  Götzenbilder 
gestanden  haben,  ist  an  sich  nichts  weniger  als  unglaublich  oder  erstaunlich'*). 

Der  Eifer,  die  Götter  zu  verehren  und  ihre  Gnade  durch  fromme  Werke  aller 
Art  zu  gewinnen,  betätigte  sich  mit  Vorliebe  durch  Schenkungen  und  Stiftungen 
zu  Kultuszwecken,  vor  allem  von  Götterbildern,  und  zwar  nicht  bloß  für  die 
Tempel;  sie  galten,  wie  bemerkt,  auch  als  der  würdigste  Schmuck  für  öffentliche 
Plätze  und  Bauten.  Die  zufällig  hei  dem  älteren  Plinius  erhaltene  Nachricht,  daß 
die  Hauptstadt  der  Arverner  (Clermont)  einen  kolossalen  Merkur  ausführen  ließ, 
dessen  Herstellung  zehn  Jahre  dauerte  und  wofür  der  Künstler  an  Honorar  allein 
400000  S.  (87000  Mark)  erhielt^),  gibt  einen  sehr  hohen  Begriff  von  dem  auch 
in  den  Provinzen  für  Götterbilder  gemachten  Aufwände  und  nötigt  zu  der  An- 
nahme, daß  deren  Herstellung  in  allen  Größen  und  Materialien  sowie  in  allen 


i)  CIL  VIII  7957  =  Dessau  5408  (Rusicade):  tcinplum  ciuii  ornamentis  et pictura.  CIL  III  4800 
=  Dessau  4198  (Virunum,  239  n.Chr.):  teiii[phtin)  vdustatc  conl[ap\s{um)  sumtu  suo  ctmi  pictura 
>-cfe\c[it^\  vgl.  aed{em)  Herdulis)  — fac[iendam\  pitig[cndamque]  c{oeravertint)  CIL  IX  5052=  Dessau 
5404;  aedes  picta  in  Gigthis,  CIL  VIII  22698.  2)  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus  d.  Römer*  S.  74  f. 
255.  94.  369.  303,  6.  3)  In  Aphrodisias  ist  ein  veiJUTioirit;  zugleich  einer  der  eTri|a€\r]Tai,  welche 
TC«;  dv6piavTo6iiKa^  KaroöKeudaai  sollen,  CIG  2749.  4)  Acta  SS.  Januar.  II  919  (vgl.  Serv.  Aen. 
II  319:  in  Capitolio  enim  omniiim  deorum  siviulacra  colebantur.  Jordan,  Topogr.  I  2  S.  50  f.).  Ein 
auf  dem  Gebiete  von  Trier  nebst  andern  sigilla  von  einem  Geistlichen  umgestürztes  Bild  der 
Diana  [simulacrum  —  quod populus  hie  incredulus  qua  i  detim  adorabat  Gregor.  Tur.  Hist.  Fr.  VIII 
15)  war  wohl  ein  keltisches  Idol.     5)  Plin.  n.  h.  XXXIV  45. 


8o  Xn.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [UI.  283,  284] 

Abstufungen  des  künstlerischen  Werts  Tausende  von  Werkstätten  im  römischen 
Reiche  beschäftigte. 
Ansiedlungen  Sodann  ist  ZU  glauben,  daß  bei  jedem  größeren  Tempel  eine  Ansiedlung  von 
vonKüastiem  Künstlern  und  Kunsthandwerkern  bestand,  die  den  zuströmenden  Gläubigen 
Tempeln!  die  Möglichkeit  gewährte,  sowohl  durch  fromme  Darbringungen  und  Stiftungen 
(von  Götterbildern,  Weihgeschenken,  Votivtafeln)  der  Gottheit  ihre  Verehrung 
zu  erweisen,  als  auch  Andenken  aller  Art  von  dem  Heiligtum  in  die  Heimat 
mitzunehmen:  diese  Künstler  konnten  dann  auch  zu  den  fort  und  fort  erforder- 
lichen Reparaturen  und  Dekorationsarbeiten  herangezogen  werden').  Von 
dem  neuen  Gotte  in  Schlangengestalt  mit  Menschenantlitz,  den  Alexander  von 
Abonuteichos  seinen  Gläubigen  vorwies  und  Glycon  nannte,  waren  sogleich  in 
Paphlagonien  und  den  angrenzenden  Landschaften  Gemälde  und  plastische 
Darstellungen  in  Bronze  und  Silber  zu  haben ^).  Allbekannt  ist  der  Silberschmied 
Demetrius,  der  zu  Ephesus  Nachbildungen  des  Tempels  der  großen  Artemis 
verfertigte,  was  dort  vielen  Arbeitern  einen  großen  Verdienst  gab^);  selbstver- 
ständlich müssen  andre  Künstler  Nachbildungen  des  berühmten  Bilds  der  Göttin 
zu  allen  Preisen  geliefert  haben.  Derartige  Andenken  für  Wallfahrer  mag  auch 
ein  Händler  mit  Elfenbeinsachen  verkauft  haben,  dessen  Inschrift  in  der  Nähe 
des  Tempels  der  Feronia  am  Soracte  gefunden  worden  isf*).  Dasselbe  läßt  sich 
für  alle  großen  und  vielbesuchten  Tempel  voraussetzen,  wenn  es  auch  nur  für 
den  der  Aphrodite  auf  Cypern  nachweisbar  ist,  deren  tönerne  Idole  sich  in  See- 
gefahr wundertätig  erweisen  sollten:  schon  aus  dem  Anfange  des  7.  Jahrhun- 
derts V.  Chr.  wird  berichtet,  daß  ein  Schiff  aus  Naukratis  aus  einem  furchtbaren 
Sturm  aufs  wunderbarste  durch  ein  spannenlanges  Aphroditebild  von  altertüm- 
licher Arbeit  gerettet  v.'urde,  das  ein  mitreisender  Kaufmann  in  Paphus  gekauft 
hatte  und  bei  sich  trug^). 

Erwägt  man  nun  noch,  daß  nach  TertuUian  Kunstarbeiter,  die  Christen  ge- 
worden waren,  erklärten,  nicht  zu  wissen,  wovon  sie  leben  sollten,  wenn  ihnen 
die  Anfertigung  von  Götterbildern  verboten  wäre^),  so  wird  man  glauben,  daß 
das  religiöse  Gebiet  dasjenige  war,  auf  dem  die  Kunstfertigkeit  im  ganzen  rö- 
mischen Reiche  am  meisten  in  Anspruch  genommen  wurde. 

I;  Die  als  stibacdiani  bezeichneten  Handwerker  \fabri  stibaediafii  in  Narbo  CIL  XII  4393  = 
Dessau  7259,  fab)-i  siibidiani  in  Ccrduba  U  221 1  =  Dessau  7222,  marmoraritts  subaedanus  VI 
33293  =  Dessau  7678;  bloß  subaediani  VI  1958.  9559.  33875  =  Dessau  7261.  VIII  10523  ^ 
Dessau  7260.  X  6699  =  Dessau  7262,  Antium;  sind  vielleicht  Handwerker,  die  in  dauernder  Be- 
ziehung zu  bestimmten  Tempeln  standen  und  bei  den  Bauten  der  Instandhaltimg  und  Dekoration 
derselben  beschäftigt  wurden.  Mommseu,  Bull.  d.  Inst.  1853  S.  30  vermutet,  es  seien  die  sub  aedibus 
arbeitenden,  also  intestinarii ,  im  Gegensatz  zu  den  sub  divo  arbeitenden  tignarii.  Dieser  Er- 
klärung schließt  sich  Marquardt,  Privatl.^  624,  5;  721,  2  an,  während  Mau  die  Bedeutung  des 
Wortes  für  dunkel  erklärt.  Den  Aufenthalt  in  der  Nähe  einer  Lokalität  bezeichnet  sub  in  su?n- 
moenianus  und  subrostranus^  innerhalb  derselben  in  stibbasilicanus.  O.  Marucchi,  Bull.  arch.  com. 
V  (1877)  S.  255  ff.  meint,  die  subaediani  seien  '■negozianti  sotto  barache  —  coloro  che  aveano  un^i 
bottega  coperta\  2]  Lucian.  Alexander  18.  3)  Acta  apostol.  19,  24.  4}  CIL  XI  3948  =  Dessau 
7704a  (dazu  Eormann,  Arch.  epigr.  Mitteil.  X  1886  S.  229  f.),  vgl.  den  eboraritis  ab  Hercuk  Pri- 
migeiiio  CIL  VI  7655  =  Dessau  7707.  5)  Athen.  XV  675  f.  Hesych.  öaxpaKi'q-  ix'\a\\y.6.x\hv  Ti 
'Aqppobmiq.  Über  die  zuweilen  mit  dieser  Erzählung  zusammengebrachten  sog.  'Inselidole'  vgl. 
Dragendorff,  Theraeische  Gräber  ;Hiller  v.  Gaertringen,  Thera  II  1903)  S.  122  f.  6)  TertuUian. 
de  idolol.  1;. 


[ni.  285] 


2.  PLASTIK  UND  MALEREI 


81 


Dreifach  war  also  die  Aufgabe,  welche  die  römische  Kultur  den  bildenden 
Künsten  stellte:  dem  Glauben  Bilder  der  Gottheit  zu  schaffen  und  die  ihr  ge- 
weihten Räume  würdig  zu  schmücken,  das  Gedächtnis  von  Personen  und  Er- 
eignissen der  Nachwelt  zu  überliefern,  die  Wohnungen  der  Lebenden  wie  der 
Toten  mit  heiterer  Pracht  zu  füllen.  Jedes  dieser  Bedürfnisse  war  im  Wesen 
der  römischen  Kultur,  wie  sie  sich  seit  dem  Beginne  des  römischen  Weltreichs 
gestaltete,  tief  begründet:  alle  drei  verbreitete  sie  über  die  Welt,  die  sie  sich 
je  länger  desto  völliger  unterwarf;  und  darum  folgte  ihr  die  Kunst,  die  jene 
Forderungen  allein  zu  erfüllen  vermochte,  überall  bis  an  die  Grenzen  ihres  gan- 
zen ungeheuren  Gebiets. 

Die  bisher  mitgeteilten  Tatsachen  beweisen  dieses  schon  hinlänglich.  Aber 
freilich,  wollte  man  deren  (was  sehr  leicht  wäre)  noch  weit  mehr  häufen:  niemals 
würde  es  doch  gelingen,  ein  deutliches  Bild  dieser  Massenproduktion  der  Künste, 
die  (auf  einem  Gebiet  von  über  5  Mill.  Quadratkilometer)  jahrhundertelang 
unablässig  fortdauerte,  zu  entwerfen.  Wir  Modernen  kennen  das  Kunstbedürf- 
nis und  die  ihm  entsprechende  künstlerische  Tätigkeit  nur  als  verhältnismäßig 
seltene,  isolierte  und  engumgrenzte  Erscheinungen.  Jenes  eine  ganze  Welt  er- 
füllende Kunstbedürfnis,  das  mit  der  römischen  Kultur  untergegangen  ist,  bleibt 
uns  bis  auf  einen  gewissen  Grad  unfaßlich;  die  Tatsache,  daß  es  wirklich  nach 
allen  Richtungen  hin  völlige  Befriedigung  fand,  behält  für  uns  etwas  Fabelhaftes, 
wie  viele  Zeugnisse  sie  auch  unzweifelhaft  machen.  Bei  dem  Versuch,  die  Über- 
fülle der  in  Tausenden  von  Städten  jahraus,  jahrein  neu  entstehenden  und  trotz 
aller  Zerstörung  sich  immer  mehr  häufenden  Werke  sämtlicher  bildenden 
Künste  sich  vorzustellen,  erlahmt  die  Phantasie. 

Einen  Blick  freilich  in  diese  versunkene  Kunstpracht  der  römischen  Welt  hat 
uns  die  Entdeckung  der  verschütteten  Städte  gewährt:  und  wenn  sie  uns  auch 
nur  ein  winziges  Teilchen  des  ungeheuren  Ganzen  und  noch  dazu  in  sehr  ent- 
stellter Gestalt  zeigt,  immer  bleibt  diese  Anschauung  unschätzbar.  Denn  hier 
erhält  man  den  Eindruck,  daß  ein  so  verschwenderisch  ausgestreuter  Reichtum 
in  der  Tat  unerschöpflich  sein  mußte.  Daß  sich  Herculaneum  und  Pompeji 
durch  künstlerischen  Schmuck  vor  andern  Städten  Italiens  irgendwie  ausge- 
zeichnet hätten,  läßt  sich  durchaus  nicht  annehmen,  im  Gegenteil  führt  alles 
darauf,  daß  sie  uns  höchstens  das  durchschnittliche  Maß  desselben  kennen  lehren. 
Ostia  war  schon  im  15.  Jahrhundert  eine  unerschöpfliche  Fundgrube  von  An- 
tiken; die  Menge  der  Statuen,  Sarkophage,  Mosaiken  und  Trümmer  erregte 
dort  damals  Verwunderung').  Ausgrabungen  in  Aricia,  die  nur  neun  Jahre 
dauerten  (1787 — 96),  haben  den  größten  Teil  der  stattlichen  Skulpturensamm- 
lung des  Kardinals  Despuig  zu  Palma  auf  Majorka  geliefert^).  Auch  Werke  wie 
der  Zeus  von  Otricoli,  die  Athena  von  Velletri  usw.  lassen  eine  hohe  Meinung 
von  dem  Schmuck  der  Mittelstädte  gerechtfertigt  erscheinen.  Wie  sie  aber 
durch  die  Pracht  und  den  Reichtum  der  großen  Städte  (wie  Capua,  Bononia, 
Ravenna)  und  der  besonders  glänzend  ausgestatteten  Orte  (z.  B.  Antium)  weit 
überboten  wurden,  ebenso  müssen  diese  wieder  hinter  Rom  zurückgestanden 
haben. 


Ausdehnung  des 
Kunstbedürinisses 
und  der  Massen- 
produktion über 
das  ganze  römi- 
sche Reich. 


Herculaneum  und 
Pompeji  zeigen  das 
Durchschnittsmaß 
des  künstlerischen 
Schmucks  der 
Städteltaliens. 


i)  Gregorovius,  Stadt  Rom  im  Mittelalter  VII  566.     2)  Hübner,  Antiken  von  Madrid  S.  292. 
Friedlaender    Darstellungen.  III.   9.  Aufl.  g 


82  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  286] 

Statistische  An-  Von  den  Kunstwerken  Roms  haben  wir  einige  Zahlenangaben.  Sie  sind  teils 
^künstleris'chen  '"  statistischen  Notizen  am  Schluß  einer  Stadtbeschreibung  aus  dem  4.  Jahr- 
Schmuck  Roms,  hundert  (Curiosum)  erhalten,  denen  aber  eine  nachlässig  bearbeitete  Urkunde 
•  aus  dem  i.  zugrunde  liegt'),  teils  stammen  sie  wohl  aus  einer  vollständigeren 
Redaktion  dieser  Notizen,  die  der  Rhetor  und  Bischof  von  Meletine,  Zacharias, 
bei  Abfassung  seiner  Kirchengeschichte  im  Jahre  546  benutzte^).  Wieviel  von 
diesen  Angaben  aus  dem  i .  Jahrhundert  fetwa  der  Zeit  der  Stadtvermessung 
Vespasians)  herrührt,  wieviel  aus  späteren  Verzeichnissen  fz.  B.  denen  des  schon 
unter  Constantin  begegnenden  curator  statiiarunif)  hinzugetan  ist,  läßt  sich 
nicht  ermitteln;  auf  jeden  Fall  sind  sie  sehr  unvollständig.  Verzeichnet  sind 
darin:  2  Kolosse  (vielleicht  der  Bronzekoloß  Augusts  in  der  Gestalt  Apollos,  in 
der  Bibliothek  beim  Tempel  des  letzteren  auf  dem  Palatin"*),  und  der  von  Ves- 
pasian  in  einen  Sonnengott  verwandelte  Neros),  22  kolossale  Reiterstatuen, 
80  vergoldete  und  74  oder  77  elfenbeinerne  Götterbilder  (nur  außerhalb  der 
Tempel  aufgestellte  sind  hier  gezählt)  und  3785  Bronzestatuen  »von  Kaisern 
und  andern  Feldherm«.  Nicht  gezählt  sind  also  die  übrigen  Porträtstatuen  aus 
Bronze,  die  gewiß  auch  sehr  zahlreichen  profanen  Marmorstatuen,  die  marmor- 
nen und  unvergoldeten  bronzenen  Götterbilder,  die  natürlich  um  sehr  vieles 
zahlreicher  waren  als  jene  kostbaren.  Rechnet  man  dazu  die  in  den  Tempeln, 
öffentlichen  Gebäuden  (Thermen,  Portiken,  Theatern  usw.),  Palästen  und  Privat- 
häusern befindlichen  Statuen,  so  begreift  man,  daß  nach  allen  Zerstörungen 
(namentlich  durch  die  so  häufigen,  zum  Teil  ungeheuren  Feuersbrünste)  und 
Verwüstungen  der  früheren  und  späteren  Jahrhunderte^)  noch  Cassiodor  sagen 
konnte:  in  Roms  Mauern  scheine  noch  ein  zweites  Volk  von  Statuen  zu  wohnen^). 
»Eine  große  Menge  dieser  Zierden  erhielt  sich  bis  ins  7.  Jahrhundert,  wo  Con- 
stans  II.  (seit  641)  bei  seiner  Anwesenheit  in  Rom  eine  Plünderung  vornahm, 
nach  welcher  nicht  viel  Bedeutendes  übrig  geblieben  sein  kann«'').  Und  den- 
noch haben  die  auf  dem  Boden  der  Stadt  ausgegrabenen  Überbleibsel  der 
Marmorwerke  allein  hingereicht,  so  viele  Paläste  und  Museen  zu  füllen. 


3.   DER  KUNSTBETRIEB. 

Die  bisherige  Betrachtung  hat  die  Verbreitung  eines  für  die  heutige  Welt 
fast  unglaublichen  Kunstbedürfnisses  über  das  ganze  Gebiet  der  römischen 
Kultur,  die  Unentbehrlichkeit  der  sämtlichen  bildenden  Künste  für  Staat,  Religion 

i)  s.  oben  I  ii  A.  i.  2)  Jordan,  Topogr.  II  148 — 152.  3)  Notit.  dign.  occ. IV  I4,vgl.  CILVI  1708 
=  Dessau  1222.  Vorläufer  vielleicht  schon  in  der  mittleren  Kaiserzeit  CIL  VI  9007.  31053  = 
Dessau  3272,  s.  Hirschfeld,  Kaiserl.  Verw.-Beamt.  S.  272,  3.  4)  Schol.  Hör.  epist.  I  3,  17,  vgl.  Plin. 
n.  h.  XXXIV  43.  5]  An  diesen  waren  nach  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  III  1865  S.  5  ff.  die  christ- 
lichen Kaiser  unschuldig,  die  vielmehr  die  aus  Tempeln  und  andern  Gebäuden  entnommenen 
heidnischen  Statuen  zum  Schmuck  der  Städte  verwandten.  Basen  von  den  Stadtpräfekten  seit 
dem  4.  Jahrhundert  zum  Schmucke  der  öffentlichen  Plätze  aufgestellter  Statuen  CIL  VI  1651  bis 
1672.  31879 — 31892;  die  datierbaren  reichen  von  331  bis  auf  Theoderich.  Über  dessen  Fürsorge 
für  Bildwerke  in  Rom  vgl.  Cassiodor.  Var.  X  30,  i  (bronzene  Elefanten  auf  der  Sacra  via),  in  Co- 
mum  ebd.  II  35  f.  6,  Cassiod.  Var.  \TI  13,  l.  7)  Preller,  Regionen  S.  233,  vgl.  Jordan,  Topogr. 
II  372. 


[III.  287]  3-  DER  KUNSTBETRIEB  83 

und  Privatleben  gezeigt.  Selbstverständlich  stand  die  Ausbreitung  sowie  die 
Höhe  und  der  Umfang  ihrer  Leistungen  im  ganzen  überall  im  Verhältnis  zu  der 
Herrschaft  der  Kultur,  in  deren  Dienste  sie  tätig  waren.  Wo  diese  fest,  dauernd  und 
tiefgreifend  war,  entfaltete  sich  ihr  Leben  reich,  großartig  und  glänzend.  So  z.  B. 
allem  Anschein  nach  auch  an  der  äußersten  Ostgrenze  des  Reichs  in  den  Städten 
der  ostjordanischen  Landschaft  Batanäa')  und  in  Palmyra''),  dessen  reiche 
Ruinenwelt  uns  trotz  mancher  nationalen  Eigenart  doch  im  wesentlichen  das 
Bild  einer  griechisch-römischen  Stadt  bietet;  in  Samosata  fand  Moltke  »einen 
Marmorfries  von  so  schöner  Arbeit,  wie  ich  nie  gesehen,  Laubwerk,  Vögel, 
Stiere,  alles  so  wohl  erhalten,  als  ob  es  erst  fertig  geworden  wäre«^).  Wo  die 
römische  Kultur  nur  für  kurze  Zeit  und  an  der  Oberfläche  haftete,  kam  die 
Kunstübung  nicht  über  kümmerliche  Anfänge  hinaus;  ganz  aber  hat  es  daran 
selbst  in  den  am  unvollkommensten  romanisierten  Grenzlandschaften  nicht  ge- 
fehlt. Dies  bezeugen  teils  inschriftliche  Angaben  über  Errichtung  von  Statuen, 
z.  B.  in  Mösien*)  und  Dacien^),  teils  Überreste  von  Bildwerken,  die  nur  an  Ort 
und  Stelle  gearbeitet  sein  können^).  An  den  am  weitesten  südlich  von  Tripolis 
vorgeschobenen  Posten  der  dritten  Legion,  am  Rande  der  Hammada,  konnten 
Grabdenkmäler  von  Offizieren  (wie  erwähnt)  mit  Skulpturen  ausgestattet  wer- 
den^). Von  den  Mithräen  der  Rheinlandschaften,  die  zu  den  allerbedeutendsten 
dieser  Gattung  von  Denkmälern  gehören,  ist  keines  aus  Marmor,  die  besten  aus 
feinem  Jurakalk.  Sämtliche  dortige  Arbeiten  aus  diesem  Material,  sowie  aus 
Sandstein,  rühren  von  provinziellen  Bildhauern  und  Steinmetzen  her,  deren 
große  Mehrzahl  allerdings  nur  eine  handwerksmäßige  Geschicklichkeit  besaß, 
die  jedoch  zum  Teil  römische  Muster  nachahmten^).  Aus  Jurakalk  ist  auch  das 
in  Köln  gefundene  Fragment  einer  Gruppe  des  mit  Anchises  aus  Troja  fliehen- 
den Aeneas,  eine  tüchtige  Arbeit,  spätestens  aus  trajanischer  Zeit^).  Recht 
gute  Arbeiten  einheimischer  Künstler  sind  auch  die  beiden  Minervenstatuen 
von  Öhringen  in  Württemberg  (vicus  Aurelii  im  Zehntlande),  aus  einem  fein- 
körnigen gelben  Sandstein,  wie  er  in  der  Umgegend  sich  findet  und  auch  zu 
den  römischen  Denkmälern  in  Heidelberg,  Ladenburg,  Osterburken  usw.  be- 
sonders gern  benutzt  wurde '°).  Das  treffliche  Orpheusmosaik  zu  Rottweil  ist 
aus  Steinen  der  Gegend  gearbeitet"),  und  der  auf  dem  berühmten  Neptuns- 
mosaik von  Filbel  an  der  Nidda  genannte  Künstler  verrät  sich  durch  seinen 

i)  Lebas -Waddington  2097 — 99  (Statuen  von  Ganymed,  Aphrodite,  Nike).  21 18  (Ganymed). 
2308  (ein  Tempel  öuv  Tolq  äfoXiJiaaw).  2332  [t6  Eoavov).  2364  (Statue  für  Herodes  den  Großen 
vgl.  2365).  2380  (aTaX.ua).  2410  (Nike;.  2413g  (toÜc;  xeöactpa^  Xa,uiTa6r|qp6pou<;;.  2413J  (Ai'i  tuj 
Kupi'uj  —  TTiv  Gupav  öuv  veiKaöioii;  Kai  fjiefa\r;[  NeiKV]  xai  Xeovrapioie;  Km  ttciö»!  Y^^^fl);  ebenso 
aus  der  Trachonitis  2479  (NeiKr|v).  2526  (Eiprivr|v).  2527  (Elöiv).  2528^  'töv  vabv  KOi  TÖ  äYaX^a). 
2)  Zahlreiche  Inschriften  von  Ehrenstatuen  ganz  nach  römischer  Art  IGR  III  1030  ff.  3)  Moltke, 
Briefe  aus  der  Türkei  S.  222.  4)  CIL  in  6147  (Nicopolis).  5I  CIL  III  7983  =  Dessau  5390 
(Sarmizegetusa).  6)  z.  B.  Ohlenschlager,   Sitzungsber.  Akad.  München  1887  I  2iof.  iGiebel- 

bekrönung  in  Reichenhall).  F.  Studniczka,  Arch.  epigr.  Mitt.  VIII  1883  S.  64  (»für  den  provinziellen 
Fundort  ungemein  sorgfältig  ausgeführte«  Panzerstatue  eines  Kaisers).  A.  Hekler,  Österr.  Jahresh.  XV 
1912  S.  184  ff.  (mythologische  Szenen  auf  Grabsteinen  aus  Intercisa  in  Pannonien,  heute  Dunapen- 
tele).  7)  Oben  II  364.  8)  Cumont,  Mysterien  des  Mithras  (deutsch)^  S.209  schreibt  die  an  der 
Rheingrenze  gefundenen  Mithrasreliefs  der  im  2.  u.  3.  Jahrhundert  in  Belgica  blühenden  Bildhauer- 
schule (S.  84)  zu.  9)  Ihm,  Bonner  Jahrb.  XCIII  (1892)  S.  66  ff.  10)  Haug-Sixt,  Rom.  Inschriften 
u.  Bildwerke  Württembergs*  nr.  430.  431.     Ii)  ebd.  nr.  91. 

6* 


84  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  288,  289] 

Namen  Pervincus  (der  auch  in  Mainz  und  südlich  davon  mehrmals  vorkommt) 
als  ein  Nichtrömer ') ;  die  von  den  Bewohnern  des  Mainzer  Lagerdorfes  dem 
Kaiser  Nero  zu  Ehren  errichtete  große  Juppitersäule  ist  das  Werk  zweier  ein- 
heimischen Künstler^).  Auch  in  England  sind  Inschriften  eines  Erzgießers  und 
eines  Bildhauers  gefunden  worden^).  In  der  Malerei  dürfte  übrigens  wie  in  der 
Mosaikkunst  der  Abstand  der  provinziellen  Leistungen  von  denitalischen  geringer 
gewesen  sein  als  in  der  Skulptur.  Die  besseren  Wandmalereien  der  römischen 
Villen  im  belgischen  Gallien  stehen  den  pompejanischen  nicht  nach*). 
Gleichartigkeit  Abgesehen  nun  von  der  sehr  verschiedenen  Höhe  der  Entwicklung  in  den 
'^^'^d^r^Kunst^  mehr  oder  weniger  kultivierten  Ländern  zeigen  die  Kunstreste  in  allen  Teilen 
betriebes  -  des  römischen  Reichs  im  großen  und  ganzen  eine  durchgehende  Übereinstim- 
mung, nicht  bloß  in  der  Komposition  und  Behandlung,  sondern  auch  in  den 
Motiven  und  Gegenständen.  Nur  auf  einem  Gebiet,  dem  keltischen,  darf  viel- 
mit  Ausnahme  leicht  von  einer  eigenartigen  Kunstentwicklung  gesprochen  werden.  Gegenüber 
vonGalhen—  ^^^  »malerischen  Gestaltengewimmel«  der  Reliefs  am  Grabmal  der  Julier  zu 
St.  Remy  machen  die  übrigen  Reliefs  der  Kaiserzeit  fast  den  Eindruck  »einer 
Rückkehr  zu  der  schlichteren  Art  der  früheren  Zeit«^).  Besonders  aber  tritt  in 
jenen  zahlreichen  und  bedeutenden,  aus  dem  2.  und  3.  Jahrhundert  stammen- 
den Grabmonumenten  der  Maas-  und  Moselgegend ^),  die  zu  den  interessante- 
sten Leistungen  provinzieller  Künstler  gehören,  eine  selbständige  und  entschie- 
den realistische  Richtung  hervor  und  zugleich  eine  Frische  und  Gewandtheit 
der  Formgebung,  wie  sie  italische  Monumente  nach  Hadrian  nicht  aufzuweisen 
haben.  Die  Reliefs,  die  diese  Denkmäler  schmücken,  sind  vorwiegend  Dar- 
stellungen von  Szenen  aus  dem  täglichen  Leben  der  Verstorbenen,  die  sich 
durch  größte  Lebenswahrheit  auszeichnen,  und  in  denen  eine  ungemeine  Sorg- 
falt auf  genaue  Wiedergabe  aller  Einzelheiten  verwandt  ist.  Von  italischen 
Arbeiten  weichen  sie  so  sehr  ab,  daß  selbst  Kenner  dieser  letzteren  anfänglich 
an  ihrer  Entstehung  im  römischen  Altertum  zu  zweifeln  pflegen.  Auch  im  Auf- 
bau und  der  Ornamentik  haben  sie  manches  Eigentümliche.  Die  Entwicklung 
dieser  in  ihrer  Art  einzigen  Kunstrichtung  im  belgischen  Gallien  ist  um  so  merk- 
würdiger, als  in  dem  benachbarten  lugdunensischen  sowie  in  den  beiden  Ger- 
manien die  Art  der  Kunst  durchaus  durch  italischen  Einfluß  bestimmt  ist^).  Man 
glaubt  hier  einen  von  Massilia  ausgegangenen  hellenisierenden  Kultur-  und 
Kunststrom  längs  Rhone  und  Saone  bis  zur  Mosel  verfolgen  zu  können^). 

Noch  zwei  Provinzen  nehmen  in  bezug  auf  die  Kunst  in  ganz  andrer  Weise 
eine  Sonderstellung  ein:  Äg}^pten,  das  einzige  Land,  in  dem  eine  uralte  ein- 
heimische,  von    der  universal  gewordenen   griechisch-römischen   grundver- 

l)  CIL  Xni  7392.  2)  CIL  XIII  11806  =  Dessau  9235.  F.  Quilling,  Die  Juppitersäule  des 
Samus  u.  Severus  (1910)  S.  77  f.  3)  CIL  VII  37:  Sulevis  Sulinus  scultor  (sie)  Bruceti  f.  sacruvi 
f[ecit)  l[ibetis)  m[erito).  l8o:  Celatus  aerarms  fecit.  Über  Funde  in  Virunum  (zum  Teil  gute  Arbeiten, 
auch  m  carrarischem  Marmor)    Fr.  Pichler,  Virunum  (1888)  S.  98  ff.  266  f.  4)  Hettner,  Westd. 

Zeitschr.  II  1883  S.  18,  vgl.  26,  14.  5)  Conze,  Sitzungsber.  d.  Berlin.  Akad.  1882  S.  572.  Vgl. 

Wickhoff,  Rom.  Kunst  S.  76  ff.  S.  oben  II  364.  6)  Oben  II  363  f.  lU  52  f.  7)  Mommsen  RG.  V 
104 — 106.  8)  G.  Loeschcke,  Bonn.  Jahrb.  XCV  (1894)  S.  260  ft".  A.  Michaelis,  Jahrb.  d.  Vereins 
f.  lothr.  Gesch.  XVn  1905  S.  232  ff.  Michaelis-Wolters  a.  a.  O.  S.  534  f.,  vgl.  aber  auch  F.  Koepp, 
Bonn.  Jahrb.  CXXV  19 19  S.  60  ff. 


[III.  290]  3.  DER  KUNSTBRTRIEB  85 

schiedene  Kunstübung  fortbestand,  und  Palästina,  wo  die  Religion  die  Bevölke- 
rung mit  Abscheu  gegen  die  bildenden  Künste  erfüllte. 

Die  beispiellose  Stabilität,  die  Ägypten  vor  allen  Ländern  des  Altertums  Ägypten 
auszeichnet,  zeigt  sich  namentlich  auch  darin,  daß  dort  Baukunst,  Malerei  und 
Skulptur  unter  den  römischen  Kaisern  im  wesentlichen  in  derselben  Weise  ge- 
übt wurden,  wie  in  der  ganzen  seit  dem  Verlust  der  nationalen  Selbständigkeit 
vergangenen  Zeit.  Wie  manche  Wandlungen  die  Kunst  auch  in  so  vielen  Jahr- 
hunderten erfahren  hatte,  namentlich  durch  fremde  Einflüsse  und  eine  schon 
unter  den  Ptolemäern  eingetretene  Verrohung,  der  flüchtigen  Betrachtung  waren 
sie  im  Altertume  ebensowenig  wahrnehmbar  wie  in  der  Gegenwart.  Von  Skulp- 
turen aus  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr.,  deren  Entstehungszeit  sich  aus  datierten 
Inschriften  ergibt,  haben  Kenner  des  ägyptischen  Altertums  geglaubt,  daß  sie 
3000  Jahre  v.  Chr.  gearbeitet  sein  Könnten.  Nicht  bloß  die  Tempelbauten  der 
ägyptischen  Götter  wurden  in  der  römischen  Kaiserzeit  nach  den  uralten  Tradi- 
tionen ausgeführt,  auch  die  Technik  aller  übrigen  Künste  hatte  sich  völlig  unver- 
ändert erhalten.  Die  Wände  der  Tempel  füllten  sich  noch  immer  mit  denselben 
Skulpturen,  denselben  Hieroglyphen,  die  Vergoldung  der  skulpierten  und  archi- 
tektonischen Ornamente  erfolgte  in  derselben  Weise,  die  Farben  der  Gemälde 
waren  noch  immer  so  lebhaft  und  dauerhaft  wie  zur  Zeit  der  Erbauung  der 
Paläste  von  Theben  und  der  nubischen  Grotten').  Daß  aber  neben  der  ein- 
heimischen Kunst  in  Ägypten  auch  eine  griechisch-römische  bestanden  hat, 
ist  zweifellos.  Schon  eine  völlige  Abschließung  Ägyptens  gegen  die  angrenzende 
Provinz  Cyrenaica  wäre  kaum  denkbar:  und  hier  bezeugen  bedeutende  Über- 
reste, daß  Architektur,  Skulptur  und  Malerei  auch  in  römischer  Zeit  eine  hohe 
Blüte  gehabt  haben ^).  Doch  die  Verwendung  der  Kunst  dieses  Nachbarlands 
in  dem  römischen  Ägypten  hätte  allein  dem  Bedürfnis  nicht  entsprechen  können. 
In  einer  Provinz,  in  der  ein  römischer  Statthalter  mit  seinem  Hofe  residierte, 
die  eine  stehende  Besatzung  von  zwei  Legionen  hatte,  in  der  Römer  und  Griechen 
zahlreich  wohnten  und  noch  mehr  reisten,  mußten  auch  römische  Künstler  und 
Kunsthandwerker  zu  Kunstunternehmungen  aller  Art  stets  zur  Verfügung  sein. 
Schon  von  Antonius  und  Cleopatra  waren  dort  zahlreiche  Statuen  errichtet 
worden,  von  denen  die  ersteren  nach  der  Schlacht  von  Actium  umgestürzt 
wurden,  die  letzteren  stehen  blieben^);  Statuen  Augusts  wurden  8  oder  9  Jahre 
später  aus  den  Grenzdistrikten  Philä,  Elephantine,  Syene  von  den  dort  (14/13 
V.  Chr.)  eingefallenen  Äthiopen  als  Siegeszeichen  fortgeschleppt*) ;  später  ist  in 
Ägypten,  wie  erwähnt,  zur  Errichtung  und  Erhaltung  von  Kaiserstatuen  eine  all- 
gemeine Steuer  eingeführt  worden^);  und  der  erste  dortige  römische  Präfekt, 
Cornelius  Gallus,  ließ  die  seinigen  im  ganzen  Lande  aufstellen^).  Eine  Stein- 
tafel in  Philä  mit  einer  von  ihm  herrührenden  Urkunde  (über  die  Unterdrückung 
eines  Aufstands  in  der  Thebaide)  enthält  ein  Bild  des  Kaisers  (in  Gestalt  eines 
gegen  einen  in  die  Knie  gesunkenen  Gegner  ansprengenden  Reiters)  in  ver- 
tieftem Relief,  »das  der  ägyptischen  Kunst  fremd  ist«  '')•   Andre  von  den  Schrift- 

1)  Letronne,  Recueil  d'inscriptions  I  209 f.;  Recherches  p.  servir  a  l'hist.  de  l'Egypte  S.446f. 
460.  2)  Smith  and  Porcher,  Discoveries  at  Cyrene  (1864)  S.  91  ff.  99  ff.  3)  Plutarch,  Anton. 
86,  9.  4)  Strabo  XVII  820.  5)  Oben  S.  62.  6]  Cass.  Dio  LIII  23,  5.  7)  Lyons  und  Borchardt. 
Sitzungsber.  d.  Berlin.  Akad.  1896  S.  471;  die  Inschrift  CIT,  III  14147^  =  Dessau  8995. 


86  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  291,292] 

stellern  der  Kaiserzeit  erwähnte  Bildwerke  wird  man  eher  ägyptischen,  in  natio- 
naler Weise  arbeitenden  Künstlern  zuschreiben').  Vitrasius  PoUio,  Prokurator 
in  Ägypten  unter  Claudius,  machte  einen  Versuch,  den  Porphyr  der  großen, 
damals  eröffneten  Brüche  am  Roten  Meer  (mons  Claudianus)  zu  Statuen  zu  ver- 
wenden, und  sandte  Proben  davon  nach  Rom;  einige  Überbleibsel  dieser  ohne 
Zweifel  an  Ort  und  Stelle  ausgeführten  Skulpturen  scheinen  noch  vorhanden 
zu  sein;  doch  die  Neuerung  fand  keinen  Beifall,  erst  im  3.  Jahrhundert  ist  der 
Geschmack  an  Bildwerken  aus  Porphyr  aufgekommen "").  Auch  aus  dem  Stein 
von  Memphis  ^)  wurden  Statuen  (vielleicht  vorzugsweise  ägyptischer  Gottheiten) 
gearbeitet '*). 
und  Palästina.  Der  auf  religiösen  Satzungen  beruhende  Widerwille  der  Juden  gegen  die 
bildenden  Künste  ist  bekannt^);  sie  lassen,  sagtTacitus,  keine  Bildnisse  in  ihren 
Städten,  geschweige  denn  in  ihren  Tempeln  zu;  weder  wird  in  dieser  Weise 
den  Königen  geschmeichelt,  noch  den  Kaisern  Ehre  erwiesen^).  Selbst  das 
Betreten  v^on  Orten,  an  denen  sich  heidnische  Bilder  befanden,  erschien  den 
Strengsten  unzulässig.  Rabbi  Gamaliel  der  Zweite  (unter  Hadrian)  rechtfertigte 
seinen  Besuch  des  Bads  der  Aphrodite  zu  Acco  (Ptolemais)  damit,  daß  das  Bild 
der  Aphrodite  um  des  Bads  willen,  nicht  das  Bad  um  des  Bilds  willen  da  sei^). 
Die  Essener  gingen  so  weit,  daß  sie  die  Städte  nicht  betraten,  um  nicht  durch 
Tore  gehen  zu  müssen,  auf  denen  Statuen  waren,  weil  sie  es  für  unerlaubt 
hielten,  unter  Bildern  zu  gehen ^).  Schon  diese  Nachricht  erinnert  daran,  daß  in 
Palästina  (in  den  Städten  mit  teilweise  oder  überwiegend  heidnischer  Bevölke- 
rung) die  Tore  und  so  gewiß  auch  andre  öffentliche  Bauten  den  Schmuck  der 
Skulptur  keineswegs  entbehrten,  daß  also  an  solchen  Orten  der  jüdische  Bilder- 
haß höchstens  die  Ausübung  der  Künste  durch  Juden,  aber  nicht  durch  Fremde, 
noch  die  Einführung  fremder  Kunstwerke  zu  hindern  vermochte.  Schon  Herodes 
der  Große  hatte  seine  Prachtbauten  mit  Skulpturen  geschmückt,  ohne  sich  an 
das  Ärgernis  zu  stoßen,  das  er  den  Orthodoxen  gab.  An  der  Einfahrt  des  von 
ihm  angelegten  Hafens  von  Cäsarea  standen  drei  Kolosse,  und  in  dem  dortigen 
Tempel  Augusts  Kolossalstatuen  des  Kaisers  und  der  Roma^).  Bei  dem  Aus- 
bruche des  jüdischen  Kriegs  wurde  der  Palast  des  Tetrarchen  Herodes  Antipas 
in  Tiberias  wegen  der  wider  das  Gesetz  verstoßenden  Bildwerke  zerstört,  mit 
denen  er  ausgestattet  war'°).  Bei  Cäsarea  Philippi  sind  mehrere  Nischen  in  eine 
Felswand  eingehauen,  in  denen  einst  Götterbilder  gestanden  haben  mögen"). 
Selbst  zur  Darstellung  lebender  Personen  war  die  Verwendung  der  bildenden 
Künste  in  Palästina  keineswegs  unerhört,  und  es  ist  neuerdings  sogar  die  Ver- 
mutung ausgesprochen  worden,  daß   die  Juden  auf  hellenistischer  Grundlage 

i)  Besonders  wertvoll  sind  manche  Porträtdarstellungen  von  Römern  in  ägyptischer  Manier, 
wie  der  Basaltkopf  des  Museo  Baracco  (Heibig,  Führer^  nr.  1075)  und  die  Pharaostatue  mit  den 
Gesichtszügen  des  Caracalla,  Journ.  of  Rom.  Stud.  I  191 1  S.  4lf.  Im  allgemeinen  vgl.  Schubart, 
Einführung  in  die  Papyruskunde  S.  392  f.  401.  2)  Plin.  n.  h.  XXXVI  57;  vgl.  Letronne,  Recueil 
I  142.  Blümner,  Technologie  III  15  ff.  3)  Pliu.  n.  h.  XXXVI  56.  4)  CIL  X  6303  =  Dessau  4367 
(Tarracina  —  signuju  Menphiticum)  mit  Mommsens  Anm.  5)  Suidas  s.  v.  ßöeXuYMCi"  ttov  ei'öoiXov 
KOI  träv  CKTUTTUujaa  dvGpuiTrou  outuuc;  CKaXeiTO  irapct  MoubafoK;.  Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volkes 
11*  90.  6)  Tac.  Hist.  V  5.  7)  Schürer  a.  a.  O.  S.  90,  9.  8)  Hippolyt.  Refutat.  IX  26,  i.  9)  Jo- 
seph. B.  J.  I  413  f.  10)  Joseph,  vit.  65  :  vgl.  Schürer  a.  a.  O.  S.  65.  169.  11)  Furrer,  Wande- 
rungen durch  Palästina  S.  363. 


[IIL  293]  3.   DER  KUNSTBETRIEB  87 

namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Miniaturenmalerei  eine  eigene  stark  orienta- 
lische figürliche  Kunst  herausgebildet  haben').  Die  von  der  Fürstin  Alexandra 
an  Antonius  gesandten  Porträts  ihrer  Kinder  wurden  bereits  erwähnt').  Über 
den  Tod  des  Königs  Herodes  Agrippa  (f  44)  erhob  sich  in  Cäsarea  und  Sebaste  ein 
roher  Jubel;  die  Soldaten  schleppten  die  Statuen  seiner  drei  Töchter  (von  16, 
10  und  6  Jahren)  auf  die  Dächer  der  Bordelle  und  übten  an  ihnen  den  scheuß- 
lichsten FreveP).  Als  Caligula  den  Prokonsul  von  Syrien  P.  Petronius  mit  der 
Aufstellung  seiner  Kolossalstatue  im  Tempel  zu  Jerusalem  beauftragte,  ließ 
dieser  die  erfahrensten  Künstler  aus  Phönizien  kommen  und  übertrug  ihnen  die 
Ausführung,  die  in  Sidon  erfolgte,  das  Material  lieferte  er  ihnen.  Nachdem 
Agrippa  schon  den  Kaiser  bewogen  hatte,  von  seinem  Vorhaben  abzustehen, 
kam  dieser  nochmals  darauf  zurück  und  ließ  nun  einen  Koloß  aus  vergoldeter 
Bronze  in  Rom  selbst  arbeiten,  um  den  Aufruhr  zu  vermeiden,  den  der  Trans- 
port der  in  Sidon  ausgeführten  Statue  durch  das  Land  erregt  haben  würde"*). 

Überhaupt  dürfte  ein  nicht  geringer  Teil  der  für  die  Provinzen  bestimmten  Ausführung  von 
Kunstwerke  in  Rom  bestellt  und  gearbeitet  worden  sein,  vielleicht  selbt  für  dje°provinz^en  in 
Provinzialen,  gewiß  in  der  Regel  für  die  Kaiser  bei  ihren  auswärtigen  Bauten  Rom. 
und  Kunstunternehmungen.  Arrian  fand  bei  Trapezunt  an  der  Stelle,  wo  Xeno- 
phon  und  Kaiser  Hadrian  das  Schwarze  Meer  erblickt  hatten,  eine  Statue  des 
letzteren,  die  zum  Andenken  an  seinen  dortigen  Besuch  errichtet  war,  sie  wies 
auf  das  Meer.  Da  sie  aber  weder  ähnlich  noch  gut  gearbeitet  war,  bat  Arrian 
den  Kaiser,  eine  seiner  würdige  Statue  in  derselben  Stellung  zu  senden.  Auch 
für  einen  dortigen  schönen  Hermestempel  aus  Quadersteinen,  in  dem  aber  die 
Statue  des  Gottes  schlecht  war,  erbat  Arrian  eine  neue  von  fünf  Fuß  Höhe  und 
eine  des  Philesios  (eines  dort  verehrten,  von  Hermes  abstammenden  Heros)  von 
vier  Fuß^).  Ebenso  wird  die  Statue  der  Victoria,  die  sich  im  Jahre  61  im  Tempel 
des  Claudius  zu  Camulodunum  angeblich  umgedreht  hatte ^),  sowie  die  selbst- 
verständlich dort  befindliche  Statue  des  Kaisers  aus  Rom  nach  Britannien  ge- 
sandt worden  sein.  Nicht  wenige  außerhalb  Roms  gefundene  Sarkophage  tragen 
den  deutlichen  Stempel  stadtrömischer  Arbeit,  nicht  bloß  in  Italien,  sondern 
z.  B.  auch  ein  in  Kreta  gefundener  des  Cambridger  Museums^).  Die  Ausführung 
von  Bildwerken  in  größtem  Umfange  war  in  Rom  um  so  leichter,  als  dorthin 
die  Erträge  der  (wie  die  meisten  Bergwerke  zur  Domäne  gehörigen)  Gold-  und 
Silberbergwerke,  Kupfergruben  und  Marmorbrüche  zur  See  und  auf  dem  Tiber 
gelangen  konnten,  an  dessen  Hafen  unter  dem  Aventin  das  kolossale  Marmor- 
lager des  kaiserlichen  Rom  aufgedeckt  worden  ist^).  Vermutlich  war  in  Rom  ein 
zahlreiches,  zum  Ineinandergreifen  wohlorganisiertes  Heer  von  Künstlern  und 
Kunsthandwerkern,  wie  Hadrian  es  auf  seinen  Reisen  mit  sich  führte,  im  kaiser- 
lichen Dienste  fortwährend  beschäftigt:  und  es  mußten  schon  ungewöhnlich 
große  oder  sehr  eilig  betriebene  Kunstunternehmungen  sein,  bei  denen  man 
genötigt  war,  Künstler  von  außen  herbeizuziehen,  wie  Alexander  Severus  bei 

i)  J.  Strzygowski,  Orient  u.  Rom  (1901)  S.  37  f.,  vgl.  Denkschr.  d.  Wien.  Akad.  LI  1906.  Abh.  II 
184.  2)  Vgl.  oben  S.  54.  3)  Joseph.  A.  J.  XIX  357.  4)  Philo  Leg.  ad  Gai.  22off.  337.  5)  Aman. 
Peripl.  Pont.  Eux.  i,  3!.  2,  i,  vgl.  dazu  W.  Weber,  Untersuch,  z.  Gesch.  d.  Kais.  Hadr.  S.  266, 
976.  6)  Tac.  A.  XIV  32.  7)  Matz,  Arch.  Zeit.  XXX  1874  S.  33;  vgl.  Robert,  Ant.  Sarkophag- 
reliefs III  3  S.  509;  s.  auch  unten  S.  90  A.  3.     8)  Oben  II  333  f. 


88 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  294,  295] 


Ausführung  in 
den  Stein- 
brüchen. 


Arbeiten    in 

Steinbrüchen 

Pannoniens. 


der  Errichtung  einer  Menge  von  Kolossalstatuen,  besonders  der  vergötterten 
Kaiser").  Zahlreiche  Bildhauerwerkstätten,  in  denen  Statuen,  vollendete  und 
skizzierte  Köpfe,  verschiedene  Marmorsorten,  Bildhauergeräte  aller  Art  ge- 
funden worden  sind,  waren  in  der  neunten  Region  in  der  Gegend  der  Piazza 
Navona^),  aber  gewiß  auch  an  andern  Orten,  wie  in  der  Nähe  des  Ablade- 
platzes für  Marmor  am  Hafen ^j. 

Daß  sich  aber  auch  in  sämtlichen  Marmor-  und  sonstigen  Steinbrüchen, 
die  Statuenmaterial  lieferten,  fortwährend  zahlreiche  Bildhauer  und  Steinmetzen 
befanden,  die  Skulpturwerke  teils  anlegten  und  aus  dem  gröbsten  arbeiteten, 
teils  ganz  ausführten,  davon  sind  noch  an  verschiedenen  Orten  Spuren  vorhanden. 
Ein  abbozierter,  dann  verworfener  10,6  Meter  langer  Koloß  des  Apollo  in  Naxus 
liegt  noch  unvollendet  wie  er  ist  in  den  Marmorbrüchen,  aus  denen  er  gemeißelt 
wurde'*).  Aus  dem  bei  Megara  gebrochenen  Muschelkalk  arbeitete  man  dort 
die  geschätzten  und  verbreiteten  »megarischen  Skulpturen«^).  Die  Stadt  Luna 
(Carrara)  war  aus  ihren  Brüchen  reichlich  mit  Skulpturen  aller  Art  versehen, 
und  in  der  sogenannten  Cava  dei  Fanti  scritti  daselbst  hat  man  ein  Relief  ent- 
deckt^). In  dem  alten  Luna  wird  übrigens  ohne  Zweifel  die  Produktion  von  Mar- 
morarbeiten aller  Art  eine  noch  sehr  viel  umfassendere  gewesen  sein  als  in  dem 
heutigen  Carrara,  wo  es  187 1  nicht  weniger  als  115  Bildhauerwerkstätten  jeder 
Art  gab,  und  von  10  000  Einwohnern  (außer  vielen  Fremden)  3000  durch  die 
Bildhauerei  und  Marmorindustrie  Beschäftigung  fanden^). 

Ein  sehr  interessantes  Zeugnis  für  die  Ausführung  der  Skulpturen  in  den 
Brüchen  selbst  liefert  auch  der  Bericht  von  dem  Märtyrertode  des  Claudius  und 
seiner  vier  Gefährten  unter  Diocletian^).  Dem  Verfasser  dieses  allem  Anscheine 
nach  auf  mündlichen  Überlieferungen  oder  schriftlichen  Aufzeichnungen  von 
Zeitgenossen  oder  doch  den  Ereignissen  nahe  stehenden  Personen  beruhenden 
Berichts  ist  die  ganze  in  Diocletians  Zeit  noch  im  weitesten  Umfange  geübte 
römische  Kunsttätigkeit  bekannt,  die  Gegenstände  und  technischen  Ausdrücke 
geläufig.  Er  kannte  (wie  bemerkt)  jedenfalls  das  Lokal  seiner  Erzählung,  die 
Steinbrüche  Pannoniens  (wahrscheinlich  in  der  Nähe  von  Mitrovitsch  an  den  Aus- 
läufern der  Fruschka-Gora)  und  die  dortigen  Arbeiten  aus  eigener  Anschauung, 
hatte  vielleicht  selbst  an  den  letzteren  teilgenommen.  Seine  genauen  Angaben, 
namentlich  von  Zahlen,  machen  durchaus  den  Eindruck  der  Zuverlässigkeit. 
Nach  ihm  wurden  dort  drei  Gesteinarten  gewonnen,  zwei  Statuenmarmore, 
die  dem  thasischen  (weißen)  und  prokonnesischen  (schwarz  und  weiß  gefleckten) 
glichen  und  auch  so  benannt  wurden,   und   ein  Grünsteinporphyr;   alle  drei 


i)  Hist.  äug.  Alex.  Sev.  25,  8.  2)  Sie  wurden  bei  der  Legung  der  Fundamente  der  Chiesa 
nuova  und  andrer  Gebäude  auf  Monte  Giordano  gefunden,  vgl.  Pellegrini,  Bull.  d.  Inst.  1859 
S.  68 ff.  Hülsen-Jordan,  Topogr.  I  3  S.  596.  3)  Bruzza,  Annali  d.  Inst.  1870  S.  137  f.  nimmt  an, 
daß  hier  ein  Teil  der  kaiserlichen  Verwaltung  der  Marmorblöcke  seinen  Sitz  hatte  und  dieselben 
dort  in  den  von  ihr  geleiteten  Werkstätten  verarbeiten  ließ,  neben  denen  es  aber  auch  private  gab. 
S.  auch  unten  S.  91.  4)  Roß,  Inselrcisen  I  39  (Klassiker  d.  Archäol.  I  32  f.).  Sauer,  Athen.  Mitteil. 
XVII  1892  S.  46  nr.  47;  über  einen  ähnlichen  Fund  auf  Faros  vgl.  E.  Löwy,  Arch.  epigr.  Mitt.  XI 
1887  S.  167,  65.  5)  Cic.  ad  Att.  I  8,  2,  vgl.  Blümner,  Technol.  III  59.  6)  Benndorf  m  Büdingers 
Untersuchungen  z.  röm.  Kaisergesch.  III  342,  i.  7)  Augsb.  Allg.  Zeitg.  Beil.  v.  14.  Dezember  1871 
nach  C.  Magenta,  L'industria  de'  marmi  Apuani,  Firenze  1871.  8)  Über  die  Passio  SS.  IV  coro- 
natorum,  vgl.  die  oben  S.  45  A,  2  angeführten  Texte  und  Abhandlungen. 


[III.  296] 


3.  DER  KUNSTBETRIEB 


89 


welche  Länder  arbeitete  Bild- 

werke. 


finden  sich  dort  noch  jetzt,  nebst  zahlreichen  Trümmern  römischer  Bauten. 
Dort  arbeiteten  unter  der  Leitung  von  fünf  Theoretikern  [philosophiy)  622  Stein- 
hauer [quadratarii]^  in  Distrikte  oder  Gruben  [officinae,  deren  Unterabteilungen 
loca  hießen)  verteilt,  die  imstande  waren,  künstliche  und  umfangreiche  Skulp- 
turen zu  liefern.  Aus  thasischem  Marmor  wurde  auf  Diocletians  Befehl  u.  a. 
eine  25  Fuß  (7,4  Meter)  hohe  Figur  des  Sonnengottes  mit  seinem  (bildlich  ver- 
zierten) Viergespann  hergestellt;  aus  Grünsteinporphyr  Säulen  und  Säulen- 
kapitelle, künstlich  verzierte  Becken  und  Wannen,  alles  vielleicht  für  Dioletians 
Thermen  in  Rom'').  Die  Arbeit  an  einer  »mit  wunderbarer  Kunst  ausgeführten« 
Säule  mit  Blätterkapitell  dauerte  3  Monate,  eine  zweite  erforderte  nur  26  Tage. 
Die  Zufriedenheit  des  Kaisers  mit  den  Arbeiten  der  fünf  christlichen  Künstler 
(des  Claudius  und  seiner  vier  Gefährten)  erweckte  den  Neid  der  Direktoren. 
Da  Diocletian  außer  mehreren  ornamentalen  Arbeiten  auch  eine  Statue  des 
Äsculap  bei  den  Christen  bestellt ,  liefern  sie  das  Übrige  zur  Zufriedenheit, 
verweigern  aber  die  Anfertigung  eines  Götzenbildes,  worauf  die  Philosophen 
die  Statue  durch  andre  Arbeiter  aus  prokonnesischem  Stein  innerhalb  von 
30  Tagen  vollenden  lassen. 

An  vielen  Orten  wurden  gewiß  Bildwerke  im  Vorrat  zum  Verkauf  gearbeitet.  Im  Vorrat  ge- 
am  meisten  wohl  immer  noch  in  Griechenland  und  Kleinasien  ^ 
ja  auch  in  der  Kaiserzeit  die  meisten  Künstler  nach  Rom  sandten,  außerdem 
aber  vermutlich  noch  eine  nicht  unbedeutende  Ausfuhr  von  Skulpturwerken 
hatten.  Die  alexandrinischen  Indienfahrer,  die  in  Cana  im  glücklichen  Arabien 
anlegten,  hatten  für  den  dortigen  König  Statuen  als  Geschenke  an  Bord'*). 
Apollonius  von  Tyana  trifft  in  dem  Romane  des  Philostrat  im  Piräus  ein  nach 
lonien  bestimmtes  Schiff,  das  von  seinem  Eigentümer,  einem  Kaufmann,  mit 
kostbaren  Götterbildern,  teils  von  Gold  und  Marmor,  teils  von  Gold  und  Elfen- 
bein, befrachtet  ist^j.  Überhaupt  waren  es  gewiß  vorzugsweise  Götterbilder  Götterbilder 
und  sonstige  Kultusgegenstände,  die  nicht  bloß  auf  Bestellung,  sondern  auch 
für  den  Vertrieb  durch  den  Handel,  also  gewiß  auch  im  Auftrage  von  Kauf- 
leuten und  Händlern,  gearbeitet  wurden,  außerdem  ein  großer  Teil  der  zur 
Dekoration  bestimmten  Kunstwerke.  In  den  Läden  der  >  Händler  mit  Ton-  und 
Bronzefiguren»  in  den  römischen  Kolonien  der  Rhein-  und  Donaulandschaften 
konnten  die  dortigen  Ansiedler  ohne  Zweifel  alle  Arten  der  kleinen,  in  diesen 
Gegenden  so  häufig  gefundenen  Götterbilder,  namentlich  die  vorzugsweise  be- 
liebten des  Merkur  und  der  Fortuna  kaufen^).  Daß  die  Anfertigung  von  Götter-« 
bildern  die  Haupterwerbsquelle  der  bildenden  Künstler  und  Kunsthandwerker 
war  und  blieb,  ergiebt  sich  aus  der  bereits  erwähnten  Äußerung  TertuUians,  daß 
solche,  die  Christen  geworden  waren,  erklärten,  die  ihnen  nun  zum  Vorwurf 

l)  Benndorf  a.  a.  O.  S.  343  f.  glaubte,  daß  philosophi  Bildhauer  bedeute ;  doch  Lumbroso,  Memor. 
d.  Accad.  dei  Lincei  ser.  3  vol.  V  1880  S.  74  ff.  weist  für  das  Wort  in  späterer  Zeit  die  Bedeutung 
»Lehrer«  nach.  2)  Benndorf  a.  a.  O.  S.  35  if.;  vgl.  auch  die  Inschrift  aus  alten  Steinbrüchen  der 
dalmatinischen  Insel  Brazza  CIL  HI  10107  =  Dessau  3458  ...  cum  insisterem  (als  Aufseher)  ad 
capitella  colwnnaruvi  ad  termas  Licinian[a]s.  3)  Manche  der  in  Germanien  gefundenen  Mithras- 
reliefs  scheinen  pannonischen  Ursprungs  zu  sein.  Cumont,  Die  Mysterien  des  Mithra^  S.  207,  4. 
4)  Peripl.  mar.  Erythr.  28.  5)  Philostr.  Vit.  Apoll.  Tyan.  V  20.  6)  In  Augsburg  ein  \ne]gotiator 
d\rt{\s  cretaria\e  et  ßa]turariae  si[gill[ariac^,  wobei  das  letzte  Wort  sowohl  auf  cretaria  als  flaUi- 
raria  zu  beziehen  ist,  CIL  III  5833.    Über  ars  cretaria  vgl.  Marquardt,  Privatl.^  636,  4. 


90 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  297] 


Ausführung  am 
Ort  der  Verwen- 
dung, teils  durch 
wandernde  — 


gemachte  Tätigkeit  nicht  aufgeben  zu  können,  da  sie  sonst  nicht  wüßten,  wo- 
von sieleben  sollten.  Außerdem  beriefen  sie  sich  darauf,  daß  Moses  eine  eherne 
Schlange  verfertigt  habe"). 
Sarkophage.  Sodann  ist  bei  den  Sarkophagen  die  fabrikmäßige  Anfertigung^]  schon  durch 
ihre  Masse,  noch  mehr  dadurch  unzweifelhaft,  daß  manche  so  gefunden  sind, 
wie  sie  in  den  Lagern  der  Fabrikanten  zum  Verkauf  standen,  fertig  bis  auf  die 
letzten  Meißelschläge,  die  erst  nach  erfolgter  Bestellung  getan  werden  konnten^). 
Die  öfters  in  der  Mitte  angebrachten  Porträtmedaillons  haben  nämlich  häufig 
nur  die  ungefähren  Formen  eines  Gesichts,  so  daß  ihnen  die  Züge  des  zu  Be- 
stattenden noch  zu  geben  waren;  ebenso  ist  unter  der  Überschrift  aller  Epitaphe 
D.  M.  [dis  manibus)  die  Stelle  für  den  Namen  leergelassen.  Endlich  wird  ein 
Ehrenstatuen,  großer  Teil  der  schablonenmäßig  gearbeiteten  Ehrenstatuen  zu  dem  Vorrate 
der  Bildhauerwerkstätten  gehört  haben,  natürlich  ebenfalls  mit  unausgeführten 
Köpfen,  die  dann  nach  der  Bestellung  die  gewünschte  Porträtähnlichkeit  er- 
hielten, oder  mit  ausgehöhltem  Halse  behufs  Einlassung  der  besonders  gear- 
beiteten Köpfe,  wie  sie  noch  zahlreich  vorhanden  sind*).  Namentlich  bei  den 
Statuen  im  Harnisch  sind  die  Köpfe  (auch  die  Beine)  vielfach  von  andrer  Hand 
hinzugefügt^). 

Aber  nur  ein  Teil  der  Kunstwerke  konnte  anderswo  als  am  Orte  der  Auf- 
stellung oder  Verwendung  gearbeitet  werden.  Bei  allen  besseren  persönlichen 
Denkmälern  mußte  die  ganze,  auch  bei  den  schlechteren  doch  in  der  Regel 
wenigstens  die  letzte  Ausführung  an  Ort  und  Stelle  erfolgen.  Ebenso  ist 
sicherlich  der  überwiegend  größte  Teil  der  künstlerischen  Dekorationsarbeit, 
besonders  Malereien,  Mosaiken  und  Stuckaturen,  in  den  Räumen  selbst,  die  sie 
schmücken  sollten,  ausgeführt.  Auch  die  schnelle  und  massenhafte  Verbreitung 
der  Kaiserbildnisse  läßt  sich  nur  durch  Versendung  allein,  wenn  auch  von  zahl- 
reichen Punkten,  nicht  erklären.  Ein  Teil  der  Künstler  sowie  der  Unternehmer 
größerer  künstlerischer  Arbeiten,  welche  die  erforderlichen  Arbeiter  auf  allen 
Kunstgebieten  im  Dienst  hatten  oder  für  Lohn  beschäftigten,  wird  von  Ort  zu 
Ort  gewandert  sein;  dergestalt,  »daß  ganze  Kolonien,  Züge,  Schwärme,  Wolken, 
wie  man  es  nennen  will,  von  Künstlern  und  Handwerkern  da  heranzuziehen 
waren,  wo  man  ihrer  bedurfte.  Denke  man  an  die  Scharen  von  Maurern  und 
Steinmetzen,  welche  sich  in  dem  mittleren  Europa  zu  jener  Zeit  hin  und  her  be- 

i)  Tertullian,  de  idololatria  5.  Oben  S.  80.  2)  Arbeiter  von  Sarkophagen  (arcae  marmoreae)  in 
'"'Ravenna  Cassiodor.  Var.  III  19.  Lebas-Waddington  25  (Smyma):  Aup(riXia)  <t)ri\iKiööi)Lia  OYopd- 
oaaa  —  aop6vTTpoKo;v)vriöiav  (vgl.  dazu  Athen.  Mitteil.  XII  1887  S.  24S.  Blümner,  Technol.  III 
36  ff.)  dvOYXuqpov.  3)  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs  HI  i  S.  87  (zu  dem  Pariser  Endymion- 
sarkophag  aus  Bordeaux  ebd.  Taf.  18)  'vermutlich  sind  die  Sarkophage  aus  Rom  bezogen  worden, 
die  Porträtzüge  sollten  den  abozzierten  Köpfen  in  Gallien  selbst  gegeben  werden'.  Vgl.  Benndorf  u. 
Schöne,  Bildw.  d.  lateran.  Mus.  zu  nr.  488.  4)  In  dem  Epigramm  einer  Siegerstatue  in  Hierapolis 
in  Phrygien  (Altert,  v.  Hierapolis  S.  89  nr.  46)  heißt  es,  Glabrio  habe  den  Kopf  angefertigt,  woraus 
hervorgeht,  daß  dort  bis  auf  den  Kopf  fertige  Siegerstatuen  auf  Lager  waren,  denen  dann  nur  der 
eigens  modellierte  Porträtkopf  des  Siegers  aufgesetzt  zu  werden  brauchte,  Cichorius  ebd.  S.  53. 
5)  Heibig,  Untersuch,  über  die  campan.  Wandmalerei  S.  3of.  U.  Koehler,  Annali  d.  Inst.  1863 
S.  433.  Benndorf  u.  Schöne  a.  a.  O.  S.  125.  Dütschke,  Antike  Bildw.  in  Oberitalien  IV  40.  Der 
Ausdruck  ö  'zf\c,  iraibeia^  dvöpidc;  in  der  Inschrift  von  Rhodiapolis  IGR  III  733  (oben  S.  73)  läßt 
vermuten,  daß  auch  Statuen  von  Gelehrten  und  Schriftsteilem  in  einer  feststehenden  Form  (etwa 
mit  einer  Rolle  in  der  Hand,  einem  scrinium  zu  ihren  Füßen)  stets  vorrätig  waren. 


[111.298,299]  3-   DER  KUNSTBETRIEB  91 

wegten,  als  eine  ernst  religiöse  Denkweise  sich  über  die  christliche  Kirche  ver- 
breitet hatte« ')    Eines  dieser  wandernden  Künstler,  Zeno  aus  Aphrodisias,  der  1 
von  sich  in  einer  Inschrift  rühmt,  daß  er  im  Vertrauen  auf  seine  Kunst  viele 
Städte  durchzogen  habe,  wurde  früher  gedacht^).   Ein  Novius  Blesamus  hatte 
laut  seiner  Grabschrift  Rom  und  das  ganze  Reich  mit  seinen  Statuen  ge- 
schmückt^); ein  Mosaikarbeiter  zu  Perinth  laut  der  seinigen  seine  Kunst  in  vielen 
Städten  vor  allen  andern  geübt"*).     Große  Leistungen  verbreiteten  den  Ruhm 
der  Künstler  weit  und  schnell.   Zenodorus,  der  für  Clermont  die  erwähnte  kolos-  ^ 
sale  Merkurstatue  ausgeführt  hatte,  wurde  von  Nero  nach  Rom  berufen,  um                       j 
dessen  Kolossalstatue  dort  zu  verfertigen  5).  Der  Architekt  Pontius,  durchweichen                       | 
der  Vizekönig  von  Ägypten  P.  Rubrius  Barbarus  im  18.  Jahre  Augusts  {13/12 
V.  Chr.)  zu  Alexandria  einen  Obelisken  im  Augusteum  errichten  ließ,  ist  wahr- 
scheinlich derselbe,  welcher  die  in  neuerer  Zeit  in  den  Gärten  des  Mäcenas  ent- 
deckte schöne  Brunnenmündung  (in  Form  eines  Rhyton)  entworfen  hat,  »die 
in  so  hohem  Grade  den  Einfluß  der  alexandrinischen  Kunst  zeigt«  ^). 

Doch  nach  Lucians  »Traum«  war  das  Leben  der  Bildhauer  (wenigstens  im  teils  durch  an 
Vergleich  zum  Wanderleben  der  Sophisten)  in  der  Regel  ein  seßhaftes 7),  und  sääsige  Künstle. 
gewiß  gab  es  an  allen  größeren  Orten  auch  ansässige  Künstler,  denen  es  an 
fortwährender  Beschäftigung  nicht  fehlte.  Dies  ergibt  sich  noch  für  das  4.  Jahr- 
hundert aus  dem  Schreiben  Constantins  an  den  Statthalter  der  Provinzen  Spanien, 
Gallien  und  Britannien  vom  Jahre  337,  wonach  die  in  den  Städten  sich  aufhal- 
tenden Künstler  und  Handwerker  von  kommunalen  Leistungen  frei  sein  sollten, 
damit  sie  ihre  freie  Zeit  auf  Erlernung  ihrer  Kunst  verwenden  und  sowohl  selbst 
um  so  kundiger  werden,  als  ihre  Söhne  unterrichten  könnten:  zu  den  nament-  , 

lieh  aufgeführten  gehören,  außer  den  Architekten  und  Bauhandwerkern,  Maler, 
Bildhauer  und  Mosaizisten^).    Bildhauerwerkstätten  werden  an  keinem  auch  nur 
mittelmäßigen  Orte  gefehlt  haben;  gefunden  sind  solche  außer  in  Athen^)  und 
Rom'°)  auch  in  Thysdrus")  und  in  Pompeji;  in  der  letzteren  befanden  sich  Ge- 
räte zur  Steinskulptur,  Marmorstatuen,  Hermen,  Büsten,  Tische  mit  verschie-  j 
denen  Füßen  und  ein  unfertiger  marmorner  Mörser'^).    Die  in  andern  Städten  j 
Italiens  sowie  in  den  Provinzen  zum  Vorschein  gekommenen  Inschriften  von  j 
Künstlern  sind  mit  Ausnahme  Griechenlands  und  Kleinasiens '^)  nicht  zahl-  j 
reich. 

Obwohl  nun  ohne  Zweifel  an  den  verschiedensten  Orten  der  römischen  Monar- 
chie Kunst  und  Kunsthandwerk  auch  von  zahlreichen  seßhaften  Leuten  betrieben 

i)  Goethe,  Werke  XLIX  i  S.  169  d.  Weim.  Ausg.  2)  Oben  I383.  Daß  Neubauers  (Arch.  Zeit. 
XXXIV  1876  S.  68f.)  Deutung  der  Inschriften  CIG  247.  5923  auf  einen  (mit  seinem  Bruder, 
einem  Faustkämpferj  umherziehenden  Bildhauer  M.  Tullius  Eut>-ches  nicht  zwingend  ist,  bemerkt 
Löwy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  zu  nr.  469  f.  3)  CIL  VI  23083  =  Dessau  77 II  (Buecheler,  Carm. 
ep.  1254).  Brunn,  Künstlergesch.  I  614.  4)  CIG  2025  =  Kaibel,  Epigr.  gr.  532,  vgl.  CIG  2024. 
Brunn,  Künstlergesch.  II  313.  Inschrift  eines  Mosaiks  zu  Lillebonne:  T.  Seti^nnts)  Felix  c{ivis, 
Puteola7itis  fec{it)  et  Atnor  c[ivis,  K[aleUis^)  discipulus  CIL  XIII  3225.  5)  Oben  S.  79.  Plin.  n.  h. 
XXXIV  45  f.  6)  CIL  ni  6588  =  Dessau  5483a,  vgl.  Lumbroso,  Bull.  d.  Inst.  1878  S.  55.  C.  L.  Vis- 
conti, Bull.  arch.  com.  III  1875  S.  ii8fF.  Heibig,  Führer^  nr.  950.  7)  Lucian.  Somn.  7.  8)  Cod. 
Theodos.  XIII  4,  2.  S.  oben  S.  44.  9)  Gardner,  Joum.  of  hell.  Stud.  XI  1890  S.  129  ff.  10,  Oben 
S.  88.  il]  Barth,  Wanderungen  durch  die  Küstenländer  des  Mittelmeers  I  172.  12)  Overbeck- 
Mau,  Pompeji'*  S.  383,  vgl.  S.  646.  In  Urbisaglia,  Not.  d.  scavi  18S2  S.  105  f.  13)  Übersichten 
bei  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  S.  404  f.  407  f. 


92  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  300] 

wurden  und  sich  sogar  nicht  selten  wie  in  älterer  Zeit  in  denselben  Familien  fort- 
erbten'), wie  es  auch  der  Erlaß  Constantins  voraussetzt,  so  haben  sich  doch  lokale 
und  provinzielle  Stile  und  Eigentümlichkeiten  offenbar  nur  ganz  ausnahmsweise 
entwickelt.  Als  das  hauptsächlich  Charakteristische  der  Kunst  des  Kaiserreichs 
erscheint  vor  allem  ihre  bei  der  Ausbreitung  über  ein  so  weites  Gebiet  doppelt 
berallGleichför-  auffallende  Gleichförmigkeit  in  Gegenständen,  Auffassung,  Behandlung  und 
igkeit  der  Be-  gg^bst  Technik.  Mit  Ausnahme  Galliens,  besonders  des  belgischen,  wo  jene 
*"  der^Technik.  eigenartige  neue  Kunstrichtung  entstand,  und  Ägyptens,  wo  die  uralte  nationale 
fortdauerte,  ist  bei  den  Überresten  der  Kunst  im  ganzen  Reich  der  Eindruck 
der  Gleichartigkeit  der  weitaus  überwiegende,  und  selten  sind  Differenzen  wahr- 
nehmbar, die  nicht  aus  der  Verschiedenheit  der  nachgeahmten  Vorbilder,  aus 
der  höheren  oder  geringeren  Blüte  der  Epoche  und  aus  der  größeren  oder  ge- 
ringeren Kunstfertigkeit  der  Künstler  herzuleiten  wären.  Man  kann  es  keinem 
Mosaikbilde  ansehen,  ob  es  in  Tunis  oder  England,  in  Andalusien  oder  Salzburg 
ausgegraben  ist.  Bei  der  Analyse  von  bemaltem  Stuck  von  der  Wandbeklei- 
dung römischer  Häuser  zu  Bignor  in  Sussex  fand  Sir  Humphry  Davy  dieselben 
Farbenbestandteile,  wie  in  dem  bemalten  Stuck  der  Titusbäder  und  der  Häuser 
von  Pompeji  und  Herculaneum");  und  ebenso  stimmt  die  Wandmalerei  der 
römischen  Villen  im  belgischen  Gallien  und  der  pompejanischen  nicht  bloß  in 
Dekoration  und  Technik^)  überein,  sondern  auch  die  Zubereitung  des  Wandbe- 
wurfs sowie  die  Art  des  Farbenauftrags  sind  im  wesentlichen  dieselben  hier  wie 
dort"*).  Überall  arbeiteten  Steinmetzen  und  Bildhauer  nach  italischen  Vorbildern^). 
Im  Echerntal  bei  Hallstadt  ist  ein  römisches  Grabdenkmal  in  Giebelform  ge- 
iunden  worden,  das  ein  Medaillonporträt  zwischen  einer  liegenden  weiblichen 
Figur  und  einem  Genius  darstellt:  ähnliche  Monumente  gibt  es  in  Huesca  in 
Aragonien,  in  Frankreich,  Italien  und  Dalmatien^). 

Diese  Gleichförmigkeit  erklärt  sich  nur  zum  Teil  durch  die  Wanderungen 
der  Künstler  und  den  Vertrieb  der  Kunstwerke  im  Wege  des  Handels.  Ihr 
Hauptgrund  ist  erstens,  daß  die  Entwicklung  der  griechischen  Kunst  bereits 
abgeschlossen  war,  als  sie  in  den  Dienst  der  römischen  Kultur  trat.  Diese  Ent- 
Festhalten an  Wicklung  war  eine  beispiellos  reiche  gewesen.  Ein  unermeßlicher  Schatz  von 
der  Tradition.  Ueen  und  Formen  war  durch  sie  geschaffen,  Darstellungs-  und  Behandlungs- 
weise  nach  allen  Seiten  hin  aufs  vollkommenste  durchgebildet  worden.  Mit 
dieser  Erbschaft  konnte  auch  eine  epigonische  Zeit,  der  es  an  eigener  schöpfe- 
rischer Kraft  gebrach,  noch  jahrhundertelang  haushalten,  ohne  arm  zu  erscheinen. 
Dieser  Zeit  nun  gereichte  das  treue  Festhalten  an  der  Tradition  —  einer  der 
Hauptunterschiede  aller  antiken  Kunst  von  der  modernen  —  doppelt  zum  Segen. 
Weit  entfernt  davon,  nach  einer  unmöglich  gewordenen  Originalität  zu  streben 

i)  Löwy  a.  a.  O.  S.  405  f.  Eine  Kiinstlerfamilie  aus  Aphrodisias  war  unter  den  Antoninen  eine 
Reihe  von  Jahren  hindurch  für  die  Curia  athletarum  bei  den  Titusthermen  tätig,  Ricci,  Bull, 
arch.  com.  XIX  (1891)  S.  207  ff.  2)  Lysons,  Reliquiae  Brit.  Rom.  I  5.  3)  Über  die  Technik  der 
antiken  Wandmalerei  s.  F.  Gerlich,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXI  1908  S.  1270'.  4)  Hettner, 
Westd.  Zeitschr.  11  (1883)  S.  16 — 18.  Vgl.  oben  S.  43  A. 4.  5)  Über  Provinzialkunst  s.  namentlich 
F.  Studniczka,  Tropaeum  Traiani  (Abhdl.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  XXII  4,  1904)  S.  123  ff. 
gegen  Furtwängler,  Abhdl.  d.  Münch.  Akad.  XXII  3  (1903)  S.  500  ff.  Über  gallische  Kunst  feine 
Bemerkungen  bei  F.  Koepp,  Bonn.  Jahrb.  CXXV  (19 19)  S.  44  ff.  6)  v.  Ameth,  Sitzungsber.  d. 
Wiener  Akad.  1862  S.  714. 


[III.  3oi]- 


3.  DER  KUNSTBETRIEB 


93 


und  den  kostbaren  Erwerb  der  früheren  glücklichen  Perioden  durch  fruchtloses 
Experimentieren  preiszugeben,  hat  sie  ihn  vielmehr  lange  Zeit  mit  lobenswerter 
Einsicht  erhalten  und  verwertet.  Fort  und  fort  bewegte  sich  die  Kunst  in  ge- 
wohnten Kreisen  und  löste  auch  die  neuen  Aufgaben  nach  altbewährten  Ge- 
setzen. So  ist  das  auf  den  ersten  Blick  Unbegreifliche  möglich  geworden,  daß 
sie  sich  noch  Jahrhunderte  nach  dem  Abschluß  ihrer  Entwicklung  auf  einer 
bewunderungswürdigen  Höhe  behauptete,  daß  namentlich  die  Skulptur  in 
der  Zeit  eines,  wenn  auch  langsamen  Sinkens  noch  Werke  schaffen  konnte, 
denen  die  moderne  Plastik  wenige  an  die  Seite  zu  stellen  vermag;  daß  auch 
trotz  der  ungeheuren  Massenproduktion  ein  Rest  des  Formenadels  sich  selbst 
bis  in  die  spätesten  Zeiten  erhielt. 

Die  Bronzen,  welche  die  Villa  des  Besitzers  der  Bibliothek  in  Herculaneum ') 
schmückten,  geben  auch  von  dieser  Seite  der  damaligen  Kunst  eine  Vorstellung. 
»Was  der  Gegenwart  angehört,  sind  nur  Porträts,  und  auch  hier  nur  der  Rea- 
lismus der  Köpfe,  nicht  die  Haltung,  nicht  die  Gewandung.  Alles  sonst  sind 
Wiederholungen  der  Werke  früherer  schöpferischer  Kunstalter.  Aber  an  der 
Stelle  der  erloschenen  Erfindungskraft  hat  sich  geschichtliche  Kennerschaft 
verbreitet  und  feinsinniges  Geschick  der  Imitation;  mit  unwandelbarer  Treue 
und  Bescheidenheit  ordnet  man  sich  den  Alten  unter.  Der  strenge  männliche 
Formenadel  des  einen  Meisters,  der  weiche  Linienfluß  und  die  seelenvolle  An- 
mut des  andern,  die  Kraft  und  Fülle  der  Charakteristik  eines  dritten,  die  Härte 
und  Zierlichkeit  eines  Kultusbilds,  oder  dessen  geheiligte  Grundformen  durch 
den  Naturalismus  der  vollendeten  Kunst  im  einzelnen  flüssig  gemacht:  das  alles 
ist  hier  vertreten;  und  gewiß  ist  eine  solche  Produktion  nicht  ohne  Liebhaber 
denkbar,  die  dergleichen  zu  unterscheiden,  zu  schätzen,  zu  genießen  wußten«"). 

War  nun  das  mit  dem  Mangel  an  Originalität  in  Wechselwirkung  stehende  Rom  auch  hier 
Festhalten  an  der  Tradition  der  eine  Hauptgrund  für  die  Gleichförmigkeit  der  ^^^  Vorbild  für 


Bronzen  des  Epi- 
kureischen Philo- 
sophen in  Hercu- 
laneum. 


damaligen  Kunst,  so  lag  der  andre  in  dem  nivellierenden  Einfluß  der  römischen 
Kultur.  Auf  allen  Gebieten  war  Rom  das  Vorbild  für  die  übrigen  Städte  des 
Reichs,  aber  auf  diesem  mit  dem  größten  Recht.  Hier  war  > durch  die  aus 
Griechenland,  Asien  und  Ägypten  entführten,  in  Tempeln  und  öffentlichen  Ge- 
bäuden, in  Palästen  und  Villen  aufgehäuften  Kunstwerke  aller  Zeiten  und  Schulen, 
jeder  Technik  und  Art  ein  unerschöpfliches  Material  für  Kunstbildung  vor- 
handen«^); hier  waren  die  bedeutendsten  Künstler  der  Welt  versammelt,  hier 
wurden  die  größten  und  fortwährend  neue  Werke  geschaffen,  hier  war  eine 
hohe  Schule  für  Kunst,  wie  es  nie  wieder  eine  ähnliche  gegeben  hat.  Dem  Ver- 
langen der  Provinzialen,  von  allem,  was  in  der  Hauptstadt  in  Gunst  und  An- 
sehen stand,  Nachbildungen  zu  besitzen,  dem  Ansprüche  der  in  den  Provinzen 
für  kürzere  oder  längere  Zeit  ansässigen  Römer,  den  gewohnten  Kunstluxus 
nicht  ganz  zu  entbehren,  kam  die  Tätigkeit  einer  weit  verbreiteten,  aus  den 
Provinzen  nach  Rom  und  von  dort  in  die  Provinzen  zurückströmenden  Masse 
von  Künstlern  und  Handwerkern  entgegen:  und  so  vereinigte  sich  alles,  um 
einen  und  denselben  Kunstgeschmack  für  das  ganze  Reich  zum  herrschenden 
zu  machen. 


das  ganze  Reich. 


l)  Oben  S.  40.  2)  Justi,  Winckelmann  IP  il 

Altertumswissenschaft  S.  239  ff. 


(nicht  in  der  2.  Aufl.).         3   O.  Jahn,  Aus  der 


94 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  302] 


Die  Produktion       Die  dekorative  und  religiöse  Kunst  konnte  ihre  Aufgaben  größtenteils  durch 
wesentlich  Re-  uj^ygränderte  Reproduktion  aus  dem  vorhandenen  Vorrate  lösen,  die  monumen- 

prOdUktlOn.  ^  r  r  ^^        /-^  1       TT        1    -1    1  1    -IT  l\  J 

tale  fand  hier  wenigstens  für  fast  alle  Gegenstände  Vorbilder  und  Jvluster  ) ;  und 
u'o  einfache  Wiederholung  unzulässig  war,  konnten  meist  »durch  Umbildung 
und  Ausbildung  der  ursprünglichen  Motive  neue  Wendungen  des  Gedankens 
ausgedrückt«,  durch  Variationen,  Modifikationen,  Trennungen  und  Verbin- 
in  der  Plastik,  dungen  das  Vorhandene  in  ein  scheinbar  Neues  umgestaltet  werden.  Nament- 
lich geschah  dieses  dadurch,  daß  man  Figuren  aus  ihrem  natürlichen  Zusammen- 
hang loslöste  und  selbständig  machte,  oder  mit  andern  in  Verbindung  brachte, 
oder  auch  ursprünglich  selbständige  Figuren  mit  andern  gruppierte,  und  es  ist 
nicht  zu  leugnen,  daß  durch  dieses  Verfahren,  das  in  der  römischen  Poesie 
seine  leicht  erkennbaren  Analogien  hat,  manche  durch  Form  und  Gedanken 
ausgezeichnete  Leistung  hervorgerufen  worden  ist.  So  ist  z.  B.  die  sich  im 
Schilde  des  Mars  spiegelnde  Venus  in  eine  Siegesgöttin  umgewandelt  worden, 
die  den  Sieg  auf  dem  Schilde  verzeichnet:  und  diese  findet  sich  nicht  bloß  als 
Statue,  sondern  auch  auf  Sarkophagreliefs,  wo  überhaupt  besonders  häufig 
Figuren,  Motive  und  Gruppen  aus  älteren  Werken  entlehnt  und  in  verschiedener 
Weise  zu  neuen  Kompositionen  verwandt  sind.  Sodann  ist  sie  mit  Mars  zu- 
sammengestellt, den  die  Arme,  mit  welchen  sie  den  Schild  gehalten,  dann 
umfaßten:  auch  diese  in  der  Kaiserzeit  sehr  beliebte  Zusammenstellung  wieder- 
holt sich  auf  Sarkophagen  und  in  vier  noch  vorhandenen  Statuengruppen.  In 
derselben  Weise  ist  eine  bekannte  treffliche  Gruppe  »Orest  und  Elektra«  mit 
Festhalten  der  Komposition  wie  des  poetischen  Motivs  in  eine  neue  »Orest  und 
Pylades«  umgeschaffen  worden').  An  der  sogenannten  Thusnelda  in  der  Loggia 
de'  Lanzi  in  Florenz  gehört  dem  Künstler  nur  die  höchst  gelungene  Charakte- 
ristik der  dargestellten  nationalen  Eigentümlichkeit,  die  großartige  Anlage  ent- 
lehnte er  trauernden  Frauengestalten  der  älteren  Kunst ^).  Auch  für  die  durch 
neu  eingeführte  Kulte  erforderlichen  Darstellungen  wurden  alte  Formen  zum 
Teil  sehr  glücklich  verwandt.  Erst  seit  der  Kaiserzeit  gewann  der  Mithrasdienst 
im  Westen  Verbreitung:  auch  in  den  Reliefs  der  Mithrashöhlen*)  begegnen  wir 
nur  bekannten,  aus  dem  Vorrat  griechischer  Kunst  entlehnten  Gestalten ;  nament- 
lich der  auf  dem  Stier  kniende  Gott  ist  nichts  als  eine  Umbildung  einer  Figur 
der  stieropfernden  Siegesgöttin,  und  ebenso  sind  auch  die  übrigen  Gestalten 
dieser  Komposition  entlehnt,  und  nur  ihre  Zusammenstellung  und  die  Zutat 
einiger  Symbole  neu^).  Ein  andres  Beispiel  dieses  allgemein  angewandten  Ver- 
fahrens berichtet  Josephus:  in  dem  von  Herodes  erbauten  Augustustempel  zu 


i)  Die  Künstler  in  der  Provinz  müssen  geradezu  Musterbücher  zur  Hand  gehabt  haben,  wie 
Amelung,  Rom.  Mitteil.  XXI  1906  S.  280  ff.  an  einem  Beispiele  von  der  großen  Mainzer  Juppiter- 
säule  zeigt.  2]  Diese  Art  des  Kopierens  älterer  Vorbilder   und  Zusammensetzung  einer  neuen 

Komposition  aus  überall  her  zusammengeholten  älteren  Motiven  ist  insbesondere  charakteristisch 
für  die  seit  dem  Ende  der  republikanischen  Zeit  für  Rom  tätigen  sog.  Neuattiker,  vgl.  F.  Hauser, 
Die  neuattischen  Reliefs,  1889.  Beispiele  für  Umbildung  und  Variation  der  Originale  durch  die 
Kopisten,  auch  die  Verbindung  desselben  Kopftypus  mit  verschiedenen  Körpern  gibt  G.  Lippold, 
Rom.  Mitteil.  XXXII  19 1 7  S.  95  ff.  3)  Heibig,  Untersuchungen  über  die  Campanische  Wand- 
malerei S.  27  f.  4)  Cumont  a.  a.  O.  S.  199  ff.,  vgl.  auch  F.  Drexel,  Der  obergerm.-raet.  Limes 
XXXUI  Das  Kastell  Stockstadt  (1910)  S.  77  ff.  5)  Zum  Teil  wörtlich  nach  O.  Jahn,  Berichte  d. 
Sachs.  Ges.  1861  S.  121 — 132;  vgl,  dazu  Wickhoff  a,  a.  O.  S.  34.  129. 


[III.  303]  3-  DER  KUNSTBETRIEB  95 

Cäsarea  war  die  kolossale  Statue  des  Kaisers  eine  Nachbildung  des  Phidia- 
sischen  Zeus  zu  Olympia,  »die  hinter  ihrem  Vorbilde  nicht  zurückstand«,  die 
der  Roma  eine  Nachbildung  der  Hera  des  Polyclet  zu  Arges  ^).  Eine  mehr  oder 
minder  freie  Nachbildung  des  Motivs  der  Phidiasischen  Statue  zeigt  eine  ganze 
Reihe  von  Kaiserstatuen  mit  nacktem  Oberkörper  und  um  die  Schenkel  ge- 
schlagenem ManteP).  Überhaupt  sind  bei  Porträtstatuen  die  Gestalten,  wie 
gesagt,  in  der  Regel  nach  älteren  Typen  gebildet.  Die  sogenannte  Pudicitia 
im  Vatikan  sowie  die  >Herculanerinnen«  gehören  zu  dem  großen  Vorrat  weib- 
licher Gewandstatuen,  deren  Motive  teils  auf  die  attische  Kunst  des  4.  Jahr- 
hunderts, teils  auf  die  hellenistische  Zeit  zurückgehen  und  bei  der  Gleichartigkeit 
griechischer  und  römischer  weiblicher  Tracht  sich  in  Rom  unmittelbar  verwerten 
ließen;  sie  kehren  namentlich  in  einer  Anzahl  von  Sepulkralstatuen  wieder^). 

Namentlich  aber  zu  dekorativen  Zwecken  genügte  nicht  bloß  die  unverän-  Kopien  berühmter 

"if        w   lo- 
derte Wiederholung  der  älteren  Werke  vollständig,  sondern  es  war  offenbar  ^  ^'^^     er  e  — 

auch  der  Wunsch  der  meisten  Besteller,  die  allbekannten  und  allbeliebten  Ge- 
stalten in  möglichst  treuen  Kopien  zu  besitzen'*).  Lucian  nennt  folgende  im  Hof 
eines  athenischen  Privathauses  aufgestellte  Statuen:  den  Diskos werfer  des  Myron, 
den  Diadumenos  des  Polyclet,  die  Tyrannenmörder  des  Kritias  und  Nesiotes  — 
selbstverständlich  sämtlich  Kopien  dieser  berühmten  Werke  ^).  Die  Nach- 
bildung erfolgte  vielfach  auf  mechanischem  Wege,  durch  Abformung  und  ver- 
mittels des  Punktierverfahrens ^),  woraus  sich  die  Übereinstimmung  der  Maße 
zwischen  an  ganz  verschiedenen  Orten  gefundenen  Kopien  desselben  Originals 
erklärt.  Natürlich  wurden  die  berühmtesten  auch  am  meisten  vervielfältigt.  So 
sind  die  noch  jetzt  so  zahlreichen  Wiederholungen  der  Aphrodite,  des  Satyrs 
und  des  Apollo  des  Praxiteles  und  eine  Menge  andre  (z.  B.  der  sogenannten 
Mediceischen  Venus)  von  zum  großen  Teil  unbekannten  Urbildern  entstanden. 
Wären  nicht  die  Inschriften  der  Statuen  größtenteils  verloren,  so  würden  wir 
von  diesen  letzteren  vermutlich  manche  kennen:  eine  Venus  im  Palast  Chigi 
zu  Rom  ist  laut  der  Inschrift  von  einem  Menophantos  nach  einem  Original  in 
Alexandria  Troas  kopiert^).  Diese  Kopien  sind  in  allen  Provinzen  verbreitet 
gewesen.  In  Soissons  hat  sich  eine  Gruppe  aus  dem  Kreise  der  Niobiden  (der 
jüngste  Sohn  mit  seinem  Pädagogen)^),  in  Trier  eine  Kopie  der  Venus  von  Melos 
und  der  Matteischen  Amazone  gefunden^).  Ein  Relief  aus  der  Nähe  von  Trier  zeigt 

i)  Joseph.  B.  J.  I  414.  Auch  die  Polycletische  Juno  bei  Martial.  X  89  ist  doch  wohl  eine  Kopie 
in  Rom.  2)  Interessant  sind  z.  B.  die  Statuen  aus  dem  der  Antoninenzeit  angehörenden  Apollo- 
heiligtume  von  Bulla  regia,  die  durchweg  Abwandlungen  noch  nachweisbarer  älterer,  zum  Teil 
bis  auf  die  Zeit  des  Phidias  zurückreichender  Typen  darstellen,  vgl.  Bulle,  Archäol.  Anzeig.  1908 
S.  216  ff.  Dasselbe  gilt  u.  a.  auch  von  den  Statuen  aus  dem  Theater  von  Merida  (Emerita  Augusta), 
P.  Paris  ebd.  1912  S.  257  ff.  1914  S.  374 ff.  3)  Heibig  a.  a.  O.  S.  31  f.  4)  Über  Statuenkopien 
vgl.  A.  Furtwängler,  Abhandl.  Akad.  München  XX  (1897)  S.  544  ff.  5)  Lucian.  Philops.  18,  vgl. 
Blümner,  Archäol.  Studien  zu  Lucian  93.  6)  Beispiele  erhaltener  Statuen,  an  denen  die  Puntelli 
stehen  geblieben  sind,  bei  Benndorf  u.  Schöne  a.  a.  O.  zu  nr.  492.  P"urtwängler  a.  a.  O,  S.  545,  4; 
über  das  häufige  Abformen  berühmter  Originale  Lucian.  Jupp.  trag.  33.  7)  IG  XIV  1255.  Matz- 
V.  Duhn,  Ant.  Bildw.  in  Rom  I  nr.  754.  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  nr.  337:  »die  ausdrück- 
liche Bezeichnung  eines  Werks  als  Kopie  in  der  Künstlerinschrift  steht  vereinzelt  da«.  8)  Stark, 
Niobe  u.  d.  Niobiden  S.  236  f.  9)  Jahn  a.  a.  O.  1861  S.  124  A.  35.  Hettner,  Steindenkm.  d.  Pro- 
vinzialmus.  zu  Trier  nr.  656.  691  (lUustr.  Führer  S.  71  f.  nr.  159;,  weitere  Kopien  auch  nr.  692. 
695  u.  a. 


96 


Xn.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  304,  305] 


Malerei  und 
Mosaik  — 


Geräten,  Ge- 
fäßen, Gem- 
men — 


deutlich  die  Einwirkung  des praxitelischen  Hermes').  Der  am  Hofe  Augusts  auf- 
gewachsene König  Juba  IL  von  Mauretanien,  der  ebenso  wie  seine  Gemahlin 
Cleopatra  Selene,  eine  Tochter  von  Antonius  und  Cleopatra,  ein  lebhaftes  Inte- 
resse für  griechische  Kunst  und  Literatur  hatte,  schmückte  seine  fortan  Cäsarea 
genannte  Hauptstadt  Jol  (Scherschell)mitKopien  von  Werken  aus  der  besten  Zeit 
der  griechischen  Skulptur,  von  denen  mehrere  dort  gefunden  sind:  eine  Athena 
nach  Alkamenes,  zwei  Kopien  einer  Frauenstatue  aus  der  Zeit  des  Phidias,  ein 
Dornauszieher,  ein  flöteblasender  Satyr,  eine  Venus  als  Meergöttin ^).  König 
Herodes  Agrippa  schmückte  nach  Josephus  die  ganze  Stadt  Berytus  in  Phönizien 
»durch  Aufstellung  von  Statuen  und  Kopien  alter  Werke«  ^) ;  unter  alten  Werken 
sind  hier  wohl  gewiß  die  der  griechischen  Blütezeit  zu  verstehen,  obwohl  die  schon 
in  Quintilians  Zeit  verbreitete,  seit  Hadrian  sehr  gesteigerte  Richtung  auf  das 
Altertümliche,  selbst  die  Inkunabeln  der  Kunsf*),  zahlreiche  Nachbildungen 
auch  der  vorphidiasischen  Plastik  veranlaßte. 

Die  Bildhauer,  »die  alte  Meisterwerke  unterschiedslos  aus  allen  Stilepochen 
kopierten«,  dienten  gewiß  nicht  selten  geradezu  einem  kunstgeschichtlichen 
Interesse.  Die  völlige  Abhängigkeit  der  Kunst  von  früheren  Zeitaltern  zeigt 
sich  auch  auf  allen  andern  Gebieten.  Quintilian  spricht  von  Malern,  die  sich  dar- 
auf beschränkten,  fremde  Bilder  aufs  genaueste  zu  kopieren  ^j,  Lucian  von  freien 
Nachbildungen  und  Umbildungen  älterer  Gemälde^).  Nicht  bloß  die  Mittelbilder 
der  pompejanischen  Wände  sind  im  großen  und  ganzen  freie  Nachbildungen 
von  kunstmäßigen  Tafelbildern,  besonders  Kabinettbildern  der  Diadochenzeit^) : 
auch  in  der  gesamten  dortigen  Wanddekoration  des  sogenannten  dritten  und 
vierten  Stils  hat  man  wohl  mit  Recht  Nachwirkungen  der  phantastischen  Pracht 
erkannt,  die  sich  bei  den  Festen  der  Ptolemäer  entfaltete^).  Die  Erhaltung  von 
Mosaikfußböden  in  den  verschiedenen  Provinzen  zeigt,  daß  auch  hier  dieselben 
Gegenstände  überall  wiederholt  wurden :  Nereiden  und  Meerungeheuer  besonders 
in  Bädern,  Nachbildungen  von  Speiseresten  in  Eßzimmern  (diese  Gattung  war 
so  allgemein,  daß  ihr  Name  —  asarotum  —  geradezu  für  Mosaik  gebraucht 
wird),  Köpfe  von  Dichtern  und  Weisen  etwa  in  Bibliotheken  und  Studier- 
zimmern usw.^). 

Auch  bei  der  Verzierung  von  Geräten  und  Gebrauchsgegenständen  wurden 
fort  und  fort  dieselben  Muster  reproduziert,  sowohl  in  Nachbildungen  von 
Künstlerhand  als  in  der  fabrikmäßigen  Massenproduktion.  Der  bereits  erwähnte 
Bildgießer  Zenodorus  kopierte  zwei  von  Kaiamis  ziselierte  Becher  so  genau, 


i)  Hettner,  Steindenkm.  d.  Provinzialmus.  zu  Trier  nr.  68.  H.  Graeven,  Zeitschr.  f.  bild.  Kunst 
N.  F.  XVI 1905  S.  168  ff.  2)  Schulten,  Das  röm.  Afrika  S.  75.  Kekule,  Über  Kopien  einer  Frauen- 
statue aus  der  Zeit  des  Phidias  (Berl.  Winckelm.-Progr.  1897)  S.  9  ff.  Reisch,  Österr.  Jahresh.  I 
1898  S.  64  ff.  Bienkowski  ebd.  S.  189 ff.  3)  Joseph.  A.  J.  XX  212  (dv6piavTUUV  ävaeeöCöi  KOi  t(x\c, 
TU)V  dpxai'iwv  diTGTUiTOK;  eiKoaiv).  4)  Friedlaender,  Kunstsinn  der  Römer  S.  38  f.  5)  Quintilian. 
X  2,  6:  qtiemadmodjim  quidam  pictores  in  id  sohitn  student  ut  describere  talndas  ?)tenswis  ac  lineis 
sciant.  6)  Lucian.  Zeuxis  3,  vgl.  Blümner  a.  a.  O.  S.  89  f.  7)  Rodenwaldt,  Komposition  der  pom- 
pejan.  Wandgemälde  S.  197  ff.  8)  Schreiber,  Die  alexandrinische  Toreutik,  Abhandlungen  der 
Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  XIV  (1893)  S.  424  ff.  Gegen  die  Herleitung  der  pompejanischen  Wand- 
dekoration (abgesehen  vom  sog.  ersten  Stil)  aus  Alexandrien  R.  Pagenstecher,  Sitz.Ber.  d.  Heidelb. 
Akad.  191 7  Abt.  XII  20  ff.  9)  Vgl.  die  Übersicht  über  die  Gegenstände  der  Mosaikdarstellungen 
bei  P.  Gauckler  in  Daremberg-Saglio,  Dictionn.  III  2  S.  2 100  ff. 


[III.  3o6]  3.   DER  KUNSTBETRIEB  97 

'>daß  in  der  Kunst  der  Arbeit  kaum  ein  Unterschied  war« ').  Die  Darstellungen 
auf  den  in  Hildesheim,  Boscoreale  und  anderwärts  gefundenen  Silbergefäßen 
sind  Reproduktionen  älterer  Muster,  besonders  Alexandrinischer^).  Auch  Gem- 
men, Glasflüsse  und  andre  Erzeugnisse  der  Glasfabrikation  zeigen  bald  mehr 
bald  minder  gelungene  Kopien  derselben  Vorbilder,  die  zahlreichsten  aber  die 
im  ganzen  römischen  Reich  in  größter  Masse  vorhandenen  Tonwaren,  die  Er-  Tonwaren. 
Zeugnisse  eines  ungemein  reich  und  mannigfach  ausgebildeten  Kunsthandwerks 
(Friesplatten,  Stirnziegel,  Gefäße  mit  erhabenen  Ornamenten  und  Figuren,  be- 
sonders Lampen),  das,  wie  gesagt,  die  edelsten  und  anmutigsten  Erfindungen 
griechischer  Kunst  bis  an  die  äußersten  Grenzen  römischer  Kultur  verbreitet 
hat.  »Alle  diese  Tonware  ist  in  Formen  gepreßt,  und  die  mechanische  Verviel- 
fältigung erklärt  es,  daß  überall  im  römischen  Reich,  in  Afrika,  Spanien,  Gallien, 
an  der  Themse,  am  Rhein,  an  der  Donau,  in  Cilicien  dieselben  Formen,  die- 
selben Figuren,  dieselben  Reliefs,  dieselben  Ornamente,  dieselben  eingepreßten 
Namen  der  Töpfer  sich  gleichmäßig  wiederholt  finden.  —  Indessen  ist  die  rö- 
mische Ware  nur  zum  allergeringsten  Teil  direkt  eingeführt;  man  fand  es  be- 
quemer, die  Formen  und  Stempel  den  Töpfereien  zu  liefern.  Daher  zeigen  sich 
in  dem,  was  an  Ort  und  Stelle  zu  beschallen  war,  in  der  Mischung  und  Bearbei- 
tung des  Tons,  in  Färbung  und  Firnis,  überall  Verschiedenheiten;  was  durch 
Form  und  Stempel  hervorgebracht  wurde,  bleibt  sich  dagegen  überall  gleich. 
Es  würde  nicht  schwer  fallen,  aus  dem  an  verschiedenen  Orten  gefundenen 
Tongeschirr  den  Vorrat  einer  wohlassortierten  römischen  Tonwarenfabrik  an 
Formen  und  Stempeln  in  ziemlicher  Vollständigkeit  wiederherzustellen.  Darin 
aber  verrät  sich  ein  Mangel  an  Verständnis  bei  den  Provinzialtöpfern,  daß  nicht 
selten  die  einzelnen  Stücke  der  Formen  verkehrt  zusammengesetzt  sind.  Bei 
einer  Anzahl  dieser  Verzierungen  kann  man  auch  noch  den  Weg  verfolgen,  auf 
dem  sie  dahin  gekommen  sind.  Zum  Teil  kennen  wir  die  Originale,  einzelne 
Figuren  oder  Gruppen,  als  Kunstwerke  von  selbständiger  Bedeutung,  welche 
in  Rom  beliebt  waren,  und  deshalb  auch  zur  Verzierung  angewandt  wurden. 
Dieselben  finden  wir  nun  auf  größeren  architektonischen  Gliedern,  Metopen 
oder  Friesplatten,  dann  auf  Sarkophagreliefs,  und  endlich  auf  Tongefäßen 
wieder.  So  wurde  von  Rom  aus,  indem  man  den  Kunstgeschmack  der  Mode 
über  das  ganze  Reich  diktierte,  auch  den  Unbemittelten  in  der  Provinz  noch 
eine  gewisse  Teilnahme  an  den  Kunstschätzen  der  Hauptstadt  ermöglicht«  ^). 

Unter  den  früheren  Zeitaltern,  von  denen  die  (wie  gesagt,  nur  auf  dem  Ge-  Hohe  Entwick- 
biete der  Porträtbildnerei  originelle)  Kunst  der  Kaiserzeit  abhängig  war,  hat  '"°S  des  Kunst- 
diehellenistische Periode  einen  weit  größeren  Einfluß  ausgeübt,  als  die  klassische 
des  5.  und  4.  Jahrhunderts,  und  zwar  ist  dieser  Einfluß  allem  Anscheine  nach 
weit  mehr  von  der  alexandrinischen  Kunst  ausgegangen,  als  von  der  attisch- 
pergamenischen:  wie  auch  die  alexandrinische  Poesie  für  die  römische  in  deren 
bester  Zeit  maßgebend  gewesen  ist,  und  die  alexandrinische  Musik  auf  die  rö- 
mische bestimmend  eingewirkt  hat.  Noch  mehr  aber  als  der  eigentlichen  Kunst 
kam  die  unermeßlich  reiche  Tradition  der  noch  in  hohem  Grade  schöpferischen 


^  i)  Plin.  n.  h.  XXXIV  47.         2)  Schreiber  a.  a.  O.  S.  425  ff.  440.         3)  Jahn,  Aus  der  Altertums- 
wissenschaft S.  243  f. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl.  7 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  307] 


Einfluß   der  her- 
culaneischen  Ent- 
deckungen auf  die 
Pariser  Kunst- 
industrie, 


Fabrikmäßiger 
Kunstbetrieb. 


hellenistischen  Epoche  dem  Kunsthandwerk  zugute:  ihre  Verwertung  erstreckte 
sich  bis  in  die  bescheidenen  Werkstätten  der  Töpfer,  Steinmetzen,  Zimmer- 
maler, Gold-  und  Silberschmiede').  Wenn  es  überhaupt  im  Altertum  keine  feste 
Grenze  zwischen  Kunst  und  Handwerk  gab  (wie  denn  auch  die  alten  Sprachen 
keine  scharf  unterscheidenden  Bezeichnungen  für  beides  haben) "^j,  so  waren 
beide  vollends  in  einer  Zeit  durch  tausendfache  Übergänge  verbunden,  wo  die 
Produktion  in  so  überwiegendem  Maße  nur  Reproduktion  war,  wo  von  dem 
Künstler  in  der  Regel  nur  Ausführung  oder  Verwendung  fremder  Erfindung 
gefordert  ward.  Da  auch  der  Handwerker  Auge  und  Hand  an  den  herrlichsten 
Mustern  bildete,  reichte  für  ihn  technische  Fertigkeit  hin,  um  gute  Nach- 
ahmungen zu  liefern,  und  so  eroberte  gleichsam  das  Handwerk  einen  großen 
Teil  des  Gebiets,. das  in  andern  Zeiten  der  eigentlichen  Kunst  gehört  hat;  und 
es  entwickelte  sich  auf  diesem  Boden  in  einem  Umfange,  wie  es  eben  nur  bei 
einem  bis  in  die  untersten  Schichten  der  Gesellschaft  verbreiteten  Bedürfnisse 
möglich  war.  Die  Entdeckung  der  Zimmerdekorationen  einer  Mittelstadt  wie 
Herculaneum  hat  hingereicht,  um  auf  dem  Gebiete  der  damaligen  hochentwickel- 
ten Pariser  Kunstindustrie  eine  wahre  Umwälzung  zu  bewirken.  Der  Geschmack 
für  die  neue,  ä  la  grecque  genannte  Manier  steigerte  sich  (nach  den  Berichten 
Galianis  aus  den  Jahren  1763  und  1767)  zum  Übermaß.  Nicht  bloß  Bronzen, 
Schnitzereien,  Gemälde  wurden  nach  Herculaneum  kopiert:  Tabaksdosen, 
Fächer,  Ohrringe,  Budenschilder  aller  Art  gab  es  ä  la  grecque.  Alle  Gold- 
schmiede, Juweliere,  die  Maler  der  Wagen-  und  Türstücke,  Tapezierer,  Orna- 
mentenmacher konnten  ohne  die  Pitture  di  Ercolano  nicht  mehr  auskommen. 
Auf  den  Kaminen  erschienen  statt  chinesischer  Fratzen  und  sächsischer  Porzellan- 
gruppen Dreifüße,  wohl  oder  übel  den  herculaneischen  Bronzen  nachgebildet. 
Auch  das  (1767)  in  die  Münze  gewanderte  Tafelsilber  wollte  man  in  neuem  Ge- 
schmack gießen  lassen,  und  endlich  eroberte  dieser  sich  sogar  die  Stickerei^). 
Der  Kunstbetrieb  war  aber  in  der  römischen  Kaiserzeit  vielfach  nicht  bloß 
ein  handwerksmäßiger,  sondern  (auch  außerhalb  der  Gebiete,  für  welche  dies 
bereits  bemerkt  ist)  ein  geradezu  fabrikmäßiger.  Wie  die  Ausführung  von 
Bauten,  so  wurde  auch  die  von  künstlerischen  Arbeiten,  besonders  solchen,  die 
größere  Kräfte  erforderten,  sehr  häufig,  wenn  nicht  in  der  Regel,  Unternehmern 
überlassen,  die  zum  Teil  selbst  Künstler  waren,  zum  Teil  aber  nur  Künstler  be- 
schäftigten'^). Nach  einer  schon  erwähnten  Angabe  Plutarchs  wurden  auch  zur 
Errichtung  von  Kolossen  Konkurrenzen  ausgeschrieben,  und  die  Arbeit  dem 
Künstler  übertragen,  der  bei  den  geringsten  Kosten  die  beste  Ausführung  in 
Aussicht  stellte^).  In  dem  Antrage  Ciceros,  dem  S.  Sulpicius  Rufus  eine  Statue 
zu  errichten,  heißt  es,  die  Konsuln  sollen  den  Quästoren  befehlen,  die  Anferti- 
gung von  Postament  und  Statue  in  Akkord  zu  geben,  und  dem  Unternehmer 
[redcmptor]  die  ausbedungene  Summe  zahlen^);  überhaupt  ist  »verdingen«  [lo- 


i)  Schreiber  a.  a.  O.  S.  424 ff.  F.  Drexel,  Bonn.  Jahrb.  CXVIII  (1909)  S.  I76ff.  2)  Marquardt, 
Privatl.^  S.  öojf.  Habel,  Real-Encykl.  II  i45of.  G.  Kühn,  De  opificum  Romanorum  condicione 
privata  (Diss.  Halle  1910)  S.  3.  3)  Justi,  Winckelmann  11^  358.  4)  Auf  dem  rechten  Schenkel 
einer  im  Theater  von  Merida  (Emerita  Augusta)  gefundenen  Togastatue  steht  ex  ofßcitiis  Caii  AtiH 
(Strong,  Joum.  of  Rom.  Stud.  I  1911  S.  37);  auf  einer  Statuenbasis  in  Puteoli  CIL  X  1896  ex  offi- 
cifia  Sextili  Clementis.     5)  Oben  S.  22.     6)  Cic.  Philipp.  IX  16. 


[IIL  308,  309-] 


3.  DER  KUNSTBETRIEB 


99 


care)  der  gewöhnliche  Ausdruck  für  die  Bestellung-  von  Kunstwerken").  Ein 
Durchschnittsmaß  künstlerischer  Leistungsfähigkeit  durfte  bei  jedem  Unter- 
nehmer vorausgesetzt  werden,  während  ein  ungewöhnlich  hoher  Grad  derselben 
um  so  seltener  war,  je  weniger  er  erfordert  und  geschätzt  wurde.  So  konnte  bei 
der  Wahl  unter  den  Anerbietungen  der  Preis  und  die  Zeitdauer  der  Ausführung 
in  erster  Linie  maßgebend  sein. 

Sowohl  die  hohe  und  reiche  Entwicklung  des  Kunsthandwerks  als  der  fabrik- 
mäßige Kunstbetrieb  bedingte  eine  weitgetriebene  Arbeitsteilung,  von  der  sich 
manche  Spuren  nachweisen  lassen.  Es  gab  eigene  Geschäfte  für  Fabrikation 
von  Grabdenkmälern^);  es  gab  Arbeiter,  die  nur  den  Statuen  die  Augen  (aus 
einem  farbigen  Material)  einsetzten 3).  Alle  größeren  Kunstunternehmungen 
setzen  ein  Zusammenwirken  einer  größeren  Anzahl  verschiedener  Künstler  und 
Handwerker  unter  einer  einheitlichen  Leitung  voraus.  So  ist  die  in  der  letzten 
Periode  Pompejis  (nach  dem  Erdbeben  von  62)  ausgeführte  Dekoration  der 
Wände  in  den  dortigen  Häusern,  wo  »die  Verzierungen  wie  aus  einem  Geiste 
entsprungen  und  aus  demselben  Topfe  gemalt  sind«  ■*),  wohl,  wenn  nicht  durch- 
weg, so  doch  zum  größten  Teil  offenbar  durch  eine  und  dieselbe  Malergesell- 
schaft erfolgt,  in  der  Anstreicher,  Arabesken-,  Blumen-,  Tier-,  Landschafts-  und 
Figurenmaler  an  denselben  Wänden  nach-  und  nebeneinander  arbeiteten;  nur 
so  konnte  die  Ausmalung  eines  großen  Teils  der  Häuser,  wie  jede  andre  künst- 
lerische Massenproduktion,  mit  der  erforderten  Schnelligkeit  geleistet  werden^). 
Die  Festigkeit  allgemein  anerkannter  Normen  und  Traditionen,  denen  gegen- 
über die  künstlerische  Individualiät  in  den  Hintergrund  trat  oder  doch  darauf 
verzichtete,  sich  in  vollem  Maße  geltend  zu  machen,  hatte  im  Altertum  von  jeher 
das  Zusammenarbeiten  zweier  oder  mehrerer  Künstler  an  einem  Werke  ebenso 
häufig  gemacht,  wie  es  in  der  modernen  Kunst  gegenwärtig  selten  ist,  und  hierin 
hat  sich  allem  Anschein  nach  in  der  Kaiserzeit  nichts  geändert^).  Einige  Ana- 
logien für  diesen  Gebrauch  der  antiken  Plastik  bietet  die  Malerei  der  früheren 
Jahrhunderte  der  neueren  Zeit  mit  ihren  ebenfalls  festeren  Schultraditionen. 

Ein  großer  Teil  der  zur  Ausführung  umfassenderer  Kunstunternehmungen 
verwandten  Arbeiter  waren  Sklaven,  und  in  der  Tat  gehört  die  Sklaverei  ganz 
wesentlich  zu  den  Faktoren,  auf  deren  Zusammenwirken  die  künsderische  Massen- 
produktion beruhte.  Die  Kunsthandwerke,  deren  Leistungen  vielleicht  den 
größten  Teil  des  Kunstbedürfnisses  befriedigten,  konnten  so  gut  wie  jedes  andre 
Handwerk  bei  einiger  Geschicklichkeit  und  Anstelligkeit  von  jedermann  erlernt 
werden,  und  Sklavenbesitzer,  die  von  ihren  Leuten  einen  möglichst  hohen  Ge- 
winn ziehen  wollten, -ließen  sie  natürlich  in  den  Arbeiten  unterrichten,  nach 
denen  die  Nachfrage  am  größten  war;  dazu  gehörten  Kunstarbeiten  je  länger 
je  mehr.    Ebensogut  wie  die  Gladiatorenbanden,  Schauspielertruppen,  Chöre 


Weitgetriebene 
Arbeitsteilung. 


Zusammenar- 
beiten mehre- 
rer Künstler. 


Kunstarbeiten 

großenteils 
durch  Sklaven 
ausg-eführt. 


i)  z.  B.  Pers.  6,  47.  Sueton.  Claud.  9,  i.  2)  Oben  I  163.  3)  CIL  VI  9403  =  Dessau  7713 
M.  Rapilius  Serapio  hie  ab  ara  martnor  ea)  oculos  reposuit  Statuts;  äaher  faber  oculariarius  CIL  VI 
9402  =  Dessau  7714,  vielleicht  auch  der  scalptor  uclarius  CIL  VI  9824  (anders  Marquardt,  Privatl.^ 
695,  6.  4)  Goethe,  Werke  XLIX  i  S.  169  d.  Weim.  Ausg.  5)  Vgl.  auch  Overbeck-Mau,  Pom- 
peji'* S.  571  f.  und  über  den  seit  63  n.  Chr.  herrschenden  Dekorationsstil  Mau,  Gesch.  d.  dekora- 
tiven Wandmalerei  in  Pompeji  1SS2  S.  446 ff.  6)  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  S.  XV;  vgl. 
S.  405  f.  (Künstlerfamilien). 


loo  XIL  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  310] 

von  Sängern  und  Spielleuten,  konnten  aus  großen  Sklavenfamilien  Gesellschaf- 
ten von  Malern  und  sonstigen  Kunstarbeitern  gebildet  werden,  die  teils  die 
Wohnungen  ihrer  Herren  schmückten,  teils  Aufträge  für  deren  Rechnung  aus- 
führten. Verres  hatte  unter  seinen  Leuten  eine  Anzahl  von  Ziseleuren  und 
Arbeitern  von  Metallgefäßen').  Zu  den  Annehmlichkeiten  einer  bescheidenen, 
aber  gesicherten  Existenz,  die  sich  der  Nävolus  Juvenals  für  sein  Alter  wünscht, 
gehören  auch  »ein  krumm  gebückter  Ziseleur  und  einer,  der  schnell  viele  Ge- 
sichter malen  kann«^),  d.  h.  Sklaven,  die  sein  Einkommen  durch  besonders  ein- 
trägliche Arbeiten  vermehren  sollen:  die  des  Malers  war  dies  wohl  besonders 
durch  Verwendung  zu  den  so  massenhaft  angefertigten  figurenreichen  Dar- 
stellungen historischer  Ereignisse,  vielleicht  auch  zu  Illustrationen  von  Büchern. 
Maler  sind  übrigens  diejenigen  Künstler,  die  am  häufigsten  als  dem  Sklaven- 
stande angehörig  bezeichnet  werden^).  Der  Jurist  Julianus  (unter  Hadrian)  führte 
in  den  Erörterungen  über  Schadenersatz  für  einen  getöteten  Sklaven  aus,  wenn 
einem  »wertvollen  Maler«  [pretioso  pictori)  der  Daumen  abgehauen,  und  er 
dann  innerhalb  eines  Jahrs  getötet  worden,  so  sei  er  zu  dem  Werte  zu  schätzen, 
den  er  vor  der  Verstümmelung  gehabt  habe"*).  Zu  den  Bedingungen  der  Frei- 
lassung künstlerisch  gebildeter  Sklaven  gehörte  in  vielen  Fällen  die  Fortdauer 
von  Leistungen  in  der  erlernten  Kunst  für  den  Patron:  auch  unter  diesen  werden 
Malerarbeiten  audrücklich  genannt^). 
Wohlfeilheit  Daß  die  Herstellung  von  Kunstwerken  zum  großen  Teil  durch  Sklavenarbeit 
r^h  ^^J^^'^'l'  erfolgte,  bedingte  ihre  Wohlfeilheit,  die  mit  ihrer  allgemeinen  Verbreitung  in 
arbeit.  Wechselwirkung  stand.  Aber  auch  die  Leistungen  der  freien  Kunsthandwerker 
wurden  nicht  hoch  bezahlt.  In  dem  Edikt  Diocletians  sind  die  Tagelöhne  der 
Arbeiter,  welche  die  künstlerische  Dekoration  der  Häuser  besorgten,  in  der 
Voraussetzung  normiert,  daß  auch  sie  wie  alle  übrigen  die  Kost  von  dem  Bau- 
herrn erhielten.  Der  Lohn  des  Stukkateurs  ist  hier  derselbe  wie  der  des  Maurers, 
Zimmermanns  und  Kalkbrenners,  des  Wagenbauers,  Bäckers  und  Schmieds; 
der  des  Mosaizisten  nur  um  ein  Fünftel,  der  des  Ton-  und  Stuckmodelleurs  um 
die  Hälfte  höher,  der  des  Bildermalers  dreifach  so  hoch°).  Namentlich  bei  Sta- 
tuen hatte  die  fabrikmäßige  Herstellung  eine  große  Ermäßigung  der  Preise  zur 
Folge'').  Während  in  der  Zeit  Alexanders  des  Großen  3000  Drachmen  (2358 
Mark)  der  Durchschnittspreis  einer  Statue  gewesen  zu  sein  scheint,  sagt  Dio 
von  Prusa  in  seiner  rhodischen  Rede,  man  könne  ein  (bronzenes)  Standbild  für 
1000  (786  Mark)  oder  selbst  500  Drachmen  (393  Mark)  errichten^).  Daß  diese 
freilich  absichtlich  sehr  niedrige  Schätzung  sich  doch  (wenn  überhaupt)  nicht 
weit  von  der  Wahrheit  entfernte,  wird  durch  zahlreiche  inschriftliche  Preisangaben 
bestätigt.  Von  mehreren  Götter-  und  Kaiserstatuen  in  Gallien,  der  Schweiz, 
Spanien  und  Afrika  sind  auf  den  noch  erhaltenen  Postamenten  die  Preise 
angegeben,  welche  (nach  Größe,  Arbeit  und  Material)  von  3000 — 20000  S. 

i)  Cic.  Verr.  II  4,  54.  2)  Juv.  9,  145  f.  3)  Vgl.  auch  Artemidor.  Onirocr.  IV  prooem.  p.  201,  2 
Herch.  Dig.  VI  i,  28;  Inschriften  von  Malern  CIL  VI  9786 — 9794  (Sklaven,  Freigelassene  und 
Freie).  4)  Dig.  IX  2,  23  §  3.  5)  ebd.  XII  6,  26  §  12.  6)  Edict.  Diocl.  7,  2  fr.  24  ff.  und  dazu 
Blümner,  Maximaltarif  des  Diocletian  .S.  105  fif.  Die  Ansätze  sind  50,  60,  75,  150  Denare  (rund 
etwa  90  Pf.,  1,10  bezw.  1,35  und  2,70  Mark);  in  sigillis  vel  stahiis  4  Denare  (etwa  7,5  Pf.)  auf  das 
Pfund.     7)  Vgl.  den  Anhang  XXVII.     8)  Dio  Chrys.  er.  14,  59  (I  236  Arn.). 


[III.  3 II] 


3-  DER  KUNSTBETRIEB 


lOI 


(652 — 4350  Mark)  und  darüber  stiegen.  Vermutlich  waren  in  Fabriken  und 
Handlungen  die  verschiedenen  Gattungen  für  Käufer  und  Besteller  zu  festen 
Preisen  tarifiert.  Wenn  also  ein  Provinzialpriester  von  Bätica,  der  zugleich  das 
Amt  eines  Duumvirn  in  seiner  Vaterstadt  Corduba  bekleidet  hatte,  (wie  oben 
erwähnt) ')  in  Anerkennung  der  sämtlichen  ihm  erwiesenen  Ehren  dort  Statuen 
im  Gesamtbetrage  von  400000  S.  (87000  Mark)  errichten  ließ''),  so  waren  es 
20 — 130;  wenn  ein  freigelassener  Arzt  zu  Assisi,  der  zugleich  Sevir  der  Augu- 
stalen  war,  zur  Aufstellung  von  Statuen  im  dortigen  Tempel  des  Hercules  30000  S. 
(6525  Mark)  hergab^),  so  konnten  dafür  (höchstens)  10  geliefert  werden;  und  das 
Vermächtnis  eines  Reiteroffiziers  in  Grenoble  von  50000  S.  (10876  Mark)  »zu 
Statuen«  reichte  zur  Anschaffung  von  höchstens  16  hin"*). 

Von  eigentlichen  Künstlerhonoraren  wissen  wir  wenig.  LucuUus  bestellte 
bei  dem  ihm  befreundeten  Bildhauer  Arcesilaus  ein  Bild  der  Göttin  Felicitas  für 
60000  S.  (damals  10  530  Mark),  das  wegen  des  Tods  beider  unvollendet  blieb; 
derselbe  Künstler  verkaufte  an  den  römischen  Ritter  Octavius  das  Gipsmodell 
eines  Kraters  für  ein  Talent  (47 1 5  Mark)^).  Das  hohe  Honorar,  das  die  Restau- 
ratoren der  Venus  des  Apelles  und  des  Nerokolosses  von  Vespasian  erhielten, 
gibt  Sueton  leider  nicht  an^).  Zenodorus  erhielt  von  der  Stadt  der  Arverner 
(Clermont)  für  die  Ausführung  des  Merkurkolosses,  die  10  Jahre  dauerte,  an 
Honorar  [nianipretium)  allein  400000  S.,  erwarb  also  mit  dieser  Arbeit  jährlich 
40000  S.  (8700  Mark)^). 

Diese  Honorare  erscheinen  auch  dann  keineswegs  niedrig,  wenn  man  den 
damaligen  Sachwert  des  Gelds  nicht  höher  annimmt  als  den  heutigen;  sie  sind 
ebenso  hoch  oder  höher  als  die  mancher  der  hervorragendsten  Künstler  des 
18.  und  19.  Jahrhunderts.  Die  beiden  Gruppen  der  Jagd  und  des  Fischfangs, 
die  Ludwig  XV.  bei  dem  älteren  Adam  für  die  Gärten  von  Choisy  bestellte 
und  später  Friedrich  dem  Großen  schenkte,  kosteten  (1756)  52000  Livres, 
deren  Wert  dem  heutigen  von  160000  Franken  gleichkommen  soll;  eine 
Figur  der  Abundantia  desselben  Künstlers  für  das  Schloß  von  Choisy  (1758) 
10 000  Livres.  Der  überaus  bewunderte  »Amor,  der  die  Keule  des  Hercules 
zerbricht,  um  Pfeile  daraus  zu  machen«,  von  Bouchardon,  wurde  mit 
20000  Livres  bezahlt.  Pigalle,  der  1750  für  einen  Amor  24000  Livres  er- 
halten hatte,  übernahm  die  Ausführung  des  Grabdenkmals  des  Marschalls 
von  Sachsen  (in  der  Thomaskirche  in  Straßburg)  für  85000  L.  (angeblich 
so  viel  wie  jetzt  300000  Franken)  und  erhielt  sie  in  vier  Zahlungen,  obwohl 
er  die  1753  — 1756  auszuführende  Arbeit  unvollendet  ließ,  die  dann  erst 
unter  Ludwig  XVI.  vollendet  wurde^).  Rietschel  erhielt  für  die  Gruppe  von 
Goethe  und  Schiller  in  Weimar,  an  der  er  3  Jahre  (1854 — 1856,  davon  2^/2 
ununterbrochen)  arbeitete,  ein  Honorar  von  16500  Mark,  seine  Auslagen  be- 
trugen 4800^):  er  erwarb  also  damals,  wo  er  auf  der  Höhe  seines  Ruhms  stand, 
jährlich   im   Durchschnitt   nicht   viel   über  3900  Mark,    also   (selbst  bei  An- 


Künstlerhonorare 
in  der  Kaiserzeit— 


im  18.  und  19. 
Jahrhundert. 


i)  Oben  S.  38.      2)  CIL  II  5523  =  Dessau  5079.      3)  CIL  XI  5400  =  Dessau  7812.      4)  CIL 

XII  2231;  —  subpraef[ecto)  equit[um)  alae  Agrippian[ae)   qui  \HS\  IDDD  m  statiias  et 

aenearum [iest[amento)  reli\quit.      5)  Plin.  n.  h.  XXXV  156.      6)  Sueton.  Vespas.  18.     7)  Plin. 

n.  h.  XXXIV  45.  Oben  S.  79.      8)  Lacroix,  XVIIL  siede,  Lettres  S.  343  ff.      9)  Oppermann,  Ernst 
Rietschel  S.  287. 


I02  XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [111.312,313] 

nähme  des  gleichen  Sachwerts  des  Gelds  im  i.  und  19.  Jahrhundert)  noch  nicht 
halb  so  viel  wie  Zenodorus  in  einer  Provinzialstadt.  Rauch  erhielt  für  das  (zum 
zweitenmal  ausgeführte)  Modell  der  (über  2  7,  Meter  hohen)  Statue  Kants  in 
Königsberg  (deren  Erzguß  über  10 000  Mark  kostete)  6000  Mark:  also  nicht 
sehr  viel  mehr  als  Arcesilaus  für  das  Gipsmodell  eines  Kraters. 


4.  DIE  KÜNSTLER. 

Gründe  für  die  1  |er  unverhältnismäßig  große  Raum,  den  in  der  Kunst  der  römischen  Kaiser- 
Genngschatzung  J^^yzeit  das  Handwerk  einnahm,  und  die  niedrige  Lebensstellung  der  über- 
den  Römern,  wiegenden  Mehrzahl  derer,  welche  beide  ausübten,  konnte  auf  die  Schätzung 
der  Kunst  bei  den  Gebildeten  nicht  ohne  Einfluß  bleiben.  Beides  mußte  nament- 
lich alle,  denen  das  Verständnis  für  ihr  wahres  Wesen  fehlte,  verleiten,  Hand- 
werk und  Technik  mit  Kunst  mehr  oder  weniger  als  gleichbedeutend  anzusehen, 
und  auch  in  dem  wahren  Künstler  nur  den  höheren  Handwerker  zu  erblicken. 
Wenn  freilich  Philosophen,  die  sittliche  Veredlung  allein  als  erstrebenswertes 
Ziel  anerkennen,  von  der  künstlerischen  Tätigkeit  mit  Geringschätzung  sprechen, 
so  setzen  sie  darum  die  bildenden  Künste  nicht  als  solche  herab.  Wenn  Plutarch 
sagt'),  kein  Jüngling  von  edler  Natur  werde  beim  Anblick  des  Zeus  zu  Olympia 
ein  Phidias  oder  bei  dem  der  Hera  zu  Argos  ein  Polyclet  zu  werden  wünschen, 
so  fügt  er  auch  hinzu:  »ebensowenig  wie  ein  Anakreon,  Philemon  oder  Archi- 
lochos,  wenn  er  sich  an  ihren  Gedichten  ergötzt  hat.  Denn  wenn  uns  auch  ein 
Werk  durch  seine  Anmut  erfreut,  so  ist  deshalb  noch  nicht  notwendig  sein 
Vollbringer  schätzenswert.«  Plutarchs  Äußerung  beweist  also  keineswegs  eine 
Geringschätzung  der  bildenden  Künstler  als  banausischer  Handwerker,  die  man 
aus  ihr  gefolgert  hat^),  sondern  im  Gegenteil  ihre  Gleichstellung  mit  den  größ- 
ten Dichtern.  Dagegen  Seneca,  der  in  den  Künsten  nur  Werke  des  Luxus  sah 
und  ihnen  keinen  Platz  unter  den  Studien  einräumen  wollte,  die  den  jugend- 
lichen Geist  zur  Sittlichkeit  vorbereiten,  wie  Grammatik,  Musik,  Geometrie, 
Astronomie^),  sah  auch  in  dem  Künstler  nur  den  Handwerker:  »während  man«, 
sagt  er,  »die  Götterbilder  anbetet,  verachtet  man  ihre  Verfertiger«'').  Namentlich 
die  ausschließliche  und  übermäßige  Schätzung  literarischer  und  rhetorischer 
Bildung  war  mit  Geringschätzung  der  bildenden  Künste  und  ihrer  Vertreter  ver- 
bunden. Auf  diesem  Standpunkte  steht  Plutarch  allerdings,  wenn  er  Alkame- 
nes,  Nesiotes  und  Iktinos  mit  allen  Banausen  und  Handwerkern,  die  von  der 
Redekunst  nichts  wissen  wollen,  in  eine  Reihe  stellt^);  desgleichen  der  wirklich 
kunstsinnige  Lucian,  wenn  er  in  seinem  »Traum«  die  Bildhauerei  als  ein  unge- 
bildetes, rohes,  schmutziges  Weib  mit  schwieligen  Fäusten  einführt,  die  Rede- 
kunst als  eine  glänzende  Erscheinung,  und  die  letztere  sagen  läßt,  daß  auch 
Polyclet  und  Phidias  selbst  den  Bewunderern  ihrer  Werke  als  banausische  Hand- 
werker erscheinen  müßten^).   Philostrat,  der  zu  den  Weisen  Dichter,  Musiker, 

l)  Plutarch.  Pericl.  2,  l.  2)  So  namentlich  K.  F.  Hermann,  Studien  der  griech.  Künstler  S.  6, 8. 
3)  Seneca  ep.  88,  18.  4)  Seneca  bei  Lactant.  Inst.  II  2.  14.  5I  Plutarch.  Praecept.  gerend.  reip.  5. 
6)  Lucian.  Somn.  6.  9. 


[111.314] 


4.  DIE  KÜNSTLER 


103 


Astronomen  und  die  besten  Rhetoren  zählt,  will  Maler  und  Bildhauer  wenig- 
stens neben  Seefahrern  und  Landleuten  zu  den  Halbweisen  rechnen,  »wenn  sie 
den  Hören  folgen ;  denn  auch  diese  Künste  bleiben  nicht  weit  hinter  der  Weis- 
heit zurück« ').  Galen  zählt  als  die  Wissenschaften  und  Künste,  die  sich  für  die 
Wahl  eines  Berufs  am  meisten  empfehlen,  folgende  auf:  Medizin,  Rhetorik, 
Musik,  Geometrie,  Arithmetik,  Dialektik,  Astronomie,  Grammatik,  Jurisprudenz; 
wenn  man  wolle,  könne  man  noch  Malerei  und  Plastik  hinzufügen').  Im  allge- 
meinen darf  man  annehmen,  daß  die  Künstler  wie  die  Künste  in  der  griechi- 
schen Welt  auch  damals  in  höherer  Achtung  standen  als  in  der  römischen. 

Von  den  beiden  bildenden  Künsten  im  engeren  Wortsinne  ist  die  Plastik  auch 
in  der  Zeit  der  römischen  Weltherrschaft  offenbar  so  gut  wie  ganz  in  den  Hän- 
den von  Griechen  und  Halbgriechen  geblieben.  Vergil  hat  es  mit  echt  römi- 
schem Bewußtsein  ausgesprochen,  daß  die  zur  Welteroberung  und  Weltherr- 
schaft berufene  Nation  in  der  Kunst,  das  Erz  zu  beseelen  und  lebende  Züge 
aus  dem  Marmor  zu  ziehen,  andern  den  Vorrang  nicht  streitig  machte^).  Unter 
allen  auch  aus  römischer  Zeit  zahlreich  bekannten  plastischen  Künstlern  sind 
äußerst  wenige,  die  (wie  Coponius,  Decius  und  einige  andre)'')  als  Römer  von 
Geburt  gelten  können.  Namentlich  in  Rom  waren  es  in  der  letzten  Zeit  der  Re- 
publik wie  in  der  Kaiserzeit  Griechen  (besonders  Athener)  und  Kleinasiaten, 
welche  die  bewundertsten  Werke  schufen,  bei  den  bedeutendsten  Kunstunter- 
nehmungen beschäftigt  und  am  höchsten  bezahlt  wurden.  Die  Statue  in  dem 
von  Cäsar  46  v.  Chr.  geweihten  Tempel  der  Ahnfrau  Venus  war  ein  Werk  des 
Arcesilaus;  das  Pantheon  Agrippas  schmückte  der  Athener  Diogenes  mit  Karya- 
tiden und  Giebelstatuen;  auch  die  meist  paarweis  arbeitenden  Künstler,  welche 
nach  Plinius  »die  Kaiserpaläste  mit  den  anerkanntesten  Statuen  füllten«,  waren 
sämtlich  Griechen^). 

Ganz  anders  war  es  in  der  Malerei 
Überlieferung  des  Stukkierens  der 
einiger  Kunst  in  der  Wandmalerei,  die  sie  vielleicht  früher  als  die  Griechen  zu 
mythologischen  und  historischen  Bildern  und  sonstigen  Darstellungen,  welche 
die  Grenzen  der  reinen  Dekoration  überschritten,  in  Anwendung  brachten. 
Daß  die  Malerei  in  Rom  vor  der  Plastik  in  Gunst  stand,  ist  auch  deshalb  be- 
greiflich, weil  sie  zur  treuen  und  anschaulichen  Darstellung  des  Geschehenen 
so  viel  geeigneter  war.  Ihre  Ausübung  gereichte  in  der  älteren  Zeit  auch  Männern 
des  hohen  Adels  nicht  zur  Unehre.  Ein  Fabius  malte  im  Jahre  304  v.  Chr.  den 
Tempel  der  Salus  mit  Bildern  aus,  die  noch  Dionys  von  Halikarnaß  sehr  lobt, 
und  die  erst  unter  Claudius  durch  den  Brand  des  Tempels  untergingen;  der  Bei- 
name Pictor  vererbte  sich  in  der  Familie  dieses  Fabius.  Seit  Pacuvius,  dessen 
Leben  bis  zur  Gracchenzeit  herabreicht,  war  allerdings  die  Malerei  nach  Plinius 


Die  Plastik  ia 
den  Händen 
der  Griechen. 


Bei  ihrer  Anhänglichkeit  an  die  uralte  Die  Malerei  auch 
Mauern   brachten  es    die  Italer  früh  zu  ^eben"™^"^ 


i)  Philostrat.  Apoll.  Tyan.  VIII  7.  2)  Galen.  I  38  f.  (oben  I  173;.  3;  Verg.  A.  VI  847  f.  4)  Brunn, 
Künstlergesch.  I  602.  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  nr.  357  (Athen) :  —  Tpaiavov  'Aöpiavöv  '0\u|li- 
TTiov  r\  lariTpoTToXi^  rf\'q]  Iwviac,  MiXriöiuuv  ttöXk;  —  'AvbpiavTOTroioq  AuXot;  TTavTou\tiio<;  Faiou 
' Eqpeöioq  6  Kai  M6i\r|öiO(;  eirofei.  368  (Olympia):  KopvriXioq 'Aq)poöi0ieü<;  eiroiei.  S.  auch  oben 
S.98  A.  4  und  über  einen  Bildhauer  Glabrio  in  Hierapolis  oben  S.  90  A.4.  Cornelius  Satuminus  in 
Oea  (Apulei.  Apol.  61  f.)  scheint  nicht  bloß  Holzschnitzer  gewesen  zu  sein.  5)  Plin.  n.  h.  XXXVI 
38.  Löwy  a.  a.  O.  S.  238  ff.  262  ff. 


I04  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  315] 

nicht  »in  anständigen  Händen«  gesehen  worden.  Vermutlich  räumten  die  rö- 
mischen Künstler  den  Rom  nun  mehr  und  mehr  überflutenden,  höher  ausgebil- 
deten griechischen  allmählich  das  Feld,  und  je  längerund  allgemeiner  die  Malerei 
von  Fremden,  Unfreien  und  Freigelassenen  geübt  wurde,  desto  weniger  galt 
ihre  Ausübung  für  Römer  als  ehrenvoll:  schon  Valerius  Maximus  fand  es  kaum 
begreiflich,  daß  ein  Fabius  einer  so  niedrigen  Beschäftigung  ergeben  gewesen 
sei  und  sich  ihrer  nicht  geschämt  habe^). 

Immer  aber  blieb  die  Malerei  mehr  in  Ansehen  als  die  Plastik,  und  auch  in 
der  Kaiserzeit  haben  die  Römer  ihre  Ausübung  keineswegs  den  Griechen  ganz 
überlassen.  Daß  unter  August  ein  Knabe  aus  sehr  vornehmer  Familie  Q.  Pedius 
zum  Maler  ausgebildet  wurde,  war  allerdings  nur  in  dessen  Stummheit  begründet, 
welche  ihm  jeden  seinem  Stande  angemessenen  Lebensberuf  verschloß.  Doch 
von  einem  römischen  Ritter  Turpilius  sah  Plinius  schöne  Bilder  zu  Verona"^). 
FabuUus  (oder  wie  sein  Name  sonst  gelautet  haben  mag),  ein  ernster,  strenger 
und  zugleich  glänzender  Maler,  der  nur  wenige  Stunden  am  Tage  und  immer 
mit  großer  Würde  in  der  Toga  auf  dem  Gerüst  stehend  malte,  war  hauptsäch- 
lich im  Goldenen  Hause  Neros  beschäftigt.  Cornelius  Pius  und  Attius  Priscus 
malten  den  von  Vespasian  restaurierten  Tempel  des  Honos  und  der  Virtus  aus^j. 
Unter  August  hatte  der  römische  Maler  Studius  (auch  dieser  Name  ist  unsicher) 
durch  Einführung  eines  anmutigen  und  wohlfeilen  Dekorationsstils  (einer  er- 
weiterten Anwendung  der  Skenographie)  für  Zimmer  einen  sehr  großen  Erfolg'') : 
er  erscheint  mit  seiner  Virtuosität,  welche  den  Bedürfnissen  des  Luxus  seiner 
Epoche  Genüge  leistete,  mit  seiner  scharfen  Beobachtung,  mit  seinem  Humor 
und  seinen  vortrefflichen  Kenntnissen  der  Darstellungsmittel  als  eine  echt  rö- 
mische Künstlernatur^). 
Malerinnen.  Die  Malerei  scheint  auch  von  Frauen  viel  geübt  worden  zu  sein,  wenigstens 
sieht  man  auf  antiken  Bildern  Malerinnen  verhältnismäßig  oft.  Das  Grab  einer 
Malerin  wurde  im  Jahre  1847  ^^  ^^^  Vendee  in  St.  Medard-des-Pres  neben  den 
Resten  einer  Villa  entdeckt,  in  welcher  sich  Bruchstücke  von  zierlicher  Wand- 
malerei fanden.  Das  Grab  enthielt  außer  dem  Skelett  eine  reiche  Ausstattung 
Weibliche  Mo-  von  Malergerät ^).  Nach  dem  Christen  Justinus  wäre  auch  Bildhauerei  von  Frauen 
delle  der  Bild-   getrieben  worden.   Wie  ausschweifend  die  Verfertiger  von  Götterbildern  seien, 

hauer. 

sagt  er,  ergebe  sich  daraus,  daß  sie  die  Sklavinnen  verführen,  die  ihnen  bei  der 
Arbeit  helfen;  in  der  Tat  dürften  es  jedoch  weibliche  Modelle  gewesen  sein,  die 
Justinus  in  Bildhauerwerkstätten  gesehen  hatte,  und  deren  Verhältnisse  zu  den 
Künstlern  ihm  zum  Ärgernis  gereichten^).  Die  Technik  der  bildenden  Künste 
wie  der  Malerei  hat  sich  übrigens  auch  im  Okzident  bis  in  die  letzten  Zeiten 
des  Altertums  erhalten^). 

l)  Valer.  Max.  VIII  14,  6.  2)  Plin.  n.  h,  XXXV  20  f.    Inschriften  aus  derselben  Familie  zu 

Verona  CIL  V  3432.  3)  Plin.  n.  h.  XXXV  120,  vgl.  Rodenwaldt,  Die  Komposition  der  pompejan, 
Wandgemälde  S.  248.  4)  Plin.  n.  h.  XXXV  i  i6f.  5)  Rodenwaldt,  a.  a.  O.  S.  24 ff.  6)  Jahn, 
Abhandl.  d.  Sachs.  Ges.  V  1868  S.  302  ff.,  wo  S.  298  ff.  auch  zwei  Darstellungen  von  Malerinnen 
auf  Wandgemälden  (Heibig,  Wandgem,  nr.  1443.  1444)  besprochen  werden.  7)  Justin.  Martyr 

Apol.  I  9,  4  Ktti  OTi  Ol  TOUTUuv  (der  Götterbilder)  TexviTai  doeXYC^  ^iöi  Kai  iräaav  KttKi'av,  i'va 
uri  KaTapi9)LHjj)uev,  exouaiv,  ciKpißiJÜc;  eTTi0Ta0ee-  Kai  tck;  eauxuiv  ■naibiOKac,  ouvepYa2o)ueva<; 
•  (p6eipou<Jiv.  8)   Augustin.  De  civ.  d.  XXII  19:    vollständiges  Umgießen   einer  mißlungenen 

Statue.  Boetius  (+  525)  De  instit.  arithm.  I  praef.  ed.  Friedlein  p.  4:  Jede  scientia  bedarf  ceteraruni 


[111.316,317]  4-  DIE  KÜNSTLER  105 

Die  Architektur  ist  die  einzige  Kunst,  welche  die  Römer  als  eine  ihrer  natio-  Die  Architektur 
nalen  Anlage  verwandte  schöpferisch  behandelt  haben,  die  einzige,  die  nicht  hochgeschätzt™ 
bloß  den  großen  Zwecken  des  Staats,  dann  der  Weltherrschaft  wirksam  dienen, 
sondern  auch  allein  den  Weltherrschaftsgedanken  zum  Ausdruck  bringen  konnte. 
Auf  allen  andern  Kunstgebieten  von  griechischem  Einfluß  abhängig,  haben  sie 
hier,  völlig  original,  jene  Werke  geschaffen,  die  den  Jahrtausenden  trotzend 
noch  heute  eine  so  mächtige,  fast  schauerliche  Wirkung  üben,  und  denen  die 
griechische  Kunst  nichts  an  die  Seite  zu  stellen  hat.  Die  stolze  Frage  eines 
Frontinus,  ob  man  mit  den  römischen  Aquädukten  wohl  die  müßigen  Massen 
der  ägyptischen  Pyramiden  oder  die  nutzlose  Herrlichkeit  der  berühmten  grie- 
chischen Bauwerke  vergleichen  könne  —  sie  ist  der  Ausdruck  einer,  wenn  auch 
einseitigen,  doch  nicht  unberechtigten  Anschauung^). 

Die  Unentbehrlichkeit  und  hohe  Bedeutung  der  Architektur  für  das  öfifent-  Römische  ArcM- 
liche  wie  für  das  Privatleben  war  der  Grund,  daß  sie  für  die  anständigste  Kunst  ^^  '^^^  ^^  ^^^^  ' 
angesehen  und  von  Cicero  der  Heilkunde  gleichgestellt  wurde,  wie  sie  denn 
auch  nicht  bloß  in  Rom,  sondern  in  allen  großen  Städten  die  lohnendste  ge- 
wesen sein  dürfte.  Daher  war  nicht  nur  der  Zudrang  zu  diesem  Beruf  sehr  groß, 
sondern  es  waren  auch  unter  den  Architekten,  wie  es  scheint,  neben  Sklaven, 
Freigelassenen  und  Fremden  römische  Bürger  während  der  Republik  sowie 
während  der  ganzen  Kaiserzeit  zahlreich  "^j.  Das  Werk  des  Vitruvius  über  die 
Baukunst  war  nicht  das  erste  römische  über  diesen  Gegenstand.  Von  den  nam- 
haften kaiserlichen  Architekten,  die  wir  kennen,  ist  Apollodorus  von  Damascus, 
der  Trajans  Bauten  leitete  und  (im  Jahre  loi)  die  Donaubrücke  baute,  der  ein- 
zige, der  mit  Gewißheit  als  Nichtrömer  bezeichnet  werden  kann.  Als  Architek- 
ten Neros  nennt  Tacitus  Severus  und  Celer  (letzterer  vielleicht  kaiserlicher  Frei- 
gelassener), »die  Geist  und  Kühnheit  genug  besaßen,  um  zu  versuchen,  was  die 
Natur  zu  verweigern  schien«^).  Domitians  Palast  baute  Rabirius,  der  dabei 
(nach  Martial)  das  gestirnte  Firmament  als  würdiges  Vorbild  erfaßt  hatte"*); 
auch  der  Architekt  Hadrians  Decrianus  war  wohl  ein  Römer ^).  Der  jüngere 
Plinius  trägt  den  Bau  eines  Cerestempels  einem  Mustius  auf,  der  die  Schwierig- 
keiten des  Terrains  durch  seine  Kunst  zu  überwinden  wußte^  Den  Erbauer 
der  Brücke  von  Alcantara  und  eines  damit  verbundenen  Kaisertempels  auf 
einem  Felsen  am  Tajo  kennen  wir  aus  einem  dort  in  Stein  gehauenen  Gedicht, 

quoque  artium  adhmmita.  —  nam  in  effiglandis  marmore  statuis  alius  excidendae  niolis  labor  est, 
alia  formandae  hnaginis  ratio,  nee  eiusdem  artificis  inamts  politi  operis  nitor  exspectat.  at  pieturae 
manibus  tabula  commissa  fabrorum,  cerae  rtistiea  observatione  deeerptae,  colorwn  fuci  mercatorum 
sollertia  perquisiti,  lintea  operosis  elaborata  textrinis  multiplicem  materiem  praestant.  Marcellin. 
Com.  z.  J.  506  (Mommsen,  Chron.  min.  II  96) :  His  consiilibus  Anastasii  principis  statua  in  eodem 
loco,  quo  dudum  Theodosii  Magni  s teterat,  super  i?jwmne/n  cohimnam  in  foro  Traiani  statuta  est; 
ebd.  z.  J.  510  (II  97):  Simulacrum  aeneum  in  foro  Strategii  super  fornicem  residens  et  cornucopiae 
Fortunae  retinens  incendio  proßammatum  est  combusttcmqtie  amisit  brachium,  quod  tarnen  statuarii 
^^«ifmz^ö  Jö/?V/ä:r««AEunap.Vit.philos.p.482, 28Boiss. :  'IXdpiov  —  KOiTa  YpctqpiKriv  outuü  qpiXoöocpri- 
aavxa,  oiaxe  ouk  eTeGvrjKei  ev  Tai(;  exeivou  xepff'iv  6  Euqppdvujp.  Über  Elfenbeinschnitzerei  vgl. 
Marquardt,  Privatl.^  741  ff- 

i)  Frontin.  De  aquis  I  16.  2)  Marquardt,  Privatl.^  613.  Vgl.  Cod.  Theodos.  XIII  4,  i  und  oben 
I  172.  Ruggiero,  Dizion.  epigraf.  I  643  ff.  3)  Tac.  A.  XV  42.  CIL  VI  14647:  Celeri  Neronis  Aug. 
l[iberto).  4)  Martial.  VII  56.  Brunn,  Künstlergesch.  II  377  hat  den  Schluß  des  Epigramms  miß- 
verstanden.    5)  Hist.  aug.  Hadrian.  19,  12.     6)  Plin.  epist.  IX  39.     ' 


ic6 


XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[lil.  318] 


in  welchem  es  heißt:  »die  Brücke,  die  stehen  wird,  so  lange  die  Jahrhunderte 
des  ewigen  Weltalls  dauern,  hat  Lacer,  berühmt  durch  seine  göttliche  Kunst, 
gebaut«  'j.  Der  Erbauer  des  Pont  du  Gard  hieß  nach  einer  dort  entdeckten  In- 
schrift Veranius^);  auf  einem  Bogen  inAntipolis  i^Antibes)  war  ein  Sextus  Julius 
(der  dritte  Name  verstümmelt)  als  Erbauer  [arckifector]  genannt^).  Selbst  in 
den  östlichen  Provinzen  wurden  Bauten  von  römischen  Architekten  ausgeführt ''). 


Gründe    für   die 

Geringschätzung 

der  Kunst  bei  den 

Römern. 


Verbreitung  von 
Kunstkenntnis 

•  und  Kunstin- 
teresse in  Rom. 


5.  DER  KUNSTSINN. 

Von  den  vielen  Tausenden  von  Künstlern,  die  während  der  ersten  Jahr- 
hunderte im  ganzen  römischen  Reiche  tätig  waren,  sind  verhältnismäßig 
nur  äußerst  wenige  namentlich  bekannt,  und  diese  fast  nur  aus  ihren  eigenen 
Inschriften  auf  ihren  Arbeiten.  In  der  Literatur  wird  trotz  der  häufigen  Erwäh- 
nungen von  künstlerischen  Unternehmungen  aller  Art  der  ausführenden  Künstler 
fast  nie  gedacht.  Dies  erklärt  sich  zum  Teil  aus  der  untergeordneten  Stellung 
der  Künstler  in  der  damaligen  Gesellschaft,  sodann  daraus,  daß  die  künstlerische 
Produktion  weit  weniger  durch  Einzelne  als  durch  Verbände  erfolgte,  in  welchen 
der  Einzelne  als  dienendes  Glied  eines  Ganzen  keine  Beachtung  fand.  Andrer- 
seits hatten  auch,  wie  oben  gezeigt  ist,  die  Künste  für  die  römische  Kultur  ihre 
Bedeutung  und  ihren  Wert  nicht  an  sich,  sondern  nur  insofern  sie  als  Mittel  zur 
Erreichung  wichtiger  und  allgemein  festgehaltener  Zwecke  unentbehrlich  waren. 
Endlich  erschien  die  damalige  künstlerische  Produktion  den  Zeitgenossen  ge- 
ringer als  uns,  weil  sie  von  ihnen  mit  dem  Maß  der  Schöpfungen  der  griechi- 
schen Blütezeit  gemessen  wurde.  Der  Mangel  der  späteren  Kunst  an  eigentlicher 
Originalität,  das  Zurücktreten  der  Innerlichkeit  gegen  das  formale  Element, 
selbst  in  ihren  glänzendsten,  imposantesten  und  anmutigsten  Leistungen  —  dies 
mußte  in  einer  Zeit^  wo  die  Werke  des  Jahrhunderts  von  Phidias  bis  auf  Lysip- 
pus  noch  in  solcher  Fülle  vorhanden  waren,  von  allen,  die  diese  neben  jenen 
sahen,  auch  bei  sehr  unvollkommenem  Verständnis  empfunden  werden.  Daß 
das  Kunstinteresse  in  jener  Zeit  ganz  vorzugsweise  der  Vergangenheit  zugewandt 
war,  ist  vollkommen  begreiflich.  Seine  Natur  und  Intensität  war  aber  auch  da- 
mals in  der  römischen  und  griechischen  Welt  keineswegs  dieselbe:  vielmehr  ist 
dieses  gerade  eines  der  Gebiete,  aufweichen  die  Verschiedenartigkeit  der  beiden 
Kulturen  als  eine  noch  unausgeglichene  auch  für  uns  wahrnehmbar  hervortritt. 
Es  ist  bekannt,  wie  die  siegreichen  Feldzüge  der  Römer  in  griechischen  Län- 
dern seit  der  Eroberung  von  Syrakus  (212),  später  die  während  eines  Zeitraums 
von  drittehalb  Jahrhunderten  fortdauernden  Plünderungen  der  Feldherrn,  Statt- 

i)  CIL  II  761  =  Dessau  287b  (Buecheler,  Carm.  epigr.  878);  vgl.  CIL  II  2559  =  Dessau  772S 
beim  Leuchtturm  von  La  Coruna:  C.  Sevius  Lupus  architcchis  Acminicnsis  Lusitanus.  2)  CIL  XII 
2980.  3)  CIL  XII  186.  4)  Ein  Messalinus  Restaurator  eines  Theaters  zu  Ephesus  Lebas- 
Waddington  150  =  Kaibel  ,  Epigr.  gr.  1050.  Der  Costunius  Rufinus,  der  zur  Zeit  von  Galens 
Studienaufenthalt  in  Pergamum  (Galen.  II  225)  dort  den  Tempel  des  Zeus  Asklepios  erbaute  (vgl. 
Aristid.  or.  50,  28,  II  432  K.  und  die  Erwähnung  des  Pouqpi'viov  ä\ao<;  Anth.  Pal.  IX  656,  14. 
Cedren.  p.  299  Bekk.),  war  nicht  der  Baumeister,  sondern  der  Stifter  des  Heiligtums  (vgl.  A.  Stein, 
Real-Encykl.  IV  1675).  Inschriften  griechischer  Architekten  sind  nicht  häufig,  wie  G.  Hirschfeld, 
Sitz.-Ber.  d.  Berlin.  Akad.  i88«  S.  888  bemerkt. 


[III.  3I9j32oJ 


5.   DER  KÜNSTSINN 


107 


haltet  und  Kaiser  bis  auf  Nero  herab  Rom  mit  einer  unglaublichen  Menge  der 
vollendetsten  griechischen  Kunstwerke  aller  Art  füllten,  ja  überfüllten^).  Die 
Eindrücke  dieser  Kunstwelt  ohnegleichen,  denen  sich  auch  der  Gleichgültige, 
ja  der  Widerstrebende  nicht  gänzlich  zu  entziehen  vermochte,  ergänzten  dann 
die  seit  der  Eroberung  Korinths  immer  allgemeiner  werdenden  Vergnügungs- 
und Bildungsreisen  der  Römer  in  Griechenland.  Endlich  sahen  sich  die  Römer 
auch  durch  die  griechische  Literatur,  die  je  länger  je  mehr  als  Basis  aller  höheren 
Bildung  anerkannt  wurde,  vielfach  auf  die  bildende  Kunst  hingewiesen.  Zwar 
daß  die  griechischen  Originalwerke  über  diese,  die  Plinius  zum  Teil  in  seiner 
Weltbeschreibung  benutzt  hat,  von  Römern  viel  gelesen  worden  sind,  dafür 
spricht  nichts.  Dagegen  trug  die  epigrammatische  und  rhetorische  Literatur 
der  Griechen  zur  Verbreitung  von  Kunstkenntnissen  und  Kunsturteilen  bei. 
Die  griechischen  Fachschriftsteller  über  die  Theorie  der  Beredsamkeit,  welche 
die  fort  und  fort  benutzten  und  zu  Rate  gezogenen  Quellen  und  Führer  der 
Römer  für  diese  ihre  ganze  Bildung  beherrschende  Wissenschaft  blieben,  liebten 
es,  die  Entwicklung  und  die  Stilarten  der  Beredsamkeit  mit  denen  der  bildenden 
Künste  zu  vergleicloen  und  Ausdrücke  aus  deren  Technik  für  ihre  Terminologie 
zu  entlehnen^].  Alles  dieses  haben  die  römischen  Schriftsteller  über  die  Rede- 
kunst mit  übertragen  und  durch  ihre  Schriften  weiter  verbreitet.  Sodann  hat 
die  besonders  seit  Alexander  dem  Großen  in  Griechenland  viel  kultivierte  Epi- 
grammdichtung sich  mit  Vorliebe  mit  der  bildenden  Kunst  beschäftigt  und  den 
Eindruck  bedeutender  Werke  durch  mehr  oder  minder  geistreiche  Pointen, 
Tändeleien  und  Witzesspiele  wiederzugeben  versucht.  Eine  Menge  dieser 
Dichter  hat  sich  in  der  späteren  Zeit  der  Republik  wie  in  der  früheren  Kaiserzeit 
wenigstens  vorübergehend  in  Rom  aufgehalten,  wo  sie  für  diese  Art  der  Klein- 
poesie einen  unerschöpflichen  Stoff  und  immer  neue  Anregung  fanden;  und 
es  ist  begreiflich,  daß  die  Römer,  die  für  Kunststudien  wenig  Zeit  und  noch 
weniger  Sinn  hatten,  gern  die  Gelegenheit  benutzten,  sich  ohne  Mühe  durch 
solche  kurze,  scheinbar  oder  wirklich  treffende  Urteile  und  Charakteristiken, 
die  von  Munde  zu  Munde  gingen,  über  viel  besprochene  Werke  zu  orientieren. 
Daß  dies  sehr  vielfach  geschehen  ist,  darf  man  aus  den  von  Plinius  mitgeteilten 
Kunsturteilen  schließen,  die  großenteils  aus  keiner  andern  Quelle  stammen,  als 
eben  aus  griechischen  Epigrammen;  vielleicht  fand  übrigens  Plinius  solche  Epi- 
gramme über  die  berühmtesten  Kunstwerke  bereits  zu  einer  Sammlung  ver- 
einigt vor^j. 

Die  Anerkennung  der  bildenden  Künste  als  eines  für  die  Gesamtkultur  wich- 
tigen Elements  von  römischer  Seite  zeigt  bereits  ein  Hauptwerk  Varros.    In 
seiner,  die  neun  Hauptwissenschaften  und  Künste  behandelnden  Enzyklopädie  reiten"der 
hatte  er  zwar  nur  der  Architektur  einen  Platz  eingeräumt,  doch  in  seiner  Samm-  Römer, 
lung  von  700  Porträts  berühmter  Männer  mit  Unterschriften  neben  Königen, 
Feldherrn,   Staatsmännern,  Dichtern,   Schriftstellern,  Gelehrten,   Baumeistern 


Anerkennung 
der  Bedeutung 
der  Kunst  von 


i)  Marquardt,  Privatl.^  S.  öogf.  Über  den  Anteil  des  Augustus  an  diesem  Kunstraub  handelt 
Wunderer,  Manibiae  Alexandrinae,  Progr.  Würzburg  1894.  2]  Vgl.  J.  Brzoska,  De  canone  decem 
oratorum  Atticorum  quaestiones  (Diss.  Vratislav.  1883)  S.  68  ff.  3)  O.  Jahn,  Berichte  der  Sachs. 
Ges.  1850  S.  121  ff.  Benndorf,  De  Anthol.  Gr.  epigr.  quae  ad  artes  spectant  (Bonn  1862)  S.  52 — 65. 
A.  Kalkmann,  Die  Quellen  der  Kunstgeschichte  des  Plinius  (1898J  S.  199  ff. 


io8 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  321] 


Dilettantismus 

in  der  Skulptur 

und  Malerei. 


auch  Maler  und  Bildhauer  aufgenommen^):  und  wie  Varros  Werke  überhaupt, 
so  hat  namentlich  auch  dies  auf  die  allgemeine  Bildung  seiner  eigenen  sowie 
der  späteren  Zeit  großen  Einfluß  geübt.  Auch  Lukrez  rechnet  Malerei  und 
Plastik  neben  der  Poesie  zu  den  Erwerbungen  einer  fortgeschrittenen  Kultur, 
die  dem  Leben  Reiz  verleihen').  Die  eingehende  Berücksichtigung  der  Kunst- 
und  Künstlergeschichte  in  der  über  ein  Jahrhundert  später  verfaßten  Welt- 
beschreibung des  Plinius  läßt  eine  Zunahme  des  Interesses  für  jene  Gebiete  in 
der  gebildeten  römischen  Welt  um  so  mehr  voraussetzen,  als  Plinius  selbst  der 
Kunst  ganz  fern  stand. 

Inwiefern  Varros  Forderung,  daß  die  Mädchen  Unterricht  in  der  Malerei  er- 
halten sollten^),  verwirklicht  worden  ist,  wissen  wir  nicht:  doch  mögen  unter 
den  auf  Bildern  öfters  vorkommenden  Malerinnen*)  auch  Dilettantinnen  sein. 
Das  Beispiel  des  Ämilius  Paulus,  der  seinen  Söhnen  auch  griechische  Maler 
und  Bildhauer  zu  Lehrern  gab^),  dürfte  in  den  Kreisen,  in  denen  man  sich  be- 
sonders um  griechische  Bildung  bemühte^),  auch  in  der  Kaiserzeit  nicht  selten 
befolgt  worden  sein.  Nero  hatte  sich  schon  in  seinen  Knabenjahren  viel  mit 
Pinsel  und  Modellierstab  beschäftigt^).  Ebenso  war  Hadrian  eifrig  bemüht  ge- 
wesen, sich  in  beiden  Künsten  auszubilden,  in  der  Malerei  dilettierte  er  noch 
als  Kaiser^).  Marc  Aurel  hatte  zum  Lehrer  in  derselben  Kunst  den  Griechen 
Diognetus,  der  zugleich  Philosoph  gewesen  zu  sein  scheint  und  auf  seine  Er- 
ziehung auch  sonst  Einfluß  übte^).  Der  ganz  griechisch  gebildete  Alexander 
Severus  »malte  vortreff'lich«  ^°);  auch  Elagabal  übte  diese  Kunst '^),  und  noch 
Valentinian  dilettierte  in  der  Malerei  wie  in  der  Plastik ''^).  Wenn  auch  das  Bei- 
spiel der  beiden  in  Syrien  aufgewachsenen  Kaiser  für  römische  Erziehung  nichts 
beweist,  so  bleiben  die  übrigen  noch  zahlreich  genug,  um  annehmen  zu  lassen, 
daß  Unterricht  der  Jugend  in  den  bildenden  Künsten  sowie  ein  dadurch  ver- 
anlaßter  Dilettantismus  im  späteren  Leben  in  den  höheren  Ständen  Roms  zu 
allen  Zeiten  nicht  allzu  selten  war.  Ebenso  ist  klar,  daß  dieser  Dilettantismus 
keineswegs  an  sich  unzulässig  gefunden  wurde.  Wenn  dem  Titedius  Labeo, 
der  Prokonsul  von  Narbonensis  gewesen  war,  das  Prahlen  mit  der  Kunst,  die 
er  in  kleinen  Bilderchen  zeigte,  »zum  Gespött,  selbst  zur  Schmach  gereichte«  ^^), 
so  war  es  hier  eben  nicht  der  Dilettantismus  selbst,  sondern  die  damit  getriebene 
Ostentation,  die  den  Anstoß  gab.  Vergleicht  man  aber  mit  diesen  immer  doch 
vereinzelten  Zeugnissen  des  Dilettantismus  der  Römer  in  den  bildenden  Künsten 


i)  Ritschi,  Opuse.  III  5 17  f.  537  f.  560  ff.  Die  Hebdomas  der  griechischen  Maler  bei  Quintilian. 
XII  10,  6;  die  statiiarii  bei  Plin.  n.  h.  XXXIV  54 ff.;  die  Architekten  bei  Auson.  Mosella  298 ff. 
2)  Lucret.  V  1451  carmma  picUiras  et  daedala  signa polire.  3)  Varro  bei  Nonius  p.  162.  4)  Oben 
S.  104.  5)  Plutarch.  Aemil.  Pauli.  6.         6}  Daß  in  Griechenland  Malerei  zu  den  Unterrichts- 

gegenständen Tvenigstens  an  manchen  Orten  gehörte,  zeigt  die  Inschrift  von  Teos  CIG  3088,  wo 
als  Gegenstände,  in  welchen  für  die  \xk(Sr\  i^XiKia  (ältere  Knaben  oder  Jünglinge)  Preise  aus- 
gesetzt sind,  aufgeführt  werden:  v)TToßo\r|,  äva-fvoiöiq ,  TToXu|Lia9ia ,  ZoiYPCKpi«,  vgl.  auch  Kern, 
Inschr.  v.  Magnesia  nr.  107  =  Dittenberger,  Syll.^  nr.  525.  CIL  VIII  724  =  Dessau  7759  (Bueche- 
1er,  Carm.  ep.  1612,  prov.  Byzacena,  Grabschrift  eines  17jährigen  Knaben):  gratus  apud magistros 
tui,  qui  dixi  scribsi pincxsi  bene.  7)  Tac.  A.  XIII  3.  Suet.  Nero  52.  8)  Cass.  Dio  LXVIU  3,  2. 
4,  2.  Aurel.  Vict.  epit.  14,  2.  Hist.  aug.  Hadr.  14,  8.  9)  Hist.  aug.  M.  Aurel.  4,  9.  M.  Aurel. 
comm.  I  6.  10)  Hist.  aug.  Alex.  Sever.  27,  7.  11)  Hist.  aug.  Heliog.  30,  l.  12)  Aurel.  Vict. 
epit.  45,  6.  Ammian.  XXX  9,  4.     13)  Plin.  n.  h.  XXXV  20. 


[III.   32  2] 


DKR  KUNSTSINN 


109 


die  sehr  zahlreichen  für  ihren  Dilettantismus  in  der  Musik,  so  gewinnt  man  den 
Eindruck,  daß  die  Verbreitung  des  ersteren  der  des  letzteren  auch  nicht  an- 
nähernd gleichgekommen  sein  kann. 

Daß  die  Römer  auf  ihren  Vergnügungs-  und  Bildungsreisen,  namentlich  in 
Griechenland  und  Kleinasien,  auch  die  dortigen  Kunstwerke  in  Augenschein 
zu  nehmen  nicht  versäumten,  ist  selbstverständlich ;  besonders  solche  mußte 
man  natürlich  gesehen  haben,  die  viel  genannt  und  jedem  einigermaßen  Bele- 
senen dem  Namen  nach  bekannt  waren,  um  ihretwillen  wurden  Reisen  auch  eigens 
unternommen.  Doch  daß  dieses  Kunstinteresse  mehr  ein  äußerliches  und  ober- 
flächliches war  und  das  historische  Interesse  weitaus  überwog,  haben  wir  früher 
gesehen'). 

Am  wenisrsten  beweist  die  Anhäufung^  von  Kunstwerken  im  Privatbesitz  zu 
Rom,  daß  dort  Kunstsinn  verbreitet  war.  Schon  die  bloße  Kunde  von  ihrer 
Kostbarkeit  reichte  hin,  sie  selbst  solchen  als  begehrenswerte  Beute  erscheinen 
zu  lassen,  die  für  ihren  Wert  so  wenig  Verständnis  besaßen,  wie  der  rohe  Er- 
oberer von  Korinth:  und  so  unerschöpflich  war  der  Reichtum  der  griechischen 
Länder  an  Kunstwerken,  daß  er  der  Gier  der  Römer  Jahrhunderte  hindurch  die 
vollste  Sättigung  bot.  Neben  Marmorsäulen,  Teppichen,  Citrustischen,  Silber- 
gerät, Prachtgefäßen  gehörten,  wie  bemerkt,  Statuen  und  Gemälde  je  länger 
desto  allgemeiner  zur  Ausstattung  reicher  Häuser  und  Villen.  Bei  dem  unge- 
heuren Vorrat  von  Kunstwerken  und  der  Leichtigkeit  ihres  Erwerbs  oder  Raubs 
bedurfte  es  zur  Bildung  von  Sammlungen  nicht  einmal  besonderer  Liebhaberei. 
Gemäldegalerien  waren  schon  in  Augusts  Zeit  so  allgemein,  daß  in  Vitruvs 
Plan  für  ein  vornehmes  Haus  ein  großer,  nach  Norden  gelegener  Saal  für  diesen 
Zweck  nicht  fehlen  durfte^];  und  sieblieben  es  auch  später,  ebenso  wie  Samm- 
lungen von  Skulpturen^]. 

Mögren  diese  Sammlunsren  auch  Werke  lebender  Künstler  enthalten  haben, 
so  werden  solche  doch  niemals  erwähnt,  und  wenn  sie  nicht  vorwiegend  aus 
alten  Bildern  und  Statuen  bestanden,  so  wurden  doch  diese  wenigstens  für  das 
Wertvollste  oder  einzig  Wertvolle  darin  angesehen.  Daß  Liebhaber  und 
Sammler  solche  besonders  suchten,  wird  auch  öfters  ausdrücklich  gesagt;  so 
von  Julius  Cäsar'*),  von  Damasippus,  der  alte  Statuen  -wie  unsinnig <-  kaufte-). 
Die  Bildergalerien,  sagt  Plinius,  stoppelt  man  aus  alten  Gemälden  zusammen^). 
Ganz  besonders  aber  wurde  bei  Silberarbeiten  auf  das  Alter  gesehen,  nach 
welchem  die  Werke  dieser  in  Abnahme  gekommenen  Kunst  so  gut  wie  allein 


Kunstbetrachtung 
auf  Reisen. 


Kunstsamm- 
lungen, haupt- 
sächlich durch 
Prachtliebe 
veranlaßt  — 


bestanden  vor- 
zugsweise aus 
älteren  Werken. 


l)  Oben  I  458 f.  2)  Vitruv.  VI  3,  8.  4,  2.  5,  2.  3)  Seneca  ep.  115,  8:  circa  tabzilas pictas  et 
statims  msanimtis  carius  inepti  (als  Kinder).  Aurelius  Victor  Caesares  14,  6  ipse  (Hadrianus),  ut 
beatis  locupletibus  mos,  palatia  exstruere,  curare  epiilas,  sigtia,  tabiilas  pictas.  CIL  VI  2270^=  Dessau 
4331  Eutychus  Atigg.  Hb.  officinator  a  statuis  (199  n.  Chr.).  Die  auf  Statuen  und  sonstigen  Kunst- 
werken zuweilen  sich  findenden  'griechischen  und  lateinischen'  Zahlzeichen  (Heydemann.  Pariser 
Antiken,  Halle  1S87  S.  i8ff.,  vgl.  auch  Bull.  arch.  comun.  XVII  1889  S.  42)  sind  vielleicht  In- 
ventaraummern  öffentlicher  oder  privater  Sammlungen.  Daß  die  Römer  auch  Münzen  sammelten, 
schließt  Julius  Friedlaender  (Zeitschr.  f.  Numismatik  III  1876  S.  167)  aus  Sueton.  Aug.  75:  Satur- 
nalibus modo  munera  dividebat,  vestem  et  aurum  et  argentum,  modo  nummos  omnis  notae,  etiam 
veteres  regios  ac  peregrinos  (»etwa  goldene  Alexander  oder  schöne  Silberstücke  von  Syracus«). 
4'  Sueton.  Caes.  47.  5)  Horat.  S.  II  3,  64;  vgl.  die  Bemerkung  über  Silius  Italicus  bei  Plin.  epist. 
HI  7,  7  erat  qpiAÖKaXoc;  usque  ad  emacitatis-reprehensioiiem.      6)  Plin.  n.  h.  XXXV  4. 


HO  XII.   DIE  BILDENDEM  KÜNSTE  [111.323,324] 

geschätzt  wurden;  Ziselierungen,  die  bis  zur  Unkenntlichkeit  abgegriffen  waren, 
hielt  man  am  höchsten^].  Es  fehlte  auch  nicht  an  Altertümlern,  welche  die 
eigentlichen  Inkunabeln  der  Kunst  allem  Übrigen  vorzogen,  die  »fast  rohen« 
Gemälde  eines  Aglaophon  und  Polygnot  denen  der  späteren,  wie  Quintilian 
sagt,  der  hierin  wohl  nicht  mit  Unrecht  ein  Prahlen  mit  Kennerschaft  fand*^). 
August  hatte  eine  Vorliebe  für  die  altertümlich  zierlichen  Werke  des  Bupalos 
und  Athenis  von  Chios  (im  6.  Jahrhundert);  Statuen  von  beiden  ließ  er  im  Giebel 
des  Apollotempels  auf  dem  Palatin  und  fast  in  allen  andern  von  ihm  in  Rom 
erbauten  Tempeln  aufstellen^].  Die  größte  Verbreitung  wird  diese  Geschmacks- 
richtung in  der  Zeit  Hadrians  erreicht  haben.  Doch  im  allgemeinen  verstand 
man  unter  >  alten  Kunstwerken  ;  die  der  griechischen  Blütezeit  oder  selbst  der 
Diadochenperiode'*).  Von  den  »Arbeiten  der  Alten »•,  die  Statius  in  der  Villa 
des  Manilius  Vopiscus  zu  Tibur  sah,  werden  die  Meister  nicht  namentlich  ge- 
nannt^); unter  den  >alten«  Gemälden  und  Bildwerken  in  der  Villa  des  Pollius 
Felix  zu  Sorrent  Arbeiten  von  Apelles,  von  Phidias  (aus  seiner  früheren  Zeit), 
Polyclet  und  Myron^);  in  der  Sammlung  ^ alter  Werke«  des  Novius  Vindex 
Bronzen  von  Myron  und  Polyclet,  Marmorskulpturen  von  Praxiteles,  Elfenbein- 
arbeiten von  Phidias  und  Bilder,  die  schon  von  weitem  den  »alten  Apelles«  er- 
kennen ließen^).  Bei  solchen  flüchtigen  Erwähnungen  werden  fast  immer  nur 
Namen  von  Künstlern  ersten  Rangs  genannt^),  am  häufigsten  Polyclet.  Bei 
Juvenal  brennt  ein  reicher  Mann  ab:  unter  denen,  die  zur  Ausstattung  des  neu 
zu  bauenden  Hauses  beisteuern,  bringt  auch  einer  etwas  ganz  Vortreffliches 
von  Euphranor  und  Polyclet^).  In  der  Tat  galt  der  letztere  vielen  für  den  ersten 
unter  den  bildenden  Künstlern,  der  Meister  in  der  Darstellung  jugendlicher 
Schönheit,  der  »sich  nicht  über  glatte  Wangen  hinaus  wagte«,  dessen  Werke 
mehr  durch  Vollendung  der  Form  als  durch  Tiefe  des  Gehalts  bedeutend  waren. 
Nächst  ihm  wird  vielleicht  am  häufigsten  Myron  genannt,  dessen  Menschen- 
und  Tierfigaren  vor  allem  durch  überwältigende  Naturwahrheit  wirkten;  von 
beiiien  sah  man  auch  in  Rom  mehr  als  von  Phidias,  dessen  bedeutendste  Werke 
in  Griechenland  geblieben  waren.  Beide  nennt  Vitruv  geradezu  als  Repräsen- 
tanten der  bildenden  Kunst,  wie  Apelles  der  Malerei.  Künstler  aus  der  Zeit 
nach  Alexander  dem  Großen  oder  aus  der  letzten  Zeit  der  römischen  Republik, 

i)  Plin.  n.  h.  XXXIII  157.  2)  Quintilian.  XII  10,  3.  3)  Plin.  n.  h.  XXXVI  13.  4)  Unter 
antiqiii  sind  bei  Vitruv.  VII  5,  i  nach  Heibig,  Rhein.  Mus.  XXV  1870  S.  393 ff.  die  Künstler  der 
Diadochenzeit  zu  verstehen.  5)  Stat.  Silv.  I  3,  50:  quicquid  et  ar genta  primum  vd  in  aere  minori 
lusit  et  enormes  nianus  est  experta  colossos,  richtig  erklärt  von  Ed.  Schwartz,  Conieetanea  (Ind.  lect. 
Rostoch.  aestiv.  1889)  S.  6  f.  6)  Stat.  Silv.  II  2,  64:  si  quid  Apellei  gnudent  animasse  colores,  si 
quid  adhuc  vacua  tavien  adtnirabile  Pisa  Phidiacae  rasere  fiiafius.  In  diesem  Zusammenhange 
scheint  mir  Apellei  nicht  allgemein  (als  Bezeichnung  der  Malerei)  gefaßt  werden  zu  können. 
7)  Stat.  Silv.  IV  6,  22  ff.  8]  Ausnahmsweise  nennt  Columella  r.  r.  I  praef.  31  unter  andern  auch 

Bryaxis  und  X  30  Phradmon  und  Ageladas.  Den  ersten  Namen  konnte  er  vielleicht  von  einer 
Basis  ablesen.  Von  einer  Reihe  von  Statuen,  die  tinst  auf  dem  Forum  gestanden  haben,  sind  die 
Basen  nebst  ihren  (der  Buchstabenform  nach  eher  dem  2.  als  dem  3.  Jahrhundert  angehörigenl  In- 
schriften: opus  Praxitelis,  opus  Polycleti,  opus  Timarchi  noch  erhalten;  eine  vierte  zu  derselben 
Reihe  gehörige  Inschrift  opus  Bryaxidis  nur  handschriftlich.  CIL  VI  10038 — 10043,  vgl.  De  Rossi, 
Bull.  arch.  com.  II  1874  S.  I74ff.  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  S.  3i9ff.     9)  Juv.  3,  217. 


[III.  325]  5-  DER  KUNSTSINN  iii 

unter  denen  Pasiteles  und  Arcesilaus  hervorragten,  werden  unter  den  »Alten« 
so  gut  wie  nie  genannt'). 

Bedenkt  man  die  Massenhaftigkeit  der  im  Privatbesitz  aufgehäuften,  angeb-  Die  Sammler  mit 
lieh  alten  Kunstwerke  (mit  denen  ja  Domitius  TuUus  z.  B.  einen  sehr  großen  ^^^l^^^ 
Park  auf  der  Stelle  füllen  konnte)^)  und  das  Umherwerfen  mit  den  berühmtesten 
Namen  einerseits,  andrerseits  die  technische  Virtuosität  der  damaligen  Kunst 
und  ihre  so  umfassende  Beschäftigung  mit  Reproduktion  klassischer  und  alter- 
tümlicher Werke,  so  muß  man  auch  ohne  Zeugnisse  glauben,  daß  die  Sammler 
oft  genug  von  Künstlern  und  Kunsthändlern  betrogen  wurden  und  Kopien  statt 
der  Originale  kauften.  Von  jemandem,  der  mit  seinen  Originalgemälden  und 
echten  (Silber-)Pokalen  prunkt,  sagt  Martial,  seine  Freunde  seien  gerade  so  echt 
wie  die  Stücke  seiner  Sammlung  2).  Auch  gibt  es  ein  ausdrückliches  Zeugnis 
schon  aus  der  ersten  Kaiserzeit,  daß  solche  Fälschungen  häufig  und  offenkundig 
waren.  Der  Fabeldichter  Phädrus  sagt:  wenn  er  sich  des  Namens  Asop  be- 
diene, so  geschehe  dies,  um  das  Ansehen  seiner  Sachen  zu  erhöhen,  »wie  manche 
Künstler  es  in  unsrer  Zeit  machen,  wenn  sie  auf  ihren  neuen  Marmor  Praxiteles 
schreiben,  oder  Myron  auf  poliertes  Silber,  Pausias  auf  ein  Gemälde*).  So  sehr 
begünstigt  der  bissige  Neid  mehr  das  Alter,  als  das  Gute  der  Gegenwart  < .  Auch 
ein  griechischer  Autor  unter  Hadrian,  welcher  berichtet,  daß  Phidias  seinem 
Lieblinge  Agorakritos  gestattet  habe,  sich  auf  einem  seiner  eigenen  Werke, 
der  Ramnusischen  Nemesis,  als  Urheber  zu  nennen,  fügt  hinzu:  »so  haben 
auch  viele  andre  auf  ihre  eignen  Werke  einen  fremden  Namen  geschrieben « ^). 

Begegnet  man  nun  in  der  damaligen  Literatur  Angaben  von  Arbeiten  großer 
Künstler,  die  sonst  völlig  unbekannt  sind,  so  kann  man  sie  nur  mit  Mißtrauen 
aufnehmen.  Daß  es  von  Phidias  ein  mit  erhabenen  Fischen  ziseliertes  Gefäß 
und  eine  Zikade,  Biene  und  Fliege  gab,  ist  allerdings  nicht  unmöglich,  aber  auf 
die  bloße  Angabe  des  Martial  (die  übrigens  noch  eine  andre  Erklärung  zuläßt) 
und  des  Kaisers  Julian  ist  es  nicht  zu  glauben^).  Die  Arbeit  in  edlen  Metallen 
(Toreutik,  Zälatur)  war  ein  ^ Haupttummelplatz  des  Kunstbetrugs  •- ,  da  die  Aus- 
stattung der  Schenktische  mit  »altem«  Silbergerät,  der  Sammlungen  mit  »Ori- 
ginalpokalen«') zum  beliebtesten  Kunstluxus  gehörte.  Die  Blütezeit  der  Toreutik 
war  aber  kurz,  die  Zahl  der  namhaften  Künstler  klein  gewesen.  Von  Mentor, 
dem  größten  derselben,  dem  Benvenuto  Celüni  des  Altertums,  wollten  Kunst- 
kenner nur  vier  Becherpaare  als  echt  erkennen^);  im  Kunsthandel  und  in  den 

i)  Friedlaender,  Kunstsinn  d.  Römer  S.  37 f.  2)  Plin.  ep.  VIII  18,  11,  vgl.  oben  S.39  3)  Mar- 
tial. XII  69.  4)  Phaedr.  V  praef  7,  überliefert  dctrito  Myonem  argento  fahulae  exaudiant,  Bergk 
(Philol.  XVI  1860  S.  620  f.)  schreibt  därito  Myn  argento,  tabulae  Paicsiam.  Detrito  entweder  abge- 
rieben, um  den  Schein  des  Alters  zu  erhalten,  oder  fein  poliert  (Apulei.  Metam.  VI  6:  currtim  — 
limae  tenuantis  dctrimento  conspicuum  et  ipsiiis  auri  damno  pretiosum].  Die  Änderung  von  Myronem 
halte  ich  nicht  für  empfehlenswert,  vielleicht  trito  Myronem  argento,  tabulae  Pausiain  (so  L.  Müller 
nach  Salmasius,  nur  statt  Pausiain  mit  Bentley  Zeuxidern).  5)  Zenob.  V  82  (Paroemiographi  ed. 
Leutich  et  Schneidewin  I  153),  vgl.  dazu  U.  v.  Wilaraowitz-Moellendorff,  Antigonos  von  Karystos 
(Philol.  Untersuch.  IV)  S.  10  f.  6)  Wie  Brunn  tut  Künstlergesch.  I  187.  Ars  Phidiaca  bei  Martial. 
III  35,  I  kann  »bildende  Kunst«  bedeuten,  wie  ars  Apellea  XI  9,  2  Malerei;  ebenso  Stat.  silv.  V  i,  5 
vel  Apelleo  vtiltus  signata  colore  Phidiaca  vel  fiata  manu.  Dagegen  0eiöiaKf]v  \äp\Ta  Kaibel,  Epigr. 
g"".  794,4  von  einer  Nachahmung  einer  PhidiasischenAthena.  "]]  Martial.XIIög  scyphos  —  archctypos, 
8)  Plin.  n.  h.  XXXIll  154,  vgl.  Jahn,  Aus  d.  Altertumswissenschaft  S.  236  f.  Brunn  a.  a.  O.  II  408. 


112  XII.   DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [III.  326] 

Sammlungen  dagegen  scheinen  sie  keineswegs  selten  gewesen  zu  sein.  Martial 
beschreibt  einen  Laden  für  kostbare  Luxusgegenstände:  dort  findet  man  außer 
Statuen  von  Polyclet  auch  »Becher  von  Mentors  Hand  geadelt« ');  und  dieser 
Name  kehrt  regelmäßig  wieder,  wo  er  von  alten  Originalarbeiten  in  Silbei 
spricht').  Und  wenn  Kenner  nur  mit  guten  Kopien  (wie  jene  des  Zenodorus 
nach  Kaiamis)  betrogen  werden  konnten,  so  gab  es  ohne  Zweifel  auch  häufig 
genug  Liebhaber  und  Sammler  von  dem  Bildungsgrade  des  Trimalchio  bei 
Petron,  der  als  besondrer  Freund  von  Silberarbeiten  Becher  besaß,  auf  denen 
vorgestellt  war,  »wie  Kassandra  ihre  Söhne  tötet,  und  die  toten  Kinder  so  da- 
liegen, daß  man  es  für  wirklich  hält;  dann  wie  Dädalus  die  Niobe  in  das  troja- 
nische Pferd  einschließt«  ^)  (gemeint  ist  der  Kindermord  der  Medea  und  die  Kuh 
der  Pasiphae).  Er  beschließt  die  Aufzählung  seiner  Geräte  mit  der  Bemerkung, 
daß  alle  schwerwichtig  seien.  Nächst  den  Silberarbeiten  waren  auch  Bronze- 
arbeiten ein  Gegenstand  der  Leidenschaft  der  Sammler,  vor  allem  aus  korin- 
thischer Bronze,  deren  Mischung  ein  verlorenes  Geheimnis  war.  Nichtsdesto- 
weniger gab  es  Künstler,  die  Arbeiten  in  diesem  Material  lieferten  und  wahr- 
scheinlich oft  genug  die  Kenner  betrogen,  obwohl  diese  die  echten  unter 
anderm  am  Geruch  erkennen  wollten''). 
Kunstwerke,  die  Ohne  Zweifel  ist  es  kein  Zufall,  daß  bei  Erwähnungen  damaliger  Kunstsamm- 
^^so^n  gehört  langen  Äußerlichkeiten  wie  Altertum,  Seltenheit,  kostbares  Material  so  oft  be- 
hatten,  be-  tont  werden,  sondern  gewiß  legte  ein  großer  Teil  der  Sammler  auf  diese 
sonders    ge-  jj^^en  verständlichsten  Eigenschaften  der  Kunstwerke  den  Hauptvvert.    Auch 

SCI13.tzt. 

das  historische  Interesse  dürfte  bei  den  Kunstsammlungen  vielfach  mit  im  Spiel 
gewesen  sein.  Wurden  doch  (wie  früher  bemerkt  worden  ist)^)  überhaupt  Gegen- 
stände, die  im  Besitz  berühmter  Personen  gewesen  waren,  sehr  gesucht  und 
hoch  bezahlt:  die  irdene  Lampe  des  Epictet  mit  3000  Drachmen,  der  Stock 
des  Peregrinus  Proteus  mit  einem  Talent^).  Der  Wert  des  Diamanten,  den  die 
schöne  judische  Fürstin  Berenice  von  ihrem  Bruder  Agrippa  II.  zum  Geschenk 
erhalten  hatte,  war  dadurch  gestiegen,  daß  sie  ihn  am  Finger  getragen^).  Den 
gezwungenen  Käufern  bei  einer  von  Caligula  veranstalteten  Auktion  kaiserlicher 
Kleinodien  wurde  es  bei  den  Kaufpreisen  angerechnet,  daß  die  Stücke  Germa- 
nicus  oder  Agrippina,  Antonius  oder  August  gehört  hatten^).  An  den  Tafeln 
reicher  Häuser  mußten  die  Gäste  sich  nicht  bloß  von  der  Schwere  des  Silber- 
geschirrs durch  Aufheben  überzeugen,  sondern  auch  die  ausführliche  Geschichte 
jedes  Stücks  anhören^).  Juvenal  schildert  einen  Schiffbruch,  bei  dem  unter 
anderm  ziselierte  Silbergefäße  über  Bord  geworfen  werden,  die  Philipp  von 
Macedonien  im  Gebrauch  gehabt  haben  sollte^").  Caracalla  besaß  Waffen  und 
Trinkgeschirre,  deren  sich  der  von  ihm  leidenschaftlich  verehrte  Alexander 
der  Große  bedient  hatte").  Martial,  der  erforderlichenfalls  selbst  solche  Reli- 
quien, wie  ein  Brett  des  Argonautenschiffs,  mit  achtungsvollem  Staunen  zu  be- 
trachten verstand"),  fand  es  doch  unerträglich,  bei  Tisch  die  »verräucherten 

i)  Martial.  IX  59,  16.  2;  ebd.  III  41.  IV  39,  5.  VIII  51,  2.  XI  II,  5.  XIV  93  [pocula  arche- 
typ'^)-  3  Petron  52,  l.  2.  4)  Eine  imago  Corinthea  Traiani  Caesaris  CIL  VI  8686  =  Dessau 
1577;  vgl.  Mau,  Real-Encykl.  IV  1233  f.  5)  Oben  II  348.  6)  Lucian.  Adv.  indoct.  13  f.  7)  Juv. 
6,  156.  8,  Cass.  Dio  LIX  21,  6.  9)  Lucian.  epist.  Saturn.  33.  10)  Juv.  12,^46 f.  ii)  Cass.  Dio 
LXXVny,  I.      12)  Martial.  VII  19. 


[111.327,328]  5-   DER  KUNSTSINN  „3 

Stammbäume«  der  vorgesetzten  Silberbecher  sich  vortragen  lassen  zu  müssen, 
die  bis  auf  Nestor,  Achill  und  Dido  als  erste  Besitzer  zurückgeführt  wurden'). 
Aber  auch  bei  Gemälden  und  Skulpturen  mußten  sich  die  Beschauer  vermut- 
lich nicht  selten  deren  frühere  Schicksale  erzählen  lassen:  der  kleine  Hercules 
des  Lysipp  in  der  Sammlung  des  Novius  Vindex  sollte  Alexander  dem  Großen, 
Hannibal  und  Sulla  gehört  haben"^). 

Die  Sammler  werden  auch  am  meisten  auf  Kennerschaft  Anspruch  gemacht  Ansprüche  der 
haben,  selbst  Trimalchio  erklärt,  daß  er  die  seinige  für  kein  Geld  verkaufe.  Kennerschaft 
Doch  wie  zu  allen  Zeiten  war  die  Prätention  der  Kennerschaft  häufiger  als  diese 
selbst.  Dionys  von  Halikarnaß,  der  mehr  von  Kunst  verstand  als  die  meisten 
Römer,  scheint  es  nur  Künstlern,  und  auch  diesen  nur  nach  langer  Übung  zu- 
getraut zu  haben,  die  Urheber  namenloser  Werke  zu  bestimmen  und  Kopien 
von  Originalen  zu  unterscheiden^):  doch  nach  Statius  verstand  sich  auch  Novius 
Vindex  wie  niemand  sonst  auf  das  erste '^j.  Damasippus  hatte  sich,  wie  Horaz 
ihn  sagen  läßt,  darauf  gelegt,  die  echte  korinthische  Bronze  zu  erkennen,  zu 
beurteilen,  ob  etwas  plump  gemeißelt  oder  hart  gegossen  sei,  den  Preis  einer 
Statue  zu  bestimmen']:  er  charakterisiert  sich  auch  durch  das  letztere  als  Kenner, 
denn  sicherlich  liebten  es  diese  auch  damals  wie  gegenwärtig,  ihr  Sachver- 
ständnis durch  Taxieren  von  Kunstwerken  zu  bekunden.  Selbstverständlich 
unterließen  die  Kenner  auch  nicht,  von  »Mischung  des  Erzes«,  »Konturen«, 
»Farbenauftrag«,  >Schattengebungc,  »Proportionen«  und  ähnlichen  Dingen 
zu  reden,  von  welchen  die  Laien  gestanden  nichts  zu  verstehen^);  denn  daß  zur 
Betrachtung  von  Kunstwerken  eine  besondere  Schulung  erforderlich  sei,  war 
wohl  allgemein  anerkannt^). 

Zahlreicher  als  die  Kenner  waren  natürlich  die  Liebhaber  und  Enthusiasten, 
die  öfters  erwähnt  und  vom  stoischen  wie  vom  streng  römischen  Standpunkt 
für  Narren  erklärt  werden^).  Schon  dem  Marcellus  war  es  von  den  Gegnern 
griechischer  Bildung  zum  Vorwurf  gemacht  worden,  daß  er  durch  die  Beute 
des  syrakusischen  Triumphs  seine  Landsleute  verführt  habe,  die  Zeit  mit  geist- 
reichem Kunstgeschwätz  zu  verderben^).  Bei  Sklaven  (besonders  vermutlich 
griechischen)  scheint  es  nicht  selten  vorgekommen  zu  sein,  daß  sie  über  der 
Betrachtung  der  so  überreichen,  allgemein  zugänglichen  Kunstwerke  Roms  ihre 
Pflicht  versäumten:  denn  bei  Erörterung  der  Fehler  von  Sklaven,  welche  der 
Verkäufer  anzugeben  verpflichtet  ist,  führt  der  Jurist  Venulejus  als  geistige 
Fehler  neben  der  Sucht  des  Schauspielbesuchs  und  der  Lügenhaftigkeit  auch 
die  eifrige  Betrachtung  von  Gemälden  auf'°). 

Eine  Verbreitung  wahren  Kunstsinns  beweisen  also  die  massenhaften  Kunst-  Mangelan  wah- 
sammlungen  der  Römer  ebensowenig  wie  die  kolossale  Verwendung  der  Kunst  ^^^  Kunstsinn, 
zu  dekorativen  und  monumentalen  Zwecken.    Auch  das  Anhäufen  alter  Kunst- 

i)  Martlal.  VIII  6.  2)  Stat.  Sllv.  IV  6,  59  ff.  3)  Dionys.  Demosth.  50;  Dinarch.  7  (I  237.  307 
Usen.).  4)  Stat.  Silv.  IV  6,  24.  5)  Horat.  S.  II  3,  20—23.  6;  Cic.  Verr.  II 4, 98.  Lucian.  Zeux.  5 ;  vgl. 
Blümner,  Dilettanten,  Kunstliebhaber  u.  Kenner  im  Altertum  (Virchow  u.  Holtzendorf  VIII.  Serie 
lieft  176),  Berlin  1873.  Schneidcwin,  Die  antike  Humanität  S.  406  ff.  7)  Epictet.  Dissert.  II  24,  7: 
T6  iöeiv  €,uTreipiu(;  (sc.  tov  äv5pidvTa'  oüöe|Litä(;  aoi  Trpoö&eTa9ai  cpaiveTai  Texvr]c,;  TTpoaöeiTai 
KaiTOÖTO.  8)Cic.  Paradox.  5,36ff.  Horat.  S.  II  7,  95.  Seneca  ep.  115,  8.  9)  Plutarch.  Marcell.  21. 
10)  Dtg.  XXI  I,  65  pr.,  vgl.  Horat.  Sat.  II  7,  göff. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.   9.  Aufl.  3 


114 


XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE 


[III.  329] 


Keine  Spur  von 
Interesse  und 
Verständnis  für 
Kunst  in  der 
römischen  — 


zahlreiche  Zeug- 
nisse für  beides 
in  der  griechi- 
schen Literatur. 


werke  war  eben  nur  eine  Äußerung  der  römischen  Prachtliebe,  die  bei  aller 
Großartigkeit  immer  etwas  Barbarisches  behielt;  die  Herren  der  Welt  wollten 
womöglich  alles  Köstliche,  was  es  auf  der  Welt  gab,  besitzen  und  genießen, 
von  allem  umgeben  sein,  was  dem  Leben  Pracht  und  Glanz  verleihen  konnte. 
Deshalb  schleppten  sie  auch  die  gepriesenen  Werke  aller  bildenden  Künste 
nach  Rom,  aber  mehr  als  äußerlich  vermochten  sie  sich  diese  Schätze  nicht 
anzueignen.  Gerade  die  Häufung  der  Eindrücke  war,  wie  Plinius  richtig  erkannte, 
zugleich  eine  Abstumpfung,  zumal  da  in  dem  rastlosen  Drängen  und  Treiben 
Roms  die  zur  Kunstbetrachtung  unerläßliche  Ruhe  und  Stille  fehlte').  Zur  Ver- 
tiefung im  Kunstwerke  fanden  dort  die  wenigsten  auch  nur  die  Zeit,  den  meisten 
genügte  eine  flüchtige  und  oberflächliche  Kenntnisnahme.  Tacitus  sagt,  um 
die  Gleichgültigkeit  gegen  die  Poesie  zu  charakterisieren:  wer  einen  bewunderten 
Dichter  einmal  gesehen,  sei  befriedigt  und  gehe  weiter,  als  wenn  er  eine  Statue 
oder  ein  Gemälde  gesehen  hätte ^). 

Daß  in  der  Tat  trotz  aller  alten  und  neuen  Kunstpracht  Roms  und  des  rö- 
mischen Reichs  die  bildende  Kunst  einen  Einfluß  auf  die  römische  Gesamt- 
bildung niemals  gewonnen  hat,  dafür  liefert  die  römische  Literatur,  als  Ganzes 
betrachtet,  einen  vollgültigen  und  unwiderleglichen  Beweis.  Von  einer  so 
großen  Zahl  von  Dichtern  und  Schriftstellern  verschiedener  Perioden,  die  großen- 
teils auf  der  Höhe  der  Bildung  ihrer  Zeit  standen  und  uns  als  vollberechtigte 
Repräsentanten  derselben  gelten  dürfen,  verrät  kaum  einer  Interesse  und  Ver- 
ständnis der  bildenden  Kunst.  In  dieser  so  vielartigen,  über  einen  Zeitraum 
von  Jahrhunderten  sich  erstreckenden  Literatur,  die  alle  bedeutenden  Rich- 
tungen und  Interessen  berührt,  die  in  den  ersten  nachchristlichen  Jahrhunderten 
ganz  besonders  der  Betrachtung  der  Gegenwart  zugewandt  ist  und  auch  deren 
geistige  Zustände  lobend  und  tadelnd  vielfach  erörtert,  findet  sich  keine  Spur 
von  Verständnis  für  das  wahre  Wesen  der  Kunst  und  keine  Äußerung  einer 
wahren  Ergriffenheit  durch  die  Herrlichkeit  ihrer  Werke.  Wo  immer  von  ihr 
gesprochen  wird,  da  geschieht  es  entweder  geradezu  mit  Unverstand  und  Ge- 
ringschätzung oder  doch  ohne  Anteil  und  Wärme.  Wie  vielen  einzelnen  Römern 
es  auch  gelungen  sein  mag,  in  das  Wesen  der  griechischen  Kunst  einzudringen, 
der  römischen  Kultur  im  großen  und  ganzen  ist  sie  immer  fern  und  fremd  ge- 
blieben^). 

Wenn  noch  ein  Zweifel  darüber  bestehen  könnte,  ob  der  Gesamteindruck 
der  römischen  Literatur  einen  gültigen  Schluß  auf  den  Mangel  des  Kunstsinns 
bei  den  Römern  gestattet,  so  würde  er  durch  eine  Vergleichung  mit  der  gleich- 
zeitigen griechischen  (obwohl  viel  weniger  umfangreichen)  Literatur  gehoben 
werden:  denn  das  Interesse  und  Verständnis,  das  wir  dort  vermissen,  tritt  eben 


l)  Plin.  n.  h.  XXXVI  27:  Romae  quidem  multitudo  operum  etiatn  oblitteratio  ac  magis  officiorutn 
negotiorumque  acervi  omnis  a  contemplatione  tarnen  abducunt.  2)  Tac.  Dial.  10,  3.  3)  Der  Beweis, 
d>-n  ich  für  diese  Behauptung  in  meiner  Schrift  Über  den  Kunstsinn  der  Römer  in  der  Kaiserzeit 
(1852I  gegeben  habe,  ist  angefochten  worden  von  K.  F.  Hermann,  Über  den  Kunstsinn  der  Römer 
und  deren  Stellung  in  der  Geschichte  der  alten  Kunst  (1855);  doch  in  meiner  Rezension  dieser 
Schrift  (N.  Jahrb  f.  Philol.  LXXIII  i8;6  S.  391  ff.)  hoffe  ich  gezeigt  zu  haben,  daß  Hermann  (außer 
einigen  für  die  Hauptsache  unerheblichen  Nachträgen  und  Berichtigungen)  durchaus  nichts  bei- 
gebracht hat,  um  mich  wirklich  zu  widerlegen.    Vgl.  auch  Marquardt,  Privatl.  ^  609,  3. 


[III.  33o]  5.   DER  KUNSTSINN  115 

hier  vielfach  und  unzweideutig  hervor,  und  es  zeigt  sich,  wie  gesagt,  daß  auf 
diesem  Gebiete  der  Gegensatz  griechischer  und  römischer  Bildung  unausge- 
glichen fortbestand.  Schon  allein  das  immer  noch  so  rege  Nationalgefühl  der 
Griechen  läßt  erwarten,  daß  sie  auch  diesen  Schöpfungen  ihrer  großen  Vorzeit 
mit  einem  andern  Anteil  gegenüberstanden  als  die  Römer. 

Während  Tacitus  eine  oberflächliche  und  flüchtige  Kenntnisnahme  am  besten 
zu  bezeichnen  glaubt,  wenn  er  sie  mit  dem  Beschauen  von  Kunstwerken  ver- 
gleicht, beklagt  Plutarch,  daß  >die  meisten«  Vertiefung  in  Kunstbetrachtungen 
für  wichtiger  hielten  als  eine  Einkehr  in  ihr  eigenes  Innere.     »Die  meisten 
glauben,   wie  Arcesilaus  sagte,  man  müsse  Gedichte,  Gemälde  und  Statuen 
genau  betrachten  und  alle  ihre  Einzelheiten  im  Geist  und  mit  den  Augen  durch- 
gehen, ihr  eigenes  Leben  aber,  das  viele  keineswegs  unerfreuliche  Betrachtungen 
bietet,  lassen  sie  unbeachtet« ').    Während  alle  Bemerkungen  des  Dionys  von 
Halikarnaß   über  Malerei    und  Skulptur  ein   selbständiges   Urteil  verraten^), 
sprechen  die  römischen   Schriftsteller  über  Beredsamkeit  in  ihren  Verglei- 
chungen  der  redenden  und  bildenden  Künste  offenbar  nur  fremde,  aus  Büchern 
geschöpfte  Urteile  nach,  und  selbst  der  geschmackvolle  und  feingebildete  Quin- 
tilian  verrät  gelegentlich  seine  Unsicherheit  auf  diesem  Gebiet.    Seine  Bemer- 
kung, Naturanlage  vermöge  viel  ohne  Ausbildung,  diese  dagegen  nichts  ohne 
jene,  verdeutlicht  er  durch  folgende  Vergleichung:  wenn  Praxiteles  versucht 
hätte,  eine  Statue  aus  einem  Mühlstein  auszuhauen,  würde  ich  einen  rohen  pa- 
rischen Marmorblock  vorziehen;  hätte  aber  der  Künstler  ein  Werk  aus  diesem 
vollendet,  so  würde  dessen  Wert  mehr  in  seiner  Arbeit  als  in  dem  Marmor 
liegen^).    Ihm  erschien  also  ein  gutes  Material  wertvoller,  als  ein  von  einem 
großen  Künstler  in  einem  schlechten  abozziertes  Werk.     Ein  späterer  grie- 
chischer Geschichtschreiber  Memnon    beschreibt    in    der  Geschichte  seiner 
Vaterstadt  Heraclea  am  Pontus  ausführlich  die  Attribute  einer  durch  Aurelius 
Cotta  von  dort  fortgeschleppten  Heraklesstatue  (Keule,  Löwenfell,  Bogen  und 
Köcher),  >  deren  Darstellung  inbezug  auf  schöne  Verhältnisse,  Anmut  und  tech- 
nische Ausführung  hinter  keiner  der  gepriesenen   Arbeiten  zurückstand«''). 
Mit  so  viel  Liebe  würde  schwerlich  ein  römischer  Geschichtschreiber   einen 
solchen  Gegenstand  selbst  in  der  eingehendsten  Erzählung  geschildert  haben. 
Bei  der  Erzählung  des  Neronischen  Brands  erwähnt  Tacitus  den  Untergang 
zahlloser  griechischer  Meisterwerke  mit  zwei  Worten;  Sueton  gar  nicht.    Und 
wenn  Herodian  den  jungen  Elagabal  nach  seiner  Schönheit,  Jugendblüte  und 
Formenweichheit  mit  den  schönen  Statuen  des  jugendlichen  Dionysos  ver- 
gleicht^),  so  fühlt  man  wohl,  daß  es  kein  Zufall  ist,  wenn  wir  eine  solche  Ver- 
gleichung bei  keinem  römischen  Historiker  lesen.     In   einer  Plutarchischen 
Schrift  über  die  berühmten  Männer  Athens  werden  auch  die  dortigen  Maler 
ausführlich  besprochen ;  der  von  den  Bildhauern  handelnde  Abschnitt  ist  uns 
nicht  erhalten^).    Auch  in  den  geographischen  Werken  der  Griechen  fehlen  bei 
der  Aufzählung  der  Merkwürdigkeiten  der  einzelnen  Orte  Erwähnungen  ihrer 
Kunstwerke  und  dorther  stammenden  Künstler  (selbst  solcher,  die  minder  be- 

i)  Plutarch.  De  tranquill.  animi  9.  2)  Friedlaender,  Dissertatio  qua  nonnuUa  scriptorum 
Graecor.  de  artibus  —  iudicia  recensentur,  Königsb.  1866.  3)  Quintilian.  II  19,  3.  4)  Memnon  52, 
FHG  UI  554.     5)  Herodian.  V  3,  7,     6)  Plutarch.  De  glor.  Atheniens.  2. 

8* 


ii6  XII.  DIE  BILDENDEN  KÜNSTE  [IIL  331,  332] 

kannt  waren)  nicht").  Die  trockenen,  magern  und  äußerlichen  Notizen  des  Pau- 
sanias  über  Kunstwerke  lassen  allerdings  Liebe  und  Verständnis  für  Kunst 
nicht  erkennen^],  und  auch  die  erkünstelte  Begeisterung  in  den  Kunstbeschrei- 
bungen der  Philostrate  beweist  nichts  für  den  Kunstsinn  der  Verfasser.  Kunst- 
werke wie  Naturszenen  gehörten  eben  zu  den  Gegenständen,  in  deren  Darstel- 
lung die  Stilkünstler  ihre  Virtuosität  gern  zur  Schau  stellten;  nicht  an  sich, 
sondern  nur  insofern  sie  ein  Substrat  zur  Entfaltung  dieser  Virtuosität  bot, 
erregte  die  Kunst  wie  die  Natur  das  Interesse  der  Sophisten,  der  römischen 
wie  der  griechischen^);  von  den  Kunst-  und  Naturbeschreibungen  des  Apulejus 
gilt  ganz  dasselbe  wie  von  denen  seiner  griechischen  Vorbilder''). 

Wie  verschieden  von  dieser  mühsam  erkünstelten  Überschwenglichkeit  klingt 
die  Sprache  warmer  Empfindung,  die  der  überwältigende  Eindruck  der  olym- 
pischen Zeusstatue  dem  Dio  von  Prusa  eingab.  Selbst  vernunftlose  Kreaturen, 
sagt  er,  müßte  dieser  Anblick  erschüttern,  und  ein  Mensch,  der  noch  so  mühselig 
und  beladen  wäre,  müßte,  wenn  er  diesem  Bilde  gegenüberstände,  alles  ver- 
gessen, was  im  Menschenleben  Schweres  und  Schreckliches  zu  leiden  ist:  so 
viel  Licht  und  so  viel  Lieblichkeit  hat  ihm  die  Kunst  geliehen^).  In  der  Rechen- 
schaft über  dieses  Zeusideal,  die  er  dem  Phidias  in  den  Mund  legt  —  »dem  weisen 
und  wunderbaren  (dämonischen)  Künstler  des  ehrwürdigen  und  ganz  herrlichen 
Werks«,  dem  Freunde  und  Genossen  des  Perikles  — ,  spricht  sich  ein  hoher  Be- 
griff von  der  Bedeutung  und  dem  Darstellungsvermögen  der  bildenden  Kunst 
aus,  mit  dem  sich  eine  vielfach  treffende  und  geistvolle  Beurteilung  des  Unter- 
schieds zwischen  ihr  und  der  Poesie  verbindet^).  Lucian  endlich  zeigt  von  allen 
antiken  Schriftstellern  die  umfassendste  Kenntnis  und  das  eindringendste  Ver- 
ständnis der  Kunst;  sein  Urteil  ist  überall  ein  selbständiges,  sein  Geschmack 
an  den  besten  Mustern  gebildet,  sein  Talent,  Kunstwerke  mit  wenigen  Zügen 
zu  charakterisieren  oder  ihren  Eindruck  in  schwungvoller  Schilderung  wieder- 
zugeben, ein  (wie  namentlich  seine  Beschreibung  der  knidischen  Aphrodite  des 
Praxiteles  zeigt)  nicht  gewöhnliches'').  Übrigens  v;ar  auch  Lucians  Interesse  so 
gut  wie  ausschließlich  der  Blütezeit  der  griechischen  Kunst  zugewandt:  je  feiner 
gebildet  sein  Auge  war,  desto  weniger  konnte  ihm  neben  ihren  Werken 
alles,  was  die  späteren  Jahrhunderte  hervorgebracht  hatten,  der  Beachtung 
wert  erscheinen.  In  demselben  Sinne  sagt  Galen,  die  gegenwärtige  schlechte 
Erziehung  und  der  Umstand,  daß  Reichtum  höher  geschätzt  werde  als  Tugend, 
mache  es  erklärlich,  daß  es  jetzt  keine  Meister  mehr  gebe  wie  Phidias  unter 
den  Bildhauern,  Apelles  unter  den  Malern,  Hippokrates  unten  den  Ärzten^). 
So  nennt  auch  Aristides  als  die  größten  Meister,  die  das  Plöchste  dadurch  er- 

il  z.  B.  Strabo  XIV  642  (Ephesus),  Stephanus  Byz.  s.'AXel&vbpem  (p.  71,  15  Mein.),  'AvGriöuuv, 
'HXeKTpiöec;  vr\ao\,  KvjGvoq.  2)  Kalkmann,  Pausanias  der  Perieget  S.  194  ff.  3)  P.  Friedländer, 
Johannes  von  Gaza  und  Paulus  Silentiarius  (1912)  S.  86  ff.  Über  die  Rolle,  welche  Künstler 
und  Kunstwerke  in  der  epideiktischen  Beredsamkeit  spielen,  vgl.  auch  R.  Förster,  Archäol.  Jahrb. 
IX  1894  S.  167  ff.  4)  Kretschmann,  De  latinitate  Apulei  (Diss.  Königsb.  1865)  S.  8.  5)  Dio  Chr. 
or.  II,  51  f.  (I  169  f.  Arn.).  6)  ebd.  11,  55  ff.  (I  171  ff.).     Es  zeigt  sich  hier,  daß  Ausdrücke  wie 

TÖ  xeipuJvaKTiKov  Kai  örnuioupYiKOV  (ebd.  69.  82  f.),  die  Phidias  von  sich  selbst  braucht,  keines- 
wegs Geringschätzung  ausdrücken.  7)  Lucian.  Amores  13  ff.  Vgl.  überhaupt  Blümner,  Archäol. 
Studien  zu  Lucian  (1867),  besonders  S.  46 — 52,  und  Croiset,  Vie  et  ceuvres  de  Lucien  S.  264 — 287. 
8)  Galen.  I  57. 


DER  KUNSTSINN  117 


reichten,  daß  sie  über  die  frühere  Kunst  hinausgingen  und  ihre  Vorgänger 
neben  sich  als  Kinder  erscheinen  ließen,  Phidias,  Zeuxis,  Hippokrates  und 
Demosthenes^). 

Wenn  also  in  der  griechischen  Literatur  der  Kaiserzeit  die  gleichzeitige  Kunst  ^'^^  gleichzeitige 
ebenso  geringe  Berücksichtigung  findet  wie  in  der  römischen,  so  beruht  dieselbe  Literaturen  wenig 
Erscheinung  hier  und  dort  auf  entgegengesetzten  Ursachen.  Mit  dem  großen  berücksichtigt. 
Maße  gemessen,  das  der  wahre  Kunstsinn  der  Griechen  anlegte,  konnte  ihr 
Wert  leicht  unterschätzt  werden :  den  Römern,  welche  die  innere  selbständige 
Bedeutung  der  Kunst  überhaupt  nicht  verstanden,  war  sie  nur  ein  Mittel  zur 
Verfeinerung  des  Lebensgenusses  und  zur  Verewigung  des  Gedächtnisses  von 
Personen  und  Taten,  neben  andern  Mitteln,  welche  ihnen  diesen  wie  jenen 
Zweck  in  ebenso  voUkommner  Weise  erfüllten.  Wäre  nur  die  Literatur  beider 
Sprachen  aus  jener  Zeit  erhalten,  wie  wir  sie  jetzt  besitzen:  wir  würden  weder 
ahnen,  was  die  bildende  Kunst  damals  noch  zu  leisten  vermochte,  noch  in  welch 
erstaunlichem  Grade  das  Bedürfnis  künstlerischen  Schmucks  und  monumentaler 
Darstellung  alle  Schichten  der  Gesellschaft  erfüllte,  wie  riesenhaft  die  dadurch 
ins  Leben  gerufene  Tätigkeit  der  Malerei  und  Skulptur  in  der  ganzen  römischen 
Welt  war.  Wie  reich  war  doch  die  Kultur,  die  sich  gewöhnt  hatte,  über  die  Lei- 
stungen der  Künste  in  einem  Umfange  zu  verfügen,  den  die  heutige  Welt  kaum 
zu  fassen  vermag,  ihr  Aufgaben  als  alltägliche  zu  stellen,  deren  Lösung  gegen- 
wärtig überhaupt  unmöglich  sein  würde;  die  Kultur,  welche  Schätze,  deren  Un- 
ermeßlichkeit uns  beschämt  und  mit  Staunen  erfüllt,  zu  den  geringsten  ihrer 
Besitztümer  zählte  und  sorglos  mit  vollen  Händen  ausstreute. 

i)  Aristid.  or.  45,  31,  II  38  Dind.  (ich  schreibe  die  Stelle  mit  einer  notwendigen  Emendation 
und  einer  zur  Not  entbehrlichen  Ergänzung; :  öiä  raOra  Kai  aujucpoixriTÜJv  ou  luövov  ou  lüberl.  oi 
juev)  xeipou^  ä\Xa  Kai  KpeiTTOut;  6  Oeiöi'ac;,  ö  ZevEic,,  6  'iTTTTOKpdxrit;,  6  Ari|uoö6evri(;  (Kai  €v  eKaOtr^ 
Texvr[  Tzäc)  ovTiva  ßouXerai  Quv}Ji6.Zeiv  Tic,.  »Auch  der  Rhetor,  der  die  Schrift  TTepi  uv^jouq  ver- 
faßte, verrät  ganz  gelegentlich  seine  Kenntnis  von  der  plastischen  Wirkung  aufgesetzter  Lichter 
fc.  17,  3) :  Das  Licht,  wenn  auch  auf  demselben  Grunde  und  in  denselben  Farben  wie  der  Schatten, 
erscheint  doch  ou  jnovov  eSoxov  äXXa  Kai  e^furepiu  Tiapä  tto\u.«  Furtwängler,  Jahrb.  f.  Philol. 
Supplem.  IX  (1877)  S.  37,  7.  Im  allgemeinen  aber  hat  er  kein  Verhältnis  zur  bildenden  Kunst, 
vgl.  U.  V.  Wilamowitz-Moellendorff,  Strena  Helbigiana  (1900)  S.  336. 


XIIL  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE. 

Verschiedenartig-  "1  ^ür  die  Erkenntnis  der  religiösen  Zustände  der  antiken  Welt  in  den  ersten 
sehen  und  mon"-  I — ^  nachchristlichen  Jahrhunderten  besitzen  wir  zwei  Quellen  von  sehr  ver- 
mentalen Quellen.  J^  schiedner,  vielfach  sogar  entgegengesetzter  Beschafifenheit:  die  eine  in 
der  Literatur,  die  andre  in  den  Denkmälern,  namentlich  Inschriftsteinen.  Die 
Literatur  ist  vorwiegend  aus  Kreisen  hervorgegangen,  die  teils  von  Unglauben 
und  Indifferenz  ergriffen  waren,  teils  durch  Reflexion  und  Deutung  den  Volks- 
glauben zu  vergeistigen,  zu  läutern  und  umzugestalten  strebten.  Die  Denk- 
mäler dagegen  stammen  wenigstens  zum  großen  Teil  aus  denjenigen  Schichten 
der  Gesellschaft,  die  von  der  Literatur  und  den  dort  herrschenden  Richtungen 
wenig  berührt  wurden  und  teils  nicht  das  Bedürfnis,  teils  nicht  einmal  die  Fähig- 
keit hatten,  ihren  Überzeugungen  dort  Ausdruck  zu  geben,  und  sie  sind  ganz 
vorwiegend  Zeugnisse  eines  positiven,  weder  zweifelnden  noch  grübelnden,  naiven 
und  reflexionslosen  Götterglaubens.  Wenn  die  moderne  Welt  einst  in  ähnlicher 
Weise  unterginge,  wie  die  antike  untergegangen  ist,  und  eine  späte  Nachwelt 
dann  bemüht  wäre,  aus  ebenso  trümmerhaften  Überresten  der  heutigen  Kultur, 
wie  sie  uns  vom  Altertum  geblieben  sind,  eine  Anschauung  von  den  religiösen 
Zuständen  unsrer  Zeit  zu  gewinnen:  so  würde  auch  sie  aus  sehr  spärlichen 
Bruchstücken  der  heutigen  Literatur  ganz  andre,  zum  Teil  entgegengesetzte 
Eindrücke  erhalten,  als  aus  Grabsteinen,  Votivtafeln  und  andern  kirchlichen  Denk- 
mälern jeder  Art.  Wie  dann  nur  eine  Verwertung  beider  einander  ergänzenden 
Gattungen  von  Zeugnissen  eine  annähernd  richtige  Vorstellung  geben  könnte, 
so  gilt  dasselbe  auch  für  die  hier  in  Betracht  gezogene  Zeit  des  Altertums.  Wäh- 
rend die  heidnische  Literatur  dieser  Zeit  uns  einen  Einblick  in  die  Tätigkeit  der 
Kräfte  gewährt,  die  innerhalb  des  Heidentums  an  seiner  Auflösung  und  Zer- 
setzung arbeiteten,  weht  uns  aus  den  Denkmälern  ein  Geist  des  Glaubens  an, 
der  allen  zerstörenden  Einflüssen  jahrhundertelang  Widerstand  zu  leisten  ver- 
Die  Li'eratur  mochte.  Weil  nun,  namentlich  von  theologischen  Schriftstellern,  die  heidnische 
scWießU^hTe'  ^^^  christliche  Literatur  jener  Zeit  immer  fast  ausschließlich,  jedenfalls  weit 
rücksichtigt.  mehr  als  ihre  Denkmäler  zur  Darstellung  religiöser  Zustände  verwertet  wurde, 
ist  man  der  zuletzt  berührten  Seite  derselben  nie  völlig  gerecht  geworden. 

Aber  auch  dieLiteratur  hat  man  mit  Vorurteil  behandelt,  vorzugsweise  ihre  irre- 
ligiöse Seite  berücksichtigt  und  nicht  hinreichend  erwogen,  in  wie  hohem  Grade 
Glaube  und  Aberglaube  Bedürfnisse  der  Massen  sind,  welche  gebieterisch  Be- 


[IV.  123] 


DER  GÖTTERGLAUBE. 


119 


friedigung  verlangen').  Selbst  die  literarischen  Quellen  bestätigen  doch  nur 
sehr  teilweise  die  herrschende  Ansicht,  daß  das  Heidentum  sich  schon  im  tiefsten 
Verfall,  in  voller  Auflösung  befunden  habe,  als  das  Christentum  entstand  ='). 

Allerdings  wird  schon  im  letzten  vorchristlichen  Jahrhundert  von  römischen  Irreligiöse  Rich- 
und  griechischen  Schrifstellern  viel  über  Abnahme  der  Gottesfurcht,  über  Un-  5""^^°    '°h  ^^"^ 
glauben  und  religiöse  Indifferenz  geklagt  ^j  und  die  Schuld  an  dem  Verfall  der  iShSTJnd  ersten 
Religion  ausdrücklich  den  Lehren  >wahnwitziger  Weisheit«'*)  zugeschrieben,   nachchristlichen 
die  sich  aus  den  Schulen  griechischer  Philosophie  verbreitet  hatten.   In  der  Tat  ^*''^" 
herrschen  in  der  damaligen  römischen  Literatur  sowie  in  der  des  ersten  nach- 
christlichen Jahrhunderts  Richtungen,  die  von  dem  alten  Glauben  teils  abge- 
wendet, teils  ihm  geradezu  feindlich  sind.   Die  Notwendigkeit  des  Volksglaubens 
und  der  Staatsreligion  wurde  zwar  von  den  Gebildeten  aus  Gründen  der  Zweck- 
mäßigkeit nicht  bloß  bereitwillig  zugestanden;  sie  gaben  auch  das  Beispiel  der 
Ehrerbietung  gegen  die  Religion  und  alle  religiösen  Einrichtungen.    Cicero  er- 
klärte in  einer  im  Senat  gehaltenen  Rede,  bei  aller  Vorliebe  für  literarische 
Studien  doch  derjenigen  Literatur  fernzustehen,  welche  die  Gemüter  dem  Glauben 
entfremde;  wir  verdanken,  sagt  er,  unsre  Siege  über  alle  Völker  der  Frömmig- 
keit, dem  Glauben  und  der  Erkenntnis,  daß  alles  durch  den  Willen  der  Götter 
regiert  wird 5).    Namentlich  wurde  anerkannt,  daß  die  Massen  wegen  ihrer  sitt- 
lichen Roheit  und  geringen  Bildung  der  Religion  bedürften.    Die  Masse  der 
Weiber  und  das  ganze  gemeine  Volk,  sagt  Strabo,  kann  man  nicht  durch  philo- 
sophische Belehrung  zur  Frömmigkeit,  Heiligkeit  und  zum  Glauben  hinleiten, 
sondern  es  bedarf  für  diese  auch  der  Götterfurcht,  und  dazu  gehören  Legenden 
und  Wundergeschichten ^j.    Es  hat  seinen  Nutzen,  daß  es  Götter  gibt,  sagt  Ovid 
mit  zynischer  Aufrichtigkeit,  und  da  es  ihn  hat,  wollen  wir  an  sie  glauben  und 
fortfahren,  ihnen  zu  opfern^).    Epictet  tadelt  diejenigen,  die  durch  unbedachte 
Äußerungen  des  Zweifels  an  der  Existenz  der  Götter  in  jugendlichen  Gemütern 
die  Keime  der  Tugend  zerstören  und  manchem  das  rauben,  was  ihn  vom  Ver- 
brechen zurückgehalten  habe^).     Die  Staatsmänner  der  Monarchie  betonten 
noch  besonders,  daß  die  Verächter  der  Götter  auch  sonst  niemanden  in  Ehren 
halten^). 

In  jenem  Geständnisse  war  aber  freilich  ausgesprochen,  daß  ein  großer  Teil  Haß  des  Glau- 
der  Gebildeten  selbst  des  Volksglaubens  in  der  überlieferten  Form  nicht  zu  be-  bens vereinzelt. 
dürfen  glaubte,  über  den  sie  sich  in  der  Tat  vielfach  mit  Gleichgültigkeit,  Frivo- 
lität oder  Verachtung  äußern.  Freilich  war  diese  Freigeisterei  oft  nur  eine 
Maske ;  Unglück  oder  Gefahr  rissen  sie  dem  Spötter  vom  Gesicht,  und  man  sah 
solche  sich  dann  eifrig  der  Religion  zuwenden").  Auch  wird  es  nicht  selten  ge- 
wesen sein,  daß  völlig  Ungläubige  eine  einzelne  Superstition  um  so  zäher  fest- 


i)  Gibbon,  History  of  the  decline  II  294,  deutsch  von  Sporschil  S.  396.  Tac.  Hist.  I  22:  cupi- 
dine  ingenii  hwnani  Hbenthts  obscura  credendi  (von  Othos  Glauben  an  Astrologie).  2)  Zum  ge- 
samten Inhalte  des  folgenden  Abschnittes  vgl.  die  vorzügliche  Abhandlung  von  J.  Geffcken,  Der 
Ausgang  des  griechisch-römischen  Heidentums,  N.  Jahrb.  f.  d.  klass.  Altert.  XLI  1918  S.  93  ff. 
3)  Marquardt  StV.  III^  71,  4.  4)  Horat.  C.  134,  2.  5)  Cic.  De  hat.  resp.  18 f.;  vgl.  über  Ciceros 
Stellung  zur  Religion  G.  Boissier,  La  religion  romaine  d'Auguste  aux  Antonius  (1874)  I  61  ff. 
M.  Schneidewin,  Die  antike  Humanität  (1897)  S.  228  ff.  6)  Strabo  I  19.  7)  Ovid.  a.  a.  I  637. 
8)  Epictet.  Diss.  II  20,  32—35.       9)  Mäcen  bei  Cass.  Dio  LH  36,  2,        10)  Lucret.  III  48—58. 


I20  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  124] 

hielten:  wie  z.  B.  Sulla,  welcher  den  Tempel  zu  Delphi  geplündert  hatte,  ein 
kleines  Bild  des  Apollo  stets  bei  sich  führte,  das  er  öfters  küßte,  und  an  das  er 
in  Augenblicken  der  Gefahr  inbrünstige  Gebete  richtete");  und  Nero,  ein  Ver- 
ächter aller  Religionen,  eine  ihm  von  einem  unbekannten  Plebejer  geschenkte 
kleine  weibliche  Figur  nach  einer  unmittelbar  darauf  entdeckten  Verschwörung 
wie  die  höchste  Gottheit  verehrte^).  Daß  übrigens  auch  unter  den  Gebildeten 
jener  Zeit  es  nicht  an  Gläubigen  fehlte,  versteht  sich  von  selbst^),  und  Juvenal 
meint  sogar,  damals  habe  es  noch  keine  Verächter  der  Götter  gegeben"*). 
Lucrez.  Doch  wir  begegnen  auch  —  bei  Lucrez  —  einem  leidenschaftlichen  Ausdrucke 
des  Hasses  gegen  den  Glauben.  Ihm  erschien  er  als  ein  von  der  Erde  zum 
Himmel  ragendes  Riesengespenst,  dessen  schwerer  Tritt  das  Menschenleben 
schmählich  zu  Boden  drückte,  während  sein  Antlitz  grauenvoll  aus  der  Höhe 
herabdrohte:  bis  der  kühne  Geist  eines  griechischen  Mannes  —  Epikur  —  dem 
Schrecken  Trotz  bot.  Er  erschloß  die  Pforten  der  Natur,  drang  weit  über  die 
flammenden  Mauern  des  Weltalls  ins  Grenzenlose  vor  und  brachte  der  Mensch- 
heit als  Überwinder  die  Erkenntnis  der  Gründe  alles  Seins :  so  hat  er  den  Glauben 
gestürzt,  uns  aber  durch  seinen  Sieg  zum  Himmel  erhoben.  Man  möge  nicht 
meinen,  mit  der  Annahme  dieser  Lehre  den  Weg  des  Frevels  und  der  Gott- 
losigkeit zu  betreten:  im  Gegenteil,  gerade  der  Glaube  habe  öfter  zu  gottlosen 
und  verbrecherischen  Taten  geführt.  Der  Dichter  erinnert,  wie  Agamemnon 
die  eigne  Tochter  dem  Zorn  der  Göttin  Artemis  geopfert  habe,  und  schließt 
seine  rührende  Schilderung  des  Opfertods  der  unschuldigen  Jungfrau  mit  dem 
Ausrufe:  Zu  so  viel  Unheil  konnte  der  Glaube  den  Antrieb  geben !^) 
Epikureer  und  Aber  SO  feindselig  wie  Lucrez  stand  der  Volksreligion  keineswegs  die  ganze 
Skeptiker,  g^hule  der  Epikureer  gegenüber,  geschweige  denn  die  philosophisch  Gebildeten 
überhaupt.  Den  Atheismus  lehrte  kein  System,  und  seine  Anhänger  sind  schwer- 
lich zu  irgend  einer  Zeit  zahlreich  gewesen.  Der  Skeptizismus  bestritt  nur,  daß 
das  Dasein  der  Gottheit  sich  beweisen  lasse,  der  Epikureismus  lehrte  die 
Existenz  unzähliger  ewiger,  seliger  Götter  und  leugnete  nur  ihre  Fürsorge  für 
die  Welt  und  die  Menschheit:  aber  die  Epikureer  schlössen  sich  ebensowenig 
wie  die  Skeptiker  grundsätzlich  vom  Kultus  aus.  Die  Gottheit  bedürfe  der  Ver- 
ehrung zwar  nicht,  äußert  sich  der  Epikureer  Philodemus,  aber  für  uns  sei  es 
naturgemäß,  sie  ihr  zu  erweisen,  hauptsächlich  durch  erhabene  Vorstellungen, 
dann  aber  auch  nach  der  in  jedem  Falle  überlieferten  väterlichen  Sitte ^).  Der 
Gewohnheit  folgend,  sagt  der  Skeptiker  Sextus,  sagen  wir,  daß  es  Götter  gibt, 
daß  sie  eine  Vorsehung  üben,  und  verehren  sie'').  Die  überwiegende  Mehrzahl 
der  Gebildeten,  die,  ohne  einer  bestimmten  Schule  anzugehören,  doch  von 
philosophischen  Einflüssen  mittelbar  oder  unmittelbar  berührt  waren,  stand 
dem  Volksglauben  mehr  oder  minder  tolerant  gegenüber,  mochten  sie  auch 
selbst  monotheistische  oder  pantheistische  oder  fatalistische  Anschauungen 
hegen,  oder  einem  geläuterten  Polytheismus  huldigen,  oder  endlich  den  über- 
lieferten Glauben  verloren  haben,  ohne  einen  neuen  gewinnen  zu  können. 

l)  Plutarch.  Sulla  29.         2)  Sueton.  Nero  56.  3;  Boissier  a.  a.  O.  I  67  ff.         4)  Juv.  6,  342. 

5)  Lucret.  I  62 — loi.      6)  Philodem.  de  mu=.  IV  col.  4,  8  ff.  p.  66  Kemke.       7)  Sext.  Emp.  Pyrrh. 
hypot.  III  2  Tijj  fxev  ßiijj  KaTaKo\ou9o0vT€c  äöoSdaToiq  qpajuev  elvai  9€oü<;  usw. 


[IV.  125,  126] 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


121 


Die  in  der  gebildeten  römischen  Welt  des  i,  Jahrhunderts  n.  Ciir.  außerhalb 
der  eigentlich  philosophischen  Kreise  verbreiteten  religiösen  Anschauungen 
bewegten  sich  zwischen  dem  Glauben  an  die  Existenz  der  Volksgötter  und  eine 
durch  sie  geübte  Vorsehung  (wenn  auch  mit  Verwerfung  der  ganzen  legenda- 
rischen Überlieferung)  einerseits,  und  der  absoluten  Negation  dieser  Götter 
andrerseits.  Auf  dem  ersteren  Standpunkt  scheint  z.  B.  Tacitus  gestanden  zu 
haben.  Bei  Besprechung  der  jüdischen  Religion  äußert  er  den  entschiedensten 
Widerwillen  gegen  die  Vernachlässigung  des  ererbten  Gottesdienstes  und  die 
Verachtung  der  Götter.  Er  glaubte,  daß  sie  nicht  bloß  die  unabänderliche 
Weltordnung  vollziehen,  sondern  auch  unmittelbar  in  ihren  Gang  eingreifen^) 
und  die  Zukunft  durch  Vorzeichen  verkündigen.  Quintilian  gehörte  zu  der  gewiß 
sehr  zahlreichen  Klasse  derer,  bei  welchen  die  gewohnten  und  anerzogenen  poly- 
theistischen Anschauungen  sich  mit  monotheistischen  vermischten,  ohne  daß 
sie  das  Bedürfnis  oder  die  Energie  hatten,  ihre  Überzeugungen  zur  völligen  Klar- 
heit und  Bestimmtheit  durchzubilden^).  Bei  ihm  drängte  schon  die  Vorstellung 
von  der  beseelten  Natur,  von  »jenem  Gott,  der  der  Vater  und  Schöpfer  der 
Welt  ist«,  den  Glauben  an  die  > unsterblichen  Götter«  in  den  Hintergrund.  Der 
Glaube  an  eine  Vorsehung  stand  ihm  fest,  und  auch  an  der  Verkündigung  der 
Zukunft  durch  Orakel  und  Zeichen  scheint  er  nicht  gezweifelt  zu  haben. 

Am  entschiedensten  ist  in  der  Negation  des  Volksglaubens  der  ältere  Plinius. 
Er  meinte  in  seiner  Darstellung  des  Kosmos  die  »unaufhörlich  erörterte  Frage 
nach  dem  Wesen  der  Gottheit  «^  nicht  übergehen  zu  dürfen  und  hat  deshalb  die 
damals  am  meisten  verbreiteten  Formen  ihrer  Beantwortung  angegeben.  Für 
ihn  selbst  war  Gott  und  Natur  nicht  zu  trennen:  die  Natur  war  ihm  >die  Mutter 
aller  Dinge«,  die  sich  dem  Menschen  so  oft  im  Zufall  offenbarte;  diesen  mochte 
man  also  als  den  Gott  bezeichnen,  dem  man  die  meisten  Entdeckungen  und 
Kulturfortschritte  verdankte^).  Aber  mit  Grund  durfte  man  das  »heilige,  uner- 
meßliche, ewige«  Weltall,  »zugleich  die  Schöpfung  der  Natur  und  die  Natur 
selbst«,  für  eine  Gottheit  halten,  als  die  Seele  der  Welt  aber  und  ihr  leitendes 
Prinzip  die  Sonne  ansehen.  Nur  menschliche  Schwäche  konnte  also  nach  dem 
Bilde  und  der  Gestalt  der  Gottheit  fragen.  Welcher  Art  sie  auch  ist  (wenn  es 
noch  eine  außerhalb  der  Natur  gibt),  und  wo  auch  immer,  sie  muß  ganz  Kraft, 
ganz  Geist  sein.  Noch  törichter  ist  es,  an  unzählige  Götter  zu  glauben  und  auch 
menschliche  Eigenschaften  wie  Eintracht,  Keuschheit,  Hoffnung,  Ehre,  Milde 
als  Gottheiten  zu  betrachten;  die  gebrechliche  und  mühselige  Menschheit  hat, 
ihrer  Schwäche  sich  bewußt,  die  eine  Gottheit  zerteilt,  damit  jeder  die  von  ihren 
Seiten  verehren  könne,  deren  er  am  meisten  bedarf.    Daher  finden  wir  bei 


Standpunkt  der 
nicht  philoso- 
phischgebilde- 
ten Römer. 


Glaube: 
Tacitus. 


Schwanken  zwi- 
schen Polytheis- 
mus und  Mono- 
theismus :  Quin- 
tilian. 


UnbedingteLeug- 
nung  der  Götter: 
Plinius. 


i)  Tac.  Hist.  IV  78:  nee  siiic  ope  divina  mutatis  rcpentc  animls  tcrga  victores  verterc\  A.  XIV  22: 
Nero  entweihte  die  aqua  Marcia,  indem  er  darin  badete,  sccutaqiu  aficeps  valitudo  irain  deuni 
affirmavit ;  vgl.  aber  dazu  R.  Pöhlmann,  Sitz.Ber.  Akad.  München  19 10  I  26,  der  überhaupt  gegen- 
über Ranke  und  Nipperdey  den  kritisch-skeptischen  Grundzug  in  der  Weltanschauung  des  Tacitus 
stärker  betont  und  in  seiner  Behandlung  der  Götterwelt  mehr  ein  konventionelles  und  künstleri- 
sches Moment  sieht.  2)  Babucke,  De  Quintiliani  doctrina  et  studiis  (Regim.  1866)  S.  Ii  — 16. 
3)  Plin.  n.  h.  XXIV  i.  XXVII  8.  XXX VH  205.  Er  fragt  XXXVII  60,  wie  die  Entdeckung  der  Kraft 
des  Bockbluts,  den  Diamant  zu  erweichen,  möglich  gewesen  sei,  und  antwortet:  numiniim profecto 
muneris  talis  inventio  est  nee  (juaerenda  ratio  in  ulla  parte  naturae,  sed  voluntas. 


122  XIII.   DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  127] 

andern  Völkern  andre  Namen,  und  unzählige  Götter  bei  denselben,  selbst 
Krankheiten  und  Übel  aus  Furcht  verehrt,  wie  das  Fieber  und  die  Verwaisung. 
Da  nun  noch  der  Glaube  an  Schutzgötter  und  -göttinnen  aller  einzelnen  Männer 
und  Frauen  dazu  kommt,  ergibt  sich  eine  größere  Zahl  der  Götter  als  der 
Menschen.  Die  ganze  Mythologie  ist  kindische  Faselei,  den  Göttern  Ehebrüche, 
Streit  und  Haß  beilegen,  an  Gottheiten  des  Betrugs  und  der  Verbrechen  glauben, 
der  äußerste  Grad  der  Schamlosigkeit.  Offenbarung  der  Gottheit  ist  das  Wirken 
der  Menschen  für  die  Menschheit  und  dies  zugleich  der  Weg  zum  ewigen  Ruhm; 
auf  diesem  sind  die  Helden  des  alten  Rom  gewandelt,  auf  ihm  schreitet  jetzt 
mit  übermenschlichem  Schritte  Vespasian  mit  seinen  Söhnen,  der  erschöpften 
Welt  Hilfe  bringend.  Uralt  ist  die  Sitte,  Wohltätern  der  Menschheit  durch  Ver- 
setzung unter  die  Götter  Dank  abzustatten.  Überhaupt  sind  die  Namen  der 
Götter  wie  der  Gestirne  von  Menschen  entlehnt;  wie  sollte  es  ein  himmlisches 
Namenverzeichnis  geben!  Ob  die  höchste  Macht,  welche  es  auch  sei,  für  die 
menschlichen  Dinge  Sorge  trägt,  ob  es  denkbar  ist,  daß  sie  durch  einen  so 
traurigen  und  so  vielfachen  Dienst  nicht  herabgewürdigt  werden  würde?  Kaum 
wäre  zu  entscheiden,  ob  es  für  das  Menschengeschlecht  nützlicher  sei,  diesen 
Glauben  zu  hegen  oder  nicht,  wenn  man  sieht,  wie  ein  Teil  keine  Rücksicht  auf 
die  Götter  kennt,  der  andre  in  schimpflichem  Aberglauben  und  Götterfurcht 
befangen  ist.  Um  die  Vorstellung  von  der  Gottheit  noch  ungew^isser  zu  machen, 
hat  die  Menschheit  sich  eine  Macht  erfunden,  deren  Wesen  zwischen  beiden 
entgegengesetzten  Vorstellungen  die  Mitte  hält:  Fortuna,  die  bewegliche,  von 
den  meisten  für  blind  gehaltene,  umherschweifende,  unbeständige,  ungewisse, 
wechselnde,  die  Gönnerin  der  Unwürdigen,  also  der  Zufall  selbst  wird  als  Gott- 
heit verehrt').  Ein  andrer  Teil  verwirft  auch  diese,,  weist  alle  Ereignisse  ihren 
Gestirnen  zu,  und  glaubt  an  eine  einmalige,  unabänderliche,  für  alle  Zukunft 
verhängte  Bestimmung  der  Gottheit.  Diese  Ansicht  hat  angefangen  Boden  zu 
gewinnen,  und  die  Menge  der  Gebildeten  wie  der  Ungebildeten  fällt  ihr  gleich 
bereitwillig  zu.  Sodann  umfängt  der  Glaube  an  unzählige  Vorbedeutungen  die 
des  Blicks  in  die  Zukunft  beraubte  Menschheit,  und  unter  allem  diesem  ist  allein 
gewiß,  daß  es  nichts  Gewisses  gibt,  und  kein  zugleich  jammervolleres  und  hoch- 
mütigeres Wesen  als  der  Mensch.  Die  übrigen  Geschöpfe  kennen  kein  Be- 
dürfnis als  die,  welche  die  Güte  der  Natur  von  selbst  befriedigt,  und  überdies 
nicht  den  Gedanken  des  Tods.  Aber  für  die  Gesellschaft  ist  der  Glaube  an  die 
Lenkung  der  menschlichen  Dinge  durch  die  Götter  ohne  Zweifel  von  Nutzen, 
und  daß  für  Übeltaten  Strafen  unfehlbar  eintreten,  wenn  auch  spät,  da  die  Gott- 
heit nach  so  vielen  Seiten  hin  in  Anspruch  genommen  ist;  sowie  daß  der  Mensch 
nicht  darum  als  das  Gott  nächste  Wesen  geschaffen  sein  könne,  um  an  Niedrig- 
keit den  Tieren  gleich  zu  sein.  Für  die  UnvoUkommenheit  der  menschlichen 
Natur  aber  liegt  darin  ein  ganz  besondrer  Trost,  daß  auch  Gott  nicht  alles  kann. 
Er  kann  sich  nicht  selbst  den  Tod  geben,  wenn  er  es  wollte,  was  die  Natur  dem 
Menschen  als  das  Beste  bei  so  viel  Qualen  des  Lebens  geschenkt  hat;  noch 
Sterbliche  mit  Unsterblichkeit  beschenken  oder  Abgeschiedene  zurückrufen; 

i)  Vgl.  Juven.  10,  365  f.  =  14,  315  f.  ntillum  numen  Jiabes,  si  sit  fritdtntia ;  nos  te,  nos  facimtis, 
Fortuna,  deam  caeloque  locamus. 


[IV.  12  8] 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


123 


nicht  bewirken,  daß,  wer  gelebt  hat,  nicht  gelebt,  wer  Ämter  bekleidet  hat,  sie 
nicht  bekleidet  habe;  er  hat  überhaupt  keine  Macht  über  die  Vergangenheit 
als  die  des  Vergessens;  und  (um  auch  scherzhafte  Beweisgründe  anzuführen) 
er  kann  nicht  machen,  daß  zweimal  zehn  nicht  zwanzig  ist,  und  vieles  der  Art: 
woraus  sich  unzweifelhaft  die  Macht  der  Natur  ergibt,  und  daß  sie  das  ist,  was 
wir  Gott  nennen'). 

War  nun  allerdings  die  Negation  des  Volksglaubens  wohl  in  den  meisten 
Fällen  eine  mittelbare  oder  unmittelbare  Wirkung  philosophischer  Einflüsse, 
so  gab  es  doch  auch  philosophische  Richtungen,  mit  denen  er  nicht  bloß  voll- 
kommen vereinbar  war,  sondern  die  ihm  sogar  zur  Stütze  dienten.  Der  Stoizismus, 
dessen  Wirkungen  in  jener  Zeit  sich  vielleicht  weiter  erstreckten  als  die  irgend 
eines  andern  Systems,  sucht  in  seiner  Theologie '')  Glauben  und  Philosophie  zu 
versöhnen,  die  Berechtigung  der  Volksreligion  wissenschaftlich  darzutun,  indem 
er  von  dem  höchsten  Gotte,  dem  Schöpfer  und  Weltbeherrscher,  Untergötter, 
von  der  durch  das  All  verbreiteten  göttlichen  Kraft  als  Einheit  ihre  zahllosen 
Äußerungen  und  Wirkungen  unterschied  und  überdies  Dämonen  als  Mittel wesen 
zwischen  Gottheit  und  Menschheit  annahm.  Alles,  sagt  Epictet,  ist  voll  von 
Göttern  und  Dämonen^).  Die  Anstößigkeiten  der  legendarischen  Tradition 
wurden  durch  künstliche  allegorische  Auslegung  beseitigt).  Da  außerdem  die 
stoische  Theologie  fortwährende  Offenbarungen  der  göttlichen  Mächte  durch  Sen- 
dung von  Orakeln,  Vorzeichen  u.  dgl.  anerkannte,  so  darf  man  annehmen,  daß  ein 
großer  Teil  der  Anhänger  der  Stoa  an  dem  überkommenen  Glauben  mehr 
oder  weniger  streng  festhielt,  und  daß  diejenigen  Gebildeten,  die,  wie  Marc  Aurel, 
in  einer  Welt  ohne  Götter  nicht  leben  wollten^),  ihr  vor  andern  Schulen  (wie 
in  den  späteren  Jahrhunderten  der  neuplatonischen  und  wie  im  neunzehnten 
die  orthodoxen  Protestanten  der  Hegeischen)  ^)  auch  darum  den  Vorzug  gaben, 
weil  sie  eine  Lösung  des  Konflikts  zwischen  Vernunft  und  Glauben  bot. 

Auch  im  i.  Jahrhundert  also  standen  nicht  einmal  die  philosophisch  Ge- 
bildeten der  Volksreligion  durchaus  feindlich  gegenüber.  Und  wenn  auch  in 
der  Literatur  dieser  Zeit,  wie  in  der  des  18.  Jahrhunderts,  glaubensfeindliche 
Stimmungen  und  Richtungen  vorherrschen,  so  behaupteten  sie  keinesfalls  diese 
Herrschaft  über  das  Jahrhundert  hinaus.  Wie  die  Flut  der  antichristlichen  Rich- 
tungen des  18.  Jahrhunderts,  nachdem  sie  ihre  größte  Höhe  erreicht  hatte,  schnell 
sank,  und  dann  eine  mächtige  Rückströmung  eintrat  die  auch  einen  großen  Teil 
der  gebildeten  Kreise  unwiderstehlich  mit  fortriß .  ebenso  sehen  wir  in  der  römisch- 
griechischen Welt  nach  den  in  der  Literatur  des  i.  Jahrhunderts  vorwiegenden 
Richtungen  eine  Tendenz  zum  positiven  Glauben  die  Oberhand  gewinnen,  auch 
hier  die  gebildeten  Kreise  ergreifen,  und  auch  hier  den  Glauben  vielfach  zu 
krassem  Aberglauben,  Wundersucht,  Frömmelei  und  Schwärmerei  ausarten. 

i)  Plin.  n.  h.  II  12 — 27.  2)  Zeller,  Philos.  d.  Griech.  III  i*,  3i8ff.  Über  die  Bedeutung  speziell 
des  Posidonius  für  die  spätere  Gottesauffassung  vgl.  H.  Binder,  Dio  Chrysostomus  u.  Posidonius, 
Quellenuntersuchungen  zur  Theologie  des  Dio  v.  Prusa,  Diss.  Tübingen  1905.  Über  die  religions- 
geschichtliche Bedeutung  des  Posidonius  W.  Kroll,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXXIX  1917  S.  1456". 
3)  Epict.  Diss.  III  13,  15.  4)  Die  salubres  interpretationes  der  Überlieferung  de  vita  deorum  mori- 
busque,  die  Augustinus  iep.  91,  5)  in  templis popuHs  congregatis  vorlesen  hörte  (s.  unten  [IV  276,  3]^ 
sind  offenbar  solche  allegorische  Erklärungen.  5  )  M.  Aurel.  comm.  II  li,  vgl.  XII  28;  s.  auch 

unten  S.  129.      6)  Rdville,  Lo.  religion  ä  Rome  sous  les  Severes  S.  118  (deutsch  S.  115). 


Versöhnung  von 
Vernunft    und 
Glauben  in  der 
Theologie  des 
Stoizismus. 


Restauration  des 
Glaubens  im  2 
Jahrhundert, 


124 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  129] 


Ausbüdungund       Den  Beweis  für  ein  von  den  Gebildeten  tiefer  und  allgemeiner  als  bisher 
dogmatische     empfundenes  Bedürfnis,  den  Volksglauben  mit  einer  reinen  Gotteserkenntnis 

Dämonenlehre,  in  Einklang  ZU  bringen,  gibt  vor  allem  die  Ausbildung,  welche  die,  wie  bemerkt, 
auch  von  den  Stoikern  angenommene  Dämonenlehre  seit  dem  Ende  des  i.  Jahr- 
hunderts durch  die  Platoniker  erhielt,  und  die  für  die  religiöse  Richtung  dieser 
Zeit  in  hohem  Grade  charakteristisch  ist ').  Die  Vorstellung  von  diesem  » Zwischen- 
reich« der  Dämonen,  die  auf  alter  orphisch-pythagoreischer  Überlieferung  be- 
ruhte, entwickelte  sich  in  der  Art,  daß  die  Dämonen  den  gläubigen  Philosophen 
> überall  an  die  Stelle  der  Volksgötter  treten  konnten,  wo  von  den  letzteren 
solches  ausgesagt  wurde,  was  man  mit  dem  reinen  Gottesbegriff  unverträglich 
fand,  ohne  es  doch  darum  geradezu  leugnen  zu  wollen«  ^j. 

Obwohl  hier  der  Phantasie  der  weiteste  Spielraum  gegeben  war,  stimmen  die 
Platoniker  des  2.  Jahrhunderts  in  allen  wesentlichen  Punkten  der  von  ihnen  mit 
Vorliebe  behandelten  Dämonenlehre  völlig  überein ;  offenbar  hatte  diese  bereits 
in  den  gläubigen  Kreisen  der  gebildeten  Welt  eine  Art  von  dogmatischer  Gel- 
Plutarch.  tung  gewonnen.  Plutarch^)  sagt:  diejenigen,  die  entdeckt  haben,  daß  ein  Ge- 
schlecht von  Dämonen  zwischen  Menschen  und  Göttern  in  der  Mitte  steht  und 
beide  miteinander  verbindet  und  im  Zusammenhange  erhält  (mag  nun  diese 
Lehre  aus  der  Schule  Zoroasters,  von  Orpheus,  aus  Ägypten  oder  Phrygien 
stammen),  haben  mehr  und  größere  Schwierigkeiten  gelöst  als  Plato  durch 
seine  Theorie  von  der  Materie'*).  Nach  seiner  Ansicht  konnten  die  drei  unteren 
Gattungen  der  Vernunftwesen  durch  Vervollkommnung  jede  zu  der  nächst 
höheren  und  zuletzt  zu  der  höchsten  aufsteigen  :"die  besseren  Menschenseelen 
konnten  Heroen,  diese  Dämonen  und  einzelne  der  letzteren  (wie  Isis  und  Osiris) 
Götter  werden^).  Denn  von  den  in  dreifacher  Ordnung  die  Vorsehung  übenden 
Gewalten  nehmen  die  Dämonen  den  untersten  Rang  ein.  Die  höchste  Gewalt 
ist  der  Geist  und  Wille  der  Urgottheit,  Schöpfer  und  Ordner  des  Weltganzen 
von  Anbeginn,  nächst  ihm  lenken  die  himmlischen  Götter  die  menschlichen 
Dinge  im  großen  und  ganzen,  zuletzt  die  Dämonen  »als  Wächter  und  Aufseher« 
im  Einzelnen^).  Abweichend  von  andern  Piatonikern  hält  Plutarch  die  Dämonen 
nicht  für  notwendig  unsterblich;  ohne  den  geringsten  Zweifel  und  als  Erlebnis 
eines  glaubwürdigen  Manns  erzählt  er,  wie  die  Kunde  von  dem  Tode  des  großen 
Pan  von  seinen  Mitdämonen  mit  lautem  Wehklagen  aufgenommen  worden  sei; 
die  Hofphilologen  des  Tiberius  hatten  sich  dahin  geäußert,  dies  sei  Pan  der 
Sohn  des  Hermes  und  der  Penelope  gewesen^;.  Die  Dämonen  sind  für  Lust 
und  Unlust  empfänglich  und  auch  dem  Bösen  zugänglich:  auf  sie  beziehen  sich 
die  Überlieferungen  von  Entführungen,  Umherirren,  Verstecktsein,  Verban- 
nungen und  Sklavendiensten  von  Göttern;  alles  dies  und  ähnliches,  wie  die 
Leiden  der  Isis  und  des  Osiris,  sind  nicht  Schicksale  von  Göttern,  sondern  von 


I)  Über  die  Entwickelung  der  griechischen  Dämonenlehre,  die  verschiedenen  Auffassungen  des 
Begriffes  6ai,uuuv  und  die  Bedeutung  des  Posidonius  für  Ausgestaltung  und  Verbreitung  dieser 
Lehre  vgl.  R.  Heinze,  Xenokrates  '1892I  S.  78  fr.  F.  Andres,  Die  Engellehre  der  griech.  Apologeten 
des  zweiten  Jahrhunderts  (1914)  S.  loi  ff.  2)  Zeller  III  2*  S.  154.  3)  ebd.  S.  I93f.  4)  Plutarch. 
de  def.  orac.  10.  5)  Plut.  de  Is.  et  Osir.  30.  6]  Plut.  de  fato  9.  7)  Flu*,  de  def.  orac.  17; 

vgl.  zu  dieser  Geschichte  G.  A.  Gerhard,  Sitz.Ber.  d.  Heidelb.  Akad.  191 5  Abb.  5;  Wiener  Studien 

xxxvn  1915  s.  323  ff.  XXXVIII 1916  s.  343  ff. 


^IV.  130,  131] 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


Dämonen").  Diese  sind  mit  den  Namen  der  Götter,  denen  sie  beigesellt  sind 
und  von  denen  sie  Macht  und  Ehre  haben,  benannt  und  so  mit  ihnen  verwech- 
selt worden,  einige  haben  jedoch  ihre  wahren  Namen  behalten 'j.  Die  bösen 
und  furchtbaren  Dämonen  erfreuen  sich  an  düsteren,  trauervollen  Kulten,  und 
wenn  ihnen  diese  zuteil  werden,  wenden  sie  sich  zu  nichts  Schlimmerem';  die 
guten  und  freundlichen  tragen  (wie  schon  Plato  lehrte]  als  Boten  und  Dol- 
metscher die  Gebete  und  Wünsche  der  Menschen  zu  den  Göttern  aufwärts  und 
die  Orakel  und  Gaben  des  Guten  herab ^j.  Oft  also  steigen  die  Dämonen  aus 
der  Region  des  Monds  nieder,  um  die  Orakel  zu  verwalten,  an  den  höchsten 
Mysterien  mitfeiernd  teilzunehmen,  Frevel  zu  bestrafen,  in  Krieg  und  Seegefahr 
Rettung  zu  bringen:  lassen  sie  sich  hierbei  durch  Zorn,  ungerechte  Gunst  oder 
Neid  bestimmen,  so  büßen  sie  dafür,  indem  sie  wieder  zur  Erde  herabgestürzt 
und  in  Menschenleiber  geschleudert  werden*). 

Ganz  in  demselben  Sinne  stellen  Apulejus  und  Maximus  von  Tyrus  die  Da-  Apulejus. 
monen  als  Vermittler  zwischen  der  Götter-  und  Menschenwelt  dar.  Nach  dem 
ersten 5)  sind  ihre  Leiber  weder  von  irdischer  noch  rein  ätherischer  Natur 
sondern  halten  zwischen  beiden  die  Mitte.  Deshalb  werden  sie  den  Menschen 
nur  ausnahmsweise  und  nach  eigenem  Willen  sichtbar,  wie  die  homerische 
Athena  dem  Achill.  Diese  Dämonen  lassen  die  Dichter,  keineswegs  der  Wahr- 
heit zuwider,  Menschen  lieben  und  hassen,  begünstigen  und  schädigen,  daher 
auch  Mitleid,  Unwillen,  Angst  und  Freude  fühlen,  überhaupt  durchaus  mensch- 
lich empfinden,  was  alles  mit  der  ewig  unveränderlichen  Ruhe  der  Himmels- 
götter unvereinbar  ist.  Auf  der  verschiedenartigen  Empfänglichkeit  der  Dämo- 
nen für  sinnliche  Eindrücke  beruht  nach  Apulejus  auch  die  Verschiedenheit 
der  Kulte  und  Opfer.  Je  nach  ihrer  Natur  erfreuen  sie  sich  an  täglichen  oder 
nächtlichen,  öffentlichen  oder  geheimen,  heiteren  oder  düsteren  Opfern  und 
Gebräuchen:  so  die  ägyptischen  an  Klagegesängen,  die  griechischen  an  Tänzen, 
die  barbarischen  an  rauschender  Musik.  Daher  also  die  große  Mannigfaltigkeit 
in  den  Formen  der  Götterdienste  in  verschiednen  Ländern :  die  Prozessionen 
Mysterien,  Handlungen  der  Priester,  Gebete  der  Opfernden,  Götterbilder  und 
-attribute,  Lage  und  Gebräuche  der  Tempel,  Blut  und  P^arbe  der  Opfertiere  — 
alles  dies  hat  seine  Gültigkeit  je  nach  dem  Gebrauch  eines  jeden  Orts,  und  oft 
erfahren  wir  durch  Träume,  Prophezeiungen  und  Orakel,  daß  die  Gottheiten 
(d.  h.  Dämonen)  zürnen,  wenn  in  ihrem  Dienst  aus  Nachlässigkeit  oder  Hoch- 
mut etwas  versäumt  wird. 

Mit  Ausnahme  sehr  weniger  Gottesleugner,  sagt  Maximus  von  Tyrus^),  stimmt  Maximus 
die  ganze  Menschheit  in  dem  Glauben  an  einen  Gott,  den  König  und  Vater  aller  ^'°"  Ty™s. 
und  an  viele  Götter,  seine  Kinder  und  Mitherrscher,  überein:  diese  letzten  sind 
nicht  dreißigtausend,  wie  Hesiod  sagt,  sondern  zahllose,  teils  im  Himmel  die 
Naturen  der  Gestirne,  teils  im  Äther  die  Existenzen  der  Dämonen.  Teils  sicht- 
bar, teils  unsichtbar  nehmen  diese  göttlichen  Weren  an  der  Herrschaft  des  höch- 
sten Gottes  teil;  die  ihm  verwandtesten  scharen  sich  gleichsam  als  seine  Tisch- 


i)  Plutarch.  de  def.  orac.  15 ;  de  Is.  et  Osir.  25.  2)  Plutarch.  de  def.  orac.  21.  3)  Plut.  de  Is.  et 
Osir.  26  (Plato  Conviv.  p.  202  E).  4)  Plut.  de  fac.  in  orbe  lunae  ^o.  5)  Apulei.  De  deo  Socratis 
II  — 13.     6;  Max.  Tyr.  Diss.  11,  5.  11.  Zeller  III  2'*  S.  223  f. 


126  XIII.   Dlb:  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  132] 

und  Hausgenossen  um  seine  Pforten  und  dienen  ihm  als  Boten,  andre  sind 
Diener  dieser,  wieder  andre  noch  geringer.  So  bildet  eine  ununterbrochen  ab- 
gestufte Folge  von  übermenschlichen  Wesen  die  Verbindung  zwischen  Mensch- 
heit und  Gottheit,  und  die  Untergötter  (die  Dämonen)  vermitteln  gleichsam  als 
Dolmetscherzwischen  der  menschlichen  Schwäche  und  der  göttlichen  Herrlich- 
keit'). »Dies  sind  die,  welche  den  Menschen  erscheinen  und  zu  ihnen  reden 
und  mitten  unter  ihnen  verkehren  und  ihnen  die  Hilfe  leisten,  deren  die  mensch- 
liche Natur  von  den  Göttern  bedarf«.  »Sie  heilen  Krankheiten,  geben  ihnen  Rat 
in  der  Not,  verkünden  das  Verborgene,  sind  Helfer  bei  der  Arbeit,  Geleiter  auf 
dem  Wege;  die  einen  walten  in  den  Städten,  die  andern  auf  den  Fluren,  diese 
zu  Lande,  jene  auf  dem  Meere;  andre  als  Schutzgeister  einzelner  Menschen; 
die  einen  schrecklich,  die  andern  menschenfreundlich,  dem  bürgerlichen  Leben 
oder  dem  Kriege  zugewandt:  so  viele  Naturen  der  Menschen,  so  viele  gibt  es 
auch  der  Dämonen«.  Zu  ihnen  gehören  namentlich  die  vom  Leibe  geschie- 
denen Menschenseelen,  die  ihre  irdischen  Neigungen  und  Beschäftigungen  auch 
in  jenem  höheren  Dasein  nicht  aufgeben  wollen:  so  übt  Asklepios  noch  immer 
die  Heilkunde,  verrichtet  Herakles  Täten  der  Kraft,  Dionysos  schwärmt,  Amphi- 
lochus  prophezeit,  die  Dioskuren  fahren  zur  See,  Minos  richtet,  Achilles  waffnet 
sich^).  Maximus  versichert,  daß  er  die  Dioskuren  selbst  gesehen  habe,  wie  sie 
als  leuchtende  Sterne  ein  vom  Sturm  bedrängtes  Schiff  lenkten,  und  Asklepios 
nicht  im  Traume,  sondern  im  Wachen.  Daß  Gegner  des  Christentums,  wie  der 
Platoniker  Celsus,  zwischen  den  Dämonen  und  den  Engeln  des  christlichen  und 
jüdischen  Glaubens  keinen  Unterschied  finden  wollten,  wird  man  hiernach  völlig 
begreiflich  finden^). 

So  gewährte  also  die  Dämonenlehre  den  Frommen  die  Möglichkeit,  den 
Volksglauben  im  weitesten  Umfange  festzuhalten,  ohne  mit  den  Forderungen 

,  der  Vernunft  in  Widerspruch  zu  geraten,  und  zwar  im  buchstäblichen  Sinne 

festzuhalten,  ohne  jene  (für  Starkgläubige  gewiß  bedenklichen)  gewaltsamen 
und  künstlichen  allegorischen  Deutungen,  deren  sich  der  Stoizismus  bediente: 
und  auf  diesem  Umwege  kehrte  ein  großer  Teil  der  gebildeten  Welt  wieder  zu 
jenen  scheinbar  durch  die  Kritik  für  immer  beseitigten  »Legenden  und  Wunder- 
geschichten« zurück,  deren  nach  Strabos  Meinung  nur  die  Massen  und  das 
weibliche  Geschlecht  bedurften.  Daß  eine  solche  Vermittlung  der  Volksreligion 
mit  einer  vernunftgemäßeren  Gotteslehre  gesucht  und  gefunden  wurde,  setzt, 
wie  gesagt,  eine  gerade  unter  den  philosophisch  Gebildeten  weit  verbreitete, 
unzerstörbare  Anhänglichkeit  an  die  alten  Götter  voraus,  eine  tiefe  Sehnsucht, 
in  dem  positiven  Glauben  der  Vorzeit  eine  Befriedigung  zu  finden,  den  keine 
noch  so  erhabene  Abstraktion  gewähren  konnte. 

Gesamteindruck       Der  Gesamteindruck  der  griechischen  und  römischen  Literatur  des  2.  Jahr- 
der  roraischeii  Hunderts,  in  der  sich  auch  die  religiösen  Zustände  der  damaligen  gebildeten 

und       griecni-  '  "  00 

sehen  Literatur  Welt  spiegeln,  bestätigt  dies  durchaus.    Unter  den  römischen  Schriftstellern 

des  2.  Jahrhun- 

dertä. 

l)  Max.  Tyr.  Diss.  8,  8.  2)  ebd.  9,  6.  7.  An  Seelen  guter  Menschen  als  Schutzgeister  glaubte 
auch  Walter  Scott:  Eberty,  Leben  W.  Scotts  11  149 f.  3)  Orig  c.  Cels.  V  4f  Philo  De  gigant.  6: 
ovc,  äWoi  qpiXööoqpoi  5a()Liova(;,  dffeXou^  Mijuafi(;  eiujöev  övo^diZietv  hjuxoi  ö*  eioi  Kaxä  töv 
ctepa  n€T6^ieva^. 


riv.  133]  I.  DER  GÖTTERGLAÜBE  127 

dürften  Juvenar)  und  der  jüngere  Plinius^)  wie  überhaupt,  so  namentlich  in  ihren 
religiösen  Anschauungen  der  stoischen  Lehre  am  nächsten  gestanden  haben, 
wofür  bei  Plinius  auch  ein  sehr  starker  Glaube  an  Träume  und  Vorbedeutungen 
spricht.  Von  beiden  wissen  wir  überdies,  daß  sie  sich  am  Kultus  beteiligten: 
Juvenal  hat  wahrscheinlich  der  in  seiner  Vaterstadt  Aquinum  verehrten  Ceres 
(Helvina)  zur  Lösung  eines  Gelübdes  eine  Widmung  dargebracht^),  Plinius  zwei 
Tempel  bauen  lassen'').  Tacitus  hat  mit  schweren  Zweifeln  gerungen,  ohne 
doch  (wie  bemerkt)  durch  sie  dem  positiven  Glauben  völlig  entfremdet  zu  wer- 
den. Suetons  kindischer  Vorbedeutungs-  und  Wunderglaube  läßt  über  die 
Festigkeit  seines  Götterglaubens  kaum  einen  Zweifel.  Bei  Gellius  ist  nach  seiner 
ganzen  Geistesrichtung  und  nach  der  seiner  Lehrer  in  Griechenland  ein  streng 
konservatives  Festhalten  an  der  Tradition  auch  im  Glauben  mindestens  als 
wahrscheinlich  vorauszusetzen^);  bei  Fronto,  der  während  einer  Krankheit  der 
Faustina  an  jedem  Morgen  zu  den  Göttern  betete^)  und  von  ihnen  Eingebungen 
in  Träumen  zur  Heilung  von  der  Gicht  erbat  und  erhielt,  sogar  gewiß.  Die 
Betrachtungen  Marc  Aureis  atmen  den  Geist  echter  Frömmigkeit,  die  Schriften 
des  Apulejus  durchweht  eine  mystische  Glaubensseligkeit,  Aelian  suchte  für 
seine  mit  leidenschaftlichem  Hasse  gegen  den  Unglauben  gepaarte  wunder- 
süchtige Strenggläubigkeit  auch  durch  eigne  Werke  Propaganda  zu  machen. 

Aber  weit  mehr  als  die  römische  trägt  die  griechische  Literatur  des  2.  Jahr- 
hunderts den  Stempel  einer  Periode,  deren  geistige  Zustände  durch  ein  neu  er- 
wachtes religiöses  Leben  ganz  eigentlich  ihre  Signatur  erhielten.  Mit  Ausnahme 
Lucians  steht  von  den  griechischen  Schriftstellern  dieser  Zeit  nur  Galen  mit 
seinem  an  stoische  Vorstellungen  sich  anlehnenden  Pantheismus')  dem  Volks- 
glauben ganz  fern;  die  Liebe,  sagt  er  z.  B.,  sei  eine  rein  menschliche  Afifektion 
und  werde  nicht  etwa  von  einem  kleinen  jugendlichen  Dämon  mit  brennenden 
Fackeln  bewirkt^).  Viel  näher  steht  schon  dem  Volksglauben  Dio  von  Prusa 
mit  seinem  zweifellosen  Glauben  an  die  Gottheit  (wie  es  scheint,  auch  an  Einzel- 
götter) und  eine  durch  sie  geübte  Vorsehung;  er  war  sogar  überzeugt,  daß  die, 
welche  über  die  göttlichen  Dinge  verwerfliche  Meinungen  hegen,  notwendig 
ruchlos  sein  müssen^).  Auch  Epictets  Pantheismus  nahm  den  Polytheismus  in 
sich  auf '°),  und  ebenso  scheinen  sich  die  religiösen  Anschauungen  seines  Schülers 
Arrian  an  die  Volksreligion  angeschlossen  zu  haben").  Alle  übrigen  stehen  auf 
dem  Boden  eines  ganz  positiven  Götterglaubens,  wie  verschieden  er  sich  auch 
in  der  Auffassung  jedes  Einzelnen  gestaltete.  Plutarch  hielt  es  nicht  für  ratsam, 
nach  Gründen  des  Glaubens  an  die  Götter  zu  forschen;  der  alte  und  von  den 
Vätern  ererbte  Glaube  sei  hinreichend  als  Grundlage  für  die  Frömmigkeit; 
werde  er  irgendwo  erschüttert  und  ins  Schwanken  gebracht,  so  sei  sein  fester 

i)  Vgl.  besonders  Juv.  10,  346ff.  15,  106:  melius  nos  Zenonis  praccepta  monent.  2)  Plin.  ep. 
VII  26,  I  sagt,  daß  Krankheit  den  Menschen  besser  macht :  tunc  deos,  tunc  hominem  esse  se  meminit. 
3)  CIL  X  5382  =  Dessau  2926.  Vgl.  auch  Juv.  12,  87  f.  4)  Oben  I  125  f.  5)  Vgl.  Gell.  Praef.  23 
dtum  voluntate,  24  diis  betie  iuvantibus.  6)  Fronto  ad  M.  Caes.  V  25  p.  83;  ad  Ver.  II  6  p.  133  N. 
7)  Zeller  III  1 4  S.  859.  8)  Galen.  XVIII  B  19.  9)  Dio  Chrys.  or.  22,  8  (II  45f.  Arn.).  Zeller 
III  !■♦  S.  851.  V.  Arnim,  Leben  und  Werke  des  Dio  v.  Prusa  S.  477.  to)  Zeller  III  i"*  S.  772. 
11)  Arrian.  Peripl.  Pont.  Euxin.  23,  3  fügt,  nachdem  er  erzählt  hat,  Achill  sei  den  Seefahrern  bei 
seiner  Insel  hilfreich,  wie  die  Dioskuren  überall,  hinzu  KUi  )noi  ÖOKei  ouK  üiriaTa  elvai. 


128 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[YV.  134,  13  5  J 


Bestand  ganz  und  gar  in  Frage  gestellt^).  Auch  hatte  sein  Wunderglaube  kaum 
eine  Grenze,  wenn  er  gleich  vor  einem  Übermaße  der  Leichtgläubigkeit  warnt 
und  Wunder  wie  das  Schwitzen,  Seufzen,  Blutvergießen  von  Götterbildern  so- 
wie ihr  Reden  mit  menschlicher  Stimme  halb  rationalistisch  zu  erklären  versucht. 
Doch  sagt  er,  die  göttliche  Natur  sei  von  der  menschlichen  so  völlig  verschieden, 
daß  es  nicht  irrationell  sei,  ihr  die  Vollbringung  des  für  Menschen  Unmöglichen 
zuzutrauen^).  Die,  wenn  auch  mit  Bewußtsein  erstrebte  und  künstlich  festge- 
haltene, doch  sicher  aufrichtige  Schlicht-  und  Altgläubigkeit  des  Pausanias,  der 
unerschütterliche  Wunderglaube  des  Artemidor,  der  krasse  Supranaturalismus 
des  Maximus  vonTyrus,  die  bis  zur  Grenze  des  religiösen  Wahnsinns  gesteigerte 
Schwärmerei  des  Aristides  —  alle  diese  religiösen  Richtungen  kommen  überein 
in  dem  Glauben  an  eine  durch  zahlreiche  Einzelgötter  wunderbar  geübte  Vor- 
sehung. Und  nur  eine  weite  Verbreitung  eines  blinden  Glaubens  und  kindischer 
Lucian.  Supcrstition  konnte  die  religionsfeindliche  Schriftstellerei  eines  Lucian  ins  Leben 
rufen,  deren  unermüdliche,  immer  wiederholte  Angriffe  doch  gewiß  nicht  für 
ein  Fechten  mit  Schatten  gehalten  werden  können.  Noch  weniger  darf  man 
daraus,  daß  Lucian  keine  Verfolgung  erlitt,  auf  allgemeine  Gleichgültigkeit 
o-egen  die  von  ihm  verspottete  Religion  schließen.  Wenn  sein  Spott  auch  ohne 
Zweifel  das  religiöse  Gefühl  der  Gläubigen  aufs  tiefste  verletzte,  so  konnte  er 
doch  selbst  ihnen  nicht  so  verdammenswert  erscheinen,  wie  die  Verspottung 
einer  auf  Offenbarung  beruhenden  Religion  deren  Gläubigen  erscheinen  muß: 
und  im  Heidentum  gab  es  nicht  bloß  keine  Dogmen,  sondern  auch  keine  Kirche, 
die  zum  Schutz  des  gefährdeten  Glaubens  hätte  gegen  dessen  Angreifer  ein- 
schreiten können,  Parnys  Götterkrieg,  der  in  zynischer  Verhöhnung  des  Heilig- 
sten Lucians  Göttergespräche  ebenso  weit  übertrifft  wie  an  Witz,  ist  allerdings 
vor  der  Restauration  des  Katholizismus  in  Frankreich  erschienen  (1799);  aber 
auch  später  ist  kein  Versuch  zu  seiner  Unterdrückung  gemacht  worden,  sein 
Verfasser  wurde  (1803)  Mitglied  der  französischen  Akademie  und  ist  gestorben 
(18 14),  ohne  eine  Verfolgung  erlitten  zu  haben. 
Die  Kaiser  des  Auch  die  Kaiser  des  2.  Jahrhunderts  haben  sichtbar  unter  dem  Einfluß  der 
2.  Jahrhunderts,  herrschenden  geistigen  Strömung  gestanden  und  sie  dann  auch  ihrerseits  durch 
ihr  Beispiel  sowie  durch  ihre  eifrige  Fürsorge  für  den  Kultus  gefördert.  Von 
Trajan  rühmt  Plinius,  daß  er  nicht  wie  Domitian  beanspruchte,  gleich  einem 
Gotte  geehrt  zu  werden,  daß  er  die  Tempel  der  Götter  nur  betrat,  um  sie  anzu- 
beten ^J.  Hadrian  bewies  einen  auch  nach  den  hochgespannten  Ansprüchen 
des  Pausanias  sehr  großen  Eifer  in  der  Verehrung  der  Götter"*).  Antoninus  Pius 
ließ  niemals  ein  Opfer  durch  einen  Stellvertreter  vollbringen,  außer  wenn  er 
krank  war^),  und  ein  ihm  im  Jahre  143  von  Volk  und  Senat  gesetztes  Denkmal 


l)  Plutarch.  Amator.  13  (wo  mit  Volkmanu  statt  emOcpaXri?  Y'veTOi  Traai  zu  lesen  ist  iräcra). 
Über  Plutarchs  Stellung  zur  Volksreligion  R.  Hirzel,  Plutarch  (1912)  S.  9  ff.  2)  Plutarch.  Camill. 
6,  3 ff.;  Coriolau.  38,  vgl.  Marcell.  5,  6.  Vgl.  auch  Herodian.  TT.  |UOV.  \el.  praef.  p.  13  Lehrs.:  Ktti 
TTpüüTo^  rmlv  öeo^  irapeaTuu.  biKöiov  y«P  fiiiv  äpxi'iv  dir'  aÜToO  TTOiriaaGeai,  ibc,  Kai  6  ZoXeüc; 
dpXÖlLievoq  eqpiT  ek  Axbc,  äpxibpLeoQa.  3)  Plin.  paneg.  52,  2.  4)  Pausan.  I  5,  5.  Ammian. 
XXV  4,  i"] :  praesagiortitn  sciscitationi  nimiae  deditus  (Julian),  nt  aeqiiiperare  videretiir  in  hac parte 
principem  Hadriamim.  5,  Hist.  aug.  Antonin.  P.  11,  5.  Pausan.  VIII  43,  5:  toOtov  Euoeßn  tÖv 
ßaaiXea  CKaXeoav  oi  Tuj|aaioi,  bioxi  e^  tö  Geiov  Ti.ufj  |uct\iaTa  eqpaivero  xpti)Mevo(;. 


[IV.  136]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  129 

ist  ihm  »wegen  seiner  ungemeinen  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  inbezug  auf 
die  Gebräuche  der  Staatsreligion«  gewidmet").  Marc  Aurel  strebte  in  allem, 
sich  als  Schüler  seines  Vorgängers  zu  bewähren,  namentlich  aber  sollte  dieser 
in  seiner  Frömmigkeit  ohne  Aberglauben  sein  Vorbild  sein,  damit  er  in  seine 
letzte  Stunde  mit  ebenso  ruhigem  Gewissen  eintreten  könne').  Er  selbst,  der  in 
einer  Welt  ohne  Götter  nicht  leben  wollte,  scheint  die  Götter  aller  Nationen  als 
gleich  mächtig  und  gleich  sehr  der  Verehrung  würdig  anerkannt  zu  haben. 
Beim  Ausbruche  des  Markomanenkriegs  ließ  er  Priester  aus  allen  Ländern  nach 
Rom  kommen  und  fremde  Gebräuche  vollziehen^)  und  während  des  Kriegs 
einmal  auf  Veranlassung  eines  Orakels  des  Alexander  von  Abonuteichos  zwei 
Löwen  lebendig  in  die  Donau  werfen'*).  Im  Darbringen  von  Opfern  war  er  so 
verschwenderisch,  daß  man  einen  Brief  der  weißen  Rinder  an  ihn  zirkulieren 
ließ:  »Wenn  du  siegst,  sind  wir  verloren«^). 

Die  Natur  des  im  2.  Jahrhundert  neu  erwachten  religiösen  Lebens  muß  hier  Charakteriäti- 
durch  einige  für  dasselbe  besonders  charakteristische  Erscheinungen  veran-  ^^^^  Erschc:- 
schaulicht  werden,  welche  zugleich  wohl  die  höchsten  von  der  Steigerung  der  erwachten^eU- 
Glaubensstärke  erreichten  Grade  erkennen  lassen^).    Der  Pränestiner  Claudius  giösen  Lebens. 
Aelianus  verfaßte  an  der  Grenze  des  2.  und  3.  Jahrhunderts  in  griechischer  i^tolera°n ^f  ^"^ 
Sprache  zwei  Werke,  von  der  Vorsehung  und  von  göttlichen  Erscheinungen,   Aelianus. 
deren  Tendenz  wir  aus  zahlreichen  Fragmenten  kennen.   Er  führte  den  Beweis, 
»daß  die  unverständiger  sind  als  Kinder,  welche  sagen,  daß  hienieden  die  Gott- 
heit nicht  die  Vorsehung  übe«''),  durch  Erzählungen  zahlreicher  Wunder,  Orakel 
und  andrer  unmittelbarer  Offenbarungen  der  göttlichen  Macht,  hauptsächlich 
wunderbarer  Belohnungen  von  Frommen  und  Gläubigen  und  wunderbarer  und 
schrecklicher  Bestrafungen  von  Gottesleugnern  und  Ungläubigen.   Bei  diesen 
Erzählungen  fehlt  es  nicht  an  Apostrophen  an  die  Religionsverächter,  wie  z.  B. : 
»Was  sagt  ihr  zu  diesem,  ihr,  die  ihr  meint,  daß  die  Vorsehung  blind  umher- 
tappe oder  nur  eine  Fabel  sei?«^),  sowie  an  Äußerungen  des  Mitleids  und  Ver- 
wünschungen gegen  die  glaubensfeindlichen  Philosophen:   »O  ihr  Xenophanes 
und  Diagoras  und  Hippo  und  Epikuros  und  ihresgleichen,  und  die  ganze  übrige 
Zahl  der  unglückseligen  und  gottverhaßten  Männer,  fort  mit  euch!«^) 

Die  süßliche  und  salbungsvolle  Sprache  affektiert  die  fromme  Einfalt  einer 
guten  alten  Zeit,  einige  Proben  werden  eine  hinreichende  Vorstellung  geben. 
Ein  Mann  Euphronios  war  ein  unglückseliger  Mann  und  hatte  Freude  an  dem 
Geschwätz  des  Epikuros,  und  aus  selbigem  zog  er  sich  zwei  Übel  zu,  gottlos 
und  ruchlos  zu  sein.  Dieser  Mann  verfiel  in  eine  Krankheit,  und  von  derselben 
(Lungensucht  nennen  sie  die  Söhne  der  Asklepiaden)  arg  gequält,  verlangte  er 
anfangs  nach  der  ärztlichen  Kunst  der  Menschen  und  suchte  bei  dieser  Hilfe. 
Aber  das  Siechtum  war  gewaltiger  als  die  Kunst  der  Ärzte.  Als  er  nun  bereits 
das  Äußerste  befürchtete,  bringen  ihn  seine  Angehörigen  in  den  Tempel  des 

i)  CIL  VI  1001  =  Dessau  341.  2)  Marc.  Aurel.  Comment.  VI  30.  3)  Hist.  aug.  M.  Aurel.  13,  i. 
4)  Lucian.  Alexand.  48.  5)  Ammian.  XXV  4,  17.  6)  Als  Vertreter  eines  stark  zur  Schau  ge- 
tragenen Gottesglaubens  (mit  besonderer  Beziehung  auf  den  Gott  seiner  Heimat)  muß  auch  der 
zwischen  220  und  250  schreibende  (Münscher,  Real-Encykl.  VIII  20Ö".)  Verfasser  des  Aethiopen- 
romans,  Heliodorus  von  Emesa,  genannt  werden;  vgl.  Rohde,  Griech.  Roman^  S.  462 ff.  7)  Aelian. 
fr.  29  Hercher.       8)  ebd.  fr.  31.        9)  ebd.  fr.  33. 

Friedla  ender,  Darstellungen.  III.     9.  Aufl.  q 


I30  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  137] 

Asklepios.  Und  da  er  eingeschlafen  war,  dünkte  ihm,  daß  einer  der  Priester 
zu  ihm  sage,  für  den  Mann  gebe  es  nur  einen  Weg  des  Heils  und  ein  Mittel  für 
die  ihn  bedrängenden  Übel,  wenn  er  die  Bücher  des  Epikuros  verbrenne  und 
die  Asche  dieser  gottlosen,  frevelnden  und  weibischen  Bücher  mit  feuchtem 
Wachse  knete,  damit  seinen  Bauch  und  seine  Brust  bestreiche  und  alles  mit 
Binden  umwickle.  Er  aber  bekannte  alles,  was  er  vernommen,  seinen  Nächsten, 
und  jene  waren  sogleich  großer  Freude  voll,  daß  er  nicht  als  ein  Verschmähter 
und  Verachteter  von  dem  Gotte  sei  verstoßen  worden.  So  wurde  der  Gottes- 
leugner bekehrt  und  fortan  ein  Muster  der  Frömmiigkeit  für  andre').  Wunder- 
bare Heilungen  sowohl  von  Frommen  als  von  Gottlosen,  die  sich  dann  besserten, 
waren  in  diesem  Buch  in  großer  Anzahl  erzählt,  und  erbauliche  Betrachtungen 
daran  geknüpft  wie  folgende:  »Aristarchos  von  Tegea,  der  Tragödiendichter, 
verfiel  in  eine  Krankheit,  und  Asklepios  heilte  ihn  und  befahl  ihm,  ein  Dank- 
opfer für  seine  Genesung  zu  bringen,  und  der  Dichter  brachte  dem  Gotte  das 
nach  ihm  benannte  Schauspiel  dar.  Wie  könnte  es  aber  geschehen,  daß  die 
Götter  für  die  Gesundheit  einen  Lohn  verlangten  und  annähmen?  da  sie  uns  ja 
doch  das  Größte  mit  menschenliebendem  und  gütigem  Sinne  umsonst  gewähren, 
die  Sonne  zu  schauen  und  an  dem  allgenügenden  Glanz  eines  so  großen  Gottes 
ohne  Entgelt  teil  zu  haben,  und  den  Gebrauch  des  Wassers  und  die  unzähligen 
Hervorbringungen  und  mannigfaltigen  Hilfen  des  uns  bei  der  Arbeit  fördernden 
Feuers,  und  aus  der  Luft  Nahrung  für  unser  Leben  in  uns  zu  ziehen?  Sie  wollen 
also  nur,  daß  wir  auch  in  jenen  geringeren  Dingen  nicht  undankbar  und  un- 
eingedenk  seien,  und  machen  uns  auch  dadurch  besser«^). 

Bis  zu  welchem  Grade  kindischer  Albernheit  sich  die  Wundersucht  dieser 
Glaubensrichtung  verirren  konnte,  mag  folgende  Geschichte  von  einem  tanagrä- 
ischen  Kampf hahne  zeigen,  der  an  einem  Fuße  verletzt  war.  »Der  Hahn,  wie 
mich  dünkt,  auf  einen  von  Asklepios  erhaltenen  Antrieb,  hüpfte  auf  einem  Beine 
vor  den  Herrn,  und  da  in  der  Frühe  dem  Gotte  ein  Lobgesang  gesungen  wurde, 
stellte  er  sich  in  die  Reihe  der  Sänger,  als  wäre  ihm  von  dem  Leiter  des  Chors 
seine  Stelle  angewiesen,  und  versuchte,  so  gut  er  vermochte,  sein  Vogellied 
mitzusingen,  harmonisch  in  den  Gesang  der  andern  einstimmend.  Auf  einem 
Beine  aber  stehend,  streckte  er  das  beschädigte  und  verstümmelte  vor,  als  wollte 
er  bezeugen  und  angeben,  was  er  erduldet  hatte.  So  sang  er  seinem  Heilande, 
wie  er  es  mit  der  Kraft  seiner  Stimme  vermochte,  und  flehte,  ihm  den  Gebrauch 
seines  Fußes  wiederzugeben«.  Nach  einer  Offenbarung  des  Gottes  wurde  er 
dann  geheilt,  »und  mit  den  Flügeln  schlagend  und  weit  ausschreitend  und 
den  Hals  aufrichtend  und  den  Kamm  schüttelnd  wie  ein  stolzer  Krieger,  be- 
kundete er  das  Walten  der  Vorsehung  über  den  unvernünftigen  Kreaturen*  ^). 
Den  Erzählungen  von  dem  Heil,  das  der  Glaube  brachte,  standen  (wie  gesagt) 
Beispiele  von  den  schrecklichen  Folgen  des  Unglaubens  und  Frevels  gegen  die 
Götter  gegenüber:  wie  ein  Mann,  der  »mit  lüsternem  Auge«  die  Mysterien  an- 
sehen wollte,  ohne  eingeweiht  zu  sein,  auf  einen  Stein  stieg,  von  diesem  herab 
und  sich  zu  Tode  fiel*);  wie  ein  Unglücklicher,  dessen  Seele  von  Epikuros 
Lehre  entnervt  war,  in  den  heiligen  Raum  des  Tempels  zu  Eleusis  eindrang,  den 

I)  Aelian.  fr.  89.       2)  ebd.  fr.  loi.        3)  ebd.  fr.  98.       4)  ebd.  fr.  43. 


[IV.  138,  139]  I-  DKR  GÖTTERGLAUBE  131 

nur  der  Hierophant  betreten  durfte,  zur  Strafe  von  einer  furchtbaren  Krankheit 
befallen  wurde  und  gräßliche  Qualen  litt,  so  daß  er  danach  schmachtete,  seine 
verfluchte  Seele  vom  Leibe  losreißen  zu  können,  was  ihm  aber  erst  spät  zuteil 
wurde ^);  wie  Sulla  von  Würmern  (»andre  aber  sagen  nicht  von  diesen,  sondern 
von  Läusen«),  die  aus  seinem  Leibe  herausquollen,  langsam  aufgefressen  wurde, 
weil  er  den  Tempel  der  Athene  zu  Alalkomenä  zerstört  hatte "");  wie  ein  Bild- 
hauer »auf  den  Gewinn  schauend  und  blind  gegen  die  Frömmigkeit«  ein  Götter- 
bild schlechter  ausführte,  als  er  nach  der  erhaltnen  Bezahlung  gesollt  hatte, 
unansehnlich,  klein  und  aus  schlechtem  Marmor,  dann  aber  dafür  an  seinem 
Leibe  gestraft  wurde,  »und  dies  allen  ein  Beispiel  und  eine  Lehre  war,  solches 
nicht  zu  wagen  noch  dergleichen  Vorteil  zu  suchen«^),  usw. 

Von  demselben  Verfasser  haben  wir  eine  »Geschichte  der  Tiere«,  in  welcher 
i  die  instinktive  Sicherheit  und  Zweckmäßigkeit  der  niedern  Organismen  als  die 
reinere  Naturmanifestation  den  Menschen  als  moralisches  Gegenbild  vorgehal- 
ten wird«'*).  Die  Elefanten,  so  wird  z.  B.  hier  berichtet,  beten  die  Sonne  an, 
indem  sie  ihr  bei  ihrem  Aufgange  ihre  Rüssel  gleich  Händen  entgegenstrecken: 
die  Menschen  aber  zweifeln,  ob  es  Götter  gibt,  und  wenn  sie  existieren,  ob  sie 
für  uns  Sorge  tragen^).  Die  Mäuse  auf  einer  dem  Herakles  heiligen  Insel  im 
Schwarzen  Meer  berühren  dort  nichts,  was  ihm  geweiht  ist;  wenn  nun  die  zu 
seinen  Opfern  bestimmten  Trauben  reifen,  verlassen  sie  die  Insel,  um  der  Ver- 
suchung, sie  zu  benaschen,  zu  entgehen,  und  kehren  erst  nach  der  Weinlese 
zurück.  Hippo,  Diagoras,  Herostrat  und  die  übrigen  Götterfeinde  würden  freilich 
diese  Trauben  ebensowenig  schonen,  als  was  sonst  den  Göttern  geweiht  ist^). 
In  einem  andern  Buche  preist  Aelian  die  Barbaren,  welche  noch  nicht  durch 
Überkultur  dem  Glauben  entfremdet  sind  wie  die  Griechen:  bei  den  Indern, 
Kelten,  Ägyptern  gibt  es  keine  Zweifler  und  Gottesleugner  wie  Euhemerus, 
Epikur,  Diagoras  usw.^). 

Wenn  die  Schriften  Aelians  uns  mit  der  extremsten  und  starrsten,  in  der  Tat  Schwärmerei: 
zelotischen  heidnischen  Orthodoxie  bekannt  machen,  so  besitzen  wir  in  den  Aristides. 
Bekenntnissen  eines  Mannes,  der  von  Mitwelt  und  Nachwelt  zu  den  ersten 
geistigen  Größen  seiner  Zeit  gezählt  wurde,  des  Rhetors  P.  Aelius  Aristides, 
auch  ein  merkwürdiges  Zeugnis,  bis  zu  welchem  Grade  sich  damals  unter  be- 
sonderen Einflüssen  die  religiöse  Überspannung  steigern  konnte.  Aristides^), 
zu  Hadriani  in  Bithynien  ums  Jahr  120  geboren,  aus  einer  vornehmen  und  be- 
güterten Familie^),  Sohn  eines  Priesters  des  Zeus,  von  Jugend  auf  kränklich, 
ergab  sich  früh  mit  leidenschaftlichem  Eifer  den  Studien.  Die  nervöse  Reizbar- 
keit seiner  zarten  Natur  war  durch  ein  Übermaß  der  Anstrengung  wie  durch  die 

l)  Aelian.  fr.  10.  2)  ebd.  fr.  53.  3)  ebd.  fr.  62.  4)  Lehrs,  P.pp.  Aufs.^  S.  220.  Zur  Diskus- 
sion der  Frage  über  'Vernunft  oder  Instinkt'  der  Tiere  s.  namentlich  G.  Tappe,  De  Philonis  libro 
qui  inscribitur  'AXeSavöpoq  r\  trepi  tou  \6yov  eyeiv  xa  aXo^a  Zwa  Diss.  Göttingen  1912.  Dicker- 
man,  Transact.  of  the  Americ.  Philol.  Association  XLII   1912  S    I23ff.  5)  Hist.  an.  VII  44. 

6)  ebd.  VI  40.  7)  Var.  hist.  II  31,  8)  Welcker,  Kl.  Sehr.  III  89—156,  Über  Typisches  und 
Individuelles  in  der  Religiosität  des  Aristides  Weinreich,  N.  Jahrb.  f  klass.  Altert.  XXXIII  19 14 
S.  597  ff.  Über  die  Chronologie  am  besten  Ed.  Schwartz,  Christi,  u  jüdische  Ostertafeln  (Abhdl. 
Gesellsch.  d.  Wiss.  Götting.  N.  F.  VIII  6,  1905)  S.  130fr.  fanders  W.  Schmid,  Rhein.  Mus.  XLVIII 
1893  S.  52fr.;  Philologus  LVI  1898  S.  721fr.).  9)  Über  sein  Landgut  Aaveiov  an  der  großen 

Straße  von  Pergamum  nach  Cyzicus  vgl.  Th.  Wiegand,  Athen.  Mitteil.  XXIX  1904  S.  278  fr. 


132 


Xlll.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  140] 


von  dem  Berufeines  Sophisten  unzertrennlichen  Aufregungen  im  höchsten  Grade 
genährt  und  gesteigert,  einem  Berufe,  der  zugleich  wie  kein  andrer  geeignet 
war,  die  ihm  angeborenen  Eigenschaften  des  Ehrgeizes  und  der  Eitelkeit  aufs 
stärkste  auszubilden.  Im  J.  145  ergriff  ihn  eine  Krankheit,  mit  der  er  sich  zehn 
Jahre  schleppte,  und  über  die  er  in  den  nach  seiner  Genesung  (teilweise  erst 
20  Jahre  nach  dieser)  verfaßten  »heiligen  Redens  aufs  ausführlichste  berichtet 
hat.  In  dieser  Krankheit  entwickelte  sich  auch  seine  schwärmerische  Frömmig- 
keit, die  sich  je  länger  je  mehr  in  einer  immer  ausschließlicheren  Verehrung  des 
Heilgottes  Asklepios  befriedigte,  hinter  dessen  Bilde  ihm  die  übrigen  Götter 
mehr  und  mehr  zurücktraten.  Da  er,  um  Heilung  zu  finden,  jahrelang  in  den 
Tempeln  dieses  Gottes  und  mit  dessen  Priestern  verkehrte,  richteten  sich  all- 
mählich seine  Gedanken  im  Wachen  und  Träumen  auf  diesen  Mittelpunkt;  denn 
nach  dem  allgemeinen  Glauben  erteilte  der  Gott  den  Hilfesuchenden,  die  in 
seinem  Tempel  schliefen,  Rat  durch  Eingebungen  in  Träumen,  und  die  ganze 
Existenz  des  Aristides  drehte  sich  nun  um  seine  Träume,  die  ihm  der  Gott 
sämtlich  aufzuschreiben  befohlen  hatte.  Die  Erfüllung  dieses  Befehls  war  für 
ihn  eine  heilige  Pflicht,  und  er  diktierte,  wenn  er  zum  Schreiben  zu  schwach 
war^).  Selbstverständlich  befolgte  er  alle  Vorschriften,  die  er  in  Träumen  emp- 
fangen zu  haben  glaubte,  auch  die  unsinnigsten,  wodurch  er  wahrscheinlich  sei- 
nen Zustand  vielfach  verschlimmerte;  er  sagt  selbst,  daß  seine  Schwächlichkeit 
mit  dem  Fortgange  der  Zeit  immer  zugenommen  habe^).  Zuweilen  glaubte  er 
sich  in  einem  Mittelzustande  zwischen  Schlaf  und  Wachen  zu  befinden,  in  dem 
er  ein  körperliches  Gefühl  von  der  Nähe  des  Gottes  hatte,  seine  Haare  sich 
sträubten,  seine  Augen  sich  mit  Tränen  der  Wonne  füllten,  und  er  ein  stolzes 
Schwellen  des  Bewußtseins  empfand:  ein  Zustand,  den  niemand  zu  beschreiben 
vermöchte,  die  Eingeweihten  verstehen  und  kennen  es^).  Der  Gott  befahl  ihm 
unter  anderm  auch,  mitten  im  Winter  bei  Nordwind  und  Frost  im  Flusse  zu 
baden.  Doch  nach  dem  Bade  befand  er  sich  wunderbar  leicht  und  wohl  »in 
einer  gleichmäßigen,  nicht  wie  künstlich  bewirkten,  den  ganzen  Körper  kräfti- 
genden Wärme  —  es  war  eine  unaussprechliche  Wohlgemutheit,  worin  er  alles 
dem  gegenwärtigen  Augenblicke  nachsetzte  und  auch  sehend  nichts  andres  sah : 
so  ganz  war  er  bei  dem  Gott*'*).  So  unsäglich  seine  Leiden  waren,  so  achtete 
er  sie  doch  nicht  wegen  der  Ehre,  welcher  der  Gott  ihn  gewürdigt  hatte;  wer 
diese  ermesse,  werde  ihn  viel  mehr  beglückwünschen,  als  wegen  seiner  Leiden 
bedauern^). 

Wenn  auch  die  Schwärmerei  des  Aristides  im  innigsten  Zusammenhange  mit 
der  Überspannung  seines  Hochmuts  steht,  und  diese,  nicht  die  Versenkung  in 
das  Göttliche  ihre  Grundstimmung  ist,  so  erinnern  seine  Berichte  doch  in  mehr 
als  einer  Beziehung  an*^ekenntnisse  christlicher  Pietisten^),  sowohl  durch  die 
unaufhörliche  Selbstbeobachtung,  Selbststeigerung  und  Selbsttäuschung,  wie 
durch  das  Bewußtsein,  einer  besondern  Begnadigung  gewürdigt,  ein  Auserwähl- 
ter der  Gottheit  zu  sein,  und  die  notwendig  damit  verbundne  geistliche  Uber- 

I)  Aristid.  or.  48,  2  (II  395  K.).  2)  ebd.  70  (II  410  K.).  3)  ebd.  32  (II  401  f.  K.).  4)  ebd. 
23  (11  399  f.).  Wclcker  a.  a.  O.  S.  146.  5)  Aristid.  or.  48,  59  (11  407  f.).  6)  Noch  näher  liegt 
der  Vergleich  mit  den  ekstatischen  Konfessionen  der  Mystiker  alter  und  neuer  Zeit.  Weinreich 
a.  a.  O.  S.  601. 


[IV.  i4ij  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  133 

Hebung.  In  einem  Traume  sah  er  das  Bild  des  Gottes  mit  drei  Köpfen  und  von 
feuriger  Lohe  umgeben,  außer  den  Köpfen.  Allen  andern  Betern  winkte  der 
Gott  hinauszugehen,  ihn  hieß  er  bleiben.  Aristides  rief  entzückt:  Einziger!  den 
Gott  meinend.  Dieser  erwiderte:  Bist's!  >Dies  Wort,  o  Herr  Asklepios,  ist 
besser  als  das  ganze  menschliche  Leben,  geringer  als  dies  ist  die  ganze  Krank- 
heit, geringer  als  dies  aller  Dank,  dies  hat  gemacht,  daß  ich  ebensowohl  kann 
.  als  will«  ^].  >x'\uch  ich«,  sagt  er  an  einer  andern  Stelle,  »war  unter  denen,  wel- 
chen durch  die  Gnade  des  Gottes,  nicht  zweimal,  nein  vielmal  in  mannigfacher 
Gestalt  ein  neues  Leben  geschenkt  worden  war,  und  welche  die  Krankheit  des- 
halb für  heilsam  erachten.«  Für  das,  was  ihm  der  Gott  gewährt  hatte,  mochte 
er  nicht  die  ganze,  unter  Menschen  so  genannte  Glückseligkeit  eintauschen"^). 

Mit  der  Überzeugung,  einAuserwählter  zu  sein,  stand  bei  Aristides  in  Wechsel- 
wirkung der  Hang,  die  Hand  der  Gottheit  überall  zu  erkennen,  die  Sucht,  auch 
in  alltäglichen  Ereignissen  besondre  Fügungen  und  Wunder  zu  sehen.  Auf 
Schritt  und  Tritt  glaubte  er  von  dem  Gotte  geleitet  zu  werden,  fortwährend 
wird  er  von  ihm  gerufen,  geschickt,  zurückgehalten,  und  erhält  seine  Befehle, 
Aufträge  und  Verbote^).  Bei  dem  Erdbeben,  das  Smyrna  zerstörte,  war  es  der 
Gott,  wie  er  an  die  beiden  Kaiser  schrieb,  der  ihn  aus  der  Stadt  forttrieb  und 
an  einen  Ort  brachte,  wo  er  verschont  blieb'*).  Er  rettete  seine  alte  Amme 
Philumene,  die  Aristides  über  alles  liebte,  unzählige  Male  wider  Erwarten  und 
auch  aus  einer  Krankheit^).  Als  eine  andre  Philumene,  die  Tochter  seiner  Milch- 
schwester Kallityche,  starb,  offenbarte  ihm  ein  Traum,  daß  sie  ihre  Seele  und 
ihren  Leib  für  sein  Leben  hingegeben  habe.  Auch  deren  Bruder  Hermias  war 
»sozusagen  beinah  für  ihn  gestorben» ;  dieser,  der  liebste  seiner  Pfleglinge,  starb 
nämlich,  wie  Aristides  später  erfuhr,  an  demselben  Tage,  wo  er  (ein  Jahrzehnt  nach 
dem  Ende  der  lojährigen  Krankheit)  von  einem  Anfalle  der  großen  (durch  das 
Heer  des  Verus  in  den  Westen  eingeschleppten)^)  Epidemie  genas^).  »So  hatte 
ich  die  Zeit  bis  dahin  als  Geschenk  von  den  Göttern  und  erhielt  hierauf  unter 
göttlicher  Hilfe  ein  neues  Leben,  und  dies  war  gleichsam  die  Gegengabe  dafür. « 
Damals  hatte  ihn  »der  Heiland  (Asklepios)  und  die  Herrin  Athene  sichtbarlich 
gerettet«  ^);  die  letztere  war  ihm  in  der  Gestalt  der  Statue  des  Phidias  erschienen, 
ein  süßer  Duft  strömte  von  ihrer  Ägis  aus,  er  allein  sah  sie  und  rief  es  zwei  an- 
wesenden Freunden  und  seiner  Amme  zu,  welche  glaubten,  er  deliriere,  bis  sie 
die  von  der  Göttin  ausgehende  Kraft  erkannten  und  die  Reden  vernahmen,  die 
er  von  ihr  vernommen  hatte '^j.  Mönche,  die  im  Mittelalter  die  Reden  des  Ari- 
stides lasen,  haben  hier  und  da  in  Randbemerkungen  ihrem  Unwillen  über  die 
Torheit,  ja  Verrücktheit  dieses  Menschen  Ausdruck  gegeben,  »der  noch  dazu 
den  Ruf  eines  Weisen  hatte«  und  dennoch  sich  so  kindischen  Einbildungen 
hingeben  konnte'"). 

Die  Tatsache  einer  solchen  religiösen  Reaktion  gegen  die  Einflüsse  der  Kritik  Unverän- 
und  Philosophie,  einer  so  völligen  Wiederherstellung  des  positiven  Götterglaubens 
auch  im  Bewußtsein  der  Gebildeten,  wie  sie  die  bisher  geschilderten  (und  andre   vdirsglaubens 

1)  Aristid.  or.  50,  5of.  (II  438f.).  2)  ebd.  23,  16  (11  36).  3)  Welcker  S.  133,  4)  Aristid.  or. 
19,  6  (II  14  K.).  5)  ebd.  47,  78  (U  394).  6)  Oben  I  31,  7)  Aristid.  or.  51,  19— 25  (11  456  f.). 
8)  ebd.  50,  9  (II  428).       9)  ebd.  48,  41  [U  403  f.).       10)  Welcker  S.  116,  35. 


derteStärkeund 
Fortdauer     des 


134  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  142,  143' 

noch  zu  erwähnende)  Erscheinungen  beweisen:  diese  Tatsache  zeigt,  daß  jene 
Klagen  über  den  vermeintlichen  Verfall  des  Glaubens  nur  durch  oberflächliche, 
auf  gewisse  Gebiete  beschränkte  Zeitströmungen  veranlaßt  waren,  die  dann  von 
einer  mächtigen  Gegenströmung  rückwärts  gestaut  wurden.  Daß  aber  die 
religionsfeindlichen  Stimmungen  und  Richtungen  selbst  in  der  Zeit  ihrer  größten 
Stärke  jemals  außerhalb  der  engbegrenzten  Kreise  der  Gebildeten  sich  ver- 
breitet haben,  dafür  spricht  nichts.  Vielmehr  sind  sie  in  die  Massen  allem  An- 
schein nach  ebensowenig  jemals  tiefer  eingedrungen,  wie  die  antichristliche 
Literatur  des  18.  Jahrhunderts  auf  den  christlichen  Glauben  der  europäischen 
Bevölkerungen  im  großen  und  ganzen  einen  nachweisbaren  Einfluß  geübt  hat''). 
Von  jenen  monotheistischen,  pantheistischen  und  atheistischen  Weltanschau- 
ungen, deren  Anhänger  in  der  Literatur  des  i,  Jahrhunderts  so  laut  das  Wort 
führen,  blieb  der  Glaube  des  Volks  an  die  alten  Götter,  der  mit  unzähligen 
Wurzeln  in  dem  geistigen  Leben  von  Millionen  festgewachsen  war,  unberührt, 
oder  doch  unerschüttert.  Trotz  aller  Veränderungen  und  Entwicklungen,  trotz 
aller  Verluste,  Trübungen  und  Erweiterungen  bestand  er  fort  und  stellte  sich 
in  seinen  beiden  Hauptformen  immer  von  neuem  her,  von  denen  die  eine  in  den 
östlichen  Ländern  herrschende  sich  innerhalb  der  griechischen  Welt  entwickelt 
hatte,  die 'andre  im  Westen  und  Norden  (soweit  der  Einfluß  der  römischen 
Kultur  reichte)  verbreitete  aus  einem  Jahrhunderte  dauernden  Mischungs-  und 
Verschmelzungsprozeß  griechischer  und  italischer  Elemente  hervorgegangen 
war.  In  beiden  Formen  behauptete  sich  der  Götterglaube  dem  ihn  (zuletzt  mit 
erdrückender  Macht)  bekämpfenden  Christentume  gegenüber  fast  ein  halbes 
Jahrtausend.  Ein  so  langer  Widerstand  beweist  schon  allein  die  noch  unge- 
schwächte Lebenskraft  des  alten  Glaubens.  Nicht  minder  bewährte  er  diese  in 
der  Aufnahme  und  Assimilation  zahlreicher  heterogener,  ja  entgegengesetzter 
religiöser  Elemente,  die  dennoch  nicht  vermochten,  sein  Wesen  zu  verändern, 
seine  Auflösung  und  Zersetzung  herbeizuführen.  Endlich  erwies  er  sich 
auch  durch  eine  noch  immer  schöpferische  Produktivität  als  eine  lebendige 
Macht. 
Seine  Assimi-  Zwar  ist  die  massenhafte  Aufnahme  heterogener  religiöser  Elemente  bisher 
allgemein  zugleich  als  Symptom  und  als  Ursache  des  Verfalls  der  römisch-grie- 
chischen Religion  angesehen  worden:  aber  diese  Ansicht  würde  nur  dann  be- 
rechtigt sein,  wenn  sich  nachweisen  ließe,  daß  der  Glaube  an  die  alten  Götter 
durch  die  Verehrung  der  fremden  aufgehoben,  erschüttert  oder  in  seinem 
innersten  Wesen  umgestaltet  worden  sei.  Nichts  von  alledem  ist  erkennbar. 
Daß  eine  Vermehrung  der  Gottheiten  eines  polytheistischen  Systems  schon  an 
und  für  sich  eine  Abnahme  des  Glaubens  oder  eine  Schwächung  seiner  Inten- 
sität voraussetze,  wird  ebensowenig  jemand  behaupten ,  wie  daß  die  neuen 
Kanonisationen  der  katholischen  Kirche  durch  ein  Schwinden  des  Glaubens  an 
die  alten  Heiligen  veranlaßt  werden  oder  daß  sie  diesen  Glauben  beeinträchtigen 
können.    Nun  besteht  aber  allerdings  zwischen  den  orientalischen  und  den  grie- 

i)  P.  Lacroix,  XVIII  siecle,  Lettres  S.  359f.:  »0«  voit par  cet  aveu  de Mercier  {\']?>z)  qiie le peup/e 
de  Paris  affltiait  dans  les  eglises  toiis  les  dimanches  et  les  jours  defete.*  Taine,  Origines  de  la  France 
contemp.,  Revolution  II  390:  ^A  cette  date  (1792)  le petit peuple,  meme  a  Paris,  est  eucore  tres  reli- 
gieux,  bien plus  religieux  quaiijotird^htii.'^ 


lationskraft. 


[IV.  144]  I-   DER  ÜÖTTERGLAUßE  135 

chisch-römischen  Kulten  ein  so  tiefer  Gegensatz,  daß  eine  Verbindung  beider 
schwer  begreiflich  erscheint.  Für  unser  Gefühl  stehen  jene  fremdartig  und 
seltsam,  zum  Teil  ungeheuerlich  neben  diesen,  und  noch  tiefer  erscheint  uns 
der  Gegensatz  der  Religionsanschauungen,  auf  denen  hier  und  dort  die  Kulte 
und  Gebräuche  beruhen.  Die  düsteren,  trauer-  und  geheimnisvollen  Zeremo- 
nien, die  schwärmerische  Ekstase,  die  Selbstentäußerung  und  schrankenlose 
Hingebung  an  die  Gottheit,  die  Entsagung  und  Buße  als  Bedingung  der  Läute- 
rung und  Weihe:  alle  diese  Elemente  sind  ja  dem  römischen  und  griechischen 
Glauben  ursprünglich  ebenso  fremd  wie  im  tiefsten  Wesen  der  morgenlän- 
dischen Religionen  begründet.  Im  schroffsten  Gegensatz  dazu  tritt  uns,  als  dem 
griechischen  und  römischen  Glauben  und  Kultus  eigentümlich,  feste  Umgrenzung 
des  Gottesbegriffs,  klare  Anschauung  der  Götterwelt,  ein  maßvolles  und  ver- 
trauendes, selbst  genau  geregeltes  Verhältnis  der  Gläubigen  zur  Gottheit,  allge- 
meine Zugänglichkeit  sowie  anspruchslose  Einfachheit  und  festliche  Heiterkeit 
des  Gottesdienstes  entgegen.  Dennoch  sind  von  den  Gläubigen  des  römischen 
und  griechischen  Altertums  diese  so  tiefen  inneren  Gegensätze  zu  keiner  Zeit 
als  ein  absolutes  Hindernis  der  Verschmelzung  empfunden  worden.  Orienta- 
lische Elemente  sind  bekanntlich  in  die  griechische  Religion  sehr  früh,  in  die 
römische  mindestens  seit  dem  zweiten  punischen  Kriege  eingedrungen.  Wenn 
dies  aber  schon  bei  oberflächlichen  Berührungen  der  Nationen  geschehen 
konnte,  so  mußte  ihre  innige  Verschmelzung  und  Vereinigung  im  römischen 
Universalreich  auch  ohne  irgend  welche  Änderung  in  der.  Natur  und  Stärke 
des  Glaubens  sogar  notwendig  die  Göttermischung  im  weitesten  Umfange  zur 
Folge  haben.  Die  Götterwelt  war  und  blieb  von  der  ersten  bis  zur  letzten  Zeit 
des  Heidentums  den  Gläubigen  ein  nur  sehr  unvollkommen  bekanntes,  weil  durch 
keine  Offenbarung  erschlossenes  Gebiet,  und  der  Glaube,  daß  es  die  verschieden- 
artigsten Gestalten  und  Erscheinungen  in  sich  fassen  könne,  war  um  so  natür- 
licher, als  das  Vermögen,  jede  Gestalt  anzunehmen,  ja  recht  eigentlich  zum 
Wesen  der  Gottheit  gehörte.  Zu  dieser  grenzenlosen  Expansivität  des  antiken 
Polytheismus  kam  aber  noch  die  Tendenz,  in  den  fremden  Gottheiten  die  eignen 
wiederzufinden,  deren  Stärke  ja  schon  bei  Herodot  so  erstaunlich  groß  ist;  eine 
Tendenz,  welche  die  Frommgläubigen  so  völlig  beherrschte,  daß  sie  sie  nur  das 
wirklich  oder  scheinbar  Gleichartige  in  den  verschiedenen  Religionen  gewahr 
werden  ließ  und  sie  auch  gegen  die  schärfsten  und  grellsten  Gegensätze  völlig 
blind  machte. 

Wenn  es  nun  im  Wesen  des  antiken  Polytheismus  von  jeher  gelegen  hat.   Die  Tneokra- 
eine  Ergänzung  der  eignen  noch  unvollkommnen  Gotteserkenntnisse  auch  in  ^\^  ^'"^  notwea- 
den  Kulten  fremder  Nationen  zu  suchen ;  wenn  in  Griechenland  wie  in  Rom  völlig  vfikermischun^^ 
heterogene  Götterdienste  schon  in  Zeiten  Aufnahme  gefunden  haben,  für  welche 
die  ungeschwächte  Kraft  des  Glaubens  an  die  Landesgötter  gar  nicht  in  Zweifel 
gezogen  werden  kann'):  so  ist  der  Grund,  daß  dies  im  früheren  Altertume  spar- 

i)  Zu  den  den  Griechen  am  frühesten  bekannt  gev.ordenen  fremden  Gottheiten  gehört  neben 
dem  phönizischen  Adonis,  dessen  Fest  bereits  zur  Zeit  der  sicilischen  Expedition  in  Athen  allge- 
mein gefeiert  wurde  (Aristoph.  Lysistr.  389  ff.  Plutarch.  Alcib.  18,  5;  Nicias  13,  11},  und  der  vorder- 
asiatischen Göttermutter  Ammon,  der  Gott  des  ägyptischen  Theben,  auf  den  bereits  Pindar  einen 
Hymnus  dichtete  Schol.Pind.  Pyth.  9,  90.  Pausan.  IX  16.  i'.  Über  Fremdkulte  imPiräus  C.  Schaefer, 


136  Xm.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  145] 

samer  geschah,  offenbar  nicht  in  der  damals  größeren  Stärke  des  vaterländischen 
Glaubens  zu  suchen,  sondern  in  dem  geringeren  Verkehr  der  Völker.  Je  mehr 
dieser  wuchs,  desto  mehr  steigerte  und  vervielfachte  sich  auch  der  Austausch 
der  Kulte.  Mit  der  Bildung  des  römischen  Universalreichs  trat  die  antike  Welt 
und  ihr  Polytheismus  in  seine  letzte  Phase,  Ein  Jahrhunderte  lang  fortwährendes 
Wandern,  Ziehen,  Herüber-  und  Hinüberströmen  der  Bewohner  dieses  unge- 
heuren Ländergebiets  führte  eine  beispiellose  Mischung  und  Durcheinander- 
wirrung  der  Rassen  und  Nationen  und  damit  auch  der  Religionen  und  Kulte 
herbei.  Von  der  Themse  bis  zum  Atlas,  vom  Atlantischen  Meer  bis  zum  Eu- 
phrat  wohnten  nun  in  allen  Provinzen  auch  Anbeter  der  Isis  und  des  Osiris,  der 
Baale,  der  Astarte,  des  Mithras,  die  für  ihre  Götter  geflissentlich  oder  durch  ihr 
Beispiel  Propaganda  machten :  und  so  gewannen  diese  und  andre  fremde  Gott- 
heiten unter  verschiednen  Namen  zahllose  neue  Gläubige  ^).  Die  Missionare  ihrer 
Religionen  waren  die  überall  im  römischen  Reich,  besonders  in  den  See-  und 
Handelsstädten  angesiedelten  (namenlich  syrischen)  Kauf  leute,  die  Soldaten  und 
Offiziere  (vor  allem  die  so  viel  umhergevvorfenen  Centurionen),  besonders  an 
den  Grenzen  und  in  der  Hauptstadt,  endlich  die  Sklaven  und  Freigelassenen 
in  den  römischen  Palästen,  auf  den  Latifundien  und  in  den  Provinzen  als  sub- 
alterne Angestellte  der  Staatsverwaltung^).  »Aber  zur  offiziellen  Aufnahme  in 
die  Staatsreligion  ist,  soviel  wir  sehen  können,  vor  dem  Beginne  des  dritten 
Jahrhunderts  nur  ein  einziger  der  orientalischen  Fremdkulte  gelangt,  der  Gottes- 
dienst der  Isis,  der  zu  Anfang  der  Regierung  des  Caligula  einen  Staatstempel 
auf  dem  Marsfelde  erhielt«.  Auch  die  privaten  Heiligtümer  der  landfremden 
Gottheiten  der  östlichen  Reichshälfte  blieben  von  dem  geheiligten  Bezirk  des 
Pomerium  ausgeschlossen  oder  gar  noch  weiter  von  der  Stadtgrenze  fernge- 
halten; »gefallen  ist  diese  Schranke  erst  gleichzeitig  mit  der  Scheidung  von 
cives  Romani  und  pcregrini  im  römischen  Reich,  und  es  ist  kein  Zufall,  daß 
Caracalla,  der  das  römische  Bürgerrecht  an  alle  freien  Reichsangehörigen  ver- 
lieh, auch  derjenige  war,  der  den  großen  Staatstempel  des  Serapis  auf  dem 
Quirinal  erbaute  und  damit  den  fremden  Göttern  die  Pomeriumsgrenze  öffnete. 
Seitdem  strömen  die  Gottheiten  aller  Provinzen  in  Rom  als  dem  teviplum 
mundi  iotius^)  zusammen,  und  es  ward  das  Wort  zur  Wahrheit,  daß  die  übrigen 
Völker  jedes  seinen  besonderen  Gott  verehrten,  die  Römer  aber  alle  Gottheiten 
der  Welt  insgesamt«  ■*). 

Wenn  nun  auch  unzweifelhaft  in  sehr  vielen  einzelnen  Fällen  die  neuen  Kulte 
die  alten  in  den  Hintergrund  drängten,  so  konnten  solche  lokale  oder  indivi- 
duelle Bevorzugungen  einzelner  Gottheiten  doch  ebensowenig  auf  die  Dauer 

Jahrb.  f.  Philol.  CXXI  1880  S.  417  ff-,  über  Sarapis-  und  Isisdienst  in  Griechenland  A.  Rusch,  De 
Serapide  et  Iside  in  Graecia  cultis,  Diss.  Berlin  1906. 

i)  Materialsammlung  für  die  Verbreitung  der  orientalischen  Kulte  im  römischen  Reiche  bei 
Toutain,  Les  cultes  paiens  dans  l'empire  Romain  11,  191 1,  dazu  für  Britannien,  Germanien  und  Gal- 
lien C.  H.  Moore,  Han'ard  Studies  XI  1901  S.  47ff. ;  Transact.  of  the  Americ.  Philolog.  Associa- 
tion XXXVIU  1908  S.  109 ff.;  über  Kult  der  ägyptischen  Gottheiten  in  den  Donauländem  W.  Drex- 
1er,  Mytholog.  Beiträge  I,  1890,  über  denselben  in  Nordwestafrika  Gsell,  Revue  de  l'hist.  d.  relig. 
LIX  1909  S.  149  ff.  Die  wichtigsten  inschriftlichen  Zeugnisse  bei  Dessau  405  7  ff.  2)  Cumont,  Die 
oriental.  Religionen  im  röm.  Heidentum^  S.  29  f.  3  Ammian  XVII  4,  13.  4)  Wissowa,  Religion 
u.  Kultus  der  Römer^  S.  89. 


[IV.  146,  147] 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


137 


den  Bestand  des  Glaubens  im  großen  und  ganzen  alterieren,  wie  es  von  jeher 
der  Fall  gewesen  war.  Und  auch  die  einzelnen,  die  doch  in  der  Regel  nicht 
die  ganze  Götterwelt  mit  ihrer  Verehrung  zu  umfassen  strebten,  sondern  diese 
mehr  oder  weniger  ausschließlich  auf  einzelne  Gottheiten  richteten,  konnten 
die  vaterländischen  Kulte  sehr  wohl  mit  den  ausländischen  verbinden,  ohne 
daß  diese  jenen  Eintrag  taten.  Domitian  war  ein  Verehrer  der  Isis  und  des 
Sarapis'),  denen  er  zu  Rom  Tempel  baute;  selbst  an  seiner  Tafel  fielen  nach 
Plinius  »Verrichtungen  ausländischer  Superstition«  seinen  Gästen  auf').  Nichts- 
destoweniger hielt  er  sogar  mit  grausamer  Strenge  darauf,  daß  die  Heiligkeit 
des  überlieferten  Gottesdienstes  nicht  ungestraft  verletzt  würde ^),  und  Martial 
rühmt,  daß  unter  seiner  Herrschaft  >den  alten  Tempeln«  ihre  Ehre  gewahrt 
worden  sei'*);  er  selbst  verehrte  vor  den  andern,  namentlich  auch  den  kapitoli- 
nischen Gottheiten  Minerva  »in  superstitiöser  Weise«  ^). 

Mit  den  fortwährenden  Umbildungen  der  religiösen  Zustände  hat  auch  fort- 
während der  Begriff  der  »Superstition«  gewechselt:  worunter  ein  hauptsächlich 
auf  übertriebener  Gottesfurcht  beruhender  Irrglaube,  namentlich  aber  Abgötterei 
und  Verehrung  fremder,  vom  Staate  nicht  anerkannter,  weil  seiner  Anerkennung 
unwürdiger  Gottheiten  verstanden  wurde.  Zu  allen  Zeiten  muß  hiernach  der 
Begriff  der  Superstition  nicht  bloß  überhaupt  ein  relativer,  sondern  auch  nach 
individueller  Auffassung  unendlich  verschiedner  gewesen  sein.  Die  Dienste  der 
ägyptischen  Gottheiten  verbot  im  Jahre  5g  v.  Chr.  der  Senat  als  »schändliche 
Superstition«  und  ließ  ihre  Altäre  umstürzen,  aber  dies  Verbot  fruchtete 
ebensowenig  wie  das  in  den  Jahren  53,  50  und  48  wiederholte  Einschreiten 
gegen  dieselben  Kulte,  die  in  jener  Zeit  schon  bis  auf  das  Kapitol  vordrangen^), 
ihre  Verweisung  aus  Rom  durch  Agrippa  2 1  v.  Chr.  und  die  Verfolgung  ihrer 
Anhänger  unter  Tiber  im  Jahre  19  n.  Chr.  Caligula  erbaute  38  im  Marsfelde 
den  großen  Tempel  der  Isis  Campensis^).  Allmählich  verlor  sich  auch  die  Er- 
innerung, daß  sie  jemals  als  den  römischen  Gottheiten  nicht  ebenbürtig  gegolten 
hatten.  Minucius  Felix  nennt  ihren  Kult  sowie  den  des  Sarapis  einen  einst 
ägyptischen,  jetzt  römischen^). 

Ganz  ebenso  wie  die  ägytischen  Götterdienste  haben  ^uch  eine  Anzahl  andrer 
orientalischer  Kulte  anfangs  als  Superstition  in  allgemeiner  Verachtung  ge- 
standen und  sind  dann  allmählich  in  immer  weiteren  Kreisen  als  gleichberechtigt 
mit  den  einheimischen  und  seit  unvordenklicher  Zeit  überlieferten  anerkannt 
worden.  Die  Dauer  des  Zeitraums,  innerhalb  dessen  ein  solcher  Prozeß  sich 
vollzog,  hing  im  einzelnen  Falle  ohne  Zweifel  von  den  verschiedensten,  zum 
Teil  allerdings  unberechenbaren  Einflüssen  ab:'  aber  in  erster  Linie  doch  ganz 
sicherlich  davon,  ob  die  Berührungen  mit  den  Anhängern  der  fremden  Religion 
innige,  fortwährende  und  massenhafte  waren  oder  nicht. 

Immerhin  mögen  manche  Kulte  deshalb  länger  für  superstitiös  gegolten 
haben,  weil  ihre  Gebräuche  besonders  fremdartig  und  seltsam,  abstoßend  oder 
lächerlich  erschienen.   Plutarch,  der  alle  Seltsamkeiten  des  ägyptischen  Gottes- 

l)  Eutrop.  VII  23,  5  und  dazu  Wissowa  a.  a.  O.  S.  353,  l.  2)  Plin.  Paneg.  49,  8.  3)  Suetou. 
Domit.  8,  5.  4)  Martial  VIII  80,  5.  5)  Sueton.  Dom.  15,  3.  Cass.  Dio  LXVII  i,  2.  6)  CIL 
VI  2247  =  Dessau  4405;  vgl.  CIL  VI  2248.  Wissowa  S.  352,  7.  7)  Wissowa  a.  a.  O.  S.  351  ff. 
8)  Minuc.  Felix  Octav.  22,  2. 


Der  Begriff  der 
Supeistitionein 
relativer  und 
wechselnder. 


138  Xlll.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  148] 

dienstes  ehrwürdig  fand,  verachtete  eine  Menge  asiatischer  Kultgebräuche 
als  superstitiös,  namentlich  das  Beschmieren  mitlCot,  Sabbatfeiern,  Niederwerfen 
aufs  Angesicht  und  andres  »lächerliche  Tun  und  Leiden,  Reden  und  Gebärden 
der  Götterfurcht,  ihre  Gaukeleien  und  Zaubereien,  das  Herumlaufen,  Pauken- 
schlagen, unreine  Reinigungen,  schmutzige  Kasteiungen,  barbarische  und  ge- 
setzwidrige Strafen  und  Beschimpfungen  bei  den  Tempeln« '),  Zu  dieser  ver- 
schiedenen Auffassung  wirkte  doch  wesentlich  mit,  daß  eine  Jahrhunderte  alte 
Gewöhnung  den  ägyptischen  Kulten  das  Fremdartige  genommen  hatte,  das 
jenen  andern  noch  anhaftete:  und  allem  Anscheine  nach  hat  sich  überhaupt 
die  Auffassung  eines  fremden  Kults  als  verächtlicher  Superstition  oder  ehrwür- 
diger Religion  wesentlich  dadurch  mit  bestimmt,  ob  er  seit  langer  oder  seit  kurzer 
Zeit  bekannt  war.  August  verehrte  nach  Sueton  von  den  fremden  Kulten  die 
alten  und  anerkannten  (wie  die  eleusinischen  Mysterien)  aufs  frömmste,  die 
übrigen  behandelte  er  mit  Verachtung^).  Wenn  jedoch  Sueton  zu  den  von  ihm 
geringgeschätzten  Kulten  auch  den  jüdischen  zählt,  so  hat  er  sich  im  Irr- 
tum befunden.  August  sandte  nicht  bloß  (wie  auch  Livia)  kostbare  Weih- 
geschenke für  den  Tempel  nach  Jerusalem,  sondern  stiftete  auch  ein  täglich 
dort  in  seinem  Namen  darzubringendes  Brandopfer  von  zwei  W^iddern  und 
einem  Stier,  dessen  Abschaffung  vor  dem  Ausbruche  des  jüdischen  Kriegs  der 
erste  Akt  offener  Auflehnung  gegen  Rom  war^). 

Übrigfens  masf  auf  die  Beurteilung  der  ausländischen  Gottesdienste  in  Rom 
auch  das  größere  oder  geringere  Ansehen  der  Völker,  denen  diese  angehörten, 
einen  gewissen  Einfluß  geübt  haben*).  Wenigstens  den  Kultus  eines  fernen, 
unbekannten  Barbarenvolkes  konnten  aufgeklärte  Römer  unbedenklich  ver- 
höhnen. Ein  Veteran,  der  August  zu  Bononia  bewirtete,  antwortete  auf  dessen 
Frage,  ob  es  wahr  sei,  daß  der  erste  Plünderer  des  Tempels  der  (persischen, 
in  Armenien,  Kappadocien,  Medien  verehrten)  Göttin  Anaitis  erblindet  und  ge- 
lähmt gestorben  sei:  er  sei  es  selbst,  sein  ganzes  Vermögen  rühre  von  dem 
Raube  her,  und  August  speise  soeben  von  einem  Beine  der  Göttin^).  Mit  der 
zunehmenden  Mischung  der  Nationalitäten  im  römischen  Reiche  erweiterten 
sich  fortwährend  die  Kultgebiete  der  fremden  Gottesdienste,  und  wurde  in  gläu- 
bigen Kreisen  die  Zahl  derer,  die  als  Superstitionen  galten,  immer  kleiner. 
Obwohl  die  Göttermischung  erst  im  3.  Jahrhundert  ihren  Höhepunkt  erreichte, 
war  sie  doch  bereits  um  die  Mitte  des  2.  sehr  weit  vorgeschritten.  Noch  Hadrian, 
der  für  die  römischen  und  griechischen  Kulte  aufs  eifrigste  sorgte,  »verachtele 
die  fremden»^);  welche,  wird  freilich  nicht  gesagt,  keinesfalls  sind  wohl  die 
ägyptischen  dazu  zu  rechnen.  Doch  in  der  Zeit  Marc  Aureis,  der  bei  dem  all- 
gemeinen Schrecken  des  markomanischen  Kriegs  Priester  aus  allen  Ländern 
kommen,  fremde  Kultgebräuche  vollziehen  und  die  Stadt  Rom  mit  allen  Arten 
religiöser  Zeremonien  sühnen  ließ^),  war  die  Grenze  zwischen  fremder  Super- 

i)  Plutarcli.  De  superstit.  3.  12.  2)  Sueton.  August.  93.  3)  Joseph.  B.  J.  V  562.  Philo  Leg.  ad 
Gai.  157.  317-  Vgl.  im  allgemeinen  über  von  und  für  Heiden  dargebrachte  Opfer  im  Tempel  zu  Jeru- 
salem Scbürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volkes  11'*  359 ff.  4)  Daß  dieses  Moment  durch  andre  paralysiert 
■werden  konnte,  bemerkt  mit  Hinweisung  auf  das  Ansehen  der  ägyptischen  Kulte)  richtig  Reville, 
La  religion  ä  Rome  sous  les  Severes  S.  126  (deutsch  S.  123);  doch  ganz  bedeutungslos  war  es 
schwerlich.  5)  Plin.  n.  h.  XXXni  83.  6)  Hist.  aug.  Hadrian.  22,  10.  7)  ebd.  M.  Aurel.  13,  i ; 
5.  oben  S.  129. 


[IV.  149] 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


U9 


stition  und  einheimischer  Religion  in  Italien  wie  in  Griechenland  schon  größten- 
teils verwischt. 

Den  Spott  der  Ungläubigen  forderte  freilich  der  immer  wachsende,  immer  Di«  Theokrasie, 
bunter  gemischte  »Haufe  der  Götter«')  je  länger  je  mehr  heraus.  Lucian  hat  ^ervTrs^°^^^"^ 
die  gemischte  Gesellschaft  dieser  Götterwelt  wiederholt  zum  Gegenstand  seines  ''^  ^^^^^° 
Witzes  gemacht.  In  einer  Götterversammlung  soll  Hermes  auf  Zeus  Befehl 
die  Götter  nach  dem  Kunstwert  und  der  Kostbarkeit  ihrer  Bildsäulen  ordnen, 
darum  wird  den  goldnen  vor  den  marmornen  der  Vorzug  eingeräumt,  und  so 
kommt  es,  daß  Bendis,  Anubis,  Attis,  Mithras  und  der  phrygische  Mondgott  die 
obersten  Plätze  erhalten^);  bei  einer  Göttermahlzeit  dagegen  werden  Attis  und 
Sabazius,  »die  zweifelhaften  und  aus  der  Fremde  zugezogenen  Götter«,  unten 
an  neben  Pan  und  die  Korybanten  gesetzt ^j.  Ein  andermal  gehen  die  Götter 
zu  Rat  über  die  Menge  neuer  Eindringlinge  von  zweifelhafter  Berechtigung. 
Momos  meldet  sich  zum  Worte  und  äußert  sich  über  die  orientalischen  Gott- 
heiten. Mithras  in  medischem  Kaftan  und  Tiara  gehöre  nicht  in  den  Olymp, 
er  könne  nicht  einmal  Griechisch  und  verstehe  nicht,  wenn  man  ihm  zutrinke. 
Noch  weniger  seien  die  Ägypter  zu  dulden:  der  hundsköpfige,  bellende,  in  feine 
Leinwand  gekleidete  Anubis,  der  Orakel  erteilende  Stier  Apis,  und  vollends  die 
Ibisse,  Affen  und  Böcke.  Momos  stellt  daher  den  Antrag:  in  Erwägung,  daß 
sich  viele  unberechtigte,  kauderwelschende  Leute  unter  die  Götter  eingedrängt 
haben,  Ambrosia  und  Nektar  auszugehen  anfängt,  und  das  Maß  bei  der  starken 
Nachfrage  bereits  auf  eine  Mine  gestiegen  ist,  ferner  die  Fremden  sich  unver- 
schämt vordrängen  und  die  alten  Götter  ihrer  Plätze  berauben:  eine  Kommission 
von  sieben  vollberechtigten  Göttern  einzusetzen,  welche  die  Legitimation  jedes 
Einzelnen  prüfen  soll.  Zeus  bringt  diesen  Antrag  nicht  zur  Abstimmung,  da  er 
voraussieht,  daß  die  Majorität  dagegen  sein  würde,  erhebt  ihn  aber  ohne  weiteres 
zum  Beschluß,  und  weist  die  sämtlichen  Götter  an,  sich  zu  der  bevorstehenden 
Prüfung  die  nötigen  Nachweise  zu  verschaffen,  wie  Namen  der  Eltern,  Angabe 
woher  und  aufweiche  Weise  sie  Götter  geworden  seien  usw."*). 

Man  glaubt  häufig,  daß  die  Empfindung,  aus  der  dieser  Spott  hervorging,  den  Gläubigen 
die  Empfindung  des  Widerspruchs,  ja  des  Unsinns  in  der  Vermischung  ganz  "iianstößig. 
heterogener  Kulte,  wenigstens  unter  den  Gebildeten  der  damaligen  Welt  not- 
wendig verbreitet  gewesen  sein  müsse:  aber  es  gibt  weder  dafür  ein  Zeugnis, 
noch  berechtigt  die  Natur  der  religiösen  Zustände  des  Universalreichs,  wie  sie 
bisher  geschildert  worden  sind,  zu  dieser  Annahme.  Der  Eindruck,  den  ihre 
Betrachtung  auf  uns  macht,  fällt  nur  darum  völlig  mit  dem  Eindrucke  zusam- 
men, den  Lucian  und  seinesgleichen  empfingen,  weil  sie  diesen  Erscheinungen 
ebenso  völlig  unbeteiligt  gegenüberstanden  wie  wir;  weil  auch  für  sie  griechi- 
sche und  barbarische  Götter  gleich  wenig  Realität  hatten  und  die  Freiheit  ihrer 
Kritik  diesen  Ausgeburten  der  mythenbildenden  Substanz  gegenüber  eine 
völlige  und  unbedingte  war.  Aber  eben  nur  die  Ungläubigen  empfanden  und 
urteilten  so,  und  diese  waren  allem  Anschein  nach  selbst  unter  den  Gebildeten 
nur  eine  Minorität. 


i)  Juv.  13,  46.       2,  Lucian.  Jupp.  tragoed.  7. 
concil.  9  f.  14  f.  19. 


3)  Lucian.  Icaromeaipp. 


4'  Lucian.  Deor. 


I40  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  150] 

Plutarchs  Ver-       Wie  wenig  aber  unter  den  Gläubigen  selbst  die  Gebildetsten  durch  die  Theo- 
ehrung agypti-  ]^j.3sjg  jj^  ihrem  nationalen  Glauben  beirrt  wurden,  zei^t  vor  allem  die  relisfiöse 

scher      Lrotter     .,  tiiiaiit-«.  i 

nebendengrle-  Anschauung  Flutarchs.  Auch  er,  der  Priester  des  pythischen  Apollo'),  war  ein 
chischen.  nicht  minder  inniger  Verehrer  der  ägyptischen  Götter  als  der  griechischen.  In 
der  an  eine  hochgebildete  Isispriesterin  zu  Delphi  gerichteten  Schrift  über  Isis 
und  Osiris  erklärt  er,  daß  die  Götter  überall  dieselben  seien,  dienende  Kräfte 
einer  höchsten  weltregierenden  Macht,  die  nur  jedes  Volk  mit  andern  Namen 
benenne  und  auf  andre  Weise  verehre").  So  sei  auch  Isis  und  ihre  Mitgottheiten 
von  jeher  allen  Menschen  bekannt  gewesen,  wenngleich  ein  Teil  derselben  sie  erst 
vor  kurzem  bei  ihrem  ägyptischen  Namen  nennen  gelernt  habe^):  übrigens  hielt 
Plutarch  auch  diese  Namen  für  ursprünglich  griechische,  durch  griechische  Ein- 
wandrer nach  Ägypten  übertragene;  und  wenn  Hesiod  außer  dem  Chaos  Eros, 
Erde  und  Tartarus  als  die  ersten  Dinge  setze,  scheine  er  Osiris,  Isis  und  Typhon 
gemeint  zu  haben '').  Der  Ursprung  der  Lehre,  daß  die  Welt  weder  von  blindem 
Ungefähr  noch  von  einer  höchsten  Vernunft  allein  beherrscht  werde,  sondern 
von  vielen  aus  gut  und  böse  gemischten  Mächten,  sei  unbekannt  und  verliere 
sich  im  Dunkel;  aber  sowohl  ihr  Uralter,  als  ihre  übereinstimmende  Überliefe- 
rung bei  Philosophen,  Dichtern,  Theologen  und  Gesetzgebern,  in  Mysterien 
und  Kultgebräuchen,  bei  Barbaren  und  Hellenen,  sei  ein  schwerwiegender  Be- 
weis für  ihre  Wahrheit^).  Osiris  und  Isis  sind  gute  Mächte,  Typhon  eine  böse; 
darüber  herrschte  allgemeine  Übereinstimmung,  aber  über  ihr  eigentlichstes 
Wesen  waren  die  theologischen  Spekulationen  zu  den  verschiedensten  Resul- 
taten gelangt.  Osiris  erklärten  die  einen  als  den  Nil,  andre  als  das  Prinzip  der 
Feuchtigkeit  überhaupt,  andre  als  Bacchus,  wieder  andre  als  die  Welt  des 
Monds,  des  freundlichen,  befruchtenden,  feuchten  Lichts:  keine  von  diesen 
Deutungen  treffe  das  Richtige,  meint  Plutarch,  aber  wohl  alle  zusammen^  Ihn 
schreckten  die  Rätsel  der  ägyptischen  Theologie,  die,  wie  er  glaubte,  durch  die 
Reihen  der  Sphingen  vor  den  Tempeln  angedeutet  waren ^),  nicht  ab;  sie  reizten 
ihn  nur  um  so  mehr  zur  Erforschung  ihres  wahren  Inhalts ;  diese  mahnt  er  mit 
zugleich  frommem  und  philosophischem  Sinne  vorzunehmen,  nichts  sei  der 
Gottheit  gefälliger,  als  wenn  man  zu  richtiger  Erkenntnis  ihres  Wesens  ge- 
lange^). So  war  er  imstande,  sich  mit  den  widerlichsten  ägyptischen  Legenden^) 
und  den  seltsamsten  dortigen  Gebräuchen,  namentlich  der  Tierverehrung '°),  zu 
befreunden;  auch  für  die  Trauerfeste  weiß  er  Analogien  im  griechischen  Kultus ' ') 
und  in  der  Form  und  den  Verzierungen  des  bei  den  religiösen  Zeremonien 
vielgebrauchten  Klapperblechs  (Sistrum)  eine  tiefe  Symbolik  zu  entdecken"). 
Aber  diese  Versenkung  in  die  Monstrositäten  des  ägyptischen  Glaubens  und 
Kultus  hat  auf  Plutarchs  Verhältnis  zu  den  nationalen  Gottheiten  auch  nicht  den 
geringsten  Einfluß  geübt,  deren  Persönlichkeiten  ihm  nicht  nur  völlig  lebendig, 
sondern  auch  völlig  die  alten  blieben.  Sein  Glaube  an  sie  war  zwar  ein  andrer 
als  der  des  Herodot,  aber  schwerlich  ein  minder  starker  oder  inniger. 

Wenn  nun  im  Bewußtsein  der  Gebildeten  die  fremden  Götter  neben  den  ein- 
heimischen Raum  finden  konnten,  ohne  den  Glauben  an  diese  zu  beeinträchtigen 

l)  Plutarch.  An  seni  sit  ger.  resp.  17;  vgl.  Qu.  conv.  VII  2,  2.  2)  Plutarch.  De  Is.  67,  CIG  17 13 
=  Dittenberger,  Syll.3  829A.  3)  Plutarch.  De  Is.  66.  4)  ebd.  57.  5)  ebd.  45.  6)  ebd.  32 — 45. 
7)  ebd.  9.       8)  ebd.  11.       9}  ebd.  55.       10)  ebd.  71—75.       Ii)  ebd.  69.       12)  ebd.  63. 


[IV.  151,  152]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  141 

oder  umzugestalten,  so  muß  es  um  so  mehr  in  dem  Bewußtsein  der  Massen 
der  Fall  gewesen  sein,  die  in  der  gleichzeitigen  Verehrung  der  heterogensten 
Gottheiten  einen  Widersinn  noch  weniger  empfanden.  So  unzerstörbar  war 
die  Lebenskraft  der  alten  griechisch-römischen  Götter,  daß  ihre  Gestalten  aus 
allen  Vermischungen  und  Trübungen  sich  doch  immer  von  neuem  herstellten, 
daß  sie  von  ihrer  Persönlichkeit  nichts  einbüßten.  Schon  deshalb  haftete  der 
Glaube  an  sie  so  tief  in  den  Seelen  der  Menschen,  weil  er  mit  so  vielen  Wurzeln 
im  Staatskultus,  der  Kunst  und  Poesie,  der  Schule,  der  ganzen  Kultur  festge- 
wachsen war  und  aus  allem  diesem  immer  neue  Nahrung  zog.  Die  Menge, 
sagt  z.  B.  Pausanias,  glaubt,  was  sie  von  Kindheit  auf  in  Chören  und  Tragödien 
gehört  hat"). 

Aber  noch  mehr,  sie  waren  auch  unter  allen  Göttern  der  Welt  die  mensch- 
lichsten, und  das  menschliche  Herz  fühlte  sich  zu  ihnen  am  unwiderstehlichsten 
hingezogen.  Nicht  sie  verwandelten  sich  in  der  Phantasie  der  Gläubigen  in  die  Hellenisierung 
fremden  Götter,  sondern  diese  nahmen  vielmehr  mehr  oder  weniger  von  der  ^"  onentah- 
Persönlichkeit  der  griechisch-römischen  an,  großenteils  auch  deren  Namen. 
Der  Mithras  und  Elagabal  von  Emesa  wurden  den  Römern  zum  Sol,  die  Tanit 
von  Karthago  bald  zur  »himmlischen  Jungfrau«,  bald  zur  »himmlischen  Juno«, 
die  Götter  von  Heliopolis  und  Doliche  zum  Juppiter.  Ebenso  erhielten  in  Palä- 
stina und  den  angrenzenden  Gebieten  die  philistäischen,  phönizischen  und 
sonstigen  Gottheiten  Gestalt  und  Namen  griechischer  Götter:  der  Marnas  von 
Gaza  (ein  Regen  und  Fruchtbarkeit  spendender  Höhengott)  wurde  den  dortigen 
Okzidentalen  zum  Zeus^),  der  Aumu  der  Trachonitis  zum  Helios^),  der  Dusares 
der  Nabatäer,  als  dessen  jungfräuliche  Mutter  ein  Steinblock  in  Petra  verehrt 
wurde,  zum  Dionysos*),  die  edessenischen  Götter  Azizus  und  Monimus  zu  Ares 
und  Hermes^).  Die  Bewohner  der  ehemals  phönizischen  Gebiete  des  römischen 
Afrika  beteten  zu  dem  gräßlichen,  wie  es  scheint  bis  ins  2.  Jahrhundert  öffent- 
lich und,  wie  Tertullian  behauptet,  im  geheimen  auch  noch  später  mit  Kinder- 
opfern ^)  verehrten  Moloch,  als  zu  »dem  erhabenen  Geber  der  Früchte  Saturnus« 
oder  dem  »unüberwindlichen  Gotte  Saturnus«''). 

l)  Pausan.  I  3,  3.  2)  Lebas-Waddington  2412g;  vgl.  Marci  Diac.  vita  S.  Porphyr.  Gaz.  p.  180,  9 
(Abhdl.  Akad.  Berlin  1874).  Hist.  aug.  Alex.  Sev.  17,  4:  <?  Mama,  0  Juppiter,  di  im7!iorfales  scheint 
mit  den  beiden  ersten  Ausrufungen  derselbe  Gott  gemeint  zu  sein.  3)  Lebas-Waddington  2392 ff., 
vgl.  Mommsen  RG.  V  481,  2.  4)  Lebas-Waddington  2309.    Über  den  Kult  des  Dusares  vgl. 

Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volkes  IL*  44.  Cumont,  Real-Encykl.  V  1865  ff.  Briinnow-v.  Domaszewski, 
Die  Provincia  Arabia  I  188  ff.  Auch  die  in  Arabien  und  Syrien  verehrte  Tyche  (ein  Tüxotiov  in  Aera, 
Lebas-Waddington  2413  f)  wird  eine  hellenisierte  Landesgöttin  sein.  5)  Julian,  or.  4  p.  150  C. 
154  A;   vgl.   V.  Domaszewski,  Westd.  Zeitschr.  XIV   1895  S.  64ff.    Wissowa  a.  a.  O.  S.  363,  7. 

6)  Porphyr.  De  abstin.  II  27.  Tertullian.  Apol.  9:  infantes  peties  Africam  Saturno  immolabanhir 
palam  usqtie  ad proconsulahtm  Tiberii  (der  Name  des  Prokonsuls,  der  wohl  nicht  lange  vor  der  Zeit 
TertuUians  lebt,  ist  verderbt,  vgl.  Schulten,  Das  röm.  Afrika  S.  102,  51),  qui  ipsos  sacerdotes  in  eisdem 
arboribus  templi  sui  obumbratricibus  scelerum  votivis  crucibus  exposuit,  teste  vtilitia  patriae  nostrae, 
qttae  id  ipsum  niunus  Uli  proconsuli  functa  est.   sed  et  nunc  in  occulto  per  sev  erat  hoc  sacrut>ifacinus. 

7)  Frugifero  Saturno  aug[usto)  sac{rum]  CIL  VIII  2666  (neben  ihm  ein  eigener  Gott  Fruglfer  augu- 
stus),  vgl.  Plutoni  aug[usto)  frugifero  deo  CIL  VIII  12362  =  Dessau  4453;  deus  invictus  heißt  Sa- 
tumus  CIL  VIII  2667.  12494.  Reiches  Material  für  den  Satumusdienst  des  römischen  Afrika  bei 
J.  Toutain,  De  Satumi  dei  in  Africa  Romana  cultu,  1894  und  Wissowa  in  Roschers  Mythol.  Lexi- 
kon IV  441  ff.  In  dem  Namen  Saturnus  steckt  nicht  nur  der  punische  Gott,  sondern  auch  eine  oder 


142 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  153] 


und  barbari- 
schen Götter. 


Verbreitung  bar- 
barischer  Kulte 
durch    die    Sol- 
daten. 


Wenn  nun  der  griechisch-römische  Polytheismus  noch  die  Kraft  besaß,  die 
uralten  Götter  der  alten  Kulturländer  des  Orients  trotz  ihrer  Fremdartigkeit 
sich  anzueignen,  so  mußte  sich  derselbe  Prozeß  bei  den  rohen  und  obskuren 
Göttern  der  halb  oder  ganz  unzivilisierten  Länder  vollends  ohne  Schwierigkeit 
vollziehen.  Zahlreiche  Denkmäler  in  Britannien,  Germanien,  Pannonien,  Gallien, 
Spanien,  Afrika  zeigen,  daß  die  dortigen  römischen  Ansiedler,  Beamten,  Kauf- 
leute, Soldaten  sich  an  den  Kulten  der  Lokalgottheiten  eifrig  beteiligten.  Auch 
August  gelobte  und  erbaute  während  eines  Aufenthalts  in  Gallien  dem  dortigen 
Windgotte  Circius,  als  dem  Herrn  und  Sender  von  Stürmen,  die  zwar  Verwü- 
stungen anrichteten,  aber  auch  die  Luft  reinigten  (wohl  dem  Mistral  der  Provence), 
einen  Tempel").  Der  Konsular  A.  Fabricius  Veiento  (uriter  Nerva  oderTrajan) 
stiftet  zusammen  mit  seiner  Gattin  der  keltischen  Göttin  Nemetona  in  ihrem  bei 
Mainz  gelegenen  Heiligtume  eine  Weihegabe,  von  der  das  Bronzetäfelchen  noch 
erhalten  ist^);  ein  Altar  der  batavischen  Göttin  Vagdavercustis  in  Köln  rührt 
von  einem  römischen  Gardepräfekten  des  2.  Jahrhunderts  her^).  Nur  noch  ein 
charakteristisches  Beispiel  aus  späterer  Zeit  (Ende  des  3.  Jahrhunderts)  sei  hier 
angeführt:  ein  römischer  Statthalter  des  östlichen  Mauretanien  stattet  in  einer 
Inschrift  seinen  Dank  für  die  Vernichtung  eines  dortigen  Stammes,  die  Wegfüh- 
rung seiner  Familien  in  die  Gefangenschaft  und  die  gemachte  Beute  nicht  einem 
römisch-griechischen  Gotteab,  sondern  »den  einheimischen  und  den  maurischen 
Göttern,  den  staatserhaltenden «"*).  Diese  Kulte  gewannen  selten  über  das  Ge- 
biet ihrer  Provinz  oder  Landschaft  hinaus  Verbreitung,  wenn  sie  gleich  ohne 
Zweifel  von  vielen  Einzelnen  auch  außerhalb  desselben  beibehalten  oder 
angenommen  wurden:  wie  z.  B.  Caracalla  neben  Aesculap  und  Sarapis  auch 
zu  dem  keltischen,  mit  Apollo  identifizierten  Gotte  Grannus  um  Gesundheit 
betete  5). 

Noch  einige  Beispiele  mögen  zeigen,  wie  die  Soldaten  durch  Festhalten  an 
den  Kulten  ihrer  Geburtsländer  zur  deren  Verbreitung  beitrugen^).  Ein  aus 
Dalmatien  gebürtiger  Legat  von  Numidien  und  designierter  Konsul  errichtete 
im  Jahre  167  im  Aesculaptempel  zu  Lambäsis  eine  Statue  seines  Landesgottes 
Medaurus  (zu  Pferde,  eine  Lanze  schwingend)^).  Ein  Veteran  in  einer  andern 
Stadt  Numidiens  (Thubursicum)  empfiehlt  seinen  Sohn  der  Noreja,  einer  Landes- 
göttin von  Noricum,  von  wo  die  schon  vor  dem  Sohne  gestorbene  Mutter 
stammte^).  In  jeder  Garnison  werden  sich  Landsleute  zur  Verehrung  der 
heimischen  Gottheiten  vereinigt  haben.  So  scheinen  die  in  der  Kaisergarde  zu 
Rom  dienenden  Thracier  im  3.  Jahrhundert  dort  eine  besondre  Kapelle  für 
ihre  Landesgötter,  wie  den  Gott  Heron  oder  Heros,  den  ( Asklepios)  Zimidrenus, 


mehrere  Gottheiten  der  libysch-berberischen  Urbevölkerung  des  Landes,  vgl.  Kahrstedt-Meltzer, 
Gesch.  d.  Karthager  III  605,  i. 

i)  Seneca  nat.  qu.  V  17,  5.  2)  CIL  XIII  7253  =  Dessau  loio.  3)  CIL  XIII  12057  =  Dessau 
9000.  4)  Dis  patriis  et  Mauris  cotiservatoribus  CIL  VIII  21486  =  Dessau  4495;  über  die  Bedeu- 
tung von  di  conservatores  vgl.  v.  Domaszewski  a.  a.  O.  S.  96,  390.  5)  Cass.  Dio  LXXVII  15,  5  f. 
Stadtrömische  Inschrift  CIL  VI  36  =  Dessau  4652  Apollini  Granno  et  Sanctae  Sironae  sacrum. 
Über  die  zahlreichen  in  schriftlichen  Denkmäler  des   Gottes  vgl.  Ihm,  Real-Encykl.  VII  1823  ff. 

6)  Vgl.  Marucchi,  Bull.  arch.  com.  XIV  1886  S.  1240".  Cumont,  Die  oriental.  Religionen^  S.  129  ff, 

7)  CIL  Vin  2581  =  Dessau  4881  (Buecheler,  Carm.  ep.  1527);  vgl.  CIL  III  p.  285.       8)  CIL  VUI 
4882. 


[IV.  154] 


I.  DER  GOTTERG  LAUBE 


M3 


den  Zbelthiurdos  u.  a.,  gehabt  zu  haben ^).  Ebenso  fuhren  die  keltischen  Gar- 
disten in  Rom  fort,  der  Arduinna  und  dem  Camulus  zu  opfern^),  besonders  aber 
den  »Müttern*  und  »Frauen«  [matres,  mati'onae]  ihrer  niederrheinischen  Heimat, 
schützenden  Gottheiten  des  Hauses  und  der  Familie,  doch  auch  ganzer  Ge- 
meinden und  Völker,  die  Wohlstand,  Fülle  und  Fruchtbarkeit  verliehen,  und 
die  sich  das  Volk  in  der  Dreizahl  dachte.  Alle  ihre  in  Rom  gefundenen  Denk- 
mäler stammen  von  Soldaten,  auch  in  Britannien  weitaus  der  größte,  in  Ger- 
manien ein  immerhin  beträchtlicher  Teil,  und  zwar  von  einfachen  Legions- 
soldaten oder  Veteranen,  selten  von  Centurionen  und  ritterlichen  Offizieren: 
die  Mütter  waren  (wie  auch  die  Inschriften  der  Nichtsoldaten  zeigen)  Göttinnen 
der  kleinen  Leute ^). 

Die  in  den  Provinzen  lebenden  Römer  begnügten  sich  nun  zum  Teil  aller- 
dings damit,  diese  barbarischen  Götter  zu  verehren,  ohne  nach  ihrem  Namen 
oder  Wesen  zu  forschen,  wie  die  »Mütter«  und  die  ihnen  verwandten  »Sulevien«'*), 
die  »Schutzgöttin«  der  Iberer^)  und  die  »maurischen  Götter«^]  (zu  denen  auch 
göttlich  verehrte  Fürsten  der  Vorzeit  gehörten)^),  oder  sie  mit  ihren  landesüb- 
lichen Namen  anzurufen,  wie  die  aus  Denkmälern  Nordafrikas  bekannten  Götter 
Auzius,  Bacax,  Aulisua^j,  oder  die  auf  Inschriftsteinen  Noricums  und  Pannoniens 
vorkommenden  Laburus,  Latobius,  Marmogius^)  u.  a.  Aber  sehr  häufig  glaubte 
man  doch  auch  in  diesen  Barbarengöttern  die  einheimischen  wiederzuerkennen, 
und  deren  Namen  traten  dann  diXsinterpreiatio  Romaiia^°]  neben  die  fremdklingen- 
den oder  für  römische  Zungen  unaussprechlichen  eigentlichen  und  wurden  auch 
geradezu  statt  dieser  gebraucht;  so  bezeichnet  Cäsar  die  keltischen  Hauptgottheiten 
als  Merkur,  Apollo,  Mars,Juppiter  und  Minerva").  Der  Grannus  der  rätischen  und 
rheinischen  Lande  galt  den  Römern  als  Apollo,  der  Belatucader  und  Cocidius  in 
Cumberland,  der  Leherennus  und  Albiorix  des  südlichen  Frankreich  (wie  viele 
andre  keltische  Lokalgötter)  als  Mars,  die  Atäcina  oder  Adäizina  von  Turobriga 
in  Südspanien  als  Proserpina,  die  bei  den  Bädern  von  Bath  verehrte  Sulis  als 
Minerva,  die  Arduinna  der  Ardennen,  die  Abnoba  des  Schwarzwalds  als  Diana 
usw.").  Zuweilen  ist  der  einheimische  Name  zugunsten  des  römischen  voll- 
kommen verschwunden,  wie  z  B.  bei  dem  aufzahlreichen  Denkmälern  nament- 
lich des  linksrheinischen  Obergermanien  neben  einer  bald  mit  einheimischem 
Namen  als  Rosmerta,  bald  griechisch- römisch  als  Ma  a  bezeichneten  Ge- 
fährtin erscheinenden  Gotte,  der  stets  den  römischen  Namen  Mercurius  führt^^). 

i)  CIL  "VI  2797ff.  32532  ff.;  vgl.  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus^  S.  376,  13.  G.  Kazarow,  Revue  archeol. 
1913  I  34off.  2)  CIL  VI  46  =  Dessau  4633  Arduinne  Caniulo  lovi  Mercurio  Herculi  M.  Quartinius 
M.f.  cives  Sabinus  Reinus  \A.  h.  Sabintis  civis  Remus]  miks  coh  ortis]  VII pr  aetoriae]  Antoniniane. 
3)  M.  Ihm.  Bonner  Jahrb.  LXXXIII  1887  S.  37.  60—63.  70.  vgl.  Roschers  Mythol.  Lexik.  II  2464  ff. 
K.  Helm,  Altgerman.  Religionsgeschichte  I  391  ff.  4)  M.  Siebourg,  De  Sulevis  Campestribus  Fatis, 
Diss.  Bonn  1886.  Ihm  a.  a.  O.  S.  78  ff.  5)  Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  S.  230.  6)  z.  B  CIL  VIII 
9327.  20251.  21720  =  Dessau  2750.  4496.  2607;  s.  auca  oben  S.  142  A.  4.  7)  Mommsea  RG.  V 
622,  2.  Schulten  a.  a.  O.  S.  19.  toi,  43.  8  CIL  VIII  9906  f.  21704.  9014.  i882off.  (Dessau  2634^ 
4492.  4491.  4485).  9)  CIL  III  3840.  4014.  5097  f.  5320  [Marti  Latobio  Marmogio  usw.).  5321. 
5672.  10844  (Dessau  4877.  4566—4568.  4575).  10)  Tac.  Germ.  43.  11)  Caesar  B.  G.  VI  17,  i  f. 
12)  Übersicht  über  die  reiche  Fülle  solcher  Gleichsetzungen  bei  F.  Richter,  De  deorum  barbarorum 
interpretatione  Romana.  Diss.  Halle  1906.  Wissowa,  Archiv  f.  Religionswiss.  XDC  1917  S.  iff.,  wo 
auch  die  Zeugnisse  für  die  im  Texte  erwähnten  Beispiele  zu  finden  sind.  13)  Ch.  Robert,  Epi- 

graphie  gallo-rom.  de  la  Moselle  (1873)  S.  8iff.,  vgl.  Kenne,  Real-Encykl.  lA  1 129 ff. 


Benennungen 
der  barbari- 
schen Gott- 
heiten — 


144  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  155] 

Unmöglich  hätten  auch  diese  keltischen  Götter  in  den  griechisch-römischen 
aufo-ehen  können,  wenn  die  letzteren  für  die  Gläubigen  nicht  mehr  reale  und 
lebensvolle  Persönlichkeiten  gewesen  wären. 
von  dem  Grade  Je  weiter  nun  die  Romanisierung  einer  Provinz  vorgeschritten  war,  desto 
der  Romanisie-  j^ehr  sind  dort  die  einheimischen  Götter  nicht  bloß  durch  die  römischen  ver- 
Lälfderalihängrg!  drängt  worden,  sondern  haben  sich  auch  in  diese  verwandelt.  Am  meisten 
ist  beides  in  Spanien  geschehen.  »Zwar  in  dem  noch  später  iberischen,  von 
Einwanderung  ziemlich  freigebliebenen  Gebiet,  im  Westen  und  Nordwesten 
(in  Lusitanien,  Calläcien,  Asturien),  haben  die  einheimischen  Götter  mit  ihren 
seltsamen,  meist  auf -2«/5-  und  -<?«/j- ausgehenden  Namen,  der  Endovellicus,  der 
Eaecus,  Vagodonnaegus  und  wie  sie  weiter  heißen,  auch  unter  dem  Principat 
noch  sich  in  den  alten  Stätten  behauptet.  Aber  im  ganzen  Süden  (Baetica)  ist 
nicht  ein  einziger  Votivstein  gefunden  worden,  der  nicht  ebensogut  auch  in  Italien 
hätte  gesetzt  sein  können;  und  vom  Osten  und  Nordosten  (Tarraconensis)  gilt 
dasselbe,  nur  daß  von  dem  keltischen  Götterwesen  am  oberen  Duero  vereinzelte 
Spuren  begegnen«  ^).  Viel  länger  als  in  Südspanien  hat  sich  in  der  Südprovinz 
von  Gallien  die  Verehrung  der  nichtrömischen  Gottheiten  behauptet;  »die 
o-roße  Handelsstadt  Arelate  freilich  hat  keine  andern  Weihungen  aufzuweisen, 
als  an  die  auch  in  Italien  verehrten  Götter,  aber  in  Frejus,  Aix,  Nimes  und  über- 
haupt der  ganzen  Küstenlandschaft  sind  die  alten  keltischen  Gottheiten  in  der 
Kaiserepoche  nicht  viel  weniger  verehrt  worden  als  im  inneren  Gallien.  Auch 
in  dem  iberischen  Teil  Aquitaniens  begegnen  zahlreiche  Spuren  des  einhei- 
mischen, von  dem  keltischen  durchaus  verschiedenen  Kultus«^).  Zuweilen  war 
allerdings  die  Verschiedenheit  der  Barbarengötter  von  den  griechisch-römischen 
so  ungeheuer,  daß  sie  jede  Identifikation  ausschloß:  so  bei  einigen  in  Gallien 
verehrten  Lokalgottheiten,  wie  dem  mit  untergeschlagenen  Beinen  kauernden 
Cernunnos,  aus  dessen  Kopfe  ein  Hirschgeweih  wächst,  oder  der  Göttin  von 
Compiegne,  an  deren  Brüsten  Vögel  saugen,  oder  dem  dreiköpfigen  Gotte 
von  Reims ^). 
Orientalisclie  Unter  den  fremden  Kulten  übten  die  größte  Anziehungskraft  die  orientalischen. 
Gottesdienste,  gjg  Heßen  alle  Saiten  des  Empfindungsvermögens  klingen  und  stillten  den  Durst 
nach  religiösen  Erregungen,  den  der  nüchterne  römische  Kultus  nicht  zu  löschen 
vermocht  hatte.  Aber  zugleich  gaben  sie  der  Intelligenz  eine  größere  Befrie- 
digung, sie  wirkten  zugleich  auf  die  Sinne,  die  Vernunft  und  das  Gewissen,  sie 
nahmen  von  dem  ganzen  Menschen  Besitz.  Sie  boten,  so  schien  es,  mehr 
Schönheit  in  ihren  Riten,  mehr  Wahrheit  in  ihren  Lehren,  ein  höheres  Gut  in 
ihrer  Moral'^). 
Isis  und  Die  größte  Verbreitung  fanden  im  ganzen  römischen  Reich  die  ägyptischen 
Saräpis.  Gottheiten  Isis  und  Sarapis,  die  in  den  Osten  (wo  ihre  Denkmäler  am  zahl- 
reichsten sind,  besonders  in  der  Krim)  von  Ägypten  direkt,  in  den  Westen  und 
Norden  über  Italien  (namentlich  Aquileja,  wo  vielleicht  eine  Region  den  Namen 
Isis  und  Serapis  führte)^)  eindrangen^).    Auch  in  den  Donau-  und  Rheinländern 

i)  Mommsen  RG.  V  68.  2)  ebd.  94.  Hirschfeld,  Kl.  Schriften  S.  35 ff.  3)  Hettner,  Westd. 
Zeitschr.  II  1883  S.  8.  Mommsen  a.  a.  O.  S.  94  f.  Wissowa  a.  a.  O.  S.  24.  4)  Cumont,  Die 
Orient.  Relig.^  S.  34 ff.  Vgl.  oben  I  300 f.  5)  Oben  S.  21.  6)  Toutain,  Les  cultes  paiens  dans 
l'empire  Romain  II  5  ff. 


[IV.  156,  15  7]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  145 

sind  die  auf  sie  bezüglichen  Denkmäler  häufig').  Eine  zu  einem  romanischen 
Kapital  in  der  Ursulakirche  zu  Köln  umgearbeitete  Isisfigur  aus  Jurakalk^)  stammt 
vielleicht  aus  einer  dortigen  Kapelle  der  Göttin.  Allerlei  in  den  Rheinlanden 
gefundene  ägyptische  Monumente  mögen  in  dieses  oder  andre  Heiligtümer  ge- 
stiftet worden  sein,  um  ihnen  den  Schein  der  Echtheit  zu  geben,  freilich  ohne 
alles  Verständnis  für  ihre  wirkliche  Bedeutung:  namentlich  Apisstatuetten, 
Uschebtis  (kleine  Nachbildungen  Verstorbener  in  Mumienform)  und  Skarabäen^). 
Altäre  der  Isis  und  des  Sarapis  sind  dort  an  verschiednen  Orten,  der  Grabstein 
eines  in  der  römischen  Flotte  dienenden  Ägypters  Horus,  Sohn  des  Pabek,  in 
Köln  zum  Vorschein  gekommen'*).  Noch  Chnodomar,  der  alemannische  Gegner 
Julians,  gab  seinem  Sohne  Agenarich  den  Namen  Serapio,  weil  er,  in  Gallien 
als  Geisel  festgehalten,  in  griechische  Geheimnisse  (d.  h.  Isismysterien)  einge- 
weiht worden  war^).  Bis  in  die  entlegensten  Bergtäler  drangen  diese  Kulte  vor: 
auch  im  Stonstal  in  Tirol  wurde  bei  Festen  der  Isis  und  des  Sarapis  die  Trauer 
der  Göttin  um  ihren  verschwundenen  Gatten  dargestellt^).  Noch  im  Jahre  394 
beschrieb  ein  Augenzeuge  die  die  Straßen  Roms  durchziehenden  Isisprozes- 
sionen ^).  Aber  schon  391  hatte  der  Patriarch  Theophilus  das  Sarapeum  zu 
Alexandria  und  die  dortige  Kolossalstatue  des  Sarapis  zerstört  und  so,  wie 
Rufinus  sagt,  dem  Götzzndienst  den  Kopf  abgeschlagen^). 

Die  erste  semitische  Gottheit,  die  man  in  Italien  kennen  lernte,  v.'ar  die  in  Die  syrischen 
einem  großen  Teil  Syriens  zusammen  mit  ihrem  Gemahl  Hadad  verehrte  Atar-  ^°"^'"- 
gatis,  die  die  Griechen  und  Römer  die  syrische  Göttin  (0ed  lupi'a,  dea  Syria^ 
in  der  Vulgärsprache  auch  Jasura)  nannten^).  Schon  seit  dem  2.  Jahrhundert 
V.  Chr.  war  ihr  Kult  im  Westen  durch  syrische  Sklaven  verbreitet  worden.  Nero, 
»ein  Verächter  aller  Religionen«,  huldigte  eine  Zeitlang  ihr  allein,  wandte  sich 
dann  aber,  von  einer  andern  Superstition  angezogen,  mit  so  großer  Verachtung 
von  ihr  ab,  daß  er  ihr  Bild  besudelte'").  In  Trastevere  auf  dem  Janiculum  hatten 
die  syrischen  Gottheiten  einen  vor  kurzem  ausgegrabenen  Tempel  bis  zum  Ende 
des  Heidentums"). 

Von  den  zahlreichen  allmählich  auch  in  die  Religionen  des  Abendlandes  ein- 
gedrungenen syrischen  Baalen")  wurde  der  von  Doliche  in  Kommagene  erst 
seit  Einverleibung  dieses  Lands  durch  Vespasian  im  Jahre  72  im  Okzident  be- 
kannt. Er  war  ein  Donner-  und  Kriegsgott,  dargestellt  als  ein  gepanzerter, 
auf  einem  nach  rechts  schreitenden  Stier  stehender,  in  der  Rechten  die  Doppel- 
axt, in  der  Linken  den  Blitz  haltender  Mann.  Seine  Denkmäler  sind  am  zahl- 
reichsten in  den  nördlichen,  stark  mit  Truppen  besetzten  Grenzprovinzen.    In 

i)  Drexler  in  Roschers  Mythol.  Lexik.  II  4i4ff.,  namentlich  Schaafhausen,  Bonner  Jahrb.  LXXVI 
18838.310".  Arnoldi,  ebd.  LXXXVII  1 889  S.  33  f.  2)  J.  Klinkenberg,  Das  röm.  Köln  (Die  Kunst- 
denkmäler d.  Rheinprovinz  VI  i.  2)  S.  254.  3)  Wiedemann,  Bonner  Jahrb.  LXXVIII  1884  S.  88  ff. 
4)  CIL  XIII  8322  =  Dessau  2827.  5)  Ammian.  Marc.  XVI  12,  25.  6)  In  den  Akten  der  drei 
Nansberger  Märtyrer  (Acta  SS.  Mai  VII  44)  heißt  das  Tal  der  Anauner  mimerosa  daetnonibus,  bifor- 
mis  Anubibus  .  . .  plena  Isidis  amentia,  Serapis  fziga;  Isis  Noreia  in  Steiermark,  CIL  III  4809  f.  = 
Dessau  1467.  4864.  7)  Carmen  contra  paganos,  Anthol.  lat.  4,  98  ff.  R.         8)  Cumont  a.  a.  O. 

S.  100.  267.  Rufin.  bist.  eccl.  II  24.  9)  Cumont  a.  a.  O.  S.  121  ff.  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus^ 
S-  359ff-  10)  Sueton  Nero  56;  vgl.  oben  S.  120.  11)  P.  Gauckler,  Le  sanctuaire  Syrien  du  Jani- 
cule,  1912.  12)  Wissowa  a.  a.  O.  S.  361  ff.    Ausführliche  Nachweisungen  über  die  Verbreitung 

der  syrischen  Kulte  bei  Toutain  a.  a.  O.  11  35  ff. 

Fr iedlaen der,  Darstellungen,  ni.     9.  Aufl.  lO 


146  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [iV.  158] 

Rom  hatte  dieser  sogenannte  Juppiter  Dolichenus  ein  Heiligtum  auf  dem 
Aventin,  ein  zweites  auf  dem  Esquilin.  Sein  Kultus  scheint  unter  Commodus 
und  den  Severen  seine  Kulmination  erreicht  und  im  Laufe  des  3.  Jahrhunderts 
abgenommen  zu  haben  ^]. 
Mithras.  Den  Namen  des  iranischen  Lichtgottes  Mithras,  der  zugleich  ein  Gott  der 
Wahrheit  und  Rechtschaffenheit  und  ein  Sieg  verleihender  Gott  der  Heere  war, 
hörte  man  im  Okzident  zuerst  von  den  cilicischen  Seeräubern,  die  zu  Ende  der 
Republik  den  Römern  die  Herrschaft  der  Meere  streitig  machten "").  Der  Haupt- 
faktor der  Verbreitung  auch  dieses  Kultus  war  das  Heer,  daher  auch  sie  am 
größten  in  den  nördlichen  Grenzprovinzen;  die  meisten  Mithräen  hat  Deutsch- 
land aufzuweisen.  Schon  im  2.  Jahrhundert  drang  diese  Soldatenreligion  in  die 
oberen  Schichten  der  Gesellschaft.  Commodus  ließ  sich  in  die  Mysterien  des 
Mithras  einweihen,  und  die  Gunst  seiner  Nachfolger  scheint  diesem  Kult  sicher 
gewesen  zu  sein. 

Die  Anhänger  des  Mithras  sollten  den  Kampf  gegen  das  Prinzip  des  Bösen, 
das  Reich  Ahrimans,  ohne  Unterlaß  ausfechten,  das  Gute  lag  für  sie  in  der  Tat. 
Die  Mysterien  des  Mithras  befriedigten  die  Sehnsucht  nach  Unsterblichkeit  und 
nährten  die  Zuversicht  auf  den  schließlichen  Sieg  der  Gerechtigkeit.  Das  Zere- 
moniell des  Kultus  mußte  einen  tiefen  Eindruck  auf  den  Neophyten  machen, 
der  in  einer  natürlichen  oder  künstlichen  Grotte  [spelaeii7n)  das  Bild  des  jugend- 
lichen, auf  einem  Stier  knienden  und  ihn  tötenden  Gottes  erblickte.  Es  gab 
sieben  Weihegrade;  der  Myste  empfing  nacheinander  die  Namen  Rabe  [corax]^ 
Verborgener  (Kpuqpioq,  cryphius)^  Soldat  [miles\  Löwe  [led]^  Perser  [Pcrses)^ 
Sonnenläufer  fH\i6bpo|uoq,  Heliodromiis)  wndWsiitx  [pater)\  das  Oberhaupt  der 
Väter  [pater  patruni)  behielt  lebenslänglich  die  allgemeine  Leitung  des  Kultus. 
Diese  sieben  Stufen  der  Initiation  entsprachen  den  sieben  Planetensphären, 
welche  die  Seele  durchreisen  mußte,  um  an  den  Aufenthaltsort  der  Seligen  zu 
kommen.  Den  Neophyten  waren  vielfache  Waschungen  vorgeschrieben,  eine 
Art  Taufe,  die  bestimmt  war,  die  sittlichen  Befleckungen  zu  tilgen.  Erst  nach 
einem  langen  Noviziat  wurde  eine  mystische  Mahlzeit  gewährt,  die  die  Apolo- 
geten mit  der  Kommunion  vergleichen^).  Kasteiungen  und  Prüfungen,  mehr 
furchterregend  als  furchtbar,  leiteten  die  Spendung  der  Sakramente  ein. 

Der  Kampf  zwischen  Mithrasdienst  und  Christentum  wurde  um  so  hart- 
näckiger geführt,  je  ähnlicher  beide  Religionen  ihrem  Charakter  nach  waren. 
^Ihre  Adepten  bildeten  in  gleicher  Weise  geheime,  fest  geschlossene  Konven- 
tikel,  deren  Mitglieder  sich  den  Namen  , Brüder'  gaben.  Die  Riten,  welche  sie 
ausübten,  boten  zahlreiche  Analogien:  wie  die  Christen  reinigten  sich  auch  die 
Anhänger  des  persischen  Gottes  durch  eine  Taufe,  empfingen  durch  eine  Art 
Firmelung  die  Kraft,  die  bösen  Geister  zu  bekämpfen,  und  erwarteten  von  einer 
Kommunion  das  Heil  der  Seele  und  des  Leibes.    Wie  jene  heiligten  sie  den 

i)  F.  Hettner,  De  Jove  Dolicheno,  Diss.  Bonn  1877.  A.  H.  Kan,  De  Jovis  Dolicheni  cultu,  Diss. 
Groningen  1901.  C.  Fredrich,  Die  in  Ostdeutschland  gefundenen  römischen  Bronzestatuetten 
(Progr.  Cüstrin  1912)  S.  11  ff.  2)  Alles  obige  nach  Cumont,  Die  Mysterien  des  Mithra,  deutsch 
von  Gehrich^,  191 1,  großenteils  wörtlich.  3)  Darstellung  der  mithrischen  Kommunion  auf  einem 
Relief  aus  Bosnien  bei  Cumont  a.  a.  O.  Taf.  HI  7,  vgl.  dazu  Dieterich,  Eine  Mithrasliturgie  (1903) 
S.  I02ff.    Über  Sakramente  des  Mithrasdienstes  Cumont  S.  I43ff. 


[IV.  i59J 


DER  GÖTTERGLAUBE 


'47 


Sonntag .  .  .  Ebenso  predigten  sie  eine  imperative  Moral,  hielten  die  Askese 
für  verdienstlich  und  rechneten  zu  den  wichtigsten  Tugenden  Enthaltsamkeit 
und  Keuschheit,  Entsagung  und  Selbstbeherrschung.  Ihre  Vorstellungen  von 
der  Welt  und  dem  Schicksal  der  Menschen  waren  ähnlicher  Natur:  sie  glaubten 
beide  an  die  Existenz  eines  Himmels  der  Seligen  in  überirdischen  Regionen 
und  einer  von  Dämonen  bevölkerten  Hölle  in  den  Tiefen  der  Erde;  sie  setzten 
ohne  Zweifel  an  den  Anfang  der  Geschichte  eine  Sintflut,  sie  führten  ihre  Über- 
lieferungen auf  eine  ursprüngliche  Offenbarung  zurück;  sie  glaubten  endlich  an 
eine  Unsterblichkeit  der  Seele  und  eine  jenseitige  Vergeltung,  an  ein  jüngstes 
Gericht  und  an  die  Auferstehung  der  Toten  im  Zusammenhang  mit  dem 
schließlichen  Weltbrande«').  Gleich  Christus  war  auch  Mithras  der  Mittler 
(iLiecriTri?)  zwischen  seinem  himmlischen  Vater  und  den  Menschen,  und  gleich 
ihm  bildete  er  das  Glied  einer  Trinität. 

Daß  Origenes  den  Mithrasdienst  in  einer  Zeit,  wo  er  auf  der  Höhe  seiner 
Macht  stand,  einen  im  Vergleich  mit  den  ägyptischen  Kulten  obskuren  nennen 
konnte^),  erklärt  sich  daraus,  daß  Mithras  von  der  hellenischen  Welt  so  gut 
wie  ganz  ausgeschlossen  blieb. 


Doch  der  Glaube  vermochte  nicht  bloß  fremdartige  Gottheiten  zu  assimilieren, 
er  vermochte  auch  neue  zu  schaffen,  und  diese  Produktivität  ist  der  untrüg- 
lichste Beweis  seiner  unverminderten  Energie  und  Lebenskraft.  Noch  immer 
wurden  ihm,  der  das  täglich  und  stündlich  auf  Schritt  und  Tritt  so  tief  empfun- 
dene göttliche  Walten  nicht  als  ein  einiges  und  Ganzes  auffaßte,  sondern 
die  unendliche  Gottheit  in  unzählige  Einzelwesen  aufzulösen  das  Bedürfnis 
empfand  —  noch  immer  wurden  ihm  bedeutende,  tief  ins  Menschenleben  ein- 
greifende Erscheinungen  und  Wirkungen  zu  göttlichen  Persönlichkeiten. 

Der  Glaube  an  eine  Göttin  der  Getreideversorgung  (Annona)  und  ihre  Ver-  Annona. 
ehrung  gehört  erst  der  früheren  Kaiserzeit  an^),  einer  Epoche,  in  der  die  Exi- 
stenz und  Sicherheit  der  ewigen  Stadt  auf  der  Regelmäßigkeit  und  hinlänglichen 
Reichlichkeit  der  überseeischen  Kornzufuhren  beruhte.  Es  mußte  eine  Gottheit 
sein,  die  diese  unermeßlichen  Vorräte  in  Afrika  und  Ägypten  zusammenströmen 
ließ,  sicher  über  das  Meer  schaffte,  in  den  Magazinen  Roms  berghoch  auf- 
schüttete und  jahraus  jahrein  Hunderttausenden  das  tägliche  Brot  gab.  Die 
»heilige  Annona«  ist  gewiß  oft  genug  in  heißen  Gebeten  angerufen  worden, 
am  meisten  von  denen,  welche  in  Rom  die  so  höchst  umfassende  Getreidever- 
waltung und  die  mit  ihr  zusammenhängenden  Gewerbe,  in  den  Provinzen  die 
Kornlieferungen  beschäftigten  und  ernährten.  Eine  Widmung  an  die  heilige 
Annona  in  Rom  rührt  von  einem  »lebenslänglich  angestellten  Messer  der  sehr 
ehrwürdigen  Körperschaft  der  Feinbrotbäcker«  her'*);  nach  einer  Inschrift  von 
Rusicade  (Philippeville),  einem  Exporthafen  des  kornreichen  Numidiens  mit 
Staatsmagazinen,  die  für  die  Versorgung  Roms  bestimmt  waren ^),  Heß  dort  ein 


Produktivität  des 
Götterglaubens. 
Neue  Gottheiten. 


i)  Cnmont  a.  a.  O.  S.  l8i  f.  2)  Orig.  c.  Geis.  VI  23  (aipiaeiuc,  dar)tiOT(iTri(;).  3)  Sie  erscheint 
zuerst  auf  Münzen  des  Nero,  vgl.  W.  Koehler,  Personifikationen  abstrakter  Begriffe  auf  röm.  Mün- 
zen (Diss.  Königsberg  19 10)  S.  43ff. ;  in  der  Literatur  nur  bei  Stat.  silv.  I  6,  38.  Über  Kunstdarstel- 
lungen ferunn,  Kl.  Schrift.  1 50  ff.  53ff.     4]  CILVl22  =  Dessau38i6.     5)  Mommsen  CIL  VIII  p.684. 


148 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  i6o,  i6i] 


reicher  Mann  zwei  Statuen,  eine  >des  Genius  unsrer  Vaterstadt <^,  eine  andre 
>der  Annona  der  heiligen  Stadt  (Rom)«,  im  Theater  aufstellen'). 
Der  Genien-  Vor  allem  bedingte  der  altrömische  Genienglaube  eine  unaufhörliche,  grenzen- 
glaube, j^gg  Vermehrung  der  göttlichen  Wesen:  und  daß  diese  noch  immer  ihren  Fort- 
gang hatte,  beweist  schon  allein  die  lebendige  Fortdauer  dieses  Glaubens  über- 
haupt. Die  ihm  zugrunde  liegende  Anschauung  erfüllte  noch  immer  Natur  und 
Dasein  mit  zahllosen,  waltenden  und  erhaltenden,  zeugenden  und  belebenden, 
helfenden  und  schützenden  göttlichen  Mächten,  den  Genien,  die,  wie  man  glaubte, 
gern  in  der  Gestalt  von  Schlangen  erschienen").  Jeder  Einzelne,  jedes  Haus 
und  jede  Familie  hatte  ihren  Genius,  jedes  Land,  jede  Stadt  und  Provinz,  Legionen, 
Kohorten,  Centurien,  Körperschaften,  Zünfte  und  Vereine^).  Aber  auch  jeden 
Raum  bevölkerte  der  fromme  Sinn,  dem  »alles  eines  Gottes  Spur«  wies,  der  in 
jeder  Wohltat,  jeder  glücklichen  Fügung  die  Hand  einer  Gottheit  wahrnahm, 
mit  göttlichen  Wesen'^j:  Brunnen,  Berge,  Märkte,  Paläste,  Magazine,  Bäder, 
Archive  und  Theater,  und  jeder,  der  dort  ein  und  aus  ging,  brachte  dem  Genius 
oder  der  »Schutzmacht«  (Tutela)  »ob  Gott  ob  Göttin«  seine  Huldigung  dar 5). 
Der  Kaufmann,  den  seine  Geschäfte  in  ferne  Grenzländer  führten,  opferte  dort 
»dem  Genius  des  römischen  Volks  und  des  Handels«^);  der  in  unbekannten 
und  unwirtlichen  Gegenden  Reisende  »dem  Gotte,  der  die  Wege  und  Pfade  er- 
sonnen hat«  ^).  In  den  Häusern  Roms  wie  der  übrigen  Städte  sah  man  noch  im 
5.  Jahrhundert  auf  dem  Flur  hinter  der  Haustür  ein  Bild  der  Schutzgottheit  und 
davor  eine  brennende  Kerze  oder  ewige  Lampe  ^) ;  auch  der  Kult  der  Hausgötter 
(des  Lar,  des  Genius,  der  Penaten)  erhielt  sich  trotz  der  dagegen  erlassenen 
Verbote  bis  tief  in  die  christliche  Zeit^).  Hatten  diese  kleinen  Gottheiten  ihre 
Macht  zu  helfen  wiederholt  innerhalb  einer  bestimmten  Sphäre  bewährt,  so  er- 
hielten sie  auch  wohl  eigne  Namen  und  damit  mehr  Persönlichkeit:  wie  einer 
der  sämtlich  dem  Handelsstande  angehörenden  Gäste  Trimalchios  beim  heiligen 
>Greifzu«  oder  »Haltfest«  (Occupo)  schwört,  und  die  Laren  des  Hausherrn  die 
Namen  >Profitmann,  Glücksmann,  Gewinnmann«  (Cerdo,  Felicio,  Lucrio) 
mhren'°). 

Eine  notwendige  Folge  der  Umwandlung  der  Republik  in  die  Monarchie  war, 
daß  die  Person  des  Kaisers  zum  Gegenstande  göttlicher  Verehrung  wurde. 
Dieser  hat  Augustus  für  Rom  und  den  öffentlichen  Kult  die  Form  gegeben,  daß 
der  Genius  des  Kaisers  (nicht  dieser  selbst)  in  allen  Stadtbezirken  zwischen  den 
Laren  der  Straßenkreuzungen  [compita)  einen  regelmäßigen  Gottesdienst  erhielt; 
dieser  Genius  Augusti  nahm  nunmehr  auch  im  religiösen  Leben  der  Bürger 

i)  CIL  VIII  7960  =  Dessau  5077.  2)  Auch  die  Ginnen  (Geister)  der  Araber  wurden  gern  als 
Schlangen  gedacht,  v.  Kremer,  Kulturgesch.  d.  Orients  II  257.  3)  W.  Otto,  Real-Encykl.  VII 

II 55 ff.  4)  Dis  aiHorihis  huius  loci  Iii'Jius)  Victor,  trib[unus)  (Risingham)  CIL  VII  980,  CIL  VIII 
774  =  Dessau  3658  dco  loci,  uhi  auspicium  dignitatis  tale,  municipes  Api[seuses],  auf  beiden  Seiten 
Darstellung  eines  Blitzes.  5)  z.  B.  Ttitelac  et  Genie  loci  CIL  III  4445  =  Dessau  3653.  Genio  tutelae 
horreorum  CIL  11  2991  =  Dessau  3667,  Genio  et  Fortimae  Tutelaeque  huius  loci  CIL  VI  216  = 
Dessau  2013.  Material  für  die  örtlichen  Genien  bei  L.  Cesano  in  Ruggieros  Dizion.  epigr.  III  462  ff. 
6)  CIL  III  7853  =  Dessau  1860  (vgl.  oben  I  374).  7)  Deo  qui  vias  et  semitas  conwientus  est  CIL 
VII  271  =  Dessau  3929.  8)  Hieronym.  (+  420)  in  Esaiam  XVI  57,  5  (Migne  lat.  XXIV  551). 

9)  Cod.  Theodos.  XVI  10,  12  (vom  J.  392):  Nulhts  omnino  —  secretiore  piaculo  Lar  cm  igne,  mero 
Genium,  penates  odore  veneratus^  accendat  lumina,  imponat  iura,  serta  suspendat.  10)  Petron.  Bat. 
58,  10.  60,  8. 


Die  Vergötte- 
rung der  Men- 
schen.      Der 
Kaiserkult. 


[IV.  i62]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


149 


eine  ähnliche  Stellung  ein,  wie  der  Genius  des  Hausherrn  für  den  Angehörigen 
des  einzelnen  Hausstandes").  Es  war  unvermeidlich,  daß  im  Glauben  des  Volks 
die  Vorstellung  des  kaiserlichen  Genius  mit  der  Person  des  Kaisers  selbst  zu- 
sammenfloß^ und  so  auch  der  Kaiser  selbst  ihm  zum  Gotte  wurde.  Doch 
wenn  auf  diese  Weise  auch  der  Genienglaube  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  Ver- 
götterung der  Kaiser  blieb,  so  ist  doch  die  eigentliche  Heimat  des  Glaubens  an 
die  Übermenschlichkeit  der  Monarchen  der  Orient  gewesen;  aus  den  grie- 
chischen Staaten  des  Orients  ist  er  mit  der  Monarchie  in  den  Westen  ver- 
pflanzt worden^). 

Von  jeher  waren  in  Griechenland  bedeutende  und  hochverdiente  Männer  Die  Verehrung 
nach  ihrem  Tode  als  Heroen  (Halbgötter)  verehrt  worden:  so  namentlich  Gründer  Verstorbener  — 
von  Städten  und  Kolonien,  Gesetzgeber  und  Staatsoberhäupter,  die  Helden  der 
Perserkriege,  Befreier  des  Vaterlands  (Harmodius  und  Aristogito  in  Athen, 
TimoleoninSyrakus),  auch  Dichter  (Aeschylus,  Sophokles),  Philosophen  (Anaxa- 
goras,  Piaton,  Epikur)  und  Olympiasieger 3).  Hier  und  da  steigerte  sich  die 
Heroisierung  zur  Apotheose;  so  genoß  Philopoemen  in  seiner  Vaterstadt  gött- 
liche Ehren'*),  und  auch  manche  andre  Heroenkulte  nahmen  allmählich  die  Ver- 
ehrungsformen der  Götterdienste  an^].  Auch  unter  der  römischen  Herrschaft 
erwiesen  Städte  hervorragenden  Bürgern  nach  dem  Tode  heroische  Ehren:  so 
Mytilene  dem  Theophanes,  welcher  der  Stadt  bei  Pompejus  die  Freiheit  aus- 
gewirkt hatte ^),  Tarsus  dem  um  sie  hochverdienten  Stoiker  Athenodorus,  dem 
Lehrer  Augusts^).  Und  wenn  in  solchen  und  ähnlichen  Fällen  dieser  Ausdruck 
der  Dankbarkeit  aus  Schmeichelei  und  serviler  Gesinnung  gewählt  wurde,  so 
sind  doch  ohne  Zweifel  einzelne  auch  damals  nach  dem  Tode  in  aufrichtigem 
Glauben  an  die  Übermenschlichkeit  ihrer  Natur  als  Heroen  verehrt  worden,  wie 
Apollonius  von  Tyana^).  Wie  geläufig  auch  den  Römern  die  Vorstellung  der 
Erhebung  verklärter  Geister  zu  einer  göttlichen  oder  halbgöttlichen  Existenz 
geworden  war,  beweist  die  Absicht  Ciceros,  seiner  (im  Alter  Aon  32  Jahren  ver- 
storbenen) Tochter  Tullia  einen  Tempel  zu  erbauen^.  Die  Karpokratianer, 
eine  gnostische  Sekte  in  der  ersten  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts,  die  Jesus  neben 
den  griechischen  Philosophen  als  Muster  höchster  menschlicher  Läuterung  ver- 
ehrten, sollen  dem  siebzehnjährigen  Sohne  ihres  Stifters,  Epiphanes,  nach  seinem 
Tode  auf  Kephallenia  einen  Tempel  errichtet  haben '°). 

I]  Wissowa  a.  a.  O.  S.  172.  177.  2)  Mommsen  StR.  II^  755—760.    Hirschfeld,  Kl.  Schrift. 

S.  471  ff-  H.  Nissen,  Orientation  (1906— 1910)  S.  322ff,  3)  C.  Keil,  Analecta  epigr.  et  onomatol. 
(1842)  S.  39  ff.  Lehrs,  Pop.  Aufs.^'  S.  320  ff.  Robde,  Psyche^  II  348  ff.  Deneken  in  Roschers  My- 
thol.  Lexikon  I  25l7ff.  Eitrem,  Real-Encykl.  VIII  Ii34ff.  4)  Diodor.  XXIX  21  Bekk.  Liv. 
XXXIX  50,  9.  IG  V  2  nr.  432  =  Dittenberger,  Syll.3  624.  5)  z.  B.  Theagenes  auf  Thasos  (Pau- 
san.  VI  II,  8  vo\xiZovOiv  Sxe  Gcuj  Gueiv).  Vgl.  F.  Pfister,  Der  Reliquienkult  im  Altertum  (1912) 
S.  480 ff.  6)  Tac.  A.  VI  18,  vgl.  Head,  Hist.  num.=^  S.  563.  Dittenberger,  Syll.3  y^^.  Ein  später 
Nachkomme  von  ihm,  M.  Pompejus  Macrinus,  Konsul  unter  Trajan  im  J.  100  (vgl.  über  ihn  A.  v. 
Premerstein,  Oesterr.  Jahreshefte  XV  1912  S.  207  ff.)  nennt  sich  veoc,  Qeo(p6.VY\(;,  IG  V  2  nr.  151. 
XII  2  nr.  235.  7)  Lucian.  macrob.  21.  Vgl,  oben  I  86.  8)  Lactant.  Inst.  div.  V  3,  14  cum  eum 
( Apollonium]  dicas  et  adoratum  esse  a  qutbusdam  sicut  deum,  et  simulacrtim  eius  sub  Herculis  Alexi- 
caci  nomine  constitutum  ab  Ephesiis  etiavi  nunc  honorari.  9)  Cic.  ad  Attic.  XII  12,  i.  18,  l.  -i^i).,  i; 
vgl.  Lehrs  a.  a.  O.  S.  352 ff.  10)  Clem.  Alex,  ström.  III  2,  5,  i  p.  197,  21  Stähl.;  vgl,  Hilgenfeld, 
Ketzergesch.  d.  Urchristentums  S.  402  f.  Nach  den  Inschriften  CIL  XIV  324  =  Dessau  4176  (auf 
der  Nebenseite  des  Grabsteines  eines  Knaben  aus  Ostia  vom  J.  203  heißt  es  im  Namen  des  städti- 


I50 


XIIL  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  163] 


dochen. 


und  Lebender  Doch  seit  dem  Pelopoiinesischen  Kriege  sind  in  Griechenland  auch  Lebende 
als  Heroen  m  ^Is  Götter  verehrt  worden;  zuerst Lysander,  dem  asiatische  Griechenstädte  Ahäre 
errichteten,  Opfer  brachten  und  Päane  sangen").  Auch  die  niedrigste  Schmei- 
chelei hätte  auf  diese  Form  der  Huldigung  nicht  verfallen  können,  wenn  nicht 
das  gesamte  griechische  Altertum,  das  Gottheit  und  Menschheit  nicht  durch  eine 
unausfüllbare  Kluft  getrennt  zu  denken  vermochte,  in  hohem  Grade  dazu  ge- 
neigt hätte,  in  jeder  scheinbar  oder  wirklich  die  Menschheit  überragenden  Per- 
sönlichkeit ein  Wesen  höherer  Art  zu  erblicken.  Ganz  fremd  ist  auch  den 
Römern  diese  Anschauungsweise  nicht  gewesen:  wurden  doch  dem  Marius  als 
Besieger  der  Cimbern  und  Teutonen  in  Rom  allgemein  bei  den  häuslichen 
Mahlzeiten  wie  einem  Gotte  Trankopfer  gespendet^).  Auch  außerhalb  der 
griechisch-römischen  Welt  begegnet  uns  der  Glaube  an  die  Göttlichkeit  ein- 
zelner Menschen.  Bei  den  Geten  galt  der  auf  einem  heiligen  Berge  in  einer 
Höhle  wohnende  Prophet  Decaeneus,  der  Berater  des  Königs  Burbista,  eines 
Zeitgenossen  Cäsars,  für  einen  Gott;  Strabo  nennt  ihn  einen  Gaukler^).  Der 
Bojer  Mariccus,  der  im  Jahre  69  n.  Chr.  Gallien  von  römischer  Herrschaft  zu 
befreien  unternahm,  gab  sich  selbst  für  einen  Gott  aus  und  fand  bei  Tausenden 
Glauben''). 
Königskult  in  den  Zur  festen  Ausbildung  ist  aber  der  Kult  lebender  Helden  und  Gewalthaber 
Reichen  der  Dia-  grst  seit  Alexander  dem  Großen  und  zwar  in  den  Fürstenhäusern,  die  im  Orient 
sein  Erbe  teilten,  gediehen,  am  frühesten  vielleicht  in  Ägypten,  wo  ebenso  wie 
in  Persien  bereits  in  alter  Zeit  die  Anschauung,  daß  der  König  ein  Gott  oder 
doch  der  Sohn  eines  Gottes  sei,  öffentliche  Geltung  erlangt  hatte.  Wäre  Ale- 
xander ein  längeres  Leben  beschieden  gewesen,  so  würde  er  sicherlich  schon 
bei  Lebzeiten  dieselben  oder  noch  höhere  göttliche  Ehren  genossen  haben,  als 
sie  seinen  Nachfolgern  in  Ägypten,  Syrien  und  im  Pergamenischen  Reiche  zuteil 
geworden  sind^). 

Neben  den  in  den  Diadochenreichen  zur  höchsten  Ausbildung  gelangten 
Königskult  trat  dann  seit  dem  Eingreifen  der  Römer  in  die  orientalischen  Ver- 
hältnisse in  den  Städten  Kleinasiens  der  Kult  der  Göttin  Roma,  der  die  Smyr- 
näer  bereits  195  v.  Chr.  einen  Tempel  errichteten.  Und  zu  diesem  Romakult 
gesellten  sich  die  den  römischen  Statthaltern  und  Feldherrn  erwiesenen  gött- 
lichen Ehren,  wie  sie  vor  allen  T.  Quinctius  Flamininus,  dem  >' Befreier  Griechen- 
lands«, als  ein  jener  Zeit  vollkommen  natürlich  erscheinender  Ausdruck  enthu- 
siastischer Dankbarkeit  entgegengebracht  wurden.  In  der  letzten  Zeit  der  Re- 
publik war  die  Weihung  von  Tempeln  (wahrscheinlich  gemeinsam  mit  der 
Göttin  Roma)  für  römische  Prokonsuln  bereits  zu  einer  ganz  gewöhnlichen  Hul- 
digung geworden^). 

sehen  Oberpriesters:  statuam  poni  in  campo  Martis  deum  infantilem perviisi]  und  IG  III  1460 
(Grabschrift  eines  5 jährigen  Knaben:  koi  6  Traxiip  |ue  dveöTiiöe  Tipcua  öUYTevefaq)  scheinen 
Seelen  verstorbener  Kinder  zuweilen  Gegenstände  eines  Kults  im  Kreise  ihrer  Familien  gewesen 
zu  sein. 

i)  Plut.  Lysand.  18;  vgl.  Nilsson,  Griech.  Feste  S.  49,  4.  Mehr  bei  Pfister  a,  a.  O.  S.  587 f. 
2)  Plutarch.  Mar.  27,  9.  3)  Strabo  VII  298.  304.  XVI  762.  Jordan.  Get.  II,  67  ff.  Vgl.  Ihm, 
Bonner  Jahrb.  LXXXIII  S.  102.  4)  Tac.  Hist.  II  6r.  5)  Kornemann,  Klio  I  (1901)  S.  52  ff, 
Kaerst,  Gesch.  d.  hellenist.  Zeitalters  II  l  S.  3 74  ff.  Wendland,  Die  hellenistisch-römische  Kultur- 
S.  I23ff.    A.  Bauer,  Vom  Griechentum  zum  Christentum  (1910)  S.  53ff.       6)  Wissowa,  Religion  u. 


[IV.  164]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  151 

Waren  die  Römer  also  längst  gewohnt,  die  Apotheose  auch  für  Lebende  als 
eine  nicht  zu  hohe  Ehre  anzusehen,  so  erschien  der  Anspruch  der  neuen  Mon- 
archen auf  sie  als  selbstverständlich,  und  wenn  die  Vergötterung  der  Lebenden 
sich  innerhalb  gewisser  Schranken  hielt,  lag  dies  nicht  an  der  zu  geringen  Will- 
fährigkeit der  Untertanen,  sondern  an  der  Zurückhaltung  der  Kaiser").  Was 
hätte  auch  dem  Glauben  an  göttliche  Naturen  in  menschlicher  Gestalt  gemäßer 
sein  können,  als  in  den  allmächtigen,  so  unermeßlich  hoch  über  so  viele  Milli- 
onen hinausgehobenen,  auf  Erden  an  Stelle  der  Götter  waltenden^)  Herrschern 
des  Erdkreises  > gegenwärtige  und  leibhaft  erschienene  Götter«  ^),  in  ihrem  Tode 
eine  Erhebung  in  die  höhere  Welt  zu  erkennen,  der  sie  angehörten.  War  auch 
die  Apotheose  der  Kaiser  in  der  Regel  ein  Werk  der  bewußten  Heuchelei  des 
Servilismus,  so  entsprach  sie  doch  mindestens  in  einzelnen  Fällen  dem  Glauben 
des  Volks'*).  Die  Versetzung  Cäsars  unter  die  Götter,  sagt  Sueton,  erfolgte  nicht 
bloß  auf  den  Beschluß  des  Senats,  sondern  auch  nach  dem  Glauben  der  Menge: 
ein  Komet,  der  unmittelbar  darauf  sieben  Tage  lang  sichtbar  war,  galt  für  seine 
in  den  Himmel  aufgenommene  Seele ^).  Und  wenn  dem  Kaiser  Marc  Aurel 
nicht  bloß  nach  seinem  Tode  jedes  Alter  und  Geschlecht,  alle  Stände  und 
Klassen  göttliche  Ehren  erwiesen  und  jeder  für  gottlos  galt,  der  sein  Bild  nicht 
im  Hause  hatte,  sondern  auch  noch  in  Diocletians  Zeit  in  vielen  Häusern  seine 
Statue  zwischen  den  Penaten  stand,  und  viele  durch  den  Erfolg  bestätigte  Pro- 
phezeiungen berichtet  wurden,  die  man  seinen  Offenbarungen  in  Traumge- 
sichten zu  verdanken  glaubte^):  so  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  auch  dieser 
gute,  milde,  allgeliebte  Monarch  dem  Volke  wirklich  zum  Gotte  geworden  war. 
Auch  Alexander  Severus  verehrte  in  seiner  Hauskapelle,  wo  er  an  jedem  Morgen 
Gottesdienst  zu  halten  pflegte,  außer  den  »heiligen  Seelen c  —  zu  denen  ApoUo- 
nius  von  Tyana,  Orpheus,  Abraham,  Christus  gehört  haben  sollen  —  die  besten 
der  vergötterten  Kaiser^). 

Begreiflicherweiste  widerstrebte  jedoch  dieser  Glaube  einer  wirklichen  Gott- 
werdung  von  Menschen  auch  einem  großen  Teil  derer,  die  sonst  in  religiösen 
Dingen  starkgläubig  waren.  Pausanias  sagt,  zu  seiner  Zeit  seien  Menschen  nicht 
mehr  zu  Göttern  geworden,  wie  einst  Herakles,  die  Dioskuren,  Amphiaraos, 
außer  den  Worten  nach  und  aus  Schmeichelei  gegen  die  Macht^);  wobei  er 
wohl  zunächst  an  die  Apotheose  des  Antinous  gedacht  hat.  Auch  dieser  hatte  Apotheose  des 
übrigensein  orientalisches  Vorbild  nicht  gefehlt:  in  Alexandria  hatte  einst .  einBar-  antinous. 
baren weib  von  der  Straße«,  Belesticha,  durch  die  Leidenschaft  ihres  königlichen 
Liebhabers  als  »Aphrodite  Belesticha«  göttliche  Ehre  und  Tempel  erhalten 9). 
Die  Vergöttlichung  des  Antinous  selber  knüpfte  an  die  ägyptische  Vorstellung  an, 
wonach  die  im  Nil  Ertrunkenen  göttliche  Verehrung  genossen  und  mit  Osiris 

Kultus  d.  Römer^   S.  341.    Ein  Priester  der  Roma  und  des  P.  Servilius  Isauricus,  J.  Keil,  Österr. 
Jahresh.  XVIII  191 5  Beibl.  S  282. 

1)  Das  Obige  nach  Hirschfeld  a.  a.  O.,  großenteils  wörtlich.  2)  Seneca  de  dementia  I  l,  2 
electusque  sum,  qui  in  terris  deoritm  vicefungerer?  3)  Veget.  r.  m.  II  5:  imperatori  —  tamquam 
praesenti  et  corporali  deo;  vgl.  auch  Val.  Max.  praef.  Horat.  c.  III  5,  l  f .  caelo  tonantem  credidimus 
lovem  regnare,  praesens  divus  habebitur  Augustus.  4)  Über  die  Heilandsvorstellung  in  der  Apo- 
theose Wendland,  Zeitschr.  f.  neutestam.  Wissensch.  V  1904  S.  335flF.  5)  Sueton.  Caes.  88. 
6)  Hist.  aug.  M.  Aurel.  18,  5  ff.  7)  ebd.  Alex.  Sev.  29,  2.  8)  Pausan.  VIII  2,  5.  9)  Plutarch. 
Amator.  9  (Geliebte  des  Ptolemäus  11.  Philadelphus,  Athen.  XIII  576  E.  F.  596  F). 


152  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  165,  i66] 

identifiziert  wurden'].  Ohne  Zweifel  ward  der  Anordnung  des  Antinouskults 
im  allg-emeinen  »aus  Schmeichelei  gegen  die  Macht«  Folge  geleistet:  aber 
schon  der  Glaube  der  nächsten  Generation  an  die  Göttlichkeit  des  schönen, 
schwermütig  blickenden  Jünglings  war,  wie  Athenagoras  ums  Jahr  177  bezeugt, 
ein  aufrichtiger^),  und  er  bestand  mindestens  bis  ins  dritte  Jahrhundert.  Noch 
heute  bezeugt  in  Rom  die  Hieroglyphenschrift  des  Obelisken  auf  Monte  Pincio, 
dereinst  am  Eingange  eines  Mausoleums  (Kenotaphs?)  des  Antinous  an  der  Via 
Labicana  stand,  daß  er  zum  Gott  erhoben  sei  und  als  solcher  in  ewiger  Jugend 
die  Liebe  und  Verehrung  der  Menschen  genieße^).  Celsus  hatte  die  Verehrung 
Christi  mit  der  des  Antinous  verglichen,  und  Origenes,  der  diese  Vergleichung 
als  eine  völlig  unzulässige  zurückweist,  zweifelte  nicht,  daß  in  der  Tat  ein  Dä- 
mon unter  dem  Namen  des  Antinous  in  dessen  Tempel  sein  Wesen  trieb'*). 
Wenn  man  die  Sache  mit  Wahrheitsliebe  und  unparteiisch  prüfe,  so  werde  man 
wohl  finden,  daß  man  von  dem,  was  Antinous  in  Antinoupolis  auch  nach  seinem 
Tode  angeblich  vollbringe,  ägyptische  Zaubereien  und  Mysterien  die  Ursache 
seien.  Auch  an  andern  Tempeln,  so  werde  erzählt,  hätten  Ägypter  und  andre 
Zauberer  Dämonen  festgebannt,  welche  prophezeiten,  Kranke  heilten  und  die 
Übertreter  von  Speiseverboten  oder  andern  religiösen  Vorschriften  marterten. 
»Ein  solcher  ist  auch  der,  welcher  in  Antinoupolis  in  Ägypten  als  Gott  geachtet 
wird,  dessen  Macht  manche,  die  in  den  Tag  hineinleben,  leugnen;  andre  aber, 
teils  von  dem  dort  gebannten  Dämon  betört,  teils  von  ihrem  Schuldbewußtsein 
angeklagt,  glauben  eine  von  der  Gottheit  des  Antinous  verhängte  Strafe  zu  er- 
leiden. Von  dieser  Art  sind  ihre  Mysterien  und  die  angeblichen  Prophezeiungen, 
von  denen  die  Weissagungen  Jesu  weit  entfernt  sind. « 

Im  allgemeinen  war  übrigens  der  Kaiserkult  doch  nichts  andres  als  derjenige 
Ausdruck  unbedingtester  Ergebenheit,  welchen  der  damalige  Despotismus  von 
den  Untertanen  wenigstens  insofern  fordern  konnte,  als  die  Anerkennung  einer 
göttlichen  Natur  in  einer  menschlichen  Persönlichkeit  dem  religiösen  Gefühl 
nicht  an  und  für  sich  widerstrebte.  Wenn  sich  niemals  ein  christliches  Zeitalter 
zur  Anbetung  eines  Herrschers  als  Gott  verirrt  hat,  so  liegt  dies  nicht  daran, 
daß  der  Abstand  zwischen  Herrscher  und  Beherrschten  geringer,  das  Gefühl 
der  Menschenwürde  höher,  oder  der  Knechtssinn  minder  erfinderisch  in  un- 
würdigen Huldigungen  war  (im  byzantinischen  Reich  und  in  Frankreich  unter 
Ludwig  XIV.  und  Napoleon  I.  ^)  fand  eher  von  allem  diesem  das  Gegenteil 

l)  W.  Weber,  Drei  Untersuchungen  zur  ägyptisch-griech.  Religion  (Heidelberg  191 1)  S.  igfF, 
Wilcken,  Jahrb.  d.  Arch.  Instit.  XXXII  191 7  S.  202 f.;  über 'OaipavTivooi;  Wilcken,  Grundz.  d. 
Papyrusk.  I  121.  123.  2)  Athenag.  Leg.  pr.  Christ.  30:  Kai  'AvTivooq  q)i\av9puuiTia  tluv  0)ae- 
Tepuiv  TTpo-fovuuv  irpö^  tou<;  vTn\K6ovc,  eruxe  vo)Lii2€öGai  Qeoc,'  oi  be  juer'auTouqdßaoavi- 
OTWC,  TTOpebeEavTO,  dazu  Geffcken,  Zwei  griech.  Apologeten  S.  227.  3)  Erman  u.  Hülsen, 
Rom.  Mitteil.  XI  1896  S.  ii3ff.  122 ff.;  vgl.  Hülsen- Jordan,  Topogr.  I  3  S.  251.  Erman,  Abhdl. 
Akad.  Berlin  191 7  nr.  4  S.  10  ff.  28  If.  Das  Grab  selbst  ist  vielleicht  neuerdings  aufgefunden  wor- 
den, s.  Hülsen,  Berlin,  philol.  Wochenschr.  1919  Sp.  259fl.  4)  Orig.  c.  Gels.  III  36.  5)  Boissier, 
Rel.  rom.  I  207  verweist  auf  Bossuet:  T>il  faut  obeir  aiix  princes  comyne  a  la  justice  nieme:  ils  sont 
des  dietix  et  farticipent  en  qzielque  fagon  a  findcpendance  divine."-  Bei  der  Einweihung  der  Reiter- 
statue Ludwigs  XIV.  auf  dem  Vendomeplatz  berichtet  Saint-Simon:  »Le  duc  de  Gesvres,  gouvertieur 
de  Paris,  a  cheval,  a  la  tete  des  corps  de  la  ville,  y  fit  les  tours,  les  reverences  et  autres  ceremonies  tirees 
et  imitees  de  la  consecration  des  empereurs  romains.  II  tiy  eut  a  la  verite  ni  encens  ni  victimes:  ilfallut 
bien  donmr  quelqtie  chose  au  titre  de  roi  trh-chretien.<    Vgl.  Döllinger,  Akadem.  Vorträge  I  275. 


[IV.  167]  I.  DER  GÖTTERG  LAUBE  153 

statt):  sondern  daran,  daß  das  religiöse  Dogma  des  Christentums  diese  Verirrung, 
welche  der  heidnische  Glaube  begünstigte,  ausschloß  und  in  dem  Herrscher 
nur  den  Stellvertreter  Gottes  auf  Erden  zu  sehen  erlaubte.  Der  römische 
Kaiserkultus  war  eine  Form,  über  deren  wesentlich  politische  Bedeutung  kein 
Denkender  im  unklaren  sein  konnte,  deren  äußerliche  Erfüllung  das  eigentliche 
religiöse  Leben  unberührt  ließ,  am  wenigsten  aber  den  Glauben  zu  erschüttern 
vermochte.  Denn  für  den  Gläubigen  hört  das  Heilige  niemals  deshalb  auf  heilig 
zu  sein,  weil  er  es  im  einzelnen  Falle  mißbraucht  oder  entweiht  sehen  muß;  er 
gibt  vielmehr  (wie  auch  Pausanias  tat)  den  Mißbrauch  bereitwillig  dem  Spott 
und  der  Verachtung  preis,  um  an  dem  ihm  ehrwürdigen  und  teuren  Inhalt  seines 
Glaubens  um  so  fester  zu  halten. 

Der  beste  Beweis  für  die  Stärke  und  Lebendigkeit  des  Götterglaubens  aber  Widerstandskraft 
ist,  daß  er  sich  Jahrhunderte  hindurch  dem  Christentume  gegenüber  behaupten,   ^^^   Götterglau- 
und  nicht  bloß  dies,  sondern  auch  in  gewissem  Sinne  den  Christen  eine  Aner-  flXauf  dieChr°Ü 
erkennung  seiner  Wahrheit  abzwingen  konnte.    Denn  die  reale  Existenz  der  sten. 
heidnischen  Gotter  zu  leugnen,  kam  den  Christen  im  allgemeinen  nicht  in  den 
Sinn,  auch  ihr  übermenschliches  Wesen,  die  von  ihnen  vollbrachten  Wunder 
bestritten  sie  nicht:  nur  waren  sie  ihnen  natürlich  Mächte  der  Finsternis,  Dä- 
monen, abgefallene  oder  verführte  Engel  oder  deren  Nachkommen  und  sündige 
Seelen,  denen  Gott  die  Fähigkeit  zu  schaden  und  Menschen  zu  verführen  ge- 
lassen hatte").   Auch  sie  also,  die  den  Vernichtungskampf  gegen  den  Götter- 
glauben führten,  standen  noch  so  sehr  in  seinem  Banne,  daß  sie  nicht  zur  Er- 
kenntnis seiner  Wesenlosigkeit  durchzudringen  vermochten.    Wohl  mußte  die 
Herrschaft  dieses  Glaubens  eine  allgemeine  und  aufs  tiefste  im  Bewußtsein  der 
Menschen  begründete  sein,  wenn  sich  selbst  seine  unversöhnlichsten  Gegner  ihr 
nicht  völlig  entziehen  konnten. 

Doch  all  dieser  indirekten  Beweise  sollte  es  gar  nicht  bedürfen,  wo  so  zahl-   Direkte  Zeugnisse 
reiche  und  unbestreitbare  direkte  Zeugnisse  für  die  Allgemeinheit  und  Stärke   d'Ste^  Stik^^des' 
des  Götterglaubens  vorhanden  sind.   Je  fester  ein  Glaube  ist,  je  tiefer  er  das  Volksglaubens. 
ganze  Bewußtsein  durchdringt,  desto  eifriger  sucht  und  desto  gewisser  findet  Der  Wun- 
er in  Natur  und  Leben  überall  Betätigungen  des  Daseins  und  Wirkens  der  ge-  de^^g'^^b^' 
glaubten  Mächte;  wo  der  Unglaube  nur  Zufall  oder  natürliche  Folgen  natürlicher 
Ursachen  sieht,  erkennt  er  die  Hand  der  Gottheit.    Am  leidenschaftlichsten  ver- 
langt er  nach  Tatsachen  und  Erscheinungen,  welche  ihr  übermächtiges  Ein- 
greifen in  die  Gesetze  der  Natur  unzweifelhaft  dartun,  und  dies  Verlangen  be- 
friedigt sich  notwendig  immer  selbst:  das  Wunder  ist  des  Glaubens  liebstes  Kind. 

Bei  einem  von  der  Stadt  Paris  einige  Jahre  nach  der  Krönung  Napoleons  I.  gegebenen  Feste  stand 
über  dem  für  ihn  bestimmten  Thron  in  goldenen  Buchstaben  die  Inschrift:  Jügo  sum  qui  sunt,  und 
niemand  nahm  daran  Anstoß,  M^m.  de  Mme.  de  R6musat  II  80.  Über  die  Napoleon  dargebrachten 
Huldigungen  s.  Fr.  Lieber,  Erinnerungen  an  mein  Zusammenleben  mit  Niebuhr  (deutsch  von  Thibaut 
{1837)  S.  223  f.  Preller,  Rom.  Mythologie  IP  410,  i.  P.  Bondois,  Napoleon  et  la  soci^te  de  son 
temps  (1895)  S.  188—190.  Vgl.  auch  C.  Schwarz,  Zur  Geschichte  der  neuesten  Theologie^  (1864) 
S.  333f- 

i)  Orig.  c.  Geis.  III  38.  IV  92.  V  2.  VH  69.  VIII  31.  62.  Justin.  Martyr  Apol.  I  14,  i.  Lactant. 
Inst.  div.  n  I4ff.  Gibbon,  History  II  237 f.,  deutsch  von  Sporschil  S.  363 f.  Soldan-Heppe-Bauer, 
Gesch.  d.  Hexenprozesse  (1912)  I  72  ff. 


154 


XIII.   DIE  RELIGIÖSEN  ZUSIÄNDE 


[IV.  i68] 


Leibhaftes 
Erscheinen 
der  Götter. 


Wenn  nun  der  Wunderglaube  ein  untrüglicher  Gradmesser  für  die  Intensität  des 
Glaubens  an  die  höhere  Macht  ist,  die  als  die  Urheberin  des  Wunders  gilt,  so 
kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  daß  in  den  ersten  Jahrhunderten  ein  durchaus 
positiver,  von  keiner  Skepsis  angekränkelter  Glaube  an  die  Götter  der  Tradition 
und  des  Kultus  durch  alle  Schichten  der  Gesellschaft  verbreitet  war,  wenn  auch 
in  wechselnder  Stärke  und  selbstverständlich  immer  am  stärksten  in  den  von 
Bildung  am  wenigsten  berührten  Kreisen. 

Der  Anthropomorphismus  des  antiken  Glaubens,  mächtig  unterstützt  durch  die 
Eindrücke  der  nirgends  fehlenden  lebensvollen  Götterbilder,  machte  es  dem  Gläu- 
bigen möglich,  in  dem  Vollbringer  eines  Wunders,  das  sich  vor  seinen  Augen 
vollzog,  den  leibhaft  erschienenen  Gott  selbst  zu  erkennen :  und  daß  auch  dies 
noch  in  jener  Zeit  geschehen  konnte,  wird  durch  das  bekannte  Erlebnis  der 
beiden  Apostel  zu  Lystra  über  jeden  Zweifel  erhoben.  Wie  gewiß  mußte  diesen 
Menschen  das  Dasein  ihrer  Götter  sein,  und  wie  nah  mußten  sie  sich  ihnen 
fühlen,  wenn  sie  in  dem  Urheber  der  wunderbaren  Heilung  des  Lahmen  und 
seinem  Gefährten  nicht  Gottgesandte,  sondern  Gotter  sahen,  sogleich  von  der 
Überzeugung  erfüllt  waren,  die  Götter  seien  den  Menschen  gleich  geworden 
und  zu  ihnen  hernieder  gekommen.  »Und  nannten  Barnabam  ,Juppiter'  und 
Paulum  ,Mercurius',  dieweil  er  das  Wort  führte.  Der  Priester  aber  Juppiters, 
der  vor  ihrer  Stadt  war,  brachte  Ochsen  und  Kränze  vor  das  Tor  und  wollte 
opfern  samt  dem  Volk«.  Und  die  Apostel  >stilleten  kaum  das  Volk,  daß  sie 
ihnen  nicht  opferten«').  Hier  war  also  damals  noch  ein  Glaube  lebendig,  so 
kindlich  und  felsenfest  wie  jener  der  alten  Athener,  über  deren  unerhörte  Ein- 
falt sich  Herodot  nicht  genug  verwundern  konnte,  da  sie  in  der  schönen  ge- 
rüsteten Frau,  in  deren  Begleitung  Pisistratus  zurückkehrte,  die  Göttin  Athene 
leibhaft  zu  sehen  wähnten  und  anbeteten^);  ein  Glaube  so  kindlich  und  felsen- 
fest wie  der,  welcher  in  unsern Tagen  einen  italienischen  Bauernburschen  in  einer 
jungen,  schönen,  madonnenhaften  Wohltäterin  die  Mutter  Gottes  selbst  erblicken 
lassen  kann^). 

Allerdings  ist  nun  im  Innern  Vorderasiens,  wie  es  Lucian  ja  von  Paphlagonien 
ausdrücklich  bezeugf^),  der  Glaube  vielleicht  amblindesten,  zur  Selbstbetörung 
am  meisten  geneigt  gewesen,  wie  denn  überhaupt  in  den  östlichen  Ländern 
sicherlich  die  Befangenheit  im  Glauben  und  Aberglauben  stets  größer  war  als 
im  Westen.  Aber  wenn  der  Glaube  auch  nur  selten  stark  genug  sein  mochte, 
um  sich  zum  Schauen  der  leibhaftigen  Gottheit  selbst  zu  erheben,  so  sah  er 
doch  überall  die  von  ihr  gewirkten  Wunder  und  entzündete  sich  an  diesen 
immer  von  neuem,  und  auch  Zweifelnde  wurden  durch  die  Gewißheit  und  All- 
Andre  von  den  gemeinheit  des  Wunderglaubens  mit  fortgerissen.  Die  Wunder,  welche  sich 
Göttern bewkte  -^^^  Jahre  70  ZU  Alexandria  ereigneten  und  »die  Gunst  des  Himmels  und  eine 
gewisse  Zuneigung  der  Götter  für  Vespasian  andeuteten«,  berichtet  wie  die 
andern  Gesichtschreiber  auch  Tacitus  mit  vollem  Glauben^).   Ein  Blinder  und 


l)  Acta  apostol.  14,  11  — 18.  2)  Herodot.  I  60.  3)  Ruffini,  der  in  seinem  Doctor  Antonio  eine 
solche  Szene  angebracht  hat,  bemerkt  dazu  (Tauchnitz  ed.  S.  166) :  >  IVe  big  the  readtr  to  believe  that 
this  is  no  picturc  drawn  from  fancy,  but  a  real  sketch  front  nature.  Had  not  such  a  sctne  as  we  have 
described,  with  all  the  partictilars  related,  come  to  pass  2<nder  our  own  eyes,  we  should  never  have  ven- 
tttred  to  put  it  on  paper.<  4)  Lucian.  Alexand.  9.  5)  Tac.  H.  IV  81  f.  Sueton.  Vespas.  7.  Cass. 
Dio  LXVI  8,  I. 


[IV.  169] 


DER  GÖTTERGLAUBE 


155 


ein  Lahmer  wandten  sich  nach  Eingebungen,  die  sie  von  Sarapis  in  Träumen 
erhalten  hatten,  flehend  an  Vespasian,  um  den  Gebrauch  ihrer  Glieder  durch 
seine  Berührung-  wiederzuerlangen.  Dieser  entschloß  sich  endlich,  öflentlich  vor 
den  Augen  des  Volks  das  Verlangte  zu  tun.  »Sogleich  wandelte  sich  die  Hand 
zur  Brauchbarkeit,  und  dem  Blinden  leuchtete  wieder  der  Tag.  Beides  erzählen 
noch  jetzt  Augenzeugen,  wo  die  Lüge  keinen  Gewinn  mehr  bringt.*  Nun  be- 
gab sich  Vespasian,  um  seine  Zukunft  zu  erfahren,  allein  in  den  Tempel  des 
Sarapis  und  erblickte  dort  einen  Mann  namens  Basilides,  von  dem  später 
festgestellt  wurde,  daß  er  in  jenem  Augenblick  viele  Meilen  entfernt  ge- 
wesen war.  In  seinem  Namen  erkannte  Vespasian  eine  Andeutung  der  ihm 
beschiedenen  Herrschaft.  Kaum  konnte,  wer  diese  Wunder  glaubte,  an  der 
Größe  und  Macht  des  Gottes  zweifeln,  dem  sie  die  Stimme  des  Volks  zu- 
schrieb. 

Dieses  Wunder  gehört  einer  Zeit  an,  wo  auf  heidnischer  Seite  gewiß  die  Ab-  Steigerung    des 
sieht  noch  nicht  vorausgesetzt  werden  kann,  den  christlichen  Wundern  sfleich  Wunderglaubens 

...  ,  ^  °  ,,  .,  \  IT-..  ,     .  ,       T^    ,     .  durchdeuKampf 

überzeugende  entgegenzustellen.  Als  nun  aber  das  Rmgen  beider  Religionen  der  Religionen. 
um  die  Herrschaft  über  die  Menschheit  begonnen  hatte,  da  mußte  auch,  je  länger 
der  Kampf  währte  und  je  heißer  er  wurde,  auf  beiden  Seiten  die  Wundersucht 
immer  leidenschaftlicher  werden").  Man  darf  annehmen,  daß  um  die  Wende 
des  2.  und  3.  Jahrhunderts  das  Bedürfnis  bereits  bestand,  dem  Stifter  der  christ- 
lichen Religion  einen  Propheten  der  alten  Götter  von  ebenso  übermenschlicher 
Natur  und  gleicher  Wunderkraft  entgegenzustellen.  Wahrscheinlich  ist  dieses 
Motiv  auf  den  im  Auftrage  der  Kaiserin  Julia  Domna  (f  217)  verfaßten  Roman 
des  Philostratus  von  Apollonius  von  Tyana  von  Einfluß  gewesen^).  Die  Geburt 
des  Apollonius  ist  hier  ebenso  wunderbar  wie  sein  Ende  und  sein  Erscheinen 
nach  seiner  Entrückung,  um  einen  Jüngling  vom  Zweifel  am  Unsterblichkeits- 
glauben zu  heilen.  Zu  den  von  ihm  vollbrachten  Wundern  gehört  eine  Dämonen- 
austreibung und  eine  Totenerweckung.  Seine  Kenntnis  des  Zukünftigen  und 
Verborgenen  grenzt  an  Allwissenheit.  Kaiser  Alexander  Severus  verehrte  ihn 
(wie  bemerkt)  in  seiner  Hauskapelle  neben  Christus.  Ein  ungenannter  christen- 
feindlicher Schriftsteller,  gegen  den  Lactanz  heftig  polemisiert 3),  stellte  ihn  über 
Christus,  dessen  Taten  von  den  Aposteln  durch  Erdichtungen  ausgeschmückt 
seien,  während  man  die  des  Apollonius  aus  den  Berichten  untadliger  Zeugen 
kenne.  Dieser  blieb  nicht  bloß  bei  den  Heiden,  sondern  auch  bei  den  Christen 
der  nächsten  Jahrhunderte  in  hohem  Ansehen.  In  einer  zwischen  474  und  491 
entstandenen  christlichen  Sammlung  von  >  Orakelsprüchen  hellenischer  Göt- 
ter«'*) heißt  es:  Gott  gleich  seien  nur  Moses,  Hermes  Trismegistos  und  Apollo- 
nius gewesen.  Der  fromme  Jansenist  Tillemont  (f  1698)  glaubte,  der  Teufel 
habe  Apollonius,  aus  Furcht,  sein  Reich  vernichtet  zu  sehen,  fast  gleichzeitig  mit 


i)  Zur  Vergleichung  heidnischen  und  christlichen  Wunderglaubens  sehr  lehrreich  ist  die  kleine 
Sammlung  von  P.  Fiebig,  Antike  Wundergeschichten,  zum  Studium  der  Wunder  des  Neuen  Testa- 
ments zusammengestellt,  Bonn  1911.  2)  Baur,  Apollonius  v.  Tyana  u.  Christus  (1832)  S.  124.  132. 
141.  A-ube,  Hist.  d.  pers^c.  de  T^glise  11  4620".  Die  Absiebt  der  Entgegenstellung  bestreitet  R^- 
ville,  Religion  ä  Rome  sous  les  Severes  S.  227  ff.  (deutsch  S.  226 ff.).  Vgl.  Zeller,  Philosophie  d. 
Griechen  III  2*  S.  164 ff.  3)  Lact.  Inst.  V  3,  7.  16;  vgl.  Geffcken  a.  a.  O.  S.  291,  i.  4)  Bu- 
resch,  Klaros  (1889)  S.  89 ff,;  die  Stelle  c.  44  S.  108. 


i5< 


XIII.   DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  170,  171] 


Dasselbe  Wun- 
der von  beiden 
Seiten  in  An- 
spruch genom- 
men. 


Der  Glaube  an 
Vorausverkiin- 
digung  der  Zu- 
kunft — 


Jesus  geboren  werden  lassen');  Bayles  Wörterbuch  (1741)  nennt  ihn  »den  Affen 
des  Gottessohns«. 

Aber  Heidentum  und  Christentum  setzten  nicht  bloß  Wunder  gegen  Wunder, 
sondern  auch  der  Fall,  daß  .dasselbe  Wunder  von  beiden  Seiten  in  Anspruch 
genommen  wurde,  kann  kein  seltener  gewesen  sein,  wenngleich  er  nur  einmal 
berichtet  wird.  Im  Quadenkriege  Marc  Aureis  sah  sich  im  Jahre  171^)  das 
römische  Heer  einmal  in  glühender  Sonnenhitze  schmachtend  von  einer  über- 
legenen Menge  der  Feinde  eingeschlossen,  mit  der  augenscheinlichsten  Gefahr 
gänzlicher  Vernichtung  bedroht.  Da  zogen  sich  plötzlich  dichte  Wolken  zu- 
sammen und  ergossen  sich  in  einem  reichlichen  Regenstrom,  während  auf  der 
feindlichen  Seite  ein  furchtbares  Gewitter  Verwirrung  und  Verderben  anrichtete: 
die  Römer  waren  gerettet,  der  Sieg  wandte  sich  auf  ihre  Seite  2).  Die  Wirkung 
dieses  Ereignisses  war  eine  überwältigende,  es  wurde  nach  damaliger  Sitte  in 
bildlichen  Darstellungen  verewigt,  allgemein  galt  es  als  ein  Wunder,  dessen 
man  noch  bis  in  das  späteste  Altertum  gedachte,  und  auf  das  sich  noch  nach 
Jahrhunderten  sowohl  Christen  als  Heiden  als  einen  Beweis  für  die  Wahrheit 
ihres  Glaubens  beriefen.  Die  offizielle  Darstellung  dieses  Ereignisses  auf  der 
Marc  Aureissäule  führt  die  regenspendende  Gottheit  gewissermaßen  als  Natur- 
element in  einem  sehr  charakteristischen  Bilde  ein,  ohne  einen  bestimmten  Gott 
als  Urheber  der  Wunderhilfe  zu  bezeichnen'').  Auf  einem  Gemälde,  das  The- 
mistius  gesehen  hatte ^),  war  der  Kaiser  selbst  mit  erhobenen  Händen  zu  Juppiter 
flehend  dargestellt,  während  die  Soldaten  den  Regen  mit  ihren  Helmen  auffingen; 
diesem  Gebet  des  Kaisers  zu  Juppiter  wurde,  wie  es  scheint,  von  den  meisten 
die  wunderbare  Errettung  zugeschrieben;  doch  behaupteten  andre,  daß  sie  der 
Kunst  eines  in  seinem  Gefolge  befindlichen  ägyptischen  Zauberers  Arnuphis  zu 
verdanken  gewesen  sei,  der  durch  eine  Beschwörung  der  Götter,  namentlich  des 
■-> Hermes  der  Luft«,  den  Regenguß  herabgezogen  habe^).  Aber  nach  der  Er- 
zählung eines  christlichen  Zeitgenossen  war  das  Wunder  durch  die  Gebete 
christlicher  Soldaten  in  'der  zwölften  (melitenischen)  Legion  bewirkt  worden. 
Dasselbe  erzählt  als  ein  bekanntes  Ereignis  197  TertuUian,  der  sich  dabei  (ebenso 
wie  Cassius  Dio)  auf  einen  Brief  Marc  Aureis  beruft. 

Der  Platoniker  Celsus  hebt  in  seiner  Schrift  gegen  das  Christentum  unter 
den  Wundern,  die  er  zum  Beweise  für  das  Dasein  der  Götter  anführt,  ganz  be- 
sonders die  Orakel  sowie  die  Vorzeichen  und  Vorbedeutungen  aller  Art  hervor, 
durch  die  sie  das  Künftige  warnend  oder  mahnend  vorausverkündeten,  und  die 
den  Gläubigen  nicht  bloß  die  Existenz  der  Götter,  sondern  auch  ihre  Fürsorge 
für  die  Menschheit  bewiesen^).  »Wozu«,  sagt  er,  »soll  man  aufzählen,  was  alles 
aus  Orakelstätten  teils  Propheten  und  Prophetinnen,  teils  andre  begeisterte 
Männer  und  Frauen  mit  gotterfüllter  Stimme  vorhergesagt  haben?    Was  fiir 


i)  Tillemont,  Histoire  des  empereurs  (1732)  II  120 f.  2)  So  v.  Domaszewski,  N.  Heidelb.  Jahrb. 
V  1895  S.  123;  Marcussäule  S.  105  ff.  W.  Weber,  Ein  Hermestcmpel  des  Kaisers  Marcus,  S.Ber. 
Akad.  Heidelb.  1910  Abh.  7  S.  3ff.  3)  Cass.  Dio  LXXI  8—10.  Hist.  aug.  M.  Aurel.  24.  4.  Tertull. 
apol.  5.  Euseb.  h.  eccl.  V  5,  1—6.  Mommsen,  Ges.  Schrift.  IV  498ff.  Geffcken,  N.  Jahrb.  f.  d.  klass. 
Altert,  in  1899  S.  253 ff.  4)  Marcussäule  (herausg.  von  Petersen,  v.  Domaszewski,  Calderini) 
Taf.  16.  5)  Themist.  or.  15,  191  B.  6)  Dazu  W.  Weber  a.  a.  O.  S.  5  ff.  7)  Orig.  c.  Geis.  VIII  45. 
Vgl.  Mlnuc.  Felix  Octav.  7. 


[IV.  17  2] 


I.  DER  GOTTERGLAUBE 


157 


wunderbare  Voraussagungen  aus  dem  Innern  der  heiligen  Räume  ertönten? 
Was  alles  aus  Opfertieren  und  andern  Opfern  den  Befragenden  offenbart  wurde, 
was  aus  andern  wunderbaren  Zeichen?  Manchen  sind  auch  deutliche  Erschei- 
nungen zuteil  geworden.  Von  all  diesem  ist  das  ganze  Leben  erfüllt.  Wie  viele 
Städte  sind  durch  Orakel  emporgekommen  und  von  Seuchen  und  Hunger  be- 
freit worden,  wie  viele  andre,  die  sie  vernachlässigten  oder  vergaßen,  elend  zu- 
grunde gegangen!  Wie  viele  Kolonien  sind  ausgesandt  worden,  und  wenn  sie 
dem  Gebote  nachkamen,  gediehen!  Wie  viele  Fürsten,  wie  viele  Privatpersonen 
sind  auf  solche  Weise  schlimmer  oder  besser  gefahren!  Wie  viele,  die  mit 
Kinderlosigkeit  heimgesucht  waren,  haben  erlangt,  worum  sie  baten,  wie  viele 
sind  dem  Zorn  von  Göttern  entgangen  oder  von  Leibesgebrechen  geheilt  wor- 
den! Wie  viele,  die  bei  Heiligtümern  gefrevelt,  sind  sogleich  von  der  Strafe  er- 
eilt worden,  indem  sie  teils  von  Raserei  ergriffen  wurden,  teils  selbst  aussagten, 
was  sie  getan  hatten,  oder  Hand  an  sich  selbst  legten,  oder  in  unheilbares  Siech- 
tum verfielen!  Auch  hat  solche  schon  eine  aus  dem  Innern  des  Heiligtums  er- 
schallende Donnerstimme  der  Vernichtung  geweiht!-« 

Der  Glaube  an  wunderbare  Zeichen  und  Verkündigungen  der  Zukunft,  von 
denen  auch  damals  noch  immer  »^das  ganze  Leben  erfüllt  war«,  ist  allem  An- 
scheine nach  wenigstens  im  späteren  Altertum  die  verbreitetste  Form  des 
Wunderglaubens  gewesen.  Auch  ein  großer  Teil  der  Philosophen  und  philo- 
sophisch Gebildeten  bekannte  sich  zu  ihm:  zwar  Epikureer,  Kyniker  und  Ari- 
stoteliker  verwarfen  und  Akademiker  bestritten  ihn:  um  so  mehr  hielten  Plato- 
niker,  Pythagoreer  und  Stoiker  daran  fest,  und  namentlich  in  der  Theologie  der 
letzteren  bildete  er  einen  integrierenden  Bestandteil.  >Der  Glaube  an  eine  so 
außerordentliche  Fürsorge  der  Gottheit  für  die  Menschen  erschien  ihnen  viel  zu 
tröstlich,  als  daß  sie  darauf  hätten  verzichten  mögen;  sie  priesen  nicht  allein 
die  Weissagung  als  den  augenscheinlichsten  Beweis  für  das  Dasein  der  Götter 
und  das  Walten  einer  Vorsehung,  sondern  sie  schlössen  ebenso  auch  umgekehrt: 
wenn  es  Götter  gebe,  müsse  es  auch  eine  Weissagung  geben,  da  den  Göttern 
ihre  Güte  nicht  erlauben  würde,  den  Menschen  eine  so  unschätzbare  Gabe  zu 
versagen« ').  Dieser  Glaube  nun,  der  in  der  Tat  den  Götter-  und  Vorsehungs- 
glauben notwendig  voraussetzte  und  mit  ihm  stand  und  fiel,  war  auch  unter  den 
Gebildeten  der  damaligen  Welt  höchst  verbreitet. 

Livius  sagt  zwar^),  daß  infolge  derselben  Indifferenz,  welche  die  Ursache  des 
jetzigen  allgemeinen  Unglaubens  an  wunderbare,  von  den  Göttern  gesandte 
Vorzeichen  sei,  Prodigien  weder  öffentlich  bekannt  gemacht  noch  in  die  Ge- 
schichtsbücher eingetragen  würden.  Aber  diese  Indifferenz  kann  nicht  lange 
gewährt  haben,  denn  alle  Geschichtschreiber  der  Kaiserzeit  ohne  Ausnahme 
verzeichnen  dergleichen  Wunder,  viele  mit  besonderer  Vorliebe,  wie  der  zeichen- 
gläubige Cassius  Dio;  mit  der  Zeit  sind  die  Prodigien  sogar  für  die  Gläubigen 
der  Gegenstand  eines  ganz  besonderen  Interesses  geworden,  welchem  die  Samm- 
lung aller  in  Italien  geschehenen  Wunder  und  Zeichen  aus  Livius  (von  einem 
Julius  Obsequens,  dessen  Zeit  wir  nicht  kennen)  ihren  Ursprung  verdankt^). 

1)  Zeller,  Philos.  d.  Gr.  HI  1+  S.  347.  Vgl.  Wachsmuth,  Die  Ansichten  der  Stoiker  über  Man- 
tik  und  Daemonen,  Berlin  1860.  2)  Liv.  XLIII  13,  i.  3)  Über  Obsequens  H.  Peter,  Die  ge- 
schichtl.  Literatur  über  die  röm.  Kaiserzeit  (1897)  11  347.  O.  Roßbach,  Rhein.  Mus.  LH  1897  S.  i  ff. 


die     verbreitetste 
Form  des  Wunder- 
glaubens   unter 
den  Gebildeten. 


Berichte  über 
Vorzeichen  bei 
den  Geschicht- 
schreibcm. 


158 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  173] 


Tacitus.  Auch  Tacitus,  der  sich  dem  Glauben  an  Wunder  und  Zeichen  gegenüber 
kritisch  verhielt  und  sich  ausdrücklich  gegen  den  gemeinen  Aberglauben  ver- 
wahrt, der  in  jedem  auffälligen  Ereignisse  eine  Vorbedeutung  sah,  hat  zwar  des- 
halb ohne  Zweifel  einen  großen  Teil  der  angeblichen  Prodigien  als  solche  nicht 
anerkannt,  aber  an  ihrem  Vorkommen  im  allgemeinen  nicht  gezweifelt  und  in 
den  späteren  Büchern  seiner  großen  Zeitgeschichte  sie  auch  verzeichnet.  Gegen- 
über der  Frage  nach  der  Geschichtlichkeit  angeblicher  Wunder  befindet  er  sich 
wie  andre  Historiker  derselben  Zeit  in  einer  gewissen  Verlegenheit  und  wagt 
nicht  eine  prinzipielle  Entscheidung  zu  fällen,  sondern  sucht  sie  von  Fall  zu 
'  Fall  zu  treffen').  Schon  in  einem  seiner  ersten  Bücher ""j  berichtet  er,  daß  am 
Tage  der  Schlacht  bei  Bedriacum  sich  bei  Regium  Lepidum  ein  Vogel  von  nie 
gesehener  Gestalt  niedergelassen  und  weder  von  den  Menschen  noch  von  den 
ihn  umschwärmenden  Vögeln  sich  habe  verscheuchen  lassen,  bis  Otho  sich 
selbst  getötet;  dann  sei  er  verschwunden;  als  man  die  Zeit  nachgerechnet,  sei 
Anfang  und  Ende  der  Wundererscheinung  mit  Othos  Tode  genau  zusammen- 
getroffen. So  sehr  er  es  unter  seiner  Wurde  halte,  fügt  Tacitus  ausdrücklich 
hinzu,  sein  ernstes  Werk  mit  Fabeln  zu  schmücken,  so  wage  er  in  diesem  Falle 
doch  nicht,  dem,  was  allgemein  berichtet  werde,  den  Glauben  zu  versagen. 

Die  regelmäßigen  Erwähnungen  der  Vorzeichen,  namentlich  solcher,  die 
einem  Privatmanne  die  künftige  Kaiserwürde,  und  solcher,  die  den  Tod  des 
Kaisers  verkündeten,  bei  Sueton,  Cassius  Dio,  Herodian,  den  späteren  Kaiser- 
biographen, lassen  an  der  Fortdauer  dieses  Glaubens,  den  die  Schriftsteller  doch 
gewiß  auch  bei  der  großen  Mehrzahl  ihrer  Leser  voraussetzen  mußten,  keinen 
Zweifel:  und  oft  genug  zeigt  die  Erzählung,  bis  zu  welchem  Grade  die  hervor- 
ragendsten Männer  jener  Zeit  in  diesem  Glauben  befangen  waren.  August, 
Sueton  über  sagt  Sueton,  achtete  auf  gewisse  Wahrzeichen,  deren  Bedeutung  ihm  für  völlig 
sicher  galt.  Wenn  er  morgens  einen  Schuh  auf  den  falschen  Fuß  zog,  war  es 
ein  übles,  wenn  beim  Antritt  einer  längeren  Reise  Tau  fiel,  ein  gutes  Vorzeichen; 
auch  wunderbare  Ereignisse  machten  immer  großen  Eindruck  auf  ihn,  wie  daß 
vor  seinem  Hause  aus  den  Fugen  der  Steine  eine  Palme  hervorsproßte,  und  bei 
seiner  Ankunft  in  Capri  die  zu  Boden  gesenkten,  schon  kraftlosen  Äste  einer 
alten  Steineiche  neue  Kraft  gewannen^)  Und  hätte  Livius  bei  Sueton  das  mit 
wahrem  Bienenfleiß  aus  Büchern  und  Überlieferungen  zusammengetrageneVer- 
zeichnis  aller  der  Vorzeichen  lesen  können,  die  Augusts  künftige  Größe,  seine 
Siege  und  seinen  Tod  verkündeten,  so  würde  er  vielleicht  seine  Klage  über  die 
Gleichgültigkeit  gegen  solche  Dinge  zurückgenommen  haben.  Dieser  Stark- 
gläubigkeit wurde  jedes  Ereignis  bedeutungsvoll,  und  kein  Wunder  war  ihr  zu 
groß  oder  zu  lächerlich:  Sueton  berichtet  ernsthaft,  daß  August  als  Kind,  da  er 
eben  zu  sprechen  anfing,  einmal  auf  einem  Familiengute  den  quakenden  Fröschen 
zu  schweigen  befahl,  und  man  versichere,  daß  die  Frösche  seit  jener  Zeit  dort 
nicht  mehr  quakten"*). 

Daß  auch  bei  den  Gläubigen  verschiedne  Arten  von  Vorbedeutungen  ver- 
schiedne  Geltung  hatten,  daß  das  Ansehen  der  mannigfaltigen  Methoden  der 


August. 


Fortdauer     des 
Glaubens  an  die 
herkömmlichen 
Weissagungs- 
methoden. 


i)  Pöhlmann,  Sitz.Ber.  Akad.  Münch.  19 10  I  38  ff. 
94,  7- 


2)  Hist.  n  50.     3)  Sueton.  Aug.  92.     4)  ebd. 


[IV.  17  4]  r.  DER  GÖTTERGLAUBE  159 

Prophezeiung  nicht  zu  allen  Zeiten  dasselbe  war,  sondern  bald  jene,  bald  diese 
den  meisten  Glauben  fand,  ist  selbstverständlich.  Aber  niemals  ist  doch  eine 
der  anerkannten  Arten  der  Weissagung  aus  Mangel  an  Glauben  ganz  außer  Ge- 
brauch gekommen.  Der  vernichtende  Spott  Ciceros  über  die  Haruspicin  und  Die  Haruspicin. 
Eingeweideschau  überhaupt  könnte  zu  der  Ansicht  verleiten,  als  sei  diese  Weis- 
sagung in  eine  zu  tiefe  Mißachtung  versunken  gewesen,  um  (wenigstens  bei  den 
Gebildeten)  jemals  wieder  zu  Ansehen  gelangen  zu  können:  aber  nichts  würde 
irriger  sein.  Cicero  führt  jene  Äußerung  des  Cato  an,  er  wundere  sich,  daß  ein 
Haruspex,  der  einen  andern  sehe,  sich  des  Lachens  enthalten  könne;  weiter  die 
Frage  des  Hannibal  an  König  Prusias,  der  das  Liefern  einer  Schlacht  von  einer 
Eingeweideschau  abhängig  machen  wollte:  ob  er  einem  Stückchen  Kalbfleisch 
mehr  glaube  als  einem  alten  Feldherrn!  er  erinnert  daran,  wie  namentlich  auch 
im  letzten  Bürgerkriege  fast  immer  das  Gegenteil  von  dem  Prophezeiten  einge- 
troffen sei^).  Aber  der  Spott  der  Ungläubigen  machte  die  Gläubigen  ebenso- 
wenig irre  wie  die  Tatsachen,  die  ihren  Glauben  Lügen  straften.  Wie  immer 
in  ähnlichen  Fällen  hatten  sie  nur  für  die  wirklich  oder  angeblich  eingetroffnen 
Prophezeiungen  Gedächtnis,  und  zahlreiche  Zeugnisse  aus  den  folgenden  Jahr- 
hunderten bestätigen  die  Fortdauer  des  Glaubens  an  die  Eingeweideschau,  so- 
wie ihre  Verbreitung  auch  in  den  gebildeten  Klassen. 

Schon  das  Verbot  des  Tiberius,  die  Haruspices  im  geheimen  und  ohne  Zeugen 
zu  befragen^),  setzt  eine  sehr  allgemeine  Benutzung  dieser  Weissagungsform 
voraus.  Die  Besorgnis  des  Claudius  (im  Jahre  47),  daß  diese  älteste  Wissen- 
schaft Italiens  durch  Vernachlässigung  erlöschen  könnte^),  hat  nicht  sowohl  eine 
Abkehr  des  allgemeinen  Interesses  von  der  Eingeweideschau  als  die  drohende 
Gefahr  einer  Verfälschung  der  altetruskischen  Lehre  durch  das  Eindringen 
fremder  Vorstellungen  zur  Voraussetzung.  Der  ältere  Plinius  sagt  ausdrücklich, 
ein  großer  Teil  der  Menschen  stecke  indem  Glauben,  daß  die  Tiere  durch  ihre 
Muskelfasern  und  Eingeweide  uns  vor  Gefahren  warnen*).  Dem  Kaiser  Galba 
meldete  an  dem  Morgen  des  Tages,  an  dem  er  ermordet  wurde  (15.  Januar  69), 
der  Haruspex  Umbricius,  daß  die  Eingeweide  des  Opfers  auf  gefahrdrohende 
Nachstellungen  und  einen  Feind  im  Hause  deuteten:  was  Otho,  welcher  dabei- 
stand, als  ein  für  ihn  frohes  und  seinem  Unternehmen  günstiges  Zeichen  auf- 
faßte^). Epictet,  der  den  Lehren  seiner  Schule  gemäß  auch  hier  Offenbarungen 
der  Gottheit  erkannte  und  an  der  Kunst,  die  sie  deutete,  keinen  Zweifel  hegte, 
mahnt  nur,  man  solle  sich  in  seinen  Handlungen  nicht  allein  durch  die  Weis- 
sagung, sondern  vor  allem  durch  das  Pflichtbewußtsein  leiten  lassen;  wozu  er 
keine  Veranlassung  gehabt  hätte,  wenn  das  erstere  nicht  sehr  allgemein  ge- 
schehen wäre.  Nur  die  Angst  vor  der  Zukunft  sei  es,  welche  die  Me  ischen  so 
oft  zu  den  Wahrsagern  treibe.  Man  nähere  sich  ihnen,  zitternd  vor  Aufregung, 
mit  Bitten  und  Schmeicheleien,  als  könnten  sie  unsre  Wünsche  erfüllen:  »Herr, 
werde  ich  meinen  Vater  beerben?  Herr,  habe  Erbarmen  mit  mir,  mache,  daß 
ich  ausgehen  darf! «  Aber  der  Eingeweide-  oder  Vogelschauer  kann  doch  nichts 
voraussehen,  als  die  bevorstehenden  Ereignisse  selbst,  wie  Tod,  Gefahr,  Krank- 

1)  Cic.  de  div.  II  51  ff.,  vgl.  56.  2)  Sueton.  Tiber.  63,  i.  3)  Tac.  A.  XI  15.  Vgl.  Cass.  Dio 
LII  36,  3  (Rede  des  Mäcenas):  TrdvTU)^  Tivctq  KOi  iepoiTTaq  KOi  oiiüviaräc;  drcööeiEov,  oxc,  oi  ßou- 
X6|aevo(  Ti  KOivuüaaoGai  ouveöovxai.       4)  Plin.  n.  h.  VUI  102.       5)  Tac.  H.  I  27. 


i6o  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTANDE  [IV.  175,  176] 

heit  oder  dergl.  Ob  sie  dem  Betreffenden  in  Wahrheit  heilsam  oder  schädlich 
seien,  weiß  er  nicht").  Herodian  sagt,  der  tapfere  Widerstand  der  Stadt  Aqui- 
leja  gegen  Maximinus  sei  hauptsächlich  infolge  der  Prophezeiungen  der  dort  an- 
wesenden Haruspices  geleistet  worden;  »denn  auf  diese  Art  der  Weissagung 
vertrauen  die  Bewohner  von  Italien  am  meisten«^).  Daß  sie  aber  auch  außer- 
halb Italiens  Ansehen  genug  hatte,  beweist  außer  den  Äußerungen  Epictets  die 
Anerkennung,  welche  ihr  der  Traumdeuter  Artemidor  zollt,  der  neben  seiner 
eignen  Kunst  nur  sehr  wenige  Methoden  der  Weissagung  gelten  ließ :  Sterndeu- 
tung, Opfer-,  Vogel-  und  Leber-  (d.  h.  Eingeweide-)  schau ^).  Und  daß  es  der 
Haruspicin  auch  unter  den  Gebildeten  an  Gläubigen  niemals  fehlte,  darf  man  nach 
einzelnen  zufälligen  Angaben  aus  verschiedenen  Zeiten  schließen.  Regulus,  der 
in  der  Zeit  von  Nero  bis  Domitian  als  Redner  und  Ankläger  in  Pvlajestätsprozessen 
eine  unheilvolle  Berühmtheit  besaß,  befragte  jedesmal,  wenn  er  auftrat,  die 
Haruspices  über  den  Ausgang  des  Prozesses"*).  Nach  Juvenal  wurden  sie  von 
vornehmen  Frauen  wegen  der  Erfolge  der  von  ihnen  bewunderten  musikalischen 
Virtuosen  und  Schauspieler  so  viel  befragt,  daß  sie  vom  langen  Stehen  Krampf- 
adern in  den  Beinen  bekamen^).  Der  Kaiser  Gordian  (der  erste)  war  in  dieser 
Wissenschaft  über  die  Maßen  erfahren^),  zu  welcher  auch  Diocletian  großes 
Zutrauen  hatte^),  Constantin  gestattete  den  privaten  Gebrauch  der  Haruspicin, 
nur  den  innerhalb  des  Hauses  vorgenommenen  verbot  er  bei  Todesstrafe ;  bei 
Blitzbeschädigung  hat  er  sie  nftch  selbst  (321)  von  Staatswegen  angeordnet^). 
Ammianus  Marcellinus  zählt  unter  die  Mittel,  welche  die  Güte  der  Vorsehung 
den  Menschen  zur  Erforschung  der  Zukunft  verliehen  habe,  auch  die  Haruspicin 
und  sagt,  daß  Julian  schon  in  der  Zeit,  wo  er  noch  das  Bekenntnis  des  Christen- 
tums heuchelte,  der  Haruspicin  und  den  Augurien  ergeben  war,  »sowie  allem 
übrigen,  was  die  Verehrer  der  Götter  von  jeher  getan  haben« ^).  Nach  diesen 
Angaben  über  die  Fortdauer  und  Verbreitung  des  Glaubens  an  die  Haruspicin, 
die  sich  noch  sehr  vermehren  ließen'"),  läßt  sich  dasselbe  für  alle  übrigen  her- 
kömmlichen Prophezeiungsmethoden  voraussetzen. 
)ie  Astrologie.  Unter  den  Arten  die  Zukunft  zu  erforschen  setzt  nun  allerdings  die  Lieblings- 
wissenschaft jener  Zeit,  die  Astrologie,  die  namentlich  unter  den  höheren  Stän- 
den das  meiste  Ansehen  genoß,  den  Glauben  an  die  Götter  und  eine  durch  sie 
geübte  Vorsehung  nicht  notwendig  voraus,  obgleich  sie  ihn  ebensowenig  aus- 
schließt"'):  in  der  vorsehungsgläubigen  stoischen  Schule  war  unter  den  Alteren 

i)  Epictet.  Diss.  II  7;  vgl.  I  i,  17.  III  i,  37.  IV  4,  5.  2)  Herodian.  VIII  3,  7.  3)  Artemidor. 
Onirocr.  II  69.  4)  Plin.  ep.  VI  2,  2 ;  vgl.  II  20,  4.  5)  Juv.  6,  385  — 397.  6)  Victor  Caes.  26,  4. 
7)  Lact.  De  mort.  persec.  10.  8)  Cod.  Theod.  IX  16,  i  f.  XVI  10,  l.  Mommsen,  Strafrecht  S.  862  f. 
9)  Ammian.  XXI  l,  9.  2,  4;  vgl.  XXIII  5,  10 — 13.  XXV  6,  i.  10)  Hist.  aug.  Alex.  Sev.  27,  6; 

Florian.  15,  2  ff.  Cod.  Theodos.  IX  16.  Firmic.  Matern.  Math.  II  30,  4:  scire  ejivn  te  convenit,  quod 
et  haruspices  quoticsainque  a privatis  interrogati  de  statu  imperatoris  fuerint  et  quaet-enti  respondere 
voluermt,  exta  setiiper,  quae  ad  Iwc  fuerint  destinata,  venarum  ordinis  involuta  confusione  co7iturbent. 
Prudent.  c.  Symmach.  II  892.  Augustin.  Conf.  IV  2,  3  (s.  oben  II  230  A.  8).  In  Inschriften  erscheinen 
außer  dem  offiziellen  römischen  ordo  haruspiaim  ZX(Wissowa  a.  a.  O.  S.  54^  ^O  "^'^  "^^^  Privat- 
haruspices  u.  a.  auch  solche  einzelner  Städte  (z.  B.  haruspices  publ(ici)  c(oloniae)  Tr(everorum) 
CIL  XIII  3694)  und  Truppenkörper  (CIL  VIII  2586  =  Dessau  2381,  vgl.  v.  Domaszewski,  Westd. 
Zschr.  XIV  1895,  III ;  Bonn.  Jahrb.  CXVII  1908  S.  14.  37).  11)  Firm.  Matern.  Math.  I  3,  i  nos 
enim  tinieri  deuni,  nos  coli  facimus . 


[IV.  177] 


I.  DER  GÖTTERG  LAUBE 


i6i 


Die  Orakel. 


Panätius  der  einzige,  der  sie  verwarf:  und  dieser  bestritt  die  Vorbedeutungen 
und  die  Weissagungen  überhaupt').  Doch  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache,  daß 
der  in  der  damaligen  Welt  so  ungemein  verbreitete  Glaube  an  ein  unabwend- 
bares Verhängnis,  welcher  der  Astrologie  gerade  am  meisten  Vorschub  leistete^), 
leicht  zur  Entfremdung  vom  Gotterglauben  führen  konnte.  Der  Glaube,  der 
»alle  Ereignisse  durch  die  Gesetze  der  Geburt  ihren  Gestirnen  zuwies«,  und  dem, 
wie  Plinius  in  einer  bereits  angeführten  Stelle  sagt,  die  Menge  der  Gebildeten 
wie  der  Ungebildeten  gleich  bereitwillig  zufiel  —  dieser  Glaube,  nach  welchem 
das  einmal  Beschlossene  für  alle  Zukunft  unabwendbar  feststand,  setzte  die 
Gottheit  für  immer  in  Ruhe^j.  Tiberius,  sagt  Sueton,  verhielt  sich  inbezug  auf 
die  Götter  und  den  Gottesdienst  ziemlich  gleichgültig,  da  er  der  Astrologie 
ganz  ergeben  und  von  der  Überzeugung  durchdrungen  war,  alles  geschehe  nach 
Verhängnis'*). 

Aber  auch  die  Weissagung  der  Orakel,  in  welcher  die  Götter  gleichsam  per- 
sönlich den  Menschen  die  Zukunft  offenbarten,  die  also,  weil  sie  die  unmittel- 
barste Eingebung  der  Gottheit  voraussetzte,  so  auch  am  meisten  den  Glauben 
an  sie  befestigen  und  nähren  mußte,  auch  sie  hat  in  den  ersten  nachchristlichen 
Jahrhunderten  kaum  weniger  allgemeines  Ansehen  genossen  als  zu  irgend  einer 
früheren  Zeit^);  und  daß  diese  Weissagung  nicht  bloß  fortbestand,  sondern  auch 
nach  einem  zeitweiligen  Verfall  eine  vollständige  Restauration  erleben  konnte, 
ist  ein  um  so  unzweifelhafterer  Beweis  für  die  Kraft  des  Götterglaubens.  Strabo, 
der  den  Verfall  und  die  Vernachlässigung  der  griechischen  Orakel  in  der  Zeit  Ihr  zeitweiliger 

••  '\7'    vf    W  A  X- 

Augusts  ausdrücklich  bezeugt,  ist  zwar  zu  seinen  Äußerungen  wohl  mit  von  dem    !     t      • 

°  .  •=>  '  °  dasuberwiegen- 

Gedanken  an  die  Zeiten  des  Glanzes  von  Delphi  bestimmt  worden,  der  doch  de  Ansehen  der 
schon  seit  Jahrhunderten  erloschen  war;  aber  auch  für  das  damals  eingetretene  italischen  Pro- 
Sinken des  Ansehens  der  griechischen  Orakel  überhaupt  gibt  er  allem  Anscheine 
nach  die  richtige  Ursache  an :  daß  nämlich  die  Römer  sich  mit  den  Weissagungen 
der  sibyllinischen  Bücher  und  der  etruskischen  Prophezeiung  (durch  Beobach- 
tung der  Eingeweide,  des  Vogelflugs  und  der  himmlischen  Zeichen)  begnügten^). 
Es  war  eine  natürliche  Folge  der  Weltherrschaft,  daß  das  Römische  auf  allen 
Gebieten  zunächst  das  Unrömische  in  seiner  Bedeutung  herabdrückte:  und  der 
überwältigende  Eindruck  römischer  Macht  und  Größe  hatte  gerade  damals  auch 
in  der  griechischen  Welt  seine  Kulmination  erreicht.  Doch  wenn  dieser  Ein- 
druck gleich  vermochte,  dem  Glaubensbedürfnisse  der  Menschen  neue  Rich- 
tungen zu  geben,  so  war  er  keinesfalls  stark  genug,  sie  auf  die  Dauer  ganz  zu 
beherrschen.  Der  alte  Glaube  stellte  sich  völlig  wieder  her,  und  die  altberühm- 
ten Orakeltempel  füllten  sich  aufs  neue  mit  Wallfahrern.  Dort  sagten  >von 
Gott  erfüllte  und  mit  ihm  eins  gewordene  Propheten  die  künftigen  Dinge  voraus, 
gewährten  Verhütung  von  Gefahren,  Heilung  von  Krankheiten,  Hoffnung  für 

l)  Zeller  III  i"*  S.  349,  2.  2)  Tac.  A.  VI  22 ;  vgl.  IV  20;  H.  I  18.  3)  Plin.  n.  h.  II  22 ;  vgl. 
oben  S.  122.  4)  Sueton.  Tiber.  69.  Vgl.  Ps.  Manetho  apotel.  I  196 ff.  riiiTe  inotTriv  avQpuine 
6ur]TT0\eei(;  juiaKdpeööiv  usw.  Commodian.  Instruct.  I  16,  5  si  tribuunt  fata  genesis,  cur  deum  ora- 
Hs?  Cumont,  Fatalisme  astral  et  leligions  antiques  (Revue  d'hist.  et  de  litt^r.  religieuses  1913); 
Die  oriental.  Religionen^  S.  322,  58.  5)  Die  wissenschaftliche  Diskussion  der  Philosophen  über 
Wert  und  Bedeutung  der  Orakel  s.  bei  F.  Jäger,  De  oraculis  quid  veteres  philosophi  iudicaverint 
(Diss.  Rostock  1910)  S.  48 ff.  6)  Strabo  XVII  813.  G.  Wolff,  De  novissima  oraculorum  aetate 
(1854)  S.  I. 

Friedlaender,  Darstellungen.  lU.    9.  Aufl.  II 


phezeiung. 


Ihre  Restau- 
ration. 


i62  XlII.  DIK  RELIGIÖSEN  ZUSIÄNDE  [IV.  178] 


Betrübte,  Hilfe  für  Unglückliche,  Trost  in  Leiden,  Erleichterung  in  Mühsalen« '). 
Auch  die  christlichen  Schriftsteller,  welche  behaupteten,  mit  dem  Kommen  des 
Erlösers  in  die  Welt  sei  die  Macht  der  falschen  Götter  gebrochen  gewesen,  der 
Zauber,  durch  den  sie  so  lange  Bildern  von  Holz  und  Stein  Sprache  verliehen, 
habe  seine  Kraft  verloren,  und  ihre  Orakel  seien  verstummt"):  auch  sie  mußten 
bekennen,  daß  die  Dämonen  in  den  Orakeltempeln  aufs  neue  wahre  Prophezei- 
ungen und  heilsame  Warnungen  erteilten  und  Heilungen  bewirkten;  aber  freilich 
nur,  um  durch  diese  scheinbaren  Wohltaten  denen  um  so  größeren  Schaden 
zuzufügen,  welche  sie  von  dem  Forschen  nach  der  wahren  Gottheit  durch  Ein- 
schwärzung  der  falschen  ablenkten  3).  Daß  die  Dämonen  die  Zukunft  voraus- 
wußten, erklärte  man  sich  daraus,  daß  sie  als  ehemalige  Diener  Gottes  seine 
Absichten  kannten'*).  Noch  Petrarca,  sonst  auffallend  frei  von  Aberglauben, 
glaubte  an  die  heidnischen  Orakel  als  von  Dämonen  erteilte 5). 

Die  Größe  des  römischen  Reichs  und  der  durch  die  Vortrefflichkeit  seiner 
Die  Verbreitung  Kommunikationsmittel  höchst  entwickelte  unaufhörliche  Wechselverkehr  aller 
il^res  Ansehens  ggj^gj.  Xeile  miteinander  hatte  eine  ungeheure  Erweiterung  des  Gebiets  zur 
^"^  griechische"  Folge,  auf  das  sich  der  Einfluß  der  angeseheneren  Orakel  erstreckte.  Aus  fernen 
Länder.   Barbarenländern  pilgerten  nun  Hilfe  und  Rat  Suchende  zu  den  griechischen 
Tempeln,  und  die  Sprüche  der  griechischen  Götter  wurden  mit  Ehrfurcht  in 
Gegenden  vernommen,  in  die  vor  der  Zeit  der  römischen  Weltherrschaft  ihre 
Namen  nie  gedrungen  waren.    Wenn  (wie  es  scheint  Ende  des  2.  Jahrhunderts) 
eine  Kohorte  von  Tungrern  in  ihrem  Standquartier  zu  Borcovicium  (Housesteads) 
am  Hadrianswall  in  Britannien  >den  Göttern  und  Göttinnen«   eine  Widmung 
darbrachte    »gemäß  der  Auslegung  des  Orakels  des  klarischen  Apollo^   (bei 
Kolophon)^),  und  ähnliche  Weihinschriften  zuCorinium  im  nördlichen  Dalmatien 
und  in  Cuicul  in  Numidien  sich  auf  den  Spruch  desselben  Orakels  berufen^): 
so  wird  man  hier  vielleicht  an  eine  von  Truppen  verschiedner  Provinzen  ver- 
einbarte Befragung  dieses  Gottes  zu  denken  haben.   Jedenfalls  kann  man  nicht 
zweifeln,  daß  die  berühmten  Orakel  in  der  römischen  Kaiserzeit  aus  allen  Pro- 
vinzen des  Reichs  befragt  wurden,  und  die  zahlreichen  gelegentlichen  Erwäh- 
nungen der  Schriftsteller  bestätigen  es.  So  befragte  (um  nur  einiges  anzuführen) 
Germanicus  außer  dem  eben  erwähnten  Orakel  des  klarischen  Apollo  auch  das 
des  Stiers  Apis  zu  Memphis^),  Tiberius  das  Losoiakel  des  Geryones  bei  Pata- 
vium^j,  Caliguladas  der  Fortunen  zu  Antium'°i,Nero  das  zu  Delphi"),  Vespasian 
das  auf  dem  Berge  Karmel'^),  Titus  das  der  Venus  zu  Paphus  auf  Cypern'^), 
Caracalla  das  des  Sarapis  zu  Alexandria  und  überhaupt  alle  berühmten  Orakel"*). 
In  den  Kreisen  der  Gläubigen  führte  man  Beweise  von  der  Allwissenheit  der 

i)  Minuc.  Felix  Octav.  7,  6.  2)  Euseb.  Praep.  evang.  V  i.  Prudent.  Apotheos.  435  ff.  3)  Minuc. 
Fei.  27,  I.  Tertullian.  De  anima  46.  Orig.  c.  Cels.  VIII  54.  4)  Lactant.  Inst.  div.  II  16,  14. 
5)  Körting,  Petrarcas  Leben  u.  Werke  S.  613,  l.  6)  CIL  VII  633  =  Dessau  3230.^  7)  CIL  III 
2880.  VIII  8351  =  Dessau  3230».  b.  über  das  Ansehen  des  Orakels  von  Klaros  bis  ins  4.  Jahr- 
hundert Buresch,  Klaros  (1889  S.  4off.  Ein  Orientale  in  Vasio,  der  dort  dem  Bei  einen  Altar  er- 
richtete, T&v  ev  'ATOiueia  |Livriöd|Lievo<;  Xo^iW  (CIL  XII  1277  =  Dessau  4333)>  wird  das  Orakel 
vor  seiner  Reise  oder  Übersiedelung  erhalten  haben.  8)  Tac.  A.  II  54-    Pün-  i-  h.  VIII  185. 

9)  Sueton.  Tib.  14,  3.  10)  Sueton.  Calig.  57,  3;  vgl.  Cass.  Dio  LIX  29,  3.  11)  Sueton.  Nero 
40,  3.  Ps.  Lucian.  Nero  10.  12)  Suet.  Vesp.  5,  6.  Tac.  H.  II  78.  13)  Suet.  Tit.  5,  l.  Tac.  H. 
II  4.       14)  Herodian.  IV  8,  6.   12,  3. 


[IV.  179,  i8o]  I.   DER  GÖTTERGLAUBE  163 

Orakel  an,  die  das  noch  überboten,  was  Herodot  von  den  Antworten  des  delphi- 
schen auf  die  Fragen  des  Krösus  berichtet.  Bei  Plutarch  erzählt  dessen  Freund, 
der  gelehrte  Demetrius  aus  Tarsus'),  als  ein  selbsterlebtes  Ereignis,  wie  ein 
ungläubiger  Statthalter  von  Cilicien  durch  einen  Orakelspruch  zum  Glauben 
bekehrt  wurde.  Er  sandte  auf  Veranlassung  einiger  epikureischer  Religions- 
spötter in  seiner  Umgebung  einen  Freigelassenen  mit  einem  versiegelten  Täfel- 
chen, das  die  Frage  enthielt,  zu  dem  Traumorakel  des  Halbgottes  Mopsus. 
Der  Bote,  der  nach  der  dortigen  Sitte  im  Tempel  eine  Nacht  zubrachte,  träumte, 
daß  ein  schöner  Mann  zu  ihm  trete  und  spreche:  einen  schwarzen  —  sodann 
sich  entferne.  Als  er  dies  dem  Statthalter  meldete,  erschrak  derselbe,  fiel  auf 
die  Knie,  öffnete  das  Täfelchen  und  zeigte  den  Anwesenden  seine  Frage:  werde 
ich  einen  weißen  oder  schwarzen  Stier  opfern?  Auch  die  Epikureer  waren  be- 
stürzt, der  Statthalter  aber  brachte  das  Opfer  und  verehrte  fortan  den  Mopsus''). 

Doch  nichts  zeigt  so  sehr,  welcher  Selbstbetörung  der  Wunderglaube  fähig  DasOrakeUies 
war,  und  macht  zugleich  so  anschaulich,  wie  leicht  und  schnell  Orakel  in  Gegen-  ^bo^uteichor 
den  Eingang  und  Geltung  finden  konnten,  in  denen  sie  früher  unbekannt  waren, 
als  Lucians  Bericht  über  das  von  dem  Pseudopropheten  Alexander  in  seiner 
Vaterstadt  Abonuteichos  in  Paphlagonien  eingerichtete  angebliche  Orakel  des 
Apollo  und  Asklepios^). 

Alexander  (geb.  um  105,  gest.  gegen  175)'^),  schon  als  Knabe  durch  Schön- 
heit ausgezeichnet,  war  von  einem  Landsmanne  des  ApoUonius  aus  Tyana, 
einem  Arzt,  in  den  Gaukeleien  der  Magie  unterwiesen  worden  und  hatte  diesem 
als  Gehilfe  gedient.  Nachdem  er  dann  mit  einem  Gefährten  Bithynien  und  Maze- 
donien als  Zauberer  und  Wahrsager  durchzogen,  wählte  er  zur  Gründung  eines 
eignen  Orakels  seine  Vaterstadt,  die  dazu  durch  die  krasse  Götterfurcht  und  die 
Wohlhabenheit  ihrer  Bewohner  besonders  geeignet  erschien.  Erztafeln,  von 
ihm  im  Apollotempel  zu  Chalcedon  vergraben  und  wieder  aufgefunden,  melde- 
ten, daß  Apollo  mit  seinem  Sohne  Asklepios  nach  Abonuteichos  übersiedeln 
werde,  dessen  hocherfreute  Bewohner  sogleich  die  Erbauung  eines  Tempels  für 
den  letzteren  in  Angriff  nahmen.  Nachdem  sodann  ein  Sibyllenausspruch  ver- 
breitet worden  war,  daß  Alexander,  ein  Abkömmling  des  Perseus  und  Asklepios, 
als  Prophet  erscheinen  werde,  hielt  er  selbst,  eine  imposante  und  gewinnende 
Erscheinung,  prachtvoll  in  Weiß  und  Purpur  gekleidet,  die  Sichel,  wie  sie  einst 
Perseus  geführt,  in  der  Hand,  seinen  Einzug.  Der  Gott  Asklepios  sollte  sich  in 
der  Gestalt  einer  Schlange  zeigen.  Alexander  ließ  seine  Landsleute  in  dem 
Wasser,  das  sich  beim  Graben  der  Fundamente  des  Tempels  gesammelt  hatte, 
ein  ausgeblasenes  Gänseei  finden,  in  dem  sich  eine  kleine  Schlange  befand; 
bald  darauf  wies  er  eine  längst  in  Bereitschaft  gehaltene  große,  zahme  vor, 
das  schnelle  Wachstum  des  Gottes  erschien  nur  natürlich.  Wenn  Alexander 
sich  mit  der  Schlange  um  den  Hals  in  einem  halbdunkeln  Räume  zeigte,  ließ 
er  statt  ihres  Kopfs  einen  aus  bemalter  Leinwand  verfertigten  Schlangenkopf 
aus  seinem  Gewände  hervorstehen,  der  einem  Menschengesicht  ähnlich  war 
und  durch  das  Ziehen  von  innen  angebrachten  Pferdehaaren  geöffnet  und  ge- 
il Über  ihn  vgl.  H.  Dessau,  Hermes  XLVI  igii  S.  156!?.  2)  Plutarch.  De  def.  orac.  45.  3)  Ed. 
Zeller,  Vortr.  u.  Abhdl.  II  154  ff.  Fr.  Cumont,  Alexandre  d'Abonotichos  ^Extr.  du  T.  XL  des  Mt'- 
moires  couronn6s  et  autr.  Mem.  de  l'Acad.  royale  de  Belgique)  1887.       4)  Cumont  S.  5:  f. 


i64  Xin.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  i8: 


schlössen  werden  konnte.  Später  wurde  auch  eine  Röhre  in  den  Kopf  geführt, 
durch  welche  ein  Gehilfe  den  Gott  sprechen  lassen  konnte,  doch  wurden  solche 
»selbstgesprochnen«  Orakel  nur  ausnahmsweise  und  für  hohe  Bezahlung  erteilt. 
Gewöhnlich  wurden  die  Fragen  versiegelt  eingereicht  und  ebenso  zurückge- 
geben; beim  Eröffnen  fand  man  die  Antwort  des  Gottes  darunter  geschrieben. 
Dieser  nannte  sich  selbst  Glykon. 

Schnell  verbreitete  sich  der  Ruf  des  Orakels  in  ganz  Kleinasien  und  Thracien'], 
und  der  Zudrang  zu  demselben,  der  während  der  ganzen  Zeit  seines  Bestehens 
(über  20  Jahre)  nicht  abgenommen  zu  haben  scheint,  steigerte  sich  zuweilen  so, 
daß  in  Abonuteichos  Mangel  an  Lebensmitteln  eintrat.  Lucian  schätzt  das 
Einkommen  des  Propheten  bei  einer  Gebühr  von  etwa  i  Mark  für  den  Spruch 
auf  etwa  60000  Mark  jährlich,  wovon  allerdings  ein  zahlreiches  Personal  von 
Gehilfen  aller  Art  zu  besolden  war;  doch  zwei  Exegeten  rätselhafter  Orakel- 
sprüche mußten  dem  Propheten  aus  ihren  Einnahmen  eine  Pacht  von  je  etwa 
4800  Mark  jährlich  entrichten.  Öfters  verhieß  der  Gott  die  Erfüllung  der  Wünsche 
der  Fragenden,  falls  der  Prophet  für  sie  bitten  würde.  Nicht  selten  waren  die 
Fragen  in  fremden  Sprachen,  wie  in  der  syrischen  und  der  (in  Galatien  sich  als 
Umgangssprache  behauptenden)  keltischen,  verfaßt,  und  es  war  nicht  immer 
leicht,  Leute  zu  finden,  welche  dieselben  verstanden.  Gelegentliche  Mißgriffe 
in  der  Beantwortung  schadeten  dem  Ansehen  des  Orakels  nicht;  seine  Göttlich- 
keit offen  zu  leugnen,  war  nicht  ohne  Gefahr;  denn  Alexander  verstand  es,  den 
Schwärm  der  Gläubigen  gegen  seine  Widersacher  (namentlich  Epikureer)  als 
^Atheisten  und  Christen«  zu  fanatisieren.  Die  Priester  der  angesehensten  Orakel 
Kleinasiens  machte  er  sich  zu  Freunden,  indem  er  öfters  die  Besucher  des 
seinigen  an  sie  verwies. 

Durch  Emissäre  ließ  Alexander  auch  in  andern  Provinzen  für  seinen  Gott 
_  Propaganda  machen,  und  bald  gewann  er  zahlreiche  Gläubige  auch  in  Italien 
und  in  Rom  selbst.  Viele  der  höchstgestellten  und  einflußreichsten  Männer 
setzten  sich  mit  ihm  in  Verbindung.  Verfängliche  Fragen  (d.  h.  solche,  die  sich 
auf  den  Kaiser  oder  Staatsangelegenheiten  bezogen)  behielt  Alexander  zurück 
und  hatte  dadurch  die  Fragesteller  in  seiner  Gewalt,  die  seine  Verschwiegenheit 
teuer  erkaufen  mußten.  In  dem  überaus  gottesfürchtigen  und  abergläubischen 
P.  Mummius  Sisenna  Rutilianus  (consul  suff.  vor  172)^)  gewann  er  einen  so 
blindgläubigen  Verehrer,  daß  der  60jährige  Konsular  sich  auf  das  Geheiß  des 
Gottes  Glykon  mit  einer  Tochter  des  paphlagonischen  Schwindlers  vermählte, 
deren  Mutter  angeblich  die  Mondgöttin  war.  Rutilianus  war  es  auch,  der  den 
Kaiser  Marc  Aurel  bewog,  im  Kampfe  gegen  die  Markomanen,  als  ein  Opfer, 
welches  den  Römern  den  Sieg  sichern  sollte,  zwei  Löwen  in  die  Donau  werfen 


I)  Wenn  die  Katastrophe  des  P.  Aelius  Severianus  Maximus  nach  Lucian.  Alexand.  27  durch 
dessen  törichtes  Vertrauen  auf  das  Orakel  des  Alexander  herbeigeführt  wurde,  so  muß  dieses  schon 
161  n.  Chr.  (Napp,  De  rebus  imp.  M.  Aurel.  Antonino  in  Oriente  gestis,  Diss.  Bonn  1879  S.  15—18) 
in  großem  Ansehen  gestanden  haben.  In  der  Stelle  des  Lucian  ist  in  den  Worten  Otto  tou  'OBpud- 
&0U  KaxaKOTTeit;  entweder  mit  Mommsen  RG.  V  406,  i  eine  grobe  Ignoranz  der  Quelle  Lucians  an- 
zunehmen oder  mit  v.  Gutschmid  dafür  iittÖ  toü  'Oöpöou  zu  schreiben.  2)  Waddington,  Fastes 
des  provinces  Asiatiques  nr.  153.  Prosopogr.  imp.  Rom.  II  388  f.  Cumont  S.  48  setzt  ohne  hin- 
länglichen Gi-und  das  Konsulat  des  Rutilianus  nach  161. 


[IV.  i82]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  165 

zu  Tassen,  worauf  sie  freilich  eine  große  Niederlage  erlitten  (wohl  unter  Furius 
Victorinus  166).  Als  Lucian  bei  dem  Statthalter  von  Bithynien,  LolHanus  Avi- 
tus '),  eine  Klage  wegen  eines  von  Alexander  gegen  ihn  gemachten  Mordversuchs 
erheben  wollte,  beschwor  ihn  dieser,  davon  abzustehen,  da  er  den  Schwieger- 
vater des  Rutilianus  nicht  verfolgen  könne  ^).  Mit  den  Schrecken  des  Kriegs 
vereinigten  sich  damals  die  verheerenden  Wirkungen  jener  in  einem  großen 
Teile  des  Reichs  wütenden  Epidemie^],  um  überall  auch  das  religiöse  Bedürfnis 
und  die  Glaubensseligkeit  aufs  höchste  zu  steigern.  Überall  las  man  auf  den 
Haustüren  einen  von  Alexanders  Sendboten,  die  seinen  Beistand  gegen  Seuchen, 
Feuersbrünste  und  Erdbeben  empfohlen  hatten,  verbreiteten  Orakelspruch,  der 
ein  sicheres  Schutzmittel  gegen  jene  Pest  sein  sollte"*). 

Alexander  starb  im  Alter  von  fast  70  Jahren  in  unangefochtenem  Besitz  von 
Ehre,  Macht  und  Reichtum,  und  noch  nach  seinem  Tode  stand  eine  Statue  von 
ihm  auf  dem  Markt  in  Parium  in  Mysien,  bei  der  ihm  öffentliche  Opfer  und  Feste 
gefeiert  wurden^).  Lucians  Berichte,  die  man  als  übertrieben  ansehen  könnte, 
erhalten  volle  Bestätigung  durch  Münzen  von  Abonuteichos  mit  den  Köpfen 
der  Kaiser  Antoninus  Pius  und  Marc  Aurel,  die  auf  der  Rückseite  eine  Schlange 
mit  einem  Menschenkopfe,  zum  Teil  mit  der  Beischrift  »Glykon«,  zeigen.  Die 
Legenden  dieser  Münzen  bestätigen  ferner,  daß  Alexander,  wie  Lucian  eben- 
falls berichtet,  (wohl  bei  L.  Verus  während  dessen  Aufenthalts  in  Asien  163  bis 
166)  die  neue  Benennung  »lonopolis«  für  seine  Vaterstadt  durchzusetzen  ver- 
mochte, welche  sogar  die  ältere  verdrängt^)  und  sich  in  wenig  veränderter  Form 
(Ineboli)  bis  heute  erhalten  hat^).  Der  erwähnte  Münztypus  findet  sich  dort  bis 
in  die  Zeit  des  Trebonianus  Gallus  (251 — 253),  und  unter  Caracalla  und  Gor- 
dian  III.  auch  in  Nicomedien,  wohin  also  der  Kultus  des  Gottes  Glykon  eben- 
falls gedrungen  sein  muß^).  Andere  Zeugnisse  für  die  Verbreitung  desselben 
haben  sich  in  dem  hauptsächlich  von  Kleinasien  aus  kolonisierten  Dacien  und 
dem  oberen  Mösien  gefunden:  zwei  in  Apulum  (Karlsburg  in  Siebenbürgen) 
zum  Vorschein  gekommene  Inschriften  sind  dem  Gotte  Glykon  »auf  dessen 
Befehl«  geweiht^);  nicht  ganz  sicher  ist  die  Deutung  einer  in  Mösien  (in  Üsküb) 
gefundenen  Weihung  »dem  Juppiter  und  der  Juno,  dem  Drachen  und  der 
Drachenfrau  und  dem  Alexander« '°),  wonach  also  Alexander,  falls  er  hier  ge- 
il Pausan.  X  36,  l.  Mommsen  RG.  V  314,  2.  2)  Lucian.  Alexand.  57,  wo  statt  des  auTO^ 
und  dveKTOc;  der  Hss. 'AoueiTOt;  zu  lesen  ist;  L.  Lollianus  Avitus  (Konsul  im  J.  144,  Prosop.  II  293) 
ist  für  das  Jahr  165  als  Statthalter  von  Bithynien  bezeugt  durch  die  Inschrift  von  Amastris  IGR 
ni  84;  im  Jahre  169  war  Avitus  nicht  mehr  Statthalter  von  Bithynien,  Cumont  S.  50,  4.  3)  Oben 
I  31.  4)  Lucian.  Alex.  36.  Der  Vers  findet  sich  noch  bei  Martian.  Capella  I  19  und  inschriftlich 
im  syrischen  Antiochia,  Weinreich,  Athen.  Mitteil.  XXXVIII  1913  S.  66.  5)  Athenagoras  (etwa  177) 
Leg.  de  christ.  26.  6)  Eckhel  D.  N.  II  383  f.  Cumont  S.  53.  Babelon,  Revue  numism.  4.  s^r.  IV 
1900 S.  iff.  Waddington,  Recueilgenöral  des  monnaiesgrecquesde  l'Asie  mineure  I  I29ff.  (die  letzten 
Münzen  mit  dem  Namen  Abonuteichos  mit  dem  Bilde  des  Antoninus  Pius,  die  ersten  mit  lonopolis 
mit  dem  des  L.  Verus).  7)  Renan,  L'^glise  chr^tienne  S.  429,  5.  8)  Cumont  S.  42 f.  Amulette, 
auf  denen  das  Bild  des  Glykon  mit  mehr  oder  weniger  Wahrscheinlichkeit  erkannt  wird,  bei 
Cumont  S.  43—45.  9)  CIL  III  1021  (Dessau  4079).  1022.  10)  CIL  lU  8238  =  Dessau  4080; 
gegen  die  Beziehung  auf  Alexander  von  Abonuteichos  E.  Groag,  Wiener  Eranos  (1909)  S.  251  ff. 
Vgl.  auch  CIL  VI  112  =  Dessau  3988.  Sonstige  Weihungen  an  einen  oder  mehrere  dracones  (CIL 
VI  143  =  Dessau  3896».  CIL  VIII  9326.  15247.  15378.  17722  =  Dessau  3879)  sind  wir  nicht  be- 
rechtigt auf  Glykon  zu  beziehen,  vgl.  Cumont,  Real-Encykl.  V  1634  f. 


i66 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  183,  184] 


meint  ist,  außer  der  von  Lucian  erwähnten  Schlange  noch  ein  weibliches  Exem- 
plar gehabt  haben  müßte. 
Der  Glaube  an  Wenn  ein  SO  plumper  Betrug  so  lange  Zpit  hindurch  ohne  ernstliche  Bekämp- 
vorbedeutende  f^J^g  ^jid  mit  SO  ungeheurem  Erfolge  geübt  werden  konnte,  so  ergibt  sich  der 
Rückschluß  auf  den  Glauben  an  die  anerkannten  Orakel  und  deren  Einfluß  von 
selbst.  Mehrere  derselben  waren  Traumorakel,  wie  das  des  Mopsus  und  Am- 
ph  lochus  zu  Mallos  in  Cilicien,  welches  dem  S.  Quintilius  Condianus  seine  und 
seines  Bruders  Ermordung  durch  Commodus  in  einem  Traume  (von  dem  die 
beiden  Schlangen  würgenden  Herakleskinde)  verkündete  '^).  Daß  aber  nicht  bloß 
dort,  sondern  überall  Träume  die  Zukunft  voraussagten,  war  unter  allen  Formen 
des  Glaubens  an  Vorbedeutungen  die  allgemeinste  und  die  einzige,  die  selbst 
ein  Teil  derer  nicht  bestritt,  welche  den  Weissagungsglauben  im  übrigen  durch- 
aus verwarfen.  Aristoteles^)  und  Demokrit^)  gaben  das  Vorkommen  weissagen- 
der Träume  zu,  die  aber  nicht  von  den  Göttern  gesandt,  sondern  natürliche 
Wirkungen  natürlicher  Ursachen  seien;  und  so  neigte  auch  der  ältere  Plinius, 
der  alle  übernatürliche  Offenbarung  der  Zukunft  leugnete,  zu  dem  Glauben  an 
bedeutende  Träume.  In  einem  seiner  früheren  Bücher  läßt  er  die  Frage  unent- 
schieden''), aber  in  einem  späteren^)  berichtet  er  als  unzweifelhafte  Tatsache, 
daß  ein  Soldat  der  Kaisergarde  in  Rom,  der  durch  den  Biß  eines  tollen  Hunds 
wasserscheu  geworden  war,  durch  ein  Mittel  gerettet  worden  sei,  das  seiner  in 
Spanien  lebenden  Mutter  ein  Traum  geoffenbart  hatte.  Ohne  seinen  Unfall  zu 
ahnen,  hatte  sie  ihm  dieses  in  einem  Briefe  mitgeteilt,  der  gerade  zur  rechten 
Zeit  ankam,  um  den  Kranken  wider  alle  Hoffnung  zu  retten.  Wenn  Plinius  sagt, 
dieses  vorher  unbekannte  Mittel,  das  sich  seitdem  stets  bewährte,  habe  »Gott« 
offenbart,  so  dachte  er  wohl  an  jenes  geheimnisvolle  Walten  der  Natur,  das  sich 
auch  in  den  Sympathien  und  Antipathien  ihrer  Kräfte  kund  zu  geben  schien, 
keinesfalls  an  die  Vorsehung  einer  persönlichen  Gottheit^). 

Setzt  aber  der  Glaube  an  weissagende  Träume  auch  den  Götter-  und  Vor- 
sehungsglauben nicht  notwendig  voraus,  so  haben  sicherlich  immer  nur  die 
wenigsten  den  einen  ohne  den  andern  gehegt,  bei  der  großen  Mehrzahl  hat  sich 
der  Glaube  wie  der  Unglaube  auf  beide  Gebiete  zugleich  erstreckt.  Demokrits 
Theorie  hat  allem  Anschein  nach  selbst  bei  den  Epikureern  wenig  Eingang  ge- 
funden, und  sie  haben  im  allgemeinen  mit  der  Vorsehung  auch  die  Weissagung 
der  Träume  wie  alle  sonstige  geleugnet.  Dagegen  allen,  die  eine  Vorsehung 
annahmen,  sagt  Origenes^),  war  es  gewiß,  daß  es  Erscheinungen  im  Traume 
gab,  die  teils  ganz  eigentlich  göttlicher  Natur  waren,  teils  die  Zukunft  offenbarten, 
sei  es  deutlich,  sei  es  in  Rätseln.  Im  Schlafe,  sagt  der  Vertreter  des  Heiden- 
tums in  dem  Dialog  des  Minucius  Felix ^),  sehen,  hören,  erkennen  wir  die  Gott- 
heit, die  wir  am  Tage  gottlos  leugnen,  verschmähen,  durch  Meineid  beleidigen. 
Namentlich  die  Stoiker  legten  den  größten  Wert  auf  diese  von  der  Vorsehung 
den  Menschen  geschenkte  »eigentümliche  Tröstung  eines  natürlichen  Orakels«; 
und  auch  die  Christen  glaubten,  daß  nicht  bloß  von  Gott,  sondern  auch  von 

i)  Cass.  Dio  LXXII  7,  i;  vgl.  oben  S.  53.  2)  W.  Reichardt,  De  Arteraidoro  Daldiano  libro- 
rum  onirocriticorum  auctore  (Comm.  phil.  Jenens.  V  1894)  S.  116  f.  S.  Herrlich,  Antike  Wunder- 
kuren (Progr.  d.  Humboldt-Gymn.  Berlin  191 1)  S.  iQf.  3)  W.  Reichardt  a.  a.  O.  S.  Il3f.  4)  Plin. 
n.  h.  X  211.     5)  ebd._XXV  17.     6)  Oben  S.  121.     7)  Orig.  c.  Geis.  I  48.     8)  Minuc.  Fei.  Octav.  7,  8. 


Sein    Zusammen- 
hang mit  demVor- 
sehungsglauben. 


[IV.  185]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  167 

Dämonen  wahre  Träume  gesandt  würden,  freilich  in  der  schon  erwähnten  bösen 
Absicht,  und  viel  öfter  trügerische  und  unreine").  Man  wird  also  nicht  sehr  irren, 
wenn  man  auf  die  Allgemeinheit  und  Festigkeit  des  Götter-  und  Vorsehungs- 
glaubens aus  der  Allgemeinheit  und  Festigkeit  auch  des  Glaubens  an  Träume 
schließt. 

Über  diese  letztere  kann  nun  aber  niemand  in  Zweifel  sein,  der  die  Literatur  der  Seine  allgemei- 
ersten  Jahrhunderte,  namentlich  die  historische,  auch  nur  oberflächlich  kennt.  "^  Verbreitung. 
Selten  wird  ein  großes  Ereignis  erzählt,  ohne  daß  zugleich  mindestens  ein 
Traum  mitgeteit  wird,  der  es  ankündete.  Die  hervorragendsten  Männer  räumten 
Träumen  den  größten  Einfluß  auf  ihre  Handlungen  ein,  man  ließ  sich  durch  sie 
zu  Unternehmungen  jeder  Art  bestimmen;  so  schrieb  Galen  über  Mathematik""), 
der  ältere  Plinius  seine  Geschichte  der  römischen  Kriege  in  Deutschland  infolge 
eines  Traums^].  Träume  entschieden  über  die  Wahl  des  Lebensberufs:  Galen 
war  zum  Studium  der  Medizin  durch  einen  Traum  seines  Vaters  bestimmt 
worden'^).  Er  ließ  sich  auch  in  der  Behandlung  seiner  Kranken  vielfach  von 
Träumen  leiten,  und  zwar  mit  bestem  Erfolge.  So  hatte  er  einmal  auf  die  Ein- 
gebung zweier  deutlicher  Träume  die  Ader  zwischen  dem  Zeige-  und  Mittelfinger 
der  rechten  Hand  geschlagen  und  das  Blut  so  lange  fließen  lassen,  bis  es  von 
selbst  aufhörte^).  Ebenso  fest  war  übrigens  sein  Glaube  an  die  Wissenschaft 
des  Vogelflugs ^).  Sueton  wandte  sich  an  den  jüngeren  Plinius  mit  der  Bitte, 
den  Aufschub  eines  Termins  zu  erwirken,  an  welchem  er  eine  Verteidigung  vor 
Gericht  führen  sollte,  da  ein  Traum  ihm  einen  unglücklichen  Ausgang  verkündet 
habe.  Plinius  rät  die  Sache  nochmals  zu  erwägen,  da  es  darauf  ankomme,  ob 
Suetons  Träume  die  bevorstehenden  Ereignisse  oder  das  Gegenteil  bedeuten, 
er  selbst  befinde  sich  im  letzteren  Falle^).  August,  der  nicht  bloß  seine  eigenen 
Träume,  sondern  auch  die  auf  ihn  bezüglichen  andrer  sorgfältig  beachtete,  ließ 
sich  durch  einen  Traum  bewegen,  alljährlich  an  einem  bestimmten  Tage  und  an 
einem  bestimmten  Orte  den  Vorübergehenden  wie  ein  Bettler  die  hohle  Hand 
hinzuhalten  und  die  Kupfermünze  in  Empfang  zu  nehmen,  die  sie  ihm  reichten^). 
Marc  Aurel  dankte  den  Göttern,  daß  sie  ihm  in  Träumen  Verordnungen  gegen 
Schwindel  und  Blutspeien  gegeben  hatten^).  Über  die  Träume  und  Vorzeichen, 
welche  die  Herrschaft  Severs  vorausverkündeten,  schrieb  Cassius  Dio  ein  Buch, 
und  Sever,  der  auf  seine  Träume  so  großen  Wert  legte,  daß  er  z.  B.  einen  der- 
selben in  Bronze  ausführen  ließ'°),  nahm  dasselbe  sehr  günstig  auf").  Einst 
hatte  der  spätere  Kaiser  sich  auf  eine  hohe  Warte  geführt  gesehen,  von  wo  er 
alles  Land  und  Meer  überschaute;  er  grifl"  hinein  wie  in  die  Saiten  einer  Laute, 
und  Harmonien  tönten  ihm  entgegen ''].  Auch  seine  große  römische  Geschichte 
begann  Cassius  Dio  »auf  die  Weisung  der  Gottheit  im  Traume«  und  fand  den 
Mut  und  die  Kraft,  sie  fortzusetzen  und  zu  vollenden,  durch  neue  Träume,  in 

i)  Tertullian.  Deanima46ff.  2)  Galen.  III  812.  3)  Plin.  ep.  III  5,  4.  4)  Galen.  X  609.  XVI 
223  ;  vgl.  VI  833.  5)  ebd.  XVI  222.  6)  ebd.  XV  443  ff.  7)  Plin.  ep.  I  18.  8)  Sueton.  August. 
91 ;  vgl.  Cass.  Dio  LIV  35,  3.  9)  M.  Aurel.  Comm.  I  17.  10)  Herodian.  II  9,  3 — 6  (oben  S.  53). 
Eine  solche  bildliche  Darstellung  eines  Traumgesichts  auf  einem  Relief  aus  Amphipolis  mit 
Weihung  an  den  thrakischen  Schlaf-  und  Traumgott  Totoes,  P.  Perdrizet,  Bull.  corr.  hell.  XXII 
1898,  3 50 ff.  1 1)  Cass.  Dio  LXXII  23,  i  f .  12)  ebd.  LXXIV  3,  dazu  E.  Maaß,  Aratea  S.  145  f. ; 
vgl.  Hist.  aug.  Sever.  3,  5. 


des    Artemidor. 


i68  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  i86] 

welchen  Tyche  (welcher  als  der  Beschützerin  seines  Lebens  er  sich  ganz  ge- 
weiht hatte)  ihm  die  Unsterblichkeit  verhieß '). 
Die  Traumdeu-  Das  einzige,  aus  einer  sehr  umfangreichen,  vorzugsweise  griechischen  Lite- 
"^"^^^  Schaft'  ratur"")  auf  uns  gekommene  Traumbuch  ist  namentlich  auch  als  Beweis  dafür 
interessant,  wie  sehr  die  Traumdeutung  als  eine  Wissenschaft  anerkannt  war, 
deren  Vertreter  sich  bemühten,  auf  Grund  eines  möglichst  umfassenden  und 
zuverlässigen  Materials  die  Methode  der  Auslegung  zum  höchsten  Grade  der 
Das  Traumbuch  Strenge  und  Schärfe  auszubilden.  Der  Verfasser,  Artemidor  von  Daldis  (so 
mochte  er  sich  lieber  nennen  als  nach  seiner  Geburtsstadt  Ephesus,  da  er  dem 
obskuren  Geburtsorte  seiner  Mutter  auch  den  Ruhm  gönnen  wollte,  einen  namen- 
haften Mann  hervorgebracht  zu  haben) ^),  lebte  gegen  Ende  des  2.  Jahrhunderts 
und  schrieb  auf  das  wiederholte  Geheiß  des  Apollo,  der  ihm  sichtbarlich  er- 
schienen war,  und  auf  den  Antrieb  eines  Cassius  Maximus "^j,  der  wahrscheinlich 
niemand  anders  ist  als  der  Platoniker  Maximus  von  Tyrus^).  Auch  für  Artemidor, 
der  außerdem  Schriften  über  Vogel-  und  Handbeschauung  verfaßte^),  waren  die 
Träume,  welche  die  Götter  »der  von  Natur  prophetischen  Menschenseele 
senden«,  eine  Betätigung  der  göttlichen  Vorsehung,  und  seine  Gegner  setzte 
er  hauptsächlich  unter  denen  voraus,  welche  weder  an  diese,  noch  an  Weis- 
sagung überhaupt  glaubten.  Seine  tiefe  Ehrfurcht  vor  dem  Walten  der  Gott- 
heit beweist  unter  anderm  die  Warnung,  wenn  man  Träume  von  den  Göttern 
erbitte,  nicht  nach  Unnützem  zu  forschen  und  ja  nicht  so  zu  beten,  als  wolle 
man  ihnen  Vorschriften  machen,  nach  dem  Traume  aber  ein  Opfer  und  Dank- 
gebet zu  bringen^).  Er  betrachtete  den  ihm  gewordnen  Beruf,  die  Kundge- 
bungen der  Gottheit  auszulegen,  wie  ein  Priestertum,  seine  »Wissenschaft«  war 
ihm  heilig.  Sein  ganzes  Leben  hatte  er  an  ihre  Erforschung  gesetzt,  Tag  und 
Nacht  studiert^),  alle  irgend  aufzutreibenden  Traumbücher  gekauft  und  auf 
seinen  Reisen  in  Kleinasien,  Griechenland,  Italien  und  auf  den  Inseln  so  viel 
Fachgenossen  wie  möglich  kennen  zu  lernen  und  seine  Kenntnisse  durch  Er- 
fahrung zu  bereichern  gestrebt.  Der  hohe  Begriff  von  der  Wahrheit  und  Würde 
seiner  Wissenschaft  ließ  ihn  jede  Scharlantanerie  und  Künstelei  verschmähen. 
Streben  nach  Effekt  bei  dem  großen  Publikum  und  dem  Beifalle  gewerbsmäßiger 
Schönredner,  sagt  er,  habe  ihm  ferngelegen:  sonst  wäre  es  ihm  leicht  gewesen, 
ebensogut  wie  andre  blendende  und  frappierende  Dinge  zu  sagen^).  Stets  dringt 
er  auf  einfache  und  leicht  verständliche  Erklärungen  der  Träume  und  verwirft 
die  spitzfindigen  und  künstlichen,  mit  welchen  den  Laien  imponiert  werde:  ja  er 
fand  sie  gotteslästerlich,  weil  man  damit  den  traumsendenden  Göttern  gewisser- 
maßen die  Absicht  zu  täuschen  beilege^").  Stolz  war  er  nur  auf  die  Genauigkeit 
und  Schärfe  seiner  Auslegung.    Von  seiner  Aufrichtigkeit  und  Wahrhaftigkeit 

i)  Cass.  Dio  LXXII  23,  2.  4.  2)  TertuUian.  De  anima  46,  2.  Die  ältere  griechische  Literatur 
der  Traumdeutung  bei  Bouch^-Leclercq,  Histoire  de  la  divination  dans  l'antiquit^  I  277  ff.  3)  Ar- 
temidor. III  66  p.  196,  19  Herch.  4)  Artemidor.  I  praef.  p.  2,  26.  II  70  p.  167,  9.  5)  Diese 
Vermutung  hat  O.  Hirschfeld  in  der  Übersetzung  des  Artemidor  von  Krauß  (1884)  S.  8  ausge- 
sprochen und  DIels  (Hermes  XXIII  1888  S.  287  f.)  hat  ihr  zugestimmt.  Vgl.  auch  oben  I  108  A.  7. 
6)  Suid.  s.  V.  'ApTe|n(5uupo<;.  Eine  Erwähnung  bei  Galen.  XV  444:  'ApTem&uijpou  toO  OaiKÖ  äWuuv 
xe  Tivdiv  oiujviaTÜJv  €vb65uuv  ßi'ßXouq  hat  Diels  a.  a.  O.  nachgewiesen.  7)  Artemidor.  IV  2 
p.  205,  25.  8)  Über  seine  Studien  und  Quellen  vgl.  W.  Reichardt  a.  a.  O.  S.  I26ff.  9)  Artemidor. 
I  praef.  II  60.  70  p.  if.  167  f.  10)  ebd.  IV  63  p.  240  f. 


Krankheiten 
durch  Träume. 


[IV.  187,  i88]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  169 

enthält  sein  Buch  zahlreiche  Beweise;  auch  hatte  er  die  Genugtuung,  daß,  wenn 
übelwollende  und  kleinliche  Beurteiler  inbezug  auf  dessen  Vollständigkeit  und 
Ausführlichkeit  einige  Ausstellungen  gemacht  hatten,  doch  von  niemandem 
behauptet  worden  war,  daß  es  an  Wahrheit  auch  nur  im  geringsten  fehle').  Je 
weniger  nun  dieses  Buch  (dessen  Entstehung  und  Verbreitung  ohne  einen  ge- 
bildeten Leserkreis  von  gleicher  Gesinnung  undenkbar  ist)  auch  nur  eine  Spur 
von  eigentlicher  Mystik  und  Phantasterei  zeigt,  je  konsequenter,  verständiger 
und  methodischer  es  ist,  desto  schlagender  beweist  es,  wie  wenig  in  jener  Zeit 
auch  Nüchternheit  und  selbst  ein  gewisser  Rationalismus  den  Glauben  an  eine 
fort  und  fort  in  Wundern  sich  offenbarende  Vorsehung  der  Götter  ausschloß. 

Von  diesen  Wundern  waren  nun  die  Heilungen  von  Krankheiten  durch  Ein-  Heilung  von 
gebungen  von  Träumen  die  greifbarsten  und  überzeugendsten,  folglich  auch 
diejenigen,  die  der  Glaube  am  liebsten  und  häufigsten  schuf  und  die  ihm  immer 
neue  Nahrung  gaben.  Diese  Wunder  vollzogen  sich  natürlich  ganz  vorzugs- 
weise auf  dem  heiligen  Boden  der  Tempel  der  Heilgötter  Asklepios,  Isis,  Sarapis, 
bei  deren  Heiligtümern  unter  dem  Kultpersonal  Traumdeuter  nie  gefehlt  haben 
werden').  Diese  Götter  taten  dort  auch  andre  Wunder.  So  versichert  Aristides 
von  dem  unversieglichen  »heiligen  Brunnen«  im  Tempel  des  Asklepios  zu 
Pergamum,  daß  durch  das  Baden  in  seinem  Wasser  viele  ihre  Augen  wieder- 
erlangten, von  Brustkrankheiten,  Atembeschwerden,  Fußverkrümmungen  ge- 
heilt wurden,  daß  ein  Stummer,  der  daraus  trank,  die  Sprache  erhielt,  manchem 
schon  das  Schöpfen  aus  dem  Brunnen  Heilung  brachte^).  Auch  leibhaft  er- 
schien der  Gott  den  Gläubigen  keineswegs  selten.  Origenes  beschwert  sich, 
daß  Celsus,  der  die  Christen  wegen  ihres  Glaubens  an  die  Wunder  Jesu  ein- 
fältig nennt,  ihnen  zumute,  zu  glauben,  »daß  eine  große  Menge  von  Hellenen 
und  Barbaren  (wie  sie  versichern)  den  Asklepios  nicht  als  eine  Vision,  sondern 
persönlich  Heilungen  und  Wohltaten  vollbringen  und  die  Zukunft  vorhersagen 
gesehen  haben  und  noch  sehen«.  Diesen  Aussagen  gegenüber  beruft  sich 
Origenes  auf  eine  unzählbare  Menge  derer,  welche  die  Wunder  Christi  be- 
zeugen, und  fügt  hinzu,  daß  er  selbst  durch  die  bloße  Anrufung  des  Namens 
Gottes  und  Jesu  Menschen  von  schweren  Krankheiten,  von  Besessenheit  und 
Wahnsinn  und  vielen  andern  Leiden  habe  befreien  sehen,  »die  weder  Menschen 
noch  Dämonen  heilen  konnten  ■*).  Auch  die  beiden  halbgöttlichen  Söhne  des 
Asklepios  waren  vielen  zu  Epidaurus  und  an  andern  Orten  erschienen^).  In 
einer  zu  Rom  inschrifdich  erhaltenen  Widmung  an  Pan  für  Herstellung  aus 
schwerer  Krankheit  heißt  es,  daß  der  Gott  dem  Geheilten  sichtbarlich  erschie- 
nen war,  nicht  im  Traum,  sondern  mitten  am  Tage^). 

Selbstverständlich  aber  war  in  der  heidnischen  Welt  das  größere  Wunder, 
daß  die  Heilgötter  in  Person  zu  den  Hilfesuchenden  herabstiegen,  auch  das 
seltenere,  und  gewöhnlich  erfolgten,  wie  gesagt,  die  Heilungen  durch  Träume, 
und  zwar  ohne  Zweifel  nicht  bloß  bei  solchen,  die  in  Tempeln  schliefen.   Arte- 

i)  Artemidor.  IV  praef.  p.  198,  11  fif.  2)  Die  XuxvoTTTpia  Kai  6v€ipOKpiTi(;  IG  III  162  gehört 
zum  Kultpersonal  der  Isis  (s.  die  Anm.  von  Dittenberger),  das  von  O.  Rubensohn,  Festschr.  f.  Joh. 
Vahlen  (1900)  S.  3 ff.  behandelte  Aushängeschild  eines  Traumdeuters  ist  beim  Sarapeum  zu  Mem- 
phis gefunden.  3)  Aristid.  or.  39,  15  (II  323  K.).  4)  Orig.  c.  Cels.  HI  24.  5)  Arist,  or.  38,  21 
(II  318  K.;.       6)  IG  XIV  1014  =  Kaibel,  Epigr.  gr.  802. 


lyo  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  189] 

midor  hat  in  einem  eignen  Abschnitte  »Von  den  Verordnungen«  auch  dieses 
Wunder  auf  seinen  wahren  Gehalt  zurückzuführen  gesucht,  indem  er  es  der 
schmückenden  Zutaten  entkleidete,  durch  welche  die  geschäftige  Phantasie  der 
Gläubigen  es  zu  vergrößern  meinte,  die  aber  nach  seiner  Auffassung  der  Er- 
habenheit der  Götter  unwürdig  waren.  »Inbezug  auf  die  Verordnungen«,  sagt 
er'),  »daß  nämlich  die  Götter  den  Menschen  (im  Traume)  Behandlungen  von 
Krankheiten  verordnen,  ist  es  unnütz  Fragen  aufzuwerfen.  Denn  viele  sind  in 
Pergamum,  Alexandria  und  an  andern  Orten  durch  Verordnungen  geheilt  worden, 
und  manche  glauben,  daß  die  Wissenschaft  der  Heilkunde  aus  ihnen  hervor- 
gegangen sei.«  Nun  aber  werden  lächerliche  und  widersinnige  Verordnungen 
berichtet,  die  niemals  geträumt,  sondern  erdichtet  sind.  So  sollen  z.  B.  einem 
Kranken  im  Traume  ^beißende  Mohren«  verordnet  und  damit  Pfefferkörner 
gemeint  gewesen  sein,  weil  sie  schwarz  sind  und  beißen,  einem  andern  »Jung- 
frauenmilch «  und  » Sternenblut « ,  worunter  Tau  zu  verstehen  gewesen  sei,  und  dgl. 
Diejenigen,  die  dergleichen  ersinnen,  zeigen,  daß  sie  kein  Verständnis  für  die 
Liebe  der  Götter  zu  den  Menschen  haben.  Die  wirklich  von  den  Göttern  in 
Träumen  gegebenen  Vorschriften  sind  einfach  und  ohne  Rätsel:  sie  verordnen 
Salben  und  Einreibungen,  Tränke  und  Speisen  mit  denselben  Namen,  mit  denen 
wir  sie  nennen;  kleiden  sie  einmal  eine  Vorschrift  in  Rätsel,  so  sind  diese  stets 
leicht  verständlich.  Eine  Frau  z.  B.,  die  eine  Entzündung  an  der  Brust  hatte, 
träumte,  sie  lasse  ein  Schaf  daran  saugen,  sie  legte  ein  Kraut  darauf,  das  Schafs- 
zunge heißt,  und  genas.  Und  so  wird  man  immer  finden,  daß  die  vorgeschriebnen 
Kuren  durchaus  nichts  der  rationellen  Medizin  Widersprechendes  enthalten,  daß 
also  die  göttlichen  Offenbarungen  mit  den  sicheren  Resultaten  der  Wissenschaft 
durchaus  übereinstimmen.  So  träumte  z.  B.  der  sehr  an  Gicht  leidende  Fronto 
(der  bekannte  Konsular  und  Schrifsteller),  der  um  Angabe  einer  Kur  gebetet 
hatte,  er  wandle  vor  der  Stadt  umher:  und  in  der  Tat  wurde  er  durch  fortge- 
setztes Umhergehen  erheblich  gebessert.  Aristides  erhielt  ganz  besonders 
häufig  im  Traum  die  Anweisung  von  Asklepios,  zu  dichten  und  Reden  zu  halten. 
Wie  der  Gott  einem  Faustkämpfer,  der  damals  im  Tempel  schlief,  die  Kunst- 
griffe angab,  durch  die  er  einen  berühmten  Gegner  niederwarf,  so  hat  er  »mir 
Kenntnisse  und  Lieder  und  Stoffe  zu  Reden  vorgeschrieben  und  dazu  die  Ge- 
danken selbst  und  den  Ausdruck,  wie  die  Lehrer  den  Knaben  die  Buchstaben«  ^j. 
Galen  erwähnt,  daß  Asklepios  vielen,  die  infolge  heftiger  Gemütsaufregungen 
leidend  waren,  verordnet  habe,  Oden,  Lieder  und  Possen  zu  schreiben;  andern, 
zu  reiten,  zu  jagen  und  Waffenübungen  zu  veranstalten,  und  zwar  mit  genauer 
Angabe,  in  welcher  Art  die  verordnete  Übung  vorzunehmen  sei^).  Die  Patienten, 
die  sich  dem  Gott  in  Pergamum  in  Behandlung  gegeben  hatten,  unterwarfen 
sich  auch  den  härtesten  Verordnungen,  welche  sie  auf  den  Rat  eines  Arztes  nie- 
malsbefolgt haben  würden,  z.  B.  sich  1 5  Tage  lang  aller  Getränke  zu  enthalten "*). 
Galen  verdankte  dem  Asklepios  seine  Heilung  von  einem  lebensgefährlichen 
Geschwür;  und  Marc  Aurel  verzichtete  auf  seine  Begleitung  im  Markomanen- 
kriege, da  der  Gott  (vermutlich  vermittels  eines  Traums)  sich  dagegen  erklärt 
haben  sollte 5). 

i)  Artemidor.  IV  22.     2)  Aristid.  or.  42, 1 1  (II  337  K.).  Vgl.  Baumgart,  Aelius  Aristides  S.  50 — 56. 
3)  Galen.  VI  41.  869:  äXXä  toötov  |Liev  6  'AaKXrjttioc;  iotaaro.      4)  Oben  I  198.     5)  Galen.  XIX  19. 


[IV.  i90]  I.  D KR  GÖTTERGLAUBE  171 

Den  Tempelschlaf,  der  noch  jetzt  in  Griechenland  und  Süditalien  in  Krank- 
heiten häufig  angewandt  wird,  übernahm  die  christliche  Kirche  aus  dem  Heiden- 
tum, und  an  die  Stelle  der  im  Traum  Anweisungen  spendenden  Götter  und 
Heroen  traten  die  Madonna,  der  Erzengel  Michael  und  verschiedene  Heilige 
und  Märtyrer'). 

Ausgrabungen  im  Asklepiostempel  zuEpidaurus  in  den  Jahreni883  und  1884  Heilurkunden 
haben  von  den  sechs  Tafeln,  auf  denen  die  von  dem  Gott  an  den  im  Tempel  ^°  Epidaurus. 
schlafenden  Kranken  vollbrachten  Wunderkuren  berichtet  waren,  zwei  zutage 
gefördert").  Diese  Aufzeichnungen  sind  auf  den  rohesten  Wunderglauben  be- 
rechnet. Außer  Heilungen  von  Lahmen,  Blinden  und  Stummen  ist  darunter 
z.  B.  auch  die  Genesung  einer  Frau  nach  fünfjähriger  Schwangerschaft  von  einem 
Knaben,  der  gleich  nach  der  Geburt  sich  badete  und  mit  der  Mutter  umherging. 
Auch  fehlt  es  nicht  an  Bekehrungen  von  Leugnern  und  Zweiflern,  sowie  an 
Beispielen  der  Bestrafung  von  Frevlern  und  solchen,  die  das  Honorar  nicht  be- 
zahlten. Außer  diesen  aus  vorrömischer  Zeit  stammenden,  von  den  Priestern 
verfaßten  Wundergeschichten,  die  überall  den  Gott  selber  im  Traume  die  Hei- 
lung vollziehen  lassen,  so  daß  der  Kranke  genesen  das  Heiligtum  verläßt,  ist 
u.  a.  auch  der  Bericht  eines  gebildeten  Manns  aus  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr. 
über  seine  dort  erfolgte  Herstellung  gefunden  worden.  Dieser,  M.  Julius  Apellas  Inschrift  des 
aus  Mylasa  in  Karlen,  der  viel  krank  gewesen  war  und  namentlich  an  mangel-  Julius  Apellas. 
harter  Verdauung  gelitten  hatte,  war  von  dem  Gott  (im  Traume)  nach  Epi- 
daurus beschieden  worden.  Auf  der  Fahrt  erhielt  er  (bei  der  Insel  Ägina)  den 
Rat,  sich  nicht  so  viel  zu  ärgern;  dann  in  dem  Heiligtume  selbst  zahlreiche 
Verordnungen  über  die  äußerlich  und  innerlich  anzuwendenden  Heilmittel,  die 
zu  befolgende  Diät  und  die  vorzunehmenden  heilgymnastischen  Übungen  (wozu 
auch  Schaukeln  gehörte);  bei  der  Anweisung,  ohne  Hilfe  des  Badewärters  zu 
baden,  unterließ  der  Gott  nicht  hinzuzufügen,  daß  er  diesem  nichtsdestoweniger 
ein  Trinkgeld  von  einer  Drachme  geben  solle.  Als  er  den  Gott  gebeten  hatte, 
ihn  schneller  abzufertigen,  war  es  ihm,  als  ginge  er  mit  Senf  und  Salz  am  ganzen 
Körper  eingerieben  aus  dem  Heilgtum  hinaus,  ein  kleiner  Knabe  ging  mit 
einem  dampfenden  Rauchfasse  voran,  und  der  Priester  sagte:  »Du  bist  nun  her- 
gestellt, mußt  aber  auch  das  Honorar  bezahlen.«  Später  erfolgte  noch  eine 
Verordnung  von  Anis  und  Ol  gegen  Kopfschmerz.  Der  Kranke  hatte  aber 
keinen  Kopfschmerz.  Doch  infolge  von  zu  eifrigem  Studieren  bekam  er  Blut- 
andrang nach  dem  Kopfe  und  wurde  nun  durch  das  verordnete  Mittel  davon 
befreit.  »Er  befahl  mir,  auch  dies  aufzuschreiben.  Dankbar  und  gesund  reiste 
ich  ab«^).  Ein  wesentlicher  Unterschied  gegenüber  den  altern  Heilberichten 
ist  in  denen  der  Kaiserzeit  der,  daß  nicht  mehr  die  Heilung  selber  während  des 
Traumes  erfolgt,  sondern  der  Kranke  hier  nur  Anweisungen  darüber  erhält, 

i)  Deubner,  De  incubatioue  (1900)  S.  56fF.  2)  IG  IV  951.  952  =  Dittenberg_er,  Syll.^  802.  803. 
Fragment  einer  weiteren  Tafel,  veröffentlicht  von  Cavvadias,  Melanges  Perrot  (1902)  S.  42  ff.  Paral- 
lelen aus  dem  modernen  Griechenland  bei  Herrlich  a.  a.  O.  S.  34  f.  3)  IG  IV  955  =  Dittenberger, 
Syll.^  804;  vgl.  v.  Wilamowitz,  Isyllos  von  Epidauros  (Philol.  Untersuch.  IX  1886]  S.  Ii6ff. ;  daß 
Apellas  ein  .Sophist  war,  beweist  sein  qpi\oXoYeiv  nicht.  Ähnliche  Inschrift  des  Ti.  Claudius  Se- 
verus  aus  Sinope  vom  J.  224  n.  Chr.  IG  IV  956,  Verwandtes  aus  dem  Asklepiosheiligtum  von 
Lebene  auf  Kreta  Dittenberger,  Syll.^  805.  806. 


172 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  191,  192] 


Die  Votivsteine 

der  Minerva 

Memor. 


Glaube  an  die 
\Virksamkeit 
der  Lokal- 
götter außer- 
halb ihrer 
eigentlichen 
Machtsphäre. 


welche  Mittel  er  anzuwenden  und  wie  er  sich  überhaupt  zu  verhalten  habe'). 
Von  vier  Berichten  einer  an  der  Stelle  des  Asculaptempels  auf  der  Tiberinsel 
in  Rom  crefundenen  Tafel  über  Heilungen  durch  Traumorakel  beziehen  sich 
zwei  auf  Blinde,  zwei  auf  Brustkranke,  die  von  den  Ärzten  aufgegeben  waren"). 

Auf  göttliche  Verordnungen  in  Träumen  beziehen  sich  offenbar  auch  manche 
Danksagungen  auf  römischen  Inschriftsteinen  für  Wiedererlangung  der  Gesund- 
heit, In  der  Nähe  von  Velleja  und  Placentia  war  ein  Heiligtum  der  Minerva, 
die  man  -»die  gedenkende«  oder»die  Arztin«  Minerva  von  Cabardiacum  nannte, 
weil  sie  sich  in  Krankheiten  hilfreich  erwies.  Sie  wurde  natürlich  besonders 
von  Kranken  der  nächsten  Umgegend  angerufen,  von  deren  Votivinschriften  und 
Widmungen  mehrere  sich  noch  erhalten  haben  ^);  eine  darunter  ist  von  einem 
Kohortenpräfekten  aus  Britannien  gesandt,  der  wahrscheinlich  aus  jener  Gegend 
gebürtig  war.  Eine  Frau  dankt  der  Göttin,  daß  sie  sie  »durch  gnädige  Ge- 
währuno-  von  Arzeneien  von  einem  schweren  Gebrechen  befreit«  hatte,  eine 
andre  bezahlt  ihr  Gelübde  wegen  Wiederherstellung  ihrer  Haare ;  ein  Mann 
brincrt  ihr  »silberne  Ohren«  (für  Herstellung  von  einem  Gehörleiden)  dar"*). 
Dieselbe  Göttin^)  hatte  einen  Tempel  in  Rom,  dessen  Lige  (in  der  fünften  Re- 
o-ion)  durch  zahlreiche,  in  einem  dazu  gehörigen  unterirdischen  Gewölbe  ge- 
fundene Darstellungen  menschlicher  Glieder  aus  Ton  (ebenfalls  Darbringungen 
crenesener  Kranken)  festgestellt  ist^).  Ein  Sklave  der  Pontifices  zu  Rom  bringt 
laut  einer  in  schlechtem  Latein  abgefaßten  Inschrift  der  *  guten  Göttin«  (Bona 
Dea)  das  Dankopfer  einer  weißen  Kuh  für  Herstellung  des  Augenlichts,  »nach- 
dem er  von  den  Ärzten  verlassen  und  nach  zehn  Monaten  durch  die  Gnade 
der  Herrin  mit  Arzneien  geheilt  war" 7).  Außerordentlich  groß  ist  die  Zahl  der 
griechischen  und  lateinischen  Inschriften,  die  von  auf  Grund  eines  Traumge- 
sichtes oder  der  Weisung  eines  Gottes  erfolgten  Weihungen  Zeugnis  ablegen^). 

Überall,  wo  der  Gläubige  eine  höhere  Einwirkung  erkannte,  bezog  er  sie  am 
natürlichsten  und  unwillkürlich  auf  den  Gott,  zu  dem  er  von  Jugend  auf  ge- 
betet hatte,  dessen  Heiligkeit,  Ansehen  und  Ruhm  in  Stadt  und  Land  am  größten 
war,  dessen  Macht  er  schon  selbst  erfahren  zu  haben  glaubte.  So  hatte  Aristides 
manche  sagen  gehört,  der  Gott  Asklepios  habe  ihnen  im  Sturm  auf  der  See 
rettend  die  Hand  gereicht^).  Und  wie  Asklepios  nicht  bloß  für  alle,  die  in  seinem 
Tempel  Heilung  gefunden  hatten,  sondern  auch  für  die  Bewohner  der  näheren 


i)  O.  Weinreich,  Antike  Heilungswunder  (1909)  S.  iioff.  2)  IG  XIV  966  =  Dittenberger, 

Syll.=  807,  vgl.  Deubner  a.  a.  O.  S.  44ff.  3)  CIL  XI  1292— 1309  (Dessau  2603.  3^34—3137), 
vgL  P.  Bertolotti,  Bull.  d.  Inst.  1867  S.  2t9ff.  237fr.  4)  CIL  XI  1295  =  Dessau  3136.  Vgl.  dazu 
die  Weihung  aus  dem  epidaurischen  Asklepieion  CIL  III  7266  =  Dessau  3853  (Buecheler,  Carm. 
ep.  866)  Cutius  has  aiiyis  Gallus  tibi  voverat  olitn,  Phoebigena,  et  posiiit  samis  ab  auyiculis  und  die 
inhaltreichen  Ausführungen  von  O.  Weinreich,  Athen.  Mitteil.  XXXVII  1 9 12  S.  46  ff.  5)  Schon 
Cic.  De  divinat.  II  123  sagt:  et  si  sine  medico  medicinam  dabit  Minerva,  Ahisae  scribendi  kgetidi  cefe- 
rarum  artitim  scientiam  somniantibus  non  dabunt?  6)  Gatti  und  Visconti,  Bull.  arch.  comun.  XV 
1887,  I54ff.  167 ff.  192 ff.  XVI  1888,  125  (zweifelnd  Hülsen-Jordan,  Topogr.  I  3  S.  353,  26).  Über 
Weihungen  von  Nachbildungen  menschlicher  Glieder  und  Körperteile  vgl.  Th.  Meyer-Steineg,  Dar- 
stellungen normaler  und  krankhaft  veränderter  Körperteile  an  antiken  Weihgaben  (Jenaer  medizin- 
histor.  Beitr.  IL,  1912.  7)  CIL  VI  68  =  Dessau  3513;  zu  Bona  Dea  oclata  CIL  VI  75  =  Dessau 
3508  vgl.  Weinreich  a.  a.  O.  S.  55.  8)  Marquardt  StV.  IIF  100,  7.  Weitere  Literatur  darüber 
bei  Weinreich,  Antike  Heilungswunder  S.  7,  i.        9)  Aristid.  or.  42,  10  (II  337  K.). 


[IV.  193]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  173 

und  ferneren  Umgegend  von  Pergamum  und  seinen  übrigen  berühmten  Kult- 
orten, so  war  für  Ephesus  die  große  Artemis,  für  Alt xandria  Sarapis,  für  Cäsa- 
reaPanias  in  Palästina  Pan'),  für  ganzLycien  Leto^),  für  Nordafrika  die  »himm- 
lische Göttin«  vonKarthago^)  usw.,  überhaupt  für  jedeGegend  der  hauptsächlich 
dort  verehrte  Gott  der  natürlichste  Helfer  in  aller  Not,  mochte  er  nun  groß 
oder  gering  sein.  Pausanias  spricht  von  einem  Tempel  des  Pan  unweit  Megalo- 
polis  in  Arkadien  und  fügt  hinzu:  gleich  den  mächtigsten  Göttern  vermag  auch 
dieser  Pan  die  Gebete  der  Menschen  zur  Vollendung  zu  führen  und  den  Bösen 
zu  vergelten,  wie  es  ihnen  gebührt '').  In  Stratonicea  war  neben  Zeus  (Panamaros 
oder  Panemerios)^)  die  am  höchsten  verehrte  Gottheit  Hekate,  die  in  dem  un- 
fern gelegenen  Lagina  ein  berühmtes  Mysterienheiligtum  besaßt).  Beide  hatten 
die  Stadt  von  alters  her  oft  aus  den  größten  Gefahren  errettet;  daher  beschloß 
einmal  der  Stadtrat  nach  einer  noch  vorhandnen  Urkunde,  daß  täglich  30  Knaben 
aus  guten  Familien,  in  weißen  Kleidern  und  mit  Oliven  bekränzt,  beiden  Gott- 
heiten im  Rathause,  wo  ihre  Bildsäulen  standen,  unter  Kitharabegleitung  einen 
Lobgesang  singen  sollten^).  Außer  den  Göttern  wurden  (wie  bemerkt)^)  in  den 
griechischen  Ländern  überall  Heroen  verehrt;  jede  Gegend  hatte  vermutlich 
ihren  besondern  Beschützer  und  Nothelfer,  dessen  Wirksamkeit  in  dem  kleinen 
Gebiet,  auf  das  sie  sich  beschränkte,  um  so  erprobter  und  anerkannter  war. 
Mochten  die  Ansprüche  dieser  Heroen  auf  Verehrung  ursprünglich  noch  zweifel- 
haft gewesen  sein:  wenn  ihre  Kulte  einmal  Bestand  gewonnen  hatten,  so  be- 
haupteten sie  sich  mit  merkwürdiger  Zähigkeit;  was  sich  ja  auch  bei  dem  des 
Antinous  zeigt^).  Ob  die  für  Marathon  und  Rhamnus  aus  älterer  Zeit  bezeugte 
Verehrung  eines  »Arzt-Heros«  Aristomachus'°)  auch  in  den  späteren  Jahrhun- 
derten fortgedauert  hat,  ist  unbekannt.  Doch  dem  Skythen  Toxaris,  der  Athen 
angeblich  von  einer  großen  Epidemie  befreit  hatte,  opferte  man  noch  in  Lucians 
Zeit,  und  sein  Grabstein  heilte  Fieberkranke").  Dem  T.  Quinctius  Flamininus 
ernannte  man  in  Chalcis  auf  Euboa  noch  in  Plutarchs  Zeit  einen  Priester,  brachte 
ihm  Opfer  und  sang  einen  ihm  zu  Ehren  gedichteten  Lobgesang  "").  Alexander 
der  Große  hatte  nicht  bloß  in  Alexandria '^j,  sondern  auch  an  andern  Orten, 
namentlich  in  den  ionischen  Städten  Kleinasiens  Tempel  und  Priester  "'*).  Noch 
bis  ins  6.  Jahrhundert  opferten  ihm  die  Bewohner  der  Oase  Augila  im  Innern 
von    Marmarica,  und  eine  große  Zahl  von  Tempelsklaven  war  dort  seinem 

i)  Lebas-Waddington  1891— 1894.  2)  Hier  begegnet  namentlich  die  Grabverwünschung  eav 
öe  Tiq  äöiKriari  •  •  •)  11  AriTUj  auTOV  euiTpiVei  Lebas-Waddington  1273,  vgl.  CIG  4259.  4303  add. 
Atitluov  bei  Xanthos  Strabo  XIV  665,  vgl.  Appian.  Mithr.  27.  3)  z.  B.  CIL  VIII  20743  =  Des- 
sau 4431  (Auzia  in  Mauretanien).  4/  Pausan.  VIII  37,  11.  5)  Deschamps  u.  Cousin,  Bull,  com 
hell.  XI  1887  S.373ff.  XII  1888  S.82ff.  2490".  479ff.  XV  1891  S.i69ff.  6)  Benndorf  u.  Niemann, 
Reisen  in  Lykien  S.  154fr.    M.  P.  Nilsson,  Griech.  Feste  S.  400f.  7,  Lebas-Waddington  5 19 f. 

8)  Oben  S.  149.  9)  Oben  S.  152.  10)  Kutsch,  Attische  Heilgötter  u.  Heilheroen  (1913)  S.  8ff., 
der  S.  2fif.   12 ff.  auch  über  andre  attische  T^pmeq  laxpoi  handelt.  11)  Lucian.  Scytha  2;  vgl. 

L.  v.  Sybel,  Hermes  XX  1885  S.  41  ff.  und  dazu  Deneken  in  Roschers  Mythol.  Lexik.  I  2483f. 
12)  Plutarch.  Flaminin.  16.  13)  Über  den  dortigen  Alexanderpriester  vgl.  W.  Otto,  Priester  u. 
Tempel  im  heilenist.  Ägypten  I  138 ff.  Kaerst  a.  a.  O.  S.  392 ff.  Plaumann,  Real-Encykl.  VUI 
I424ff.;  Archiv  f.  Papyrusforsch.  VI  1913  S.  77ff.  (namentlich  über  die  Unterscheidung  des  epony- 
men  Landeskultes  von  dem  städtischen  Kulte  des  Gründers  von  Alexandria).  14)  Kaerst  a.  a.  O. 
S.387;  bezeugt  aus  römischer  Zeit  für  Erythrae,  Lebas-Waddington  57  (T.  0\.  Aupn(Xiov)  'AXeEav- 
öpov  iepea  Beoö  'AAetdvöpouj  und  Bargylia  ebd.  490  (=  Dittenberger,  Or.  gr.  3).  496. 


'74 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  194] 


Dienste  geweiht:  erst  Justinian  bekehrte  diese  Heiden  und  erbaute  ihnen  eine 
Kirche  der  heiligen  Jungfrau ').  Dem  Olympiasieger  Theagenes  opferte  man  in 
Pausanias  Zeit  nicht  bloß  auf  Thasus  als  einem  Gotte,  sondern  auch  an  andern 
Orten  in  griechischen  und  Barbarenländern  wurden  seine  Bildsäulen  verehrt 
und  heilten  Krankheiten^).  Oft  heftete  sich  die  Verehrung  an  eine  bestimmte 
Statue  eines  Heros,  die  ihre  Wunderkraft  bewährt  haben  sollte.  In  Alexandria 
Troas  standen  mehrere  Statuen  des  Nerullinus,  vermutlich  eines  Wundermannes 
vom  Schlage  des  Alexander  von  Abonuteichos  und  Peregrinus  Proteus,  mit 
denen  er  zusammen  genannt  wird;  von  einer  dieser  Statuen  glaubte  man  dort 
(im  Jahre  177),  daß  sie  Krankheiten  heile  und  Orakel  erteile,  man  opferte  ihr, 
vergoldete  und  bekränzte  sie^).  Zuweilen  beschränkte  sich  der  Glaube  an  die 
Wunderkraft  eines  Standbilds  auf  die  Bewohner  eines  Hauses,  in  dem  es  sich 
befand:  kleine  Münzen  und  Silberplättchen,  zum  Teil  mit  Wachs  an  dessen 
Beine  geklebt,  waren  Dankopfer  solcher,  die  durch  seine  Hilfe  das  Fieber  ver- 
loren hatten;  ruchlose  Sklaven,  welche  diese  frommen  Gaben  hatten  entwenden 
wollen,  waren  auf  schreckliche  Weise  umgekommen^). 
Der  Glaube  an       Der  Glaube,  der  so  gar  nicht  durch  Zweifel  an  fortwährenden  übernatürlichen 

die  Gotter  als  Offenbarungen  der  göttlichen  Macht  und  Güte  beirrt  wurde,  mußte  um  so  be- 
Geber des  Gu-  .  1      .  ,1  ,  ,  o-  11-    1  1  r  ^,■ 

ten.  reiter  sem,  auch  m  allen  dem  nüchternen  Smne  natürlhch  oder  zufällig  er- 
scheinenden Erlebnissen  und  Ereignissen  die  waltende  Hand  der  Vorsehung 
zu  erkennen:  denn  das  eigentliche  Wunder  war  ja  auch  nur  eine  von  ihren  un- 
ablässig in  Leben  und  Natur  eingreifenden  Machtäußerungen,  freilich  die  augen- 
fälligste und  überzeugendste,  gleichsam  ihre  durch  hundertfältige  unmerkliche 
Übergänge  vermittelte  Kulmination,  und  sein  Begriff  kein  fester,  seine  Aner- 
kennung subjektiv,  durch  das  Gefühl  der  Gläubigen  bedingt,  also  unendlich 
verschieden.  Von  den  Göttern,  die  allein  das  Wunder  wirken  konnten,  von 
ihnen  allein  konnte  auch  alles  Gute  kommen,  vom  kleinsten  bis  zum  größten. 
Epictet  schilt  die  Akademiker,  die  wie  alles  übrige  so  auch  das  Dasein  der 
Götter  in  Frage  stellten :  »wahrlich  das  sind  dankbare  und  ehrfürchtige  Menschen, 
die,  wenn  nichts  andres,  täglich  ihr  Brot  essen  und  doch  auszusprechen 
wagen:  wir  wissen  nicht,  ob  es  eine  Demeter,  Köre  und  Pluto  (die  Götter  der 
Saat)  gibt!  Um  nicht  zu  sagen,  daß  sie  an  Tag  und  Nacht,  am  Wechsel  der 
Jahreszeiten,  den  Gestirnen,  dem  Meer,  der  Erde  und  dem  Beistande  der  mensch- 
lichen Gesellschaft  ihren  Anteil  haben,  ohne  daß  dies  alles  auf  sie  nur  den  ge- 
ringsten Eindruck  macht,  ohne  daß  sie  sich  darum  kümmern,  welche  schwere 
Folgen  ihre  Zweifel  für  die  Sittlichkeit  andrer  Menschen  haben  können«^). 
Das  Gebet.  Allerdings  leugneten  auch  unter  den  Stoikern  manche,  wie  Seneca,  den 
Nutzen  des  Gebets^),  da  die  Gottheit  ihrer  Natur  nach  uns  nichts  andres  als 
Gutes  erweisen  könne.  Andre,  wie  Marc  Aurel,  mahnen,  daß  man  ihr  seine 
Gebete  anheimoreben  und  nur  um  das  wahrhaft  Gute  bitten  solle ^);    ebenso 


i)  Procop.  De  aedif.  VI  2  p.  333  Dind.  2)  Pausan.  VI  11,  8  f.  3)  Athenagoras  26,  der  den 
Neryllinos  ausdrücklieb  als  einen  Zeitgenossen  (6  ävrip  tujv  Ka9'  V||näq)  bezeichnet.  Die  Beziehung 
auf  den  Prokonsul  M.  Suillius  Nerullinus  (Drexlir  in  Roschers  Mythol.  Lexik.  III  278)  ist  abzu- 
weisen. 4)  Lucian.  Philopseud.  18 — 20.  51  Epictet.  Diss.  II  20,  32  ff.  6)  Vgl.  H.  Schmidt, 
PhUosophi  antiqui  quomodo  iudicaverint  de  precibus  (Religionsgesch.  Vers.  u.  Vorarb.  IV  l,  1907) 
S.  30  ff.       7)  M.  Aurel.  comm.  IX  40. 


[IV.  195] 


I.  DER  GÖTTERGLAUBE 


175 


Juvenal:  die  Götter  lieben  den  Menschen  mehr  als  er  sich  selbst,  sie  wissen, 
wenn  wir  in  unsrer  Blindheit  um  eine  Gattin,  die  Geburt  eines  Sohnes  bitten, 
welche  Folgen  die  Gewährung  unsrer  Bitten  für  uns  haben  werde;  wolle  man 
zu  ihnen  beten,  so  sei  es  um  eine  gesunde  Seele  in  einem  gesunden  Leibe'). 
Der  jüngere  Plinius  sagt,  die  Götter  erfreuen  sich  mehr  an  der  Schuldlosigkeit 
der  Betenden  als  an  wohlgesetzten  Gebeten,  ihnen  ist  der  gefälliger,  der  mit 
reinem  Herzen,  als  der,  welcher  mit  einer  wohl  eingeübten  Litanei  in  ihre 
Tempel  tritt"). 

Doch  diese  Erinnerungen  bestätigen  nur  die  Allgemeinheit  des  Gebets,  und 
wer  möchte  zweifeln,  daß  die  große  Mehrzahl  der  Gläubigen  nicht  bloß  bei 
jedem  Unternehmen  und  Anliegen  sich  an  die  Götter  wandte,  sondern  auch 
in  regelmäßigen  Gebeten  ihnen  Verehrung  und  Dankbarkeit  bezeigte  und  sich 
und  andre  ihrem  Schutz  empfahl  P^j  Seneca  vermochte  sogar  den  Fatum- 
glauben  mit  dem  Glauben  an  Gebetserhörungen  zu  vereinigen.  Man  würde 
nicht  überall  die  Stimmen  der  Betenden  und  Gelübde  Tuenden  vernehmen, 
wenn  man  nicht  wüßte,  daß  die  Götter  Wohltaten  nicht  bloß  freiwillig,  sondern 
auch  auf  Bitten  gewähren.  Sie  haben  manches  so  in  der  Schwebe  gelassen, 
daß  es  zum  Guten  ausschlagen  kann,  wenn  Gebet  und  Gelübde  hinzukommen''). 
Wie  Juvenal  hat  auch  Persius  die  törichten  Gebete  der  Menschen  zum  Gegen- 
stande einer  Satire  gemacht^).  Nicht  der  Bildner,  sagt  Martial,  sondern  der 
Beter  zeigt  die  Götter  wie  sie  wirklich  sind^),  gnädig  und  gütig.  Plutarch 
glaubte  ausdrücklich  erinnern  zu  müssen,  man  möge  nicht  glauben,  mit  dem 
Gebet  alles  getan  zu  haben,  sondern  seine  Erhörung  und  die  Hilfe  der  Götter 
nur  dann  erwarten,  wenn  man  sich  selbst  helfe.  Wenn  die  in  Jerusalem  be- 
lagerten Juden  am  Sabbat  unbeweglich  blieben,  auch  als  die  Römer  schon  die 
Leitern  zum  Sturm  ansetzten,  so  waren  sie  in  die  Bande  des  Aberglaubens  ge- 
schlagen. Gott  ist  die  Hoffnung  des  Muts  und  der  Kraft,  nicht  eine  Entschul- 
digung für  die  Feigheit.  Der  Steuermann  auf  stürmischem  Meer  fleht  freilich 
um  Entrinnen  und  ruft  die  rettenden  Götter  an.  aber  zugleich  stellt  er  das  Steuer, 
läßt  die  Rahen  herab  und  zieht  die  Segel  ein^). 

Könnte  irgend  ein  Zweifel  darüber  entstehen,  daß,  wie  die  Gewährung  jedes  Votivinschriften 
Gutes,  so  auch  die  Abwendung  jedes  Übels,  jeder  Not  und  Gefahr,  auch  in  ^^^  ^"^''^  ^'^^^' 

'  ö  J  J  1111       giose  Uenk- 

jenen  Jahrhunderten  fort  und  fort  von  den  Göttern  erbeten  und  ihnen  verdankt  mäler. 
wurde,  so  würde  dies  schon  allein  die  unübersehbare  Menge  von  Denkmältrn 
und  Inschriftsteinen  religiösen  Inhalts  beweisen,  die  über  den  ganzen  weiten 
Boden  des  römischen  Reichs  zerstreut  sind.  Sie  bezeugen  tausendfältig,  daß 
der  Glaube  an  die  allgegenwärtige,  Welt  und  Menschenschicksal  lenkende  Vor- 
sehung der  seit  dem  grauesten  Altertum  verehrten,  sowie  der  erst  in  neueren 
und  neuesten  Zeiten  bekannt  gewordenen  Götter  in  den  Gemütern  der  Bevölke- 
rungen fortlebte;  daß  er  Hohen  wie  Niederen,  Hochgebi  deten  wie  Einfältigen 
in  Nöten  und  Bedrängnissen  jeder  Art^)  Trost  und  Hoffnung  gab.    Immerhin 


i)  Juv.  10,  346  ff.  2)  Plin.  Paneg.  3,  5.  3)  Fronto  ad  M.  Caes.  et  inv.  V  25  p.  83  N. //-«? 
Faiistina  matie  cotidie  deos  appello:  scio  enim  vu  pro  tua  sabite  optare  et precari.  4)  Seneca  de  be- 
nef.  IV  4,  2;  nat.  qu.  II  37,  2.  5)  Pars.  2.  Juvenal  10.  6)  Martial.  VIII  24,  5  f.  7)  Flutarch. 
De  superstit.  8.        -8]  z.  B.  Lebas-Waddington  686  (Gordus):  'EAnic;  'AvbpoviKOU  euEa)LievTi  UTiep 


lyö 


XIII.  DiE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  196,  197] 


Anrufung    von 
Landes- und  Lo- 
kalgottheiten. 


mag  ein  Teil  dieser  Gebete,  Gelübde,  Danksagungen,  Verehrungen  und  An- 
betungen äußerlicher  Anbequemung  an  die  Formen  des  herrschenden  Kultus, 
gedankenloser  Gewohnheit,  bewußter  Heuchelei  seinen  Ursprung  verdanken: 
in  überwiegender  Mehrzahl  sind  diese  Steine  ebensoviele  unverdächtige  Zeug- 
nisse eines  aufrichtigen,  naiven  und  innigen  Glaubens.  Wenige  Beispiele  aus 
ihrer  unermeßlichen  Fülle  werden  genügen,  um  die  Natur  dieses  Glaubens  an- 
schaulich zu  machen. 

Es  liegt  im  Wesen  des  Polytheismus,  daß  sich  Verehrung,  Bitte  und  Dank 
in  der  Regel  nicht  an  die  Gesamtheit  der  göttlichen  Mächte  wandte,  sondern 
v;ie  im  Heiligenkult  an  einzelne,  und  die  Wahl  der  einzelnen  Götter  war,  wie 
gesagt,  teis  durch  deren  Machtsphäre  und  die  ihnen  vorzugsweise  zugeschriebene 
Wirksamkeit  und  ihre  Gaben,  teils  durch  lokale  und  individuelle  Gründe  bedingt. 
Die  letzteren  sind  selbstverständlich  nicht  immer  mit  Sicherheit  nachweisbar. 
Wenn  ein  Unternehmer  von  kaiserlichen  und  Staatsbauten  der  »heiligen  himm- 
lischen guten  Göttin«  (Bona  Dea)  dankt,  daß  er  mit  ihrer  Hilfe  die  unterirdische 
Führung  eines  Arms  der  Claudischen  Wasserleitung  vollendet  habe,  und  seinen 
Dank  durch  Herstellung  einer  alten  zerfallenen  Kapelle  bezeugt'),  so  ist  die 
-gute  Göttin«  hier  wohl  wie  öfters "")  als  Beschützerin  des  Orts  oder  des  Baus 
gedacht.  Wenn  auf  einem  Steine  bei  Koblenz  (spätestens  aus  der  Zeit  der 
Antonine)  jemand  für  Befreiung  von  schrecklichen  Qualen  des  Körpers  und 
Geistes  dem  Mars  dankt,  so  ist  unter  diesem  wohl  ein  keltischer  Landesgott 
zu  verstehen^). 

Daß  Dank  und  Bitte  in  unzähligen  Fällen  eher  an  Landes-  und  Lokalgott- 
heiten gerichtet  wurde  als  an  diejenigen,  in  deren  Machtsphäre  die  erbetene 
Wirkung  lag,  ist  selbstverständlich.  So  wird  einmal  zu  Smyrna  der  Dank  für 
Herstellung  von  einer  Epidemie  nicht  an  die  Heilgötter,  sondern  an  den  Fluß- 
gott Meles  gerichtet"*).  Dem  Genius  einer  Stadt  in  Numidien  stiftete  jemand 
eine  Statue  oder  ein  Heiligtum  für  8000  S.  an  der  Stelle,  »an  welcher  er  die 
Hilfe  seiner  göttlichen  Macht  gespürt  hatte«  ^).  Nicht  bloß  die  Einheimischen, 
auch  die  Fremden  verehrten  natürlich  die  Gottheit,  in  deren  Bereich  sie  ver- 
weilten, und  empfahlen  sich  ihrem  Schutze.  Ein  römischer  Kaufmann,  der  mit 
feinem  Tongeschirr  nach  Britannien  handelte,  bringt  auf  der  Insel  Walcheren 
der  dortigen  Göttin  Nehalennia  »wegen  Erhaltung  seiner  Waren  in  gutem  Zu- 
stande« sein  Gelübde  dar^).  Ein  kaiserlicher  Hausbeamter  T.  Pomponius  Victor, 
der  als  Prokurator  des  kaiserlichen  Vermögens  zu  Axima  in  den  Grajischea 
Alpen  (an  der  Straße  von  Lemens  nach  Aosta)  stationiert  und  wahrscheinlich 
zu  häufigen  Dienstreisen  verpflichtet  war,  richtet  ein  zierliches  poetisches  Dank- 
gebet an  den  Waldgott  Silvanus,  dessen  Bild  in  der  Höhlung  einer  heiligen 
Esche  als  einer  natürlichen  Waldkapelle  eingeschlossen  war^): 


TOÖ  ri|Lii6vou  eux^iv.    Zahlreiche  Weihungen  de  pccoribus  an  Saturnus  in  Numidien  (CIL  VIII  2232 
=  Dessau  4441.    VIII  2234 — 2236.  17675.  18897  =  Dessau  4442). 

i)  CIL  XIV  3530  =  Dessau  3512  (88  n.  Chr.).  2)  Mommsen  zu  CIL  VI  30855.  Wissowa, 
Relig.  u.  Kultus'  S.  218,  8.  3)  CIL  XIII  7661  =  IG  XIV  2562  (Dessau  4569.  Buecheler,  Carm. 
ep.  850).  4)  CIG  3165  =  Kaibel,  Epigr.  gr.  1030.  5)  CIL  VIII  19688.  6)  CIL  XIII  8793  = 
Dessau  4751.       7)  Mannhardt,  Wald- und  Feldkulte  II'  121. 


[IV.  198]  I.  DER  GÖTTERGLAUßE  177 

Weil  auf  der  Reise  über  Täler  und  Alpenhöh'n 
Und  durch  deines  duftenden  Hains  Bewohnerschaft, 
Und  während  das  Recht  ich  pflege  indes  Kaisers  Dienst, 
Du  mich  mit  deiner  glückverheißenden  Gunst  beschützt, 
So  bringe  mich  und  die  Meinen  auch  nach  Rom  zurück, 
Und  laß  in  deinem  Schutz  Italiens  Flur  uns  bau'n. 
Dann  will  ich  gern  dir  tausend  große  Bäume  weih'n  i). 

Von  der  Verehrung  der  nicht  römischen  Landesgottheiten  in  den  westlichen 
und  nördlichen  Provinzen  durch  die  dort  ansässigen  oder  verkehrenden  Römer 
ist  bereits  die  Rede  gewesen.  Der  von  ihnen  mit  Apollo  idenifizierte  carnische 
Gott  Belenus^)  gewann  besondre  Bedeutung  auch  über  sein  ursprüngliches 
Verehrungsgebiet  hinaus  durch  ein  geschichtliches  Ereignis.  Als  im  Jahre  238 
der  Kaiser  Maximinus  mit  aller  Macht  die  Stadt  Aquileja  belagerte,  wurde  der 
Mut  der  Verteidiger  durch  die  Zuversicht  auf  die  Hilfe  des  einheimischen 
Gottes  Belenus  aufrecht  erhalten,  und  auch  die  Belagerer  sahen  oft  seine  Ge- 
stalt über  der  Stadt  in  der  Luft  schweben.  Herodian  läßt  es  unentschieden,  ob 
sie  ihnen  wirklich  erschienen  war,  oder  ob  diese  nur  durch  die  Erdichtung  seines 
wunderbaren  Beistands  die  Schande  der  Niederlage  von  sich  abwälzen  wollten. 
Doch  fügt  er  hinzu,  »der  unerwartete  Ausgang  lasse  alles  glauben«^),  und  auch 
eine  bewußte  Erdichtung  beweist  die  Verbreitung  des  Glaubens  an  die  sichtbare 
Hilfe  der  Götter,  ohne  den  sie  sinnlos  gewesen  wäre. 

Auch  Reisende  und  Wanderer  beteten  im  fremden  Lande  zu  den  Lokal- 
göttern und  brachten  an  jeder  ihnen  geheiligten  Stelle  ihre  Verehrung  dar. 
Fromme  Wanderer,  sagt  Apulejus,  verweilten,  wo  sie  auf  ihrem  Wege  einen 
heiligen  Hain  antrafen  oder  einen  blumenbekränzten  Altar,  eine  laubumschattete 
Höhle,  eine  mit  Hörnern  von  Opfertieren  behängte  Eiche,  eine  mit  deren  Fellen 
geschmückte  Buche,  einen  eingehegten  Hügel,  einen  mit  der  Axt  zum  Bilde 
behauenen  Baumstumpf,  einen  von  Opferspenden  dampfenden  Rasen,  einen 
mit  Wohlgerüchen  beträufelten  Stein'*).  Wenn  der  Fremde  schon  an  diesen 
Stätten  eines  einfach  ländlichen  Kults  seine  Andacht  verrichtete,  so  forderte 
um  so  unwiderstehlicher  die  in  großen  Naturerscheinungen  waltende  göttliche 
Macht  zur  Anbetung  auf^).  ^Dem  höchsten  besten  Juppiter,  dem  Genius  des 
Orts  und  dem  Rhein«  löste  zu  Remagen  ein  römischer  Gefreiter  sein  Gelübde, 
laut  einem  im  Jahre  igo  gesetzten  Stein,  der  nicht  der  einzige  dieser  Art  ist^). 
Aber  überall  war  man  wohl  in  der  Fremde,  den  Gefahren  und  Wechselfällen 
der  Reise  ausgesetzt,  doppelt  ?der  Götter  eingedenk«^),  freilich  auch  der  hei- 
mischen. Ein  Stein  von  Urbisaglia  hat  die  Erinnerung  eines  Geschenks  auf- 
bewahrt, das  ein  kaiserlicher  Prokurator  T.  Flavius  Maximus  --den  Göttern 
und  Göttinen  von  Urbssalvia«  aus  dem  Orient  sandte^).  Dagegen  löst  in  Nemau- 
sus  (Nimes)  ein  aus  Berytus  gebürtiger  Primipilus  sein  Gelübde  dem  Gotte  seiner 

i)  CIL  XII  103  =  Dessau  3528  (Buecheler,  Carm.  ep.  19).  Vgl.  CIL  IX  2164  [doniino  Silvano 
—  quot  sc  et  suos  incolumes  habet).  2)  Ihm,  Real-Encykl.  III  199  ff.,  dazu  Wissowa,  Arch.  f.  Re- 
ligionswiss.  XIX  1917  S.  10,  i.  3)  Herodian.  VII  3,  8f.  Hist.  aug.  Maxjraini  duo  22,  i — 3. 
4)  Apulei.  Florida  i.  5)  Oben  I  459  ff.  6)  CIL  XIU  7790  =  Dessau  3913 ;  vgl.  CIL  XIH  8810 
=  Dessau  9266  I{ovi)  o{ptimo]  m[axwio),  dis  patriis  et  praesidibus  huius  loci  Oceanique  et  Reno.  XIII 
881 1.      7)  CIL  III  582  memor  q{ui]  fuit  deorum.      8)  CIL  IX  5529  =  Dessau  3990. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl.  12 


178 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


|IV.  199] 


Anrufung  der 
Götter  einer  be- 
stimmten Wirk- 
samkeit an  be- 
stimmten Orten. 


Heimat,  dem  Juppiter  von  Heliopolis,  doch  zugleich  auch  dem  Gotte  Nemau- 
sus*).  Denn  am  unmittelbarsten  fühlte  man  sich  doch  immer  zur  Verehrung 
der  Götter  aufgefordert,  denen  man  nahe  war,  und  daher  sind  die  Inschriften 
von  Reisenden,  die  sich  dem  Schutz  und  der  Huld  der  Landesgottheiten  emp- 
fehlen, zahlreich.  Am  überwältigendsten  scheinen  die  uralten  kolossalen  Heilig- 
tümer Ägyptens  auf  den  religiösen  Sinn  der  fremden  Besucher  des  Landes 
gewirkt  zu  haben,  wie  die  an  den  meisten  Orten  zu  beiden  Seiten  des  Nil  auf 
Tempeln,  Obelisken,  Pylonen  usw.  eingehauenen  Inschriften  von  Reisenden 
bezeugen").  Zu  Talmis  (Kalabsche)  in  Nubien  bringt  im  Jahre  84  eine  Anzahl 
von  dorthin  kommandierten  römischen  Centurionen  und  Soldaten  dem  in  dieser 
Gegend  verehrten  Sonnengott  Mandulis  in  einer  im  Vorhofe  seines  Tempels  an- 
gebrachten Inschrift  ihre  Huldigung  dar^). 

Aber  auch  als  Träger  einer  besonderen  Wirksamkeit  wurden  die  Götter  natür- 
lich häufig  angerufen,  weil  und  insofern  sie  diese  an  einem  bestimmten  Ort 
ausübten.  So  z.  B.  löst  in  Apulum  in  Dacien  (Karlsburg)  ein  römischer  Veteran 
sein  Gelübde  »nach  einem  Traumgesicht«  zugleich  im  Namen  seiner  Frau  und 
Tochter  für  die  Wiederherstellung  des  Augenlichts  »dem  Äsculap  und  der 
Hygiea  und  den  übrigen  Heilgöttern  und  -göttinnen  dieses  Orts«'^).  In  vielen 
Fällen  war  die  Wirksamkeit  des  Gottes  eben  an  ein  bestimmtes  Lokal  gebunden. 
So  richtet  sich  selbstverständlich  der  Dank  der  in  einem  Bad  genesenen  Kranken 
an  die  Nymphen  dieser  Quelle;  bei  vielen  Bädern  sind  Votivtafeln  römischer 
Besucher  gefunden  worden,  zahlreich  unter  andern  auf  Ischia  für  Apollo  und  die 
»Nymphen  der  Nitrumquellen«  ^).  Andre  Heilquellen,  bei  denen  sich  Nymphen- 
inschriften gefunden  haben,  sind  z.  B.  die  von  Les  Fumades  (Dep.  du  Gard), 
Warasdin-Teplitz,  Tüffers  bei  Cilli,  Bagneres  de  Bigorre,  Lopresti  haspöl  u.  a.^). 
Bei  den  Quellen  der  Seine  sind  zahlreiche  steinerne  Nachbildungen  menschlicher 
Glieder  und  andre  von  geheilten  Kranken  dargebrachte  Votivgaben  gefunden 
worden^).  Bei  den  noch  heute  so  genannten  Herkulesbädern  bei  Mehadia  in 
Siebenbürgen  richtet  sich  der  Dank  an  den  > heilbringenden  Herkules«  als  den 
Gott,  der  auf  seinen  Weltwanderungen  der  Entdecker  aller  warmen  Quellen 
wurde^).  Ein  Jäger,  den  die  Bäder  der  Solfatara  bei  Tivoli  von  einer  Gelenk- 
geschwulst (der  Folge  einer  Verwundung  durch  den  Zahn  eines  etruskischen 
Ebers)  befreit  hatten,  ließ  zum  Dank  dafür,  daß  er  wieder  zu  Pferde  steigen 
konnte,  der  Gottheit  der  Quelle  (Lymfa)  seine  marmorne  Reiterstatue  aufstellen^). 
Den  Nymphen  dankte  man  auch  für  die  Auffindung  neuer  Quellen,  deren  Gott- 
heiten dann  als  die  »neuen«  oder  »neu  entdeckten  Nymphen«  verehrt  wurden, 
oder  für  die  Wiederkunft  einer  versiegten  Wasserader'").    Ein  Magistrat  von 


l)  CIL  XII  3072  =  Dessau  4288.  2)  Oben  I  440 f.  3)  IGR  I  1333  und  die  Menge  ähnlicher 
Inschriften  ebd.  1331 — 1355-  Griechische  und  lateinische  Votivinschriften  beim  Tempel  des  Baal 
Markod  bei  Beirut  in  Phönizien  Lebas-Waddington  1855  ff.  CIL  III  155  ff.  668off.  (Dessau  4327). 
4)  CIL  III  987  =  Dessau  3847.  5;  CIL  X  6786ff  (Dessau  3873—3875);  vgl.  u.  a.  CIL  III  1396 f. 
(Dessau  2630,  Thermen  von  Szasz-Väros).  XI  3286  ff.  (Bäder  von  Vicarello).  Devotion  an  die 
Nymphae  der  aquae  fervcntes  ^gefunden  in  der  Quelle  von  Poggio  Bagnoli)  CIL  XI  1823  =  Dessau 
8748.  6)  Ihm,  Bonner  Jahrb.  LXXXIII  93  ff.  und  die  reichen  Nachweise  bei  Bloch  in  Roschers 

Mythol.Lexik.IIl544ff.  7)CILXIIIp.437.  8)  CIL  III 1563  ff.,  besonders  1572  =  Dessau  3437  (Ä^^r- 
culi  salutifero,  und  1566  =  Dessau  389 1  [Heraili,  Genio  loci,  Fontibus  calidis).  9,  CIL  XIV  3911  = 
Buecheler,  Cann.  ep.  865 ;  vgl.  auch  R.  Engelmann,  Österr.  Jahresh.  IX  1906  Beibl.  S.  55  fif.     10)  CIL 


[IV.    200,   2  Ol] 


DER  GÖTTERGLAUBE 


179 


Lambäsis  in  Numidien  weihte  einen  Altar  besonders  aus  Freude  darüber,  daß  im 
Jahre  seiner  Amtsführung  die  Nymphe  »unsere  Stadt  Lambäsis  mit  reichlichem 
Strome  getränkt  hat« ').  Eine  Inschrift  bei  Auzia  in  Mauretanien  meldet  die  Dar- 
bringung einer  Opfergabe  an  den  Geist  eines  Bergs,  »der  die  Gewalt  der  Stürme 
von  unsrer  Vaterstadt  abhält«").  Bei  den  alten  Marmorbrüchen  von  Martignac 
in  der  Nähe  der  Pyrenäen  spricht  eine  Votivtafel  den  Dank  zweier  römischer 
Unternehmer  oder  Besitzer,  >  welche  zuerst  von  dort  Säulen  von  zwanzig  Fuß 
Länge  brachen  und  ausführten  ,  »dem  Silvanus  und  den  Geistern  der  Nimi- 
dischen  Berge«  aus^).  Auch  ein  in  Britannien  dienender  Reiteroffizier,  der  sein 
Gelübde  dem  Silvanus  löste,  weil  er  ihn  einen  gewaltigen  Eber  fangen  ließ,  den 
viele  seiner  Vorgänger  nicht  erlegen  konnten^),  dachte  sich  den  Waldgott 
doch  sicherlich  in  diesem  Walde  hausend.  Ihm  brachten  auch  Holzsäger  und 
Holzhändler  ihre  Verehrung  dar^).  Ein  Legat  der  7.  Legion  errichtete  bei  deren 
Standquartier  (Leon  im  nordwestlichen  Spanien)  etwa  in  der  Zeit  Trajans  der 
Diana  einen  Tempel,  ^>  damit  er  flüchtige  Rehe,  Hirsche,  borstige  Eber  und  die 
Nachkommenschaft  waldbewohnender  Pferde  mit  dem  Wurfspieß  zu  treffen 
vermöge«,  und  brachte  ihr  von  seiner  Jagdbeute  Eberzähne,  Hirschgeweihe 
und  ein  Bärenfell  dar^).  Der  Göttin  von  Turobriga  danken  Inschriften  an  ver- 
schiednen  Orten  in  Spanien  für  Wiedererlangung  der  Gesundheit;  an  dieselbe 
wendet  sich  aber  auch  jemand  in  Emerita  in  Lusitanien  mit  der  Bitte,  den  Dieb 
von  6  Tuniken,  2  leinenen  Überziehmänteln,  i  Hemd  usw.  zu  bestrafen^).  Dem 
GottNodon  (im  südwestlichen  Britannien)  verspricht  jemand,  der  einen  Ring  ver- 
loren hat,  im  Falle  der  Wiedererlangung  die  Hälfte  desselben  zum  Geschenk. 
Er  fügt  einen  sehr  ungrammatisch  gefaßten  Satz  hinzu:  -Wenn  unter  denen, 
welche  sich  jetzt  des  Rings  erfreuen,  des  Senicianus  Name  ist,  so  wolle  ihm 
nicht  eher  Gesundheit  verstatten,  als  bis  er  den  Ring  zu  deinem  Tempel  bringt«  ). 
Wenn  die  Zahl  der  Götter,  die  an  bestimmten  Orten  entweder  in  allen  Fällen 
oder  wenigstens  vorzugsweise  angerufen  wurden,  ungemein  groß  war,  weil  sie  Allgemeine Anru- 
mindestens  der  Zahl  der  angeseheneren  Kultusorte  und  -statten  gleich  kam,  ^'J^S  bestimmten 
wurde  doch  auch  andrerseits  überall  jeder  Gott  um  die  Hilfe  oder  Gabe  ange-  Wirksamkeit. 
fleht,  die  er  nach  dem  Glauben  vor  allen  andern  zu  gewähren  vermochte^). 
Dies  gilt  nicht  bloß  von  den  großen,  sondern  auch  von  den  geringen  und  ge- 
ringsten Göttern.  Ein  Beispiel  für  die  Verehrung  auch  ganz  untergeordneter  Der  unteren  — 
und  momentan  wirkender  Schutzgeister  bietet  das  Zeugnis  Tertullians,  daß  man 

III  1129  (=  Dessau  3867).  3047  [Nymphis  Aug.  ex  voto  suscepto  pro  salute  municipii  balineo 
effect'o)).  3116  (=  Dessau  ■}^%(i<^  aquam,  quam  nullus  antiquorum  in  civitate  fuisse  meminerit,  in- 
ventafn).  V  3106  (=  Dessau  3859).  X  4734  (=  Dessau  3868  Nymphis  sanctis)  novis  repertis). 
XIV  2  (=  Dessau  3339  monitu  sanctissimae  Cereris  et  Nympharum  hie  puteus  f actus). 

I)  CIL  VIII  2662  =  Buecheler,  Carm.  ep.  252.  2)  CIL  VIII  9180.  3)  CIL  XIII  38  =  Des- 
sau 3579.  4)  CIL  VII  4SI  =  Dessau  3562.  5)  CIL  V  851  =  Dessau  3547  [sectores  materiarum 
Aquileienses).  CIL  XI  363  (Rimini):  Silvano  ...  negotians  materiar  ius).  Vgl.  v.  Domaszewski, 
Abhandl.  z.  röm.  Religion  S.  61  f.  In  dem  felsigen  Dalmaden  erscheint  Silvanus  nach  griechischem 
Vorbilde  als  Pan,  die  \'otivreliefs  des  Pan  und  der  Nymphen  [Silvanus  et  Stlvanae]  sind  fürDalma- 
tien  am  meisten  charakteristisch.  R.  v.  Schneider,  Arch.  epigr.  Mitteil.  aus  Österr.-Ung.  IX  1885 
S.  43ff.,  vgl.  Wissowa,  Archiv  f.  Religionswiss.  XIX  1917  S.  34f.  6)  CIL  II  2660  =  Dessau 
3259f.  (Buecheler,  Carm.  ep.  1526).  7)  CIL  II  462  =  Dessau  4515.  8)  CIL  VII  140  =  Dessau 
4730,  vgl.  Hübner,  Bonner  Jahrb.  LXVII  (1879)  S.  29  ff.  9)  Unterweltsgötter  in  Verwünschungen 
angerufen;  Audollent,  Defixionum  tabellae  (1904)  S.  461  ff. 


i8o  XUI.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  202] 

immer  noch  an  dem  Tage,  an  dem  das  Kind  zum  erstenmal  auf  dem  Boden 
feststand,  der  Göttin  Statina  gedachte^).  Noch  immer  schwuren  Fuhrleute  und 
Maultiertreiber  bei  der  ursprünglich  keltischen,  dann  aber  durch  die  römischen 
Kavalleristen  weit  über  die  Grenzen  Galliens  hinaus  verbreiteten^]  Pferdegöttin 
Epona,  die  ihre  kleine  Kapelle  in  einer  Nische  des  Hauptbalkens  zu  haben 
pflegte,  welcher  die  Decke  des  Stalles  trug.  Dort  wurde  ihr  Bild  an  Feier- 
tagen mit  Rosen  und  andern  Blumen  bekränzt^);  auch  Bildwerke,  die  sie  dar- 
stellen, für  Ställe  ausgeführt,  sind  noch  vorhanden"*).  An  Orten,  wo  böse  oder 
erstickende  Dünste  aus  dem  Boden  aufstiegen,  wie  bei  Benevent,  Cremona  und 
anderwärts,  betete  man  zu  der  Göttin  Mefitis  und  das  Fortbestehen  der  Ver- 
ehrung der  alten  Fiebergöttin  ist  durch  inschriftliche  Belege  auch  für  die  spätere 
Kaiserzeit  gesichert^), 
der  oberen  —  Wie  gern  aber  auch  das  Volk  an  den  zahllosen  dienenden  Gottheiten  fest- 
halten mochte,  weil  sie  mit  ihrer  geringen,  doch  genau  bestimmten  und  darum 
sehr  deutlichen  Wirksamkeit  einem  Teil  der  Gläubigen  näher  standen  und  ihrem 
Bedürfnisse,  mit  der  übersinnlichen  Welt  zu  verkehren,  mehr  entsprachen  als 
die  oberen  Götter,  deren  Allmacht  und  Majestät  das  menschliche  Herz  eher  in 
scheuer  Entfernung  hielt,  so  blieben  doch  immer  diese  als  gewaltigste,  die  Welt 
regierende,  die  Vorsehung  ganz  eigentlich  ausübende  Mächte  die  überall  am 
höchsten  verehrten,  am  allgemeinsten  angerufenen.  Überall  betete  der  Soldat 
zum  Vater  Mars^),  der  Schiffer  zum  Neptun^j,  der  Kaufmann  und  Gewerbe- 
treibende, auch  der  sorgsame  Haushalter  zum  Merkur,  »dem  Lenker  der  Ge- 
winne und  Erhalter«^),  der  Handwerker  und  Künstler  zur  Minerva^),  der  Land- 
mann zur  Ceres '°),  die  Weinbauer  und  Weinhändler  zu  Bacchus"),  die  Jäger  zu 
Diana")  und  Silvanus^^),  kreißende  Frauen  zur  Diana  und  Lucina "'*],  getrennte 
Liebende  in  Griechenland  zum  Liebesgott:  in  einem  Dialog  Plutarchs  erzählt 
einer  der  Sprecher,  wie  seine  Eltern  bald  nach  ihrer  durch  einen  Familienzwist 
lange  verzögerten  Hochzeit  nach  Thespiä  wallfahrteten,  um  ihrem  beiderseitigen 
Gelübde  gemäß  dem  Eros  zu  opfern'^).  Die  Götter  wurden  um  so  öfter  ange- 
rufen, je  umfassender  ihre  Machtsphäre  und  je  allgemeiner  ihre  Verehrung  war. 

l)  Tertullian.  De  anima  39,  vgl.  ad  nat.  II  11.  2)  Keune.  Real-Encykl.  VI  228  fF.  3)  Juven. 
8,  157.  Apul.  metam.  III  27.  Minuc.  Fei.  Oct.  28,  7.  Tertull.  apol.  16;  ad  nat.  II  II.  Pnident. 
apoth.  197.  4    Insbesondere  eine  verlorene  Malerei  aus  dem  Zirkus  des  Maxentius  an  der  Via 

Appia  (abgeb.  u.  a.  in  Roschers  Mythol.  Lexik.  I  1287 f.)  und  eine  Marmorstatuette  aus  Rom  (Ma- 
rucchi,  Annali  d.  Inst.  1881  S.  2393".);  das  von  Jordan  (Annalid.  Inst.  1872  S.  4.7  ff.)  auf  Epona  ge- 
deutete pompejanische  Stallbild  scheint  eher  eine  Isis  darzustellen  (vgl.  S.  Reinach,  Revue  archeol. 
1895  I  188  f.).  5)  Vgl.  namentlich  die  neugefundene  Inschrift  vom  Janiculum  bei  Gatti,  Bull, 

arch.  comun.  XXXIX  191 1  S.  95  und  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus^  S.  245  f.  6)  z.  B.  CIL  VIII 

2634  =  Dessau  2296  (deo  Marti  militiae  potenti),  vgl.  v.  Domaszev^ski,  Westd.  Zeitschr.  XIV  1895 
S-  33  ff-  7)  z-  B-  CIL  XIII  6324  =  Dessau  3286  (für  das  contubernium  iiatUarum),  vgl.  v.  Doma- 
szewski,  Abhandl.  z.  röm.  Religion  S.  19  ff.  8)  CIL  V  6596  =  Dessau  3199,  vgl.  CIL  IX  3307 

=  Dessau  5599  (Aufstellung  einer  Merkurstatue  in  einem  Atrium  auctionarium).  9)  z.  B.  CIL 

XIV  44  =  Dessau  3129  Numini  evidentissimo  Minervae  aug[2istae)  sacrum  conservatrici  et  antistiti 
spkndidissimi  corporis  stuppatortwi.  10)  Horat.  S.  II  2, 124,  vgl.  auch  CIL  III  3835  (Weihung  eines 
frumentarius  leg{ionis)  XI^.  11)  z.  B.  /[ovi]  o'ptimo)  m'aximo)  et  Libero  patri  vitüarum  conservatori 
CIL  V  5543  =  Dessau  3356;  ein  coUegiu7n  Liberi  patris  et  Mercuri  der  negotiantes  cellarum  vina- 
riarum  novae   et  Arruntianae  CIL  VI  8826  ==  Dessau  7276.  12)  Wissowa  a.  a.  O.  S.  252,  l. 

13)  V.  Domaszewski,  Abhandl.  z.  röm.  Religion  S.  63.  14)  Tertullian.  De  anima  39.  15)  Plutarch. 
Amator.  2. 


[IV.  203]  I,  DER  GÖTTERGLAUBE  i8i 

Herakles,  den  unbesiegten  Überwinder  aller  Schrecknisse  und  Gefahren,  rief 
man  im  Osten  in  jeder  Bedrängnis  zu  Wasser  und  zu  Lande,  in  Seegefahr  und 
Krankheiten  an'). 

Doch  die  meisten  Gebete  richteten  sich  ohne  Zweifel  überall  an  den  höchsten  besonders 
Gott.  Zu  ihm  betete  man  als  dem  Donnerer,  dem  Blitzschleuderer,  dem  Herrn  ^^^  Juppiter. 
der  himmlischen  Wetter,  des  heitern  Himmels:  in  langer  Dürre  zogen  Prozes- 
sionen von  Frauen  mit  bloßen  Füßen  und  aufgelösten  Haaren  auf  eine  Höhe 
und  flehten  ihn  um  Wasser  an^).  Auf  Bergeshöhen  fühlte  man  sich  ihm  vor 
allem  nahe,  dort  huldigte  man  ihm  als  dem  Juppiter  des  Vesuv,  des  Appenninus 
usw.  Auf  der  Paßhöhe  des  großen  S.  Bernhard,  dessen  Umwohner  (die  kel- 
tischen Veragrer)  in  Hannibals  Zeit  den  Gott  Pöninus  verehrten^),  stand  bis  ins 
II.  Jahrhundert  zwischen  dem  (seit  926  dem  h.  Bernhard  geweihten)  Hospiz 
und  dem  See  ein  Juppitertempel,  von  welchem  der  Berg  ehemals  den  Namen 
Mont-Joux  (Mons  Jovis)  führte.  Dort,  »wo  die  Schrecken  des  Gebirges  dem 
Wanderer  in  ungleich  stärkerem  Maße  als  auf  den  übrigen  Pässen  entgegen- 
treten« '*),  sind  außer  zahlreichen  Münzen  und  andern  Weihgaben  große  Mengen 
von  bronzenen  Votivtafeln  von  Soldaten  und  andern  römischen  Reisenden  ge- 
funden worden,  die  dem  höchsten  gütigsten  Juppiter  Pöninus  ihr  Gelübde  für 
glückliche  Hin-  und  Rückreise  lösten^).  Aber  nicht  die  Natur  allein  lenkte  sein 
allmächtiger  Wille;  er  war  zugleich  der  »Lenker  der  göttlichen  und  mensch- 
lichen Dinge  und  Herr  der  Geschicke«^),  und  als  solcher  Schützer,  Erhalter, 
Sieger,  Schlachtengott  und  Friedensbringer,  überhaupt  Vollender  jedes  Be- 
ginnens, Helfer  in  jeder  Not  und  Gefahr^).  Es  gab  kein  großes  oder  kleines, 
öffentliches  oder  privates  Anliegen,  das  ihm  nicht  anbefohlen,  kein  Ereignis, 
in  dem  nicht  die  Offenbarung  seiner  Allmacht  erkannt  werden  konnte^).  Ein 
hoher  Beamter  von  senatorischem  Stande  löst  in  Campanien  dem  Juppiter  sein 
Gelübde,  »weil  er  an  diesem  Orte  eine  dringende  Gefahr  bestanden  und  seine 
Gesundheit  wieder  erlangt  hat«^);  ein  Verwalter  des  vornehmen  Hauses  der 
Roscier  als  dem  Erhalter  der  Besitzungen  dieser  Familie  (in  der  Gegend  von 
Brescia) '°).  In  ApoUonia  in  Phrygien  weihte  ihm  ein  Galater  einen  Altar,  an 
dem  sich  zwei  Ochsen  in  Relief  befanden,  zum  Dank  dafür,  daß  der  Gott 
Menschen  und  Vieh  in  einer  Hungersnot  am  Leben  erhalten,  den  Darbringer 
in  sein  Vaterland  zurückgeleitet,  seinem  Sohne  bei  den  Trokmern  Ansehen 
verliehen  hatte  ").  Ein  Bewohner  von  Apulum  (Karlsburg)  löste  ihm  sein  Gelübde 

1)  So  namentlich  als  Abwehrer  alles  Unheils  (dXeSlKOKO^)  in  Zaubersprüchen,  vgl.  R.  Heim,  In- 
cantamenta  magica  (Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIX  18921  S.  509.  2)  Petron.  Sat.  44,  18.  Wissowa 
a.  a.  O.  S.  120  ff,  3)  Liv.  XXI  38,  9.  4)  Nissen,  Ital.  Landesk.  I  160.  5)  CIL  V  6863—6895 
(Dessau  4850).  Bamabei,  Rendic.  d.  accad.  d.  Lincei  ser.  4  III  1887  S.  363  ff.  E.  Ferrero,  Notiz, 
d.  Scavi  1890  S.  294ff.  1892  S.  63 ff.  440 ff.  1894  S.  33 ff.  Vgl.  v.  Duhn,  N.  Ileidelb.  Jahrb.  H 
1892  S.  77  f.  A.  Schulte,  Gesch.  d.  mittelalterl.  Handels  u.  Verkehrs  zwischen  Westdeutschi.  u. 
Italien  (1900)  I  42.  6j  CIL  III  1090  =  Dessau  2998,  vgl.  CIL  VIII  182 19  =  Dessau  2999. 
7)  z.  B.  Dessau  2996  [exauditori  precum  generis  humani).  CIL  III  1918  ihoc  in  loco  maiestate  et  nu- 
mine  eius  seruatus)  8)  Zwei  Männer  aus  Apulum  in  Dacien  setzen  dem  Juppiter  Optimus  Maxi- 
mus den  Altar  CIL  III  7756  =  Dessau  3007  mit  folgender  Begründang:  circumstantes  viderimt 
numen  a\quilae  descidis[s)e  nionte  supra  dracone[s)  tres  valida  vi.  supstrinxit  a  q\uila.  hi  s'npra) 
s[cripti)  a^q]uila{m)  de  periculo  Hberaveriint.        9)  CIL  X  3805  =  Dessau  2997.  10)  CIL  V  4241 

=  Dessau  3018  (224  n.  Chr.).     il)  Lebas-Waddington  il92=Kaibel,  Epigr.gr.  793  (162  n.  Chr.). 


i82  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  204] 

»für  sein  und  der  Seinigen  Heil«,  weil  er  durch  ihn  aus  der  Gewalt  der  Karper 
befreit  worden  war,  die  im  3.  Jahrhundert  häufig  in  Dacien  einfielen').  In  der 
etruskischen  Stadt  Tuder  hatte  einst  »ein  verruchter  Sklav  der  Kommune  •  mit 
abscheulicher  Arglist«-  eine  Tafel  mit  den  Namen  sämtlicher  Dekurionen  (Stadt- 
räte) in  einem  Grabe  vergraben,  um  dieselben  so  den  Mächten  der  Unterwelt 
zu  weihen.  Aber  der  höchste  Gott  hat  durch  seine  Macht  das  Verbrechen  an 
den  Tag  gebracht,  den  Täter  der  Strafe  überliefert  und  Stadt  und  Bürgerschaft 
von  der  Angst  vor  den  drohenden  Gefahren  befreit.  Darum  löste  ein  von  der 
Stadt  besonders  ausgezeichneter  Freigelassener  sein  Gelübde  für  das  Wohl  dei 
Stadt,  des  Stadtrats  und  des  Volks  von  Tuder  »dem  höchsten  besten  Juppiter, 
dem  Be wacher  und  Erhalter^ ^). 

Mangel  an  An-  Diese  römischen  Inschrifrsteinen  entnommenen  Beispiele  zu  häufen  würde 
Menee'deTun-  überflüssig  sein;  die  gewählten  werden  genügen,  um  die  Natur  des  Glaubens 
gläubigen  und  an  eine  durch  die  Gottheit  geübte  Vorsehung  anschaulich  zu  machen;  ihre 
Indifferenten.  Masse,  Mannigfaltigkeit  und  Verbreitung  über  alle  Teile  der  römischen  Welt 
läßt  eine  im  großen  und  ganzen  entsprechende  Verbreitung  des  Glaubens  an- 
nehmen, den  sie  bezeugen:  wenn  auch  immerhin  ein  Teil  dieser  Denkmäler 
von  Ungläubigen  oder  Indifferenten  herrühren  mag,  welche  die  Erhaltung  der 
herrschenden  Kultusformen  durch  ihre  Anerkennung  unterstützen  oder  sich 
nicht  zu  ihr  in  Widerspruch  setzen  wollten.  Eine  solche  Anbequemung  und 
Nachgiebigkeit  konnte  aber  nur  gegenüber  einem  Glauben  stattfinden,  dessen 
Herrschaft  unbestritten  war.  Auch  gibt  es  gegen  die  Tatsache  dieser  Herrschaft 
kein  einziges  Zeugnis  in  der  gesamten  griechischen  und  römischen  Literatur 
dieses  Zeitraums,  wohl  aber  manche  unverwerfliche,  die  sie  ausdrücklich  be- 
stätigen. Allerdings  ist  wegen  der  großen  Verbreitung  des  Epikureismus  glaub- 
lich, daß  die  Zahl  der  Leugner  der  Vorsehung  an  sich  beträchtlich  war,  aber 
das  Verhältnis  dieser  Ungläubigen  zu  den  Gläubigen  auch  nur  annähernd  zu 
bestimmen,  war  selbst  für  den  sorgfältigsten  und  weitblickendsten  Beobachter 
in  jener  Zeit  ebenso  unmöglich  wie  in  irgend  einer  andern;  und  die  unbe- 
stimmten Ausdrücke  der  Schriftsteller,  die  über  die  religiösen  Zustände  der 
Mitwelt  sich  im  allgemeinen  äußern,  sagen  uns  nichts,  was  wir  nicht  ohnedies 
schon  wüßten.  Wenn  Plinius  sagt,  daß  ein  Teil  der  Menschen  keine  Rücksicht 
auf  die  Götter  nehme,  daß  der  blinde  Zufall  als  Gottheit  verehrt  werde  ^);  und 
Juvenal,  daß  nach  manchen  alles  vom  Zufall  abhänge,  kein  Lenker,  sondern 
die  Natur  den  Gang  der  Weltordnung  regele*);  oder  der  Jude  Philo,  daß  nach 
dem  Glauben  vieler  alles  in  der  Welt  sich  ohne  höhere  Leitung  aus  eigner  Kraft 
bewege  und  Gesetze  und  Sitten,  Rechte  und  Pflichten  der  Menschen  einzig  und 
allein  der  menschliche  Verstand  festgesetzt  habe^):  so  sind  dies  nur  ungenaue 
Umschreibungen  der  Epikureischen  Lehre,  die  auch  Tacitus,  als  die  Ansicht, 
daß  in  den  menschlichen  Dingen  der  Zufall  walte,  dem  stoischen  Vorsehungs- 
glauben entgegenstellt^).  Der  Glaube  an  ein  unabänderliches  Fatum,  dessen 
weite  Verbreitung  er  sowohl  als  Plinius  bezeugt,  schließt  den  Vorsehungsglauben 

i)  CIL  m  1054.        2)  CIL  XI  4639  =  Dessau  3001.        3)  Plin.  n.  h.  II  22.       4)  Juv.  13,  86  ff. 
5)  Philo  leg.  alleg.  HI  30.       6)  Tac.  A.  VI  22,  vgl.  dazu  Pöhlmann  a.  a.  O.  S.  Ii  ff. 


[IV.  205,  2o6]  I.  DER  GÖTTERG  LAUBE  183 

keineswegs  aus,  wie  denn  auch  bekanntlich  die  stoische  Schule  den  einen  mit 
dem  andern  zu  vereinigen  wußte').  Auch  bei  Plutarch,  der  in  einer  eignen 
Schrift')  Aberglauben  und  Unglauben  als  die  entgengesetzten  Abirrungen  von 
der  wahren  Frömmigkeit  behandelt  hat,  sind  unter  den  Atheisten  hauptsäch- 
lich Epikureer  zu  verstehen;  eine  Andeutung  über  das  Verhältnis  ihrer  Zahl  zu 
der  der  Gläubigen  gibt  er  nicht;  doch  wenn  er,  dessen  religiöse  Richtung  dem 
Aberglauben  so  nah  verwandt  war,  trotzdem  den  Atheismus  für  den  minder 
schädlichen  Irrtum  erklärt,  so  kann  man  kaum  glauben,  daß  er  von  seinem 
Umsichgreifen  eine  Gefahr  für  die  Religion  befürchtete:  hätte  sich  die  materia- 
listische Weltanschauung  in  einer  Besorgnis  erregenden  und  das  fromme  Gefühl 
beleidigenden  Weise  breit  gemacht,  so  würde  Plutarch  sie  schwerlich  als  eine 
natürliche  Reaktion  gegen  das  Übermaß  der  Superstition  anerkannt^)  und  so 
milde  beurteilt  haben. 

Daß  der  Glaube  an  die  Götter  allgemein,  der  Gottesleugner  sehr  wenige  Die  Atheisten  eine 
waren,  sagt  nicht  bloß  Maximus  von  Tyrus**),  sondern  auch  Apulejus:  »die  in  kleine  Minorität. 
die  Philosophie  uneingeweihte  Masse  der  Unwissenden,  der  Heiligkeit  ledig, 
der  wahren  Erkenntnis  bar,  arm  an  Frömmigkeit,  unteilhaftig  der  Wahrheit, 
mißachtet  die  Götter  teils  durch  überängstliche  Verehrung,  teils  durch  trotzige 
Verschmähung,  jene  im  Aberglauben,  diese  im  Unglauben,  jene  voll  Furcht, 
diese  voll  Selbstgenügsamkeit.  Denn  diese  Gesamtheit  der  hoch  im  Äther 
wohnenden,  von  menschlicher  Berührung  abgeschiedenen  Götter  verehren, 
doch  nicht  in  gebührender  Weise,  die  meisten:  es  fürchten  sie  alle,  doch  aus 
Unkenntnis;  es  leugnen  sie  wenige,  doch  aus  Gottlosigkeit«^).  Hiernach  er- 
schien also  mindestens  damals  die  Zahl  der  Atheisten  und  Materialisten,  wenn 
auch  an  und  für  sich  nicht  gering,  doch  der  Masse  der  Gläubigen  gegenüber 
als  eine  kleine  Minorität:  und  diese  Ansicht  bestätigt  im  wesentlichen  Lucian, 
dessen  Zeugnis  um  so  schwerer  ins  Gewicht  fällt,  als  er  ohne  Zweifel  sehr  viel 
lieber  die  entgegengesetzte  Wahrnehmung  konstatiert  hätte.  Er  läßt  die  um 
ihre  fernere  Verehrung  besorgten  Götter  eine  öffentliche  Disputation  zwischen 
einem  Epikureer  als  Leugner  und  einem  Stoiker  als  Verteidiger  des  Vorsehungs- 
glaubens anhören,  wobei  der  letztere  eine  schimpfliche  Niederlage  erleidet. 
»Aber^,  sagt  Hermes,  »was  ist  denn  dabei  für  ein  großes  Übel,  wenn  nur 
wenige  mit  dieser  Überzeugung  nach  Hause  gehen?  Denn  groß  ist  die  Zahl 
derer,  welche  die  entgegengesetzte  Ansicht  haben,  die  Mehrzahl  der  Hellenen, 
die  große  Masse,  und  alle  Barbaren^ ^). 

Wie  viele  Erweiterungen  auch  die  antike  Götterwelt  durch  die  massenhafte 
Aufnahme  orientalischer  und  barbarischer  Gottheiten  erfahren  hatte,  so  war 
doch  im  Verhältnis  der  Gläubigen  zur  Gottheit  keine  Veränderung  eingetreten. 
Für  die  menschliche  Schwäche  und  Hilflosigkeit,  die  nach  Plinius  richtigem 
Ausdruck  die  Gottheit  nicht  anders  als  durch  Auflösung  in  unzählige  Einzel- 
wesen begreifen  konnte,  war  durch  Vermehrung  und  Vermannigfaltigung  der 
göttlichen  Personen  der  Verkehr  mit  der  höheren  Welt  eher  erleichtert  als  er- 

l)  W.  Gundel,  Beiträge  zur  Entwickelungsgeschichte  der  Begriffe  Ananke  und  Heimarmene 
(Gießen   1914)  S.  61  ff.  2)  Einen  Kommentar  zu  Plutarchs  Schrift  irepi  fteiöi&ai|uov(a^  gibt 

W.  Abemetty,  De  Plutarchi  qui  fertur  de  superstitione  libello,  Diss.  Regimont.  1911.  3)  Plutarch. 
De  superst.  13.      4)  Oben  S.  125  f.      5)  Apulei.  De  deo  Socrat.  3.      6)  Lucian.  Jupp.  Tragoed.  53. 


i84 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  207] 


Schwert.  Nicht  bloß  der  Glaube  an  eine  durch  die  Götter  geübte  Vorsehung 
blieb  der  ungeheuren  Mehrzahl  der  Menschen  unentbehrlich,  sondern  das 
Glaubensbedürfnis  dieser  Mehrzahl  forderte  und  schuf  unaufhörlich  das  Wunder, 
und  es  waren  nicht  allein  die  Weiber  und  die  große  Menge,  wie  der  aufgeklärte 
Strabo  meinte,  die  der  ^Legenden  und  Wundergeschichten«  bedurften.  Aber 
auch  daß,  so  weit  sich  die  römisch-griechische  Kultur  erstreckte,  die  aus  der 
Verschmelzung  der  beiden  Religionen  hervorgegangene  Götterwelt  trotz  des 
Ansehens  der  neuen  Götter  im  großen  und  ganzen  die  Herrschaft  behauptete 
und  trotz  aller  Mischungen  sich  in  den  Gemütern  der  Menschen  immer  von 
neuem  herstellte:  auch  das  wird  sich  hoffentlich  aus  der  bisherigen  Darstellung 
ergeben  haben. 

Der  Kultus  und  Zum  Schluß  ist  hier  noch  der  Kultus  in  Betracht  zu  ziehen,  dessen  Wirkung 
auf dleErhaUun'^  ^^^  unaufhörliche  Kräftigung  und  Neubelebung  des  Glaubens  sehr  hoch  ange- 
des  Glaubens,  schlagen  werden  muß.  Selbst  eine  völlige  Überschwemmung  des  Okzidents 
durch  die  Religionen  des  Ostens  hätte  den  Glauben  an  die  alten  Götter  nicht 
zu  entwurzeln  vermocht,  solange  überall  ihre  Kulte  in  den  überlieferten  Formen 
fortdauerten,  die  mit  dem  ganzen  öffentlichen  und  Privatleben  im  innigsten  Zu- 
sammenhange standen,  allen  bedeutenden  Momenten  des  einen  wie  des  andern 
Weihe  und  Verklärung  gaben  und  Sinn,  Gemüt  und  Phantasie  aufs  manigfachste 
fort  und  fort  in  Anspruch  nahmen  und  fesselten.  Solange  überall  die  Tempel, 
^mehr  erhaben  durch  die  persönliche  Gegenwart  der  sie  bewohnenden  Gott- 
heiten als  reich  an  Schmuckstücken  des  Gottesdienstes  und  Geschenken«^), 
die  Beter  einluden;  solange  sehr  zahlreiche  Feiertage,  Festlichkeiten  und  reli- 
giöse Zeremonien  aller  Art,  wie  Opfer,  Prozessionen,  Bittgänge,  Schauspiele, 
an  die  Macht,  Größe  und  Herrlichkeit  der  Götter  sowie  an  ihr  Verhältnis  zu  den 
Menschen  fortwährend  aufs  eindringlichste  erinnerten:  so  lange  konnte  der 
Glaube  der  Menschen  unmöglich  von  den  Bahnen  weichen,  die  ihm  die  ehr- 
würdige Überlieferung  so  vieler  Jahrhunderte  vorzeichnete,  und  die  unzählige 
Generationen  als  die  zur  Wahrheit  führenden  erprobt  hatten. 

Nicht  bloß  die  Fortdauer  aller  angeseheneren  römischen  und  griechischen 
Gottesdienste  bis  in  das  späte  Altertum  ist  eine  unbestrittene  Tatsache,  sondern 
auch  die  Erhaltung  obskurer  und  lokaler  Kulte  sowie  unverständlich  gewordner 
religiöser  Zeremonien,  Gebräuche  und  Formen  durch  zahlreiche  Nachrichten 
für  so  verschiedne  Länder  bezeugt,  daß  bei  einer  so  ungemein  zähen  Lebens- 
kraft der  religiösen  Überlieferung  eine  große  und  wesentliche  Verminderung 
ihres  Bestandes  im  Laufe  der  Jahrhunderte  überhaupt  als  unannehmbar  erscheint. 
Das  römische  Ritual  hat  sich  mindestens  zum  großen  Teil  bis  in  die  letzten 
Zeiten  des  Altertums  in  Formen  erhalten,  die  einer  jenseits  der  Anfänge  der 
römischen  Geschichte  liegenden  Zeit  ihren  Ursprung  verdanken  und  auf  jenen 
urältesten  Anschauungen  der  Götterwelt  beruhen,  die  in  Latium  lange  vor  der 
Überflutung  der  römischen  Religion  durch  die  griechische  geherrscht  hatten. 
Die  liturgischen  Gesänge,  auch  den  Priestern  selbst,  die  sie  Jahr  für  Jahr  vor- 
schriftsmäßigabsangen, zum  Teil  unverständlich^),  enthielten  die  Anrufungen  der 


Erhaltung  ur- 
alter Kulte  und 
Rituale  in  Rom. 


1)  Minuc.  Fei.  Oct.  7.  5.       2)  Quintilian.  I  6,  40. 


[IV.  2o8]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  185 

Götter  mit  den  längst  verschollenen  Namen,  mit  denen  die  ältesten  Ansiedler  der 
Hügel  am  Tiberufer  sie  genannt  hatten,  und  jahraus,  jahrein  wurde  ein  ebenfalls 
aus  grauer  Vorzeit  stammendes  gottesdienstliches  Zeremoniell  mit  derselben 
peinlichen  Genauigkeit  von  den  Priestern  vollzogen.  Die  Stationslokale  für  die 
Prozession  der  Salischen  Priester,  in  welcher  die  heiligen  Schilde  [aticilia] 
über  Nacht  aufbewahrt  wurden,  sind  noch  in  der  letzten  Zeit  des  Heidentums 
restauriert  worden').  Der  354  nach  offiziellen  Quellen  zusammengestellte  Ka- 
lender des  Philocalus  führt  noch  eine  nicht  geringe  Anzahl  der  angeblich  von 
König  Numa  gestifteten,  d.  h.  in  eine  unvordenkliche  Zeit  zurückreichenden 
religiösen  Feste  als  damals  in  Rom  gefeierte  Staatsfeste  auf,  die  auch  selbst 
aus  dem  ein  Jahrhundert  jüngeren  (448  aufgestellten)  Kalender  des  Polemius 
Silvius  noch  nicht  völlig  verschwunden  sind^).  Es  waren  gerade  die  ältesten 
Kulte,  die  noch  fortdauerten,  »als  längst  die  geistigeren  Gottesdienste  der  histo- 
rischen Zeit  der  Religion  des  Kreuzes  zum  Opfer  gefallen  waren-  ^):  so  der  Um- 
zug zu  den  24  Kapellen  der  Argeer  (Binsen-  oder  Strohpuppen)  am  16.  und 
17.  März  und  das  Hinabstürzen  derselben  in  den  Tiber  am  14.  Mai'*j  und  das 
am  15.  Oktober  auf  dem  Marsfelde  vollzogene  Opfer  eines  mit  Broten  bekränzten 
Pferds  (des  Oktoberrosses),  um  dessen  Haupt  als  um  ein  Heiltum  zwei  der 
ältesten  Stadtteile  Roms  sich  stritten^).  Das  ebenfalls  aus  uralter  Zeit  stammende 
Fest  der  Luperkalien  bestand  noch  im  Jahre  494,  in  welchem  Papst  Gelasius  I, 
gegen  seine  Begehung  aufs  kräftigste  Einspruch  erhob^). 

Doch  am  deutlichsten  ergibt  sich  die  unveränderte  Fortdauer  tausendjähriger,  Das  Ritual  der 
wie  in  Versteinerung  erhaltener  Kultusformen  aus  den  Protokollen  der  Acker- 
brüder [fratres  Arvales),  den  einzigen  einer  geistlichen  Genossenschaft,  die 
sich  erhalten  haben'').  Diese  Brüderschaft,  in  der  Kaiserzeit  regelmäßig  aus 
Männern  des  höchsten  Adels  und  den  Kaisern  selbst  bestehend,  feierte  im  Mai 
»der  göttlichen  Göttin-^  [dea  Dia  —  eine  uralte  Benennung  der  mütterlichen 
Erdgöttin,  der  Spenderin  des  Fruchtsegens)  ein  dreitägiges  Fest  für  das  Ge- 
deihen der  jungen  sprossenden  Saaten,  in  ihrem  Haine  mit  uralten,  von  der 
Axt  nie  berührten  Bäumen,  der  fünf  Miglien  von  Rom  an  der  ^  Felderstraße« 
lag.  Jeder  Gebrauch  einer  eisernen  Axt  in  diesem  Hain,  wenn  ein  Baum  durch 
Sturm  oder  Alter  brach,  überhaupt  jeder  Gebrauch  eines  eisernen  Gerätes  er- 
forderte ein  Sühnopfer:  das  Verbot  des  Eisens  beim  Gottesdienst  ist  aus  der 
Unbekanntschaft  der  Zeit,  aus  welcher  die  Ritualgesetze  stammen,  mit  diesem 
Metall  zu  erklären^).  Zu  den  Feierlichkeiten  des  zweiten  Festtags  gehörte,  daß 
die  Priester  bei  verschlossenen  Türen  im  Tempel  gewisse  Töpfe  berührten  und 

i)  CIL  VI  2158  =  Dessau  4944;  zur  Zeitbestimmung  vgl.  Borghesi,  Oeuvres  VTI  382.  2)  Beide 
zusammen  CIL  P  p.  254 ff.  Vgl.  auch  das  campanische  Festverzeichnis  vom  J.  387  (CIL  X  3792 
=  Dessau  4918,  dazu  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VIII  15 ff.);  über  die  Verengerung  des  offiziellen  Fest- 
kreises im  praktischen  Leben  Wissowa,  Apophoreton  der  Graeca  Halensis  (1903)  S.  47  ff.  3]  Mann- 
hardt,  Wald-  u.  Feldkulte  IP  S.  XXXV.  4)  Wissowa,  Ges.  Abhdl.  z.  röm.  Religions-  u.  Stadt- 
geschichte S.  211  ff.  5)  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus'  S.  I44f.  6;  Brief  des  Papstes  Gelasius  in 
CoUectio  Avellana  ed.  O.  Günther  I  453  ff.,  vgl.  Usener,  Weihnachtsfest'  S.  311  f.  327.  7)  Das 

Folgende  hauptsächlich  (zum  Teil  wörtlich)  nach  Mommsen,  Reden  u.  Aufsätze  S.  270  ff.  Die  Pro- 
tokolle bei  Henzen,  Acta  fratrum  Arvalium  1874.  CIL  VI  2023— 21 19.  32338—32398  ;  vgl.  Wis- 
sowa, Real-Encykl.  II  1463 ff.;  Hermes  LH  191 7  S.  463 ff.  8)  Heibig,  Die  Italiker  in  der  Poebene 
'1879)  S.  80  f. 


i86  XIII.   DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  209,  210] 

mit  frommem  Gebet  besprachen.  Die  neuesten  Ausgrabungen  im  Arvalenhain 
haben  Scherben  von  Gefäßen  rohester  Fabrik,  ohne  Drehscheibe  aus  freier 
Hand  gefertigt,  zutage  gefördert,  wie  sie  sonst  in  Latium  nur  unter  dem  Peperin 
(d.  h.  der  Lava  der  in  vorge=;chichtlicher  Zeit  erloschenen  Vulkane  des  Albaner- 
gebirges) vorkommen.  »Offenbar  waren  dies  die  Breitöpfe  aus  jener  Zeit,  wo 
man  das  Korn  noch  nicht  zum  Brote  buk,  sondern  als  Brei  stampfte«^.  In  einer 
späteren  Zeit  desselben  Tags  gürteten  die  Priester,  nachdem  alle  nicht  zum 
Kollegium  gehörigen  Personen  den  Tempel  verlassen  hatten,  in  den  heiligen 
Raum  eingeschlossen,  ihr  Gewand  zum  Tanze  und  sangen  oder  sagten  nun  ein 
Gebet  an  den  Mars  und  die  Laren  oder  Lasen  um  Abwendung  des  Verderbens 
» in  einem  Latein,  welches  bereits  400  Jahre  vor  Cicero  eine  veraltete  Sprache 
gewesen  sein  muß«,  ihnen  selbst  »so  unverständlich  wie  das  Kyrie  Eleison  dem 
Meßner,  weshalb  auch  jedem  Priester  vorher  sein  Textbuch  von  den  Dienern 
überreicht  ward  ■> .  Der  Text  dieser  Litanei,  in  einem  im  Jahre  2 1 8  unter  Kaiser 
Elagabal  abgefaßten  Protokoll  erhalten ,  ist  das  älteste-  Dokument  der  latei- 
nischen Sprache,  das  wir  kennen.  Ein  Jahrtausend  mochte  damals  vergangen 
sein,  seit  die  Ackerbrüder  zum  erstenmal  die  Dea  Dia  mit  diesem  Gebet  ange- 
rufen hatten.  In  diesem  Jahrtausend  hatten  die  ungeheuersten  Umwälzungen 
die  Gestalt  der  bewohnten  Erde  völlig  verwandelt.  Die  Tiberstadt  war  aus  einem 
Bauerndorf  zum  Mittelpunkt  eines  Weltreichs  geworden,  ihr  Morgen  und  Mittag 
war  vergangen,  ihr  Abend  dämmerte  herauf.  Auf  dem  Throne,  den  August 
errichtet  hatte,  saß  ein  Sonnenpriester  aus  dem  so  oft  gedemütigten  und  so  tief 
verachteten  Syrien.  Und  noch  immer  tönte  das  alte  Lied,  dessen  Worten  schon 
die  Könige  Roms  mit  Andacht  gelauscht  hatten: 

Uns,  Lasen,  helfet! 

Nicht  Sterben  und  Verderben,  Mars,  Mars,  laß  einstürmen  auf  mehrere! 

Satt  sei  grauser  Mars ! 

Ite  Lokalkulte  Mit  derselben,  allen  zerstörenden  Einflüssen  trotzenden  Zähigkeit  erhielten  sich 
1  übrigen  Ita-  auch  im  übrigen  Italien  uralte  Lokalkulte:  SO  in  Oberitalien  keltische  Und  rätische'), 
in  Toscana  etruskische,  wie  namentlich  der  der  Schicksalsgöttin  Nortia  in  Volsinii 
(Bolsena)^).  Juvenal  spricht  von  der  Nortia  als  der  Schutzgottheit  des  von  dort 
stammenden  Sejan^j,  und  noch  im  4.  Jahrhundert  nennt  sich  der  Volsinier  Rufius 
Festus  Avienus  (Prokonsul  von  Achaja,  auch  als  Dichter  bekannt)  einen  Verehrer 
der  Nortia'').  So  hielten  auch  andre  aus  den  Städten  Italiens  nach  Rom  überge- 
siedelte Familien  an  ihren  heimischen  Kulten  fest,  wie  dieTurpilier  an  dem  der 
Feronia^),  die  hauptsächlich  am  Soracte  und  beiTerracina,  doch  auch  an  vielen 
Orten  des  übrigen  Italiens  verehrt  wurde^).  Die  Göttin  Vacuna,  neben  deren  in 
der  Nähe  seines  sabinischen  Landguts  gelegenem,  verfallenem  Tempel  Horaz  die 
Epistel  an  seinen  Freund  Aristius  Fuscus  diktierte,  wurde  im  Sabinerlande  an 
vielen  Orten  verehrt ;  ihr  angesehenstes  Heiligtum  war  ein  Hain  in  der  Ebene  von 
Rieti  in  der  Nähe  der  Einmündung  des  Velino  in  den  Veliner  See^).    Dagegen 

i)  Beispiele  bei  Dessau  4888 — 4905.  2)  CIL  XI  2686  =  Dessau  4036  (Volsinii)  Dis  dea- 
busq\tu)  Primitivus  deae  Nort[iae)  ser[vns)  act[or)  ex  voto.  3)  Juv.  10,  74 ff.  4)  CIL  VI  537  = 
Dessau  2944  (Buecheler,  Carm.  ep.  1530).  5)  Borghesi,  Oeuvres  11  105  ff.  6)  Wissowa  a.  a.  O. 
S.  285  f.  7)  Horat.  ep.  I  10,  49.  CIL  IX  4636.  4751  f.  =  Dessau  3484 — 3486,  ferner  Dessau 
9248;  vgl.  Wissowa  S.  49,  5. 


[IV.  2ii]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  187 

erstreckte  sich  das  Ansehen  andrer  Lokalgottheiten,  wie  Tertullian  spottet,  gleich 
dem  der  Ratsherrn  kleiner  Städte,  nicht  über  deren  Weichbilder  hinaus:  so  war 
der  Kultus  des  Delventinus  auf  Casinum,  des  Numiternus  auf  Atina,  des  Visi- 
dianus  auf  Narnia,  der  Ancharia  auf  Asculum,  der  Valentia  auf  Ocriculum,  der 
Hostia  auf  Sutrium  beschränkt').  Einen  Tempel  der  an  der  Küste  von  Picenum 
verehrten  Göttin  Cupra  in  der  gleichnamigen  Stadt  erneuerte  noch  Hadrian^). 
Auch  sehr  eigentümliche  Feste,  bei  welchen  Wallfahrer  und  Schaulustige  von 
allen  Seiten  zusammenströmten^),  und  seltsame  Gebräuche  bestanden  an  ver- 
schiedenen Orten  fort"*).  Noch  in  Marc  Aureis  Zeit  fiel  das  Priestertum  der  Diana 
von  Nemi  dem  zu,  der,  nachdem  er  von  einem  bestimmten  Baume  ihres  Hains 
einen  Zweig  abgebrochen,  den  derzeitigen  Inhaber  der  Stelle  im  Zweikampfe 
erschlug;  dieBewerber  um  diesen  blutigen  Preis  waren  damals  flüchtige  Sklaven^). 

Die  erstaunliche  Menge  und  Mannigfaltigkeit  der  in  Griechenland  fortbe-  Fortdauer  ur- 
stehenden, großenteils  ebenfalls  aus  einem  fernen  Altertume  stammenden,  oft  ^}^?^  ^^^]^  "f 
seltsamen,  selbst  rohen,  blutigen  und  entsetzlichen  Lokalkulte  lernen  wir  haupt- 
sächlich aus  Plutarch,  Pausanias  und  inschriftlichen  Denkmälern  kennen.  Eine 
Anzahl  von  charakteristischen  Beispielen  wird  hinreichen  zu  zeigen,  sowohl  wie 
überreich,  bunt  und  vielgestaltig  die  Fülle  der  griechischen  Gottesdienste  noch 
immer  war,  als  auch  mit  wie  staunenswerter  Zähigkeit  auch  hier  im  Kultus  ur- 
alte Traditionen  sich  behaupteten.  In  Paträ  feierte  man  jährlich  das  Fest  der 
Artemis  Laphria  folgendermaßen.  Um  den  sehr  großen  Opferaltar  wurden  im 
Kreise  grüne  Baumstämme  von  je  16  Ellen  Länge  aufgepflanzt,  inwendig  das 
trockenste  Holz  gehäuft  und  ein  bequemer  Aufgang  am  Altar  durch  aufge- 
schüttete Erde  hergestellt.  Am  ersten  Tage  fand  eine  prachtvolle  Prozession 
statt,  deren  Beschluß  die  jungfräuliche  Priesterin  der  Artemis  auf  einem  von 
Hirschen  gezogenen  Wagen  machte.  Am  zweiten  Tage  war  das  Opfer,  zu  dem 
sowohl  die  Stadtgemeinde  als  die  einzelnen  wetteifernd  beisteuerten.  Alle  Opfer- 
tiere wurden  lebendig  auf  den  Altar  geworfen,  worunter  eßbare  Vögel,  Wild- 
schweine, Hirsche,  Rehe,  junge  und  ausgewachsene  Wölfe  und  Bären,  hierauf 
das  Feuer  angezündet.  Man  sah  dann  wohl  einen  Bären  oder  ein  andres  Tier 
sich  losreißen  und  ausbrechen,  worauf  es  wieder  zurückgeschleppt  wurde,  doch 
nie  war  ein  Mensch  von  einem  Tier  beschädigt  worden^).  In  derselben  Stadt 
wurde  ein  Bild  des  Dionysos,  mit  dem  Beinamen  »der  Volksrichter«,  in  einem 
Schreine  verehrt,  der  nach  der  Legende  bei  der  Eroberung  Trojas  von  dort 
fortgeführt  worden  war.  Neun  vom  Volke  aus  den  Angesehensten  gewählte 
Männer  und  ebenso  viele  Frauen  besorgten  seinen  Dienst.  In  einer  bestimmten 
Nacht  während  des  dem  Gotte  heiligen  Festes  trug  der  Priester  den  Schrein  aus 
dem  Tempel  heraus.  Dann  gingen  alle  Kinder  aus  der  Stadt  mit  Ährenkränzen 
an  den  Fluß  Meilichos:  so  waren  nach  der  Legende  die  in  alter  Zeit  der  Arte- 
mis geopferten  Kinder  bekränzt  worden.  Die  Kränze  legten  sie  bei  der  Artemis 
nieder,  badeten  im  Flusse,  setzten  Efeukränze  auf  und  gingen  so  zum  Tempel 

i)  Tertullian.  Apol.  24;  ad  nation.  II  8,  dazu  Wissowa  a.  a.  O.  S.  50,  2.  2)  CIL  IX  2594  =^ 
Dessau  313.  Wissowa  S.  216,  5.  3)  S.  z.  B.  die  Beschreibung  des  Festes  der  Diana  von  Nemi  bei 
Stat.  silv.  in  I,  52 ff.  4)  z.  B.  die  Jungfrauenprobe  im  Kulte  der  Juno  von  I.anuvium,  Wissowa 
a,  a.  O.  S.  185,  6.  5)  Pausan.  II  27,  4.  Serv.  Aen.  VI  136.  Wissowa  S.  248.  6)  Pausan.  VU  18, 
II  — 13.   Nilsson,  Griech.  Feste  S.  2l8fr. 


i88  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  212] 

des  Dionysos  ^).  In  der  Nähe  des  Flusses  Crathis  war  ein  Heiligtum  der  » breit- 
brüstigen  Erdgöttin«  mit  einem  uralten  Holzbilde.  Die  Priesterinnen  mußten 
keusch  leben,  und  zugelassen  wurden  nur  solche,  die  bis  dahin  nur  einen  Mann 
gekannt  hatten.  Die  Wahrheit  ihrer  Aussage  wurde  durch  einen  Trunk  von 
Ochsenblut  erprobt,  und  die,  welche  die  Probe  nicht  bestanden,  sogleich  be- 
straft, unter  mehreren  gleichberechtigten  Bewerberinnen  entschied  das  Los^). 
Das  Bild  der  Artemis  Orthia  zu  Sparta  war  nach  der  auch  von  Pausanias  ge- 
glaubten Sage  dasselbe,  das  Orest  aus  dem  taurischen  Tempel  entführt  hatte; 
noch  immer  forderte  die  Göttin  eine  Bespritzung  ihres  Altars  mit  Menschenblut, 
daher  wurden  noch  immer  Jünglinge  an  ihrem  Altar  blutig  gegeißelt.  Die 
Priesterin  hielt  das  kleine  Holzbild  der  Göttin  im  Arm;  wenn  die  Geißelnden 
einen  Knaben  wegen  seiner  Schönheit  oder  seines  Standes  schonten,  wurde  es 
ihr  so  schwer,  daß  sie  es  nicht  tragen  konnte:  Plutarch  sagt,  man  habe  auch  in 
seiner  Zeit  viele  unter  den  Hieben  sterben  gesehen^);  diejenigen,  welche  sich 
durch  Standhaftigkeit  vor  den  andern  auszeichneten,  führten  lebenslänglich  den 
Titel  »Altarsieger«  ■).  Zu  Alea  in  Arkadien  wurden  bei  einem  Fest  des  Diony- 
sos nach  einem  Spruch  des  delphischen  Orakels  Frauen  gegeißelt^).  In  Orcho- 
menos  in  Böotien  verfolgte  alljährlich  an  dem  Feste  der  Agrionien  der  Priester 
des  Dionysos  die  angeblich  von  den  fluchbeladenen  Minyastöchtern  stammen- 
den Frauen  mit  dem  Schwert  in  der  Hand;  die  Frau,  die  er  einholte,  durfte  er 
töten,  und  dies  hatte  zu  Plutarchs  Zeiten  der  Priester  Zoilos  wirklich  getan. 
Aber  für  diese  fromme  Wut  traf  der  Zorn  der  Götter  nicht  bloß  ihn  selbst,  der 
an  einer  scheußlichen  Krankheit  starb,  sondern  auch  die  Stadt  Orchomenos, 
die  in  Verlust  und  Nachteil  geriet:  die  Orchomenier  nahmen  dem  Geschlechte 
des  Zoilos  das  Priestertum  und  verliehen  es  fortan  durch  Wahl^).  Auf  Cypern 
waren  nach  Lactantius  dem  Zeus  Menschenopfer  gebracht  worden,  bis  Hadrian 
sie  verbot^);  doch  noch  unter  Marc  Aurel  glaubte  man,  daß  sie  dem  Zeus  Lykaios 
in  Arkadien  im  geheimen  gebracht  würden^),  und  auch  in  Rhodus  soll  Kronos 
alljährlich  ein  solches  Opfer  empfangen  haben,  wozu  man  (wie  angeblich  bei 
dem  Fest  des  JuppiterLatiaris  in  Rom)^)  einen  todeswürdigen  Verbrecher  nahm  ^°). 
Zu  Aliphera  in  Arkadien  wurde  vor  andern  Gottheiten  Athene  verehrt,  die  nach 
der  Ortslegende  dort  von  Zeus  geboren  und  auferzogen  war ;  vor  dem  großen 
Feste,  das  ihr  jährlich  gefeiert  wurde,  opferten  die  Bewohner  dem  Heros  Myia- 
gros,  d.  i.  Fliegenscheucher,  und  beteten  zu  ihm,  und  wurden  dann  während 
des  Festes  nicht  von  den  Fliegen  belästigt ' ').  In  dem  unfern  von  Sikyon  gelegenen 
Titane  war  ein  von  Kranken  viel  besuchter  Asklepiostempel;  innerhalb  der 
Mauer  des  Tempelbezirks  standen  alte  Zypressen.  Von  dem  Bilde  sah  man  nur 
Kopf,  Hände  und  Füße,  übrigens  war  es  mit  einem  wollnen  Leibrock  und  Mantel 

I)  Pausan.  VII  20,  i  f.,  vgl.  19,  6f.  Nilsson  a.  a.  O.  S.  294ff.  2)  Pausan.  VII  25,  13.  E.  Fehrle, 
Die  kultische  Keuschheit  im  Altertum  (1910)  S.  106  ff.  3)  Pausan.  III  16,  7 — il.  Plutarch.  Lycurg. 
18,  2.  F.  Schwerin,  Die  Menschenopfer  bei  den  Griechen  u.  Römern  S.  93ff. ;  vgl.  dazu  Fehrle, 
Berl.  philol.  Wochenschr.  1919  S.  isSff.  4)  Hygin.  fab.  271;  inschriftliche  Erwähnungen  solcher 
ßiu^oviKOi  aus  der  Kaiserzeit  IG  V  i  nr.  554.  652—654.  5)  Pausan.  VIII  23,  i.  Nilsson  S.  299  f. 
6)  Plutarch.  Qu.  Gr.  38,  vgl.  Nilsson  S.  273,  3.  7)  Lactant.  Inst.  div.  I  21,  i.  8)  Pausan.  VIII 
38,  7.  Schwenn  a.  a.  O.  S.  20 ff.  9)  Schwenn  a.  a.  O.  S.  180 f.  10)  Porphyr,  de  abstin.  II  54. 
Nilsson  S.  38.       n)  Pausan.  VIII  26,  7.    Nilsson  S.  441. 


[IV.  213]  I.  DER  GÖTTERGLAUßE  189 

bekleidet;  eine  daneben  stehende  Statue  der  Hygiea  war  über  und  über  mit 
Haaren  bedeckt,  welche  die  Frauen  zu  Ehren  der  Göttin  sich  abschoren,  und 
mit  Streifen  babylonischer  Teppiche.  In  der  Nähe  war  ein  Altar  der  Winde, 
denen  der  Priester  jährlich  in  einer  Nacht  opferte  und  dabei  auch  in  vier  Gruben 
geheime  Opfer  warf,  um  das  Toben  der  Winde  zu  mildern,  wozu  er  Beschwö- 
rungslieder, wie  man  sagte,  von  der  alten  Zauberin  Medea  sang').  Bei  Trözen 
war  in  der  Nähe  des  Musentempels  ein  Altar  des  Schlafs,  dem  man  mit  den 
Musen  zusammen  opferte,  da,  wie  sie  dort  sagten,  dieser  Gott  den  Musen  der 
liebste  sei.  Hauptsächlich  aber  verehrte  man  zu  Trözen  Hippolyt,  den  Sohn 
des  Theseus,  in  einem  glänzenden  Tempelbezirk.  Die  Trözenier  leugneten,  daß 
er  von  Pferden  geschleift  und  so  gestorben  sei,  vielmehr  sei  er  zum  Himmel 
aufgefahren  und  dort  im  Sternbilde  des  Wagenlenkers  sichtbar.  Sein  Priester 
verwaltete  das  Amt  lebenslänglich,  jährlich  wurde  ihm  ein  Fest  gefeiert,  und 
außerdem  schor  jede  Jungfrau  ihm  zu  Ehren  sich  vor  der  Hochzeit  eine  Locke 
ab  und  legte  sie  in  seinem  Tempel  nieder^).  Bei  den  Dionysosfesten  dauerten 
die  äußeren  Zeichen  der  Verzücktheit,  das  Rohessen,  das  Würgen  und  Zer- 
reißen von  Schlangen  durch  die  Bacchen  fort^). 

Aus  allem  also,  was  wir  über  die  religiösen  Zustände  Griechenlands  bis  zu 
Ende  des  2.  Jahrhunderts  und  zum  Teil  noch  aus  späterer  Zeif^)  wissen,  gewinnt 
man,  wie  gesagt,  den  Eindruck,  daß  der  alte  Bestand  der  einheimischen  Kulte 
durch  die  neu  eingedrungenen  ausländischen  eine  irgend  wesentliche  Einbuße 
oder  Veränderung  ebenso  wenig  erlitten  hatte  wie  in  früherer  Zeit  durch  die  des 
Adonis,  der  asiatischen  Göttermutter  und  des  Ammon^).  Und  doch  waren  auf 
dem  griechischen  Festlande  wie  auf  den  Inseln  die  (wenigstens  zum  Teil  schon 
im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  eingeführten)  Dienste  der  ägyptischen  Gottheiten  Isis, 
Osiris  und  Sarapis  ungemein  verbreitet  und  hochangesehen ^).  Zu  diesen  hatten 
sich  auf  Delos  bereits  seit  dem  zweiten  Jahrhundert  vor  Chr.  die  der  phönizi- 
schen  Aphrodite  und  der  syrischen  (dort  als  Sonnengott  und  Erdgöttin  ge- 
paarten) Gottheiten  Hadad  und  Atargatis  gesellt '');  selbst  von  dem  im  allgemeinen 
von  Griechenland  und  Kleinasien  fern  gehaltenen  Mithrasdienste  lassen  sich 
vereinzelte  Spuren  in  Athen,  Thespiae  und  Thera  nachweisen^);  und  Lucians 
Spöttereien  über  die  Mischung  der  Göttergesellschaft  lassen  voraussetzen,  daß 
noch  manche  andre  Götter  des  Orients  in  Griechenland  Verehrung  gefunden 
hatten.  Jener  in  Athen  stattfindenden  Disputation  über  die  Vorsehung  wohnen 
Bendis,  Anubis,  Mithras  u.  a.  bei.  Mindestens  in  vielbesuchten  Häfen  wie  Ko- 
rinth  und  Rhodus  werden  die  fremden  Götterdienste  zahlreich  gewesen  sein, 
während  allerdings  in  dem  verödeten  und  vom  Weltverkehr  wenig  berührten 

i)  Pausan.  11  11,  6.  12,  i.  2)  ebd.  11  31,  3.  32,  i.  3,  Rohde,  Psyche  EL'  46,  2.  Über  die 
ui)|U0q)OYia  Dieterich,  Kl.  Schrift.  S.  465  f.  Vgl.  über  die  damaligen  Mysterien  und  Arten  der  Divi- 
nation  auch  die  Confessio  S.  Cypriani  (s.  dazu  Th.  Zahnr,  Cyprian  v.  Antiochien  u.  die  deutsche 
Faustsage,  1882),  Acta  SS.  Sept.  VII  222.  Preller,  Philologus  I  1846  S.  349  ff.  4)  Über  die  Fort- 
dauer alter  Kulte  im  4.  Jahrhundert  Hertzberg,  Gesch.  Griechenl.  III  3 10  f.  5)  Oben  S.  135  A.  i. 
6)  A.  Rusch,  De  Serapide  et  Iside  in  Graecia  cultis,  Diss.  Berol.  1906.  7)  Hauvette-Besnault, 

Bull.  corr.  hell.  VI  1882  S.  495  ff.  (vgl.  XVI  1892  S.  i6i).  Dittenberger,  Syll.'  764''löi6i  Zuureipa 
'AaxdpTei  'AqppoöfTri  KOi  'EpuuTi  'ApqpOKpdxei  'AttÖWujvi  usw.  8)  Preller,  Ber.  d.  sächs.  Gesellsch. 
d.  Wiss.  1852  S.  186,  100.  Thespiae :  Eunap.  vit.  soph.  p.  476,  4  Boiss.  Thera:  Hiller  v.  Gaertringen, 
Thera  III  194  f. 


IQO 


Xin.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  214,  215] 


"ortdauer  der  all- 
emeinen  Beteili- 
ung  am  Gottes- 
dienste. 


Opfer. 


Innern  des  Landes  die  alten  Kulte  eine  mehr  oder  minder  ausschließliche  Herr- 
schaft behauptet  haben  mögen"). 

Nicht  minder  gewiß  als  die  Fortdauer  zahlloser  alter  römisch- italischer  und 
griechischer  Kulte  in  den  Zeiten  der  Theokrasie  ist,  daß  überall  die  regelmäßige 
Beteiligung  am  Gottesdienste  eine  so  allgemeine  war,  daß  die  gänzliche  Unter- 
lassung der  üblichen  heiligen  Gebräuche  Anstoß  erregte  oder  doch  als  Aus- 
nahme auffiel.  Gegen  den  Philosophen  Demonax  in  Athen  erhoben  sich  sogar 
Ankläger,  weil  man  ihn  niemals  opfern  sah  und  er  allein  von  allen  nicht  in  die 
Eleusinischen  Mysterien  eingeweiht  war:  doch  verstand  er  den  ihm  in  der  Volks- 
versammlung drohenden  Sturm  (manche  hatten  bereits  Steine  gegen  ihn  in  den 
Händen)  zu  beschwichtigen^).  Der  Ankläger  des  Apulejus,  Sicinius  Amilianus, 
hatte  zu  Öa  wegen  seiner  ihn  offenbar  auszeichnenden  Irreligiosität  den  Bei- 
namen des  aus  Vergil  bekannten  Verächters  der  Götter«  Mezentius  erhalten. 
Niemals  hatte  er  zu  einem  Gotte  gebetet,  nie  einen  Tempel  besucht;  ging  er 
an  einem  Heiligtume  vorüber,  so  dachte  er  nicht  daran,  durch  eine  Kußhand 
seine  Verehrung  zu  bezeigen.  Selbst  den  Göttern  des  Lands,  die  ihn  kleiden 
und  nähren,  sagt  Apulejus,  gibt  er  keinen  Teil  der  Ernte  oder  die  Erstlinge  der 
Herde  ab ;  auf  seinem  Gut  ist  kein  Heiligtum,  kein  geweihter  Ort  oder  Hain. 
Ja  die,  welche  dort  gewesen  sind,  sagen,  daß  auf  seinem  Gebiet  nicht  einmal 
ein  Stein  mit  Wohlgerüchen  beträufelt  oder  ein  Baumast  bekränzt  ist^).  Bei  seiner 
Übersiedelung  nach  Spanien  empfahl  Martial  einem  Marius,  dem  er  sein  Güt- 
chen bei  Nomentum  überließ,  die  auf  demselben  befindlichen  Heiligtümer:  die 
den  Faunen  geweihten  Pinien  und  Steineichen,  die  von  der  wenig  geübten  Hand 
des  Verwalters  errichteten  Altäre  des  Juppiter  und  Silvanus  (»die  oft  das  Blut 
eines  Lamms  oder  Bocks  färbte«);  ferner  Kapellen  oder  Tempel  der  Diana  und 
des  Mars  und  einen  Lorbeerhain  der  Flora.  Marius  möge  bei  seinen  Opfern 
stets  auch  Martial  der  Gunst  der  Götter  empfehlen  und  sie  bitten,  beiden  zu  ge- 
währen, was  der  eine  wünschen  werde'*).  Bei  der  ungeheuren  Mehrzahl  übte 
die  Gewöhnung  an  die  gottesdienstlichen  Gebräuche  ihren  unwiderstehlichen 
Einfluß  von  Jugend  auf.  Schon  im  zartesten  Alter,  sagt  Prudentius  (zu  Ende 
des  4.  Jahrhunderts),  kosteten  die  Kinder  vom  Opfermahl,  sahen  sie  die  schwarz- 
geräucherten  Bilder  der  Laren  mit  Wohlgerüchen  beträufeln,  die  Mutter  angst- 
voll vor  der  Statue  der  Schicksalsgöttin  mit  dem  Füllhorn  beten,  küßten,  noch 
auf  dem  Arm  der  Amme,  die  Götterbilder  und  richteten  kindische  Gebete  an  sie^). 

Namentlich  die  Allgemeinheit  der  Opfer  bei  allen  freudigen  Ereignissen  ist 
durch  zahlreiche  Angaben  und  Äußerungen  bezeugt,  und  zwar  für  alle  Stände. 
Persius  spottet  über  Gutsbesitzer,  die  zu  Merkur  um  Vermehrung  ihres  Vieh- 
stands beten  und  diesen  gleichzeitig  durch  zahlreiche  Opfer  junger  Kühe  vermin- 
dern. Bei  jeder  Beförderung  eines  Senators  zum  konsularischen  Range  »rauchte 
der  Vorplatz  des  Palastes  vom  Blut  junger  Stiere«  ^).  Einem  Senator  Rufus  ent- 
schlüpfte im  Rausch  während  einer  Abwesenheit  Augusts  von  Rom  der  Scherz, 

l)  Mommsens  Ansicht  RG.  V  257,  daß  diese  Zeit  sich  von  der  alten  Landesreligion  längst  ge- 
löst hatte,  und  daß  diese  simmer  mehr  ein  Sonderbesitz  der  Studierten  wurde«,  teile  ich  keines- 
wegs und  finde  in  der  angeführten  Stelle  Plutarch.  praec.  ger.  reip,  30  keinen  Anhalt  dafür.  2)  Lu- 
cian.  Demonax  11.  3)  Apulei.  Apol.  56.  4)  Martial.  X  92.  5)  Prudent.  c.  Symmach.  I  igjff. 
6)  Pers.  2,  44 ff.    Martial.  XIV  4,  vgl.  oben  I  143. 


[IV.  2  1 6]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  191 

sämtliche  Stiere  und  Kälber  wünschten,  daß  der  Kaiser  nicht  glücklich  zurück- 
kehren möchte").  Ein  ähnlicher  Scherz  über  die  Wünsche  der  weißen  Rinder 
während  der  Feldzüge  Marc  Aureis  ist  bereits  erwähnt  worden^).  Juvenal  opferte 
für  die  glückliche  Errettung  seines  Freundes  CatuUus  aus  Seegefahr  den  drei 
kapitolinischen  Gottheiten  zwei  Lämmer  und  ein  junges  Rind;  wäre  er  reich, 
sagte  er,  so  würde  er  statt  des  letzteren  einen  gemästeten  Stier  von  edler  Rasse 
darbringen 3).  Die  für  den  Eintritt  in  die  Tempel,  das  Darbringen  des  Opfers, 
das  Einwerfen  der  Gabe  in  den  Opferkasten  [the salines)'']  von  den  Gläubigen 
gezahlten  Gebühren^)  machten  die  Priestertümer  oft  sehr  gewinnreich,  daher  sie 
in  bestimmten  Gegenden  (besonders  in  Kleinasien  und  auf  den  griechischen 
Inseln)  von  Staats  und  Gemeinde  wegen  verpachtet,  teilweise  sogar  versteigert 
wurden^);  in  Ägypten  geschah  es  für  Rechnung  der  Kaiser  als  Nachfolger  der 
Ptolemäer^).  Aus  Rom  besitzen  wir  noch  einen  Tarif  von  Opfersporteln*).  Das 
Umsichgreifen  des  Christentums  in  der  Provinz  Pontus  machte  sich,  wie  Plinius 
in  seinem  bekannten  Schreiben  an  Trajan  im  Jahre  1 1 2  berichtet,  dadurch  be- 
merkbar, daß  (zunächst  wohl  in  der  Stadt  Amisus  und  den  benachbarten  Orten) 
die  Tempel  fast  leer  standen,  die  Feier  der  heiligen  Feste  unterblieb  und  die 
Nachfrage  nach  Opfertieren  fast  ganz  aufhörte:  doch  besserte  sich  dieser  für 
Plinius  ebenso  auffallende  wie  Besorgnis  erregende  Zustand  infolge  seines  Ein- 
schreitens gegen  die  Christen^).  Wie  ungeheuer  der  Verbrauch  von  Opfertieren 
im  römischen  Reiche  war,  mag  man  versuchen  sich  nach  der  Angabe  Suetons 
vorzustellen,  daß  infolge  der  allgemeinen  Freude  über  Caligulas  Regierungs- 
antritt in  nicht  vollen  drei  Monaten  (selbstverständlich  in  Rom  allein)  deren 
über  160000  geschlachtet  wurden"").  Noch  in  der  Zeit  des  Prudentius  erscholl 
an  Festtagen  die  heilige  Straße  vom  Gebrüll  der  (zum  Opfer  auf  das  Kapitol 
geführten)  Stiere"). 

Daß  aber  die  Frömmigkeit  der  Gläubigen  sich  auch  fort  und  fort  durch  Er-  Betätigung  der 
bauung  und  Instandhaltung  von  Tempeln   und   deren  Ausschmückung  mit    Frömmigkeit 
Götterbildern,  Gaben,  Widmungen  und  Stiftungen  aller  Art  aufs  eifrigste  be-  bauten  — 

I)  Seneca  de  benef.  III  27.  2)  Oben  S.  129.  3)  Juvenal  12,  iff.  4)  Inschrift  von  Lambäsis, 
Dessau  9260:  religiosi  qiii  stipem  adAescul  a pium pon\e  re  vohmt,  in  thesaurarium  mittant,  ex  quibus 
aliquod  donum  Aesculapio  fiat.  Über  die  stipes  vgl.  Wissowa,  Relig.  u  Kultus^  S.  428  f.,  über  Opfer- 
kästen H.  Graeven,  Arch.  Jahrb.  XVI  1901  S.  163 ff.  Hülsen,  Rom.  Mitteil.  XXII  1907  S.  236ff. 
5)  Exigitis  mercedem  pro  solo  templi,  pro  aditu  sacri,  pro  stipibus,  pro  hostiis,  venditis  totam  divini- 
tatem,  Tertull.  ad  nat.  11  10;  apolog.  13.  42.  Mommsen  StR.  II^  66  f.  6)  Dion.  Hai.  ant.  II  21,  3. 
H.  Herbrecht,  De  sacerdotii  apud  Graecos  emptione  venditione  (Diss.  phil.  Argentor.  X  iff.),  1885. 
B.  T-ehmann,  Quaestiones  sacerdotales.  P.  I.  De  titulis  ad  sacerdotiorum  apud  Graecos  venditionem 
pertinentibus,  Di>s.  Regimonti  1888.  Bischoff,  Rhein.  Mus.  LIV  1899  S.  9 ff.  W.  Otto,  Hermes 
XLTV  1909  S.  594ff.  7)  Wilcken,  Hermes  XXIII  1888  S.  592  ff.  Vgl.  Otto,  Priester  u.  Tempel  I 
24off.  Rostowzew,  Gott.  gel.  Anz.  1909  S.  6i8ff.  8)  CIL  VI  820  =  Dessau  4916.  9)  Plin.  ad  Tr. 
96,  10.  Mommsen,  Ges.  Schrifr.  IV  394,  i.  10)  Sueton.  Calig.  14,  l.  Dasselbe  zeigen  auch  die 
Protokolle  der  Arvalbrüder,  bei  denen  noch  in  der  Zeit  Gordians  fwo  die  Mittel  der  Bruderschaft 
bereits  beschränkt  waren)  die  Sühnung  des  Haines  bei  der  Ausholzung  ein  zweimaliges  Opfer  von 
je  4  Rindern,  19  Schafen,  Hammeln  oder  Widdern  und  einem  Schwein  erforderte  (Wissowa,  Her- 
mes LH  1917  S.  324ff.).  Vor  der  Einschränkung  der  Loyalitätsopfer  (an  Gedenktagen  des  Kaisers 
und  seines  Hauses  durch  Vespasian  ist  der  Aufwand  für  diese  alljährlich  ein  ganz  enormer.  Ii)  Pru- 
dent.  C-  Symmach.  I  2 18  ff.  Verzeichnis  der  von  zwei  Priestern  des  Saturn  acht  Göttern  geopferten 
acht  Tiere  CIL  VIII  8246  f.  =  Dessau  4477.  4477^  (aus  Azig  ben  Tellis  in  Numidien);  vgl.  eine 
ähnliche  afrikanische  Inschrift  Compt.  rend.  de  l'acad.  d.  inscript.  19 13  S.  424  ff. 


192 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  217] 


und  andre  Stif- 
tungen zu  Kul- 
tuszwecken    — 


tätigte,  ergfibt  sich  namentlich  aus  den  bezüglichen,  so  äußerst  zahlreich  erhal- 
tenen Inschriftsteinen.  Selbst  in  der  Zeit,  die  man  als  die  Periode  des  tiefsten 
Verfalls  der  Religion  zu  betrachten  pflegt,  schrieb  Lucrez:  noch  immer  sei  den 
Gemütern  der  Menschen  jene  Furcht  eingepflanzt,  die  den  Glauben  und  die 
Verehrung  der  Götter  ins  Leben  gerufen  habe;  sie  lasse  auf  dem  ganzen  Erd- 
kreise neue  Göttertempel  entstehen  und  fülle  sie  an  Festtagen  mit  zahlreichen 
Besuchern^).  Daß  in  einer  Zeit  unausgesetzter  furchtbarster  Erschütterungen 
der  Staatsordnung  von  einer  Menge  von  Tempeln  und  Heiligtümern  in  Rom 
ein  Teil  verfiel  und  ihr  Areal  selbst  von  Privatpersonen  widerrechtlich  in  Besitz 
genommen  wurde'),  kann  gewiß  kein  Beweis  für  eine  allgemeine  Abnahme  des 
Glaubens  sein;  und  wenn  die  Zahl  sämtlicher  der  Herstellung  bedürftigen  und 
von  August  im  Jahre  28  v.  Chr.  wirklich  hergestellten  sich  auf  82  belief^),  so  ist 
es  nicht  auszumachen,  ob  diese  Zahl  im  Verhältnis  zur  Gesamtzahl  für  klein 
oder  für  groß  zu  halten  ist. 

Auch  von  der  ungeheuren  Menge  der  Bauten,  Schenkungen  und  Stiftungen 
aus  Privatmitteln  zu  Kultuszwecken,  die  wir  aus  den  Inschriften  Italiens  sowie 
aller  Provinzen  kennen  lernen,  wird  ohne  Zweifel  ein  Teil  aus  andern  als  religiösen 
Beweggründen  herzuleiten  sein;  aber  ebensowenig  liegt  ein  Grund  vor  zu  be- 
zweifeln, daß  bei  weitem  die  meisten  dieser  frommen  Gaben  und  Opfer  gebracht 
sind,  um  die  Gnade  der  Götter  zu  verdienen  oder  zu  erhalten  oder  geängstete 
Gewissen  zu  beruhigen:  sehr  viele  sind  laut  den  Inschriften  »nach  einem  Ge- 
sicht« oder  >auf  Geheiße  oder  ;•  Mahnung  .  der  Gottheit  im  Traum  erfolgf*). 
Man  darf  nach  diesen  Zeugnissen  annehmen,  daß  ein  sehr  großer  Teil  der 
Tempel  im  ganzen  römischen  Reiche  von  Privatpersonen  auf  eigene  Kosten  er- 
baut worden  ist,  die  zuweilen  überdies  ein  Kapital  zur  Instandhaltung  des  Ge- 
bäudes auswarfen^].  Namentlich  in  Italien  (wo  in  Appians  Zeit  d,  h.  unter  Anto- 
ninusPius  nächst  dem  kapitolinischen  Juppitertempel  die  der  Fortuna  zuAntium, 
der  Juno  zu  Lanuvium,  des  Herkules  zu  Tibur  und  der  Diana  zu  Aricia  die 
reichsten  waren)  ^)  wetteiferten  die  wohlhabenden  Munizipalen  mit  ihren  zu  hohem 
Range  aufgestiegenen  Landsleuten  in  Rom,  den  Patronen  und  sonstigen  Gönnern 
ihrer  Städte^),  ihre  Munifizenz  und  Anhänglichkeit  an  die  Heimat  vor  allem  auch 
durch  deren  würdige  Ausstattung  mit  Gotteshäusern  zu  beweisen.  Ein  P.  Lu- 
cilius  Gamala  z.  B.,  dessen  Lebenszeit  vom  Ende  der  Regierung  Trajans  bis 
zum  Ende  der  Regierung  Marc  Aureis  reicht,  ließ  in  Ostia  sieben  Tempel  teils 
neu  erbauen,  teils  herstellen:  des  Vulkan,  der  Dioskuren,  der  Venus,  Spes, 
Fortuna,  Ceres  und  des  Vater  Tiberinus^j.  Martials  Freund  Cäsius  Sabinus  in 
Sassina  erbaute  einen  Tempel  für  die  Nymphe  eines  dortigen  Sees-j.    Ein  Ehe- 

i)  Lucret.  V  ii6l — 1168.  2  Marquardt  StV.  IIP  67,  3.  3;  Mon.  Ancyr.  lat.  4,  17  f.  [nullo 
pratta-misso  quod  eo  te/iipore  refici  debebat).  Unter  Tiber  war  abermals  eine  Restauration  erforder- 
lich, Tac.  A.  II  49.  4)  z.  B.  CIL  VIII  2632  =  Dessau  3374  ;Buecheler,  Carm.  ep.  1519)  Alfeno 
Fortunato  visus  dicere  somno  Liber  pattr  .  .  .  basis  hanc  novationem  Genio  dormis  sacrandam  usw. 
Vgl.  oben  S.  172.  5)  z.  B.  100  000  Sest.  für  einen  Tempel  der  Caiva  dea  (Gerolstein  im  Regie- 
rungsbezirk Trier)  124  n.  Chr.  CIL  Xm  4149  =  Dessau  4741 ;  für  einen  Tempel  zu  Gabii  im 
Jahre  140  in  tutela  et  ornatiotiibus  (sie)  tenipli  5000  S.  CIL  XIV  2795  =  Dessau  272.  6)  Appian. 
B.  C.  V  24:  ev  aT(;  juciXiara  iroXecri  Kai  vüv  eiöi  öriöaupoi  xPIMCtfaiv  iepüüv  batj/iXeic;,  vgl.  dazu 
CIL  XIV  3679.  3679a  =  Dessau  6245  sub  thens[auro]  Herculis  et  Augtts'ti].  7;  z.B.  oben  I  47. 
125  f.  III  27.        8;  CIL  XIV  375  (=  Dessau  6147].  376;  vgl.  oben  S.  71.       9)  Martial.  IX  58. 


|IV.  218,219]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  193 

paar  zu  Assisi  baute  einen  Tempel,  wie  es  scheint  des  Castor  und  PoUux,  und 
fügte  auch  die  Bildsäulen  derselben  hinzu.  Auf  der  Insel  Malta  verwandte  ein 
Privatmann  auf  den  Bau  eines  marmornen  Apollotempels  die  Summe  von 
HO 792 ^/j,  S.  (rund  24000  Mark)  usw.').  Aber  auch  für  die  ländlichen  Tempel 
wurde  von  den  großen  Besitzern,  auf  deren  Grundstücken  sie  standen,  gesorgt: 
so  ließ  Plinius  einen  verfallenen  Tempel  der  Ceres  auf  einem  seiner  Güter  größer 
und  schöner  erneuern^).  Außer  vollständigen  Neubauten,  außer  Herstellungen 
undErgänzungenverfallenerHeiligtümer^jsindinlnschriftsteinenDarbringungen 
und  Herstellungen  einzelner  Teile  und  Baulichkeiten  jeder  Art,  wie  Altäre, 
Opferküchen*),  Säulen  und  Kapitale^),  Giebel,  Fußböden,  Ornamente  usw.,  sowie 
Schenkungen  und  Stiftungen  zu  solchen  Zwecken  äußerst  zahlreich  verzeichnet. 

Besonders  häufig  wurden  Götterbilder  in  die  Tempel  gestiftet,  zum  Teil  sehr  besonders  von 
kostbare.  So  schenkte  z.  B.  eine  Priesterin  zu  Äclanum  eine  silberne  Statue  der  Gotterbildem  — 
Felicitas^j;  und  wenn  ein  ritterlicher  Offizier  zu  Formiä  100  000  S.  (21  750  Mark) 
vermachte,  um  für  diese  Summe  Prozessionswagen  der  Minerva  nebst  allem 
Zubehör  aus  100  Pfund  (etwa  33  Kilogramm)  Silber  anfertigen  zu  lassen'),  so 
wird  auch  die  Tempelstatue  der  Göttin  aus  Edelmetall  gewesen  sein.  Bei  der 
testamentarischen  Bestimmung  einer  Frau,  daß  das  Bild  eines  Gottes  in  einem 
bestimmten  Tempel  ihrer  Vaterstadt  mit  ihrer  Namensunterschrift  aus  100  Pfund 
errichtet  werden  sollte,  entstand  die  Frage,  ob  die  Erben  eine  Bronzefigur  liefern 
dürften,  oder  angehalten  werden  könnten,  eine  silberne  oder  goldene  machen 
zu  lassen.  Der  berühmte  Jurist  Cervidius  Scävola  (Lehrer  des  Septimius  Seve- 
rus)  entschied  mit  Rücksicht  darauf,  daß  sich  in  dem  Tempel  nur  silberne  und 
bronzene  Weihgeschenke  befanden,  daß  eine  silberne  Statue  zu  Hefern  sei^). 
Eine  kleine  silberne  Figur  des  Merkur  in  Lambäsis  hatte  1 4  000,  eine  silberne 
Statue  zu  Hippo  regius  über  51000,  eine  ebensolche  zu  Viennaj 00000  S.  ge- 
kostet^). Fromme,  deren  Vermögen  zu  solchen  Gaben  nicht  ausreichte,  ließen 
die  Bilder  der  verehrten  Gottheiten  wenigstens  vergolden,  ganz  oder  teilweise, 
z.  B.  die  Füße,  besonders  aber  das  Gesicht  oder  den  Bart'°);  zu  Corfinium  ließ 
z.  B.  einmal  eine  »Dienerin  der  Großen  Mutter  die  Große  Mutter  ausbessern 
und  vergolden,  dem  Attis  die  Haare  vergolden  und  die  Bellona  ausbessern«, 
während  zugleich  der  Priester  des  Attis  für  diesen  einen  Altar  und  silbernen 
Mond  machen  ließ"). 

1)  CIL  X  7495.  Andere  Beispiele  CIL  VIII  1574  (Mustis,  prov.  proc.  164  n.  Chr.  Tempel  für 
70000  S.).  993  =  Dessau  4433  (col.  Julia  Karpis):  ein  von  einer ßaminka  divae  Plotinae  gelobter 
Tempel ;  maritus  et  filius  [aedem]  suo  sumptu  a  solo  aedificatam  d.  d.  marmoribus  et  museis  (vgl  VUI 
2657  =  Dessau  5626  marf!iorib[us)  musaeo  efomni  cultu)  et  statua  Fudicitiae  aug{ustae)  et  tharace 
Caelestis  Augustae  ornaverunt.  2)  Oben  I  125 f.  3)  z.B.  CIL  VI  56.  XI  5805  =  Dessau  5453. 
3151  u.  a.  4)  CIL  V  781  (=  Dessau  3119)  aedem,  signa  III,  portic[um)  cum  maceris  \ei\  culina  et 
locum  in  quo  ea  sunt.  IX  3075  (Sulmo).  XIV  3543  =  Dessau  3452  (Tibur)  Herculi  Saxano  sacr.  — 
aedem  zothecatn  culinam.  VUI  1267  =  Dessau  5461  (Chisiduo):  aer'eam)  cald[ariam]  —  aram  et 
ollam  et  urceum  et  lucernam.  5)  CIL  IH  138  =  Dessau  4283  (Heliopolis) :  capita  columnarum  dua 
aerea  auro  inluminata.  6)  CIL  IX  1154  =  Dessau  6486.  7)  CIL  X  6102  =  Dessau  6282. 
8)  Dig.  XXXIV  2,  38  §  2.  9)  CIL  VUI  17408  (=  Dessau  5474).  18233.  XII  5864  (=  Dessau  6999). 
10)  Pers.  2,  55  ff.,  vgl.  Juven.  13,  151  f.  Cic.  De  nat.  deor.  III  83.  Lucian.  Philops.  19.  11}  CIL 
IX  3146  =  Dessau  4107.  Teil  weises  Vergolden  und  Versilbern  eines  heiligen  Bilds  im  heutigen 
Griechenland:  B.  Schmidt,  Volksleben  der  Neugriechen  S.  72 £ 

Fri e dl aen der,  Darstellungen.  UL     9.  Aufl.  I^ 


194 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  220] 


und  deren  Ausstat- 
tung mit  Kleidern 
und  Schmuck- 
sachen. 


Kostbarkeit 

derTempel- 

sreschenke. 


Ferner  stattete  man  die  Götterbilder  nach  Vermögen  mit  Kleidungsstücken^), 
Attributen  oder  Schmucksachen  und  Kostbarkeiten  aus.  Der  Kaiser  Galba 
träumte  als  Jüngling,  Fortuna  stehe  Einlaß  begehrend  vor  seiner  Tür;  beim  Er- 
wachen fand  er  eine  Bronzestatue  der  Göttin  an  der  Schwelle,  die  er  persönlich 
aufsein  Gut  bei  Tusculum  brachte  und  lebenslänglich  mit  monatlichen  Bettagen 
und  einer  jährlichen  Nachtfeier  verehrte.  Als  Kaiser  hielt  er  kurz  vor  seinem 
Ende  ein  sorgfältig  ausgewähltes  Halsband  aus  Perlen  und  Edelsteinen  zum 
Schmuck  der  Statuette  bereit,  beschloß  dann  aber,  es  der  Venus  auf  dem  Kapitol 
darzubringen;  worauf  Fortuna  ihm  im  Traum  erschien  und  drohte,  ihm  nun 
auch  ihrerseits  ihre  Geschenke  zu  entreißen^).  In  der  Regel  waren  dergleichen 
fromme  Gaben  natürlich  für  Tempelstatuen  bestimmt.  In  einem  Tempel  zu 
Puteoli  ließ  z.  B.  jemand  nach  Eingebung  eines  Traumes  die  Schlange  (etwa  des 
Äskulap)  aus  eigenem  Gelde  machen^).  Ein  Augustale  zu  Ariminum  bestimmte 
im  Testament  die  Errichtung  einer  Statue,  wie  es  scheint  einer  Bacchantin  (in 
einem  Bacchustempel),  mit  einem  goldenen  Halsbande,  einem  Thyrsus  und  einem 
silbernen  Becher  von  2  7^  Pfund '^).  Zu  Reji  (Riez  im  südlichen  Frankreich) 
brachte  ein  Ehepaar  dem  Äskulap  >wegen  der  ungemeinen  Wirkung  der  Kraft 
des  Gottes,  die  sie  an  sich  erfahren  hatten«,  gemäß  ihrem  Gelübde  eine  Bronze- 
statue des  Schlafgottes  (vermutlich  waren  sie  von  dem  Leiden  der  Schlaflosig- 
keit befreit  worden)  und  einige  Pretiosen  dar,  wie  eine  goldene  Kette  aus  Schläng- 
lein und  eine  silberne  Schreibtafel ^).  Zu  Acci  im  Tarraconensischen  Spanien 
schenkte  eine  Großmutter  zu  Ehren  ihrer  Enkelin  der  Isis  eine  Statue  oder  ein 
andres  Weihgeschenk  von  11273  P^^^^  Silber,  und  außerdem  einen  Schmuck 
von  Perlen,  Smaragden  und  andern  Edelsteinen  für  Kopf,  Hals  und  andre  Körper- 
teile, unter  anderm  laut  dem  Verzeichnis:  in  den  Ohren  2  Smaragden  und 
2  Perlen,  am  J^leinen  Finger  2  Diamantringe,  am  folgenden  einen  mit  verschied- 
nen  Steinen,  Smaragden  und  einer  Perle,  am  Mittelfinger  einen  mit  einem  Sma- 
ragd, an  den  Schuhen  8  walzenförmig  geschliffene  Edelsteine^).  Häufig  wurden 
(wie  in  dem  angeführten  Falle  in  Reji)  in  die  Tempel  andre  Statuen  als  die  der 
dort  verehrten  Götter  gestiftet^),  und  überhaupt  Schenkungen  gemacht,  die  nicht 
auf  den  Kultus  Bezug  hatten,  sondern  zur  Erhöhung  der  Pracht  und  Schönheit 
der  Tempel,  zur  Vermehrung  ihrer  Schätze  dienen  sollten:  so  vermachte  ein 
Bürger  von  Rhegium  dem  Apollotempel  seiner  Vaterstadt  ein  kleines  Pergament- 
buch mit  Elfenbeindeckeln,  eine  elfenbeinerne  Büchse  und  19  Gemälde^). 

Erwägt  man,  wie  zahlreiche  Angaben  über  silberne,  auch  goldene,  zum  Teil 
sehr  kostbare  Weihgeschenke  wir  selbst  aus  Mittelstädten  des  Orients  wie  des 
Okzidents  (z.  B.  Ostia)  besitzen,  deren  Erhaltung  doch  nur  dem  Zufall  verdankt 
wird^);  ferner  daß  Augusts  Gaben  an  fünf  Tempel  Roms  (des  kapitolinischen 

i)  Dessau  3495  Aurunceia  Sp.  f.  Acte  mag[istrd)  Bone  (sie)  deae  tunicas  duas  et palliolum  rasas 
calleinas  et  lucerna  aeria  (sie)  d.  d.  2)  Sueton.  Galba  4,  3.  18,  2.  3)  CIL  X  1599.  4)  CIL 
XI  358  =  Dessau  3363.  5)  CIL  XU  354  =  Dessau  3855.         6)  CIL  II  3386  =  Dessau  4422. 

7)  Letronne,  Rev.  arch^ol.  I  1844  S.  439 ff.;  z.  B.  CIL  V  6829  =  Dessau  3182  lovi  Iunon[i)  Mi- 
ner[vae)  .  .  .  Venerem.  CIL  XII  2526:  Castori  et  Polluci  —  Apollin'ßm]  ex  stipe  dupla.  CIL  XIV 
2867  =  Dessau  3687  .  .  .  hanc  Minervam  Fortunae  Primigeniae  dotio  dedit  u.  a.  8)  CIL  X  6  = 
Dessau  5471.  Vgl.  das  interessante  Verzeichnis  der  in  zwei  Tempeln  der  Isis  und  Bubastis  (im  Be- 
zirk des  Tempels  der  Diana  von  Nemi)  dargebrachten  Gaben,  CIL  XIV  2215  =  Dessau  4423. 
9)  CIL  XIV  3.  8.  21.  34.  35.  36  (=  Dessau  3299.  6154.  4373.  41 11— 41 13).  69.  71.  72  (=  Dessau 


[IV. 


I.  DER  GOTTERGLAUBE 


195 


Zuwendungen 

fürPriesterund 

Tempeldiener. 


Juppiter,  des  Divus  Julius,  des  Apollo,  der  Vesta,  des  rächenden  Mars)  aus  der 
Kriegsbeute  einen  Gesamtwert  von  etwa  100  Millionen  S.  (21  ^^  Mill.  Mark) 
hatten');  daß  alte  und  schadhaft  gewordene  Tempelgeschenke,  aus  denen  Ha- 
drian  (136)  inLanuvium  eine  Statue  herstellen  ließ,  3  Pfund  Gold  und  206 Pfund 
Silber  ergaben")  u.  a.  dgl, :  so  möchte  man  glauben,  daß  es  im  römischen  Reiche 
Tempel  gab  (und  vielleicht  nicht  wenige),  deren  Reichtum  an  kostbaren  Weih- 
gaben hinter  dem  der  ehemaligen  Schatzkapelle  der  Casa  Santa  zu  Loreto  nicht 
zurückstand.  Solche  Schätze  bedurften  eines  Schutzes,  und  zu  ihrer  Bewachung 
werden  die  einige  Male  erwähnten  Militärposten  bei  Tempeln  3)  bestimmt  ge- 
wesen sein.  Zu  den  reichsten  werden  übrigens  auch  die  gehört  haben,  deren 
Gottheiten  nach  Senatsbeschlüssen  oder  kaiserlichen  Erlassen  zu  Erben  einge- 
setzt werden  konnten :  wie  der  kapitolinische  Juppiter,  der  didymäische  Apollo 
zu  Milet,  Mars  in  Gallien,  die  Minerva  in  Ilium,  der  Herkules  in  Gades,  die 
Diana  zu  Ephesus,  die  Göttermutter  vom  Sipylus,  die  Nemesis  in  Smyrna  und 
die  »Himmlische  Göttin«  in  Karthago"*). 

Aber  auch  an  Zuwendungen  für  Priester  und  Tempeldiener  fehlte  es  nicht. 
Scävola  erörterte  die  testamentarische  Bestimmung  einer  Frau,  daß  ihre  Erben 
dem  »Priester,  dem  Tempelwächter  und  den  übrigen  Freigelassenen«  in  einem 
bestimmten  Tempel  am  Tage  eines  von  ihr  bei  demselben  gestifteten  Jahrmarktes 
10  Denare  geben  sollten:  dies  sei  als  eine  jährlich  zu  leistende  Zahlung  zu  ver- 
stehen^). 

Im  ganzen  Kultus  wirkt  ohne  Zweifel  nichts  so  mächtig  und  zugleich  so  stetig  Dießader- 
zur  Erhaltung  und  Kräftigung  des  Glaubens  wie  der  Bilderdienst,  das  Anschauen  Verehrung. 
der  im  Bilde  gegenwärtigen  Gottheit,  das  selbst  widerstrebende  oder  wankende 
Gemüter  überwältigend  ergreifen  konnte;  die  Möglichkeit  sie  persönlich  zu  ver- 
ehren, mit  ihr  gewissermaßen  von  Angesicht  zu  Angesicht  zu  verkehren.  Wenn 
auch  ein  Teil  der  Philosophen,  wie  Seneca,  den  Bilderdienst  verwarf,  so  machten 
andre,  wie  Maximus  von  Tyrus,  im  Anschlüsse  an  Gedanken  des  Posidonius, 
mit  vollem  Rechte  geltend,  die  Schwäche  der  menschlichen  Natur,  deren  Ab- 
stand von  der  Gottheit  so  groß  sei  wie  der  der  Erde  vom  Himmel,  bedürfe  der 
sinnlichen  Zeichen,  um  die  Gottheit  zu  erfassen,  und  die  wenigsten  könnten  ihrer 
entbehren;  und  von  den  bei  den  verschiednen  Völkern  so  verschiednen  Sym- 
bolen der  göttlichen  Wesen  sei  das  würdigste,  weil  das  gottähnlichste,  die 
Menschengestalt^).  Eine  Rechtfertigung  und  wissenschaftliche  Begründung  des 
Bilderdienstes  hat  dann  der  Neuplatonismus  unternommen'). 

5451  clupeum  urgent,  cum  imagine  aurea).  1 19  (Gaben  von  l  bis  15  Pfund  Silber,  sämtlich  in  Ostia). 
2861  (113/4  Pfund,  Exvoto  für  die  Fortuna  in  Präneste). 

i)  Monum.  Anc.  lat.  4,  23  ff.  21  CIL  XIV  2088  =  Dessau  316.  Vgl.  auch  die  Weihungen 
goldener  und  silberner  Figuren  an  die  ephesische  Artemis  durch  Salutaris,  104  n.  Chr.,  CIL  III 
14195*"'  =  Dessau  7l93f.  Silberne  Niken  in  Olbia,  oben  S.  38  A.  4.  Synopsis  (Inventar)  der  res 
sacrae  Cirtensitim  CIL  VIII  6981 — 6984  (Dessau  492 i^l^),  darunter  —  argenteum  in  kapitolio  ex  HS 
CCCXII.  CIL  IX  4512  (ager  Amiteminus:  testamentarisch  bestimmtes  Geschenk  aus  100  Pfund 
Silber  von  der  Mutter  des  C.  Bruttius  Präsens,  Konsul  180  .  3)  Tertullian.  Apol  29;  de  Corona  il. 
Amob  VI  20.  Bei  Clemens  Ron».  Homil.  X  8:  0€ou<;  —  vitto  kuvuiv  qppoupouja€vou<;,  utt'  6xA.ujv 
q)u\aaao|aevou^  emendiert  P.  de  Lagarde  .Clementina  S.  102,  27)  richtig  uitö  |u6xXuJV  (vgl.  Recogn. 
V  15  :  sicque  et  afuribus  canum  vigiliis  et  ctaustrorum  munitiottibus  conservantur).  4)  Ulpian.  reg. 
22,  6.  nach  der  Herstellung  O.  Jahns.  5)  Dig.  XXXIII  i,  20  §  i.  6)  Max.  Tyr.  Diss.  2.  7)  Eine 
Geschichte  des  'Bilderstreites'  in  der  antiken  Philosophie  gibt  Geffcken,  Arch.  f.  Religionswiss. 


,96 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV. 


!23] 


der  Gottheit. 


Identifikation  Es  bedarf  nicht  erst  der  Zeugnisse,  daß  der  naive  Glaube  der  Massen  das 
jÜ  S^lfl^i'  Bild  unwillkürlich  und  unbewußt  in  den  Gott  selbst  verwandelte'),  und  daß  jeder 
Gott  sich  für  sie  in  ebensoviel  Personen  spaltete,  als  es  berühmte  und  weit  und 
breit  verehrte  Bilder  von  ihm  gab^);  wie  ja  auch  jetzt  das  Volk  in  Italien  an 
verschiedne  Madonnen,  in  Griechenland  an  verschiedne  Panagias  glaubt^). 
Werden  doch  sogar  in  Griechenland  und  Süditalien  noch  gegenwärtig  antike 
Götterbilder  als  örtliche  Schutzheilige  verehrt,  so  eine  verstümmelte  Ariadne 
bei  Mateleone  als  Santa  Venere,  die  besonders  bei  Frauenkrankheiten  angerufen 
wird"*).  Die  Wegführung  einer  kolossalen  Statue  der  Demeter  aus  Eleusis  ( 1 8oi , 
jetzt  in  Cambridge),  deren  Wohlwollen  man  den  Erntesegen  zuschrieb,  rief  dort 
ein  ebenso  allgemeines  Jammern  und  Klagen  hervor,  wie  einstmals  die  Weg- 
führung der  Ceres  aus  Henna  durch  Verres,  welche  Freveltat  man  in  ganz  Sicilien 
als  den  Grund  des  Darniederliegens  des  Ackerbaues  ansah  ^).  Auch  im  Alter- 
tume  wurden  Lippen,  Hände  und  Füße  der  Götterbilder  von  Andächtigen  so 
viel  geküßt,  daß  ihr  Umfang  merklich  abnahm^).  Die  Betenden  ließen  sich 
von  dem  Tempeldiener  möglichst  nah  ans  Ohr  des  Götterbilds  bringen,  um 
besser  gehört  zu  werden^),  und  flüsterten  ihm  Gebete  und  Gelübde,  die  geheim 
bleiben  sollten,  zuY,  sie  hefteten  die  Wachstafeln,  auf  denen  ihre  Gelübde  ver- 
zeichnet waren,  an  die  Kniee  des  Bildes,  damit  der  Gott  ihr  Anliegen  nicht 
vergessen  möchte^).  Aber  sie  stießen  auch,  wenn  ihre  Gebete  unerhört  blieben, 
Verwünschungen  und  Drohungen  gegen  die  Götter  aus,  wie  später  die  Christen 
gegen  die  Heiligen '°),  Paulinus  von  Nola  berichtet,  gewiß  ganz  der  Wirklichkeit 
gemäß,  wie  ein  Bauer  dem  heiligen  Felix  in  ziemlich  grober  Weise  die  be- 
stimmte Erwartung  ausspricht,  daß  er  ihm  seine  zwei  entwendeten  Ochsen 
wiederschaffen  werde:  »der  Märtyrer  ergötzte  sich  an  dem  unhöflichen  Beter 
und  belachte  mit  dem  Herrn  die  an  ihn  gerichteten  Schmähungen< ").  In  ähn- 
licher Weise  fluchten  nach  Epictet  die  Landleute  bei  schlechtem  Wetter  und 
die  Schiffer  im  Sturme  dem  Juppiter"). 

Doch  damit  begnügtemansichimAltertumeebensowenigwieinspäteren Zeiten. 
Wo  Bilderdienst  in  welcher  Form  auch  immer  bestanden  hat  oder  noch  besteht, 
haben  die  Gläubigen  zu  allen  Zeiten  ihren  Zorn  über  die  Nichterhörung  ihrer  Ge- 
bete und  das  Ausbleiben  des  erwarteten  Beistands  auch  an  den  Bildern  ihrer 
Götter  oder  Heiligen  ausgelassen.  Die  alten  Arkadier  prügelten  ihren  Pan,  wenn 
sie  mit  leeren  Händen  von  der  Jagd  heimkehrten'^);  der  Ostjake  und  Lappe  miß- 


Mißhaudlungen 
von  Götterbil- 
dern ein  T5eweis 
der  Stärke  des 
Glaubens  an  die 
Macht  der  Göt- 
ter. 


XIX  1919  S.  286  ff.  Vgl.  auch  B.  de  Borries,  Quid  philosophi  veteres  de  idololatria  senserint  (Diss. 
Göttingen  1918)  S.  68  ff. 

i)  Radermacher,  Festschr.  f.  Gomperz  (1902)  S.  200 ff.  Weinreich,  Antike  Heilungswunder  S.  I45f- 
2)  Vgl.  die  Geschichte  von  der  Eifersucht  des  Juppiter  Capitolinus  auf  den  Juppiter  Tonans  bei 
Sueton.  Aug.  91,  2.  3)  B.  Schmidt,  Volksl.  d.  Neugriechen  S.  49 f.'  Welcker,  Gr.  Götterlehre  II 
121.  Grimm,  D.Mythol.'^Vorr.  XXVIII.  4)  Trede,  Heidentum  in  der  röm.  Kirche  1 9.  5)B.Schmidt, 
Rh.  M.  XXXI  1876  S.  278  f.  Cic.  Verr.  H  4,  1 14.  Vgl.  unten  S.  239.  6)  Lucret.  I  316.  Cic.  Verr. 
II  4,  94.  Eunap.  Vit.  sophist.  p.  487,  52  Boiss.  Koi  rot  arepva  tou  ao(pioxoQ  ■n€piXixixr\a6.pLevo\ 
KaGdtrep  äf&Kpiaroc,  evöeou  Tiavxec,  oi  irapovreq  01  |aev  Tiobac,  oi  6e  x^iP^"^  TtpooeKuvouv,  oi  bk 
0e6v  ecpaaav,  oi  be  'EpfXoO  Xo^iou  tÜttov.  7)  Seneca  ep.  41,  i,  8)  Jahn  zu  Pers.  2,  4ff.  Seneca 
ep.  10,  5.  Juven.  10,  289 f.  9)  Juv.  10,  55.  Apulei.  Apol.  54.  Lucian.  Philops.  20.  Prudent. 
apoth.  457 ;  hamartig.  403 ;  c.  Symm.  1 203.  10)  Rückert,  Kulturgesch.  des  deutschen  Volks  II  196  f. 
II)  Paul.  Nolan.  Carm.  18,  315  f.       12)  Epictet.  Diss.  III  4,  7.      13)  Theocrit.  7,  io6ff.  Vgl.  auch 


[IV.  224]  I.  DER  GÖTTERGLAUBE  197 

handelt  seinen  Götzen  und  zerbricht  ihn,  wenn  ihm  ein  Unglück  widerfährt');  der 
Lazzarone'in  Neapel  tritt  die  Heiligen  mit  denen  er  unzufrieden  ist,  mit  Füßen,  der 
Spanier  wirft  die  Mutter  Gottes  ins  Wasser''),  der  bayrische  Bauer  den  hölzernen 
Herrgott,  wenn  das  Hagelwetter  nicht  nachläßt,  auf  den  Mist 3).  Die  franzö- 
sischen Soldaten  verbrannten  1692  bei  der  Belagerung  von  Namur  die  Bilder 
des  heiligen  Medardus,  weil  nach  dem  Volksglauben  der  Regen  am  Medardus- 
tage  ihnen  eine  Regenzeit  von  40  Tagen  gebracht  hatte"*).  Daß  Heilige,  die 
bei  großer  Dürre  den  erbetenen  Regen  nicht  senden,  mit  Stricken  gebunden, 
auch  ins  Wasser  geworfen  werden,  ist  in  Süditalien  und  Sizilien  gewöhnlich^). 
Während  der  Napoleonischen  Feldzüge  ließ  ein  altbayrisches  Bataillon  den 
heiligen  Petrus  Spießruten  laufen,  weil  er  ihm  das  erbetene  gute  Marschwetter 
versagt  hatte ^).  Eine  alte  hochadlige  Spanierin  züchtigte  (187 1)  den  sonst  von 
ihr  hochverehrten  heiligen  Martial  (Feldmarschall  der  spanischen  Armee)  an 
dem  Tage,  wo  die  Karlisten  die  Waffen  strecken  mußten,  mit  der  Reitpeitsche^) 
usw.  Wenn,  wie  diese  Beispiele  zeigen,  dergleichen  Ausschreitungen  zu  den 
notwendigen  Begleiterscheinungen  des  Bilderdienstes  gehören,  kann  es  nur 
Zufall  sein,  daß  wir  nicht  mehr  als  einen  derartigen  gegen  Heiligtümer  und 
Götterbilder  gerichteten  Ausbruch  der  Wut  schmerzlicher  Enttäuschung  aus 
dem  späteren  Altertume  kennen,  und  aus  der  Art,  wie  Sueton  denselben  er- 
zählt, geht  hervor,  daß  er  keineswegs  etwas  Auffallendes  zu  erzählen  glaubte. 
Als  nach  den  ersten  beunruhigenden  Nachrichten  von  der  Krankheit  des  Ger- 
manicus  sich  in  Rom  das  Gerücht  von  seiner  Genesung  verbreitete,  strömte 
noch  am  späten  Abend  alles  mit  Lichtern  und  Opfertieren  auf  das  Kapitol, 
und  die  Pforten  des  Tempels  wurden  beinahe  erbrochen,  weil  alle  meinten,  ihre 
Gelübde  nicht  schnell  genug  lösen  zu  können:  am  Tage  seines  Todes  wurden 
Steine  gegen  die  Tempel  geschleudert,  Altäre  der  Götter  umgestürzt,  von 
manchen  die  Hauslaren  auf  die  Straße  geworfen^).  Auch  hier  war  der 
Glaube  an  die  Existenz  sowie  an  die  Macht  der  Götter  ein  durch  nichts  zu  er- 
schütternder. 

Kaum  wäre  es  zu  ermessen,  wie  weit  der  von  keiner  Reflexion,  geschweige 
denn  einem  Zweifel,  angekränkelte  Volksglaube  die  Identifikation  des  Bildes 
mit  der  Gottheit  durchzuführen  und  festzuhalten  vermochte.  Was  Senecas  Un- 
willen bei  einem  gelegentlichen  Besuch  aufdem  Kapitol  so  sehr  erregte^),  warzum 
Teil  altes  Ritual,  zum  Teil  aber  erschien  ihm  eben  der  Glaube,  der  in  dem  Bilde 
die  Gottheit  selbst  sah,  unbegreiflich  kindisch,  und  doch  waren  die  Äußerungen 

die  Fabel  bei  Babrius  119,  wo  jemand  seinen  hölzernen  Hermes  aus  Zorn  zerschlägt  und  innen 
einen  Schatz  findet. 

i)  Peschel,  Völkerkunde^  S.  260.  Portugiesische  Matrosen  schnüren  während  eines  Sturmes  die 
Statue  des  heiligen  Antonius  immer  fester  und  fester  an  den  Mast  und  überhäufen  sie  mit  Injurien, 
bis  endlich  der  Wind  sich  legt,  Radermacher,  Arch.  f.  Religionswiss.  VIl  1904  S.  451  f-  2)  K.  A. 
Mayer,  Neapel  u.  d.  Neapolitaner  (1842)  II  8.  Schömann-Lipsius,  Gr.  Alt*  II  194.  3)  Schlicht, 
Bayrisch  Land  u.  bayrisch  Volk  1875.  4)  Memoiren  d.  Herzogs  von  St.  Simon,  Koll.  Spemann 
I  21.  5}  Die  Novelle  von  Schneegans  »Die  Erlebnisse  des  heiligen  Pancrazius  von  Evolo« 
D.  Rundschau  XXXIV  1883  S.  441  ff.)  beruht  nach  emer  brieflichen  Mitteilung  des  Verfassers  auf 
einer  wahren  Begebenheit.  Trede  a.  a.  O.  IV  223  ff.  6)  Treitschke,  Deutsche  Geschichte  I  357. 
7)  Bemhardi,  Reiseerinnerungen  aus  Spanien  S.  476.  8)  Sueton.  Calig.  5.  6,  i.  9)  Seneca  bei 
Augustin.  C.  D.  VI  10. 


igS  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  225] 

dieses  Glaubens  kaum  seltsamer  und  lächerlicher  als  die  bisher  erwähnten. 
Nach  uraltem  gottesdienstlichen  Brauche  wurde  den  kapitolinischen  Göttern 
von  verschiednen  dienenden  Personen  aufgewartet,  Juppiter  hatte  einen  Diener 
zum  Vorstellen  der  Verehrer'),  einen  zum  Ansagen  der  Tagesstunden^),  einen 
zum  Polieren  des  Bildes,  einen  andern  zum  Salben.  Wie  dieser  mit  Bewegungen 
der  Arme  in  der  Luft  seine  Verrichtung  nur  pantomimisch  ausführte,  ebenso 
bewegten  Tempeldienerinnen  der  Juno  und  Minerva  die  Hände,  als  ob  sie  den 
Göttinnen  die  Haare  ordneten,  andre  hielten  ihnen  den  Spiegel  vor.  Dagegen 
diejenigen,  welche  »die  Götter  zu  ihren  Terminen  vor  Gericht  einluden,  ihnen 
ihre  Klagschriften  vorwiesen  und  ihre  Sachen  vortrugen«,  waren  offenbar 
Betende,  die  den  Beistand  der  Gottheit  erflehten.  Seneca  sah  auch  Frauen  auf 
dem  Kapitol  sitzen,  die  (vermutlich  nach  Träumen)  glaubten,  von  Juppiter  ge- 
hebt zu  werden,  und  dort  seinen  Willen  erwarteten.  Alles  dieses  und  ähnliches, 
wie  die  Übertragung  von  Ämtern  an  Götter^),  die  Bekleidung  ihrer  Bilder  mit 
der  Tracht  der  Senatoren  und  hoher  Beamten,  das  Vorausgehen  von  Liktoren 
mit  Rutenbündeln  vor  ihnen '^j  (bei  Prozessionen),  ist  nicht  befremdender,  als 
z.  B.  Verleihungen  der  höchsten  Orden  an  Madonnen  in  Spanien,  das  Einher- 
ziehen des  heiligen  Georg  von  Kappadocien  am  Fronleichnamsfeste  zu  Lissabon 
an  der  Spitze  der  portugiesischen  Armee  unter  Begleitung  von  Pagen  und 
Stallmeistern  mit  Handpferden  ^),  oder  die  Ernennung  der  heiligen  Jungfrau  von 
Guadelupe  zur  Feldmarschallin  des  gegen  die  Spanier  kämpfenden  Insurgenten- 
heeres in  Mexiko  durch  dessen  Führer  Hidalgo,  nebst  der  Anweisung  eines 
Gehalts,  das  sie  volle  vierzehn  Jahre  (bis  1824)  bezogt),  und  der  h.  Jungfrau 
dos  Dolores  durch  Don  Carlos  zu  der  gleichen  Würde  (1834)''].  Wie  jede  Bilder- 
verehrung in  ihrer  niedrigsten  Form  gestaltete  sich  also  auch  die  damalige  zu 
einem  rohen  Götzendienst.  Seltsamer  übrigens  als  jene  nur  angedeuteten  Toilet- 
ten der  kapitolinischen  Gottheiten  war  eine  Zeremonie,  die  bis  1864  alljährlich  in 
der  Kirche  S.  Maria  del  Carmine  auf  dem  Mercato  in  Neapel  vollzogen  wurde. 
Einer  dort  befindlichen  Figur  des  Heilands  wurde  am  zweiten  Weihnachtsfeier- 
tage unter  großem  Zudrange  des  Volks  in  Gegenwart  obrigkeitlicher  Personen 
feierlich  Haar  und  Bart  geschnitten,  was  man /ar  la  barba  di  Gesii  nannte^). 

So  genügte  also  der  Götterglaube  noch  immer  dem  Bedürfnisse  der  antiken 
Menschheit,  indem  er  dessen  unendlich  verschiednen  Richtungen  sowie  den 
unzähligen  Entwicklungsstufen  des  geistigen  Bewußtseins  entsprechend  sich  in 
ebenso  unzähligen  Formen  gestaltete.   So  groß  der  Abstand  von  dem  Glauben 

i)  Einen  Nomenciator;  so  sind  die  Worte  alius  nomina  deo  suhicit  zu  verstehen:  nachher  ist  mit 
G.  Linker  Ufor  statt  lictor  zu  schreiben.  2)  Vgl.  Marquardt,  Privatl.^  256,  4.  3)  Auf  Münzen 
von  Byzanz  finden  sich  neben  den  Namen  lebender  Eponymen  auch  solche  von  Verstorbenen 
(fipuje^)  und  von  Göttern  (Demeter,  Dionysos,  Nike,  Tyche,  Diva  Faustina),  die  durch  vorgesetztes 
eiri  als  Beamte  der  Stadt  bezeichnet  werden  und  das  Amt  zum  zweiten-,  dritten-,  ja  siebentenmal 
bekleiden,  v.  Sallet,  Zeitschr.  f.  Numism.  IX  1881  S.  147  ff.  B.  Pick,  Numism.  Zeitschr.  XXVII 
1896  S.  27  ff.  Eine  Analogie  bietet  die  Inschrift  von  Samothrake :  Regibus  Iov[e  et  lunofie]  iterum 
M\  [Ad/io]  Glabriont  C.  Bellicio]  Torqtiato  cos.  (124  n.  Chr.)  CIL  III  7371  =  Dessau  4056. 
4)  Tertullian.  de  idolol.  18:  cum  praeterea  ipsis  etiam  idolis  induantur  praetextae  et  trabeae  et  lati- 
claviffasces  quoque  et  virgae  praeferantur.  5;  Bemhardi,  Reiseerinnerungen  aus  Spanien  S.  476. 
6)  Sealsfield,  Der  Virey.  Anm.  z.  i,  Teil.  7)  Treitschke,  Deutsche  Geschichte  IV  505.  8)  K.  A. 
Mayer,  Neapel  u.  die  Neapolitaner  I  152.   II  121  f.    Gregorovius,  Römische  Tagebücher  S.  277. 


[IV.    220,  227] 


2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM 


199 


eines  Plutarch  und  Marc  Aurel  zu  dem  jener  Schiffer  und  Bauern  war,  die  bei 
schlechtem  Wetter  dem  Juppiter  fluchten:  diese  wie  jene  glaubten  gleich  fest 
an  dieselben  Götter  und  an  deren  Macht  und  Fürsorge  für  die  Menschheit,  und 
der  Unterschied  zwischen  den  voneinander  am  meisten  abweichenden  Glaubens- 
formen war  kein  größerer  als  zwischen  dem  höchsten  und  niedrigsten  Verständ- 
nis des  Göttlichen  innerhalb  des  Christentums. 


2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM. 

An  der  strengen  und  intoleranten  Ausschließlichkeit  der  monotheistischen 
Religionen  fand  die  Expansivkraft  des  Polytheismus  ihre  Schranke,  mit 
ihnen  war  keine  Vereinbarung  möglich.  Was  den  Bekennern  des  Götterglaubens 
als  das  Höchste  und  Heiligste  galt,  das  verdammte  das  Judentum  wie  das  Christen- 
tum als  greuelvoll,  fluchwürdig  und  seelenmörderisch.  Unheilig,  sagt  Tacitus, 
ist  bei  den  Juden  alles,  was  bei  uns  heilig  ist,  wiederum  erlaubt  bei  jenen,  was 
für  uns  unrein ') ;  er  nennt  sie  ein  dem  Aberglauben  ergebenes,  der  Religion  ab- 
geneigtes Volk"").  Die  Götter,  zu  denen  die  Heiden  beteten,  waren  den  Juden 
wie  den  Christen  tote  Götzen  oder  böse  Dämonen.  Griechen  und  Römer,  die 
die  göttliche  Lebensfülle  als  eine  Göttergesamtheit,  eine  Götterwelt,  auffaßten, 
verstanden  den  Glauben  nicht,  der  die  Gottheit  zu  einer  einsamen,  kaum  zu 
fassenden  Erhabenheit,  in  eine  unnahbare  Ferne  rückt,  durch  einen  unermeß- 
lichen, nicht  auszufüllenden  Zwischenraum  von  der  anbetenden  Menschheit 
trennt.  Der  Himmel  des  Judentums  und  des  Christentums  mutete  sie  an  wie 
»eine  erkältete  Ode«^),  der  Glaube  an  Einen  Gott  war  ihnen  Entgötterung  des 
Alls,  Gottlosigkeit,  Christen  und  Atheisten  waren  den  göttergläubigen  Heiden 
gleich  verhaßte  und  oft  nebeneinander  genannte  Feinde  der  Religion'*). 

Beide  Religionen  kommen  hier  nur  in  ihrem  Gegensatze  zum  Heidentum,  und 
insofern  sie  mit  ihm  in  Wechselwirkung  standen,  in  Betracht.  Eine  Andeutung 
ihrer  Stellung  innerhalb  des  römischen  Weltreichs  und  der  wesentlichen  Mo- 
mente, die  ihre  Verbreitung  beförderten  oder  hemmten,  ist  für  den  Versuch, 
eine  Gesamtanschauung  der  religiösen  Zustände  auch  in  der  früheren  Kaiserzeit 
zu  gewinnen,  unerläßlich,  doch  kann  diese  Betrachtung  nur  die  Spitzen  der  Er- 
scheinung streifen. 

Das  Verhältnis  der  beiden  monotheistischen  Religionen  zum  Götterglauben 
war  ein  sehr  verschiedenes.  Obwohl  die  Verdammung  des  Heidentums  bei 
beiden  eine  gleich  unbedingte  und  uneingeschränkte  war,  stand  doch  nur  das 
Christentum  dem  Heidentum  eigentlich  feindlich  gegenüber.  Das  Judentum, 
»eine  Religion,  wunderbar  geeignet  zur  Abwehr,  aber  niemals  zur  Eroberung 
bestimmt«  5),  schloß  sich  vielmehr  ab,  als  daß  es  suchte,  sich  auf  Kosten  des 

i)  Tac.  H.  V  4.  2)  ebd.  13.  3)  Lehrs,  Populäre  Aufsätze^  S.  l5of.  4)  Lucian.  Alexand. 
25.  38.  Wie  die  Christen  sich  immer  wieder  gegen  die  Bezeichnung  als  äGeoi  verwahren  müssen 
(Athenag.  4.  Justin,  apol.  I  6  u.  a. ;  vgl.  Mommsen,  Rom.  Strafr.  S.  575,  2.  Harnack,  Der  Vorwurf 
des  Atheismus  in  den  drei  ersten  Jahrhunderten,  Texte  u.  Untersuch.  N.  F.  XIII  4,  1905  S.  3  ff.), 
so  heißen  die  Juden  in  den  ägyptischen  Papyri  ständig  dvööiOl,  Wilcken,  Abhandl.  d.  sächs.  Ge- 
sellsch.  d.  VViss.  XXVII  1909  S.  785 f.;  vgl.  auch  Joseph,  c.  Ap.  II  148.  Diod.  XXXIV  i  Bekk. 
5)  Gibbon,  Hist.  11  224  (deutsch  von  Sporschil  S.  355). 


Gegensatz  des 
Monotheismus 
zum  Polytheis- 
mus. 


Verschiedenes 

Verhältnis  des 

Judentumsund 

Christentums 

zumPoly- 

theismus. 


200  Xlil.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  228] 

Heidentums  auszubreiten^).  Die  überall  zerstreuten,  innig  unter  sich  zusammen- 
hängenden jüdischen  Gemeinden  übten  allerdings  auf  das  Heidentum  eine  ge- 
wisse Anziehung,  taten  ihm  aber  niemals  in  einer  Weise  Abbruch,  daß  seine 
Existenz  hätte  gefährdet  erscheinen  können,  und  trotz  gelegentlicher  Reibungen 
und  Konflikte  war  die  Stellung  des  Judentums  zum  Heidentum  im  großen  und 
ganzen  eine  friedliche.  Das  Christentum  dagegen  trat  von  Anfang  an  mit  dem 
vollen  Bewußtsein  seiner  welterobernden  Mission  in  die  Geschichte  ein  und 
kündigte  dem  Heidentume  den  Kampf  auf  Leben  und  Tod  an.  Schon  in  seinen 
unscheinbaren  ersten  Anfängen,  als  seine  Bedeutung  nur  dunkel  geahnt  werden 
konnte,  wurde  sein  Gegensatz  zur  Welt,  der  als  sein  eigentliches  Wesen  erschien, 
als  ^Haß  des  Menschengeschlechts«  empfunden'^)  und  mit  unversöhnlichem 
Hasse  erwidert^).  Diese  Feindseligkeit  steigerte  sich,  je  länger  der  Kampf  dauerte, 
je  mehr  der  noch  im  Besitz  der  Herrschaft  und  weltlichen  Macht  befindliche 
Glaube  den  Boden  unter  sich  schwinden  fühlte.  Mindestens  schon  zu  Anfang 
des  3.  oder  zu  Ende  des  2.  Jahrhunderts,  als  das  Christentum  wie  eine  stetig 
wachsende  Flut  nach  Überschwemmung  der  tieferen  Schichten  der  Bevölkerungen 
mehr  und  mehr  in  höhere  Lebenskreise  eindrang,  verbreitete  sich  unter  den  An- 
hängern des  alten  Glaubens  die  Neigung,  alles  öffentliche  und  allgemeine  Un- 
glück vom  Zorne  der  Götter  über  den  zunehmenden  Verfall  ihres  Dienstes  ab- 
zuleiten und  das  Christentum  und  seine  Bekenner  als  die  Verschulder  dieses 
Zorns  verantwortlich  zu  machen.  Je  länger  desto  mehr  gewann  die  Ansicht 
Boden,  daß  mit  dem  Eintritt  des  Christentums  in  die  Welt  eine  ununterbrochene 
Reihe  schwerster  Heimsuchungen  und  Unglücksfälle  über  das  Menschen- 
geschlecht gekommen  sei"*).  Bald  sollte  die  Zeit  kommen,  wo  als  Ursache  des 
göttlichen  Zorns  der  Irrglaube  der  Juden  und  Heiden  betrachtet  und  ihnen  nun 
dieselben  Übel  und  Unglücksfalle  zur  Last  gelegt  wurden,  als  deren  Urheber 
früher  die  Christen  gegolten  hatten"). 
Zerstreuung  Die  erste  Verbreitung  des  Christentums  ist  durch  die  Zerstreuung  der  Juden 
^^der*d°en  ^"  ^^^  ganzen  alten  Welt^)  aufs  wirksamste  gefördert  worden.  Diese  Zerstreu- 
Welt.  ung  hatte  früh  begonnen  und  schon  in  der  vorchristlichen  Zeit  einen  hohen  Grad 
erreicht.  In  einem  gegen  Ende  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  verfaßten  Sibyllen- 
orakel heißt  es,  daß  jegliches  Land  und  jegliches  Meer  vom  jüdischen  Volke 

l)  Das  Beste  über  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Hellenismus  und  Judentum  bei  Wendland, 
Die  hellenistisch-röm.  Kultur^  S.  192  ff.  2)  Tac.  A.  XV  44;  vgl.  t6  pLiaoc,  TÖ  iipbq  TOÜq  dvöpu)- 
Trou(;  von  den  Juden,  Diodor.  XXXIV  i  Bekk.  3)  Über  den  Namen  Ckrestiani  (über  Chrestus  und 
Christus  vgl.  Blass,  Hermes  XXX  1895  S.  466  ff.)  als  Schimpfnamen  vgl.  A.  Gercke,  Festschr.  d. 
Schles.  Gesellsch.  f.  Volkskunde  z.  Jahrhundertfeier  d.  Univ.  Breslau  (1911)  S.  36off.,  über  die  Be- 
zeichnung als  terthon  geniis  P.  Corssen,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXXV  1915  S.  158  ff.  4)  Zuerst 
Tertull.  apol.  40,  vgl.  ad  nat.  I  9.  Cypr.  ad  Demetr.  2  f.  Orig.  c.  Cels.  III  15.  Amob.  I  i.  Augu- 
stin. c.  d.  III  31.  Geffcken,  Zwei  griech.  Apologeten  S.  63.  5)  Nov.  Theodos.  Tit.  III  §  8  (De- 
kret von  438).  6)  Über  die  Verbreitung  der  Juden  über  die  alte  Welt  s.  Schürer,  Gesch.  d.  jüd. 
Volkes  III*  2 — 70.  Dazu  die  Übersicht  über  das  Inschriftenmaterial  bei  J.  Oehler,  Monatsschr.  f. 
Gesch.  u.  Wissensch.  d.  Judent.  LIII  1909  S.  292  ff.  443  ff.  525  ff.  (eine  Auswahl  jüdischer  Inschrif- 
ten bei  Diehl,  Latein,  altchristl.  Inschriften'  nr.  352ff.).  Viel  vollständiger,  aber  wenig  übersicht- 
lich J.  Juster,  Les  juifs  dans  l'empire  Romain  (1914)  I  180  ff.  Vgl.  auch  Mommsen  RG.  V  489  ff. 
Th.  Reinach  bei  Daremberg-Saglio,  Dictionn.  d.  antiqu.  III  6i9ff.  Hamack,  Mission  u.  Ausbreit, 
d.  Christent.3  I  3ff. 


[IV.  2  29]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM 


20I 


erfüllt  sei'].  Strabo  sagt,  daß  »bereits  in  Sullas  Zeit  in  jede  Stadt  eine  Juden- 
schaft eingedrungen  war,  und  daß  man  nicht  leicht  einen  Ort  der  Welt  auffinden 
könne,  der  diesen  Stamm  nicht  aufgenommen  habe  und  von  ihm  behauptet 
werde«");  Josephus,  daß  kein  Volk  auf  der  Erde  sei,  unter  dem  nicht  ein  Teil 
von  ihnen  lebe^j.  Die  Apostelgeschichte  nennt  als  Juden  und  Judengenossen 
aus  *  allerlei  Volk,  das  unter  dem  Himmel  ist«,  die  in  Jerusalem  die  Apostel  in 
Zungen  reden  hörten:  Parther,  Meder,  Elamiter,  Bewohner  von  Mesopotamien, 
Kappadocien,  Pontus,  Asia,  Phrygien,  Pamphylien,  Ägypten,  Cyrene,  Rom, 
Kreta  und  Arabien^).  Der  König  Herodes  Agrippa  zählt  in  einem  Schreiben  an 
Caligula  die  Länder  auf,  wo  sich  jüdische  Kolonien  befanden:  Ägypten,  Phö- 
nizien,  Syrien,  Cölesyrien,  Pamphylien,  Cilicien,  den  größten  Teil  von  Asia  bis 
Bithynien  und  die  Küsten  der  innersten  Buchten  des  Schwarzen  Meeres;  in  Eu- 
ropa Thessalien,  Böotien,  Mazedonien,  Atollen,  Attika,  Argos,  Korinth,  die 
meisten  und  besten  Landschaften  des  Peloponnes,  von  Inseln  Euböa,  Cypern, 
Kreta;  endlich  die  Länder  jenseits  des  Euphrat^). 

Daftir,  daß  die  jüdische  Emigration  vorzugsweise  oder  auch  nur  zum  großen  Die  jüdische  Emi- 
Teil  eine  handeltreibende  war,  fehlen  nicht  bloß  ausdrückliche  Zeugnisse,  son-  gration  keine  vor- 
dem auch  Anhaltspunkte  irgend  welcher  Art'),  und  manches  spricht  dagegen.  Snde^^^'^''^" 
Daß  die  Städte,  in  denen  Juden  sich  nachweisen  lassen,  großenteils  Handelsplätze 
waren^),  beweist  es  keineswegs,  da  diese  zu  jedem  Erwerb,  namentlich  zu  in- 
dustriellem, die  reichste  und  mannigfaltigste  Gelegenheit  boten.  Auch  zeigt 
sich  eine  einseitige  Vorliebe  für  den  Handel,  der  von  dem  Umsatz  fremder  Ar- 
beit lebt,  bei  den  Juden  im  Altertume  nirgends;  und  in  den  63  Schriften,  aus 
denen  der  Talmud  besteht  (der  voll  ehrenvoller  Anerkennung  der  Handarbeit 
und  des  Handwerks  ist),  findet  man  kaum  ein  Wort  zu  Ehren  des  Handels,  wohl 
aber  manches,  welches  auf  die  Gefahren  der  Geldmacherei  und  des  vagierenden 
Lebens  hinweist^).  »Ein  arbeitsames  Volk  waren  die  Juden  immer.  Solange 
sie  einen  eignen  Staat  bildeten,  waren  Feldbau,  Gartenbau  und  Handwerk  ihre 
vorherrschende  Beschäftigung.  Auch  in  den  ersten  Jahrhunderten  n.  Chr.  und 
nach  der  Zerstreuung  des  Volkes  blieb  dieses  seinen  alten  Sitten  getreu :  Josephus 
rühmt  noch  im  Anfange  des  2.  Jahrhunderts  den  Fleiß  seiner  Volksgenossen  in 
Handwerk  und  Feldbau.  In  der  römischen  Literatur  und  den  Gesetzen  der  Kaiser 
findet  sich  keine  Spur,  daß  die  Juden  dem  Schacher  und  Kleinhandel  sich  er- 
geben hätten,  oder  überhaupt  ein  Kaufmannsvolk  geworden  wären.«  Dagegen 
spricht  auch  die  Armseligkeit  der  Juden  in  Rom  und  die  großen  Aufstände  in 
Ägypten,  Cyrene  und  auf  den  griechischen  Inseln:  eine  Handel  oder  Trödel 
treibende  Bevölkerung  pflegt  nicht  zu  den  Waffen  zu  greifen ^j.    Inwiefern  die 

i)  Orac.  Sibyll.  III  271  (nach  Gutschmid  124  v.  Chr.  verfaßt).  Vgl.  I  Maccab.  15,  16—24  (über 
die  Abfassungszeit  Niese,  Hermes  XXXV  1900  S.  276).  2)  Strabo  bei  Joseph.  A.  J.  XIV  115. 
3)  Joseph  B.  J.  II  398.  Vgl.  auch  Philo  de  exsecrat.  165.  4)  Acta  apostol.  2,  9— 11.  5)  Philo 
Leg.  ad  Gai.  281  f.  6)  Das  Vorkommen  einzelner  jüdischer  Kaufleute  in  Inschriften  (Oehler  a.  a.  O. 
S.  536)  bewreist  natürlich  nichts;  den  Unterschied  der  östlichen  und  der  westlichen  Juden  hebt  Pär- 
van,  Die  Nationalität  der  Kauf  leute  im  röm.  Kaiserreiche  (1909)  S.  121  richtig  hervor.  Reiches 
Material  bei  Juster  a.  a.  O.  II  291  ff.,  aber  in  etwas  einseitiger  Beleuchtung.  Vgl.  oben  I  375  f. 
7)  Herzfeld,  Handelsgeschichte  der  Juden  des  Altertums  (1879)  S.  204f.  Babylonischer  Handel  der 
Juden  ebd.  S.  2i8f.  8)  Delitzsch,  Handwerkerleben  zur  Zeit  Jesu 3  (1879)  S.  24 ff.  Sklavenhandel 
der  Juden:  Herzfeld  S.  128,     9)  Das  obige  meist  wörtlich  nach  Döllinger,  Akad.  Vorträge  I  224 f. 


202  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  23c] 

von  christlichen  Schriftstellern  des  4.  und  5.  Jahrhunderts  den  Juden  im  allge- 
meinen gemachten  (gewiß  mit  Vorsicht  aufzunehmenden)  Vorwürfe  der  Hab- 
sucht, des  Betrugs,  der  Bosheit  und  Treulosigkeit^)  schließen  lassen,  daß  diese 
damals  mehr  als  früher  Handel  trieben,  muß  dahingestellt  bleiben. 
Ihre  Ansiedlun-  Außerhalb  des  römischen  Reichs  war  es  namentlich  das  parthische,  das  eine 
fichen  I  änckm  ^^^^^^  jüdische  Bevölkerung  hatte ').  In  den  do  tigen  Griechenstädten  (von  denen 
und  Afrika  —  Seleucia  am  Tigris,  mit  angeblich  500  000  Einwohnern,  der  größte  Handelsplatz 
außerhalb  der  römischen  Grenzen  war)  fehlte  es  nicht  an  Konflikten  zwischen 
den  drei  Nationen,  aus  denen  die  Bevölkerung  bestand  (Griechen,  Syrern  und 
Juden) :  unter  Caligula  z.  B.  wurden  unter  den  Augen  der  parthischen  Regierung 
die  Juden  aus  den  größeren  Städten  ausgetrieben^).  Sie  zählten  in  Mesopotamien, 
Medien  und  Babylonien  nach  Millionen,  Nisibis  und  Nehardea  am  Euphrat  waren 
dort  ihre  Hauptsitze,  und  nach  Unterdrückung  der  letzten  nationalen  Bestre- 
bungen in  Palästina  wurde  Babylonien  das  Zentrum  eines  neuen  jüdischen 
Lebens,  das  sich  über  alle  Teile  des  persischen  Reiches  verbreitete'*).  Auch  in 
Palmyra  wohnten  Juden,  wahrscheinlich  zahlreich 5);  die  dortige,  im  3.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  nachweisbare  Gemeinde  scheint  im  Mittelalter  fortbestanden  zu 
haben,  im  12.  Jahrhundert  bezeugt  Benjamin  von  Tudela  ihr  Dasein;  Pfeiler  und 
Oberschwelle  einer  Synagoge  mit  der  Inschrift  des  Gebets  »Höre  Israel«  sind 
dort  gefunden  worden^].  Zenobia  und  ihr  Sohn  Vaballath  Athenodorus  waren 
ihnen  zum  mindesten  nicht  abgeneigt,  wie  ihre  Bestätigung  des  (von  Ptolemäus 
Euergetes,  wohl  dem  ersten  [247  —221]  erteilten)  Asylrechts  einer  Synagoge  in 
Unterägypten  beweist^).  In  Arabien  bieten  jüdische,  byzantinische  und  arabische 
Nachrichten  viele  Spuren  eines  weitverzweigten  jüdischen  Lebens^).  Die  früher 
unabhängigen  Juden,  welche  die  Insel  Jotaba  im  arabischen  Meerbusen  be- 
wohnten, unterwarf  Justinian^).  Der  letzte  König  der  jüdischen  Homeriten  (Him- 
jariten)  im  südwestlichen  Arabien,  Dhu  Nuwäs  (Dunaas),  war  ein  eifriger  Christen- 
verfolger, bis  er  525  im  Kampfe  gegen  Elesbaas,  den  König  der  christlichen 
Abessinier  (Auxumiten),  Reich  und  Leben  verlor '°).  In  Abessinien  scheinen  die 
Niederlassungen  der  Juden  sehr  alt  zu  sein.  Als  ums  Jahr  330  Frumentius  das 
Christentum  dorthin  brachte,  sollen  sie  die  Hälfte  der  Bevölkerung  ausgemacht 
haben"). 

Innerhalb  des  römischen  Reichs  mag  die  jüdische  Bevölkerung  außer  Palästina 
in  Kleinasien,  Phönizien  und  Syrien  am  dichtesten  gewesen  sein'^).  Namentlich 
in  der  Einwohnerschaft  von  Antiochia  bildete  die  schon  von  Seleucus  Nikator 

l)  WülfFlin,  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  VII  1892  S.  139.  2)  Cass.  Dio  LXVI  4,  3.  3)  Mommsen 
RG.  V  346.  4)  Schürer  a.  a.  O.  III'*  S.  6ff.  S.  Funk,  Die  Juden  in  Babylonien  200 — 500  (1902). 
Herzfeld  S.  336  f.  Verbrennung  einer  jüdischen  Synagoge  in  Callinicum  (IMesopotamien)  durch  die 
Christen:  Ambros.  ep.  40,  6  (Migne  lat.  XVI  1103).  5)  Ein  jüdischer  dpxe|LiTtopo<;  257  n.  Chr., 
CIG  4486.  Vgl.  Lebas-Waddington  2619.  Juster  a.  a.  O.  I  195,  9.  6)  Landauer,  Sitz. Ben  d.  Ber- 
liner Akademie  1884  S.  933  f.  7)  Wilcken,  Chrestom.  nr.  54  (CIL  III  6583.  Dittenberger,  Or. 
gr.  nr.  129);  vgl.  Mommsen,  Zeitschr.  f.  Numism.  V  1878  S.  229  fr.  Derenbourg,  Joum.  Asiat. 
6e  s6t.  XIII  (1869)  S.  373fF.  8)  Schürer  a.  a.  O.  S.  II.  9)  Procop.  B.  Pers.  I  19,  4.  10)  Dill- 
mann, Abhandl.  Akad.  Berlin  1880  S.  27  ff.,  vgl.  V^^.  Fell,  Zeitschr.  d.  d.  Morgenl.  Gesellsch.  XXXV 
1881  S.  iff.  II)  M.  Flad,  Kurze  Schilderung  der  abessinischen  Juden  (Falascha)  1869.    Vgl. 

Hamack,  Mission  u.  Ausbreit,  d.  Christent.3  II  156,  5.  12)  Philo  in  Flacc.  245  koO'  eK(iaTiiv 

tt6\iv  Tra|UTr\rieeT<;  '^aiac,  xe  koi  Zup{a^.    Schürer  S.  loff.   Juster  a.  a.  O.  I  188 ff. 


[IV.  231,  232]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  203 

hier  angesiedelte  jüdische  Kolonie  ein  sehr  bedeutendes  Kontingent^),  und  die 
dortige  Hauptsynagoge  beschreibt  Josephus  als  besonders  prachtvolP).  Wie  in 
Alexandria  war  ihnen  ein  gewissermaßen  selbständiges  Gemeinwesen  und  eine 
privilegierte  Stellung  eingeräumt,  und  daß  beide  Städte  Zentren  der  jüdischen 
Diaspora  waren,  ist  nicht  das  schwächste  Element  in  ihrer  Entwicklung  ge- 
wesen^). Noch  zu  Ende  des  4.  Jahrhunderts  war,  wie  die  Predigten  des  Johannes 
Chrysostomus  wider  die  Juden  bezeugen,  ihre  dortige  Gemeinde  durch  ihre  An- 
ziehungskraft der  christlichen  Kirche  gefährlich.  Auch  hier  waren  sie  als  Ärzte 
gesucht"*).  In  Damascus  sollen  im  jüdischen  Kriege  10500  oder  18000  Juden 
niedergemetzelt  worden  sein^). 

Nach  Kleinasien,  das  von  alters  her  ein  Hauptsitz  der  jüdischen  Diaspora  ge- 
wesen war^j,  hatte  schon  König  Antiochus  der  Große  aus  Mesopotamien  2000 
jüdische  Familien  verpflanzt,  um  in  Lycien  und  Phrygien  eine  zuverlässige  und 
tapfere  Bevölkerung  zu  haben'').  Eine  oder  zwei  von  den  Synagogen  auswär- 
tiger Gemeinden  in  Jerusalem  gehörten  den  Juden  aus  Asia  und  Cilicien^).  In 
lonien  hatte  Ephesus  früh  eine  zahlreiche  Judengemeinde,  die  schon  um  die 
Mitte  des  i.  Jahrhunderts  v.  Chr.  mannigfache  Privilegien  zu  erwirken  ver- 
mochte^). In  Smyrna'°)  und  (wahrscheinlich)  in  Phocäa  sind  Synagogengemein- 
den durch  Inschriften  bezeugt;  die  letztere  ehrte  die  Erbauerin  des  Betsaals  und 
der  Umfassungsmauer  des  Hofs  der  Synagoge  durch  einen  goldenen  Kranz  und 
einen  Ehrensitz").  In  Kappadocien  ist  Meschag,  in  Cilicien  Tarsus,  in  Groß- 
Phrygien  Apamea  (Kißujxo?)  als  Sitz  jüdischer  Gemeinden  bekannt;  den  Einflufl 
der  letzteren  zeigen  Münzen  von  Apamea  aus  der  Zeit  des  Septimius  Severus, 
Macrinus  und  Philipp,  auf  welchen  Noah  in  der  Arche  nebst  dem  Raben  und 
der  Taube  mit  dem  Ölzweig  geprägt  ist'^).  Von  der  aus  Apamea  in  Bithynien 
nach  Jerusalem  zu  sendenden  Tempelsteuer  belegte  der  Prätor  Cn.  Flaccus 
62  V.  Chr.  gemäß  seinem  Verbote  der  Goldausfuhr  fast  100  Pfund  Gold  öffentlich 
mit  Beschlag,  doch  war  dies  schwerlich  die  ganze  Summe;  kleinere  Summen 
derselben  Steuer  wurden  in  Laodicea,  Adramyttium,  Pergamum  konfisziert'^). 
Zu  Antiochia  in  Pisidien  wie  zu  Iconium  in  Lykaonien  predigte  Paulus  in  den 
Schulen  der  Juden'*).  Auch  in  Armenien  waren  sie  zahlreich'^).  Im  2.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  sollen  sie  (aus  Persien)  in  China  eingewandert  sein;  moham- 
medanische Berichte  erwähnen  dortige  Juden  im  9.  Jahrhundert,  Marco  Polo 
1286'^);  dieNachkommen  dieser  Einwanderer  lebten  dort  nach  dem  Bericht  eines 
Jesuiten  im  18.  Jahrhundert  »treu  ihrer  Religion,  ihrem  Charakter,  ihren  Ge- 
bräuchen <-,  und  sind  noch  heute  nicht  ausgestorben'^). 

i)  Renan,  Les  apotres  S.  223.  2)  Joseph.  B.  J.  VII  44f.  3)  Mommsen  RG.  V470.  4)  üsener. 
Weihnachtsfest'  S.  235 ff.  5)  Jos.  B.  J.  II  561.  VII  368.  6)  Schürer  S.  I2ff.  Chapot,  La  pro- 
vince  Romaine  proconsul.  d'Asie  (1904)  S.  182  ff.  7)  Joseph.  A.  J.  XII  149.  Judengemeinde  in 
Tics  in  Lycien,  E.  Hula,  Eranos  Vindobonensis  (1893)  S.  ggff.  8)  Act.  apost.  6,  9.  9)  Bemays, 
Die  heraklitischen  Briefe  S.  28.  Act.  apost.  19,  8—20.  10)  'Pouqpeiva  loubai'a  dpxi(TUvdYUJTO<;) 
smymaeiscbe  Inschrift,  veröffentlicht  von  S.  Reinach,  Revue  des  etudes  juives  VII  1883  S.  161  ff. 
CIG  9897.  II)  S.  Reinach,  Bull.  corr.  hell.  X  1886  S.  327  ff.  (zuTtpoeöpia  vgl.  Ev.  Matth.  23,  6. 
Jacob.  2,  3  f.).  12)  Eckhel,  Doctr.  num.  III  I32ff.  Ramsay,  Cities  and  bishoprics  of  Phrygia  II 
669  ff.  Über  die  Judengemeinde  in  Hierapolis  (Coloss.  4,  13)  Cichorius,  Altertümer  von  Hierapolis 
(1898)  S.  46.  13)  Cic.  pro  Flacco  68  f.  14)  Act.  apost.  13,  14.  14,  i.  15)  Juster  a.  a.  O.  I  299,  2. 
16)  Marco  Polo,  Reisen,  deutsch  von  Bürck  S.  263  (B.  II  c.  5  Yule,mit  der  Anm.  S.  337, 3).     1 7)  Tscheng- 


204  XlII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  233] 

Von  den  griechischen  Inseln  werden  Kreta  und  Melos,  wo  Katakomben  einer 
christlichen  Gemeinde  aus  dem  3.  Jahrhundert  gefunden  worden  sind"),  als 
Wohnsitze  wohlhabender  jüdischer  Bevölkerungen  genannt,  die  unter  August 
einen  Prätendenten,  der  sich  für  den  von  Herodes  ermordeten  Alexander  ausgab, 
aufs  reichste  unterstützten*);  die  zweite  Frau  des  Josephus  war  eine  Jüdin  aus 
Kreta,  »von  sehr  edeln  und  im  Lande  sehr  angesehenen  Eltern^).  Cäsar  ge- 
stattete die  religiösen  Vereinigungen  der  Juden  auf  Delos  und  anderwärts'*) ; 
auch  auf  Kos  lebten  Juden  ^).  Euböa  und  Cypern  sind  in  dem  Briefe  des  Herodes 
Agrippa'')  genannt;  auf  der  letzteren  Insel  (wo  namentlich  die  Gemeinde  von 
Salamis  aus  der  Apostelgeschichte  bekannt  ist)  waren  die  Juden  zahlreich  bis.zum 
Jahre  116;  seit  den  in  dem  damaligen  Aufstande  verübten  Greueln  durften  sie  die 
Insel  nicht  mehr  betreten^).  In  Griechenland  und  Mazedonien  sind  die  Gemein- 
den von  Athen,  Korinth,  Thessalonice,  Beröa  und  Philippi  aus  der  Apostel- 
geschichte bekannt^).  Zwei  Erlasse  von  Arcadius  (397)  und  Theodosius  IL  (412) 
an  den  Präfekten  von  Illyricum  (Mazedonien  und  Dacien)  verbieten  Beunruhigun- 
gen der  dortigen  Juden  und  ihrer  Synagogen^).  Vor  dem  eben  genannten 
Theodosius,  der  sie  aus  Konstantinopel  verbannte,  hatten  sie  ihre  Synagoge 
dort  auf  dem  von  ihren  Offizinen  benannten  Platze  der  Chalkopratien  gehabt^"). 
Auch  an  den  nördlichen  Küsten  des  Schwarzen  Meeres  ist  ihre  Verbreitung  früh 
erfolgt.  Zu  Panticapäum  bestand,  eine  jüdische  Gemeinde  ums  Jahr  81  n.  Chr. : 
in  dortigen  griechisch  abgefaßten  Freilassungsurkunden  erfolgt  die  Freigabe 
der  Sklaven  in  der  Form  des  Scheinverkaufs  an  den  jüdischen  Gott"). 

Die  jüdische  Bevölkerung  Ägyptens  betrug  im  Anfange  des  i.  Jahrhunderts 
eine  Million,  mehr  als  ein  Achtel  der  gesamten  Einwohnerschaft").  Die  Anfänge 
ihrer  dortigen  Niederlassungen  reichen  bis  in  das  7.  Jahrhundert  v.  Chr.  Aus 
Papyrusurkunden  wissen  wir  jetzt,  daß  in  Elephantine  schon  vor  der  Eroberung 
durch  Kambyses  (525  v.  Chr.)  eine  jüdische  Gemeinde  bestanden  hat,  deren 
Heiligtum  410  v.  Chr.  auf  Betrieb  der  ägyptischen  Priester  zerstört  wurde,  wahr- 
scheinlich aber  bald  darauf  wiederhergestellt  worden  ist.  Wahrscheinlich  waren 
die  dortigen  Juden,  die  zum  Teil  auch  in  der  gegenüber  am  Nilufer  liegenden 
Festung  Syene  in  Garnison  lagen,  militärische  Ansiedler'^).  In  Alexandria  hatte 
schon  Alexander  der  Große  Juden  angesiedelt'^),  wenn  auch  die  spätere  Behaup- 

Ki-Tong,  China  u.  die  Chinesen  (deutsch)  S.  290 — 292.    Auch  Richthofen,  China  I  513,  i  hält 
die  Einwanderung  der  Juden  unter  der  Han-Dynastie  aus  Persien  für  sicher. 

l)  Ch.  Bayet,  Bull.  corr.  hell.  II  1878  S.  347 ff.  2)  Joseph.  A.  J,  XVII  327;  B.  J.  II  103. 
3)  Jos.  Vita  427.  4)  Jos.  A.  J.  XIV  213  ff.  Jüdische  Synagoge  auf  Delos,  A.  Plassart,  Melanges 
HoUeaux  (i 9 13)  S.  201  ff.  Jüdische  Rachegebete  auf  griechischen  Inschriften  von  Rheneia,  A.  Wil- 
helm, Österr.  Jahresh.  IV  1901  Beibl.  S.  gff.,  vgl.  J.  Bergmann,  Philologus  N.  F.  XXIV  191 1 
S.  503ff.  Deißmann,  Licht  vom  Osten^  S.  315  ff.  5)  Joseph.  A.  J.  XIV  113.  233.  Juster  I  189,  3. 
6)  bei  Philo  leg.  ad  Gai.  282  (oben  S.  201}.  7)  Cass.  Dio  LXVIII  32,  3.  8)  Jüdische  Inschriften  zn 
Ägina  IG  IV  190,  Paträ  CIG  9896,  Athen  IG  IH  3545—3547,  Weiteres  bei  Oehler  a.  a.  O.  S.  443 f. 
Juster  I  i87f.  Jüdische  Inschriften  unter  den  itpoöKUvriiiaTa  des  Felsens  von  Grammata  auf  Syros 
(oben  I  441  A.  2)  IG  XII  5  nr.  172,  80.  99.  9)  Cod.  Theodos.  XVI  8,  12.  21.  10)  Codin,  de  aedif. 
p.  83  Bekk.  Griechische  Inschrift  aus  der  Gegend  von  Konstantinopel,  Th.  Reinach,  Revue  d.  6tud. 
juiv.  XXVI  1893  S.  167  ff.  Vgl.  K.  Braun-Wiesbaden,  Eine  türkische  Reise  (1876)  II  275  ff.  11)  La- 
tyschew,  Inscr.  orae  sept.  Ponti  Euxini  II  52  f.  (Freilassungsurkunden),  vgl.  304 — 306.  IV  404 f. 
Schürer  S.  23  f.  12)  Philo  in  Flacc.  43;  vgl.  oben  S.  10.  13)  Ed.  Meyer,  Der  Papyrusfund  von 
Elephantine  (1912)  S.  32  ff.   75ff.       14I  Joseph.  A.  J.  XIX  281 ;  c.  Apion.  11  42  f. 


[IV.  234]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  205 

tung  der  Juden,  daß  er  ihnen  auch  das  volle  Bürgerrecht  verliehen  habe,  durch 
die  Urkunden  widerlegt  wird').  Nach  Alexanders  Tode  wanderten  sie  dorthin 
sehr  zahlreich  aus.  Von  den  meisten  Ptolemäern  wurden  sie  begünstigt').  In 
Philos  Zeit  bewohnten  sie  von  den  fünf  Quartieren  Alexandrias  zwei  (im  Nord- 
osten der  Stadt)  hauptsächlich,  in  der  Zeit  des  Josephus  besonders  das  so- 
genannte Delta,  d.  h.  den  vierten  Stadtbezirk^),  saßen  aber  auch  in  den  übrigen 
zerstreut,  in  allen  Stadtteilen  sah  man  ihre  von  Bäumen  umgebenen  Synagogen*), 
sie  hatten  auch  ihre  eigne  Synagoge  zu  Jerusalem.  Die  unter  Trajan  zerstörte 
Hauptsynagoge  in  Alexandria,  in  Form  einer  Basilika  mit  doppeltem  Peristyl, 
hatte  einen  so  großen  Umfang,  daß  ein  Tempeldiener  ein  Banner  entfalten 
mußte,  wenn  die  Gläubigen  auf  den  Segensspruch  des  Vorbeters  mit  Amen  ein- 
fallen sollten^).  Die  alexandrinischen  Juden  trieben  Handel  und  Schiffahrt^), 
aber  auch  Handwerke^).  An  der  mit  der  Bewachung  der  Nilschiffahrt  (Potamo- 
phylacia)^)  verbundenen  Verwaltung  des  Netzes  der  Nilzölle  waren  sie  stark 
beteiligt^).  Unter  den  in  der  Gegend  von  Theben  gefundenen  Steuerquittungen 
auf  Tontafeln  finden  sich  zahlreiche  Namen  jüdischer  Steuerpächter  ^°).  Unter 
Ptolemäus  Philometor  (um  170  v.  Chr.]  gründete  der  jüdische  Hohepriester 
Onias  zu  Leontopolis  (im  heliopolitischen  Gau)  eine  jüdische  Kolonie  mit  eignem 
Tempel,  in  welchem  seitdem  bis  zur  Zeit  Vespasians  geopfert  wurde.  Die  hier 
wohnenden  Juden  müssen  eine  ansehnliche  Macht  dargestellt  haben"). 

Auch  auf  dem  Gebiet  von  Cyrene,  wo  schon  Ptolemäus  Lagi  Juden  angesie- 
delt hatte,  war  eine  starke  jüdische  Bevölkerung'^),  der  ebenfalls  eine  von  den 
fünf  erwähnten  Synagogen  zu  Jerusalem  gehörte.  Einen  Aufruhr  derselben 
hatte  schon  LucuUus  zu  bekämpfen '^j.  An  dem  Aufstandsversuche  eines  Jonathas 
im  Jahre  70  n.  Chr.  nahmen  dort  ihrer  2000  teil"').  Die  Gemeinde  von  Berenice 
hatte  (nach  einem  noch  erhaltenen  Ehrendekret  für  einen  M.  Titius)  wie  es 
scheint  im  Jahre  13  v.  Chr.  neun  Vorsteher  (Archonten)'^).  Bei  dem  furchtbaren 
und  weitverzweigten  Aufstande  der  Juden,  der  im  Jahre  1 16  in  Cyrene,  Ägypten 
und  gleichzeitig  auch  in  Cypern  und  Mesopotamien  ausbrach,  sollen  dort  220000, 
in  den  beiden  letzten  Ländern  240000  Menschen  von  ihnen  umgebracht  worden 
sein'^).  Die  an  der  großen  Syrte  gelegene  Küstenstadt  Boreum  war  größtenteils 

l)  Wilcken,  Grundzüge  d.  Papyruskunde  I  24.  63;  Abhandl.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wiss.  XXVII 
(1909)  S.  787  f.;  gegen  ihn  Juster  a.  a.  O.  II  6fF.  2)  Schürer  S.  40 ff.    Weihung  einer  Synagoge 

in  Schedia  utrep  ßaffiXeuut;  TTxoXeiuaiou  'Euergetes  I.,  247 — 221)  koi  ^aai\iaar]<;  Bepev(Krj(;  usw. 
Dittenberger,  Or.  gr.  726.  TTpoöeux^  ö.av\0(;  in  Unteiägypten  unter  demselben  Könige,  oben 
S.  202.  3)  Philo  in  Flacc.  55.  Joseph.  B.  J.  11  495  ;  vgl.  488  (über  die  Bezeichnung  der  vier  alexan- 
drinischen Stadtquartiere  mit  Buchstaben  s.  Lumbroso,  Ann.  d.  Inst.  1876  S.  14  f.;  L'Egitto  dei  Greci 
e  Romani*  S.  169).  Mommsen  RG.  V  524,  i.  4)  Philo  Leg.  ad  Gai.  132.  5)  Graetz,  Gesch.  d. 
Jud.  IV  142  f.  Lumbroso,  Recherches  sur  l'econ.  polit.  de  l'Egypte  S.  62.  6)  Philo  Leg.  ad  Gai. 
129;  ep-faaxJipia  in  Alexandria,  in  Flacc.  56.  Herzfeld,  Handelsgesch.  d.  Juden  S.  236.  7)  De- 
litzsch, Handwerkerleben  z.  Z.Jesu^  S.  37  ff.  8)  S.  oben  I  151  A.  I.  9)  Lumbroso,  L'Egitto' S.  30. 
Joseph,  c.  Apion.  II  di^  fluminis  custodiam  totiusque  frovinciae  (überl.  custodiae],  dazu  Wilcken,  Gr. 
Ostraka  I  283 f.  Ein  MaXxaiO(;  unter  Trajan  Hafenzöllner  (öp|u6q)uXaE)  in  Syene,  Wilcken  I  273. 
Juden  als  Alabarchen  (Oberzollaufseher  auf  der  arabischen  Seite  des  Nils)  Schürer  a.  a.  O.  S.  132,  42. 
Juster  a.  a.  O.  II  256f.  10)  Wilcken  a.  a.  O.  I  523 f.;  Abhandl.  a.  a.  O.  S.  788 f.  11)  Schürer 
S.  144 ff.  H.  Willrich,  Juden  u.  Griechen  vor  der  makkab.  Erhebung  (1895)  S.  126  ff.  12)  Joseph. 
A.  J.  XVI  160.  Thrige,  Res  Cyrenensium  (1828)  S.  2i9ff.  13)  Strabo  bei  Joseph.  A.  J.  XIV  Ii4f. 
14)  Joseph.  Vita  424.        15)  IGR  I  1024;  dazu  Schürer  a.  a.  O.  S.  79  f.        16)  Cass.  Dio  LXVIII 


2o6  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  235,  236] 

von  Juden  bewohnt  und  hatte  einen  besonders  heilig  gehaltenen,  angeblich  von 
König  Salomo  erbauten  Tempel,  welchen  Justinian  nach  ihrer  Bekehrung  zum 
Christentum  in  eine  Kirche  verwandelte^).  In  der  Provinz  Afrika''),  wo  die 
jüdische  Gemeinde  zu  Karthago  die  größte  gewesen  sein  wird,  ist  kürzlich  der 
Mosaikfußboden  der  Synagoge  einer  Stadt  Naron  entdeckt  worden,  nebst  lateini- 
schen Wandinschriften  derer,  die  ihn  machen  ließen,  aus  später  Zeit;  wobei  sich 
außer  dem  siebenarmigen  Leuchter  auch  das  christliche  Monogramm  befindet^). 
Im  westlichen  Afrika  hat  sich  die  Spur  einer  jüdischen  Gemeinde  zu  Sitifi  in  Maure- 
tanien"*), jüdischer  Einwohner  auch  anderwärts  (namentlich  in  Cirta)  erhalten^). 
^Selbst  im  äußersten  Westen  von  Mauretanien,  in  Volubilis,  ist  eine  hebräische 
Inschrift  gefunden  worden«^), 
in  Rom  —  Die  Nachricht  des  Valerius  Maximus,  daß  im  Jahre  139  v.  Chr.  von  dem  Prä- 
tor Cn.  Cornelius  Hispalus  außer  den  Chaldäern  auch  die  Juden,  »welche  die 
römischen  Gebräuche  durch  den  Dienst  des  Juppiter  Sabazius  zu  verunstalten 
versucht  hatten « ,  aus  Rom  und  Italien  ausgewiesen  wurden  ^),  bezieht  sich  höchst 
wahrscheinlich  auf  die  von  Simon  Makkabäus  140/139  nach  Rom  geschickten 
Gesandten:  ansässige  Juden  gab  es  also  damals  in  Italien  offenbar  noch  nicht; 
die  Identifizierung  des  Judengottes  mit  Sabazius  erklärt  sich  daraus,  daß  die 
griechischen  Juden  den  Namen  Zebaoth  Sabaoth  aussprachen^).  Achtzig  bis 
neunzig  Jahre  später  bildeten  sie,  teils  ohne  Zweifel  infolge  der  Kriege  des  LucuUus 
und  Pompejus  als  Gefangene  massenhaft  nach  Rom  geführt  und  dort  freigelassen, 
teils  infolge  der  zwischen  Orient  und  Okzident  so  viel  inniger  und  mannigfaltiger 
gewordnen  Beziehungen  eine  ansehnliche  Masse:  durch  ihre  Zahl,  ihr  enges 
Zusammenhalten  und  ihren  Einfluß  hofften  (im  Jahre  59  V.  Chr.)  die  Ankläger 
des  Prätors  Flaccus  eine  Unterstützung  zu  erhalten^).  Die  ganze  Region  jenseits 
des  Tiber  wurde  hauptsächlich  von  ihnen  bewohnt ^°),  wahrscheinlich  war  dort 
auch  eine  Synagoge").  Eine  Gesandtschaft  des  Judenkönigs  Herodes  wurde  an- 
geblich von  8000  ihrer  in  Rom  ansässigen  Glaubensgenossen  zu  August  be- 
gleitet, und  im  Jahre  19  n.  Chr.  4000  Freigelassene  in  waffenfähigem  Alter,  »die 
von  jüdischem  und  ägyptischem  Aberglauben  angesteckt  waren«,  zur  Depor- 
tation nach  Sardinien  verurteilt^'').  Trotzdem  spricht  Philo  im  Jahre  40  von 
einer  jüdischen  Gemeinde  in  Rom^^),  und  unter  Claudius  waren  die  Juden  dort 
wieder  zu  einer  solchen  Menge  angewachsen,  daß  ihre  infolge  der  unter  ihnen 
ausgebrochenen  Unruhen  ^'*)  für  rätlich  erachtete  Ausweisung  wenigstens  nur 
sehr  teilweise  ausgeführt  werden  konnte'^);  jedenfalls  fand  der  Apostel  Paulus 

32,  2.    Euseb.  Chron.  Ol.  224,  II  164  Seh.,  nach  dem  der  Aufstand  sich  auch  auf  die  Thebaide  er- 
streckte. 

l)  Procop.  De  aedif.  VI  2  p.  334  Dind.  2)  Monceaux,  Revue  d.  ^tud.  juiv.  XLIV  1902  S.  I  ff.; 
Revue  arch^ol.  1904  I  354ff.  3)  CIL  VIII  12457.  4)  CIL  VIII  8499  [pater  synagogae).  8423. 
5)  CIL  VIII  7155  (Cirta):  Pompeio  Restuto  ludeo  usw.  Andere  dortige  jüdische  Inschriften  CIL  VIII 
7150.  7530.  7710.  6)  Schürer  S.  55.  7)  Valer.  Max.  I  3,  3.  8)  Schürer  S  58  f.  Cumont.  Die 
oriental.  Religionen^  S.  77 f.  Eisele  in  Roschers  Mythol.  Lexik.  IV  263  f.  9)  Cic.  pro  Flacco  66. 
10)  Philo  Leg.  ad  Gai.  155.  11)  Eine  Inschrift  eines  zweimaligen  Synagogenvorstehers  (\6.Ckuw 
h\(^  äpxtuv  —  so  auch  sonst)  ist  in  Trastevere  gefunden  worden,  Bull.  arch.  com.  IX  i88i  8.8;  vgl. 
Hülsen-Jordan,  Topogr.  I  3  S.  628,  17.  12)  Oben  I  233.  13)  Philo  Leg.  ad  Gai.  161.  14)  Sue- 
ton.  Claud.  25,  4  ludaeos  impuhore  Chresto  assidue  tumultuantes  Roma  expulit.  Über  Chrestas  und 
Christus  oben  S.  200  A.  3.       15)  Cass.  Dio  LX  6,  6  f. 


[IV.  237]  2.  JUDEN  TUM  UND  CHRISTENTUM  207 

eine  Gemeinde  in  Rom  vor').  Auch  die  römischen  Juden  hatten  eine  Synagoge 
in  Jerusalem.  Aus  den  Inschriften  geht  hervor,  daß  sie  eine  größere  Anzahl 
einzelner,  selbständig  organisierter  Gemeinden  bildeten^),  jede  mit  eigner  Syna- 
goge^) und  einem  eignen  Rat  der  Altesten,  an  dessen  Spitze  ein  Vorsteher 
(Gerusiarch)  stand,  und  dessen  geschäftsführende  Beamte  (Archonten)  teils  auf 
Zeit,  teils  lebenslänglich  gewählt  wurden;  auch  Unmündige  konnten  zu  diesem 
Amt  designiert  werden.  Den  Gottesdienst  leiteten  Synagogenvorsteher  (dpxi- 
cruvafuJTOi),  denen  ein  Diener(u7TripeTriq,Chassan)  zur  Seite  stand;  die  Titel  »Syna- 
gogenvater, Synagogenujutter«  bezeichnen  Ehrenstellungen;  auch  die  Schrift- 
gelehrten (Ypa|LifjaTeT<;)  waren  keine  eigentlichen  Beamten,  und  auch  für  diesen 
Stand  wurden  bereits  Kinder  designiert^).  Die  verschiednen  Gemeinden  in  Rom 
hatten  teilweise  gemeinsame  Begräbnisplätze  ^).  Ein  von  Bosio  entdecktes, 
hauptsächlich  von  den  Juden  der  Transtiberinischen  Region  benutztes  Cöme- 
terium  (an  der  via  Portuensis  bei  CoUe  rosato)  ist  neuerdings  wieder  aufgefunden 
worden^);  ein  andres  lag  in  der  Vigna  Randanini  an  der  Appischen  Straße  vor 
dem  Capenischen  Tor  (wo  in  Juvenals  Zeit  der  Hain  der  Egeria  und  der  Ca- 
menen  von  ihnen  gepachtet  war)'),  ein  drittes  an  derselben  Straße  jenseits  der 
Kirche  S.  Sebastiane  in  der  Nähe  des  altchristlichen  ad  catacumbas\^  ein  viertes 
an  der  Via  Labicana  im  Osten  der  Stadt,  das  aus  der  Zeit  der  ersten  Antonine 
stammt,  zeigt,  daß  auch  der  Esquilin  und  Viminal  ein  Zentrum  der  jüdischen 
Bevölkerung  Roms  bildeten^);  ein  fünftes  ist  1885  an  der  Via  Appia  PignatelH 
gegenüber  dem  an  zweiter  Stelle  genannten  entdeckt  worden '°).  Die  Inschriften 
sind  überwiegend  griechisch,  allerdings  zum  Teil  bis  zur  Unverständlichkeit 
jargonartig;  daneben  finden  sich  lateinische  (manchmal  mit  griechischen  Buch- 
staben geschrieben),  aber  verhältnismäßig  nur  wenige  hebräische").  Das  He- 
bräische erhielt  sich  in  jenen  Jahrhunderten  nur  im  kirchlichen  Gebrauch,  die 
allgemeine  Verkehrssprache  der  jüdischen  Diaspora  war  (mit  Ausnahme  Syriens, 

l)  Acta  apost.  28,  17.  2;  Schürer,  Die  Gemeindeverfassung  der  Juden  in  Rom  in  der  Kaiser- 
zeit 1879)  S.  15  —  17  und  Gesch.  d.  jüd.  Volkes  III*  S.  81  ff.  N.  Müller,  Die  jüdische  Katakombe 
am  Monteverde  S.  107  ff.  Die  Gemeinden  sind  teils  nach  Personen  (AuYOUOTiiöioi,  'A"fpnTTnn(Ji0l, 
BoXou|Livriaioi  =  Volumni  CIL  VI  29756,  Herodier,  des  Severus).  teils  nach  Örtlichkeiten  Ka)Li- 
TTTiöioi,  Zoußoupiiöioi ,  teils  nach  Eigenschaften  (KaX-Kapr^aioi,  BepvaK\iiaioi)  benannt.  Die  öuva- 
"fUJYH  E\a(a(;  bezieht  sich  auf  Eläa  in  Mysien,  wo  jetzt  eine  römische  Puine  Tchifout-Kalessi, 
Schloß  des  Juden  ''EßpeOKdöTpo,  ein  in  Anatolien  nicht  seltener  Name)  heißt,  S.  Reinach,  Bull, 
corr.  hell.  X  1886  S.  330.  Unter  den  Hebraei  vermutet  Derenbourg,  Melanges  Renier  S.  439  f.  die 
(unter  Theoderich  dem  Großen  von  Cassiodor.  Var.  III  45,  2,  vgl.  Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volk, 
ni'*  S.  66  f  erwähnte)  samaritanische  Gemeinde  Roms,  doch  ist  diese  Ansicht  von  N.  Müller  a.  a.  O. 
S.  logff.  als  unhaltbar  erwiesen  worden,  es  sind  vielmehr  Juden,  die  die  Sprache  ihrer  Heimat  bei- 
behielten. 3)  Alle  Synagogen  lagen  außerhalb  des  Pomerium.  Jordan,  Hermes  VI  1871  S.  ßlQf. 
Kirche  in  Rom  von  den  Juden  als  alte  Synagoge  beansprucht,  Cassiodor.  Var.  III  45,  i  f.;  Ver- 
brennung von  Synagogen  ebd.  IV  43,  2.  4)  Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volk.  III*  S.  88ff. ;  Gemeinde- 
verfassung S.  18  ff.  Juster  a.  a.  O.  I  442  ff.  5)  Schürer,  Gemeindeverf.  S.  17.  6)  Nik.  Müller, 
Die  jüdische  Katakombe  am  Monteverde  zu  Rom  (1912),  wo  S.  10  auch  die  übrigen  jüdischen  Kata- 
komben Roms  aufgezählt  werden;  vgl.  Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volkes  III'*  S.  65 f.  7)  Juv.  3,  I4f. 
8)  De  Rossi.  Bull.  arch.  crist.  V  1867  S.  16.  Vgl.  Schürer,  Gemeindeverf.  S.  13  f.  9)  Bull.  arch. 
crist.  ser.  4  II  1883  S.  79f.  10)  N.  Müller,  Rom.  Mitteil.  I  i8s6  S.  49 ff.  11)  N.  Müller,  Jüd. 
Katakomben  am  Monteverde  S.  91  ff.  Vgl.  CIG  9901 — 9926.  CIL  VI  29756 — 29763.  Lateinische 
Inschrift  eines  Juden  in  Rom  CIL  VI  18532  [Samso  Barocho);  vgl.  31  839:  Aemilio  Va[f/nti  eq.  Rc- 
mano  metu[e\nti  (Bemays,  Gesammelte  Abhandl.  II  71  ff.  80). 


2o8  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  238] 

wo  Aramäisch  gesprochen  wurde)  Griechisch ').  In  gelegentlichen  Erwähnungen 
erscheinen  die  römischen  Juden  armselig  und  zigeunerhaft,  als  Bettler  und  Wahr- 
sager^). Die  Gräber  sowie  die  ganze  Anlage  des  zuerst  von  Bosio  gefundnen 
Kirchhofs  sind  roh  und  dürftig,  nirgends  begegnen  Fragmente  von  Marmor  oder 
Malerei  außer  dem  grob  aufgemalten  siebenarmigen  Leuchter.  Dagegen  auf 
dem  Begräbnisplatz  in  der  Vigna  Randanini  finden  sich  Malereien  und  darunter 
sogar  Figuren  der  heidnischen  Mythologie,  mit  wahrscheinlich  symbolischer, 
doch  noch  unenträtselter  Bedeutung^).  Auch  in  Portus  sind  Spuren  einer  früh 
dort  angesiedelten  jüdischen  Gemeinde  vorhanden"*).  Von  dort  stammte  wahr- 
scheinlich auch  der  zu  Anfang  des  8.  Jahrhunderts  geborene  Peitan  [poeta)  Ela- 
zar,  der  für  einen  Dichter  liturgischer  Gesänge  gilt,  die  noch  heute  bei  dem 
Gottesdienst  an  großen  Festen  in  Deutschland,  Frankreich  und  Italien  in  Ge- 
brauch sind^). 
im  übrigen  Im  übrigen  Italien  wird  Puteoli  ein  Hauptsitz  der  Juden  gewesen  sein^),  von 
Italien  —  ^q  gjg  gich  in  die  Städte  Campaniens  verbreiteten.  In  Pompeji  ist  der  Inhalt 
eines  irdenen  Gefäßes  als  gar[mn)  cast[imo7iiale)  d.  h.  koschere  (aus  schuppen- 
losen Fischen,  gemäß  »dem  Aberglauben  der  Juden«,  sagt  Plinius,  bereitete) 
Fischbrühe  bezeichnet^);  eine  dortige  Wandinschrift  in  einem  Triclinium  So- 
doma-Gomora  kann  nur  von  einem  Juden  oder  Christen  herrühren^);  eine  (viel- 
leicht alexandrinische)  Karikatur  des  Urteils  des  Königs  Salomo  setzt  die  Be- 
kanntschaft mit  jüdischen  Traditionen  allerdings  nicht  notwendig  voraus^);  in 
Wandinschriften  kommen  die  Namen  Maria  (in  einer  Liste  von  Sklavinnen)  und 
Martha  vor'°).  Die  Existenz  einer  Gemeinde  zu  Capua  ist  durch  die  Grabschrift 
eines  dortigen  Synagogenvorstehers"),  zu  Venusia  durch  die  Entdeckung  jüdi- 
scher Katakomben  (aus  dem  6.  Jahrhundert)  erwiesen"),  in  denen  sich  u.  a.  die 
Grabschrift  eines  Oberarztes  [archiater)  gefunden  hat^^).  Bei  der  Belagerung 
Neapels  durch  Belisar  erklärten  die  dortigen  Juden,  die  Stadt  mit  Lebensmitteln 
versorgen  zu  wollen,  und  leisteten  bei  der  Einnahme  hartnäckigen  und  un- 

l)  Mommsen  RG.  V  490f.,  welcher  glaubt,  daß  den  Juden  gemeinden  der  mazedoDischen  Städte 
von  den  Königen  das  Griechiscbe  obligatorisch  gemacht  wurde.  2)  Renan,  Apotres  S.  289  f.  Ein 
jüdischer  Wahrsager  öoEav  eiii  touto)  uoXXriv  exiuv  Procop.  B.  G.  I  9,  3.  Viel  Weiber,  viel  Zau- 
bereien ,  Spruch  des  Rabbi  Hillel,  Hausrath,  Neutest.  Zeitgesch.  I  299.  3)  N.  Müller  a.  a.  O. 
S.  89  f.  4)  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  IV  1866  S.  40.  5)  J.  Derenbourg,  Melanges  Renier  (1887; 
S.  429 — 441.  6]  Oben  I  423.  7)  CIL  IV  2569.  261 1.  5660 — 5662;  viur[id)  cast\inionialis)  ebd. 
2609.  Plin.  n.  h.  XXXI  95:  [garum]  castimoniartim  superstitioni  etiam  sacrisque  hidaeis  dicatum, 
qttod  fit  e  piscibus  squama  carentibus.  Vgl.  dazu  aber  Zahn,  Real-Encykl.  VII  843.  8)  CIL  IV 
4976.  9)  Mau,  Pompeji^  S.  16.  Lumbroso,  Mem.  dell'  Acad.  dei  Lincei  Ser.  3  vol.  XI  1883 
S.  303 ff.  bezieht  das  Bild  auf  den  sagenhaften  ägyptischen  König  Bocchoris.  Die  Verbreitung  des 
Märchens  vom  Urteil  Salomos  war  nicht  auf  Ägypten  und  den  Orient  beschränkt;  es  lebte  auch  in 
der  griechischen  Volksüberlieferung.  H.  Lucas,  Festschr.  f.  Hirschfeld  (1903)  S.  257  ff.  R.  Engel- 
mann, Hermes  XXXIX  1904  S.  146 ff.  De  Rossi  (Bull.  arch.  crist.  11  1864  S.  92,  vgl.  69 ff.)  bezieht 
(wie  bereits  Marini)  z.\xch.  princeps  Hbertinorum  in  einer  pompejanischen  Inschrift  (CIL  IV  117)  auf 
eine  Judengemeinde,  weil  Acta  apost.  6,  9  von  einer  öuvaYUJfT)  r|  XeYO)aevri  AißepTivuuv  die  Rede 
ist.  10)  CIL  IV  1507.  5244,  vgl.  Mau  a.  a.  O.  S.  17.  11)  CIL  X  3905.  12)  O.  Hirschfeld, 
Bull.  d.  Inst.  1867  S.  148  ff.  Ascoli,  Iscr.  inedite  o  mal  note  Greche  Latine  Ebraiche  di  antichi 
sepolcri  Giudaici  del  Napoletano,  1880.  CIL  IX  6195 — 6241  p.  66off.  Von  47  Inschriften  der  unter- 
irdischen Grabanlage  konomt  in  21  Hebräisch  vor;  die  überirdischen  hebräischen  sind  etwa  2  Jahr- 
hunderte jünger.      13)  CIL  IX  6213. 


ilV.  239]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  209 

erwarteten  Widerstand').  Auch  in  Tarent  undFundi  sind  jüdische  Grabschriften 
gefunden  worden'').  In  Apulien  und  Calabrien  (dessen  Küstenbeschafifenheit 
der  Midrasch  besonders  im  Auge  haben  soll)  bildeten  die  Juden  im  4.  Jahr- 
hundert einen  so  großen  Teil  der  Bevölkerung,  daß  nach  einem  kaiserlichen 
Erlaß  vom  Jahre  398  der  Bestand  der  Gemeinderäte  in  vielen  Städten  in  Frage 
gestellt  war,  weil  sie  zur  Übernahme  der  städtischen  Ämter  nicht  verpflichtet 
zu  sein  behaupteten^).  Im  mittleren  und  nördlichen  Italien,  wo  ihre  Ansiedlungen 
vermutlich  ebenso  alt  sind  wie  im  südlichen,  finden  sich  deren  Spuren  meist  erst 
spät.  In  Brixia  lassen  die  Inschriften  eines  Synagogenvorstehers  und  einer 
»Synagogenmutter«  mit  Sicherheit  auf  eine  jüdische  Gemeinde  schließen*). 
Den  Juden  in  Genua  erlaubte  Theoderich,  ihre  Synagoge  herzustellen,  doch 
nicht  zu  erweitern^);  er  bestätigte  die  Rechte  der  Synagoge  in  Mailand,  soweit 
dadurch  der  Kirche  nicht  Eintrag  geschehe^);  während  seiner  Anwesenheit  in 
Ravenna  brach  dort  zwischen  Christen  und  Juden  ein  Tumult  aus,  die  ersteren 
zündeten  die  Synagogen  an,  wurden  jedoch  von  dem  Könige  gezwungen,  sie 
wieder  herzustellen^).  In  Bononia  waren  die  Märtyrer  Agricola  und  Vitalis  auf 
einem  Grundstücke  der  Juden  unter  deren  Gräbern  bestattet;  Ambrosius  ließ 
ihre  Überreste  von  dort  fortschaften ^  Auch  in  Pola  hat  sich  eine  jüdische 
Grabschrift  erhalten^);  eine  römische  Grabschrift  nennt  Aquileja  als  Geburtsort 
eines  Gerusiarchen '°).  Gregor  der  Große  (der  in  seinen  Briefen  auch  die  Syna- 
goge in  Terracina  erwähnt)  schreibt  an  den  Bischof  von  Luna,  daß  er  keinem 
Juden  auf  seinen  Gütern  gestatten  solle,  christliche  Sklaven  zu  besitzen,  was 
dort  vorgekommen  war").  Daß  auch  in  Sizilien  Juden  früh  in  großer  Anzahl 
gewohnt  haben,  ist  an  sich  wahrscheinlich.  Der  Quästor  und  Scheinankläger 
des  Verres,  Q.  Cäcilius  Niger,  war  ein  (von  Freigelassnen  stammender)  Jude"). 
In  den  Schreiben  der  Päpste  ist  mit  Bezug  auf  die  Bewirtschaftung  der  Patri- 
monien der  Kirche,  die  sich  über  beide  Sizilien  und  Sardinien  erstrecken,  viel- 
fach von  ihnen  die  Rede.  Nach  den  Briefen  Gregors  des  Großen  gab  es  in  Pa- 
lermo, Messina,  Agrigent  jüdische  Gemeinden;  er  ließ  sich  594  ein  Verzeichnis 
aller  Besitzungen,  auf  denen  Juden  lebten,  anfertigen,  um  jedem  einzelnen  im 
Falle  der  Bekehrung  ein  Drittel  der  Steuer  erlassen  zu  können '2).  In  Sardinien 

l)  Procop.  B.  G.  I  8,  41.  10,  2^{.  CIL  X  1971  =  Dessau  8193:  [Cfaudia  Aster  \H\ierosolymi- 
tana  [cd\piiva,  cziravi  egii  [  Tu\  Claudius  Azig.  libertus  [Mas]culus  usw.  2)  CIL  IX  6400 — 6402  ; 
vgl.  Not.  d.  scavi  1882  S.  386  f.  (mittelalterliche  in  Tarent).    CIL  X  6299.  3)  Cod.  Theod.  XII 

I,  158.  4)  IG  XIV  2304  (dpxKJuvOYUJYÖ«;).  CIL  V  441 1  =  Dessau  6724  Coeliae  Paternae  matri 
synagogae  Brixianoruvi.  5)  Cassiodor.  Var.  II  27.  6)  ebd.  V  37,  2.  7)  Anonym.  Vales.  81. 
8J  Ambros.  Exhortat.  virginitat.  i  (Migne  lat.  XVI  335  ff.).  9;  CIL  V  88  (Pola):  Aur'diae)  Sote- 
riae  matri  pientissimae  religioni  ludeicae  vutuenti.  Bemays,  Ges.  Abhandl.  11  74.  Zwei  jüdische  In- 
schriften aus  Mediolanium:  Renan  et  Le  Blant,  Rev.  archdol.  N.  S.  II  1860  S.  348.  10,  Garrucci, 
Cimitero  degli  antichi  Ebrei  scoperto  in  vigna  Randanini  (1862)  S.  62.  11)  Greg.  M.  epist.  IV  21 
Ewald,  vgl.  II  6.  12)  Plutarch.  Cic.  7,  6  dTreAeuöepiKot;  äv9puL)TT0<;,  evoxot;  tuj  'loubaiZieiv).  Vgl. 
über  den  Rhetor  Caecilius  von  Calacte  Suidas:  KaiKiXioc;  ZiKeAiuuxric;  —  priTUup  öoqpiaxeuaa«;  ev 
Piu|uri  eiri  toO  ZeßaöTOö  Kaicrapoc;,  koi  cittö  öouXujv,  wc,  riveq  laxopriKaai,  koi  TTporepov  |iev 
Ka\oü|nevo<;  'ApxdTCÖO'^»  Triv  6s  öoEav  Mou6aioq,  wo  eine  von  Bemhardy  angenommene  Ver- 
wechslung mit  dem  Quästor  des  Verres  nicht  wahrscheinlich  ist  'vgl.  Mueller,  FKG  III  331).  Jü- 
dische Inschrift  in  Syrakus  CIG  9895.  Über  jüdische  Katakombenfunde  bei  Syrakus  P.  Orsi,  Rom. 
Quartalschr.  XIV  (1900)  S.  203  ff.  13)  Greg.  M.  epist.  V  7.  VIII  23.  25.  IX  38.  40  Ew.  Über  die 
Juden  in  Sizilien  vgl.  Zunz,  Z.  Gesch.  u.  Literatur  I  (1845)  S.  484  f.  Hartivig,  Aus  Sizilien,  Kultur- 
Geschichtsbilder  II  (1869)  S.  47  ff. 

F  riedlaender,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl.  14. 


liehen  und  nörd 
liehen  Ländern. 


2  10  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  240,  241] 

wird  sich  sicherlich  die  von  Tiberius  dorthin  zwangsweise  ausgeführte  jüdische 
Kolonie  fortgepflanzt  haben;  in  Cagliari  war  jahrhundertelang  ein  jüdisches  Ge- 
meindeleben'), 
in  den  west-  Nach  Spanien,  »das  in  Mischna  und  Talmud  erwähnt  wird«,  beabsichtigte 
Paulus  zu  reisen""),  eine  Absicht,  die  er  auch  ausgeführt  zu  haben  scheint^),  wo- 
raus man  mit  Wahrscheinlichkeit  schließen  kann,  daß  schon  damals  Juden  dort 
lebten.  Sonst  hat  sich  in  Spanien  vor  dem  lUiberitanischen  Konzil  (nach  der 
gewöhnlichen  Annahme  zwischen  300  und  309)1,  das  der  Juden  bestimmt  Er- 
wähnung tuf*],  nur  eine  Spur  von  ihnen  erhalten:  eine  Grabschrift  eines  jüdi- 
schen Kindes  in  Abdera  (Adra)  in  Bätica,  die  nach  der  Form  der  Buchstaben 
dem  Anfange  des  3.  Jahrhunderts  anzugehören  scheint^).  Auf  Minorca  gab  es 
eine  ansehnliche  jüdische  Gemeinde  um  417  n.  Chr.^).  Mit  Sisebut  (612 — 620) 
beginnt  die  Reihe  der  drakonischen  Gesetze  des  westgotischen  Reichs  gegen 
die  Juden^). 

Auch  von  altenVerbindungen  mit  Gallien  sollen  jüdische  Nachrichten  zeugen^). 
Archelaus,  Sohn  des  Herodes,  wurde  von  August  nach  Vienna  verwiesen^], 
Herodes  Antipas  von  Caligula  im  Jahre  39  nach  Lugdunum  Convenarum'°). 
Unter  den  Ländern,  die  Rabbi  Akiba  aufgesucht  haben  soll,  um  die  Juden  zur 
Teilnahme  an  dem  Aufstande  Bar-Cochebas  zu  bewegen,  wird  auch  Gallien  ge- 
nannt"). Hilarius  von  Poitiers  (f  366)  vermied  selbst  Begrüßungen  von  Juden 
und  Ketzern  auf  der  Straße'^).  An  die  Dekurionen  von  Köln  erließ  Constantin 
im  Jahre  321  die  Verfügung:  die  Juden  sollten  im  allgemeinen  zur  Übernahme 
des  Dekurionats  genötigt,  nur  zwei  bis  drei  (wohl  die  Geistlichen  und  Beamten 
der  Gemeinde)  davon  befreit  werden  dürfen'^).  Die  Kölner  Gemeinde  (deren 
Synagoge  zuerst  10 12  erwähnt  wird)  war  also  wohl  nicht  klein  und  auch  ziem- 
lich alt.  Andre  Erwähnungen  in  griechischen  oder  römischen  Quellen  vor 
Sidonius  ApoUinaris  sind  spärlich '•*).  Im  7.  Jahrhundert  vertrieb  König  Wamba 
die  Juden  aus  Narbo;  doch  im  9.  sollen  sie  dort  sehr  reich  gewesen  sein,  die 
Mühlen  der  Stadt  und  viel  Land  besessen,  Weinbau  durch  christliche  Arbeiter, 

l)  Greg.  M.  epist.  IV  9.  IX  195  Ew.  2)  Ep.  ad  Rom.  15,  24.  3)  So  Renan,  L'anteehrist 
S.  106,  3  und  Ranke,  Weltgesch.  III  i  S.  192,  i  nach  dem  Brief  des  Clemens  ad  Cor.  I  5,  6  f.  Ki]puE 
■fev6|aevo(;  ev  xe  xf)  dvaxoXrj  Kai  ev  xr)  buaei  —  eiri  xö  xepiaa  Tf\c,  &uöeuj<;  e\6aiv,  4)  Concil. 
lUib.  can.  49.  50.  78  (Mansi,  Concil.  coli.  II  14.  18).  5)  CIL  II  1982:  .  .  nia  Salonula  an[ni)  I 

?>iens'ium)  IUI  die  I  hidaea.  Inschrift  einer  Jüdin  zu  Tortosa  (Dertosaj  in  drei  Sprachen  (hebräisch, 
lateinisch,  griechisch)  etwa  aus  dem  6.  Jahrhundert,  Hübner,  Inscr.  Hisp.  Christ,  nr.  186.  Dahn, 
Könige  d.  Germanen  VI  418  fr.  6)  Brief  des  Severus  (oder  Severinus),  Bischofs  von  Mallorea 
(Migne,  Patrol.  lat.  XX  731  ff.)-  Dahn  a.  a.  O.  VI  420.  7)  Dahn  VI  422.  8)  Literatur  bei  Juster 
I  184,  12.  9)  Joseph.  A.  J.  XVII  344.  10)  Joseph.  A.  J.  XVIII  252;  B.  J.  II  183.  Hirschfeld, 
Kl.  Schrift.  S.  173,  2;  CIL  XIII  p.  6.  11)  Nach  Derenbourg,  Essai  sur  Thistoire  et  la  geographie 
de  laPalestine  I  418  soll  Akiba  die  Häfen  des  Mittelländischen  Meers,  Zephyrium  in  Kappadocien, 
Nisibis,  Iberien  oder  Georgien  und  andre  Länder  besucht  haban.  12)  Venant.  Fortunat.  vita  sancti 
Hilarii  3,  9  p.  2,  17  Kr.  quod  hiter  mortales  valde  videtur  difficile,  tarn  catitum  esse,  qui  se  a  ludaeis 
vel  haereticis  cibo  suspendat.  13)  Cod.  Theodos.  XVI  8,  3.  4.  Vgl.  Juster  a.  a.  O.  II  259 f.  Aro- 
nius,  Regesten  z.  Gesch.  d.  Juden  im  fränk.  u.  deutseh.  Reiche  (1902)  S.  2  f.,  wo  auch  Simeon,  ein 
Mann  jüdischer  Herkunft,  als  siebenter  Bischof  von  Metz  nachgewiesen  wird.  14)  Sidon.  Apoll, 
epist.  III  4,  I.  IV  5,  I  (mit  Sirmonds  Anm.).  VI  11,  i.  VIII  13,  3.  Jüdische  Grabschrift  zu  Narbo 
aus  der  Zeit  König  Egizas  (688),  besprochen  von  Th.  Reinach,  Rev.  d.  ^tud.  juiv.  XIX  1889  S.  75  ff. 
Vgl.  Hirschfeld  CIL  XII  p.  929:  *tituli  ludaici  septimo  sacculo  antiquiores  in  Gallia  Narbonensi 
adhuc  dtsiderantur^. 


[IV.  242]  2.   JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  211 

Handel  (hauptsächlich  mit  den  Arabern  in  Spanien)  getrieben  haben').  Aus 
Gregors  von  Tours  Geschichte  der  Franken  ergibt  sich  ihre  große  Verbreitung 
in  ganz  Gallien  im  6.  Jahrhundert,  die  auf  ein  hohes  Alter  ihrer  dortigen  Nieder- 
lassungen schließen  läßt.  Als  z.B.  im  Jahre  576  das  Volk  ihre  Synagoge  in 
Clermont  zerstörte  und  der  Bischof  Avitus  ihnen,  die  Wahl  ließ,  ob  sie  aus- 
wandern oder  sich  taufen  lassen  wollten,  nahmen  mehr  als  500  den  christlichen 
Glauben  an;  die  übrigen  zogen  nach  Marseille'').  Der  König  Chilperich  ließ 
582  zu  Paris  viele  Juden  taufen^).  Als  König  Guntram  585  in  Orleans  einzog, 
vernahm  man  in  den  Lobgesängen  der  ihn  empfangenden  Menge  auch  die 
Sprache  der  Juden'^).  Benjamin  von  Tudela  nennt  als  Städte,  in  denen  Juden 
wohnten,  Narbonne  (etwa  300),  Bezieres,  Montpellier  Lunelle  (300),  Beaucaire 
(400),  Bourges  de  St.-Gilles,  Arles  (200),  Marseille  (300)^).  Unter  den  Inschriften 
der  Donauländer  sind  nur  wenige  jüdische  im  unteren  Pannonien^). 

In  England  scheinen  die  Juden  zur  Zeit  des  Erzbischofs  Theodor  von  Canter- 
bury  (im  Amt  669 — 691)  zahlreich,  also  wohl  mindestens  seit  der  Mitte  des 
7.  Jahrhunderts  dort  ansässig  gewesen  zu  sein^),  wahrscheinlich  aber  schon  früher. 
Denn  aus  dem  Mangel  von  Nachrichten  auf  das  Fehlen  einer  jüdischen  Bevölke- 
rung zu  schließen,  ist  überall  um  so  weniger  zulässig,  als  dieser  vielmehr  ge- 
wöhnlich seit  dem  frühen  Mittelalter  ein  Beweis  für  ihre  ungestörte  Existenz  ist. 
Hieronymus  sagt,  daß  sie  »von  Meer  zu  Meer,  vom  britannischen  bis  zum  atlan- 
tischen Ozean,  von  Westen  zu  Süden,  von  Norden  zu  Osten,  auf  der  ganzen 
Welt«  wohnten^).  Sie  glaubten,  daß,  wenn  der  Messias  sie  nach  Jerusalem 
zurückführen  würde,  diejenigen  von  ihnen,  die  den  senatorischen  oder  sonst 
einen  hohen  Rang  hätten,  aus  Britannien,  Spanien,  Gallien  (selbst  von  dessen 
äußersten  Grenzen,  aus  dem  Gebiete  der  Moriner,  von  den  Ufern  des  Rheins) 
in  Karossen^)  kommen  würden ^°). 

Seit  dem  großen  jüdischen  Kriege  hatten  die  Juden  die  früher  nach  Jerusalem  Bürgerliche 
entrichtete  Steuer  von  zwei  Drachmen  an  den  Tempel  des  kapitolinischen 
Juppiter  zu  entrichten");  dies  führte  namentlich  unter  Domitian  zu  Vexationen 
und  Bedrückungen,  welche  Nerva  abstellte"),  ohne  jedoch  die  Steuer  zu  er- 
lassen. Abgesehen  von  derselben  war  die  bürgerliche  Berechtigung  der  Juden 
als  solcher  im  römischen  Reiche  nicht  bloß  vollkommen  unbeeinträchtigt,  son- 
dern sie  erfreuten  sich  auch  wichtiger  Vorrechte.    Sever  und  Caracalla  erließen 

l)  Stark,  Städteleben  in  Frankreich  S.  162.  Über  die  Geschichte  der  Juden  in  Narbonne 
J.  Regn^,  Revue  d.  etud.  juiv.  LV  1908  S.  i  ff.  2)  Gregor.  Tur.  Hist.  Francor.  V  11;  vgl.  Venant. 
Fortunat.  Carm.  V  5.  3)  Gregor,  ebd.  VI  17.  4)  Gregor.  VIII  i  (vgl.  oben  I  376).  Vgl.  auch 
Gregor.  IV  12.  35.  VI  5.  VII  23.  Über  die  Zeit  von  400  bis  800  vgl.  Aronius  a.  a.  O.  S.  4 — 25. 
5)  Travels  of  Benjamin  of  Tudela  ed.  Asher  I  32 — 36.  6)  CIL  III  3688:  D.  vi.  Septimae  Marias  . 
ludeae  vixit  an[nis)  XVIII  Actia  Sabinilla  maier.    10301  =  Dessau  3981  Deo  aeterno  pro  sal.ute) 

d[omini)  n{ostri)  Sev[eri)  A{lexandri) Cosmus  pr' aepositus)  sta[tionis)  Spondilla  synag.  (über  deus 

Aeternus  als  Bezeichnung  einer  syrisch-orientalischen  Gottheit  vgl.  Cumont,  Revue  arch6ol.  XI 
1888  S.  18411.).  10599.  10611.  Die  Inschrift  aus  Schwarzenbach  in  Kärnten  CIL  III  11641  yßkc, 
ejLioi  ön.uepov  001  (Sirach  38,  23)  erklärt  Gomperz  (Arch.  epigr.  Mitteil.  IV  1880  S.  213)  für  christ- 
lich oder  jüdisch.  7)  Juster  a.  a.  O.  I  186,  11.  8)  Hieronym.  Commentar.  in  Arnos  III  8  (Migne 
lat.  XXV  1083);  vgl.  auch  in  Sophon.  2  (Migne  XXV  1364).  9)  S.  oben  I  144,  4.  10)  Hiero- 
nym. ad  Isai.  18,  66  (Migne  lat.  XXIV  672).  11)  Joseph.  B.  J.  VII  218.  Cass.  Die  LXVI  7,  2. 
Wilcken,  Chrestom.  nr.  61.  295.  Rostowzew,  Real-Encykl.  VI  2403 ff.  Plaumann,  Berichte  aus  den 
Königl.  Kunstsamml.  XXXIV  (1912/13)  S.  113  ff.     12)  Sueton.  Dom.  12,  2.  Eckhel  D.  N.  VI  404^ 

14* 


212  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  243] 

ihnen  bei  der  Bestätigung  ihrer  Befähigung  zur  Bekleidung  städtischer  Ämter 
(die  damals  allerdings  kein  Vorzug  mehr  war)  ausdrückHch  diejenigen  Leistungen, 
die  ihrem  1^ Aberglauben«  zuwiderliefen').  Ob  eine  allgemeine  und  dauernde 
Befreiung  vom  Militärdienste,  die  man  auf  einen  Erlaß  Cäsars  zurückgeführt 
hat,  bestanden  hat,  ist  strittig^;.  In  Hinsicht  der  Teilnahme  am  Kaiserkult 
machte  man  ihnen,  wenn  auch  nicht  rechtlich,  so  doch  tatsächlich  weitgehende 
Konzessionen^):  wenn  sie  hierin  und  sonsf^)  vor  den  Christen  bevorzugt  waren, 
so  rührt  dies  daher,  daß  sie  immer  noch  als  eine  Nation  betrachtet  wurden,  die 
Christen  nur  als  eine  Sekte ^).  August,  der  Cäsars  judenfreundliche  Politik  im 
wesentlichen  fortsetzte,  hatte  angeordnet,  daß  sie  am  Sabbat  nicht  gezwungen 
werden  durften,  vor  Gericht  zu  erscheinen^);  daß  die  Verteilung  von  Geld  und 
Getreide  in  Rom,  falls  sie  auf  einen  Sabbat  fielen,  für  sie  am  folgenden  Tage 
stattfinden^),  daß  ihnen  statt  des  von  der  Kommune  gelieferten,  für  sie  un- 
brauchbaren Öls  eine  Geldentschädigung  gezahlt  werden  sollte :  ein  Recht,  in 
dessen  Genüsse  sie  der  Freund  Vespasians  Mucianus  in  Antiochia  schützte^). 
Außer  der  freien  Übung  ihres  Kultus^]  war  den  jüdischen  Gemeinden  das  Recht 
der  eignen  Vermögensverwaltung  und  wenigstens  in  einem  gewissen  Umfange 
auch  die  eigne  Gerichtsbarkeit  gegen  ihre  Mitglieder  eingeräumt  worden '°).  »Eine 
sehr  weitgehende  Machtbefugnis  muß  der  jüdische  Ethnarch  oder  Patriarch  in 
Palästina  gehabt  haben,  der  nach  dem  Untergange  des  jüdischen  Staatslebens 
das  Oberhaupt  der  Nation  bildete;  das  Amt  war  in  der  Familie  Hillels  geradezu 
erblich.  Seiner  Jurisdiktion  scheinen  sich  die  sämtlichen  jüdischen  Diaspora- 
gemeinden freiwillig  unterworfen  zu  haben.  Und  seine  Befugnisse  waren  so 
weitgehend,  daß  die  Kirchenväter  sich  ernstlich  Mühe  geben  mußten  zu  be- 
weisen, daß  trotzdem  schon  zur  Zeit  Christi  das  Szepter  von  Juda  genommen 
worden  sei«  ").  Für  die  Juden  war  er  der  alte  Hohepriester:  und  so  hatten  sie 
sich  trotz  der  Zerstörung  Jerusalems  in  gewissem  Sinne  als  Nation  wieder  re- 
konstruiert^^], 
und  soziale  Stel-  Wenn  Hun  trotz  aller  den  Juden  eingeräumten  Rechte  und  Privilegien  Philo 
lung  der  Juden.   g^g.f  ^^ß  gjg  gchon  zufrieden  sein  müsten,  wenn  sie  andern  gegenüber  nur  nicht 

Der    Judenhaß.  -,  o    fc> 

zurückgesetzt  würden'^),  so  erklärt  sich  dies  aus  ihrer  sozialen  Stellung,  die  aller- 
dings im  ganzen  eine  sehr  ungünstige  war:  am  meisten  natürlich  da,  wo,  wie 
in  Ägypten,  ein  besonders  starker  Nationalhaß  gegen  sie  bestand,  oder  unmittel- 
bar nach  Kriegen  und  Aufständen,  in  denen  sie  Ströme  von  Blut  vergossen 
hatten;  wie  denn  die  Äußerungen  des  Judenhasses  namentlich  bei  dem  älteren 
Plinius,  Quintilian,  Tacitus''*)  wohl  mit  auf  Rechnung  des  Eindrucks  zu  setzen 

I)  Dig.  L  2,  3  §  3.  Mommsen  RG.  V  548  f.  2)  Joseph.  A.  J.  XIV  204.  Juster  11  269  ff.  3)  Juster 
I  339  ff-  4)  Hist.  aug.  Alex.  Sever.  22,  4  ludaeis  privUegia  reserz'avit,  Christianos  esse  passtts  est. 
5)  Beachtenswert  ist,  daß  in  einer  polizeilichen  Liste  von  Gewerbetreibenden  aus  dem  4.  Jahrhun- 
dert (CIL  VI  31893  ein  Felix  Tineosus  als  ludaeus  bezeichnet  ist,  die  Juden  also  als  solche  aus- 
drücklich gekennzeichnet  waren  (Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  S.  585).  6)  Joseph.  A.  J.  XVI  163.  168. 
7)  Philo  Leg.  ad  Gai.  158.  8)  Joseph.  A.  J.  XII  120 f.  9)  Schürer  m+  S.  iigf.  Juster  I  243 ff. 
10)  Juster  I  409ff.  ii)  Schürer,  Gemeindeverfassung  S.  13;  vgl.  Gesch.  ni"^  S.  120.  12;  Momm- 
sen RG.  V  548.  Genaueres  bei  Jusler  l  391  ff.  13)  Philo  Leg.  ad  Gai.  182.  14^  Plin.  n.  h. 
Xin  46.  Quintilian.  III  7,  21.  Tac.  H.  V  4.  5.  8.  Aus  späterer  Zeit  ist  beachtenswert  der  wütende 
Ausfall  gegen  die  Juden  bei  Rutil.  Namat.  I  383 ff.,  vgl.  dazu  H.  Schenkl,  Rhein.  Mus.  LXVI  191 1 
S.  393  ff. 


lIV.  244,  245]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  213 

sind,  den  der  jüdische  Krieg  hinterlassen  hatte.  Aber  auch  abgesehen  von  dem 
wilden  Fanatismus,  der  in  diesen  Verzweiflungskämpfen  wütete,  reichte  schon 
ihre  hochmütige  Verachtung  aller  andern  Nationen,  Kulturen  und  Religionen, 
ihre  Absonderung  von  Tisch  und  Bett  ihrer  Nachbarn,  verbunden  mit  ihrem 
hartnäckigen  Zusammenhalten  untereinander,  hin,  sie  >;  allen  Menschen  zu- 
wider« ^)  zu  machen  und  als  ein  von  Menschenhaß  erfülltes  Volk  erscheinen  zu 
lassen.  Die  von  judenfeindlichen  Schriftstellern  (hauptsächlich  auf  Grund  ägyp- 
tischer Quellen)^)  verbreiteten  Beschuldigungen,  Übertreibungen  und  Erdich- 
tungen^) trugen  dazu  bei,  den  Judenhaß  zu  nähren,  dessen  Ausbrüche  nicht 
selten  gewesen  zu  sein  scheinen^).  Nach  Tacitus  unterrichteten  sie  vor  allem 
in  Verachtung  der  Götter,  Verleugnung  des  Vaterlandes,  Geringschätzung  der 
Eltern,  Kinder  und  Geschwister^).  Nach  Juvenal  lehrte  Moses,  man  solle  nur 
Beschnittenen  den  Weg  weisen,  wenn  sie  verirrt  sind,  nur  sie  an  die  Quelle 
führen,  wenn  sie  verschmachten^).  Nach  Apio  mästeten  in  der  Zeit  des  Königs 
Antiochus  Epiphanes  die  Juden  jährlich  einen  Griechen  mit  Leckerbissen,  opfer- 
ten ihn  dann  feierlich  an  einem  bestimmten  Tage  in  einem  Walde,  aßen  seine 
Eingeweide  und  schwuren  dabei  den  Griechen  ewige  Feindschaft^).  Und  zu  der 
Feindseligkeit  gegen  die  Juden  gesellte  sich  Verachtung  ihrer  Niedrigkeit  und 
Armseligkeit,  ihrer  widrigen  Unsauberkeit^j,  ihrer  peinlichen,  als  abergläubisch 
verspotteten  Befolgung  so  vieler  anscheinend  grundloser,  lächerlicher  und  selt- 
samer Gebräuche  und  Satzungen.  Außer  der  Beschneidung  wurde  besonders 
die  Enthaltung  von  Schweinefleisch  belacht,  zu  dessen  Genuß  sie  der  tumul- 
tierende  Pöbel  wohl  (wie  bei  der  von  Philo  beschriebenen  Judenhetze  zu  Alexan- 
dria) zu  zwingen  suchte ;  ferner  das  unverbrüchliche  Festhalten  an  der  Sabbat- 
ruhe, durch  die  sie,  wie  Seneca  sagt,  den  siebenten  Teil  ihres  Lebens  verloren^), 
sowie  die  Umständlichkeit  der  zur  Vermeidung  jeder  Arbeit  am  Sabbat  ge- 
troffenen Anstalten.  Juvenal  erwähnt  die  mit  Heu  gefüllten  Körbe,  in  denen  die 
Tags  zuvor  bereiteten  Speisen  warm  gehalten  wurden,  als  ein  unenthehrliches 
Stück  auch  der  ärmsten  jüdischen  Haushaltung'").  Rabbi  Abahu  klagte,  daß 
Sticheleien  auf  die  Juden  auch  bei  dem  geringsten  Aufwände  von  Witz  die 
Theater  zum  Lachen  brächten").  Dazu  kam  dann  auch  der  geschäftliche  Anti- 
semitismus, dessen  erstes  Zeugnis  ein  aus  dem  Jahre  41  n.  Chr.  stammender 
Brief  eines  alexandrinischen  Großkaufmanns  ist,  der  einen  Verschuldeten  mit 
denWorten  »hüte  dich  vor  den  Juden«  vor  den  jüdischen  Geldverleihern  warnt '^). 

Aber  es  fehlte  dem  Judentum  auch  nicht  an  Freunden,  und  diese  gewannen  Anziehungskraft 
ihm  zum  Teil  jene  Tugenden,  die  selbst  seine  Gegner  anerkannten,  und  die  Jo-  ^^^  Judentums, 

i)  I  Thessalonic.  2,  15.  Renan,  Apotres  S.  289,  l.  Literatur  bei  Schiirer  III*  S.  150,  l.  2)  Jo- 
seph, c.  Ap.  I  223.  F.  Stähelin,  Der  Antisemitismus  im  Altertum  (1905)  S.  9fif.  Von  diesen  ist  auch 
Posidonius  (=  Diodor.  XXXIV  i)  abhängig,  Stähelin  S.  24.  3)  Stähelin  a.  a.  O.  S.  29 ff.  4)  Schürer 
S.  126 f.  5)  Tac,  H.  V  5.  6)  Juv.  14,  1035.  7)  Joseph,  c.  Apion.  II  94f.  8)  Ammian.  Marc. 
XXII  5,  5  (Julian)  cum  Palaestinam  transiret  Aegyptuni  petens,  ludaeorum  faetentmm  et  tiimultuan- 
tium  saepe  taedio  percitus  dolenter  dicitur  exclamasse:  '0  Marcomanni,  o  Qtiadi,  0  Sarmatae,  tandem 
alias  vobis  inertiores  invttiV ■  9)  Die  Belegstellen  bei  Renan,  Apotres  vS.  288 — 291.  10)  Juven. 
3,  14.  6,  542,  vgl.  Rönsch,  Jahrb.  f.  Philol.  CXXIII  1881  S.  692 ff.  CXXXI  1885  S.  552:  in  trockne 
Krautet  dürfen  nach  rabbinischen  Vorschriften  die  für  den  Sabbat  warm  zu  haltenden  Speisen  ge- 
setzt werden.  11)  Hausrath,  Neutestamentliche  Zeitgesch.  III  76.  12)  ß\€TTe  aa(u)TÖv  änö  tujv 
'louöaiujv,  Wilcken,  Chrestom.  nr.  60. 


2  14  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  246 

sephus  in  seiner  (unter  Trajan  verfaßten)  Verteidigungsschrift  rühmt;  ihre  un- 
wandelbare Frömmigkeit,  ihr  strenger  Gehorsam  gegen  das  Gesetz,  ihre  Bedürf- 
nislosigkeit, ihre  Mildtätigkeit,  ihr  einträchtiges  Leben  untereinander,  ihre  Todes- 
verachtung im  Kriege,  ihr  Fleiß  in  Handwerken  und  im  Ackerbau  im  Frieden, 
ihr  unerschütterliches  Gottvertrauen  ^).  Sodann  zog  diese  Religion  wohl  gar 
manche  der  aus  dem  Polytheismus  zu  einer  reineren  Gotteserkenntnis  Streben- 
den als  die  wahrhaft  aufgeklärte  an^):  die  Verwerfung  des  griechischen  und 
ägyptischen  Bilderdienstes  ließ  dem  Strabo  den  jüdischen  Gesetzgeber  als  einen 
wahren  stoischen  Philosophen  erscheinen^),  und  der  geistvolle  Verfasser  der 
Schrift  vom  Erhabenen  (um  40  n.  Chr.)  führt  die  Anfangsworte  der  Genesis 
als  Musterbeispiel  des  großartigen  Stils  an  und  rühmt  den  Gesetzgeber  der  Juden 
als  einen  nicht  gewöhnlichen  Mann'*).  Doch  vermutlich  war  die  Zahl  derer  weit 
größer,  deren  Glaubensbedürfnis  im  Judentume  vollste  Befriedigung  fand  als 
dem  vor  der  Entstehung  und  Verbreitung  aes  Christentums  einzigen  Bekennt- 
nisse, dasein  auf  Offenbarung  beruhendes,  also  jedem  Zweifel  entrücktes  Dogma 
bot:  und  wie  oft  war  die  unerschütterliche  Überzeugung,  daß  es  die  einzig  wahre 
Religion  sei,  von  seinen  Bekennern  heldenmütig  bewährt  worden.  Daß  es  in 
allen  Ländern  sehr  viele  gab,  die  ganz  oder  teilweise  das  mosaische  Gesetz  be- 
folgten^), darin  stimmen  judenfreundliche  und  judenfeindliche  Berichte  überein, 
und  namentlich  die  Frauen  erwiesen  sich  auch  hier  als  »Führerinnen  zur  Gläubig- 
keit«^). »Solche  Macht«,  sagt  Seneca,  »haben  die  Bräuche  dieses  höchst  ver- 
ruchten Volks  bereits  gewonnen,  daß  sie  in  allen  Ländern  eingeführt  sind;  sie, 
die  Besiegten,  haben  ihren  Siegern  Gesetze  gegeben«^).  Horaz,  Ovid,  Persius 
und  Juvenal  bezeugen,  daß  zu  Rom  viele  sich  am  Neumondstage  und  am  Sabbat 
aller  Geschäfte  enthielten,  am  letzteren  nicht  reisten,  fasteten  und  beteten,  Lam- 
pen anzündeten  und  Kränze  aufhängten;  andre  studierten  auch  das  mosaische 
Gesetz,  besuchten  Synagogen  und  sandten  die  Tempelsteuer  nach  Jerusalem^). 
Schon  lange,  sagt  Josephus,  hat  sich  Nacheiferung  unserer  Frömmigkeit  auch 
unter  den  Massen  verbreitet,  und  es  gibt  keine  griechische  noch  barbarische 
Stadt  oder  Provinz,  wohin  nicht  unsere  Sabbatruhe  gedrungen  ist,  und  die  Fasten 
und  das  Lampenanzünden  und  die  Enthaltung  von  den  uns  verbotenen  Speisen 

i)  Joseph,  c.  Apion.  II  283,  vgl.  291!.  2)  Der  erste,  der  sich  für  jüdische  Religion  und  Denk- 
weise interessierte,  war  nach  dem  Zeugnisse  seines  Schülers  Klearch  von  Soli  (FHG  II  323  f.  = 
Joseph,  c.  Apion.  I  176  ff.)  Aristoteles  gewesen,  vgl.  v.  Gutschmid,  N.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  alt. 
Orients  S.  ^^  Anm.  3)  Strabo  XVI  760!.,  vgl.  Schürer  III '^   S.  156,  24.         4)  De  sublim.  9,  9, 

dazu  Mutschmann,  Hermes  LH  191 7  S.  161  ff.  5)  ööoi  xa  v6|ui|uia  auxuJv  Kamep  ctWoeGveTq  övTer 
Z;ti\ouöi  Cass.  Dio  XXXVII  17,  i.  6)  Oben  I  302  f.    Inschrift  der  Beturia  Paulla  —  proselyta 

an[nis)  XVI  notumae  Sara  viater  syrtagogarum  Campi  et  Bolumni  in  Rom,  CIL  VI  29  756.  7)  Se- 
neca De  superst.  bei  August,  civ.  dei  VI  11.  8)  Horat.  S.  I  9,  69  (tricesima  sabbata  d.  i.  der  Neu- 
mondstag, Rosch-Chodesch,  d.  h.  die  Ruhefeier  am  30.  Tage;  vgl.  Dombart,  Archiv  f.  Lexikogr.  VI 
1889  S.  272f.).  Ovid  a.  a.  I  415  f.;  Rem.  2l9f.  Pers.  5,  179 ff.  (dazu  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist. 
V  1867  S.  14).  Juv.  14,  96ff.  Fronto  ad  M.  Caes.  II  7  p.  32  N.  nee  aliter  Kai.  Sept.  expecto,  quam 
superstitiosi  stellam,  qua  visa  ieiunium  poUuant  (vgl.  Athen.  IV  156  A).  Tertullian.  De  ieiunio  16: 
Judaicum  certe  ieiuniuin  ubique  celebratur  —  et  stellae  auctoritatem  demorantis  suspirant;  Apologet. 
16:  eis  —  qui  diem  Saturni  otio  et  victui  decernunt  exorbitantes  et  ipsi  a  ludaico  more,  quem  Igno- 
rant:, Ad  nationes  I  13:  vos  —  ex  diebus  ipso  [die  SoHs)  priorem  praelegistis,  quo  die  lavacrum  sub- 
trahatis  aut  itt  vesperam  differatis  aut  otium  et  prandium  curetis,  quod  quidem  facitis  exorbitantes  et 
ipsi  a  vestris  ad  alienas  religiones. 


[IV.  247]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  215 

beobachtet  wird.  Sie  versuchen  auch  die  unter  uns  herrschende  Eintracht  nach- 
zuahmen und  die  Mitteilung  vom  Eignen  und  die  Arbeitsamkeit  in  den  Hand- 
werken und  die  Standhaftigkeit  in  den  für  das  Gesetz  zu  ertragenden  Leiden. 
Was  aber  das  wunderbarste  ist,  ohne  das  Lockmittel  der  Lust  hat  das  Gesetz 
sich  selbst  in  sich  selbst  stark  erwiesen,  und  wie  Gott  durch  die  ganze  Welt  ge- 
gangen ist,  so  ist  das  Gesetz  durch  alle  Völker  gewandert').  >Alle  Menschen«, 
sagt  Philo,  »unterwirft  es  sich  und  ermahnt  sie  zur  Tugend,  Barbaren,  Hellenen, 
Festlands-  und  Inselbewohner,  die  Nationen  des  Ostens  so  gut  wie  des  Westens, 
Europäer,  Asiaten,  die  Völker  der  ganzen  Erde«"").  Der  alexandrinische  Philo- 
soph glaubte  hoffen  zu  dürfen,  daß  das  Judentum  dereinst  die  Religion  der  Welt 
sein  werde. 

Der  Übertritt  zum  Judentum  war  bis  auf  Hadrian  (jene  kurze  Zeit  der  Ver-  Religions-  und 
folgung  unter  Tiber  abgerechnet)  gesetzlich  durchaus  unbehindert^),  sowie  die  u^'r^'r^^f^iT" 
von  Cäsar  und  August  gewährleistete  volle  Religionsfreiheit  der  Juden,  abge-  drian. 
sehen  von  vorübergehenden  Unterdrückungsversuchen,  unangetastet.  ImJahre42 
erließ  Claudius  ein  Edikt,  »daß  die  Juden  in  seinem  ganzen  Reiche  ihre  väter- 
lichen Gebräuche  unbehindert  beobachten  sollten,  wobei  er  sie  zugleich  erinnere, 
seine  freundliche  Gesinnung  nicht  zu  mißbrauchen  und  nicht  die  Superstitionen 
andrer  Völker  zu  verachten,  sondern  sich  mit  Beobachtung  der  eignen  Gesetze 
zu  begnügen«;  und  dieses  Edikt  blieb  auch  später  in  Kraft"*).  Daß  es  auch  von 
Seiten  der  Juden  an  Bekehrungsversuchen  Andersgläubiger  nicht  fehlte,  bezeugt 
Horaz^),  und  namentlich  von  den  Pharisäern  ist  bekannt,  daß  sie  »Wasser  und 
Land  umzogen,  um  einen  Proselyten  zu  machen«^).  Doch  nach  der  Zerstörung 
Jerusalems  wurde  mit  der  Ausbildung  des  starren  Rabbinismus  die  Abschließung 
des  Judentums  gegen  das  Heidentum  eine  immer  schroffere,  und  die  Kluft 
zwischen  beiden  erweiterte  und  vertiefte  sich  je  länger  je  mehr:  der  babylo- 
nische Talmud  nennt  die  Proselyten  einen  Aussatz  für  IsraeF).  Nachdem  An- 
toninus  Plus  die  von  Hadrian  verbotene  Beschneidung  den  Juden  zwar  an  ihren 
Kindern  nach  wie  vor  zu  vollziehen  erlaubt,  dagegen  die  Beschneidung ^)  von 
NichtJuden  aufs  strengste  untersagt  hatte  ^),  können  infolge  dieses  auch  später 
in  Kraft  gebliebenen  Edikts,  abgesehen  von  den  gewiß  seltnen  Übertretungs- 
fällen,  keine  förmlichen  Übertritte  zum  Judentum  '°j  mehr  stattgefunden  haben, 
die  Proselyten  dieser  späteren  Zeit  also  nicht  mehr  »Proselyten  der  Gerechtig- 
keit«, sondern  nur  sogenannte  »Gottesfürchtige«  (q5oßo\j)uevoi  oder  cTeßoinevoi 
tÖv  öeov)  gewesen  sein,  die  besonders  den  Sabbat  beobachteten  und  sich  der 
verbotenen  Speisen  enthielten").    Zu  dieser  Klasse  dürfte  aber  der  größte  Teil 

i)  Joseph,  c.  Apion.  II  282 ff.  2)  Philo  Vita  Mos.  II  18  f.         3)  Vgl.  aber  Mommsen,  Strafr. 

S.  574,  3.  4)  Joseph.  A.  J.  XIX  290;  vgl.  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  III  1865  S.  90 f.  5)  Horat. 
S.  1 4,  142 :  ac  ve'luti  te  Itidaei  cogemus  in  hatte  concedere  turbam.  6)  Ev.  Matth.  23,  15.  7)  Momm- 
sen RG.V  551  f.  Renan,  Evangiles  S.  gff.  8)  Sie  wurde  wohl  bei  Hadrians  Verschärfung  des 
Kastrationsverbots  als  Kastration  aufgefaßt.  Mommsen  RG.  V  549;  Strafrecht  S.  638.  9)  Juster 
I  263  ff.  10)  Orig.  c.  Geis.  II 43:  oi  ZiKopioi  öia  rriv  trepiTOiuTiv,  uuc;  ciKpuuTripiaZlDVTec;  Trapä  touc; 
KaBeOTOÜTO^  v6iuou<;  koi  tcx  'lou6ai'oi(;  öu^Kexatpriiueva  iuovok;  dvaipoOvTar  koi  ouk  effriv  ciKoOcfai 
öiKaöToO  TTUv9avo|uevou,  ei  Kaxct  Ti'ivöe  xf^v  vo|uiZ;o|uevriv  Oeoöeßeiav  6  ZiKapioq  äYuuviZ:6|uev0(; 
ßioOv,  |ueTa66|uevo(;  |U€v  äTro\u9tiaeTai,  t|H|Lievuuv  6e  ttiv  erri  öavaruj  ciTTaxOriaeTai.  'AWaycip 
dpK€i6eix6eTaai'iTrepiTO|ufiiTpöc;dvaipeöivToöiT€7Tov96TO(;aiJTriv.  11)  Schürer 
III'*  S.  165  ff.   Juster  I  274ff. 


2l6 


XlII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  248] 


der  Anhänger,  die  das  Judentum  im  Heidentum  gewann,  schon  in  der  vor- 
hadrianischen  Zeit  gehört  haben.  Übrigens  reichte  der  Einfluß  des  Judentums 
über  die  Kreise  seiner  eigentlichen  Anhänger  hinaus  und  führte  zu  heidnisch- 
jüdischen Mischbildungen,  Zu  diesen  gehörten  die  Kultvereine  der  ^  Verehrer 
des  höchsten  Gottes«  (creßojaevoi  0eöv  uipiaTOv),  die  in  Tanais  im  Bosporanischen 
Reich  zu  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  bestanden,  und  die  von  den  Kirchenvätern 
des  4.  Jahrhunderts  bekämpfte  Sekte  der  Hypsistarier  in  Kleinasien  ist  allem 
Anschein  nach  eine  gleichartige  gewesen'). 


Das  Christentum. 

Der  Bekehrungs- 
eifer der  Christen. 


Stellung  des  rö- 
mischen Staates 
zum  Christentum. 


Setzte  aber  die  Natur  des  Judentums  als  der  Religion  eines  auserwählten 
Volks  seiner  Verbreitung  auf  Kosten  des  Heidentums  an  und  für  sich  Schranken, 
so  hatte  das  Christentum  ebensowohl  die  Tendenz,  alle  seinem  Weltgange  im 
Wege  stehenden  Hindernisse  zu  durchbrechen,  als  auch  die  Kraft  dazu;  und 
galt  den  Juden  die  Bekehrung  von  Ungläubigen  höchstens  als  ein  verdienst- 
volles Werk,  so  gab  es  für  die  Christen  keine  höhere  und  heiligere  Pflicht,  als 
die  Ausbreitung  der  Lehre  des  Heils.  Das  Beispiel  der  ersten  Apostel  erweckte 
unaufhörlich  Nachfolger  in  stets  wachsender  Zahl,  die  nach  der  Lehre  des  Evan- 
geliums ihre  Habe  an  die  Armen  verteilten  und  den  Wanderstab  ergriffen,  um 
das  Wort  Gottes  von  Volk  zu  Volk  zu  tragen^),  und  deren  Eifer  auch  unter  den 
größten  Schwierigkeiten  und  Gefahren  weder  ermattete  noch  erkaltete.  Die 
Christen  waren  eifrig,  sagt  Origenes^),  in  der  ganzen  Welt  das  Wort  auszusäen. 
Die  Sendboten  der  neuen  Lehre  besuchten  nicht  bloß  Städte,  sondern  auch 
Dörfer  und  Gehöfte,  ja  sie  scheuten  sich  nicht,  ins  Innere  der  Familien  einzu- 
dringen und  sich  zwischen  Blutsverwandte  zu  stellen.  Christliche  Sklaven  such- 
ten, wie  die  Heiden  ihnen  vorwarfen,  Frauen  und  Kinder  ihrer  Herren  zu  ihrem 
Glauben  herüberzuziehen;  ja  die  eifrigeren  reizten  die  Kinder,  Vätern  und 
Lehrern  den  Gehorsam  zu  versagen,  um  die  Seligkeit  zu  erwerben.  So  mußten, 
wie  bei  jeder  welterschütternden  und  neugestaltenden  Bewegung,  auch  damals 
nur  zu  oft  Bande  der  Natur  zerrissen,  Herzen  gebrochen  und  »Lieb  und  Treu 
wie  ein  böses  Unkraut  ausgerauft«  werden'*). 

Die  der  jüdischen  Nation  als  solcher  ausnahmsweise  zugestandene  Toleranz, 
die  eine  stillschweigende  Entbindung  von  allen  ihrem  Aberglauben  zuwider- 
laufenden Verpflichtungen,  also  auch  vom  Götter-  und  Kaiserkult,  zur  Folge 
hatte,  konnte  nach  römischer  Ansicht  einer  vom  väterlichen  Glauben  abgefalle- 
nen Sekte  nicht  gewährt  werden,  am  wenigsten  der  christlichen^).  Dem  Christen- 
tum gegenüber  befand  sich  der  römische  Staat  im  Stande  der  Notwehr.  Die 
Erkenntnis  seiner  auf  völlige  Vernichtung  der  Staatsreligion  zielenden,  jeden 
Kompromiß  ausschließenden  Tendenz  muß  seit  der  Ablösung  des  neuen  Glau- 
bens vom  Judentum  (der  die  Zerstörung  Jerusalems  starken  Vorschub  leistete) 
schnell  unabweisbar  geworden  und  in  die  weitesten  Kreise  gedrungen  sein. 

Früher  und  öfter  als  die  Weigerung  des  Götterkults  hat  ohne  Zweifel  die  des 
Kaiserkults,  der  zu  den  fundamentalen  Institutionen  des  Reichs  gehörte,  Ver- 
folgungen der  Christen  veranlaßt^    Die  ersten,  von  denen  wir  wissen,  fanden 

l)  Schürer,  Sitz.Ber.  der  Berliner  Akad.  1897  S.  200—225,  ^S^'  Gesch.  d.jüd,  Volk.  III^  S.  174,  70. 
Cumont,  Real-Encykl.  IX  444  ff.  2)  Eusebius  H.  e.  III  37,  i  f.  3)  Orig.  c.  Cels.  III  9.  4)  Oben 
I  304 f.        5)  Mommsen,  Strafr.  S.  575 f.       6)  Über  die  rechtliche  Grundlage  des  staatlichen  Vor- 


|IV.  249;25o]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  217 

in  der  Provinz  Asia  statt,  die  in  mehreren  Städten  (Pergamum,  Smyrna,  Ephe- 
sus  u.  a.)  Tempel  für  diesen  Kult  hatte,  bei  denen  die  jährlichen  Versammlungen 
der  ihm  gewidmeten  Festgemeinschaften  stattfanden.  »Es  scheint,  daß  die  Ent- 
scheidung über  die  Stellung,  die  der  Staat  dem  Christentum  gegenüber  in  der 
Folge  einnahm,  unter  Domitian  gefallen  ist,  wenn  die  Überlieferung  es  auch 
nicht  gestattet,  bestimmt  zu  sagen,  in  welcher  Form  eine  solche  Entscheidung, 
die  tatsächlich  maßgebend  war,  erfolgt  ist«*).  Die  Offenbarung  Johannis,  eine 
unter  Domitian  entstandene  Bearbeitung  einer  älteren  jüdischen  Apokalypse, 
von  einem  Judenchristen,  in  der  der  christliche  Fanatismus  gegen  das  Reich  zu 
so  lodernder  Glut  entflammt  ist,  wie  sonst  nie  wieder"^),  spricht  von  dem  Tode 
des  »treuen  Zeugen«  Antipas  und  andrer  Christen  in  Pergamum,  »wo  der  Satan 
wohnt«,  »die  geköpft  sind  wegen  des  Zeugnisses  Jesu  und  wegen  des  Wortes 
Gottes,  und  die  da  nicht  angebetet  hatten  das  Tier  noch  sein  Bildnis«^) 

Als  eine  kriminalrechtliche  konnte  die  Bestrafung  der  Christen  erfolgen  auf 
Grund  der  Auffassung  des  Majestätsverbrechens,  welche  die  Verletzung  der 
nicht  bloß  dem  Kaiser  als  Gott,  sondern  auch  den  Nationalgöttern  zu  leistenden 
Huldigung  als  Vergehen  gegen  den  Staat  auffaßte.  Doch  ist  bis  zur  Mitte  des 
3.  Jahrhunderts  in  diesem  Sinne  nur  von  einzelnen  Kaisern  und  Statthaltern 
verfahren  worden.  Viel  häufiger  wurde  das  den  Oberbehörden,  namentlich  den 
Provinzialstatthaltern,  gegen  religiöse  Kontraventionen  zustehende  außerordent- 
liche Strafverfahren  angewandt,  sowohl  gegen  Proselytenmacher  als  gegen 
Proselyten,  um  den  Abfall  (zunächst  der  Bürger)  vom  nationalen  Glauben  zu 
hindern  oder  doch  einzudämmen.  Dieses  nicht  dem  Gebiete  der  Rechtspflege 
angehörige,  administrative,  also  von  Willkür  untrennbare  Verfahren  war  seinem 
Wesen  nach  »abhängig  von  der  Individualität  der  einzelnen  Beamten  und  von 
der  jeweiligen  Volksstimmung« ;  deshalb  waltete  hier  »eine  Unstetigkeit,  wie 
sie  in  der  Rechtspflege  auch  in  dieser  Periode  des  Verfalls  keineswegs  wahr- 
genommen wird«"^). 

Die  Volksstimmung  aber  war  den  Christen  von  Anfang  an  feindlich  und  Christenhaß. 
wurde  es  je  länger  je  mehr.  Von  den  Gebildeten  wurden  sie  verachtet  wegen 
ihrer  Niedrigkeit,  ihrer  Unwissenheit,  ihrer  Geringschätzung  von  Kunst  und 
Wissenschaft,  sowie  von  allem,  was  dem  Leben  Anmut  und  Schmuck  verleiht, 
wegen  ihres  Mangels  an  Patriotismus  und  ihrer  Gleichgültigkeit  gegenüber  de  n 
vitalsten  Staatsinteressen.  Von  den  Massen  wurden  sie  gehaßt;  ihre  Absonde- 
rung von  der  nichtchristlichen  Gesellschaft,  verbunden  mit  ihrem  festen  Zu- 
sammenhalten untereinander,  ihr  Abscheu  mindestens  vor  allen  mit  dem  heid- 

gehens  gegen  das  Christentum  Mommsen,  Ges.  Schrift.  III389  ff.  Anders  R.  Heinze,  Ber.  d.  sächs.  Ges. 
d.Wiss.  1910  S.  291  ff.  333ff.  436ff.,  der  gegenüber  Mommsens  Ansicht,  daß  die  Christen  entweder 
als  Majestätsverbrecher  oder  im  Wege  der  administrativen  coercitio  verfolgt  worden  seien,  die  Mei- 
nung vertritt,  daß  die  Zugehörigkeit  zum  Christentum  als  solche  gesetzlich  verboten  und  strafbar 
gewesen  sei.  Vgl.  auch  Augar,  Die  Frau  im  röm.  Christenprozeß,  Texte  u.  Untersuch.  N.  F.  XIII 4 
(1905)8.  54  ff. 

i)  Der  in  Anführungszeichen  eingeschlossene  (von  Mommsen  a.  a.  O.  S.  394  bestrittene)  Satz 
ist  von  K.  J.  Neumann.  2)  Wendland,  Hellenistisch-römische  Kultur^  S.  252.  3)  Apocal.  2,  13. 
20,  4.  K.  J.  Neumann,  Der  römische  Staat  und  die  allgemeine  Kirche  S.  12.  Zur  Frage  nach  der 
Entstehungszeit  der  Apokalypse  vgl.  BoU,  Aus  der  Offenbarung  Johannis  (1914)  S.94f.  4)  Momm- 
sen a.  a.  O.  S.  406.   Friedlaender,  Deutsche  Rundschau  LXXVI  1893   S.  392 — 398. 


2i8  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  251] 

nischen  Kultus  zusammenhängenden  Festlichkeiten,  die  Strenge  ihres  Wandels, 
die  wie  eine  Zensur  jeder  laxeren  Lebensführung  erschien,  ihre  Bedrohung  der 
Andersgläubigen  mit  ewiger  Verdammnis,  überhaupt  alles,  worauf  der  Gegen- 
satz des  Christentums  zur  Welt  beruhte:  dies  reichte  schon  hin,  um  ihnen  »Haß 
des  Menschengeschlechts«  vorzuwerfen").  Aber  weit  mehr  noch  machte  sie  ihr 
»Atheismus«:  verhaßt,  ihre  Feindseligkeit  gegen  die  nationale  Religion,  ihre  Ver- 
höhnung dessen,  was  Millionen  heilig  war,  ihre  Schmähung  der  Götter,  die  den 
römischen  Staat  seit  Jahrhunderten  beschützt  und  zu  solcher  Größe  emporge- 
hoben hatten,  und  deren  Gnade  auch  der  Einzelne  alles  zu  verdanken  glaubte, 
was  ihm  das  Leben  wert  machte.  Je  länger  je  mehr  verbreitete  sich  unter  den 
Anhängern  des  alten  Glaubens  die  Neigung,  alles  öffentliche  und  allgemeine 
Unglück  vom  Zorn  der  Götter  über  den  zunehmenden  Verfall  ihres  Dienstes 
abzuleiten  und  das  Christentum  und  seine  Bekenner  als  die  Verschulder  dieses 
Zorns  verantwortlich  zu  machen").  Die  meisten  Todesurteile  gegen  Märtyrer 
sind  in  der  Zeit  vor  Decius,  »wie  das  über  den  Stifter  der  Religion  selbst  ver- 
hängte, durch  den  blinden  Fanatismus  der  Massen  und  die  Schwäche  der  Statt- 
halter herbeigeführt  worden«  ^).  War  der  Tiber  aus  seinem  Bette  getreten,  sagt 
ein  christlicher  Autor,  hatte  der  Nil  sich  nicht  auf  die  Felder  ergossen,  blieb 
der  Himmel  fest  und  regenlos,  bebte  die  Erde,  brach  Hunger  oder  Seuche  aus, 
so  erhob  sich  sofort  der  Ruf:  »Die  Christen  vor  die  Löwen !«'^)  Der  greise  Bi- 
schof Pothinus  endete  zu  Lyon  im  Jahre  177  als  Märtyrer  unter  den  Mißhand- 
lungen des  Volks:  »Alle  glaubten  sich  schwer  zu  vergehen  und  gottlos  zu  han- 
deln, wenn  sie  sich  an  dieser  Roheit  nicht  beteiligten,  denn  ihre  Götter  würden 
sie  dafür  bestrafen^)«.  Je  länger  desto  mehr  gewann  die  Ansicht  Boden,  daß 
mit  dem  Eintritt  des  Christentums  in  die  Welt  ein  allgemeiner  Verfall  des 
Menschengeschlechts  begonnen  habe. 

Das  unzweifelhafte  Symptom  der  Stärke  und  Leidenschaftlichkeit  des 
Christenhasses  ist,  daß  der  Glaube  an  abscheuliche  Verbrechen,  die  man  ihnen 
andichtete,  nicht  bloß  bei  den  Massen,  sondern  auch  bei  den  Höchstgebildeten 
sehr  verbreitet  war  und  lange  unausrottbar  blieb.  Allerdings  trug  dazu  auch 
das  Geheimnis  bei,  mit  dem  die  Christen  ihren  Gottesdienst  umgaben.  Von 
jeher  haben  geheime  religiöse  Zusammenkünfte  Außerhalbstehenden  den  Ver- 
dacht erregt,  daß  dort  unter  dem  Deckmantel  der  Religion  Dinge  geschähen, 
die  das  Licht  zu  scheuen  hätten.  In  der  altrömischen  Welt  hat  der  Ein- 
druck des  großen  Bacchanalienprozesses  (186  v.  Chr.)  jahrhundertelang 
nachgewirkt.  Damals  war  in  der  Tat  ein  über  Etrurien  eingedrungener  Ge- 
heimdienst des  Bacchus  als  Deckmantel  der  schändlichsten  Ausschweifungen 
und  ärgsten  Verbrechen  benutzt  worden;  die  endlich  gegen  die  Teilnehmer 
eingeleitete  Untersuchung  hatte  die  Bestrafung  von  Tausenden,  großenteils 
mit  dem  Tode,  zur  Folge  gehabt.  In  ähnlicher  Weise  wiederholten  sich  gegen 
die  Christen  immer  von  neuem  die  Anklagen  von  »ödipodeischen  Verbindungen 
und  thyesteischen  Mahlzeiten« ,  die  mit  ihrem  Gottesdienst  verbunden  sein 
sollten,  d.  h.  widernatürlichen  Ausschweifungen  und  Ritualmorden.    Man  be- 

i)  naiurae  totius  inimicum  Tertull.  apol.  2.  Über  den  Vorwurf  des  Atheismus  s.  oben  S.  199  A.4. 
2)  Oben  S.  200.  3)  Mommsen  a.  a.  O.  S.  415.  4)  Tertull.  apol.  40;  vgl.  H.  Achelis,  Das  Christen- 
tum in  den  ersten  drei  Jahrhunderten  (19 12)  I  294.       5)  Euseb.  hist.  eccl.  V  i,  31. 


[IV.  252]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  219 

rief  sich  dabei  auf  Geständnisse,  die  von  Sklaven,  Weibern  und  Kindern  erfoltert 
waren,  doch  allerdings  auch  auf  gegenseitige  Anklagen  der  christlichen  Parteien 
und  S.ekten,  die,  wie  ein  heidnischer  Autor  sagt,  einander  die  .schändlichsten 
Dinge  vorwarfen,  die  man  gar  nicht  nennen  könne.  Hier  sei  nur  erwähnt,  daß 
Hippolyt,  der  Gegenpapst  des  Callistus,  dem  letzteren  in  seiner  noch  erhaltenen 
»Widerlegung  aller  Ketzereien«  vorwirft,  er  habe  Ehebruch  und  Mord  gelehrt 
So  erhielt  der  Glaube  an  die  schamlosen  Orgien  und  Ritualmorde  der  Christen 
immer  neue  Nahrung.  Beides  hatte  Tacitus  im  Sinne,  als  er  (im  Anfange  der  Regie- 
rung Hadrians)  schrieb,  der  verderbliche  Aberglaube  der  Christen,  der  durch  die 
Kreuzigung  des  Stifters  in  Judäa  unterdrückt  war,  sei  aufs  neue  in  Rom  aus- 
gebrochen, »wohin  alles  Scheußliche  und  Schamlose  [cuncta  atrocia  et pudendä) 
zusammenströmt  und  Anhang  gewinnt«').  Daß  auch  Plinius  in  diesem  Sinne 
inquiriert  hatte,  ergibt  sich  aus  der  von  ihm  an  Trajan  berichteten  Aussage  der 
Christen,  sie  seien  zu  einem  unschuldigen  Mahle  zusammengekommen^). 
Noch  um  das  Jahr  200  wurde  behauptet  und  geglaubt,  daß  bei  der  Einweihung 
zum  Christentum  ein  Kind  geopfert  und  mit  dem  in  sein  Blut  getauchten  Brote 
verzehrt  werde.  An  die  Leuchter  seien  Hunde  gebunden;  werde  ihnen  ein 
Bissen  vorgeworfen,  so  werfen  sie  die  Leuchter  um,  und  in  der  Finsternis  ge- 
schehe das  Schlimmste^). 

Dieser  Glaube  an  die  Missetaten  der  Christen  ist  die  Haupt  veranlassung  der  Nero  gegen 
sogenannten  neronischen  Christenverfolgung  gewesen.  Um  den  Verdacht  der  ^'®  Chmten. 
Urheberschaft  des  ungeheuren  Brandes  von  sich  abzuwälzen,  der  im  Juli  64 
Rom  zum  größten  Teile  in  Asche  legte'^),  gab  Nero  der  nach  Opfern  verlangen- 
den Volkswut  »die  durch  ihre  Schandtaten  verhaßten  Christen«  preis.  Man  er- 
griff zuerst  diejenigen,  die  sich  zum  Christentum  bekannten,  dann  nach  deren 
Angabe  eine  sehr  große  Menge  andrer.  Wenn  auch  nicht  der  Brandstiftung, 
so  doch  des  »allgemeinen  Menschenhasses«  überwiesen,  wurden  sie  unter  so 
gräßlichen  Martern  hingerichtet,  daß  sie  Mitleid  erregten,  »obwohl  sie  schuldig 
waren  und  die  härtesten  Strafen  verdient  hatten«.  Sie  wurden,  in  Tierfelle  ge- 
hüllt, von  Hunden  zerfleischt  oder  ans  Kreuz  geheftet  oder  in  Flammen  gesetzt, 
die  die  einbrechende  Dunkelheit  erhellten^).  Die  kaiserlichen  Gärten,  in  denen 
die  > Fackeln  des  Nero«  durch  die  Nacht  leuchteten,  lagen  in  der  Gegend  der 
Peterskirche. 

Die  ersten  uns  bekannten  Normen  für  die  Behandlung  der  Christenfrage  hat 
Trajan  aufgestellt,  und  zwar  in  seinem  Reskript  an  den  jüngeren  Plinius,  der,  als 
Statthalter  von  Bithynien  und  Pontus,  ums  Jahr  112,  von  dem  Umsichgreifen  der 
neuen  »Superstition«  erschreckt,  Anweisungen  erbat,  da  er  noch  niemals  einer 
Verhandlung  gegen  die  Christen  beigewohnt  hatte.  Trajan  bestimmte,  daß 
jeder  des  Christentums  Beschuldigte  und  Überführte  zu  bestrafen  sei ;  wer  aber 

l)  Tac.  A.  XV  44.  2)  Plin.  ad  Trai.  96,  7.         3)  Geffcken,  Zwei  griech.  Apologeten  (1907 

S.  167 ff.  231  ff.  R.  Heinze  a.  a.  O.  S.  3i8ff.  4)  Oben  I  24.  Daß  der  Brand  (in  der  Nacht  vom 
iS./ig.  Juli  64)  zufällig  ausbrach,  geht  daraus  hervor,  daß  am  17.  Vollmond  war.  Eine  so  helle 
Nacht  würde  man  zu  einer  Brandlegung  sicherlich  nicht  gewählt  haben.  Hülsen,  American  Journal 
of  Archaeology  2  ser.  XLII  (1909)  S.  45  ff.  5)  Tac.  A.  XV  44,  dazu  C.  Weyman  in  der  Festgabe  f. 
M.  V.  Schanz  (1912)  S.  167  ff.  Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  S.  407  ff.  K.  Linck,  De  antiquissimis  veterum 
quae  ad  Jesum  Nazarenum  spectanttestimoniis  (1913)   S.  61  ff. 


2  20  Xlir.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  253] 

das  Christentum  ableugne  \md  seine  Lossagung  von  ihm  durch  ein  den  Göttern 
gebrachtes  Opfer  bestätige,  solle  ohne  Rücksicht  auf  die  Vergangenheit  straflos 
ausgehen.  Gefahndet  solle  auf  die  Christen  nicht  werden,  auch  mißbilligte  der 
Kaiser  die  Berücksichtigung  anonymer  Denunziationen '],  Hadrian  ist  der  einzige 
Kaiser  gewesen,  der  den  Christenglauben  freigab,  indem  er  in  einem  Erlasse 
an  den  Statthalter  von  Asia  anordnete,  daß  der  Christ  nur  wegen  des  ihm  zur 
Last  gelegten  nichtreligiösen  Verbrechens  zur  Rechenschaft  gezogen  werden 
dürfe,  und  den  falschen  Ankläger  auch  in  diesem  Falle  unnachsichtlich  die  ge- 
setzliche Strafe  treffen  soUe^j.  Im  allgemeinen  hielten  jedoch  die  Kaiser  den 
Standpunkt  des  religionspolizeilichen  Einschreitens  auf  geschehene  Anzeige 
fest  und  straften,  wo  es  sich  nicht  vermeiden  ließ.  Die  Christen  befanden  sich 
in  stetiger  Rechtsunsicherheit. 
Verfolgungen  Unter  Marc  Aurel  verschlimmerte  sich  ihre  Lage.  Ein  von  ihm  um  177  er- 
seitTrajan.  j^gggj^gg  Reskript,  das  die  Bestrafung  derjenigen  befahl,  die  dazu  beitragen 
würden,  »die  leicht  erregbaren  Gemüter  der  Menge  durch  Wahnglauben  in 
Angst  zu  versetzen«^),  fand  auch  auf  die  Christen  Anwendung.  In  verschiednen 
Provinzen  brach  die  Wut  der  städtischen  Bevölkerungen  gegen  sie  los.  Wir 
besitzen  das  höchst  interessante  Schreiben  der  Gemeinden  von  Vienne  und 
Lyon  über  die  Verfolgungen  in  der  letzteren  Stadt  (zu  deren  Opfern  der  Bischof 
Pothinus  gehörte)  an  die  Brüder  in  Asia  und  Phrygien'').  Von  den  verurteilten 
Christen  in  Lyon  wurden  die  Bürger  enthauptet,  die  Nichtbürger  wilden  Tieren 
vorgeworfen.  Im  Gegensatz  zu  der  Verordnung  Trajans  hatte  der  Statthalter 
auf  die  Christen  fahnden  lassen,  und  dies  ist  nach  der  Äußerung  eines  Zeitge- 
nossen damals  allgemein  oder  doch  vielfach  geschehen^). 

Der  Ausbruch  eines  fanatischen  Christenhasses  in  jener  Zeit  ist  sehr  begreif- 
lich. Niemals  vorher  war  das  Reich  von  so  schwerem  Unglück  jeder  Art  heim- 
gesucht worden.  Im  Jahre  166  waren  deutsche  Stämme,  durch  Völkerschie- 
bungen gedrängt,  über  die  Donau  eingebrochen  ,  hatten  die  nordöstlichen 
Grenzprovinzen  von  der  Ostschweiz  bis  Ungarn  und  Siebenbürgen  über- 
schwemmt und  verheert  und  Hunderttausende  von  Gefangenen  fortgeschleppt ; 
bis  Italien  und  Griechenland  waren  einzelne  ihrer  Horden  vorgedrungen.  Zum 
ersten  Male  wankte  das  Reich  in  seinen  Fugen.  Neun  Jahre  dauerten  die 
schweren,  verlustvollen,  mit  der  äußersten  Anspannung  aller  Kräfte  geführten 
Kriege,  in  denen  sie  endlich  überwältigt  wurden.  Zugleich  wütete  seit  162  jene 
furchtbarste  Epidemie  des  Altertums,  die,  aus  dem  Orient  eingeschleppt,  bis 
nach  dem  Rhein  und  Gallien  vordrang,  die  Lager  der  Legionen  verheerte  und 
ganze  Landstriche  in  Einöden  verwandelte^).  Dazu  kamen  Mißwachs  und 
Hungersnot,  um  die  Leiden  der  Bevölkerungen  aufs  höchste  zu  steigern.  Wenn 
je,  so  hatte  man  damals  Grund  zu  glauben,  daß  die  Götter  dem  so  lange  von 
ihnen  sichtbar  beschützten  Reiche  ihre  Gnade  entzogen  hätten;  und  welche 
Ursache  ihres  Zorns  lag  näher,  als  der  immer  mehr  um  sich  greifende  Abfall 
vom  Glauben  der  Väter,  den  die  Irrlehren  der  lichtscheuen,  von  Menschenhaß 

i)  Plin.  ad  Trai.  96.  97.  2)  Justin,  apol.  I  68,  6 ff.  Mommsen  a.  a.  O.  S.  4i4f.  3)  Dig. 
XL VIII  19,  30,  vgl.  Paul.  sent.  V  21,  2.  4)  Euseb.  bist.  eccl.  V  i,  3  ff.,  dazu  Hirschfeld,  Kl. 
Schrift.  S.  I54ff  Kahrstedt,  Rhein.  Mus.  LXVIII  1913  S.  395  ff.  5)  Cels.  bei  Orig.  c.  Cels.  VIII  69 
umijv  bk  Kav  TrA,aväTai  Tic  exi  \av9dvujv,  ctWct  ZrjTeiTai  iipbc,  Gavarou  6i'Kr|v.       6)  Oben  I  31. 


[IV.  254,  255]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  221 

erfüllten  »Atheisten«  verschuldeten?  Schwerlich  hat  Marc  Aurel  solchen  An- 
schauungen ganz  fern  gestanden.  Er  war  ein  nicht  nur  sehr  gottesfürchtiger, 
sondern  auch  starkgläubiger  Mann.  In  einer  Welt  ohne  Götter,  hat  er  gesagt, 
wolle  er  nicht  leben'). 

Endlich  kommt  hier  in  Betracht,  daß  damals  innerhalb  des  Christentums  eine  Montanisten. 
schwärmerische  Glaubensrichtung  aufgekommen  war,  die  der  Staatsgewalt  mit 
herausforderndem  Trotze  gegenüberstand.  Ihren  schärfsten  Ausdruck  fand  sie 
in  der  unter  dem  Einflüsse  des  phrygischen  Orgiasmus  enstandenen  Sekte  der 
Montanisten,  deren  Stifter  Montanus  um  156  in  Kleinasien  mit  dem  Anspruch 
aufgetreten  war,  der  erschienene  Paraklet  zu  sein.  Die  Montanisten,  deren  An- 
schauungen sich  auch  in  der  abendländischen  Kirche  verbreiteten,  forderten 
strengste  Askese  und  unbedingte  Lossagung  von  allem  Irdischen,  verkündeten 
das  nahe  Bevorstehen  des  Weltendes  und  des  tausendjährigen  Reichs,  legten 
übermäßigen  Wert  auf  das  Märtyrertum  und  ermahnten  dazu.  Diese  Märtyrer- 
sucht, die  auch  in  gemäßigten  christlichen  Kreisen  Mißbilligung  fand,  erregte  in 
heidnischen  nur  Spott  und  Hohn;  man  empfahl  ihnen,  sich  doch  selbst  umzu- 
bringen, anstatt  andern  Leuten  Mühe  zu  machen.  Als  der  Prokonsul  A.  Arrius 
Antoninus  (etwa  185)  die  Christen  in  seiner  Provinz  Asia  heftig  verfolgte,  zogen 
sie  (wohl  in  Ephesus)  haufenweise  vor  sein  Tribunal  und  boten  sich  freiwillig 
dar^).  Einige  von  ihnen  ließ  er  abführen,  zu  den  andern  sprach  er:  »Ihr  Elenden, 
wollt  ihr  durchaus  sterben,  so  habt  ihr  ja  Abgründe  und  Stricke«  ^j. 

Wie  in  Gallien  und  Kleinasien  hat  die  damalige  Verfolgung  auch  in  Afrika, 
wo  bisher  noch  kein  Christenblut  geflossen  war,  Opfer  gefordert.  Wir  besitzen 
das  Protokoll  einer  Verhandlung,  die  gegen  3  Christen  und  3  Christinnen  aus 
Scili  in  Numidien  am  17.  Juli  180  in  Karthago  von  dem  Prokonsul  von  Afrika 
geführt  worden  ist.  Trotz  seiner  offenbaren  Bemühung,  ihnen  den  Rücktritt 
zum  Heidentum  zu  erleichtern,  beharrten  die  Angeklagten  bei  ihrem  Bekennt- 
nisse, wiesen  das  Ansinnen,  beim  Genius  des  Kaisers  zu  schwören  und  für  sein 
Heil  ein  Opfer  zu  bringen,  zurück  und  lehnten  auch  die  angebotene  Bedenkzeit 
von  30  Tagen  ab.  Sie  wurden  an  demselben  Tage  enthauptet;  über  ihrem 
Grabe  erhob  sich  später  eine  Basilika'^).  In  Rom  sind  damals  oder  wenig  später 
die  Christen  zur  Zwangsarbeit  in  den  sardinischen  Bergwerken  verurteilt  worden, 
deren  Befreiung  die  Maitresse  des  Commodus,  Marcia,  um  190,  erwirkte^).  Die 
Bergwerksstrafe  war  nächst  der  Todesstrafe  die  härteste;  die  Verurteilten  waren 
durch  sie  zum  Sklavenstande  degradiert,  arbeiteten  (auf  der  einen  Seite  des  Kopfes 
kahl  geschoren)  in  Ketten  und  waren  körperlichen  Züchtigungen  ausgesetzt^). 

Wenn  auch  die  Verfolgung  in  den  nächsten  Jahren  nach  dem  Tode  Marc 
Aureis  noch  fortdauerte,  so  kam  doch  nun  (zunächst  durch  Marcias  Einfluß)  für 
die  Kirche  eine  bessere  Zeit.  Sie  erfreute  sich  nun  während  einer  Periode  von 
fast  70  Jahren  eines  nur  durch  vereinzelte  Verfolgungen  unter  Septimius  Severus 
und  Maximinus  Thrax  unterbrochenen  Friedens.  Die  Märchen  von  den  Ritual- 
morden und  schamlosen  Orgien  verstummten  allmählich,  je  mehr  das  Christen- 
tum mit  zunehmender  Ausbreitung  aus  der  Verborgenheit  ans  Licht  trat,  je  mehr 

l)  Oben  S.  123.  2)  Über  Selbstanzeigen  und  Provokation  der  Christen  vgl.  Achelis  II  436 f. 
3)  Tertull.  ad  Scap.  5.  4)  Neumann  a.  a.  O.  S.  71  ff.  5)  Vgl.  oben  I  67.  6)  Mommsen,  Strafr. 
S.  949  ff. 


Märtyrer. 


222  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  256] 

Christen  und  Heiden  (auch  durch  Ehen  und  Familienbeziehungen)  in  Berührung 
kamen.  Es  ist  ein  Beweis  für  die  Abnahme  des  Christenhasses,  daß  die  tausend- 
jährige Säkularfeier  der  Stadt  Rom,  die  im  Jahre  248  drei  Tage  und  drei  Nächte 
hindurch  aufs  feierlichste  begangen  wurde  und  unzweifelhaft  eine  große 
Steigerung  des  religiösen  Gefühls  bewirkte,  ohne  christenfeindliche  Demon- 
Verhältnismäßig  strationen  verlief.  War  nun  die  Zahl  der  Märtyrer  bis  dahin  eine  an  sich  nicht 
geringeZahl^der  geringe  gewesen,  so  war  sie  es  doch  (abgesehen  von  den  nicht  im  eigentlichen 
Sinne  zu  ihnen  zu  rechnenden  Opfern  der  neronischen  Verfolgung)  im  Ver- 
hältnis zu  der  Größe  des  Reichs  und  einem  Zeitraum  von  zwei  Jahrhunderten"). 
Dies  bestätigt  ausdrücklich  in  einer  248  verfaßten  Schrift  Origenes,  der  ge- 
lehrteste christliche  Schriftsteller  der  vorconstantinischen  Zeit.  Er  sagt :  » Wenige 
und  leicht  zu  Zählende  haben  von  Zeit  zu  Zeit  den  Tod  erlitten,  um  des 
Glaubens  willen  und  um  die  übrigen  zu  mahnen«').  Sein  Zeugnis  wiegt  um  so 
schwerer,  als  seine  persönlichen  Erfahrungen  ihn  eher  geneigt  machen  konnten, 
den  Umfang  und  die  Schrecklichkeit  der  Verfolgungen  zu  übertreiben.  Er 
hatte  selbst  deren  zwei  erlebt  und  war  von  der  ersten  aufs  schwerste  mitbe- 
troffen worden.  Sein  Vater  Leonidas  war  im  Jahre  202  in  Alexandria  als  Christ 
zum  Tode  durch  das  Schwert  verurteilt  worden;  er  selbst,  noch  nicht  17  Jahre 
alt,  hatte  ein  so. stürmisches  Verlangen  nach  dem  Märtyrertum  empfunden,  daß 
die  Mutter  ihm  die  Kleider  verstecken  m.ußte,  um  ihn  zu  nötigen,  zu  Hause  zu 
bleiben.  Aber  an  den  Vater  im  Gefängnis  schrieb  er  einen  eindringlichen  Brief 
über  das  Martyrium,  in  dem  er  ihn  mahnte,  nicht  etwa  auf  seine  Familie  Rück- 
sicht zu  nehmen:  »Halt  an  Dich,  daß  Du  Dich  nicht  unseretwegen  umstimmen 
lassest! «3)  Während  der  Verfolgung  unter  Maximinus  Thrax  hat  er  dann  eine 
Aufforderung  zum  Martyrium  geschrieben,  in  der  er  aufs  dringenste  mahnt, 
auch  unter  der  Todesdrohung,  auch  auf  der  Folter  sich  mit  keinem  Worte  zu 
beflecken. 

Eine  Bestätigung  (deren  es  allerdings  nicht  bedarf)  findet  das  Zeugnis  des 
Origenes  von  der  geringen  Zahl  der  Märtyrer  bis  zur  Mitte  des  3.  Jahrhunderts 
in  der  sehr  leidenschaftlich  (im  Jahre  313)  geschriebenen  Schrift  des  Lactantius 
»Von  den  Todesarten  der  Verfolger«.  Hier  folgt  Decius  (249 — 251)  unmittel- 
bar auf  Nero  und  Domitian.  Wenn  Lactantius  sagt,  die  nach  Domitian  regie- 
renden guten  Kaiser  seien  nicht  Feinde  der  Kirche  gewesen  und  die  Leiden  und 
Bedrängnisse  der  Christen  in  der  Zeit  zwischen  Domitian  und  Decius  ganz  mit 
Stillschweigen  übergehf*),  so  konnten  diese  unmöglich  einen  sehr  tiefen  Ein- 
druck hinterlassen  haben.  Aber  selbst  die  Verfolgung  des  Diocletian  ist  »kein 
Schatten  von  dem  gewesen,  was  Herzog  Alba  in  den  Niederlanden  getan  hat«  ^). 
Die  Zahl  der  dort  unter  Karl  V.  um  des  Glaubens  willen  Hingerichteten  schätzt 
Fra  Paolo  auf  50000,  Hugo  Grotius  auf  10  000. 

Den  Glaubens-  und  Bekehrungseifer  der  Christen  haben  übrigens  die  Ver- 
folgungen bekanntlich  eher  entzündet  als  gedämpft.  »Unsre  Lehre«,  sagt 
Clemens  von  Alexandria,  »hindern  seit  ihrer  ersten  Verkündigung  Könige  und 
Herrscher,  Vorsteher  der  Provinzen  und  Statthalter,  indem  sie  mit  all  ihren 

i)  Über  die  Anzahl  der  Märtyrer  s.  Achelis  a.  a.  O.  II  445 ff.  2)  Orig.  c.  Cels.  in  8.  3)  Neu- 
mann a.  a.  O.  S.  163.       4)  De  mort.  persec.  3,  4  f.       5)  Niebuhr,  Vortr.  über  röm.  Gesch.  Ill  295. 


IV.  257] 


2.  JUDENTUM  Ux\D  CHRISTEX  lUM 


Söldnern  und  einer  ungeheuren  Menschenmenge  wider  uns  streiten,  und  unser, 
so  viele  sie  nur  können,  zu  vertilgen  suchen:  und  doch  blüht  sie  nur  immer 
mehr.  Sie  stirbt  nicht  wie  eine  menschliche  Lehre  und  welkt  nicht  wie  eine 
schwache  Gabe,  denn  keine  Gabe  Gottes  ist  schwach.  Sie  bleibt  und  kann 
nicht  gehindert  werden,  ob  man  sie  gleich,  wie  geweissagt  ist,  bis  ans  Ende 
verfolgen  wird«'). 

Doch  trotz  des  glühendsten  Bekehrungseifers  der  Christen  hätte  die  erhabene  Haupt- 
—  für  einen  großen,  wenn  nicht  den  größten  Teil  der  heidnischen  Welt  nur  zu    "f^'^'jen   der 
erhabene  —  Lehre  des  Evangeliums  nicht  verhältnismäßig  so   schnell   sich  breituilr^'^des 
verbreiten  können,  wenn  nicht  noch  andre  Ursachen  zu  dieser  Verbreitung  mit-   Christentums. 
gewirkt  hätten,  die  teils  in  den  Bedürfnissen  und  Schwächen  der  menschlichen  Na- 
tur überhaupt,  teils  in  den  Zuständender  damaligen  Gesellschaft  begründet  waren  . 
Die  neue  Lehre  richtete  sich  an  die  ganze  Menschheit,  sie  schloß  keinen  von 
der  Verheißung  des  Heils  aus,  auch  nicht  den  Geringsten  und  Verachtetsten. 
Sie  fand  naturgemäß  den  günstigsten  Boden  in  der  ungeheuren  Mehrzahl  der 
Mühseligen  und  Beladenen,  der  Armen  und  Unglücklichen.    Die  froheste  Bot- 
schaft brachte  sie  den  Sklaven;  sie  verkündete  ihnen  ihre  Erhebung  aus  Nie- 
drigkeit, Verachtung  und  Rechtlosigkeit,  ihre  Gleichstellung  mit  den  Freien. 
In  ihren  Kreisen  muß  sie  sich  am  schnellsten  fortgepflanzt  haben  und  ist  gewiß 
oft  genug  aus  den  Sklavenzellen  in  die  Wohnungen  der  Herren  gedrungen^]. 
Sie  spendete  aber  überhaupt  den  Verzweifelnden  und  Zagenden  einen  unge- 
ahnten Trost,  sie  eröffnete  auch  dem  Schuldbeladensten  Aussicht  auf  Vergebung. 
Die  Heiden  spotteten:  während  zu  andern  gottesdienstlichen  Weihen  di^'enigen 
geladen  würden,   die  sich  rein  von  Schuld  fühlten,  versprächen  die  Christen, 
das  Reich  Gottes  werde  auch  die  Sünder  und  die  Toren  aufnehmen,  kurz  gerade 
die  Unseligen 3).    Die  Sprache,  in  der  das  Evangelium  verkündet  wurde,  konnte 
hiernach  nur  die  der  kleinen  Leute  sein.     Wie  das  Griechische,  in  dem  die 
Bücher  des  Neuen  Testaments  verfaßt  sind,  ist  auch  das  Latein,  in  dem  sie  zu- 
erst dem  Abendlande  bekannt  wurden,  nicht  die  Schrift-  oder  Gelehrtensprache, 
sondern  die  alltägliche  des  Hauses  und  der  Familie,  des  Markts  und  der  Straßen, 
der  Werkstätten,  des  platten  Lands,  des  Feldlagers*). 

Sehr  hoch  ist  auch  der  Einfluß  anzuschlagen,  den  die  Empfänglichkeit  der 
Frauen  für  die  neue  Lehre  auf  deren  Verbreitung  übte.  Das  Christentum  erhob 
die  Frauen  in  den  griechischen  Ländern,  wo  ihre  Stellung  eine  tief  herab- 
gedrückte war,  zu  ebenbürtigen  Gefährtinnen  des  ]\Ianns,  es  gab  der  Ehe  durch 
die  innigere  Seelengemeinschaft  des  gleichen  Glaubens  und  der  gleichen  Hoff- 
nung eine  neue  Weihe,  dem  Jungfrauentum  eine  neue  Heiligkeit,  dem  ganzen 
Leben  der  Frau  für  die  Gesellschaft  eine  höhere  Geltung.  Nicht  immer  hielten 
die  Frauen  sich  innerhalb  der  Schranken,  die  für  ihre  Stellung  auch  in  der  christ- 
lichen Gemeinde  gezogen  bleiben  sollten.  Paulus  hatte  zu  rügen,  daß  sie  in  Korinth 
mit  unbedecktem  Haupte  beteten  und  weissagten,  er  mußte  ermahnen,  daß  sie  in 
der  Gemeinde  schweigen,  nach  dem  Gesetz  den  Männern  Untertan  sein  sollten '}. 


I)  Clem.  AI.  Strom.  VI  i8  (167,  4f.)  p.  518  Stähl.  Lact.  inst.  V  19,  9  auge^ur  mim  religio  dei 
quanto  magis premitur.  2]  Keim,  Rom  u.  d.  Christentum  i88i  S.  360,  3]  Cels.  bei  Orig.  c.  Ceh. 
m  59.  4)  Rönsch,  Itala  u.  Vulgata  S.  i  f .  5)  I  Corinth.  11,  5.  14,  34.  Vgl.  Hamack,  Mission^ 
I  59 f.    V.  Dobschütz,  Die  urchristlichen  Gemeinden  (1902,  S.  33ff. 


224  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  258,  259I 

Was  aber  dem  Christentum  die  meisten  Gläubigen  zuführte,  das  war  dasselbe, 
wodurch  selbst  das  Judentum  bei  aller  seiner  Ausschließlichkeit  eine  so  starke 
Anziehungskraft  geübt  hatte''):  die  innerhalb  des  Heidentums  vergeblich  ge- 
suchte Befriedigung  des  Glaubensbedürfnisses,  die  nur  ein  über  jede  Skepsis 
erhabenes,  weil  auf  göttlicher  Offenbarung  beruhendes  Dogma  gewähren 
konnte");  und  das  Unbegreifliche  dieses  Dogmas  entsprach  »dem  Hange  des 
menschlichen  Geistes,  am  liebsten  das  Geheimnisvolle  zu  glauben^^),  im  höch- 
sten Grade.  Vielleicht  ergriff  aber  nichts  in  diesem  Dogma  die  Gemüter  so  un- 
widerstehlich wie  die  nie  zuvor  mit  so  überzeugender,  alle  Zweifel  niederschla- 
gender Gewißheit  verkündete  Verheißung  eines  bessern  Jenseits,  einer  ewigen 
Seligkeit,  während  zugleich  mit  dieser  beglückenden  Hoffnung  die  Furcht  vor 
den  ewigen  Strafen,  die  dem  Unglauben  drohten,  nicht  minder  gewaltig  wirkte, 
um  so  mehr  als  der  Glaube  an  das  nahe  Bevorstehen  des  tausendjährigen  Reichs 
bei  den  Christen  bis  zur  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  allgemein  war'^). 

Auch  Wunder  und  Zeichen,  nach  denen  die  Gläubigen  nicht  minder  als  die 
Zweifelnden  und  Schwankenden  verlangten,  geschahen  mindestens  ebenso  zahl- 
reich zur  Bekräftigung  des  christlichen  wie  des  heidnischen  Glaubens.  Im  Na- 
men Jesu,  sagt  Irenäus,  vollbringen  seine  Schüler,  die  von  ihm  die  Gabe  emp- 
fangen haben,  Austreibungen  von  Teufeln,  andre  sehen  und  sagen  die  Zukunft 
voraus,  andre  heilen  Kranke  durch  Auflegen  der  Hände  und  wecken  Tote 
wieder  auf.  Es  ist  unmöglich,  die  Erweisungen  der  Gnade  zu  zählen,  welche  die 
Kirche  für  die  ganze  Welt  von  Gott  erhalten  hat  und  im  Namen  Jesu  Christi, 
des  unter  Pilatus  gekreuzigten,  zum  Wohle  der  Völker  vollbringt,  ohne  Betrug 
zu  üben  oder  Bezahlung  anzunehmen;  denn  wie  sie  diese  Gaben  als  Geschenk 
von  Gott  empfangen  hat,  teilt  sie  sie  auch  als  Geschenk  mit^).  Arnobius,  für 
den  (wie  gewiß  für  die  meisten)  die  von  Christus  vollbrachten  Wunder  die  Gött- 
lichkeit seiner  Natur  erwiesen,  legte  (auch  für  die  Zurückweisung  der  heidni- 
schen Behauptung,  er  sei  ein  Zaubrer  gewesen)  besondern  Wert  darauf,  daß  er 
durch  sein  bloßes  Wort  und  durch  Handauflegen  Kranke  zu  heilen  und  Tote 
zu  erwecken  vermochte,  während  die  Heidengötter  nur,  wie  Ärzte,  Heilmittel 
verordneten,  vielen  Tausenden  von  Kranken  aber  zu  helfen  gar  nicht  imstande 
waren^).  Ebenso  sagt  Origenes,  er  habe  Kranke  durch  die  bloße  Anrufung  des 
Namens  Gottes  und  Jesu  von  ihren  Leiden  befreit  gesehen,  »die  weder  Menschen 
noch  Dämonen  zu  heilen  vermochten <  ^).  Augustinus  berichtet  zahlreiche  selbst- 
erlebte Wunder,  darunter  nicht  weniger  als  fünf  Totenerweckungen;  besonders 
viele  wunderbare  Krankenheilungen  hätten  sich  bei  den  Grabzellen  des  heiligen 
Stephanus  zu  Calama  und  Hippo  Regius  ereignet:  über  die  bei  der  letzteren,  die 
noch  nicht  zwei  Jahre  stand,  erfolgte,  hatte  man  schon  an  70  schriftliche  Be- 
il Oben  S.  214.  2)  Mit  Recht  hat  Voltaire,  Hist.  de  1' Etablissement  du  christianisme  eh.  XIII 
(Oeuvres  compl.  1784  XXXV  301)  unter  den  Gründen,  die  er  für  die  Ausbreitung  des  Christentums 
anführt,  diesen  besonders  betont  und  damit  »eine  weit  tiefere  Kenntnis  sowohl  der  Natur  des  Men- 
schen als  der  Natur  des  Christentums  verraten  denn  die  Gibbonsche«  (J.  Bernays,  Gesammelte  Ab- 
handl.  II  225).  Von  Gibbon  sagt  Herder  (Ideen  z.  Philos.  d.  Gesch.  d.  Menschh.,  Werke  XIV  330 
Suphan\  daß  er  »über  das  Christentum  sehr  milde  urteilt«.  3)  Tac.  H.  I  22,  4)  K.  J.  Neumann 
a.  a.  O.  S.  56f.  5)  Iren.  adv.  haeres.  II  32,  4.    Gibbon,  Hist.  II  2S4f.,  deutsch  von  Sporschil 

S.  373  f.    Andre  Stellen  bei  Renan,  Marc-Aurele  S.  529^,  vgl.  Evangiles  S.  65.       6)  Amob.  I  42fr, 
^)  Oben  S.  169. 


[IV.  26o]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  225 

richte').  Und  so  sind,  wie  später  im  germanischen  Norden,  dem  neuen  Glauben 
unzählige  Bekenner  durch  die  Überzeugung  gewonnen  worden, » daß  der  Christen- 
gott den  besseren  Willen  habe  zu  helfen  als  die  Heidengötter  und  vor  allem  die 
größere  Macht«  ^).  Als  in  Gaza  bei  einem  Pferderennen,  bei  welchem  die  Pferde 
eines  eifrigen  Christen  und  eines  eifrigen  Heiden  liefen,  »Christus  den  Mamas 
schlug«,  ließen  viele  Heiden  sich  taufen^).  Daß  der  Übertritt  zum  Christentum 
sich  durch  die  Vorteile  empfehle,  die  der  Christengott  seinen  Bekennern  ge- 
währe, spricht  aufs  naivste  ein  Gedicht  des  Rhetors  Endelechius  im  4.  oder 
5.  Jahrhundert  aus.  Bucolus  hat  seine  Herden  durch  eine  Rinderseuche  verloren, 
während  die  des  Tityrus  verschont  geblieben  sind.  Welcher  Gott,  fragt  jener, 
hat  dich  vor  diesem  Schaden  bewahrt?  und  Tityrus  antwortet,  das  Zeichen  des 
Kreuzes,  auf  die  Stirnen  der  Tiere  gemalt,  habe  sie  gesund  erhalten:  wolle  Bu- 
colus den  Beistand  des  wahren  Gottes  erbitten,  so  genüge  der  bloße  Glaube  an 
ihn.  Wenn  das  sich  wirklich  so  verhalte,  sagt  Bucolus,  so  zögere  er  nicht,  den 
wahren  Glauben  anzunehmen  und  den  Irrtum  zu  fliehen,  und  der  bei  diesem 
Gespräch  anwesende  Agon  ist  bereit,  dasselbe  zu  tun:  >denn  warum  sollte  ich 
zweifeln,  daß  dasselbe  Zeichen,  das  die  Krankheit  überwindet,  auch  für  die 
Menschen  immerdar  heilsam  ist?«*)  Welche  Beispiele  von  wunderbaren  Be- 
strafungen hartnäckigen  Festhaltens  am  Heidentum  erzählt  wurden,  zeigt  der 
Bericht  des  Augustinus  über  die  Bekehrung  des  Oberarztes  [archiater]  Dioscorus. 
Dieser,  der  gewohnt  gewesen  war,  die  Christen  zu  verhöhnen,  rief  bei  einer  Er- 
krankung seiner  Tochter  das  Erbarmen  Christi  an  und  gelobte,  falls  sie  genese, 
Christ  zu  werden.  Als  er  nach  ihrer  Genesung  mit  der  Erfüllung  des  Gelübdes 
zögerte,  wurde  er  blind,  und  als  er  es  erneuerte,  wieder  sehend;  eine  Zögerung, 
das  christliche  Bekenntnis  abzulegen,  hatte  eine  Lähmung  aller  Glieder,  auch 
der  Zunge,  zur  Folge;  als  er  sich  dazu  bereit  zeigte,  hörte  auch  diese  Heim- 
suchung auf^). 

Sodann  erfüllte  der  felsenfeste,  so  oft  und  so  heldenmütig  bewährte  Glaube 
der  Christen  mit  Ehrfurcht  vor  einer  Religion,  die  solche  Bekenner  fand.  >Je 
mehr  wir  hingemäht  werden«,  sagt  TertuUian,  > desto  mehr  wächst  unsre  Zahl. 
Das  Blut  der  Christen  ist  Samen.  Jene  starre  Hartnäckigkeit,  die  ihr  uns  vor- 
werft, wird  zur  Lehrerin.  Denn  wer  würde  durch  ihr  Anschauen  nicht  erschüt- 
tert und  zum  Forschen  angeregt,  was  hier  eigentlich  verborgen  ist?  Wer  tritt, 
wenn  er  geforscht  hat,  nicht  bei?  Wer  wünscht  nicht,  wenn  er  beigetreten  ist, 
selbst  zu  dulden?«^)  Die  Sittlichkeit  der  Christen  nötigte  auch  Gegnern  Be- 
wunderung ab.  Plinius  war  bei  jener  Untersuchung,  die  er  als  Statthalter  von 
Bithynien  gegen  die  dortigen  Christen  (zunächst  in  Amisus)  einzuleiten  sich  ver- 
anlaßt sah^j,  in  dem  allgemeinen  Vorurteil  befangen,  daß  sie  in  ihren  geheimen 
Versammlungen  Schandtaten  verübten;  doch  fand  er  nach  einer  strengen  Unter- 
suchung, bei  der  auch  zwei  Sklavinnen  gefoltert  wurden,  keine  andre  Schuld  an 
ihnen,  als  einen  »verkehrten  und  maßlosen  Aberglauben«.  Die  Angeklagten 
beteuerten  ihm,  ihr  Vergehen  oder  ihr  Irrtum  habe  darin  bestanden,  daß  sie  ge- 

1)  Augustin.  C.  D.  XXII  8.  2)  Dehio,  Gesch.  d.  Erzbistums  Hamburg-Bremen  I  83.  3)  Hiero- 
nym.  vita  Hilarionis  20  (Migne  lat.  XXIII  37).  Mommsen  RG.  V  461  f.  4)  Anthol.  lat.  893  K.^ 
5)  Augustin.  Epist.  227.     6)  Tertulliau.  Apol.  50.  Harnack,  Mission^  I  35of.     7)  Oben  S.  191.  219. 

Friedlaender,  Darstellungen.  IIL   9.  Aufl.  iq 


22b 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  261,262] 


Gemeinden. 


wohnlich  an  einem  bestimmten  Tage  vor  Sonnenaufgang  zusammengekommen 
seien,  ein  Gebet  an  Christus  wie  an  einen  Gott  gesprochen  und  gelobt  hätten, 
keinen  Diebstahl,  Raiib  oder  Ehebruch  zu  begehen,  die  Treue  nicht  zu  brechen, 
anvertrautes  Gut  nicht  abzuleugnen.  Dann  wären  sie  auseinandergegangen  und 
wieder  zu  einem  unschuldigen,  gemeinsamen  Mahle  zusammengekommen'). 
Galen  fand,  daß  die  Christen  ihr  Glaube  so  handeln  lehre,  wie  die  Vorschriften 
der  echten  Weltweisheit;  er  erkannte  namentlich  ihre  Verachtung  des  Todes, 
ihr  keusches,  züchtiges,  enthaltsames,  streng  sittliches  Leben  an :  es  gebe  unter 
ihnen  solche,  die  in  Beherrschung  des  Gemüts  und  eifrigem  Streben  nach  Tu- 
gend wahren  Philosophen  nicht  nachständen"^). 
Unlautere  Ele-  Daß  die  christlichen  Gemeinden  freilich  auch  unlautere  Elemente  enthielten, 
mente  in  den  daß  nicht  alle  Sünder,  die  sie  in  der  Hoffnung  auf  Besserung  aufnahmen,  wirk- 
c  nst  IC  en  jj^|^  gebessert  wurden,  dafür  zeugen  schon  die  Vorwürfe,  die  Paulus  und  ein  in 
seinem  Namen  redender  Autor  den  Gemeinden  zu  Korinth  und  Kreta  machten^); 
sowie  >daß  Jacobus  sich  genötigt  sah,  den  sittlichen  Mißbrauch  der  Paulini- 
schen Lehre  von  der  allein  selig  machenden  Kraft  des  Glaubens  zu  rügen,  und 
daß  die  Apokalypse  gegen  Verführer  in  Pergamus  (Nikolaiten)  zu  eifern  hatte, 
welche  nicht  nur  die  den  Heidenchristen  gegebenen  Speisegesetze,  sondern 
auch  das  Verbot  der  Unzucht  nicht  achteten«  "*).  Gerade  die  werktätige  Liebe 
und  Barmherzigkeit,  welche  die  Christen  untereinander  übten  ^},  wurde  auch  von 
Heuchlern  mißbraucht,  die  sich  der  neuen  Gemeinschaft  in  Hoffnung  auf  Unter- 
stützung und  andre  Vorteile  anschlössen^),  zumal,  da  mit  der  Zeit  übertriebne 
Gerüchte  von  dem  Reichtume  der  christlichen  Gemeinden  in  die  heidnische 
Welt  drangen.  Man  erzählte,  daß  »die  Brüder«  ihre  Güter  verkauften  und  den 
Erlös  der  Kirche  darbrächten,  daß  es  bei  ihnen  für  die  höchste  Frömmigkeit 
gälte,  die  eignen  Kinder  zu  entblößen,  um  die  Kirche  zu  bereichern^).  Schon 
Paulus  spricht  von  wandernden  Christen,  welche  die  fremden  Gemeinden  auf- 
zehren und  ihnen  das  Ihre  nehmen^),  und  er  selbst  mußte  sich  bei  den  Korin- 
thern gegen  den  Vorwurf  beabsichtigter  Übervorteilung  rechtfertigen^).  In  der 
etwa  in  Hadrians  Zeit  verfaßten  »Apostellehre«  heißt  es,  daß  die  reisenden 
Missionare  höchstens  zwei  Tage  an  einem  Ort  bleiben  dürfen;  wer  drei  bleibe, 
sei  ein  falscher  Prophet;  ebenso  wer  Geld  zur  Reise  verlange;  sie  dürfen  nichts 
nehmen  als  Brot,  das  bis  zur  nächsten  Herberge  ausreicht.  Nicht  jeder,  der  im 
Geist  redet,  sei  ein  Prophet,  als  solcher  erweise  man  sich  durch  einen  Lebens- 
wandel, der  dem  des  Herrn  ähnlich  sei'°).  Lucian  hat  vom  christenfeindlichen 
Standpunkte  die  Teilnahme  geschildert,  die  der  Philosoph  Peregrinus  Proteus 

i)  Plin.  ad  Tr.  96.  97.  2)  Galen  in  der  in  arabischer  Übersetzung  erhaltenen  Schrift  TTAaru)- 
viKUJv  biaXoYUJv  aüvox^ic,  (vgl.  Kalbfleisch  in  der  Festschr.  f.  Th.  Gomperz  1902  S.  96  f.)  bei  Har- 
nack,  Mission^  II  zi^i.  3)  v.  Dobschütz  a.  a.  O.  S.  lyfF.  Vgl.  Heinrici,  Zeitschr.  f.  wiss.  Theol. 
XIX  1876  S.  5o8ff,  über  die  Ausartung  der  Agapen  (Cyprian.  Ep.  65,  3)  ebd.  XX  1877  S.  I29f. 
4)  Gieseler,  Lehrb.  d.  Kirchengesch.^  I  l  (1844)  S.  Ii2f.  Vgl.  Achelis  a.  a.  O.  I  292.  5)  Harnack 
a.  a.  O.  I  I54ff.  6)  Solche,  die  ihren  Beruf  (z.  B.  den  eines  Schauspielers)  als  mit  dem  christlichen 
Bekenntnis  unvereinbar  aufgaben,  wurden  von  der  Gemeinde  unterhalten.  Cyprian.  Ep.  2.  7)  Pru- 
dent.  Peristeph.  II  65 ff.  77  ff.  addicta  avorum  praedia  foedis  sub  auctionibus  successor  exhaeres  gemit 
sanctis  egens  parentibus.  haec  occuluntur  abditis  ecclesiarum  in  angulis,  et  summa  pietas  creditur  nu- 
dare  dulces  Hberos.  8)  II  Cor.  II,  13 — 20.  9)  II  Cor.  12,  16 ff.  v.  Dobschütz  a.  a.  O.  S.  6of. 
10)  Doctr.  apost.  11,  5  f.  8. 


[IV.  263]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  227 

bei  den  Christen  in  Palästina  fand,  als  er  sich  zu  ihrem  Glauben  bekannte  und 
um  seines  Bekenntnisses  willen  ins  Gefängnis  geworfen  wurde.  Nachdem  sie 
vergeblich  alles  aufgeboten  hatten,  um  ihn  zu  befreien,  suchten  sie  wenigstens 
seine  Gefangenschaft  auf  jede  Weise  zu  erleichtern.  Vom  frühen  Morgen  ari 
sah  man  bei  dem  Gefängnisse  alte  Frauen,  Witwen  und  Waisenkinder.  Die 
Vorsteher  erlangten  durch  Bestechung  der  Wächter  die  Erlaubnis,  auch  die 
Nächte  bei  dem  Gefangenen  zuzubringen.  Reichliche  Mahlzeiten  wurden  hinein- 
getragen und  bei  den  Mahlen  Gebete  gehalten.  Selbst  von  den  Gemeinden  in 
Kleinasien  kamen  Gesandte,  um  zu  trösten,  zu  raten  und  zu  helfen;  denn  sie  be- 
weisen, sagt  Lucian,  in  solchen  Fällen  eine  unglaubliche  Hilfsbereitschaft,  sie 
geben  geradezu  unbedenklich  alles  hin.  So  erhielt  Peregrinus  viel  Geld  und 
machte  seine  Gefangenschaft  zur  Quelle  einer  nicht  unerheblichen  Einnahme. 
Denn  die  Unseligen,  heißt  es  weiter,  bilden  sich  ein,  daß  sie  ewig  leben  werden, 
und  achten  daher  dieses  Leben  und  seine  Güter  nicht;  auch  hat  sie  ihr  erster 
Gesetzgeber  gelehrt,  daß  sie  alle  untereinander  Brüder  seien,  wenn  sie  nur  alle 
hellenischen  Götter  verleugnet  haben,  dagegen  jenen  ihren  gekreuzigten  Weisen 
verehren  und  nach  seinen  Gesetzen  leben.  Sie  achten  also  alles  in  gleicher 
Weise  gering  und  halten  es  für  gemeinsam,  indem  sie  solcherlei  Lehren  ohne 
irgendeine  Bürgschaft  annehmen.  Kommt  nun  ein  verschmitzter  Betrüger  zu 
ihnen,  so  kann  er  mit  den  einfältigen  Leuten  sein  Spiel  treiben  und  in  kurzem 
reich  werden').  Übrigens  rügt  auch  TertuUian  das  Übermaß  der  leiblichen 
Pflege,  das  von  selten  der  Gemeinden  den  um  des  Glaubens  willen  eingekerker- 
ten Brüdern  zuteil  wurde ^),  und  Ambrosius  warnt  die  Priester  ernstlich,  ihre 
Gaben  nicht  an  Unwürdige  zu  verschwenden,  die  unter  den  verschiedensten 
Vorspiegelungen  Unterstützung  erbaten  2). 

Daß  falsche  Propheten  aller  Art,  sowohl  Betrüger  als  Schwärmer  und  Fana-  Sektenwesen 
tiker  in  den  christlichen  Gemeinden  für  Verbreitung  ihrer  Irrlehren  und  damit 
für  die  Gewinnung  von  Ansehen  und  Macht  einen  besonders  günstigen  Boden 
fanden,  ist  ebensowenig  zu  bezweifeln,  wie  daß  Ehrgeizige,  denen  niedrige  Le- 
bensstellung oder  sonstige  Ungunst  der  Verhältnisse  die  Erreichung  ihrer  Ziele 
unmöglich  machte,  in  dieser  Genossenschaft  eine  Rolle  zu  spielen  suchten,  die 
ihnen  im  Staatsleben  versagt  war.  Von  Anfang  an  wucherte  im  Christentum 
das  Sektenwesen,  und  die  Kirche  verfolgte  die  Sekten  und  diese  einander  mit 
bitterem  Haß  und  leidenschaftlichen  Beschuldigungen,  die  kaum  hinter  den  von 
den  Heiden  gegen  die  Christen  überhaupt  gerichteten  Anklagen  an  Heftigkeit 
zurückblieben.  So  sehr,  behauptete  Celsus,  seien  die  Christen  unter  sich  ge- 
spalten, daß  sie  außer  dem  Namen  kaum  noch  etwas  gemein  hätten*). 

Die  oben  erwähnte,  von  dem  stark  zu  montanistischer  Strenge  neigenden  Der  Verfasser 
Gegenpapst  des  Callistus  (215 — 222),  Hippolyt^),  um  230  verfaßte^)  »Wider-  ^^^  »Wider- 
legung aller  Ketzereien«  gibt  einen  höchst  interessanten  Einblick  in  die  inner-  Kftz°feien" 
halb  der  christlichen  Gemeinden,  namentlich  durch  Verschiedenheit  der  Lehr-   (Hippolyt). 

l)  Lucian.  Peregrin.  il — i;^.  2)  TertuUian.  de  ieiun.  12  (vgl.  ad  martyr.  i).  3)  Ambros.  De 
offic.  min.  II  16  (Migne  lat.  XVI  123).  4I  Orig.  c.  Cels.  III  12.  5)  Über  seine  Stellung  zu  Staat 
und  Welt  vgl.  K.  J.  Neumann,  Hippolytus  von  Rom  (1502),  namentlich  S.  iiyff.  131  ff.  Vgl.  auch 
A.  Bauer,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXXIII  1914  S.  iioff.  6)  Hamack,  Chronol.  d.  altchristl. 
Literatur  II  230. 

15* 


228  XIII.  DIE  RELIGIÖSEM  ZUSTÄNDE  [IV.  264] 

meinung-en  entstandenen  Spaltungen  und  Gegensätze,  sowie  in  die  Übelstände 
und  Schwierigkeiten,  die  sich  aus  den  Berührungen  der  christlichen  Welt  mit 
der  heidnischen  ergaben.  Hippolyts  Angriff  gegen  das  Oberhaupt  der  römischen 
Gemeinde  beweist  nur  zu  klar,  wie  häßliche  Leidenschaften  schon  damals  Glau- 
bensstreitigkeiten in  der  christlichen  Welt  wachriefen  und  nährten.  Sein  in  mehr 
als  einer  Beziehung  charakteristischer  Bericht  ist  im  wesentlichen  folgender*). 
Seine  Darstel-  CalHstus  war  ein  christlicher  Sklave  eines  ebenfalls  christlichen  Freigelassnen 
balm  des  Cal-  ^^  Hause  des  Kaisers  Commodus,  namens  Carpophorus.  Dieser  vertraute  ihm 
listus.  eine  nicht  unbedeutende  Summe  an,  mit  welcher  Callistus  unter  dem  Namen 
seines  Herrn,  aber  zu  seinem  eignen  Vorteil  ein  Bankgeschäft  begründen  sollte. 
Viele  Witwen  und  Brüder  legten  darin  ihr  Geld  an.  Callistus  aber  geriet  an 
den  Rand  des  Bankrotts;  um  sich  der  Rechnungsablegung  zu  entziehen,  floh  er 
nach  dem  Hafen  von  Portus  und  begab  sich  auf  ein  zur  Abfahrt  bereites  Schiff. 
Carpophorus  folgte  ihm;  als  jener  seinen  Herrn  am  Hafen  erscheinen  sah,  sprang 
er  ins  Meer,  wurde  aber  herausgezogen,  nach  Rom  gebracht  und  von  Carpo- 
phorus in  die  Stampfmühle  (zu  einer  gewöhnlichen  Strafarbeit  der  Sklaven)  ge- 
schickt. Doch  ließ  sich  Carpophorus  bewegen,  ihn  wieder  zu  entlassen,  da 
mehrere  bei  der  Bank  beteiligte  Brüder  ihm  mit  Tränen  vorstellten,  daß  sie  im 
Vertrauen  auf  ihn  dem  Callistus  ihr  Geld  übergeben  hätten,  und  daß  dieser  ein- 
gestehe, eine  Summe  in  Sicherheit  gebracht  zu  haben.  Callistus  aber,  nicht  im- 
stande, seinen  Verpflichtungen  nachzukommen,  wollte  seinem  Leben  ein  Ende 
machen  und  zugleich  die  Glorie  des  Märtyrertums  erwerben.  Er  begab  sich, 
unter  dem  Vorwande,  Geld  einfordern  zu  wollen,  am  Sabbat  in  eine  Synagoge 
und  störte  den  Gottesdienst.  Die  Juden  fielen  über  ihn  her  und  schleppten  ihn 
vor  das  Tribunal  des  Stadtpräfekten  Fuscianus,  der  ihn  geißeln  ließ  und  zur 
Arbeit  in  den  Bergwerken  Sardiniens  verurteilte,  wo  sich  bereits  andre  wegen 
ihres  Glaubens  verurteilte  Christen  befanden.  Die  Geliebte  des  Kaisers  Com- 
modus aber,  die  bereits  erwähnte  Marcia,  ließ  in  der  Absicht,  ein  gutes  Werk 
zu  tun,  sich  von  dem  Bischof  Victor  ein  Verzeichnis  der  dortigen  Märtyrer 
geben  und  erwirkte  deren  Befreiung.  Callistus,  dessen  Namen  Victor  absicht- 
lich nicht  auf  die  Liste  gesetzt  hatte,  bewog  den  Überbringer  der  Botschaft,  den 
Eunuchen  Hyacinthus,  der  Marcias  Pflegevater  und  damals  Presbyter  in  der 
Gemeinde  war,  auch  seine  Befreiung  bei  dem  Prokurator  von  Sardinien  durch- 
zusetzen. Victor  war  damit  unzufrieden,  begnügte  sich  aber,  dem  Zurück- 
gekehrten Antium  als  Aufenthaltsort  anzuweisen,  wo  er  von  einer  monatlichen 
Unterstützung  lebte.  Die  bisher  erzählten  Ereignisse  fallen  in  die  Zeit  zwischen 
186  und  190^). 

Nach  Victors  Tode  wußte  Callistus  sich  bei  dessen  Nachfolger  Zephyrinus, 
der  nach  der  Versicherung  des  Autors  ein  einfältiger,  ungelehrter,  in  geistlichen 
Doktrinen  unwissender,  überdies  bestechlicher  und  geldgieriger  Mann  war,  in 
Gunst  zu  setzen,  so  daß  ihn  Zephyrinus  nach  Rom  berief  und  über  den  von  ihm 
neu  begründeten  Friedhof  setzte.  Callistus  verstand  es,  jeder  drr  in  der  Ge- 
meinde hadernden  Parteien  die  Meinung  beizubringen,  daß  er  auf  ihrer  Seite 
sei,  und  erreichte  so  seine  Wahl  zum  Bischof.    Als  solcher  trat  er  mit  einer  ver- 

l]  Refut.  haeres.  IX  12  p.  2460".  Wendl.       2)  De  Rossl,  Bull.  arch.  crist.  IV  1866  S.  7. 


[IV.  265,  266]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  229 

derblichen  Irrlehre  auf,  indem  er  die  Einheit  des  Vaters  und  des  Sohns  be- 
hauptete, stiftete  eine  Schule  und  erklärte,  daß,  wer  dieser  beitrete,  Vergebung 
der  Sünden  erhalte.  Viele,  die  ihr  Gewissen  schlug,  darunter  solche,  die  der 
Verfasser  nach  erfolgtem  Urteilsspruch  aus  der  Gemeinde  gestoßen  hatte, 
traten  der  Schule  bei.  Callistus  lehrte,  daß  ein  Bischof  auch  wegen  einer  Tod- 
sünde nicht  abgesetzt  werden  dürfe,  setzte  Bischöfe,  Presbyter  und  Diakonen 
ein,  die  in  zweiter  und  dritter  Ehe  lebten,  und  ließ  Geistliche,  die  heirateten,  im 
Amte.  Er  machte  von  dem  Spruche  »Lasset  das  Unkraut  mit  dem  Weizen 
wachsen«  die  Anwendung,  daß  die  Sünder  in  der  Gemeinde  bleiben  sollten, 
deren  Gleichnis  die  Arche  Noah  sei,  in  der  reine  und  unreine  Tiere  waren.  Er 
übte  eine  sträfliche  Nachsicht,  namentlich  gegen  vornehme  Frauen,  denen  er 
gestattete,  mit  Sklaven  oder  Männern  von  niedrigem  Stande  zu  leben,  mit  denen 
sie  keine  gültige  Ehe  eingehen  konnten,  ohne  ihres  Standes  verlustig  zu  werden; 
und  die  Abneigung,  Kinder  von  solchen  Männern  zu  erziehen,  führte  diese  Frauen 
zu  neuen  Verbrechen').  So  lehrte  jener  Gottlose  zugleich  Ehebruch  und  Mord. 
Unter  ihm  wurde  auch  von  seinen  Anhängern  zuerst  die  Wiedertaufe  versucht. 

An  der  materiellen  Wahrheit  der  hier  berichteten  Tatsachen  kann  kein  Zweifel 
sein,  aber  ebenso  klar  ist,  daß  sie  in  feindseligster  Weise  zusammengestellt,  ge- 
deutet und  beleuchtet  sind.  Inwiefern  die  Lehre  des  Callistus  und  seine  Hand- 
habung der  geistlichen  Zucht  eine  günstigere  Beurteilung  zuläßt,  soll  hier  nicht 
erörtert  werden^).  Nach  der  Darstellung  des  Autors  bleibt  es  unbegreiflich, 
wie  er  von  derselben  Gemeinde,  die  ihn  als  gemeinen  Verbrecher  kannte,  zum 
Oberhaupt  gewählt  werden  konnte.  Verschwiegen  ist  hier  mindestens  sein  Ein- 
tritt in  die  Geistlichkeit,  und  wahrscheinlich  noch  manches  andre,  was  eine 
solche  Erhebung  nach  einer  solchen  Vergangenheit  verständlich  machen  könnte. 
Callistus  scheint  Archidiakonus  des  Papstes  Zephyrinus  gewesen  zu  sein;  als 
solcher  hatte  er  die  Verwaltung  der  Gemeindekasse,  die  Austeilung  des  Gehalts 
an  die  Geistlichen,  der  Almosen  an  die  Witwen  und  Waisen ;  in  dieser  Stellung 
konnte  er  schwer  vermeiden,  Unzufriedenheit  zu  erregen,  aber  kaum  zum  Bischof 
gewählt  werden,  wenn  seine  (achtzehnjährige)  Verwaltung  nicht  eine  im  wesent- 
lichen untadelhafte  gewesen  war^). 

Mit  dem  Namen  des  Callistus  ist  eine  ehrwürdige,  für  die  Geschichte  des  äl- 
testen Christentums  bedeutungsvolle  Anlage  und  zugleich  eine  der  glänzendsten 
Entdeckungen  auf  dem  Gebiete  der  Archäologie  unzertrennlich  verknüpft. 
Jener  von  Zephyrinus  an  der  Appischen  Straße  auf  Besitzungen  der  Cäcilier 
neubegründete  Begräbnisplatz  ist  allem  Anscheine  nach  der  erste  staatlich  an- 
erkannte Friedhof  der  römischen  Christengemeinde  gewesen,  während  bis  da- 
hin die  Bestattungen  auf  den  Grundstücken  einzelner  Mitglieder  erfolgten,  an 
deren  Besitztitel  der  Bestand  der  Begräbnisplätze  geknüpft  war.  Diesen  fortan 
nach  Callistus  benannten  Friedhof,  der  die  Ruhestätte  der  Päpste  bis  auf  Milti- 
ades  (gest.  314)  war,  hat  in  unsern  Tagen  die  unermüdliche,  geniale  und  glück- 
liche Forschunsf  De  Rossis  wiederentdeckt'*). 


l)  S.  oben  I  278.  304.  2)  Sehr  ausführlich  ist  dies  geschehen  von  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist. 
IV  1866  S.  iff.  3)  De  Rossi  a.  a.  O.  S.  7.  4)  Vgl.  die  gute  Obersicht  von  E.  R.  Barker,  Journ. 
of  Roman  Studies  I  191 1  S.  107 ff. 


230  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  267] 

Äußerungen       Die  Erzählung  Hippolyts  erinnert  daran,  was  zuweilen  vergessen  wird,  daß 
christlicher  Au-  ^j^  christliclien  Gemeinden  sich  von  der  übrigen  Welt  unmösrlich  völlig  ab- 

toren  über  Zu-  •    i        1       r  1  r  * 

stände  in  den  schließen  konnten,  vielmehr  fort  und  fort  m  die  Mitleidenschaft  der  Gebrechen 
christlichen Ge-  und  Schäden  der  damaligen  Kultur  gezogen  wurden^).  Daß  freilich  die  Apolo- 
mem  en.  ^^^^^  ^^^  neuen  Glaubens  dort  nur  Liebe  und  Eintracht,  hier  nur  Haß  und 
gegenseitige  Verfolgung  sahen ^),  ist  begreiflich.  Man  möge,  sagt  Origenes,  die 
christlichen  Gemeinden  zu  Athen,  Korinth  und  Alexandria  mit  den  dortigen 
heidnischen  zusammenhalten:  jene  seien  sanftmütig  und  ruhig,  weil  sie  Gott 
gefallen  wollen,  diese  voll  Aufruhr  und  mit  jenen  durchaus  nicht  zu  vergleichen; 
auch  die  Häupter  und  Altesten  der  Gemeinde  Gottes,  selbst  die  Lässigeren  und 
minder  Vollkommnen,  werde  man  auf  dem  Wege  der  Tugend  weiter  vorge- 
schritten finden  als  die  Vorsteher  der  Bürgerschaften^).  Doch  kann  man  kaum 
glauben,  daß  z.  B.  die  Gemeinde  zu  Korinth  seit  jener  Zeit,  wo  Paulus  von  ihr 
so  viel  Übles  sagte,  sich  völlig  umgestaltet  hatte.  Damals  gab  es  in  ihren  Ver- 
sammlungen »Uneinigkeit,  Eifersucht,  leidenschaftliche  Ausbrüche,  Partei- 
umtriebe, geschäftige  Verleumdung,  zischelnde  Ohrenbläsereien  und  gespreizte 
Aufgeblasenheit«,  kurz  Unordnungen  jeder  Arf^);  und  auch  der  gegen  das  Ende 
des  I.Jahrhunderts  geschriebne  Brief  des  sogenannten  Clemens  Romanus  hat 
den  Zweck,  eine  dort  entstandene  Parteiung  beizulegen:  es  sei  eine  Schande  für 
diese  alte  und  zuverlässigste  Gemeinde,  daß  sie  sich  wegen  einer  oder  zweier 
Personen  gegen  ihre  Altesten  auflehne^].  Nach  dem  (gegen  die  Mitte  des 
2.  Jahrhunderts  abgefaßten)  »Hirten«  des  Hermas  litt  damals  auch  die  römische 
Gemeinde  an  mannigfachen  sittlichen  Schäden  und  Gebrechen.  Es  fehlte  nicht 
an  Streitigkeiten  und  Feindseligkeiten,  und  auch  gegen  Ehrbegier,  Hochmut, 
Habsucht,  Ehebruch,  Trunksucht  u.  a.  richtet  der  Verfasser  seine  Ermahnungen^). 
Der  Bischof  Cyprianus  von  Karthago,  der  257  den  Märtyrertod  erlitt,  sagt,  die 
Verfolgung  (unter  Decius,  welcher  er  sich  durch  die  Flucht  entzogen  hatte)  sei 
vielmehr  eine  von  Gott  angestellte  Erprobung  gewesen;  die  Christen  hatten 
durch  ihre  Sünden  mehr  zu  leiden  verdient,  der  lange  Friede  hatte  die  sittliche 
Zucht  untergraben.  Bei  den  Priestern  war  keine  Frömmigkeit,  in  den  Amts- 
verrichtungen keine  lautere  Rechtlichkeit,  in  den  Werken  keine  Barmherzigkeit, 
in  den  Sitten  keine  Strenge.  Die  Männer  verkünstelten  den  Bart,  die  Frauen 
schminkten  sich,  malten  die  Augen,  färbten  die  Haare.  Er  klagt  ferner  über 
unersättliche  Habsucht,  über  schlaue  Betrügereien  zur  Täuschung  Einfältiger. 
über  Listen  zur  Hintergehung  von  Brüdern,  über  Schließungen  von  Ehen  mit 
Ungläubigen,  leichtsinnig  geschworene  Eide  und  Meineide,  hochmütige  Ver- 
achtung der  Vorgesetzten,  giftige  Schmähungen,  hartnäckigen  gegenseitigen 
Haß  von  Entzweiten.  Viele  Bischöfe  waren  mit  Vernachlässigung  ihres  geist- 
lichen Amts  Agenten  (Prokuratoren)  weltlicher  Herren  geworden,  hatten  ihre 
Gemeinden  im  Stiche  gelassen,  um  in  andern  Provinzen  umherreisend  gewinn- 
reiche Geschäfte  zu  machen.  Während  Brüder  in  der  Gemeinde  darbten,  jagten 
sie  dem  Gelde  nach,  rissen  Grundstücke  durch  hinterlistigen  Betrug  an  sich,  er- 

i)  Reumont,  Gesch.  d.  St.  Rom  I  550.  2)  So  Tertullian.  Apol.  39.  3)  Orig.  c.  Geis.  lU  30. 
4J  II  Cor.  12,  20;  vgl.  V.  Dobschütz  a.  a.  O.  S.  57 ff.  5)  Clement.  Rom.  Ep.  ad  Corinth.  47,  6. 
6)  Hamack,  Chronol.  I  257  ff. ;  vgl.  im  allgemeinen  Keim,  Rom  u.  d.  Christentum  S.  338f. 


[IV.  2  68]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  231 

höhten  ihre  Einnahmen  durch  Wucherzinsen').  Johannes  Chrysostomus  sagt, 
da  Wunder  nicht  mehr  geschehen,  seien  die  Heiden  nur  durch  das  Vorbild  des 
Wandels  der  Christen  zu  bekehren:  aber  dieser  sei  durch  und  durch  verderbt, 
und  auch  von  Liebe  bei  ihnen  nirgends  eine  Spur  zu  finden "").  Und  bei  Augusti- 
nus erwidert  der  Heide  dem  Christen,  der  ihn  bekehren  will:  »Wie  kannst  du 
mir  zureden,  Christ  zu  werden?  Mich  hat  ein  Christ  betrogen,  und  ich  habe  es 
niemals  getan;  mir  hat  ein  Christ  falsch  geschworen,  und  ich  habe  es  niemals 
getan«  ^).  Die  äußersten  Ausbrüche  der  Glaubenszwietracht  wurden  allerdings 
in  den  ersten  Jahrhunderten  noch  durch  den  auf  der  ganzen  christlichen  Welt 
lastenden  Druck  der  Verfolgung  niedergehalten;  später,  als  kirchliche  Streitig- 
keiten zu  Rom  in  blutigen  Kämpfen  ausgefochten  wurden  (367),  äußerte  ein 
wohlwollender  und  verständiger  Heide,  daß  kein  wildes  Tier  dem  Menschen  so 
feindlich  und  verderblich  sei,  wie  die  meisten  Christen  einander"*). 

So  viele  Ursachen  nun  auch  zur  Verbreitung  des  Evangeliums  zusammen-  Verbreitung    des 
wirkten,  so  hat  es  doch  offenbar  in  den  höheren  Ständen  vor  der  Mitte  oder  Christentums  (be- 

'  -lAi  r       ^  TT-1-  sonders  m  Kom) 

dem  Ende  des  2.  Jahrhunderts  nur  veremzelte  Anhanger  gefunden.  Hier  leistete  jm  ersten  — 
nicht  bloß  die  philosophische  sowie  die  sonstige,  mit  dem  Götterglauben  innig 
zusammenhängende  Bildung  den  stärksten  Widerstand^),  sondern  hier  führte 
das  christliche  Bekenntnis  auch  zu  den  gefährlichsten  Konflikten  mit  der  be- 
stehenden Ordnung;  endlich  mußte  die  Lossagung  von  allen  irdischen  Interessen 
in  den  Kreisen,  die  im  Besitz  von  Ehre,  Macht  und  Reichtum  waren,  am  schwer- 
sten fallen.  Die  Armen  und  Niedrigen,  sagt  Lactantius,  glauben  leichter  als  die 
Reichen^);  bei  den  letztern  wird  ohne  Zweifel  vielfach  eine  geradezu  feindselige 
Stimmung  gegen  die  sozialistischen  Tendenzen  des  Christentums  bestanden 
haben'').  Dagegen  in  den  untern  Schichten  der  Gesellschaft  muß  die  (durch  die 
Zerstreuung  der  Juden  so  ungemein  begünstigte)  Ausbreitung  des  Christentums 
sehr  schnell  erfolgt  sein,  namentlich  in  Rom  selbst,  wo  ihre  Menge  schon  im 
Jahre  64  sehr  groß  war^).  Ein  Teil  der  unterirdischen  christlichen  Friedhöfe 
Roms  gehört  nach  ihrer  architektonischen  Anordnung  sowie  nach  dem  Stil  ihrer 
künstlerischen  Dekoration  wohl  noch  dem  i .  Jahrhundert  an.  Gerade  die  älte- 
sten Krypten  sind  reich  an  Stukkaturen  und  Fresken  und  zwar  im  Stil  und  Ge- 
schmack dieser  Zeit,  wie  namentlich  der  ursprüngliche  Teil  des  Cömeteriums 
der  Priscilla  an  der  Via  Salaria ;  die  Wand-  und  Deckenmalereien  mehrerer  Teile 
des  Friedhofs  der  Domitilla  stimmen  ganz  mit  den  pompejanischen  überein^). 
Auch  die  ältesten  Teile  der  Krypten  der  Lucina,  des  frühesten  Bestandteils  des 
Cömeteriums  des  Callistus,  zeigen  den  klassischen  Dekorationsstil  und  scheinen 
aus  dem  i .  Jahrhundert  zu  stammen  ^°). 

l)  Cyprian.  De  lapsis  5.  6.  Die  Bischöfe  waren  anfangs  Handwerker  und  Kaufleute,  Hatch- 
Harnack,  Gesellschaftsverfassung  d.  christl.  Kirche  im  Altert.  (1883)  S.  152  f.  2)  In  I  Epist.  ad 
Timoth.  hom.  X  3  (Migne  gr.  LXII  551  f.)  3)  Augustin.  in  Psalm.  XXV  14  (Migne  lat.  XXXVI 
196);  vgl.  ebd.  XXX  6  (Migne  243)  quam  nntltos  enim  ptitatis,  fratres  mei,  velle  esse  christianos,  sed 
offendi  malis  moribiis  christianorum?  4)  Ammian.  Marceil.  XXII  5,  4;  vgl.  XXVII  3,  12.  5)  Zeller, 
Vortr.  u.  Abhdl.  II  189 ff.  6]  Lactant.  Inst.  div.  VII  i,  19.  7)  Schiller,  Nero  S.  607.  Soziali- 
stische Stellen  bei  den  Kirchenvätern :  Baudrillart,  Hist.  du  luxe  II  404 ff.  Le  Blant,  Rev.  arch.  N.  S. 
XXXIX  1880  S.  22off.  8)  Harnack,  Mission^  II  25off.  9)  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  III  1865 
S.  33 ff.,  bes.  S.  36  u.  41  f.  (mit  Abbildung)  und  ser.  2,  \T  1875  S.  I2ff.  10)  De  Rossi,  Roma  sot- 
terr.  I  196.  32off.    Reumont,  Gesch.  d.  St.  Rom  I  382ff,   v.  Sybel,  Christi.  Antike  I  i4off. 


232 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  269,  270] 


und  2.  Jahr- 
hundert. 


Verhältnis 
der  Christen 
zur  Gesamt- 
bevölkerung. 


Weit  größere  Fortschritte  machte  das  Christentum  im  2.  Jahrhundert.  Jener 
allgemeine  Abfall  von  der  Volksreligion  in  Bithynien,  der  dort  die  Tempel  ver- 
ödete und  den  jüngeren  Plinius  erschreckte'),  wird  wenigstens  in  den  östlichen 
Provinzen  damals  keine  vereinzelte  Erscheinung-  mehr  gewesen  sein.    Das  Be- 

o  o 

stehen  christlicher,  von  Kleinasien  aus  gegründeter  Gemeinden  in  Vienne  und 
Lyon  unter  Marc  Aurel  läßt  annehmen,  daß  auch  in  den  Kulturzentren  des 
Westens  die  Saat  des  Christentums  verhältnismäßig  früh  aufgegangen  isf").  In 
der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  führten  christliche  Schriftsteller  bereits 
eine  sehr  stolze  Sprache.  Es  gibt  kein  Volk,  sagt  Justinus  (gest.  166),  von  Bar- 
baren oder  Hellenen  oder  wie  es  sonst  genannt  werden  möge,  mag  es  selbst 
ohne  feste  Wohnungen  auf  Wagen  umherziehen  oder  in  Zelten  ein  Nomaden- 
leben führen,  in  dem  nicht  im  Namen  des  gekreuzigten  Jesus  Dank  und  Gebet 
an  den  Vater  und  Schöpfer  des  Alls  gerichtet  wird^).  Irenäus  (Bischof  von  Lyon 
177 — 202)  spricht  von  christlichen  Gemeinden  in  Germanien,  Iberien,  Gallien, 
im  Orient,  Ägypten,  Libyen  und  im  Mittelpunkte  der  Welt  (Rom)'*).  Noch  über- 
schwenglicher und  schon  drohend  äußert  sich  TertuUian.  An  wen,  ruft  er  den 
Juden  zu,  glauben  denn  alle  Völker  als  an  den  Gesalbten,  der  schon  gekommen 
ist?  Er  zählt  außer  den  Ländern,  in  denen  nach  der  Apostelgeschichte  Juden 
wohnten,  auch  Gätulien,  Mauretanien,  Spanien,  »die  von  den  Römern  unbetre- 
tenen, Christus  aber  unterworfenen  Gegenden  Britanniens«,  sowie  die  der  Sar- 
maten,  die  der  Germanen  und  »viele  andre  ferne  und  unbekannte  Länder,  Pro- 
vinzen und  Inseln«  auf.  Er  behauptet,  daß  die  Christen  bereits  fast  überall  die 
größere  Hälfte  der  Bevölkerungen  ausmachten^).  »Würde  es  uns  etwa«,  fragt 
er  (im  Jahre  197),  »wenn  wir  nicht  Rache  im  Verborgenen,  sondern  offene  Feind- 
seligkeit üben  wollten,  an  Zahl  und  Menge  fehlen?  Sind  etwa  die  Mauren,  Mar- 
komanen und  selbst  Parther,  und  die  größten,  doch  auf  eine  Gegend  und  ihr 
eignes  Gebiet  beschränkten  Völker  zahlreicher  als  die  Bevölkerung  der  ganzen 
Erde?  Wir  sind  von  gestern,  und  schon  haben  wir  euer  ganzes  Gebiet  erfüllt, 
die  Städte,  Inseln,  Kastelle,  Munizipien,  Flecken,  selbst  die  Lager,  die  Tribus, 
die  Dekurien,  den  Palast,  den  Senat,  das  Forum« ^). 

Diese  Äußerungen  sind  nun  freilich  große,  vielleicht  um  das  Zehnfache  größere 
Übertreibungen,  als  sie  es  heutzutage  in  bezug  auf  das  Verhältnis  der  christ- 
lichen zu  den  Gesamtbevölkerungen  in  allen  Weltteilen  sein  würden^).  Auch 
stehen  sie  im  entschiedensten  Widerspruche  mit  der  um  mehrere  Dezennien 
späteren  Äußerung  des  Origenes,  der,  in  entgegengesetzter  Richtung  übertrei- 
bend, sagt,  daß  die  Christen  im  Vergleich  zur  gesamten  Bevölkerung  des  römi- 
schen Reichs  nur  >sehr  wenige«  waren^).  Aus  den  vorhandnen  Angaben,  deren 
Erhaltung  freilich  eine  ganz  zufällige  ist,  ergibt  sich,  daß  bis  98  etwa  42,  bis 
180  etwa  74  Orte  nachweisbar  sind,  in  denen  es  christliche  Gemeinden  gab;  bis 
325  mehr  als  550^). 


l)  Oben  S.  191.  2)  Hirschfeld,  Kl.  Schrift.  37 ff.  I54ff.  3)  Justin,  dial.  c.  Tryph.  117.  4)  Iren, 
adv.  haer.  I  10,  2.  5)  Tertull.  adv.  Judaeos  7;  ad  Scapul.  2.  6)  Tertull.  Apol.  37.  7)  Man  be- 
rechnet gegenwärtig  die  Gesamtsumme  auf  etwa  550  Millionen  Christen  gegenüber  etwa  960  Mil- 
lionen NichtChristen.  Genaueres  bei  W.  Lexis  im  Handwörterb.  d.  Staatswissensch.  ViP  99  ff. 
8)  Orig.  c.  Gels.  VIII  69.  9)  Hamack,  Sitz.Ber.  d.  Berliner  Akad.  1901  S.  814;  Mission  u.  Aus- 
breit, des  Cliristentums^  II  85  ff.  341  ff. 


[IV.  27 1; 


2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM 


233 


Im  römischen  Reiche  aber  waren  die  Christen  nicht  bloß  noch  im  3.  Jahr- 
hundert eine  kleine  Minorität,  sondern  diese  Minorität  gehörte  wenigstens  bis 
zu  dessen  Anfang  fast  ausschließlich  den  untersten  Schichten  der  Gesellschaft 
an").  Die  Heiden  spotteten,  daß  sie  nur  die  Einfältigsten,  nur  Sklaven,  Weiber 
und  Kinder  zu  bekehren  vermöchten,  daß  sie  ungebildete,  rohe  und  bäurische 
Menschen  seien,  ihre  Gemeinden  vorwiegend  aus  geringen  Leuten,  Handwerkern 
und  alten  Frauen  beständen^).  Auch  bestritten  die  Christen  dies  nicht.  Nicht 
aus  dem  Lyceum  und  der  Akademie,  sagt  Hieronymus^),  sondern  aus  dem  nie- 
dern  Volke  [de  vili plebeculä)  hat  sich  die  Gemeinde  Christi  gesammelt.  Galen 
sagt,  die  Christen,  unfähig,  ihren  Glauben  philosophisch  zu  begründen,  hätten 
ihn  aus  Parabeln  geschöpft,  deren  die  meisten  Menschen  zu  ihrer  Belehrung  be- 
dürften'*]. Ausdrückliche  Zeugnisse  christlicher  Schriftsteller  bestätigen,  daß 
der  neue  Glaube  selbst  bis  zur  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  in  den  höheren  Ständen 
nur  vereinzelte  Anhänger  zählte.  Eusebius  sagt^),  der  Friede,  den  die  Kirche 
unter  Commodus  genoß,  habe  sehr  zu  ihrer  Ausbreitung  beigetragen,  »so  daß 
auch  von  den  zu  Rom  durch  Reichtum  und  Geburt  hervorragenden  Männern 
mehrere  mit  ihrem  ganzen  Hause  und  Geschlecht  sich  dem  Heile  zuwandten«. 
Unter  Alexander  Severus  sagt  Origenes^j,  daß  gegenwärtig  auch  Reiche  und  man- 
che der  hohen  Würdenträger  sowie  üppige  und  edelgeborene  Frauen  die  christ- 
lichen Boten  des  Worts  aufnahmen:  Erfolge  also,  deren  das  Christentum  sich 
früher  nicht  zu  rühmen  gehabt  hatte.  Nach  Tertullian  nahm  Severus  Männer 
und  Frauen  von  senatorischem  Stande,  deren  christliches  Bekenntnis  offen- 
kundig war,  in  Schutz^];  und  wie  bereits  erwähnt,  erregte  in  der  römischen  Ge- 
meinde die  von  Callistus  gegen  vornehme  Proselytinnen  geübte  Nachsicht  Ärger- 
nis^). Der  Kaiser  Valerianus  erließ  258  ein  Reskript  an  den  Senat,  wonach  die 
dem  Senatoren-  und  Ritterstande  ang^ehöri^en  Christen  ihrer  Güter  verlustig 
sein  und,  wenn  sie  bei  ihrem  Glauben  heharrten,  mit  dem  Tode  bestraft  werden, 
die  christlichen  Angehörigen  des  kaiserlichen  Hauses  und  Hofstaats  in  Ketten 
zur  Strafarbeit  auf  die  kaiserlichen  Besitzungen  verteilt  werden  sollten^).  Von 
der  Zeit  des  Commodus  ab  ist  also  die  Verbreitung  des  Christentums  in  den 
höheren  Ständen  ebenso  ausdrücklich  und  vielfach  bezeugt,  wie  es  an  solchen 
Zeugnissen  für  die  frühere  Zeit  durchaus  fehlt. 

Damit  stimmt  vollkommen,  daß  Christen  und  Christentum  bis  gegen  Ende 
des  2.  Jahrhunderts  in  der  klassischen  Literatur  nur  sehr  selten  und  beiläufig, 
gleichgültig  und  geringschätzig  erwähnt  werden.  Die  Äußerungen  des  jüngeren 
Plinius  und  Tacitus  zeigen,  daß  die  neue  Sekte  in  Trajans  Zeit  die  Aufmerksam- 
keit der  höheren  Kreise  Roms  noch  nicht  so  weit  erregt  hatte,  daß  man  es  der 
Mühe  für  wert  hielt,  sich  genauer  über  sie  zu  unterrichten.  Epictet  und  Marc 
Aurel  gedenken  zwar  des  Mutes,  mit  dem  die  Christen  in  den  Tod  gingen,  aber 
beiden  schien  dieser  Mut  nicht  auf  vernünftiger  Überzeugung,  sondern  auf  Ge- 
wöhnung und  hartnäckigem  Trotze  zu  beruhen;  Marc  Aurel  fand  überdies,  daß 


Verbreitung  des 
Christentums  in 
den  höheren 
Ständen  erst 
seit  Commodus. 


Seltene  Erwäh- 
nung und  Un- 
kenntnis des 
Christentums 
bis  ins3. Jahr- 
hundert. 


l)  Das  ändert  sich  seit  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts,  Achelis  a.  a.  O.  II  382  ff.,  vgl.  auch  366 ff. 
(das  Christentum  am  Kaiserhof).  449  f.  (das  Christentum  in  der  Damenwelt  des  3.  Jhdts.).  2)  Oben 
I  303.  3)  Hieronymus  in  Epist.  ad  Galatas  IH  5  (Migne  lat.  XXVI 400).  4)  An  der  oben  S.  226  A.  2 
angeführten  Stelle.  5)  Euseb.  H.  e.  V  21,  i.  6)  Orig.  c.  Cels.  UI  9.  7)  TertuU.  ad  Scap.  4. 
8)  Oben  S.  229.       9)  Cyprian.  Ep.  80. 


234 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  27: 


Heidnische  Kon- 
vertiten der höhe- 
ren   Stände    vor 
Commodus. 


er  der  Würde  ermangle  und  selbst  etwas  Theatralisches  habe^).  Daß  Lucian  in 
dem  Glauben  der  Christen  nichts  als  Betörung  und  Einfalt  sah,  ist  bereits  an- 
geführt worden^).  Bei  Aristides  sind  wohl  unter  den  »Gottlosen  in  Palästina«, 
mit  denen  der  Redner  die  verworfenen  Philosophen  gleichstellt,  die  Christen  zu 
verstehen;  ihm  erschien  ihre  Demut  als  Niedrigkeit  der  Gesinnung,  ihre  Uber- 
zeugungstreue  als  Anmaßung,  und  die  Vereinigung  zweier  so  entgegengesetzter 
Eigenschaften  als  für  sie  besonders  charakteristisch').  Galen,  der  die  Tugend 
der  Christen  anerkannte''),  hatte  für  den  unbedingten  Glauben,  mit  dem  die  An- 
hänger des  Moses  und  Christus  an  unbewiesenen  Sätzen  hingen,  nur  verächt- 
liches Staunen^),  da  ihm  wie  allen  Heiden  der  Begriffeines  religiösen  Dogmas 
etwas  völlig  Fremdes  war.  In  der  weitschichtigen  und  höchst  ausführlichen 
Geschichte  Roms,  die  Cassius  Dio  unter  Alexander  Severus  bis  auf  seine  eigne 
Zeit  fortführte,  war  offenbar  der  Christen  nirgends  gedacht:  die  unter  Domitian 
verfolgten  Christen  waren  nach  seiner  Angabe  »des  Atheismus  und  der  Be- 
folgung jüdischer  Gebräuche«  angeklagt^),  auch  er  hielt  also  das  Christentum 
für  eine  jüdische  Sekte.  Auch  Herodian  nennt  sie  nicht,  und  selbst  die  Ver- 
fasser der  Kaiserbiographien,  die  zum  Teil  schon  unter  Constantin  schrieben, 
erwähnen  sie  nur  äußerst  selten  und  beiläufig.  Die  ersten  heidnischen  Schriften 
gegen  das  Christentum  erschienen  nicht  vor  der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts'').  Die 
des  Fronto  wiederholten  noch  die  absurdesten  Erdichtungen  des  Pöbels^);  aber 
auch  der  Platoniker  Celsus^),  der  durch  einen  Juden  über  den  Inhalt  der  christ- 
lichen Lehre  genau  unterrichtet  war,  sprach  sich  in  seiner  ausführlichen  gegen 
sie  gerichteten  Schrift  dahin  aus,  daß  der  Streit  zwischen  Juden  und  Christen 
(der  seiner  Meinung  nach  sich  einzig  darum  drehte,  ob  der  prophezeite  Heiland 
bereits  erschienen  sei  oder  nicht)  ein  Streit  »um  des  Esels  Schatten«  sei'°). 

Die  einzigen  Personen  der  höheren  Stände  in  der  Zeit  vor  Commodus,  deren 
Bekehrung  zum  Christentume  mit  größerer  oder  geringerer  Wahrscheinlichkeit 
angenommen  worden  ist,  sind  der  im  Jahre  95  hingerichtete  Konsul  Flavius 
Clemens  und  dessen  nach  Pontia  verbannte  Gemahlin  (oder  Schwester)  Flavia 
Domitilla").  Dagegen  für  die  gleichzeitig  erfolgte  Hinrichtung  des  Acilius  Gla- 
brio  (Konsul  gi)  das  Bekenntnis  des  Christentums  als  Grund  vorauszusetzen, 
bietet  wenigstens  das  unklare  Exzerpt  aus  Cassius  Dios  Geschichte  keinen  hin- 


l)  Epictet.  Diss.  IV  7,  6.  M.  Aur.  comm.  XI  3.  2)  Oben  S.  226f.  3)  Arist.  or.  46  (II  402 ff. 
Dind.),  s.  dazu  unten  S.  259  A.  5.  Die  Stelle  bei  Arist.  or.  22,  13  (II  31  K.)  mit  Welcker,  Gr.  Götter- 
lehre II  567  auf  die  Christen  zu  beziehen  (was  Bernays,  Lukian  und  die  Kyniker  S.  104  billigt;  vgl. 
dagegen  die  Anm.  von  Palmer),  halte  ich  iür  äußerst  bedenklich.  Vgl.  auch  die  Schilderung  einer 
allen  Lastern  ergebenen  Christin  bei  Apulei.  Met.  IX  14  [certae  religionis  »lentita  sacrilega praesutn- 
tione).  4)  Oben  S.  226.  5)  Galen.  VIII  579.  657.  6)  Cass.  Dio  LXVII  14,  2.  7)  Phlegon 
scheint  (im  13.  oder  14.  Buch  der  Chronica)  die  Sonnenfinsternis  und  die  Erdbeben  beim  Kreuzes- 
tode Christi  ohne  eine  Äußerung  des  Zweifels  erwähnt  zu  haben,  Orig.  c.  Cels.  II  33;  eine  (in  Er- 
füllung gegangene)  Prophezeiung  des  Petrus  hatte  er  Christus  zugeschrieben,  ebd.  II  14.  Bei  einem 
Autor,  für  den  alle  Wunder  als  solche  Interesse  hatten,  ist  daraus  kein  Schluß  auf  seine  Stellung 
zum  Christentum  oder  auch  nur  auf  eine  wirkliche  Kenntnis  desselben  zu  ziehen.  8)  Minuc.  Felix 
Octav.  9,  6,  vgl.  31,  2.  9)  Vgl.  Aube,  Hist.  des  persec.  II  I58ff.,  der  bei  Tertullian  Reminiszen- 
zen an  Celsus  zu  finden  glaubt  S.  193  ff.  Keim,  Celsus'  wahres  Wort,  älteste  Streitschrift  antiker 
Weltanschauung  gegen  das  Christentum  vom  J.  178  (1873I,  dazu  O.  Heine,  Philol.  Abhandl.  f.  M. 
Hertz  (1888)8.197  ff.  Geffcken,  Zweigriech.  Apologeten  S.  256  ff.  10)  Orig.  c.  Cels.  III  i.  ii'Oben 
I  303- 


[IV.  2  73,  2  74]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  235 

länglichen  Anhalt ;  nach  Sueton  erfolgte  seine  Verurteilung  auf  Grund  angeb- 
licher Umsturzpläne'). 

Auch  für  die  alte  Sage  von  persönlichen  Beziehungen  des  Philosophen  Seneca  Das  angeb- 
zum  Apostel  Paulus  hat  sich  trotz  eifriger  Bemühungen  ein  tatsächlicher  Anhalt  l^^f.^.     f'^" 

■L      1  1  rr       1         1  1  r      naltllis    des 

bisher  nicht  auffinden  lassen,  während  andrerseits  ihre  Entstehung  sehr  begreif-  Senecazum 
lieh  ist.  Die  theologische  Anschauung,  welche  dem  Heidentum  die  Fähigkeit  Apostel  Paulus, 
einer  sittlichen  Erhebung  aus  eigner  Kraft  durchaus  bestritt,  wollte  und  durfte 
damals  so  wenig  wie  jetzt  die  mit  der  christlichen  so  wesentlich  übereinstim- 
mende Sittenlehre  Senecas  als  ein  Produkt  der  heidnischen  Philosophie  allein 
gelten  lassen.  Ihren  Ursprung  auf  die  Einwirkung  des  Apostels  zurückzuführen, 
lag  um  so  näher,  als  seine  zweijährige  Gefangenschaft  in  Rom  ihn  leicht  in  Be- 
rührung mit  Seneca  bringen  konnte,  zumal  da  der  Prokonsul  Junius  Gallio,  der 
den  in  Korinth  von  den  Juden  vor  sein  Tribunal  geführten  Apostel  freisprach, 
dessen  Bruder  war^).  Tertullian  kennt  die  Tradition  noch  nicht,  er  sagt,  Seneca 
»ist  häufig  der  Unsere«^):  seine  Übereinstimmung  mit  christlichen  Lehren  er- 
schien ihm  also  als  keine  durchgängige  und  als  die  eines  außerhalb  Stehenden. 
Ebensowenig  kennen  sie  Lactantius  und  Augustinus.  Der  erstere  nennt  Seneca 
»des  wahren  Glaubens  unkundig« ;  er  hätte  ein  Verehrer  des  wahren  Gottes  sein 
können,  wenn  jemand  ihn  ihm  gezeigt  hätte;  er  würde  Zeno  und  seinen  Lehrer 
Sotion  verachtet  haben,  hätte  er  einen  Führer  zur  wahren  Weisheit  gefunden"^). 
Augustinus  betrachtet  seine  Freiheit  vom  Wahnglauben  der  Heiden,  die  er 
aber  als  römischer  Senator  nicht  öffentlich  kundzugeben  wagte,  als  eine  Wir- 
kung der  Philosophie^);  über  die  Ausbreitung  des  ihm  verhaßten  Judentums^) 
habe  er  gestaunt,  weil  er  die  Absicht  Gottes  nicht  kannte^);  die  Christen  habe 
er  niemals  erwähnt,  um  sie  nicht  loben  oder  tadeln  zu  müssen;   das  erstere 

i)  Cass.  Dio  LXVII  14,  3.  Sueton.  Domit.  10,  2.  Unbegreiflich  ist  daher,  daß  De  Rossi,  Bull, 
arch.  crist.  III  1865  S.  20  sagt:  t>II  biografo  di  Agricola  (c.  45)  mattifestamenU  alludc  in  especie  ai 
consoli  Flavio  demente  ed  Acilio  Glahrione  uccisi,  alle  due  {?]  Domifilk  esiliate  ed  agli  altri  ad  un 
tempo  dannafi pej-  la  causa  medesinta.<^  Ein  Aufsatz  von  ihm:  Les  nouvelles  fouilles  du  cimetiere  de 
Priscille,  sepulture  des  Acilii  Glabriones,  enthalten  in  Congres  scientifique  international  des  Catho- 
liques  tenu  ä  Paris  8 — 13  Avril  1888  Tome  II,  Bureaux  des  Annales  de  philosophie  chretienne 
1888  p.  261 — 267  war  mir  leider  nicht  zugänglich.  Die  Bodenlosigkeit  der  Tradition  von  der 
Verfolgung  Domitians  hat  Aube,  Hist.  des  persec.  I^  161  — 185  vortrefflich  nachgewiesen.  De 
Rossi  hält  auch  den  unter  Commodus  als  Christen  enthaupteten  Apollonius  (Euseb.  h.  e.  V  21,  2 
äv6pa  TLUV  Tore  ttiötOüv  em  iraibeio.  Kai  qpiAoaoqpia  ßeßori,u6vov)  für  einen  Senator  nach  der  un- 
zuverlässigen Angabe  bei  Hieronym.  De  vir.  ill.  42;  epist.  70,  4,  3.  Nach  Mommsen,  Ges.  Schrift. 
III  447  war  Apollonius  schwerlich  ein  Mitglied  des  Senats,  vielleicht  nicht  einmal  römischer  Bür- 
ger. Vgl.  über  diese  ganze  Überlieferung  Aub^,  Les  chretiens  dans  l'empire  Romain  de  la  fin  des 
Antonius  au  milieu  du  III«  siecle  (1881)  S.  32ff.  Geffcken,  Nachr.  d.  Gottiug.  Gesellsch.  d.  Wiss- 
1904  S.  262  ff. ;  Zwei  griech.  Apolog.  S.  246,  3.  Bei  der  Inschrift  eujUGipeiTO)  Oupavia  GuyaTrip 
'HpuuÖTic;  denkt  De  Rossi  an  keinen  geringeren  als  Plerodes  Atlicus  (Bull.  arch.  crist.  ser.  2  III  1872 
S.  65 f.).  2)  Ganz  haltlos  ist  die  Vermutung  (De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  IV  1866  S.  62)  Seneca 
könne  als  Konsul  zu  den  Richtern  des  Apostels  gehört  haben:  Senecas  Konsulat  fällt  in  die  zweite 
Hälfte  des  Jahres  56  (CIL  IV  5514;  vgl.  Mommsen.  Ges.  Schrift.  III  262),  der  Aufenthalt  des  Paulus 
in  Rom  sicher  erheblich  später.  3)  Tertull.  De  anima  20.  Geradezu  als  den  Vertreter  heidnischer 
Weisheit  im  Gegensatze  zur  christlichen  behandelt  den  Seneca  das  Gedicht  des  neubekehrten 
Christen  Honorius  Anthol.  lat.  666  R.^,  vgl.  dazu  J.  Ziehen,  Hermes  XXXII  (1897)  S.  490  ff.  O.  Pias- 
berg, Rhein.  Mus.  LIV  1899  S.  I44ff.  4)  Lactant.  Inst.  VI  24,  13 f,  vgl.  V  22,  11.  5)  Augustin. 
C.  D.  VI  10  f.  6)  Oben  S.  214.  7)  Augustin.  C.  D.  VI  11  mirabahtr  haec  dicens  et  quid  divinitus 
ageretur  ignorans. 


236 


XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 


[IV.  275,  276] 


Geringschätzung 

des  Christentums 

in  der  heidnischen 

Welt  bis  zum   3. 

Jahrhundert. 


wäre  gegen  die  alte  römische  Sitte,  das  letztere  vielleicht  gegen  seine  Neigung 
gewesen  'j.  Doch  las  bereits  Hieronymus^)  Briefe,  die  zwischen  dem  Philosophen 
und  dem  Apostel  gewechselt  sein  sollten,  von  denen  einige  noch  vorhanden 
sind :  eine  der  zahlreichen  literarischen  Fälschungen,  die  der  christliche  Glaubens- 
eifer verursachte 2).  Eine  Inschrift  etwa  vom  Ende  des  3.  oder  Anfang  des  4.  Jahr- 
hunderts zeigt,  daß  in  einer  christlichen  Familie,  die  ihren  Ursprung  auf  die 
Annäus  Seneca  zurückführte  oder  doch  ihren  Namen  von  ihnen  ableitete,  jene 
'  Tradition  wert  gehalten  wurde :  eine  Grabschrift  zu  Ostia  ist  von  einem  M.  Annäus 
Paulus  seinem  Sohne  M.  Annäus  Paulus  Petrus  gesetzt  worden.  Die  Namen 
der  Apostel  waren  bei  den  Christen  sehr  beliebt,  der  letztere  sowie  die  Ver- 
bindung beider  bei  Heiden  unerhört;  ohne  Zweifel  sind  beide  Annäus  Christen 
gewesen'*). 

Die  oft  fast  wörtlich  mit  den  Äußerungen  des  Paulus  über  die  allgemeine 
Sündhaftigkeit  übereinstimmenden  Aussprüche  Senecas,  die  freilich  »aus  gleich- 
artigen Zuständen,  Erfahrungen  und  Stimmungen  hervorgegangen«  sein  müssen, 
sowie  alles,  was  bei  Seneca  an  christliche  Anschauungen  streift^),  erklären  sich 
vollkommen  aus  einer  Entwicklungsform  der  stoischen  Philosophie,  die  in  deren 
innerstem  Wesen  begründet  war  und  in  milden  Geistern  sehr  natürlich  gerade 
so  sich  gestaltete,  wie  wir  es  nicht  bloß  bei  Seneca,  sondern  bei  Epictet  und 
Marc  Aurel  finden,  von  denen  keine  Tradition  behauptet,  daß  sie  aus  christ- 
lichen Quellen  geschöpft  haben^). 

Nach  allem  also,  was  wir  über  die  ersten  Jahrhunderte  wissen,  ist  es  kaum 
denkbar,  daß  in  der  heidnischen  Welt  vor  der  Zeit  der  Severe  die  welthisto- 
rische Bedeutung  der  neuen,  so  wenig  beachteten  und  so  geringschätzig  beur- 
teilten Religion  auch  nur  geahnt  worden  ist.  Was  konnte  dieser  Haufe  geringer, 
unwissender,  weltscheuer  Menschen  gegen  die  Ordnung  des  für  die  Ewigkeit 
gegründeten  Weltreichs  vermögen?  Herrschen  die  Römer,  rief  man  ihnen  zu, 
nicht  ohne  euren  Gott  über  die  ganze  Welt  und  über  euch  selbst?^)  »Euer 
Gott«,  sagt  Celsus,  »hat  denen,  die  sich  zu  ihm  bekennen,  seinen  Beistand  ver- 
sprochen und  noch  viel  Größeres,  wie  ihr  sagt,  und  seht  nun  selbst,  wie  er  jenen 
(den  Römern),  und  wie  er  euch  geholfen  hat.  Statt  daß  ihr  Herren  der  ganzen 
Erde  sein  solltet,  ist  euch  nicht  einmal  eine  Erdscholle  oder  ein  Herd  geblieben , 
und  irrt  ihr  noch  im  Verborgenen  umher,  so  wird  nach  euch  gefahndet,  um  euch 
mit  dem  Tode  büßen  zu  lassen.«  Vollends  die  Idee  einer  Weltreligion  mußte 
in  einem  Reiche,  wo  so  viele  Religionen  nebeneinander  bestanden,  unbegreiflich 
erscheinen.  »Wäre  es  nur  möglich«,  sagt  derselbe  Autor,  »daß  alle  Hellenen 
und  Barbaren  in  Asien,  Europa  und  Afrika  bis  zu  den  Grenzen  der  Erde  ein- 


i)  Augustin.  C.  D.  VI  1 1.  Casaubonus  sagt:  i>mulia  Seneca  scribit  quae  intelligi  aut  credi  sine  verae 
pietatis  sensu  non  queant:  quo  bona  quum  ipse  caruerit,  sequittir  ttt  ea  dicamus  ab  illo  scripta  non  ex 
certa  scientia  auf  fide,  sed  vehiti  |uavT6u6)Li6VOV  et  more  poetartim  evBouaictZovTa«  (Wiese,  Ztschr.  f. 
Gymnasialw.  V  1851  S.  289).  2)  Hieron.  de  vir.  ill.  12.  3)  E.  Westerburg,  Der  Ursprung  der 
Sage,  daß  Seneca  Christ  gewesen  sei  (18S1).  C.  Pascal,  Rivista  di  filol.  XXXV  1907  S.  33  ff.  93  f., 
vgl.  auch  E.  Bickel,  Rhein.  Mus.  LX  (1905J  S.  508  ff.  4)  De  Rossi,  Bull.  arch.  crist.  V  (1867)  S.  6. 
Die  Inschrift  steht  CIL  XIV  566  unter  den  heidnischen.  5)  Zeller,  Philos.  d.  Gr.  III  i"»  S.  740,  i. 
748.  6)  Vgl.  Wendland,  Die  hellenistisch-römische  Kultur^'  S.  94 f.  K.  Dcißner,  Paulus  und  Se- 
neca, Gütersloh  191 7.        7)  Minuc.  Felix  12,  5. 


[IV.  277] 


2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM 


237 


mutig  an  ein  Gesetz  glaubten!  Aber  wer  das  für  möglich  hält,  ist  ohne  allen 
Verstand!«') 

Als  sich  aber  der  Sieg  des  Christentums  mit  der  Gewährleistung  der  voll- 
kommenen Religionsfreiheit  seiner  Bekenner  durch  Constantin  entschieden 
hatte,  und  nun  auch  die  siegreiche  Religion  sogleich  ihre  Macht  zur  Unter- 
drückung des  Heidentums  zu  üben  begann^),  als  der  alte  Glaube  nicht  nur 
keinen  Vorteil  mehr  gewährte,  sondern  seinen  Anhängern  je  länger  je  mehr 

Ungemach  und  Verfolgung  brachte:  da  hätte  sein  völliger  Untergang  und  der 
Fortschritt  zur  Alleinherrschaft  des  Christentums  sich  in  kürzester  Zeit  voll- 
ziehen müssen,  wenn  das  Heidentum  wirklich  schon  seit  Jahrhunderten  in  Ver- 
fall und  Auflösung  begriffen  gewesen  wäre.    Daß  sein  Todeskampf  noch  zwei 

Jahrhunderte  währte,  obwohl  er  mit  den  ungleichsten  Waffen  geführt  wurde; 
daß  der  nun  völlig  macht-  und  wehriose  Götterglaube  so  lange  nicht  sterben 
konnte,  obwohl  das  Christentum  unermüdlich  und  je  länger  desto  schonungs- 
loser alle  seine  Lebensregungen  mit  Zwang,  Plünderung,  Zerstörung  und  Ver- 
folgung jeder  Art  zu  töten  fortfuhr:  das  beweist  allein  schon,  wie  gewaltig  die 
Lebenskraft  auch  des  gealterten  Heidentums  noch  war^).  Nachdem  seit  den 
Toleranzedikten  Constantins  das  Christentum  sich  (mit  Ausnahme  der  kurzen 
Reaktion  unter  Julian)  während  eines  Zeitraums  von  siebzig  Jahren  der  Gunst 
und  Förderung  durch  die  weltliche  Macht  erfreut  hatte,  hatte  es  doch,  wie  be- 
merkt, schweriich  auch  nur  die  Hälfte  der  Bevölkerungen  gewonnen.  Fast  der 
ganze  römische  Adel  war  zur  Zeit  des  Julianus  der  alten  Religion  ergeben,  zu 
der  auch  noch  unter  Theodosius  etwa  die  Hälfte  des  Senats  sich  bekannte^), 
obwohl  das  Christentum  damals  und  später  in  den  Städten  weit  mehr  als  auf 
dem  Lande  verbreitet  war;  im  Laufe  des  4.  Jahrhunderts  nahm  das  V^ ort paganus 
(Landmann)  die  Bedeutung  Heide  an^),  und  noch  Endelechius  nennt  in  dem 
oben  erwähnten  Gedicht  von  der  Rinderseuche  Christus  den  Gott,  der  in  den 
großen  Städten  als  einziger  verehrt  wird^).  Auch  das  Judentum  in  der  Diaspora 
war  vornehmlich  Städtereligion,  wenn  auch  nicht  ausschließlich 7). 

Aber  auch  in  der  seit  380  von  Theodosius  begonnenen  Verfolgung,  die  nach 
dem  Falle  des  von  dem  Vorkämpfer  des  Heidentums  Nicomachus  Flavianus  zu 
seiner  Erhebung    veranlaßten    Prätendenten    Eugenius  394^)   mit   erneuerter 


i)  Orig.  c.  Cels.  VIII  69—72.  2)  Lasaulx,  Untergang  des  Hellenismus  S.  51.  3)  Einen  be- 
deutsamen Gesichtspunkt,  die  allmähliclie  Verdrängung  der  lokalen  Gottesdienste  durch  die  Ver- 
ehrung der  christlichen  Märtyrer  betont  A.  Dufourcq,  La  christianisation  des  foules,  Paris  1903. 
4)  Lasaulx  a.  a.  O.  S.  90  f.  Auch  bei  dem  Astrologen  Plnnicus  Matemus  fehlt  es  nicht  an  Zeug- 
nissen für  ein  kräftiges  Fortleben  des  heidnischen  Kultus,  z.  B.  III  5,  33:  fabricatores  deoritm  — 
vel  cultores  divinorjim  simulacrorum  vel  ornatores  deorzim  vel fabricatores  temploruf?i  aut  hyfunologos. 
Vgl.  III  9,  5-  IV  14,  20  [sinmlacrorum  sculptores).  III  9,  9  {vestitores  divitiorum  simulacrorum  — 
aut  baiztlos  divinarum  caerimoniarum)  u.  a.  5)  Eine  abweichende  Deutung  des  \N oxies  paganus 
(=  Zivilist  im  Gegensatze  zu  dem  durch  das  sacramentum  verpflichteten  miles  Christi]  vertritt  neuer- 
dings Harnack,  Militia  Christi  (1905)  S.  68 f.  122;  Mission^  I  401;  vgl.  Hirschfeld,  Kl.  Schrift. 
S.  585,  2.  6)  Anth.  lat.  893,  xo4f.  dei,  viagnis  qui  colitur  solus  in  urbibus.  7)  Harnack,  Sitz.Ber, 
Akad.  Berlin  1901  S.  816,  I.  8;  Ein  sehr  interessantes  Dokument  für  die  Kämpfe  dieser  Zeit  ist 
das  sog.  Carmen  contra  paganos,  Anth.  lat.  4  R.,  vgl.  dazu  De  Rossi,  Bull,  arch,  crist.  VI  1868 
S.  49fr.  61  ff.  Morel,  Rev.  archeol.  N.  S.  XVII  186S  S.  451fr.  XVIII  1868  S.  44fr.  Mommsen, 
Ges.  Sehr.  VII  485  ff.  O.  Barkowski,  De  carmine  adversus  Flavianum  anonymo,  Diss.  Regiment. 
1912. 


Die  lange  Agonie 
des  Heidentums 
ein  Beweis  für 
seine  Lebenskraft. 


238  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  278] 

Stärke  fortgestetzt  wurde,  erwies  der  alte  Glaube  eine  ungemein  zähe  Wider- 
standskraft. Mit  Feuer  und  Eisen  wurden  erst  im  Orient,  dann  im  Okzident 
Tempel,  Kapellen  und  Stätten  der  alten  Kulte  in  Schutt  und  Asche  gelegt. 
Doch  wenn  die  zerstreute  und  wehrlose  ländliche  Bevölkerung  unter  bitteren 
Klagen  die  Zerstörung  der  Heiligtümer  geschehen  lassen  mußte,  »auf  die  sie 
für  Mann,  Weib  und  Kind,  für  ihr  Vieh,  ihre  Saaten  und  Pflanzungen  ihre 
Hoffnung  setzten,  und  mit  denen  ihnen  alle  Freuden  des  Lebens  unterzugehen 
schienen« ') :  so  kam  es  in  den  Städten  oft  genug  zu  blutigen  Kämpfen  zwischen  den 
gegen  die  Tempel  wütenden  Scharen  der  Geistlichen  und  Mönche  und  dem 
Volke.  Mit  Ausnahme  der  direkten  Zwangsbekehrung  wurde  jede  Art  der  Ge- 
walt zur  Unterdrückung  des  Heidentums  angewendet:  Verbote  aller  Opfer  und 
Kulthandlungen  sowie  des  Tempelbesuchs  unter  Androhung  der  schärfsten 
Strafen,  Aufhebung  der  Privilegien  der  Priester,  deren  Verweisung  aus  den 
Städten,  Einziehung  der  Tempelgüter;  doch  die  wiederholte  Einschärfung  dieser 
Anordnungen  und  Strafen  während  des  5.  und  noch  im  6.  Jahrhundert  zeigt, 
wie  äußerst  langsam  die  Ausrottung  des  alten  Glaubens  auch  dann  erfolgte,  als 
ihm  scheinbar  schon  alle  Lebensbedingungen  entzogen  waren.  Daß  mit  der 
drakonischen  Härte  der  Gesetzgebung  sich  zur  Verfolgung  des  wehrlosen 
Heidentums  nun  auch  Frevel  und  Raubgier  verbanden,  beweisen  die  wieder- 
holten Ermahnungen  des  Augustinus,  nicht  unter  dem  Deckmantel  der  Religion 
die  Heiden  zu  plündern,  und  ein  kaiserliches  Reskript  vom  Jahre  423"^).  Auch 
das  Heidentum  hatte  nun  seine  Märtyrer^),  und  die  scheußHche  Ermordung  der 
schönen  und  tugendhaften  Hypatia  zu  Alexandria  im  Jahre  415'*)  zeigt,  bis  zu 
welchen  Greueln  der  Fanatismus  des  christlichen  Pöbels  fortgerissen  werden 
konnte^). 

Anderthalb  Jahrhunderte  hatte  der  systematische  Vernichtungskampf  gegen 
das  Heidentum  gewährt,  und  noch  immer  war  sein  Leben  nicht  völlig  er- 
loschen. Im  Jahre  528  sah  Justinian  sich  veranlaßt,  eine  große  Verfolgung  der 
sogenannten  Hellenen  anzuordnen.  In  Constantinopel  selbst  wurden  unter 
Patriziern,  Gelehrten  und  Ärzten  zahlreiche  Anhänger  des  alten  Glaubens  ent- 
deckt und  ergriffen,  von  denen  einer  sich  den  Tod  gab,  die  übrigen  das  Christen- 
tum annahmen^).  Der  Bischof  Johannes  von  Asien  bereiste  532  in  kaiserlichem 
Auftrage  die  Provinzen  Karlen,  LydienundPhrygien  und  bekehrte  und  taufte  dort 
70000  Menschen.  Wer  aufGötzenopfern  betroffen  wurde,  sollte  mit  dem  Tode  be- 
straft werden^).  Im  Okzident  hat  die  Flut  der  Völkerwanderung,  die  mit  den  Fun- 
damenten der  antiken  Kultur  zugleich  die  des  Heidentums  zerwühlte,  dessen  Unter- 
gangmächtigbeschleunigt;  doch  wurde  der  letzte  Apollotempel  auf  Monte  Casino 
erst  529  (wo  die  Landbevölkerung  der  Umgebung  noch  größtenteils  heidnisch 
war)  von  dem  heiligen  Benedikt  in  ein  Kloster  umgewandelt  ^),  in  demselben  Jahre, 
in  welchem  die  sieben  letzten  athenischen  Philosophen,  durch  ein  Edikt  Justi- 

i)  Liban.  or.  30,  10  (III  92  F.).  Lasaulx  S.  loi  f.  2)  Cod.  Theod.  XVI  10,  23  f.  La.aulx  S.  131  f. 
3)  Lasaulx  S.  140.  4)  Ihre  Anstiftung  durch  den  Bischof  Cyrillus  ist  stark  bestritten;  vgl.  Kopal- 
lik,  Cyrillus  von  Alexandrien  (1881)  S.  26ff.  5)  Lasaulx  S.  I28f.  6)  Aber  auch  Tribonian'EWriv 
UTrfipX€  Kai  äQeoc,  koi  dWoTpio^  koto  TidvTCt  ■vr\c,  tujv  Xpiariavujv  TricfTeiw^  (Suidas  s.  Tpißiuvia- 
v6(;;  die  übrigen  dort  gegen  ihn  erhobenen  Beschuldigungen  sind  also  mit  großer  Vorsicht  aufzu- 
nehmen).      7)  Lasaulx  S.  145  fr.       8)  Gregor,  M.  dial.  II  8  (Migne  lat.  LXVI  152), 


^IV.  279]  2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM  239 

nians  vertrieben,  auswanderten,  um  eitie  Zuflucht  in  Persien  bei  König  Chosroes 
zu  suchen.  Gregor  der  Große  (Papst  590 — 604)  erfuhr  zu  seiner  Betrübnis,  daß 
alle  Bauern  in  Sardinien  Götzendiener  seien,  und  sandte  den  Bischof  Victor  zu 
ihrer  Bekehrung;  den  Bischof  von  Caralis  wies  er  an,  gegen  Götzendiener, 
Haruspices  und  Sklaven,  die  sich  nicht  durch  Predigten  bekehren  lassen  wollten, 
einzuschreiten;  Wahrsager  sollten  körperlich  gezüchtigt,  Freie  durch  strenge 
Haft  > zur  Reue  gebracht  werden«').  Mit  den  alten  Götterbildern  erhielt  sich 
im  Verborgenen  auch  deren  Verehrung  namentlich  in  Griechenland  bis  über 
die  Grenzen  des  Mittelalters  hinaus.  Unter  Alexius  Komnenus  (108 1  —  iiirf) 
zerstörten  Mönche  das  Bild  der  Artemis  auf  Patmos;  Michael  Apostolius,  der 
Anhänger  des  Gemistius  Pletho,  fand  um  1465  in  Kreta  Götterstatuen,  an  die 
er  seine  Gebete  richten  konnte^). 

Wenn  nun  die  alte  Fabel  von  der  mit  der  Entstehung  des  Christentums  be- 
ginnenden und  durch  vier  Jahrhunderte  fortwährenden  Auflösung  des  Götter- 
glaubens trotz  aller  mit  ihr  unvereinbaren  Tatsachen  immer  noch  (namentlich 
unter  Theologen)  zahlreiche  Gläubige  findet,  so  ist  doch  auch  die  richtige  An- 
sicht und  zwar  von  keinem  Geringeren  als  J.  Burkhardt,  ausgesprochen  worden. 
Zum  Untergange  der  Religionen,  sagt  er,  genügt  noch  lange  nicht,  was  man 
die  innere  Zersetzung  nennt.  Ja,  es  genügt  noch  nicht  die  Anwesenheit  einer 
neuen,  dem  zeitweiligen  metaphysischen  Bedürfnis  viel  besser  entsprechenden 
Religion.  Beim  Volk  ist  von  alters  her  die  Religion  das  wesendiche  Stück  der 
Kultur.  »Eine  neue  Religion  kann  sich  neben  die  alte  stellen,  sich  mit  ihr  in 
die  Welt  teilen,  aber  von  sich  aus  sie  unmöglich  verdrängen,  selbst  nicht,  wenn 
sie  die  Massen  für  sich  hat,  —  falls  nicht  die  Staatsgewalt  eingreift.  Jede  aus- 
gebildete Religion  höheren  Rangs  ist  vielleicht  relativ  ewig  (d.  h.  so  weit  ewig, 
als  das  Leben  der  sie  bekennenden  Völker),  wenn  nicht  ihre  Gegner  diese  Macht 
gegen  sie  aufzubieten  vermögen.  Vor  der  Gewalt  unterliegen  sie  alle,  wenn 
dieselbe  konsequent  gehandhabt  wird,  und  zumal  wenn  es  sich  um  ein  einziges, 
unentrinnbares  Weltreich  wie  das  römische  handelt.  Ohne  Gewalt  oder  doch 
ohne  gleichmäßig  gehandhabte  Gewalt  leben  sie  fort  und  tränken  ihre  Macht 
stets  neu  aus  dem  Geiste  der  Massen«.  »Ohne  die  Kaisergesetzgebung  von 
Constantin  bis  auf  Theodosius  würde  die  römisch-griechische  Religion  noch  bis 
heute  leben.  Ohne  ein  wenigstens  zeitweises  völliges,  vom  weltlichen  Arm  ge- 
handhabtes (nötigenfalls  mit  den  äußersten  Mitteln  verbündetes)  Verbot  würde 
die  Reformation  sich  nirgends  behauptet  haben.  Sie  hat  alle  diejenigen  Terri- 
torien wieder  verloren,  wo  sie  diesen  Vorteil  des  weltlichen  Arms  nicht  besaß 
und  irgend  eine  beträchtliche  Quote  von  Katholiken  mußte  fortleben  lassen. 
So  kann  selbst  eine  junge  und  kräftig  scheinende  Religion  partiell,  gebietweise 
untergehen,  vielleicht  für  solche  Gegenden  auf  immer«  3). 

Übrigens  konnte  die  Vernichtung  des  Heidentums  keine  völlige  sein.  In  ihm  Heidnische  Eß- 
waren Elemente,  die  aller  Zerstörung  Trotz  boten,  weil  sie  auf  unabweisbaren  ^^^^^^  die  den 
Bedürfnissen  eines  großen  Teils  der  Menschheit  beruhten:  und  diese  haben  in  HeideSums 
neuen  Formen  innerhalb  des  Christentums  Raum  gefunden  und  so  den  Unter-  überlebten. 

i)  Gregor.  M.  Ep.  IV  23.  V  38.  IX  204.  XI  12  Ewald.  2)  Sathas,  Monum.  in^dits  relatifs  ä 
l'histoire  de  la  Grece  au  moyen  äge,  Serie  I  T.  I  1880  p.  XIV.  3)  J.  Burckhardt,  Weltgescliicht- 
liche  Betrachtungen,  herausgeg.  v.  J.  Oeri^  (1918)  S.  55 f. 


240  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE  [IV.  280,  281] 

gang  des  alten  Glaubens  überdauert.  Es  war  nicht  bloß  das  unter  jeder  Glaubens- 
form auftretende  Streben,  durch  Anrufung  höherer  Mächte  Unheil  von  sich  und 
seinem  Besitze  abzuwenden,  das  sich  auch  unter  den  Anhängern  des  Christen- 
tums der  nur  wenig  abgeänderten  Mittel  des  heidnischen  Aberglaubens  be- 
diente';, sondern  auch  die  heidnische  Festlust,  die  auch  im  neuen  Glauben  Be- 
friedigung forderte  und  die  Kirche  veranlaßte,  Gelage  und  Lustbarkeiten  an  den 
Gräbern  der  Märtyrer  zu  dulden^)  und  durch  Verlegung  christlicher  Feste  auf 
die  Tage  der  abgeschafften  heidnischen  dem  Volke  für  diese  Ersatz  zu  leisten^). 
So  ist  die  Weihnachtsfeier  seit  dem  4.  Jahrhundert  auf  den  25.  Dezember  gelegt, 
weil  an  diesem  Tage  im  Osten  die  Wintersonnenwende  gefeiert  wurde  und  im 
römischen  Festkalender  auf  diesen  Tag  der  Geburtstag  des  von  Aurelian  zum 
Reichsgotte  erhobenen  Sonnengottes  fiel'*);  die  Lichtmeßprozession  des  2.  Fe- 
bruar knüpft  an  den  uralten  städtischen  Sühnumgang,  das  [sacrificmm)  ambur- 
bale  an^)  und  ähnliches  mehr.  Doch  noch  ganz  andre  Wirkungen  übte  die  tiefe 
Sehnsucht,  den  unendlichen  Abstand  zwischen  Menschheit  und  Gottheit  durch 
Mittelwesen  zu  füllen,  die  den  entgötterten  Himmel  aufs  neue  mit  einem  bald 
ins  Unermeßliche  wachsenden  Chor  heiliger  Gestalten  bevölkerte.  Wenn 
Augustinus  die  Vergleichung  des  Kultus  der  Heiligen  und  Märtyrer  mit  dem 
Polytheismus  zurückweist,  haben  andre  Kirchenschriftsteller,  wie  Basilius,  ihnen 
genau  denselben  Platz  in  der  Weltordnung  angewiesen  wie  der  spätere  Plato- 
nismus  den  Dämonen  und  Heroen,  oder,  wie  Theodoret,  zwischen  diesem  und 
jenem  Kultus  geradezu  Parallelen  gezogen,  um  nachzuweisen,  »daß  an  die  Stelle 
des  Falschen  und  Irrigen  das  wahrhaft  Göttliche  getreten  sei«^).  >An  allem 
demjenigen«,  sagt  Theodoret^),  »was  an  den  Gräbern  der  Märtyrer  geschieht, 
sollten  die  Griechen  am  wenigsten  sich  stoßen,  denn  von  ihnen  kommen  ja  die 
Libationen,  die  Sühnungen,  die  Heroen,  die  Halbgötter,  die  vergöttlichten 
Menschen.  Herakles,  Asklepios,  Dionysos,  die  Dioskuren  und  so  viele  andre 
sind  zu  Göttern  erhoben  worden :  wie  kann  man  es  also  den  Christen  vorwerfen, 
wenn  sie  die  Märtyrer  nicht  zu  Göttern  machen,  sondern  als  Zeugen  und  Diener 
Gottes  ehren:  —  wer  verdient  es  besser  als  sie,  die  Vorfechter  der  Menschen, 
ihre  Helfer  und  Beschützer,  die  Abwehrer  der  Übel,  die  Vertreiber  der  von  den 
Dämonen  verhängten  Plagen  sind?  Kinderlose  und  unfruchtbare  Frauen  bitten 
sie,  daß  sie  Mütter  werden;  wer  eine  Gabe  erlangt  hat,  fleht  sie  um  ihre  Be- 
wahrung an;  die  eine  Reise  unternehmen,  bitten  sie  um  ihre  Begleitung  auf  dem 
Wege,  Zurückkommende  bringen  ihnen  ihren  Dank  dar,  Zeugnisse  der  erfüllten 

l)  z.  B.  ein  griechiscli-christliches  Amulett  gegen  Augenkrankheiten,  M.  Siebourg,  Bonn.  Jahrb. 
CXVIII  1909  S.  158  ff.;  christliche  Zauberformeln  auf  Türstürzen  in  Syrien,  Prentice,  Americ.  Journ. 
of  Archaeol.  2  Ser.  X  1906  S.  137  ff.  Verwendung  des  80.  Psalmes  als  Schutzzauber  auf  einer  Blei- 
rolle aus  Rhodus,  Hiller  v.  Gaertringen,  Sitz.Ber.  Akad.  Berlin  1898  S.  582 ff.  Vgl.  iJiererich, 
Eine  Mithrasliturgie  S.  28,  i.  R.  Boese,  Superstitiones  Arelatenses  e  Caesario  conlectae,  Diss. 
Marburg  1909.  21  E.  Lucius,  Die  Anfänge  des  Heiligenkults  in  der  christl.  Kirche  (1904)  S.  3 18  ff. 
3)  Augustin.  Ep.  22,  l.  29.  Grimm,  Deutsche  Mythol.'^  Vorr.  S.  XXVIl.  Lasaulx  S.  141  f.  Wachs- 
muth,  Das  alte  Griechenland  im  neuen  ^  1864,  S.22ff.  4)  Usener,  Weihnachtsfest^  S.  348  ff.  Cumont, 
Compt.  rend.  de  Tacad.  d.  inscript.  19H  S.  292ff.  Holl,  Sitz.Ber.  Akad.  Berlin  1917  S.  427 ff. 
Über  die  Fortdauer  der  heidnischen  Satumalien-  und  Neujahrsbräuche  vgl.  Nilsson,  Arch.  f.  Reli- 
gionswiss.  XIX  1918  S.  5off.  5)  üsener  a.  a.  O.  S.  3ioff.  6)  Baur,  Die  christl.  Kirche  vom 
Anfang  des  4.  bis  Ende  des  6.  Jahrh.  S.  272.       7)  Theodoret.  graec.  äff.  cur.  8,  12  ff. 


2.  JUDENTUM  UND  CHRISTENTUM 


241 


Wünsche  sind  die  ihnen  geweihten  Geschenke,  goldene  und  silberne  Bilder  von 
Augen,  Füßen  und  Händen.  Die  Tempel  der  Götter  sind  zerstört,  denn  seine 
eigenen  Toten  hat  der  Herr  des  Alls  statt  jener  eingeführt,  jene  hinausgevviesen 
und  ihre  Ehren  diesen  verliehen.  Statt  der  Pandien,  Diasien,  Dionysien  und 
der  andern  Feste  werden  jetzt  die  festlichen  Tage  des  Petrus,  Paulus,  Thomas, 
Sergius,  Marcellus  und  andrer  Märtyrer  begangen. «  Wenn  Theodoret  hinzufügt, 
dies  geschehe  nicht  mit  heidnischem  Gepränge  und  sinnlicher  Lust,  sondern 
mit  christlicher  Nüchternheit  und  Sittsamkeit,  so  ergibt  sich  auch  aus  den  oben 
angeführten  Zeugnissen  christlicher  Autoren,  daß  diese  Behauptung  mindestens 
großer  Einschränkung  bedarf. 

Die  im  Heiligenkultus  der  katholischen  Kirche  enthaltenen  antiken  Elemente  Polytheismus 
treten  so  unverkennbar  hervor,  daß  ein  moderner  Kulturhistoriker  behaupten  ^^^^^^^^gen- 
konnte,  in  Sizilien  habe  sich  »der  Polytheismus  so  vollkommen  im  Heiligen-  "^ 

kulte  erhalten,  daß  man  es  begreiflich  finde,  wenn  dort  gebildete  Männer  noch 
heutigentags  alles  Ernstes  dem  monotheistischen  Islam  den  Vorzug  vor  dem 
Christentum  geben« ').  Aber  der  Prozeß  der  Angleichung  ist  nicht  in  der  Weise 
vor  sich  gegangen,  daß  einfach  alte  Götter  in  der  Ganzheit  ihres  Wesens  sich 
in  bestimmte  christliche  Heilige  verwandelt  hätten^)  und  z.  B.  eine  ganze  An- 
zahl namentlich  in  der  Heilung  von  Krankheiten  und  im  Schutze  gegen  Seenot 
wirksamer  Heiligen,  insbesondre  wenn  sie  paarweise  auftreten,  nichts  andres 
wären  als  die  ins  Christliche  übersetzten  Dioskuren^j:  diese  Anschauung  hat 
sich,  mit  soviel  Geist  und  Scharfsinn  sie  auch  verfochten  worden  ist"*),  nicht  als 
haltbar  erwiesen^).  Aber  wie  man  in  späteren  Jahrhunderten  zuweilen  aus  einer 
antiken  Statue  einen  Heiligen  gemacht  hat^),  so  haben  für  die  Ausgestaltung 
der  Heiligenvorstellungen  an  bestimmten  Orten  die  dort  heimischen  Götter- 
dienste des  alten  Glaubens  reiche  Beiträge  geliefert,  und  es  sind  vielfach  auch 
die  neuen  Heiligen  in  gewisse  Funktionen  eingetreten,  in  denen  sie  alte  Götter 
und  Dämonen  ablösten;  so  hat  sich  z.  B.  der  bis  tief  ins  Mittelalter  hinein  fort- 
lebende heidnische  Kultus  heiliger  Bäume  vielfach  mit  der  Verehrung  bestimm- 
ter christlicher  Heiligen,  wie  des  heiligen  Silvester  und  des  heiligen  Silvanus, 
verbunden^).  Hier  und  da  in  Gallien  kehren  die  » Mütter«  des  keltischen  Volks- 
glaubens als  die  heiligen  drei  Marien  wieder^),  und  der  in  der  ostjordanischen 
Landschaft  verehrte  Lenker  des  Sonnenwagens  Helios-Aumu  gestaltete  sich  zu 
dem  mit  feurigen  Rossen  gen  Himmel  fahrenden  Propheten  Elias  um^).    In  viel 


l)  Hartwig,  Aus  Sizilien  II  103.  2)  Lucius  a.  a.  O.  S.  202 ff.  3)  J.  Rendel  Harris,  The  Dios- 
curi  in  the  Christian  Legend»,  1903.  Deubner,  Kosmas  und  Damian  (1907)  S.  52ff.  K.  Jaisle,  Die 
Dioskuren  als  Retter  zur  See  bei  Griechen  und  Römern  und  ihr  Fortleben  in  christl.  Legenden 
(Tübingen  1907)  S.  36ff.  4)  S.  namentlich  v.  Gutschmid,  Kl.  Schrift.  III  I73ff.  (Mithras  = 
S.  Georg).  Usener,  Legenden  der  Pelagia  1879;  Vorträge  u.  Aufsätze  S.  189  (Aphrodite  =  Pela- 
gia);  Sonderbare  Heilige  1 1907  (Priapus  =  Tychon),  anderes  bei  O.  Gruppe,  Jahresb.  über  d.Fortschr. 
d.  klass.  Altertumswiss.  CXXXVII  1908  S.  312  ff.  5)  G.  Anrieh,  Hagios  Nikolaos  II  (1917)  S.  502  ff. 
6)  Amelung,  Rom.  Mitteil.  XH  1897  S.  71  ff.  7)  G.  Stara-Tedde,  Bull.  arch.  comun.  XXXV 
1907  S.  129fr.,  vgl.  auch  Wissowa,  Relig.  u.  Kultus  d.  Römer^  S.  213,  6.  8)  Ihm,  Bonner  Jahrb. 
LXXXin  (1887)  S.  74.  162  (zu  nr.  385).  Sainte  Victoire  verdankt  ihre  Erwählung  zur  Schutzheili- 
gen des  Dorfes  Volx  (Basses- Alpes)  einem  1897  entdeckten  gallorömischen,  der  Victoria  gewid- 
meten Altar.  Saintyves,  Les  saints  successeurs  des  dieux  (1907)  S.  351.  9)  Lebas-Waddington 
zu  nr.  2497.    Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volkes  II*  47.    Über  die  Neigung,  heidnische  Gottheiten  in 

Friedlaender,  Darstellungen,  III.    9.  Aufl.  l5 


242  XIII.  DIE  RELIGIÖSEN  ZUSTÄNDE 

weiterem  Umfange  als  die  Volksvorstellung  war  es  die  literarische  Fixierung 
der  Heiligenlegende,  die  mit  Vorliebe  an  Motive  aus  dem  antiken  Mythus  an- 
knüpfte, wie  sie  z.  B.,  um  nur  ein  Beispiel  von  sehr  vielen  anzuführen,  den  christ- 
lichen Märtyrer  Hippolytus  von  Pferden  zerreißen  ließ,  weil  dies  das  Ende  des 
attischen  Königssohnes  war,  dessen  Namen  er  trug^).  Im  einzelnen  Falle  muß 
immer  sorgfältig  unterschieden  werden,  ob  es  sich  um  ein  Fortleben  von  Stücken 
heidnischen  Glaubens  oder  um  eine  Weiterverwendung  allgemein  verbreiteter 
Ausdrucksformen  religiösen  Denkens  oder  um  die  Herübernahme  novellistischer 
Wandererzählungen  handelt'). 

den  (besonders  in  der  griechischen  Kirche  verehrten)  Kranke  heilenden  Erzengel  Michael  umzu- 
deuten, vgl.  Gothein,  Kxüturentwicklung  Süditaliens  (l886)  S.  62  ff. 

i)  DöUinger,  Hippolyt  u.  Callistus  S.  54ff.        2)  Am  besten  darüber  H.  Delahaye,  Les  legendes 
hagiographiques  (1906)  S.  168 ff.;  Les  origines  du  culte  des  martyrs  11912)  S.  461  ff. 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS 
ERZIEHERIN  ZUR  SITTLICHKEIT 


aß  auch  die  ganze  antike  Sittlichkeit  im  innigsten  Zusammenhange  mit  Der    Zusammen- 
Ider  Religion  steht,  daß  die  Götter  als  Lenker  der  sittlichen  VVeltordnung  ''^""  '^^^  ^''^'^^" 


I  «Uv,.  x^^x.j^^.w.x  ^.w..,  ^^..  v^xv.  v^^..v,x  >*ao  ^v...,vv,x  ^y.1  o.  Lixiv-n  V.1»  » ,  >_icv/i  va^iuiig    Sittlichkeit  mit  der 

^A — ^  und  Vollstrecker  ihrer  Gesetze  von  den  Menschen  die  Erfüllung  der  Religion  und  ihre 
sittlichen  Pflichten  fordern,  das  Gute  belohnen,  das  Böse  strafen:  dieses  alles  angebliche  Ge- 
braucht für  niemanden,  der  die  antike  Literatur  auch  noch  so  oberflächlich  kennt,  '^^^  Anfhropo- 
erst  gesagt  zu  werden.  Nachdem  aber  oben  nachgewiesen  worden  ist,  daß  der  morphismus. 
Götterglaube  auch  im  späten  Altertum  in  den  Massen  unverändert  fortbestand, 
bedarf  die  Ansicht  der  Widerlegung,  es  habe  der  Anthroppmorphismus  der 
griechischen  Religion,  der  sich  dann  auch  dem  römischen  Volksglauben  mit- 
geteilt hatte,  entsittlichend  wirken  können,  indem  er  den  Göttern  menschliche 
Schwächen  und  Leidenschaften  beilegte  und  sie  die  sittlichen  Gesetze  übertreten 
Heß.  Daß  die  Christen  bei  der  Bekämpfung  des  Heidentums  sich  dieses  Argu- 
ments mit  Vorliebe  bedienten,  versteht  sich  von  selbst').  Die  Heiden,  sagt 
Lactantius,  können  unmöglich  tugendhaft  sein,  selbst  wenn  sie  von  Natur  gut 
sind,  da  ihre  Götter  sie  durch  ihr  Beispiel  zum  Laster  anweisen,  wie  Juppiter 
zum  Ehebruch,  Mars  zum  Blutvergießen,  Merkur  zum  Betrüge  usw.^).  Augusti- 
nus meinte  sogar,  daß  die  von  den  Heiden  verehrten  Dämonen  sich  Schand- 
taten zuschreiben  ließen,  die  sie  nie  begangen  hätten,  um  die  Gemüter  der 
Menschen  zu  umgarnen  und  sie  mit  sich  ins  Verderben  zu  reißen ^j.  Aber  auch 
unter  den  Anhängern  des  Götterglaubens  fanden  manche  jene  » Geschichten, 
welche  die  Sünde  lehrten«  ■*),  sehr  bedenklich.  Dionys  von  Halikarnaß  gab  der 
römischen  Theologie  den  Vorzug  vor  der  griechischen,  da  der  Nutzen  der 
Legenden  in  der  letzteren  gering  sei  und  sich  nur  auf  die  wenigen  erstrecke, 
die  ihren  wahren  Sinn  erkannt  hätten.  Der  große,  der  philosophischen  Bildung 
bare  Haufe  dagegen  werde  durch  sie  zur  Verachtung  der  Götter  geführt  oder 
dazu,  die  den  Göttern  beigelegten  Schändlichkeiten  und  Verbrechen  für  erlaubt 
zu  halten  5),  Daß  Dionys  in  seiner  Polemik  gegen  die  Unvernunft  des  Volks- 
glaubens sich  zu  einer  solchen  Behauptung  hinreißen  ließ,  ist  um  so  begreif- 
licher, als  man  annehmen  darf,  daß  die  Sophistik,  die  ihre  Virtuosität  auch  in  Die  Quelle  der 
der  Verteidigung,  ja  im  Preise  des  Verwerflichen  zu  zeigen  liebte,  nicht  ver-  ?*c'?''"h'^P°? 


derSünde durch 
das  Beispiel  der 
Götter  wohl  die 


i)  Geffcken,  Zwei  griech.  Apologeten  S.  62.  80.     2)  Lact.int.  Inst.  div.  V  10,  15  ff.     3   Augustin.    gop^istik 
C.  D.  n  10.  25.     4)  Horat.  Carm.  III  7,  19.     5)  Dionys.  Hai.  Ant.  R.  II  20,  2. 


16* 


244  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  287] 

schmähte,  der  Legende  Argumente  zu  entlehnen:  wie  ja  auch  bei  Aristophanes 
in  den  Wolken  die  »Ungerechte  Rede«  die  Frage  aufvvirft,  warum,  wenn  es  eine 
Gerechtigkeit  gebe,  Zeus  nicht  dafür  bestraft  worden  sei,  daß  er  seinen  Vater 
in  Fesseln  geworfen').  In  den  Homilien  des  sogenannten  Clemens  Romanus 
soll  eine  tugendhafte  Frau  durch  ein  >Lob  des  Ehebruchs«  verführt  werden: 
vielleicht  war  auch  dies  ein  Thema  der  Rhetorenschule  zur  Übung  in  der  Kunst, 
das  Schlechte  als  gut,  das  Unrecht  als  Recht  erscheinen  zu  lassen.  Der  Ver- 
teidigung des  Ehebruchs,  die  hauptsächlich  mit  Berufung  auf  die  Liebschaften 
des  Zeus  und  der  andern  Götter  (auch  die  Lehren  der  Philosophen)  geführt 
wird,  folgt  eine  Widerlegung,  vielleicht  ebenfalls  ein  Thema  für  Übungsreden. 
Dürfe  man  die  Götter  in  ihren  Liebschaften  zum  Muster  nehmen,  so  auch  in  ihren 
Mahlzeiten:  Kronos  habe  seine  Kinder,  Zeus  die  Matis  verschlungen,  Pelops 
sei  sämtlichen  Göttern  als  Speise  vorgesetzt  worden  ^y. 

In  der  Tat  ist  es  völlig  undenkbar,  daß  die  Taten,  welche  die  Legende  von 
den  Göttern  berichtet,  jemals  wirklich  im  Altertume  Menschen  in  ihrem  sitt- 
lichen Bewußtsein  hätten  beirren  können,  die  überhaupt  geistig  und  sittlich  zu- 
rechnungsfähig waren;  daß  Ehebrecher,  Mörder,  Diebe  ihre  Verbrechen  mit 
den  Beispielen  Juppiters,  Merkurs  usw.  vor  sich  und  andern  im  Ernst  gerecht- 
fertigt haben  sollten.  Ovid  führt  zum  Beweise,  daß  es  nichts  gebe,  was  nicht, 
wenn  mißbraucht,  Schaden  stiften  könne,  unter  anderm  an,  daß  Frauen,  die  im 
Entdecken  von  Gründen  zum  Sündigen  geistreich  sind,  auch  durch  die  Ver- 
gehungen der  Göttinnen  darauf  geführt  werden  können:  werdorbne  Gemüter 
kann  alles  irre  leiten«  ^).  Seneca  drückt  sich  über  diesen  Punkt  so  aus,  als  wenn 
er  die  Möglichkeit  eines  so  unbedingten  Glaubens  an  den  Inhalt  der  Legenden, 
daß  er  den  Menschen  die  Scheu  vor  der  Sünde  benehmen  würde,  gar  nicht 
befürchtete'^j;  und  ohne  Zweifel  mit  Recht.  Denn  wenn  die  Ungläubigen  den 
Volksglauben  gerade  wegen  dieser  Fabeln  verwarfen,  lösten  die  Vernunft- 
gläubigen zu  allen  Zeiten  die  Widersprüche  zwischen  der  Überlieferung  und  den 
Forderungen  der  Vernunft  durch  künstliche  (euhemeristische  oder  allegorische) 
Auslegungen^)  oder  durch  die  Annahme,  daß  die  von  den  Göttern  erzählten 
unsittlichen  Handlungen  den  nur  halbgöttlichen  Dämonen  beizulegen  seien^) ; 
und  die  naiv  und  reflexionslos  Gläubigen  beschieden  sich,  hier  Mysterien  zu 
erkennen,  an  die  das  menschliche  Verständnis  nicht  reichte,  aus  denen  also  um 
so  weniger  Normen  für  menschliches  Handeln  hergeleitet  werden  konnten. 

Gegenüber  den  so  überaus  zahlreichen  Zeugnissen  für  den  Glauben  an  eine 
auf  dem  Willen  der  Götter  beruhende  und  durch  ihn  aufrecht  erhaltene  sittliche 
Weltordnung,  die  in  der  griechischen  und  römischen  Literatur  überall  verstreut 
sind^),  beruft  man  sich  auf  einige  wenige  frivole  Scherze  in  Lustspielen  und 
Liebesgedichten,  wo  Verliebte  für  ihre  Listen  und  Verirrungen,  selbst  für 
Schändlichkeiten  das  Beispiel  des  Zeus  und  andrer  Götter  zur  Entschuldigung 

i)  Aristophanes  Nub.  9045.  2,  Clemens  Roman.  Homil.  V  9 — 19  {yioixeiaq  eyKaiiuiov  ;  21 — 26 
(oivTiYpacpov  emaToA.fj(;  upbc,  'Airiiuva  wc,  irap'  epuuiuievric;).  3)  Ovid.  Trist.  II  287 — 302.  4)  Se- 
neca de  vit,  beata  26,  6:  quibus  nihil  aliud  actum  est,  quam  ut  pudor  hominibus  pcccandi  demeretur, 
si  tales  deos  credidissent.  5)  Beide  auch  bei  Clemens  Rom.  Hom.  V  23.  W  2fF.  6)  Vgl.  was 
Dionys  von  Halikamaß  I  57,  3  über  die  Geschichte  vom  Mars  und  Rhea  Silvia  bemerkt.  Lehrs, 
Popul.  Aufs."  S.  166.     7)  Vgl.  z.  B.  Nägelsbach,  Nachhomer.  Theol.  S.  27ff. 


[IV.  288]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  245 

anführen*),  ja  sogar  auf  den  Monolog  der  Byblis  in  Ovids  Metamorphosen,  die 
ihre  unnatürliche  Leidenschaft  für  ihren  Bruder  durch  die  Geschwisterehe  der 
Götter  vor  sich  selbst  zu  rechtfertigen  sucht ! ')  Mit  demselben  oder  noch  besserem 
Grunde  könnte  man  die  öfters^)  aufgestellte  Behauptung,  die  schon  die  christ- 
lichen Apologeten  des  Altertums  in  Verlegenheit  setzte"*),  daß  die  Vergehungen 
der  Erzväter  und  andrer  gottgefälliger  Männer  des  Alten  Testaments  als  de- 
moralisierende Beispiele  gewirkt  haben,  durch  ähnliche  scherzhafte  oder  freche 
Äußerungen  in  der  neueren  Literatur  zu  stützen  suchen,  in  denen  sich  »der 
Teufel  auf  die  Schrift  beruft«:  hier  sei  nur  an  ein  sehr  gemeines  Gedicht  Bürgers 
(Frau  Schnips)  erinnert.  Ist  es  noch  nötig,  hervorzuheben,  daß  nicht  bloß  die 
bürgerliche  Gesetzgebung  jene  Vergehungen  überall  streng  bestrafte,  sondern 
daß  die  Götter  auch  als  Beschützer  derselben  Gesetze,  die  sie  nach  der  Legende 
gebrochen  hatten,  verehrt  und  angerufen  wurden,  wie  namentlich  der  griechische 
Zeus,  der  römische  Juppiter  ein  Gott  der  Ehe  war? 

Mißverständnis  der  Natur  der  Gottheit  und  ihres  Willens  sind  in  keiner  Reli- 
gion ausgeschlossen.  Benjamin  Constant,  dessen  Bemerkungen  über  den  Poly- 
theismus überhaupt  auch  auf  den  damaligen  Polytheismus  Anwendung  finden^), 
erinnert  sehr  richtig  daran,  daß  der  allgemeine  Geist  der  Kulte  oft  mit  ihren 
sittlichen  Geboten  in  Widerspruch  steht,  und  daß  die  Leidenschaften,  die  jener 
anregt,  diesen  hemmend  entgegentreten;  daß  oft  genug  Morde  in  gutem  Glau- 
ben vollbracht  worden  sind,  um  einem  Gotte  zu  gefallen,  zu  dessen  Geboten 
das  »du  sollst  nicht  töten!«  gehört.  »Die  Fabeln,  die  eine  Religion  heiligt,  sind 
der  Gegenstand  einer  in  gewisser  Hinsicht  mechanischen  Gläubigkeit:  sie 
scheinen  sich  zuweilen  in  einem  besondern  Fach  der  menschlichen  Köpfe  fest- 
zusetzen, ohne  es  je  wieder  zu  verlassen.  Rom  führte  seinen  Ursprung  auf  die 
Liebschaft  des  Mars  und  der  Rhea  Silvia  zurück,  nichtsdestoweniger  erlitt  jede 
verführte  Vestalin  eine  furchtbare  Strafe. «  Constant  erläutert  den  unzweifelhaft 
richtigen  Satz,  daß  die  Freiheiten,  die  sich  die  Götter  in  der  Legende  inbezug 
auf  das  Sittengesetz  erlauben,  keineswegs  ihre  Gleichgültigkeit  gegen  dasselbe 
beweisen,  durch  das  Beispiel  der  Könige,  deren  Ausschweifungen  nichts  an  den 
Gesetzen  gegen  die  Ausschweifungen  der  Staatsangehörigen  ändern.  »In  dem 
mazedonischen  Lager  wurde  der  des  Mords  überführte  Soldat  von  Alexander 
verurteilt,  obwohl  er  selbst  der  Mörder  des  Clitus  war.  Gleich  den  Großen 
dieser  Welt  haben  die  Götter  einen  öffentlichen  und  einen  Privatcharakter.  In 
jenem  sind  sie  die  Stützen  der  Sittlichkeit,  in  diesem  folgen  sie  nur  ihren  Nei- 
gungen, aber  Beziehungen  zu  den  Menschen  haben  sie  nur  in  ihrem  öffentlichen 
Charakter.«  »Die  Götter  sind  nicht  Urheber,  sondern  Gewährleister  des  Sitten- 
gesetzes. Sie  beschützen  es,  aber  ändern  es  nicht,  sie  erlassen  seine  Gebote 
nicht,  sondern  erhalten  sie  in  Kraft.  Sie  belohnen  das  Gute,  bestrafen  das  Böse, 
aber  ihr  Wille  entscheidet  nicht,  was  gut  und  böse  ist,  und  die  menschlichen 
Handlungen  leiten  ihr  Verdienst  aus  sich  selbst  ab.  - 

i)  Das  älteste  Beispiel  bietet  wohl  Theogn.  1345  ff.  Über  die  alexandrinische  Liebespoesie  (zu 
der  auch  Martial.  XI  43  zu  rechnen  ist)  s.  Rohde,  Griech.  Roman^  S.  114  f.  Über  Terent.  Eun. 
584 ff.  vgl.  Augustin.  conf.  I  16,  26;  C.  D.  II  7.  2)  Ovid.  Met.  IX  497 ff.  3)  z.  B.  von  Seume 
(Spaziergang  nach  Syracus,  Ges.  Schriften  1823  11  316  f.).  4)  Clem.  Rom.  Homil.  II  41  ff.  III  38  ff. 
Sie  lösten  jedoch  die  schwierigsten  Aufgaben  dieser  Art;  auch  Lot  und  seine  Töchter  wurden  ent- 
schuldigt. Ambrosius  De  Abraham  I  6,  56.     5)  B.  Constant,  Du  polyth^isme  Romain  (1833)  I  S7ff- 


246 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN         [IV.  289,  290] 


Wesen  der  an- 
tiken Sittlich- 
keit im  Gegen- 
satz zur  christ- 
lichen. 


Die  Moralphilo- 
sophie. Die  Er- 
kenntnis Grund- 
lage der  Glück- 
seligkeit. 


Wenn  nun  auch  der  Glaube  an  das  Walten  göttlicher  Mächte,  die  Ehrfurcht 
vor  ihrem  Willen,  die  Hoffnung  auf  ihre  Gnade,  die  Furcht  vor  ihrem  Zorn  im 
ganzen  Altertum  zu  den  wesentlichsten  Stützen  der  Sittlichkeit  gehört  und  (wie 
bemerkt)  auch  als  solche  gegolten  haben,  so  war  doch  die  Sitthchkeit  nicht 
eigentlich  darauf  gegründet.  Die  Pflichten  der  Menschen  gegen  Gottheit, 
Menschheit  und  ihr  eigenes  Selbst  waren  nicht  durch  Offenbarungen  eines 
höheren  Willens,  nicht  durch  die  Lehre  eines  göttlichen  Propheten  verkündet; 
die  Heiden  hatten  das  Gesetz  nicht  von  außerhalb  empfangen,  sie  waren,  wie 
der  Apostel  sagt,  sich  selbst  das  Gesetz,  und  sie  waren  nicht  bloß  auf  die  eigne 
Erkenntnis  ihrer  Pflichten,  sondern  auch  auf  ihre  eigne  Kraft  gewiesen.  Der 
Begriff  einer  absoluten,  auf  übernatürlicher  Offenbarung  beruhenden  Wahrheit 
fehlte  ihnen  ganz,  und  damit  das  Verständnis  dafür,  daß  der  Glaube  und  vollends 
die  Unterordnung  der  Vernunft  unter  den  Glauben  ein  Verdienst  sein,  eine  er- 
lösende und  beseligende  Kraft  haben  können.  Für  sie  war  die  höchte  Aufgabe 
des  denkenden  Geistes  das  Suchen  nach  Wahrheit,  dem  nach  der  Überzeugung 
der  Christen  die  Offenbarung  für  immer  ein  Ziel  gesetzt  hatte,  so  daß  es  fortan 
nicht  bloß  überflüssig,  sondern  auch  nicht  mehr  erlaubt  war.  Wir  haben  nach 
Christus  keine  Wißbegier  nötig,  noch  nach  dem  Evangelium  eine  Forschung, 
sagt  Tertullian,  wenn  wir  glauben,  verlangen  wir  nichts,  was  über  den  Glauben 
hinaus  ist.  Die  Heiden  bezeichnet  Paulinus  von  Nola  als  die,  die  ewig  nach  der 
Erkenntnis  suchen,  aber  sie  nie  finden^).  Du  sollst  glauben,  das  war  nach  Julian 
dem  Abtrünnigen  der  letzte  Schluß  der  christlichen  Weisheit,  und  der  Arzt 
Galen  (der  von  der  Sittlichkeit  der  Christen  eine  hohe  Meinung  hatte)  konnte  die 
Gläubigkeit  nicht  begreifen,  mit  der  sie,  ebenso  wie  die  Juden,  an  unbewiesenen 
Sätzen  hingen "").  Während  die  Sendboten  des  Christentums  die  Erlösung  durch 
den  Glauben  verhießen,  verkündete  die  heidnische  Philosophie  die  Befreiung 
durch  das  Wissen.  Die  Erkenntnis  des  Bösen  und  des  Guten  (nach  der  Genesis 
die  Verheißung  des  Versuchers)  war  für  sie  das  erreichbare  Ziel  des  mensch- 
lichen Strebens,  der  aus  eigner  Kraft  zu  gewinnende  Grund,  auf  dem  allein  die 
Sittlichkeit  beruhen  konnte.  Nach  Sokrates  ist  das  Wissen  die  Wurzel  alles  sitt- 
lichen Handelns,  die  Unwissenheit  die  aller  Verfehlungen;  es  gibt  aber  so  wenig 
ein  Wissen  ohne  Tugend  wie  eine  Tugend  ohne  Wissen,  und  in  demselben 
Sinne  definierten  die  Stoiker  die  Tugend  als  Wissenschaft,  die  Untugend  als 
Unwissenheit.  Durch  die  Vernunft  war  also  die  Tugend  und  mit  ihr  die  Glück- 
seligkeit schon  in  diesem  Leben  erreichbar:  durch  sie  vermochte  der  Mensch 
dem  Göttlichen  in  seiner  Natur  deren  niedere  Triebe  zu  unterwerfen;  denn  daß 
die  menschliche  Natur  von  Grund  aus  böse  sei,  davon  wußte  das  Heidentum 
nichts  —  selbst  nach  orphischer  Lehre  war  ja  in  ihr  das  dionysische  Gute  eben- 
sowohl wie  das  titanische  Böse  vorhanden  — ,  deshalb  war  auch  das  Bedürfnis 
der  Erlösung  durch  übernatürliche  Gnade  dem  eigentlichen  Wesen  des  antiken 
Geistes  fremd;  und  erst  als  das  Heidentum  gealtert  und  seine  Kraft  gebrochen 
war,  hat  es  je  länger  je  mehr  über  ihn  Macht  gewonnen.  Unter  den  heidnischen 
Tugenden  war  für  die  Demut  ebensowenig  ein  Platz  wie  für  jene  Geduld,  die 


I)  Tertull.  de  praescr.  haer.  7.  Paulin.  Nolan.  ep.  16,  11.     2)  Julian,  bei  Gregor.  Naz.  or.  4,  102 
(Migne  gr.  XXXV  827).  Galen.  VIII  579;  vgl.  Norden,  Die  antike  Kunstprosa  II  453  ff. 


[IV.  291]  XIV.    DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  247 

dem,  der  eine  Backe  schlägt,  die  andre  hinreicht.  Und  wenn  Lucan  dem  das 
Leben  von  sich  werfenden  Cato  die  Worte  in  den  Mund  gelegt  hat,  den  Göttern 
habe  die  Sache  der  Sieger  gefallen,  ihm  aber  die  der  Besiegten,  so  steht  dieser 
die  himmlischen  Mächte  des  Irrtums  zeihende  Trotz  dem  christlichen  Gefühl 
menschlicher  Ohnmacht  und  Nichtigkeit  und  der  demütigen  Ergebung  in  den 
Willen  Gottes  gegenüber  wie  ein  Pol  dem  andern. 

Dem  Wissenden  (dem  Weisen)  wurden  die  Übel,  welche  die  Menschheit 
quälen,  wesenlos,  oder  sie  vermochten  doch  nicht  eine  in  sich  selbst  ruhende 
und  abgeschlossene  Seligkeit  zu  stören;  war  doch,  wie  Sokrates  sagt,  das  ganze 
Leben  der  Philosophen  eine  Vorbereitung  auf  den  Tod,  der  ihnen  unter  allen 
Menschen  am  wenigsten  Schrecken  einflößte'].  Durch  die  Erkenntnis  ward  der 
Mensch  über  das  Niveau  menschlicher  Schwäche  erhoben,  den  Einwirkungen 
der  Außenwelt  entzogen,  für  ihre  Schläge  unverwundbar.  Jene  Seligkeit  aber  Die  Glückselig- 
bestand nicht  im  Besitze,  sondern  in  der  Entsagung,  der  Bedürfnislosigkeit,  wie  ^^'^ Resignation. 
sie  mit  vollster  Konsequenz  der  Kynismus  anstrebte,  im  Verzichte  nicht  bloß 
auf  äußere  Güter,  sondern  auch  auf  die  wichtigsten  Interessen,  auf  die  ange- 
bornen  und  beglückendsten  Neigungen  und  Gefühle  der  menschlichen  Natur. 
Der  Wahlspruch  Epictets :  Ertrage  und  entsage!  faßt  in  gewissem  Sinne  die 
Summe  der  Lebensweisheit,  also  auch  der  Glückseligkeitslehre  aller  philoso- 
phischen Systeme  zusammen.  Das  Ziel  aller  Erkenntnis,  sagt  Seneca,  ist  das 
Leben  zu  verachten^);  glückselig,  sagt  Demonax,  ist  nur  der  Freie,  und  frei  nur, 
wer  nichts  hofft  und  nichts  fürchtet^).  In  der  Abschließung  vom  Staatsleben 
kommen  Epikureismus  und  Stoizismus  mit  dem  Christentum  überein;  wie  der 
Apostel  Paulus  stellte  nicht  bloß  Epikur,  sondern  auch  Epictet  die  Ehelosigkeit 
über  die  Ehe;  die  Skepsis  gründete  die  Glückseligkeit  auf  die  Erkenntnis  der 
Unmöglichkeit  des  Wissens,  also  eigentlich  auf  einen  Verzicht  selbst  auf  die 
Erkenntnis. 

Die  antike  Philosophie  überwand  also  die  Schrecken  des  Todes  nicht  durch  die 
Hoffnung  anf  eine  überirdische  Seligkeit,  sondern  durch  die  Erkenntnis  des  ge- 
ringen Werts  des  irdischen  Daseins.  Und  ebensowenig  wie  den  Glauben  und  die 
Hoffnung  der  Christen  besaß  das  Heidentum  die  Liebe,  die  aus  Ehrfurcht  vor 
dem,  was  unter  uns  ist,  entspringt.  Erst  das  Christentum  hatdieMenschheit  gelehrt, 
^^  auch  Niedrigkeit  und  Armut,  Spott  und  Verachtung,  Leiden  und  Tod  als  gött- 
lich zu  erkennen,  ja  Sünde  und  Verbrechen  nicht  als  Hindernisse,  sondern  als 
Fördemisse  des  Heiligen  liebzugewinnen  und  zu  verehren  c'*).  Die  antike  Welt 
ist  davon  weit  entfernt  gewesen,  wenngleich  es  auch  dort  an  einzelnen  Regungen 
dieses  Gefühls  nicht  gefehlt  hat.  Plato  und  Aristoteles  haben  für  ihren  Ideal- 
staat die  Tötung  gebrechlicher  und  verstümmelter  Kinder  in  Aussicht  ge- 
nommen. Seneca  mißbilligt  das  Ertränken  verkrüppelter  und  mißgeborener 
Kinder  ebensowenig  wie  das  Ertränken  toller  Hunde  und  kranken  Viehs,  das 
die  ganze  Herde  anstecken  könnte.  Daß  der  Weise  nach  stoischer  Lehre  weder 
Mitleid  empfinden  noch  verzeihen  solle,  können,  wie  Seneca  meint,  nur 
Unverständige  als  zu  große  Härte  ansehen.  Der  Weise  darf  sich  die  Heiterkeit 
der  Seele  ebensowenig  durch  Mitleid  wie  durch  andre  Affekte  trüben  lassen,  es 

i)  Plato  Phaedon  80  E.  Cic.  Tusc.  I  74.  2)  Seneca  ep.  iii,  5.         3)  Lucian.  Demonax  20. 

4)  Goethe,  Wilh.  Meist,  Wanderjahre  II  i,  Werke  XXIV  243  f.  d.  Weim.  Ausg. 


248 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  292] 


Verhältnis  zur 

Gottheit   und 

Menschheit. 


Anerkennung 
der  heidnischen 
Ethik  durch  die 
Christen.     Cle- 
mens    von 
Alexandria. 


ist  eine  Schwäche  kleiner  Geister,  besonders  der  Weiber;  er  wird  die  Tränen 
der  Weinenden  trocknen,  aber  nicht  mit  ihnen  weinen,  er  wird  nicht  be- 
mitleiden, sondern  helfen.  Ebenso  wird  er  zwar  Milde  und  Gnade  walten  lassen, 
aber  nicht  verzeihen,  denn  Verzeihung  ist  der  Erlaß  einer  verdienten  Strafe'). 

Von  der  Gottheit  fühlte  der  antike  Mensch  sich  schon  darum  nicht  durch  einen 
unermeßlichen  Abstand  getrennt,  weil  er  ihr  nicht  als  Geschöpf  dem  Schöpfer 
gegenüberstand,  und  das  verschiedene  Verhältnis  zur  Gottheit  bedingte  auch 
ein  verschiednes  Verhältnis  zur  Menschheit.  Die  christliche  Grundanschauung, 
daß  alle  Menschen  Erschaffene  eines  Schöpfers,  Kinder  eines  Vaters,  folglich 
durch  das  Band  der  Brüderlichkeit  verbunden,  gleichberechtigt  und  gleich  ver- 
pflichtet zu  gleicher  Liebe  sind:  diese  Anschauung  hat  sich  im  außerchristlichen 
Altertum  erst  in  der  Zeit  des  römischen  Weltreichs  entwickelt''):  allgemein  ist 
sie  nie  geworden.  Im  Gegensatze  zu  jener  unterschiedslosen  Gleichheit  aller 
Geschaffenen  vor  Gott  erkannte  das  griechische  und  römische  Altertum  die 
zahlreichen  Abstufungen  der  menschlichen  Existenz,  die  politische,  nationale 
und  soziale  Entwicklungen  geschaffen  hatten,  als  zu  Recht  bestehend  an,  und 
weder  ein  göttliches  Gebot  noch  ein  sittliches  Gesetz  hinderte  den  Bevorzugten, 
sein  besseres  Recht  gegenüber  dem  minder  Berechtigten  in  seiner  ganzen  Trag- 
weite geltend  zu  machen.  Die  Existenz  des  Menschen  war  für  den  Menschen 
nicht  in  dem  Grade  heilig,  wie  sie  es  vor  einer  Gottheit  sein  muß,  von  der  alles 
Leben  ausgeht,  und  die  das  ihr  allein  zustehende  Recht,  ihre  Geschöpfe  zu  ver- 
nichten, diesen  gegeneinander  nicht  nur  nicht  eingeräumt,  sondern  ausdrücklich 
versagt  hat.  Aus  der  Stellung,  die  dem  Menschen  die  antike  Auffassung  der 
Weltordnung  anwies,  ergab  sich  ihm  mit  seiner  größeren  Freiheit  und  Selb- 
ständigkeit auch  eine  weitergehende  Befugnis,  über  die  eigne  Existenz  sowie 
über  die  der  in  seine  Obhut  oder  Macht  Gegebenen  zu  verfügen.  Nicht  bloß 
der  Herr  hatte  das  Recht  über  das  Leben  seiner  Sklaven,  auch  der  Vater  hatte 
es  über  das  seiner  Kinder,  deren  Aussetzung  erst  sehr  spät  für  strafbar  erklärt 
worden  ist.  In  der  Frage  über  die  sittliche  Zulässigkeit  des  Selbstmords  waren 
die  Meinungen  geteilt^).  Plato,  auch  hierin  dem  Christentum  sich  nähernd,  ver- 
neinte sie  (im  Anschluß  an  die  Pythagoreer) :  der  Mensch  als  Eigentum  der 
Gottheit  dürfe  den  ihm  angewiesenen  Ort  nicht  eigenmächtig  verlassen'');  doch 
Plotin  fand  den  Selbstmord  nicht  unter  allen  Umständen  verwerflich^).  Die 
Stoiker  und  Kyniker  erklärten  ihn  nicht  bloß  für  zulässig,  sondern  sahen  darin 
die  höchste  Betätigung  der  sittlichen  Freiheit^). 

Was  endlich  die  Stellung  der  Christen  in  den  ersten  Jahrhunderten  zu  der 
heidnischen  Ethik  betrifft,  so  haben  sie  mindestens  großenteils  den  fundamen- 
talen Gegensatz  »der  Tugend  aus  Gerechtigkeit  und  der  Tugend  aus  Gnade« 
offenbar  nicht  in  seiner  ganzen  Schärfe  empfunden^).  Für  Clemens  von 
Alexandria ^),  wie  für  alle  Christen,  die  in  jener  Zeit  der  Philosophie  einen 
wesentlichen  Teil  ihrer  Bildung  verdankten,  war  es  unzweifelhaft,  daß  auch  sie 
die  Wahrheit  enthielt,  mochte  diese  Wahrheit  von  den  Philosophen  aus  dem 


i)  Friedlaender,  Histor.  Zeitschr.  LXXXV  1900  S.  244.        2)  Zeller,  Philos.  d.  Gr.  III  i'^  S.  13. 
3)  Vgl.  dazu  Hirzel,  Arch.  f.  Religionswiss.  XI  1908  S.  258 ff.  277  ff.  41 7  ff.        4)  Zeller  a.  a.  O.  II 


i^S.  891.     5)  ebd.  m  2*  S.  656.     6)  ebd.  Uli  45.3 14  ff.  752.  800. 
386  f.       8)  z.  B.  Clem.  Alex,  ström.  I  16,  80,  5  f.  (p.  52  Stähl.). 


7)  Renan,  L'eglise  chr^tienne 


[IV.  2  93,  2  94]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


249 


Alten  Testament  entlehnt  oder  ihnen  von  niedern  Engeln  zugetragen  worden 
sein;  das  Falsche  daran  rührte  aus  Mißverständnissen  her  oder  war  von  Pseudo- 
propheten  eingeschwärzt,  die  der  Teufel  gesandt  hatte.  Die  Philosophie  verhielt 
sich  zum  Christentum,  wie  das  Abgeleitete  zum  Ursprünglichen,  wie  Bruchstücke 
und  Teile  zum  Einen  und  Ganzen ;  sie  war  eine  Vorläuferin  Christi,  die  zu  der 
in  ihm  kommenden  Vollendung  erzog;  wie  den  Juden  das  Gesetz,  so  war  sie 
den  Heiden  gegeben.  So  wurden  von  Juden  und  Heiden  einige  gerecht  vor 
Gott,  vor  allen  Plato  und  sein  Lehrer  Sokrates  (die  in  Luthers  Augen  gottlose 
Heiden  waren)  redeten  nach  Gottes  Geist.  Auch  für  die  Christen  war  sie  wert- 
voll, ja  unentbehrlich;  die  sie  verschmähenden  Glaubenschristen  fürchteten  sie, 
wie  die  Kinder  die  Larven,  ohne  sie  beurteilen  zu  können. 


Seit  der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  hatte,  wie  gesagt,  die  Verbreitung 
griechischer  Philosophie  nach  Rom  und  dem  Westen  begonnen  und  trotz  aller 
Versuche  sie  aufzuhalten  stetig  zugenommen').  Die  Vervielfältigung  der  Be- 
ziehungen zu  Griechenland,  die  immer  im  Steigen  begriffene  Einwanderung 
griechischer  Gelehrter  in  Rom,  die  immer  häufigeren,  oft  mit  längeren  Aufent- 
halten verbundenen  Reisen  der  Römer  nach  Griechenland,  alles  dies  leistete 
auch  dem  Eindringen  griechischer  Kunst  und  Wissenschaft  und  namentlich 
Philosophie  mächtigen  Vorschub.  Als  Cicero  die  unfreiwillige  Muße  seiner 
letzten  Jahre  (45 — 43)  damit  ausfüllte,  die  wichtigsten  Resultate  der  nacharisto- 
telischen Philosophie  römischen  Lesern  in  populärer  Form  zugänglich  zu 
machen,  kam  er  offenbar  einem  unter  seinen  gebildeten  Landsleuten  höchst 
verbreiteten  und  lebhaft  empfundenen  Bedürfnisse  entgegen.  Seine  philoso- 
phischen Werke,  die  so  wesentlich  dazu  beigetragen  haben,  allen  folgenden 
Jahrhunderten  die  Kenntnis  griechischer  Philosophie  zu  vermitteln,  bildeten  den 
Kern  der  neu  entstehenden  römischen  philosophischen  Literatur;  ihre  ge- 
lesensten  Schriftsteller  zählt  Quintilian  auf"^):  es  waren  (außer  Lucrez)  die  Stoiker 
Brutus,  Plautus  und  Seneca,  der  Anhänger  der  (der  Stoa  nahestehenden)  Sextier 
Cornelius  Celsus  und  der  Epikureer  Catius,  zu  denen  dann  im  2.  Jahrhundert 
noch  der  Platoniker  Apulejus  und  später  die  Neuplatoniker  Cornelius  Labeo 
und  Marius  Victorinus  hinzugetreten  sind. 

Obwohl  nun  aber  seit  dem  Untergange  der  Republik  die  der  Verbreitung 
griechischer  Philosophie  in  der  römischen  Welt  günstigen  Einflüsse  sich  ver- 
mehrten und  an  Stärke  gewannen,  so  erhielt  sich  doch  jene  altrömische  Ab- 
neigung gegen  sie,  die  im  wesentlichen  auf  dem  Gegensatze  des  auf  praktische 
Zwecke  gerichteten  Sinns  gegen  die  Theorie,  des  Realismus  gegen  den  Idea- 
lismus beruhte.  Die  Ansicht,  die  Ennius  eine  seiner  Personen  aussprechen  ließ, 
daß  es  wohl  gut  sei,  von  der  Philosophie  zu  nippen,  aber  nicht  sich  in  sie  zu 
versenken^),  war  auch  die  des  Tacitus  und  aller  gleichgesinnten  römischen 
Staatsmänner  und  Patrioten,  die  notwendig  Gegner  einer  Spekulation  sein 
mußten,  die  zur  Gleichgültigkeit  gegen  den  Staat  und  seine  wichtigsten  Inte- 
ressen führte.  Erkannte  man  gleich  die  Forderung  an,  sich  mit  den  Lehren  der 


Verbreitung 

der  griechi- 

schenPhilo- 

sophieinder 

römischen 

Welt. 


Die  Opposition 
gegen  die  Philo- 
sophie. Die  im 
römischen  Na- 
tionalcharakter 
begründeten 
Antipathien. 


i)  G.  Boissier,  Religion  rom.  II  6fF.   Zeller,  Vortr.  u.  Abhandl.  II  106  ff.         2)  Quintilian.  X  i, 
123  ff.     3)  Enn.  scaen.  376f.  Vahlen^. 


250 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  295: 


Mißliebigkeit  der 
Philosophie  bei 
den  Regierungen. 
Verfolgungen  der 
Philosophen. 


Philosophie  bekannt  zu  machen'),  gestand  man  ihr  auch  einen  heilsamen,  »die 
Leidenschaften  mäßigenden«  Einfluß  zu:  so  erschien  doch  in  diesen  Kreisen 
ein  allzueifriges  Studium  ihrer  Dokti  inen  für  einen  Römer  und  Senator  uner- 
laubt').    Helvidius  Priscus,  der  das  Studium  der  stoischen  Philosophie  trieb, 
»um  gegen  Schicksalsschläge  gerüstet  sich  den  Staatsgeschäften  zu  widmen«, 
und  in  allen  Lebensverhältnissen  den  höchsten  sittlichen  Anforderungen  ge- 
nügte,   machte    nach  Tacitus  Ansicht  eine  Ausnahme,   da  die  meisten  die 
»höheren  Studien»  nur  trieben,  um  »unter  prächtigen  Namen  einen  trägen  Müßig- 
gang zu  verhüllen«  ^).    Der  so  hoch  verehrte  Musonius  Rufus  spielt  bei  Tacitus 
die  Rolle  eines  lächerlichen  Pedanten,  der  seine  Weisheit  im  ungeeignetsten 
Moment  auskramt:  er  versucht  (im  Jahre  70)  durch  Vorträge  über  die  Güter 
des  Friedens  und  die  Übel  des  Kriegs  auf  die  vor  den  Toren  Roms  stehenden 
Legionen  des  Antonius  Primus  Eindruck  zu  machen  und  entgeht  mit  Mühe  den 
Mißhandlungen  der  Soldaten'').    Auch  Quintilian  stellt  den  »bürgerlichen  und 
wahrhaft  weisen  Mann,   der  sich  nicht  müßigen  Erörterungen,   sondern  der 
Staatsverwaltung  widmet«,  den  Philosophen  gegenüber,  die  ihr  wie  überhaupt 
allen  bürgerlichen  Pflichten  so  fern  wie  möglich  stehen.    » Welcher  Philosoph  <- , 
fragt  er,   »ist  jemals  als  Richter  oder  in  Volksversammlungen  hervorragend 
tätig  gewesen?   Welcher  hat  sich  je  mit  der  Staatsverwaltung,  für  welche  die 
meisten  Regeln  geben,  befaßt  ? « ^)   Der  jüngere  Plinius  rühmt  den  Titius  Aristo 
als  einen  Mann,  der  keinem  von  denen,  welche  die  Philosophie  in  ihrer  äußern 
Erscheinung  zur  Schau  tragen,  an  Reinheit,  Frömmigkeit,  Gerechtigkeit,  Seelen- 
stärke nachstehen  dürfte.    »Doch  sucht  er  nicht  Gymnasien  und  Säulengänge 
auf  und  vertreibt  sich  und  andern  mit  langen  Vorträgen  die  müßige  Zeit,  son- 
dern ist  stets  in  der  Toga  und  in  Geschäften«^).   Vollends  unverträglich  mußte 
eine  eingehende  Beschäftigung  mit  der  Philosophie  Männern  dieser  praktischen 
Richtung  für  einen  Regenten  erscheinen.    Welche  Kritik  die  philosophischen 
Studien  Marc  Aureis  bei  diesen  Gegnern  der  Philosophie  erfuhren,  davon  geben 
einige  Äußerungen  des  Prätendenten  Avidius  Cassius  eine  Probe^).   Er  nannte 
den  Kaiser  bald  den  » Disputierer <',  bald  das  »philosophische  alte  Weib« :  er 
»stellt  Untersuchungen  über  die  Elemente  und  über  die  Seelen  und  über  Tugend 
und  Gerechtigkeit  an  und  hat  kein  Herz  für  den  Staat.  —  Du  hast  gehört,  daß 
der  Präfekt  des  Prätorium  unseres  Philosophen,  der  drei  Tage  vor  seiner  Er- 
nennung bettelarm  war,  plötzlich  reich  geworden  ist.«    Als  Alexander  Severus 
auf  den  Rat  seiner  Mutter  Mamäa  das  Studium  der  Musik  und  Philosophie  auf- 
gab, bestärkten  ihn  in  seinem  Entschlüsse  die  ihm  statt  eines  Orakels  gebotenen 
Vergilischen  Verse,  die  den  Römer  zur  Beherrschung  der  Völker  berufen  nennen, 
während  andre  Völker  in  Kunst  und  Wissenschaft  den  Preis  erringen  mögen*). 
Wie  die  Mutter  Alexanders,  so  hatte  auch  die  Mutter  Neros  ihren  Sohn  vom 
Studium  der  Philosophie  abgehalten,  zu  dem  er  durch  den  Stoiker  Chäremon^j, 
dann  durch  Seneca  angeleitet  worden  war,  »weil  sie  für  einen  künftigen  Regenten 
schädlich  sei«  '°J.    In  den  Kreisen,  die  ein  lebhaftes  Interesse  an  der  Aufrech t- 


1,1  Tac.  Dial.  19,  6. 
2,  6f.;  vgl.  X  1,35  f. 
aug.  Alex.  Sev.  14,  5. 


2)  Tac.  Agric.  4.      3)  Tac.  H.  IV  5.      4)  ebd.  III  81.      5)  Quintilian.  XII 
6)  Plin.  ep.  I  22,  6.      7)  Hist.  aug.  Avid.  Cass.  i,  8.  3,  5.  14,  5.  8.      8)  Hist. 
9)  Zeller,  Philos.  d.  Gr.  III  i'^  S.  712  Anm.      loj  Sueton.  Nero  52. 


[IV.  296]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  251 

haltung  der  bestehenden  Ordnung  hatten,  vor  allem  in  Regierungskreisen  und 
an  den  Höfen,  wurde  die  Philosophie  nicht  sowohl  gering  geachtet  als  gefürchtet: 
der  Cäsarismus  erkannte  in  der  »Ideologie«  für  sich  eine  Gefahr,  und  nicht 
ohne  Grund.  Die  Rede,  in  welcher  Cassius  Dio  den  Mäcenas  vor  August  die 
Grundsätze  der  kaiserlichen  Politik  entwickeln  läßt,  enthält  auch  eine  Warnung 
vor  den  Philosophen^),  die  revolutionäre  Ansichten  verbreiten.  Der  Kaiser 
möge  nicht  glauben,  daß  alle  wirklichen  oder  angeblichen  Philosophen  gute 
und  rechtschaffne  Männer  seien,  weil  er  Arcus  und  Athenodorus  als  solche  er- 
probt habe:  vielmehr  bedienen  sich  viele  dieser  Maske,  um  Staaten  und  ein- 
zelnen unzählige  Übel  zuzufügen.  In  der  Tat  bekannten  sich,  wie  die  Mörder 
des  ersten  Cäsar,  so  überhaupt  Frondierende  und  namentlich  die  hervorragend- 
sten Führer  der  senatorischen  Opposition  im  1 .  Jahrhundert  zu  den  Lehren  der 
stoischen  Schule,  darunter  Republikaner,  wie  Pätus  Thrasea  und  Helvidius  Pris- 
cus,  die  nach  einem  politischen  Märtyrertume  strebten,  und  von  den  Teil- 
nehmern an  der  Pisonischen  Verschwörung  gegen  Nero  (65)  mindestens  Lucan 
und  Seneca^).  Die  Verdächtigungen  des  Stoizismus  und  der  Philosophie  über- 
haupt fanden  bei  den  Kaisern  nur  zu  leicht  ein  offenes  Ohr.  Schon  im  Jahre 
62  war  Rubellius  Plautus  im  Exil  getötet  worden,  der,  wie  Tigellinus  Nero  vor- 
stellte, die  »Nachahmung  der  alten  Römer  zur  Schau  trug  und  die  Anmaßung 
der  stoischen  Schule  angenommen  hatte,  welche  unruhige  und  die  Gefahr  auf- 
suchende Geister  bilde  und  erzeuge»^  ^).  Zur  Verfolgung  Thraseas  (im  Jahre  66) 
ward  Nero  von  Capito  Cossutianus  gereizt,  der  dessen  Fernbleiben  von  den 
Senatsberatungen  als  Auflehnung,  ihn  selbst  als  ein  Parteihaupt  schilderte:  er 
habe  Anhänger  oder  vielmehr  Trabanten,  die  noch  nicht  den  Trotz  seiner 
Äußerungen,  doch  sein  Benehmen  und  seine  Manieren  nachahmten,  starr  und 
finster,  als  wollten  sie  den  Kaiser  der  Ausgelassenheit  bezichtigen.  Entweder 
möge  man  jene  Grundsätze  annehmen,  wofern  sie  die  besseren  seien,  oder  den 
Neuerungssüchtigen  ihre  Führer  und  Anstifter  entreißen.  Diese  Sekte  habe  die 
Tuberonen,  die  Favonier,  Namen,  die  sogar  dem  alten  Freistaate  verhaßt  waren, 
erzeugt.  Um  die  Monarchie  zu  stürzen,  schützen  sie  die  Freiheit  vor,  haben  sie 
jene  gestürzt,  so  werden  sie  die  Freiheit  selbst  angreifen*).  Der  Eidam  des 
Thrasea,  Helvidius  Priscus,  der  mit  jenem,  wie  man  in  Rom  erzählte,  die  Ge- 
burtstage des  Brutus  und  Cassius  festlich  begingt),  wurde  unter  Vespasian  (zum 
zweitenmal)  verbannt  und  in  der  Verbannung  getötet.  Er,  der  später  zu  den 
gefeierten  Idealgestalten  der  stoischen  Schule  gehörte*'),  den  der  jüngere  Plinius 
und  auch  Tacitus  trotz  seiner  Eingenommenheit  gegen  das  politische  Märtyrer- 
tum  mit  Verehrung  nennen,  wird  von  konservativen  Monarchisten  wie  Sueton 
und  Cassius  Dio  verurteilt  und  sein  Untergang  als  ein  selbstverschuldeter  dar- 
gestellt. Nach  der  Darstellung  des  ersteren'')  bewies  Vespasian  seinem  heraus- 
fordernden Trotze  gegenüber  die  äußerste  Langmut,  wollte  seinen  Tod,  leider 
zu  spät,  verhindern  und  hatte  ihm  nicht  eher  gezürnt,  als  bis  er  von  ihm  »durch 
höchst  freche  Schmähungen  beinahe  zurechtgewiesen«  worden  war.  Dios  Dar- 
stellung ist  nur  bruchstücks-  und  auszugsweise  erhalten;  allerdings  sucht  er  die 

I)  Cass.  Dio  IJI  36,  4.     2)  Zeller  a.  a.  O.  S.  713  f.  Anm.     3)  Tac.  A.  XIV  57.     4)  ebd.  XVI  22. 
5)  J"v-  5)  36 f.     6)  Epictet.  Diss.  I  2,  19.     7)  Sueton.  Vespas.  15. 


252 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  297,  298] 


Umschlag  nach 
dem  Tode 
Domitians. 


Gehässigkeit  des  Verfahrens  gegen  Helvidius  und  die  Philosophen  überhaupt 
Vespasians  mächtigstem  Freunde  Mucianus  aufzubürden'),  aber  Helvidius  sei 
aufrührerisch  und  ein  Pöbelfreund  gewesen,  habe  stets  die  Monarchie  geschmäht, 
die  Demokratie  gelobt,  demgemäß  gehandelt  und  andre  aufgereizt;  als  ob  es 
die  Aufgabe  der  Philosophie  sei,  die  Regierung  mit  Kot  zu  bewerfen,  die  Massen 
aufzuregen,  das  Bestehende  umzustürzen  und  Umwälzungen  herbeizuführen. 
Helvidius  habe  Thrasea  nachgeahmt,  ihm  aber  weit  nachgestanden.  Thraseas 
Opposition  war  gegen  einen  Nero  gerichtet  und  blieb  doch  in  Rede  und  Hand- 
lung maßvoll,  sie  beschränkte  sich  auf  passiven  Widerstand.  Helvidius  war 
mit  einem  Vespasian  unzufrieden  und  trat  ihm  öffentlich  und  in  Privatkreisen 
entgegen,  er  suchte  den  Tod  und  büßte  für  vielfache  Verschuldungen.  Auch 
andre  Stoiker  und  der  von  Seneca  bewunderte  Kyniker  Demetrius  äußerten 
nach  Dio  öffentlich  Ansichten,  die  mit  dem  Bestehenden  unverträglich  waren, 
und  so  erfolgte  (wohl  im  Jahre  74)')  eine  Ausweisung  aller  Philosophen  aus 
Rom,  mit  alleiniger  Ausnahme  des  (von  Nero  verbannt  gewesenen)  Musonius 
Rufus:  Demetrius  und  ein  Hostilius  wurden  auf  Inseln  verwiesen^).  Eine  zweite 
Verbannung  der  Philosophen  erfolgte  im  Jahre  93  durch  Domitian,  im  Zu- 
sammenhange mit  dem  Prozesse  des  Stoikers  Junius  Arulenus  Rusticus,  der 
Thrasea  in  einer  Lobschrift  einen  heiligen  Mann  genannt  hatte,  und  andrer 
gleichgesinnter  Senatoren:  »die  ganze  Verfolgung  traf  die  politische  Opposition, 
insofern  sie  in  der  Literatur  und  auf  dem  Katheder  ihren  Ausdruck  fand,  und 
während  die  namhaftesten  Schriftsteller  und  Lehrer  kriminell  bestraft  wurden, 
wies  die  Regierung  die  große  Masse  derselben  aus  der  Hauptstadt  aus-*). 

Nach  dem  Tode  Domitians  änderte  sich  mit  dem  ganzen  Regierungssystem 
auch  die  Stellung  der  Kaiser  gegenüber  der  Philosophie,  die  nun  nicht  bloß 
aufhörte,  als  regierungsfeindlich  zu  gelten,  sondern  bald  auf  jede  Weise  be- 
günstigt wurde.  In  einem  gleich  nach  Domitians  Tode  (96  oder  97)  geschriebnen 
Briefe  äußert  Plinius  seine  Freude  über  das  herrliche  Wiederaufblühen  des 
geistigen  Lebens  in  Rom,  wovon  die  Beispiele  zahlreich  und  leuchtend  seien, 
doch  genüge  es,  eines  anzuführen,  die  Vorträge  des  stoischen  Philosophen  Eu- 
phrates^).  An  Trajan  rühmt  Plinius,  daß  er  sich  die  Erziehung  der  Jugend  ganz 
besonders  angelegen  sein  lasse,  den  Lehrern  der  Beredsamkeit  und  Philosophie 
große  Ehre  erweise.  »Die  Studien,  die  mit  dem  Exil  von  einem  Fürsten  bestraft 
worden  waren,  der  im  Bewußtsein  seiner  Laster  alle  dem  Laster  feindlichen 
Bestrebungen  mehr  aus  Scheu  als  aus  Haß  verbannte,  hegt  nun  Trajan  und 
zieht  sie  in  seine  Nähe.  Sie  haben  Blut  und  Leben,  haben  ihr  Vaterland  wieder- 
gewonnen«^). Dio  von  Prusa,  der  unter  Domitian  in  Verbannung  gelebt  hatte, 
kehrte  nach  seinem  Tode  zurück;  die  Regierung  des  ihm  von  früher  befreun- 
deten Nerva  war  zu  kurz,  als  daß  er  von  seiner  Gunst  hätte  Vorteil  ziehen 
können;  doch  Trajan  soll  ihn  geflissentlich  ausgezeichnet  haben^),  und  Dio  sagt 
in  einer  seiner  für  ihn  bestimmten  paränetischen  Reden  über  die  Herrschaft: 
der  Kaiser  erfreue  sich  an  Wahrheit  und  Freimütigkeit,  nicht  an  Schmeichelei 

i)  Cass.  Dio  LXVI  12  f.  2)  Weynand,  Real-Encykl.  VI  2661.  3)  Cass.  Dio  LXVI  13. 
4)  Mommsen,  Ges.  Schrift.  IV  418 f.  Die  Stellen  bei  Weynand  a.  a.  O.  S.  2576 f.  5)  Plin.  ep.  I 
10,  I.  Mommsen  a.  a.  O.  S.  371  ff.  6)  Plin.  Paneg.  47,  i.  7)  v.  Arnim,  Leben  u.  Werke  des  Dio 
von  Prusa  S.  223  ff.  329  f. 


[IV.  299] 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


253 


und  Lüge ').  Hadrian,  welcher  den  Umgang  mit  Philosophen  wie  mit  Gelehrten 
aller  Art  suchte,  hat  vielleicht  zuerst  öffentliche  Lehrer  der  Philosophie  in  Rom 
angestellt;  Antoninus  Pias  stellte  deren  in  allen  Provinzen  an,  nach  seinem 
Schreiben  an  den  Landtag  der  Provinz  Asien  sollte  die  Abgabenfreiheit,  die 
bei  andern  Lehrern  auf  eine  nach  der  Größe  der  Städte  sich  bestimmende  Zahl 
beschränkt  war,  für  die  Philosophen  unbeschränkt  gelten,  da  es  ihrer  so  wenige 
gebe^).  Die  Besoldungen  der  ins  Museum  zu  Alexandria  berufenen  Gelehrten, 
also  auch  der  dortigen  Philosophen,  dauerten  fort;  in  Athen  wurden  durch  Marc 
Aurel  aus  den  vier  bedeutendsten  Schulen  öffentliche  Lehrer  bestellt^). 

Unter  diesem  Philosophen  auf  dem  Thron  wurde  die  Philosophie  Mode,  selbst 
bei  den  Frauen;  der  einst  so  sehr  verfolgte  Stoizismus  galt  nun  als  Empfehlung 
und  wurde  von  Strebern  zum  Schein  angenommen  oder  zur  Schau  getragen"*). 
Von  den  Lehrern  des  Kaisers  in  der  Philosophie  sah  man  besonders  den  Stoiker 
Q.  Junius  Rusticus  und  den  Peripatetiker  Cn.  Claudius  Severus  hochgeehrt  und 
einflußreich.  Jener,  ein  Sohn  oder  Enkel  des  von  Domitian  Hingerichteten, 
war  der  Ratgeber  Marc  Aureis  in  allen  öffentlichen  und  privaten  Angelegen- 
heiten und  sein  Wort  galt  im  Frieden  wie  im  Kriege;  der  Kaiser  umarmte  ihn 
stets  vor  den  Präfekten  des  Prätorium,  ernannte  ihn  zweimal  zum  Konsul  und 
ließ  ihm  nach  seinem  Tode  durch  den  Senat  Statuen  errichten^].  Cn.  Claudius 
Severus,  ein  vornehmer  Mann,  war  bereits  146  Konsul  gewesen,  seinen  gleich- 
namigen Sohn  (Konsul  163  und  173)  erhob  Marc  Aurel  zu  seinem  Schwieger- 
söhne^). Von  den  spätem  Kaisern  legte  namentlich  Septimius  Severus  in  Be- 
folgung des  von  Marc  Aurel  gegebenen  Beispiels  Interesse  für  Philosophie  an 
den  Tag''),  und  nach  Tertullian  genossen  unter  ihm  die  Philosophen  große 
Redefreiheit;  trotz  ihrer  Angriffe  gegen  die  Kaiser  erhielten  sie  Gehälter  und 
Statuen^).  Auch  Severs  Gemahlin  Julia  Domna  wandte  sich,  als  sie  mit  ihm 
durch  die  Ränke  des  Günstlings  Plautianus  zerfallen  war,  der  Weltweisheit  zu 
und  umgab  sich  mit  Philosophen'^). 

In  der  Zeit  der  Verdächtigungen  und  Verfolgungen  der  Philosophie  fehlte  es 
übrigens  nicht  an  Philosophen,  die  sich  eifrig  bemühten,  sich  und  ihre  Wissen- 
schaft den  Regierungen  als  vollkommen  ungefährlich  darzustellen.  Martials 
Freund  und  Landsmann,  der  Sachwalter  Decianus  aus  Emerita,  bekannte  sich 
zwar  zu  den  Lehren  Thraseas  und  Catos,  d.  h.  er  war  Stoiker,  aber  vernünftig 
genug,  um  nicht  mit  bloßer  Brust  auf  entblößte  Schwerter  zu  rennen,  wofür 
Martial  ihn  lobt :  er  will  keinen  Mann,  der  den  Ruhm  mit  übereilter  Vergießung 


Begünstigung  der 
Philosophie  unter 
Marc  Aurel  — 


und  Severus. 


Versuche,  die 
Vorwürfe  der 
Regierungs- 
feindlichkeit 
der  Philoso- 
phie zu  ent- 
kräften. 


l)  DioChr.  or.  3,  2  il34Arn.).  2)  Digest.  XXVII  1,7;  vgl.  oben 1 174.  3)  Lucian.  Eun.  3.  Philostr. 
V.  soph.  II  2  (vgl.  oben  I  41 1).  Zeller  III  i  "*  S.  708  ff.  Für  spätere  Zeit  Symmach.  ep.  X  5  (er  schreibt 
als  Stadtpräfekt  an  Theodosius)  inter praecipua  negotiorum  saepe  curatum  est,  tit  criidiendis  nobilihus 
philosophi  praeceptores  ex  Attica  poscercntur.  —  nunc  vestri  saeculi  hofütas  ultro  optimatem  sapientiae 
Romanis  gymnasiis  adrogavit.  si  quidem  Celsus,  ortus  Archetimo  patre,  quem  memo7-ia  litteratorwn 
Aristoteli  subparem  ftiisse  sentit,  iuventuti  nostrae  magisterium  bonarum  artium  pollicetur,  nulluni 
quaestum  professionis  adfectans  atque  ideo  dignus  in  amplissimum  ordinem  cooptari,  ut  anitnum  vitiis 
avaritiat  liberum  dignitatis praemio  viuneremur.  4)  Cass.  Dio  LXXI  35,  2;  vgl.  oben  I  33.  299  f. 
5)  Hist.  aug.  M.  Aurel.  3,  2  ff.  Er  vsrar  Konsul  133  und  162.  Stadtpräfekt  vor  168,  Prosop.  imp. 
Rom.  n  24.3  nr.  535.  6)  Groag,  Real-Encykl.  III  2868 f.  nr.  346.  348.  350.  7)  Hist.  aug.  Sept. 
Sever.  18,  5;  Geta  2,  2.     8)  Tertullian.  Apologet.  46.     9I  Oben  I  299 


254  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  300,  301] 

seines  Bluts  erkauft,  sondern  einen,  der  auch  ohne  Märtyrertum  Lob  verdient^), 
Seneca  hat  in  seinen  Briefen  die  Philosophie  wiederholt  gegen  den  Vorwurf  der 
Seneca.  Regierungsfeindlichkeit  in  Schutz  genommen.  In  einem  Briefe  der  zur  Zeit  der 
beginnenden  Verdächtigungen  geschrieben  sein  mag,  spricht  er  so,  als  wenn 
es  ganz  undenkbar  sei,  daß  sie  je  in  diesem  Sinne  beargwöhnt  werden  könnte, 
obwohl  gerade  aus  seiner  Verteidigung  hervorgeht,  daß  bereits  Angriffe  erfolgt 
waren  ^).  Man  müsse,  sagt  er,  sich  aus  der  Gefahr  der  Welt  flüchten  und  bei 
der  Philosophie  eine  sichre  Zuflucht  suchen,  der  Wissenschaft,  die  nicht  bloß 
bei  den  Guten,  sondern  auch  bei  den  nicht  allzu  Schlechten  wie  eine  Priester- 
binde schütze,  die  auch  die  Schlechtesten  ehren.  »Niemals  wird  die  Nichts- 
würdigkeit so  stark  werden,  nie  eine  solche  Verschwörung  gegen  die  Tugend 
zustande  kommen,  daß  nicht  der  Name  der  Philosophie  ehrwürdig  und  heilig 
bliebe.«  Übrigens  muß  man  sie  mit  Bescheidenheit  und  Ruhe  üben.  Er  läßt 
sich  einwenden,  ob  dies  etwa  Cato  getan  habe?  und  mißbilligt  dann  ausdrück- 
lich dessen  Beteiligung  nicht  bloß  am  Bürgerkriege,  sondern  auch  an  den  vor- 
ausgehenden Parteikämpfen  als  fruchtlos.  Er  verweist  auf  das  Beispiel  der 
Stoiker,  die,  vom  Staatsleben  sich  ausschließend,  in  ihrer  Zurückgezogenheit 
sich  um  die  Veredlung  des  Lebens  und  die  Begründung  der  allgemeinen 
Menschenrechte  *ohne  Beleidigung  eines  Mächtigeren«  bemüht  haben.  Der 
Weise  werde  nicht  suchen,  durch  sein  Beispiel  die  allgemein  angenommenen 
Sitten  zu  erschüttern,  nicht  suchen,  die  Aufmerksamkeit  des  Volks  durch  die 
Neuheit  seiner  Lebensweise  auf  sich  zu  ziehen.  Unbedingte  Sicherheit  kann 
man  freilich  auch  ihm  nicht  versprechen.  In  einem  späteren  Briefe  werden  da- 
gegen die  Anklagen  der  Philosophie  als  schon  wirklich  erhobene  widerlegt^). 
»Diejenigen  scheinen  mir  zu  irren,  welche  glauben,  daß  die  treuen  Anhänger 
der  Philosophie  hartnäckig  und  widerspenstig  seien  und  Verächter  der  Behörden 
und  Könige  und  Verwalter  des  Staats«.  Im  Gegenteil  ist  niemand  jenen  dank- 
barer als  gerade  sie;  denn  sie  bedürfen  am  meisten  der  Ordnung  und  Ruhe  zur 
Verfolgung  ihrer  höheren  Lebenszwecke  und  verehren  den,  der  sie  gewährt, 
wie  einen  Vater,  weit  mehr  als  jene  unruhigen  Ehrgeizigen,  die  zwar  den  Fürsten 
viel  verdanken,  aber  ihnen  ihre  Dienste  auch  hoch  anrechnen  und  nie  mit  dem 
Lohne  zufrieden  sind.  Aber  jener  reine  und  wahrhaftige  Mann,  der  auf  die  Kurie 
und  das  Forum  und  die  ganze  Staatsverwaltung  verzichtet  hat,  um  sich  zu 
höheren  Dingen  zurückzuziehen,  liebt  diejenigen,  die  es  ihm  möglich  machen, 
dies  in  Sicherheit  zu  tun,  er  allein  legt  für  sie  ein  unerkauftes  Zeugnis  ab  und 
ist  ihn^n  ohne  ihr  Wissen  zu  großem  Danke  verpflichtet.  Wie  er  seine  Lehrer 
verehrt  und  achtet,  durch  deren  Wohltaten  er  aus  jenen  Irrgängen  entkommen 
ist,  so  auch  sie,  unter  deren  Schutz  gestellt  er  edle  Wissenschaft  übt.  Die  Wohl- 
tat des  allgemeinen  Friedens  wird  in  höherem  Grade  denen  zuteil,  die  ihn  gut 
benutzen.  Wieder  in  einem  späteren  Briefe  heißt  es"*):  man  müsse  mit  der 
Philosophie  nicht  prahlen,  denn  für  viele  sei  sie  eine  Ursache  der  Gefahr  ge- 
worden dadurch,  daß  sie  mit  Anmaßung  und  Trotz  geübt  wurde;  ^sie  soll  deine 
Fehler  tilgen,  nicht  andern  die  ihren  vorwerfen.   Sie  entferne  sich  nicht  von  der 

i)  Martial.  I  8,  vgl.  39.  Nach  A.  Stein,  Real-Encykl.  IV  2270  vielleicht  identisch  mit  L.  Silius 
Decianus,  Konsul  im  J.  93  (CIL  III  p.  2328^^  =  Dessau  9053).  2)  Seneca  ep.  14,  uff.  3)  ebd. 
73.     4)  ebd.  103,  5. 


[IV.  302] 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


255 


allgemeinen  Sitte,  und  scheine  nicht  das  zu  verdammen,  was  sie  vermeidet. 
Man  kann  ohne  Prunk,  ohne  Gehässigkeit  weise  sein. «  Die  Aufforderung  an 
die  Philosophen,  alles  Auffallende  zu  vermeiden,  wiederholt  sich  öfters:  schon 
der  Name  der  Philosophie  sei  verhaßt,  auch  wenn  sie  mit  Bescheidenheit  geübt 
werde,  um  so  mehr,  wenn  man  durch  Zurschautragen  einer  übertriebnen 
Askese  und  Weltverachtung  sich  von  demHerkommen  ausschließe;  leicht  werde 
dann  lächerlich  und  gehässig,  was  Bewunderung  erregen  solle').  Man  solle  die 
Philosophie  nicht  gleichsam  als  ein  Aushängeschild  brauchen,  auch  seine  Zurück- 
gezogenheit solle  man  verbergen,  vermeiden,  daß  sie  zum  Gegenstand  des  Ge- 
sprächs werde,  die  Aufmerksamkeit  der  Menschen  errege ""). 

Man  sieht,  daß  Seneca  keineswegs  nur  die  Befürchtungen  und  Anklagen  der  Ver- 
treter und  unbedingten  Anhänger  des  bestehenden  politischen  Systems  gegen  die 
Philosophie  als  ungegründet  darzustellenbemüht  ist,  welche  letzteren  übrigens  in 
allen  Lebenskreisen  schon  darum  sehr  zahlreich  gewesen  sein  müssen,  weil  alle 
zu  ihnen  gehörten,  die  um  jeden  Preis  Ruhe  und  Ordnung  als  Basis  jedes 
materiellen  Fortschrittes  wollten.  Der  großen  Masse  mußte  die  Philosophie 
auch  wegen  ihrer  hohen  sitdichen  Anforderungen,  ihrer  strengen  Verurteilung 
laxer  Moral,  ihrer  die  selbstzufriedne  Trägheit  unaufhörlich  aufrüttelnden  Straf- 
reden und  Ermahnungen  im  höchsten  Grade  unbequem,  und  überdies  der  An- 
spruch der  Philosophen,  besser  zu  sein  und  höher  zu  stehen  als  andre  Menschen, 
um  so  beleidigender  sein,  je  auffallender  sie  sich  auch  in  Erscheinung  und  Tracht, 
Lebensweise  und  andern  Äußerlichkeiten  zu  erkennen  gab.  In  diesem  Sinne 
ist  die  Anklage  gegen  den  Stoizismus  gehalten,  die  Mucian  bei  Cassius  Dio  an 
Vespasian  richtet^).  Die  Stoiker  seien  von  eitler  Anmaßung  erfüllt.  Ein  langer 
Bart,  hinaufgezogene  Augenbrauen,  ein  grober  Mantel  und  bloße  Füße  seien 
einem  genug,  um  sich  für  weise,  mannhaft,  gerecht  auszugeben  und  in  die  Brust 
zu  werfen,  wenn  er  auch  nicht  die  Anfangsgründe  des  Wissens  besitze.  Sie 
sehen  geringschätzig  auf  alle  andern  herab,  sie  werfen  dem  Schönen  Zucht- 
losigkeit,  dem  Reichen  Habsucht,  dem  Armen  Servilismus  vor  usw.  Aus  dem- 
selben Grunde  erklärt  Dio  von  Prusa  die  allgemeine  Unbeliebtheit  der  Philo- 
sophie in  Griechenland'*).  Die  Philosophentracht  (Mantel  ohne  Unterkleid,  langes 
Haar  und  Bart)  zieht,  wie  er  sagt,  jedem,  der  sich  darin  zeigt,  Neckereien,  Hohn 
und  Spott,  selbst  Mißhandlungen  zu,  denn  die  meisten  Menschen  haben  die 
Philosophen  in  Verdacht,  daß  sie  alle  Nichtphilosophen  verachten,  verdammen 
und  im  stillen  verlachen  wegen  ihres  Mangels  an  Erkenntnis  dessen,  was  den 
Menschen  frommt,  besonders  die  von  allen  beneideten  Reichen.  Deshalb 
glauben  die  meisten,  den  Philosophen  mit  Spott  und  Verachtung  zuvorkommen, 
sie  womöglich  als  Toren  und  Verrückte  darstellen  zu  müssen,  womit  sie  denn 
zugleich  bewiesen  haben,  daß  die  Vernunft  auf  ihrer  Seite  ist.  Kurz,  die  Tracht, 
die  jeden,  der  sie  trägt,  als  schonungslosen  Ermahner,  Strafredner  und  Sitten- 
richter bemerklich  macht,  wird  von  allen  so  ungern  gesehen  wie  die  Tracht  des 
Pädagogen  von  den  Kindern. 

Mit  diesen  Antipathien  wirkte  bei  der  Menge  der  Halbgebildeten  und  Un- 


Abneigung der 
großen  Menge 
gegen  die  Phi- 
losophie. 


1)  Seneca  ep. 
184  ff.  Am.). 


2)  ebd.  68.    .     3)  Cass.  Dio  LXVI  13.         4)  Dio  Chr.  or.  55,  2.  7—10  ;il 


Ihre  Zwecklosig- 
keit  nach  der  An- 
sicht der  meisten 
Ungebildeten    — 


256 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  303] 


o-ebildeten  ein  sehr  schlagender  Grund  zusammen,  die  mühsamen  Studien,  aui 
die  so  großer  Wert  gelegt  wurde,  zu  verachten  und  zu  verlachen:  sie  waren 
völlig  nutzlos,  denn  durch  sie  erreichte  man  weder  Beförderung  oder  Ansehen, 
noch  erwarb   man  in  der  Regel  Geld.    Persius,  der  die  aufgeblasnen  Klein- 
städter überhaupt  als  Verächter  aller  höheren  (griechischen)  Bildung  schildert '), 
legt  den  Hohn  gegen  die  Philosophie  als  eine  brotlose  Kunst  den  Centurionen 
in  den  Mund,  die  auch  sonst  in  den  Städten  Italiens  als  tonangebende  Personen 
erscheinen  und  wohl  überall  in  mittleren  und  unteren  Lebenskreisen  eine  ton- 
angebende Rolle  spielten^).    Preist  man  vor  diesen  Männern  mit  geschwollenen 
Krampfadern  die  Freiheit  des  Weisen,  so  stößt  sofort  ein  riesiger  Fulfennius 
ein  fettes  Gelächter  aus  und  taxiert   100  Griechen  zu  einem  abgegriffenen 
Hundertasstück^).    »Ich-^ ,  sagt  ein  andrer  von  diesem  nach  dem  Bock  stinkenden 
Volke,  „bin  für  mich  klug  genug  und  kümmere  mich  wenig  darum,  so  zu  sein 
wie  Arcesilas  und  die  sich  plagenden  Solonen,  wenn  sie  mit  gesenktem  Kopf, 
den  Blick  auf  die  Erde  geheftet,  für  sich  murmeln  oder  schweigend  wie  Ver- 
rückte die  Lippen  kauen  und  mit  vorgestreckter  Unterlippe  Worte  auf  die  Wag- 
schale legen,  in  tiefem  Nachdenken  über  Delirien  irgend  eines  alten  Schwach- 
kopfs:  als,  daß  aus  nichts  nichts  wird,   nichts  in  nichts  zurückkehren  kann. 
Darum  seht  ihr  so  blaß  aus?    Darum  soll  man  ein  Frühstück  versäumen?« 
»Darüber  lacht  die  Menge,  und  die  prallen  jungen  Burschen  erheben  ein 
wieherndes  Gelächter  nach  dem  andern,  daß  ihnen  die  Nasen  kraus  werden«'^). 
Ebenso  gründlich  verachtete  natürlich  die  Masse  der  Geld-  und  Geschäftsleute 
die  Philosophen.  Trimalchio  ordnet  an,  daß  auf  seinen  Grabstein  gesetzt  werden 
soll:  >Er  hat  klein  angefangen  und  ist  groß  geworden,  er  hat  30  Millionen  Sest. 
hinterlassen  und  nie  einen  Philosophen  gehört«  5). 
und  vieler  Ge-       Aber  der  Vorwurf  der  gänzlichen  Nutzlosigkeit  und  Überflüssigkeit  wurde 
bildeten,  gegen  die  Philosophie  auch  aus  gebildeten  Kreisen  erhoben,  und  zwar  im  Namen 
und  von  seiten  des  gesunden  Menschenverstands,  der  damals,  wie  zu  allen 
Zeiten,  sich  zutraute,  dieselben  Ziele  und  Resultate,  welchen  die  Spekulation 
auf  weiten,  mühsamen  Umwegen  zustrebte,  längst  erreicht  zu  haben,  und  daher 
leugnete,  etwas  von  ihr  lernen  zu  können.    Wozu  namentlich  die  vielen  künst- 
lichen Systeme  der  Moralphilosophie  bei  der  Einfacheit  und  Unumstößlichkeit 
des  allen  Menschen  angebornen  Sittengesetzes?  Und  welche  Philosophie  lehrte 
denn  die  Wahrheit,  da  jede  Schule  die  Doktrin  aller  andern  für  falsch  erklärte? 
Von  diesem  Standpunkte  aus  wurde  die  Philosophie  besonders  von  denen 
angegriffen,  welche  die  Beredsamkeit  als  Ziel  aller  Bildungsbestrebungen  an- 
sahen, und  dies  wird  im  spätem  Altertum  vielleicht  die  Mehrzahl  der  Gebildeten 
gewesen  sein.   Die  so  natürliche,  auf  Innern  Gegensätzen  beruhende,  fort  und 
fort  durch  äußre  Anlässe  genährte  Eifersucht  zwischen  Rhetoren  und  Philo- 
sophen, »den  Künstlern  der  reinen  Form  der  Rede  und  den  Ergründern  des 
innersten  Wesens  der  Dinge»  ^],  führte  zu  unaufhörlichen,  oft  erbitterten  Streitig- 
keiten über  den  relativen  Wert  der  beiden  Wissenschaften.  Schon  die  Schüler 
wurden  zur  Teilnahme  an  diesen  Kämpfen  vorbereitet.  Zu  den  in  der  Rhetoren- 


Der  Gegensatz 
zwischen  Rhe- 
toren und  Phi- 
losophen. 


l)  Pers.  I,  126— 134.     2)  Oben  I  221.      3)  Pers.  5,  189— 191. 
Sat.  71,  12.     6;  Rohde,  Der  griech.  Roman^  S.  345. 


4)  ebd.  3,  77—87.     5)  Petron. 


[IV.  304]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  257 

schule  deklamierten  Kontroversthemen  gehörte  folgendes:  Ein  Vater  hinterläßt 
drei  Söhne,  einen  Redner,  einen  Philosophen  und  einen  Arzt;  er  setzt  im  Testa- 
ment den  zum  alleinigen  oder  bevorzugten  Erben  ein,  der  nachweisen  werde, 
daß  er  dem  Staat  am  meisten  nütze;  wo  dann  für  jede  der  drei  Wissenschaften 
und  gegen  die  beiden  andern  gesprochen  wurde*).  Hier  wurde  dann  die  völlige 
Nutzlosigkeit  der  Philosophie  an  ihren  Früchten  gezeigt.  Die  viel  erörterte 
Frage,  ob  die  Tugend  gelehrt  werden  könne,  wurde  verneint.  Die  besten 
Männer,  die  Fabricier,  Curier,  Decier,  seien  ohne  Philosophie  geworden,  was 
sie  waren,  aus  den  Philosophenschulen  dagegen  die  größten  Verbrecher  hervor- 
gegangen, wie  aus  der  des  Sokrates  Tyrannen  und  Vaterlandsfeinde.  Selbst 
zugestanden  aber,  daß  man  durch  Unterricht  zur  W^eisheit  gelangen  könne,  so 
bliebe  der  einzuschlagende  Weg  ungewiß,  denn  alle  Schulen  ständen  mitein- 
ander in  Widerspruch.  Viele  Philosophen  bekennen  überdies,  daß  es  trotz  aller 
Bemühungen  einen  wahrhaft  Weisen  noch  nie  gegeben  habe.  Welchen  Nutzen 
brächte  also  die  Philosophie?  Wäre  sie  im  Kriege  oder  für  bürgerliche  Ämter 
zu  brauchen?  Nichts  finde  man  bei  ihnen  als  Heuchelei,  Faulenzerei  und  An- 
maßung, durch  die  sie  sich  Ansehen  zu  verschaffen  wissen.  Ihre  Behauptung, 
daß  sie  zur  Verminderung  der  Laster  beitragen,  widerlegt  der  Augenschein. 

Daß  namentlich  die  Lehrer  der  Beredsamkeit  mindestens  zum  großen 
Teil  prinzipielle  Gegner  der  Philosophie  waren,  ist  einleuchtend.  Gegen  solche 
war  eine  angeblich  von  Plutarch  verfaßte  Schrift  gerichtef").  Von  dem  älteren  Der  ältere 
Seneca  sagt  sein  Sohn,  daß  er  die  Philosophie  haßte ^);  seine  Gattin  verhinderte  ^°^^^- 
er,  sich  eingehend  mit  ihr  zu  beschäftigen'*).  Quintilian,  der  den  vom  alten  Quintilian. 
Cato  gegebenen  Begriff  des  Redners  als  »eines  sittlich  guten,  der  Rede  kun- 
digen Manns«  streng  festhielt,  behauptet,  daß  die  Ethik  eigentlich  ein  Teil  der 
Redekunst,  nur  durch  die  Schuld  der  sie  vernachlässigenden  Redner  von  ihr  ab- 
gelöst, von  > schwächeren  Geistern«  in  Besitz  genommen  und  ein  eigenes  Fach 
geworden  sei:  die  Redner  müßten  dies  Gebiet  als  ein  ihnen  gehörendes  zurück- 
fordern^). Da  der  wahre  Philosoph  nichts  andres  sein  kann  als  ein  sittlich  guter 
Mann,  also  dasselbe,  was  der  wahre  Redner  ebenfalls  ist,  so  ergibt  sich  die 
Überflüssigkeit  einer  besondern  Philosophie.  Quintilian  benutzt,  obwohl  er  von 
seinem  Idealredner  auch  philosophische  Studien  verlangt,  jede  Gelegenheit, 
um  seiner  Gereiztheit  gegen  die  Philosophen  Luft  zu  machen,  ihr  sklavisch 
ängstliches  Festhalten  an  den  Schuldoktrinen  und  -ausdrücken,  ihre  endlosen 
und  sophistischen  Erörterungen,  ihre  weitläufigen  Apparate  zur  Begründung 
der  einfachsten  Sätze,  ihre  Anmaßung,  Heuchelei,  ihre  dem  Staatswohl  zuwider- 
laufende Weltflucht  und  Tatenscheu  zu  geißeln,  den  einzelnen  Schulen  ihre 
Schwächen  mit  Behagen  vorzuhalten^).  Auch  Dio  von  Prusa  hatte  als  Rhetor 
die  Philosophie,  der  er  sich  später  zuwandte,  leidenschaftlich  angegriffen^). 

i)  Quintilian.  Inst.  VII  i,  38.  4,  39.  Ps.-Quintilian.  Decl.  268;  vgl.  Fortunatian.  1 9  21.  2]  In  dem 
Katalog  des  sog.  Lamprias  (s.  dazu  K.  Ziegler,  Rhein.  Mus.  LXIII  1908  S.  239  f.)  Nr.  219:  tipbc, 
TOÜc  6ia  TÖ  pr|Topeueiv  )un  cpxXoaocpovvTac,.  Vgl.  dazu  R.  Jeuckens,  Plutarch  von  Chaeronea  und 
die  Rhetorik  9 ff.  (=  Dissert.  Argentor.  XII  347  ff.).  3)  Seneca  ep.  108,  22.  4)  Seneca  ad  Helv. 
17,  4.  Oben  I  298.  5)  Quintil.  II  21,  13,  vgl.  I  pr.  10.  6j  Vgl.  B.  Appel,  Das  Bildungs-  und  Er- 
ziehungsideal Quintilians  nach  der  Institutio  oratoria  (Diss.  München  1914)  S.  8ff.  38ff.  7)  v.  Ar- 
nim, Leben  u.  Werke  des  Dio  von  Prusa  S.  150 — 152. 

Friedlaender,  Darstellungen.  IIl.    9.  Aufl.  ly 


258  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [iV.  305,  306] 

Fronto.  Wahrhaft  komisch  äußert  Fronto  seinen  Ingrimm  gegen  die  Philosophie,  die 
seinen  kaiserlichen  Schüler  Marcus  der  Beredsamkeit  abtrünnig  gemacht  hatte. 
Dies  war  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  Marcus  sich,  wie  Fronto  an  ihn  schreibt^), 
schon  als  Knabe  durch  Adel  des  Geistes  und  Würde  der  Gedanken  auszeich- 
nete, denen  nur  der  Glanz  des  Ausdrucks  gefehlt  habe;  die  Vorbereitungen  und 
Anstrengungen,  die  gemacht  werden  mußten,  um  auch  diesen  sich  anzueignen, 
seien  ihm  wohl  zu  mühsam  geworden;  so  habe  er  das  Studium  der  Beredsam- 
keit verlassen  und  sei  zur  Philosophie  abgesprungen,  »wo  es  keine  Einleitung 
mit  Sorgfalt  auszuarbeiten,  keine  Erzählung  kurz,  deutlich  und  geschickt  anzu- 
bringen, keine  Beweisgründe  aufzusuchen,  nichts  hervorzuheben«  gab.  Bei 
seinen  Lehrern  der  Philosophie  hatte  er  es  natürlich  leichter.  Er  brauchte 
nur  ihren  Erläuterungen  zuzuhören  und  durch  Kopfnicken  anzudeuten,  daß  er 
verstanden  habe;  während  andre  lasen,  konnte  er  meistens  schlafen;  er  mußte 
viel  und  lange  abzählen  hören,  »das  erste  war'  so,  das  zweite  war'  so«,  und  sich 
mühsam  beweisen  lassen,  daß  es  hell  sei,  wenn  es  Tag  sei,  während  die  Sonne 
ins  Fenster  schieu.  Dann  konnte  er  ruhig  nach  Hause  gehen  und  brauchte 
nichts  in  der  Nacht  auszudenken  oder  schriftlich  aufzusetzen,  nichts  seinem 
Lehrer  vorzulesen,  nichts  aus  dem  Kopfe  aufzusagen,  keine  Ausdrücke  aufzu- 
suchen, keine  Synonymen  zum  Schmuck  anzubringen,  nichts  aus  dem  Griechi- 
schen ins  Lateinische  zu  übersetzen.  Was  konnte  bei  einem  solchen  Studium 
erreicht  werden!«  Aber  Marcus  wollte  nun  einmal,  wie  Fronto  sagt^),  lieber 
reden  als  beredt  sein,  und  sich  lieber  mit  Zwitschern  und  Murmeln  als  mit  hellen 
Klängen  vernehmen  lassen. 

Lucian.  Auch  Lucian  ist  trotz  all  seiner  Verstimmungen  gegen  die  damalige  entartete 
Rhetorik,  trotz  seines  im  »Zweimal  Angeklagten«  an  sie  im  Alter  von  fast 
40  Jahren  gerichteten  Absagebriefs^)  und  seines  angeblichen  Übergangs  zur 
Philosophie  im  Grunde  ein  echter  Rhetor  geblieben  und  spricht,  wie  Quintilian, 
der  Spekulation  vom  Standpunkte  des  gesunden  Menschenverstands  die  Be- 
rechtigung ab.  Auch  für  ihn  bestand  die  Philosophie  in  der  praktischen  Lebens- 
weisheit^), die  nicht  bloß  an  kein  bestimmtes  System  gebunden,  sondern  auch 
jedem  denkenden  Nichtphilosophen  erreichbar  war.  Ihm  waren  die  Philosophen 
im  allgemeinen  verhaßt,  wenn  er  auch  einzelne  (und  zwar  den  verschiedensten 
Schulen  angehörige)  ausnahm;  und  nicht  bloß  wegen  des  Kontrastes  zwischen 
ihren  Lehren  und  ihrem  Lebenswandel.  Die  Eitelkeit,  Torheit,  Wesenlosigkeit 
und  Lächerlichkeit  aller  philosophischen  Studien  ist  der  Gegenstand  des  Dialogs 
Hermotimus.  Hermotimus,  der  schon  seit  20  Jahren,  in  das  eifrigste  Studium 
der  stoischen  Philosophie  vertieft,  keine  Vorlesung  versäumt,  Tag  und  Nacht 
über  Büchern  sitzt,  sich  keine  Freude  gönnt,  blaß  und  abgemagert  aussieht, 
hofft  in  weiteren  zwanzig  Jahren  an  sein  Ziel  zu  gelangen!  Doch  er  muß  schließ- 

l)  Fronto  De  eloq.  p.  150.  154  N.  2)  ebd.  p.  146  N.  3)  Vor  dem  Bis  accusatus  sind  die 
Schriften  verfaßt,  die  uneingeschränkte  grundsätzliche  Angriffe  der  Philosophie  enthalten  (Hermo- 
timus, Icaromenippus,  Necyomantia,  Dialogi  mortuorum),  unmittelbar  nach  ihm  Vitarum  auctio, 
Piscator,  Peregrinus,  Fugitivi.  I.  Bruns,  Rhein.  Mus.  XLIII  1888  S.  86  ff.  161  ff.  (vgl.  Vorträge  u. 
Aufsätze  S.  228  ff.).  4)  Zeller  III  l*  S.  852.  ÜberLucians  Stellung  zu  den  Philosophenschulen  vgl. 
R.Helm,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  IX  1902  S.  188 ff.  263 ff.  351  ff.  Th.  Litt,  Lucians  philosophische 
Entwickelung,  Progr.  Köln  1909. 


[IV.  307]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  259 

lieh  zugestehen,  daß,  um  irgend  eine  Philosophie  für  die  alleinseligmachende 
zu  erklären,  zuvor  eine  Prüfung  aller  Systeme  angestellt  werden  müßte,  die  allein 
etwa  zweihundert  oder  doch  hundert  Jahre  erfordern  würde.  Und  wo  ist  die 
Gewißheit,  daß  die  Wahrheit  überhaupt  in  irgend  einem  System  enthalten  ist? 
Und  wäre  auch  die  einzig  wahre  Philosophie  zu  ermitteln,  wie  wäre  man  sicher, 
den  rechten  Lehrer  für  sie  zu  finden?  Und  bei  alledem  sind  die  Bemühungen 
derer,  die  Philosophie  studieren,  gar  nicht  auf  den  eigentlichen  Zweck  gerichtet, 
nicht  auf  die  Betätigung  ihres  Wissens  durch  Handlungen,  sondern  auf  unselige 
Wortklauberei,  Syllogismen,  Trugschlüsse  und  schwer  zu  beantwortende  Fragen, 
und  sie  bewundern  ihre  Lehrer,  wenn  sie  andre  durch  Sophismen  in  Verlegen- 
heit setzen.  Anstatt  nach  der  Frucht  zu  streben,  arbeiten  sie  sich  um  die  Rinde 
ab  und  beschütten  einander  mit  Blättern'). 

Aristides  endlich  hat  offenbar  eine  ihm  auch  durch  seine  Stellung  in  der  Aristides. 
literarischen  Welt  auferlegte,  heilige  Pflicht  zu  erfüllen  geglaubt,  indem  er  in 
dem  Kampfe  zwischen  Rhetorik  und  Philosophie  für  die  erstere  mit  dem  ganzen 
Gewicht  seiner  Autorität  eintrat.  In  zwei  ausführlichen  Reden  ^Für  die  Rheto- 
rik- hat  er  sie  gegen  die  Anschuldigungen  des  Platonischen  Sokrates  (im  Gorgias) 
in  Schutz  genommen.  Sie  ist  nicht  bloß,  was  dort  geleugnet  wird,  eine  Kunst? 
sondern  steht  auch  mit  allen  Kardinaltugenden  in  unlösbarem  Zusammenhange  • 
sie  ist  von  der  Weisheit  um  der  Gerechtigkeit  willen  erfunden  und  wird  von  der 
Tapferkeit  und  Sittsamkeit  beschützt;  derjenige,  welcher  weiß,  wie  man  reden, 
weiß  auch,  wie  man  handeln  muß:  kurz,  die  Redekunst  ist  Fundament  und  In- 
begriff der  sittlichen  sowohl  wie  der  geistigen  Bildung'').  Zwar  versichert  Ari- 
stides, er  sei  weit  entfernt,  die  Philosophie  selbst  anzugreifen,  er  sei  mit  den 
größten  und  besten  Philosophen  seiner  Zeit  umgegangen  und  betrachte  sie  als 
seine  Erzieher.  Doch  in  der  Tat  verbirgt  sich  hinter  diesen  konventionellen 
Anpreisungen  eine  starke  Abneigung,  ja  ein  gewisser  Haß  des  Rhetors  gegen 
die  Philosophie^).  In  einer  überlangen  Rede  hat  er  die  vier  großen  athenischen 
Staatsmänner,  Miltiades,  Themistokles,  Kimon  und  Perikles,  gegen  die  Anklagen 
des  Platonischen  Idealismus  verteidigt,  und  hier  hat  er  die  ganze  Schale  seines 
Zorns  über  die  damaligen  Philosophen  ausgegossen"*).  Wenn  man  auch  der- 
gleichen ungerechte  Anklagen  von  dem  großen  Plato  geduldig  hinnehmen 
möchte,  so  sei  es  doch  nicht  zu  ertragen,  daß  ganz  nichtswürdige  Menschen 
sich  ein  solches  Verfahren  förmlich  zur  Aufgabe  machten  und  selbst  einen  De- 
mosthenes  zu  lästern  wagten.  Wer  würde  die  Schmähungen  solcher  Menschen 
selbst  gegen  Lebende  dulden,  »die  mehr  Sprachfehler  machen,  als  sie  Worte 
hervorbringen,  die  auf  die  übrigen  mit  der  Verachtung  herabsehen,  die  sie 
selbst  verdienen,  welche  die  andern  prüfen,  sich  selbst  aber  niemals,  und  die 
Tugenden  preisen,  aber  nicht  üben«^).    »Noch  niemals  haben  sie  (gleich  den 

l)  Lucian.  Hermotim.  2.  6.  48 — 67.  77.  79.  Vgl.  auch  Paras.  43;  Ver.  bist.  II  17;  Dialog,  moit. 
20,  5.  Die  Farben  zu  dem  Gemälde  Lucians  sind  vielfach  der  Komödie  entlehnt.  Helm,  Lucian 
und  Menipp  S.  371  ff.  2)  Aristid.  or.  45,  II  I28f.  Dind.  3)  Baumgart,  Aelius  Aristides  S.  25—35. 
4)  Aristid.  or.  46,  II  397  ff.  Dind.  5)  ebd.  p.  398  (wo  statt  des  sinnlosen  reXuiv  ein  Wort  wie 

6vei&iZ6vTUJV  oder  Xoiöopou|uevuJV  erfordert  wird),  von  Choricius  Apol.  mimor.  c.  6,  27  'ed.  Graux, 
Rev.  de  philol.  I  1877  S.  222):  6  f' 'ApiöTei6r)(;,  ovc,  \oi6opei  (pi\oa6(povc,  koi  nXdaTr{  (pY]o\v 
äKoXaaia.  avZr]v,  roic,  ZoqpoKA.eou(;  dKeiKCt^ei  oaTÜpoi^  richtig  auf  die  Philosophen  (nicht,  wie 

17* 


2bo  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  308] 

Rhetoren)  eine  fruchtbringende  Rede  gesprochen  oder  erfunden  oder  verfaßt, 
nicht  Festen  Schmuck  verliehen,  nicht  die  Götter  geehrt,  nicht  Städten  Rat  er- 
teilt, nicht  Trauernde  getröstet,  nicht  Hadernde  versöhnt,  nicht  die  Jugend  oder 
jemand  anders  ermahnt,  nicht  auf  Schmuck  für  ihre  Reden  gedacht.  Sondern 
in  ihre  Löcher  kriechend  sinnen  sie  dort  ihre  herrliche  Weisheit  aus,  indem  sie 
gegen  einen  Schatten  prahlen,  VYindhalme  ernten,  aus  Sand  Seile  drehen,  ich 
weiß  nicht  welches  Gewebe  auflösen:  denn  so  viel  sie  an  Weisheit  gewinnen, 
so  viel  vermindern  sie  ihren  Gewinn,  indem  sie  glauben,  stolz  sein  zu  dürfen, 
wenn  sie  von  der  Rhetorik  übel  reden:  etwa  wie  die  Sklaven  zwischen  den 
Zähnen  auf  ihre  Herren  fluchen,  besonders  die  stets  geprügelten,  oder  wie  ein 
Satyr  auf  der  Bühne  dem  Herakles  flucht  und  sich  versteckt,  wenn  er  auf  ihn 
losgeht.  Es  ist  aber  ganz  natürlich,  daß  sie  von  allen  übel  reden,  denn  daran 
haben  sie  Überfluß,  und  wenn  sie  auch  keiner  Person  gedenken,  sagen  sie  doch 
das,  was  sie  sagen,  übel:  sie  teilen  also  nur  von  dem  Ihrigen  mit.  Nähme  man 
ihnen  die  Lüge  und  die  Bösartigkeit,  so  raubte  man  die  Kraft  aus  ihrem  Leben. 
Und  dabei  halten  sie  der  Welt  den  herrlichen  Namen  der  Philosophie  wie  ein 
Schaustück  entgegen,  als  ob  der  Name  es  täte;  als  ob  ein  Thersites  durch  den 
Namen  des  Hyazinth  oder  Narziß  schön,  ein  Margites  durch  den  des  Nestor 
weise  würde« '). 

Berufung  der       Aus  den  bisher  angedeuteten  Gründen  stand  also  eine  große  Zahl  höchst 
Gegner  der  Phi-  verschiedncr  Kreise  der  Philosophie   ablehnend  oder  feindseligf  gfegenüber: 

losophie  auf  die  •      t       n       •  rr  ■  fVi  t       •    1  1        t 

Unsittlichkeit der  romische  Patrioten,  Konservative  aus  Überzeugung,  Instinkt  oder  Interesse, 
Philosophen.  AUtagsmenschen,  denen  jede  Erhebung  über  die  Mittelmäßigkeit  Unbehagen 
erregte,  Hasser  der  Prätention,  banausische  Utilitarier,  Gegner  und  Verächter 
aller  Spekulation,  Vertreter  der  nichtphilosophischen  Bildung,  die  für  ihr  eignes 
Interesse  und  Gebiet  kämpften.  Sie  alle  konnten  ihre  Ansicht  von  der  Ent- 
behrlichkeit, Wertlosigkeit  oder  Schädlichkeit  der  Philosophie  nicht  besser 
unterstützen  als  durch  Berufung  auf  die  Erfahrung:  diese  lehrte,  wie  sie  be- 
haupteten, daß  die  Philosophen  im  allgemeinen  sittlich  nicht  höher  oder  sogar 
tiefer  ständen  als  die  Mehrzahl  der  Durchschnittsmenschen.  Der  Name  eines 
Philosophen  machte  daher  jeden,  der  ihn  sich  beilegte,  zum  Gegenstand  einer 
scharfen,  unnachsichtigen  und  mißgünstigen  Beobachtung  von  den  verschieden- 
sten Seiten  her,  die  seinen  sittlichen  Gebrechen,  Schwächen  und  Lächerlich- 
keiten eifrig  nachspürte,  um  sie  triumphierend  aufweisen  zu  können.  Wenn  die 
Leute,  sagt  Epictet,  einen  Mann  mit  einem  groben  Mantel  und  langem  Haar 
sich  unanständig  betragen  sehen,  so  heißt  es  sofort:  Seht  da,  was  der  Philosoph 
tut;  während  man  doch  vielmehr  nach  seiner  Handlungsweise  sagen  müßte, 

Palmer,  Jebb  u.  a.,  auf  die  Christen)  bezogen;  vgl.  Bernays,  Lukian  und  die  Kyniker  S.  38f.  looflf. 
Norden,  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIX  1892  S.  AO^ff.  Mag  übrigens  auch  Aristides  hier  vorzugs- 
weise an  Kyniker  gedacht  haben,  so  doch  auf  keinen  Fall,  wie  Bernays  annimmt,  an  sie  allein. 
Dies  beweist  schon  die  Entschuldigung  mit  der  Rücksicht  auf  Weib  und  Kind  (unten  S.  265),  die 
Aristides  ja  nicht  als  Ausnahme  (Bernays  S.  103)  anführt. 

i)  Aristid.  a.  a.  O.  p.  404 ff.  (p.  405,  6  statt  ujairep  ou  Kai  ToOq  &oü\ou^  etwa  ujairep  oi'6a|U€v 
KoiToü^  6ou\ou(;;  p.  407,  2  statt  elöov  6' cYiw^e  koi  ev  vjja\|ua)6(a  GepaTTOvrae;!.  ev  Kuu)nuj&(qt). 
Miuuc.  Felix  Octav.  38,  5  und  Lactant.  Inst.  div.  III  15  stehen  auf  demselben  Standpunkt,  der 
vielleicht  auch  bei  ihnen  durch  ihre  rhetorische  Bildung  mit  bedingt  war. 


[IV.  309,310]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  261 

daß  er  kein  Philosoph  ist').  Als  Gellius  von  Cassiope  nach  Brundisium  über- 
setzte, brachte  ein  furchtbares  Unwetter  das  Schiff  in  die  größte  Gefahr.  Wäh- 
rend alles  jammerte  und  klagte,  sah  sich  Gellius  nach  einem  mitreisenden  be- 
rühmten stoischen  Philosophen  um,  um  aus  seinem  Aussehen  auf  seine  Gemüts- 
stimmung zu  schließen:  dieser  äußerte  zwar  keine  Klage,  verriet  aber  seine 
Furcht  durch  die  Farblosigkeit  und  den  Ausdruck  seines  Gesichts.  Als  der 
Sturm  nachgelassen  hatte,  trat  sogleich  ein  reicher  asiatischer  Grieche,  der  mit 
großem  Gefolge  und  luxuriöser  Ausstattung  reiste,  an  den  Stoiker  heran  und 
verhöhnte  ihn,  daß  er  sich  in  der  Gefahr  gefürchtet  habe  und  blaß  geworden 
sei.  Der  Philosoph  wies  diese  Impertinenz  vornehm  ab,  das  bescheidne  von 
Gellius  über  denselben  Punkt  geäußerte  Bedenken  beschwichtigte  er  durch 
Verweisung  auf  eine  Stelle  bei  Epictet,  nach  welcher  auch  dem  Weisen  das 
Blaß  werden  gestattet  war^). 

Am  häufigsten  hatten  sich  vermutlich  die  Philosophen  dafür  zu  verantworten, 
daß  sie  das  Geld  nicht  verachteten.  Ulpian  sagt  bei  Erörterung  der  Prozesse 
wegen  schuldiger  Honorare  für  Unterricht  oder  sonstige  Leistungen  von  Ge- 
lehrten: die  Philosophen  könnten  seines  Erachtens  Ansprüche  auf  Honorar 
gerichtlich  nicht  verfolgen ;  sie  hä  ten  vor  allem  zu  erklären,  daß  sie  jede  »Lohn- 
arbeit« verschmähten^).  Seneca  hat  dagegen  in  einer  längeren  Abhandlung  zu 
beweisen  versucht,  daß  Philosophen  reich  sein  dürfen.  Diejenigen  freilich  über- 
zeugen zu  wollen  ist  er  weit  entfernt,  die  nicht  zugeben  können,  daß  überhaupt 
jemand  sittlich  gut  sei,  weil  sie  die  Tugend  eines  andern  als  Vorwurf  empfinden, 
die  den  Namen  der  Tugend  und  jeden,  der  sie  übt,  hassen;  für  sie  ist  selbst  der 
Kyniker  Demetrius  nicht  arm  genug.  Freilich  bleiben  die  Philosophen  weit 
hinter  ihren  Idealen  zurück,  deren  Erreichung  die  menschliche  Kraft  übersteige, 
aber  schon  sie  im  Geist  festzuhalten  und  ihnen  nachzustreben  sei  löblich.  Er 
selbst  macht  auf  den  Namen  eines  Weisen  keinen  Anspruch,  er  ist  nur  ein  der 
Wahrheit  Beflissener,  nicht  mit  den  Besten  zu  vergleichen,  doch  besser  als  die 
Schlechten,  und  zufrieden,  in  der  sittlichen  Vervollkommnung  stetig  fortzu- 
schreiten. Der  Reichtum  gehört  zu  den  indifferenten  Dingen,  die  nicht  völlig 
wertlos  sind,  der  Philosoph  liebt  ihn  nicht,  zieht  ihn  aber  vor,  da  er  ihm  die 
Möglichkeit  gewährt,  eine  Anzahl  guter  Eigenschaften  zu  entwickeln,  wie  Mäßi- 
gung, Freigebigkeit,  Sorgfalt,  Ordnung,  Hochherzigkeit.  Auch  Cato  von  Utica, 
der  die  gute  alte  Zeit  mit  ihrer  Armut  pries,  besaß  4Mill.  Sest."*)  (Seneca  selbst 
freilich  300).  Daß  solche  Entschuldigungen  der  Widersprüche  zwischen  Theorie 
und  Praxis,  Ideal  und  Wirklichkeit  auf  die  prinzipiellen  Gegner  der  Philosophie 
keinen  großen  Eindruck  machen  konnten,  leuchtet  ein,  besonders  da  Philo- 
sophen sich  nur  zu  oft  noch  schlimmere  zuschulden  kommen  ließen.  Schon 
Seneca  bekennt,  daß  es  deren  gab,  denen  man  Schlemmerei,  Maitressen,  An- 
nahme von  Geschenken  vorwerfen  konnte,  die  man  in  der  Kneipe,  im  Ehe- 
bruch, unter  den  Hofschranzen  antraft).  Und  jede  Unwürdigkeit  oder  Schänd- 
lichkeit, die  einer  von  ihnen  sich  zuschulden  kommen  ließ,  warf  einen  Makel 
mindestens  auf  seine  ganze  Schule.    Der  Verrat,  den  der  Stoiker  P.  E^natius 

I)  Epictet.  Diss.  IV  8,  4f.      2)  Gell.  XIX  i.      3)  Dig.  L  13,  i  §  4;  vgl.  Kuhn,  Stadt,  u.  bürgerl. 
Verfass.  I  119.     4)  Seneca  de  vita  beata  17 — 25.     5)  Seneca  ep.  29,  5. 


262  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  311] 

Celer  gegen  seinen  Patron  Barea  Soranus  im  Jahre  66  geübt  hatte,  war  noch 
ein  Menschenalter  später  in  frischem  Andenken  und  wird  als  Probe  der  >Schand- 
taten  der  großen  Mäntel«  angeführt^]. 

Wenn  aber  den  vermögenden  Philosophen  der  Reichtum  vorgeworfen  wurde, 
so  hieß  es  von  den  armen,  daß  für  sie  eine  erhabne  Gesinnung  wohlfeil  sei. 
Der  Stoiker  Chäremon  verlangt,  sagt  Martial,  man  solle  ihn  wegen  seiner  Ver- 
achtung des  Todes  bewundern.  Diese  Seelenstärke  gibt  ihm  seine  Bettelarmut: 
daß  er  nichts  sein  nennt,  als  einen  zerbrochnen  Krug,  einen  kalten  Herd,  eine 
Matte,  eine  Wanze,  einen  nackten  Schrägen  und  eine  kurze  Toga,  die  ihm  auch 
bei  Nacht  als  Decke  dient.  Was  für  ein  großer  Mann,  der  sauern  Wein,  schwar- 
zes Brot  und  eine  Streu  aufzugeben  vermag.  Wenn  er  nur  in  Reichtum  und 
Üppigkeit  lebte,  würde  er  dreimal  Nestors  Jahre  zu  leben  wünschen  und  nichts 
von  diesem  Licht  verlieren  wollen.  In  der  Armut  ist  es  leicht,  das  Leben  zu 
verachten,  stark  ist,  wer  unglücklich  zu  sein  vermag^).  Appian  sagt,  wo  die 
Philosophen  zur  Macht  gelangt  seien,  hätten  sie  sie  mit  größerer  Härte  geübt 
als  die  bildungsiosen  Tyrannen  und  dadurch  auch  gegen  die  übrigen  Philo- 
sophen Verdacht  und  Zweifel  erregt,  ob  sie  die  Philosophie  um  der  Tugend 
willen  oder  nur  als  Trost  für  Armut  oder  Tatenlosigkeit  erwählt  haben.  Auch 
jetzt  gebe  es  viele,  die  arm  und  ohne  Wirksamkeit,  und  mit  der  infolgedessen 
notwendigen  Weisheit  angetan,  auf  die  Reichen  oder  Hochgestellten  bitter 
schmähten,  sich  dadurch  aber  nicht  sowohl  in  den  Ruf  der  Verachtung  des 
Reichtums  und  der  Macht,  als  vielmehr  der  neidischen  Eifersucht  auf  beides 
brächten.  Die  Geschmähten  täten  am  klügsten,  wenn  sie  sie  nicht  beachteten^), 
fterphilosophen  Die  Verstimmungen  und  Angriffe  gegen  die  Philosophie  vermehrten  sich, 
je  größer  die  Zahl,  folglich  je  gemischter  die  Gesellschaft  der  Philosophen  wurde, 
und  es  ist  ein  Symptom  für  die  fortschreitende  Ausbreitung  der  Philosophie  in 
Rom  in  der  zweiten  Hälfte  des  i.  Jahrhunderts,  daß  (mindestens  bereits  unter 
Domitian)  Heuchler  vielfach  anfingen,  sie  als  Maske  zu  benutzen,  hinter  der  sie 
am  ungestraftesten  sündigen  zu  können  hofften.  Quintilian  spricht  wiederholt 
mit  Erbitterung  von  diesen  Menschen,  die,  wenn  sie  einige  Zeit  in  den  Vor- 
lesungen der  Philosophen  gesessen  hätten,  mit  heuchlerischen  Mienen  und  langen 
Barten  sich  durch  Verachtung  andrer  Ansehen  erschwindelten,  öffentlich  streng 
und  finster  taten,  zu  Hause  grobe  Ausschweifungen  begingen;  sie  hätten  den 
Namen  der  Philosophie  verhaßt  gemacht,  unter  diesem  hätten  sich  zu  seiner 
Zeit  die  größten  Laster,  die  ärgsten  Schandtaten  versteckt"*).  So  hatte  sich  auch 
der  hochbegabte,  aber  sittlich  haltlose  Palfurius  Sura,  der  unter  Domitian  das 
Delatorengewerbe  trieb  und  deshalb  gleich  nach  Nervas  Regierungsantritt  zum 
Tode  verurteilt  wurde,  nach  seiner  Ausstoßung  aus  dem  Senat  durch  Vespasian 
der  stoischen  Schule  angeschlossen^).  Dürftige  Stoiker  und  Kyniker  mit  un- 
geheuren, struppigen  Barten*")  waren  damals  in  Rom  gewöhnliche  Erscheinungen, 
und  unter  Domitian  wie  auch  unter  Trajan  wimmelte  dort  jeder  Stadtbezirk  von 
grämlich  aussehenden  Wüstlingen,  die  das  Wesen  der  Curier  zur  Schau  trugen 
und  deren  Leben  in  der  Tat  eine  Reihe  von  Orgien  war.    Diese  Heuchler  er- 

i)  Tac.  A.  XVI  32.  Juv.  3,  115  ff.  2;  Martial.  XI  56.  3)  Appian.  Mithridat.  28.  4)  Quintil. 
XII  3,  12;  vgl.  2,  9.  I  pr.  15.  5)  Schol.  Juv.  4,  53.  Cass.  Dio  LXVIII  i,  2  ev  oi(;  KOi  Iepa(;  (Zou- 
pai;  Merula)  f\v  6  qpi\6aoq)0(;;  vgl.  E.  Matthias,  Dissert.  philol.  Malens.  II  270.     6)  Martial.  XI 84,  7. 


in  Rom 


[iV.  3 1 2,  313]  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  263 

regten  den  Unwillen  ehrlicher  Leute  auch  durch  ihre  Unwissenheit,  trotz  der 
zahlreichen  Gipsbüsten  von  Chrysipp  und  andern  Philosophen,  mit  denen  sie 
ihre  Bücherbretter  schmückten.  Sie  waren  wortkarg  bis  zur  Stummheit  und 
trugen  das  Haar  noch  kürzer  geschoren  als  die  Augenbrauen;  doch  mancher 
von  diesen  Stoikern,  die  gleich  einem  dritten  Cato  gegen  den  Sittenverfall  der 
Mitwelt  predigten,  verriet  seine  Üppigkeit  durch  die  ausgesuchten  Wohlgerüche, 
mit  denen  er  seinen  behaarten  Hals  einrieb^). 

Wenn  nun  schon  in  der  Weltstadt  Rom  die  Zahl  der  Philosophen  und  After-  und  Griechen- 
philosophenso  groß,  ihr  Treibenin  jenembunten  Gewühl,  jenem  rastlosenDrängen  '"°<^  ~ 
in  die  Augen  fallend  genug  war,  um  in  so  hohem  Grade  Aufmerksamkeit  und 
Kritik  auf  sich  zu  ziehen,  um  wie  viel  mehr  in  der  provinziellen,  der  Beschau- 
lichkeit so  viel  günstigeren  Stille  von  Griechenland,  das  doch  nach  wie  vor  die 
wahre  Heimat  der  Philosophie  und  der  Philosophen  war  und  bis  zum  Unter- 
gange der  antiken  Kultur  blieb "").  Schon  Dio  von  Prusa  sagt  an  den  oben  an- 
geführten Stellen,  daß  man  die  Philosophentracht  überall  erblicke,  daß  die  Zahl 
derer,  die  sie  tragen,  fast  größer  sei  als  die  der  Schuster  oder  Walker  oder 
Spaßmacher  oder  der  Anhänger  irgend  eines  andern  Gewerbes;  aber,  setzt  er 
hinzu,  wenn  wir  auch  die  Tracht  des  Sokrates  oder  Diogenes  tragen,  stehen 
wir  freilich  an  Weisheit  weit  hinter  ihnen  zurück^).  Wenn  nun  die  Philosophie 
im  Kulturleben  des  damaligen  Griechenland  einen  so  breiten  Raum  einnahm, 
blieb  doch  selbstverständlich  die  Zahl  der  wahren  Philosophen  klein,  die  über- 
wiegende Mehrzahl  war  es  nur,  wie  Epictet  sagt,  mit  Worten,  nicht  mit  der 
Tat*);  aber  freilich  Keßen  die  Gegner  es  sich  nicht  nehmen,  gerade  auf  den 
Lebenswandel  dieser  bloßen  Bart-  und  Mantelphilosophen  hinzuweisen,  um  die 
Unfruchtbarkeit  der  Philosophie  für  sittliche  Vervollkommnung  darzutun ^). 

Die  größte  Ausbreitung  gewann  mit  der  Philosophie  auch  die  Afterphilo-  namentlich  un- 
sophie  unter  Marc  Aurel.  In  Rom  klagten  wahre  Philosophen  wie  der  Freund  *^^''  ^^^^'^  Aurei. 
des  Gellius,  Macedo,  daß  Faulenzer  mit  Barten  und  Mänteln  den  Gehalt  der 
Philosophie  in  Wortkünsteleien  verflüchtigten  und  beredte  Predigten  gegen  die 
Laster  hielten,  von  denen  sie  selbst  im  Innersten  angefressen  waren^j.  In  Afrika 
äußerte  Apulejus  schon  unter  Antoninus  den  Wunsch,  es  möchte  nicht  jeder- 
mann gestattet  sein,  die  Maske  der  Philosophie  vorzunehmen,  damit  nicht  rohe, 
schmutzige,  ungebildete  Menschen  die  königliche  Wissenschaft,  welche  ^ieRede 
wie  das  Leben  edel  gestalten  lehre,  durch  üble  Reden  und  einen  ebensolchen 
Lebenswandel  beflecken  könnten.  Wenn  er  dann  Frechheit  im  Schimpfen  und 
Gemeinheit  der  Sitten  und  der  äußern  Erscheinung  als  die  Haupteigenschaften 
dieser  Afterphilosophen  hervorhebt,  so  ist  offenbar,  daß  er  vorzugsweise  oder 
ausschließlich  an  Kyniker  dachte^),  die  nach  seiner  Ansicht  tief  unter  den  Plato- 
nikern  standen^).    Vor  allem  in  Griechenland  erblickte  man  nach  Lucian  auf 


i)  Juvenal.  2,  i — 43.    Martial.  IX  47.     Dagegen  hat  Martial  vielleicht  den  offenbar  allgemein 
bekannten  Fronto  (XIV  106)  als  einen  echten  Stoiker  anerkannt.  2)  Julian,  orat.  3  p.  119  B: 

ouKOUv  ouöe  eS  'EXXrivuuv  TravTeXujc;  oi'xeTai  cpiXocfoqpia,  ovbe  etiriAiTre  rac,  'AQr\vac,  ovbe  Trjv 
lTrdpTr)v  ou&e  rfiv  Köpiv9ov,  r^KiöTa  6e  eaxi  (toutoiv)  tüljv  tttiyujv  eKriTi  t6  "ApYOq  ttoXuöiViov  ktA.. 
3)  Dio  Chr.  or.  55,  4.  16  (II  185.  189  Arn.).  Oben  S.  255.  4)  Gell.  XVII  19,  i.  5)  Epictet.  D. 
IV  8,  9.  6)  Gell.  XIII  8,  4f.  7)  Apulei.  Florida  7.  8)  Apulei.  Apol.  39:  u(rum  igitur putas 
pkilosopho  noti  secundum  Cynicam  temeritatem  rudi  et  indocto,  sed  qtii  se  Piatonicae  scolae  meminerit, 
titrum  ei  putas  turpe  scire  isla  an  nescire  usw. 


204  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  314] 

allen  Straßen  und  Plätzen  lange  Barte,  Bücherrollen,  abgetragene  Mäntel  und 
große  Stöcke  in  Masse;  Schuster  und  Zimmerleute  verließen  ihr  Werkstatt,  um 
als  Kyniker  ein  faules  Bettlerieben  zu  führen').  Die  Entwürdigung  der  Philo- 
sophie durch  den  Troß  ihrer  falschen  Jünger,  der  Mißbrauch,  der  mit  ihrem 
Namen  getrieben  wurde  und  der  die  Nichtphilosophen  am  meisten  erbitterte'), 
verstärkte  natürlich  die  Reihen  ihrer  Gegner  und  gab  diesen  leichtes  Spiel. 
Lucian  hat  es  sich  zur  besondern  Aufgabe  gemacht,  das  Treiben  dieser  Men- 
schen dem  Hohne  der  Mitwelt  preiszugeben.  Sie,  die  Verachtung  des  Gelds 
und  des  Ruhms  und  Leidenschaftslosigkeit  lehrten  und  Tugend  als  einziges  Gut 
priesen,  unterrichteten  für  Geld,  krochen  vor  den  Reichen,  waren  zorniger  als 
bissige  Hunde,  feiger  als  Hasen,  schmeichlerischer  als  Affen,  gröber  als  Esel, 
räuberischer  als  Marder,  streitsüchtiger  als  Hähne  ^j.  Dabei  schmähte  jede 
Schule  die  andern.  Die  Stoiker  erklärten  die  Epikureer  für  Wollüstlinge,  die 
Peripatetiker  für  zänkisch  und  geldgierig,  die  Platoniker  für  hoffärtig  und  ehr- 
süchtig, und  ihnen  wiederum  wurden  von  den  übrigen  Wuchergeschäfte,  Streit- 
sucht und  andre  Laster  vorgeworfen'*).  Gerieten  die  Anhänger  der  verschiednen 
Schulen  in  Streit,  so  gab  es  keine  Schandtat,  deren  sie  einander  nicht  anklagten^). 
Wenn  manche  dann  noch  zur  Beschönigung  ihrer  Laster  sich  auf  die  alten 
Philosophen  beriefen,  wie  namentlich  Platoniker  den  Ehebruch  nach  Piatos 
Republik,  die  Trunksucht  nach  seinen  »Gesetzen«  entschuldigten^  so  war  es 
kein  Wunder,  wenn  viele  geradezu  behaupteten,  die  ausschließliche  Vertiefung 
in  philosophische  Bücher  leite  vom  vernünftigen  Denken  ab^). 

Auch  Aristides  hat  in  der  bereits  angeführten  Rede,  von  der  Verteidigung 
zum  Angriff  übergehend,  die  Philosophen  als  eine  jeder  Tugend  bare,  mit  allen 
Lastern  behaftete  Menschenklasse  geschildert^).  Sie  behaupten,  dem  Zeus  nicht 
nachzustehen,  vermögen  aber  »dem  Obol«  durchaus  nicht  standzuhalten.  Sie 
schmähen  auf  die  übrigen  aus  bloßem  Neide;  hielte  man  ihnen  mitten  in  ihren 
Vorträgen  über  Enthaltsamkeit  Kuchen  und  Gebacknes  entgegen,  so  würden  sie 
die  Zunge  sinken  lassen  wie  Menelaos  das  Schwert,  als  er  die  Helena  erblickte. 
Wenn  sie  aber  Helena  sähen  —  oder  vielmehr  nur  eine  Magd  wie  die  Phrygierin 
bei  Menander  — ,  dann  würde  das  Gebaren  der  Satyrn  bei  Sophokles  gegen  das 
ihre  als  bloßer  Scherz  erscheinen.  Um  ihre  Untreue  und  Habsucht  zu  erkennen, 
braucht  man  ihnen  nichts  anzuvertrauen,  denn  sie  nehmen  schon  selbst,  soviel 
sie  können.  Das  Rauben  nennen  sie  teilen,  den  Neid  philosophische  Gesinnung, 
die  Dürftigkeit  Verachtung  des  Gelds.  Sie  rühmen  sich  der  Menschenliebe, 
haben  aber  noch  nie  einem  andern  genützt,  bringen  vielmehr  denen  Nachteil, 
die  sich  an  sie  wenden.  Während  sie  die  übrigen,  auch  wenn  sie  ihnen  begegnen, 
nicht  sehen,  reisen  sie  um  der  Reichen  willen  in  die  Fremde,  wie  die  Phryger 
zur  Olivenernte;  sie  wittern  sofort  ihre  Nähe,  bemächtigen  sich  ihrer  und  ver- 
heißen ihnen  die  Tugend  mitzuteilen.  Allen  übrigen  erwidern  sie  kaum  auf  eine 
Anrede  freundlich,  aber  die  Köche,  Bäcker  und  sonstigen  Diener  der  Reichen 
begrüßen  sie  schon  von  weitem,  noch  ehe  sie  genau  zu  erkennen  sind,  als  wären 

l)  Lucian.  Bis  accus.  6.  Oben  I  33  f..  2)  Epictet.  a.  a.  O.  Taurus  bei  Gell.  VII  lo,  5.  3)  Lucian. 
Piscator  34.  4)  Lucian.  Hermotim.  16  ff.  5)  Lucian.  Lapithae  32  ff.  6)  Lucian,  Fugitivi  18 
(oben  I  229).  Gell.  XV  2,  3.  7)  Lucian.  Lapithae  34.  8)  Aristid.  or.  46,  II  398  ff.  Dind.  Vgl. 
oben  S.  25  9  f. 


[IV.  315]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  265 

sie  eigens  dazu  aus  dem  Bett  aufgestanden.  Sie  drängen  sich  vor  den  Türen 
reicher  Häuser  und  verkehren  mehr  mit  den  Pförtnern  als  mit  den  Hausherren, 
indem  sie  ihre  Kriecherei  durch  Unverschämtheit  unterstützen.  Sieht  man  sie 
zum  erstenmal,  so  nehmen  sie  weniger  Anstand,  zu  fordern,  was  ihnen  nicht 
zukommt,  als  andre,  ihr  Eigentum  zurückzuverlangen.  Denn  dies  sind  ja  die, 
welche  die  Unverschämtheit  Freimütigkeit  nennen,  die  Gehässigkeit  Aufrichtig- 
keit, das  Nehmen  Menschenliebe.  Sie  fordern  zwar  kein  Geld,  verstehen  aber, 
es  zu  nehmen.  Schickt  man  ihnen  zu  wenig,  so  beharren  sie  bei  ihren  Grund- 
sätzen, kommt  ihnen  aber  ein  straffes  Beutelchen  vor  die  Augen,  dann  hat  Per- 
seus  die  Gorgo  überwältigt;  der  Vorwand  ist  äußerst  schlau:  »die  Frau  und  die 
Kinderchen«,  Ihre  Definition  der  Seelengröße  ist  in  der  Tat  ganz  neu,  daß  sie 
nämlich  nicht  darin  besteht,  Großes  hinzugeben,  sondern  nicht  Kleines  anzu- 
nehmen. Einige  haben  es  aber  bereits  zum  Grundsatze  gemacht,  die  Gabe  sich 
gefallen  zu  lassen  und  nach  dem  Empfange  zu  schmähen.  Indem  sie  zugleich 
wie  Parasiten  heucheln  und  wie  Höhere  sich  insolent  betragen,  verbinden  sie, 
gleich  den  Gottlosen  in  Palästina,  die  entgegengesetzten  Fehler,  Niedrigkeif 
und  Anmaßung');  und  wie  jene  entfernen  sie  sich  weit  von  dem  Wesen  der 
Hellenen,  namentlich  der  besseren,  indem  sie  im  übrigen  stummer  sind  als  ihr 
eigner  Schatten;  wenn  es  aber  auf  Schmähen  und  Verleumden  ankommt,  möchte 
man  sie  nicht  mit  dem  tönenden  Erz  zu  Dodona,  sondern  mit  den  im  Finstern 
summenden  Mücken  vergleichen.  Zu  dem  Notwendigen  mitzuwirken  sind  sie 
untüchtiger  als  irgend  jemand,  dagegen  ein  Haus  zu  durchspähen  und  in  Ver- 
wirrung zu  bringen  und  seine  Bewohner  aneinander  zu  hetzen  und  zu  erklären, 
daß  sie  selbst  alles  verwalten  würden,  das  verstehen  sie  wie  niemand  anders. 

Am  meisten  wurde  der  Name  der  Philosophie  durch  den  Troß  der  Kyniker  Die  Kyniker. 
in  Verachtung  gebracht,  deren  Name  und  Schule  nach  langer  Unterbrechung 
im  Anfange  der  christlichen  Zeitrechnung  wieder  auftaucht^).  Auch  unter  ihnen 
fehlte  es  nicht  an  edeln  Gestalten;  aber  namentlich  im  2.  Jahrhundert  wurde 
der  Kynismus  mehr  und  mehr  zu  einem  »Aushängeschild,  unter  dem  sich  eine 
Menge  unreiner  Elemente  versteckte«,  und  die  Masse  dieser  »Bettelmönche« 
des  Altertums  durch  Gemeinheit,  Widerlichkeit  und  Unverschämtheit  wenig- 
stens in  Griechenland  zu  einer  wahren  Landplage.  Eine  karikierende  Nach- 
ahmung des  Diogenes  und  Antisthenes  in  äußerer  Erscheinung,  Tracht  ^),  Lebens- 
weise und  Betragen,  das  war  alles,  worin  sich  die  auf  Bedürfnislosigkeit,  Welt- 
entsagung und  Erhebung  über  alle  menschlichen  Schwächen  beruhende  sittliche 
Freiheit  bei  nur  zu  vielen  bekundete,  die  man  an  dem  zerlumpten  Mantel  oder 
gar  einem  Bärenfell'*),  dem  unverschnittenen  Haar  und  Bart,  dem  Stab  (gelegent- 
lich auch  einer  Mörserkeule)^)  und  Ranzen  als  Kyniker  erkennen  sollte.  Die 
weltbürgerliche  Heimatlosigkeit  wurde  hier  zur  Landstreicherei,  die  Rückkehr 
zum  Naturzustande  zu  ekelhafter  Unflätigkeit,  von  der  Epictet  in  einem  beson- 
dern Vortrage  beweisen  zu  müssen  glaubte,  daß  sie  keineswegs  ein  Erfordernis 
für  Philosophen  sei^).  Die  Besitzlosigkeit  mußte  als  Vorwand  für  freche  Bettelei 
und  niedriges  Schmarotzertum  dienen,  die  Selbsternennung  zum  Erzieher  der 

l)  Vgl.  oben  S.  234.  2)  Zeller  III  1'*  S.  791  ff.  3)  Zum  Spott  über  die  äußere  Erscheinung  der 
Philosophen  vgl.  Geffcken,  Kynika  und  Verwandtes  (1909)  S.  53ff.  4)  Lucian.  Demonax  19. 
5)  ebd.  48.     6)  Epictet.  Diss.  IV  ii. 


266  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN          [IV.  316,  317] 

zurückgebliebenen  Menschheit  und  zum  Arzt  ihrer  Gebrechen  ZudringHchkeit 
und  Marktschreierei  rechtfertigen,  pöbelhafte  Grobheit  statt  derben  Humors 
den  Predigten  dieser  antiken  Kapuziner  zur  Würze  dienen. 

Die  Züge  zu  diesem  abschreckenden  Bilde,  das  Lucian  breit  ausgeführt  hat^), 
finden  sich  auch  bei  andern.  Schon  Petron  sagt,  daß  auch  die,  welche  ihr  Leben 
mit  dem  kynischen  Ranzen  hinbringen,  zuweilen  die  Wahrheit  für  Geld  zu  ver- 
kaufen pflegen^).  Epictet  stellt  dem  Ideal  des  Kynikers  »die  jetzigen«  gegen- 
über, die  »Hund'  um  die  Tische  des  Hausherrn«,  die  dem  Diogenes  in  nichts 
nachahmten  als  in  der  ungesittetsten  Zwanglosigkeit,  deren  ganzer  Kynismus  in 
Stab  und  Ranzen,  großen  Kinnbacken,  Schlingen  und  Einsacken,  grobem 
Schimpfen  und  Zurschaustellen  breiter  Schultern  bestand-).  Gellius  befand  sich 
einmal  bei  Herodes  Atticus,  als  ein  solcher  Bettler  mit  langem  Haar  und  bis 
über  den  Nabel  herabhängendem  Bart  an  diesen  herantrat  und  mit  ausgestreck- 
ter Hand  Geld  »zu  Brot«  verlangte.  Auf  die  Frage,  wer  er  sei,  antwortete  er 
grob:  ein  Philosoph,  das  sehe  man  ihm  ja  doch  an.  Jemand  aus  der  Umgebung 
des  Herodes  bemerkte,  er  sei  ein  Landstreicher  und  Taugenichts,  der  sich  in 
schmutzigen  Kneipen  umhertreibe  und  die,  welche  ihm  nichts  geben,  mit 
schmählichen  Schimpfreden  anfalle;  Herodes  ließ  ihm  jedoch  Geld  zu  Brot  für 
30  Tage  reichen'').  So  ist  denn  auch  an  der  Angabe  Lucians  nicht  zu  zweifeln, 
daß  entlaufne  Sklaven  und  Taugenichtse,  denen  ein  ehrlicher  Erwerb  durch  ein 
Handwerk  zu  sauer  war,  dieses  bequeme  und  einträgliche  Bettlerleben  wählten, 
das  ihnen  zugleich  die  Möglichkeit  gewährte,  unter  der  Philosophenmaske  ihren 
tierischen  Neigungen  zu  frönen.  Sie  brandschatzten  oder  schoren  nach  ihrem 
eignen  Ausdrucke  die  Schafe  überall  mit  gutem  Erfolg,  denn  die  meisten  gaben 
aus  Scheu  vor  der  ehrwürdigen  Tracht  oder  aus  Furcht  vor  ihren  Schmähungen; 
und  Lucian  behauptet  nicht  bloß,  daß  man  in  ihren  Ranzen  zuweilen  Goldstücke, 
Spiegel,  Salben  und  Würfel  fand,  sondern  auch,  daß  manche  so  viel  zusammen- 
bettelten, um  sich  Ländereien  und  Häuser  zu  kaufen  und  in  Üppigkeit  zu  leben ^j, 

Anerkennung       Obwohl  nun  also  in  der  griechischen  wie  in  der  römischen  Welt  in  den  ver- 
der  Philosophie   schiedensten  Bildungs-  und  Lebenskreisen  teils  gegen  die  Philosophie,  teils 
Sittlichkeit  bei  g^g^^  <^i^  Philosophen  berechtigte  und  unberechtigte  Abneigungen  der  mannig- 
dcn  Römern,   fachsten  Art  bestanden,  so  war  doch  offenbar  die  große  Mehrzahl  der  Gebildeten 
auch  in  Rom  und  den  westlichen  Ländern  von  der  Überzeugung  durchdrungen, 
daß  die  Philosophie  die  beste  Führerin  zur  höchsten  Sittlichkeit  sei,  und  schon 
die  bisher  geschilderte,  so  vielseitige  und  lebhafte,  ja  gereizte  Opposition  ist 
ohne  die  allgemeine  Verbreitung  dieser  Ansicht  nicht  denkbar,   sie  setzt  sie 
vielmehr  voraus.  Als  den  Vertreter  der  Anschauung,  die  im  späteren  römischen 
Altertum  die  meisten  Anhänger  zählte,  dürfen  wir  wohl  auch  hier  Cicero  an- 
sehen.   Nach  ihm^)  würde  es  allerdings  keiner  Philosophie  bedürfen,  wenn  die 
von  der  Natur  in  uns  gepflanzten  Keime  der  Tugend  sich  ungestört  entwickeln 

I)  Der  Entschluß,  den  Kynismus  schonungslos  zu  bekriegen,  scheint  um  die  Zeit,  als  Lucian 
die  > Philosoph en-Versteigerung€  veröffentlichte,  gereift  zu  sein.  Bernays,  Lukian  u.  die  Kyniker 
S.  48.  2  Petron.  sat.  14,  2.  3)  Epictet.  D.  III  22,  80  (oüöev  )ai|uoOvTai  6K6ivou(;  r\  ei'  Ti  äpa 
TTopöluve^  -^vjovTax].  4)  Gell.  IX  2.  5)  Lucian.  Fugitiv.  I2ff.;  Piscator  45.  6)  Cic.  Tusc.  III 
1-7- 


[IV.  31 8]  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  267 

könnten.  Da  wir  aber  von  Geburt  an  unaufhörlich  unter  dem  Einflüsse  falscher 
und  verkehrter  Vorstellungen  stehen,  sie  mit  der  Ammenmilch  einsaugen,  von 
Eltern,  Lehrern,  Dichtern,  endlich  dem  Volk,  in  dem  wir  leben,  immer  mehr 
mit  Irrtümern  angesteckt  werden:  so  bedürfen  wir  eine  Heilung  für  unsre  er- 
krankte und  verbildete  Seele:  und  diese  Herstellung  unsrer  natürlichen  Gesund- 
heit kann  uns  allein  die  Philosophie  geben. 

Dem  Gewichte  der  so  allgemein  anerkannten  Autorität  Ciceros,  der  ja  in  einer 
Schrift  »Hortensius<  als  Anwalt  der  Philosophie  gegenüber  der  Beredsamkeit 
aufgetreten  war,  konnten  sich  am  wenigsten  alle  diejenigen  entziehen,  die  in  der 
Beredsamkeit  das  Ziel  und  den  Inbegriff  aller  Bildung  erkannten.  Auch  Quin- 
tilian,  der,  den  Philosophen  feindlich  gesinnt,  die  Philosophie  als  Magd  der 
Beredsamkeit  zu  betrachten  geneigt  ist,  erkennt  doch  an,  daß  niemand  ohne 
die  Lehre  von  der  Tugend  und  Gerechtigkeit  sittlich  gut  sein  könne.  Die  Be- 
hauptung, daß  die  Tugend  ohne  Unterricht  erworben  werden  könne,  achtet  er 
kaum  einer  Widerlegung  wert.  Sein  idealer  Redner  soll  nach  seiner  allseitigen 
technischen  Ausbildung  eine  ebenso  allseitige  philosophische,  in  der  Physik 
(Naturphilosophie),  Dialektik  und  Ethik  erhalten').  Wenn  er  hinzufügt,  er  solle 
ein  Philosoph  sein,  der  sich  nicht  durch  Schuldisputationen,  sondern  durch 
Handlungen,  durch  tatsächliche  Beweise  seiner  Gesinnung  als  wahrhaft  bürger- 
licher Mann  zu  bewähren  habe:- so  werden  wir  daran  erinnert,  daß  allerdings 
nicht  bloß  über  die  Zwecke,  sondern  auch  über  das  wünschenswerte  Maß  der  Differenzen  über 
philosophischen  Bildung,  auch  unter  denen,  die  ihre  Notwendigkeit  oder  Nütz-  das  erforderliche 

, •   ,  ,     •  .  .1         •■      •     ,  ,17   ,      ,.  ..^  ^T    .  ,  •     1  Maß  philosophi- 

lichkeit  anerkannten,  m  der  romischen  Welt  die  größten  Meinungsverschieden-  ^^^^^j.  Biiduncr. 
heiten  herrschten.  Tacitus  äußert  sich  im  Sinne  jenes  starren  R'ömertums, 
\\  elches  das  Studium  der  griechischen  Schulweisheit  auf  ein  möglichst  geringes 
Maß  beschränkt  wissen  wollte').  Dagegen  genügt  es,  Nam.en  wie  Seneca,  Persius, 
Musonius  Rufus,  Marc  Aurel  zu  nennen,  zum  Beweise,  daß  auch  in  der  ge- 
bildeten römischen  Welt  die  Forderung  einer  vollen  Hingabe  an  die  Philosophie 
ihre  Vertreter  gehabt  hat.  Die  Philosophie,  sagt  Seneca,  läßt  sich  nicht  als 
Nebensache  behandeln.  Sie  ist  eine  gebietende  Herrin,  sie  spricht:  ich  nehme 
nicht  die  Zeit  an,  die  ihr  übrig  behaltet,  sondern  ihr  sollt  die  frei  haben,  die  ich 
euch  anweise.  Gibt  man  sich  ihr  ganz  hin,  richtet  auf  sie  den  ganzen  Geist, 
versagt  sich  allem  andern,  dann  kommt  man  allen  übrigen  Menschen  weit  voraus 
und  bleibt  hinter  den  Göttern  nicht  weit  zurück^].  Sie  ist  nicht  da,  um  den  Tag 
mit  einer  angenehmen  Unterhaltung  hinzubringen,  den  Müßiggängern  die 
Langeweile  zu  vertreiben:  sie  gestaltet  und  bildet  den  Geist,  ordnet  das  Leben, 
gibt  den  Handlungen  Richtung,  zeigt,  was  zu  tun  und  zu  lassen  ist,  sitzt  am 
Steuer  und  lenkt  durch  die  Gefahren  der  Wogen  die  Fahrt.  Ohne  sie  kann 
niemand  furchtlos,  niemand  ruhig  leben,  unzählige  Ereignisse  treten  zu  jeder 
Stunde  ein,  die  einen  Rat  erfordern,  den  man  von  ihr  holen  muß^).  In  zwei 
sehr  langen  Abhandlungen  hat  Seneca  die  (offenbar  viel  erörterte)  Frage  be- 
handelt, ob  für  das  Leben  der  paränetische  Teil  der  Moralphilosophie,  d.  h.  eine 
praktische,  die  Vorschriften  für  alle  wichtigen  Verhältnisse  enthaltende  Pflichten- 

i)  Quintilian.  Inst.  XII  2.       2)  Tac.  Agricola  4.       3   Seneca  ep.  53,  8  — 11  'dazu  Haupt,  Opusc. 
III  501).     4:  Seneca  ep.  16.  3. 


268  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [fV.  319] 

lehre  genüge,  oder  ob  diese  auf  ein  theoretisches  System  der  Grundsätze  oder 
Dogmen  begründet  werden  müsse,  aus  denen  die  Normen  des  Handelns  für 
alle  einzelnen  Fälle  sich  ergeben ').  Die  einen  erklärten  jenen  (den  paränetischen), 
die  andern  diesen  (den  dogmatischen)  Teil  für  entbehrlich:  Seneca  führt  aus, 
daß  die  volle  und  wahre  sittliche  Bildung  nur  durch  die  Verbindung  beider  er- 
reicht werden  könne.  Eine  auf  Prinzipien  begründete  Überzeugung  muß  die 
Basis  und  die  Quelle  aller  Handlungen  und  Gedanken,  diese  müssen  auf  ein 
festes  Ziel,  das  zu  erstrebende  höchste  Gut  gerichtet  sein,  wie  der  Lauf  der 
Schiffe  sich  nach  einem  Gestirn  richtet:  ohne  eine  solche  grundsätzliche  dogma- 
tische Überzeugung  ist  eine  unwandelbare  Beständigkeit  in  Tun  und  Denken 
unmöglich ;  sie  ist  auch  der  Boden,  in  dem  allein  die  Lebensregeln  der  Sitten- 
lehre wurzeln,  aus  dem  sie  allein  immer  neue  Lebenskraft  ziehen  können.  Aber 
auch  diese  speziellen  Regeln  sind  neben  jenen  allgemeinen  Grundsätzen  unent- 
behrlich. Umgeben  von  verkehrten  Vorstellungen,  von  Irrtümern  aller  Art, 
von  Lüge  und  Schein,  bedürfen  wir  einer  unablässigen  Einschärfung  auch  der 
bekannten  Wahrheiten,  mitten  in  dem  Getöse  des  Wahns  einer  warnenden  und 
mahnenden  Stimme,  in  dem  Brausen  der  Städte  eines  uns  zur  Seite  stehenden 
Erinnerers,  der  gegenüber  den  Lobrednern  des  Reichtums,  der  Macht  und 
Gunst  uns  die  dem  Studium  gewidmete  Ruhe  und  den  aus  der  Außenwelt  zu 
sich  selbst  zurückgekehrten  Geist  schätzen  iehrt.  Die  Philosophie  kann  uns 
allein  die  Gesundheit  der  Seele  geben""),  sie  ist  die  einzige  Lehrerin  der  höchsten 
Kunst,  der  Kunst  zu  leben  ^),  und  nicht  bloß  die  beste  Führerin  zur  SittHchkeit, 
sondern  auch  die  einzige :  es  gibt  keine  Tugend  ohne  Philosophie,  ebensowenig 
wie  Philosophie  ohne  Tugend'^). 

Wer  eine  so  völlige  Hingabe  an  die  Philosophie  verlangte  wie  Seneca,  der 
konnte  begreiflicherweise  ebensowenig  mit  dem  Eifer  ihrer  Jünger  als  mit  ihrer 
Zahl  leicht  zufrieden  sein.  Niemand,  so  klagt  er  (etwa  ums  Jahr  64),  kümmere 
sich  um  die  Philosophie,  außer  etwa  wenn  Schauspiele  einen  Aufschub  erleiden 
oder  ein  Regentag  eintrete,  an  dem  man  die  Zeit  töten  wolle ^);  in  den  Schulen 
der  Philosophen  wie  der  Rhetoren  sei  es  leer^;.  Doch  diese  Klagen  des  stets 
übertreibenden  Schriftstellers  würden  höchstens  beweisen,  daß  seine  idealen 
Anforderungen  unerfüllt  blieben.  Daß  in  der  Tat  die  Philosophie  auch  damals 
in  der  Jugend  der  höheren  Gesellschaft  zahlreiche  eifrige  Jünger  hatte,  zeigt  die 
Verbannung  des  Musonius  Rufus  im  Jahre  65,  den,  wie  Tacitus  sagt,  der  Ruhm 
seines  Namens  vertrieb,  da  er  auf  die  Bildung  der  Jugend  durch  Anleitung  zur 
Philosophie  wirkte^).  Natürlich  konnte  nur  eine  erhebliche  Anzahl  von  Schülern 
aus  den  höheren  Ständen^)  die  Aufmerksamkeit  und  den  Verdacht  der  Nero- 
nischen Regierung  erregen. 

Die  überwiegende  Mehrzahl  der  Philosophen,  die  in  Rom  und  andern  Städten 
des  Westens  (namentlich  in  Massilia,  einem  Hauptsitze  dieser  Studien  schon  in 
Strabos  Zeit^))  als  Lehrer  wirkten,  waren  allerdings  Griechen'"),  und  die  Aner- 

i)  Seneca  ep.  94.  95.  2)ebd.  15,  i.  3)ebd.  90,  27.  4)  ebd.  89,  8.  5)  Seneca  Nat.  qu.  VII  32,  i; 
über  die  Abfassungszeit  Gercke,  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XXII  1895  S.  311  f.  6)  Seneca  ep.  95,  23. 
7)  Tac.  A.  XV  71.  8)  Plin.  ep.  III  11,  5.  9;  Strabo  IV  i8r.  10)  Zeller  III  i"*  S.  556 f.  Der 
römische  Philosoph  Italicus  (6  |ud\i0Ta  öokAv  auxuJv  qpi\6aoqpo^  cTvai  Epictet.  Diss.  III  8,  7]  ist 
nach  Buechelers  ansprechender  Vermutung  (Rhein.  Mus.  XXXV  1880  S.  390  f.)  der  Dichter  Silius 


[IV.  320,  32 1]         XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  269 

kennung  der  Philosophie  als  einer  griechischen  Wissenschaft  zeigt  sich  auch 
darin,  daß  ein  großer  Teil  der  nichtgriechischen  Philosophen,  wie  die  beiden 
Sextier,  Cornutus,  Musonius  Rufus,  Favorinus,  Marc  Aurel,  zum  Teil  auch  Apu- 
lejus,  griechisch  schrieb.  Wie  sehr  sie  sich  jedoch  in  Rom  bereits  im  letzten  Teilnahme  der 
Jahrhundert. V.  Chr.  eingebürgert  hatte,  das  zeigt  nicht  nur  die  große  Anzahl  phUoTophie'^^'^ 
von  Anhängern,  Verehrern  und  Gönnern,  die  sie  in  der  gebildeten  Gesellschaft 
Roms  fand,  und  die  Entstehung  einer  römischen  philosophischen  Literatur: 
sondern  noch  weit  mehr  die  Bildung  der  römischen  Philosophenschule  der 
Sextier').  Sie  war  freilich  nur  eine  Form  des  Stoizismus,  wie  er  sich  im  römi-  ^'^  Schule 
sehen  Bewußtsein  gestaltete,  namentlich  insofern  sie  sich  entschieden  auf  die 
Sittenlehre  beschränkte,  mit  einer  asketischen,  aus  dem  Pythagoreismus  ent- 
lehnten Beimischung  (wie  der  Verwerfung  der  Fleischnahrung);  da  sie  also  mit 
dem  Stoizismus  und  Kynismus  des  i.  Jahrhunderts  im  wesentlichen  zusammen- 
traf, fehlte  die  Grundbedingung  ihrer  selbständigen  Existenz;  sie  löste  sich  nach 
kurzer  Zeit  auf,  und  ihre  Schüler  traten,  wie  Seneca,  in  die  große  stoische  Ge- 
meinschaft zurück,  aus  der  die  Sextier  ausgeschieden  waren.  Während  ihres 
Bestands  jedoch  hat  die  Schule  bedeutende  Vertreter  gehabt  und  bedeutende 
Wirkungen  geübt.  Zu  ihr  gehörten  außer  ihrem  Begründer  Q.  Sextius,  einem 
Mann  von  guter  Familie  (der  den  ihm  von  Julius  Cäsar  angebotenen  Senatoren- 
stand und  die  amtliche  Laufbahn  verschmähte,  um  ganz  der  Philosophie  zu 
leben),  und  seinem  Sohne  der  fruchtbare  Schriftsteller  Cornelius  Celsus,  der 
gelehrte  Grammatiker  L.  Crassicius  aus  Tarent  (der  seine  bedeutende  Lehr- 
tätigkeit aufgab,  um  dieser  Sekte  ganz  anzugehören)  und  Papirius  Fabianus, 
den  Seneca  als  junger  Mann  gehört  hatte  und  hoch  verehrte.  Er  nennt  ihn 
einen  wahren  Philosophen  nach  Art  der  Alten,  nicht  der  jetzigen  Katheder- 
philosophen, doch  rühmt  er  auch  seine  öffentlichen  Vorträge.  Man  fühlte  sich 
durch  seine  Ermahnungen  erhoben  und  zur  Nacheiferung  angeregt,  ohne  daß 
man  die  Hoffnung  verlor,  ihn  sogar  zu  übertreffen:  und  wenn  auch  im  allge- 
meinen seine  Zuhörer  ein  bescheidnes  Schweigen  beobachteten,  so  riß  sie  doch 
mitunter  die  Größe  seiner  Gesinnung  zu  begeistertem  Beifalle  hin''). 

Von  den  Systemen  der  griechischen  Moralphilosophie  war  unzweifelhaft  der  Verbreitung  des 
Stoizismus  dem  römischen  Nationalcharakter  am  meisten  homogen  und  zählte  ^'o'^is"^"^  — 
daher  auch  unter  den  ernst  nach  sittlicher  Vervollkommnung  strebenden  Römern 
zu  allen  Zeiten  die  meisten  Anhänger.    In  der  langen  Reihe  hervorragender 
Persönlichkeiten  der  römischen  Geschichte,  die  wir  als  Stoiker  kennen,  erblicken 
wir  die  edelsten  Gestalten  dieser  Jahrhunderte  und  nicht  wenige,  die  durch  ihr 
Leben  und  ihren  Tod  den  Ernst  und  die  Aufrichtigkeit  der  aus  jener  Philosophie 
gewonnenen  Überzeugungen  betätigt  haben;  und  auch  die  uns  erhaltenen  philo- 
sophischen Werke  römischer  Schriftsteller  dieser  Periode  gehören  fast  aus- 
schließlich dieser  Schule  an^).    Daß  der  Epikureismus  zu  allen  Zeiten  nächst  Epikureismus  — 
dem  Stoizismus  wohl  die  zahlreichsten  Anhänger  hatte,  darf  man  auch  ohne 
ausdrückliche  Zeugnisse  von  seiner  Verbreitung  in  der  römischen  Welt  unter 

Italicus.    Daß  er  Stoiker  war,  kann  durch  die  von  Buecheler  angeführten  Gründe  als  so  gut  wie 
erwiesen  gelten. 

i)  Zeller  a.  a.  O.  S.  699 ff.     2)  Seneca  ep.  loo,  12.  52,  11.     3)  Inschriften  stoischer  Philosophen 
in  Rom  CIL  VI  9784.  9785  (=  Dessau  7779). 


270  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHkRIN  [IV.  322] 

dem  Kaisertume  voraussetzen^).  Daß  die  Epikureer  namentlich  im  öffentlichen 
Leben  nicht  hervortraten,  war  ja  in  der  Natur  dieser  Schule  begründet,  welche 
die  Verborgenheit  geflissentlich  suchte,  und  ihr  Bedürfnis,  ihr  System  in  der 
Literatur  geltend  zu  machen,  war  gering  und  hinlänglich  durch  ältere  Schriften 
befriedigt^), 
und  der  übrigen  Die  Übrigen  philosophischen  Schulen  waren  unter  den  Römern  zwar  ohne 
^^  ^™Wmern"  Zweifel  weniger  verbreitet,  ohne  Vertretung  aber  war  wohl  keine ^),  und  die 
eklektische  Richtung  der  Römer  brachte  es  mit  sich,  daß  jede  auch  außerhalb 
des  Kreises  ihrer  eigentlichen  Anhänger  Interesse  und  Anziehung  übte.  Die 
Vorträge,  die  der  Platoniker  Plutarch  noch  unter  Domitian  in  Rom  hielt,  wurden 
von  den  bedeutendsten  Männern  Roms  besuchf*];  und  mehrere  von  ihnen  traten 
mit  dem  hochverehrten  Philosophen  in  ein  dauerndes  Verhältnis,  wie  der  Kon- 
sular  L.  Mestrius  Florus^),  Q.  Sossius  Senecio  (Konsul  99  und  107),  dem  Plutarch 
einige  der  Biographien  berühmter  Männer  und  sonstige  Schriften  widmete^),  Fun- 
danus (ein  Schüler  des  Musonius^),  doch  wohl  Minicius  Fundanus  Konsul  107), 
Terentius  Priscus^)  (wohl  sicher  derselbe,  der  auch  Martials  Gönner  war)^)  und 
andre  ^°).  Gellius,  der  in  Athen  den  berühmten  Platoniker  Calvisius  Taurus ' ')  eifrig 
hörte,  gehörte  zu  einem  großen  Kreise  dort  studierender  Männer,  die  alle  die- 
selben Vorlesungen  besuchten").  Von  der  Stellung,  die  der  Kyniker  Demetrius 
in  der  Zeit  von  Nero  bis  Vespasian  in  Rom  einnahm,  wird  unten  die  Rede  sein.  Der 
Kyniker  Crescens,  dessen  Verleumdungen  der  Christen  Justinus  in  öffentlichen 
Vorträgen  zu  Rom  widerlegte,  soll  die  Verfolgung  und  Hinrichtung  des  letzteren 
wegen  seines  Bekenntnisses  herbeigeführt  haben  ^^).  Auch  der  Kyniker  Thea- 
genes,  ein  eifriger  Anhänger  des  Peregrinus  Proteus"*),  der  nach  Galens  Er- 
zählung an  der  falschen  Behandlung  des  Arztes  Attalus  (Schüler  des  Soranus), 
eines  »Esels  von  der  Sekte  des  Thessalus«,  starb,  war  zu  Rom  eine  sehr  be- 

l)  Zeller  a.  a.  O.  S.  ßSgf.  Außer  den  dort  genannten:  Der  "Verfasser  der  Ciris,  Skutsch,  Aus 
Vergils  Frühzeit  S.  47.  84.  Die  Dichter  Vergil,  Horaz,  Varius  (Qulntil.  VI  3,  78)  und  Quintilius 
(Varus),  A.  Körte,  Rhein.  Mus.  XLV  1890  S.  I72ff.  Ein  Senator  Pompedius  'ETTiKOupeioq  unter 
Caligula,  Joseph.  A.  J.  XIX  32.  Ein  C.  Stallius  Hauranus  ex  Epicureio  gaudivigente  choro  CIL  X 
2971  =  Buecheler,  Carm.  ep.  961.  Über  Lucilius  Junior  vgl.  Seneca  ep.  46,  l  (vgl.  unten  S.  309). 
Petron.  sat.  132,  15  nennt  Epikur/^zi'^r  <vm.  Inschrift  eines  epikureischen  Philosophen  in  Rom  CIL  VI 
37813,  eines  andern  aus  Rhodus  in  Brundisium  IG  XIV  674  =  CIL  IX  48  (Dessau  7780).  Ol  'A9ri- 
vriöiv  'EiTiKOupeioi  qpiXöooqpoi,  IGR III  733.  Epikureer  (iroXXoi  öe  r\OO.v)  als  Gegner  des  Alexander 
von  Abonuteichos,  besonders  in  Amastris,  Lucian.  Alexand.  25.  Fortdauer  des  Epikureismus  im 
4.  Jahrhundert  nach  Äußerungen  des  Hilarius  von  Poitiers:  A.  Zingerle,  Sitzungsber.  der  Wiener 
Akad.  CVIII  1884  S.  969.  Äußerungen  über  sein  Erlöschen  von  Gegnern  wie  Julianus  und  Augu- 
stinus (Usener,  Epicurea  p.  LXXVf.)  sind  mit  Vorsicht  aufzunehmen.  2)  Über  epikureische  Züge 
in  der  Weltanschauung  Senecas  E.  Howald,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXXV  1915  S.  353  ff. 
3)  Philosophen  ohne  Angabe  der  Schule  CIL  VI  9783  =  Dessau  7778  [lulio  luliano  viro  magno, 
philosopho  primo  aus  der  Zeit  des  Commodus,  vgl.  Bang,  Hermes  LIII  19 18  S  211  ff.).  IG  XIV 
1149,  I.  1887;  ein  [qpiX^oaoqpoc;  TrepmaTriTfiKÖq]  IG  XIV  1088.  4)  Vgl.  über  Plutarchs  römische 
Freunde  Hertzberg,  Gesch.  Griechenlands  unter  d.  Römern  II  179 ff.  5)  Plutarch,  Otho  14;  vgl. 
Quaest.  conviv.  I  9,  i.  III  4.  V  7.  VII  4.  6.    Prosop.  imp.  Rom.  II  370.  6)  Prosop.  imp.  Rom. 

in  255.  7)  Plut.  De  cohib.  ira  2,  vgl.  De  tranq.  an.  i.  Prosop.  imp.  Rom  II  377.  8  Plut.  De 
def.  orac.  I.  9)  Dessau,  Hermes  XLVI  191 1  S.  160.  10)  Paccius:  De  tranq.  an.  i;  Satuminus 
(Pompejus  Satuminus,  Prosopogr.  III  70  nr.  491  ?):  Adv.  Coloten  i;  Sextius  Sulla:  Plut  Rom.  15,  3. 
Prosopogr.  III  239  nr.  476.  11)  Vgl.  seine  dephische  Ehreninschrift  Dittenberger,  Syll.^  868. 

12)  Gell.  I  2,  I.  XVIIl  2,  2.  13)  Euseb.  hist.  eccl.  IV  16.  Hicron.  De  vir.  ill.  23  u.  a.  14)  Lucian. 
Peregrin.  4  ff.  Bernays,  Lukian  und  die  Kyniker  S.  14  ff. 


[IV.  323]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  271 

kannte  Persönlichkeit,  da  er  täglich  in  den  Thermen  des  Trajan  disputierte. 
Als  Attalus  mit  zahlreichen  Freunden  des  Patienten  in  dessen  Haus  trat,  um 
ihnen  denselben  als  Rekonvaleszenten  zu  zeigen,  waren  Kyniker  und  andre 
Philosophen  gerade  beschäftigt,  die  Leiche  des  Philosophen  zu  waschen,  der 
nach  den  Grundsätzen  seiner  Schule  weder  Sklaven  noch  Familie  hatte').  Galen 
begründete  seinen  Ruf  in  Rom  (im  Jahre  162)^)  durch  die  Herstellung  des 
62  jährigen  Peripatetikers  Eudemus^).  Diesen  besuchten  während  seiner  Krank- 
heit »fast  alle  durch  Rang  und  Bildung  hervorragenden  Männer«,  namentlich 
Sergius  PauUus  (zum  zweiten  Male  Konsul  168,  auch  Stadtpräfekt)"*),  »ein  durch 
philosophische  Bildung  und  Handlungsweise  ausgezeichneter  Mann«^),  und  der 
Konsular  Flavius  Boethus,  der  eifrig  dem  Studium  der  Aristotelischen  Philo- 
sophie ergeben  war^).  Dieser,  sowie  (M.  Ceionius)  Civica  Barbarus,  Konsul  157, 
Oheim  des  Lucius  Verus,  und  der  gleichfalls  als  Aristoteliker  bezeichnete^) 
Cn,  Claudius  Severus  (Konsul  163  und  173)  ließen  sich  von  Galen  anato- 
mische Vorträge  halten;  denselben  wohnten  (außer  andern  Philosophen)  der 
(mehr  dem  Aristoteles  als  dem  Plato  anhängende)  Peripatetiker  Alexander  aus 
Damascus  (im  Jahre  162  Lehrer  des  Boethus,  etwa  175  öffentlicher  Lehrer 
zu  Athen) ^)  und  Demetrius  aus  Alexandria  bei,  der  letztere  ein  Freund  des 
Favorinus,  der  täglich  öffentlich  in  der  Weise  seines  Lehrers  über  vorgelegte 
Themata  sprach^).  Favorinus  selbst,  der  Skeptiker  war,  stand  bei  Hadrian  in 
Gunst  und  versammelte  u  iter  ihm  und  seinem  Nachfolger  eine  große  Anzahl 
von  Schülern  und  Bewunderern,  zum  Teil  von  hohem  Stande'").  Gellius,  der 
sich  an  ihn  hauptsächlich  anschloß,  erwähnt  als  seine  Freunde  einen  Peri- 
patetiker und  einen  Stoiker,  »beides  zu  Rom  angesehene  Philosophen«");  in 
einer  gelehrten  Gesellschaft,  in  welcher  Gellius  einmal  die  heißeste  Sommer- 
zeit in  Tibur  verbrachte,  war  auch  ein  Peripatetiker,  der  den  Aristoteles  eifrig 
studierte").  Fronto  empfiehlt  dem  Q.  Egrilius  Plarianus  (Legat  von  Afrika  im 
Jahre  159)'^)  als  einem  Freunde  und  Kenner  der  Philosophie  den  Platoniker 
Julius  Aquilinus,  dessen  Vorträge  in  Rom  den  größten  Zulauf  gehabt  und  bei 
sehr  vielen  Männern  des  Senatorenstands  Beifall  gefunden  und  Bewunderung 
erregt  hatten '"*).  Apulejus  rühmt  (etwa  158)  den  Prokonsul  von  Afrika,  Claudius 
Maximus,  als  Kenner  der  Werke  Piatos  im  Original'^).  Alexander  von  Aphro- 
disias  spricht  (zwischen  198  und  211)  den  Kaisern  Severus  und  Caracalla  in  der 
Widmung  einer  Schrift  seinen  Dank  für  seine  Ernennung  oder  Bestätigung  als 
Lehrer  der  Aristotelischen  Philosophie  (in  Athen)  aus  und  rühmt,  daß  sie  die 
Philosophie  wahrhaft  ehren  und  fördern'^).  Der  erste  Gordian  verbrachte,  wie 
sein  Biograph  sagt,  sein  ganzes  Leben  in  der  Gesellschaft  der  Alten,  des  Plato 
und  des  Aristoteles,  des  Cicero  und  Vergil'^). 

l)  Galen.  X  909  ff.  (unter  Septimius  Severus  geschrieben,  Ilberg,  Rhein.  Mus.  XLIV  1889  S.  223. 
229).  2)  Ilberg,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XV  1905  S.  286  f.  3)  Galen.  XIV  605  ff.  4)  Prosop. 
imp.  Rom.  III  221  f.  5)  Galen.  II  218.  6)  ebd.  XTX  13.  7)  ebd.  XIV  6i2f.,  vgl.  über  die  Person 
Prosop.  I  398  f.  und  oben  S.  253.  8)  Gercke,  Real-Encykl.  I  1452  f.  9)  Galen.  XIV  627.  10)  Phi- 
lostrat. Vit.  soph.  I  8,  4.  Gell.  XII  i,  1—3.  11)  Gell.  XVKI  i,  i.  12)  Gell.  XIX  5,  2.  13)  Groag. 
Real-Encykl.  V  201 1.  14)  Fronto  ad  amicos  14  p.  176  f.  Naber;  dazu  Klein,  Rhein.  Mus.  XXXI 
1876  S.  639  f.  Vgl.  unten  S.  280  A.  4.  15)  Apulei.  apol.  64;  vgl.  Rohde,  Kl.  Schrift.  II  44.  Groag, 
Real-Encykl.  III  2773.  16)  Alex.  Aphrodis.  de  fato  i  p.  164  Bruns  (Suppl.  Aristot.  II  2).  17)  Hist. 
aug.  Gordian.  7,  i. 


2-2  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  324] 

Diese  im  \'erhältnis  zu  der  Dürftigkeit  unserer  Kenntnis  der  damaligen  gei- 
stigen Zustände  zahlreichen  Erwähnungen  philosophischer  Studien  in  Rom. 
sowie  andre  gelegentliche  Nachrichten  (wie  z.  B.  daß  in  Trajans  Zeit  dort  bei 
Mahlzeiten  zur  Unterhaltung  der  Gäste  Platonische  Dialoge  aufgeführt  wurden)^). 
lassen  uns  die  Vorstellung  gewinnen,  daß  in  den  höheren  Ständen  Roms  seit 
dem  Ende  des  i.  Jahrhunderts  ein  reges  und  vielseitiges  Interesse  für  Philo- 
sophie verbreitet  war.  und  die  Berichte  des  Porphyrius  über  die  Erfolge  cles 
Plotin  in  Rom  zeigen,  daß  es  noch  bis  tief  ins  3.  Jahrhundert  lebendig 
blieb  ^K 
Beginn  des  philo-  Die  philosophischen  Lehrjahre  begannen  für  die  meisten  jungen  Männer  nach 
sophi5chen  Lnter-  ßgenclisaina-  des  orammatischen  und  rhetorischen  Unterrichts^).  Gellius,  der  diese 

nchts  gewohnhcti  &       &  &  _  .  7  . 

im  ersten  Jäng-  Studien  ungewöhnlich  lange  fortsetzte,  schemt  erst  im  Alter  von  etwa  30  Jahren 
lingsalisr.  5}^^  der  Philosophie  zugewandt  zu  haben*;,  während  Marc  Aurel  seine  philo- 
sophischen Studien  im  zwölften  Jahre  ungewöhnlich  früh  begann^).  Die  große 
Mehrzahl  dürfte  mit  der  Anlegung  der  Männertoga  in  die  Schule  eingetreten 
sein,  die  ihre  Zöglinge  zur  sittlichen  Mündigkeit  entließ,  unter  die  Männer  im 
höheren  Sinne  des  Worts  versetzte^].  Persius,  der  im  Alter  von  sechzehn  Jahren 
die  Bulla  und  das  Knabenkleid  ablegte,  empfand  nun,  da  ihm  die  weiße  Toga 
gestattete,  seine  Augen  in  dem  verwirrenden  Gewühl  Roms  überall  frei  umher- 
schweifen zu  lassen,  lebhaft  das  Bedürfnis,  einem  bewährten  Führer  zu  folgen, 
um  in  dem  Labyrinth  der  vor  ihm  liegenden  verschlungenen  Pfade  den  Weg 
des  Lebens  richtig  zu  wählen;  er  schloß  sich  aufs  engste  an  Cornutus  an^j. 
Auch  Seneca  stand  im  ersten  Jünglingsalter,  als  er  die  Schule  des  zur  Sekte 
der  Sextier  gehörenden  Alexandriners  Sotion  besuchte^).  Plutarch  übersandte 
seine  Schrift  »Von  der  Kunst  des  Hörens«  einem  jungen  Freunde  mit  der  Er- 
innerung, daß  er  mit  Anlegung  der  Männertoga  aus  der  Obhut  der  früheren 
bezahlten  Lehrer  nun  in  die  der  Vernunft  als  einer  göttlichen  Führerin  des 
Lebens  eingetreten  sei:  den  wahren  Männerschmuck  vermöge  allein  die  Philo- 
Sophie  den  Jünglingen  anzulegen^;. 

Die  große  Mehrzahl  setzte  vermutlich  den  regelmäßigen  Besuch  philoso- 
phischer \'orlesungen  höchstens  bis  zur  Begründung  eines  eigenen  Hausstands 
fort,  obwohl  Plutarch  in  den  Sorgen  und  Geschäften,  die  dieser  mit  sich  brachte, 
keine  genügende  Entschuldigung  erkennen  wollte,  etwas  so  viel  Wichtigeres 
zu  vernachlässigen^").  Und  in  der  Tat  war  es  offenbar  nicht  ungewöhnlich,  ver- 

l)  Oben  I  252.  2  Porphyr.  Vit.  Plotini  7.  9.  Der  vornehme  Caeionius  Rufius  Albinus,  Stadt- 
präfekt  335 — 337,  heißt  in  der  Inschrift  CIL  VI  170S  =  Dessau  1222  phiicscphus  vgl.  Seeck, 
Hermes  XIX  1SS4  S.  190 f.".  Sidon.  Apollinar.  ep.  III  6.  2  an  Eutropius  praef.  praet.  Galliarum] 
consectanei  z-estri  Plotini  dogmatibtis  inhaertrites.  IV  i,  3  Probus):  tu  sub  Etiscbio  nostro  inier  Aristo- 
telicas  caiegorias  artifex  dialectictts  atticissabas.  IV  1 1  Claudianus' :  qui  indesinentei-  salva  religione 
philosopharetur;  et  licet  crinem  barbamque  non  pasceret,  pallium  et  clavam  nunc  inrideret,  nun^  etiam 
execraretur,  a  collegio  tarnen  Covplatcnicoruvi  solo  hatiiu  ac  fide  dissociabatur.  Doch  Augustin. 
Conf.  r\'  16,  28  sagt,  daß  die  Kategorien  des  Aristoteles  kaum  von  den  magisfris  eruditissimis  — 
multa  in  pulvere  depingentibus  verstanden  würden.  3'  QuLntilian.  XII  prooem.  3:  crator  a  dicendi 
magistris  dimissus  —  maiora  sibi  auxilia  ex  ipsis  sapicntiae  penetralibus  petif.  Paulus  Aegin.  de  art. 
med.  I  14  [oben  I  176,  bezeichnet  die  Jahre  vom  14.  bis  zum  20.  als  die  Zeit  des  Unterrichts  in 
der  Mathematik  luid  Philosophie.  4  S.  Anhang  XXI.  5  Hist.  aug.  M.  Aurel.  2,  6.  6)  Seneci 
ep,  4.  2.  7'  Fers.  Sat.  5.  30  ff.,  vgl.  Vita  Pers.  p.  64,  14  Leo.  8}  Seneca  ep.  49,  2  [puer].  108,  17 
iuvenis],     9   Plutarch.  De  audiendo  i  f.      10   Plut.  de  cupid.  divit.  7. 


[IV.  325,  326]         XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  273 

heiratete  und  ältere  Männer  in  die  Philosophenschule  gehen  zu  sehen';;  Seneca 
war  schon  ein  Sechziger,  als  er  in  Neapel  den  Philosophen  Metronax  hörte.  Er 
schreibt  an  Luciiius,  er  gehe  nun  bereits  den  fünften  Tag  in  die  Schule,  um 
Metronax  am  Nachmittag  (von  der  achten  Stunde  ab]  vortragen  zu  hören:  diese 
Schule,  sagt  er,  läßt  jedes  Alter  zu;  soll  ich  etwa  erröten,  zu  einem  Philosophen 
zu  gehen  ?  Freilich  ist  sie  sehr  wenig  besucht,  während  das  Theater,  in  dem 
gleichzeitig  musikalische  Wettkämpfe  stattfinden,  gedrängt  voll  ist,  und  die 
Schüler  des  Metronax  werden  als  Toren  und  Müßiggänger  verspottet^]. 

Der  philosophische  Unterricht  bezog  sich  auf  die  drei  Abteilungen  der  Philo- 
sophie, die  alle  Schulen  anerkannten,  Logik,  Physik  und  Ethik.  Nur  die  Plato- 
niker  verbanden  damit  auch  damals  noch,  wie  es  scheint  in  der  Regel,  das 
Studium  der  Mathematik;  in  ihren  Studierzimmern  sah  man  Figurentafeln, 
Kugeln  u.  dgl.  ^j,  in  ihren  Auditorien  äußerten  die  Schüler  ihre  Wißbegier  durch 
gelehrte  mathematische  Fragen"*).  In  der  stoischen  Schule,  über  welche  wir  Logik  und 
aus  jener  Zeit  die  meisten  Nachrichten  haben,  wurde  in  der  Regel  mit  der  Logik  ^^i^^^'^^"'^'- 
(und  Dialektik;  angefangen^),  wenn  auch  die  stoischen  Autoritäten  über  die 
Reihenfolge  beim  Unterricht  nicht  übereinstimmen.  Seneca  nennt  die  Logik  die 
>ABCschule«  der  Philosophen^).  Obwohl  der  Stoizismus  und  die  Philosophie 
überhaupt  damals  die  Ethil^  so  sehr  zum  Hauptgegenstande  und  Zwecke  des 
Unterrichts  machte,  daß  die  beiden  andern  Teile  neben  ihr  als  nicht  bloß  unter- 
geordnet, sondern  selbst  mehr  oder  weniger  entbehrlich  erscheinen  konnten'';, 
hielten  doch  auch  Männer  wie  Musonius  Rufus^]  und  Epictet^),  wie  sehr  sie  als 
alleinigen  Zweck  der  Philosophie  die  sittliche  Bildung  betrachten,  und  wie  wenig 
Interesse  sie  auch  an  logischen  und  dialektischen  Erörterungen  nehmen  moch- 
ten'"), die  Logik  als  Grundlage  des  philosophischen  Studiums  für  unerläßlich; 
noch  weniger  konnte  über  ihre  Notwendigkeit  und  Nützlichkeit  für  eine  allge- 
meine wissenschaftliche  Bildung,  namentlich  bei  solchen,  die  sich  der  Bered- 
samkeit widmeten,  ein  Zweifel  sein. 

Dieses  trockne  Studium  war  nun  für  Scharfsinnige,  vollends  wenn  sie  zur 
Spitzfindigkeit  neigten,  um  so  anziehender,  als  man  mit  der  Virtuosität  in  der 
Handhabung  logischer  Formen  in  Disputationen  und  sonst  leicht  glänzen  konnte. 
Hat  man  sich,  sagt  Gellius,  in  diese  anfangs  abschreckende  Wissenschaft  erst 
eingelassen,  so  leuchtet  ihr  Nutzen  je  länger  je  mehr  ein,  und  es  entsteht 
eine  unersätdiche  Lust  zum  Lernen,  der  man  Einhalt  tun  muß,  weil  man  sonst 
in  Gefahr  gerät,  in  jenen  labyrinthischen  Irrgängen  der  Dialektik  wie  an  den 
Inseln  der  Sirenen  sein  Leben  zu  verbringen").  Das  Schlimmste  an  den  Sophis- 
men, sagt  Seneca,  ist,  daß  sie  einen  gewissen  Reiz  ausüben  und  den  durch  den 
Schein  des  Scharfsinns  verlockten  Geist  aufhalten  und  fesseln,  während  eine 
solche  Menge  von  wichtigeren  Dingen  uns  weiter  ruft  und  kaum  das  ganze 

i)  Plutarch  erzählt  z.  B.,  wie  Anilenus  Rusticus  in  Rom  in  einer  seiner  Vorlesungen  eine  kaiser- 
liche Depesche  erhielt,  De  curiosit.  15.  2)  Seneca  ep.  76,  1—4.  3  Lucian.  Nigrin.  2.  4)  Plu- 
tarch. De  audiendo  10.^  Vgl.  Coni.  praec.  48;  De  adulat.  et  amico  7:  av  &e  '6  KoXat,  Oripeuri  91X6- 
XoTOv  KOI  qpiXo.uaeri  veov,  avdiq  ev  ßißXiOK;  ecTTi  koi  ttuuyiüv  -rroönpri«;  Kaeeixai  koi  Tpißuuvocpopia 
t6  xPt^MO  Km  äöiaqpopia  koi  6ia  aTojaoTOt;  01  xe  dpiOiaoi  koi  ra  öpeo-fuuvia  TpiYoiva  TTXaTuuvo!;. 
Vgl.  auch  Fers,  i,  131  ff.  5  Epictet.  D.  I  17,  6.  6,  Seneca  ep.  71,  6.  7)  M.  Aurel.  comm.  VII 
67.  8)  Epictet.  D.  I  7,  32.  9)  ebd.  I  17.  i  — 12.  II  25.  10I  Zeller  a.  a.  O.  S.  769.  11)  Gell. 
XVI  8,  16  f.  Vgl.  Epictet.  D.  H  23,  41. 

Fricdlaender,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl.  j3 


274  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  327] 

Leben  hinreicht,  das  Eine  zu  lernen  (was  der  Zweck  der  Philosophie  ist) :  das 
Leben  zu  verachten').  Derartige  Liebhabereien  und  Richtungen  fanden  in  einer 
umfangreichen  Literatur  reichliche  Nahrung,  zu  der  namentlich  die  älteren  Stoiker, 
die  sich  um  die  Auflösung  und  Widerlegung  der  von  den  Megarikern  aufge- 
stellten Fangschlüsse  bemühten,  beigetragen  hatten;  es  gab  eigne  Bücher  über 
solche  Fangschlüsse,  die  keinen  andern  Zweck  hatten^  als  einen  andern  in  Ver- 
legenheit zu  bringen,  wie  der  Haufenschluß  (wie  viel  Körner  machen  einen 
Haufen?),  der  Hörnerschluß  (hast  du  deine  Hörner  verloren:  im  Verneinungs- 
falle: also  hast  du  noch  Hörner;  im  Bejahungsfalle:  also  hast  du  sie  gehabt) 
und  dgl."").  Solche  Spielereien  eines  talmudischen  Witzes  wurden  auch  damals 
vielfach  ernsthaft  behandelt,  und  namentlich  von  jungen  Leuten  viel  Zeit  damit 
verschwendet.  Alle  Anfänger  in  der  Philosophie,  sagt  Plutarch,  legen  sich  am 
liebsten  auf  das,  was  Ruhm  bringt;  die  einen  schwingen  sich  aus  Leichtsinn 
und  Ehrgeiz  wie  Vögel  zum  Glanz  und  zur  Höhe  der  naturphilosophischen 
Spekulation  auf,  die  andern  gehen  auf  Disputationen,  schwierige  Fragen  und 
Sophismen  aus,  wie  (nach  Piatos  Ausdruck)  Hündchen  am  Zerren  und  Schleppen 
ihre  Freude  haben;  die  meisten  aber  vertiefen  sich  in  die  Dialektik,  um  sich 
mit  der  nötigen  Ausrüstung  für  die  Sophistik  zu  versorgen^).  Diesen  falschen 
Richtungen  der  Schüler,  die  ihren  Geist,  nicht  ihrpn  Charakter  bilden  wollten, 
kamen  leider,  wie  Seneca  sagt,  die  Lehrer  entgegen,  »die  uns  die  Kunst  des 
Disputierens  anstatt  die  des  Lebens  lehren«,  und  so  sei  die  Philosophie  zu  einer 
Wortwissenschaft  (Philologie)  geworden'^).  Durch  die  Aufnahme  dessen,  was 
in  der  Philologie  und  Mathematik  entbehrlich  ist,  habe  es  die  Philosophie  da- 
hin gebracht,  daß  sie  besser  zu  reden  als  zu  leben  verstehe^).  In  der  Klage, 
daß  zu  viel  Zeit  und  Kraft  an  Logik  und  Dialektik  verwandt  werde,  die  doch 
nur  Außenwerke  der  Weisheit  seien,  und  daß  die  Ethik  darunter  leide,  ver- 
einigten sich  Philosophen  und  Nichtphilosophen^).  Gegenwärtig,  sagt  z.  B. 
Epictet,  ist  der  größte  Fleiß  auf  die  Auflösung  von  Syllogismen  verwandt 
worden,  und  hierin  werden  Fortschritte  gemacht;  einst  verwandte  man  den 
größten  Fleiß  darauf,  den  besten  Teil  der  Seele  im  naturgemäßen  Zustande  zu 
erhalten,  und  es  wurden  darin  Fortschritte  gemacht^). 

Besonders  in  der  stoischen  Schule  war  das  Streben  vieler  Studierender  mehr 
oder  minder  ausschließlich  auf  Erwerbung  der  Virtuosität  in  dialektischer  Tech- 
nik und  Gelehrsamkeit  in  der  bezüglichen  Literatur  gerichtet.  Die  noch  in 
die  Schule  gehenden  oder  eben  aus  der  Schule  gekommenen  Pedanten,  die 
heute  schon  lehren  wollten,  was  sie  gestern  gelernt  hatten,  und  »unverdaute 
Brocken  vomierten«^),  alles  besser  wußten  als  andre  und  ihre  Lehrer  haupt- 
sächlich in  Tadelsucht  und  Rechthaberei  kopierten,  erscheinen  bei  den  Schrift- 
stellern des  2.  Jahrhunderts  nicht  selten  als  die  unerwünschten  Störer  der  ge- 
selligen Unterhaltungen  in  Griechenland.  Gab  es  doch,  wie  Epictet  sagt,  Leute, 
die  zu  keinem  andern  Zweck  philosophische  Vorträge  besuchten  und  Lehr- 
bücher studierten,  als  um  die  Bewunderung  eines  Senators  zu  erregen,  den  ihnen 
das  Glück  etwa  zum  Tischnachbar  geben  würde,   oder  um  die  Gäste  durch 

i)  Seneca  ep.  ill,  5.  2)  Zeller  II  i'*  S.  264  ff.  Andere  Beispiele  Seneca  de  benef.  VII  4,  7  f. 
7,  i;  ep.  48,  6.  3)  Plutarch.  De  prof.  in  virtute  7,  4)  Seneca  ep.  108,  23.  5)  ebd.  88,  42. 
6)  Gell.  II  8.     7)  Epictet.  D.  III  6,  3.     8)  ebd.  I  26,  16.  Plutarch.  De  prof.  in  virt.  8. 


[IV.  328,  329]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  275 

Aufzählung-  sämtlicher  Schriftsteller  in  Erstaunen  zu  setzen,  die  über  eine  ge- 
wisse Schlußform  geschrieben  hatten").  Gellius^)  fand  bei  einem  Besuche  des 
Herodes  Atticus  auf  seiner  Villa  am  Kephissos  einen  sehr  jugendlichen,  sehr 
redseligen  und  vorlauten  Stoiker,  der  gewöhnlich  in  den  Gesprächen  nach  der 
Tafel  das  Wort  ergriff,  um  überlange  und  geschmacklose  Vorträge  über  Philo- 
sophie zu  halten,  von  der  er  mehr  zu  verstehen  versicherte  als  alle  übrigen 
Griechen  und  Römer.  Er  warf  mit  unbekannten  Ausdrücken,  mit  Syllogismen 
und  Fangschlüssen  um  sich,  rühmte  sich,  daß  niemand  ihm  im  Auflösen  dialek- 
tischer Probleme  gleich  komme,  daß  niemand  wie  er  in  der  ganzen  Ethik  zu 
Hause  sei,  und  fühlte  sich  im  Besitz  der  wahren,  die  höchste  Seligkeit  verbür- 
genden Weisheit  so  unerschütterlich  sicher,  daß  er  erklärte,  kein  Kummer  oder 
Schmerz  vermöge  über  einen  Stoiker  auch  nur  so  viel,  um  die  Heiterkeit  seines 
Antlitzes  zu  umwölken.  Herodes  ließ  darauf  zu  seiner  Beschämung  eine  Stelle 
aus  Epictet  vorlesen,  worin  dieser  ehrwürdige  Greis  den  jungen  Leuten  eine 
gerechte  Strafrede  hält,  die  sich  Stoiker  nennen  und  sich  keineswegs  durch 
sittlichen  Wert  und  Gehalt  auszeichnen,  dagegen  fortwährend  läppische  Lehr- 
sätze und  den  Inhalt  elementarer  Schulbücher  im  Munde  führen  und  bei  dem 
Dunst  von  Worten  und  Spitzfindigkeiten,  den  sie  vor  den  Augen  der  Hörer 
erregen,  fälschlich  den  Namen  jener  erhabenen  Lehre  gebrauchen. 

DieNaturphilosophie (Physik) stand inzu engem Zusammenhangemitder Ethik,  Physik, 
um  nicht  wenigstens  bis  auf  einen  gewissen  Grad  in  dieser  mit  berücksichtigt 
zu  werden:  schon  die  Frage  nach  der  Vorsehung  konnte  eigentlich  nur  zugleich 
mit  der  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Dinge  und  der  Ordnung  des  Weltganzen 
erledigt  werden^).  Je  einseitiger  und  ausschließlicher  aber  die  Konzentration 
auf  die  sittliche  Aufgabe  der  Philosophie  war,  desto  geringere  Beachtung  wurde 
auch  dieser  Disziplin  geschenkt,  und  die  Ansicht  des  Sokrates,  daß  die  Unter- 
suchung über  die  letzten  Bestandteile  und  Gründe  der  Dinge  unser  Vermögen 
übersteige  und  keinesfalls  einen  praktischen  Wert  habe,  war  vermutlich  eine  weit 
verbreitete,  wie  sie  denn  auch  von  einer  so  hohen  Autorität  wie  Epictet  vertreten 
wurde"*).  Auch  Seneca,  der  selbst  für  die  naturwissenschaftliche  Spekulation 
Liebhaberei  und  Interesse  batte^  will  sie  doch  nur  insoweit  gelten  lassen,  als  sie 
zur  sittlichen  Vervollkommnung  beitragen  kann^).  Der  Geist  bedarf  der  Natur- 
betrachtung zu  seiner  Erholung,  und  sie  teilt  ihm  die  Erhabenheit  der  Gegen- 
stände mit,  mit  denen  sie  sich  beschäftigt.  »In  der  Betrachtung  der  Welt  und 
ihres  Urhebers  erhebe  man  sich  über  die  Bürde  des  Leibes,  man  lerne  seine 
höhere  Abkunft  und  Bestimmung  kennen,  den  Körper  und  das  Körperliche 
geringschätzen  und  sich  von  ihm  frei  machen.  Doch  freilich  ist  dabei  die  Ge- 
fahr, daß  der  Geist  sich  gewöhnt,  Heber  sich  zu  vergnügen  als  gesund  zu 
werden,  und  die  Philosophie  zu  einer  bloßen  Ergötzung  zu  machen,  während 
sie  doch  ein  Heilmittel  ist«^).  Daß  gerade  die  die  Phantasie  so  sehr  anregende 
Naturphilosophie  Dilettanten  anzog,  denen  es  um  philosophische  Bildung  Ernst 
war,  deutet  auch  Plutarch  an^).  Properz  wollte  sich  ihr  dann  zuwenden,  wenn 
das  Alter  ihn  zwingen  werde,  der  Liebe  zu  entsagen.    Dann  wollte  er  die  Ge- 

l)  Oben  I  263  f.  2)  Gell.  I  2.  3)  Quintilian.  XII  2,  20  f.  4)  Zeller  III  i*  S.  770.  5)  ebd. 
S.  725f.  6)  Seneca  ep.  117,  33;  N.  Qu.  I  prol.  i — 3.  12.  17.  II  i.  59,  2  u.  a.  7)  Plut.  de  profect. 
in  virt.  8. 

18* 


276 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  330] 


Ethik. 


Pflicht  und  Recht 
der  Lehrer,  den 
ganzen  Lebens- 
wandel der  Schü- 
ler zu  beaufsichti- 
gen und  zu  leiten. 


setze  der  Natur  kennen  lernen,  sich  über  die  Ursache  des  Mondwechsels,  der 
Luftveränderungen,  des  Regens,  des  Regenbogens,  der  Erdbeben,  der  Sonnen- 
finsternisse, der  Erscheinungen  des  Sternhimmels  und  des  Meers,  der  Jahres- 
zeiten belehren,  forschen,  welcher  Gott  dies  Weltgebäude  kunstvoll  regiere,  ob 
der  Welt  ein  Tag  des  Untergangs  bevorstehe,  ob  es  eine  Unterwelt  und  Höllen- 
strafen gebe  oder  mit  dem  Tode  das  Dasein  ende'). 

Immer  aber  traten  Physik  und  Logik  neben  der  Ethik  so  sehr  inden  Hintergrund, 
daß  die  letztere  als  der  wesentliche,  wenn  nicht  als  der  einzige  Inhalt  der  Philo- 
sophie erschien:  sie  wird  geradezu  die  Kunst,  die  Wissenschaft,  die  Richtschnur 
des  Lebens  genannt^).  Wenn  dies  nach  allem  Gesagten  kaum  noch  eines  Nach- 
weises bedarf,  so  ist  es  doch  vielleicht  nicht  überflüssig,  zu  zeigen,  wie  auch 
gerade  die  Erziehung  der  Jugend  zur  Sittlichkeit  ganz  allein  von  der  Philosophie 
erwartet  wurde.  Wie  Gymnastik  und  Heilkunde  für  die  Gesundheit  und  Kraft 
des  Körpers  sorgen,  sagt  Plutarch  in  seiner  Schrift  über  die  Erziehung^),  so 
heilt  die  Schwäche  und  Krankheit  der  Seele  allein  die  Philosophie.  Durch  sie 
und  mit  ihr  erkennt  man,  was  edel,  was  schändlich,  was  gerecht,  was  ungerecht, 
kurz,  was  zu  erstreben,  was  zu  vermeiden  ist;  wie  wir  uns  gegen  die  Götter,  die 
Eltern,  das  Alter,  die  Gesetze,  die  Fremden,  die  Herrscher,  die  Freunde,  die 
Frauen,  die  Kinder,  die  Sklaven  zu  verhalten  haben:  daß  wir  die  Götter  fürchten, 
die  Eltern  ehren,  das  Alter  achten,  den  Gesetzen  gehorchen,  den  Herrschern 
willfahren,  die  Freunde  lieben,  gegen  die  Frauen  züchtig  sein,  die  Kinder  mit 
Zärtlichkeit,  die  Sklaven  ohne  Übermut  behandeln  sollen;  hauptsächlich  aber 
daß  wir  weder  im  Glück  zu  sehr  frohlocken  noch  im  Unglück  niedergeschlagen 
sein,  daß  wir  uns  weder  von  der  Lust  überwältigen  lassen  noch  im  Zorn  leiden- 
schaftlich und  brutal  werden  sollen.  Dies  halte  ich  von  allen  Gütern,  die  wir 
durch  die  Philosophie  gewinnen,  für  die  vorzüglichsten.  Törichte  Eltern,  heißt 
es  an  einer  andern  Stelle'*),  die  es  versäumt  haben,  ihren  Kindern  eine  gute  Er- 
ziehung zu  geben,  bereuen  diese  Versäumnis  gewöhnlich  erst  dann,  wenn  die 
Söhne  ins  Jünglingsalter  treten  und  nun,  anstatt  ein  geregeltes  und  vernünftiges 
Leben  zu  führen,  sich  in  Ausschweifungen  und  niedrige  Lüste  stürzen,  Schma- 
rotzer und  andre  Jugendverderber  an  sich  ziehen,  Dirnen  halten,  mit  Schlem- 
merei, Würfelspiel,  Gelagen  das  Ihrige  verprassen,  Ehebrüche  und  andre 
Exzesse  begehen,  bei  denen  sie  um  ihrer  Lust  willen  das  Leben  aufs  Spiel 
setzen:  hätten  sie  den  Unterricht  eines  Philosophen  genossen,  so  würden  sie 
sich  solchem  Treiben  nicht  hingegeben  haben.  Wie  der  Landmann  oder  der 
Gärtner  das  Unkraut  aus  dem  Felde,  so  tilgt  der  Philosoph  die  bösen  Triebe 
des  Neids,  des  Geizes,  der  Wollust,  wenn  es  sein  muß  mit  tiefen  Schnitten,  die 
Narben  zurücklassen,  aus  der  jugendlichen  Seele;  in  andern  Fällen  verfährt  er 
behutsam  wie  der  Winzer  beim  Beschneiden  der  Reben,  um  nicht  mit  dem  Un- 
edeln  zugleich  das  Edle  auszurotten^). 

Überall,  wo  der  philosophische  Unterricht  so  aufgefaßt,  wo  der  Philosoph 
nicht  bloß  als  Lehrer,  sondern  ganz  vorzugsweise  als  Erzieher,  ja  geradezu  als 

l)  Prop.  ni  5,  23 — 46.  Ähnliche  Gedanken  kehren  in  der  augusteischen  Poesie  häufig  wieder, 
vgl.  Verg.  Georg.  II  475  ff.  Horat.  epist.  I  12,  16  ff.  Ovid.  met.  XV  67  ff.  Aetna  228  ff.  2)  V^endland. 
Quaest.  Musonianae  (Diss.  Eerol.  1886)  S.  12,  2.  3)  Plutarch.  De  educ.  puer.  10;  vgl.  dazu  F.  Glae- 
ser,  Dissertat.  philol.  Vindobon.  XII  1918  S.  51  ff.      4^  ebd.  7.       5)  Plutarch.  De  vitioso  pudore  2. 


ilV.  33i]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  277 

Seelsorger  seiner  Schüler  betrachtet  wurde,  galt  es  notwendigerweise  als  seine 
Pflicht,  deren  sittliches  Wohl  auch  außerhalb  des  eigentlichen  Unterrichts  auf 
jede  Weise  zu  fördern,  und  folglich  als  sein  Recht,  eine  Aufsicht  über  den 
ganzen  Lebenswandel  zu  führen,  sie  mit  Rat  und  Ermahnung,  Warnungen  und 
Vorwürfen,  mit  Milde  und  Strenge  auf  den  rechten  Weg  zu  leiten.  Allem  An- 
scheine nach  haben  auch  in  jener  Zeit  zahlreiche  hervorragende,  von  dem  Be- 
wußtsein der  hohen  Bedeutung  ihres  Amts  erfüllte  Männer,  mit  solchem  An- 
sehen ausgestattet,  auf  ganze  Generationen  die  größten  sitdichen  Wirkungen 
geübt,  um  so  mehr,  da  zu  den  berühmten  Lehrern  namentlich  in  Rom  und 
Athen,  die,  wie  Musonius,  die  Jugend  »von  allen  Seiten  wie  der  Magnet  das 
Eisen  an  sich  zogen«'),  die  Schüler  selbst  aus  weiter  Ferne  herbeiströmten. 
Ein  Teil  derselben  trat  zu  ihren  Lehrern  in  ein  näheres  Verhältnis,  das  oft  lange 
über  die  eigentlichen  Lehrjahre  hinaus,  ja  durch  das  ganze  Leben  fortdauerte. 
So  blieb  Persius  seit  seinem  siebzehnten  Jahre  mit  Cornutus  in  unzertrennlicher 
Freundschaft  verbunden  und  lernte  auch  dessen  übrige  Schüler  kennen,  darunter 
den  Dichter  Lucan  und  zwei  Griechen,  den  spartanischen  Arzt  Claudius  Aga- 
themerus  und  Petronius  Aristocrates  aus  Magnesia,  beides  sehr  gebildete  Männer, 
von  größter  Reinheit  der  Seele,  die  Persius  sich  zum  Muster  nahm.  Cornutus 
war  sein  Ratgeber  auch  bei  seinen  poetischen  Arbeiten  und  ward  von  ihm  in 
seinem  Testament  mit  einem  bedeutenden  Legat  bedacht^).  Persius  hat  seine 
Dankbarkeit  gegen  den  geliebten  Lehrer,  »dem  ein  so  großer  Teil  seiner  Seele 
ganz  gehörte  <,  in  Worten  voll  inniger  Empfindung  ausgesprochen:  mit  ihm, 
der  seine  zarten  Jahre  mit  Sokratischer  Liebe  gehegt,  seine  Seele  in  der  Zeit 
ihrer  Bildsamkeit  wie  ein  Künstler  den  weichen  Ton  geformt  hatte,  glaubte  er 
sich  durch  die  Bestimmung  der  Gestirne  für  immer  verbunden,  und  gerne  ge- 
dachte er  der  in  gemeinsamer  Arbeit  und  Erholung  verbrachten  Tage  und  der 
bis  zum  Anbruch  der  Nacht  verlängerten,  doch  bescheidenen  Mahlzeiten,  welche 
die  ernsten  Studien  unterbrachen  ^j.  Der  jüngere  Plinius  schloß  sich  in  Syrien 
als  Militärtribun  an  den  Stoiker  Artemidorus  an,  der  später  eine  Tochter  des 
Musonius  Rufus  heiratete,  und  bewahrte  ihm  eine  anhängliche  Ergebenheit, 
die  er  auch  in  der  Zeit  der  Gefahr  bewährte:  bei  der  Ausweisung  der  Philo- 
sophen aus  Rom  im  Jahre  93  lieh  er  ihm  eine  zur  Bezahlung  seiner  aus  den 
edelsten  Gründen  gemachten  Schulden  erforderliche  größere  Summe,  ohne 
Zinsen  zu  verlangen.  Noch  als  Konsular  schaute  er  zu  dem  verehrten  Lehrer 
wie  zu  einem  Vorbilde  auf  Unter  allen,  die  sich  jetzt  Philosophen  nennen, 
schreibt  er  im  Jahre  loi,  werde  man  kaum  einen  so  echten,  so  wahrhaften 
finden.  Seine  Standhaftigkeit  im  Ertragen  von  Hitze  und  Kälte,  in  Anstrengungen, 
seine  Beschränkung  in  Sinnengenüssen  auf  das  Notwendige,  seine  strenge  Selbst- 
zucht —  alles  dieses  erscheine  klein,  wenn  man  es  mit  seinen  übrigen  Tugenden 
vergleiche,  welche  einen  Musonius  bewogen,  ihn  vor  so  vielen  Schülern  aus 
allen  Ständen  als  Schwiegersohn  zu  wählen'*;. 

Ein  anziehendes  Bild  von  dem  Verhältnis  des  Platonischen  Philosophen  Cal- 
visius  Taurus  zu  seinen  Schülern  hat  Gellius  gegeben.    Taurus  gestattete  ihnen 


i)  Suid.  s.  MapKiavöc.        2)  Vita  Persii  p.  64f.  Leo.       3'  Pers.  5,  22  ff.  36—51.        4)  Plin.  ep. 
III  II. 


278  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  332,  333] 

nicht  bloß  oft,  nachdem  täglichen  Unterricht  Fragen  an  ihn  zu  richten^),  sondern 
lud  die  sich  enger  an  ihn  schließenden  häufig  zu  einer  frugalen  Abendmahl- 
zeit, wobei  ein  Gericht  von  ägyptischen  Linsen  und  gehacktem  Kürbis  mit  Ol 
bereitet  die  Hauptschüssel  zu  bilden  pflegte^).  Hier  mußten  die  Schüler  gleich- 
sam als  »Knabberwerk  zum  Nachtische"  Fragen  und  Probleme  vortragen,  be- 
sonders Spielereien,  wie  sie  den  von  Wein  belebten  Geistern  zusagten,  z.  B. 
in  welchem  Augenblick  ein  Sterbender  eigentlich  sterbe,  ein  Aufstehender  auf- 
stehe, ein  Lernender  seine  Kunst  verstehe:  dergleichen  Fragen  sollte  man  nicht 
verachten,  sagte  Taurus,  da  die  größten  Philosophen  sie  erörtert  hatten^).  In 
Krankheiten  besuchte  Taurus  seine  Schüler"*).  Seine  Mißbilligung  alles  dessen, 
was  ihm  an  ihrer  Lebens-  oder  Studienweise  mißfiel,  sprach  er  je  nach  den 
Umständen  mit  Freundlichkeit  oder  Strenge  aus.  Einem  reichen  jungen  Manne, 
der  mit  Flötenspielern  und  Tragöden  umzugehen  liebte,  sandte  er,  um  ihn  von 
dieser  Genossenschaft  abzuziehen,  eine  Stelle  aus  Aristoteles  über  den  sittlichen 
Unwert  der  meisten  solcher  Künstler  zu,  mit  der  Anweisung,  sie  täglich  zu 
lesen  ^).  Einen  andern,  der  plötzlich  vom  Studium  der  Beredsamkeit  zur  Philo- 
sophie überging,  fuhr  er  mit  harten  Worten  an  und  wurde  vollends  zornig,  als 
dieser  sich  mit  dem  Beispiel  andrer  verteidigte ;  was  ihm  auch  Veranlassung 
gab,  eine  schöne  hierauf  bezügliche  Stelle  aus  Demosthenes  anzuführen.  So. 
sagt  Gellius,  bediente  sich  Taurus  jeder  Art  von  Ermahnungen  und  Unterwei- 
sungen, um  seine  Schüler  zum  Guten  und  Rechten  anzuleiten^].  Nicht  weniger 
wirkte  er  ohne  Zweifel  durch  die  erziehende  Kraft  seines  Beispiels.  Wie  er  im 
Verkehr  mit  Vornehmen  seine  Würde  zu  wahren  wußte,  ohne  die  Schicklichkeit 
zu  verletzen,  zeigt  Gellius  in  der  Erzählung  von  einem  Besuche,  welchen  der 
Statthalter  von  Kreta  und  dessen  Vater  dem  berühmten  Philosophen  abstatte- 
ten^). Der  Stoiker  Attalus,  in  dessen  Schule  zu  Rom  Seneca  in  seiner  Jugend 
stets  als  der  erste  kam  und  als  der  letzte  blieb,  ging  auch  auf  Spaziergängen 
gern  auf  die  Fragen  seiner  Schüler  ein:  wer  zu  einem  Philosophen  komme, 
sagte  er,  müsse  täglich  etwas  Gutes  nach  Hause  tragen,  die  Philosophie  habe 
die  Kraft,  nicht  bloß  durch  das  Studium,  sondern  auch  im  Gespräche  Nutzen 
zu  schaffen^).  Plutarch  erörterte  mit  den  jungen  Männern,  welche  von  nah  und 
fern  behufs  ihrer  Ausbildung  zu  ihm  nach  Chäronea  gesandt  wurden,  gesprächs- 
weise die  verschiedensten  Themen  aus  dem  Gebiete  der  allgemeinen  Moral  und 
erteilte  ihnen  auf  die  Fragen,  welche  sie  an  ihn  richteten,  Bescheid.  Einige  der 
von  Plutarch  später  herausgegebnen  und  uns  erhaltnen  Vorträge  zeigen,  daß 
die  Gegenstände  namentlich  der  praktischen  Lebensweisheit  in  ihrem  weitesten 
Umfange  entnommen  waren,  so  z.  B.  >  über  die  Beschäftigung  mit  der  Poesie  . 
»über  die  Kunst  des  Hörens«,    Gesundiieitsregeln'^  usw.^). 

Wenn  die  Philosophen  das  Leben  ihrer  Schüler  bis  ins  Kleinste  regeln  und 
selbst  über  geringfügige  und  scheinbar  gleichgültige  Dinge  (insofern  auch  diese 
auf  sittliche  Grundsätze  bezogen  wurden)  Vorschriften  erteilen  zu  müssen 
glaubten,  so  wurde  ihre  Berechtigung  dazu  offenbar  ganz  allgemein  anerkannt, 
und  nicht  selten  überließen  sich  auch  Männer,  namentlich  jüngere,  ihrer  Leitung 

i)  Gell.  I  26,  2.  2)  ebd.  XVII  8,  I  f.  3)  ebd.  VII  13.  4)  ebd.  XVIII  10,  3.  5)  ebd.  XX  4. 
6)  ebd.  X  19.  7)  ebd.  II  2.  8)  Seneca  ep.  108,  3  f.  9)  Schöne  Schilderung  bei  Hirzel,  Plutarch 
S.33ff. 


[IV.  334]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  279 

mit  einer  unbedingten  Folgsamkeit,  wie  sie  heute  nur  von  Knaben  ihren  Er- 
ziehern gegenüber  bewiesen  wird.  Überhaupt  wurde  den  Lehrern  damals  von 
erwachsenen  Schülern  eine  größere  Autorität  eingeräumt  als  gegenwärtig.  So 
erzählt  Gellius,  daß  der  Rhetor  T.  Castricius  einigen  Senatoren,  die  seine  Schule 
besuchten,  einen  Verweis  erteilte,  weil  sie  an  einem  Feiertage  öffentlich  in  einer 
nicht  standesgemäßen  Tracht  erschienen  waren ^).  Daß  aber  den  Philosophen 
die  am  weitesten  gehende  Befugnis  zugestanden  wurde,  Vorschriften  über  alles 
und  jedes  zu  erteilen,  ist  selbstverständlich.  Attalus  empfahl  seinen  Schülern, 
auf  einem  harten  Pfühl  zu  schlafen,  und  Seneca  bediente  sich  noch  im  Alter 
eines  solchen,  auf  den  der  Körper  keinen  Eindruck  machte').  Epictet  ermahnte 
seine  Zuhörer,  den  Bart  wachsen  zu  lassen,  nicht  nur  als  einen  schönen  und 
würdigen  Schmuck,  sondern  auch  als  ein  von  der  Vorsehung  zur  Unterschei- 
dung der  Geschlechter  bestimmtes  Zeichen,  das  uns  nicht  wegzuwerfen  erlaubt 
sei^).  Ein  junger  Mann,  der  mit  zierlich  geordnetem  Haar  und  stutzerhafter 
Kleidung  in  die  Schule  kam,  hatte  hierüber  einen  längeren  Vortrag  anzuhören. 
Die  Aussicht  darauf,  daß  er  sich  vielleicht  beleidigt  fühlen,  nicht  wieder  kommen 
und  den  guten  Rat  nicht  befolgen  werde,  konnte  den  Philosophen  nicht  von 
der  Erfüllung  seiner  Pflicht  zurückhalten,  deren  Vernachlässigung  jener  ihm 
später  mit  Recht  hätte  zum  Vorwurf  machen  können"*).  Aber  noch  weniger  als 
zu  geschmückt  wollte  Epictet  seine  Schüler  schmutzig  und  vernachlässigt  sehen, 
stets  sollten  sie  sauber  sein,  damit  die  Mitschüler  an  ihnen  Freude  hätten,  und 
er  hat  nicht  verschmäht,  auf  die  Einzelheiten  der  Körperpflege  einzugehen, 
daß  man  sich  schneuzen,  die  Füße  waschen,  sich  vom  Schweiße  reinigen,  die 
Zähne  putzen  solle:  »warum?  damit  du  ein  Mensch  seiest  und  kein  Tier,  kein 
Ferkel !'<^).  Und  diese  das  ganze  leibliche  wie  geistige  Wohl  vom  Größten  bis 
zum  Kleinsten  umfassende,  sich  in  die  privatesten  Dinge  mengende  Fürsorge 
erstreckten  die  Philosophen  sogar  auch  auf  die  Angehörigen  ihrer  Schüler, 
ohne,  wie  es  scheint,  sich  den  Vorwurf  der  Zudringlichkeit  zuzuziehen.  Favo- 
rinus  erhielt  eines  Tages  die  Nachricht,  daß  die  Frau  eines  seiner  Zuhörer,  eines 
Mannes  von  senatorischem  Stande  aus  vornehmer  Familie,  von  einem  Sohne 
entbunden  sei:  sogleich  begab  er  sich,  begleitet  von  seinen  sämtlichen  gerade 
anwesenden  Zuhörern,  zu  dem  jungen  Vater,  beglückwünschte  ihn  und  sprach 
dann  die  Erwartung  aus,  daß  die  Wöchnerin  das  Kind  selbst  nähren  würde.  Als 
deren  Mutter  sich  dagegen  erklärte,  hielt  Favorinus  sofort  eine  große  Rede 
über  diesen  Gegenstand,  die  Gellius  sich  aufzeichnete  und  später  seinen  Attischen 
Nächten  einverleibte*').  Daß  die  Philosophen,  die  selbst  in  solchen  Dingen  Rat 
spendeten,  bei  allen  Gewissensskrupeln  und  in  allen  schwierigen  Lagen  des 
Lebens  von  ihren  Schülern  um  Rat  gefragt  wurden,  ist  selbstverständlich.  Als 
Gellius,  sehr  jung  (doch  nicht  unter  25  Jahre  alt)  zum  Richter  ernannt,  sich  ein- 
mal in  einem  Prozeß  für  keine  Partei  zu  entscheiden  vermochte,  hob  er  den 
Termin  auf,  begab  sich  stehenden  Fußes  zu  Favorinus,  an  den  er  sich  damals 
vorzugsweise  angeschlossen  hatte,  und  bat  ihn  um  sein  Urteil  in  diesem  Fall 
und  um  Belehrung  über  das  Richteramt  überhaupt^].  Allem  Anscheine  nach 
hatten  die  Philosophen  eher  darüber  zu  klagen,  daß  sie  zu  viel  als  daß  sie  zu 

1)  Gell.  XIII  22,  I.      2)  Seneca  ep.  108,  23.      3)  Epictet.  D.  I  16,  9 ff.      4)  ebd.  III  i.       5)  ebd 
IV  II.     6)  Gell.  XII  I  (vgl.  oben  I  266).     7)  Gell.  XIV  2. 


28o 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  335] 


wenig  um  Rat  gefragt  wurden.  Man  verlangte  von  ihnen,  wie  Epictet  sagt, 
Verhaltungsmaßregeln  in  praktischen  Angelegenheiten,  wie  von  einem  Schuh- 
macher oder  Gemüsehändler  seine  Ware,  ohne  durch  eigne  Arbeit  die  sittlichen 
Prinzipien  sich  aneignen  zu  wollen,  aus  denen  die  Entscheidungen  aller  einzelnen 
Fälle  abgeleitet  werden  mußten^). 


Dreierlei  Stel- 
lungen der 
Philosophen 
alä     Lehrer. 


Philosophen  als 

Erzieher  und 

Seelsorger  in 

vornehmen 

Häusern. 


In  der  Regel  übten  die  Philosophen  (abgesehen  von  gelegentlichen  Einwir- 
kungen) eine  praktische  Tätigkeit  und  damit  einen  unmittelbaren  Einfluß  auf 
die  sittliche  Bildung  ihrer  Zeit  in  dreierlei  Verhältnissen:  als  Erzieher  und  stete 
Berater  Einzelner,  als  Lehrer  der  Moral  in  öffentlichen  Schulen,  endlich  als 
Missionare  und  Volksprediger;  dies  letztere  Feld  blieb  ausschließlich  den  Ky- 
nikern,  die  es  sich  erwählt  hatten,  überlassen.  Die  sämtlichen  Formen  der 
philosophischen  Berufstätigkeit  werden  von  Philosophen  und  Nichtphilosophen 
häufig  genug  erwähnt,  so  daß  sich  wenigstens  bis  auf  einen  gewissen  Grad  von 
ihnen  eine  Vorstellung  gewinnen  läßt.  Freilich  sind  es  hauptsächlich  die  Schatten- 
seiten und  Übelstände,  die  Mängel  und  Schwächen,  Mißerfolge  und  Unzuläng- 
lichkeiten der  philosophischen  Bemühungen  und  Leistungen,  die  zur  Sprache 
gebracht  werden,  und  bei  denen  besonders  die  so  zahlreichen  prinzipiellen 
Gegner  der  Philosophie  mit  Vorliebe  verweilen.  Aber  auch  aus  solchen  Aus- 
stellungen und  Angriffen  ergeben  sich  die  hohen  Anforderungen,  die  man  an 
die  Einwirkung  der  Philosophie  auf  die  sittliche  Hebung  der  Mitwelt  stellte, 
und  wenn  diese  freilich  von  den  meisten  nur  sehr  unvollkommen  erfüllt  wurden, 
so  wird  doch  auch  teils  stillschweigend,  teils  ausdrücklich  zugestanden,  daß  die 
besten  und  reinsten  Lehrer  sie  im  höchsten  Maße  erfüllten  und  die  allergrößte 
Wirkung  übten. 

Während  die  große  Mehrzahl  sich  damit  begnügen  mußte,  die  sittliche  Bildung 
durch  einen  philosophischen  Unterricht  von  einer  doch  beschränkten  Dauer  zu  er- 
streben, suchten  Vermögendere  sehr  häufig  einen  Philosophen  ganz  und  gar  in 
ihr  Haus  zu  ziehen,  nicht  bloß  zur  Erziehung  der  Kinder^),  sondern  auch  um  sich 
für  das  ganze  Leben  eines  zuverlässigen,  steten  Beraters,  Führers  und  Seel- 
sorgers zu  versichern.  Namentlich  in  großen  römischen  Häusern  scheinen,  wie 
in  der  letzten  Zeit  der  Republik,  so  auch  in  der  Monarchie  griechische  Philo- 
sophen diese  Stellung  oft  eingenommen  zu  haben.  In  einem  solchen  Verhältnis 
hatte  allem  Auschein  nach  auch  der  Stoiker  P.  Egnatius  Celer  zu  Barea  Soranus 
gestanden,  dessen  Lehrer,  Klient  und  Freund  er  genannt  wird  und  dessen  Ver- 
urteilung im  Jahre  66  er  durch  sein  von  den  Anklägern  erkauftes  falsches  Zeug- 
nis herbeiführte^).  Ein  in  der  Nähe  von  Bonn  gefundenes  Monument  ist  dem 
Philosophen  Q.  Aelius  Egrilius  Euaretus,  »Freunde  des  Salvius  Julianus«  (des 
Konsuls  im  Jahre  175,  der  wahrscheinlich  nachher  Legat  im  untern  Gemanien 
war),  von  seiner  Frau  errichtet;  der  Konsular  wollte,  wie  man  sieht,  diesen  Um- 
gang auch  in  der  Provinz  nicht  entbehren'*).    Besonders  aber  erscheinen  diese 

l)  Epictet.  D.  III  9,  10 f.  2)  Ein  auf  der  Begräbnisstätte  der  kaiserlichen  Dienerschaft  zu 
Karthago  begrabener  T.  0\aouiO(;  Md5i|U0(;  Kpric;  ropTUVioq  qpiXoöoqpoq  iCIL  VIII  12924)  kann 
(als  Erzieher)  ebensogut  zum  Personal  des  Kaiserhauses  gehört  haben,  wie  die  ebenfalls  dort  be- 
grabenen/ßf^fb^g-^^i  und  medici.  3)  Cass.  Dio  LXII  26,  i  f.  Tac.  A.  XVI  32;  H.  IV  10.  40.  Juvenal. 
3,  116.  Oben  S.  261  f.  4)  CIL  XIII  8159.  Das  Bürgerrecht  hatte  Euaretus  vielleicht  durch  Q. 
Egrilius  Plarianus  (oben  S.  271)  erhalten.   Vgl.  Prosop.  imp.  Rom.  III  166  nr.  104. 


[IV.  336, 337]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  281 

Hausphilosophen,  wie  die  Philosophen  überhaupt,  als  Begleiter  und  Tröster 
bei  der  Vorbereitung  zum  Tode;  auch  ließ  man  es  ohne  Zweifel  oft  von  ihrer 
Entscheidung  abhängen,  ob  man  das  Leben  freiwillig  enden  solle.  So  ließ  sich 
Tullius  Marcellinus,  ein  Bekannter  Senecas,  ein  junger  Mann,  der  an  einer  lang- 
wierigen und  beschwerlichen  Krankheit  litt,  durch  das  Zureden  eines  Stoikers 
bestimmen,  sich  durch  Enthaltung  von  Speise  den  Tod  zu  geben').  Von  T.  Pe- 
tronius  berichtet  Tacitus  als  etwas  Ungewöhnliches,  daß  er  bei  der  Hinzögerung 
seines  Todes  durch  Wiederverbinden  der  durchschnittenen  Pulsadern  sich  leicht- 
fertige Gedichte  vortragen  ließ,  dagegen  »nichts  von  der  Unsterblichkeit  der 
Seele  und  den  Lehren  der  Philosophen«^).  Als  Julius  Canus,  von  Caligula  zum 
Tode  verurteilt,  den  Gang  zu  jenem  Hügel  antrat,  wo,  wie  Seneca  sagt,  »unserm 
Cäsar  tägliche  Opfer  gebracht  wurden « ,  begleitete  ihn  » sein  Philosoph «  unter  Ge- 
sprächen über  seine  gegenwärtigen  Gedanken  und  den  Zustand  seiner  Seele  ^). 
Rubellius  Plautus,  der  die  Mörder  Neros  erwartete,  ohne  einen  Fluchtversuch 
zu  machen,  war,  wie  man  erzählte,  von  den  Philosophen  Musonius  Rufus  und 
Cöranus  in  dem  Entschlüsse  bestärkt  worden,  den  Tod  einem  angstvollen  und 
ungewissen  Leben  vorzuziehen'*).  Der  Bote,  der  dem  Thrasea  das  erwartete 
Todesurteil  überbrachte,  fand  ihn  in  ein  Gespräch  mit  dem  Kyniker  Demetrius 
vertieft:  »wie  man  aus  dem  Ernst  in  ihren  Gesichtern  und  aus  den  Worten,  die 
etwa  lauter  gesprochen  wurden,  schließen  konnte,  erörterten  sie  die  Natur  der 
Seele  und  die  Trennung  von  Geist  und  Körper  <  ^).  Auch  der  auf  den  Tod  ver- 
wundete Kaiser  Julianus  erging  sich  mit  den  Philosophen  Maximus  und  Priscus 
in  schwierigen  Erörterungen  über  die  Erhabenheit  der  menschlichen  Seele,  so- 
lange sein  Atem  dazu  ausreichte^). 

Die  Stellung,  die  griechische  Philosophen  durch  die  Eingehung  dauernder 
Verhältnisse  in  großen  römischen  Häusern  übernahmen,  konnte  nur  bei  der 
edelsten  Auffassung  von  beiden  Seiten  auf  der  Höhe  erhalten  werden,  die  der 
Würde  der  Philosophie  angemessen  war.  Oft  genug  waren  auch  in  diesen  Ver- 
hältnissen die  Philosophen  selbst  nicht  einmal  imstande,  sich  die  Achtung  derer 
zu  bewahren,  denen  sie  vor  allem  mit  ihrem  Beispiel  vorangehen  sollten.  Auf 
der  andern  Seite  konnten  die  vornehmen  Römer  wohl  selten  ganz  und  gar 
vergessen,  daß  die  »Lehrer  der  Weisheit -^  doch  nur  ihre  Klienten^)  oder  besol- 
deten Hausbeamten  waren.  Die  Schattenseiten  dieser  letzteren  Stellung  in  Rom  Behandlung  dieser 
hat  Lucian  in  seiner  Weise  breit  und  grell  in  einer  eignen,  zur  Warnung  Hausphilosophen 
eines  Philosophen  Timokles  verfaßten  Schrift  geschildert,  der  in  ein  vornehmes  Schilderung. 
Haus  einzutreten  wünschte^).  Sie  mögen  in  jener  Zeit  besonders  oft  und 
widrig  in  die  Augen  gefallen  sein,  wo  das  Beispiel  Marc  Aureis  die  Philosophie 
zur  Mode  gemacht  hatte,  und  viele,  die  für  sie  weder  Verständnis  noch  Achtung 
hegten,  vor  Sehnsucht  nach  der  Erhabenheit  des  Platonischen  Idealismus  ver- 
gehen zu  müssen  glaubten  und  in  ihrem  Gefolge  womöglich  einen  griechischen 
Philosophen  haben  wollten,  den  man  an  seinem  ehrwürdigen  Äußern,  langen 
Bart  und  dem  guten  Anstände,  mit  dem  er  den  Mantel  trug,  auch  sofort  als 

l)  Seneca  ep.  77,  5  ff.,  wo  in  §  6  bei  amicus  noster  der  Name  ausgefallen  ist.  2)  Tac.  A.  XVI 
19.  3)  Seneca  de  tranq.  an.  14,  9.  4)  Tac.  A.  XIV  59.  5)  ebd.  XVI  34.  6)  Ammian.  XXV 
3>  23.         7)  Tac.  A.  XVI  32:  P.  Egmithis  —  cliens  Soratii  (oben  S.  280).  8)  Lucian.  De  merc. 

cond.  2.  4. 


282  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  338] 

solchen  erkennen  konnte  ^).  Die  Aussicht,  in  einem  großen,  reichen  Hause  eine 
geehrte  und  einflußreiche  Stellung  einzunehmen,  war  für  viele  verlockend  genug, 
sich  den  Unannehmlichkeiten  der  Bewerbung  und  selbst  einer  Prüfung  zu  unter- 
ziehen, bei  der  sie  von  ihrem  Wissen  und  ihrer  Leistungsfähigkeit  Proben  ab- 
legen, sich  ein  Verhör  über  ihre  Vergangenheit  gefallen  und  sich  zuweilen 
sehr  unwürdigen  Mitbewerbern  gegenüberstellen  lassen  mußten,  von  denen 
manche  die  Philosophenmaske  zur  Empfehlung  von  Beschwörung,  Zauberei 
u.  dgl.  benutzten^).  War  diese  Prüfung  glücklich  überstanden,  so  kam  es,  etwa 
nach  einer  Einladung  zu  einer  großen  Tafel,  bei  der  sich  der  Glanz  des  Hauses 
für  den  Neuling  ebenso  blendend  wie  einschüchternd  entfaltetete,  zur  Feststel- 
lung der  Bedingungen.  Der  Hausherr  versicherte,  alles  mit  seinem  neuen  Haus- 
genossen teilen  zu  wollen;  »denn  es  wäre  ja  lächerlich,  wenn  man  den  Mann, 
dem  man  das  Kostbarste,  die  eigne  Seele  oder  die  seiner  Kinder,  anvertraue, 
nicht  zugleich  als  Mitbesitzer  alles  übrigen  betrachtete*.  Trotzdem  wurde  ein 
Jahresgehalt  festgesetzt,  das  aber  freilich  mit  Rücksicht  auf  die  in  Aussicht  ge- 
stellte freundliche  und  ehrenvolle  Behandlung,  auf  die  häufigen  Geschenke  an 
Festtagen,  namentlich  aber  auf  die  erhabne  Denkart  der  Philosophen  in  Geld- 
fragen überraschend  winzig  ausfieP).  Und  so  verkauften  Weltweise  im  reifen 
Alter,  uneingedenk  aller  Lobreden  eines  Plato,  Chrysippus,  Aristoteles  auf 
die  Freiheit,  sich  selbst  in  eine  niedrige  und  schmachvolle  Dienstbarkeit;  gleich 
dem  übrigen  Troß  der  Hausbedienten,  von  denen  sie  durch  ihren  groben  Mantel 
und  ihr  kauderwelsches  Latein  abstachen,  rief  sie  in  jeder  Frühe  die  Hausglocke 
zu  ihrem  Figurantendienst,  der  bis  zum  späten  Abend  dauerte  und  Unannehm- 
lichkeiten und  Entwürdigungen  aller  Art  mit  sich  brachte,  deren  man  den  ge- 
duldigen Griechen  nur  zu  viele  bieten  zu  können  meinte'*).  Und  waren  sie  ver- 
braucht oder  war  man  ihrer  müde  geworden,  so  wurden  sie  auf  irgend  eine  aus 
der  Luft  gegriffene  Anschuldigung  hin  bei  Nacht  und  Nebel  in  aller  Stille  hilflos 
und  von  allem  entblößt  aus  dem  Hause  gestoßen^). 
Philosophen  Noch  viel  mißlicher  als  in  vornehmen  Häusern  und  noch  schwerer  mit  den 
am  Hofe.  Idealen  der  Philosophie  vereinbar  war  die  Stellung  ihrer  Vertreter  am  Hofe,  ja 
nach  der  Ansicht  vieler  war  ein  Philosoph  am  Hofe  ebensowenig  an  seinem  Platz 
wie  in  der  Schenke*^).  Plutarch  hat  in  einer  eignen  Schrift  zu  beweisen  gesucht, 
daß  aller  Schwierigkeiten  und  Gefahren  ungeachtet  der  Weise  auch  eine  solche 
Stellung  unter  Umständen  nicht  ablehnen  könne,  weil  er  in  ihr  unverhältnis- 
mäßig mehr  Gutes  als  in  jeder  andern  zu  wirken  imstande  sei.  Der  Philosoph 
werde  die  Sorge  für  eine  Seele,  die  für  viele  tätig  sein,  für  viele  Weisheit  und 
Gerechtigkeit  üben  müsse,  um  so  bereitwilliger  übernehmen ;  denn  so  werde  er 
vielen  durch  den  einen  nützen,  wie  Anaxagoras  als  Freund  und  Ratgeber  des 
Perikles,  Plato  des  Dio,  Pythagoras  der  Staatsmänner  Italiens.  Die  Philosophen, 
die  sich  der  sittlichen  Bildung  von  Privatpersonen  widmen,  befreien  eben  nur 
einzelne  von  Schwächen  und  Leidenschaften;  der  aber,  welcher  den  Charakter 
eines  Regenten  veredelt,  fördert  und  bessert  damit  den  ganzen  Staat.  Um  sol- 
cher Vorteile  willen  müsse  man  es  ertragen,  Höfling  und  bedientenhaft  geschol- 

i)  Lucian.  De  merc.  cond.  25.      2)  ebd.  il.  12.  40.      3)  ebd.  19 f.     4)  ebd.  24.  40.      5)  ebd.  39. 
6;  Seneca  ep.  29,  5. 


[IV.  339.  34o]  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


283 


ten  zu  werden.  Wenn  selbst  der  aller  praktischen  Wirksamkeit  grundsätzlich  sich 
enthaltende  Philosoph  gebildete  und  edle  Fürsten  nicht  meiden  werde,  so  werde 
ein  am  Staatsleben  teilnehmender  sich  ihrer  annehmen,  zwar  ohne  Zudringlich- 
keit und  ohne  sie  mit  unzeitigen  und  sophistischen  Belehrungen  zu  behelligen, 
doch  bereit,  ihrem  Verlangen  nach  seinem  Rat  und  Beistande  zu  entsprechen^). 
Nach  den  gelegentlichen  Erwähnungen  von  Philosophen  an  denHöfen  Augusts, 
Neros,  Trajans,  Hadrians,  der  Julia  Domna""),  der  » Scheinphilosophen «  an  dem 
Elagabals^j  scheint  es,  daß,  wie  andre  Gelehrte,  so  auch  die  Lehrer  der  Welt- 
weisheit,  wenn  nicht  in  der  Regel,  doch  sehr  häufig  zu  den  Umgebungen  der 
Kaiser  (als  (TujuißiujTai)  gehörten:  und  auch  diese  Stellungen  waren  zum  Teil  be- 
soldef*).  Von  der  Persönlichkeit  der  Kaiser  und  von  dem  an  ihrem  Hofe  herr- 
schenden Ton  hing  es  natürlich  ab,  ob  die  Stellung  der  Philosophen  eine  wür- 
dige oder  unwürdige  war.  Während  Arcus  am  Hofe  des  Augustus  mit  der 
größten  Auszeichnung  behandelt  wurde,  bediente  sich  Nero  seiner  Philosophen 
zur  Belustigung,  indem  er  die  Vertreter  der  verschiedenen  Schulen  bei  Tafe 
zum  Gezanke  gegeneinander  hetzte^). 

Ohne  Zweifel  aber  zogen  die  Philosophen,  besonders  die,  welche  ihren  Wert 
fühlten,  größtenteils  eine  öffentliche  Wirksamkeit  auch  der  glänzendsten  Stellung 
am  Hofe  oder  in  einer  vornehmen  Familie  vor.  Der  Stoiker  Apollonius,  von 
Antoninus  Pius  als  Lehrer  des  jungen  Marc  Aurel  berufen,  siedelte,  gefolgt  von 
einer  Anzahl  seiner  Schüler,  von  Chalcis  nach  Rom  über;  aber  in  den  Tiberiani- 
schen  Palast  zu  ziehen,  wo  Marc  Aurel  wohnte,  lehnte  er  ab:  der  Schüler  müsse 
zum  Lehrer  kommen;  ein  Verlangen,  dem  der  Thronerbe  wirklich  entsprach^). 
Die  Eröffnung  einer  öffentlichen  Schule  stellte  nicht  nur  eine  würdigere  Exi- 
stenz, eine  bedeutendere,  unter  Umständen  großartige  Wirksamkeit,  die  sich, 
wie  gesagt,  an  Zentralpunkten  wie  Athen  und  Rom  auf  die  Blüte  der  Jugend 
der  verschiedensten  Provinzen  erstrecken  konnte,  sondern  auch  sehr  glänzende 
Einnahmen  in  Aussicht^).  Denn  allem  Anscheine  nach  dachte  nur  die  Minder- 
zahl so  streng,  wie  der  Platoniker  Nigrinus,  der  die  Schulen  der  für  Geld  lehren- 
den Philosophen  Buden  und  Läden  nannte,  in  denen  als  Ware  die  Tugend  feil- 
geboten werde  ^). 

Aber  auch  abgesehen  hiervon  gab  das  Verhalten  der  öffentlich  lehrenden 
Philosophen,  namentlich  ihre  Vorträge  und  ihre  Unterrichtsmethode,  zu  mancher- 
lei Tadel  Veranlassung.  Und  solchen  Tadel  sprechen  denn  auch  die  philosophi- 
schen Schriftsteller  dieser  Zeit  so  reichlich,  so  eindringlich  und  wiederholt  aus, 
daß  man  leicht  eine  zu  ungünstige  Vorstellung  von  den  damaligen  Philosophen- 
schulen gewinnen  kann,  wenn  man  sich  nicht  fortwährend  erinnert,  daß  Männer 
wie  Musonius,  Plutarch,  Epictet,  Taurus,  Demonax  in  der  Tat  die  höchsten 
Forderungen,  denen  sie  selbst  entsprachen,  auch  den  Leistungen  andrer  gegen- 
über aufrecht  erhalten  durften,  und  daß  sie  unablässig  Lehrer  und  Schüler  mah- 

i)  Plutarch.  Cum  princip.  philosoph.  esse  if.  2)  Oben  I  299.  3}  Hist.  aug.  Elagab.  11,  7, 
vgl.  10,  6.  4)  s.  oben  I  85  f.  5)  Tac.  A.  XIV  16.  6)  Oben  I  70.  7)  Artemidor.  Onirocr.  V 
83:  eöoHe  TIC,  aprov  dTToß(iTrTUJv  eiq  |ueXi  eöGieiv  em  \oyouc;  q)iXoöoq)iKouq  6p|UTi(Ja<;  Kai  Tr)v  ev 
auToi^  öoqp(av  kixopiaaTO  Kai  TrepießdWeTO  ypn^axa  'no\K6..  eör)iuaive  yap  t6  jueXi  Tr)v  eueireiav 
Tfjq  öoqpiaq,  wc,  eiKÖc;,  xov  iropKJiuöv  6e  6  äproc,.      8^  Lucian.  Nigrln.  25. 


Philosophen 
als  Vorsteher 
öffentlicher 
Schulen. 


Übelstände  des 
Unterrichts    in 
den  Philoso- 
phenschulen. 


284  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  341] 

nen  mußten,  wie  weit  sie  noch  von  dem  wahren  Ziele  der  Philosophie  entfernt 
seien,  um  sie  ihm  näher  zu  führen.  So  kommen  denn  in  ihren  Schriften  immer 
wieder  die  Schwächen,  Kleinlichkeiten  und  Mängel  zur  Sprache,  mit  denen  der 
philosophische  Unterricht  behaftet  war:  Übelstände,  die  in  dieser  Schärfe  nur 
empfunden  werden  konnten,  wenn  sie  mit  den  Beispielen  edlen  und  großartigen 
Wirkens  und  Strebens  verglichen  wurden,  deren  jene  Zeit  in  der  Tat  nicht 
wenige  aufzuweisen  hatte'). 
Vereitelung  der  Die  Wirkungen  des  philosophischen  Unterrichts  wurden  allerdings  ohne  Zweifel 
Wirkungen  des  ^^^  genug  sowohl  durch  die  Schuld  der  Lehrer  als  der  Schüler  beeinträchtigt. 
die  Scliuld  der  Eitelkeit  Und  Ruhmsucht,  wohl  auch  Gewinnsucht,  verleitete  die  Lehrer  oft, 
Schüler  —  mehr  den  Beifall  ihrer  Zuhörer  als  ihr  wahres  Heil  im  Auge  zu  haben,  und  auch 
unter  diesen  waren  nicht  wenige,  die  eine  angenehme  Unterhaltung,  Übung  des 
Scharfsinns  und  Erwerbung  einer  zum  Prunken  geeigneten  Gelehrsamkeit  dem 
ernsten  Studium  und  dem  schweren  und  schmerzlichen  Ringen  nach  sittlicher 
Veredelung  vorzogen.  Daher  trugen  viele,  die  jahrelang  philosophische  Vor- 
lesungen mit  unablässigem  Fleiße  besucht  hatten,  auch  nicht  einmal  einen  Anflug 
philosophischer  Bildung  davon.  Manche,  sagt  Seneca^),  kamen  nur  um  zu  hören, 
nichtum  zu  lernen,  der  Ergötzunghalber,  wie  man  ins  Theater  geht:  für  einen  gro- 
ßen Teil  der  Zuhörer  ist  die  Schule  ein  Ort  des  Zeitvertreibs.  Siebezwecken  nicht, 
das  Laster  abzulegen,  eine  neue  Lebensnorm  zu  gewinnen,  sondern  sich  einen 
Ohrenschmaus  zu  verschaffen.  Andre  kamen  mit  Schreibtafeln,  nicht  um  den 
Inhalt,  sondern  um  die  Worte  aufzufassen,  die  sie  mit  ebensowenig  Nutzen  für 
andre  anwenden,  als  sie  sie  ohne  Frucht  für  sich  selbst  hören.  Auf  manche 
machen  die  erhabnen  Stellen  der  Vorträge  Eindruck,  der  sich  auch  auf  ihren 
Gesichtern  spiegelt,  aber  nur  wie  nervenaufregende  Musik,  keinen  bleibenden: 
nur  wenige  sind  imstande,  was  sie  aufgenommen  haben,  festzuhalten.  Die  mei- 
sten Schüler  waren  also  nicht  in  der  Gemütsverfassung,  die  Musonius  für  den 
Erfolg  des  Unterrichts  als  unerläßlich  betrachtete.  Ein  Zuhörer,  der  nicht  ganz 
verloren  ist,  sagte  er,  muß  während  der  Rede  des  Philosophen  schaudern,  inner- 
lich Scham,  Reue,  Freude,  Bewunderung  empfinden,  und  der  Ausdruck  seines 
Gesichts  muß  wechseln,  je  nachdem  die  Behandlung  des  Philosophen,  die  bald 
die  kranken,  bald  die  gesunden  Teile  seiner  Seele  berührt,  ihn  und  sein  Gewissen 
ergreift^).  In  der  Tat  bezeugt  Epictet,  der  Musonius  gehört  hatte,  daß  er  so 
eindringlich  gesprochen,  so  anschaulich  die  sittlichen  Schäden  vor  Augen  ge- 
halten habe^  daß  jeder  seiner  Zuhörer  die  Rede  auf  sich  bezog  und  bei  dem 
Lehrer  persönlich  angeklagt  zu  sein  glaubte "*).  Gerade  dies  aber  war,  wie  auch 
Plutarch  klagt,  den  meisten  zu  viel,  die  den  Vortrag  eines  Philosophen  anhörten 
wie  den  eines  Tragöden  oder  eines  Rhetors.  Solange  er  sich  im  Allgemeinen 
hielt,  folgten  sie  gerne,  sobald  er  aber  freimütig  und  eindringlich  ermahnte, 
nahmen  sie  dies  als  Zudringlichkeit  übel;  und  manche  waren  weichlich  genug, 
nach  einer  so  verletzenden  Rede  aus  der  Schule  fortzubleiben,  wie  Kranke,  die 
nach  dem  Schnitte  des  Arztes  davonlaufen,  ohne  den  Verband  abzuwarten^). 
Anfänger  ließen  sich  auch  durch  die  Schwierigkeiten  des  Studiums  oder  Vor- 

i)  Über  die  Art  des  Lehrbetriebes  in  der  Schule  des  Epictet  zu  Nicopolis  vgl.  I.  Bnins,  De 
schola  Epicteti,  1897.  K.  Hartmann,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XV  1905  S.  255  ff.  2)  Seneca  ep. 
108,  6f.     3)  Gell.  V  I,  3.     4^  Epictet.  D.  III  23,  29.     5)  Phitarch.  De  audiendo  9.  12.  16. 


[IV.  342]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  285 

trags  abschrecken  oder  schämten  sich,  um  Erklärung-  zu  bitten,  oder  taten,  als 
ob  ihnen  alles  deutlich  wäre,  auch  wenn  sie  nichts  verstanden  hatten').  Manche 
hatten  sogar  die  Dreistigkeit,  dem  Lehrer  über  die  Art  des  Unterrichts  Vor- 
schriften machen  zu  wollen.  Der  eine«,  sagte  der  Platoniker  Taurus,  »spricht: 
lehre  mich  dies  zuerst;  ein  andrer:  dies  will  ich  lernen,  jenes  nicht;  einer  will 
mit  dem  Gastmahl  des  Plato  wegen  der  dort  vorkommenden  Nachtschwärmerei 
des  Alcibiades  beginnen,  ein  andrer  mit  dem  Phädrus  wegen  der  Rede  des  Ly- 
sias.  Es  gibt  wahrhaftig  solche,  die  den  Plato  nicht  lesen  wollen,  um  ihr  Leben 
zu  veredeln,  sondern  um  ihren  Ausdruck  zu  verfeinern,  nicht  um  sittsamer,  son- 
dern um  unterhaltender  zu  werden<'^).  Und  daß  es  Lehrer  gab,  die  sich  auch 
den  unberechtigten  Wünschen  ihrer  Schüler  fügten,  geht  aus  der  Klage  des 
Taurus  hervor,  daß  manche  der  ersteren  sich  sogar  unaufgefordert  zu  den  Türen 
reicher  junger  Leute  drängten  und  dort  geduldig  bis  zum  Mittag  warteten,  bis 
ihre  Schüler  den  Rausch  der  Nacht  völlig  ausgeschlafen  hatten^].  Epictet  er- 
mahnt seine  Zuhörer,  wenn  sie  Menschen  in  einer  Weise  reden  hören,  die  eine 
völlige  Unklarheit  über  die  ersten  Grundsätze  der  Sittlichkeit  verrate,  sich  ernst- 
lich zu  fragen:  bin  ich  wie  diese?  »Habe  ich  das  Bew^ußtsein,  nichts  zu  wissen, 
wie  es  dem  ziemt,  der  in  der  Tat  nichts  weiß?  Gehe  ich  zum  Lehrer  wie  zu 
einem  Orakel,  zu  unbedingtem  Gehorsam  bereit?  Oder  komme  ich  voll  Stumpf- 
sinn in  die  Schule,  bloß  um  das  äußerliche  Beiwerk  der  Philosophie  zu  lernen 
und  Bücher  zu  verstehen,  die  ich  vorher  nicht  verstand,  und  sie,  wenn  es  sich 
so  fügt,  auch  andern  zu  erklären?  ^  Die  Zuhörer,  fährt  er  fort,  kommen  zwar  in 
Philosophentracht  in  die  Schule,  aber  nicht  mit  einer  von  den  Aufregungen  und 
Sorgen  der  Außenwelt  befreiten  und  gestillten  Seele.  Der  eine  hat  vielleicht 
eben  erst  zu  Hause  mit  einem  Sklaven  eine  Schlägerei  gehabt,  die  ganze  Nach- 
barschaft in  Aufruhr  versetzt;  oder  ein  auswärtiger  Studierender  ist  voll  Ver- 
druß, daß  er  keine  Geldsendungen  von  Hause  erhält,  oder  denkt  daran,  was 
man  dort  wohl  von  ihm  spricht,  daß  er  gewiß  Fortschritte  mache  und  als  ein 
Mann  zurückkehren  werde,  der  alles  wisse.  »Das  wollte  ich  auch  gern,  sagt  er 
bei  sich  selbst;  aber  man  muß  so  viel  arbeiten,  und  von  Hause  schickt  mir 
keiner  etwas,  und  hier  in  Nicopolis  sind  die  Bäder  elend,  es  ist  zu  Hause  schlecht 
und  hier  auch.«  »Und  dann  sagen  sie:  Niemand  hat  einen  Nutzen  von  der 
Schule.  Aber  wer  besucht  sie  auch,  um  sich  zu  heilen  und  seine  Ansichten 
läutern  zu  lassen,  um  sich  bewußt  zu  werden,  was  ihm  not  tut?  Was  ihr  in  der 
Schule  sucht,  das  tragt  ihr  auch  davon.  Ihr  wollt  über  Lehrsätze  schwatzen. 
Gewähren  sie  euch  etwa  nicht  Stoff  genug,  um  mit  eurem  Wissen  zu  prahlen? 
Löst  ihr  nicht  Syllogismen  auf,  versteht  ihr  nicht  Sophismen  und  Trugschlüsse 
zu  behandeln?«^). 

Aber  es  lag  nicht  an  den  Schülern  allein,  daß  der  philosophische  Unterricht  durch  die  Schuld 
oft  nicht  die  erwünschte  Frucht  trug,  sondern  häufig  genug  natürlich  auch  an   ^"  i-ehrer. 
den  Lehrern,  die,  wie  gesagt,  nach  Beifall,  Ruhm  und  Geld  strebten,  und  da 
Äußerlichkeiten,  vor  allem  ein  glänzender  Vortrag,  auf  die  Mehrzal  am  meisten 
wirkte,  über  der  Form  den  Inhalt  vernachlässigten.    Das  graue  Haar  des  Red- 

l)  Plutarch.  De  audiendo  17.  2)  Gell.  I  9,  8  —  10.  3!  ebd.  MI  10,  5.         4)  Epictet.  D.  II 

2"!,  8 ff. 


286  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  343,  344] 

ners,  sagt  Plutarch'),  die  Modulation  der  Stimme,  der  Ernst  des  Gesichts  und 
die  selbstbewußte  Sicherheit,  am  meisten  aber  der  Beifallslärm  reißt  die  jungen 
und  unerfahrnen  Zuhörer  mit  fort;  auch  der  Ausdruck  hat  etwas  Trügendes, 
wenn  er  anmutsvoll  und  reich,  gewichtig  und  wohlvorbereitet  zu  den  Gegen- 
ständen hinzutritt.  Das  Lob,  das  Plinius  dem  von  ihm  hochverehrten  Stoiker 
Euphrates  erteilt,  zeigt,  wie  wesentlich  selbst  für  das  Urteil  gebildeter  Zuhörer 
die  persönliche  Erscheinung  und  die  Redekunst  eines  Philosophen  war,  'Er 
trägt  mit  Schärfe,  Würde  und  Geschmack  vor,  häufig  erreicht  er  auch  die  Pla- 
tonische Erhabenheit  und  Fülle.  Seine  Sprache  ist  reich  und  mannigfaltig,  be- 
sonders voll  Lieblichkeit,  so  daß  sie  auch  Widerstrebende  mitzieht  und  hinreißt. 
Dazu  eine  hohe  Gestalt,  ein  schönes  Gesicht,  herabv/allendes  Haar,  ein  sehr 
langer,  grauer  Bart:  welches  alles,  mag  man  es  auch  für  zufällig  und  bedeutungs- 
los halten,  doch  viel  beiträgt,  seine  Ehrv/ürdigkeit  zu  erhöhen.  Sein  Anzug  ist 
von  strenger  Einfachheit,  aber  ohne  Vernachlässigung,  ohne  asketische  Rau- 
heit: man  naht  ihm  mit  Ehrfurcht,  aber  ohne  Furcht.  Die  Reinheit  seines  Le- 
bens ist  die  fleckenloseste,  ebenso  groß  seine  Liebenswürdigkeit:  er  bekämpft 
Laster,  nicht  Menschen,  und  straft  nicht  die  Irrenden,  sondern  bessert  sie.  Man 
folgt  seinen  Ermahnungen  mit  gespannter  Aufmerksamkeit  und  wünscht  sich 
überzeugen  zu  lassen,  auch  wenn  man  schon  überzeugt  ist'").  Daß  vollends 
Rhetoren  meistens  nur  die  Form  der  philosophischen  Vorträge  beachteten,  ist 
natürlich.  Wir  wollen,  läßt  Epictet  einen  solchen  sagen,  im  Vorbeigehen,  be- 
vor wir  uns  ein  Schiff  mieten,  noch  den  Epictet  besuchen  und  hören,  was  er 
sagt.  Dann  beim  Herausgehen  heißt  es:  es  war  nichts  an  Epictet:  er  macht 
Fehler  gegen  die  Konstruktion  und  die  Etymologie.  Denn  nur  um  dies  zu  kri- 
tisieren, kommt  ihr  doch  in  die  Schule^). 
Schönrednerei  Epictet,  der  den  Wert  der  Beredsamkeit  für  die  Wirkung  des  philosophischen 
und  Haschen  Vortrags  keineswegs  leugnete'^),  würde  die  prunkende  Schönrednerei  und  das 
Haschen  nach  Beifall  bei  Vorlesungen  und  Disputationen  schwerlich  zum  Gegen- 
stande einer  ausführlichen  Erörterung  gemacht  haben,  wenn  den  damaligen 
»Kathederphilosophen«  ^)  beides  nicht  häufig  vorzuwerfen  gewesen  wäre.  Die 
kleinen  aus  dem  Leben  gegriffenen  Szenen,  die  er  seinen  Ermahnungen  ein- 
flicht, sind  ganz  besonders  geeignet,  die  selbstgefällige  Eitelkeit  dieser  Klasse 
von  Lehrern  und  die  ganze  Äußerlichkeit  ihres  Treibens  zu  veranschaulichen. 
Sie  wünschten  überall,  wo  sie  sich  zeigten,  den  Ruf  zu  vernehmen:  >0  der 
große  Philosoph !  >■  und  gingen  einher,  als  ob  sie  einen  Spieß  verschluckt  hätten « ^). 
Fanden  die  Zuhörer  sich  spärlich  ein  und  applaudierten  nicht,  so  ging  der  Lehrer 
niedergeschlagen  fort;  war  der  Beifall  reichlich,  so  ging  er  umher  und  fragte 
jeden:  wie  fandest  du  mich?  —  Bewunderungswürdig,  Herr,  so  wahr  es  mir 
wohl  gehen  möge!  —  Wie  sprach  ich  jene  Stelle?  —  Welche?  —  Wo  ich  den 
Pan  und  die  Nymphen  beschrieb.  —  Ausgezeichnet.  Weshalb,  so  fährt  Epictet 
in  seiner  Strafrede  an  diese  philosophischen  Rhetoren  fort,  lobtest  du  jenen 
Senator?  —  Er  ist  ein  talentvoller  und  strebsamer  junger  Mann.  —  Inwiefern? 
—  Er  bewundert  mich.  —  Dann  hast  du  allerdings  den  Beweis  geführt!  — 

l)  Plutarch.  De  audiendo  7.       2]  Plin.  ep.  I  10,  5  ff.       3)  Epictet.  D.  UI  9,  14.      4)  ebd.  II  23. 

5)  Seneca  de  brev.  vit.  10,  i :  (Fabianus)  non  ex  Ms  cathedraris  philosophis,  sed  ex  veris  et  antiquis. 

6)  Epictet.  D.  I  21. 


[IV.  345]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  287 

Sieh,  sagt  er  dann  weiter,  er  ist  seit  so  langer  Zeit  dein  Schüler,  er  hat  deine 
Disputationen,  deine  Vorlesungen  gehört:  ist  er  demütig  geworden?  Ist  er  in 
sich  gegangen?  Ist  er  inne  geworden,  wie  er  im  Bösen  steckt?  Hat  er  den 
Dünkel  von  sich  geworfen?  Verlangt  er  nach  Unterweisung?  Ja,  sagst  du. 
Nach  Unterweisung,  wie  man  leben  soll?  Nein,  Tor,  wie  man  reden  soll;  denn 
darin  bewundert  er  auch  dich!  Höre  ihn,  was  er  sagt:  »der  Mann  schreibt  wirk- 
lich äußerst  kunstvoll,  viel  schöner  als  Dio!  -  —  Du  also,  der  du  dich  in  einer 
so  Übeln  Gemütsverfassung  befindest,  so  von  Gier  nach  Beifall  erfüllt  bist  und 
deine  Zuhörer  zählst,  willst  andern  nützen?  —  Heute  hatte  ich  ein  sehr  viel  zahl- 
reicheres Auditorium.  —  Ja,  sehr  zahlreich,  es  mochten  fünfhundert  sein.  — 
Das  ist  viel  zu  wenig,  vielleicht  tausend.  Dio  hatte  niemals  so  viel  Zuhörer.  Wie 
sollte  er  auch?  Es  ist  ein  recht  feines  Verständnis  für  Vorträge  vorhanden.  Das 
Schöne,  Herr,  kann  auch  einen  Stein  bewegen.  —  Da  habt  ihr  die  Rede  eines 
Philosophen,  da  habt  ihr  den  Seelenzustand  eines,  der  den  Menschen  nützen 
will,  da  habt  ihr  auch  einen  Mann,  der  einen  Vortrag  gehört  hat!  —  Hat  etwa 
Sokrates,  indem  er  seine  Schüler  begleitete,  gesagt:  höre  den  Vortrag,  den  ich 
heute  im  Hause  des  Quadratus  halten  werde?  —  Wozu?  Du  willst  mir  zeigen, 
wie  schön  du  die  Worte  setzen  kannst?  Meinetwegen,  und  was  nützt  es  dir?  — 
Du  sollst  mir  Beifall  zollen.  —  Wie  das?  —  Sage  Oh!  und  Vortrefflich!  —  Des- 
halb also  sollen  junge  Leute  auf  Reisen  gehen,  ihre  Eltern,  Freunde,  Verwandte, 
ihr  Hab  und  Gut  verlassen,  um  bei  deinen  schönen  Redeschlüssen  Oh!  zu  .sagen? 
Taten  dergleichen  Sokrates,  Cleanthes,  Zeno?  —  »Aber«,  läßtEpictet  sich  ein- 
wenden, igibt  es  nicht  einen  besondern  Stil  für  ermahnende  Vorträge?  —  Ge- 
wiß! so  gut  wie  für  widerlegende  und  lehrende.  Doch  wer  hat  schon  jemals 
einen  vierten,  den  Prunkstil,  neben  diesen  genannt?  Worin  besteht  denn  das 
Wesen  eines  ermahnenden  Vortrags?  Darin,  daß  man  einem  sowohl  als  vielen 
klar  machen  kann,  in  welchem  Kampfe  sie  umhergeworfen  werden,  und  daß  sie 
mehr  an  alles  andre  denken,  als  an  das,  was  sie  wollen.  Sie  wollen  das,  was  zur 
Glückseligkeit  führt,  suchen  es  aber  anderwärts.  Ist  es  nun  zu  diesem  Zweck 
erforderlich,  daß  tausend  Bänke  aufgestellt,  Zuhörer  eingeladen  werden,  daß  du 
in  eleganter  Kleidung  oder  in  schäbigem  Philosophenmäntelchen  auf  das  Ka- 
theder trittst  und  den  Tod  des  Achill  beschreibst?  Laßt  doch  endlich  ab,  ich 
beschwöre  euch  bei  den  Göttern,  schöne  Worte  und  Gegenstände  zu  miß- 
brauchen! Welcher  Zuhörer  deiner  Vorträge  und  Disputationen  ist  von  Seelen- 
angst für  sein  eignes  Heil  erfüllt  worden  oder  in  sich  gegangen?  oder  hat  beim 
Fortgehen  gesagt:  tief  hat  mich  der  Philosoph  getroffen!  So  muß  man  ferner 
nicht  handeln!  Sagt  er  nicht  vielmehr,  falls  du  großen  Beifall  hast,  zu  einem 
andern:  sehr  artig  hat  er  das  von  Xerxes  ausgeführt,  und  ein  dritter  darauf: 
nein,  aber  die  Schlacht  bei  Thermopylä!  Und  das  ist  der  Vortrag  eines  Philo- 
sophen?« 'j. 

Wenn  sich  nun  die  Philosophen  in  ihrer  Vortragsweise  den  Sophisten  näherten, 
so  äußerten  auch  die  Zuhörer  ihren  Beifall  in  der  Art,  als  wena  sie  die  Bravour- 
stücke jener  Virtuosen,  nicht  die  ernsten  Ermahnungen  von  Sittenlehrern  ver  - 
nähmen.    Wenn  der  Philosoph,  sagt  Masonius,  ermahnt,  warnt,  rät,  schilt  oder 

I,'  Epictet.  D.  III  23,  II  ff. 


288 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  346,  347] 


sonst  in  irgend  einer  Weise  lehrt,  die  Hörer  aber  unbefangen  und  leichthin 
triviale  Lobeserhebungen  herschwatzen ;  wenn  sie  lärmen,  gestikulieren,  wenn 
sie  durch  Zierlichkeiten  des  Ausdrucks,  durch  rhythmischen  Tonfall  der  Worte 
bewegt  und  aufgeregt  werden,  so  wisse,  daß  Redner  und  Hörer  gleich  nichtig 
sind,  und  daß  da  nicht  ein  Philosoph  redet,  sondern  ein  Flötenbläser  spielt^). 
Ebenso  sagt  Plutarch,  daß  der  lärmende  Beifall  in  den  Philosophenschulen  den 
Außenstehenden  glauben  lasse,  es  werde  einem  Tänzer  oder  musikalischen 
Virtuosen  applaudiert"").  Er  rügt  auch  die  Ausdrücke  des  Beifalls,  die  damals 
aufgekommen  waren.  Als  wenn  die  alten  Zurufe:  Schön!  Weise!  Wahr!  nicht 
mehr  genügten,  rief  man:  Göttlich!  Inspiriert!  Unerreichbar!  und  fügte  dem 
Ausruf  einen  Eid  hinzu;  man  äußerte  seine  Zustimmung  einem  Philosophen 
gegenüber  mit:  Schlau!  einem  alten  Manne  gegenüber  mit:  Geistreich!  oder: 
Glänzend!  Aber  freilich  sollte  nach  Plutarchs  Meinung  der  Zuhörer  auch  nicht 
etwa  stumm  und  teilnahmlos  dasitzen  und  glauben,  daß  er  wie  bei  einem  Gast- 
mahl gleichsam  nur  sich  an  die  Tafel  zu  setzen  habe,  während  andre  sich  ab- 
mühten. Allgemein  üblich  war,  auch  in  Vorlesungen,  die  sich  gar  keines  Bet- 
falls erfreuten,  daß  die  Zuhörer  in  gerader,  nicht  in  nachlässiger,  übermütiger 
Haltung  dasaßen,  den  Redner  ansahen,  lebhafte  Aufmerksamkeit  zeigten  und 
einen  heitern,  wohlwollenden  Gesichtsausdruck  bewahrten,  der  nicht  nur  von 
Verdrießlichkeit  fern  war,  sondern  auch  eine  gänzliche  Freiheit  von  anderwei- 
tigen zerstreuenden  Gedanken  bewies.  Nicht  bloß  eine  finstre  Stirn,  einen  um- 
herschweifenden Blick,  eine  gebeugte  Haltung,  ein  unschickliches  Übereinander- 
schlagen  der  Beine,  sondern  auch  ein  Winken,  ein  Flüstern  mit  einem  andern, 
ein  Lächeln,  schläfriges  Gähnen,  den  Ausdruck  der  Abspannung  und  dgl.  — 
alles  dies  hatte  man  sorgfältig  zu  vermeiden^). 

Gerade  diese  bis  ins  Kleinliche  gehende  Genauigkeit  der  Vorschriften,  durch 
welche  Männer  von  so  hoher  und  anerkannter  Bedeutung  wie  Plutarch,  Epictet 
u.  a.  zur  Aufrechterhaltung  der  Würde  des  philosophischen  Unterrichts  bei- 
tragen zu  müssen  glaubten,  zeigt  nicht  am  wenigsten,  wie  tief  und  weit  verbreitet 
das  Interesse  an  den  Vorlesungen  und  Schulen  der  Philosophen  gewesen  sein 
muß.  Und  ebenso  beweisen  die  Ansprüche,  die  von  den  bedeutendsten  Schrift- 
stellern an  die  Wirksamkeit  dieser  Schulen  fort  und  fort  erhoben  wurden,  daß 
sie  trotz  aller  Schwächen,  Verirrungen  und  Mißerfolge  vieler  Lehrer  doch  als 
die  eigentlichen  Stätten  sittlicher  Bildung  galten,  und,  wie  uns  die  Werke  der 
so  zahlreichen  bedeutenden  philosophischen  Schriftsteller  dieser  Zeit  verbürgen, 
in  der  Tat  wenierstens  teilweise  mit  Recht. 


Philosophen 
als  Missionare 
der  Sittlichkeit 
und  Volkspre- 
diger ^Kyaiker). 


Während  nun  die  Leiter  öffentlicher  Schulen  ihre  Wirksamkeit  auf  einen  wenn 
auch  noch  so  großen  Kreis  von  Schülern  und  Anhängern  beschränkten,  gab  es 
auch  eine  Klasse  von  Philosophen,  die  sich  als  wahre  Missionare  der  Sittlichkeit 
der  ganzen  Menschheit  widmeten,  die  Kyniker.  War  auch  die  große  Masse  dieser 
>  Bettelmönche  des  Altertums  <,  wie  sie  oben  geschildert  worden  ist,  mit  Recht 
verrufen,  so  waren  doch  die  wahrhaft  edlen  Persönlichkeiten  unter  ihnen,  die 
um  jener  hohen  Aufgabe  willen  allen  Gütern  des  Lebens  entsagten,  ebenso  all- 


1}  Gell.  V  I,  I.     2)  Plutarch.  De  aud.  15.     3)  ebd.  13 — 15. 


[IV.  348]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  28g 

gemein  bewundert  und  verehrt;  und  auch  Dio  und  Epictet,  die  g-eachtetsten 
Lehrer  des  2.  Jahrhunderts,  neigten  zum  Kynismus  und  stellten  Diogenes  neben 
Sokrates.  Epictet  namentlich  hat  von  der  Mission  der  wahren  Kyniker  den  aller- 
höchsten Begriff') :  niemand  dürfe  sie  sich  anmaßen  ohne  das  Bewußtsein,  durch 
göttlichen  Willen  dazu  erkoren  zu  sein.  Alle  Leidenschaft,  alle  Begierde  muß 
der  Kyniker  von  sich  tun.  Die  übrigen  Menschen  können  sich  hinter  den  Mauern 
ihrer  Häuser  verbergen,  die  Hülle  des  Kynikers,  der  kein  Haus  hat  und  unter 
dem  freien  Himmel  wohnt,  muß  die  Schamhaftigkeit  sein:  er  muß  nichts  zu  ver- 
bergen haben,  denn  wo  und  wie  sollte  er  es?  Er,  »der  allgemeine  Lehrer  und 
Erzieher«,  darf  nichts  zu  scheuen  haben,  wie  sollte  er  sonst  »das  Amt  eines  Auf- 
sehers der  übrigen  Menschen  behaupten  können« ! 

Aber  es  genügt  nicht,  daß  er  für  sich  selbst  Erkenntnis  und  Freiheit  gewinnt; 
sondern  er  muß  wissen,  daß  er  von  Zeus  zu  den  Menschen  als  Bote  gesandt  ist, 
um  sie  über  das  Gute  und  Böse  zu  belehren,  daß  sie  in  der  Irre  gehen  und  ander- 
wärts das  Wesen  des  Guten  und  Bösen  suchen,  wo  es  nicht  ist,  wo  es  aber  ist, 
es  nicht  beachten.  Und  nun  läßt  er  seinen  Kyniker  dem  Volke  predigen:  »O, 
ihr  Menschen,  wohin  laßt  ihr  euch  fortreißen?  Was  tut  ihr  Unglücklichen?  Ihr 
sucht  die  Seligkeit,  wo  sie  nicht  ist.  Warum  sucht  ihr  sie  außer  euch?  Im  Leibe, 
im  Reichtum,  in  der  Macht,  in  der  Herrschaft  ist  sie  nicht!  Seht  die  Starken, 
die  Reichen,  die  Mächtigen  an,  hört  ihre  Klagen  und  Seufzer,  blickt  auf  Nero 
und  Sardanapal,  auf  Agamemnon  I^  —  Und  nachdem  er  dies  alles,  namentlich 
die  stete  Angst  und  Not  des  letzteren,  mit  dramatischer  Anschaulichkeit  seinen 
Zuhörern  vorgeführt  hat,  läßt  er  diese,  ebenfalls  völlig  wie  in  einer  Kapuziner- 
predigt, fragen:  »Worin  ist  denn  das  Gute,  wenn  es  in  all  diesem  nicht  ist? 
Sage  es  uns,  Herr  Bote  und  Wächter !<;  »Wo  ihr  es  nicht  glaubt  noch  suchen 
wollt!  Denn  wenn  ihr  wolltet,  hättet  ihr  es  schon  in  euch  selbst  gefunden  und 
nicht  nach  Fremdem  wie  nach  eurem  Eigentum  gestrebt.  In  euch,  Unglück- 
liche, sucht  es!  Da  bildet  es  aus,  da  hegt  und  pflegt  es!  Wie  es  möglich  sei, 
ohne  Hab  und  Gut,  nackt,  ohne  Haus  und  Hof,  ohne  Pflege,  ohne  Knecht,  ohne 
Vaterland  glücklich  zu  leben?  Seht  da,  Gott  hat  euch  den  gesandt,  der  es  euch 
durch  die  Tat  beweisen  kann,  daß  es  möglich  ist!  Alles  jenes  habe  ich  nicht, 
ich  liege  auf  der  Erde,  ich  habe  kein  Weib,  keine  Kinder,  kein  Schlößchen, 
sondern  nur  Erde  und  Himmel  und  ein  einziges  grobes  Mäntelchen.  Und  doch, 
was  fehlt  mir?  Bin  ich  nicht  ohne  Trübsal?  ohne  Furcht?  bin  ich  nicht  frei? 
—  Wie  begegne  ich  jenen,  die  ihr  bewundert  und  ehrt?  Nicht  wie  Sklaven? 
Wer  glaubt  nicht,  wenn  er  mich  sieht,  seinen  König  und  Herrn  zu  sehen  ? «  — 
Immer  aufs  neue  wiederholt  Epictet  dann,  daß  der  Kyniker  ganz  und  unbe- 
hindert im  Dienste  der  Gottheit  stehen,  den  Menschen  beistehen  können  muß, 
daß  er  durch  keine  Privatpflichten  gebunden,  in  keine  Verhältnisse  verflochten 
sein  darf,  bei  deren  Verletzung  er  die  Gebote  der  Sittlichkeit  übertreten,  in  deren 
Bewahrung  dagegen  er  das  Amt  des  > Boten,  Wächters  und  Herolds  der  Götter« 
aufgeben  müßte:  wie  namentlich  die  Ehe.  Wo  bliebe  dabei  jener  König,  der 
sich  dem  allgemeinen  Besten  widmet,  >dem  sich  zur  Hut  die  Völker  vertraut 
und  mancherlei  obliegt«,  der  über  die  andern  die  Aufsicht  führen  muß,  über  die 
Gatten  und  die  Väter,  wer  seine  Frau  gut  behandelt,  wer  schlecht,  wer  straf- 

I)  Epictet.  D.  III  22. 

Friedlaender,  Darstellungen,  ni.   9.  Aufl.  ig 


2QO  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  349] 

fällig  ist,  wessen  Haus  wohl  geordnet  ist,  wessen  nicht:  wie  ein  Arzt,  der  um- 
hergeht und  die  Pulse  fühlt!  Du  hast  Fieber,  du  leidest  am  Kopf,  du  an  den 
Füßen;  du  faste,  du  nimm  Speise,  du  bade  nicht,  du  mußt  geschnitten,  du  ge- 
brannt werden.  Wie  hätte  der  dazu  die  Muße,  der  durch  Privatpflichten  ge- 
bunden ist?  —  Wenn  wir  die  Größe  des  wahren  Kynikers  begreifen,  werden 
wir  uns  nicht  wundern,  weshalb  er  kein  Weib  nimmt,  keine  Kinder  zeugt.  Er 
ist  der  Vater  aller  Menschen,  er  hat  alle  Männer  zu  Söhnen,  alle  Frauen  zu 
Töchtern;  er  sorgt  um  sie,  er  schilt  sie  als  Vater,  als  Bruder,  als  Diener  des  ge- 
meinsamen Vaters  Zeus. 
Demetrius.  In  der  Tat  gab  es  in  jener  Zeit  Männer,  die  dieses  Ideal  wenigstens  annähernd 
verwirklichten,  und  zwei  von  ihnen  sind  uns  bekannt,  Demetrius,  der  im  ersten 
Jahrhundert  in  Rom,  und  Demonax,  der  im  zweiten  in  Athen  lebte.  Der  erstere 
führte  die  Forderungen  der  völligen  Bedürfnislosigkeit  und  Rückkehr  zum  Natur- 
zustande praktisch  mitten  in  der  Pracht,  Üppigkeit  und  Überkultur  der  Welt- 
stadt, des  goldnen  Rom,  buchstäblich  durch  und  verschaffte  dem  Kynismus  bei 
den  Römern  Achtung,  den  noch  Cicero  als  »der  Schamhaftigkeit  zuwiderlaufend« 
unbedingt  verworfen  hatte ^).  Der  zerlumpte  Bettler,  der  ein  Geschenk  Cali- 
gulas  von  200000  Sest.  mit  Hohn  zurückwies^),  der  Neros  Drohungen  ver- 
achtete^), Vespasians  Unwillen  durch  einen  zur  Schau  getragenen  Trotz  heraus- 
forderte, seine  Verachtung  Andersmeinender  mit  rücksichtsloser  Derbheit  äu- 
ßerte"*), wurde  von  den  bedeutendsten  und  höchstgestellten  Männern  jener  Zeit 
eifrig  aufgesucht  und  mit  Ehrfurcht  behandelt.  Thrasea  widmete  seine  letzten 
Stunden  einem  Gespräche  mit  ihm  über  die  Unsterblichkeit  und  das  Jenseits^), 
und  Seneca  verehrte  seine  unbeugsame  Seelenstärke  um  so  aufrichtiger,  je  mehr 
er  ihm  gegenüber  seine  eigne  Schwäche  fühlte:  Demetrius  war  nach  seinem 
Urteil  selbst  mit  den  Größten  verglichen  noch  ein  großer  Mann^).  Seneca  ver- 
ließ die  Gesellschaft  der  in  Purpur  Gekleideten,  um  das  Gespräch  dieses  herr- 
lichen Manns,  den  er  so  sehr  bewunderte,  stets  genießen  zu  können.  Wie  sollte 
er  ihn  nicht  bewundern?  Ihm  fehlte  in  der  Tat  nichts:  er  lebte  nicht,  als  ob  er 
alles  verschmäht,  sondern  als  ob  er  es  andern  überlassen  habe^).  Hörte  man 
ihn  in  seiner  Blöße  auf  seinem  Strohlager  reden,  so  machte  seine  Rede  doppelten 
Eindruck,  er  erschien  nicht  bloß  als  Lehrer,  sondern  als  Zeuge  der  Wahrheit^). 
»Ihn«,  meinte  Seneca,  »hat  die  Natur  in  unsrer  Zeit  erschaffen,  um  zu  zeigen, 
daß  weder  er  durch  uns  verdorben  noch  wir  durch  ihn  gebessert  werden  können. 
Er  ist  der  Mann  von  vollendeter  Weisheit,  wenn  er  es  auch  selbst  in  Abrede 
stellt,  und  unerschütterlicher  Festigkeit  in  der  Ausführung  seiner  Grundsätze, 
und  von  einer  Beredsamkeit,  wie  sie  den  größten  Gegenständen  ziemt,  die  nicht 
kunstvoll  geordnet  noch  um  Worte  ängstlich  bekümmert  ist,  sondern  mit  ge- 
waltigem Schwünge  ihren  Gegenstand  verfolgt,  wie  die  Eingebung  sie  antreibt. 
Ich  zweifle  nicht,  daß  ihm  die  Vorsehung  ein  sittliches  Leben  und  eine  solche 
Macht  der  Rede  verliehen  hat,  damit  es  unserem  Zeitalter  nicht  an  einem  Bei- 
spiel und  an  einem  lebendigen  Vorwurfe  fehle«  ^). 

l)  Cic.  de  off.  I  148.  Daß  Kyniker  im  i.  Jahrhundert  in  Rom  gewöhnliche  Erscheinungen 
waren,  zeigen  Lucill.  Anthol.  Palat.  XI  153 — 155.  Martial.  III  93,  13.  IV  53.  VII  64,  8.  XI  84,  7. 
2)  Seneca  de  benef.  VII  ii.  3)  Epictet.  D.  I  25,  22.  4)  Suet.  Vesp.  13.  Cass.  Dio  LXVI  13. 
5)  Tac.  A.  XVI  34.         6)  Seneca  de  benef.  VII  i,  3.  7)  Seneca  epist.  62,  3.  8)  ebd.  20,  9. 

9)  Seneca  de  benef.  VH  8.    Zeller  LU  l"*  S.  794  ff. 


IIV.  35^,  35i]         XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  291 

Als  ein  Beispiel  und  einen  Vorwurf  für  seine  Zeit,  gleichsam  ein  in  die  Er-  Demonax. 
scheinung  getretenes,  unablässig  mahnendes  Gewissen  seiner  Mitbürger  schil- 
dert eine  unter  Lucians  Namen  überlieferte  Schrift')  auch  jenen  Demonax,  der 
den  größten  Teil  seines  Lebens  in  Athen  verbrachte  und  es  fast  hundertjährig 
durch  freiwilligen  Hungertod  endete.  Demonax  war  im  Gegensatz  zu  Demetrius 
und  seinesgleichen,  aber  in  Übereinstimmung  mit  dem  ihm  befreundet  gewese- 
nen Epictet  bemüht,  die  Schroffheiten  der  kynischen  Denkweise  zu  mildern 
und  namentlich  seinen  Ermahnungen  und  Strafreden  durch  Witz  und  geistige 
Anmut  die  abstoßende  Härte  zu  nehmen;  seine  ganze  Philosophie  trug  den 
Charakter  der  Milde,  Freundlichkeit  und  Heiterkeit.  Alle  Menschen  betrachtete 
er  als  Angehörige.  Seinen  Freunden  stand  er  mit  der  Tat  bei,  soweit  es  zu- 
lässig war,  die  Glücklichen  mahnte  er  an  die  Vergänglichkeit  der  Glücksgüter, 
die  durch  Armut,  Verbannung,  Alter  oder  Krankheit  Unglücklichen  tröstete  er. 
Er  bemühte  sich,  hadernde  Brüder  zu  versöhnen,  zwischen  Gatten  und  Gattin- 
nen Frieden  zu  stiften,  auch  bei  Spaltungen  in  Gemeinden  trat  er  öfters  als  Ver- 
mittler auf  und  meistens  mit  Erfolg.  So  lebte  er  fast  hundert  Jahre  ohne  Krank- 
heit, ohne  Kummer,  ohne  jemandem  zur  Last  zu  fallen  oder  einen  anzuklagen, 
seinen  Freunden  nützlich,  ohne  je  einen  Feind  zu  haben,  in  Athen  und  ganz 
Griechenland  allgemein  geliebt  und  verehrt;  wo  er  erschien,  stand  man  auf,  auch 
die  höchsten  Beamten,  und  alles  wurde  still.  In  seinem  höchsten  Alter  ging  er 
ungeladen  zum  Essen  und  Schlafen  in  das  erste  beste  Haus,  und  die  Einwohner 
betrachteten  es  wie  eine  Erscheinung  eines  Gottes  oder  eines  guten  Geistes. 
Die  Brotverkäuferinnen  hängten  sich  wetteifernd  an  ihn,  jede,  von  der  er  ein 
Brot  annahm,  glaubte,  daß  er  ihr  Glück  bringe;  die  Kinder  brachten  ihm  Früchte 
und  nannten  ihn  Vater.  Als  einst  in  Athen  ein  Streit  ausgebrochen  war,  reichte 
seine  bloße  Erscheinung  in  der  Versammlung  hin,  um  die  Ruhe  wiederherzu- 
stellen, und  als  er  sich  davon  selbst  überzeugt  hatte,  entfernte  er  sich,  ohne  ein 
Wort  zu  sagen.  Die  Athener  begruben  ihn  prachtvoll  auf  Kosten  der  Stadt  und 
betrauerten  ihn  lange;  den  steinernen  Sitz,  auf  dem  er  auszuruhen  pflegte,  hielt 
man  heilig  und  bekränzte  ihn  ihm  zu  Ehren.  Bei  seinem  Begräbnis  fehlte  nie- 
mand, am  wenigsten  von  den  Philosophen,  diese  trugen  die  Bahre  zu  Grabe''). 

Ein  weniger  deutliches  Bild  haben  wir  von  Peregrinus,  welcher  später  Proteus  Peregrinus. 
genannt  wurde ^),  da  die  Schilderung  Lucians,  aus  der  wir  ihn  allein  kennen,  ihn 
ebensosehr  als  Narren  wie  als  Schurken  erscheinen  läßt:  doch  daß  diese  Dar- 
stellung unmöglich  der  Wahrheit  entsprechen  kann,  ergibt  sich  nicht  bloß  aus 
dem  unverdächtigen  Zeugnis  eines  andern  Zeitgenossen,  sondern  zum  Teil  aus 
Lucians  eignen  Angaben.  Wir  werden  schwerlich  irren,  wenn  wir  die  durch- 
weg unlautern  oder  schändlichen  Beweggründe,  die  Lucian  dem  Peregrinus  bei 
allen  seinen  Handlungen  unterschiebt,  auf  gehässige  Voraussetzungen  und  Er- 
dichtungen leidenschaftlicher  Gegner  zurückführen,  denen  für  die  Natur  eines 
solchen  Schwärmers  alles  Verständnis  fehlte. 

i)  Für  die  u.  a.  von  Bernays  (Lukian  u.  die  Kyniker  S.  104  f.)  angezweifelte  Echtheit  der  Schrift 
ist  neuerdings  mit  guten  Gründen  K.  Funk,  Philologus  Suppl.  X  1907  S.  561  ff.  eingetreten. 
2)  Zeller  a.  a.  O.  S.  798  ff.  Funk  a.  a.  O.  S.  647  ff.  3)  Zeller,  Vorträge  u.  Abhandl.  II  173  ff. 
J.  Bernays,  Lukian  und  die  Kyniker  1879  (wo  S.  89  über  den  Namen  Proteus  gesprochen  ist). 

19* 


292 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  352; 


Verwandtschaft 
zwischen  Kynis- 
mus   und   Chri- 
stentum. 


Peregrinus  war  als  Sohn  eines  wohlhabenden  Mannes  in  Parium  am  Helles- 
pont  geboren  und  kam  auf  jahrelangen  Reisen  auch  nach  Palästina,  wo  er  sich 
den  Christen  anschloß  und  eifrig  (auch  durch  Schriftstellerei)  für  ihre  Lehre 
tätig  war,  so  daß  ihm  das  Amt  eines  Vorstehers  der  Gemeinde  übertragen  wurde. 
Wegen  seines  christlichen  Bekenntnisses  ins  Gefängnis  geworfen,  soll  er  sich 
zum  Märtyrertum  gedrängt  haben,  doch  von  dem  Statthalter  von  Syrien  als  für 
eine  auszeichnende  Bestrafung  zu  unbedeutend  freigelassen  worden  sein.  Nach 
Parium  zurückgekehrt,  schenkte  er  den  Rest  seines  in  seiner  Abwesenheit  stark 
geplünderten  Vermögens,  das  seine  Verehrer  sehr  hoch  angaben,  während  es 
nach  Lucian  nur  noch  die  immerhin  nicht  geringe  Summe  von  15  Talenten 
(70725  Mark)  betrug,  seiner  Vaterstadt  und  begann  dann  sein  Wanderleben  von 
neuem.  Mit  den  Christen  zerfallen,  trat  er  in  Ägypten  zum  Kynismus  über  und 
übte  in  Rom  öffentlich  eine  so  rücksichtslose  Kritik  der  bestehenden  Ordnung, 
daß  der  Stadtpräfekt  ihn  von  dort  verwies.  In  Griechenland  soll  er  dann  den 
törichten  Versuch  gemacht  haben,  einen  Aufstand  gegen  die  Römer  zu  er- 
regen'). Im  Jahre  167^)  endete  er  sein  Leben  in  Olympia  nach  dem  Schluß 
der  Festspiele  durch  eine  lange  zuvor  angekündigte  Selbstverbrennung;  in  einer 
mondhellen  Mitternacht  stürzte  er  sich  in  Gegenwart  einer  Schar  von  Kynikern, 
die  Geister  seiner  Eltern  anrufend,  auf  einen  in  einer  Grube  errichteten  Scheiter- 
haufen und  verschwand  in  dieser  Flammengruft. 

Die  Bekehrung  des  Peregrinus  zum  Christentum  sowie  sein  Abfall  und  Über- 
tritt zum  Kynismus  ist  keineswegs  unverständlich.  »Gerade  eine  Natur  wie  die 
seinige  konnte  in  dem  unruhigen  Suchen  nach  Wahrheit  und  innerer  Befriedi- 
gung dem  Christentum  ebenso  leicht  zugeführt,  als  in  der  Folge,  wenn  Unter- 
ordnung unter  den  kirchlichen  Glauben  und  die  kirchliche  Sitte  von  ihm  ver- 
langt wurde,  wieder  von  ihm  weggeführt  werden«  ^).  Zwischen  dem  Christentum 
und  dem  Kynismus  bestand  aber  nicht  bloß  in  dem  unbedingten  Gegensatze 
gegen  den  Polytheismus  die  vollste  Übereinstimmung,  sondern  die  Lösung  von 
allen  irdischen  Banden  und  die  Weltverachtung  der  Kyniker  war  auch  jenem, 
dem  Christentum  innewohnenden  Elemente  nahe  verwandt,  das  später  im 
Einsiedler-  und  Mönchsleben  seinen  vollen  Ausdruck  gefunden  hat.  Diese  Ver- 
wandtschaft ist  auch  im  Altertum  nicht  unbemerkt  geblieben.  Celsus  hatte  die 
Verkünder  der  christlichen  Lehre  mit  Marktschreiern  verglichen,  weil  sie  sich 
vorzugsweise  an  die  ungebildeten  Massen  wandten,  und  Origenes  erwidert,  die 
kynischen  Volksprediger  täten  genau  dasselbe'^).  Julian  der  Abtrünnige  fand 
zwischen  »den  der  Welt  Absagenden,  wie  sie  die  gottlosen  Galiläer  nennen«, 
und  den  Kynikern  eine  große  Ähnlichkeit,  nur  daß  die  letztern  nicht  so  gute 
Geschäfte  machten  wie  die  ersteren,  die  >auf  weniges  verzichtend  viel  oder 
vielmehr  alles  zusammenscharrten«,  da  ihnen  die  Pflicht  der  Mildtätigkeit  einen 
anständigen  Vorwand  zum  Erheben  von  Tributen  bot.  Dieser  fehlte  den  Ky- 
nikern, und  außerdem  waren  die  Heiden  auch  vernünftiger  als  »jene  Toren«. 
In  allen  übrigen  Stücken  waren  beide  Klassen  einander  gleich.    Diese  wie  jene 


i)  Wohl,  wie  Bernays  S.  30  vermutet,  der  Hist.  aug.  Antonin.  P.  5,  5  {in  Achaia  atque  etiam 
Aegypto  rebehiones  repressit)  erwähnte.  2)  Nissen,  Rhein.  Mus.  XLIII  1888  S.  254  f.  3)  Zeller 
S.  177  f.     4)  Orig.  c.  Cels.  III  50.  Bernays,  Lukian  und  die  Kyniker  S.  93  f. 


[IV.  353]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  293 

ließen  sich  für  ihre  angebliche  Entsagung  Ehre  und  Huldigungen  erweisen; 
diese  wie  jene  ließen  ihr  Vaterland  im  Stiche,  wanderten  überall  umher  und 
machten  sich  in  den  Lagern  lästig,  die  Kyniker  noch  frecher  und  zudringlicher 
als  die  Mönche')*  Diesen  und  ähnlichen  Vergleichungen  des  Kynismus  mit 
dem  Christentum  gegenüber  haben  es  Johannes  Chrysostomus  und  Gregor  von 
Nazianz  für  nötig  gehalten,  aufs  nachdrücklichste  zu  betonen,  wie  sehr  der 
erstere  dem  letzteren  nachstehe^). 

Daß  Peregrinus  die  finstre,  schroffe  und  rauhe  Seite  des  Kynismus  besonders 
stark  hervorkehrte,  geht  unter  anderm  auch  daraus  hervor,  daß  Demonax,  den 
er  wegen  seiner  Heiterkeit  nicht  für  einen  Kyniker  gelten  lassen  wollte,  ihm  er- 
widert haben  soll:  »Und  du  bist  kein  Mensch«^).  Doch  spricht  Gellius,  der  ihn 
nicht  lange  vor  seinem  Ende  in  seiner  Hütte  unweit  Athen  oft  aufsuchte,  von 
ihm  mit  großer  Achtung.  Er  hatte  von  diesem  »würdigen  und  charakterfesten 
Manne«  manches  treffliche  und  heilsame  Wort  gehört,  unter  anderm  eine  Er- 
örteryng  darüber,  daß  der  Weise  nichts  Unrechtes  tun  werde,  wenn  auch  kein 
Gott  und  kein  Mensch  etwas  davon  erfahren  könnte.  Denn  nicht  aus  Furcht 
vor  Strafe  oder  Schande,  sondern  aus  Liebe  zum  Guten  müsse  man  das  Schlechte 
unterlassen.  Für  diejenigen  aber,  denen  es  an  dieser  höhern  sittlichen  Kraft 
fehle,  sei  der  Gedanke,  daß  kein  Unrecht  verborgen  bleibe,  sondern  die  Zeit 
alles  am  Ende  ans  Licht  bringe,  ein  sehr  wirksamer  Beweggrund  zur  Vermeidung 
des  Unrechts"*). 

Endlich  sollte  seine  Selbstverbrennung  ein  Leben,  in  welchem  er  dem  Herakles, 
dem  großen  Vorbilde  der  Kyniker^),  nachgeeifert,  mit  dem  Ende  dieses  Helden 
krönen,  die  Menschen  Todesverachtung  lehren  und  zugleich  der  Welt  beweisen, 
daß  auch  ein  Kyniker  des  viel  bewunderten  Entschlusses  des  indischen  Weisen 
Kalanos  fähig  sei^).  Die  Hinausschiebung  des  Selbstmords  bis  nach  dem 
Schlüsse  der  olympischen  Spiele,  die  Wahl  der  Nachtzeit  zu  seiner  Vollziehung, 
die  Zulassung  einer  nur  kleinen  Zahl  gleichgesinnter  Zuschauer  —  alles  dies 
spricht  nicht  dafür,  daß  Peregrinus  seinen  höchsten  Triumph  in  einem  theatra- 
lischen Effekt  suchte.  Ohne  Zweifel  war  er  ein  Schwärmer,  doch  an  dem  Ernst 
und  der  Aufrichtigkeit  seiner  Überzeugungen  zu  zweifeln,  haben  wir  keinen 
Grund,  und  außer  der  Schrift  Lucians  kein  Zeugnis  dafür,  daß  es  damals  oder 
später  im  Altertum  geschehen  ist.  Athenagoras  sah  in  Parium  etwa  zehn  Jahre 
nach  seinem  Tode  seine  Statue^),  und  Ammianus  Marcellinus  nennt  ihn  bei  der 
Erwähnung  seines  Selbstmords  (den  auch  die  Chronisten  verzeichnet  haben) 
einen  berühmten  Philosophen^). 

Die  kynische  Schule  hat  bis  in  die  letzten  Zeiten  des  Altertums  fortbestanden. 
Auch  außer  den  Reden  des  Kaisers  Julian  fehlt  es  nicht  an  Zeugnissen,  welche 
ihre  Fortdauer  verfolgen  lassen,  und  ihre  Anhänger  sind  offenbar  noch  im  An- 
fange des  fünften  Jahrhunderts  zahlreich  gewesen^). 

l)  Julian,  orat.  7  p.  224  B.  2)  Norden,  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIX  1892  S.  393—404,  459. 
3)  Lucian.  Demonax  21.  Vgl.  auch  die  Anekdote  bei  Philostrat.  Vit.  soph.  11  i,  13.  4)  Gell.  XII  ii; 
vgl.  VIII  3.  5)  Vgl.  E.  Weber,  De  Diene  Chrysostomo  Cynicorum  sectatore,  Leipz.  Studien  XX 
1887  S.  2368'.  6)  Euseb.  chron.  II  170  Schoene  (Syncell.  p.  664, 17)  eauxöv  eveirpriöe  )Lll^ou^€vo^ 
KaXavbv  BpaxMOvöv  töv  KOTCt  'AXeEav6pov  f vJMVOOoq)iaTriv.  7)  Athenag.  26.  8)  Ammian.  XXIX 
I,  39.    Auch  Tertullian  ad  mart.  4  erwähnt  ihn.       9)  Vgl.  außer  den  von  Bemays  S.  99 f.  ange- 


294  XIV.   DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  [IV.  35 4?  355] 

.äuterungdersitt-  Wenn  CS  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  daß  wir  aus  der  damaligen  Literatur 
mo-en  durch  d^e  ^^^^  mehr  von  den  Bestrebungen  zur  Hebung  der  Sittlichkeit  durch  die  Philo- 
Sntwicklung  der  sophie  als  von  deren  Wirkungen  erfahren,  so  wird  sich  doch  aus  allem  Mitge- 
'^irste°n  Shun'  ^^'^^^^  ergeben  haben,  daß  die  Philosophie  in  der  Tat  der  damaligen  gebildeten 
derten.  Welt  als  die  wahre  und  höchste  Erzieherin  der  Menschheit  zur  Sittlichkeit  galt, 
und  selbst  die  Opposition  gegen  sie  bestätigt  nur  die  Allgemeinheit  dieser  Über- 
zeugung. Daß  die  bisher  geschilderten,  umfassenden  und  eifrigen  Bemühungen 
tatsächlich  bedeutende  Wirkungen  hervorbrachten,  ergibt  sich  schon  allein 
daraus,  daß  eine  so  große  Zahl  der  edelsten  Männer  dieser  Jahrhunderte  nach 
eignem  Geständnis  oder  dem  Berichte  andrer  ihre  Charakterbildung  der  Philo- 
sophie verdankten;  nicht  minder  aus  der  hohen  Verehrung,  die  den  hervor- 
ragenden Philosophen  von  Mitwelt  und  Nachwelt  gezollt  wurde.  In  einer  Welt, 
die  dem  Sklaven  die  Menschenrechte  absprach,  gehörte  der  ehemalige  Sklave 
Epictet  zu  den  am  allgemeinsten  verehrten  Persönlichkeiten,  und  der  Beherr- 
scher dieser  Welt,  Hadrian,  soll  sich  um  seine  Freundschaft  beworben  haben'). 
Die  bedeutendsten  Lehrer  und  Schriftsteller  dieser  Jahrhunderte,  der  Frei- 
gelassene Epictet,  der  Ritter  Musonius  Rufus,  der  Konsular  Seneca,  der  Kaiser 
Marc  Aurel,  gingen  aus  den  verschiedensten  Ständen  und  Lebensstellungen 
hervor.  Die  Wirkung  der  Philosophie  erstreckte  sich  auf  alle  Schichten  der 
Gesellschaft,  von  den  niedrigsten  bis  zu  den  höchsten "").  Die  Philosophie,  sagt 
Seneca,  sieht  nicht  auf  den  Stammbaum;  der  Ritterstand,  der  Senat,  der  Kriegs- 
dienst bleibt  vielen  verschlossen ;  die  Erkenntnis  steht  allen  ofifen,  für  diesen 
Zweck  sind  wir  alle  edelgeboren^).  Eine  große  Seele  kann  ebensowohl  in  einem 
Sklaven  oder  Freigelassnen  wie  in  einem  römischen  Ritter  wohnen'*). 

Aber  nicht  bloß  die  Scheidewände  und  Schranken  der  Stände  und  Klassen 
durchbrach  die  Philosophie,  sie  hat  auch  die  Ausschließlichkeit  des  Nationalitäts- 
bewußtseins wenigstens  sehr  zu  schwächen  vermocht  und  in  der  teilweisen 
Überwindung  dieses  in  allen  Völkern  des  Altertums,  vor  allem  den  Römern, 
so  stark  entwickelten  und  mit  so  großer  Härte  geltend  gemachten  Gefühls  sich 
als  eine  der  realsten  bildenden  und  umgestaltenden  Mächte  der  hier  geschilder- 
ten Kulturperiode  erwiesen.  Namentlich  der  Kynismus  und  der  Stoizismus 
haben  die  in  ihnen  von  Anfang  an  liegende  Richtung  des  Weltbürgertums  und 
der  die  ganze  Menschheit  umfassenden  Bruderliebe  auf  dem  so  höchst  günstigen 
Boden  des  römischen  Universalreichs  in  einer  Weise  entwickelt,  daß  ihre  Lehren 
über  das  Verhältnis  des  Einzelnen  zur  Menschheit  ebensosehr  einen  christlichen 
Geist  atmen,  wie  sie  den  entschiedensten  Bruch  mit  den  spezifisch  antiken  Welt- 
anschauungen bezeugen.    Man  hat  diesen  Entwicklungsgang  der  Philosophie 

führten  Stellen  Macrob.  Sat.  I  7,  3.  Prudent.  Hamartig.  401 :  hinc  gerit  Herculeam  vilis  sapientia 
clavam  ostentatque  suos  vicatim  gytmtosophistas.  Augustin.  C.  D.  XIV  20  et  nunc  videmtis  adhuc  esse 
philosophos  Cynicos ;  hi  enim  sunt,  qui  non  solum  amiciuntur  pallio,  verum  etiam  clavam  ferunt. 
Vgl.  Zeller,  Philos.  d.  Gr.  III  i'*  S  803  f.  Über  den  Kyniker  Sallustius  im  5.  Jahrh.  R.  Asmus, 
N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXV  1910  S.  504  ff.  Auch  bei  dem  Reskript  über  die  colluvio  der  Pseudo- 
philosophen  vom  J.  369  Cod.  Theod.  XIII  3,  7  (mit  Gothofredus  Kommentar)  dürfte  vorzugsweise 
an  Kyniker  zu  denken  sein. 

l)  Hist.  aug.  Hadr.  16,  10.  2)  Lehrreich  dafür  ist  das  Auftreten  neupythagoreischer  Anschau- 
ungen auf  einem  Grabsteine  aus  Philadelphia  in  Lydien  aus  dem  ersten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit. 
A.  Brinkmann,  Rhein.  Mus.  LXVI  1911  S.  6i6ff.     3,  Senea  ep.  44,  i  f .     4)  ebd.  31,  li. 


[IV.  356]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  295 

von  manchen  Seiten  nur  durch  direkte  christliche  Einflüsse  erklären  zu  können 
geglaubt,  aber  auch  bei  Seneca  bedarf  es  ihrer  zur  Erklärung  dieser  Erschei- 
nung keineswegs,  und  der  Widerwille,  den  Epictet  und  Marc  Aurel  gegen  »die 
Galiläerc  äußern,  schließt  die  Annahme  christlicher  Einwirkungen  auf  beide 
geradezu  aus').  Auch  haben  die  Christen  jener  Zeit  ja  (wie  bemerkt)  eine  selb- 
ständige Sittlichkeit  der  Heiden  anerkannt,  welche  sie  teils  aus  deren  Bekannt- 
schaft mit  den  heiligen  Schriften  der  Juden,  teils  aus  einer  Vermittlung  der  dem 
Christentum  entgegenwirkenden  Dämonen  herzuleiten  versuchten.  Zu  so  selt- 
samen Erklärungen  würden  sie  gewiß  nicht  gegriffen  haben,  wenn  sie  geglaubt 
hätten,  die  Tugenden  der  Heiden  auf  christliche  Einflüsse  zurückführen  zu 
können'^).  In  der  Tat  muß  eine  vorurteilsfreie  Betrachtung  zu  dem  Ergebnis 
gelangen,  daß  der  Stoizismus  und  Kynismus  aus  eigner  Kraft  sich  in  dieser  Zeit 
zu  einer  Höhe  und  Reinheit  der  sittlichen  Auffassung  von  Menschenrechten 
und  Menschenpflichten  erhoben  haben,  die  im  früheren  Altertum  nicht  erreicht 
worden  ist^).  Den  stoischen  Grundsatz  von  der  Zusammengehörigkeit  aller 
Menschen,  die,  wie  Epictet  es  ausdrückt,  alle  Gott  zum  Vater  haben,  also  Brüder 
sind,  haben  erst  die  Stoiker  dieser  Zeit  in  seiner  ganzen  Tragweite  und  bis  in 
seine  letzten  Konsequenzen  verfolgt.  Ausdrücklich  und  wiederholt  lehren  sie 
die  Feindesliebe,  die  ertragende  Geduld  und  Nachsicht  nicht  bloß  mit  den  Irren- 
den, sondern  auch  Vergebung  des  uns  getanen  Bösen  und  dessen  Vergeltung 
mit  Wohltaten"^).  Doch  den  untrüglichsten  Maßstab  für  den  Fortschritt  in  der 
Auffassung  des  Verhältnisses  des  Einzelnen  gegenüber  der  Menschheit  gibt  die 
Vergleichung  der  damaligen  Ansichten  über  die  Sklaverei  mit  denen  der  älteren 
Philosophen.  Während  Plato  an  diesem  »Krebsschaden  der  alten  Welt«  keinen 
Anstoß  nahm,  den  Gedanken  einer  künftigen  völligen  Aufhebung  der  Sklaverei 
niemals  faßte;  während  Aristoteles  sogar  den  Beweis  antrat,  daß  sie  in  der  Natur 
begründet  sei,  die  Sklaven  als  »lebendiges  Eigentum«  und  die  Barbaren  als 
geborene  Sklaven  der  Hellenen  betrachtete,  betont  Seneca,  daß  wir  die  Sklaven 
vor  allem  als  Menschen,  als  niedriger  stehende  Freunde  und,  insofern  sie  mit 
uns  unter  derselben  höheren  Macht  stehen,  als  Mitsklaven  ansehen  sollen^). 
Daß  diese  Lehren  in  der  Tat  zur  Verbesserung  des  Zustands  der  Sklaven 
wesentlich  beigetragen  haben,  ist  unbezweifelt^).  Die  von  der  damaligen  Philo- 
sophie geübten  Wirkungen  haben  sich  weit  über  ihre  eigne  Zeit  hinaus  erstreckt: 
wir  haben  aus  dem  3.  Jahrhundert  das  ebenso  merkwürdige  wie  unverdächtige 
Zeugnis  des  Origenes,  daß,  während  wenige  noch  Plato  lasen,  Epictet  von 
jedermann  gelesen  werde'').  Ein  interessantes  Zeugnis  für  das  Ansehen  und  die 
Verbreitung  der  Lehre  Epictets  ist  ein  (etwa  in  der  zweiten  Hälfte  des  2.  Jahr- 
hunderts) bei  einem  Apolloheiligtum  in  Pisidien  in  den  Felsen  gehauenes  Ge- 
dicht  eines    ebenfalls  von  Sklaven  stammenden,    stoisch   gebildeten  Manns. 

i)  Epictet.  D.  IV  7,  6.  M.  Aurel.  comm.  XI  3.  Darüber  ausführlich  A.  Bonhöffer,  Epiktet  und 
das  Neue  Testament,  191 1.  2)  Boissier,  La  religion  rom.  II  426.  Oben  S.  248 f.  3)  Vgl.  Zeller 
a.  a.  O.  S.  296.  4)  ebd.  S.  307  (Seneca).  765  (Musonius).  781  (Epictet).  790  (Marc  Aurel).  Nur  an 
diese  konnte  Goethe  denken,  wenn  er  die  Stoiker  »Christen  unter  den  Heiden«  nannte  'Riemer, 
Briefe  von  und  an  Goethe  S.  315).  5)  Zeller  11  l*   S.  890 f.  (Plato).  II  2^  S.  690 ff.  (Aristoteles). 

ni  i-*   S.  308,  5  (Stoiker).  6)  Vgl.  W.  Soltau,  N.  Jahrb.  f.  klass.  Altert.  XXI  1908  S.  335 ff. 

7)  Orig.  c.  Gels.  VI  2. 


»gö 


XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN 


[IV.  357: 


Zeit. 


Wahre  Freiheit  werde  nicht  durch  die  Geburt  bewirkt,  sondern  nur  durch  den 
Charakter.  Epictet,  der  göttliche  Mann,  war  der  Sohn  einer  Sklavin.  Wenn 
doch  jetzt  zum  Frommen  und  zur  Freude  der  Welt  ein  solcher  Mann  von  einer 
Sklavin  geboren  würde  !^) 
Unhaltbarkeit  Eine  Zeit,  die  aus  eigener  Kraft  sich  zu  höheren  und  reineren  sittlichen  An- 
der Annahme  schauungen  erhob  als  das  ganze  frühere  Altertum,  die  nicht  bloß  einen  Muso- 
nenSittenver-  1^^^^,  Epictet  und  Marc  Aurel  hervorbrachte,  sondern  in  der  diese  Verkünder 
falls  in  dieser  einer  milden,  echt  menschlichen  Sittenlehre  auch  die  allgemeinste  Bewunde- 
rung, ihre  Lehren  allgemeine  Verbreitung  fanden,  kann  nicht  eine  Zeit  des 
tiefsten  Sittenverfalls  gewesen  sein,  wie  sie  so  oft  genannt  worden  ist.  Wenn 
es  überhaupt  keinen  Gradmesser  für  die  Sittlichkeit  einer  auch  noch  so  genau 
bekannten  Periode  gibt,  so  am  allerwenigsten  für  diese  Jahrhunderte,  aus  denen 
uns  nur  vereinzelte,  teils  auf  bestimmte  Gebiete  beschränkte,  teils  gefärbte  oder 
einseitige  Berichte  vorliegen.  Zu  den  letzteren  gehören  die  rhetorischen  De- 
klamationen des  altern  Plinius  und  Seneca,  zu  den  ersteren  die  Darstellung  der 
Greuel  im  Elaiserhause,  der  furchtbaren  Folgen  eines  schrankenlosen  Despotis- 
mus, der  furchtbaren  Unterdrückung  der  Aristokratie  durch  das  Cäsarentum 
beiTacitusund  den  übrigen  Geschichtschreibern,  der  Korruption,  des  Schmutzes 
und  der  Sittenlosigkeit,  deren  Rom,  wie  jede  Weltstadt,  ein  überreiches  Maß 
in  sich  barg,  bei  den  Satirikern  und  Martial.  Aus  diesen  Quellen  allgemeine 
Schlüsse  auf  die  Sittlichkeit  des  ganzen  Zeitalters  zu  ziehen,  würde  selbst  dann 
unstatthaft  sein,  wenn  nicht  selbst  sie  unter  so  viel  widrigen,  häßlichen  und  ab- 
schreckenden auch  gar  manche  wohltuende  und  erhebende  Eindrücke  böten, 
Eindrücke,  die  in  andern  Quellen,  wie  in  den  Briefen  des  jüngeren  Plinius,  den 
Werken  des  Quintilian,  Plutarch,  Gellius,  sogar  entschieden  überwiegen.  Und 
wenn  man  von  jenen  rhetorischen  Deklamationen  über  den  Untergang  der 
guten  alten  Zeit  absieht,  wird  man  in  der  Literatur  schwerlich  Zeugnisse  dafür 
finden,  daß  die  Menschen  jener  Zeit  selbst  in  einer  Periode  des  allgemeinen 
Sittenverfalls  zu  leben  glaubten,  wohl  aber  für  das  Gegenteil.  Selbst  Seneca 
schließt  eine  grelle  Schilderung  der  herrschenden  Unsittlichkeit  mit  der  Er- 
klärung, daß  er  die  Schuld  nicht  an  seiner  Zeit  haften  lassen  wolle.  »Darüber 
haben  unsere  Vorfahren  geklagt,  klagen  wir  und  werden  unsere  Nachkommen 
klagen,  daß  die  Sitten  in  Verfall  seien,  die  Schlechtigkeit  herrsche,  die  Menschen 
immer  tiefer  in  Sündhaftigkeit  versinken,  die  menschlichen  Zustände  sich  ver- 
schlimmern. In  Wirklichkeit  aber  bleiben  sie  unverrückt  und  werden  es  bleiben, 
nur  mit  geringen  Verschiebungen  nach  der  einen  oder  der  andern  Seite:  gleich 
Wassern,  welche  die  steigende  Flut  weiter  vorwärts  trägt,  die  sinkende  auf 
einem  zurückliegenden  Raum  des  Ufers  festhält.«  »Die  Laster  sind  nicht  den 
Zeiten  eigentümlich,  sondern  den  Menschen.  Kein  Zeitalter  ist  von  Schuld  frei 
gewesen«  ""j.  Tacitus  war  überzeugt,  daß  nicht  alles  bei  den  Früheren  besser 
gewesen  sei,  sondern  daß  auch  seine  Zeit  vieles  für  die  Späteren  Nachahmungs- 
würdige hervorgebracht  habe:  vielleicht  finde  in  den  Sitten  wie  in  den  Dingen 
überhaupt  ein  Kreislauf  statt ^).    Und  Marc  Aurel,  dessen  Weltanschauung  ganz 


I)  Kaibel,  Hermes  XXIII  1888  S.  542flf.     2)  Seneca  de  benef.  I  10,  i ;  ep.  97,  l.     3)  Tac.  A.  III 
55;  H.  I  3:  non  tarnen  adeo  virtuUtm  sterile  saecuhim,  ut  non  et  bona  exempla prodiderit. 


[IV.  358]  XIV.  DIE  PHILOSOPHIE  ALS  ERZIEHERIN  297 

vorzugsweise  durch  die  stoische  Lehre  vom  ewigen  Kreislauf  der  Dinge  be- 
stimmt wurde,  der  in  der  Geschichte  nur  ein  ewiges  Einerlei  sah,  mußte  auch 
die  menschliche  Schlechtigkeit  für  etwas  sich  zu  allen  Zeiten  gleich  Bleibendes 
halten.  >Was  ist  Schlechtigkeit?  fragt  er.  Was  du  oft  gesehen  hast!  Wovon 
die  Häuser  und  die  Städte  jetzt  voll  sind,  davon  wird  man  auch  die  alte,  mittlere 
und  neue  Geschichte  erfüllt  finden,  und  nichts  ist  neu.«  Aber  nichts  als 
Schlechtigkeit  in  der  Gegenwart  zu  sehen,  davon  war  er  weit  entfernt.  Nichts 
stimmte  ihn  so  froh,  wie  die  Vorzüge  der  Zeitgenossen  sich  vor  Augen  zu 
halten,  und  es  gab  für  ihn  keine  größere  Freude,  als  die  Abbilder  der  Tugenden, 
die  sich  in  den  Charakteren  der  Mitlebenden  offenbarten,  in  ihrer  Gesamtheit 
zu  überblicken']. 

1'  M.  Aurel.  Comm.  VII  i.  VI  48. 


Das     Verhältnis 

der     Gebildeten 

zum  Unsterblicli- 

l<eitsq[lauben. 

Die  Leugner. 

Der  ältere 

Plinius. 


XV.  DER  UNSTERBLICHKEITS- 
GLAUBE 


u; 


berall  und  zu  allen  Zeiten  hat  da,  wo  der  Unsterblichkeitsglaube  nicht 
durch  Offenbarungsglauben  bestimmt  worden  ist,  neben  seinen  verschie- 
denen Formen  Zweifel,  Unglaube  und  Leugnung  der  Unsterblichkeit  be- 
standen'); und  vermutlich  hat  es  immer  Menschen  gegeben,  für  die  das  Leben 
nur  als  ein  endliches  erträglich  war,  die  der  Gedanke  einer  ewigen  Fortdauer 
sogar  mit  Schauder  erfüllte.  Es  ist  merkwürdig,  daß  gerade  eine  der  tatkräftig- 
sten Naturen,  die  wir  aus  der  spätem  römischen  Welt  kennen,  der  ältere  Plinius, 
den  Unsterblichkeitsglauben  in  fast  leidenschaftlicher  Weise  von  sich  weist:  er, 
dessen  Existenz  doch  eine  bevorzugte  war,  der  mit  unermüdlicher  Ausdauer 
jede  Minute  seines  Lebens  für  den  Staat,  für  die  Menschheit,  für  die  Erkenntnis 
der  Wahrheit  nutzbar  zu  machen  strebte  und  in  diesem  Streben  einen  edeln, 
seines  Lebens  würdigen  Tod  fand. 

»Für  alle«,  sagt  er,  »tritt  mit  der  letzten  Stunde  dasselbe  ein,  was  vor  der 
ersten  war,  und  Gefühl  und  Bewußtsein  gibt  es  für  Seele  und  Körper  nach  dem 
Tode  so  wenie  wie  vor  der  Geburt.  Menschliche  Eitelkeit  setzt  die  Existenz  in 
die  Zukunft  fort  und  erlügt  ein  Leben  in  die  Zeit  des  Tods  hinein,  indem  sie  der 
Seele  bald  Unsterblichkeit,  bald  Umgestaltung,  bald  den  Unterirdischen  Be- 
wußtsein beilegt  und  Manen  verehrt  und  die  zu  Göttern  macht,  die  sogar  Men- 
schen zu  sein  aufgehört  haben:  als  ob  unser  Atem  sich  auf  irgend  eine  Weise 
von  dem  aller  übrigen  Geschöpfe  unterschiede,  oder  als  ob  man  nicht  in  der 
Natur  so  viele  länger  währende  Dinge  fände,  denen  doch  niemand  Unsterblich- 
keit prophezeit.  Welchen  Körper  hätte  denn  aber  die  Seele  an  sich?  Welchen 
Stoff?  Welches  Denkvermögen?  Wie  Gesicht,  Gehör  und  Tastsinn?  Welchen 
Gebrauch  dieser  Gaben  oder  welches  Gut  ohne  sie?  Wo  ist  der  Aufenthalt  und 
wie  groß  in  soviel  Jahrhunderten  die  Menge  der  schattengleichen  Seelen?  Be- 
schwichtigungsmittel für  Kinder  und  Hirngespinste  einer  Sterblichkeit,  die  nie 
aufzuhören  trachtet!  —  Welcher  verwünschte  Wahnsinn,  daß  das  Leben  durch 
den  Tod  erneuert  werden  soll!  Und  wo  gäbe  es  jemals  Ruhe  für  die  Erschaffe- 
nen, wenn  in  höheren  Regionen  das  Bewußtsein  der  Seele  fortdauerte,  und 
Schatten  in  der  Unterwelt?  Wahrlich,  dieser  angeblich  süße  Trost  und  diese 
Glaubensseligkeit  nimmt  dem  eigentlichsten  Gute  der  Natur,  dem  Tode,  seine 


l)  Vgl.  Lehrs,  Populäre  Aufsätze'^  S.  303 — 362.    Im  allgemeinen  C.  Pascal,  Le  credenze  d'oltra 
toinba  nelle  opere  letterarie  dell'antichita  classica,  Catania  19 12. 


[IV.  363]  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 


29g 


Kraft  und  verdoppelt  den  Schmerz  des  Sterbenden  durch  die  Aussicht  auf  eine 
fernere  Zukunft.  Denn  wenn  es  süß  ist  zu  leben,  für  wen  kann  es  süß  sein  ge- 
lebt zu  haben?  Aber  wie  viel  leichter  und  sichrer  wäre  es,  daß  jeder  sich  selbst 
glaubte  und  die  Erfahrung  über  die  der  Geburt  vorausgehende  Zeit  als  Beweis 
der  Sicherheit  für  die  Zukunft  gelten  ließe!«  '). 

Diese  Äußerung  einer  an  buddhistische  Lebensanschauungen  streifenden  Die  Epikureer. 
Sehnsucht  nach  der  Vernichtung  steht  vereinzelt.  Aber  die  materialistische  Auf-  Materialistische 
fassung  der  Seele  und  die  darauf  beruhende  Leugnung  der  Unsterblichkeit  war   ^'■^^^'^^"ft^"- 
mindestens  ebenso  verbreitet  wie  der  Epikureismus,  durch  den  auch  die  An- 
schauung des  Plinius  ohne  Zweifel  mittelbar  oder  unmittelbar  bestimmt  wurde 
und  mit  dem  sein  Materialismus  auch  in  der  Vorstellung  einer  himmlischen  Her- 
kunft der  Seele  und  ihrer  *  Verwandtschaft  mit  den  Gestirnen«  übereinstimmt';. 
Die  Aussicht  auf  ein  Ende  des  Daseins  war  für  die  überzeugten  Bekenner  dieser 
Lehre  keine  traurige  ^j.    Es  war  ihnen  ein  tröstlicher  Gedanke,  in  einen  Hafen 
zu  gelangen,  wo  sie  den  Täuschungen  der  Hoffnung,  den  Launen  des  Schick- 
sals für  immer  entrückt  sein  würden^} ;  ihnen  ziemte,  als  satte  Gäste  sich  gelassen 
von  der  Tafel  des  Lebens  zu  erheben,  um  sich  dem  traumlosen  Schlafe  zu  über- 
lassen ^j.    Die  »dem  ewigen  Schlafe«^)  oder  »der  ewigen  Ruhe«  [Securitatiy) 
geweihten  Grabschriften  deuten,  streng  genommen,  eine  Leugnung  der  Un- 
sterblichkeit an,  wenn  auch  bei  all  diesen  Ausdrucksformen  nie  außer  Acht  ge- 
lassen werden  darf,  daß  sie  bei  häufiger  Verwendung  rasch  abgegriffen  wurden 
und  sich  der  einzelne  ihrer  ursprünglichen  Tragweite  nicht  mehr  bewußt  war: 
nicht  überall  ist  der  Ausdruck  so  unzweideutig  wie  in  der  selbstverfaßten  Grab- 
schrift eines  Nicomedes  auf  Kos  (der,  wie  es  scheint,  ein  herumziehender  Sänger 
der  Homerischen  Gedichte  war):  »Nach  Verhöhnung  des  Wahns  liege  ich  hier 
in  unerwecklichem  Schlaf«  \   Eine  griechische  Grabschrift  lautet:  »Nicht  ist  ein 
Kahn  im  Hades  noch  ein  Charon  dort,  kein  Äacus  als  Pförtner  noch  ein  Cer- 

i)  Plin.  n.  h.  VII  188—191   (über  die  ausgelassene  Stelle  vgl.  Zeller  P  905,  2).         2)  Plin.  n.  h. 
n  95-       3)  So  erklärte  auch  Cäsar  bei  der  Frage  über  die  Bestrafung  der  Catilinarier  im  Senat: 
mortem  —  cuncfa  mortalium  mala  dissolvere,  ultra  tieque  curae  neque  gaudio  locum  esse  (Sallust.  Catil. 
51,  20);  mortem  ab  dis  immortalibus  non  esse  supplicii  causa  constitutam,  sed  aut  neccssitatem  naturae 
aut  laborum  ac  miseriarum  quietem  (Cic.  Catil.  IV  7).         4)  Anthol.  Palat.  IX  49:  'EXm^  KOi  ffu, 
luxn,  MeT«  xaipexe-  tov  Xt^ev'  eupov;  ouöev  e|Lioi  x'  u|uiv  TraiteTe  tou^  luex  e^xe  (vgl.  134.  172). 
CIL  VI  11743  =  Buecheler,  Carm.  ep.  1498  evasi  eßngi:  Spes  et  Fortuna  valcte:  ml  mihi  vobiscum 
est,  hidificate  alias.  Vgl.  CIL  IX  4756  =  Buecheler  409,  8  ff.  actumst  excessi,  Spes  et  Fortuna  valete: 
ml  tam  plus  in  me  vobis  per  saecla  licebit.    quod  fuerat  vestrum  amisi,  qtiod  erat  meum  hie  est.    CIL 
XI  6433  =  Buecheler  434,  13  ff.    Vgl.  Lier,  Philologus  N.  F.  XVI  1903  S.  471  ff    Freilich  sind 
diese  Gedanken  nicht  notwendig  epikureisch.      5)  Lucret.  III  938  f.  (dazu  Heinze)  und  häufig,  z.  B. 
Horat.  S.  I  i,  119.    Das  Gleichnis  zuerst  bei  Bio  von  Borysthenes  (Stob.  III  i,  98  p.  46,  ii  H.): 
ujairep  eK  au^TTOffiou  dTraWdTTO^ai  oOeev  öuaxepaivuuv,  outuj  köi  ck  toö  ßi'ou,  öxav  Äpa  fj.'  HeinzV 
De  Horatio  Bionis  imitatore  (Bonn  1889)  S.  21 ;  vgl.  auch  Pascal  a.  a.  O.  I  23  ff        6)  Dessau  8021 
bis  8024  mit  der  Anm.  zu  nr.  8024;  vgl.  Buecheler,  Carm.  ep.  481.     7)  Die  Zeugnisse  bei  Ilberg  in 
Roschers  Mythol.  Lexik.  IV  597.    Dessau  8027 ff.    Doch  war  securi  ein  volkstümlicher  Ausdruck 
für  die  Toten  überhaupt,  CIL  XIV  4276:  secitra  facta  est  V Mus  Oc[t.  sepulta  usw.;  vgl.  CIL  XIV 
380  =  Dessau  8149  amici,  hoc  {=  huc)  at  securos.  CIL  VI  26227  fccerunt  sibi  post  securitate{m) 
(-  post  mortem).   10251a  =  Dessau  7348  v.  v.  v.  aliquando  securus  sum,  und  Securitati  [aeternae] 
ist  nicht  bloß  mit  D.  m.  verbunden  (z.  B.  CIL  III  3654.  V  2896),  sondern  dis  securitatis  CIL  VI 
2268  =  Dessau  8026,  dibus  securis  CIL  VI  1 0217  =  Dessau  6060  auch  für  dis  manibus  [securi 
manes  CIL  lU  6414  =  Buecheler  588,  8)  gesagt  worden.     8j  IG  III  1349  =  Kaibel,  Epigr.  gr.  loi. 


300  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  364,  365] 

berus.  Wir  alle  aber,  die  der  Tod  hinabgeführt,  sind  morsche  Knochen  und 
Asche,  andres  aber  nichts« ');  in  einer  andern  heißt  es  von  dem  Toten,  er  sei 
nun  nach  Durchmessung  der  Lebensbahn  ein  Grab,  ein  Stein,  ein  Bildnis  ge- 
worden^). Ein  viel  gebrauchtes  Distichon  lautet:  >Ich  war  nicht  und  ward,  ich 
war  und  bin  nicht  mehr,  so  viel  ist  wahr.  Wer  anders  sagt,  der  lügt :  denn  nicht 
werde  ich  sein«^).  Öfters  wird  noch  hinzugesetzt,  daß  der  Tod  kein  Übel  sei, 
da  mit  dem  Leben  auch  das  Bewußtsein  aufhöre.  Ein  L.  Mäcius  Marcus,  der 
bei  Lebzeiten  für  sich  und  die  Seinen  ein  »ewiges  Haus«  erbaute,  sägte  in  der 
Inschrift  (als  noch  lebender):  >Ich  war  einst  nicht  und  bin  jetzt;  ich  werde  einst 
nicht  sein:  es  grämt  mich  nicht«'*).  Einer  Verstorbenen  sind  auf  einem  Grab- 
stein die  Worte  in  den  Mund  gelegt:  ^Ich  war  einst  nicht  und  bin  nicht  mehr. 
Ich  weiß  nichts  davon:  es  trifft  mich  nicht«  ^).  »Der  Tod«,  heißt  es  auf  einem 
andern  Stein,  »ist  das  Letzte  und  auch  das  Heilsamste«^).  Dies  wurde  auch  in 
scherzhafter  Weise  ausgeführt.  Ein  Freigelassener  Ancarenus  Nothus  sagt  in 
seiner  Grabschrift,  er  befürchte  nicht  mehr  hungern  zu  müssen,  habe  kein  Poda- 
gra und  brauche  keine  Wohnungsmiete  zu  bezahlen,  da  er  ein  ewiges  Quartier 
unentgeltlich  bewohne').  Mit  der  Leugnung  der  Fortdauer  wird  auch  die  Auf- 
forderung zum  Genüsse  des  vergänglichen  Lebens  verbunden,  z.  B. :  »Ich  war 
nichts,  ich  bin  nichts.  Und  du,  der  du  lebst,  iß,  trink,  scherze,  komm!«^).  »Du, 
der  du  dies  liesest,  Kamerad,  freue  dich  deines  Lebens;  denn  nach  dem  Tode 
gibt  es  weder  Scherz  noch  Lachen  noch  irgend  eine  Freude*  ^).  Ein  Grabmonu- 
ment, das  im  Jahre  1626  unter  der  Konfession  der  Peterskirche  gefunden  wurde, 
eine  liegende  Statue  eines  Manns  mit  einer  Trinkschale  in  der  Hand,  erregte 
durch  den  verruchten  Inhalt  seiner  Inschrift  so  großen  Abscheu,  daß  die  Statue 
versteckt  oder  (nach  andern)  in  den  Tiber  geworfen,  die  Inschrift  mit  Kalk  über- 
strichen wurde;  doch  ist  eine  Abschrift  aufbewahrt.  Der  Verstorbene  scheint 
trotz  seines  krassen  Materialismus  ein  bürgerlich  geregeltes,  anständiges  Leben 
geführt  zu  haben.  Er  war  aus  Tibur,  hieß  Flavius  Agricola  und  hatte  sich  in 
der  Stellung  abbilden  lassen,  in  der  er  einst  im  Leben  dem  Wein  zuzusprechen 
liebte.   Mit  seiner  Frau  Flavia  Primitiva  hatte  er  dreißig  Jahre  aufs  angenehmste 

l)  IG  XIV  i746  =  Kaibel  646,  38".  (Dessau  8156).  2)  Kaibel  311,  vgl.  Buecheler  801.  3)  IG 
XIV  1201  =  Kaibel  1117.  Cumont,  Festschr.  f.  Hirschfeld  (1903)  S.  273  f.  4)  CIL  VI  9258. 
5)  CIL  V  1939  =  Buecheler  1585.  Vgl.  den  Zuruf  an  den  Leser  der  Grabschrift  CIL  VIII  2885 
=  Buecheler  800  Nonfueras:  nunc  es,  Herum  nunc  desines  esse  und  als  Formel  in  Abkürzungen 
CIL  V  1813  n[on)f'yui\  n[on)  s[uni),  n[on)  c[tiro].  2893  =  Dessau  8164.  IG  XIV  i879  =  Kaibel  595: 
euipuxiö  NiK0|Liii6r]<;,  öariq  ouk  tiiutiv  koi  eYev6)Lir|V,  ouk  eijui  Kai  ou  A.UTToO|uai  und  mehr  bei  Dessau 
8i62ff.  Lier  a.  a.  O.  S.  59off.  Vgl.  Lucret.  III  830 ff.  Plutarch.  consol.  ad  Apoll.  15.  Epigramm, 
dem  Ausonius  zugeschrieben,  ex  sepulcro  latinae  viae,  Auson.  ed.  Peiper  p.  419  Non  notnen,  non  quo 
genitus,  non  nnde,  quid  aevi:  mutus  in  aeterniim  sum  cinis  ossa  nihil,  non  sunt,  nee  fueram  genitus, 
tarnen  e  nihilo  sum.  mitte,  nee  exprobres  singula:  talis  eris.  6)  CIL  V  4654.  7)  CIL  VI  7193=»  = 
Buecheler  1247;  ein  zweites  Fragment  derselben  (also  öfters  angewandten)  Inschrift  CIL  VI  33241. 
8)  CIL  II  1434.  (Grabschrift  eines  8jährigen  Kinds),  vgl.  Buecheler,  Carm.  ep.  1500.  Lier  a.  a.  O. 
XVII  1904  S.  56ff.  Lebas-Waddington  977:  "Aveo(;  rote;  TtapoÖeiTOi^  \o.\p^\v  XoOaai  irfe  qpOYC 
ßeivriöov  TOÜTUJV  yop  lö&e  kcctiü  oubev  exei?.  CIL  VI  19683  =  Buecheler  1582  liegt  den  Schluß- 
worten etwa  folgendes  Distichon  zugrunde:  ecee  ?neo  iaeeo  tumulo  neque  sentio  quiequam.  tu,  moneo, 
fruere,  dum  tibi  vita  data  est.  XI  2547  a:  dum  vibes  homo  vibe,  nam  post  mortem  nihil  est:  omnia  re- 
mantnt,  et  hoc  est  homo,  quodvides.  9)  CIL  IX  3473  =  Buecheler  186.  CIL  VI  16169  =  Bue- 
cheler 85  ioeeris,  ludas:  hie  summa  est  severitas. 


[IV.  366]  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  301 

gelebt;  sie,  eine  keusche,  fleißige,  schöne  Frau,  war  eine  Verehrerin  der  Isis 
gewesen.  Nach  ihrem  Tode  hatte  ihn  sein  Sohn  Aurelius  Primitivus  durch  seine 
Liebe  getröstet  und  in  sein  Haus  aufgenommen.  Zum  Schluß  ermahnt  er  die 
Leser  in  Versen,  die  offenbar  in  allerlei  Variationen  oft  angewandt  wurden'), 
sich  des  Weins  und  der  Liebe  zu  erfreuen,  denn  alles  übrige  verzehre  nach  dem 
Tode  die  Erde  und  das  Feuer^j. 

Es  ist  sehr  glaublich,  daß  in  der  Bildungssphäre,  welcher  die  Verfasser  dieser 
und  mancher  der  früher  erwähnten  Grabschriften  angehörten,  für  Ungläubige 
der  platteste  Materialismus  auch  der  einleuchtendste  war,  und  sehr  natürlich, 
daß  sie  gern  ihre  starkgeistige  Aufklärung  und  Erhabenheit  über  die  Menge  der 
minder  Fortgeschrittenen  durch  möglichst  kräftig  abgefaßte  Bekenntnisse  an 
den  Tag  legten,  deren  Anbringung  auf  Grabsteinen  damals  weder  die  Sitte  noch 
ein  Dogma  ausschloß.  Vielmehr  schien  dies  gerade  eine  besonders  passende 
Gelegenheit,  die  Summe  der  Lebenserfahrungen  zu  ziehen :  und  so  ist  es  kein 
Wunder,  daß  gerade  hier  auch  jene  niedrigste  Abart  des  Epikureismus  sich  breit 
macht,  die  das  einzige  wahre  Gut  im  gröbsten  Sinnengenusse  suchte.  Öfters 
wird  auf  eine  in  diesem  Sinn  abgefaßte  Grabschrift  des  Königs  Sardanapal  hin- 
gedeutet oder  ihr  Inhalt  variiert,  z.  B. :  »was  ich  gegessen  und  getrunken,  habe 
ich  mit  mir  genommen,  was  ich  zurückgelassen,  habe  ich  verloren«^).  Nicht 
anders  sind  die  Grabschriften  zu  verstehen,  in  denen  Bäder,  Wein  und  Liebe, 
mäßig  genossen,  als  die  Quelle  des  wahren  Lebensgenusses  gepriesen  werden 
und  von  dem  Toten  gesagt  wird,  er  habe  alles  mit  sich  ins  Grab  genommen, 
d.h.  alles,  was  das  Leben  an  wirklichen  Gütern  bieten  könne,  sei"  in  seinen 
Besitz  übergegangen  und  damit  gleichsam  ein  Teil  seiner  selbst  geworden^]. 

Die  Anzahl  der  materialistischen  Grabschriften ^)  ist  nun  gegenüber  den  vielen 

l)  Vgl.  z.  B.  Buecheler  118.  190.  562,  8;  sehr  hübsch  243  dum  vixi,  bibi  libenter^  bibite  vos,  qui 
vivitis.  2)  CIL  VI  17985  a.  34112  =  Buecheler  856.  Vgl.  H.  Lietzmann,  Petrus  und  Paulus  in 
Rom  (1915)  S.  148 ff.  3)  CIL  VI  18131  =  Buecheler  244;  vgl.  CIL  III  14524.  G.  W.  van  Bleek, 
Quae  de  hominum  post  mortem  condicione  doceant  carmina  sepulcralia  latina  (Diss.  von  Amster- 
dam), Roterodami  1907  S.  24  ff.  Über  die  Grabschrift  des  Sardanapal  vgl.  Preger,  Inscript.  graec. 
metr.  S.  183  ff.  Lier  a.  a.  O.  59  ff.  4)  CIL  VI  15258  =  Buecheler  1499  hie  secttm  habet  omnia: 
balnea,  vina,  Venus  corrttvipunt  corpora  nostra,  set  vitam  faciunt  b[alnea),  v[ina],  V{em{s);  vgl.  cum 
vives,  benefac  setnper,  hoc  tectim  feres  CIL  VI  142  =  Dessau  3961.  CIL  IX  2114=  Buechelei  1S7 
Dum  vixi,  vixi  quo7nodo  ingenuom  decet,  qnod  comedi  et  ebibi,  tanttim  meum  est.  Petron.  43,  8  hoc 
solum  enim  secum  tulit.  5)  Zu  diesen  muß  man  auch  solche  rechnen,  die  eine  Auflösung  in  die 
Elemente  voraussetzen.  CIL  III  8003  =  Buecheler  1207  (vgl.  1206.  5)  aus  Sirmium:  D.  m.  Terra 
tenet  corpus,  nomen  lapis  atque  animam  aer.  IX  2042  =  Buecheler  590 :  Zoticus  hie  nomen  nudum 
vanumque  reliquit.  in  einer  es  corpus  et  in  aethera  vita  soluta  est.  XI  973  a  =  Buecheler  1108: 
quoius  ut  est  lenis  patrium  diffusus  in  aer  (sie)  Spiritus,  hie  maier  (d.  i.  tellus)  corpus  operia  tenet. 
Gutes  Gedicht  aus  Küstendsche  (Tomi),  in  dem  die  Fortdauer  des  Bewußtseins  nach  dem  Tode 

geleugnet  wird,  Arch.  ep.  Mitt.  aus  Österr.  VI  18S2  S.  30  nr.  60: e5  (jöaxoc;  Kai  ^x\c,  Kai 

irveuiuaTOe;  r\(x  TTdpoi6ev,  oXlh.  Gavüuv  Kei|uai  Träöi  tcx  ttoivt'  äTTOÖoüc;.  Tiäöiv  toOto  juever  ti  öe 
TÖ  irXeov;  OTriroBev  fjXeov  ic;  tout'  [out']  eAuGr)  au)|ua  |uapaiv6|nevov.  CIL  VI  35887  =  Buecheler 
1532  (Dessau  8168):  mortua  heic  ego  sum  et  sum  einis;  is  ci7iis  terra  est;  si  est  terra  dca,  ego  su?n 
dea,  mortua  non  sum,  vgl.  CIL  VI  29609  =;  Buecheler  974,  4.  Ps.  Epicharm.  frg.  296  Kaib.  Lier 
a.  a.  O.  XVI  1903  S.  586  ff.  Inschriften,  die  Zweifel  ausdrücken,  z.  B.  Kaibel  700,  4  dW'  ei' y'  ev 
(p6i|uevoiai  Tiq  ai'aBriaK;,  TeKvov,  eOTiv.  722,  5  ei  öe  riq  eaxi  vooq  Trapot  TdpTa0iv  x\  napä  ArjBri. 
Buecheler  179  si  quid  sapiunt  inferi.  1028.  5  si  qua  fides  remantf  Telluris  amicae.  van  Bleek  a.  a.  <3. 
S.  29  ff.  128  f. 


302  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  367  j 

Tausenden,  die  keinen  Zweifel  an  der  Fortdauer  verraten,  verschwindend  klein, 
obwohl,  wie  gesagt,  keins  von  den  Hindernissen  existierte,  welche  die  Äußerung 
solchen  Unglaubens  an  dieser  Stelle  gegenwärtig  auch  dem  rücksichtslosesten 
Materialisten  beinah  unmöglich  machen,  da  überhaupt  die  Empfindung  der  an- 
tiken Welt  von  der  der  modernen  in  bezug  auf  Grab  und  Tod  eben  in  mehr  als 
einer  Beziehung  wesentlich  verschieden  war:  jene  fand  selbst  scherzhafte  Äuße- 
rungen mit  dem  Ernste  des  Grabs  nicht  unvereinbar').  Aber  daß  der  Materialis- 
mus verbreitet  war,  würde  man  trotzdem  annehmen  dürfen,  selbst  wenn  nicht 
bestimmte  Zeugnisse  über  die  große  Verbreitung  des  Epikureismus  (besonders 
unter  den  Ungebildeten*),  und  wir  dürfen  wohl  nach  heutiger  Analogie  ver- 
muten, noch  mehr  unter  den  Halbgebildeten)  vorhanden  wären.  Freilich  fehlt 
jede  Möglichkeit,  das  zahlenmäßige  Verhältnis  der  Materialisten  zu  den  Un- 
sterblichkeitsgläubigen für  irgend  eine  Zeit  zu  bestimmen;  daß  sie  aber  auch 
im  spätem  Altertum  trotz  ihrer  relativ  großen  Zahl  immer  nur  eine  kleine  Mino- 
rität gebildet  haben,  dafür  sprechen  Gründe  genug. 
Leugnung  der  Wenn  Übrigens  auch  die  Leugnung  der  Unsterblichkeit  nur  in  der  materialisti- 
Unsterblichkeit  gehen  Philosophie  Epikurs  ein  Haupt-  und  Fundamentalsatz  des  Systems  war, 
ys^e-  ^^  ^urde  doch  die  Endlichkeit  der  Seele  auch  in  andern  philosophischen  Sy- 
stemen angenommen.  Zwar  der  Glaube  der  Stoiker  an  eine  begrenzte,  doch 
unbestimmt  lange  Fortdauer  nach  dem  Tode  hatte  in  der  praktischen  Anwen- 
dung im  wesentlichen  denselben  Wert  und  dieselbe  Wirkung  wie  der  Unsterb- 
lichkeitsglaube. Doch  Panätius,  der  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  im 
Kreise  der  Scipionen  zu  Rom,  später  zu  Athen  lebte,  großes  Ansehen  genoß 
und  namentlich  auf  die  Römer,  die  sich  dem  Stoizismus  zuwandten,  zu  allen 
Zeiten  großen  Einfluß  übte,  wich  wie  in  andern  Punkten  so  auch  hier  von  der 
Überlieferung  der  Schule  ab.  Er  leugnete  die  Fortdauer  gänzlich,  und  ebenso 
bestimmt  sprach  unter  den  spätem  Stoikern  Cornutus  (der  Lehrer  des  Persius) 
aus,  daß  die  Einzelseele  mit  ihrem  Leibe  sterbe  und  vergehe,  während  Marc 
Aurel  zwischen  den  Vorstellungen  eines  Erlöschens  der  Seele  im  Tode  und  eines 
Übergangs  in  ein  andres  Dasein  schwankte^).  Unter  den  peripatetischen  Philo- 
sophen, denen  sich  Panätius  vorzugsweise  anschloß,  hatte  auch  Dicäarch,  ein 
unmittelbarer  Schüler  des  Aristoteles,  die  Fortdauer  der  Seele  geleugnet,  die 
ihm  das  Ergebnis  aus  der  Mischung  der  körperlichen  Stoffe,  in  ihrem  Dasein 
an  den  Körper  gebunden  und  durch  alle  seine  Teile  verbreitet  war.  Aristoteles 
hat  zwar  eine  Fortdauer  des  denkenden  Geistes  gelehrt,  aber  keine  persönliche 
und  individuelle,  und  hat  die  Vorstellung,  als  ob  die  Gestorbnen,  die  das  Volk 
in  Griechenland  >die  Seligen«  nannte"*),  glücklich  sein  könnten,  ausdrücklich 
zurückgewiesen.    Von  den  späteren  Peripatetikern  hat  Strato  aus  Lampsacus, 

l)  Auch  obszöne  Vorstellungen  nicht:  Luxor.  Anthol.  lat.  319  R.'  de  sarcophago  ubi  turpia 
sculpta  fuerant  Vgl.  den  Sarkophag  bei  Müller- Wieseler,  Denkmäler  d.  alten  Kunst  II  Taf.  XLIV 
Nr.  548.  2)  Cic.  Tusc.  IV  7;  de  fin.  I  25.  3)  Rohde.  Psyche  IP  326ff.  Über  die  abweichende 
Stellung  des  Posidonius  und  seine  an  platonische  und  in  letzter  Linie  orphisch-pythagoreische 
Lehren  anknüpfende  Anschauung  von  der  Präexistenz  und  dem  Fortleben  der  Seele  vgl.  Schmekel, 
Die  Philosophie  der  mittleren  Stoa  S.  140  ff.  248  ff.  W.  Gerhaüßer,  Der  Protreptikos  des  Poseido- 
nios  (Diss.  Heidelberg  1912)  S.  55  ff.",  über  Nachwirkungen  seiner  Lehre  bei  den  Christen  K.  Gro- 
nau, Poseidonios  u.  die  jüdisch-christliche  Genesisexegese  (1914)  S.  258ff.  4)  Lehrs,  Pop.  Aufs.^ 
S.  344  Anm. 


CToreismus. 


[IV.  368]  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  305 

der  Schüler  des  Theophrast,  allem  Anschein  nach  den  Unsterblichkeitsglauben 
ganz  aufgegeben;  und  der  mit  dem  Namen  eines  zweiten  Aristoteles  geehrte 
Alexander  von  Aphrodisias  (in  der  Zeit  der  Severe)  hat  die  Leugnung  der  Un- 
sterblichkeit auch  bei  Aristoteles  nachzuweisen  gesucht. 

Aber  eine  Philosophie  gab  es  doch  auch,  welche  die  Unsterblichkeit  mit  ebenso  Glaube  und  Be- 
großem Nachdruck  behauptete,  wie  der  Epikureismus  sie  leugnete:  die  Pia-  ^'^^?,.'^ff  3-^" 
tonische,  die  einzige,  die  sie  auch  wissenschaftlich  zu  beweisen  unternahm,  da 
für  den  Pythagoreismus  die  Lehre  von  der  Unsterblichkeit  und  Seelenwanderung 
vielmehr  ein  Dogma  als  ein  philosophischer  Satz  war').  Wie  überhaupt  der 
Piatonismus  die  dem  Überirdischen  zugewandten  Geister  unwiderstehlich  anzog,  Platonismus  und 
so  war  namentlich  seine  Seelenlehre  ein  Trost  und  eine  Beruhigung  für  alle,  die  ^eupytha- 
mit  dem  Bedürfnisse  des  Unsterblichkeitsglaubens  das  einer  philosophischen 
Begründung  ihrer  Überzeugungen  verbanden:  auch  Cato  von  Utica,  dieser 
»vollendete  Stoiker«,  wie  ihn  Cicero  nennt,  der  durch  seinen  Tod  zu  einer  Ideal- 
gestalt des  späteren  Stoizismus  wurde,  las,  bevor  er  zum  Selbstmorde  schritt, 
den  Phädon  Platos^j.  Freilich  konnte  Piatos  Beweis  der  Unsterblichkeit  nie- 
manden überzeugen,  der  nicht  schon  überzeugt  war,  auch  war  seine  Unbündig- 
keit  durch  die  Kritik  Stratos  nachgewiesen  worden :  aber  wie  für  Cicero,  so  ge- 
nügte gewiß  für  die  meisten  das  Ansehen  und  der  Name  Piatos  als  Bürgsch  aft 
für  die  Wahrheit  seiner  Lehre,  und  sie  wollten  lieber  mit  ihm  irren,  als  mit 
seinen  Gegnern  die  Wahrheit  erkennen^).  »Es  ist  unberechenbar,  wie  viel  seine 
Dialoge  zur  Kräftigung,  Verbreitung  und  bestimmenden  Ausgestaltung  des  Un- 
sterblichkeitsglaubens, wechselnd  im  Laufe  der  Jahrhunderte,  aber  ununter- 
brochen bis  in  unsere  Zeit  gewirkt  haben «"').  »Mit  richtigem  Verständnis  hat 
die  Nachwelt  sein  Bild  festgehalten,  als  das  des  priesterlichen  Weisen,  der  mit 
mahnender  Hand  dem  unsterblichen  Menschengeiste  aufwärts  den  Weg  weisen 
will,  von  dieser  armen  Erde  hinauf  zum  ewigen  Lichte«^). 

Wenn  Plato  glaubte,  die  Unvergänglichkeit  der  Seele  wissenschaftlich  be- 
gründen zu  können,  so  hat  er  sich  dagegen  in  seinen  Vorstellungen  von  ihren 
Schicksalen  vor  und  nach  jedem  Leben  im  Leibe  je  länger  je  mehr  von  den 
mystischen  Lehren  der  orphisch-pythagoreischen  Sekten  bestimmen  lassen^. 
Die  orphischen  Gemeinden  verehrten  vor  andern  Göttern  den  thracischen  Gott 
Bacchus  (Dionysos),  und  in  diesem  Kult  und  in  seinen  Ekstasen  wurzelte  die 
Überzeugung,  »daß  im  Menschen  ein  Gott  lebe,  der  erst  nach  der  Sprengung 
der  Fesseln  des  Leibes  frei  werde.  Im  Zusammenhange  mit  dieser  Überzeugung 
entwickelte  sich  das  Streben  nach  der  Ablösung  des  Irdisch- Vergänglichen 
durch  Askese  (das  sogenannte  orphische  Leben),  das  dem  Glauben  und  der 
Seelenstimmung  dieser  mystischen  Separatisten  die  Richtung  gab;  und  auch 
der  Glaube  an  eine  ausgleichende  Gerechtigkeit  im  Jenseits  verdankt  ihnen  seine 
Ausführung  und  Begründung.  Diese  Lehren,  die  ihren  Weg  aus  Thracien  über 
Griechenland  nach  Unteritalien  und  Sizilien  fanden,  wurden  hier  mit  denen  der 

i)  Lehrs  a.  a.  O.  S.  336  ff.  2)  Platonisches  über  die  Fortdauer  der  Seele  bei  Stoikern,  nament- 
lich Seneca:  Lehrs  a.  a.  O.  S.  339f.  Der  wichtigste  Vermittler  war  Posidonius,  vgl.  u.  a.  E.  Bad- 
stübner,  Beiträge  zur  Erklärung  u.  Kritik  d.  philosoph.  Schriften  Senecas  (Progr.  Hamburg  1901,' 
S.  iff.  3I  Cic.  Tusc.  I  39.  49.  4)  Rohde  a.  a.  O.  S.  265.  5)  ebd.  S.  295.  6)  Zum  Folgen- 
den vgl.  Rohde  S.  103  ff. 


304  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE         [IV.  369, 370] 

pythagoreischen  Gemeinden  verschmolzen  und  gewannen  in  ihrer  nunmehrigen 
Gestalt,  die  sich  durch  Jahrhunderte  unverändert  erhielt,  die  größte  Verbrei- 
tung in  der  ganzen  griechischen  Welt.  Das  wichtigste  unter  den  orphisch-pytha- 
goreischen  Dogmen  war  die  Lehre  von  der  Seelenwanderung,  dem  Kreislauf 
immer  neuer  Geburten,  den  die  Seele  durchmessen  muß,  um  die  Buße  für  ihren 
Sündenfall  in  das  Körperliche  zu  vollenden  und  wieder  göttlich  zu  werden  wie  einst. 
Hier  war  also  nicht  der  Tod  der  Sünde  Sold,  sondern  das  Leben.  Nach  dem 
irdischen  Leben  erwartet  die  Seele  im  Hades  ein  Gericht,  und  nach  dessen  Aus- 
spruch die  Frommen  ein  seliges  Dasein  mit  den  Göttern  der  Tiefe,  die  Frevler 
Strafen  im  Tartarus,  die  >in  der  Absicht  zu  schrecken,  zu  bekehren,  zu  er- 
wecken« '),  in  den  eschatologischen  Dichtungen  der  Orphiker  ins  Fürchterliche 
ausgemalt  waren.  Plato  hat  sich  sowohl  die  Lehre  von  der  Seelenwanderung 
wie  von  den  Strafen  der  Seelen  angeeignet,  die  teils  als  läuternde  —  namentlich 
durch  Feuer,  eine  Lehre,  die  auch  Origenes  annahm,  und  die  Gregor  L  zum 
Dogma  erhob ^)  —  gedacht  waren,  teils  als  ewige,  und  er  hat  großen  Wert  dar- 
auf gelegt,  sie  mit  allem  Nachdruck  zu  verkünden^). 

Auch  Vergil  hat  die  Hauptzüge  seines  Gemäldes  der  Unterwelt,  namentlich 
des  Elysiums,  des  Tartarus  und  des  Lethetals  (wo  die  Seelen,  die  in  neue  Leiber 
eintreten  sollen,  vorher  Vergessenheit  des  Früheren  trinken)  einer  orphischen 
Dichtung  entnommen'*).  Ebenso  hat  Plutarch  in  seiner  Schilderung  des  Jen- 
seits aus  einer  orphischen  Dichtung  geschöpft;  nach  Piatos  Vorgange  gibt  er 
sie  als  Vision  eines  wieder  zum  Leben  erwachten  Toten,  dessen  Seele  die  Er- 
innerung an  die  während  der  Trennung  vom  Körper  empfangenen  Eindrücke 
bewahrt  hat^).  Der  Ort  der  Seligen  gleicht  einer  bacchischen,  reich  mit  Grün 
und  Blumen  aller  Art  geschmückten  Grotte,  die  einen  sanften,  die  Seelen  wie 
Wein  berauschenden  Duft  aushaucht  und  ganz  von  bacchischer  Lust,  Lachen, 
Scherz  und  Gesang  erfüllt  ist.  Am  Orte  der  Qual  sind  die  Strafen  für  die  Ver- 
schuldungen dreifach  abgestuft.  Am  gelindesten  sind  sie  für  jene,  die  schon  auf 
Erden  gebüßt  haben.  Wer  aber  aus  diesem  Leben  ungestraft  und  ungeläutert 
kommt,  wird  so  lange  gepeinigt,  bis  jede  Leidenschaft  aus  ihm  durch  Schmerzen 
und  Qualen  getilgt  ist,  die  an  Heftigkeit  und  Stärke  die  fleischlichen  soweit 
übertreffen,  wie  die  Wirklichkeit  den  Traum  an  Deutlichkeit.  Narben  und  Strie- 
men bleiben  von  den  Leidenschaften  bei  den  einen  längere,  bei  den  andern  kür- 
zere Zeit  zurück,  daher  die  Farben  der  Seelen  bunt  und  mannigfach  sind:  die 
blutrote  Farbe  verrät  Grausamkeit,  die  bläuliche,  daß  hier  die  Wollust  ausgerottet 
ist  usw.  Die  Farbe  zeigt  das  Ende  der  Läuterung  und  Bestrafung  an,  nach  ihrem 
Verschwinden  erscheinen  die  geläuterten  Seelen  gleichfarbig  und  glänzend.  An 
dem  Orte  der  schwersten  Strafen  ertönt  Jammergeheul  der  Seelen,  die  dort  die 
gräßlichsten  Martern  leiden.  Der  Erzähler  sieht  die  Seele  seines  Vaters  voll 
von  Malen  und  Narben  aus  einem  Schlünde  hervorkommen  und  die  Hände  nach 
ihm  ausstrecken,  während  sie  von  ihren  Peinigern  zu  neuen  Büßungen  (für  einen 
im  Leben  unentdeckt  gebliebenen  Giftmord)  geschleppt  wird.  Er  sieht  Seelen, 

l)  Dieterich,  Nekyia  S.  l6i.  2)  Gregor.  M.  Dial.  IV  39.  43  f.  Ebert,  Gesch.  d.  christl.  lat.  Lite- 
ratur r  548.  3)  Dieterich  a.  a.  O.  S.  113 ff.  4)  Norden,  Hermes  XXVIII  1893  S.  37iff.;  Verg. 
Aen.  VP  5  ff.  Dieterich  a.  a.  O.  S.  l5off.  L.  Rademacher,  Das  Jenseits  im  Mythos  der  Hellenen 
(1903)  S.  I3ff.       5J  Plutarch.  De  sera  num.  vind.  22;  vgl.  Dieterich  a.  a.  O.  S.  i4Sff. 


[IV.  37i]  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  305 

die,  gleich  einem  Knäuel  von  Schlangen  umeinander  geschlungen,  sich  gegen- 
seitig fressen.  Dort  sind  ferner  drei  Seen,  von  siedendem  Golde,  von  kaltem 
Blei  und  von  rauhem  Eisen,  Dämonen,  die  Schmieden  gleichen,  tauchen  mit 
Werkzeugen  die  Seelen  der  Habsüchtigen  darin  unter  und  ziehen  sie  wieder 
heraus.  Nachdem  sie  in  dem  Goldsee  glühend  und  durchsichtig  geworden,  er- 
starren sie  in  dem  Bleisee  zu  der  Härte  von  Hagelkörnern,  dann  werden  sie  in 
dem  Eisensee  schwarz  und  spröde,  so  daß  sie  durch  Zerbrechung  und  Zer- 
reibung  neue  Gestalten  annehmen,  hierauf  kommen  sie  aufs  neue  in  den  Gold- 
see und  leiden  bei  diesen  Veränderungen  unsägliche  Qualen.  Manche,  die  schon 
von  Strafe  befreit  zu  sein  glaubten,  werden  auf  die  Klagen  und  Vorwürfe  der 
Seelen  ihrer  Nachkommen,  die  im  Leben  für  ihre  Verbrechen  hatten  büßen 
müssen,  zu  neuen  Martern  geschleppt.  Zuletzt  sieht  er  die  Seelen  derer,  die 
behufs  einer  zweiten  Geburt  von  ihren  Peinigern  mit  Werkzeugen  aufs  gewalt- 
samste umgestaltet  werden.  Unter  ihnen  ist  auch  die  Seele  des  Nero,  die  außer 
andern  Qualen  mit  glühenden  Nägeln  durchschlagen  ist.  Sie  sollte  in  einem 
Vipernleibe  leben,  aber  auf  das  Gebot  einer  Stimme,  die  plötzlich  aus  einem 
gewaltigen  Lichte  erscholl,  ward  ihr  der  Leib  eines  zahmen  Tiers  zum  Aufent- 
halt angewiesen,  das  singend  an  Sümpfen  und  Seen  lebt  (etwa  eine  Unke);  >denn 
die  Götter  seien  dem  Nero  auch  eine  Belohnung  schuldig,  da  er  das  beste  und 
gottgeliebteste  Volk  unter  seinen  Untertanen  in  Freiheit  gesetzt  habe<^. 

Auch  in  den  Grabschriften  fehlt  es  nicht  an  Spuren  einer  weiten  Verbrei- 
tung der  orphischen  Doktrin.  Dazu  gehört  die  an  den  LTnterweltsgott  Aido- 
neus  oder  Osiris,  den  ägyptischen  Herrn  der  Seele,  gerichtete  Bitte,  den  Toten 
das  kalte  Wasser  zu  gewähren^),  womit  ein  Wasser  des  Lebens  gemeint  ist. 
Wie  die  in  den  Gräbern  von  Thurii  und  Petelia  (etwa  aus  dem  4. — 3.  Jahrhun- 
dert V.  Chr.)  und  zu  Eleuthernä  auf  Kreta  (etwa  aus  dem  2.  Jahrh.  v.  Chr  )  sowie 
bei  Rom  (2.  Jahrh.  n.  Chr.)  gefundenen  Goldblättchen^)  zeigen  (die  die  Toten  in 
der  Hand  gehalten  zu  haben  scheinen),  wurden  die  Formeln,  die  der  Geweihte 
bei  seinem  Eintritt  in  den  Hades  kennen  mußte,  um  des  Wassers  des  Lebens 
teilhaft  zu  werden,  ihm  ins  Grab  mitgegeben,  viele  Jahrhunderte  lang  in  gleicher 
Weise.  Auch  die  Christen  behielten  jene  Vorstellung  bei,  obwohl  bald  nicht 
mehr  in  der  ursprünglichen  Bedeutung.  »Kühlung  [refrigerium]  ist  bei  ihnen 
eine  für  den  Zustand  der  Seligen  nach  dem  Tode  typische  Bezeichnung,  und 
die  Bitte  um  diese  Kühlung  wird  nicht  nur  an  Christus,  sondern  auch  an  Mär- 
tyrer gerichtet«  ^). 

Auch  die  Vorstellung  von  einer  Erhebung  der  Seele  in  den  Äther,  zu  den 
Gestirnen,  in  die  Nähe  der  Götter'*),  die  »sowohl  in  religiösen  Ahnungen  als  in 

l)  Dieterich  a.  a.  O.  S.  95  ff.  2}  Die  reiche  Literatur  verzeichnet  die  Ausgabe  von  A.  OHvieri, 
Lanaellae  aureae  Orphicae  (1915);  vgl.  auch  Diels,  Fragmente  der  Vorsokratiker  ü^  ^75 ff- 
3)  V.  Schultze,  Die  Katakomben  (1882)  S.  268.  4)  Lehrs,  Pop.  Aufs."  S.  34off.  van  Bleek  a.  a.  O. 
S.  1 12  ff.  Pascal  a.  a.  O.  II  201  ff.  P.  Capelle,  De  luna,  stellis,  lacteo  orbe  animanim  sedibus  (Diss. 
Halle  1917)  S.  iQff.  S.  z.B.  Kaibel,  Epigr.  gr.  312,  6:  Kai  |ue  BeOuv  fiaKOtpujv  KOTexei  66|uo<;  Sööov 
iövTo.  324,  3 f.  vpuxn  ö'  dSavoTiuv  ßouXalt;  eTribtiiaioe;  eaxiv  äoTpoK;  koi  iepov  xiJüpov  exei  noKci- 
puuv.  650,  II  Tcipeaai  ouv  ai9epioiai  xopeuei.  288,  2  ei'puaev  dGavaroiv  )Lie  xopo<;-  1024  vuxri 
ö'  äSavdTUJv  alGepa  vaierdei.  340,  7  kc,  öe  Beoüc;  dveAuaa  xai  dGavaroiai  jueTeijai.  Buecheler 
1288,  4  haec  abit  ad  superos.    1277  evocor  ad  superos.   1438  C  sede  beatorum  recipit  te  lactais  orbis. 

Friedlaender,  Darstelluagen.  III.    9.  AuS.  20 


3o6  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  372] 

philosophischen  Spekulationen <  wurzelte,  war  mit  den  orphisch-pythagoreischen 
Lehren  vereinbar ;  sie  scheint  die  Vorstellung  von  einem  (meist  als  unterirdisch 
gedachten)  »Ort  der  Frommen«  ^)  je  länger  je  mehr  zurückgedrängt  und  unter 
dem  Einfluß  stoischer  Anschauung  in  der  späteren  Zeit  die  größte  Verbreitung 
gefunden  zu  haben.  Statins  läßt  es  unentschieden,  ob  die  Seele  seines  Vaters 
sich  zur  Höhe  emporgeschwungen  habe  und  in  den  lichten  Regionen  weilend 
die  Bahn  der  Gestirne  verfolge,  oder  auf  den  lethäischen  Gefilden  bei  den 
Heroen  der  Vorzeit  und  den  seligen  Manen  wohne "").  Doch  in  einigen  Grab- 
schriften wird  die  letztere  Vorstellung  ausdrücklich  zurückgewiesen:  nicht  in 
der  Unterwelt  und  bei  den  Manen  sei  die  Seele  des  Verstorbnen,  sondern  sie 
habe  sich  zu  den  Gestirnen  erhoben ^j.  In  diesem  Sinne  sagt  auch  der  jüngere 
Plinius  von  dem  verstorbenen  Vater  Trajans:  seine  Wohnung  sei  entweder  auf 
den  Sternen  oder  doch  in  ihrer  Nähe,  von  dort  schaue  er  auf  seinen  Sohn  herab 
und  freue  sich  seines  Ruhms  und  seiner  Herrlichkeit*). 

Doch  unter  den  Gebildeten  der  römischen  Welt  war  in  den  ersten  nachchrist- 
lichen Jahrhunderten  wahrscheinlich  die  Zahl  derer  am  größten,  die  teils  keinem 
philosophischen  Systeme  ganz  und  gar  anhingen,  sondern  nach  individuellem 
Bedürfnis  ihre  Weltansicht  durch  Wahl  aus  verschiednen  Systemen  bildeten, 
teils  von  der  Philosophie  überhaupt  nur  mittelbar  und  in  geringem  Maße  be- 
Die  Zweifler,  einflußt  waren.  Ein  großer  Teil  von  diesen  wird  das  Bedürfnis  nicht  empfunden 
oder  darauf  Verzicht  geleistet  haben,  über  die  Unsterblichkeit  zu  einer  festen 
Überzeugung  zu  kommen.  Die  so  ganz  entgegengesetzten  Resultate,  zu  denen 
die  verschiednen  philosophischen  Richtungen  gelangt  waren,  die  Bestreitung 
der  von  den  angesehensten  Lehrern  aufgestellten  Sätze  durch  andre  nicht  min- 

CIL  VI  2160  =  Dessau  4947  cuhts  spii-iUis  inter  deos  receptits  est.  Die  Seele  selber  als  Gott  ge- 
dacht (wie  es  scheint,  erst  im  späteren  Piatonismus)  Lehrs,  Pop.  Aufs.^  S.  351  ff.  Kaibel  314  (etwa 
aus  dem  3.  Jahrhundert,  zu  Smyma)  06Oi(;  riptuöiv  die  Eltern  einem  vierjährigen  Kinde,  xeKvuj 
yAukutoItiu  Kai  6eiJJ  iöioi  etTriKOO).  Buecheler  975  corpore  constimpto  viva  anima  detis  sum.  Darstel- 
lungen von  Verstorbenen  unter  dem  Bilde  von  Göttern  s.  oben  S.  78. 

l)  Lehrs  S. 344ff.  So  z.B.  die  Grabschrift  des  Freunds  des  Persius,  des  Arztes  Claudius  Agathe- 
merus  (Kaibel  554,  3':  |ueT  euoeßeujv  6'  eajuev  ev  riXuatuj.  Die  Formeln  eüoeßeuuv  ei<;  iepouq  öaXa- 
jaou^,  ee;  b6)uov  euaeßeuuv,  ee;  euaeßeuuv  \\h^ov,  laex'  euoeßeeaai,  ev  eüaeßeuuv  u.  dgl.  Kaibel,  Epigr. 
gr.  215,  6.  218,  16.  222,  8.  222t,  12.  253,  6.  338,  6.  569,  12;  Elysium  338,  2;  Inseln  der  Seligen 
648,  9.  649,  2.  473,  2;  vgl.  Arch.  ep.  Mitt.  aus  Österr.  VI  1882  S.  32  f.  nr.  63  (vfjaov  exeic;  )naKy- 
puuv).  CIL  in  1759  =  Buecheler  131 1,  5  —  nam  mens  aeterna profecto  pro  7iieritis potitiir  sedibus 
Elysiis.  III  i992  =  Buecheler  1465:  vivas,  qui  dixeris:  vivit  Elysiis.  VI  12877  und  häufig.  Doch  ge- 
hören diese  Ausdrücke  so  fest  zum  dichterischen  Wortschatze  der  Grabschriften,  daß  man  aus  ihnen 
Schlüsse  auf  die  Anschauungen  der  Menge  nicht  ziehen  kann.  2)  Stat.  S.  V  3,  19 — 27,  vgl.  Voll- 
mers Anm.  3)  CIL  VI  10764  =  Buecheler  1535,  7  f.  sed  non  hie  Manis  nee  templa  Acherusia  visiti 
ad  caeli  quoniam  tollititr  iste  Pitts.  VIII  8567  =  Buecheler  569,  6  Non  tarnen  ad  Maries,  sed  caeli 
ad  sidera  pergis.  XI  2839  =  Buecheler  743,  3  ff,  —  corporeos  nexus  littqucns  et  vincu{la  carnis] 
aeternas  sedes  meruit  complecti  pio[ritm\  sublimes  animas  nullus  putet  ire  sub\timbras\  occubat  in  ter- 
ris  sapiens,  sed  vivit  in  afjo].  6963  =  Buecheler  591  Terrenum  corpus.,  caelestis  Spiritus  in  me,  quo 
repetente  suam  sedtm  nunc  vivimus  illic,  et  fruitur  superis  aeterna  in  luce  Fabatus.  VI  13528  = 
Buecheler  1559,  13  ff.  hie  corpus  vatis  Labert,  nam  Spiritus  ivit  illuc,  unde  ortus:  quaeriti  fontem 
animae.  quodfueram,  non  sum,  sed  rursum  ero,  quod  modo  noji  sum.  ortus  et  occasus,  vitaque  morsque 
itidem  est,  wo  wohl  an  ein  Wiederaufleben  der  Seele  in  anderer  Gestalt  zu  denken  ist.  4)  Plin. 
Paneg.  89,  2.  Eine  offizielle  Apotheose  hatte  also  damals  noch  nicht  stattgefunden,  Hirschfeld, 
Kl.  Schrift.  S.  488,  2. 


[IV.  373,  374]         XV.   DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  307 

der  angesehene,  mußte  namentlich  skeptische  Geister  zu  der  Ansicht  führen, 
daß  die  wissenschaftliche  Erforschung  dieses  Gegenstands  zu  den  Aufgaben 
gehöre,  welche  die  menschliche  Kraft  übersteigen :  eine  Ansicht,  bei  der  auch 
ein  Sokrates  stehen  geblieben  war,  wenn  gleich  seine  Natur  ihn  zum  Glauben 
an  die  Fortdauer  hinzog.  Es  ist  sehr  natürlich,  daß  namentlich  den  Forschern, 
die  den  Körper  zum  Gegenstand  ihrer  Untersuchung  machten,  die  schwersten 
Zweifel  an  der  Unkörperlichkeit  der  Seele  aufstiegen.  Der  Arzt  Galen,  ob-  Galeu. 
gleich  nichts  weniger  als  ein  Materialist  und  ein  entschiedner  Gegner  Epikurs, 
fand  doch  die  Platonische  Vorstellung  von  der  Immaterialität  der  Seele  sehr 
bedenklich;  denn  wodurch  sollten  sich,  fragt  er,  unkörperliche  Substanzen  von- 
einander unterscheiden,  wie  kann  ein  unkörperliches  Wesen  über  den  Körper 
verbreitet  sein,  wie  kann  ein  solches  vom  Körper  so  affiziert  werden,  wie  dies 
bei  der  Seele  im  Wahnsinn,  in  der  Trunkenheit  und  in  ähnlichen  Zuständen  der 
Fall  ist?  >Er  getraut  sich  nicht,  diesen  Punkt  zu  entscheiden,  und  ebensowenig 
beabsichtigt  er,  die  Unsterblichkeit  zu  behaupten  oder  zu  leugnen«  'j. 

Doch  auch  Quintilian  rechnet  die  Frage,  ob  die  vom  Leibe  gelöste  Seele  un-  Quintilian. 
sterblich  sei  oder  wenigstens  eine  gewisse  Zeit  fortdaure,  unter  die  unentschie- 
denen^), und  ebensowenig  war  Tacitus  hierüber  zu  einer  festen  Überzeugung  Tacituo. 
gekommen,  als  er  im  reifen  Mannesalter  das  Leben  des  Agricola  schrieb.  Er 
schließt  es  mit  dem  Wunsche,  daß  der  Verstorbne  sanft  ruhen  möge,  »wenn  es 
eine  Stätte  für  die  Geister  der  Frommen  gibt,  wenn,  wie  die  Weisen  annehmen, 
große  Seelen  nicht  mit  dem  Körper  erlöschen*  —  dies  letztere  im  Hinblick  auf 
die  Lehre  des  Chrysippus,  daß  nur  die  Seelen  der  Weisen  bis  zum  Weltbrande 
fortdauern^).  Und  selbst  Cicero,  für  den  der  Unsterblichkeitsglaube  so  hohen 
Wert  hatte,  fand  es  doch  nicht  überflüssig,  die  Todesfurcht  auch  für  den  Fall 
zu  beschwichtigen,  daß  die  Seele  im  Tode  untergehe''). 

Aber  wenn  auch  Cicero  den  Zweifel  als  berechtigt  anerkannte,  stand  seine  Cicero  als  Re- 
eigne Überzeugung  so  fest,  als  es  ohne  Ofifenbarungsglauben  möglich  ist,  und  Präsentant    der 
seine  Gründe  für  die  Unsterblichkeit  dürfen  wir  gerade  darum  als  die  Gründe   ter^denfgebildc- 
der  Mehrzahl  der  Gläubigen  unter  den  Gebildeten  voraussetzen,  weil  sie  nicht  ten Eklektikern, 
sowohl  auf  Dogmen  oder  wissenschaftlich  bewiesenen  Resultaten,  als  vielmehr 
auf  den  Instinkten,  Bedürfnissen  und  Empfindungen  beruhen,   die  teils  der 
menschlichen  Natur  überhaupt  eigen  sind,  teils  sich  durch  die  besondern  Ein- 
flüsse der  römischen  Kultur  entwickelt  hatten.    Denn  obwohl  Cicero  den  Pla- 
tonischen Beweis  der  Unsterblichkeit  ausführlich  mitteilt,  sagt  er  doch,  wie  be- 
merkt, ausdrücklich,  daß  für  ihn  die  Überzeugung  eines  Plato  auch  ohne  Gründe 
bestimmend  sei,  und  er  führt  diesen  Beweis  allem  Anschein  nach  mehr  zur  Be- 
friedigung der  Ansprüche  andrer  als  seiner  eignen  an.    Sein  Glaube  wie  der 
aller  verwandten  Naturen  beruhte  vor  allem  auf  einem  hohen  Begriff  von  der 
Größe  und  Würde  des  Menschengeistes,  auf  der  Bewunderung  und  Ehrfurcht 
vor  seinen  Kräften  und  Leistungen.    Der  Geist,  der  Sprache  und  Schrift  erfun- 
den, den  Menschen  zum  Menschen  gesellt,  die  Bahnen  der  Gestirne  gemessen, 
die  ganze  Kultur,  die  Künste,  Poesie  und  Philosophie  geschaffen  hatte,  konnte 

i)  Zeller  III  i^  S.  860 f.  Vgl.  TertuUian.  De  anima  6:  Soranus  —  corporalem  animae  substantiam 
vindicat,  etsi  illam  immortalitate  fratidavit.  2)  Quintilian.  V  14,  13.  3'  Tac.  Agric.  46.  Vgl. 
Zeller  a.  a.  O.  S.  205,  4.       4)  Cic.  Tusc.  I  82  ff.,  vgl.  ad  fam.  V  16,  4. 


3o8  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  375] 

nach  seiner  Überzeugung  unmöglich  irdischer  und  vergänglicher  Natur  sein. 
Seine  Kraft,  seine  Weisheit,  seine  Erfindung,  seine  Erinnerung  erschien  ihm 
cröttlich;  sein  Ursprung  konnte  nicht  auf  Erden  sein,  er  mußte  vom  Himmel 
stammen  und  darum  ewig  sein.  Diese  Überzeugung  bestätigte  ihm  die  Überein- 
stimmung aller  Völker,  die  hier  ebenso  vollständig  war  wie  im  Glauben  an 
Gottheiten,  ferner  der  Glaube  der  größten  Geister  seiner  eignen  Nation  und  die 
Anerkennung  der  Unsterblichkeit  in  dem  seit  so  vielen  Jahrhunderten  unver- 
ändert festgehaltenen  religiösen  Kultus  der  Toten.  Auch  in  der  Sorge  der  Men- 
schen für  die  Zeit  nach  ihrem  Tode,  der  Aufopferung  der  Besten  für  die  Nach- 
welt, in  dem  so  allgemeinen  und  natürlichen  Streben  nach  Anerkennung  bei 
spätem  Geschlechtern  und  Nachruhm  glaubte  er  einen  Beweis  für  die  Fortdauer 
zu  finden:  überall  und  zu  allen  Zeiten  hätten  gerade  die  an  Geist  und  Charakter 
hervorragendsten  Menschen  so  gehandelt,  wie  man  eigentlich  nur  in  der  Aus- 
sicht auf  eine  Fortdauer  handeln  könne;  in  dem  Glauben  aber  der  Edelsten  und 
Besten  dürfe  man  eine  Erkenntnis  des  Wahren  erblicken.  Einen  fast  poetischen 
Ausdruck  hat  Cicero  seinem  Glauben  an  persönliche  Fortdauer  in  dem  »Traum 
des  Scipio«  gegeben,  in  dem  die  Seligkeit  der  großen  Toten  der  Vorzeit  in 
höheren  Sphären  geschildert  wird,  die  aus  dem  Kerker  des  Leibes  zum  wahren 
ewigen  Leben  emporgehoben  sind'). 
Seneca.  Aber  freilich  blieben  alle  Jenseitshoffnungen,  die  nicht  auf  religiöse  Über- 
zeugung gegründet  waren,  sehr  schwankende,  wie  dies  namentlich  Senecas  Bei- 
spiel zeigt,  der  sich  doch  zu  dem  eine  Fortdauer  lehrenden  Stoizismus  bekannte 
und  überdies  in  hohem  Grade  zu  platonischen  Anschauungen  neigte.  Es  gab 
eine  Zeit  in  seinem  Leben,  wo  ihm  eine  Fortdauer  ebensowenig  denkbar  und 
ebensowenig  wünschenswert  erschien,  wie  dem  von  ihm  stets  hochgeschätzten 
Epikur.   In  einer  seiner  Tragödien^)  heißt  es: 

Wes  Fuß 
Berührt  die  Fluten  des  Todesstroms,  der  ist 
Nirgends  mehr  fortan.     Gleich  wie  vom  Feuer  der  Rauch 
Kaum  aufgestiegen,  trüb  in  die  Luft  verschwimmt, 
Wie  Wetterleuchten,  kaum  erst  erschaut  von  uns, 
Auch  schon  zerteilt  des  stürmischen  Nords  Gewalt, 
So  wird  der  Hauch,  der  jetzt  uns  belebt,  entfliehn. 
Nach  dem  Tod  kommt  nichts  mehr,  selber  der  Tod  ist  nichts. 
Dem  flüchtigen  Laufe  winkt  er  als  letztes  Ziel, 
Nicht  hofft  ihr  Gierigen,  Furchtsame  bebt  nicht  mehr! 
Du  fragst,  wo  nach  dem  Tode  du  weilen  wirst? 
Dort,  wo  das  Nichtgeborene  ist. 
Die  Zeit  verschlingt,  die  gier'ge,  das  Chaos  uns. 
Auf  jeglichen  Leib  hat  einmal  der  Tod  ein  Recht 
Und  schont  auch  der  Seelen  nicht.     Tänaron  und  das  Reich 
Des  finstem  Königs,  und  der  die  Schwelle  wahrt 
Als  Hüter,  Cerberus,  dem  man  fürchtend  naht. 
Sind  leeres  Gerede,  nichtige  Worte  nur, 
Ein  Spuk,  der  uns  ängstigt,  wie  ein  Fiebertraum. 


i)  Cic.  Tusc.  I  26 ff. ;  de  rep.  VI  9 ff.;  ad  Attic.  X  8,  8:  Wnpus  est  nos  de  illa  perpetua  iam,  non 
de  hoc  exigua  vita  cogitare.  Lehrs  a.  a.  0.  S.  349 ff  Über  Ciceros  Quelle  (Posidonius)  vgl.  Schme- 
kel,  Die  Philosophie  der  mittleren  Stoa  S.  132  ff.       2)  Troad.  390  ff. 


[IV.  376]  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  309 

Wenn  auch  Seneca  an  dieser  unbedingten  Leugnung  der  Fortdauer  nicht 
lange  festgehalten  hat,  so  ist  er  doch  zu  einem  festen,  alle  Zweifel  ausschließen- 
den Unsterblichkeitsglauben  niemals  gelangt.  An  seinen  Freund,  den  Epikureer 
Lucilius,  schreibt  er  einmal,  dessen  letzter  Brief  habe  ihn  aus  einem  angenehmen 
Traum  erweckt.  Er  sei  im  Begriff  gewesen,  sich  dem  tröstlichen  Glauben  an 
die  Ewigkeit  der  Seelen  hinzugeben  und  sich  die  Meinungen  großer  Männer 
anzueignen,  die  ja  freilich  mehr  verheißen  als  beweisen:  beim  Empfange  von 
Lucilius  Brief  sei  er  erwacht,  und  der  hübsche  Traum  war  dahin,  doch  er  wolle 
ihn  zurückgewinnen.  In  der  Tat  schließt  er  seinen  Brief  mit  einem  Ausblick 
auf  das  längere  und  bessere  Leben,  zu  dem  das  irdische  nur  ein  Vorspiel  sei. 
Dann  werden  sich  uns  die  Geheimnisse  der  Natur  enthüllen,  der  Himmel,  den 
die  an  den  Leib  gefesselte  Seele  nur  von  ferne  ertragen  kann,  von  allen  Seiten 
mit  gleichem  Glänze  leuchten,  es  wird  keinen  Wechsel  von  Tag  und  Nacht 
mehr  geben,  und  wir  werden  erkennen,  daß  wir  in  der  Finsternis  gelebt  haben, 
solange  das  göttliche  Licht  nur  durch  die  so  äußerst  engen  Wege  der  Augen 
zu  uns  drang").  Vergleicht  man  diesen  Schluß  mit  dem  Anfang  des  Briefs,  so 
kann  man  kaum  zweifeln,  daß  die  Zuversicht,  die  er  hier  zur  Schau  trägt,  eine 
künstlich  eingeredete  war.  In  der  Tat  erklärt  er  es  in  seinen  spätesten  Schriften 
oft  genug  als  zweifelhaft,  ob  es  ein  andres  Leben  gebe,  ob  die  Seele  fortdauere, 
ob  der  Tod  nur  ein  Übergang  sei  oder  das  Ende.  Über  sein  Wesen  und  seine 
Wirkung  würden  wir  Gewißheit  nur  dann  erhalten,  wenn  ein  Gestorbner  wieder 
auferstände.    Aber  Seneca  wußte  von  keinem  Auferstandenen^). 

Eine  Gewißheit  der  Fortdauer  konnte  die  philosophische  Spekulation  nur  in 
Verbindung  mit  religiösem  Glauben,  wie  im  Piatonismus  und  Pythagoreismus, 
geben.  Gewiß  war  auch  unter  den  Gebildeten  die  Zahl  derer  nicht  gering,  die 
auf  eine  philosophische  Begründung  ihrer  Jenseitshofifnungen  ganz  verzichteten 
und  Trost  und  Beruhigung  über  das  andre  Leben  in  der  Religion  allein  suchten 
und  fanden. 

Am  vollkommensten  wurde  dies  Verlangen  durch  die  sehr  zahlreichen  Ge- 
heimkulte befriedigt.  Aus  den  orphisch-dionysischen  Mysterien,  die  in  der 
ganzen  griechischen  Welt  ungemein  verbreitet  waren  und  namentlich  im  2.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  blühten,  schöpften  Unzählige,  wie  Plutarchs  Gattin  Timoxena  3), 
ihren  festen  Unsterblichkeitsglauben.  Doch  behaupteten  unter  den  griechischen 
Mysterien  die  eleusinischen  das  Ansehen  des  heiligsten  Gnadenlestes,  und  der 
Zudrang  zu  der  dortigen  Feier  der  heiligen  Nacht  ist  vielleicht  in  den  letzten 
Zeiten  des  Altertums  am  größten  gewesen.  Im  ganzen  römischen  Reich  ge- 
wannen ausländische  (thracische,  phrygische,  ägyptische,  syrische,  persische) 
Geheimkulte  durch  den  Reiz  des  fremdartig  Geheimnisvollen  eine  immer  größere 
Anziehungskraft:  wohl  alle  verhießen  ihren  Gläubigen  selige  Unsterblichkeit. 
»Wiedergeborene«,  auf  ewig  Wiedergeborene«  heißen  diejenigen,  die  im  Ge- 
heimdienste der  Großen  Mutter  die  Bluttaufe  des  Taurobolium  erhalten  haben 
und  ebenso  die  Eingeweihten  des  Isis-  und  des  Mithrasdienstes*):  der  Kern  des 
letzteren  war  vielleicht  der  altpersische  Glaube  an  die  Auferstehung  der  Toten  ^). 

i)  Seneca  epist.  102,  i  f .  28  ff.  2)  Friedlaender,  Hist.  Zeitschr.  LXXXV  1900  S.  247 — 249. 
3)  Plutarch.  Cons.  ad  uxorem  10.  4)  Dieterich,  Eine  Mithrasliturgie  S.  157  ff.  Reitzenstein,  Die 
hellenistischen  Mysterienreligionen  (1910)  S.  31  ff.       5)  Rohde,  Psyche  IV  399f. 


3IO 


XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 


[IV.  377] 


kopbagen   und 
indem     Grab- 
denkmälern. 


Die  Malereien  der  von  einem  Priester  des  phrygischen  Gottes  Sabazius  für  sich 
und  seine  Gattin  errichteten  Grabkammer  im  Bereiche  der  späteren  Praetextatus- 
Katakomben  in  Rom  zeigen  in  eigenartiger  Mischung  heidnischer  und  jüdischer 
Anschauungen,  wie  die  verstorbene  Vibia  einerseits  nach  dem  Vorbilde  der 
Proserpina  vom  Unterweltsfürsten  entführt  wird  und  dann  in  Begleitung  von 
Mercurius  und  Alcestis  vor  dem  Throne  der  unterirdischen  Götter  erscheint, 
andrerseits  wie  ein  angeliis  bonns  sie  in  den  Festsaal  geleitet,  in  dem  die  Seligen 
[bonorum  iudicio  iudicati)  bekränzt  beim  frohen  Mahle  vereinigt  sind').  Für  ge- 
meinsame Begräbnisstätten  der  Angehörigen  solcher  Mysteriendienste  fehlt  es 
an  Zeugnissen"). 
Andeutungen  Zu  den  Zeugnissen  des  Unsterblichkeitsglaubens  und  der  Hoffnung  auf  ein 
des  jenseitigen  höheres  Dasein  gehören  auch  zahlreiche  bildliche  Darstellungen  auf  Graburnen 
und  -altären,  Sarkophagen  und  sonstigen  Grabdenkmälern,  von  denen  die  mit 
künstlerischem  Schmuck  ausgestatteten  vorzugsweise  doch  nur  von  Wohlhaben- 
den, also  in  der  Regel  höher  Gebildeten  benutzt  werden  konnten^).  Nicht  immer 
freilich  ist  die  Sprache  dieser  Bildwerke  verständlich;  die  damalige  künstlerische 
Produktion,  die  ja  überhaupt  die  neuen  Kunstbedürfnisse  aus  dem  unermeßlichen 
Vorrat  der  vorhandnen  Schöpfungen  zu  befriedigen  suchte,  hat  auch  hier  viel- 
fach ältere  Darstellungen  in  einem  neuen  Sinne  verwandt.  Zu  diesen  gehört 
auch  die  große  Masse  der  figurenreichen  mythologischen  Szenen,  mit  denen 
die  Vorderseiten  der  Sarkophage  geschmückt  sind:  ihrer  Arbeit  nach  rühren  sie 
in  überwiegender  Mehrzahl  aus  der  Zeit  vom  2.  bis  4.  Jahrhundert  her  und  sind 
vielfach,  vielleicht  in  der  Regel,  nicht  auf  Bestellung  geliefert,  sondern  zur  Aus- 
wahl für  Käufer  gearbeitet,  also  so  wie  sie  der  großen  Mehrzahl  zusagten  und 
gewöhnlich  verlangt  wurden'*).  Wenn  nun  hier  die  Beziehung  der  dargestellten 
Mythen  auf  Tod,  Unsterblichkeit  und  Jenseits  oft  nicht  mit  Sicherheit  nachweis- 
bar, und  vielleicht  in  der  Tat  zuweilen  nichts  andres  bezweckt  worden  ist  als 
eine  gefällige  und  bedeutende  Ausfüllung  des  Raums  durch  allgemein  beliebte 
Darstellungen^),  so  ist  doch  bei  einem  großen  Teile  der  Gegenstände  der  Sinn, 
in  welchem  sie  zur  Verzierung  dieser  Steinsärge  gewählt  sind,  nicht  zweifelhaft^j. 
Die  Gestalten  des  Mythus  sind  hier  gleichsam  poetische  Typen  zum  symboli- 


i)  Wilpert,  Die  Malereien  der  Katakomben  Roms  (1903)  Taf.  132  f.  Vgl.  Wendland,  Die  helle- 
nistisch-römische Kultur^  8.4256".  Maaß,  Orpheus  (1895)  S.  207  ff.  Cumont,  Compt.  rend.  de 
l'acad.  d.  inscript.  1906  S.  72ff. ;  Die  oriental.  Religionen^  S.  77 f.  2)  Denn  die  Erwähnung  der 
at  religionem  pertinejites  meam  auf  einem  Grabmal  an  der  Via  Nomentana  (CIL  VI  104 12  =  Dessau 
8337)  ist  christlich  oder  jüdisch;  Mommsen,  Ges.  Schrift.  III  213,  i.  3)  Vgl.  z.  B.  den  etwa  aus 
der  Antoninenzeit  stammenden  schönen  Unterweltssarkophag  aus  Ephesus,  J.  Keil,  Österr.  Jahresh. 
XVII  1914  S.  I35ff.  4)  Vgl.  oben  S.  90.  5)  Dabei  werden  oft  mit  ziemlicher  Willkür  einzelne 
Personen  der  Darstellung  mit  den  Porträtköpfen  der  Bestatteten  versehen,  so  z.  B.  auf  einem  Sarko- 
phag Hippolytus  und  die  als  Kupplerin  auftretende  Amme  der  Phaedra  (Robert,  Die  antiken  Sarko- 
phagreliefs III  2  S.  201),  auf  einem  andern  die  Personifikationen  von  Ostia  und  Portus  (Robert, 
Hermes  XLVI  1911   S.  250).  6)  Für  das  Folgende  E.  Petersen,  Annali  d.  Inst.  1860  S.  358  ff. 

(vgl.  auch  C.  Fredrich,  Nachr.  d.  Götting.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  1895,  i  ff.);  im  allgemeinen  über 
Hinweisungen  auf  ein  Fortleben  nach  dem  Tode  im  Bilderschmuck  römischer  Grabdenkmäler 
A.  Strong,  Joum.  of  Rom.  Stud.  I  1911  S.  i6ff.  Die  Untersuchung  von  V. Macchioro,  il  simbolismo 
nelle  figurazioni  sepolcrali  romane,  Memorie  d.  accad.  di  archeol.,  lettere  e  belle  arti  Napoli  I 
1909  S.  II  ff.  schießt  in  der  Annahme  symbolischer  Bedeutung  rein  omamental  gedachter  Ele- 
mente weit  über  das  Ziel  hinaus. 


[IV.  378J  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  311 

sehen  Ausdruck  abstrakter  Ideen:  und  auch  hier  herrscht  noch  jene  Tendenz 
der  griechischen  Kunst  und  Poesie,  das  Menschendasein  durch  Erhebung  in 
ideale  Gebiete  zu  verklären.  Nur  selten  kommt  (wie  im  Prometheusmythus)  die 
Vereinigung  und  Trennung  von  Seele  und  Körper  geradezu  zur  Darstellung; 
gewöhnlich  wird  der  Übergang  in  ein  andres  Leben  und  dessen  Seligkeit  oder 
Unseligkeit  durch  die  Schicksale  der  Götter  und  Heroen  versinnbildlicht.  Be- 
sonders gern  wurde  die  Entführung  der  Proserpina  ins  Schattenreich  und  ihre 
Wiederkehr  zur  Welt  des  Lichts  zum  Schmucke  von  Sarkophagen  gewählt,  des- 
gleichen der  Tod  des  Adonis,  dem  ja  ebenfalls  eine  Auferstehung  folgt;  viel- 
leicht ist  auch  die  Entführung  der  Töchter  des  Leucippus  durch  die  Dioskuren 
zu  einem  höhern  Dasein  in  ähnlichem  Sinne  zu  verstehen.  Die  Geschichten  von 
Admet  und  Alcestis,  von  Protesilaus  und  Laodamia  deuten  die  Hoffnung  auf 
ein  Wiedersehen  nach  dem  Tode,  die  Fortdauer  der  Gattenliebe  im  Jenseits  an. 
Herakles,  der  durch  unablässiges  Ringen  sich  von  den  Gebrechen  der  Sterblich- 
keit befreiende  und  auch  über  die  Mächte  der  Unterwelt  siegreiche  Held,  er- 
scheint in  seinen  Kämpfen  und  Arbeiten  als  der  eigentliche  Überwinder  des 
Todes  ^).  Achill  auf  Skyros,  der  ein  kurzes,  glückliches  Leben  einem  langen, 
tatenlosen  vorzog  und  für  diese  Wahl  mit  der  Versetzung  ins  Elysium  belohnt 
wurde,  soll,  wie  es  scheint,  den  Lohn  verbürgen,  der  die  Tugend  erwartet,  die 
Geschichte  des  Aktäon,  des  Marsyas,  der  Klytämnestra,  der  Gigantenkampf 
vielleicht  die  Strafen,  die  den  Frevler  treffen  werden.  Auf  die  Freuden  der  Se- 
ligen deuten  die  mit  besondrer  Vorliebe  dargestellten  frohen  Vereinigungen, 
Tänze  und  Feste  des  Schwarms,  der  das  Gefolge  des  Bacchus  bildet,  jenes  bunte 
Gewühl  der  Bacchanten,  Mänaden,  Satyrn,  Pane  und  Kentauren,  dessen  Fülle 
nach  Goethe  auf  Sarkophagen  und  Urnen  den  Tod  überwältigt:  »die  Asche  da 
drinnen  scheint  im  stillen  Bezirk  noch  sich  des  Lebens  zu  freun.«  Auch  der 
Gott  selbst  verbürgte  durch  seine  Wiedergeburt  aus  dem  Tode  nach  orphischer 
Lehre  den  Eingeweihten  seiner  Mysterien  die  Unsterblichkeit^);  die  von  ihm 
zum  Himmel  erhobne  Ariadne  erschien  als  ein  Vorbild  der  aus  der  Endlichkeit 
befreiten  und  in  eine  höhere  Welt  entrückten  Seele,  der  Jubel  und  die  festliche 
Freude  des  bacchischen  Kreises,  wie  gesagt,  als  ein  Sinnbild  der  zu  hoffenden 
Seligkeit.  Den  Zustand  der  Seligen  scheinen  auch  die  Züge  und  Chöre  der  auf 
den  Wellen  des  Ozeans  sich  wiegenden  Nereiden  und  Meergötter,  die  Spiele 
von  Liebesgöttern  zu  bedeuten.  Zu  beiden  Seiten  der  Via  Latina  sind  bei  Rom 
1857  und  1858  zwei  einander  gegenüberliegende,  stattliche,  zweistöckige  Grab- 
gebäude entdeckt  worden,  die  der  zweiten  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  an- 
gehören. Die  Gewölbedecke  des  Hauptgemachs  im  Unterstocke  des  einen,  das 
drei  Sarkophage  enthielt,  ist  reich  mit  Stuckreliefs  verziert:  ein  Medaillon  in  der 
Mitte  stellt  die  Seele  des  Verstorbenen  als  verhüllte  Gestalt  von  einem  Greifen 
emporgetragen  vor,  umgeben  von  24  Medaillons  mit  Bacchanten,  Nereiden  und 
Liebesgöttern  in  kleinen  viereckigen  Feldern^).   In  einem  bei  Philippi  gefunde- 

i)  Vgl.  über  die  Benutzung  der  Heraklessage  bei  den  Stoikern  Bernays,  Die  Heraklitischen  Briefe 
(1869)  S.  45  f.  Zeller,  Philos.  d.  Gr.  III  i"*  S.  343,  vgl.  276.  2)  Plutarch.  Cons.  ad  ux.  10.  3)  Pe- 
tersen a.  a.  O.  1860  S.  348  ff.  1861  S.  190 ff.  Ein  Deckengemälde,  sicher  aus  einem  Grabmal,  wahr- 
scheinlich bei  Rom,  aus  dem  Codex  Pighianus  herausgegeben  von  Jahn,  Ben  d.  Sachs.  Gesellsch. 
1869  S.  iff.,  ist  verwandter  Art.    Das  Hauptbild  (Figur  auf  einem  Viergespann,  wohl  der  zum  Him- 


312  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  379] 

nen  lateinischen  Gedieht  auf  den  Tod  eines  Knaben  heißt  es,  daß  ihn  nun  die 
dem  Bacchus  geweihten  Frauen  aufnehmen  würden  zum  Genossen  als  Satyrn 
auf  blumiger  Wiese,  oder  die  Nymphen  in  ihren  von  Fackeln  geführten  Reigen '1. 

Der  Glaube  der  Wenn  es  also  dahingestellt  bleiben  muß,  ob  selbst  in  der  kleinen  Minorität 
Ungebildeten,  ^^gj.  Gebildeten  der  Unsterblichkeitsglaube  mehr  Gegner  als  Bekenner  zählte, 
so  kann  es  keine  Frage  sein,  daß  in  den  Massen  zu  allen  Zeiten  eine  ungeheure 
Mehrzahl  die  seit  der  Urzeit  von  Jahrhundert  zu  Jahrhundert  fortgepflanzten 
Vorstellungen  von  der  Fortdauer  der  Seilen  im  Jenseits,  ungeachtet  aller  im 
Laufe  der  Zeit  eingetretenen  Modifikationen,  im  wesentlichen  festhielt.  Der 
Glaube  an  die  eigne  Fortdauer  gehört  zu  den  stärksten  und  verbreitetsten  In- 
stinkten und  Bedürfnissen  der  menschlichen  Seele,  was  ja  auch  das  Studium 
der  Naturvölker"")  sowie  der  ältesten  Kulturvölker  im  allgemeinen  bestätigt^), 
wenngleich  es  an  Ausnahmen  nicht  fehlt,  zu  denen  u.  a.  die  Araber  vor  Moham- 
med"*) gehören;  er  reicht  namentlich  bei  den  indogermanischen  Nationen  weit 
über  die  Anfänge  aller  Überlieferung  hinaus.  Der  Unsterblichkeitsglaube  ist 
der  menschlichen  Natur  ebenso  gemäß  wie  der  Glaube  an  das  Walten  höherer 
Wesen;  er  entspringt  aus  dem  Schauder  vor  der  Vernichtung,  der  Selbsterhal- 
tungstrieb greift  hier  instinktmäßig  über  den  Tod  hinaus.  Der  zum  Bewußtsein 
erwachte  Mensch  sucht  im  Jenseits  die  Lösung  für  die  Rätsel  des  Lebens,  den 
Trost  für  seine  Leiden  und  Täuschungen,  »am  Grabe  noch  pflanzt  er  die  Hoff- 
nung auf«  5).  Der  Reflexion,  die  zum  Zweifel  und  zur  Leugnung  führt,  kann 
immer  nur  eine  Minderheit  fähig  sein.  Die  Sehnsucht  nach  der  Vernichtung, 
die  in  Asien  seit  so  vielen  Jahrhunderten  Millionen  erfüllt,  entspringt  aus  der 
Angst  nicht  vor  der  Fortdauer  an  sich,  sondern  vor  der  Qual  endloser  Wieder- 
geburten^). 

Allerdings  sind  nun  materialistische  Strömungen  wie  zu  allen  Zeiten  so  auch 
im  spätem  griechisch-römischen  Altertum  hier  und  da  in  die  Massen  gedrungen: 
daß  sie  aber  dort  jemals  sich  verbreitet,  dem  positiven  Glauben  erheblichen  Ab- 
bruch getan  haben,  läßt  weder  die  Analogie  ähnlicher  Erfahrungen  in  neuern 
Zeiten  annehmen,  noch  spricht  dafür  die,  wie  gesagt,  verhältnismäßig  geringe 
Zahl  materialistischer  oder  Zweifel  ausdrückender  Grabschriften  von  Personen 
der  untern  Klassen.  Auch  äußern  diesen  gegenüber  andre  ein  festes  Vertrauen 
auf  eine  Fortdauer  und  ein  Wiedersehen  nach  dem  Tode,  wie  z.  B.  jene  Inschrift 
auf  dem  gemeinsamen  Grabmal  eines  Ehepaars,  von  welchem  die  Frau  zuerst 

mal  getragne  Verstorbene)  ist  umgeben  von  Bildern,  die  auf  das  jenseitige  Leben  Bezug  haben:  die 
Danaiden,  Herakles  und  Alkestis,  Apoll  und  Marsyas,  Eros  und  Pan  (vor  Dionysos  und  Ariadnej, 
die  alle  mit  Sarkophagreliefs  übereinstimmen  und  wieder  von  kleineren  Bildern  umgeben  sind, 
worunter  zahlreiche  Erotenfiguren. 

I)  CIL  III  686  =  Buecheler  1233,  17 ff.;  vgl.  auch  CIL  VI  30122  =  Buecheler  607  und  über 
den  Ausdruck  dionysischer  Jenseitshoffnungen  im  Bilderschmuck  der  Grabsteine  B.  Schröder,  Bon- 
ner Jahrb.  CVIII/IX  1902  S.  55  ff.  2I  Peschel,  Völkerkunde^  S.  270 ff.  3)  Über  Seelen-  und  Un- 
sterblichkeitsglauben im  Alten  Testament  vgl.  J.  Scheftelowitz,  Arch.  f.  Religionswiss.  XIX  1919 
S.  210  ff.  4)  Peschel  a.a.O.  S.  307f.  314.  Die  unter  den  Buddhistengemeinden  zu  Recht  bestehende 
Lehre  verlangte  von  ihren  Bekennern  ausdrücklich  den  Verzicht  auf  das  Wissen  vom  Sein  oder 
Nichtsein  der  vollendeten  Seligen.  Doch  war  eben  dadurch  die  Hoffnung  ewigen  Heils  nicht  aus- 
geschlossen. Oldenberg,  Buddha'  S.  299  f.  5)  Grabschrift  einer  Frau  aus  Camuntum  Dessau  9093 
ijttae  dum  explesset  faii  sui  laborem,  meliora  sibi  sperans  vitamfuncta  est.     6)  Peschel  a.  a.  O.  S.  285  ff. 


[IV.  38o,  381]         XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 


313 


gestorben  war:  »Ich  erwarte  meinen  Mann» ')  und  die  mehrfach  auf  den  Grab- 
schriften  wiederkehrende  Bitte  des  Verstorbenen  an  eine  früher  verstorbene 
teure  Person,  ihm  im  Jenseits  Quartier  zu  machen^).  Namentlich  aber  bestätigen 
zahlreiche  unzweifelhafte  Zeugnisse,  daß  der  Volksglaube  im  großen  und  gan- 
zen, soweit  die  römisch-griechische  Kultur  reichte,  noch  immer  durch  die  ur- 
alten römischen  und  griechischen  Vorstellungen  vom  Jenseits  bestimmt  wurde, 
die  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  vielfach  verschmolzen  hatten,  und  mit  denen 
sich  je  länger  desto  mehr  orientalische  Anschauungen  verbanden. 

Zwar  haben  römische  Autoren  zu  verschiedenen  Zeiten  versichert,  daß  an  die 
alten  volkstümlichen  Fabeln  von  der  Unterwelt  niemand  glaube.  Kein  altes 
Weib  sei  so  schwachsinnig,  sagt  Cicero,  daß  es  die  »acherontischen  tiefen  Re- 
gionen des  Orcus,  das  bleiche,  von  Finsternis  umhüllte  Reich  des  Todes «  fürchte  ^]. 
Niemand,  sagt  Seneca,  ist  so  kindisch,  daß  er  sich  vor  dem  Cerberus  und  der 
Finsternis  und  den  Gespenstergestalten  der  Totengerippe  fürchtef*).  Daß  es 
Manen  gibt,  sagt  Juvenal,  und  unterirdische  Reiche,  einen  Cocytus  und  schwarze 
Frösche  im  stygischen  Schlünde,  und  daß  so  viele  Tausende  in  einem  Nachen 
über  das  Wasser  setzen,  das  glauben  selbst  von  den  Kindern  nur  die  kleinsten, 
die  noch  kein  Eintrittsgeld  in  den  Bädern  zahlen  ^j.  Allerdings  ist  nun  wahr, 
daß  die  griechischen  Vorstellungen,  von  denen  hier  hauptsächlich  die  Rede  ist, 
in  Italien  und  den  westlichen  Ländern  überhaupt  weniger  verbreitet  waren,  ob- 
wohl doch  auch  dort  ihre  durch  die  in  der  Schule  allgemein  gelesenen  Dichter, 
durch  die  Theater^),  durch  die  bildende  Kunst  unaufhörlich  und  tausendfach 
geförderte  Verbreitung  keine  geringe  gewesen  sein  kann  und  von  den  angeführ- 
ten Autoren  unzweifelhaft  unterschätzt  ward.  Konnte  doch  Lucrez  sagen,  daß 
die  Furcht  vor  dem  Acheron  das  menschliche  Leben  von  seinen  innersten  Tiefen 
aus  aufregt,  auf  alles  den  schwarzen  Schatten  des  Tods  wirft  und  keine  Freude 
ungetrübt  läßt^);  allerdings  mögen  ihm  bei  seiner  Ausmalung  der  allgemein  ge- 
fürchteten Qualen  und  »ewigen  Strafen  im  Tartarus  auch  orphische  Unter- 
weltsbeschreibungen vorgeschwebt  haben ^;.  Die  Fortdauer  des  römischen  Volks- 
glaubens an  die  Manen  zu  leugnen,  konnte  Juvenal  im  Ernste  kaum  einfallen-), 
und  er  hat  wohl  nur  die  grobsinnlichen  Vorstellungen  von  ihnen  als  gänzlich 
aufgegeben  bezeichnen  wollen,  auch  dies  freilich  sehr  mit  Unrecht:  wie  denn 
Aufgeklärte  stets  nur  zu  leicht  geneigt  sind,  die  in  ihren  Kreisen  herrschenden 
Ansichten  als  die  vernünftigerweise  einzig  möglichen  und  folglich  allgemeinen 
vorauszusetzen.    Am  wenigsten  konnte  Juvenal  aber  den  Unsterblichkeitsglau- 


Fortdauer  der 
mythischen  Vor- 
stellungen von , 
der     Unterwelt. 


l)  CIL  XII  5193  (oben  I  313).  Vgl.  CIL  VIII  9691  (Cartena):  Mi  fil[i),  mater  rogat  ut  ine  ad 
te  recipias,  ebenso  CIL  VI  11252.  XII  4938  (Buecheler  l5of.).  V  5279  =  Dessau  6728  mater 
rogat,  quam  primuni  ducatis  se  advos.  CIL  VI  188 17  =  Dessau  8806  ita  peto  vos,  [Manes  sanctis- 
simae,  commendat^tim]  kabeatis  tneu?n  carum  et  vellitis  huic  indulgentissimi  esse,  horis  nocturnis  ut 
ttim  videam,  et  etiam  mefato  suader e  velit,  ut  ego  possim  dulcius  et  celerius  aput  eum  pervenire.  van 
Bleck  a.  a.  O.  S.  125  f.  2)  CIL  X  2641  =  Dessau  8148 :  Labeo  Thyrso:  rogo  te,  expedi  ftii  hospi- 
tium;  nam  quod  hie  ad  super os  mi  dedisti,  eiectus  sum.  Thyrsus  Labeoni:  veni;  omnia  parata  sunt  ad 
me  (vgl.  Dessaus  Anm.).  3)  Cic.  Tusc.  I  48.  4;  Seneca  ep.  24,  18;  vgl.  consol.  ad  Marc.  19,  4. 
5)  Juv.  2,  149  ff.  [esse  aliquos  Manes  mit  Anklang  an  Prop.  IV  7,  i :  sunt  aliquid  Manes).  6)  Plaut. 
Capt.  998.  Cic.  Tusc.  I  37.  7;  Lucret.  III  37ff.  8)  Lucret.  III  976ff.  I  in.  Dieterich  S.  i4of. 
9)  z.  B.  Sueton.  Tiber.  75,  i  morte  eius  ita  laetatus  est populus,  ut — pars  Terram  matrem  deosqw 
Manes  orareftt,  ne  mortuo  sedem  ullam  nisi  inier  impios  darent,  vgl.  Aurel.  Vict.  Caes.  33,  31. 


314  XV.  DhR  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  382 ; 

ben  überhaupt  leugnen  wollen.  Daß  er  von  den  Ansichten  seiner  gebildeten 
Zeitgenossen  mindestens  soviel  wissen  mußte  wie  wir,  wird  wohl  niemand  in 
Abrede  stellen. 
Der  Glaube  an  Aber  wenigstens  von  einer  der  von  Juvenal  verspotteten  griechischen  Fabeln 
denTotenfähr-  gjj^^  ^^jj.  imstande  nachzuweisen,  daß  sie  damals  und  später  im  Volke  sehr  all- 
gemein und  fest  geglaubt  wurde,  und  zwar  auch  in  den  westlichen  Ländern:  es 
ist  die  Fabel  von  dem  »grausen  Fergen  des  Kahns  auf  dem  kotigen  Schlünde«, 
wie  Juvenal  selbst  ihn  ein  andres  Mal  nennt,  dem  der  Tote  seinen  Heller  als 
Fährgeld  mit  dem  Munde  reichen  muß').  Daß  das  Volk  in  den  griechischen 
Ländern  allgemein  an  die  Wirklichkeit  des  Totenfährmanns  glaubte ""),  bezeugt 
ausdrücklich  Lucian:  »In  dieser  Vorstellung  ist  die  große  Menge  so  sehr  be- 
fangen, daß,  wenn  einer  ihrer  Angehörigen  stirbt,  sie  ihm  zuerst  einen  Obol  in 
den  Mund  stecken,  der  für  den  Fährmann  als  Bezahlung  für  die  Überfahrt  be- 
stimmt ist,  ohne  zu  prüfen,  welche  Münze  in  der  Unterwelt  gangbar  ist  usw. « ^). 
Noch  heute  findet  sich  diese  Sitte  in  Griechenland'*),  und  auch  Charon  lebt, 
wenngleich  in  veränderter  Gestalt,  im  Glauben  und  in  den  Liedern  des  Volks 
fort  als  Charontas  oder  Charos,  ein  Gott  des  Todes  und  der  Unterwelt  über- 
haupt, der  in  den  verschiedensten  Gestalten  erscheint,  als  Schütze,  als  Schnitter, 
als  ungeheurer,  gespenstischer  Reiter  die  Scharen  der  Verstorbnen  entführend, 
als  Adler  auf  seine  Opfer  niederstoßend  usw.,  doch  hier  und  da  auch  noch 
immer  als  Totenfährmann  ^).  Wie  allgemein  verbreitet,  wie  tief  gewurzelt  mußte 
ein  Glaube  sein,  dessen  Lebenskraft  sich  als  eine  so  unzerstörbare  erweist,  ob- 
wohl seit  anderthalb  Jahrtausenden  ihm  scheinbar  alle  Bedingungen  der  Fort- 
dauer entzogen  sind.  Ursprünglich  ist  vielleicht  das  dem  Toten  mitgegebene 
Geldstück  ein  Symbol  des  Abkaufens  der  ihm  unverkürzt  mitzugebenden  Ge- 
samthabe gewesen^).  Diese  offenbar  alte  Sitte,  die  sich  mit  der  merkwürdigsten 
Zähigkeit  in  vielen  Gegenden  des  römischen  Reichs  bis  in  späte  Zeit,  ja  durch 
das  Mittelalter  und  bis  in  unsre  Zeiten  erhalten  hat,  brachte  man  mit  der  Vor- 
stellung des  Totenfährmanns  in  Verbindung,  und  diese  Erklärung  ist  dann 
ebenfalls  zum  Volksglauben  geworden. 
Zeutmisse  für  Wenn  hiernach  also  wohl  kein  Zweifel  sein  kann,  daß  etwas,  was  nach  Juve- 
die  Verbrei-  ^al  nur  kleine  Kinder  glaubten,  in  der  Tat  von  Tausenden  und  Abertausenden 
tünüichenVor-  ^"^  ganzen  römischen  Reiche  geglaubt  wurde,  so  werden  wir  ebensowenig  an 
Stellungen,  der  Fortdauer  und  Verbreitung  der  übrigen  volkstümlichen  Vorstellungen  von 
der  Unterwelt  zweifeln  dürfen.  Den  Versicherungen  des  Gegenteils  bei  Cicero, 
Seneca  und  Juvenal  steht  die  ebenso  bestimmte  Versicherung  Lucians  gegen- 
über. Er  sagt,  daß  die  große  Menge  der  gemeinen  Leute  sich  das  Jenseits  ganz 
so  vorstelle,  wie  es  die  Dichter  schilderten^) :  ein  ungeheures,  finstres,  von  Pluto 

i)  Juv.  3,  265.  2;  CIL  VIII  8992  deo  Charoni  lulius  Atmhus  voium  solvif.         3)  Lucian.  De 

luctu  10.  Schol.  Juven.  3,  267:  et  nunc  apud  Athenienses  mortuis  söhnt  in  ore  nummum  iinmittere 
(wo  das  Folgende:  ne  opud  inferos  tamquatn  inopes  errent  ein  späterer  Zusatz  ist),  unde  nauluni 
Charo  accipere  solebat.  4)  Wachsmuth,  Das  alte  Griechenland  im  neuen  S.  i  lyf.  K.  Mendelssohn- 
Bartholdy,  Gesch.  Griechenlands  I46.  Waser,  Charon,  Charun,  Charos  (1898)  S.  36fiF.  D.  C.  Hesse- 
ling,  Charos.  ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  neugriech.  Volksglaubens,  1897.  5)  Waser  a.  a.  O. 
S.  87 fF.  6;  Rohde,  Psyche  I^  306,  3.  Vgl.  über  die  verschiedenen  Auffassungen  dieses  Brauches 
P.  Sartori,  Arch.  f.  Religionswiss.  II  1899  S.  205  fF.        7;  Lucian.  De  luctu  2 — 10.    Über  die  Fort- 


[IV.  383 J  XV.   DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  315 

und  Proserpina  beherrschtes  Totenreich  mit  dem  Cocytus  und  Pyriphlegethon, 
dem  Acherusischen  See,  dem  diamantenen  Tor,  das  Äacus  mit  dem  Cerberus 
bewacht,  der  Asphodeloswiese  mit  dem  Lethestrom,  den  Totenrichtern,  welche 
die  Guten  ins  Elysium  senden,  die  Schlechten  den  Furien  zu  Martern  aller  Art 
überliefern,  während  die  große  Zahl  derer,  die  weder  gut  noch  böse  waren,  als 
Schatten  auf  der  Asphodeloswiese  umherirren  und  sich  von  den  Grabspenden 
und  Totenopfern  nähren.  Plutarch  sagt'),  daß  diejenigen,  die  sich  vor  den 
Bissen  des  Cerberus  und  dem  Faß  der  Danaiden  fürchteten,  sich  durch  Weihen 
und  Reinigungen  davor  zu  schützen  suchten,  durch  welche  sie  die  Gewähr  zu 
erhalten  glaubten,  im  Hades  an  einem  hellen  Ort  in  reiner  Luft  unter  Scherz 
und  Tanz  fortzuleben.  Er  meinte  allerdings,  daß  es  »nicht  sehr  viele«  waren, 
die  diese  »Ammenmärchen'  glaubten;  natürlich  war  seine  Schätzung  ebenso 
subjektiv  und  ebenso  durch  zufällige  Eindrücke  bestimmt  wie  die  Lucians,  dem 
die  Menge  der  Glaubenden  sehr  groß  erschien,  und  hierin  sind  die  Angaben 
beider  gleich  unzuverlässig.  Schwerlich  kann  man  aber  bei  der  großen  Menge 
geläutertere  Ansichten  vom  Leben  nach  dem  Tode  voraussetzen  als  bei  einem 
Manne  wie  Aristides,  der  doch  auch  geglaubt  zu  haben  scheint,  daß  die  in  die 
Eleusinischen  Mysterien  nicht  Eingeweihten  in  der  Unterwelt  in  Schlamm  und 
Finsternis  liegen  würden^).  In  seiner  Schrift  »Vom  Aberglauben«  zählt  Plutarch 
die  Vorstellungen  auf  von  tiefen  Pforten  des  Hades,  von  Feuerströmen  und  jähen 
Abstürzen  des  Styx,  von  einer  Finsternis  voll  von  Gespenstern,  wo  Schreck- 
gestalten erscheinen  und  klägliche  Laute  sich  hören  lassen,  von  Richtern  und 
Henkern,  von  Schlünden  und  Abgründen,  die  von  tausend  Qualen  erfüllt  sind 
—  alle  solche  Vorstellungen  zählt  er  zu  den  Ausgeburten  des  Aberglaubens^): 
daß  er  diesen  aber  selbst  für  ein  weitverbreitetes  Übel  hielt,  geht,  wie  gesagt, 
aus  dem  Eifer  hervor,  mit  dem  er  ihn  bekämpft. 

Daß  nun  von  den  griechischen  Vorstellungen  gar  manches,  wenn  nicht  das 
meiste,  auch  in  den  Volksglauben  des  Westens  übergegangen  ist,  darf  man,  wie 
gesagt,  namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  Wirkung,  welche  die  römischen  Dich- 
ter durch  die  Schule  übten,  voraussetzen;  seit  Ennius  waren  ausführliche  Be- 
schreibungen der  Unterwelt  ein  Lieblingsgegenstand  der  Epiker  (vielleicht 
auch  der  Tragiker)  gewesen,  und  vor  allem  wird  die  so  ausführliche  Schilderung 
Vergils  mittelbar  und  unmittelbar  die  Vorstellungen  von  Unzähligen  beeinflußt 
haben'*). 

Es  bedarf  nicht  erst  der  Zeugnisse,  daß  die  Vorstellungen  einer  mehr  oder  Die   Existenz 
minder  materiellen  Existenz  der  Abgeschiedenen,  welche  die  alten,  seit  undenk-  cier  Seelen  als 
liehen  Zeiten  fort  und  fort  überlieferten  Fabeln  voraussetzen,  in  den  Massen  le^Jedacht!^ ' 
ebenso  verbreitet  waren  wie  jene  Fabeln  selbst.    Die  ungeheure  Mehrzahl  der 
Menschen  konnte  damals  noch  weniger  als  jetzt  der  Abstraktion  fähig  sein, 
welche  die  Vorstellung  einer  rein  geistigen  Existenz  erfordert.    Bei  jedem  Ver- 
such zu  einem  Bilde  des  unbekannten  Lebens  mußte  und  muß  die  sich  selbst 

dauer  der  antiken  Vorstellungen  von  der  Unterwelt  im  Glauben  der  Neugriechen  B.  Schmidt,  Volks- 
leben der  Neugriechen  S.  235  ff. 

l)  Plutarch.  Non  posse  suaviter  vivi  27.  2)  Aristid.  or.  22,  10  ;II  31  K.),  vgl.  or.  13,  I  302 

Dind.  3)  Plutarch.  De  superstit.  4.  4)  Vgl.  C.  Liedloff,  De  tempestatis,  necyomantiae,  infero- 
rum  descriptionibus,  quae  apud  poetas  Romanos  primi  p.  Chr.  saecuH  leguntur,  Diss.  Lips.  18S4. 


3i6  XV.  DER  UNSTERBLICH KEITSGLAUßE  [IV.  384] 

überlassene  Phantasie,  unwillkürlich  und  unbewußt,  mit  den  Farben  und  Formen 
arbeiten,  die  sie  dem  bekannten  Leben  entlehnt,  und  ihre  zartesten  und  duftig- 
sten Bilder  sind  ebensowenig  unkörperlich  wie  ihre  rohesten  und  gröbsten.  Daß 
diese  letztern  die  einzigen  waren,  welche  die  große  Menge  fassen  und  festhalten 
konnte,  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Um  so  weniger  dürfen  wir  an  der  Ver- 
sicherung Lucians  zweifeln,  der  Glaube  vieler  sei,  daß  die  Toten  sich  von  den 
Spenden,  Opfern  und  Mahlen  wirklich  nährten,  welche  die  Überlebenden  ihnen 
darbrachten ;  daß  viele  Geräte,  Kleider,  Schmuck  in  der  Meinung  mit  sich  ver- 
brennen oder  vergraben  ließen,  daß  sie  im  andern  Leben  dieser  Dinge  bedürfen 
oder  davon  Nutzen  haben  würden^).  In  der  Tat  stammt  ein  großer  Teil  von  den 
Gegenständen  des  häuslichen  Lebens,  die  unsre  Museen  bewahren,  aus  Gräbern, 
in  welche  man  dem  Krieger  seine  Waffen,  dem  Handwerker  und  Künstler  sein 
Handwerkszeug,  der  Frau  ihre  Toilettengegenstände,  dem  Kinde  sein  Spielzeug 
mitgab^].  Der  Redner  Regulus  ließ  am  Scheiterhaufen  seines  14jährigen  Sohns 
dessen  zahlreiche  Ponygespanne  und  Reitponys,  große  und  kleine  Hunde, 
Nachtigallen,  Papageien  und  Amseln  schlachten^].  Bei  Lucian  erzählt  ein  Mann, 
er  habe  seine  Liebe  zu  seiner  seligen  Frau  nicht  bloß  während  ihres  Lebens, 
sondern  auch  bei  ihrem  Tode  bewiesen,  indem  er  ihren  ganzen  Schmuck  und 
ihre  Kleider  mit  ihr  verbrannt  habe;  doch  erschien  sie  ihm  am  siebenten  Tage, 
als  er  gerade  Piatos  Phädon  las,  beschwerte  sich,  daß  eine  ihrer  vergoldeten 
Sandalen  nicht  mit  verbrannt  war,  und  bezeichnete  die  Stelle,  wo  sie  unter  einem 
Kasten  liege;  hier  wurde  sie  gefunden  und  ihrem  Wunsche  gemäß  nachträglich 
verbrannt"*).  Die  den  Toten  mitzugebenden  Gegenstände  waren  offenbar  nicht 
selten  genau  testamentarisch  bestimmt.  Das  wiederholt  erwähnte^)  Testament 
eines  begüterten  Manns  von  Langres  verordnet  (hier  vielleicht  nach  altkeltischem 
Gebrauch)^),  daß  all  sein  Gerät  zur  Jagd  und  Vogelstellerei  mit  ihm  verbrannt 
werden  solle,  wie  Lanzen,  Schwerter,  Messer,  Netze,  Schlingen,  Leimruten, 
Vogelleim,  Jagdzelte  usw.,  Sänften  und  Tragsessel,  ein  aus  Binsen  geflochtner 
Nachen,  seine  sämtlichen  buntgewebten  und  gestickten  Kleider  und  alle  Sessel  (?) 
aus  Elentiergeweihen ^).  Dasselbe  Testament  verordnet  die  Anpflanzung  von 
Obstgärten  bei  dem  Grabmal,  die  fort  und  fort  durch  drei  Gärtner  und  deren 
Lehrlinge  instand  gehalten  werden  sollen ;  Gärten,  Rebenpflanzungen  und  Parks 
wurden  besonders  gern  bei  Gräbern  angelegt^),  damit  die  abgeschiedenen  Seelen 
sich  an  der  schönen  Natur  erfreuen  möchten.  In  einer  Grabschrift  von  Cirta 
heißt  es:  auf  meinem  Hügel  werden  Bienen  von  den  Blüten  des  Thymians 
nippen,  die  Vögel  werden  in  grünenden  Grotten  mir  lieblich  singen,  der  Lor- 
beer sproßt  an  meinem  Hügel,  und  goldene  Trauben  hängen  an  den  Reben^). 
Man  darf  glauben,  daß  von  den  noch  erhaltnen,  auf  Ausschmückung  und  Kul- 
tus der  Gräber  bezüglichen  testamentarischen  Verfügungen  gar  manche  in  dem 
Glauben  an  eine  Teilnahme  der  Abgeschiednen  an  den  Freuden  und  Genüssen 
dieser  Welt  erlassen  worden  sind,  sehr  häufig  gewiß  in  dem  Glauben  an  ein 

1)  Lucian.  De  luctu  14.  2)  Marquardt,  Privatl.^  366 f.  3)  Plin.  ep.  IV  2,  3,  vgl.  oben  11  359. 
4)  Lucian.  Philops.  27.  5)  Oben  11  363.  HI  77.  6)  Caes.  B.  G.  VI  19,  4.  Mela  III  19.  7)  CIL 
XIII  5708  =  Dessau  8379.  8)  Serv.  Aen.  V  760  nemora  mim  apiahant  sep-ulcris:  vgl.  Lebas- 
Waddington  2452;  oben  II  362.  Samter,  Real-Encykl.  III  1966  f.  Marquardt  a.  a.  O.  S,  369  f. 
9)  CIL  VIII  7854  =  Buecheler  468.    Vgl.  VI  13528  =  Buecheler  1559,  6 ff. 


[IV.  385,  386]  XV.  DER  UNSTERBL1CHKEHSGLAUBE 


317 


materielles  Fortleben  der  Abgeschiednen  und  zwar  bei  ihren  Gräbern'),  wo  die 
Familie,  solange  sie  bestand,  regelmäßigen  Seelenkult  darbrachte';. 

Die  große  Verbreitung  des  Unsterblichkeitsglaubens  auch  im  spätem  Alter-  Die  Allgemcin- 
tume  bedarf  nach  allem  bisher  Gesagten  keines  Beweises  mehr;  sie  ergibt  sich  teitdes  Geister- 
aber  auch  schon  allein  aus  einer  bisher  noch  nicht  berücksichtigten  Tatsache:  f^eis  für  die  au- 
aus  der  großen  Verbreitung  des  Glaubens  an  Geistererscheinungen,  also  an  die  gemeinheit  des 
Möglichkeit  der  Wiederkehr  der  Gestorbenen,  überhaupt  an  einen  innigen  Zu-  ^laubens'^'^'^*^^'^^' 
sammenhang  der  Geisterwelt  mit  der  Welt  der  Lebenden,  an  ein  stetes  Ein- 
greifen der  erstem  in  die  letztre.  Dieser  Glaube  war  bei  den  Römern  wie  bei 
den  Griechen  uralt;  über  seine  Entwicklung  und  die  Formen,  die  er  bei  beiden 
Völkern  annahm,  sind  wir  nur  unvollkommen  unterrichtet.  Die  Vorstellung, 
daß  die  guten  Geister  der  Abgeschiedenen  als  Schutzgeister  der  Lebenden 
walten,  taucht  schon  in  der  ältesten  griechischen  Poesie  auf:  Hesiod  sagt,  die 
Seelen  der  Menschen  des  goldnen  Zeitalters  seien  nach  dessen  Ablauf  gute 
Dämonen  geworden,  die  als  Wächter  der  sterblichen  Menschen  in  Nebel  gehüllt 
über  die  Erde  wandeln,  über  Recht  und  Unrecht  wachen  und  Reichtum  geben. 
Aber  dann  verschwindet  sie  wieder  bis  zu  der  Zeit,  wo  der  spätere  Piatonismus 
sie  mit  seiner  Dämonenlehre  verschmolz^).  Der  diesem  Glauben  entsprechende 
an  die  Geister  der  Bösen  als  spukende,  »selber  gequälte  und  andere  quälende«  ; 
Larven  und  Lemuren  läßt  sich  dagegen  als  allgemein  und  fest  gewordner  Volks- 
glaube nur  bei  den  Römern  nachweisen.  In  andern  Beziehungen  stimmt  der 
Geisterglaube  beider  Völker  völlig  überein.  Namentlich  heftete  er  sich  hier  wie 
dort  an  die  Geister  vor  der  Zeit  oder  gewaltsam  Umgekommener^),  deren  un- 
versöhnlicher Zorn  auch  Unschuldige  verfolgt  und  verdirbt,  und  Unbegrabener. 
Wenn  übrigens  auch  in  den  spätem  Jahrhunderten  der  römische  und  grie- 
chische Geisterglaube  durch  hin  und  her  übertragene  Vorstellungen  sich  immer 
mehr  ausgeglichen  haben  wird,  so  fehlt  doch  dem  letztern  der  feste  Anhalt,  die 
bestimmte  Form  und  Richtung,  welches  alles  dem  erstem  der  öffentliche  Kultus 
gab.  Die  Vorstellung  eines  ununterbrochenen  Wechselverkehrs  zwischen  Unter- 
und  Oberwelt  unterhielt  und  bestärkte  im  römischen  Volksglauben  namentlich 
die  Eröffnung  des  viundus,  d.  h.  der  tiefen  Grube,  die  in  jeder  Stadt  den  Göttern 
und  Geistern  der  Tiefe  zugleich  als  Göttern  der  Saat  geweiht  war,  an  drei  Tagen 
im  Jahre  (24.  August,  5.  Oktober,  8.  November),  wo  dann  die  Scharen  »der 
Schweigenden«  ungehindert  ein-  und  ausfahren  konnten;  sodann  das  Allerseelen- 
fest am  21.  Februar  (Feralia)  und  in  der  vorausgehenden  Woche  (13. — 20.,  Pa- 
rentalia),  dessen  Vernachlässigung  einst  nach  der  Legende  ein  großes  Sterben 
zur  Folge  gehabt  hatte;  endlich  die  Gebräuche,  mit  denen  man  in  den  drei 
Nächten  derLemurien  (9.,  1 1.  und  13. Mai)  die  spukenden  Geister  beschwichtigte 
und  versöhnte^). 

l)   über  die   Fortdauer  dieses   Glaubens  bei   den  Neugriechen  B.  Schmidt  a.  a.  O.    S.  249  f. 
2)  Rohde  a.  a.  O.  S.  344.  362.  Marquardt  StV.  III''  312  f.  3)  Lehrs  a.  a.  O.  S.  167  f.   Auch  He- 

raklit  scheint  nach  der  freilich  sehr  verdorbenen  Stelle  Hippolyt.  refut.  IX  10,  6  (Diels,  Vorsokrat. 
I^  90  frg.  63)  diese  Vorstellung  gehegt  zu  haben.  4)  Nissen,  Das  Templum  S.  148.  5)  Tertullian, 
De  anima  56f.  Norden,  Hermes  XXVIII  1893  S.372ff.;  Verg.  Aen.  VV  S.  loff.  Dieterich,  KI. 
Schrift.  S.  45,  2.  S.  Reinach,  Archiv  f.  Religionswiss.  IX  1906  S.  312  ff,  6  Wissowa,  Relig.  u. 
Kultus  d.  Römer^  S.  232  ff. 


3i8  XV.   DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  387] 

Daß  nun  Unsterblichkeits-  und  Geisterglaube  nicht  bloß  in  innigster  Wechsel- 
beziehung stand,  sondern  daß  auch  der  erstere  sich  gern  durch  den  letzteren 
stärkte  und  befestigte,  ist  ebenso  selbstverständlich,  wie  daß  Zweifler  durch  Er- 
scheinungen überzeugt  wurden  oder  bereit  waren,  sich  durch  sie  überzeugen 
zu  lassen.  Der  Verfasser  der  Homilien  des  sogenannten  Clemens  Romanus  er- 
zählt, von  Zweifeln  über  die  Unsterblichkeit  gequält  habe  er  sich  eine  unum- 
stößliche Gewißheit  durch  das  Erblicken  einer  abgeschiedenen  Seele  mit  eignen 
Augen  verschaffen  wollen:  er  gedachte  nach  Ägypten  zu  reisen  und  dort  einen 
Zauberer  zu  einer  Totenbeschwörung  zu  bewegen;  doch  von  einem  Philosophen 
erinnert,  daß  dies  ein  nicht  bloß  gesetzlich  verbotenes,  sondern  auch  gottver- 
haßtes Tun  sei,  gab  er  seine  Absicht  auf'].  Ein  Monument,  das  ein  Ti.  Clau- 
dius Panoptes  und  seine  Frau  Charmosyne  ihren  beiden  gestorbnen  Töchtern 
*nach  einem  Gesicht«  errichteten,  trägt  die  Inschrift:  ^Du,  der  du  dies  liesest 
und  zweifelst,  daß  es  Manen  gibt,  gehe  mit  uns  eine  Wette  ein  und  rufe  uns  an, 
dann  wirst  du  zur  Einsicht  gelangen«"].  Aber  auch  in  gebildeten  Kreisen  fiel 
Geisterglaube  und  Unsterblichkeitsglaube  vielfach  zusammen.  Freilich  spotteten 
dort  nicht  bloß  alle,  die  epikureische  und  materialistische  Anschauungen  hegten 
oder  zu  ihnen  neigten,  über  den  Nachtspuk  der  Lemuren  (so  gut  wie  über 
Träume,  Wunder,  Hexen  und  Zauberei)  und  behaupteten,  daß  nur  Weiber,  Kin- 
der und  delirierende  Kranke  Gespenster  sähen^j,  sondern  auch  ein  großer  Teil 
der  Unsterblichkeitsgläubigen  verhielt  sich  in  bezug  auf  Geistererscheinungen 
zweifelnd  oder  ablehnend,  wie  z.  B.  Seneca. 

Ob  dies  aber  auch  selbst  in  den  Kreisen  der  philosophisch  Gebildeten  (nament- 
lich seit  dem  2.  Jahrhundert)  die  Mehrzahl  war,  steht  dahin.  Die  von  Lucian  im 
s Lügenfreunde«  geschilderte  Gesellschaft  des  Eucrates,  in  der  niemand  zweifelt, 
daß  es  »Dämonen  und  Gespenster  gibt,  und  daß  die  Seelen  der  Toten  auf  der 
Erde  umherwandeln  und  erscheinen,  so  vielen  sie  wollen«:  "*),  besteht,  außer  einem 
Arzte,  aus  einem  Peripatetiker^],  einem  Stoiker,  einem  Platoniker  und  einem 
heiligen  Pythagoreer,  und  Eucrates  selbst  ist  ein  Mann,  der  sich  gründlich  mit 
Philosophie  beschäftigt  hat.  Am  festesten  hielten  am  Geisterglauben  die  Neu- 
pythagoreer  und  pythagoreisierenden  Platoniker,  die  in  den  Erscheinungen  eine 
Bürgschaft  für  die  Wahrheit  nicht  bloß  ihres  Unsterblichkeitsglaubens,  sondern 
auch  ihrer  Dämonenlehre  fanden.  Der  philosophierende  Rhetor  Maximus  aus 
Tyrus,  der  ganz  auf  dem  Boden  eines  bereits  zum  Neuplatonismus  hinneigenden 
Piatonismus  steht,  betrachtet  wie  alle  Gleichgesinnten  die  Dämonen,  zu  denen 
auch  die  abgeschiedenen  Seelen  gehören,  als  das  eigentliche  Band  zwischen  der 
sinnlichen  und  übersinnlichen  Welt^].  Die  zu  Dämonen  gewordnen  Seelen,  sagt 
er,  sind  betrübt  über  ihr  vergangenes  Leben,  beseligt  über  ihr  jetziges;  betrübt 
aber  auch  über  die  verschwisterten  Seelen,  die  noch  auf  der  Erde  weilen,  und 
in  Menschenliebe  zu  dem  Wunsche  gestimmt,  sich  ihnen  zuzugesellen  und  sie 
aufzurichten,  wenn  sie  gleiten.  Und  es  ist  ihr  Auftrag  von  der  Gottheit,  die  Erde 
zu  besuchen  und  sich  zu  beteiligen  an  aller  Menschengeburt,  an  allem  Menschen- 

1)  Clement.  Roman.  Homil.  I  5  ;  vgl.  dazu  F.  Boll,  Zschr.  f.  neutestam.  VVissensch.  XVII  (191 6) 
S.  I39ff.  2)  CIL  VI  27365  =  Dessau  8201=1.  3)  Horat.  ep.  U  2,  2o8f.    Plutarch.  Dio  2,  2, 

4;  Lucian.  Philops.  29.     5)  Über  den  Peripatetiker  Antisthenes,  den  Phlegon  Mirab.  3  als  Gewährs- 
mann anführt,  vgl.  Ed.  Schwartz,  Real-Encykl.  I  2537 f.       6)  Zeller  III  2'*  S.  224. 


nv.  388,  389]         XV.  DER  UNSTERBLICHKLEITSGLAUBE  319 

geschick,  Menschendenken  und  Menschenhandeln  und  den  Guten  zu  helfen,  den 
Unrecht  Leidenden  beizustehen,  den  Unrecht  Tuenden  aber  die  Strafe  auf- 
zuerlegen'). Er  erzählt  ohne  den  leisesten  Zweifel,  daß  die  Bewohner  von  Ilium 
den  Hektor  oft  in  Sprüngen  mit  blitzenden  Waffen  über  das  Gefilde  eilen  sähen, 
und  daß  Achilles  auf  der  kleinen  Insel  im  Schwarzen  Meer  vor  der  Donaumün- 
dung, wo  er  als  verklärter  Heros  ein  Heiligtum  hatte,  oft  den  Schiffern  erschie- 
nen sei:  einige  sahen  ihn  in  der  Gestalt  eines  jugendlichen  Manns  mit  blondem 
Haar  in  goldner  Rüstung  einherspringen,  andre  hörten  ihn  einen  Schlachtgesang 
singen,  noch  andre  hörten  und  sahen  ihn;  einen,  der  auf  der  Insel  eingeschlafen 
war,  hatte  Achill  selbst  aufgeweckt,  in  ein  Zelt  geführt  und  bewirtet;  Patroclus 
schenkte  ein,  Achill  spielte  die  Kithara,  auch  Thetis  und  ein  Chor  von  andern 
Dämonen  war  zugegen").    Apulejus  (der,  wie  bereits  bemerkt,  die  Dämonen- 
lehre mit  besondrer  Vorliebe  behandelt  hat)  richtet  in  seiner  Verteidigungsrede 
wegen  der  ihm  Schuld  gegebenen  Zauberei  gegen  seinen  Ankläger  (nach  dessen 
falscher  Angabe  er  sich  der  Figur  eines  Skeletts  zu  magischen  Zwecken  bedient 
haben  sollte)  folgende  Verwünschung:  »Dir  wende  für  diese  Lüge  der  Gott,  der 
zwischen  der  Ober-  und  Unterwelt  hin  und  her  wandelt  (Merkur),  die  Ungunst 
beider  Götterkreise  zu  und  lasse  deinen  Blick  unaufhörlich  Gestalten  der  Toten 
begegnen,  und  soviel  Schatten,  Lemuren,  Manen  und  Larven  es  irgend  gibt, 
alle  Nachterscheinungen,  alle  Grabgespenster,  alle  Schrecknisse  der  Leichen- 
brandstätten« 3).    Eine  Grabschrift  zu  Puteoli  schließt:  »Möge  den,  der  diesen 
Stein  von  der  Stelle  rückt,  der  Zorn  der  Schatten  derer  treffen,  die  hier  begraben 
sind«*).   Plutarch  beruft  sich  (in  der  Widmung  der  Biographien  des  Dio  und 
Brutus  an  Sossius  Senecio)  den  Leugnern  von  Geistererscheinungen  gegenüber 
auf  diejenigen,  die  diesen  beiden  so  seelenstarken  und  philosophischen  Männern 
ihr  Ende  nach  ihrer  ei/nen  Aussage  vorher  verkündeten.    Daß  es  in  einem 
Bade  zu  Chäronea,  wo  zu  Lucullus  Zeit  ein  Mord  vorgefallen  war,  gespukt  hatte 
und  noch  spukte,  berichtet  er  nach  den  Angaben  andrer,  ohne,  wie  es  scheint, 
daran  zu  zweifeln^).    Der  Geister-  und  Dämonenglaube  war  aber  auch  mit  an- 
dern philosophischen  Anschauungen  als  der  platonischen  sehr  wohl  vereinbar. 
Der  Kyniker  Peregrinus  Proteus,  der  sich  nach  Lucians  Bericht  mit  dem  Rufe : 
»Mütterliche  und  väterliche  Dämonen,  nehmt  mich  gnädig  auf!«  in  die  Flam- 
men stürzte,  hatte  verbreitet,  ihm  sei  bestimmt,  nach  seinem  Tode  ein  nacht- 
hütender Dämon  zu  werden,  und  man  konnte  nicht  zweifeln,  daß  Einfältige 
genug  behaupten  würden,  ihm  nachts  begegnet,  durch  ihn  von  Fieber  befreit 
worden  zu  sein^).   Der  jüngere  Plinius,  dessen  Ansichten  hauptsächlich  durch 
stoische  Lehren  bestimmt  waren,  erbittet  sich  die  Ansicht  seines  Freunds  Li- 
cinius  Sura  (zum  zweiten  und  dritten  Male  Konsul  102  und  107)  darüber,  ob  es 
Gespenster  gebe,  und  ob  sie  eine  eigne  Form  und  ein  übermenschliches  Wesen 
[numeti]  haben,  oder  ob  es  eitle  Einbildungen  sind,  die  nur  aus  unsrer  Furcht 
ihre  Gestalt  empfangen'').  Er  glaubte  das  erstere  und  erzählt  zum  Beweise  unter 
anderm  eine  Gespenstergeschichte,  die  der  des  Pythagoreers  Arignotus  in  Lu- 
cians » Lügenfreund •i  sehr  ähnlich  ist.  Ein  großes  Haus  zu  Athen  wurde  durch 

I)  Maxim.  Tyr.  9,  6.  2)  ebd.  9,  7.  y  Apulei.  Apol.  64.  4)  CIL  X  2487  =  Dessau  8199 
qui  hoc  titulum  sustulerit,  habeat  iratas  unibras,  qui  hie  positi  sunt  u.  ö.  5)  Plutarch.  Dio  2;  Cimori 
I,  8.       6)  Lucian.  Peregr.  27 f.  36.        7)  Plin.  ep.  VII  27. 


320  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  390] 

einen  allnächtlichen  Spuk  unbewohnbar;  der  Geist  erschien  in  der  Gestalt  eines 
abgezehrten,  alten  Mannes  mit  langem  Bart  und  Ketten  an  Händen  und  Füßen, 
mit  denen  er  furchtbar  rasselte.  Endlich  hatte  ein  Philosoph  Athenodorus  den 
Mut,  der  Erscheinung  standzuhalten,  die  ihm  so  lange  winkte,  bis  er  ihr  mit 
einem  Lichte  folgte ;  im  Hofe  verschwand  sie  plötzlich.  Am  folgenden  Tage 
grub  man  an  dieser  Stelle  nach  und  fand  ein  Gerippe  in  Ketten,  nach  dessen 
regelmäßiger  Bestattung  der  Spuk  aufhörte.  Diese  Geschichte  glaubte  Plinius, 
wie  er  sagt,  auf  die  Versicherung  andrer,  einen  noch  kindischeren  Spuk  be- 
richtet er  ohne  den  leisesten  Zweifel  als  selbst  erlebt.  Plinius  Freund  Sueton 
sagt,  es  sei  hinlänglich  bekannt,  daß  vor  dem  Begräbnisse  Caligulas  die  Wächter 
der  Lamianischen  Gärten,  wohin  man  seine  Leiche  gebracht  hatte,  von  Ge- 
spenstern erschreckt  worden,  und  in  dem  Hause,  in  dem  er  gestorben,  keine 
Nacht  ohne  Spuk  vorübergegangen  sei,  bis  das  Haus  abbrannte").  Noch  mehr 
Beispiele  eines  krassen  Geisterglaubens  der  Gebildeten  im  2.  Jahrhundert  liefern 
die  Schriften  des  Pausanias,  und  doch  wird  auch  seine  Glaubensseligkeit,  wenn 
möglich,  von  der  Gespenstersucht  des  Philostrat  und  Cassius  Dio  übertroffen. 
*  Was  der  erstere^)  von  den  Erscheinungen  und  Machtbeweisen  der  Heroen  des 
trojanischen  Krieges  berichtet,  wird  man  im  wesentlichen  als  aus  volkstümlicher 
Überlieferung  entlehnt  betrachten  dürfen.  Nach  dem  Heroikos  des  Philostratus 
erschienen  den  Hirten  der  troischen  Ebene  die  Gestalten  der  homerischen  Hel- 
den riesengroß,  in  kriegerischer  Rüstung,  besonders  Hektor,  der  auch  Wunder 
tat,  und  von  den  griechischen  namentlich  Protesilaus,  der  noch  voll  lebendig 
war.  Er  war  bald  im  Hades,  bald  in  seiner  Heimat  Phylake  in  Phthia  (wo  er 
auch  Orakel  erteilte),  bald  in  Troas,  erschien  zur  Mittagszeit,  heilte  Krankheiten 
und  half  auch  in  Liebespein;  einen  Widersacher  machte  seine  Erscheinung 
blind^),  Cassius  Dio  berichtet  wiederholt  ganz  ernsthaft,  wie  bei  großen  Ereig- 
nissen die  Toten  in  Masse  aus  den  Gräbern  aufstanden,  z.  B.  bei  der  Schlacht 
von  Actium  und  dem  Versuche  Neros  den  Korinthischen  Isthmus  zu  durch- 
graben "*).  Er  erzählt,  daß  im  Jahre  220  ein  Geist,  der  nach  seiner  eignen  Aus- 
sage der  Geist  Alexanders  des  Großen  war,  auch  dessen  wohlbekannte  Gestalt, 
Züge  und  Kleidung  trug,  mit  einem  Gefolge  von  400  als  Bacchanten  gekleideten 
Menschen  von  der  Donau  bis  zum  Bosporus  zog,  wo  er  verschwand :  keine  Be- 
hörde wagte  ihn  aufzuhalten,  vielmehr  wurden  ihm  überall  auf  öffentliche  Kosten 
Nachtlager  und  Nahrung  gegeben^). 
Die  Totenbe-  Auch  die  häufige  Erwähnung  der  Zaubereien,  bei  denen  Geister  beschworen 
schwörung.  wurden,  läßt  auf  eine  große  Verbreitung  eines  unbedingten  Geisterglaubens  in 
den  höheren  und  gebildeten  Kreisen  schließen.  Die  Geisterbeschwörung  wurde 
allem  Anscheine  nach  sehr  häufig  Veranlassung  zu  grauenhaften  Verbrechen, 
da  der  Zauber  angeblich  über  Seelen  von  gewaltsam  (besonders  vor  der  Zeit) 
Umgekommenen  am  meisten  Macht  haben  sollte;   daher  Morde,  namentlich 

i)  Sueton.  Calig.  59.  Antike  Geister-  und  Gespenstergeschichten  stellt  P.  Wendland  in  der 
Festschrift  der  Schles.  Gesellsch.  f.  Volkskunde  zur  Jahrhundertfeier  der  Univ.  Breslau  (1911) 
S.  33  ff.  zusammen.  Über  die  von  Goethe  in  der  'Braut  von  Korinth'  verwertete  Überlieferung  vgl. 
Wendland,  De  fabellis  antiquis  earumque  ad  christianos  propagatione  (Götting.  1911)  S.  5  ff. 
2)  Paus.  I  32,  4.  VI  6,  8f.  20,  15.  VIII  10,  9.  3)  Rohde  S.  350.  4)  Cass.  Dio  LI  17,  5.  LXIII 
16,1.       5)  ebd.  LXXIX  18. 


[IV.  391  ]  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  321 

Kindermorde,  zu  diesem  Zweck  offenbar  nur  zu  oft  verübt  wurden').  Unter 
den  römischen  Kaisern  haben  Nero,  Caracalla,  Didius  Julianus  und  Elagabal 
diese  Art  der  Magie  getrieben.  Von  den  beiden  letztern  berichtet  Cassius  Dio 
ausdrücklich,  daß  sie  dabei  Kinder  schlachten  ließen^].  Caracalla,  der  keine  Art 
der  Zauberei  und  Wahrsagerei  unversucht  ließ,  beschwor,  um  sich  von  den  Er- 
scheinungen seines  Vaters  und  seines  gemordeten  Bruders  zu  befreien,  die  ihn 
verfolgten,  unter  anderm  den  Geist  des  erstem  und  des  Commodus,  doch  ver- 
gebens; wie  man  in  Rom  flüsterte,  war  zugleich  mit  dem  Schatten  des  Severus 
auch  der  des  Geta  heraufgestiegen^).  Aus  demselben  Grunde  beschwor  Nero 
den  Geist  seiner  Mutter  Agrippina*).  Er  war  am  leidenschaftlichsten  der  Geister- 
beschwörung ergeben,  und  da  ihm  »Menschen  zu  schlachten  ja  höchst  erwünscht 
war«,  mag  er  ihr  auch  die  meisten  Opfer  gebracht  haben.  Der  Partherkönig 
Tiridates,  der  im  Jahre  66  mit  einem  Gefolge  von  Magiern  nach  Rom  kam, 
weihte  ihn  in  die  »magischen  Mahlzeiten«  und  alle  Geheimnisse  der  Magie  ein^j ; 
doch  muß  Nero  dieser  Zauberei  schon  früher  gefrönt  haben.  Denn  Lucan  (f  65) 
hat  eine  mit  allem  Luxus  des  Gräßlichen  ausgemalte  Episode  der  Totenbeschwö- 
rung seinem  Epos  offenbar  in  keiner  andern  Absicht  eingefügt,  als  um  seiner 
Verdammung  dieser  Leidenschaft  des  Kaisers,  dem  er  damals  feindlich  gegen- 
überstand, einen  starken  Ausdruck  zu  geben.  Es  ist  Sextus,  »der  unwürdige 
Sohn  des -großen  Pompejus«,  der  in  der  Pharsalia  die  Zukunft  durch  Toten- 
beschwörung  erfahren  will;  die  heiligen  und  erlaubten  Prophezeiungen  ver- 
schmähend, hat  er  sich  zu  »den  abscheulichen  Geheimnissen  der  grausamen 
Magier«  und  zu  den  Schrecken  der  Unterwelt  gewandt;  »dem  Elenden  waren 
die  Himmelsgötter  nicht  allwissend  genug! «^j.  Die  Hexe  Erichtho,  die  seinem 
Wunsch  willfahrt,  ist  ein  entmenschtes  Wesen;  ihren  Anspruch,  von  den  Unter- 
weltsgöttern erhört  zu  werden,  begründet  sie  durch  die  greuelvollsten  und  un- 
natürlichsten Verbrechen,  die  sie  in  Masse  begangen  hat,  und  unter  denen 
Kindermord  ausdrücklich  angeführt  wird^).  Die  Beschreibung  der  Totenbe- 
schwörung selbst^)  macht  auch  an  und  für  sich  betrachtet  nicht  den  Eindruck 
eines  bloßen  Phantasiegemäldes,  der  Dichter  hat  nicht  nur  Beschreibungen  ähn- 
licher Vorgänge  in  der  früheren  Dichtung,  sondern  sicher  auch  magische  Bücher 
von  der  Art  der  erhaltenen  Zauberpapyri  benutzt^).  Beschwörungen  von  längst 
abgeschiednen  Geistern  mögen  wohl  am  besten  ohne  Zeugen  gelungen  sein. 
So  hatte  der  alexandrinische  Gelehrte  Apio  den  Schatten  Homers  zitiert,  um 
von  ihm  zu  erfahren,  in  welcher  der  sieben  Städte,  die  ihn  den  Ihrigen  nannten, 
er  wirklich  geboren  sei:  leider  durfte  er  die  ihm  gewordene  Antwort  nicht  mit- 
teilen'"]; vielleicht  gab  der  Geist  denselben  Grund  an,  wie  der  des  Protesilaus 
bei  Philostrat:  weil  dann  nämlich  die  übrigen  Städte  in  ihrem  Eifer  in  der  Ver- 
ehrung Homers  nachlassen  würden"). 

i)  Marquardt  StV.  III"  113,  i.  F.  Schwenn,  Die  Menschenopfer  bei  den  Griechen  und  Römern 
S.  igoff.  2)  Cass.  Dio  LXXIII  16,  5.  LXXIX  11,  3.  3)  ebd.  LXXVU  15,  3.  Herodian  IV  12,  3. 
4)  Sueton.  Nero  34,  4.  5)  Plin.  n.  h.  XXX  14  f.  17.  6)  Lucan.  Phars.  VI  420—434.  7)  ebd. 
706 — 711;  vgl.  529ff.  56off.  8)  ebd.  VI  624ff.,  andre  Beispiele  von  Totenbeschwörungen  bei 
Apulei.  Metam.  II  28  f.  Heliodor.  Aethiop.  VI  14.  Quintilian.  Decl.  10.  Anthol.  Lat.  406  R. ;  vgl. 
L.  Fahz,  De  poetarum  Romanorum  doctrina  magica  (Religionsgesch.  Vers.  u.  Vorarb.  II  3,  1904) 
S.  4ff.  9)  Fahz  a.  a.  O.  S.  41  ff.  10)  Plin.  n.  h.  XXX  18.  ii)  Philostrat.  Heroic.  18,  3.  Rc- 
sponsa  umbrarum  noch  Augustin.  conf.  X  35,  56. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl.  21 


322  XV.   DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE         [IV.  392,  393] 

Übrigens  bedienten  sich  die  Zauberer  der  beschworenen  Geister  sowie  andrer 
Dämonen  auch,  um  ihre  Feinde  mit  Erscheinungen  zu  quälen,  ihnen  Krank- 
heiten und  Schmerzen  zu  senden,  ihre  Zunge  zu  fesseln  u.  dgl. ').  Solcher  Zau- 
ber wurde  auch  durch  Beschwörungen  geübt,  die,  auf  Bleitafeln  geschrieben,  in 
Gräber  niedergelegt  wurden  und  von  denen  eine  Anzahl  sich  erhalten  hat*). 
Die  Devotion.  Dieser  Zauber  ist  eine  Art  der  sogenannten  Devotion,  durch  die  man  Lebende 
den  Mächten  der  Unterwelt  weihte,  sie  beruht  auf  dem  ebenso  alten  wie  ver- 
breiteten Glauben,  daß  diese  Mächte  über  das  Leben  Gewalt  haben  und  es 
hinabzuziehen  streben^);  die  zu  ihnen  gehörenden  Geister  der  Toten,  die  man 
gleichsam  beschwichtigend  die  Guten  oder  die  Holden  [Di  Maries]  nannte  und 
mit  Opfern  versöhnen  zu  müssen  glaubte^),  werden  auch  in  der  alten  Devotions- 
formel, durch  die  der  römische  Feldherr  das  feindliche  Heer  dem  Tode  weihte, 
und  bei  Verwünschungen  angerufen^).  In  einer  Grabschrift,  die  ein  Mann  seiner 
verstorbenen  Frau  errichtet  hat,  versichert  er,  daß  er  ihre  Überreste  angstvoll 
wie  eine  Gottheit  ehre.  »Schone,  Liebste,  den  Mann,  ich  flehe,  schone,  daß  er 
ferner  noch  viele,  viele  Jahre  stets  dir  Opfer  und  Kränze  bringen  möge  und  mit 
duftendem  Öl  die  Lampe  füllen«^).  Eine  Anrede  an  eine  verstorbne  »Herrin 
oder  Patronin«  lautet:  »Solange  ich  lebe,  ehre  ich  dich,  was  nach  meinem  Tode 
sein  wird,  weiß  ich  nicht.  Schone  deine  Mutter  und  deinen  Vater  und  deine 
Schwester  Marina,  damit  sie  dir  nach  mir  Ehre  erweisen  können^*).  In  dem- 
selben Sinne  werden  vereinzelt  Verstorbene  angerufen,  die  Ihrigen  zu  erhalten^) 
oder  (bei  den  Unterweltsgöttern)  für  sie  zu  bitten^). 

Kennen  wir  nun  auch  von  dem  damaligen  Geisterglauben  vorzüglich  nur  die 
finstern  und  unheimlichen  Seiten,  so  zeigt  sich  doch  auch  hier,  wie  weit  ver- 
breitet und  unwiderstehlich  der  Hang  war,  sich  in  die  Geheimnisse  des  Jenseits 
und  der  Geisterwelt  zu  vertiefen;  und  wenn  auf  die  Phantasie  das  Grauen  immer- 
hin die  unwiderstehlichste  Anziehungskraft  geübt  haben  mag,  so  wird  sie  sicher- 
lich auch  geschäftig  gewesen  sein,  gegenüber  den  Qualen  und  der  Ruhelosig- 
keit der  Unseligen  den  Frieden  und  die  Wonnen  der  Seligen  auszumalen. 

Unterschiede  des  Doch  freilich  war  der  Trost,  den  der  Unsterblichkeitsglaube  den  Menschen 
christlichen  und  jgnej-  2eit  und  dem  Altertum  überhaupt  gab,  sehr  verschieden  von  dem,  den 
lichkeitsglau-  die  christliche  Hoffnung  auf  eine  ewige  Seligkeit  den  Gläubigen  bietet.  Nicht 
bens.  Der  letz-  bloß,  daß  dem  antiken  Unsterblichkeitsglauben  die  unumstößliche  Sicherheit 
tere  dem  diessei-  ^^^  Gewißheit  eines  Offenbarungssjlaubens  und  damit  auch  der  feste  Anhalt 

tagen  Leben  zu-  °  0 

gewandt.    

i)  A.  Abt,  Die  Apologie  des  Apuleius  (Religionsgesch.  Versuche  u.  Vorarb.  IV  2)  S.  128  f.  231. 
2)  Gesammelt  von  Audollent,  Defixionum  tabellae,  Paris  1904.  3)  Vgl.  dazu  CIL  II  2255  ^  Des- 
sau 8007  (vom  J.  19  v.Chr.)  dei Manes  ad se  recepertmt  Ahilliam.  VI  i9874  =  Buecheler  1224,3/. 
quem  quoniam  Manes  ut  alumnum  dirapuertmt,  ne  calcare  velis  nee grabis  esse  loco.  IX  175  :  qtiem 
di  Manes properarunt  eripere  immaturum.  4)  Der  Brauch,  das  Grab  den  di  Manes  zu  weihen, 
bürgert  sich  erst  seit  der  Zeit  des  Augustus  ein  (das  älteste  Beispiel  CIL  XIV  2464  =  Dessau  880). 
Schwarzlose,  De  titulis  sepulcralibus  latinis  quaest.  (Diss.  Halle  19 13)  S.  i  ff.  5)  Wissowa  a.  a.  O. 
S.  239.  6)  CIL  VI  30099  =Buecheler  1508,  8ff.  7)  CIL  VI  13  loi.  8)  CIL  VIII  2803a  = 
Buecheler  576  [serua  tuos  omnes).  9)  CIL  VI  12072  =  Buecheler  546,  9 f.  funde preces  subolum 
ac  votis  utere  nostris,  ut  longum  vitae  liceat  transducert  tempus  (Empfehlung  der  Gebete  der  Über- 
lebenden an  die  Götter  durch  die  Verstorbene);  vgl.  van  Bleek  a.  a.  O.  S.  135  ff.  P.  Dörfler,  Die 
Anfänge  der  Heiligenverehrung  nach  den  röm.  Inschriften  u.  Bildwerken  (1913)  S.  3  ff. 


[IV.  394] 


XV.   DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 


323 


abging,  den  dieser  für  die  Gestaltung  der  Bilder  des  andern  Lebens  gewährt: 
er  war  auch  keineswegs  so  ausschließlich  wie  der  christliche  Glaube  auf  die 
Ewigkeit  gerichtet,  sondern  wohl  ebensosehr,  wenn  nicht  in  noch  höherem 
Grade,  der  Zeitlichkeit  zugewandt.  Nach  dem  römischen  Volksglauben  wie 
nach  der  Platonischen  Dämonenlehre  war  ja  der  Lohn  der  Guten  nicht  oder 
nicht  vorzugsweise,  zu  eigener  Seligkeit  in  ein  überirdisches  Dasein  entrückt  zu 
werden,  sondern  an  den  Leiden  und  Freuden  der  spätem  Menschen  schützend, 
helfend  und  leitend  teilzunehmen.  Die  Aufopferung  der  Besten  aller  Zeiten  und 
Völker  konnte  Cicero  sich  kaum  anders  erklären,  als  daß  sie  auch  nach  ihrem 
Tode  vermögen  würden,  Zeugen  der  von  ihnen  ausgegangnen  Wirkungen  wie 
ihres  Ruhms  zu  sein"). 

Der  ganze  Totenkultus  der  Griechen  und  Römer  hatte  die  Tendenz,  den  Zu- 
sammenhang zwischen  den  Lebenden  und  den  Toten  ununterbrochen  zu  er- 
halten. Die  Wohnungen  der  Toten  waren  nicht  abgeschiedne,  stille,  selten  be- 
suchte Ruhestätten,  wie  unsre  Kirchhöfe,  sondern  vor  den  Toren  der  Städte  zu 
beiden  Seiten  der  Landstraße  wurden  sie  angelegt,  wo  der  Strom  des  lebendigen 
Verkehrs  gerade  am  stärksten  vorbeiflutete'):  sowohl,  wie  Varro  sagt,  zur  steten 
Mahnung  für  die  Vorüberziehenden,  daß  auch  sie  einst  zu  dieser  Ruhe  gelangen 
würden^),  als  zur  unaufhörlichen  Erhaltung  und  Erneuerung  des  Gedächtnisses 
der  Abgeschiednen,  nicht  bloß  bei  Angehörigen  und  Nachkommen,  sondern 
bei  allen  später  Lebenden.  Jene  Mahnung  las  man  auf  Grabsteinen  öfters  in 
dieser  Form:  »Du  müder  Wanderer,  der  an  mir  vorübergeht,  nach  langem 
Wandern  kommst  du  endlich  doch  hierher«'*).  Um  ein  freundliches  Andenken 
wird  für  die  Toten  häufig  in  den  Inschriften  gebeten.  »Titus  LoUius  Masculus«, 
so  lautet  eine  derselben,  >ist  hier  neben  den  Weg  gelegt,  damit  die  Vorbei- 
gehenden sagen:  Lollius,  sei  gegrüßt«^).  Ebenso  werden  auch  sonst  die  Wan- 
drer aufgefordert,  dem  Toten  einen  solchen  ehrenden  und  freundlichen  Nachruf 
zu  gönnen,  und  ihnen  Segen  gewünscht,  wenn  sie  es  tun  würden,  z.  B. :  »Mögest 
du,  der  du  dies  durchlesen  wirst,  leben  und  gesund  bleiben,  lieben  und  geliebt 
werden,  bis  deine  Stunde  kommt«  ^).  Ja  es  wird  selbst  dem  Toten  eine  Erwi- 
derung auf  ihre  Anrede  in  den  Mund  gelegt,  so  daß  eine  Art  Dialog  zwischen 
ihm  und  dem  Vorübergehenden  durch  den  letztern  vom  Grabstein  abgelesen 
werden  konnte''). 

Wie  der  Glaube  verbreitet  war,  daß  die  Toten  sich  an  solchen  Zeichen  des 
Anteils  von  selten  aller  Lebenden  ohne  Unterschied  immerfort  erfreuen  würden, 
so  natürlich  nicht  minder,  daß  die  Opfer,  Spenden  und  Festmahlzeiten  an  ihren 
Gräbern,  der  Blumenschmuck,  in  dem  an  den  »Rosen-  und  Violentagen«  die 


Der  Wunsch 
einer  Fort- 
dauer im  Ge- 
dächtnis der 
Nachwelt. 


i)  Cic.  Tusc.  I  35.  2)  Arch.  ep.  Mitt.  aus  Österr.  X  1886  S.  64  TTotVTac;  6001  örei'xouoiv  Ott' 
äareoc;  r|&e  izpoc,  äaxu  Xeuacfuj  r|ö'  eiöopoui.  3)  Varro  de  1.  1.  VI  49.  4)  CIL  V  41 11  =  Bue- 
cheler  119  (Cremona):  /letis  tu  viator  lasse,  qui  me  praetereis,  cum  dm  ambular eis,  tarnen  hucvenmm- 
dumst  tibi.  CIL  XI  4010  =  Buecheler  120  (Capena):  Eus  tu  viator  veni  hoc  et  queiesce  pusilu[m). 
innuis  et  negitas.  tatnett  hoc  redeti{n]dz(s  (st.  redeundumst)  tibi.  5)  CIL  V  7464  =  Dessau  6746. 
6)  CIL  VI  13075;  vgl.  VI  2335  =  Dessau  1967:  Have  Victor  Fabiane.  Di  vos  bene  faciant  amici, 
et  vos  viator  es  habeatis  dcos  propitios,  qui  Victor  em  publicum  Fabianutn  a  censibus  p[opuli)  R[omani) 
non  praeteritis.  salvi  eatis,  salvi  redeatis,  et  vos  qui  me  coronatis  vel  flores  iactatis,  multis  annis 
facialis.  7)  z.B.  CIL  XIV  439  =  Dessau  6156.  CIL  VI  12652.  30 112  =  Buecheler  995.  543. 
van  Bleek  a.  a.  O.  S.  97  f. 


324 


XV.   DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 


[IV.  395] 


Der  antike  Un- 
sterblichkeits- 
glaube  nicht 
wie  der  christ- 
liche ein  un- 
entbehrlicher 
Trost. 


Denkmäler  prangten '),  das  Licht  der  frisch  gefüllten  Grabeslampe  und  der  Duft 
ihres  wohlriechenden  Öls  ihnen  mindestens  als  Beweise  eines  fortdauernden 
Andenkens  bei  den  Nachkommen  wohltuend  sein  würden:  so  erfolgten  alle 
solche  Darbringungen  in  der  Voraussetzung,  daß  es  der  Wunsch  der  Abgeschie- 
denen sei,  mit  den  spätem  Geschlechtern  gleichsam  fortzuleben.  In  demselben 
Sinne  sind  auch  auf  den  griechischen  Grabdenkmälern  vorzugsweise  Szenen 
aus  dem  vergangnen  Leben  der  Gestorbnen  dargestellt^  »ihre  Existenz  gleichsam 
fortgesetzt  und  bleibend  gemacht«.  Die  unmittelbare  Gegenwart  dieser  einfach 
rührenden,  die  menschliche  Teilnahme  in  hohem  Grade  anregenden  Darstellun- 
gen berührten  Goethes  auch  hier  dem  antiken  verwandten  Geist  aufs  wohl- 
tuendste. Ihm  sagte  es  besonders  zu,  daß  die  Menschen  auf  diesen  Grabsteinen 
nicht  die  Hände  falten,  nicht  in  den  Himmel  schauen,  sondern  beieinander 
stehen,  wie  sie  auf  Erden  beieinander  gestanden,  einander  geliebt  haben:  >der 
Wind,  der  von  den  Gräbern  der  Alten  herweht,  kommt  mit  Wohlgerüchen  wie 
über  einen  Rosenhügel«  ^).  Auf  diese  Fortdauer  im  Gedächtnis  der  Nachwelt 
haben  im  ganzen  Altertum  auch  solche  Wert  gelegt,  die  den  Glauben  an  eine 
persönliche  Unsterblichkeit  verwarfen  oder  dessen  nicht  bedurften^).  Selbst 
Epikur,  in  dessen  Glückseligkeitslehre  der  Satz,  daß  Sein  und  Bewußtsein  mit 
dem  Tode  aufhöre,  den  eigentlichen  Schlußstein  bildet,  verordnete  in  seinem 
Testament,  daß  sein  Geburtstag  und  der  20.  jedes  Monats  zu  seinem  und  seines 
Freunds  Metrodor  Andenken  fesUich  begangen  würde:  und  in  der  Tat  ist  dies 
noch  Jahrhunderte  nach  seinem  Tode  von  seinen  Anhängern  geschehen"*). 

Wenn  der  antike  Unsterblichkeitsglaube  aber  auch  an  einer  persönlichen  Fort- 
dauer in  einem  höheren,  reineren,  folglich  seligeren  Dasein  festhielt,  so  setzte 
er  doch  keineswegs  das  jenseitige  Leben  in  einen  so  schroffen  Gegensatz  zum 
irdischen  wie  der  christliche  und  stand  deshalb  auch  dem  Unglauben  und  dem 
Zweifel  nicht  so  schroff  gegenüber  wie  dieser.  Wenn  die  griechische  Volks- 
sprache die  Toten  »Selige«  nannte^),  konnten  sie  ihr  schon  darum  so  heißen, 
weil  sie  den  Mühsalen,  Leiden  und  Täuschungen  des  Lebens  entrückt  waren^). 
Der  Tod,  der  diese  Erlösung  brachte,  erschien  darum  auch  dann  nicht  als  ein 
Übel,  wenn  er  das  Ende  des  Seins  war.  Den  Gegensatz  der  christlichen  und 
der  antiken  Auffassung  drücken  vielleicht  am  besten  die  Worte  aus,  die  So- 
krates  in  der  Apologie  des  Plato  nach  seiner  Verurteilung  zum  Tode  zu  seinen 
Richtern  spricht:  der  Tod  sei  entweder  ein  ewiger  Schlaf  oder  der  Übergang 
zu  einem  neuen  Leben,  in  keinem  von  beiden  Fällen  aber  sei  er  ein  ÜbeP). 
Beide  Aussichten  erscheinen  hier  also  als  tröstliche,  nur  die  eine  in  höherem, 
die  andre  in  geringerem  Grade:  während  der  christliche  Glaube  den  Tod,  dem 
keine  Auferstehung  zur  Seligkeit  folgt,  als  das  unseligste  Los  betrachtet.  Ihm 
ist  das  andre  Leben  das  wahre,  von  dort  empfängt  das  irdische  Dasein  sein 
Licht,  ohne  dessen  Strahlen  es  völlig  düster  sein  würde.    Nicht  in  der  Weise, 


i)  Wissowa  a.  a.  O.  S.  434,  3;  vgl.  Lämmerhirt,  N.  Heidelb.  Jahrb.  VIII  1898  S.  iff.  Nilsson, 
Beitr.  z.  Relig.Wissensch.  herausg.  von  der  religionswiss.  Gesellsch.  in  Stockholm  II  191 8  S.  133  ff- 
Über  Blumen-  und  Kränzeschmuck  der  Gräber  J.  Köchling,  De  coronarum  apud  antiquos  vi  atque 
usu  (Religionsgesch.  Versuche  u.  Vorarb.  XIV  2,  1914)  S.  58ff.  2)  Goethe,  Werke  XXX  63  d. 

Weimar.  Ausg.     3)  Ebenso  auch  Diderot:  Rosenkranz,  Diderot  II  192.      4)  Zeller  III  l"*  S.  391,  2. 
5)  Rohde  S.  308,  i.  Oben  S.  302.     6;  z.  B.  CIL  V  5278  =  Buecheler  1274.     7)  Plato  Apol.  40  C. 


[IV.  396,  397]         XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 


325 


sagt  Lactantius,  wie  die  Philosophen  geglaubt  haben,  wird  die  Seligkeit  dem 
Menschen  zuteil.  Selig  kann  er  nicht  sein,  solange  er  im  Leibe  lebt,  der  not- 
wendig durch  Verfall  der  Autlösung  zugeführt  werden  muß,  sondern  erst  dann, 
wenn  er  nach  Befreiung  der  Seele  von  der  Gemeinschaft  des  Körpers  im  Geiste 
allein  lebt.  In  diesem  einen  allein  können  wir  in  diesem  Leben  selig  sein,  wenn 
wir  es  auch  noch  so  wenig  zu  sein  scheinen:  daß  wir  die  Verlockungen  der 
Lüste  fliehend  und  allein  der  Tugend  dienend  in  allen  Mühsalen  und  Kümmer- 
nissen leben,  welche  Übungen  und  Stärkungen  in  der  Tugend  sind;  daß  wir 
jenen  rauhen  und  schweren  Weg  einhalten,  der  uns  zur  Seligkeit  frei  gegeben 
ist.  Also  kann  das  höchste  Gut,  dessen  Besitz  selig  macht,  nur  in  der  Religion 
und  Lehre  enthalten  sein,  welche  die  Hoffnung  der  Unsterblichkeit  in  sich 
schließt').  Augustinus  nennt  geradezu  das  ewige  Leben  das  höchste  Gut,  sowie 
den  ewigen  Tod  das  höchste  Übel.  Wohl  kann  auch  hienieden  der  selig  genannt 
werden,  dessen  ganzes  Sein  auf  jenes  Ziel  gerichtet  ist,  der  es  in  glühender  Liebe 
und  treuer  Hoffnung  festhält:  doch  mehr  durch  die  Hoffnung  als  durch  die  Wirk- 
lichkeit. Ohne  diese  Hoffnung  gibt  es  nur  falsches  Glück,  nur  Leid  und  Elend^). 

Es  ist  eine  verbreitete  Ansicht,  daß  für  die  Menschen  des  Altertums  dieses  Pessimismus 
Leben  deshalb  einen  höheren  Wert  gehabt  habe,  weil  ihre  Hoffnungen  auf  das  ^^^  Welt- 
Jenseits  weder  so  felsenfeste,  noch  so  hell  leuchtende  sein  konnten  wie  die  der  Altertum. 
Christen.  Aber  der  Gesamteindruck  der  griechischen  und  römischen  Literatur 
bestätigt  diese  Ansicht  keineswegs.  Die  angeborne,  an  der  ewig  neuen  Herr- 
lichkeit der  Welt  wie  an  der  Größe  und  Schönheit  des  Menschenlebens  genährte 
Lust  am  Dasein  ist  allerdings  echt  antik.  Aber  sie  ist  nur  der  eine  Pol  der  an- 
tiken Weltanschauung,  dem  als  der  andre  eine  aus  tiefster  Empfindung  mensch- 
lichen Elends  und  menschlicher  Hilflosigkeit  entspringende  Resignation  gegen- 
übersteht, deren  bald  schmerzliche,  bald  ergebungsvolle  Äußerungen  sich  wie 
ein  roter  Faden  durch  die  ganze  antike  Literatur  ziehen^).  Schon  Homer,  dem 
doch  der  Gedanke  an  das  Jenseits  so  völlig  trostlos  erschien,  läßt  den  höchsten 
Gott  sagen:  Von  allem,  was  auf  der  Erde  atmet  und  kriecht,  ist  nichts  jammer- 
voller als  der  Mensch!  Aber  wenn  er  noch  glaubte,  daß  im  Saale  des  Zeus 
zwei  Fässer  stehen,  eines  mit  den  guten,  das  andre  mit  den  bösen  Gaben,  so 
sind  es  bei  den  Spätem  zwei  Fässer  des  Bösen,  nur  eins  des  Guten'*).  Als  die 
Mutter  des  Kleobis  und  Biton  die  Göttin  bat,  ihren  Söhnen  das  zu  gewähren, 
was  den  Menschen  zu  gewinnen  das  beste  wäre,  gab  ihnen  die  Göttin  den  Tod 
und  offenbarte  so,  wie  Herodot  sagt,  daß  der  Tod  für  den  Menschen  besser  sei 
als  das  Leben^).  Mehrmals  war  dies  durch  Offenbarungen  andrer  Gottheiten 
bestätigt  worden^).  Es  ist  gerade  die  Zeit  der  Jugend-  und  Manneskraft  des 
griechischen  Geistes,  in  welcher  der  schon  von  Theognis^),  dann  unter  andern 
auch  von  Sophokles  ausgesprochene^),  von  Bacchylides^)  dem  Herakles  in  den 

i)  Lactant.  Inst.  div.  III  12,  35  ft'.,  vgl.  VII  8.  2)  Augustin.  C.  D.  XIX  4.  20.  3)  E.  v.  La- 
saulx,  Stud.  d.  class.  Altertums  (1854)  S.  459  ff.  G.  Benseier,  Der  Optimismus  des  Sokrates  bei 
Xenophon  u.  Piaton  gegenüber  den  pessimistischen  Stimmen  in  der  älteren  griech.  Literatur.  Progr. 
Chemnitz  1882.  J.  Burckhardt,  Griech.  Kulturgeschichte  II  373  ff.  Vgl.  J.  L.  Heiberg,  Liv  og  Ded  i 
graesk  Belysning,  Kopenhagen  1915  (Referat  darüber  von  Th.  O.  Achelis,  Berlin,  phil.  Wochenschr. 
1919  S.  io57ff.).  4)  Lehrs,  Pop.  Aufs.''  S.  43f.  5)  Herodot.  I  31.  6)  Cic!  Tuscul.  I  ii3ff.  Plu- 
tarch.  Consol.  ad  Apoll.  14.  7)  Theogn.  425  ff.  (vgl.  1069  ff.),  dazu  Vahlen,  Ges.  philol.  Schrift.  I 
I26f.      8)  Soph.  Oed.  Col.  I224ff.      9)  Bacchylides  5,  i6off. 


326  XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  [IV.  398] 

Mund  gelegte  Gedanke  sich  in  mannigfachen  Formen  wiederholt:  das  beste  Los 
sei,  gar  nicht  geboren  zu  werden,  das  nächstbeste,  so  bald  wie  möglich  nach 
der  Geburt  zu  gehen,  woher  man  kam'].  Man  sollte  daher,  heißt  es  in  oft  an- 
geführten Versen  des  Euripides,  die  Gehörnen  beklagen,  die  Gestorbnen  froh 
und  beglückwünschend  bestatten^).  Auch  wenn  der  Tod  ein  traumloser  Schlaf 
ist,  sagt  Sokrates  in  der  Apologie  des  Plato,  ist  er  dem  Leben  vorzuziehen;  denn 
jeder,  selbst  der  Perserkönig,  wird,  wenn  er  sein  Leben  überdenkt,  finden,  daß 
die  Tage  und  Nächte,  die  er  besser  und  glücklicher  verbracht  hat  als  eine  ohne 
Traum  durchschlafene  Nacht,  sehr  leicht  zu  zählen  sind^).  >Jung  rufen  die 
Götter,  wen  sie  lieben,  aus  der  Welt«,  heißt  es  bei  Menander,  dem  geistvollsten 
Dichter  der  alexandrinischen  Epoche,  aus  dessen  Fragmenten  uns  ganz  vor- 
zugsweise der  gedämpfte  Ton  einer  resignierenden  Lebensauffassung  entgegen- 
klingf^);  ihm  erschien  als  »des  Menschenlebens  Zwillingsschwester  Traurig- 
keit« ^j,  und  der  als  der  Glücklichste,  »der  ohne  Kummer  der  Welt  Erhabenheit 
geschaut,  und  eilig  dann  zurückgekehrt,  von  wo  er  kam«^). 

Auch  in  der  römischen  Literatur  fehlt  es  an  Äußerungen  verwandter  Natur 
keineswegs.  So  hatte  Cicero  seinen  »Hortensius«  mit  einer  Betrachtung  über  die 
Eitelkeit  und  Unseligkeit  der  Menschen  geschlossen.  Die  Irrtümer  und  Müh- 
sale des  Lebens,  hieß  es  dort,  scheinen  jenen  alten  Weisen  recht  zu  geben,  nach 
deren  Ausspruch  wir  geboren  sind,  um  die  in  einem  frühern  Leben  begangnen 
Sünden  zu  büßen;  sowie  dem  Aristoteles,  der  in  der  Verbindung  der  Seele  mit 
dem  Körper  eine  Marter  erkannte,  wie  sie  die  etruskischen  Seeräuber  an  ihren 
Gefangnen  verübt  haben  sollen,  die  sie  Gesicht  auf  Gesicht  mit  Leichen  zu- 
sammenbanden und  so  umkommen  ließen'').  Wie  sich  bei  Plinius,  nach  dessen 
Ansicht  kein  Sterblicher  glücklich,  und  die  Kürze  des  Lebens  das  beste  ist,  was 
die  Natur  den  Menschen  gewährt  hat^),  wie  sich  bei  ihm  das  Gefühl  der  Un- 
seligkeit bis  zur  Sehnsucht  nach  der  Vernichtung  steigerte,  und  daß  ihm  der 
Tod  als  das  beste  Geschenk  der  Natur  erschien,  ist  bereits  erwähnt^).  Als  größte 
Wohltat  preist  den  Tod  auch  Seneca,  der  sich  darin  gefällt,  die  Unseligkeit  des 
Lebens  in  immer  neuen  Wendungen  zu  schildern.  Es  ist  durchaus  beweinens- 
wert^°);  es  bietet  das  Schauspiel  einer  mit  Sturm  genommenen  Stadt");  es  ist  ein 
stürmisches  Meer,  das  uns  immer  umher  und  oft  an  Felsen  schleudert,  und  sein 
einziger  Hafen  der  Tod'");  es  ist  eine  Sklaverei,  wenn  die  Kraft  zum  Sterben 
fehlt '^);  der  »grausame  Lebensdrang«  ist  die  Kette,  die  uns  gefesselt  hält''');  der 
Tod  allein  bewirkt,  daß  es  nicht  die  schwerste  Strafe  ist,  geboren  zu  werden '5). 
Und  wenn  einem  Marc  Aurel  die  Übel  des  Lebens  wesenlos  waren,  so  waren 
ihm  auch  dessen  Güter  »eitel,  morsch  und  gering«,  das  Leben  selbst  »ein  Krieg 

l)  Schon  Euripides  frg.  285  N."  nennt  dies  Wort  t6  TravTaxoO  9pu\ou)uevov;  über  das  Epigramm 
des  Posidippus  Anth.  Pal.  IX  359  vgl.  Geffcken,  Kynika  u.  Verwandtes  (1909)  S.yfT.  M.  Pohlenz, 
Xapirec;  F.  Leo  dargebracht  (191 1)  S.  95 f.  2)  Eurip.  frg.  449  N.',  vgl.  Herodot.  V  4.  3)  Plato 
Apolog.  40  D.  4)  Menand.  frg.  125  Kock.  Vgl.  J.  Horkel,  Reden  u.  Abhandl.  (1862^  S.346.  352 f. 
CIL  VI  19  716  =  Dessau  8481  quem  di  amavertmt,  haec  moritur  infa[tt'.s.  5)  Ap'  effxi  öUYTEvec; 
Ti  XuttTi  Kai  ßi'oq  Menander  frg.  281,  8  K.  6)  ebd.  481,  2 f.  7)  Cic.  Hertens,  frg.  95  Müller. 

8j  Plin.  n.  h.  VII  130.  167  f.  9)  Oben  S.  298 f.  10)  Seneca  Consol.  ad  Marc,  il,  i;  vgl.  Consol. 
ad  Polyb.  4,  2  f.  11)  Seneca  de  benef.  VII  27,  i.  12)  Seneca  Consol.  ad  Polyb.  9,  7.  13)  Seneca 
epist.  77,  15.  14)  ebd.  26,  10,  vgl.  Consol.  ad  Polyb.  9,  6  omnis  vita  supplicium  est.  15)  Seneca 
Consol.  ad  Marc.  20,  2. 


XV.  DER  UNSTERBLICHKEITSGLAUBE  327 

und  der  Aufenthalt  eines  Gastes«,  seine  Zeitdauer  ein  Punkt,  vor  und  hinter  uns 
der  endlose,  alles  verschlingende  Abgrund.  Und  doch  sollte  und  konnte  in  dem 
ewig  fortrauschenden  Strome  der  Vergänglichkeit  der  Mensch  feststehen  wie 
ein  Fels  im  Meer:  wenn  er,  um  die  Außenwelt  völlig  unbekümmert,  mit  ver- 
ehrungsvoller Ergebung  gegen  das  Schicksal  sich  in  die  Stille  seines  Inneren 
wie  in  eine  feste  Burg  zurückzog;  wenn  er  dem  dort  wohnenden  Gotte  treu  blieb, 
wenn  er  als  Teilchen  des  großen  Ganzen  die  Forderungen  der  Natur  erfüllte. 
Wenn  er  so  mit  heitrer  Gelassenheit  in  jedem  Augenblick  das  Ende  erwartete, 
mochte  es  Vernichtung  oder  Wandlung  sein,  dann  schied  er  sanft  aus  dem 
Leben,  gleich  der  reifen  Fracht,  die  in  ihrem  Falle  die  Natur  als  ihre  Schöpferin 
preist  und  dem  Baume  dankbar  ist,  der  sie  trug^). 

i)  M.  Aurel.  comm.  II  17.  III  5.  16.  IV  3.  48.  49.  V  23.  32. 


REGISTER. 


A. 

Abascantus,  Freigelassener  I  46,  9.  47,  g.  50. 

56  f.  II  242.  245,  I.  358.  III  78. 
Abbruch  von  Gebäuden  verboten  III  4,  2. 
Abdera  (Adra)  in  Bätica,  Juden  III  210. 
Aberglaube  I  265;    der  Frauen  I  305  ff. ;    der 

Zirkusleute  II  43 ;  medizinischer  I  208  ff. 
Abessinien,  Juden  III  202. 
Abgabenfreiheit  der  Lehrer  und  Ärzte  I  174. 

190.  II  231.  258f.   III  253;  der  Athleten  II 

158. 
Abgebrannte,  Beisteuern  für  sie  I  135. 
Abgerichtete  Tiere  II  86. 
Ablauf  im  Zirkus  II  48,  4. 
Abnoba,  Diana  III  143. 
Abonuteichos  III  163  ff. 
Abraham  a  Sancta  Clara  über   den  Luxus  II 

279,  3- 
Absteigequartiere  I  345. 
Acacia  Farnesiana  II  345. 
Acastus,  Freigelassener  I  51. 
accensus  I  217. 
Achat  II  347. 
Achill  im  Volksglauben  III  127,  10.  319;  auf 

Skyros,  Sarkophagdarstellungeii  III  311. 
Acilius  Glabrio,  Konsul  91  n.Chr.  II  21.    III 

234  f. 
Acme,  Sklavin  I  64. 
Acratus,  Freigelassener  III  36. 
Acta  diurna  I  254.  II  27. 
Actäonsarkophage  III  311. 
Acte,  kaiserliche  Konkubine  I  64  f. 
Actische  Ära  II  146,  i;  actische  Spiele  II  145  f. 
Adägina,  Göttin  III  143.  179. 
Adel  I  Il7ff.,  und  Bürgertum  I  236. 
Aderlaß  I  199. 
adiutor  I  54,  2.  55. 
adkctio  I  115.  138. 
adniissio  prima,  secunda  I  76;    ab  admissione 

I  92. 
Adonis,  Kult  in  Griechenlartd  III  135,  i.  189; 

Adonissarkophage  III  311. 
Adoration  der  Kaiser  I  94,  der  Kaiserbildnisse 

ni57f. 
Adule  I  372. 
Advocatus  fisci  I  153. 
Advokaten  I  181  ff. 
Ädepsus  I  414. 
Äginetische  Kandelaber  II  347. 


Ägypten,  Eigenart  des  Landes  l426ff. ;  Bevöl- 
kerung III  ig;  Juden  III  204 f.;  Städte  III  10; 
Kunst  III  85;  Musik  II  169 f.;  Leinwand- 
produktion II  312;  Getreidelieferungen  nach 
Rom  I  2 7  f.;  Ausschlagskrankheiten  I  189; 
Reisen  nach  Ä.  I  338.  42iff. ;  Heilaufenthalt 
für  Schwindsüchtige  I  386;  Statuensteuer 
III  62;  Charakter  der  Ägypter  I  38;  mißach- 
tet I  105.  iii;  im  Senat  Im;  Ärzte  I  189; 
ägyptische  Gottheiten  III  I36f.  140  f.  144 f. 
189. 

Ährenkranz  als  Preis  II  228. 

Älia  Capitolina  III  31. 

Allan  II  260.  III  127.  129  ff. 

Älius  Severianus  Maximas  III  164,  l. 

Älius  Verus,  Kaiser  II  291.  345.  III  65. 

Ämilia  Lepida  I  118. 

Ämilianus  Strabo  III  67.  76. 

Ämilische  Straße  I  32 1. 

Aemilhis  ludus  II  65,  3. 

L.  Ämilius  Paullus  I  409  f.  III  108. 

Ämter,  senatorische  1 135  ff.;  ritterliche  I  I49ff. ; 
Hof-  und  Hausämter  I  34ff.;  Subaltemämter 

I2l6ff. 

Ärzte  I  189 ff.;  kaiserliche  I  70 ff, ;  der  Gladia- 
toren II  68;  machen  Studien  im  Amphi- 
theater II 81.  89;  Ärztevereine  I  190;  Ärztin- 
nen I  193. 

aes  tabulare  III  77. 

Äschylus,  heroisiert  III  149. 

Äsculap  s.  Asklepios. 

Aesculus  hippocastanum  II  345. 

Äsop,  Schauspieler  II  276. 

Ästhetische  Naturbetrachtung  I  483. 

Äternus,  Gott  III  211,  6. 

Äthiopien,  Handel  I  372. 

Ätna,  Berg  I  408.  481  f.;  Gedicht  II  250. 

Affektionspreise  II  348  f. 

Affen,  abgerichtete  II  86. 

Afrika,  Ostküste  I  372;  Westküste  I  39of. ; 
Inneres  I  391  ff.;  wilde  Tiere  II  78.  103,  5; 
Pferde  aus  A.  II 30 ;  Römisches  Afrika,  Städte 
III  8 ff. ;  Straßennetz  I  325 f.;  Wasserleitun- 
gen II  373  f.;  Juden  in  205  i. ;  Afrikaner  im 
Senat  l  108. 

Agaclytus,  Freigelassener  I  44.  50. 

Agathemerus  (Claudius),  Arzt  III  277.  306,  i. 

Agbia  in  9. 

Agenten,  provfozierende  I  257  f. 

Agilius  Septentrio  I  44,  7.  62. 


REGISTER 


329 


Agisymba  I  393. 

agitatores  11  2 5  ff.  33. 

Agonistik  II  145 ff.;  heilige  Agone  II  158 f.; 
agottes  iselastici  II  159,  i;  Agon  Actiacus  II 
145  f.;  Albanus  II  230;  Capitolinus  II  148. 
218.  228 f.;  Minervae  II  148;  Neroneus  II 
147.  217.  288;  des  Sonnengottes  II 149;  der 
A0nvä  TTpöiuaxot;  II  148,  2;  pythischer  zu 
Karthago  II  230;  zu  Vienna  II  152. 

Agricola  (Cn.  Julius)  I  95.  128.  III  18. 

Agrionien  in  Orchomenus  III  188. 

Agrippa  (M.  Vipsanius)  III  35.  137. 

Agrippa  (Herodes)  III  201.  204. 

Agrippina,  Kaiserin  I  90.  295.  II  313. 

Aguontum  III  20. 

Ahnenbildnisse  I  117!.  II  357. 

Ahorn  II  310. 

Aiguille  zu  Vienne  II  363, 

Akademie  auf  Ciceros  Tusculanum  III  38  f,  in 
der  Villa  Hadrians  II  340. 

Akazie,  nordamerikanische  II  346. 

Akklamationen  im  Schauspiel  II  4. 

Akklimatisation  von  Tieren  und  Gewächsen 
II  303  ff. 

Alabaster,  orientalischer  II  332  f.  359. 

Albanische  Geschlechter  I  119. 

Albano  I  404. 

Albanus  agon  II  230. 

Albiorix,  Mars  III  143. 

Alcantara,  Brücke  III  i.  23.  105  f. 

Alcestissarkophage  III  311. 

Alcimus  (Ti.  Claudius)  I  71. 

Alcon,  Chirurg  I  194.  1915. 

Alea,  Dionysosfest  III  188. 

aleatores  I  254. 

Aletrium,  Wasserleitung  II  372,  4. 

Alexamenos  I  63  f. 

Alexander  der  Große  siedelt  Juden  in  Alexan- 
dria an  III  204;  persische  Beute  II  267,  9; 
Standbilder  III  78;  Erinnerungen  an  ihn  I 
454!.;  sein  Grab  I  455;  als  Gott  verehrt  III 
150.  I73f ;  im  Aberglauben  II  43.  III  320. 

Alexander  Severus,  Kaiser,  seine  Freunde  I  75. 
77.  80;  Empfänge  I  89.  91.  92!.  97;  Gast- 
mähler I  97.  100.  loi.  II  286.  356;  will 
Beamtentracht  einführen  II  371;  errichtet 
Lehrerstellen  I  210;  unterhält  Spione  I  258; 
dichtet  II  219;  malt  III  108;  musikliebend 
II  185;  gründet  eine  öffentliche  Bibliothek 
II  223,  i;  Heroenverehrung  III  151.  155; 
errichtet  Kolossalstatuen  III  60.  87  f. 

Alexander  (Ti.  Julius)  Im. 

Alexander  von  Abonuteichos  I  307.  III  80.  129. 
163 ff.  270,  I. 

Alexander  von  Aphrodisias  III  271.  303. 

Alexander  von  Cotyäum  I  70.  II  191,  6.  III  26. 

Alexander  von  Damascus  III  271. 

Alexander  Peloplaton  I  308. 

Alexandra,  jüdische  Fürstin  III  54. 

Alexandria  in  Ägypten  I  429  ff. ;  Weltstadt  III 
10;  Stadtbezirke  III  205,  3;  Turmhäuser  I 
6,  6;  Wasserleitungen  II  373;  Charakter  der 
Bewohner  I  38;  Juden  I  431.  III  204  f.;  Ver- 


ehrung Alexanders  d.  Gr.  III  173;  Schiffe  I 
423;  Handel  und  Industrie  I  375.  377.  431  ff. ; 
Perlenhandel  II  323;  Luxussklaven  II  368; 
Musik  I434. 11169!.  172;  Toreutik  III  96  f. ; 
Inkrustation  II  329.  332;  Gladiatorenschule 
und  Amphitheater  II  65.  106;  Studiensitz  I 
381.  436;  Ärzte  I436;  Reise  nach  A.  I  338. 

Alexandria  Troas  III  26.  174. 

Alimentarstiftungen  I  2141. 

Aliphera,  Athenekult  III  188. 

Allegorische  Mythendeutung  III  123.  126. 

Allia  Potestas  I  314. 

Almanac  des  gourmands  II  301. 

Almaraz,  Brücke  III  i. 

Aloe  II  346;  Aloeholz  II  327. 

Alpen,  im  Urteile  der  Römer  I  480;  Alpen- 
straßen  I  322  ff. 

Alsiura  I  398. 

Altarsieger  III  188. 

Alte  Kunstwerke  III  96.  109  ff. 

Altertümelei  in  der  Literatur  KI  192  ff.  220; 
in  der  bildenden  Kunst  III  iio. 

Altinum  I  403  f.  III  4. 
•  Alt-Ofen  III  3. 

Alupka,  Schloß  II  343. 

Alypius  II  99. 

Amaltheum  Ciceros  III  38. 

Amasea  III  15. 

Amastris  III  23. 

Ambra,  Räucherweik  II  327. 

Ambrosius,  Förderer  der  Kirchenmusik  II 187  f. 

Ambubaiae  II  169. 

a7nburbak  III  240. 

'Ameisen',  indische  I  448. 

Amerika,  große  Vermögen  II  272  f. ;  Tafelluxus 
II  301;  Eishandel  II  278. 

Amethystpurpur  II  315  f. 

ainicus,  Titel  I  76  f ;  a  cura  aiiiicorwn  \11\  ami- 
cus  und  comes  I  73  f.  7 7  f. 

Ammen  I  266. 

Amnion,  Kult  in  Griechenland  III  135,  i.  189. 

amocnitas  I  471,  8.  478. 

Amomum  II  358. 

Amphilochus,  Traumorakel  III  166. 

Amphitheater,  Flavisches  II  335;  des  Curio 
II  53 f.;  hölzerne  II  53.  92,  10;  in  Puteoli 
und  Capua  II  90;  in  den  Provinzen  II  102  ff. ; 
Ruinen  II  107  ff. ;  frühestes  Vorkommen  des 
Wortes  II  53;  atnphitheatriim  castrense  II 
58,1. 

Amsaga,  Quelle  I  461,  3. 

Amt  der  Briefe  I  55  ff.,  der  Bittschriften  I  54  f. 

Amtsantritt  der  Konsuln  I  241. 

Amulette  I  265;  der  Zirkusleute  II  43;  christ- 
liche in  240,  I. 

Amygdalum  II  306. 

Anaitis  III  138. 

Anakreontea,  gesungen  II  162, 

dvaYKoqpaYia  II  156,  6. 

Anaxagoras,  heroisiert  III  149. 

Anaxenor,  Kitharöde  II  179. 

Anazarba  III  16. 

Ancharia,  Göttin  III  187. 


330 


REGISTER 


Ancilia  III  185. 

Ancona  III  5- 

Andalusische  Tänzerinnen  II  173. 

dvbpiä(;  Tn<;  Traibeia;  III  73,  i.  90,  5. 

Androclus  und  der  Löwe  II  5.  6.  25.  58. 

Andromachus,  Arzt  I  71.  205.  206. 

Andron  II  182. 

Andros  I  419.  III  36. 

Anio,  Villen  I  404.  470. 

Anklagen,  gemalte  III  51;  Anklagereden  in  der 

Rhetorenschule  II  204. 
Anna  Perenna,  Fest  I  167. 
Annäus  Mala  I  154  f.  II  240. 
M.  Annäus  Paulus  Petrus  III  236. 
L.  Anneius  Domitius  Proculus  I  50. 
Annia  Priscilla  II  358.  360. 
Annia  Regula  I  308. 
Annianus,  Dichter  II  195. 
Annona,  Göttin  III  147  f> 
ävoaioi,  die  Juden  UI  199,  4. 
Anspielungen  auf  der  Bühne  II  Il6ff. 
a7itescholanus  I  78,  7. 
Anticyra  I  387. 

Antinoupolis  I  428,  4.  III  10.  31. 
Antinous   I  63,    Kult  III  151  f.,    Bildnisse  III 

56.  65. 
Antiochia  in  Syrien,  Großstadt  III  10.  15;  Lage 

I  472.  479  f.;  Umfang  I  5,  6;  Plöhe  der  Häu- 
ser I  6,  6;  Wasserversorgung  II  372  f.;  Erd- 
beben I  359.  III  29;  Handel  I  370.  377; 
Juden  III  202 f.;  Zirkusspiele  II  30;  actische 
Schauspiele  II  146,  5;  Studiensitz  I  381. 

Antiochia  an  Kragos  III  16. 

Antiochia  in  Pisidien  III  21. 

Antiochus  d.  Gr.  siedelt  Juden  in  Kleinasien 
an  III  203. 

Antiochus  Epiphanes,  Gladiatorenspiele  II 105. 

Antiochus,  Schauspieler  II  120. 

Antipater   von  Hierapolis  I  58. 

Antipathie  I  204.  208  f. 

Antisemitismus  III  212  f.,  in  Alexandria  I  435. 

Antistia  PoUitta  I  309. 

Antium  I  399.  II  338.  III  30;  Fortunatempel 
III  162.  192. 

C.  Antius  A.  Julius  Quadratus  I  109.  III  25. 

Antoninus  Pias,  Kaiser,  Freunde  I  75.  77.  80; 
Freigelassene  I  43;  Geldgeschäfte  I  129; 
Bauten  II  373.  III  31;  Glaube  III  128  f.;  Ver- 
hältnis zur  Philosophie  III  253,  zum  Juden- 
tum III  215. 

Antoninus  (Julius)  Major  I  413.  III  27. 

M.  Antonius,  Reisen  I  341.  343;  Gladiatoren 

II  70. 

Antonius  Castor,  Arzt  I  202. 
Antonius  Musa  I  71.  147.  190.  III  73. 
M.  Antonius  Primus  II  242. 
Antrittsgelder  III  23.  3 7  f. 
Antrittsmahlzeiten  11  286. 
Anubis  als  Ehebrecher  II  113. 
Anwälte  I  132.  iSiff. 
Anxur  I  399  f. 

Anzeigen  von  Gladiatorenspielen  II  71  f. 
Apamea  am  Orontes  III  il. 


Apamea  in  Bithynien  III  203. 

Apamea  Kibotos  III  14.  203. 

Apellas  I  109. 

Apellas  (M.  Julius)  III  171. 

Apelles,  Maler  III  i  to. 

Apelles,  Tragöde  I  62.  II  140.  141. 

Apfelsine  II  308. 

Aphrodisias  III  14. 

Aphrodite,  Tempel  in  Knidos  I446;  Orakel  in 

Paphos  III  162;   Bilder  auf  Cypern  III  80; 

phönizische  A.  auf  Delus  III  189;  A.  Bele- 

sticha  III  151.    S.  auch  Venus. 
Apicius  II  274.  302,  6.  305. 
Apio,  Grammatiker  I  380.  437.  440.    II  274. 

III  321. 
Apis  I  435.  443.  III  162. 
Apolaustus,  Pantomime  I  62.  II  142. 
Apollo,  Tempel  auf  dem  Palatin  II  329,  10; 

auf  Monte  Casino  III  238;  Orakel  in  Klaros 

III  162 ;  Kolossalstatue  in  Naxus  III  88;  didy- 

mäischer  A.  III  195;  Belenus  III  177;  Gran- 

nus  III  142.  143. 
Apollodorus,  Architekt  III  105. 
Apollonia  in  Epirus,  Studiensitz  I  381. 
Apollonius  vonTyana  1307!.  381.  438.  III  72. 

149.  151.  I55f. 
Apollonius,  Stoiker  I  70.  III  283. 
Apollonius,  Christ  III  235,  i. 
Apotheken  I  200. 
Apotheose  III  149  ff. 
Apparate  zur  Wegemessung,  an  Wagen  I  343, 

an  Schiffen  I  339. 
Apparitores  I  216  f. 
Appendix  Probi  II  207,  8. 
Appian,  Geschichtschreiber  I  150.  152,  9. 
Appische  Straße  I  319.  320 f.;  Reisen  auf  ihr 

I  404  f. 
Aprikose  II  307. 
Apulejus  I  206.   260 f.;     Statuen  III   72.   76; 

Reisen  I  380.  458.  465;   Beschreibung  eines 

Pantomimus  II  134!.;  Kunstbeschreibungen 

III  116;  Dämonenlehre  III  125.  319. 
Apulejus  Diocles  11  26.  27 f. 
Apulien,  Juden  III  209. 
Apulum  III  3.  21. 
Aquae  (Baden-Baden)  III  19. 
aquae  ferventes  III  178,  5- 
Aquädukte  II  372  f.  III  i.  105. 
Aquileja  I  375.  III  5.  160.  177;  Malereien   im 

kaiserlichen  Palast  11145;  Region  Isis  und 

Sarapis  III  21.  144. 
Aquilinus  (Julius)  III  271. 
C.  Aquilius  II  328. 
M.  Aquilius  Regulus,  Redner  1 122.  132,  II  241. 

337.  039.  76  f.  160.  316.  359. 
Aquincum  III  3. 
Aquitanien,  Gottheiten  III  144. 
Arabien,  Handel  I  372;   Reise   dahin  I  367; 

Juden  III  202;    römische  Provinz  III  12 f.; 

Tafelluxus   der  Araber  II   293;    Luxus   der 

Wohlgeriiche  II  326  f. 
Aradus  III  12. 
Arae  Flaviae  III  19. 


REGISTER 


331 


Araukarien  II  346. 

Arausio  III  6. 

Arbeitsteilung  im  Handwerk  I  löiff. ;   in  den 

bildenden  Künsten  III  99. 
Arcadius  über  die  Juden  III  204. 
Arcesilaus,  Bildhauer  III  loi.  103.  iii. 
Archaismus  in  der  Literatur  III  192  ff.  220;  in 

der  bildenden  Kunst  III  iio. 
Archelaus,  Sohn  des  Herodes  III  210. 
Archiatri  I  71.  191. 

Archibius  (T.  Flavius),  Athlet  II  146,  5.  148. 
Archiereus   synodi  II  139,7;   TOÖ  EuöTOÖ  II 

Archimimus  II  114,  12. 

Archippus  (Flavius)  III  72. 

äpXicTuvaYUJYOi;  III  207. 

Architektur  III  iff.  105  f.;  Architekten  I  172. 
III  105  f. 

Archonten  der  Juden  III  207. 

arcoleontes  II  83,  9. 

Ardaliones  I  244  f. 

Arduinna,  Diana  III  143. 

Area  Palatina  I  91,  3. 

Arelate  I  377.  II  108.  III  6.  37.  144. 

Arellius  Fuscus  II  205. 

Arcus  Didymus  I  85.  III  283. 

Argeerprozession  III  185. 

Argentaria  Polla,  Witwe  Lucans  II  240.  242. 
246. 

Argentorate  III  3. 

Ariadne,  Bild  bei  Mateleone  III  196. 

Aricia  III  81.  192;  Aricinus  clivus  I  159,  5. 

Ariminum  III  i.  4.  5.  21. 

Ariobarzanes  II  268. 

Aristänet  aus  Byzanz  I  109,  15. 

Aristarch  von  Tegea  III  130. 

Aristides  (P.  Älius),  Reisen  I  336  .  345.  443  f.; 
Statuen  III  72;  Wunderkuren  III  132  f.  169  ff.; 
religiöse  Schwärmerei  III  I3iff. ;  gegen  die 
Philosophen  III  259 f.  264 f.;  über  die  Chri- 
sten in  234,  3;  Päane  und  Hymnen  II  162; 
Kunstsinn  III  116  f.;  Rede  gegen  die  Tänzer 
II  132. 

Aristo  (Titius)  III  250. 

Aristobulus,  Judenfürst  II  268. 

Aristocrates  (Petronius)  III  277. 

Aristomachos,  Arztheros  III  173. 

Aristoteles  über  die  Juden  III  214,  2;  über  vor- 
bedeutende Träume  III  166. 

armamentarium  (in  der  Gladiatorenschule)  II 
65,8. 

armatura  II  24,  13;  Thraecitm  II  68. 

Armenien,  Juden  III  203. 

Armenzimmer  (in  Palästen)  II  335. 

Armut  in  Rom  I  I58f. ;  im  Senatorenstande  I 
133;  im  Ritterstande  I  155  f. 

Amuphis,  Zauberer  III  156. 

Arrazzi  II  349. 

Arretium  III  37. 

Arrha  III  12. 

Arria,  die  ältere  und  die  jüngere  I  309  f. 

Arria  (bei  Galen  und  Diogenes  Laertius)  I  299. 

Arrianus  (Flavius)  I  109.  III  137. 


A.  Arrius  Antonlnus  III  221. 

C.  Arrius  Antoninus,  Dichter  11  249,  6.  252,  3. 

254- 

Arruntius,  Arzt  I  71. 

Arruntius  Stella  II  242,  246.  252.  254.  III  39. 

Arsinoe,  Stadt  III  10,  11.  21,  11. 

Artemidor  aus  Knidos  III  71. 

Artemidor  von  Daldis,  Traumdeuter  I  21 1.  3S0. 
III  128.  168  f. 

Artemidor,  Stoiker  III  277. 

Artemis,  in  Ephesus  III  173.  195;  Laphria  in 
Paträ  III  187;  Orthia  in  Sparta  III  188;  Bild 
in  Patmos  III  239.    S.  auch  Diana. 

Artischocke  II  309. 

artocreas  II  16,  9. 

M.  Artorius  Asclepiades  I  71,  14. 

Arulenus  Rusticus  (Junius)  III  252.  273,  i. 

Arvalbrüder  I  120.  III  185  f. 

Arverner,  ihre  Stadt  (Clermont)  III  79.  91.  loi. 

Arztheros  in  Athen  III  173. 

asarotzitn  III  96. 

Aschenumen  II  359. 

Asclepiades,  Arzt  I  203.  208,  5. 

Asculum  III  1S7. 

Asia  (Provinz),  Städte  III  13  f. 

Asiaticus  (Valerius)  I  106. 

Asiaticus,  Freigelassener  I  42.  48. 

Asinius  Pollio  II  223  f. 

Asklepios,  Heiland  III  129  f.  132  f.;  Traum- 
orakel und  Wunderheilungen  III  169  ff.;  Tem- 
pel in  Epidaurus  III  171  ff. ;  in  Pergamum 
III  106,  4.  169;  in  Titane  III  188 f.;  in  Rom 
III  172;  A.  Zimidrenus  III  142. 

Aspasius  von  Ravenna  I  58.   II  258,  3. 

Aspendus  II  379.  III  15. 

Assessoren  I  188. 

Astrologie  I  72  f.  III  160  f.;  in  der  Medizin  I 
209 f.;  Astrologen  beim  Zirkus  II  23;  Ge- 
werbesteuer der  Astrologen  I  211. 

Astronomie  dichterisch  behandelt  II  190. 

Astura  I  39g. 

Asyl  bei  Kaiserbildnissen  III  58. 

Atäcina,  Göttin  III  143.  179. 

Atargatis,  Göttin  III  145.  189. 

Atedius  Melior  II  242.  245,  i.  8.  246. 

Atellane  II  1 1 2  f. 

Atheismus  III  183;  angeblicher  A.  der  Christen 
III  199,  4.  218. 

Athen  unter  den  Römern  I  410 ff.;  Studiensitz 
I381;  Bauten  des  Hadrian  III  31,  des  Herodes 
Atticus  III  26  f. ;  Menge  der  Statuen  III  36, 
Statuen  des  Hadrian  III  62  f.;  Juden  III  204; 
Christen  III  230;  Mithrasdienstlll  189;  Lehr- 
stühle der  Philosophen  III  253;  Bildhauer- 
werkstätten III  91;  Gladiatorenspicle  II  105. 

Athenäum  in  Rom  III  204.  227. 

Athene  in  Aliphera  III  188;  in  Ilium  III  195. 

Athenodorus,  Stoiker  I  86.  299.  III  149. 

Athenodorus  Vaballath  III  202. 

Athletik  II  145  ff. ;  Schätzung  bei  Griechen  und 
Römern  II  150.  I56ff.;  Athleten  im  Zirkus 
II  24.  147.  150;  Athletenstatuen  III  75  f.; 
Athletenvereine  II  155  f. 


332 


REGISTER 


Atilia  Pomptilla  I  309. 

Atina  III  187. 

Atlantisches  Meer  I  390  f. 

Atlas,  Gebirge  I  391  f. 

Attalia  III  15. 

Attalus,  Arzt  III  2  70  f. 

Attalus,  Stoiker  III  278.  279. 

Atticus,  Gedichte  II  250;    Gladiatoren  II  56; 

Buchhandel  II  221;   'AtTiKiavä  omoYpaqpa 

II  221,  2. 
Attila  III  45. 

Attius  Priscus,  Maler  III  104. 
auctorati  II  56.  59. 
Audienzen  der  Kaiser  I  88  flf. 
Auditorium  des-Mäcenas  II  227,  6. 
Auflösen  von  Perlen  in  Essig  II  275  f. 
Auftreten  vornehmer  Personen  im  Schauspiel 

II  19  ff. 

Aufzüge  bei  Handwerkerfesten  I  166  f. 

Augenärzte  I  193;  ihre  Stempel  I  206. 

Augila,  Oase  III  173. 

Augusta  Vindelicorum  (Augsburg)  III  19. 

Augustalien  in  Neapel  II  228. 

Augustinus,  Dichterkrönung  II  230;  als  Lehrer 

der  Beredsamkeit  I  179  f. 
Augustodunum  I  381.  III  7. 
Augustus,  Kaiser,  Freunde  1 81  ff.;  Freigelassene 

I  39 f.;  Gesellschafter  I  85  f.;  Gastmähler  I 
97.  99;  Schauspiele  II  2  f.  81.  93.  145;  Bau- 
ten I  2 f.;  Villen  I  395.  III  38;  Wiederher- 
stellang  der  römischen  Tempel  III  192;  Sta- 
tuen III  63  f.  82;   Stiftungen  nach  Jerusalem 

III  138;  Stellung  zu  den  Juden  III  212;  Kult 
in  den  Provinzen  III  57;  Verhältnis  zur 
Poesie  II  215.  235;  Kunstgeschmack  III 
iio;  Glaube  an  Vorzeichen  und  Träume  III 
158.  167;  Strenge  gegen  die  Schauspieler  II 

137- 

Auktionen  I  171  f.;  der  Kaiser  I  98.  100. 

Aulisua,  Gott  III  143. 

Aulos  II  165  f.  167.  168  f.  171;  Aulodik  II 
166,  6. 

Aumu,  Gott  III  141.  241. 

aurea  Roma  I  4,  5. 

Aurelian,  Kaiser  I  loi.  II  52. 

Aurelische  Straße  I  322. 

Aurelius  Helix  II  148.  158. 

ab  auro  potorib  I  loi,  2. 

Aushängeschild  eines  Quadratarius  II  192,  6; 
eines  Traumdeuters  III  169,  2. 

Aushebung  I  360  f. 

Ausländische  Nahrungsmittel  II  283  f.  303  ff. 

auspices  niiptiartan  I  275,  4. 

Ausschreibung  öffentlicher  Bauten  III  22. 

Aussichten,  weite,  beliebt  I  468. 

Ausstattung  der  Gastmähler  II 287  ff. ;  der  Woh- 
nungen 11 346  ff.  III  38  ff. ;  der  Scheiterhaufen 

II  358;  der  Plätze  mit  Statuen  III  37 ff.;  Aus- 
stattungseffekte in  der  Tragödie  II  121. 

Ausstoßung  aus  dem  Senat  I  144  f. 
Austernzucht  II  304  f. 

Ausweisung  von  Fremden  I  28 f.;  der  Schau- 
spieler II  144;  der  Philosophen  III  252. 


Auswerfen  von  Geschenken  bei  den  Schau- 
spielen 11  17. 

Auszeichnungen  der  Schauspieler  II  139  f.;  der 
Athleten  II  IsSf. 

Außenpferde  II  47;  das  linke  A.  der  Vierge- 
spanne II  32. 

Auxumiten  III  202. 

Auzius,  Gott  III  143. 

ave  als  Begrüßung  des  Siegers  IE  32,  4. 

Avennio  III  6. 

Aventicum  II  375.  III  8.  46,  6.  71. 

Averni  I  465. 

Avidius  Cassius  I  58.  III  250. 

Avidius  Heliodorus  I  58.  222. 

Avienus  iRufius  Festus)  III  186. 

Avillius  Flaccus  I  334.  336. 

L.  Avillius  Planta  II  33,  5. 

Avitus  (Lollianus)  III  165. 

Azara,  Sammlung  III  40. 

Azizus,  Gott  von  Edessa  III  141. 

B. 

Ba'albek  (Heliopolis)  III  il. 

Ba'al  Markod  III  178,  3. 

Babylon,  Höhe  der  Häuser  I  6,  6. 

Babylonien,  Juden  III  202. 

Bacax,  Gott  III  143. 

Bacchanalienprozeß  III  218. 

Bacchus,  Gott  des  Weinbaus  III  180;  Bacchi- 
sche  Sarkophage  III  311. 

Backwerk  in  obszöner  Form  I  290,  3. 

Bad,  tägliches  II  376;  des  Abascantus  I  46,  9; 
des  Claudius  Etruscus  I  46.  III  333;  des 
Fronto  II  332;  Badeanstalten  (öffentliche)  II 
375  f.;  Posidianische  Bäder  I  47;  Bäder  mit 
Meer-  und  Mineralwasser  II  335;  Bäderstif- 
tungen II  375;  Badeorte  I  387 f.  III  178; 
Badeleben  I  404 ff.  43  7  ff. 

Baden  bei  Zürich  I  387.  III  8. 

Baden weiler  III  19. 

Bäterrä  III  6. 

Bätica  III  8. 

Bajä  I  405  ff.;  ostriaria  II  304,  5. 

eiTi  ßaXavei'uuv  ZeßaöToO  II  155,  3. 

Balbilla  I  297. 

Baibus  (L.  Cornelius)  I  46.  106.  392  f.  II  332. 

Balkone  I  7.  12, 

Ballspiel  I  251;  der  Mädchen  I  266;  Ballspiel- 
säle II  333. 

Balsam  II  326.  358. 

bambilium  II  17 1,  3. 

Banditen  I  355  ff. 

Bankerotte  I  20;  betrügerische  I  276. 

Barbarengötter  III  139  ff. 

Barbarismen  in  der  Sprache  II  207. 

Barbarus  (Civica)  III  271. 

Barbillus  I  73. 

Barea  Soranus  III  262.  280.  281,  7. 

Bartschur  I  241. 

Basilius  und  der  Kirchengesang  II  187. 

M.  Bassäus  Rufus  I  223.  II  207.  III  74. 

Bassin  des  Orpheus,  des  Ganymedes  III  35. 


REGISTER 


333 


Batanäa,  Kunstdenkmäler  III  83. 

Bath  I  387.  III  18.  143. 

Barhyllus  11  124.  131.  132.  143. 

Bäume,  alte  und  heilige  I  460.  462.  III  241. 

Bauemwirtschaft  in  Italien  I  2 14  f. 

Baumeister  I  172.  III  105  f. 

Baumwolle  II  312  f. 

Bauten  im  Meer  II  338;   der  Kaiser  III  28ff. ; 

gemeinnützige  der  Kommunen  III  2ifF.  69; 

einzelner  III  24 ff. 
Beamte,  Reisen  I  344  f.  358;  Statuen  III  66  f. 
Begleiter  der  Kaiser  I  77 ff. 
Begraben  und  Verbrennen  der  Toten  III  47  f. 
Begräbnisplätze   für  Arme  III  377;   der  Juden 

in  Rom  III  207 f.;    der  Christen  ebenda  III 

229.  231. 
Begrüßungen  der  Kaiser  im  Schauspiel  II  4. 
Beifall,  bezahlter  II  141.  181;  bei  Rezitationen 

II  226;  in  den  Philosophenschulen  U  286. 

287  f. 
Bekränzung  der  Zuschauer    im   Amphitheater 

II  98. 
Belatucader,  Mars  III  143. 
Beleidigung  von  Kaiserbildnissen  III  58. 
Belenus,  Apollo  III  177. 
Belesticha  (Aphrodite)  III  151. 
Beleuchtungen,  festliche  11  15  f. 
Belgica,  Kunst  III  84. 

Belohnungen  der  Wagenlenker  II  25;  der  Gla- 
diatoren II  60;    der  Schauspieler  II  140 f.; 

der  Athleten  II  158 f. 
Bemalung  von  Tieren  II  85;  der  Scheiterhaufen 

II  358  f. 
Benevent  III  4.  21, 

Berbernfürsten  göttlich  verehrt  III  143. 
Beredsamkeit,   öffentliche  Lehrstühle  II   190. 

204.  258;  Ziel  des  Jugendunterrichts  II  i89f. ; 
B.  und  Dichtkunst  II  206,  und  Philosophie 
257. 

Berenice  (Königin)  II  321.  III  112. 

Berenice  'StadtJ  I  367;  Juden  III  205. 

Bergbesteigungen  I  480  f. 

Bergkristall  11  347. 

Bergwerkstrafe  für  Christen  II  221.  228. 

Bernay,  Silberfund  II  356. 

Bernsteinhandel  I  370 f.  378;  Bernsteinhals- 
bänder II  325  f. 

Beröa,  Juden  III  204. 

Beryll  II  321. 

Berytus  III  12.  96. 

Beschneidung  II  215. 

Beschreibungen  von  Kunstwerken  III  116. 

Beschwörung  von  Toten  III  320. 

Bestattungsluxus  11  356  ff. 

bestiarii  11  77. 

Bettler  I  159;  Bettlerkolonie  bei  Aricia  I  405. 

Belyaren  I  355. 

Bevölkerung    Roms    I    16  ff.    233;     Ägyptens 

III  IG. 

Bewerbung  um  Ämter  I  140  ff. 

Bewirtungen,  öffentliche  I  97.  II  378.  III  69. 
76;  bei  Schauspielen  II  i6ff. ;  bei  Leichen- 
begängnissen II  361. 


Bibliotheken  II  222  f.;  bei  Tempeln  I  446; 
Ausschmückung  III  55  f.;  Bibliotheksstiftun- 
gen II  378. 

Biblische  Geschichte,  Erinnerungen  aus  ihr  I 
456f. 

Bier  in  Ägypten  I  433,  12;  Bierländer  11  311. 

bigae  II  47. 

Bignonia  Catalpa  II  346. 

Bilder,  mythologische  III  43;  historische  III 
43  f.  49  f.;  obszöne  1 286 ;  in  Gräbern  III  47  f. ; 
für  Triumphzüge  III  49  f. ;  für  Schiffbrüchige 
III  51;  bei  Gerichtsverhandlungen  III  51; 
von  Gladiatorenspielen  II  62.  74,  i;  Bilder- 
dienst III  79;   Bilderstreit  III  195,  7. 

Bildhauerwerkstätten  III  88.  91. 

Bildnisse,  umgewandelt  III  59. 

BIthynien,  Städte  III  14  f.  22  f;    Pyrrhiche  II 

133,  12- 

Bittschriftenamt  I  54 f. 

Blasinstrumente  II  i65f.  167. 

Blaue  Partei  im  Zirkus  II  34  ff. 

Bleiröhren  der  Wasserleitungen  I  29,  13. 

Bleitafeln  II  42  f.  III  322. 

Blesamus  (Novius),  Bildhauer  III  91. 

Blumenschmuck  an  Dächern  und  Fenstern  1 12. 
II  376;  auf  Gräbern  III  324,  1;  bei  Gast- 
mählern II  288;  Blumenluxus  II  288.  345. 

Bockblut,  seine  Kraft  III  121,  3. 

Böhmen,  römische  Kaufleute  I  371. 

Böser  Blick  I  265. 

Boethus  (Flavius)  III  271. 

bonibalium  II  171,  3. 

ßuL)|aovlKai  III  188. 

Bona  dea  III  172.  176. 

Bononia  III  5.  29;  Juden  III  209. 

Boreum,  Juden  III  205. 

Boscoreale,  Villa  II  339,  7.  356;  Silberfund  II 
356.  m  97- 

Bostralll  12. 

Botanische  Gärten  I  201  f. 

Boten  I  217. 

Boter  I  41. 

bracteae  II  86,  i. 

Brände  in  Rom  I  23ff. ;  in  den  Provinzen  III 
28 f.;  neronischer  Brand  I  4.  III  219. 

Brahmanen  I  394.  486  f. 

Brautgaben  I  274. 

Breccia,  ägyptische  II  333. 

Brechmittel  II  29 1  f. 

Breite  der  Straßen,  in  Rom  I  3 19  f.,  in  den 
Alpen  I  323. 

Brettspiele  I  251. 

Briefamt  I  55  ff. 

Briefverkehr  I  332  f.  338  f.  363. 

Brigantaggio  I  355  ff- 

Brione,  Villen  III  32,  6. 

Britanniens,  musikalisch  II  182. 

Britannien  I  394;  Städte  III  18;  Villen  III  34; 
Juden  III  211. 

Brixia,  Juden  III  209. 

Bronze,  korinthische  II  348.  III  112;  vergol- 
dete III  49;  Götterbilder  aus  Bronze  III  49; 
Zahl  der  Bronzestatuen  in  Rom  III  82;  Bronze- 


334 


REGISTER 


waren  I378;  römische  Bronzefunde  im  Nor- 
den I  371. 

Brot  und  Spiele  I  434.  II  2.  38. 

Brücken  III  l. 

Brundisium  I  321.  334.  335  f. 

Brunnen  III  42. 

Brustkranke  I  386.  435. 

Brutianus,  Dichter  11  249,  7. 

C.  Bruttius  Präsens  III  195,  2. 

Bryaxis  III  1 10,  8. 

Buchhandel  II  220 ff. ;  Bücherpreise  11  222; 
Bücherversand  I  363. 

Bürgerrechtsverleihungen  I  105 ;  Bürgerliches 
Standesgefühl  I  236  f. 

Büsten  römischer  Dichter  in  Schulen  II  192; 
in  Bibliotheken  II  223. 

Bukolen  I  351. 

Bulla,  Räuberhauptmann  I  354. 

Bulla  regia  11  374.  III  95,  2. 

Burdigala  II  108.  304.  312.  374.  III  7. 

Burgunderwein  II  312. 

Burnum  III  17. 

Byssus  II  312.  319. 

Byzanz  III 1 7 ;  Münzen  III 198,  3 ;  Juden  III 204. 

c. 

Cabardiacum  III  172. 

Cäcilia,  heilige  I  303  f. 

Cäcilius  von  Calacte  III  209,  12. 

Cäcilius  Classicus  I  130. 

Q.  Cäcilius  Epirota  II  192. 

Q.  Cäcilius  Niger  III  209. 

M.  Cäcilius  Novatillianus,  Dichter  II  254,  5. 

Cäcilius  Secundus  II  242,  4. 

Cäionius  Rufius  Albinus  III  272,  2. 

caekstis  =  allerhöchst  II  218,  5. 

Cänis  I  65. 

Cärellia  I  2985. 

Caerwent  III  18,  8. 

Cäsar,  gallische  Beute  II  268 f.;  Reisen  I  331. 
341.  345;  Gladiatoren  11  51.  57;  Schauspiele 
II  20.  52.  76.  78.  81.  93.  114.  145;  Bauluxus 
II  343;  kauft  alte  Kunstwerke  III  109;  seine 
Statuen  III  57;  vergöttert  III  151;  begünstigt 
die  Juden  III  204.  212.  215. 

Cäsarea  in  Kappadocien  III  15. 

Cäsarea  in  Mauretanien  (Scherschell)  III  10.  96. 

11  374. 

Cäsarea  in  Palästina  III  12.  28.  86.  94  f. 

Cäsarenwahnsinn  U  266. 

Cäsennius  (Cäsonius)  Maximus  II  241.  243,  3. 

Cagliari,  Kapitol  III  21  f.;  Juden  III  210. 

Cajeta  I  400. 

Caiva  dea  III  192,  5. 

Calabrien,  Juden  III  209. 

Cales  III  21,  8. 

caliga  I  220,  10. 

Caligula,  Kaiser,  Freigelassene  I  40;  Freunde 
I  82 ;  Gastmähler  I  97  f. ;  Adoration  I  94.  95  ; 
Statuen  III  57,  in  den  Synagogen  III  64 f.,  in 
Jerusalem  III  87;  Statuenverbot  III  73;  grie- 
chische Gesandtschaft  an  ihn  III  62;   .Spiele 


II  146 f.;  Vorliebe  für  den  Rennsport  II  29; 
Begünstigung  der  Grünen  II  35 ;   Isisdienst 

III  137;  Orakelbefragung  III  162;  Prunk- 
schiffe I  395 ;  Regierungsantritt  UI 191;  Spuk 
bei  seinem  Tode  III  320. 

Calleva  Atrebatum  (Silchester)  III  18,  8. 

Callinicum,  Juden  III  202,  4. 

Callistus,  Freigelassener  I  40  f.  45.  46,  193. 
203.  II  269.  332. 

Callistus,  Papst  I  278.  304.  III  219.  227ff. 

Calpurnia,  Konkubine  des  Claudius  I  64. 

Calpumier,  Abkunft  I  119. 

Calpurnius,  bukolischer  Dichter  11  91.  236. 
240,  I. 

Calpurnius  Piso,  elegischer  Dichter  11  254. 

Calpurnius  Piso,  Adelshaupt  1 124;  Lobgedicht 
auf  ihn  I  232.  11  239  f. 

Calvisius  Sabinus  II  191.  368. 

Calvisius  Taurus,  Philosoph  III  270.  277 f.  285. 

Camorra  I  355  f. 

Campanien,  Erdbeben  III  29;  Reiseziel  I  405; 
Fechterspiele  II  50. 

Camulodunum  (Colchester)  II  18.  87. 

Camulus,  Gott  III  143. 

Canabae  I  373.  III  2  f. 

Canarische  Inseln  I  390. 

Canatha  III  12. 

Caninius  Rufus,  Dichter  II  249,  7.  255. 

Canius  Rufus,  Dichter  II  249. 

Canopus  auf  Hadrians  Villa  II  340.  III  41;  s. 
Kanobos. 

Canus  (Julius),  Aulet  II  167.  181. 

Canusium,  Wasserleitung  III  26. 

Capito,  Cossutianus  III  251. 

Capito  (Titinius)  I  57. 

Capitolinus,  Spaßmacher  I  88. 

Capri  I  40z  f. 

captatoriat  scripturae  I  248,  4. 

Capua  III  5 ;  Fechterschule  II  56  f.  65.  67;  Am- 
phitheater II  90;  Juden  III  208. 

Caput  Africae  I  63. 

Caracalla,Kaiser,  in  Alexandria 1 434. 436f.;  Be- 
günstigung der  Blauen  II  34.  39;  Stellung  zu 
den  Fremdkulten  III  136.  142;  zu  den  Juden 
III  211  f.;  Bildnisse  III  54.  60.  64,  7;  er- 
richtet Statuen  Alexanders  d.  Gr.  III  61.  78; 
sammelt  Waffen  berühmter  Personen  III  1 12 ; 
als  Kitharöde  11  184 f.;  Konsekration  III  60; 
Geisterbeschwörungen  III  321. 

Caractacus  III  19. 

Caralis  s.  Cagliari. 

carbasus,  Baumwolle  II  313. 

cardui,  Artischocke  II  309. 

Careme,  Koch  II  290.  301  f. 

carissime  als  Anrede  I  77. 

Carmen  contra  paganos  III  237,  8. 

Carnuntum  III  3.  20. 

Carpophorus  II  120,  6. 

Carrara,  Marmor  II  329.  334.  III  88. 

Carrinas,  Secundus  II  201. 

carruca  dorniitoria  I  343- 

Carterius,  Maler  III  56. 

Carystischer  Marmor  II  329.  333. 


REGISTER 


335 


Casia  II  306.  310. 

Casinum  III  27.  187. 

Cassiodor,  Naturgefühl  I  470. 

Cassius  Dio  I  1 10;  Glaube  an  Träume  III  167  f., 
und  Gespenster  III  320. 

Cassius  Maximus  I  108,  7.  in  168. 

Castella  (Reservoirs)  III  35. 

castimoniak  garuni  III  208. 

Castor,  Kammerdiener  Severs  I  61. 

Castra  vetera  (Xanten)  III  3. 

T.  Castricius  III  279. 

catadromarius  II  15,  2. 

catervarü  pugiles  11  150,  11.  12. 

Catina  (Catania)  III  5. 

Cato  (von  Utica)  Reisen  I  344  f. ;  Reichtum  III 
261;  philosophische  Stellung  III  303. 

Catonius  Justus  I  222. 

Catull,  Fortleben  II  194.  252. 

Q.  Catulus,  sein  Haus  II  328. 

causidici  1  1 8 1  ff. 

Celeja  III  20. 

Celer,  Architekt  Neros  III  105. 

Celer  (P.^Egnatius)  III  261  f.  280.  281,  7. 

Celsus,    Platoniker,    Dämonenlehre    III    126; 
gegen  das  Christentum  in  234.  236. 

Celsus  (Cornelius),  Philosoph  III  269. 

Celsus  Polemäanus  (Ti.  Julius)  I  109;    Biblio- 
thek in  Ephesus  III  25. 
cena  libera  II  72;   centenaria  II  289,  i;   a  cena 

centurionum  1  91,  14. 
centenarii  equi  II  28.  31. 
centonarii  III  28. 
Centumcellä  I  398.  III  5. 
centum  quadrantes  1  226,  2. 
Centurionat  I  116.  148.  152.  22off.  360. 
Centuripä  III  5. 
Cerdo  III  148. 

Ceres   III  180;   Tempel    des  Plinius  III  193; 
Tempel  in  Ostia  III  192;  Statue  durch  Ver- 
res  entführt  III  196. 
Cemunnos,  Gott  III  144. 
Ceroma  II  152,  3.  4.  153,  4.  8. 
Cerrinius,  Dichter  II  252,  3. 
certamina  iselastica  II  159,  i. 
Cestiuspyramide  II  360. 
Chäremon,  Stoiker  III  250.  262. 
Charicles,  Arzt  I  71.  87. 
Charmis,  Arzt  195.  207 f. 

Charon,  im  Amphitheater  II  50, 4.  75 ;  im  Volks- 
glauben III  314. 
Charybdis  I  4635. 
chelidonius  pannus  II  34,  5. 
Chemie,  in  Alexandrien  I  436,  ri. 
Chigi,  Agostino  II  270.  295  f. 
Chilperich  III  211. 

China,  Handelsverkehr  I  369  f.    II  321;  Tafel- 
luxus II  303;  Juden  III  203. 
Chios,  Erdbeben  III  29. 
Chirurgen  I  194. 
Chnodomar  III  145. 
Choragium  summum  II  90. 
Chorgesang  I  270.  U  164.  176;  ChorimPanto- 


mimus  II  126;   Chordirigent  II  164;    Chor- 
aules  II  167.  175,  9;  Chorkithara  II  177. 
Choricius  II  116. 
Chosroes  III  239. 
chrestiani  III  200,  3. 

Christentum,    Verhältnis   zum    Heidentum   III 
199  f-;  Rechtsstellung  III  216  fr.;   am  Hofe 
des  Commodus   I  67.304;   Verbreitung  III 
200 f.  231  ff.,  unter  den  Frauen  I  303  ff.;  Auf- 
fassung der  Heidengötter  als  Dämonen  III 
153.   162.   i66f.;   Bekehrungseifer  III  216; 
Stellung  zu  den  Schauspielen  II  36;  Verkehr 
I359;  Vorliebe  für  Vergil  II  211,  5;  Christen 
gelten  als  Atheisten  111199,4.218;  Christen- 
haß   III    217  fr.;     Christenverfolgungen    III 
219  fr. 
Christus-Chrestus  III  200,  3. 
chromata  11  187. 
Chrysogonus  II  173. 
Chrysolith  II  322. 
Chrysopras  II  322. 
Chullu  III  9. 

Cicero,  Haus  auf  dem  Palatin  11329;  Citrus- 
tische  II  348;  Kunstverständnis  III  38 f.; 
Naturgefühl  I  466.  470.  479;  Villen  l396f.; 
Absteigequartiere  I  345 ;  Seereise  1 336;  über 
Gladiatorenspiele  II  95  f.;  über  den  Glauben 
in  1 1 9 ;  Unsterblichkeitsglaube  III  303. 307  f.; 
will  seiner  Tochter  Tullia  einen  Tempel  bauen 
III  149;  wird  auch  von  den  Altertümlern  an- 
erkannt II  199. 
Cilicien,    Leinwandexport   II  312;    Juden   III 

203. 
Cinnamum  'ius  cinnami]  II  320,  6. 
Cipollino  II  329.  333.  340. 
Circeji  I  399. 
Circius,  Windgott  III  142. 
circuli  I  251. 
Cirta  (Constantine)  II  374.  HI  i.  9. 37.  68;  Juden 

III  206;  Mosaik  III  33. 
cisiarii  1  330. 
Citrone  II  308. 
Citrustlsche  II  347  f. 
Civica  Barbarus  III  271. 
civitates  mundi  III  2,  i. 

Claque,  im  Theater  II  141  f.;  bei  Musikauffüh- 
rungen II  181;  bei  Rezitationen  II  226. 
clarissimus  I  I44. 

Claudianus  mons  I  444.  II  ^t^-^.  m  86. 
Claudier  I  120. 
Claudiopolis  III  23. 
Claudische  Straße  I  322. 

Claudius,  Kaiser,  Freigelassene  I41;  Benehmen 
gegen  Freunde  1 79.  82 ;  Empfänge  1 92 ;  Gast- 
mähler I  97.  98;  Rechtsprechung  I  187; 
Spionage  I  257;  Reisewagen  I  343;  Schau- 
spiele II  5.  76.  93.  147;  Bauten  III  30.  35; 
Verordnung  über  Statuenerrichtung  III  73 ; 
Rede  I  107;  Unterstützung  der  Dichter  II 
236;  Interesse  für  Haruspicin  III  159;  Stel- 
lung zu  den  Juden  III  206.  215;  Konsekration 
III  60. 
Claudius  Agathemerus,  Arzt  III  277.  306,  i. 


336 


REGISTER 


Claudius  Etruscus  II  245,  l.  8.  333;  sein  Vater 

I  44.  46.  47,  9.  48.  53 f.;  seine  Mutter  I  44, 
10.  50-        , 

Claudius  Goticus,  sein  Bild  III  54. 

Claudius  Maximus  III  271. 

Ti.  Claudius  Menecrates  I  71.  199.  207. 

Cn.  Claudius  Severus  III  253.  271. 

Clazomenä  I  381, 

Cleander  I  44.  47.  60  f.  Il6.  III  27. 

Clemens  (Flavius)  III  234. 

Clemens  von  Alexandrien  III  248  f. 

Cleopatra,  Konkubine  des  Claudius  I  64. 

Clermont,  Juden  III  211. 

Clitumnus  I  461. 

Clive  II  268.  315.  324. 

P.  Clodius,  sein  Haus  II  329,  8. 

Clodius  Albinus  II  250. 

Clodius  Quirinalis  I  222. 

Clutorius  Priscus  II  236. 

Coactores  I  171  f. 

coccum  (Scharlach)  II  315. 

cochlearia  II  304,  5. 

Cocidius,  Gott  III  143. 

Cöranus,  Philosoph  III  281. 

Coeur,  Jacques  II  270.  340. 

Cognomina,   ritterliche,  von  Freigelassenen  I 

48,  I.  3.. 
Cohors  amicorum  I  77. 

Cohortes  praetoriae,  urbanae,  vigilum  I  21 7  f. 
Colchester  III  18. 
Collegia  der  Handwerker  I  166  ff.;  gladiatorum 

II  70;  venatorum  II  77,  8;  iumentariorum  I 
330;  iuvenum  II  143;  symphoniacorum,  tibi- 
cinum  et  fidicinum  II  170,  8;  collegium 
Dianae  et  Antinoi  I  167  f. 

Collinus,  Sieger  im  kapitolinischen  Agon  II 229. 

Colocasia  II  307. 

Coloni  I  214. 

Colosseum  II  98.  iioff.;  Substruktionen  II  90. 
92,  12;  Kosten  des  Materials  II  3. 

Columella  II  250. 

Comana  in  Kappadocien  I  451. 

Comana  im  Pontus  I  386. 

Comersee  I  470. 

Comites  Augusti  I  77  f. 

Commodus,  Kaiser,  Freigelassene  I  44.  60 f.; 
Spaßmacher  I  88;  Vorliebe  für  Wagenrennen 
II  29;  Begünstigung  der  Grünen  II  35;  tötet 
wilde  Tiere  II  78;  tritt  als  Gladiator  auf  II 
62.  69;  als  Tänzer  und  Sänger  II  182;  sein 
Reisewagen  I  343;  Bildnisse  III  591.;  Kon- 
sekration III  59  f. 

Compiegne,  Göttin  von  III  144. 

Comum,  Zuwendungen  an  die  Stadt  III  25.  27; 
Schulgründung  II  377  f. 

conchae  III  45. 

Conde,  Feste  II  288.  297. 

Condianus  (S.  Quintilius)  I  iio.  III  53.  166. 

Confessio  S.  Cypriani  III  189,  3. 

Congiarien  II  379. 

a  consiliis  I  55,  7. 

consiliurn  principis  I  74.  152. 

Consolationes  des  Statius  und  Martial  II  244  f. 


Constantin,  Kaiser,  Edikt  gegen  die  Gladia- 
torenspiele II 100;  Zwaugsmaßregeln  zur  An- 
nahme der  Prätur  II  12;  über  die  Juden  III 
210;  Privilegien  für  Künstler  III  44.  91;  Ge- 
mälde in  Aquileja  III  45. 

Constantine  s.  Cirta. 

Constantinopel  III  15;  Höhe  der  Häuser  16,  6; 
Bauten  am  Meere  I  472;  Statuen  III  36; 
Zirkusparteien  II  36 f.;  Juden  III  204;  Hei- 
denverfolgungen III  238. 

Constantius,  Kaiser,  seine  Freunde  I  82. 

Consulares,  kaiserliche  Freunde  I  76. 

Contomiaten  II  43. 

Contubernium  I  77,  11.  225,  12. 

Conventus  I  374;  matronarum  I  280. 

Convictores  der  Kaiser  I  85. 

Convivium  I  261. 

Coponius,  Bildhauer  III  103. 

Corax,  im  Mithrasdienst  III  146. 

Corbridge  III  18,  8. 

Corduba  II  309.  III  27. 

Cornelia,  Mutter  der  Gracchen  II  336.  III  49. 

Comelianus,  Rhetor  I  58. 

L.  Cornelius  Baibus  I  46.  106.  392 f.  II  332. 

Cornelius  Celsus,  Philosoph  III  269. 

Cornelius  Gallus  I  82  f.  III  85. 

Cn.  Cornelius  Hispalus  III  206. 

Cornelius  Pius,  Maler  III  104. 

Cornelius  Senecio  I  156  f. 

Comutus,  Philosoph  III  272.  277.  302. 

Coronati  III  45,  2. 

Coronea,  Statue  Hadrians  III  63. 

Corsica  I  360.  III  5. 

Corstopitum  (Corbridge)  III  18,  8. 

Cortes  II  324. 

Cosconius,  Dichter  II  252,  3. 

Cossutianus  Capito  III  251. 

Costunius  Rufus  III  26,  i.  106,  4. 

Cotta  Messalinus  I  123. 

Cotyäum  III  26. 

L.  Crassicius,  Grammatiker  III  269. 

Crassus  jZensor)  II  328.  347. 

Crassus  (Triumvir)  II  268  f. 

Crathis,  Fluli  UI  188. 

Cremna  III  16. 

Cremona  I  381.  III  4  f.  25. 

Cremutius  Cordus  II  213. 

crepido  (Trottoir)  II  371,  5. 

Crescens,  Kyniker  III  270. 

Crescens,  Wagenlenker  II  27. 

Crescentiis,  Petrus  de  I  476.  487. 

Crinas,  Arzt  I  195.  208.  210,  i.  III  25. 

Crispinus,  Günstling  Domitians  Im.  II  241. 
245,  10.  326.  358. 

Crito,  Arzt  I  37. 

Cryphius,  im  Mithrasdienst  III  146. 

Cubicularius  I  37.  59  ff. 

ctibilia  viatoria  II  323. 

Cucinotta,  Bandenführer  I  356. 

Cumä  I  400. 

Cupra  III  187. 

a  cura  amicorum  I  77.  92,  8. 

Curatores  operum  III  22;  statuarum  III  82. 


REGISTER 


337 


Curia Hostilia,  Ausstellungslokal  von  Gemälden 

III  49. 
Curia  mulierum  I  280;  athletarum  II  155. 
Cursores  I  342,  6.  II  24.  33. 
Curtius  Rufus  I  116. 
Cydamus  I  392. 
Cypem  I  421;   Aphroditebilder  III  80;  Juden 

III  204.  205. 
Cypriani  confessio  III  189,  3. 
Cyrene,  Kunst  III  85;  Juden  III  205. 
Cyrillus  von  Alexandrien  UI  238,  4. 
Cytisus  II  307. 
Cyzicus  III  14;  kyzikenische  Säle  I  467. 

D. 

Dacien  I  362  f.  III  20  f. 

Dämonenlehre  III 123  ff. ;  Dämouenaustreibung 
I  209;  Dämonenglaube  allgemein  verbreitet 
III  3i7ff. ;  Heidengötter  gelten  den  Christen 
als  Dämonen  III  153.  162;  Märtyrer  und 
Heilige  treten  an  Stelle  der  Dämonen  III 
240 f.;  Dämonen  Seelen  Verstorbener  UI 
318  f. 

Dalmatien  III  17. 

Dama,  Koch  II  290. 

Damascus  III  11;  Juden  III  203. 

Damasippus  III  109.  113. 

Damianus  von  Ephesus  I  109.  11  338.  III  26. 

Dasumius  III  27. 

Dasumius  Tullus  III  27. 

Dauerläufe  II  24. 

DeaDialll  185  f. 

Dea  Syria  HI  145. 

Decäneus  III  150. 

Decianus,  Freund  Martials  III  253  f. 

Decius,  Bildhauer  III  103. 

Decken,   getäfelt  und  vergoldet  II  335.  336. 

339-  349- 

Decrianus,  Architekt  III  105. 

decus  puellarum  II  62. 

Deklamationen  II  200;  über  Gladiatoren  II  59. 
106;  über  den  Luxus  II  278 f. 

Dekoration  im  Amphitheater  II  90;  bei  Gast- 
mählern II  287 ff.  298 f.;  der  Wohnungen  II 
346.  348.  III  38 ff.;  der  öfifentlichen  Plätze 
III  37  f. 

Dekorative  Kunst  III  34  ff. 

Dekurien  der  Geschworenen  I  105.  148;  der 
Subaltembeamten  I  216. 

Dekurionat  eines  Mimen  II  140. 

Delatoren  I  132. 

ddicati  I  63. 

Delos  I4i4f.;  Fremdkulte  III  189;  Juden  III 
204. 

Delphi,  Orakel  III  162;  Statuen  III  36.  62; 
Stadium  III  26. 

Delphine  im  Zirkus  II  46. 

Delta,  jüdisches  Quartier  von  Alexandria  UI 
205. 

Delventinus  III  187. 

Demeter,  Kolossalstatue  in  Eleusis  III  196. 

Demetrius  von  Phaleron,  Statuen  III  63. 

Friedlaender,  Darstellungen.  111.    g.  Aufl. 


Demetrius,  Freigelassener  des  Pompejus  II 328. 
Demetrius,  Silberschmied  zu  Ephesus  III  80. 
Demetrius,  Musiklehrer  II  183. 
Demetrius,  Schauspieler  II  120. 
Demetrius,  Kyniker  III  252.  281.  290. 
Demetrius,  Leibarzt  Marc  Aureis  I  71. 
Demetrius  von  Alexandria,  Philosoph  III  271. 
Demetrius  von  Skepsis  I  418. 
Demokrit,  Glaube  an  Träume  III  166. 
Demonax,  Philosoph  II  106.  III  72.  190.  291. 
Demonstrationen,    politische,    im    Schauspiel 

II  7  f. 
Denar,  Reichsmünze  I  364. 
Denkmälerfürsorge  III  82,  5. 
Dertona  III  5. 
Desman  II  313,  9. 
Desultores  11  24,  2. 
Deutschland,  Tafelluxus  II  299  f.,  Kleiderluxus 

Il3i7f. 
Deutz,  römische  Überreste  III  7. 
Devotion  III  322;  einer  Frau  für  ihren  Mann 

I  309;  von  Zirkuspferden  II  42  f. 
Dezemberfest  Domitians  II  15.  16.  17. 
Diät  der  Gladiatoren  II  67  f. 
Dialektik  III  273  ff. 

Diamant  11  321  f.;  Diamantring  der  Berenice  11 
321.  III  112. 

Diana  von  Aricia  (NemiJ  III  187.  192;  Tempel 
in  Leon  III  179;  Göttin  der  kreißenden 
Frauen  und  der  Jäger  HI  180, 

Dicäarch  III  302. 

Dichtkunst,  gering  gewertet  II  231  f.;  Zusam- 
menhang mit  der  Musik  II  161  ff.;  Armut  der 
Dichter  II  230 ff. ,  ihr  Verhältnis  zu  den 
Großen  und  Reichen  II  233  ff. ;  Dichtemeid 

II  248;  Dichterwettkämpfe  n  148;  Dichter- 
krönungen II   148.    228  ff. ;    Dichterporträts 

III  55,  Statuen  III  70;  Dichtersprache  II 
208  ff. ;  Dichtererklärung  in  der  Schule  II 
190  ff. 

dictata  des  Schulfechtens  11  69. 

Diderot,  Naturgefühl  I  483. 

Didymus  (Arcus)  I  85.  EI  283. 

ad  digitum  pugnare  II  74,  6. 

Dilettantismus  im  Wagenlenken  II  29;  mit 
Gladiatorenwaffen  II  61  f.;  im  Tanz  II  136; 
in  der  Athletik  II  153  f.;  in  der  Poesie  II 
212  ff.  254  ff.,  der  Frauen  I  296  ff. ;  in  der 
Musik  II  181  ff. ;  in  den  bildenden  Künsten 
U  108. 

Dio  von  Prusa  I  87;  Reisen  I  341,  i.  410;  ver- 
bannt und  geehrt  III  252;  seine  Vorfahren 
III  25.  68 f.;  rhodische  Rede  III  64 f.;  gegen 
die  Philosophie  lU  257.  263;  über  bildende 
Künstln  116;  religiöser  Standpunkt  III  127; 
über  die  Gladiatorenspiele  II  105  f. 

Diocles,  Wagenlenker  II  26.  27  f. 

Diocletian,  Maximaltarif  I  379.  III  44.  100; 
Bauleidenschaft  III  31  f.;  Palast  in  Salonä  III 
17;  Thermen  in  Rom  III  32;  Aquädukte  II 
373;  Aufträge  zu  Kunstarbeiten  III  45.  89. 

Diodorus,  Kitharöde  II  178. 

Diogenes,  Bildhauer  III  103. 


338 


REGISTER 


Diognetus,  Lehrer  Marc  Aureis  III  io8. 

Dionysische  Künstler  I  383  f. 

Dionysische  Verzücktheit  III  189. 

Dionysius,  Porträtmaler  III  55. 

Dionysius,  Sohn  des  Arcus  I  85. 

Dionysius,  Sohn  des  Glaucus  I  57. 

Dionysius  von  Halikarnaß,  über  bildende  Kunst 
III  113.  115. 

Dionysius  von  Milet,  Rhetor  I  181. 

Dionysos,  mit  Dusares  gleichgesetzt  III  141; 
Feste  zu  Paträ,  Alea,  Orchomenus  III  187 f. 

Dioscorus  III  225. 

Dioskorides  I  209. 

Dioskuren,  Helfer  der  Seefahrer  im  Volks- 
glauben III  126.  127,  11;  als  christliche  Hei- 
lige III  241. 

diploma  (Posterlaubnis)  I  329. 

Diptychen  II  102. 

Dispensatoren  I  69. 

Diversium  II  38,  7. 

Divona  II  374.  III  7. 

Doberan  II  376, 

doctor  gladiatorum  II  68,  20;  factionis  II  33,  7. 

Doliche  III  141.  I45f. 

Dolmetscher  I  92. 

domina  =  Madame  I  281. 

do7nini  factionum  I  32.  33,  5. 

Domitian,  Kaiser,  Freigelassene  I  43;  Freunde 

I  74;  Empfänge  1 96 ;  Gastmähler  I  98  ff. ;  De- 
zemberfest II  15.  16.  17.  53;  Vorschriften  für 
die  Schauspiele  I  157.  II  9;  Parteinahme  für 
die  Grünen  II  35;  Fechterspiele  II  53.  76; 
Naumachie  II  92.  94;  albanischer  Wettkampf 

II  230;  kapitolinischer  Agon  II  148  f.  176  f. 
218.  228 f.;  Bauten  III  30;  Palast  U  336.  III 
105;  Triumphbogen  III  35  f.;  Reiterstatue  II 
245 ;  Votivrelief  III  52;  Bildnisse  III  58,  ihre 
Zerstörung  III  5 8  f.;  als  Dichter  II  218;  trägt 
öffentlich  vor  II  227;  Verhältnis  zu  Martial 
und  Statins  II  241.  242;  Philosophenaustrei- 
bung III  252;  Adoration  I  95;  Götterver- 
ehrung III  137;    Ähnlichkeit  mit  Justinian 

III  59. 

Domitilla  (Flavia)  I  303.  III  231.  234. 

Domitius  Ahenobarbus,  Vater  Neros  II  29.  75. 

Domitius  Lucanus  II  241, 

Domitius  Tullus  II  241.  III  39.  41.  III. 

domus  divina  I  56,  5. 

Doppelaulos  II  165,  4. 

Doppelsieg  im  Ringen  und  Pankration  II  158. 

Dorion,  Aulet  II  168. 

Doryphorus,  Freigelassener  I  42.  45. 

Dracones  sancti  III  165,  10. 

Drainage  Roms  I  29. 

Drama,  musikalische  Bestandteile  II  161. 

Drogenhändler  I  200  f. 

Drusilla  I  50. 

Drusus-Schwerter  II  73. 

Dunaas  III  202. 

Durchsichtige  Gewänder  I  292. 

Durocortorum  III  7. 

Durostorum  III  20. 

Dusares  III  141. 


E. 

Eäcus,  Gott  III  144. 

Earinus  (Flavius)  I  63.  II  241.  242.  246. 

Ebbe  und  Flut  I  464  f. 

Eber,  ganz  aufgetragen  II  290  f. 

Eclectus,  Freigelassener  I  44.  61. 

Edelmetalle,  Einfuhr  II  351;  Kapitalanlage  II 

354  f- 

Edelsteine  II  321  f.;  Nachahmungen  II  322 f. 

Egnatische  Straße  I  321.  337. 

P.  Egnatius  Celer  III  261  f.  280.  281,  7. 

egregius  I  154. 

Q.  (Älius)  Egrilius  Euaretus  III  280. 

Q.  Egrilius  Plarianus  III  271.  280,  4. 

Ehe,  freie  I  276;  mit  Freigelassenen  I  50. 
278 f.;  mit  Christen  I  304,  8;  langdauernde 
und  mehrfache  Ehen  I  2841.;  Alter  bei  der 
Eheschließung  I  270  ff. ;  Ehescheidungen  I 
283 ff.,  wegen  Glaubensverschiedenheit  I 
304 f.;  Ehelosigkeit  I  246 ff.,  der  Soldaten 

I  218. 

Ehebruch,  im  Mimus  II  114.  116;  literarisch  I 
290;  Ehebruchsprozesse  I  283. 

Ehrenbilder  III  54, 

Ehrenstatuen  III  65  ff.  90 ;  Massenhaftigkeit  III 
68;  mehrere  für  dieselbe  Person  III  70 f.;  auf 
Kosten  des  Geehrten  errichtet  III  72;  ge- 
stohlen III  68.  72;  für  Statthalter  III  66  f., 
Wagenlenker  11  27,  Schauspieler  II  139, 
Athleten  II  1551.  159,  Musiker  II  178,  Ge- 
sanglehrer II  177;  für  Dichter  in  Biblio- 
theken II  223. 

Ehrgeiz  der  Frauen  I  293. 

Ehrlosigkeit  der  Fechter  II  63,  und  Fecht- 
meister II  64;  der  Schauspieler  II  137;  trifft 
nicht  die  Wagenlenker  II  25,  und  Athleten 

II  I54f- 

Eichenkranz  als  Preis  II  228.  230. 

Eid  der  Gladiatoren  II  60. 

Eiderdaunen  II  278. 

Eierausbrütung,  künstliche  I  428. 

Eindeckung  der  römischen  Chausseen  I  320. 

Einkünfte  der  Senatoren  I  121  ff. ;  der  Renn- 
fahrer II  26.  2  7  f. 

Einquartierungen  I  344  f. 

Einsiedler  Gedichte  II  236,  4.  239,  3. 

Einsturz  von  Häusern  in  Rom  I  22  f.,  der  Sitz- 
reihen im  Zirkus  II  22. 

Eis,  Gefrorenes  II  278. 

Eisen,  beim  Gottesdienst  verboten  III  185. 

Eisenhandel  I  378. 

Elagabal  von  Emesa,  Gott  III  141. 

Elagabal,  Kaiser,  Freigelassene  I  44;  Gast- 
mähler 1 100;  Feste  II  17;  Zirkusleidenschaft 
II  29;  Begünstigung  der  Grünen  II  35 ;  Tafel- 
luxus II  274.  285.  288;  Kleiderluxus  II  313; 
malt  III  108;  musikliebend  II  185;  Schein- 
philosophen an  seinem  Hofe  III  283;  Por- 
trätbildnisse III  54;  Totenbeschwörung  III 
321. 

Elaia:  auvayuJYn  'EXai'ac;  III  207,  2. 

Elazar  UI  208. 


REGISTER 


339 


Elefanten,  gezähmt  11  87;  Jagd  kaiserliches 
Reservatrecht  II  83;  in  Nordafrika  ausge- 
rottet II  82 ;  seziert  II  81;  Elefant  Karls  d.  Gr. 

II  78  f.;  Elefantenzähne  in  Tempeln  I  447. 
Elegien  gesungen  II  162. 

Elephantine  I  443 ;  Juden  III  204. 

Eleusis,  Mysterien  I  385;  Kolossalstatue  der 
Demeter  HI  196. 

Eleusis  bei  Alexandria  I  437. 

Elfenbeinarbeiten  II  349. 

Elias  =  Helios- Aumu  III  241. 

Eliumberrum  III  7. 

Elysium  III  306,  i. 

Embolium  II  133.  135,  7. 

Emerita  Augusta  III  8;  Wasserleitung  II  374; 
Brücke  III  i;  Statuen  III  95,  2. 

eminentissimus  I  154. 

(.\xvr\aQr\  I  441,  2. 

Emona  III  20. 

Empfehlungsbriefe  I  141. 

Emporiä  III  8,  8. 

Encomiographi  II  165,  2. 

Endelechius  III  225.  237. 

Endovellicus,  Gott  III  144. 

Engel  und  Dämonen  III  126. 

Engelsburg  II  365. 

England,  große  Vermögen  II  272.  273;  Tafel- 
luxus II  294;  Bauluxus  II  341  f ;  Wohnungs- 
luxus II  350 f.;  Luxus  in  Edelmetallen  II 
352f.  353f.;  Schlösser  II  341  f.  350 f;  Gär- 
ten und  Parks  II  345. 

Ennianista  II  195.  227,  6. 

Ennius,  Fortleben  II  193.  195.  196;  über  Phi- 
losophie III  249. 

Entdeckungsreisen  I  389  ff. 

Entellus,  Freigelassener  I  47.  11  241. 

Epaphroditus,  Freigelassener  Neros  I  42.  45. 

47-  49- 

Epaphroditus,  Grammatiker  I  179. 

Epaphroditus  (L.Ansius),  Fabrikant  von  Bronze- 
waren I  370. 

Ephemeris  (Totenliste)  I  30. 

Ephesus  I419.  III  14.  26;  Bibliothek  11378,  2; 
Juden  III  203. 

Epictet,  seine  Schule  III  284,  i;  Verehrung  III 
295  f.;  als  Erzieher  III  279;  Pantheismus  III 
127;  über  die  Christen  III  233;  Lampe  II 
348.  III  112. 

Epidaurus  I  413.  III  27;  Heilurkunden  III  171. 

Epigramme  über  Kunstwerke  III  107;  Epi- 
grammendichter II  252, 

Epikur,  heroisiert  III  149 ;  Gedächtnisfeier  HI 
324;  Einfachheit  des  Lebens  11  282;  Porträt 

in  55- 

Epikureismus,  Verbreitung  bei  den  Römern  III 
269  f.  302;  Götterlehre  III  120;  Leugnung 
der  Vorsehung  III  166.  182,  und  der  Un- 
sterblichkeit III  299  ff. 

Epikureischer  Philosoph,  Villa  in  Herculaneum 

III  40.  93. 

Epilimones,  Villa  des  Pollius  Felix  I  402,  6. 
Epiphanes,  Sohn  des  Karpokration  III  149, 
Epirota  (Q.  Cäcilius)  III  192. 


ab  epistulis  I  5  5  ff. 

Epona  III  180. 

Epos,  mythologisches  II  249  f.  251  f. 

Eprius  Marcellus  I  81.  116.  121.  132.  182. 

Equi  Afri  II  30;  centenarii,  ducenarii  11  28.  31; 

s.  Rennpferde. 
Equites  equo  publico  I  145,  II.  146;  illustres 

I  154- 
Erbschleicherei  I  246  ff. 

Erdbeben  in  Rom  I  25 ;  im  Reiche  III  29. 
Erhabenen,  Schrift  vom,  Kunsturteil  III  II 7)  i; 

Genesiszitat  III  214. 
Erkenntnis   Grundlage   der  Glückseligkeit  III 

246  f. 
Eros,  Gott  III  180;  Erotenstatuen  geweiht  III 

38,4. 

Eros,  Prokurator  II  276. 

Erpressungen  in  den  Provinzen  I  l30fF. 

Ersatzmittel,  wohlfeile  II  371  f 

Erziehung  durch  die  Philosophen  III  276 ff. 
280fr.;  der  Mädchen  I  267 ff. 

Essedarii  II  73. 

Essener,  Bilderhaß  III  86. 

Ethicae  II  204, 

Ethik  III  276  fr.;  heidnische  und  christliche 
III  248  f. 

Ethnarch  in  Palästina  III  212. 

Ethnographische  Merkwürdigkeiten  in  Tem- 
peln I  448  f. 

rieotTOiiai  II  204. 

Etiketten  der  Medikamente  I  206. 

Etrurien,  Fechterspiele  II  50. 

Etruscus  s.  Claudius. 

Euaretus  (Q.  Egrilius)  III  280. 

Euböa,  Marmor  II  330;  Juden  III  204. 

Eudemus,  Arzt  I  72. 

Eudemus,  Peripatetiker  III  271. 

Eugenius,  Prätendent  III  237. 

Euhodianus  II  258,  3. 

Euhodus,  Freigelassener  I  40.  50. 

Eumolpus,  Dichter  II  230.  232. 

Eunuchen  als  Oberkämmerer  I  37- 

Euphemus,  Tafelaufseher  II  241. 

Euphrates,  Freigelassener  I  52. 

Euphrates,  Philosoph  III  252.  286. 

Eurhythmus,  Freigelassener  I  43. 

Europa  und  der  Stier  im  Amphitheater  II  92. 

Eusebia,  Gemahlin  des  Constantius  I  293. 

Euthymius,  christlicher  Wagenlenker  11  36,  l. 

Eutychus,  Wagenlenker  II  29. 

Exegeten  I  45 1  f. 

Exorzismus  I  209. 

Exotische  Gewächse  I  487. 

Extravaganzen  der  Frauen  I  292  f. 

Exuviae   der   Götter    in   der   Zirkusprozession 

II  44  f. 

F. 

Fabianus  (Papirius),  Philosoph  III  269. 
Fabius  Maximus  I  82.  83.  88. 
Fabius  Pictor  III  103. 
fabri  ocularii  III  99,  3. 


340 


REGISTER 


A.  Fabricius  Vejento  I  84.  lU  142. 
Fabrikbetrieb  I  129;  für  Herstellung  von  Grab- 
denkmälern und  Statuen  lU  99  f. 
Fabulae  salticae  II  125. 
Fabullus,  Maler,  s.  Famulus. 
Fackeln  bei  Nachtreisen  I  353 ;  bei  Hochzeiten 

I  275;  des  Nero  III  219. 
Factionarius  II  32,  9. 

facundus,  Prädikat  der  Dichter  II  206. 

Fadius  II  55.  59.  71. 

Fälschungen   von    Heilmitteln    I    200 f.;    von 

Künstlernamen  III  1 1 1  f. 
Fahrbahnen  II  332. 
Fahrdämme  der  Straßen  I  319  f.  323. 
Fahrgeschwindigkeit  der  Schiffe  I  339  f. 
Faijüm,  ägyptische  Bildnisse  III  56  f. 
Faktionen  im  Zirkus  II  32ff. ;  im  Amphitheater 

II  75  f.;  im  Theater  II  142  f, 
Falerii  III  21. 

Falemer,  in  Bätica  angepflanzt  II  311;  unechter 

1379- 

Familien  von  Gladiatoren  II  5  6  f.  645.;  von 
Tierkämpfern  II  77;  von  Schauspielern  II 
138;  von  bildenden  Künstlern  II  92. 

Familienbegräbnisse  II  362. 

Famulus  (Fabullus?),  Maler  II  335.  III  104. 

Fangschlüsse  III  274. 

Fannia,  Gemahlin  des  Helvidius  Priscus  I  3 10  f. 

Farben  der  Zirkusparteien  II  34 ff.;  außerhalb 
Roms  II  35,  8. 

Farbenluxus  II  3 15  f. 

Farbige  Steine  an  Bauten  II  332  f.  344. 

Fasan  U  285  f.  305. 

Fassadenbekleidung  II  327  f. 

Fatumsglaube  III  161.  182  f. 

Faustina  d.  J.,  Statue  in  Olympia  III  61. 

Faustinus,  Dichter  II  252,  3. 

Faustkämpfer  II  150. 

Favor,  Archimime  II  117. 

Favorinus,  Sophist  I  87;  schreibt  griechisch  11 
252;  Streit  mit  Polemo  II  260;  Verkehr  mit 
seinen  Schülern  III  271.  279;  Statue  III  72; 
über  die  Gladiatorenspiele  II  106,  6. 

Febris,  Göttin  III  180. 

Fechterspiele  II 50  ff.;  bei  Leichenbegängnissen 
n36i. 

Fechtmeister  [lanistae)  11  64. 

Federkissen  II  278. 

Fegefeuer  III  304. 

Feigenkultur  I  306. 

Felderdecken,  vergoldete  II  330.  336;  beweg- 
liche II  335. 

Feldhermstatuen  III  37. 

Feldzeichen  mit  Porträtmedaillons  III  61. 

Felicio  I  68.  m  148. 

Felix,  Prokiirator  von  Judäa  I  41.  50.  51. 

Felix  Bulla,  Räuberhauptmann  I  354. 

Feralia  III  317. 

Ferentinura  III  37. 

Feronia  III  186. 

Feste  der  Handwerker  I  166  ff. 

Festus  (Rufius  F.  Avienus)  III  186. 

Festus,  Kammerdiener  Caracallas  I  61. 


Feuersbrünste  in  Rom  I  23  ff. ;  in  den  Provinzen 

III  28  f. 
Feuerwehr  in  Rom  I  2 1.  23  f. ;  in  den  Provinzen 

III  28. 
Feuerwerke  II  297. 
Fezzan  I  392. 
Fidel  II  163. 
Fieber  in  Rom  I  29. 
Figurengärtnerei  I  474. 

Finanzverwaltung  durch  Freigelassene  I  52. 
Fingeraufheben  der  verwundeten  Gladiatoren 

1174- 
Firmicus  Maternus  I  210.  21 2  ff. 
Cn.  Flaccus,  Prätor  von  Bithynien  III  203.  206. 
Flaccus  (L.  Norbanus)  II  185. 
Flächenraum  der  Begräbnisstätten  II362. 
Flamingo  II  285.  305. 
Flamininus  (T.  Quinctius),  göttlich  verehrt  III 

150-  173- 

Flaminische  Straße  I  321. 

Flavia  Domitilla  I  303.  III  231.  234. 

Flavier,  Abkunft  I  119. 

Flavisches  Amphitheater  11  90.  iioff.,  s.  Colos- 
seum. 

Flavius  Boethus  III  271. 

Flavius  Clemens  I  303.  III  234. 

Flavius  Earinus  s.  Earinus. 

T.  Flavius  Maximus,  Philosoph  HI  280,  2. 

Flavius  Sabinus  III  67. 

Flavius  Scorpus  II  26.  27. 

Flavius  Terpnus,  Kitharöde  II  170,  4.  178.  186. 

Flavius  Ursus  II  245,  I. 

Flöte  s.  Aulos, 

Flora,  Kurtisane  III  54. 

Florafest  II  16.  78.  115. 

Florenz,  Kapitol  III  21. 

Florus  (P.  Aunius)  I  395.  U  198.  229. 

Florus  (Mestrius)  III  270. 

Flottenkomma.ndo  I  52. 

Flüsse,  berühmte  I  464;  Flußufer  I  469;  Fluß- 
götter in  Triumphzügen  III  ^. 

Flugmaschinen  im  Amphitheater  II  134. 

Focaria  I  218. 

foliatu7)i  II  320,  9. 

Folies  II  341. 

Formen  für  Tonwaren  III  97. 

Formiä  I  400. 

Fortuna  III  122;  Tempel  in  Ostia  III  192; 
Orakel  in  Antium  III  162. 

Forum,  mit  Statuen  geschmückt  III  49.  68.  74; 
des  August" III  74;  des  Trajan  LH  36.  74. 

Foucquet  II  289.  297.  34I. 

Fournieren  II  372. 

Frankreich,  große  Vermögen  II  272 ;  Tafel- 
luxus II  293 f.  297 ff.  301  f.;  Küche  II  297 ff. ; 
Kleiderluxus  II  317  f.;  Bauluxus  II  340  f.; 
Wohnungsluxus  II  349 f.;  Luxus  in  Edel- 
metallen II  352f.  353  f. 

Frascati,  sog.  Landhaus  des  Marius  III  40. 

frater  als  Anrede  I  76  f. 

Frauen  an  der  kaiserlichen  Tafel  I  97  f. ;  der 
Sachwalter  I  184;  der  Statthalter  I  132;  der 
Geächteten  I  282;  im  Zirkus  II  23.  44;   im 


REGISTER 


341 


Aniphitheaterll95;fechteninder  Arena  1153, 
treiben  gymnastische  Übungenll  1 53  f.,  sowie 
Fechtübungen  II  62;  Vorliebe  für  Gladiato- 
ren II  62;  Besitzerinnen  von  Gladiatoren- 
banden II  57;  Verhältnisse  mit  Pantomimen 

II  139.  142,  mit  Musikern  II  179;  Frauen- 
tugenden I  308  ff. ;  Frauenerziehung  I  267  ff. 
298;  Frauentracht  1  292;  Frauenvereine  I 
280;  Statuen  III  49.  71;  Christinnen  I  303ff. 

III  223;  Kirchengesang  der  Frauen  II  187. 
Frauenschneider,  moderne  II  318. 
Freigelassene  I  233 ff. ;   kaiserliche  I  34 ff.;   in 

den  Ritterstand  erhoben  I  48.  147;  erhalten 
das  Schwert  I  48  61,  senatorische  Abzeichen 
I  48;  Zulassung  zum  Senat  I  116 f.;  an  der 
kaiserlichen  Tafel  I  97;  Namensänderung  I 
48,  3;  Reichtum  uud  Hochmut  I  45  ff.  50  f. 
234 ff-;  geringes  Ansehen  I  104 f.;  F.  der 
Ärzte  I  1S9,  der  Zirkusparteien  II  33,  5;  F. 
als  Handwerker  I  161,  als  Subalternbeamte 
I  2i6f.,  als  Gladiatoren  II  59,  als  Schau- 
spieler II  138. 

Frejus,  Amphitheater  II  108  f. 

Fremdenführer  I  45 1  f. 

Fremdenhaß  der  Römer  I  112. 

Fremdenverkehr  in  Rom  I  15  ff. ;  in  den  Städten 
und  Provinzen  I  357  ff. 

Fremdkulte  III  134  ff. 

Freunde  der  Kaiser  I  73  ff. 

Friedenstempel   Vespasians   III  41;   Vorträge 

Frontinus  (S.  Julius)  II  242. 

Fronto  I  70.  89.  96.  II  194.  238.  332;  Statue 
III  74;  Glaube  an  Träume  III 127.  170;  gegen 
die  Philosophie  III  258;  über  die  Christen 
m  234. 

Frontonis  platani  II  230,  5. 

Frühpfirsich  [casia]  11  310. 

Frugifer  (Saturnus)  III  141. 

Frumentarii  I  257. 

Frumentationen  II  359. 

Frumentius  III  202. 

Fucinersee,  Emissar  III  30;  Naumachie  II  93. 

Fürsten,  auswärtige,  in  Rom  begraben  I  18,  5. 

Fugger,  Vermögen  II  270 f. 

M.  Fulvius  Nobilior  II  77.  145. 

fumos  vendere  I  45  f. 

Fundanus  (Minicius)  III  270. 

Fundi,  Juden  III  209. 

Fundstücke,  römische,  im  Norden  I  371. 

Num.  Furius  II  181. 

furor  drei  II  49. 

Fußboden,  erwärmt  II  333. 

Fußgängergeschwindigkeit  I  333. 

Fußspuren  als  Weihgaben  I  387. 

G. 

Gabbai  87 f. 

Gabeln  II  279  f. 

A.  Gabinius  II  268. 

Gades  I  395.  464f.  III  8;  Herculeskult  III  195. 

Gaditanae  II  173. 


Galanteriewarenhandel  II  320. 

Galba,  Kaiser,  Abkunft  I  119;  Freigelassene  I 
42;  Bildnisse  III  61;  seine  Fortuna  III  194. 

Galen,  in  Rom  I  71.  192.  III  271;  Gladiatoren- 
arzt II  68;  Reisen  I  337.  380;  über  Athleten 

II  68;  Kunstverständnis  III  116;  religiöser 
Standpunkt  III  127;  über  die  Unsterblichkeit 
HI  307;  über  die  Christen  III  226.  233.  234. 
246;  Glaube  an  Träume  und  Traumheilungen 

III  167.  170. 

Gallien,  Handel  I  372 f.  374;  Reise  nach  Gal- 
lien I  395.  464;  Städte  III  5  ff.;  Goldreich- 
tum II  268;  Bierland  II  311;  Villen  III  33  f.; 
Juden  III  2 10 f.;  Gallier  im  Senat  I  106 f.; 
Gallische  Götter  III  143  f.;  Gallische  Kunst 
III  84.  92,  5. 

Gallienus,  Kaiser,  Vermählungsfest  II 246;  Palais 
de  Gallienne  II  io8. 

Gamala  (P.  Lucilius)  III  71.  192. 

Garama,  Garamanten  I  392  f. 

Garamantina  factio  11  34,  9. 

Gardasee  I  470. 

Garde  (Prätorianer)  I  218.  219 f.;  Gardepräfekt 
s.  Präfekt  des  Prätorium. 

Gartenbau  der  Römer  I  473  ff. ;  im  Mittelalter 
und  der  neueren  Zeit  1 476  ff. ;  Gartenanlagen 

I  II  f.  467 f.  II  345.  376.  III  39;   öffentliche 

II  376;  bei  Gräbern  II  362.  III  316;  Sta- 
tuenschmuck III  38ff. ;  Handelsgärtnerei  II 
309  f.;  moderne  Gartenflora  II  345. 

Gartenranunkel  II  345. 

garum  castinioniale  III  208 ;  sociorum  I  379. 

Gasthäuser  I  343  ff. 

Gastmähler  der  Kaiser  I  97  ff. ;  priesterliche  II 
286.  288;  bei  Leichenbegängnissen  II  361; 
Kosten  der  Gastmähler  II  287  f.;  Unterhal- 
tungen I  252  ff.  259  ff. ;  Teilnahme  der  Frauen 
I  290. 

Gastronomie  II  301  f. 

Gastwirte  I  349. 

Gaukler  II  14  f. 

Gaza  III  12;  Pferderennen  III  225. 

Gebälk,  vergoldet  II  349. 

Gebärdensprache  II  129  f. 

Gebet  III  174  f. 

Gebirgslandschaft  I  478  ff. 

Gebrauchsgegenstände  den  Toten  mitgegeben 

III  316. 

Geburtshäuser  berühmter  Männer  I  456. 

Geburtsstunde  vermerkt  I  314. 

Geburtstagsgratulationen  I  243. 

Gedichte  getanzt  II  133. 

Gedränge  in  Rom  I  16. 

Gefäße,  kostbare  II  348. 

Geflügelzucht  II  305. 

Gefrorenes  II  278. 

Gehälter  der  kaiserlichen  Freigelassenen  I  52; 
der  Subalternbeamten  I  216,  5;  der  senato- 
rischen Würdenträger  I  130;  der  ritterlichen 
Beamtenl  150;  der  Legionstribunen  1 130.149. 

Geheimpolizei  I  256  f. 

Geisterglaube  III  31 7  ff. ;  Geisterbeschwörung 
III  320  ff. 


342 


REGISTER 


Geißelung  im  Gottesdienst  III  i88. 
Geldgeschäfte  I  i6of.;  der  Senatoren  I  129; 

der  Ritter  I  156. 
Geldgeschenke  an  Besucher  I  244;  an  Dichter 

n  235. 
Geldverteilungen  II  361.  378. 
Geldwert,  seine  Verschiebung  11  270,  4.  271,  I. 

33i>  6.  341,  I. 
Gelasius  L,  Papst  III  185. 
Gelegenheitspoesie  II  144  ff. 
Gelehrsamkeit  der  Frauen  I  297  f. 
Gellius  II  194.  260.  III  127.  272;  Schüler  des 

Calvisius  Taurus  III  270.  277  f.,  und  des  Fa- 

vorinus  III  271.  279. 
Gelübde  an  Götterbilder  geklebt  III  196. 
Gemäldegallerien  III  109. 
Gemengeessen  der  Gladiatoren  II  68. 
Geminus  I  44. 
Gemmen,  Kopien  III  97;  Gemmensammlungen 

in  Tempeln  I  447. 
Gemüse-  und  Obstbau  I  214. 
Genava  III  8. 
Genesius,  Mime  II  Il8. 

Genienglaube  III 148;  Genien  der  Städte  III  38. 
Genua,  Juden  III  209. 
Georginen  II  346. 
Gepäcksendungen  I  363. 
Gerasa  III  13. 
Gerichtssitzungen  I  242. 
Geringschätzung  der  Kunst  III  106,  und  der 

Künstler  III  102. 
Germani  corpore  custodes  I  92. 
Germanicus,  Reise  I  416 f.  419.  429.  439.  454; 
Sieg  in  Olympia  II  159;  Dichtungen  II  216. 

228;  befragt  Orakel  UI  162;  Tod  II  236.  HI 
197. 
Gerusiarch  der  Juden  III  207.  209. 
Geryones,  Losorakel  III  162. 
Gesandtschaften  in  Rom  1 18 ;  im  Amphitheater 

II  98;  Gesandtschaftsreisen  I  358  f. 
Gesanglehrer  II  177. 
Gesangszenen  II  161. 
Geschirr,  goldenes  und  silbernes  II  351  ff. 
Geschorene  Hecken  II  371. 
Geschworene  I  105;  Ritter  I  148.  157. 
Gesellschafter  der  Kaiser  I  85  ff. 
Gespenstergeschichten  III  318  ff. 
Gesta  Romanorum  II  203. 
Gestirne  Sitz  der  Seelen  III  305  f. 
Gesundheitsreisen  I  386  ff. 
Geta,  Vorliebe  für  Wagenrennen  U  29. 
Getreideversorgung  Roms  I  27  f. 
Gewerbe  iii  Rom  I  160. 
Gewichtsangaben  auf  Silbergefäßen  II  355. 
Giallo    antico    (numidischer  Marmor)    II  328. 

.330-  339-  . 
Giftmischerei  I  204  f.  207. 
Gigthis  III  9. 
Gipsbüsten  III  42. 
Giraffe  II  78.  79  f. 

Glabrio,  Bildhauer  III  90,  4.  103,  4. 
Gladiatoren  II  54ff. ;  bei  den  Frauen  beliebt  I 
289;  kaiserliche  Gladiatorenschulen  II  65 f.; 


Gladiatorenkaserne  in  Pompeji  II  67;  Gla- 
diatorenhandel II  64 f.;  Gladiatorenwaffen 
II  60 f.  69.  73;  Gladiatorenspiele  II  50 ff.; 
bei  Leichenbegängnissen  II  361;  im  Bilde 
dargestellt  III  49 f.;  Kosten  II  52.  54;  Dauer 
n  103;  Einschränkung  II  3.  51  f.  65;  Ab- 
schaffung  II   100 f.;    in   neueren    Zeiten   II 

107,  5- 
ad  gladhim,  Verurteilungen  II  54. 
Glaphyrus  II  181. 
Glas,  Anwendung  II  334;  Glasfenster  II  279,  3 ; 

Glasflüsse  II 322  f.  III  97;  farbige  Glaswaren 

II  321;  Glasfabrikation  in  Ägypten  I  432; 
Glasmosaik  II  333.  334;  Glasgefäße  von 
Bajä  und  Puteoli  I  406.  422. 

Glaube  und  Erkenntnis  III  246  f. ;  Lebenskraft 
des  alten  Glaubens  III  133  ff. 

Gleichförmigkeit  der  bildenden  Kunst  im  römi- 
schen Reiche  III  92. 

Gliedmaßen  als  Weihgeschenke  HI  172. 

Glocken  als  Amulette  II  43. 

Glückseligkeit  als  höchstes  Gut  III  246  f. 

Glückspiele  I  253  f. 

GlyconIII8o.  164  f. 

Gönner  der  Dichter  II  233 ff. 

Goethes  Braut  von  Korinth  III  320,  l. 

Götter,  barbarische  III  139 f.;  ägyptische  III 
I36f.  i4of.  I44f.  189;  maurische  III  142. 
143;  zu  Erben  eingesetzt  III  195  ;  Vorbilder 
der  Unsittlichkeit  11  243  ff. ;  zu  Ämtern  er- 
nannt III  198;  Götterglaube  III  118 ff.;  Göt- 
termischung III 134  ff.;  Götterliebschaften  III 
45;  Götterbilder  III  195  ff-,  ihre  Menge  III 
79.  89,  aus  Edelmetall  III  193,  mißhandelt 

III  196  f. 

Göttermutter  vom  Sipylus  III  195. 

Gold,  Produktion  II  319;  in  Gallien  II  268;  an 
Zähnen  II  357;  Goldgeschirr  I  10 1.  II  351; 
Goldgeschmeide  der  Schenkmädchen  II  325  ; 
Goldblech  zur  Wandbekleidung  II 334 ;  Gold- 
stickerei II  313;  Goldborten  II  317. 

Goldblättchen,  orphische  III  305. 

Goldenes  Haus  II  335. 

Gordian  L,  Kaiser,  Gladiatorenspiele  II  52 ;  Ge- 
dichte II  197.  219;  Kenner  der  Philosophie 
ni27i;  Bilder  III  61. 

Gordian  III.,  Kaiser,  Tiergärten  II  83;  Villa  II 
339;  Erneuerung  der  Neroneen  I  148.  230. 

Gorilla  I  447  f. 

Gosen  I  471. 

Gottesfürchtige  (qpoßou|Lievoi  TÖv  9e6v)  III  215. 

Gottesleugner  III  183. 

C.  Gracchus,  von  den  Altertümlern  gepriesen 
n  193.  199. 

Gräber,  an  den  Landstraßen  III  323;  an  der 
Via  Latina  III  311;  der  Märtyrer  III  240; 
übertünchte  Gräber  III  48,  2 ;  ausgemalt  UI 
47  f.;  Grabdenkmäler  III  47  f.  77  f.  92;  er- 
haltene in  Italien  und  den  Provinzen  II 361  ff.; 
Kosten  II  362.  365;  Flächenraum  II  362; 
Darstellungen  aus  dem  Leben  des  Verstor- 
benen III  52 f.;  Andeutungen  des  jenseitigen 
Lebens  II  3 10 ff.;   Grabtempel  II  362.  363; 


REGISTER 


343 


Grabstatuen  III  77fF. ;  Grabschriften  an  die 
Vorübergehenden  gerichtet  III  323;  epiku- 
reische III  299  flf. 

Graffiti  II  62. 

Grammata,  auf  Syros  I  441,  2.  III  204,  8. 

■fpamaaTeiq,  Schriftgelehrte  III  207. 

Grammatiker  II  173 ff.;  bei  Tisch  I  263. 

Granate  II  306. 

Granit  II  333. 

Granius  Marcellus  III  58. 

Grannus  II  142.  143. 

Graptus,  Freigelassener  I  44. 

Grausamkeit  gegen  Sklaven  I  285  f. 

gregarii  (Gladiatoren]  II  64. 

Gregor  d.  Gr.  III  46.  209.  239.  304. 

Grenzen  der  bekannten  Erde  I  390  ff. 

Grenzsteuerämter  II  319. 

Griechen  in  Rom  mißachtet  I  37  f.  108 ff. ;  am 
Hofe  I  37  f.  85ff. ;  griechische  Sprache  der 
Frauen  I  296,  der  Juden  III  207;  Römer 
schreiben  griechisch  II  260;  griechische 
Bühnenaufführungen  in  Rom  II  123  f.;  grie- 
chische Wettkämpfe  II  147,  l.  176;  griechi- 
sche Musik  II  161;  griechische  Künstler  in 
Rom  III  103. 

Griechenland,  Städte  III  18;  Verödung  I  410; 
Straßen  I  326;  Reisen  I  409  ff. ;  Fechterspiele 

II  105 f.;  Juden  III  204. 
Grimod  de  la  Reyniere  II  298.  301. 
Großgrundbesitz  I  122;  in  England  II  345. 
Groß-Leptis  II  373.  III  9. 

Großstädte,  antike  III  9.  13. 15;  italische  III  5. 

Grotten  I  461  f. 

Grüne  Partei  im  Zirkus  II  34  ff. 

Grünsteinporphyr  III  88  f. 

Grundbesitz  der  Senatoren  I  121  f.  129  f. 

Güterankäufe  der  Senatoren  II  337. 

Guntram,  König  III  211. 

Gusle  II  163. 

Gyaros  I  414. 

Gymnasium,  von  Nero  erbaut  II  147.  151. 

Gymnastik  II  157. 

gymnici  infantes  II  1 54. 

H. 

Haarweihe  I  241. 

Hadad,  Gottheit  III  145.  189. 

Hadrian,  Kaiser,  Hof  I87;  Gastmähler  1 98.  100; 
Benehmen  gegen  Freunde  I  77-  79-  80.  82, 
gegen  die  kaiserlichen  Sklaven  I  68 ;  unter- 
stützt verarmte  Senatoren  I  134;  Umgang 
mit  Philosophen  III  253.  294;  Barttracht  I 
34;  Lieblingsgericht  II  291;  Ämterorganisa- 
tion I  36.  152;  Geheimpolizei  I  257;  Staats- 
post I  329;  Straßenbauten  I  325.  326;  Bau- 
ten III  30 f.,  in  Athen  I  411.  III  31;  Statuen 

III  60.  62  f.  87;  Villa  in  Tivoli  I  404.  428. 

II  340.  III  31.  40;  Erneuerung  des  Pantheon 

III  31;  Reisen  I  389.  415,  12.  454;  in  Ägyp- 
ten I  429;  Besuch  des  Memnonbildes  I  440; 
Bergbesteigungen  I  482;  Grabmal  II  365 f.; 
Sänger  und  Kitharaspieler  II  184;  dilettiert 


in  bildender  Kunst  III  108;  Dichter  II  218  f.; 
Altertümler  in  der  Literatur  II  193;  unter- 
stützt Dichter  II  237,  und  Sophisten  II  258  f. , 
Religiosität  III  128;  Stellung  zu  den  Fremd- 
kulten III  138,  zum  Christentum  III  220; 
Verbot  der  Beschneidung  III  215,  der  Men- 
schenopfer III  188. 

'Aöpiaveia  II  149,  7. 

Hadrianopolis  III  17.  31. 

Hadrianotherä  III  31. 

Hadrianus,  Sophist  II  207.  212.  258,  3.  260. 

Hadrumetum  III  9.  33. 

Hämus,  Schauspieler  II  120. 

Händesprache  II  129  f. 

Häuser    berühmter   Männer    gezeigt    I  453  f. 

456- 

Häuserspekulation  I  19.  22  f. 

Hafenzoll  für  wilde  Tiere  II  82. 

Haine,  heilige  I  462. 

Halbseide  II  313. 

Halikarnaß  III  14. 

Halityrus,  Mime  I  63. 

Hallenstraßen  III  16. 

Halotus,  Freigelassener  I  42. 

Hammada  I  392. 

Handel  I  156.  160.  163;  mit  wilden  Tieren  II 
81;  mit  Kunstwerken  III  89;  Handelsreisen 
I  363  ff.;  Handelsniederlassungen  I  371  f, 

Handkuß  der  Klienten  I  230.  231. 

Handschuhe  II  314. 

Handspiegel,  silberne  II  356. 

Handwerk  I  161  ff.;  und  Kunst  III  97 f.  102. 

Hannibal,  Statuen  III  78. 

Hanno,  Umsegelung  Afrikas  I  391. 

Harfe  II  163.  166.  169. 

Harlekinstracht  der  Mimen  II  115. 

Harmodius  in  Athen  verehrt  III  149. 

Harmonie  II  164. 

Harpocras,  Freigelassener  I  41.  49. 

Haruspicin  III  1591. 

Haselmäuse  gemästet  11  282. 

Hasta  pura  I  49. 

Haterius  Nepos  I  222. 

Haurän  lU  1 2  f. 

Hauslehrer  I  175.  177;  Philosophen  III  280 ff. 

Hausrat,  Ausschmückung  III  46  f. 

Hebammen  I  193. 

Hebraei  III  207,  2. 

Hebräisch  nur  Kirchensprache  der  Juden  III 
207  f. 

Hecken,  geschorene  II  371. 

Heidenverfolgungen  III  237  ff. 

Heilbäder  I  387  f. 

Heilige  Agone  II  158  f. 

Heilige  Straße  in  Rom  I  163. 

Heiligenverehrung  im  Verhältnis  zum  Heiden- 
tum III  2401.;  Heiligenbilder  mißhandelt 
III  196. 

Heilmittelversand  I  202. 

Heilquellen  III  178  f. 

Heilurkunden  in  Epidaurus  III  171. 

Heilwunder  III  169  ff. 

Heimat  der  Prätorianer  I  220. 


344 


REGISTER 


Heiratsalter  der  Mädchen  I  270;  der  Männer  I 
272  ff. 

HeiratsvermitteluDg  I  273. 

Hejus  von  Messana  I  458. 

Hekate  in  Stratonicea  III  173. 

Hektor  als  Dämon  III  319. 

Helikon,  Kammerdiener  Caligulas  I  59  f. 

Heliodorus,  Sophist  I  181. 

Heliodorus,  Romanschriftsteller,  sein  Gottes- 
glaube III  129,  6. 

Heliodorus  (Avidius)  I  58. 

Heliodromus,  im  Mithrasdienst  III  146. 

Heliopolis  (Ba'albek)  III  11.  141. 

Helios-Aumu  III  141;  mit  Elias  gleichgesetzt 
III  241. 

Helius,  Freigelassener  I  41. 

Helix  (Aurelius)  II  148.  158. 

Helvidius  Priscus  I  3 10  f.  III  250.  251  f. 

Hendecasyllaben  gesungen  II  162. 

Henna  I  408.  III  196. 

Heraclitus  von  Rhodiapolis  I  196.  199  f.  III  73. 

Herakles  (Hercules)  oft  angerufen  III  181;  zu 
Tibur  III  192;  zu  Gades  III  195;  Vorbild 
der  Kyniker  III  293;  bei  den  Stoikern  III 
311,1;  Heraklessarkophage  III  3 11;  Hercules- 
bäder  in  Siebenbürgen  III  178. 

Herbergen  I  343  ff. 

Herculaneum  III  5 ;  Erdbeben  III  29 ;  Einwir- 
kung seiner  Funde  auf  die  moderne  Industrie 
III  98;  künstlerischer  Schmuck  III  81;  Woh- 
nungsdekoration III  42  f. ;  Bronzen  III  93 ; 
Brunnenfiguren  III  42;  Villa  des  epikurei- 
schen Philosophen  (des  Piso)  III  40;  'Hercu- 
lanefinnen'  III  95. 

Hermaphroditen  II  369. 

Hermes  Trismegistos  III  155. 

Hermogenes,  Arzt  I  71. 

Hero  und  Leander  im  Amphitheater  II  92. 

Herodes  Agrippa  I  84.  II  87.  96.  III  201.  204. 

Herodes  Antipas  III  28.  86.  210. 

Herodes  Atticus  I  70.  109.  119  f.  II  235,  i. 
256.260;  Bauten  III  26  f.;  Denkmäler  III  77; 
Villa  in  Kephisia  I  471.  HI  2.6.  33;  Verkehr 
mit  Philosophen  III  266. 

Herodes  d.  Gr.  von  Judäa,  Gesandtschaft  III 
206;  Bauten  III  12.  28.  86.  94  f. 

Herodian,  Grammatiker  I  87. 

Herodicus  II  151,  3. 

Pleroenverehrung  III  149.  173  f.;  Heroengräber 
bei  Ilium  I  418;  Reliquien  I  450  f. ;  Heroen 
als  Stammväter  adliger  Geschlechter  I  119  f. 

Heros,  thrakischer  Gott  III  142. 

Herrscherkult  III  150  ff. 

Hestiäa  I  418. 

Hexen  I  306.  349. 

Hiberus,  Freigelassener  I  40. 

Hicelus,  Freigelassener  I  42.  48. 

Hierapolis  in  Phrygien  HI  14;  Schlund  I  465. 

Hierapolis  Castabala  III  16. 

Hieroglyphen  I  428;  auf  den  Pyramiden  I  438. 

Hieronymus,  kennt  Briefe  Senecas  an  Paulus 
m  236. 

Hilarius  von  Poitiers  III  210. 


Hildesheimer  Silberfund  II  356.  III  97. 
Hilfslehrer  I  178. 
Himjariten  III  202. 

Himmlische  Göttin  von  Karthago  HI  141.  173. 
Hinrichtungen  durch  Natterbiß  I  436;  im  Am- 
phitheater It  89.  91. 
Hippalos  I  367. 
Hippodrome  in  Parks  I  473. 
Hippolyt,  Papst  HI  21.9.  227  ff.  242. 
Hippolytos,  Heros  III  189. 
Hipponium  III  4. 
Hippopotamus  II  78.  80.  82. 
Hirpinerpferde  U  30. 
Hirse  11  307. 

Hispalus  (Cn.  Cornelius)  HI  206. 
Hispellum  III  5. 
Historische  Bilder  HI  49;  Merkwürdigkeiten  I 

449  ff- 

histrio,   Pantomime  H  135. 

Hochzeitsfeier  I  241.  274?.;  Hochzeitsgedichte 
des  Statins  und  Martial  II  246. 

Hodometer  I  343,  5. 

Höhe  der  Häuser  I  5  f.  HI  12. 

Höhlen  (Grotten)  I  461  f.;  Höhleninschriften  I 
441,  2. 

Hölle  im  Mith rasglauben  III  147. 

Homer  (Musikinstrumente)  II  165. 

Hörnerträger  I  283. 

Hof  und  Gesellschaft  I  32  ff. ;  Hof-  und  Haus- 
ämter I  34  ff.  149;  Hofphilosophen  III  282  f. ; 
Hofastrologen  I72;  Hofschauspieler  II 14 if; 
Hofnarren  I  87  f. 

Homer  in  der  Schule  II  191. 

Homeristen  I  253. 

Homeriten,  im  südwestlichen  Arabien  III  202. 

Holz,  kostbares  als  Brennmaterial  II  276. 

Honein  ibn  Ishäq  III  55. 

Honorare  der  Grammatiker  I  I78ff. ;  der  Ad- 
vokaten I  182  ff.;  der  Ärzte  I  195  f.;  der 
Astrologen  I  212;  der  Rechtslehrer  I  185  f. ; 
der  Lehrer  der  Beredsamkeit  I  180;  der  Mu- 
siker II  178 f.;  der  bildenden  Künstler  III 
loi;  der  Schriftsteller  II  231. 

Honorius,  Aufhebung  der  Fechterspiele  II  100. 

Horaz  I  86.  105.  154;  Verhältnis  zu  August  II 
236,  zu  Mäcenas  II  2371.;  Vorliebe  für  das 
Landleben  I  466;  seine  Villa  I469;  Oden 
gesungen  II  161  f.;  in  der  Schule  gelesen  II 
192;  Verbreitung  seiner  Gedichte  II  210; 
Epikureer  III  270,  i;  über  die  Juden  III  2 14  f. 

hordcarii  II  68. 

Hormus,  Freigelassener  I  43.  48. 

Horoskop  I  73.  211  f.  306. 

hortatores  im  Zirkus  II  31,  10. 

Hostia,  Göttin  in  Sutrium  III  182. 

Hostia,  Geliebte  des  Properz  I  297. 

Hostilius,  Philosoph  III  252. 

Hüteluxus  II  314. 

Humanismus  II  262. 

Hund  im  Mimus  II  114;  schottische  und  bri- 
tannische Hunde  II  88. 

Hütten  über  den  Luxus  II  279,  3. 

Hyazinthe  II  345. 


REGISTER 


345 


hydraules  s.  Wasserorgel. 

Hydrotherapie  I  207  f. 

Hygiea  in  Sikyon  III  189. 

Hylas,  Pantomime  II  124.  130.  137. 

Hymettischer  Marmor  II  328.  330. 

Hymnen  II  175  f.;  hymnologi  II 174. 

Hypatia  III  238. 

Hypsistarier  III  216, 

Hyrkanien,  reich  an  wilden  Tieren  II  82. 

I(J). 

Jader  (Zara)  III  1 7. 

Jagden  auf  wilde  Tiere  II  81  f.;  im  Amphi- 
theater II  88  f. ;  Jagdfreiheit  II  82  f. 

Jahreseinkünfte,  höchste,  des  Altertums  II  270; 
neuerer  Zeiten  II  270  fif. 

Jaja  (?),  Malerin  III  55. 

lallia  Clementina  I  304. 

Jaspis  in  der  Medizin  I  209;  Jaspisring  II  322. 

lasura  (Dea  Syria)  III  145. 

latraliptik  II  151. 

iarpeia  I  190. 

latrosophisten  I  194. 

Iberische  Götter  III  143.  144. 

Iconium,  Juden  III  203. 

Jenseitsvorstellungen,  orphisch-pythagoreische 
III  303  f. ;  auf  Sarkophagen  III  3iof. 

Jerusalem  I  421;  Bevölkerung  III  12;  Opfer 
Augusts  III  138;  Tempelsteuer  I  359.  III 
203.  211.  214;  Synagogen  auswärtiger  Juden- 
gemeinden III  205.  207. 

Igel,  Grabmal  der  Secundinier  11  363.  III  53, 

Iglitza  III  3. 

Ignatius,  Reise  I  337. 

Ilium  I  417.  III  195. 

Illuminationen  II  15  f. 

illustris  I  1 54. 

Imitierte  Edelsteine  II  322  f. 

Immunität  der  Lehrer  und  Ärzte  I  174.  190.  II 
231.  258  f.  III  253;  der  Athleten  II  158. 

Improvisationen,  dichterische  II  198;  der  So- 
phisten II  256. 

Indien,  Fabelwelt  I  393 f.;  Handel  I  36S;  nur 
von  Kaufleuten  besucht  I  486;  Import  indi- 
scher Waren  II  319;  Indienfahrt  I  366 ff. 
486  f. ;  indische  Gesandtschaften  in  Rom  I  1 8, 

Indifferenz,  religiöse  III  119. 

Infibulation  II  178,  2. 

Ingenuität,  fiktive  I  147. 

Inkrustation  mit  Marmortafeln  II  329.  332. 
339;  mit  Ebenholz  und  Elfenbein  III  349. 

Inkubation  (Tempelschlaf)  III  132.  169  ff. 

Innungen  I  162.  166  ff. 

Inschriften  von  Reisenden  in  Ägypten  und  Nu- 
bien  I  439  ff. ;  Bauinschriften  III  24;  religiöse 
Inschriften  III  175  ff.  I9iff.;  Grabschriften 
III  299  ff. 

Inselidole  III  80,  5. 

Inseln,  künstliche  II  338. 

Inseln  der  Seligen  I  390. 

Insignien,  amtliche  I  138 f.  140;  der  Wagen- 
lenker II  27. 


Instrumentalmusik  II  165  ff. 

Instrumente,  ärztliche  I  194. 

insula,  Mietswohnung  I  11,  2. 

interpretatio  Romana  III  143. 

interpretationes  salubres  III  123,  4. 

inttis  canere  II  176,  5. 

Jockeis  II  28  f. 

Johannes,  Bischof  von  Asien  III  238. 

Johannes  Chrysostomus   gegen   die  Juden  III 

203. 
Johannes,  Athlet  II  156. 
Johannisbrotbaum  II  308. 
Jonathas,  Aufstand  III  205. 
lonien  I  419;  ionische  Pyrrhiche  II  133. 
lonopolis  (Ineboli)  III  165. 
Joppe,  Perseussage  I  451. 
Jotaba,  Juden  III  202. 
Journalistik  vertreten  durch  Gelegenheitspoesie 

II  245. 

Isaeus,  Rhetor  II  204.  259  f. 
Ischia,  Votivgaben  III  178. 
laXupoTTaiKxric;  II  14,  9. 

Isis  und  Sarapis  III  136  f.  140  f.  144  f.  189; 
Isisdienst  der  Frauen  I  301;  Isis  Campensis 

III  136;  Isisregion  in  Aquileja  III  144; 
Traumheilungen  in  Isistempeln  III  169,  2; 
Isispriester  als  Kuppler  I  301  f.;  Isis,  Last- 
schiff I  423. 

Ismenias,  Aulet  II  323. 

Isthmus,  Plan  der  Durchstechung  I  336.  III  26  ; 
Isthmusstraße  Hadrians  III  31;  Statuen  des 
Caligula  III  62. 

Italicus  (Silius?!,  Philosoph  III  268,  10. 

Italien,  Städte  IIl4f.;  Räuberwesen  l352ff.; 
Juden  III  208  f. ;  Luxus  im  Italien  der  neueren 
Zeit  II  294  ff.  3 16  f. 

MtoXikü  'Pai|Liaia  Zeßaara  II  228,  4. 

Italiker  und  Römer  I  112  f.;  Italiker  als  Kauf- 
leute in  den  Provinzen  I  374. 

Itinerarien  I  320,  5.  327,  7.  456 f. 

Juba  IL  von  Mauretanien  III  96. 

Judentum,  Verhältnis  zum  Heidentum  III  199  ff. 
211  ff.;  Anziehungskraft  III  2i4f.,  besonders 
auf  Frauen  I  302  f. ;  Zerstreuung  der  Juden 
III  200  ff. ;  nicht  vorzugsweise  Handel  trei- 
bend I  375  f.  III  201  f. ;  nicht  Senatoren  und 
Ritter  Im;  Abgaben  nach  Jerusalem  I  359, 
III  203.  211.  214;  Personalsteuer  III  211; 
Bilderhaß  III  86;   Luxus   der  Wohlgerüche 

II  326;  Judenhaß  III  212 f.;  ihnen  wird 
Menschenhaß  vorgeworfen  III  199. 

Jünglingsvereine  II  143. 
Jugendunterricht  I  173  ff.  11  189  ff. 
itiglans  (Kastanie)  II  306. 
Julia,  Tochter  des  August  I  295. 
Julia  Balbilla  I  297. 

Julia  Domna,  Empfänge  1  90;  politischer  Ein- 
fluß I  293 ;  philosophische  Interessen  I  299. 

III  253.  283;  regt  den  Apolloniusroman  des 
Philostratus  an  III  155;  in  Ägypten  I  439. 

Julian,  Kaiser  I  56.  II  235.  III  281. 
Julianus  (Salvius)  III  280. 
Julianus  (Chaldäer)  I  307. 


346 


REGISTER 


Julier,  Abkunft  I  119;  Denkmal  der  Julier  in 

St.  Remy  II  364.  III  84. 
Ti.  Julius  Alexander  I  III. 
M.  Julius  Apellas  III  171. 
Ti.  Julius  Aquila  III  25. 
Julius  Aquilinus,  Platoniker  III  271. 
Julius  Canus  III  281. 
Ti.  Julius  Celsus  Polemaeanus  III  25. 
Julius  Cerealis,  Dichter  II  250. 
S.  Julius  Frontinus  II  242. 
Julius  Julianus,  Philosoph  III  270,  3. 

C.  Julius  Longianus  III  70. 
Julius  (Major)  Antoninus  III  27. 
Julius  Menecrates  II  245,  i. 
Julius  Nicanor  III  70. 

Julius  Obsequens  III  157. 
Julius  PauUus,  Dichter  II  195. 
Julius  Priscus  I  222. 
A.  Julius  Quadratus  III  25. 
L.  Julius  Vestinus  I  55. 
Julius  Vindex  I  248. 
himentarii  I  330. 
Jungfrauenprobe  III  187,  4. 
Junius  Gallio  II  240.  III  235. 
Junius  Rusticus,  der  ältere  III  252;  der  jüngere 
III  253. 

D.  Junius  Silanus  I  82. 

Juno  von  Lanuvium  III  187,  4. 

Juppiter  auf  dem  Kapitol  II  330.  336.  III  195. 
211 ;  Latiaris  III  188;  Poeninus  III  181;  Sa- 
bazius  III  206;  von  Heliopolis  III  178. 

iuris  studiostis  I  185,  10.  188,  10. 

Juristen,  aus  dem  Senatorenstande  I  132 f.;  aus 
dem  Ritterstande  I  152  f.;  aus  dem  dritten 
Stande  I  185  ff.;  als  Konsuln  I  132  f. 

ius  stolas  habendi  I  281. 

Justinian ,  Konsularspiele  II  11;  Verordnung 
über  die  Schauspiele  II  loi;  Bautätigkeit  III 
32;  Statuen  III  78;  Ähnlichkeit  mit  Domitian 
III  59;  Heiden  Verfolgung  III  238;  gegen  die 
Juden  III  203.  206. 

luvavum  (Salzburg)  III  20. 

Juvenal  II  194;  Verbannung  I  62;  bürgerliches 
Standesgefühl  I  108;  religiöser  Standpunkt 
III  127;  Unterweltsvorstellungen  IIl3i3f.; 
über  die  Juden  III  213  f. 

iuvenufn  coUegia  II  143. 

Juv?elenluxus  II  321  ff. 

K. 

Kaiser,  Reisen  nach  Ägypten  I  429;  leutselig 
bei  den  Schauspielen  II  4ff. ;  treten  selbst 
im  Schauspiel  auf  II  20  f;  Parteinahme  im 
Zirkus  II  34  f. ;  zu  Erben  eingesetzt  I  80  f. ; 
bauen  Aquädukte  II  372;  Luxus  II  266;  di- 
lettieren  in  Poesie  II  2 14  ff. ;  unterstützen 
Dichter  II  234  ff. ;  ehren  die  Sophisten  II 
258  f.;  religiöser  Standpunkt  III  128  f.; 
Kaiserbildnisse  III  54.  57  ff.  90,  in  Geschäfts- 
lokalen I  166,  im  Lager  III  57.  61;  ihre  Ver- 
ehrung III  57  f.;  in  der  Zirkusprozession  auf- 
geführt II  45,   beim  Thronwechsel  zerstört 


III  58  f.,  selten  durch  Umarbeitung  hergestellt 
III  64 f.;  Beleidigung  der  Kaiserbildnisse  III 
58;  Kaiserkult  III  148  ff.,  der  Juden  III  212, 
der  Christen  III  2i6f.  221;  Statuen  der  ver- 
götterten Kaiser  III  571.  60  f.  88. 

Kaiserinnen,  Morgenempfang  I  90. 

Kaiserkrone  (Blume)  II  34^. 

Kalender  des  Philocalus  III  185. 

Kalifenreich,  Reichtümer  III  270.  293;  Tafel- 
luxus II  293. 

Kalksinter  in  den  Wasserleitungen  II  375. 

Kampfer  als  Räucherwerk  II  327. 

Kanalnetze  in  den  Hügeln  Roms  I  29. 

Kandelaber,  äginetische  II 347 ;  silberne  II 353- 

Kanobos  in  Ägypten  I  4371.  453;  nachgebildet 
von  Hadrian  I  428;  Kavuußia|u6^  I  437. 

Kapitol  in  Rom,  Gottesdienst  III  198;  Statuen 
III  49.  58.  74;  kapitolinischer  Juppiter  II 
330' 336.  III  195.  211;  kapitolinischer  Agon 

II  148.  218.  228f.;  Kapitole  außerhalb  Roms 

III  21  f.  79. 
Kappadocische  Rennpferde  II  30. 
Karawanen  von  Palmyra  I  372 ;  nach  Äthiopien 

I  367;  nach  China  I  369;  Karawanenführer 
durch  Statuen  geehrt  III  75. 

Karl  der  Große,  sein  Elefant  II  78  f. 

Karl  der  Kühne,  Kleiderluxus  II  313;  Juwelen- 

luxus  II  325. 
Karl  von  Württemberg  II  267. 
Karlsburg  III  3.  21. 
Karmel,  Bergorakel  III  162. 
Karneol  II  322. 
Karpokratianer  III  149. 
Karthago  III  9.  31;    Höhe  der  Häuser  I  6,  6; 

Wasserleitung  II   374;    Arstischockenfelder 

II  309;  Studiensitz  I  471;  pythischer  Agon 
II  230;  Himmlische  Göttin  III  173.  195; 
Juden  III  206;  Christengemeinde  III  230. 

Kaschmirschals  II  318. 

Kastagnettentänze  II  173. 

Kastanie  II  306.  345. 

Katakomben  in  Rom,  jüdische  III  207,  christ- 
liche III  229.  231;  in  Syrakus  III  209,  12;  in 
Venusia  III  208 ;  auf  Kreta  und  Melos  III 
204. 

Kaufleute,  Reisen  I  365  ff. ;  römische  in  den 
Provinzen   I   373 f.;    in   Barbarenländem   I 

371  f- 

Keltische   Götter  III    143  f.;    keltische    Kunst 

in84. 
Kephisia,  Aufenthalt  des  Herodes  Atticus  III 

26.  33. 
Kibotos,  Apamea  III  14.  203. 
Kinder,  verstorbene,  göttlich  verehrt  III  149, 10. 
Kinderklappem  I  265. 
Kinderlosigkeit  I  246  ff. 
Kinderstube  I  265. 
Kirchengesang  II  1871. 
Kirsche  II  306.  310. 
Kirschlorbeer  II  345. 
Kithara  II  162.  166. 
Kitharöden  I  173.  II  175.  176,  5.  7. 
Klarischer  Apollo  III  162. 


REGISTER 


347 


Kleidung,  ihre  Natürlichkeit  II  3  7 1 ;  in  den 
Farben  der  Zirkusparteien  II  36 f.;  Kleider- 
stoffe II  312  ff.;  Kleiderwechsel  II  315; 
Kleiderluxus  11  312  ff. 

Kleinasien,  Juden  III  203;  Kleinasiaten  im 
Senat  I  108  ff. 

Kleinhandel  I  161. 

Kleinwirtschaft  in  Italien  I  2 14  ff. 

Kleombrotos,  Reisen  I  380. 

Klienten  I  223  ff.;  Dichter  als  Klienten  II  238  ff. 

243- 

Klöster,  Tafelluxus  II  293  ff. 

Knaben  als  Offiziere  I  148,  9. 

Knidos  I  458. 

Knöchelspiel  I  265. 

Kochkunst  II  296  ff. ;  Köche  II  282.  290,  in 
neuerer  Zeit  II  297  f.  301  f. ;  Kochbücher  II 
302,  6. 

Köln,  Militärkolonie  III  7;  Kapitol  III  21; 
Wasserleitung  II  375;  Juden  III  210. 

Könige,  Statuen  III  37.  49;  Königskult  III  150; 
Königsgräber  in  Theben  I  439. 

Kölsche  Gewänder  I  292. 

Kokosnüsse  in  Tempeln  I  448. 

Kolonien  I  362;  Nachahmungen  Roms  III  20. 

Kolophon  III  162. 

Kolossalstatuen  in  Rom  III  82 ;  der  Kaiser,  von 
Alexander  Severus  errichtet  III 60. 87  f.;  Neros 
II  335.  336.  ni  82.  91.  loi;  Hadrians  II  365, 
11163;  desMercur  inClermont  III  79.91.  loi. 

Kolosseros  II  55. 

Kolumbarien  I  167.  11  359.  III  48. 

Kommagene  III  145. 

Kommunalbauten  III  21  ff. 

Kommunion  im  Mithrasdienst  III  146. 

Komödie  II  119  f. 

Konkubinat  der  Soldaten  I  218;  senatorischer 
Frauen  I  278.  304;  kaiserliche  Konkubinen 
I64ff. 

Konkurrenzausschreiben  für  künstlerische  Ar- 
beiten III  22.  98. 

Konsekration  der  Kaiser  III  59  f. 

Konsulat  vom  Kaiser  verliehen  I  137.  139 f.; 
Wertschätzung  I  135  f.  141;  halbjährig  oder 
kürzer  I  137 f.;  mehrfache  Konsulate  I  139; 
Konsulate  berühmter  Juristen  I  132  f.;  Kon- 
sularspiele  II  11;  konsularische  Familien  I 
143;  konsularischer  Rang  an  Frauen  ver- 
liehen I  2791. 

Kontroversien  U  200  ff. 

Konvenienzheiraten  I  271  f. 

Konvertiten,  heidnische  III  234. 

Konzerte  II  170  f.  174  ff. 

Kopieren  von  Kunstwerken  III  95ff. ;  Betrug 
damit  III  1 1 1  f. 

Korinth  unter  den  Römern  I  412  f.  III  18; 
Amphitheater  und  Gladiatorenspiele  II  105 ; 
Theater  des  Herodes  Atticus  III  26;  Ther- 
men III  31;  fremde  Götterdienste  III  189; 
Juden  III  204;  Christengemeinde  III  223. 
226.  230;  Fahrt  von  Korinth  nach  Westen 
und  Osten  I  336;  korinthische  Bronzen  11 
348.  III  112. 


Kornschiffe,  ägyptische  I  423  f. 

Korykische  Grotte  I  461  f. 

Kos,  Juden  III  204. 

Kostüm  der  Tragöden  II  I2i;  der  Pantomimen 

II  128. 

Kränze  der  Schauspieler  II  140;  Eichenkranz 
im  kapitolinischen  Agon  II  228.  230;  Kränze 
auf  Gräbern  III  324,  i. 

Kräuterbücher  I  202. 

Kragos-Sidyma  III  16. 

Kraniche,  abgerichtet  II  87. 

Kreta,  Überfahrt  nach  Ägypten  I  340;  Götter- 
statuen III  239;  Juden  III  204;  Christen- 
gemeinde III  226. 

Kretins  II  369. 

Kriegsgefangene  als  Gladiatoren  II  56. 

Krim,  Juden  III  204. 

Krinagoras  I  295. 

Krokodile  I  443.  447. 

Krokus  II  306. 

Kronanwälte  I  153. 

Kronos,  Menschenopfer  I  188. 

Krypten  III  231. 

Künstliche  Inseln  II  338. 

Küstenfahrt  bei  Nacht  I  355, 

Kulte,  uralte  III  184 ff.;  ägyptische  III  136 f. 
140 f.  144 f.;  orientalische  UI  145  f. 

Kultus  und  Glaube  III  184. 

Kunst  und  Künstler:  allgemeines  Kunstbedürfnis 

III  41  f.  81;  Kunstinteresse  I  45 7 ff.;  Kunst- 
sinn III  106 ff.  Ii3ff. ;  Kunstkennerschaft  III 
113;  Kunstsammlungen  III  109  ff. ;  Kunst- 
werke in  Rom  I  11,  in  Tempeln  I  4461.; 
fabrikmäßiger  Kunstbetrieb  III  98  ff. ;  Kunst- 
handwerk I  162  f.  173.  III  34  f.  44.  91.  97  ff. 
102;  Kunstwerke  als  Geschenke  III  47,  in 
Konkurrenz  ausgeschrieben  III  22.  98; 
Kunstraub  III  106  f.  109;  Reisen  der  Künstler 
I  382 f.;  Künstlernamen  wiederholt  II  26,  4. 
69.  133.  141;  Künstlerfamilien  II  92;  soziale 
Stellung  der  bildenden  Künstler  III  99  f. 
102 f.;  Privilegien  III  44.  91;  Statuen  LH  75; 
Honorare  III  loi  f. 

Kunstfeuer  II  15. 
Kunstgärtnerei  I  474  f. 
Kunstreiterstücke  II  24. 
Kuppelsaal,  drehbarer  II  335. 
Kuppler,  herumziehende  I  385. 
Kurien  errichten  Statuen  III  71. 
Kuriere  I  3281.  332.  337. 
Kuriositäten  in  Tempeln  I  448. 
Kurulische  Ämter,  Schätzung  I  135  ff. 
Kuß  als  Begrüßung  bei  Hofe  I  93  ff. 
Kutschenaristokratie  II  371. 
Kyniker  III  265  f.  288  ff.;  Verhältnis  zum  Chri- 
stentum III  292  f. 


L. 

Labeo  (Titedius),  Maler  III  108. 
Laberier,  Villa  in  Uthina  III  33. 
T.  Labienus  II  213. 
Laburus,  Gott  III  143. 


348 


REGISTER 


Labyrinth  I  443 ;  auf  Severs  Villa  I  428.  II  340. 

Lacer,  Baumeister  III  105  f. 

Lacerta,  Wagenlenker  II  26,  4. 

lacus  (Becken)  III  35.  45. 

Läden  in  Rom  I  14 f.  163  f.;  am  großen  Zirkus 
n  23;  Ladenschilder  I  164. 

Lärm  in  Rom  I  20  f. 

Läufer  I  342.  II  24.  33. 

Lager,  Luxus  III  34;  Kaiserbildnisse  IH  57.  61; 
Sejans  Bild  III  66. 

Lagerstädte  III  2  f. 

Lakonische  Pferde  11  30;  lakonischer  Stein 
(Serpentin)  II  333. 

Lambäsis  III  2  f.  9;  Aquädukte  II  373. 

Lampen  III  97;  Lampe  des  Epictet  II  348. 
III  112. 

Lampsacus  I  381. 

lances  II  60. 

Landschaftsmalerei  I  483  ff. ;  ägyptische  Land- 
schaftsbilder I  426  f.  487. 

Landwirtschaft  I  2i4ff.;  Landleben  I  465  f.; 
Landhäuser  II  336  ff. 

Langres,  Testament  von  II  363,  III  77.  316. 

lanista  II  64;  das  Wort  etruskisch  II  50,  4. 

Laodicea  am  Lycus  III  14;  Erdbeben  III  29; 
Laodicener  (Mahlzeitlober)  II  226. 

Laphria,  Artemis  III  187. 

Larenkult  in  christlicher  Zeit  III  148. 

Lastschiffe,  alexandrinische  I  423  f. 

Lateranus  I  49.  80. 

Latiaris  Juppiter  III  188. 

Latinus,  Mime  I  63.  II  141. 

Latobius,  Gott  III  143. 

Latrinen  II  372,  2. 

Laufbahn  der  Senatoren  I  135  ff. ;  der  Ritter  I 
148  ff.;  der  Militärs  I  22off. 

Laureolus  im  Amphitheater  II  91;  im  Mimus  II 
114. 

Lauriacum  III  20. 

Laute  II  163. 

Lavinium  I  399.  HL  37. 

Lebende  als  Heroen  verehrt  III  150. 

Legate  an  Städte  gestattet  III  24. 

Legenden  I  452  f. 

Legionen  halten  Gladiatoren  II  57  f. 

Leherennus,  Mars  III  143. 

Lehrer:  Grammatiker  I  173  ff.  263;  Rechts- 
lehrer I  1851. ;  Lehrer  der  Astrologie  I  210; 
öffentliche  Lehrstühle  der  Beredsamkeit  II 
190.  204.  258;  Abgabenfreiheit  der  Lehrer 
I  174.  III  253. 

Lehrlinge  I  169. 

Leibärzte  I  70  ff. 

Leichenbegängnisse  I  242.  II  357;  Leichen- 
spiele II  50  f. 

Leidenschaft  für  die  Schauspiele  II  18  f.  34  f. 
38.  49;  für  die  Gladiatoren  II  62  f. 

Leinwand  II  312;  Leinwandhandel  I  379.  432. 

Lemuren  III  317. 

Cn.  Lentulus,  Augur  I  121.  II  270. 

ko  im  Mithrasdienst  III  146. 

Leontopolis,  jüdischer  Tempelstaat  III  205. 

Lepida,  Gattin  des  Drusus  I  277. 


M.  Lepidus,  Konsul  II  328. 

Leptis  s.  Groß-Leptis. 

Lesbos  I  415;  Erdbeben  III  29. 

Lesen  und  Hören  von  Literaturwerken  II  223  f. 

Leto  in  Lycien  III  173. 

Leuchtturm  auf  Pharos  I  425  f.;  Bajä  I  406; 
Capri  I  401.  402;  Ostia,  Puteoli,  Ravenna 
III  30. 

Leucippidensarkophage  III  311. 

Libanius  als  Lehrer  I  iSo. 

libelli  gladiatoriiH  72,  10. 

a  Hbellis  I  54  f. 

liherati  [gladiatores]  II  62,  10.  64. 

libertinonun  princeps  III  208,  9. 

Lichterscheinungen,  ihre  Beschreibung  I  484f. 

Lichtmeßprozession  III  240. 

L.  Licinius  Secundus,  Statuen  III  67.  76. 

Licinius  Sura  I  81.  II  242.  III  319. 

Licinus,  Freigelassener  I  44  f.  46.  48,  2. 

Liebesroman,  griechischer  II  258. 

Liebeszauber  I  306. 

Liegen  der  Frauen  bei  Tisch  I  291. 

Liktoren  I  217. 

Lilie  II  306.  345. 

Limone  II  308. 

Lindos,  Atheneheiligtum  I  446,  7. 

Linkshändigkeit  der  Gladiatoren  II  69. 

Literatur,  Beteiligung  der  Frauen  I  294  ff. 

Livia  I  90.  293.  298. 

Livius,  Berühmtheit  II  209. 

Lob  berühmter  Männer  in  der  Rhetorenschule 
II  199;  Lobgedichte  auf  die  Kaiser  II  234f., 
auf  Nero  II  197.  236,  auf  Messalla  II  239, 
auf  Biso  I  232.  II  239  f. 

loca,  Gruben  in  den  Steinbrüchen  III  89. 

Löwen  im  Zirkus  und  Amphitheater  II  78;  ge- 
zähmt II  86 f.;  Löwenjagd  kaiserliches  Re- 
servatrecht 11  83. 

Loge,  kaiserliche,  im  Schauspiel  II  5 ;  im  Zirkus 
II  23. 

Logik  m  273  ff. 

Lokalgottheiten  III  142.  148.  172  ff.  176 ff.; 
griechische  Lokalkulte  III  1870". 

Lollia  Paulina  II  324. 

Lollianus  Avitus  III  165. 

Londinium  III  18. 

Longianus  (C.  lulius)  III  70. 

Lopodunum  III  19. 

Lorenzo  de'  Medici  II  316. 

loricata  II  83,  10. 

Lose  bei  Schauspielen  ausgeworfen  II  17. 

Lotosbäume  I  462 ;  Lotosfrucht  II  307. 

Lots  Weib  als  Salzsäule  I  456.  457. 

Lousanna  III  8. 

Lucan,  Verhältnis  zu  Nero  I  76.  II  217;  Schüler 
des  Cornutus  III  277;  Dichtungen  11 197;  Im- 
provisator II  198;  Pantomimentexte  U  125; 
in  der  Schule  gelesen  II  192.  194;  Beschrei- 
bung einer  Totenbeschwörung  III  321;  Schil- 
derung von  Troja  I  419;  Genethliacon  Lu- 
cani  II  246,  6. 

Lucian,  Reisen  I  3S2;  Lehrer  der  Beredsam- 
keit I  181:   die  Schrift  über  die  Bilder  I  66; 


REGISTER 


349 


über  die  Klienten  I  231  f.;  über  Alexander 
von  Abonuteichos  III  163  ff.;  Lügenfreund 
in  318;  über  Theokrasie  III  139.  189;  Stel- 
lung zur  Religion  III  128,  zur  Philosophie 
in  258 f.;  gegen  die  Kyniker  III  2651.;  über 
die  Christen  III  226  f.  234;  über  bildende 
Kunst  III  102  ;  Kunstsinn  III  116. 

P.  Lucilius  Gamala  III  71.  192. 

Lucilius  Junior  I  151.  III  270,  i.  309. 

Lucilius  Longus  III  73. 

Lucina  III  180;  Krypten  der  Lucina  III  231. 

Lucrez,  Glaubenshaß  III  120;  Unterweltsvor- 
stellungen III  313. 

Lucrezia  ßorgia  U  317. 

Lucrio  III  148. 

LucuUus  II  267.  281.  2S8.  306.  336  f.;  luculli- 
scher  Marmor  11  329. 

ludi,  Gladiatorenschulen  II  65  f. ;  ludi  und  mu- 
nera  II  96,  2;  Indus  matutiniis  II  65,  7.  77; 
ludus  bestiariorum  11  77,  9;  Verurteilungen 
ad  ludum  11  54. 

Ludwig  XIV.,  Bauluxus  II  336,  I.  341;  göttlich 
verehrt  III  152,  5. 

Lugdunum  (Lyon)  III  6;  Brand  III  28 f.;  Was- 
serversorgung II  374  f, ;  Vatikan  III  21;  Sta- 
tuen III  69;  Export  von  Tongeschirr  I  378  f.; 
Märtyrer  III  218.  220. 

Lugdunum  Convenarum  III  210. 

Luna  (Carrara)  I  398.  II  329  f.  III  88. 

Lupanaria  beim  großen  Zirkus  II  23. 

Luperkalienfest  III  185. 

lusiones  II  96,  2. 

Lusitanien  II  310.  311. 

Lutetia  III  6  f. 

Luther  über  den  Luxus  11  279,  3. 

Luxorius,  Bilderbeschreibungen  III  46. 

Luxus  II  263  ff. ;  des  Reisens  I  341  ff. 

XuxvdiTTpiai  der  Isis  III  169,  2. 

Lycien  III  1 6  f. 

Lycomedestöchter,  sogen.,  Statuen  III  40. 

Lykaios  Zeus,  Menschenopfer  III  185, 

Lymfaini78. 

Lyra  11  161.  166.  169.  171. 

Lyrische  Poesie  gesungen  II  161  f. 

Lysander,  bei  Lebzeiten  heroisiert  III  150. 

Lysistrate  I  65  f. 

Lystra,  Apostelbesuch  III  154. 

Lyzeum  auf  Hadrians  Villa  11  340. 

Macedo  HI  263. 

Macedonien  UI  17. 

Madaura  III  9. 

Madeiragruppe  I  390. 

Mäcenas,  Gedichte  II  215;  unterstützt  Dichter 

II  237;  Verhältnis  zu  Horaz  II  237 f.;    sog. 

Auditorium  des  Mäcenas  II  227,  6. 
Mäcius  Geier  II  242.  245. 
Mädchenerziehung   I   2678".;    Musikunterricht 

der  Mädchen  II  183. 
Männertoga  I  241. 
Märchen  I  267. 


Märtyrer,  heidnische  III  238;  christliche,  Anzahl 
III  222;  Gräberkult  III  240. 

Maes  Titianus  I  369. 

Mästen  der  Hühner  11  282.  294,  l. 

Mafia  I  355  f. 

Magazine  und  Läden  in  Rom  I  14  f. 

Magnolie  II  346. 

Mahlzeit,  letzte,  der  Gladiatoren  11  72. 

Maja-Rosmerta  III  143. 

Majestätsverbrechen  der  Christen  III  217. 

Mailand  s.  Mediolanium. 

Mainz  III  3;  Wasserleitung  II  375;  Niederlas- 
sung römischer  Kauf  leute  I  373  f. ;  Juppiter- 
säule  III  84. 

Majolika  II  349. 

Mais  II  307. 

Makkabäus,  Simon  III  206. 

Malabathrumöl  II  320. 

Malaria  in  Rom  I  29. 

Malea,  Umschiffung  I  337. 

Malerei,  von  Römern  getrieben  III  103  f.;  im 
Dienste  der  christlichen  Kirche  III  46;  Mal- 
unterricht III  108;  Malerei  an  Tempeln  IQ 
79;  Privilegien  der  Maler  III  44;  Sklaven 
in  100;  Malerinnen  ni  104.  108. 

Mallos,  Traumorakel  III  53.  166. 

Malta  I  425.  III  193. 

Malviventi  I  355. 

Mamäa  I  304.  III  250. 

Mamurra  II  329. 

Mandarine  (Frucht]  II  308. 

Mandeln  II  306. 

Mandragora  I  194. 

Mandulis,  Gott  III  178. 

Manen  III  313.  322. 

Manilius  Vopiscus  II  245,  8.  249.  339.  III  lio. 

manipretium  III  10 1. 

Manöver,  militärische,  im  Zirkus  11  24 f. 

Mansiones  I  328  f. 

Manteltanz  II  128. 

manticularii  negotiatores  I  373- 

Mantik  III  157. 

ad  manum  cantare  II  122,  4. 

Mappa  II  loi. 

Maraschino  II  308  f. 

Marathon,  Erinnerungen  I  454;  Gemeinplatz 
der  Sophisten  II  257. 

Marc  Aurel,  Freunde  I  75.  77.  78.  80;  Frei- 
gelassene I  66;  Gastmähler  I  100;  in  Ägyp- 
ten 1 429. 442 ;  Beschäftigung  mit  Philosophie 
I  33  f-  299-  in  250.  253.  258.  263  f.  272; 
Gedichte  II  219;  Unterricht  in  Musik  und 
Mathematik  II  182;  Malunterricht  III  108; 
Fürsorge  für  die  Städte  Italiens  III  32;  Sta- 
tuen III  61;  Pessimismus  III  326 f.;  Frömmig- 
keit III  123.  127.  129.  164 f.  221;  Glaube  au 
Träume  III  167.  170;  Regenwunder  III  156; 
Fremdkulte  III  138;  Stellung  zum  Christen- 
tum lU  220  f.  233  f.;  als  Gott  verehrt  III  151. 

Marcella,  Gönnerin  Martials  II  243. 

Marceller,  Statuen  III  67. 

Marcellinus  (Tullius)  III  281. 


350 


REGISTER 


Marcia,  Maitresse  des  Commodus  I  66  f.  304. 
ni  56.  221.  228. 

L.  Marcius  Philippus  I  223  f. 

Marderfell  als  Kleiderfutter  II  314. 

Maria,  Sklavinnenname  in  Pompeji  III  208. 

Maria  von  Medici  II  325. 

Mariccus  III  150. 

Marin,  Koch  II  298. 

Marion  de  Lormes  II  326. 

C.  Marius,  Villall  336;  als  Gott  verehrt  III 150. 

S.  Marius,  Freund  Tibers  II  343. 

M.  Marius  Gratldianus  III  71. 

Marius  Priscus  I  130  f. 

Markt  der  Naturwunder  II  369. 

Marmelade  I  379,  9. 

Marmogius,  Gott  III  143. 

Marmor  als  Baumaterial  II  327  ff. ;  seine  ver- 
schiedenen Arten  II  328  ff. ;  thasischer  Mar- 
mor III  88  f. ;  prokonnesischer  Marmor  III 
88  f.  90,  2;  Marmor  nkrustation  II  329. 
332;  eingelegte  Marmortafeln  11332.339; 
Marmorlager  am  Aventin  II  333  f.  III  87. 
88;  Marmorbrüche  von  Luna  (Carrara)  II 
329  f.  III  88;  von  Naxos  III  88;  in  Panno- 
nien  III  45.  88  f. 

Mamas  von  Gaza,  Gott  III  141. 

Mars  III  180;  Tempel  und  Statuen  in  Rom  III 
37.  195;  in  Gallien  III  143.  176.  195. 

Marsfeld  I  6.  8  f. 

Marsyasstatue  III  21. 

Martha,  Sklavinnenname  in  Pompeji  III  208. 

Martial,  Armut  I  155  f.;  Charakter  II  243  f.; 
Gönner  II  240  flF.;  Frömmigkeit  III  190; 
Weingut  bei  Nomentum  II  243.  III  190;  Ver- 
hältnis zu  Statius  n  247  f. ;  Improvisationen 
II  198;   Naturgefühl  I  466 ;   gern  gelesen  11 

195- 

Martres-Tolosanes,  Funde  III  33. 

Marullus,  Mimograph  11  117. 

Maschinen  im  Amphitheater  II  90  f. 

Masken  der  Tragöden  11  121;  der  Pantomimen 

II  130  f. 

Massenkämpfe  von  Gladiatoren  II  76. 

Massenproduktion  in  der  bildenden  Kunst  III 
44  ff.  81.  99  f. 

Massilia,  Öl-  und  Weinbau  11  311;  Studiensitz 
I  381.  III  268;  Juden  III  211. 

Materialismus  III  299  ff. 

Maternus,  Räuberhauptmann  I  352. 

Mathematik,  in  Alexandria  I  436,  11;  der  Pla- 
toniker  III  273;  von  Frauen  getrieben  I  298. 

Matres,  Matronae  III  143.  241. 

Mattiacum,  Vatikan  III  21. 

matutmus  ludiis  II  65,  7.  77. 

Mauren  im  Amphitheater  11  88;  maurische 
Fürsten  als  Götter  verehrt  III  143;  mauri- 
sche Götter  III  142.  143. 

Mausoleen  II  363. 

Maximaltarif  Diocietians  I  379.  III  44.  100. 

Maximian,  Kaiser  11  373.  III  54. 

Maximinus,  Kaiser  III  54.  59.  61;  Belagerung 
von  Aquilejalll  160.  177;  Christenverfolgung 

III  221  f. 


Maximus,  Philosoph  III  281. 

Maximus,  Freund  des  Aristides  I  108. 

Maximus  von  Apamea,  Dichter  III  70. 

Maximus  von  Tyrus,  Dämonenlehre  III  125  f.; 
Geisterglaube  III  3 18 f.;  Verhältnis  zu  Arte- 
midor  III  168. 

Maximus  (P.  Alius  Severianus)  HI  164,  i. 

Maximus  (Cassius)  III  168. 

Maximus  (Claudius)  III  271. 

Maximus  (T.  Flavius),  Philosoph  III  280,  2. 

Mazarin  II  271.  289. 

Medaillonbilder  II  61. 

Medaurus,  Gott  III  142. 

viedica  (Futterpflanze)  II  307. 

Medikamente  von  Ärzten  bereitet  I  200  f. 

Mediolanium  III  4:  Studiensitz  I  381;  Synagoge 
III  209. 

Medizinische  Schule  in  Alexandrien  I  436. 

Meeresufer  I  471  f. 

Mefitis  m  180. 

Megalopolis,  Panstempel  III  173. 

Megarischer  Stein  (Muschelkalk)  III  88. 

Mehadialll  178. 

Melanchthon  über  Poesie  II  262. 

Meleagris  (numidisches  Huhn)  II  285,  6.  305. 

Meles,  Flußgott  III  176. 

C.  Melissus  II  197. 

Melitene  III  15. 

Melodie  und  Text  II  163  f. 

Melos,  Juden  III  204. 

Memmius  Regulas  II  240. 

Memnon,  Geschichtschreiber  III  115. 

Memnonsäule  I  439  ff. 

a  memoria  I  61. 

Memphis  in  Ägypten  I  438;  Orakel  HI  162; 
auf  der  Villa  Severs  I  428.  II  340;  Stein  von 
Memphis  III  86;  memphitica  signa  III  86,  4. 

Memphis,  Pantomime  II  142. 

Menagerien  II  79. 

Menander,  in  der  Schule  gelesen  II  191. 

Menecles,  Kitharöde  II  177. 

Menecrates,  Kitharöde  11  177.  179.  184. 

Menecrates  (Ti.  Claudius)  I  71.  199.  207. 

Menecrates  (Julius)  II  245,  i. 

Menophantos  III  95. 

Menschenfresserei  I  349. 

Menschenhaß  der  Juden  III  200.  213,  und  Chri- 
sten III  200.  218.  219. 

Menschenopfer  III  188. 

Tklenschenraub  I  353. 

Menschenvergötterung  III  148  ff. 

Menschikow,  Fürst  II  271. 

Mentor,  Toreut  III  1 11  f. 

Mercurius  III  188;  und  Rosmerta  III  143;  Ko- 
loß in  Clermont  III  79.  91.  loi. 

Merida  s.  Emerita  Augusta. 

mcridiani  II  77,  12.  96  f. 

Merkwürdigkeiten    in  Tempeln   aufbewahrt   I 

445  ff- 
Meschag,  Juden  III  203. 
laeai'xric,  Mithras  III  147. 
Mesomedes  II  177.  179.  184. 


REGISTER 


351 


Mesopotamien,  Juden  III  202.  205 ;  wilde  Tiere 

II  82. 

Messalla,  Lobgedicht  auf  ihn  II  239. 

Messer  der  Wagenlenker  II  47,  9. 

Messina,  Juden  III  20g. 

L.  Mestrius  Florus  III  270. 

Metallausfuhr  II  319. 

Q.  Metellus  Pius  II  288. 

Metrodor,  Philosoph  II  282.  III  324. 

Metrodor,  Maler  III  49. 

Metronax  III  273. 

Metz,  Wasserleitung  II  375. 

Meutereien  der  Gladiatoren  II  71. 

St.  Michael  III  241,  9. 

Michael  Apostolius  III  239. 

Midrasch  III  209. 

Mieten  von  Kleidern  II  318;  Mietfuhrwerke  I 
330  f. ;  Mietwohnungen  in  Rom  I  22.  127. 

Miguelisten  I  357. 

Milchkur  I  387. 

miles  im  Mithrasdienst  III  146. 

Milet  III  14;  Apollo  III  195;  heiliger  Weg 
nach  Didyma  III  30,  11. 

Mileu  III  9. 

Militärärzte  1 190 f.;  Militärgerichte  I  218 ;  Mili- 
tärkolonien 1 362 ;  Militärposteu  bei  Tempeln 

III  195;   Militärwache   im  Schauspiel  II  9. 
144. 

militia  equestris  I  148 f.;  militiae petitores  I  149. 

222;  a  fiiilitiis  I  149,  2.  222. 
Millionäre,  moderne  II  272  f. 
Milo,  Schauspiele  II  [o;  Reise  I  341. 
Mimosa  II  345. 

Mimus  II  Ii3ff. ;  Mimographen  II  117  f. 
Mineralwasser  zu  Bädern  II 335;  Versand  I  363. 
Minerva  III  180;  von  Domitian  verehrt  II  230. 

III  137;  medica  von  Cabardiacum  III  172; 

Sulis  von  Bath  III  143 ;  Minervenfest  auf  dem 

Albanum  II  230. 
Minicius  Fundanus  III  270. 
L.  Minicius  Natalis  II  159. 
Minorca,  Juden  III  210. 
Minturnä  I  400. 

Mischlingsbevölkerung  Roms  I  233. 
missilia  II  17,  5. 
rnissio  der  Gladiatoren  II  741. 
Mißhandlungen  der  Götter-  und  Heiligenbilder 

III  1961. 
Mitgenuß  der  Armen  am  Vermögen  der  Rei- 
chen II  377. 
Mitgift  I  293. 
Mithras,  Sol  III  141;   Mithrasdienst  III  146  f. 

189;  Reliefs  III  83.  89,3.  94. 
Mittagspause  im  Schauspiel  II  49.  96  f. 
Mittelmeerfahrten  I  335  f. 
Mittler,  Mithras  III  147. 
Mnasibulos,  Athlet  II  159. 
Mnestcr  I  62.  289.  II  141. 
Modelle,  weibliche,  der  Bildhauer  III  104. 
Moderne  in  der  Literatur  II  192. 
Mörissee  I  443. 
Mösien  III  20. 
Mohren  als  Gladiatoren  II  53. 


Moloch-Saturn  III  141. 

Monarchie  und  Literatur  II  213  ff. 

|uovri|uepiov  II  loi. 

Monimus  von  Edessa,  Gott  III  141. 

Monolithe  II  329. 

Mons  lactarius  I  387. 

Monstrekonzerte  II  171. 

Montanismus  III  221. 

Monumente  der  Gladiatoren  II  62.  74,  i;  des 
Zirkus  II  27. 

Mopsuestia  III  16. 

Mopsus,  Traumorakel  III  163.  166. 

Moralphilosophie  III  246  fr.  266  fr.  276  fr. 

Morgenbesuche  der  Klienten  I  226 f.;  der  Ge- 
sellschaft I  238  fr.;  Morgenempfänge  der 
Kaiser  188  fr.,  der  Vornehmen  I  226  f.  238fr.; 
Tierhetzen  am  Morgen  II  77. 

Mosaikfußböden  II  330.  339.  III  33.  34.  46; 
Gleichheit  der  Gegenstände  III  96;  Gladia- 
toren II  74,  i;  Athleten  II  159,  11;  Mosaik 
von  Palestrina  I  427.  438. 

Moschus,  Freigelassener  I  42. 

Moschus,  Räucherwerk  II  327. 

Moselgegend,  Weinbau  II  312;  Villen  III  34; 
Grabdenkmäler  II  363. 

Moses  III  155. 

Motya,  Höhe  der  Häuser  I  6,  6. 

Mucianus  begünstigt  die  Juden  III  212. 

Münzen,  römische,  im  Ausland  gültig  I  364; 
Münzeinheit  I  364;  römische  Münzfunde  in 
Indien  l368f.,  in  Norddeutschland  I  371,  in 
China  I  369;  Schauspiele  auf  Münzen  II  14; 
Münzen  für  den  Totenfährmann  III  314; 
Münzsammlungen  III  109,  3;  Münzver- 
schlechterung II  355;  Münzwerte  der  Re- 
naissance II  270,  4.  271,  I.  331,  6.  341,  I. 

Mütter  (Matres,  Matronae]  III  143.  241. 

viulieru7ii  senatus  I  2S0. 

tnulio  perpetiiaritis  I  331. 

mullus  (Seebarbe)  II  289. 

Mumienporträts  III  561. 

P.  Mummius  Sisenna  Rutilianus  UI  164. 

Mundschenken  II  368. 

mundus  III  317. 

viuncra  I  13,  8;  viunera  und  hidi  I  96,  2. 

Munizipien,  Wohlfeilheit  I  19;  Sittenstrenge  I 
20;  Schauspiele  II  102  fr.;  Munizipalpatrio- 
tismus III  21.  241.;  italische  Munizipalkulte 

111  186 f.;   Munizipale  in  Rom  mißachtet  ;I 

112  f. 

Murdia,  Lobrede  auf  sie  I  311. 

Murmillones  II  73. 

Murrhagefäße  II  347.  348. 

Mursa  III  20. 

Mus  peregrinus  II  313,  10. 

Musäus  (Aurelius)  II  177. 

Muscheln  als  Speise  II  282. 

Museen  in  Tempeln  I  445. 

Musik  und  Poesie  II  161  fT.  177;  heilige  und 
profane  Musik  II  174;  bei  Gastmählern  I 
253;  in  Alexandria  I  434.  II  169  f.  172;  im 
Amphitheater  II 73 ;  im  Pantomimus  II  1 26  f. ; 
Musiker  I  172  f.,  bei  den  Frauen  beliebt  I 


352 


REGISTER 


289;  Musikantinnen  II  169.  176;  Musikkorps 
II  173;  Musikliebhaberei  IllSiff. ;  Musik- 
unterricht II  181  f.  190;  der  Mädchen  I 
289  f. 

a  niusio  I  55)  H- 

Musonius  Rufus  I  298.  III  250.  252.  268.  273. 
277.  281.  2S4. 

Musselin  II  313. 

Musterbücher  der  Künstler  III  94,  l. 

Mustius,  Architekt  III  105. 

mutationes  I  328. 

Mutina  III  5. 

MyiagrosIII  188. 

Mykonos,  Statuenraub  III  36. 

Myron  III  110.  111,4. 

Myrrhe  II  306.  358. 

Mystagogen  I  452,  4.  6. 

Mysterien,  eleusinische  und  samothrakische  I 
385 f.;  Unsterblichkeitslehre  III  309. 

Mysticus,  Pantomime  II  142,  6. 

Mytilene  I  415;  Erdbeben  III  29. 

N. 

Nabobs  der  römischen  Republik  II  267  ff. 

Nachahmung  von  Edelsteinen  II  322  f. 

Nachbildungen  von  Architekturen  und  Land- 
schaften II  340. 

Nachtfeste  IL  15  f. 

Nachtreisen  zur  See  I  335. 

Nachttöpfe  aus  Edelmetall  II  352.  354. 

Nachtwachtdienst  in  Rom  I  21  f. 

Nacktheit  der  Schauspielerinnen  II  115. 

Namenwesen  1 103 ;  ritterliche  Namen  der  Frei- 
gelassenen I  48;  Sklavennamen  I  65,  l.  10. 
67,  9.  103;  Polyonymie  der  Adligen  I  120 f.; 
Künstlernamen  II  26,  4.  69.  133.  141. 

Nansberger  Märtyrer  III  145,  6. 

Napoleon  I.,  Bildnisse  III  58,  8.  64;  göttliche 
Ehren  III  152,  5. 

Narbo  III  6.  334;  Brand  III  31;  Juden  III  210  f. 

Narcissus,  Freigelassener  I  41.  45.  48.  50.  55  f. 
II  154.  269.  270. 

Nardenessenz  IE  320. 

Namia  III  187. 

Naron,  Synagoge  III  206. 

Narrensteuer  der  Astrologen  I  211. 

Nasidienus  II  286. 

Naturgefühl  I  459 ff.;  Naturgenuß  I  465.  11  376; 
Naturbeschreibung  I  483  ff. ;  Begriff  der  Na- 
turschönheit I  469.  471.  478;  Naturwunder  I 
499.  II  369;  Naturseltenheiten  in  Tempeln 
I  447  f.;  Naturphilosophie  III  275  f. 

Naukratis  III  10. 

Naumachien  II  92  ff. 

naves  vagae  I  329. 

Naxos  I  414. 

Neapel  I  40of.  III  5.  25;  Höhe  der  Häuser  1 
6,  6;  Erdbeben  III  29;  Augustalien  II  228; 
Juden  III  208. 

Neapolis  in  Niedermösien  lU  21,  II. 

Nehalennia  III  176. 

Nehardea,  Juden  III  202. 


Nemausus  III  6.  65;  Quelle  I  461,  2;  Wasser- 
leitung II  374;  Amphitheater  II  loS;  Basilika 
Hadrians  III  31;  Kapitol  III  21;  Lokalgott 
III  177  f. 

Nemea  III  62. 

Nemesianus,  Dichter  II  235.  250. 

Nemesis  II  58,  l.  III  195. 

Nemetona  III  142. 

Nemisee  I  405. 

Nereidensarkophage  III  311. 

Nero,  Kaiser,  Freigelassene  I  41  f.;  Freunde  und 
Gesellschafter  I  79.  80.  87;  Empfänge  I  93. 
95;  Reisen  I  341  f.;  Expedition  nach  den  Nil- 
quellen 1 393;  Plan  der  Isthmusdurchstechung 

I  336;  Münzverschlechterung  I  364;  Schau- 
spiele II  xf.  2of.  52.  92.  144;  begünstigt  die 
Grünen  II  35.  37;  Vorliebe  für  Athletik  II 
151;  neronischer  Agon  II  147.  176.  217.  228; 
Luxus  II  266.  288.  323.  347;  Goldenes  Haus 

II  335;  Koloß  II  335.  336.  in  82.  91.  loi; 
Porträtbild  III  54;  Plünderung  Griechen- 
lands III  36;  Bauten  III  30;  Dilettantismus 
in  bildender  Kunst  II  176;  Musikunterricht 

II  185;  Auftreten  als  Komponist  und  Ki- 
tharöde  II  181.  185  f.,   als  Tragöde  II  123. 

III  75;  Dichter  II  2i6ff.  227;  'IXi'ou  äXuuöK; 
II  217,  5;  Nero  und  Lucan  II  217;  unter- 
stützt Dichter  II  236;  Lobgedichte  auf  Nero 

II  197.  236 ;  Stellung  zur  Philosophie  III  250. 
283,  und  Rhetorik  I  33;   religiöse  Stellung 

III  145  ;  Geisterbeschwörungen  111321;  Chri- 
stenverfolgung III  219;  Bestattung  II  359 f.; 
neronischer  Brand  I  4.  III  219. 

Neroneen  II  147  f.  176.  217.  228.  230. 

NeruUinus  III  174. 

Nerva,  Milde  I  84;  Anregung  zu  Bauten  lU  28; 

Gedichte  II  2x8;  Gönner  Martials  II  241. 
Nervische  Mäntel  I  379. 
Netzwerk  I  23. 

Neuattische  Bildhauerschule  III  94,  2. 
Neujahrsgeschenke  I  90. 
Neuigkeitskrämer  I  255. 
Neukarthago,  Silbergruben  II  351. 
Neumagen,  Grabdenkmäler  II  363.  III  53. 
Neupythagoreismus  III  294,  2. 
Nicäa  III  14.  22  f. ;  Erdbeben  HI  29. 
Nicanor  (Julius)  I  85  f.  III  70. 
Nicetes,  Bauten  III  25  f. 
Nicolaus  aus  Damascus  I  86. 
Nicomachus  Flavianus  III  237. 
Nicomedes  (L.  Aurelius)  I  47,  9.  49. 
Nicomedia  III  15.  22;  Brand  III  28;  Erdbeben 

III  29. 
Nicopolis  II  145  f.  III  18. 
Nicostratus  II  158. 

Nigellus,  Fabrikant  von  Bronzewaren  I  378. 
Nigrinus  III  283. 
Nikaaufruhr  II  36. 
Nikestatuen  geweiht  III  38,  4. 
Nikolaiten  in  Pergamum  III  226. 
Nil  I  426;  Katarakten  I  443 f.;  Quellen  I  393; 

Nillandschaften   in   der  bildenden  Kunst   I 

426 f.;  Nilzölle  III  205. 


REGISTER 


353 


Nilpferde,  ausgerottet  II  82. 

Nimes  s.  Nemausus. 

Nisibis,  Juden  III  202. 

Noahs  Arche  auf  Münzen  III  203. 

Nobilität  I  115. 

Nodon,  Gott  III  179. 

Nomenklatoren  I  239.  11  368. 

Nomentum,  Gut  Martials  II  243.  III  190. 

nomismaia  II  16,  12.  17,  6. 

Nomius,  Freigelassener  I  40. 

Nomius,  Pantomime  II  124.  129. 

Nonnus,   Beschreibung    eines    Pantomimus    II 

128.  130.  131. 
Nordische    Länder,   Reisen   I   370 ff.;    Fabeln 

über  sie  I  394. 
Noreja,  Göttin  lU  142. 
Noricum  III  19  f.  142. 
L.  Norbanus  Appius  Maximus  II  242. 
Nortia  III  186. 
Nova  III  20. 

Novius  Blesamus,  Bildhauer  III  91. 
Novius  Vindex  11  245,  8.  246.  250,  4.  in  1 10. 

113; 

Nuceria  III  4.  29. 

Nüsse  als  Spielzeug  I  266. 

numen,  Gespenst  III  319. 

Numenius  I  68. 

Numidien,  Steinbrüche  II  333.  344;  Bären  11 

78;  numidisches  Huhn  (Meleagris)  11  285,  6. 

305;  numidischer  Marmor  II  328.  330.  339. 
Numitemus  III  187. 
Numonius  Vala  I  442. 
nux  calva  II  306. 
Nymphäen  I  13.  II  373. 
Nympheninschriften  III  178  f. 

o. 

Obelisken  im  Zirkus  I  424.  U  23. 

Oberkämmerer  I  37.  59  ff. 

Obervestalinnen,  Statuen  III  74  f. 

Obsequens  (Julius)  III  157. 

Obstkultur  II  305  ff. 

Obszönität  der  ägyptischen  Tänze  I  438;   des 

Mimus  II  1 13  ff. ;  auf  Sarkophagen  III  302,  i. 
Occupo  III  148. 

Oclatinius  Adventus  I  116.  123.  11  207. 
Ocriculum  III  5.  187. 
Octavia,  Schwester  des  August  I  295.  298.  II 

246. 
P.  Octavius  n  289.  III  loi. 
ocularii  III  99,  3. 
Odaenathus  Im. 
Odeum  Domitians  II  148.  176;   der  Regilla  in 

Athen  III  27. 
UJÖoi  n  175,  12. 

Odysseus  in  Barbarenländern  I  451. 
Odipodeische  Verbindungen  der  Christen  III 

218  f. 
Öffentlichkeit  des  geselligen  Verkehrs  I  25off. 
Ölkultur  II  306.  3 10  f. 
Offenbarung  Johannis  III  217. 

Friedlaender,  Darstellungen.  III.    9.  Aufl. 


Offenbarungsglaube  fehlt  im  Altertum  III  214. 
224.  246.  322  f. 

officia  I  238.  274,  II. 

officinae  der  bildenden  Künstler  III  98,  4; 
Distrikte  in  den  Bergwerken  III  89. 

Offiziersdienst  der  Senatsaspiranten  I  136 f.; 
der  Ritter  I  148  f.  222. 

Ohren  als  Weihgeschenke  III  172;  Ohrgehänge 
II  323. 

Oktoberroß  III  185. 

Olivenkranz,  goldener,  als  Preis  II  230. 

Olympia,  Reise  dahin  I385;  Statuen  11136. 
62;  Wasserleitung  III  26;  Ehren  der  Sieger 
n  158.  in  149.  174;  römische  Olympiasieger 
,  III  153,1-  159- 

iu|uoqpaYia  III  189,  3. 

öveipOKpiTri(;  der  Isis  III  169,  2. 

Onias,  Hohepriester  III  205. 

onyx,  orientalischer  Alabaster  II  333. 

Opal  II  321.  322. 

Opellius  Macrinus  I  153. 

Opfer  III  190 f.;  an  Gräbern  I  454;  Verbrauch 
an  Opfertieren  III  191;  Opfersporteln  HI 
191;  Opferkasten  III  191;  stellvertretender 
Opfertod  I  309. 

ophites  n  333. 

Oppianus  II  237. 

Opuntienkaktus  II  346. 

Orakel,  ihr  Verfall  und  ihre  Wiederherstellung 
m  161  ff.;  Orakelglaube  III  156  f.  161. 

Orbilius  Pupillus  III  69. 

orbitas  I  246  f. 

Orchestermusik  II  167.  170  f. 

Orchideen  II  346. 

Orchomenos,  Agrionien  III  188. 

Ordo  salutationis  I  96. 

Orgeln  II  165.  175.  185. 

Oricum  III  26. 

Orient,  Luxuswaren  11  319;  Wohlgerüche  II 
326;  Musik  II  169;  Metallausfuhr  nach  dem 
Orient  II  319 f.;  Aufhören  der  Gladiatoren- 
spiele im  Orient  II  100;  Nachahmung  der 
orientalischen  Höfe  I  94;  Orientalen  in  Rom 
I  18.233;  iii^  Hofdienst  I  37  f.;  in  der  Garde 
I  220;  orientalische  Kulte  I  300 ff.  HI  135  ff. 
144  ff.  189. 

Origenes,   Glaube   an  vorbedeutende   Träume 

m  166. 

Originalpokale  III  lii. 

Orleans,  Juden  III  211. 

ornamenta  I  138  f. 

Orontes,  Villen  III  11.  32. 

Orpheus  im  Amphitheater  11  91  f.;    orphische 

Goldblättchen  II  305;  orpbisch-pythagorei- 

sche  Jenseitsvorstellungen  III  303  f. 
Ort  der  Frommen  III  306. 
Orthia,  Artemis  III  188. 
Orthodoxie,  heidnische  III  129  ff. 
Osiris  III  140.  189;   spendet  das  Wasser  des 

Lebens  III  305. 
Ostia  I  3981.  421.  III  5;   Leuchtturm  III  30. 

31;  Statuen  III  81. 
Ostindien,  Ziel  von  Handelsreisen  I  366  ff. 


354 


REGISTER 


Ostpreußen,  römische  Münzfunde  I  371. 

Otho,  Freigelassene  und  Sklaven  I  42.  64.  69; 
Freunde  I  72.  76.  84;  Empfänge  und  Gast- 
mähler I  93.  97;  Schulden  I  133;  Gladiato- 
ren II  66.  70;  Bauten  II  336. 

Ouvertüre  II  161. 

Ovid,  Abkunft  I  55;  Stieftochter  Perilla  I  295. 
296 f.;  Liebeskunst  I  286;  Reise  nach  Tomi 
^  334-  33Ö'  337  f-)  Besuch  von  Sicilien  I  408, 
von  Athen  I411;  Naturgefühl  I485;  seine 
Berühmtheit  II  209;  rhetorisch  beeinflußt  II 
205;  seine  Gedichte  getanzt  II  i62f. ;  über 
den  Götterglauben  III  119. 

Q.  Ovidius,  Freund  Martials  II  241.  243,  3. 

P. 

Paccius  III  270,  10. 

Paccius  Antiochus  I  206. 

Pachtwirtschaft  I  214. 

Pacuvius,  Maler  III  103. 

Pädagogium,  kaiserliches  I  63. 

Paelignus,  Julius  I  88. 

Paestum,  Rosen  II  345. 

Paetus  Thrasea  11  183.  III  251.  281. 

paganus,  Heide  III  237. 

Pagen  I  63. 

irai&eia,  dvbpicxc;  tx\c,  iraiöeiac;  III  73,  i.  90,  5. 

Palaemon,  Remmius  I  178. 

Paläste,  römische  II  331  ff.;  der  Senatoren  I 
123;  der  Parther  und  des  Lateranus  I  80; 
Palastwache  1 91  f. ;  moderne  Paläste  II 340  ff. 

Palästina  I  421;  Kunst  III  86  f. 

palaestritae  II  153,  9. 

Palatinische  Venus  II  328. 

Palatium,  Statuen  III  74. 

Palermo,  Statuen  III  70 ;  Juden  III  209. 

Palfurius  Sura  II  6.  147.  III  262. 

Paliken  I  408  f. 

Pallas,  Freigelassener  I  41.  45.  47.  48.  49.  5of. 
53.  56.  II  269. 

Pailiata  II  119  f. 

Palma  (Cornelius)  III  74. 

Palmen  I  427.462.487;  Siegespreis  für  Wagen- 
lenker II  25 ;  Erklettern  der  Palmen  in  Ägyp- 
ten I  428. 

Palmyra  III  il.  31;  Statuen  III  75;  Kunst- 
betrieb III  83;  Juden  III  202. 

palus  II  6g,  primus  und  secutidus  II  69,  10. 

Pammenes,  Astrolog  I  211. 

Pammenes,  Tragöde  III  75. 

Pamphila  I  298,  2. 

Pamphylien,  Städte  III  1 5  f. 

Pan  III  173.  196;  Tod  des  großen  Pan  I  87. 
III  124. 

Panätius  III  161.  302. 

Panamahüte  II  314. 

Panamaros,  Zeus  III  173. 

-rravöoxeTa  I  346,  3. 

panem  et  circenses  I  434.  11  2.  38. 

Panias  III  173. 

Pannonien  III  20;  Juden  III  211. 

pannus  =  Zirkuspartei  II  34,  5. 


Panopeus  I  410. 

Panthea  I  66.  II  183. 

Pantheon  III  31. 

Panther  II  78. 

Panticapäum,  Juden  III  204. 

Pantoffelregiment  I  278. 

Pantomimus  II 1 24  ff. ;  im  Amphitheater  II  91  f. ; 
in  Privathäusern  II  136.  138;  Pantomimen 
bei  Hofe  I6if.;  bei  den  Frauen  beliebt  I 
289 f.;  ausgewiesen  II  144;  Musik  im  Panto- 
mimus II  126.  170.  172. 

Paphus  III  29.  162. 

Papinian  I  153. 

S.  Papinius  II  307. 

Papirius  Fabianus  III  269. 

Papyrushandel  I  377.  432. 

Paraderitt  der  Ritterschaft  I  146.  147. 

Paradiese  der  Vandalen  bei  Karthago  I  471. 

Paradoxoniken  II  158. 

Parasiti  Apollinis  II  139,  7. 

parens  als  Anrede  I  76  f. 

Parentalien  III  317. 

Parentium  III  5. 

Parfümerien  II  326. 

Paris  (Lutetia),  Juden  III  211. 

Paris,  Tänzer  I  62.  289.  II  125.  127.  131.  141. 
142.  232. 

Parisurteil  als  Pantomimus  II  134  f. 

Parium,  Statue  des  Alexander  von  Abonutei- 
chos  III  165;  des  Peregrinus  Proteus  III  293. 

Parkettboden  von  Rosenholz  II  350. 

Parks  II  345.  376;  bei  Tempeln  I  445 f.;  Bild 
eines  Parks  I  475;  Parkomanie  II  345. 

Parma  III  5. 

pannularius  II  75. 

Pamy,  Götterkrieg  III  128. 

partccta  II  22,  2. 

Parteien  im  Zirkus  II  32  ff. ;  im  Amphitheater 

II  75  f.;  im  Theater  II  142 f. 
Parthenius,   Kämmerer  I  45.  48.  60.    11  241. 

254- 
Partherreich ,  Beziehungen  zu  China  I  369  f. ; 

Juden  III  22;    Parther  im  Amphitheater  II 

53.  88. 
Pasiphae  im  Amphitheater  II  92.  134. 
Pasiteles,  Bildhauer  III  52.  iii, 
Passennus  Paulus  II  249,  8.  252. 
Passio  SS.  IV  Coronatorum  III  45.  88  f. 
Patavium  II  211.  III  4.  162. 
pater  als  Anrede  I  77 ;   im  Mithrasdienst  III 

\\(i\  pattr  patrtim  III  146. 
Patmos,  Artemisbild  III  239. 
Paträ,  Dionysoskulte  III  187;  Artemis  Laphria 

III  187. 

Patriarch  von  Jerusalem  III  212. 

Patrizier,    Sonderrechte    I   137;    Aussterben  I 

118,  10. 
Patrobius,  Freigelassener  I  42.  47. 
Patrone  der  Munizipien  III  27;  Statuen  III  67 

70.  75.  76. 
Pauke  II  165.  171, 
Paulina  I  302. 
Paulina,  Gattin  Senccas  I  309. 


REGISTER 


355 


Paulus,  Apostel,  Seereise  I  336.  424,  i.  425; 

Erlebnis  zu  Lystra  III  154;  in  Korinth  UI 

223.  226.  230;  geplante  Reise  nach  Spanien 

III  210;   angebliche  Beziehungen  zu  Seneca 

III  235  f. 
Paulus  (Sergius)  III  271. 
Paulus  Petrus  (M.  Annaeus)  III  236. 
Pausanias,  Reisen  I  380;  Kunstverständnis  III 

116;  Gläubigkeit III  128.  173;  Geisterglaube 

III  320. 
Pausanias  von  Cäsarea  II  258,  3. 
Pausilypon  bei  Neapel  I  52.  156.  401;  am  See 

von  iiracciano  I  470. 
Pavonazetto  (phrygischer  Marmor)  II  330.  333. 

340- 

Pedanius  Secundus  U  367. 

Q.  Pedius,  Maler  III  104. 

Peitan  Elazar  JII  208. 

Pelago,  Freigelassener  I  41. 

Pelzkleider  II  313  f. 

Penaten  III  148. 

Peregrinus  Proteus  11  348.  III  112.  226 f.  270. 
291  ff.  319. 

Perennis  I  60  f. 

perfectissivius  I  154. 

Pergamum  III  14.  25;  Gladiatorenschule  I  66; 
Asklepiostempel  III  106,  4.  169;  Nikolaiten 
III  226;  Christenverfolgung  III  217. 

Perge  III  15. 

Periegeten  I451  f. 

Perilla,  Ovids  Stieftochter  I  295.  296  f. 

Peripatetiker  III  271, 

Periplus  maris  Erythraei  I  368. 

Perlach  III  19. 

Perlenluxus  II  317.  320.  323  f.;  Perlen  in  Essig 
aufgelöst  II  275  f. 

Perlhuhn  (numidisches  Huhn)  II  285.  305. 

Persa,  im  Mithrasdienst  III  146. 

Persische  Einrichtungen  als  Vorbilder  der  römi- 
schen I  329;  Sitte  des  Kusses  I  94;  Geheim- 
polizei I  256. 

Persius,  Schüler  des  Cornutus  III  272.  277; 
Vermögen  I  156. 

Personifikation  der  Naturerscheinungen  I  459. 

Pertinax,  Kaiser,  Laufbahn  I  104.  129.  130. 
132.  175  f.  222  f.;  Charakter  I  70.  219;  Frei- 
gelassene I  44;  Empfänge  und  Gastmähler 
i  97-  98. 

Pescennius  Niger  I  21g.  223. 

Pessimismus  III  325  ff. 

Pest  unter  Marc  Aurel  und  Commodus  I  31. 

Petra  III  13;  Dusares  III  141. 

Petrarca,  Glaube  an  heidnische  Orakel  III  162. 

Petron,  Lebensende  III  281. 

Petronius  Aristocrates  III  277. 

T.  Petronius  Taurus  I  223. 

Pfau  II  285,  6.  7.  294.  305. 

Pfeffer  II  308;  Pfefferbaum  II  346. 

Pfeifen  II  169. 

Pferdezucht  II  30 ;  Pferdeversand  1 363 ;  Pferde- 
namen II  30,  10.  31,  2.  32,  4. 

Pfirsich  II  307.  310. 

Pfirsichmandel  II  307. 


Pfirsichnußapfel  II  307. 

Pflasterung  der  römischen  Straßen  I  319  f. 

Pflaume  II  306. 

Pförtner  I  239. 

Pfropfen  U  309. 

Phantasiemarmor  II  332. 

Pharisäer  III  215. 

Pharos  I  425  f. 

pkasianus  (Fasan)  JI  285  f.  305. 

Phidias  III  HO.  iii. 

Philadelphia  in  Lydien  II  378  f. 

Philagrios  II  258,  3. 

Philippi,  Juden  III  204. 

Philippopolis  in  Syrien  III  13. 

Philippopolis  in  Thracien  III  17. 

Philippus,  Kaiser,  Säkularspiele  II  14.  15.  83. 
149.  III  222. 

Philocalus,  Kalender  III  185.  » 

Philologen  am  Hofe  I  87. 

Philopömen,  vergöttlicht  III  149. 

Philosophen  in  Rom  III  268  ff. ;  am  Hofe  I  85  ff. 
III  282 f.;  als  Jugenderzieher  III  276 ff. ;  als 
Vorsteher  öffentlicher  Schulen  III  283  ff. ; 
ihre  soziale  Herkunft  III  294;  aus  Rom  ver- 
trieben III  252;  die  letzten  Philosophen  HI 
238  f. ;  Verbreitung  der  griechischen  Philo- 
sophie in  Rom  III  249  ff. ;  Beschäftigung  der 
Frauen  mit  Philosophie  I  298  ff. ;  Philoso- 
phie als  Erzieherin  zur  Sittlichkeit  III  243  ff. ; 
Gegensatz  zur  Rhetorik  III  256 ff. ;  Angriffe 
gegen  die  Philosophen  lU  2 60 ff.;  Philoso- 
phentracht III  255.  262 ff.  265;  Büsten  und 
Statuen  III  42.  74. 

philosophi,  Leiter  des  Bergbaus  III  89. 

qpiXoöTopf  i'a  I  261  f. 

Philostrat,  Biograph  der  Sophisten  II  2581. ; 
Apolloniusroman  III  155;  Kunstbeschrei- 
bungen III  116;  Geisterglaube  III  320. 

Philumene,  Amme  des  Aristides  lU  133. 

Philumenos,  Athlet  II  155 f. 

Phlegon,  erwähnt  christliche  Wunder  HI  234,  7. 

cpoßou|Lievoi  Tov  Oeov  III  215. 

Phocäa,  Juden  III  203. 

phoenicoptcrus  (Flamingo)  II  285,  6.  305. 

Phönix  I  427. 

Pholegandros  I  414. 

cpujvaaKÖ<;  II  177. 

Phylen,  errichten  Statuen  HI  71. 

Physik  (Naturphilosophie)  III  275  f. 

Picenum  III  187. 

Pierus,  Pantomime  II  124, 

Pigalle,  Bildhauer  III  iio. 
pilae  II  87,  20. 

Pilgerfahrten  nach  dem  heiligen  Lande  I  456  f. 

Pinie,  die  schöne  am  Ida  I  462. 

Piräus,  Heiligtümer  III  135,  i. 

Piraten  I  335;  in  der  Rhetorenschule  U  202. 

Pisidien,  Städte  III  15  f. 

Piso  s.  Calpurnius  Piso. 

Pistazie  II  307. 

Pizarro  II  268. 

Placentia  III  4.  172. 

Plancina  I  294. 


23" 


356 


REGISTER 


Planetennamen  der  Wochentage  I  263. 

Plarianus  (Q.  Egrilius)  III  271.  280,  4. 

Plastik,  von  Griechen  betrieben  III  103. 

Platane  I  462  f.  II  346. 

Plato,  heroisiert  III  149;  Beweis  der  Unsterb- 
lichkeit III  303;  Dialoge  aufgeführt  III  272  ; 
Phädon  viel  gelesen  III  303.  316;  Republik 
von  Frauen  gelesen  I  299. 

Piatonismus,  Dämonenlehre  III 124  ff. ;  Geister- 
glaube III  318. 

Platonopolis  I  300. 

Platten,  vergoldete,  an  den  Wänden  II  334. 

Plautianus  I  91.  III  66.  253. 

Plautus  (Rubellius),  Stoiker  III  251.  281. 

Plectrum  II  166.  176. 

Plinius,  der  ältere,  Laufbahn  I  151;  Studien- 
sklaven n  367;  Äußerungen  über  den  Luxus 

II  277.  278.  279.  287.  290.  304.  356;  Kunst- 
urteile III  107;  religiöser  Standpunkt  III 
121  ff.;   gegen   den  Unsterblichkeitsglauben 

III  298 f.;  Pessimismus  III  320;  Glaube  an 
vorbedeutende  Träume  III  166 f.;  Judenhaß 
III  212. 

Plinius,  der  jüngere,  Vennögensverhältnisse  I 
I24ff. ;  Reise  I  337;  Stiftungen  für  gemein- 
nützige Zwecke  I  126.  II  377  f.  III  27.  193; 
Kult  der  Kaiserstatuen  III  60;  seine  Frau  I 
296;  seine  Villen  I  468  f.  473  f.  II  337.  338; 
dichterischer  Dilettant  II  250  f.  252  ff. ;  Gön- 
ner Martials  II  233  f.  242.  244;  über  Rezita- 
tionen II  226  f. ;  religiöser  Standpunkt  III 
127;  Glaube  an  Träume  III  185;  Gespenster- 
glaube III  319;  über  die  Christen  III  191. 
219 f.  225.  232  f. 

Plotina  I  293.  298. 

Plotinus  I  300.  486.  m  56.  272. 

Plotius  Firmus  I  222. 

Plutarch,  Vorträge  in  Rom  III  270,  in  Chäronea 
III 278;  besucht  historisch  merkwürdige  Orte 
I  456;  verehrt  die  ägyptischen  Götter  III 
i4of.;  Dämonenlehre  III  124.  319;  seine 
Gläubigkeit  III  I27f. ;  Schilderung  des  Jen- 
seits III  304 f.;  über  bildende  Kunst  III  102. 

MS- 

Pöninus,  Juppiter  HI  18 1. 

Poesie,  in  Rom  gering  gewertet  II 23 1  f. ;  Poesie 

und  Rhetorik  II  205  f.,  und  Musik  II  l6lff. ; 

poetische  FärbungderrömischenProsall  205. 
poetae  novelli  11  220,  z\  poeta  Ovidianus,  Vergi- 

lianus  II  251;  poetarum  schola  II  248;   die 

Humanisten  als  Poeten  bezeichnet  II  262. 
Poetovio  III  20. 

Poikile  auf  Hadrians  Villa  II  340. 
Poitiers,  Amphitheater  II  108. 
Pola  III  5 ;  Juden  III  209. 
Polemius  Silvius,  Kalender  III  185. 
Polemo,  Sophist  I  342.  350.  II  256.  2581.  260. 
Polen,  Tafelluxus  II  300 f.;   Bauluxus  II  341; 

Luxus  in  Edelmetallen  II  353. 
Politik,  Beteiligung  der  Frauen  I293;  politische 

Demonstrationen  im  Schauspiel  II  7  f. 
Polizei  gegen  Räuber  I  350.  351,  5;   geheime 

I  256  f. 


Polla  Argentaria,  Witwe  Lucans  II  240.  242. 
246. 

pollice  verso  II  74,  8. 

PoUius  Felix  I  402.  473.  II  245,  8.  249.  255. 
337.  338  f.   III  HO. 

Polybius,  Freigelassener  I  41.  50.  54 f. 

Polybius  (P.  Cipius;,  Fabrikant  von  Bronze- 
waren I  378. 

Polyclet,  Freigelassener  I  41. 

Polyclet,  Bildhauer  III  95.  HO.  112. 

Polygnot,  Maler  III  1 10. 

Polyonymie  I  120  f. 

Polyphthongon  II  167. 

Polytheismus  III  134  ff. 

Pomeranze  II  308. 

Pomerium  III  136. 

Pompa  circensis  II  44 f.;  gladiatorum  11  72 f. 

Pompeji,  Erdbeben  III  29;  Juden  und  Christen 
III  208;  Gräberstraße  III  47 f.;  Gladiatoren- 
schule II  67 ;  Gladiatorenspiele  II 103 ;  Dich- 
terverse auf  Wänden  II  211;  Dekorationsstil 
ni  99 ;  Stuckmalerei  U  42  f. ;  künstlerischer 
Schmuck  III  81;  Ornamentik  des  Hausrats 
III  46  f. ;  Wohnungsdekoration  III  42  f. ;  Bild- 
nisstatuen III  68;  Postamente  von  Königen 
III  37 ;  Büdhauerwerkstätten  III  9 1 ;  Brunnen- 
verzierungen III  42;  Silbergefäße  11  356. 

Pompejopolis,  Hallenstraßen  III  16. 

Q.  Pompejus  Capito  III  70. 

Pompejus  Flaccus  II  310. 

M.  Pompejus  Macrinus  III  149,  6. 

Cn.  Pompejus  Magnus,  Schauspiele  II  78.  81. 
87.  145;  Murrhagefäße  11  347. 

Pompejus  Paullinus  11  356. 

Pompejus  Satuminus  II  252. 

Pomponia  Gräcina  I  303. 

M.    Pomponius   Bassulus,    Palliatendichter   II 

"9,  3-  195- 

Pomponius  Bassus,  Tragödiendichter  II  249,  8. 

P.  Pomponius  Secundus,  Tragödiendichter  11 
118. 

pons  naumachiarius  II  93.  4. 

Pont  du  Gard  II  374.  III  i,  106. 

Pontianus  (Ti.  Julius  Optatus)  II  304. 

Ponticus  II  245. 

Pontinische  Sümpfe  I  353. 

Pontius,  Architekt  III  91. 

Pontius  Leontius,  Villa  Burgus  III  44. 

Poppäal  63.  83.  302;  Reisen  I342;  Bestattung 
II  358. 

Porcius  Latro  II  205. 

Porphyr,  roter  II  333.  340;  Brüche  am  Roten 
Meer  I  444.  II  333.  III  86. 

Porphyrius,  Wagenlenker  II  35,  7. 

Porta  Libitinensis  II  75,  10. 

Porträtbilder  III  54ff. ;  Porträtmalerei  III  56  f. ; 
Porträtköpfe  auf  Sarkophagen  III  310,  5; 
Porträtbilder  in  Büchern  lU  55;  in  Biblio- 
theken II  223.  III  55  f.;  Porträtmedaillons  II 
355-  I'^I  55)  auf  Feldzeichen  III  61,  auf  Sar- 
kophagen III  90. 

Portus,  Hafen  von  Claudius  erbaut  III  30  (s. 
Ostia);  Juden  III  20S. 


REGISTER 


357 


Porzellan  II  347. 

Posides,  Freigelassener  I  41.  46.  47.  49. 

Posidonius,  Reisen  I  380;  religionsgeschicht- 
liche  Bedeutung  III  123,  i.  124,  i;  über  das 
Fortleben  der  Seele  III  302.  3.  303.  2. 

Possenreißer  am  Hofe  I  87  f. 

Postschiffe  I  329. 

Potamophylacia  I  151,  l.  III  205. 

Potemkin  II  271.  290. 

Pothinus,  Bischof  von  Lyon  III  218.  220. 

praecones  I  171  f.  217. 

Präfekten  I  76.  149;  Gardepräfekten  [praefecti 
praetorid]  I  74.  76.  95,  ihre  Machtstellung  I 
149  f;  Stadtpräfekten  I  132;  Präfekt  der 
Nachtwachen  [praefectus  vigilum)  I  76;  des 
Postwesens  [praefecti  vehiailorum)  I  329; 
Präfekten  der  Auxilia  I  148;  praefectus  ca- 
strorum  I  148.  222. 

praemia  militiae  I  221,  5. 

Präneste  III  5;  Statuen  III  69.  70;  Gladia- 
torenschule II  65;  Tempelorakel  II  211. 

praepositus  sacri  cubictili  I  37. 

Prätexta  der  Kaiser  I  93,  2. 

Prätoria,  Absteigequartiere  für  Beamte  I  329. 
346. 

Prätorianer  I  91.  218.  219. 

Prätur,  zwangsweise  verliehen  11  12;  prätori- 
sche  Spiele  II  11. 

Pragmatiker  I  181.  187. 

Praxiteles  III  lio. 

Preise  der  Luxusmöbel  und  -gerate  11  347 f.; 
seltener  Blumen  II  346;  der  Bauten  II  332; 
von  Statuen  III  38.  100;  von  Grabdenk- 
mälern II  362.  365 ;  der  Bäder  II  375. 

Priestertümer  bei  den  actischen  Spielen  II  146; 
beim  kapitolinischen  Agon  II 149;  ritterliche 
Priestertümer  I  154;  Versteigerung  von  Prie- 
stertümem  III  191;  Zuwendungen  an  Priester 
III  195. 

Prima  Porta,  Villa  I  475. 

Primipilaren  I  221. 

Princeps,  Flötenspieler  U  179  f. 

princeps  iuventutis  1 148;  äiertmortimUI 2oS.g. 

principium,  Vorspiel  II  176,  7- 

Prinzenlehrer  I  70. 

Prinzessinnen,  Porträtsvon  orientalischen  III  54. 

Priscilla,  Gattin  des  Abascantus  I  50.  56  f.  II 
245,  I.  III  78. 

Priscillakatakomben  III  231. 

Priscus,  Philosoph  III  281. 

Priscus  (Helvidius)  III  250.  251  f. 

Privatdenkmäler  III  75.  77;  Privatsammlungen 
von  Kunstwerken  III  109 f.;  Privatbäder  II 
376. 

Probus,  Kaiser,  Spiele  11  52;  fördert  den  Wein- 
bau II  312. 

Processus  consularis  II  loi. 

Procop  über  Justinians  Bauten  III  32. 

Proculus,  Prätendent  I  354. 

Prodigienglaube  III  157. 

Professoren,  Reisen  I  380.  3S2;  Professur  der 
Beredsamkeit  I  1 79  ff. 

Programmusik  II  168. 


prokonnesischer  Marmor  III  88  f.  90,  2. 

Prokuratoren  I  35.  51  ff.  149,  der  Gladiatoren- 
familien II  66,  der  Frauen  I  276 ff. ;  procu- 
rator  ab  actis  urhis  I  255,  i;  castrensis  I  52; 
summi  choragii  II  90;  ad  elephantos  II  83,  8; 
a  loricata  II  83,  lo;  ludi  II  65. 

Proletariat  I  158  f. 

Prometheussarkophage  III  311. 

Properz,  Berühmtheit  II  209;  Naturgefühl  I 
466;  nachgeahmt  II  252. 

Prosa,  poetisch  gefärbt  II  205 ;  verdrängt  die 
Poesie  II  220.  255  ff. 

Proselyten,  jüdische  III  2 14 f. 

Proserpinasarkophage  III  311. 

Proskynemata  I  441,  2. 

Prostitution  beim  großen  Zirkus  11  23 ;  in  Gast- 
häusern I  348  f. 

TrpujTau\T](;  II  175,  9. 

Protesilaus.  Heros  III  320.  321;  Protesilaus- 
sarkophage  III  311. 

Provinzen,  Wohlfeilheit  I  19;  Sittenstrenge  I 
20;  Obstkultur  II  310 ff.;  römische  Kauf- 
leute in  den  Provinzen  I  373 ;  Provinzialkunst 
ITT  92;  Provinzialen  in  Rom  I  15,  mißachtet 

I  105  ft";  Provinzialstatthalter  erhalten  gött- 
liche Ehren  III  150,  Statuen  III  66  fr.;  Pro- 
vinzialpriester,  Statuen  III  69. 

Provozierende  Agenten  I  25  7  f. 
Prozession  bei  Zirkusspielen  11  44  f. 
Prügelstrafe  in  der  Schule  I  177.  179,  9;  gegen 

Schauspieler  II  137.  139. 
Pnmkreden  II  204. 
Prunkschiffe  I  397. 
p7-utms  aviwn  II  306. 
Prusa,  Bauten  III  22. 
Prytaneum  auf  Hadrians  Villa  II  340. 
Psalmen  in  der  Kirche  gesungen  II  187. 
Ptolemäer  I  94;  begünstigen  die  Juden  III  202. 

205. 
Ptolemäus  Auletes  II  268. 
Ptolemäus  Mennäi  II  268. 
Ptolemais  in  Ägypten  III  10. 
Ptolemais  in  Palästina  III  12. 
A.  Pudens  II  242. 
Pudicitia  im  Vatikan  III  95. 
pueri  eminentes  I  85. 
a  pugione  I  61,  i. 

Punktierverfahren  bei  Statuenkopien  III  95. 
Puppen  I  266. 
Purpur  der  Senatoren  I  144;   Purpurgewänder 

II  315  f. 

Puteoli  1*335  f.  421  ff. ;  Sommeraufenthalt  1 401; 
Fahrt  nach  Alexandrien  I  425 ;  tyrische  Han- 
delsfaktorei I  375;  palatinische  Region  III 
21;  Werften  I  424;  Prachtbauten  III  5; 
Amphitheater  II  90;  Eisenhandel  I  378;  pu- 
teolanische  Basis  I  423.  III  29;  Puteolanus 
pulvis  I  163,  10. 

Putzsucht  der  Frauen  I  292. 

Pygmäen  I  427. 

Pylades  I  62.  290.  II  i.  124.  126.  130.  132. 
I37._  140.  142.  143.  170. 

Pyramidalpappel  II  346. 


358 


REGISTER 


Pyramiden  I  438  f. 

Pyrrhiche  11 133  f. ;  pyrrhicha  ?niHtaris  II  24, 13. 
Pythagoras,  Mundschenk  Neros  I  68. 
Pythagoreismus,  Unsterblichkeitsglaube  III 303. 
Pythische  Weise  II  168;   pythischer  Agon  in 

Karthago  11  230;  pytkaules  II  167.  168,  3. 

I75>  9- 

Q. 

Quadenkrieg  Marc  Aureis  III  156. 
Quadratarii,  Steinhauer  in  89 ;  Aushängeschild 

II  192,  6. 

Quadratilla  (Ummidia)  II  131.  III  27. 

Quadratus  (A.  Julius)  EI  25. 

Quartarum  actor  II  114,  12. 

Quartierwechsel  der  Truppen  I  360  f. 

Quellenkult  I  460  f.  in  178. 

T.  Quinctius  Flamininus,  erhält  göttliche  Ehren 

III  150.  173. 
Quinquatrus  I  166  f. 

Quintilian  I  70.  179 f.;  religiöser  Standpunkt 
III  121;  Unsterblichkeitsglaube  III  307;  über 
Philosophie  III  257;  über  bildende  Kunst 
in  115;  Judenhaß  III  212. 

Quintilier  I  lio.  122,  4. 

S.  Quintilius  Condianus  I  lio.  IE  53.  166. 

Quintilius  (Varus\  Epikureer  III  270,  l. 

Quirinustempel  II  248. 

Quitte  II  306. 

R. 

Rabirius,  Architekt  III  105. 

raeda  I  329  f. 

Räte,  kaiserliche  I  73  ff.  132. 

Rätien  III  19. 

Räuber  I  22.  350 ff. ;  Räubergeschichten  I  352. 

354  f- 
Ramses,  Inschriften  I  439. 
Rangstufen  I  13 f.  153  f.;  Rang  der  Frauen  I 

279f.;  Rangordnung  bei  Tisch  I  243;   beim 

Untersiegeln  I  243. 
a  rafionibits  I  53  f- 
Rauch,  Bildhauer  III  102. 
Ravenna  I  403.    UI  4.  37,  3;   Synagogen   III 

209. 
Rechnungsrat  I  53  f. 
Rechtsgelehrte    I    185  ff.;    Rechtsunterricht   I 

185  f. 
refrigerium  in  305. 
Regenwunder  Marc  .^urels  in  156. 
Regula  (Annia),  Gattin  des  Herodes  Atticus  in 

27-  33-  77- 

Regionenbuch  von  Rom  I  10  f.  III  82. 

Regulus  (M.  Aquilius),  Redner  I  122.  132.  II 
241.  337.  III  39.  76 f.  160.  316.  359. 

Reichtum  der  Senatoren  I  121  ff. ;  der  Ritter  I 
156 f.;  der  Freigelassenen  l45ff. ;  der  Ge- 
schäftsleute I  159 f.;  der  Advokaten  I  182 f. 
234 f.;  der  Ärzte  I  195  f. 

Reims  III  7;  Gott  von  Reims  III  144. 

Reinlichkeitsluxus  11  372  ff. 


Reis  U  307. 

Reisen  I  331  ff.;  der  bildenden  Künstler  I  382. 
III  90 f.;  der  musikalischen  Virtuosen  I  3S3. 
n  178;  Reiseluxus  I  341  f.;  Reisewagen  I  21. 
3l9f.  330.  342f.;  Reisehandbücher  I  328; 
Reiselektüre  I  342  f.;  Reisebegleitung  der 
Kaiser  I  77 f.;  Reisende  beten  zu  den  Göt- 
tern des  Landes  III  176. 

Reiterstatuen  EI  67.  70;  kolossale  Domitians 
E  245. 

Rekrutenaushebung  I  360  f. 

Religiöse  Zustände  III  Ii8ff. ;  religiöse  Musik 
II  174;  religiöse  Kunst  III  79 ff. 

Reliquien  aus  der  Heroenzeit  I  450. 

Remagen,  Wasserleitung  II  375. 

St.  Remy,  Grabmal  der  Julier  II  364.  III  84. 

Rennpferde  II  3off. ;  Zahl  der  Rennen  im  Zir- 
kus II  46. 

Reproduktion  in  der  Poesie  II  25 1  ff. ;  in  der 
bildenden  Kunst  IE  94  ff. 

Reservoirs  [castella]  III  35. 

Resignation  als  Glückseligkeit  IE  247. 

Respondieren  der  Juristen  I  186. 

Restauration  des  Glaubens  III  123  ff.  139  ff. ; 
der  Orakel  ni  161  ff. ;  der  Tempel  IE  192. 

Retiarier  II  73. 

Rettich  II  307. 

Rezeptbücher  I  203  ff. 

Rezitationen  E  223  ff. 

Rhegium  III  4. 

Rheneia,  jüdische  Rachegebete  IE  204,  4. 

Rhetorik  und  Philosophie  IE  256  ff. ;  Rhetoren- 
schule  I  179.  II  198 ff.;  Reisen  der  Rhetoren 
I  382;  griechische  Rhetoren  im  Amte  ab 
epistulis  graecis  I  5 7 f.;  Vergleichung  der 
redenden  und  bildenden  Künste  bei  den 
Rhetoren  IE  107. 

Rhinozeros  II  78.  80. 

Rhodus  14151.  IE  4;  Studiensitz  I  381;  Reich- 
tum an  Statuen  I  416.  EI  36;  Umarbeiten 
und  Umtaufen  von  Statuen  IE  64;  Fremd- 
kulte IE  189;  Menschenopfer  an  Kronos  IE 
188. 

Riesen,  Riesinnen  II  369. 

Rietschel,  Bildhauer  III  loi. 

Rimini,  Brücke  III  l. 

Ring,  goldener,  der  Ritter  I  146  f.;  kaiserlichen 
Freigelassenen  verliehen  I  48;  von  Unbefug- 
ten angemaßt  I  157;  der  Spielgeber  I  157,  7; 
Verlobungsring  I  274;  Ring  des  Polykrates 
I449. 

Ritterstand,  der  erste  außerhalb  Roms  I  145; 
Verhältnis  zum  Senatorenstand  1 1 13  ;  Pflanz- 
schule des  Senats  I  115;  Freigelassenen  ver- 
liehen I  48.  147;  ritterlicher  Adel  I  150; 
Rhetoren  von  Ritterstand  I  180  ff. ;  Ritter  als 
kaiserliche  Freunde  I  73.  76;  in  Verwal- 
tungsämtem  I  51  ff.  I49ff. ;  Auftreten  im 
Schauspiel  II  I9f.,  im  Zirkus  II  24. 

Ritual,  altes,  in  Rom  III  i84ff. ;  im  Dienst  der 
kapitolinischen  Gottheiten  IE  197  f.;  Ritual- 
morde der  Juden  EI  213,  und  Christen  IE 
218  f. 


REGISTER 


359 


Rohseide  II  313. 

Rom,  bauliche  Entwicklung  I  i;  Umfang  I  5  ; 
Bevölkerung  I  16  ff.  233;  Besatzung  I  21 7  ff.  ; 
Höhe  der  Häuser  I  5  f.;  Kunstwerke  I  11.  III 
82;  römische  Straßennamen  auf  andre  Städte 
übertragen  III  21;  Vorbild  der  Kolonien  III 
21,  der  Provinzen  in  den  Künsten  III  93; 
Bildhauerwerkstätten  III  88;  temphim  totius 
mundi  III  136;  Brände  I  23 ff.  30;  Brand 
unter  Nero  I  4.  III  219;  Friedhöfe,  jüdische 
III  206,  christliche  III  229.  231;  Reisen  nach 
Rom  I  395 ;  Roma  aurea  I  4,  5,  urbs  aeterna, 
Sacra  I  31,  11;  Romakult  III  150. 

Rosen  II  306;  bei  Gastmählern  II  288.  345; 
Rosen-  und  Violentage  (Rosalia,  Violaria) 
ni  323  f. ;  Rosenwasser  11  327 ;  Parkettböden 
aus  Rosenholz  II  350. 

Rosmerta  III  143. 

Rote  Partei  im  Zirkus  II  34. 

Rothschild,  Baron  Alfons  n  342. 

Rotta,  Saiteninstrument  II  163. 

Rottenburg  a.  Neckar  III  19. 

Rottweil  III  19. 

Rotundus,  Sklave  des  Claudius  I  69.  II  354. 

Rubellius  Plautus  III  251.  281. 

Rubin  II  322. 

rudiarii  II  69,  10. 

rudis  summa  und  secunda  II  68.  69,  10.  70. 

Rufinus   Costunius),  Bauten  III  26,  l.  106,  4, 

Ruflus  Festus  Avienus  III  186. 

Ruinenkult  I  410. 

RuUus   Servilius)  II  290. 

Rusicade  III  9. 

Rußland,  große  Vermögen  II  272 ;  Kleiderluxus 
II  280;  Tafelluxus  II  301;  Perlenluxus  11  323; 
Schlösser  II  342  f. ;  Verschw^endung  der  Ar- 
beitskraft II  366. 

Rusticus  Junius)  III  252  f. 

Rutilianus  (P.  Mummius  Sisenna)  III  164. 

C.  Rutilius  Gallicus  I  115.  11  242.  245.  254. 

Rutilius  Namatianus,  Judenhaß  III  212,  14. 

s. 

Sabazius  III  206. 

Sabbat  III  212.  213;  von  NichtJuden  beobach- 
tet III  2 14  f. 

Sabina,  Kaiserin  I  440. 

Sabinus  (Flavius),  Vater  Vespasians  III  67. 

Sableurs  II  299. 

Sachsen  als  Gladiatoren  II  53.  71, 

Sachwalter  I  181  f. 

Sachwert  des  Geldes  II  2731. 

Sackpfeife,  babylonische  II  169. 

Sacra  certamina  II  158. 

Sacra  urbs  I  31,  II. 

Säkularfeier  des  August  II  15;  tausendjährige 
11  14.  15.  83.  149.  III  222. 

Sänften  I  144.  291.  343. 

Sänger  II  175  f.;  Sängerinnen  II  169.  176. 

Saepta,  Massenkämpfe  II  76. 

Säulenhallen  in  Rom  I  9.  13.  II  328  ff. 

Safran  II  358. 


Sagalassus  KI  16. 

saghia  der  Gladiatoren  II  68. 

Saiteninstrumente  II  166. 

Sakramente  der  Mithrasverehrer  III  146. 

Sala  in  Mauretanien,  Aquädukt  II  374. 

Saldä,  Wasserleitung  II  373. 

Salejus  Bassus  II  237. 

Salernum  I  396. 

Salier  III  185. 

Sallustius,  Kyniker  III  293,  9. 

Salmakis  I  407,  11. 

Salodurum  III  8. 

Salomo,  Tempel  in  Boreum  lU  206;  Urteil 
Salomos  auf  einem  pompejanischen  Wand- 
gemälde III  208. 

Salonälll  17. 

Salonina,  Kaiserin  I  300. 

öaXTTiYKTnc;  II  165,  2. 

Salutati,  Benedetto  II  2941.  316  f. 

Salutatio  publica  bei  den  Kaisern  I  90;  bei 
Privatpersonen  I  226  f. 

Salvius  Julianus  III  280. 

Salzfischhändler  I  169. 

Sambyke  11  167.  169. 

Samiarium  II  65,  8. 

Samnites  (Gladiatoren)  II  73. 

Samosata  III  11. 

Samothrake  I  385  f.  III  62.  198,  3. 

Samt  II  313. 

Sancti  IV  Coronati  III  45.  88. 

Saoterus  I  60. 

Sappho,  Dichterinnen  mit  ihr  verglichen  I 
296  f. 

Sarapis  und  Isis  III  1361.  I40f.  144  f.  189; 
Lokalgott  von  Alexandria  I  436.  III  173;  in 
Kanobosl437;  in  Memphis  I438;  Traum- 
heilungen III  169;  Aushängeschild  eines 
Traumdeuters  III  169;  Sarapeum  in  Alexan- 
dria III  145;  Orakel  III  162;  Kolossalstatue 
III  145;  Region  in  Aquileja  III  144. 

Sardanapal,  Grabschrift  III  301. 

Sardes  III  14.  71. 

Sardinien,  Räuberunwesen  I  352;  Christen  in 
den  Bergwerken  III  221.  228;  Juden  LH 
209  f. 

Sardonyx  II  322. 

Sarkophage  II  359.  HI  47;  fabrikmäßig  ange- 
fertigt III  90;  Sarkophagreliefs  III  87.  94; 
Hinweise  auf  das  jenseitige  Leben  III  3 10  ff. ; 
obszöne  Vorstellungen  III  302,  i. 

Sarmentus  I  87.  154.  157.  II  7. 

Sarmizcgetusa  III  20  f.  31. 

Satumalien  I  232;  Saturnaliengeschenke  II 
355.  III  47;  Satumalienpoesie  II  244. 

Saturninus  (Pompejus)  II  252.  III  270,  10. 

Satumus-Moloch,  Kinderopfer  III  141. 

Savaria  III  20. 

Scabillum  II  126  f.  170. 

scaeva  in  Gladiatoreninschriften  II  69,  8. 

Scävolas  Geschichte  im  Amphitheater  II  91. 

Scävus  (Scävius?)  Memor  II  229. 

Scarbantia  III  20. 

scartis  II  285,  6.  304. 


36o 


REGISTER 


Scaurus,  Verschwendung  II  267  f.  269.  328.  III 
35;  Schauspiele  II  78.  145. 

Scaurus,  unter  Tiberius  getötet  II  214. 

Schalotte  II  307. 

Scharlach  (Stoff)  II  315. 

Scharlatane,  ärztliche  I  198  f. 

Schatzgräber  im  Colosseum  II  107. 

Schauspiele,  öffentliche  II  l  ff.  378.  III  69;  bei 
Totenfeiern  II  361;  außergewöhnliche  II 
1 4  f . ;  Kosten  I  1 2  7  f. ;  Kleidungsvorschriften 

II  9;  Äußerungen  der  Volkswünsche  im 
Schauspiel  II  5  f. ;  Einfluß  auf  die  Frauen  I 
287  f.;  Gegenstand  des  allgemeinen  Ge- 
sprächs I  260;  in  Alexandrien  I  434;  Zahl 
der  Schauspieltage  in  Rom  II  13;  Schau- 
spieler II  137  ff.,  am  Hofe  I  61  ff",  bei  den 
Frauen  beliebt  I  288  f. ;  Schauspielervereine 
l3S2f. 

Scheinehen  I  278. 

Scheingefechte  im  Zirkus  II  24  f. ;  der  Gladia- 
toren im  Amphitheater  II  73. 
Scheiterhaufen  der  Kaiser  III  51;  Ausstattung 

n  358  ff. 

Schenkungen,  häufig  II  377 ff.;  zwischen  Mann 

und  Frau  I  276. 
Schiffbrüche   I  334 f.;    Schiffbrüchige   I  335. 

III  51. 
Schiffskämpfe  II  92  ff. 
Schilde,  heilige  [ancilia]  III  185. 
Schimtu.  Marmorbrüche  11  344. 
Schlafgott  III  194;  Altar  in  Trözen  III  189. 
Schlafwagen  I  343. 

Schlange,  Verkörperung  des  Genius  11  148. 
Schlangenmarmor  [ophites]  II  333. 
Schleppkleider  II  314. 
Schlesien,  römische  Kaufleute  I  371. 
Schlüpfrigkeit  des  Pantomimus  II  131. 
Schmucksachen  an  Götterbildern  III  194. 
Schmückung  der  Tiere  des  Amphitheaters  II 

85  f. 

Schnabelschuhe  II  314. 

Schneckenzucht  II  294,  i.  304,  5. 

Schnee  zur  Kühlung  von  Getränken  11  277  f. 

Schnelläufer  II  24. 

Schnelligkeit  des  Reisens  zu  Lande  II  331  ff., 
zur  See  II  339  f. 

Schnüren  der  Mädchen  I  265  f. 

Schnupftücher  II  312.  315. 

von  Schönberg,  Meinhard  II  315.  325. 

Schönheitsmittel  I  205. 

Schola  poetarum  I  251.  II  248. 

scholastici,  Juristen  I  187,  il. 

Schreibtische  II  350. 

Schulen  I  1766".;  zu  Alexandria  I  436;  Schul- 
bildung, grammatische  II  190 ff.,  rhetorische 
II  198 ff.,  philosophische  III  272 ff.  283  ff.; 
Abnahme  im  2.  Jahrhundert  II  206 f.;  Schul- 
stiftungen II  377 f.;  Schulbesuch  der  Mäd- 
chen I  268 f.;  Schulgeld  I  177;  Schul witz 
I  177;  Schülerstreiche  I  176 f.;  Schullehrer 
als  Dichter  II  1961. 

Schutzmächte  III  179;  Schutzgottheit  von  Rom 
ni  148. 


Schwarzes  Meer,  Handel  I  373. 

Schweinefleisch,  beliebt  II  291;  für  die  Juden 
verboten  III  213. 

Schweiz,  Äußerungen  der  Römer  über  sie  I  4S0. 

Schwimmen  in  Bajä  I  408,  3. 

Schwimmende  Inseln  bei  Ameria  I  464. 

Scili,  Märtyrer  III  221. 

Scipionenturm  bei  Tarraco  II  364. 

Scirtus,  Wagenlenker  II  26.  27. 

Scorpus,  Wagenlenker  II  26.  27. 

Scott,  Walter,  Glaube  an  Schutzgeister  III 
126,  2. 

scribae  I  154.  216  f. 

C.  Scribonius  Curio,  sein  Amphitheater  II  5,4. 

Scribonius  Largus  I  203.  205.  206. 

Scrinium  memoriae  I  55,  7. 

scripta  res  II  72,  l. 

scrofa  cum  porcis  triginta  III  21,  II. 

Scuppi,  Bartolomeo,  Koch  II  296. 

scuta,  Gladiatoren  11  75,  13. 

Scylla  und  Charybdis  I  463  f. 

Scyllacium  I  403. 

scbaciaria  I  21,  12. 

aeßojuevou  öeöv  uh;i(Jtov  III  216. 

sechsstöckige  Häuser  I  6,  6.  III  12. 

Secundiniergrab  in  Igel  11  363.  III  53. 

Secundus  doctus  (Plinius  ?)  11  242,  4. 

Securitas  III  299. 

Secutores  II  73. 

Seehandel  I  215  f.;  Seereisen  I  334ff.,  der 
Kaufleute  I  365  ff. ;  Seeräuber  I335;  See- 
ufer I  470;  Seebäder  II  376. 

Seehunde,  abgerichtete  II 87 ;  Seebarbe  (»««///mj) 
II  289. 

Seelen,  Existenz  materiell  gedacht  HI  315  f.; 
Seelenwanderung  III  304. 

Segovia.  Wasserleitung  U  374.  III  i. 

Sejan  I  139.  140.  239.  240;  Denkmäler  III  65  f.; 
Schutzgottheit  III  186. 

Seide  II  313.  3l9f.;  Seidenhandel  I  369.  379; 
Seidenstraße  I  369. 

Seikilos  II  162.  164. 

Seiltänzer  II  15. 

Sekretariat,  kaiserliches  [ab  epistulis)  I  55  ff. 

Sekten,  christliche  11  227. 

Selbstmord  III  248;  der  Gladiatoren  II  71. 

Seleucia  am  Calycadnus,  Hallenstraßen  III  16. 

Seleucia  am  Tigris,  Juden  III  202. 

Seleuciden  I  94. 

Seleucus  Nikator  III  202  f. 

Seleucus,  Grammatiker  I  87. 

Selgelll  16. 

Selige  III  302.  3241. 

Senat,  Zulassung  der  Gallier  I  106  f.,  der  Afri- 
kaner 1  108,  der  Griechen  und  Orientalen  I 
108  ff.,  der  Ägypter  Im;  dekretiert  Statuen 
m  73;  Senatorenstand  I  Ii4ff. ;  belastet 
durch  die  Schauspielgebung  II  12  f.;  senato- 
rische Ritter  I  147;  Senatoren  Pairs  der 
Kaiser  I  114;  bei  kaiserlichen  Empfängen 
und  Gastmählern  I  89.  96.  97 f.;  Beteiligung 
an  den  Schauspielen  II  19 f.;  Einkommen  I 
121  ff. 


REGISTER 


361 


Seneca,  der  ältere  II  201  ft'.;  Gegner  der  Philo- 
sophie III  257;  benutzt  in  den  Gesta  Roma- 
norum U  203. 

Seneca,  der  jüngere,  Haupt  der  Modernen  II 
193;  Familie  I  107.  204.  298.  II  240;  Kon- 
sulat III  235,  2;  Reichtum  I  80.  121;  Geld- 
geschäfte I  129;  sein  Nomentanum  II  243,  3; 
Citrustische  II  348;  Studiensklaven  II  367; 
Reisen  I  341;  über  Indien  I  368;  über  den 
Luxus  II  277.  279.  289.  291.  376;  über  die 
Ehe  I  278;  Günner  der  Dichter  II  240;  über 
Gladiatorenspiele  II  96  f.,  und  Athleten  II 
156;  über  bildende  Kunst  III  102;  Pessimis- 
mus III 326;  Unsterblichkeitsglaube  III 308  f.; 
über  die  Juden  III  213  f.;  angebliches  Ver- 
hältnis zum  Apostel  Paulus  III  235  f. 

Senecio  (Sossius)  III  270.  III  319. 

Sentenzensammlungen  in   der  Schule   II  190. 

195,  3- 

Sentius  Augurinus  II  252. 

Septentrio  (Agilius;,  Pantomime  III  70. 

Septimius  Severus,  Kaiser,  Benehmen  gegen 
Freunde  I  80;  Schauspiele  II  90 f.;  in  Ägyp- 
ten I  427.  429.  436;  Zerstörung  von  Byzanz 
ni  17;  Bauten  III  31;  Memphis  und  Laby- 
rinth auf  seiner  Villa  I  428.  II  340;  Dar- 
stellungen seiner  Taten  III  53,  seines  Trau- 
mes III  53;  Statuen  III  60;  Interesse  für 
Philosophie  III  253;  Glaube  an  Träume  III 
167;  begünstigt  die  Juden  III  211  f.;  Stellung 
zu  den  Christen  I  304.  III  221.  233 

Septimius  Severus,  Dichter  II  242.  245,  lo. 
249,  8. 

Septizonium  in  Rom  I  13 ;  in  Lambäsis  III  2 ; 
in  Karthago  III  21,  10. 

Serapio  (Agenarich)  III  145. 

Serer  I  369. 

Seressita  III  9. 

Sergius  Orata  II  304. 

Sergius  Paullus  III  271. 

Serpentin,  lakonischer  II  330.  333. 

Serranus,  Dichter  II  197. 

Servianus  I  68. 

Servilia,  Gemahlin  des  Annius  Pollio  I  309. 

Q.  Servilius  Cäpio  II  268. 

P.  Servilius  RuUus  II  290. 

Servilius  Vatia  II  337. 

Seuchen  in  Rom  I  29  ff. 

Severianus  (P.  Älius  Maximus)  III  164,  i. 

Severus,  Architekt  III  105. 

Severus  (Cn.  Claudius^,  Peripatetiker  III  253. 

Seviri  equitum  Romanorum  I  148. 

Sextier,  Philosophenschule  III  269. 

Sextius  Sulla  III  270,  10. 

Sextus,  kaiserlicher  Studienrat  I  55.  II  241. 

Sicilien,Straßenl326f.;  Reisen I408 f.;  Pferde- 
zucht II 30;  Wagenlenker  II 42;  Juden  111209. 

Sicyon,  Erdbeben  III  29. 

Side  III  15  ;  Nymphäum  II  373. 

Sidon,  Höhe  der  Häuser  III  12. 

Sidonius  Apollinaris,  Naturgefühl  I  470;  Im- 
provisationen II  198;  Statue  in  der  Trajans- 
bibliothek  II  223. 


Sidyma  III  16. 

Siegerstatuen  III  76. 

Sigerus  I  43.  60. 

sigilla  III  42,  I.  47;  Sigillarstraße  III  47. 

Signa  castrensia  III  57,  2. 

Signia  II  376. 

Silberluxus  II347.  35iff.;  Silbergeschirr,  Ge- 
wichtsangaben II  355;  zu  Geschenken  ver- 
wendet II  355;  Sammlungen  I  109 f.  iiif. ; 
Stammbäume  III  112  f.;  Silberschüsseln  II 
354;  Silberstoffe  II  313;  Silberbleche  als 
Wandbekleidung  II  334;  silberne  Götter- 
bilder III  193;  Silbergruben  von  Neukarthago 
II  351;  Silberfunde  II  356.  III  97. 

Silchester  III  18,  8. 

Silius  Italiens,  Dichter  II  231.  251.  254;  Philo- 
soph III  268,  10;  Gönner  Martials  11  241. 
252;  Villen  und  Statuen  III  39.  109,  5. 

Silius  Proculus  II  252,  3. 

Sillyon  III  16;  Stiftungen  II  379. 

Silvanus  III  176  f.  179.  180. 

St.  Silvester  (Silvanus)  III  241. 

Simeon,  Bischof  von  Metz  III  210,  13. 

Simon  Makkabäus  III  206. 

Singidunum  III  20. 

Singschulen  in  Rom  III  181;  Singen  und  Sagen 
II  162 f.;  Umfang  der  Singstimme  II  164; 
Singen  der  Mädchen  I  269  f. 

Singvögel,  gebraten  II  275  f. 

Sinnlicher  Reiz  des  Pantomimus  U  130  f. 

Sinope,  Aquädukt  III  23. 

Sipylus,  Göttermutter  III  195. 

Sirmio,  Villa  Catulls  I  469  f. 

Sirmium  III  23. 

Siscia  III  20. 

Sisebut  III  210. 

Sitifi  III  10;  Juden  III  206. 

Sittenverfall,  angeblicher,  der  Kaiserzeit  III 
296  f. 

Sittlichkeit,  heidnische  und  christliche  11  246. 

Sitzen  der  Frauen  bei  Tisch  I  291;  Sitzplätze 
im  Zirkus  II  22,  im  Theater  II  112,  im  Am- 
phitheater II  98. 

Skeptizismus  gegenüber  der  Existenz  der  Göt- 
ter III  120. 

Sklaven,  Menge  I  68;  der  Kaiser  I  67  ff. ;  Zwei- 
namigkeitl  65,  i.  10.  67,  9.  103;  geschwätzig 
und  verräterisch  I  259;  von  Frauen  mißhan- 
delt I  285  f. ;  als  Liebhaber  I  285 ;  als  Sekre- 
täre 11367;  als  Handwerker  1 161;  als  Wagen- 
lenker II  25;  als  Gladiatoren  II  56  ff. ;  als 
Schauspieler  II  138;  beteiligt  an  den  Zirkus- 
parteien II  34;  als  Musiker  II  173;  als  bil- 
dende Künstler  III  99 f.;  Kunstliebhaberei 
der  Sklaven  III  113;  Sklavenluxus  II  366 ff.; 
Beurteilung  der  Sklaverei  durch  die  Philo- 
sophie III  295  f. 

Smaragd  11  322. 

Smyrna  I  4i9f.  III  14.  25  f.;  Studiensitz  I  381; 
Erdbeben  III  29.  32;  Wasserleitimgen  II 
373;  Nemesis  III  195;  Juden  III  203. 

Sokrates,  Zweifel  an  der  Unsterblichkeit  III 
307-  324. 


302 


REGISTER 


Sol,  Mithras,  Elagabal  III  141. 

Soldaten  I  21 7  ff.;  als  Klienten  I  231;  als  Spione 

I  257  ft";  in  den  Provinzen  I  360  f. 
Solfatara  bei  Tivoli  III  178. 
Solfeggieren  II  17S. 
Sommeraufenthalte  in  Italien  I  397  ff. 
Sommerringe  II  314. 
Sommersonnenwende  in  Syene  und  Elephan- 

tine  I  443. 
Sonnenhüte  und  Sonnenschirme  im  Schauspiel 

II  9. 
Sonnenläufer  III  146. 

Sophistik,  griechische,   sog.  zweite  II  255  ff. ; 

ihr  Einfluß  auf  die  römische  Literatur  II  220. 

255  ff  ;  Sophisten  im  Amte  ab  epistiilis  grae- 

cis  I  5 7 f.;   Reisen  I  382;   Bauten  III  2 5  f.; 

Statuen  III  72;  ärztliche  Sophisten  I  194. 
Sophokles,  heroische  Ehren  lU  149. 
Sopolis,  Porträtmaler  III  55. 
Soracte,  Feronia  III  186. 
Soranus  (Barea)  III  262.  280.  281,  7. 
Sorrent  I  402. 

Sortimentsbuchhandlungen  II  221. 
Sosia  Falconilla  III  71. 
Sossius  Senecio  III  270.  319. 
Spalato  III  17. 
Spangen,  silberne  II  356. 
Spanien,  Städte  III  2.  8;    Straßen  I  327.  464; 

Reisen  I  395;   Bierland  II  311;   Rennpferde 

II  30.  41  f. ;  Juden  III  210;  Luxus  im  neueren 

Spanien  II  280.  352 ;  Spanier  im  Senat  I  106. 

107 f.;  spanische  Gottheiten  III  144. 
Spargel  II  309. 
Sparsus,  Palast  II  332. 
Sparta,  Artemis  Orthia  III  188. 
Spaziergänge,  öffentliche,   in  Rom  I  8.  Iif. ; 

Erscheinen  der  Frauen  I  291. 
Speculatores  I  328,  6. 
Speisekarte  II  287,  4. 
Spelaea  im  Mithrasdienst  III  146. 
Spestempel  zu  Ostia  III  192. 
Spezia,  Sommeraufenthalt  I  398. 
Spezialärzte  I  192  f. 
Sphärus,  Freigelassener  I  40. 
Spiegel  der  Diana  I  405. 
Spiegelglas  II  334. 
Spiele,    Kosten    I    127  f.;    Spieltage    II    13  f.; 

Spielstiftungen  II  li,  4. 
Spieler  I  253  f. 

Spielzeug  der  Mädchen  I  266. 
Spießrutenlaufen  der  Gladiatoren  II  73. 
Spinnen  und  Weben  der  Frauen  I  267  f. 
Spione  I  256  ff. 
Spitzen  II  31 7  f. 
splendidjis  I  154.  156. 
Spoliarium  II  65,  8. 
Sportula  der  Klienten  I  224. 
Spottreden  im  Schauspiel  II  7;   Spottlust  der 

Alexandriner  I  433  f.;  Spottkruzifix  vom  Pa- 

latin  I  63  f. 
Sprache,  lateinische,  schnelle  Verbreitung  in 

den  Provinzen  II  209;  Verfall  II  207. 


Springbrunnen  II  330.  332.  33S;  im  Amphi- 
theater II  99. 

Spucknäpfe,  silberne  II  354. 

Spukerscheinungen  lU  318  ff. 

Squillace  I  403. 

Ssi-ngan-fu  I  369. 

Staatspost  I  328 ff.;  Staatsrat  I  73 f. 

Stabiä,  Milchkur  I  387. 

Stadium  II  145  ff. 

Stadtbezirke  III  71;  Stadtbeschreibung  Roms  I 
lof.  III  82;  Stadtärzte  I  190.  191;  Stadt- 
gespräche I  254 ff.;  Stadtpräfekten  I  132. 

Städte,  Menge  im  römischen  Reiche  III  2  ff. ; 
dürfen  Legate  erhalten  III  24. 

Stallungen  der  Zirkusparteien  II  33  f. 

Stammbäume  der  Adelsfamilien  I  Il8ff. ;  der 
Rennpferde  II  31,  8;  des  Silbergeschirrs  III 
112  f. 

Standesunterschiede  I  103  ff. 

stans  missus  II  75,  3. 

Statilia  Messalina  I  295  f.  298,  l. 

Statinalll  180. 

Stationen   der  Juristen  I  186;   der  cubicularii 

I  59,  4;  der  Staatspost  I  328 f.;  Stationen- 
verzeichnisse I  320,  5.  327;  Stationennamen 
I346. 

Statins,  der  ältere,  Vater  des  Dichters,  Lehrer 

II  191;  Dichter  II  197. 

Statins,  Dichter,  Beliebtheit  II  192.  194;  Ge- 
legenheitsdichtung II  244 ff.;  Lobpreisung 
Domitians  II  234;  schreibt  Pantomimentexte 
II  125.  232 f.;  Schilderungen  von  Prunk- 
villen II  338 f.;   seine  Gönner  und  Freunde 

II  2421.;  Verhältnis  zu  Martial  II  2471.;  be- 
richtigt Martial  II  333,  6;  Chronologie  seiner 
Dichtungen  II  247,  i;  erhält  den  Preis  bei 
den  Augustalien  in  Neapel  II  228,  und  im 
albanischen  Wettkampf  II  230,  unterliegt  im 
kapitolinischen  Agon  II  229. 

Statins  Sebosus  I  390. 

Statthalter,  Erpressungen  I  130  ff. ;  ihre  Frauen 
1 132.  294;  Statuen  III  66 f.;  ritterliche  Statt- 
halter I  149,  7. 

Statuen   (s.  auch  Ehrenstatuen) ,  wundertätige 

III  174;  von  Verstorbenen  als  Göttern  II  363. 
III  78;  Preise  III  38.  100;  eingesetzte  Augen 
III  99;  zu  Anschlägen  benutzt  I  255;  Sta- 
tuenverzeichnisse von  Rom  III  82;  Statuen- 
steuer III  62. 

Steilheit  der  Alpenstraßen  I  323. 

Steinbauten  im  Haurän  III  12  f. 

Steinbrüche   in  Pannonien  III  45.  88 f.;   von 

Naxos  III  88,   Megara  III  88,   Luna  II  329. 

III  88,  Numidien  II  333.  334. 
Steinerne  Turm  I  369. 
Steinhauer  [quadratarii]  III  89. 
Steinomamentik  III  45. 
Stellenhandel  I  142. 
Stempel  der  Augenärzte  I  206;   für  Tonwaren 

III  97. 
Stenographen  II  367. 

Stephanio,  Pantomime  II  125,  8.  137.  289. 
Stephanus,  Wunderheilungen  III  224. 


REGISTER 


363 


Sterbestatistik  I  30,  5 ;  Sterbekassenvereine  I 
167  ff. 

Q.  Stertinius  I  71. 

Stertinius  Avitus  II  242.  254. 

C.  Stertinius  Xenophon  I  71  f.  195.  III  25. 

Steuern  der  römischen  Provinzen  II  266.  267; 
jüdische  Steuerpächter  in  Ägypten  III  205. 

Stickerei  I  267;  an  Kleidern  II  317. 

Stiefmütter  in  der  Rhetorenschule  II  203. 

Stiere  im  Amphitheater  II  85.  86.  88  f.;  Stier- 
hetzen und  Stierkämpfe  II  88  f.,   spanische 

II  63  f.  77.  89,3.  99  f. 

Stiftungen,  gemeinnützige  II  377  ff.  III  69;  re- 
ligiöse III  192  ff. 

Stock  des  Peregrinus  Proteus  II  348.  III  112. 

Stockwerke,  Zahl  I  6,  6.  III  12. 

Stoizismus,  Verbreitung  bei  den  Römern  III 
269;  Theologie  (Dämonenlehre)  III 123.  126; 
Glaube  an  vorbedeutende  Träume  III  166; 
Glaube  an  die  Fortdauer  nach  dem  Tode  III 
302  f.  308  f. ;  politische  Opposition  I II  25 1  f. ; 
Mißliebigkeit  III  251  f.  255;  Stoiker  über 
Frauenerziehung  I  298. 

Stola,  stolata  feinina  I  281. 

Strabo,  Reisen  I  395;  über  Moses  UI  214. 

Strabo  (Ämilianus)  III  67.  76. 

Strafrechtliche  Privilegien  I  113. 

Strandgegenden  I  471;  Strandrecht  I  334  f. 

Straßburg  III  3. 

Straßennach  Gewerben  benannt  1 163;  Straßen- 
breit^  I  6.  3i9f-;  Straßenpflasterung  I  i. 
320,  und  Straßenbeleuchtung  II  279,  3.  III 
10;  Straßenbaukosten  I  319;  Straßennetz  I 
318  ff 

Strato,   gibt  den  Unsterblichkeitsglauben   auf 

m  302  f. 

Stratocles,  Schauspieler  11  120. 

Stratonicea  III  14;  Erdbeben  III  29;  Zeus  Pan- 

amaros  und  Hekate  III  173. 
Strauße  II  78;  rotgefärbte  II  86. 
Strenae  I  90. 
Stuckarbeiten  III  42 ;  Stuckmalerei  in  Pompeji 

III  43  f. 

Studierende  in  Rom  I  16,  i;  Studiensitze  I 
380 f.;  Studienreisen  I  379  ff. ;  Sludiensklaven 
II  367. 

a  studiis  I  54,  8.  55. 

Studiosi  iuris  I  185,  10.  188,  lO. 

Studius,  Maler  III  46.  104. 

Stupid!  im  Mimus  II  114. 

Stymphalus,  Aquädukt  III  31. 

Suasorien  II  200. 

subaediani  III  80,  I . 

Subalternbeamte  I  2 16  ff. ;  Statuen  III  67. 

Subiaco  I  404. 

Subskriptionen,  kaiserliche  I  54. 

Substruktionen  der  Amphitheater  II  90. 

Subura  I  164. 

Suchos,  Krokodil  zu  Arsinoe  I  443. 

Süßkirsche  II  306. 

Sueton,  kaiserlicher  Sekretär  I  57;  besucht  hi- 
storisch merkwürdige  Orte  I456;  Glaube  an 


Träume  III  127.  167;  Wunderglaube  III  158; 
Gespensterglaube  III  320. 

Suetonius  Paulinus  I  391  f. 

Sufetula  III  9. 

M.  Suillius  Nerullinus  III  174,  3. 

Sulevien  III  143. 

Sulis  (dea)  Minerva  III  143. 

Sulla,  gibt  Athletenkämpfe  II  145;  Sänger  II 
182;  Standbilder  von  Caracalla  errichtet  III 
78;  Aberglaube  III  120;  von  Würmern  auf- 
gefressen III  131. 

Sulpicia,  Dichterin  I  297.  II  255. 

Q.  Sulpicius  Maximus  II  198.  229. 

Sulpicius  Slmilis  I  151  f.  222. 

Sumelocenna  III  19. 

Superstition  III  137  f. 

siippositicius  II  75,  4. 

Sura  (Palfurius)  II  6.  147.  III  262. 

siispiriuni  puellarum  II  62. 

Sutrium,  Kult  der  Hostia  III  187. 

Syene  I  443;  Juden  III  204. 

aujußiuüTai  der  Kaiser  I  85;  Philosophen  HI 
283. 

Symmachus,  Schauspiele  II  11.  4off. ;  Gladia- 
toren II  71;  Äußerungen  über  Gladiatoren 
II  96;   Paläste  in  Rom  II  41;  Villen  I  122. 

395- 

Sympathetische  Mittel  I  208  f. 

Symphonie,  symphoniaci  II  170. 

Symphorus  I  68. 

Synagogen  auswärtiger  Juden  in  Jerusalem  III 
203.  205.  207;  in  Rom  III  207;  Synagogen- 
vorsteher III  206  f.  208  f. ;  Synagogenvater, 
Synagogenmutter  III  207.  209. 

Synnadischer  Marmor  II  333. 

Synodi,  athletische  II  155  f.;  theatralische  I 
382  f. 

öuvoöiai  (Karawanen)  1 3 72;  auvoöidpxai  durch 
Statuen  geehrt  III  75. 

Synthesis,  Wechsel  II  315. 

Syrakus  III  5 ;  Reisen  dahin  I  408  f. ;  Verres- 
statuen  III  66;  Juden  III  209,  12. 

Syrien,  reiche  Besiedelung  III  11;  Reise  dahin 
I  338;  Leinwandexport  II  312;  Handel  mit 
China  II  321;  syrische  Kaufleute  l375f.; 
Charakter  der  Syrer  I  38;  zahlreich  in  Rom 
I  233;  Syria  dea  III  145. 

Syringen  (Königsgräber)  in  Ägypten  I  441  f. 

Syringenstrauch  II  345. 

Syius,  Statue  Hadrians  III  62. 

System  der  griechischen  Tonarten  II  164. 

Szenerie  im  Amphitheater  II  90;  szenische 
Pracht  in  der  Tragödie  11  121. 


T. 

Tabak,  Ausgaben  dafür  in  Deutschland  II  310. 
Tabernen  I  9.  163;   am  großen  Zirkus  II  23; 

erleuchtet  I  166;  an  den  Landstraßen  I346; 

Tabernenschilder  I  164.  347. 
Tacitus,  Kaiser,  Tafelgerichte  II  286;  Tempel 

der  vergötterten  Kaiser  III  60. 


364 


REGISTER 


Tacitus,  Geschichtschreiber,  Standesgefübl  I 
112;  über  den  Luxus  II  281;  über  die  Gla- 
diatoren II  96;  Stellung  zur  Kunst  III  115; 
religiöser  Standpunkt  III  121.  127.  307;  über 
die  Wunder  Vespasians  III  154;  Prodigien- 
glaube  III  1 58 ;  Judenhaß  III  2 1 2  f. ;  über  die 
Christen  III  219. 

Täfelung  der  Decken  aus  Elfenbein  II  335. 

Tänarum,  Marmor  II  330   s.  lakonischer  Stein  . 

Tändeleien,  poetische  II  250 f. 

Tafel,  kaiserliche  I  97  ff. ;  Tafelgeschirr,  kaiser- 
liches I  100;  Tafelluxus  U  282  ff.;  Tafel- 
musik I  253.  II  173  f. 

Tagelöhne  der  Kunsthandwerker  III  44.  loo. 

Tagesanzeiger  I  254 f.;  Tagesberichte  aus 
Alexandria  I  15. 

Taillerant  II  295.  297. 

Takttreten  II  170. 

Talmis,  Gott  von  Mandulis  III  178. 

Tanais,  Kultverein  III  216. 

Tanit  von  Karthago  III  141. 

Tanz  der  Pantomimen  II  127  ff.;  von  Dilettan- 
ten II  136 f.;  der  Mädchen  I  269 f.;  Tanz- 
schulen II  181;  Tanzlehrer  II  136;  Tanz- 
musik II  171  f. 

Tapeten,  Goldleder  II  349. 

Tarent,  Winteraufenthalt  I  39S;  Juden  III  209. 

Tarquinii,  Thermen  III  27. 

Tarraco  III  8;  Augustustempel  III  31;  Aquä- 
dukt II  374;  Turm  der  Scipionen  11  364; 
Statuen  III  60.  62,  3. 

Tarsatica  (Fiume)  III  5. 

Tarsus,  Studiensitz  I  381;  Juden  III  203. 

Taschendiebe  I  20,  13. 

Taschentücher,  leinene  II  312. 

Ta-tsin  (Syrien)  I  369  f.  II  321. 

Taubenhäuser  I  427.  II  364. 

Taufe  der  Mithrasgläubigen  III  146. 

TaupoKa9av|;ia  II  88,  11.  15. 

Taurus  [Calvisius;,  Philosoph  III  270.  27 7 f. 
285.^ 

Technitenverbände  I  383  f. 

tcctorium  III  43.  3. 

Tempel,  reichste  in  Italien  III  192;  von  Rei- 
senden besucht  I  445 ;  Ansiedelungen  von 
Künstlern  bei  Tempeln  III  80;  Tempel  für 
Prokonsuln  in  den  Provinzen  HI  60;  bei 
Gräbern  II  362.  363;  Orte  der  Ver- 
führung I  301  f.;  Malerei  an  Tempeln  III 
79;  Tempelstiftungen  III  192  f.;  Zuwen- 
dungen für  Tempeldiener  III  195;  Tempel- 
schätze III  194 f.;  Tempelschlaf  III  132. 
1 69  ff. ;  Tempelsteuer  nach  Jerusalem  III  203. 
211.  214. 

Tempetal  I  463. 469 ;  auf  Hadrians  Villa  II  340. 

Teppiche,    attalische  II  360;   babylonische  II 

347- 
Terentius  Priscus  II  243.  III  270. 
Tergeste  (Triest)  III  5. 
Termessus    in   Pisidien    III    15;     Standbilder 

m  68. 
Terpnus   (Flavius),   Kitharöde   II  170,  4.  178. 

186. 


Terracina  I  399  f.;  Feronia  III  186;  Juden  III 
209. 

ttrtiarius  II  75,  4. 

Tesserä  bei  Schauspielen  ausgeworfen  11  17; 
sog.  tesserae  gladiatoriae  II  59.  8. 

Testaccio,  Monte  I  14,  8. 

Testamente,  durch  Juristen  abgefaßt  I  18S; 
Untersiegelungl  242  f. ;  gemeinnützige  Testa- 
menten 377;  zur  Ausführung  von  Bauten  III 
24  f.,  und  Errichtung  von  Statuen  III 3S;  Testa- 
ment von  Langres  II  363.  HI  77.  316;  testa- 
inentiim  porcelli  I  177' 

Tetrastylum  II  340. 

Teuerungen  in  Rom  I  26  ff. 

Teurnia  III  20. 

Textbücher  der  Pantomimen  II  124  ff. 

Thagaste  III  9.  25. 

Thalamus,  Barbier  I  68. 

Thallus,  Freigelassener  I  40. 

Thamugadi  III  9. 

Thantia  iThainata)  III  12,  9. 

Thaäus,  Kult  des  Theagenes  III  174;  thasi- 
scher  Marmor  II  333.  III  88  f. 

Theagenes,  Olympiasieger  III  149,  5.  174. 

Theagenes,  Kyniker  III  270. 

Gect.uata  ctttci  I  442,  2. 

Theater  II  112  ff.;  zu  Vorlesungen  benützt  II 
227,6;  Theatermusik  Et  170. 174;  theatricum 
certamen  II  230,  8. 

Theben  in  Ägypten  I  439. 

Theben  in  Böotien  I  410.  III  62. 

Themen  der  Rhetorenschulen  II  igiff.;  der 
griechischen  Sophisten  II  257. 

Theocritus,  Tänzer  I  62.  II  142. 

Theoderich,  Sorge  für  die  Schauspiele  1140; 
erlaubt  die  Herstellung  von  Synagogen  III 
209. 

Theodorus  von  Gadara  I  70. 

Theodosius  d.  Gr.,  Ähnlichkeit  mit  Trajan  III 
54;  Heidenverfolgung  III  237 f. 

Theodosius  II.,  Stellung  zu  den  Juden  III  204. 

Theokrasie  III  I34ff.  189. 

Theophanes  von  Mytilene  III  149. 

Theophila,  Dichterin  I  297.  299. 

Theophilus,  Patriarch  III  145. 

Theopomp  von  Knidos  I  86,  9. 

Theorus,  Pantomime  II  124.  133,  i.  9. 

Thera,  Mithrasdienst  III  189. 

Theriak  I  34.  198.  204.  205. 

Thermen  in  Rom  I  16.  II  336.  III  32. 

Thermopylä.  Schwefelbäder  III  26. 

thesaurus.  Opferkasten  III  191. 

Thespiä,  Eros  I  458.  III  180;  Mithrasdienst 
III  189. 

Thessaliens,  Freigelassener  I  41. 

Thessalische  Stierkämpfe  II  88;  Pferdezucht 
II  30. 

Thessalonice  III  17;  Juden  III  204. 

Thessalus,  Arzt  I  192,  208. 

Theveste  III  9. 

öi'affoi  in  Alexandrien  I  434. 

Thibursicum  Bure  III  9. 

Thignica  lU  9. 


REGISTER 


365 


Thracien,  Städte  III  1 7 ;  Thraker  (Gladiatoren) 
II  73;  thracische  Gottheiten  III  142  f. 

Thrasea  (Pätus)  II  183.  III  251.  281. 

Thrasyllus,  Astrolog  I  73.  87. 

Thronfolger,  Statuen  III  65. 

Thubursicum  III  9. 

Thugga  III  9. 

Thusnelda,  Statue  III  94. 

Thyatira,  Erdbeben  III  29. 

Thyesteische  Mahlzeiten  der  Christen  III  218  f. 

Thysdrus,  Wasserleitung  II  373;  Bildhauer- 
werkstätten III  91. 

Tiberias  III  27. 

Tiberius,  Kaiser,  Freigelassene  I  40;  Verhalten 
gegen  seine  Freunde  und  Gesellschafter  I 
78.  79.  82.  86;  gegen  die  Sklaven  I  69;  bei 
den  Schauspieleu  II  3.  4.  20;  Gastmähler  I 
98.  100;  Einschreiten  gegen  Erpressungen 
der  Statthalter  I  131,  gegen  Schauspieler  II 
117;  Aufenthalt  in  Rhodus  I  416;  Reise 
nach  Deutschland  I  332;    Sieg  in  Olympia 

II  159;  Villen  I  402;  Denkmal  in  Puteoli 
(puteolanische  Basis)  III  29;  Statuen  III  57. 
65;  Gesichtsausschlag  I  93 f.;  Gedichte  II 
215 f.;  belohnt  Dichter  II  236;  gegen  die 
ägyptischen  Kulte  III  137,  und  die  private 
Befragung  der  Haruspizes  III 1 59 ;  der  Astro- 
logie ergeben  ni  161;  befragt  Orakel  III  162. 

Tiberüberschwemmungen  I  25!.;  Tiberinus- 
tempel  zu. Ostia  III  192;  Villen  am  Tiber  I 

471. 
Tibur  (Tivoli)  1 404.  470  f. ;  Herculestempel  III 
5.  192;  Villa  Hadrians  I  404.  428.  II  340. 

III  31.  40;  sog.  Villa  der  Pisonen  III  40. 
Ticinum  III  5. 

Tiere,  ihre  Klugheit  und  Frömmigkeit  III  131; 
Tierzähmung  II  86 f.;  Tierbändiger  II  86; 
Tiergärten  in  Rom  II  83  f.,  der  persischen 
Könige  II  82;  Tierhetzen  II  77  ff.,  im  Zirkus 
II  25,  ihr  Fortbestehen  II  loi;  Tierkämpfer 
[bestiarii,  venatores)  II  77;  Tiere  dem  Volke 
preisgegeben  II  17;  Tierbilder  auf  Wirts- 
hausschildern I  346;  komische  Tierszenen 
auf  Bildern  III  44;  Tierverehrung  in  Ägyp- 
ten I  435.  442  f. 

Tifernum  Tiberinum  III  27. 

Tigellius,  Sänger  I  86.  II  177.  179.  180.  367. 

Tigellius  Hermogenes  11  183. 

Tiger  II  78.  82. 

Tigris,  Absturz  I  464. 

Tilliboras  I  352.  354. 

Timagenes  I  86. 

Timoleon,  heroisiert  III  149. 

Timosthenes  II  168,  3. 

Timotheus,  Kitharöde  II  168. 

Timoxena,  Gattin  Plutarchs  III  309. 

Tiridates  III  321. 

tirones  II  70. 

Tischgespräche  I  254  ff.  261  ff. 

Titane,  Asklepiostempel  III  188  f. 

Titedius  Labeo,  Maler  III  108. 

Tithorea  III  18. 

Titinius  Capito  I  57.  II  254. 


Titius  Aristo  III  250. 

Titulatur  der  kaiserlichen  Freunde  I  76 f.; 
Titulaiwürden  I  1381.  140. 

Titus,  Kaiser,  Gefährte  des  Britanniens  I  84 ; 
Freunde  I  82;  in  Ägypten  I  429.  443;  in 
Cypern  I  421;  Schauspiele  II  17.  81.  92; 
Naumachie  II  92;  Thermen  II  336;  Statuen 
III  67;  jüdischer  Triumph  III  50;  Gedichte 

II  218;  Musikkenntnis  II  182;  Orakelbefra- 
gung III  162. 

Tivoli  s.  Tibur. 

Tönen  des  Memnonbildes  I  439  f. 

Toga  I  20.  II  371;  am  Hofe  I  93.  loi  f.;  der 
Klienten  I  226 f.;  der  Advokaten  I  181  f.; 
im  Schauspiel  II  9;  Toga  virilis  I  241. 

Togata  II  119. 

Toleranzedikte  Constantins  III  237. 

Tolosa  III  6;  Tempelschatz  II  268. 

Tonsystem,  griechisches  II  164. 

Tonwaren  I  378,  III  43.  97;  Tonornamente  III 
43;  Tonlampen  III  47. 

Topiarii  I  474,  15. 

'Topographisches  Bruchstück'  I  5,  6. 

Toreutik  II  351.  III  liif. 

Totenbestattung,  Luxus  II  356 ff.;  Totenlisten 
in  Rom  1 30;  Totenfährmann  III  314;  Toten- 
beschwörung III  320 f. 

Totilas  Zirkusspiele  II  40. 

Tour,  große,  der  Römer  I  396. 

Toxaris  III  173. 

Trabea  I  loi,  10.  155. 

Tracht  der  Frauen  I  292. 

Tradition  in  der  antiken  Kunst  II  130.  III  92  f. 

Träume,  bildlich  dargestellt  III  53.  167 ;  Glaube 
an  vorbedeutende  Träume  UI  166  ff. ;  Traum- 
deutung III  16S;  Aushängeschild  eines 
Traumdeuters  III  169,  2;  Stiftungen  auf 
Grund  von  Traumgesichten  III  172.  192; 
Traumorakel  III  163.  166;  Traumbücher  HI 
168  f;  Traumheilungen  III  169  ff. 

Tragödie  II  120 ff.;  Tragöden  II  121  f.  175. 

Tragsessel  der  Frauen  I  280  f.  291;  der  Sena- 
toren I  144. 

Trajan,  Kaiser,  Freigelassene  I  43 ;  Freunde  I 
75.  79.  80;  Empfänge  und  Mahlzeiten  I  92. 
95.  961.  99;  Schauspiele  II  3.  5.  52.  81;  Aus- 
bau des  Zirkus  II  22;  Besuch  von  Babylon  I 
454;  Bauten  III  5.  22  f.  30;  Thermen  I  15,7; 
Forum  I  10.  III  36.  74.  78;  Donaubrücke  III 
30;  Glaube  III  128;  Freund  der  Philosophie 

III  252;  Stellung  zu  den  Christen  III  2191.; 
Ähnlichkeit  mit  Theodosius  d.  Gr.  III  54; 
Erinnerungen  an  Trajan  l455i  Trajansweg 
I326. 

Tralles,  Erdbeben  III  29. 

Transport  wilder  Tiere  II  85  ;  Transportschiffe 

für  Steinlasten  I  424. 
Trapezophor  III  47. 
Trapezunt  III  15. 
Trastevere,  orientalische  Fremdkulte  III  146; 

Juden  III  206  f. 
Travertin  II  327. 


;66 


REGISTER 


Trennung  von  Vortrag  und  Aktion  auf  der 
Bühne  11  122. 

Tres  Tabernae  I  346. 

Tribonian,  Heidentum  III  238,  6. 

Tribunal  der  Legion  I  148  f. 

Trier  III  7;  Wasserleitung  II  375;  Kapitol  III 
79;  Wandgemälde  des  Zoilus  III  45. 

trigariiim  II  30,  4. 

Trigonon  II  1 70. 

Trimalchio,  Lebenslauf  I  234;  Testament  und 
Grabmal  I  216.  11  362.  III  52.  77!.;  Luxus 
II  276;  Kunstbesitz  III  52.  112.  113;  musi- 
kalische Neigungen  II  174.  184;  Gedichte  IE 
255;  Genienglaube  III  148. 

Trinkgläser,  kostbare  II  347. 

Triumphalstatuen  III  74;  Triumphbögen  III 
35  f. ;  Bilder  für  Triumphzüge  III  49  f. 

Troesmis  III  3.  20. 

Trözen,  Kulte  III  189. 

Troglodyten  I  372.  392  f. 

Troja,  Ebene  I  41 7 f.;  Reliquien  aus  dem  tro- 
janischen Kriege  l45of.;  troische  Abstam- 
mung der  Römer  I417;  troische  Geschlech- 
ter I  119;  Trojaspiel  II  25;  Troja  bei  Lau- 
rentum  I  455. 

Troitza,  Kloster  II  323. 

Trompete  s.  Tuba. 

Tropenländer  wenig  besucht  I  487;  tropische 
Gewächse  I  487  f. 

Trostgedichte  U  244  f. 

Trottoirs  II  371. 

Trüffeln  II  310. 

Truppenaushebungen  I  360  f. 

Tuba(Trompete)Ii65. 167. 171;  von  Dilettanten 
geblasen  II  185;  hibicen  in  Agonen  II 165.  2. 

Uibur  II  307,  7. 

Tullia,  Ciceros  Tochter  III  149. 

TuUius  Marcellinus  III  281. 

Tulpe  II  345 ;  Tulpenbaum  II  346. 

Tumulte  im  Theater  II  143 f.;   in  Alexandrien 

l434f- 
tunica  mohsta  II  91. 
Turia,  Lobrede  I  267.  284.  311  f. 
Turicum  III  8 ;  römische  Villa  II  334. 
Türmen  der  Ritter  I  147. 
Turnus,  Satirendichter  II  229.  249,  8. 
Turobriga  III  143.  179. 
Turpilier,  Kult  der  Feronia  III  186. 
Turpilius,  Maler  III  104. 
C.  Turranius  I  151. 
Tusculum,  Villen  I  397.  404. 
Tyche,  in  Arabien  und  Syrien  III  17I)  4- 
Tyrannen  in  der  Rhetorenschule  II  201  f. 
Tyrus  III  12;   Höhe  der  Häuser  I  6;   tyrische 

Wolle  II  3 1 5 ;  lyrischer  Purpur  II  3 1 5  f. 

u. 

übernachten  in  Zelten  I  343. 
Überproduktion  in  der  Poesie  II  249. 
Überschwemmungen  in  Rom  I  25  f- 
Übertritt  zum  Judentum  III  21 5;  zum  Christen- 
tum III  234  f. 


üferlandschaften  I  469  ff. 

Uhrensklaven  II  367. 

Umarbeitung  und  Umbenennung  von  Statuen 
III  58.  59.  64!.;  Umbildung  älterer  Kunst- 
werke III  94  f. 

Umfang  der  Singstimme  II  164. 

Ummidia  Quadratilla  II  131.  III  27. 

Unanständige  Erwerbsarten  I  165.  171. 

Ungarwein  II  312. 

Ungezieferplage  in  Wirtshäusern  I  348. 

Unglaube  III  118  ff. 

Ungnade  der  Kaiser  I  82  f. 

Unicus,  Dichter  II  252. 

Unisone  Melodie  II  164. 

Universalität  der  bildenden  Künste  III  41. 

univiriae  I  312,  4. 

Unsicherheit  in  Rom  I  21  f.;  der  Landstraßen  I 
3  50  ff. 

Unsittlichkeit  der  Frauen  I  281  ff. ;  der  Panto- 
mimen II 130  ff. 

Unsterblichkeitsglaube  III  298 ff.  3126" 

Unterhaltungen  bei  Gastmählern  I  252  ff.  259 ff. 

Unterkunftshäuser  I  329.  346. 

Unternehmer  im  Kunstbetrieb  III  98  f. 

Unterricht,  seine  Ziele  II  189  ff. ;  privater  und 
öffentlicher  I  173  ff.;  philosophischer  III 
272  ff.  283  ff. ;  Mädchenunterricht  I  268  f. 
298;  Malunterricht  III  108. 

Unterstützung  armer  Senatoren  I  133  ff. 

Unterweltsvorstellungen  III  3 13  ff.;  Unterwelt 
in  Hadrians  Villa  II  340. 

ürbanitas  I  262. 

iirbs  Sacra  I  3 1 ,  1 1 . 

Urkunden,  Unterzeichnung  I  242  f. 

Urnen  II  359.  III  48. 

ursarii  II  84,  12. 

Uthina  III  9.  33. 

Utica  III  9. 

utricularias  II  169,  9. 

V. 

Vaballath  (Athenodorus)  III  202. 

Vacuna,  Göttin  III  186. 

vadefelix  II  32,  4. 

Vagdavercustis,  Göttin  III  142. 

Vagodonnägus,  Gott  III  144. 

Vala  (Numonius)  I  442. 

Valentia,  Göttin  III  187. 

Valentinian,  Kaiser,  Dilettant  in  Malerei  und 

Plastik  III  108;  Privilegien  für  Maler  III  44. 
Valerian,  Rescript  gegen  die  Christen  III  233. 
Valerius  Asiaticus  I  106. 
Valerius  Cato  II  197. 
C.  Valerius  Proculus  I  1501. 
L.  Valerius  Pudens  II  198.  229. 
Vandalen  in  Karthago  I  471.  III  33. 
L.  Varius,  Thyestes  II 235  ;  Epikureer  III  270,  i. 
Varro,  Mimendichter  und  Lyriker  II  249. 
Varro  (M.  Terentius),  über  den  Luxus  II  277; 

über    ausländische  Nahrungsmittel    II  283. 

304;   über  Musik  II  182;   Enzyklopädie  III 

107 f.;  Imagines  III  55.  107  f. 


REGISTER 


3^7 


Varus  aus  Perge,  Sophist  56. 

Vasio  (Vaison)  III  6. 

Vatel,  Koch  II  297. 

Vatinius  I  88. 

Vedius  Pollio  I  52.  104.  156.  401.  II  330. 

Veilchenpurpur  II  316. 

Velarium  im  Colosseum  II  99;  velarii  I  92,  8. 

Velia  I  396. 

Velleja  III  172. 

Venationen  11  77  ff.  loi;  venatores  II  77,  8. 

Venedig,  Luxus  II  281.  295.  323;   Paläste  II 

340-  349- 

venetiani  II  35,  9.  10. 

Venta  Silurum  (Caerwent)  III  18,  8. 

Venus,  Tempel  in  Ostia  III  192;  Statuen  III 
94 f.;  'palatinische  Venus'  II  32S. 

Venusia  III  4;  Juden  III  208. 

Veranius,  Architekt  HI  106. 

Verbrecher  als  Gladiatoren  II  54  f.;  als  Schau- 
spieler im  Amphitheater  II  91  f. 

Verbrennungen  im  Amphitheater  II  89 ;  Ver- 
brennen von  Verbrauchsgegenständen  bei 
Bestattungen  II  359. 

Verecunda  III  2.  9;  Wasserleitung  II  373. 

Veredelung  der  Früchte  II  308  f. 

Vereine  der  Gladiatoren  II  68;  der  Schauspie- 
ler I  382  f. ;  der  Athleten  II  1 5  5  f. 

Verfluchungstafeln  III  322;  gegen  Rennfahrer 
II  42  f. 

Vergebung  städtischer  Bauarbeiten  III  22. 

Vergil,  in  der  Schule  II  igif. ;  Popularität  II 
2lof.;  im  Schauspiel  geehrt  114;  Eclogen 
gesungen  II  162.  210;  Einfluß  auf  die  epi- 
sche Dichtung  II  250.  251  f.;  Epikureer  III 
270,  i;  Naturgefühl  I  466.  479;  Unttrwelts- 
schilderung  UI  304;  Vergil  und  das  Christen- 
tum II  211,  5. 

Vergilius  Romanus,  Palliatendichter  II  119,  3. 
249,  8. 

Vergoldungskunst  II  372,  i;  an  Bauwerken  II 
336;  Vergolden  und  Versilbern  der  heiligen 
BUder  III  193. 

Verherrlichung  der  Kaiser   durch  Dichter  II 

234f- 
Verkauf  von  Sklaven  in  die  Gladiatorenschule 

n  58. 
Verlobungsfeier  I  241.  273;   Verlobungsring  I 

274. 
Verlosungen  von  Geschenken  bei  Gastmählern 

II  288  f. 
Vermächtnisse  an  die  Kaiser  I  80  f.  135;   ge- 
meinnützige II  377. 
Vermögen,  größte  I  124.  II  268  ff. ;   der  Frau 

I  276. 
vernae  equiies  I  157. 
Verona  III  4;  Amphitheater  II  109  f. 
Verordnungen,  medizinische,   in  Träumen   III 

170. 
Verpfändung  silberner  Schüsseln  II  355. 
Verpflanzung  von  Gewächsen  II  3 10  f. 
Verres,  Statuen  III  66;  Statuenraub  III  196. 
Verrius  Flaccus  I  70.  178. 
Versailles,  Schloß  II  336,  i.  341. 


Versandgeschäft  I  363, 

Verschiedene  Bewirtung  der  Gäste  I  229. 

Verschuldung  der  Senatoren  I  133. 

Versetzungen  von  Offizieren  I  360  f. 

Versinterung  der  Wasserröhren  I  29,  13. 

Versteigerung  von  Priestertümern  III  191. 

Verstorbene,  verehrt  III  149;  Statuen  III  73. 
77  f.;  in  Gestalt  von  Gottheiten  II  363. 
III  78. 

Verteidigungsreden  in  der  Rhetorenschule  II 
204. 

Verulamium  III  18. 

L.  Veras,  Kaiser,  Gastmähler  II  288;  Vorliebe 
für  Wagenrennen  II  29 ;  Parteinahme  für  die 
Grünen  II  35.  38;  Gedichte  II  197.  219. 

Verus  (Älius),  versgewandt  II  219. 

Vespasian,  Kaiser,  Charakter  I  33.  89.  91.  119. 
129.  II  281;  Freigelassene  I43;  Gastmähiler 
I  100;  Bauten  II  336.  III  30.  41.  82;  Wun- 
der in  Alexandrien  III  154 f.;  Orakelbefra- 
gung III  162;  Ausweisung  der  Philosophen 
III  252;  Bestattungskosten  II  360. 

Vesta,  Fest  I  166;  Tempel  in  Rom  III  195; 
Vestalinnen  im  Amphitheater  II  98,  bei  den 
Athletenkämpfen  II  147;  Statuen  der  Ober- 
vestalinnen  III  74  f. 

Vestricius  Spurinna  II  249,  7.  254. 

Vesuv  I  401. 

Veteranen  in  den  Provinzen  angesiedelt  1 361  f.; 
veterani  der  Gladiatoren  II  70. 

Vettierhaus  in  Pompeji  III  39. 

Vettius  Crispinus  U  242.  245,  10. 

Vettius  Valens  I  72. 

Vetturlne  I  330. 

Via  Aemilia  I  321;  Appia  I  319.  320 f.  404 f.; 
Aurelia  I  322 ;  Claudia  I  322 ;  Egnatia  I  321 . 
337;  Flaminia  I  321;  Julia  Augusta  I  322. 

Viatores  I  217. 

Vibia,  Grabkammer  III  310. 

Vibius  Crispus  I  116.  121.  132.  II  240. 

Vibius  Maximus  II  245,  i. 

Vicarello,  Becherfund  I  327  f. 

Vicarii  I  69. 

Vici,  errichten  Statuen  III  71. 

Ste.  Victoire  in  Volx  III  241,  8. 

Victor,  Bischof  von  Rom  III  228.  239. 

Vielnamigkeit  I  120  f. 

Vienna  III  6.  210;  Aiguille  II  363  f.;  Christen 
III  220.  232. 

Viergespanne  II  47. 

Vigintivirat  I  136. 

Villen  I  122 f.  396 ff.  468 ff.  II  336 ff.  III  32 ff.; 
Ausstattung  mit  Kunstwerken  III  39ff. ;  kai- 
serliche Villa  an  der  Via  Labicana  II  230,  5. 

Viminacium  III  20. 

Vindelicien  III  19. 

Vindobona  III  3.  20. 

Vindonissa  III  7. 

Viole  f Musikinstrument)  II  163. 

Violen  II  306.  345;  Violaria  III  323  f. 

Violentilla  II  246.  332.  333. 

viridis  pannus  II  38,  4. 

Viroconium  (Wroxeter)  III  18. 


368 


REGISTER 


Virtuosen,  musikalische  11  175  f.  1 77 ff.;  Reisen 

1383- 

Virunum  III  20. 

Visidianus,  Gott  III  187. 

S.  Vistilius  I  82. 

Vitalis,  Mime  II  118.  141. 

Vitellier  I  117.  119. 

Vitellius,  Kaiser,  Freigelassene  I  36.  42;  Vor- 
liebe für  den  Rennsport  II  29;  Parteinahme 
für  die  Blauen  II  34.  37 f;  Geldverlegen- 
heiten I  133;  Gefräüigkeit  II  292;  Tafel- 
luxus II  285;  Umstürzen  seiner  Bilder  III  61. 

L.  Vitellius,  der  Vater  des  Kaisers  I  50.  94. 
117.  II  292. 

Vitorius  Marcellus  11  245,  10.  247,  i. 

Vitrasius  Pollio  III  86. 

Vitn.iv,  über  Palastanlagen  11  330.  III  109. 

Vögelablichtung  1 170 f.;  Einfuhr  ausländischer 
Vögel  II  282.  2S5. 

Vokalmusik,  dem  Texte  untergeordnet  II  163  f. 

Volksglaube,  seine  Erhaltung  III  133 f.;  vom 
Totenfährmann  III  314. 

Volkstribunat,  Wertschätzung  I  136. 

Volsinii,  Nortia  III  186. 

Voltejus  Mena  I  223. 

Volubilis  III  10. 

Vomitive  II  291. 

Vorbauten  der  Häuser  I  7.  23. 

Vorbedeutungen,  Glaube  an  sie  III  156 ff. 

Vorläufer  I  342. 

Vorlesungen,  öffentliche  I  16.  243.  II  223  ff. ; 
der  Philosophen  III  286 ff.;  der  Ärzte  I  199. 

Vorsänger  II  164. 

Vorsehungsglaube  III  166.  182  f. 

Vortragskunst  II  225  f. 

Voß,  Idylle  über  ein  Abendessen  11  300. 

Votivbilder  III  51  f. 

Vulkantempel  in  Ostia  III  192. 

w. 

Wache   in   den   Schauspielen   II   9.    144;    bei 

Tempeln  III  195. 
Wachsmasken  II  357. 
Wände  mit  Platten  aus  Gold-  oder  Silberblech 

n  334- 

Wagenverkehr  in  Rom  I  21.  II  371;  Wagen- 
rennen II  25.  45ff. ;  Wagenlenker  II  25  ff., 
ihre  Tracht  II  47,  Statuen  III  75. 

Wahl  der  Beamten  I  137.  142;  Wahlumtriebe 
I  141  f. 

Walcheren  III  176. 

Wallfahrten  I  3 84  ff. 

Walnüsse  II  306. 

Wamba,  König  III  210. 

Wanderungen  der  Bühnenkünstler  I  383  f.,  der 
bildenden  Künster  III  20  f.,  der  Musiker  11 
178;  Wanderredner  I  382. 

Wandmalerei  III  43  ff.  84.  92. 

Waren,  fremde  in  Rom  I  14 f.;  römische  in 
China  eingeführt  II  321. 

Warwick  Castle  II  342.  3 50  f. 

Wasser  des  Lebens  III  305. 


Wasser  in  der  antiken  Landschaft  I  469;  Was- 
serwerke Roms  I  I2ff. ;  Wasserleitungen 
II  372  ff. ;  Wasserschlösser  II  373;  Wasser- 
bauten auf  Villen  II  338;  Wasserbehälter  in 
Wannenform  III  45  ;  Wasserfall  von  Tibur  I 
470;  Wasserorgel  II  165.  171.  175.  185. 

Weben  und  Spinnen  I  267  f. 

Wegemessung  zu  Lande  I  343 ;  zu  Wasser  I 
339)  Wegekarten  I  327. 

Weibliche  Rollen  im  Mimus  ETI  115. 

Weihegrade  der  Mithrasverehrer  III  146. 

Weihgeschenke  III  193  ff. 

Weihnachtsfest  III  240. 

Weibrauch  II  306;  bei  Begräbnissen  II  358; 
Weihrauchhandel    von    Alexandria    I  3 77 f. 

■   433- 

Weinbau  I  215.  II  306.  311  f.;  griechischer 
Wein  in  Rom  II  282;  wilder  Wein  II  346. 

Weiß,  Tracht  der  kaiserlichen  Diener  I  loi; 
weiße  Partei  im  Zirkus  II  34. 

Weltbürgertum  III  294  f. ;  Welthandel,  seine 
Gewinne  I  365;  Weltfrieden  I  316 f.;  Welt- 
wunder I  444 f.;  Weltschmerz  III  325 ff. 

Wettkämpfe,  musikalische  II  I76ff. ;  poetische 
II  217 f.  228flF. 

Wien  s.  Vindobona. 

Wiesbaden  (Aquae  Mattiacae)  III  19. 

Winde,  Altar  III  189. 

Winterreisen  zur  See  I  334;  in  den  Alpen  I 
324;  Winteraufenthalte  I  398. 

Wirtshäuser  I  343  ff. ;  Wirtshausschilder  I  347  ; 
Wirtshauspreise  I  348. 

Wissenschaftliche  Reisen  I  379 ff. 

Witz,  römischer  I  262. 

Wobum  Abbey  II  341  f. 

Wochentage,  Planetennamen  I  263. 

Wölfin,  römische  III  22,  11. 

Wohlgerüche  II  326 f.;  bei  Leichenbegäng- 
nissen II  357 f. 

Wohngebäude,  Luxus  11  327 ff. ;  Luxus  der 
Wohnungseinrichtung  II  346  ff. ;  Wohnungs- 
mieten in  Rom  I  327.  329.  331;  Wohnungs- 
not in  Rom  I  19. 

Wolle  und  Wollstoffe  II  312;  ägyptische  I  432  ; 
tyrische  II  315;  apulische  II  315. 

Wolsey,  Kardinal  II  349.  352. 

Wroxeter  III  18. 

Wucherer  I  129.  160  f. 

Würfelspiel  I  2531. 

Wunder,  die  sieben  der  Welt  I  II.  444  f. 

Wunderglaube  III  129 ff.  154 f.;  Wunderhei- 
luDgen  III  171  f.;  christliche  Wunder  III 
224f. ;  Wundererzählungen  von  entfernten 
Ländern  I  390  ff. 

X. 

Xanten  (Castra  vetera)  III  3. 

Xenarch,  Peripatetiker  I  86. 

Xenien  Martials  II  244. 

Xenophon  (C.  Stertinius)  I  71  f.  195.  III  25. 

Xystos,  HuatiKV]  Omoboc,,  Xystarchen  II  155. 


REGISTER 


369 


Z. 

Zahl  der  Gladiatoren  11  5 1  f. ;  der  wilden  Tiere 
U  80;  Zahlzeichen  auf  Denkmälern  III  109,3; 
Zahlenmystik  in  der  Medizin  I  209. 
Zahnheilkunde  II  357. 

Zauberei  l3o6f. ;   von  Ärzten  geübt  I  209;   in 
der  Rhetorenschule  II  203;    bei  Wettrennen 
n  42  f. ;   Zauberei  im  2.  Jahrhundert  I  307 ; 
christliche  Zauberformeln  III  240,  i. 
Zbeltbiurdos,  Gott  III  143. 
Zebaoth  III  206. 
Zehngespanne  II  47. 
Zehntland,  Städte  III  19;  Villen  III  34. 
Zeltdach  des  Amphitheaters  II  99. 
Zeno    aus    Aphrodisias,    Bildhauer    I    383. 

III  91. 
Zenobia,  Gönnerin  der  Juden  III  202. 
Zenodorus,  Bildgießer  III  91.  96.  loi. 
Zensus  der  Senatoren  I  126. 
Zephyrinus,  Bischof  III  228. 
Zerstörung  von  Kaiserbildnissen  III  58  f. 
Zeus.  Menschenopfer  auf  Cypem  III  188;   Ly- 

kaios  III  188;  Panamaros  III  173. 
Zibet,  Parfüm  II  327. 
Ziegeleien  I  12g  f. 
Zielsäulen  im  Zirkus  II  45  f. 
Zimbel  II  165.  171. 
Zimidrenus,  Asklepios  III  142. 
Zimmerleute  als  Feuerwehr  III  28. 
Zimt  als  Parfüm  II  326;  Zimtsaft  II  320. 
Zinnhandel  I  378. 

Zinsfuß  I  129.  II  270;   Zinswucher  der  Sena- 
toren I  129. 


Zirkus  n  21  ff.  43  ff.;  Abbild  des  Weltganzen 
II  39,  9;  auf  Denkmälern  II  45,  6;  Schlacht 
im  Zirkus  II  76;  Zirkusspielc  II  23  fr.,  außer- 
halb  Roms  II  24,  7;  Zirkusparteien  II  32  ff. 

Zither  s.  Kithara. 

Zitronenbaum  II  30S. 

Zivildienst  der  Ritter  I  i49ff.  152  f, 

Ziziphum  II  307,  7. 

Zobelfelle  II  314.  318. 

Ziuj&ioYÄucpuuv  (XYuJv  I  252. 

Zoilus  bei  Martial  I  235. 

Zoilus  in  Trier  III  45. 

Zollfreiheit  I  350;  Zoll  auf  wilde  Tiere  II  82; 
Zöllner  I  349;  Zollplackereicn  I  349  f. ;  Zoll- 
pächter I  156  f. 

Zoticus  (Aurelius)  I  46.  48.  61. 

Zucht  in  der  Gladiatorenschulc  II  67;  Züchti- 
gungen in  der  Schule  I  177.  179,  9. 

Zudrang  zu  den  Schauspielen  II  18. 

Zünfte  [colkgia]  I  162.  166  ff. 

Zürich  s.  Turicum. 

Zurufe  an  Wagenlenker  II  26;  gesungene  im 
Schauspiel  11  4.  7.  8. 

Zusammenarbeiten  von  Künstlern  III  99. 

Zusammenspiel  verschiedener  Instrumente  II 
169.  170  f. 

Zuwendungen  an  Priester  und  Tempeldiener 
m  195.  ^      ■ 

Zweigespanne  11  47;  mit  Statuen  III  70. 

Zweinamigkcit  kaiserlicher  Sklaven  165,  i.  10. 
67,  9- 

Zwerge  II  369;  als  Gladiatoren  II  53;  Zwerg- 
gestalt künstlich  herbeigeführt  II 369;  Zwerg- 
völker Afrikas  I  427,  1 1;  Zwergbäume  I  474. 

Zwinger  (Tiergärten)  II  82.  83  f. 


Friedlaend  er,  Darstellungeu.  III.    9.  Aufl. 


24 


Druck  von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


Ä     000  677  601     7 


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