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DARSTELLUNGEN AUS DER
SITTENGESCHICHTE
ROMS
IN DER ZEIT
VON AUGUST BIS ZUM AUSGANG DER ANTONINE
VON
LUDWIG FRIEDLAENDER
NEUNTE NEU BEARBEITETE
UND VERMEHRTE AUFLAGE
BESORGT VON
GEORG WISSOWA
DRITTER BAND
VERLAG VON S. HIRZEL • LEIPZIG 1920
Copyright by S. Hirzel at Leipzig, 1920.
Das Recht der Übersetzung ist vorbehalten.
INHALT
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE S. 1-117.
Zwecke und Verwendung der Architektur S. l— 34. Menge und Großartigkeit der
Überreste S. I. Kultur und Wohlstand der alten Welt in der früheren Kaiserzeit S. 2. Menge
und Schönheit der Städte S. 2. Lagerstädte S. 2. Lambäsis S. 2. Camuntum S. 3. Mainz
S. 3. Aristides über die Menge und Schönheit der Städte S. 3. Städte in Italien S. 4. Ober-
S.4 — Mittel- S. 5 — Unteritalien S. 5. Sicilien S. 5. Gallien S. 5. Narbonensis S. 6. Lugdu-
nensis S. 6. Aquitania S. 7. Belgica S. 7. Spanien S. 8. Afrika S. 8. Ägypten S. 10. Syrien
S. 10. Phönizien S. 12. Palästina S. 12. Das Haurän S. 12. Arabien S. 13. Asia S. 13. Bi-
thynien S. 14. Kappadocien S. 15. Pamphylien und Pisidien S. 15. Lycien S. 16. Thracien
S. 17. Macedonien S. 17. Dalmatien S. 17. Griechenland S. 18. Britannien S. 18. Zehntland
S. 19. Rätien und Vindelicien S. 19. Noricum S. 19. Pannonien S. 20. Mösien S. 20. Dacien
S. 20. Bauten der Kommunen S. 21. Nachahmung Roms S. 21. Bauten bithynischer Städte
S. 22. Die Brücke von Alcantara S. 23. Einkünfte der Kommunen zur Bestreitung der Bau-
kosten S. 23. Öffentliche Bauten von Privatleuten S. 24. Bauten der griechischen Sophisten
S. 25. Herodes Atticus S. 26. Bauten von Senatoren S. 27 — kaiserlichen Freigelassenen
S. 27 — und fremden Fürsten. Herodes von Judäa S. 28. Bauten der Kaiser S. 28. Ihre Unter-
stützungen der Städte S. 28 — besonders bei Bränden S. 28 — und Erdbeben S. 29. Bauten
der Julier und Flavier S. 30 — Trajans S. 30 — Hadrians S. 30 — besonders in Griechenland
S. 31 — der Antonine S. 31. Bauleidenschaft Diocletians S. 31. Privatbauten in den Provinzen
S.32.
Verwendung und Zwecke der Plastik und Malerei S. 34—82.
a. Dekorative Kunst S. 34—48. Anschluß der bildenden Künste an die Architektur S. 34.
Künstlerische Dekoration der öffentlichen Bauten S. 35 — und Plätze in den Städten Grie-
chenlands S. 36 — und Italiens S. 36. Statuen der Könige und Feldherrn S. 37 — und
sonstige Statuen der Foren S. 37. Statuen der Stadtgenien S. 38. Künstlerische Dekoration
der Privatgebäude, Parks und Gärten S. 38 — in der letzten Zeit der Republik S. 38 — in
der Kaiserzeit S. 39. Berichte über Ausgrabungen in Villen S. 40. Die Villa Hadrians zu
Tivoli S. 40. Allgemeinheit der künstlerischen Dekoration und Universalität der Kunst
S. 41. Reichliche Anwendung wohlfeiler Materialien. Plastik in weichen Stoffen S. 42.
Stuckmalerei S. 43. Fortdauer der Allgemeinheit der künstlerischen Dekoration bis ins spä-
teste Altertum S. 44. Künstlerischer Schmuck des Hausrats S. 46. Kunstwerke als Satur-
nalien- und andere Geschenke S. 47. Künstlerischer Schmuck der Grabdenkmäler S. 47.
b. Monumentale Kunst S. 48— 78. Persönliche Denkmäler S. 48. Alter der Ehrenstatuen
in Rom S. 49. Bilder historischer Ereignisse S. 49. Bilder für besondere Veranlassungen
S. 50. Bilder für Triumphzüge S. 50 — kaiserliche Scheiterhaufen S. 51 — Gerichtsver-
handlungen S. 51. Bilder für Schiffbrüchige S. 51. Votivbilder S. 51. Sonstige Darstel-
. lungen persönlicher Erlebnisse S. 52. Darstellungen von Traumgesichten S. 53. Für die
Dauer bestimmte Bilder S. 53. Porträtmalerei S. 54. Porträts der Kaiser S. 54. Porträts
orientalischer Prinzessinnen zur Brautwahl S. 54. Porträts von Privatpersonen S. 54. Por-
träts in Büchern S. 55 — in Bibliotheken S. 55. Allgemeine Verwendung der Porträtmalerei
S. 56. Plastische Darstellungen von Personen S. 57. Büsten und Statuen der Kaiser; ihre
allgemeine Verbreitung und iiir Kultus S. 57. Zerstörung der Denkmäler verhaßter Kaiser,
besonders Domitians S. 58. Erhaltung der Kaiserdenkmäler, hauptsächlich durch die Kon-
sekration S. 59. Schnelle Herstellung der Kaiserdenkmäler im ganzen Reich S. 61. Ihre
IV INHALT
Errichtung durch Beamte S. 6i — durch Provinzialverbände und Kommunen S. 62 — durch
Privatpersonen S. 62. Statuen Hadrians in Griechenland S. 62 — Augusts in Rom S. 63.
Büsten Napoleons I. S. 64. Die Kaiserdenkmäler selten durch Umarbeitung älterer herge-
stellt S. 64. Denkmäler der Mitglieder des Kaiserhauses S. 65 — der höchsten Beamten
S. 65 — der Provinzialstatthalter S. 66 — der angesehenen Römer in den Provinzen S. 67 —
der Subaltembeamten S. 67. Ehre der Statue in den Munizipien S. 68. Statuen der Provin-
zialpriester S. 69. Veranlassungen zur Errichtung von Statuen S. 69. Mehrere Statuen der-
selben Person S. 70 — durch Kurien, vici, pagi und Phylen errichtet S. 71. Errichtung aui
Kosten der Geehrten S. 72. Statuen von Fremden S. 72. Votierung der Statuen durch die
Gemeinderäte, in Rom durch den Senat S. 73. Öffentlich errichtete Statuen Verstorbener
S- 73 — und Lebender S. 74. Orte der Aufstellung in Rom S. 74. Die Statuen der Ober-
vestalinnen S. 74. Privatmonumente S. 75. Veranlassungen zur Errichtung derselben S. 76.
Errichtung der eigenen Statue S. 76. Privatmonumente für Verstorbene S. 77 — besonders
als Grabdenkmäler S. 77. Statuen berühmter Männer der Vorzeit S. 78. Fortdauer der Er-
richtung persönlicher Denkmäler bis in die letzte Zeit des Altertums S. 78.
c. Religiöse Kunst S. 79 — 82. Menge der Götterbilder infolge der Theokrasie S. 79. An-
siedlungen von Künstlern bei großen Tempeln S. 80. Ausdehnung des Kunstbedürfnisses
und der Massenproduktion über das ganze römische Reich S. 81. Herculaneum und Pom-
peji zeigen das Durchschnittsmaß des künstlerischen Schmucks der Städte Italiens S. 81.
Statistische Angaben über den künstlerischen Schmuck Roms S. 82.
3. Der Kunstbetrieb S. 82—102. Gleichartigkeit der Kunst und des Kunstbetriebes S. 84 —
mit Ausnahme von Gallien S. 84 — Ägypten S. 85 — Palästina S. 86. Ausführung von Kunst-
werken für die Provinzen in Rom S. 87. Ausführung in den Steinbrüchen S. 88. Arbeiten in
den Steinbrüchen Pannoniens S. 88. Im Vorrat gearbeitete Bildwerke S. 89. Götterbilder S. 89.
Sarkophage S. 90. Ehrenstatuen S. 90. Ausführung am Ort der Verwendung, teils durch wan-
dernde S. 90 — teils durch ansässige Künstler S. 91. Überall Gleichförmigkeit der Behandlung,
selbst der Technik S. 92. Festhalten an der Tradition S. 92. Bronzen des Epikureischen Philo-
sophen in Herculaneum S. 93. Rom auch hier das Vorbild für das ganze Reich S. 93. Die
Produktion wesentlich Reproduktion S. 94. In der Plastik S. 94. Kopien berühmter älterer
Werke S. 95 — in Malerei und Mosaik S. 96 — Geräten, Gefäßen, Gemmen S. 96 — Tonwaren
S. 97. Hohe Entwicklung des Kunsthandwerks S. 97. Einfluß der herculaneischen Ent-
deckungen auf die Pariser Kunstindustrie S. 98. Fabrikmäßiger Kunstbetrieb S. 98. Weitge-
triebene Arbeitsteilung S. 99. Zusammenarbeiten mehrerer Künstler S. 99. Kunstarbeiten
großenteils durch Sklaven ausgeführt S. 99. Wohlfeilheit der gewöhnlichen Kunstarbeit S. loo.
Künstlerhonorare in der Kaiserzeit S. loi — im 18. und 19. Jahrhundert S. loi.
4. Die Künstler S. 102 — 106. Gründe für die Geringschätzung der Künstler bei den Römern
S. 102. Die Plastik in den Händen der Griechen S. 103. Die Malerei auch von Römern be-
trieben S. 103. Malerinnen S. 104. Weibliche Modelle der Bildhauer S. 104. Die Architektur
von den Römern hochgeschätzt S. 105. Römische Architekten zahlreich S. 105.
5. Der Kunstsinn S. 106— 117. Gründe für die Geringschätzung der Kunst bei den Römern
S. 106. Verbreitung von Kunstkenntnis und Kunstinteresse in Rom S. 106. Anerkennung
der Bedeutung der Kunst von selten der Römer S. 107. Dilettantismus in der Skulptur und
Malerei S. 108. Kunstbetrachtung auf Reisen S. 109. Kunstsammlungen, hauptsächlich durch
Prachtliebe veranlaßt S. 109 — bestanden vorzugsweise aus älteren Werken S. 109. Die Samm-
ler mit Kopien viel betrogen S. in. Kunstwerke, die berühmten Personen gehört hatten, be-
sonders geschätzt S. 1 12. Ansprüche der Sammler auf Kennerschaft S. 1 13. Mangel an wahrem
Kunstsinn S. 1 13. Keine Spur von Interesse und Verständnis für Kunst in der römischen S. 114
— zahlreiche Zeugnisse für beides in der griechischen Literatur S. 114. Die gleichzeitige Kunst
In beiden Literaturen wenig berücksichtigt S. 117.
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE S. 118-242.
I. Der Götterglaube S. 118— 199. Verschiedenartigkeit der literarischen und monumentalen
Quellen S. 118. Die Literatur bisher fast ausschließlich berücksichtigt S. 118. Irreligiöse
Richtungen in der letzten vorchristlichen und ersten nachchristlichen Zeit S. 119. Haß des
Glaubens vereinzelt S. 119. Lucrez S. 120. Epikureer und Skeptiker S. 120. .Standpunkt der
INHALT V
nicht philosophisch gebildeten Römer S. 1 2 1 . Glaube : Tacitus S. 1 2 1 Schwanken zwischen Poly-
theismus und Monotheismus: Quintilian S. 121. Unbedingte Leugnung der Götter: Plinius S. 121.
Versöhnung von Vernunft und Glauben in der Theologie des Stoizismus S. 123. Restauration
des Glaubens im 2. Jahrhundert S. 123. Ausbildung und dogmatische Geltung der Dämonen-
lehre S. 124. Plutarch S. 124. Apulejus S. 125. Maximus von Tyrus S. 125. Gesamteindruck
der römischen und griechischen Literatur des 2. Jahrhunderts S. 126. Lucian S. 128. Die
Kaiser des 2. Jahrhunderts S. 128. Charakteristische Erscheinungen des neu erwachten religiö-
sen Lebens. Orthodoxie und Intoleranz: Aelianus S. 129. Schwärmerei: Aristldes S. 131. Un-
veränderte Stärke und Fortdauer des Volksglaubens S. 133. Seine Assimilationskraft S. 134.
Die Theokrasie eine notwendige Wirkung der Völkermischung S. 135. Der Begriff der Super-
stition ein relativer und wechselnder S.'I37. Die Theokrasie, nur von Ungläubigen verspottet
S. 139 — den Gläubigen unanstößig S. 139. Plutarchs Verehrung ägyptischer Götter neben
den griechischen S. 140. Hellenisierung der orientalischen S. 141 — und barbarischen Götter
S. 142. Verbreitung barbarischer Kulte durch die Soldaten S. 142, Benennungen der barba-
rischen Gottheiten S. 143 — von dem Grade derRomanisierung der einzelnen Länder abhängig
S. 144. Orientalische Gottesdienste S. 144. Isis und Sarapis S. 144. Die syrischen Götter
S. 145. Mithras S. 146. Produktivität des Götterglaubens. Neue Gottheiten S. 147. Annona
S. 147. Der Genienglaube S. 148. Die Vergötterung der Menschen. Der Kaiserkult S. 148. Die
Verehrung Verstorbener S. 149 — und Lebender als Heroen in Griechenland S. 150. Königs-
kult in den Reichen der Diadochen S. 150. Apotheose des Antinous S. 151. Widerstandskraft
des Götterglaubens. Sein Einfluß auf die Christen S. 153. Direkte Zeugnisse für die unveränderte
Stärke des Volksglaubens. Der Wunderglaube S. 153. Leibhaftes Erscheinen der Götter S. 154.
Andre von den Göttern bewirkte Wunder S. 154. Steigerung des Wunderglaubens durch den
Kampf der Religionen S. 155. Dasselbe Wunder von beiden Seiten in Anspruch genommen
S. 156. Der Glaube an Vorausverkündigung der Zukunft S. 156 — die verbreitetste Form des
Wunderglaubens unter den Gebildeten S. 157. Berichte über Vorzeichen bei den Geschicht-
schreibem S. 157. Tacitus S. 158. Sueton über August S. 158. Fortdauer des Glaubens an die
herkömmlichen Weissagungsmethoden S. 158. Die Haruspicin S. 159. Die Astrologie S. 160.
Die Orakel S. 161. Ihr zeitweiliger Verfall durch das überwiegende Ansehen der italischen
Prophezeiung S. 161. Ihre Restauration S. 161. Die Verbreitung ihres Ansehens außerhalb der
griechischen Länder S. 162. Das Orakel des Alexander von Abonuteichos S. 163. Der Glaube
an vorbedeutende Träume S. 166. Sein Zusammenhang mit dem Vorsehungsglauben S. 166.
Seine allgemeine Verbreitung S. 167. Die Traumdeutung als Wissenschaft S. 168. Das Traum-
buch des Artemidor S. 168. Heilung von Krankheiten duich Träume S. 169. Heilurkunden in
Epidaurus S. 171. Inschrift des Julius Apellas S. 171. Die Votivsteine der Minerva Memor
S. 172. Glaube an die Wirksamkeit der Lokalgötter außerhalb ihrer eigentlichen Machtsphäre
S. 172. Der Glaube an die Götter als Geber des Guten S. 174. Das Gebet S. 174. Votiv-
inschriften und andre religiöse Denkmäler S. 175. Anrufung von Landes- und Lokalgottheiten
S. 176. Anrufung der Götter einer bestimmten Wirksamkeit an bestimmtem Orte S. 178. All-
gemeine Anrufung der Götter einer bestimmten Wirksamkeit S. 179. Der unteren S. 179 —
der oberen S. 180 — besonders des Juppiter S. 181. Mangel an Angaben über die Menge der
Ungläubigen und Indifferenten S. 182. Die Atheisten eine kleine Minorität S. 183. Der Kultus
und seine Wirkungen auf die Erhaltung des Glaubens S. 184. Erhaltung uralter Kulte und
Rituale in Rom S. 184. Das Ritual der Arvalbrüder S. 185. Alte Lokalkulte im übrigen Italien
S. 186. Fortdauer uralter Kulte in Griechenland S. 187. Fortdauer der allgemeinen Beteiligung
am Gottesdienste S. 190. Opfer S. 190. Betätigung der Frömmigkeit durch Tenipelbauten S. 191
— und andre Stiftungen zu Kultuszwecken S. 192 — besonders von Götterbildern S. 193 — und
deren Ausstattung mit Kleidern und Schmucksachen S. 194. Kostbarkeit der Tempelgeschenke
S. 194. Zuwendungen für Priester und Tempeldiener S. 195. Die Bilderverehrung S. 195. Iden-
tifikation des Bilds mit der Gottheit S. 196. Mißhandlungen von Götterbildern ein Beweis der
Stärke des Glaubens an die Macht der Götter S. 196.
. Judentum und Christentum S. 199 — 242. Gegensatz des Monotheismus zum Polytheismus
S. 199. Verschiedenes Verhältnis des Judentums und Christentums zum Polytheismus S. 199.
Zerstreuung der Juden in der alten Welt S. 200. Die jüdische Emigration keine vorzugsweise
handeltreibende S. 201. Ihre Ansiedlungen in den östlichen Ländern und Afrika S. 202 — in
Rom S. 206 — im übrigen Italien S. 20S — in den westlichen und nördlichen Ländern S. 210.
VI INHALT
Bürgerliche S. 2ii — und soziale Stellung der Juden. Der Judenhaß S. 212. Anziehungskraft
des Judentums S. 213. Religions- und Bekehrungsfreiheit bis auf Hadrian S. 215. Das Christen-
tum S. 216. Der Bekehrungseifer der Christen S. 216. Stellung des römischen Staates zum
Christentum S. 216. Christenhaß S. 217. Nero gegen die Christen S. 219. Verfolgungen seit
Trajan S. 220. Montanisten S. 221. Verhältnismäßig geringe Zahl der Märtyrer S. 222. Haupt-
ursachen der schnellen Ausbreitung des Christentums S. 223. Unlautere Elemente in den christ-
lichen Gemeinden S. 226. Sektenwesen S. 227. Der Verfasser der »Widerlegung aller Ketze-
reien« (Hippolyt) S. 227. Seine Darstellung der Laufbahn des Callistus S. 22S. Äußerungen
christlicher Autoren über Zustände in den christlichen Gemeinden S. 230. Verbreitung des
Christentums (besonders in Rom) im ersten S. 231 — und 2. Jahrhundert S. 232. Verhältnis
der fChristen zur Gesamtbevölkerung S. 232. Verbreitung des Christentums in den höheren
Ständen erst seit Commodus S. 233. Seltene Erwähnung und Unkenntnis des Christentums bis
ins 3. Jahrhundert S. 233. Heidnische Konvertiten der höheren Stände vor Commodus S. 234.
Das angebliche Verhältnis des Seneca zum Apostel Paulus S. 235. Geringschätzung des Chri-
stentums in der heidnischen Welt bis zum 3. Jahrhundert S. 236. Die lange Agonie des Heiden-
tums ein Beweis für seine Lebenskraft S. 237. Heidnische Elemente, die den Untergang des
Heidentums überlebten S. 239. Polytheismus und Heiligenverehrung S. 241.
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN ZUR SITTLICHKEIT S. 243-297.
Der Zusammenhang der antiken Sittlichkeit mit der Religion und ihre angebliche Gefährdung
durch den Authropomorphismus S. 243. Die Quelle der Entschuldigung der Sünde durch das
Beispiel der Götter wohl die Sophistik S. 243. Wesen der antiken Sittlichkeit im Gegensatz zur
christlichen S. 246. Die Moralphilosophie. Die Erkenntnis Grundlage der Glückseligkeit S. 246.
Die Glückseligkeit Resignation S. 247. Verhältnis zur Gottheit und Menschheit S. 248. Anerken-
nung der heidnischen Ethik durch die Christen. Clemens von Alexandria S. 248. Verbreitung der
griechischen Philosophie in der römischen Welt S. 249. Die Opposition gegen die Philosophie.
Die im römischen Nationalcharakter begründeten Antipathien S. 249. Mißliebigkeit der Philo-
sophie bei den Regierungen. Verfolgungen der Philosophen S. 250. Umschlag nach dem Tode
Domitians S. 252. Begünstigung der Philosophie unter Marc Aurel S. 253 — und Severus S. 253.
Versuche, die Vorwürfe der Regierungsfeindlichkeit der Philosophie zu entkräften S. 253. Senecn
S. 254. Abneigung der großen Menge gegen die Philosophie S. 255. Ihre Zwecklosidkeit nach
der Ansicht der meisten Ungebildeten S. 255 — und vieler Gebildeten S. 256. Der Gegensatz
zwischen Rhetoren und Philosophen S. 256. Der ältere Seneca S. 257. Quintilian S. 257. Fronto
S. 258. Lucian S. 258. Aristides S. 259. Berufung der Gegner der Philosophie auf die Unsittlich-
keit der Philosophen S. 260. Afterphilosophen in Rom S. 262 — und Griechenland S. 263 — na-
mentlich unter Marc Aurel S. 263. Die Kyniker S. 265. Anerkennung der Philosophie als Führerin
zur Sittlichkeit bei den Römern S. 266. Differenzen über das erforderliche Maß philosophischer
Bildung S. 267. Teilnahme der Römer an der Philosophie S. 269. Die Schule der Sextier S. 269.
Verbreitung des Stoizismus S. 269 — Epikureismus S. 269 — und der übrigen Systeme bei den
Römern S. 270. Beginn des philosophischen Unterrichts gewöhnlich im ersten Jünglingsalter
S. 272. Logik und Dialektik S. 273. Physik S. 275. Ethik S. 276. Pflicht und Recht der Lehrer,
den ganzen Lebenswandel der Schüler zu beaufsichtigen und zu leiten S. 276. Dreierlei Stellungen
der Philosophen als Lehrer S. 280. Philosophen als Erzieher und Seelsorger in vornehmen Häusern
S. 280. Behandlung dieser Hausphilosophen nach Luciaus Schilderung S. 281. Philosophen am
Hofe S. 282. Philosophen als Vorsteher öffentlicher Schulen S. 283. Übelstände des Unterrichts in
den Philosophenschulen S. 283. Vereitelung der Wirkungen des Unterrichts durch die Schuld der
Schüler S. 284 — durch die Schuld der Lehrer S. 285. Schönrednerei und Haschen nach Beifall
S. 286. Philosophen als Missionare der Sittlichkeit und Volksprediger (Kyniker) S. 288. Demetrius
S. 290. Demonax S. 291. Peregrinus S. 291. Verwandtschaft zwischen Kynismus und Christentum
S. 292. Läuterung der sittlichen Anschauungen durch die Entwicklung der Philosophie in den
ersten Jahrhunderten S. 204. Unhaltbarkeit der Annahme eines allgemeinen Sittenverfalls in dieser
Zeit S. 296.
INHALT vn
XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE S. 298-327.
Das Verhältnis der Gebildeten zum Unsterblichkeitsglauben. Die Leugner S. 298. Der ältere Plinius
S. 298. Die Epikureer. Materialistische Grabschriften S. 299. Leugnung der Unsterblichkeit in
andern Systemen S. 302. Glaube und Beweis der Unsterblichkeit S. 303. Platonisraus und Neu-
pythagoreismus S. 303. Die Zweifler S. 306. Galen S. 307. Quintilian S. 307. Tacitus S. 307.
Cicero als Repräsentant der Gläubigen unter den gebildeten Eklektikern S. 307. Seneca S. 308.
Andeutungen des jenseitigen Lebens auf Sarkophagen und andern Grabdenkmälern S. 310. Der
Glaube der Ungebildeten S. 312. Fortdauer der mythischen Vorstellungen von der Unterwelt
S. 313. Der Glaube an den Totenfährmann S. 314. Zeugnisse für die Verbreitung der volkstüm-
lichen Vorstellungen S. 314. Die Existenz der Seelen als eine materielle gedacht S. 315. Die All-
gemeinheit des Geisterglaubens als Beweis für die Allgemeinheit des Unsterblichkeitsglaubens
S. 317. Die Totenbeschwörung S. 320. Die Devotion S. 322. Unterschiede des christlichen und
antiken Unsterblichkeitsglaubens. Der letztere dem diesseitigen Leben zugewandt S. 322. Der
Wunsch einer Fortdauer im Gedächtnis der Nachwelt S. 323, Der antike Unsterblichkeitsglaube
nicht wie der christliche ein unentbehrlicher Trost S. 324. Pessimismus und Weltschmerz im
Altertum S. 325,
Register S. 329 — 369.
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR.
Wäre auch von der Römerzeit jede andere Kunde verschollen, so Menge und Groß-
würden die auf dem ganzen Boden der alten Welt in so großer Zahl Artigkeit der Über-
stehen gebliebenen, zum Teil so gewaltigen Ruinen ihrer Bauten,
sowie die unermeßlichen, aus bergenden Schutt- und Aschendecken hervorge-
zogenen Überbleibsel der bildenden Künste schon allein laut genug bezeugen,
welche hohe und reiche Kultur mit dem römischen Weltreiche zugrunde ge-
gangen ist. Bei weitem die meisten und bedeutendsten erhaltenen römischen
Bauten stammen aus der Kaiserzeit. Sie stehen zum Teil in weiten Einsamkeiten
als Marksteine jener Kultur, deren Herrschaft sich über ungeheure Gebiete er-
streckte, die seit Jahrhunderten wieder der Barbarei oder völliger Verödung an-
heimgefallen sind: wie die gewaltigen Ruinen von Ba'^albek und Tadmor; die
Hunderte von ganz aus Stein erbauten verlassenen, noch bewohnbaren Städten
und Dörfern in Ostsyrien mit ihren eigentümlichen Bogen- und Kuppelbauten,
Grabpyramiden und Taubentürmen; die überraschend wohlerhaltenen Reste
so überaus zahlreicher römischer Städte in Kleinasien und Nordafrika. Manche
sind erst im letzten Jahrhundert verschwunden: die in den französisch-spanischen
Kriegen zerstörte Brücke von Almaraz stand noch 1806, die die Riesenschlucht
des Rumad überwölbende, die den einzigen Zugang zu Constantine bildete, ist
erst 1857 eingestürzt'). Zum Teil beschämen sie in Landern der heutigen
Kultur mit ihrer imposanten Großartigkeit, ihrer unverwüstlichen Solidität, ihrer
hohen, noch dem jetzigen Bedürfnis entsprechenden Zweckmäßigkeit alles,
was spätere Jahrhunderte ihnen an die Seite gestellt haben: wie die Brücken
von Rimini''), von Alcantara und Merida, der Pont du Gard, die Aquädukte von
Segovia und so manche andre Römerbauten in den Mittelmeerländern. >Eine
zweite Natur, die zu bürgerlichen Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst»^).
Versucht man vollends, aus der unübersehbaren, verwirrenden Masse von
Trümmern aller bildenden Künste ein Bild von der unermeßlichen Fülle und
Mannigfaltigkeit des künstlerischen Schmucks zu gewinnen, in dem die so
äußerst zahlreichen größeren und reicheren Städte des römischen Reichs prang-
ten: wie gering und armselig erscheinen dann die modernen Bestrebungen, das
i) Rist, Lebenserinnerungen I 347. Maltzan, Drei Jahre im NW von Afrika III 28 f. 2) CIL XI
367 =: Dessau 113. 3) Goethe, Ital. Reise, Werke XXX 190 d. Weimar. Ausg.
Frie dlaender, DarstelluQgen. III. 9. Aufl. I
2 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 183]
öffentliche und Privatleben durch den Schmuck der Kunst zu verschönern und
zu adeln.
Kultur und Wohl- Eine SO großartige und umfassende Verwendung der Architektur und der
stand der alten bildenden Künste setzt eine Verbreitung nicht nur der Kultur, sondern auch
\cn Kaiserzeit' des Wohlstands voraus, wie das ganze frühere Altertum beides nicht gekannt
hat. Das römische Kaisertum brachte der bis zum Tode erschöpften Welt
den allgemeinen Frieden, der mit geringen Unterbrechungen mehr als zwei
Jahrhunderte dauerte; den aufs äußerste ausgesogenen Provinzen eine bessere
Verteilung der Lasten und eine im ganzen wenigstens leidliche Verwaltung.
Mit der wiederhergestellten Sicherheit und Ordnung, dem gewaltigen Auf-
schwünge des Verkehrs hob und verbreitete sich Wohlstand und Reichtum -in
einem Grade wie nie zuvor.
Menge und Am augenfälligsten gab sich dies in der fortwährend im Wachsen begrifif?nen
Schönheit Schönheit und Pracht der Städte in fast allen Provinzen kund. Auch die Zahl
der tadte. ^jg^g^j^gn ') nahm durch neue Anlagen, Kolonisationen, Verleihungen von Stadt-
rechten und Vereinigungen mehrerer kleiner Orte zu einer Kommune stetig zu.
So namentlich in den gallischen und spanischen Provinzen, wo früher die Gau-
verfassung in voller Geltung gewesen war. Im tarraconensischen Spanien waren
unter August von 293 Gemeinden nur 179 in Städten vereinigt, doch unter
Antoninus Pius gab es nach Ptolemäus dort bereits 248 Städte"). Auch »in den
östlichen Provinzen, in Galatien, in Kappadocien und den gräzisierten Teilen
Syriens entstanden zwar langsam, aber doch fortwährend neue Kommunen,,
und selbst in den Uferländern der Donau und in Numidien und Mauretanien
hatte die durch die militärische Besatzung sich vollziehende Romanisierung zahl-
reiche neue Städteanlagen zur unmittelbaren Folge «^).
I.agerstädte. Nur auf eine Art der Entstehung neuer Städte, die aus Lagern, soll hier näher
Lambäsis. eingegangen werden. In Afrika verdankten die Städte Lambäsis (Lambessa)
und Verecunda ihren Ursprung dem am Ende der Regierung Trajans oder am
Anfange der Hadrians errichteten und 128 an den endgiltigen Platz verlegten
Lager der dritten Legion"*). Aus den Baracken und Buden der dort nicht zu-
gelassenen, in einer Entfernung von etwa einem Kilometer angesiedelten Mar-
ketender, Frauen und Mädchen, Kaufleute, Händler, Lieferanten, Handwerker
usw. entstanden jene beiden Ortschaften, die Antoninus Pius sofort als Gemein-
den konstituiert haben wird; Lambäsis erhielt Stadtrecht spätestens 207, Vere-
cunda wohl erst durch Valerian und Gallienus^). Lambäsis war mit dem Lager
durch eine schöne, mit Quadern gepflasterte Straße verbunden, die durch einen
dreitorigen Triumphbogen in die Stadt eintrat und durch einen andern Bogen
hinaus auf den Weg nach Verecunda führte. Sie war reich an stattlichen Bauten
aller Art (Tempeln, Thermen, einem Amphitheater, einem viele Quellen in eine
große Leitung zusammenfassenden Septizonium); vor dem Haupttempel war
l) Mit der in einer Pariser Handschrift des 9. Jahrh. sich findenden Notiz s[itnf in] hoc mundo
civitates 'VDCXXVII [Uommstn, Ges. Schrift. V 559 f.) ist nicht viel anzufangen (vgl. Kubitschek,
Hermes XXII 1887, 465 fr.). 2) Mommsen RG. V 65 f. 3) Marquardt StV, T 19; vgl. 373 f.
4) Das Genauere bei Cagnat, M^m. de l'acad. d. inscr. XXXVIII i (1909) S. 21 9 ff.; L'armee Rom.
d'Afrique^ S. 433 ff. 5) Mommsen CIL VIII p. 283 f. 423; vgl. J. Schmidt ebd. p. 1723. Hirsch-
feld, Arch. epigr. Mitt. V 1881 S. 214, 3. Cagnat, L'armee Rom.^ S. 591 f.
[IIL 184] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR
eine forumartige Anlage mit zahlreichen Statuen von Legionslegaten; im Jahre
208 erhielt die Stadt ihr Kapitor). Als sie für immer von der Legion verlassen
wurde, ist sie schnell verfallen. Als die Byzantiner die Städte Afrikas in Ver-
teidigungszustand setzten, errichteten sie dort aus Architraven, Friesen, Altären,
Grabsteinen und Postamenten eine Zitadelle; wie sie den Ort verließen, haben
ihn die Franzosen bei der Besitznahme Algeriens gefunden'').
In derselben Weise entstanden aus Ansiedelungen von Römern in Baracken
[canabae) neben den Lagern ^j mehrere Städte in den nördlichen Provinzen, wo
die Lager oft, wenn nicht in der Regel in der Nähe schon bestehender einhei-
mischer Niederlassungen errichtet wurden, die dann allmählich mit den römi-
schen zu einem Gemeinwesen verschmolzen"*). Das Lager der 15. Legion
wurde (wohl unter Claudius) nach dem wie es scheint schon ansehnlichen kel-
tischen Handelsplatz Carnuntum (Petronell in der Nähe von Wien) verlegt; be- Carnuntum.
reits Hadrian erhob bei seinem dortigen Aufenthalte die römische Ansiedlung
zur Stadt 5). In der Nähe des Lagers von Castra vetera (Xanten) waren infolge
des langen Friedens Bauten »nach Art einer Stadt« entstanden, die im Jahre 69
niedergerissen wurden, um nicht den aufständischen Barbaren als Stützpunkt
beim Angriff des Lagers zu dienen^). Der Komplex von Ortschaften bei dem
großen Lager von Mainz wurde eine römische Stadt erst unter Diocletian, ihre Mainz.
Blüte fällt ins 4. Jahrhundert, diesem werden die noch erhaltenen Architektur-
stücke angehören, die einen Schluß auf sehr stattliche Bauwerke gestatten 7).
Eine ähnliche Entstehungsgeschichte haben Straßburg (Argentorate), Alt-Ofen
(Aquincum), Wien (Vindobona), Iglitza (Troesmis), Karlsburg (Apulum) und
viele andre Städte gehabt^).
In der im Jahre 145 gehaltenen Prunkrede des Aristides auf die Größe Roms Aristidesüber
kann man bei aller Überschwenglichkeit die Wirkung großer, ja überwältigender SnhlitTcr
Eindrücke nicht verkennen, die allerdings vorzugsweise aus den östlichen Län- Städte. "
dern stammten «). Wann, heißt es dort, gab es so viel Städte auf dem Festlande
und auf dem Meere, oder wann waren sie so durchaus geschmückt? oder wel-
cher Herrscher der Vorzeit konnte jemals in seinem Reiche mit jeder Tagereise
eine Stadt erreichen, manchmal auch an demselben Tage durch zwei und drei
Städte wie durch Straßen fahren? Man möchte sagen, daß alle früheren nur
Könige einer Wüste mit festen Plätzen waren, ihr allein aber über Städte
herrscht. Unter euch heben sich jetzt alle griechischen Städte, und alle ihre
monumentalen Zierden und Kunstwerke suchen bei euch Ehre einzulegen; mit
Städten sind Küsten und Binnengegenden angefüllt, die teils unter, teils durch
euch gegründet, teils vergrößert sind. lonien steht durch Glanz und Schönheit
l) St. Gsell, Les monuments antiques de TAlgerie I 115 f. 128 f. 202. 218. 242 u. a. 2) Jung,
Die roman. Landsch. d. röm Reichs S. 137 f. 3) Über die römischen Lagerstädte s. Mommsen^
Ges. Schrift. "VI I76ff. G. Wilmanns, Comment. Mommsen. S. 190—212 und weitere Literatur bei
A. Schulten, Real-Encykl. III 145 1 ff. 4) Bergk, Westd. Ztschr. I 1882 S. 498—515. 5) v. Do-
maszewski. Arch. epigr. Mitt. X 1886 S. ^ff. 6) Tac. H. IV 22: opera haud procul castris in
moduvi municipii extructa wie I 67 longa pace in ?nodum municipii extrucius locus (Baden bei Zürich)
7) J. Becker, Bonner Jahib. LXVII 1879 S. I ff. K. Schumacher, Mainzer Zeitschr. I 1906 S. Kjtf.
8) Marquardt StV. P 21. 9) Aristid. or. 26, 92 ff. (II ii8ff. K.); über die Zeit s. E. Schwartzj
Christi, u. jüd. Ostertafeln (Abhdl. Götting. Gesellsch. d. Wissensch. N. F. VIII 6, 1905) 8.132-
Zum Inhalt vgl. W. Gernentz, Landes Romae, Dissert. Rostock 191 8.
4 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [111. 185, 186]
an erster Stelle, und um wie viel es früher durch Schmuck und Anmut andre
Länder überragte, um so viel hat es nun selbst im Vergleiche zu seiner eignen
Vergangenheit gewonnen. Die große und stolze Stadt Alexanders ist eine
Zierde eurer Herrschaft geworden, wie ein Halsschmuck einer reichen Frau
unter vielen andern Besitztümern. Die ganze Erde ist im Festkleide, sie hat ihre
alte Tracht, das Eisen, abgelegt und sich zu Pracht, Zier und Lustbarkeit aller
Art gewandt. Alle Städte beherrscht nur der eine Wetteifer, daß jede als die
schönste und gefälligste erscheine. Alles ist voll von Ringplätzen, Wasser-
leitungen, Propyläen, Tempeln, Werkstätten und Schulen, und mit Fug darf
man sagen, daß die Erde, die von Anbeginn krank war, nun genesen ist. Un-
ablässig kommen Gaben von euch, und von eurer gegen alle gleichen Huld
kann man keine Stadt vor andern bevorzugt finden. Die Städte strahlen in Glanz
und Lieblichkeit, und die ganze Erde ist wie ein Garten geschmückt.
Daß die Bewunderung des Rhetors für die Menge und Schönheit der Städte
des Weltreichs in der Tat begründet war, beweisen außer ihren zahlreichen
Ruinen manche statistische und sonstige Angaben. Bei der Angabe Aelians^),
Städte In daß Italien »einst« 1197 Städte gehabt habe, ist ebenso ungewiß, aufweiche
liüiicn. 2,Q[i sie sich bezieht, wie worauf sie beruht; vielleicht hat aber auch das Land,
trotz der Verödung mancher Orte, wie überhaupt seine höchste Blüte, so
namentlich die größte Zahl bedeutender und reicher Städte in der Zeit von
August bis Marc Aurel gehabt^]. Von den 18 »durch Reichtum, Bauart und
Lage an Schönheit hervorragenden« Städten Italiens, welche die Triumvirn
jii = 43 V. Chr. den Soldaten als Lohn aussetzten, nennt Appian als die an-
sehnlichsten Capua, Rhegium, Venusia, Benevent, Nuceria, Ariminum und
Ober — Hipponium (Vibo)^j. In Strabos Zeit übertraf Oberitalien (Gallia cisalpina) die
übrigen Landschaften an Reichtum und Größe der Städte*). Von diesen ist
Verona die einzige, deren Ruinen noch jetzt an den alten Glanz erinnern; unter
August \var die bedeutendste Stadt der ganzen Gegend Patavium mit 500 Fa-
milien, die den Ritterzensus und darüber besaßen. Erst in der späteren Zeit
erhob sich Mediolanium zur »ersten Stadt Italiens (nach Rom) an Größe, Be-
völkerung und Reichtum«, wie Procop es nennt^); seine Angabe, daß bei der
Zerstörung der Stadt durch Witichis 300000 Erwachsene männlichen Ge-
schlechts ums Leben gekommen seien, ist allerdings ohne Zweifel stark über-
trieben^). Andre bedeutende Städte Oberitaliens waren Altinum und Ravenna,
beide im Wasser auf Pfählen gebaut, das letztere ein antikes Venedig, nur auf
Brücken oder Fahrzeugen gangbar^), Aquileja, Placentia, Cremona (bis zur
i) Aelian. V. bist. IX 16. 2) Hock, Gesch. Roms I 2, 151. Bestimmungen gegen Schädigung
und Verunstaltung der Städte durch Abbruch von Gebäuden wurden schon in der letzten Zeit der
Republik getroffen. Lex munic. Tarent. (Dessau 6o86 = Bruns-Gradenwitz, Fontes^ nr. 27) Z. 32 ff.
7!ei quis in oppido, quod eins municipi e[r it, aedificiuni dttegito neivi de>n[olito] tuivt disturbato, nisei
ijuod non deterius restituturtis erit; sie kehren dann nahezu wörtlich in den Städteordnungen der
Folgezeit, so in der Lex Ursonensis (CIL II 5439 = Dessau 6087; Bruns- Gradenwitz nr. 28J
c. 75 und der Lex Malacitana (CIL II 1964 ^Dessau 6089; Bruns-Gradenwitz nr. 30) c. 62 wieder;
Senatsbeschlüsse gleicher Richtung CIL X 1041 = Dessau 6043; Bruns-Gradenwitz nr. 54; vgl.
Mommsen, Ges. Schrift. I 158. 263 f. 371 ff. 3; Appian. B. C. IV 3. 4) Strabo V 218. 5) Procop.
B. Got. II 21, 6. 6; Pöhlmann, Übervölkerung d. antiken Großstädte S. 19, 4. 7) Nissen, Ital.
Landesk. II 251.
[III. 187] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 5
Zerstörung im Jahre 69 sehr reich, blühend und stark bevölkert)'), Parma, Mu-
tina, Bononia, Ariminum, Ticinum, Dertona. Aquileja, das große Emporium
für den nordischen Handel, »in mehr als einem Sinne die Mutterstadt Venedigs«,
galt im 4. Jahrhundert der Vokszahl nach als die vierte Italiens (nach Rom,
Capua, Mediolanium)^). Außerhalb der sie umschließenden doppelten Mauer
breiteten sich weite Vorstädte aus. Der Boden der bis auf die Fundamente zer-
störten Stadt ist reich an industriellen Erzeugnissen. An mehreren Orten Istriens
stehen noeh stattliche Ruinen aufrecht; so inTergeste(Triest),Tarsatica(Fiume),
Parentium (Parenzo). Doch die bedeutendsten Reste aus römischer Zeit hat
Pola: einen ganz und einen größtenteils zerstörten Tempel, einen eleganten,
reich verzierten Triumphbogen, das berühmte Amphitheater, das 20 — 25000
Menschen fassen konnte; die letzten Reste eines im 17. Jahrhundert zerstörten
Theaters sind erst um 1870 hinweggeräumt worden; von den ebenfalls erst im
19. Jahrhundert eingerissenen Stadtmauern stehen noch 2 Tore^). In Mittel- Mittel —
Italien zeugen Ruinen, wie die von Ocriculum, Asisium,Hispellum sowie die sehr
stattlichen von Ancona in Picenum von der Ansehnlichkeit auch der Mittel-
städte, Das von Trajan als Hafen für die Kriegsmarine ins Leben gerufene
Centumcellä (Civitä Vecchia) war noch in Procops Zeit groß, bedeutend und
volkreich. Von dem Wohlstände der Hafenstadt Ostia (mit wohl mehr als
50000 Einwohnern) zeugen ihre Ruinen und die Kunstschätze, die sie bergen,
ihre stattlichen Straßen, Kaufhallen, Tempel, Thermen, Theater"*). Der Hercules-
tempel der Villenstadt Tibur gehörte zu den größten und reichsten in Latium,
ebenso der Fortunatempel des »zinnenreichen«, in 5 Terrassen zu seiner Burg
herankletternden Präneste. In Unteritalien haben Pompeji und Herculaneum in Unteritalien.
der überraschendsten Weise gezeigt, daß es auch Orten, die von den antiken
Autoren nur ganz selten und beiläufig erwähnt werden, an zahlreichen statt-
lichen, mit bescheidenem Luxus dekorierten öffentlichen Bauten nicht fehlte.
Neapel war unter Domitian eine prächtige, reich geschmückte Stadt, mit vielen
Tempeln, mit Plätzen, die von unzähligen Säulen eingefaßt waren^). Von dem
alten Glänze Capuas, das noch in Domitians Zeit nicht allzu weit hinter Rom
zurückstand und noch in Ausonius Zeit zu den 14 berühmten Städten des Reichs
gerechnet wurde, ist außer seinem mächtigen Amphitheater wenig übrig. Pu-
teoli, die erste Handelsstadt Italiens (mit vielleicht nicht viel unter loocoo Ein-
wohnern), war reich an Prachtbauten aller Art^). Unter den 68 Städten Siciliens'') Sicilien.
war gegen Ende der Republik die größte und blühendste Centuripä mit 10 000
Bürgern, d. h. etwa 100 000 Einwohnern^); Syracus und Catina (Catania) nennt
Ausonius unter den 14 berümten Städten'). Corsica hatte 32 Städte '°).
Die Städte Galliens gibt Josephus nach einem offiziellen Verzeichnis auf etwa Gallien.
l) Cass. Dio LXV 15. Tac. Hist. III 33 f. 2) Auson. ordo nob. urb. 9. 3) R. v. Schneider,
Drei römische Städte (Aquileja, Pola, Salona) in A. Ilg, Kunstgesch. Charakterbilder aus Oester-
reich-Ungam (1893). 4) Guter L^berblick über die Ergebnisse der neuesten Ausgrabungen bei
D. Vaglieri, Ostia, cenni storici e guida, 1914. 5) Stat. Silv. III 5, 896'. Oben I 401. 6) Belege
für alle obigen Angaben bei Nissen, Ital. Landesk. Bd. II. Für die reiche Literatur über neuere
Ausgrabungen und Funde sei ein für allemal auf Mau-v. Mercklin, Katalog d. Bibl. d. kaiserl.
deutschen archäol. Instituts in Rom, Bd. I (19 14) verwiesen. 7) Plin. n. h. III 88. Marquardt StV.
P 244. 8) Cic. Verr. II 2, 163. 4, 50. 9) Auson. ordo nob. urb. 16. 17. 10) Plin. n. h. III 80.
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. i88]
I200 an'), und wenn ein großer oder der größte Teil noch in der Kaiserzeit
dorfartig gewesen sein mag, so haben andrerseits auch manche, namentlich im
Narbonensis. Narbonensischen Gallien, die heute auf demselben Boden stehenden Städte
weit übertrofifen. Unter den neun, die Pomponius Mela um die Mitte des i. Jahr-
hunderts dort als die ansehnlichsten nennt ""j, haben Vasio (Vaison) und Bäterrä
(Beziers) wenig oder gar keine Reste aus dem römischen Altertum aufzu-
weisen^), nicht geringe Avennio (Avignon), wo sich unter andern Trümmer
eines Triumphbogens aus der ersten Kaiserzeit finden"*); sehr großartige Arau-
sio (Orange), dessen Triumphbogen und Theater zu den am besten erhaltenen
Bauten dieser Gattungen gehören^). Die erste Stelle behauptete in Melas Zeit
dort Narbo, die Residenz des Prokonsuls und der größte Hafen Galliens, welche
noch um die Mitte des 5. Jahrhunderts von Sidonius ApoUinaris hochgepriesen
wird^). Aber die imposantesten und am besten erhaltenen römischen Bauten
außerhalb Italiens sind die von Nemausus (Nimes), das unter Hadrian und den
Antoninen zu seiner höchsten Blüte gelangte^), und von Arelate, >dem zwie-
fachen« (da es sich seit Constantin auf beiden Rhoneufern ausbreitete), »dem
gallischen Rom«, wie es Ausonius nennt, das seinen Höhepunkt erst nach dem
Niedergange von Lugdunum erreichte und noch im 5. Jahrhundert eine sehr
blühende Handelsstadt war^). Tolosa, das gegen Ende des 4. Jahrhunderts
neben Narbo die erste Stelle einnahm, war eine fünffache Stadt, vier Städte
hatte sie aus sich geboren, die sie mit ihren gewaltigen Backsteinmauern um-
schloßt). Vienna, früher ein offener Flecken, eine Stadt erst seit August und
von ihm mit einer 5 — 6 Kilometer langen Mauer umgeben, war reich an schönen
Bauwerken; Ruinen eines Tempels (vielleicht Augusts und seiner Gemahlin
Livia), Amphitheaters, Theaters, Thermengebäudes, einer Porticus sind noch
vorhanden '°).
I^ugdonensis. Vienna galt als die zweite Hauptstadt von ganz Gallien ' ^). Die erste war Lug-
dunum (Lyon), welche sich als Residenz des Statthalters von Lugdunensis,
Zentralpunkt für die Verwaltung, am Zusammenfluß zweier großer Ströme und
im Schnittpunkt der Hauptstraßen gelegen, schnell zu großem Glanz entwickelte
und schon unter Nero an den herrlichsten Bauwerken reich war, deren jedes
allein hingereicht hätte, eine Stadt zu schmücken"). Seit die »große und reichet
Stadt 197 von den Soldaten des Septimius Severus zerstört worden war, scheint
sie die alte Bedeutung nicht wiedergewonnen zu haben '^). Das »Städtchen der
Pariser«, wie der Kaiser Julian Lutetia nennt'*), auf der Seineinsel gelegen, hatte
sich auf das linke Ufer ausgebreitet; bekannt sind dort die Überreste des soge-
i) Joseph. B. J. n 373. Vgl. Friedlaender, Deutsche Rundschau XIII 1877 S. 396 ff. Hirschfeld,
Kl. Schrift. S. 27ff. 2) Pompon. Mela II 75. 3) Hirschfeld CIL XU p. i6of. 511. 4) ebd.
p. i3of. 5) Noack, Baukunst d. Altert. Taf. 88. 89. 152. L. Chatelain, Les monuments Romains
d'Orange, Paris 1909. 6) Sidon. Apollinar. C. 23, 37 ff. 7) Hirschfeld CIL XU p. 383. H. Bazin,
Villes antiques, I Paris 1891. 8) Auson. ordo nob. urb. 10. Oben I 377. Hirschfeld, Kl. Schrift.
27 f.; CIL XII p. 83 f. Maaß, Österr. Jabresh. X 1907 S. 99 ff. Bazin a. a. O. III, 1896. 9) Auson.
a. a. O. 18. Ammian. XV 11, 14. Hirschfeld CIL XII p. 626. 10) Hirschfeld CIL XU p. 218.
H. Willemsen, Die Römerstädte in Siidfrankreich, Gütersloh 1911. 11) Euseb. H. eccl. V i, i.
Über Vienne und Lyon Bazin a. a. O. 11, 1891. 12) Hirschfeld, Kl. Schrift. S. 133 ff. 13) Hero-
dian. III 7, 7. Weder Ausonius noch Ammian nennen sie unter den bedeutenden Städten Galliens.
14) Julian. Misopog. p. 340 D.
[III. 189] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 7
nannten Palais desthermes; ein in der Nähe des Pantheon aufgedecktes Amphi-
theater ist etwa im 3. Jahrhundert erbaut. Augustodunum (>Augustusburg«,
ehemals Bibracte), die Hauptstadt der Äduer, hatte wie Vienna einen Mauer-
umfang von 5 — 6 Kilometer mit 220 Türmen und 2 dreibogigen Stadttoren^;
im 17. Jahrhundert waren dort noch bedeutende Reste eines Theaters und
Amphitheaters, das zu den größten bekannten gehörte (157 X 131 m), vor-
handen'').
In Aquitanien war um die Mitte des i . Jahrhunderts die ansehnlichste Stadt Aquitania.
Eliumberrum (Auch)^). Burdigala (Bordeaux), gewiß von jeher der wichtigste
Handelsplatz an der atlantischen Küste, wird als bedeutend nicht vor dem Ende
des 4. Jahrhunderts erwähnt, auch tragen die Überreste den Charakter der spät-
römischen Zeit^). Ihre Mauern bildeten ein Viereck mit hohen Türmen und
genau einander entsprechenden Toren; ihre Straßen waren breit und regel-
mäßig^), ihr Stolz die herrliche, die ganze Stadt überreichlich mit Wasser ver-
sorgende Quelle Divona^J"
In Belgica war die bereits unter August sehr volkreiche, noch im 4. Jahr- Belgica.
hundert bedeutende Stadt der Remer, Durocortorum (Reims), die Residenz des
Statthalters^). Die (wahrscheinlich durch Claudius®) mit einer Militärkolonie
besiedelte) Hauptstadt der Trevirer (Trier) nennt schon Mela eine sehr ansehn-
liche Stadt; ihr 6148 m langer Mauerring umschließt ein (nur auf dem rechten
Moselufer gelegenes) Areal von 285 Hektar, so daß ihr Umfang den des
mittelalterlichen und bis vor kurzem auch des modernen Trier um das Doppelte
übertraf; ihre Mauer (mit der Porta Nigra) ist zu Anfang der zweiten Hälfte des
3. Jahrhunderts erbaut'). Ihre Glanzzeit war das 4. Jahrhundert, wo die Kaiser
oft hier residierten; aus dieser stammen die Prachtbauten, von denen noch be-
deutende Reste vorhanden sind; doch gehört das Amphitheater einer früheren
Periode an"). Die Ubierstadt, die unter Claudius eine römische Grenzfestung
geworden war und im Jahre 50 als Militärkolonie ihren neuen Namen (Colonia
Agrippinensis, Köln) erhalten hatte"), war schon im Jahre 71 durch ihre Wohl-
habenheit und ihr Wachstum ein Gegenstand des Neids für die Deutschen auf
dem rechten Rheinufer"). Ihre (derselben Zeit wie die von Trier angehörige)
Ringmauer umschließt einen Flächenraum von 97 Hektar, auf dem eine Ein-
wohnerschaft von 30000 Seelen Platz finden konnte. Köln und Deutz sind er-
giebige Fundstätten von Architekturstücken, Skulpturen, Mosaiken, Metall-
arbeiten, Glas- und Tongefäßen '^). In der westlichen Schweiz waren, wie die
baulichen Trümmer beweisen, die Flecken Vindonissa (Windisch, bis zur Ver-
i) Hirschfeld CIL XIII p. 402; Kl. Schrift. S. 191. 2) Edm. Thomas (+ 1660), Hist. de l'an-
tiquecit^d'Autun(i846jS. 32.61.63.215. 3) Pomp. Mela III 20. 4) Vortreff lieh C. JuUian, Histoire
de Bordeaux, 1895. 5) Auson. a. a. O. 20. 6) Oben II 374. 7) Strabo IV 194. Hieronym.
epist. 123, 16. Ammian. XV 11, i. 8) Nach Komemann, Westd. Zeitschr. XXII 1903 S. 178 ff.
erst durch Vitellius. 9) Lehner, Westd. Ztschr. XV 1896 S. 217 f. 260 ff.; vgl. Nissen, Bonner
Jahrb. XCVI 1895 S. loff. Über die Porta Nigra v. Behr, Zeitschr. f. Bauwesen LVm 1908 S. 574 ff.
R. Schnitze, Bonner Jahrb. CXVIII 1910 S. 334 ff. 10) Hettner, Verhandl. der Trierer Philologen-
versamms. 1879 S. 15 — 28. F. Gramer, Das römische Trier, 1911. Ii) Asbach, Bonner Jahrb.
LXXXVIi888S.i2iff. Nissen, ebd. XCVIII (1895) S.i45ff. 12) Tac.Hist. IV63. 13) R. Schultze
und C. Steuemagel, Bonner Jahrb. XCVIII 1895 S. iff. J. Klinkenberg, Das römische Köln (in
P. Giemen, Kunstdenkmäler der Rheinprovinz VI 2), 1906.
8 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [111.190,191]
legung der Grenze Standquartier einer Legion), Salodurum, Turicum, Lousanna,
Genava zu Städten aufgeblüht, wenn sie auch rechtlich viel d. h. Dorfgemein-
den blieben'); auch Baden bei Zürich war zu Anfang des 2. Jahrhunderts ein
lebhafter >in städtischer Weise gebauter« Ort^). Die bedeutendste Stadt dieser
Gegend, Aventicum (Avenches), stand »an Glanz und Stattlichkeit der öffent-
lichen Gebäude, an Luxus und Pracht der Wohnungen und Landhäuser der
reicheren Bewohner wohl nur wenigen Provinzialstädten des Westens nach«.
Ihre Mauern waren mit vielleicht gegen 100 Türmen bewehrt, eine treffliche
Leitung versorgte sie mit Wasser, sie hatte ein Theater und ein Amphitheater,
welches letztere etwa 17000 Zuschauer fassen konnte^).
Spanien. Das tarraconensische Spanien (der Norden und die östliche Hälfte) hatte, wie
bemerkt"*), bereits unter August 179, unter den Antoninen 248 selbständige
Kommunen; die Hauptstadt Tarraco war reich an Tempeln und öffentlichen
Gebäuden aller Art sowie an plastischen Kunstwerken; Häuser, Villen und
Grabdenkmäler zeugten von ihrer Wohlhabenheit^). Bätica (Sevilla, Cordova,
Granada und Teile der angrenzenden Provinzen) besaß schon unter August
175 Städte^), unter denen Gades, von keiner Stadt außer Rom an Einwohner-
• zahl übertroffen, mit 500 Bürgern, die mindestens 400000 Sesterzen im Ver-
mögen hatten^), zu den größten und reichsten der Monarchie gehörte. »Die
Ruinen von Emerita Augusta, der Hauptstadt von Lusitania (einer der 1 4 Städte
des Ausonius), erregten schon, damals noch vollständiger erhalten, das Staunen
^ der arabischen Schriftsteller ; obwohl sie seitdem jahrhundertelang als Steinbruch
benutzt worden, sind doch noch Zirkus, Amphitheater, Stadtmauer, Wasser-
leitung, eine Brücke über das Anastal von 81 Bogen fast vollständig vorhanden,
zahlreiche Tempelreste, Statuen u. a. mehr oder weniger zerstört«^).
Afrika. Auch in Afrika hat die Zahl und der Wohlstand der Städte bis gegen das
Ende des 3. Jahrhunderts wohl stetig zugenommen^). Bereits Ptolemäus zählt
deren 324, darunter nur wenige als Flecken bezeichnete'"). In einem Seitental
des Medscherda (Bagradas) findet man in einer Zone von 55000 Hektar eine
Gruppe von 6 Städten, deren Entfernung voneinander nur wenige Kilometer
beträgt; weiter südlich auf der Hochebene, die sich zu den Schotts (Salzseen)
und zum Meere abdacht, liegen die Städte noch so dicht (im Abstand von 30
bis 40 Kilometer), daß man bequem in einer Tagereise von einer zur andern
gelangen kann"). Die Militärkolonien, deren wir in beiden Mauretanien 33, in
der Doppelprovinz Numidia-Afrika (wo es in Plinius Zeit nur 6 gab) 50 kennen"),
führten nicht bloß zur Vergrößerung, sondern auch zur Vermehrung der Städte,
da Dörfer, in denen Veteranen angesiedelt wurden '3), sich allmählich zu städti-
scher Verfassung entwickelten. Auch bei manchen der als Zufluchtsorte für
l) Mommsen, Ges. Schrift. V 376. 2) Oben S.3 A.6. 3) Bursian, Aventicum Helvetiorum, Mitt.
d. Antiq. Gesellsch. in Zürich, Bd. XVI i (1867). 4) Oben S. 2. 5) Hübner, Rom. Herrschaft in
Westeuropa (1890)8. 167 ff. 6) Marquardt StV. I^ 257, 2. 7) Strabo III i68f. 8) Kiepert, Lehrb.
d. alt Geogr. S. 488 A. i; über neuere Funde vgl. P. Paris, Archäol. Anzeig. 1912 S. 456ff. 1914
S. 370 ff., über die Aufdeckung der alten Griechenstadt Emporiae (Ampurias) A. Schulten, N. Jahrb.
f. d. klass. Altert. XIX 1907 S. 334 ff. 9) Vgl. Friedlaender, Deutsche Rundschau XXXIV 1883
S. 44ff. 241 ff. 10) Jung, Roman. Landschaften S. 121. 11) Schulten, Das röm. Afrika S. 35f.
12) Marquardt StV. 1'' 477 ff. Plin. n. h. V 29. 13) CIL VIII 885 = Dessau 6803.
[III. 192] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR
die Landbevölkerung bei Einfällen unabhängiger Stämme dienenden »Türme«
und Burgen vermehrte sich die seßhafte Bevölkerung so, daß sie Stadtrecht
beanspruchen konnte und erhielt'). Von der Entstehung der Lagerstädte Lam-
bäsis und Verecunda ist die Rede gewesen^). Landgemeinden, die als unselb-
ständige Glieder zu selbständigen Stadtgemeinden gehörten, erwuchsen mit der
Zeit selbst zu solchen, wie die anfangs zum Kommunalverbande von Cirta ge-
hörigen Orte ChuUu, Mileu und Rusicade (Philippeville) etwa zu Ende des 3. Jahr-
hunderts ^j; das letztere war reich an öffentlichen Gebäuden und statuarischem
Schmuck*). Ebenso erscheinen die 4 Landgemeinden Thignica, Thibursicum
Bure, Thugga, Agbia unter Gallienus sämtlich als Städte^), und bedeutende
Ruinen^) geben eine Vorstellung von ihrem Wohlstande.
Überhaupt ist die Blüte der römischen Städte in Afrika in der Zeit von
Hadrian bis zu den Severen'') vorzugsweise durch ihre Überreste bezeugt.
Während solche, die für nahe gelegene arabische Orte als Steinbrüche dienen
konnten, zum Teil so gut wie ganz von der Erde verschwunden sind, wie Kar-
thago (das im 3. Jahrhundert mit Alexandria um die zweite Stelle nach Rom
rivalisierte)^), Utica, Hadrumetum (Susa), geben von andern in der antiken Li-
teratur nie genannten, wie Uthina^j, Seressita (jetzt von ihren vier noch stehen-
den Toren Um-el-Abuab d. h. Mutter der Tore genannt) '°), Sufetula ' '), Gigthis '"),
Thubursicum'3) u. a., sehr ansehnliche Reste Zeugnis. In dem jetzt spärlich
bewohnten, im Frühjahr von Fieberluft erfüllten Tale des Bagradas, einer afrika-
nischen Campagna, stößt man bei jedem Schritt auf Ruinen römischer Tempel,
Bäder, Wasserleitungen; stellenweise deuten nur noch Trümmerhaufen die
einstigen Ortschaften an, anderswo ragen wieder großartige Bauten mit Skulp-
turen und Inschriften bedeckt über das elende Gemäuer der hier eingenisteten
arabischen Duars "*). In Groß-Leptis, von wo ganze Schiffsladungen von Säulen
nach England und Frankreich gegangen sind, erkennt man in dem westlichen
tief verschütteten Stadtteile noch zahlreiche Reste von Bauten, die sich durch
Kostbarkeit des Materials sowie durch Menge und Größe der Säulen auszeich-
nen'5). Sehr umfangreich sind u. a. die Ruinen von Thamugadi"^) (Timgad),
einem unter Wüstensand begrabenen afrikanischen Pompeji'^), sowie die der
Vaterstadt des Augustinus, Thagaste '^), und des Apulejus, Madaura '^). Theveste
(Tebessa) ist ^e'me antike Stadt mit antiken Häusern, die noch bewohnt werden,
wenn auch noch viel mehr in Schutt und Ruinen liegen«; ein Tempel, ähnlich
l) Mommsen CIL VIII p. 21. 2) Oben S. 2 f. 3) Marquardt 479 f. 4) St. Gsell, Les monuments
antiques de l'Alg^rie I 108. 192. 201. 232 u. a. 5) Mommsen CIL VIII p. 173 f. 6) Besonders
reich sind die Überreste von Thugga (heute Dougga), vgl. Carton, Ruines de Dougga, 1909; über
das Forum L. Homo, M^langes d'arch^ol. et d'hist. XXI 1901 S. 3ff., das Kapitol bei Noack
a. a. O. Taf. 180. 7) Schulten a. a. O. S. 72. 8) CIL VIII p. 133. Herodian. VII 6, i. Über Utica
(1^ öeurepa luexä Kap\r]b6ya Strabo XVH 832) CIL VIII p. 149. 9) Barth, Wanderungen I 1 14 f.
P. Gauckler, Monum. Piot III 1896, 177 ff. 10) Gu^rin, Voyage arch^ol. dans la r6gence de Tunis
^ 354ff- 11) A. Schulten, Arch. Anzeig. 1913 S. 252 ff. 12) ebd. 1911 S. 253 f. 13) Diese
numidische Stadt besaß einen Flächeninhalt von 66 ha (Pompeji hat 64.7 ha), Schulten a. a. O.
1901 S. 76. 14) Hesse-Wartegg, Tunis, Land und Leute S. I59f. 15) Barth, Wanderungen I
S. 310— 312. 16) CIL VIII p. 259. E. Boeswillwald, R. Cagnat, A. Ballu, Timgad, une cite
africaine sous l'empire romain, 1905. H. Holtzinger, Timgad und die römische Provinzialarchitektiir
in Nordafrika, 1906; vgl. auch Noack a. a. O. Taf. 149. 177. 178. 17I Schulten a. a. O. S. 61 f.
18) CIL VIU p. 508. 19) ebd. p. 472.
lo XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [HI. 193]
der Maison carree in Nimes^), Thermen, ähnlich denen des Caracalla, das Forum,
eine Basilika und andres ist wohl erhalten''). Auch von den Hauptstädten des
östlichen Mauretaniens Sitifi und Cäsarea sind große Überreste vorhanden ; das
letztere hatte einen Umfang- von einer geographischen Meile, mindestens den
achtfachen des heutigen ScherschelP). Die Ruinen der in West-Marokko (Mau-
retania Tingitana) gelegenen Stadt Volubilis (Reste eines Triumphbogens, eines
Tempels und der Umfassungsmauer) bedecken, obwohl sie lange als Steinbruch
für das nahe Miknes gedient haben, noch einen Hügel'*). Auf eine Zunahme
der Gesamtbevölkerung während der Kaiserzeit läßt die Zunahme und das
Wachstum der Städte um so mehr schließen, als nach Herodian um die Mitte
des 3. Jahrhunderts auch die Ackerbau treibende Bevölkerung groß war 5),
Nach Procop sollen in Afrika durch die Vandalen 5 Millionen Menschen umge-
kommen sein^j.
Ägypten. Die Bevölkerung Ägyptens, das unter den Ptolemäern 7 Mill. Einwohner
gehabt haben solF), war im i. Jahrhundert auf etwa 8'/, gewachsen^) (das sind
vielleicht 280 auf den Quadratkilometer, wie etwa heutzutage im dicht bevölker-
ten Königreich Sachsen). Es sollte in alter Zeit 20000, unter den Ptolemäern
30000 Ortschaften gehabt haben^), und noch in der Kaiserzeit war es reich an
Städten, wenn auch die Mehrzahl derselben klein und unberühmt war"""), zumal
die Metropolen der Gaue mit Ausnahme der Griechenstädte Naukratis und
Ptolemais (wozu später Antinoupolis kam) bis auf Septimius Severus der Auto-
nomie entbehrten und daher staatsrechtlich nur den Charakter von Dörfern
trugen"). Die Weltstadt Alexandria aber, die wohl über i Million Einwohner
hatte"), konnte mit Rom wie in andern Beziehungen so namentlich in der Pracht
und Größe ihrer Bauten wetteifern. Noch im 4. Jahrhundert hatte Ägypten mit
Libyen und der Pentapolis zusammen 100 Bischofssitze'^).
Syrien. Die Hauptstadt Syriens, Antiochia, stand an Umfang, Glanz und Volksreich-
tum Alexandria gleich; sie bestand aus vier, von besonderen Mauern und einer
Hauptmauer umschlossenen Städten'*) und hatte wie Alexandria zwei von be-
deckten Säulengängen eingefaßte, einander rechtwinklig schneidende Haupt-
straßen, deren längere 36 Stadien (6,5 km) lang war'^). Durch die Trefflichkeit
und Fülle ihrer Wasserleitungen übertraf sie nach Libanius alle Großstädte'^,
und sie war die einzige, von der wir wissen, daß sie (im 4. Jahrhundert) Straßen-
beleuchtung hatte. Die beiden einander ebenfalls rechtwinklig schneidenden
i) Noack a. a. O. Taf. 179. Gsell a. a. O. I 133 ff. 2) Maltzan, Drei Jahre im Nordwesten von
Afrika II 306 — 314. R. Cag^at, Carthage, Timgad, T^bessa et les villes antiques de l'Afrique da
Nord, 1909. Gsell a. a. O. I 109 f. 129. 203. 234. 265 ff. 3) Barth, Wanderungen I 56. 4) Duruy,
Hist. Rom. V 200, i; vgl. auch Cagnat, L'arm^e Rom. d'Afrique" S. 669 f. 5) Herodian. VII 4, 4.
6) Procop. Anecd. 18, 8. 7) Diodor. I 31, 8; vgl. dazu Wilcken, Griech. Ostraka S. 487 ff.
8) Joseph. B. J. II 385: 71/2 Millionen mit Ausschluß von Alexandrien (jedoch vgl. dazu Wilcken
a. a. O. S. 239). 9) Diod. I 31, 7. 10) Plin. n. h. V 60 nunc quoqut multis etiamsi ignobilibus
[urbibus] frequens. 11) Wilcken, Grundzüge der Papyruskunde I 38 ff. A. Stein, Untersuch, z.
Gesch. u. Verwalt. Ägyptens S. 84 f. Arsinoe hatte nach Wessely, Mitteil, aus d. Samml. d. Papyr.
Erzherz. Rainer II, III 1887 S. 261 mindestens 100 000 Einwohner. 12) Oben I 43of. 13) Mar-
quardt a. a. O. I^ 439, 11. 14) Strabo XVI 750, vgl. oben I 370. 15) O. Müller, Kunstarch.
Werke V 57; s. im allgemeinen R.Förster, Archäol. Jahrb. XII 1897 S. 103 ff. und über den
Flächeninhalt der Stadt (481 ha) J. Partsch, Arch. Anz. 1898 S. 222ff. l6j Oben II 372f.
[lU. 194] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARG HITEICTUR ii
Hauptstraßen von Apamea am Orontes (mit 1 17000 freien Einwohnern im
Jahre 759/60 = 5/4 v. Chr.) waren etwa 1 7a und i km lang; seine Akropolis,
auf der jetzt ein Araberdorf von 100 Häusern steht, hatte wenigstens für 4 bis
500 Häuser Raum*). Von Apamea bis zur Wendung des Orontes gegen das
Meer stehen an seinem rechten Ufer auf einer Strecke von 1 50 — 180 km Länge
»heute noch die Ruinen von gegen hundert Ortschaften, ganze noch erkenn-
bare Straßen^ die Gebäude mit Ausnahme der Dächer ausgeführt in massivem
Steinbau, die Wohnhäuser von Säulenhallen umgeben, mit Galerien und Bai-
konen geschmückt, Fenster und Portale reich und oft geschmackvoll dekoriert
mit Steinarabesken, dazu Garten- und Badeanlagen, Wirtschaftsräume im Erd-
geschoß, Ställe, in den Felsen gehauene Wein- und Ölpressen, auch große,
ebenfalls in den Felsen gehauene Grabkammern mit Sarkophagen gefüllt und
mit säulengeschmückten Eingängen«. Es sind die Landwohnungen der Kauf-
leute und Industriellen von Apamea und Antiochia, Ansiedlungen, die der Zeit
vom Anfang des 4. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts angehören, denen aber
sicher ähnliche, minder dauerhafte Villenanlagen vorausgegangen sind: bis zu
einem gewissen Grade kann der Wohlstand der syrischen Kaufmannswelt, von
dem wir hier ein Bild haben, auch für die frühere Kaiserzeit vorausgesetzt wer-
den'). Das »heilige und sehr große Damascus« nennt Kaiser Julian »das Auge
des ganzen Orients* und rühmt die Schönheit und Größe seiner Tempel, die
Pracht und Reichlichkeit seiner Wasserleitungen^). Samosata am Euphrat war
eine große und volkreiche Stadt mit einem großen Zeustempel^), für die Be-
deutung von Heliopolis (Ba'albek) zeugen die großartigen Tempeltrümmer, die
zu den imposantesten Ruinenstätten der alten Welt gehören^). Das schon in
der ersten Kaiserzeit zum römischen Reiche gezogene Palmyra verdankte dem
Karawanenhandel nach den Handelsplätzen am Euphrat und persischen Meer-
busen seine Bedeutung und seinen Wohlstand, von dem »die noch heute stehen-
den Tempel der Stadt und die langen Säulenreihen der städtischen Hallen, so-
wie die massenhaften, reich verzierten Grabmäler zeugen« ; »mit Hilfe der großen
unterirdischen Wasserleitungen und ungeheuren, künstlich aus Quadern an-
gelegten Wasserreservoirs, von denen sich in der Umgegend noch Reste finden,
muß der jetzt aller Vegetation bare Boden einst eine reiche Kultur entwickelt
haben«. Nach der Zerstörung der Stadt durch Aurelian (273) »suchte und fand
der Handel andere Bahnen, und dem kurzen meteorartigen Aufleuchten Pal-
myras folgte unmittelbar die Öde und Stille, die seither bis auf den heutigen
Tag über dem kümmerlichen Wüstendorf und seinen Kolonnadenruinen lagert« ^).
l) Sachau, Reise in Syrien und Mesopotamien (1883) S. 71 ff., vgl. CIL III p. 1223. Chapot, La
frontiere de l'Euphrate (1907) S. 334 f. 2) Mommsen RG. V 469 f. Der außerordentliche Reichtum
Syriens an Ortschaften tritt namentlich in den Reiseberichten der amerikanischen Expedition her-
vor, die in jüngster Zeit größere Teile des Landes aufgenommen hat, Publications of an American
archaeological expedition to Syria in 1899 — 1900 (1904 ff.) und Publications of the Princeton Uni-
versity archaeological expedition to Syria in 1904 — 1905 and 1909 (1907 ff.). Vgl. dazu H. Glück,
Der Breit- und Langhausbau in Syrien, 1916. 3) Julian, ep. 24 p. 392 C. 4) Liban. or. 18, 214
(n 330 F.). 5) O. Puchstein, Arch. Jahrb. XM. 1901 S. I33ff. XVII 1902 S. 87ff.; Führer durch
die Ruinen von Ba'albek, 1905. Noack a. a. O. Taf. 186 — 190; vgl. E. Weigand, Arch. Jahrb.
XXIX 1914 S. 37 ff. Einen sehr lehrreichen Überblick über die wichtigsten Ruinenstätten Syriens
gibt Puchstein, Arch. Jahrb. XVII 1902 S. 103 fiF. 6) Mommsen RG. V 423, 428 f. 441 f. Über die
Denkmäler von Palmyra vgl. Puchstein, Arch. Anz. 1906 S. 428". 193 f. Noack a. a. O. Taf. 183—185,
12
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 195]
Phönizien. Unter den Städten Phöniziens waren Sidon und Tyrus (mit sechsstöckigen
Häusern)') die größten: Zabulon, sagt Josephus, hatte schöne Häuser, gleich
denen in Sidon, Tyrus und Berytus"); auch Ptolemais war eine große, Aradus
Palästina, eine sehr volkreiche Stadt mit vielstöckigen Häusern^). Unter den Städten Pa-
lästinas ragte nächst Jerusalem (mit 60000 Einwohnern im Jahre 70)'*) Gaza'')
und die von Herodes prachtvoll erbaute Hafenstadt Cäsarea hervor '^); ihr Tetra-
pylon, ein Triumphbogen mit vier Toren (wohl auf dem Schnittpunkt ihrer
beiden Hauptstraßen), wurde noch im 4, Jahrhundert als Sehenswürdigkeit ge-
nannt^).
Für Ostsyrien und das Nabatäerland brach mit der Einrichtung der Provinz
Arabien und der Verlegung einer Legion nach der Hauptstadt Bostra (106) die
einzige Epoche der Ruhe und guten Verwaltung an, deren diese Länder, jetzt
eine fast unbewohnte, nur von Beduinen durchstreifte Wüste, sich jemals er-
freut haben: der Zeit der römischen Herrschaft (von Trajan bis Justinian) ge-
Das Haiirfin. hören fast sämtliche dort erhaltene bauliche Überreste an^). In der Ledjä,
einem 13 Stunden langen und 8 — 9 Stunden breiten, jetzt fast menschenleeren,
damals hochkultivierten Lavaplateau, durch welches die Bostra mit Damascus
verbindende Römerstraße führte, und um sie zählt man die Ruinen von 12
größeren und 3g kleineren Ortschaften. Schon der erste Statthalter der neuen
Provinz ließ Aquädukte bauen, die das Wasser vom Gebirge des Hauran nach
Canatha (Kerak) und Arrha (Rahä) führten. Bostra, durch eine römische Straße
mit dem persischen Meerbusen verbunden, nahm als Handelsplatz einen ge-
waltigen Aufschwung; es vermittelte nun neben Palmyra und Petra den Ver-
kehr vom Osten zum Mittelmeer; seine langen Reihen steinerner Buden be-
zeugen noch jetzt seine damalige sowie die Möglichkeit seiner künftigen Größe.
Die bei dem Mangel des Holzes ganz aus Stein aufgeführten Bauwerke des
Hauran geben von der ganz eigenartigen dort in dem halben Jahrtausend zwi-
schen Trajan und Mohammed blühenden Kultur ein überraschend anschau-
liches Bild^). Durch die römische Herrschaft »erhielt das Bauen einen Anstoß,
der nicht wieder zum Stillstand kam. Überall erhoben sich Häuser, Paläste,
Bäder, Tempel, Theater, Aquädukte, Triumphbogen ; Städte stiegen aus dem
Boden binnen weniger Jahre, mit der regelmäßigen Anlage, den symmetrisch
geführten Säulenreihen, die die Städte ohne Vergangenheit bezeichnen und für
diesen Teil Syriens während der Kaiserzeit gleichsam die unvermeidliche Uni-
form sind« (M. de Vogue). Die östliche Abdachung des Hauran weist ungefähr
300 derartige verödete Städte und Dörfer auf, während dort jetzt nur 5 Ort-
schaften vorhanden sind; einzelne von jenen zählen bis 800 ein- bis zwei-
1) Oben I 5 A. 6. 2) Joseph. B. J. II 504. 3) Strabo XVI 753. ,758. 4) Tac. bist. V 13; vgl.
Marquardt StV. II' 121, 2. 5) Mela I 64 mgens et munita admodum; vgl. R. Förster, Arch. Jahrb.
IX 1894 S. 166, I. 6) Joseph. B. J. III 409. Tac. bist. II 78 und mehr bei Benzinger, Real-Encykl.
TII 1291 flF. 7) Expos, tot. mundi 26. 8) Brünnow u. v. Domaszewski, Die Provincia Arabia III
(1909) S. iff. Publications of the Princeton University Archaeological Expeditions to Syria in
1904 — 1905 and 1909, Division II. III Section A part 4 (1914). 9) Ein sehr gutes Beispiel dafür
liefern die bei dem heutigen Umm idj-Djimäl gefundenen bedeutenden Überreste einer antiken
Stadt, deren Name [Thantia in der Tab. Peut., Thainaia in der Not. dign.) nur vermutungsweise
festgestellt werden kann. Public, of the Princet. Univ. a. a. O. Sect. A part 3 (1913) Divis. II 1490'.
m 131fr.
[III. 196] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 13
stöckige, noch bewohnbare Häuser, durchaus aus Basalt gebaut, mit wohlge-
fügten, ohne Zement verbundenen Quadermauern, meist ornamentierten, oft
auch mit Inschriften versehenen Türen, die flache Decke gebildet durch Stein-
balken, welche von Steinbogen getragen und durch eine Zementlage regenfrei
gestellt werden. Die Bauweise ist im ganzen die gewöhnliche griechische der
Kaiserzeit mit einzelnen Anklängen an die ältere orientalische ; doch mit einer
durch das Fehlen des Holzes bedingten Entwicklung des Steinbogens und der
Kuppel, die diesen Bauten technisch wie künstlerisch einen originellen Cha-
rakter verleiht. Die Stadtmauer wird gewöhnlich nur durch die zusammen-
geschlossenen Rückseiten der Häuser gebildet und ist durch zahlreiche Türme
geschützt. Vor den Toren liegen die oft unterirdischen oder mit künstlichem
Steindach versehenen, zum Teil noch heute von den Beduinen instand gehal-
tenen Zisternen').
Unter den dortigen römischen Städten ist Gerasa von einer noch überall zu
verfolgenden, stellenweise 3,5 m dicken, 3552 m langen Quadermauer um-
geben und von drei gewaltigen Säulenstraßen durchzogen; außer dem groß-
artigen HaupttempeP) sind noch zwei kleinere Tempel, zwei Theater, mehrere ^
große Bäder, Aquädukte und andere Reste übrig. Eine gräberreiche Nekro-
polis, welche die Größe der Bevölkerung beweist, umgibt die Stadt auf allen
Seiten^). Das erst von Kaiser Philipp dem Araber zur Stadt erhobene Philip-
popolis war nach seinen Ruinen ein bedeutender Ort, von einer rechteckigen • •
Mauer umschlossen, von zwei gepflasterten Hauptstraßen kreuzweise durch-
schnitten, mit einem Theater, einer Wasserleitung, Bädern, Tempeln und zahl-
reichen andern öffentlichen Gebäuden**). Die meist in den lebendigen Felsen
gehauenen, größtenteils erst der Römerherrschaft angehörigen Prachtbauten
von Petra (der alten Residenz der nabatäischen Könige) zeigen alle phantasti- Arabien. '
sehen Ausartungen des sinkenden Architektur- und Skulpturstils des 2. — 3. Jahr- ]
hunderts^). »Die Grabstätten, welche in die östlich und westlich von Petra auf- ]
steigenden Felswände und in deren Seitentäler eingebrochen sind, mit ihren
oft in mehreren Reihen übereinandergestellten dorischen oder korinthischen i
Säulenfassaden und ihren an das ägyptische Theben erinnernden Pyramiden j
und Propyläen sind nicht künstlerisch erfreulich, aber imponierend durch Masse |
und Reichtum. Nur ein reges Leben und ein hoher Wohlstand hat also für i
seine Toten zu sorgen vermocht«'). j
Von den 500 Städten der Provinz Asia, welche die Küstenstriche und Inseln Asi«. |
von lonien, Äolis und Doris, die Landschaften Phrygien, Mysien, Karlen und •]
Lydien umfaßte, ist wiederholt die Rede^) : auch diese Zahl beruht auf einer ]
amtlichen Angabe. Eine der reichsten und prachtvollsten Städte nicht bloß
dieser Provinz, sondern ganz Kleinasiens, deren Größe noch jetzt die Ruinen
i) Alles Obige nach Moinmsen RG. V 4S2 — 485, großenteils wörtlich. Über die Landschaft '
Haurän in römischer Zeit und in der Gegenwart vgl. G. Rindfleisch, Zeitschr. d. dtsch. Palästina- 1
Vereins XXI 1898 S. iff. 2) Noack a. a. O. Taf. 182. 3) G. Schumacher, Zeitschr. d. dtsch. I
Palästina -Vereins XXV 1902 S. logff. Benzinger, Real-Encykl. VII 1244. 4) CIL III p. 2303. j
Brünnow-v. Domaszewski a. a. O. III i45tT. Kubitschek, Sttz.Ber. Akad. Wien Bd. 177 (1916)
Abh. IV 40 ff. 5) Brünnow-v. Domaszewski I 125 ff. Thiersch, An den Rändern des röm. Reichs <
S. 29 ff. Puchstein, Archäol. Anz. 1910 S. 3 ff. Noack a. a. O. Taf, 159. 6j Mommsen RG. V 485. ]
7) Marquardt StV. P 340, 3. ■
14 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 197, 198]
ihres Theaters und Amphitheaters bezeugen, war Cyzicus^), die bedeutendste
des Binnenlands Apamea (KißujTO?)*]; daß aber auch Städte zweiten Ranges an
Umfang, Wohlstand und Denkmälern sehr ansehnlich waren, haben die Aus-
grabungen auf dem Boden des durch seine heißen Quellen berühmten phrygi-
schen Hierapolis gezeigt^). Von elf Städten, die sich im Jahre 26 n. Chr. um
die Ehre bewarben, dem Kaiser Tiberius einen Tempel erbauen zu dürfen,
wurden fünf als zu unbedeutend sogleich zurückgewiesen, darunter Laodicea*);
doch sagt Strabo von dieser Stadt, daß ihre Wollproduktion und die Frucht-
barkeit ihres Bodens sie reich und die Munifizenz einiger Bürger groß gemacht
hatte. Ein Hiero hatte ihr eine Erbschaft von mehr als 2000 Talenten (nahezu
IG Mill. Mark) hinterlassen; überdies hatte er, und nach ihm der Rhetor Zeno
und der (von Antonius und August zur Königswürde erhobene) Polemo sie
durch Bauten und Monumente verschönert^). Hiernach mag man sich den
Glanz und Reichtum der zur Bewerbung zugelassenen Städte Halikamaß, Per-
gamum (mit 120000 Einwohnern)^), Ephesus, Milet, Sardes und Smyrna vor-
stellen. Unter ihnen galten Pergamum und Ephesus für die Zierden Asias^),
das letztere, die Residenz der Statthalter, für eine der volkreichsten und am
schönsten gebauten Städte der Welt^); doch Smyrna behauptete unbestritten
den Ruhm der schönsten in der Provinz'). Von Aphrodisias, von dessen Wohl-
stande und Blüte die reichlichen, auf Inschriftensteinen erhaltenen, bis in die
Zeit der Gordiane reichenden Nachrichten über den dort für Schauspiele ge-
machten Aufwand einen hohen Begriff geben '°), haben sich trotz der Benutzung
der älteren Bauten zu einer im 4. Jahrhundert aufgeführten Mauer und der fort-
währenden Ausbeutung der Trümmer als Steinbruch bedeutende Reste aus
römischer Zeit erhalten"); desgleichen von Stratonicea"). Die Hauptstadt der
wahrscheinlich unter Vespasian der Provinz Asia einverleibten*^) Insel Rhodus
war bis zu ihrer Zerstörung durch ein Erdbeben um die Mitte des 2. Jahrhun-
derts die reichste und blühendste griechische Stadt, und zugleich eine der am
schönsten und regelmäßigsten gebauten und an prachtvollen Anlagen reichsten
Städte der Welt *^).
Im übrigen Kleinasien war das wasserlose, zum Teil nur zur Weide geeignete
Binnenland Phrygiens, Lykaoniens, Galatiens, Kappadociens auch in jener Zeit
nur dünn bevölkert, doch die übrige Küste stand hinter Asia nicht weit zu-
Bithynien. rück*^). Unter den Städten Bithyniens stritten Nicäa und Nicomedia um den
l) Hasluck, Cyzicus, Cambridge 1910. 2) Dio Chrys. or. 18, I3ff. I 335 ff. Arn.), vgl. Ramsay,
Cities and bishoprics of Phrygia I 3966". 3) Altertümer von Hierapolis, Jahrb. d. Arch. Inst.
Erg.Heft IV 1898. 4) Tac. A. IV 55, vgl. XIV 27: ex inlustribus Asiae urbibus Laodicea. 5) Strabo
XII 578. Rsmsoy a. a. O. I 32 if. Über die Wasserleitung G. Weber, Arch. Jahrb. XIII 1898 S. i ff.
XIV 1899 S. 4 ff. 167 ff. 6) Galen. V 49. 7) Plin. n. h. V 120. 126. 8) Hier wie in Pergamum
haben die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte reiche Beweise für die glänzende wirtschaftliche
und bauliche Entwicklung beider Städte während der Kaiserzeit geliefert; vgl. außer den großen
Ausgrabungswerken (Forschungen in Ephesos, 1906 — 1912; Altertümer von Pergamon 1885 ff.) zur
kurzen Orientierung J. Keil, Ephesos, ein Führer durch die Ruinenstätte und ihre Geschichte, 1915
(auch Bürchner, Real-Encykl. V 2796 ff. 28i3ff.). Ziebarth, Kulturbilder aus griech. Städten^ S. 32 ff.,
über Milet A. v. Salis, N. Jahrb. i. klass. Altert. XXV 1910, I03 ff. 9) Oben 1 4l9f. 10) Liemiann,
Analecta epigraphica et agonistica (Dissert. phil. Halenses X 1889). Il) M. Collignon, Comptes
rendus de l'acad. d.inscr. 1904 S. 703 ff. 1906 S. 158 ff. 12) G. Hirschfeld, Zeitschr. f. Erdkunde XIV
(1879) S. 311 ff. 13) Marquardt a. a. O. I' 348 f. 14) Oben I 4i5f. 15] Mommsen RG. V 327.
[III. 199] I- ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR
15
und Fisidicn.
ersten Rang. Die letztere war nach Ammian von früheren Kaisern, namentlich
Diocletian*), so erweitert und verschönert worden, daß sie dem Kaiser Julian
nach der Masse ihrer öffentlichen und Privatgebäude wie ein Teil von Rom er-
schien^); außer Rom übertrafen es damals nur Antiochia, Alexandria und Con-
stantinopel an Größe, keine an Schönheit^). In der Provinz Pontus, wo die
Hauptstadt des Königs Mithridates, Amasea, ein blühender Ort blieb*), erwuchs
Trapezunt erst in der römischen Kaiserzeit zu einer bedeutenden Stadt'). Die
Einwohnerzahl der Hauptstadt von Kappadocien, Cäsarea, wurde im 3. Jahr- Kappadocicn.
hundert auf 400000 geschätzt*^). Die dort an der Grenze von Armenien er-
baute Festung Melitene, von Trajan zur Stadt erhoben, wurde mit der Zeit
groß und volkreich und breitete sich nun unter dem Kastell aus. Die Ebene
bedeckte sich mit Tempeln, Wohnungen für Behörden, Straßen und Markt,
Läden und Magazinen, Säulenhallen, Bädern, Theatern und allem, was zum
Schmuck einer großen Stadt gehört; Justinian ummauerte sie^).
Doch die überraschendsten und reichsten Anschauungen von der Menge, ^^"P'^yJif^
Größe und Pracht der Städte Kleinasiens in jener Zeit bieten die massenhaften,
wohlerhaltenen Ruinen in Pamphylien und Pisidien, jetzt »einem vergessenen,
verschollenen Winkel der Welt«^). Die einzige lebendig gebliebene Stadt der
ganzen lykisch-pamphylischen Küste, Attalia (Adalia), zeigt als bedeutendstes
Denkmal ein dreibogiges Prachttor, das die Erinnerung an einen Einzug Ha-
drians verewigt^). Termessus, 940 m hoch auf einer von Höhen umgebenen
Einsenkung mit dem Blick aufs Meer gelegen, ist >ein herrliches, überaus voll-
ständiges Bild einer alten Stadt mit allen ihren wichtigen Bestandteilen, Tem-
peln, Theater, Gymnasium, öffentlichen Bauten, die den schön und zierlich ge-
ordneten Marktplatz umringten, und Gräberfeldern, die sich an den Abhängen
hinaufziehen« '°). Perge erscheint wie ein bewohnter oder eben erst verlassener
Ort. An den Burgberg schließen sich in einer Länge von goo m und einer
Breite von beinahe 600 m lückenlos die zinnengekrönten Mauern, auf denen von
70 zu 70 Schritten viereckige Türme stehen, oft bis zu ihrer ursprünglichen
Höhe erhalten. Die Straßen kreuzen sich regelmäßig, aus dem Haupttor im
Süden führt eine von Säulenhallen flankierte Straße auf die Mitte der Burg zu;
Theater und Stadium konnten etwa je 15000 Zuschauer fassen"). Unter den
Ruinen von Aspendus") ragt außer einem großartigen Aquädukt, der das Wasser
auch über die Berge führte, neben den Trümmern des Stadiums das Theater
mit der überladenen Marmorpracht seiner Szenenwand hervor, das etwa 8 bis
9000 Zuschauer fassen konnte'^). Side zieht sich auf einer spitzen Halbinsel ins
Meer hinaus, gegen das Festland abgemauert; eine zweite innere Festlands-
mauer schließt das gewaltige, gleich einem Berge aus dem niedrigen Trümmer-
haufen der Stadt emporsteigende Theater ein, das für mehr als 15000 Zu-
l) Lact, de mortib. persecut. 7, 8 — 10. 17, 4. 2) Ammian. XXII 9, 3. 3) Liban. or. 61, 7 (IV
332 f. F.). 4) Cumont, Studia Pontica II 138 ff. 5) Cumont a. a. O, II 363 ff. Chapot, La kon-
tiere de l'Euphrate S. 364 f. 6j Zonaras XII 23 p. 141, 12 Dind. 7) Procop. de aedific. III 4
p. 254 Dind. Chapot a. a. O. S. 349. 8) Das Folgende, großenteils wörtlich, nach G. Hirschfeld,
Zeitschr. f. Erdkunde XIV S. 279 — 315. Lanckoronski, Städte Pamphyliens u. Pisidiens, 1890 — 92.
9) Lanckoronski a. a. O. I 7ff. Noack a. a. O. Taf. 159. 10) Vgl. Lanckoronski a. a. O. II 21 ff.
II) Vgl. Lanckoronski I 33 ff. 12) ebd. I 85 ff. 13) Noack a. a. O. Taf. 142.
i6 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 200]
schauer Raum hatte'). Die Ruinen von Selge') zerfallen in zwei Massen: der
stark befestigte obere Teil der Stadt, der zwei Akropolen nebst dem dazwischen
liegenden Sattel (dem prächtigsten Bezirk) umfaßte, enthielt die öffentlichen
und religiösen Gebäude, Im unteren stehen noch fünf Säulen einer Kolonnade,
die einst den ganzen Marktplatz umzog; oberhalb derselben das auf 8 — 9000
Menschen berechnete Theater und das Stadium. Auch in dem looom hoch
gelegenen Cremna^), das unter August eine römische Kolonie erhielt, gehören
die meisten Bauten der mittleren und späteren Kaiserzeit an. Sagalassus^) liegt
auf einem ansteigenden und zugleich wellenartigen Terrain: >indem jede der
wellenartigen Erhebungen mit bedeutenden Gebäuden gekrönt war, die durch
Säulenhallen und bei der Unebenheit des Bodens durch breite Treppen und
Terrassen miteinander verbunden waren, entstand ein überaus malerisches Bild,
dessen Eindruck auch die ungeheuren Trümmer noch ganz hervorzurufen ver-
mögen.« Unter ihnen ist die Ruine eines korinthischen Tempels (vielleicht aus
der Zeit Trajans) und die des Theaters, über dem sich wieder die Reste eines
sehr großen Tempels befinden. Auch eine Kleinstadt wie Sillyon') hatte ein
Theater, ein Odeum und ein Stadium. >Am Ausgange des 2. Jahrhunderts
a. Chr., so kurz vor dem nahenden Verfall, müssen diese Städte den Eindruck
von großen, einheitlichen Kunstwerken, von Idealbildern gemacht haben, mit
ihrem malerischen Mauerringe, aus dem vvohlgepflegte, gräberumsäumte Wege
hinausführten, ihren gerade gezogenen Straßen, den öffentlichen Anlagen, Tem-
peln, Bädern, Gymnasien, Markthallen in jedem Quartier, darüber die Burg mit
stolzen Säulenbauten, dem Wohnplatz der die Stadt beschützenden Götter«^).
Die baulichen Anlagen der Küste Ciliciens sind ebensogut erhalten, wie die
pamphylischen, »desto mehr tritt eine verhältnismäßige Ärmlichkeit im Mate-
rial und der ganzen Bauweise hervor«. Eine Ausnahme macht Antiochia am
Kragos mit seinen beiden Hallenstraßen und dem prächtigen Marmortempel.
Reste von Hallenstraßen haben sich auch in Pompejopolis, Seleucia am Caly-
cadnus und in Hierapolis-Castabala erhalten. Von der einstigen Bedeutung
von Mopsuestia zeugen eine ansehnliche Stadtbefestigung, ein Theater und eine
große Wasserleitung. Das Innere der gänzlich verlassenen Stadt Anazarba ist
tief verschüttet und überv\aichert von einer üppigen Vegetation, aus welcher
einzelne Säulen einstiger Hallenstraßen hervorragen; von andern aus dem Alter-
tum stammenden Bauten sind zwei großartige Wasserleitungen, ein Theater,
Stadium und Amphitheater erkennbar').
Aber nicht bloß hier, sondern überall, wo »ein von der Verwüstung der
anderthalb Jahrtausende, die uns von jener Zeit trennen, vergessener V/inkel
des Lands sich der Forschung erschließt, da ist das erste und mächtigste Ge-
fühl das Entsetzen, fast möchte man sagen die Scham über den Kontrast der
elenden und jammervollen Gegenwart mit dem Glück und dem Glanz der ver-
Lycien. gangenen Römerzeit«. Als unter Claudius Lycien Provinz ward, verlegte man
die alte Bergstadt Kragos in die Ebene; auf dem Marktplatz der neuen Stadt
Sidyma stehen noch die Reste des viersäuligen dem Kaiser damals gewidmeten
i) Lanckoronski I 125 ff. 2) ebd. II I73ff. 3) ebd. II 161 ff. 4) ebd. II iijff. 5) ebd.
I 65 ff. 6) G. Hirschfeld, Berliner Philol. Wochenschr. 1890 S. 1525. 7) R. Heberdey u. A. Wil-
helm, Reisen in Kilikien, Denkschr. d. Wien. Akad. XLIV 1896 Abhdl. VI S. 25 f. 34 f. 100 f. 152.
[III. 2oi] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR
»7
Tempels und einer stattlichen Säulenhalle, welche ein von dort gebürtiger und
als Arzt zu Vermögen gelangter Bürger in seiner Vaterstadt baute'). Statuen
der Kaiser und verdienter Mitbürger schmückten den Markt; es gab in der
Stadt einen Tempel ihrer Schutzgötter Artemis und Apollon, Bäder, Gym-
nasien für die ältere wie für die jüngere Bürgerschaft; vor den Toren zogen sich
an der Hauptstraße, die steil hinab nach dem Hafen von Kalabatia führte,
Reihen hin von steinernen Grabmonumenten, stattlicher und kostbarer als die
Pompejis und großenteils noch aufrecht. Dies Kragos-Sidyma gehörte nicht
zu den Städten erster Klasse der kleinen Provinz Lycien, war ohne Theater,
ohne Ehrentitel, eine kleine Provinzialstadt und durchaus eine Schöpfung der
römischen Kaiserzeit. Aber im ganzen Vilajet Aidin ist heute kein Binnenort,
der für zivilisierte Existenz auch nur entfernt diesem Bergstädtchen, wie es war,
an die Seite gestellt werden könnte'').
Byzanz, die größte, sehr wohlhabende und volkreiche Stadt Thraciens, wurde Thracien.
bei der Einnahme durch Septimius Severus nach einer dreijährigen Belagerung
1 96 größtenteils zerstört, ihrer Theater, Bäder und allen Schmucks, sogar des
Stadtrechts beraubt ; ihre gewaltigen, auf der Landseite 5 Stadien (rund 900 m)
langen Quadermauern, mit hohen, die Verteidiger völlig deckenden Schutz-
wehren und zahlreichen, kunstvoll angelegten Türmen erregten noch als Ruinen
Bewunderung^). Im Innern des Landes, das in der Zeit seiner Selbständigkeit
nur Dörfer und Fürstenburgen enthalten hatte, sind außer Philippopolis, das im
Jahre 251, wo es den Goten erlag, looooo Einwohner gezählt haben soll"*), die
größeren Orte erst unter den Römern entstanden oder städtisch ausgebaut wor-
den^), namentlich unter Trajan und Hadrian (u. a. Hadrianopolis, wo sich im
späteren Altertum ausgedehnte Waffenfabriken befanden^)). Die Hauptstadt
Macedoniens, Thessalonice, preist Lucian in einer dort gehaltenen Rede wegen Macedonien.
ihrer Schönheit und Volksmenge, ihres Reichtums und Glanzes, und nennt sie
eine mit allen wünschenswerten Gütern geschmückte Stadt^). Die Hauptstadt Dalmatien.
Dalmatiens, Salonä, die als bedeutendster Handelsplatz in diesen Gewässern
neben Aquileja eine der volkreichsten und wohlhabendsten des Okzidents ge-
wesen sein muß, war von einer Mauer mit 88 Türmen und 3 Toren umgeben.
Ihre im 17. Jahrhundert noch sehr bedeutenden Überreste sind zu Neubauten
verbraucht, doch Reste eines Theaters und Amphitheaters noch vorhanden.
Der gewaltige Palast, den Diocletian sich in der Entfernung von etwa einer
halben Meile am Meere erbaute, war nach Art eines Lagers angelegt und er-
schien von außen als ein von Mauern umschlossenes Rechteck (175 X 215 m)
mit 4 Türmen an den Ecken. Die heutige Hauptstadt Spalato hat zum größten
Teil innerhalb seiner Mauern Platz gefunden, und dessen Tempel dienen ihr
als Dom und Baptisterium^). Auch in Jader (Zara) zeugen Säulen und Architrav-
blöcke von entschwundener Pracht, und die Lage des alten Burnum bezeichnen
i) IGRIII 578 f. 2) Größtenteils wörtlich nach Mommsen RG. V 327 f. Benndorf u. Niemann,
Reise in Lykien und Karlen I 58 ff. 3) Herodian. III i, 6f. 6, 9. Cass. Dio LXXIV 10 — 14. Ober-
hummer, Real-Encykl. III 11 19 ff. 4) Ammlan. XXXI 5, 17. 5) Kalopathakes, De Thracia pro-
vincia Roraana (Diss. Berol. 1893) S. 24 ff. 6) Notit. dign. or. XI 32. Ammian, Marc. XXXI 6, 2.
7) Lucian. Scytha 9; vgl. Asin. 46. 8) Mommsen RG. V 186. Schneider a. a. O. S. 40!?. G. Nie-
mann, Der Palast des Diocletian zu Spalato, 1910.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. 2
i8
XU. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 202, 203]
zwei luftige Bögen bei Kistagne, nach denen die Stätte im Volksmunde noch
heutigen Tages -»archi Rojfiafii*. heißt').
Griecheuland. Griechenland (ohne Thessalien und Epirus) besaß, obgleich sehr verarmt
und verödet, unter den Antoninen auf dem Festlande neben einer großen Zahl
von Dörfern und Flecken noch über 100 Orte (davon 60 im Peloponnes), in
denen ein wirkliches städtisches Leben fortbestand "^j: die meisten waren ohne
Zweifel sehr herabgekommen, doch hatten sich auch manche gehoben, wenig-
stens von Tithorea sagt es Plutarch^). Von dem neuen Glänze, den Athen
durch die Bauten Hadrians und des Herodes Atticus erhielt, wird unten die Rede
sein. Die Hauptstadt und Residenz des Statthalters, Korinth, war auch als rö-
mische Kolonie groß, reich, glänzend und stark bevölkerf*). Die von August
als Denkmal des Seesiegs von Actium an dem südlichsten Punkt von Epirus
(lYa Stunden n. von Prevesa) gegründete Stadt Nicopolis »blieb, wie die aus-
gedehnten Ruinen und zahlreichen Münzen beweisen, ebenfalls verhältnismäßig
blühend und bevölkert«^).
Britannien. Auch in den nördlichen Ländern blühten die Städte in erstaunlich kurzer Zeit
empor. Selbst in dem sehr allmählich eroberten, durch Kriege und Aufstände
fortwährend in Unruhe erhaltenen Britannien, wo die Spuren städtischen Lebens
sehr gering sind, waren die römischen Orte an stattlichen Bauten nicht arm.
Die Hauptstadt Camulodunum (Colchester) wurde im Jahre 61, 18 Jahre nach
der Eroberung des Landes, von den aufständischen Einwohnern leicht einge-
nommen, weil man bei ihrer Anlage mehr für Annehmlichkeit als für Festig-
keit gesorgt hatte. Sie besaß eine Kurie, ein Theater und einen Tempel des
Claudius, in dem sich die römischen Soldaten zwei Tage lang halten konnten.
Londinium (London) war ein durch Handel sehr lebhafter Ort; an beiden Orten
und Verulamium (nahe St. Albans) zusammen wurden im Jahre 61 an 70000
Bürger und Provinzialen von den Aufständischen erschlagen^). Die in bedeu-
tendem Umfange auf dem Boden Londons gefundenen, zum Teil Prachtge-
bäuden angehörigen römischen Reste bestätigen diese Angabe vollkommen^).
Auch von Viroconium (Wroxeter, dem infolge der 1859 begonnenen Ausgra-
bungen sogenannten »britischen Pompeji«) sind erhebliche Ruinen übrig^). In
Bath, wo keine Spur von städtischem Leben sich gefunden hat, sind bedeu-
tende Reste von Thermen und einem Tempel, geringere auch von andern Tem-
peln entdeckt worden^); an verschiedenen Orten Britanniens werden Tempel in
Inschriften genannt'"). Agricola benutzte schon den ersten Winter seines Auf-
enthalts in Britannien 78 dazu, die zerstreuten und rohen und deshalb kriegs-
lustigen Einwohner durch Lebensgenuß an Ruhe und Frieden zu gewöhnen,
indem er Bauten von Tempeln, Foren und Wohngebäuden durch Ermahnungen
i) CIL in p. 367. 2) Kuhn, Stadt, u. bürgerl. Verf. II 64 ff. Hertzberg, Gesch. Griechenlands
unter den Römern II 438. 3) Plutarch. Sulla 15, 5. 4) Oben I 412 f. 5) Mommsen RG. V 272.
Neuerdings sind die Fundamente des von Augustus zur Erinnerung an seinen Sieg dem Ares und
Poseidon erbauten Tempels aufgedeckt worden, Archäol. Anz. 1914 S. 12S. 6) Tac. A. XIV
31—33- Vgl. Hübner CIL VII p. 21. 33 f. 7) F. Haverfield, Joum. of Rom. Stud. I 191 1 S. 141fr.
8) Kiepert S. 531; vgl. J. C. Anderson, the Roman city of Uriconium at Wroxeter, 1867. Wichtige
Fundstätten neuerer Ausgrabungen in England sind Silchester (Calleva Atrebatum), Caerwent
(Venta Silurum) und Corbridge (Corstopitum), vgl. F. Haverfield, Archäol. Anz. 1909 S. 247 f. 191 1
S. 307f. 1913 S. 295 ff. 9) Hübner CIL VII p. 24. 10) ebd. p. 332.
|IU. 2 04] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 19
und Unterstützungen förderte ; und bald ging man zu Bädern und Säulenhallen
über'). So schnell schmückte sich auch diese abgelegenste Provinz mit Luxus-
bauten, deren besiegter Fürst Caractacus nur ein Menschenalter früher beim
Anblick Roms unbegreiflich gefunden hatte, daß die Besitzer solcher Pracht
die armseligen Hüttchen von Wilden begehren konnten^).
Die Ebene am rechten Rheinufer und das Neckargebiet bis zur Rauhen Alp Zehntland.
hinauf mit Einschluß des Schvvarzwalds (das Zehntland) ist nur vom Ende des
I. bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts in römischem Besitz gewesen;
doch sind in Württemberg allein an weit über 100 Orten Spuren römischer
Niederlassungen gefunden worden, und das städtische Leben blühte innerhalb
des neuen Grenzschutzes auf, fast wie auf dem linken Rheinufer: >Sumelocenna
(Rottenburg am Neckar), Aqua [civitas Aurelia Äqiiensis^ Baden-Baden), Lopo-
dunum (Ladenburg) hatten, wenn man von Köln und Trier absieht, in römisch-
städtischer Entwicklung den Vergleich mit keiner Stadt der Belgica zu
scheuen« ^); auch die römische Ortschaft bei Wiesbaden [aquae Mattiacae) wird
zu den bedeutenderen gehört haben''). Sumelocenna war am Ende des zweiten
und im dritten Jahrhundert der bedeutendste Ort nicht allein des Neckargebiets,
sondern vielleicht der rechtsrheinischen Provinz überhaupt. Die römische Stadt
erstreckte sich auf beiden Seiten des Flusses weit über die heutige hinaus. Fort-
während werden in und bei Rottenburg die Werkstücke monumentaler Bauten,
Säulen, Kapitelle und Gesimse, Bildwerke und Inschriften aufgefunden, die
Ruinen von Heiligtümern und Bädern, auch ein großes Theater ist zum Vor-
schein gekommen^).
Bei Rottweil war auf dem rechten Neckarufer eine sehr bedeutende römische
Niederlassung, Arae Flaviae, wohl der Vorort einer Gaugemeinde, deren Blüte
in der mittleren Kaiserzeit Grundmauern vornehmer Privathäuser, ein sehr statt-
liches Bad, schöne Mosaiken und Einzelfunde aller Art aus Bronze, Glas und
Terrakotta beweisen^). Die 1 784 durch Zufall entdeckten Bäder in Badenweiler,
deren Bauten eine Fläche von gegen 300 qm bedecken, setzen eine ständige
Niederlassung voraus, und sicherlich war das römische Badenweiler, wenn es
auch an Baden-Baden nicht heranreichte, ein ansehnlicher Vicus^). Die Haupt- Rätien und
Stadt des mit dem nur sehr unvollkommen und spät romanisierten Rätien ver- Vmdehcien.
bundenen Vindelicien, die unter August gegründete und nach ihm benannte,
schon zu Ende des i. Jahrhunderts sehr ansehnliche Niederlassung^) Augusta
Vindelicorum (Augsburg) bewahrt in ihrem Perlach noch die Erinnerung an das
römische Amphitheater^), und zahlreiche Inschriften und Skulpturen zeugen
von ihrer einstigen Blüte. Während sie aber in Rätien das einzige Zentrum
römischer Zivilisation blieb, drang diese in dem angrenzenden Noricum so tief Noricum.
ein, daß es »ein Vorland und gewissermaßen ein Teil Italiens« wurde. Die
kleinen dortigen Standlager und selbst das von Marc Aurel eingerichtete Lager
i) Tac. Agrlc. 21. 2) Cass. Dio LX 33, i. 3) Mommsen RG. V 145. 4) Vgl. F. Otto, Gesch.
d, Stadt Wiesbaden (1877) S. I ff . 5) E. Fabricius, Die Besitznahme Badens durch die Römer
(1905) S. 60. Haug u. Sixt, Rom. Inschr. u. Bildwerke Württembergs^ S. 199 ff. 6) Fabricius a.a.O.
S. 68. Haug-Sixt. a. a. O. S. 143 ff. 7) E. Fabricius a. a. O. S. 66 f. K. Büchler, Das Römerbad
Badenweiler, Straßburg 1909. 8) Colotiia nennt sie Tac. Germ. 41, vgl. dazu Mommsen CIL III
p.711. 9; J. Becker, Bonn. Jahrb. XLII 1867 S. 71.
20
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 205]
einer Legion Lauriacum bei Enns waren für die städtische Entwicklung Nori-
cums ohne Bedeutung. Die großen Ortschaften, w^ie Celeja (Cilli), Aguontum
(Lienz), Teurnia (St. Peter im Holz), Virunum (Zollfeld bei Klagenfurt), der Zen-
tralpunkt der Provinz, von dem sehr ausgedehnte Reste übrig sind, im Norden
Juvavum (Salzburg) sind rein aus bürgerlichen Elementen hervorgegangen^).
Paiinonien. Dagegen in Pannonien stand und blieb die Zivilisation ganz unter dem Ein-
flüsse der Lager der drei, später, wie es scheint, nur zwei Legionen; das Haupt-
quartier wurde wohl unter Vespasian Carnuntum (Petronell östlich von Wien)
und daneben Vindobona (Wien)'j; von der neben dem ersten Ort entstandenen
Lagerstadt ^) sind weit ausgedehnte Ruinen übrig. Erst seit dieser Zeit ging die
Regierung daran, die Provinz, die bis dahin nur in ihrem westlichen Teil Städte
gehabt hatte, wie Emona (Laibach) "^i und Savaria (Stein am Anger), städtisch
zu organisieren. In dem westlichen, ursprünglich norischen Gebiet erhielt Scar-
bantia (Ödenburg am Neusiedler See) Stadtrecht unter den Flaviern, zwischen
Save und Drau Siscia (Sziszek) und Sirmium (Mitrovitza) zu derselben Zeit, an
der Drau Poetovio (Pettau) unter Trajan, Mursa (Eszeg) unter Hadrian Kolonial-
recht =). Die Hauptorte waren Sirmium und Savaria, das unter seinem alten
Namen bis zur magyarischen Eroberung im 10. Jahrhundert fort bestand und
an römischen Resten sehr reich ist. Von dem Wohlstande Sirmiums zeugen
namentlich auch die zahllosen, vielgestaltigen Funde an plastischen Kunstwer-
ken, Geräten aller Art, Münzen usw. und z. B. auch die im Agramer Museum
lagernden mächtigen Brunnenröhren, welche aus beträchtlicher Höhe weither
von Norden klares Wasser leiteten^).
Mösien. Noch geringer als in Pannonien war die Entwicklung der Städte in Mösien.
Auch hier ging die italische Zivilisation von den Lagern aus, von denen die bei
Singidunum (Belgrad) und Viminacium (Kostolatz) wahrscheinlich die ältesten
waren; die Bedeutung der letzteren Stadt beweist ein großes Ruinenfeld und
die Menge der von hier durch das benachbarte Serbien verschleppten Kunst-
reste^). In Untermösien (zwischen Balkan und Donau) entstanden die Anfänge
einer römischen Zivilisation erst mit der Gründung der Legionslager von Nova
(bei Svischtova), Durostorum (Silistria) und Troesmis (Iglitza bei Galatz) ^).
Dacien. Auch in der jüngsten und nach 170 Jahren wieder aufgegebenen Provinz
Dacien (Siebenbürgen, Banat, Moldau und Walachei) haben anderthalb Jahr-
tausende nicht völlig zu zerstören vermocht, was die römische Herrschaft in so
kurzer Zeit geschaffen hat. In dem ganz neu mit Ansiedlern aus verschiedenen
Provinzen (namentlich Dalmatien und Kleinasien) bevölkerten Lande ent-
wickelte sich das römische Städtewesen schneller und kräftiger als in den
übrigen Donaulandschaften. Eine Fülle der mannigfaltigsten Überreste aller
Art bezeugt die Existenz von weit über 100 mehr oder minder blühenden römi-
schen Orten, größtenteils in Siebenbürgen^). Sarmizegetusa (Värhely), die von
l] Mommsen RG. V 180 f. F. Pichler, Virunum, 1888. 2) Über Geschichte und Überreste
der römischen Niederlassung vgl. A. v. Domaszewski u. F. Kenner in Geschichte Wiens I 11897)
S. 37ff. 42 ff. 3) Oben S. 3. Über die neuesten Ausgrabungen in Carnuntum vgl. Der römische
Limes in Österreich, 1900 ff. 4) Jahrb. f. Altertumsk. \T;I 19 18 S. 61 ff. 5) Mommsen RG. V 188.
6) W. Goetz, Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels S. 387**. 7) F. Kanitz, Rom. Stu-
dien in Serbien (Denkschr. d. Wiener Akad. XLI 1892 Abhdl. TL) S. i6ff. S] Mommsen 194 f. 207.
9) Neigebauer, Dacien S. 5.
[Iir. 206, 207] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 21
Trajan zur römischen Kolonie umgeschafifene Landeshauptstadt, blieb der
Mittelpunkt der Provinz und die Residenz des Statthalters: zwölf walachische
Dörfer erfüllen heute den Raum ihres einstigen Umfangs, noch sieht man den
Felsen ihres Kapitels und die Arena ihres Amphitheaters. Von der Bedeutung
des militärischen Zentrums der Provinz, Apulum, zeugt das weite Trümmerfeld
um das heutige Karlsburg'). Eine Reihe von Dorfgemeinden in Dacien er-
wuchs zu Städten, und die Militär- und Straßenstationen, mit denen das Land
wie mit einem Netze überzogen war, gewannen mit der Zeit mehr oder weniger
stadtartige Bedeutung").
Sowohl für die Kommunen als für die einzelnen Bürger war der im Altertum Bauten der
in so hohem Grade entwickelte und auch in jener Zeit noch durch die relative immunen.
Selbständigkeit der Gemeinden genährte Munizipalpatriotismus (eine der besten
Seiten des antiken Städtelebens) der stärkste Sporn, nach Kräften, ja selbst mit
großen Opfern zur Ausstattung der Städte mit notwendigen und nützlichen
Bauten und Anstalten, sowie zu ihrer Verschönerung auf jede Weise beizu-
tragen. Der in der antiken Menschheit so mächtig wirkende Trieb, sich an-
sehnlich, würdig und prächtig darzustellen, beherrschte die Gemeinden nicht
weniger als die einzelnen und trieb sie allem Anscheine nach nicht selten zu
Anstrengungen, die ihr Vermögen überstiegen. Dazu kam besonders in den
griechischen Ländern die Eifersucht der Städte aufeinander, »diese alte Krank-
heit der Hellenen« ^), und das daraus entspringende Trachten, einander zu über-
bieten.
Die römischen Kolonien sollten i> Abbilder der Hauptstadt im kleinen« sein^), Nachahmung
was sich selbst in der Anwendung von Namen römischer Lokalitäten zeigt: die '^"^^'
(je 7) Bezirke zweier von August kolonisierter Städte, Ariminum und Antiochia
in Pisidien, sind allem Anscheine nach mit denselben von Gegenden Roms ent-
lehnten Namen (wie Cermalus, Aventin, Velabrum, Tuskerquartier) bezeichnet
gewesen^): und wahrscheinlich wurden solche in Kolonien häufig angewandt,
doch nicht bloß hier. So hatte Falerii eine heilige Straße^), Benevent eine es-
quilinische^j, Puteoli eine palatinische Region^), Lyon und die Chattenhaupt-
stadt Mattiacum einen Vatikan^), Aquileja vielleicht eine Region Isis und Sera-
pis "^) usw. Das Recht, ein Kapitol zu besitzen, das wie das römische Tempel
des Juppiter, der Juno und Minerva trug, oder die Statue des Marsyas (wie eben-
falls in Rom) auf dem Forum aufzustellen, scheinen (bis auf Caracalla) nur Ko-
lonien gehabt zu haben"). An einigen Orten, wie Köln, Florenz, Nimes, Ca-
i) C. Gooß, Die röm. Lagerstadt Apulum in Dacien, Progr. Schäßburg 1878. 2) Jung, Römer und
Romanen' S. 109 ff. 3) Herodian. HI 2, 8. 4) Gell. XVI 13, 9. 5) Bormann, Variae observationes
de antiquitate Rom. (Ind. Marburg, aestiv. 1 883) S. V f. und CIL XI p. 76 f. 6) CIL XI 3 1 26 = Dessau
5374- 7) CIL IX 1569; eine lpor]ta Esquiliyia in Tibur CIL XIV 3679 = Dessau 6245. 8) CIL
X 1700 = Dessau 1231; ein vicus Palatius in Cales CIL X 4641 == Dessau 6301; ebenda ist auch
ein vequs Esqelinus aus republikanischer Zeit bezeugt, Dessau 8567. 9) CIL XIII 1751- 7281 =
Dessau 4131. 3805. 10) Nach einer Vermutung Mommsens zu CIL V 8211 ; vgl. im allgemeinen
De Rossi, Not. d. scavi 1888 S. 712. Ein vicus capitis Africae und ein Septizonium in Karthago:
De Rossi, Bull. arch. comun. XVII 1889, S. 361 f. 11) So Castan, Les capitoles provinciaux du
monde Romain (1886) gegen Kuhfeldt, De capitoliis imperii Romani (Regim. 1882), dessen Ansicht
auch von Toutain, Les cultes pai'ens dans l'empire Romain I 181 ff. vertreten wird, mit Anführung
nischer Städte.
22 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 208;
gliari, hat sich die Erinnerung an die Kapitole in Benennungen von Kirchen
(»Sta. Maria im Kapitol« u. dgl.) erhalten.
Die Ausführung der städtischen Bauten erfolgte entweder durch eigens er-
nannte Baukommissare [curatores operumY) oder durch die jährlich wechseln-
den obersten Gemeindebeamten, die sie in der Regel an den Mindestfordemden
in Akkord gaben und nach der Vollendung abnahmen^). »Wenn die Städte
eine Vergebung von Tempelbauten oder Errichtungen von Kolossen ausschrei-
ben«, sagt Plutarch, »so hören sie die Künstler an, die sich um die Übernahme
bewerben und ihre Anschläge und Risse vorlegen; dann wählen sie den, der
bei den geringsten Kosten die beste und schnellste Ausführung verspricht«^).
Bauten bithy- Den Umfang, die Bedeutung und die Zwecke der städtischen Bauten mögen
zunächst einige Mitteilungen aus der Korrespondenz veranschaulichen, die Pli-
nius (in den Jahren iii — 113 etwa) als Statthalter von Bithynien mit Trajan
führte. Zu allen städtischen Neubauten aus öffentlichen Mitteln bedurfte es der
kaiserlichen Erlaubnis''). Für Prusa am Olymp erwirkte Plinius diese zum
Bau eines neuen Bads, wie es »die Würde der Stadt und der Glanz der Regie-
rungsperiode« erforderte; der Bau erfolgte auf der Stelle eines in Ruinen liegen-
den Hauses, und so wurde zugleich die häßlichste Stelle der Stadt verschönert^).
Zu Nicomedia war eine Wasserleitung, die der Stadt 3329000 S. (gegen 712520
Mark) gekostet hatte, unvollendet geblieben, dann abgebrochen worden, ebenso
eine zweite, für die bereits 200000 S. (43500 Mark) ausgegeben waren. Nun
erteilte Trajan die Erlaubnis zum Bau einer dritten, die auf Bogen (teils aus
Quadern, teils aus Backstein) das Wasser auch in die höheren Teile der Stadt
führen sollte : Plinius versicherte, daß sowohl der Nutzen als die Schönheit des
Baus der Regierungszeit Trajans höchst würdig sein werde^). Kurz vorher
hatte dieselbe Stadt den Bau eines neuen Forums neben dem alten begonnen').
Zu Nicäa hatte der Bau eines Theaters bereits mehr als 10 Mill. S. (2175000
Mark) verschlungen; Privatleute hatten sich anheischig gemacht, es aus eigenen
Mitteln mit mannigfachen Verschönerungen auszustatten, namentlich einen
von 40 Kapitolen, zu denen De Rossi, Bull. arch. com. XV 1887 S. 66 ff. noch die von Arsinoe,
Nicopolis in Untermösien und Caralis (Kirche S. Nicoiao in Capitolio) hinzufügt (vgl. auch Wissowa.
Real-Encykl. III 1538 ff.)- In demselben Sinne schon Jordan, Marsyas auf dem Forum in Rom
(1883) S. 20: >Klein-Rom, die colonia civium Romanorum, empfing in der östlichen Hälfte als
Symbol den Marsyas, in der westlichen und südlichen, wie im Stammlande Italien, das Capito-
lium«; über die Bedeutung des Marsyas als Abzeichen der Bürgercolonien italischen Rechtes vgl.
Mommsen StR. III 809 f., dagegen Kubitschek, Archäol. epigr. Mitteil. XX 1897 S. 151 ff. Kome-
mann, Real-Encykl. IV 580 f. Das Signum lupae cum insignibus suis als Zeichen des römischen
Bürgerrechts in dem (Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts) zum Munizipium erhobenen
Flecken Aurelia Vina CIL VIII 958 = Dessau 6819 und an einem andern Orte des prokonsulari-
schen Afrika CIL VIU 12200 = Dessau 6820 (vgl. auch CIL VIII 22699), sowie in Singilia in
Hispania Baetica CIL II 5063 = Dessau 6912; vgl. die Weihungen an die Lupa Romana oder
Augusta CIL II 2156 (= Dessau 6913). 4603. Ebenso weihen in Obulco (Baetica) zwei Würden-
träger des Orts scrofam cum porcis triginta zum Zeichen des latinischen Rechts der Gemeinde
(CIL II 2126 = Dessau 691 1).
1) Komemann, Real-Encykl. IV 1802 f. 2) Liebenam, Städteverwaltung S. 384 ff. 3) Plutarch.
An vitiositas ad infelic. suffic. 3. 4) Dig. L 10, 3 § 2 publice vero sumphi opus novum sine principis
auctontate fiiri non Heere cofistitufionibus declaratttr. 5) Plin. ad Tr. 23 f. 70 f. 6) ebd. 37f.
7) ebd. 49.
[III. 209] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 23
Säulengang oberhalb des Zuschauerraums und Basiliken im Umkreise aufzu-
führen. Aber noch vor Vollendung des Hauptgebäudes zeigten sich so große
Risse, daß eine Reparatur kaum zu lohnen schien. Gleichzeitig wurde an Stelle
des abgebrannten Gymnasiums ein weit größeres und weitläufigeres gebaut,
dessen Mauer aber der mit der Fortführung des (von einem andern begonnenen)
Baus beauftragte Architekt trotz der kolossalen Dicke von 22 röm. Fuß (6'/, m)
für zu schwach erklärte, um die in Aussicht genommene Belastung zu tragen.
Zu Claudiopolis befand sich eine ungeheure städtische Badeanstalt im Bau").
Zum Bau eines Aquädukts, der das Wasser aus einer Entfernung von 1 6 Mil-
lien (24 km) nach Sinope führen sollte, gab Trajan der Stadt die Erlaubnis,
falls der Bau ihre Kräfte nicht überstiege, da er sehr zur Erhöhung der Gesund-
heit und Annehmlichkeit beitragen würde ^). Die schöne und prächtige Stadt
Amastris hatte unter andern herrlichen Bauwerken eine sehr stattliche und lange
Straße, die aber ein übelriechender Fluß ihrer ganzen Länge nach durchfloß:
auch hier genehmigte Trajan dessen Bedeckung aus städtischen Mitteln^).
Dieselbe Wohlhabenheit der Städte und dieselbe Verwendung großer Mittel
für bauliche Zwecke, wie sie diese Angaben für Bithynien erweisen, darf für die
meisten Provinzen des römischen Reichs in jener Zeit vorausgesetzt werden.
Bauten, die für eine ganze Landschaft wichtig waren, wurden von mehreren
Städten gemeinsam ausgeführt: wie die im Jahre 105/6 vollendete Brücke von Die Brücke von
Alcantara von elf Munizipien der Provinz Lusitanien'^). Alcantara.
Zu den regelmäßigen Einnahmen der städtischen Gemeinden Italiens und der Einkünfte der
Westprovinzen (seltener im Osten des Reiches) gehörten die Antrittsgelder, Kommunen znr
° 07 Bestreitung dci
welche die zu Ehrenämtern und Priestertümern erwählten Männer und Frauen Baukosten,
sowie die in den Gemeinderat (Dekurionat), den zweiten Stand (die Augustali-
tät) oder dessen Vorstand (den Sevirat) Erwählten auf Grund der Festsetzungen
des Gemeindestatuts ^) an die Stadtkasse zu zahlen hatten, und welche nach der
Bedeutung des Orts und des Amts sehr verschieden waren. Sie betrugen für
denDuumvirat 2000, 3000, 4000 bis loooo S. (die letzte Summe in Pompeji^)),
für die Quinquennalität sogar einmal (in Turris Libisonis) 35000, für die Ädili-
tät 4000, aber auch 20000 (Rusicade), für den Dekurionat 1000, 2000, in Cirta
und Rusicade 20000, für das Priestertum des Pontifex loooo, aber auch 55000
(in Rusicade), für den Flaminat 2000, 10000 (zu Mustis und Diana in Numidien),
1 2 000 (zu Lambäsis in derselben Provinz), 2000 für den Sevirat^). Die Summe
von 400000 S., die eine zu Calama in Numidien auf Lebenszeit zur Flaminica
erwählte Frau zum Bau eines Theaters versprochen hatte, war eine ganz un-
gewöhnlich hohe^). Aber es war wohl überall Sitte, über den Minimalsatz hinaus-
zugehen oder andre Leistungen hinzuzufügen, die auch anstatt der Zahlungen
erfolgen konnten, wie Schauspiele, Volksbewirtungen oder Bauten. So zahlte
z. B. ein T. Flavius Justinus in Porto Torres auf Sardinien für die Erwählung
zum höchsten Amt (der Quinquennalität) 35000 S. und legte überdies auf eigne
Kosten ein Bassin an, in welches er auch das Wasser hineinleiten ließ^). In
i) Plin. ad Tr. 39. 2) ebd. 90 f. 3) ebd. 98 f. 4) CIL II 760 = Dessau 287a, vgl. Hühner
CIL II p. 89 — 96. 5) Sequendttm cuiusqju civitatis legem puto Trajan bei Plin, ep. ad Trai. 113
(vgl. 112). 6) CIL X 1074 = Dessau 5053. 7) Marquardt StV. 1^ 180—183. 206. liebenam
a. a. O. S. 54fr. 8) CIL VIII 5365. 9) CIL X 7954 = Dessau 5765.
24
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 210]
Öfifentliche Bau-
ten von Privat-
leuten.
Äclanum ließen einmal die Quattuorvirn für das Geld, das sie für die Erwählung
zu diesem Ehrenamt zu zahlen verpflichtet waren, auf den Beschluß des Ge-
meinderats einen Weg durch den Viehmarkt führen und pflastern '). In La-
nuvium (Cittä Lavigna) wurden die aus den Antrittsgeldern der Priester geflosse-
nen Kapitalien neben andern Einnahmen (mit Erlaubnis von Sever und Cara-
calla) zum Bau von Thermen verwendet") usw.
Derselbe Munizipalpatriotismus, der die Städte trieb, nach Kräften oder selbst
über ihre Kräfte in Bauten miteinander zu wetteifern, beseelte gewöhnlich auch
ihre wohlhabenden Bürger. Zum Teil spornte diese auch die Ruhmbegier, ihre
Namen in würdigster Weise auf großen Bauwerken durch Inschriften auf die
Nachwelt zu bringen, deren Unvergänglichkeit gesetzliche Bestimmungen ge-
währleisteten^). Aber auch schon der Ehrgeiz, der seine Befriedigung in den
städtischen Ämtern, in Belobungen, Bekränzungen, Statuen, Ehrenplätzen u. dgl.
fand, trieb manche, große Summen für öffentliche Bauten herzugeben, ja nicht
selten sich zu ruinieren: und die öffentliche Meinung, die, wie in den alten Re-
publiken, noch immer von den Angesehenen und Reichen große Leistungen
für die Gemeinde erwartete, ja forderte*), bestimmte ohne Zweifel viele selbst
wider ihren Willen zu großen Opfern. In der Tat sind die in der damaligen
Zeit in allen größeren und vielen kleineren Städten der ganzen Monarchie fort
und fort von Privaten zu Kommunalzwecken freiwillig gegebenen Beisteuern
wahrhaft erstaunlich, und namentlich die aus Privatmitteln aufgeführten Bauten
haben wahrscheinlich an sehr vielen Orten die städtischen an Umfang und Be-
deutung weit übertroffen, deren Einschränkung sie ja auch eben ermöglichten
und veranlaßten. Öffentliche Bauten aus Privatmitteln bedurften keiner kaiser-
lichen Erlaubnis, »außer wenn sie aus Rivalität gegen eine andre Stadt unter-
nommen wurden, oder Veranlassung zum Aufruhr wurden, oder in der Um-
gegend eines Theaters oder Amphitheaters stattfanden«^]. In größter Menge
sind in der Literatur, noch mehr in den Denkmälern aller Provinzen Zeugnisse
von gemeinnützigen Bauten einzelner erhalten, von den geringfügigsten bis zu
wahrhaft fürstlichen. Zahlreiche Inschriften bezeugen die Errichtung der größ-
ten öffentlichen Gebäude, wie Tempel, Portiken, Theater, Amphitheater,
Brücken, durch reiche Privatpersonen aus eignen Mitteln^). Andre Inschriften
zeigen, daß auch minder Wohlhabende zur Wohlfahrt und Behaglichkeit der
Städte beizutragen bemüht waren, indem sie z. B. Straßen pflastern, die öffent-
lichen Spielplätze ebnen und einfassen, Sonnenuhren aufstellen, auf den Märk-
ten Buden für die Verkäufer und Steintische für die Waren errichten ließen, für
Normalmaße und Gewichte sorgten u. dgl.^). Seit durch Nerva die Städte die
Erlaubnis zur Annahme von Legaten erhalten hatten^), erfolgten auch Ver-
I) CIL X 7954; vgl. IX 808 = Dessau 5381. 2) CIL XIV 2101 = Dessau 5686. 3) Dig.
L 10, 2 — 4. 4) Oben II 377 ff. 5) Dig. L 10, 3 pr. 6) Reiche Materialsammlung bei J. C. Rockwell,
Private Baustiftungen für die Stadtgemeinde auf Inschriften der Kaiserzeit im Westen des röm.
Reiches, Diss. Jena 1909. 7) z. B. eine Kunstuhr [horologmm cum suo aedificio et signis omnibus
et clatris) in einem Orte Savoyens (CIL XII 2522 = Dessau 5624), eine öffentliche Wage mit Ge-
wichten und Zubehör in Tuficum in Umbrien (CIL XI 5695 = Dessau 5612), eine Markthalle für
Lebensmittel mit steinernen Verkaufstischen in einer spanischen Stadt (CIL II 3570 = Dessau
5586}, eine Porticus für diejenigen qti[i] 7tundinandi gratia cons\istere7ii\ in Nepet CIL XI 3208.
8) Ulpian. reg. 24, 28; ausführlich darüber Liebenam a. a. O. S. I79ff. Vgl. z.B. CIL XII 1357
= Dessau 2709 (Vasio Voc).
rm. 2 11, 212] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 25
mächtnisse zu öffentlichen Bauten sehr häufig, und es war keineswegs selten,
daß Testamente den Erben die Verpflichtung zur Ausführung eines Bads,
Theaters oder Stadiums auferlegten').
Einige Beispiele werden die Allgemeinheit der Beteiligung einzelner an der
Verschönerung ihrer Städte sowie die Großartigkeit solcher Leistungen ver-
anschaulichen. Nach der Zerstörung Cremonas im Jahre 69 wurden Foren und
Tempel durch die Munifizenz von Bürgern wiederhergestellt^). Der Großvater
der dritten Frau des jüngeren Plinius erbaute zu Como in seinem und seines
Sohns Namen eine prachtvolle Kolonnade und schenkte der Stadt ein Kapital
zur Verschönerung der Tore^). In Oretum (in Tarraconensis) ließ ein Bürger
> auf die Bitte des Rats und der Bürgerschaft zu Ehren des göttlichen (d. h. Kaiser-)
Hauses« eine Brücke für 80000 S. (17400 Mark) bauen und gab bei ihrer Ein-
weihung Zirkusspiele'*). In Thagaste (Numidien) errichtete ein römischer Ritter
eine Portikus für 300000 S. (65250 Mark)^). Der Arzt Crinas ließ Mauern in
seiner Vaterstadt xMassilia und andre Mauern für beinahe 10 Mill. S. (2 275000
Mark) erbauen; die beiden Brüder Stertinius, Leibärzte des Claudius, er-
schöpften ihr Vermögen durch Ausstattung der Stadt Neapel mit Bauwerken^).
Die Inschrift an dem Postament einer Ehrenstatue eines Bürgers von Citium
auf Cypern meldet, daß derselbe ein Theater von Grund auf nebst allem
Zubehör auf eigene Kosten habe aufführen lassen^). Dio von Prusa, dessen
Großvater sein ganzes Vermögen für Kommunalzwecke geopfert hatte, er-
baute in seiner Vaterstadt eine Kolonnade bei den Thermen nebst Läden
und Werkstätten; den Boden allein hatte er mit 50000 Drachmen (etwas über
39000 Mark) bezahlt^). C. Antius A. Julius Quadratus, der um 106 das Pro-
konsulat der Provinz Asia bekleidete^), war nach Aristides von Gott gesandt
worden, um seine Vaterstadt, das gealterte Pergamum, neu zu verjüngen, und
hatte sie zu dem gemacht, was sie nun war; wenn andre Geschlechter von
der Stadt abstammten, so konnte man sagen, die Stadt stamme von ihm: »sie
selbst bekannte es laut in den Ratssälen, den Theatern, den Versammlungs-
plätzen, in welchem Teil man will, da ja alles durch jenen verschönert ist<'°).
Die schönste Ruine von Ephesus sind die Überreste der prächtigen öffentlichen
Bibliothek, die unter Trajan der Konsular Ti. Julius Aquila als Heroon seines
Vaters Ti. Julius Celsus Polemaeanus errichtete und mit Mitteln reichlich aus-
stattete"). Die meisten noch mit Weihinschriften versehenen öffentlichen Ge-
bäude in den Städten Pamphyliens und Pisidiens sind von Privaten errichtet").
In den griechischen Ländern waren es ganz besonders die Sophisten, die Bauten der
einen Teil der oft ungeheuren, durch ihre Kunst erworbenen Reichtümer zur griechischen
baulichen Verschönerung ihrer Geburts- oder Wohnorte verwandten. Nicetes ' °^
l) Dig. XXXV 2, 80 § I. Vgl. z. B. Sueton. Tiber. 31, i iterittn cmsente, ui Trebianis legatam
in opus novi theatri pecuniam ad mtmitionem viae conferre concedcrettir. CIL V 969. 4059 (= Dessau
5012). 2) Tac. Hist. m 34. 3) Plin. ep. V 11, i. 4) CIL II 6339 = Dessau 5901. 5) CIL VIII
5146. 5147. 6) Plin. n. h. XXIX 8 f. 7) Lebas -Waddington 2735. 8) Dio Chr. or. 29, 3. 9
(II 77 f. Arn.). 9) Waddington, Fastes des prov. Asiat, nr. 114. 10) Aristid. or. 30, 9 'II 204 K.);
über die zahlreichen pergamenischen Denkmäler dieses Mannes s. Fränkel, Inschr. v. Pergam. II
S. 298 ff. Dittenberger, Or. gr. 486 Anm. il) J. Keil, Ephesos S. 66 ff. Heberdey, Österr. Jahresh.
Vn 1904 Beibl. S. 52 ff. VIH 1905 Beibl. S. 61 ff. W. Wilberg ebd. XI 190S S. 118 ff., vgl. Dessau
8971. Groag, Real-Encykl. X i68ff. 544ff. 12) Lanckoronski a. a. O. I 13.
26 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [111.213]
legte in Smyrna glänzende Straßen an und erweiterte die Stadt bis an das nach
Ephesus führende Tor^j. Alexander von Cotyäum erbaute (nach dem über-
treibenden Ausdruck des Aristides) diese seine Vaterstadt fast ganz neu").
Damianus von Ephesus (ein Schüler des Aristides und Hadrian) verband unter
anderm den dortigen Artemistempel mit der Stadt durch eine (in ihren Funda-
menten neuerdings wieder aufgefundene) bedeckte Halle von der Länge eines
Stadiums (180 Meter), damit die Andächtigen auch bei Regenwetter in den
Tempel gehen könnten, und in dem heiligen Bezirke selbst erbaute er einen
ungeheuren Saal zu Opferschmäusen, der aufs prachtvollste mit Pavonazzetto
geschmückt war. Auch seine Nachkommen wurden in Ephesus »wegen der
Geringschätzung des Geldes« hoch geehrt^).
Herodes Atticus. Doch selbst die größten derartigen Leistungen verdunkelte die beispiellose,
mehr als fürstliche Munifizenz des Herodes Atticus (geb. zu Marathon um 101,
f gegen 177), der an Reichtum und Rang zu den Ersten seiner Zeit gehörte
(er war Konsul 143), unter den damaligen Virtuosen der Redekunst (Sophisten)
unbestritten der Erste war. Sein Ehrgeiz war, seinen Namen nicht minder durch
massenhafte, prachtvolle und gemeinnützige Bauten, als durch seine von der
Mitwelt hoch bewunderten Reden auf die Nachwelt zu bringen; von jenen sind
zahlreiche Reste und noch mehr Nachrichten, von diesen nichts erhalten.
Schon als Herodes um das Jahr 130 Präfekt der freien Städte Asias war, hatte
ihn sein Vater Tiberius Claudius Atticus in den Stand gesetzt, gegen die Stadt
Alexandria Troas eine großartige Freigebigkeit zu üben: zu den 3 Mill. Drach-
men, die ihr Hadrian zu einer Wasserleitung bewilligt hatte, ermächtigte er ihn,
die noch erforderlichen 4 Mill. (über 3 Mill. Mark) zuzulegen. Die Freigebig-
keit des Herodes erstreckte sich später auch auf Italien, wo er die Stadt Canu-
sium (Canosa) mit einer Wasserleitung versorgte, galt aber hauptsächlich
Griechenland, vor allem seinem Vaterlande Attika und dessen Hauptstadt, in
deren Nähe er in dem reizenden, noch jetzt als Sommeraufenthalt benutzten
Kephisia den Abend seines Lebens in vornehmer Zurückgezogenheit verbrachte.
Er ließ den Städten in Euböa, im Peloponnes, in Böotien Unterstützungen zu-
fließen, half dem herabgekommenen Oricum in Epirus auf, baute in Korinth
ein bedecktes Theater*), in Olympia eine Wasserleitung, in Thermopylä Bassins
zu Schwefelbädern und baute zu Delphi das Stadium in Stein aus, wie er auch
für die Ausschmückung des isthmischen Heiligtums reiche Mittel verwendete.
Selbst die Durchstechung des korinthischen Isthmus hatte er ins Auge gefaßt.
In Attika ließ er in dem Demos Myrrhinus einen Tempel der Athene herstellen,
in Athen selbst das panathenäische Stadium des Lycurgus innerhalb von vier
Jahren aufs prächtigste vollständig mit pentelischem Marmor auslegen^); er-
richtete auf einem der Felshügel oberhalb seiner Langseiten einen Tempel der
Glücksgöttin mit deren elfenbeinernem Bilde und erbaute am Fuße der Akro-
l) Philostr. Vit. soph. I 19, l. Die Vermutung Waddingtons, daß der Rufinus, dessen Bauten
Aristides or. 50, 28 (II 432 K.) erwähnt, der Vater des Sophisten Claudius Rufinus in Smyrna ge-
wesen sei, entbehrt der Begründung, vgl. A. Stein, Real-Encykl. I A I185. 2) Aristid. or. 32, 17
(II 221 K.). 3) Philostrat. Vit. sophist. 11 23, if.; vgl. die ephesische Inschrift Dessau 8830 und
Groag, Österr. Jahresh. X 1907 S, 295 f. 4) Vgl. dazu R. B. Richardson, Amcric. Journ. of Ar-
chaeol. 2. ser. IV 1900 S. 235 ff, 5) Wahrscheinlich war er Besitzer der pentelischen Marmor-
brüche, Hirschfeld, Kais. Verw.Beamt. S. 147 Anm.
[III. 214] I- ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR
Bauten ron
Senatoren
polis zu Ehren seiner gestorbenen Gemahlin Regula ein mit Zedernholz ge-
decktes Theater (Odeum) für etwa 6oqo Personen, das nach Pausanias an Größe
und Pracht der Ausstattung alle ähnlichen Bauten übertraf und jetzt wieder
bloßgelegt ist').
Man sieht, daß die Freigebigsten unter den Reichen und Vornehmen ihre
Munifizenz nicht auf ihre eignen Städte beschränkten, wenn es auch vielleicht
niemand dem Herodes gleichtat, der, als er des Mords der Regilla angeklagt
vor Gericht stand, und sein Gegner sich einer Wohltat gegen eine Stadt Italiens
rühmte, erwidert haben soll: »auch ich könnte vieles der Art von mir sagen,
wenn ich auf der ganzen Erde vor Gericht gezogen würde« ""j.
Es war wohl die Regel, daß Munizipale, die sich zum Senatorenstande
(durch den sie aufhörten, Bürger ihrer Vaterstadt zu sein) oder sonst zu hohen
Stellungen in Rom aufgeschwungen hatten, und römische Große, die als Patrone
oder anderweitig zu einer Stadt in Beziehung standen, ihr durch Bauten und
Zuwendungen ihre Anhänglichkeit und ihr Wohlwollen bewiesen. Der jüngere
Plinius, der in seinem Testament seine Vaterstadt Como mit einem bedeutenden
Kapital zur Erbauung, Einrichtung und Instandhaltung von Thermen bedachte^),
erwies der Stadt Tifernum Tiberinum, die ihn sehr jung zum Patron erwählt
hatte, seine Erkenntlichkeit durch den Bau eines Tempels, dessen Einweihung
er mit einem Festmahl beging"*). Die sehr vornehme Ummidia Quadratilla, die
in Rom einen Palast in der 12. Region bewohnte^) und etwa im Jahre 107 fast
Sojährig starb, stammte aus Casinum: eine dort gefundene Inschrift meldet in
fünf Zeilen, daß sie den Casinaten auf eigene Kosten ein Amphitheater und
einen Tempel erbaute^). Dasumius (wahrscheinlich der Urheber des S. C. Da-
sumianum 98 oder 99 n. Chr.) hatte seine Vaterstadt Corduba mit öffentlichen
Bauten zu schmücken begonnen, deren Vollendung und Übergabe er in seinem
(im Jahre 108 verfaßten) Testament einer Kommission rechts- und sachverstän-
diger Personen übertrugt). Ein L. Dasumius TuUius Tuscus (Konsul unter Marc
Aurel) vollendete zu Tarquinii den Bau von Thermen, zu welchen sein Vater
der Konsular P. TuUius Varro der Stadt 3 300000 S. (717 850 Mark) vermacht
hatte, indem er das Kapital vergrößerte und den Bau erweiterte^): auch bei
dieser Munifizenz war ohne Zweifel der Grund einer der angegebenen. Um den
Kurort Epidaurus machte sich in der Antoninenzeit der Senator Julius (Major)
Antoninus, ein Gönner des Periegeten Pausanias, durch eine stattliche Reihe
von Baulichkeiten hoch verdient').
Auch kaiserliche Freigelassene statteten nicht selten ihre Geburtsorte und kaiserlichen Frei-
andre Städte mit Bauten aus. Cleander z. B., der mächtige Freigelassene des gelassenen —
Commodus^ verwandte einen Teil seines ungeheuren Vermögens auf Häuser,
Bäder und »andre, sowohl einzelnen als ganzen^Städten nützliche Anstalten« '°).
Endlich betätigten auch abhängige oder befreundete Fürsten ihre Freigebigkeit
i) C. Schulteß, Herodes Atticus, Progr. Hamburg 1904. Münscher, Real-Encykl. VIII 9216".
Judeich, Topogr. von Athen. S. 98. 291 f. 370. 2) Philostrat. Vit. soph. 11 l, 8. 3) Oben I 126.
4) Plin. ep. IV I, 4 fr. 5) CIL XV 7567. 6) CIL X 5183 = Dessau 5628; vgl. Plin. ep. VII 24, i.
Oben II 131. 7) CIL VI 10229 = Bruns-Gradenwitz, Font. iur. Rom. ant.^ nr. 117; vgl. Groag.
Real-Encykl. IV 2223 f. 8) CIL XI 3366, vgl. 3365 = Dessau 1081. 9) Pausan. II 27, 6 f. IG IV
1311. 1416; vgl. Groag, Real-Encykl. X 666ff. 10) Cass. Dio LXXII 12, 5. Oben I 47.
28
XIL DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 215]
ond fremden Für-
sten. Herodes
von Judäa.
Bauten der
Kaiser.
Ihre Unter-
stützungen
der Städte —
besonders bei
Bränden —
und Prachtliebe vor allem durch Bauten, und nicht bloß in ihren eigenen Län-
dern. Herodes der Große, der Judäa mit zahlreichen, großartigen Bauwerken
und Anlagen hauptsächlich zu Ehren Augusts füllte, unter welchen die von ihm
geschaffene Hafenstadt Cäsarea die großartigste war, schmückte auch die Städte
Phöniziens, Syriens, Kleinasiens und Griechenlands aufs reichste und prächtigste.
Athen, Sparta, Nicopolis, Pergamum waren nach Josephus voll von seinen Gaben ;
in Antiochia hatte er eine bis dahin sehr schmutzige, zwanzig Stadien (über
3 7^ Kilometer) lange Straße mit Marmorplatten gepflastert und mit einer
ebenso langen Kolonnade zum Schutz gegen den Regen ausgestattet'). Auch
die übrigen Herodeer bauten viel, namentlich Herodes Antipas, der Gründer
der neuen, glänzenden Hauptstadt Tiberias^),
Zu den Motiven dieser Munifizenz gehörte für die Fürsten wie für die hoch-
gestellten Männer Roms das Beispiel, ja die direkte Aufforderung der Kaiser
(eine solche erließ z. B. Nerva in einer »herrlichen Rede«)^), so wie die Kaiser
ihrerseits offenbar mit durch die Absicht bestimmt wurden, eine möglichst aus-
gedehnte Nachahmung ihres Beispiels zu veranlassen. Sie veranstalteten fort
und fort große öffentliche Bauten"*) nicht bloß in Rom, sondern auch in den
Städten Italiens und selbst der Provinzen^), und unterstützten diese namentlich
bei den so häufigen Kalamitäten, wie Überschwemmungen, Feuersbrünsten,
Erdbeben, in freigebigster Weise zu den erforderlichen Neubauten.
Große Brände haben wahrscheinlich oft ungeheure Verheerungen angerichtet,
obwohl sie außerhalb Roms selten berichtet werden. In Nicomedia hatte kurz
vor Plinius Anwesenheit eine Feuersbrunst gewütet: in dieser so bedeutenden
Stadt waren weder Feuereimer noch Spritzen vorhanden, noch überhaupt von
selten der Kommune die geringste Sorge für Löschanstalten getroffen. Den
Antrag des Plinius auf Errichtung einer Gilde von (höchstens 150) Zimmerleuten,
die hauptsächlich als Feuerwehr dienen sollten^), lehnte Trajan als bedenklich
ab und ordnete nur die Anschaffung der nötigen Gerätschaften und die Auf-
forderung der Hausbesitzer an, erforderlichenfalls unter dem Beistande des
Volks zu löschen^). Aber auch in den Städten, wo Gilden von Zimmerleuten
und Verfertigern von Lappendecken [centonarii] bestanden (welche letztere,
wie noch im 17. und 18. Jahrhundert in Holland und Bremen Schiffssegel ^), mit
Wasser getränkt, zum Feuerlöschen dienten)^), haben sie schwerlich viel aus-
gerichtet, da ja auch die größte und bestorganisierte Feuerwehr, die 7000 Mann
starke Nachtwache der Stadt Rom, gegen die dortigen unaufhörlichen Brände
so wenig vermochte '°). Auch anderwärts nahmen diese gewiß nicht selten große
Dimensionen an. Im Jahre 64/65 brannte Lyon so völlig ab, daß Seneca, wenn
auch mit noch so großer Übertreibung, sagen konnte, man suche es vergebens:
1) Joseph. B. J. I 425 ; vgl. W. Otto, Real-Encykl. Suppl. II 73 ff. 2) W. Otto a. a. O. S. I74ff-
3) Plin. ad Tr. 8, l ; daß munificentia hier (wie bei Tac. Hist. III 34 tnagnißcentia) auf Bauten zu
beziehen ist, ergibt der Zusammenhang. 4) Über das kaiserliche Personal für die opera publica
vgl. Hirschfeld, Kais. Verw.Beamte S. 267 ff., auch Mommsen StR. II^ 950. 5) Wasserleitungs-
bauten der Kaiser bei Liebenam, Städteverwaltung S. 158, i. 6) X^her fabri und cetitonarii als
Feuerwehren Hirschfeld, Kl. Schrift. S. 98 ff. 7) Plin. ad Tr. 33 f. 8) Kohl, Alte u. neue Zeit
S. 37. 40 f. 9) A. Mau^, Die Vereine der fabri, centonarii und dendrophori im röm. Reiche, Progr.
Frankfurt a. M. 1886. Kornemann, Real-Encykl. VI 1905 ff. 10) Oben I 23 f.
[III. 2i6, 217] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 29
eine Nacht habe diese große Stadt völlig vernichtet und so viele herrliche Bau-
werke, deren jedes allein eine Stadt hätte schmücken können, in Schutt gelegt').
Im Jahre 65 bewilligte Nero dazu die Summe von 4 Mill. S., welche die Lugdu-
nenser früher bei dem großen Brande Roms angeboten hatten^). Auf einen sehr
großen Umfang des Brandes in Bologna im Jahre 53 läßt die zur Unterstützung
bewilligte Summe von 10 Mill. Sesterzen schließen^).
In einem am Schlüsse des selbstverfaßten Rechenschaftsberichts Augusts und Erdbeben,
hinzugefügten Anhange heißt es: die Geschenke, die er in Italien und den Pro-
vinzen Städten, die durch Brand und Erdbeben zerstört waren, zugewendet habe,
seien zahllos. Durch anderweitige Nachrichten sind solche Unterstützungen
von ihm bezeugt für Neapel, Paphus auf Cypern, Chios, mehrere Städte Klein-
asiens, wie Laodicea am Lycus, Thyatira, Tralles"*). Auch Vespasian > stellte
sehr viele Städte im Reiche schöner wieder her, die durch Brand oder Erdbeben
gelitten hatten«^); und die Bemerkung des Tacitus, daß Laodicea nach einem
Erdbeben im Jahre 60 sich aus eignen Mitteln ohne Staatshilfe wieder erhoben
habe^), zeigt, daß diese letztere in solchen Fällen in der Regel erfolgte. Noch
existiert ein in Puteoli dem Tiberius von 14 Städten Kleinasiens errichtetes
Monument, die — zwölf im Jahre 17, die beiden andern 23 und 2g — durch
Erdbeben mehr oder weniger zerstört worden waren, und die er beim Wieder-
aufbau reichlich unterstützt hatte^). Die Weltchronik des Eusebius verzeichnet
in der Zeit von August bis Commodus elf Erdbeben, davon 10 in Griechen-
land und im Orient, aber auch für diese Länder ist das Verzeichnis durchaus
unvollständig. Unter andern fehlt darin das ungeheure Erdbeben, das zwischen
138 und 142 auf dem griechischen Festlande Sicyon, von den Inseln Rhodus
und Kos, in Asien Lycien und Carien furchtbar verwüstete^]. Die erforder-
lichen Neubauten ließ Antoninus Pius mit bedeutenden Summen aufs herrlichste
ausführen^). Stratonicea erhielt allein i Mill. S.'°) Ganz besonders warLesbos
wie die nahen Inseln und das gegenüberliegende Festland von Erdbeben heim-
gesucht"); eines derselben verwüstete im Jahre 151/52 Mytilene und erschüt-
terte auch Kleinasien '^). Unter den von Eusebius verzeichneten Erdbeben ,
waren die bedeutendsten das von 1 15, das u. a. Antiochia etwa zum dritten Teil
völlig zerstörte, das von 122, das Nicomedia und Nicäa hart beschädigte'^), und
das von 178, das ganz lonien erschütterte, am furchtbarsten aber Smyrna ver-
wüstete'*). Bei den beiden letzten wird die in umfassendster Weise zum Wieder-
aufbau geleistete kaiserliche Hilfe ausdrücklich erwähnt'^). Im Westen war
namentlich Campanien »niemals vor diesem Übel sicher«'^); im Jahre 62 am
5. Februar wurde Pompeji sehr hart, Herculaneum in geringerem Grade, einiger-
maßen auch Neapel und Nuceria durch ein Erdbeben beschädigt'').
i) Seneca ep. 91, if. Über die Zeit s. Jonas, De ordine librorum Senecae (Diss. Berol. 1870)
S. 62 ff. Hirschfeld CIL XÜI p. 252. 2) Tac. A. XVI 13. 3) ebd. XII 58. 4) Mommsen, Res
gest. d. Aug.* p. I59f. 5) Sueton. Vespasian. 17. 6) Tac. A. XIV 27. 7) O. Jahn, Ber. d. Sachs.
Ges. 1851 S. iigff. CIL X 1624 = Dessau 156 (oben I 423); vgl. Tac. A. II 47. Dittenberger,
Or. gr. 471. CIG 3450. 8) Waddington, Mem. de l'acad. d. inscr. XXVI i 1867 S. 242ff.
9) Hist. aug. Anton. P. 9, i. Pansan. VIII 43, 4. 10] CIG 2721. Il) Cichorius, Rom und Myti-
lene S. 50. 12) Waddington a. a. O. 13) Weber, Untersuch, z. Gesch. d. Kaisers Hadrianus
S. 127 f. 14) Hertzberg, Gesch. Griechenlands II 371. 15) Vgl. auch Hist. aug. Alex. Sev. 44, 8-
16) Seneca Nat. qu. VI i, 2. 17) Tac. A. XV 22. Seneca a. a. O. § i, wo die Namen der Konsuln
30
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 2 1 8]
BauteD der Julier Aber die durch Verwüstungen veranlaßten Neubauten waren nur ein geringer
Flavier — ^^.^ ^^^ Bauunternehmungen, die von allen Regierungen (mit Ausnahme der
des Tiberius) ') in großem Maßstabe in und außerhalb Roms betrieben wurden^
nicht bloß zum Besten der damit bedachten Städte, sondern gewiß auch, um
große Massen freier Arbeiter lohnend zu beschäftigen. Doch haben die Juli-
schen und die Flavischen Kaiser bei ihren gemeinnützigen Bauten außerhalb
Roms vorzugsweise oder ausschließlich Italien berücksichtigt: so baute Claudius
den Emissar des Fucinersees und den neuen Hafen bei Ostia (Portus) mit mäch-
tigen Molen und einem sehr hohen Leuchtturm^), Nero den Hafen von Antium^).
Vespasian scheint sich, abgesehen von seinen großen Neubauten in Rom, im
wesentlichen auf Herstellung des dort, in Italien und den Provinzen Zerstörten
beschränkt zu haben*), ohne doch, wenigstens in Rom, alles Begonnene vollenden
zu können^); und da während der kurzen Regierung des Titus wieder ein großer
Brand einen Teil Roms in Asche legte ^), fand Domitian dort selbst Raum genug
zur Befriedigung seiner fast leidenschaftlichen Baulust^); übrigens ließ er auch
in Italien einige Straßenbauten ausführen.
Trajans — Trajan, der gleich bei seinem Regierungsantritte seine großen, zum Teil alle
früheren überbietenden Bauunternehmungen in Rom in Angriff nahm ^) und sie
in seiner späteren Regierungszeit in solchem Umfange betrieb, daß er in Rom
und der Umgegend kaum Techniker genug hatte^), sorgte auch für das übrige
Italien in der großartigsten Weise, namentlich durch Straßen-, Hafen- und
Wasserbauten^"), führte aber außerdem in den Provinzen") auch abgesehen von
seinen Städte- und Kolonieanlagen bedeutende Werke aus; das größte von
allen war nach Cassius Dio die auf 20 Pfeilern ruhende, 1070 Meter lange'")
Donaubrücke '^). Ihre nach der Abtragung stehengebliebenen Pfeiler schienen
ihm da zu sein, um zu zeigen, daß der menschlichen Natur nichts unmöglich
sei'*).
Hftdrians — Die Bauten Hadrians, dessen erster Regierungsakt ein Erlaß rückständiger
Steuern im Betrage von qoo Mill. S. (über 195 Mill. Mark) war'^), geben einen
gleich hohenBegriffvon den unerschöpflichen Hilfsquellen des römischenReichs,
wie von der rastlosen Tätigkeit dieses merkwürdigen Manns '^). Er, der Rom
mit den glänzendsten Prachtgebäuden schmückte, zu denen die Erneuerung des
(des J. 63) interpoliert scheinen; vgl. Jonas a. a. O. S. 53 f. S. Chabert, M^langes Boissier (1903)
S. 115 ff. Über sonstige Erdbeben in Italien s. Nissen, Ital. Landesk. I 283 ff., vgl, auch CIL IX
1466 (Erdbeben bei den Ligures Baebiani). 3046 = Dessau 5609 (in Interpromium).
l) Sueton. Tiber. 47, dazu Geizer, Real-Encykl. X 530. 2) Sueton. Claud. 20, 2 f. 3) Sueton.
Nero 9. 4) So in Herculaneum (CIL X 1406 = Dessau 250) und einigen lycischen Städten (IGR III
507. 659. 690). 5) Weynand, Real-Encykl. VI 2688 ff. 6) Weynand a. a. O. S. 2719 f. 2724;
Bauten des Titus in Neapel: CIL X 1481 = IG XIV 729. 7) Weynand a. a. O. S. 2519 ff.; auf
diese Bauten bezieht sich auch Stat. silv. III 3, 98 ff. 8) Plin. Paneg. 51, 3. 9) Plin. ad Tr. 18, 3.
10) Große Wasserleitung in Forum Clodii (Bracciano) impensa fisci CIL XI 3309. Il) Eutrop.
VIII 4 per orbeni terrartim aedificans viulta. U. a. hat er, wie die dort gefundenen Inschriften be-
zeugen, auch den heiligen Weg von Milet nach dem Apolloheiligtume von Didyma excisis collibus,
completis vallibus angelegt, CIL III 14195*2 = Dessau 4051 ; vgl. Th. Wiegand, Abhandl. d. Berl.
Akad. 1911 Anhang S. 35ff'. 12) Michaelis-Wolters, Die Kunst des Altertums'" S. 5iof. Cichorius,
Die Reliefs der Traianssäule III 135 ff. Taf. 72. 13) Dierauer in Büdingers Untersuchungen z. röm.
Kaisergesch. I 96 ff. I27ff. 14) Cass.Dio LXVIU 13,5. Procop. de aedif.IV 6 p. 288Dind. I5)CIL
VI 967 = Dessau 309. 16) Gregorovius, Hadrian' S. 468 ff.
[IlL 219, 220] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 31
besonders in
Griechenland
HO abgebrannten Pantheon 125 — 130 gehörte'), in Tibur sich einen auch
architektonisch überreich ausgestatteten Feensitz schuft"), ließ sich auf den Reisen,
in denen er von 121 — 134 sein ganzes Reich durchzog, von einem militärisch
organisierten, in Kohorten geteilten Heer von Architekten, Bauhandwerkern,
Technikern und Künstlern begleiten ^j, die überall die Ausführung seiner nie
versiegenden Pläne durch einheimische Arbeiter leiten konnten. Darunter
waren auch Gründungen neuer Städte wie Hadrianotherä in Mysien, Hadriano-
polis in Thracien, Aelia Capitolina auf den Trümmern von Jerusalem und An-
tinoupoHs in Ägypten.
Von den Bauten, mit denen Hadrian, wie sein Biograph sagt, fast alle von
ihm berührten Städte schmückte^), werden in den westlichen Provinzen nur
einzelne erwähnt, wie die Herstellung des Augustustempels zu Tarraco^), eine
zu Ehren Plotinas erbaute Basilika in Nemausus^), eine Wasserleitung in Sar-
mizegetusa, eine der »unzähligen«, die seinen Namen trugen^). Aus dem langen
Verzeichnisse seiner noch jetzt nachweisbaren Bauten im Orient nnd Griechen-
land, wo fast jede Stadt Wohltaten von ihm aufzuweisen hatte, mehrere ihn mit
Recht als ihren »Erretter« und »Gründer« preisen konnten, genügt es, hier
einige der bedeutendsten hervorzuheben. Auch Palmyra, das er im Jahre 1 2g
besuchte, verdankte ihm so viel, daß es sich fortan Hadriansstadt nannte^).
Auf dem Isthmus schuf er aus dem höchst gefährlichen und beschwerlichen
Bergpfade der skironischen Klippen durch umfassende Felsarbeiten und kolos-
sale Substruktionen eine fast 2 Kilometer lange, bequeme, für Lastwagen gang-
bare Kunststraße, deren Möglichkeit an dieser Stelle man heute kaum noch
begreift; führte aus dem Hochtale von Stymphalus in einem gewaltigen Aquä-
dukt eine Überfülle kühlen Bergwassers nach Korinth und schmückte diese
Stadt mit prächtigen Thermen^). Vor allem aber erhob er Athen durch eine
Menge der prächtigsten Bauten '°) zu neuem Glanz, dessen südöstlichen Teil er
in eine »neue Hadriansstadt« umschuf. Antoninus Pius hat namentlich in Rom der Antonine.
und Italien mehrere bedeutende Bauwerke teils wiederhergestellt (wie den Leucht-
turm — wohl zu Ostia — und die Häfen zu Terracina und Puteoli), teils neu aus-
geführt, wie den Hafen zu Cajeta, ein Bad zu Ostia, einen Aquädukt zu Antium,
Tempel zu Lanuvium. Außerdem setzte er viele Städte durch Geldunter-
stützungen zur Ausführung- neuer wie zur Restauration älterer Bauten in-
stand") und baute unter anderm, wie bemerkt, in Athen und den von dem Erd^
beben zwischen 138 und 142 betroffenen Gegenden, ferner in Syrien und Kar-
thago''') und in dem von einer großen Feuersbrunst heimgesuchten Narbo'^).
Von Septimius Severus sah man in sehr vielen Städten herrliche Bauwerke"*).
Unter den späteren Kaisern war Diocletian (nach einem feindseligen christlichen Bauleidenschaft
Diocletians.
i) Michaelis-Wolters a. a. O. S. 515 ff. 2) Oben II 340. 3) Aurel. Vict. epit. 14, 5. 4) Schulteß,
Bauten des Kaisers Hadrian (Virchow-Holtzendorff, Vorträge nr. 289) 1898. 5) Hist. aug. Hadr.
12, 3; vgl. Hübner, Römische Herrschaft in Westeuropa S. 203. 6) Hist. aug. a. a. O. 12, 2, vgl.
Weber, Untersuch, z. Gesch. d. Kais. Hadr. S. 1 12 f. 7) CIL III 1446; vgl. Hist. aug. Hadr. 20, 5.
8) Marquardt StV. I'' 414. 9) Hertzberg a. a. O. II 311 ff. 10) S. oben I 411. 11) Hist. aug.
Anton. P. 8, 2 — 4. 12) Hist. aug. Anton. P. 9, 2. Pausan. VIII 43, 4; vgl. Sievers, Studien z. röm.
Kaisergcsch. 198 f. 13) CIL XII 4342 (vgl. Hirschfeld ebd. p. 521). 14) Hist. aug. Sever. 23, i;
vgl. oben I 9 A. 6.
32 XII. Dlt BILDENDEN KÜNSTE [IIL 221]
Berichte) von einer maßlosen Leidenschaft des Bauens beherrscht, die schwere
Belastungen der Provinzen zur Folge hatte. »Hier entstanden Basiliken, dort
ein Zirkus, hier eine Münze, dort eine Wafienfabrik, hier ein Palast für seine
Gemahlin, dort für seine Tochter. « Oft mußte behufs der Neubauten ein Teil
der Stadt geräumt werden und die Einwohner mit Frauen und Kindern aus-
ziehen, wie nach einer Einnahme durch Feinde. War alles zum Ruin der Pro-
vinzen fertig gebaut, so erklärte er es für schlecht, es solle anders werden; dann
mußte wieder zerstört und umgebaut werden und das Neuerrichtete vielleicht
nochmals fallen'). In der Tat aber stand seine fast fieberhafte Bautätigkeit ganz
im Dienste des Staats. Überall erhoben sich auf sein Geheiß monumentale
Bauten, in Alexandria, in Antiochia und Palmyra, in Mailand und Karthago').
Seine Thermen in Rom übertrafen an Größe und Pracht selbst die Caracallas^).
Die kolossale Bautätigkeit Justinians, der sich auch dadurch gleichsam als eben-
bürtiger Nachfolger der römischen Kaiser zu legitimieren strebte, hat Procop
zum Gegenstand einer ausführlichen Darstellung in drei Büchern gemacht.
Diese Nachrichten werden einige Vorstellung davon geben, wie großartig
die Kaiser für die bauliche Ausstattung der Städte in Italien und, namentlich
seit Trajan, auch in den Provinzen sorgten. Doch den ganzen Umfang der
kaiserlichen Bauten außerhalb Roms auch nur annähernd zu schätzen, sind wir
schwerlich imstande, da Erwähnungen und Spuren derselben sich nur gelegent-
lich und zufällig und sicher sehr unvollständig erhalten haben. Wenn z. B. Ari-
stides in dem Briefe, in dem er Marc Aurel und Commodus um die Wieder-
herstellung Smyrnas nach dem Erdbeben von 178 bittet, sich beiläufig auf die
Fürsorge beider Kaiser für die Städte Italiens beruft, die sie aus ihrem Verfall
aufgerichtet und erhoben haben"*): so ist hier wie in der Angabe der Biographie
Marc Aureis, »daß er wankenden Städten Hilfe geleistet habe«^), doch wohl
auch an Förderung und Unterstützung städtischer Bauten zu denken. Die so
überaus glänzenden öffentlichen Bauten der Kaiser in Rom selbst bedürfen hier
keiner besonderen Aufzählung und Beschreibung.
Privatbauten Neben den im ganzen römischen Reiche während der beiden ersten Jahr-
m den Pro- hunderte fort und fort in den größten Dimensionen betriebenen öffentlichen
Bauten wurde die Architektur überall auch für Privatzwecke vielleicht in um-
fassenderer Weise in Anspruch genommen als zu irgend einer andern Zeit, da
nicht nur der Privatwohlstand ein verhältnismäßig sehr hoher und weitverbrei-
teter war, sondern auch diese Kunst (wie bereits erwähnt) mehr als irgend eine
andre den Neigungen und Tendenzen dieses Zeitalters zu entsprechen ver-
mochte. Von der Pracht und Großartigkeit der Palast- und Villenbauten in
Italien ist die Rede gewesen. In wie hohem Grade sich aber der Luxus der
Privatbauten auch in die Provinzen verbreitet hatte, bezeugen außer einzelnen
Nachrichten noch heute Überreste römischer Wohngebäude in allen Teilen des
Reichs; so die bereits erwähnten, so wohl erhaltenen von Villen am Orontes^).
i) Lact, de mortib. persecutor. 7, 8 ff. 2) Schiller, Gesch. d. röm. Kaiserzeit II 150. 3) Hülsen-
Jordan, Topogr. I 3, S. 377ff. 4) Aristid. or. 19, 10 (U 15 K.). 5) Hist. aug. M. Aurel. 23, 3.
6) Oben S. il. Reste großer herrschaftlicher Villenanlagen im Val Banden zwischen Pola und
Fasana und im Val Catena auf der Insel Brione grande, Gnirs, Österr. Jahresh. X 1907 Beibl.
S.43fr. XIV 191 1 Beibl. S. 155 ff.
vmzen.
[III. 222] I. ZWECKE UND VERWENDUNG DER ARCHITEKTUR 33
Eine der zahlreichen Villen des Herodes Atticus, in Kephisia (nordöstlich von
Athen), hatte elegante, reichlich versorgte, von Licht strahlende Bäder, lange
und bequeme Wandelbahnen. Auch in der höchsten Glut gewährte das Haus,
noch mehr sehr große Haine, Schatten und Kühlung, und von allen Seiten er-
tönte das melodische Rauschen der Wasser und der Gesang der Vögel. Daß
auch bei der Ausstattung des Inneren nicht gespart war, darf man daraus
schließen, daß Herodes beim Tode seiner Gemahlin Regilla die Räume seines
Hauses nicht bloß mit schwarzem Anstrich, schwarzen Vorhängen und Teppi-
chen, sondern auch mit schwarzem Marmor dekorieren ließ '). Die Vorstadtvilla
der Laberier bei Uthina (unweit Tunis) enthielt 67 Mosaikfußböden mit figür-
lichen Darstellungen^). Ein in der Gegend von Constantine (Cirta) gefundenes
Mosaik zeigt ein herrschaftliches Schloß, einen ausgedehnten mehrstöckigen Bau
mit flankierenden Türmen, den Besitzer selbst zu Pferde jagend, ein andres seinen
Marstall mit beigeschriebenen Namen der Pferde. Auf einem bei Hadrumetum
(Sussa) gefundenen Mosaik sitzt die Gutsherrin sich fächelnd unter einer Palme;
ein Diener hält den Sonnenschirm über ihr und ein Hündchen an der Leine^).
In den prachtvollen Villen und Gärten von Karthago überließen sich die Van-
dalen einer ebenso zügellosen Schwelgerei wie die früheren Besitzer. Aus dem
5. und 6. Jahrhundert haben wir Schilderungen des Lebens auf den behaglich
und herrschaftlich eingerichteten Landsitzen an den Ufern der Garonne mit
seinen mannigfachen Lustbarkeiten, wie Falkenjagden und Fahrten auf schönen
Flußgondeln, die nicht bloß mit hohen Geländern, Polster und Zeltdach, son-
dern auch mit Mosaiktischen und kunstvoll gearbeiteten Würfelspielen ausge-
stattet waren"*). Wie reich die künstlerische Dekoration mancher der größten
unter denselben war, haben in überraschender Weise die Überreste der am
linken Ufer der Garonne (40 km von Toulouse) gelegenen Villa von Chirangy
(Martres-Tolosanes) gezeigt, deren wohl aus der Zeit Augusts stammendes,
durch mehrfache Umbauten auf das Dreifache erweitertes Wohnhaus bis ins
4. Jahrhundert bestanden und seinen Skulpturenschmuck hauptsächlich unter
den Antoninen erhalten hat. Zum Teil sind diese Bildwerke an Ort und Stelle
nach guten Vorbildern mittelmäßig ausgeführt, zum Teil von Rom oder einem
andern Kunstzentrum beschafft. Zu den letzteren gehört eine etwa unter Trajan
begonnene, durch 200 Jahre fortgesetzte Sammlung von Kaiserbüsten (einige
in mehreren Exemplaren) und Büsten von Mitgliedern der kaiserlichen Familie;
zu den ersteren Medaillons mit Götterköpfen (in anderthalbfacher Lebensgröße),
und zwar außer den zwölf Olympiern Äskulap, Hygiea, Mithras, Hercules aus
Marmor von St. Breat, frühestens aus dem 2. Jahrhundert; ferner zwei Serien
von Reliefs der Herculesarbeiten mit Figuren von zwei Drittel Lebensgröße aus
demselben Marmor und derselben Zeit; bacchische und szenische Masken aus
italienischem Marmor; Statuen und Büsten von Göttern, Philosophen, Rednern
usw. ^).
An die heimatlichen Ufer der Garonne fand sich Ausonius durch die ebenfalls
i) Philostr. Vit. soph. II i, 8. 2) P. Gauckler, Monum. Piot III 1896 S. 177 ff. 3) Schulten,
Das römische Afrika S. 47 ff. 63 f. 4) Stark, Städteleben in Frankreich S. 224 f. 609. 5) Joulin,
Memoires presentes ä l'inst. par divers savants XI i (1901) S. 219 ff. Esperandien, Recueil general
des bas-reliefs de la Gaule Romaine II (1908) S. 29 ff.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. ,
34
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 223
mit Wein bepflanzten und mit Villen geschmückten der Mosel erinnert'), und
zahlreiche Funde hier und an der Saar zeigen, daß die ganze Gegend, selbst heute
unwirtliche Gebiete der Eifel, angefüllt waren mit römischen Landhäusern von
sehr umfassender Anlage und reicher Ausstattung^), namentlich mit Mosaik-
fußböden (wie z.B. die Villen zu Nennig bei Trier und Kreuznach) ^j und Skulp-
turenschmuck (wie die Villa zu Welschbillig)*), in denen durch vorgelegte
Säulenhallen dem Bedürfnisse nach Aussicht Rechnung getragen war^). Auch
im Zehntlande waren die Villen, wie zahlreiche Überreste zeigen, mit Bädern
und Wasserleitungen ausgestattet, mit Marmorornamenten, Skulpturen, Mosaiken
und Bronzen geschmückt^). Überhaupt darf man sich nach den Ausgrabungen
in den Rheinlanden und der Schweiz die Wohnungen der Wohlhabenden auch
in den Grenzprovinzen nicht ohne den Schmuck von Mosaik und Wandmalerei
vorstellen^). Selbst in den vereinzelten römischen Ansiedelungen der niemals
völlig romanisierten Ostschweiz fehlt beides nicht, wenn auch der künstlerische
Wert dieser Dekorationen sehr gering ist^). Auch Britannien erhielt mit der
Zeit, wie die erhaltenen Reste (besonders Mosaiken) schließen lassen, in seinen
mittleren und südlichen Teilen so viele große und reich dekorierte Villen wie
nur irgend eine andre Provinz des römischen Reichs^). Sogar vorübergehende
Aufenthalte erhielten eine den Ansprüchen eines verwöhnten Geschmacks ent-
sprechende Gestalt. Unter den Maßregeln, die Hadrian zur Herstellung der
gelockerten Disziplin in den Heeren Germaniens traf, war auch die Wegräumung
von Speisesälen, Kolonnaden, Krypten und Gärten aus den dortigen Lagern"*;.
VERWENDUNG UND ZWECKE DER PLASTIK UND
MALEREI.
Anschluß der bil-
denden Künste an
die Architektur.
a. DEKORATIVE KUNST.
Schon allein durch die wahrhaft unermeßliche Tätigkeit der Architektur auf
einem so ungeheuren Gebiete war eine höchst umfassende Beschäftigung
der sämtlichen bildenden Künste bedingt, die überall zur Ausschmückung und
Dekoration des Äußern und Innern von Bauten aller Art in reichem Maße in
Anspruch genommen wurden. Nirgends, am wenigsten in Rom, erhob sich ein
bedeutenderer öffentlicher Bau, zu dessen Verzierung nicht auch der Meißel
des Bildhauers mit tätig gewesen wäre, neben dem nach Bedürfnis Stukkateur,
Ziseleur, Schnitzer, Gießer, Maler und Mosaizist mitarbeiteten. Statuen, einzeln
i) Auson. Mosella 18 ff. 2) Über das römische Landhaus in Deutschland G. Kropatschek,
VI. Bericht d. röm.-germ. Komm. (1910 — 1911) S. 5iff.; vgl. Dragendorff, Westdeutschland zur
Römerzeit S. 45ff. 3I v. Wilmowsky, Die röm. Villa zu Nennig und ihr Mosaik, Bonn 1865.
O. Kohl, Bonn. Jahrb. XCV (1894) S. 102 ff. F. Gramer, Das römische Trier S. 51 ff. 4) F. Hettner,
Westd. Ztschr. XII 1893 S. 18 ff. 5) F. Hettner, VVestd. Ztschr. II 1883 S. 146". 6) Stalin, Gesch.
Württembergs I 104—109. 7) Vgl. z. B. Hettner, Bonner Jahrb. LXII (1878) S. 64 ff. Taf. III— V.
8) F. Keller, Mitt. d. Antiquar. Gesellschaft zu Zürich XV (1863) S. 52. 57. 9) Hübner, Röm.
Herrschaft in Westeuropa S. 52. So namentlich in Caerwent (Venta Silurum), z.B. Morgan,
Archaeologia XXXVI (1855) S. 418 ff. Mehr bei Marquardt, Privatl.' 276, 8. 292 f. 63 1, 5. Gauckler
bei Daremberg-Saglio, Dictionn. III 2 S. 2109, 18 — 20. 10) Hist. aug. Hadrian. 10,4.
[III. 224,225]
2. PLASTIK UND MALEREI
35
und in Gruppen, füllten Giebel und Dächer, Nischen, Interkolumnien und
Treppenwangen der Tempel, Theater (das des Scaurus hatte 3000 Bronze-
statuen) ^), Amphitheater, Basiliken und Thermen, schmückten Brückenportale
und -geländer und Bogen aller Art, wie von Stadttoren und Viadukten; vor
allem Triumphbogen pflegten mit Reiterfiguren, Trophäen, Vier- und Sechs-
gespannen, die von Viktorien gelenkt wurden, bekrönt zu sein^). Reliefs und
Medaillons zierten die Friese, Reliefs oder Malereien die Wandflächen, Gewölbe
und Decken prangten mit Stuckverzierungen oder buntem Farbenschmuck, die
Fußböden mit schimmernden Mosaiken ^). Alle architektonischen Glieder, Pfosten
und Schwellen, Gesimse und Fenster, selbst Dachrinnen waren mit plastischem
Schmuck wie aus einem unerschöpflichen Füllhorn überschüttet.
Schon von der Masse öflentlicher Anlagen und Bauten, die in Rom allein Künstlerische De-
während der ersten Jahrhunderte neben- und nacheinander wie durch Zauber iichen°°Bauten^—
aus der Erde wuchsen, ist es kaum möglich, sich eine Vostellung zu machen.
Schon diese unaufhörlichen, sich drängenden großen Unternehmungen waren
hinreichend, neben den Architekten und Bauhandwerkern einem ganzen Heer
auch von bildenden Künstlern und Kunsthandwerkern vollauf dauernde Be-
schäftigung zu geben. Agrippa, der während seiner Adilität (33 v. Chr.) durch
großartige Bauten für die Versorgung Roms mit Wasser tätig war, legte in
diesem einen Jahre nach Plinius 700 Bassins, 500 Röhrenbrunnen, 130 Reservoirs
[castella] — worunter mehrere prachtvoll geschmückte — an und verwandte
zur dekorativen Ausstattung dieser Werke 400 Marmorsäulen und 300 Bronze-
und Marmorstatuen''). Die späteren derartigen Anlagen standen hinter denen
Agrippas wohl nicht zurück: auch Claudius leitete das Wasser des von ihm ge-
bauten Aquädukts »in sehr viele und sehr reich verzierte Bassins« ^). Das Bassin
des Orpheus in der fünften, das des Ganymedes in der siebenten Region hatten
ohne Zweifel von Bildwerken, die sie schmückten, den Namen ^). Domitian
baute u. a. in allen Regionen Roms so viele und so große Durchgangs- und
Triumphbogen mit Viergespannen und Triumphinsignien, daß darüber gespottet
wurde'). Die Pracht dieser Bauten veranschaulicht eine Abbildunsf des auch
i) Plin. n. h. XXXVI 115. Statuen des Theaters von Tusculum CIL XIV 2647—2651; vgl. IX
5428 = Dessau 5652 (Falerio) : statuas — ad exo\rnandum thea\trum. CIL VIII 7960 = Dessau 5077
Rusicade) : praeter HS X [milia] n{ttmmum) — in opus cultumve theatri — statuas duas. 2) Zahl-
reiche Beispiele zeigen die Münzbilder mit Darstellungen von Baudenkmälern, z. B. Donaldson:
Architectura numismatica Nr. 54 — 84. Im Jahre 405 errichtete Senat und Volk für Theodosius
und seine Söhne arcum cum simulacris eorum tropaeisque decoratum , CIL VI 1196 = Dessau 798.
In Seressita 25000 S. für ornamenta arcus, außerdem eine quadriga CIL VIII 937; vgl. III 2922
= Dessau 559^ arcitni fieri et statuas superponi test[amento) iuss[it]. 3) Auch die Inschriften ge-
denken dieses Schmucks sehr häufig, z. B. CIL VI I179 = Dessau 5732 colymbiwi nemus vetustate
lapsum testacio picturis ac statuis cum omni cultu ador[navit]. CIL VIII 7957 = Dessau 5408 (Rusi-
cade) templum cum omnibus ornamentis et pictura sua peq[unia) renovavit. VIII 828 = Dessau 5713
apodyterium . . . cetera restaurata adq'ue) statuis inarmoribus tabulis pictis columnis [al]v[ib]us cella-
ruin catkedrebus ornata. VIII 25520 = Dessau 9358 (Bulla Regia) aedes publicas vetustate conlapsas
cameris et picturis et j/iarmoribus und die oft wiederkehrende Wendung cum suis [omnibus] 07-na-
mentis. 4) Plin. n. h. XXXVI 121. Vgl. Jordan, Topogr. II 58 ff. 5) Sueton. Claud. 20, i. Vgl. CIL
II 3240 = Dessau 5764 (Hugo, Tarraconensis) : lacus cum suis ornamentis. 6) Hülsen-Jordan,
Top. I 3 S. 345. 460. 7) Sueton. Domitian. 13, 2; vgl. Plin. n. h. XXXIV 27: tol/i super ceteros
i/iortalis — et arcus significant novicio invento.
36
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 2261
und Plätze iu den
Städten Griechen-
lands —
von Martial beschriebenen Triumphtors, dc^s nach der Rückkehr Domitians aus
dem Sarmatenkriege im Januar 93 errichtet wurde: Medaillonbüsten schmück-
ten die Räume über den Bogenöffnungen, Reliefs oder runde Skulpturen Ge-
bälk und Attika, zwei Elefantenquadrigen, beide von kolossalen Figuren des
Kaisers aus vergoldeter Bronze gelenkt, krönten den Bau"). Wie überreich
das alle Prachtbauten Roms verdunkelnde Forum Trajans und dessen Teile
fdie Basihka Ulpia, der Triumphbogen und der ihm von Hadrian errichtete
Tempel) auch mit plastischem Schmuck ausgestattet waren, lassen, außer großen
(zum Teil durch die Ausgrabungen des ersten Napoleon zutage geförderten)
Trümmern, ebenfalls Abbildungen auf Münzen ahnen").
Überhaupt entbehrten die öffentlichen Plätze Roms wie der übrigen Städte
den Schmuck der Plastik so wenig wie die Gebäude: natürlich bestand er dort
vorzugsweise oder ausschließlich aus freistehenden Statuen. Der ungeheure
Vorrat derselben in griechischen und asiatischen Städten war auch durch die
systematischen, zwei Jahrhunderte fortgesetzten Plünderungen der Römer, die
selbst die Marktplätze der kleinsten Orte wie Andros und Mykonos geleert
hatten, um die Foren und Tempel Roms zu füllen, nur teilweise erschöpft wor-
den. Eine sehr umfassende Plünderung erfolgte durch Nero, dessen Kommis-
sar, der Freigelassene Acratus, »fast die ganze Welt zu diesem Zwecke bereiste
und kein Dorf überging« ^). Rhodus allein war angeblich von ihm wie von allen
früheren Kunsträubern verschont worden ; dort befanden sich (vermutlich nach
amtlichen Verzeichnissen)'*) unter Vespasian 3000 Statuen, doch schätzte man
die Summen der zu Athen, Olympia und Delphi befindlichen nicht niedriger-^) :
nach dieser Angabe muß für Griechenland und die Inseln allein die Gesamtzahl
von IG — 20000 in jener Zeit eher zu klein als zu groß erscheinen^). Aber selbst
noch dritthalb Jahrhunderte später wurden zur Ausstattung der neuen Reichs-
hauptstadt Constantinopel die Reste dieses Reichtums noch nicht völlig aufge-
braucht. Die Beamten der Kanzlei des Kaisers Constantius fanden in den alten
Städten immer noch genug zu rauben, »und Prachtwerke, die der Zeit ge-
trotzt hatten, wurden über das Meer geführt, um Söhnen von Walkern ihre
Wohnungen glänzender zu schmücken als die Kaiserpaläste« ^). Wie reich an
Kunstwerken die griechischen Länder aber nach allen Plünderungen und Zer-
störungen des Altertums und Mittelalters immer noch blieben, und welche
Schätze sie bargen, das zu ermessen ist erst dem ig. Jahrhundert beschieden
gewesen, in dem nach den Gestalten des Phidias die Venus von Melos, der
Hermes des Praxiteles und die Trümmer des Pergamenischen Zeusaltars der
Welt wiedergegeben worden sind,
und Italiens. Schmückte nun gleich im Altertum ein großer Teil der Skulpturen die öfifent-
I) Donaldson, Arch. num. Nr. 57. Martial. VIII 65, 7 ff. 2) Dierauer in Büdingers Unters, z. röm.
Kaisergesch. I S. 133 ff. Donaldson a. a. O. Nr. 7. 58. 66 f. Jordan, Topogr. I 2, S. 467. 3) Die Chrys.
or. 14, 148 ff. (I 261 f. Am.). Daß aber die Akropolis damals der meisten Bildsäulen beraubt worden
sei, ist eine starke Übertreibung Dios, wie Pausanias beweist. Wachsmuth, Stadt Athen I 681 f.
4) Die a. a. O. 48 (I 233 Arn.): örmoöi'qi Toüc; dv6pidvTa(; ä-fi€fpa.\\iaaQe ujueTc;. 5) Plin. n. h.
XXXIV 36; vgl. oben I 416 A. 8. 6) Von Delos heißt es in der Pseudoovidischen Herold. 21, 100:
miror et in cunctis stantia sigiia locis. 7) Liban. or. 18, 132 (II 293 F.): äWä ripiraZiovTO TToXaiai
uöXeiq, Kai KdXXri veviKriKÖxa xpovov 6iä GaXctTTri^ riyeTO TroinöovTa Kvaqpetwv uieaiv oiKiac; tOjv
ßaaiXeiuuv qpai&poTepac;.
[III. 2 2 7]
2. PLASTIK UND MALEREI
37
liehen Gebäude, namentlich (als Weihgeschenke) die Tempel'), so blieb von
einem solchen Reichtume doch immer genug übrig, um auch Straßen und
Plätze mit älteren und neueren Erz- und Marmorbildern von Göttern und He-
roen, von verdienten und geehrten Männern und Frauen zu bevölkern: und wie
während der ersten Jahrhunderte nicht bloß die Lücken dieses Vorrats sich
wieder füllten, sondern auch sein Bestand sich noch vermehrte, wird bald aus-
führlich nachgewiesen werden.
Die Städte Italiens (außer Rom) und der westlichen Provinzen hatten zu An-
fang der Kaiserzeit allerdings einen statuarischen Schmuck, der sich mit dem
seit der Alexandrinischen Zeit angesammelten der griechischen messen konnte,
nicht aufzuweisen. Ganz ohne solchen Schmuck waren jedoch auch sie schon
in der späteren Zeit der Republik nicht mehr. Vitruv sagt, die Güte des auf
dem Gebiete von Tarquinii am See von Bolsena gebrochenen Steins werde be-
wiesen durch die Monumente der Stadt Ferentinum (in Etrurien): dort seien
große, trefflich gearbeitete Statuen, kleine Figuren (wohl Reliefs) und zierliche
Blumen- und Acanthusornamente aus diesem Stein, die, obwohl alt, so neu er-
scheinen, als wären sie eben fertig geworden^). Zu den neu aufgestellten Sta-
tuen gehörten wahrscheinlich in vielen Städten Italiens die der siegreichen
Könige und Feldherrn Roms, in derselben Auswahl, wie sie August im J. 2 v. Chr. Statuen der
in den Säulenhallen des Marstempels auf seinem Forum aufgestellt hatte ^). In ^^^^P "°^
Arezzo sind sieben Postamente derselben gefunden worden: des M. Valerius
Maximus, Appius Claudius Caecus, Q. Fabius Maximus, L. Aemilius Paullus,
Tib. Sempronius Gracchus, C. Marius, L. Licinius Lucullus; in Pompeji zwei
(des Aeneas und Romulus), desgleichen in Lavinium (der Lavinia und ihres
Sohnes Aeneas Silvius).
Überhaupt wurde eine angemessene Ausstattung der öffentlichen Plätze mit uQd sonstige
Statuen zu den wünschenswertesten Zierden der Städte gerechnet und allge- S*^^^^^° ^^^
mein erstrebt; wenigstens die Foren der großen Orte werden überall von Säulen-
hallen umgeben und mit Bildsäulen geschmückt gewesen sein, wie beides von
dem Forum zu Arles noch im 5. Jahrhundert bezeugt ist*). In Cirta (Constan-
tine) verengten einmal die Statuen das Forum so sehr, daß Raum zum Gehen
geschafft werden mußte ^]. Hier hatte der Ehrgeiz oder Bürgersinn solcher Per-
sonen Gelegenheit sich zu betätigen, deren Mittel zur Ausführung öffentlicher
Bauten nicht hinreichten. Wie diese wurden auch Statuen vielfach aus den An-
trittsgeldern der Priester und Beamten oder als Äquivalent derselben errichtet^),
i) Dio Chrys. or. 14, 89 (I 245 Arn.). 2) Vitruv. II 7, 4. 3) Mommsen und Hülsen CIL V
p. 187 ff. ; vgl. Julian, or. V p. 161 AB: tu |aev ouv Tf\(; laxopi'ac; (der punischen Kriege) — öuj26-
)iieva 6e Kai em xa^KiIiv eiKÖvuJv €v rfi KpaTiarri Kai GeoqpiXeT 'Pujiuj^. Tou^ en d^opa ävbpi&v-
TOc; xo^KOÖt; in Rom erwähnt das Leben des h. Melania bei Pallad. bist. Laus. 54 p. 148 Butler.
Lumbroso, Bull. d. Inst. 1880 S. 136. Eine Statue des C. Marius sah Plutarch (Mar. 2, i) in
Ravenna. Überreste ähnlicher Denkmäler aus Karthago CIL VIII 12535. 12538. 4) Sidon.
Apoll, ep. I II, 7. S. unten S. 68. 5) CIL VIII 7046: aequaltisqiie] statuis quae it[er totius] {if[um
in area] Jordan, Topogr. I 2 S. 178, 21) fori angtist{abani\. Vgl. CIL VIII 8935 ^ Dessau 5484
(Saldae): — statuas equestres propatrui stti vetustate conlabsas eforo ad ornandum templum permissu
ordinis transtulerunt. 6) Namentlich in den afrikanischen Provinzen sind sehr zahlreiche In-
schriften von der Form ob honorem ßaminat[us)perpet{ui), quod (lies quem) in se absentem contuler{unt),
pr amissa statua ex HS IUI m{ilibus) n[ummum) ampUata pecunia fecit (CIL VIII 18214 = Dessau
6847); auch Spanien bietet dafür viele Beispiele.
Foren.
38
XIL DIE BILDENDEN KÜNSTE
[IIL 228]
Statuen der
Stadtgenien.
Künstlerische
Dekoration der
Privatgebäude,
Parks und
Gärten —
in der letzten Zeit
der Republik —
oder ihre Herstellung testamentarisch angeordnet'). Ein Provinzialpriester von
Bätica, der zugleich die höchsten Priestertümer und städtischen Ämter in Cor-
duba bekleidet hatte, ließ dort in Anerkennung der sämtlichen ihm von der
Stadt erwiesenen Ehren Statuen im Gesamtwert von 400000 S. (87000 Markj
aufstellen^}, welche Summe auf eine Zahl von 20 — 130 Statuen schließen läßt^).
Die für öffentliche Gebäude und Plätze bestimmten Statuen waren wohl mei-
stens Kaiser- oder Götterbilder"*]. Unter den letzteren werden Bilder des Ge-
nius der Stadt in der Regel um so weniger gefehlt haben, als auch auf dem
Forum Roms der Genius des römischen Volks (seit Aurelian eine Statue aus
Gold oder vergoldeter Bronze) stand ^). In welcher Ausdehnung auch im Westen
die überhandnehmende Verschwendung persönlicher Ehrendenkmäler dazu
beitrug, die öffentlichen Plätze der Städte mit Statuen zu füllen, wird unten ge-
zeigt werden.
Aber vielleicht noch in höherem Grade als die Ausschmückung der Plätze
und öffentlichen Gebäude nahm die der Privatbauten die Tätigkeit der bilden-
den Künste in Anspruch: denn auch für Paläste, Landhäuser, Parks und Gärten
galt eine reiche Ausstattung mit künstlerischem Schmucke jeder Art als unent-
behrlich. Bilder und Statuen schmückten schon in Sullas Zeit ein reiches Haus
ebenso regelmäßig wie Teppiche und Silbergerät^), und nicht minder die Land-
häuser der Großen. Es war eine Ausnahme, wenn sie fehlten, wie in dem des
M. Sejus bei Ostia^) und später in den Villen Augusts, wo statt der Kunstwerke
Altertümer und naturhistorische Seltenheiten zur Dekoration dienten^). Cicero
stattete eine auf seinem arpinatischen Gute gelegene, als Amaltheum bezeich-
nete Anlage sowohl mit Wandgemälden wie mit den Statuen berühmter Männer
(darunter kurze metrische Inschriften) aus^), und ließ für die sogenannte Aka-
I ] Dig. XXXV 1 , 1 4, z . B. qitod . . . codi\c\illis stiis statuam [dei Nep\ttmi inforo novo ex HS V inilibus)
n[timmum) poni iussisse\f, id hered{es) ...ex HS VDCXL posuerant (CIL VIH 5299 = Dessau 5475).
Bewilligung des Platzes zur Aufstellung: Dig. XLIII 9, 2. Liebenam a.a.O. S. 379 f. 2) CIL
n 5523 = Dessau 5079. 3) Vgl. den Anhang XXVII über Preise der Statuen. 4) z. B. CIL II 1956
= Dessau 5512 (Cartima): signum aereum Martis inforo — porticus ad balinetwi — cum piscina et
signo Cupidinis. CIL II 2098 = Dessau 5356 (Cisimbrium, Baetica): aedes quinque, sigtui deor[uni)
quinque, statuas suas stm impensa dedit donavit. CIL VIII 7094 — 7098 = Dessau 2933 (Cirtaj :
Schenkungen des höchsten Beamten an die Stadt (210), u. a. statuam aeream Securitatis saeculi et
aediculam tetrastylam cuT?t statua aerea Indulgentiae domini nostri — arcum triumphalem cum statua
aerea Virtutis domini nostri. Eroten öfters in Kleinasien, Lebas-Waddington 618 (— CIG 3946 Sardes)
Toüq TtevTe 'Epuuxac; Tfl YXuKUTarri iTaTp(6i. 1663a (= CIG 2925 Mastaura): if\ Y^uKUTarr] ira-
xpiöi Touq einxpuaouc; "Epuixac; iri' koi lac, ß' NeiKOc; öüv raiq ßoiaeöiv. 1588 (Aphrodisias,:
TOÜ(;^Epu>Ta(;. In Olbia sind silberne Niken eine offenbar solenne Weihegabe. Latj'schew, Inscr.
orae sept. Ponti Eux. I 53. 56. 59. 61. 63. 70 f. 75 f. 5) Jordan, Topogr. I 2 S. 377, 86. Vgl. z. B.
CIL Vin 7960 = Dessau 5077. CIL II 2006. III 153 (Berjtus): Genium col[oniae). III 6671 =
Dessau 5447 Genium cum [colujnnis et cutomate et incrustaßo ne 7?tarm[orea). Dessau 6865 statuam
Geni patriae. Silberne Statuen des Stadtgenius: CIL 11 3228 signum argenteum cum domo. 4071
ex arg[enti) libris XFiunciis) //. CIL V 2795 = Dessau 3625 (Patavium): Genio domnoi\um) Cereri
... Laribus publicis dedit imagines argent\eas) duas testamento ex HS COCD versteht Borghesi,
Oeuvres VII 397 f. so, daß der Geber die beiden silbernen Figuren des Genius der Kaiser und der
Ceres den Lares publici d. h. der Kurie schenkte. CIL X 7223 = Dessau 6768 (Lilybaeumj : ima-
ginem Gen[ii) municipii Lilybitanorum ex arg{enti) [p ondo)] V p[ecunia) s[ua) p[osuit). XII II 59
(Carpentoratae] : Genio coloniae Iinilviri. 6) Cic. pro Rose. Amer. 133; de orat. I l6l. Sallust.
Catil. 20, 12. 7) Varro r. r. III 2, 8. 8) Sueton. August. 72, 3. 9) Vgl. O. E. Schmidt, N. Jahrb.
f. klass. Altert. III 1899 S. 340ff. F. G. Moore, Classic. Philologj' I 1906 S. 121 ff.
[III. 229, 23o] 2. PLASTIK UND MALEREI 39
demie in seinem Tusculanum Ankäufe von Kunstwerken durch Atticus machen.
Für megarische, von diesem erworbene Statuen wies er 20400 S. (gegen 3600
Mark) an; außerdem hatte Atticus für ihn Herculeshermen aus pentelischem
Marmor mit Bronzeköpfen und eine Hermathena gekauft, und Cicero bat, ihm
noch so viel wie möglich andere geeignete Kunstsachen anzuschaffen; ausdrück-
lich bat er um Reliefs, die man in die Stuckbekleidung eines kleinen Atriums
einlassen könnte, und zwei mit erhabener Arbeit verzierte Brunneneinfassungen.
Alles von Atticus Gekaufte sollte nur im Tusculanum verwandt werden, die
Villa bei Gaeta wollte er ausstatten, wenn er einmal Überfluß haben werde.
Dagegen mit dem Ankaufe von vier oder fünf Statuen (worunter Bacchantinnen
und ein Silen, den Fadius Gallus für ihn gemacht hatte) war er unzufrieden, weil
sie ihm viel zu teuer waren und nicht in die Akademie paßten. Er hatte dort
in einer Kolonnade neue Ruheplätze anlegen lassen, diese wünschte er mit Ge-
mälden zu schmücken : denn wenn ihn überhaupt etwas aus diesem ganzen Gebiet
interessierte, so war es die Malerei '). Je weniger aber Cicero Liebe und Ver-
ständnis für Kunst besaß ""), desto schlagender beweist sein Beispiel die damalige
Allgemeinheit der Mode, Häuser und Landsitze künstlerisch zu dekorieren.
In der Kaiserzeit hat diese Mode mehr zu- als abgenommen. Wenn das in der Kaiserzeit
Haus eines Reichen abbrannte, schafften die für den Neubau beisteuernden
Freunde schon »nackte Marmorstatuen«, herrliche Bronzen von berühmten
Künstlern, alte Ornamente aus kleinasiatischen Tempeln und Minervenbüsten
für die Bibliothek herbei ^j. Betrat man Bäder von Freigelassenen, so staunte
man über die Menge der Statuen und der nichts tragenden, sondern nur zum
Schmuck aufgestellten Säulen'*). Besonders Villen und Gärten mögen wohl oft
von Kunstwerken dermaßen angefüllt gewesen sein, daß man von > marmornen
Gärten« sprechen konnte^). Rund um eine Quelle im Garten des Arruntius
Stella z. B. stand eine Schar von Marmorfiguren schöner Knaben, in einer
Grotte daneben sah man einen Hercules^): die Ausstattung des übrigen wird
entsprechend gewesen sein. Der reiche Domitius TuUus hatte in seinen Maga-
zinen einen solchen Vorrat der herrlichsten Kunstwerke (um die er sich nicht
kümmerte), daß er einen sehr weitläufigen Park an demselben Tage, wo er ihn
gekauft hatte, mit sehr zahlreichen und alten Statuen ausstatten konnte^). Silius
Italicus besaß mehrere Villen, auf jeder sah man eine Menge von Statuen und
Bildern^). In den Gärten des Regulus in Trastevere war eine sehr große Fläche
durch ungeheure Säulengänge eingenommen, das Ufer mit den Statuen des
Besitzers gefüllt^). Die künstlerische Dekoration der Häuser und Gärten Pom-
pejis dürfen wir als eine in den Städten Italiens allgemeine voraussetzen. In
dem 1894 — 1895 ausgegrabenen Hause der Vettier, dessen Wände im ganzen
192 Bilder enthalten, ist der reiche plastische Schmuck des (jetzt wiederherge-
stellten) Gartens fast vollständig erhalten: von 1 2 Statuetten, die Wasserstrahlen
in Marmorbecken entsandten, sind noch 9 vorhanden, auch mitten im Garten
stehen Skulpturen'").
l) Cic. ad Att. I 5, 7. 6, 2. 8, 2. 9, 2. 10, 3. 3, 2. 4, 3; ad fam. VII 23, 2 aus den Jahren 67 bis
62 V. Chr. 2) Vgl. dazu M. Schneidewin, Die antike Humanität (1897) S. 410 ft'. 3) Juv. 3, 2i5ft'
4) Seneca ep. 86, 7. 5) Juv. 7, 79. 6) Martial. VII 50. 7) Plin. ep. VIII 18, 11. 8) ebd. III 7, 8.
9; ebd. IV 2, 5. 10) Mau, Pompeji^ S. 338 ff.
40
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 231]
Berichte über Wären aus früheren Jahrhunderten mehr und genauere Ausgrabungsberichte
"^^[n vnfen erhalten, so würde sich vielleicht von der künstlerischen Ausstattung mancher
römischen Villen eine ebenso deutliche Vorstellung gewinnen lassen, wie sie
uns alte Aufzeichnungen von der sogenannten Villa des Epikureischen Philo-
sophen in Herculaneum geben. Dort war in einem großen Hofe ein länglicher,
an beiden Enden halbkreisförmig abgeschlossener Teich mit Gartenstücken
umgeben, und der ganze Platz mit Säulen besetzt, »us denen oben Balken bis
in die Gartenmauer gingen, so daß sich eine Laube um die ganze Anlage zog.
Unter der Laube waren Abteilungen zum Waschen oder Baden, abwechselnd
halbrund und eckig; in jedeift Winkel stand ein marmorner Terminus mit einer
Bronzebüste, zwischen den Säulen abwechselnd Hermen (Römerköpfe und
Götterbüsten, griechische Dichter und Weise, Porträts nach dem Leben und
der Idee) und weibliche Bronzefiguren. Vor jeder Herme war ein kleines Bassin,
aus einer Schale am Boden erhob sich ein Säulchen mit einer zweiten, muschel-
artigen Schale, die den Wasserstrahl emporsandte. Um einen andern kleinen
Teich waren zehn Statuetten von Putten, Satyrn und Silenen gruppiert als
Wassergießer, in der Mitte ritt Silen auf einem Schlauch. Aus dem Garten
führte ein langer Gang zu einer erhöhten runden Loggia, wahrscheinlich im
Meere selbst angelegt, deren Boden mit einem runden Mosaik aus Africano und
Giallo geschmückt war"). Die zehn schönen Statuen, welche später als Achill
mit den Töchtern des Lycomedes ergänzt in den Antikentempel zu Sanssouci
kamen''), sind 1792 in den Ruinen des sogenannten Landhauses des Marius zu
Frascati gefunden worden^). Die jetzt in Madrid befindliche Sammlung des
Ritters Azära, hauptsächlich aus (mindestens 30) Büsten bestehend, stammt ganz
oder größtenteils aus den von Azära 1779 in der sogenannten Villa der Pisonen
von Tivoli gemachten Ausgrabungen'*).
Alle derartigen Anlagen übertraf die Villa Hadrians zu Tivoli durch den un-
geheuren Reichtum ihrer künstlerischen Ausstattung ebensosehr wie durch
ihren kolossalen Umfang; sie schloß eine ganze Kunstwelt in sich. Aus ihren
unerschöpflichen Ruinen haben sich der Vatikan, die Farnesina, die Villen der
Este in Tivoli und auf dem Quirinal, das kapitolinische Museum, die Villa Albani
bereichert. Schon unter Alexander VI. hatte man begonnen, diese Statuen-
schachte auszubeuten. Aus den Grabungen, die der Kardinal Ippolito d'Este,
wie es scheint unter Leitung Pirro Ligorios (1530 — 86), des Erbauers der Villa
d'Este in Tivoli, veranstaltete, scheint nur ein sehr kleiner Teil des Statuen-
vorrats derselben herzurühren. Im 18. Jahrhundert wurden die Ausgrabungen
im größten Maßstabe und fast durchaus mit Rücksicht auf den Kunsthandel be-
trieben; auch wurden sehr bedeutende Funde gemacht, von denen Benedikt XIV.
Die Villa
Hadrians
zu Tivoli.
i) Justi, Winckelmann 11^ I79ff. D. Comparetti e G. de Petra, La villa ercolanese dei Pisoni,
i suoi monumenti e la sua biblioteca, Torino 1883. Ruggiero, Storia degli scavi di Ercolano (1885)
p. XL ff. Mau, Pompeji^ S. 545 ff. Über den verfehlten Versuch Comparettis, als Besitzer der Villa
L. Calpumius Piso Cäsoninus (Konsul 58 v. Chr.) und als sein Porträt die dortige sogenannte Seneca-
büste nachzuweisen, vgl. Mommsen, Archäol. Zeitung XXXVIII 1880 S. 32 ff. und Mau, Bull. d.
Inst. 1883 S. Syff. Zu den Porträtbüsten vgl. A. Gercke, Bonner Studien f. R. Kekule (1890)
S. I39ff. 2) Jetzt in den Königl. Museen in Berlin, s. Beschreib, d. ant. Skulpt. nr. 50. 218. 221 f.
497. 588. 593 f. 3) Justi, Winckelmann V 256. 4) Hübner, Antiken v. Madrid S. 19 — 21.
[in. 232]
2. PLASTIK UND MALEREI
41
mehreres, besonders die neuägyptischen Statuen des Canopus- oder Sarapis-
heiligtums, dem kapitolinischen Museum einverleibte').
Allerdings sind nun sehr vielfach zur Dekoration auch ältere Werke der
Malerei und Skulptur verwendet worden, wie z. B. in jenem Parke des Domitius
Tullus und in dem von Vespasian erbauten prachtvollen FriedenstempeP). Aber
teils war dies nicht überall möglich, teils konnten selbst die umfassendsten
Plünderungen der griechischen Länder dem ins Grenzenlose wachsenden Be-
dürfnis gewiß nur zu einem geringen Teil genügen, besonders da die häufigen
und massenhaften Zerstörungen von Kunstwerken, hauptsächlich durch die
wiederholten ungeheuren Brände Roms, schon im i . Jahrhundert immer neue
Lücken hervorbrachten, deren Ausfüllung immer neue Massenproduktion erfor-
derte. Bei weitem der größte Teil der Nachfrage nach künstlerischem Schmuck
ist also nicht durch den alten Bestand, sondern durch die Produktion von Kunst-
werken befriedigt worden, um so mehr, als in sehr vielen Fällen Beziehungen
auf die Gegenwart verlangt wurden.
Es ist aber nicht bloß die Massenhaftigkeit der künstlerischen Produktion zu Allgemeinheit
dekorativen Zwecken, durch die sich der damalige Kunstbetrieb von jedem ^5 ^ ^^ ^"[
späteren unterscheidet: ein viel wesentlicherer Unterschied beruht auf der viel tion und Uni-
größeren Allgemeinheit ihrer Verwendung. Denn die Verbreitung des Kunst- versalität der
bedürfnisses in der damaligen Welt, das die Produktion auf allen Gebieten der
bildenden Künste zu befriedigen hatte, ist beispiellos; und beispiellos wie der
kolossale Umfang ihres Schaffens ist auch die Universalität, mit der sie einer
Unzahl der verschiedenartigsten Wünsche, Forderungen und Liebhabereien
Genüge leistete, den höchsten und gemeinsten, den ausschweifendsten wie den
bescheidensten; mit der sie den Sultanslaunen der Herren der Erde diente,
während sie zugleich die arme Zelle des Sklaven freundlicher machte. Die
Kunst aller neueren Zeiten ist mehr oder weniger aristokratisch gewesen, sie
hat mehr oder weniger ausschließlich für eine kleine Minorität von Bevorzugten
gearbeitet. Sie hat im Dienste der Kirche, der Macht, des Reichtums gestanden
und nur unter besonders günstigen Umständen dazu beigetragen, die Existenz
der mitderen, nie der untersten Schicht der Gesellschaft zu verschönern. Sie hat
in großen Zentren des nationalen Lebens, in Hauptstädten und an Fürsten-
sitzen gewohnt und diesen vereinzelten Punkten einen Glanz verliehen, den
ganze Provinzen und Länder entbehrten und noch entbehren. In Wechsel-
wirkung mit dieser Ausschließlichkeit hat stets die Beschränkung der Genieß-
barkeit ihrer Schöpfungen auf kleine Kreise gestanden: zur Voraussetzung des
Verständnisses derselben hat in der Regel eine Bildung und Abstraktionsfähig-
keit gehört, die den Massen immer gefehlt hat. So hat die moderne Kunst nur
für verhältnismäßig wenige existiert. Die Kunst der römischen Kaiserzeit pro-
duzierte für alle Bildungsgrade und alle Klassen der Gesellschaft und verbreitete
darum auch Verständnis und Genußfähigkeit für einen sehr viel größeren Teil
ihrer Leistungen und in sehr viel weitere Kreise. Sie schuf fein gedachte und
virtuos ausgeführte Kabinettstücke zum Hochgenüsse der Kenner und füllte
i) Winnefeld, Die Villa des Hadrian bei Tivoli (1895) S. 4 — II. I50ff.; vgl. auch Lanciani,
Storia degli scavi di Roma II 108 ff. 2) Joseph. B. J. VII 159 f.
42
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 233, 234~
Reichliche An-
wendung wohl-
feiler Materialien.
Plastik in wei-
chen Stoffen.
zugleich Tempel, Hallen und Plätze mit allgemein verständlichen Figuren, und
lange Wände und Fußböden mit bunten Schilderungen, die auch das Gassen-
publikum fesselten. Ihre Werke machten nicht bloß die Hauptstadt der Welt
zu einer Stadt der Wunder, sie verliehen auch den Munizipien und Kolonien
Italiens und der Provinzen einen allerdings nach der Wohlhabenheit, der Kultur
und dem Geschmack ihrer Bewohner sehr verschiedenartigen, im Verhältnis
zu neueren Zeiten aber jedenfalls höchst reichen Schmuck, und dieser Schmuck
wurde auch dort keineswegs nur für die öffentlichen Bauten beansprucht. Die
Entdeckung von Herculaneum und Pompeji hat der modernen Welt zu ihrem
Erstaunen offenbart, wie allgemein und in wie hohem Grade die Dekoration der
Privatwohnungen durch Plastik und Malerei auch in Mittelstädten des Kaiser-
reichs zu den unentbehrlichsten Annehmlichkeiten selbst bescheidener Existenzen
gerechnet ward.
Eine reiche Anwendung von kostbaren Materialien in der Architektur, von
Marmor- und Bronzefiguren zur Dekoration der Räume konnte natürlich nur in
den Häusern und Gärten der Wohlhabendsten stattfinden: zum Luxus dieser
aber gehörten besonders die letzteren ganz allgemein'), und nicht bloß in Rom.
Auch in den Häusern von Pompeji und Herculaneum ergoß sich das Wasser
der Brunnen aus Urnen und Schläuchen von marmornen und bronzenen Satyrn,
Silenen und Nymphen^). Doch mit der Allgemeinheit des Kunstbedürfnisses
in den mittleren und unteren Klassen stand eine umfassende Anwendung wohl-
feiler Materialien notwendigerweise in Wechselwirkung, namentlich des Tons
und Stucks. Stuckreliefs und -Ornamente, oft bemalt, besonders an Gesimsen,
Decken und Gewölben, waren, wie Plinius sagt und die Ausgrabungen der
verschütteten Städte bestätigen^), in den Häusern allgemein'*). Gipsbüsten
schmückten die Räume, besonders Bibliotheken und Studierzimmer derer, denen
marmorne und bronzene zu teuer waren : überall sah man in Martials und Ju-
venals Zeit bei den Heuchlern des Stoizismus und sonstigen Afterphilosophen
die Gipsköpfe des Demokrit, Chrysipp, Zeno, Plato und andre mit struppigen
i) Dig. XVIII I, 34 ^x.: plerasque enim res aliquando propter accessioiies emimiis, sicuti cum do-
mus p7-opter marmora et statuas et tabulas pictas emattir. VII i, 13 §7: sed si aediuni ususfructus
legatus sit, No-va filius et himina immittere euin posse ait: sed et colores et picturas et marmora
poterit, et sigllla, et si quid ad domtts ornatum. XXXIII 7, 12 § 23 : Papinianus quoqtie Hbro septimo
Responsoru7n ait: sigilla et statuae affixae instrumenta domus non continentur, sed domus portio sunt.
§ 36: imagines (wohl Büstenl quoque eae solae legatae videntur, quae in aliquo ornatu villae fuerunt.
Unter sigilla dürften hauptsächlich Reliefs zu verstehen sein (wie Cic. in Verr. II 4, 48; vgl. auch
vestes sigillatae, Zeuge mit Figurenmustem, Marquardt, Privatl.^ 533, 4; 540), die allerdings meist
aus Ton (Marquardt a. a. O. S. 461) und Stuck waren. Plin, n. h. XXXVI 183: usus gypsi in alba-
riis, sigillis aedificiorutn et coronis gratissimus. PassioSS.IVcoronatorum 2: concas sigillis ornatas —
concas et lacus cum sigillis et catttaris cum magna tenuitate artis (dazu Benndorf bei Büdinger,
Untersuch, z. rüm. Kaisergesch. III 349 f.). CIL VI 18378 = Dessau 8022 sarcophago aeterno
sigi[lario] cum opere et basibus. 2) Mau, Pompeji^ S. 466 f. E. Curtius, Arch. Zeit. XXXVII 1879
S. 19 fr. 3) Schöne Beispiele davon bieten außer den bekannten Gräbern an der Via Latina
(Monum. d. Inst. VI 43 f. 49fr., vgl. E. Petersen, Ann. d. Inst. 1860 S. 348 fif. 1861 S. 1908".) die
Stuckreliefs aus dem im Garten der Famesina ausgegrabenen römischen Hause, Monum. d. Inst.
Suppl. Taf. 32 ff., vgl. J. Lessing und A. Mau, Wand- und Deckenschmuck eines röm. Hauses aus
der Zeit d. Augustus (1891) u. Heibig, Führer durch die Samml. klass. Altertümer in Rom^
nr. 1327 ff. 4) Diodor. V 12, 2 sagt von Malta: exei — Totq xe oiKtiöeiq dEioXoYOuc; KOi xare-
öKCuaaiacvaq q)iXoT{|nu;(; y^idoxc, koi Kovidnaöi uepiTTÖTepov.
[III. 235] 2. PLASTIK UND MALEREI 43
Barten^). Aus Ton sind architektonische Verzierungen an Säulen, Fenstern,
Gesimsen und Dachrinnen und Friese zur Dekoration der äußeren und inneren
Wände, Formen, in denen sie gearbeitet wurden, zahlreich erhalten; oft sind
auch solche Tonornamente und -reliefs bemalt, teils mit einer Farbe, teils mit
den natürlichen Farben der dargestellten Gegenstände^); und gerade in diesen
geringen und fabrikmäßigen Arbeiten sind die herrlichsten Erfindungen, die
edelsten Gestalten reproduziert, die der Blütezeit der griechischen Kunst ihren
Ursprung verdanken.
Noch allgemeiner als die Plastik in weichen Stoffen, vielfach auch mit ihr in
Verbindung, wurde (wo die Marmorinkrustierung unerschwinglich war) die
Malerei zum Schmucke der Wohnräume verwandt. Farbendekoration war von Stuckmalerei.
Stuckbekleidung unzertrennlich^). Wie in Pompeji Haus für Haus, Zimmer für
Zimmer in heiterem, mit keckem Pinsel flüchtig hingeworfenem und doch oft
hinreißend schönem malerischen Schmucke prangt, ist allbekannt; und daß diese
Wandmalerei in den Wohnungen so weit verbreitet war wie die römische Kultur
überhaupt, zeigen außer Überresten in den Provinzen^) zahlreiche gelegent-
liche Erwähnungen^). Wenn übrigens auch die Entdeckung von Herculaneum
und Pompeji allein hingereicht hat, die Vorstellungen von der antiken Malerei
je länger je mehr umzugestalten, so ist doch klar, daß diese und andre ver-
einzelte Funde uns nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des mit der Zeit
im ganzen römischen Reiche angesammelten Bildervorrats, folglich nur einen
beschränkten Teil der Gegenstände und Stoffe kennen lehren, welche die De-
korationsmalerei behandelte. Mythologische Bilder werden allerdings zu allen
Zeiten die gewöhnlichsten gewesen sein^); der Kampf bei den Schiffen vor Troja
wird als ein gewöhnliches Wandbild erwähnt^). Doch daß historische Darstel-
l) Martial. IX 47. Juv. 2, 4. Wenn auch bei Mattial und Lucian (Nigrin. 2: ttoWÖk; eiKovac;
TraXaiuJV öoqpiliv ev kukAuj Keijaevac;) das Material nicht angegeben ist, darf doch namentlich an
der letzteren Stelle das wohlfeilste vorausgesetzt werden. In dem Hause des Sophisten Julianu^
zu Athen Kai eiKovec; Tötv uir' auToO 0au|uaö9evTuuv exaipiuv dvexeivro, Eunap. Vit. sophist.
p. 483, 10 Boiss. Prudent. c. Symmach. I 436 spricht von Götterbildern, an denen, mollis si bractea
gypsutn texerat, infido rarescit glutine sensim. 2) H. v. Roden, Architektonische röm. Tonreliefs
der Kaiserzeit (1911) S. 26* ff. 3) Semper, Der Stil P 458. Tectorium picturaeque verbunden: Dig.
VI I, 38; vgl. XV 3, 3 §4: sed si — donnim dominicaiu exaniavit tectoriis, wo offenbar Wand-
malereien gemeint sind. In der praescriptio der fasti Maffeiani CIL P p. 222: expoliendic\m ej
pingendum. Pers. 5, 25: pictae tectoria linguae. CIL XIV 391 1 = Buecheler, Carm. ep. 865, 10
(Aquae Albulae): frontibus et pictis Aelia villa nitet. 4) Überreste z. B. in den römischen Nieder-
lassungen bei Bonn (Hettner, Bonner Jahrb. LXII 1878 S. 64 ff.) und Trier (Hettner, Illustr. Führer
durch das Provinzialmuseum in Trier S. 73 ff. R. Steiner, Röm.-germ. Korr.Bl. VII 1914 S. 41 f.) so-
wie sonst in Gallien (F. Koepp, Bonn. Jahrb. CXXV 19 19 S. 43 f.), in der Ostschweiz (F. Keller,
Mitt. d. Antiqu. Gesellsch. in Zürich XV 1863 S. 52. 57. R. Pagenstecher, Germaniall 1918 S. 33ff.;,
in Noricum und Pannonien (v. Jabornegg- Altenfels, Kärntens röm. Altertümer S 62. Archäol.
Anzeig. 1906 S. 188. 1913 S. 328. A. Hekler, Österr. Jahreshefte XV 1912 S. I76f.), in Britannien
(Lysons, Reliqu. Brit. Rom. II Taf. l) und Afrika (A. Schulten, Arch. Anz. 1900 S. 60). 5) Tertullian.
de idolol. 8. Philostrat. Apoll. Tyan. V 22. Lucian. de domo 21 — 31. Plutarch. Coni. praec. 48
bezeichnet Ypaqpäq oiKimaxioiv als überflüssigen Luxus. Piclura porticus in Sarmizegetusa, CIL
III 7960 — Dessau 5548, aedes picta in Gigthis, CIL VIII 22698. 6) Ps. Dosith. Corp. gloss. lat.
III 56, 47 sagt in der Vorrede des mythologischen Abschnitts : picturae igitur huius laboris multtj
locis dant testimcniittm. 7) Lucillius (in Rom unter Nero) Anthol. Pal. XI 211, if. : TpaTmfiv ev
Toi'xifi KaXiToüpvioc 6 axpaTiüjTric;, \uc, €6o(; eoxiv, iöuuvrnv eni vauöi \xa-fY\y usw.
44
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 236]
Fortdauer der
Allgemeinheit
der künstleri-
schen Deko-
ration bis ins
späteste Alter-
tum.
lungen nicht fehlten, beweist neben den esquilinischen Bildern von Kriegs-
ereignissen und Szenen aus der Gründungssage Roms ') die Beschreibung, welche
Sidonius ApoUinaris von der Villa Burgus des Pontius Leontius gibt. Dort
waren außer Szenen aus der jüdischen Geschichte^) auch Ereignisse des dritten
Mithridatischen Kriegs gemalt: wie Mithridates dem Meergott Rosse opfert,
die Belagerung von Cyzicus und die Entsetzung der Stadt durch Luculi; man
sah einen Soldaten durch das Meer schwimmend einen Brief emporhalten ^).
Von einem des Kriegs völlig Unkundigen sagte man in Griechenland, er habe
ihn nicht einmal auf einer Wand gemalt gesehen'*), aber ohne Zweifel waren
Schlachtenbilder nicht bloß dort häufig. Daß zu den Gegenständen der Wand-
malerei auch komische Szenen aus dem Tierleben gehörten^), erwähnt gelegent-
lich der Fabeldichter Phädrus, in dessen Zeit (unter Tiber) man in den Tabernen
Roms häufig den Krieg der Mäuse und Wiesel gemalt sah^).
Wie die Verwendung der übrigen Künste zur Dekoration, so blieb nament-
lich auch die der Wandmalerei bis in die letzten Zeiten des Altertums im römi-
schen Reiche allgemein. In dem Maximaltarif Diocletians vom Jahre 301, der
auch für alle gangbaren Arbeiten die höchsten Tagelöhne festsetzt, werden
unter den zum Hausbau erforderlichen Handwerkern folgende mit aufgezählt:
der Marmorarbeiter (hauptsächlich für Inkrustation von Wänden und Fußboden,
auch wohl für Ornamente), der Mosaizist, der Estrichleger, der Wandanstreicher,
der Bildermaler; ferner werden Preise für den Bronzeguß in Reliefs und Statuen,
für das Modellieren von Figuren (in Stuck und Ton) und für die sonstige Stuck-
arbeit angesetzt^). Dieselben Arbeiter werden auch in einem Erlaß Constantins
vom Jahre 337 an den Reichsverweser der westlichen Provinzen über die Frei-
heit der Künstler und Handwerker von kommunalen Leistungen aufgeführt,
gehörten also auch damals noch zu denen, die in der Regel in den dortigen
Städten ansässig waren. Noch größere Privilegien erteilte Valentinian den
Malern ^aber nur den freigeborenen) in einem Erlaß an den Statthalter von
Afrika vom Jahre 3 74. Unter anderm sollten sie Lokale und Werkstätten auf
städtischen Grundstücken zur Ausübung ihrer Kunst ohne Miete erhalten, sich
in jeder Stadt niederlassen und von den Beamten nicht gezwungen werden
dürfen, ohne Bezahlung heilige d. h. kaiserliche Porträts zu liefern oder öffent-
liche Bauten auszumalen*). Die bis in die letzten Zeiten fortdauernde Verwen-
dung der Steinskulptur zu dekorativen Zwecken zeigt sich aufs anschaulichste
i) Brizio, Pitture e sepolcri sull' Esquilino, 1876. Robert, Annali d. Inst. 1878 S. 234 ff. (Monum.
d. Inst. X 60. 60a). Heibig a. a. O. nr. 145 1 — 1454. 2) Sidon. Apoll. Carm. 22, 201 ff. 3) ebd.
158 ff. Eine nicht sicher zu deutende Szene aus der römischen Geschichte auf einem Gemälde
eines Grabes vom Esquilin, C. L. Visconti, Bnll. arch. comun. XVII 1889 S. 340 ff. Taf. Ii. 12.
Michaelis-Wolters a. a. O. S. 464 Abb. 883 ; vgl. Heibig a. a. O. nr. 967. 4' Lucian. de conscr. hist.
29. Liban. progymn. XI 19 (VIII 417 F.): Ti'vaq äv eiTioi X6you(; 6ei\6(;, Geaod|uevo^ Tr6\€)iOV ev
TU) oiKeujJ oiKUJ Y€TPaM|nevov. 5) Heibig, Untersuch, über die campan. Wandmalerei S. 92 f., vgl.
Wandgemälde S. 383 f. Vgl. die Storchengeschichte auf zwei Silberbechem aus Boscoreale,
Monum. Piot V 1899 Taf. 13. 14. 6) Phaedr. fab. IV 6, 2. Auch app. 16: Galhis lectica afelibus
vectus beschreibt wohl ein Bild. Ps. Dosith a.a.O. p. 39, 34 sagt von Aesopus: per cum enim
pictiirae constant. Eine Darstellung der gegenseitigen Bewirtung von Storch und Fuchs hat ein
Grabstein aus der Gegend von Florenz aufbewahrt, Bormann und Benndorf, Österr. Jahreshefte V
1902) S. I ff.; vgl. dazu Savignoni ebd. VII (1904) S. 72fl. i\ Bliimner, Maximaltarif Diocletians
S. 106 f. Ulf. 8) Cod. Theodos. XIII 4, 2. 4.
[III. 237] 2. PLASTIK UND MALEREI 45
auch in dem früh aufgezeichneten Bericht vom Martyrium der fünf Steinmetzen
unter Diocletian, dessen Verfasser die Arbeiten in den Steinbrüchen Pannoniens
(dem Lokal der Erzählung) offenbar aus Autopsie kannte. Der Kaiser ließ nach
seinem Berichte dort aus Porphyr Säulen mit Blätterkapitälen, ferner Wasser-
behälter in Wannenform [conchaeY) und Becken [lacus)^ teils mit Früchten und
Acanthusblättern, teils mit Figuren in erhabener Arbeit verziert, ausführen. Er
bestellte auch Victorien und Liebesgötter, wasserspeiende Löwen, Adler und
Hirsche und Bilder vieler Tierarten, alles offenbar als Ornamente; vielleicht für
große marmorne Brunneneinfassungen und Bassins: was auch für jene Zeit eine
durchgehende Anwendung der Steinornamentik, soweit sie in der Architektur
und Tektonik zulässig war, voraussetzen läßt^).
Wie in der Plastik, so scheinen auch in der Wandmalerei bis in das späteste
Altertum die Gegenstände und (wo diese der Gegenwart entnommen waren)
die Darstellungsweisen der früheren Zeiten, wenigstens zum großen Teil, bei-
behalten worden zu sein. Im kaiserlichen Palast zu Mailand stellte ein Gemälde
die Cäsaren thronend, scythische Fürsten zu ihren Füßen dar: Attilaließ es 452
in der Art umgestalten, daß die ersteren vor den letzteren in demütiger Haltung
Tribute darbringend erschienen^). Im Speisesaale des kaiserlichen Palasts zu
Aquileja waren Constantin und Fausta, beide als Kinder, gemalt : das Mädchen
reichte dem Knaben einen mit Gold und Edelsteinen geschmückten Helm mit
einem wallenden Federbusch*). Ausonius, der ein Epigramm auf ein Gemälde
gedichtet hat, das den Kaiser Gratianus einen Löwen durch einen einzigen Pfeil-
schuß erlegend vorstellte^), sagt, daß man auch damals mythologische Szenen
häufig auf Wänden dargestellt sah; er beschreibt ein Wandgemälde in dem
Speisesaal eines Zoilus zu Trier: Heroinen, welche die Liebe zu einem tragischen
Schicksal geführt hat, peinigen und binden Cupido^). Libanius erwähnt Bilder,
welche die Liebschaften der Götter darstellten''), und beschreibt zwei in der aus
i) CIL VIII 8396 = Dessau 5728 conchas de suo posuit. Anth. lat. 377, 3 R. 2) Die Passio
sanctorum IV coronatorum, mitgeteilt von Wattenbach mit einem Vorwort von v. Karajan,
Sitzungsber. d. Wiener Akad. X (1853) S. 115 — 137 und in Büdingers Untersuchungen z. röm.
Kaisergeschichte III 323 ff. mit Benndorfs archäologischen und Büdingers chronologischen Be-
merkungen. Die Frage, wie die Verbindung der Legende vom Martyrium der 5 pannonischen
Steinmetzen mit der von den 4 römischen contictdarii [coronati Benennung für höhere Offizialen,
vielleicht nach einem Abzeichen, Hirschfeld, Arch. epigr. Mitteil. IX 1885 8.23!.) und die Be-
nennung der ersteren als Passio SS. IV coronatorum entstanden sei, haben auf verschiedene Weise
zu lösen versucht De Rossi, Bull. arch. crist. ser. 3, IV 1879 S. 45 ff., C. Erbes [Ztschr. f. Kirchen-
gesch. V 1882 S. 466 ff.) und Edm. Meyer, Über die Passio SS. IV coronatorum, Progr. d. Luisen-
gymnasiums, Berlin 1886. De Rossi setzt das Martyrium der Pannonier 305/6, das römische früher
(nach 288 , die Aufzeichnung des ersteren (durch einen Porphyrius censualis a gleba) unter Galerius,
dessen Name dann später mit dem Diocletians vertauscht worden sei. Meyer setzt das pannonische
Martyrium 293, das römische 303, die Legende von dem ersteren sei einige Zeit im Volksmunde
umgelaufen, ehe sie aufgezeichnet wurde. Petschenig, Sitzungsber. d. Wiener Akad. XCVII 1S80
S. 761 ff. setzt auf Grund einer Untersuchung der Sprache die Abfassung spätestens ins 6., wahr-
scheinlich 5. Jahrhundert. Neuer Text von Wattenbach, Sitz.-Ber. der Berliner Akademie 1896
S. I28iff. 3) Suidas s. MeöiöXavov und KopuKOc;. Vgl. dazu das große Wandgemälde der Welt-
herrscherin Roma im Palazzo Barberini, G. Körte, Arch. Zeit. XLIII 1885 S. 23 ff. Taf. 4. 4) Paneg.
lat. VII 6,2. 5) Auson. Epigr. 30 p. 322 Peip. 6) Auson. Cupido cruciat. p. 109 Peip. Vgl.
dazu den Gemäldezyklus aus der antiken Villa bei Tor Marancio (Helbig, Führer^ nr. 415). Fried-
laender. Über den Kunstsinn der Römer (1852) S. 271. 7) Liban. progj'mn. XI 27, 3 (VIII 436 F.,.
46 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 238, 239]
Pompeji bekannten Weise des Studius') staffierte Landschaften; die eine mit
ländlichen Gebäuden, verschiedenen Menschen und Tieren, einem zweirädrigen,
beladenen, von Ochsen gezogenen Wagen, einem Tempel mit Bäumen; die
andre mit einer bekränzten Festgesellschaft, die im Freien unter einem zwischen
Bäumen ausgespannten Zeltdache schmaust, im Hintergrunde eine Stadt mit
Mauern und Türmen^), Sidonius ApoUinaris (Bischof zu Clermont um 450),
dem die ganze heidnische Kunst wegen ihrer Gegenstände, noch mehr wegen
ihrer Nacktheit verhaßt war, Heß die inneren Wände des Bads auf seinem Land-
gut einfach weißen: *da steht«, sagt er, > keine Darstellung zur Schau, die durch
die nackte Schönheit gemalter Körper häßlich ist, und wie sie die Kunst ehrt,
so den Künstler verunziert« ; dasind keine Komödianten mit lächerlichen Fratzen
und bunten Harlekinstrachten, keine verschlungenen Ringerpaare ^). Auch die
Gegenstände der von Luxorius, welcher unter dem Vandalenkönige Thrasa-
mund (496 — 523) in Afrika dichtete, beschriebenen Bilder wird man für längst
gebräuchliche oder in üblicher Weise behandelte zu halten haben : Fridamal
einen Eber erlegend ; Romulus, wie er auf der Mauer Roms seinen Bruder Remus
tötet; Diogenes, von einer Dirne am Barte gezupft, hinter seinem Rücken von
einem Liebesgott verhöhnt"*). Daß endlich auch die christliche Kunst (auf welche
hier nicht eingegangen werden soll) bis zu einem gewissen Grade sich an die
überlieferten Motive und Gestalten halten mußte, ist bekannt. Die Wichtigkeit
der Malerei im Dienst der Kirche wurde früh erkannt. Paulinus von Nola sagt
(403), daß die Betrachtung der Bilder in einer Säulenhalle bei der dortigen
Basilika des heiligen Petrus (Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament
und der Geschichte der Märtyrer) den zum Feste des Heiligen massenhaft
herbeiströmenden, des Lesens unkundigen Pilgern die angemessenste Unter-
haltung bot und sie von fleischlichen Genüssen zurückhielt^), »Die Bilder sind
die Bücher der Ungelehrten«, ist ein Ausspruch Gregors des Großen.
Weit zahlreichere Reste als von den Wandmalereien haben sich von den so
viel dauerhafteren Mosaiken der Fußböden in fast allen Provinzen erhalten, wie
in Spanien, Frankreich, England, der Schweiz^), den Rheinlanden, Bayern, Salz-
burg, Siebenbürgen, vor allem in Nordafrika'): sie machen die Allgemeinheit
auch dieser Dekoration, die sogar das Altertum überdauert hat, unzweifelhaft.
Künstlerischer Dieselbe Allgemeinheit des künstlerischen Schmucks wie die Wohnungen
Schnwck des ^Qigt der Hausrat. Schon allein die Geräte und Möbel der pompejanischen
Häuser, deren größter Teil doch wohl von den fliehenden Einwohnern gerettet
oder aus der lockeren Aschendecke sofort wieder herausgegraben worden sein wird,
Tische, Bänke, Sessel, Sofas, Kandelaber, Gefäße, Lampen, Dreifüße, Toiletten-
i) Vgl. Rodenwaldt, Die Komposition der pompejan. Wandgemälde (1909) S. 24 ff. 2) Liban.
progymn. XII 2. 4 (VIII 465. 470 F. €KqppdaeK YPOtpiJüv ev ßouXeuTripiuj). 3) Sidon. Apoll, ep.
II 2, 6. 4) Anthol. Lat. 304. 325. 374 R. ; vgl. auch 312 f. 334 f. [de venatore picto in manibus oculos
habetUe, weil er nie fehlte). 5) Paulin. Nolan. carm. 27, 51 1 ff. 542 ff. 6) H. A. O. Reichard hörte in
Avenches iSll, daß 5 — 6 neue Mosaikfußböden kürzlich entdeckt, aber von den Bauern zerstört
Morden seien; er selbst sah noch in einer Scheune einen wenigstens 60' langen, bereits halb zer-
schlagen. Die Zeichnung war edel und in großem Stil, die Farben ganz frisch. Uhde, Reichards
Selbstbiographie (1877) S. 406. Vgl. auch Matthisson, Schriften (Zürich 1825) II I94ff. 7) Nach-
weise über die Verbreitung der Mosaiktechnik in den Provinzen seit dem Ende des ersten Jahr-
hunderts gibt P. Gauckler bei Daremberg-Saglio, Dictionn. III 2 S. 2 108 ff.
[III. 24o]
2. PLASTIK UND MALERKI
47
Utensilien und andre Schmuckgegenstände aller Art, haben der modernen
Kunstindustrie eine kaum zu erschöpfende Fülle geschmackvoller Vorbilder ge-
liefert']. Und nicht bloß um marmorne und bronzene Kandelaber rankte sich
der Schmuck phantastischer Vegetationsformen, nicht bloß silberne und goldene
Schalen und Kannen prangten in getriebener Arbeit und mit schön verzierten
Henkeln, gläserne Prachtvasen mit figurenreichen Reliefs in verschiedenen Far-
ben: auch das irdene Geschirr des Armen, die Siegelringe aus Glasfluß, die
tönerne Lampe, die bei später Arbeit leuchtete — alles hatte seinen bildlichen
Schmuck, und namentlich die Deckel der Tonlampen haben einen reichen
Schatz von künstlerischen Gegenständen und Motiven bewahrt. Auch die
ärmste Wohnung entbehrte oft eher den notwendigsten Hausrat als den künst-
lerischen Schmuck. Juvenal schildert die Einrichtung eines blutarmen Gelehr-
ten oder Dichters: da war ein kurzes Bett und eine alte Kiste mit göttlichen
griechischen Gedichten, an denen ungebildete Mäuse nagten, doch auch eine
marmorne Tischplatte mit sechs Henkeltöpfchen, darunter ein hoher gehenkel-
ter Becher, und die Figur eines liegenden Zentauren als Stütze (Trapezophor)").
Figuren und Figürchen [sigilla)^ die als Zimmerschmuck dienen konnten, waren
darum auch stets willkommene Geschenke und gehörten zu denen, die man in
der Saturnalienzeit regelmäßig austauschte: man kaufte sie dann auf einem
eigens eröffneten Markte, sonst auch in den Läden der ebenfalls nach ihnen
benannten Sigillarstraße^). Unter den Saturnaliengeschenken, für die Martial
Aufschriften gedichtet hat, sind: Figuren aus Ton (der Lieblingsknabe des
Brutus, Hercules, ein Buckliger, eine Germanenmaske), aus Marmor (ein Herma-
phrodit, Leander), aus korinthischer Bronze (Hercules, Apoll als Eidechsentöter),
aus Silber (Minerva), aus Gold (Victoria), außerdem drei Bilder (Hyacinthus,
Danae, Europa)"*). Überhaupt aber waren Kunstwerke gewöhnliche Geschenke;
schon Horaz entschuldigte sich gleichsam, daß er nicht imstande sei, eine Arbeit
von Skopas oder Parrhasius zu schenken^); Seneca, der empfiehlt, zu Geschen-
ken nicht schnell vergängliche Dinge zu wählen, sagt: er schenke lieber Silber-
gerät als Geld, lieber Statuen als Kleider und Teppiche^); und unter den Gaben,
die ein beschäftigter Rechtsanwalt in Martials Zeit an seinem Geburtstage von
dankbaren Klienten erwarten durfte, waren auch Werke »des Phidiasischen
Meißels« ^).
Am deutlichsten aber zeigt sich in den Grabdenkmälern, wie die bildende
Kunst jener Zeit auch dem Geringsten und Unbeglücktesten ihre Gaben spen-
dete. Zwar die Sarkophage mit ihrem reichen Reliefschmuck waren, wenn
auch ohne Zweifel im Verhältnis zu modernen Preisen wohlfeil, doch in der
Regel nur für Wohlhabende erschwinglich^); aber wenigstens im i. Jahrhundert
war nicht das Begraben, sondern das Verbrennen der Toten die Regel, in der
Gräberstraße von Pompeji hat sich kein Sarkophag gefunden, das Begraben ist
Kunstwerke als
Sammalien- und
sonstige Ge-
schenke.
Künstlerischer
Schmuck der
Grabdenkmäler.
i) Mau, Pompei^ S. 389 ff. 2) Juv. 3, 203 — 207. Marquardt, Privatl.^ 319, 5. 3) Marquardt
StV. IIP 587 f. Hülsen-Jordan, Top. I 3 S. 574, 41. Blümner, Technologie II 124 f. 4) Martial.
XIV 170— 182. 5) Horat. Carm. IV 8, 5— 8. 6) Seneca de benef. I 12, 2. 7) Martial. X 87, 16.
8) Philogelos 97 Eberh. wird eine oopo^ für 5 Myriaden erwähnt. Vielleicht ist hier nach dem
Denar der Diocletianischen Zeit (Hultsch, Metrol.^ S. 333) gerechnet, wonach die Summe 1269 Mark
betragen würde.
48 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 241]
erst im 2. Jahrhundert wieder aufgekommen und alimählich immer allgemeiner
geworden. Jene kleinen, oft so überraschend schönen, reich »mit Leben ver-
zierten« marmornen Urnen aber, in denen »die Asche noch im stillen Bezirk
sich des Lebens zu freuen scheint«, sind offenbar größtenteils aus den Werk-
stätten untergeordneter Kunsthandwerker hervorgegangen und wohl auch für
Unbemittelte nicht zu teuer gewesen. Vor allem schmückte die Malerei die
inneren Räume der Grabmäler ganz allgemein'), wie namentlich auch die Bei-
behaltung dieser Dekoration in christlichen Grüften beweist, gewiß nicht selten
auch die Außenwände'). Selbst die Kolumbarien (große Gewölbe mit langen,
übereinander liegenden Reihen von Nischen für Aschenurnen), die Ruhestätten
kleiner Leute, auch der Sklaven, also der Niedrigsten und Unseligsten, sind zu-
weilen freundlich wie Wohnräume mit Wandbildern dekoriert, die, manchmal
recht leidlich, die unbenutzten Stellen der Pfeiler und Wände füllen. Wenn
hier eine neue Urne in der für sie gekauften Nische beigesetzt wurde, mögen
die Leidtragenden mit Wohlgefallen den Schmuck betrachtet haben, den sie
aus ihren kleinen Ersparnissen für die Wohnungen ihrer Toten angeschafft
hatten. Da waren mythologische Szenen, Bilder aus dem täglichen Leben,
Landschaften, Tier-, Blumen- und Fruchtstücke; da schoß Hercules dem Pro-
metheus den Geier von der Leber weg, Ulysses blickte gerührt auf den sterben-
den Hund Argus, groteske Pygmäen ergriffen vor einem Krokodil die Flucht,
Gaukler tanzten einen Kastagnettentanz, eine Giraffe mit einer Glocke um den
Hals ward, wie im Amphitheater, von ihrem Wärter geführt u. dgl. mehr^).
b. MONUMENTALE KUNST.
Neben dieser unermeßlichen Beschäftigung der Skulptur und Malerei für
dekorative Zwecke ging eine Verwendung beider Künste für monumentale im
eigentlichen Sinne des Worts, d. h. zur Verewigung von Personen und Ereig-
nissen her, die weder vorher noch nachher jemals in so riesenhaften Dimensio-
nen betrieben worden ist wie in den beiden ersten Jahrhunderten und selbst
noch im dritten und vierten kolossal war.
Persönliche Wie überall, war die Kunst den Römern auch hier nicht Zweck, sondern
Denkmäler, j^j^^gi sjg ^jg ^j^tei ^ur Erhöhung der Schönheit, Pracht und Behaglichkeit
ihrer Wohnungen und Städte zu verwenden, haben sie erst durch die Eroberung
der griechischen Länder gelernt; sie als Mittel zur Fixierung des Erlebten und
Geschehenen für Mit- und Nachwelt, zur Verewigung der Gesichtszüge und
i) z. B. ein innen bemaltes Grab in Krain bei Thurn am Hart (Helios auf dem Viergespann, Europa
auf dem Stier), Hörnes, Arch. epigr. Mitt.VIII 1884 S. 237 f., desgleichen bei den afrikanischen Städten
Hadrumetum (Sussa) und Oea (Tripolis), A. Schulten, Arch. Anz. 1901 S. 72. 1904 S. Il7f. 2) Bei
den 'übertünchten Gräbern' des Evangelisten (Matth. 23, 27) kann, wie der Gegensatz von eSuuGev
und eöuj6ev zeigt, nur an Außendekoration gedacht sein, wie es auch die alte Kirche stets auf-
gefaßt hat, vgl. z. B. Orig. in Levit. hom. 8, 10 (Migne gr. XII 502). Hieronym. adv. Pelag. II 13
(Migne lat. XXIII 549); epist. 108, 17 p. 328, 20 Hilb. Sedul. op. Pasch. V 2 p. 275 , 3 Huem.
3) O. Jahn, Die Wandgemälde des Columbariums in der Villa Pamfili, Abhandl. Akad. München
VIII 2 (1857). E. Samter, Rom. Mitt. VIII 1893 S. 105«".; vgl. auch Real-Encykl. IV 598. Ein
curator eines colleglhwi) fumratichim läßt eine Wand (des Kolumbariums) malen 8 n. Chr., CIL
VI 21383.
[III. 242, 243]
2. PLASTIK UND MALEREI
49
Alter der Ehren-
statuen in Rom.
Gestalten geehrter und geliebter Personen zu benutzen, war ein nationales
römisches Streben, das sich schon in der alten Sitte der adeligen Geschlechter
offenbart, bemalte Wachsmasken der Ahnen aufzubewahren. Sehr alt war auch
in Rom die Sitte der öffentlichen Aufstellung von Ehrenstatuen, sie reicht min-
destens in die Zeit der Dezemvirn (450 v.Chr.) zurück'), die älteste mit Sicher-
heit nachzuweisende ist die des griechischen Dolmetschers derselben auf dem
Forum; diese, sowie alle aus den beiden nächsten Jahrhunderten bekannten,
waren aus Bronze, die man zu Götterbildern seit 269 = 485 zu verwenden an-
gefangen hatte, die erste aus vergoldeter Bronze war die Reiterstatue des Be-
siegers des Antiochus, Acilius Glabrio, von dessen Sohn im Tempel der Pietas
573 = 181 errichtet). Um die Mitte des 5. Jahrhunderts d. St. (etwa 300 v. Chr.)
scheinen die Könige und berühmten Männer der ersten Republik Statuen er-
halten zu haben ^). Nach dem zweiten punischen Kriege waren Kapitol und
Forum"*) bereits mit Statuen überfüllt. Von dort wurde ein Teil derselben im
Jahre 575 = 179 entfernt, und vom Forum ließen 596 = 158 die Zensoren
sämtliche Ehrenstatuen von Beamten, die nicht auf Volks- oder Senatsbeschluß
gesetzt waren, wegräumen^). Schon Cato wollte lieber, daß die Leute fragten,
warum ihm keine, als warum ihm eine Statue gesetzt sei ; er hatte zu klagen,
daß solche in den Provinzen sogar schon Frauen errichtet wurden, und bald
geschah dies auch in Rom selbst^). Die gleichzeitige Statue der Mutter der
Gracchen, Cornelia, sah man noch in Plinius Zeit in der Porticus der Octavia^),
wo ihre durch Feuer beschädigte, später zur Aufstellung einer Statue von Tisi-
crates verwendete Basis wieder aufgefunden worden ist^).
Auch die Sitte, über große Taten und Ereignisse dem Volke durch Bilder zu BilderMstori
berichten, kam früh auf Zuerst stellte M.' Valerius Maximus Messalla das Bild ^^^^^^
seiner siegreichen Schlacht gegen die Karthager und Hiero in Sicilien 490 =
264 V. Chr. auf einer Wand der Curia Hostilia aus. Solche Bilder auf Holz und
Leinwand wurden namentlich in den Triumphzügen getragen, wie in dem des
M. Marcellus ein Bild der Einnahme von Syracus (212). Ämilius PauUus ließ
zur Illustration seines Triumphs im Jahre 168 einen Maler (Metrodorus) aus
Athen eigens kommen. L. Hostilius Mancinus, der zuerst ein Außenwerk von
Karthago im Jahre 148 eingenommen hatte, ließ Bilder der Stadt, der Belage-
rung und Erstürmung auf dem Forum aufstellen, die er dem Volke selbst er-
klärte, wodurch er sich so populär machte, daß er (141) das Konsulat erhielt.
Tiberius Gracchus ließ ein Gastmahl im Tempel der Freiheit malen, das die
Beneventaner seinem Heer im Jahre 2 1 4 nach dem in der Nähe erfolgten glück-
lichen Gefecht gegeben hatten. Man sah darauf besonders die in das Heer ein-
gestellten Sklaven mit den Zeichen der ihnen zum Lohn für die bewiesene
Tapferkeit geschenkten Freiheit^). Ein Bild eines Gladiatorenkampfs stellte
Ereig-
l) Die Zeugnisse bei D. Detlefsen, De arte Romanorum antiquissima II (Glückstadt 1868) S. I4flf.
2) Liv. XL 34, 5. Val. Max. II 5, l ; Cic. Philipp. IX 13 (s(ahm) inmirata equestris, quatis L. Sullac
primum statuta est ist also im Irrtum ; vielleicht war die Sullas die erste auf dem Forum. 3) Det-
lefsen a. a. O. S. 6f. 4) Jordan, Topogr. I 2 S. 56ff. 401. 5) Plin. n. h. XXXIV 30; vgl. auch Liv.
XL 51, 3. 6) Detlefsen a.a.O. S. 21. 7) Plin. n. h. XXXIV 31. 8) CIL VI 31610= Dessau 68,
vgl. Löwy, Inschr. griech. Bildhauer nr. 493. 9) R. Rochette, Peint. ined. S. 303 ff. L. Urlichs,
Die Malerei in Rom vor Caesars Dictatur, Würzburg 1876,
Friedlaen der, Darstellungen. III. 9. Aufl. .
50
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 244]
Bilder für be-
sondere Ver-
anlassungen.
zuerst (im Dianentempel zu Aricia) ein L. Terentius Lucanus (im 6. oder 7. Jahr-
hundert d. St.) aus').
Diese Verwendung- der bildenden Künste zur Veranschaulichung- und Ver-
herrlichung von Personen und Ereignissen, sowohl bei bestimmten Veranlas-
sungen als für die Dauer, fand auch in der Kaiserzeit im weitesten Umfange
statt. In dem »Hervortreten des schildernden Prinzips, das einen entschiedenen
Gegensatz bildet zu dem plastisch-idealen in der Malerei der Griechen«, »in
dem breiten illustrierenden Ton der Darstellungen« (H. Semper)^), nähert sich
die damalige Malerei in Zweck und Behandlung in hohem Grade der altägyp-
tischen und altassyrischen, ihre Werke den Gemälden der Paläste von Theben,
den Alabastertafeln derer von Ninive, den babylonischen Teppichen. Nament-
Bilder für üch die römischen Kaiser selbst redeten durch sie zum Volke. Bilder vertraten
Triumphzüge — .^ ^jigger Zeit ohne Presse die Stelle von Manifesten und Proklamationen 3), wie
man auch im Mittelalter in Florenz und Rom durch historische und allegorische
Bilder sich an das Volk wandte; durch solche entflammte z. B. Cola di Rienzi
die Römer^). Jeder Triumph beschäftigte eine Menge von Künstlern, welche
die Natur des besiegten Landes und die Geschichte des Feldzugs den Zuschauern
des Aufzugs durch bildliche Darstellungen aller Art zu veranschaulichen hatten;
vermutlich konnten hierbei oft, wenn nicht in der Regel, Skizzen von Malern
benutzt werden, welche zu diesem Zwecke den Heeren beigegeben waren^).
Bei dem Triumphe des Vespasian und Titus über Judäa wurden Schaugerüste
von drei bis vier Stockwerken, mit goldgestickten Teppichen behängt, mit
Ornamenten aus Gold und Elfenbein geschmückt, getragen ; teils auf diesen,
teils auf andern Bildern war der Krieg in seinem ganzen Verlaufe dargestellt.
»Da sah man ein reiches Land verwüsten, ganze Scharen von Feinden töten,
fliehen oder als Gefangene abgeführt werden, ungeheure Mauern unter den
Stößen von Belagerungsmaschinen einbrechen, starke Festungen erstürmen,
die Ringmauern volkreicher Städte ersteigen, das Heer sich ins Innere ergießen
und alles mit Mord erfüllen, die Wehrlosen flehend die Hände erheben ; man
sah Feuer in Tempel schleudern, Häuser über den Bewohnern zusammenstürzen,
und nach vieler Verwüstung und Trauer Wasserströme nicht über bebaute Fel-
der, noch zum Trunk für Menschen und Tiere, sondern durch die von allen
Seiten brennende Stadt sich ergießen«^). So wehten auch dem Don Juan
d'Austria bei seinem Einzüge in Brüssel (i. Mai 1577) Banner voraus, deren
Malerei die Schlacht von Lepanto und andre große Szenen seines Lebens ver-
herrlichte''). Im Altertum fehlten bei Triumphen auch plastische Darstellungen
nicht, namentlich Figuren der nach antiker Weise personifizierten Berge, Flüsse,
Länder und Städte. Noch heute sehen wir auf einem Relief des Titusbogens,
i) Oben II 51. Pliu. n. h. XXXV 52, der zugleich bezeugt, daß solche Bilder als Ankündigungen
abzuhaltender Gladiatorenspiele ausgestellt wurden, vgl. Horat. sat. II 7, 95 ff. 2) Vgl. F. Wick-
hoff, Römische Kunst (Schriften III) S. 175 f. 3) Solche Bilder dienen den Kaisern zur Verbrei-
tung der Nachricht von ihren Siegen und Erfolgen (z. B. Herodian. III 9, 12. V 5, 6. VII 2, 8), der
Opposition zu Angriffen durch Karikaturen (Eunap. frg. 78, FHG IV 49). Mehr bei Burckhardt,
Zeitalter Constantins'' S. 272. 4) Gregorovius, Gesch. d. St. Rom VI 235 ff. 5) L. Verus schreibt
an Fronto, der die Geschiebte des parthischen Feldzugs schreiben wollte: quod si picturas quoque
quasdam desideravcris , poteris a Fulviano accipere, Fronto ep. ad L. Ver. 11 3 p. 131 Nah. 6) Jo-
seph. B. J. VII 139 ff. 7) Motley, Abfall der Niederlande (deutsch) III 141.
[III. 245]
2. PLASTIK UND MALEREI
51
wie bei dem Triumph über Judäa die liegende Statue des Jordan getragen
wurde, und wenn Triumphe über deutsche Völker bevorstanden, wurden ganz
gewiß kolossale Figuren des Rhein bestellt'). In dem Triumphzuge Octavians
nach der Schlacht bei Actium sah man ein Bild der Kleopatra mit der Natter
am Arm^).
Auch die künstlichen Scheiterhaufen, die bei der Konsekration verstorbener
Kaiser nach asiatischem Gebrauche auf dem Marsfelde errichtet wurden und
aus mehreren in Pyramidenform sich allmählich verjüngenden Stockwerken
bestanden, deren oberstes die Bahre mit dem Toten trug, waren äußerlich über
und über mit goldgestickten Decken, Elfenbeinreliefs und Gemälden bekleidet,
die ohne Zweifel das Leben des vergötterten Herrschers darstellten. Wenn
diese ganze, in echt barbarischer Weise zur Vernichtung bestimmte Pracht in
heller Flamme aufloderte, schwang sich vom Giebeldache des Tabernakels auf
dem obersten Stockwerke ein Adler in die Luft^j.
Nichts aber zeigt so sehr, in welchem Grade man sich gewöhnt hatte, die
Malerei zur momentanen Veranschaulichung des Geschehenen zu benutzen, als
ihre Verwendung vor den Schranken der Gerichte. Schon in der letzten Zeit
der Republik wurden Anklagen wenigstens in Volksversammlungen durch
Schildereien unterstützt, welche die angeblichen oder wirklichen Verbrechen
der Angeklagten vor Augen stellten. Der Tribun A. Gabinius zeigte und er-
klärte im Jahre 67 dem Volk ein Bild der tusculanischen Villa des Luculi, um
es von der Üppigkeit des Konsulars zu überzeugen"*). Als Galba zu Cartagena
im Jahre 68 seine Truppen aufforderte, gegen Rom zu ziehen, ließ er auf dem
Tribunal vor sich, gleichsam als stumme Ankläger Neros, möglichst viele Porträts
von Männern aufstellen, die Opfer seines Despotismus geworden waren ^j. Ein
Angeklagter, den sein Gegner auf einer Leinwand in verschiedenen Szenen als
unverbesserlichen Spieler hatte malen lassen, bald bis aufs Hemd entblößt,
bald im Schuldgefängnis, bald von seinen Freunden losgekauft, sagte zu den
Richtern: ich habe doch auch manchmal gewonnen^). Quintilian hatte selbst
zuweilen gesehen, wie die Richter durch abschreckende Bilder des Angeklagten
auf Holz oder Leinwand gegen diesen eingenommen werden sollten. Er miß-
billigte dieses Mittel höchlich, weil damit der Ankläger sich das Armutszeugnis
ausstelle, daß ein stummes Bild beredter sei als er selbst^).
Wie es gemalte Anklagen gab, gab es auch gemalte Bettelbriefe. Die an-
geblichen oder wirklichen Schiffbrüchigen führten in der Regel Bilder bei sich,
die sie auf einer dunkelblauen Meeresfläche von dem Wrack ans Land schwim-
mend darstellten^), und solche wurden auch in den Tempeln als Votivtafeln auf-
gehängt^), namentlich in denen der Isis, als der Schutzpatronin der Schiffahrt;
man weiß, sagt Juvenal, daß die Maler von der Isis ernährt werden'"). Nur im
Vorbeigehen mag hier der zahllosen Votivbilder und -reliefs gedacht werden.
kaiserliche
Scheiter-
haufen —
Gerichtsver-
handlungen.
Bilder
für Schiff-
brüchige.
Votivbilder.
i; Pers, 6, 47; vgl. Ovid. trist. IV 2, 41 f.; ex Ponto III 4, 107 f. Lucan. III 76. 2) Plutarch.
Anton. 86, 6. Drumann, Gesch. Roms P 368. 3; Herodian. IV 2, 6 ff., vgl. dazu Cumont, Revue de l'hist.
des religions LXII 1910 S. iigff. H. Graeven, Rom. Mitteil. XXVIII 1913 S. 283 ff. 4) Cic. pro
Sestio 93. 5) Sueton. Galba 10, i; vgl. R. Rochette S. 358, l. 6) Quintilian. VI 3, 72. 7) ebd.
VI I, 32. 8* Pers. 6, 32 f., vgl. i, 89 (u. Schol.). Hör. a. p. 20 f. Juven. 14, 302. Martial. XII 57,
12. Phaedr. IV 22, 24. 9) Horat. c. I 5, 13 f. Cic. de nat. deor. III 89. 10^ Juv. 12, 27 f. u. Schol.
52
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[IIL 246]
Sonstige Darstel-
lungen persönli-
cher Erlebnisse.
die das gefährliche Ereignis, aus dem der Darbringer entronnen war, möglichst
genau mit allen Einzelheiten vor Augen stellten ') : Arbeiten, die zwar (wie die
andern zuletzt erwähnten) in überwiegender Mehrzahl von untergeordneten
Kunsthandwerkern geliefert wurden, doch sicherlich nicht ohne zahlreiche Aus-
nahmen ; denn die Reichen und Vornehmen ließen natürlich auch solche Arbeiten
von guten Künstlern ausführen. Tacitus erwähnt z. B., daß Domitian, der bei
der Erstürmung des Kapitols in der Nacht des 18. Dezember 69 in großer Gefahr
geschwebt hatte, auf der Stelle der Wohnung eines Tempeldieners, in der er
versteckt gewesen war, dem Juppiter Erhalter eine Kapelle erbauen und darin
einen Altar aufstellen ließ, der mit der Darstellung seiner Gefahren in Marmor
geschmückt war^).
Überhaupt aber dürfte die Darstellung persönlicher Erlebnisse in Bildern und
Skulpturen keineswegs ungewöhnlich gewesen sein. Wie die Amme des großen
Schauspielers Roscius einst ihren im Freien schlafenden Säugling von einer
Schlange umwunden gefunden, hatte Pasiteles in einem Relief aus Silber dar-
gestellt^). Im Roman des Apulejus will die Braut, die mit Hilfe des Esels den
Räubern entflohen ist, ein Bild dieses Ereignisses im Atrium ihres Hauses auf-
stellen lassen^). In de'm Hause des Trimalchio bei Petron sind verschiedene
Wände einer Kolonnade mit der Ilias und Odyssee, einem Gladiatorenspiel und
der ganzen Laufbahn des Hausherrn in teilweise allegorischer Darstellung be-
malt. Man sieht ihn als Knaben auf einem Sklavenmarkt, als künftigen Lieb-
ling Mercurs mit dem Caduceus in der Hand, von Minerva in Rom eingeführt.
Dann folgen Bilder, auf denen er rechnen lernt, Kassierer wird usw., alles mit
Unterschriften; am Ende der Wand wird er von Mercur auf eine hohe Tribüne
gehoben, ihm zur Seite steht eine Glücksgöttin mit dem Füllhorn und drei Par-
zen, die goldene Fäden spinnen^). Wie überhaupt in diesem Roman, darf man
auch hier Schilderungen des in gewissen Kreisen der Gesellschaft Üblichen
voraussetzen, wenigstens annehmen, daß derartige Geschmacklosigkeiten nicht
gerade unerhört waren. Das Grabmal, das Trimalchio sich bestellt, erinnert
übrigens daran, daß auch auf solchen Monumenten Ereignisse aus dem Leben
der Verstorbenen dargestellt wurden, und zwar gewiß oft in breitester Ausführ-
lichkeit. Trimalchio will auf dem seinigen eine von ihm veranstaltete Bewirtung
der ganzen Gemeinde abgebildet haben : ihn selbst soll man auf einer erhöhten
Bühne sitzen sehen, in einer purpurumsäumten Toga, fünf goldene Ringe an
den Fingern, wie er aus einem Beutel Geld unter das Volk streut, ringsumher
Tafeln, an denen die ganze Bürgerschaft sich gütlich tut^). Ein Grabstein
mit Darstellungen, die den hier beschriebenen ähnlich sind, das Denkmal
eines Sevirn der Augustalen in Brescia, hat sich erhalten^). Namentlich die
hohen, obeliskenartigen Grabmäler der Maas- und Moselgegend ^) (wie das der
i) Daher Horat. Sat. II l, 32fF. quo fit ut omnis votiva pateat veluti descripta tabella vifa setiis.
2) Tac. Hist. III 74. Das angebliche Bild der Abenteuer von Daphnis und Chloe im Hain der
Nymphen zu Lesbos im Eingange des Romans des Longus ist wohl auch als Votivbild der beiden
Liebenden gedacht. 3) Cic. de div. I 79. 4) Apulei. Metam. VI 29. 5) Petron. 29, 3 ff. 6) ebd.
71, 9. 7, CIL V 4482, abgebildet bei Joh. Schmidt, De seviris August. S. 81 ff. m. Taf. Es gab
auch Malereien auf Grabdenkmälern. Lebas-Waddington 1164 = Kaibel, Epigr. gr. 347 (Cius]:
ev6(i6e rnvö' dveGriKa Ypctqpriv ör||ardv]Topa TÜ|ußou. 8) s. oben II 363, unten "III 288f.].
[UI. 247, 248] 2. PLASTIK UND MALEREI 53
Secundinier zu Igel und die zerstörten von Neumagen, deren Reliefs bis zu ihrer
teilweisen Vernichtung durch Fliegerbomben im Jahre 19 18 einen besonderen •
Schmuck des Trierer Provinzialmuseums bildeten) sind auf allen Seiten mit Szenen
aus dem Leben der Verstorbenen geschmückt. Sie zeigen uns den Hausherrn
zu Pferde von der Jagd heimkehrend, die Hausfrau im Ankleidezimmer, von
ihren Sklavinnen bedient, Kaufleute im Kontor am Zahltisch, im Warenhause
an der Schnellvvage, Küfer im Weinkeller, einen Obstverkauf, Gutsbesitzer,
denen ihre Pächter Schafe, Fische, Geflügel, Eier bringen, einen mit Fässern
beladenen Flußkahn usw. und beweisen, »daß in diesem schönen Lande bereits
vor anderthalb Jahrtausenden friedliche Tätigkeit, heiterer Genuß und warmes
Leben pulsiert hat< ').
Aber nicht bloß Erlebnisse, auch bedeutende Träume wurden durch die Darstellungen von
bildenden Künste verewigt. Eine Darstellung des wichtigsten der zahlreichen Traumgesic ten.
Träume, die dem Severus die Herrschaft vorherverkündigten, in sehr großem
Maßstabe in Bronze ausgeführt, hatte Herodian auf dem Forum zu Rom gesehen.
Severus hatte geträumt, daß er Pertinax auf einem königlich geschmückten
Pferde über die heilige Straße reiten sah; aber am Anfange des Forums ange-
kommen, warf das Pferd den Reiter ab, hob Severus auf seinen Rücken und
blieb mitten auf dem Forum mit ihm stehen^). Cassius Dio hatte in Mallos in
Cilicien das Bild eines Traumorakels gesehen, das dem S. Quintilius Condianus
dort von dem Heros Amphilochus erteilt worden war, und das jener sich hatte
malen lassen: ein Knabe, der zwei Schlangen erwürgt, und ein Löwe, der ein
Hirschkalb verfolgt. Daß und wie dies auf den Untergang der beiden Brüder-
Quintilius hindeutete, erkannte man erst, als derselbe im Jahre 183 erfolgt war^).
In Lebena auf Kreta weihte nach einer noch vorhandenen Inschrift ein Diodo-
rus dem Asklepios für die Herstellung seiner Augen »zwei Traumgesichte«, d, h.
bildliche Darstellungen derselben'^).
Die denkwürdigsten Vorgänge und Begebenheiten sollten durch plastische Für die Dauer
und malerische Darstellungen nicht bloß für bestimmte Veranlassungen ver- bestimmte Bil-
anschaulicht, sondern für alle Zeiten dem Andenken der Nachwelt erhalten wer-
den. Schlachten und Belagerungen, Friedensschlüsse und Verträge, Triumphe,
Standreden, Wohltätigkeitshandlungen, Opfer, Jagden usw. der Kaiser, ferner
Schauspiele, besonders Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen, wurden während
der ganzen Kaiserzeit in allen Maßstäben massenweise durch Skulptur, Malerei
und Mosaik verewigt, seit dem 3. Jahrhundert hauptsächlich durch die beiden
letzteren Künste, da teils die Technik der Plastik immer unbehilflicher wurde,
teils große bunte Schilderungen ohne Zweifel dem Geschmack wie dem Illusions-
bedürfnis der Massen mehr zusagten^). Der traurige Verfall, den schon die
Reliefs am Triumphbogen des Severus zeigen, läßt vermuten, daß z. B. die
gewiß sehr umfangreiche Darstellung seiner sämtlichen Taten in einer wahr-
scheinlich von seinem Sohne erbauten Säulenhalle^) in Malerei oder Mosaik
ausgeführt war. Wenn nach dem Tode eines verhaßten Regenten seine Statuen
i) Mommsen RG. V 105 f. H. Dragendorff, Westdeutschland zur Römerzeit S. 87 ff. F. Hettner,
lllustr. Führer durch das Provinzialmuseum in Trier S. 2 ff. 2) Herodian. II 9, 5 f. 3) Cass. Dio
LXXII 7, I f. 4) Kaibel, Epigr. gr. 839. 5) Burckhardt, Zeitalter Constantins^ S. 269 ff. 6) Hist.
aug. Sever. 21, 12; Carac. 9, 6.
54
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 249]
Porträtmalerei.
Porträts der
Kaiser.
Porträts orien-
talischer Prin-
zessinnen zur
Brautwahl.
Porträts von
Privatpersonen.
und Denkmäler umgestürzt und zerstört wurden, blieben auch solche Bilder
natürlich nicht verschont. So ließ der Senat ein großes vor der Kurie aufge-
stelltes Bild, auf dem Maximinus einen von ihm über die Germanen erfochtenen
Sieg hatte malen lassen, nach seinem Falle verbrennen'). Doch vieles entging
auch in solchen FälUen der Zerstörung, besonders im Innern der kaiserlichen
Schlösser.
Porträtbilder lieferte die Malerei natürlich vorzugsweise für innere Räume,
also mehr für private als öffentliche Zwecke, doch waren neben Ehrenstatuen
auch Ehrenbilder, die in Tempeln oder öffentlichen Gebäuden angebracht
wurden, besonders in griechischen Städten nicht selten^). Nero ließ sich auf
Leinwand in einer Figur von 120 Fuß (= 35 7, Meter) Höhe malen ^j. Herodian
hatte ein Bild gesehen, auf dem ein Leib einen Kopf mit zwei Gesichtern,
Alexanders des Großen und Caracallas, trug'*]. Elagabal kündigte sich durch
ein großes selbstgemaltes, nach Rom vorausgesandtes Bild dort an, auf dem er
in einheimischer Priestertracht seinem Gotte opfernd dargestellt war, mit dem
Befehl, es im Senatssaal über der Statue der Victoria anzubringen^). Die Ein-
fachheit der Kleidung des Claudius Gothicus sah man noch in Julians Zeit an
dessen Bildern^); und die Ähnlichkeit Theodosius des Großen mit Trajan ließ
sich aus den Bildern des letzteren feststellen^). Als Constantin die Statuen des
alten Maximianus niederreißen ließ, verschwanden auch seine Bilder von den
Wänden^). Die »Sitte der Könige«, sich zur Brautwahl Porträts von Prinzes-
sinnen senden zu lassen, von welcher Honorius bei Claudian spricht^), dürfte
•im Orient heimisch gewesen sein'°) und von dort sich in den Westen verbreitet
haben. Die jüdische Fürstin Alexandra sandte auf den Rat des Dellius an Marc
Anton Porträts ihrer beiden Kinder, des sechzehnjährigen Aristobulus und der
Gemahlin des Herodes Mariamne, um durch die wunderbare Schönheit beider
ihn für ihr Anliegen (die Verleihung des Priestertums an Aristobulus) günstig
zu stimmen").
Auch im Privatleben wurde die Porträtmalerei ganz allgemein in Anspruch
genommen, um die Züge und Gestalten berühmter und interessanter, geliebter
und verehrter Personen für einzelne wie für größere Kreise festzuhalten. Ein
Porträt der durch ihr Verhältnis zu dem jugendlichen Pompejus berühmten,
wunderschönen Kurtisane Flora stellte Metellus Dalmaticus in dem von ihm
I) Herodian. VII 2, 8 = Hist. aug. Maximini duo I2, lof. Mosaikbild des Theoderich auf einer
Wand auf dem Forum zu Neapel Procop. B. G. I 24, 22. Mosaiken im kaiserlichen Palast zu
Byzanz, Taten Justinlans darstellend, I'roc. de aedif. I lo p. 204 Dind. 2) Eikujv YpoTTTf) xeXei'a
eines auXr)Tri(; ev Aiovuöi'uj (Teos) CIG 3068 B. Vgl. 3524 (Cyme). 3085. 2775 c. d (Aphrodisias):
eiKova^ YPö^fTTCK; ev ottXok; emxpvooic,, in Lycien häufig Ehrungen cIkovi x^tA-Krl koi eiKOvi Ypairx^
emxpuöuJ, z- B. IGR III 488. 515 und in den Opramoas-Inschriften ebd. 739 II 76. IV 86. V 47. IX 5
(s. dazu Dittenberger, Or. gr. 571 n. 4). CIL XIV 24lo = Dessau 6190 (Bovillae 158 n. Chr.): tjuod
permiserunt in clufeo, quod ei posucrun\t ante\ templum ?toum [iic), pingere effigiem Ma[nliae\ Severinae
virginis Albänae maxi[ifiae soro]ris suae post excessum vitae eiu[s\. Vgl. Marquardt, Privatl.* 244, 4.
Aufstellung der Statue eines Patrons cum picturam similitudinis eins (Aquinum) CIL X 5426. 3) Plin.
n. h. XXXV 51. 4) Herodian. IV 8, 2. 5) ebd. V 5, 6 f. (cIkÖvo |U€YiöTriv yP<^M^ci^ iravTÖq
eauToO). 6) Julian, orat. i p. 7A. 7) Victor Epit. 48, 8. Vgl. über Gemälde der Kaiser Gotho-
fred. zu Cod. Theodos. XV 4, i. 8) Lact, de mort. persec. 42, i. 9) Claudian. epithal. de nupt.
Honor. 23 — 27. 10) Regum externonim consuetudine Tac. A. XVI 6: nach der Sitte orientalischer
Könige. 1 1) Joseph. A. J. XV 26 f.
[III. 250, 25 i]
2. PLASTIK UND MALEREI
55
Büchern —
restaurierten und mit Gemälden und Statuen geschmückten Kastortempel am
Forum auf). Die Freunde des Atticus in Athen besaßen das Porträt Epikurs
auf Bildtafeln, Trinkbechern und Ringsteinen ^). Die Bilder der damals gesuch-
testen Porträtmaler Roms, Sopolis und Dionysius, füllten noch in Plinius Zeit
die Galerien, viel höher als ihre Bilder wurden jedoch die Frauenporträts der
unvermählt gebliebenen Malerin Jaja aus Cyzicus bezahlt, die auch sich selbst
im Spiegel gemalt hatte ^). Unter den Wandbildern Pompejis sind besonders
bemerkenswert die Porträts des Bäckermeisters P. Paquius Proculus mit seiner
Frau'*) und ein neuerdings aufgedecktes Miniaturporträt hinter BergkristalP).
Die Angabe des Plinius, daß die Porträtmalerei durch die Mode der bronzenen
und silbernen Medaillons völlig verdrängt worden sei, bezieht sich zunächst auf
die Atrien vornehmer Häuser; eine große Verbreitung dieser Medaillons war
durch ihre Kostbarkeit ausgeschlossen.
Bereits in der letzten Zeit der Republik entstanden infolge der Beliebtheit von Porträts in
Porträtbildnissen Zusammenstellungen von solchen, die durch den Buchhandel
verbreitet wurden. Atticus gab eine Sammlung von Porträts berühmter Römer
mit kurzen Unterschriften biographischen Inhalts heraus; Varro ein großes
Werk, das 700 Bildnisse von Griechen und Römern (Staatsmännern, Feldherrn,
Dichtern, Schriftstellern, Gelehrten, Künstlern usw.) enthielt und diesen nach
dem Ausdruck des Plinius durch seine Versendung in alle Länder eine Art
Allgegenwart verlieh^). Mindestens die Porträts der Autoren vor ihren Schriften
blieben gewöhnlich. Seneca spricht von den Werken großer Geister, die samt
deren Bildnissen vervielfältigt sind^); Martials erste Sammlung von Sinngedich-
ten war mit dem Bildnisse des Dichters geschmückt^); er erwähnt eine kleine
Pergamentausgabe des Vergil mit einem solchen^) und bezeichnet philosophische
Bücher als diejenigen, welche durch Köpfe mit struppigem Haar und Bart
verunziert werden *°). Vermutlich ist auch bei den Augenkrankheiten, welche
nach Galen Maler sich durch Malen auf weißem Pergament zuzogen, an diese
Titelbilder und andre Illustrationen der Bücher zu denken"). Der nestorianische
Christ Honein ibn Ishäq (f 873) sagt, daß in den alten Rollen, aus denen er
griechische Autoren ins Syrische und Arabische übersetze, am Anfange jedes
Buchs eines Philosophen dessen Figur auf einem Hochsitz, vor dem die Schüler
standen, abgebildet war"). Die Bibliotheken wurden nicht bloß mit Büsten und
in Biblio-
theken.
Der jüngere Plinius bestellte bei einem Freunde in einer Stadt Oberitaliens (im
i) Plutarch. Pompei. 2; vgl. Jordan, Topogr, I 2 S. 371, 79. 2) Cic. de fin. V 3. 3) Plin. n. h.
XXXV 147 f.; der Name der Malerin ist wahrscheinlich entstellt. 4) Delbrück, Antike Porträts
Taf. 38, vgl. S. XLIX. 5) Notiz, d. Scavi 1910 S. 382; ein Mosaikporträt ebd. 1898 S. 172 f.
6) Plin. n. h. XXXV 11. Nep. Attic. 18, 5. 7) Seneca de tranquill, animi 9, 7. 8) Crusius, Rhein.
Mus. XLIV 1889 S. 455. Immisch, Hermes XLVI 1911 S. 484. 9) Martial. XIV 186. Über Por-
träts von Dichtern und Schriftstellern in Handschriften s. E. Bethe in der Leidener Reproduktion
des Ambrosianus des Terenz (1903) S. 60 ff. 10) Martial. IX 47, 2: quidqiiid et hirsutis squakt
imaginibtis. Il) Galen. III 776. 12) Steinschneider, Hebräische Bibliographie XXI 1881 S. 36.
13) In der Inschrift CIL VI 8679 Onesinms Cacs{aris servus) vilic[us) ther7nar[jim] bybliothe[cat)
Graec{ae) ist tkermar. nicht in hermar.zw ändern; vielleicht war er in der Bibliothek in den Alexander-
thermen angestellt, Hirschfeld, Rom, Verw.-Beamt. 304, 5. M. Ihm, Centralbl. f. Bibliothekswesen
X 1893 S. 527.
56
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[IIL 252]
Allgemeine
Verwendung
der Porträt-
malerei.
Lande der Insubrer) Bilder des Cornelius Nepos und des epikureischen Philo-
sophen T. Catius, die dort geboren waren, für die Bibliothek eines andern
Freunds: er bittet, die Kopien der dort vorhandenen Porträts einem möglichst
zuverlässigen Künstler zu übertragen").
Ohne Zweifel hatte man wenigstens in jeder größeren Stadt die Wahl zwischen
mehreren Künstlern und war in der Lage, sich nur für einen bewährten ent-
scheiden zu dürfen''), Martial ließ sich für den an der Donau kommandierenden
Cäcilius Secundus malen ^); sein Porträt für die Bibliothek des Stertinius Avitus
kann ebenfalls ein gemaltes gewesen sein^); er erwähnt ferner Porträtgemälde
des Tragödiendichters Memor, des Cäsonius Maximus, des (im Alter von 20
Jahren verstorbenen) Camonius Rufus als Kind, des M, Antonius Primus (das
er mit Violen und Rosen bekränzte): sämtlich, wie es scheint, Brustbilder^).
Statius hatte die Mutter des Claudius Etruscus nicht persönlich gekannt; aber
ihr Bild zeigte ihm, daß ihre außerordentliche Schönheit dem Ruf entsprach^).
Daß Familien von ihren verstorbenen Angehörigen nicht bloß plastische, son-
dern auch gemalte Bildnisse machen ließen, war oftenbar ganz gewöhnlich^).
Die Züge des Antinous kannte Pausanias aus dessen Statuen und Bildern, letz-
tere waren besonders zahlreich in seinem Tempel zu Mantinea, wo er meist
als Dionysos gemalt war^). Commodus ließ seine Geliebte Marcia als Amazone
malen^). Die Mutter des Sophisten Alexander Peloplaton war, wie ihre Ge-
mälde bewiesen, von seltener Schönheit und der Helena des Eumelus ähnlich '°).
Ein Bild des Sophisten Varus aus Perge sah man in dem dortigen Tempel der
Artemis"). Plotinus, der sich weigerte, einem Maler oder Bildhauer zu sitzen,
wurde ohne sein Wissen von dem besten damaligen Maler Carterius gemalt, der
seinen Vorträgen beiwohnte und dann sein Porträt nach der Erinnerung aus-
führte"''). Auch der Spott Lucians über die Torheit derer, 'die den Porträtmalern
auftrugen, sie zu verschönern, »etwas von der Nase abzunehmen, die Augen
schwärzer zu machen« usw., was besonders Frauen taten, setzt eine allgemeine
Anwendung der Porträtmalerei voraus'^ ; desgleichen die Bemerkung Plutarchs,
daß die Maler nur nach der Ähnlichkeit des Gesichts, in welchem sich der
Charakter offenbart, strebten, um die übrigen Körperteile aber sich wenig küm-
merten"*). Die Rede des Malers, der sich in ein von ihm porträtiertes Mädchen
verliebt hat, war ein Thema der griechischen Rhetorenschule'^).
Einen überraschenden Einblick in die von ägyptischen Griechen geübte
Porträtmalerei haben uns die zahlreichen, auf Holz gemalten Bildnisse gewährt,
die im Faijüm am Mörissee zum Vorschein gekommen sind; sie waren bestimmt,
über dem Gesichte der Mumie in defen Umhüllung eingelassen zu werden und
so die Züge der Verstorbenen zu zeigen'^). »Sie stammen alle aus der Kaiser-
l) Plin. ep. IV 28. 2) Scribon. Larg. compos. praef. p. 4, 10 Helmr. cum Interim ncvio 71c ima-
ginem qiiidem suam coDimittat phigcndam nisi probate prius artifici per qnaedam experimenta atcpie
ita ehcto. 3) Martial. VII 84. Vgl. Mommsen, Ges. Schrift. IV 413, 4. 4) Martial. IX praef.
5) ebd. XI 9. VII 44. IX 74. 76. X 32. 6) Stat. S. III 3, 112 f. 7) Plin. ep. III 10, 6. 8) Pausan.
VIII 9, 7. 9) Hist. aug. Commod. 11, 9. 10) Philostrat. Vit. soph. II 5, i. Ii) ebd. II 6.
12) Porphyr. Vit. Plotini i, i. 13) Lucian. Quom. hist. conscr. s. 13; Pro imag. 6. Vgl. Eunap. v. soph.
p. 460, 51 Boiss. 14) Plutarch. Alex, i, 3. 15) Liban. prog. XI 27 (VIII 435 F.). 16) Vgl. damit die
karthagischen Steinsarkophage aus dem 4. und 3. Jahrhundert v. Chr., die auf dem Deckel die be-
[n. 253]
2. PLASTIK UND MALEREI
57
zeit, die meisten aus dem 2. Jahrhundert. Teils mit Wachsfarben, teils mit
Temperafarben, teils in gemischter Technik ausgeführt, bieten sie lebensvolle
Darstellungen von Männern und Frauen von höchst individuellem Gepräge,
man glaubt das Völkergemenge Ägyptens vor sich zu sehen« ').
Die zur Aufstellung in unbedeckten, besonders öffentlichen Räumen bestimm-
ten Bildnisse von Personen konnten fast nur plastische sein. Ein immerhin nicht
geringer Teil derselben hat sich erhalten, von einem bei weitem größeren die
mit Inschriften versehenen Postamente: und diese äußerst zahlreichen Über-
bleibsel, verbunden mit Nachrichten der Schriftsteller, lassen uns von der wahr-
haft unglaublichen Menge sowie den Gattungen und Veranlassungen dieser
Monumente einen ganz andern Begriff gewinnen, als die angeführten dürftigen
Nachrichten von der Verwendung der Malerei zu persönlicher Darstellung. In
der Tat ist nichts so geeignet, von der Unermeßlichkeit der künstlerischen
Produktion in den beiden ersten Jahrhunderten eine annähernde Vorstellung zu
geben wie eine Betrachtung der Hauptgattungen der zum öffentlichen oder
Privatgedächtnis bestimmten persönlichen Bildwerke dieser Zeit.
In erster Reihe stehen hier die Büsten, Medaillons und Statuen der Kaiser
und Personen der kaiserlichen Familie. Ein öffentlich aufgestelltes Bild des
regierenden Kaisers konnte schon darum in keiner Stadt, in keinem Lager"")
fehlen, weil es bald Gegenstand eines überall eingeführten und geforderten
Kultus war. Schon zu Ehren Cäsars hatte der Senat beschlossen, »daß seine
Statue in den Städten und in allen Tempeln Roms sein sollte« ^). August hatte
den Kult seiner Person auf die Provinzen beschränkt, Tiber die Aufstellung
seiner Statue unter den Bildern der Götter überhaupt verboten und nur unter
den zum Schmucke der Tempel dienenden Kunstwerken erlaubt^). Noch Cali-
gula erließ im Anfange seiner Regierung ein ähnliches Verbot, das er aber
schnell zurücknahm^); und bald hatten, wie Josephus sagt, alle unterworfenen
Völkerschaften Stadt für Stadt neben den andern Göttern auch seine Bildsäule
aufgestellt^). Vielleicht schon seit dem Anfange des Kaisertums, jedenfalls wohl
seit der Mitte des 3. Jahrhunderts, bestand die Sitte, daß bei jedem Regierungs-
antritt lorbeerbekränzte Bilder des neuen Kaisers (die allerdings auch gemalte
sein konnten und in der späteren Zeit wohl in der Regel solche waren) in die
malte Reliefdarstellung des Verstorbenen in ganzer Figur zeigen (A. Schulten, Arch. Anz. 1904
S. 118 ff.), offenbar unter ägyptischem Einfluß.
l) Michaelis -Wolters a. a. O. S. 551; vgl. dazu Wilcken, Arch. Anz. 1889 S. i ff. Wickhoff,
Rom. Kunst (Schriften III) S. 174 f. Gute Abbildungen bei G. Möller, Das Mumienporträt (Was-
muths Kunsthefte i), dort auch Literaturangaben. 2) Mommsen StR. I^ 450. IP 814 f. Tac. Hist.
I 36: in stiggestu, in quo patilo a7ite aurea Galbae stattia fueraf, medium inter signa Othonem. IV 37 :
Vitellii tarnen imagines in castris et per proximas Belgarum civitates repositae, cum iam Vitellius
occidisset. Hist. aug. Elagab. 13, 7: misit qui et in castris statuaru/n eius titulos luto tegeret. Vgl.
O. Hirschfeld, Arch. epigr. Mitt. II (1878) S. 179 f. und über signa castrensia zu CIL XII 3058
(Nemausus) : signa deoriiui argentea castrensia. Die Aufstellung der Statue auch des Thronfolgers
im Fahnenheiligtum ist von Hadrian verfügt worden, der die Form, durch Ernennung eines Cäsars
über die Nachfolge zu bestimmen, erdacht hat. v. Domaszewski, Westd. Zeitschr. XIV (1895)
S. 72, 3) Cass. Dio XLIV 4, 4. 4) Sueton. Tiber. 26, i. Cass. Dio LVII 9, i. Dagegen errichtet
der Senat dem Nero im Tempel des Mars Ultor eine Statue von gleicher Größe wie die des Gottes,
Tac. A. XIII 8. 5) Cass. Dio LIX 4, 4. 6) Joseph. B. J. II 194.
Plastische Dar-
stellungen von
Personen.
Büsten und Sta-
tuen der Kaiser;
ihre allgemeine
Verbreitung und
ihr Kultus.
58 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 254]
Provinzialstädte gesandt wurden; Trompetenschall kündigte sie an, ein langer
Zug von Soldaten schritt dem reich geschmückten Träger des Bildnisses voraus,
das Volk zog ihm zum festlichen Empfange mit Lichtern und Weihrauchfässern
entgegen^]. Verfolgten, namentlich Sklaven boten die Kaiserbildnisse ein
AsyP), man huldigte ihnen wie den Götterbildern mit Opfern und Spenden von
Weihrauch und Wein. Unter Domitian war die auf das Kapitol führende Straße
nicht breit genug für die Herden von Opfertieren, die dort fortwährend hinauf-
geführt wurden, um, wie Plinius sagt, die scheußlichen Bilder des Despoten mit
so viel Blut zu verehren, als er selbst Menschenblut vergoßt). Die Weigerung
der Adoration wurde als Majestätsbeleidigung bestraft und war ein Hauptgrund
der Christenverfolgungen'*). Doch auch in der christlichen Zeit dauerte der
heidnische Kultus der Kaiserbildnisse fort, und Theodosius II. sah sich im
Jahre 425 veranlaßt, ihn durcU einen eignen Erlaß einzuschränken, damit
»eine Verehrung, welche die Menschenwürde übersteigt, der Gottheit gewahrt
bleibe«^). Noch viel strenger als die Weigerung der Adoration wurde jede
Antastung oder Beleidigung der Kaiserbildnisse geahndet, am schärfsten bei
Soldaten. Schon im Jahre 1 5 wurde Granius Marcellus, Prätor von Bithynien,
der einer Statue Augusts den Kopf abgenommen hatte, um den Tibers aufzu-
setzen, wegen Majestätsverletzung angeklagt und entging mit Not der Verurtei-
lung; bald galt es als Kapitalverbrechen, bei dem Bilde Augusts einen Sklaven
geschlagen, die Kleider gewechselt zu haben^). Ausdrücklich bemerken die
Juristen des 3. Jahrhunderts, daß, wer verworfene Statuen des Kaisers ein-
schmelze, sich der Majestätsverletzung nicht schuldig mache; ebensowenig, wer
schadhaft gewordene ausbessere, wer eine durch einen Steinwurf zufällig treffe;
auch den Verkauf von noch nicht konsekrierten Kaiserbildnissen erklärten Sever
und Caracalla nicht für strafbar: um so selbstverständlicher ist, daß es die Ein-
schmelzung oder sonstige Antastung von bereits konsekrierten war^).
Zerstörung der Je Schwerer nun unter der Regierung verhaßter Kaiser der Zwang der Ver-
Denkmaler yer- e^rung ihrer Bildnisse ertragen wurde, desto leidenschaftlicher tobte sich die
besonders Do- lange verhaltene Volkswut bei einem Regierungswechsel in ihrer Zerstörung
mitians. und Beschimpfung aus^). Am allgemeinsten war vielleicht der Ausbruch der
Volkswut beim Tode Domitians, und darum auch die Zerstörung seiner Denk-
mäler die gründlichste. Ganz Rom war mit seinen prahlenden, häufig kolossalen
Monumenten, die besonders zahlreich am Aufgange von der heiligen Straße
zum Palatium standen^), und nicht das Kapitol allein mit seinen goldenen und
silbernen Statuen und Bildnissen angefüllt*"), sondern, wie Cassius Dio sagt,
l) Gothofred. zu Cod. Theodos. VIII 11, 4. 5. Mommsen StR. II 2^ S. X l. 2) Philostr. Apoll.
Tyan. I 15. Plin. ad Trai. 74, i. Sueton. Aug. 17, 5; Tiber. 53, 2. Gaius I 53. Cod. lust. I 25,
wo confugere ad imperatoria simulacra gleichbedeutend mit dem allgemeinen Ausdrucke ad statuas
confugere (Seneca Controv. X 2, 10. Seneca de dem. I 18, 2. Digest. I 6, 2. 12, l § i. XXI l, 19
§ I u. a.) gebraucht ist. 3) Plin. Paneg. 52, 7. 4) Plin. ad Tr. 96, 5 f. 5) Cod. Theodos. XV 4, i.
6) Tac. A. I 74, vgl. Sueton. Tiber. 58. Gamurrini, Strena Helbigiaiaa (1900) S. 93fF. Philostr.
Apoll. Tyan. I 15. Mommsen, Strafrecht S. 585, i. 7) Dig. XLVIII 4, 4 § i. 5 f. 7 § 4. 8) Auch
die Statuen Napoleons und seiner Familie wurden 1813 in Massa und Carrara zertrünjmert : Eggers,
Christian Daniel Rauch I 133. 9) Martial. I 70, 6. 10) Plin. Paneg. 52, 3; andre als goldene und
silberne wurden von ihm dort überhaupt nicht zugelassen, und auch diese nur von einem be-
stimmten Mindestgewicht, Sueton. Domitian. 13, 2. Stat. Silv. V i, 189 f.
[II. 2 55, 256]
2. PLASTIK UND MALEREI
59
fast das ganze Reich'). Auf die Nachricht von seiner Ermordung machte der
Senat seiner Freude nicht bloß durch laute Schmähungen des Gefallenen Luft,
sondern beschloß, daß sogleich Leitern gebracht, seine Medaillons und Bild-
nisse herabgerissen und auf den Boden geschmettert, dann, daß seine Inschrif-
ten überall ausgemeißelt, und sein ganzes Gedächtnis vertilgt werden solle*).
Der Umsturz und die Zerstörung seiner zahllosen kostbaren Statuen, sagt der
jüngere Plinius 4 Jahre später, war ein der allgemeinen Freude gebrachtes
Opfer. Man freute sich, das übermütige Gesicht gegen den Boden zu schlagen,
mit Eisen, mit Beilen dagegen zu wüten, als wenn die Schläge verwunden und
Schmerzen zufügen könnten. Niemand konnte seine Freude und den so späten
Jubel so weit mäßigen, daß es ihm nicht als eine Rache erschien, den Körper
und die Glieder zerrissen und verstümmelt, endlich das finstere und abschreckende
Gesicht in die Flammen geworfen und geschmolzen zu sehen ^). Diese oder
eine ähnliche Stelle hat die von Procop erzählte Sage veranlaßt: Domitian sei
in Stücke zerrissen worden, seine Gemahlin habe mit Erlaubnis des Senats die
Stücke des Körpers zusammengesetzt und danach eine Bronzestatue gießen
lassen; diese, die am Aufgange zum Kapitol vom Forum rechter Hand stand,
war nach Procop die einzige vorhandene Domitians und zeigte die größte Ähn-
lichkeit zwischen ihm und Justinian"*). Ähnliche Zerstörungen wie die Bildnisse
des Domitian erfuhren die des Commodus^), Maximinus (die Gemälde des letz-
teren wurden zum Teil mit schwarzer Farbe überzogen)^) und andre: infolge
der unaufhörlichen Empörungen, Bürgerkriege und gewaltsamen Thronwechsel
in den späteren Jahrhunderten wiederholten sich solche Szenen immer von
neuem bis in die letzten Zeiten des Altertums^). Daß in diesen (wie natürlich
nicht selten auch früher) statt der Zerstörung meist eine Umwandlung der Bild-
nisse stattfand, bezeugt Hieronymus: wenn ein Tyrann getötet wird, werden
auch seine Statuen und Bilder umgestürzt, und nachdem nur das Gesicht ver-
ändert und der Kopf abgenommen ist, das Gesicht des Siegers aufgesetzt, um
später mit neuen Köpfen vertauscht zu werden, während der Körper derselbe
bleibt').
Doch in den beiden ersten Jahrhunderten ist, soviel wir wissen, Domitian Erhaltung der
der einzige Kaiser gewesen, dessen Bildnisse überall vernichtet wurden f^r^^hau^t'sS-
und der Zerstörung nur ausnahmsweise entgingen. Denn die Statuen und Hch durch die
Denkmäler des Commodus müssen wenigstens zum Teil wieder aufgerichtet Konsekration,
worden sein. Am ersten Januar 193 hatte der Senat mit leidenschaftlichen Ak-
klamationen die Niederreißung der Bildsäulen >des Vaterlandsfeinds, des Mör-
ders, des Gladiators« dekretiert und an Stelle einer der Kurie gegenüber stehen-
den, ihn (wie so viele andre) als Hercules mit drohend gespanntem Bogen
l) Cass. Dio LXVn 8, i. 2) Sueton. Domitian. 23, i. Gewiß wurde auch die von Statins be-
schriebene Reiterstatue auf dem Forum umgestürzt, Jordan, Eph. ep. III p. 257; vgl. Hülsen, Das
Forum Romanum^ S. I28f. 3) Plin. a. a. O. § 4. 5. Vgl. die ganz ähnliche Beschreibung der Zer-
störung einer kolossalen Bronzestatue Albas in Antwerpen (1577), bei Motley, Abfall der Nieder-
lande (deutsch) III 204. 4) Procop. Hist. arcana 8 p. 55 f. Dind. 5) Cass. Dio LXXIII 2, i. Hist.
aug. Commod. 20, 4; Pertin. 6, 3. 6) Euseb. H. e. IX 11, 2; vgl. Hist. aug. Elagab. 13, 7.
7) Marcellin. Comes z. J. 512 [Mommsen, Chron. min. II 98, 4) Areobindam sibi imperatortm fieri
clamitant, imaginibus deinde statuisqiu Anastasii in terram deiectis usw. 8) Hieronym. in Habacuc
II 3, 14 (Migne lat. XXV 1329).
6o XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 257J
darstellenden Statue die der Göttin der Freiheit errichten lassen'). Im Jahre
197 wurde derselbe Senat von Severus gezwungen, Commodus als Gott anzu-
erkennen': . Selbstverständlich sicherte die Konsekration auch die fernere Dauer
der Bildnisse und veranlaßte selbst die Errichtung neuer^). Wie Severus die
Apotheose des Commodus und Pertinax, so ließ Macrinus die des Caracalla,
durch dessen Ermordung er auf den Thron gelangt war, vom Senat beschließen,
bei welcher Gelegenheit er die Errichtung von zwei Statuen Severs in Trium-
phaltracht, und sechs Caracallas (zwei Reiterstatuen, zwei stehende in kriege-
rischer, zwei sitzende in bürgerlicher Tracht) verfügte"*). Außer Domitian sind
die nicht unter die Götter versetzten Kaiser der beiden ersten Jahrhunderte
Tiber, Caligula, Nero, Galba, Otho, Vitellius gewesen (die von Nero, wohl nach
dem Tode der Octavia, aufgehobene Konsekration des Clauaius wurde von
Vespasian wiederhergestellt)^). Die auch von all diesen, zum Teil verhältnis-
mäßig sehr zahlreich erhaltenen Bildnisse und Denkmäler bezeugen hinläng-
lich, daß die Konsekration keineswegs eine unerläßliche Bedingung der Erhal-
tung war. Daß sie diese aber am wirksamsten sicherte, ist selbstverständlich.
In Tarraco, der Hauptstadt des diesseitigen Spaniens und zugleich dem Mittel-
punkte des dortigen Kaiserkults, war einer der angesehensten Männer vom
Provinziallandtage »zur Instandhaltung der Statuen des vergötterten Hadrian«
eigens erwählt worden^). In den Besitz des jüngeren Plinius waren mit ver-
schiedenen Grundstücken auch die auf denselben errichteten Statuen der frühe-
ren Kaiser übergegangen und dort von ihm erhalten worden. Schon unter Nerva
hatte er zu Como einen Tempel erbauen wollen, um sie darin aufzustellen, doch
verzögerte sich die Ausführung, und im Jahre loi erbat und erhielt er noch-
mals von Trajan die Erlaubnis, jene Statuen nach Como zu versetzen und die
Trajans hinzuzufügen^). Die Konsekration trug aber auch zur Vermehrung der
betreffenden Denkmäler bei, insofern die immer wachsende Gruppe der ver-
götterten Kaiser und Kaiserinnen^; zu monumentalen und Kultuszwecken auch
als Ganzes neu hergestellt wurde. So gab es in Rom seit der Mitte des zweiten
Jahrhunderts einen Gesamttempel der vergötterten Kaiser auf dem Palatino),
einen andern erbaute der Kaiser Tacitus, Alexander Severus errichtete auf dem
Forum des Nerva ihre Kolossalstatuen '°). Zuweilen verband sich mit dem offi-
ziellen Kultus eine unbefohlene allgemeine Verehrung zur Erhaltung und Er-
i) Herodian. I 14, 9. 2) Hist. aug. Sever. 12, 8. 19, 3. Victor Caes. 20, 30. Cass. Dio LXXV
7, 4. 3) Von seinen zahlreichen erhaltenen Bildnissen (Bernoulli, Rom. Ikonogr. II 2, 226 ff.) sind
am bemerkenswertesten die jugendliche Büste im Kapitel (Delbrück a. a. O. Taf. 48 '49; und die
technisch hersorragende im Konservatoreupalast, die ihn als Hercules darstellt (Heibig, Führer^ ■
nr. 930). 4) Hist. aug. Macrin. 6, 8. Die erhaltenen Bildnisse (Bernoulli a. a. O. II 3, 47 ff.), die
'mit unheimlicher Gewalt die grundböse Natur des verbrecherischen Kaisers verkörpern' (Michaelis-
Wolters a. a. O. S. 531), zeigen in anschaulicher Weise, was damals die römische Porträtkunst
noch zu leisten vermochte. 5) Sueton. Claud. 45. O. Hirschfeld, Götting. g. Anz. 1873 S. 747 f.
Nordmeyer, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 1893 S. 291 ff. 6) CIL II 4230 = Dessau 6930 (wo
Hirschfeld a. a. O. 1870 S. 1095 richtig ad statzias ciirandas statt aiirandas liest). 7) Plin. adTr. 8.
Eine Örtlichkeit in Rom heißt VII Caesares, vgl. negotiator vinariits a VII Caesaribus CIL IX
4680 = Dessau 7484, a VII Caesares argentar'.ms) coactor CIL XIV 2886. 8) Mommsen StR.lP
818, 1. 833; Ges. Schrift. VIII 318. Liste der konsekrierten Personen des Kaiserhauses bei Beurlier,
Le culte imperial (1891, S. 325 ff., dazu E. Stein, Hermes LH 1917 S. 571 ff. 9) Wissowa, Religion
und Kultus d. Römer^ S. 347. 3. 10} Hist. aug. Tacit. 9, 5; Alex. Sev. 28, 6.
[in. 258]
2. PLASTIK UND MALEREI
61
lung der Kaiser-
denkmäler im
eanzen Reich.
neuerung kaiserlicher Bildnisse'). Mit anhänglichster Pietät hielt die römische
Welt die verklärte Gestalt Marc Aureis unter den guten Geistern fest, zu denen
sie sich im Gebet wandte: länger als ein Jahrhundert nach seinem Tode sah
man noch in vielen Häusern seine Statue unter den Hausgöttern'^).
Schon weil die möglichst schnelle Aufstellung der kaiserlichen Bildnisse in Schnelle Herstel
allen Städten und Lagern zu den ersten Sorgen jeder neuen Regierung gehörte,
müssen auch in allen Zentralpunkten Italiens und der Provinzen Bildhauer und
Maler zur Verfügung gewesen sein : vielleicht gehörten sie regelmäßig zu dem
amtlichen Gefolge der Statthalter, Feldherrn und hohen Beamten. Daß von
Galba, der erst nach der Ankunft der Nachricht von Neros Tode (9. Juni 68)
aus Spanien aufbrach und Italien in langsamem Marsche erreichte, sich zur
Zeit seiner Ermordung (15. Januar 69) dort ^in allen Munizipien« Bildnisse be-
fanden^), ist ebensowenig überraschend, wie daß noch vor der Schlacht von Cre-
mona (gegen Ende 69) im Lager der Flotte zu Ravenna Bildnisse von Vitellius
umgestürzt werden konnten, der erst zu Ende des Mai in Oberitalien erschienen
war"^). Aber schon auf dem Marsche von Köln über Lyon nach Italien waren
ihm, bevor er noch Vienne erreicht hatte, an mehreren Stellen Reiterstatuen
errichtet worden, deren Zusammensturz als übles Vorzeichen galt^). Der Be-
schluß der Errichtung einer Statue der jüngeren Faustina in Olympia, deren
Postament noch vorhanden ist, kann erst gefaßt worden sein, nachdem ihr
Vater durch die Adoption von seiten Hadrians Thronerbe und Mitregent ge-
worden war, d. h. nach dem 25. Februar 138; die Inschrift des Postaments muß
aber eingehauen sein, bevor die Nachricht von dem am 10. Juli desselben Jahres
zu Bajä erfolgten Tode Hadrians nach Griechenland gelangte^). Die Herrschaft
der beiden ersten Gordiane dauerte, wie es scheint, nur 20 Tage; gleich nach
der Proklamierung des älteren hatten sich die Städte Afrikas mit seinen Statuen
und Bildern geschmückt ''). Die Herrschaft des Pupienus und Balbinus dauerte
drei Monate (Mai bis August 238)^): als Maximinus zu Anfang des Juli vor Aqui-
leja ermordet wurde, stürzte man dort seine Statuen und Bildnisse um und nötigte
seine in die Stadt zugelassenen Soldaten, die der beiden Senatskaiser zu ado-
rieren^); der Konsul Claudius JuHanus beglückwünscht in einem an Pupienus
und Balbinus (wohl gleich nach ihrer Ernennung) erlassenen Schreiben die Le-
gionen und Hilfstruppen, >diebereits im ganzen Reiche eure Bildnisse anbeten« '°).
In den Lagern machte schon die Herstellung und Erneuerung der kaiserlichen
und sonstigen Medaillonbilder, mit denen auch die Feldzeichen geschmückt
waren"), die Anwesenheit von Künstlern wünschenswert, die dann auch zu
andern Zwecken verwandt werden konnten ; Caracalla ließ z. B. von Alexander
dem Großen auch in den Lagern zahlreiche Statuen errichten").
Die Statuen und Bildnisse der regierenden Kaiser fehlten aber nicht bloß an
i) Vereine der cultores Larum et hnaginis Augzisti bestehen nicht nur in Rom, sondern überall
im Reiche, Wissowa a. a. O. S. 173, 3, vgl. auch Dessau zu 3543 n. i. 2) Hist. aug. M. Aurel.
18,6. 3) Tac. Hist. m 7. 4) ebd. III 12 f. 5} Sueton. Vitell. 9. 6) Dittenberger-Purgold,
Inschr. von Olympia nr. 382. 7) Herodian. VII 5, 8. 8j v. Domaszewski. Sitz.Ber. d. Heidelb.
Akad. 1917 Abhdl. I S. 10. 9) Hist. aug. Maximin. duo 23, 7. 24, 2. 10) ebd. Maxim, et Baibin.
17, 2. II) Mommsen StR. 11-"^ 8i4f. v. Domaszewski, Die Fahnen im röm. Heere S. 69 ff., vgl.
56fiF. 12) Cass. Dio LXXVII 7. i.
Ihre Errich-
tung durch
Beamte —
62
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 259, 260]
iirch Provinzial-
verbände und
Kommunen —
durch Privat-
'^ personen.
Statuen Ha-
drians in Grie-
chenland —
keinem Orte der Monarchie, sondern waren an allen größeren auch zahl-
reich. Sie schmückten wohl in der Regel die öffentlichen Plätze und Gebäude
besonders der Regierung, Verwaltung und Rechtspflege. Apulejus äußert in
seiner vor dem Prokonsul Claudius Maximus in Sabrata (Tripolis) gehaltenen
Verteidigungsrede seinen Unwillen, daß »vor diesen Statuen des Kaisers Pius*
der Sohn der Mutter schändliche Dinge vorwerfe"). Für die Autstellung an
solchen Orten mögen die Statthalter und sonstige Regierungsbeamte gesorgt
haben: aber auch landschaftliche und Provinzialverbände sowie alle wohl-
habenderen Kommunen mußten den Kaisern ihre Huldigung durch Errichtung
von Statuen darbringen: und wenn dies in ausgezeichneter Weise geschehen
sollte, mußten es mehrere oder kolossale oder ungewöhnlich kostbare sein.
Eine eigene Gesandtschaft z. B. überbrachte an Caligula im ersten Jahre seiner
Regierung die ihm vom Provinziallandtage der Provinz Achaja (Synode der
Panhellenen) votierten Ehrenbezeigungen; zu diesen gehörte auch der Beschluß,
ihm eine große Menge von Statuen zu errichten, doch Caligula nahm nur vier
an, die an den Orten der heiligen Spiele (Olympia, Delphi, Nemea und auf dem
Isthmus) stehen sollten^]. Am zahlreichsten und ansehnlichsten werden die
Bildsäulen der Kaiser in denjenigen Provinzialhauptstädten gewesen sein, deren
Tempel die Mittelpunkte des von den Festgemeinschaften der Landtagsabge-
ordneten geübten, von den Provinzialpriestern geleiteten Kaiserkults bildeten 2);
aber auch sonst muß es bildliche Darstellungen der Kaiser überall für die Zwecke
des Kultus gegeben haben, an welchem sich alle Kommunen beteiligten'*). In
Ägypten ist sogar, um die Kosten für die in den Tempeln allerorten aufzu-
stellenden Kaiserstatuen aufzubringen, dem Volk eine (durch Scherbenquittungen
bezeugte) »Statuensteuer« auferlegt worden, welche wie eine Kopfsteuer für
alle Untertanen in gleicher Höhe normiert war^}.
Endlich aber durften auch Privatleute sehr oft nicht unterlassen, ihre Loyalität
auf diese Weise zu bezeugen, namentlich in Rom selbst. Wenn man zur Zeit
der Antonine die Bildnisse der Kaiser dort überall »in Wechselkontoren, Läden
und Werkstätten, unter allen Vordächern, auf allen Vorplätzen, in allen Fenstern«
aufgestellt sah, freilich meist schlecht gemalt und plump bossiert^): so werden
auch in reichen und vornehmen Häusern gute Bilder und Statuen von ihnen
nicht gefehlt haben. Überdies war auch die öffentliche Aufstellung von Kaiser-
statuen durch Privatpersonen in den größeren Städten keineswegs selten.
Von sämtlichen Kaisern ist vielleicht Hadrian derjenige gewesen, der in allen
Provinzen durch die zahlreichsten Denkmäler geehrt wurde, gewiß aber nirgends
durch so viele wie in dem von ihm mit Wohltaten am reichsten bedachten
Griechenland. Mehrere von einzelnen Gemeinden, ganzen Kantonen, größeren
Volksverbänden errichtete Statuen Hadrians lassen sich dort an vielen
Orten nachweisen^), wie zu Delphi, Olympia, Theben, Syrus, Coronea, auf
Samothrace und sonst an zahlreichen Stellen: bei weitem die meisten aber in
I) Apulei. Apolog. 85. 2) IG VII 2711 (Dessau 8792). 3) Marquardt St.V. I^ 504ff. Vgl, z. B.
über die Basen von Kaiserstatuen in Tarraco Hübner, Rom. Herrschaft in Westeuropa S. 200.
4) Toutain, Les cultes paiens dans l'empire Rom. I 54ff. 102 ff. 5) U. Wilcken, Griech. Ostraka
I 152 ff. 6] Fronto ep. ad M. Caes. IV 12 p. 74 N. Oben I 166. 7) Hertzberg, Gesch. Griech enl.
I^ 333 f-; s. die InschriftensammJung bei Dürr, Die Reisen des Kaisers Hadrian S. 104 ff.
[III. 261] 2. PLASTIK UND MALEREI 63
Athen, das ihm am meisten verdankte, und wo auch die umfassendsten Nach-
forschungen stattgefunden haben"). In jedem der dreizehn keilförmigen Ab-
schnitte des neuerdings bloßgelegten Dionysostheaters hat eine Statue Hadrians
gestanden, welche bis auf eine (die große, schon früher vom Rat und Volke
errichtete des Kaisers als Archonten) von den zwölf Phylen (Stämmen) Attikas
nach der von ihm veranstalteten prachtvollen Feier der Dionysien im Frühjahre
125 dargebracht waren^). Zwei andere erwähnt Pausanias im Kerameikos und
auf der Akropolis im Parthenon. Ein ganzer Wald von Statuen Hadrians aber
befand sich in und bei dem von ihm ausgebauten (129 geweihten) Tempel des
olympischen Zeus. Wahrscheinlich vor den Fronten standen zwei Statuen des
Erbauers aus thasischem und zwei aus ägyptischem Marmor, vor den Säulen
(wohl der ringsum laufenden Kolonnaden) bronzene von überseeischen Städten,
an andern Stellen andre von griechischen Städten sowie von Privatpersonen,
einzeln oder gemeinschaftlich, gestiftete Standbilder, von denen noch zahlreiche
Postamente und Inschriften vorhanden sind. Alle überragte eine von den Athenern
hinter dem Tempel errichtete »sehenswerte Kolossalstatue« ^). Doch können die
uns bekannten Statuen Hadrians nur ein kleiner Teil der sämtlichen in Athen vor-
handenen gewesen sein, wenn die gut bezeugte Nachricht wahr ist, daß die
Athener einst dem Demetrius von Phaleron 360 Statuen errichtet hatten*).
Gegen Hadrian hatten sie vielleicht mehr Grund zur Dankbarkeit, gewiß aber
mehr Veranlassung, diese in der überschwenglichsten Weise zu äußern; über-
dies war die Herstellung der Statuen weniger kostspielig als 450 Jahre früher.
Wie sehr nun aber auch die Provinzen und Städte wetteifern mochten, ihre Augosts m Rom.
Treue und Loyalität gegen den regierenden Kaiser durch zahlreiche Bildsäulen zu
bekunden, so dürfte doch deren Menge und Pracht in Rom immer am größten •
gewesen sein. August sagt in der Denkschrift über seine Taten, daß ihm zu
Rom etwa 80 silberne Statuen (teils auf dem Boden, teils auf Viergespannen
stehend, teils Reiterstatuen) von Staaten und Einzelnen errichtet worden seien,
die er sämtlich einschmelzen ließ, um in dem Tempel des Apollo auf dem
Palatin von dem gewonnenen Gelde im Namen der Stifter und dem seinigen
goldene Weihgeschenke (besonders Dreifüße) aufzustellen 5). Man kann hier-
nach nicht anders glauben, als daß seine bronzenen und marmornen Stand-
bilder in Rom bereits zu seinen Lebzeiten nach Hunderten, im ganzen Reich
vielleicht nach vielen Tausenden zählten, so fabelhaft solche Zahlen gegen-
wärtig auch klingen mögen. Wenn übrigens in der Zeit der werdenden Mon-
narchie die sich in so massenhaften Darbringungen äußernde Untertänigkeit noch
weit von ihrer größten Verbreitung und Stärke entfernt war und überdies von
August geflissentlich im Zaumegehalten wurde, so ist doch keinem späteren Kaiser
wie ihm als Erretter der Welt und Begründer der neuen Ordnung gehuldigt
worden, auch dauerte seine Herrschaft 44 Jahre; und so mag denn allerdings die
i) Judeich, Topogr. von Athen S. 97. Inschriften von Basen IG III 464—524. 2) W^. Weber,
Untersuch, z. Gesch. d. Kaisers Hadrianus S. 161 ff. 3) Pausan. I 18, 6. Judeich a. a. O. S. 343.
4) Wachsmuth, Stadt Athen I 6ii, i. Judeich a. a. O. S. 85; solche Statuen in den attischen
Demen IG II 584. 1217 = Dittenberger, Syll.^ 318. 319. Noch Constantin aTparr]fbc, eK€(vu)v
(der Athener) r\liov KuXeiöGai Km TOiaÜTii^ eiKÖvoq tutxövujv IuICt' eiriYpcijaiuaTOi; eYCtvuTO ttXiov
r\ TU)v lae-fiöTUJv tijlwjjv dEiuuGeiq, Julian, or. i p. 8 CD. 5) Mommsen, Res gest. d. Aug.* p. 97.
64
Xn. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 262, 263
Büsten Na-
poleons I.
Die Kaiser-
denkmäler sel-
ten durch Um-
arbeitung älte-
rer hergestellt.
Zahl der ihm während seines Lebens wie nach seinem Tode errichteten Denk-
mäler größer g-ewesen sein als bei irgend einem andern Regenten. Von diesem
Vorrat haben sich denn auch nicht ganz unbeträchtliche Überreste erhalten*).
Übrigens hat noch im Anfange des ig. Jahrhunderts die Produktion eines
Herrscherbildnisses durch die Skulptur trotz ihrer so vielfach gehemmten Ent-
wicklung und der Kostbarkeit ihrer Arbeiten verhältnismäßig große Dimen-
sionen angenommen. Der erste Napoleon beherrschte (unmittelbar oder durch
die von ihm abhängigen Fürsten) ein im Verhältnis zum römischen Kaiserreiche
nur kleines Gebiet ; das Bedürfnis nach Darstellungen seiner Person, schon
darum ein sehr viel geringeres, weil dieselbe nie der Gegenstand eines religiösen
Kultus war, wurde ganz überwiegend durch die zeichnenden und vervielfäl-
tigenden Künste befriedigt: dennoch sind in den drei Jahren von 1809 — 181 2
von Carrara etwa 1500 Büsten von ihm nach Chaudet in die Welt gestreut
worden^).
Nur sehr selten und ausnahmsweise können in den ersten Jahrhunderten
Kaiserbildnisse durch Umarbeitung oder neue Benennung älterer^) hergestellt
worden sein, weil diejenigen, die durch das Denkmal geehrt werden sollten, in
einem solchen Verfahren, wie Dio von Prusa mit Recht sagt, eher eine Belei-
digung als eine Huldigung erblicken konnten'*). Vorgekommen war dergleichen
in Griechenland schon in der Zeit der Republik. Von falschen Inschriften fremder
Statuen spricht Cicero im Jahre 50; zwei Kolosse des Eumenes und Attalus
waren zu Athen auf den Namen des Antonius umbenannt worden^). Pausanias
sah vor dem Heratempel bei Mykenä eine Statue, nach der Inschrift des August,
die aber nach dortiger Angabe eine des Orest war^j. Doch sind außer dem be-
reits angeführten wenige Beispiele der Umbenennung einer fremden Statue zu
einer kaiserlichen aus der früheren Kaiserzeit bekannt^). Seit dem Jahre 15^]
wagten wohl wenige um des Gewinns oder der Ersparnis willen auch noch so
heimlich eine Handlung, deren Entdeckung sie der Gefahr einer Anklage auf
Majestätsverletzung aussetzen konnte. Dio hat den Rhodiern, die mit der Ehre
der Statue mehr als freigebig waren, aber sehr oft, statt neue aufzustellen, nur
ältere auf den Namen des zu Ehrenden umtaufen oder umarbeiten ließen, die
Unwürdigkeit dieses Verfahrens in einer langen Rede vorgehalten. Es sei,
sagt er u. a. , um so weniger zu entschuldigen, als sie ja doch fort und fort
auch wirklich neue Bildsäulen errichteten, nämlich für die Kaiser und die hohen
Beamten; ja man würde ihnen keine Vorwürfe machen, wenn sie wenigstens bei
allen »außer den Kaisern« in gleicher Weise verführen^); eine derartige Herstel-
lung von Kaiserbildnissen erschien ihm also als ganz undenkbar. Philo erzählt,
daß die Alexandriner alle dortigen Synagogen, die sie nicht zerstören konnten,
durch Aufstellung von Bildern Caligulas entweihten, in der größten stellten sie
seine Bronzestatue auf einem Viergespann auf. In der Eile aber hatten sie kein
l) BernouUi a. a. O. 11 i, 24 if., dazu Gardthausen, Augustus 11 277 ff. 2) Eggers, Christian
Daniel Rauch I 120. 3) Vgl. oben I 162 A. 14. 4) Dio Chr. or. 14, 44 (I 232 Am.). 5) Plutarch.
Anton. 60, 6. Cic. ad Attic. VI i, 26. Judeich a. a. O. S. 236, 8. 6) Pausan. 11 17, 3. 7) Hula,
Österreich. Jahresh. I 189S S. 2 7 ff. Über einen mit veränderter Inschrift später dem Constantin
geweihten Caracallakopf des Museums zu Philippeville (Algier; vgl. A. Schulten, Arch. Anz. 1899
S. 76. 8) Oben S. 58. 9 Dio a. a. O. 107 f. (I 250 Am.).
[III. 264]
2. PLASTIK UND MALEREI
65
neues auftreiben können, sondern ein altes verrostetes, schadhaftes aus dem
Gymnasium genommen, welches, wie manche sagten, einer älteren Kleopatra
dediziert gewesen war. »Was für einer Anklage die Aufstellenden sich dadurch
aussetzten, ist klar; ja schon dann, wenn es ein neues, aber eines Weibs, oder
eines Manns, aber ein altes, ja wenn es überhaupt einem andern gewidmet war.
Mußten die, welche zu Ehren des Kaisers eine solche Aufstellung gemacht
hatten, sich nicht offenbar hüten, daß er, der alles auf ihn Bezügliche be-
sonders wichtig nahm, eine Anzeige erhielt?«') Aber auch bei andern als
kaiserlichen Monumenten scheint das Anbringen neuer Köpfe oder Inschriften'')
statt der Errichtung neuer Figuren in der früheren Kaiserzeit keineswegs häufig
gewesen zu sein: hauptsächlich geschah es wohl in denjenigen griechischen
Städten, wo der Vorrat an alten Statuen sehr groß war. Nicht bloß sind die
bekannten derartigen Fälle vereinzelt^), sondern Dio sagt auch in der Rede,
in der er den Rhodiern diese »seit einiger Zeit« bei ihnen eingerissene Unsitte'*)
vorhält, daß andere weniger reiche, zum Teil äußerst arme Städte, wie Athen,
Sparta, Byzanz, Mytilene, sich davon völlig frei erhielten-). Allem Anschein
nach war es im damaligen Griechenland eben nur Rhodus, wo dies Verfahren
in großem Umfange geübt wurde; man sagte, daß die dortigen Statuen wie
Schauspieler die Rollen wechselten^).
Was von den Kaiserbildnissen gilt, gilt zum größten Teile auch von denen Denkmäler der
der Kaiserinnen und designierten Thronfolger, zum großen Teil selbst von Kaiserhauses—
denen andrer Angehörigen des Kaiserhauses. Wenn in der Zeit, wo Tiber
während seines Aufenthalts auf Rhodus in tiefster Ungnade stand, die Bewohner
von Nimes nach seinem Zerwürfnisse mit Gajus Cäsar seine Statuen und Bild-
nisse umstürzten^), so wird es damals so gut wie dort deren in allen größeren,
namentlich aber in denjenigen Städten gegeben haben, die wie Nimes®)
zum Kaiserhause in Beziehung standen"). Bei der Nachricht vom Tode der
Cäsaren Gajus und Lucius beschloß die Stadt Pisa, deren Patron der letztere
gewesen war, die Errichtung eines mit den Spolien der von ihm besiegten
Völker geschmückten Bogens, auf dem seine Statue im Triumphalschmuck
und zu dessen beiden Seiten vergoldete Reiterstatuen von Gajus und Lucius
stehen sollten '°). Ähnliches wird auch in andern Städten geschehen sein. Dem
zur Thronfolge bestimmten Aelius Verus ließ Hadrian nach seinem Tode in
einigen Städten Tempel bauen und »im ganzen Reiche« Kolossalstatuen er-
richten ^ '). Die Darstellung des Antinous hat bekanntlich die Malerei und Skulptur
in den verschiedensten, wenn nicht in allen Provinzen beschäftigt.
Auch die höchsten Beamten, die Leiter der Regierung, wurden im ganzen «^er höchsten
Reich durch Monumente in ähnlicher Weise wie die Kaiser geehrt, besonders ^^™ ^" ~~
natürlich, wenn sie deren erklärte Günstlinge waren. Als Sejan im Zenit seiner
l) Philo Leg. ad Gai. 134 ff. 2) Plin. n. h, XXXV 4. 3) Köhler, Verm. Sehr. VI 357 ff. Wachs-
muth, Stadt Athen I 668, 3. 679, i. Ilelbig, Bull. d. Inst. 1885 S. 95 f. 4) Dio a.a. O. 8 (I 221
Arn.). 5) ebd. 105. 123 (I 249. 255). 6) ebd. 155 (I 263). 7) Sueton. Tiber. 13, i. 8) Über die
Beziehungen von Nemausus zu Agrippa und seinem Hause (daher die Errichtung eines Tempels
für Gaius und Lucius Cäsar nach deren Tode, der Maison carr^e) vgl. Hirschfeld, Kl. Schrift.
S. 486, I. 9) Statuen der Familie Augusts in Athen IG III 439—453. lo) CIL XI i42i=Dessau
140. II) Hist. aug. Ael. Ver. 7, i.
FriedlaenUer, Darstellungen. HI. 9. Aufl. r
66 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [IIL 265]
Macht stand, wurden ihm von Senat und Ritterschaft, den Tribus und den vor-
nehmsten Männern Roms so viele Bildsäulen errichtet, daß, wie Cassius Dio
sagt, niemand ihre Zahl anzugeben vermocht hätte '), besonders seit Tiberius
auf den Beschluß des Senats sein Bronzestandbild im Theater des Pompejus
hatte aufstellen lassen^). Allgemein wurden Bilder und Statuen des Kaisers
und seines anderen Ich nebeneinander gestellt^); selbst in den Lagern, mit ein-
ziger Ausnahme der syrischen Armee ^): und Tiber ließ es geschehen, daß die
Bildnisse seines Günstlings dort auf den Sammelplätzen der Legionen sowie
auf den Foren und in den Theatern der Städte verehrt wurden^]. Der jähe Fall
Sejans im Jahre 31 war das Signal zum Umsturz seiner Denkmäler. Seine
Statuen, sagt Juvenal, wurden an Seilen von den Postamenten herabgerissen
und auf dem Boden geschleift. Beilhiebe zerschmetterten die Räder der Zwei-
gespanne und die Beine der unschuldigen bronzenen Gäule, bald schmolz in
den knatternden, von Blasebälgen angefachten Feuern der Gußöfen das vom
Volk angebetete Haupt und verknisterte der ganze kolossale Sejanus, und aus
dem Anlitz, das im ganzen Reiche das zweite war, wurden Töpfe, Pfannen,
Becken und Nachtgeschirre verfertigt^). Ganz Ähnliches wird von dem Günst-
linge Severs, Plautianus, berichtet, der von ebenso schwindelnder Höhe plötzlich
herabstürzte. Cassius Dio sagt, daß ihm nicht nur viel mehr, sondern auch
größere Statuen und Bilder errichtet wurden als den Kaisern, und nicht bloß in
den andern Städten, sondern auch in Rom, und nicht bloß von Privatpersonen,
sondern auch vom Senat. Gerade dies trug dazu bei, den Argwohn Severs zu
erregen; nach Plautians Fall wurden »im ganzen Reiche« seine Statuen um-
gestürtzt« ^).
der Proviiizial- Wenn aber notwendig die Zahl derer sehr klein war, denen im ganzen Reiche
Statthalter — s^^tugn errichtet wurden, so war dagegen die Menge derjenigen, denen diese
Ehre innerhalb bestimmter Gebiete oder an einzelnen Orten widerfuhr, un-
glaublich groß. Sie war vor allem die gewöhnlichste Huldigung der Provin-
zialen gegen alle Römer, die wirklich oder scheinbar die Macht hatten, ihnen
*zu schaden oder zu nützen, in erster Reihe natürlich die Statthalter. Schon in
den letzten Zeiten der Republik war es allgemein üblich, daß diesen in den Pro-
vinzen Tempel erbaut wurden^). Cicero hatte in Cilicien als Prokonsul »Statuen,
Tempel, Viergespanne« abzulehnen^): aber Verres hatte die Gemeinden Siciliens
gezwungen, nicht bloß ihm selbst, sondern auch seinem Vater und seinem
Sohne (einem Knaben) eine Menge von Standbildern zu errichten; in Syrakus
waren deren so viele, daß es schien, er habe ihrer dort nicht weniger aufgestellt
als weggenommen '°). Außerdem sah man von ihm in Rom vergoldete Reiter-
statuen, die von den römischen Kaufleuten, den Getreideproduzenten, dem
Provinzialverbande Siciliens gestiftet waren"). Das entsetzliche Satrapenregi-
i) Cass. Dio LVIII 2, 7. 2) ebd. LVR 21, 3. Tac. A. III 72. IV 7. 3) Cass. Dio LVin 4, 4.
Tac. A. IV 74. 4) Sueton. Tiber. 48, 2. 5) Tac. A. IV 2. Vgl. Mommsen StR. I^ 450, i. Eine
in Rheingönheim bei Ludwigshafen gefundene kleine Bronzebüste (jetzt in Speier) hat Studniczka
auf Sejan gedeutet; vgl. dazu Ber. d. rom.-gennan. Kommission VII 1914 S. 188 f. (Abb. S. l86j.
6) Juv. 10, 56 — 64. 7) Cass. Dio LXXV 14, 6 f. 16, 2. Hist. aug. Sever. 14, 5. 8) Sueton. August.
52. 9) Cic. ad Attic. V 21, 7. 10] Cic. in Verr. II 2, 145. 154. 161. 4, 90. 139. 11) ebd. II 2,
I44f. 165. 168.
lIII. 266, 267]
2. PLASTIK UND MALEREI
67
ment jener Zeit hat nun zwar die Monarchie sehr eingeschränkt, doch nie ganz
beseitigt; und wenn immer noch die Provinzialen direkt oder indirekt gezwungen
wurden, ihre Plünderer und Tyrannen durch Denkmäler zu ehren, so konnten
sie diese Ehre überhaupt keinem Statthalter vorenthalten, ohne damit eine
Anklage auszusprechen. Nach Dio entschuldigten die Rhodier die Verwendung
alter Statuen zu neuen Ehrenbezeigungen damit, daß es eine Notwendigkeit
sei, so viele hohe Beamte zu ehren, und eingestandenermaßen geschah es sehr
häufig nicht wegen ihrer wirklichen Verdienste, sondern nur wegen ihrer Macht').
Jeden, der zu ihnen kam, fürchteten sie und glaubten ihre Freiheit in Gefahr,
wenn sie einmal von einem kein Bronzestandbild aufstellten. Mußten sie wirk-
lich jeden Ankommenden freundlich anwedeln wie gemeine Hunde und Haß
und Zorn besorgen, \\4enn sie nicht dem und jenem schmeichelten, dann, meinte
Dio, stand es schlimm um sie^).
Die Ehre der Statue wurde auch (namentlich in Griechenland) angesehenen der angesehenen
Römern, die sich in außeramtlicher Stellung dort aufhielten, desgleichen vor- p '".^'^ m^den
nehmen Römerinnen erwiesen; wie besonders in Athen die Inschriften zahl-
reicher Postamente aus der ersten Kaiserzeit beweisen^). Um so unerläßlicher
war es für Städte und Provinzen, sich für wirkliche Wohltaten auf diese Weise
dankbar zu bezeigen, vor allem für die Übernahme ihres Schutzes und ihrer
Vertretung (des Patronats). In den Städten Siciliens sah man überall auf den
Foren Reiterstatuen der Marceller als der Patrone der Insel "^j. Der Held des Apu-
lejanischen Romans, aus einer in Thessalien angesehenen Familie stammend,
wird in Hypata zum Gegenstande eines öffentlichen Scherzes gemacht; worauf *
die Magistrate ihn um Entschuldigung bitten und ihm anzeigen, daß die Stadt,
um ihn zu versöhnen,, ihn zum Patron gewählt und die Aufstellung seines Bild-
nisses in Bronze beschlossen habe 5). Von den amtlichen und halbamtlichen
Stellungen in den Provinzen gaben schon die subalternen einen Anspruch auf
diese Ehre. Dem Vater des Vespasian, Flavius Sabinus, der die Erhebung des
Warenzolls von 2 7, Prozent in der Provinz Asia gepachtet hatte, waren dort Bild-
nisse und lobende Inschriften aufgestellt worden^). Titus hatte, wie Sueton sagt,
als Militärtribun in Germanien und Britannien sich den Ruhm der Energie und
zugleich der Mäßigung erworben, »wie sich aus der Menge und den Inschriften
seiner Statuen und Bildnisse in beiden Provinzen ergibt«^). Unter den (min-
destens fünfzehn) in Barcelona nachweisbaren Statuen des L. Licinius Secundus,
welcher Amtsdiener des mächtigen L. Licinius Sura in dessen drei Konsulaten
(zuletzt 107) war, sind vier von den Gemeinderäten spanischer Städte errichtet
worden^). Bei einer so grenzenlosen Verschwendung der monumentalen Ehren
konnte eine wirkliche Auszeichnung auch von Untertanen nur durch ungewöhn-
lich große und kostbare Denkmäler erfolgen; und es ist wohl nicht zu sehr
übertrieben, wenn Apulejus zum Ruhme des Konsularen Strabo Aemilianus
(Konsul 156) sagt, daß alle Provinzen sich Glückwünschen, ihm vier- und sechs-
spännige Wagen (mit seinem Standbilde) zu errichten 5).
l) Dio Chr. or. 14, 26. 41 (I 226. 231 Arn.). 2) ebd. Ii2ff. (I 25lf.). 3) Hertzberg, Gesch.
Griechenlands II 68, 23. IG III 561—641. 865—884. 4) Cic. in Verr. II 4, 86. 5) Apulei.
Metam. III 11. 6) Sueton. Vespas. i, 2. 7) Sueton. Titus 4, i. 8) CIL II 4536—4548. 6148.
6149 (Dessau 1952. 6956). 9) Apulei. Florida 16.
der Subaltern-
beamten.
pien.
68 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 268]
Ehre der Statue Die Errichtung von Statuen war auch in den Städten der ganzen Monarchie
in den Munm- ^jj^^ allgemeine Belohnung wirklicher oder angeblicher Verdienste einzelner um
die Gemeinde. Der anfänglich seltene Gebrauch der Bildnisstatuen wurde
später, wie Plinius sagt, von der ganzen Welt aus einem höchst menschenfreund-
lichen Ehrgeiz aufgenommen; Statuen fingen an, eine Zierde der Foren aller
Munizipien zu sein; so wurde das Gedächtnis von Menschen auf die Nachwelt
gebracht, auch ihre Ehren zur Kenntnis aller Zeiten auf den Postamenten ver-
zeichnet, damit man sie nicht bloß auf den Gräbern läse^). Tausende von er-
haltenen Postamenten mit griechischen und römischen Inschriften bezeugen
dies. Überall wo der Spaten, gleichviel ob im Osten oder im Westen des
Reiches, den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens einer antiken Stadt bloßlegt,
fördert er eine geradezu überwältigende Menge von Übecresten solcher Ehren-
denkmäler zutage, auf der Agora von Ephesus und im Peribolos des perga-
menischen Athenaheiligtums ebenso wie auf den Fora der nordafrikanischen
Städte''). Pompeji hat mehr Porträtstatuen gehabt als irgend eine moderne
Hauptstadt. Auf dem Forum waren (außer den 5 Kolossalstatuen von Kaisern
und Mitgliedern des Kaiserhauses) für Reiterstatuen in Lebensgröße wohl 70
bis 80 Plätze vorgesehen, und hinter jedem derselben einer für ein Standbild;
doch sind vielleicht nicht alle diese Plätze besetzt gewesen. Die Vorhalle des
Macellum enthielt 25 Statuen, 8 der offene Raum des städtischen Larentempels,
21 die Vorhalle des Gebäudes der Eumachia. Schwerlich hat aber die Zahl
der dortigen Ehrenstatuen die durchschnittliche der Mittelstädte überstiegen^ .
An einer wohl zu Anfang des 2. Jahrhunderts angelegten Doppelhalle zu Ter-
messus in Pisidien sind 46 Basen von Standbildern verdienter Männer und
Frauen gefunden worden, die meist vor oder zwischen den Säulen gestanden
haben (darunter 26 von Siegern in Wettkämpfen, 15 von Beamten, Priestern
und Priesterinnen)'*). Eine Überfüllung der Foren mit Statuen, die den Verkehr
behinderte, wie in Cirta^), wo auch einmal eine gestohlen wurde '^), mag nicht
selten gewesen sein. Ruhmbegier und Munizipalpatriotismus verbanden sich,
wie bemerkt, mit der Rücksicht auf die öffentliche Meinung, um die Wohlha-
benden und Angesehenen zu Leistungen für die Kommunen anzuspornen, und
diese setzten ihrerseits einen Ruhm darein, durch zahlreiche Monumente zu be-
zeugen, daß viele es sich zur Ehre geschätzt hatten, ihnen Opfer zu bringen,
und daß sie ihrerseits wohl imstande seien, solche zu belohnen und zugleich
ihre Stadt zu schmücken^). Schwerlich konnte eine reiche und ansehnliche
Familie in einer größeren Stadt einige Generationen hindurch ihren Wohnsitz
gehabt haben, ohne in die Notwendigkeit versetzt worden zu sein, sich die Ehre
der Statue zu verdienen. Die von Prusa rühmt, daß seine Großväter und andre
Vorfahren, sein Vater (der lange Zeit der Stadt vorgestanden hatte), seine Brüder
und Verwandten von der Stadt geehrt worden seien durch viele Statuen, öffent-
liche Begräbnisse, Kampfspiele an ihren Gräbern und viele andre Auszeich-
l) Plin. n. h. XXXIV 17. 2) z. B. J. Keil, Ephesos (1915) S. 63 ft". Fränkel, Inschr. v. Perga-
mon nr. 377 ff. Kern, Inschr. v. Magnesia nr. 156!?. Inschriften vom Forum von Thamugadi CIL
Vni 2356 ff. I7844ff. Vgl. im allgemeinen auch E. Kuhnert, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIV (1885)
S. 281fr. 3) Mau, Pompeji^ S. 463. 4) Lanckoronski, Städte Pamphyl. u. Pisid. II 55. 5^ CIL
Vin 7046. Oben S. 37. 6) CIL Vni 7063. 7) Dio Chr. a. a. O. 7 (T 220 f.'.
[III. 269] 2. PLASTIK UND MALEREI 69
iiungen: seiner Mutter war nach ihrem Tode nicht bloß ein Standbild, sondern
auch ein Tempel errichtet worden').
Auch die Bekleidung mancher nur der Aristokratie der Provinzen zugäng- Statuen der
liehen hohen Würden hatte die Ehre der Statue mehr oder minder regelmäßig pri^Iter!^ "
zur Folge, wie namentlich die des höchsten Provinzialpriestertums. In einem
die Ehrenrechte desselben bestimmenden Gesetz in Narbo wird den nach Ab-
lauf ihres Amtsjahrs abtretenden Provinzialpriestern das Recht eingeräumt, sich
auf einen (wahrscheinlich durch den Provinziallandtag zum Beschluß erhobenen)
Antrag ihres Nachfolgers eine Statue selbst zu setzen''). Postamente solcher
Statuen sind in Tarraco^) und Lugdunum zahlreich gefunden worden; doch hier
nicht von den Priestern selbst, sondern in Lugdunum ausnahmlos, in Tarraco
in weitaus überwiegender Zahl (52 unter etwa 70) von der Provinz, seltener von
den Heimatsgemeinden oder den eigenen Angehörigen auf Beschluß des Land-
tags gesetzt, und zwar ist in Spanien auch auf die an der Würde ihrer Gatten
teilnehmenden Priesterinnen diese Ehre entweder sofort oder im Laufe der Zeit
erstreckt worden'*). Ähnliche Bestimmungen werden auch in den übrigen Pro-
vinzen bestanden haben.
Um von der Allgemeinheit der Ehre der Statue in den Städten Italiens sowie Veranlassungen
aller Provinzen =) eine Vorstellung zu geben, genügt es, diejenigen Verdienste ^,"^ statuen""^
anzuführen, die am häufigsten durch diese Ehre belohnt wurden. Hauptsäch-
lich waren es große zum Besten der Stadt gebrachte Geldopfer und persönliche
Leistungen: nächst den bereits erwähnten, so häufigen Verschönerungs- oder
Nützlichkeitsbauten Zuwendungen und Schenkungen zu den verschiedensten
Zwecken (z. B. zum Ankauf von Getreide bei Teuerungen), ganz besonders
häufig aber (einmalige oder jährlich wiederkehrende) Bewirtungen der gesamten
Bürgerschaft, bei denen auch Geld verteilt zu werden pflegte ; ferner Schau-
spiele aller Art (namentlich Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe) , endlich frei-
willig übernommene und auf eigene Kosten ausgeführte Gesandtschaften an
die Kaiser und Statthalter. Aber neben diesen gewöhnlichsten Veranlassungen
für die Ehre der Bildsäule gab es noch viele andre. Auch eine ausgezeichnete
Wirksamkeit in einem Lehramt gab Anspruch darauf; und nicht bloß die welt-
berühmten Professoren der Bedsamkeit, die Scharen von Schülern aus weiter
Ferne herbeizogen, erhielten sie, sondern zuweilen wurden auch bescheidene
Schullehrer, wenn sie Gelehrte von Ruf waren, mindestens nach ihrem Tode
so geehrt. Von Horazens Lehrer Orbilius Pupillus, der als fast 100 jähriger
Greis in einer Dachkammer starb, sah man zu Benevent auf dem Kapitol eine
sitzende Statue im griechischen Mantel mit zwei Bücherbehältern; zu Präneste
eine des M. Verrius Fiaccus über seinem dort auf demForum auf Marmortafeln
eingegrabenen Kalender^). Auch literarische Leistungen (von Einheimischen
und Fremden) wurden wenigstens in Griechenland durch diese Anerkennung
belohnt, mit der die Städte zuweilen nur zu freigebig verfuhren. Nach Dio von
i) Dio Chr. or. 27, 3 f. (II 67 Arn.). 2) CIL XII 6038 = Dessau 6964 Z. loflf. 3) CIL II
4248 = Dessau 6937 stahtam inter flaminahs viros positam. 4) Hirschfeld, Kl. Schrift. S. 501 f.
5) Einiges zusammengestellt bei Liebenam, Städteverwaltung S. 121 ff., vgl. auch Liermann, Bcr.
d. fieien dtsch. Hochstiftes zu Frankfurt a. Main N. F. VIII 1892 S. 372 ff. 6} Sueton. de gramra.
et rhct. 9. 17.
70 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 270
Prusa hatten die Athener einem höchst unbedeutenden Dichter (vielleicht dem
Improvisator Q. Pompejus Capito) eine Bronzestatue, und zwar neben der des
Menander aufgestellt 'j. In Halikarnaß wurde der Tragödiendichter C. Julius
Longianus aus Aphrodisias (unter Hadrian), der bei seinem dortigen Aufenthalt
durch mannigfaltige poetische Vorträge »die Älteren erfreut und die Jüngeren
gefördert« hatte, durch mehrere Bronzebüsten geehrt, die an den besuchtesten
Orten, im Heiligtum der Musen und im Gymnasium der Epheben »neben dem
alten Herodot« aufgestellt wurden: seinen Schriften wies man einen Platz in der
öffentlichen Bibliothek an; außerdem ließ der Verein der Bühnenkünstler sein
Bild in ganzer Figur malen, um es in Aphrodisias an einem von ihm zu wählen-
den Orte aufstellen zu lassen"). Der Dichter Maximus von Apamea erhielt in
Cyzicus, wo er in einem poetischen Wettkampfe zweimal den Preis davonge-
tragen hatte, auch ein Standbild^). Doch wird man natürlich vor den auswär-
tigen Berühmtheiten überall die einheimischen geehrt haben, unter diesen erhielten
namentlich auch Künstler aller Art Statuen. So in Ostia ein Athlet oder Musiker,
der in allen Weltteilen Siegespreise errungen hatte, > wegen seiner hervor-
ragenden Virtuosität und großen Ergebenheit gegen seine Vaterstadt«'^); in
Präneste der erste Pantomime seiner Zeit, M. Aurelius Agilius Septentrio,
»wegen seiner ungemeinen Liebe zu seinen Mitbürgern und seiner Vaterstadt« ^;.
Auch Frauen wurde diese Ehre sehr häufig erwiesen. Es war ferner Sitte, Verstor-
benen Statuen zu errichten, um ihre Angehörigen, namentlich Eltern, zu trösten
und zu ehren^), selbst kleinen Kindern. In Brixia hat der Gemeinderat einmal
für einen Knaben, der im Alter von 6 Jahren 2 Monaten 5 Tagen gestorben war,
eine vergoldete Reiterstatue dekretiert, um den überlebenden Vater zu erfreuen^):
so gemein war also diese Art von Monumenten allmählich geworden, in denen
noch Cicero einen Beweis für die Maßlosigkeit seines Zeitalters gefunden hatte®).
Eine noch höhere, doch ebenfalls nicht selten von städtischen Behörden be-
schlossene Auszeichnung war eine Statue auf einem Zweigespann 5). Eine solche
hatte für einen dem Ritterstande angehörigen Patron der Stadt Präneste die
dortige Bürgerschaft zum Dank für ein von ihm gegebenes glänzendes, zwei-
tägiges Gladiatorenspiel verlangt; doch der Gemeinderat beschloß, ihm nur
eine Reiterstatue zu setzen '°). Für einen vom Kaiser ernannten Verwalter des
städtischen Zinsbuchs in Panhormus (Palermo) war von der dortigen Einwohner-
schaft eine größere Anzahl von Statuen auf Zweigespannen dringend verlangt
worden, und es wurde ihm als Bescheidenheit angerechnet, daß er sich mit zwei
solchen und (vermutlich) drei Reiterstatuen begnügte").
Mehrere Sta- Eine andre Steigerung der Ehre war die Errichtung von mehreren Statuen
*"'°Person*'— ^^^selben Person. Auf die Weise belohnten z. B. die Athener ihren reichen
(auch als epischer Dichter bekannten) Mitbürger Julius Nicanor, der (unter
August) die von ihnen aus Geldnot verpfändete oder verkaufte Insel Salamis
I, Dio Chr. a.a.O. 116 (I 253). IG III 769 (nach der Vermutung von Kumanudes;. Wachsmuth,
Stadt Athen I 679 A. 2) Lebas-Waddington 1618. 1619. 3) CIG 3672 = Kaibel, Epigr. gr. 881.
4) CIL XIV 474 = Dessau 5233. 5) CIL XIV 2977 = Dessau 5194. 6) Vgl. z. B. CIL II 3251
(mit Mommsens Anm.). VIII 7066 = Dessau II05 u. a. 7J CIL V 4441. 8) Cic. Philipp. IX 13.
9) Statuen auf Bigae z. B. CIL X 6090 = Dessau 6295 (Mintumae . CIL II 1086 = Dessau 2712.
10) CIL XIV 2991. 11) CIL X 7295 = Dessau 5055: vgl. CIL X 3704 = Dessau 5054.
[III. 271, 272]
2. PLASTIK UND MALEREI
7^
für sie zurückkaufte: in rühmenden Inschriften wird er als »neuer Homer« und
> neuer Themistocles<: gepriesen']. In der Zeit der Antonine erhielt ein P. Lu-
cilius Gamala für seine zahlreichen Bauten und Schenkungen zu Ostia zwei
Bronzestatuen, wovon eine vergoldet^). Artemidor, Sohn des Theopomp, eines
Freunds des August, erhielt in seiner Vaterstadt Cnidus »drei marmorne, drei
goldene und drei bronzene Büsten«, außerdem stand eine goldene Büste von ihm
in dem dortigen Artemistempel ^''. In Sardes wurde kurz vor Beginn unserer Zeit-
rechnung ein um das Wohl der Stadt in hervorragender Weise verdienter Mann
außer durch Verleihung zweier goldener Kränze durch die Errichtung von drei
Statuen aus vergoldeter Bron7,e (darunter eine von mehr als Lebensgröße, eine
andre als Reiterstandbild), weiter von vier Bronzestandbildern, drei Marmor-
statuen und vier Porträtgemälden ausgezeichnet^). In Aphrodisias beschloß
man für einen Unbekannten »vergoldete Porträtmedaillons und Statuen aus
Marmor und Bronze in Tempeln und an öffentlichen Orten, die er selbst wählen
sollte«, zu errichten^). Einer Priesterin in Calama in Numidien, die eine außer-
ordentliche Freigebigkeit gegen die Stadt bewiesen hatte, beschloß der Ge-
meinderat fünf Statuen zu setzen^). Ebenso viele Statuen der Sosia Falconilla
wurden nach deren Tode ihrem Vater Q. Pompejus Sosius Priscus (Konsul 169;
von der Gemeinde zu Cirta angeboten, von denen er jedoch nur eine an-
nahm^).
Die Fünfzahl erklärt sich in diesen beiden Fällen wohl daraus, daß von den durch Kurien,
zehn Kurien, in die hier wie in andern Städten Afrikas^) die Bürgerschaft ge- ph^.'ie^n^er-""^
teilt gewesen sein wird, je zwei sich zur Errichtung einer Statue vereinigt hatten. Hebtet.
Doch zu Hippo Regius in Numidien hatte einem Kaiserpriester und obersten
Magistrat zum Dank für ein prachtvolles Gladiatorenspiel und andre Verdienste
jede Kurie aus eignen Mitteln eine Statue (wohl auf seiner Villa) errichtet^;,
und auch sonst finden sich in afrikanischen Städten Errichtungen von Stand-
bildern durch »sämtliche Kurien« ^°), wie in den Städten andrer Provinzen durch
sämtliche Stadtbezirke Hnci] ; so in Alexandria Troas, wo es deren mindestens
zehn gab"); in Rom hatten schon in Sullas Zeit sämtliche Bezirke dem sehr
populären M. Marius Gratidianus Statuen gesetzt, die Sulla nach dessen scheuß-
licher Ermordung umstürzen ließ'^). Einem C. Valerius Camillus beschloß nach
einer in Avenches gefundenen Inschrift (etwa in Claudius Zeit) die Gemeinde
der Helvetier sowohl für sich als für ihre einzelnen Gaue Statuen zu errichten'^).
Auf dieselbe Weise statteten, wie es scheint, die sämtlichen zwölf Phylen Attikas
dem Tiberius Claudius Atticus ihren Dank für eine allgemeine Bewirtung ab:
i) Oben I 85 f., vgl. auch Dio Chrysost. or. 14, 116 (I 253 Am.,. 2) CIL XIV 375. 376 (Dessau
6147]; vgl. Mommsen, Ges. Sehr. VIII 3290". 3) Lebas-Waddington 15721'is. 4) Americ. Journ.
of Archaeol. 2. Ser. XVII 1913 S. 29 fr., wo die Herausgeber W. H. Buckler und D. M. Robinson
reiches Erläuterungsmaterial beibringen. 5) Lebas-Waddington 1 594 ; vgl. die ähnliche Inschrift von
Colossus 1697. 6] CIL VIII 5365 f. Vgl. oben S. 23. 7) CIL VIII 7066 = Dessau 1 105; vgl. CIL XIV
353 = Dessau 6148 (Ostia) : inforo ante staUias fili. 8) Mommsen StR. III 100, 2, weitere Zeug-
nisse bei Kubier, Real-Encykl. IV iSigf. 9) CIL Vm 5276. 10) CIL VIII 1888. 11332. 11345.
11813. 12354. 16556 = Dessau 6838. 6836. 7796. 1410. 6826. 6S39. Il) CIL ÜI 384. 386 =
Dessau 1018. 2718. 12) Plin. n. h. XXXIII 132. Seneca de ira III 18, l. Vicatim errichtete Sta-
tuen eines Ti. Claudius Piso in Apamea, Mommsen, Ges. Sehr. VIII 531 ff. 13] CIL XIII 5110 =
Dessau 7008, vgl. Mommsen a. a. O. V 398 ff.
72
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 273I
ehrten.
Statuen von
Fremden.
eine Ehre, die bis dahin vielleicht nur dem Kaiser Hadrian erwiesen wor-
den war^).
Errichtung auf Sehr häufig, wenn nicht in der Regel, erfolgte übrigens die Errichtung der
Kosten «ierGe- Statuen auf Kosten der Geehrten. Man liest auf ihren Inschriften die Formel : »mit
der Ehre zufrieden, hat er die Kosten erlassen« so äußerst oft, daß man nicht
zweifeln kann, die Statuen sind in sehr vielen Fällen erst dekretiert worden,
nachdem eine vertrauliche Erklärung der zu ehrenden Personen erfolgt war,
daß sie die Kosten selbst tragen würden. Ausnahmsweise ließ jemand auch
wohl zu, daß die erforderlichen Beiträge gesammelt wurden, um sie dann zurück-
zuerstatten^). In Forum Sempronii (Fossombrone) ließ der Gemeinderat ein-
mal eine im geheimen votierte Statue fertig zu dem Geehrten hinschaffen, da-
mit er sie nicht aus zu großer Bescheidenheit, wie schon früher einmal,
ablehne^). In manchen Gegenden Griechenlands übernahmen öfters die An-
gehörigen des durch Votierung einer Statue Geehrten die Kosten der Er-
richtung*).
Zu den ausgezeichneten Fremden, denen man diese Ehre erwies, gehörten im
2. Jahrhundert außer Dichtern besonders die bedeutendsten der von Ort zu Ort
ziehenden Virtuosen der Beredsamkeit (Sophisten). So hatte Aristides an mehre-
ren Orten Statuen erhalten ; eine derselben zu Alexandria war ihm gemeinschaft-
lich von Alexandria, Hermopolis magna, Antinoe und den Griechen des Delta
sowie des thebäischen Gaues errichtet worden^). Eine Statue des Verfassers
einer dem Dio von Prusa beigelegten Rede (Favorinus), welche die Stadt Ko-
rinth in ihrer öffentlichen Bibliothek hatte aufstellen lassen, damit er ihrer
Jugend zum Vorbild diene, war bald nachher verschwunden % Apulejus sagt
in seiner Dankrede für die ihm vom Gemeinderate zu Karthago votierte Statue,
ihm sei diese Ehre bereits an andern Orten erwiesen worden; auch in mittel-
mäßigen Städten habe es dazu nicht an den Kosten für die Bronze und an der
Tätigkeit eines Künstlers gefehlt^). Als der Philosoph Demonax einmal nach
Olympia kam, votierten ihm die Eleer eine Bronzestatue: er lehnte sie ab, weil
sie damit einen Tadel ihrer Vorfahren ausdrücken würden, die dem Sokrates
und Diogenes keine gesetzt hätten^). Bildnisse des ApoUonius von Tyana hatte
der Kaiser Aurelian in vielen Tempeln gesehen^). Der unter Domitian wegen
Fälschung verurteilte Philosoph Flavius Archippus in Bithynien hatte die Ehre
der Statue dort öfters erhalten'"). Noch in der Zeit des Severus Vv^ar es gewöhn-
lich, daß Philosophen durch Statuen geehrt wurden"). Den Arzt und medizi-
i) IG m 669—673, vgl. Dittenberger, Hermes XIII 1878 S. 72!. 2) CIL XI 3258 (Sutrium}.
U 1971. 3) CIL XI 6123. 4; z.B. IG V I nr. II 70. II 77. 1369. 5) Dittenberger, Or. gi. nr. 709.
Über eine ähnliche Statue in Smyrna Philostr. Vit. soph. II 9, i; vgl. auch Liban. epist. 1551.
Die Echtheit der Inschrift (IG XIV 156*) der in der vatikanischen Bibliothek befindlichen Statue
des Aristides (Heibig, Führer^ nr. 413, vgl. 813) ist sehr zweifelhaft (vgl. Hülsen, Rom. Mitteil.
XVI 1901-S. 176 nr. 23*;. 6) Dio Chr. or. 20, 8 f. (II iSf. Arn). Statue des Proäresius in Rom:
Eunap. Vit. sophist. p. 492, 23 Boiss., des Libanius in vielen Städten, Liban. or. 2, 15, vgl. 42, 43
(I 244. III 328 F.), des Themistius or. 4, 54 B. 17, 214 B. 7) Apulei. Florid. 16. Augustin. Ep.
13S, 19: (Apuleius) qjii — pro statiia sibi apud Occnscs locanda — adver siis coTitradictiofuni quoriui-
dam chnum litigarct. quod posferos iu lateret, eiusdem litis orationem scriptum 7nemoriae commeti-
davit. 8) Lucian. Demon. 58. 9) Hist. aug. Aurelian. 24, 5. 10) Fun. ad Tr. 60. ii)Tertull.
Apol. 46.
[in. 274]
2. PLASTIK UND MALEREI
73
nischen Schrifsteller Heraclitus ehrte seine Vaterstadt Rhodiapolis in Lycien
(im I. Jahrhundert n. Chr.) mit einer vergoldeten Büste und »der Statue für
wissenschaftliche Bildung« (d. h. einer solchen, wie sie Gelehrten und Schrift-
stellern gewöhnlich errichtet wurde) ; auf dieselbe Weise war er von den Ge-
meinden zu Alexandria, Rhodus, Athen, von dem dortigen Areopag, den
dortigen Epikureischen Philosophen und der »heiligen << Genossenschaft der
dramatischen Künstler geehrt worden').
Wie in den Munizipien diese Ehre im Namen der Stadt (wenn nicht durch die
gesamte Bürgerschaft) durch den Gemeinderat dekretiert zu werden pflegte"),
so in Rom bis auf Diocletian durch den Senat 3). Für Lucilius Longus, einen
der ältesten und nächsten Freunde Tibers, beschloß der Senat nach dessen
Tode im Jahre 23 unter andern Ehren eine Statue auf dem Forum des August
auf öffentliche Kosten; denn damals, sagt Tacitus, wurde noch alles im Senat
verhandelt^). Caligulas Verbot, einem Lebenden ohne seine ausdrückliche Er-
laubnis eine Statue oder ein Bildnis zu setzen 5), hob das selbständige Beschluß-
recht des Senats auf; doch Claudius stellte es wieder her, da er sogar (im Jahre
45) die öffentliche Aufstellung der Bildsäulen durch Private von der Erlaubnis
des Senats abhängig machte: nur solchen, die ein öffentliches Gebäude auf
eigne Kosten aufgeführt hatten, oder deren Verwandten war es in demselben
gestattet. Bis dahin hatte es jedermann frei gestanden, sein Bildnis gemalt oder
in Stein und Erz öffentlich aufzustellen. Die Folge war eine Überfüllung Roms
mit persönlichen Denkmälern gewesen, welcher Claudius durch eine neue Ver-
teilung abhalft). 'Doch eine Errichtung von Statuen in Tempeln (wie z. B. der
des Antonius Musa, des Arztes Augusts, aus freiwilligen Beiträgen im Äsculap-
tempel)^) dürfte nach wie vor Privaten erlaubt gewesen sein.
Da übrigens der Senat diese Ehre sicherlich immer, wenn nicht auf den Be-
fehl, so doch im Einverständnisse mit den Kaisern votierte, so wird die Errich-
tung von Statuen ebensogut auch diesen zugeschrieben. Von Tiberius sagt
z. B. Cassius Dio, daß er viele Verstorbene durch Bildsäulen ehrte ^). Lebenden
wurden (abgesehen von den Mitgliedern des Kaiserhauses) Statuen überhaupt
in Rom nicht gar zu oft gesetzt; gegen. Tote dagegen waren Senat und Kaiser
mit dieser Ehre freigebig. Unter Nerva erhielt der sehr jung verstorbene Vestri-
cius Cottius eine Statue 5); unter Marc Aurel die Vornehmsten der durch die
Pest Hingerafften und die im Markomanenkriege gefallenen Adligen, die letz-
teren auf dem Trajansforum'°). Bei einem Regierungsantritte scheinen in der
Regel die verstorbenen Verwandten des neuen Kaisers Statuen erhalten zu
haben. Claudius wäre unter Caligula fast des Konsulats (37) entsetzt worden,
weil er die Ausführung und Aufstellung der Statuen der verstorbenen Brüder
I) IGR III 733: TW Tnc; naibeiaq dv&piavTi (dazu unten S. 90 A. 5). 2) Huic primo omnium
pMke decurionum) d[ecret6) statua posita est heißt es in einer Inschrift von Antiochia in Pisidien
aus der Zeit des Augustus, Dessau 9502. 3) Mommsen StR. III 1 184 ff. Erst seit Diocletian be-
antragte der Senat sie beim Kaiser. Der Erlaubnis des Senats bedurfte es nicht bei den Statuen
der Triumphatoren (vor Hadrian) und anfangs der Bauherren, Mommsen a. a. O. P 450 f. 4) Tac.
A. IV 15. 5) Sueton. Calig. 34, i. 6) Cass. Dio LX 25, 2 f.; vgl. Mommsen a. a. O. P 451 2
7) Sueton. Aug. 59. 8) Cass. Dio LVII 21,3. 9) Plin. ep. II 7, 3. 10) Hist. aug. M. Aurel.
13, 5. 22, 7; vgl. Cass. Dio LXXI 3, 5. CIL VI 1377 = Dessau 1098, s. auch CIL VI 1540. 1549
= Dessau 11 12. iioo.
Votierung der
Statuen durch
die Gemeinde-
räte, in Rom
durch den Se-
nat.
Öffentlich errich-
tete Statuen Ver-
storbener —
74
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[in. 275]
und Lebender
Orte der Aufstel-
lung in Rom.
Die Statuen
der Ober-
vestalinnen.
des Kaisers, Nero und Drusus (f 30), nachlässig betrieben hatte'). Nero erbat
noch im Jahre 54 vom Senat eine Statue für seinen Vater Gnaeus Domitius^).
Antoninus Pius »nahm die (vom Senat) für seinen Vater, seine Mutter, seine
Großeltern und Brüder, die sämtlich schon tot waren, dekretierten Statuen gern
an«^). Marc Aurel ehrte sogar die Freunde seiner Eltern nach ihrem Tode
durch Statuen'*). Sever setzte deren seinen verstorbenen Angehörigen, seinen
Eltern, seinem Großvater und seiner ersten Gemahlin^).
Doch auchLebenden erwiesen Senat und Kaiser zuweilen diese Ehre; soTrajan
seinen besonders geschätzten Freunden Sosius Senecio, Cornelius Palma und
Publilius Celsus^). Marc Aurel, der für seinen Lehrer in der Philosophie Junius
Rusticus nach dessen Tode im Senat mehrere Statuen forderte, verlangte eine für
seinenLehrer in der Beredsamkeit, Fronto, offenbar noch bei dessenLebzeiten^).
Aufseinen und seines Mitregenten Commodus Antrag votierte der Senat dem Prä-
fekten des PrätoriumM.BassäusRufus drei Statuen: eine vergoldete auf dem Forum
Trajans, eine in bürgerlicher Tracht in dem Tempel des Pius, eine im Harnisch
wahrscheinlich in dem des rächenden Mars ^). Statuen gehörten zuweilen auch zu
denmilitärischenBelohnungen^). Constantius ließ z. B. die der Führereines kühnen
Ausfalls aus dem von den Persern (359) belagerten Amida in Armenien (Diar-
bekir) auf einem belebten Platze zu Edessa aufstellen, wo sie Ammian noch sah '°).
Mit Statuen waren in Rom vor allem die sämtlichen Foren mit ihren Kolon-
naden und die bedeutendsten Tempel und deren V^orplätze gefüllt; das alte
Forum") und der Vorplatz des Juppitertempels auf dem Kapitol schon in der
Republik. Von hier versetzte August eine Anzahl von Statuen berühmter
Männer wegen Mangels an Raum auf das Marsfeld '"). Auf dem Forum Augusts
wurden bis auf Trajan die vom Senat dekretierten Triumphalstatuen aufgestellt,
nach Trajan gewöhnlich auf dessen Forum. Überhaupt wurde dieses je länger
je mehr »der Mittelpunkt des Glanzes und der Auszeichnung«, schon seit der
Zeit der Antonine, wovon auch zahlreiche (bis ins 6. Jahrhundert hinabreichende)
dort gefundene Postamente zeugen'^). Eine sehr seltene Ehre war eine Statue
auf dem Palatium, die der Senat dem Vater des Kaisers Otho (L. Otho) für die
Entdeckung eines Mordanschlags auf Claudius votierte''*). Dort ȟber den
Triumphalstatuen auf dem Forum« ließ Nero auch im Jahre 65 die Statuen des
nachherigen Kaisers Nerva und des Tigellinus aufstellen '5). Sejan erhielt auf
den Beschluß des Senats eine Statue im Pompejustheater, weil er die Ausbrei-
tung eines Brandes, der darin im Jahre 22 ausgebrochen war, verhindert hatte '^).
Passienus Crispus, der sich als Anwalt in Centumviralprozessen ausgezeichnet
hatte, erhielt eine Statue in der Basilica Julia '^).
Die lebensgroßen Statuen der Obervestalinnen standen im Peristyl des jetzt
wieder aufgedeckten Vestalinnenhauses ringsum unter der Säulenhalle; sech-
l) Sueton. Claud. 9, i. 2) Tac. Ann. XIII 10. 3) Hist. aug. Anton. P. 5, 2. 4) ebd. M. Aurel.
29, 8. 5) ebd. Sever. 14, 4, wo nach ntmore belli Parthici eine Lücke, dann etwa [propinquis] ex-
stinctis patri matri usw. zu lesen ist. 6) Cass. Dio LXVIII 16, 2. Basis, wahrscheinlich von der
Statue des Palma auf dem Forum des August, CIL VI 1386 = Dessau 1023. 7) Hist. aug. M. Aurel.
2, 5- 3. 5. 8) CIL VI 1599 = Dessau 1326. 9) CIL II 3272. 10) Ammian. XIX 6, 12. 11) Jor-
dan, Ephem. epigr. III 1877 S. 248 ff.; Topogr. I 2 S. 228f. 12) Sueton. Calig. 34, l. 13) Jordan,
Topogr. I 2 S. 465f. 14) Sueton. Otho i. 3. 15) Tac. A. XV 72. 16) ebd. III 72; vgl. Seneca
cons. ad Marc. 22,4. 17) Schol. Juv. 4, Si.
mente.
[lU. 276, 277] 2. PLASTIK UND MALEREI 75
zehn davon sind ganz oder bruchstückweise erhalten, außerdem 30 Postamente
mit Inschriften, von welchen 27 der Zeit vom Anfange des dritten bis zum acht-
zigsten Jahre des vierten Jahrhunderts angehören. Errichtet waren diese Statuen,
deren feierlicher Ernst an dieser Stelle für den Beschauer etwas Ergreifendes
hatte, teils von Priesterkollegien und einzelnen Priestern, teils von nahen Ver-
wandten (meist Brüdern und Schwestern mit ihren Familien), teils von Unter-
gebenen, Freigelassenen und solchen, die den Obervestalinnen zu Dank ver-
pflichtet waren. Von Zeit zu Zeit muß hier immer durch Wegräumung älterer
Statuen für neu aufzustellende Platz geschafft worden sein, zumal da die den-
selben Personen gesetzten sehr zahlreich sein konnten; wir kennen sieben einer
Flavia Publicia aus der Mitte des 3. Jahrhunderts und ebensoviele einer Coelia
Claudiana aus der nächstfolgenden Generation').
Derartigfe von Privatpersonen errichtete Denkmäler werden selbstverständ- Privatmonu-
lieh weit seltener erwähnt als öffentliche; aber ob sie weniger zahlreich waren,
ist die Frage. Zu ihnen gehören u. a. die von den Kollegien (Zünften, religiösen
und andern Genossenschaften) ihren Patronen, Patroninnen^) und sonstigen
Gönnern^), von Soldaten ihren Befehlshabern'*) usw. gesetzten Statuen. In Pal-
myra war es im 2. und 3. Jahrhundert offenbar gewöhnlich, daß die an einer
Karawanenreise teilnehmenden Kaufleute dem Karawanenführer (cruvobidpxn^S-
der aus den angesehensten Bürgern der Stadt entnommen zu sein pflegte, eine
Statue errichten ließen^). Besonders häufig aber waren die beliebten und be-
rühmten Bühnenkünstlern, Musikern, Athleten und Wagenlenkern von ihren
Anhängern und Verehrern errichteten Denkmäler; die der Wagenlenker waren
wohl wenigstens großenteils von den Faktionen gestiftet. Die Menge solcher
Statuen in dem eigentümlichen Kostüm des Zirkus fiel in Rom um die Mitte
des 2. Jahrhunderts den Fremden auf, und nicht bloß diese Statuen, sondern auch
die von Pantomimen sah man mit Götterbildern zusammen (d. h. in Tempeln) auf-
gestellt^). Daß übrigens solche Künstler auch von den Gemeinden mit Stand-
bildern geehrt wurden, und nicht bloß in Griechenland, ist bereits erwähnt
worden^). So werden denn die Denkmäler der berühmten sehr zahlreich ge-
wesen sein. Nero zwang den schon sehr alten Tragöden Pammenes zum Wett-
kampf, um nach erlangtem Siege seine Statuen beschimpfen zu können^). Be-
rühmte Athleten kannte man nach ihren an vielen Orten aufgestellten Bronze-
statuen ^). Solche wurden besonders von den Genossenschaften der Athleten
li Jordan, Tempel der Vesta u. Haus der Vestalinnen (1886) S. 44 — 47. CIL VI 2131 — 2145.
32409 — 32428 (p. 3296 ff.). Dessau 4923 — 4939. 2) Bronzestatue einer patro/ta colkgii neben der
ihres Manns in schola collegi fabrum civitatis Volsiniensiitm, CIL XI 2702 = Dessau 7217- 3; CIL
XII 4393 = Dessau 7259 (die zum Schmuck der Stadt Augustodunum beim Einzüge Constantins
verwandten signa collegiortim Paneg. lat. V 8, 4 waren wohl Götterbilder). Bildnisse der Stifter und
verdienter Lehrer werden vielfach in den Gymnasien (Ziebarth, Aus dem griech. Schulwesen^
S. 108), der Kosmeten von den Epheben (IG IE 735 ff".), der Beamten der öi'aöoi von den letzteren
(Poland, Gesch. d. griech. Vereinswesens S. 431 ff".) errichtet. 4) CIL V 7007 = Dessau 2544 (Aug.
Taurin.) — primipilari — dcciirioncs alae Gaetztlontm, quibus praefuit bello ludaico. 5) Lebas-
Waddington2589 (142 n.Chr.). 259o(i55).2596 (193). 2599 (247). 2603 ( — dpxejuiropov dvaKO|ui(JavTa
Triv öuvo6(av TTpoiKC* et iöituv, 257/58). Vgl, 2606a. Mommsen RG. V 428 f. 6) Vgl. oben II 27.
7) Oben S. 70. S) Cass. Dio LXIII 8, 5; vgl. Sueton. Nero 24, l. 9) Philostrat. Heroic. 2, 6
p. 146 Teubn.
76
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 278]
errichtet ') ; in manchen Spielen Griechenlands waren sie ein Teil des dem Sieger
zuerkannten Preises"); in den Leonideen zu Sparta erhielten die Sieger hundert
Drachmen zu einer Büste ^).
Veranlassungen In den mannigfachsten Verhältnissen des Privatlebens war die Errichtung
^^^ ^"rselbeif ^^^^^ Statue ein gewöhnlicher Ausdruck der Freundschaft und Hochachtung, der
Ehrerbietung und Dankbarkeit. Schüler erwiesen diese Ehre ihren Lehrern'*),
geheilte Patienten ihren Ärzten^), freigesprochene Angeklagte ihren Verteidi-
gern^), Klienten und Freigelassene ihren Patronen (wie der ältere Plinius be-
richtet, in deren Atrien)^), Gastfreunde vornehmen Gästen^). Der Obervestalin
Campia Severina (im 3. Jahrhundert) errichtete jemand eine Statue, der ihr den
Ritterstand und eine militärische Beförderung verdankte ; ein andrer, weil er auf
ihre Empfehlung zum Leiter der Verwaltung der kaiserlichen Bibliotheken er-
nannt worden war^). Für einen D. Junius Melinus, der in der Stadt Cartima
in Bätica zuerst römischer Ritter geworden war, hatten seine Freunde dort noch
während seines Lebens eine Statue bestellt; als er (wie es scheint vor der Er-
richtung) starb, setzte die Mutter sie dem Toten auf eigne Kosten '°). Von den
oben erwähnten fünfzehn Statuen des konsularischen Amtsdieners L. Licinius
Secundus zu Barcelona ist eine von den Sevirn der Augustalen zu Barcelona, zu
denen er gehörte, eine von einem Kollegium, zwei von einzelnen Sevirn, fünf
von Freunden, eine von einem Freigelassenen errichtet worden"). Doch auch
höher Gestellte bezeugten Geringeren auf diese Art ihre Achtung. Der Kon-
sular Aemilianus Strabo hatte in einem Schreiben an den Gemeinderat zu Kar-
thago erklärt, dort dem Apulejus eine Statue errichten zu wollen, und Apulejus
äußert sich für diese Ehre überschwenglich dankbar").
Endlich war es offenbar zu allen Zeiten häufig, daß Privatpersonen sich selbst
bei Lebzeiten durch Statuen verewigten, was ja, wie bemerkt, zu Rom vor dem
Jahre 45 sogar an öffentlichen Orten hatte geschehen können. Wie seitdem dort
der Senat, so mußte in den übrigen Städten der Gemeinderat zur öffentlichen
Aufstellung von Privatdenkmälern die Erlaubnis geben, beziehentlich den Platz
anweisen. In einer Stadt in Südspanien wurde einem lebenslänglichen Augustalen
außer öffentlicher Bewirtung [ccnae publicae) vom Gemeinderat ein Platz ange-
wiesen, um Statuen für sich, seine Frau und Kinder zu errichten, was auch ge-
schah*^). Auf eignem Grund und Boden stand selbstverständlich die Errichtung
beliebiger Denkmäler jederman frei"*). Der Redner M. Aquilius Regulus hatte in
seinem Garten jenseits des Tiber eine sehr weite Strecke mit unermeßlichen Ko-
lonnaden bebaut, das Ufer mit seinen Statuen besetzt ; wie er denn (nach der Ansicht
Errichtung der
eigenen Statue.
i) Lebas-Waddington 1620. 1620a. 2) CIG 4352 (Side): Xaßoiv äöXov to re 6e|Lia Kai töv
dvöpidvTO OÜv Trj ßaaet. IG V I nr. 530 (Spartaj: Agonothet der Cäsareen und Eurykleen ikc, T6
ciKOvaq KOI toÜ(; dvöpidvxa^ tOüv veviKriKOTUJV ävaaTrjöaq. 3) IG V i nr. 19. Kuhnert, De
cura statuar. (Regim. 1883) S. 26. 4) z. B. IG III 773. 775. Dittenberger, Syll.^ 828. CIL VI 32051
= Dessau 1237 (aus dem 4. Jahrhundert): Ravctmates monumeittum peretinis mcmoriae — stattiali
veneratione dicavenmt. 5) z. B. IG HI 778. 6) Oben I 182. 7) Plin. n. h. XXXIV 17. 8) IG
VII 87 (Megara): TTöirXiov fAi\x\i\ov PfiY^ov — rvaiO(; OuireWioq fvai'ou uiöq Kpiairoq töv
€auToO Eevov (unter Claudius). 9) CIL VI 2131. 2132 = Dessau 4929- 4928. 10) CIL II 1955.
II) Oben S. 67. CIL II 4536—48. 6148. 6149. 12) Apulei. Florid. 16. 13) CIL II 1721 =
Dessau 5492. 14) Statuen vornehmer Personen in deren Villen: De Rossl, Bull. arch. crist. N. S.
m (1872) S. 96. 104 f. 109.
[III. 279]
2. PLASTIK UND MALEREI
77
seines erbitterten Gegners Plinius) bei großem Geize verschwenderisch, bei all
seiner Verrufenheit prahlerisch war"). Seinem im Jahre 104 im Knabenalter
verstorbenen Sohne ließ er eine Menge Statuen und Bildnisse errichten, betrieb
die Herstellung in allen Werkstätten, ließ ihn in enkaustischen und andern Ge-
mälden, in Bronze, Silber, Gold, Elfenbein, Marmor abbilden'). Ebenso will
Claudius Etruscus bei Statius die Züge seines in hohem Alter gestorbenen
Vaters in »leuchtendem Stein«, in Elfenbein und Gold, und auf Tafeln mit far-
bigem Wachs verewigen lassen^;.
Wie unter den öffentlichen, so werden auch unter den Privatdenkmälern die Frivatmonumente
Bildnisse der Toten, gemalte wie gemeißelte'^), zahlreicher gewesen sein, als f är Verstorbene -
die der Lebenden. Herodes Atticus ehrte nicht bloß seine verstorbene Gemahlin
Annia Regula durch eine Menge von Monumenten^), sondern errichtete auch
von seinen Pflegesöhnen Achilles und Polydeukes (f nach 130) nach ihrem Tode
> auf Feldern, in Gebüschen, an Quellen und unter schattigen Platanen« Marmor-
statuen, die sie jagend, sich zur Jagd rüstend oder davon ausruhend vorstellten:
Inschriften (die zum Teil noch erhalten sind) sprachen Verwünschungen gegen
jeden aus, der diese Figuren verstümmeln oder von der Stelle rücken würde ).
Ein Teil der Monumente von Verstorbenen schmückte natürlich ihre Gräber.
Auch unter diesen waren öffentliche, deren Errichtung nicht selten mit einem besonders
Begrräbnis auf öffentliche Kosten verbunden wurde ^). Sehr häufig wurden in als Grab-
r^ , , ^ , . ■, ■, r- T-.- denkmäler.
Testamenten über die am Grabe zu errichtenden Statuen Bestimmungen ge-
troffen^); so z. B. von einem Duumvirn in Brixia über sieben Statuen nebst
Postamenten, die ihm, seinem Sohn und fünf andern Personen gesetzt werden
sollten^). In einer nordafrikanischen Stadt vermachte jemand der Gemeinde ein
Kapital, von dessen Zinsen eine jährliche Geldverteilung an seinem Geburts-
tage, außerdem aber die Errichtung seiner Statue für 3200 S. in jedem siebenten
Jahre bestritten werden sollte '°). In einer Stadt Südspaniens verordnete eine
Frau, daß ihr eine Statue für 8000 S. (1740 Mark) errichtet, und verschiedene
Geschmeide daran angebracht werden sollten, mit genauer Angabe der Zahlen
der (goldenen) Glieder und Perlen, aus denen die einzelnen Schnüre bestehen
mußten; ihr Sohn fügte noch silberne, mit Edelsteinen besetzte Armbänder und
einen Jaspisring für 7000 S. hinzu "). In dem Testament eines begüterten Manns
in der Gegend von Langres wird die Errichtung eines zweistöckigen Grabmals
angeordnet, dessen Oberstock einen nach vorn offenen, durch Säulen abge-
schlossenen Raum [exedra] bilden sollte: hier sollten zwei Statuen des Ver-
storbenen stehen, eine, sitzend, »aus dem besten überseeischen (wohl griechi-
schen) Marmor«, die andre aus der besten Bronze zweiter Sorte (die zu öffent-
lichen Publikationen verwandt wurde — aes tabidare)^ mindestens fünf Fuß
hoch"). Der Trimalchio Petrons (dessen testamentarische Bestimmungen in
i) Plin. ep. IV 2, 5. 2) ebd. IV 7, i. 3) Stat. S. III 3, 200—202. 4) Plin. ep. III IC, 6.
5) Dittenberger, Syll.^ 857. IG III I417. XIV 1389— 1392 (Dittenberger Syll.^ 858. Kaibel,
Epigr. gr. 1046). 6) Philostrat. Vit. sophist. II i, 10. IG IH 810. 811. 813—818. 1418 (= Kaibel,
Epigr. gr. 1090), vgl. 1417. 1419 — 1422. Dittenberger, Syll.^ 861. 7) z.B. CIL II 339. 2063.
2131. 2188. 2344f. 3251. 4268 (ein Standbild post mortem adicctis ornamentis aediliciis); vgl.
F. Vollmer, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 1893 S. 328 f. 8) z. B. CIL II 1923. 1941. 4020. 9) €11,
V 4462. 10) CIL Vin II20I = Dessau 5494 (civitas Zuccharitana). 11) CIL II 2060 = Dessau
5496. 12) CIL XTII 570S = Dessau 8379. oben II 363. Vgl. CIL II 3165a.
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 280, 281]
Statuen be-
rühmter Män-
ner der Vorzeit.
Fortdauer der
Errichtung per-
sönlicherDenk-
mäler bis in die
letzte Zeit des
Altertums.
manchen Beziehungen an die dieser Urkunde erinnern) bestellt für sein Grab-
mal seine Statue mit einem Hündchen, nebst Kränzen und Salben am Boden;
zu seiner Rechten soll die seiner Frau stehen, eine Taube in der Hand und eben-
falls ein Hündchen an einem Bande haltend']. Der freigelassene Abascantus,
Sekretär Domitians, errichtete seiner Gemahlin Priscilla ein palastartiges Grab-
mal, in welchem ihr Bild mehrmals wiederholt in den Gestalten verschiedener
Göttinnen stand, als Ceres und Ariadne in Bronze, als Maja und keusche Venus
in Marmor'). Verstorbene in der Gestalt von Gottheiten darstellen zu lassen,
war überhaupt nicht selten^), doch die Darstellung nach dem Leben die Regel.
Ein großer Teil der erhaltenen Porträtstatuen und -büsten stammt von Grab-
denkmälern. Die Wanderer, welche zwischen diesen rechts und links an den
Landstraßen sich hinziehenden Monumenten den Toren großer Städte zuschrit-
ten, sahen sich gleichsam von langen Reihen von Erz- und Marmorbildern der
Männer und Frauen früherer Geschlechter begrüßt, ehe sie in das Gewühl des
Lebens der Gegenwart eintraten.
Übrigens dürfte auch die Errichtung von Denkmälern hervorragender Männer
aus älterer Zeit durch ihre Verehrer und Bewunderer immer häufig gewesen
sein. So ließ Caracalla nicht bloß »in allen Städten« Bildnisse und Statuen von
Alexander dem Großen, teils allein, teils zusammen mit dem seinigen aufstellen
(das letztere namentlich zu Rom auf dem Kapitol und sonst in Tempeln), son-
dern auch von Sulla und Hannibal'').
Die Herstellung persönlicher Denkmäler ist bis in das späteste Altertum nicht
bloß durch die Malerei, sondern auch durch die Plastik in verhältnismäßig
großem Umfange betrieben worden. Die Sucht, sich durch prunkende Bild-
werke, namentlich vergoldete Bronzestatuen zu verewigen, wurde noch zu Ende
des 4. Jahrhunderts von Ammian zu den charakteristischen Neigungen des rö-
mischen Adels gezählt^). Von den hervorragendsten Schriftstellern und Dich-
tern dieser Zeit wurde die Ehre der Statue dem Rhetor Marius Victorinus und
dem Dichter Claudianus (beiden auf dem Trajansforum)^) zuteil; und Ausonius
sagt, wenn er die Zuschrift des Kaisers, die seine Ernennung zum Konsul ent-
hielt, überall anschlagen ließe, würde er mit so vielen Statuen geehrt werden,
wie die Bücher Seiten haben^). Noch unter Zeno wurden zu Rom Standbilder
errichtet^), und es gab deren dort auch von Theoderich (dieRusticiana umstürzen
ließ) 5). Unter den gewiß zahlreichen Statuen Justinians zu Constantinopel wird
seine kolossale Reiterstatue aus Bronze auf dem Augusteum die hervorragendste
gewesen sein: in der Linken hielt der Kaiser die Weltkugel mit dem Kreuz,
und die Rechte war wie gebietend nach Osten ausgestreckt'").
i) Petron. 71, 6. 11. 2) Stat. Silv. V i, 231 ff. Vgl. oben I 57. 3) W. Schwarzlose, De titulis
sepulcralibus latinis quaest. (Diss. Halis Sax. 1913) S. 45 ff., vgl. auch Stat. silv. II 7, 125 mit der
Anm. von Vollmer; z.B. CIL VI 15594 = Dessau 80631^: simtilacra Claudiae Semnes in formam
deonim. 4) Herodian. IV 8, if. 5. 5) Ammian. XIV 6, 8. 6) Augustin. conf. VIII 2, 3 (vgl.
Hieron. chron. z. J. Abr. 2370). CIL VI 1710 := Dessau 2949 (vgl. Claudian. de bell. Poll. praef.
7 ff.). Das Bild des Sidonius ApoUinaris stand nicht auf dem Forum Traiani, sondern in der Biblio-
theca Ulpia, s. oben 11 223. 7) Auson. Gratiar. act. 10 p. 365 f. Peip. 8) Anon. Vales. 9, 44.
9) Procop. B. Got. III 20, 29. 10) Procop. De aedif. I 2 p. 182 Dind. (vgl. I 11 p. 205 Statue der
Theodora).
III. 282 1
2. PLASTIK I;ND MALEREI
79
c. RELIGIÖSE KUNST.
Das dritte große Kunstgebiet außer dem dekorativen und dem monumentalen,
auf dem eine unaufhörliche Massenproduktion einem in der ganzen römischen
Welt verbreiteten Bedürfnisse zu entsprechen hatte, war das religiöse. Hier
konnte freilich für die eigentlichen Kultuszwecke fast allein die Plastik tätig sein,
Malerei und Mosaik nur für die Dekoration der heiligen Räume in Anspruch
genommen werden'). Die Natur, die Stärke und allgemeine Verbreitung des
Götterglaubens in jener Zeit, von dem der Bilderdienst unzertrennlich war, wird
später ausführlich behandelt werden. Mindestens von der großen Zahl der be-
deutenderen Gestalten der römisch-griechischen Götterwelt hatte damals noch
keine ihre Verehrung eingebüßt, dagegen hatten zahlreiche früher auf enge
Gebiete beschränkte Fremdgötter, namentlich des Orients, sich über das ganze Menge der Götter-
Weltreich verbreitet: die Zahl der göttlichen Personen war also gewachsen. Theokrasie.^^
Doch das Ansehen und die Verbreitung der einzelnen Götterdienste nahm infolge
verschiedener Einflüsse nicht selten erheblich ab oder zu. Namentlich der zur
Schau getragene Eifer einzelner Kaiser für bestimmte Kulte (wie August für
den des Apollo, Domitian für den der Minerva, Commodus für Hercules und
verschiedene Fremdkulte, Sever für Hercules und Bacchus) ^j konnte nicht ohne
Wirkungen bleiben: jede dieser Regierungen machte den von ihr ausgezeich-
neten Dienst in weiten Kreisen zum herrschenden und trug im entsprechenden
Maße zur Vervielfältigung seiner Idole bei. Die Massen von Götterbildern, die
infolge der zunehmenden Theokrasie sich in allen größeren, an Tempeln reichen
Städten gesammelt haben müssen, sind wir völlig außer stände uns vorzustellen^).
Die Angabe einer Legende, daß auf dem Kapitol zu Trier hundert Götzenbilder
gestanden haben, ist an sich nichts weniger als unglaublich oder erstaunlich'*).
Der Eifer, die Götter zu verehren und ihre Gnade durch fromme Werke aller
Art zu gewinnen, betätigte sich mit Vorliebe durch Schenkungen und Stiftungen
zu Kultuszwecken, vor allem von Götterbildern, und zwar nicht bloß für die
Tempel; sie galten, wie bemerkt, auch als der würdigste Schmuck für öffentliche
Plätze und Bauten. Die zufällig hei dem älteren Plinius erhaltene Nachricht, daß
die Hauptstadt der Arverner (Clermont) einen kolossalen Merkur ausführen ließ,
dessen Herstellung zehn Jahre dauerte und wofür der Künstler an Honorar allein
400000 S. (87000 Mark) erhielt^), gibt einen sehr hohen Begriff von dem auch
in den Provinzen für Götterbilder gemachten Aufwände und nötigt zu der An-
nahme, daß deren Herstellung in allen Größen und Materialien sowie in allen
i) CIL VIII 7957 = Dessau 5408 (Rusicade): tcinplum ciuii ornamentis et pictura. CIL III 4800
= Dessau 4198 (Virunum, 239 n.Chr.): teiii[phtin) vdustatc conl[ap\s{um) sumtu suo ctmi pictura
>-cfe\c[it^\ vgl. aed{em) Herdulis) — fac[iendam\ pitig[cndamque] c{oeravertint) CIL IX 5052= Dessau
5404; aedes picta in Gigthis, CIL VIII 22698. 2) Wissowa, Relig. u. Kultus d. Römer* S. 74 f.
255. 94. 369. 303, 6. 3) In Aphrodisias ist ein veiJUTioirit; zugleich einer der eTri|a€\r]Tai, welche
TC«; dv6piavTo6iiKa^ KaroöKeudaai sollen, CIG 2749. 4) Acta SS. Januar. II 919 (vgl. Serv. Aen.
II 319: in Capitolio enim omniiim deorum siviulacra colebantur. Jordan, Topogr. I 2 S. 50 f.). Ein
auf dem Gebiete von Trier nebst andern sigilla von einem Geistlichen umgestürztes Bild der
Diana [simulacrum — quod populus hie incredulus qua i detim adorabat Gregor. Tur. Hist. Fr. VIII
15) war wohl ein keltisches Idol. 5) Plin. n. h. XXXIV 45.
8o Xn. DIE BILDENDEN KÜNSTE [UI. 283, 284]
Abstufungen des künstlerischen Werts Tausende von Werkstätten im römischen
Reiche beschäftigte.
Ansiedlungen Sodann ist ZU glauben, daß bei jedem größeren Tempel eine Ansiedlung von
vonKüastiem Künstlern und Kunsthandwerkern bestand, die den zuströmenden Gläubigen
Tempeln! die Möglichkeit gewährte, sowohl durch fromme Darbringungen und Stiftungen
(von Götterbildern, Weihgeschenken, Votivtafeln) der Gottheit ihre Verehrung
zu erweisen, als auch Andenken aller Art von dem Heiligtum in die Heimat
mitzunehmen: diese Künstler konnten dann auch zu den fort und fort erforder-
lichen Reparaturen und Dekorationsarbeiten herangezogen werden'). Von
dem neuen Gotte in Schlangengestalt mit Menschenantlitz, den Alexander von
Abonuteichos seinen Gläubigen vorwies und Glycon nannte, waren sogleich in
Paphlagonien und den angrenzenden Landschaften Gemälde und plastische
Darstellungen in Bronze und Silber zu haben ^). Allbekannt ist der Silberschmied
Demetrius, der zu Ephesus Nachbildungen des Tempels der großen Artemis
verfertigte, was dort vielen Arbeitern einen großen Verdienst gab^); selbstver-
ständlich müssen andre Künstler Nachbildungen des berühmten Bilds der Göttin
zu allen Preisen geliefert haben. Derartige Andenken für Wallfahrer mag auch
ein Händler mit Elfenbeinsachen verkauft haben, dessen Inschrift in der Nähe
des Tempels der Feronia am Soracte gefunden worden isf*). Dasselbe läßt sich
für alle großen und vielbesuchten Tempel voraussetzen, wenn es auch nur für
den der Aphrodite auf Cypern nachweisbar ist, deren tönerne Idole sich in See-
gefahr wundertätig erweisen sollten: schon aus dem Anfange des 7. Jahrhun-
derts V. Chr. wird berichtet, daß ein Schiff aus Naukratis aus einem furchtbaren
Sturm aufs wunderbarste durch ein spannenlanges Aphroditebild von altertüm-
licher Arbeit gerettet v.'urde, das ein mitreisender Kaufmann in Paphus gekauft
hatte und bei sich trug^).
Erwägt man nun noch, daß nach TertuUian Kunstarbeiter, die Christen ge-
worden waren, erklärten, nicht zu wissen, wovon sie leben sollten, wenn ihnen
die Anfertigung von Götterbildern verboten wäre^), so wird man glauben, daß
das religiöse Gebiet dasjenige war, auf dem die Kunstfertigkeit im ganzen rö-
mischen Reiche am meisten in Anspruch genommen wurde.
I; Die als stibacdiani bezeichneten Handwerker \fabri stibaediafii in Narbo CIL XII 4393 =
Dessau 7259, fab)-i siibidiani in Ccrduba U 221 1 = Dessau 7222, marmoraritts subaedanus VI
33293 = Dessau 7678; bloß subaediani VI 1958. 9559. 33875 = Dessau 7261. VIII 10523 ^
Dessau 7260. X 6699 = Dessau 7262, Antium; sind vielleicht Handwerker, die in dauernder Be-
ziehung zu bestimmten Tempeln standen und bei den Bauten der Instandhaltimg und Dekoration
derselben beschäftigt wurden. Mommseu, Bull. d. Inst. 1853 S. 30 vermutet, es seien die sub aedibus
arbeitenden, also intestinarii , im Gegensatz zu den sub divo arbeitenden tignarii. Dieser Er-
klärung schließt sich Marquardt, Privatl.^ 624, 5; 721, 2 an, während Mau die Bedeutung des
Wortes für dunkel erklärt. Den Aufenthalt in der Nähe einer Lokalität bezeichnet sub in su?n-
moenianus und subrostranus^ innerhalb derselben in stibbasilicanus. O. Marucchi, Bull. arch. com.
V (1877) S. 255 ff. meint, die subaediani seien '■negozianti sotto barache — coloro che aveano un^i
bottega coperta\ 2] Lucian. Alexander 18. 3) Acta apostol. 19, 24. 4} CIL XI 3948 = Dessau
7704a (dazu Eormann, Arch. epigr. Mitteil. X 1886 S. 229 f.), vgl. den eboraritis ab Hercuk Pri-
migeiiio CIL VI 7655 = Dessau 7707. 5) Athen. XV 675 f. Hesych. öaxpaKi'q- ix'\a\\y.6.x\hv Ti
'Aqppobmiq. Über die zuweilen mit dieser Erzählung zusammengebrachten sog. 'Inselidole' vgl.
Dragendorff, Theraeische Gräber ;Hiller v. Gaertringen, Thera II 1903) S. 122 f. 6) TertuUian.
de idolol. 1;.
[ni. 285]
2. PLASTIK UND MALEREI
81
Dreifach war also die Aufgabe, welche die römische Kultur den bildenden
Künsten stellte: dem Glauben Bilder der Gottheit zu schaffen und die ihr ge-
weihten Räume würdig zu schmücken, das Gedächtnis von Personen und Er-
eignissen der Nachwelt zu überliefern, die Wohnungen der Lebenden wie der
Toten mit heiterer Pracht zu füllen. Jedes dieser Bedürfnisse war im Wesen
der römischen Kultur, wie sie sich seit dem Beginne des römischen Weltreichs
gestaltete, tief begründet: alle drei verbreitete sie über die Welt, die sie sich
je länger desto völliger unterwarf; und darum folgte ihr die Kunst, die jene
Forderungen allein zu erfüllen vermochte, überall bis an die Grenzen ihres gan-
zen ungeheuren Gebiets.
Die bisher mitgeteilten Tatsachen beweisen dieses schon hinlänglich. Aber
freilich, wollte man deren (was sehr leicht wäre) noch weit mehr häufen: niemals
würde es doch gelingen, ein deutliches Bild dieser Massenproduktion der Künste,
die (auf einem Gebiet von über 5 Mill. Quadratkilometer) jahrhundertelang
unablässig fortdauerte, zu entwerfen. Wir Modernen kennen das Kunstbedürf-
nis und die ihm entsprechende künstlerische Tätigkeit nur als verhältnismäßig
seltene, isolierte und engumgrenzte Erscheinungen. Jenes eine ganze Welt er-
füllende Kunstbedürfnis, das mit der römischen Kultur untergegangen ist, bleibt
uns bis auf einen gewissen Grad unfaßlich; die Tatsache, daß es wirklich nach
allen Richtungen hin völlige Befriedigung fand, behält für uns etwas Fabelhaftes,
wie viele Zeugnisse sie auch unzweifelhaft machen. Bei dem Versuch, die Über-
fülle der in Tausenden von Städten jahraus, jahrein neu entstehenden und trotz
aller Zerstörung sich immer mehr häufenden Werke sämtlicher bildenden
Künste sich vorzustellen, erlahmt die Phantasie.
Einen Blick freilich in diese versunkene Kunstpracht der römischen Welt hat
uns die Entdeckung der verschütteten Städte gewährt: und wenn sie uns auch
nur ein winziges Teilchen des ungeheuren Ganzen und noch dazu in sehr ent-
stellter Gestalt zeigt, immer bleibt diese Anschauung unschätzbar. Denn hier
erhält man den Eindruck, daß ein so verschwenderisch ausgestreuter Reichtum
in der Tat unerschöpflich sein mußte. Daß sich Herculaneum und Pompeji
durch künstlerischen Schmuck vor andern Städten Italiens irgendwie ausge-
zeichnet hätten, läßt sich durchaus nicht annehmen, im Gegenteil führt alles
darauf, daß sie uns höchstens das durchschnittliche Maß desselben kennen lehren.
Ostia war schon im 15. Jahrhundert eine unerschöpfliche Fundgrube von An-
tiken; die Menge der Statuen, Sarkophage, Mosaiken und Trümmer erregte
dort damals Verwunderung'). Ausgrabungen in Aricia, die nur neun Jahre
dauerten (1787 — 96), haben den größten Teil der stattlichen Skulpturensamm-
lung des Kardinals Despuig zu Palma auf Majorka geliefert^). Auch Werke wie
der Zeus von Otricoli, die Athena von Velletri usw. lassen eine hohe Meinung
von dem Schmuck der Mittelstädte gerechtfertigt erscheinen. Wie sie aber
durch die Pracht und den Reichtum der großen Städte (wie Capua, Bononia,
Ravenna) und der besonders glänzend ausgestatteten Orte (z. B. Antium) weit
überboten wurden, ebenso müssen diese wieder hinter Rom zurückgestanden
haben.
Ausdehnung des
Kunstbedürinisses
und der Massen-
produktion über
das ganze römi-
sche Reich.
Herculaneum und
Pompeji zeigen das
Durchschnittsmaß
des künstlerischen
Schmucks der
Städteltaliens.
i) Gregorovius, Stadt Rom im Mittelalter VII 566. 2) Hübner, Antiken von Madrid S. 292.
Friedlaender Darstellungen. III. 9. Aufl. g
82 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 286]
Statistische An- Von den Kunstwerken Roms haben wir einige Zahlenangaben. Sie sind teils
^künstleris'chen '" statistischen Notizen am Schluß einer Stadtbeschreibung aus dem 4. Jahr-
Schmuck Roms, hundert (Curiosum) erhalten, denen aber eine nachlässig bearbeitete Urkunde
• aus dem i. zugrunde liegt'), teils stammen sie wohl aus einer vollständigeren
Redaktion dieser Notizen, die der Rhetor und Bischof von Meletine, Zacharias,
bei Abfassung seiner Kirchengeschichte im Jahre 546 benutzte^). Wieviel von
diesen Angaben aus dem i . Jahrhundert fetwa der Zeit der Stadtvermessung
Vespasians) herrührt, wieviel aus späteren Verzeichnissen fz. B. denen des schon
unter Constantin begegnenden curator statiiarunif) hinzugetan ist, läßt sich
nicht ermitteln; auf jeden Fall sind sie sehr unvollständig. Verzeichnet sind
darin: 2 Kolosse (vielleicht der Bronzekoloß Augusts in der Gestalt Apollos, in
der Bibliothek beim Tempel des letzteren auf dem Palatin"*), und der von Ves-
pasian in einen Sonnengott verwandelte Neros), 22 kolossale Reiterstatuen,
80 vergoldete und 74 oder 77 elfenbeinerne Götterbilder (nur außerhalb der
Tempel aufgestellte sind hier gezählt) und 3785 Bronzestatuen »von Kaisern
und andern Feldherm«. Nicht gezählt sind also die übrigen Porträtstatuen aus
Bronze, die gewiß auch sehr zahlreichen profanen Marmorstatuen, die marmor-
nen und unvergoldeten bronzenen Götterbilder, die natürlich um sehr vieles
zahlreicher waren als jene kostbaren. Rechnet man dazu die in den Tempeln,
öffentlichen Gebäuden (Thermen, Portiken, Theatern usw.), Palästen und Privat-
häusern befindlichen Statuen, so begreift man, daß nach allen Zerstörungen
(namentlich durch die so häufigen, zum Teil ungeheuren Feuersbrünste) und
Verwüstungen der früheren und späteren Jahrhunderte^) noch Cassiodor sagen
konnte: in Roms Mauern scheine noch ein zweites Volk von Statuen zu wohnen^).
»Eine große Menge dieser Zierden erhielt sich bis ins 7. Jahrhundert, wo Con-
stans II. (seit 641) bei seiner Anwesenheit in Rom eine Plünderung vornahm,
nach welcher nicht viel Bedeutendes übrig geblieben sein kann«''). Und den-
noch haben die auf dem Boden der Stadt ausgegrabenen Überbleibsel der
Marmorwerke allein hingereicht, so viele Paläste und Museen zu füllen.
3. DER KUNSTBETRIEB.
Die bisherige Betrachtung hat die Verbreitung eines für die heutige Welt
fast unglaublichen Kunstbedürfnisses über das ganze Gebiet der römischen
Kultur, die Unentbehrlichkeit der sämtlichen bildenden Künste für Staat, Religion
i) s. oben I ii A. i. 2) Jordan, Topogr. II 148 — 152. 3) Notit. dign. occ. IV I4,vgl. CILVI 1708
= Dessau 1222. Vorläufer vielleicht schon in der mittleren Kaiserzeit CIL VI 9007. 31053 =
Dessau 3272, s. Hirschfeld, Kaiserl. Verw.-Beamt. S. 272, 3. 4) Schol. Hör. epist. I 3, 17, vgl. Plin.
n. h. XXXIV 43. 5] An diesen waren nach De Rossi, Bull. arch. crist. III 1865 S. 5 ff. die christ-
lichen Kaiser unschuldig, die vielmehr die aus Tempeln und andern Gebäuden entnommenen
heidnischen Statuen zum Schmuck der Städte verwandten. Basen von den Stadtpräfekten seit
dem 4. Jahrhundert zum Schmucke der öffentlichen Plätze aufgestellter Statuen CIL VI 1651 bis
1672. 31879 — 31892; die datierbaren reichen von 331 bis auf Theoderich. Über dessen Fürsorge
für Bildwerke in Rom vgl. Cassiodor. Var. X 30, i (bronzene Elefanten auf der Sacra via), in Co-
mum ebd. II 35 f. 6, Cassiod. Var. \TI 13, l. 7) Preller, Regionen S. 233, vgl. Jordan, Topogr.
II 372.
[III. 287] 3- DER KUNSTBETRIEB 83
und Privatleben gezeigt. Selbstverständlich stand die Ausbreitung sowie die
Höhe und der Umfang ihrer Leistungen im ganzen überall im Verhältnis zu der
Herrschaft der Kultur, in deren Dienste sie tätig waren. Wo diese fest, dauernd und
tiefgreifend war, entfaltete sich ihr Leben reich, großartig und glänzend. So z. B.
allem Anschein nach auch an der äußersten Ostgrenze des Reichs in den Städten
der ostjordanischen Landschaft Batanäa') und in Palmyra''), dessen reiche
Ruinenwelt uns trotz mancher nationalen Eigenart doch im wesentlichen das
Bild einer griechisch-römischen Stadt bietet; in Samosata fand Moltke »einen
Marmorfries von so schöner Arbeit, wie ich nie gesehen, Laubwerk, Vögel,
Stiere, alles so wohl erhalten, als ob es erst fertig geworden wäre«^). Wo die
römische Kultur nur für kurze Zeit und an der Oberfläche haftete, kam die
Kunstübung nicht über kümmerliche Anfänge hinaus; ganz aber hat es daran
selbst in den am unvollkommensten romanisierten Grenzlandschaften nicht ge-
fehlt. Dies bezeugen teils inschriftliche Angaben über Errichtung von Statuen,
z. B. in Mösien*) und Dacien^), teils Überreste von Bildwerken, die nur an Ort
und Stelle gearbeitet sein können^). An den am weitesten südlich von Tripolis
vorgeschobenen Posten der dritten Legion, am Rande der Hammada, konnten
Grabdenkmäler von Offizieren (wie erwähnt) mit Skulpturen ausgestattet wer-
den^). Von den Mithräen der Rheinlandschaften, die zu den allerbedeutendsten
dieser Gattung von Denkmälern gehören, ist keines aus Marmor, die besten aus
feinem Jurakalk. Sämtliche dortige Arbeiten aus diesem Material, sowie aus
Sandstein, rühren von provinziellen Bildhauern und Steinmetzen her, deren
große Mehrzahl allerdings nur eine handwerksmäßige Geschicklichkeit besaß,
die jedoch zum Teil römische Muster nachahmten^). Aus Jurakalk ist auch das
in Köln gefundene Fragment einer Gruppe des mit Anchises aus Troja fliehen-
den Aeneas, eine tüchtige Arbeit, spätestens aus trajanischer Zeit^). Recht
gute Arbeiten einheimischer Künstler sind auch die beiden Minervenstatuen
von Öhringen in Württemberg (vicus Aurelii im Zehntlande), aus einem fein-
körnigen gelben Sandstein, wie er in der Umgegend sich findet und auch zu
den römischen Denkmälern in Heidelberg, Ladenburg, Osterburken usw. be-
sonders gern benutzt wurde '°). Das treffliche Orpheusmosaik zu Rottweil ist
aus Steinen der Gegend gearbeitet"), und der auf dem berühmten Neptuns-
mosaik von Filbel an der Nidda genannte Künstler verrät sich durch seinen
i) Lebas -Waddington 2097 — 99 (Statuen von Ganymed, Aphrodite, Nike). 21 18 (Ganymed).
2308 (ein Tempel öuv Tolq äfoXiJiaaw). 2332 [t6 Eoavov). 2364 (Statue für Herodes den Großen
vgl. 2365). 2380 (aTaX.ua). 2410 (Nike;. 2413g (toÜc; xeöactpa^ Xa,uiTa6r|qp6pou<;;. 2413J (Ai'i tuj
Kupi'uj — TTiv Gupav öuv veiKaöioii; Kai fjiefa\r;[ NeiKV] xai Xeovrapioie; Km ttciö»! Y^^^fl); ebenso
aus der Trachonitis 2479 (NeiKr|v). 2526 (Eiprivr|v). 2527 (Elöiv). 2528^ 'töv vabv KOi TÖ äYaX^a).
2) Zahlreiche Inschriften von Ehrenstatuen ganz nach römischer Art IGR III 1030 ff. 3) Moltke,
Briefe aus der Türkei S. 222. 4) CIL in 6147 (Nicopolis). 5I CIL III 7983 = Dessau 5390
(Sarmizegetusa). 6) z. B. Ohlenschlager, Sitzungsber. Akad. München 1887 I 2iof. iGiebel-
bekrönung in Reichenhall). F. Studniczka, Arch. epigr. Mitt. VIII 1883 S. 64 (»für den provinziellen
Fundort ungemein sorgfältig ausgeführte« Panzerstatue eines Kaisers). A. Hekler, Österr. Jahresh. XV
1912 S. 184 ff. (mythologische Szenen auf Grabsteinen aus Intercisa in Pannonien, heute Dunapen-
tele). 7) Oben II 364. 8) Cumont, Mysterien des Mithras (deutsch)^ S.209 schreibt die an der
Rheingrenze gefundenen Mithrasreliefs der im 2. u. 3. Jahrhundert in Belgica blühenden Bildhauer-
schule (S. 84) zu. 9) Ihm, Bonner Jahrb. XCIII (1892) S. 66 ff. 10) Haug-Sixt, Rom. Inschriften
u. Bildwerke Württembergs* nr. 430. 431. Ii) ebd. nr. 91.
6*
84 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 288, 289]
Namen Pervincus (der auch in Mainz und südlich davon mehrmals vorkommt)
als ein Nichtrömer ') ; die von den Bewohnern des Mainzer Lagerdorfes dem
Kaiser Nero zu Ehren errichtete große Juppitersäule ist das Werk zweier ein-
heimischen Künstler^). Auch in England sind Inschriften eines Erzgießers und
eines Bildhauers gefunden worden^). In der Malerei dürfte übrigens wie in der
Mosaikkunst der Abstand der provinziellen Leistungen von denitalischen geringer
gewesen sein als in der Skulptur. Die besseren Wandmalereien der römischen
Villen im belgischen Gallien stehen den pompejanischen nicht nach*).
Gleichartigkeit Abgesehen nun von der sehr verschiedenen Höhe der Entwicklung in den
'^^'^d^r^Kunst^ mehr oder weniger kultivierten Ländern zeigen die Kunstreste in allen Teilen
betriebes - des römischen Reichs im großen und ganzen eine durchgehende Übereinstim-
mung, nicht bloß in der Komposition und Behandlung, sondern auch in den
Motiven und Gegenständen. Nur auf einem Gebiet, dem keltischen, darf viel-
mit Ausnahme leicht von einer eigenartigen Kunstentwicklung gesprochen werden. Gegenüber
vonGalhen— ^^^ »malerischen Gestaltengewimmel« der Reliefs am Grabmal der Julier zu
St. Remy machen die übrigen Reliefs der Kaiserzeit fast den Eindruck »einer
Rückkehr zu der schlichteren Art der früheren Zeit«^). Besonders aber tritt in
jenen zahlreichen und bedeutenden, aus dem 2. und 3. Jahrhundert stammen-
den Grabmonumenten der Maas- und Moselgegend ^), die zu den interessante-
sten Leistungen provinzieller Künstler gehören, eine selbständige und entschie-
den realistische Richtung hervor und zugleich eine Frische und Gewandtheit
der Formgebung, wie sie italische Monumente nach Hadrian nicht aufzuweisen
haben. Die Reliefs, die diese Denkmäler schmücken, sind vorwiegend Dar-
stellungen von Szenen aus dem täglichen Leben der Verstorbenen, die sich
durch größte Lebenswahrheit auszeichnen, und in denen eine ungemeine Sorg-
falt auf genaue Wiedergabe aller Einzelheiten verwandt ist. Von italischen
Arbeiten weichen sie so sehr ab, daß selbst Kenner dieser letzteren anfänglich
an ihrer Entstehung im römischen Altertum zu zweifeln pflegen. Auch im Auf-
bau und der Ornamentik haben sie manches Eigentümliche. Die Entwicklung
dieser in ihrer Art einzigen Kunstrichtung im belgischen Gallien ist um so merk-
würdiger, als in dem benachbarten lugdunensischen sowie in den beiden Ger-
manien die Art der Kunst durchaus durch italischen Einfluß bestimmt ist^). Man
glaubt hier einen von Massilia ausgegangenen hellenisierenden Kultur- und
Kunststrom längs Rhone und Saone bis zur Mosel verfolgen zu können^).
Noch zwei Provinzen nehmen in bezug auf die Kunst in ganz andrer Weise
eine Sonderstellung ein: Äg}^pten, das einzige Land, in dem eine uralte ein-
heimische, von der universal gewordenen griechisch-römischen grundver-
l) CIL Xni 7392. 2) CIL XIII 11806 = Dessau 9235. F. Quilling, Die Juppitersäule des
Samus u. Severus (1910) S. 77 f. 3) CIL VII 37: Sulevis Sulinus scultor (sie) Bruceti f. sacruvi
f[ecit) l[ibetis) m[erito). l8o: Celatus aerarms fecit. Über Funde in Virunum (zum Teil gute Arbeiten,
auch m carrarischem Marmor) Fr. Pichler, Virunum (1888) S. 98 ff. 266 f. 4) Hettner, Westd.
Zeitschr. II 1883 S. 18, vgl. 26, 14. 5) Conze, Sitzungsber. d. Berlin. Akad. 1882 S. 572. Vgl.
Wickhoff, Rom. Kunst S. 76 ff. S. oben II 364. 6) Oben II 363 f. lU 52 f. 7) Mommsen RG. V
104 — 106. 8) G. Loeschcke, Bonn. Jahrb. XCV (1894) S. 260 ft". A. Michaelis, Jahrb. d. Vereins
f. lothr. Gesch. XVn 1905 S. 232 ff. Michaelis-Wolters a. a. O. S. 534 f., vgl. aber auch F. Koepp,
Bonn. Jahrb. CXXV 19 19 S. 60 ff.
[III. 290] 3. DER KUNSTBRTRIEB 85
schiedene Kunstübung fortbestand, und Palästina, wo die Religion die Bevölke-
rung mit Abscheu gegen die bildenden Künste erfüllte.
Die beispiellose Stabilität, die Ägypten vor allen Ländern des Altertums Ägypten
auszeichnet, zeigt sich namentlich auch darin, daß dort Baukunst, Malerei und
Skulptur unter den römischen Kaisern im wesentlichen in derselben Weise ge-
übt wurden, wie in der ganzen seit dem Verlust der nationalen Selbständigkeit
vergangenen Zeit. Wie manche Wandlungen die Kunst auch in so vielen Jahr-
hunderten erfahren hatte, namentlich durch fremde Einflüsse und eine schon
unter den Ptolemäern eingetretene Verrohung, der flüchtigen Betrachtung waren
sie im Altertume ebensowenig wahrnehmbar wie in der Gegenwart. Von Skulp-
turen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., deren Entstehungszeit sich aus datierten
Inschriften ergibt, haben Kenner des ägyptischen Altertums geglaubt, daß sie
3000 Jahre v. Chr. gearbeitet sein Könnten. Nicht bloß die Tempelbauten der
ägyptischen Götter wurden in der römischen Kaiserzeit nach den uralten Tradi-
tionen ausgeführt, auch die Technik aller übrigen Künste hatte sich völlig unver-
ändert erhalten. Die Wände der Tempel füllten sich noch immer mit denselben
Skulpturen, denselben Hieroglyphen, die Vergoldung der skulpierten und archi-
tektonischen Ornamente erfolgte in derselben Weise, die Farben der Gemälde
waren noch immer so lebhaft und dauerhaft wie zur Zeit der Erbauung der
Paläste von Theben und der nubischen Grotten'). Daß aber neben der ein-
heimischen Kunst in Ägypten auch eine griechisch-römische bestanden hat,
ist zweifellos. Schon eine völlige Abschließung Ägyptens gegen die angrenzende
Provinz Cyrenaica wäre kaum denkbar: und hier bezeugen bedeutende Über-
reste, daß Architektur, Skulptur und Malerei auch in römischer Zeit eine hohe
Blüte gehabt haben ^). Doch die Verwendung der Kunst dieses Nachbarlands
in dem römischen Ägypten hätte allein dem Bedürfnis nicht entsprechen können.
In einer Provinz, in der ein römischer Statthalter mit seinem Hofe residierte,
die eine stehende Besatzung von zwei Legionen hatte, in der Römer und Griechen
zahlreich wohnten und noch mehr reisten, mußten auch römische Künstler und
Kunsthandwerker zu Kunstunternehmungen aller Art stets zur Verfügung sein.
Schon von Antonius und Cleopatra waren dort zahlreiche Statuen errichtet
worden, von denen die ersteren nach der Schlacht von Actium umgestürzt
wurden, die letzteren stehen blieben^); Statuen Augusts wurden 8 oder 9 Jahre
später aus den Grenzdistrikten Philä, Elephantine, Syene von den dort (14/13
V. Chr.) eingefallenen Äthiopen als Siegeszeichen fortgeschleppt*) ; später ist in
Ägypten, wie erwähnt, zur Errichtung und Erhaltung von Kaiserstatuen eine all-
gemeine Steuer eingeführt worden^); und der erste dortige römische Präfekt,
Cornelius Gallus, ließ die seinigen im ganzen Lande aufstellen^). Eine Stein-
tafel in Philä mit einer von ihm herrührenden Urkunde (über die Unterdrückung
eines Aufstands in der Thebaide) enthält ein Bild des Kaisers (in Gestalt eines
gegen einen in die Knie gesunkenen Gegner ansprengenden Reiters) in ver-
tieftem Relief, »das der ägyptischen Kunst fremd ist« '')• Andre von den Schrift-
1) Letronne, Recueil d'inscriptions I 209 f.; Recherches p. servir a l'hist. de l'Egypte S.446f.
460. 2) Smith and Porcher, Discoveries at Cyrene (1864) S. 91 ff. 99 ff. 3) Plutarch, Anton.
86, 9. 4) Strabo XVII 820. 5) Oben S. 62. 6] Cass. Dio LIII 23, 5. 7) Lyons und Borchardt.
Sitzungsber. d. Berlin. Akad. 1896 S. 471; die Inschrift CIT, III 14147^ = Dessau 8995.
86 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 291,292]
stellern der Kaiserzeit erwähnte Bildwerke wird man eher ägyptischen, in natio-
naler Weise arbeitenden Künstlern zuschreiben'). Vitrasius PoUio, Prokurator
in Ägypten unter Claudius, machte einen Versuch, den Porphyr der großen,
damals eröffneten Brüche am Roten Meer (mons Claudianus) zu Statuen zu ver-
wenden, und sandte Proben davon nach Rom; einige Überbleibsel dieser ohne
Zweifel an Ort und Stelle ausgeführten Skulpturen scheinen noch vorhanden
zu sein; doch die Neuerung fand keinen Beifall, erst im 3. Jahrhundert ist der
Geschmack an Bildwerken aus Porphyr aufgekommen ""). Auch aus dem Stein
von Memphis ^) wurden Statuen (vielleicht vorzugsweise ägyptischer Gottheiten)
gearbeitet '*).
und Palästina. Der auf religiösen Satzungen beruhende Widerwille der Juden gegen die
bildenden Künste ist bekannt^); sie lassen, sagtTacitus, keine Bildnisse in ihren
Städten, geschweige denn in ihren Tempeln zu; weder wird in dieser Weise
den Königen geschmeichelt, noch den Kaisern Ehre erwiesen^). Selbst das
Betreten v^on Orten, an denen sich heidnische Bilder befanden, erschien den
Strengsten unzulässig. Rabbi Gamaliel der Zweite (unter Hadrian) rechtfertigte
seinen Besuch des Bads der Aphrodite zu Acco (Ptolemais) damit, daß das Bild
der Aphrodite um des Bads willen, nicht das Bad um des Bilds willen da sei^).
Die Essener gingen so weit, daß sie die Städte nicht betraten, um nicht durch
Tore gehen zu müssen, auf denen Statuen waren, weil sie es für unerlaubt
hielten, unter Bildern zu gehen ^). Schon diese Nachricht erinnert daran, daß in
Palästina (in den Städten mit teilweise oder überwiegend heidnischer Bevölke-
rung) die Tore und so gewiß auch andre öffentliche Bauten den Schmuck der
Skulptur keineswegs entbehrten, daß also an solchen Orten der jüdische Bilder-
haß höchstens die Ausübung der Künste durch Juden, aber nicht durch Fremde,
noch die Einführung fremder Kunstwerke zu hindern vermochte. Schon Herodes
der Große hatte seine Prachtbauten mit Skulpturen geschmückt, ohne sich an
das Ärgernis zu stoßen, das er den Orthodoxen gab. An der Einfahrt des von
ihm angelegten Hafens von Cäsarea standen drei Kolosse, und in dem dortigen
Tempel Augusts Kolossalstatuen des Kaisers und der Roma^). Bei dem Aus-
bruche des jüdischen Kriegs wurde der Palast des Tetrarchen Herodes Antipas
in Tiberias wegen der wider das Gesetz verstoßenden Bildwerke zerstört, mit
denen er ausgestattet war'°). Bei Cäsarea Philippi sind mehrere Nischen in eine
Felswand eingehauen, in denen einst Götterbilder gestanden haben mögen").
Selbst zur Darstellung lebender Personen war die Verwendung der bildenden
Künste in Palästina keineswegs unerhört, und es ist neuerdings sogar die Ver-
mutung ausgesprochen worden, daß die Juden auf hellenistischer Grundlage
i) Besonders wertvoll sind manche Porträtdarstellungen von Römern in ägyptischer Manier,
wie der Basaltkopf des Museo Baracco (Heibig, Führer^ nr. 1075) und die Pharaostatue mit den
Gesichtszügen des Caracalla, Journ. of Rom. Stud. I 191 1 S. 4lf. Im allgemeinen vgl. Schubart,
Einführung in die Papyruskunde S. 392 f. 401. 2) Plin. n. h. XXXVI 57; vgl. Letronne, Recueil
I 142. Blümner, Technologie III 15 ff. 3) Pliu. n. h. XXXVI 56. 4) CIL X 6303 = Dessau 4367
(Tarracina — signuju Menphiticum) mit Mommsens Anm. 5) Suidas s. v. ßöeXuYMCi" ttov ei'öoiXov
KOI träv CKTUTTUujaa dvGpuiTrou outuuc; CKaXeiTO irapct MoubafoK;. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes
11* 90. 6) Tac. Hist. V 5. 7) Schürer a. a. O. S. 90, 9. 8) Hippolyt. Refutat. IX 26, i. 9) Jo-
seph. B. J. I 413 f. 10) Joseph, vit. 65 : vgl. Schürer a. a. O. S. 65. 169. 11) Furrer, Wande-
rungen durch Palästina S. 363.
[IIL 293] 3. DER KUNSTBETRIEB 87
namentlich auf dem Gebiete der Miniaturenmalerei eine eigene stark orienta-
lische figürliche Kunst herausgebildet haben'). Die von der Fürstin Alexandra
an Antonius gesandten Porträts ihrer Kinder wurden bereits erwähnt'). Über
den Tod des Königs Herodes Agrippa (f 44) erhob sich in Cäsarea und Sebaste ein
roher Jubel; die Soldaten schleppten die Statuen seiner drei Töchter (von 16,
10 und 6 Jahren) auf die Dächer der Bordelle und übten an ihnen den scheuß-
lichsten FreveP). Als Caligula den Prokonsul von Syrien P. Petronius mit der
Aufstellung seiner Kolossalstatue im Tempel zu Jerusalem beauftragte, ließ
dieser die erfahrensten Künstler aus Phönizien kommen und übertrug ihnen die
Ausführung, die in Sidon erfolgte, das Material lieferte er ihnen. Nachdem
Agrippa schon den Kaiser bewogen hatte, von seinem Vorhaben abzustehen,
kam dieser nochmals darauf zurück und ließ nun einen Koloß aus vergoldeter
Bronze in Rom selbst arbeiten, um den Aufruhr zu vermeiden, den der Trans-
port der in Sidon ausgeführten Statue durch das Land erregt haben würde"*).
Überhaupt dürfte ein nicht geringer Teil der für die Provinzen bestimmten Ausführung von
Kunstwerke in Rom bestellt und gearbeitet worden sein, vielleicht selbt für dje°provinz^en in
Provinzialen, gewiß in der Regel für die Kaiser bei ihren auswärtigen Bauten Rom.
und Kunstunternehmungen. Arrian fand bei Trapezunt an der Stelle, wo Xeno-
phon und Kaiser Hadrian das Schwarze Meer erblickt hatten, eine Statue des
letzteren, die zum Andenken an seinen dortigen Besuch errichtet war, sie wies
auf das Meer. Da sie aber weder ähnlich noch gut gearbeitet war, bat Arrian
den Kaiser, eine seiner würdige Statue in derselben Stellung zu senden. Auch
für einen dortigen schönen Hermestempel aus Quadersteinen, in dem aber die
Statue des Gottes schlecht war, erbat Arrian eine neue von fünf Fuß Höhe und
eine des Philesios (eines dort verehrten, von Hermes abstammenden Heros) von
vier Fuß^). Ebenso wird die Statue der Victoria, die sich im Jahre 61 im Tempel
des Claudius zu Camulodunum angeblich umgedreht hatte ^), sowie die selbst-
verständlich dort befindliche Statue des Kaisers aus Rom nach Britannien ge-
sandt worden sein. Nicht wenige außerhalb Roms gefundene Sarkophage tragen
den deutlichen Stempel stadtrömischer Arbeit, nicht bloß in Italien, sondern
z. B. auch ein in Kreta gefundener des Cambridger Museums^). Die Ausführung
von Bildwerken in größtem Umfange war in Rom um so leichter, als dorthin
die Erträge der (wie die meisten Bergwerke zur Domäne gehörigen) Gold- und
Silberbergwerke, Kupfergruben und Marmorbrüche zur See und auf dem Tiber
gelangen konnten, an dessen Hafen unter dem Aventin das kolossale Marmor-
lager des kaiserlichen Rom aufgedeckt worden ist^). Vermutlich war in Rom ein
zahlreiches, zum Ineinandergreifen wohlorganisiertes Heer von Künstlern und
Kunsthandwerkern, wie Hadrian es auf seinen Reisen mit sich führte, im kaiser-
lichen Dienste fortwährend beschäftigt: und es mußten schon ungewöhnlich
große oder sehr eilig betriebene Kunstunternehmungen sein, bei denen man
genötigt war, Künstler von außen herbeizuziehen, wie Alexander Severus bei
i) J. Strzygowski, Orient u. Rom (1901) S. 37 f., vgl. Denkschr. d. Wien. Akad. LI 1906. Abh. II
184. 2) Vgl. oben S. 54. 3) Joseph. A. J. XIX 357. 4) Philo Leg. ad Gai. 22off. 337. 5) Aman.
Peripl. Pont. Eux. i, 3!. 2, i, vgl. dazu W. Weber, Untersuch, z. Gesch. d. Kais. Hadr. S. 266,
976. 6) Tac. A. XIV 32. 7) Matz, Arch. Zeit. XXX 1874 S. 33; vgl. Robert, Ant. Sarkophag-
reliefs III 3 S. 509; s. auch unten S. 90 A. 3. 8) Oben II 333 f.
88
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 294, 295]
Ausführung in
den Stein-
brüchen.
Arbeiten in
Steinbrüchen
Pannoniens.
der Errichtung einer Menge von Kolossalstatuen, besonders der vergötterten
Kaiser"). Zahlreiche Bildhauerwerkstätten, in denen Statuen, vollendete und
skizzierte Köpfe, verschiedene Marmorsorten, Bildhauergeräte aller Art ge-
funden worden sind, waren in der neunten Region in der Gegend der Piazza
Navona^), aber gewiß auch an andern Orten, wie in der Nähe des Ablade-
platzes für Marmor am Hafen ^j.
Daß sich aber auch in sämtlichen Marmor- und sonstigen Steinbrüchen,
die Statuenmaterial lieferten, fortwährend zahlreiche Bildhauer und Steinmetzen
befanden, die Skulpturwerke teils anlegten und aus dem gröbsten arbeiteten,
teils ganz ausführten, davon sind noch an verschiedenen Orten Spuren vorhanden.
Ein abbozierter, dann verworfener 10,6 Meter langer Koloß des Apollo in Naxus
liegt noch unvollendet wie er ist in den Marmorbrüchen, aus denen er gemeißelt
wurde'*). Aus dem bei Megara gebrochenen Muschelkalk arbeitete man dort
die geschätzten und verbreiteten »megarischen Skulpturen«^). Die Stadt Luna
(Carrara) war aus ihren Brüchen reichlich mit Skulpturen aller Art versehen,
und in der sogenannten Cava dei Fanti scritti daselbst hat man ein Relief ent-
deckt^). In dem alten Luna wird übrigens ohne Zweifel die Produktion von Mar-
morarbeiten aller Art eine noch sehr viel umfassendere gewesen sein als in dem
heutigen Carrara, wo es 187 1 nicht weniger als 115 Bildhauerwerkstätten jeder
Art gab, und von 10 000 Einwohnern (außer vielen Fremden) 3000 durch die
Bildhauerei und Marmorindustrie Beschäftigung fanden^).
Ein sehr interessantes Zeugnis für die Ausführung der Skulpturen in den
Brüchen selbst liefert auch der Bericht von dem Märtyrertode des Claudius und
seiner vier Gefährten unter Diocletian^). Dem Verfasser dieses allem Anscheine
nach auf mündlichen Überlieferungen oder schriftlichen Aufzeichnungen von
Zeitgenossen oder doch den Ereignissen nahe stehenden Personen beruhenden
Berichts ist die ganze in Diocletians Zeit noch im weitesten Umfange geübte
römische Kunsttätigkeit bekannt, die Gegenstände und technischen Ausdrücke
geläufig. Er kannte (wie bemerkt) jedenfalls das Lokal seiner Erzählung, die
Steinbrüche Pannoniens (wahrscheinlich in der Nähe von Mitrovitsch an den Aus-
läufern der Fruschka-Gora) und die dortigen Arbeiten aus eigener Anschauung,
hatte vielleicht selbst an den letzteren teilgenommen. Seine genauen Angaben,
namentlich von Zahlen, machen durchaus den Eindruck der Zuverlässigkeit.
Nach ihm wurden dort drei Gesteinarten gewonnen, zwei Statuenmarmore,
die dem thasischen (weißen) und prokonnesischen (schwarz und weiß gefleckten)
glichen und auch so benannt wurden, und ein Grünsteinporphyr; alle drei
i) Hist. äug. Alex. Sev. 25, 8. 2) Sie wurden bei der Legung der Fundamente der Chiesa
nuova und andrer Gebäude auf Monte Giordano gefunden, vgl. Pellegrini, Bull. d. Inst. 1859
S. 68 ff. Hülsen-Jordan, Topogr. I 3 S. 596. 3) Bruzza, Annali d. Inst. 1870 S. 137 f. nimmt an,
daß hier ein Teil der kaiserlichen Verwaltung der Marmorblöcke seinen Sitz hatte und dieselben
dort in den von ihr geleiteten Werkstätten verarbeiten ließ, neben denen es aber auch private gab.
S. auch unten S. 91. 4) Roß, Inselrcisen I 39 (Klassiker d. Archäol. I 32 f.). Sauer, Athen. Mitteil.
XVII 1892 S. 46 nr. 47; über einen ähnlichen Fund auf Faros vgl. E. Löwy, Arch. epigr. Mitt. XI
1887 S. 167, 65. 5) Cic. ad Att. I 8, 2, vgl. Blümner, Technol. III 59. 6) Benndorf m Büdingers
Untersuchungen z. röm. Kaisergesch. III 342, i. 7) Augsb. Allg. Zeitg. Beil. v. 14. Dezember 1871
nach C. Magenta, L'industria de' marmi Apuani, Firenze 1871. 8) Über die Passio SS. IV coro-
natorum, vgl. die oben S. 45 A, 2 angeführten Texte und Abhandlungen.
[III. 296]
3. DER KUNSTBETRIEB
89
welche Länder arbeitete Bild-
werke.
finden sich dort noch jetzt, nebst zahlreichen Trümmern römischer Bauten.
Dort arbeiteten unter der Leitung von fünf Theoretikern [philosophiy) 622 Stein-
hauer [quadratarii]^ in Distrikte oder Gruben [officinae, deren Unterabteilungen
loca hießen) verteilt, die imstande waren, künstliche und umfangreiche Skulp-
turen zu liefern. Aus thasischem Marmor wurde auf Diocletians Befehl u. a.
eine 25 Fuß (7,4 Meter) hohe Figur des Sonnengottes mit seinem (bildlich ver-
zierten) Viergespann hergestellt; aus Grünsteinporphyr Säulen und Säulen-
kapitelle, künstlich verzierte Becken und Wannen, alles vielleicht für Dioletians
Thermen in Rom''). Die Arbeit an einer »mit wunderbarer Kunst ausgeführten«
Säule mit Blätterkapitell dauerte 3 Monate, eine zweite erforderte nur 26 Tage.
Die Zufriedenheit des Kaisers mit den Arbeiten der fünf christlichen Künstler
(des Claudius und seiner vier Gefährten) erweckte den Neid der Direktoren.
Da Diocletian außer mehreren ornamentalen Arbeiten auch eine Statue des
Äsculap bei den Christen bestellt , liefern sie das Übrige zur Zufriedenheit,
verweigern aber die Anfertigung eines Götzenbildes, worauf die Philosophen
die Statue durch andre Arbeiter aus prokonnesischem Stein innerhalb von
30 Tagen vollenden lassen.
An vielen Orten wurden gewiß Bildwerke im Vorrat zum Verkauf gearbeitet. Im Vorrat ge-
am meisten wohl immer noch in Griechenland und Kleinasien ^
ja auch in der Kaiserzeit die meisten Künstler nach Rom sandten, außerdem
aber vermutlich noch eine nicht unbedeutende Ausfuhr von Skulpturwerken
hatten. Die alexandrinischen Indienfahrer, die in Cana im glücklichen Arabien
anlegten, hatten für den dortigen König Statuen als Geschenke an Bord'*).
Apollonius von Tyana trifft in dem Romane des Philostrat im Piräus ein nach
lonien bestimmtes Schiff, das von seinem Eigentümer, einem Kaufmann, mit
kostbaren Götterbildern, teils von Gold und Marmor, teils von Gold und Elfen-
bein, befrachtet ist^j. Überhaupt waren es gewiß vorzugsweise Götterbilder Götterbilder
und sonstige Kultusgegenstände, die nicht bloß auf Bestellung, sondern auch
für den Vertrieb durch den Handel, also gewiß auch im Auftrage von Kauf-
leuten und Händlern, gearbeitet wurden, außerdem ein großer Teil der zur
Dekoration bestimmten Kunstwerke. In den Läden der > Händler mit Ton- und
Bronzefiguren» in den römischen Kolonien der Rhein- und Donaulandschaften
konnten die dortigen Ansiedler ohne Zweifel alle Arten der kleinen, in diesen
Gegenden so häufig gefundenen Götterbilder, namentlich die vorzugsweise be-
liebten des Merkur und der Fortuna kaufen^). Daß die Anfertigung von Götter-«
bildern die Haupterwerbsquelle der bildenden Künstler und Kunsthandwerker
war und blieb, ergiebt sich aus der bereits erwähnten Äußerung TertuUians, daß
solche, die Christen geworden waren, erklärten, die ihnen nun zum Vorwurf
l) Benndorf a. a. O. S. 343 f. glaubte, daß philosophi Bildhauer bedeute ; doch Lumbroso, Memor.
d. Accad. dei Lincei ser. 3 vol. V 1880 S. 74 ff. weist für das Wort in späterer Zeit die Bedeutung
»Lehrer« nach. 2) Benndorf a. a. O. S. 35 if.; vgl. auch die Inschrift aus alten Steinbrüchen der
dalmatinischen Insel Brazza CIL HI 10107 = Dessau 3458 ... cum insisterem (als Aufseher) ad
capitella colwnnaruvi ad termas Licinian[a]s. 3) Manche der in Germanien gefundenen Mithras-
reliefs scheinen pannonischen Ursprungs zu sein. Cumont, Die Mysterien des Mithra^ S. 207, 4.
4) Peripl. mar. Erythr. 28. 5) Philostr. Vit. Apoll. Tyan. V 20. 6) In Augsburg ein \ne]gotiator
d\rt{\s cretaria\e et ßa]turariae si[gill[ariac^, wobei das letzte Wort sowohl auf cretaria als flaUi-
raria zu beziehen ist, CIL III 5833. Über ars cretaria vgl. Marquardt, Privatl.^ 636, 4.
90
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 297]
Ausführung am
Ort der Verwen-
dung, teils durch
wandernde —
gemachte Tätigkeit nicht aufgeben zu können, da sie sonst nicht wüßten, wo-
von sieleben sollten. Außerdem beriefen sie sich darauf, daß Moses eine eherne
Schlange verfertigt habe").
Sarkophage. Sodann ist bei den Sarkophagen die fabrikmäßige Anfertigung^] schon durch
ihre Masse, noch mehr dadurch unzweifelhaft, daß manche so gefunden sind,
wie sie in den Lagern der Fabrikanten zum Verkauf standen, fertig bis auf die
letzten Meißelschläge, die erst nach erfolgter Bestellung getan werden konnten^).
Die öfters in der Mitte angebrachten Porträtmedaillons haben nämlich häufig
nur die ungefähren Formen eines Gesichts, so daß ihnen die Züge des zu Be-
stattenden noch zu geben waren; ebenso ist unter der Überschrift aller Epitaphe
D. M. [dis manibus) die Stelle für den Namen leergelassen. Endlich wird ein
Ehrenstatuen, großer Teil der schablonenmäßig gearbeiteten Ehrenstatuen zu dem Vorrate
der Bildhauerwerkstätten gehört haben, natürlich ebenfalls mit unausgeführten
Köpfen, die dann nach der Bestellung die gewünschte Porträtähnlichkeit er-
hielten, oder mit ausgehöhltem Halse behufs Einlassung der besonders gear-
beiteten Köpfe, wie sie noch zahlreich vorhanden sind*). Namentlich bei den
Statuen im Harnisch sind die Köpfe (auch die Beine) vielfach von andrer Hand
hinzugefügt^).
Aber nur ein Teil der Kunstwerke konnte anderswo als am Orte der Auf-
stellung oder Verwendung gearbeitet werden. Bei allen besseren persönlichen
Denkmälern mußte die ganze, auch bei den schlechteren doch in der Regel
wenigstens die letzte Ausführung an Ort und Stelle erfolgen. Ebenso ist
sicherlich der überwiegend größte Teil der künstlerischen Dekorationsarbeit,
besonders Malereien, Mosaiken und Stuckaturen, in den Räumen selbst, die sie
schmücken sollten, ausgeführt. Auch die schnelle und massenhafte Verbreitung
der Kaiserbildnisse läßt sich nur durch Versendung allein, wenn auch von zahl-
reichen Punkten, nicht erklären. Ein Teil der Künstler sowie der Unternehmer
größerer künstlerischer Arbeiten, welche die erforderlichen Arbeiter auf allen
Kunstgebieten im Dienst hatten oder für Lohn beschäftigten, wird von Ort zu
Ort gewandert sein; dergestalt, »daß ganze Kolonien, Züge, Schwärme, Wolken,
wie man es nennen will, von Künstlern und Handwerkern da heranzuziehen
waren, wo man ihrer bedurfte. Denke man an die Scharen von Maurern und
Steinmetzen, welche sich in dem mittleren Europa zu jener Zeit hin und her be-
i) Tertullian, de idololatria 5. Oben S. 80. 2) Arbeiter von Sarkophagen (arcae marmoreae) in
'"'Ravenna Cassiodor. Var. III 19. Lebas-Waddington 25 (Smyma): Aup(riXia) <t)ri\iKiööi)Lia OYopd-
oaaa — aop6vTTpoKo;v)vriöiav (vgl. dazu Athen. Mitteil. XII 1887 S. 24S. Blümner, Technol. III
36 ff.) dvOYXuqpov. 3) Robert, Die antiken Sarkophagreliefs HI i S. 87 (zu dem Pariser Endymion-
sarkophag aus Bordeaux ebd. Taf. 18) 'vermutlich sind die Sarkophage aus Rom bezogen worden,
die Porträtzüge sollten den abozzierten Köpfen in Gallien selbst gegeben werden'. Vgl. Benndorf u.
Schöne, Bildw. d. lateran. Mus. zu nr. 488. 4) In dem Epigramm einer Siegerstatue in Hierapolis
in Phrygien (Altert, v. Hierapolis S. 89 nr. 46) heißt es, Glabrio habe den Kopf angefertigt, woraus
hervorgeht, daß dort bis auf den Kopf fertige Siegerstatuen auf Lager waren, denen dann nur der
eigens modellierte Porträtkopf des Siegers aufgesetzt zu werden brauchte, Cichorius ebd. S. 53.
5) Heibig, Untersuch, über die campan. Wandmalerei S. 3of. U. Koehler, Annali d. Inst. 1863
S. 433. Benndorf u. Schöne a. a. O. S. 125. Dütschke, Antike Bildw. in Oberitalien IV 40. Der
Ausdruck ö 'zf\c, iraibeia^ dvöpidc; in der Inschrift von Rhodiapolis IGR III 733 (oben S. 73) läßt
vermuten, daß auch Statuen von Gelehrten und Schriftsteilem in einer feststehenden Form (etwa
mit einer Rolle in der Hand, einem scrinium zu ihren Füßen) stets vorrätig waren.
[111.298,299] 3- DER KUNSTBETRIEB 91
wegten, als eine ernst religiöse Denkweise sich über die christliche Kirche ver-
breitet hatte« ') Eines dieser wandernden Künstler, Zeno aus Aphrodisias, der 1
von sich in einer Inschrift rühmt, daß er im Vertrauen auf seine Kunst viele
Städte durchzogen habe, wurde früher gedacht^). Ein Novius Blesamus hatte
laut seiner Grabschrift Rom und das ganze Reich mit seinen Statuen ge-
schmückt^); ein Mosaikarbeiter zu Perinth laut der seinigen seine Kunst in vielen
Städten vor allen andern geübt"*). Große Leistungen verbreiteten den Ruhm
der Künstler weit und schnell. Zenodorus, der für Clermont die erwähnte kolos- ^
sale Merkurstatue ausgeführt hatte, wurde von Nero nach Rom berufen, um j
dessen Kolossalstatue dort zu verfertigen 5). Der Architekt Pontius, durchweichen |
der Vizekönig von Ägypten P. Rubrius Barbarus im 18. Jahre Augusts {13/12
V. Chr.) zu Alexandria einen Obelisken im Augusteum errichten ließ, ist wahr-
scheinlich derselbe, welcher die in neuerer Zeit in den Gärten des Mäcenas ent-
deckte schöne Brunnenmündung (in Form eines Rhyton) entworfen hat, »die
in so hohem Grade den Einfluß der alexandrinischen Kunst zeigt« ^).
Doch nach Lucians »Traum« war das Leben der Bildhauer (wenigstens im teils durch an
Vergleich zum Wanderleben der Sophisten) in der Regel ein seßhaftes 7), und sääsige Künstle.
gewiß gab es an allen größeren Orten auch ansässige Künstler, denen es an
fortwährender Beschäftigung nicht fehlte. Dies ergibt sich noch für das 4. Jahr-
hundert aus dem Schreiben Constantins an den Statthalter der Provinzen Spanien,
Gallien und Britannien vom Jahre 337, wonach die in den Städten sich aufhal-
tenden Künstler und Handwerker von kommunalen Leistungen frei sein sollten,
damit sie ihre freie Zeit auf Erlernung ihrer Kunst verwenden und sowohl selbst
um so kundiger werden, als ihre Söhne unterrichten könnten: zu den nament- ,
lieh aufgeführten gehören, außer den Architekten und Bauhandwerkern, Maler,
Bildhauer und Mosaizisten^). Bildhauerwerkstätten werden an keinem auch nur
mittelmäßigen Orte gefehlt haben; gefunden sind solche außer in Athen^) und
Rom'°) auch in Thysdrus") und in Pompeji; in der letzteren befanden sich Ge-
räte zur Steinskulptur, Marmorstatuen, Hermen, Büsten, Tische mit verschie- j
denen Füßen und ein unfertiger marmorner Mörser'^). Die in andern Städten j
Italiens sowie in den Provinzen zum Vorschein gekommenen Inschriften von j
Künstlern sind mit Ausnahme Griechenlands und Kleinasiens '^) nicht zahl- j
reich.
Obwohl nun ohne Zweifel an den verschiedensten Orten der römischen Monar-
chie Kunst und Kunsthandwerk auch von zahlreichen seßhaften Leuten betrieben
i) Goethe, Werke XLIX i S. 169 d. Weim. Ausg. 2) Oben I383. Daß Neubauers (Arch. Zeit.
XXXIV 1876 S. 68f.) Deutung der Inschriften CIG 247. 5923 auf einen (mit seinem Bruder,
einem Faustkämpferj umherziehenden Bildhauer M. Tullius Eut>-ches nicht zwingend ist, bemerkt
Löwy, Inschr. griech. Bildhauer zu nr. 469 f. 3) CIL VI 23083 = Dessau 77 II (Buecheler, Carm.
ep. 1254). Brunn, Künstlergesch. I 614. 4) CIG 2025 = Kaibel, Epigr. gr. 532, vgl. CIG 2024.
Brunn, Künstlergesch. II 313. Inschrift eines Mosaiks zu Lillebonne: T. Seti^nnts) Felix c{ivis,
Puteola7itis fec{it) et Atnor c[ivis, K[aleUis^) discipulus CIL XIII 3225. 5) Oben S. 79. Plin. n. h.
XXXIV 45 f. 6) CIL ni 6588 = Dessau 5483a, vgl. Lumbroso, Bull. d. Inst. 1878 S. 55. C. L. Vis-
conti, Bull. arch. com. III 1875 S. ii8fF. Heibig, Führer^ nr. 950. 7) Lucian. Somn. 7. 8) Cod.
Theodos. XIII 4, 2. S. oben S. 44. 9) Gardner, Joum. of hell. Stud. XI 1890 S. 129 ff. 10, Oben
S. 88. il] Barth, Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeers I 172. 12) Overbeck-
Mau, Pompeji'* S. 383, vgl. S. 646. In Urbisaglia, Not. d. scavi 18S2 S. 105 f. 13) Übersichten
bei Löwy, Inschr. griech. Bildh. S. 404 f. 407 f.
92 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 300]
wurden und sich sogar nicht selten wie in älterer Zeit in denselben Familien fort-
erbten'), wie es auch der Erlaß Constantins voraussetzt, so haben sich doch lokale
und provinzielle Stile und Eigentümlichkeiten offenbar nur ganz ausnahmsweise
entwickelt. Als das hauptsächlich Charakteristische der Kunst des Kaiserreichs
erscheint vor allem ihre bei der Ausbreitung über ein so weites Gebiet doppelt
berallGleichför- auffallende Gleichförmigkeit in Gegenständen, Auffassung, Behandlung und
igkeit der Be- gg^bst Technik. Mit Ausnahme Galliens, besonders des belgischen, wo jene
*" der^Technik. eigenartige neue Kunstrichtung entstand, und Ägyptens, wo die uralte nationale
fortdauerte, ist bei den Überresten der Kunst im ganzen Reich der Eindruck
der Gleichartigkeit der weitaus überwiegende, und selten sind Differenzen wahr-
nehmbar, die nicht aus der Verschiedenheit der nachgeahmten Vorbilder, aus
der höheren oder geringeren Blüte der Epoche und aus der größeren oder ge-
ringeren Kunstfertigkeit der Künstler herzuleiten wären. Man kann es keinem
Mosaikbilde ansehen, ob es in Tunis oder England, in Andalusien oder Salzburg
ausgegraben ist. Bei der Analyse von bemaltem Stuck von der Wandbeklei-
dung römischer Häuser zu Bignor in Sussex fand Sir Humphry Davy dieselben
Farbenbestandteile, wie in dem bemalten Stuck der Titusbäder und der Häuser
von Pompeji und Herculaneum"); und ebenso stimmt die Wandmalerei der
römischen Villen im belgischen Gallien und der pompejanischen nicht bloß in
Dekoration und Technik^) überein, sondern auch die Zubereitung des Wandbe-
wurfs sowie die Art des Farbenauftrags sind im wesentlichen dieselben hier wie
dort"*). Überall arbeiteten Steinmetzen und Bildhauer nach italischen Vorbildern^).
Im Echerntal bei Hallstadt ist ein römisches Grabdenkmal in Giebelform ge-
iunden worden, das ein Medaillonporträt zwischen einer liegenden weiblichen
Figur und einem Genius darstellt: ähnliche Monumente gibt es in Huesca in
Aragonien, in Frankreich, Italien und Dalmatien^).
Diese Gleichförmigkeit erklärt sich nur zum Teil durch die Wanderungen
der Künstler und den Vertrieb der Kunstwerke im Wege des Handels. Ihr
Hauptgrund ist erstens, daß die Entwicklung der griechischen Kunst bereits
abgeschlossen war, als sie in den Dienst der römischen Kultur trat. Diese Ent-
Festhalten an Wicklung war eine beispiellos reiche gewesen. Ein unermeßlicher Schatz von
der Tradition. Ueen und Formen war durch sie geschaffen, Darstellungs- und Behandlungs-
weise nach allen Seiten hin aufs vollkommenste durchgebildet worden. Mit
dieser Erbschaft konnte auch eine epigonische Zeit, der es an eigener schöpfe-
rischer Kraft gebrach, noch jahrhundertelang haushalten, ohne arm zu erscheinen.
Dieser Zeit nun gereichte das treue Festhalten an der Tradition — einer der
Hauptunterschiede aller antiken Kunst von der modernen — doppelt zum Segen.
Weit entfernt davon, nach einer unmöglich gewordenen Originalität zu streben
i) Löwy a. a. O. S. 405 f. Eine Kiinstlerfamilie aus Aphrodisias war unter den Antoninen eine
Reihe von Jahren hindurch für die Curia athletarum bei den Titusthermen tätig, Ricci, Bull,
arch. com. XIX (1891) S. 207 ff. 2) Lysons, Reliquiae Brit. Rom. I 5. 3) Über die Technik der
antiken Wandmalerei s. F. Gerlich, N. Jahrb. f. klass. Altert. XXI 1908 S. 1270'. 4) Hettner,
Westd. Zeitschr. 11 (1883) S. 16 — 18. Vgl. oben S. 43 A. 4. 5) Über Provinzialkunst s. namentlich
F. Studniczka, Tropaeum Traiani (Abhdl. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. XXII 4, 1904) S. 123 ff.
gegen Furtwängler, Abhdl. d. Münch. Akad. XXII 3 (1903) S. 500 ff. Über gallische Kunst feine
Bemerkungen bei F. Koepp, Bonn. Jahrb. CXXV (19 19) S. 44 ff. 6) v. Ameth, Sitzungsber. d.
Wiener Akad. 1862 S. 714.
[III. 3oi]-
3. DER KUNSTBETRIEB
93
und den kostbaren Erwerb der früheren glücklichen Perioden durch fruchtloses
Experimentieren preiszugeben, hat sie ihn vielmehr lange Zeit mit lobenswerter
Einsicht erhalten und verwertet. Fort und fort bewegte sich die Kunst in ge-
wohnten Kreisen und löste auch die neuen Aufgaben nach altbewährten Ge-
setzen. So ist das auf den ersten Blick Unbegreifliche möglich geworden, daß
sie sich noch Jahrhunderte nach dem Abschluß ihrer Entwicklung auf einer
bewunderungswürdigen Höhe behauptete, daß namentlich die Skulptur in
der Zeit eines, wenn auch langsamen Sinkens noch Werke schaffen konnte,
denen die moderne Plastik wenige an die Seite zu stellen vermag; daß auch
trotz der ungeheuren Massenproduktion ein Rest des Formenadels sich selbst
bis in die spätesten Zeiten erhielt.
Die Bronzen, welche die Villa des Besitzers der Bibliothek in Herculaneum ')
schmückten, geben auch von dieser Seite der damaligen Kunst eine Vorstellung.
»Was der Gegenwart angehört, sind nur Porträts, und auch hier nur der Rea-
lismus der Köpfe, nicht die Haltung, nicht die Gewandung. Alles sonst sind
Wiederholungen der Werke früherer schöpferischer Kunstalter. Aber an der
Stelle der erloschenen Erfindungskraft hat sich geschichtliche Kennerschaft
verbreitet und feinsinniges Geschick der Imitation; mit unwandelbarer Treue
und Bescheidenheit ordnet man sich den Alten unter. Der strenge männliche
Formenadel des einen Meisters, der weiche Linienfluß und die seelenvolle An-
mut des andern, die Kraft und Fülle der Charakteristik eines dritten, die Härte
und Zierlichkeit eines Kultusbilds, oder dessen geheiligte Grundformen durch
den Naturalismus der vollendeten Kunst im einzelnen flüssig gemacht: das alles
ist hier vertreten; und gewiß ist eine solche Produktion nicht ohne Liebhaber
denkbar, die dergleichen zu unterscheiden, zu schätzen, zu genießen wußten«").
War nun das mit dem Mangel an Originalität in Wechselwirkung stehende Rom auch hier
Festhalten an der Tradition der eine Hauptgrund für die Gleichförmigkeit der ^^^ Vorbild für
Bronzen des Epi-
kureischen Philo-
sophen in Hercu-
laneum.
damaligen Kunst, so lag der andre in dem nivellierenden Einfluß der römischen
Kultur. Auf allen Gebieten war Rom das Vorbild für die übrigen Städte des
Reichs, aber auf diesem mit dem größten Recht. Hier war > durch die aus
Griechenland, Asien und Ägypten entführten, in Tempeln und öffentlichen Ge-
bäuden, in Palästen und Villen aufgehäuften Kunstwerke aller Zeiten und Schulen,
jeder Technik und Art ein unerschöpfliches Material für Kunstbildung vor-
handen«^); hier waren die bedeutendsten Künstler der Welt versammelt, hier
wurden die größten und fortwährend neue Werke geschaffen, hier war eine
hohe Schule für Kunst, wie es nie wieder eine ähnliche gegeben hat. Dem Ver-
langen der Provinzialen, von allem, was in der Hauptstadt in Gunst und An-
sehen stand, Nachbildungen zu besitzen, dem Ansprüche der in den Provinzen
für kürzere oder längere Zeit ansässigen Römer, den gewohnten Kunstluxus
nicht ganz zu entbehren, kam die Tätigkeit einer weit verbreiteten, aus den
Provinzen nach Rom und von dort in die Provinzen zurückströmenden Masse
von Künstlern und Handwerkern entgegen: und so vereinigte sich alles, um
einen und denselben Kunstgeschmack für das ganze Reich zum herrschenden
zu machen.
das ganze Reich.
l) Oben S. 40. 2) Justi, Winckelmann IP il
Altertumswissenschaft S. 239 ff.
(nicht in der 2. Aufl.). 3 O. Jahn, Aus der
94
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 302]
Die Produktion Die dekorative und religiöse Kunst konnte ihre Aufgaben größtenteils durch
wesentlich Re- uj^ygränderte Reproduktion aus dem vorhandenen Vorrate lösen, die monumen-
prOdUktlOn. ^ r r ^^ /-^ 1 TT 1 -1 1 1 -IT l\ J
tale fand hier wenigstens für fast alle Gegenstände Vorbilder und Jvluster ) ; und
u'o einfache Wiederholung unzulässig war, konnten meist »durch Umbildung
und Ausbildung der ursprünglichen Motive neue Wendungen des Gedankens
ausgedrückt«, durch Variationen, Modifikationen, Trennungen und Verbin-
in der Plastik, dungen das Vorhandene in ein scheinbar Neues umgestaltet werden. Nament-
lich geschah dieses dadurch, daß man Figuren aus ihrem natürlichen Zusammen-
hang loslöste und selbständig machte, oder mit andern in Verbindung brachte,
oder auch ursprünglich selbständige Figuren mit andern gruppierte, und es ist
nicht zu leugnen, daß durch dieses Verfahren, das in der römischen Poesie
seine leicht erkennbaren Analogien hat, manche durch Form und Gedanken
ausgezeichnete Leistung hervorgerufen worden ist. So ist z. B. die sich im
Schilde des Mars spiegelnde Venus in eine Siegesgöttin umgewandelt worden,
die den Sieg auf dem Schilde verzeichnet: und diese findet sich nicht bloß als
Statue, sondern auch auf Sarkophagreliefs, wo überhaupt besonders häufig
Figuren, Motive und Gruppen aus älteren Werken entlehnt und in verschiedener
Weise zu neuen Kompositionen verwandt sind. Sodann ist sie mit Mars zu-
sammengestellt, den die Arme, mit welchen sie den Schild gehalten, dann
umfaßten: auch diese in der Kaiserzeit sehr beliebte Zusammenstellung wieder-
holt sich auf Sarkophagen und in vier noch vorhandenen Statuengruppen. In
derselben Weise ist eine bekannte treffliche Gruppe »Orest und Elektra« mit
Festhalten der Komposition wie des poetischen Motivs in eine neue »Orest und
Pylades« umgeschaffen worden'). An der sogenannten Thusnelda in der Loggia
de' Lanzi in Florenz gehört dem Künstler nur die höchst gelungene Charakte-
ristik der dargestellten nationalen Eigentümlichkeit, die großartige Anlage ent-
lehnte er trauernden Frauengestalten der älteren Kunst ^). Auch für die durch
neu eingeführte Kulte erforderlichen Darstellungen wurden alte Formen zum
Teil sehr glücklich verwandt. Erst seit der Kaiserzeit gewann der Mithrasdienst
im Westen Verbreitung: auch in den Reliefs der Mithrashöhlen*) begegnen wir
nur bekannten, aus dem Vorrat griechischer Kunst entlehnten Gestalten ; nament-
lich der auf dem Stier kniende Gott ist nichts als eine Umbildung einer Figur
der stieropfernden Siegesgöttin, und ebenso sind auch die übrigen Gestalten
dieser Komposition entlehnt, und nur ihre Zusammenstellung und die Zutat
einiger Symbole neu^). Ein andres Beispiel dieses allgemein angewandten Ver-
fahrens berichtet Josephus: in dem von Herodes erbauten Augustustempel zu
i) Die Künstler in der Provinz müssen geradezu Musterbücher zur Hand gehabt haben, wie
Amelung, Rom. Mitteil. XXI 1906 S. 280 ff. an einem Beispiele von der großen Mainzer Juppiter-
säule zeigt. 2] Diese Art des Kopierens älterer Vorbilder und Zusammensetzung einer neuen
Komposition aus überall her zusammengeholten älteren Motiven ist insbesondere charakteristisch
für die seit dem Ende der republikanischen Zeit für Rom tätigen sog. Neuattiker, vgl. F. Hauser,
Die neuattischen Reliefs, 1889. Beispiele für Umbildung und Variation der Originale durch die
Kopisten, auch die Verbindung desselben Kopftypus mit verschiedenen Körpern gibt G. Lippold,
Rom. Mitteil. XXXII 19 1 7 S. 95 ff. 3) Heibig, Untersuchungen über die Campanische Wand-
malerei S. 27 f. 4) Cumont a. a. O. S. 199 ff., vgl. auch F. Drexel, Der obergerm.-raet. Limes
XXXUI Das Kastell Stockstadt (1910) S. 77 ff. 5) Zum Teil wörtlich nach O. Jahn, Berichte d.
Sachs. Ges. 1861 S. 121 — 132; vgl, dazu Wickhoff a, a. O. S. 34. 129.
[III. 303] 3- DER KUNSTBETRIEB 95
Cäsarea war die kolossale Statue des Kaisers eine Nachbildung des Phidia-
sischen Zeus zu Olympia, »die hinter ihrem Vorbilde nicht zurückstand«, die
der Roma eine Nachbildung der Hera des Polyclet zu Arges ^). Eine mehr oder
minder freie Nachbildung des Motivs der Phidiasischen Statue zeigt eine ganze
Reihe von Kaiserstatuen mit nacktem Oberkörper und um die Schenkel ge-
schlagenem ManteP). Überhaupt sind bei Porträtstatuen die Gestalten, wie
gesagt, in der Regel nach älteren Typen gebildet. Die sogenannte Pudicitia
im Vatikan sowie die >Herculanerinnen« gehören zu dem großen Vorrat weib-
licher Gewandstatuen, deren Motive teils auf die attische Kunst des 4. Jahr-
hunderts, teils auf die hellenistische Zeit zurückgehen und bei der Gleichartigkeit
griechischer und römischer weiblicher Tracht sich in Rom unmittelbar verwerten
ließen; sie kehren namentlich in einer Anzahl von Sepulkralstatuen wieder^).
Namentlich aber zu dekorativen Zwecken genügte nicht bloß die unverän- Kopien berühmter
"if w lo-
derte Wiederholung der älteren Werke vollständig, sondern es war offenbar ^ ^'^^ er e —
auch der Wunsch der meisten Besteller, die allbekannten und allbeliebten Ge-
stalten in möglichst treuen Kopien zu besitzen'*). Lucian nennt folgende im Hof
eines athenischen Privathauses aufgestellte Statuen: den Diskos werfer des Myron,
den Diadumenos des Polyclet, die Tyrannenmörder des Kritias und Nesiotes —
selbstverständlich sämtlich Kopien dieser berühmten Werke ^). Die Nach-
bildung erfolgte vielfach auf mechanischem Wege, durch Abformung und ver-
mittels des Punktierverfahrens ^), woraus sich die Übereinstimmung der Maße
zwischen an ganz verschiedenen Orten gefundenen Kopien desselben Originals
erklärt. Natürlich wurden die berühmtesten auch am meisten vervielfältigt. So
sind die noch jetzt so zahlreichen Wiederholungen der Aphrodite, des Satyrs
und des Apollo des Praxiteles und eine Menge andre (z. B. der sogenannten
Mediceischen Venus) von zum großen Teil unbekannten Urbildern entstanden.
Wären nicht die Inschriften der Statuen größtenteils verloren, so würden wir
von diesen letzteren vermutlich manche kennen: eine Venus im Palast Chigi
zu Rom ist laut der Inschrift von einem Menophantos nach einem Original in
Alexandria Troas kopiert^). Diese Kopien sind in allen Provinzen verbreitet
gewesen. In Soissons hat sich eine Gruppe aus dem Kreise der Niobiden (der
jüngste Sohn mit seinem Pädagogen)^), in Trier eine Kopie der Venus von Melos
und der Matteischen Amazone gefunden^). Ein Relief aus der Nähe von Trier zeigt
i) Joseph. B. J. I 414. Auch die Polycletische Juno bei Martial. X 89 ist doch wohl eine Kopie
in Rom. 2) Interessant sind z. B. die Statuen aus dem der Antoninenzeit angehörenden Apollo-
heiligtume von Bulla regia, die durchweg Abwandlungen noch nachweisbarer älterer, zum Teil
bis auf die Zeit des Phidias zurückreichender Typen darstellen, vgl. Bulle, Archäol. Anzeig. 1908
S. 216 ff. Dasselbe gilt u. a. auch von den Statuen aus dem Theater von Merida (Emerita Augusta),
P. Paris ebd. 1912 S. 257 ff. 1914 S. 374 ff. 3) Heibig a. a. O. S. 31 f. 4) Über Statuenkopien
vgl. A. Furtwängler, Abhandl. Akad. München XX (1897) S. 544 ff. 5) Lucian. Philops. 18, vgl.
Blümner, Archäol. Studien zu Lucian 93. 6) Beispiele erhaltener Statuen, an denen die Puntelli
stehen geblieben sind, bei Benndorf u. Schöne a. a. O. zu nr. 492. P"urtwängler a. a. O, S. 545, 4;
über das häufige Abformen berühmter Originale Lucian. Jupp. trag. 33. 7) IG XIV 1255. Matz-
V. Duhn, Ant. Bildw. in Rom I nr. 754. Löwy, Inschr. griech. Bildhauer nr. 337: »die ausdrück-
liche Bezeichnung eines Werks als Kopie in der Künstlerinschrift steht vereinzelt da«. 8) Stark,
Niobe u. d. Niobiden S. 236 f. 9) Jahn a. a. O. 1861 S. 124 A. 35. Hettner, Steindenkm. d. Pro-
vinzialmus. zu Trier nr. 656. 691 (lUustr. Führer S. 71 f. nr. 159;, weitere Kopien auch nr. 692.
695 u. a.
96
Xn. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 304, 305]
Malerei und
Mosaik —
Geräten, Ge-
fäßen, Gem-
men —
deutlich die Einwirkung des praxitelischen Hermes'). Der am Hofe Augusts auf-
gewachsene König Juba IL von Mauretanien, der ebenso wie seine Gemahlin
Cleopatra Selene, eine Tochter von Antonius und Cleopatra, ein lebhaftes Inte-
resse für griechische Kunst und Literatur hatte, schmückte seine fortan Cäsarea
genannte Hauptstadt Jol (Scherschell)mitKopien von Werken aus der besten Zeit
der griechischen Skulptur, von denen mehrere dort gefunden sind: eine Athena
nach Alkamenes, zwei Kopien einer Frauenstatue aus der Zeit des Phidias, ein
Dornauszieher, ein flöteblasender Satyr, eine Venus als Meergöttin ^). König
Herodes Agrippa schmückte nach Josephus die ganze Stadt Berytus in Phönizien
»durch Aufstellung von Statuen und Kopien alter Werke« ^) ; unter alten Werken
sind hier wohl gewiß die der griechischen Blütezeit zu verstehen, obwohl die schon
in Quintilians Zeit verbreitete, seit Hadrian sehr gesteigerte Richtung auf das
Altertümliche, selbst die Inkunabeln der Kunsf*), zahlreiche Nachbildungen
auch der vorphidiasischen Plastik veranlaßte.
Die Bildhauer, »die alte Meisterwerke unterschiedslos aus allen Stilepochen
kopierten«, dienten gewiß nicht selten geradezu einem kunstgeschichtlichen
Interesse. Die völlige Abhängigkeit der Kunst von früheren Zeitaltern zeigt
sich auch auf allen andern Gebieten. Quintilian spricht von Malern, die sich dar-
auf beschränkten, fremde Bilder aufs genaueste zu kopieren ^j, Lucian von freien
Nachbildungen und Umbildungen älterer Gemälde^). Nicht bloß die Mittelbilder
der pompejanischen Wände sind im großen und ganzen freie Nachbildungen
von kunstmäßigen Tafelbildern, besonders Kabinettbildern der Diadochenzeit^) :
auch in der gesamten dortigen Wanddekoration des sogenannten dritten und
vierten Stils hat man wohl mit Recht Nachwirkungen der phantastischen Pracht
erkannt, die sich bei den Festen der Ptolemäer entfaltete^). Die Erhaltung von
Mosaikfußböden in den verschiedenen Provinzen zeigt, daß auch hier dieselben
Gegenstände überall wiederholt wurden : Nereiden und Meerungeheuer besonders
in Bädern, Nachbildungen von Speiseresten in Eßzimmern (diese Gattung war
so allgemein, daß ihr Name — asarotum — geradezu für Mosaik gebraucht
wird), Köpfe von Dichtern und Weisen etwa in Bibliotheken und Studier-
zimmern usw.^).
Auch bei der Verzierung von Geräten und Gebrauchsgegenständen wurden
fort und fort dieselben Muster reproduziert, sowohl in Nachbildungen von
Künstlerhand als in der fabrikmäßigen Massenproduktion. Der bereits erwähnte
Bildgießer Zenodorus kopierte zwei von Kaiamis ziselierte Becher so genau,
i) Hettner, Steindenkm. d. Provinzialmus. zu Trier nr. 68. H. Graeven, Zeitschr. f. bild. Kunst
N. F. XVI 1905 S. 168 ff. 2) Schulten, Das röm. Afrika S. 75. Kekule, Über Kopien einer Frauen-
statue aus der Zeit des Phidias (Berl. Winckelm.-Progr. 1897) S. 9 ff. Reisch, Österr. Jahresh. I
1898 S. 64 ff. Bienkowski ebd. S. 189 ff. 3) Joseph. A. J. XX 212 (dv6piavTUUV ävaeeöCöi KOi t(x\c,
TU)V dpxai'iwv diTGTUiTOK; eiKoaiv). 4) Friedlaender, Kunstsinn der Römer S. 38 f. 5) Quintilian.
X 2, 6: qtiemadmodjim quidam pictores in id sohitn student ut describere talndas ?)tenswis ac lineis
sciant. 6) Lucian. Zeuxis 3, vgl. Blümner a. a. O. S. 89 f. 7) Rodenwaldt, Komposition der pom-
pejan. Wandgemälde S. 197 ff. 8) Schreiber, Die alexandrinische Toreutik, Abhandlungen der
Sachs. Gesellsch. d. Wiss. XIV (1893) S. 424 ff. Gegen die Herleitung der pompejanischen Wand-
dekoration (abgesehen vom sog. ersten Stil) aus Alexandrien R. Pagenstecher, Sitz.Ber. d. Heidelb.
Akad. 191 7 Abt. XII 20 ff. 9) Vgl. die Übersicht über die Gegenstände der Mosaikdarstellungen
bei P. Gauckler in Daremberg-Saglio, Dictionn. III 2 S. 2 100 ff.
[III. 3o6] 3. DER KUNSTBETRIEB 97
'>daß in der Kunst der Arbeit kaum ein Unterschied war« '). Die Darstellungen
auf den in Hildesheim, Boscoreale und anderwärts gefundenen Silbergefäßen
sind Reproduktionen älterer Muster, besonders Alexandrinischer^). Auch Gem-
men, Glasflüsse und andre Erzeugnisse der Glasfabrikation zeigen bald mehr
bald minder gelungene Kopien derselben Vorbilder, die zahlreichsten aber die
im ganzen römischen Reich in größter Masse vorhandenen Tonwaren, die Er- Tonwaren.
Zeugnisse eines ungemein reich und mannigfach ausgebildeten Kunsthandwerks
(Friesplatten, Stirnziegel, Gefäße mit erhabenen Ornamenten und Figuren, be-
sonders Lampen), das, wie gesagt, die edelsten und anmutigsten Erfindungen
griechischer Kunst bis an die äußersten Grenzen römischer Kultur verbreitet
hat. »Alle diese Tonware ist in Formen gepreßt, und die mechanische Verviel-
fältigung erklärt es, daß überall im römischen Reich, in Afrika, Spanien, Gallien,
an der Themse, am Rhein, an der Donau, in Cilicien dieselben Formen, die-
selben Figuren, dieselben Reliefs, dieselben Ornamente, dieselben eingepreßten
Namen der Töpfer sich gleichmäßig wiederholt finden. — Indessen ist die rö-
mische Ware nur zum allergeringsten Teil direkt eingeführt; man fand es be-
quemer, die Formen und Stempel den Töpfereien zu liefern. Daher zeigen sich
in dem, was an Ort und Stelle zu beschallen war, in der Mischung und Bearbei-
tung des Tons, in Färbung und Firnis, überall Verschiedenheiten; was durch
Form und Stempel hervorgebracht wurde, bleibt sich dagegen überall gleich.
Es würde nicht schwer fallen, aus dem an verschiedenen Orten gefundenen
Tongeschirr den Vorrat einer wohlassortierten römischen Tonwarenfabrik an
Formen und Stempeln in ziemlicher Vollständigkeit wiederherzustellen. Darin
aber verrät sich ein Mangel an Verständnis bei den Provinzialtöpfern, daß nicht
selten die einzelnen Stücke der Formen verkehrt zusammengesetzt sind. Bei
einer Anzahl dieser Verzierungen kann man auch noch den Weg verfolgen, auf
dem sie dahin gekommen sind. Zum Teil kennen wir die Originale, einzelne
Figuren oder Gruppen, als Kunstwerke von selbständiger Bedeutung, welche
in Rom beliebt waren, und deshalb auch zur Verzierung angewandt wurden.
Dieselben finden wir nun auf größeren architektonischen Gliedern, Metopen
oder Friesplatten, dann auf Sarkophagreliefs, und endlich auf Tongefäßen
wieder. So wurde von Rom aus, indem man den Kunstgeschmack der Mode
über das ganze Reich diktierte, auch den Unbemittelten in der Provinz noch
eine gewisse Teilnahme an den Kunstschätzen der Hauptstadt ermöglicht« ^).
Unter den früheren Zeitaltern, von denen die (wie gesagt, nur auf dem Ge- Hohe Entwick-
biete der Porträtbildnerei originelle) Kunst der Kaiserzeit abhängig war, hat '"°S des Kunst-
diehellenistische Periode einen weit größeren Einfluß ausgeübt, als die klassische
des 5. und 4. Jahrhunderts, und zwar ist dieser Einfluß allem Anscheine nach
weit mehr von der alexandrinischen Kunst ausgegangen, als von der attisch-
pergamenischen: wie auch die alexandrinische Poesie für die römische in deren
bester Zeit maßgebend gewesen ist, und die alexandrinische Musik auf die rö-
mische bestimmend eingewirkt hat. Noch mehr aber als der eigentlichen Kunst
kam die unermeßlich reiche Tradition der noch in hohem Grade schöpferischen
^ i) Plin. n. h. XXXIV 47. 2) Schreiber a. a. O. S. 425 ff. 440. 3) Jahn, Aus der Altertums-
wissenschaft S. 243 f.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. 7
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 307]
Einfluß der her-
culaneischen Ent-
deckungen auf die
Pariser Kunst-
industrie,
Fabrikmäßiger
Kunstbetrieb.
hellenistischen Epoche dem Kunsthandwerk zugute: ihre Verwertung erstreckte
sich bis in die bescheidenen Werkstätten der Töpfer, Steinmetzen, Zimmer-
maler, Gold- und Silberschmiede'). Wenn es überhaupt im Altertum keine feste
Grenze zwischen Kunst und Handwerk gab (wie denn auch die alten Sprachen
keine scharf unterscheidenden Bezeichnungen für beides haben) "^j, so waren
beide vollends in einer Zeit durch tausendfache Übergänge verbunden, wo die
Produktion in so überwiegendem Maße nur Reproduktion war, wo von dem
Künstler in der Regel nur Ausführung oder Verwendung fremder Erfindung
gefordert ward. Da auch der Handwerker Auge und Hand an den herrlichsten
Mustern bildete, reichte für ihn technische Fertigkeit hin, um gute Nach-
ahmungen zu liefern, und so eroberte gleichsam das Handwerk einen großen
Teil des Gebiets,. das in andern Zeiten der eigentlichen Kunst gehört hat; und
es entwickelte sich auf diesem Boden in einem Umfange, wie es eben nur bei
einem bis in die untersten Schichten der Gesellschaft verbreiteten Bedürfnisse
möglich war. Die Entdeckung der Zimmerdekorationen einer Mittelstadt wie
Herculaneum hat hingereicht, um auf dem Gebiete der damaligen hochentwickel-
ten Pariser Kunstindustrie eine wahre Umwälzung zu bewirken. Der Geschmack
für die neue, ä la grecque genannte Manier steigerte sich (nach den Berichten
Galianis aus den Jahren 1763 und 1767) zum Übermaß. Nicht bloß Bronzen,
Schnitzereien, Gemälde wurden nach Herculaneum kopiert: Tabaksdosen,
Fächer, Ohrringe, Budenschilder aller Art gab es ä la grecque. Alle Gold-
schmiede, Juweliere, die Maler der Wagen- und Türstücke, Tapezierer, Orna-
mentenmacher konnten ohne die Pitture di Ercolano nicht mehr auskommen.
Auf den Kaminen erschienen statt chinesischer Fratzen und sächsischer Porzellan-
gruppen Dreifüße, wohl oder übel den herculaneischen Bronzen nachgebildet.
Auch das (1767) in die Münze gewanderte Tafelsilber wollte man in neuem Ge-
schmack gießen lassen, und endlich eroberte dieser sich sogar die Stickerei^).
Der Kunstbetrieb war aber in der römischen Kaiserzeit vielfach nicht bloß
ein handwerksmäßiger, sondern (auch außerhalb der Gebiete, für welche dies
bereits bemerkt ist) ein geradezu fabrikmäßiger. Wie die Ausführung von
Bauten, so wurde auch die von künstlerischen Arbeiten, besonders solchen, die
größere Kräfte erforderten, sehr häufig, wenn nicht in der Regel, Unternehmern
überlassen, die zum Teil selbst Künstler waren, zum Teil aber nur Künstler be-
schäftigten'^). Nach einer schon erwähnten Angabe Plutarchs wurden auch zur
Errichtung von Kolossen Konkurrenzen ausgeschrieben, und die Arbeit dem
Künstler übertragen, der bei den geringsten Kosten die beste Ausführung in
Aussicht stellte^). In dem Antrage Ciceros, dem S. Sulpicius Rufus eine Statue
zu errichten, heißt es, die Konsuln sollen den Quästoren befehlen, die Anferti-
gung von Postament und Statue in Akkord zu geben, und dem Unternehmer
[redcmptor] die ausbedungene Summe zahlen^); überhaupt ist »verdingen« [lo-
i) Schreiber a. a. O. S. 424 ff. F. Drexel, Bonn. Jahrb. CXVIII (1909) S. I76ff. 2) Marquardt,
Privatl.^ S. öojf. Habel, Real-Encykl. II i45of. G. Kühn, De opificum Romanorum condicione
privata (Diss. Halle 1910) S. 3. 3) Justi, Winckelmann 11^ 358. 4) Auf dem rechten Schenkel
einer im Theater von Merida (Emerita Augusta) gefundenen Togastatue steht ex ofßcitiis Caii AtiH
(Strong, Joum. of Rom. Stud. I 1911 S. 37); auf einer Statuenbasis in Puteoli CIL X 1896 ex offi-
cifia Sextili Clementis. 5) Oben S. 22. 6) Cic. Philipp. IX 16.
[IIL 308, 309-]
3. DER KUNSTBETRIEB
99
care) der gewöhnliche Ausdruck für die Bestellung- von Kunstwerken"). Ein
Durchschnittsmaß künstlerischer Leistungsfähigkeit durfte bei jedem Unter-
nehmer vorausgesetzt werden, während ein ungewöhnlich hoher Grad derselben
um so seltener war, je weniger er erfordert und geschätzt wurde. So konnte bei
der Wahl unter den Anerbietungen der Preis und die Zeitdauer der Ausführung
in erster Linie maßgebend sein.
Sowohl die hohe und reiche Entwicklung des Kunsthandwerks als der fabrik-
mäßige Kunstbetrieb bedingte eine weitgetriebene Arbeitsteilung, von der sich
manche Spuren nachweisen lassen. Es gab eigene Geschäfte für Fabrikation
von Grabdenkmälern^); es gab Arbeiter, die nur den Statuen die Augen (aus
einem farbigen Material) einsetzten 3). Alle größeren Kunstunternehmungen
setzen ein Zusammenwirken einer größeren Anzahl verschiedener Künstler und
Handwerker unter einer einheitlichen Leitung voraus. So ist die in der letzten
Periode Pompejis (nach dem Erdbeben von 62) ausgeführte Dekoration der
Wände in den dortigen Häusern, wo »die Verzierungen wie aus einem Geiste
entsprungen und aus demselben Topfe gemalt sind« ■*), wohl, wenn nicht durch-
weg, so doch zum größten Teil offenbar durch eine und dieselbe Malergesell-
schaft erfolgt, in der Anstreicher, Arabesken-, Blumen-, Tier-, Landschafts- und
Figurenmaler an denselben Wänden nach- und nebeneinander arbeiteten; nur
so konnte die Ausmalung eines großen Teils der Häuser, wie jede andre künst-
lerische Massenproduktion, mit der erforderten Schnelligkeit geleistet werden^).
Die Festigkeit allgemein anerkannter Normen und Traditionen, denen gegen-
über die künstlerische Individualiät in den Hintergrund trat oder doch darauf
verzichtete, sich in vollem Maße geltend zu machen, hatte im Altertum von jeher
das Zusammenarbeiten zweier oder mehrerer Künstler an einem Werke ebenso
häufig gemacht, wie es in der modernen Kunst gegenwärtig selten ist, und hierin
hat sich allem Anschein nach in der Kaiserzeit nichts geändert^). Einige Ana-
logien für diesen Gebrauch der antiken Plastik bietet die Malerei der früheren
Jahrhunderte der neueren Zeit mit ihren ebenfalls festeren Schultraditionen.
Ein großer Teil der zur Ausführung umfassenderer Kunstunternehmungen
verwandten Arbeiter waren Sklaven, und in der Tat gehört die Sklaverei ganz
wesentlich zu den Faktoren, auf deren Zusammenwirken die künsderische Massen-
produktion beruhte. Die Kunsthandwerke, deren Leistungen vielleicht den
größten Teil des Kunstbedürfnisses befriedigten, konnten so gut wie jedes andre
Handwerk bei einiger Geschicklichkeit und Anstelligkeit von jedermann erlernt
werden, und Sklavenbesitzer, die von ihren Leuten einen möglichst hohen Ge-
winn ziehen wollten, -ließen sie natürlich in den Arbeiten unterrichten, nach
denen die Nachfrage am größten war; dazu gehörten Kunstarbeiten je länger
je mehr. Ebensogut wie die Gladiatorenbanden, Schauspielertruppen, Chöre
Weitgetriebene
Arbeitsteilung.
Zusammenar-
beiten mehre-
rer Künstler.
Kunstarbeiten
großenteils
durch Sklaven
ausg-eführt.
i) z. B. Pers. 6, 47. Sueton. Claud. 9, i. 2) Oben I 163. 3) CIL VI 9403 = Dessau 7713
M. Rapilius Serapio hie ab ara martnor ea) oculos reposuit Statuts; äaher faber oculariarius CIL VI
9402 = Dessau 7714, vielleicht auch der scalptor uclarius CIL VI 9824 (anders Marquardt, Privatl.^
695, 6. 4) Goethe, Werke XLIX i S. 169 d. Weim. Ausg. 5) Vgl. auch Overbeck-Mau, Pom-
peji'* S. 571 f. und über den seit 63 n. Chr. herrschenden Dekorationsstil Mau, Gesch. d. dekora-
tiven Wandmalerei in Pompeji 1SS2 S. 446 ff. 6) Löwy, Inschr. griech. Bildhauer S. XV; vgl.
S. 405 f. (Künstlerfamilien).
loo XIL DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 310]
von Sängern und Spielleuten, konnten aus großen Sklavenfamilien Gesellschaf-
ten von Malern und sonstigen Kunstarbeitern gebildet werden, die teils die
Wohnungen ihrer Herren schmückten, teils Aufträge für deren Rechnung aus-
führten. Verres hatte unter seinen Leuten eine Anzahl von Ziseleuren und
Arbeitern von Metallgefäßen'). Zu den Annehmlichkeiten einer bescheidenen,
aber gesicherten Existenz, die sich der Nävolus Juvenals für sein Alter wünscht,
gehören auch »ein krumm gebückter Ziseleur und einer, der schnell viele Ge-
sichter malen kann«^), d. h. Sklaven, die sein Einkommen durch besonders ein-
trägliche Arbeiten vermehren sollen: die des Malers war dies wohl besonders
durch Verwendung zu den so massenhaft angefertigten figurenreichen Dar-
stellungen historischer Ereignisse, vielleicht auch zu Illustrationen von Büchern.
Maler sind übrigens diejenigen Künstler, die am häufigsten als dem Sklaven-
stande angehörig bezeichnet werden^). Der Jurist Julianus (unter Hadrian) führte
in den Erörterungen über Schadenersatz für einen getöteten Sklaven aus, wenn
einem »wertvollen Maler« [pretioso pictori) der Daumen abgehauen, und er
dann innerhalb eines Jahrs getötet worden, so sei er zu dem Werte zu schätzen,
den er vor der Verstümmelung gehabt habe"*). Zu den Bedingungen der Frei-
lassung künstlerisch gebildeter Sklaven gehörte in vielen Fällen die Fortdauer
von Leistungen in der erlernten Kunst für den Patron: auch unter diesen werden
Malerarbeiten audrücklich genannt^).
Wohlfeilheit Daß die Herstellung von Kunstwerken zum großen Teil durch Sklavenarbeit
r^h ^^J^^'^'l' erfolgte, bedingte ihre Wohlfeilheit, die mit ihrer allgemeinen Verbreitung in
arbeit. Wechselwirkung stand. Aber auch die Leistungen der freien Kunsthandwerker
wurden nicht hoch bezahlt. In dem Edikt Diocletians sind die Tagelöhne der
Arbeiter, welche die künstlerische Dekoration der Häuser besorgten, in der
Voraussetzung normiert, daß auch sie wie alle übrigen die Kost von dem Bau-
herrn erhielten. Der Lohn des Stukkateurs ist hier derselbe wie der des Maurers,
Zimmermanns und Kalkbrenners, des Wagenbauers, Bäckers und Schmieds;
der des Mosaizisten nur um ein Fünftel, der des Ton- und Stuckmodelleurs um
die Hälfte höher, der des Bildermalers dreifach so hoch°). Namentlich bei Sta-
tuen hatte die fabrikmäßige Herstellung eine große Ermäßigung der Preise zur
Folge''). Während in der Zeit Alexanders des Großen 3000 Drachmen (2358
Mark) der Durchschnittspreis einer Statue gewesen zu sein scheint, sagt Dio
von Prusa in seiner rhodischen Rede, man könne ein (bronzenes) Standbild für
1000 (786 Mark) oder selbst 500 Drachmen (393 Mark) errichten^). Daß diese
freilich absichtlich sehr niedrige Schätzung sich doch (wenn überhaupt) nicht
weit von der Wahrheit entfernte, wird durch zahlreiche inschriftliche Preisangaben
bestätigt. Von mehreren Götter- und Kaiserstatuen in Gallien, der Schweiz,
Spanien und Afrika sind auf den noch erhaltenen Postamenten die Preise
angegeben, welche (nach Größe, Arbeit und Material) von 3000 — 20000 S.
i) Cic. Verr. II 4, 54. 2) Juv. 9, 145 f. 3) Vgl. auch Artemidor. Onirocr. IV prooem. p. 201, 2
Herch. Dig. VI i, 28; Inschriften von Malern CIL VI 9786 — 9794 (Sklaven, Freigelassene und
Freie). 4) Dig. IX 2, 23 § 3. 5) ebd. XII 6, 26 § 12. 6) Edict. Diocl. 7, 2 fr. 24 ff. und dazu
Blümner, Maximaltarif des Diocletian .S. 105 fif. Die Ansätze sind 50, 60, 75, 150 Denare (rund
etwa 90 Pf., 1,10 bezw. 1,35 und 2,70 Mark); in sigillis vel stahiis 4 Denare (etwa 7,5 Pf.) auf das
Pfund. 7) Vgl. den Anhang XXVII. 8) Dio Chrys. er. 14, 59 (I 236 Arn.).
[III. 3 II]
3- DER KUNSTBETRIEB
lOI
(652 — 4350 Mark) und darüber stiegen. Vermutlich waren in Fabriken und
Handlungen die verschiedenen Gattungen für Käufer und Besteller zu festen
Preisen tarifiert. Wenn also ein Provinzialpriester von Bätica, der zugleich das
Amt eines Duumvirn in seiner Vaterstadt Corduba bekleidet hatte, (wie oben
erwähnt) ') in Anerkennung der sämtlichen ihm erwiesenen Ehren dort Statuen
im Gesamtbetrage von 400000 S. (87000 Mark) errichten ließ''), so waren es
20 — 130; wenn ein freigelassener Arzt zu Assisi, der zugleich Sevir der Augu-
stalen war, zur Aufstellung von Statuen im dortigen Tempel des Hercules 30000 S.
(6525 Mark) hergab^), so konnten dafür (höchstens) 10 geliefert werden; und das
Vermächtnis eines Reiteroffiziers in Grenoble von 50000 S. (10876 Mark) »zu
Statuen« reichte zur Anschaffung von höchstens 16 hin"*).
Von eigentlichen Künstlerhonoraren wissen wir wenig. LucuUus bestellte
bei dem ihm befreundeten Bildhauer Arcesilaus ein Bild der Göttin Felicitas für
60000 S. (damals 10 530 Mark), das wegen des Tods beider unvollendet blieb;
derselbe Künstler verkaufte an den römischen Ritter Octavius das Gipsmodell
eines Kraters für ein Talent (47 1 5 Mark)^). Das hohe Honorar, das die Restau-
ratoren der Venus des Apelles und des Nerokolosses von Vespasian erhielten,
gibt Sueton leider nicht an^). Zenodorus erhielt von der Stadt der Arverner
(Clermont) für die Ausführung des Merkurkolosses, die 10 Jahre dauerte, an
Honorar [nianipretium) allein 400000 S., erwarb also mit dieser Arbeit jährlich
40000 S. (8700 Mark)^).
Diese Honorare erscheinen auch dann keineswegs niedrig, wenn man den
damaligen Sachwert des Gelds nicht höher annimmt als den heutigen; sie sind
ebenso hoch oder höher als die mancher der hervorragendsten Künstler des
18. und 19. Jahrhunderts. Die beiden Gruppen der Jagd und des Fischfangs,
die Ludwig XV. bei dem älteren Adam für die Gärten von Choisy bestellte
und später Friedrich dem Großen schenkte, kosteten (1756) 52000 Livres,
deren Wert dem heutigen von 160000 Franken gleichkommen soll; eine
Figur der Abundantia desselben Künstlers für das Schloß von Choisy (1758)
10 000 Livres. Der überaus bewunderte »Amor, der die Keule des Hercules
zerbricht, um Pfeile daraus zu machen«, von Bouchardon, wurde mit
20000 Livres bezahlt. Pigalle, der 1750 für einen Amor 24000 Livres er-
halten hatte, übernahm die Ausführung des Grabdenkmals des Marschalls
von Sachsen (in der Thomaskirche in Straßburg) für 85000 L. (angeblich
so viel wie jetzt 300000 Franken) und erhielt sie in vier Zahlungen, obwohl
er die 1753 — 1756 auszuführende Arbeit unvollendet ließ, die dann erst
unter Ludwig XVI. vollendet wurde^). Rietschel erhielt für die Gruppe von
Goethe und Schiller in Weimar, an der er 3 Jahre (1854 — 1856, davon 2^/2
ununterbrochen) arbeitete, ein Honorar von 16500 Mark, seine Auslagen be-
trugen 4800^): er erwarb also damals, wo er auf der Höhe seines Ruhms stand,
jährlich im Durchschnitt nicht viel über 3900 Mark, also (selbst bei An-
Künstlerhonorare
in der Kaiserzeit—
im 18. und 19.
Jahrhundert.
i) Oben S. 38. 2) CIL II 5523 = Dessau 5079. 3) CIL XI 5400 = Dessau 7812. 4) CIL
XII 2231; — subpraef[ecto) equit[um) alae Agrippian[ae) qui \HS\ IDDD m statiias et
aenearum [iest[amento) reli\quit. 5) Plin. n. h. XXXV 156. 6) Sueton. Vespas. 18. 7) Plin.
n. h. XXXIV 45. Oben S. 79. 8) Lacroix, XVIIL siede, Lettres S. 343 ff. 9) Oppermann, Ernst
Rietschel S. 287.
I02 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [111.312,313]
nähme des gleichen Sachwerts des Gelds im i. und 19. Jahrhundert) noch nicht
halb so viel wie Zenodorus in einer Provinzialstadt. Rauch erhielt für das (zum
zweitenmal ausgeführte) Modell der (über 2 7, Meter hohen) Statue Kants in
Königsberg (deren Erzguß über 10 000 Mark kostete) 6000 Mark: also nicht
sehr viel mehr als Arcesilaus für das Gipsmodell eines Kraters.
4. DIE KÜNSTLER.
Gründe für die 1 |er unverhältnismäßig große Raum, den in der Kunst der römischen Kaiser-
Genngschatzung J^^yzeit das Handwerk einnahm, und die niedrige Lebensstellung der über-
den Römern, wiegenden Mehrzahl derer, welche beide ausübten, konnte auf die Schätzung
der Kunst bei den Gebildeten nicht ohne Einfluß bleiben. Beides mußte nament-
lich alle, denen das Verständnis für ihr wahres Wesen fehlte, verleiten, Hand-
werk und Technik mit Kunst mehr oder weniger als gleichbedeutend anzusehen,
und auch in dem wahren Künstler nur den höheren Handwerker zu erblicken.
Wenn freilich Philosophen, die sittliche Veredlung allein als erstrebenswertes
Ziel anerkennen, von der künstlerischen Tätigkeit mit Geringschätzung sprechen,
so setzen sie darum die bildenden Künste nicht als solche herab. Wenn Plutarch
sagt'), kein Jüngling von edler Natur werde beim Anblick des Zeus zu Olympia
ein Phidias oder bei dem der Hera zu Argos ein Polyclet zu werden wünschen,
so fügt er auch hinzu: »ebensowenig wie ein Anakreon, Philemon oder Archi-
lochos, wenn er sich an ihren Gedichten ergötzt hat. Denn wenn uns auch ein
Werk durch seine Anmut erfreut, so ist deshalb noch nicht notwendig sein
Vollbringer schätzenswert.« Plutarchs Äußerung beweist also keineswegs eine
Geringschätzung der bildenden Künstler als banausischer Handwerker, die man
aus ihr gefolgert hat^), sondern im Gegenteil ihre Gleichstellung mit den größ-
ten Dichtern. Dagegen Seneca, der in den Künsten nur Werke des Luxus sah
und ihnen keinen Platz unter den Studien einräumen wollte, die den jugend-
lichen Geist zur Sittlichkeit vorbereiten, wie Grammatik, Musik, Geometrie,
Astronomie^), sah auch in dem Künstler nur den Handwerker: »während man«,
sagt er, »die Götterbilder anbetet, verachtet man ihre Verfertiger«''). Namentlich
die ausschließliche und übermäßige Schätzung literarischer und rhetorischer
Bildung war mit Geringschätzung der bildenden Künste und ihrer Vertreter ver-
bunden. Auf diesem Standpunkte steht Plutarch allerdings, wenn er Alkame-
nes, Nesiotes und Iktinos mit allen Banausen und Handwerkern, die von der
Redekunst nichts wissen wollen, in eine Reihe stellt^); desgleichen der wirklich
kunstsinnige Lucian, wenn er in seinem »Traum« die Bildhauerei als ein unge-
bildetes, rohes, schmutziges Weib mit schwieligen Fäusten einführt, die Rede-
kunst als eine glänzende Erscheinung, und die letztere sagen läßt, daß auch
Polyclet und Phidias selbst den Bewunderern ihrer Werke als banausische Hand-
werker erscheinen müßten^). Philostrat, der zu den Weisen Dichter, Musiker,
l) Plutarch. Pericl. 2, l. 2) So namentlich K. F. Hermann, Studien der griech. Künstler S. 6, 8.
3) Seneca ep. 88, 18. 4) Seneca bei Lactant. Inst. II 2. 14. 5I Plutarch. Praecept. gerend. reip. 5.
6) Lucian. Somn. 6. 9.
[111.314]
4. DIE KÜNSTLER
103
Astronomen und die besten Rhetoren zählt, will Maler und Bildhauer wenig-
stens neben Seefahrern und Landleuten zu den Halbweisen rechnen, »wenn sie
den Hören folgen ; denn auch diese Künste bleiben nicht weit hinter der Weis-
heit zurück« '). Galen zählt als die Wissenschaften und Künste, die sich für die
Wahl eines Berufs am meisten empfehlen, folgende auf: Medizin, Rhetorik,
Musik, Geometrie, Arithmetik, Dialektik, Astronomie, Grammatik, Jurisprudenz;
wenn man wolle, könne man noch Malerei und Plastik hinzufügen'). Im allge-
meinen darf man annehmen, daß die Künstler wie die Künste in der griechi-
schen Welt auch damals in höherer Achtung standen als in der römischen.
Von den beiden bildenden Künsten im engeren Wortsinne ist die Plastik auch
in der Zeit der römischen Weltherrschaft offenbar so gut wie ganz in den Hän-
den von Griechen und Halbgriechen geblieben. Vergil hat es mit echt römi-
schem Bewußtsein ausgesprochen, daß die zur Welteroberung und Weltherr-
schaft berufene Nation in der Kunst, das Erz zu beseelen und lebende Züge
aus dem Marmor zu ziehen, andern den Vorrang nicht streitig machte^). Unter
allen auch aus römischer Zeit zahlreich bekannten plastischen Künstlern sind
äußerst wenige, die (wie Coponius, Decius und einige andre)'') als Römer von
Geburt gelten können. Namentlich in Rom waren es in der letzten Zeit der Re-
publik wie in der Kaiserzeit Griechen (besonders Athener) und Kleinasiaten,
welche die bewundertsten Werke schufen, bei den bedeutendsten Kunstunter-
nehmungen beschäftigt und am höchsten bezahlt wurden. Die Statue in dem
von Cäsar 46 v. Chr. geweihten Tempel der Ahnfrau Venus war ein Werk des
Arcesilaus; das Pantheon Agrippas schmückte der Athener Diogenes mit Karya-
tiden und Giebelstatuen; auch die meist paarweis arbeitenden Künstler, welche
nach Plinius »die Kaiserpaläste mit den anerkanntesten Statuen füllten«, waren
sämtlich Griechen^).
Ganz anders war es in der Malerei
Überlieferung des Stukkierens der
einiger Kunst in der Wandmalerei, die sie vielleicht früher als die Griechen zu
mythologischen und historischen Bildern und sonstigen Darstellungen, welche
die Grenzen der reinen Dekoration überschritten, in Anwendung brachten.
Daß die Malerei in Rom vor der Plastik in Gunst stand, ist auch deshalb be-
greiflich, weil sie zur treuen und anschaulichen Darstellung des Geschehenen
so viel geeigneter war. Ihre Ausübung gereichte in der älteren Zeit auch Männern
des hohen Adels nicht zur Unehre. Ein Fabius malte im Jahre 304 v. Chr. den
Tempel der Salus mit Bildern aus, die noch Dionys von Halikarnaß sehr lobt,
und die erst unter Claudius durch den Brand des Tempels untergingen; der Bei-
name Pictor vererbte sich in der Familie dieses Fabius. Seit Pacuvius, dessen
Leben bis zur Gracchenzeit herabreicht, war allerdings die Malerei nach Plinius
Die Plastik ia
den Händen
der Griechen.
Bei ihrer Anhänglichkeit an die uralte Die Malerei auch
Mauern brachten es die Italer früh zu ^eben"™^"^
i) Philostrat. Apoll. Tyan. VIII 7. 2) Galen. I 38 f. (oben I 173;. 3; Verg. A. VI 847 f. 4) Brunn,
Künstlergesch. I 602. Löwy, Inschr. griech. Bildh. nr. 357 (Athen) : — Tpaiavov 'Aöpiavöv '0\u|li-
TTiov r\ lariTpoTToXi^ rf\'q] Iwviac, MiXriöiuuv ttöXk; — 'AvbpiavTOTroioq AuXot; TTavTou\tiio<; Faiou
' Eqpeöioq 6 Kai M6i\r|öiO(; eirofei. 368 (Olympia): KopvriXioq 'Aq)poöi0ieü<; eiroiei. S. auch oben
S.98 A. 4 und über einen Bildhauer Glabrio in Hierapolis oben S. 90 A.4. Cornelius Satuminus in
Oea (Apulei. Apol. 61 f.) scheint nicht bloß Holzschnitzer gewesen zu sein. 5) Plin. n. h. XXXVI
38. Löwy a. a. O. S. 238 ff. 262 ff.
I04 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 315]
nicht »in anständigen Händen« gesehen worden. Vermutlich räumten die rö-
mischen Künstler den Rom nun mehr und mehr überflutenden, höher ausgebil-
deten griechischen allmählich das Feld, und je längerund allgemeiner die Malerei
von Fremden, Unfreien und Freigelassenen geübt wurde, desto weniger galt
ihre Ausübung für Römer als ehrenvoll: schon Valerius Maximus fand es kaum
begreiflich, daß ein Fabius einer so niedrigen Beschäftigung ergeben gewesen
sei und sich ihrer nicht geschämt habe^).
Immer aber blieb die Malerei mehr in Ansehen als die Plastik, und auch in
der Kaiserzeit haben die Römer ihre Ausübung keineswegs den Griechen ganz
überlassen. Daß unter August ein Knabe aus sehr vornehmer Familie Q. Pedius
zum Maler ausgebildet wurde, war allerdings nur in dessen Stummheit begründet,
welche ihm jeden seinem Stande angemessenen Lebensberuf verschloß. Doch
von einem römischen Ritter Turpilius sah Plinius schöne Bilder zu Verona"^).
FabuUus (oder wie sein Name sonst gelautet haben mag), ein ernster, strenger
und zugleich glänzender Maler, der nur wenige Stunden am Tage und immer
mit großer Würde in der Toga auf dem Gerüst stehend malte, war hauptsäch-
lich im Goldenen Hause Neros beschäftigt. Cornelius Pius und Attius Priscus
malten den von Vespasian restaurierten Tempel des Honos und der Virtus aus^j.
Unter August hatte der römische Maler Studius (auch dieser Name ist unsicher)
durch Einführung eines anmutigen und wohlfeilen Dekorationsstils (einer er-
weiterten Anwendung der Skenographie) für Zimmer einen sehr großen Erfolg'') :
er erscheint mit seiner Virtuosität, welche den Bedürfnissen des Luxus seiner
Epoche Genüge leistete, mit seiner scharfen Beobachtung, mit seinem Humor
und seinen vortrefflichen Kenntnissen der Darstellungsmittel als eine echt rö-
mische Künstlernatur^).
Malerinnen. Die Malerei scheint auch von Frauen viel geübt worden zu sein, wenigstens
sieht man auf antiken Bildern Malerinnen verhältnismäßig oft. Das Grab einer
Malerin wurde im Jahre 1847 ^^ ^^^ Vendee in St. Medard-des-Pres neben den
Resten einer Villa entdeckt, in welcher sich Bruchstücke von zierlicher Wand-
malerei fanden. Das Grab enthielt außer dem Skelett eine reiche Ausstattung
Weibliche Mo- von Malergerät ^). Nach dem Christen Justinus wäre auch Bildhauerei von Frauen
delle der Bild- getrieben worden. Wie ausschweifend die Verfertiger von Götterbildern seien,
hauer.
sagt er, ergebe sich daraus, daß sie die Sklavinnen verführen, die ihnen bei der
Arbeit helfen; in der Tat dürften es jedoch weibliche Modelle gewesen sein, die
Justinus in Bildhauerwerkstätten gesehen hatte, und deren Verhältnisse zu den
Künstlern ihm zum Ärgernis gereichten^). Die Technik der bildenden Künste
wie der Malerei hat sich übrigens auch im Okzident bis in die letzten Zeiten
des Altertums erhalten^).
l) Valer. Max. VIII 14, 6. 2) Plin. n. h, XXXV 20 f. Inschriften aus derselben Familie zu
Verona CIL V 3432. 3) Plin. n. h. XXXV 120, vgl. Rodenwaldt, Die Komposition der pompejan,
Wandgemälde S. 248. 4) Plin. n. h. XXXV i i6f. 5) Rodenwaldt, a. a. O. S. 24 ff. 6) Jahn,
Abhandl. d. Sachs. Ges. V 1868 S. 302 ff., wo S. 298 ff. auch zwei Darstellungen von Malerinnen
auf Wandgemälden (Heibig, Wandgem, nr. 1443. 1444) besprochen werden. 7) Justin. Martyr
Apol. I 9, 4 Ktti OTi Ol TOUTUuv (der Götterbilder) TexviTai doeXYC^ ^iöi Kai iräaav KttKi'av, i'va
uri KaTapi9)LHjj)uev, exouaiv, ciKpißiJÜc; eTTi0Ta0ee- Kai tck; eauxuiv ■naibiOKac, ouvepYa2o)ueva<;
• (p6eipou<Jiv. 8) Augustin. De civ. d. XXII 19: vollständiges Umgießen einer mißlungenen
Statue. Boetius (+ 525) De instit. arithm. I praef. ed. Friedlein p. 4: Jede scientia bedarf ceteraruni
[111.316,317] 4- DIE KÜNSTLER 105
Die Architektur ist die einzige Kunst, welche die Römer als eine ihrer natio- Die Architektur
nalen Anlage verwandte schöpferisch behandelt haben, die einzige, die nicht hochgeschätzt™
bloß den großen Zwecken des Staats, dann der Weltherrschaft wirksam dienen,
sondern auch allein den Weltherrschaftsgedanken zum Ausdruck bringen konnte.
Auf allen andern Kunstgebieten von griechischem Einfluß abhängig, haben sie
hier, völlig original, jene Werke geschaffen, die den Jahrtausenden trotzend
noch heute eine so mächtige, fast schauerliche Wirkung üben, und denen die
griechische Kunst nichts an die Seite zu stellen hat. Die stolze Frage eines
Frontinus, ob man mit den römischen Aquädukten wohl die müßigen Massen
der ägyptischen Pyramiden oder die nutzlose Herrlichkeit der berühmten grie-
chischen Bauwerke vergleichen könne — sie ist der Ausdruck einer, wenn auch
einseitigen, doch nicht unberechtigten Anschauung^).
Die Unentbehrlichkeit und hohe Bedeutung der Architektur für das öfifent- Römische ArcM-
liche wie für das Privatleben war der Grund, daß sie für die anständigste Kunst ^^ '^^^ ^^ ^^^^ '
angesehen und von Cicero der Heilkunde gleichgestellt wurde, wie sie denn
auch nicht bloß in Rom, sondern in allen großen Städten die lohnendste ge-
wesen sein dürfte. Daher war nicht nur der Zudrang zu diesem Beruf sehr groß,
sondern es waren auch unter den Architekten, wie es scheint, neben Sklaven,
Freigelassenen und Fremden römische Bürger während der Republik sowie
während der ganzen Kaiserzeit zahlreich "^j. Das Werk des Vitruvius über die
Baukunst war nicht das erste römische über diesen Gegenstand. Von den nam-
haften kaiserlichen Architekten, die wir kennen, ist Apollodorus von Damascus,
der Trajans Bauten leitete und (im Jahre loi) die Donaubrücke baute, der ein-
zige, der mit Gewißheit als Nichtrömer bezeichnet werden kann. Als Architek-
ten Neros nennt Tacitus Severus und Celer (letzterer vielleicht kaiserlicher Frei-
gelassener), »die Geist und Kühnheit genug besaßen, um zu versuchen, was die
Natur zu verweigern schien«^). Domitians Palast baute Rabirius, der dabei
(nach Martial) das gestirnte Firmament als würdiges Vorbild erfaßt hatte"*);
auch der Architekt Hadrians Decrianus war wohl ein Römer ^). Der jüngere
Plinius trägt den Bau eines Cerestempels einem Mustius auf, der die Schwierig-
keiten des Terrains durch seine Kunst zu überwinden wußte^ Den Erbauer
der Brücke von Alcantara und eines damit verbundenen Kaisertempels auf
einem Felsen am Tajo kennen wir aus einem dort in Stein gehauenen Gedicht,
quoque artium adhmmita. — nam in effiglandis marmore statuis alius excidendae niolis labor est,
alia formandae hnaginis ratio, nee eiusdem artificis inamts politi operis nitor exspectat. at pieturae
manibus tabula commissa fabrorum, cerae rtistiea observatione deeerptae, colorwn fuci mercatorum
sollertia perquisiti, lintea operosis elaborata textrinis multiplicem materiem praestant. Marcellin.
Com. z. J. 506 (Mommsen, Chron. min. II 96) : His consiilibus Anastasii principis statua in eodem
loco, quo dudum Theodosii Magni s teterat, super i?jwmne/n cohimnam in foro Traiani statuta est;
ebd. z. J. 510 (II 97): Simulacrum aeneum in foro Strategii super fornicem residens et cornucopiae
Fortunae retinens incendio proßammatum est combusttcmqtie amisit brachium, quod tarnen statuarii
^^«ifmz^ö Jö/?V/ä:r««AEunap.Vit.philos.p.482, 28Boiss. : 'IXdpiov — KOiTa YpctqpiKriv outuü qpiXoöocpri-
aavxa, oiaxe ouk eTeGvrjKei ev Tai(; exeivou xepff'iv 6 Euqppdvujp. Über Elfenbeinschnitzerei vgl.
Marquardt, Privatl.^ 741 ff-
i) Frontin. De aquis I 16. 2) Marquardt, Privatl.^ 613. Vgl. Cod. Theodos. XIII 4, i und oben
I 172. Ruggiero, Dizion. epigraf. I 643 ff. 3) Tac. A. XV 42. CIL VI 14647: Celeri Neronis Aug.
l[iberto). 4) Martial. VII 56. Brunn, Künstlergesch. II 377 hat den Schluß des Epigramms miß-
verstanden. 5) Hist. aug. Hadrian. 19, 12. 6) Plin. epist. IX 39. '
ic6
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[lil. 318]
in welchem es heißt: »die Brücke, die stehen wird, so lange die Jahrhunderte
des ewigen Weltalls dauern, hat Lacer, berühmt durch seine göttliche Kunst,
gebaut« 'j. Der Erbauer des Pont du Gard hieß nach einer dort entdeckten In-
schrift Veranius^); auf einem Bogen inAntipolis i^Antibes) war ein Sextus Julius
(der dritte Name verstümmelt) als Erbauer [arckifector] genannt^). Selbst in
den östlichen Provinzen wurden Bauten von römischen Architekten ausgeführt '').
Gründe für die
Geringschätzung
der Kunst bei den
Römern.
Verbreitung von
Kunstkenntnis
• und Kunstin-
teresse in Rom.
5. DER KUNSTSINN.
Von den vielen Tausenden von Künstlern, die während der ersten Jahr-
hunderte im ganzen römischen Reiche tätig waren, sind verhältnismäßig
nur äußerst wenige namentlich bekannt, und diese fast nur aus ihren eigenen
Inschriften auf ihren Arbeiten. In der Literatur wird trotz der häufigen Erwäh-
nungen von künstlerischen Unternehmungen aller Art der ausführenden Künstler
fast nie gedacht. Dies erklärt sich zum Teil aus der untergeordneten Stellung
der Künstler in der damaligen Gesellschaft, sodann daraus, daß die künstlerische
Produktion weit weniger durch Einzelne als durch Verbände erfolgte, in welchen
der Einzelne als dienendes Glied eines Ganzen keine Beachtung fand. Andrer-
seits hatten auch, wie oben gezeigt ist, die Künste für die römische Kultur ihre
Bedeutung und ihren Wert nicht an sich, sondern nur insofern sie als Mittel zur
Erreichung wichtiger und allgemein festgehaltener Zwecke unentbehrlich waren.
Endlich erschien die damalige künstlerische Produktion den Zeitgenossen ge-
ringer als uns, weil sie von ihnen mit dem Maß der Schöpfungen der griechi-
schen Blütezeit gemessen wurde. Der Mangel der späteren Kunst an eigentlicher
Originalität, das Zurücktreten der Innerlichkeit gegen das formale Element,
selbst in ihren glänzendsten, imposantesten und anmutigsten Leistungen — dies
mußte in einer Zeit^ wo die Werke des Jahrhunderts von Phidias bis auf Lysip-
pus noch in solcher Fülle vorhanden waren, von allen, die diese neben jenen
sahen, auch bei sehr unvollkommenem Verständnis empfunden werden. Daß
das Kunstinteresse in jener Zeit ganz vorzugsweise der Vergangenheit zugewandt
war, ist vollkommen begreiflich. Seine Natur und Intensität war aber auch da-
mals in der römischen und griechischen Welt keineswegs dieselbe: vielmehr ist
dieses gerade eines der Gebiete, aufweichen die Verschiedenartigkeit der beiden
Kulturen als eine noch unausgeglichene auch für uns wahrnehmbar hervortritt.
Es ist bekannt, wie die siegreichen Feldzüge der Römer in griechischen Län-
dern seit der Eroberung von Syrakus (212), später die während eines Zeitraums
von drittehalb Jahrhunderten fortdauernden Plünderungen der Feldherrn, Statt-
i) CIL II 761 = Dessau 287b (Buecheler, Carm. epigr. 878); vgl. CIL II 2559 = Dessau 772S
beim Leuchtturm von La Coruna: C. Sevius Lupus architcchis Acminicnsis Lusitanus. 2) CIL XII
2980. 3) CIL XII 186. 4) Ein Messalinus Restaurator eines Theaters zu Ephesus Lebas-
Waddington 150 = Kaibel , Epigr. gr. 1050. Der Costunius Rufinus, der zur Zeit von Galens
Studienaufenthalt in Pergamum (Galen. II 225) dort den Tempel des Zeus Asklepios erbaute (vgl.
Aristid. or. 50, 28, II 432 K. und die Erwähnung des Pouqpi'viov ä\ao<; Anth. Pal. IX 656, 14.
Cedren. p. 299 Bekk.), war nicht der Baumeister, sondern der Stifter des Heiligtums (vgl. A. Stein,
Real-Encykl. IV 1675). Inschriften griechischer Architekten sind nicht häufig, wie G. Hirschfeld,
Sitz.-Ber. d. Berlin. Akad. i88« S. 888 bemerkt.
[III. 3I9j32oJ
5. DER KÜNSTSINN
107
haltet und Kaiser bis auf Nero herab Rom mit einer unglaublichen Menge der
vollendetsten griechischen Kunstwerke aller Art füllten, ja überfüllten^). Die
Eindrücke dieser Kunstwelt ohnegleichen, denen sich auch der Gleichgültige,
ja der Widerstrebende nicht gänzlich zu entziehen vermochte, ergänzten dann
die seit der Eroberung Korinths immer allgemeiner werdenden Vergnügungs-
und Bildungsreisen der Römer in Griechenland. Endlich sahen sich die Römer
auch durch die griechische Literatur, die je länger je mehr als Basis aller höheren
Bildung anerkannt wurde, vielfach auf die bildende Kunst hingewiesen. Zwar
daß die griechischen Originalwerke über diese, die Plinius zum Teil in seiner
Weltbeschreibung benutzt hat, von Römern viel gelesen worden sind, dafür
spricht nichts. Dagegen trug die epigrammatische und rhetorische Literatur
der Griechen zur Verbreitung von Kunstkenntnissen und Kunsturteilen bei.
Die griechischen Fachschriftsteller über die Theorie der Beredsamkeit, welche
die fort und fort benutzten und zu Rate gezogenen Quellen und Führer der
Römer für diese ihre ganze Bildung beherrschende Wissenschaft blieben, liebten
es, die Entwicklung und die Stilarten der Beredsamkeit mit denen der bildenden
Künste zu vergleicloen und Ausdrücke aus deren Technik für ihre Terminologie
zu entlehnen^]. Alles dieses haben die römischen Schriftsteller über die Rede-
kunst mit übertragen und durch ihre Schriften weiter verbreitet. Sodann hat
die besonders seit Alexander dem Großen in Griechenland viel kultivierte Epi-
grammdichtung sich mit Vorliebe mit der bildenden Kunst beschäftigt und den
Eindruck bedeutender Werke durch mehr oder minder geistreiche Pointen,
Tändeleien und Witzesspiele wiederzugeben versucht. Eine Menge dieser
Dichter hat sich in der späteren Zeit der Republik wie in der früheren Kaiserzeit
wenigstens vorübergehend in Rom aufgehalten, wo sie für diese Art der Klein-
poesie einen unerschöpflichen Stoff und immer neue Anregung fanden; und
es ist begreiflich, daß die Römer, die für Kunststudien wenig Zeit und noch
weniger Sinn hatten, gern die Gelegenheit benutzten, sich ohne Mühe durch
solche kurze, scheinbar oder wirklich treffende Urteile und Charakteristiken,
die von Munde zu Munde gingen, über viel besprochene Werke zu orientieren.
Daß dies sehr vielfach geschehen ist, darf man aus den von Plinius mitgeteilten
Kunsturteilen schließen, die großenteils aus keiner andern Quelle stammen, als
eben aus griechischen Epigrammen; vielleicht fand übrigens Plinius solche Epi-
gramme über die berühmtesten Kunstwerke bereits zu einer Sammlung ver-
einigt vor^j.
Die Anerkennung der bildenden Künste als eines für die Gesamtkultur wich-
tigen Elements von römischer Seite zeigt bereits ein Hauptwerk Varros. In
seiner, die neun Hauptwissenschaften und Künste behandelnden Enzyklopädie reiten"der
hatte er zwar nur der Architektur einen Platz eingeräumt, doch in seiner Samm- Römer,
lung von 700 Porträts berühmter Männer mit Unterschriften neben Königen,
Feldherrn, Staatsmännern, Dichtern, Schriftstellern, Gelehrten, Baumeistern
Anerkennung
der Bedeutung
der Kunst von
i) Marquardt, Privatl.^ S. öogf. Über den Anteil des Augustus an diesem Kunstraub handelt
Wunderer, Manibiae Alexandrinae, Progr. Würzburg 1894. 2] Vgl. J. Brzoska, De canone decem
oratorum Atticorum quaestiones (Diss. Vratislav. 1883) S. 68 ff. 3) O. Jahn, Berichte der Sachs.
Ges. 1850 S. 121 ff. Benndorf, De Anthol. Gr. epigr. quae ad artes spectant (Bonn 1862) S. 52 — 65.
A. Kalkmann, Die Quellen der Kunstgeschichte des Plinius (1898J S. 199 ff.
io8
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 321]
Dilettantismus
in der Skulptur
und Malerei.
auch Maler und Bildhauer aufgenommen^): und wie Varros Werke überhaupt,
so hat namentlich auch dies auf die allgemeine Bildung seiner eigenen sowie
der späteren Zeit großen Einfluß geübt. Auch Lukrez rechnet Malerei und
Plastik neben der Poesie zu den Erwerbungen einer fortgeschrittenen Kultur,
die dem Leben Reiz verleihen'). Die eingehende Berücksichtigung der Kunst-
und Künstlergeschichte in der über ein Jahrhundert später verfaßten Welt-
beschreibung des Plinius läßt eine Zunahme des Interesses für jene Gebiete in
der gebildeten römischen Welt um so mehr voraussetzen, als Plinius selbst der
Kunst ganz fern stand.
Inwiefern Varros Forderung, daß die Mädchen Unterricht in der Malerei er-
halten sollten^), verwirklicht worden ist, wissen wir nicht: doch mögen unter
den auf Bildern öfters vorkommenden Malerinnen*) auch Dilettantinnen sein.
Das Beispiel des Ämilius Paulus, der seinen Söhnen auch griechische Maler
und Bildhauer zu Lehrern gab^), dürfte in den Kreisen, in denen man sich be-
sonders um griechische Bildung bemühte^), auch in der Kaiserzeit nicht selten
befolgt worden sein. Nero hatte sich schon in seinen Knabenjahren viel mit
Pinsel und Modellierstab beschäftigt^). Ebenso war Hadrian eifrig bemüht ge-
wesen, sich in beiden Künsten auszubilden, in der Malerei dilettierte er noch
als Kaiser^). Marc Aurel hatte zum Lehrer in derselben Kunst den Griechen
Diognetus, der zugleich Philosoph gewesen zu sein scheint und auf seine Er-
ziehung auch sonst Einfluß übte^). Der ganz griechisch gebildete Alexander
Severus »malte vortreff'lich« ^°); auch Elagabal übte diese Kunst '^), und noch
Valentinian dilettierte in der Malerei wie in der Plastik ''^). Wenn auch das Bei-
spiel der beiden in Syrien aufgewachsenen Kaiser für römische Erziehung nichts
beweist, so bleiben die übrigen noch zahlreich genug, um annehmen zu lassen,
daß Unterricht der Jugend in den bildenden Künsten sowie ein dadurch ver-
anlaßter Dilettantismus im späteren Leben in den höheren Ständen Roms zu
allen Zeiten nicht allzu selten war. Ebenso ist klar, daß dieser Dilettantismus
keineswegs an sich unzulässig gefunden wurde. Wenn dem Titedius Labeo,
der Prokonsul von Narbonensis gewesen war, das Prahlen mit der Kunst, die
er in kleinen Bilderchen zeigte, »zum Gespött, selbst zur Schmach gereichte« ^^),
so war es hier eben nicht der Dilettantismus selbst, sondern die damit getriebene
Ostentation, die den Anstoß gab. Vergleicht man aber mit diesen immer doch
vereinzelten Zeugnissen des Dilettantismus der Römer in den bildenden Künsten
i) Ritschi, Opuse. III 5 17 f. 537 f. 560 ff. Die Hebdomas der griechischen Maler bei Quintilian.
XII 10, 6; die statiiarii bei Plin. n. h. XXXIV 54 ff.; die Architekten bei Auson. Mosella 298 ff.
2) Lucret. V 1451 carmma picUiras et daedala signa polire. 3) Varro bei Nonius p. 162. 4) Oben
S. 104. 5) Plutarch. Aemil. Pauli. 6. 6} Daß in Griechenland Malerei zu den Unterrichts-
gegenständen Tvenigstens an manchen Orten gehörte, zeigt die Inschrift von Teos CIG 3088, wo
als Gegenstände, in welchen für die \xk(Sr\ i^XiKia (ältere Knaben oder Jünglinge) Preise aus-
gesetzt sind, aufgeführt werden: v)TToßo\r|, äva-fvoiöiq , TToXu|Lia9ia , ZoiYPCKpi«, vgl. auch Kern,
Inschr. v. Magnesia nr. 107 = Dittenberger, Syll.^ nr. 525. CIL VIII 724 = Dessau 7759 (Bueche-
1er, Carm. ep. 1612, prov. Byzacena, Grabschrift eines 17jährigen Knaben): gratus apud magistros
tui, qui dixi scribsi pincxsi bene. 7) Tac. A. XIII 3. Suet. Nero 52. 8) Cass. Dio LXVIU 3, 2.
4, 2. Aurel. Vict. epit. 14, 2. Hist. aug. Hadr. 14, 8. 9) Hist. aug. M. Aurel. 4, 9. M. Aurel.
comm. I 6. 10) Hist. aug. Alex. Sever. 27, 7. 11) Hist. aug. Heliog. 30, l. 12) Aurel. Vict.
epit. 45, 6. Ammian. XXX 9, 4. 13) Plin. n. h. XXXV 20.
[III. 32 2]
DKR KUNSTSINN
109
die sehr zahlreichen für ihren Dilettantismus in der Musik, so gewinnt man den
Eindruck, daß die Verbreitung des ersteren der des letzteren auch nicht an-
nähernd gleichgekommen sein kann.
Daß die Römer auf ihren Vergnügungs- und Bildungsreisen, namentlich in
Griechenland und Kleinasien, auch die dortigen Kunstwerke in Augenschein
zu nehmen nicht versäumten, ist selbstverständlich ; besonders solche mußte
man natürlich gesehen haben, die viel genannt und jedem einigermaßen Bele-
senen dem Namen nach bekannt waren, um ihretwillen wurden Reisen auch eigens
unternommen. Doch daß dieses Kunstinteresse mehr ein äußerliches und ober-
flächliches war und das historische Interesse weitaus überwog, haben wir früher
gesehen').
Am wenisrsten beweist die Anhäufung^ von Kunstwerken im Privatbesitz zu
Rom, daß dort Kunstsinn verbreitet war. Schon die bloße Kunde von ihrer
Kostbarkeit reichte hin, sie selbst solchen als begehrenswerte Beute erscheinen
zu lassen, die für ihren Wert so wenig Verständnis besaßen, wie der rohe Er-
oberer von Korinth: und so unerschöpflich war der Reichtum der griechischen
Länder an Kunstwerken, daß er der Gier der Römer Jahrhunderte hindurch die
vollste Sättigung bot. Neben Marmorsäulen, Teppichen, Citrustischen, Silber-
gerät, Prachtgefäßen gehörten, wie bemerkt, Statuen und Gemälde je länger
desto allgemeiner zur Ausstattung reicher Häuser und Villen. Bei dem unge-
heuren Vorrat von Kunstwerken und der Leichtigkeit ihres Erwerbs oder Raubs
bedurfte es zur Bildung von Sammlungen nicht einmal besonderer Liebhaberei.
Gemäldegalerien waren schon in Augusts Zeit so allgemein, daß in Vitruvs
Plan für ein vornehmes Haus ein großer, nach Norden gelegener Saal für diesen
Zweck nicht fehlen durfte^]; und sieblieben es auch später, ebenso wie Samm-
lungen von Skulpturen^].
Mögren diese Sammlunsren auch Werke lebender Künstler enthalten haben,
so werden solche doch niemals erwähnt, und wenn sie nicht vorwiegend aus
alten Bildern und Statuen bestanden, so wurden doch diese wenigstens für das
Wertvollste oder einzig Wertvolle darin angesehen. Daß Liebhaber und
Sammler solche besonders suchten, wird auch öfters ausdrücklich gesagt; so
von Julius Cäsar'*), von Damasippus, der alte Statuen -wie unsinnig <- kaufte-).
Die Bildergalerien, sagt Plinius, stoppelt man aus alten Gemälden zusammen^).
Ganz besonders aber wurde bei Silberarbeiten auf das Alter gesehen, nach
welchem die Werke dieser in Abnahme gekommenen Kunst so gut wie allein
Kunstbetrachtung
auf Reisen.
Kunstsamm-
lungen, haupt-
sächlich durch
Prachtliebe
veranlaßt —
bestanden vor-
zugsweise aus
älteren Werken.
l) Oben I 458 f. 2) Vitruv. VI 3, 8. 4, 2. 5, 2. 3) Seneca ep. 115, 8: circa tabzilas pictas et
statims msanimtis carius inepti (als Kinder). Aurelius Victor Caesares 14, 6 ipse (Hadrianus), ut
beatis locupletibus mos, palatia exstruere, curare epiilas, sigtia, tabiilas pictas. CIL VI 2270^= Dessau
4331 Eutychus Atigg. Hb. officinator a statuis (199 n. Chr.). Die auf Statuen und sonstigen Kunst-
werken zuweilen sich findenden 'griechischen und lateinischen' Zahlzeichen (Heydemann. Pariser
Antiken, Halle 1S87 S. i8ff., vgl. auch Bull. arch. comun. XVII 1889 S. 42) sind vielleicht In-
ventaraummern öffentlicher oder privater Sammlungen. Daß die Römer auch Münzen sammelten,
schließt Julius Friedlaender (Zeitschr. f. Numismatik III 1876 S. 167) aus Sueton. Aug. 75: Satur-
nalibus modo munera dividebat, vestem et aurum et argentum, modo nummos omnis notae, etiam
veteres regios ac peregrinos (»etwa goldene Alexander oder schöne Silberstücke von Syracus«).
4' Sueton. Caes. 47. 5) Horat. S. II 3, 64; vgl. die Bemerkung über Silius Italicus bei Plin. epist.
HI 7, 7 erat qpiAÖKaXoc; usque ad emacitatis-reprehensioiiem. 6) Plin. n. h. XXXV 4.
HO XII. DIE BILDENDEM KÜNSTE [111.323,324]
geschätzt wurden; Ziselierungen, die bis zur Unkenntlichkeit abgegriffen waren,
hielt man am höchsten^]. Es fehlte auch nicht an Altertümlern, welche die
eigentlichen Inkunabeln der Kunst allem Übrigen vorzogen, die »fast rohen«
Gemälde eines Aglaophon und Polygnot denen der späteren, wie Quintilian
sagt, der hierin wohl nicht mit Unrecht ein Prahlen mit Kennerschaft fand*^).
August hatte eine Vorliebe für die altertümlich zierlichen Werke des Bupalos
und Athenis von Chios (im 6. Jahrhundert); Statuen von beiden ließ er im Giebel
des Apollotempels auf dem Palatin und fast in allen andern von ihm in Rom
erbauten Tempeln aufstellen^]. Die größte Verbreitung wird diese Geschmacks-
richtung in der Zeit Hadrians erreicht haben. Doch im allgemeinen verstand
man unter > alten Kunstwerken ; die der griechischen Blütezeit oder selbst der
Diadochenperiode'*). Von den »Arbeiten der Alten »•, die Statius in der Villa
des Manilius Vopiscus zu Tibur sah, werden die Meister nicht namentlich ge-
nannt^); unter den >alten« Gemälden und Bildwerken in der Villa des Pollius
Felix zu Sorrent Arbeiten von Apelles, von Phidias (aus seiner früheren Zeit),
Polyclet und Myron^); in der Sammlung ^ alter Werke« des Novius Vindex
Bronzen von Myron und Polyclet, Marmorskulpturen von Praxiteles, Elfenbein-
arbeiten von Phidias und Bilder, die schon von weitem den »alten Apelles« er-
kennen ließen^). Bei solchen flüchtigen Erwähnungen werden fast immer nur
Namen von Künstlern ersten Rangs genannt^), am häufigsten Polyclet. Bei
Juvenal brennt ein reicher Mann ab: unter denen, die zur Ausstattung des neu
zu bauenden Hauses beisteuern, bringt auch einer etwas ganz Vortreffliches
von Euphranor und Polyclet^). In der Tat galt der letztere vielen für den ersten
unter den bildenden Künstlern, der Meister in der Darstellung jugendlicher
Schönheit, der »sich nicht über glatte Wangen hinaus wagte«, dessen Werke
mehr durch Vollendung der Form als durch Tiefe des Gehalts bedeutend waren.
Nächst ihm wird vielleicht am häufigsten Myron genannt, dessen Menschen-
und Tierfigaren vor allem durch überwältigende Naturwahrheit wirkten; von
beiiien sah man auch in Rom mehr als von Phidias, dessen bedeutendste Werke
in Griechenland geblieben waren. Beide nennt Vitruv geradezu als Repräsen-
tanten der bildenden Kunst, wie Apelles der Malerei. Künstler aus der Zeit
nach Alexander dem Großen oder aus der letzten Zeit der römischen Republik,
i) Plin. n. h. XXXIII 157. 2) Quintilian. XII 10, 3. 3) Plin. n. h. XXXVI 13. 4) Unter
antiqiii sind bei Vitruv. VII 5, i nach Heibig, Rhein. Mus. XXV 1870 S. 393 ff. die Künstler der
Diadochenzeit zu verstehen. 5) Stat. Silv. I 3, 50: quicquid et ar genta primum vd in aere minori
lusit et enormes nianus est experta colossos, richtig erklärt von Ed. Schwartz, Conieetanea (Ind. lect.
Rostoch. aestiv. 1889) S. 6 f. 6) Stat. Silv. II 2, 64: si quid Apellei gnudent animasse colores, si
quid adhuc vacua tavien adtnirabile Pisa Phidiacae rasere fiiafius. In diesem Zusammenhange
scheint mir Apellei nicht allgemein (als Bezeichnung der Malerei) gefaßt werden zu können.
7) Stat. Silv. IV 6, 22 ff. 8] Ausnahmsweise nennt Columella r. r. I praef. 31 unter andern auch
Bryaxis und X 30 Phradmon und Ageladas. Den ersten Namen konnte er vielleicht von einer
Basis ablesen. Von einer Reihe von Statuen, die tinst auf dem Forum gestanden haben, sind die
Basen nebst ihren (der Buchstabenform nach eher dem 2. als dem 3. Jahrhundert angehörigenl In-
schriften: opus Praxitelis, opus Polycleti, opus Timarchi noch erhalten; eine vierte zu derselben
Reihe gehörige Inschrift opus Bryaxidis nur handschriftlich. CIL VI 10038 — 10043, vgl. De Rossi,
Bull. arch. com. II 1874 S. I74ff. Löwy, Inschr. griech. Bildhauer S. 3i9ff. 9) Juv. 3, 217.
[III. 325] 5- DER KUNSTSINN iii
unter denen Pasiteles und Arcesilaus hervorragten, werden unter den »Alten«
so gut wie nie genannt').
Bedenkt man die Massenhaftigkeit der im Privatbesitz aufgehäuften, angeb- Die Sammler mit
lieh alten Kunstwerke (mit denen ja Domitius TuUus z. B. einen sehr großen ^^^l^^^
Park auf der Stelle füllen konnte)^) und das Umherwerfen mit den berühmtesten
Namen einerseits, andrerseits die technische Virtuosität der damaligen Kunst
und ihre so umfassende Beschäftigung mit Reproduktion klassischer und alter-
tümlicher Werke, so muß man auch ohne Zeugnisse glauben, daß die Sammler
oft genug von Künstlern und Kunsthändlern betrogen wurden und Kopien statt
der Originale kauften. Von jemandem, der mit seinen Originalgemälden und
echten (Silber-)Pokalen prunkt, sagt Martial, seine Freunde seien gerade so echt
wie die Stücke seiner Sammlung 2). Auch gibt es ein ausdrückliches Zeugnis
schon aus der ersten Kaiserzeit, daß solche Fälschungen häufig und offenkundig
waren. Der Fabeldichter Phädrus sagt: wenn er sich des Namens Asop be-
diene, so geschehe dies, um das Ansehen seiner Sachen zu erhöhen, »wie manche
Künstler es in unsrer Zeit machen, wenn sie auf ihren neuen Marmor Praxiteles
schreiben, oder Myron auf poliertes Silber, Pausias auf ein Gemälde*). So sehr
begünstigt der bissige Neid mehr das Alter, als das Gute der Gegenwart < . Auch
ein griechischer Autor unter Hadrian, welcher berichtet, daß Phidias seinem
Lieblinge Agorakritos gestattet habe, sich auf einem seiner eigenen Werke,
der Ramnusischen Nemesis, als Urheber zu nennen, fügt hinzu: »so haben
auch viele andre auf ihre eignen Werke einen fremden Namen geschrieben « ^).
Begegnet man nun in der damaligen Literatur Angaben von Arbeiten großer
Künstler, die sonst völlig unbekannt sind, so kann man sie nur mit Mißtrauen
aufnehmen. Daß es von Phidias ein mit erhabenen Fischen ziseliertes Gefäß
und eine Zikade, Biene und Fliege gab, ist allerdings nicht unmöglich, aber auf
die bloße Angabe des Martial (die übrigens noch eine andre Erklärung zuläßt)
und des Kaisers Julian ist es nicht zu glauben^). Die Arbeit in edlen Metallen
(Toreutik, Zälatur) war ein ^ Haupttummelplatz des Kunstbetrugs •- , da die Aus-
stattung der Schenktische mit »altem« Silbergerät, der Sammlungen mit »Ori-
ginalpokalen«') zum beliebtesten Kunstluxus gehörte. Die Blütezeit der Toreutik
war aber kurz, die Zahl der namhaften Künstler klein gewesen. Von Mentor,
dem größten derselben, dem Benvenuto Celüni des Altertums, wollten Kunst-
kenner nur vier Becherpaare als echt erkennen^); im Kunsthandel und in den
i) Friedlaender, Kunstsinn d. Römer S. 37 f. 2) Plin. ep. VIII 18, 11, vgl. oben S.39 3) Mar-
tial. XII 69. 4) Phaedr. V praef 7, überliefert dctrito Myonem argento fahulae exaudiant, Bergk
(Philol. XVI 1860 S. 620 f.) schreibt därito Myn argento, tabulae Paicsiam. Detrito entweder abge-
rieben, um den Schein des Alters zu erhalten, oder fein poliert (Apulei. Metam. VI 6: currtim —
limae tenuantis dctrimento conspicuum et ipsiiis auri damno pretiosum]. Die Änderung von Myronem
halte ich nicht für empfehlenswert, vielleicht trito Myronem argento, tabulae Pausiain (so L. Müller
nach Salmasius, nur statt Pausiain mit Bentley Zeuxidern). 5) Zenob. V 82 (Paroemiographi ed.
Leutich et Schneidewin I 153), vgl. dazu U. v. Wilaraowitz-Moellendorff, Antigonos von Karystos
(Philol. Untersuch. IV) S. 10 f. 6) Wie Brunn tut Künstlergesch. I 187. Ars Phidiaca bei Martial.
III 35, I kann »bildende Kunst« bedeuten, wie ars Apellea XI 9, 2 Malerei; ebenso Stat. silv. V i, 5
vel Apelleo vtiltus signata colore Phidiaca vel fiata manu. Dagegen 0eiöiaKf]v \äp\Ta Kaibel, Epigr.
g"". 794,4 von einer Nachahmung einer PhidiasischenAthena. "]] Martial.XIIög scyphos — archctypos,
8) Plin. n. h. XXXIll 154, vgl. Jahn, Aus d. Altertumswissenschaft S. 236 f. Brunn a. a. O. II 408.
112 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [III. 326]
Sammlungen dagegen scheinen sie keineswegs selten gewesen zu sein. Martial
beschreibt einen Laden für kostbare Luxusgegenstände: dort findet man außer
Statuen von Polyclet auch »Becher von Mentors Hand geadelt« '); und dieser
Name kehrt regelmäßig wieder, wo er von alten Originalarbeiten in Silbei
spricht'). Und wenn Kenner nur mit guten Kopien (wie jene des Zenodorus
nach Kaiamis) betrogen werden konnten, so gab es ohne Zweifel auch häufig
genug Liebhaber und Sammler von dem Bildungsgrade des Trimalchio bei
Petron, der als besondrer Freund von Silberarbeiten Becher besaß, auf denen
vorgestellt war, »wie Kassandra ihre Söhne tötet, und die toten Kinder so da-
liegen, daß man es für wirklich hält; dann wie Dädalus die Niobe in das troja-
nische Pferd einschließt« ^) (gemeint ist der Kindermord der Medea und die Kuh
der Pasiphae). Er beschließt die Aufzählung seiner Geräte mit der Bemerkung,
daß alle schwerwichtig seien. Nächst den Silberarbeiten waren auch Bronze-
arbeiten ein Gegenstand der Leidenschaft der Sammler, vor allem aus korin-
thischer Bronze, deren Mischung ein verlorenes Geheimnis war. Nichtsdesto-
weniger gab es Künstler, die Arbeiten in diesem Material lieferten und wahr-
scheinlich oft genug die Kenner betrogen, obwohl diese die echten unter
anderm am Geruch erkennen wollten'').
Kunstwerke, die Ohne Zweifel ist es kein Zufall, daß bei Erwähnungen damaliger Kunstsamm-
^^so^n gehört langen Äußerlichkeiten wie Altertum, Seltenheit, kostbares Material so oft be-
hatten, be- tont werden, sondern gewiß legte ein großer Teil der Sammler auf diese
sonders ge- jj^^en verständlichsten Eigenschaften der Kunstwerke den Hauptvvert. Auch
SCI13.tzt.
das historische Interesse dürfte bei den Kunstsammlungen vielfach mit im Spiel
gewesen sein. Wurden doch (wie früher bemerkt worden ist)^) überhaupt Gegen-
stände, die im Besitz berühmter Personen gewesen waren, sehr gesucht und
hoch bezahlt: die irdene Lampe des Epictet mit 3000 Drachmen, der Stock
des Peregrinus Proteus mit einem Talent^). Der Wert des Diamanten, den die
schöne judische Fürstin Berenice von ihrem Bruder Agrippa II. zum Geschenk
erhalten hatte, war dadurch gestiegen, daß sie ihn am Finger getragen^). Den
gezwungenen Käufern bei einer von Caligula veranstalteten Auktion kaiserlicher
Kleinodien wurde es bei den Kaufpreisen angerechnet, daß die Stücke Germa-
nicus oder Agrippina, Antonius oder August gehört hatten^). An den Tafeln
reicher Häuser mußten die Gäste sich nicht bloß von der Schwere des Silber-
geschirrs durch Aufheben überzeugen, sondern auch die ausführliche Geschichte
jedes Stücks anhören^). Juvenal schildert einen Schiffbruch, bei dem unter
anderm ziselierte Silbergefäße über Bord geworfen werden, die Philipp von
Macedonien im Gebrauch gehabt haben sollte^"). Caracalla besaß Waffen und
Trinkgeschirre, deren sich der von ihm leidenschaftlich verehrte Alexander
der Große bedient hatte"). Martial, der erforderlichenfalls selbst solche Reli-
quien, wie ein Brett des Argonautenschiffs, mit achtungsvollem Staunen zu be-
trachten verstand"), fand es doch unerträglich, bei Tisch die »verräucherten
i) Martial. IX 59, 16. 2; ebd. III 41. IV 39, 5. VIII 51, 2. XI II, 5. XIV 93 [pocula arche-
typ'^)- 3 Petron 52, l. 2. 4) Eine imago Corinthea Traiani Caesaris CIL VI 8686 = Dessau
1577; vgl. Mau, Real-Encykl. IV 1233 f. 5) Oben II 348. 6) Lucian. Adv. indoct. 13 f. 7) Juv.
6, 156. 8, Cass. Dio LIX 21, 6. 9) Lucian. epist. Saturn. 33. 10) Juv. 12,^46 f. ii) Cass. Dio
LXXVny, I. 12) Martial. VII 19.
[111.327,328] 5- DER KUNSTSINN „3
Stammbäume« der vorgesetzten Silberbecher sich vortragen lassen zu müssen,
die bis auf Nestor, Achill und Dido als erste Besitzer zurückgeführt wurden').
Aber auch bei Gemälden und Skulpturen mußten sich die Beschauer vermut-
lich nicht selten deren frühere Schicksale erzählen lassen: der kleine Hercules
des Lysipp in der Sammlung des Novius Vindex sollte Alexander dem Großen,
Hannibal und Sulla gehört haben"^).
Die Sammler werden auch am meisten auf Kennerschaft Anspruch gemacht Ansprüche der
haben, selbst Trimalchio erklärt, daß er die seinige für kein Geld verkaufe. Kennerschaft
Doch wie zu allen Zeiten war die Prätention der Kennerschaft häufiger als diese
selbst. Dionys von Halikarnaß, der mehr von Kunst verstand als die meisten
Römer, scheint es nur Künstlern, und auch diesen nur nach langer Übung zu-
getraut zu haben, die Urheber namenloser Werke zu bestimmen und Kopien
von Originalen zu unterscheiden^): doch nach Statius verstand sich auch Novius
Vindex wie niemand sonst auf das erste '^j. Damasippus hatte sich, wie Horaz
ihn sagen läßt, darauf gelegt, die echte korinthische Bronze zu erkennen, zu
beurteilen, ob etwas plump gemeißelt oder hart gegossen sei, den Preis einer
Statue zu bestimmen']: er charakterisiert sich auch durch das letztere als Kenner,
denn sicherlich liebten es diese auch damals wie gegenwärtig, ihr Sachver-
ständnis durch Taxieren von Kunstwerken zu bekunden. Selbstverständlich
unterließen die Kenner auch nicht, von »Mischung des Erzes«, »Konturen«,
»Farbenauftrag«, >Schattengebungc, »Proportionen« und ähnlichen Dingen
zu reden, von welchen die Laien gestanden nichts zu verstehen^); denn daß zur
Betrachtung von Kunstwerken eine besondere Schulung erforderlich sei, war
wohl allgemein anerkannt^).
Zahlreicher als die Kenner waren natürlich die Liebhaber und Enthusiasten,
die öfters erwähnt und vom stoischen wie vom streng römischen Standpunkt
für Narren erklärt werden^). Schon dem Marcellus war es von den Gegnern
griechischer Bildung zum Vorwurf gemacht worden, daß er durch die Beute
des syrakusischen Triumphs seine Landsleute verführt habe, die Zeit mit geist-
reichem Kunstgeschwätz zu verderben^). Bei Sklaven (besonders vermutlich
griechischen) scheint es nicht selten vorgekommen zu sein, daß sie über der
Betrachtung der so überreichen, allgemein zugänglichen Kunstwerke Roms ihre
Pflicht versäumten: denn bei Erörterung der Fehler von Sklaven, welche der
Verkäufer anzugeben verpflichtet ist, führt der Jurist Venulejus als geistige
Fehler neben der Sucht des Schauspielbesuchs und der Lügenhaftigkeit auch
die eifrige Betrachtung von Gemälden auf'°).
Eine Verbreitung wahren Kunstsinns beweisen also die massenhaften Kunst- Mangelan wah-
sammlungen der Römer ebensowenig wie die kolossale Verwendung der Kunst ^^^ Kunstsinn,
zu dekorativen und monumentalen Zwecken. Auch das Anhäufen alter Kunst-
i) Martlal. VIII 6. 2) Stat. Sllv. IV 6, 59 ff. 3) Dionys. Demosth. 50; Dinarch. 7 (I 237. 307
Usen.). 4) Stat. Silv. IV 6, 24. 5) Horat. S. II 3, 20—23. 6; Cic. Verr. II 4, 98. Lucian. Zeux. 5 ; vgl.
Blümner, Dilettanten, Kunstliebhaber u. Kenner im Altertum (Virchow u. Holtzendorf VIII. Serie
lieft 176), Berlin 1873. Schneidcwin, Die antike Humanität S. 406 ff. 7) Epictet. Dissert. II 24, 7:
T6 iöeiv €,uTreipiu(; (sc. tov äv5pidvTa' oüöe|Litä(; aoi Trpoö&eTa9ai cpaiveTai Texvr]c,; TTpoaöeiTai
KaiTOÖTO. 8)Cic. Paradox. 5,36ff. Horat. S. II 7, 95. Seneca ep. 115, 8. 9) Plutarch. Marcell. 21.
10) Dtg. XXI I, 65 pr., vgl. Horat. Sat. II 7, göff.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. 3
114
XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE
[III. 329]
Keine Spur von
Interesse und
Verständnis für
Kunst in der
römischen —
zahlreiche Zeug-
nisse für beides
in der griechi-
schen Literatur.
werke war eben nur eine Äußerung der römischen Prachtliebe, die bei aller
Großartigkeit immer etwas Barbarisches behielt; die Herren der Welt wollten
womöglich alles Köstliche, was es auf der Welt gab, besitzen und genießen,
von allem umgeben sein, was dem Leben Pracht und Glanz verleihen konnte.
Deshalb schleppten sie auch die gepriesenen Werke aller bildenden Künste
nach Rom, aber mehr als äußerlich vermochten sie sich diese Schätze nicht
anzueignen. Gerade die Häufung der Eindrücke war, wie Plinius richtig erkannte,
zugleich eine Abstumpfung, zumal da in dem rastlosen Drängen und Treiben
Roms die zur Kunstbetrachtung unerläßliche Ruhe und Stille fehlte'). Zur Ver-
tiefung im Kunstwerke fanden dort die wenigsten auch nur die Zeit, den meisten
genügte eine flüchtige und oberflächliche Kenntnisnahme. Tacitus sagt, um
die Gleichgültigkeit gegen die Poesie zu charakterisieren: wer einen bewunderten
Dichter einmal gesehen, sei befriedigt und gehe weiter, als wenn er eine Statue
oder ein Gemälde gesehen hätte ^).
Daß in der Tat trotz aller alten und neuen Kunstpracht Roms und des rö-
mischen Reichs die bildende Kunst einen Einfluß auf die römische Gesamt-
bildung niemals gewonnen hat, dafür liefert die römische Literatur, als Ganzes
betrachtet, einen vollgültigen und unwiderleglichen Beweis. Von einer so
großen Zahl von Dichtern und Schriftstellern verschiedener Perioden, die großen-
teils auf der Höhe der Bildung ihrer Zeit standen und uns als vollberechtigte
Repräsentanten derselben gelten dürfen, verrät kaum einer Interesse und Ver-
ständnis der bildenden Kunst. In dieser so vielartigen, über einen Zeitraum
von Jahrhunderten sich erstreckenden Literatur, die alle bedeutenden Rich-
tungen und Interessen berührt, die in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten
ganz besonders der Betrachtung der Gegenwart zugewandt ist und auch deren
geistige Zustände lobend und tadelnd vielfach erörtert, findet sich keine Spur
von Verständnis für das wahre Wesen der Kunst und keine Äußerung einer
wahren Ergriffenheit durch die Herrlichkeit ihrer Werke. Wo immer von ihr
gesprochen wird, da geschieht es entweder geradezu mit Unverstand und Ge-
ringschätzung oder doch ohne Anteil und Wärme. Wie vielen einzelnen Römern
es auch gelungen sein mag, in das Wesen der griechischen Kunst einzudringen,
der römischen Kultur im großen und ganzen ist sie immer fern und fremd ge-
blieben^).
Wenn noch ein Zweifel darüber bestehen könnte, ob der Gesamteindruck
der römischen Literatur einen gültigen Schluß auf den Mangel des Kunstsinns
bei den Römern gestattet, so würde er durch eine Vergleichung mit der gleich-
zeitigen griechischen (obwohl viel weniger umfangreichen) Literatur gehoben
werden: denn das Interesse und Verständnis, das wir dort vermissen, tritt eben
l) Plin. n. h. XXXVI 27: Romae quidem multitudo operum etiatn oblitteratio ac magis officiorutn
negotiorumque acervi omnis a contemplatione tarnen abducunt. 2) Tac. Dial. 10, 3. 3) Der Beweis,
d>-n ich für diese Behauptung in meiner Schrift Über den Kunstsinn der Römer in der Kaiserzeit
(1852I gegeben habe, ist angefochten worden von K. F. Hermann, Über den Kunstsinn der Römer
und deren Stellung in der Geschichte der alten Kunst (1855); doch in meiner Rezension dieser
Schrift (N. Jahrb f. Philol. LXXIII i8;6 S. 391 ff.) hoffe ich gezeigt zu haben, daß Hermann (außer
einigen für die Hauptsache unerheblichen Nachträgen und Berichtigungen) durchaus nichts bei-
gebracht hat, um mich wirklich zu widerlegen. Vgl. auch Marquardt, Privatl. ^ 609, 3.
[III. 33o] 5. DER KUNSTSINN 115
hier vielfach und unzweideutig hervor, und es zeigt sich, wie gesagt, daß auf
diesem Gebiete der Gegensatz griechischer und römischer Bildung unausge-
glichen fortbestand. Schon allein das immer noch so rege Nationalgefühl der
Griechen läßt erwarten, daß sie auch diesen Schöpfungen ihrer großen Vorzeit
mit einem andern Anteil gegenüberstanden als die Römer.
Während Tacitus eine oberflächliche und flüchtige Kenntnisnahme am besten
zu bezeichnen glaubt, wenn er sie mit dem Beschauen von Kunstwerken ver-
gleicht, beklagt Plutarch, daß >die meisten« Vertiefung in Kunstbetrachtungen
für wichtiger hielten als eine Einkehr in ihr eigenes Innere. »Die meisten
glauben, wie Arcesilaus sagte, man müsse Gedichte, Gemälde und Statuen
genau betrachten und alle ihre Einzelheiten im Geist und mit den Augen durch-
gehen, ihr eigenes Leben aber, das viele keineswegs unerfreuliche Betrachtungen
bietet, lassen sie unbeachtet« '). Während alle Bemerkungen des Dionys von
Halikarnaß über Malerei und Skulptur ein selbständiges Urteil verraten^),
sprechen die römischen Schriftsteller über Beredsamkeit in ihren Verglei-
chungen der redenden und bildenden Künste offenbar nur fremde, aus Büchern
geschöpfte Urteile nach, und selbst der geschmackvolle und feingebildete Quin-
tilian verrät gelegentlich seine Unsicherheit auf diesem Gebiet. Seine Bemer-
kung, Naturanlage vermöge viel ohne Ausbildung, diese dagegen nichts ohne
jene, verdeutlicht er durch folgende Vergleichung: wenn Praxiteles versucht
hätte, eine Statue aus einem Mühlstein auszuhauen, würde ich einen rohen pa-
rischen Marmorblock vorziehen; hätte aber der Künstler ein Werk aus diesem
vollendet, so würde dessen Wert mehr in seiner Arbeit als in dem Marmor
liegen^). Ihm erschien also ein gutes Material wertvoller, als ein von einem
großen Künstler in einem schlechten abozziertes Werk. Ein späterer grie-
chischer Geschichtschreiber Memnon beschreibt in der Geschichte seiner
Vaterstadt Heraclea am Pontus ausführlich die Attribute einer durch Aurelius
Cotta von dort fortgeschleppten Heraklesstatue (Keule, Löwenfell, Bogen und
Köcher), > deren Darstellung inbezug auf schöne Verhältnisse, Anmut und tech-
nische Ausführung hinter keiner der gepriesenen Arbeiten zurückstand«'').
Mit so viel Liebe würde schwerlich ein römischer Geschichtschreiber einen
solchen Gegenstand selbst in der eingehendsten Erzählung geschildert haben.
Bei der Erzählung des Neronischen Brands erwähnt Tacitus den Untergang
zahlloser griechischer Meisterwerke mit zwei Worten; Sueton gar nicht. Und
wenn Herodian den jungen Elagabal nach seiner Schönheit, Jugendblüte und
Formenweichheit mit den schönen Statuen des jugendlichen Dionysos ver-
gleicht^), so fühlt man wohl, daß es kein Zufall ist, wenn wir eine solche Ver-
gleichung bei keinem römischen Historiker lesen. In einer Plutarchischen
Schrift über die berühmten Männer Athens werden auch die dortigen Maler
ausführlich besprochen ; der von den Bildhauern handelnde Abschnitt ist uns
nicht erhalten^). Auch in den geographischen Werken der Griechen fehlen bei
der Aufzählung der Merkwürdigkeiten der einzelnen Orte Erwähnungen ihrer
Kunstwerke und dorther stammenden Künstler (selbst solcher, die minder be-
i) Plutarch. De tranquill. animi 9. 2) Friedlaender, Dissertatio qua nonnuUa scriptorum
Graecor. de artibus — iudicia recensentur, Königsb. 1866. 3) Quintilian. II 19, 3. 4) Memnon 52,
FHG UI 554. 5) Herodian. V 3, 7, 6) Plutarch. De glor. Atheniens. 2.
8*
ii6 XII. DIE BILDENDEN KÜNSTE [IIL 331, 332]
kannt waren) nicht"). Die trockenen, magern und äußerlichen Notizen des Pau-
sanias über Kunstwerke lassen allerdings Liebe und Verständnis für Kunst
nicht erkennen^], und auch die erkünstelte Begeisterung in den Kunstbeschrei-
bungen der Philostrate beweist nichts für den Kunstsinn der Verfasser. Kunst-
werke wie Naturszenen gehörten eben zu den Gegenständen, in deren Darstel-
lung die Stilkünstler ihre Virtuosität gern zur Schau stellten; nicht an sich,
sondern nur insofern sie ein Substrat zur Entfaltung dieser Virtuosität bot,
erregte die Kunst wie die Natur das Interesse der Sophisten, der römischen
wie der griechischen^); von den Kunst- und Naturbeschreibungen des Apulejus
gilt ganz dasselbe wie von denen seiner griechischen Vorbilder'').
Wie verschieden von dieser mühsam erkünstelten Überschwenglichkeit klingt
die Sprache warmer Empfindung, die der überwältigende Eindruck der olym-
pischen Zeusstatue dem Dio von Prusa eingab. Selbst vernunftlose Kreaturen,
sagt er, müßte dieser Anblick erschüttern, und ein Mensch, der noch so mühselig
und beladen wäre, müßte, wenn er diesem Bilde gegenüberstände, alles ver-
gessen, was im Menschenleben Schweres und Schreckliches zu leiden ist: so
viel Licht und so viel Lieblichkeit hat ihm die Kunst geliehen^). In der Rechen-
schaft über dieses Zeusideal, die er dem Phidias in den Mund legt — »dem weisen
und wunderbaren (dämonischen) Künstler des ehrwürdigen und ganz herrlichen
Werks«, dem Freunde und Genossen des Perikles — , spricht sich ein hoher Be-
griff von der Bedeutung und dem Darstellungsvermögen der bildenden Kunst
aus, mit dem sich eine vielfach treffende und geistvolle Beurteilung des Unter-
schieds zwischen ihr und der Poesie verbindet^). Lucian endlich zeigt von allen
antiken Schriftstellern die umfassendste Kenntnis und das eindringendste Ver-
ständnis der Kunst; sein Urteil ist überall ein selbständiges, sein Geschmack
an den besten Mustern gebildet, sein Talent, Kunstwerke mit wenigen Zügen
zu charakterisieren oder ihren Eindruck in schwungvoller Schilderung wieder-
zugeben, ein (wie namentlich seine Beschreibung der knidischen Aphrodite des
Praxiteles zeigt) nicht gewöhnliches''). Übrigens v;ar auch Lucians Interesse so
gut wie ausschließlich der Blütezeit der griechischen Kunst zugewandt: je feiner
gebildet sein Auge war, desto weniger konnte ihm neben ihren Werken
alles, was die späteren Jahrhunderte hervorgebracht hatten, der Beachtung
wert erscheinen. In demselben Sinne sagt Galen, die gegenwärtige schlechte
Erziehung und der Umstand, daß Reichtum höher geschätzt werde als Tugend,
mache es erklärlich, daß es jetzt keine Meister mehr gebe wie Phidias unter
den Bildhauern, Apelles unter den Malern, Hippokrates unten den Ärzten^).
So nennt auch Aristides als die größten Meister, die das Plöchste dadurch er-
il z. B. Strabo XIV 642 (Ephesus), Stephanus Byz. s.'AXel&vbpem (p. 71, 15 Mein.), 'AvGriöuuv,
'HXeKTpiöec; vr\ao\, KvjGvoq. 2) Kalkmann, Pausanias der Perieget S. 194 ff. 3) P. Friedländer,
Johannes von Gaza und Paulus Silentiarius (1912) S. 86 ff. Über die Rolle, welche Künstler
und Kunstwerke in der epideiktischen Beredsamkeit spielen, vgl. auch R. Förster, Archäol. Jahrb.
IX 1894 S. 167 ff. 4) Kretschmann, De latinitate Apulei (Diss. Königsb. 1865) S. 8. 5) Dio Chr.
or. II, 51 f. (I 169 f. Arn.). 6) ebd. 11, 55 ff. (I 171 ff.). Es zeigt sich hier, daß Ausdrücke wie
TÖ xeipuJvaKTiKov Kai örnuioupYiKOV (ebd. 69. 82 f.), die Phidias von sich selbst braucht, keines-
wegs Geringschätzung ausdrücken. 7) Lucian. Amores 13 ff. Vgl. überhaupt Blümner, Archäol.
Studien zu Lucian (1867), besonders S. 46 — 52, und Croiset, Vie et ceuvres de Lucien S. 264 — 287.
8) Galen. I 57.
DER KUNSTSINN 117
reichten, daß sie über die frühere Kunst hinausgingen und ihre Vorgänger
neben sich als Kinder erscheinen ließen, Phidias, Zeuxis, Hippokrates und
Demosthenes^).
Wenn also in der griechischen Literatur der Kaiserzeit die gleichzeitige Kunst ^'^^ gleichzeitige
ebenso geringe Berücksichtigung findet wie in der römischen, so beruht dieselbe Literaturen wenig
Erscheinung hier und dort auf entgegengesetzten Ursachen. Mit dem großen berücksichtigt.
Maße gemessen, das der wahre Kunstsinn der Griechen anlegte, konnte ihr
Wert leicht unterschätzt werden : den Römern, welche die innere selbständige
Bedeutung der Kunst überhaupt nicht verstanden, war sie nur ein Mittel zur
Verfeinerung des Lebensgenusses und zur Verewigung des Gedächtnisses von
Personen und Taten, neben andern Mitteln, welche ihnen diesen wie jenen
Zweck in ebenso voUkommner Weise erfüllten. Wäre nur die Literatur beider
Sprachen aus jener Zeit erhalten, wie wir sie jetzt besitzen: wir würden weder
ahnen, was die bildende Kunst damals noch zu leisten vermochte, noch in welch
erstaunlichem Grade das Bedürfnis künstlerischen Schmucks und monumentaler
Darstellung alle Schichten der Gesellschaft erfüllte, wie riesenhaft die dadurch
ins Leben gerufene Tätigkeit der Malerei und Skulptur in der ganzen römischen
Welt war. Wie reich war doch die Kultur, die sich gewöhnt hatte, über die Lei-
stungen der Künste in einem Umfange zu verfügen, den die heutige Welt kaum
zu fassen vermag, ihr Aufgaben als alltägliche zu stellen, deren Lösung gegen-
wärtig überhaupt unmöglich sein würde; die Kultur, welche Schätze, deren Un-
ermeßlichkeit uns beschämt und mit Staunen erfüllt, zu den geringsten ihrer
Besitztümer zählte und sorglos mit vollen Händen ausstreute.
i) Aristid. or. 45, 31, II 38 Dind. (ich schreibe die Stelle mit einer notwendigen Emendation
und einer zur Not entbehrlichen Ergänzung; : öiä raOra Kai aujucpoixriTÜJv ou luövov ou lüberl. oi
juev) xeipou^ ä\Xa Kai KpeiTTOut; 6 Oeiöi'ac;, ö ZevEic,, 6 'iTTTTOKpdxrit;, 6 Ari|uoö6evri(; (Kai €v eKaOtr^
Texvr[ Tzäc) ovTiva ßouXerai Quv}Ji6.Zeiv Tic,. »Auch der Rhetor, der die Schrift TTepi uv^jouq ver-
faßte, verrät ganz gelegentlich seine Kenntnis von der plastischen Wirkung aufgesetzter Lichter
fc. 17, 3) : Das Licht, wenn auch auf demselben Grunde und in denselben Farben wie der Schatten,
erscheint doch ou jnovov eSoxov äXXa Kai e^furepiu Tiapä tto\u.« Furtwängler, Jahrb. f. Philol.
Supplem. IX (1877) S. 37, 7. Im allgemeinen aber hat er kein Verhältnis zur bildenden Kunst,
vgl. U. V. Wilamowitz-Moellendorff, Strena Helbigiana (1900) S. 336.
XIIL DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
I. DER GÖTTERGLAUBE.
Verschiedenartig- "1 ^ür die Erkenntnis der religiösen Zustände der antiken Welt in den ersten
sehen und mon"- I — ^ nachchristlichen Jahrhunderten besitzen wir zwei Quellen von sehr ver-
mentalen Quellen. J^ schiedner, vielfach sogar entgegengesetzter Beschafifenheit: die eine in
der Literatur, die andre in den Denkmälern, namentlich Inschriftsteinen. Die
Literatur ist vorwiegend aus Kreisen hervorgegangen, die teils von Unglauben
und Indifferenz ergriffen waren, teils durch Reflexion und Deutung den Volks-
glauben zu vergeistigen, zu läutern und umzugestalten strebten. Die Denk-
mäler dagegen stammen wenigstens zum großen Teil aus denjenigen Schichten
der Gesellschaft, die von der Literatur und den dort herrschenden Richtungen
wenig berührt wurden und teils nicht das Bedürfnis, teils nicht einmal die Fähig-
keit hatten, ihren Überzeugungen dort Ausdruck zu geben, und sie sind ganz
vorwiegend Zeugnisse eines positiven, weder zweifelnden noch grübelnden, naiven
und reflexionslosen Götterglaubens. Wenn die moderne Welt einst in ähnlicher
Weise unterginge, wie die antike untergegangen ist, und eine späte Nachwelt
dann bemüht wäre, aus ebenso trümmerhaften Überresten der heutigen Kultur,
wie sie uns vom Altertum geblieben sind, eine Anschauung von den religiösen
Zuständen unsrer Zeit zu gewinnen: so würde auch sie aus sehr spärlichen
Bruchstücken der heutigen Literatur ganz andre, zum Teil entgegengesetzte
Eindrücke erhalten, als aus Grabsteinen, Votivtafeln und andern kirchlichen Denk-
mälern jeder Art. Wie dann nur eine Verwertung beider einander ergänzenden
Gattungen von Zeugnissen eine annähernd richtige Vorstellung geben könnte,
so gilt dasselbe auch für die hier in Betracht gezogene Zeit des Altertums. Wäh-
rend die heidnische Literatur dieser Zeit uns einen Einblick in die Tätigkeit der
Kräfte gewährt, die innerhalb des Heidentums an seiner Auflösung und Zer-
setzung arbeiteten, weht uns aus den Denkmälern ein Geist des Glaubens an,
der allen zerstörenden Einflüssen jahrhundertelang Widerstand zu leisten ver-
Die Li'eratur mochte. Weil nun, namentlich von theologischen Schriftstellern, die heidnische
scWießU^hTe' ^^^ christliche Literatur jener Zeit immer fast ausschließlich, jedenfalls weit
rücksichtigt. mehr als ihre Denkmäler zur Darstellung religiöser Zustände verwertet wurde,
ist man der zuletzt berührten Seite derselben nie völlig gerecht geworden.
Aber auch dieLiteratur hat man mit Vorurteil behandelt, vorzugsweise ihre irre-
ligiöse Seite berücksichtigt und nicht hinreichend erwogen, in wie hohem Grade
Glaube und Aberglaube Bedürfnisse der Massen sind, welche gebieterisch Be-
[IV. 123]
DER GÖTTERGLAUBE.
119
friedigung verlangen'). Selbst die literarischen Quellen bestätigen doch nur
sehr teilweise die herrschende Ansicht, daß das Heidentum sich schon im tiefsten
Verfall, in voller Auflösung befunden habe, als das Christentum entstand =').
Allerdings wird schon im letzten vorchristlichen Jahrhundert von römischen Irreligiöse Rich-
und griechischen Schrifstellern viel über Abnahme der Gottesfurcht, über Un- 5""^^° '°h ^^"^
glauben und religiöse Indifferenz geklagt ^j und die Schuld an dem Verfall der iShSTJnd ersten
Religion ausdrücklich den Lehren >wahnwitziger Weisheit«'*) zugeschrieben, nachchristlichen
die sich aus den Schulen griechischer Philosophie verbreitet hatten. In der Tat ^*''^"
herrschen in der damaligen römischen Literatur sowie in der des ersten nach-
christlichen Jahrhunderts Richtungen, die von dem alten Glauben teils abge-
wendet, teils ihm geradezu feindlich sind. Die Notwendigkeit des Volksglaubens
und der Staatsreligion wurde zwar von den Gebildeten aus Gründen der Zweck-
mäßigkeit nicht bloß bereitwillig zugestanden; sie gaben auch das Beispiel der
Ehrerbietung gegen die Religion und alle religiösen Einrichtungen. Cicero er-
klärte in einer im Senat gehaltenen Rede, bei aller Vorliebe für literarische
Studien doch derjenigen Literatur fernzustehen, welche die Gemüter dem Glauben
entfremde; wir verdanken, sagt er, unsre Siege über alle Völker der Frömmig-
keit, dem Glauben und der Erkenntnis, daß alles durch den Willen der Götter
regiert wird 5). Namentlich wurde anerkannt, daß die Massen wegen ihrer sitt-
lichen Roheit und geringen Bildung der Religion bedürften. Die Masse der
Weiber und das ganze gemeine Volk, sagt Strabo, kann man nicht durch philo-
sophische Belehrung zur Frömmigkeit, Heiligkeit und zum Glauben hinleiten,
sondern es bedarf für diese auch der Götterfurcht, und dazu gehören Legenden
und Wundergeschichten ^j. Es hat seinen Nutzen, daß es Götter gibt, sagt Ovid
mit zynischer Aufrichtigkeit, und da es ihn hat, wollen wir an sie glauben und
fortfahren, ihnen zu opfern^). Epictet tadelt diejenigen, die durch unbedachte
Äußerungen des Zweifels an der Existenz der Götter in jugendlichen Gemütern
die Keime der Tugend zerstören und manchem das rauben, was ihn vom Ver-
brechen zurückgehalten habe^). Die Staatsmänner der Monarchie betonten
noch besonders, daß die Verächter der Götter auch sonst niemanden in Ehren
halten^).
In jenem Geständnisse war aber freilich ausgesprochen, daß ein großer Teil Haß des Glau-
der Gebildeten selbst des Volksglaubens in der überlieferten Form nicht zu be- bens vereinzelt.
dürfen glaubte, über den sie sich in der Tat vielfach mit Gleichgültigkeit, Frivo-
lität oder Verachtung äußern. Freilich war diese Freigeisterei oft nur eine
Maske ; Unglück oder Gefahr rissen sie dem Spötter vom Gesicht, und man sah
solche sich dann eifrig der Religion zuwenden"). Auch wird es nicht selten ge-
wesen sein, daß völlig Ungläubige eine einzelne Superstition um so zäher fest-
i) Gibbon, History of the decline II 294, deutsch von Sporschil S. 396. Tac. Hist. I 22: cupi-
dine ingenii hwnani Hbenthts obscura credendi (von Othos Glauben an Astrologie). 2) Zum ge-
samten Inhalte des folgenden Abschnittes vgl. die vorzügliche Abhandlung von J. Geffcken, Der
Ausgang des griechisch-römischen Heidentums, N. Jahrb. f. d. klass. Altert. XLI 1918 S. 93 ff.
3) Marquardt StV. III^ 71, 4. 4) Horat. C. 134, 2. 5) Cic. De hat. resp. 18 f.; vgl. über Ciceros
Stellung zur Religion G. Boissier, La religion romaine d'Auguste aux Antonius (1874) I 61 ff.
M. Schneidewin, Die antike Humanität (1897) S. 228 ff. 6) Strabo I 19. 7) Ovid. a. a. I 637.
8) Epictet. Diss. II 20, 32—35. 9) Mäcen bei Cass. Dio LH 36, 2, 10) Lucret. III 48—58.
I20 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 124]
hielten: wie z. B. Sulla, welcher den Tempel zu Delphi geplündert hatte, ein
kleines Bild des Apollo stets bei sich führte, das er öfters küßte, und an das er
in Augenblicken der Gefahr inbrünstige Gebete richtete"); und Nero, ein Ver-
ächter aller Religionen, eine ihm von einem unbekannten Plebejer geschenkte
kleine weibliche Figur nach einer unmittelbar darauf entdeckten Verschwörung
wie die höchste Gottheit verehrte^). Daß übrigens auch unter den Gebildeten
jener Zeit es nicht an Gläubigen fehlte, versteht sich von selbst^), und Juvenal
meint sogar, damals habe es noch keine Verächter der Götter gegeben"*).
Lucrez. Doch wir begegnen auch — bei Lucrez — einem leidenschaftlichen Ausdrucke
des Hasses gegen den Glauben. Ihm erschien er als ein von der Erde zum
Himmel ragendes Riesengespenst, dessen schwerer Tritt das Menschenleben
schmählich zu Boden drückte, während sein Antlitz grauenvoll aus der Höhe
herabdrohte: bis der kühne Geist eines griechischen Mannes — Epikur — dem
Schrecken Trotz bot. Er erschloß die Pforten der Natur, drang weit über die
flammenden Mauern des Weltalls ins Grenzenlose vor und brachte der Mensch-
heit als Überwinder die Erkenntnis der Gründe alles Seins : so hat er den Glauben
gestürzt, uns aber durch seinen Sieg zum Himmel erhoben. Man möge nicht
meinen, mit der Annahme dieser Lehre den Weg des Frevels und der Gott-
losigkeit zu betreten: im Gegenteil, gerade der Glaube habe öfter zu gottlosen
und verbrecherischen Taten geführt. Der Dichter erinnert, wie Agamemnon
die eigne Tochter dem Zorn der Göttin Artemis geopfert habe, und schließt
seine rührende Schilderung des Opfertods der unschuldigen Jungfrau mit dem
Ausrufe: Zu so viel Unheil konnte der Glaube den Antrieb geben !^)
Epikureer und Aber SO feindselig wie Lucrez stand der Volksreligion keineswegs die ganze
Skeptiker, g^hule der Epikureer gegenüber, geschweige denn die philosophisch Gebildeten
überhaupt. Den Atheismus lehrte kein System, und seine Anhänger sind schwer-
lich zu irgend einer Zeit zahlreich gewesen. Der Skeptizismus bestritt nur, daß
das Dasein der Gottheit sich beweisen lasse, der Epikureismus lehrte die
Existenz unzähliger ewiger, seliger Götter und leugnete nur ihre Fürsorge für
die Welt und die Menschheit: aber die Epikureer schlössen sich ebensowenig
wie die Skeptiker grundsätzlich vom Kultus aus. Die Gottheit bedürfe der Ver-
ehrung zwar nicht, äußert sich der Epikureer Philodemus, aber für uns sei es
naturgemäß, sie ihr zu erweisen, hauptsächlich durch erhabene Vorstellungen,
dann aber auch nach der in jedem Falle überlieferten väterlichen Sitte ^). Der
Gewohnheit folgend, sagt der Skeptiker Sextus, sagen wir, daß es Götter gibt,
daß sie eine Vorsehung üben, und verehren sie''). Die überwiegende Mehrzahl
der Gebildeten, die, ohne einer bestimmten Schule anzugehören, doch von
philosophischen Einflüssen mittelbar oder unmittelbar berührt waren, stand
dem Volksglauben mehr oder minder tolerant gegenüber, mochten sie auch
selbst monotheistische oder pantheistische oder fatalistische Anschauungen
hegen, oder einem geläuterten Polytheismus huldigen, oder endlich den über-
lieferten Glauben verloren haben, ohne einen neuen gewinnen zu können.
l) Plutarch. Sulla 29. 2) Sueton. Nero 56. 3; Boissier a. a. O. I 67 ff. 4) Juv. 6, 342.
5) Lucret. I 62 — loi. 6) Philodem. de mu=. IV col. 4, 8 ff. p. 66 Kemke. 7) Sext. Emp. Pyrrh.
hypot. III 2 Tijj fxev ßiijj KaTaKo\ou9o0vT€c äöoSdaToiq qpajuev elvai 9€oü<; usw.
[IV. 125, 126]
I. DER GÖTTERGLAUBE
121
Die in der gebildeten römischen Welt des i, Jahrhunderts n. Ciir. außerhalb
der eigentlich philosophischen Kreise verbreiteten religiösen Anschauungen
bewegten sich zwischen dem Glauben an die Existenz der Volksgötter und eine
durch sie geübte Vorsehung (wenn auch mit Verwerfung der ganzen legenda-
rischen Überlieferung) einerseits, und der absoluten Negation dieser Götter
andrerseits. Auf dem ersteren Standpunkt scheint z. B. Tacitus gestanden zu
haben. Bei Besprechung der jüdischen Religion äußert er den entschiedensten
Widerwillen gegen die Vernachlässigung des ererbten Gottesdienstes und die
Verachtung der Götter. Er glaubte, daß sie nicht bloß die unabänderliche
Weltordnung vollziehen, sondern auch unmittelbar in ihren Gang eingreifen^)
und die Zukunft durch Vorzeichen verkündigen. Quintilian gehörte zu der gewiß
sehr zahlreichen Klasse derer, bei welchen die gewohnten und anerzogenen poly-
theistischen Anschauungen sich mit monotheistischen vermischten, ohne daß
sie das Bedürfnis oder die Energie hatten, ihre Überzeugungen zur völligen Klar-
heit und Bestimmtheit durchzubilden^). Bei ihm drängte schon die Vorstellung
von der beseelten Natur, von »jenem Gott, der der Vater und Schöpfer der
Welt ist«, den Glauben an die > unsterblichen Götter« in den Hintergrund. Der
Glaube an eine Vorsehung stand ihm fest, und auch an der Verkündigung der
Zukunft durch Orakel und Zeichen scheint er nicht gezweifelt zu haben.
Am entschiedensten ist in der Negation des Volksglaubens der ältere Plinius.
Er meinte in seiner Darstellung des Kosmos die »unaufhörlich erörterte Frage
nach dem Wesen der Gottheit «^ nicht übergehen zu dürfen und hat deshalb die
damals am meisten verbreiteten Formen ihrer Beantwortung angegeben. Für
ihn selbst war Gott und Natur nicht zu trennen: die Natur war ihm >die Mutter
aller Dinge«, die sich dem Menschen so oft im Zufall offenbarte; diesen mochte
man also als den Gott bezeichnen, dem man die meisten Entdeckungen und
Kulturfortschritte verdankte^). Aber mit Grund durfte man das »heilige, uner-
meßliche, ewige« Weltall, »zugleich die Schöpfung der Natur und die Natur
selbst«, für eine Gottheit halten, als die Seele der Welt aber und ihr leitendes
Prinzip die Sonne ansehen. Nur menschliche Schwäche konnte also nach dem
Bilde und der Gestalt der Gottheit fragen. Welcher Art sie auch ist (wenn es
noch eine außerhalb der Natur gibt), und wo auch immer, sie muß ganz Kraft,
ganz Geist sein. Noch törichter ist es, an unzählige Götter zu glauben und auch
menschliche Eigenschaften wie Eintracht, Keuschheit, Hoffnung, Ehre, Milde
als Gottheiten zu betrachten; die gebrechliche und mühselige Menschheit hat,
ihrer Schwäche sich bewußt, die eine Gottheit zerteilt, damit jeder die von ihren
Seiten verehren könne, deren er am meisten bedarf. Daher finden wir bei
Standpunkt der
nicht philoso-
phischgebilde-
ten Römer.
Glaube:
Tacitus.
Schwanken zwi-
schen Polytheis-
mus und Mono-
theismus : Quin-
tilian.
UnbedingteLeug-
nung der Götter:
Plinius.
i) Tac. Hist. IV 78: nee siiic ope divina mutatis rcpentc animls tcrga victores verterc\ A. XIV 22:
Nero entweihte die aqua Marcia, indem er darin badete, sccutaqiu aficeps valitudo irain deuni
affirmavit ; vgl. aber dazu R. Pöhlmann, Sitz.Ber. Akad. München 19 10 I 26, der überhaupt gegen-
über Ranke und Nipperdey den kritisch-skeptischen Grundzug in der Weltanschauung des Tacitus
stärker betont und in seiner Behandlung der Götterwelt mehr ein konventionelles und künstleri-
sches Moment sieht. 2) Babucke, De Quintiliani doctrina et studiis (Regim. 1866) S. Ii — 16.
3) Plin. n. h. XXIV i. XXVII 8. XXX VH 205. Er fragt XXXVII 60, wie die Entdeckung der Kraft
des Bockbluts, den Diamant zu erweichen, möglich gewesen sei, und antwortet: numiniim profecto
muneris talis inventio est nee (juaerenda ratio in ulla parte naturae, sed voluntas.
122 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 127]
andern Völkern andre Namen, und unzählige Götter bei denselben, selbst
Krankheiten und Übel aus Furcht verehrt, wie das Fieber und die Verwaisung.
Da nun noch der Glaube an Schutzgötter und -göttinnen aller einzelnen Männer
und Frauen dazu kommt, ergibt sich eine größere Zahl der Götter als der
Menschen. Die ganze Mythologie ist kindische Faselei, den Göttern Ehebrüche,
Streit und Haß beilegen, an Gottheiten des Betrugs und der Verbrechen glauben,
der äußerste Grad der Schamlosigkeit. Offenbarung der Gottheit ist das Wirken
der Menschen für die Menschheit und dies zugleich der Weg zum ewigen Ruhm;
auf diesem sind die Helden des alten Rom gewandelt, auf ihm schreitet jetzt
mit übermenschlichem Schritte Vespasian mit seinen Söhnen, der erschöpften
Welt Hilfe bringend. Uralt ist die Sitte, Wohltätern der Menschheit durch Ver-
setzung unter die Götter Dank abzustatten. Überhaupt sind die Namen der
Götter wie der Gestirne von Menschen entlehnt; wie sollte es ein himmlisches
Namenverzeichnis geben! Ob die höchste Macht, welche es auch sei, für die
menschlichen Dinge Sorge trägt, ob es denkbar ist, daß sie durch einen so
traurigen und so vielfachen Dienst nicht herabgewürdigt werden würde? Kaum
wäre zu entscheiden, ob es für das Menschengeschlecht nützlicher sei, diesen
Glauben zu hegen oder nicht, wenn man sieht, wie ein Teil keine Rücksicht auf
die Götter kennt, der andre in schimpflichem Aberglauben und Götterfurcht
befangen ist. Um die Vorstellung von der Gottheit noch ungew^isser zu machen,
hat die Menschheit sich eine Macht erfunden, deren Wesen zwischen beiden
entgegengesetzten Vorstellungen die Mitte hält: Fortuna, die bewegliche, von
den meisten für blind gehaltene, umherschweifende, unbeständige, ungewisse,
wechselnde, die Gönnerin der Unwürdigen, also der Zufall selbst wird als Gott-
heit verehrt'). Ein andrer Teil verwirft auch diese,, weist alle Ereignisse ihren
Gestirnen zu, und glaubt an eine einmalige, unabänderliche, für alle Zukunft
verhängte Bestimmung der Gottheit. Diese Ansicht hat angefangen Boden zu
gewinnen, und die Menge der Gebildeten wie der Ungebildeten fällt ihr gleich
bereitwillig zu. Sodann umfängt der Glaube an unzählige Vorbedeutungen die
des Blicks in die Zukunft beraubte Menschheit, und unter allem diesem ist allein
gewiß, daß es nichts Gewisses gibt, und kein zugleich jammervolleres und hoch-
mütigeres Wesen als der Mensch. Die übrigen Geschöpfe kennen kein Be-
dürfnis als die, welche die Güte der Natur von selbst befriedigt, und überdies
nicht den Gedanken des Tods. Aber für die Gesellschaft ist der Glaube an die
Lenkung der menschlichen Dinge durch die Götter ohne Zweifel von Nutzen,
und daß für Übeltaten Strafen unfehlbar eintreten, wenn auch spät, da die Gott-
heit nach so vielen Seiten hin in Anspruch genommen ist; sowie daß der Mensch
nicht darum als das Gott nächste Wesen geschaffen sein könne, um an Niedrig-
keit den Tieren gleich zu sein. Für die UnvoUkommenheit der menschlichen
Natur aber liegt darin ein ganz besondrer Trost, daß auch Gott nicht alles kann.
Er kann sich nicht selbst den Tod geben, wenn er es wollte, was die Natur dem
Menschen als das Beste bei so viel Qualen des Lebens geschenkt hat; noch
Sterbliche mit Unsterblichkeit beschenken oder Abgeschiedene zurückrufen;
i) Vgl. Juven. 10, 365 f. = 14, 315 f. ntillum numen Jiabes, si sit fritdtntia ; nos te, nos facimtis,
Fortuna, deam caeloque locamus.
[IV. 12 8]
I. DER GÖTTERGLAUBE
123
nicht bewirken, daß, wer gelebt hat, nicht gelebt, wer Ämter bekleidet hat, sie
nicht bekleidet habe; er hat überhaupt keine Macht über die Vergangenheit
als die des Vergessens; und (um auch scherzhafte Beweisgründe anzuführen)
er kann nicht machen, daß zweimal zehn nicht zwanzig ist, und vieles der Art:
woraus sich unzweifelhaft die Macht der Natur ergibt, und daß sie das ist, was
wir Gott nennen').
War nun allerdings die Negation des Volksglaubens wohl in den meisten
Fällen eine mittelbare oder unmittelbare Wirkung philosophischer Einflüsse,
so gab es doch auch philosophische Richtungen, mit denen er nicht bloß voll-
kommen vereinbar war, sondern die ihm sogar zur Stütze dienten. Der Stoizismus,
dessen Wirkungen in jener Zeit sich vielleicht weiter erstreckten als die irgend
eines andern Systems, sucht in seiner Theologie '') Glauben und Philosophie zu
versöhnen, die Berechtigung der Volksreligion wissenschaftlich darzutun, indem
er von dem höchsten Gotte, dem Schöpfer und Weltbeherrscher, Untergötter,
von der durch das All verbreiteten göttlichen Kraft als Einheit ihre zahllosen
Äußerungen und Wirkungen unterschied und überdies Dämonen als Mittel wesen
zwischen Gottheit und Menschheit annahm. Alles, sagt Epictet, ist voll von
Göttern und Dämonen^). Die Anstößigkeiten der legendarischen Tradition
wurden durch künstliche allegorische Auslegung beseitigt). Da außerdem die
stoische Theologie fortwährende Offenbarungen der göttlichen Mächte durch Sen-
dung von Orakeln, Vorzeichen u. dgl. anerkannte, so darf man annehmen, daß ein
großer Teil der Anhänger der Stoa an dem überkommenen Glauben mehr
oder weniger streng festhielt, und daß diejenigen Gebildeten, die, wie Marc Aurel,
in einer Welt ohne Götter nicht leben wollten^), ihr vor andern Schulen (wie
in den späteren Jahrhunderten der neuplatonischen und wie im neunzehnten
die orthodoxen Protestanten der Hegeischen) ^) auch darum den Vorzug gaben,
weil sie eine Lösung des Konflikts zwischen Vernunft und Glauben bot.
Auch im i. Jahrhundert also standen nicht einmal die philosophisch Ge-
bildeten der Volksreligion durchaus feindlich gegenüber. Und wenn auch in
der Literatur dieser Zeit, wie in der des 18. Jahrhunderts, glaubensfeindliche
Stimmungen und Richtungen vorherrschen, so behaupteten sie keinesfalls diese
Herrschaft über das Jahrhundert hinaus. Wie die Flut der antichristlichen Rich-
tungen des 18. Jahrhunderts, nachdem sie ihre größte Höhe erreicht hatte, schnell
sank, und dann eine mächtige Rückströmung eintrat die auch einen großen Teil
der gebildeten Kreise unwiderstehlich mit fortriß . ebenso sehen wir in der römisch-
griechischen Welt nach den in der Literatur des i. Jahrhunderts vorwiegenden
Richtungen eine Tendenz zum positiven Glauben die Oberhand gewinnen, auch
hier die gebildeten Kreise ergreifen, und auch hier den Glauben vielfach zu
krassem Aberglauben, Wundersucht, Frömmelei und Schwärmerei ausarten.
i) Plin. n. h. II 12 — 27. 2) Zeller, Philos. d. Griech. III i*, 3i8ff. Über die Bedeutung speziell
des Posidonius für die spätere Gottesauffassung vgl. H. Binder, Dio Chrysostomus u. Posidonius,
Quellenuntersuchungen zur Theologie des Dio v. Prusa, Diss. Tübingen 1905. Über die religions-
geschichtliche Bedeutung des Posidonius W. Kroll, N. Jahrb. f. klass. Altert. XXXIX 1917 S. 1456".
3) Epict. Diss. III 13, 15. 4) Die salubres interpretationes der Überlieferung de vita deorum mori-
busque, die Augustinus iep. 91, 5) in templis popuHs congregatis vorlesen hörte (s. unten [IV 276, 3]^
sind offenbar solche allegorische Erklärungen. 5 ) M. Aurel. comm. II li, vgl. XII 28; s. auch
unten S. 129. 6) Rdville, Lo. religion ä Rome sous les Severes S. 118 (deutsch S. 115).
Versöhnung von
Vernunft und
Glauben in der
Theologie des
Stoizismus.
Restauration des
Glaubens im 2
Jahrhundert,
124
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 129]
Ausbüdungund Den Beweis für ein von den Gebildeten tiefer und allgemeiner als bisher
dogmatische empfundenes Bedürfnis, den Volksglauben mit einer reinen Gotteserkenntnis
Dämonenlehre, in Einklang ZU bringen, gibt vor allem die Ausbildung, welche die, wie bemerkt,
auch von den Stoikern angenommene Dämonenlehre seit dem Ende des i. Jahr-
hunderts durch die Platoniker erhielt, und die für die religiöse Richtung dieser
Zeit in hohem Grade charakteristisch ist '). Die Vorstellung von diesem » Zwischen-
reich« der Dämonen, die auf alter orphisch-pythagoreischer Überlieferung be-
ruhte, entwickelte sich in der Art, daß die Dämonen den gläubigen Philosophen
> überall an die Stelle der Volksgötter treten konnten, wo von den letzteren
solches ausgesagt wurde, was man mit dem reinen Gottesbegriff unverträglich
fand, ohne es doch darum geradezu leugnen zu wollen« ^j.
Obwohl hier der Phantasie der weiteste Spielraum gegeben war, stimmen die
Platoniker des 2. Jahrhunderts in allen wesentlichen Punkten der von ihnen mit
Vorliebe behandelten Dämonenlehre völlig überein ; offenbar hatte diese bereits
in den gläubigen Kreisen der gebildeten Welt eine Art von dogmatischer Gel-
Plutarch. tung gewonnen. Plutarch^) sagt: diejenigen, die entdeckt haben, daß ein Ge-
schlecht von Dämonen zwischen Menschen und Göttern in der Mitte steht und
beide miteinander verbindet und im Zusammenhange erhält (mag nun diese
Lehre aus der Schule Zoroasters, von Orpheus, aus Ägypten oder Phrygien
stammen), haben mehr und größere Schwierigkeiten gelöst als Plato durch
seine Theorie von der Materie'*). Nach seiner Ansicht konnten die drei unteren
Gattungen der Vernunftwesen durch Vervollkommnung jede zu der nächst
höheren und zuletzt zu der höchsten aufsteigen :"die besseren Menschenseelen
konnten Heroen, diese Dämonen und einzelne der letzteren (wie Isis und Osiris)
Götter werden^). Denn von den in dreifacher Ordnung die Vorsehung übenden
Gewalten nehmen die Dämonen den untersten Rang ein. Die höchste Gewalt
ist der Geist und Wille der Urgottheit, Schöpfer und Ordner des Weltganzen
von Anbeginn, nächst ihm lenken die himmlischen Götter die menschlichen
Dinge im großen und ganzen, zuletzt die Dämonen »als Wächter und Aufseher«
im Einzelnen^). Abweichend von andern Piatonikern hält Plutarch die Dämonen
nicht für notwendig unsterblich; ohne den geringsten Zweifel und als Erlebnis
eines glaubwürdigen Manns erzählt er, wie die Kunde von dem Tode des großen
Pan von seinen Mitdämonen mit lautem Wehklagen aufgenommen worden sei;
die Hofphilologen des Tiberius hatten sich dahin geäußert, dies sei Pan der
Sohn des Hermes und der Penelope gewesen^;. Die Dämonen sind für Lust
und Unlust empfänglich und auch dem Bösen zugänglich: auf sie beziehen sich
die Überlieferungen von Entführungen, Umherirren, Verstecktsein, Verban-
nungen und Sklavendiensten von Göttern; alles dies und ähnliches, wie die
Leiden der Isis und des Osiris, sind nicht Schicksale von Göttern, sondern von
I) Über die Entwickelung der griechischen Dämonenlehre, die verschiedenen Auffassungen des
Begriffes 6ai,uuuv und die Bedeutung des Posidonius für Ausgestaltung und Verbreitung dieser
Lehre vgl. R. Heinze, Xenokrates '1892I S. 78 fr. F. Andres, Die Engellehre der griech. Apologeten
des zweiten Jahrhunderts (1914) S. loi ff. 2) Zeller III 2* S. 154. 3) ebd. S. I93f. 4) Plutarch.
de def. orac. 10. 5) Plut. de Is. et Osir. 30. 6] Plut. de fato 9. 7) Flu*, de def. orac. 17;
vgl. zu dieser Geschichte G. A. Gerhard, Sitz.Ber. d. Heidelb. Akad. 191 5 Abb. 5; Wiener Studien
xxxvn 1915 s. 323 ff. XXXVIII 1916 s. 343 ff.
^IV. 130, 131]
I. DER GÖTTERGLAUBE
Dämonen"). Diese sind mit den Namen der Götter, denen sie beigesellt sind
und von denen sie Macht und Ehre haben, benannt und so mit ihnen verwech-
selt worden, einige haben jedoch ihre wahren Namen behalten 'j. Die bösen
und furchtbaren Dämonen erfreuen sich an düsteren, trauervollen Kulten, und
wenn ihnen diese zuteil werden, wenden sie sich zu nichts Schlimmerem'; die
guten und freundlichen tragen (wie schon Plato lehrte] als Boten und Dol-
metscher die Gebete und Wünsche der Menschen zu den Göttern aufwärts und
die Orakel und Gaben des Guten herab ^j. Oft also steigen die Dämonen aus
der Region des Monds nieder, um die Orakel zu verwalten, an den höchsten
Mysterien mitfeiernd teilzunehmen, Frevel zu bestrafen, in Krieg und Seegefahr
Rettung zu bringen: lassen sie sich hierbei durch Zorn, ungerechte Gunst oder
Neid bestimmen, so büßen sie dafür, indem sie wieder zur Erde herabgestürzt
und in Menschenleiber geschleudert werden*).
Ganz in demselben Sinne stellen Apulejus und Maximus von Tyrus die Da- Apulejus.
monen als Vermittler zwischen der Götter- und Menschenwelt dar. Nach dem
ersten 5) sind ihre Leiber weder von irdischer noch rein ätherischer Natur
sondern halten zwischen beiden die Mitte. Deshalb werden sie den Menschen
nur ausnahmsweise und nach eigenem Willen sichtbar, wie die homerische
Athena dem Achill. Diese Dämonen lassen die Dichter, keineswegs der Wahr-
heit zuwider, Menschen lieben und hassen, begünstigen und schädigen, daher
auch Mitleid, Unwillen, Angst und Freude fühlen, überhaupt durchaus mensch-
lich empfinden, was alles mit der ewig unveränderlichen Ruhe der Himmels-
götter unvereinbar ist. Auf der verschiedenartigen Empfänglichkeit der Dämo-
nen für sinnliche Eindrücke beruht nach Apulejus auch die Verschiedenheit
der Kulte und Opfer. Je nach ihrer Natur erfreuen sie sich an täglichen oder
nächtlichen, öffentlichen oder geheimen, heiteren oder düsteren Opfern und
Gebräuchen: so die ägyptischen an Klagegesängen, die griechischen an Tänzen,
die barbarischen an rauschender Musik. Daher also die große Mannigfaltigkeit
in den Formen der Götterdienste in verschiednen Ländern : die Prozessionen
Mysterien, Handlungen der Priester, Gebete der Opfernden, Götterbilder und
-attribute, Lage und Gebräuche der Tempel, Blut und P^arbe der Opfertiere —
alles dies hat seine Gültigkeit je nach dem Gebrauch eines jeden Orts, und oft
erfahren wir durch Träume, Prophezeiungen und Orakel, daß die Gottheiten
(d. h. Dämonen) zürnen, wenn in ihrem Dienst aus Nachlässigkeit oder Hoch-
mut etwas versäumt wird.
Mit Ausnahme sehr weniger Gottesleugner, sagt Maximus von Tyrus^), stimmt Maximus
die ganze Menschheit in dem Glauben an einen Gott, den König und Vater aller ^'°" Ty™s.
und an viele Götter, seine Kinder und Mitherrscher, überein: diese letzten sind
nicht dreißigtausend, wie Hesiod sagt, sondern zahllose, teils im Himmel die
Naturen der Gestirne, teils im Äther die Existenzen der Dämonen. Teils sicht-
bar, teils unsichtbar nehmen diese göttlichen Weren an der Herrschaft des höch-
sten Gottes teil; die ihm verwandtesten scharen sich gleichsam als seine Tisch-
i) Plutarch. de def. orac. 15 ; de Is. et Osir. 25. 2) Plutarch. de def. orac. 21. 3) Plut. de Is. et
Osir. 26 (Plato Conviv. p. 202 E). 4) Plut. de fac. in orbe lunae ^o. 5) Apulei. De deo Socratis
II — 13. 6; Max. Tyr. Diss. 11, 5. 11. Zeller III 2'* S. 223 f.
126 XIII. Dlb: RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 132]
und Hausgenossen um seine Pforten und dienen ihm als Boten, andre sind
Diener dieser, wieder andre noch geringer. So bildet eine ununterbrochen ab-
gestufte Folge von übermenschlichen Wesen die Verbindung zwischen Mensch-
heit und Gottheit, und die Untergötter (die Dämonen) vermitteln gleichsam als
Dolmetscherzwischen der menschlichen Schwäche und der göttlichen Herrlich-
keit'). »Dies sind die, welche den Menschen erscheinen und zu ihnen reden
und mitten unter ihnen verkehren und ihnen die Hilfe leisten, deren die mensch-
liche Natur von den Göttern bedarf«. »Sie heilen Krankheiten, geben ihnen Rat
in der Not, verkünden das Verborgene, sind Helfer bei der Arbeit, Geleiter auf
dem Wege; die einen walten in den Städten, die andern auf den Fluren, diese
zu Lande, jene auf dem Meere; andre als Schutzgeister einzelner Menschen;
die einen schrecklich, die andern menschenfreundlich, dem bürgerlichen Leben
oder dem Kriege zugewandt: so viele Naturen der Menschen, so viele gibt es
auch der Dämonen«. Zu ihnen gehören namentlich die vom Leibe geschie-
denen Menschenseelen, die ihre irdischen Neigungen und Beschäftigungen auch
in jenem höheren Dasein nicht aufgeben wollen: so übt Asklepios noch immer
die Heilkunde, verrichtet Herakles Täten der Kraft, Dionysos schwärmt, Amphi-
lochus prophezeit, die Dioskuren fahren zur See, Minos richtet, Achilles waffnet
sich^). Maximus versichert, daß er die Dioskuren selbst gesehen habe, wie sie
als leuchtende Sterne ein vom Sturm bedrängtes Schiff lenkten, und Asklepios
nicht im Traume, sondern im Wachen. Daß Gegner des Christentums, wie der
Platoniker Celsus, zwischen den Dämonen und den Engeln des christlichen und
jüdischen Glaubens keinen Unterschied finden wollten, wird man hiernach völlig
begreiflich finden^).
So gewährte also die Dämonenlehre den Frommen die Möglichkeit, den
Volksglauben im weitesten Umfange festzuhalten, ohne mit den Forderungen
, der Vernunft in Widerspruch zu geraten, und zwar im buchstäblichen Sinne
festzuhalten, ohne jene (für Starkgläubige gewiß bedenklichen) gewaltsamen
und künstlichen allegorischen Deutungen, deren sich der Stoizismus bediente:
und auf diesem Umwege kehrte ein großer Teil der gebildeten Welt wieder zu
jenen scheinbar durch die Kritik für immer beseitigten »Legenden und Wunder-
geschichten« zurück, deren nach Strabos Meinung nur die Massen und das
weibliche Geschlecht bedurften. Daß eine solche Vermittlung der Volksreligion
mit einer vernunftgemäßeren Gotteslehre gesucht und gefunden wurde, setzt,
wie gesagt, eine gerade unter den philosophisch Gebildeten weit verbreitete,
unzerstörbare Anhänglichkeit an die alten Götter voraus, eine tiefe Sehnsucht,
in dem positiven Glauben der Vorzeit eine Befriedigung zu finden, den keine
noch so erhabene Abstraktion gewähren konnte.
Gesamteindruck Der Gesamteindruck der griechischen und römischen Literatur des 2. Jahr-
der roraischeii Hunderts, in der sich auch die religiösen Zustände der damaligen gebildeten
und griecni- ' " 00
sehen Literatur Welt spiegeln, bestätigt dies durchaus. Unter den römischen Schriftstellern
des 2. Jahrhun-
dertä.
l) Max. Tyr. Diss. 8, 8. 2) ebd. 9, 6. 7. An Seelen guter Menschen als Schutzgeister glaubte
auch Walter Scott: Eberty, Leben W. Scotts 11 149 f. 3) Orig c. Cels. V 4f Philo De gigant. 6:
ovc, äWoi qpiXööoqpoi 5a()Liova(;, dffeXou^ Mijuafi(; eiujöev övo^diZietv hjuxoi ö* eioi Kaxä töv
ctepa n€T6^ieva^.
riv. 133] I. DER GÖTTERGLAÜBE 127
dürften Juvenar) und der jüngere Plinius^) wie überhaupt, so namentlich in ihren
religiösen Anschauungen der stoischen Lehre am nächsten gestanden haben,
wofür bei Plinius auch ein sehr starker Glaube an Träume und Vorbedeutungen
spricht. Von beiden wissen wir überdies, daß sie sich am Kultus beteiligten:
Juvenal hat wahrscheinlich der in seiner Vaterstadt Aquinum verehrten Ceres
(Helvina) zur Lösung eines Gelübdes eine Widmung dargebracht^), Plinius zwei
Tempel bauen lassen''). Tacitus hat mit schweren Zweifeln gerungen, ohne
doch (wie bemerkt) durch sie dem positiven Glauben völlig entfremdet zu wer-
den. Suetons kindischer Vorbedeutungs- und Wunderglaube läßt über die
Festigkeit seines Götterglaubens kaum einen Zweifel. Bei Gellius ist nach seiner
ganzen Geistesrichtung und nach der seiner Lehrer in Griechenland ein streng
konservatives Festhalten an der Tradition auch im Glauben mindestens als
wahrscheinlich vorauszusetzen^); bei Fronto, der während einer Krankheit der
Faustina an jedem Morgen zu den Göttern betete^) und von ihnen Eingebungen
in Träumen zur Heilung von der Gicht erbat und erhielt, sogar gewiß. Die
Betrachtungen Marc Aureis atmen den Geist echter Frömmigkeit, die Schriften
des Apulejus durchweht eine mystische Glaubensseligkeit, Aelian suchte für
seine mit leidenschaftlichem Hasse gegen den Unglauben gepaarte wunder-
süchtige Strenggläubigkeit auch durch eigne Werke Propaganda zu machen.
Aber weit mehr als die römische trägt die griechische Literatur des 2. Jahr-
hunderts den Stempel einer Periode, deren geistige Zustände durch ein neu er-
wachtes religiöses Leben ganz eigentlich ihre Signatur erhielten. Mit Ausnahme
Lucians steht von den griechischen Schriftstellern dieser Zeit nur Galen mit
seinem an stoische Vorstellungen sich anlehnenden Pantheismus') dem Volks-
glauben ganz fern; die Liebe, sagt er z. B., sei eine rein menschliche Afifektion
und werde nicht etwa von einem kleinen jugendlichen Dämon mit brennenden
Fackeln bewirkt^). Viel näher steht schon dem Volksglauben Dio von Prusa
mit seinem zweifellosen Glauben an die Gottheit (wie es scheint, auch an Einzel-
götter) und eine durch sie geübte Vorsehung; er war sogar überzeugt, daß die,
welche über die göttlichen Dinge verwerfliche Meinungen hegen, notwendig
ruchlos sein müssen^). Auch Epictets Pantheismus nahm den Polytheismus in
sich auf '°), und ebenso scheinen sich die religiösen Anschauungen seines Schülers
Arrian an die Volksreligion angeschlossen zu haben"). Alle übrigen stehen auf
dem Boden eines ganz positiven Götterglaubens, wie verschieden er sich auch
in der Auffassung jedes Einzelnen gestaltete. Plutarch hielt es nicht für ratsam,
nach Gründen des Glaubens an die Götter zu forschen; der alte und von den
Vätern ererbte Glaube sei hinreichend als Grundlage für die Frömmigkeit;
werde er irgendwo erschüttert und ins Schwanken gebracht, so sei sein fester
i) Vgl. besonders Juv. 10, 346ff. 15, 106: melius nos Zenonis praccepta monent. 2) Plin. ep.
VII 26, I sagt, daß Krankheit den Menschen besser macht : tunc deos, tunc hominem esse se meminit.
3) CIL X 5382 = Dessau 2926. Vgl. auch Juv. 12, 87 f. 4) Oben I 125 f. 5) Vgl. Gell. Praef. 23
dtum voluntate, 24 diis betie iuvantibus. 6) Fronto ad M. Caes. V 25 p. 83; ad Ver. II 6 p. 133 N.
7) Zeller III 1 4 S. 859. 8) Galen. XVIII B 19. 9) Dio Chrys. or. 22, 8 (II 45f. Arn.). Zeller
III !■♦ S. 851. V. Arnim, Leben und Werke des Dio v. Prusa S. 477. to) Zeller III i"* S. 772.
11) Arrian. Peripl. Pont. Euxin. 23, 3 fügt, nachdem er erzählt hat, Achill sei den Seefahrern bei
seiner Insel hilfreich, wie die Dioskuren überall, hinzu KUi )noi ÖOKei ouK üiriaTa elvai.
128
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[YV. 134, 13 5 J
Bestand ganz und gar in Frage gestellt^). Auch hatte sein Wunderglaube kaum
eine Grenze, wenn er gleich vor einem Übermaße der Leichtgläubigkeit warnt
und Wunder wie das Schwitzen, Seufzen, Blutvergießen von Götterbildern so-
wie ihr Reden mit menschlicher Stimme halb rationalistisch zu erklären versucht.
Doch sagt er, die göttliche Natur sei von der menschlichen so völlig verschieden,
daß es nicht irrationell sei, ihr die Vollbringung des für Menschen Unmöglichen
zuzutrauen^). Die, wenn auch mit Bewußtsein erstrebte und künstlich festge-
haltene, doch sicher aufrichtige Schlicht- und Altgläubigkeit des Pausanias, der
unerschütterliche Wunderglaube des Artemidor, der krasse Supranaturalismus
des Maximus vonTyrus, die bis zur Grenze des religiösen Wahnsinns gesteigerte
Schwärmerei des Aristides — alle diese religiösen Richtungen kommen überein
in dem Glauben an eine durch zahlreiche Einzelgötter wunderbar geübte Vor-
sehung. Und nur eine weite Verbreitung eines blinden Glaubens und kindischer
Lucian. Supcrstition konnte die religionsfeindliche Schriftstellerei eines Lucian ins Leben
rufen, deren unermüdliche, immer wiederholte Angriffe doch gewiß nicht für
ein Fechten mit Schatten gehalten werden können. Noch weniger darf man
daraus, daß Lucian keine Verfolgung erlitt, auf allgemeine Gleichgültigkeit
o-egen die von ihm verspottete Religion schließen. Wenn sein Spott auch ohne
Zweifel das religiöse Gefühl der Gläubigen aufs tiefste verletzte, so konnte er
doch selbst ihnen nicht so verdammenswert erscheinen, wie die Verspottung
einer auf Offenbarung beruhenden Religion deren Gläubigen erscheinen muß:
und im Heidentum gab es nicht bloß keine Dogmen, sondern auch keine Kirche,
die zum Schutz des gefährdeten Glaubens hätte gegen dessen Angreifer ein-
schreiten können, Parnys Götterkrieg, der in zynischer Verhöhnung des Heilig-
sten Lucians Göttergespräche ebenso weit übertrifft wie an Witz, ist allerdings
vor der Restauration des Katholizismus in Frankreich erschienen (1799); aber
auch später ist kein Versuch zu seiner Unterdrückung gemacht worden, sein
Verfasser wurde (1803) Mitglied der französischen Akademie und ist gestorben
(18 14), ohne eine Verfolgung erlitten zu haben.
Die Kaiser des Auch die Kaiser des 2. Jahrhunderts haben sichtbar unter dem Einfluß der
2. Jahrhunderts, herrschenden geistigen Strömung gestanden und sie dann auch ihrerseits durch
ihr Beispiel sowie durch ihre eifrige Fürsorge für den Kultus gefördert. Von
Trajan rühmt Plinius, daß er nicht wie Domitian beanspruchte, gleich einem
Gotte geehrt zu werden, daß er die Tempel der Götter nur betrat, um sie anzu-
beten ^J. Hadrian bewies einen auch nach den hochgespannten Ansprüchen
des Pausanias sehr großen Eifer in der Verehrung der Götter"*). Antoninus Pius
ließ niemals ein Opfer durch einen Stellvertreter vollbringen, außer wenn er
krank war^), und ein ihm im Jahre 143 von Volk und Senat gesetztes Denkmal
l) Plutarch. Amator. 13 (wo mit Volkmanu statt emOcpaXri? Y'veTOi Traai zu lesen ist iräcra).
Über Plutarchs Stellung zur Volksreligion R. Hirzel, Plutarch (1912) S. 9 ff. 2) Plutarch. Camill.
6, 3 ff.; Coriolau. 38, vgl. Marcell. 5, 6. Vgl. auch Herodian. TT. |UOV. \el. praef. p. 13 Lehrs.: Ktti
TTpüüTo^ rmlv öeo^ irapeaTuu. biKöiov y«P fiiiv äpxi'iv dir' aÜToO TTOiriaaGeai, ibc, Kai 6 ZoXeüc;
dpXÖlLievoq eqpiT ek Axbc, äpxibpLeoQa. 3) Plin. paneg. 52, 2. 4) Pausan. I 5, 5. Ammian.
XXV 4, i"] : praesagiortitn sciscitationi nimiae deditus (Julian), nt aeqiiiperare videretiir in hac parte
principem Hadriamim. 5, Hist. aug. Antonin. P. 11, 5. Pausan. VIII 43, 5: toOtov Euoeßn tÖv
ßaaiXea CKaXeoav oi Tuj|aaioi, bioxi e^ tö Geiov Ti.ufj |uct\iaTa eqpaivero xpti)Mevo(;.
[IV. 136] I. DER GÖTTERGLAUBE 129
ist ihm »wegen seiner ungemeinen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit inbezug auf
die Gebräuche der Staatsreligion« gewidmet"). Marc Aurel strebte in allem,
sich als Schüler seines Vorgängers zu bewähren, namentlich aber sollte dieser
in seiner Frömmigkeit ohne Aberglauben sein Vorbild sein, damit er in seine
letzte Stunde mit ebenso ruhigem Gewissen eintreten könne'). Er selbst, der in
einer Welt ohne Götter nicht leben wollte, scheint die Götter aller Nationen als
gleich mächtig und gleich sehr der Verehrung würdig anerkannt zu haben.
Beim Ausbruche des Markomanenkriegs ließ er Priester aus allen Ländern nach
Rom kommen und fremde Gebräuche vollziehen^) und während des Kriegs
einmal auf Veranlassung eines Orakels des Alexander von Abonuteichos zwei
Löwen lebendig in die Donau werfen'*). Im Darbringen von Opfern war er so
verschwenderisch, daß man einen Brief der weißen Rinder an ihn zirkulieren
ließ: »Wenn du siegst, sind wir verloren«^).
Die Natur des im 2. Jahrhundert neu erwachten religiösen Lebens muß hier Charakteriäti-
durch einige für dasselbe besonders charakteristische Erscheinungen veran- ^^^^ Erschc:-
schaulicht werden, welche zugleich wohl die höchsten von der Steigerung der erwachten^eU-
Glaubensstärke erreichten Grade erkennen lassen^). Der Pränestiner Claudius giösen Lebens.
Aelianus verfaßte an der Grenze des 2. und 3. Jahrhunderts in griechischer i^tolera°n ^f ^"^
Sprache zwei Werke, von der Vorsehung und von göttlichen Erscheinungen, Aelianus.
deren Tendenz wir aus zahlreichen Fragmenten kennen. Er führte den Beweis,
»daß die unverständiger sind als Kinder, welche sagen, daß hienieden die Gott-
heit nicht die Vorsehung übe«''), durch Erzählungen zahlreicher Wunder, Orakel
und andrer unmittelbarer Offenbarungen der göttlichen Macht, hauptsächlich
wunderbarer Belohnungen von Frommen und Gläubigen und wunderbarer und
schrecklicher Bestrafungen von Gottesleugnern und Ungläubigen. Bei diesen
Erzählungen fehlt es nicht an Apostrophen an die Religionsverächter, wie z. B. :
»Was sagt ihr zu diesem, ihr, die ihr meint, daß die Vorsehung blind umher-
tappe oder nur eine Fabel sei?«^), sowie an Äußerungen des Mitleids und Ver-
wünschungen gegen die glaubensfeindlichen Philosophen: »O ihr Xenophanes
und Diagoras und Hippo und Epikuros und ihresgleichen, und die ganze übrige
Zahl der unglückseligen und gottverhaßten Männer, fort mit euch!«^)
Die süßliche und salbungsvolle Sprache affektiert die fromme Einfalt einer
guten alten Zeit, einige Proben werden eine hinreichende Vorstellung geben.
Ein Mann Euphronios war ein unglückseliger Mann und hatte Freude an dem
Geschwätz des Epikuros, und aus selbigem zog er sich zwei Übel zu, gottlos
und ruchlos zu sein. Dieser Mann verfiel in eine Krankheit, und von derselben
(Lungensucht nennen sie die Söhne der Asklepiaden) arg gequält, verlangte er
anfangs nach der ärztlichen Kunst der Menschen und suchte bei dieser Hilfe.
Aber das Siechtum war gewaltiger als die Kunst der Ärzte. Als er nun bereits
das Äußerste befürchtete, bringen ihn seine Angehörigen in den Tempel des
i) CIL VI 1001 = Dessau 341. 2) Marc. Aurel. Comment. VI 30. 3) Hist. aug. M. Aurel. 13, i.
4) Lucian. Alexand. 48. 5) Ammian. XXV 4, 17. 6) Als Vertreter eines stark zur Schau ge-
tragenen Gottesglaubens (mit besonderer Beziehung auf den Gott seiner Heimat) muß auch der
zwischen 220 und 250 schreibende (Münscher, Real-Encykl. VIII 20Ö".) Verfasser des Aethiopen-
romans, Heliodorus von Emesa, genannt werden; vgl. Rohde, Griech. Roman^ S. 462 ff. 7) Aelian.
fr. 29 Hercher. 8) ebd. fr. 31. 9) ebd. fr. 33.
Friedla ender, Darstellungen. III. 9. Aufl. q
I30 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 137]
Asklepios. Und da er eingeschlafen war, dünkte ihm, daß einer der Priester
zu ihm sage, für den Mann gebe es nur einen Weg des Heils und ein Mittel für
die ihn bedrängenden Übel, wenn er die Bücher des Epikuros verbrenne und
die Asche dieser gottlosen, frevelnden und weibischen Bücher mit feuchtem
Wachse knete, damit seinen Bauch und seine Brust bestreiche und alles mit
Binden umwickle. Er aber bekannte alles, was er vernommen, seinen Nächsten,
und jene waren sogleich großer Freude voll, daß er nicht als ein Verschmähter
und Verachteter von dem Gotte sei verstoßen worden. So wurde der Gottes-
leugner bekehrt und fortan ein Muster der Frömmiigkeit für andre'). Wunder-
bare Heilungen sowohl von Frommen als von Gottlosen, die sich dann besserten,
waren in diesem Buch in großer Anzahl erzählt, und erbauliche Betrachtungen
daran geknüpft wie folgende: »Aristarchos von Tegea, der Tragödiendichter,
verfiel in eine Krankheit, und Asklepios heilte ihn und befahl ihm, ein Dank-
opfer für seine Genesung zu bringen, und der Dichter brachte dem Gotte das
nach ihm benannte Schauspiel dar. Wie könnte es aber geschehen, daß die
Götter für die Gesundheit einen Lohn verlangten und annähmen? da sie uns ja
doch das Größte mit menschenliebendem und gütigem Sinne umsonst gewähren,
die Sonne zu schauen und an dem allgenügenden Glanz eines so großen Gottes
ohne Entgelt teil zu haben, und den Gebrauch des Wassers und die unzähligen
Hervorbringungen und mannigfaltigen Hilfen des uns bei der Arbeit fördernden
Feuers, und aus der Luft Nahrung für unser Leben in uns zu ziehen? Sie wollen
also nur, daß wir auch in jenen geringeren Dingen nicht undankbar und un-
eingedenk seien, und machen uns auch dadurch besser«^).
Bis zu welchem Grade kindischer Albernheit sich die Wundersucht dieser
Glaubensrichtung verirren konnte, mag folgende Geschichte von einem tanagrä-
ischen Kampf hahne zeigen, der an einem Fuße verletzt war. »Der Hahn, wie
mich dünkt, auf einen von Asklepios erhaltenen Antrieb, hüpfte auf einem Beine
vor den Herrn, und da in der Frühe dem Gotte ein Lobgesang gesungen wurde,
stellte er sich in die Reihe der Sänger, als wäre ihm von dem Leiter des Chors
seine Stelle angewiesen, und versuchte, so gut er vermochte, sein Vogellied
mitzusingen, harmonisch in den Gesang der andern einstimmend. Auf einem
Beine aber stehend, streckte er das beschädigte und verstümmelte vor, als wollte
er bezeugen und angeben, was er erduldet hatte. So sang er seinem Heilande,
wie er es mit der Kraft seiner Stimme vermochte, und flehte, ihm den Gebrauch
seines Fußes wiederzugeben«. Nach einer Offenbarung des Gottes wurde er
dann geheilt, »und mit den Flügeln schlagend und weit ausschreitend und
den Hals aufrichtend und den Kamm schüttelnd wie ein stolzer Krieger, be-
kundete er das Walten der Vorsehung über den unvernünftigen Kreaturen* ^).
Den Erzählungen von dem Heil, das der Glaube brachte, standen (wie gesagt)
Beispiele von den schrecklichen Folgen des Unglaubens und Frevels gegen die
Götter gegenüber: wie ein Mann, der »mit lüsternem Auge« die Mysterien an-
sehen wollte, ohne eingeweiht zu sein, auf einen Stein stieg, von diesem herab
und sich zu Tode fiel*); wie ein Unglücklicher, dessen Seele von Epikuros
Lehre entnervt war, in den heiligen Raum des Tempels zu Eleusis eindrang, den
I) Aelian. fr. 89. 2) ebd. fr. loi. 3) ebd. fr. 98. 4) ebd. fr. 43.
[IV. 138, 139] I- DKR GÖTTERGLAUBE 131
nur der Hierophant betreten durfte, zur Strafe von einer furchtbaren Krankheit
befallen wurde und gräßliche Qualen litt, so daß er danach schmachtete, seine
verfluchte Seele vom Leibe losreißen zu können, was ihm aber erst spät zuteil
wurde ^); wie Sulla von Würmern (»andre aber sagen nicht von diesen, sondern
von Läusen«), die aus seinem Leibe herausquollen, langsam aufgefressen wurde,
weil er den Tempel der Athene zu Alalkomenä zerstört hatte ""); wie ein Bild-
hauer »auf den Gewinn schauend und blind gegen die Frömmigkeit« ein Götter-
bild schlechter ausführte, als er nach der erhaltnen Bezahlung gesollt hatte,
unansehnlich, klein und aus schlechtem Marmor, dann aber dafür an seinem
Leibe gestraft wurde, »und dies allen ein Beispiel und eine Lehre war, solches
nicht zu wagen noch dergleichen Vorteil zu suchen«^), usw.
Von demselben Verfasser haben wir eine »Geschichte der Tiere«, in welcher
i die instinktive Sicherheit und Zweckmäßigkeit der niedern Organismen als die
reinere Naturmanifestation den Menschen als moralisches Gegenbild vorgehal-
ten wird«'*). Die Elefanten, so wird z. B. hier berichtet, beten die Sonne an,
indem sie ihr bei ihrem Aufgange ihre Rüssel gleich Händen entgegenstrecken:
die Menschen aber zweifeln, ob es Götter gibt, und wenn sie existieren, ob sie
für uns Sorge tragen^). Die Mäuse auf einer dem Herakles heiligen Insel im
Schwarzen Meer berühren dort nichts, was ihm geweiht ist; wenn nun die zu
seinen Opfern bestimmten Trauben reifen, verlassen sie die Insel, um der Ver-
suchung, sie zu benaschen, zu entgehen, und kehren erst nach der Weinlese
zurück. Hippo, Diagoras, Herostrat und die übrigen Götterfeinde würden freilich
diese Trauben ebensowenig schonen, als was sonst den Göttern geweiht ist^).
In einem andern Buche preist Aelian die Barbaren, welche noch nicht durch
Überkultur dem Glauben entfremdet sind wie die Griechen: bei den Indern,
Kelten, Ägyptern gibt es keine Zweifler und Gottesleugner wie Euhemerus,
Epikur, Diagoras usw.^).
Wenn die Schriften Aelians uns mit der extremsten und starrsten, in der Tat Schwärmerei:
zelotischen heidnischen Orthodoxie bekannt machen, so besitzen wir in den Aristides.
Bekenntnissen eines Mannes, der von Mitwelt und Nachwelt zu den ersten
geistigen Größen seiner Zeit gezählt wurde, des Rhetors P. Aelius Aristides,
auch ein merkwürdiges Zeugnis, bis zu welchem Grade sich damals unter be-
sonderen Einflüssen die religiöse Überspannung steigern konnte. Aristides^),
zu Hadriani in Bithynien ums Jahr 120 geboren, aus einer vornehmen und be-
güterten Familie^), Sohn eines Priesters des Zeus, von Jugend auf kränklich,
ergab sich früh mit leidenschaftlichem Eifer den Studien. Die nervöse Reizbar-
keit seiner zarten Natur war durch ein Übermaß der Anstrengung wie durch die
l) Aelian. fr. 10. 2) ebd. fr. 53. 3) ebd. fr. 62. 4) Lehrs, P.pp. Aufs.^ S. 220. Zur Diskus-
sion der Frage über 'Vernunft oder Instinkt' der Tiere s. namentlich G. Tappe, De Philonis libro
qui inscribitur 'AXeSavöpoq r\ trepi tou \6yov eyeiv xa aXo^a Zwa Diss. Göttingen 1912. Dicker-
man, Transact. of the Americ. Philol. Association XLII 1912 S I23ff. 5) Hist. an. VII 44.
6) ebd. VI 40. 7) Var. hist. II 31, 8) Welcker, Kl. Sehr. III 89—156, Über Typisches und
Individuelles in der Religiosität des Aristides Weinreich, N. Jahrb. f klass. Altert. XXXIII 19 14
S. 597 ff. Über die Chronologie am besten Ed. Schwartz, Christi, u jüdische Ostertafeln (Abhdl.
Gesellsch. d. Wiss. Götting. N. F. VIII 6, 1905) S. 130fr. fanders W. Schmid, Rhein. Mus. XLVIII
1893 S. 52fr.; Philologus LVI 1898 S. 721fr.). 9) Über sein Landgut Aaveiov an der großen
Straße von Pergamum nach Cyzicus vgl. Th. Wiegand, Athen. Mitteil. XXIX 1904 S. 278 fr.
132
Xlll. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 140]
von dem Berufeines Sophisten unzertrennlichen Aufregungen im höchsten Grade
genährt und gesteigert, einem Berufe, der zugleich wie kein andrer geeignet
war, die ihm angeborenen Eigenschaften des Ehrgeizes und der Eitelkeit aufs
stärkste auszubilden. Im J. 145 ergriff ihn eine Krankheit, mit der er sich zehn
Jahre schleppte, und über die er in den nach seiner Genesung (teilweise erst
20 Jahre nach dieser) verfaßten »heiligen Redens aufs ausführlichste berichtet
hat. In dieser Krankheit entwickelte sich auch seine schwärmerische Frömmig-
keit, die sich je länger je mehr in einer immer ausschließlicheren Verehrung des
Heilgottes Asklepios befriedigte, hinter dessen Bilde ihm die übrigen Götter
mehr und mehr zurücktraten. Da er, um Heilung zu finden, jahrelang in den
Tempeln dieses Gottes und mit dessen Priestern verkehrte, richteten sich all-
mählich seine Gedanken im Wachen und Träumen auf diesen Mittelpunkt; denn
nach dem allgemeinen Glauben erteilte der Gott den Hilfesuchenden, die in
seinem Tempel schliefen, Rat durch Eingebungen in Träumen, und die ganze
Existenz des Aristides drehte sich nun um seine Träume, die ihm der Gott
sämtlich aufzuschreiben befohlen hatte. Die Erfüllung dieses Befehls war für
ihn eine heilige Pflicht, und er diktierte, wenn er zum Schreiben zu schwach
war^). Selbstverständlich befolgte er alle Vorschriften, die er in Träumen emp-
fangen zu haben glaubte, auch die unsinnigsten, wodurch er wahrscheinlich sei-
nen Zustand vielfach verschlimmerte; er sagt selbst, daß seine Schwächlichkeit
mit dem Fortgange der Zeit immer zugenommen habe^). Zuweilen glaubte er
sich in einem Mittelzustande zwischen Schlaf und Wachen zu befinden, in dem
er ein körperliches Gefühl von der Nähe des Gottes hatte, seine Haare sich
sträubten, seine Augen sich mit Tränen der Wonne füllten, und er ein stolzes
Schwellen des Bewußtseins empfand: ein Zustand, den niemand zu beschreiben
vermöchte, die Eingeweihten verstehen und kennen es^). Der Gott befahl ihm
unter anderm auch, mitten im Winter bei Nordwind und Frost im Flusse zu
baden. Doch nach dem Bade befand er sich wunderbar leicht und wohl »in
einer gleichmäßigen, nicht wie künstlich bewirkten, den ganzen Körper kräfti-
genden Wärme — es war eine unaussprechliche Wohlgemutheit, worin er alles
dem gegenwärtigen Augenblicke nachsetzte und auch sehend nichts andres sah :
so ganz war er bei dem Gott*'*). So unsäglich seine Leiden waren, so achtete
er sie doch nicht wegen der Ehre, welcher der Gott ihn gewürdigt hatte; wer
diese ermesse, werde ihn viel mehr beglückwünschen, als wegen seiner Leiden
bedauern^).
Wenn auch die Schwärmerei des Aristides im innigsten Zusammenhange mit
der Überspannung seines Hochmuts steht, und diese, nicht die Versenkung in
das Göttliche ihre Grundstimmung ist, so erinnern seine Berichte doch in mehr
als einer Beziehung an*^ekenntnisse christlicher Pietisten^), sowohl durch die
unaufhörliche Selbstbeobachtung, Selbststeigerung und Selbsttäuschung, wie
durch das Bewußtsein, einer besondern Begnadigung gewürdigt, ein Auserwähl-
ter der Gottheit zu sein, und die notwendig damit verbundne geistliche Uber-
I) Aristid. or. 48, 2 (II 395 K.). 2) ebd. 70 (II 410 K.). 3) ebd. 32 (II 401 f. K.). 4) ebd.
23 (11 399 f.). Wclcker a. a. O. S. 146. 5) Aristid. or. 48, 59 (11 407 f.). 6) Noch näher liegt
der Vergleich mit den ekstatischen Konfessionen der Mystiker alter und neuer Zeit. Weinreich
a. a. O. S. 601.
[IV. i4ij I. DER GÖTTERGLAUBE 133
Hebung. In einem Traume sah er das Bild des Gottes mit drei Köpfen und von
feuriger Lohe umgeben, außer den Köpfen. Allen andern Betern winkte der
Gott hinauszugehen, ihn hieß er bleiben. Aristides rief entzückt: Einziger! den
Gott meinend. Dieser erwiderte: Bist's! >Dies Wort, o Herr Asklepios, ist
besser als das ganze menschliche Leben, geringer als dies ist die ganze Krank-
heit, geringer als dies aller Dank, dies hat gemacht, daß ich ebensowohl kann
. als will« ^]. >x'\uch ich«, sagt er an einer andern Stelle, »war unter denen, wel-
chen durch die Gnade des Gottes, nicht zweimal, nein vielmal in mannigfacher
Gestalt ein neues Leben geschenkt worden war, und welche die Krankheit des-
halb für heilsam erachten.« Für das, was ihm der Gott gewährt hatte, mochte
er nicht die ganze, unter Menschen so genannte Glückseligkeit eintauschen"^).
Mit der Überzeugung, einAuserwählter zu sein, stand bei Aristides in Wechsel-
wirkung der Hang, die Hand der Gottheit überall zu erkennen, die Sucht, auch
in alltäglichen Ereignissen besondre Fügungen und Wunder zu sehen. Auf
Schritt und Tritt glaubte er von dem Gotte geleitet zu werden, fortwährend
wird er von ihm gerufen, geschickt, zurückgehalten, und erhält seine Befehle,
Aufträge und Verbote^). Bei dem Erdbeben, das Smyrna zerstörte, war es der
Gott, wie er an die beiden Kaiser schrieb, der ihn aus der Stadt forttrieb und
an einen Ort brachte, wo er verschont blieb'*). Er rettete seine alte Amme
Philumene, die Aristides über alles liebte, unzählige Male wider Erwarten und
auch aus einer Krankheit^). Als eine andre Philumene, die Tochter seiner Milch-
schwester Kallityche, starb, offenbarte ihm ein Traum, daß sie ihre Seele und
ihren Leib für sein Leben hingegeben habe. Auch deren Bruder Hermias war
»sozusagen beinah für ihn gestorben» ; dieser, der liebste seiner Pfleglinge, starb
nämlich, wie Aristides später erfuhr, an demselben Tage, wo er (ein Jahrzehnt nach
dem Ende der lojährigen Krankheit) von einem Anfalle der großen (durch das
Heer des Verus in den Westen eingeschleppten)^) Epidemie genas^). »So hatte
ich die Zeit bis dahin als Geschenk von den Göttern und erhielt hierauf unter
göttlicher Hilfe ein neues Leben, und dies war gleichsam die Gegengabe dafür. «
Damals hatte ihn »der Heiland (Asklepios) und die Herrin Athene sichtbarlich
gerettet« ^); die letztere war ihm in der Gestalt der Statue des Phidias erschienen,
ein süßer Duft strömte von ihrer Ägis aus, er allein sah sie und rief es zwei an-
wesenden Freunden und seiner Amme zu, welche glaubten, er deliriere, bis sie
die von der Göttin ausgehende Kraft erkannten und die Reden vernahmen, die
er von ihr vernommen hatte '^j. Mönche, die im Mittelalter die Reden des Ari-
stides lasen, haben hier und da in Randbemerkungen ihrem Unwillen über die
Torheit, ja Verrücktheit dieses Menschen Ausdruck gegeben, »der noch dazu
den Ruf eines Weisen hatte« und dennoch sich so kindischen Einbildungen
hingeben konnte'").
Die Tatsache einer solchen religiösen Reaktion gegen die Einflüsse der Kritik Unverän-
und Philosophie, einer so völligen Wiederherstellung des positiven Götterglaubens
auch im Bewußtsein der Gebildeten, wie sie die bisher geschilderten (und andre vdirsglaubens
1) Aristid. or. 50, 5of. (II 438f.). 2) ebd. 23, 16 (11 36). 3) Welcker S. 133, 4) Aristid. or.
19, 6 (II 14 K.). 5) ebd. 47, 78 (U 394). 6) Oben I 31, 7) Aristid. or. 51, 19— 25 (11 456 f.).
8) ebd. 50, 9 (II 428). 9) ebd. 48, 41 [U 403 f.). 10) Welcker S. 116, 35.
derteStärkeund
Fortdauer des
134 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 142, 143'
noch zu erwähnende) Erscheinungen beweisen: diese Tatsache zeigt, daß jene
Klagen über den vermeintlichen Verfall des Glaubens nur durch oberflächliche,
auf gewisse Gebiete beschränkte Zeitströmungen veranlaßt waren, die dann von
einer mächtigen Gegenströmung rückwärts gestaut wurden. Daß aber die
religionsfeindlichen Stimmungen und Richtungen selbst in der Zeit ihrer größten
Stärke jemals außerhalb der engbegrenzten Kreise der Gebildeten sich ver-
breitet haben, dafür spricht nichts. Vielmehr sind sie in die Massen allem An-
schein nach ebensowenig jemals tiefer eingedrungen, wie die antichristliche
Literatur des 18. Jahrhunderts auf den christlichen Glauben der europäischen
Bevölkerungen im großen und ganzen einen nachweisbaren Einfluß geübt hat'').
Von jenen monotheistischen, pantheistischen und atheistischen Weltanschau-
ungen, deren Anhänger in der Literatur des i, Jahrhunderts so laut das Wort
führen, blieb der Glaube des Volks an die alten Götter, der mit unzähligen
Wurzeln in dem geistigen Leben von Millionen festgewachsen war, unberührt,
oder doch unerschüttert. Trotz aller Veränderungen und Entwicklungen, trotz
aller Verluste, Trübungen und Erweiterungen bestand er fort und stellte sich
in seinen beiden Hauptformen immer von neuem her, von denen die eine in den
östlichen Ländern herrschende sich innerhalb der griechischen Welt entwickelt
hatte, die 'andre im Westen und Norden (soweit der Einfluß der römischen
Kultur reichte) verbreitete aus einem Jahrhunderte dauernden Mischungs- und
Verschmelzungsprozeß griechischer und italischer Elemente hervorgegangen
war. In beiden Formen behauptete sich der Götterglaube dem ihn (zuletzt mit
erdrückender Macht) bekämpfenden Christentume gegenüber fast ein halbes
Jahrtausend. Ein so langer Widerstand beweist schon allein die noch unge-
schwächte Lebenskraft des alten Glaubens. Nicht minder bewährte er diese in
der Aufnahme und Assimilation zahlreicher heterogener, ja entgegengesetzter
religiöser Elemente, die dennoch nicht vermochten, sein Wesen zu verändern,
seine Auflösung und Zersetzung herbeizuführen. Endlich erwies er sich
auch durch eine noch immer schöpferische Produktivität als eine lebendige
Macht.
Seine Assimi- Zwar ist die massenhafte Aufnahme heterogener religiöser Elemente bisher
allgemein zugleich als Symptom und als Ursache des Verfalls der römisch-grie-
chischen Religion angesehen worden: aber diese Ansicht würde nur dann be-
rechtigt sein, wenn sich nachweisen ließe, daß der Glaube an die alten Götter
durch die Verehrung der fremden aufgehoben, erschüttert oder in seinem
innersten Wesen umgestaltet worden sei. Nichts von alledem ist erkennbar.
Daß eine Vermehrung der Gottheiten eines polytheistischen Systems schon an
und für sich eine Abnahme des Glaubens oder eine Schwächung seiner Inten-
sität voraussetze, wird ebensowenig jemand behaupten , wie daß die neuen
Kanonisationen der katholischen Kirche durch ein Schwinden des Glaubens an
die alten Heiligen veranlaßt werden oder daß sie diesen Glauben beeinträchtigen
können. Nun besteht aber allerdings zwischen den orientalischen und den grie-
i) P. Lacroix, XVIII siecle, Lettres S. 359f.: »0« voit par cet aveu de Mercier {\']?>z) qiie le peup/e
de Paris affltiait dans les eglises toiis les dimanches et les jours defete.* Taine, Origines de la France
contemp., Revolution II 390: ^A cette date (1792) le petit peuple, meme a Paris, est eucore tres reli-
gieux, bien plus religieux quaiijotird^htii.'^
lationskraft.
[IV. 144] I- DER ÜÖTTERGLAUßE 135
chisch-römischen Kulten ein so tiefer Gegensatz, daß eine Verbindung beider
schwer begreiflich erscheint. Für unser Gefühl stehen jene fremdartig und
seltsam, zum Teil ungeheuerlich neben diesen, und noch tiefer erscheint uns
der Gegensatz der Religionsanschauungen, auf denen hier und dort die Kulte
und Gebräuche beruhen. Die düsteren, trauer- und geheimnisvollen Zeremo-
nien, die schwärmerische Ekstase, die Selbstentäußerung und schrankenlose
Hingebung an die Gottheit, die Entsagung und Buße als Bedingung der Läute-
rung und Weihe: alle diese Elemente sind ja dem römischen und griechischen
Glauben ursprünglich ebenso fremd wie im tiefsten Wesen der morgenlän-
dischen Religionen begründet. Im schroffsten Gegensatz dazu tritt uns, als dem
griechischen und römischen Glauben und Kultus eigentümlich, feste Umgrenzung
des Gottesbegriffs, klare Anschauung der Götterwelt, ein maßvolles und ver-
trauendes, selbst genau geregeltes Verhältnis der Gläubigen zur Gottheit, allge-
meine Zugänglichkeit sowie anspruchslose Einfachheit und festliche Heiterkeit
des Gottesdienstes entgegen. Dennoch sind von den Gläubigen des römischen
und griechischen Altertums diese so tiefen inneren Gegensätze zu keiner Zeit
als ein absolutes Hindernis der Verschmelzung empfunden worden. Orienta-
lische Elemente sind bekanntlich in die griechische Religion sehr früh, in die
römische mindestens seit dem zweiten punischen Kriege eingedrungen. Wenn
dies aber schon bei oberflächlichen Berührungen der Nationen geschehen
konnte, so mußte ihre innige Verschmelzung und Vereinigung im römischen
Universalreich auch ohne irgend welche Änderung in der. Natur und Stärke
des Glaubens sogar notwendig die Göttermischung im weitesten Umfange zur
Folge haben. Die Götterwelt war und blieb von der ersten bis zur letzten Zeit
des Heidentums den Gläubigen ein nur sehr unvollkommen bekanntes, weil durch
keine Offenbarung erschlossenes Gebiet, und der Glaube, daß es die verschieden-
artigsten Gestalten und Erscheinungen in sich fassen könne, war um so natür-
licher, als das Vermögen, jede Gestalt anzunehmen, ja recht eigentlich zum
Wesen der Gottheit gehörte. Zu dieser grenzenlosen Expansivität des antiken
Polytheismus kam aber noch die Tendenz, in den fremden Gottheiten die eignen
wiederzufinden, deren Stärke ja schon bei Herodot so erstaunlich groß ist; eine
Tendenz, welche die Frommgläubigen so völlig beherrschte, daß sie sie nur das
wirklich oder scheinbar Gleichartige in den verschiedenen Religionen gewahr
werden ließ und sie auch gegen die schärfsten und grellsten Gegensätze völlig
blind machte.
Wenn es nun im Wesen des antiken Polytheismus von jeher gelegen hat. Die Tneokra-
eine Ergänzung der eignen noch unvollkommnen Gotteserkenntnisse auch in ^\^ ^'"^ notwea-
den Kulten fremder Nationen zu suchen ; wenn in Griechenland wie in Rom völlig vfikermischun^^
heterogene Götterdienste schon in Zeiten Aufnahme gefunden haben, für welche
die ungeschwächte Kraft des Glaubens an die Landesgötter gar nicht in Zweifel
gezogen werden kann'): so ist der Grund, daß dies im früheren Altertume spar-
i) Zu den den Griechen am frühesten bekannt gev.ordenen fremden Gottheiten gehört neben
dem phönizischen Adonis, dessen Fest bereits zur Zeit der sicilischen Expedition in Athen allge-
mein gefeiert wurde (Aristoph. Lysistr. 389 ff. Plutarch. Alcib. 18, 5; Nicias 13, 11}, und der vorder-
asiatischen Göttermutter Ammon, der Gott des ägyptischen Theben, auf den bereits Pindar einen
Hymnus dichtete Schol.Pind. Pyth. 9, 90. Pausan. IX 16. i'. Über Fremdkulte imPiräus C. Schaefer,
136 Xm. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 145]
samer geschah, offenbar nicht in der damals größeren Stärke des vaterländischen
Glaubens zu suchen, sondern in dem geringeren Verkehr der Völker. Je mehr
dieser wuchs, desto mehr steigerte und vervielfachte sich auch der Austausch
der Kulte. Mit der Bildung des römischen Universalreichs trat die antike Welt
und ihr Polytheismus in seine letzte Phase, Ein Jahrhunderte lang fortwährendes
Wandern, Ziehen, Herüber- und Hinüberströmen der Bewohner dieses unge-
heuren Ländergebiets führte eine beispiellose Mischung und Durcheinander-
wirrung der Rassen und Nationen und damit auch der Religionen und Kulte
herbei. Von der Themse bis zum Atlas, vom Atlantischen Meer bis zum Eu-
phrat wohnten nun in allen Provinzen auch Anbeter der Isis und des Osiris, der
Baale, der Astarte, des Mithras, die für ihre Götter geflissentlich oder durch ihr
Beispiel Propaganda machten : und so gewannen diese und andre fremde Gott-
heiten unter verschiednen Namen zahllose neue Gläubige ^). Die Missionare ihrer
Religionen waren die überall im römischen Reich, besonders in den See- und
Handelsstädten angesiedelten (namenlich syrischen) Kauf leute, die Soldaten und
Offiziere (vor allem die so viel umhergevvorfenen Centurionen), besonders an
den Grenzen und in der Hauptstadt, endlich die Sklaven und Freigelassenen
in den römischen Palästen, auf den Latifundien und in den Provinzen als sub-
alterne Angestellte der Staatsverwaltung^). »Aber zur offiziellen Aufnahme in
die Staatsreligion ist, soviel wir sehen können, vor dem Beginne des dritten
Jahrhunderts nur ein einziger der orientalischen Fremdkulte gelangt, der Gottes-
dienst der Isis, der zu Anfang der Regierung des Caligula einen Staatstempel
auf dem Marsfelde erhielt«. Auch die privaten Heiligtümer der landfremden
Gottheiten der östlichen Reichshälfte blieben von dem geheiligten Bezirk des
Pomerium ausgeschlossen oder gar noch weiter von der Stadtgrenze fernge-
halten; »gefallen ist diese Schranke erst gleichzeitig mit der Scheidung von
cives Romani und pcregrini im römischen Reich, und es ist kein Zufall, daß
Caracalla, der das römische Bürgerrecht an alle freien Reichsangehörigen ver-
lieh, auch derjenige war, der den großen Staatstempel des Serapis auf dem
Quirinal erbaute und damit den fremden Göttern die Pomeriumsgrenze öffnete.
Seitdem strömen die Gottheiten aller Provinzen in Rom als dem teviplum
mundi iotius^) zusammen, und es ward das Wort zur Wahrheit, daß die übrigen
Völker jedes seinen besonderen Gott verehrten, die Römer aber alle Gottheiten
der Welt insgesamt« ■*).
Wenn nun auch unzweifelhaft in sehr vielen einzelnen Fällen die neuen Kulte
die alten in den Hintergrund drängten, so konnten solche lokale oder indivi-
duelle Bevorzugungen einzelner Gottheiten doch ebensowenig auf die Dauer
Jahrb. f. Philol. CXXI 1880 S. 417 ff-, über Sarapis- und Isisdienst in Griechenland A. Rusch, De
Serapide et Iside in Graecia cultis, Diss. Berlin 1906.
i) Materialsammlung für die Verbreitung der orientalischen Kulte im römischen Reiche bei
Toutain, Les cultes paiens dans l'empire Romain 11, 191 1, dazu für Britannien, Germanien und Gal-
lien C. H. Moore, Han'ard Studies XI 1901 S. 47ff. ; Transact. of the Americ. Philolog. Associa-
tion XXXVIU 1908 S. 109 ff.; über Kult der ägyptischen Gottheiten in den Donauländem W. Drex-
1er, Mytholog. Beiträge I, 1890, über denselben in Nordwestafrika Gsell, Revue de l'hist. d. relig.
LIX 1909 S. 149 ff. Die wichtigsten inschriftlichen Zeugnisse bei Dessau 405 7 ff. 2) Cumont, Die
oriental. Religionen im röm. Heidentum^ S. 29 f. 3 Ammian XVII 4, 13. 4) Wissowa, Religion
u. Kultus der Römer^ S. 89.
[IV. 146, 147]
I. DER GÖTTERGLAUBE
137
den Bestand des Glaubens im großen und ganzen alterieren, wie es von jeher
der Fall gewesen war. Und auch die einzelnen, die doch in der Regel nicht
die ganze Götterwelt mit ihrer Verehrung zu umfassen strebten, sondern diese
mehr oder weniger ausschließlich auf einzelne Gottheiten richteten, konnten
die vaterländischen Kulte sehr wohl mit den ausländischen verbinden, ohne
daß diese jenen Eintrag taten. Domitian war ein Verehrer der Isis und des
Sarapis'), denen er zu Rom Tempel baute; selbst an seiner Tafel fielen nach
Plinius »Verrichtungen ausländischer Superstition« seinen Gästen auf'). Nichts-
destoweniger hielt er sogar mit grausamer Strenge darauf, daß die Heiligkeit
des überlieferten Gottesdienstes nicht ungestraft verletzt würde ^), und Martial
rühmt, daß unter seiner Herrschaft >den alten Tempeln« ihre Ehre gewahrt
worden sei'*); er selbst verehrte vor den andern, namentlich auch den kapitoli-
nischen Gottheiten Minerva »in superstitiöser Weise« ^).
Mit den fortwährenden Umbildungen der religiösen Zustände hat auch fort-
während der Begriff der »Superstition« gewechselt: worunter ein hauptsächlich
auf übertriebener Gottesfurcht beruhender Irrglaube, namentlich aber Abgötterei
und Verehrung fremder, vom Staate nicht anerkannter, weil seiner Anerkennung
unwürdiger Gottheiten verstanden wurde. Zu allen Zeiten muß hiernach der
Begriff der Superstition nicht bloß überhaupt ein relativer, sondern auch nach
individueller Auffassung unendlich verschiedner gewesen sein. Die Dienste der
ägyptischen Gottheiten verbot im Jahre 5g v. Chr. der Senat als »schändliche
Superstition« und ließ ihre Altäre umstürzen, aber dies Verbot fruchtete
ebensowenig wie das in den Jahren 53, 50 und 48 wiederholte Einschreiten
gegen dieselben Kulte, die in jener Zeit schon bis auf das Kapitol vordrangen^),
ihre Verweisung aus Rom durch Agrippa 2 1 v. Chr. und die Verfolgung ihrer
Anhänger unter Tiber im Jahre 19 n. Chr. Caligula erbaute 38 im Marsfelde
den großen Tempel der Isis Campensis^). Allmählich verlor sich auch die Er-
innerung, daß sie jemals als den römischen Gottheiten nicht ebenbürtig gegolten
hatten. Minucius Felix nennt ihren Kult sowie den des Sarapis einen einst
ägyptischen, jetzt römischen^).
Ganz ebenso wie die ägytischen Götterdienste haben ^uch eine Anzahl andrer
orientalischer Kulte anfangs als Superstition in allgemeiner Verachtung ge-
standen und sind dann allmählich in immer weiteren Kreisen als gleichberechtigt
mit den einheimischen und seit unvordenklicher Zeit überlieferten anerkannt
worden. Die Dauer des Zeitraums, innerhalb dessen ein solcher Prozeß sich
vollzog, hing im einzelnen Falle ohne Zweifel von den verschiedensten, zum
Teil allerdings unberechenbaren Einflüssen ab:' aber in erster Linie doch ganz
sicherlich davon, ob die Berührungen mit den Anhängern der fremden Religion
innige, fortwährende und massenhafte waren oder nicht.
Immerhin mögen manche Kulte deshalb länger für superstitiös gegolten
haben, weil ihre Gebräuche besonders fremdartig und seltsam, abstoßend oder
lächerlich erschienen. Plutarch, der alle Seltsamkeiten des ägyptischen Gottes-
l) Eutrop. VII 23, 5 und dazu Wissowa a. a. O. S. 353, l. 2) Plin. Paneg. 49, 8. 3) Suetou.
Domit. 8, 5. 4) Martial VIII 80, 5. 5) Sueton. Dom. 15, 3. Cass. Dio LXVII i, 2. 6) CIL
VI 2247 = Dessau 4405; vgl. CIL VI 2248. Wissowa S. 352, 7. 7) Wissowa a. a. O. S. 351 ff.
8) Minuc. Felix Octav. 22, 2.
Der Begriff der
Supeistitionein
relativer und
wechselnder.
138 Xlll. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 148]
dienstes ehrwürdig fand, verachtete eine Menge asiatischer Kultgebräuche
als superstitiös, namentlich das Beschmieren mitlCot, Sabbatfeiern, Niederwerfen
aufs Angesicht und andres »lächerliche Tun und Leiden, Reden und Gebärden
der Götterfurcht, ihre Gaukeleien und Zaubereien, das Herumlaufen, Pauken-
schlagen, unreine Reinigungen, schmutzige Kasteiungen, barbarische und ge-
setzwidrige Strafen und Beschimpfungen bei den Tempeln« '), Zu dieser ver-
schiedenen Auffassung wirkte doch wesentlich mit, daß eine Jahrhunderte alte
Gewöhnung den ägyptischen Kulten das Fremdartige genommen hatte, das
jenen andern noch anhaftete: und allem Anscheine nach hat sich überhaupt
die Auffassung eines fremden Kults als verächtlicher Superstition oder ehrwür-
diger Religion wesentlich dadurch mit bestimmt, ob er seit langer oder seit kurzer
Zeit bekannt war. August verehrte nach Sueton von den fremden Kulten die
alten und anerkannten (wie die eleusinischen Mysterien) aufs frömmste, die
übrigen behandelte er mit Verachtung^). Wenn jedoch Sueton zu den von ihm
geringgeschätzten Kulten auch den jüdischen zählt, so hat er sich im Irr-
tum befunden. August sandte nicht bloß (wie auch Livia) kostbare Weih-
geschenke für den Tempel nach Jerusalem, sondern stiftete auch ein täglich
dort in seinem Namen darzubringendes Brandopfer von zwei W^iddern und
einem Stier, dessen Abschaffung vor dem Ausbruche des jüdischen Kriegs der
erste Akt offener Auflehnung gegen Rom war^).
Übrigfens masf auf die Beurteilung der ausländischen Gottesdienste in Rom
auch das größere oder geringere Ansehen der Völker, denen diese angehörten,
einen gewissen Einfluß geübt haben*). Wenigstens den Kultus eines fernen,
unbekannten Barbarenvolkes konnten aufgeklärte Römer unbedenklich ver-
höhnen. Ein Veteran, der August zu Bononia bewirtete, antwortete auf dessen
Frage, ob es wahr sei, daß der erste Plünderer des Tempels der (persischen,
in Armenien, Kappadocien, Medien verehrten) Göttin Anaitis erblindet und ge-
lähmt gestorben sei: er sei es selbst, sein ganzes Vermögen rühre von dem
Raube her, und August speise soeben von einem Beine der Göttin^). Mit der
zunehmenden Mischung der Nationalitäten im römischen Reiche erweiterten
sich fortwährend die Kultgebiete der fremden Gottesdienste, und wurde in gläu-
bigen Kreisen die Zahl derer, die als Superstitionen galten, immer kleiner.
Obwohl die Göttermischung erst im 3. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte,
war sie doch bereits um die Mitte des 2. sehr weit vorgeschritten. Noch Hadrian,
der für die römischen und griechischen Kulte aufs eifrigste sorgte, »verachtele
die fremden»^); welche, wird freilich nicht gesagt, keinesfalls sind wohl die
ägyptischen dazu zu rechnen. Doch in der Zeit Marc Aureis, der bei dem all-
gemeinen Schrecken des markomanischen Kriegs Priester aus allen Ländern
kommen, fremde Kultgebräuche vollziehen und die Stadt Rom mit allen Arten
religiöser Zeremonien sühnen ließ^), war die Grenze zwischen fremder Super-
i) Plutarcli. De superstit. 3. 12. 2) Sueton. August. 93. 3) Joseph. B. J. V 562. Philo Leg. ad
Gai. 157. 317- Vgl. im allgemeinen über von und für Heiden dargebrachte Opfer im Tempel zu Jeru-
salem Scbürer, Gesch. d. jüd. Volkes 11'* 359 ff. 4) Daß dieses Moment durch andre paralysiert
■werden konnte, bemerkt mit Hinweisung auf das Ansehen der ägyptischen Kulte) richtig Reville,
La religion ä Rome sous les Severes S. 126 (deutsch S. 123); doch ganz bedeutungslos war es
schwerlich. 5) Plin. n. h. XXXni 83. 6) Hist. aug. Hadrian. 22, 10. 7) ebd. M. Aurel. 13, i ;
5. oben S. 129.
[IV. 149]
I. DER GÖTTERGLAUBE
U9
stition und einheimischer Religion in Italien wie in Griechenland schon größten-
teils verwischt.
Den Spott der Ungläubigen forderte freilich der immer wachsende, immer Di« Theokrasie,
bunter gemischte »Haufe der Götter«') je länger je mehr heraus. Lucian hat ^ervTrs^°^^^"^
die gemischte Gesellschaft dieser Götterwelt wiederholt zum Gegenstand seines ''^ ^^^^^°
Witzes gemacht. In einer Götterversammlung soll Hermes auf Zeus Befehl
die Götter nach dem Kunstwert und der Kostbarkeit ihrer Bildsäulen ordnen,
darum wird den goldnen vor den marmornen der Vorzug eingeräumt, und so
kommt es, daß Bendis, Anubis, Attis, Mithras und der phrygische Mondgott die
obersten Plätze erhalten^); bei einer Göttermahlzeit dagegen werden Attis und
Sabazius, »die zweifelhaften und aus der Fremde zugezogenen Götter«, unten
an neben Pan und die Korybanten gesetzt ^j. Ein andermal gehen die Götter
zu Rat über die Menge neuer Eindringlinge von zweifelhafter Berechtigung.
Momos meldet sich zum Worte und äußert sich über die orientalischen Gott-
heiten. Mithras in medischem Kaftan und Tiara gehöre nicht in den Olymp,
er könne nicht einmal Griechisch und verstehe nicht, wenn man ihm zutrinke.
Noch weniger seien die Ägypter zu dulden: der hundsköpfige, bellende, in feine
Leinwand gekleidete Anubis, der Orakel erteilende Stier Apis, und vollends die
Ibisse, Affen und Böcke. Momos stellt daher den Antrag: in Erwägung, daß
sich viele unberechtigte, kauderwelschende Leute unter die Götter eingedrängt
haben, Ambrosia und Nektar auszugehen anfängt, und das Maß bei der starken
Nachfrage bereits auf eine Mine gestiegen ist, ferner die Fremden sich unver-
schämt vordrängen und die alten Götter ihrer Plätze berauben: eine Kommission
von sieben vollberechtigten Göttern einzusetzen, welche die Legitimation jedes
Einzelnen prüfen soll. Zeus bringt diesen Antrag nicht zur Abstimmung, da er
voraussieht, daß die Majorität dagegen sein würde, erhebt ihn aber ohne weiteres
zum Beschluß, und weist die sämtlichen Götter an, sich zu der bevorstehenden
Prüfung die nötigen Nachweise zu verschaffen, wie Namen der Eltern, Angabe
woher und aufweiche Weise sie Götter geworden seien usw."*).
Man glaubt häufig, daß die Empfindung, aus der dieser Spott hervorging, den Gläubigen
die Empfindung des Widerspruchs, ja des Unsinns in der Vermischung ganz "iianstößig.
heterogener Kulte, wenigstens unter den Gebildeten der damaligen Welt not-
wendig verbreitet gewesen sein müsse: aber es gibt weder dafür ein Zeugnis,
noch berechtigt die Natur der religiösen Zustände des Universalreichs, wie sie
bisher geschildert worden sind, zu dieser Annahme. Der Eindruck, den ihre
Betrachtung auf uns macht, fällt nur darum völlig mit dem Eindrucke zusam-
men, den Lucian und seinesgleichen empfingen, weil sie diesen Erscheinungen
ebenso völlig unbeteiligt gegenüberstanden wie wir; weil auch für sie griechi-
sche und barbarische Götter gleich wenig Realität hatten und die Freiheit ihrer
Kritik diesen Ausgeburten der mythenbildenden Substanz gegenüber eine
völlige und unbedingte war. Aber eben nur die Ungläubigen empfanden und
urteilten so, und diese waren allem Anschein nach selbst unter den Gebildeten
nur eine Minorität.
i) Juv. 13, 46. 2, Lucian. Jupp. tragoed. 7.
concil. 9 f. 14 f. 19.
3) Lucian. Icaromeaipp.
4' Lucian. Deor.
I40 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 150]
Plutarchs Ver- Wie wenig aber unter den Gläubigen selbst die Gebildetsten durch die Theo-
ehrung agypti- ]^j.3sjg jj^ ihrem nationalen Glauben beirrt wurden, zei^t vor allem die relisfiöse
scher Lrotter ., tiiiaiit-«. i
nebendengrle- Anschauung Flutarchs. Auch er, der Priester des pythischen Apollo'), war ein
chischen. nicht minder inniger Verehrer der ägyptischen Götter als der griechischen. In
der an eine hochgebildete Isispriesterin zu Delphi gerichteten Schrift über Isis
und Osiris erklärt er, daß die Götter überall dieselben seien, dienende Kräfte
einer höchsten weltregierenden Macht, die nur jedes Volk mit andern Namen
benenne und auf andre Weise verehre"). So sei auch Isis und ihre Mitgottheiten
von jeher allen Menschen bekannt gewesen, wenngleich ein Teil derselben sie erst
vor kurzem bei ihrem ägyptischen Namen nennen gelernt habe^): übrigens hielt
Plutarch auch diese Namen für ursprünglich griechische, durch griechische Ein-
wandrer nach Ägypten übertragene; und wenn Hesiod außer dem Chaos Eros,
Erde und Tartarus als die ersten Dinge setze, scheine er Osiris, Isis und Typhon
gemeint zu haben ''). Der Ursprung der Lehre, daß die Welt weder von blindem
Ungefähr noch von einer höchsten Vernunft allein beherrscht werde, sondern
von vielen aus gut und böse gemischten Mächten, sei unbekannt und verliere
sich im Dunkel; aber sowohl ihr Uralter, als ihre übereinstimmende Überliefe-
rung bei Philosophen, Dichtern, Theologen und Gesetzgebern, in Mysterien
und Kultgebräuchen, bei Barbaren und Hellenen, sei ein schwerwiegender Be-
weis für ihre Wahrheit^). Osiris und Isis sind gute Mächte, Typhon eine böse;
darüber herrschte allgemeine Übereinstimmung, aber über ihr eigentlichstes
Wesen waren die theologischen Spekulationen zu den verschiedensten Resul-
taten gelangt. Osiris erklärten die einen als den Nil, andre als das Prinzip der
Feuchtigkeit überhaupt, andre als Bacchus, wieder andre als die Welt des
Monds, des freundlichen, befruchtenden, feuchten Lichts: keine von diesen
Deutungen treffe das Richtige, meint Plutarch, aber wohl alle zusammen^ Ihn
schreckten die Rätsel der ägyptischen Theologie, die, wie er glaubte, durch die
Reihen der Sphingen vor den Tempeln angedeutet waren ^), nicht ab; sie reizten
ihn nur um so mehr zur Erforschung ihres wahren Inhalts ; diese mahnt er mit
zugleich frommem und philosophischem Sinne vorzunehmen, nichts sei der
Gottheit gefälliger, als wenn man zu richtiger Erkenntnis ihres Wesens ge-
lange^). So war er imstande, sich mit den widerlichsten ägyptischen Legenden^)
und den seltsamsten dortigen Gebräuchen, namentlich der Tierverehrung '°), zu
befreunden; auch für die Trauerfeste weiß er Analogien im griechischen Kultus ' ')
und in der Form und den Verzierungen des bei den religiösen Zeremonien
vielgebrauchten Klapperblechs (Sistrum) eine tiefe Symbolik zu entdecken").
Aber diese Versenkung in die Monstrositäten des ägyptischen Glaubens und
Kultus hat auf Plutarchs Verhältnis zu den nationalen Gottheiten auch nicht den
geringsten Einfluß geübt, deren Persönlichkeiten ihm nicht nur völlig lebendig,
sondern auch völlig die alten blieben. Sein Glaube an sie war zwar ein andrer
als der des Herodot, aber schwerlich ein minder starker oder inniger.
Wenn nun im Bewußtsein der Gebildeten die fremden Götter neben den ein-
heimischen Raum finden konnten, ohne den Glauben an diese zu beeinträchtigen
l) Plutarch. An seni sit ger. resp. 17; vgl. Qu. conv. VII 2, 2. 2) Plutarch. De Is. 67, CIG 17 13
= Dittenberger, Syll.3 829A. 3) Plutarch. De Is. 66. 4) ebd. 57. 5) ebd. 45. 6) ebd. 32 — 45.
7) ebd. 9. 8) ebd. 11. 9} ebd. 55. 10) ebd. 71—75. Ii) ebd. 69. 12) ebd. 63.
[IV. 151, 152] I. DER GÖTTERGLAUBE 141
oder umzugestalten, so muß es um so mehr in dem Bewußtsein der Massen
der Fall gewesen sein, die in der gleichzeitigen Verehrung der heterogensten
Gottheiten einen Widersinn noch weniger empfanden. So unzerstörbar war
die Lebenskraft der alten griechisch-römischen Götter, daß ihre Gestalten aus
allen Vermischungen und Trübungen sich doch immer von neuem herstellten,
daß sie von ihrer Persönlichkeit nichts einbüßten. Schon deshalb haftete der
Glaube an sie so tief in den Seelen der Menschen, weil er mit so vielen Wurzeln
im Staatskultus, der Kunst und Poesie, der Schule, der ganzen Kultur festge-
wachsen war und aus allem diesem immer neue Nahrung zog. Die Menge,
sagt z. B. Pausanias, glaubt, was sie von Kindheit auf in Chören und Tragödien
gehört hat").
Aber noch mehr, sie waren auch unter allen Göttern der Welt die mensch-
lichsten, und das menschliche Herz fühlte sich zu ihnen am unwiderstehlichsten
hingezogen. Nicht sie verwandelten sich in der Phantasie der Gläubigen in die Hellenisierung
fremden Götter, sondern diese nahmen vielmehr mehr oder weniger von der ^" onentah-
Persönlichkeit der griechisch-römischen an, großenteils auch deren Namen.
Der Mithras und Elagabal von Emesa wurden den Römern zum Sol, die Tanit
von Karthago bald zur »himmlischen Jungfrau«, bald zur »himmlischen Juno«,
die Götter von Heliopolis und Doliche zum Juppiter. Ebenso erhielten in Palä-
stina und den angrenzenden Gebieten die philistäischen, phönizischen und
sonstigen Gottheiten Gestalt und Namen griechischer Götter: der Marnas von
Gaza (ein Regen und Fruchtbarkeit spendender Höhengott) wurde den dortigen
Okzidentalen zum Zeus^), der Aumu der Trachonitis zum Helios^), der Dusares
der Nabatäer, als dessen jungfräuliche Mutter ein Steinblock in Petra verehrt
wurde, zum Dionysos*), die edessenischen Götter Azizus und Monimus zu Ares
und Hermes^). Die Bewohner der ehemals phönizischen Gebiete des römischen
Afrika beteten zu dem gräßlichen, wie es scheint bis ins 2. Jahrhundert öffent-
lich und, wie Tertullian behauptet, im geheimen auch noch später mit Kinder-
opfern ^) verehrten Moloch, als zu »dem erhabenen Geber der Früchte Saturnus«
oder dem »unüberwindlichen Gotte Saturnus«'').
l) Pausan. I 3, 3. 2) Lebas-Waddington 2412g; vgl. Marci Diac. vita S. Porphyr. Gaz. p. 180, 9
(Abhdl. Akad. Berlin 1874). Hist. aug. Alex. Sev. 17, 4: <? Mama, 0 Juppiter, di im7!iorfales scheint
mit den beiden ersten Ausrufungen derselbe Gott gemeint zu sein. 3) Lebas-Waddington 2392 ff.,
vgl. Mommsen RG. V 481, 2. 4) Lebas-Waddington 2309. Über den Kult des Dusares vgl.
Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes IL* 44. Cumont, Real-Encykl. V 1865 ff. Briinnow-v. Domaszewski,
Die Provincia Arabia I 188 ff. Auch die in Arabien und Syrien verehrte Tyche (ein Tüxotiov in Aera,
Lebas-Waddington 2413 f) wird eine hellenisierte Landesgöttin sein. 5) Julian, or. 4 p. 150 C.
154 A; vgl. V. Domaszewski, Westd. Zeitschr. XIV 1895 S. 64ff. Wissowa a. a. O. S. 363, 7.
6) Porphyr. De abstin. II 27. Tertullian. Apol. 9: infantes peties Africam Saturno immolabanhir
palam usqtie ad proconsulahtm Tiberii (der Name des Prokonsuls, der wohl nicht lange vor der Zeit
TertuUians lebt, ist verderbt, vgl. Schulten, Das röm. Afrika S. 102, 51), qui ipsos sacerdotes in eisdem
arboribus templi sui obumbratricibus scelerum votivis crucibus exposuit, teste vtilitia patriae nostrae,
qttae id ipsum niunus Uli proconsuli functa est. sed et nunc in occulto per sev erat hoc sacrut>ifacinus.
7) Frugifero Saturno aug[usto) sac{rum] CIL VIII 2666 (neben ihm ein eigener Gott Fruglfer augu-
stus), vgl. Plutoni aug[usto) frugifero deo CIL VIII 12362 = Dessau 4453; deus invictus heißt Sa-
tumus CIL VIII 2667. 12494. Reiches Material für den Satumusdienst des römischen Afrika bei
J. Toutain, De Satumi dei in Africa Romana cultu, 1894 und Wissowa in Roschers Mythol. Lexi-
kon IV 441 ff. In dem Namen Saturnus steckt nicht nur der punische Gott, sondern auch eine oder
142
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 153]
und barbari-
schen Götter.
Verbreitung bar-
barischer Kulte
durch die Sol-
daten.
Wenn nun der griechisch-römische Polytheismus noch die Kraft besaß, die
uralten Götter der alten Kulturländer des Orients trotz ihrer Fremdartigkeit
sich anzueignen, so mußte sich derselbe Prozeß bei den rohen und obskuren
Göttern der halb oder ganz unzivilisierten Länder vollends ohne Schwierigkeit
vollziehen. Zahlreiche Denkmäler in Britannien, Germanien, Pannonien, Gallien,
Spanien, Afrika zeigen, daß die dortigen römischen Ansiedler, Beamten, Kauf-
leute, Soldaten sich an den Kulten der Lokalgottheiten eifrig beteiligten. Auch
August gelobte und erbaute während eines Aufenthalts in Gallien dem dortigen
Windgotte Circius, als dem Herrn und Sender von Stürmen, die zwar Verwü-
stungen anrichteten, aber auch die Luft reinigten (wohl dem Mistral der Provence),
einen Tempel"). Der Konsular A. Fabricius Veiento (uriter Nerva oderTrajan)
stiftet zusammen mit seiner Gattin der keltischen Göttin Nemetona in ihrem bei
Mainz gelegenen Heiligtume eine Weihegabe, von der das Bronzetäfelchen noch
erhalten ist^); ein Altar der batavischen Göttin Vagdavercustis in Köln rührt
von einem römischen Gardepräfekten des 2. Jahrhunderts her^). Nur noch ein
charakteristisches Beispiel aus späterer Zeit (Ende des 3. Jahrhunderts) sei hier
angeführt: ein römischer Statthalter des östlichen Mauretanien stattet in einer
Inschrift seinen Dank für die Vernichtung eines dortigen Stammes, die Wegfüh-
rung seiner Familien in die Gefangenschaft und die gemachte Beute nicht einem
römisch-griechischen Gotteab, sondern »den einheimischen und den maurischen
Göttern, den staatserhaltenden «"*). Diese Kulte gewannen selten über das Ge-
biet ihrer Provinz oder Landschaft hinaus Verbreitung, wenn sie gleich ohne
Zweifel von vielen Einzelnen auch außerhalb desselben beibehalten oder
angenommen wurden: wie z. B. Caracalla neben Aesculap und Sarapis auch
zu dem keltischen, mit Apollo identifizierten Gotte Grannus um Gesundheit
betete 5).
Noch einige Beispiele mögen zeigen, wie die Soldaten durch Festhalten an
den Kulten ihrer Geburtsländer zur deren Verbreitung beitrugen^). Ein aus
Dalmatien gebürtiger Legat von Numidien und designierter Konsul errichtete
im Jahre 167 im Aesculaptempel zu Lambäsis eine Statue seines Landesgottes
Medaurus (zu Pferde, eine Lanze schwingend)^). Ein Veteran in einer andern
Stadt Numidiens (Thubursicum) empfiehlt seinen Sohn der Noreja, einer Landes-
göttin von Noricum, von wo die schon vor dem Sohne gestorbene Mutter
stammte^). In jeder Garnison werden sich Landsleute zur Verehrung der
heimischen Gottheiten vereinigt haben. So scheinen die in der Kaisergarde zu
Rom dienenden Thracier im 3. Jahrhundert dort eine besondre Kapelle für
ihre Landesgötter, wie den Gott Heron oder Heros, den ( Asklepios) Zimidrenus,
mehrere Gottheiten der libysch-berberischen Urbevölkerung des Landes, vgl. Kahrstedt-Meltzer,
Gesch. d. Karthager III 605, i.
i) Seneca nat. qu. V 17, 5. 2) CIL XIII 7253 = Dessau loio. 3) CIL XIII 12057 = Dessau
9000. 4) Dis patriis et Mauris cotiservatoribus CIL VIII 21486 = Dessau 4495; über die Bedeu-
tung von di conservatores vgl. v. Domaszewski a. a. O. S. 96, 390. 5) Cass. Dio LXXVII 15, 5 f.
Stadtrömische Inschrift CIL VI 36 = Dessau 4652 Apollini Granno et Sanctae Sironae sacrum.
Über die zahlreichen in schriftlichen Denkmäler des Gottes vgl. Ihm, Real-Encykl. VII 1823 ff.
6) Vgl. Marucchi, Bull. arch. com. XIV 1886 S. 1240". Cumont, Die oriental. Religionen^ S. 129 ff,
7) CIL Vin 2581 = Dessau 4881 (Buecheler, Carm. ep. 1527); vgl. CIL III p. 285. 8) CIL VUI
4882.
[IV. 154]
I. DER GOTTERG LAUBE
M3
den Zbelthiurdos u. a., gehabt zu haben ^). Ebenso fuhren die keltischen Gar-
disten in Rom fort, der Arduinna und dem Camulus zu opfern^), besonders aber
den »Müttern* und »Frauen« [matres, mati'onae] ihrer niederrheinischen Heimat,
schützenden Gottheiten des Hauses und der Familie, doch auch ganzer Ge-
meinden und Völker, die Wohlstand, Fülle und Fruchtbarkeit verliehen, und
die sich das Volk in der Dreizahl dachte. Alle ihre in Rom gefundenen Denk-
mäler stammen von Soldaten, auch in Britannien weitaus der größte, in Ger-
manien ein immerhin beträchtlicher Teil, und zwar von einfachen Legions-
soldaten oder Veteranen, selten von Centurionen und ritterlichen Offizieren:
die Mütter waren (wie auch die Inschriften der Nichtsoldaten zeigen) Göttinnen
der kleinen Leute ^).
Die in den Provinzen lebenden Römer begnügten sich nun zum Teil aller-
dings damit, diese barbarischen Götter zu verehren, ohne nach ihrem Namen
oder Wesen zu forschen, wie die »Mütter« und die ihnen verwandten »Sulevien«'*),
die »Schutzgöttin« der Iberer^) und die »maurischen Götter«^] (zu denen auch
göttlich verehrte Fürsten der Vorzeit gehörten)^), oder sie mit ihren landesüb-
lichen Namen anzurufen, wie die aus Denkmälern Nordafrikas bekannten Götter
Auzius, Bacax, Aulisua^j, oder die auf Inschriftsteinen Noricums und Pannoniens
vorkommenden Laburus, Latobius, Marmogius^) u. a. Aber sehr häufig glaubte
man doch auch in diesen Barbarengöttern die einheimischen wiederzuerkennen,
und deren Namen traten dann diXsinterpreiatio Romaiia^°] neben die fremdklingen-
den oder für römische Zungen unaussprechlichen eigentlichen und wurden auch
geradezu statt dieser gebraucht; so bezeichnet Cäsar die keltischen Hauptgottheiten
als Merkur, Apollo, Mars,Juppiter und Minerva"). Der Grannus der rätischen und
rheinischen Lande galt den Römern als Apollo, der Belatucader und Cocidius in
Cumberland, der Leherennus und Albiorix des südlichen Frankreich (wie viele
andre keltische Lokalgötter) als Mars, die Atäcina oder Adäizina von Turobriga
in Südspanien als Proserpina, die bei den Bädern von Bath verehrte Sulis als
Minerva, die Arduinna der Ardennen, die Abnoba des Schwarzwalds als Diana
usw."). Zuweilen ist der einheimische Name zugunsten des römischen voll-
kommen verschwunden, wie z B. bei dem aufzahlreichen Denkmälern nament-
lich des linksrheinischen Obergermanien neben einer bald mit einheimischem
Namen als Rosmerta, bald griechisch- römisch als Ma a bezeichneten Ge-
fährtin erscheinenden Gotte, der stets den römischen Namen Mercurius führt^^).
i) CIL "VI 2797ff. 32532 ff.; vgl. Wissowa, Relig. u. Kultus^ S. 376, 13. G. Kazarow, Revue archeol.
1913 I 34off. 2) CIL VI 46 = Dessau 4633 Arduinne Caniulo lovi Mercurio Herculi M. Quartinius
M.f. cives Sabinus Reinus \A. h. Sabintis civis Remus] miks coh ortis] VII pr aetoriae] Antoniniane.
3) M. Ihm. Bonner Jahrb. LXXXIII 1887 S. 37. 60—63. 70. vgl. Roschers Mythol. Lexik. II 2464 ff.
K. Helm, Altgerman. Religionsgeschichte I 391 ff. 4) M. Siebourg, De Sulevis Campestribus Fatis,
Diss. Bonn 1886. Ihm a. a. O. S. 78 ff. 5) Hirschfeld, Kl. Schrift. S. 230. 6) z. B CIL VIII
9327. 20251. 21720 = Dessau 2750. 4496. 2607; s. auca oben S. 142 A. 4. 7) Mommsea RG. V
622, 2. Schulten a. a. O. S. 19. toi, 43. 8 CIL VIII 9906 f. 21704. 9014. i882off. (Dessau 2634^
4492. 4491. 4485). 9) CIL III 3840. 4014. 5097 f. 5320 [Marti Latobio Marmogio usw.). 5321.
5672. 10844 (Dessau 4877. 4566—4568. 4575). 10) Tac. Germ. 43. 11) Caesar B. G. VI 17, i f.
12) Übersicht über die reiche Fülle solcher Gleichsetzungen bei F. Richter, De deorum barbarorum
interpretatione Romana. Diss. Halle 1906. Wissowa, Archiv f. Religionswiss. XDC 1917 S. iff., wo
auch die Zeugnisse für die im Texte erwähnten Beispiele zu finden sind. 13) Ch. Robert, Epi-
graphie gallo-rom. de la Moselle (1873) S. 8iff., vgl. Kenne, Real-Encykl. lA 1 129 ff.
Benennungen
der barbari-
schen Gott-
heiten —
144 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 155]
Unmöglich hätten auch diese keltischen Götter in den griechisch-römischen
aufo-ehen können, wenn die letzteren für die Gläubigen nicht mehr reale und
lebensvolle Persönlichkeiten gewesen wären.
von dem Grade Je weiter nun die Romanisierung einer Provinz vorgeschritten war, desto
der Romanisie- j^ehr sind dort die einheimischen Götter nicht bloß durch die römischen ver-
Lälfderalihängrg! drängt worden, sondern haben sich auch in diese verwandelt. Am meisten
ist beides in Spanien geschehen. »Zwar in dem noch später iberischen, von
Einwanderung ziemlich freigebliebenen Gebiet, im Westen und Nordwesten
(in Lusitanien, Calläcien, Asturien), haben die einheimischen Götter mit ihren
seltsamen, meist auf -2«/5- und -<?«/j- ausgehenden Namen, der Endovellicus, der
Eaecus, Vagodonnaegus und wie sie weiter heißen, auch unter dem Principat
noch sich in den alten Stätten behauptet. Aber im ganzen Süden (Baetica) ist
nicht ein einziger Votivstein gefunden worden, der nicht ebensogut auch in Italien
hätte gesetzt sein können; und vom Osten und Nordosten (Tarraconensis) gilt
dasselbe, nur daß von dem keltischen Götterwesen am oberen Duero vereinzelte
Spuren begegnen« ^). Viel länger als in Südspanien hat sich in der Südprovinz
von Gallien die Verehrung der nichtrömischen Gottheiten behauptet; »die
o-roße Handelsstadt Arelate freilich hat keine andern Weihungen aufzuweisen,
als an die auch in Italien verehrten Götter, aber in Frejus, Aix, Nimes und über-
haupt der ganzen Küstenlandschaft sind die alten keltischen Gottheiten in der
Kaiserepoche nicht viel weniger verehrt worden als im inneren Gallien. Auch
in dem iberischen Teil Aquitaniens begegnen zahlreiche Spuren des einhei-
mischen, von dem keltischen durchaus verschiedenen Kultus«^). Zuweilen war
allerdings die Verschiedenheit der Barbarengötter von den griechisch-römischen
so ungeheuer, daß sie jede Identifikation ausschloß: so bei einigen in Gallien
verehrten Lokalgottheiten, wie dem mit untergeschlagenen Beinen kauernden
Cernunnos, aus dessen Kopfe ein Hirschgeweih wächst, oder der Göttin von
Compiegne, an deren Brüsten Vögel saugen, oder dem dreiköpfigen Gotte
von Reims ^).
Orientalisclie Unter den fremden Kulten übten die größte Anziehungskraft die orientalischen.
Gottesdienste, gjg Heßen alle Saiten des Empfindungsvermögens klingen und stillten den Durst
nach religiösen Erregungen, den der nüchterne römische Kultus nicht zu löschen
vermocht hatte. Aber zugleich gaben sie der Intelligenz eine größere Befrie-
digung, sie wirkten zugleich auf die Sinne, die Vernunft und das Gewissen, sie
nahmen von dem ganzen Menschen Besitz. Sie boten, so schien es, mehr
Schönheit in ihren Riten, mehr Wahrheit in ihren Lehren, ein höheres Gut in
ihrer Moral'^).
Isis und Die größte Verbreitung fanden im ganzen römischen Reich die ägyptischen
Saräpis. Gottheiten Isis und Sarapis, die in den Osten (wo ihre Denkmäler am zahl-
reichsten sind, besonders in der Krim) von Ägypten direkt, in den Westen und
Norden über Italien (namentlich Aquileja, wo vielleicht eine Region den Namen
Isis und Serapis führte)^) eindrangen^). Auch in den Donau- und Rheinländern
i) Mommsen RG. V 68. 2) ebd. 94. Hirschfeld, Kl. Schriften S. 35 ff. 3) Hettner, Westd.
Zeitschr. II 1883 S. 8. Mommsen a. a. O. S. 94 f. Wissowa a. a. O. S. 24. 4) Cumont, Die
Orient. Relig.^ S. 34 ff. Vgl. oben I 300 f. 5) Oben S. 21. 6) Toutain, Les cultes paiens dans
l'empire Romain II 5 ff.
[IV. 156, 15 7] I. DER GÖTTERGLAUBE 145
sind die auf sie bezüglichen Denkmäler häufig'). Eine zu einem romanischen
Kapital in der Ursulakirche zu Köln umgearbeitete Isisfigur aus Jurakalk^) stammt
vielleicht aus einer dortigen Kapelle der Göttin. Allerlei in den Rheinlanden
gefundene ägyptische Monumente mögen in dieses oder andre Heiligtümer ge-
stiftet worden sein, um ihnen den Schein der Echtheit zu geben, freilich ohne
alles Verständnis für ihre wirkliche Bedeutung: namentlich Apisstatuetten,
Uschebtis (kleine Nachbildungen Verstorbener in Mumienform) und Skarabäen^).
Altäre der Isis und des Sarapis sind dort an verschiednen Orten, der Grabstein
eines in der römischen Flotte dienenden Ägypters Horus, Sohn des Pabek, in
Köln zum Vorschein gekommen'*). Noch Chnodomar, der alemannische Gegner
Julians, gab seinem Sohne Agenarich den Namen Serapio, weil er, in Gallien
als Geisel festgehalten, in griechische Geheimnisse (d. h. Isismysterien) einge-
weiht worden war^). Bis in die entlegensten Bergtäler drangen diese Kulte vor:
auch im Stonstal in Tirol wurde bei Festen der Isis und des Sarapis die Trauer
der Göttin um ihren verschwundenen Gatten dargestellt^). Noch im Jahre 394
beschrieb ein Augenzeuge die die Straßen Roms durchziehenden Isisprozes-
sionen ^). Aber schon 391 hatte der Patriarch Theophilus das Sarapeum zu
Alexandria und die dortige Kolossalstatue des Sarapis zerstört und so, wie
Rufinus sagt, dem Götzzndienst den Kopf abgeschlagen^).
Die erste semitische Gottheit, die man in Italien kennen lernte, v.'ar die in Die syrischen
einem großen Teil Syriens zusammen mit ihrem Gemahl Hadad verehrte Atar- ^°"^'"-
gatis, die die Griechen und Römer die syrische Göttin (0ed lupi'a, dea Syria^
in der Vulgärsprache auch Jasura) nannten^). Schon seit dem 2. Jahrhundert
V. Chr. war ihr Kult im Westen durch syrische Sklaven verbreitet worden. Nero,
»ein Verächter aller Religionen«, huldigte eine Zeitlang ihr allein, wandte sich
dann aber, von einer andern Superstition angezogen, mit so großer Verachtung
von ihr ab, daß er ihr Bild besudelte'"). In Trastevere auf dem Janiculum hatten
die syrischen Gottheiten einen vor kurzem ausgegrabenen Tempel bis zum Ende
des Heidentums").
Von den zahlreichen allmählich auch in die Religionen des Abendlandes ein-
gedrungenen syrischen Baalen") wurde der von Doliche in Kommagene erst
seit Einverleibung dieses Lands durch Vespasian im Jahre 72 im Okzident be-
kannt. Er war ein Donner- und Kriegsgott, dargestellt als ein gepanzerter,
auf einem nach rechts schreitenden Stier stehender, in der Rechten die Doppel-
axt, in der Linken den Blitz haltender Mann. Seine Denkmäler sind am zahl-
reichsten in den nördlichen, stark mit Truppen besetzten Grenzprovinzen. In
i) Drexler in Roschers Mythol. Lexik. II 4i4ff., namentlich Schaafhausen, Bonner Jahrb. LXXVI
18838.310". Arnoldi, ebd. LXXXVII 1 889 S. 33 f. 2) J. Klinkenberg, Das röm. Köln (Die Kunst-
denkmäler d. Rheinprovinz VI i. 2) S. 254. 3) Wiedemann, Bonner Jahrb. LXXVIII 1884 S. 88 ff.
4) CIL XIII 8322 = Dessau 2827. 5) Ammian. Marc. XVI 12, 25. 6) In den Akten der drei
Nansberger Märtyrer (Acta SS. Mai VII 44) heißt das Tal der Anauner mimerosa daetnonibus, bifor-
mis Anubibus . . . plena Isidis amentia, Serapis fziga; Isis Noreia in Steiermark, CIL III 4809 f. =
Dessau 1467. 4864. 7) Carmen contra paganos, Anthol. lat. 4, 98 ff. R. 8) Cumont a. a. O.
S. 100. 267. Rufin. bist. eccl. II 24. 9) Cumont a. a. O. S. 121 ff. Wissowa, Relig. u. Kultus^
S- 359ff- 10) Sueton Nero 56; vgl. oben S. 120. 11) P. Gauckler, Le sanctuaire Syrien du Jani-
cule, 1912. 12) Wissowa a. a. O. S. 361 ff. Ausführliche Nachweisungen über die Verbreitung
der syrischen Kulte bei Toutain a. a. O. 11 35 ff.
Fr iedlaen der, Darstellungen, ni. 9. Aufl. lO
146 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [iV. 158]
Rom hatte dieser sogenannte Juppiter Dolichenus ein Heiligtum auf dem
Aventin, ein zweites auf dem Esquilin. Sein Kultus scheint unter Commodus
und den Severen seine Kulmination erreicht und im Laufe des 3. Jahrhunderts
abgenommen zu haben ^].
Mithras. Den Namen des iranischen Lichtgottes Mithras, der zugleich ein Gott der
Wahrheit und Rechtschaffenheit und ein Sieg verleihender Gott der Heere war,
hörte man im Okzident zuerst von den cilicischen Seeräubern, die zu Ende der
Republik den Römern die Herrschaft der Meere streitig machten ""). Der Haupt-
faktor der Verbreitung auch dieses Kultus war das Heer, daher auch sie am
größten in den nördlichen Grenzprovinzen; die meisten Mithräen hat Deutsch-
land aufzuweisen. Schon im 2. Jahrhundert drang diese Soldatenreligion in die
oberen Schichten der Gesellschaft. Commodus ließ sich in die Mysterien des
Mithras einweihen, und die Gunst seiner Nachfolger scheint diesem Kult sicher
gewesen zu sein.
Die Anhänger des Mithras sollten den Kampf gegen das Prinzip des Bösen,
das Reich Ahrimans, ohne Unterlaß ausfechten, das Gute lag für sie in der Tat.
Die Mysterien des Mithras befriedigten die Sehnsucht nach Unsterblichkeit und
nährten die Zuversicht auf den schließlichen Sieg der Gerechtigkeit. Das Zere-
moniell des Kultus mußte einen tiefen Eindruck auf den Neophyten machen,
der in einer natürlichen oder künstlichen Grotte [spelaeii7n) das Bild des jugend-
lichen, auf einem Stier knienden und ihn tötenden Gottes erblickte. Es gab
sieben Weihegrade; der Myste empfing nacheinander die Namen Rabe [corax]^
Verborgener (Kpuqpioq, cryphius)^ Soldat [miles\ Löwe [led]^ Perser [Pcrses)^
Sonnenläufer fH\i6bpo|uoq, Heliodromiis) wndWsiitx [pater)\ das Oberhaupt der
Väter [pater patruni) behielt lebenslänglich die allgemeine Leitung des Kultus.
Diese sieben Stufen der Initiation entsprachen den sieben Planetensphären,
welche die Seele durchreisen mußte, um an den Aufenthaltsort der Seligen zu
kommen. Den Neophyten waren vielfache Waschungen vorgeschrieben, eine
Art Taufe, die bestimmt war, die sittlichen Befleckungen zu tilgen. Erst nach
einem langen Noviziat wurde eine mystische Mahlzeit gewährt, die die Apolo-
geten mit der Kommunion vergleichen^). Kasteiungen und Prüfungen, mehr
furchterregend als furchtbar, leiteten die Spendung der Sakramente ein.
Der Kampf zwischen Mithrasdienst und Christentum wurde um so hart-
näckiger geführt, je ähnlicher beide Religionen ihrem Charakter nach waren.
^Ihre Adepten bildeten in gleicher Weise geheime, fest geschlossene Konven-
tikel, deren Mitglieder sich den Namen , Brüder' gaben. Die Riten, welche sie
ausübten, boten zahlreiche Analogien: wie die Christen reinigten sich auch die
Anhänger des persischen Gottes durch eine Taufe, empfingen durch eine Art
Firmelung die Kraft, die bösen Geister zu bekämpfen, und erwarteten von einer
Kommunion das Heil der Seele und des Leibes. Wie jene heiligten sie den
i) F. Hettner, De Jove Dolicheno, Diss. Bonn 1877. A. H. Kan, De Jovis Dolicheni cultu, Diss.
Groningen 1901. C. Fredrich, Die in Ostdeutschland gefundenen römischen Bronzestatuetten
(Progr. Cüstrin 1912) S. 11 ff. 2) Alles obige nach Cumont, Die Mysterien des Mithra, deutsch
von Gehrich^, 191 1, großenteils wörtlich. 3) Darstellung der mithrischen Kommunion auf einem
Relief aus Bosnien bei Cumont a. a. O. Taf. HI 7, vgl. dazu Dieterich, Eine Mithrasliturgie (1903)
S. I02ff. Über Sakramente des Mithrasdienstes Cumont S. I43ff.
[IV. i59J
DER GÖTTERGLAUBE
'47
Sonntag . . . Ebenso predigten sie eine imperative Moral, hielten die Askese
für verdienstlich und rechneten zu den wichtigsten Tugenden Enthaltsamkeit
und Keuschheit, Entsagung und Selbstbeherrschung. Ihre Vorstellungen von
der Welt und dem Schicksal der Menschen waren ähnlicher Natur: sie glaubten
beide an die Existenz eines Himmels der Seligen in überirdischen Regionen
und einer von Dämonen bevölkerten Hölle in den Tiefen der Erde; sie setzten
ohne Zweifel an den Anfang der Geschichte eine Sintflut, sie führten ihre Über-
lieferungen auf eine ursprüngliche Offenbarung zurück; sie glaubten endlich an
eine Unsterblichkeit der Seele und eine jenseitige Vergeltung, an ein jüngstes
Gericht und an die Auferstehung der Toten im Zusammenhang mit dem
schließlichen Weltbrande«'). Gleich Christus war auch Mithras der Mittler
(iLiecriTri?) zwischen seinem himmlischen Vater und den Menschen, und gleich
ihm bildete er das Glied einer Trinität.
Daß Origenes den Mithrasdienst in einer Zeit, wo er auf der Höhe seiner
Macht stand, einen im Vergleich mit den ägyptischen Kulten obskuren nennen
konnte^), erklärt sich daraus, daß Mithras von der hellenischen Welt so gut
wie ganz ausgeschlossen blieb.
Doch der Glaube vermochte nicht bloß fremdartige Gottheiten zu assimilieren,
er vermochte auch neue zu schaffen, und diese Produktivität ist der untrüg-
lichste Beweis seiner unverminderten Energie und Lebenskraft. Noch immer
wurden ihm, der das täglich und stündlich auf Schritt und Tritt so tief empfun-
dene göttliche Walten nicht als ein einiges und Ganzes auffaßte, sondern
die unendliche Gottheit in unzählige Einzelwesen aufzulösen das Bedürfnis
empfand — noch immer wurden ihm bedeutende, tief ins Menschenleben ein-
greifende Erscheinungen und Wirkungen zu göttlichen Persönlichkeiten.
Der Glaube an eine Göttin der Getreideversorgung (Annona) und ihre Ver- Annona.
ehrung gehört erst der früheren Kaiserzeit an^), einer Epoche, in der die Exi-
stenz und Sicherheit der ewigen Stadt auf der Regelmäßigkeit und hinlänglichen
Reichlichkeit der überseeischen Kornzufuhren beruhte. Es mußte eine Gottheit
sein, die diese unermeßlichen Vorräte in Afrika und Ägypten zusammenströmen
ließ, sicher über das Meer schaffte, in den Magazinen Roms berghoch auf-
schüttete und jahraus jahrein Hunderttausenden das tägliche Brot gab. Die
»heilige Annona« ist gewiß oft genug in heißen Gebeten angerufen worden,
am meisten von denen, welche in Rom die so höchst umfassende Getreidever-
waltung und die mit ihr zusammenhängenden Gewerbe, in den Provinzen die
Kornlieferungen beschäftigten und ernährten. Eine Widmung an die heilige
Annona in Rom rührt von einem »lebenslänglich angestellten Messer der sehr
ehrwürdigen Körperschaft der Feinbrotbäcker« her'*); nach einer Inschrift von
Rusicade (Philippeville), einem Exporthafen des kornreichen Numidiens mit
Staatsmagazinen, die für die Versorgung Roms bestimmt waren ^), Heß dort ein
Produktivität des
Götterglaubens.
Neue Gottheiten.
i) Cnmont a. a. O. S. l8i f. 2) Orig. c. Geis. VI 23 (aipiaeiuc, dar)tiOT(iTri(;). 3) Sie erscheint
zuerst auf Münzen des Nero, vgl. W. Koehler, Personifikationen abstrakter Begriffe auf röm. Mün-
zen (Diss. Königsberg 19 10) S. 43ff. ; in der Literatur nur bei Stat. silv. I 6, 38. Über Kunstdarstel-
lungen ferunn, Kl. Schrift. 1 50 ff. 53ff. 4] CILVl22 = Dessau38i6. 5) Mommsen CIL VIII p.684.
148
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. i6o, i6i]
reicher Mann zwei Statuen, eine >des Genius unsrer Vaterstadt <^, eine andre
>der Annona der heiligen Stadt (Rom)«, im Theater aufstellen').
Der Genien- Vor allem bedingte der altrömische Genienglaube eine unaufhörliche, grenzen-
glaube, j^gg Vermehrung der göttlichen Wesen: und daß diese noch immer ihren Fort-
gang hatte, beweist schon allein die lebendige Fortdauer dieses Glaubens über-
haupt. Die ihm zugrunde liegende Anschauung erfüllte noch immer Natur und
Dasein mit zahllosen, waltenden und erhaltenden, zeugenden und belebenden,
helfenden und schützenden göttlichen Mächten, den Genien, die, wie man glaubte,
gern in der Gestalt von Schlangen erschienen"). Jeder Einzelne, jedes Haus
und jede Familie hatte ihren Genius, jedes Land, jede Stadt und Provinz, Legionen,
Kohorten, Centurien, Körperschaften, Zünfte und Vereine^). Aber auch jeden
Raum bevölkerte der fromme Sinn, dem »alles eines Gottes Spur« wies, der in
jeder Wohltat, jeder glücklichen Fügung die Hand einer Gottheit wahrnahm,
mit göttlichen Wesen'^j: Brunnen, Berge, Märkte, Paläste, Magazine, Bäder,
Archive und Theater, und jeder, der dort ein und aus ging, brachte dem Genius
oder der »Schutzmacht« (Tutela) »ob Gott ob Göttin« seine Huldigung dar 5).
Der Kaufmann, den seine Geschäfte in ferne Grenzländer führten, opferte dort
»dem Genius des römischen Volks und des Handels«^); der in unbekannten
und unwirtlichen Gegenden Reisende »dem Gotte, der die Wege und Pfade er-
sonnen hat« ^). In den Häusern Roms wie der übrigen Städte sah man noch im
5. Jahrhundert auf dem Flur hinter der Haustür ein Bild der Schutzgottheit und
davor eine brennende Kerze oder ewige Lampe ^) ; auch der Kult der Hausgötter
(des Lar, des Genius, der Penaten) erhielt sich trotz der dagegen erlassenen
Verbote bis tief in die christliche Zeit^). Hatten diese kleinen Gottheiten ihre
Macht zu helfen wiederholt innerhalb einer bestimmten Sphäre bewährt, so er-
hielten sie auch wohl eigne Namen und damit mehr Persönlichkeit: wie einer
der sämtlich dem Handelsstande angehörenden Gäste Trimalchios beim heiligen
>Greifzu« oder »Haltfest« (Occupo) schwört, und die Laren des Hausherrn die
Namen >Profitmann, Glücksmann, Gewinnmann« (Cerdo, Felicio, Lucrio)
mhren'°).
Eine notwendige Folge der Umwandlung der Republik in die Monarchie war,
daß die Person des Kaisers zum Gegenstande göttlicher Verehrung wurde.
Dieser hat Augustus für Rom und den öffentlichen Kult die Form gegeben, daß
der Genius des Kaisers (nicht dieser selbst) in allen Stadtbezirken zwischen den
Laren der Straßenkreuzungen [compita) einen regelmäßigen Gottesdienst erhielt;
dieser Genius Augusti nahm nunmehr auch im religiösen Leben der Bürger
i) CIL VIII 7960 = Dessau 5077. 2) Auch die Ginnen (Geister) der Araber wurden gern als
Schlangen gedacht, v. Kremer, Kulturgesch. d. Orients II 257. 3) W. Otto, Real-Encykl. VII
II 55 ff. 4) Dis aiHorihis huius loci Iii'Jius) Victor, trib[unus) (Risingham) CIL VII 980, CIL VIII
774 = Dessau 3658 dco loci, uhi auspicium dignitatis tale, municipes Api[seuses], auf beiden Seiten
Darstellung eines Blitzes. 5) z. B. Ttitelac et Genie loci CIL III 4445 = Dessau 3653. Genio tutelae
horreorum CIL 11 2991 = Dessau 3667, Genio et Fortimae Tutelaeque huius loci CIL VI 216 =
Dessau 2013. Material für die örtlichen Genien bei L. Cesano in Ruggieros Dizion. epigr. III 462 ff.
6) CIL III 7853 = Dessau 1860 (vgl. oben I 374). 7) Deo qui vias et semitas conwientus est CIL
VII 271 = Dessau 3929. 8) Hieronym. (+ 420) in Esaiam XVI 57, 5 (Migne lat. XXIV 551).
9) Cod. Theodos. XVI 10, 12 (vom J. 392): Nulhts omnino — secretiore piaculo Lar cm igne, mero
Genium, penates odore veneratus^ accendat lumina, imponat iura, serta suspendat. 10) Petron. Bat.
58, 10. 60, 8.
Die Vergötte-
rung der Men-
schen. Der
Kaiserkult.
[IV. i62] I. DER GÖTTERGLAUBE
149
eine ähnliche Stellung ein, wie der Genius des Hausherrn für den Angehörigen
des einzelnen Hausstandes"). Es war unvermeidlich, daß im Glauben des Volks
die Vorstellung des kaiserlichen Genius mit der Person des Kaisers selbst zu-
sammenfloß^ und so auch der Kaiser selbst ihm zum Gotte wurde. Doch
wenn auf diese Weise auch der Genienglaube nicht ohne Einfluß auf die Ver-
götterung der Kaiser blieb, so ist doch die eigentliche Heimat des Glaubens an
die Übermenschlichkeit der Monarchen der Orient gewesen; aus den grie-
chischen Staaten des Orients ist er mit der Monarchie in den Westen ver-
pflanzt worden^).
Von jeher waren in Griechenland bedeutende und hochverdiente Männer Die Verehrung
nach ihrem Tode als Heroen (Halbgötter) verehrt worden: so namentlich Gründer Verstorbener —
von Städten und Kolonien, Gesetzgeber und Staatsoberhäupter, die Helden der
Perserkriege, Befreier des Vaterlands (Harmodius und Aristogito in Athen,
TimoleoninSyrakus), auch Dichter (Aeschylus, Sophokles), Philosophen (Anaxa-
goras, Piaton, Epikur) und Olympiasieger 3). Hier und da steigerte sich die
Heroisierung zur Apotheose; so genoß Philopoemen in seiner Vaterstadt gött-
liche Ehren'*), und auch manche andre Heroenkulte nahmen allmählich die Ver-
ehrungsformen der Götterdienste an^]. Auch unter der römischen Herrschaft
erwiesen Städte hervorragenden Bürgern nach dem Tode heroische Ehren: so
Mytilene dem Theophanes, welcher der Stadt bei Pompejus die Freiheit aus-
gewirkt hatte ^), Tarsus dem um sie hochverdienten Stoiker Athenodorus, dem
Lehrer Augusts^). Und wenn in solchen und ähnlichen Fällen dieser Ausdruck
der Dankbarkeit aus Schmeichelei und serviler Gesinnung gewählt wurde, so
sind doch ohne Zweifel einzelne auch damals nach dem Tode in aufrichtigem
Glauben an die Übermenschlichkeit ihrer Natur als Heroen verehrt worden, wie
Apollonius von Tyana^). Wie geläufig auch den Römern die Vorstellung der
Erhebung verklärter Geister zu einer göttlichen oder halbgöttlichen Existenz
geworden war, beweist die Absicht Ciceros, seiner (im Alter Aon 32 Jahren ver-
storbenen) Tochter Tullia einen Tempel zu erbauen^. Die Karpokratianer,
eine gnostische Sekte in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, die Jesus neben
den griechischen Philosophen als Muster höchster menschlicher Läuterung ver-
ehrten, sollen dem siebzehnjährigen Sohne ihres Stifters, Epiphanes, nach seinem
Tode auf Kephallenia einen Tempel errichtet haben '°).
I] Wissowa a. a. O. S. 172. 177. 2) Mommsen StR. II^ 755—760. Hirschfeld, Kl. Schrift.
S. 471 ff- H. Nissen, Orientation (1906— 1910) S. 322ff, 3) C. Keil, Analecta epigr. et onomatol.
(1842) S. 39 ff. Lehrs, Pop. Aufs.^' S. 320 ff. Robde, Psyche^ II 348 ff. Deneken in Roschers My-
thol. Lexikon I 25l7ff. Eitrem, Real-Encykl. VIII Ii34ff. 4) Diodor. XXIX 21 Bekk. Liv.
XXXIX 50, 9. IG V 2 nr. 432 = Dittenberger, Syll.3 624. 5) z. B. Theagenes auf Thasos (Pau-
san. VI II, 8 vo\xiZovOiv Sxe Gcuj Gueiv). Vgl. F. Pfister, Der Reliquienkult im Altertum (1912)
S. 480 ff. 6) Tac. A. VI 18, vgl. Head, Hist. num.=^ S. 563. Dittenberger, Syll.3 y^^. Ein später
Nachkomme von ihm, M. Pompejus Macrinus, Konsul unter Trajan im J. 100 (vgl. über ihn A. v.
Premerstein, Oesterr. Jahreshefte XV 1912 S. 207 ff.) nennt sich veoc, Qeo(p6.VY\(;, IG V 2 nr. 151.
XII 2 nr. 235. 7) Lucian. macrob. 21. Vgl, oben I 86. 8) Lactant. Inst. div. V 3, 14 cum eum
( Apollonium] dicas et adoratum esse a qutbusdam sicut deum, et simulacrtim eius sub Herculis Alexi-
caci nomine constitutum ab Ephesiis etiavi nunc honorari. 9) Cic. ad Attic. XII 12, i. 18, l. -i^i)., i;
vgl. Lehrs a. a. O. S. 352 ff. 10) Clem. Alex, ström. III 2, 5, i p. 197, 21 Stähl.; vgl, Hilgenfeld,
Ketzergesch. d. Urchristentums S. 402 f. Nach den Inschriften CIL XIV 324 = Dessau 4176 (auf
der Nebenseite des Grabsteines eines Knaben aus Ostia vom J. 203 heißt es im Namen des städti-
I50
XIIL DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 163]
dochen.
und Lebender Doch seit dem Pelopoiinesischen Kriege sind in Griechenland auch Lebende
als Heroen m ^Is Götter verehrt worden; zuerst Lysander, dem asiatische Griechenstädte Ahäre
errichteten, Opfer brachten und Päane sangen"). Auch die niedrigste Schmei-
chelei hätte auf diese Form der Huldigung nicht verfallen können, wenn nicht
das gesamte griechische Altertum, das Gottheit und Menschheit nicht durch eine
unausfüllbare Kluft getrennt zu denken vermochte, in hohem Grade dazu ge-
neigt hätte, in jeder scheinbar oder wirklich die Menschheit überragenden Per-
sönlichkeit ein Wesen höherer Art zu erblicken. Ganz fremd ist auch den
Römern diese Anschauungsweise nicht gewesen: wurden doch dem Marius als
Besieger der Cimbern und Teutonen in Rom allgemein bei den häuslichen
Mahlzeiten wie einem Gotte Trankopfer gespendet^). Auch außerhalb der
griechisch-römischen Welt begegnet uns der Glaube an die Göttlichkeit ein-
zelner Menschen. Bei den Geten galt der auf einem heiligen Berge in einer
Höhle wohnende Prophet Decaeneus, der Berater des Königs Burbista, eines
Zeitgenossen Cäsars, für einen Gott; Strabo nennt ihn einen Gaukler^). Der
Bojer Mariccus, der im Jahre 69 n. Chr. Gallien von römischer Herrschaft zu
befreien unternahm, gab sich selbst für einen Gott aus und fand bei Tausenden
Glauben'').
Königskult in den Zur festen Ausbildung ist aber der Kult lebender Helden und Gewalthaber
Reichen der Dia- grst seit Alexander dem Großen und zwar in den Fürstenhäusern, die im Orient
sein Erbe teilten, gediehen, am frühesten vielleicht in Ägypten, wo ebenso wie
in Persien bereits in alter Zeit die Anschauung, daß der König ein Gott oder
doch der Sohn eines Gottes sei, öffentliche Geltung erlangt hatte. Wäre Ale-
xander ein längeres Leben beschieden gewesen, so würde er sicherlich schon
bei Lebzeiten dieselben oder noch höhere göttliche Ehren genossen haben, als
sie seinen Nachfolgern in Ägypten, Syrien und im Pergamenischen Reiche zuteil
geworden sind^).
Neben den in den Diadochenreichen zur höchsten Ausbildung gelangten
Königskult trat dann seit dem Eingreifen der Römer in die orientalischen Ver-
hältnisse in den Städten Kleinasiens der Kult der Göttin Roma, der die Smyr-
näer bereits 195 v. Chr. einen Tempel errichteten. Und zu diesem Romakult
gesellten sich die den römischen Statthaltern und Feldherrn erwiesenen gött-
lichen Ehren, wie sie vor allen T. Quinctius Flamininus, dem >' Befreier Griechen-
lands«, als ein jener Zeit vollkommen natürlich erscheinender Ausdruck enthu-
siastischer Dankbarkeit entgegengebracht wurden. In der letzten Zeit der Re-
publik war die Weihung von Tempeln (wahrscheinlich gemeinsam mit der
Göttin Roma) für römische Prokonsuln bereits zu einer ganz gewöhnlichen Hul-
digung geworden^).
sehen Oberpriesters: statuam poni in campo Martis deum infantilem perviisi] und IG III 1460
(Grabschrift eines 5 jährigen Knaben: koi 6 Traxiip |ue dveöTiiöe Tipcua öUYTevefaq) scheinen
Seelen verstorbener Kinder zuweilen Gegenstände eines Kults im Kreise ihrer Familien gewesen
zu sein.
i) Plut. Lysand. 18; vgl. Nilsson, Griech. Feste S. 49, 4. Mehr bei Pfister a, a. O. S. 587 f.
2) Plutarch. Mar. 27, 9. 3) Strabo VII 298. 304. XVI 762. Jordan. Get. II, 67 ff. Vgl. Ihm,
Bonner Jahrb. LXXXIII S. 102. 4) Tac. Hist. II 6r. 5) Kornemann, Klio I (1901) S. 52 ff,
Kaerst, Gesch. d. hellenist. Zeitalters II l S. 3 74 ff. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur-
S. I23ff. A. Bauer, Vom Griechentum zum Christentum (1910) S. 53ff. 6) Wissowa, Religion u.
[IV. 164] I. DER GÖTTERGLAUBE 151
Waren die Römer also längst gewohnt, die Apotheose auch für Lebende als
eine nicht zu hohe Ehre anzusehen, so erschien der Anspruch der neuen Mon-
archen auf sie als selbstverständlich, und wenn die Vergötterung der Lebenden
sich innerhalb gewisser Schranken hielt, lag dies nicht an der zu geringen Will-
fährigkeit der Untertanen, sondern an der Zurückhaltung der Kaiser"). Was
hätte auch dem Glauben an göttliche Naturen in menschlicher Gestalt gemäßer
sein können, als in den allmächtigen, so unermeßlich hoch über so viele Milli-
onen hinausgehobenen, auf Erden an Stelle der Götter waltenden^) Herrschern
des Erdkreises > gegenwärtige und leibhaft erschienene Götter« ^), in ihrem Tode
eine Erhebung in die höhere Welt zu erkennen, der sie angehörten. War auch
die Apotheose der Kaiser in der Regel ein Werk der bewußten Heuchelei des
Servilismus, so entsprach sie doch mindestens in einzelnen Fällen dem Glauben
des Volks'*). Die Versetzung Cäsars unter die Götter, sagt Sueton, erfolgte nicht
bloß auf den Beschluß des Senats, sondern auch nach dem Glauben der Menge:
ein Komet, der unmittelbar darauf sieben Tage lang sichtbar war, galt für seine
in den Himmel aufgenommene Seele ^). Und wenn dem Kaiser Marc Aurel
nicht bloß nach seinem Tode jedes Alter und Geschlecht, alle Stände und
Klassen göttliche Ehren erwiesen und jeder für gottlos galt, der sein Bild nicht
im Hause hatte, sondern auch noch in Diocletians Zeit in vielen Häusern seine
Statue zwischen den Penaten stand, und viele durch den Erfolg bestätigte Pro-
phezeiungen berichtet wurden, die man seinen Offenbarungen in Traumge-
sichten zu verdanken glaubte^): so kann kein Zweifel sein, daß auch dieser
gute, milde, allgeliebte Monarch dem Volke wirklich zum Gotte geworden war.
Auch Alexander Severus verehrte in seiner Hauskapelle, wo er an jedem Morgen
Gottesdienst zu halten pflegte, außer den »heiligen Seelen c — zu denen ApoUo-
nius von Tyana, Orpheus, Abraham, Christus gehört haben sollen — die besten
der vergötterten Kaiser^).
Begreiflicherweiste widerstrebte jedoch dieser Glaube einer wirklichen Gott-
werdung von Menschen auch einem großen Teil derer, die sonst in religiösen
Dingen starkgläubig waren. Pausanias sagt, zu seiner Zeit seien Menschen nicht
mehr zu Göttern geworden, wie einst Herakles, die Dioskuren, Amphiaraos,
außer den Worten nach und aus Schmeichelei gegen die Macht^); wobei er
wohl zunächst an die Apotheose des Antinous gedacht hat. Auch dieser hatte Apotheose des
übrigensein orientalisches Vorbild nicht gefehlt: in Alexandria hatte einst . einBar- antinous.
baren weib von der Straße«, Belesticha, durch die Leidenschaft ihres königlichen
Liebhabers als »Aphrodite Belesticha« göttliche Ehre und Tempel erhalten 9).
Die Vergöttlichung des Antinous selber knüpfte an die ägyptische Vorstellung an,
wonach die im Nil Ertrunkenen göttliche Verehrung genossen und mit Osiris
Kultus d. Römer^ S. 341. Ein Priester der Roma und des P. Servilius Isauricus, J. Keil, Österr.
Jahresh. XVIII 191 5 Beibl. S 282.
1) Das Obige nach Hirschfeld a. a. O., großenteils wörtlich. 2) Seneca de dementia I l, 2
electusque sum, qui in terris deoritm vicefungerer? 3) Veget. r. m. II 5: imperatori — tamquam
praesenti et corporali deo; vgl. auch Val. Max. praef. Horat. c. III 5, l f . caelo tonantem credidimus
lovem regnare, praesens divus habebitur Augustus. 4) Über die Heilandsvorstellung in der Apo-
theose Wendland, Zeitschr. f. neutestam. Wissensch. V 1904 S. 335flF. 5) Sueton. Caes. 88.
6) Hist. aug. M. Aurel. 18, 5 ff. 7) ebd. Alex. Sev. 29, 2. 8) Pausan. VIII 2, 5. 9) Plutarch.
Amator. 9 (Geliebte des Ptolemäus 11. Philadelphus, Athen. XIII 576 E. F. 596 F).
152 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 165, i66]
identifiziert wurden']. Ohne Zweifel ward der Anordnung des Antinouskults
im allg-emeinen »aus Schmeichelei gegen die Macht« Folge geleistet: aber
schon der Glaube der nächsten Generation an die Göttlichkeit des schönen,
schwermütig blickenden Jünglings war, wie Athenagoras ums Jahr 177 bezeugt,
ein aufrichtiger^), und er bestand mindestens bis ins dritte Jahrhundert. Noch
heute bezeugt in Rom die Hieroglyphenschrift des Obelisken auf Monte Pincio,
dereinst am Eingange eines Mausoleums (Kenotaphs?) des Antinous an der Via
Labicana stand, daß er zum Gott erhoben sei und als solcher in ewiger Jugend
die Liebe und Verehrung der Menschen genieße^). Celsus hatte die Verehrung
Christi mit der des Antinous verglichen, und Origenes, der diese Vergleichung
als eine völlig unzulässige zurückweist, zweifelte nicht, daß in der Tat ein Dä-
mon unter dem Namen des Antinous in dessen Tempel sein Wesen trieb'*).
Wenn man die Sache mit Wahrheitsliebe und unparteiisch prüfe, so werde man
wohl finden, daß man von dem, was Antinous in Antinoupolis auch nach seinem
Tode angeblich vollbringe, ägyptische Zaubereien und Mysterien die Ursache
seien. Auch an andern Tempeln, so werde erzählt, hätten Ägypter und andre
Zauberer Dämonen festgebannt, welche prophezeiten, Kranke heilten und die
Übertreter von Speiseverboten oder andern religiösen Vorschriften marterten.
»Ein solcher ist auch der, welcher in Antinoupolis in Ägypten als Gott geachtet
wird, dessen Macht manche, die in den Tag hineinleben, leugnen; andre aber,
teils von dem dort gebannten Dämon betört, teils von ihrem Schuldbewußtsein
angeklagt, glauben eine von der Gottheit des Antinous verhängte Strafe zu er-
leiden. Von dieser Art sind ihre Mysterien und die angeblichen Prophezeiungen,
von denen die Weissagungen Jesu weit entfernt sind. «
Im allgemeinen war übrigens der Kaiserkult doch nichts andres als derjenige
Ausdruck unbedingtester Ergebenheit, welchen der damalige Despotismus von
den Untertanen wenigstens insofern fordern konnte, als die Anerkennung einer
göttlichen Natur in einer menschlichen Persönlichkeit dem religiösen Gefühl
nicht an und für sich widerstrebte. Wenn sich niemals ein christliches Zeitalter
zur Anbetung eines Herrschers als Gott verirrt hat, so liegt dies nicht daran,
daß der Abstand zwischen Herrscher und Beherrschten geringer, das Gefühl
der Menschenwürde höher, oder der Knechtssinn minder erfinderisch in un-
würdigen Huldigungen war (im byzantinischen Reich und in Frankreich unter
Ludwig XIV. und Napoleon I. ^) fand eher von allem diesem das Gegenteil
l) W. Weber, Drei Untersuchungen zur ägyptisch-griech. Religion (Heidelberg 191 1) S. igfF,
Wilcken, Jahrb. d. Arch. Instit. XXXII 191 7 S. 202 f.; über 'OaipavTivooi; Wilcken, Grundz. d.
Papyrusk. I 121. 123. 2) Athenag. Leg. pr. Christ. 30: Kai 'AvTivooq q)i\av9puuiTia tluv 0)ae-
Tepuiv TTpo-fovuuv irpö^ tou<; vTn\K6ovc, eruxe vo)Lii2€öGai Qeoc,' oi be juer'auTouqdßaoavi-
OTWC, TTOpebeEavTO, dazu Geffcken, Zwei griech. Apologeten S. 227. 3) Erman u. Hülsen,
Rom. Mitteil. XI 1896 S. ii3ff. 122 ff.; vgl. Hülsen- Jordan, Topogr. I 3 S. 251. Erman, Abhdl.
Akad. Berlin 191 7 nr. 4 S. 10 ff. 28 If. Das Grab selbst ist vielleicht neuerdings aufgefunden wor-
den, s. Hülsen, Berlin, philol. Wochenschr. 1919 Sp. 259fl. 4) Orig. c. Gels. III 36. 5) Boissier,
Rel. rom. I 207 verweist auf Bossuet: T>il faut obeir aiix princes comyne a la justice nieme: ils sont
des dietix et farticipent en qzielque fagon a findcpendance divine."- Bei der Einweihung der Reiter-
statue Ludwigs XIV. auf dem Vendomeplatz berichtet Saint-Simon: »Le duc de Gesvres, gouvertieur
de Paris, a cheval, a la tete des corps de la ville, y fit les tours, les reverences et autres ceremonies tirees
et imitees de la consecration des empereurs romains. II tiy eut a la verite ni encens ni victimes: ilfallut
bien donmr quelqtie chose au titre de roi trh-chretien.< Vgl. Döllinger, Akadem. Vorträge I 275.
[IV. 167] I. DER GÖTTERG LAUBE 153
statt): sondern daran, daß das religiöse Dogma des Christentums diese Verirrung,
welche der heidnische Glaube begünstigte, ausschloß und in dem Herrscher
nur den Stellvertreter Gottes auf Erden zu sehen erlaubte. Der römische
Kaiserkultus war eine Form, über deren wesentlich politische Bedeutung kein
Denkender im unklaren sein konnte, deren äußerliche Erfüllung das eigentliche
religiöse Leben unberührt ließ, am wenigsten aber den Glauben zu erschüttern
vermochte. Denn für den Gläubigen hört das Heilige niemals deshalb auf heilig
zu sein, weil er es im einzelnen Falle mißbraucht oder entweiht sehen muß; er
gibt vielmehr (wie auch Pausanias tat) den Mißbrauch bereitwillig dem Spott
und der Verachtung preis, um an dem ihm ehrwürdigen und teuren Inhalt seines
Glaubens um so fester zu halten.
Der beste Beweis für die Stärke und Lebendigkeit des Götterglaubens aber Widerstandskraft
ist, daß er sich Jahrhunderte hindurch dem Christentume gegenüber behaupten, ^^^ Götterglau-
und nicht bloß dies, sondern auch in gewissem Sinne den Christen eine Aner- flXauf dieChr°Ü
erkennung seiner Wahrheit abzwingen konnte. Denn die reale Existenz der sten.
heidnischen Gotter zu leugnen, kam den Christen im allgemeinen nicht in den
Sinn, auch ihr übermenschliches Wesen, die von ihnen vollbrachten Wunder
bestritten sie nicht: nur waren sie ihnen natürlich Mächte der Finsternis, Dä-
monen, abgefallene oder verführte Engel oder deren Nachkommen und sündige
Seelen, denen Gott die Fähigkeit zu schaden und Menschen zu verführen ge-
lassen hatte"). Auch sie also, die den Vernichtungskampf gegen den Götter-
glauben führten, standen noch so sehr in seinem Banne, daß sie nicht zur Er-
kenntnis seiner Wesenlosigkeit durchzudringen vermochten. Wohl mußte die
Herrschaft dieses Glaubens eine allgemeine und aufs tiefste im Bewußtsein der
Menschen begründete sein, wenn sich selbst seine unversöhnlichsten Gegner ihr
nicht völlig entziehen konnten.
Doch all dieser indirekten Beweise sollte es gar nicht bedürfen, wo so zahl- Direkte Zeugnisse
reiche und unbestreitbare direkte Zeugnisse für die Allgemeinheit und Stärke d'Ste^ Stik^^des'
des Götterglaubens vorhanden sind. Je fester ein Glaube ist, je tiefer er das Volksglaubens.
ganze Bewußtsein durchdringt, desto eifriger sucht und desto gewisser findet Der Wun-
er in Natur und Leben überall Betätigungen des Daseins und Wirkens der ge- de^^g'^^b^'
glaubten Mächte; wo der Unglaube nur Zufall oder natürliche Folgen natürlicher
Ursachen sieht, erkennt er die Hand der Gottheit. Am leidenschaftlichsten ver-
langt er nach Tatsachen und Erscheinungen, welche ihr übermächtiges Ein-
greifen in die Gesetze der Natur unzweifelhaft dartun, und dies Verlangen be-
friedigt sich notwendig immer selbst: das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Bei einem von der Stadt Paris einige Jahre nach der Krönung Napoleons I. gegebenen Feste stand
über dem für ihn bestimmten Thron in goldenen Buchstaben die Inschrift: Jügo sum qui sunt, und
niemand nahm daran Anstoß, M^m. de Mme. de R6musat II 80. Über die Napoleon dargebrachten
Huldigungen s. Fr. Lieber, Erinnerungen an mein Zusammenleben mit Niebuhr (deutsch von Thibaut
{1837) S. 223 f. Preller, Rom. Mythologie IP 410, i. P. Bondois, Napoleon et la soci^te de son
temps (1895) S. 188—190. Vgl. auch C. Schwarz, Zur Geschichte der neuesten Theologie^ (1864)
S. 333f-
i) Orig. c. Geis. III 38. IV 92. V 2. VH 69. VIII 31. 62. Justin. Martyr Apol. I 14, i. Lactant.
Inst. div. n I4ff. Gibbon, History II 237 f., deutsch von Sporschil S. 363 f. Soldan-Heppe-Bauer,
Gesch. d. Hexenprozesse (1912) I 72 ff.
154
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSIÄNDE
[IV. i68]
Leibhaftes
Erscheinen
der Götter.
Wenn nun der Wunderglaube ein untrüglicher Gradmesser für die Intensität des
Glaubens an die höhere Macht ist, die als die Urheberin des Wunders gilt, so
kann es nicht zweifelhaft sein, daß in den ersten Jahrhunderten ein durchaus
positiver, von keiner Skepsis angekränkelter Glaube an die Götter der Tradition
und des Kultus durch alle Schichten der Gesellschaft verbreitet war, wenn auch
in wechselnder Stärke und selbstverständlich immer am stärksten in den von
Bildung am wenigsten berührten Kreisen.
Der Anthropomorphismus des antiken Glaubens, mächtig unterstützt durch die
Eindrücke der nirgends fehlenden lebensvollen Götterbilder, machte es dem Gläu-
bigen möglich, in dem Vollbringer eines Wunders, das sich vor seinen Augen
vollzog, den leibhaft erschienenen Gott selbst zu erkennen : und daß auch dies
noch in jener Zeit geschehen konnte, wird durch das bekannte Erlebnis der
beiden Apostel zu Lystra über jeden Zweifel erhoben. Wie gewiß mußte diesen
Menschen das Dasein ihrer Götter sein, und wie nah mußten sie sich ihnen
fühlen, wenn sie in dem Urheber der wunderbaren Heilung des Lahmen und
seinem Gefährten nicht Gottgesandte, sondern Gotter sahen, sogleich von der
Überzeugung erfüllt waren, die Götter seien den Menschen gleich geworden
und zu ihnen hernieder gekommen. »Und nannten Barnabam ,Juppiter' und
Paulum ,Mercurius', dieweil er das Wort führte. Der Priester aber Juppiters,
der vor ihrer Stadt war, brachte Ochsen und Kränze vor das Tor und wollte
opfern samt dem Volk«. Und die Apostel >stilleten kaum das Volk, daß sie
ihnen nicht opferten«'). Hier war also damals noch ein Glaube lebendig, so
kindlich und felsenfest wie jener der alten Athener, über deren unerhörte Ein-
falt sich Herodot nicht genug verwundern konnte, da sie in der schönen ge-
rüsteten Frau, in deren Begleitung Pisistratus zurückkehrte, die Göttin Athene
leibhaft zu sehen wähnten und anbeteten^); ein Glaube so kindlich und felsen-
fest wie der, welcher in unsern Tagen einen italienischen Bauernburschen in einer
jungen, schönen, madonnenhaften Wohltäterin die Mutter Gottes selbst erblicken
lassen kann^).
Allerdings ist nun im Innern Vorderasiens, wie es Lucian ja von Paphlagonien
ausdrücklich bezeugf^), der Glaube vielleicht amblindesten, zur Selbstbetörung
am meisten geneigt gewesen, wie denn überhaupt in den östlichen Ländern
sicherlich die Befangenheit im Glauben und Aberglauben stets größer war als
im Westen. Aber wenn der Glaube auch nur selten stark genug sein mochte,
um sich zum Schauen der leibhaftigen Gottheit selbst zu erheben, so sah er
doch überall die von ihr gewirkten Wunder und entzündete sich an diesen
immer von neuem, und auch Zweifelnde wurden durch die Gewißheit und All-
Andre von den gemeinheit des Wunderglaubens mit fortgerissen. Die Wunder, welche sich
Göttern bewkte -^^^ Jahre 70 ZU Alexandria ereigneten und »die Gunst des Himmels und eine
gewisse Zuneigung der Götter für Vespasian andeuteten«, berichtet wie die
andern Gesichtschreiber auch Tacitus mit vollem Glauben^). Ein Blinder und
l) Acta apostol. 14, 11 — 18. 2) Herodot. I 60. 3) Ruffini, der in seinem Doctor Antonio eine
solche Szene angebracht hat, bemerkt dazu (Tauchnitz ed. S. 166) : > IVe big the readtr to believe that
this is no picturc drawn from fancy, but a real sketch front nature. Had not such a sctne as we have
described, with all the partictilars related, come to pass 2<nder our own eyes, we should never have ven-
tttred to put it on paper.< 4) Lucian. Alexand. 9. 5) Tac. H. IV 81 f. Sueton. Vespas. 7. Cass.
Dio LXVI 8, I.
[IV. 169]
DER GÖTTERGLAUBE
155
ein Lahmer wandten sich nach Eingebungen, die sie von Sarapis in Träumen
erhalten hatten, flehend an Vespasian, um den Gebrauch ihrer Glieder durch
seine Berührung- wiederzuerlangen. Dieser entschloß sich endlich, öflentlich vor
den Augen des Volks das Verlangte zu tun. »Sogleich wandelte sich die Hand
zur Brauchbarkeit, und dem Blinden leuchtete wieder der Tag. Beides erzählen
noch jetzt Augenzeugen, wo die Lüge keinen Gewinn mehr bringt.* Nun be-
gab sich Vespasian, um seine Zukunft zu erfahren, allein in den Tempel des
Sarapis und erblickte dort einen Mann namens Basilides, von dem später
festgestellt wurde, daß er in jenem Augenblick viele Meilen entfernt ge-
wesen war. In seinem Namen erkannte Vespasian eine Andeutung der ihm
beschiedenen Herrschaft. Kaum konnte, wer diese Wunder glaubte, an der
Größe und Macht des Gottes zweifeln, dem sie die Stimme des Volks zu-
schrieb.
Dieses Wunder gehört einer Zeit an, wo auf heidnischer Seite gewiß die Ab- Steigerung des
sieht noch nicht vorausgesetzt werden kann, den christlichen Wundern sfleich Wunderglaubens
... , ^ ° ,, ., \ IT-.. , . , T^ , . durchdeuKampf
überzeugende entgegenzustellen. Als nun aber das Rmgen beider Religionen der Religionen.
um die Herrschaft über die Menschheit begonnen hatte, da mußte auch, je länger
der Kampf währte und je heißer er wurde, auf beiden Seiten die Wundersucht
immer leidenschaftlicher werden"). Man darf annehmen, daß um die Wende
des 2. und 3. Jahrhunderts das Bedürfnis bereits bestand, dem Stifter der christ-
lichen Religion einen Propheten der alten Götter von ebenso übermenschlicher
Natur und gleicher Wunderkraft entgegenzustellen. Wahrscheinlich ist dieses
Motiv auf den im Auftrage der Kaiserin Julia Domna (f 217) verfaßten Roman
des Philostratus von Apollonius von Tyana von Einfluß gewesen^). Die Geburt
des Apollonius ist hier ebenso wunderbar wie sein Ende und sein Erscheinen
nach seiner Entrückung, um einen Jüngling vom Zweifel am Unsterblichkeits-
glauben zu heilen. Zu den von ihm vollbrachten Wundern gehört eine Dämonen-
austreibung und eine Totenerweckung. Seine Kenntnis des Zukünftigen und
Verborgenen grenzt an Allwissenheit. Kaiser Alexander Severus verehrte ihn
(wie bemerkt) in seiner Hauskapelle neben Christus. Ein ungenannter christen-
feindlicher Schriftsteller, gegen den Lactanz heftig polemisiert 3), stellte ihn über
Christus, dessen Taten von den Aposteln durch Erdichtungen ausgeschmückt
seien, während man die des Apollonius aus den Berichten untadliger Zeugen
kenne. Dieser blieb nicht bloß bei den Heiden, sondern auch bei den Christen
der nächsten Jahrhunderte in hohem Ansehen. In einer zwischen 474 und 491
entstandenen christlichen Sammlung von > Orakelsprüchen hellenischer Göt-
ter«'*) heißt es: Gott gleich seien nur Moses, Hermes Trismegistos und Apollo-
nius gewesen. Der fromme Jansenist Tillemont (f 1698) glaubte, der Teufel
habe Apollonius, aus Furcht, sein Reich vernichtet zu sehen, fast gleichzeitig mit
i) Zur Vergleichung heidnischen und christlichen Wunderglaubens sehr lehrreich ist die kleine
Sammlung von P. Fiebig, Antike Wundergeschichten, zum Studium der Wunder des Neuen Testa-
ments zusammengestellt, Bonn 1911. 2) Baur, Apollonius v. Tyana u. Christus (1832) S. 124. 132.
141. A-ube, Hist. d. pers^c. de T^glise 11 4620". Die Absiebt der Entgegenstellung bestreitet R^-
ville, Religion ä Rome sous les Severes S. 227 ff. (deutsch S. 226 ff.). Vgl. Zeller, Philosophie d.
Griechen III 2* S. 164 ff. 3) Lact. Inst. V 3, 7. 16; vgl. Geffcken a. a. O. S. 291, i. 4) Bu-
resch, Klaros (1889) S. 89 ff,; die Stelle c. 44 S. 108.
i5<
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 170, 171]
Dasselbe Wun-
der von beiden
Seiten in An-
spruch genom-
men.
Der Glaube an
Vorausverkiin-
digung der Zu-
kunft —
Jesus geboren werden lassen'); Bayles Wörterbuch (1741) nennt ihn »den Affen
des Gottessohns«.
Aber Heidentum und Christentum setzten nicht bloß Wunder gegen Wunder,
sondern auch der Fall, daß .dasselbe Wunder von beiden Seiten in Anspruch
genommen wurde, kann kein seltener gewesen sein, wenngleich er nur einmal
berichtet wird. Im Quadenkriege Marc Aureis sah sich im Jahre 171^) das
römische Heer einmal in glühender Sonnenhitze schmachtend von einer über-
legenen Menge der Feinde eingeschlossen, mit der augenscheinlichsten Gefahr
gänzlicher Vernichtung bedroht. Da zogen sich plötzlich dichte Wolken zu-
sammen und ergossen sich in einem reichlichen Regenstrom, während auf der
feindlichen Seite ein furchtbares Gewitter Verwirrung und Verderben anrichtete:
die Römer waren gerettet, der Sieg wandte sich auf ihre Seite 2). Die Wirkung
dieses Ereignisses war eine überwältigende, es wurde nach damaliger Sitte in
bildlichen Darstellungen verewigt, allgemein galt es als ein Wunder, dessen
man noch bis in das späteste Altertum gedachte, und auf das sich noch nach
Jahrhunderten sowohl Christen als Heiden als einen Beweis für die Wahrheit
ihres Glaubens beriefen. Die offizielle Darstellung dieses Ereignisses auf der
Marc Aureissäule führt die regenspendende Gottheit gewissermaßen als Natur-
element in einem sehr charakteristischen Bilde ein, ohne einen bestimmten Gott
als Urheber der Wunderhilfe zu bezeichnen''). Auf einem Gemälde, das The-
mistius gesehen hatte ^), war der Kaiser selbst mit erhobenen Händen zu Juppiter
flehend dargestellt, während die Soldaten den Regen mit ihren Helmen auffingen;
diesem Gebet des Kaisers zu Juppiter wurde, wie es scheint, von den meisten
die wunderbare Errettung zugeschrieben; doch behaupteten andre, daß sie der
Kunst eines in seinem Gefolge befindlichen ägyptischen Zauberers Arnuphis zu
verdanken gewesen sei, der durch eine Beschwörung der Götter, namentlich des
■-> Hermes der Luft«, den Regenguß herabgezogen habe^). Aber nach der Er-
zählung eines christlichen Zeitgenossen war das Wunder durch die Gebete
christlicher Soldaten in 'der zwölften (melitenischen) Legion bewirkt worden.
Dasselbe erzählt als ein bekanntes Ereignis 197 TertuUian, der sich dabei (ebenso
wie Cassius Dio) auf einen Brief Marc Aureis beruft.
Der Platoniker Celsus hebt in seiner Schrift gegen das Christentum unter
den Wundern, die er zum Beweise für das Dasein der Götter anführt, ganz be-
sonders die Orakel sowie die Vorzeichen und Vorbedeutungen aller Art hervor,
durch die sie das Künftige warnend oder mahnend vorausverkündeten, und die
den Gläubigen nicht bloß die Existenz der Götter, sondern auch ihre Fürsorge
für die Menschheit bewiesen^). »Wozu«, sagt er, »soll man aufzählen, was alles
aus Orakelstätten teils Propheten und Prophetinnen, teils andre begeisterte
Männer und Frauen mit gotterfüllter Stimme vorhergesagt haben? Was fiir
i) Tillemont, Histoire des empereurs (1732) II 120 f. 2) So v. Domaszewski, N. Heidelb. Jahrb.
V 1895 S. 123; Marcussäule S. 105 ff. W. Weber, Ein Hermestcmpel des Kaisers Marcus, S.Ber.
Akad. Heidelb. 1910 Abh. 7 S. 3ff. 3) Cass. Dio LXXI 8—10. Hist. aug. M. Aurel. 24. 4. Tertull.
apol. 5. Euseb. h. eccl. V 5, 1—6. Mommsen, Ges. Schrift. IV 498ff. Geffcken, N. Jahrb. f. d. klass.
Altert, in 1899 S. 253 ff. 4) Marcussäule (herausg. von Petersen, v. Domaszewski, Calderini)
Taf. 16. 5) Themist. or. 15, 191 B. 6) Dazu W. Weber a. a. O. S. 5 ff. 7) Orig. c. Geis. VIII 45.
Vgl. Mlnuc. Felix Octav. 7.
[IV. 17 2]
I. DER GOTTERGLAUBE
157
wunderbare Voraussagungen aus dem Innern der heiligen Räume ertönten?
Was alles aus Opfertieren und andern Opfern den Befragenden offenbart wurde,
was aus andern wunderbaren Zeichen? Manchen sind auch deutliche Erschei-
nungen zuteil geworden. Von all diesem ist das ganze Leben erfüllt. Wie viele
Städte sind durch Orakel emporgekommen und von Seuchen und Hunger be-
freit worden, wie viele andre, die sie vernachlässigten oder vergaßen, elend zu-
grunde gegangen! Wie viele Kolonien sind ausgesandt worden, und wenn sie
dem Gebote nachkamen, gediehen! Wie viele Fürsten, wie viele Privatpersonen
sind auf solche Weise schlimmer oder besser gefahren! Wie viele, die mit
Kinderlosigkeit heimgesucht waren, haben erlangt, worum sie baten, wie viele
sind dem Zorn von Göttern entgangen oder von Leibesgebrechen geheilt wor-
den! Wie viele, die bei Heiligtümern gefrevelt, sind sogleich von der Strafe er-
eilt worden, indem sie teils von Raserei ergriffen wurden, teils selbst aussagten,
was sie getan hatten, oder Hand an sich selbst legten, oder in unheilbares Siech-
tum verfielen! Auch hat solche schon eine aus dem Innern des Heiligtums er-
schallende Donnerstimme der Vernichtung geweiht!-«
Der Glaube an wunderbare Zeichen und Verkündigungen der Zukunft, von
denen auch damals noch immer »^das ganze Leben erfüllt war«, ist allem An-
scheine nach wenigstens im späteren Altertum die verbreitetste Form des
Wunderglaubens gewesen. Auch ein großer Teil der Philosophen und philo-
sophisch Gebildeten bekannte sich zu ihm: zwar Epikureer, Kyniker und Ari-
stoteliker verwarfen und Akademiker bestritten ihn: um so mehr hielten Plato-
niker, Pythagoreer und Stoiker daran fest, und namentlich in der Theologie der
letzteren bildete er einen integrierenden Bestandteil. >Der Glaube an eine so
außerordentliche Fürsorge der Gottheit für die Menschen erschien ihnen viel zu
tröstlich, als daß sie darauf hätten verzichten mögen; sie priesen nicht allein
die Weissagung als den augenscheinlichsten Beweis für das Dasein der Götter
und das Walten einer Vorsehung, sondern sie schlössen ebenso auch umgekehrt:
wenn es Götter gebe, müsse es auch eine Weissagung geben, da den Göttern
ihre Güte nicht erlauben würde, den Menschen eine so unschätzbare Gabe zu
versagen« '). Dieser Glaube nun, der in der Tat den Götter- und Vorsehungs-
glauben notwendig voraussetzte und mit ihm stand und fiel, war auch unter den
Gebildeten der damaligen Welt höchst verbreitet.
Livius sagt zwar^), daß infolge derselben Indifferenz, welche die Ursache des
jetzigen allgemeinen Unglaubens an wunderbare, von den Göttern gesandte
Vorzeichen sei, Prodigien weder öffentlich bekannt gemacht noch in die Ge-
schichtsbücher eingetragen würden. Aber diese Indifferenz kann nicht lange
gewährt haben, denn alle Geschichtschreiber der Kaiserzeit ohne Ausnahme
verzeichnen dergleichen Wunder, viele mit besonderer Vorliebe, wie der zeichen-
gläubige Cassius Dio; mit der Zeit sind die Prodigien sogar für die Gläubigen
der Gegenstand eines ganz besonderen Interesses geworden, welchem die Samm-
lung aller in Italien geschehenen Wunder und Zeichen aus Livius (von einem
Julius Obsequens, dessen Zeit wir nicht kennen) ihren Ursprung verdankt^).
1) Zeller, Philos. d. Gr. HI 1+ S. 347. Vgl. Wachsmuth, Die Ansichten der Stoiker über Man-
tik und Daemonen, Berlin 1860. 2) Liv. XLIII 13, i. 3) Über Obsequens H. Peter, Die ge-
schichtl. Literatur über die röm. Kaiserzeit (1897) 11 347. O. Roßbach, Rhein. Mus. LH 1897 S. i ff.
die verbreitetste
Form des Wunder-
glaubens unter
den Gebildeten.
Berichte über
Vorzeichen bei
den Geschicht-
schreibcm.
158
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 173]
Tacitus. Auch Tacitus, der sich dem Glauben an Wunder und Zeichen gegenüber
kritisch verhielt und sich ausdrücklich gegen den gemeinen Aberglauben ver-
wahrt, der in jedem auffälligen Ereignisse eine Vorbedeutung sah, hat zwar des-
halb ohne Zweifel einen großen Teil der angeblichen Prodigien als solche nicht
anerkannt, aber an ihrem Vorkommen im allgemeinen nicht gezweifelt und in
den späteren Büchern seiner großen Zeitgeschichte sie auch verzeichnet. Gegen-
über der Frage nach der Geschichtlichkeit angeblicher Wunder befindet er sich
wie andre Historiker derselben Zeit in einer gewissen Verlegenheit und wagt
nicht eine prinzipielle Entscheidung zu fällen, sondern sucht sie von Fall zu
' Fall zu treffen'). Schon in einem seiner ersten Bücher ""j berichtet er, daß am
Tage der Schlacht bei Bedriacum sich bei Regium Lepidum ein Vogel von nie
gesehener Gestalt niedergelassen und weder von den Menschen noch von den
ihn umschwärmenden Vögeln sich habe verscheuchen lassen, bis Otho sich
selbst getötet; dann sei er verschwunden; als man die Zeit nachgerechnet, sei
Anfang und Ende der Wundererscheinung mit Othos Tode genau zusammen-
getroffen. So sehr er es unter seiner Wurde halte, fügt Tacitus ausdrücklich
hinzu, sein ernstes Werk mit Fabeln zu schmücken, so wage er in diesem Falle
doch nicht, dem, was allgemein berichtet werde, den Glauben zu versagen.
Die regelmäßigen Erwähnungen der Vorzeichen, namentlich solcher, die
einem Privatmanne die künftige Kaiserwürde, und solcher, die den Tod des
Kaisers verkündeten, bei Sueton, Cassius Dio, Herodian, den späteren Kaiser-
biographen, lassen an der Fortdauer dieses Glaubens, den die Schriftsteller doch
gewiß auch bei der großen Mehrzahl ihrer Leser voraussetzen mußten, keinen
Zweifel: und oft genug zeigt die Erzählung, bis zu welchem Grade die hervor-
ragendsten Männer jener Zeit in diesem Glauben befangen waren. August,
Sueton über sagt Sueton, achtete auf gewisse Wahrzeichen, deren Bedeutung ihm für völlig
sicher galt. Wenn er morgens einen Schuh auf den falschen Fuß zog, war es
ein übles, wenn beim Antritt einer längeren Reise Tau fiel, ein gutes Vorzeichen;
auch wunderbare Ereignisse machten immer großen Eindruck auf ihn, wie daß
vor seinem Hause aus den Fugen der Steine eine Palme hervorsproßte, und bei
seiner Ankunft in Capri die zu Boden gesenkten, schon kraftlosen Äste einer
alten Steineiche neue Kraft gewannen^) Und hätte Livius bei Sueton das mit
wahrem Bienenfleiß aus Büchern und Überlieferungen zusammengetrageneVer-
zeichnis aller der Vorzeichen lesen können, die Augusts künftige Größe, seine
Siege und seinen Tod verkündeten, so würde er vielleicht seine Klage über die
Gleichgültigkeit gegen solche Dinge zurückgenommen haben. Dieser Stark-
gläubigkeit wurde jedes Ereignis bedeutungsvoll, und kein Wunder war ihr zu
groß oder zu lächerlich: Sueton berichtet ernsthaft, daß August als Kind, da er
eben zu sprechen anfing, einmal auf einem Familiengute den quakenden Fröschen
zu schweigen befahl, und man versichere, daß die Frösche seit jener Zeit dort
nicht mehr quakten"*).
Daß auch bei den Gläubigen verschiedne Arten von Vorbedeutungen ver-
schiedne Geltung hatten, daß das Ansehen der mannigfaltigen Methoden der
August.
Fortdauer des
Glaubens an die
herkömmlichen
Weissagungs-
methoden.
i) Pöhlmann, Sitz.Ber. Akad. Münch. 19 10 I 38 ff.
94, 7-
2) Hist. n 50. 3) Sueton. Aug. 92. 4) ebd.
[IV. 17 4] r. DER GÖTTERGLAUBE 159
Prophezeiung nicht zu allen Zeiten dasselbe war, sondern bald jene, bald diese
den meisten Glauben fand, ist selbstverständlich. Aber niemals ist doch eine
der anerkannten Arten der Weissagung aus Mangel an Glauben ganz außer Ge-
brauch gekommen. Der vernichtende Spott Ciceros über die Haruspicin und Die Haruspicin.
Eingeweideschau überhaupt könnte zu der Ansicht verleiten, als sei diese Weis-
sagung in eine zu tiefe Mißachtung versunken gewesen, um (wenigstens bei den
Gebildeten) jemals wieder zu Ansehen gelangen zu können: aber nichts würde
irriger sein. Cicero führt jene Äußerung des Cato an, er wundere sich, daß ein
Haruspex, der einen andern sehe, sich des Lachens enthalten könne; weiter die
Frage des Hannibal an König Prusias, der das Liefern einer Schlacht von einer
Eingeweideschau abhängig machen wollte: ob er einem Stückchen Kalbfleisch
mehr glaube als einem alten Feldherrn! er erinnert daran, wie namentlich auch
im letzten Bürgerkriege fast immer das Gegenteil von dem Prophezeiten einge-
troffen sei^). Aber der Spott der Ungläubigen machte die Gläubigen ebenso-
wenig irre wie die Tatsachen, die ihren Glauben Lügen straften. Wie immer
in ähnlichen Fällen hatten sie nur für die wirklich oder angeblich eingetroffnen
Prophezeiungen Gedächtnis, und zahlreiche Zeugnisse aus den folgenden Jahr-
hunderten bestätigen die Fortdauer des Glaubens an die Eingeweideschau, so-
wie ihre Verbreitung auch in den gebildeten Klassen.
Schon das Verbot des Tiberius, die Haruspices im geheimen und ohne Zeugen
zu befragen^), setzt eine sehr allgemeine Benutzung dieser Weissagungsform
voraus. Die Besorgnis des Claudius (im Jahre 47), daß diese älteste Wissen-
schaft Italiens durch Vernachlässigung erlöschen könnte^), hat nicht sowohl eine
Abkehr des allgemeinen Interesses von der Eingeweideschau als die drohende
Gefahr einer Verfälschung der altetruskischen Lehre durch das Eindringen
fremder Vorstellungen zur Voraussetzung. Der ältere Plinius sagt ausdrücklich,
ein großer Teil der Menschen stecke indem Glauben, daß die Tiere durch ihre
Muskelfasern und Eingeweide uns vor Gefahren warnen*). Dem Kaiser Galba
meldete an dem Morgen des Tages, an dem er ermordet wurde (15. Januar 69),
der Haruspex Umbricius, daß die Eingeweide des Opfers auf gefahrdrohende
Nachstellungen und einen Feind im Hause deuteten: was Otho, welcher dabei-
stand, als ein für ihn frohes und seinem Unternehmen günstiges Zeichen auf-
faßte^). Epictet, der den Lehren seiner Schule gemäß auch hier Offenbarungen
der Gottheit erkannte und an der Kunst, die sie deutete, keinen Zweifel hegte,
mahnt nur, man solle sich in seinen Handlungen nicht allein durch die Weis-
sagung, sondern vor allem durch das Pflichtbewußtsein leiten lassen; wozu er
keine Veranlassung gehabt hätte, wenn das erstere nicht sehr allgemein ge-
schehen wäre. Nur die Angst vor der Zukunft sei es, welche die Me ischen so
oft zu den Wahrsagern treibe. Man nähere sich ihnen, zitternd vor Aufregung,
mit Bitten und Schmeicheleien, als könnten sie unsre Wünsche erfüllen: »Herr,
werde ich meinen Vater beerben? Herr, habe Erbarmen mit mir, mache, daß
ich ausgehen darf! « Aber der Eingeweide- oder Vogelschauer kann doch nichts
voraussehen, als die bevorstehenden Ereignisse selbst, wie Tod, Gefahr, Krank-
1) Cic. de div. II 51 ff., vgl. 56. 2) Sueton. Tiber. 63, i. 3) Tac. A. XI 15. Vgl. Cass. Dio
LII 36, 3 (Rede des Mäcenas): TrdvTU)^ Tivctq KOi iepoiTTaq KOi oiiüviaräc; drcööeiEov, oxc, oi ßou-
X6|aevo( Ti KOivuüaaoGai ouveöovxai. 4) Plin. n. h. VUI 102. 5) Tac. H. I 27.
i6o XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTANDE [IV. 175, 176]
heit oder dergl. Ob sie dem Betreffenden in Wahrheit heilsam oder schädlich
seien, weiß er nicht"). Herodian sagt, der tapfere Widerstand der Stadt Aqui-
leja gegen Maximinus sei hauptsächlich infolge der Prophezeiungen der dort an-
wesenden Haruspices geleistet worden; »denn auf diese Art der Weissagung
vertrauen die Bewohner von Italien am meisten«^). Daß sie aber auch außer-
halb Italiens Ansehen genug hatte, beweist außer den Äußerungen Epictets die
Anerkennung, welche ihr der Traumdeuter Artemidor zollt, der neben seiner
eignen Kunst nur sehr wenige Methoden der Weissagung gelten ließ : Sterndeu-
tung, Opfer-, Vogel- und Leber- (d. h. Eingeweide-) schau ^). Und daß es der
Haruspicin auch unter den Gebildeten an Gläubigen niemals fehlte, darf man nach
einzelnen zufälligen Angaben aus verschiedenen Zeiten schließen. Regulus, der
in der Zeit von Nero bis Domitian als Redner und Ankläger in Pvlajestätsprozessen
eine unheilvolle Berühmtheit besaß, befragte jedesmal, wenn er auftrat, die
Haruspices über den Ausgang des Prozesses"*). Nach Juvenal wurden sie von
vornehmen Frauen wegen der Erfolge der von ihnen bewunderten musikalischen
Virtuosen und Schauspieler so viel befragt, daß sie vom langen Stehen Krampf-
adern in den Beinen bekamen^). Der Kaiser Gordian (der erste) war in dieser
Wissenschaft über die Maßen erfahren^), zu welcher auch Diocletian großes
Zutrauen hatte^), Constantin gestattete den privaten Gebrauch der Haruspicin,
nur den innerhalb des Hauses vorgenommenen verbot er bei Todesstrafe ; bei
Blitzbeschädigung hat er sie nftch selbst (321) von Staatswegen angeordnet^).
Ammianus Marcellinus zählt unter die Mittel, welche die Güte der Vorsehung
den Menschen zur Erforschung der Zukunft verliehen habe, auch die Haruspicin
und sagt, daß Julian schon in der Zeit, wo er noch das Bekenntnis des Christen-
tums heuchelte, der Haruspicin und den Augurien ergeben war, »sowie allem
übrigen, was die Verehrer der Götter von jeher getan haben« ^). Nach diesen
Angaben über die Fortdauer und Verbreitung des Glaubens an die Haruspicin,
die sich noch sehr vermehren ließen'"), läßt sich dasselbe für alle übrigen her-
kömmlichen Prophezeiungsmethoden voraussetzen.
)ie Astrologie. Unter den Arten die Zukunft zu erforschen setzt nun allerdings die Lieblings-
wissenschaft jener Zeit, die Astrologie, die namentlich unter den höheren Stän-
den das meiste Ansehen genoß, den Glauben an die Götter und eine durch sie
geübte Vorsehung nicht notwendig voraus, obgleich sie ihn ebensowenig aus-
schließt"'): in der vorsehungsgläubigen stoischen Schule war unter den Alteren
i) Epictet. Diss. II 7; vgl. I i, 17. III i, 37. IV 4, 5. 2) Herodian. VIII 3, 7. 3) Artemidor.
Onirocr. II 69. 4) Plin. ep. VI 2, 2 ; vgl. II 20, 4. 5) Juv. 6, 385 — 397. 6) Victor Caes. 26, 4.
7) Lact. De mort. persec. 10. 8) Cod. Theod. IX 16, i f. XVI 10, l. Mommsen, Strafrecht S. 862 f.
9) Ammian. XXI l, 9. 2, 4; vgl. XXIII 5, 10 — 13. XXV 6, i. 10) Hist. aug. Alex. Sev. 27, 6;
Florian. 15, 2 ff. Cod. Theodos. IX 16. Firmic. Matern. Math. II 30, 4: scire ejivn te convenit, quod
et haruspices quoticsainque a privatis interrogati de statu imperatoris fuerint et quaet-enti respondere
voluermt, exta setiiper, quae ad Iwc fuerint destinata, venarum ordinis involuta confusione co7iturbent.
Prudent. c. Symmach. II 892. Augustin. Conf. IV 2, 3 (s. oben II 230 A. 8). In Inschriften erscheinen
außer dem offiziellen römischen ordo haruspiaim ZX(Wissowa a. a. O. S. 54^ ^O "^'^ "^^^ Privat-
haruspices u. a. auch solche einzelner Städte (z. B. haruspices publ(ici) c(oloniae) Tr(everorum)
CIL XIII 3694) und Truppenkörper (CIL VIII 2586 = Dessau 2381, vgl. v. Domaszewski, Westd.
Zschr. XIV 1895, III ; Bonn. Jahrb. CXVII 1908 S. 14. 37). 11) Firm. Matern. Math. I 3, i nos
enim tinieri deuni, nos coli facimus .
[IV. 177]
I. DER GÖTTERG LAUBE
i6i
Die Orakel.
Panätius der einzige, der sie verwarf: und dieser bestritt die Vorbedeutungen
und die Weissagungen überhaupt'). Doch liegt es in der Natur der Sache, daß
der in der damaligen Welt so ungemein verbreitete Glaube an ein unabwend-
bares Verhängnis, welcher der Astrologie gerade am meisten Vorschub leistete^),
leicht zur Entfremdung vom Gotterglauben führen konnte. Der Glaube, der
»alle Ereignisse durch die Gesetze der Geburt ihren Gestirnen zuwies«, und dem,
wie Plinius in einer bereits angeführten Stelle sagt, die Menge der Gebildeten
wie der Ungebildeten gleich bereitwillig zufiel — dieser Glaube, nach welchem
das einmal Beschlossene für alle Zukunft unabwendbar feststand, setzte die
Gottheit für immer in Ruhe^j. Tiberius, sagt Sueton, verhielt sich inbezug auf
die Götter und den Gottesdienst ziemlich gleichgültig, da er der Astrologie
ganz ergeben und von der Überzeugung durchdrungen war, alles geschehe nach
Verhängnis'*).
Aber auch die Weissagung der Orakel, in welcher die Götter gleichsam per-
sönlich den Menschen die Zukunft offenbarten, die also, weil sie die unmittel-
barste Eingebung der Gottheit voraussetzte, so auch am meisten den Glauben
an sie befestigen und nähren mußte, auch sie hat in den ersten nachchristlichen
Jahrhunderten kaum weniger allgemeines Ansehen genossen als zu irgend einer
früheren Zeit^); und daß diese Weissagung nicht bloß fortbestand, sondern auch
nach einem zeitweiligen Verfall eine vollständige Restauration erleben konnte,
ist ein um so unzweifelhafterer Beweis für die Kraft des Götterglaubens. Strabo,
der den Verfall und die Vernachlässigung der griechischen Orakel in der Zeit Ihr zeitweiliger
•• '\7' vf W A X-
Augusts ausdrücklich bezeugt, ist zwar zu seinen Äußerungen wohl mit von dem ! t •
° . •=> ' ° dasuberwiegen-
Gedanken an die Zeiten des Glanzes von Delphi bestimmt worden, der doch de Ansehen der
schon seit Jahrhunderten erloschen war; aber auch für das damals eingetretene italischen Pro-
Sinken des Ansehens der griechischen Orakel überhaupt gibt er allem Anscheine
nach die richtige Ursache an : daß nämlich die Römer sich mit den Weissagungen
der sibyllinischen Bücher und der etruskischen Prophezeiung (durch Beobach-
tung der Eingeweide, des Vogelflugs und der himmlischen Zeichen) begnügten^).
Es war eine natürliche Folge der Weltherrschaft, daß das Römische auf allen
Gebieten zunächst das Unrömische in seiner Bedeutung herabdrückte: und der
überwältigende Eindruck römischer Macht und Größe hatte gerade damals auch
in der griechischen Welt seine Kulmination erreicht. Doch wenn dieser Ein-
druck gleich vermochte, dem Glaubensbedürfnisse der Menschen neue Rich-
tungen zu geben, so war er keinesfalls stark genug, sie auf die Dauer ganz zu
beherrschen. Der alte Glaube stellte sich völlig wieder her, und die altberühm-
ten Orakeltempel füllten sich aufs neue mit Wallfahrern. Dort sagten >von
Gott erfüllte und mit ihm eins gewordene Propheten die künftigen Dinge voraus,
gewährten Verhütung von Gefahren, Heilung von Krankheiten, Hoffnung für
l) Zeller III i"* S. 349, 2. 2) Tac. A. VI 22 ; vgl. IV 20; H. I 18. 3) Plin. n. h. II 22 ; vgl.
oben S. 122. 4) Sueton. Tiber. 69. Vgl. Ps. Manetho apotel. I 196 ff. riiiTe inotTriv avQpuine
6ur]TT0\eei(; juiaKdpeööiv usw. Commodian. Instruct. I 16, 5 si tribuunt fata genesis, cur deum ora-
Hs? Cumont, Fatalisme astral et leligions antiques (Revue d'hist. et de litt^r. religieuses 1913);
Die oriental. Religionen^ S. 322, 58. 5) Die wissenschaftliche Diskussion der Philosophen über
Wert und Bedeutung der Orakel s. bei F. Jäger, De oraculis quid veteres philosophi iudicaverint
(Diss. Rostock 1910) S. 48 ff. 6) Strabo XVII 813. G. Wolff, De novissima oraculorum aetate
(1854) S. I.
Friedlaender, Darstellungen. lU. 9. Aufl. II
phezeiung.
Ihre Restau-
ration.
i62 XlII. DIK RELIGIÖSEN ZUSIÄNDE [IV. 178]
Betrübte, Hilfe für Unglückliche, Trost in Leiden, Erleichterung in Mühsalen« ').
Auch die christlichen Schriftsteller, welche behaupteten, mit dem Kommen des
Erlösers in die Welt sei die Macht der falschen Götter gebrochen gewesen, der
Zauber, durch den sie so lange Bildern von Holz und Stein Sprache verliehen,
habe seine Kraft verloren, und ihre Orakel seien verstummt"): auch sie mußten
bekennen, daß die Dämonen in den Orakeltempeln aufs neue wahre Prophezei-
ungen und heilsame Warnungen erteilten und Heilungen bewirkten; aber freilich
nur, um durch diese scheinbaren Wohltaten denen um so größeren Schaden
zuzufügen, welche sie von dem Forschen nach der wahren Gottheit durch Ein-
schwärzung der falschen ablenkten 3). Daß die Dämonen die Zukunft voraus-
wußten, erklärte man sich daraus, daß sie als ehemalige Diener Gottes seine
Absichten kannten'*). Noch Petrarca, sonst auffallend frei von Aberglauben,
glaubte an die heidnischen Orakel als von Dämonen erteilte 5).
Die Größe des römischen Reichs und der durch die Vortrefflichkeit seiner
Die Verbreitung Kommunikationsmittel höchst entwickelte unaufhörliche Wechselverkehr aller
il^res Ansehens ggj^gj. Xeile miteinander hatte eine ungeheure Erweiterung des Gebiets zur
^"^ griechische" Folge, auf das sich der Einfluß der angeseheneren Orakel erstreckte. Aus fernen
Länder. Barbarenländern pilgerten nun Hilfe und Rat Suchende zu den griechischen
Tempeln, und die Sprüche der griechischen Götter wurden mit Ehrfurcht in
Gegenden vernommen, in die vor der Zeit der römischen Weltherrschaft ihre
Namen nie gedrungen waren. Wenn (wie es scheint Ende des 2. Jahrhunderts)
eine Kohorte von Tungrern in ihrem Standquartier zu Borcovicium (Housesteads)
am Hadrianswall in Britannien >den Göttern und Göttinnen« eine Widmung
darbrachte »gemäß der Auslegung des Orakels des klarischen Apollo^ (bei
Kolophon)^), und ähnliche Weihinschriften zuCorinium im nördlichen Dalmatien
und in Cuicul in Numidien sich auf den Spruch desselben Orakels berufen^):
so wird man hier vielleicht an eine von Truppen verschiedner Provinzen ver-
einbarte Befragung dieses Gottes zu denken haben. Jedenfalls kann man nicht
zweifeln, daß die berühmten Orakel in der römischen Kaiserzeit aus allen Pro-
vinzen des Reichs befragt wurden, und die zahlreichen gelegentlichen Erwäh-
nungen der Schriftsteller bestätigen es. So befragte (um nur einiges anzuführen)
Germanicus außer dem eben erwähnten Orakel des klarischen Apollo auch das
des Stiers Apis zu Memphis^), Tiberius das Losoiakel des Geryones bei Pata-
vium^j, Caliguladas der Fortunen zu Antium'°i,Nero das zu Delphi"), Vespasian
das auf dem Berge Karmel'^), Titus das der Venus zu Paphus auf Cypern'^),
Caracalla das des Sarapis zu Alexandria und überhaupt alle berühmten Orakel"*).
In den Kreisen der Gläubigen führte man Beweise von der Allwissenheit der
i) Minuc. Felix Octav. 7, 6. 2) Euseb. Praep. evang. V i. Prudent. Apotheos. 435 ff. 3) Minuc.
Fei. 27, I. Tertullian. De anima 46. Orig. c. Cels. VIII 54. 4) Lactant. Inst. div. II 16, 14.
5) Körting, Petrarcas Leben u. Werke S. 613, l. 6) CIL VII 633 = Dessau 3230.^ 7) CIL III
2880. VIII 8351 = Dessau 3230». b. über das Ansehen des Orakels von Klaros bis ins 4. Jahr-
hundert Buresch, Klaros (1889 S. 4off. Ein Orientale in Vasio, der dort dem Bei einen Altar er-
richtete, T&v ev 'ATOiueia |Livriöd|Lievo<; Xo^iW (CIL XII 1277 = Dessau 4333)> wird das Orakel
vor seiner Reise oder Übersiedelung erhalten haben. 8) Tac. A. II 54- Pün- i- h. VIII 185.
9) Sueton. Tib. 14, 3. 10) Sueton. Calig. 57, 3; vgl. Cass. Dio LIX 29, 3. 11) Sueton. Nero
40, 3. Ps. Lucian. Nero 10. 12) Suet. Vesp. 5, 6. Tac. H. II 78. 13) Suet. Tit. 5, l. Tac. H.
II 4. 14) Herodian. IV 8, 6. 12, 3.
[IV. 179, i8o] I. DER GÖTTERGLAUBE 163
Orakel an, die das noch überboten, was Herodot von den Antworten des delphi-
schen auf die Fragen des Krösus berichtet. Bei Plutarch erzählt dessen Freund,
der gelehrte Demetrius aus Tarsus'), als ein selbsterlebtes Ereignis, wie ein
ungläubiger Statthalter von Cilicien durch einen Orakelspruch zum Glauben
bekehrt wurde. Er sandte auf Veranlassung einiger epikureischer Religions-
spötter in seiner Umgebung einen Freigelassenen mit einem versiegelten Täfel-
chen, das die Frage enthielt, zu dem Traumorakel des Halbgottes Mopsus.
Der Bote, der nach der dortigen Sitte im Tempel eine Nacht zubrachte, träumte,
daß ein schöner Mann zu ihm trete und spreche: einen schwarzen — sodann
sich entferne. Als er dies dem Statthalter meldete, erschrak derselbe, fiel auf
die Knie, öffnete das Täfelchen und zeigte den Anwesenden seine Frage: werde
ich einen weißen oder schwarzen Stier opfern? Auch die Epikureer waren be-
stürzt, der Statthalter aber brachte das Opfer und verehrte fortan den Mopsus'').
Doch nichts zeigt so sehr, welcher Selbstbetörung der Wunderglaube fähig DasOrakeUies
war, und macht zugleich so anschaulich, wie leicht und schnell Orakel in Gegen- ^bo^uteichor
den Eingang und Geltung finden konnten, in denen sie früher unbekannt waren,
als Lucians Bericht über das von dem Pseudopropheten Alexander in seiner
Vaterstadt Abonuteichos in Paphlagonien eingerichtete angebliche Orakel des
Apollo und Asklepios^).
Alexander (geb. um 105, gest. gegen 175)'^), schon als Knabe durch Schön-
heit ausgezeichnet, war von einem Landsmanne des ApoUonius aus Tyana,
einem Arzt, in den Gaukeleien der Magie unterwiesen worden und hatte diesem
als Gehilfe gedient. Nachdem er dann mit einem Gefährten Bithynien und Maze-
donien als Zauberer und Wahrsager durchzogen, wählte er zur Gründung eines
eignen Orakels seine Vaterstadt, die dazu durch die krasse Götterfurcht und die
Wohlhabenheit ihrer Bewohner besonders geeignet erschien. Erztafeln, von
ihm im Apollotempel zu Chalcedon vergraben und wieder aufgefunden, melde-
ten, daß Apollo mit seinem Sohne Asklepios nach Abonuteichos übersiedeln
werde, dessen hocherfreute Bewohner sogleich die Erbauung eines Tempels für
den letzteren in Angriff nahmen. Nachdem sodann ein Sibyllenausspruch ver-
breitet worden war, daß Alexander, ein Abkömmling des Perseus und Asklepios,
als Prophet erscheinen werde, hielt er selbst, eine imposante und gewinnende
Erscheinung, prachtvoll in Weiß und Purpur gekleidet, die Sichel, wie sie einst
Perseus geführt, in der Hand, seinen Einzug. Der Gott Asklepios sollte sich in
der Gestalt einer Schlange zeigen. Alexander ließ seine Landsleute in dem
Wasser, das sich beim Graben der Fundamente des Tempels gesammelt hatte,
ein ausgeblasenes Gänseei finden, in dem sich eine kleine Schlange befand;
bald darauf wies er eine längst in Bereitschaft gehaltene große, zahme vor,
das schnelle Wachstum des Gottes erschien nur natürlich. Wenn Alexander
sich mit der Schlange um den Hals in einem halbdunkeln Räume zeigte, ließ
er statt ihres Kopfs einen aus bemalter Leinwand verfertigten Schlangenkopf
aus seinem Gewände hervorstehen, der einem Menschengesicht ähnlich war
und durch das Ziehen von innen angebrachten Pferdehaaren geöffnet und ge-
il Über ihn vgl. H. Dessau, Hermes XLVI igii S. 156!?. 2) Plutarch. De def. orac. 45. 3) Ed.
Zeller, Vortr. u. Abhdl. II 154 ff. Fr. Cumont, Alexandre d'Abonotichos ^Extr. du T. XL des Mt'-
moires couronn6s et autr. Mem. de l'Acad. royale de Belgique) 1887. 4) Cumont S. 5: f.
i64 Xin. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. i8:
schlössen werden konnte. Später wurde auch eine Röhre in den Kopf geführt,
durch welche ein Gehilfe den Gott sprechen lassen konnte, doch wurden solche
»selbstgesprochnen« Orakel nur ausnahmsweise und für hohe Bezahlung erteilt.
Gewöhnlich wurden die Fragen versiegelt eingereicht und ebenso zurückge-
geben; beim Eröffnen fand man die Antwort des Gottes darunter geschrieben.
Dieser nannte sich selbst Glykon.
Schnell verbreitete sich der Ruf des Orakels in ganz Kleinasien und Thracien'],
und der Zudrang zu demselben, der während der ganzen Zeit seines Bestehens
(über 20 Jahre) nicht abgenommen zu haben scheint, steigerte sich zuweilen so,
daß in Abonuteichos Mangel an Lebensmitteln eintrat. Lucian schätzt das
Einkommen des Propheten bei einer Gebühr von etwa i Mark für den Spruch
auf etwa 60000 Mark jährlich, wovon allerdings ein zahlreiches Personal von
Gehilfen aller Art zu besolden war; doch zwei Exegeten rätselhafter Orakel-
sprüche mußten dem Propheten aus ihren Einnahmen eine Pacht von je etwa
4800 Mark jährlich entrichten. Öfters verhieß der Gott die Erfüllung der Wünsche
der Fragenden, falls der Prophet für sie bitten würde. Nicht selten waren die
Fragen in fremden Sprachen, wie in der syrischen und der (in Galatien sich als
Umgangssprache behauptenden) keltischen, verfaßt, und es war nicht immer
leicht, Leute zu finden, welche dieselben verstanden. Gelegentliche Mißgriffe
in der Beantwortung schadeten dem Ansehen des Orakels nicht; seine Göttlich-
keit offen zu leugnen, war nicht ohne Gefahr; denn Alexander verstand es, den
Schwärm der Gläubigen gegen seine Widersacher (namentlich Epikureer) als
^Atheisten und Christen« zu fanatisieren. Die Priester der angesehensten Orakel
Kleinasiens machte er sich zu Freunden, indem er öfters die Besucher des
seinigen an sie verwies.
Durch Emissäre ließ Alexander auch in andern Provinzen für seinen Gott
_ Propaganda machen, und bald gewann er zahlreiche Gläubige auch in Italien
und in Rom selbst. Viele der höchstgestellten und einflußreichsten Männer
setzten sich mit ihm in Verbindung. Verfängliche Fragen (d. h. solche, die sich
auf den Kaiser oder Staatsangelegenheiten bezogen) behielt Alexander zurück
und hatte dadurch die Fragesteller in seiner Gewalt, die seine Verschwiegenheit
teuer erkaufen mußten. In dem überaus gottesfürchtigen und abergläubischen
P. Mummius Sisenna Rutilianus (consul suff. vor 172)^) gewann er einen so
blindgläubigen Verehrer, daß der 60jährige Konsular sich auf das Geheiß des
Gottes Glykon mit einer Tochter des paphlagonischen Schwindlers vermählte,
deren Mutter angeblich die Mondgöttin war. Rutilianus war es auch, der den
Kaiser Marc Aurel bewog, im Kampfe gegen die Markomanen, als ein Opfer,
welches den Römern den Sieg sichern sollte, zwei Löwen in die Donau werfen
I) Wenn die Katastrophe des P. Aelius Severianus Maximus nach Lucian. Alexand. 27 durch
dessen törichtes Vertrauen auf das Orakel des Alexander herbeigeführt wurde, so muß dieses schon
161 n. Chr. (Napp, De rebus imp. M. Aurel. Antonino in Oriente gestis, Diss. Bonn 1879 S. 15—18)
in großem Ansehen gestanden haben. In der Stelle des Lucian ist in den Worten Otto tou 'OBpud-
&0U KaxaKOTTeit; entweder mit Mommsen RG. V 406, i eine grobe Ignoranz der Quelle Lucians an-
zunehmen oder mit v. Gutschmid dafür iittÖ toü 'Oöpöou zu schreiben. 2) Waddington, Fastes
des provinces Asiatiques nr. 153. Prosopogr. imp. Rom. II 388 f. Cumont S. 48 setzt ohne hin-
länglichen Gi-und das Konsulat des Rutilianus nach 161.
[IV. i82] I. DER GÖTTERGLAUBE 165
zu Tassen, worauf sie freilich eine große Niederlage erlitten (wohl unter Furius
Victorinus 166). Als Lucian bei dem Statthalter von Bithynien, LolHanus Avi-
tus '), eine Klage wegen eines von Alexander gegen ihn gemachten Mordversuchs
erheben wollte, beschwor ihn dieser, davon abzustehen, da er den Schwieger-
vater des Rutilianus nicht verfolgen könne ^). Mit den Schrecken des Kriegs
vereinigten sich damals die verheerenden Wirkungen jener in einem großen
Teile des Reichs wütenden Epidemie^], um überall auch das religiöse Bedürfnis
und die Glaubensseligkeit aufs höchste zu steigern. Überall las man auf den
Haustüren einen von Alexanders Sendboten, die seinen Beistand gegen Seuchen,
Feuersbrünste und Erdbeben empfohlen hatten, verbreiteten Orakelspruch, der
ein sicheres Schutzmittel gegen jene Pest sein sollte"*).
Alexander starb im Alter von fast 70 Jahren in unangefochtenem Besitz von
Ehre, Macht und Reichtum, und noch nach seinem Tode stand eine Statue von
ihm auf dem Markt in Parium in Mysien, bei der ihm öffentliche Opfer und Feste
gefeiert wurden^). Lucians Berichte, die man als übertrieben ansehen könnte,
erhalten volle Bestätigung durch Münzen von Abonuteichos mit den Köpfen
der Kaiser Antoninus Pius und Marc Aurel, die auf der Rückseite eine Schlange
mit einem Menschenkopfe, zum Teil mit der Beischrift »Glykon«, zeigen. Die
Legenden dieser Münzen bestätigen ferner, daß Alexander, wie Lucian eben-
falls berichtet, (wohl bei L. Verus während dessen Aufenthalts in Asien 163 bis
166) die neue Benennung »lonopolis« für seine Vaterstadt durchzusetzen ver-
mochte, welche sogar die ältere verdrängt^) und sich in wenig veränderter Form
(Ineboli) bis heute erhalten hat^). Der erwähnte Münztypus findet sich dort bis
in die Zeit des Trebonianus Gallus (251 — 253), und unter Caracalla und Gor-
dian III. auch in Nicomedien, wohin also der Kultus des Gottes Glykon eben-
falls gedrungen sein muß^). Andere Zeugnisse für die Verbreitung desselben
haben sich in dem hauptsächlich von Kleinasien aus kolonisierten Dacien und
dem oberen Mösien gefunden: zwei in Apulum (Karlsburg in Siebenbürgen)
zum Vorschein gekommene Inschriften sind dem Gotte Glykon »auf dessen
Befehl« geweiht^); nicht ganz sicher ist die Deutung einer in Mösien (in Üsküb)
gefundenen Weihung »dem Juppiter und der Juno, dem Drachen und der
Drachenfrau und dem Alexander« '°), wonach also Alexander, falls er hier ge-
il Pausan. X 36, l. Mommsen RG. V 314, 2. 2) Lucian. Alexand. 57, wo statt des auTO^
und dveKTOc; der Hss. 'AoueiTOt; zu lesen ist; L. Lollianus Avitus (Konsul im J. 144, Prosop. II 293)
ist für das Jahr 165 als Statthalter von Bithynien bezeugt durch die Inschrift von Amastris IGR
ni 84; im Jahre 169 war Avitus nicht mehr Statthalter von Bithynien, Cumont S. 50, 4. 3) Oben
I 31. 4) Lucian. Alex. 36. Der Vers findet sich noch bei Martian. Capella I 19 und inschriftlich
im syrischen Antiochia, Weinreich, Athen. Mitteil. XXXVIII 1913 S. 66. 5) Athenagoras (etwa 177)
Leg. de christ. 26. 6) Eckhel D. N. II 383 f. Cumont S. 53. Babelon, Revue numism. 4. s^r. IV
1900 S. iff. Waddington, Recueilgenöral des monnaiesgrecquesde l'Asie mineure I I29ff. (die letzten
Münzen mit dem Namen Abonuteichos mit dem Bilde des Antoninus Pius, die ersten mit lonopolis
mit dem des L. Verus). 7) Renan, L'^glise chr^tienne S. 429, 5. 8) Cumont S. 42 f. Amulette,
auf denen das Bild des Glykon mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit erkannt wird, bei
Cumont S. 43—45. 9) CIL III 1021 (Dessau 4079). 1022. 10) CIL lU 8238 = Dessau 4080;
gegen die Beziehung auf Alexander von Abonuteichos E. Groag, Wiener Eranos (1909) S. 251 ff.
Vgl. auch CIL VI 112 = Dessau 3988. Sonstige Weihungen an einen oder mehrere dracones (CIL
VI 143 = Dessau 3896». CIL VIII 9326. 15247. 15378. 17722 = Dessau 3879) sind wir nicht be-
rechtigt auf Glykon zu beziehen, vgl. Cumont, Real-Encykl. V 1634 f.
i66
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 183, 184]
meint ist, außer der von Lucian erwähnten Schlange noch ein weibliches Exem-
plar gehabt haben müßte.
Der Glaube an Wenn ein SO plumper Betrug so lange Zpit hindurch ohne ernstliche Bekämp-
vorbedeutende f^J^g ^jid mit SO ungeheurem Erfolge geübt werden konnte, so ergibt sich der
Rückschluß auf den Glauben an die anerkannten Orakel und deren Einfluß von
selbst. Mehrere derselben waren Traumorakel, wie das des Mopsus und Am-
ph lochus zu Mallos in Cilicien, welches dem S. Quintilius Condianus seine und
seines Bruders Ermordung durch Commodus in einem Traume (von dem die
beiden Schlangen würgenden Herakleskinde) verkündete '^). Daß aber nicht bloß
dort, sondern überall Träume die Zukunft voraussagten, war unter allen Formen
des Glaubens an Vorbedeutungen die allgemeinste und die einzige, die selbst
ein Teil derer nicht bestritt, welche den Weissagungsglauben im übrigen durch-
aus verwarfen. Aristoteles^) und Demokrit^) gaben das Vorkommen weissagen-
der Träume zu, die aber nicht von den Göttern gesandt, sondern natürliche
Wirkungen natürlicher Ursachen seien; und so neigte auch der ältere Plinius,
der alle übernatürliche Offenbarung der Zukunft leugnete, zu dem Glauben an
bedeutende Träume. In einem seiner früheren Bücher läßt er die Frage unent-
schieden''), aber in einem späteren^) berichtet er als unzweifelhafte Tatsache,
daß ein Soldat der Kaisergarde in Rom, der durch den Biß eines tollen Hunds
wasserscheu geworden war, durch ein Mittel gerettet worden sei, das seiner in
Spanien lebenden Mutter ein Traum geoffenbart hatte. Ohne seinen Unfall zu
ahnen, hatte sie ihm dieses in einem Briefe mitgeteilt, der gerade zur rechten
Zeit ankam, um den Kranken wider alle Hoffnung zu retten. Wenn Plinius sagt,
dieses vorher unbekannte Mittel, das sich seitdem stets bewährte, habe »Gott«
offenbart, so dachte er wohl an jenes geheimnisvolle Walten der Natur, das sich
auch in den Sympathien und Antipathien ihrer Kräfte kund zu geben schien,
keinesfalls an die Vorsehung einer persönlichen Gottheit^).
Setzt aber der Glaube an weissagende Träume auch den Götter- und Vor-
sehungsglauben nicht notwendig voraus, so haben sicherlich immer nur die
wenigsten den einen ohne den andern gehegt, bei der großen Mehrzahl hat sich
der Glaube wie der Unglaube auf beide Gebiete zugleich erstreckt. Demokrits
Theorie hat allem Anschein nach selbst bei den Epikureern wenig Eingang ge-
funden, und sie haben im allgemeinen mit der Vorsehung auch die Weissagung
der Träume wie alle sonstige geleugnet. Dagegen allen, die eine Vorsehung
annahmen, sagt Origenes^), war es gewiß, daß es Erscheinungen im Traume
gab, die teils ganz eigentlich göttlicher Natur waren, teils die Zukunft offenbarten,
sei es deutlich, sei es in Rätseln. Im Schlafe, sagt der Vertreter des Heiden-
tums in dem Dialog des Minucius Felix ^), sehen, hören, erkennen wir die Gott-
heit, die wir am Tage gottlos leugnen, verschmähen, durch Meineid beleidigen.
Namentlich die Stoiker legten den größten Wert auf diese von der Vorsehung
den Menschen geschenkte »eigentümliche Tröstung eines natürlichen Orakels«;
und auch die Christen glaubten, daß nicht bloß von Gott, sondern auch von
i) Cass. Dio LXXII 7, i; vgl. oben S. 53. 2) W. Reichardt, De Arteraidoro Daldiano libro-
rum onirocriticorum auctore (Comm. phil. Jenens. V 1894) S. 116 f. S. Herrlich, Antike Wunder-
kuren (Progr. d. Humboldt-Gymn. Berlin 191 1) S. iQf. 3) W. Reichardt a. a. O. S. Il3f. 4) Plin.
n. h. X 211. 5) ebd._XXV 17. 6) Oben S. 121. 7) Orig. c. Geis. I 48. 8) Minuc. Fei. Octav. 7, 8.
Sein Zusammen-
hang mit demVor-
sehungsglauben.
[IV. 185] I. DER GÖTTERGLAUBE 167
Dämonen wahre Träume gesandt würden, freilich in der schon erwähnten bösen
Absicht, und viel öfter trügerische und unreine"). Man wird also nicht sehr irren,
wenn man auf die Allgemeinheit und Festigkeit des Götter- und Vorsehungs-
glaubens aus der Allgemeinheit und Festigkeit auch des Glaubens an Träume
schließt.
Über diese letztere kann nun aber niemand in Zweifel sein, der die Literatur der Seine allgemei-
ersten Jahrhunderte, namentlich die historische, auch nur oberflächlich kennt. "^ Verbreitung.
Selten wird ein großes Ereignis erzählt, ohne daß zugleich mindestens ein
Traum mitgeteit wird, der es ankündete. Die hervorragendsten Männer räumten
Träumen den größten Einfluß auf ihre Handlungen ein, man ließ sich durch sie
zu Unternehmungen jeder Art bestimmen; so schrieb Galen über Mathematik""),
der ältere Plinius seine Geschichte der römischen Kriege in Deutschland infolge
eines Traums^]. Träume entschieden über die Wahl des Lebensberufs: Galen
war zum Studium der Medizin durch einen Traum seines Vaters bestimmt
worden'^). Er ließ sich auch in der Behandlung seiner Kranken vielfach von
Träumen leiten, und zwar mit bestem Erfolge. So hatte er einmal auf die Ein-
gebung zweier deutlicher Träume die Ader zwischen dem Zeige- und Mittelfinger
der rechten Hand geschlagen und das Blut so lange fließen lassen, bis es von
selbst aufhörte^). Ebenso fest war übrigens sein Glaube an die Wissenschaft
des Vogelflugs ^). Sueton wandte sich an den jüngeren Plinius mit der Bitte,
den Aufschub eines Termins zu erwirken, an welchem er eine Verteidigung vor
Gericht führen sollte, da ein Traum ihm einen unglücklichen Ausgang verkündet
habe. Plinius rät die Sache nochmals zu erwägen, da es darauf ankomme, ob
Suetons Träume die bevorstehenden Ereignisse oder das Gegenteil bedeuten,
er selbst befinde sich im letzteren Falle^). August, der nicht bloß seine eigenen
Träume, sondern auch die auf ihn bezüglichen andrer sorgfältig beachtete, ließ
sich durch einen Traum bewegen, alljährlich an einem bestimmten Tage und an
einem bestimmten Orte den Vorübergehenden wie ein Bettler die hohle Hand
hinzuhalten und die Kupfermünze in Empfang zu nehmen, die sie ihm reichten^).
Marc Aurel dankte den Göttern, daß sie ihm in Träumen Verordnungen gegen
Schwindel und Blutspeien gegeben hatten^). Über die Träume und Vorzeichen,
welche die Herrschaft Severs vorausverkündeten, schrieb Cassius Dio ein Buch,
und Sever, der auf seine Träume so großen Wert legte, daß er z. B. einen der-
selben in Bronze ausführen ließ'°), nahm dasselbe sehr günstig auf"). Einst
hatte der spätere Kaiser sich auf eine hohe Warte geführt gesehen, von wo er
alles Land und Meer überschaute; er grifl" hinein wie in die Saiten einer Laute,
und Harmonien tönten ihm entgegen '']. Auch seine große römische Geschichte
begann Cassius Dio »auf die Weisung der Gottheit im Traume« und fand den
Mut und die Kraft, sie fortzusetzen und zu vollenden, durch neue Träume, in
i) Tertullian. Deanima46ff. 2) Galen. III 812. 3) Plin. ep. III 5, 4. 4) Galen. X 609. XVI
223 ; vgl. VI 833. 5) ebd. XVI 222. 6) ebd. XV 443 ff. 7) Plin. ep. I 18. 8) Sueton. August.
91 ; vgl. Cass. Dio LIV 35, 3. 9) M. Aurel. Comm. I 17. 10) Herodian. II 9, 3 — 6 (oben S. 53).
Eine solche bildliche Darstellung eines Traumgesichts auf einem Relief aus Amphipolis mit
Weihung an den thrakischen Schlaf- und Traumgott Totoes, P. Perdrizet, Bull. corr. hell. XXII
1898, 3 50 ff. 1 1) Cass. Dio LXXII 23, i f . 12) ebd. LXXIV 3, dazu E. Maaß, Aratea S. 145 f. ;
vgl. Hist. aug. Sever. 3, 5.
des Artemidor.
i68 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. i86]
welchen Tyche (welcher als der Beschützerin seines Lebens er sich ganz ge-
weiht hatte) ihm die Unsterblichkeit verhieß ').
Die Traumdeu- Das einzige, aus einer sehr umfangreichen, vorzugsweise griechischen Lite-
"^"^^^ Schaft' ratur"") auf uns gekommene Traumbuch ist namentlich auch als Beweis dafür
interessant, wie sehr die Traumdeutung als eine Wissenschaft anerkannt war,
deren Vertreter sich bemühten, auf Grund eines möglichst umfassenden und
zuverlässigen Materials die Methode der Auslegung zum höchsten Grade der
Das Traumbuch Strenge und Schärfe auszubilden. Der Verfasser, Artemidor von Daldis (so
mochte er sich lieber nennen als nach seiner Geburtsstadt Ephesus, da er dem
obskuren Geburtsorte seiner Mutter auch den Ruhm gönnen wollte, einen namen-
haften Mann hervorgebracht zu haben) ^), lebte gegen Ende des 2. Jahrhunderts
und schrieb auf das wiederholte Geheiß des Apollo, der ihm sichtbarlich er-
schienen war, und auf den Antrieb eines Cassius Maximus "^j, der wahrscheinlich
niemand anders ist als der Platoniker Maximus von Tyrus^). Auch für Artemidor,
der außerdem Schriften über Vogel- und Handbeschauung verfaßte^), waren die
Träume, welche die Götter »der von Natur prophetischen Menschenseele
senden«, eine Betätigung der göttlichen Vorsehung, und seine Gegner setzte
er hauptsächlich unter denen voraus, welche weder an diese, noch an Weis-
sagung überhaupt glaubten. Seine tiefe Ehrfurcht vor dem Walten der Gott-
heit beweist unter anderm die Warnung, wenn man Träume von den Göttern
erbitte, nicht nach Unnützem zu forschen und ja nicht so zu beten, als wolle
man ihnen Vorschriften machen, nach dem Traume aber ein Opfer und Dank-
gebet zu bringen^). Er betrachtete den ihm gewordnen Beruf, die Kundge-
bungen der Gottheit auszulegen, wie ein Priestertum, seine »Wissenschaft« war
ihm heilig. Sein ganzes Leben hatte er an ihre Erforschung gesetzt, Tag und
Nacht studiert^), alle irgend aufzutreibenden Traumbücher gekauft und auf
seinen Reisen in Kleinasien, Griechenland, Italien und auf den Inseln so viel
Fachgenossen wie möglich kennen zu lernen und seine Kenntnisse durch Er-
fahrung zu bereichern gestrebt. Der hohe Begriff von der Wahrheit und Würde
seiner Wissenschaft ließ ihn jede Scharlantanerie und Künstelei verschmähen.
Streben nach Effekt bei dem großen Publikum und dem Beifalle gewerbsmäßiger
Schönredner, sagt er, habe ihm ferngelegen: sonst wäre es ihm leicht gewesen,
ebensogut wie andre blendende und frappierende Dinge zu sagen^). Stets dringt
er auf einfache und leicht verständliche Erklärungen der Träume und verwirft
die spitzfindigen und künstlichen, mit welchen den Laien imponiert werde: ja er
fand sie gotteslästerlich, weil man damit den traumsendenden Göttern gewisser-
maßen die Absicht zu täuschen beilege^"). Stolz war er nur auf die Genauigkeit
und Schärfe seiner Auslegung. Von seiner Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit
i) Cass. Dio LXXII 23, 2. 4. 2) TertuUian. De anima 46, 2. Die ältere griechische Literatur
der Traumdeutung bei Bouch^-Leclercq, Histoire de la divination dans l'antiquit^ I 277 ff. 3) Ar-
temidor. III 66 p. 196, 19 Herch. 4) Artemidor. I praef. p. 2, 26. II 70 p. 167, 9. 5) Diese
Vermutung hat O. Hirschfeld in der Übersetzung des Artemidor von Krauß (1884) S. 8 ausge-
sprochen und DIels (Hermes XXIII 1888 S. 287 f.) hat ihr zugestimmt. Vgl. auch oben I 108 A. 7.
6) Suid. s. V. 'ApTe|n(5uupo<;. Eine Erwähnung bei Galen. XV 444: 'ApTem&uijpou toO OaiKÖ äWuuv
xe Tivdiv oiujviaTÜJv €vb65uuv ßi'ßXouq hat Diels a. a. O. nachgewiesen. 7) Artemidor. IV 2
p. 205, 25. 8) Über seine Studien und Quellen vgl. W. Reichardt a. a. O. S. I26ff. 9) Artemidor.
I praef. II 60. 70 p. if. 167 f. 10) ebd. IV 63 p. 240 f.
Krankheiten
durch Träume.
[IV. 187, i88] I. DER GÖTTERGLAUBE 169
enthält sein Buch zahlreiche Beweise; auch hatte er die Genugtuung, daß, wenn
übelwollende und kleinliche Beurteiler inbezug auf dessen Vollständigkeit und
Ausführlichkeit einige Ausstellungen gemacht hatten, doch von niemandem
behauptet worden war, daß es an Wahrheit auch nur im geringsten fehle'). Je
weniger nun dieses Buch (dessen Entstehung und Verbreitung ohne einen ge-
bildeten Leserkreis von gleicher Gesinnung undenkbar ist) auch nur eine Spur
von eigentlicher Mystik und Phantasterei zeigt, je konsequenter, verständiger
und methodischer es ist, desto schlagender beweist es, wie wenig in jener Zeit
auch Nüchternheit und selbst ein gewisser Rationalismus den Glauben an eine
fort und fort in Wundern sich offenbarende Vorsehung der Götter ausschloß.
Von diesen Wundern waren nun die Heilungen von Krankheiten durch Ein- Heilung von
gebungen von Träumen die greifbarsten und überzeugendsten, folglich auch
diejenigen, die der Glaube am liebsten und häufigsten schuf und die ihm immer
neue Nahrung gaben. Diese Wunder vollzogen sich natürlich ganz vorzugs-
weise auf dem heiligen Boden der Tempel der Heilgötter Asklepios, Isis, Sarapis,
bei deren Heiligtümern unter dem Kultpersonal Traumdeuter nie gefehlt haben
werden'). Diese Götter taten dort auch andre Wunder. So versichert Aristides
von dem unversieglichen »heiligen Brunnen« im Tempel des Asklepios zu
Pergamum, daß durch das Baden in seinem Wasser viele ihre Augen wieder-
erlangten, von Brustkrankheiten, Atembeschwerden, Fußverkrümmungen ge-
heilt wurden, daß ein Stummer, der daraus trank, die Sprache erhielt, manchem
schon das Schöpfen aus dem Brunnen Heilung brachte^). Auch leibhaft er-
schien der Gott den Gläubigen keineswegs selten. Origenes beschwert sich,
daß Celsus, der die Christen wegen ihres Glaubens an die Wunder Jesu ein-
fältig nennt, ihnen zumute, zu glauben, »daß eine große Menge von Hellenen
und Barbaren (wie sie versichern) den Asklepios nicht als eine Vision, sondern
persönlich Heilungen und Wohltaten vollbringen und die Zukunft vorhersagen
gesehen haben und noch sehen«. Diesen Aussagen gegenüber beruft sich
Origenes auf eine unzählbare Menge derer, welche die Wunder Christi be-
zeugen, und fügt hinzu, daß er selbst durch die bloße Anrufung des Namens
Gottes und Jesu Menschen von schweren Krankheiten, von Besessenheit und
Wahnsinn und vielen andern Leiden habe befreien sehen, »die weder Menschen
noch Dämonen heilen konnten ■*). Auch die beiden halbgöttlichen Söhne des
Asklepios waren vielen zu Epidaurus und an andern Orten erschienen^). In
einer zu Rom inschrifdich erhaltenen Widmung an Pan für Herstellung aus
schwerer Krankheit heißt es, daß der Gott dem Geheilten sichtbarlich erschie-
nen war, nicht im Traum, sondern mitten am Tage^).
Selbstverständlich aber war in der heidnischen Welt das größere Wunder,
daß die Heilgötter in Person zu den Hilfesuchenden herabstiegen, auch das
seltenere, und gewöhnlich erfolgten, wie gesagt, die Heilungen durch Träume,
und zwar ohne Zweifel nicht bloß bei solchen, die in Tempeln schliefen. Arte-
i) Artemidor. IV praef. p. 198, 11 fif. 2) Die XuxvoTTTpia Kai 6v€ipOKpiTi(; IG III 162 gehört
zum Kultpersonal der Isis (s. die Anm. von Dittenberger), das von O. Rubensohn, Festschr. f. Joh.
Vahlen (1900) S. 3 ff. behandelte Aushängeschild eines Traumdeuters ist beim Sarapeum zu Mem-
phis gefunden. 3) Aristid. or. 39, 15 (II 323 K.). 4) Orig. c. Cels. HI 24. 5) Arist, or. 38, 21
(II 318 K.;. 6) IG XIV 1014 = Kaibel, Epigr. gr. 802.
lyo XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 189]
midor hat in einem eignen Abschnitte »Von den Verordnungen« auch dieses
Wunder auf seinen wahren Gehalt zurückzuführen gesucht, indem er es der
schmückenden Zutaten entkleidete, durch welche die geschäftige Phantasie der
Gläubigen es zu vergrößern meinte, die aber nach seiner Auffassung der Er-
habenheit der Götter unwürdig waren. »Inbezug auf die Verordnungen«, sagt
er'), »daß nämlich die Götter den Menschen (im Traume) Behandlungen von
Krankheiten verordnen, ist es unnütz Fragen aufzuwerfen. Denn viele sind in
Pergamum, Alexandria und an andern Orten durch Verordnungen geheilt worden,
und manche glauben, daß die Wissenschaft der Heilkunde aus ihnen hervor-
gegangen sei.« Nun aber werden lächerliche und widersinnige Verordnungen
berichtet, die niemals geträumt, sondern erdichtet sind. So sollen z. B. einem
Kranken im Traume ^beißende Mohren« verordnet und damit Pfefferkörner
gemeint gewesen sein, weil sie schwarz sind und beißen, einem andern »Jung-
frauenmilch « und » Sternenblut « , worunter Tau zu verstehen gewesen sei, und dgl.
Diejenigen, die dergleichen ersinnen, zeigen, daß sie kein Verständnis für die
Liebe der Götter zu den Menschen haben. Die wirklich von den Göttern in
Träumen gegebenen Vorschriften sind einfach und ohne Rätsel: sie verordnen
Salben und Einreibungen, Tränke und Speisen mit denselben Namen, mit denen
wir sie nennen; kleiden sie einmal eine Vorschrift in Rätsel, so sind diese stets
leicht verständlich. Eine Frau z. B., die eine Entzündung an der Brust hatte,
träumte, sie lasse ein Schaf daran saugen, sie legte ein Kraut darauf, das Schafs-
zunge heißt, und genas. Und so wird man immer finden, daß die vorgeschriebnen
Kuren durchaus nichts der rationellen Medizin Widersprechendes enthalten, daß
also die göttlichen Offenbarungen mit den sicheren Resultaten der Wissenschaft
durchaus übereinstimmen. So träumte z. B. der sehr an Gicht leidende Fronto
(der bekannte Konsular und Schrifsteller), der um Angabe einer Kur gebetet
hatte, er wandle vor der Stadt umher: und in der Tat wurde er durch fortge-
setztes Umhergehen erheblich gebessert. Aristides erhielt ganz besonders
häufig im Traum die Anweisung von Asklepios, zu dichten und Reden zu halten.
Wie der Gott einem Faustkämpfer, der damals im Tempel schlief, die Kunst-
griffe angab, durch die er einen berühmten Gegner niederwarf, so hat er »mir
Kenntnisse und Lieder und Stoffe zu Reden vorgeschrieben und dazu die Ge-
danken selbst und den Ausdruck, wie die Lehrer den Knaben die Buchstaben« ^j.
Galen erwähnt, daß Asklepios vielen, die infolge heftiger Gemütsaufregungen
leidend waren, verordnet habe, Oden, Lieder und Possen zu schreiben; andern,
zu reiten, zu jagen und Waffenübungen zu veranstalten, und zwar mit genauer
Angabe, in welcher Art die verordnete Übung vorzunehmen sei^). Die Patienten,
die sich dem Gott in Pergamum in Behandlung gegeben hatten, unterwarfen
sich auch den härtesten Verordnungen, welche sie auf den Rat eines Arztes nie-
malsbefolgt haben würden, z. B. sich 1 5 Tage lang aller Getränke zu enthalten "*).
Galen verdankte dem Asklepios seine Heilung von einem lebensgefährlichen
Geschwür; und Marc Aurel verzichtete auf seine Begleitung im Markomanen-
kriege, da der Gott (vermutlich vermittels eines Traums) sich dagegen erklärt
haben sollte 5).
i) Artemidor. IV 22. 2) Aristid. or. 42, 1 1 (II 337 K.). Vgl. Baumgart, Aelius Aristides S. 50 — 56.
3) Galen. VI 41. 869: äXXä toötov |Liev 6 'AaKXrjttioc; iotaaro. 4) Oben I 198. 5) Galen. XIX 19.
[IV. i90] I. D KR GÖTTERGLAUBE 171
Den Tempelschlaf, der noch jetzt in Griechenland und Süditalien in Krank-
heiten häufig angewandt wird, übernahm die christliche Kirche aus dem Heiden-
tum, und an die Stelle der im Traum Anweisungen spendenden Götter und
Heroen traten die Madonna, der Erzengel Michael und verschiedene Heilige
und Märtyrer').
Ausgrabungen im Asklepiostempel zuEpidaurus in den Jahreni883 und 1884 Heilurkunden
haben von den sechs Tafeln, auf denen die von dem Gott an den im Tempel ^° Epidaurus.
schlafenden Kranken vollbrachten Wunderkuren berichtet waren, zwei zutage
gefördert"). Diese Aufzeichnungen sind auf den rohesten Wunderglauben be-
rechnet. Außer Heilungen von Lahmen, Blinden und Stummen ist darunter
z. B. auch die Genesung einer Frau nach fünfjähriger Schwangerschaft von einem
Knaben, der gleich nach der Geburt sich badete und mit der Mutter umherging.
Auch fehlt es nicht an Bekehrungen von Leugnern und Zweiflern, sowie an
Beispielen der Bestrafung von Frevlern und solchen, die das Honorar nicht be-
zahlten. Außer diesen aus vorrömischer Zeit stammenden, von den Priestern
verfaßten Wundergeschichten, die überall den Gott selber im Traume die Hei-
lung vollziehen lassen, so daß der Kranke genesen das Heiligtum verläßt, ist
u. a. auch der Bericht eines gebildeten Manns aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.
über seine dort erfolgte Herstellung gefunden worden. Dieser, M. Julius Apellas Inschrift des
aus Mylasa in Karlen, der viel krank gewesen war und namentlich an mangel- Julius Apellas.
harter Verdauung gelitten hatte, war von dem Gott (im Traume) nach Epi-
daurus beschieden worden. Auf der Fahrt erhielt er (bei der Insel Ägina) den
Rat, sich nicht so viel zu ärgern; dann in dem Heiligtume selbst zahlreiche
Verordnungen über die äußerlich und innerlich anzuwendenden Heilmittel, die
zu befolgende Diät und die vorzunehmenden heilgymnastischen Übungen (wozu
auch Schaukeln gehörte); bei der Anweisung, ohne Hilfe des Badewärters zu
baden, unterließ der Gott nicht hinzuzufügen, daß er diesem nichtsdestoweniger
ein Trinkgeld von einer Drachme geben solle. Als er den Gott gebeten hatte,
ihn schneller abzufertigen, war es ihm, als ginge er mit Senf und Salz am ganzen
Körper eingerieben aus dem Heilgtum hinaus, ein kleiner Knabe ging mit
einem dampfenden Rauchfasse voran, und der Priester sagte: »Du bist nun her-
gestellt, mußt aber auch das Honorar bezahlen.« Später erfolgte noch eine
Verordnung von Anis und Ol gegen Kopfschmerz. Der Kranke hatte aber
keinen Kopfschmerz. Doch infolge von zu eifrigem Studieren bekam er Blut-
andrang nach dem Kopfe und wurde nun durch das verordnete Mittel davon
befreit. »Er befahl mir, auch dies aufzuschreiben. Dankbar und gesund reiste
ich ab«^). Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den altern Heilberichten
ist in denen der Kaiserzeit der, daß nicht mehr die Heilung selber während des
Traumes erfolgt, sondern der Kranke hier nur Anweisungen darüber erhält,
i) Deubner, De incubatioue (1900) S. 56fF. 2) IG IV 951. 952 = Dittenberg_er, Syll.^ 802. 803.
Fragment einer weiteren Tafel, veröffentlicht von Cavvadias, Melanges Perrot (1902) S. 42 ff. Paral-
lelen aus dem modernen Griechenland bei Herrlich a. a. O. S. 34 f. 3) IG IV 955 = Dittenberger,
Syll.^ 804; vgl. v. Wilamowitz, Isyllos von Epidauros (Philol. Untersuch. IX 1886] S. Ii6ff. ; daß
Apellas ein .Sophist war, beweist sein qpi\oXoYeiv nicht. Ähnliche Inschrift des Ti. Claudius Se-
verus aus Sinope vom J. 224 n. Chr. IG IV 956, Verwandtes aus dem Asklepiosheiligtum von
Lebene auf Kreta Dittenberger, Syll.^ 805. 806.
172
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 191, 192]
Die Votivsteine
der Minerva
Memor.
Glaube an die
\Virksamkeit
der Lokal-
götter außer-
halb ihrer
eigentlichen
Machtsphäre.
welche Mittel er anzuwenden und wie er sich überhaupt zu verhalten habe').
Von vier Berichten einer an der Stelle des Asculaptempels auf der Tiberinsel
in Rom crefundenen Tafel über Heilungen durch Traumorakel beziehen sich
zwei auf Blinde, zwei auf Brustkranke, die von den Ärzten aufgegeben waren").
Auf göttliche Verordnungen in Träumen beziehen sich offenbar auch manche
Danksagungen auf römischen Inschriftsteinen für Wiedererlangung der Gesund-
heit, In der Nähe von Velleja und Placentia war ein Heiligtum der Minerva,
die man -»die gedenkende« oder»die Arztin« Minerva von Cabardiacum nannte,
weil sie sich in Krankheiten hilfreich erwies. Sie wurde natürlich besonders
von Kranken der nächsten Umgegend angerufen, von deren Votivinschriften und
Widmungen mehrere sich noch erhalten haben ^); eine darunter ist von einem
Kohortenpräfekten aus Britannien gesandt, der wahrscheinlich aus jener Gegend
gebürtig war. Eine Frau dankt der Göttin, daß sie sie »durch gnädige Ge-
währuno- von Arzeneien von einem schweren Gebrechen befreit« hatte, eine
andre bezahlt ihr Gelübde wegen Wiederherstellung ihrer Haare ; ein Mann
brincrt ihr »silberne Ohren« (für Herstellung von einem Gehörleiden) dar"*).
Dieselbe Göttin^) hatte einen Tempel in Rom, dessen Lige (in der fünften Re-
o-ion) durch zahlreiche, in einem dazu gehörigen unterirdischen Gewölbe ge-
fundene Darstellungen menschlicher Glieder aus Ton (ebenfalls Darbringungen
crenesener Kranken) festgestellt ist^). Ein Sklave der Pontifices zu Rom bringt
laut einer in schlechtem Latein abgefaßten Inschrift der * guten Göttin« (Bona
Dea) das Dankopfer einer weißen Kuh für Herstellung des Augenlichts, »nach-
dem er von den Ärzten verlassen und nach zehn Monaten durch die Gnade
der Herrin mit Arzneien geheilt war" 7). Außerordentlich groß ist die Zahl der
griechischen und lateinischen Inschriften, die von auf Grund eines Traumge-
sichtes oder der Weisung eines Gottes erfolgten Weihungen Zeugnis ablegen^).
Überall, wo der Gläubige eine höhere Einwirkung erkannte, bezog er sie am
natürlichsten und unwillkürlich auf den Gott, zu dem er von Jugend auf ge-
betet hatte, dessen Heiligkeit, Ansehen und Ruhm in Stadt und Land am größten
war, dessen Macht er schon selbst erfahren zu haben glaubte. So hatte Aristides
manche sagen gehört, der Gott Asklepios habe ihnen im Sturm auf der See
rettend die Hand gereicht^). Und wie Asklepios nicht bloß für alle, die in seinem
Tempel Heilung gefunden hatten, sondern auch für die Bewohner der näheren
i) O. Weinreich, Antike Heilungswunder (1909) S. iioff. 2) IG XIV 966 = Dittenberger,
Syll.= 807, vgl. Deubner a. a. O. S. 44ff. 3) CIL XI 1292— 1309 (Dessau 2603. 3^34—3137),
vgL P. Bertolotti, Bull. d. Inst. 1867 S. 2t9ff. 237fr. 4) CIL XI 1295 = Dessau 3136. Vgl. dazu
die Weihung aus dem epidaurischen Asklepieion CIL III 7266 = Dessau 3853 (Buecheler, Carm.
ep. 866) Cutius has aiiyis Gallus tibi voverat olitn, Phoebigena, et posiiit samis ab auyiculis und die
inhaltreichen Ausführungen von O. Weinreich, Athen. Mitteil. XXXVII 1 9 12 S. 46 ff. 5) Schon
Cic. De divinat. II 123 sagt: et si sine medico medicinam dabit Minerva, Ahisae scribendi kgetidi cefe-
rarum artitim scientiam somniantibus non dabunt? 6) Gatti und Visconti, Bull. arch. comun. XV
1887, I54ff. 167 ff. 192 ff. XVI 1888, 125 (zweifelnd Hülsen-Jordan, Topogr. I 3 S. 353, 26). Über
Weihungen von Nachbildungen menschlicher Glieder und Körperteile vgl. Th. Meyer-Steineg, Dar-
stellungen normaler und krankhaft veränderter Körperteile an antiken Weihgaben (Jenaer medizin-
histor. Beitr. IL, 1912. 7) CIL VI 68 = Dessau 3513; zu Bona Dea oclata CIL VI 75 = Dessau
3508 vgl. Weinreich a. a. O. S. 55. 8) Marquardt StV. IIF 100, 7. Weitere Literatur darüber
bei Weinreich, Antike Heilungswunder S. 7, i. 9) Aristid. or. 42, 10 (II 337 K.).
[IV. 193] I. DER GÖTTERGLAUBE 173
und ferneren Umgegend von Pergamum und seinen übrigen berühmten Kult-
orten, so war für Ephesus die große Artemis, für Alt xandria Sarapis, für Cäsa-
reaPanias in Palästina Pan'), für ganzLycien Leto^), für Nordafrika die »himm-
lische Göttin« vonKarthago^) usw., überhaupt für jedeGegend der hauptsächlich
dort verehrte Gott der natürlichste Helfer in aller Not, mochte er nun groß
oder gering sein. Pausanias spricht von einem Tempel des Pan unweit Megalo-
polis in Arkadien und fügt hinzu: gleich den mächtigsten Göttern vermag auch
dieser Pan die Gebete der Menschen zur Vollendung zu führen und den Bösen
zu vergelten, wie es ihnen gebührt ''). In Stratonicea war neben Zeus (Panamaros
oder Panemerios)^) die am höchsten verehrte Gottheit Hekate, die in dem un-
fern gelegenen Lagina ein berühmtes Mysterienheiligtum besaßt). Beide hatten
die Stadt von alters her oft aus den größten Gefahren errettet; daher beschloß
einmal der Stadtrat nach einer noch vorhandnen Urkunde, daß täglich 30 Knaben
aus guten Familien, in weißen Kleidern und mit Oliven bekränzt, beiden Gott-
heiten im Rathause, wo ihre Bildsäulen standen, unter Kitharabegleitung einen
Lobgesang singen sollten^). Außer den Göttern wurden (wie bemerkt)^) in den
griechischen Ländern überall Heroen verehrt; jede Gegend hatte vermutlich
ihren besondern Beschützer und Nothelfer, dessen Wirksamkeit in dem kleinen
Gebiet, auf das sie sich beschränkte, um so erprobter und anerkannter war.
Mochten die Ansprüche dieser Heroen auf Verehrung ursprünglich noch zweifel-
haft gewesen sein: wenn ihre Kulte einmal Bestand gewonnen hatten, so be-
haupteten sie sich mit merkwürdiger Zähigkeit; was sich ja auch bei dem des
Antinous zeigt^). Ob die für Marathon und Rhamnus aus älterer Zeit bezeugte
Verehrung eines »Arzt-Heros« Aristomachus'°) auch in den späteren Jahrhun-
derten fortgedauert hat, ist unbekannt. Doch dem Skythen Toxaris, der Athen
angeblich von einer großen Epidemie befreit hatte, opferte man noch in Lucians
Zeit, und sein Grabstein heilte Fieberkranke"). Dem T. Quinctius Flamininus
ernannte man in Chalcis auf Euboa noch in Plutarchs Zeit einen Priester, brachte
ihm Opfer und sang einen ihm zu Ehren gedichteten Lobgesang ""). Alexander
der Große hatte nicht bloß in Alexandria '^j, sondern auch an andern Orten,
namentlich in den ionischen Städten Kleinasiens Tempel und Priester "'*). Noch
bis ins 6. Jahrhundert opferten ihm die Bewohner der Oase Augila im Innern
von Marmarica, und eine große Zahl von Tempelsklaven war dort seinem
i) Lebas-Waddington 1891— 1894. 2) Hier begegnet namentlich die Grabverwünschung eav
öe Tiq äöiKriari • • •) 11 AriTUj auTOV euiTpiVei Lebas-Waddington 1273, vgl. CIG 4259. 4303 add.
Atitluov bei Xanthos Strabo XIV 665, vgl. Appian. Mithr. 27. 3) z. B. CIL VIII 20743 = Des-
sau 4431 (Auzia in Mauretanien). 4/ Pausan. VIII 37, 11. 5) Deschamps u. Cousin, Bull, com
hell. XI 1887 S.373ff. XII 1888 S.82ff. 2490". 479ff. XV 1891 S.i69ff. 6) Benndorf u. Niemann,
Reisen in Lykien S. 154fr. M. P. Nilsson, Griech. Feste S. 400f. 7, Lebas-Waddington 5 19 f.
8) Oben S. 149. 9) Oben S. 152. 10) Kutsch, Attische Heilgötter u. Heilheroen (1913) S. 8ff.,
der S. 2fif. 12 ff. auch über andre attische T^pmeq laxpoi handelt. 11) Lucian. Scytha 2; vgl.
L. v. Sybel, Hermes XX 1885 S. 41 ff. und dazu Deneken in Roschers Mythol. Lexik. I 2483f.
12) Plutarch. Flaminin. 16. 13) Über den dortigen Alexanderpriester vgl. W. Otto, Priester u.
Tempel im heilenist. Ägypten I 138 ff. Kaerst a. a. O. S. 392 ff. Plaumann, Real-Encykl. VUI
I424ff.; Archiv f. Papyrusforsch. VI 1913 S. 77ff. (namentlich über die Unterscheidung des epony-
men Landeskultes von dem städtischen Kulte des Gründers von Alexandria). 14) Kaerst a. a. O.
S.387; bezeugt aus römischer Zeit für Erythrae, Lebas-Waddington 57 (T. 0\. Aupn(Xiov) 'AXeEav-
öpov iepea Beoö 'AAetdvöpouj und Bargylia ebd. 490 (= Dittenberger, Or. gr. 3). 496.
'74
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 194]
Dienste geweiht: erst Justinian bekehrte diese Heiden und erbaute ihnen eine
Kirche der heiligen Jungfrau '). Dem Olympiasieger Theagenes opferte man in
Pausanias Zeit nicht bloß auf Thasus als einem Gotte, sondern auch an andern
Orten in griechischen und Barbarenländern wurden seine Bildsäulen verehrt
und heilten Krankheiten^). Oft heftete sich die Verehrung an eine bestimmte
Statue eines Heros, die ihre Wunderkraft bewährt haben sollte. In Alexandria
Troas standen mehrere Statuen des Nerullinus, vermutlich eines Wundermannes
vom Schlage des Alexander von Abonuteichos und Peregrinus Proteus, mit
denen er zusammen genannt wird; von einer dieser Statuen glaubte man dort
(im Jahre 177), daß sie Krankheiten heile und Orakel erteile, man opferte ihr,
vergoldete und bekränzte sie^). Zuweilen beschränkte sich der Glaube an die
Wunderkraft eines Standbilds auf die Bewohner eines Hauses, in dem es sich
befand: kleine Münzen und Silberplättchen, zum Teil mit Wachs an dessen
Beine geklebt, waren Dankopfer solcher, die durch seine Hilfe das Fieber ver-
loren hatten; ruchlose Sklaven, welche diese frommen Gaben hatten entwenden
wollen, waren auf schreckliche Weise umgekommen^).
Der Glaube an Der Glaube, der so gar nicht durch Zweifel an fortwährenden übernatürlichen
die Gotter als Offenbarungen der göttlichen Macht und Güte beirrt wurde, mußte um so be-
Geber des Gu- . 1 . ,1 , , o- 11- 1 1 r ^,■
ten. reiter sem, auch m allen dem nüchternen Smne natürlhch oder zufällig er-
scheinenden Erlebnissen und Ereignissen die waltende Hand der Vorsehung
zu erkennen: denn das eigentliche Wunder war ja auch nur eine von ihren un-
ablässig in Leben und Natur eingreifenden Machtäußerungen, freilich die augen-
fälligste und überzeugendste, gleichsam ihre durch hundertfältige unmerkliche
Übergänge vermittelte Kulmination, und sein Begriff kein fester, seine Aner-
kennung subjektiv, durch das Gefühl der Gläubigen bedingt, also unendlich
verschieden. Von den Göttern, die allein das Wunder wirken konnten, von
ihnen allein konnte auch alles Gute kommen, vom kleinsten bis zum größten.
Epictet schilt die Akademiker, die wie alles übrige so auch das Dasein der
Götter in Frage stellten : »wahrlich das sind dankbare und ehrfürchtige Menschen,
die, wenn nichts andres, täglich ihr Brot essen und doch auszusprechen
wagen: wir wissen nicht, ob es eine Demeter, Köre und Pluto (die Götter der
Saat) gibt! Um nicht zu sagen, daß sie an Tag und Nacht, am Wechsel der
Jahreszeiten, den Gestirnen, dem Meer, der Erde und dem Beistande der mensch-
lichen Gesellschaft ihren Anteil haben, ohne daß dies alles auf sie nur den ge-
ringsten Eindruck macht, ohne daß sie sich darum kümmern, welche schwere
Folgen ihre Zweifel für die Sittlichkeit andrer Menschen haben können«^).
Das Gebet. Allerdings leugneten auch unter den Stoikern manche, wie Seneca, den
Nutzen des Gebets^), da die Gottheit ihrer Natur nach uns nichts andres als
Gutes erweisen könne. Andre, wie Marc Aurel, mahnen, daß man ihr seine
Gebete anheimoreben und nur um das wahrhaft Gute bitten solle ^); ebenso
i) Procop. De aedif. VI 2 p. 333 Dind. 2) Pausan. VI 11, 8 f. 3) Athenagoras 26, der den
Neryllinos ausdrücklieb als einen Zeitgenossen (6 ävrip tujv Ka9' V||näq) bezeichnet. Die Beziehung
auf den Prokonsul M. Suillius Nerullinus (Drexlir in Roschers Mythol. Lexik. III 278) ist abzu-
weisen. 4) Lucian. Philopseud. 18 — 20. 51 Epictet. Diss. II 20, 32 ff. 6) Vgl. H. Schmidt,
PhUosophi antiqui quomodo iudicaverint de precibus (Religionsgesch. Vers. u. Vorarb. IV l, 1907)
S. 30 ff. 7) M. Aurel. comm. IX 40.
[IV. 195]
I. DER GÖTTERGLAUBE
175
Juvenal: die Götter lieben den Menschen mehr als er sich selbst, sie wissen,
wenn wir in unsrer Blindheit um eine Gattin, die Geburt eines Sohnes bitten,
welche Folgen die Gewährung unsrer Bitten für uns haben werde; wolle man
zu ihnen beten, so sei es um eine gesunde Seele in einem gesunden Leibe').
Der jüngere Plinius sagt, die Götter erfreuen sich mehr an der Schuldlosigkeit
der Betenden als an wohlgesetzten Gebeten, ihnen ist der gefälliger, der mit
reinem Herzen, als der, welcher mit einer wohl eingeübten Litanei in ihre
Tempel tritt").
Doch diese Erinnerungen bestätigen nur die Allgemeinheit des Gebets, und
wer möchte zweifeln, daß die große Mehrzahl der Gläubigen nicht bloß bei
jedem Unternehmen und Anliegen sich an die Götter wandte, sondern auch
in regelmäßigen Gebeten ihnen Verehrung und Dankbarkeit bezeigte und sich
und andre ihrem Schutz empfahl P^j Seneca vermochte sogar den Fatum-
glauben mit dem Glauben an Gebetserhörungen zu vereinigen. Man würde
nicht überall die Stimmen der Betenden und Gelübde Tuenden vernehmen,
wenn man nicht wüßte, daß die Götter Wohltaten nicht bloß freiwillig, sondern
auch auf Bitten gewähren. Sie haben manches so in der Schwebe gelassen,
daß es zum Guten ausschlagen kann, wenn Gebet und Gelübde hinzukommen'').
Wie Juvenal hat auch Persius die törichten Gebete der Menschen zum Gegen-
stande einer Satire gemacht^). Nicht der Bildner, sagt Martial, sondern der
Beter zeigt die Götter wie sie wirklich sind^), gnädig und gütig. Plutarch
glaubte ausdrücklich erinnern zu müssen, man möge nicht glauben, mit dem
Gebet alles getan zu haben, sondern seine Erhörung und die Hilfe der Götter
nur dann erwarten, wenn man sich selbst helfe. Wenn die in Jerusalem be-
lagerten Juden am Sabbat unbeweglich blieben, auch als die Römer schon die
Leitern zum Sturm ansetzten, so waren sie in die Bande des Aberglaubens ge-
schlagen. Gott ist die Hoffnung des Muts und der Kraft, nicht eine Entschul-
digung für die Feigheit. Der Steuermann auf stürmischem Meer fleht freilich
um Entrinnen und ruft die rettenden Götter an. aber zugleich stellt er das Steuer,
läßt die Rahen herab und zieht die Segel ein^).
Könnte irgend ein Zweifel darüber entstehen, daß, wie die Gewährung jedes Votivinschriften
Gutes, so auch die Abwendung jedes Übels, jeder Not und Gefahr, auch in ^^^ ^"^''^ ^'^^^'
' ö J J 1111 giose Uenk-
jenen Jahrhunderten fort und fort von den Göttern erbeten und ihnen verdankt mäler.
wurde, so würde dies schon allein die unübersehbare Menge von Denkmältrn
und Inschriftsteinen religiösen Inhalts beweisen, die über den ganzen weiten
Boden des römischen Reichs zerstreut sind. Sie bezeugen tausendfältig, daß
der Glaube an die allgegenwärtige, Welt und Menschenschicksal lenkende Vor-
sehung der seit dem grauesten Altertum verehrten, sowie der erst in neueren
und neuesten Zeiten bekannt gewordenen Götter in den Gemütern der Bevölke-
rungen fortlebte; daß er Hohen wie Niederen, Hochgebi deten wie Einfältigen
in Nöten und Bedrängnissen jeder Art^) Trost und Hoffnung gab. Immerhin
i) Juv. 10, 346 ff. 2) Plin. Paneg. 3, 5. 3) Fronto ad M. Caes. et inv. V 25 p. 83 N. //-«?
Faiistina matie cotidie deos appello: scio enim vu pro tua sabite optare et precari. 4) Seneca de be-
nef. IV 4, 2; nat. qu. II 37, 2. 5) Pars. 2. Juvenal 10. 6) Martial. VIII 24, 5 f. 7) Flutarch.
De superstit. 8. -8] z. B. Lebas-Waddington 686 (Gordus): 'EAnic; 'AvbpoviKOU euEa)LievTi UTiep
lyö
XIII. DiE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 196, 197]
Anrufung von
Landes- und Lo-
kalgottheiten.
mag ein Teil dieser Gebete, Gelübde, Danksagungen, Verehrungen und An-
betungen äußerlicher Anbequemung an die Formen des herrschenden Kultus,
gedankenloser Gewohnheit, bewußter Heuchelei seinen Ursprung verdanken:
in überwiegender Mehrzahl sind diese Steine ebensoviele unverdächtige Zeug-
nisse eines aufrichtigen, naiven und innigen Glaubens. Wenige Beispiele aus
ihrer unermeßlichen Fülle werden genügen, um die Natur dieses Glaubens an-
schaulich zu machen.
Es liegt im Wesen des Polytheismus, daß sich Verehrung, Bitte und Dank
in der Regel nicht an die Gesamtheit der göttlichen Mächte wandte, sondern
v;ie im Heiligenkult an einzelne, und die Wahl der einzelnen Götter war, wie
gesagt, teis durch deren Machtsphäre und die ihnen vorzugsweise zugeschriebene
Wirksamkeit und ihre Gaben, teils durch lokale und individuelle Gründe bedingt.
Die letzteren sind selbstverständlich nicht immer mit Sicherheit nachweisbar.
Wenn ein Unternehmer von kaiserlichen und Staatsbauten der »heiligen himm-
lischen guten Göttin« (Bona Dea) dankt, daß er mit ihrer Hilfe die unterirdische
Führung eines Arms der Claudischen Wasserleitung vollendet habe, und seinen
Dank durch Herstellung einer alten zerfallenen Kapelle bezeugt'), so ist die
-gute Göttin« hier wohl wie öfters "") als Beschützerin des Orts oder des Baus
gedacht. Wenn auf einem Steine bei Koblenz (spätestens aus der Zeit der
Antonine) jemand für Befreiung von schrecklichen Qualen des Körpers und
Geistes dem Mars dankt, so ist unter diesem wohl ein keltischer Landesgott
zu verstehen^).
Daß Dank und Bitte in unzähligen Fällen eher an Landes- und Lokalgott-
heiten gerichtet wurde als an diejenigen, in deren Machtsphäre die erbetene
Wirkung lag, ist selbstverständlich. So wird einmal zu Smyrna der Dank für
Herstellung von einer Epidemie nicht an die Heilgötter, sondern an den Fluß-
gott Meles gerichtet"*). Dem Genius einer Stadt in Numidien stiftete jemand
eine Statue oder ein Heiligtum für 8000 S. an der Stelle, »an welcher er die
Hilfe seiner göttlichen Macht gespürt hatte« ^). Nicht bloß die Einheimischen,
auch die Fremden verehrten natürlich die Gottheit, in deren Bereich sie ver-
weilten, und empfahlen sich ihrem Schutze. Ein römischer Kaufmann, der mit
feinem Tongeschirr nach Britannien handelte, bringt auf der Insel Walcheren
der dortigen Göttin Nehalennia »wegen Erhaltung seiner Waren in gutem Zu-
stande« sein Gelübde dar^). Ein kaiserlicher Hausbeamter T. Pomponius Victor,
der als Prokurator des kaiserlichen Vermögens zu Axima in den Grajischea
Alpen (an der Straße von Lemens nach Aosta) stationiert und wahrscheinlich
zu häufigen Dienstreisen verpflichtet war, richtet ein zierliches poetisches Dank-
gebet an den Waldgott Silvanus, dessen Bild in der Höhlung einer heiligen
Esche als einer natürlichen Waldkapelle eingeschlossen war^):
TOÖ ri|Lii6vou eux^iv. Zahlreiche Weihungen de pccoribus an Saturnus in Numidien (CIL VIII 2232
= Dessau 4441. VIII 2234 — 2236. 17675. 18897 = Dessau 4442).
i) CIL XIV 3530 = Dessau 3512 (88 n. Chr.). 2) Mommsen zu CIL VI 30855. Wissowa,
Relig. u. Kultus' S. 218, 8. 3) CIL XIII 7661 = IG XIV 2562 (Dessau 4569. Buecheler, Carm.
ep. 850). 4) CIG 3165 = Kaibel, Epigr. gr. 1030. 5) CIL VIII 19688. 6) CIL XIII 8793 =
Dessau 4751. 7) Mannhardt, Wald- und Feldkulte II' 121.
[IV. 198] I. DER GÖTTERGLAUßE 177
Weil auf der Reise über Täler und Alpenhöh'n
Und durch deines duftenden Hains Bewohnerschaft,
Und während das Recht ich pflege indes Kaisers Dienst,
Du mich mit deiner glückverheißenden Gunst beschützt,
So bringe mich und die Meinen auch nach Rom zurück,
Und laß in deinem Schutz Italiens Flur uns bau'n.
Dann will ich gern dir tausend große Bäume weih'n i).
Von der Verehrung der nicht römischen Landesgottheiten in den westlichen
und nördlichen Provinzen durch die dort ansässigen oder verkehrenden Römer
ist bereits die Rede gewesen. Der von ihnen mit Apollo idenifizierte carnische
Gott Belenus^) gewann besondre Bedeutung auch über sein ursprüngliches
Verehrungsgebiet hinaus durch ein geschichtliches Ereignis. Als im Jahre 238
der Kaiser Maximinus mit aller Macht die Stadt Aquileja belagerte, wurde der
Mut der Verteidiger durch die Zuversicht auf die Hilfe des einheimischen
Gottes Belenus aufrecht erhalten, und auch die Belagerer sahen oft seine Ge-
stalt über der Stadt in der Luft schweben. Herodian läßt es unentschieden, ob
sie ihnen wirklich erschienen war, oder ob diese nur durch die Erdichtung seines
wunderbaren Beistands die Schande der Niederlage von sich abwälzen wollten.
Doch fügt er hinzu, »der unerwartete Ausgang lasse alles glauben«^), und auch
eine bewußte Erdichtung beweist die Verbreitung des Glaubens an die sichtbare
Hilfe der Götter, ohne den sie sinnlos gewesen wäre.
Auch Reisende und Wanderer beteten im fremden Lande zu den Lokal-
göttern und brachten an jeder ihnen geheiligten Stelle ihre Verehrung dar.
Fromme Wanderer, sagt Apulejus, verweilten, wo sie auf ihrem Wege einen
heiligen Hain antrafen oder einen blumenbekränzten Altar, eine laubumschattete
Höhle, eine mit Hörnern von Opfertieren behängte Eiche, eine mit deren Fellen
geschmückte Buche, einen eingehegten Hügel, einen mit der Axt zum Bilde
behauenen Baumstumpf, einen von Opferspenden dampfenden Rasen, einen
mit Wohlgerüchen beträufelten Stein'*). Wenn der Fremde schon an diesen
Stätten eines einfach ländlichen Kults seine Andacht verrichtete, so forderte
um so unwiderstehlicher die in großen Naturerscheinungen waltende göttliche
Macht zur Anbetung auf^). ^Dem höchsten besten Juppiter, dem Genius des
Orts und dem Rhein« löste zu Remagen ein römischer Gefreiter sein Gelübde,
laut einem im Jahre igo gesetzten Stein, der nicht der einzige dieser Art ist^).
Aber überall war man wohl in der Fremde, den Gefahren und Wechselfällen
der Reise ausgesetzt, doppelt ?der Götter eingedenk«^), freilich auch der hei-
mischen. Ein Stein von Urbisaglia hat die Erinnerung eines Geschenks auf-
bewahrt, das ein kaiserlicher Prokurator T. Flavius Maximus --den Göttern
und Göttinen von Urbssalvia« aus dem Orient sandte^). Dagegen löst in Nemau-
sus (Nimes) ein aus Berytus gebürtiger Primipilus sein Gelübde dem Gotte seiner
i) CIL XII 103 = Dessau 3528 (Buecheler, Carm. ep. 19). Vgl. CIL IX 2164 [doniino Silvano
— quot sc et suos incolumes habet). 2) Ihm, Real-Encykl. III 199 ff., dazu Wissowa, Arch. f. Re-
ligionswiss. XIX 1917 S. 10, i. 3) Herodian. VII 3, 8f. Hist. aug. Maxjraini duo 22, i — 3.
4) Apulei. Florida i. 5) Oben I 459 ff. 6) CIL XIU 7790 = Dessau 3913 ; vgl. CIL XIH 8810
= Dessau 9266 I{ovi) o{ptimo] m[axwio), dis patriis et praesidibus huius loci Oceanique et Reno. XIII
881 1. 7) CIL III 582 memor q{ui] fuit deorum. 8) CIL IX 5529 = Dessau 3990.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. 12
178
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
|IV. 199]
Anrufung der
Götter einer be-
stimmten Wirk-
samkeit an be-
stimmten Orten.
Heimat, dem Juppiter von Heliopolis, doch zugleich auch dem Gotte Nemau-
sus*). Denn am unmittelbarsten fühlte man sich doch immer zur Verehrung
der Götter aufgefordert, denen man nahe war, und daher sind die Inschriften
von Reisenden, die sich dem Schutz und der Huld der Landesgottheiten emp-
fehlen, zahlreich. Am überwältigendsten scheinen die uralten kolossalen Heilig-
tümer Ägyptens auf den religiösen Sinn der fremden Besucher des Landes
gewirkt zu haben, wie die an den meisten Orten zu beiden Seiten des Nil auf
Tempeln, Obelisken, Pylonen usw. eingehauenen Inschriften von Reisenden
bezeugen"). Zu Talmis (Kalabsche) in Nubien bringt im Jahre 84 eine Anzahl
von dorthin kommandierten römischen Centurionen und Soldaten dem in dieser
Gegend verehrten Sonnengott Mandulis in einer im Vorhofe seines Tempels an-
gebrachten Inschrift ihre Huldigung dar^).
Aber auch als Träger einer besonderen Wirksamkeit wurden die Götter natür-
lich häufig angerufen, weil und insofern sie diese an einem bestimmten Ort
ausübten. So z. B. löst in Apulum in Dacien (Karlsburg) ein römischer Veteran
sein Gelübde »nach einem Traumgesicht« zugleich im Namen seiner Frau und
Tochter für die Wiederherstellung des Augenlichts »dem Äsculap und der
Hygiea und den übrigen Heilgöttern und -göttinnen dieses Orts«'^). In vielen
Fällen war die Wirksamkeit des Gottes eben an ein bestimmtes Lokal gebunden.
So richtet sich selbstverständlich der Dank der in einem Bad genesenen Kranken
an die Nymphen dieser Quelle; bei vielen Bädern sind Votivtafeln römischer
Besucher gefunden worden, zahlreich unter andern auf Ischia für Apollo und die
»Nymphen der Nitrumquellen« ^). Andre Heilquellen, bei denen sich Nymphen-
inschriften gefunden haben, sind z. B. die von Les Fumades (Dep. du Gard),
Warasdin-Teplitz, Tüffers bei Cilli, Bagneres de Bigorre, Lopresti haspöl u. a.^).
Bei den Quellen der Seine sind zahlreiche steinerne Nachbildungen menschlicher
Glieder und andre von geheilten Kranken dargebrachte Votivgaben gefunden
worden^). Bei den noch heute so genannten Herkulesbädern bei Mehadia in
Siebenbürgen richtet sich der Dank an den > heilbringenden Herkules« als den
Gott, der auf seinen Weltwanderungen der Entdecker aller warmen Quellen
wurde^). Ein Jäger, den die Bäder der Solfatara bei Tivoli von einer Gelenk-
geschwulst (der Folge einer Verwundung durch den Zahn eines etruskischen
Ebers) befreit hatten, ließ zum Dank dafür, daß er wieder zu Pferde steigen
konnte, der Gottheit der Quelle (Lymfa) seine marmorne Reiterstatue aufstellen^).
Den Nymphen dankte man auch für die Auffindung neuer Quellen, deren Gott-
heiten dann als die »neuen« oder »neu entdeckten Nymphen« verehrt wurden,
oder für die Wiederkunft einer versiegten Wasserader'"). Ein Magistrat von
l) CIL XII 3072 = Dessau 4288. 2) Oben I 440 f. 3) IGR I 1333 und die Menge ähnlicher
Inschriften ebd. 1331 — 1355- Griechische und lateinische Votivinschriften beim Tempel des Baal
Markod bei Beirut in Phönizien Lebas-Waddington 1855 ff. CIL III 155 ff. 668off. (Dessau 4327).
4) CIL III 987 = Dessau 3847. 5; CIL X 6786ff (Dessau 3873—3875); vgl. u. a. CIL III 1396 f.
(Dessau 2630, Thermen von Szasz-Väros). XI 3286 ff. (Bäder von Vicarello). Devotion an die
Nymphae der aquae fervcntes ^gefunden in der Quelle von Poggio Bagnoli) CIL XI 1823 = Dessau
8748. 6) Ihm, Bonner Jahrb. LXXXIII 93 ff. und die reichen Nachweise bei Bloch in Roschers
Mythol.Lexik.IIl544ff. 7)CILXIIIp.437. 8) CIL III 1563 ff., besonders 1572 = Dessau 3437 (Ä^^r-
culi salutifero, und 1566 = Dessau 389 1 [Heraili, Genio loci, Fontibus calidis). 9, CIL XIV 3911 =
Buecheler, Cann. ep. 865 ; vgl. auch R. Engelmann, Österr. Jahresh. IX 1906 Beibl. S. 55 fif. 10) CIL
[IV. 200, 2 Ol]
DER GÖTTERGLAUBE
179
Lambäsis in Numidien weihte einen Altar besonders aus Freude darüber, daß im
Jahre seiner Amtsführung die Nymphe »unsere Stadt Lambäsis mit reichlichem
Strome getränkt hat« '). Eine Inschrift bei Auzia in Mauretanien meldet die Dar-
bringung einer Opfergabe an den Geist eines Bergs, »der die Gewalt der Stürme
von unsrer Vaterstadt abhält«"). Bei den alten Marmorbrüchen von Martignac
in der Nähe der Pyrenäen spricht eine Votivtafel den Dank zweier römischer
Unternehmer oder Besitzer, > welche zuerst von dort Säulen von zwanzig Fuß
Länge brachen und ausführten , »dem Silvanus und den Geistern der Nimi-
dischen Berge« aus^). Auch ein in Britannien dienender Reiteroffizier, der sein
Gelübde dem Silvanus löste, weil er ihn einen gewaltigen Eber fangen ließ, den
viele seiner Vorgänger nicht erlegen konnten^), dachte sich den Waldgott
doch sicherlich in diesem Walde hausend. Ihm brachten auch Holzsäger und
Holzhändler ihre Verehrung dar^). Ein Legat der 7. Legion errichtete bei deren
Standquartier (Leon im nordwestlichen Spanien) etwa in der Zeit Trajans der
Diana einen Tempel, ^> damit er flüchtige Rehe, Hirsche, borstige Eber und die
Nachkommenschaft waldbewohnender Pferde mit dem Wurfspieß zu treffen
vermöge«, und brachte ihr von seiner Jagdbeute Eberzähne, Hirschgeweihe
und ein Bärenfell dar^). Der Göttin von Turobriga danken Inschriften an ver-
schiednen Orten in Spanien für Wiedererlangung der Gesundheit; an dieselbe
wendet sich aber auch jemand in Emerita in Lusitanien mit der Bitte, den Dieb
von 6 Tuniken, 2 leinenen Überziehmänteln, i Hemd usw. zu bestrafen^). Dem
GottNodon (im südwestlichen Britannien) verspricht jemand, der einen Ring ver-
loren hat, im Falle der Wiedererlangung die Hälfte desselben zum Geschenk.
Er fügt einen sehr ungrammatisch gefaßten Satz hinzu: -Wenn unter denen,
welche sich jetzt des Rings erfreuen, des Senicianus Name ist, so wolle ihm
nicht eher Gesundheit verstatten, als bis er den Ring zu deinem Tempel bringt« ).
Wenn die Zahl der Götter, die an bestimmten Orten entweder in allen Fällen
oder wenigstens vorzugsweise angerufen wurden, ungemein groß war, weil sie Allgemeine Anru-
mindestens der Zahl der angeseheneren Kultusorte und -statten gleich kam, ^'J^S bestimmten
wurde doch auch andrerseits überall jeder Gott um die Hilfe oder Gabe ange- Wirksamkeit.
fleht, die er nach dem Glauben vor allen andern zu gewähren vermochte^).
Dies gilt nicht bloß von den großen, sondern auch von den geringen und ge-
ringsten Göttern. Ein Beispiel für die Verehrung auch ganz untergeordneter Der unteren —
und momentan wirkender Schutzgeister bietet das Zeugnis Tertullians, daß man
III 1129 (= Dessau 3867). 3047 [Nymphis Aug. ex voto suscepto pro salute municipii balineo
effect'o)). 3116 (= Dessau ■}^%(i<^ aquam, quam nullus antiquorum in civitate fuisse meminerit, in-
ventafn). V 3106 (= Dessau 3859). X 4734 (= Dessau 3868 Nymphis sanctis) novis repertis).
XIV 2 (= Dessau 3339 monitu sanctissimae Cereris et Nympharum hie puteus f actus).
I) CIL VIII 2662 = Buecheler, Carm. ep. 252. 2) CIL VIII 9180. 3) CIL XIII 38 = Des-
sau 3579. 4) CIL VII 4SI = Dessau 3562. 5) CIL V 851 = Dessau 3547 [sectores materiarum
Aquileienses). CIL XI 363 (Rimini): Silvano ... negotians materiar ius). Vgl. v. Domaszewski,
Abhandl. z. röm. Religion S. 61 f. In dem felsigen Dalmaden erscheint Silvanus nach griechischem
Vorbilde als Pan, die \'otivreliefs des Pan und der Nymphen [Silvanus et Stlvanae] sind fürDalma-
tien am meisten charakteristisch. R. v. Schneider, Arch. epigr. Mitteil. aus Österr.-Ung. IX 1885
S. 43ff., vgl. Wissowa, Archiv f. Religionswiss. XIX 1917 S. 34f. 6) CIL II 2660 = Dessau
3259f. (Buecheler, Carm. ep. 1526). 7) CIL II 462 = Dessau 4515. 8) CIL VII 140 = Dessau
4730, vgl. Hübner, Bonner Jahrb. LXVII (1879) S. 29 ff. 9) Unterweltsgötter in Verwünschungen
angerufen; Audollent, Defixionum tabellae (1904) S. 461 ff.
i8o XUI. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 202]
immer noch an dem Tage, an dem das Kind zum erstenmal auf dem Boden
feststand, der Göttin Statina gedachte^). Noch immer schwuren Fuhrleute und
Maultiertreiber bei der ursprünglich keltischen, dann aber durch die römischen
Kavalleristen weit über die Grenzen Galliens hinaus verbreiteten^] Pferdegöttin
Epona, die ihre kleine Kapelle in einer Nische des Hauptbalkens zu haben
pflegte, welcher die Decke des Stalles trug. Dort wurde ihr Bild an Feier-
tagen mit Rosen und andern Blumen bekränzt^); auch Bildwerke, die sie dar-
stellen, für Ställe ausgeführt, sind noch vorhanden"*). An Orten, wo böse oder
erstickende Dünste aus dem Boden aufstiegen, wie bei Benevent, Cremona und
anderwärts, betete man zu der Göttin Mefitis und das Fortbestehen der Ver-
ehrung der alten Fiebergöttin ist durch inschriftliche Belege auch für die spätere
Kaiserzeit gesichert^),
der oberen — Wie gern aber auch das Volk an den zahllosen dienenden Gottheiten fest-
halten mochte, weil sie mit ihrer geringen, doch genau bestimmten und darum
sehr deutlichen Wirksamkeit einem Teil der Gläubigen näher standen und ihrem
Bedürfnisse, mit der übersinnlichen Welt zu verkehren, mehr entsprachen als
die oberen Götter, deren Allmacht und Majestät das menschliche Herz eher in
scheuer Entfernung hielt, so blieben doch immer diese als gewaltigste, die Welt
regierende, die Vorsehung ganz eigentlich ausübende Mächte die überall am
höchsten verehrten, am allgemeinsten angerufenen. Überall betete der Soldat
zum Vater Mars^), der Schiffer zum Neptun^j, der Kaufmann und Gewerbe-
treibende, auch der sorgsame Haushalter zum Merkur, »dem Lenker der Ge-
winne und Erhalter«^), der Handwerker und Künstler zur Minerva^), der Land-
mann zur Ceres '°), die Weinbauer und Weinhändler zu Bacchus"), die Jäger zu
Diana") und Silvanus^^), kreißende Frauen zur Diana und Lucina "'*], getrennte
Liebende in Griechenland zum Liebesgott: in einem Dialog Plutarchs erzählt
einer der Sprecher, wie seine Eltern bald nach ihrer durch einen Familienzwist
lange verzögerten Hochzeit nach Thespiä wallfahrteten, um ihrem beiderseitigen
Gelübde gemäß dem Eros zu opfern'^). Die Götter wurden um so öfter ange-
rufen, je umfassender ihre Machtsphäre und je allgemeiner ihre Verehrung war.
l) Tertullian. De anima 39, vgl. ad nat. II 11. 2) Keune. Real-Encykl. VI 228 fF. 3) Juven.
8, 157. Apul. metam. III 27. Minuc. Fei. Oct. 28, 7. Tertull. apol. 16; ad nat. II II. Pnident.
apoth. 197. 4 Insbesondere eine verlorene Malerei aus dem Zirkus des Maxentius an der Via
Appia (abgeb. u. a. in Roschers Mythol. Lexik. I 1287 f.) und eine Marmorstatuette aus Rom (Ma-
rucchi, Annali d. Inst. 1881 S. 2393".); das von Jordan (Annalid. Inst. 1872 S. 4.7 ff.) auf Epona ge-
deutete pompejanische Stallbild scheint eher eine Isis darzustellen (vgl. S. Reinach, Revue archeol.
1895 I 188 f.). 5) Vgl. namentlich die neugefundene Inschrift vom Janiculum bei Gatti, Bull,
arch. comun. XXXIX 191 1 S. 95 und Wissowa, Relig. u. Kultus^ S. 245 f. 6) z. B. CIL VIII
2634 = Dessau 2296 (deo Marti militiae potenti), vgl. v. Domaszev^ski, Westd. Zeitschr. XIV 1895
S- 33 ff- 7) z- B- CIL XIII 6324 = Dessau 3286 (für das contubernium iiatUarum), vgl. v. Doma-
szewski, Abhandl. z. röm. Religion S. 19 ff. 8) CIL V 6596 = Dessau 3199, vgl. CIL IX 3307
= Dessau 5599 (Aufstellung einer Merkurstatue in einem Atrium auctionarium). 9) z. B. CIL
XIV 44 = Dessau 3129 Numini evidentissimo Minervae aug[2istae) sacrum conservatrici et antistiti
spkndidissimi corporis stuppatortwi. 10) Horat. S. II 2, 124, vgl. auch CIL III 3835 (Weihung eines
frumentarius leg{ionis) XI^. 11) z. B. /[ovi] o'ptimo) m'aximo) et Libero patri vitüarum conservatori
CIL V 5543 = Dessau 3356; ein coUegiu7n Liberi patris et Mercuri der negotiantes cellarum vina-
riarum novae et Arruntianae CIL VI 8826 == Dessau 7276. 12) Wissowa a. a. O. S. 252, l.
13) V. Domaszewski, Abhandl. z. röm. Religion S. 63. 14) Tertullian. De anima 39. 15) Plutarch.
Amator. 2.
[IV. 203] I, DER GÖTTERGLAUBE i8i
Herakles, den unbesiegten Überwinder aller Schrecknisse und Gefahren, rief
man im Osten in jeder Bedrängnis zu Wasser und zu Lande, in Seegefahr und
Krankheiten an').
Doch die meisten Gebete richteten sich ohne Zweifel überall an den höchsten besonders
Gott. Zu ihm betete man als dem Donnerer, dem Blitzschleuderer, dem Herrn ^^^ Juppiter.
der himmlischen Wetter, des heitern Himmels: in langer Dürre zogen Prozes-
sionen von Frauen mit bloßen Füßen und aufgelösten Haaren auf eine Höhe
und flehten ihn um Wasser an^). Auf Bergeshöhen fühlte man sich ihm vor
allem nahe, dort huldigte man ihm als dem Juppiter des Vesuv, des Appenninus
usw. Auf der Paßhöhe des großen S. Bernhard, dessen Umwohner (die kel-
tischen Veragrer) in Hannibals Zeit den Gott Pöninus verehrten^), stand bis ins
II. Jahrhundert zwischen dem (seit 926 dem h. Bernhard geweihten) Hospiz
und dem See ein Juppitertempel, von welchem der Berg ehemals den Namen
Mont-Joux (Mons Jovis) führte. Dort, »wo die Schrecken des Gebirges dem
Wanderer in ungleich stärkerem Maße als auf den übrigen Pässen entgegen-
treten« '*), sind außer zahlreichen Münzen und andern Weihgaben große Mengen
von bronzenen Votivtafeln von Soldaten und andern römischen Reisenden ge-
funden worden, die dem höchsten gütigsten Juppiter Pöninus ihr Gelübde für
glückliche Hin- und Rückreise lösten^). Aber nicht die Natur allein lenkte sein
allmächtiger Wille; er war zugleich der »Lenker der göttlichen und mensch-
lichen Dinge und Herr der Geschicke«^), und als solcher Schützer, Erhalter,
Sieger, Schlachtengott und Friedensbringer, überhaupt Vollender jedes Be-
ginnens, Helfer in jeder Not und Gefahr^). Es gab kein großes oder kleines,
öffentliches oder privates Anliegen, das ihm nicht anbefohlen, kein Ereignis,
in dem nicht die Offenbarung seiner Allmacht erkannt werden konnte^). Ein
hoher Beamter von senatorischem Stande löst in Campanien dem Juppiter sein
Gelübde, »weil er an diesem Orte eine dringende Gefahr bestanden und seine
Gesundheit wieder erlangt hat«^); ein Verwalter des vornehmen Hauses der
Roscier als dem Erhalter der Besitzungen dieser Familie (in der Gegend von
Brescia) '°). In ApoUonia in Phrygien weihte ihm ein Galater einen Altar, an
dem sich zwei Ochsen in Relief befanden, zum Dank dafür, daß der Gott
Menschen und Vieh in einer Hungersnot am Leben erhalten, den Darbringer
in sein Vaterland zurückgeleitet, seinem Sohne bei den Trokmern Ansehen
verliehen hatte "). Ein Bewohner von Apulum (Karlsburg) löste ihm sein Gelübde
1) So namentlich als Abwehrer alles Unheils (dXeSlKOKO^) in Zaubersprüchen, vgl. R. Heim, In-
cantamenta magica (Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 18921 S. 509. 2) Petron. Sat. 44, 18. Wissowa
a. a. O. S. 120 ff, 3) Liv. XXI 38, 9. 4) Nissen, Ital. Landesk. I 160. 5) CIL V 6863—6895
(Dessau 4850). Bamabei, Rendic. d. accad. d. Lincei ser. 4 III 1887 S. 363 ff. E. Ferrero, Notiz,
d. Scavi 1890 S. 294ff. 1892 S. 63 ff. 440 ff. 1894 S. 33 ff. Vgl. v. Duhn, N. Ileidelb. Jahrb. H
1892 S. 77 f. A. Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels u. Verkehrs zwischen Westdeutschi. u.
Italien (1900) I 42. 6j CIL III 1090 = Dessau 2998, vgl. CIL VIII 182 19 = Dessau 2999.
7) z. B. Dessau 2996 [exauditori precum generis humani). CIL III 1918 ihoc in loco maiestate et nu-
mine eius seruatus) 8) Zwei Männer aus Apulum in Dacien setzen dem Juppiter Optimus Maxi-
mus den Altar CIL III 7756 = Dessau 3007 mit folgender Begründang: circumstantes viderimt
numen a\quilae descidis[s)e nionte supra dracone[s) tres valida vi. supstrinxit a q\uila. hi s'npra)
s[cripti) a^q]uila{m) de periculo Hberaveriint. 9) CIL X 3805 = Dessau 2997. 10) CIL V 4241
= Dessau 3018 (224 n. Chr.). il) Lebas-Waddington il92=Kaibel, Epigr.gr. 793 (162 n. Chr.).
i82 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 204]
»für sein und der Seinigen Heil«, weil er durch ihn aus der Gewalt der Karper
befreit worden war, die im 3. Jahrhundert häufig in Dacien einfielen'). In der
etruskischen Stadt Tuder hatte einst »ein verruchter Sklav der Kommune • mit
abscheulicher Arglist«- eine Tafel mit den Namen sämtlicher Dekurionen (Stadt-
räte) in einem Grabe vergraben, um dieselben so den Mächten der Unterwelt
zu weihen. Aber der höchste Gott hat durch seine Macht das Verbrechen an
den Tag gebracht, den Täter der Strafe überliefert und Stadt und Bürgerschaft
von der Angst vor den drohenden Gefahren befreit. Darum löste ein von der
Stadt besonders ausgezeichneter Freigelassener sein Gelübde für das Wohl dei
Stadt, des Stadtrats und des Volks von Tuder »dem höchsten besten Juppiter,
dem Be wacher und Erhalter^ ^).
Mangel an An- Diese römischen Inschrifrsteinen entnommenen Beispiele zu häufen würde
Menee'deTun- überflüssig sein; die gewählten werden genügen, um die Natur des Glaubens
gläubigen und an eine durch die Gottheit geübte Vorsehung anschaulich zu machen; ihre
Indifferenten. Masse, Mannigfaltigkeit und Verbreitung über alle Teile der römischen Welt
läßt eine im großen und ganzen entsprechende Verbreitung des Glaubens an-
nehmen, den sie bezeugen: wenn auch immerhin ein Teil dieser Denkmäler
von Ungläubigen oder Indifferenten herrühren mag, welche die Erhaltung der
herrschenden Kultusformen durch ihre Anerkennung unterstützen oder sich
nicht zu ihr in Widerspruch setzen wollten. Eine solche Anbequemung und
Nachgiebigkeit konnte aber nur gegenüber einem Glauben stattfinden, dessen
Herrschaft unbestritten war. Auch gibt es gegen die Tatsache dieser Herrschaft
kein einziges Zeugnis in der gesamten griechischen und römischen Literatur
dieses Zeitraums, wohl aber manche unverwerfliche, die sie ausdrücklich be-
stätigen. Allerdings ist wegen der großen Verbreitung des Epikureismus glaub-
lich, daß die Zahl der Leugner der Vorsehung an sich beträchtlich war, aber
das Verhältnis dieser Ungläubigen zu den Gläubigen auch nur annähernd zu
bestimmen, war selbst für den sorgfältigsten und weitblickendsten Beobachter
in jener Zeit ebenso unmöglich wie in irgend einer andern; und die unbe-
stimmten Ausdrücke der Schriftsteller, die über die religiösen Zustände der
Mitwelt sich im allgemeinen äußern, sagen uns nichts, was wir nicht ohnedies
schon wüßten. Wenn Plinius sagt, daß ein Teil der Menschen keine Rücksicht
auf die Götter nehme, daß der blinde Zufall als Gottheit verehrt werde ^); und
Juvenal, daß nach manchen alles vom Zufall abhänge, kein Lenker, sondern
die Natur den Gang der Weltordnung regele*); oder der Jude Philo, daß nach
dem Glauben vieler alles in der Welt sich ohne höhere Leitung aus eigner Kraft
bewege und Gesetze und Sitten, Rechte und Pflichten der Menschen einzig und
allein der menschliche Verstand festgesetzt habe^): so sind dies nur ungenaue
Umschreibungen der Epikureischen Lehre, die auch Tacitus, als die Ansicht,
daß in den menschlichen Dingen der Zufall walte, dem stoischen Vorsehungs-
glauben entgegenstellt^). Der Glaube an ein unabänderliches Fatum, dessen
weite Verbreitung er sowohl als Plinius bezeugt, schließt den Vorsehungsglauben
i) CIL m 1054. 2) CIL XI 4639 = Dessau 3001. 3) Plin. n. h. II 22. 4) Juv. 13, 86 ff.
5) Philo leg. alleg. HI 30. 6) Tac. A. VI 22, vgl. dazu Pöhlmann a. a. O. S. Ii ff.
[IV. 205, 2o6] I. DER GÖTTERG LAUBE 183
keineswegs aus, wie denn auch bekanntlich die stoische Schule den einen mit
dem andern zu vereinigen wußte'). Auch bei Plutarch, der in einer eignen
Schrift') Aberglauben und Unglauben als die entgengesetzten Abirrungen von
der wahren Frömmigkeit behandelt hat, sind unter den Atheisten hauptsäch-
lich Epikureer zu verstehen; eine Andeutung über das Verhältnis ihrer Zahl zu
der der Gläubigen gibt er nicht; doch wenn er, dessen religiöse Richtung dem
Aberglauben so nah verwandt war, trotzdem den Atheismus für den minder
schädlichen Irrtum erklärt, so kann man kaum glauben, daß er von seinem
Umsichgreifen eine Gefahr für die Religion befürchtete: hätte sich die materia-
listische Weltanschauung in einer Besorgnis erregenden und das fromme Gefühl
beleidigenden Weise breit gemacht, so würde Plutarch sie schwerlich als eine
natürliche Reaktion gegen das Übermaß der Superstition anerkannt^) und so
milde beurteilt haben.
Daß der Glaube an die Götter allgemein, der Gottesleugner sehr wenige Die Atheisten eine
waren, sagt nicht bloß Maximus von Tyrus**), sondern auch Apulejus: »die in kleine Minorität.
die Philosophie uneingeweihte Masse der Unwissenden, der Heiligkeit ledig,
der wahren Erkenntnis bar, arm an Frömmigkeit, unteilhaftig der Wahrheit,
mißachtet die Götter teils durch überängstliche Verehrung, teils durch trotzige
Verschmähung, jene im Aberglauben, diese im Unglauben, jene voll Furcht,
diese voll Selbstgenügsamkeit. Denn diese Gesamtheit der hoch im Äther
wohnenden, von menschlicher Berührung abgeschiedenen Götter verehren,
doch nicht in gebührender Weise, die meisten: es fürchten sie alle, doch aus
Unkenntnis; es leugnen sie wenige, doch aus Gottlosigkeit«^). Hiernach er-
schien also mindestens damals die Zahl der Atheisten und Materialisten, wenn
auch an und für sich nicht gering, doch der Masse der Gläubigen gegenüber
als eine kleine Minorität: und diese Ansicht bestätigt im wesentlichen Lucian,
dessen Zeugnis um so schwerer ins Gewicht fällt, als er ohne Zweifel sehr viel
lieber die entgegengesetzte Wahrnehmung konstatiert hätte. Er läßt die um
ihre fernere Verehrung besorgten Götter eine öffentliche Disputation zwischen
einem Epikureer als Leugner und einem Stoiker als Verteidiger des Vorsehungs-
glaubens anhören, wobei der letztere eine schimpfliche Niederlage erleidet.
»Aber^, sagt Hermes, »was ist denn dabei für ein großes Übel, wenn nur
wenige mit dieser Überzeugung nach Hause gehen? Denn groß ist die Zahl
derer, welche die entgegengesetzte Ansicht haben, die Mehrzahl der Hellenen,
die große Masse, und alle Barbaren^ ^).
Wie viele Erweiterungen auch die antike Götterwelt durch die massenhafte
Aufnahme orientalischer und barbarischer Gottheiten erfahren hatte, so war
doch im Verhältnis der Gläubigen zur Gottheit keine Veränderung eingetreten.
Für die menschliche Schwäche und Hilflosigkeit, die nach Plinius richtigem
Ausdruck die Gottheit nicht anders als durch Auflösung in unzählige Einzel-
wesen begreifen konnte, war durch Vermehrung und Vermannigfaltigung der
göttlichen Personen der Verkehr mit der höheren Welt eher erleichtert als er-
l) W. Gundel, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Begriffe Ananke und Heimarmene
(Gießen 1914) S. 61 ff. 2) Einen Kommentar zu Plutarchs Schrift irepi fteiöi&ai|uov(a^ gibt
W. Abemetty, De Plutarchi qui fertur de superstitione libello, Diss. Regimont. 1911. 3) Plutarch.
De superst. 13. 4) Oben S. 125 f. 5) Apulei. De deo Socrat. 3. 6) Lucian. Jupp. Tragoed. 53.
i84
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 207]
Schwert. Nicht bloß der Glaube an eine durch die Götter geübte Vorsehung
blieb der ungeheuren Mehrzahl der Menschen unentbehrlich, sondern das
Glaubensbedürfnis dieser Mehrzahl forderte und schuf unaufhörlich das Wunder,
und es waren nicht allein die Weiber und die große Menge, wie der aufgeklärte
Strabo meinte, die der ^Legenden und Wundergeschichten« bedurften. Aber
auch daß, so weit sich die römisch-griechische Kultur erstreckte, die aus der
Verschmelzung der beiden Religionen hervorgegangene Götterwelt trotz des
Ansehens der neuen Götter im großen und ganzen die Herrschaft behauptete
und trotz aller Mischungen sich in den Gemütern der Menschen immer von
neuem herstellte: auch das wird sich hoffentlich aus der bisherigen Darstellung
ergeben haben.
Der Kultus und Zum Schluß ist hier noch der Kultus in Betracht zu ziehen, dessen Wirkung
auf dleErhaUun'^ ^^^ unaufhörliche Kräftigung und Neubelebung des Glaubens sehr hoch ange-
des Glaubens, schlagen werden muß. Selbst eine völlige Überschwemmung des Okzidents
durch die Religionen des Ostens hätte den Glauben an die alten Götter nicht
zu entwurzeln vermocht, solange überall ihre Kulte in den überlieferten Formen
fortdauerten, die mit dem ganzen öffentlichen und Privatleben im innigsten Zu-
sammenhange standen, allen bedeutenden Momenten des einen wie des andern
Weihe und Verklärung gaben und Sinn, Gemüt und Phantasie aufs manigfachste
fort und fort in Anspruch nahmen und fesselten. Solange überall die Tempel,
^mehr erhaben durch die persönliche Gegenwart der sie bewohnenden Gott-
heiten als reich an Schmuckstücken des Gottesdienstes und Geschenken«^),
die Beter einluden; solange sehr zahlreiche Feiertage, Festlichkeiten und reli-
giöse Zeremonien aller Art, wie Opfer, Prozessionen, Bittgänge, Schauspiele,
an die Macht, Größe und Herrlichkeit der Götter sowie an ihr Verhältnis zu den
Menschen fortwährend aufs eindringlichste erinnerten: so lange konnte der
Glaube der Menschen unmöglich von den Bahnen weichen, die ihm die ehr-
würdige Überlieferung so vieler Jahrhunderte vorzeichnete, und die unzählige
Generationen als die zur Wahrheit führenden erprobt hatten.
Nicht bloß die Fortdauer aller angeseheneren römischen und griechischen
Gottesdienste bis in das späte Altertum ist eine unbestrittene Tatsache, sondern
auch die Erhaltung obskurer und lokaler Kulte sowie unverständlich gewordner
religiöser Zeremonien, Gebräuche und Formen durch zahlreiche Nachrichten
für so verschiedne Länder bezeugt, daß bei einer so ungemein zähen Lebens-
kraft der religiösen Überlieferung eine große und wesentliche Verminderung
ihres Bestandes im Laufe der Jahrhunderte überhaupt als unannehmbar erscheint.
Das römische Ritual hat sich mindestens zum großen Teil bis in die letzten
Zeiten des Altertums in Formen erhalten, die einer jenseits der Anfänge der
römischen Geschichte liegenden Zeit ihren Ursprung verdanken und auf jenen
urältesten Anschauungen der Götterwelt beruhen, die in Latium lange vor der
Überflutung der römischen Religion durch die griechische geherrscht hatten.
Die liturgischen Gesänge, auch den Priestern selbst, die sie Jahr für Jahr vor-
schriftsmäßigabsangen, zum Teil unverständlich^), enthielten die Anrufungen der
Erhaltung ur-
alter Kulte und
Rituale in Rom.
1) Minuc. Fei. Oct. 7. 5. 2) Quintilian. I 6, 40.
[IV. 2o8] I. DER GÖTTERGLAUBE 185
Götter mit den längst verschollenen Namen, mit denen die ältesten Ansiedler der
Hügel am Tiberufer sie genannt hatten, und jahraus, jahrein wurde ein ebenfalls
aus grauer Vorzeit stammendes gottesdienstliches Zeremoniell mit derselben
peinlichen Genauigkeit von den Priestern vollzogen. Die Stationslokale für die
Prozession der Salischen Priester, in welcher die heiligen Schilde [aticilia]
über Nacht aufbewahrt wurden, sind noch in der letzten Zeit des Heidentums
restauriert worden'). Der 354 nach offiziellen Quellen zusammengestellte Ka-
lender des Philocalus führt noch eine nicht geringe Anzahl der angeblich von
König Numa gestifteten, d. h. in eine unvordenkliche Zeit zurückreichenden
religiösen Feste als damals in Rom gefeierte Staatsfeste auf, die auch selbst
aus dem ein Jahrhundert jüngeren (448 aufgestellten) Kalender des Polemius
Silvius noch nicht völlig verschwunden sind^). Es waren gerade die ältesten
Kulte, die noch fortdauerten, »als längst die geistigeren Gottesdienste der histo-
rischen Zeit der Religion des Kreuzes zum Opfer gefallen waren- ^): so der Um-
zug zu den 24 Kapellen der Argeer (Binsen- oder Strohpuppen) am 16. und
17. März und das Hinabstürzen derselben in den Tiber am 14. Mai'*j und das
am 15. Oktober auf dem Marsfelde vollzogene Opfer eines mit Broten bekränzten
Pferds (des Oktoberrosses), um dessen Haupt als um ein Heiltum zwei der
ältesten Stadtteile Roms sich stritten^). Das ebenfalls aus uralter Zeit stammende
Fest der Luperkalien bestand noch im Jahre 494, in welchem Papst Gelasius I,
gegen seine Begehung aufs kräftigste Einspruch erhob^).
Doch am deutlichsten ergibt sich die unveränderte Fortdauer tausendjähriger, Das Ritual der
wie in Versteinerung erhaltener Kultusformen aus den Protokollen der Acker-
brüder [fratres Arvales), den einzigen einer geistlichen Genossenschaft, die
sich erhalten haben''). Diese Brüderschaft, in der Kaiserzeit regelmäßig aus
Männern des höchsten Adels und den Kaisern selbst bestehend, feierte im Mai
»der göttlichen Göttin-^ [dea Dia — eine uralte Benennung der mütterlichen
Erdgöttin, der Spenderin des Fruchtsegens) ein dreitägiges Fest für das Ge-
deihen der jungen sprossenden Saaten, in ihrem Haine mit uralten, von der
Axt nie berührten Bäumen, der fünf Miglien von Rom an der ^ Felderstraße«
lag. Jeder Gebrauch einer eisernen Axt in diesem Hain, wenn ein Baum durch
Sturm oder Alter brach, überhaupt jeder Gebrauch eines eisernen Gerätes er-
forderte ein Sühnopfer: das Verbot des Eisens beim Gottesdienst ist aus der
Unbekanntschaft der Zeit, aus welcher die Ritualgesetze stammen, mit diesem
Metall zu erklären^). Zu den Feierlichkeiten des zweiten Festtags gehörte, daß
die Priester bei verschlossenen Türen im Tempel gewisse Töpfe berührten und
i) CIL VI 2158 = Dessau 4944; zur Zeitbestimmung vgl. Borghesi, Oeuvres VTI 382. 2) Beide
zusammen CIL P p. 254 ff. Vgl. auch das campanische Festverzeichnis vom J. 387 (CIL X 3792
= Dessau 4918, dazu Mommsen, Ges. Sehr. VIII 15 ff.); über die Verengerung des offiziellen Fest-
kreises im praktischen Leben Wissowa, Apophoreton der Graeca Halensis (1903) S. 47 ff. 3] Mann-
hardt, Wald- u. Feldkulte IP S. XXXV. 4) Wissowa, Ges. Abhdl. z. röm. Religions- u. Stadt-
geschichte S. 211 ff. 5) Wissowa, Relig. u. Kultus' S. I44f. 6; Brief des Papstes Gelasius in
CoUectio Avellana ed. O. Günther I 453 ff., vgl. Usener, Weihnachtsfest' S. 311 f. 327. 7) Das
Folgende hauptsächlich (zum Teil wörtlich) nach Mommsen, Reden u. Aufsätze S. 270 ff. Die Pro-
tokolle bei Henzen, Acta fratrum Arvalium 1874. CIL VI 2023— 21 19. 32338—32398 ; vgl. Wis-
sowa, Real-Encykl. II 1463 ff.; Hermes LH 191 7 S. 463 ff. 8) Heibig, Die Italiker in der Poebene
'1879) S. 80 f.
i86 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 209, 210]
mit frommem Gebet besprachen. Die neuesten Ausgrabungen im Arvalenhain
haben Scherben von Gefäßen rohester Fabrik, ohne Drehscheibe aus freier
Hand gefertigt, zutage gefördert, wie sie sonst in Latium nur unter dem Peperin
(d. h. der Lava der in vorge=;chichtlicher Zeit erloschenen Vulkane des Albaner-
gebirges) vorkommen. »Offenbar waren dies die Breitöpfe aus jener Zeit, wo
man das Korn noch nicht zum Brote buk, sondern als Brei stampfte«^. In einer
späteren Zeit desselben Tags gürteten die Priester, nachdem alle nicht zum
Kollegium gehörigen Personen den Tempel verlassen hatten, in den heiligen
Raum eingeschlossen, ihr Gewand zum Tanze und sangen oder sagten nun ein
Gebet an den Mars und die Laren oder Lasen um Abwendung des Verderbens
» in einem Latein, welches bereits 400 Jahre vor Cicero eine veraltete Sprache
gewesen sein muß«, ihnen selbst »so unverständlich wie das Kyrie Eleison dem
Meßner, weshalb auch jedem Priester vorher sein Textbuch von den Dienern
überreicht ward ■> . Der Text dieser Litanei, in einem im Jahre 2 1 8 unter Kaiser
Elagabal abgefaßten Protokoll erhalten , ist das älteste- Dokument der latei-
nischen Sprache, das wir kennen. Ein Jahrtausend mochte damals vergangen
sein, seit die Ackerbrüder zum erstenmal die Dea Dia mit diesem Gebet ange-
rufen hatten. In diesem Jahrtausend hatten die ungeheuersten Umwälzungen
die Gestalt der bewohnten Erde völlig verwandelt. Die Tiberstadt war aus einem
Bauerndorf zum Mittelpunkt eines Weltreichs geworden, ihr Morgen und Mittag
war vergangen, ihr Abend dämmerte herauf. Auf dem Throne, den August
errichtet hatte, saß ein Sonnenpriester aus dem so oft gedemütigten und so tief
verachteten Syrien. Und noch immer tönte das alte Lied, dessen Worten schon
die Könige Roms mit Andacht gelauscht hatten:
Uns, Lasen, helfet!
Nicht Sterben und Verderben, Mars, Mars, laß einstürmen auf mehrere!
Satt sei grauser Mars !
Ite Lokalkulte Mit derselben, allen zerstörenden Einflüssen trotzenden Zähigkeit erhielten sich
1 übrigen Ita- auch im übrigen Italien uralte Lokalkulte: SO in Oberitalien keltische Und rätische'),
in Toscana etruskische, wie namentlich der der Schicksalsgöttin Nortia in Volsinii
(Bolsena)^). Juvenal spricht von der Nortia als der Schutzgottheit des von dort
stammenden Sejan^j, und noch im 4. Jahrhundert nennt sich der Volsinier Rufius
Festus Avienus (Prokonsul von Achaja, auch als Dichter bekannt) einen Verehrer
der Nortia''). So hielten auch andre aus den Städten Italiens nach Rom überge-
siedelte Familien an ihren heimischen Kulten fest, wie dieTurpilier an dem der
Feronia^), die hauptsächlich am Soracte und beiTerracina, doch auch an vielen
Orten des übrigen Italiens verehrt wurde^). Die Göttin Vacuna, neben deren in
der Nähe seines sabinischen Landguts gelegenem, verfallenem Tempel Horaz die
Epistel an seinen Freund Aristius Fuscus diktierte, wurde im Sabinerlande an
vielen Orten verehrt ; ihr angesehenstes Heiligtum war ein Hain in der Ebene von
Rieti in der Nähe der Einmündung des Velino in den Veliner See^). Dagegen
i) Beispiele bei Dessau 4888 — 4905. 2) CIL XI 2686 = Dessau 4036 (Volsinii) Dis dea-
busq\tu) Primitivus deae Nort[iae) ser[vns) act[or) ex voto. 3) Juv. 10, 74 ff. 4) CIL VI 537 =
Dessau 2944 (Buecheler, Carm. ep. 1530). 5) Borghesi, Oeuvres 11 105 ff. 6) Wissowa a. a. O.
S. 285 f. 7) Horat. ep. I 10, 49. CIL IX 4636. 4751 f. = Dessau 3484 — 3486, ferner Dessau
9248; vgl. Wissowa S. 49, 5.
[IV. 2ii] I. DER GÖTTERGLAUBE 187
erstreckte sich das Ansehen andrer Lokalgottheiten, wie Tertullian spottet, gleich
dem der Ratsherrn kleiner Städte, nicht über deren Weichbilder hinaus: so war
der Kultus des Delventinus auf Casinum, des Numiternus auf Atina, des Visi-
dianus auf Narnia, der Ancharia auf Asculum, der Valentia auf Ocriculum, der
Hostia auf Sutrium beschränkt'). Einen Tempel der an der Küste von Picenum
verehrten Göttin Cupra in der gleichnamigen Stadt erneuerte noch Hadrian^).
Auch sehr eigentümliche Feste, bei welchen Wallfahrer und Schaulustige von
allen Seiten zusammenströmten^), und seltsame Gebräuche bestanden an ver-
schiedenen Orten fort"*). Noch in Marc Aureis Zeit fiel das Priestertum der Diana
von Nemi dem zu, der, nachdem er von einem bestimmten Baume ihres Hains
einen Zweig abgebrochen, den derzeitigen Inhaber der Stelle im Zweikampfe
erschlug; dieBewerber um diesen blutigen Preis waren damals flüchtige Sklaven^).
Die erstaunliche Menge und Mannigfaltigkeit der in Griechenland fortbe- Fortdauer ur-
stehenden, großenteils ebenfalls aus einem fernen Altertume stammenden, oft ^}^?^ ^^^]^ "f
seltsamen, selbst rohen, blutigen und entsetzlichen Lokalkulte lernen wir haupt-
sächlich aus Plutarch, Pausanias und inschriftlichen Denkmälern kennen. Eine
Anzahl von charakteristischen Beispielen wird hinreichen zu zeigen, sowohl wie
überreich, bunt und vielgestaltig die Fülle der griechischen Gottesdienste noch
immer war, als auch mit wie staunenswerter Zähigkeit auch hier im Kultus ur-
alte Traditionen sich behaupteten. In Paträ feierte man jährlich das Fest der
Artemis Laphria folgendermaßen. Um den sehr großen Opferaltar wurden im
Kreise grüne Baumstämme von je 16 Ellen Länge aufgepflanzt, inwendig das
trockenste Holz gehäuft und ein bequemer Aufgang am Altar durch aufge-
schüttete Erde hergestellt. Am ersten Tage fand eine prachtvolle Prozession
statt, deren Beschluß die jungfräuliche Priesterin der Artemis auf einem von
Hirschen gezogenen Wagen machte. Am zweiten Tage war das Opfer, zu dem
sowohl die Stadtgemeinde als die einzelnen wetteifernd beisteuerten. Alle Opfer-
tiere wurden lebendig auf den Altar geworfen, worunter eßbare Vögel, Wild-
schweine, Hirsche, Rehe, junge und ausgewachsene Wölfe und Bären, hierauf
das Feuer angezündet. Man sah dann wohl einen Bären oder ein andres Tier
sich losreißen und ausbrechen, worauf es wieder zurückgeschleppt wurde, doch
nie war ein Mensch von einem Tier beschädigt worden^). In derselben Stadt
wurde ein Bild des Dionysos, mit dem Beinamen »der Volksrichter«, in einem
Schreine verehrt, der nach der Legende bei der Eroberung Trojas von dort
fortgeführt worden war. Neun vom Volke aus den Angesehensten gewählte
Männer und ebenso viele Frauen besorgten seinen Dienst. In einer bestimmten
Nacht während des dem Gotte heiligen Festes trug der Priester den Schrein aus
dem Tempel heraus. Dann gingen alle Kinder aus der Stadt mit Ährenkränzen
an den Fluß Meilichos: so waren nach der Legende die in alter Zeit der Arte-
mis geopferten Kinder bekränzt worden. Die Kränze legten sie bei der Artemis
nieder, badeten im Flusse, setzten Efeukränze auf und gingen so zum Tempel
i) Tertullian. Apol. 24; ad nation. II 8, dazu Wissowa a. a. O. S. 50, 2. 2) CIL IX 2594 =^
Dessau 313. Wissowa S. 216, 5. 3) S. z. B. die Beschreibung des Festes der Diana von Nemi bei
Stat. silv. in I, 52 ff. 4) z. B. die Jungfrauenprobe im Kulte der Juno von I.anuvium, Wissowa
a, a. O. S. 185, 6. 5) Pausan. II 27, 4. Serv. Aen. VI 136. Wissowa S. 248. 6) Pausan. VU 18,
II — 13. Nilsson, Griech. Feste S. 2l8fr.
i88 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 212]
des Dionysos ^). In der Nähe des Flusses Crathis war ein Heiligtum der » breit-
brüstigen Erdgöttin« mit einem uralten Holzbilde. Die Priesterinnen mußten
keusch leben, und zugelassen wurden nur solche, die bis dahin nur einen Mann
gekannt hatten. Die Wahrheit ihrer Aussage wurde durch einen Trunk von
Ochsenblut erprobt, und die, welche die Probe nicht bestanden, sogleich be-
straft, unter mehreren gleichberechtigten Bewerberinnen entschied das Los^).
Das Bild der Artemis Orthia zu Sparta war nach der auch von Pausanias ge-
glaubten Sage dasselbe, das Orest aus dem taurischen Tempel entführt hatte;
noch immer forderte die Göttin eine Bespritzung ihres Altars mit Menschenblut,
daher wurden noch immer Jünglinge an ihrem Altar blutig gegeißelt. Die
Priesterin hielt das kleine Holzbild der Göttin im Arm; wenn die Geißelnden
einen Knaben wegen seiner Schönheit oder seines Standes schonten, wurde es
ihr so schwer, daß sie es nicht tragen konnte: Plutarch sagt, man habe auch in
seiner Zeit viele unter den Hieben sterben gesehen^); diejenigen, welche sich
durch Standhaftigkeit vor den andern auszeichneten, führten lebenslänglich den
Titel »Altarsieger« ■). Zu Alea in Arkadien wurden bei einem Fest des Diony-
sos nach einem Spruch des delphischen Orakels Frauen gegeißelt^). In Orcho-
menos in Böotien verfolgte alljährlich an dem Feste der Agrionien der Priester
des Dionysos die angeblich von den fluchbeladenen Minyastöchtern stammen-
den Frauen mit dem Schwert in der Hand; die Frau, die er einholte, durfte er
töten, und dies hatte zu Plutarchs Zeiten der Priester Zoilos wirklich getan.
Aber für diese fromme Wut traf der Zorn der Götter nicht bloß ihn selbst, der
an einer scheußlichen Krankheit starb, sondern auch die Stadt Orchomenos,
die in Verlust und Nachteil geriet: die Orchomenier nahmen dem Geschlechte
des Zoilos das Priestertum und verliehen es fortan durch Wahl^). Auf Cypern
waren nach Lactantius dem Zeus Menschenopfer gebracht worden, bis Hadrian
sie verbot^); doch noch unter Marc Aurel glaubte man, daß sie dem Zeus Lykaios
in Arkadien im geheimen gebracht würden^), und auch in Rhodus soll Kronos
alljährlich ein solches Opfer empfangen haben, wozu man (wie angeblich bei
dem Fest des JuppiterLatiaris in Rom)^) einen todeswürdigen Verbrecher nahm ^°).
Zu Aliphera in Arkadien wurde vor andern Gottheiten Athene verehrt, die nach
der Ortslegende dort von Zeus geboren und auferzogen war ; vor dem großen
Feste, das ihr jährlich gefeiert wurde, opferten die Bewohner dem Heros Myia-
gros, d. i. Fliegenscheucher, und beteten zu ihm, und wurden dann während
des Festes nicht von den Fliegen belästigt ' '). In dem unfern von Sikyon gelegenen
Titane war ein von Kranken viel besuchter Asklepiostempel; innerhalb der
Mauer des Tempelbezirks standen alte Zypressen. Von dem Bilde sah man nur
Kopf, Hände und Füße, übrigens war es mit einem wollnen Leibrock und Mantel
I) Pausan. VII 20, i f., vgl. 19, 6f. Nilsson a. a. O. S. 294ff. 2) Pausan. VII 25, 13. E. Fehrle,
Die kultische Keuschheit im Altertum (1910) S. 106 ff. 3) Pausan. III 16, 7 — il. Plutarch. Lycurg.
18, 2. F. Schwerin, Die Menschenopfer bei den Griechen u. Römern S. 93ff. ; vgl. dazu Fehrle,
Berl. philol. Wochenschr. 1919 S. isSff. 4) Hygin. fab. 271; inschriftliche Erwähnungen solcher
ßiu^oviKOi aus der Kaiserzeit IG V i nr. 554. 652—654. 5) Pausan. VIII 23, i. Nilsson S. 299 f.
6) Plutarch. Qu. Gr. 38, vgl. Nilsson S. 273, 3. 7) Lactant. Inst. div. I 21, i. 8) Pausan. VIII
38, 7. Schwenn a. a. O. S. 20 ff. 9) Schwenn a. a. O. S. 180 f. 10) Porphyr, de abstin. II 54.
Nilsson S. 38. n) Pausan. VIII 26, 7. Nilsson S. 441.
[IV. 213] I. DER GÖTTERGLAUßE 189
bekleidet; eine daneben stehende Statue der Hygiea war über und über mit
Haaren bedeckt, welche die Frauen zu Ehren der Göttin sich abschoren, und
mit Streifen babylonischer Teppiche. In der Nähe war ein Altar der Winde,
denen der Priester jährlich in einer Nacht opferte und dabei auch in vier Gruben
geheime Opfer warf, um das Toben der Winde zu mildern, wozu er Beschwö-
rungslieder, wie man sagte, von der alten Zauberin Medea sang'). Bei Trözen
war in der Nähe des Musentempels ein Altar des Schlafs, dem man mit den
Musen zusammen opferte, da, wie sie dort sagten, dieser Gott den Musen der
liebste sei. Hauptsächlich aber verehrte man zu Trözen Hippolyt, den Sohn
des Theseus, in einem glänzenden Tempelbezirk. Die Trözenier leugneten, daß
er von Pferden geschleift und so gestorben sei, vielmehr sei er zum Himmel
aufgefahren und dort im Sternbilde des Wagenlenkers sichtbar. Sein Priester
verwaltete das Amt lebenslänglich, jährlich wurde ihm ein Fest gefeiert, und
außerdem schor jede Jungfrau ihm zu Ehren sich vor der Hochzeit eine Locke
ab und legte sie in seinem Tempel nieder^). Bei den Dionysosfesten dauerten
die äußeren Zeichen der Verzücktheit, das Rohessen, das Würgen und Zer-
reißen von Schlangen durch die Bacchen fort^).
Aus allem also, was wir über die religiösen Zustände Griechenlands bis zu
Ende des 2. Jahrhunderts und zum Teil noch aus späterer Zeif^) wissen, gewinnt
man, wie gesagt, den Eindruck, daß der alte Bestand der einheimischen Kulte
durch die neu eingedrungenen ausländischen eine irgend wesentliche Einbuße
oder Veränderung ebenso wenig erlitten hatte wie in früherer Zeit durch die des
Adonis, der asiatischen Göttermutter und des Ammon^). Und doch waren auf
dem griechischen Festlande wie auf den Inseln die (wenigstens zum Teil schon
im 4. Jahrhundert v. Chr. eingeführten) Dienste der ägyptischen Gottheiten Isis,
Osiris und Sarapis ungemein verbreitet und hochangesehen ^). Zu diesen hatten
sich auf Delos bereits seit dem zweiten Jahrhundert vor Chr. die der phönizi-
schen Aphrodite und der syrischen (dort als Sonnengott und Erdgöttin ge-
paarten) Gottheiten Hadad und Atargatis gesellt ''); selbst von dem im allgemeinen
von Griechenland und Kleinasien fern gehaltenen Mithrasdienste lassen sich
vereinzelte Spuren in Athen, Thespiae und Thera nachweisen^); und Lucians
Spöttereien über die Mischung der Göttergesellschaft lassen voraussetzen, daß
noch manche andre Götter des Orients in Griechenland Verehrung gefunden
hatten. Jener in Athen stattfindenden Disputation über die Vorsehung wohnen
Bendis, Anubis, Mithras u. a. bei. Mindestens in vielbesuchten Häfen wie Ko-
rinth und Rhodus werden die fremden Götterdienste zahlreich gewesen sein,
während allerdings in dem verödeten und vom Weltverkehr wenig berührten
i) Pausan. 11 11, 6. 12, i. 2) ebd. 11 31, 3. 32, i. 3, Rohde, Psyche EL' 46, 2. Über die
ui)|U0q)OYia Dieterich, Kl. Schrift. S. 465 f. Vgl. über die damaligen Mysterien und Arten der Divi-
nation auch die Confessio S. Cypriani (s. dazu Th. Zahnr, Cyprian v. Antiochien u. die deutsche
Faustsage, 1882), Acta SS. Sept. VII 222. Preller, Philologus I 1846 S. 349 ff. 4) Über die Fort-
dauer alter Kulte im 4. Jahrhundert Hertzberg, Gesch. Griechenl. III 3 10 f. 5) Oben S. 135 A. i.
6) A. Rusch, De Serapide et Iside in Graecia cultis, Diss. Berol. 1906. 7) Hauvette-Besnault,
Bull. corr. hell. VI 1882 S. 495 ff. (vgl. XVI 1892 S. i6i). Dittenberger, Syll.' 764''löi6i Zuureipa
'AaxdpTei 'AqppoöfTri KOi 'EpuuTi 'ApqpOKpdxei 'AttÖWujvi usw. 8) Preller, Ber. d. sächs. Gesellsch.
d. Wiss. 1852 S. 186, 100. Thespiae : Eunap. vit. soph. p. 476, 4 Boiss. Thera: Hiller v. Gaertringen,
Thera III 194 f.
IQO
Xin. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 214, 215]
"ortdauer der all-
emeinen Beteili-
ung am Gottes-
dienste.
Opfer.
Innern des Landes die alten Kulte eine mehr oder minder ausschließliche Herr-
schaft behauptet haben mögen").
Nicht minder gewiß als die Fortdauer zahlloser alter römisch- italischer und
griechischer Kulte in den Zeiten der Theokrasie ist, daß überall die regelmäßige
Beteiligung am Gottesdienste eine so allgemeine war, daß die gänzliche Unter-
lassung der üblichen heiligen Gebräuche Anstoß erregte oder doch als Aus-
nahme auffiel. Gegen den Philosophen Demonax in Athen erhoben sich sogar
Ankläger, weil man ihn niemals opfern sah und er allein von allen nicht in die
Eleusinischen Mysterien eingeweiht war: doch verstand er den ihm in der Volks-
versammlung drohenden Sturm (manche hatten bereits Steine gegen ihn in den
Händen) zu beschwichtigen^). Der Ankläger des Apulejus, Sicinius Amilianus,
hatte zu Öa wegen seiner ihn offenbar auszeichnenden Irreligiosität den Bei-
namen des aus Vergil bekannten Verächters der Götter« Mezentius erhalten.
Niemals hatte er zu einem Gotte gebetet, nie einen Tempel besucht; ging er
an einem Heiligtume vorüber, so dachte er nicht daran, durch eine Kußhand
seine Verehrung zu bezeigen. Selbst den Göttern des Lands, die ihn kleiden
und nähren, sagt Apulejus, gibt er keinen Teil der Ernte oder die Erstlinge der
Herde ab ; auf seinem Gut ist kein Heiligtum, kein geweihter Ort oder Hain.
Ja die, welche dort gewesen sind, sagen, daß auf seinem Gebiet nicht einmal
ein Stein mit Wohlgerüchen beträufelt oder ein Baumast bekränzt ist^). Bei seiner
Übersiedelung nach Spanien empfahl Martial einem Marius, dem er sein Güt-
chen bei Nomentum überließ, die auf demselben befindlichen Heiligtümer: die
den Faunen geweihten Pinien und Steineichen, die von der wenig geübten Hand
des Verwalters errichteten Altäre des Juppiter und Silvanus (»die oft das Blut
eines Lamms oder Bocks färbte«); ferner Kapellen oder Tempel der Diana und
des Mars und einen Lorbeerhain der Flora. Marius möge bei seinen Opfern
stets auch Martial der Gunst der Götter empfehlen und sie bitten, beiden zu ge-
währen, was der eine wünschen werde'*). Bei der ungeheuren Mehrzahl übte
die Gewöhnung an die gottesdienstlichen Gebräuche ihren unwiderstehlichen
Einfluß von Jugend auf. Schon im zartesten Alter, sagt Prudentius (zu Ende
des 4. Jahrhunderts), kosteten die Kinder vom Opfermahl, sahen sie die schwarz-
geräucherten Bilder der Laren mit Wohlgerüchen beträufeln, die Mutter angst-
voll vor der Statue der Schicksalsgöttin mit dem Füllhorn beten, küßten, noch
auf dem Arm der Amme, die Götterbilder und richteten kindische Gebete an sie^).
Namentlich die Allgemeinheit der Opfer bei allen freudigen Ereignissen ist
durch zahlreiche Angaben und Äußerungen bezeugt, und zwar für alle Stände.
Persius spottet über Gutsbesitzer, die zu Merkur um Vermehrung ihres Vieh-
stands beten und diesen gleichzeitig durch zahlreiche Opfer junger Kühe vermin-
dern. Bei jeder Beförderung eines Senators zum konsularischen Range »rauchte
der Vorplatz des Palastes vom Blut junger Stiere« ^). Einem Senator Rufus ent-
schlüpfte im Rausch während einer Abwesenheit Augusts von Rom der Scherz,
l) Mommsens Ansicht RG. V 257, daß diese Zeit sich von der alten Landesreligion längst ge-
löst hatte, und daß diese simmer mehr ein Sonderbesitz der Studierten wurde«, teile ich keines-
wegs und finde in der angeführten Stelle Plutarch. praec. ger. reip, 30 keinen Anhalt dafür. 2) Lu-
cian. Demonax 11. 3) Apulei. Apol. 56. 4) Martial. X 92. 5) Prudent. c. Symmach. I igjff.
6) Pers. 2, 44 ff. Martial. XIV 4, vgl. oben I 143.
[IV. 2 1 6] I. DER GÖTTERGLAUBE 191
sämtliche Stiere und Kälber wünschten, daß der Kaiser nicht glücklich zurück-
kehren möchte"). Ein ähnlicher Scherz über die Wünsche der weißen Rinder
während der Feldzüge Marc Aureis ist bereits erwähnt worden^). Juvenal opferte
für die glückliche Errettung seines Freundes CatuUus aus Seegefahr den drei
kapitolinischen Gottheiten zwei Lämmer und ein junges Rind; wäre er reich,
sagte er, so würde er statt des letzteren einen gemästeten Stier von edler Rasse
darbringen 3). Die für den Eintritt in die Tempel, das Darbringen des Opfers,
das Einwerfen der Gabe in den Opferkasten [the salines)''] von den Gläubigen
gezahlten Gebühren^) machten die Priestertümer oft sehr gewinnreich, daher sie
in bestimmten Gegenden (besonders in Kleinasien und auf den griechischen
Inseln) von Staats und Gemeinde wegen verpachtet, teilweise sogar versteigert
wurden^); in Ägypten geschah es für Rechnung der Kaiser als Nachfolger der
Ptolemäer^). Aus Rom besitzen wir noch einen Tarif von Opfersporteln*). Das
Umsichgreifen des Christentums in der Provinz Pontus machte sich, wie Plinius
in seinem bekannten Schreiben an Trajan im Jahre 1 1 2 berichtet, dadurch be-
merkbar, daß (zunächst wohl in der Stadt Amisus und den benachbarten Orten)
die Tempel fast leer standen, die Feier der heiligen Feste unterblieb und die
Nachfrage nach Opfertieren fast ganz aufhörte: doch besserte sich dieser für
Plinius ebenso auffallende wie Besorgnis erregende Zustand infolge seines Ein-
schreitens gegen die Christen^). Wie ungeheuer der Verbrauch von Opfertieren
im römischen Reiche war, mag man versuchen sich nach der Angabe Suetons
vorzustellen, daß infolge der allgemeinen Freude über Caligulas Regierungs-
antritt in nicht vollen drei Monaten (selbstverständlich in Rom allein) deren
über 160000 geschlachtet wurden""). Noch in der Zeit des Prudentius erscholl
an Festtagen die heilige Straße vom Gebrüll der (zum Opfer auf das Kapitol
geführten) Stiere").
Daß aber die Frömmigkeit der Gläubigen sich auch fort und fort durch Er- Betätigung der
bauung und Instandhaltung von Tempeln und deren Ausschmückung mit Frömmigkeit
Götterbildern, Gaben, Widmungen und Stiftungen aller Art aufs eifrigste be- bauten —
I) Seneca de benef. III 27. 2) Oben S. 129. 3) Juvenal 12, iff. 4) Inschrift von Lambäsis,
Dessau 9260: religiosi qiii stipem adAescul a pium pon\e re vohmt, in thesaurarium mittant, ex quibus
aliquod donum Aesculapio fiat. Über die stipes vgl. Wissowa, Relig. u Kultus^ S. 428 f., über Opfer-
kästen H. Graeven, Arch. Jahrb. XVI 1901 S. 163 ff. Hülsen, Rom. Mitteil. XXII 1907 S. 236ff.
5) Exigitis mercedem pro solo templi, pro aditu sacri, pro stipibus, pro hostiis, venditis totam divini-
tatem, Tertull. ad nat. 11 10; apolog. 13. 42. Mommsen StR. II^ 66 f. 6) Dion. Hai. ant. II 21, 3.
H. Herbrecht, De sacerdotii apud Graecos emptione venditione (Diss. phil. Argentor. X iff.), 1885.
B. T-ehmann, Quaestiones sacerdotales. P. I. De titulis ad sacerdotiorum apud Graecos venditionem
pertinentibus, Di>s. Regimonti 1888. Bischoff, Rhein. Mus. LIV 1899 S. 9 ff. W. Otto, Hermes
XLTV 1909 S. 594ff. 7) Wilcken, Hermes XXIII 1888 S. 592 ff. Vgl. Otto, Priester u. Tempel I
24off. Rostowzew, Gott. gel. Anz. 1909 S. 6i8ff. 8) CIL VI 820 = Dessau 4916. 9) Plin. ad Tr.
96, 10. Mommsen, Ges. Schrifr. IV 394, i. 10) Sueton. Calig. 14, l. Dasselbe zeigen auch die
Protokolle der Arvalbrüder, bei denen noch in der Zeit Gordians fwo die Mittel der Bruderschaft
bereits beschränkt waren) die Sühnung des Haines bei der Ausholzung ein zweimaliges Opfer von
je 4 Rindern, 19 Schafen, Hammeln oder Widdern und einem Schwein erforderte (Wissowa, Her-
mes LH 1917 S. 324ff.). Vor der Einschränkung der Loyalitätsopfer (an Gedenktagen des Kaisers
und seines Hauses durch Vespasian ist der Aufwand für diese alljährlich ein ganz enormer. Ii) Pru-
dent. C- Symmach. I 2 18 ff. Verzeichnis der von zwei Priestern des Saturn acht Göttern geopferten
acht Tiere CIL VIII 8246 f. = Dessau 4477. 4477^ (aus Azig ben Tellis in Numidien); vgl. eine
ähnliche afrikanische Inschrift Compt. rend. de l'acad. d. inscript. 19 13 S. 424 ff.
192
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 217]
und andre Stif-
tungen zu Kul-
tuszwecken —
tätigte, ergfibt sich namentlich aus den bezüglichen, so äußerst zahlreich erhal-
tenen Inschriftsteinen. Selbst in der Zeit, die man als die Periode des tiefsten
Verfalls der Religion zu betrachten pflegt, schrieb Lucrez: noch immer sei den
Gemütern der Menschen jene Furcht eingepflanzt, die den Glauben und die
Verehrung der Götter ins Leben gerufen habe; sie lasse auf dem ganzen Erd-
kreise neue Göttertempel entstehen und fülle sie an Festtagen mit zahlreichen
Besuchern^). Daß in einer Zeit unausgesetzter furchtbarster Erschütterungen
der Staatsordnung von einer Menge von Tempeln und Heiligtümern in Rom
ein Teil verfiel und ihr Areal selbst von Privatpersonen widerrechtlich in Besitz
genommen wurde'), kann gewiß kein Beweis für eine allgemeine Abnahme des
Glaubens sein; und wenn die Zahl sämtlicher der Herstellung bedürftigen und
von August im Jahre 28 v. Chr. wirklich hergestellten sich auf 82 belief^), so ist
es nicht auszumachen, ob diese Zahl im Verhältnis zur Gesamtzahl für klein
oder für groß zu halten ist.
Auch von der ungeheuren Menge der Bauten, Schenkungen und Stiftungen
aus Privatmitteln zu Kultuszwecken, die wir aus den Inschriften Italiens sowie
aller Provinzen kennen lernen, wird ohne Zweifel ein Teil aus andern als religiösen
Beweggründen herzuleiten sein; aber ebensowenig liegt ein Grund vor zu be-
zweifeln, daß bei weitem die meisten dieser frommen Gaben und Opfer gebracht
sind, um die Gnade der Götter zu verdienen oder zu erhalten oder geängstete
Gewissen zu beruhigen: sehr viele sind laut den Inschriften »nach einem Ge-
sicht« oder >auf Geheiße oder ;• Mahnung . der Gottheit im Traum erfolgf*).
Man darf nach diesen Zeugnissen annehmen, daß ein sehr großer Teil der
Tempel im ganzen römischen Reiche von Privatpersonen auf eigene Kosten er-
baut worden ist, die zuweilen überdies ein Kapital zur Instandhaltung des Ge-
bäudes auswarfen^]. Namentlich in Italien (wo in Appians Zeit d, h. unter Anto-
ninusPius nächst dem kapitolinischen Juppitertempel die der Fortuna zuAntium,
der Juno zu Lanuvium, des Herkules zu Tibur und der Diana zu Aricia die
reichsten waren) ^) wetteiferten die wohlhabenden Munizipalen mit ihren zu hohem
Range aufgestiegenen Landsleuten in Rom, den Patronen und sonstigen Gönnern
ihrer Städte^), ihre Munifizenz und Anhänglichkeit an die Heimat vor allem auch
durch deren würdige Ausstattung mit Gotteshäusern zu beweisen. Ein P. Lu-
cilius Gamala z. B., dessen Lebenszeit vom Ende der Regierung Trajans bis
zum Ende der Regierung Marc Aureis reicht, ließ in Ostia sieben Tempel teils
neu erbauen, teils herstellen: des Vulkan, der Dioskuren, der Venus, Spes,
Fortuna, Ceres und des Vater Tiberinus^j. Martials Freund Cäsius Sabinus in
Sassina erbaute einen Tempel für die Nymphe eines dortigen Sees-j. Ein Ehe-
i) Lucret. V ii6l — 1168. 2 Marquardt StV. IIP 67, 3. 3; Mon. Ancyr. lat. 4, 17 f. [nullo
pratta-misso quod eo te/iipore refici debebat). Unter Tiber war abermals eine Restauration erforder-
lich, Tac. A. II 49. 4) z. B. CIL VIII 2632 = Dessau 3374 ;Buecheler, Carm. ep. 1519) Alfeno
Fortunato visus dicere somno Liber pattr . . . basis hanc novationem Genio dormis sacrandam usw.
Vgl. oben S. 172. 5) z. B. 100 000 Sest. für einen Tempel der Caiva dea (Gerolstein im Regie-
rungsbezirk Trier) 124 n. Chr. CIL Xm 4149 = Dessau 4741 ; für einen Tempel zu Gabii im
Jahre 140 in tutela et ornatiotiibus (sie) tenipli 5000 S. CIL XIV 2795 = Dessau 272. 6) Appian.
B. C. V 24: ev aT(; juciXiara iroXecri Kai vüv eiöi öriöaupoi xPIMCtfaiv iepüüv batj/iXeic;, vgl. dazu
CIL XIV 3679. 3679a = Dessau 6245 sub thens[auro] Herculis et Augtts'ti]. 7; z.B. oben I 47.
125 f. III 27. 8; CIL XIV 375 (= Dessau 6147]. 376; vgl. oben S. 71. 9) Martial. IX 58.
|IV. 218,219] I. DER GÖTTERGLAUBE 193
paar zu Assisi baute einen Tempel, wie es scheint des Castor und PoUux, und
fügte auch die Bildsäulen derselben hinzu. Auf der Insel Malta verwandte ein
Privatmann auf den Bau eines marmornen Apollotempels die Summe von
HO 792 ^/j, S. (rund 24000 Mark) usw.'). Aber auch für die ländlichen Tempel
wurde von den großen Besitzern, auf deren Grundstücken sie standen, gesorgt:
so ließ Plinius einen verfallenen Tempel der Ceres auf einem seiner Güter größer
und schöner erneuern^). Außer vollständigen Neubauten, außer Herstellungen
undErgänzungenverfallenerHeiligtümer^jsindinlnschriftsteinenDarbringungen
und Herstellungen einzelner Teile und Baulichkeiten jeder Art, wie Altäre,
Opferküchen*), Säulen und Kapitale^), Giebel, Fußböden, Ornamente usw., sowie
Schenkungen und Stiftungen zu solchen Zwecken äußerst zahlreich verzeichnet.
Besonders häufig wurden Götterbilder in die Tempel gestiftet, zum Teil sehr besonders von
kostbare. So schenkte z. B. eine Priesterin zu Äclanum eine silberne Statue der Gotterbildem —
Felicitas^j; und wenn ein ritterlicher Offizier zu Formiä 100 000 S. (21 750 Mark)
vermachte, um für diese Summe Prozessionswagen der Minerva nebst allem
Zubehör aus 100 Pfund (etwa 33 Kilogramm) Silber anfertigen zu lassen'), so
wird auch die Tempelstatue der Göttin aus Edelmetall gewesen sein. Bei der
testamentarischen Bestimmung einer Frau, daß das Bild eines Gottes in einem
bestimmten Tempel ihrer Vaterstadt mit ihrer Namensunterschrift aus 100 Pfund
errichtet werden sollte, entstand die Frage, ob die Erben eine Bronzefigur liefern
dürften, oder angehalten werden könnten, eine silberne oder goldene machen
zu lassen. Der berühmte Jurist Cervidius Scävola (Lehrer des Septimius Seve-
rus) entschied mit Rücksicht darauf, daß sich in dem Tempel nur silberne und
bronzene Weihgeschenke befanden, daß eine silberne Statue zu Hefern sei^).
Eine kleine silberne Figur des Merkur in Lambäsis hatte 1 4 000, eine silberne
Statue zu Hippo regius über 51000, eine ebensolche zu Viennaj 00000 S. ge-
kostet^). Fromme, deren Vermögen zu solchen Gaben nicht ausreichte, ließen
die Bilder der verehrten Gottheiten wenigstens vergolden, ganz oder teilweise,
z. B. die Füße, besonders aber das Gesicht oder den Bart'°); zu Corfinium ließ
z. B. einmal eine »Dienerin der Großen Mutter die Große Mutter ausbessern
und vergolden, dem Attis die Haare vergolden und die Bellona ausbessern«,
während zugleich der Priester des Attis für diesen einen Altar und silbernen
Mond machen ließ").
1) CIL X 7495. Andere Beispiele CIL VIII 1574 (Mustis, prov. proc. 164 n. Chr. Tempel für
70000 S.). 993 = Dessau 4433 (col. Julia Karpis): ein von einer ßaminka divae Plotinae gelobter
Tempel ; maritus et filius [aedem] suo sumptu a solo aedificatam d. d. marmoribus et museis (vgl VUI
2657 = Dessau 5626 marf!iorib[us) musaeo efomni cultu) et statua Fudicitiae aug{ustae) et tharace
Caelestis Augustae ornaverunt. 2) Oben I 125 f. 3) z.B. CIL VI 56. XI 5805 = Dessau 5453.
3151 u. a. 4) CIL V 781 (= Dessau 3119) aedem, signa III, portic[um) cum maceris \ei\ culina et
locum in quo ea sunt. IX 3075 (Sulmo). XIV 3543 = Dessau 3452 (Tibur) Herculi Saxano sacr. —
aedem zothecatn culinam. VUI 1267 = Dessau 5461 (Chisiduo): aer'eam) cald[ariam] — aram et
ollam et urceum et lucernam. 5) CIL IH 138 = Dessau 4283 (Heliopolis) : capita columnarum dua
aerea auro inluminata. 6) CIL IX 1154 = Dessau 6486. 7) CIL X 6102 = Dessau 6282.
8) Dig. XXXIV 2, 38 § 2. 9) CIL VUI 17408 (= Dessau 5474). 18233. XII 5864 (= Dessau 6999).
10) Pers. 2, 55 ff., vgl. Juven. 13, 151 f. Cic. De nat. deor. III 83. Lucian. Philops. 19. 11} CIL
IX 3146 = Dessau 4107. Teil weises Vergolden und Versilbern eines heiligen Bilds im heutigen
Griechenland: B. Schmidt, Volksleben der Neugriechen S. 72 £
Fri e dl aen der, Darstellungen. UL 9. Aufl. I^
194
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 220]
und deren Ausstat-
tung mit Kleidern
und Schmuck-
sachen.
Kostbarkeit
derTempel-
sreschenke.
Ferner stattete man die Götterbilder nach Vermögen mit Kleidungsstücken^),
Attributen oder Schmucksachen und Kostbarkeiten aus. Der Kaiser Galba
träumte als Jüngling, Fortuna stehe Einlaß begehrend vor seiner Tür; beim Er-
wachen fand er eine Bronzestatue der Göttin an der Schwelle, die er persönlich
aufsein Gut bei Tusculum brachte und lebenslänglich mit monatlichen Bettagen
und einer jährlichen Nachtfeier verehrte. Als Kaiser hielt er kurz vor seinem
Ende ein sorgfältig ausgewähltes Halsband aus Perlen und Edelsteinen zum
Schmuck der Statuette bereit, beschloß dann aber, es der Venus auf dem Kapitol
darzubringen; worauf Fortuna ihm im Traum erschien und drohte, ihm nun
auch ihrerseits ihre Geschenke zu entreißen^). In der Regel waren dergleichen
fromme Gaben natürlich für Tempelstatuen bestimmt. In einem Tempel zu
Puteoli ließ z. B. jemand nach Eingebung eines Traumes die Schlange (etwa des
Äskulap) aus eigenem Gelde machen^). Ein Augustale zu Ariminum bestimmte
im Testament die Errichtung einer Statue, wie es scheint einer Bacchantin (in
einem Bacchustempel), mit einem goldenen Halsbande, einem Thyrsus und einem
silbernen Becher von 2 7^ Pfund '^). Zu Reji (Riez im südlichen Frankreich)
brachte ein Ehepaar dem Äskulap >wegen der ungemeinen Wirkung der Kraft
des Gottes, die sie an sich erfahren hatten«, gemäß ihrem Gelübde eine Bronze-
statue des Schlafgottes (vermutlich waren sie von dem Leiden der Schlaflosig-
keit befreit worden) und einige Pretiosen dar, wie eine goldene Kette aus Schläng-
lein und eine silberne Schreibtafel ^). Zu Acci im Tarraconensischen Spanien
schenkte eine Großmutter zu Ehren ihrer Enkelin der Isis eine Statue oder ein
andres Weihgeschenk von 11273 P^^^^ Silber, und außerdem einen Schmuck
von Perlen, Smaragden und andern Edelsteinen für Kopf, Hals und andre Körper-
teile, unter anderm laut dem Verzeichnis: in den Ohren 2 Smaragden und
2 Perlen, am J^leinen Finger 2 Diamantringe, am folgenden einen mit verschied-
nen Steinen, Smaragden und einer Perle, am Mittelfinger einen mit einem Sma-
ragd, an den Schuhen 8 walzenförmig geschliffene Edelsteine^). Häufig wurden
(wie in dem angeführten Falle in Reji) in die Tempel andre Statuen als die der
dort verehrten Götter gestiftet^), und überhaupt Schenkungen gemacht, die nicht
auf den Kultus Bezug hatten, sondern zur Erhöhung der Pracht und Schönheit
der Tempel, zur Vermehrung ihrer Schätze dienen sollten: so vermachte ein
Bürger von Rhegium dem Apollotempel seiner Vaterstadt ein kleines Pergament-
buch mit Elfenbeindeckeln, eine elfenbeinerne Büchse und 19 Gemälde^).
Erwägt man, wie zahlreiche Angaben über silberne, auch goldene, zum Teil
sehr kostbare Weihgeschenke wir selbst aus Mittelstädten des Orients wie des
Okzidents (z. B. Ostia) besitzen, deren Erhaltung doch nur dem Zufall verdankt
wird^); ferner daß Augusts Gaben an fünf Tempel Roms (des kapitolinischen
i) Dessau 3495 Aurunceia Sp. f. Acte mag[istrd) Bone (sie) deae tunicas duas et palliolum rasas
calleinas et lucerna aeria (sie) d. d. 2) Sueton. Galba 4, 3. 18, 2. 3) CIL X 1599. 4) CIL
XI 358 = Dessau 3363. 5) CIL XU 354 = Dessau 3855. 6) CIL II 3386 = Dessau 4422.
7) Letronne, Rev. arch^ol. I 1844 S. 439 ff.; z. B. CIL V 6829 = Dessau 3182 lovi Iunon[i) Mi-
ner[vae) . . . Venerem. CIL XII 2526: Castori et Polluci — Apollin'ßm] ex stipe dupla. CIL XIV
2867 = Dessau 3687 . . . hanc Minervam Fortunae Primigeniae dotio dedit u. a. 8) CIL X 6 =
Dessau 5471. Vgl. das interessante Verzeichnis der in zwei Tempeln der Isis und Bubastis (im Be-
zirk des Tempels der Diana von Nemi) dargebrachten Gaben, CIL XIV 2215 = Dessau 4423.
9) CIL XIV 3. 8. 21. 34. 35. 36 (= Dessau 3299. 6154. 4373. 41 11— 41 13). 69. 71. 72 (= Dessau
[IV.
I. DER GOTTERGLAUBE
195
Zuwendungen
fürPriesterund
Tempeldiener.
Juppiter, des Divus Julius, des Apollo, der Vesta, des rächenden Mars) aus der
Kriegsbeute einen Gesamtwert von etwa 100 Millionen S. (21 ^^ Mill. Mark)
hatten'); daß alte und schadhaft gewordene Tempelgeschenke, aus denen Ha-
drian (136) inLanuvium eine Statue herstellen ließ, 3 Pfund Gold und 206 Pfund
Silber ergaben") u. a. dgl, : so möchte man glauben, daß es im römischen Reiche
Tempel gab (und vielleicht nicht wenige), deren Reichtum an kostbaren Weih-
gaben hinter dem der ehemaligen Schatzkapelle der Casa Santa zu Loreto nicht
zurückstand. Solche Schätze bedurften eines Schutzes, und zu ihrer Bewachung
werden die einige Male erwähnten Militärposten bei Tempeln 3) bestimmt ge-
wesen sein. Zu den reichsten werden übrigens auch die gehört haben, deren
Gottheiten nach Senatsbeschlüssen oder kaiserlichen Erlassen zu Erben einge-
setzt werden konnten : wie der kapitolinische Juppiter, der didymäische Apollo
zu Milet, Mars in Gallien, die Minerva in Ilium, der Herkules in Gades, die
Diana zu Ephesus, die Göttermutter vom Sipylus, die Nemesis in Smyrna und
die »Himmlische Göttin« in Karthago"*).
Aber auch an Zuwendungen für Priester und Tempeldiener fehlte es nicht.
Scävola erörterte die testamentarische Bestimmung einer Frau, daß ihre Erben
dem »Priester, dem Tempelwächter und den übrigen Freigelassenen« in einem
bestimmten Tempel am Tage eines von ihr bei demselben gestifteten Jahrmarktes
10 Denare geben sollten: dies sei als eine jährlich zu leistende Zahlung zu ver-
stehen^).
Im ganzen Kultus wirkt ohne Zweifel nichts so mächtig und zugleich so stetig Dießader-
zur Erhaltung und Kräftigung des Glaubens wie der Bilderdienst, das Anschauen Verehrung.
der im Bilde gegenwärtigen Gottheit, das selbst widerstrebende oder wankende
Gemüter überwältigend ergreifen konnte; die Möglichkeit sie persönlich zu ver-
ehren, mit ihr gewissermaßen von Angesicht zu Angesicht zu verkehren. Wenn
auch ein Teil der Philosophen, wie Seneca, den Bilderdienst verwarf, so machten
andre, wie Maximus von Tyrus, im Anschlüsse an Gedanken des Posidonius,
mit vollem Rechte geltend, die Schwäche der menschlichen Natur, deren Ab-
stand von der Gottheit so groß sei wie der der Erde vom Himmel, bedürfe der
sinnlichen Zeichen, um die Gottheit zu erfassen, und die wenigsten könnten ihrer
entbehren; und von den bei den verschiednen Völkern so verschiednen Sym-
bolen der göttlichen Wesen sei das würdigste, weil das gottähnlichste, die
Menschengestalt^). Eine Rechtfertigung und wissenschaftliche Begründung des
Bilderdienstes hat dann der Neuplatonismus unternommen').
5451 clupeum urgent, cum imagine aurea). 1 19 (Gaben von l bis 15 Pfund Silber, sämtlich in Ostia).
2861 (113/4 Pfund, Exvoto für die Fortuna in Präneste).
i) Monum. Anc. lat. 4, 23 ff. 21 CIL XIV 2088 = Dessau 316. Vgl. auch die Weihungen
goldener und silberner Figuren an die ephesische Artemis durch Salutaris, 104 n. Chr., CIL III
14195*"' = Dessau 7l93f. Silberne Niken in Olbia, oben S. 38 A. 4. Synopsis (Inventar) der res
sacrae Cirtensitim CIL VIII 6981 — 6984 (Dessau 492 i^l^), darunter — argenteum in kapitolio ex HS
CCCXII. CIL IX 4512 (ager Amiteminus: testamentarisch bestimmtes Geschenk aus 100 Pfund
Silber von der Mutter des C. Bruttius Präsens, Konsul 180 . 3) Tertullian. Apol 29; de Corona il.
Amob VI 20. Bei Clemens Ron». Homil. X 8: 0€ou<; — vitto kuvuiv qppoupouja€vou<;, utt' 6xA.ujv
q)u\aaao|aevou^ emendiert P. de Lagarde .Clementina S. 102, 27) richtig uitö |u6xXuJV (vgl. Recogn.
V 15 : sicque et afuribus canum vigiliis et ctaustrorum munitiottibus conservantur). 4) Ulpian. reg.
22, 6. nach der Herstellung O. Jahns. 5) Dig. XXXIII i, 20 § i. 6) Max. Tyr. Diss. 2. 7) Eine
Geschichte des 'Bilderstreites' in der antiken Philosophie gibt Geffcken, Arch. f. Religionswiss.
,96
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV.
!23]
der Gottheit.
Identifikation Es bedarf nicht erst der Zeugnisse, daß der naive Glaube der Massen das
jÜ S^lfl^i' Bild unwillkürlich und unbewußt in den Gott selbst verwandelte'), und daß jeder
Gott sich für sie in ebensoviel Personen spaltete, als es berühmte und weit und
breit verehrte Bilder von ihm gab^); wie ja auch jetzt das Volk in Italien an
verschiedne Madonnen, in Griechenland an verschiedne Panagias glaubt^).
Werden doch sogar in Griechenland und Süditalien noch gegenwärtig antike
Götterbilder als örtliche Schutzheilige verehrt, so eine verstümmelte Ariadne
bei Mateleone als Santa Venere, die besonders bei Frauenkrankheiten angerufen
wird"*). Die Wegführung einer kolossalen Statue der Demeter aus Eleusis ( 1 8oi ,
jetzt in Cambridge), deren Wohlwollen man den Erntesegen zuschrieb, rief dort
ein ebenso allgemeines Jammern und Klagen hervor, wie einstmals die Weg-
führung der Ceres aus Henna durch Verres, welche Freveltat man in ganz Sicilien
als den Grund des Darniederliegens des Ackerbaues ansah ^). Auch im Alter-
tume wurden Lippen, Hände und Füße der Götterbilder von Andächtigen so
viel geküßt, daß ihr Umfang merklich abnahm^). Die Betenden ließen sich
von dem Tempeldiener möglichst nah ans Ohr des Götterbilds bringen, um
besser gehört zu werden^), und flüsterten ihm Gebete und Gelübde, die geheim
bleiben sollten, zuY, sie hefteten die Wachstafeln, auf denen ihre Gelübde ver-
zeichnet waren, an die Kniee des Bildes, damit der Gott ihr Anliegen nicht
vergessen möchte^). Aber sie stießen auch, wenn ihre Gebete unerhört blieben,
Verwünschungen und Drohungen gegen die Götter aus, wie später die Christen
gegen die Heiligen '°), Paulinus von Nola berichtet, gewiß ganz der Wirklichkeit
gemäß, wie ein Bauer dem heiligen Felix in ziemlich grober Weise die be-
stimmte Erwartung ausspricht, daß er ihm seine zwei entwendeten Ochsen
wiederschaffen werde: »der Märtyrer ergötzte sich an dem unhöflichen Beter
und belachte mit dem Herrn die an ihn gerichteten Schmähungen< "). In ähn-
licher Weise fluchten nach Epictet die Landleute bei schlechtem Wetter und
die Schiffer im Sturme dem Juppiter").
Doch damit begnügtemansichimAltertumeebensowenigwieinspäteren Zeiten.
Wo Bilderdienst in welcher Form auch immer bestanden hat oder noch besteht,
haben die Gläubigen zu allen Zeiten ihren Zorn über die Nichterhörung ihrer Ge-
bete und das Ausbleiben des erwarteten Beistands auch an den Bildern ihrer
Götter oder Heiligen ausgelassen. Die alten Arkadier prügelten ihren Pan, wenn
sie mit leeren Händen von der Jagd heimkehrten'^); der Ostjake und Lappe miß-
Mißhaudlungen
von Götterbil-
dern ein T5eweis
der Stärke des
Glaubens an die
Macht der Göt-
ter.
XIX 1919 S. 286 ff. Vgl. auch B. de Borries, Quid philosophi veteres de idololatria senserint (Diss.
Göttingen 1918) S. 68 ff.
i) Radermacher, Festschr. f. Gomperz (1902) S. 200 ff. Weinreich, Antike Heilungswunder S. I45f-
2) Vgl. die Geschichte von der Eifersucht des Juppiter Capitolinus auf den Juppiter Tonans bei
Sueton. Aug. 91, 2. 3) B. Schmidt, Volksl. d. Neugriechen S. 49 f.' Welcker, Gr. Götterlehre II
121. Grimm, D.Mythol.'^Vorr. XXVIII. 4) Trede, Heidentum in der röm. Kirche 1 9. 5)B.Schmidt,
Rh. M. XXXI 1876 S. 278 f. Cic. Verr. H 4, 1 14. Vgl. unten S. 239. 6) Lucret. I 316. Cic. Verr.
II 4, 94. Eunap. Vit. sophist. p. 487, 52 Boiss. Koi rot arepva tou ao(pioxoQ ■n€piXixixr\a6.pLevo\
KaGdtrep äf&Kpiaroc, evöeou Tiavxec, oi irapovreq 01 |aev Tiobac, oi 6e x^iP^"^ TtpooeKuvouv, oi bk
0e6v ecpaaav, oi be 'EpfXoO Xo^iou tÜttov. 7) Seneca ep. 41, i, 8) Jahn zu Pers. 2, 4ff. Seneca
ep. 10, 5. Juven. 10, 289 f. 9) Juv. 10, 55. Apulei. Apol. 54. Lucian. Philops. 20. Prudent.
apoth. 457 ; hamartig. 403 ; c. Symm. 1 203. 10) Rückert, Kulturgesch. des deutschen Volks II 196 f.
II) Paul. Nolan. Carm. 18, 315 f. 12) Epictet. Diss. III 4, 7. 13) Theocrit. 7, io6ff. Vgl. auch
[IV. 224] I. DER GÖTTERGLAUBE 197
handelt seinen Götzen und zerbricht ihn, wenn ihm ein Unglück widerfährt'); der
Lazzarone'in Neapel tritt die Heiligen mit denen er unzufrieden ist, mit Füßen, der
Spanier wirft die Mutter Gottes ins Wasser''), der bayrische Bauer den hölzernen
Herrgott, wenn das Hagelwetter nicht nachläßt, auf den Mist 3). Die franzö-
sischen Soldaten verbrannten 1692 bei der Belagerung von Namur die Bilder
des heiligen Medardus, weil nach dem Volksglauben der Regen am Medardus-
tage ihnen eine Regenzeit von 40 Tagen gebracht hatte"*). Daß Heilige, die
bei großer Dürre den erbetenen Regen nicht senden, mit Stricken gebunden,
auch ins Wasser geworfen werden, ist in Süditalien und Sizilien gewöhnlich^).
Während der Napoleonischen Feldzüge ließ ein altbayrisches Bataillon den
heiligen Petrus Spießruten laufen, weil er ihm das erbetene gute Marschwetter
versagt hatte ^). Eine alte hochadlige Spanierin züchtigte (187 1) den sonst von
ihr hochverehrten heiligen Martial (Feldmarschall der spanischen Armee) an
dem Tage, wo die Karlisten die Waffen strecken mußten, mit der Reitpeitsche^)
usw. Wenn, wie diese Beispiele zeigen, dergleichen Ausschreitungen zu den
notwendigen Begleiterscheinungen des Bilderdienstes gehören, kann es nur
Zufall sein, daß wir nicht mehr als einen derartigen gegen Heiligtümer und
Götterbilder gerichteten Ausbruch der Wut schmerzlicher Enttäuschung aus
dem späteren Altertume kennen, und aus der Art, wie Sueton denselben er-
zählt, geht hervor, daß er keineswegs etwas Auffallendes zu erzählen glaubte.
Als nach den ersten beunruhigenden Nachrichten von der Krankheit des Ger-
manicus sich in Rom das Gerücht von seiner Genesung verbreitete, strömte
noch am späten Abend alles mit Lichtern und Opfertieren auf das Kapitol,
und die Pforten des Tempels wurden beinahe erbrochen, weil alle meinten, ihre
Gelübde nicht schnell genug lösen zu können: am Tage seines Todes wurden
Steine gegen die Tempel geschleudert, Altäre der Götter umgestürzt, von
manchen die Hauslaren auf die Straße geworfen^). Auch hier war der
Glaube an die Existenz sowie an die Macht der Götter ein durch nichts zu er-
schütternder.
Kaum wäre es zu ermessen, wie weit der von keiner Reflexion, geschweige
denn einem Zweifel, angekränkelte Volksglaube die Identifikation des Bildes
mit der Gottheit durchzuführen und festzuhalten vermochte. Was Senecas Un-
willen bei einem gelegentlichen Besuch aufdem Kapitol so sehr erregte^), warzum
Teil altes Ritual, zum Teil aber erschien ihm eben der Glaube, der in dem Bilde
die Gottheit selbst sah, unbegreiflich kindisch, und doch waren die Äußerungen
die Fabel bei Babrius 119, wo jemand seinen hölzernen Hermes aus Zorn zerschlägt und innen
einen Schatz findet.
i) Peschel, Völkerkunde^ S. 260. Portugiesische Matrosen schnüren während eines Sturmes die
Statue des heiligen Antonius immer fester und fester an den Mast und überhäufen sie mit Injurien,
bis endlich der Wind sich legt, Radermacher, Arch. f. Religionswiss. VIl 1904 S. 451 f- 2) K. A.
Mayer, Neapel u. d. Neapolitaner (1842) II 8. Schömann-Lipsius, Gr. Alt* II 194. 3) Schlicht,
Bayrisch Land u. bayrisch Volk 1875. 4) Memoiren d. Herzogs von St. Simon, Koll. Spemann
I 21. 5} Die Novelle von Schneegans »Die Erlebnisse des heiligen Pancrazius von Evolo«
D. Rundschau XXXIV 1883 S. 441 ff.) beruht nach emer brieflichen Mitteilung des Verfassers auf
einer wahren Begebenheit. Trede a. a. O. IV 223 ff. 6) Treitschke, Deutsche Geschichte I 357.
7) Bemhardi, Reiseerinnerungen aus Spanien S. 476. 8) Sueton. Calig. 5. 6, i. 9) Seneca bei
Augustin. C. D. VI 10.
igS XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 225]
dieses Glaubens kaum seltsamer und lächerlicher als die bisher erwähnten.
Nach uraltem gottesdienstlichen Brauche wurde den kapitolinischen Göttern
von verschiednen dienenden Personen aufgewartet, Juppiter hatte einen Diener
zum Vorstellen der Verehrer'), einen zum Ansagen der Tagesstunden^), einen
zum Polieren des Bildes, einen andern zum Salben. Wie dieser mit Bewegungen
der Arme in der Luft seine Verrichtung nur pantomimisch ausführte, ebenso
bewegten Tempeldienerinnen der Juno und Minerva die Hände, als ob sie den
Göttinnen die Haare ordneten, andre hielten ihnen den Spiegel vor. Dagegen
diejenigen, welche »die Götter zu ihren Terminen vor Gericht einluden, ihnen
ihre Klagschriften vorwiesen und ihre Sachen vortrugen«, waren offenbar
Betende, die den Beistand der Gottheit erflehten. Seneca sah auch Frauen auf
dem Kapitol sitzen, die (vermutlich nach Träumen) glaubten, von Juppiter ge-
hebt zu werden, und dort seinen Willen erwarteten. Alles dieses und ähnliches,
wie die Übertragung von Ämtern an Götter^), die Bekleidung ihrer Bilder mit
der Tracht der Senatoren und hoher Beamten, das Vorausgehen von Liktoren
mit Rutenbündeln vor ihnen '^j (bei Prozessionen), ist nicht befremdender, als
z. B. Verleihungen der höchsten Orden an Madonnen in Spanien, das Einher-
ziehen des heiligen Georg von Kappadocien am Fronleichnamsfeste zu Lissabon
an der Spitze der portugiesischen Armee unter Begleitung von Pagen und
Stallmeistern mit Handpferden ^), oder die Ernennung der heiligen Jungfrau von
Guadelupe zur Feldmarschallin des gegen die Spanier kämpfenden Insurgenten-
heeres in Mexiko durch dessen Führer Hidalgo, nebst der Anweisung eines
Gehalts, das sie volle vierzehn Jahre (bis 1824) bezogt), und der h. Jungfrau
dos Dolores durch Don Carlos zu der gleichen Würde (1834)'']. Wie jede Bilder-
verehrung in ihrer niedrigsten Form gestaltete sich also auch die damalige zu
einem rohen Götzendienst. Seltsamer übrigens als jene nur angedeuteten Toilet-
ten der kapitolinischen Gottheiten war eine Zeremonie, die bis 1864 alljährlich in
der Kirche S. Maria del Carmine auf dem Mercato in Neapel vollzogen wurde.
Einer dort befindlichen Figur des Heilands wurde am zweiten Weihnachtsfeier-
tage unter großem Zudrange des Volks in Gegenwart obrigkeitlicher Personen
feierlich Haar und Bart geschnitten, was man /ar la barba di Gesii nannte^).
So genügte also der Götterglaube noch immer dem Bedürfnisse der antiken
Menschheit, indem er dessen unendlich verschiednen Richtungen sowie den
unzähligen Entwicklungsstufen des geistigen Bewußtseins entsprechend sich in
ebenso unzähligen Formen gestaltete. So groß der Abstand von dem Glauben
i) Einen Nomenciator; so sind die Worte alius nomina deo suhicit zu verstehen: nachher ist mit
G. Linker Ufor statt lictor zu schreiben. 2) Vgl. Marquardt, Privatl.^ 256, 4. 3) Auf Münzen
von Byzanz finden sich neben den Namen lebender Eponymen auch solche von Verstorbenen
(fipuje^) und von Göttern (Demeter, Dionysos, Nike, Tyche, Diva Faustina), die durch vorgesetztes
eiri als Beamte der Stadt bezeichnet werden und das Amt zum zweiten-, dritten-, ja siebentenmal
bekleiden, v. Sallet, Zeitschr. f. Numism. IX 1881 S. 147 ff. B. Pick, Numism. Zeitschr. XXVII
1896 S. 27 ff. Eine Analogie bietet die Inschrift von Samothrake : Regibus Iov[e et lunofie] iterum
M\ [Ad/io] Glabriont C. Bellicio] Torqtiato cos. (124 n. Chr.) CIL III 7371 = Dessau 4056.
4) Tertullian. de idolol. 18: cum praeterea ipsis etiam idolis induantur praetextae et trabeae et lati-
claviffasces quoque et virgae praeferantur. 5; Bemhardi, Reiseerinnerungen aus Spanien S. 476.
6) Sealsfield, Der Virey. Anm. z. i, Teil. 7) Treitschke, Deutsche Geschichte IV 505. 8) K. A.
Mayer, Neapel u. die Neapolitaner I 152. II 121 f. Gregorovius, Römische Tagebücher S. 277.
[IV. 220, 227]
2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM
199
eines Plutarch und Marc Aurel zu dem jener Schiffer und Bauern war, die bei
schlechtem Wetter dem Juppiter fluchten: diese wie jene glaubten gleich fest
an dieselben Götter und an deren Macht und Fürsorge für die Menschheit, und
der Unterschied zwischen den voneinander am meisten abweichenden Glaubens-
formen war kein größerer als zwischen dem höchsten und niedrigsten Verständ-
nis des Göttlichen innerhalb des Christentums.
2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM.
An der strengen und intoleranten Ausschließlichkeit der monotheistischen
Religionen fand die Expansivkraft des Polytheismus ihre Schranke, mit
ihnen war keine Vereinbarung möglich. Was den Bekennern des Götterglaubens
als das Höchste und Heiligste galt, das verdammte das Judentum wie das Christen-
tum als greuelvoll, fluchwürdig und seelenmörderisch. Unheilig, sagt Tacitus,
ist bei den Juden alles, was bei uns heilig ist, wiederum erlaubt bei jenen, was
für uns unrein ') ; er nennt sie ein dem Aberglauben ergebenes, der Religion ab-
geneigtes Volk""). Die Götter, zu denen die Heiden beteten, waren den Juden
wie den Christen tote Götzen oder böse Dämonen. Griechen und Römer, die
die göttliche Lebensfülle als eine Göttergesamtheit, eine Götterwelt, auffaßten,
verstanden den Glauben nicht, der die Gottheit zu einer einsamen, kaum zu
fassenden Erhabenheit, in eine unnahbare Ferne rückt, durch einen unermeß-
lichen, nicht auszufüllenden Zwischenraum von der anbetenden Menschheit
trennt. Der Himmel des Judentums und des Christentums mutete sie an wie
»eine erkältete Ode«^), der Glaube an Einen Gott war ihnen Entgötterung des
Alls, Gottlosigkeit, Christen und Atheisten waren den göttergläubigen Heiden
gleich verhaßte und oft nebeneinander genannte Feinde der Religion'*).
Beide Religionen kommen hier nur in ihrem Gegensatze zum Heidentum, und
insofern sie mit ihm in Wechselwirkung standen, in Betracht. Eine Andeutung
ihrer Stellung innerhalb des römischen Weltreichs und der wesentlichen Mo-
mente, die ihre Verbreitung beförderten oder hemmten, ist für den Versuch,
eine Gesamtanschauung der religiösen Zustände auch in der früheren Kaiserzeit
zu gewinnen, unerläßlich, doch kann diese Betrachtung nur die Spitzen der Er-
scheinung streifen.
Das Verhältnis der beiden monotheistischen Religionen zum Götterglauben
war ein sehr verschiedenes. Obwohl die Verdammung des Heidentums bei
beiden eine gleich unbedingte und uneingeschränkte war, stand doch nur das
Christentum dem Heidentum eigentlich feindlich gegenüber. Das Judentum,
»eine Religion, wunderbar geeignet zur Abwehr, aber niemals zur Eroberung
bestimmt« 5), schloß sich vielmehr ab, als daß es suchte, sich auf Kosten des
i) Tac. H. V 4. 2) ebd. 13. 3) Lehrs, Populäre Aufsätze^ S. l5of. 4) Lucian. Alexand.
25. 38. Wie die Christen sich immer wieder gegen die Bezeichnung als äGeoi verwahren müssen
(Athenag. 4. Justin, apol. I 6 u. a. ; vgl. Mommsen, Rom. Strafr. S. 575, 2. Harnack, Der Vorwurf
des Atheismus in den drei ersten Jahrhunderten, Texte u. Untersuch. N. F. XIII 4, 1905 S. 3 ff.),
so heißen die Juden in den ägyptischen Papyri ständig dvööiOl, Wilcken, Abhandl. d. sächs. Ge-
sellsch. d. VViss. XXVII 1909 S. 785 f.; vgl. auch Joseph, c. Ap. II 148. Diod. XXXIV i Bekk.
5) Gibbon, Hist. 11 224 (deutsch von Sporschil S. 355).
Gegensatz des
Monotheismus
zum Polytheis-
mus.
Verschiedenes
Verhältnis des
Judentumsund
Christentums
zumPoly-
theismus.
200 Xlil. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 228]
Heidentums auszubreiten^). Die überall zerstreuten, innig unter sich zusammen-
hängenden jüdischen Gemeinden übten allerdings auf das Heidentum eine ge-
wisse Anziehung, taten ihm aber niemals in einer Weise Abbruch, daß seine
Existenz hätte gefährdet erscheinen können, und trotz gelegentlicher Reibungen
und Konflikte war die Stellung des Judentums zum Heidentum im großen und
ganzen eine friedliche. Das Christentum dagegen trat von Anfang an mit dem
vollen Bewußtsein seiner welterobernden Mission in die Geschichte ein und
kündigte dem Heidentume den Kampf auf Leben und Tod an. Schon in seinen
unscheinbaren ersten Anfängen, als seine Bedeutung nur dunkel geahnt werden
konnte, wurde sein Gegensatz zur Welt, der als sein eigentliches Wesen erschien,
als ^Haß des Menschengeschlechts« empfunden'^) und mit unversöhnlichem
Hasse erwidert^). Diese Feindseligkeit steigerte sich, je länger der Kampf dauerte,
je mehr der noch im Besitz der Herrschaft und weltlichen Macht befindliche
Glaube den Boden unter sich schwinden fühlte. Mindestens schon zu Anfang
des 3. oder zu Ende des 2. Jahrhunderts, als das Christentum wie eine stetig
wachsende Flut nach Überschwemmung der tieferen Schichten der Bevölkerungen
mehr und mehr in höhere Lebenskreise eindrang, verbreitete sich unter den An-
hängern des alten Glaubens die Neigung, alles öffentliche und allgemeine Un-
glück vom Zorne der Götter über den zunehmenden Verfall ihres Dienstes ab-
zuleiten und das Christentum und seine Bekenner als die Verschulder dieses
Zorns verantwortlich zu machen. Je länger desto mehr gewann die Ansicht
Boden, daß mit dem Eintritt des Christentums in die Welt eine ununterbrochene
Reihe schwerster Heimsuchungen und Unglücksfälle über das Menschen-
geschlecht gekommen sei"*). Bald sollte die Zeit kommen, wo als Ursache des
göttlichen Zorns der Irrglaube der Juden und Heiden betrachtet und ihnen nun
dieselben Übel und Unglücksfalle zur Last gelegt wurden, als deren Urheber
früher die Christen gegolten hatten").
Zerstreuung Die erste Verbreitung des Christentums ist durch die Zerstreuung der Juden
^^der*d°en ^" ^^^ ganzen alten Welt^) aufs wirksamste gefördert worden. Diese Zerstreu-
Welt. ung hatte früh begonnen und schon in der vorchristlichen Zeit einen hohen Grad
erreicht. In einem gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. verfaßten Sibyllen-
orakel heißt es, daß jegliches Land und jegliches Meer vom jüdischen Volke
l) Das Beste über die Wechselbeziehungen zwischen Hellenismus und Judentum bei Wendland,
Die hellenistisch-röm. Kultur^ S. 192 ff. 2) Tac. A. XV 44; vgl. t6 pLiaoc, TÖ iipbq TOÜq dvöpu)-
Trou(; von den Juden, Diodor. XXXIV i Bekk. 3) Über den Namen Ckrestiani (über Chrestus und
Christus vgl. Blass, Hermes XXX 1895 S. 466 ff.) als Schimpfnamen vgl. A. Gercke, Festschr. d.
Schles. Gesellsch. f. Volkskunde z. Jahrhundertfeier d. Univ. Breslau (1911) S. 36off., über die Be-
zeichnung als terthon geniis P. Corssen, N. Jahrb. f. klass. Altert. XXXV 1915 S. 158 ff. 4) Zuerst
Tertull. apol. 40, vgl. ad nat. I 9. Cypr. ad Demetr. 2 f. Orig. c. Cels. III 15. Amob. I i. Augu-
stin. c. d. III 31. Geffcken, Zwei griech. Apologeten S. 63. 5) Nov. Theodos. Tit. III § 8 (De-
kret von 438). 6) Über die Verbreitung der Juden über die alte Welt s. Schürer, Gesch. d. jüd.
Volkes III* 2 — 70. Dazu die Übersicht über das Inschriftenmaterial bei J. Oehler, Monatsschr. f.
Gesch. u. Wissensch. d. Judent. LIII 1909 S. 292 ff. 443 ff. 525 ff. (eine Auswahl jüdischer Inschrif-
ten bei Diehl, Latein, altchristl. Inschriften' nr. 352ff.). Viel vollständiger, aber wenig übersicht-
lich J. Juster, Les juifs dans l'empire Romain (1914) I 180 ff. Vgl. auch Mommsen RG. V 489 ff.
Th. Reinach bei Daremberg-Saglio, Dictionn. d. antiqu. III 6i9ff. Hamack, Mission u. Ausbreit,
d. Christent.3 I 3ff.
[IV. 2 29] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM
20I
erfüllt sei']. Strabo sagt, daß »bereits in Sullas Zeit in jede Stadt eine Juden-
schaft eingedrungen war, und daß man nicht leicht einen Ort der Welt auffinden
könne, der diesen Stamm nicht aufgenommen habe und von ihm behauptet
werde«"); Josephus, daß kein Volk auf der Erde sei, unter dem nicht ein Teil
von ihnen lebe^j. Die Apostelgeschichte nennt als Juden und Judengenossen
aus * allerlei Volk, das unter dem Himmel ist«, die in Jerusalem die Apostel in
Zungen reden hörten: Parther, Meder, Elamiter, Bewohner von Mesopotamien,
Kappadocien, Pontus, Asia, Phrygien, Pamphylien, Ägypten, Cyrene, Rom,
Kreta und Arabien^). Der König Herodes Agrippa zählt in einem Schreiben an
Caligula die Länder auf, wo sich jüdische Kolonien befanden: Ägypten, Phö-
nizien, Syrien, Cölesyrien, Pamphylien, Cilicien, den größten Teil von Asia bis
Bithynien und die Küsten der innersten Buchten des Schwarzen Meeres; in Eu-
ropa Thessalien, Böotien, Mazedonien, Atollen, Attika, Argos, Korinth, die
meisten und besten Landschaften des Peloponnes, von Inseln Euböa, Cypern,
Kreta; endlich die Länder jenseits des Euphrat^).
Daftir, daß die jüdische Emigration vorzugsweise oder auch nur zum großen Die jüdische Emi-
Teil eine handeltreibende war, fehlen nicht bloß ausdrückliche Zeugnisse, son- gration keine vor-
dem auch Anhaltspunkte irgend welcher Art'), und manches spricht dagegen. Snde^^^'^''^"
Daß die Städte, in denen Juden sich nachweisen lassen, großenteils Handelsplätze
waren^), beweist es keineswegs, da diese zu jedem Erwerb, namentlich zu in-
dustriellem, die reichste und mannigfaltigste Gelegenheit boten. Auch zeigt
sich eine einseitige Vorliebe für den Handel, der von dem Umsatz fremder Ar-
beit lebt, bei den Juden im Altertume nirgends; und in den 63 Schriften, aus
denen der Talmud besteht (der voll ehrenvoller Anerkennung der Handarbeit
und des Handwerks ist), findet man kaum ein Wort zu Ehren des Handels, wohl
aber manches, welches auf die Gefahren der Geldmacherei und des vagierenden
Lebens hinweist^). »Ein arbeitsames Volk waren die Juden immer. Solange
sie einen eignen Staat bildeten, waren Feldbau, Gartenbau und Handwerk ihre
vorherrschende Beschäftigung. Auch in den ersten Jahrhunderten n. Chr. und
nach der Zerstreuung des Volkes blieb dieses seinen alten Sitten getreu : Josephus
rühmt noch im Anfange des 2. Jahrhunderts den Fleiß seiner Volksgenossen in
Handwerk und Feldbau. In der römischen Literatur und den Gesetzen der Kaiser
findet sich keine Spur, daß die Juden dem Schacher und Kleinhandel sich er-
geben hätten, oder überhaupt ein Kaufmannsvolk geworden wären.« Dagegen
spricht auch die Armseligkeit der Juden in Rom und die großen Aufstände in
Ägypten, Cyrene und auf den griechischen Inseln: eine Handel oder Trödel
treibende Bevölkerung pflegt nicht zu den Waffen zu greifen ^j. Inwiefern die
i) Orac. Sibyll. III 271 (nach Gutschmid 124 v. Chr. verfaßt). Vgl. I Maccab. 15, 16—24 (über
die Abfassungszeit Niese, Hermes XXXV 1900 S. 276). 2) Strabo bei Joseph. A. J. XIV 115.
3) Joseph B. J. II 398. Vgl. auch Philo de exsecrat. 165. 4) Acta apostol. 2, 9— 11. 5) Philo
Leg. ad Gai. 281 f. 6) Das Vorkommen einzelner jüdischer Kaufleute in Inschriften (Oehler a. a. O.
S. 536) bewreist natürlich nichts; den Unterschied der östlichen und der westlichen Juden hebt Pär-
van, Die Nationalität der Kauf leute im röm. Kaiserreiche (1909) S. 121 richtig hervor. Reiches
Material bei Juster a. a. O. II 291 ff., aber in etwas einseitiger Beleuchtung. Vgl. oben I 375 f.
7) Herzfeld, Handelsgeschichte der Juden des Altertums (1879) S. 204f. Babylonischer Handel der
Juden ebd. S. 2i8f. 8) Delitzsch, Handwerkerleben zur Zeit Jesu 3 (1879) S. 24 ff. Sklavenhandel
der Juden: Herzfeld S. 128, 9) Das obige meist wörtlich nach Döllinger, Akad. Vorträge I 224 f.
202 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 23c]
von christlichen Schriftstellern des 4. und 5. Jahrhunderts den Juden im allge-
meinen gemachten (gewiß mit Vorsicht aufzunehmenden) Vorwürfe der Hab-
sucht, des Betrugs, der Bosheit und Treulosigkeit^) schließen lassen, daß diese
damals mehr als früher Handel trieben, muß dahingestellt bleiben.
Ihre Ansiedlun- Außerhalb des römischen Reichs war es namentlich das parthische, das eine
fichen I änckm ^^^^^^ jüdische Bevölkerung hatte '). In den do tigen Griechenstädten (von denen
und Afrika — Seleucia am Tigris, mit angeblich 500 000 Einwohnern, der größte Handelsplatz
außerhalb der römischen Grenzen war) fehlte es nicht an Konflikten zwischen
den drei Nationen, aus denen die Bevölkerung bestand (Griechen, Syrern und
Juden) : unter Caligula z. B. wurden unter den Augen der parthischen Regierung
die Juden aus den größeren Städten ausgetrieben^). Sie zählten in Mesopotamien,
Medien und Babylonien nach Millionen, Nisibis und Nehardea am Euphrat waren
dort ihre Hauptsitze, und nach Unterdrückung der letzten nationalen Bestre-
bungen in Palästina wurde Babylonien das Zentrum eines neuen jüdischen
Lebens, das sich über alle Teile des persischen Reiches verbreitete'*). Auch in
Palmyra wohnten Juden, wahrscheinlich zahlreich 5); die dortige, im 3. Jahr-
hundert n. Chr. nachweisbare Gemeinde scheint im Mittelalter fortbestanden zu
haben, im 12. Jahrhundert bezeugt Benjamin von Tudela ihr Dasein; Pfeiler und
Oberschwelle einer Synagoge mit der Inschrift des Gebets »Höre Israel« sind
dort gefunden worden^]. Zenobia und ihr Sohn Vaballath Athenodorus waren
ihnen zum mindesten nicht abgeneigt, wie ihre Bestätigung des (von Ptolemäus
Euergetes, wohl dem ersten [247 —221] erteilten) Asylrechts einer Synagoge in
Unterägypten beweist^). In Arabien bieten jüdische, byzantinische und arabische
Nachrichten viele Spuren eines weitverzweigten jüdischen Lebens^). Die früher
unabhängigen Juden, welche die Insel Jotaba im arabischen Meerbusen be-
wohnten, unterwarf Justinian^). Der letzte König der jüdischen Homeriten (Him-
jariten) im südwestlichen Arabien, Dhu Nuwäs (Dunaas), war ein eifriger Christen-
verfolger, bis er 525 im Kampfe gegen Elesbaas, den König der christlichen
Abessinier (Auxumiten), Reich und Leben verlor '°). In Abessinien scheinen die
Niederlassungen der Juden sehr alt zu sein. Als ums Jahr 330 Frumentius das
Christentum dorthin brachte, sollen sie die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht
haben").
Innerhalb des römischen Reichs mag die jüdische Bevölkerung außer Palästina
in Kleinasien, Phönizien und Syrien am dichtesten gewesen sein'^). Namentlich
in der Einwohnerschaft von Antiochia bildete die schon von Seleucus Nikator
l) WülfFlin, Archiv f. lat. Lexikogr. VII 1892 S. 139. 2) Cass. Dio LXVI 4, 3. 3) Mommsen
RG. V 346. 4) Schürer a. a. O. III'* S. 6ff. S. Funk, Die Juden in Babylonien 200 — 500 (1902).
Herzfeld S. 336 f. Verbrennung einer jüdischen Synagoge in Callinicum (IMesopotamien) durch die
Christen: Ambros. ep. 40, 6 (Migne lat. XVI 1103). 5) Ein jüdischer dpxe|LiTtopo<; 257 n. Chr.,
CIG 4486. Vgl. Lebas-Waddington 2619. Juster a. a. O. I 195, 9. 6) Landauer, Sitz. Ben d. Ber-
liner Akademie 1884 S. 933 f. 7) Wilcken, Chrestom. nr. 54 (CIL III 6583. Dittenberger, Or.
gr. nr. 129); vgl. Mommsen, Zeitschr. f. Numism. V 1878 S. 229 fr. Derenbourg, Joum. Asiat.
6e s6t. XIII (1869) S. 373fF. 8) Schürer a. a. O. S. II. 9) Procop. B. Pers. I 19, 4. 10) Dill-
mann, Abhandl. Akad. Berlin 1880 S. 27 ff., vgl. V^^. Fell, Zeitschr. d. d. Morgenl. Gesellsch. XXXV
1881 S. iff. II) M. Flad, Kurze Schilderung der abessinischen Juden (Falascha) 1869. Vgl.
Hamack, Mission u. Ausbreit, d. Christent.3 II 156, 5. 12) Philo in Flacc. 245 koO' eK(iaTiiv
tt6\iv Tra|UTr\rieeT<; '^aiac, xe koi Zup{a^. Schürer S. loff. Juster a. a. O. I 188 ff.
[IV. 231, 232] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 203
hier angesiedelte jüdische Kolonie ein sehr bedeutendes Kontingent^), und die
dortige Hauptsynagoge beschreibt Josephus als besonders prachtvolP). Wie in
Alexandria war ihnen ein gewissermaßen selbständiges Gemeinwesen und eine
privilegierte Stellung eingeräumt, und daß beide Städte Zentren der jüdischen
Diaspora waren, ist nicht das schwächste Element in ihrer Entwicklung ge-
wesen^). Noch zu Ende des 4. Jahrhunderts war, wie die Predigten des Johannes
Chrysostomus wider die Juden bezeugen, ihre dortige Gemeinde durch ihre An-
ziehungskraft der christlichen Kirche gefährlich. Auch hier waren sie als Ärzte
gesucht"*). In Damascus sollen im jüdischen Kriege 10500 oder 18000 Juden
niedergemetzelt worden sein^).
Nach Kleinasien, das von alters her ein Hauptsitz der jüdischen Diaspora ge-
wesen war^j, hatte schon König Antiochus der Große aus Mesopotamien 2000
jüdische Familien verpflanzt, um in Lycien und Phrygien eine zuverlässige und
tapfere Bevölkerung zu haben''). Eine oder zwei von den Synagogen auswär-
tiger Gemeinden in Jerusalem gehörten den Juden aus Asia und Cilicien^). In
lonien hatte Ephesus früh eine zahlreiche Judengemeinde, die schon um die
Mitte des i. Jahrhunderts v. Chr. mannigfache Privilegien zu erwirken ver-
mochte^). In Smyrna'°) und (wahrscheinlich) in Phocäa sind Synagogengemein-
den durch Inschriften bezeugt; die letztere ehrte die Erbauerin des Betsaals und
der Umfassungsmauer des Hofs der Synagoge durch einen goldenen Kranz und
einen Ehrensitz"). In Kappadocien ist Meschag, in Cilicien Tarsus, in Groß-
Phrygien Apamea (Kißujxo?) als Sitz jüdischer Gemeinden bekannt; den Einflufl
der letzteren zeigen Münzen von Apamea aus der Zeit des Septimius Severus,
Macrinus und Philipp, auf welchen Noah in der Arche nebst dem Raben und
der Taube mit dem Ölzweig geprägt ist'^). Von der aus Apamea in Bithynien
nach Jerusalem zu sendenden Tempelsteuer belegte der Prätor Cn. Flaccus
62 V. Chr. gemäß seinem Verbote der Goldausfuhr fast 100 Pfund Gold öffentlich
mit Beschlag, doch war dies schwerlich die ganze Summe; kleinere Summen
derselben Steuer wurden in Laodicea, Adramyttium, Pergamum konfisziert'^).
Zu Antiochia in Pisidien wie zu Iconium in Lykaonien predigte Paulus in den
Schulen der Juden'*). Auch in Armenien waren sie zahlreich'^). Im 2. Jahr-
hundert n. Chr. sollen sie (aus Persien) in China eingewandert sein; moham-
medanische Berichte erwähnen dortige Juden im 9. Jahrhundert, Marco Polo
1286'^); dieNachkommen dieser Einwanderer lebten dort nach dem Bericht eines
Jesuiten im 18. Jahrhundert »treu ihrer Religion, ihrem Charakter, ihren Ge-
bräuchen <-, und sind noch heute nicht ausgestorben'^).
i) Renan, Les apotres S. 223. 2) Joseph. B. J. VII 44f. 3) Mommsen RG. V470. 4) üsener.
Weihnachtsfest' S. 235 ff. 5) Jos. B. J. II 561. VII 368. 6) Schürer S. I2ff. Chapot, La pro-
vince Romaine proconsul. d'Asie (1904) S. 182 ff. 7) Joseph. A. J. XII 149. Judengemeinde in
Tics in Lycien, E. Hula, Eranos Vindobonensis (1893) S. ggff. 8) Act. apost. 6, 9. 9) Bemays,
Die heraklitischen Briefe S. 28. Act. apost. 19, 8—20. 10) 'Pouqpeiva loubai'a dpxi(TUvdYUJTO<;)
smymaeiscbe Inschrift, veröffentlicht von S. Reinach, Revue des etudes juives VII 1883 S. 161 ff.
CIG 9897. II) S. Reinach, Bull. corr. hell. X 1886 S. 327 ff. (zuTtpoeöpia vgl. Ev. Matth. 23, 6.
Jacob. 2, 3 f.). 12) Eckhel, Doctr. num. III I32ff. Ramsay, Cities and bishoprics of Phrygia II
669 ff. Über die Judengemeinde in Hierapolis (Coloss. 4, 13) Cichorius, Altertümer von Hierapolis
(1898) S. 46. 13) Cic. pro Flacco 68 f. 14) Act. apost. 13, 14. 14, i. 15) Juster a. a. O. I 299, 2.
16) Marco Polo, Reisen, deutsch von Bürck S. 263 (B. II c. 5 Yule,mit der Anm. S. 337, 3). 1 7) Tscheng-
204 XlII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 233]
Von den griechischen Inseln werden Kreta und Melos, wo Katakomben einer
christlichen Gemeinde aus dem 3. Jahrhundert gefunden worden sind"), als
Wohnsitze wohlhabender jüdischer Bevölkerungen genannt, die unter August
einen Prätendenten, der sich für den von Herodes ermordeten Alexander ausgab,
aufs reichste unterstützten*); die zweite Frau des Josephus war eine Jüdin aus
Kreta, »von sehr edeln und im Lande sehr angesehenen Eltern^). Cäsar ge-
stattete die religiösen Vereinigungen der Juden auf Delos und anderwärts'*) ;
auch auf Kos lebten Juden ^). Euböa und Cypern sind in dem Briefe des Herodes
Agrippa'') genannt; auf der letzteren Insel (wo namentlich die Gemeinde von
Salamis aus der Apostelgeschichte bekannt ist) waren die Juden zahlreich bis.zum
Jahre 116; seit den in dem damaligen Aufstande verübten Greueln durften sie die
Insel nicht mehr betreten^). In Griechenland und Mazedonien sind die Gemein-
den von Athen, Korinth, Thessalonice, Beröa und Philippi aus der Apostel-
geschichte bekannt^). Zwei Erlasse von Arcadius (397) und Theodosius IL (412)
an den Präfekten von Illyricum (Mazedonien und Dacien) verbieten Beunruhigun-
gen der dortigen Juden und ihrer Synagogen^). Vor dem eben genannten
Theodosius, der sie aus Konstantinopel verbannte, hatten sie ihre Synagoge
dort auf dem von ihren Offizinen benannten Platze der Chalkopratien gehabt^").
Auch an den nördlichen Küsten des Schwarzen Meeres ist ihre Verbreitung früh
erfolgt. Zu Panticapäum bestand, eine jüdische Gemeinde ums Jahr 81 n. Chr. :
in dortigen griechisch abgefaßten Freilassungsurkunden erfolgt die Freigabe
der Sklaven in der Form des Scheinverkaufs an den jüdischen Gott").
Die jüdische Bevölkerung Ägyptens betrug im Anfange des i. Jahrhunderts
eine Million, mehr als ein Achtel der gesamten Einwohnerschaft"). Die Anfänge
ihrer dortigen Niederlassungen reichen bis in das 7. Jahrhundert v. Chr. Aus
Papyrusurkunden wissen wir jetzt, daß in Elephantine schon vor der Eroberung
durch Kambyses (525 v. Chr.) eine jüdische Gemeinde bestanden hat, deren
Heiligtum 410 v. Chr. auf Betrieb der ägyptischen Priester zerstört wurde, wahr-
scheinlich aber bald darauf wiederhergestellt worden ist. Wahrscheinlich waren
die dortigen Juden, die zum Teil auch in der gegenüber am Nilufer liegenden
Festung Syene in Garnison lagen, militärische Ansiedler'^). In Alexandria hatte
schon Alexander der Große Juden angesiedelt'^), wenn auch die spätere Behaup-
Ki-Tong, China u. die Chinesen (deutsch) S. 290 — 292. Auch Richthofen, China I 513, i hält
die Einwanderung der Juden unter der Han-Dynastie aus Persien für sicher.
l) Ch. Bayet, Bull. corr. hell. II 1878 S. 347 ff. 2) Joseph. A. J, XVII 327; B. J. II 103.
3) Jos. Vita 427. 4) Jos. A. J. XIV 213 ff. Jüdische Synagoge auf Delos, A. Plassart, Melanges
HoUeaux (i 9 13) S. 201 ff. Jüdische Rachegebete auf griechischen Inschriften von Rheneia, A. Wil-
helm, Österr. Jahresh. IV 1901 Beibl. S. gff., vgl. J. Bergmann, Philologus N. F. XXIV 191 1
S. 503ff. Deißmann, Licht vom Osten^ S. 315 ff. 5) Joseph. A. J. XIV 113. 233. Juster I 189, 3.
6) bei Philo leg. ad Gai. 282 (oben S. 201}. 7) Cass. Dio LXVIII 32, 3. 8) Jüdische Inschriften zn
Ägina IG IV 190, Paträ CIG 9896, Athen IG IH 3545—3547, Weiteres bei Oehler a. a. O. S. 443 f.
Juster I i87f. Jüdische Inschriften unter den itpoöKUvriiiaTa des Felsens von Grammata auf Syros
(oben I 441 A. 2) IG XII 5 nr. 172, 80. 99. 9) Cod. Theodos. XVI 8, 12. 21. 10) Codin, de aedif.
p. 83 Bekk. Griechische Inschrift aus der Gegend von Konstantinopel, Th. Reinach, Revue d. 6tud.
juiv. XXVI 1893 S. 167 ff. Vgl. K. Braun-Wiesbaden, Eine türkische Reise (1876) II 275 ff. 11) La-
tyschew, Inscr. orae sept. Ponti Euxini II 52 f. (Freilassungsurkunden), vgl. 304 — 306. IV 404 f.
Schürer S. 23 f. 12) Philo in Flacc. 43; vgl. oben S. 10. 13) Ed. Meyer, Der Papyrusfund von
Elephantine (1912) S. 32 ff. 75ff. 14I Joseph. A. J. XIX 281 ; c. Apion. 11 42 f.
[IV. 234] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 205
tung der Juden, daß er ihnen auch das volle Bürgerrecht verliehen habe, durch
die Urkunden widerlegt wird'). Nach Alexanders Tode wanderten sie dorthin
sehr zahlreich aus. Von den meisten Ptolemäern wurden sie begünstigt'). In
Philos Zeit bewohnten sie von den fünf Quartieren Alexandrias zwei (im Nord-
osten der Stadt) hauptsächlich, in der Zeit des Josephus besonders das so-
genannte Delta, d. h. den vierten Stadtbezirk^), saßen aber auch in den übrigen
zerstreut, in allen Stadtteilen sah man ihre von Bäumen umgebenen Synagogen*),
sie hatten auch ihre eigne Synagoge zu Jerusalem. Die unter Trajan zerstörte
Hauptsynagoge in Alexandria, in Form einer Basilika mit doppeltem Peristyl,
hatte einen so großen Umfang, daß ein Tempeldiener ein Banner entfalten
mußte, wenn die Gläubigen auf den Segensspruch des Vorbeters mit Amen ein-
fallen sollten^). Die alexandrinischen Juden trieben Handel und Schiffahrt^),
aber auch Handwerke^). An der mit der Bewachung der Nilschiffahrt (Potamo-
phylacia)^) verbundenen Verwaltung des Netzes der Nilzölle waren sie stark
beteiligt^). Unter den in der Gegend von Theben gefundenen Steuerquittungen
auf Tontafeln finden sich zahlreiche Namen jüdischer Steuerpächter ^°). Unter
Ptolemäus Philometor (um 170 v. Chr.] gründete der jüdische Hohepriester
Onias zu Leontopolis (im heliopolitischen Gau) eine jüdische Kolonie mit eignem
Tempel, in welchem seitdem bis zur Zeit Vespasians geopfert wurde. Die hier
wohnenden Juden müssen eine ansehnliche Macht dargestellt haben").
Auch auf dem Gebiet von Cyrene, wo schon Ptolemäus Lagi Juden angesie-
delt hatte, war eine starke jüdische Bevölkerung'^), der ebenfalls eine von den
fünf erwähnten Synagogen zu Jerusalem gehörte. Einen Aufruhr derselben
hatte schon LucuUus zu bekämpfen '^j. An dem Aufstandsversuche eines Jonathas
im Jahre 70 n. Chr. nahmen dort ihrer 2000 teil"'). Die Gemeinde von Berenice
hatte (nach einem noch erhaltenen Ehrendekret für einen M. Titius) wie es
scheint im Jahre 13 v. Chr. neun Vorsteher (Archonten)'^). Bei dem furchtbaren
und weitverzweigten Aufstande der Juden, der im Jahre 1 16 in Cyrene, Ägypten
und gleichzeitig auch in Cypern und Mesopotamien ausbrach, sollen dort 220000,
in den beiden letzten Ländern 240000 Menschen von ihnen umgebracht worden
sein'^). Die an der großen Syrte gelegene Küstenstadt Boreum war größtenteils
l) Wilcken, Grundzüge d. Papyruskunde I 24. 63; Abhandl. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. XXVII
(1909) S. 787 f.; gegen ihn Juster a. a. O. II 6fF. 2) Schürer S. 40 ff. Weihung einer Synagoge
in Schedia utrep ßaffiXeuut; TTxoXeiuaiou 'Euergetes I., 247 — 221) koi ^aai\iaar]<; Bepev(Krj(; usw.
Dittenberger, Or. gr. 726. TTpoöeux^ ö.av\0(; in Unteiägypten unter demselben Könige, oben
S. 202. 3) Philo in Flacc. 55. Joseph. B. J. 11 495 ; vgl. 488 (über die Bezeichnung der vier alexan-
drinischen Stadtquartiere mit Buchstaben s. Lumbroso, Ann. d. Inst. 1876 S. 14 f.; L'Egitto dei Greci
e Romani* S. 169). Mommsen RG. V 524, i. 4) Philo Leg. ad Gai. 132. 5) Graetz, Gesch. d.
Jud. IV 142 f. Lumbroso, Recherches sur l'econ. polit. de l'Egypte S. 62. 6) Philo Leg. ad Gai.
129; ep-faaxJipia in Alexandria, in Flacc. 56. Herzfeld, Handelsgesch. d. Juden S. 236. 7) De-
litzsch, Handwerkerleben z. Z.Jesu^ S. 37 ff. 8) S. oben I 151 A. I. 9) Lumbroso, L'Egitto' S. 30.
Joseph, c. Apion. II di^ fluminis custodiam totiusque frovinciae (überl. custodiae], dazu Wilcken, Gr.
Ostraka I 283 f. Ein MaXxaiO(; unter Trajan Hafenzöllner (öp|u6q)uXaE) in Syene, Wilcken I 273.
Juden als Alabarchen (Oberzollaufseher auf der arabischen Seite des Nils) Schürer a. a. O. S. 132, 42.
Juster a. a. O. II 256f. 10) Wilcken a. a. O. I 523 f.; Abhandl. a. a. O. S. 788 f. 11) Schürer
S. 144 ff. H. Willrich, Juden u. Griechen vor der makkab. Erhebung (1895) S. 126 ff. 12) Joseph.
A. J. XVI 160. Thrige, Res Cyrenensium (1828) S. 2i9ff. 13) Strabo bei Joseph. A. J. XIV Ii4f.
14) Joseph. Vita 424. 15) IGR I 1024; dazu Schürer a. a. O. S. 79 f. 16) Cass. Dio LXVIII
2o6 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 235, 236]
von Juden bewohnt und hatte einen besonders heilig gehaltenen, angeblich von
König Salomo erbauten Tempel, welchen Justinian nach ihrer Bekehrung zum
Christentum in eine Kirche verwandelte^). In der Provinz Afrika''), wo die
jüdische Gemeinde zu Karthago die größte gewesen sein wird, ist kürzlich der
Mosaikfußboden der Synagoge einer Stadt Naron entdeckt worden, nebst lateini-
schen Wandinschriften derer, die ihn machen ließen, aus später Zeit; wobei sich
außer dem siebenarmigen Leuchter auch das christliche Monogramm befindet^).
Im westlichen Afrika hat sich die Spur einer jüdischen Gemeinde zu Sitifi in Maure-
tanien"*), jüdischer Einwohner auch anderwärts (namentlich in Cirta) erhalten^).
^Selbst im äußersten Westen von Mauretanien, in Volubilis, ist eine hebräische
Inschrift gefunden worden«^),
in Rom — Die Nachricht des Valerius Maximus, daß im Jahre 139 v. Chr. von dem Prä-
tor Cn. Cornelius Hispalus außer den Chaldäern auch die Juden, »welche die
römischen Gebräuche durch den Dienst des Juppiter Sabazius zu verunstalten
versucht hatten « , aus Rom und Italien ausgewiesen wurden ^), bezieht sich höchst
wahrscheinlich auf die von Simon Makkabäus 140/139 nach Rom geschickten
Gesandten: ansässige Juden gab es also damals in Italien offenbar noch nicht;
die Identifizierung des Judengottes mit Sabazius erklärt sich daraus, daß die
griechischen Juden den Namen Zebaoth Sabaoth aussprachen^). Achtzig bis
neunzig Jahre später bildeten sie, teils ohne Zweifel infolge der Kriege des LucuUus
und Pompejus als Gefangene massenhaft nach Rom geführt und dort freigelassen,
teils infolge der zwischen Orient und Okzident so viel inniger und mannigfaltiger
gewordnen Beziehungen eine ansehnliche Masse: durch ihre Zahl, ihr enges
Zusammenhalten und ihren Einfluß hofften (im Jahre 59 V. Chr.) die Ankläger
des Prätors Flaccus eine Unterstützung zu erhalten^). Die ganze Region jenseits
des Tiber wurde hauptsächlich von ihnen bewohnt ^°), wahrscheinlich war dort
auch eine Synagoge"). Eine Gesandtschaft des Judenkönigs Herodes wurde an-
geblich von 8000 ihrer in Rom ansässigen Glaubensgenossen zu August be-
gleitet, und im Jahre 19 n. Chr. 4000 Freigelassene in waffenfähigem Alter, »die
von jüdischem und ägyptischem Aberglauben angesteckt waren«, zur Depor-
tation nach Sardinien verurteilt^''). Trotzdem spricht Philo im Jahre 40 von
einer jüdischen Gemeinde in Rom^^), und unter Claudius waren die Juden dort
wieder zu einer solchen Menge angewachsen, daß ihre infolge der unter ihnen
ausgebrochenen Unruhen ^'*) für rätlich erachtete Ausweisung wenigstens nur
sehr teilweise ausgeführt werden konnte'^); jedenfalls fand der Apostel Paulus
32, 2. Euseb. Chron. Ol. 224, II 164 Seh., nach dem der Aufstand sich auch auf die Thebaide er-
streckte.
l) Procop. De aedif. VI 2 p. 334 Dind. 2) Monceaux, Revue d. ^tud. juiv. XLIV 1902 S. I ff.;
Revue arch^ol. 1904 I 354ff. 3) CIL VIII 12457. 4) CIL VIII 8499 [pater synagogae). 8423.
5) CIL VIII 7155 (Cirta): Pompeio Restuto ludeo usw. Andere dortige jüdische Inschriften CIL VIII
7150. 7530. 7710. 6) Schürer S. 55. 7) Valer. Max. I 3, 3. 8) Schürer S 58 f. Cumont. Die
oriental. Religionen^ S. 77 f. Eisele in Roschers Mythol. Lexik. IV 263 f. 9) Cic. pro Flacco 66.
10) Philo Leg. ad Gai. 155. 11) Eine Inschrift eines zweimaligen Synagogenvorstehers (\6.Ckuw
h\(^ äpxtuv — so auch sonst) ist in Trastevere gefunden worden, Bull. arch. com. IX i88i 8.8; vgl.
Hülsen-Jordan, Topogr. I 3 S. 628, 17. 12) Oben I 233. 13) Philo Leg. ad Gai. 161. 14) Sue-
ton. Claud. 25, 4 ludaeos impuhore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit. Über Chrestas und
Christus oben S. 200 A. 3. 15) Cass. Dio LX 6, 6 f.
[IV. 237] 2. JUDEN TUM UND CHRISTENTUM 207
eine Gemeinde in Rom vor'). Auch die römischen Juden hatten eine Synagoge
in Jerusalem. Aus den Inschriften geht hervor, daß sie eine größere Anzahl
einzelner, selbständig organisierter Gemeinden bildeten^), jede mit eigner Syna-
goge^) und einem eignen Rat der Altesten, an dessen Spitze ein Vorsteher
(Gerusiarch) stand, und dessen geschäftsführende Beamte (Archonten) teils auf
Zeit, teils lebenslänglich gewählt wurden; auch Unmündige konnten zu diesem
Amt designiert werden. Den Gottesdienst leiteten Synagogenvorsteher (dpxi-
cruvafuJTOi), denen ein Diener(u7TripeTriq,Chassan) zur Seite stand; die Titel »Syna-
gogenvater, Synagogenujutter« bezeichnen Ehrenstellungen; auch die Schrift-
gelehrten (Ypa|LifjaTeT<;) waren keine eigentlichen Beamten, und auch für diesen
Stand wurden bereits Kinder designiert^). Die verschiednen Gemeinden in Rom
hatten teilweise gemeinsame Begräbnisplätze ^). Ein von Bosio entdecktes,
hauptsächlich von den Juden der Transtiberinischen Region benutztes Cöme-
terium (an der via Portuensis bei CoUe rosato) ist neuerdings wieder aufgefunden
worden^); ein andres lag in der Vigna Randanini an der Appischen Straße vor
dem Capenischen Tor (wo in Juvenals Zeit der Hain der Egeria und der Ca-
menen von ihnen gepachtet war)'), ein drittes an derselben Straße jenseits der
Kirche S. Sebastiane in der Nähe des altchristlichen ad catacumbas\^ ein viertes
an der Via Labicana im Osten der Stadt, das aus der Zeit der ersten Antonine
stammt, zeigt, daß auch der Esquilin und Viminal ein Zentrum der jüdischen
Bevölkerung Roms bildeten^); ein fünftes ist 1885 an der Via Appia PignatelH
gegenüber dem an zweiter Stelle genannten entdeckt worden '°). Die Inschriften
sind überwiegend griechisch, allerdings zum Teil bis zur Unverständlichkeit
jargonartig; daneben finden sich lateinische (manchmal mit griechischen Buch-
staben geschrieben), aber verhältnismäßig nur wenige hebräische"). Das He-
bräische erhielt sich in jenen Jahrhunderten nur im kirchlichen Gebrauch, die
allgemeine Verkehrssprache der jüdischen Diaspora war (mit Ausnahme Syriens,
l) Acta apost. 28, 17. 2; Schürer, Die Gemeindeverfassung der Juden in Rom in der Kaiser-
zeit 1879) S. 15 — 17 und Gesch. d. jüd. Volkes III* S. 81 ff. N. Müller, Die jüdische Katakombe
am Monteverde S. 107 ff. Die Gemeinden sind teils nach Personen (AuYOUOTiiöioi, 'A"fpnTTnn(Ji0l,
BoXou|Livriaioi = Volumni CIL VI 29756, Herodier, des Severus). teils nach Örtlichkeiten Ka)Li-
TTTiöioi, Zoußoupiiöioi , teils nach Eigenschaften (KaX-Kapr^aioi, BepvaK\iiaioi) benannt. Die öuva-
"fUJYH E\a(a(; bezieht sich auf Eläa in Mysien, wo jetzt eine römische Puine Tchifout-Kalessi,
Schloß des Juden ''EßpeOKdöTpo, ein in Anatolien nicht seltener Name) heißt, S. Reinach, Bull,
corr. hell. X 1886 S. 330. Unter den Hebraei vermutet Derenbourg, Melanges Renier S. 439 f. die
(unter Theoderich dem Großen von Cassiodor. Var. III 45, 2, vgl. Schürer, Gesch. d. jüd. Volk,
ni'* S. 66 f erwähnte) samaritanische Gemeinde Roms, doch ist diese Ansicht von N. Müller a. a. O.
S. logff. als unhaltbar erwiesen worden, es sind vielmehr Juden, die die Sprache ihrer Heimat bei-
behielten. 3) Alle Synagogen lagen außerhalb des Pomerium. Jordan, Hermes VI 1871 S. ßlQf.
Kirche in Rom von den Juden als alte Synagoge beansprucht, Cassiodor. Var. III 45, i f.; Ver-
brennung von Synagogen ebd. IV 43, 2. 4) Schürer, Gesch. d. jüd. Volk. III* S. 88ff. ; Gemeinde-
verfassung S. 18 ff. Juster a. a. O. I 442 ff. 5) Schürer, Gemeindeverf. S. 17. 6) Nik. Müller,
Die jüdische Katakombe am Monteverde zu Rom (1912), wo S. 10 auch die übrigen jüdischen Kata-
komben Roms aufgezählt werden; vgl. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes III'* S. 65 f. 7) Juv. 3, I4f.
8) De Rossi. Bull. arch. crist. V 1867 S. 16. Vgl. Schürer, Gemeindeverf. S. 13 f. 9) Bull. arch.
crist. ser. 4 II 1883 S. 79f. 10) N. Müller, Rom. Mitteil. I i8s6 S. 49 ff. 11) N. Müller, Jüd.
Katakomben am Monteverde S. 91 ff. Vgl. CIG 9901 — 9926. CIL VI 29756 — 29763. Lateinische
Inschrift eines Juden in Rom CIL VI 18532 [Samso Barocho); vgl. 31 839: Aemilio Va[f/nti eq. Rc-
mano metu[e\nti (Bemays, Gesammelte Abhandl. II 71 ff. 80).
2o8 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 238]
wo Aramäisch gesprochen wurde) Griechisch '). In gelegentlichen Erwähnungen
erscheinen die römischen Juden armselig und zigeunerhaft, als Bettler und Wahr-
sager^). Die Gräber sowie die ganze Anlage des zuerst von Bosio gefundnen
Kirchhofs sind roh und dürftig, nirgends begegnen Fragmente von Marmor oder
Malerei außer dem grob aufgemalten siebenarmigen Leuchter. Dagegen auf
dem Begräbnisplatz in der Vigna Randanini finden sich Malereien und darunter
sogar Figuren der heidnischen Mythologie, mit wahrscheinlich symbolischer,
doch noch unenträtselter Bedeutung^). Auch in Portus sind Spuren einer früh
dort angesiedelten jüdischen Gemeinde vorhanden"*). Von dort stammte wahr-
scheinlich auch der zu Anfang des 8. Jahrhunderts geborene Peitan [poeta) Ela-
zar, der für einen Dichter liturgischer Gesänge gilt, die noch heute bei dem
Gottesdienst an großen Festen in Deutschland, Frankreich und Italien in Ge-
brauch sind^).
im übrigen Im übrigen Italien wird Puteoli ein Hauptsitz der Juden gewesen sein^), von
Italien — ^q gjg gich in die Städte Campaniens verbreiteten. In Pompeji ist der Inhalt
eines irdenen Gefäßes als gar[mn) cast[imo7iiale) d. h. koschere (aus schuppen-
losen Fischen, gemäß »dem Aberglauben der Juden«, sagt Plinius, bereitete)
Fischbrühe bezeichnet^); eine dortige Wandinschrift in einem Triclinium So-
doma-Gomora kann nur von einem Juden oder Christen herrühren^); eine (viel-
leicht alexandrinische) Karikatur des Urteils des Königs Salomo setzt die Be-
kanntschaft mit jüdischen Traditionen allerdings nicht notwendig voraus^); in
Wandinschriften kommen die Namen Maria (in einer Liste von Sklavinnen) und
Martha vor'°). Die Existenz einer Gemeinde zu Capua ist durch die Grabschrift
eines dortigen Synagogenvorstehers"), zu Venusia durch die Entdeckung jüdi-
scher Katakomben (aus dem 6. Jahrhundert) erwiesen"), in denen sich u. a. die
Grabschrift eines Oberarztes [archiater) gefunden hat^^). Bei der Belagerung
Neapels durch Belisar erklärten die dortigen Juden, die Stadt mit Lebensmitteln
versorgen zu wollen, und leisteten bei der Einnahme hartnäckigen und un-
l) Mommsen RG. V 490f., welcher glaubt, daß den Juden gemeinden der mazedoDischen Städte
von den Königen das Griechiscbe obligatorisch gemacht wurde. 2) Renan, Apotres S. 289 f. Ein
jüdischer Wahrsager öoEav eiii touto) uoXXriv exiuv Procop. B. G. I 9, 3. Viel Weiber, viel Zau-
bereien , Spruch des Rabbi Hillel, Hausrath, Neutest. Zeitgesch. I 299. 3) N. Müller a. a. O.
S. 89 f. 4) De Rossi, Bull. arch. crist. IV 1866 S. 40. 5) J. Derenbourg, Melanges Renier (1887;
S. 429 — 441. 6] Oben I 423. 7) CIL IV 2569. 261 1. 5660 — 5662; viur[id) cast\inionialis) ebd.
2609. Plin. n. h. XXXI 95: [garum] castimoniartim superstitioni etiam sacrisque hidaeis dicatum,
qttod fit e piscibus squama carentibus. Vgl. dazu aber Zahn, Real-Encykl. VII 843. 8) CIL IV
4976. 9) Mau, Pompeji^ S. 16. Lumbroso, Mem. dell' Acad. dei Lincei Ser. 3 vol. XI 1883
S. 303 ff. bezieht das Bild auf den sagenhaften ägyptischen König Bocchoris. Die Verbreitung des
Märchens vom Urteil Salomos war nicht auf Ägypten und den Orient beschränkt; es lebte auch in
der griechischen Volksüberlieferung. H. Lucas, Festschr. f. Hirschfeld (1903) S. 257 ff. R. Engel-
mann, Hermes XXXIX 1904 S. 146 ff. De Rossi (Bull. arch. crist. 11 1864 S. 92, vgl. 69 ff.) bezieht
(wie bereits Marini) z.\xch. princeps Hbertinorum in einer pompejanischen Inschrift (CIL IV 117) auf
eine Judengemeinde, weil Acta apost. 6, 9 von einer öuvaYUJfT) r| XeYO)aevri AißepTivuuv die Rede
ist. 10) CIL IV 1507. 5244, vgl. Mau a. a. O. S. 17. 11) CIL X 3905. 12) O. Hirschfeld,
Bull. d. Inst. 1867 S. 148 ff. Ascoli, Iscr. inedite o mal note Greche Latine Ebraiche di antichi
sepolcri Giudaici del Napoletano, 1880. CIL IX 6195 — 6241 p. 66off. Von 47 Inschriften der unter-
irdischen Grabanlage konomt in 21 Hebräisch vor; die überirdischen hebräischen sind etwa 2 Jahr-
hunderte jünger. 13) CIL IX 6213.
ilV. 239] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 209
erwarteten Widerstand'). Auch in Tarent undFundi sind jüdische Grabschriften
gefunden worden''). In Apulien und Calabrien (dessen Küstenbeschafifenheit
der Midrasch besonders im Auge haben soll) bildeten die Juden im 4. Jahr-
hundert einen so großen Teil der Bevölkerung, daß nach einem kaiserlichen
Erlaß vom Jahre 398 der Bestand der Gemeinderäte in vielen Städten in Frage
gestellt war, weil sie zur Übernahme der städtischen Ämter nicht verpflichtet
zu sein behaupteten^). Im mittleren und nördlichen Italien, wo ihre Ansiedlungen
vermutlich ebenso alt sind wie im südlichen, finden sich deren Spuren meist erst
spät. In Brixia lassen die Inschriften eines Synagogenvorstehers und einer
»Synagogenmutter« mit Sicherheit auf eine jüdische Gemeinde schließen*).
Den Juden in Genua erlaubte Theoderich, ihre Synagoge herzustellen, doch
nicht zu erweitern^); er bestätigte die Rechte der Synagoge in Mailand, soweit
dadurch der Kirche nicht Eintrag geschehe^); während seiner Anwesenheit in
Ravenna brach dort zwischen Christen und Juden ein Tumult aus, die ersteren
zündeten die Synagogen an, wurden jedoch von dem Könige gezwungen, sie
wieder herzustellen^). In Bononia waren die Märtyrer Agricola und Vitalis auf
einem Grundstücke der Juden unter deren Gräbern bestattet; Ambrosius ließ
ihre Überreste von dort fortschaften ^ Auch in Pola hat sich eine jüdische
Grabschrift erhalten^); eine römische Grabschrift nennt Aquileja als Geburtsort
eines Gerusiarchen '°). Gregor der Große (der in seinen Briefen auch die Syna-
goge in Terracina erwähnt) schreibt an den Bischof von Luna, daß er keinem
Juden auf seinen Gütern gestatten solle, christliche Sklaven zu besitzen, was
dort vorgekommen war"). Daß auch in Sizilien Juden früh in großer Anzahl
gewohnt haben, ist an sich wahrscheinlich. Der Quästor und Scheinankläger
des Verres, Q. Cäcilius Niger, war ein (von Freigelassnen stammender) Jude").
In den Schreiben der Päpste ist mit Bezug auf die Bewirtschaftung der Patri-
monien der Kirche, die sich über beide Sizilien und Sardinien erstrecken, viel-
fach von ihnen die Rede. Nach den Briefen Gregors des Großen gab es in Pa-
lermo, Messina, Agrigent jüdische Gemeinden; er ließ sich 594 ein Verzeichnis
aller Besitzungen, auf denen Juden lebten, anfertigen, um jedem einzelnen im
Falle der Bekehrung ein Drittel der Steuer erlassen zu können '2). In Sardinien
l) Procop. B. G. I 8, 41. 10, 2^{. CIL X 1971 = Dessau 8193: [Cfaudia Aster \H\ierosolymi-
tana [cd\piiva, cziravi egii [ Tu\ Claudius Azig. libertus [Mas]culus usw. 2) CIL IX 6400 — 6402 ;
vgl. Not. d. scavi 1882 S. 386 f. (mittelalterliche in Tarent). CIL X 6299. 3) Cod. Theod. XII
I, 158. 4) IG XIV 2304 (dpxKJuvOYUJYÖ«;). CIL V 441 1 = Dessau 6724 Coeliae Paternae matri
synagogae Brixianoruvi. 5) Cassiodor. Var. II 27. 6) ebd. V 37, 2. 7) Anonym. Vales. 81.
8J Ambros. Exhortat. virginitat. i (Migne lat. XVI 335 ff.). 9; CIL V 88 (Pola): Aur'diae) Sote-
riae matri pientissimae religioni ludeicae vutuenti. Bemays, Ges. Abhandl. 11 74. Zwei jüdische In-
schriften aus Mediolanium: Renan et Le Blant, Rev. archdol. N. S. II 1860 S. 348. 10, Garrucci,
Cimitero degli antichi Ebrei scoperto in vigna Randanini (1862) S. 62. 11) Greg. M. epist. IV 21
Ewald, vgl. II 6. 12) Plutarch. Cic. 7, 6 dTreAeuöepiKot; äv9puL)TT0<;, evoxot; tuj 'loubaiZieiv). Vgl.
über den Rhetor Caecilius von Calacte Suidas: KaiKiXioc; ZiKeAiuuxric; — priTUup öoqpiaxeuaa«; ev
Piu|uri eiri toO ZeßaöTOö Kaicrapoc;, koi cittö öouXujv, wc, riveq laxopriKaai, koi TTporepov |iev
Ka\oü|nevo<; 'ApxdTCÖO'^» Triv 6s öoEav Mou6aioq, wo eine von Bemhardy angenommene Ver-
wechslung mit dem Quästor des Verres nicht wahrscheinlich ist 'vgl. Mueller, FKG III 331). Jü-
dische Inschrift in Syrakus CIG 9895. Über jüdische Katakombenfunde bei Syrakus P. Orsi, Rom.
Quartalschr. XIV (1900) S. 203 ff. 13) Greg. M. epist. V 7. VIII 23. 25. IX 38. 40 Ew. Über die
Juden in Sizilien vgl. Zunz, Z. Gesch. u. Literatur I (1845) S. 484 f. Hartivig, Aus Sizilien, Kultur-
Geschichtsbilder II (1869) S. 47 ff.
F riedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. 14.
liehen und nörd
liehen Ländern.
2 10 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 240, 241]
wird sich sicherlich die von Tiberius dorthin zwangsweise ausgeführte jüdische
Kolonie fortgepflanzt haben; in Cagliari war jahrhundertelang ein jüdisches Ge-
meindeleben'),
in den west- Nach Spanien, »das in Mischna und Talmud erwähnt wird«, beabsichtigte
Paulus zu reisen""), eine Absicht, die er auch ausgeführt zu haben scheint^), wo-
raus man mit Wahrscheinlichkeit schließen kann, daß schon damals Juden dort
lebten. Sonst hat sich in Spanien vor dem lUiberitanischen Konzil (nach der
gewöhnlichen Annahme zwischen 300 und 309)1, das der Juden bestimmt Er-
wähnung tuf*], nur eine Spur von ihnen erhalten: eine Grabschrift eines jüdi-
schen Kindes in Abdera (Adra) in Bätica, die nach der Form der Buchstaben
dem Anfange des 3. Jahrhunderts anzugehören scheint^). Auf Minorca gab es
eine ansehnliche jüdische Gemeinde um 417 n. Chr.^). Mit Sisebut (612 — 620)
beginnt die Reihe der drakonischen Gesetze des westgotischen Reichs gegen
die Juden^).
Auch von altenVerbindungen mit Gallien sollen jüdische Nachrichten zeugen^).
Archelaus, Sohn des Herodes, wurde von August nach Vienna verwiesen^],
Herodes Antipas von Caligula im Jahre 39 nach Lugdunum Convenarum'°).
Unter den Ländern, die Rabbi Akiba aufgesucht haben soll, um die Juden zur
Teilnahme an dem Aufstande Bar-Cochebas zu bewegen, wird auch Gallien ge-
nannt"). Hilarius von Poitiers (f 366) vermied selbst Begrüßungen von Juden
und Ketzern auf der Straße'^). An die Dekurionen von Köln erließ Constantin
im Jahre 321 die Verfügung: die Juden sollten im allgemeinen zur Übernahme
des Dekurionats genötigt, nur zwei bis drei (wohl die Geistlichen und Beamten
der Gemeinde) davon befreit werden dürfen'^). Die Kölner Gemeinde (deren
Synagoge zuerst 10 12 erwähnt wird) war also wohl nicht klein und auch ziem-
lich alt. Andre Erwähnungen in griechischen oder römischen Quellen vor
Sidonius ApoUinaris sind spärlich '•*). Im 7. Jahrhundert vertrieb König Wamba
die Juden aus Narbo; doch im 9. sollen sie dort sehr reich gewesen sein, die
Mühlen der Stadt und viel Land besessen, Weinbau durch christliche Arbeiter,
l) Greg. M. epist. IV 9. IX 195 Ew. 2) Ep. ad Rom. 15, 24. 3) So Renan, L'anteehrist
S. 106, 3 und Ranke, Weltgesch. III i S. 192, i nach dem Brief des Clemens ad Cor. I 5, 6 f. Ki]puE
■fev6|aevo(; ev xe xf) dvaxoXrj Kai ev xr) buaei — eiri xö xepiaa Tf\c, &uöeuj<; e\6aiv, 4) Concil.
lUib. can. 49. 50. 78 (Mansi, Concil. coli. II 14. 18). 5) CIL II 1982: . . nia Salonula an[ni) I
?>iens'ium) IUI die I hidaea. Inschrift einer Jüdin zu Tortosa (Dertosaj in drei Sprachen (hebräisch,
lateinisch, griechisch) etwa aus dem 6. Jahrhundert, Hübner, Inscr. Hisp. Christ, nr. 186. Dahn,
Könige d. Germanen VI 418 fr. 6) Brief des Severus (oder Severinus), Bischofs von Mallorea
(Migne, Patrol. lat. XX 731 ff.)- Dahn a. a. O. VI 420. 7) Dahn VI 422. 8) Literatur bei Juster
I 184, 12. 9) Joseph. A. J. XVII 344. 10) Joseph. A. J. XVIII 252; B. J. II 183. Hirschfeld,
Kl. Schrift. S. 173, 2; CIL XIII p. 6. 11) Nach Derenbourg, Essai sur Thistoire et la geographie
de laPalestine I 418 soll Akiba die Häfen des Mittelländischen Meers, Zephyrium in Kappadocien,
Nisibis, Iberien oder Georgien und andre Länder besucht haban. 12) Venant. Fortunat. vita sancti
Hilarii 3, 9 p. 2, 17 Kr. quod hiter mortales valde videtur difficile, tarn catitum esse, qui se a ludaeis
vel haereticis cibo suspendat. 13) Cod. Theodos. XVI 8, 3. 4. Vgl. Juster a. a. O. II 259 f. Aro-
nius, Regesten z. Gesch. d. Juden im fränk. u. deutseh. Reiche (1902) S. 2 f., wo auch Simeon, ein
Mann jüdischer Herkunft, als siebenter Bischof von Metz nachgewiesen wird. 14) Sidon. Apoll,
epist. III 4, I. IV 5, I (mit Sirmonds Anm.). VI 11, i. VIII 13, 3. Jüdische Grabschrift zu Narbo
aus der Zeit König Egizas (688), besprochen von Th. Reinach, Rev. d. ^tud. juiv. XIX 1889 S. 75 ff.
Vgl. Hirschfeld CIL XII p. 929: *tituli ludaici septimo sacculo antiquiores in Gallia Narbonensi
adhuc dtsiderantur^.
[IV. 242] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 211
Handel (hauptsächlich mit den Arabern in Spanien) getrieben haben'). Aus
Gregors von Tours Geschichte der Franken ergibt sich ihre große Verbreitung
in ganz Gallien im 6. Jahrhundert, die auf ein hohes Alter ihrer dortigen Nieder-
lassungen schließen läßt. Als z.B. im Jahre 576 das Volk ihre Synagoge in
Clermont zerstörte und der Bischof Avitus ihnen, die Wahl ließ, ob sie aus-
wandern oder sich taufen lassen wollten, nahmen mehr als 500 den christlichen
Glauben an; die übrigen zogen nach Marseille''). Der König Chilperich ließ
582 zu Paris viele Juden taufen^). Als König Guntram 585 in Orleans einzog,
vernahm man in den Lobgesängen der ihn empfangenden Menge auch die
Sprache der Juden'^). Benjamin von Tudela nennt als Städte, in denen Juden
wohnten, Narbonne (etwa 300), Bezieres, Montpellier Lunelle (300), Beaucaire
(400), Bourges de St.-Gilles, Arles (200), Marseille (300)^). Unter den Inschriften
der Donauländer sind nur wenige jüdische im unteren Pannonien^).
In England scheinen die Juden zur Zeit des Erzbischofs Theodor von Canter-
bury (im Amt 669 — 691) zahlreich, also wohl mindestens seit der Mitte des
7. Jahrhunderts dort ansässig gewesen zu sein^), wahrscheinlich aber schon früher.
Denn aus dem Mangel von Nachrichten auf das Fehlen einer jüdischen Bevölke-
rung zu schließen, ist überall um so weniger zulässig, als dieser vielmehr ge-
wöhnlich seit dem frühen Mittelalter ein Beweis für ihre ungestörte Existenz ist.
Hieronymus sagt, daß sie »von Meer zu Meer, vom britannischen bis zum atlan-
tischen Ozean, von Westen zu Süden, von Norden zu Osten, auf der ganzen
Welt« wohnten^). Sie glaubten, daß, wenn der Messias sie nach Jerusalem
zurückführen würde, diejenigen von ihnen, die den senatorischen oder sonst
einen hohen Rang hätten, aus Britannien, Spanien, Gallien (selbst von dessen
äußersten Grenzen, aus dem Gebiete der Moriner, von den Ufern des Rheins)
in Karossen^) kommen würden ^°).
Seit dem großen jüdischen Kriege hatten die Juden die früher nach Jerusalem Bürgerliche
entrichtete Steuer von zwei Drachmen an den Tempel des kapitolinischen
Juppiter zu entrichten"); dies führte namentlich unter Domitian zu Vexationen
und Bedrückungen, welche Nerva abstellte"), ohne jedoch die Steuer zu er-
lassen. Abgesehen von derselben war die bürgerliche Berechtigung der Juden
als solcher im römischen Reiche nicht bloß vollkommen unbeeinträchtigt, son-
dern sie erfreuten sich auch wichtiger Vorrechte. Sever und Caracalla erließen
l) Stark, Städteleben in Frankreich S. 162. Über die Geschichte der Juden in Narbonne
J. Regn^, Revue d. etud. juiv. LV 1908 S. i ff. 2) Gregor. Tur. Hist. Francor. V 11; vgl. Venant.
Fortunat. Carm. V 5. 3) Gregor, ebd. VI 17. 4) Gregor. VIII i (vgl. oben I 376). Vgl. auch
Gregor. IV 12. 35. VI 5. VII 23. Über die Zeit von 400 bis 800 vgl. Aronius a. a. O. S. 4 — 25.
5) Travels of Benjamin of Tudela ed. Asher I 32 — 36. 6) CIL III 3688: D. vi. Septimae Marias .
ludeae vixit an[nis) XVIII Actia Sabinilla maier. 10301 = Dessau 3981 Deo aeterno pro sal.ute)
d[omini) n{ostri) Sev[eri) A{lexandri) Cosmus pr' aepositus) sta[tionis) Spondilla synag. (über deus
Aeternus als Bezeichnung einer syrisch-orientalischen Gottheit vgl. Cumont, Revue arch6ol. XI
1888 S. 18411.). 10599. 10611. Die Inschrift aus Schwarzenbach in Kärnten CIL III 11641 yßkc,
ejLioi ön.uepov 001 (Sirach 38, 23) erklärt Gomperz (Arch. epigr. Mitteil. IV 1880 S. 213) für christ-
lich oder jüdisch. 7) Juster a. a. O. I 186, 11. 8) Hieronym. Commentar. in Arnos III 8 (Migne
lat. XXV 1083); vgl. auch in Sophon. 2 (Migne XXV 1364). 9) S. oben I 144, 4. 10) Hiero-
nym. ad Isai. 18, 66 (Migne lat. XXIV 672). 11) Joseph. B. J. VII 218. Cass. Die LXVI 7, 2.
Wilcken, Chrestom. nr. 61. 295. Rostowzew, Real-Encykl. VI 2403 ff. Plaumann, Berichte aus den
Königl. Kunstsamml. XXXIV (1912/13) S. 113 ff. 12) Sueton. Dom. 12, 2. Eckhel D. N. VI 404^
14*
212 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 243]
ihnen bei der Bestätigung ihrer Befähigung zur Bekleidung städtischer Ämter
(die damals allerdings kein Vorzug mehr war) ausdrückHch diejenigen Leistungen,
die ihrem 1^ Aberglauben« zuwiderliefen'). Ob eine allgemeine und dauernde
Befreiung vom Militärdienste, die man auf einen Erlaß Cäsars zurückgeführt
hat, bestanden hat, ist strittig^;. In Hinsicht der Teilnahme am Kaiserkult
machte man ihnen, wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich weitgehende
Konzessionen^): wenn sie hierin und sonsf^) vor den Christen bevorzugt waren,
so rührt dies daher, daß sie immer noch als eine Nation betrachtet wurden, die
Christen nur als eine Sekte ^). August, der Cäsars judenfreundliche Politik im
wesentlichen fortsetzte, hatte angeordnet, daß sie am Sabbat nicht gezwungen
werden durften, vor Gericht zu erscheinen^); daß die Verteilung von Geld und
Getreide in Rom, falls sie auf einen Sabbat fielen, für sie am folgenden Tage
stattfinden^), daß ihnen statt des von der Kommune gelieferten, für sie un-
brauchbaren Öls eine Geldentschädigung gezahlt werden sollte : ein Recht, in
dessen Genüsse sie der Freund Vespasians Mucianus in Antiochia schützte^).
Außer der freien Übung ihres Kultus^] war den jüdischen Gemeinden das Recht
der eignen Vermögensverwaltung und wenigstens in einem gewissen Umfange
auch die eigne Gerichtsbarkeit gegen ihre Mitglieder eingeräumt worden '°). »Eine
sehr weitgehende Machtbefugnis muß der jüdische Ethnarch oder Patriarch in
Palästina gehabt haben, der nach dem Untergange des jüdischen Staatslebens
das Oberhaupt der Nation bildete; das Amt war in der Familie Hillels geradezu
erblich. Seiner Jurisdiktion scheinen sich die sämtlichen jüdischen Diaspora-
gemeinden freiwillig unterworfen zu haben. Und seine Befugnisse waren so
weitgehend, daß die Kirchenväter sich ernstlich Mühe geben mußten zu be-
weisen, daß trotzdem schon zur Zeit Christi das Szepter von Juda genommen
worden sei« "). Für die Juden war er der alte Hohepriester: und so hatten sie
sich trotz der Zerstörung Jerusalems in gewissem Sinne als Nation wieder re-
konstruiert^^],
und soziale Stel- Wenn Hun trotz aller den Juden eingeräumten Rechte und Privilegien Philo
lung der Juden. g^g.f ^^ß gjg gchon zufrieden sein müsten, wenn sie andern gegenüber nur nicht
Der Judenhaß. -, o fc>
zurückgesetzt würden'^), so erklärt sich dies aus ihrer sozialen Stellung, die aller-
dings im ganzen eine sehr ungünstige war: am meisten natürlich da, wo, wie
in Ägypten, ein besonders starker Nationalhaß gegen sie bestand, oder unmittel-
bar nach Kriegen und Aufständen, in denen sie Ströme von Blut vergossen
hatten; wie denn die Äußerungen des Judenhasses namentlich bei dem älteren
Plinius, Quintilian, Tacitus''*) wohl mit auf Rechnung des Eindrucks zu setzen
I) Dig. L 2, 3 § 3. Mommsen RG. V 548 f. 2) Joseph. A. J. XIV 204. Juster 11 269 ff. 3) Juster
I 339 ff- 4) Hist. aug. Alex. Sever. 22, 4 ludaeis privUegia reserz'avit, Christianos esse passtts est.
5) Beachtenswert ist, daß in einer polizeilichen Liste von Gewerbetreibenden aus dem 4. Jahrhun-
dert (CIL VI 31893 ein Felix Tineosus als ludaeus bezeichnet ist, die Juden also als solche aus-
drücklich gekennzeichnet waren (Hirschfeld, Kl. Schrift. S. 585). 6) Joseph. A. J. XVI 163. 168.
7) Philo Leg. ad Gai. 158. 8) Joseph. A. J. XII 120 f. 9) Schürer m+ S. iigf. Juster I 243 ff.
10) Juster I 409ff. ii) Schürer, Gemeindeverfassung S. 13; vgl. Gesch. ni"^ S. 120. 12; Momm-
sen RG. V 548. Genaueres bei Jusler l 391 ff. 13) Philo Leg. ad Gai. 182. 14^ Plin. n. h.
Xin 46. Quintilian. III 7, 21. Tac. H. V 4. 5. 8. Aus späterer Zeit ist beachtenswert der wütende
Ausfall gegen die Juden bei Rutil. Namat. I 383 ff., vgl. dazu H. Schenkl, Rhein. Mus. LXVI 191 1
S. 393 ff.
lIV. 244, 245] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 213
sind, den der jüdische Krieg hinterlassen hatte. Aber auch abgesehen von dem
wilden Fanatismus, der in diesen Verzweiflungskämpfen wütete, reichte schon
ihre hochmütige Verachtung aller andern Nationen, Kulturen und Religionen,
ihre Absonderung von Tisch und Bett ihrer Nachbarn, verbunden mit ihrem
hartnäckigen Zusammenhalten untereinander, hin, sie >; allen Menschen zu-
wider« ^) zu machen und als ein von Menschenhaß erfülltes Volk erscheinen zu
lassen. Die von judenfeindlichen Schriftstellern (hauptsächlich auf Grund ägyp-
tischer Quellen)^) verbreiteten Beschuldigungen, Übertreibungen und Erdich-
tungen^) trugen dazu bei, den Judenhaß zu nähren, dessen Ausbrüche nicht
selten gewesen zu sein scheinen^). Nach Tacitus unterrichteten sie vor allem
in Verachtung der Götter, Verleugnung des Vaterlandes, Geringschätzung der
Eltern, Kinder und Geschwister^). Nach Juvenal lehrte Moses, man solle nur
Beschnittenen den Weg weisen, wenn sie verirrt sind, nur sie an die Quelle
führen, wenn sie verschmachten^). Nach Apio mästeten in der Zeit des Königs
Antiochus Epiphanes die Juden jährlich einen Griechen mit Leckerbissen, opfer-
ten ihn dann feierlich an einem bestimmten Tage in einem Walde, aßen seine
Eingeweide und schwuren dabei den Griechen ewige Feindschaft^). Und zu der
Feindseligkeit gegen die Juden gesellte sich Verachtung ihrer Niedrigkeit und
Armseligkeit, ihrer widrigen Unsauberkeit^j, ihrer peinlichen, als abergläubisch
verspotteten Befolgung so vieler anscheinend grundloser, lächerlicher und selt-
samer Gebräuche und Satzungen. Außer der Beschneidung wurde besonders
die Enthaltung von Schweinefleisch belacht, zu dessen Genuß sie der tumul-
tierende Pöbel wohl (wie bei der von Philo beschriebenen Judenhetze zu Alexan-
dria) zu zwingen suchte ; ferner das unverbrüchliche Festhalten an der Sabbat-
ruhe, durch die sie, wie Seneca sagt, den siebenten Teil ihres Lebens verloren^),
sowie die Umständlichkeit der zur Vermeidung jeder Arbeit am Sabbat ge-
troffenen Anstalten. Juvenal erwähnt die mit Heu gefüllten Körbe, in denen die
Tags zuvor bereiteten Speisen warm gehalten wurden, als ein unenthehrliches
Stück auch der ärmsten jüdischen Haushaltung'"). Rabbi Abahu klagte, daß
Sticheleien auf die Juden auch bei dem geringsten Aufwände von Witz die
Theater zum Lachen brächten"). Dazu kam dann auch der geschäftliche Anti-
semitismus, dessen erstes Zeugnis ein aus dem Jahre 41 n. Chr. stammender
Brief eines alexandrinischen Großkaufmanns ist, der einen Verschuldeten mit
denWorten »hüte dich vor den Juden« vor den jüdischen Geldverleihern warnt '^).
Aber es fehlte dem Judentum auch nicht an Freunden, und diese gewannen Anziehungskraft
ihm zum Teil jene Tugenden, die selbst seine Gegner anerkannten, und die Jo- ^^^ Judentums,
i) I Thessalonic. 2, 15. Renan, Apotres S. 289, l. Literatur bei Schiirer III* S. 150, l. 2) Jo-
seph, c. Ap. I 223. F. Stähelin, Der Antisemitismus im Altertum (1905) S. 9fif. Von diesen ist auch
Posidonius (= Diodor. XXXIV i) abhängig, Stähelin S. 24. 3) Stähelin a. a. O. S. 29 ff. 4) Schürer
S. 126 f. 5) Tac, H. V 5. 6) Juv. 14, 1035. 7) Joseph, c. Apion. II 94f. 8) Ammian. Marc.
XXII 5, 5 (Julian) cum Palaestinam transiret Aegyptuni petens, ludaeorum faetentmm et tiimultuan-
tium saepe taedio percitus dolenter dicitur exclamasse: '0 Marcomanni, o Qtiadi, 0 Sarmatae, tandem
alias vobis inertiores invttiV ■ 9) Die Belegstellen bei Renan, Apotres vS. 288 — 291. 10) Juven.
3, 14. 6, 542, vgl. Rönsch, Jahrb. f. Philol. CXXIII 1881 S. 692 ff. CXXXI 1885 S. 552: in trockne
Krautet dürfen nach rabbinischen Vorschriften die für den Sabbat warm zu haltenden Speisen ge-
setzt werden. 11) Hausrath, Neutestamentliche Zeitgesch. III 76. 12) ß\€TTe aa(u)TÖv änö tujv
'louöaiujv, Wilcken, Chrestom. nr. 60.
2 14 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 246
sephus in seiner (unter Trajan verfaßten) Verteidigungsschrift rühmt; ihre un-
wandelbare Frömmigkeit, ihr strenger Gehorsam gegen das Gesetz, ihre Bedürf-
nislosigkeit, ihre Mildtätigkeit, ihr einträchtiges Leben untereinander, ihre Todes-
verachtung im Kriege, ihr Fleiß in Handwerken und im Ackerbau im Frieden,
ihr unerschütterliches Gottvertrauen ^). Sodann zog diese Religion wohl gar
manche der aus dem Polytheismus zu einer reineren Gotteserkenntnis Streben-
den als die wahrhaft aufgeklärte an^): die Verwerfung des griechischen und
ägyptischen Bilderdienstes ließ dem Strabo den jüdischen Gesetzgeber als einen
wahren stoischen Philosophen erscheinen^), und der geistvolle Verfasser der
Schrift vom Erhabenen (um 40 n. Chr.) führt die Anfangsworte der Genesis
als Musterbeispiel des großartigen Stils an und rühmt den Gesetzgeber der Juden
als einen nicht gewöhnlichen Mann'*). Doch vermutlich war die Zahl derer weit
größer, deren Glaubensbedürfnis im Judentume vollste Befriedigung fand als
dem vor der Entstehung und Verbreitung aes Christentums einzigen Bekennt-
nisse, dasein auf Offenbarung beruhendes, also jedem Zweifel entrücktes Dogma
bot: und wie oft war die unerschütterliche Überzeugung, daß es die einzig wahre
Religion sei, von seinen Bekennern heldenmütig bewährt worden. Daß es in
allen Ländern sehr viele gab, die ganz oder teilweise das mosaische Gesetz be-
folgten^), darin stimmen judenfreundliche und judenfeindliche Berichte überein,
und namentlich die Frauen erwiesen sich auch hier als »Führerinnen zur Gläubig-
keit«^). »Solche Macht«, sagt Seneca, »haben die Bräuche dieses höchst ver-
ruchten Volks bereits gewonnen, daß sie in allen Ländern eingeführt sind; sie,
die Besiegten, haben ihren Siegern Gesetze gegeben«^). Horaz, Ovid, Persius
und Juvenal bezeugen, daß zu Rom viele sich am Neumondstage und am Sabbat
aller Geschäfte enthielten, am letzteren nicht reisten, fasteten und beteten, Lam-
pen anzündeten und Kränze aufhängten; andre studierten auch das mosaische
Gesetz, besuchten Synagogen und sandten die Tempelsteuer nach Jerusalem^).
Schon lange, sagt Josephus, hat sich Nacheiferung unserer Frömmigkeit auch
unter den Massen verbreitet, und es gibt keine griechische noch barbarische
Stadt oder Provinz, wohin nicht unsere Sabbatruhe gedrungen ist, und die Fasten
und das Lampenanzünden und die Enthaltung von den uns verbotenen Speisen
i) Joseph, c. Apion. II 283, vgl. 291!. 2) Der erste, der sich für jüdische Religion und Denk-
weise interessierte, war nach dem Zeugnisse seines Schülers Klearch von Soli (FHG II 323 f. =
Joseph, c. Apion. I 176 ff.) Aristoteles gewesen, vgl. v. Gutschmid, N. Beitr. z. Gesch. d. alt.
Orients S. ^^ Anm. 3) Strabo XVI 760!., vgl. Schürer III '^ S. 156, 24. 4) De sublim. 9, 9,
dazu Mutschmann, Hermes LH 191 7 S. 161 ff. 5) ööoi xa v6|ui|uia auxuJv Kamep ctWoeGveTq övTer
Z;ti\ouöi Cass. Dio XXXVII 17, i. 6) Oben I 302 f. Inschrift der Beturia Paulla — proselyta
an[nis) XVI notumae Sara viater syrtagogarum Campi et Bolumni in Rom, CIL VI 29 756. 7) Se-
neca De superst. bei August, civ. dei VI 11. 8) Horat. S. I 9, 69 (tricesima sabbata d. i. der Neu-
mondstag, Rosch-Chodesch, d. h. die Ruhefeier am 30. Tage; vgl. Dombart, Archiv f. Lexikogr. VI
1889 S. 272f.). Ovid a. a. I 415 f.; Rem. 2l9f. Pers. 5, 179 ff. (dazu De Rossi, Bull. arch. crist.
V 1867 S. 14). Juv. 14, 96ff. Fronto ad M. Caes. II 7 p. 32 N. nee aliter Kai. Sept. expecto, quam
superstitiosi stellam, qua visa ieiunium poUuant (vgl. Athen. IV 156 A). Tertullian. De ieiunio 16:
Judaicum certe ieiuniuin ubique celebratur — et stellae auctoritatem demorantis suspirant; Apologet.
16: eis — qui diem Saturni otio et victui decernunt exorbitantes et ipsi a ludaico more, quem Igno-
rant:, Ad nationes I 13: vos — ex diebus ipso [die SoHs) priorem praelegistis, quo die lavacrum sub-
trahatis aut itt vesperam differatis aut otium et prandium curetis, quod quidem facitis exorbitantes et
ipsi a vestris ad alienas religiones.
[IV. 247] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 215
beobachtet wird. Sie versuchen auch die unter uns herrschende Eintracht nach-
zuahmen und die Mitteilung vom Eignen und die Arbeitsamkeit in den Hand-
werken und die Standhaftigkeit in den für das Gesetz zu ertragenden Leiden.
Was aber das wunderbarste ist, ohne das Lockmittel der Lust hat das Gesetz
sich selbst in sich selbst stark erwiesen, und wie Gott durch die ganze Welt ge-
gangen ist, so ist das Gesetz durch alle Völker gewandert'). >Alle Menschen«,
sagt Philo, »unterwirft es sich und ermahnt sie zur Tugend, Barbaren, Hellenen,
Festlands- und Inselbewohner, die Nationen des Ostens so gut wie des Westens,
Europäer, Asiaten, die Völker der ganzen Erde«""). Der alexandrinische Philo-
soph glaubte hoffen zu dürfen, daß das Judentum dereinst die Religion der Welt
sein werde.
Der Übertritt zum Judentum war bis auf Hadrian (jene kurze Zeit der Ver- Religions- und
folgung unter Tiber abgerechnet) gesetzlich durchaus unbehindert^), sowie die u^'r^'r^^f^iT"
von Cäsar und August gewährleistete volle Religionsfreiheit der Juden, abge- drian.
sehen von vorübergehenden Unterdrückungsversuchen, unangetastet. ImJahre42
erließ Claudius ein Edikt, »daß die Juden in seinem ganzen Reiche ihre väter-
lichen Gebräuche unbehindert beobachten sollten, wobei er sie zugleich erinnere,
seine freundliche Gesinnung nicht zu mißbrauchen und nicht die Superstitionen
andrer Völker zu verachten, sondern sich mit Beobachtung der eignen Gesetze
zu begnügen«; und dieses Edikt blieb auch später in Kraft"*). Daß es auch von
Seiten der Juden an Bekehrungsversuchen Andersgläubiger nicht fehlte, bezeugt
Horaz^), und namentlich von den Pharisäern ist bekannt, daß sie »Wasser und
Land umzogen, um einen Proselyten zu machen«^). Doch nach der Zerstörung
Jerusalems wurde mit der Ausbildung des starren Rabbinismus die Abschließung
des Judentums gegen das Heidentum eine immer schroffere, und die Kluft
zwischen beiden erweiterte und vertiefte sich je länger je mehr: der babylo-
nische Talmud nennt die Proselyten einen Aussatz für IsraeF). Nachdem An-
toninus Plus die von Hadrian verbotene Beschneidung den Juden zwar an ihren
Kindern nach wie vor zu vollziehen erlaubt, dagegen die Beschneidung ^) von
NichtJuden aufs strengste untersagt hatte ^), können infolge dieses auch später
in Kraft gebliebenen Edikts, abgesehen von den gewiß seltnen Übertretungs-
fällen, keine förmlichen Übertritte zum Judentum '°j mehr stattgefunden haben,
die Proselyten dieser späteren Zeit also nicht mehr »Proselyten der Gerechtig-
keit«, sondern nur sogenannte »Gottesfürchtige« (q5oßo\j)uevoi oder cTeßoinevoi
tÖv öeov) gewesen sein, die besonders den Sabbat beobachteten und sich der
verbotenen Speisen enthielten"). Zu dieser Klasse dürfte aber der größte Teil
i) Joseph, c. Apion. II 282 ff. 2) Philo Vita Mos. II 18 f. 3) Vgl. aber Mommsen, Strafr.
S. 574, 3. 4) Joseph. A. J. XIX 290; vgl. De Rossi, Bull. arch. crist. III 1865 S. 90 f. 5) Horat.
S. 1 4, 142 : ac ve'luti te Itidaei cogemus in hatte concedere turbam. 6) Ev. Matth. 23, 15. 7) Momm-
sen RG.V 551 f. Renan, Evangiles S. gff. 8) Sie wurde wohl bei Hadrians Verschärfung des
Kastrationsverbots als Kastration aufgefaßt. Mommsen RG. V 549; Strafrecht S. 638. 9) Juster
I 263 ff. 10) Orig. c. Geis. II 43: oi ZiKopioi öia rriv trepiTOiuTiv, uuc; ciKpuuTripiaZlDVTec; Trapä touc;
KaBeOTOÜTO^ v6iuou<; koi tcx 'lou6ai'oi(; öu^Kexatpriiueva iuovok; dvaipoOvTar koi ouk effriv ciKoOcfai
öiKaöToO TTUv9avo|uevou, ei Kaxct Ti'ivöe xf^v vo|uiZ;o|uevriv Oeoöeßeiav 6 ZiKapioq äYuuviZ:6|uev0(;
ßioOv, |ueTa66|uevo(; |U€v äTro\u9tiaeTai, t|H|Lievuuv 6e ttiv erri öavaruj ciTTaxOriaeTai. 'AWaycip
dpK€i6eix6eTaai'iTrepiTO|ufiiTpöc;dvaipeöivToöiT€7Tov96TO(;aiJTriv. 11) Schürer
III'* S. 165 ff. Juster I 274ff.
2l6
XlII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 248]
der Anhänger, die das Judentum im Heidentum gewann, schon in der vor-
hadrianischen Zeit gehört haben. Übrigens reichte der Einfluß des Judentums
über die Kreise seiner eigentlichen Anhänger hinaus und führte zu heidnisch-
jüdischen Mischbildungen, Zu diesen gehörten die Kultvereine der ^ Verehrer
des höchsten Gottes« (creßojaevoi 0eöv uipiaTOv), die in Tanais im Bosporanischen
Reich zu Anfang des 3. Jahrhunderts bestanden, und die von den Kirchenvätern
des 4. Jahrhunderts bekämpfte Sekte der Hypsistarier in Kleinasien ist allem
Anschein nach eine gleichartige gewesen').
Das Christentum.
Der Bekehrungs-
eifer der Christen.
Stellung des rö-
mischen Staates
zum Christentum.
Setzte aber die Natur des Judentums als der Religion eines auserwählten
Volks seiner Verbreitung auf Kosten des Heidentums an und für sich Schranken,
so hatte das Christentum ebensowohl die Tendenz, alle seinem Weltgange im
Wege stehenden Hindernisse zu durchbrechen, als auch die Kraft dazu; und
galt den Juden die Bekehrung von Ungläubigen höchstens als ein verdienst-
volles Werk, so gab es für die Christen keine höhere und heiligere Pflicht, als
die Ausbreitung der Lehre des Heils. Das Beispiel der ersten Apostel erweckte
unaufhörlich Nachfolger in stets wachsender Zahl, die nach der Lehre des Evan-
geliums ihre Habe an die Armen verteilten und den Wanderstab ergriffen, um
das Wort Gottes von Volk zu Volk zu tragen^), und deren Eifer auch unter den
größten Schwierigkeiten und Gefahren weder ermattete noch erkaltete. Die
Christen waren eifrig, sagt Origenes^), in der ganzen Welt das Wort auszusäen.
Die Sendboten der neuen Lehre besuchten nicht bloß Städte, sondern auch
Dörfer und Gehöfte, ja sie scheuten sich nicht, ins Innere der Familien einzu-
dringen und sich zwischen Blutsverwandte zu stellen. Christliche Sklaven such-
ten, wie die Heiden ihnen vorwarfen, Frauen und Kinder ihrer Herren zu ihrem
Glauben herüberzuziehen; ja die eifrigeren reizten die Kinder, Vätern und
Lehrern den Gehorsam zu versagen, um die Seligkeit zu erwerben. So mußten,
wie bei jeder welterschütternden und neugestaltenden Bewegung, auch damals
nur zu oft Bande der Natur zerrissen, Herzen gebrochen und »Lieb und Treu
wie ein böses Unkraut ausgerauft« werden'*).
Die der jüdischen Nation als solcher ausnahmsweise zugestandene Toleranz,
die eine stillschweigende Entbindung von allen ihrem Aberglauben zuwider-
laufenden Verpflichtungen, also auch vom Götter- und Kaiserkult, zur Folge
hatte, konnte nach römischer Ansicht einer vom väterlichen Glauben abgefalle-
nen Sekte nicht gewährt werden, am wenigsten der christlichen^). Dem Christen-
tum gegenüber befand sich der römische Staat im Stande der Notwehr. Die
Erkenntnis seiner auf völlige Vernichtung der Staatsreligion zielenden, jeden
Kompromiß ausschließenden Tendenz muß seit der Ablösung des neuen Glau-
bens vom Judentum (der die Zerstörung Jerusalems starken Vorschub leistete)
schnell unabweisbar geworden und in die weitesten Kreise gedrungen sein.
Früher und öfter als die Weigerung des Götterkults hat ohne Zweifel die des
Kaiserkults, der zu den fundamentalen Institutionen des Reichs gehörte, Ver-
folgungen der Christen veranlaßt^ Die ersten, von denen wir wissen, fanden
l) Schürer, Sitz.Ber. der Berliner Akad. 1897 S. 200—225, ^S^' Gesch. d.jüd, Volk. III^ S. 174, 70.
Cumont, Real-Encykl. IX 444 ff. 2) Eusebius H. e. III 37, i f. 3) Orig. c. Cels. III 9. 4) Oben
I 304 f. 5) Mommsen, Strafr. S. 575 f. 6) Über die rechtliche Grundlage des staatlichen Vor-
|IV. 249;25o] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 217
in der Provinz Asia statt, die in mehreren Städten (Pergamum, Smyrna, Ephe-
sus u. a.) Tempel für diesen Kult hatte, bei denen die jährlichen Versammlungen
der ihm gewidmeten Festgemeinschaften stattfanden. »Es scheint, daß die Ent-
scheidung über die Stellung, die der Staat dem Christentum gegenüber in der
Folge einnahm, unter Domitian gefallen ist, wenn die Überlieferung es auch
nicht gestattet, bestimmt zu sagen, in welcher Form eine solche Entscheidung,
die tatsächlich maßgebend war, erfolgt ist«*). Die Offenbarung Johannis, eine
unter Domitian entstandene Bearbeitung einer älteren jüdischen Apokalypse,
von einem Judenchristen, in der der christliche Fanatismus gegen das Reich zu
so lodernder Glut entflammt ist, wie sonst nie wieder"^), spricht von dem Tode
des »treuen Zeugen« Antipas und andrer Christen in Pergamum, »wo der Satan
wohnt«, »die geköpft sind wegen des Zeugnisses Jesu und wegen des Wortes
Gottes, und die da nicht angebetet hatten das Tier noch sein Bildnis«^)
Als eine kriminalrechtliche konnte die Bestrafung der Christen erfolgen auf
Grund der Auffassung des Majestätsverbrechens, welche die Verletzung der
nicht bloß dem Kaiser als Gott, sondern auch den Nationalgöttern zu leistenden
Huldigung als Vergehen gegen den Staat auffaßte. Doch ist bis zur Mitte des
3. Jahrhunderts in diesem Sinne nur von einzelnen Kaisern und Statthaltern
verfahren worden. Viel häufiger wurde das den Oberbehörden, namentlich den
Provinzialstatthaltern, gegen religiöse Kontraventionen zustehende außerordent-
liche Strafverfahren angewandt, sowohl gegen Proselytenmacher als gegen
Proselyten, um den Abfall (zunächst der Bürger) vom nationalen Glauben zu
hindern oder doch einzudämmen. Dieses nicht dem Gebiete der Rechtspflege
angehörige, administrative, also von Willkür untrennbare Verfahren war seinem
Wesen nach »abhängig von der Individualität der einzelnen Beamten und von
der jeweiligen Volksstimmung« ; deshalb waltete hier »eine Unstetigkeit, wie
sie in der Rechtspflege auch in dieser Periode des Verfalls keineswegs wahr-
genommen wird«"^).
Die Volksstimmung aber war den Christen von Anfang an feindlich und Christenhaß.
wurde es je länger je mehr. Von den Gebildeten wurden sie verachtet wegen
ihrer Niedrigkeit, ihrer Unwissenheit, ihrer Geringschätzung von Kunst und
Wissenschaft, sowie von allem, was dem Leben Anmut und Schmuck verleiht,
wegen ihres Mangels an Patriotismus und ihrer Gleichgültigkeit gegenüber de n
vitalsten Staatsinteressen. Von den Massen wurden sie gehaßt; ihre Absonde-
rung von der nichtchristlichen Gesellschaft, verbunden mit ihrem festen Zu-
sammenhalten untereinander, ihr Abscheu mindestens vor allen mit dem heid-
gehens gegen das Christentum Mommsen, Ges. Schrift. III389 ff. Anders R. Heinze, Ber. d. sächs. Ges.
d.Wiss. 1910 S. 291 ff. 333ff. 436ff., der gegenüber Mommsens Ansicht, daß die Christen entweder
als Majestätsverbrecher oder im Wege der administrativen coercitio verfolgt worden seien, die Mei-
nung vertritt, daß die Zugehörigkeit zum Christentum als solche gesetzlich verboten und strafbar
gewesen sei. Vgl. auch Augar, Die Frau im röm. Christenprozeß, Texte u. Untersuch. N. F. XIII 4
(1905)8. 54 ff.
i) Der in Anführungszeichen eingeschlossene (von Mommsen a. a. O. S. 394 bestrittene) Satz
ist von K. J. Neumann. 2) Wendland, Hellenistisch-römische Kultur^ S. 252. 3) Apocal. 2, 13.
20, 4. K. J. Neumann, Der römische Staat und die allgemeine Kirche S. 12. Zur Frage nach der
Entstehungszeit der Apokalypse vgl. BoU, Aus der Offenbarung Johannis (1914) S.94f. 4) Momm-
sen a. a. O. S. 406. Friedlaender, Deutsche Rundschau LXXVI 1893 S. 392 — 398.
2i8 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 251]
nischen Kultus zusammenhängenden Festlichkeiten, die Strenge ihres Wandels,
die wie eine Zensur jeder laxeren Lebensführung erschien, ihre Bedrohung der
Andersgläubigen mit ewiger Verdammnis, überhaupt alles, worauf der Gegen-
satz des Christentums zur Welt beruhte: dies reichte schon hin, um ihnen »Haß
des Menschengeschlechts« vorzuwerfen"). Aber weit mehr noch machte sie ihr
»Atheismus«: verhaßt, ihre Feindseligkeit gegen die nationale Religion, ihre Ver-
höhnung dessen, was Millionen heilig war, ihre Schmähung der Götter, die den
römischen Staat seit Jahrhunderten beschützt und zu solcher Größe emporge-
hoben hatten, und deren Gnade auch der Einzelne alles zu verdanken glaubte,
was ihm das Leben wert machte. Je länger je mehr verbreitete sich unter den
Anhängern des alten Glaubens die Neigung, alles öffentliche und allgemeine
Unglück vom Zorn der Götter über den zunehmenden Verfall ihres Dienstes
abzuleiten und das Christentum und seine Bekenner als die Verschulder dieses
Zorns verantwortlich zu machen"). Die meisten Todesurteile gegen Märtyrer
sind in der Zeit vor Decius, »wie das über den Stifter der Religion selbst ver-
hängte, durch den blinden Fanatismus der Massen und die Schwäche der Statt-
halter herbeigeführt worden« ^). War der Tiber aus seinem Bette getreten, sagt
ein christlicher Autor, hatte der Nil sich nicht auf die Felder ergossen, blieb
der Himmel fest und regenlos, bebte die Erde, brach Hunger oder Seuche aus,
so erhob sich sofort der Ruf: »Die Christen vor die Löwen !«'^) Der greise Bi-
schof Pothinus endete zu Lyon im Jahre 177 als Märtyrer unter den Mißhand-
lungen des Volks: »Alle glaubten sich schwer zu vergehen und gottlos zu han-
deln, wenn sie sich an dieser Roheit nicht beteiligten, denn ihre Götter würden
sie dafür bestrafen^)«. Je länger desto mehr gewann die Ansicht Boden, daß
mit dem Eintritt des Christentums in die Welt ein allgemeiner Verfall des
Menschengeschlechts begonnen habe.
Das unzweifelhafte Symptom der Stärke und Leidenschaftlichkeit des
Christenhasses ist, daß der Glaube an abscheuliche Verbrechen, die man ihnen
andichtete, nicht bloß bei den Massen, sondern auch bei den Höchstgebildeten
sehr verbreitet war und lange unausrottbar blieb. Allerdings trug dazu auch
das Geheimnis bei, mit dem die Christen ihren Gottesdienst umgaben. Von
jeher haben geheime religiöse Zusammenkünfte Außerhalbstehenden den Ver-
dacht erregt, daß dort unter dem Deckmantel der Religion Dinge geschähen,
die das Licht zu scheuen hätten. In der altrömischen Welt hat der Ein-
druck des großen Bacchanalienprozesses (186 v. Chr.) jahrhundertelang
nachgewirkt. Damals war in der Tat ein über Etrurien eingedrungener Ge-
heimdienst des Bacchus als Deckmantel der schändlichsten Ausschweifungen
und ärgsten Verbrechen benutzt worden; die endlich gegen die Teilnehmer
eingeleitete Untersuchung hatte die Bestrafung von Tausenden, großenteils
mit dem Tode, zur Folge gehabt. In ähnlicher Weise wiederholten sich gegen
die Christen immer von neuem die Anklagen von »ödipodeischen Verbindungen
und thyesteischen Mahlzeiten« , die mit ihrem Gottesdienst verbunden sein
sollten, d. h. widernatürlichen Ausschweifungen und Ritualmorden. Man be-
i) naiurae totius inimicum Tertull. apol. 2. Über den Vorwurf des Atheismus s. oben S. 199 A.4.
2) Oben S. 200. 3) Mommsen a. a. O. S. 415. 4) Tertull. apol. 40; vgl. H. Achelis, Das Christen-
tum in den ersten drei Jahrhunderten (19 12) I 294. 5) Euseb. hist. eccl. V i, 31.
[IV. 252] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 219
rief sich dabei auf Geständnisse, die von Sklaven, Weibern und Kindern erfoltert
waren, doch allerdings auch auf gegenseitige Anklagen der christlichen Parteien
und S.ekten, die, wie ein heidnischer Autor sagt, einander die .schändlichsten
Dinge vorwarfen, die man gar nicht nennen könne. Hier sei nur erwähnt, daß
Hippolyt, der Gegenpapst des Callistus, dem letzteren in seiner noch erhaltenen
»Widerlegung aller Ketzereien« vorwirft, er habe Ehebruch und Mord gelehrt
So erhielt der Glaube an die schamlosen Orgien und Ritualmorde der Christen
immer neue Nahrung. Beides hatte Tacitus im Sinne, als er (im Anfange der Regie-
rung Hadrians) schrieb, der verderbliche Aberglaube der Christen, der durch die
Kreuzigung des Stifters in Judäa unterdrückt war, sei aufs neue in Rom aus-
gebrochen, »wohin alles Scheußliche und Schamlose [cuncta atrocia et pudendä)
zusammenströmt und Anhang gewinnt«'). Daß auch Plinius in diesem Sinne
inquiriert hatte, ergibt sich aus der von ihm an Trajan berichteten Aussage der
Christen, sie seien zu einem unschuldigen Mahle zusammengekommen^).
Noch um das Jahr 200 wurde behauptet und geglaubt, daß bei der Einweihung
zum Christentum ein Kind geopfert und mit dem in sein Blut getauchten Brote
verzehrt werde. An die Leuchter seien Hunde gebunden; werde ihnen ein
Bissen vorgeworfen, so werfen sie die Leuchter um, und in der Finsternis ge-
schehe das Schlimmste^).
Dieser Glaube an die Missetaten der Christen ist die Haupt veranlassung der Nero gegen
sogenannten neronischen Christenverfolgung gewesen. Um den Verdacht der ^'® Chmten.
Urheberschaft des ungeheuren Brandes von sich abzuwälzen, der im Juli 64
Rom zum größten Teile in Asche legte'^), gab Nero der nach Opfern verlangen-
den Volkswut »die durch ihre Schandtaten verhaßten Christen« preis. Man er-
griff zuerst diejenigen, die sich zum Christentum bekannten, dann nach deren
Angabe eine sehr große Menge andrer. Wenn auch nicht der Brandstiftung,
so doch des »allgemeinen Menschenhasses« überwiesen, wurden sie unter so
gräßlichen Martern hingerichtet, daß sie Mitleid erregten, »obwohl sie schuldig
waren und die härtesten Strafen verdient hatten«. Sie wurden, in Tierfelle ge-
hüllt, von Hunden zerfleischt oder ans Kreuz geheftet oder in Flammen gesetzt,
die die einbrechende Dunkelheit erhellten^). Die kaiserlichen Gärten, in denen
die > Fackeln des Nero« durch die Nacht leuchteten, lagen in der Gegend der
Peterskirche.
Die ersten uns bekannten Normen für die Behandlung der Christenfrage hat
Trajan aufgestellt, und zwar in seinem Reskript an den jüngeren Plinius, der, als
Statthalter von Bithynien und Pontus, ums Jahr 112, von dem Umsichgreifen der
neuen »Superstition« erschreckt, Anweisungen erbat, da er noch niemals einer
Verhandlung gegen die Christen beigewohnt hatte. Trajan bestimmte, daß
jeder des Christentums Beschuldigte und Überführte zu bestrafen sei ; wer aber
l) Tac. A. XV 44. 2) Plin. ad Trai. 96, 7. 3) Geffcken, Zwei griech. Apologeten (1907
S. 167 ff. 231 ff. R. Heinze a. a. O. S. 3i8ff. 4) Oben I 24. Daß der Brand (in der Nacht vom
iS./ig. Juli 64) zufällig ausbrach, geht daraus hervor, daß am 17. Vollmond war. Eine so helle
Nacht würde man zu einer Brandlegung sicherlich nicht gewählt haben. Hülsen, American Journal
of Archaeology 2 ser. XLII (1909) S. 45 ff. 5) Tac. A. XV 44, dazu C. Weyman in der Festgabe f.
M. V. Schanz (1912) S. 167 ff. Hirschfeld, Kl. Schrift. S. 407 ff. K. Linck, De antiquissimis veterum
quae ad Jesum Nazarenum spectanttestimoniis (1913) S. 61 ff.
2 20 Xlir. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 253]
das Christentum ableugne \md seine Lossagung von ihm durch ein den Göttern
gebrachtes Opfer bestätige, solle ohne Rücksicht auf die Vergangenheit straflos
ausgehen. Gefahndet solle auf die Christen nicht werden, auch mißbilligte der
Kaiser die Berücksichtigung anonymer Denunziationen '], Hadrian ist der einzige
Kaiser gewesen, der den Christenglauben freigab, indem er in einem Erlasse
an den Statthalter von Asia anordnete, daß der Christ nur wegen des ihm zur
Last gelegten nichtreligiösen Verbrechens zur Rechenschaft gezogen werden
dürfe, und den falschen Ankläger auch in diesem Falle unnachsichtlich die ge-
setzliche Strafe treffen soUe^j. Im allgemeinen hielten jedoch die Kaiser den
Standpunkt des religionspolizeilichen Einschreitens auf geschehene Anzeige
fest und straften, wo es sich nicht vermeiden ließ. Die Christen befanden sich
in stetiger Rechtsunsicherheit.
Verfolgungen Unter Marc Aurel verschlimmerte sich ihre Lage. Ein von ihm um 177 er-
seitTrajan. j^gggj^gg Reskript, das die Bestrafung derjenigen befahl, die dazu beitragen
würden, »die leicht erregbaren Gemüter der Menge durch Wahnglauben in
Angst zu versetzen«^), fand auch auf die Christen Anwendung. In verschiednen
Provinzen brach die Wut der städtischen Bevölkerungen gegen sie los. Wir
besitzen das höchst interessante Schreiben der Gemeinden von Vienne und
Lyon über die Verfolgungen in der letzteren Stadt (zu deren Opfern der Bischof
Pothinus gehörte) an die Brüder in Asia und Phrygien''). Von den verurteilten
Christen in Lyon wurden die Bürger enthauptet, die Nichtbürger wilden Tieren
vorgeworfen. Im Gegensatz zu der Verordnung Trajans hatte der Statthalter
auf die Christen fahnden lassen, und dies ist nach der Äußerung eines Zeitge-
nossen damals allgemein oder doch vielfach geschehen^).
Der Ausbruch eines fanatischen Christenhasses in jener Zeit ist sehr begreif-
lich. Niemals vorher war das Reich von so schwerem Unglück jeder Art heim-
gesucht worden. Im Jahre 166 waren deutsche Stämme, durch Völkerschie-
bungen gedrängt, über die Donau eingebrochen , hatten die nordöstlichen
Grenzprovinzen von der Ostschweiz bis Ungarn und Siebenbürgen über-
schwemmt und verheert und Hunderttausende von Gefangenen fortgeschleppt ;
bis Italien und Griechenland waren einzelne ihrer Horden vorgedrungen. Zum
ersten Male wankte das Reich in seinen Fugen. Neun Jahre dauerten die
schweren, verlustvollen, mit der äußersten Anspannung aller Kräfte geführten
Kriege, in denen sie endlich überwältigt wurden. Zugleich wütete seit 162 jene
furchtbarste Epidemie des Altertums, die, aus dem Orient eingeschleppt, bis
nach dem Rhein und Gallien vordrang, die Lager der Legionen verheerte und
ganze Landstriche in Einöden verwandelte^). Dazu kamen Mißwachs und
Hungersnot, um die Leiden der Bevölkerungen aufs höchste zu steigern. Wenn
je, so hatte man damals Grund zu glauben, daß die Götter dem so lange von
ihnen sichtbar beschützten Reiche ihre Gnade entzogen hätten; und welche
Ursache ihres Zorns lag näher, als der immer mehr um sich greifende Abfall
vom Glauben der Väter, den die Irrlehren der lichtscheuen, von Menschenhaß
i) Plin. ad Trai. 96. 97. 2) Justin, apol. I 68, 6 ff. Mommsen a. a. O. S. 4i4f. 3) Dig.
XL VIII 19, 30, vgl. Paul. sent. V 21, 2. 4) Euseb. bist. eccl. V i, 3 ff., dazu Hirschfeld, Kl.
Schrift. S. I54ff Kahrstedt, Rhein. Mus. LXVIII 1913 S. 395 ff. 5) Cels. bei Orig. c. Cels. VIII 69
umijv bk Kav TrA,aväTai Tic exi \av9dvujv, ctWct ZrjTeiTai iipbc, Gavarou 6i'Kr|v. 6) Oben I 31.
[IV. 254, 255] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 221
erfüllten »Atheisten« verschuldeten? Schwerlich hat Marc Aurel solchen An-
schauungen ganz fern gestanden. Er war ein nicht nur sehr gottesfürchtiger,
sondern auch starkgläubiger Mann. In einer Welt ohne Götter, hat er gesagt,
wolle er nicht leben').
Endlich kommt hier in Betracht, daß damals innerhalb des Christentums eine Montanisten.
schwärmerische Glaubensrichtung aufgekommen war, die der Staatsgewalt mit
herausforderndem Trotze gegenüberstand. Ihren schärfsten Ausdruck fand sie
in der unter dem Einflüsse des phrygischen Orgiasmus enstandenen Sekte der
Montanisten, deren Stifter Montanus um 156 in Kleinasien mit dem Anspruch
aufgetreten war, der erschienene Paraklet zu sein. Die Montanisten, deren An-
schauungen sich auch in der abendländischen Kirche verbreiteten, forderten
strengste Askese und unbedingte Lossagung von allem Irdischen, verkündeten
das nahe Bevorstehen des Weltendes und des tausendjährigen Reichs, legten
übermäßigen Wert auf das Märtyrertum und ermahnten dazu. Diese Märtyrer-
sucht, die auch in gemäßigten christlichen Kreisen Mißbilligung fand, erregte in
heidnischen nur Spott und Hohn; man empfahl ihnen, sich doch selbst umzu-
bringen, anstatt andern Leuten Mühe zu machen. Als der Prokonsul A. Arrius
Antoninus (etwa 185) die Christen in seiner Provinz Asia heftig verfolgte, zogen
sie (wohl in Ephesus) haufenweise vor sein Tribunal und boten sich freiwillig
dar^). Einige von ihnen ließ er abführen, zu den andern sprach er: »Ihr Elenden,
wollt ihr durchaus sterben, so habt ihr ja Abgründe und Stricke« ^j.
Wie in Gallien und Kleinasien hat die damalige Verfolgung auch in Afrika,
wo bisher noch kein Christenblut geflossen war, Opfer gefordert. Wir besitzen
das Protokoll einer Verhandlung, die gegen 3 Christen und 3 Christinnen aus
Scili in Numidien am 17. Juli 180 in Karthago von dem Prokonsul von Afrika
geführt worden ist. Trotz seiner offenbaren Bemühung, ihnen den Rücktritt
zum Heidentum zu erleichtern, beharrten die Angeklagten bei ihrem Bekennt-
nisse, wiesen das Ansinnen, beim Genius des Kaisers zu schwören und für sein
Heil ein Opfer zu bringen, zurück und lehnten auch die angebotene Bedenkzeit
von 30 Tagen ab. Sie wurden an demselben Tage enthauptet; über ihrem
Grabe erhob sich später eine Basilika'^). In Rom sind damals oder wenig später
die Christen zur Zwangsarbeit in den sardinischen Bergwerken verurteilt worden,
deren Befreiung die Maitresse des Commodus, Marcia, um 190, erwirkte^). Die
Bergwerksstrafe war nächst der Todesstrafe die härteste; die Verurteilten waren
durch sie zum Sklavenstande degradiert, arbeiteten (auf der einen Seite des Kopfes
kahl geschoren) in Ketten und waren körperlichen Züchtigungen ausgesetzt^).
Wenn auch die Verfolgung in den nächsten Jahren nach dem Tode Marc
Aureis noch fortdauerte, so kam doch nun (zunächst durch Marcias Einfluß) für
die Kirche eine bessere Zeit. Sie erfreute sich nun während einer Periode von
fast 70 Jahren eines nur durch vereinzelte Verfolgungen unter Septimius Severus
und Maximinus Thrax unterbrochenen Friedens. Die Märchen von den Ritual-
morden und schamlosen Orgien verstummten allmählich, je mehr das Christen-
tum mit zunehmender Ausbreitung aus der Verborgenheit ans Licht trat, je mehr
l) Oben S. 123. 2) Über Selbstanzeigen und Provokation der Christen vgl. Achelis II 436 f.
3) Tertull. ad Scap. 5. 4) Neumann a. a. O. S. 71 ff. 5) Vgl. oben I 67. 6) Mommsen, Strafr.
S. 949 ff.
Märtyrer.
222 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 256]
Christen und Heiden (auch durch Ehen und Familienbeziehungen) in Berührung
kamen. Es ist ein Beweis für die Abnahme des Christenhasses, daß die tausend-
jährige Säkularfeier der Stadt Rom, die im Jahre 248 drei Tage und drei Nächte
hindurch aufs feierlichste begangen wurde und unzweifelhaft eine große
Steigerung des religiösen Gefühls bewirkte, ohne christenfeindliche Demon-
Verhältnismäßig strationen verlief. War nun die Zahl der Märtyrer bis dahin eine an sich nicht
geringeZahl^der geringe gewesen, so war sie es doch (abgesehen von den nicht im eigentlichen
Sinne zu ihnen zu rechnenden Opfern der neronischen Verfolgung) im Ver-
hältnis zu der Größe des Reichs und einem Zeitraum von zwei Jahrhunderten").
Dies bestätigt ausdrücklich in einer 248 verfaßten Schrift Origenes, der ge-
lehrteste christliche Schriftsteller der vorconstantinischen Zeit. Er sagt : » Wenige
und leicht zu Zählende haben von Zeit zu Zeit den Tod erlitten, um des
Glaubens willen und um die übrigen zu mahnen«'). Sein Zeugnis wiegt um so
schwerer, als seine persönlichen Erfahrungen ihn eher geneigt machen konnten,
den Umfang und die Schrecklichkeit der Verfolgungen zu übertreiben. Er
hatte selbst deren zwei erlebt und war von der ersten aufs schwerste mitbe-
troffen worden. Sein Vater Leonidas war im Jahre 202 in Alexandria als Christ
zum Tode durch das Schwert verurteilt worden; er selbst, noch nicht 17 Jahre
alt, hatte ein so. stürmisches Verlangen nach dem Märtyrertum empfunden, daß
die Mutter ihm die Kleider verstecken m.ußte, um ihn zu nötigen, zu Hause zu
bleiben. Aber an den Vater im Gefängnis schrieb er einen eindringlichen Brief
über das Martyrium, in dem er ihn mahnte, nicht etwa auf seine Familie Rück-
sicht zu nehmen: »Halt an Dich, daß Du Dich nicht unseretwegen umstimmen
lassest! «3) Während der Verfolgung unter Maximinus Thrax hat er dann eine
Aufforderung zum Martyrium geschrieben, in der er aufs dringenste mahnt,
auch unter der Todesdrohung, auch auf der Folter sich mit keinem Worte zu
beflecken.
Eine Bestätigung (deren es allerdings nicht bedarf) findet das Zeugnis des
Origenes von der geringen Zahl der Märtyrer bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts
in der sehr leidenschaftlich (im Jahre 313) geschriebenen Schrift des Lactantius
»Von den Todesarten der Verfolger«. Hier folgt Decius (249 — 251) unmittel-
bar auf Nero und Domitian. Wenn Lactantius sagt, die nach Domitian regie-
renden guten Kaiser seien nicht Feinde der Kirche gewesen und die Leiden und
Bedrängnisse der Christen in der Zeit zwischen Domitian und Decius ganz mit
Stillschweigen übergehf*), so konnten diese unmöglich einen sehr tiefen Ein-
druck hinterlassen haben. Aber selbst die Verfolgung des Diocletian ist »kein
Schatten von dem gewesen, was Herzog Alba in den Niederlanden getan hat« ^).
Die Zahl der dort unter Karl V. um des Glaubens willen Hingerichteten schätzt
Fra Paolo auf 50000, Hugo Grotius auf 10 000.
Den Glaubens- und Bekehrungseifer der Christen haben übrigens die Ver-
folgungen bekanntlich eher entzündet als gedämpft. »Unsre Lehre«, sagt
Clemens von Alexandria, »hindern seit ihrer ersten Verkündigung Könige und
Herrscher, Vorsteher der Provinzen und Statthalter, indem sie mit all ihren
i) Über die Anzahl der Märtyrer s. Achelis a. a. O. II 445 ff. 2) Orig. c. Cels. in 8. 3) Neu-
mann a. a. O. S. 163. 4) De mort. persec. 3, 4 f. 5) Niebuhr, Vortr. über röm. Gesch. Ill 295.
IV. 257]
2. JUDENTUM Ux\D CHRISTEX lUM
Söldnern und einer ungeheuren Menschenmenge wider uns streiten, und unser,
so viele sie nur können, zu vertilgen suchen: und doch blüht sie nur immer
mehr. Sie stirbt nicht wie eine menschliche Lehre und welkt nicht wie eine
schwache Gabe, denn keine Gabe Gottes ist schwach. Sie bleibt und kann
nicht gehindert werden, ob man sie gleich, wie geweissagt ist, bis ans Ende
verfolgen wird«').
Doch trotz des glühendsten Bekehrungseifers der Christen hätte die erhabene Haupt-
— für einen großen, wenn nicht den größten Teil der heidnischen Welt nur zu "f^'^'jen der
erhabene — Lehre des Evangeliums nicht verhältnismäßig so schnell sich breituilr^'^des
verbreiten können, wenn nicht noch andre Ursachen zu dieser Verbreitung mit- Christentums.
gewirkt hätten, die teils in den Bedürfnissen und Schwächen der menschlichen Na-
tur überhaupt, teils in den Zuständender damaligen Gesellschaft begründet waren .
Die neue Lehre richtete sich an die ganze Menschheit, sie schloß keinen von
der Verheißung des Heils aus, auch nicht den Geringsten und Verachtetsten.
Sie fand naturgemäß den günstigsten Boden in der ungeheuren Mehrzahl der
Mühseligen und Beladenen, der Armen und Unglücklichen. Die froheste Bot-
schaft brachte sie den Sklaven; sie verkündete ihnen ihre Erhebung aus Nie-
drigkeit, Verachtung und Rechtlosigkeit, ihre Gleichstellung mit den Freien.
In ihren Kreisen muß sie sich am schnellsten fortgepflanzt haben und ist gewiß
oft genug aus den Sklavenzellen in die Wohnungen der Herren gedrungen^].
Sie spendete aber überhaupt den Verzweifelnden und Zagenden einen unge-
ahnten Trost, sie eröffnete auch dem Schuldbeladensten Aussicht auf Vergebung.
Die Heiden spotteten: während zu andern gottesdienstlichen Weihen di^'enigen
geladen würden, die sich rein von Schuld fühlten, versprächen die Christen,
das Reich Gottes werde auch die Sünder und die Toren aufnehmen, kurz gerade
die Unseligen 3). Die Sprache, in der das Evangelium verkündet wurde, konnte
hiernach nur die der kleinen Leute sein. Wie das Griechische, in dem die
Bücher des Neuen Testaments verfaßt sind, ist auch das Latein, in dem sie zu-
erst dem Abendlande bekannt wurden, nicht die Schrift- oder Gelehrtensprache,
sondern die alltägliche des Hauses und der Familie, des Markts und der Straßen,
der Werkstätten, des platten Lands, des Feldlagers*).
Sehr hoch ist auch der Einfluß anzuschlagen, den die Empfänglichkeit der
Frauen für die neue Lehre auf deren Verbreitung übte. Das Christentum erhob
die Frauen in den griechischen Ländern, wo ihre Stellung eine tief herab-
gedrückte war, zu ebenbürtigen Gefährtinnen des ]\Ianns, es gab der Ehe durch
die innigere Seelengemeinschaft des gleichen Glaubens und der gleichen Hoff-
nung eine neue Weihe, dem Jungfrauentum eine neue Heiligkeit, dem ganzen
Leben der Frau für die Gesellschaft eine höhere Geltung. Nicht immer hielten
die Frauen sich innerhalb der Schranken, die für ihre Stellung auch in der christ-
lichen Gemeinde gezogen bleiben sollten. Paulus hatte zu rügen, daß sie in Korinth
mit unbedecktem Haupte beteten und weissagten, er mußte ermahnen, daß sie in
der Gemeinde schweigen, nach dem Gesetz den Männern Untertan sein sollten '}.
I) Clem. AI. Strom. VI i8 (167, 4f.) p. 518 Stähl. Lact. inst. V 19, 9 auge^ur mim religio dei
quanto magis premitur. 2] Keim, Rom u. d. Christentum i88i S. 360, 3] Cels. bei Orig. c. Ceh.
m 59. 4) Rönsch, Itala u. Vulgata S. i f . 5) I Corinth. 11, 5. 14, 34. Vgl. Hamack, Mission^
I 59 f. V. Dobschütz, Die urchristlichen Gemeinden (1902, S. 33ff.
224 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 258, 259I
Was aber dem Christentum die meisten Gläubigen zuführte, das war dasselbe,
wodurch selbst das Judentum bei aller seiner Ausschließlichkeit eine so starke
Anziehungskraft geübt hatte''): die innerhalb des Heidentums vergeblich ge-
suchte Befriedigung des Glaubensbedürfnisses, die nur ein über jede Skepsis
erhabenes, weil auf göttlicher Offenbarung beruhendes Dogma gewähren
konnte"); und das Unbegreifliche dieses Dogmas entsprach »dem Hange des
menschlichen Geistes, am liebsten das Geheimnisvolle zu glauben^^), im höch-
sten Grade. Vielleicht ergriff aber nichts in diesem Dogma die Gemüter so un-
widerstehlich wie die nie zuvor mit so überzeugender, alle Zweifel niederschla-
gender Gewißheit verkündete Verheißung eines bessern Jenseits, einer ewigen
Seligkeit, während zugleich mit dieser beglückenden Hoffnung die Furcht vor
den ewigen Strafen, die dem Unglauben drohten, nicht minder gewaltig wirkte,
um so mehr als der Glaube an das nahe Bevorstehen des tausendjährigen Reichs
bei den Christen bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts allgemein war'^).
Auch Wunder und Zeichen, nach denen die Gläubigen nicht minder als die
Zweifelnden und Schwankenden verlangten, geschahen mindestens ebenso zahl-
reich zur Bekräftigung des christlichen wie des heidnischen Glaubens. Im Na-
men Jesu, sagt Irenäus, vollbringen seine Schüler, die von ihm die Gabe emp-
fangen haben, Austreibungen von Teufeln, andre sehen und sagen die Zukunft
voraus, andre heilen Kranke durch Auflegen der Hände und wecken Tote
wieder auf. Es ist unmöglich, die Erweisungen der Gnade zu zählen, welche die
Kirche für die ganze Welt von Gott erhalten hat und im Namen Jesu Christi,
des unter Pilatus gekreuzigten, zum Wohle der Völker vollbringt, ohne Betrug
zu üben oder Bezahlung anzunehmen; denn wie sie diese Gaben als Geschenk
von Gott empfangen hat, teilt sie sie auch als Geschenk mit^). Arnobius, für
den (wie gewiß für die meisten) die von Christus vollbrachten Wunder die Gött-
lichkeit seiner Natur erwiesen, legte (auch für die Zurückweisung der heidni-
schen Behauptung, er sei ein Zaubrer gewesen) besondern Wert darauf, daß er
durch sein bloßes Wort und durch Handauflegen Kranke zu heilen und Tote
zu erwecken vermochte, während die Heidengötter nur, wie Ärzte, Heilmittel
verordneten, vielen Tausenden von Kranken aber zu helfen gar nicht imstande
waren^). Ebenso sagt Origenes, er habe Kranke durch die bloße Anrufung des
Namens Gottes und Jesu von ihren Leiden befreit gesehen, »die weder Menschen
noch Dämonen zu heilen vermochten < ^). Augustinus berichtet zahlreiche selbst-
erlebte Wunder, darunter nicht weniger als fünf Totenerweckungen; besonders
viele wunderbare Krankenheilungen hätten sich bei den Grabzellen des heiligen
Stephanus zu Calama und Hippo Regius ereignet: über die bei der letzteren, die
noch nicht zwei Jahre stand, erfolgte, hatte man schon an 70 schriftliche Be-
il Oben S. 214. 2) Mit Recht hat Voltaire, Hist. de 1' Etablissement du christianisme eh. XIII
(Oeuvres compl. 1784 XXXV 301) unter den Gründen, die er für die Ausbreitung des Christentums
anführt, diesen besonders betont und damit »eine weit tiefere Kenntnis sowohl der Natur des Men-
schen als der Natur des Christentums verraten denn die Gibbonsche« (J. Bernays, Gesammelte Ab-
handl. II 225). Von Gibbon sagt Herder (Ideen z. Philos. d. Gesch. d. Menschh., Werke XIV 330
Suphan\ daß er »über das Christentum sehr milde urteilt«. 3) Tac. H. I 22, 4) K. J. Neumann
a. a. O. S. 56f. 5) Iren. adv. haeres. II 32, 4. Gibbon, Hist. II 2S4f., deutsch von Sporschil
S. 373 f. Andre Stellen bei Renan, Marc-Aurele S. 529^, vgl. Evangiles S. 65. 6) Amob. I 42fr,
^) Oben S. 169.
[IV. 26o] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 225
richte'). Und so sind, wie später im germanischen Norden, dem neuen Glauben
unzählige Bekenner durch die Überzeugung gewonnen worden, » daß der Christen-
gott den besseren Willen habe zu helfen als die Heidengötter und vor allem die
größere Macht« ^). Als in Gaza bei einem Pferderennen, bei welchem die Pferde
eines eifrigen Christen und eines eifrigen Heiden liefen, »Christus den Mamas
schlug«, ließen viele Heiden sich taufen^). Daß der Übertritt zum Christentum
sich durch die Vorteile empfehle, die der Christengott seinen Bekennern ge-
währe, spricht aufs naivste ein Gedicht des Rhetors Endelechius im 4. oder
5. Jahrhundert aus. Bucolus hat seine Herden durch eine Rinderseuche verloren,
während die des Tityrus verschont geblieben sind. Welcher Gott, fragt jener,
hat dich vor diesem Schaden bewahrt? und Tityrus antwortet, das Zeichen des
Kreuzes, auf die Stirnen der Tiere gemalt, habe sie gesund erhalten: wolle Bu-
colus den Beistand des wahren Gottes erbitten, so genüge der bloße Glaube an
ihn. Wenn das sich wirklich so verhalte, sagt Bucolus, so zögere er nicht, den
wahren Glauben anzunehmen und den Irrtum zu fliehen, und der bei diesem
Gespräch anwesende Agon ist bereit, dasselbe zu tun: >denn warum sollte ich
zweifeln, daß dasselbe Zeichen, das die Krankheit überwindet, auch für die
Menschen immerdar heilsam ist?«*) Welche Beispiele von wunderbaren Be-
strafungen hartnäckigen Festhaltens am Heidentum erzählt wurden, zeigt der
Bericht des Augustinus über die Bekehrung des Oberarztes [archiater] Dioscorus.
Dieser, der gewohnt gewesen war, die Christen zu verhöhnen, rief bei einer Er-
krankung seiner Tochter das Erbarmen Christi an und gelobte, falls sie genese,
Christ zu werden. Als er nach ihrer Genesung mit der Erfüllung des Gelübdes
zögerte, wurde er blind, und als er es erneuerte, wieder sehend; eine Zögerung,
das christliche Bekenntnis abzulegen, hatte eine Lähmung aller Glieder, auch
der Zunge, zur Folge; als er sich dazu bereit zeigte, hörte auch diese Heim-
suchung auf^).
Sodann erfüllte der felsenfeste, so oft und so heldenmütig bewährte Glaube
der Christen mit Ehrfurcht vor einer Religion, die solche Bekenner fand. >Je
mehr wir hingemäht werden«, sagt TertuUian, > desto mehr wächst unsre Zahl.
Das Blut der Christen ist Samen. Jene starre Hartnäckigkeit, die ihr uns vor-
werft, wird zur Lehrerin. Denn wer würde durch ihr Anschauen nicht erschüt-
tert und zum Forschen angeregt, was hier eigentlich verborgen ist? Wer tritt,
wenn er geforscht hat, nicht bei? Wer wünscht nicht, wenn er beigetreten ist,
selbst zu dulden?«^) Die Sittlichkeit der Christen nötigte auch Gegnern Be-
wunderung ab. Plinius war bei jener Untersuchung, die er als Statthalter von
Bithynien gegen die dortigen Christen (zunächst in Amisus) einzuleiten sich ver-
anlaßt sah^j, in dem allgemeinen Vorurteil befangen, daß sie in ihren geheimen
Versammlungen Schandtaten verübten; doch fand er nach einer strengen Unter-
suchung, bei der auch zwei Sklavinnen gefoltert wurden, keine andre Schuld an
ihnen, als einen »verkehrten und maßlosen Aberglauben«. Die Angeklagten
beteuerten ihm, ihr Vergehen oder ihr Irrtum habe darin bestanden, daß sie ge-
1) Augustin. C. D. XXII 8. 2) Dehio, Gesch. d. Erzbistums Hamburg-Bremen I 83. 3) Hiero-
nym. vita Hilarionis 20 (Migne lat. XXIII 37). Mommsen RG. V 461 f. 4) Anthol. lat. 893 K.^
5) Augustin. Epist. 227. 6) Tertulliau. Apol. 50. Harnack, Mission^ I 35of. 7) Oben S. 191. 219.
Friedlaender, Darstellungen. IIL 9. Aufl. iq
22b
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 261,262]
Gemeinden.
wohnlich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zusammengekommen
seien, ein Gebet an Christus wie an einen Gott gesprochen und gelobt hätten,
keinen Diebstahl, Raiib oder Ehebruch zu begehen, die Treue nicht zu brechen,
anvertrautes Gut nicht abzuleugnen. Dann wären sie auseinandergegangen und
wieder zu einem unschuldigen, gemeinsamen Mahle zusammengekommen').
Galen fand, daß die Christen ihr Glaube so handeln lehre, wie die Vorschriften
der echten Weltweisheit; er erkannte namentlich ihre Verachtung des Todes,
ihr keusches, züchtiges, enthaltsames, streng sittliches Leben an : es gebe unter
ihnen solche, die in Beherrschung des Gemüts und eifrigem Streben nach Tu-
gend wahren Philosophen nicht nachständen"^).
Unlautere Ele- Daß die christlichen Gemeinden freilich auch unlautere Elemente enthielten,
mente in den daß nicht alle Sünder, die sie in der Hoffnung auf Besserung aufnahmen, wirk-
c nst IC en jj^|^ gebessert wurden, dafür zeugen schon die Vorwürfe, die Paulus und ein in
seinem Namen redender Autor den Gemeinden zu Korinth und Kreta machten^);
sowie >daß Jacobus sich genötigt sah, den sittlichen Mißbrauch der Paulini-
schen Lehre von der allein selig machenden Kraft des Glaubens zu rügen, und
daß die Apokalypse gegen Verführer in Pergamus (Nikolaiten) zu eifern hatte,
welche nicht nur die den Heidenchristen gegebenen Speisegesetze, sondern
auch das Verbot der Unzucht nicht achteten« "*). Gerade die werktätige Liebe
und Barmherzigkeit, welche die Christen untereinander übten ^}, wurde auch von
Heuchlern mißbraucht, die sich der neuen Gemeinschaft in Hoffnung auf Unter-
stützung und andre Vorteile anschlössen^), zumal, da mit der Zeit übertriebne
Gerüchte von dem Reichtume der christlichen Gemeinden in die heidnische
Welt drangen. Man erzählte, daß »die Brüder« ihre Güter verkauften und den
Erlös der Kirche darbrächten, daß es bei ihnen für die höchste Frömmigkeit
gälte, die eignen Kinder zu entblößen, um die Kirche zu bereichern^). Schon
Paulus spricht von wandernden Christen, welche die fremden Gemeinden auf-
zehren und ihnen das Ihre nehmen^), und er selbst mußte sich bei den Korin-
thern gegen den Vorwurf beabsichtigter Übervorteilung rechtfertigen^). In der
etwa in Hadrians Zeit verfaßten »Apostellehre« heißt es, daß die reisenden
Missionare höchstens zwei Tage an einem Ort bleiben dürfen; wer drei bleibe,
sei ein falscher Prophet; ebenso wer Geld zur Reise verlange; sie dürfen nichts
nehmen als Brot, das bis zur nächsten Herberge ausreicht. Nicht jeder, der im
Geist redet, sei ein Prophet, als solcher erweise man sich durch einen Lebens-
wandel, der dem des Herrn ähnlich sei'°). Lucian hat vom christenfeindlichen
Standpunkte die Teilnahme geschildert, die der Philosoph Peregrinus Proteus
i) Plin. ad Tr. 96. 97. 2) Galen in der in arabischer Übersetzung erhaltenen Schrift TTAaru)-
viKUJv biaXoYUJv aüvox^ic, (vgl. Kalbfleisch in der Festschr. f. Th. Gomperz 1902 S. 96 f.) bei Har-
nack, Mission^ II zi^i. 3) v. Dobschütz a. a. O. S. lyfF. Vgl. Heinrici, Zeitschr. f. wiss. Theol.
XIX 1876 S. 5o8ff, über die Ausartung der Agapen (Cyprian. Ep. 65, 3) ebd. XX 1877 S. I29f.
4) Gieseler, Lehrb. d. Kirchengesch.^ I l (1844) S. Ii2f. Vgl. Achelis a. a. O. I 292. 5) Harnack
a. a. O. I I54ff. 6) Solche, die ihren Beruf (z. B. den eines Schauspielers) als mit dem christlichen
Bekenntnis unvereinbar aufgaben, wurden von der Gemeinde unterhalten. Cyprian. Ep. 2. 7) Pru-
dent. Peristeph. II 65 ff. 77 ff. addicta avorum praedia foedis sub auctionibus successor exhaeres gemit
sanctis egens parentibus. haec occuluntur abditis ecclesiarum in angulis, et summa pietas creditur nu-
dare dulces Hberos. 8) II Cor. II, 13 — 20. 9) II Cor. 12, 16 ff. v. Dobschütz a. a. O. S. 6of.
10) Doctr. apost. 11, 5 f. 8.
[IV. 263] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 227
bei den Christen in Palästina fand, als er sich zu ihrem Glauben bekannte und
um seines Bekenntnisses willen ins Gefängnis geworfen wurde. Nachdem sie
vergeblich alles aufgeboten hatten, um ihn zu befreien, suchten sie wenigstens
seine Gefangenschaft auf jede Weise zu erleichtern. Vom frühen Morgen ari
sah man bei dem Gefängnisse alte Frauen, Witwen und Waisenkinder. Die
Vorsteher erlangten durch Bestechung der Wächter die Erlaubnis, auch die
Nächte bei dem Gefangenen zuzubringen. Reichliche Mahlzeiten wurden hinein-
getragen und bei den Mahlen Gebete gehalten. Selbst von den Gemeinden in
Kleinasien kamen Gesandte, um zu trösten, zu raten und zu helfen; denn sie be-
weisen, sagt Lucian, in solchen Fällen eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, sie
geben geradezu unbedenklich alles hin. So erhielt Peregrinus viel Geld und
machte seine Gefangenschaft zur Quelle einer nicht unerheblichen Einnahme.
Denn die Unseligen, heißt es weiter, bilden sich ein, daß sie ewig leben werden,
und achten daher dieses Leben und seine Güter nicht; auch hat sie ihr erster
Gesetzgeber gelehrt, daß sie alle untereinander Brüder seien, wenn sie nur alle
hellenischen Götter verleugnet haben, dagegen jenen ihren gekreuzigten Weisen
verehren und nach seinen Gesetzen leben. Sie achten also alles in gleicher
Weise gering und halten es für gemeinsam, indem sie solcherlei Lehren ohne
irgendeine Bürgschaft annehmen. Kommt nun ein verschmitzter Betrüger zu
ihnen, so kann er mit den einfältigen Leuten sein Spiel treiben und in kurzem
reich werden'). Übrigens rügt auch TertuUian das Übermaß der leiblichen
Pflege, das von selten der Gemeinden den um des Glaubens willen eingekerker-
ten Brüdern zuteil wurde ^), und Ambrosius warnt die Priester ernstlich, ihre
Gaben nicht an Unwürdige zu verschwenden, die unter den verschiedensten
Vorspiegelungen Unterstützung erbaten 2).
Daß falsche Propheten aller Art, sowohl Betrüger als Schwärmer und Fana- Sektenwesen
tiker in den christlichen Gemeinden für Verbreitung ihrer Irrlehren und damit
für die Gewinnung von Ansehen und Macht einen besonders günstigen Boden
fanden, ist ebensowenig zu bezweifeln, wie daß Ehrgeizige, denen niedrige Le-
bensstellung oder sonstige Ungunst der Verhältnisse die Erreichung ihrer Ziele
unmöglich machte, in dieser Genossenschaft eine Rolle zu spielen suchten, die
ihnen im Staatsleben versagt war. Von Anfang an wucherte im Christentum
das Sektenwesen, und die Kirche verfolgte die Sekten und diese einander mit
bitterem Haß und leidenschaftlichen Beschuldigungen, die kaum hinter den von
den Heiden gegen die Christen überhaupt gerichteten Anklagen an Heftigkeit
zurückblieben. So sehr, behauptete Celsus, seien die Christen unter sich ge-
spalten, daß sie außer dem Namen kaum noch etwas gemein hätten*).
Die oben erwähnte, von dem stark zu montanistischer Strenge neigenden Der Verfasser
Gegenpapst des Callistus (215 — 222), Hippolyt^), um 230 verfaßte^) »Wider- ^^^ »Wider-
legung aller Ketzereien« gibt einen höchst interessanten Einblick in die inner- Kftz°feien"
halb der christlichen Gemeinden, namentlich durch Verschiedenheit der Lehr- (Hippolyt).
l) Lucian. Peregrin. il — i;^. 2) TertuUian. de ieiun. 12 (vgl. ad martyr. i). 3) Ambros. De
offic. min. II 16 (Migne lat. XVI 123). 4I Orig. c. Cels. III 12. 5) Über seine Stellung zu Staat
und Welt vgl. K. J. Neumann, Hippolytus von Rom (1502), namentlich S. iiyff. 131 ff. Vgl. auch
A. Bauer, N. Jahrb. f. klass. Altert. XXXIII 1914 S. iioff. 6) Hamack, Chronol. d. altchristl.
Literatur II 230.
15*
228 XIII. DIE RELIGIÖSEM ZUSTÄNDE [IV. 264]
meinung-en entstandenen Spaltungen und Gegensätze, sowie in die Übelstände
und Schwierigkeiten, die sich aus den Berührungen der christlichen Welt mit
der heidnischen ergaben. Hippolyts Angriff gegen das Oberhaupt der römischen
Gemeinde beweist nur zu klar, wie häßliche Leidenschaften schon damals Glau-
bensstreitigkeiten in der christlichen Welt wachriefen und nährten. Sein in mehr
als einer Beziehung charakteristischer Bericht ist im wesentlichen folgender*).
Seine Darstel- CalHstus war ein christlicher Sklave eines ebenfalls christlichen Freigelassnen
balm des Cal- ^^ Hause des Kaisers Commodus, namens Carpophorus. Dieser vertraute ihm
listus. eine nicht unbedeutende Summe an, mit welcher Callistus unter dem Namen
seines Herrn, aber zu seinem eignen Vorteil ein Bankgeschäft begründen sollte.
Viele Witwen und Brüder legten darin ihr Geld an. Callistus aber geriet an
den Rand des Bankrotts; um sich der Rechnungsablegung zu entziehen, floh er
nach dem Hafen von Portus und begab sich auf ein zur Abfahrt bereites Schiff.
Carpophorus folgte ihm; als jener seinen Herrn am Hafen erscheinen sah, sprang
er ins Meer, wurde aber herausgezogen, nach Rom gebracht und von Carpo-
phorus in die Stampfmühle (zu einer gewöhnlichen Strafarbeit der Sklaven) ge-
schickt. Doch ließ sich Carpophorus bewegen, ihn wieder zu entlassen, da
mehrere bei der Bank beteiligte Brüder ihm mit Tränen vorstellten, daß sie im
Vertrauen auf ihn dem Callistus ihr Geld übergeben hätten, und daß dieser ein-
gestehe, eine Summe in Sicherheit gebracht zu haben. Callistus aber, nicht im-
stande, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wollte seinem Leben ein Ende
machen und zugleich die Glorie des Märtyrertums erwerben. Er begab sich,
unter dem Vorwande, Geld einfordern zu wollen, am Sabbat in eine Synagoge
und störte den Gottesdienst. Die Juden fielen über ihn her und schleppten ihn
vor das Tribunal des Stadtpräfekten Fuscianus, der ihn geißeln ließ und zur
Arbeit in den Bergwerken Sardiniens verurteilte, wo sich bereits andre wegen
ihres Glaubens verurteilte Christen befanden. Die Geliebte des Kaisers Com-
modus aber, die bereits erwähnte Marcia, ließ in der Absicht, ein gutes Werk
zu tun, sich von dem Bischof Victor ein Verzeichnis der dortigen Märtyrer
geben und erwirkte deren Befreiung. Callistus, dessen Namen Victor absicht-
lich nicht auf die Liste gesetzt hatte, bewog den Überbringer der Botschaft, den
Eunuchen Hyacinthus, der Marcias Pflegevater und damals Presbyter in der
Gemeinde war, auch seine Befreiung bei dem Prokurator von Sardinien durch-
zusetzen. Victor war damit unzufrieden, begnügte sich aber, dem Zurück-
gekehrten Antium als Aufenthaltsort anzuweisen, wo er von einer monatlichen
Unterstützung lebte. Die bisher erzählten Ereignisse fallen in die Zeit zwischen
186 und 190^).
Nach Victors Tode wußte Callistus sich bei dessen Nachfolger Zephyrinus,
der nach der Versicherung des Autors ein einfältiger, ungelehrter, in geistlichen
Doktrinen unwissender, überdies bestechlicher und geldgieriger Mann war, in
Gunst zu setzen, so daß ihn Zephyrinus nach Rom berief und über den von ihm
neu begründeten Friedhof setzte. Callistus verstand es, jeder drr in der Ge-
meinde hadernden Parteien die Meinung beizubringen, daß er auf ihrer Seite
sei, und erreichte so seine Wahl zum Bischof. Als solcher trat er mit einer ver-
l] Refut. haeres. IX 12 p. 2460". Wendl. 2) De Rossl, Bull. arch. crist. IV 1866 S. 7.
[IV. 265, 266] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 229
derblichen Irrlehre auf, indem er die Einheit des Vaters und des Sohns be-
hauptete, stiftete eine Schule und erklärte, daß, wer dieser beitrete, Vergebung
der Sünden erhalte. Viele, die ihr Gewissen schlug, darunter solche, die der
Verfasser nach erfolgtem Urteilsspruch aus der Gemeinde gestoßen hatte,
traten der Schule bei. Callistus lehrte, daß ein Bischof auch wegen einer Tod-
sünde nicht abgesetzt werden dürfe, setzte Bischöfe, Presbyter und Diakonen
ein, die in zweiter und dritter Ehe lebten, und ließ Geistliche, die heirateten, im
Amte. Er machte von dem Spruche »Lasset das Unkraut mit dem Weizen
wachsen« die Anwendung, daß die Sünder in der Gemeinde bleiben sollten,
deren Gleichnis die Arche Noah sei, in der reine und unreine Tiere waren. Er
übte eine sträfliche Nachsicht, namentlich gegen vornehme Frauen, denen er
gestattete, mit Sklaven oder Männern von niedrigem Stande zu leben, mit denen
sie keine gültige Ehe eingehen konnten, ohne ihres Standes verlustig zu werden;
und die Abneigung, Kinder von solchen Männern zu erziehen, führte diese Frauen
zu neuen Verbrechen'). So lehrte jener Gottlose zugleich Ehebruch und Mord.
Unter ihm wurde auch von seinen Anhängern zuerst die Wiedertaufe versucht.
An der materiellen Wahrheit der hier berichteten Tatsachen kann kein Zweifel
sein, aber ebenso klar ist, daß sie in feindseligster Weise zusammengestellt, ge-
deutet und beleuchtet sind. Inwiefern die Lehre des Callistus und seine Hand-
habung der geistlichen Zucht eine günstigere Beurteilung zuläßt, soll hier nicht
erörtert werden^). Nach der Darstellung des Autors bleibt es unbegreiflich,
wie er von derselben Gemeinde, die ihn als gemeinen Verbrecher kannte, zum
Oberhaupt gewählt werden konnte. Verschwiegen ist hier mindestens sein Ein-
tritt in die Geistlichkeit, und wahrscheinlich noch manches andre, was eine
solche Erhebung nach einer solchen Vergangenheit verständlich machen könnte.
Callistus scheint Archidiakonus des Papstes Zephyrinus gewesen zu sein; als
solcher hatte er die Verwaltung der Gemeindekasse, die Austeilung des Gehalts
an die Geistlichen, der Almosen an die Witwen und Waisen ; in dieser Stellung
konnte er schwer vermeiden, Unzufriedenheit zu erregen, aber kaum zum Bischof
gewählt werden, wenn seine (achtzehnjährige) Verwaltung nicht eine im wesent-
lichen untadelhafte gewesen war^).
Mit dem Namen des Callistus ist eine ehrwürdige, für die Geschichte des äl-
testen Christentums bedeutungsvolle Anlage und zugleich eine der glänzendsten
Entdeckungen auf dem Gebiete der Archäologie unzertrennlich verknüpft.
Jener von Zephyrinus an der Appischen Straße auf Besitzungen der Cäcilier
neubegründete Begräbnisplatz ist allem Anscheine nach der erste staatlich an-
erkannte Friedhof der römischen Christengemeinde gewesen, während bis da-
hin die Bestattungen auf den Grundstücken einzelner Mitglieder erfolgten, an
deren Besitztitel der Bestand der Begräbnisplätze geknüpft war. Diesen fortan
nach Callistus benannten Friedhof, der die Ruhestätte der Päpste bis auf Milti-
ades (gest. 314) war, hat in unsern Tagen die unermüdliche, geniale und glück-
liche Forschunsf De Rossis wiederentdeckt'*).
l) S. oben I 278. 304. 2) Sehr ausführlich ist dies geschehen von De Rossi, Bull. arch. crist.
IV 1866 S. iff. 3) De Rossi a. a. O. S. 7. 4) Vgl. die gute Obersicht von E. R. Barker, Journ.
of Roman Studies I 191 1 S. 107 ff.
230 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 267]
Äußerungen Die Erzählung Hippolyts erinnert daran, was zuweilen vergessen wird, daß
christlicher Au- ^j^ christliclien Gemeinden sich von der übrigen Welt unmösrlich völlig ab-
toren über Zu- • i 1 r 1 r *
stände in den schließen konnten, vielmehr fort und fort m die Mitleidenschaft der Gebrechen
christlichen Ge- und Schäden der damaligen Kultur gezogen wurden^). Daß freilich die Apolo-
mem en. ^^^^^ ^^^ neuen Glaubens dort nur Liebe und Eintracht, hier nur Haß und
gegenseitige Verfolgung sahen ^), ist begreiflich. Man möge, sagt Origenes, die
christlichen Gemeinden zu Athen, Korinth und Alexandria mit den dortigen
heidnischen zusammenhalten: jene seien sanftmütig und ruhig, weil sie Gott
gefallen wollen, diese voll Aufruhr und mit jenen durchaus nicht zu vergleichen;
auch die Häupter und Altesten der Gemeinde Gottes, selbst die Lässigeren und
minder Vollkommnen, werde man auf dem Wege der Tugend weiter vorge-
schritten finden als die Vorsteher der Bürgerschaften^). Doch kann man kaum
glauben, daß z. B. die Gemeinde zu Korinth seit jener Zeit, wo Paulus von ihr
so viel Übles sagte, sich völlig umgestaltet hatte. Damals gab es in ihren Ver-
sammlungen »Uneinigkeit, Eifersucht, leidenschaftliche Ausbrüche, Partei-
umtriebe, geschäftige Verleumdung, zischelnde Ohrenbläsereien und gespreizte
Aufgeblasenheit«, kurz Unordnungen jeder Arf^); und auch der gegen das Ende
des I.Jahrhunderts geschriebne Brief des sogenannten Clemens Romanus hat
den Zweck, eine dort entstandene Parteiung beizulegen: es sei eine Schande für
diese alte und zuverlässigste Gemeinde, daß sie sich wegen einer oder zweier
Personen gegen ihre Altesten auflehne^]. Nach dem (gegen die Mitte des
2. Jahrhunderts abgefaßten) »Hirten« des Hermas litt damals auch die römische
Gemeinde an mannigfachen sittlichen Schäden und Gebrechen. Es fehlte nicht
an Streitigkeiten und Feindseligkeiten, und auch gegen Ehrbegier, Hochmut,
Habsucht, Ehebruch, Trunksucht u. a. richtet der Verfasser seine Ermahnungen^).
Der Bischof Cyprianus von Karthago, der 257 den Märtyrertod erlitt, sagt, die
Verfolgung (unter Decius, welcher er sich durch die Flucht entzogen hatte) sei
vielmehr eine von Gott angestellte Erprobung gewesen; die Christen hatten
durch ihre Sünden mehr zu leiden verdient, der lange Friede hatte die sittliche
Zucht untergraben. Bei den Priestern war keine Frömmigkeit, in den Amts-
verrichtungen keine lautere Rechtlichkeit, in den Werken keine Barmherzigkeit,
in den Sitten keine Strenge. Die Männer verkünstelten den Bart, die Frauen
schminkten sich, malten die Augen, färbten die Haare. Er klagt ferner über
unersättliche Habsucht, über schlaue Betrügereien zur Täuschung Einfältiger.
über Listen zur Hintergehung von Brüdern, über Schließungen von Ehen mit
Ungläubigen, leichtsinnig geschworene Eide und Meineide, hochmütige Ver-
achtung der Vorgesetzten, giftige Schmähungen, hartnäckigen gegenseitigen
Haß von Entzweiten. Viele Bischöfe waren mit Vernachlässigung ihres geist-
lichen Amts Agenten (Prokuratoren) weltlicher Herren geworden, hatten ihre
Gemeinden im Stiche gelassen, um in andern Provinzen umherreisend gewinn-
reiche Geschäfte zu machen. Während Brüder in der Gemeinde darbten, jagten
sie dem Gelde nach, rissen Grundstücke durch hinterlistigen Betrug an sich, er-
i) Reumont, Gesch. d. St. Rom I 550. 2) So Tertullian. Apol. 39. 3) Orig. c. Geis. lU 30.
4J II Cor. 12, 20; vgl. V. Dobschütz a. a. O. S. 57 ff. 5) Clement. Rom. Ep. ad Corinth. 47, 6.
6) Hamack, Chronol. I 257 ff. ; vgl. im allgemeinen Keim, Rom u. d. Christentum S. 338f.
[IV. 2 68] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 231
höhten ihre Einnahmen durch Wucherzinsen'). Johannes Chrysostomus sagt,
da Wunder nicht mehr geschehen, seien die Heiden nur durch das Vorbild des
Wandels der Christen zu bekehren: aber dieser sei durch und durch verderbt,
und auch von Liebe bei ihnen nirgends eine Spur zu finden ""). Und bei Augusti-
nus erwidert der Heide dem Christen, der ihn bekehren will: »Wie kannst du
mir zureden, Christ zu werden? Mich hat ein Christ betrogen, und ich habe es
niemals getan; mir hat ein Christ falsch geschworen, und ich habe es niemals
getan« ^). Die äußersten Ausbrüche der Glaubenszwietracht wurden allerdings
in den ersten Jahrhunderten noch durch den auf der ganzen christlichen Welt
lastenden Druck der Verfolgung niedergehalten; später, als kirchliche Streitig-
keiten zu Rom in blutigen Kämpfen ausgefochten wurden (367), äußerte ein
wohlwollender und verständiger Heide, daß kein wildes Tier dem Menschen so
feindlich und verderblich sei, wie die meisten Christen einander"*).
So viele Ursachen nun auch zur Verbreitung des Evangeliums zusammen- Verbreitung des
wirkten, so hat es doch offenbar in den höheren Ständen vor der Mitte oder Christentums (be-
' -lAi r ^ TT-1- sonders m Kom)
dem Ende des 2. Jahrhunderts nur veremzelte Anhanger gefunden. Hier leistete jm ersten —
nicht bloß die philosophische sowie die sonstige, mit dem Götterglauben innig
zusammenhängende Bildung den stärksten Widerstand^), sondern hier führte
das christliche Bekenntnis auch zu den gefährlichsten Konflikten mit der be-
stehenden Ordnung; endlich mußte die Lossagung von allen irdischen Interessen
in den Kreisen, die im Besitz von Ehre, Macht und Reichtum waren, am schwer-
sten fallen. Die Armen und Niedrigen, sagt Lactantius, glauben leichter als die
Reichen^); bei den letztern wird ohne Zweifel vielfach eine geradezu feindselige
Stimmung gegen die sozialistischen Tendenzen des Christentums bestanden
haben''). Dagegen in den untern Schichten der Gesellschaft muß die (durch die
Zerstreuung der Juden so ungemein begünstigte) Ausbreitung des Christentums
sehr schnell erfolgt sein, namentlich in Rom selbst, wo ihre Menge schon im
Jahre 64 sehr groß war^). Ein Teil der unterirdischen christlichen Friedhöfe
Roms gehört nach ihrer architektonischen Anordnung sowie nach dem Stil ihrer
künstlerischen Dekoration wohl noch dem i . Jahrhundert an. Gerade die älte-
sten Krypten sind reich an Stukkaturen und Fresken und zwar im Stil und Ge-
schmack dieser Zeit, wie namentlich der ursprüngliche Teil des Cömeteriums
der Priscilla an der Via Salaria ; die Wand- und Deckenmalereien mehrerer Teile
des Friedhofs der Domitilla stimmen ganz mit den pompejanischen überein^).
Auch die ältesten Teile der Krypten der Lucina, des frühesten Bestandteils des
Cömeteriums des Callistus, zeigen den klassischen Dekorationsstil und scheinen
aus dem i . Jahrhundert zu stammen ^°).
l) Cyprian. De lapsis 5. 6. Die Bischöfe waren anfangs Handwerker und Kaufleute, Hatch-
Harnack, Gesellschaftsverfassung d. christl. Kirche im Altert. (1883) S. 152 f. 2) In I Epist. ad
Timoth. hom. X 3 (Migne gr. LXII 551 f.) 3) Augustin. in Psalm. XXV 14 (Migne lat. XXXVI
196); vgl. ebd. XXX 6 (Migne 243) quam nntltos enim ptitatis, fratres mei, velle esse christianos, sed
offendi malis moribiis christianorum? 4) Ammian. Marceil. XXII 5, 4; vgl. XXVII 3, 12. 5) Zeller,
Vortr. u. Abhdl. II 189 ff. 6] Lactant. Inst. div. VII i, 19. 7) Schiller, Nero S. 607. Soziali-
stische Stellen bei den Kirchenvätern : Baudrillart, Hist. du luxe II 404 ff. Le Blant, Rev. arch. N. S.
XXXIX 1880 S. 22off. 8) Harnack, Mission^ II 25off. 9) De Rossi, Bull. arch. crist. III 1865
S. 33 ff., bes. S. 36 u. 41 f. (mit Abbildung) und ser. 2, \T 1875 S. I2ff. 10) De Rossi, Roma sot-
terr. I 196. 32off. Reumont, Gesch. d. St. Rom I 382ff, v. Sybel, Christi. Antike I i4off.
232
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 269, 270]
und 2. Jahr-
hundert.
Verhältnis
der Christen
zur Gesamt-
bevölkerung.
Weit größere Fortschritte machte das Christentum im 2. Jahrhundert. Jener
allgemeine Abfall von der Volksreligion in Bithynien, der dort die Tempel ver-
ödete und den jüngeren Plinius erschreckte'), wird wenigstens in den östlichen
Provinzen damals keine vereinzelte Erscheinung- mehr gewesen sein. Das Be-
o o
stehen christlicher, von Kleinasien aus gegründeter Gemeinden in Vienne und
Lyon unter Marc Aurel läßt annehmen, daß auch in den Kulturzentren des
Westens die Saat des Christentums verhältnismäßig früh aufgegangen isf"). In
der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts führten christliche Schriftsteller bereits
eine sehr stolze Sprache. Es gibt kein Volk, sagt Justinus (gest. 166), von Bar-
baren oder Hellenen oder wie es sonst genannt werden möge, mag es selbst
ohne feste Wohnungen auf Wagen umherziehen oder in Zelten ein Nomaden-
leben führen, in dem nicht im Namen des gekreuzigten Jesus Dank und Gebet
an den Vater und Schöpfer des Alls gerichtet wird^). Irenäus (Bischof von Lyon
177 — 202) spricht von christlichen Gemeinden in Germanien, Iberien, Gallien,
im Orient, Ägypten, Libyen und im Mittelpunkte der Welt (Rom)'*). Noch über-
schwenglicher und schon drohend äußert sich TertuUian. An wen, ruft er den
Juden zu, glauben denn alle Völker als an den Gesalbten, der schon gekommen
ist? Er zählt außer den Ländern, in denen nach der Apostelgeschichte Juden
wohnten, auch Gätulien, Mauretanien, Spanien, »die von den Römern unbetre-
tenen, Christus aber unterworfenen Gegenden Britanniens«, sowie die der Sar-
maten, die der Germanen und »viele andre ferne und unbekannte Länder, Pro-
vinzen und Inseln« auf. Er behauptet, daß die Christen bereits fast überall die
größere Hälfte der Bevölkerungen ausmachten^). »Würde es uns etwa«, fragt
er (im Jahre 197), »wenn wir nicht Rache im Verborgenen, sondern offene Feind-
seligkeit üben wollten, an Zahl und Menge fehlen? Sind etwa die Mauren, Mar-
komanen und selbst Parther, und die größten, doch auf eine Gegend und ihr
eignes Gebiet beschränkten Völker zahlreicher als die Bevölkerung der ganzen
Erde? Wir sind von gestern, und schon haben wir euer ganzes Gebiet erfüllt,
die Städte, Inseln, Kastelle, Munizipien, Flecken, selbst die Lager, die Tribus,
die Dekurien, den Palast, den Senat, das Forum« ^).
Diese Äußerungen sind nun freilich große, vielleicht um das Zehnfache größere
Übertreibungen, als sie es heutzutage in bezug auf das Verhältnis der christ-
lichen zu den Gesamtbevölkerungen in allen Weltteilen sein würden^). Auch
stehen sie im entschiedensten Widerspruche mit der um mehrere Dezennien
späteren Äußerung des Origenes, der, in entgegengesetzter Richtung übertrei-
bend, sagt, daß die Christen im Vergleich zur gesamten Bevölkerung des römi-
schen Reichs nur >sehr wenige« waren^). Aus den vorhandnen Angaben, deren
Erhaltung freilich eine ganz zufällige ist, ergibt sich, daß bis 98 etwa 42, bis
180 etwa 74 Orte nachweisbar sind, in denen es christliche Gemeinden gab; bis
325 mehr als 550^).
l) Oben S. 191. 2) Hirschfeld, Kl. Schrift. 37 ff. I54ff. 3) Justin, dial. c. Tryph. 117. 4) Iren,
adv. haer. I 10, 2. 5) Tertull. adv. Judaeos 7; ad Scapul. 2. 6) Tertull. Apol. 37. 7) Man be-
rechnet gegenwärtig die Gesamtsumme auf etwa 550 Millionen Christen gegenüber etwa 960 Mil-
lionen NichtChristen. Genaueres bei W. Lexis im Handwörterb. d. Staatswissensch. ViP 99 ff.
8) Orig. c. Gels. VIII 69. 9) Hamack, Sitz.Ber. d. Berliner Akad. 1901 S. 814; Mission u. Aus-
breit, des Cliristentums^ II 85 ff. 341 ff.
[IV. 27 1;
2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM
233
Im römischen Reiche aber waren die Christen nicht bloß noch im 3. Jahr-
hundert eine kleine Minorität, sondern diese Minorität gehörte wenigstens bis
zu dessen Anfang fast ausschließlich den untersten Schichten der Gesellschaft
an"). Die Heiden spotteten, daß sie nur die Einfältigsten, nur Sklaven, Weiber
und Kinder zu bekehren vermöchten, daß sie ungebildete, rohe und bäurische
Menschen seien, ihre Gemeinden vorwiegend aus geringen Leuten, Handwerkern
und alten Frauen beständen^). Auch bestritten die Christen dies nicht. Nicht
aus dem Lyceum und der Akademie, sagt Hieronymus^), sondern aus dem nie-
dern Volke [de vili plebeculä) hat sich die Gemeinde Christi gesammelt. Galen
sagt, die Christen, unfähig, ihren Glauben philosophisch zu begründen, hätten
ihn aus Parabeln geschöpft, deren die meisten Menschen zu ihrer Belehrung be-
dürften'*]. Ausdrückliche Zeugnisse christlicher Schriftsteller bestätigen, daß
der neue Glaube selbst bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts in den höheren Ständen
nur vereinzelte Anhänger zählte. Eusebius sagt^), der Friede, den die Kirche
unter Commodus genoß, habe sehr zu ihrer Ausbreitung beigetragen, »so daß
auch von den zu Rom durch Reichtum und Geburt hervorragenden Männern
mehrere mit ihrem ganzen Hause und Geschlecht sich dem Heile zuwandten«.
Unter Alexander Severus sagt Origenes^j, daß gegenwärtig auch Reiche und man-
che der hohen Würdenträger sowie üppige und edelgeborene Frauen die christ-
lichen Boten des Worts aufnahmen: Erfolge also, deren das Christentum sich
früher nicht zu rühmen gehabt hatte. Nach Tertullian nahm Severus Männer
und Frauen von senatorischem Stande, deren christliches Bekenntnis offen-
kundig war, in Schutz^]; und wie bereits erwähnt, erregte in der römischen Ge-
meinde die von Callistus gegen vornehme Proselytinnen geübte Nachsicht Ärger-
nis^). Der Kaiser Valerianus erließ 258 ein Reskript an den Senat, wonach die
dem Senatoren- und Ritterstande ang^ehöri^en Christen ihrer Güter verlustig
sein und, wenn sie bei ihrem Glauben heharrten, mit dem Tode bestraft werden,
die christlichen Angehörigen des kaiserlichen Hauses und Hofstaats in Ketten
zur Strafarbeit auf die kaiserlichen Besitzungen verteilt werden sollten^). Von
der Zeit des Commodus ab ist also die Verbreitung des Christentums in den
höheren Ständen ebenso ausdrücklich und vielfach bezeugt, wie es an solchen
Zeugnissen für die frühere Zeit durchaus fehlt.
Damit stimmt vollkommen, daß Christen und Christentum bis gegen Ende
des 2. Jahrhunderts in der klassischen Literatur nur sehr selten und beiläufig,
gleichgültig und geringschätzig erwähnt werden. Die Äußerungen des jüngeren
Plinius und Tacitus zeigen, daß die neue Sekte in Trajans Zeit die Aufmerksam-
keit der höheren Kreise Roms noch nicht so weit erregt hatte, daß man es der
Mühe für wert hielt, sich genauer über sie zu unterrichten. Epictet und Marc
Aurel gedenken zwar des Mutes, mit dem die Christen in den Tod gingen, aber
beiden schien dieser Mut nicht auf vernünftiger Überzeugung, sondern auf Ge-
wöhnung und hartnäckigem Trotze zu beruhen; Marc Aurel fand überdies, daß
Verbreitung des
Christentums in
den höheren
Ständen erst
seit Commodus.
Seltene Erwäh-
nung und Un-
kenntnis des
Christentums
bis ins3. Jahr-
hundert.
l) Das ändert sich seit der Mitte des 3. Jahrhunderts, Achelis a. a. O. II 382 ff., vgl. auch 366 ff.
(das Christentum am Kaiserhof). 449 f. (das Christentum in der Damenwelt des 3. Jhdts.). 2) Oben
I 303. 3) Hieronymus in Epist. ad Galatas IH 5 (Migne lat. XXVI 400). 4) An der oben S. 226 A. 2
angeführten Stelle. 5) Euseb. H. e. V 21, i. 6) Orig. c. Cels. UI 9. 7) TertuU. ad Scap. 4.
8) Oben S. 229. 9) Cyprian. Ep. 80.
234
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 27:
Heidnische Kon-
vertiten der höhe-
ren Stände vor
Commodus.
er der Würde ermangle und selbst etwas Theatralisches habe^). Daß Lucian in
dem Glauben der Christen nichts als Betörung und Einfalt sah, ist bereits an-
geführt worden^). Bei Aristides sind wohl unter den »Gottlosen in Palästina«,
mit denen der Redner die verworfenen Philosophen gleichstellt, die Christen zu
verstehen; ihm erschien ihre Demut als Niedrigkeit der Gesinnung, ihre Uber-
zeugungstreue als Anmaßung, und die Vereinigung zweier so entgegengesetzter
Eigenschaften als für sie besonders charakteristisch'). Galen, der die Tugend
der Christen anerkannte''), hatte für den unbedingten Glauben, mit dem die An-
hänger des Moses und Christus an unbewiesenen Sätzen hingen, nur verächt-
liches Staunen^), da ihm wie allen Heiden der Begriffeines religiösen Dogmas
etwas völlig Fremdes war. In der weitschichtigen und höchst ausführlichen
Geschichte Roms, die Cassius Dio unter Alexander Severus bis auf seine eigne
Zeit fortführte, war offenbar der Christen nirgends gedacht: die unter Domitian
verfolgten Christen waren nach seiner Angabe »des Atheismus und der Be-
folgung jüdischer Gebräuche« angeklagt^), auch er hielt also das Christentum
für eine jüdische Sekte. Auch Herodian nennt sie nicht, und selbst die Ver-
fasser der Kaiserbiographien, die zum Teil schon unter Constantin schrieben,
erwähnen sie nur äußerst selten und beiläufig. Die ersten heidnischen Schriften
gegen das Christentum erschienen nicht vor der Mitte des 2. Jahrhunderts''). Die
des Fronto wiederholten noch die absurdesten Erdichtungen des Pöbels^); aber
auch der Platoniker Celsus^), der durch einen Juden über den Inhalt der christ-
lichen Lehre genau unterrichtet war, sprach sich in seiner ausführlichen gegen
sie gerichteten Schrift dahin aus, daß der Streit zwischen Juden und Christen
(der seiner Meinung nach sich einzig darum drehte, ob der prophezeite Heiland
bereits erschienen sei oder nicht) ein Streit »um des Esels Schatten« sei'°).
Die einzigen Personen der höheren Stände in der Zeit vor Commodus, deren
Bekehrung zum Christentume mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit
angenommen worden ist, sind der im Jahre 95 hingerichtete Konsul Flavius
Clemens und dessen nach Pontia verbannte Gemahlin (oder Schwester) Flavia
Domitilla"). Dagegen für die gleichzeitig erfolgte Hinrichtung des Acilius Gla-
brio (Konsul gi) das Bekenntnis des Christentums als Grund vorauszusetzen,
bietet wenigstens das unklare Exzerpt aus Cassius Dios Geschichte keinen hin-
l) Epictet. Diss. IV 7, 6. M. Aur. comm. XI 3. 2) Oben S. 226f. 3) Arist. or. 46 (II 402 ff.
Dind.), s. dazu unten S. 259 A. 5. Die Stelle bei Arist. or. 22, 13 (II 31 K.) mit Welcker, Gr. Götter-
lehre II 567 auf die Christen zu beziehen (was Bernays, Lukian und die Kyniker S. 104 billigt; vgl.
dagegen die Anm. von Palmer), halte ich iür äußerst bedenklich. Vgl. auch die Schilderung einer
allen Lastern ergebenen Christin bei Apulei. Met. IX 14 [certae religionis »lentita sacrilega praesutn-
tione). 4) Oben S. 226. 5) Galen. VIII 579. 657. 6) Cass. Dio LXVII 14, 2. 7) Phlegon
scheint (im 13. oder 14. Buch der Chronica) die Sonnenfinsternis und die Erdbeben beim Kreuzes-
tode Christi ohne eine Äußerung des Zweifels erwähnt zu haben, Orig. c. Cels. II 33; eine (in Er-
füllung gegangene) Prophezeiung des Petrus hatte er Christus zugeschrieben, ebd. II 14. Bei einem
Autor, für den alle Wunder als solche Interesse hatten, ist daraus kein Schluß auf seine Stellung
zum Christentum oder auch nur auf eine wirkliche Kenntnis desselben zu ziehen. 8) Minuc. Felix
Octav. 9, 6, vgl. 31, 2. 9) Vgl. Aube, Hist. des persec. II I58ff., der bei Tertullian Reminiszen-
zen an Celsus zu finden glaubt S. 193 ff. Keim, Celsus' wahres Wort, älteste Streitschrift antiker
Weltanschauung gegen das Christentum vom J. 178 (1873I, dazu O. Heine, Philol. Abhandl. f. M.
Hertz (1888)8.197 ff. Geffcken, Zweigriech. Apologeten S. 256 ff. 10) Orig. c. Cels. III i. ii'Oben
I 303-
[IV. 2 73, 2 74] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 235
länglichen Anhalt ; nach Sueton erfolgte seine Verurteilung auf Grund angeb-
licher Umsturzpläne').
Auch für die alte Sage von persönlichen Beziehungen des Philosophen Seneca Das angeb-
zum Apostel Paulus hat sich trotz eifriger Bemühungen ein tatsächlicher Anhalt l^^f.^. f'^"
■L 1 1 rr 1 1 1 r naltllis des
bisher nicht auffinden lassen, während andrerseits ihre Entstehung sehr begreif- Senecazum
lieh ist. Die theologische Anschauung, welche dem Heidentum die Fähigkeit Apostel Paulus,
einer sittlichen Erhebung aus eigner Kraft durchaus bestritt, wollte und durfte
damals so wenig wie jetzt die mit der christlichen so wesentlich übereinstim-
mende Sittenlehre Senecas als ein Produkt der heidnischen Philosophie allein
gelten lassen. Ihren Ursprung auf die Einwirkung des Apostels zurückzuführen,
lag um so näher, als seine zweijährige Gefangenschaft in Rom ihn leicht in Be-
rührung mit Seneca bringen konnte, zumal da der Prokonsul Junius Gallio, der
den in Korinth von den Juden vor sein Tribunal geführten Apostel freisprach,
dessen Bruder war^). Tertullian kennt die Tradition noch nicht, er sagt, Seneca
»ist häufig der Unsere«^): seine Übereinstimmung mit christlichen Lehren er-
schien ihm also als keine durchgängige und als die eines außerhalb Stehenden.
Ebensowenig kennen sie Lactantius und Augustinus. Der erstere nennt Seneca
»des wahren Glaubens unkundig« ; er hätte ein Verehrer des wahren Gottes sein
können, wenn jemand ihn ihm gezeigt hätte; er würde Zeno und seinen Lehrer
Sotion verachtet haben, hätte er einen Führer zur wahren Weisheit gefunden"^).
Augustinus betrachtet seine Freiheit vom Wahnglauben der Heiden, die er
aber als römischer Senator nicht öffentlich kundzugeben wagte, als eine Wir-
kung der Philosophie^); über die Ausbreitung des ihm verhaßten Judentums^)
habe er gestaunt, weil er die Absicht Gottes nicht kannte^); die Christen habe
er niemals erwähnt, um sie nicht loben oder tadeln zu müssen; das erstere
i) Cass. Dio LXVII 14, 3. Sueton. Domit. 10, 2. Unbegreiflich ist daher, daß De Rossi, Bull,
arch. crist. III 1865 S. 20 sagt: t>II biografo di Agricola (c. 45) mattifestamenU alludc in especie ai
consoli Flavio demente ed Acilio Glahrione uccisi, alle due {?] Domifilk esiliate ed agli altri ad un
tempo dannafi pej- la causa medesinta.<^ Ein Aufsatz von ihm: Les nouvelles fouilles du cimetiere de
Priscille, sepulture des Acilii Glabriones, enthalten in Congres scientifique international des Catho-
liques tenu ä Paris 8 — 13 Avril 1888 Tome II, Bureaux des Annales de philosophie chretienne
1888 p. 261 — 267 war mir leider nicht zugänglich. Die Bodenlosigkeit der Tradition von der
Verfolgung Domitians hat Aube, Hist. des persec. I^ 161 — 185 vortrefflich nachgewiesen. De
Rossi hält auch den unter Commodus als Christen enthaupteten Apollonius (Euseb. h. e. V 21, 2
äv6pa TLUV Tore ttiötOüv em iraibeio. Kai qpiAoaoqpia ßeßori,u6vov) für einen Senator nach der un-
zuverlässigen Angabe bei Hieronym. De vir. ill. 42; epist. 70, 4, 3. Nach Mommsen, Ges. Schrift.
III 447 war Apollonius schwerlich ein Mitglied des Senats, vielleicht nicht einmal römischer Bür-
ger. Vgl. über diese ganze Überlieferung Aub^, Les chretiens dans l'empire Romain de la fin des
Antonius au milieu du III« siecle (1881) S. 32ff. Geffcken, Nachr. d. Gottiug. Gesellsch. d. Wiss-
1904 S. 262 ff. ; Zwei griech. Apolog. S. 246, 3. Bei der Inschrift eujUGipeiTO) Oupavia GuyaTrip
'HpuuÖTic; denkt De Rossi an keinen geringeren als Plerodes Atlicus (Bull. arch. crist. ser. 2 III 1872
S. 65 f.). 2) Ganz haltlos ist die Vermutung (De Rossi, Bull. arch. crist. IV 1866 S. 62) Seneca
könne als Konsul zu den Richtern des Apostels gehört haben: Senecas Konsulat fällt in die zweite
Hälfte des Jahres 56 (CIL IV 5514; vgl. Mommsen. Ges. Schrift. III 262), der Aufenthalt des Paulus
in Rom sicher erheblich später. 3) Tertull. De anima 20. Geradezu als den Vertreter heidnischer
Weisheit im Gegensatze zur christlichen behandelt den Seneca das Gedicht des neubekehrten
Christen Honorius Anthol. lat. 666 R.^, vgl. dazu J. Ziehen, Hermes XXXII (1897) S. 490 ff. O. Pias-
berg, Rhein. Mus. LIV 1899 S. I44ff. 4) Lactant. Inst. VI 24, 13 f, vgl. V 22, 11. 5) Augustin.
C. D. VI 10 f. 6) Oben S. 214. 7) Augustin. C. D. VI 11 mirabahtr haec dicens et quid divinitus
ageretur ignorans.
236
XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
[IV. 275, 276]
Geringschätzung
des Christentums
in der heidnischen
Welt bis zum 3.
Jahrhundert.
wäre gegen die alte römische Sitte, das letztere vielleicht gegen seine Neigung
gewesen 'j. Doch las bereits Hieronymus^) Briefe, die zwischen dem Philosophen
und dem Apostel gewechselt sein sollten, von denen einige noch vorhanden
sind : eine der zahlreichen literarischen Fälschungen, die der christliche Glaubens-
eifer verursachte 2). Eine Inschrift etwa vom Ende des 3. oder Anfang des 4. Jahr-
hunderts zeigt, daß in einer christlichen Familie, die ihren Ursprung auf die
Annäus Seneca zurückführte oder doch ihren Namen von ihnen ableitete, jene
' Tradition wert gehalten wurde : eine Grabschrift zu Ostia ist von einem M. Annäus
Paulus seinem Sohne M. Annäus Paulus Petrus gesetzt worden. Die Namen
der Apostel waren bei den Christen sehr beliebt, der letztere sowie die Ver-
bindung beider bei Heiden unerhört; ohne Zweifel sind beide Annäus Christen
gewesen'*).
Die oft fast wörtlich mit den Äußerungen des Paulus über die allgemeine
Sündhaftigkeit übereinstimmenden Aussprüche Senecas, die freilich »aus gleich-
artigen Zuständen, Erfahrungen und Stimmungen hervorgegangen« sein müssen,
sowie alles, was bei Seneca an christliche Anschauungen streift^), erklären sich
vollkommen aus einer Entwicklungsform der stoischen Philosophie, die in deren
innerstem Wesen begründet war und in milden Geistern sehr natürlich gerade
so sich gestaltete, wie wir es nicht bloß bei Seneca, sondern bei Epictet und
Marc Aurel finden, von denen keine Tradition behauptet, daß sie aus christ-
lichen Quellen geschöpft haben^).
Nach allem also, was wir über die ersten Jahrhunderte wissen, ist es kaum
denkbar, daß in der heidnischen Welt vor der Zeit der Severe die welthisto-
rische Bedeutung der neuen, so wenig beachteten und so geringschätzig beur-
teilten Religion auch nur geahnt worden ist. Was konnte dieser Haufe geringer,
unwissender, weltscheuer Menschen gegen die Ordnung des für die Ewigkeit
gegründeten Weltreichs vermögen? Herrschen die Römer, rief man ihnen zu,
nicht ohne euren Gott über die ganze Welt und über euch selbst?^) »Euer
Gott«, sagt Celsus, »hat denen, die sich zu ihm bekennen, seinen Beistand ver-
sprochen und noch viel Größeres, wie ihr sagt, und seht nun selbst, wie er jenen
(den Römern), und wie er euch geholfen hat. Statt daß ihr Herren der ganzen
Erde sein solltet, ist euch nicht einmal eine Erdscholle oder ein Herd geblieben ,
und irrt ihr noch im Verborgenen umher, so wird nach euch gefahndet, um euch
mit dem Tode büßen zu lassen.« Vollends die Idee einer Weltreligion mußte
in einem Reiche, wo so viele Religionen nebeneinander bestanden, unbegreiflich
erscheinen. »Wäre es nur möglich«, sagt derselbe Autor, »daß alle Hellenen
und Barbaren in Asien, Europa und Afrika bis zu den Grenzen der Erde ein-
i) Augustin. C. D. VI 1 1. Casaubonus sagt: i>mulia Seneca scribit quae intelligi aut credi sine verae
pietatis sensu non queant: quo bona quum ipse caruerit, sequittir ttt ea dicamus ab illo scripta non ex
certa scientia auf fide, sed vehiti |uavT6u6)Li6VOV et more poetartim evBouaictZovTa« (Wiese, Ztschr. f.
Gymnasialw. V 1851 S. 289). 2) Hieron. de vir. ill. 12. 3) E. Westerburg, Der Ursprung der
Sage, daß Seneca Christ gewesen sei (18S1). C. Pascal, Rivista di filol. XXXV 1907 S. 33 ff. 93 f.,
vgl. auch E. Bickel, Rhein. Mus. LX (1905J S. 508 ff. 4) De Rossi, Bull. arch. crist. V (1867) S. 6.
Die Inschrift steht CIL XIV 566 unter den heidnischen. 5) Zeller, Philos. d. Gr. III i"» S. 740, i.
748. 6) Vgl. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur^' S. 94 f. K. Dcißner, Paulus und Se-
neca, Gütersloh 191 7. 7) Minuc. Felix 12, 5.
[IV. 277]
2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM
237
mutig an ein Gesetz glaubten! Aber wer das für möglich hält, ist ohne allen
Verstand!«')
Als sich aber der Sieg des Christentums mit der Gewährleistung der voll-
kommenen Religionsfreiheit seiner Bekenner durch Constantin entschieden
hatte, und nun auch die siegreiche Religion sogleich ihre Macht zur Unter-
drückung des Heidentums zu üben begann^), als der alte Glaube nicht nur
keinen Vorteil mehr gewährte, sondern seinen Anhängern je länger je mehr
Ungemach und Verfolgung brachte: da hätte sein völliger Untergang und der
Fortschritt zur Alleinherrschaft des Christentums sich in kürzester Zeit voll-
ziehen müssen, wenn das Heidentum wirklich schon seit Jahrhunderten in Ver-
fall und Auflösung begriffen gewesen wäre. Daß sein Todeskampf noch zwei
Jahrhunderte währte, obwohl er mit den ungleichsten Waffen geführt wurde;
daß der nun völlig macht- und wehriose Götterglaube so lange nicht sterben
konnte, obwohl das Christentum unermüdlich und je länger desto schonungs-
loser alle seine Lebensregungen mit Zwang, Plünderung, Zerstörung und Ver-
folgung jeder Art zu töten fortfuhr: das beweist allein schon, wie gewaltig die
Lebenskraft auch des gealterten Heidentums noch war^). Nachdem seit den
Toleranzedikten Constantins das Christentum sich (mit Ausnahme der kurzen
Reaktion unter Julian) während eines Zeitraums von siebzig Jahren der Gunst
und Förderung durch die weltliche Macht erfreut hatte, hatte es doch, wie be-
merkt, schweriich auch nur die Hälfte der Bevölkerungen gewonnen. Fast der
ganze römische Adel war zur Zeit des Julianus der alten Religion ergeben, zu
der auch noch unter Theodosius etwa die Hälfte des Senats sich bekannte^),
obwohl das Christentum damals und später in den Städten weit mehr als auf
dem Lande verbreitet war; im Laufe des 4. Jahrhunderts nahm das V^ ort paganus
(Landmann) die Bedeutung Heide an^), und noch Endelechius nennt in dem
oben erwähnten Gedicht von der Rinderseuche Christus den Gott, der in den
großen Städten als einziger verehrt wird^). Auch das Judentum in der Diaspora
war vornehmlich Städtereligion, wenn auch nicht ausschließlich 7).
Aber auch in der seit 380 von Theodosius begonnenen Verfolgung, die nach
dem Falle des von dem Vorkämpfer des Heidentums Nicomachus Flavianus zu
seiner Erhebung veranlaßten Prätendenten Eugenius 394^) mit erneuerter
i) Orig. c. Cels. VIII 69—72. 2) Lasaulx, Untergang des Hellenismus S. 51. 3) Einen be-
deutsamen Gesichtspunkt, die allmähliclie Verdrängung der lokalen Gottesdienste durch die Ver-
ehrung der christlichen Märtyrer betont A. Dufourcq, La christianisation des foules, Paris 1903.
4) Lasaulx a. a. O. S. 90 f. Auch bei dem Astrologen Plnnicus Matemus fehlt es nicht an Zeug-
nissen für ein kräftiges Fortleben des heidnischen Kultus, z. B. III 5, 33: fabricatores deoritm —
vel cultores divinorjim simulacrorum vel ornatores deorzim vel fabricatores temploruf?i aut hyfunologos.
Vgl. III 9, 5- IV 14, 20 [sinmlacrorum sculptores). III 9, 9 {vestitores divitiorum simulacrorum —
aut baiztlos divinarum caerimoniarum) u. a. 5) Eine abweichende Deutung des \N oxies paganus
(= Zivilist im Gegensatze zu dem durch das sacramentum verpflichteten miles Christi] vertritt neuer-
dings Harnack, Militia Christi (1905) S. 68 f. 122; Mission^ I 401; vgl. Hirschfeld, Kl. Schrift.
S. 585, 2. 6) Anth. lat. 893, xo4f. dei, viagnis qui colitur solus in urbibus. 7) Harnack, Sitz.Ber,
Akad. Berlin 1901 S. 816, I. 8; Ein sehr interessantes Dokument für die Kämpfe dieser Zeit ist
das sog. Carmen contra paganos, Anth. lat. 4 R., vgl. dazu De Rossi, Bull, arch, crist. VI 1868
S. 49fr. 61 ff. Morel, Rev. archeol. N. S. XVII 186S S. 451fr. XVIII 1868 S. 44fr. Mommsen,
Ges. Sehr. VII 485 ff. O. Barkowski, De carmine adversus Flavianum anonymo, Diss. Regiment.
1912.
Die lange Agonie
des Heidentums
ein Beweis für
seine Lebenskraft.
238 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 278]
Stärke fortgestetzt wurde, erwies der alte Glaube eine ungemein zähe Wider-
standskraft. Mit Feuer und Eisen wurden erst im Orient, dann im Okzident
Tempel, Kapellen und Stätten der alten Kulte in Schutt und Asche gelegt.
Doch wenn die zerstreute und wehrlose ländliche Bevölkerung unter bitteren
Klagen die Zerstörung der Heiligtümer geschehen lassen mußte, »auf die sie
für Mann, Weib und Kind, für ihr Vieh, ihre Saaten und Pflanzungen ihre
Hoffnung setzten, und mit denen ihnen alle Freuden des Lebens unterzugehen
schienen« ') : so kam es in den Städten oft genug zu blutigen Kämpfen zwischen den
gegen die Tempel wütenden Scharen der Geistlichen und Mönche und dem
Volke. Mit Ausnahme der direkten Zwangsbekehrung wurde jede Art der Ge-
walt zur Unterdrückung des Heidentums angewendet: Verbote aller Opfer und
Kulthandlungen sowie des Tempelbesuchs unter Androhung der schärfsten
Strafen, Aufhebung der Privilegien der Priester, deren Verweisung aus den
Städten, Einziehung der Tempelgüter; doch die wiederholte Einschärfung dieser
Anordnungen und Strafen während des 5. und noch im 6. Jahrhundert zeigt,
wie äußerst langsam die Ausrottung des alten Glaubens auch dann erfolgte, als
ihm scheinbar schon alle Lebensbedingungen entzogen waren. Daß mit der
drakonischen Härte der Gesetzgebung sich zur Verfolgung des wehrlosen
Heidentums nun auch Frevel und Raubgier verbanden, beweisen die wieder-
holten Ermahnungen des Augustinus, nicht unter dem Deckmantel der Religion
die Heiden zu plündern, und ein kaiserliches Reskript vom Jahre 423"^). Auch
das Heidentum hatte nun seine Märtyrer^), und die scheußHche Ermordung der
schönen und tugendhaften Hypatia zu Alexandria im Jahre 415'*) zeigt, bis zu
welchen Greueln der Fanatismus des christlichen Pöbels fortgerissen werden
konnte^).
Anderthalb Jahrhunderte hatte der systematische Vernichtungskampf gegen
das Heidentum gewährt, und noch immer war sein Leben nicht völlig er-
loschen. Im Jahre 528 sah Justinian sich veranlaßt, eine große Verfolgung der
sogenannten Hellenen anzuordnen. In Constantinopel selbst wurden unter
Patriziern, Gelehrten und Ärzten zahlreiche Anhänger des alten Glaubens ent-
deckt und ergriffen, von denen einer sich den Tod gab, die übrigen das Christen-
tum annahmen^). Der Bischof Johannes von Asien bereiste 532 in kaiserlichem
Auftrage die Provinzen Karlen, LydienundPhrygien und bekehrte und taufte dort
70000 Menschen. Wer aufGötzenopfern betroffen wurde, sollte mit dem Tode be-
straft werden^). Im Okzident hat die Flut der Völkerwanderung, die mit den Fun-
damenten der antiken Kultur zugleich die des Heidentums zerwühlte, dessen Unter-
gangmächtigbeschleunigt; doch wurde der letzte Apollotempel auf Monte Casino
erst 529 (wo die Landbevölkerung der Umgebung noch größtenteils heidnisch
war) von dem heiligen Benedikt in ein Kloster umgewandelt ^), in demselben Jahre,
in welchem die sieben letzten athenischen Philosophen, durch ein Edikt Justi-
i) Liban. or. 30, 10 (III 92 F.). Lasaulx S. loi f. 2) Cod. Theod. XVI 10, 23 f. La.aulx S. 131 f.
3) Lasaulx S. 140. 4) Ihre Anstiftung durch den Bischof Cyrillus ist stark bestritten; vgl. Kopal-
lik, Cyrillus von Alexandrien (1881) S. 26ff. 5) Lasaulx S. I28f. 6) Aber auch Tribonian'EWriv
UTrfipX€ Kai äQeoc, koi dWoTpio^ koto TidvTCt ■vr\c, tujv Xpiariavujv TricfTeiw^ (Suidas s. Tpißiuvia-
v6(;; die übrigen dort gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sind also mit großer Vorsicht aufzu-
nehmen). 7) Lasaulx S. 145 fr. 8) Gregor, M. dial. II 8 (Migne lat. LXVI 152),
^IV. 279] 2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM 239
nians vertrieben, auswanderten, um eitie Zuflucht in Persien bei König Chosroes
zu suchen. Gregor der Große (Papst 590 — 604) erfuhr zu seiner Betrübnis, daß
alle Bauern in Sardinien Götzendiener seien, und sandte den Bischof Victor zu
ihrer Bekehrung; den Bischof von Caralis wies er an, gegen Götzendiener,
Haruspices und Sklaven, die sich nicht durch Predigten bekehren lassen wollten,
einzuschreiten; Wahrsager sollten körperlich gezüchtigt, Freie durch strenge
Haft > zur Reue gebracht werden«'). Mit den alten Götterbildern erhielt sich
im Verborgenen auch deren Verehrung namentlich in Griechenland bis über
die Grenzen des Mittelalters hinaus. Unter Alexius Komnenus (108 1 — iiirf)
zerstörten Mönche das Bild der Artemis auf Patmos; Michael Apostolius, der
Anhänger des Gemistius Pletho, fand um 1465 in Kreta Götterstatuen, an die
er seine Gebete richten konnte^).
Wenn nun die alte Fabel von der mit der Entstehung des Christentums be-
ginnenden und durch vier Jahrhunderte fortwährenden Auflösung des Götter-
glaubens trotz aller mit ihr unvereinbaren Tatsachen immer noch (namentlich
unter Theologen) zahlreiche Gläubige findet, so ist doch auch die richtige An-
sicht und zwar von keinem Geringeren als J. Burkhardt, ausgesprochen worden.
Zum Untergange der Religionen, sagt er, genügt noch lange nicht, was man
die innere Zersetzung nennt. Ja, es genügt noch nicht die Anwesenheit einer
neuen, dem zeitweiligen metaphysischen Bedürfnis viel besser entsprechenden
Religion. Beim Volk ist von alters her die Religion das wesendiche Stück der
Kultur. »Eine neue Religion kann sich neben die alte stellen, sich mit ihr in
die Welt teilen, aber von sich aus sie unmöglich verdrängen, selbst nicht, wenn
sie die Massen für sich hat, — falls nicht die Staatsgewalt eingreift. Jede aus-
gebildete Religion höheren Rangs ist vielleicht relativ ewig (d. h. so weit ewig,
als das Leben der sie bekennenden Völker), wenn nicht ihre Gegner diese Macht
gegen sie aufzubieten vermögen. Vor der Gewalt unterliegen sie alle, wenn
dieselbe konsequent gehandhabt wird, und zumal wenn es sich um ein einziges,
unentrinnbares Weltreich wie das römische handelt. Ohne Gewalt oder doch
ohne gleichmäßig gehandhabte Gewalt leben sie fort und tränken ihre Macht
stets neu aus dem Geiste der Massen«. »Ohne die Kaisergesetzgebung von
Constantin bis auf Theodosius würde die römisch-griechische Religion noch bis
heute leben. Ohne ein wenigstens zeitweises völliges, vom weltlichen Arm ge-
handhabtes (nötigenfalls mit den äußersten Mitteln verbündetes) Verbot würde
die Reformation sich nirgends behauptet haben. Sie hat alle diejenigen Terri-
torien wieder verloren, wo sie diesen Vorteil des weltlichen Arms nicht besaß
und irgend eine beträchtliche Quote von Katholiken mußte fortleben lassen.
So kann selbst eine junge und kräftig scheinende Religion partiell, gebietweise
untergehen, vielleicht für solche Gegenden auf immer« 3).
Übrigens konnte die Vernichtung des Heidentums keine völlige sein. In ihm Heidnische Eß-
waren Elemente, die aller Zerstörung Trotz boten, weil sie auf unabweisbaren ^^^^^^ die den
Bedürfnissen eines großen Teils der Menschheit beruhten: und diese haben in HeideSums
neuen Formen innerhalb des Christentums Raum gefunden und so den Unter- überlebten.
i) Gregor. M. Ep. IV 23. V 38. IX 204. XI 12 Ewald. 2) Sathas, Monum. in^dits relatifs ä
l'histoire de la Grece au moyen äge, Serie I T. I 1880 p. XIV. 3) J. Burckhardt, Weltgescliicht-
liche Betrachtungen, herausgeg. v. J. Oeri^ (1918) S. 55 f.
240 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE [IV. 280, 281]
gang des alten Glaubens überdauert. Es war nicht bloß das unter jeder Glaubens-
form auftretende Streben, durch Anrufung höherer Mächte Unheil von sich und
seinem Besitze abzuwenden, das sich auch unter den Anhängern des Christen-
tums der nur wenig abgeänderten Mittel des heidnischen Aberglaubens be-
diente';, sondern auch die heidnische Festlust, die auch im neuen Glauben Be-
friedigung forderte und die Kirche veranlaßte, Gelage und Lustbarkeiten an den
Gräbern der Märtyrer zu dulden^) und durch Verlegung christlicher Feste auf
die Tage der abgeschafften heidnischen dem Volke für diese Ersatz zu leisten^).
So ist die Weihnachtsfeier seit dem 4. Jahrhundert auf den 25. Dezember gelegt,
weil an diesem Tage im Osten die Wintersonnenwende gefeiert wurde und im
römischen Festkalender auf diesen Tag der Geburtstag des von Aurelian zum
Reichsgotte erhobenen Sonnengottes fiel'*); die Lichtmeßprozession des 2. Fe-
bruar knüpft an den uralten städtischen Sühnumgang, das [sacrificmm) ambur-
bale an^) und ähnliches mehr. Doch noch ganz andre Wirkungen übte die tiefe
Sehnsucht, den unendlichen Abstand zwischen Menschheit und Gottheit durch
Mittelwesen zu füllen, die den entgötterten Himmel aufs neue mit einem bald
ins Unermeßliche wachsenden Chor heiliger Gestalten bevölkerte. Wenn
Augustinus die Vergleichung des Kultus der Heiligen und Märtyrer mit dem
Polytheismus zurückweist, haben andre Kirchenschriftsteller, wie Basilius, ihnen
genau denselben Platz in der Weltordnung angewiesen wie der spätere Plato-
nismus den Dämonen und Heroen, oder, wie Theodoret, zwischen diesem und
jenem Kultus geradezu Parallelen gezogen, um nachzuweisen, »daß an die Stelle
des Falschen und Irrigen das wahrhaft Göttliche getreten sei«^). >An allem
demjenigen«, sagt Theodoret^), »was an den Gräbern der Märtyrer geschieht,
sollten die Griechen am wenigsten sich stoßen, denn von ihnen kommen ja die
Libationen, die Sühnungen, die Heroen, die Halbgötter, die vergöttlichten
Menschen. Herakles, Asklepios, Dionysos, die Dioskuren und so viele andre
sind zu Göttern erhoben worden : wie kann man es also den Christen vorwerfen,
wenn sie die Märtyrer nicht zu Göttern machen, sondern als Zeugen und Diener
Gottes ehren: — wer verdient es besser als sie, die Vorfechter der Menschen,
ihre Helfer und Beschützer, die Abwehrer der Übel, die Vertreiber der von den
Dämonen verhängten Plagen sind? Kinderlose und unfruchtbare Frauen bitten
sie, daß sie Mütter werden; wer eine Gabe erlangt hat, fleht sie um ihre Be-
wahrung an; die eine Reise unternehmen, bitten sie um ihre Begleitung auf dem
Wege, Zurückkommende bringen ihnen ihren Dank dar, Zeugnisse der erfüllten
l) z. B. ein griechiscli-christliches Amulett gegen Augenkrankheiten, M. Siebourg, Bonn. Jahrb.
CXVIII 1909 S. 158 ff.; christliche Zauberformeln auf Türstürzen in Syrien, Prentice, Americ. Journ.
of Archaeol. 2 Ser. X 1906 S. 137 ff. Verwendung des 80. Psalmes als Schutzzauber auf einer Blei-
rolle aus Rhodus, Hiller v. Gaertringen, Sitz.Ber. Akad. Berlin 1898 S. 582 ff. Vgl. iJiererich,
Eine Mithrasliturgie S. 28, i. R. Boese, Superstitiones Arelatenses e Caesario conlectae, Diss.
Marburg 1909. 21 E. Lucius, Die Anfänge des Heiligenkults in der christl. Kirche (1904) S. 3 18 ff.
3) Augustin. Ep. 22, l. 29. Grimm, Deutsche Mythol.'^ Vorr. S. XXVIl. Lasaulx S. 141 f. Wachs-
muth, Das alte Griechenland im neuen ^ 1864, S.22ff. 4) Usener, Weihnachtsfest^ S. 348 ff. Cumont,
Compt. rend. de Tacad. d. inscript. 19H S. 292ff. Holl, Sitz.Ber. Akad. Berlin 1917 S. 427 ff.
Über die Fortdauer der heidnischen Satumalien- und Neujahrsbräuche vgl. Nilsson, Arch. f. Reli-
gionswiss. XIX 1918 S. 5off. 5) üsener a. a. O. S. 3ioff. 6) Baur, Die christl. Kirche vom
Anfang des 4. bis Ende des 6. Jahrh. S. 272. 7) Theodoret. graec. äff. cur. 8, 12 ff.
2. JUDENTUM UND CHRISTENTUM
241
Wünsche sind die ihnen geweihten Geschenke, goldene und silberne Bilder von
Augen, Füßen und Händen. Die Tempel der Götter sind zerstört, denn seine
eigenen Toten hat der Herr des Alls statt jener eingeführt, jene hinausgevviesen
und ihre Ehren diesen verliehen. Statt der Pandien, Diasien, Dionysien und
der andern Feste werden jetzt die festlichen Tage des Petrus, Paulus, Thomas,
Sergius, Marcellus und andrer Märtyrer begangen. « Wenn Theodoret hinzufügt,
dies geschehe nicht mit heidnischem Gepränge und sinnlicher Lust, sondern
mit christlicher Nüchternheit und Sittsamkeit, so ergibt sich auch aus den oben
angeführten Zeugnissen christlicher Autoren, daß diese Behauptung mindestens
großer Einschränkung bedarf.
Die im Heiligenkultus der katholischen Kirche enthaltenen antiken Elemente Polytheismus
treten so unverkennbar hervor, daß ein moderner Kulturhistoriker behaupten ^^^^^^^^gen-
konnte, in Sizilien habe sich »der Polytheismus so vollkommen im Heiligen- "^
kulte erhalten, daß man es begreiflich finde, wenn dort gebildete Männer noch
heutigentags alles Ernstes dem monotheistischen Islam den Vorzug vor dem
Christentum geben« '). Aber der Prozeß der Angleichung ist nicht in der Weise
vor sich gegangen, daß einfach alte Götter in der Ganzheit ihres Wesens sich
in bestimmte christliche Heilige verwandelt hätten^) und z. B. eine ganze An-
zahl namentlich in der Heilung von Krankheiten und im Schutze gegen Seenot
wirksamer Heiligen, insbesondre wenn sie paarweise auftreten, nichts andres
wären als die ins Christliche übersetzten Dioskuren^j: diese Anschauung hat
sich, mit soviel Geist und Scharfsinn sie auch verfochten worden ist"*), nicht als
haltbar erwiesen^). Aber wie man in späteren Jahrhunderten zuweilen aus einer
antiken Statue einen Heiligen gemacht hat^), so haben für die Ausgestaltung
der Heiligenvorstellungen an bestimmten Orten die dort heimischen Götter-
dienste des alten Glaubens reiche Beiträge geliefert, und es sind vielfach auch
die neuen Heiligen in gewisse Funktionen eingetreten, in denen sie alte Götter
und Dämonen ablösten; so hat sich z. B. der bis tief ins Mittelalter hinein fort-
lebende heidnische Kultus heiliger Bäume vielfach mit der Verehrung bestimm-
ter christlicher Heiligen, wie des heiligen Silvester und des heiligen Silvanus,
verbunden^). Hier und da in Gallien kehren die » Mütter« des keltischen Volks-
glaubens als die heiligen drei Marien wieder^), und der in der ostjordanischen
Landschaft verehrte Lenker des Sonnenwagens Helios-Aumu gestaltete sich zu
dem mit feurigen Rossen gen Himmel fahrenden Propheten Elias um^). In viel
l) Hartwig, Aus Sizilien II 103. 2) Lucius a. a. O. S. 202 ff. 3) J. Rendel Harris, The Dios-
curi in the Christian Legend», 1903. Deubner, Kosmas und Damian (1907) S. 52ff. K. Jaisle, Die
Dioskuren als Retter zur See bei Griechen und Römern und ihr Fortleben in christl. Legenden
(Tübingen 1907) S. 36ff. 4) S. namentlich v. Gutschmid, Kl. Schrift. III I73ff. (Mithras =
S. Georg). Usener, Legenden der Pelagia 1879; Vorträge u. Aufsätze S. 189 (Aphrodite = Pela-
gia); Sonderbare Heilige 1 1907 (Priapus = Tychon), anderes bei O. Gruppe, Jahresb. über d.Fortschr.
d. klass. Altertumswiss. CXXXVII 1908 S. 312 ff. 5) G. Anrieh, Hagios Nikolaos II (1917) S. 502 ff.
6) Amelung, Rom. Mitteil. XH 1897 S. 71 ff. 7) G. Stara-Tedde, Bull. arch. comun. XXXV
1907 S. 129fr., vgl. auch Wissowa, Relig. u. Kultus d. Römer^ S. 213, 6. 8) Ihm, Bonner Jahrb.
LXXXin (1887) S. 74. 162 (zu nr. 385). Sainte Victoire verdankt ihre Erwählung zur Schutzheili-
gen des Dorfes Volx (Basses- Alpes) einem 1897 entdeckten gallorömischen, der Victoria gewid-
meten Altar. Saintyves, Les saints successeurs des dieux (1907) S. 351. 9) Lebas-Waddington
zu nr. 2497. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes II* 47. Über die Neigung, heidnische Gottheiten in
Friedlaender, Darstellungen, III. 9. Aufl. l5
242 XIII. DIE RELIGIÖSEN ZUSTÄNDE
weiterem Umfange als die Volksvorstellung war es die literarische Fixierung
der Heiligenlegende, die mit Vorliebe an Motive aus dem antiken Mythus an-
knüpfte, wie sie z. B., um nur ein Beispiel von sehr vielen anzuführen, den christ-
lichen Märtyrer Hippolytus von Pferden zerreißen ließ, weil dies das Ende des
attischen Königssohnes war, dessen Namen er trug^). Im einzelnen Falle muß
immer sorgfältig unterschieden werden, ob es sich um ein Fortleben von Stücken
heidnischen Glaubens oder um eine Weiterverwendung allgemein verbreiteter
Ausdrucksformen religiösen Denkens oder um die Herübernahme novellistischer
Wandererzählungen handelt').
den (besonders in der griechischen Kirche verehrten) Kranke heilenden Erzengel Michael umzu-
deuten, vgl. Gothein, Kxüturentwicklung Süditaliens (l886) S. 62 ff.
i) DöUinger, Hippolyt u. Callistus S. 54ff. 2) Am besten darüber H. Delahaye, Les legendes
hagiographiques (1906) S. 168 ff.; Les origines du culte des martyrs 11912) S. 461 ff.
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS
ERZIEHERIN ZUR SITTLICHKEIT
aß auch die ganze antike Sittlichkeit im innigsten Zusammenhange mit Der Zusammen-
Ider Religion steht, daß die Götter als Lenker der sittlichen VVeltordnung ''^"" '^^^ ^''^'^^"
I «Uv,. x^^x.j^^.w.x ^.w.., ^^.. v^xv. v^^..v,x >*ao ^v...,vv,x ^y.1 o. Lixiv-n V.1» » , >_icv/i va^iuiig Sittlichkeit mit der
^A — ^ und Vollstrecker ihrer Gesetze von den Menschen die Erfüllung der Religion und ihre
sittlichen Pflichten fordern, das Gute belohnen, das Böse strafen: dieses alles angebliche Ge-
braucht für niemanden, der die antike Literatur auch noch so oberflächlich kennt, '^^^ Anfhropo-
erst gesagt zu werden. Nachdem aber oben nachgewiesen worden ist, daß der morphismus.
Götterglaube auch im späten Altertum in den Massen unverändert fortbestand,
bedarf die Ansicht der Widerlegung, es habe der Anthroppmorphismus der
griechischen Religion, der sich dann auch dem römischen Volksglauben mit-
geteilt hatte, entsittlichend wirken können, indem er den Göttern menschliche
Schwächen und Leidenschaften beilegte und sie die sittlichen Gesetze übertreten
Heß. Daß die Christen bei der Bekämpfung des Heidentums sich dieses Argu-
ments mit Vorliebe bedienten, versteht sich von selbst'). Die Heiden, sagt
Lactantius, können unmöglich tugendhaft sein, selbst wenn sie von Natur gut
sind, da ihre Götter sie durch ihr Beispiel zum Laster anweisen, wie Juppiter
zum Ehebruch, Mars zum Blutvergießen, Merkur zum Betrüge usw.^). Augusti-
nus meinte sogar, daß die von den Heiden verehrten Dämonen sich Schand-
taten zuschreiben ließen, die sie nie begangen hätten, um die Gemüter der
Menschen zu umgarnen und sie mit sich ins Verderben zu reißen ^j. Aber auch
unter den Anhängern des Götterglaubens fanden manche jene » Geschichten,
welche die Sünde lehrten« ■*), sehr bedenklich. Dionys von Halikarnaß gab der
römischen Theologie den Vorzug vor der griechischen, da der Nutzen der
Legenden in der letzteren gering sei und sich nur auf die wenigen erstrecke,
die ihren wahren Sinn erkannt hätten. Der große, der philosophischen Bildung
bare Haufe dagegen werde durch sie zur Verachtung der Götter geführt oder
dazu, die den Göttern beigelegten Schändlichkeiten und Verbrechen für erlaubt
zu halten 5), Daß Dionys in seiner Polemik gegen die Unvernunft des Volks-
glaubens sich zu einer solchen Behauptung hinreißen ließ, ist um so begreif-
licher, als man annehmen darf, daß die Sophistik, die ihre Virtuosität auch in Die Quelle der
der Verteidigung, ja im Preise des Verwerflichen zu zeigen liebte, nicht ver- ?*c'?''"h'^P°?
derSünde durch
das Beispiel der
Götter wohl die
i) Geffcken, Zwei griech. Apologeten S. 62. 80. 2) Lact.int. Inst. div. V 10, 15 ff. 3 Augustin. gop^istik
C. D. n 10. 25. 4) Horat. Carm. III 7, 19. 5) Dionys. Hai. Ant. R. II 20, 2.
16*
244 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 287]
schmähte, der Legende Argumente zu entlehnen: wie ja auch bei Aristophanes
in den Wolken die »Ungerechte Rede« die Frage aufvvirft, warum, wenn es eine
Gerechtigkeit gebe, Zeus nicht dafür bestraft worden sei, daß er seinen Vater
in Fesseln geworfen'). In den Homilien des sogenannten Clemens Romanus
soll eine tugendhafte Frau durch ein >Lob des Ehebruchs« verführt werden:
vielleicht war auch dies ein Thema der Rhetorenschule zur Übung in der Kunst,
das Schlechte als gut, das Unrecht als Recht erscheinen zu lassen. Der Ver-
teidigung des Ehebruchs, die hauptsächlich mit Berufung auf die Liebschaften
des Zeus und der andern Götter (auch die Lehren der Philosophen) geführt
wird, folgt eine Widerlegung, vielleicht ebenfalls ein Thema für Übungsreden.
Dürfe man die Götter in ihren Liebschaften zum Muster nehmen, so auch in ihren
Mahlzeiten: Kronos habe seine Kinder, Zeus die Matis verschlungen, Pelops
sei sämtlichen Göttern als Speise vorgesetzt worden ^y.
In der Tat ist es völlig undenkbar, daß die Taten, welche die Legende von
den Göttern berichtet, jemals wirklich im Altertume Menschen in ihrem sitt-
lichen Bewußtsein hätten beirren können, die überhaupt geistig und sittlich zu-
rechnungsfähig waren; daß Ehebrecher, Mörder, Diebe ihre Verbrechen mit
den Beispielen Juppiters, Merkurs usw. vor sich und andern im Ernst gerecht-
fertigt haben sollten. Ovid führt zum Beweise, daß es nichts gebe, was nicht,
wenn mißbraucht, Schaden stiften könne, unter anderm an, daß Frauen, die im
Entdecken von Gründen zum Sündigen geistreich sind, auch durch die Ver-
gehungen der Göttinnen darauf geführt werden können: werdorbne Gemüter
kann alles irre leiten« ^). Seneca drückt sich über diesen Punkt so aus, als wenn
er die Möglichkeit eines so unbedingten Glaubens an den Inhalt der Legenden,
daß er den Menschen die Scheu vor der Sünde benehmen würde, gar nicht
befürchtete'^j; und ohne Zweifel mit Recht. Denn wenn die Ungläubigen den
Volksglauben gerade wegen dieser Fabeln verwarfen, lösten die Vernunft-
gläubigen zu allen Zeiten die Widersprüche zwischen der Überlieferung und den
Forderungen der Vernunft durch künstliche (euhemeristische oder allegorische)
Auslegungen^) oder durch die Annahme, daß die von den Göttern erzählten
unsittlichen Handlungen den nur halbgöttlichen Dämonen beizulegen seien^) ;
und die naiv und reflexionslos Gläubigen beschieden sich, hier Mysterien zu
erkennen, an die das menschliche Verständnis nicht reichte, aus denen also um
so weniger Normen für menschliches Handeln hergeleitet werden konnten.
Gegenüber den so überaus zahlreichen Zeugnissen für den Glauben an eine
auf dem Willen der Götter beruhende und durch ihn aufrecht erhaltene sittliche
Weltordnung, die in der griechischen und römischen Literatur überall verstreut
sind^), beruft man sich auf einige wenige frivole Scherze in Lustspielen und
Liebesgedichten, wo Verliebte für ihre Listen und Verirrungen, selbst für
Schändlichkeiten das Beispiel des Zeus und andrer Götter zur Entschuldigung
i) Aristophanes Nub. 9045. 2, Clemens Roman. Homil. V 9 — 19 {yioixeiaq eyKaiiuiov ; 21 — 26
(oivTiYpacpov emaToA.fj(; upbc, 'Airiiuva wc, irap' epuuiuievric;). 3) Ovid. Trist. II 287 — 302. 4) Se-
neca de vit, beata 26, 6: quibus nihil aliud actum est, quam ut pudor hominibus pcccandi demeretur,
si tales deos credidissent. 5) Beide auch bei Clemens Rom. Hom. V 23. W 2fF. 6) Vgl. was
Dionys von Halikamaß I 57, 3 über die Geschichte vom Mars und Rhea Silvia bemerkt. Lehrs,
Popul. Aufs." S. 166. 7) Vgl. z. B. Nägelsbach, Nachhomer. Theol. S. 27ff.
[IV. 288] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 245
anführen*), ja sogar auf den Monolog der Byblis in Ovids Metamorphosen, die
ihre unnatürliche Leidenschaft für ihren Bruder durch die Geschwisterehe der
Götter vor sich selbst zu rechtfertigen sucht ! ') Mit demselben oder noch besserem
Grunde könnte man die öfters^) aufgestellte Behauptung, die schon die christ-
lichen Apologeten des Altertums in Verlegenheit setzte"*), daß die Vergehungen
der Erzväter und andrer gottgefälliger Männer des Alten Testaments als de-
moralisierende Beispiele gewirkt haben, durch ähnliche scherzhafte oder freche
Äußerungen in der neueren Literatur zu stützen suchen, in denen sich »der
Teufel auf die Schrift beruft«: hier sei nur an ein sehr gemeines Gedicht Bürgers
(Frau Schnips) erinnert. Ist es noch nötig, hervorzuheben, daß nicht bloß die
bürgerliche Gesetzgebung jene Vergehungen überall streng bestrafte, sondern
daß die Götter auch als Beschützer derselben Gesetze, die sie nach der Legende
gebrochen hatten, verehrt und angerufen wurden, wie namentlich der griechische
Zeus, der römische Juppiter ein Gott der Ehe war?
Mißverständnis der Natur der Gottheit und ihres Willens sind in keiner Reli-
gion ausgeschlossen. Benjamin Constant, dessen Bemerkungen über den Poly-
theismus überhaupt auch auf den damaligen Polytheismus Anwendung finden^),
erinnert sehr richtig daran, daß der allgemeine Geist der Kulte oft mit ihren
sittlichen Geboten in Widerspruch steht, und daß die Leidenschaften, die jener
anregt, diesen hemmend entgegentreten; daß oft genug Morde in gutem Glau-
ben vollbracht worden sind, um einem Gotte zu gefallen, zu dessen Geboten
das »du sollst nicht töten!« gehört. »Die Fabeln, die eine Religion heiligt, sind
der Gegenstand einer in gewisser Hinsicht mechanischen Gläubigkeit: sie
scheinen sich zuweilen in einem besondern Fach der menschlichen Köpfe fest-
zusetzen, ohne es je wieder zu verlassen. Rom führte seinen Ursprung auf die
Liebschaft des Mars und der Rhea Silvia zurück, nichtsdestoweniger erlitt jede
verführte Vestalin eine furchtbare Strafe. « Constant erläutert den unzweifelhaft
richtigen Satz, daß die Freiheiten, die sich die Götter in der Legende inbezug
auf das Sittengesetz erlauben, keineswegs ihre Gleichgültigkeit gegen dasselbe
beweisen, durch das Beispiel der Könige, deren Ausschweifungen nichts an den
Gesetzen gegen die Ausschweifungen der Staatsangehörigen ändern. »In dem
mazedonischen Lager wurde der des Mords überführte Soldat von Alexander
verurteilt, obwohl er selbst der Mörder des Clitus war. Gleich den Großen
dieser Welt haben die Götter einen öffentlichen und einen Privatcharakter. In
jenem sind sie die Stützen der Sittlichkeit, in diesem folgen sie nur ihren Nei-
gungen, aber Beziehungen zu den Menschen haben sie nur in ihrem öffentlichen
Charakter.« »Die Götter sind nicht Urheber, sondern Gewährleister des Sitten-
gesetzes. Sie beschützen es, aber ändern es nicht, sie erlassen seine Gebote
nicht, sondern erhalten sie in Kraft. Sie belohnen das Gute, bestrafen das Böse,
aber ihr Wille entscheidet nicht, was gut und böse ist, und die menschlichen
Handlungen leiten ihr Verdienst aus sich selbst ab. -
i) Das älteste Beispiel bietet wohl Theogn. 1345 ff. Über die alexandrinische Liebespoesie (zu
der auch Martial. XI 43 zu rechnen ist) s. Rohde, Griech. Roman^ S. 114 f. Über Terent. Eun.
584 ff. vgl. Augustin. conf. I 16, 26; C. D. II 7. 2) Ovid. Met. IX 497 ff. 3) z. B. von Seume
(Spaziergang nach Syracus, Ges. Schriften 1823 11 316 f.). 4) Clem. Rom. Homil. II 41 ff. III 38 ff.
Sie lösten jedoch die schwierigsten Aufgaben dieser Art; auch Lot und seine Töchter wurden ent-
schuldigt. Ambrosius De Abraham I 6, 56. 5) B. Constant, Du polyth^isme Romain (1833) I S7ff-
246
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 289, 290]
Wesen der an-
tiken Sittlich-
keit im Gegen-
satz zur christ-
lichen.
Die Moralphilo-
sophie. Die Er-
kenntnis Grund-
lage der Glück-
seligkeit.
Wenn nun auch der Glaube an das Walten göttlicher Mächte, die Ehrfurcht
vor ihrem Willen, die Hoffnung auf ihre Gnade, die Furcht vor ihrem Zorn im
ganzen Altertum zu den wesentlichsten Stützen der Sittlichkeit gehört und (wie
bemerkt) auch als solche gegolten haben, so war doch die Sitthchkeit nicht
eigentlich darauf gegründet. Die Pflichten der Menschen gegen Gottheit,
Menschheit und ihr eigenes Selbst waren nicht durch Offenbarungen eines
höheren Willens, nicht durch die Lehre eines göttlichen Propheten verkündet;
die Heiden hatten das Gesetz nicht von außerhalb empfangen, sie waren, wie
der Apostel sagt, sich selbst das Gesetz, und sie waren nicht bloß auf die eigne
Erkenntnis ihrer Pflichten, sondern auch auf ihre eigne Kraft gewiesen. Der
Begriff einer absoluten, auf übernatürlicher Offenbarung beruhenden Wahrheit
fehlte ihnen ganz, und damit das Verständnis dafür, daß der Glaube und vollends
die Unterordnung der Vernunft unter den Glauben ein Verdienst sein, eine er-
lösende und beseligende Kraft haben können. Für sie war die höchte Aufgabe
des denkenden Geistes das Suchen nach Wahrheit, dem nach der Überzeugung
der Christen die Offenbarung für immer ein Ziel gesetzt hatte, so daß es fortan
nicht bloß überflüssig, sondern auch nicht mehr erlaubt war. Wir haben nach
Christus keine Wißbegier nötig, noch nach dem Evangelium eine Forschung,
sagt Tertullian, wenn wir glauben, verlangen wir nichts, was über den Glauben
hinaus ist. Die Heiden bezeichnet Paulinus von Nola als die, die ewig nach der
Erkenntnis suchen, aber sie nie finden^). Du sollst glauben, das war nach Julian
dem Abtrünnigen der letzte Schluß der christlichen Weisheit, und der Arzt
Galen (der von der Sittlichkeit der Christen eine hohe Meinung hatte) konnte die
Gläubigkeit nicht begreifen, mit der sie, ebenso wie die Juden, an unbewiesenen
Sätzen hingen ""). Während die Sendboten des Christentums die Erlösung durch
den Glauben verhießen, verkündete die heidnische Philosophie die Befreiung
durch das Wissen. Die Erkenntnis des Bösen und des Guten (nach der Genesis
die Verheißung des Versuchers) war für sie das erreichbare Ziel des mensch-
lichen Strebens, der aus eigner Kraft zu gewinnende Grund, auf dem allein die
Sittlichkeit beruhen konnte. Nach Sokrates ist das Wissen die Wurzel alles sitt-
lichen Handelns, die Unwissenheit die aller Verfehlungen; es gibt aber so wenig
ein Wissen ohne Tugend wie eine Tugend ohne Wissen, und in demselben
Sinne definierten die Stoiker die Tugend als Wissenschaft, die Untugend als
Unwissenheit. Durch die Vernunft war also die Tugend und mit ihr die Glück-
seligkeit schon in diesem Leben erreichbar: durch sie vermochte der Mensch
dem Göttlichen in seiner Natur deren niedere Triebe zu unterwerfen; denn daß
die menschliche Natur von Grund aus böse sei, davon wußte das Heidentum
nichts — selbst nach orphischer Lehre war ja in ihr das dionysische Gute eben-
sowohl wie das titanische Böse vorhanden — , deshalb war auch das Bedürfnis
der Erlösung durch übernatürliche Gnade dem eigentlichen Wesen des antiken
Geistes fremd; und erst als das Heidentum gealtert und seine Kraft gebrochen
war, hat es je länger je mehr über ihn Macht gewonnen. Unter den heidnischen
Tugenden war für die Demut ebensowenig ein Platz wie für jene Geduld, die
I) Tertull. de praescr. haer. 7. Paulin. Nolan. ep. 16, 11. 2) Julian, bei Gregor. Naz. or. 4, 102
(Migne gr. XXXV 827). Galen. VIII 579; vgl. Norden, Die antike Kunstprosa II 453 ff.
[IV. 291] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 247
dem, der eine Backe schlägt, die andre hinreicht. Und wenn Lucan dem das
Leben von sich werfenden Cato die Worte in den Mund gelegt hat, den Göttern
habe die Sache der Sieger gefallen, ihm aber die der Besiegten, so steht dieser
die himmlischen Mächte des Irrtums zeihende Trotz dem christlichen Gefühl
menschlicher Ohnmacht und Nichtigkeit und der demütigen Ergebung in den
Willen Gottes gegenüber wie ein Pol dem andern.
Dem Wissenden (dem Weisen) wurden die Übel, welche die Menschheit
quälen, wesenlos, oder sie vermochten doch nicht eine in sich selbst ruhende
und abgeschlossene Seligkeit zu stören; war doch, wie Sokrates sagt, das ganze
Leben der Philosophen eine Vorbereitung auf den Tod, der ihnen unter allen
Menschen am wenigsten Schrecken einflößte']. Durch die Erkenntnis ward der
Mensch über das Niveau menschlicher Schwäche erhoben, den Einwirkungen
der Außenwelt entzogen, für ihre Schläge unverwundbar. Jene Seligkeit aber Die Glückselig-
bestand nicht im Besitze, sondern in der Entsagung, der Bedürfnislosigkeit, wie ^^'^ Resignation.
sie mit vollster Konsequenz der Kynismus anstrebte, im Verzichte nicht bloß
auf äußere Güter, sondern auch auf die wichtigsten Interessen, auf die ange-
bornen und beglückendsten Neigungen und Gefühle der menschlichen Natur.
Der Wahlspruch Epictets : Ertrage und entsage! faßt in gewissem Sinne die
Summe der Lebensweisheit, also auch der Glückseligkeitslehre aller philoso-
phischen Systeme zusammen. Das Ziel aller Erkenntnis, sagt Seneca, ist das
Leben zu verachten^); glückselig, sagt Demonax, ist nur der Freie, und frei nur,
wer nichts hofft und nichts fürchtet^). In der Abschließung vom Staatsleben
kommen Epikureismus und Stoizismus mit dem Christentum überein; wie der
Apostel Paulus stellte nicht bloß Epikur, sondern auch Epictet die Ehelosigkeit
über die Ehe; die Skepsis gründete die Glückseligkeit auf die Erkenntnis der
Unmöglichkeit des Wissens, also eigentlich auf einen Verzicht selbst auf die
Erkenntnis.
Die antike Philosophie überwand also die Schrecken des Todes nicht durch die
Hoffnung anf eine überirdische Seligkeit, sondern durch die Erkenntnis des ge-
ringen Werts des irdischen Daseins. Und ebensowenig wie den Glauben und die
Hoffnung der Christen besaß das Heidentum die Liebe, die aus Ehrfurcht vor
dem, was unter uns ist, entspringt. Erst das Christentum hatdieMenschheit gelehrt,
^^ auch Niedrigkeit und Armut, Spott und Verachtung, Leiden und Tod als gött-
lich zu erkennen, ja Sünde und Verbrechen nicht als Hindernisse, sondern als
Fördemisse des Heiligen liebzugewinnen und zu verehren c'*). Die antike Welt
ist davon weit entfernt gewesen, wenngleich es auch dort an einzelnen Regungen
dieses Gefühls nicht gefehlt hat. Plato und Aristoteles haben für ihren Ideal-
staat die Tötung gebrechlicher und verstümmelter Kinder in Aussicht ge-
nommen. Seneca mißbilligt das Ertränken verkrüppelter und mißgeborener
Kinder ebensowenig wie das Ertränken toller Hunde und kranken Viehs, das
die ganze Herde anstecken könnte. Daß der Weise nach stoischer Lehre weder
Mitleid empfinden noch verzeihen solle, können, wie Seneca meint, nur
Unverständige als zu große Härte ansehen. Der Weise darf sich die Heiterkeit
der Seele ebensowenig durch Mitleid wie durch andre Affekte trüben lassen, es
i) Plato Phaedon 80 E. Cic. Tusc. I 74. 2) Seneca ep. iii, 5. 3) Lucian. Demonax 20.
4) Goethe, Wilh. Meist, Wanderjahre II i, Werke XXIV 243 f. d. Weim. Ausg.
248
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 292]
Verhältnis zur
Gottheit und
Menschheit.
Anerkennung
der heidnischen
Ethik durch die
Christen. Cle-
mens von
Alexandria.
ist eine Schwäche kleiner Geister, besonders der Weiber; er wird die Tränen
der Weinenden trocknen, aber nicht mit ihnen weinen, er wird nicht be-
mitleiden, sondern helfen. Ebenso wird er zwar Milde und Gnade walten lassen,
aber nicht verzeihen, denn Verzeihung ist der Erlaß einer verdienten Strafe').
Von der Gottheit fühlte der antike Mensch sich schon darum nicht durch einen
unermeßlichen Abstand getrennt, weil er ihr nicht als Geschöpf dem Schöpfer
gegenüberstand, und das verschiedene Verhältnis zur Gottheit bedingte auch
ein verschiednes Verhältnis zur Menschheit. Die christliche Grundanschauung,
daß alle Menschen Erschaffene eines Schöpfers, Kinder eines Vaters, folglich
durch das Band der Brüderlichkeit verbunden, gleichberechtigt und gleich ver-
pflichtet zu gleicher Liebe sind: diese Anschauung hat sich im außerchristlichen
Altertum erst in der Zeit des römischen Weltreichs entwickelt''): allgemein ist
sie nie geworden. Im Gegensatze zu jener unterschiedslosen Gleichheit aller
Geschaffenen vor Gott erkannte das griechische und römische Altertum die
zahlreichen Abstufungen der menschlichen Existenz, die politische, nationale
und soziale Entwicklungen geschaffen hatten, als zu Recht bestehend an, und
weder ein göttliches Gebot noch ein sittliches Gesetz hinderte den Bevorzugten,
sein besseres Recht gegenüber dem minder Berechtigten in seiner ganzen Trag-
weite geltend zu machen. Die Existenz des Menschen war für den Menschen
nicht in dem Grade heilig, wie sie es vor einer Gottheit sein muß, von der alles
Leben ausgeht, und die das ihr allein zustehende Recht, ihre Geschöpfe zu ver-
nichten, diesen gegeneinander nicht nur nicht eingeräumt, sondern ausdrücklich
versagt hat. Aus der Stellung, die dem Menschen die antike Auffassung der
Weltordnung anwies, ergab sich ihm mit seiner größeren Freiheit und Selb-
ständigkeit auch eine weitergehende Befugnis, über die eigne Existenz sowie
über die der in seine Obhut oder Macht Gegebenen zu verfügen. Nicht bloß
der Herr hatte das Recht über das Leben seiner Sklaven, auch der Vater hatte
es über das seiner Kinder, deren Aussetzung erst sehr spät für strafbar erklärt
worden ist. In der Frage über die sittliche Zulässigkeit des Selbstmords waren
die Meinungen geteilt^). Plato, auch hierin dem Christentum sich nähernd, ver-
neinte sie (im Anschluß an die Pythagoreer) : der Mensch als Eigentum der
Gottheit dürfe den ihm angewiesenen Ort nicht eigenmächtig verlassen''); doch
Plotin fand den Selbstmord nicht unter allen Umständen verwerflich^). Die
Stoiker und Kyniker erklärten ihn nicht bloß für zulässig, sondern sahen darin
die höchste Betätigung der sittlichen Freiheit^).
Was endlich die Stellung der Christen in den ersten Jahrhunderten zu der
heidnischen Ethik betrifft, so haben sie mindestens großenteils den fundamen-
talen Gegensatz »der Tugend aus Gerechtigkeit und der Tugend aus Gnade«
offenbar nicht in seiner ganzen Schärfe empfunden^). Für Clemens von
Alexandria ^), wie für alle Christen, die in jener Zeit der Philosophie einen
wesentlichen Teil ihrer Bildung verdankten, war es unzweifelhaft, daß auch sie
die Wahrheit enthielt, mochte diese Wahrheit von den Philosophen aus dem
i) Friedlaender, Histor. Zeitschr. LXXXV 1900 S. 244. 2) Zeller, Philos. d. Gr. III i'^ S. 13.
3) Vgl. dazu Hirzel, Arch. f. Religionswiss. XI 1908 S. 258 ff. 277 ff. 41 7 ff. 4) Zeller a. a. O. II
i^S. 891. 5) ebd. m 2* S. 656. 6) ebd. Uli 45.3 14 ff. 752. 800.
386 f. 8) z. B. Clem. Alex, ström. I 16, 80, 5 f. (p. 52 Stähl.).
7) Renan, L'eglise chr^tienne
[IV. 2 93, 2 94] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
249
Alten Testament entlehnt oder ihnen von niedern Engeln zugetragen worden
sein; das Falsche daran rührte aus Mißverständnissen her oder war von Pseudo-
propheten eingeschwärzt, die der Teufel gesandt hatte. Die Philosophie verhielt
sich zum Christentum, wie das Abgeleitete zum Ursprünglichen, wie Bruchstücke
und Teile zum Einen und Ganzen ; sie war eine Vorläuferin Christi, die zu der
in ihm kommenden Vollendung erzog; wie den Juden das Gesetz, so war sie
den Heiden gegeben. So wurden von Juden und Heiden einige gerecht vor
Gott, vor allen Plato und sein Lehrer Sokrates (die in Luthers Augen gottlose
Heiden waren) redeten nach Gottes Geist. Auch für die Christen war sie wert-
voll, ja unentbehrlich; die sie verschmähenden Glaubenschristen fürchteten sie,
wie die Kinder die Larven, ohne sie beurteilen zu können.
Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. hatte, wie gesagt, die Verbreitung
griechischer Philosophie nach Rom und dem Westen begonnen und trotz aller
Versuche sie aufzuhalten stetig zugenommen'). Die Vervielfältigung der Be-
ziehungen zu Griechenland, die immer im Steigen begriffene Einwanderung
griechischer Gelehrter in Rom, die immer häufigeren, oft mit längeren Aufent-
halten verbundenen Reisen der Römer nach Griechenland, alles dies leistete
auch dem Eindringen griechischer Kunst und Wissenschaft und namentlich
Philosophie mächtigen Vorschub. Als Cicero die unfreiwillige Muße seiner
letzten Jahre (45 — 43) damit ausfüllte, die wichtigsten Resultate der nacharisto-
telischen Philosophie römischen Lesern in populärer Form zugänglich zu
machen, kam er offenbar einem unter seinen gebildeten Landsleuten höchst
verbreiteten und lebhaft empfundenen Bedürfnisse entgegen. Seine philoso-
phischen Werke, die so wesentlich dazu beigetragen haben, allen folgenden
Jahrhunderten die Kenntnis griechischer Philosophie zu vermitteln, bildeten den
Kern der neu entstehenden römischen philosophischen Literatur; ihre ge-
lesensten Schriftsteller zählt Quintilian auf"^): es waren (außer Lucrez) die Stoiker
Brutus, Plautus und Seneca, der Anhänger der (der Stoa nahestehenden) Sextier
Cornelius Celsus und der Epikureer Catius, zu denen dann im 2. Jahrhundert
noch der Platoniker Apulejus und später die Neuplatoniker Cornelius Labeo
und Marius Victorinus hinzugetreten sind.
Obwohl nun aber seit dem Untergange der Republik die der Verbreitung
griechischer Philosophie in der römischen Welt günstigen Einflüsse sich ver-
mehrten und an Stärke gewannen, so erhielt sich doch jene altrömische Ab-
neigung gegen sie, die im wesentlichen auf dem Gegensatze des auf praktische
Zwecke gerichteten Sinns gegen die Theorie, des Realismus gegen den Idea-
lismus beruhte. Die Ansicht, die Ennius eine seiner Personen aussprechen ließ,
daß es wohl gut sei, von der Philosophie zu nippen, aber nicht sich in sie zu
versenken^), war auch die des Tacitus und aller gleichgesinnten römischen
Staatsmänner und Patrioten, die notwendig Gegner einer Spekulation sein
mußten, die zur Gleichgültigkeit gegen den Staat und seine wichtigsten Inte-
ressen führte. Erkannte man gleich die Forderung an, sich mit den Lehren der
Verbreitung
der griechi-
schenPhilo-
sophieinder
römischen
Welt.
Die Opposition
gegen die Philo-
sophie. Die im
römischen Na-
tionalcharakter
begründeten
Antipathien.
i) G. Boissier, Religion rom. II 6fF. Zeller, Vortr. u. Abhandl. II 106 ff. 2) Quintilian. X i,
123 ff. 3) Enn. scaen. 376f. Vahlen^.
250
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 295:
Mißliebigkeit der
Philosophie bei
den Regierungen.
Verfolgungen der
Philosophen.
Philosophie bekannt zu machen'), gestand man ihr auch einen heilsamen, »die
Leidenschaften mäßigenden« Einfluß zu: so erschien doch in diesen Kreisen
ein allzueifriges Studium ihrer Dokti inen für einen Römer und Senator uner-
laubt'). Helvidius Priscus, der das Studium der stoischen Philosophie trieb,
»um gegen Schicksalsschläge gerüstet sich den Staatsgeschäften zu widmen«,
und in allen Lebensverhältnissen den höchsten sittlichen Anforderungen ge-
nügte, machte nach Tacitus Ansicht eine Ausnahme, da die meisten die
»höheren Studien» nur trieben, um »unter prächtigen Namen einen trägen Müßig-
gang zu verhüllen« ^). Der so hoch verehrte Musonius Rufus spielt bei Tacitus
die Rolle eines lächerlichen Pedanten, der seine Weisheit im ungeeignetsten
Moment auskramt: er versucht (im Jahre 70) durch Vorträge über die Güter
des Friedens und die Übel des Kriegs auf die vor den Toren Roms stehenden
Legionen des Antonius Primus Eindruck zu machen und entgeht mit Mühe den
Mißhandlungen der Soldaten''). Auch Quintilian stellt den »bürgerlichen und
wahrhaft weisen Mann, der sich nicht müßigen Erörterungen, sondern der
Staatsverwaltung widmet«, den Philosophen gegenüber, die ihr wie überhaupt
allen bürgerlichen Pflichten so fern wie möglich stehen. » Welcher Philosoph <- ,
fragt er, »ist jemals als Richter oder in Volksversammlungen hervorragend
tätig gewesen? Welcher hat sich je mit der Staatsverwaltung, für welche die
meisten Regeln geben, befaßt ? « ^) Der jüngere Plinius rühmt den Titius Aristo
als einen Mann, der keinem von denen, welche die Philosophie in ihrer äußern
Erscheinung zur Schau tragen, an Reinheit, Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Seelen-
stärke nachstehen dürfte. »Doch sucht er nicht Gymnasien und Säulengänge
auf und vertreibt sich und andern mit langen Vorträgen die müßige Zeit, son-
dern ist stets in der Toga und in Geschäften«^). Vollends unverträglich mußte
eine eingehende Beschäftigung mit der Philosophie Männern dieser praktischen
Richtung für einen Regenten erscheinen. Welche Kritik die philosophischen
Studien Marc Aureis bei diesen Gegnern der Philosophie erfuhren, davon geben
einige Äußerungen des Prätendenten Avidius Cassius eine Probe^). Er nannte
den Kaiser bald den » Disputierer <', bald das »philosophische alte Weib« : er
»stellt Untersuchungen über die Elemente und über die Seelen und über Tugend
und Gerechtigkeit an und hat kein Herz für den Staat. — Du hast gehört, daß
der Präfekt des Prätorium unseres Philosophen, der drei Tage vor seiner Er-
nennung bettelarm war, plötzlich reich geworden ist.« Als Alexander Severus
auf den Rat seiner Mutter Mamäa das Studium der Musik und Philosophie auf-
gab, bestärkten ihn in seinem Entschlüsse die ihm statt eines Orakels gebotenen
Vergilischen Verse, die den Römer zur Beherrschung der Völker berufen nennen,
während andre Völker in Kunst und Wissenschaft den Preis erringen mögen*).
Wie die Mutter Alexanders, so hatte auch die Mutter Neros ihren Sohn vom
Studium der Philosophie abgehalten, zu dem er durch den Stoiker Chäremon^j,
dann durch Seneca angeleitet worden war, »weil sie für einen künftigen Regenten
schädlich sei« '°J. In den Kreisen, die ein lebhaftes Interesse an der Aufrech t-
1,1 Tac. Dial. 19, 6.
2, 6f.; vgl. X 1,35 f.
aug. Alex. Sev. 14, 5.
2) Tac. Agric. 4. 3) Tac. H. IV 5. 4) ebd. III 81. 5) Quintilian. XII
6) Plin. ep. I 22, 6. 7) Hist. aug. Avid. Cass. i, 8. 3, 5. 14, 5. 8. 8) Hist.
9) Zeller, Philos. d. Gr. III i'^ S. 712 Anm. loj Sueton. Nero 52.
[IV. 296] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 251
haltung der bestehenden Ordnung hatten, vor allem in Regierungskreisen und
an den Höfen, wurde die Philosophie nicht sowohl gering geachtet als gefürchtet:
der Cäsarismus erkannte in der »Ideologie« für sich eine Gefahr, und nicht
ohne Grund. Die Rede, in welcher Cassius Dio den Mäcenas vor August die
Grundsätze der kaiserlichen Politik entwickeln läßt, enthält auch eine Warnung
vor den Philosophen^), die revolutionäre Ansichten verbreiten. Der Kaiser
möge nicht glauben, daß alle wirklichen oder angeblichen Philosophen gute
und rechtschaffne Männer seien, weil er Arcus und Athenodorus als solche er-
probt habe: vielmehr bedienen sich viele dieser Maske, um Staaten und ein-
zelnen unzählige Übel zuzufügen. In der Tat bekannten sich, wie die Mörder
des ersten Cäsar, so überhaupt Frondierende und namentlich die hervorragend-
sten Führer der senatorischen Opposition im 1 . Jahrhundert zu den Lehren der
stoischen Schule, darunter Republikaner, wie Pätus Thrasea und Helvidius Pris-
cus, die nach einem politischen Märtyrertume strebten, und von den Teil-
nehmern an der Pisonischen Verschwörung gegen Nero (65) mindestens Lucan
und Seneca^). Die Verdächtigungen des Stoizismus und der Philosophie über-
haupt fanden bei den Kaisern nur zu leicht ein offenes Ohr. Schon im Jahre
62 war Rubellius Plautus im Exil getötet worden, der, wie Tigellinus Nero vor-
stellte, die »Nachahmung der alten Römer zur Schau trug und die Anmaßung
der stoischen Schule angenommen hatte, welche unruhige und die Gefahr auf-
suchende Geister bilde und erzeuge»^ ^). Zur Verfolgung Thraseas (im Jahre 66)
ward Nero von Capito Cossutianus gereizt, der dessen Fernbleiben von den
Senatsberatungen als Auflehnung, ihn selbst als ein Parteihaupt schilderte: er
habe Anhänger oder vielmehr Trabanten, die noch nicht den Trotz seiner
Äußerungen, doch sein Benehmen und seine Manieren nachahmten, starr und
finster, als wollten sie den Kaiser der Ausgelassenheit bezichtigen. Entweder
möge man jene Grundsätze annehmen, wofern sie die besseren seien, oder den
Neuerungssüchtigen ihre Führer und Anstifter entreißen. Diese Sekte habe die
Tuberonen, die Favonier, Namen, die sogar dem alten Freistaate verhaßt waren,
erzeugt. Um die Monarchie zu stürzen, schützen sie die Freiheit vor, haben sie
jene gestürzt, so werden sie die Freiheit selbst angreifen*). Der Eidam des
Thrasea, Helvidius Priscus, der mit jenem, wie man in Rom erzählte, die Ge-
burtstage des Brutus und Cassius festlich begingt), wurde unter Vespasian (zum
zweitenmal) verbannt und in der Verbannung getötet. Er, der später zu den
gefeierten Idealgestalten der stoischen Schule gehörte*'), den der jüngere Plinius
und auch Tacitus trotz seiner Eingenommenheit gegen das politische Märtyrer-
tum mit Verehrung nennen, wird von konservativen Monarchisten wie Sueton
und Cassius Dio verurteilt und sein Untergang als ein selbstverschuldeter dar-
gestellt. Nach der Darstellung des ersteren'') bewies Vespasian seinem heraus-
fordernden Trotze gegenüber die äußerste Langmut, wollte seinen Tod, leider
zu spät, verhindern und hatte ihm nicht eher gezürnt, als bis er von ihm »durch
höchst freche Schmähungen beinahe zurechtgewiesen« worden war. Dios Dar-
stellung ist nur bruchstücks- und auszugsweise erhalten; allerdings sucht er die
I) Cass. Dio IJI 36, 4. 2) Zeller a. a. O. S. 713 f. Anm. 3) Tac. A. XIV 57. 4) ebd. XVI 22.
5) J"v- 5) 36 f. 6) Epictet. Diss. I 2, 19. 7) Sueton. Vespas. 15.
252
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 297, 298]
Umschlag nach
dem Tode
Domitians.
Gehässigkeit des Verfahrens gegen Helvidius und die Philosophen überhaupt
Vespasians mächtigstem Freunde Mucianus aufzubürden'), aber Helvidius sei
aufrührerisch und ein Pöbelfreund gewesen, habe stets die Monarchie geschmäht,
die Demokratie gelobt, demgemäß gehandelt und andre aufgereizt; als ob es
die Aufgabe der Philosophie sei, die Regierung mit Kot zu bewerfen, die Massen
aufzuregen, das Bestehende umzustürzen und Umwälzungen herbeizuführen.
Helvidius habe Thrasea nachgeahmt, ihm aber weit nachgestanden. Thraseas
Opposition war gegen einen Nero gerichtet und blieb doch in Rede und Hand-
lung maßvoll, sie beschränkte sich auf passiven Widerstand. Helvidius war
mit einem Vespasian unzufrieden und trat ihm öffentlich und in Privatkreisen
entgegen, er suchte den Tod und büßte für vielfache Verschuldungen. Auch
andre Stoiker und der von Seneca bewunderte Kyniker Demetrius äußerten
nach Dio öffentlich Ansichten, die mit dem Bestehenden unverträglich waren,
und so erfolgte (wohl im Jahre 74)') eine Ausweisung aller Philosophen aus
Rom, mit alleiniger Ausnahme des (von Nero verbannt gewesenen) Musonius
Rufus: Demetrius und ein Hostilius wurden auf Inseln verwiesen^). Eine zweite
Verbannung der Philosophen erfolgte im Jahre 93 durch Domitian, im Zu-
sammenhange mit dem Prozesse des Stoikers Junius Arulenus Rusticus, der
Thrasea in einer Lobschrift einen heiligen Mann genannt hatte, und andrer
gleichgesinnter Senatoren: »die ganze Verfolgung traf die politische Opposition,
insofern sie in der Literatur und auf dem Katheder ihren Ausdruck fand, und
während die namhaftesten Schriftsteller und Lehrer kriminell bestraft wurden,
wies die Regierung die große Masse derselben aus der Hauptstadt aus-*).
Nach dem Tode Domitians änderte sich mit dem ganzen Regierungssystem
auch die Stellung der Kaiser gegenüber der Philosophie, die nun nicht bloß
aufhörte, als regierungsfeindlich zu gelten, sondern bald auf jede Weise be-
günstigt wurde. In einem gleich nach Domitians Tode (96 oder 97) geschriebnen
Briefe äußert Plinius seine Freude über das herrliche Wiederaufblühen des
geistigen Lebens in Rom, wovon die Beispiele zahlreich und leuchtend seien,
doch genüge es, eines anzuführen, die Vorträge des stoischen Philosophen Eu-
phrates^). An Trajan rühmt Plinius, daß er sich die Erziehung der Jugend ganz
besonders angelegen sein lasse, den Lehrern der Beredsamkeit und Philosophie
große Ehre erweise. »Die Studien, die mit dem Exil von einem Fürsten bestraft
worden waren, der im Bewußtsein seiner Laster alle dem Laster feindlichen
Bestrebungen mehr aus Scheu als aus Haß verbannte, hegt nun Trajan und
zieht sie in seine Nähe. Sie haben Blut und Leben, haben ihr Vaterland wieder-
gewonnen«^). Dio von Prusa, der unter Domitian in Verbannung gelebt hatte,
kehrte nach seinem Tode zurück; die Regierung des ihm von früher befreun-
deten Nerva war zu kurz, als daß er von seiner Gunst hätte Vorteil ziehen
können; doch Trajan soll ihn geflissentlich ausgezeichnet haben^), und Dio sagt
in einer seiner für ihn bestimmten paränetischen Reden über die Herrschaft:
der Kaiser erfreue sich an Wahrheit und Freimütigkeit, nicht an Schmeichelei
i) Cass. Dio LXVI 12 f. 2) Weynand, Real-Encykl. VI 2661. 3) Cass. Dio LXVI 13.
4) Mommsen, Ges. Schrift. IV 418 f. Die Stellen bei Weynand a. a. O. S. 2576 f. 5) Plin. ep. I
10, I. Mommsen a. a. O. S. 371 ff. 6) Plin. Paneg. 47, i. 7) v. Arnim, Leben u. Werke des Dio
von Prusa S. 223 ff. 329 f.
[IV. 299]
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
253
und Lüge '). Hadrian, welcher den Umgang mit Philosophen wie mit Gelehrten
aller Art suchte, hat vielleicht zuerst öffentliche Lehrer der Philosophie in Rom
angestellt; Antoninus Pias stellte deren in allen Provinzen an, nach seinem
Schreiben an den Landtag der Provinz Asien sollte die Abgabenfreiheit, die
bei andern Lehrern auf eine nach der Größe der Städte sich bestimmende Zahl
beschränkt war, für die Philosophen unbeschränkt gelten, da es ihrer so wenige
gebe^). Die Besoldungen der ins Museum zu Alexandria berufenen Gelehrten,
also auch der dortigen Philosophen, dauerten fort; in Athen wurden durch Marc
Aurel aus den vier bedeutendsten Schulen öffentliche Lehrer bestellt^).
Unter diesem Philosophen auf dem Thron wurde die Philosophie Mode, selbst
bei den Frauen; der einst so sehr verfolgte Stoizismus galt nun als Empfehlung
und wurde von Strebern zum Schein angenommen oder zur Schau getragen"*).
Von den Lehrern des Kaisers in der Philosophie sah man besonders den Stoiker
Q. Junius Rusticus und den Peripatetiker Cn. Claudius Severus hochgeehrt und
einflußreich. Jener, ein Sohn oder Enkel des von Domitian Hingerichteten,
war der Ratgeber Marc Aureis in allen öffentlichen und privaten Angelegen-
heiten und sein Wort galt im Frieden wie im Kriege; der Kaiser umarmte ihn
stets vor den Präfekten des Prätorium, ernannte ihn zweimal zum Konsul und
ließ ihm nach seinem Tode durch den Senat Statuen errichten^]. Cn. Claudius
Severus, ein vornehmer Mann, war bereits 146 Konsul gewesen, seinen gleich-
namigen Sohn (Konsul 163 und 173) erhob Marc Aurel zu seinem Schwieger-
söhne^). Von den spätem Kaisern legte namentlich Septimius Severus in Be-
folgung des von Marc Aurel gegebenen Beispiels Interesse für Philosophie an
den Tag''), und nach Tertullian genossen unter ihm die Philosophen große
Redefreiheit; trotz ihrer Angriffe gegen die Kaiser erhielten sie Gehälter und
Statuen^). Auch Severs Gemahlin Julia Domna wandte sich, als sie mit ihm
durch die Ränke des Günstlings Plautianus zerfallen war, der Weltweisheit zu
und umgab sich mit Philosophen'^).
In der Zeit der Verdächtigungen und Verfolgungen der Philosophie fehlte es
übrigens nicht an Philosophen, die sich eifrig bemühten, sich und ihre Wissen-
schaft den Regierungen als vollkommen ungefährlich darzustellen. Martials
Freund und Landsmann, der Sachwalter Decianus aus Emerita, bekannte sich
zwar zu den Lehren Thraseas und Catos, d. h. er war Stoiker, aber vernünftig
genug, um nicht mit bloßer Brust auf entblößte Schwerter zu rennen, wofür
Martial ihn lobt : er will keinen Mann, der den Ruhm mit übereilter Vergießung
Begünstigung der
Philosophie unter
Marc Aurel —
und Severus.
Versuche, die
Vorwürfe der
Regierungs-
feindlichkeit
der Philoso-
phie zu ent-
kräften.
l) DioChr. or. 3, 2 il34Arn.). 2) Digest. XXVII 1,7; vgl. oben 1 174. 3) Lucian. Eun. 3. Philostr.
V. soph. II 2 (vgl. oben I 41 1). Zeller III i "* S. 708 ff. Für spätere Zeit Symmach. ep. X 5 (er schreibt
als Stadtpräfekt an Theodosius) inter praecipua negotiorum saepe curatum est, tit criidiendis nobilihus
philosophi praeceptores ex Attica poscercntur. — nunc vestri saeculi hofütas ultro optimatem sapientiae
Romanis gymnasiis adrogavit. si quidem Celsus, ortus Archetimo patre, quem memo7-ia litteratorwn
Aristoteli subparem ftiisse sentit, iuventuti nostrae magisterium bonarum artium pollicetur, nulluni
quaestum professionis adfectans atque ideo dignus in amplissimum ordinem cooptari, ut anitnum vitiis
avaritiat liberum dignitatis praemio viuneremur. 4) Cass. Dio LXXI 35, 2; vgl. oben I 33. 299 f.
5) Hist. aug. M. Aurel. 3, 2 ff. Er vsrar Konsul 133 und 162. Stadtpräfekt vor 168, Prosop. imp.
Rom. n 24.3 nr. 535. 6) Groag, Real-Encykl. III 2868 f. nr. 346. 348. 350. 7) Hist. aug. Sept.
Sever. 18, 5; Geta 2, 2. 8) Tertullian. Apologet. 46. 9I Oben I 299
254 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 300, 301]
seines Bluts erkauft, sondern einen, der auch ohne Märtyrertum Lob verdient^),
Seneca hat in seinen Briefen die Philosophie wiederholt gegen den Vorwurf der
Seneca. Regierungsfeindlichkeit in Schutz genommen. In einem Briefe der zur Zeit der
beginnenden Verdächtigungen geschrieben sein mag, spricht er so, als wenn
es ganz undenkbar sei, daß sie je in diesem Sinne beargwöhnt werden könnte,
obwohl gerade aus seiner Verteidigung hervorgeht, daß bereits Angriffe erfolgt
waren ^). Man müsse, sagt er, sich aus der Gefahr der Welt flüchten und bei
der Philosophie eine sichre Zuflucht suchen, der Wissenschaft, die nicht bloß
bei den Guten, sondern auch bei den nicht allzu Schlechten wie eine Priester-
binde schütze, die auch die Schlechtesten ehren. »Niemals wird die Nichts-
würdigkeit so stark werden, nie eine solche Verschwörung gegen die Tugend
zustande kommen, daß nicht der Name der Philosophie ehrwürdig und heilig
bliebe.« Übrigens muß man sie mit Bescheidenheit und Ruhe üben. Er läßt
sich einwenden, ob dies etwa Cato getan habe? und mißbilligt dann ausdrück-
lich dessen Beteiligung nicht bloß am Bürgerkriege, sondern auch an den vor-
ausgehenden Parteikämpfen als fruchtlos. Er verweist auf das Beispiel der
Stoiker, die, vom Staatsleben sich ausschließend, in ihrer Zurückgezogenheit
sich um die Veredlung des Lebens und die Begründung der allgemeinen
Menschenrechte *ohne Beleidigung eines Mächtigeren« bemüht haben. Der
Weise werde nicht suchen, durch sein Beispiel die allgemein angenommenen
Sitten zu erschüttern, nicht suchen, die Aufmerksamkeit des Volks durch die
Neuheit seiner Lebensweise auf sich zu ziehen. Unbedingte Sicherheit kann
man freilich auch ihm nicht versprechen. In einem späteren Briefe werden da-
gegen die Anklagen der Philosophie als schon wirklich erhobene widerlegt^).
»Diejenigen scheinen mir zu irren, welche glauben, daß die treuen Anhänger
der Philosophie hartnäckig und widerspenstig seien und Verächter der Behörden
und Könige und Verwalter des Staats«. Im Gegenteil ist niemand jenen dank-
barer als gerade sie; denn sie bedürfen am meisten der Ordnung und Ruhe zur
Verfolgung ihrer höheren Lebenszwecke und verehren den, der sie gewährt,
wie einen Vater, weit mehr als jene unruhigen Ehrgeizigen, die zwar den Fürsten
viel verdanken, aber ihnen ihre Dienste auch hoch anrechnen und nie mit dem
Lohne zufrieden sind. Aber jener reine und wahrhaftige Mann, der auf die Kurie
und das Forum und die ganze Staatsverwaltung verzichtet hat, um sich zu
höheren Dingen zurückzuziehen, liebt diejenigen, die es ihm möglich machen,
dies in Sicherheit zu tun, er allein legt für sie ein unerkauftes Zeugnis ab und
ist ihn^n ohne ihr Wissen zu großem Danke verpflichtet. Wie er seine Lehrer
verehrt und achtet, durch deren Wohltaten er aus jenen Irrgängen entkommen
ist, so auch sie, unter deren Schutz gestellt er edle Wissenschaft übt. Die Wohl-
tat des allgemeinen Friedens wird in höherem Grade denen zuteil, die ihn gut
benutzen. Wieder in einem späteren Briefe heißt es"*): man müsse mit der
Philosophie nicht prahlen, denn für viele sei sie eine Ursache der Gefahr ge-
worden dadurch, daß sie mit Anmaßung und Trotz geübt wurde; ^sie soll deine
Fehler tilgen, nicht andern die ihren vorwerfen. Sie entferne sich nicht von der
i) Martial. I 8, vgl. 39. Nach A. Stein, Real-Encykl. IV 2270 vielleicht identisch mit L. Silius
Decianus, Konsul im J. 93 (CIL III p. 2328^^ = Dessau 9053). 2) Seneca ep. 14, uff. 3) ebd.
73. 4) ebd. 103, 5.
[IV. 302]
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
255
allgemeinen Sitte, und scheine nicht das zu verdammen, was sie vermeidet.
Man kann ohne Prunk, ohne Gehässigkeit weise sein. « Die Aufforderung an
die Philosophen, alles Auffallende zu vermeiden, wiederholt sich öfters: schon
der Name der Philosophie sei verhaßt, auch wenn sie mit Bescheidenheit geübt
werde, um so mehr, wenn man durch Zurschautragen einer übertriebnen
Askese und Weltverachtung sich von demHerkommen ausschließe; leicht werde
dann lächerlich und gehässig, was Bewunderung erregen solle'). Man solle die
Philosophie nicht gleichsam als ein Aushängeschild brauchen, auch seine Zurück-
gezogenheit solle man verbergen, vermeiden, daß sie zum Gegenstand des Ge-
sprächs werde, die Aufmerksamkeit der Menschen errege "").
Man sieht, daß Seneca keineswegs nur die Befürchtungen und Anklagen der Ver-
treter und unbedingten Anhänger des bestehenden politischen Systems gegen die
Philosophie als ungegründet darzustellenbemüht ist, welche letzteren übrigens in
allen Lebenskreisen schon darum sehr zahlreich gewesen sein müssen, weil alle
zu ihnen gehörten, die um jeden Preis Ruhe und Ordnung als Basis jedes
materiellen Fortschrittes wollten. Der großen Masse mußte die Philosophie
auch wegen ihrer hohen sitdichen Anforderungen, ihrer strengen Verurteilung
laxer Moral, ihrer die selbstzufriedne Trägheit unaufhörlich aufrüttelnden Straf-
reden und Ermahnungen im höchsten Grade unbequem, und überdies der An-
spruch der Philosophen, besser zu sein und höher zu stehen als andre Menschen,
um so beleidigender sein, je auffallender sie sich auch in Erscheinung und Tracht,
Lebensweise und andern Äußerlichkeiten zu erkennen gab. In diesem Sinne
ist die Anklage gegen den Stoizismus gehalten, die Mucian bei Cassius Dio an
Vespasian richtet^). Die Stoiker seien von eitler Anmaßung erfüllt. Ein langer
Bart, hinaufgezogene Augenbrauen, ein grober Mantel und bloße Füße seien
einem genug, um sich für weise, mannhaft, gerecht auszugeben und in die Brust
zu werfen, wenn er auch nicht die Anfangsgründe des Wissens besitze. Sie
sehen geringschätzig auf alle andern herab, sie werfen dem Schönen Zucht-
losigkeit, dem Reichen Habsucht, dem Armen Servilismus vor usw. Aus dem-
selben Grunde erklärt Dio von Prusa die allgemeine Unbeliebtheit der Philo-
sophie in Griechenland'*). Die Philosophentracht (Mantel ohne Unterkleid, langes
Haar und Bart) zieht, wie er sagt, jedem, der sich darin zeigt, Neckereien, Hohn
und Spott, selbst Mißhandlungen zu, denn die meisten Menschen haben die
Philosophen in Verdacht, daß sie alle Nichtphilosophen verachten, verdammen
und im stillen verlachen wegen ihres Mangels an Erkenntnis dessen, was den
Menschen frommt, besonders die von allen beneideten Reichen. Deshalb
glauben die meisten, den Philosophen mit Spott und Verachtung zuvorkommen,
sie womöglich als Toren und Verrückte darstellen zu müssen, womit sie denn
zugleich bewiesen haben, daß die Vernunft auf ihrer Seite ist. Kurz, die Tracht,
die jeden, der sie trägt, als schonungslosen Ermahner, Strafredner und Sitten-
richter bemerklich macht, wird von allen so ungern gesehen wie die Tracht des
Pädagogen von den Kindern.
Mit diesen Antipathien wirkte bei der Menge der Halbgebildeten und Un-
Abneigung der
großen Menge
gegen die Phi-
losophie.
1) Seneca ep.
184 ff. Am.).
2) ebd. 68. . 3) Cass. Dio LXVI 13. 4) Dio Chr. or. 55, 2. 7—10 ;il
Ihre Zwecklosig-
keit nach der An-
sicht der meisten
Ungebildeten —
256
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 303]
o-ebildeten ein sehr schlagender Grund zusammen, die mühsamen Studien, aui
die so großer Wert gelegt wurde, zu verachten und zu verlachen: sie waren
völlig nutzlos, denn durch sie erreichte man weder Beförderung oder Ansehen,
noch erwarb man in der Regel Geld. Persius, der die aufgeblasnen Klein-
städter überhaupt als Verächter aller höheren (griechischen) Bildung schildert '),
legt den Hohn gegen die Philosophie als eine brotlose Kunst den Centurionen
in den Mund, die auch sonst in den Städten Italiens als tonangebende Personen
erscheinen und wohl überall in mittleren und unteren Lebenskreisen eine ton-
angebende Rolle spielten^). Preist man vor diesen Männern mit geschwollenen
Krampfadern die Freiheit des Weisen, so stößt sofort ein riesiger Fulfennius
ein fettes Gelächter aus und taxiert 100 Griechen zu einem abgegriffenen
Hundertasstück^). »Ich-^ , sagt ein andrer von diesem nach dem Bock stinkenden
Volke, „bin für mich klug genug und kümmere mich wenig darum, so zu sein
wie Arcesilas und die sich plagenden Solonen, wenn sie mit gesenktem Kopf,
den Blick auf die Erde geheftet, für sich murmeln oder schweigend wie Ver-
rückte die Lippen kauen und mit vorgestreckter Unterlippe Worte auf die Wag-
schale legen, in tiefem Nachdenken über Delirien irgend eines alten Schwach-
kopfs: als, daß aus nichts nichts wird, nichts in nichts zurückkehren kann.
Darum seht ihr so blaß aus? Darum soll man ein Frühstück versäumen?«
»Darüber lacht die Menge, und die prallen jungen Burschen erheben ein
wieherndes Gelächter nach dem andern, daß ihnen die Nasen kraus werden«'^).
Ebenso gründlich verachtete natürlich die Masse der Geld- und Geschäftsleute
die Philosophen. Trimalchio ordnet an, daß auf seinen Grabstein gesetzt werden
soll: >Er hat klein angefangen und ist groß geworden, er hat 30 Millionen Sest.
hinterlassen und nie einen Philosophen gehört« 5).
und vieler Ge- Aber der Vorwurf der gänzlichen Nutzlosigkeit und Überflüssigkeit wurde
bildeten, gegen die Philosophie auch aus gebildeten Kreisen erhoben, und zwar im Namen
und von seiten des gesunden Menschenverstands, der damals, wie zu allen
Zeiten, sich zutraute, dieselben Ziele und Resultate, welchen die Spekulation
auf weiten, mühsamen Umwegen zustrebte, längst erreicht zu haben, und daher
leugnete, etwas von ihr lernen zu können. Wozu namentlich die vielen künst-
lichen Systeme der Moralphilosophie bei der Einfacheit und Unumstößlichkeit
des allen Menschen angebornen Sittengesetzes? Und welche Philosophie lehrte
denn die Wahrheit, da jede Schule die Doktrin aller andern für falsch erklärte?
Von diesem Standpunkte aus wurde die Philosophie besonders von denen
angegriffen, welche die Beredsamkeit als Ziel aller Bildungsbestrebungen an-
sahen, und dies wird im spätem Altertum vielleicht die Mehrzahl der Gebildeten
gewesen sein. Die so natürliche, auf Innern Gegensätzen beruhende, fort und
fort durch äußre Anlässe genährte Eifersucht zwischen Rhetoren und Philo-
sophen, »den Künstlern der reinen Form der Rede und den Ergründern des
innersten Wesens der Dinge» ^], führte zu unaufhörlichen, oft erbitterten Streitig-
keiten über den relativen Wert der beiden Wissenschaften. Schon die Schüler
wurden zur Teilnahme an diesen Kämpfen vorbereitet. Zu den in der Rhetoren-
Der Gegensatz
zwischen Rhe-
toren und Phi-
losophen.
l) Pers. I, 126— 134. 2) Oben I 221. 3) Pers. 5, 189— 191.
Sat. 71, 12. 6; Rohde, Der griech. Roman^ S. 345.
4) ebd. 3, 77—87. 5) Petron.
[IV. 304] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 257
schule deklamierten Kontroversthemen gehörte folgendes: Ein Vater hinterläßt
drei Söhne, einen Redner, einen Philosophen und einen Arzt; er setzt im Testa-
ment den zum alleinigen oder bevorzugten Erben ein, der nachweisen werde,
daß er dem Staat am meisten nütze; wo dann für jede der drei Wissenschaften
und gegen die beiden andern gesprochen wurde*). Hier wurde dann die völlige
Nutzlosigkeit der Philosophie an ihren Früchten gezeigt. Die viel erörterte
Frage, ob die Tugend gelehrt werden könne, wurde verneint. Die besten
Männer, die Fabricier, Curier, Decier, seien ohne Philosophie geworden, was
sie waren, aus den Philosophenschulen dagegen die größten Verbrecher hervor-
gegangen, wie aus der des Sokrates Tyrannen und Vaterlandsfeinde. Selbst
zugestanden aber, daß man durch Unterricht zur W^eisheit gelangen könne, so
bliebe der einzuschlagende Weg ungewiß, denn alle Schulen ständen mitein-
ander in Widerspruch. Viele Philosophen bekennen überdies, daß es trotz aller
Bemühungen einen wahrhaft Weisen noch nie gegeben habe. Welchen Nutzen
brächte also die Philosophie? Wäre sie im Kriege oder für bürgerliche Ämter
zu brauchen? Nichts finde man bei ihnen als Heuchelei, Faulenzerei und An-
maßung, durch die sie sich Ansehen zu verschaffen wissen. Ihre Behauptung,
daß sie zur Verminderung der Laster beitragen, widerlegt der Augenschein.
Daß namentlich die Lehrer der Beredsamkeit mindestens zum großen
Teil prinzipielle Gegner der Philosophie waren, ist einleuchtend. Gegen solche
war eine angeblich von Plutarch verfaßte Schrift gerichtef"). Von dem älteren Der ältere
Seneca sagt sein Sohn, daß er die Philosophie haßte ^); seine Gattin verhinderte ^°^^^-
er, sich eingehend mit ihr zu beschäftigen'*). Quintilian, der den vom alten Quintilian.
Cato gegebenen Begriff des Redners als »eines sittlich guten, der Rede kun-
digen Manns« streng festhielt, behauptet, daß die Ethik eigentlich ein Teil der
Redekunst, nur durch die Schuld der sie vernachlässigenden Redner von ihr ab-
gelöst, von > schwächeren Geistern« in Besitz genommen und ein eigenes Fach
geworden sei: die Redner müßten dies Gebiet als ein ihnen gehörendes zurück-
fordern^). Da der wahre Philosoph nichts andres sein kann als ein sittlich guter
Mann, also dasselbe, was der wahre Redner ebenfalls ist, so ergibt sich die
Überflüssigkeit einer besondern Philosophie. Quintilian benutzt, obwohl er von
seinem Idealredner auch philosophische Studien verlangt, jede Gelegenheit,
um seiner Gereiztheit gegen die Philosophen Luft zu machen, ihr sklavisch
ängstliches Festhalten an den Schuldoktrinen und -ausdrücken, ihre endlosen
und sophistischen Erörterungen, ihre weitläufigen Apparate zur Begründung
der einfachsten Sätze, ihre Anmaßung, Heuchelei, ihre dem Staatswohl zuwider-
laufende Weltflucht und Tatenscheu zu geißeln, den einzelnen Schulen ihre
Schwächen mit Behagen vorzuhalten^). Auch Dio von Prusa hatte als Rhetor
die Philosophie, der er sich später zuwandte, leidenschaftlich angegriffen^).
i) Quintilian. Inst. VII i, 38. 4, 39. Ps.-Quintilian. Decl. 268; vgl. Fortunatian. 1 9 21. 2] In dem
Katalog des sog. Lamprias (s. dazu K. Ziegler, Rhein. Mus. LXIII 1908 S. 239 f.) Nr. 219: tipbc,
TOÜc 6ia TÖ pr|Topeueiv )un cpxXoaocpovvTac,. Vgl. dazu R. Jeuckens, Plutarch von Chaeronea und
die Rhetorik 9 ff. (= Dissert. Argentor. XII 347 ff.). 3) Seneca ep. 108, 22. 4) Seneca ad Helv.
17, 4. Oben I 298. 5) Quintil. II 21, 13, vgl. I pr. 10. 6j Vgl. B. Appel, Das Bildungs- und Er-
ziehungsideal Quintilians nach der Institutio oratoria (Diss. München 1914) S. 8ff. 38ff. 7) v. Ar-
nim, Leben u. Werke des Dio von Prusa S. 150 — 152.
Friedlaender, Darstellungen. IIl. 9. Aufl. ly
258 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [iV. 305, 306]
Fronto. Wahrhaft komisch äußert Fronto seinen Ingrimm gegen die Philosophie, die
seinen kaiserlichen Schüler Marcus der Beredsamkeit abtrünnig gemacht hatte.
Dies war um so mehr zu bedauern, als Marcus sich, wie Fronto an ihn schreibt^),
schon als Knabe durch Adel des Geistes und Würde der Gedanken auszeich-
nete, denen nur der Glanz des Ausdrucks gefehlt habe; die Vorbereitungen und
Anstrengungen, die gemacht werden mußten, um auch diesen sich anzueignen,
seien ihm wohl zu mühsam geworden; so habe er das Studium der Beredsam-
keit verlassen und sei zur Philosophie abgesprungen, »wo es keine Einleitung
mit Sorgfalt auszuarbeiten, keine Erzählung kurz, deutlich und geschickt anzu-
bringen, keine Beweisgründe aufzusuchen, nichts hervorzuheben« gab. Bei
seinen Lehrern der Philosophie hatte er es natürlich leichter. Er brauchte
nur ihren Erläuterungen zuzuhören und durch Kopfnicken anzudeuten, daß er
verstanden habe; während andre lasen, konnte er meistens schlafen; er mußte
viel und lange abzählen hören, »das erste war' so, das zweite war' so«, und sich
mühsam beweisen lassen, daß es hell sei, wenn es Tag sei, während die Sonne
ins Fenster schieu. Dann konnte er ruhig nach Hause gehen und brauchte
nichts in der Nacht auszudenken oder schriftlich aufzusetzen, nichts seinem
Lehrer vorzulesen, nichts aus dem Kopfe aufzusagen, keine Ausdrücke aufzu-
suchen, keine Synonymen zum Schmuck anzubringen, nichts aus dem Griechi-
schen ins Lateinische zu übersetzen. Was konnte bei einem solchen Studium
erreicht werden!« Aber Marcus wollte nun einmal, wie Fronto sagt^), lieber
reden als beredt sein, und sich lieber mit Zwitschern und Murmeln als mit hellen
Klängen vernehmen lassen.
Lucian. Auch Lucian ist trotz all seiner Verstimmungen gegen die damalige entartete
Rhetorik, trotz seines im »Zweimal Angeklagten« an sie im Alter von fast
40 Jahren gerichteten Absagebriefs^) und seines angeblichen Übergangs zur
Philosophie im Grunde ein echter Rhetor geblieben und spricht, wie Quintilian,
der Spekulation vom Standpunkte des gesunden Menschenverstands die Be-
rechtigung ab. Auch für ihn bestand die Philosophie in der praktischen Lebens-
weisheit^), die nicht bloß an kein bestimmtes System gebunden, sondern auch
jedem denkenden Nichtphilosophen erreichbar war. Ihm waren die Philosophen
im allgemeinen verhaßt, wenn er auch einzelne (und zwar den verschiedensten
Schulen angehörige) ausnahm; und nicht bloß wegen des Kontrastes zwischen
ihren Lehren und ihrem Lebenswandel. Die Eitelkeit, Torheit, Wesenlosigkeit
und Lächerlichkeit aller philosophischen Studien ist der Gegenstand des Dialogs
Hermotimus. Hermotimus, der schon seit 20 Jahren, in das eifrigste Studium
der stoischen Philosophie vertieft, keine Vorlesung versäumt, Tag und Nacht
über Büchern sitzt, sich keine Freude gönnt, blaß und abgemagert aussieht,
hofft in weiteren zwanzig Jahren an sein Ziel zu gelangen! Doch er muß schließ-
l) Fronto De eloq. p. 150. 154 N. 2) ebd. p. 146 N. 3) Vor dem Bis accusatus sind die
Schriften verfaßt, die uneingeschränkte grundsätzliche Angriffe der Philosophie enthalten (Hermo-
timus, Icaromenippus, Necyomantia, Dialogi mortuorum), unmittelbar nach ihm Vitarum auctio,
Piscator, Peregrinus, Fugitivi. I. Bruns, Rhein. Mus. XLIII 1888 S. 86 ff. 161 ff. (vgl. Vorträge u.
Aufsätze S. 228 ff.). 4) Zeller III l* S. 852. ÜberLucians Stellung zu den Philosophenschulen vgl.
R.Helm, N. Jahrb. f. klass. Altert. IX 1902 S. 188 ff. 263 ff. 351 ff. Th. Litt, Lucians philosophische
Entwickelung, Progr. Köln 1909.
[IV. 307] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 259
lieh zugestehen, daß, um irgend eine Philosophie für die alleinseligmachende
zu erklären, zuvor eine Prüfung aller Systeme angestellt werden müßte, die allein
etwa zweihundert oder doch hundert Jahre erfordern würde. Und wo ist die
Gewißheit, daß die Wahrheit überhaupt in irgend einem System enthalten ist?
Und wäre auch die einzig wahre Philosophie zu ermitteln, wie wäre man sicher,
den rechten Lehrer für sie zu finden? Und bei alledem sind die Bemühungen
derer, die Philosophie studieren, gar nicht auf den eigentlichen Zweck gerichtet,
nicht auf die Betätigung ihres Wissens durch Handlungen, sondern auf unselige
Wortklauberei, Syllogismen, Trugschlüsse und schwer zu beantwortende Fragen,
und sie bewundern ihre Lehrer, wenn sie andre durch Sophismen in Verlegen-
heit setzen. Anstatt nach der Frucht zu streben, arbeiten sie sich um die Rinde
ab und beschütten einander mit Blättern').
Aristides endlich hat offenbar eine ihm auch durch seine Stellung in der Aristides.
literarischen Welt auferlegte, heilige Pflicht zu erfüllen geglaubt, indem er in
dem Kampfe zwischen Rhetorik und Philosophie für die erstere mit dem ganzen
Gewicht seiner Autorität eintrat. In zwei ausführlichen Reden ^Für die Rheto-
rik- hat er sie gegen die Anschuldigungen des Platonischen Sokrates (im Gorgias)
in Schutz genommen. Sie ist nicht bloß, was dort geleugnet wird, eine Kunst?
sondern steht auch mit allen Kardinaltugenden in unlösbarem Zusammenhange •
sie ist von der Weisheit um der Gerechtigkeit willen erfunden und wird von der
Tapferkeit und Sittsamkeit beschützt; derjenige, welcher weiß, wie man reden,
weiß auch, wie man handeln muß: kurz, die Redekunst ist Fundament und In-
begriff der sittlichen sowohl wie der geistigen Bildung''). Zwar versichert Ari-
stides, er sei weit entfernt, die Philosophie selbst anzugreifen, er sei mit den
größten und besten Philosophen seiner Zeit umgegangen und betrachte sie als
seine Erzieher. Doch in der Tat verbirgt sich hinter diesen konventionellen
Anpreisungen eine starke Abneigung, ja ein gewisser Haß des Rhetors gegen
die Philosophie^). In einer überlangen Rede hat er die vier großen athenischen
Staatsmänner, Miltiades, Themistokles, Kimon und Perikles, gegen die Anklagen
des Platonischen Idealismus verteidigt, und hier hat er die ganze Schale seines
Zorns über die damaligen Philosophen ausgegossen"*). Wenn man auch der-
gleichen ungerechte Anklagen von dem großen Plato geduldig hinnehmen
möchte, so sei es doch nicht zu ertragen, daß ganz nichtswürdige Menschen
sich ein solches Verfahren förmlich zur Aufgabe machten und selbst einen De-
mosthenes zu lästern wagten. Wer würde die Schmähungen solcher Menschen
selbst gegen Lebende dulden, »die mehr Sprachfehler machen, als sie Worte
hervorbringen, die auf die übrigen mit der Verachtung herabsehen, die sie
selbst verdienen, welche die andern prüfen, sich selbst aber niemals, und die
Tugenden preisen, aber nicht üben«^). »Noch niemals haben sie (gleich den
l) Lucian. Hermotim. 2. 6. 48 — 67. 77. 79. Vgl. auch Paras. 43; Ver. bist. II 17; Dialog, moit.
20, 5. Die Farben zu dem Gemälde Lucians sind vielfach der Komödie entlehnt. Helm, Lucian
und Menipp S. 371 ff. 2) Aristid. or. 45, II I28f. Dind. 3) Baumgart, Aelius Aristides S. 25—35.
4) Aristid. or. 46, II 397 ff. Dind. 5) ebd. p. 398 (wo statt des sinnlosen reXuiv ein Wort wie
6vei&iZ6vTUJV oder Xoiöopou|uevuJV erfordert wird), von Choricius Apol. mimor. c. 6, 27 'ed. Graux,
Rev. de philol. I 1877 S. 222): 6 f' 'ApiöTei6r)(;, ovc, \oi6opei (pi\oa6(povc, koi nXdaTr{ (pY]o\v
äKoXaaia. avZr]v, roic, ZoqpoKA.eou(; dKeiKCt^ei oaTÜpoi^ richtig auf die Philosophen (nicht, wie
17*
2bo XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 308]
Rhetoren) eine fruchtbringende Rede gesprochen oder erfunden oder verfaßt,
nicht Festen Schmuck verliehen, nicht die Götter geehrt, nicht Städten Rat er-
teilt, nicht Trauernde getröstet, nicht Hadernde versöhnt, nicht die Jugend oder
jemand anders ermahnt, nicht auf Schmuck für ihre Reden gedacht. Sondern
in ihre Löcher kriechend sinnen sie dort ihre herrliche Weisheit aus, indem sie
gegen einen Schatten prahlen, VYindhalme ernten, aus Sand Seile drehen, ich
weiß nicht welches Gewebe auflösen: denn so viel sie an Weisheit gewinnen,
so viel vermindern sie ihren Gewinn, indem sie glauben, stolz sein zu dürfen,
wenn sie von der Rhetorik übel reden: etwa wie die Sklaven zwischen den
Zähnen auf ihre Herren fluchen, besonders die stets geprügelten, oder wie ein
Satyr auf der Bühne dem Herakles flucht und sich versteckt, wenn er auf ihn
losgeht. Es ist aber ganz natürlich, daß sie von allen übel reden, denn daran
haben sie Überfluß, und wenn sie auch keiner Person gedenken, sagen sie doch
das, was sie sagen, übel: sie teilen also nur von dem Ihrigen mit. Nähme man
ihnen die Lüge und die Bösartigkeit, so raubte man die Kraft aus ihrem Leben.
Und dabei halten sie der Welt den herrlichen Namen der Philosophie wie ein
Schaustück entgegen, als ob der Name es täte; als ob ein Thersites durch den
Namen des Hyazinth oder Narziß schön, ein Margites durch den des Nestor
weise würde« ').
Berufung der Aus den bisher angedeuteten Gründen stand also eine große Zahl höchst
Gegner der Phi- verschiedncr Kreise der Philosophie ablehnend oder feindseligf gfegenüber:
losophie auf die • t n • rr ■ fVi t • 1 1 t
Unsittlichkeit der romische Patrioten, Konservative aus Überzeugung, Instinkt oder Interesse,
Philosophen. AUtagsmenschen, denen jede Erhebung über die Mittelmäßigkeit Unbehagen
erregte, Hasser der Prätention, banausische Utilitarier, Gegner und Verächter
aller Spekulation, Vertreter der nichtphilosophischen Bildung, die für ihr eignes
Interesse und Gebiet kämpften. Sie alle konnten ihre Ansicht von der Ent-
behrlichkeit, Wertlosigkeit oder Schädlichkeit der Philosophie nicht besser
unterstützen als durch Berufung auf die Erfahrung: diese lehrte, wie sie be-
haupteten, daß die Philosophen im allgemeinen sittlich nicht höher oder sogar
tiefer ständen als die Mehrzahl der Durchschnittsmenschen. Der Name eines
Philosophen machte daher jeden, der ihn sich beilegte, zum Gegenstand einer
scharfen, unnachsichtigen und mißgünstigen Beobachtung von den verschieden-
sten Seiten her, die seinen sittlichen Gebrechen, Schwächen und Lächerlich-
keiten eifrig nachspürte, um sie triumphierend aufweisen zu können. Wenn die
Leute, sagt Epictet, einen Mann mit einem groben Mantel und langem Haar
sich unanständig betragen sehen, so heißt es sofort: Seht da, was der Philosoph
tut; während man doch vielmehr nach seiner Handlungsweise sagen müßte,
Palmer, Jebb u. a., auf die Christen) bezogen; vgl. Bernays, Lukian und die Kyniker S. 38f. looflf.
Norden, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 1892 S. AO^ff. Mag übrigens auch Aristides hier vorzugs-
weise an Kyniker gedacht haben, so doch auf keinen Fall, wie Bernays annimmt, an sie allein.
Dies beweist schon die Entschuldigung mit der Rücksicht auf Weib und Kind (unten S. 265), die
Aristides ja nicht als Ausnahme (Bernays S. 103) anführt.
i) Aristid. a. a. O. p. 404 ff. (p. 405, 6 statt ujairep ou Kai ToOq &oü\ou^ etwa ujairep oi'6a|U€v
KoiToü^ 6ou\ou(;; p. 407, 2 statt elöov 6' cYiw^e koi ev vjja\|ua)6(a GepaTTOvrae;!. ev Kuu)nuj&(qt).
Miuuc. Felix Octav. 38, 5 und Lactant. Inst. div. III 15 stehen auf demselben Standpunkt, der
vielleicht auch bei ihnen durch ihre rhetorische Bildung mit bedingt war.
[IV. 309,310] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 261
daß er kein Philosoph ist'). Als Gellius von Cassiope nach Brundisium über-
setzte, brachte ein furchtbares Unwetter das Schiff in die größte Gefahr. Wäh-
rend alles jammerte und klagte, sah sich Gellius nach einem mitreisenden be-
rühmten stoischen Philosophen um, um aus seinem Aussehen auf seine Gemüts-
stimmung zu schließen: dieser äußerte zwar keine Klage, verriet aber seine
Furcht durch die Farblosigkeit und den Ausdruck seines Gesichts. Als der
Sturm nachgelassen hatte, trat sogleich ein reicher asiatischer Grieche, der mit
großem Gefolge und luxuriöser Ausstattung reiste, an den Stoiker heran und
verhöhnte ihn, daß er sich in der Gefahr gefürchtet habe und blaß geworden
sei. Der Philosoph wies diese Impertinenz vornehm ab, das bescheidne von
Gellius über denselben Punkt geäußerte Bedenken beschwichtigte er durch
Verweisung auf eine Stelle bei Epictet, nach welcher auch dem Weisen das
Blaß werden gestattet war^).
Am häufigsten hatten sich vermutlich die Philosophen dafür zu verantworten,
daß sie das Geld nicht verachteten. Ulpian sagt bei Erörterung der Prozesse
wegen schuldiger Honorare für Unterricht oder sonstige Leistungen von Ge-
lehrten: die Philosophen könnten seines Erachtens Ansprüche auf Honorar
gerichtlich nicht verfolgen ; sie hä ten vor allem zu erklären, daß sie jede »Lohn-
arbeit« verschmähten^). Seneca hat dagegen in einer längeren Abhandlung zu
beweisen versucht, daß Philosophen reich sein dürfen. Diejenigen freilich über-
zeugen zu wollen ist er weit entfernt, die nicht zugeben können, daß überhaupt
jemand sittlich gut sei, weil sie die Tugend eines andern als Vorwurf empfinden,
die den Namen der Tugend und jeden, der sie übt, hassen; für sie ist selbst der
Kyniker Demetrius nicht arm genug. Freilich bleiben die Philosophen weit
hinter ihren Idealen zurück, deren Erreichung die menschliche Kraft übersteige,
aber schon sie im Geist festzuhalten und ihnen nachzustreben sei löblich. Er
selbst macht auf den Namen eines Weisen keinen Anspruch, er ist nur ein der
Wahrheit Beflissener, nicht mit den Besten zu vergleichen, doch besser als die
Schlechten, und zufrieden, in der sittlichen Vervollkommnung stetig fortzu-
schreiten. Der Reichtum gehört zu den indifferenten Dingen, die nicht völlig
wertlos sind, der Philosoph liebt ihn nicht, zieht ihn aber vor, da er ihm die
Möglichkeit gewährt, eine Anzahl guter Eigenschaften zu entwickeln, wie Mäßi-
gung, Freigebigkeit, Sorgfalt, Ordnung, Hochherzigkeit. Auch Cato von Utica,
der die gute alte Zeit mit ihrer Armut pries, besaß 4Mill. Sest."*) (Seneca selbst
freilich 300). Daß solche Entschuldigungen der Widersprüche zwischen Theorie
und Praxis, Ideal und Wirklichkeit auf die prinzipiellen Gegner der Philosophie
keinen großen Eindruck machen konnten, leuchtet ein, besonders da Philo-
sophen sich nur zu oft noch schlimmere zuschulden kommen ließen. Schon
Seneca bekennt, daß es deren gab, denen man Schlemmerei, Maitressen, An-
nahme von Geschenken vorwerfen konnte, die man in der Kneipe, im Ehe-
bruch, unter den Hofschranzen antraft). Und jede Unwürdigkeit oder Schänd-
lichkeit, die einer von ihnen sich zuschulden kommen ließ, warf einen Makel
mindestens auf seine ganze Schule. Der Verrat, den der Stoiker P. E^natius
I) Epictet. Diss. IV 8, 4f. 2) Gell. XIX i. 3) Dig. L 13, i § 4; vgl. Kuhn, Stadt, u. bürgerl.
Verfass. I 119. 4) Seneca de vita beata 17 — 25. 5) Seneca ep. 29, 5.
262 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 311]
Celer gegen seinen Patron Barea Soranus im Jahre 66 geübt hatte, war noch
ein Menschenalter später in frischem Andenken und wird als Probe der >Schand-
taten der großen Mäntel« angeführt^].
Wenn aber den vermögenden Philosophen der Reichtum vorgeworfen wurde,
so hieß es von den armen, daß für sie eine erhabne Gesinnung wohlfeil sei.
Der Stoiker Chäremon verlangt, sagt Martial, man solle ihn wegen seiner Ver-
achtung des Todes bewundern. Diese Seelenstärke gibt ihm seine Bettelarmut:
daß er nichts sein nennt, als einen zerbrochnen Krug, einen kalten Herd, eine
Matte, eine Wanze, einen nackten Schrägen und eine kurze Toga, die ihm auch
bei Nacht als Decke dient. Was für ein großer Mann, der sauern Wein, schwar-
zes Brot und eine Streu aufzugeben vermag. Wenn er nur in Reichtum und
Üppigkeit lebte, würde er dreimal Nestors Jahre zu leben wünschen und nichts
von diesem Licht verlieren wollen. In der Armut ist es leicht, das Leben zu
verachten, stark ist, wer unglücklich zu sein vermag^). Appian sagt, wo die
Philosophen zur Macht gelangt seien, hätten sie sie mit größerer Härte geübt
als die bildungsiosen Tyrannen und dadurch auch gegen die übrigen Philo-
sophen Verdacht und Zweifel erregt, ob sie die Philosophie um der Tugend
willen oder nur als Trost für Armut oder Tatenlosigkeit erwählt haben. Auch
jetzt gebe es viele, die arm und ohne Wirksamkeit, und mit der infolgedessen
notwendigen Weisheit angetan, auf die Reichen oder Hochgestellten bitter
schmähten, sich dadurch aber nicht sowohl in den Ruf der Verachtung des
Reichtums und der Macht, als vielmehr der neidischen Eifersucht auf beides
brächten. Die Geschmähten täten am klügsten, wenn sie sie nicht beachteten^),
fterphilosophen Die Verstimmungen und Angriffe gegen die Philosophie vermehrten sich,
je größer die Zahl, folglich je gemischter die Gesellschaft der Philosophen wurde,
und es ist ein Symptom für die fortschreitende Ausbreitung der Philosophie in
Rom in der zweiten Hälfte des i. Jahrhunderts, daß (mindestens bereits unter
Domitian) Heuchler vielfach anfingen, sie als Maske zu benutzen, hinter der sie
am ungestraftesten sündigen zu können hofften. Quintilian spricht wiederholt
mit Erbitterung von diesen Menschen, die, wenn sie einige Zeit in den Vor-
lesungen der Philosophen gesessen hätten, mit heuchlerischen Mienen und langen
Barten sich durch Verachtung andrer Ansehen erschwindelten, öffentlich streng
und finster taten, zu Hause grobe Ausschweifungen begingen; sie hätten den
Namen der Philosophie verhaßt gemacht, unter diesem hätten sich zu seiner
Zeit die größten Laster, die ärgsten Schandtaten versteckt"*). So hatte sich auch
der hochbegabte, aber sittlich haltlose Palfurius Sura, der unter Domitian das
Delatorengewerbe trieb und deshalb gleich nach Nervas Regierungsantritt zum
Tode verurteilt wurde, nach seiner Ausstoßung aus dem Senat durch Vespasian
der stoischen Schule angeschlossen^). Dürftige Stoiker und Kyniker mit un-
geheuren, struppigen Barten*") waren damals in Rom gewöhnliche Erscheinungen,
und unter Domitian wie auch unter Trajan wimmelte dort jeder Stadtbezirk von
grämlich aussehenden Wüstlingen, die das Wesen der Curier zur Schau trugen
und deren Leben in der Tat eine Reihe von Orgien war. Diese Heuchler er-
i) Tac. A. XVI 32. Juv. 3, 115 ff. 2; Martial. XI 56. 3) Appian. Mithridat. 28. 4) Quintil.
XII 3, 12; vgl. 2, 9. I pr. 15. 5) Schol. Juv. 4, 53. Cass. Dio LXVIII i, 2 ev oi(; KOi Iepa(; (Zou-
pai; Merula) f\v 6 qpi\6aoq)0(;; vgl. E. Matthias, Dissert. philol. Malens. II 270. 6) Martial. XI 84, 7.
in Rom
[iV. 3 1 2, 313] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 263
regten den Unwillen ehrlicher Leute auch durch ihre Unwissenheit, trotz der
zahlreichen Gipsbüsten von Chrysipp und andern Philosophen, mit denen sie
ihre Bücherbretter schmückten. Sie waren wortkarg bis zur Stummheit und
trugen das Haar noch kürzer geschoren als die Augenbrauen; doch mancher
von diesen Stoikern, die gleich einem dritten Cato gegen den Sittenverfall der
Mitwelt predigten, verriet seine Üppigkeit durch die ausgesuchten Wohlgerüche,
mit denen er seinen behaarten Hals einrieb^).
Wenn nun schon in der Weltstadt Rom die Zahl der Philosophen und After- und Griechen-
philosophenso groß, ihr Treibenin jenembunten Gewühl, jenem rastlosenDrängen '"°<^ ~
in die Augen fallend genug war, um in so hohem Grade Aufmerksamkeit und
Kritik auf sich zu ziehen, um wie viel mehr in der provinziellen, der Beschau-
lichkeit so viel günstigeren Stille von Griechenland, das doch nach wie vor die
wahre Heimat der Philosophie und der Philosophen war und bis zum Unter-
gange der antiken Kultur blieb ""). Schon Dio von Prusa sagt an den oben an-
geführten Stellen, daß man die Philosophentracht überall erblicke, daß die Zahl
derer, die sie tragen, fast größer sei als die der Schuster oder Walker oder
Spaßmacher oder der Anhänger irgend eines andern Gewerbes; aber, setzt er
hinzu, wenn wir auch die Tracht des Sokrates oder Diogenes tragen, stehen
wir freilich an Weisheit weit hinter ihnen zurück^). Wenn nun die Philosophie
im Kulturleben des damaligen Griechenland einen so breiten Raum einnahm,
blieb doch selbstverständlich die Zahl der wahren Philosophen klein, die über-
wiegende Mehrzahl war es nur, wie Epictet sagt, mit Worten, nicht mit der
Tat*); aber freilich Keßen die Gegner es sich nicht nehmen, gerade auf den
Lebenswandel dieser bloßen Bart- und Mantelphilosophen hinzuweisen, um die
Unfruchtbarkeit der Philosophie für sittliche Vervollkommnung darzutun ^).
Die größte Ausbreitung gewann mit der Philosophie auch die Afterphilo- namentlich un-
sophie unter Marc Aurel. In Rom klagten wahre Philosophen wie der Freund *^^'' ^^^^'^ Aurei.
des Gellius, Macedo, daß Faulenzer mit Barten und Mänteln den Gehalt der
Philosophie in Wortkünsteleien verflüchtigten und beredte Predigten gegen die
Laster hielten, von denen sie selbst im Innersten angefressen waren^j. In Afrika
äußerte Apulejus schon unter Antoninus den Wunsch, es möchte nicht jeder-
mann gestattet sein, die Maske der Philosophie vorzunehmen, damit nicht rohe,
schmutzige, ungebildete Menschen die königliche Wissenschaft, welche ^ieRede
wie das Leben edel gestalten lehre, durch üble Reden und einen ebensolchen
Lebenswandel beflecken könnten. Wenn er dann Frechheit im Schimpfen und
Gemeinheit der Sitten und der äußern Erscheinung als die Haupteigenschaften
dieser Afterphilosophen hervorhebt, so ist offenbar, daß er vorzugsweise oder
ausschließlich an Kyniker dachte^), die nach seiner Ansicht tief unter den Plato-
nikern standen^). Vor allem in Griechenland erblickte man nach Lucian auf
i) Juvenal. 2, i — 43. Martial. IX 47. Dagegen hat Martial vielleicht den offenbar allgemein
bekannten Fronto (XIV 106) als einen echten Stoiker anerkannt. 2) Julian, orat. 3 p. 119 B:
ouKOUv ouöe eS 'EXXrivuuv TravTeXujc; oi'xeTai cpiXocfoqpia, ovbe etiriAiTre rac, 'AQr\vac, ovbe Trjv
lTrdpTr)v ou&e rfiv Köpiv9ov, r^KiöTa 6e eaxi (toutoiv) tüljv tttiyujv eKriTi t6 "ApYOq ttoXuöiViov ktA..
3) Dio Chr. or. 55, 4. 16 (II 185. 189 Arn.). Oben S. 255. 4) Gell. XVII 19, i. 5) Epictet. D.
IV 8, 9. 6) Gell. XIII 8, 4f. 7) Apulei. Florida 7. 8) Apulei. Apol. 39: u(rum igitur putas
pkilosopho noti secundum Cynicam temeritatem rudi et indocto, sed qtii se Piatonicae scolae meminerit,
titrum ei putas turpe scire isla an nescire usw.
204 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 314]
allen Straßen und Plätzen lange Barte, Bücherrollen, abgetragene Mäntel und
große Stöcke in Masse; Schuster und Zimmerleute verließen ihr Werkstatt, um
als Kyniker ein faules Bettlerieben zu führen'). Die Entwürdigung der Philo-
sophie durch den Troß ihrer falschen Jünger, der Mißbrauch, der mit ihrem
Namen getrieben wurde und der die Nichtphilosophen am meisten erbitterte'),
verstärkte natürlich die Reihen ihrer Gegner und gab diesen leichtes Spiel.
Lucian hat es sich zur besondern Aufgabe gemacht, das Treiben dieser Men-
schen dem Hohne der Mitwelt preiszugeben. Sie, die Verachtung des Gelds
und des Ruhms und Leidenschaftslosigkeit lehrten und Tugend als einziges Gut
priesen, unterrichteten für Geld, krochen vor den Reichen, waren zorniger als
bissige Hunde, feiger als Hasen, schmeichlerischer als Affen, gröber als Esel,
räuberischer als Marder, streitsüchtiger als Hähne ^j. Dabei schmähte jede
Schule die andern. Die Stoiker erklärten die Epikureer für Wollüstlinge, die
Peripatetiker für zänkisch und geldgierig, die Platoniker für hoffärtig und ehr-
süchtig, und ihnen wiederum wurden von den übrigen Wuchergeschäfte, Streit-
sucht und andre Laster vorgeworfen'*). Gerieten die Anhänger der verschiednen
Schulen in Streit, so gab es keine Schandtat, deren sie einander nicht anklagten^).
Wenn manche dann noch zur Beschönigung ihrer Laster sich auf die alten
Philosophen beriefen, wie namentlich Platoniker den Ehebruch nach Piatos
Republik, die Trunksucht nach seinen »Gesetzen« entschuldigten^ so war es
kein Wunder, wenn viele geradezu behaupteten, die ausschließliche Vertiefung
in philosophische Bücher leite vom vernünftigen Denken ab^).
Auch Aristides hat in der bereits angeführten Rede, von der Verteidigung
zum Angriff übergehend, die Philosophen als eine jeder Tugend bare, mit allen
Lastern behaftete Menschenklasse geschildert^). Sie behaupten, dem Zeus nicht
nachzustehen, vermögen aber »dem Obol« durchaus nicht standzuhalten. Sie
schmähen auf die übrigen aus bloßem Neide; hielte man ihnen mitten in ihren
Vorträgen über Enthaltsamkeit Kuchen und Gebacknes entgegen, so würden sie
die Zunge sinken lassen wie Menelaos das Schwert, als er die Helena erblickte.
Wenn sie aber Helena sähen — oder vielmehr nur eine Magd wie die Phrygierin
bei Menander — , dann würde das Gebaren der Satyrn bei Sophokles gegen das
ihre als bloßer Scherz erscheinen. Um ihre Untreue und Habsucht zu erkennen,
braucht man ihnen nichts anzuvertrauen, denn sie nehmen schon selbst, soviel
sie können. Das Rauben nennen sie teilen, den Neid philosophische Gesinnung,
die Dürftigkeit Verachtung des Gelds. Sie rühmen sich der Menschenliebe,
haben aber noch nie einem andern genützt, bringen vielmehr denen Nachteil,
die sich an sie wenden. Während sie die übrigen, auch wenn sie ihnen begegnen,
nicht sehen, reisen sie um der Reichen willen in die Fremde, wie die Phryger
zur Olivenernte; sie wittern sofort ihre Nähe, bemächtigen sich ihrer und ver-
heißen ihnen die Tugend mitzuteilen. Allen übrigen erwidern sie kaum auf eine
Anrede freundlich, aber die Köche, Bäcker und sonstigen Diener der Reichen
begrüßen sie schon von weitem, noch ehe sie genau zu erkennen sind, als wären
l) Lucian. Bis accus. 6. Oben I 33 f.. 2) Epictet. a. a. O. Taurus bei Gell. VII lo, 5. 3) Lucian.
Piscator 34. 4) Lucian. Hermotim. 16 ff. 5) Lucian. Lapithae 32 ff. 6) Lucian, Fugitivi 18
(oben I 229). Gell. XV 2, 3. 7) Lucian. Lapithae 34. 8) Aristid. or. 46, II 398 ff. Dind. Vgl.
oben S. 25 9 f.
[IV. 315] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 265
sie eigens dazu aus dem Bett aufgestanden. Sie drängen sich vor den Türen
reicher Häuser und verkehren mehr mit den Pförtnern als mit den Hausherren,
indem sie ihre Kriecherei durch Unverschämtheit unterstützen. Sieht man sie
zum erstenmal, so nehmen sie weniger Anstand, zu fordern, was ihnen nicht
zukommt, als andre, ihr Eigentum zurückzuverlangen. Denn dies sind ja die,
welche die Unverschämtheit Freimütigkeit nennen, die Gehässigkeit Aufrichtig-
keit, das Nehmen Menschenliebe. Sie fordern zwar kein Geld, verstehen aber,
es zu nehmen. Schickt man ihnen zu wenig, so beharren sie bei ihren Grund-
sätzen, kommt ihnen aber ein straffes Beutelchen vor die Augen, dann hat Per-
seus die Gorgo überwältigt; der Vorwand ist äußerst schlau: »die Frau und die
Kinderchen«, Ihre Definition der Seelengröße ist in der Tat ganz neu, daß sie
nämlich nicht darin besteht, Großes hinzugeben, sondern nicht Kleines anzu-
nehmen. Einige haben es aber bereits zum Grundsatze gemacht, die Gabe sich
gefallen zu lassen und nach dem Empfange zu schmähen. Indem sie zugleich
wie Parasiten heucheln und wie Höhere sich insolent betragen, verbinden sie,
gleich den Gottlosen in Palästina, die entgegengesetzten Fehler, Niedrigkeif
und Anmaßung'); und wie jene entfernen sie sich weit von dem Wesen der
Hellenen, namentlich der besseren, indem sie im übrigen stummer sind als ihr
eigner Schatten; wenn es aber auf Schmähen und Verleumden ankommt, möchte
man sie nicht mit dem tönenden Erz zu Dodona, sondern mit den im Finstern
summenden Mücken vergleichen. Zu dem Notwendigen mitzuwirken sind sie
untüchtiger als irgend jemand, dagegen ein Haus zu durchspähen und in Ver-
wirrung zu bringen und seine Bewohner aneinander zu hetzen und zu erklären,
daß sie selbst alles verwalten würden, das verstehen sie wie niemand anders.
Am meisten wurde der Name der Philosophie durch den Troß der Kyniker Die Kyniker.
in Verachtung gebracht, deren Name und Schule nach langer Unterbrechung
im Anfange der christlichen Zeitrechnung wieder auftaucht^). Auch unter ihnen
fehlte es nicht an edeln Gestalten; aber namentlich im 2. Jahrhundert wurde
der Kynismus mehr und mehr zu einem »Aushängeschild, unter dem sich eine
Menge unreiner Elemente versteckte«, und die Masse dieser »Bettelmönche«
des Altertums durch Gemeinheit, Widerlichkeit und Unverschämtheit wenig-
stens in Griechenland zu einer wahren Landplage. Eine karikierende Nach-
ahmung des Diogenes und Antisthenes in äußerer Erscheinung, Tracht ^), Lebens-
weise und Betragen, das war alles, worin sich die auf Bedürfnislosigkeit, Welt-
entsagung und Erhebung über alle menschlichen Schwächen beruhende sittliche
Freiheit bei nur zu vielen bekundete, die man an dem zerlumpten Mantel oder
gar einem Bärenfell'*), dem unverschnittenen Haar und Bart, dem Stab (gelegent-
lich auch einer Mörserkeule)^) und Ranzen als Kyniker erkennen sollte. Die
weltbürgerliche Heimatlosigkeit wurde hier zur Landstreicherei, die Rückkehr
zum Naturzustande zu ekelhafter Unflätigkeit, von der Epictet in einem beson-
dern Vortrage beweisen zu müssen glaubte, daß sie keineswegs ein Erfordernis
für Philosophen sei^). Die Besitzlosigkeit mußte als Vorwand für freche Bettelei
und niedriges Schmarotzertum dienen, die Selbsternennung zum Erzieher der
l) Vgl. oben S. 234. 2) Zeller III 1'* S. 791 ff. 3) Zum Spott über die äußere Erscheinung der
Philosophen vgl. Geffcken, Kynika und Verwandtes (1909) S. 53ff. 4) Lucian. Demonax 19.
5) ebd. 48. 6) Epictet. Diss. IV ii.
266 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 316, 317]
zurückgebliebenen Menschheit und zum Arzt ihrer Gebrechen ZudringHchkeit
und Marktschreierei rechtfertigen, pöbelhafte Grobheit statt derben Humors
den Predigten dieser antiken Kapuziner zur Würze dienen.
Die Züge zu diesem abschreckenden Bilde, das Lucian breit ausgeführt hat^),
finden sich auch bei andern. Schon Petron sagt, daß auch die, welche ihr Leben
mit dem kynischen Ranzen hinbringen, zuweilen die Wahrheit für Geld zu ver-
kaufen pflegen^). Epictet stellt dem Ideal des Kynikers »die jetzigen« gegen-
über, die »Hund' um die Tische des Hausherrn«, die dem Diogenes in nichts
nachahmten als in der ungesittetsten Zwanglosigkeit, deren ganzer Kynismus in
Stab und Ranzen, großen Kinnbacken, Schlingen und Einsacken, grobem
Schimpfen und Zurschaustellen breiter Schultern bestand-). Gellius befand sich
einmal bei Herodes Atticus, als ein solcher Bettler mit langem Haar und bis
über den Nabel herabhängendem Bart an diesen herantrat und mit ausgestreck-
ter Hand Geld »zu Brot« verlangte. Auf die Frage, wer er sei, antwortete er
grob: ein Philosoph, das sehe man ihm ja doch an. Jemand aus der Umgebung
des Herodes bemerkte, er sei ein Landstreicher und Taugenichts, der sich in
schmutzigen Kneipen umhertreibe und die, welche ihm nichts geben, mit
schmählichen Schimpfreden anfalle; Herodes ließ ihm jedoch Geld zu Brot für
30 Tage reichen''). So ist denn auch an der Angabe Lucians nicht zu zweifeln,
daß entlaufne Sklaven und Taugenichtse, denen ein ehrlicher Erwerb durch ein
Handwerk zu sauer war, dieses bequeme und einträgliche Bettlerleben wählten,
das ihnen zugleich die Möglichkeit gewährte, unter der Philosophenmaske ihren
tierischen Neigungen zu frönen. Sie brandschatzten oder schoren nach ihrem
eignen Ausdrucke die Schafe überall mit gutem Erfolg, denn die meisten gaben
aus Scheu vor der ehrwürdigen Tracht oder aus Furcht vor ihren Schmähungen;
und Lucian behauptet nicht bloß, daß man in ihren Ranzen zuweilen Goldstücke,
Spiegel, Salben und Würfel fand, sondern auch, daß manche so viel zusammen-
bettelten, um sich Ländereien und Häuser zu kaufen und in Üppigkeit zu leben ^j,
Anerkennung Obwohl nun also in der griechischen wie in der römischen Welt in den ver-
der Philosophie schiedensten Bildungs- und Lebenskreisen teils gegen die Philosophie, teils
Sittlichkeit bei g^g^^ <^i^ Philosophen berechtigte und unberechtigte Abneigungen der mannig-
dcn Römern, fachsten Art bestanden, so war doch offenbar die große Mehrzahl der Gebildeten
auch in Rom und den westlichen Ländern von der Überzeugung durchdrungen,
daß die Philosophie die beste Führerin zur höchsten Sittlichkeit sei, und schon
die bisher geschilderte, so vielseitige und lebhafte, ja gereizte Opposition ist
ohne die allgemeine Verbreitung dieser Ansicht nicht denkbar, sie setzt sie
vielmehr voraus. Als den Vertreter der Anschauung, die im späteren römischen
Altertum die meisten Anhänger zählte, dürfen wir wohl auch hier Cicero an-
sehen. Nach ihm^) würde es allerdings keiner Philosophie bedürfen, wenn die
von der Natur in uns gepflanzten Keime der Tugend sich ungestört entwickeln
I) Der Entschluß, den Kynismus schonungslos zu bekriegen, scheint um die Zeit, als Lucian
die > Philosoph en-Versteigerung€ veröffentlichte, gereift zu sein. Bernays, Lukian u. die Kyniker
S. 48. 2 Petron. sat. 14, 2. 3) Epictet. D. III 22, 80 (oüöev )ai|uoOvTai 6K6ivou(; r\ ei' Ti äpa
TTopöluve^ -^vjovTax]. 4) Gell. IX 2. 5) Lucian. Fugitiv. I2ff.; Piscator 45. 6) Cic. Tusc. III
1-7-
[IV. 31 8] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 267
könnten. Da wir aber von Geburt an unaufhörlich unter dem Einflüsse falscher
und verkehrter Vorstellungen stehen, sie mit der Ammenmilch einsaugen, von
Eltern, Lehrern, Dichtern, endlich dem Volk, in dem wir leben, immer mehr
mit Irrtümern angesteckt werden: so bedürfen wir eine Heilung für unsre er-
krankte und verbildete Seele: und diese Herstellung unsrer natürlichen Gesund-
heit kann uns allein die Philosophie geben.
Dem Gewichte der so allgemein anerkannten Autorität Ciceros, der ja in einer
Schrift »Hortensius< als Anwalt der Philosophie gegenüber der Beredsamkeit
aufgetreten war, konnten sich am wenigsten alle diejenigen entziehen, die in der
Beredsamkeit das Ziel und den Inbegriff aller Bildung erkannten. Auch Quin-
tilian, der, den Philosophen feindlich gesinnt, die Philosophie als Magd der
Beredsamkeit zu betrachten geneigt ist, erkennt doch an, daß niemand ohne
die Lehre von der Tugend und Gerechtigkeit sittlich gut sein könne. Die Be-
hauptung, daß die Tugend ohne Unterricht erworben werden könne, achtet er
kaum einer Widerlegung wert. Sein idealer Redner soll nach seiner allseitigen
technischen Ausbildung eine ebenso allseitige philosophische, in der Physik
(Naturphilosophie), Dialektik und Ethik erhalten'). Wenn er hinzufügt, er solle
ein Philosoph sein, der sich nicht durch Schuldisputationen, sondern durch
Handlungen, durch tatsächliche Beweise seiner Gesinnung als wahrhaft bürger-
licher Mann zu bewähren habe:- so werden wir daran erinnert, daß allerdings
nicht bloß über die Zwecke, sondern auch über das wünschenswerte Maß der Differenzen über
philosophischen Bildung, auch unter denen, die ihre Notwendigkeit oder Nütz- das erforderliche
, • , , • . .1 •■ • , ,17 , ,. ..^ ^T . , • 1 Maß philosophi-
lichkeit anerkannten, m der romischen Welt die größten Meinungsverschieden- ^^^^^j. Biiduncr.
heiten herrschten. Tacitus äußert sich im Sinne jenes starren R'ömertums,
\\ elches das Studium der griechischen Schulweisheit auf ein möglichst geringes
Maß beschränkt wissen wollte'). Dagegen genügt es, Nam.en wie Seneca, Persius,
Musonius Rufus, Marc Aurel zu nennen, zum Beweise, daß auch in der ge-
bildeten römischen Welt die Forderung einer vollen Hingabe an die Philosophie
ihre Vertreter gehabt hat. Die Philosophie, sagt Seneca, läßt sich nicht als
Nebensache behandeln. Sie ist eine gebietende Herrin, sie spricht: ich nehme
nicht die Zeit an, die ihr übrig behaltet, sondern ihr sollt die frei haben, die ich
euch anweise. Gibt man sich ihr ganz hin, richtet auf sie den ganzen Geist,
versagt sich allem andern, dann kommt man allen übrigen Menschen weit voraus
und bleibt hinter den Göttern nicht weit zurück^]. Sie ist nicht da, um den Tag
mit einer angenehmen Unterhaltung hinzubringen, den Müßiggängern die
Langeweile zu vertreiben: sie gestaltet und bildet den Geist, ordnet das Leben,
gibt den Handlungen Richtung, zeigt, was zu tun und zu lassen ist, sitzt am
Steuer und lenkt durch die Gefahren der Wogen die Fahrt. Ohne sie kann
niemand furchtlos, niemand ruhig leben, unzählige Ereignisse treten zu jeder
Stunde ein, die einen Rat erfordern, den man von ihr holen muß^). In zwei
sehr langen Abhandlungen hat Seneca die (offenbar viel erörterte) Frage be-
handelt, ob für das Leben der paränetische Teil der Moralphilosophie, d. h. eine
praktische, die Vorschriften für alle wichtigen Verhältnisse enthaltende Pflichten-
i) Quintilian. Inst. XII 2. 2) Tac. Agricola 4. 3 Seneca ep. 53, 8 — 11 'dazu Haupt, Opusc.
III 501). 4: Seneca ep. 16. 3.
268 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [fV. 319]
lehre genüge, oder ob diese auf ein theoretisches System der Grundsätze oder
Dogmen begründet werden müsse, aus denen die Normen des Handelns für
alle einzelnen Fälle sich ergeben '). Die einen erklärten jenen (den paränetischen),
die andern diesen (den dogmatischen) Teil für entbehrlich: Seneca führt aus,
daß die volle und wahre sittliche Bildung nur durch die Verbindung beider er-
reicht werden könne. Eine auf Prinzipien begründete Überzeugung muß die
Basis und die Quelle aller Handlungen und Gedanken, diese müssen auf ein
festes Ziel, das zu erstrebende höchste Gut gerichtet sein, wie der Lauf der
Schiffe sich nach einem Gestirn richtet: ohne eine solche grundsätzliche dogma-
tische Überzeugung ist eine unwandelbare Beständigkeit in Tun und Denken
unmöglich ; sie ist auch der Boden, in dem allein die Lebensregeln der Sitten-
lehre wurzeln, aus dem sie allein immer neue Lebenskraft ziehen können. Aber
auch diese speziellen Regeln sind neben jenen allgemeinen Grundsätzen unent-
behrlich. Umgeben von verkehrten Vorstellungen, von Irrtümern aller Art,
von Lüge und Schein, bedürfen wir einer unablässigen Einschärfung auch der
bekannten Wahrheiten, mitten in dem Getöse des Wahns einer warnenden und
mahnenden Stimme, in dem Brausen der Städte eines uns zur Seite stehenden
Erinnerers, der gegenüber den Lobrednern des Reichtums, der Macht und
Gunst uns die dem Studium gewidmete Ruhe und den aus der Außenwelt zu
sich selbst zurückgekehrten Geist schätzen iehrt. Die Philosophie kann uns
allein die Gesundheit der Seele geben""), sie ist die einzige Lehrerin der höchsten
Kunst, der Kunst zu leben ^), und nicht bloß die beste Führerin zur SittHchkeit,
sondern auch die einzige : es gibt keine Tugend ohne Philosophie, ebensowenig
wie Philosophie ohne Tugend'^).
Wer eine so völlige Hingabe an die Philosophie verlangte wie Seneca, der
konnte begreiflicherweise ebensowenig mit dem Eifer ihrer Jünger als mit ihrer
Zahl leicht zufrieden sein. Niemand, so klagt er (etwa ums Jahr 64), kümmere
sich um die Philosophie, außer etwa wenn Schauspiele einen Aufschub erleiden
oder ein Regentag eintrete, an dem man die Zeit töten wolle ^); in den Schulen
der Philosophen wie der Rhetoren sei es leer^;. Doch diese Klagen des stets
übertreibenden Schriftstellers würden höchstens beweisen, daß seine idealen
Anforderungen unerfüllt blieben. Daß in der Tat die Philosophie auch damals
in der Jugend der höheren Gesellschaft zahlreiche eifrige Jünger hatte, zeigt die
Verbannung des Musonius Rufus im Jahre 65, den, wie Tacitus sagt, der Ruhm
seines Namens vertrieb, da er auf die Bildung der Jugend durch Anleitung zur
Philosophie wirkte^). Natürlich konnte nur eine erhebliche Anzahl von Schülern
aus den höheren Ständen^) die Aufmerksamkeit und den Verdacht der Nero-
nischen Regierung erregen.
Die überwiegende Mehrzahl der Philosophen, die in Rom und andern Städten
des Westens (namentlich in Massilia, einem Hauptsitze dieser Studien schon in
Strabos Zeit^)) als Lehrer wirkten, waren allerdings Griechen'"), und die Aner-
i) Seneca ep. 94. 95. 2)ebd. 15, i. 3)ebd. 90, 27. 4) ebd. 89, 8. 5) Seneca Nat. qu. VII 32, i;
über die Abfassungszeit Gercke, Jahrb. f. Philol. Suppl. XXII 1895 S. 311 f. 6) Seneca ep. 95, 23.
7) Tac. A. XV 71. 8) Plin. ep. III 11, 5. 9; Strabo IV i8r. 10) Zeller III i"* S. 556 f. Der
römische Philosoph Italicus (6 |ud\i0Ta öokAv auxuJv qpi\6aoqpo^ cTvai Epictet. Diss. III 8, 7] ist
nach Buechelers ansprechender Vermutung (Rhein. Mus. XXXV 1880 S. 390 f.) der Dichter Silius
[IV. 320, 32 1] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 269
kennung der Philosophie als einer griechischen Wissenschaft zeigt sich auch
darin, daß ein großer Teil der nichtgriechischen Philosophen, wie die beiden
Sextier, Cornutus, Musonius Rufus, Favorinus, Marc Aurel, zum Teil auch Apu-
lejus, griechisch schrieb. Wie sehr sie sich jedoch in Rom bereits im letzten Teilnahme der
Jahrhundert. V. Chr. eingebürgert hatte, das zeigt nicht nur die große Anzahl phUoTophie'^^'^
von Anhängern, Verehrern und Gönnern, die sie in der gebildeten Gesellschaft
Roms fand, und die Entstehung einer römischen philosophischen Literatur:
sondern noch weit mehr die Bildung der römischen Philosophenschule der
Sextier'). Sie war freilich nur eine Form des Stoizismus, wie er sich im römi- ^'^ Schule
sehen Bewußtsein gestaltete, namentlich insofern sie sich entschieden auf die
Sittenlehre beschränkte, mit einer asketischen, aus dem Pythagoreismus ent-
lehnten Beimischung (wie der Verwerfung der Fleischnahrung); da sie also mit
dem Stoizismus und Kynismus des i. Jahrhunderts im wesentlichen zusammen-
traf, fehlte die Grundbedingung ihrer selbständigen Existenz; sie löste sich nach
kurzer Zeit auf, und ihre Schüler traten, wie Seneca, in die große stoische Ge-
meinschaft zurück, aus der die Sextier ausgeschieden waren. Während ihres
Bestands jedoch hat die Schule bedeutende Vertreter gehabt und bedeutende
Wirkungen geübt. Zu ihr gehörten außer ihrem Begründer Q. Sextius, einem
Mann von guter Familie (der den ihm von Julius Cäsar angebotenen Senatoren-
stand und die amtliche Laufbahn verschmähte, um ganz der Philosophie zu
leben), und seinem Sohne der fruchtbare Schriftsteller Cornelius Celsus, der
gelehrte Grammatiker L. Crassicius aus Tarent (der seine bedeutende Lehr-
tätigkeit aufgab, um dieser Sekte ganz anzugehören) und Papirius Fabianus,
den Seneca als junger Mann gehört hatte und hoch verehrte. Er nennt ihn
einen wahren Philosophen nach Art der Alten, nicht der jetzigen Katheder-
philosophen, doch rühmt er auch seine öffentlichen Vorträge. Man fühlte sich
durch seine Ermahnungen erhoben und zur Nacheiferung angeregt, ohne daß
man die Hoffnung verlor, ihn sogar zu übertreffen: und wenn auch im allge-
meinen seine Zuhörer ein bescheidnes Schweigen beobachteten, so riß sie doch
mitunter die Größe seiner Gesinnung zu begeistertem Beifalle hin'').
Von den Systemen der griechischen Moralphilosophie war unzweifelhaft der Verbreitung des
Stoizismus dem römischen Nationalcharakter am meisten homogen und zählte ^'o'^is"^"^ —
daher auch unter den ernst nach sittlicher Vervollkommnung strebenden Römern
zu allen Zeiten die meisten Anhänger. In der langen Reihe hervorragender
Persönlichkeiten der römischen Geschichte, die wir als Stoiker kennen, erblicken
wir die edelsten Gestalten dieser Jahrhunderte und nicht wenige, die durch ihr
Leben und ihren Tod den Ernst und die Aufrichtigkeit der aus jener Philosophie
gewonnenen Überzeugungen betätigt haben; und auch die uns erhaltenen philo-
sophischen Werke römischer Schriftsteller dieser Periode gehören fast aus-
schließlich dieser Schule an^). Daß der Epikureismus zu allen Zeiten nächst Epikureismus —
dem Stoizismus wohl die zahlreichsten Anhänger hatte, darf man auch ohne
ausdrückliche Zeugnisse von seiner Verbreitung in der römischen Welt unter
Italicus. Daß er Stoiker war, kann durch die von Buecheler angeführten Gründe als so gut wie
erwiesen gelten.
i) Zeller a. a. O. S. 699 ff. 2) Seneca ep. loo, 12. 52, 11. 3) Inschriften stoischer Philosophen
in Rom CIL VI 9784. 9785 (= Dessau 7779).
270 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHkRIN [IV. 322]
dem Kaisertume voraussetzen^). Daß die Epikureer namentlich im öffentlichen
Leben nicht hervortraten, war ja in der Natur dieser Schule begründet, welche
die Verborgenheit geflissentlich suchte, und ihr Bedürfnis, ihr System in der
Literatur geltend zu machen, war gering und hinlänglich durch ältere Schriften
befriedigt^),
und der übrigen Die Übrigen philosophischen Schulen waren unter den Römern zwar ohne
^^ ^™Wmern" Zweifel weniger verbreitet, ohne Vertretung aber war wohl keine ^), und die
eklektische Richtung der Römer brachte es mit sich, daß jede auch außerhalb
des Kreises ihrer eigentlichen Anhänger Interesse und Anziehung übte. Die
Vorträge, die der Platoniker Plutarch noch unter Domitian in Rom hielt, wurden
von den bedeutendsten Männern Roms besuchf*]; und mehrere von ihnen traten
mit dem hochverehrten Philosophen in ein dauerndes Verhältnis, wie der Kon-
sular L. Mestrius Florus^), Q. Sossius Senecio (Konsul 99 und 107), dem Plutarch
einige der Biographien berühmter Männer und sonstige Schriften widmete^), Fun-
danus (ein Schüler des Musonius^), doch wohl Minicius Fundanus Konsul 107),
Terentius Priscus^) (wohl sicher derselbe, der auch Martials Gönner war)^) und
andre ^°). Gellius, der in Athen den berühmten Platoniker Calvisius Taurus ' ') eifrig
hörte, gehörte zu einem großen Kreise dort studierender Männer, die alle die-
selben Vorlesungen besuchten"). Von der Stellung, die der Kyniker Demetrius
in der Zeit von Nero bis Vespasian in Rom einnahm, wird unten die Rede sein. Der
Kyniker Crescens, dessen Verleumdungen der Christen Justinus in öffentlichen
Vorträgen zu Rom widerlegte, soll die Verfolgung und Hinrichtung des letzteren
wegen seines Bekenntnisses herbeigeführt haben ^^). Auch der Kyniker Thea-
genes, ein eifriger Anhänger des Peregrinus Proteus"*), der nach Galens Er-
zählung an der falschen Behandlung des Arztes Attalus (Schüler des Soranus),
eines »Esels von der Sekte des Thessalus«, starb, war zu Rom eine sehr be-
l) Zeller a. a. O. S. ßSgf. Außer den dort genannten: Der "Verfasser der Ciris, Skutsch, Aus
Vergils Frühzeit S. 47. 84. Die Dichter Vergil, Horaz, Varius (Qulntil. VI 3, 78) und Quintilius
(Varus), A. Körte, Rhein. Mus. XLV 1890 S. I72ff. Ein Senator Pompedius 'ETTiKOupeioq unter
Caligula, Joseph. A. J. XIX 32. Ein C. Stallius Hauranus ex Epicureio gaudivigente choro CIL X
2971 = Buecheler, Carm. ep. 961. Über Lucilius Junior vgl. Seneca ep. 46, l (vgl. unten S. 309).
Petron. sat. 132, 15 nennt Epikur/^zi'^r <vm. Inschrift eines epikureischen Philosophen in Rom CIL VI
37813, eines andern aus Rhodus in Brundisium IG XIV 674 = CIL IX 48 (Dessau 7780). Ol 'A9ri-
vriöiv 'EiTiKOupeioi qpiXöooqpoi, IGR III 733. Epikureer (iroXXoi öe r\OO.v) als Gegner des Alexander
von Abonuteichos, besonders in Amastris, Lucian. Alexand. 25. Fortdauer des Epikureismus im
4. Jahrhundert nach Äußerungen des Hilarius von Poitiers: A. Zingerle, Sitzungsber. der Wiener
Akad. CVIII 1884 S. 969. Äußerungen über sein Erlöschen von Gegnern wie Julianus und Augu-
stinus (Usener, Epicurea p. LXXVf.) sind mit Vorsicht aufzunehmen. 2) Über epikureische Züge
in der Weltanschauung Senecas E. Howald, N. Jahrb. f. klass. Altert. XXXV 1915 S. 353 ff.
3) Philosophen ohne Angabe der Schule CIL VI 9783 = Dessau 7778 [lulio luliano viro magno,
philosopho primo aus der Zeit des Commodus, vgl. Bang, Hermes LIII 19 18 S 211 ff.). IG XIV
1149, I. 1887; ein [qpiX^oaoqpoc; TrepmaTriTfiKÖq] IG XIV 1088. 4) Vgl. über Plutarchs römische
Freunde Hertzberg, Gesch. Griechenlands unter d. Römern II 179 ff. 5) Plutarch, Otho 14; vgl.
Quaest. conviv. I 9, i. III 4. V 7. VII 4. 6. Prosop. imp. Rom. II 370. 6) Prosop. imp. Rom.
in 255. 7) Plut. De cohib. ira 2, vgl. De tranq. an. i. Prosop. imp. Rom II 377. 8 Plut. De
def. orac. I. 9) Dessau, Hermes XLVI 191 1 S. 160. 10) Paccius: De tranq. an. i; Satuminus
(Pompejus Satuminus, Prosopogr. III 70 nr. 491 ?): Adv. Coloten i; Sextius Sulla: Plut Rom. 15, 3.
Prosopogr. III 239 nr. 476. 11) Vgl. seine dephische Ehreninschrift Dittenberger, Syll.^ 868.
12) Gell. I 2, I. XVIIl 2, 2. 13) Euseb. hist. eccl. IV 16. Hicron. De vir. ill. 23 u. a. 14) Lucian.
Peregrin. 4 ff. Bernays, Lukian und die Kyniker S. 14 ff.
[IV. 323] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 271
kannte Persönlichkeit, da er täglich in den Thermen des Trajan disputierte.
Als Attalus mit zahlreichen Freunden des Patienten in dessen Haus trat, um
ihnen denselben als Rekonvaleszenten zu zeigen, waren Kyniker und andre
Philosophen gerade beschäftigt, die Leiche des Philosophen zu waschen, der
nach den Grundsätzen seiner Schule weder Sklaven noch Familie hatte'). Galen
begründete seinen Ruf in Rom (im Jahre 162)^) durch die Herstellung des
62 jährigen Peripatetikers Eudemus^). Diesen besuchten während seiner Krank-
heit »fast alle durch Rang und Bildung hervorragenden Männer«, namentlich
Sergius PauUus (zum zweiten Male Konsul 168, auch Stadtpräfekt)"*), »ein durch
philosophische Bildung und Handlungsweise ausgezeichneter Mann«^), und der
Konsular Flavius Boethus, der eifrig dem Studium der Aristotelischen Philo-
sophie ergeben war^). Dieser, sowie (M. Ceionius) Civica Barbarus, Konsul 157,
Oheim des Lucius Verus, und der gleichfalls als Aristoteliker bezeichnete^)
Cn, Claudius Severus (Konsul 163 und 173) ließen sich von Galen anato-
mische Vorträge halten; denselben wohnten (außer andern Philosophen) der
(mehr dem Aristoteles als dem Plato anhängende) Peripatetiker Alexander aus
Damascus (im Jahre 162 Lehrer des Boethus, etwa 175 öffentlicher Lehrer
zu Athen) ^) und Demetrius aus Alexandria bei, der letztere ein Freund des
Favorinus, der täglich öffentlich in der Weise seines Lehrers über vorgelegte
Themata sprach^). Favorinus selbst, der Skeptiker war, stand bei Hadrian in
Gunst und versammelte u iter ihm und seinem Nachfolger eine große Anzahl
von Schülern und Bewunderern, zum Teil von hohem Stande'"). Gellius, der
sich an ihn hauptsächlich anschloß, erwähnt als seine Freunde einen Peri-
patetiker und einen Stoiker, »beides zu Rom angesehene Philosophen«"); in
einer gelehrten Gesellschaft, in welcher Gellius einmal die heißeste Sommer-
zeit in Tibur verbrachte, war auch ein Peripatetiker, der den Aristoteles eifrig
studierte"). Fronto empfiehlt dem Q. Egrilius Plarianus (Legat von Afrika im
Jahre 159)'^) als einem Freunde und Kenner der Philosophie den Platoniker
Julius Aquilinus, dessen Vorträge in Rom den größten Zulauf gehabt und bei
sehr vielen Männern des Senatorenstands Beifall gefunden und Bewunderung
erregt hatten '"*). Apulejus rühmt (etwa 158) den Prokonsul von Afrika, Claudius
Maximus, als Kenner der Werke Piatos im Original'^). Alexander von Aphro-
disias spricht (zwischen 198 und 211) den Kaisern Severus und Caracalla in der
Widmung einer Schrift seinen Dank für seine Ernennung oder Bestätigung als
Lehrer der Aristotelischen Philosophie (in Athen) aus und rühmt, daß sie die
Philosophie wahrhaft ehren und fördern'^). Der erste Gordian verbrachte, wie
sein Biograph sagt, sein ganzes Leben in der Gesellschaft der Alten, des Plato
und des Aristoteles, des Cicero und Vergil'^).
l) Galen. X 909 ff. (unter Septimius Severus geschrieben, Ilberg, Rhein. Mus. XLIV 1889 S. 223.
229). 2) Ilberg, N. Jahrb. f. klass. Altert. XV 1905 S. 286 f. 3) Galen. XIV 605 ff. 4) Prosop.
imp. Rom. III 221 f. 5) Galen. II 218. 6) ebd. XTX 13. 7) ebd. XIV 6i2f., vgl. über die Person
Prosop. I 398 f. und oben S. 253. 8) Gercke, Real-Encykl. I 1452 f. 9) Galen. XIV 627. 10) Phi-
lostrat. Vit. soph. I 8, 4. Gell. XII i, 1—3. 11) Gell. XVKI i, i. 12) Gell. XIX 5, 2. 13) Groag.
Real-Encykl. V 201 1. 14) Fronto ad amicos 14 p. 176 f. Naber; dazu Klein, Rhein. Mus. XXXI
1876 S. 639 f. Vgl. unten S. 280 A. 4. 15) Apulei. apol. 64; vgl. Rohde, Kl. Schrift. II 44. Groag,
Real-Encykl. III 2773. 16) Alex. Aphrodis. de fato i p. 164 Bruns (Suppl. Aristot. II 2). 17) Hist.
aug. Gordian. 7, i.
2-2 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 324]
Diese im \'erhältnis zu der Dürftigkeit unserer Kenntnis der damaligen gei-
stigen Zustände zahlreichen Erwähnungen philosophischer Studien in Rom.
sowie andre gelegentliche Nachrichten (wie z. B. daß in Trajans Zeit dort bei
Mahlzeiten zur Unterhaltung der Gäste Platonische Dialoge aufgeführt wurden)^).
lassen uns die Vorstellung gewinnen, daß in den höheren Ständen Roms seit
dem Ende des i. Jahrhunderts ein reges und vielseitiges Interesse für Philo-
sophie verbreitet war. und die Berichte des Porphyrius über die Erfolge cles
Plotin in Rom zeigen, daß es noch bis tief ins 3. Jahrhundert lebendig
blieb ^K
Beginn des philo- Die philosophischen Lehrjahre begannen für die meisten jungen Männer nach
sophi5chen Lnter- ßgenclisaina- des orammatischen und rhetorischen Unterrichts^). Gellius, der diese
nchts gewohnhcti & & & _ . 7 .
im ersten Jäng- Studien ungewöhnlich lange fortsetzte, schemt erst im Alter von etwa 30 Jahren
lingsalisr. 5}^^ der Philosophie zugewandt zu haben*;, während Marc Aurel seine philo-
sophischen Studien im zwölften Jahre ungewöhnlich früh begann^). Die große
Mehrzahl dürfte mit der Anlegung der Männertoga in die Schule eingetreten
sein, die ihre Zöglinge zur sittlichen Mündigkeit entließ, unter die Männer im
höheren Sinne des Worts versetzte^]. Persius, der im Alter von sechzehn Jahren
die Bulla und das Knabenkleid ablegte, empfand nun, da ihm die weiße Toga
gestattete, seine Augen in dem verwirrenden Gewühl Roms überall frei umher-
schweifen zu lassen, lebhaft das Bedürfnis, einem bewährten Führer zu folgen,
um in dem Labyrinth der vor ihm liegenden verschlungenen Pfade den Weg
des Lebens richtig zu wählen; er schloß sich aufs engste an Cornutus an^j.
Auch Seneca stand im ersten Jünglingsalter, als er die Schule des zur Sekte
der Sextier gehörenden Alexandriners Sotion besuchte^). Plutarch übersandte
seine Schrift »Von der Kunst des Hörens« einem jungen Freunde mit der Er-
innerung, daß er mit Anlegung der Männertoga aus der Obhut der früheren
bezahlten Lehrer nun in die der Vernunft als einer göttlichen Führerin des
Lebens eingetreten sei: den wahren Männerschmuck vermöge allein die Philo-
Sophie den Jünglingen anzulegen^;.
Die große Mehrzahl setzte vermutlich den regelmäßigen Besuch philoso-
phischer \'orlesungen höchstens bis zur Begründung eines eigenen Hausstands
fort, obwohl Plutarch in den Sorgen und Geschäften, die dieser mit sich brachte,
keine genügende Entschuldigung erkennen wollte, etwas so viel Wichtigeres
zu vernachlässigen^"). Und in der Tat war es offenbar nicht ungewöhnlich, ver-
l) Oben I 252. 2 Porphyr. Vit. Plotini 7. 9. Der vornehme Caeionius Rufius Albinus, Stadt-
präfekt 335 — 337, heißt in der Inschrift CIL VI 170S = Dessau 1222 phiicscphus vgl. Seeck,
Hermes XIX 1SS4 S. 190 f.". Sidon. Apollinar. ep. III 6. 2 an Eutropius praef. praet. Galliarum]
consectanei z-estri Plotini dogmatibtis inhaertrites. IV i, 3 Probus): tu sub Etiscbio nostro inier Aristo-
telicas caiegorias artifex dialectictts atticissabas. IV 1 1 Claudianus' : qui indesinentei- salva religione
philosopharetur; et licet crinem barbamque non pasceret, pallium et clavam nunc inrideret, nun^ etiam
execraretur, a collegio tarnen Covplatcnicoruvi solo hatiiu ac fide dissociabatur. Doch Augustin.
Conf. r\' 16, 28 sagt, daß die Kategorien des Aristoteles kaum von den magisfris eruditissimis —
multa in pulvere depingentibus verstanden würden. 3' QuLntilian. XII prooem. 3: crator a dicendi
magistris dimissus — maiora sibi auxilia ex ipsis sapicntiae penetralibus petif. Paulus Aegin. de art.
med. I 14 [oben I 176, bezeichnet die Jahre vom 14. bis zum 20. als die Zeit des Unterrichts in
der Mathematik luid Philosophie. 4 S. Anhang XXI. 5 Hist. aug. M. Aurel. 2, 6. 6) Seneci
ep, 4. 2. 7' Fers. Sat. 5. 30 ff., vgl. Vita Pers. p. 64, 14 Leo. 8} Seneca ep. 49, 2 [puer]. 108, 17
iuvenis], 9 Plutarch. De audiendo i f. 10 Plut. de cupid. divit. 7.
[IV. 325, 326] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 273
heiratete und ältere Männer in die Philosophenschule gehen zu sehen';; Seneca
war schon ein Sechziger, als er in Neapel den Philosophen Metronax hörte. Er
schreibt an Luciiius, er gehe nun bereits den fünften Tag in die Schule, um
Metronax am Nachmittag (von der achten Stunde ab] vortragen zu hören: diese
Schule, sagt er, läßt jedes Alter zu; soll ich etwa erröten, zu einem Philosophen
zu gehen ? Freilich ist sie sehr wenig besucht, während das Theater, in dem
gleichzeitig musikalische Wettkämpfe stattfinden, gedrängt voll ist, und die
Schüler des Metronax werden als Toren und Müßiggänger verspottet^].
Der philosophische Unterricht bezog sich auf die drei Abteilungen der Philo-
sophie, die alle Schulen anerkannten, Logik, Physik und Ethik. Nur die Plato-
niker verbanden damit auch damals noch, wie es scheint in der Regel, das
Studium der Mathematik; in ihren Studierzimmern sah man Figurentafeln,
Kugeln u. dgl. ^j, in ihren Auditorien äußerten die Schüler ihre Wißbegier durch
gelehrte mathematische Fragen"*). In der stoischen Schule, über welche wir Logik und
aus jener Zeit die meisten Nachrichten haben, wurde in der Regel mit der Logik ^^i^^^'^^"'^'-
(und Dialektik; angefangen^), wenn auch die stoischen Autoritäten über die
Reihenfolge beim Unterricht nicht übereinstimmen. Seneca nennt die Logik die
>ABCschule« der Philosophen^). Obwohl der Stoizismus und die Philosophie
überhaupt damals die Ethil^ so sehr zum Hauptgegenstande und Zwecke des
Unterrichts machte, daß die beiden andern Teile neben ihr als nicht bloß unter-
geordnet, sondern selbst mehr oder weniger entbehrlich erscheinen konnten'';,
hielten doch auch Männer wie Musonius Rufus^] und Epictet^), wie sehr sie als
alleinigen Zweck der Philosophie die sittliche Bildung betrachten, und wie wenig
Interesse sie auch an logischen und dialektischen Erörterungen nehmen moch-
ten'"), die Logik als Grundlage des philosophischen Studiums für unerläßlich;
noch weniger konnte über ihre Notwendigkeit und Nützlichkeit für eine allge-
meine wissenschaftliche Bildung, namentlich bei solchen, die sich der Bered-
samkeit widmeten, ein Zweifel sein.
Dieses trockne Studium war nun für Scharfsinnige, vollends wenn sie zur
Spitzfindigkeit neigten, um so anziehender, als man mit der Virtuosität in der
Handhabung logischer Formen in Disputationen und sonst leicht glänzen konnte.
Hat man sich, sagt Gellius, in diese anfangs abschreckende Wissenschaft erst
eingelassen, so leuchtet ihr Nutzen je länger je mehr ein, und es entsteht
eine unersätdiche Lust zum Lernen, der man Einhalt tun muß, weil man sonst
in Gefahr gerät, in jenen labyrinthischen Irrgängen der Dialektik wie an den
Inseln der Sirenen sein Leben zu verbringen"). Das Schlimmste an den Sophis-
men, sagt Seneca, ist, daß sie einen gewissen Reiz ausüben und den durch den
Schein des Scharfsinns verlockten Geist aufhalten und fesseln, während eine
solche Menge von wichtigeren Dingen uns weiter ruft und kaum das ganze
i) Plutarch erzählt z. B., wie Anilenus Rusticus in Rom in einer seiner Vorlesungen eine kaiser-
liche Depesche erhielt, De curiosit. 15. 2) Seneca ep. 76, 1—4. 3 Lucian. Nigrin. 2. 4) Plu-
tarch. De audiendo 10.^ Vgl. Coni. praec. 48; De adulat. et amico 7: av &e '6 KoXat, Oripeuri 91X6-
XoTOv KOI qpiXo.uaeri veov, avdiq ev ßißXiOK; ecTTi koi ttuuyiüv -rroönpri«; Kaeeixai koi Tpißuuvocpopia
t6 xPt^MO Km äöiaqpopia koi 6ia aTojaoTOt; 01 xe dpiOiaoi koi ra öpeo-fuuvia TpiYoiva TTXaTuuvo!;.
Vgl. auch Fers, i, 131 ff. 5 Epictet. D. I 17, 6. 6, Seneca ep. 71, 6. 7) M. Aurel. comm. VII
67. 8) Epictet. D. I 7, 32. 9) ebd. I 17. i — 12. II 25. 10I Zeller a. a. O. S. 769. 11) Gell.
XVI 8, 16 f. Vgl. Epictet. D. H 23, 41.
Fricdlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. j3
274 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 327]
Leben hinreicht, das Eine zu lernen (was der Zweck der Philosophie ist) : das
Leben zu verachten'). Derartige Liebhabereien und Richtungen fanden in einer
umfangreichen Literatur reichliche Nahrung, zu der namentlich die älteren Stoiker,
die sich um die Auflösung und Widerlegung der von den Megarikern aufge-
stellten Fangschlüsse bemühten, beigetragen hatten; es gab eigne Bücher über
solche Fangschlüsse, die keinen andern Zweck hatten^ als einen andern in Ver-
legenheit zu bringen, wie der Haufenschluß (wie viel Körner machen einen
Haufen?), der Hörnerschluß (hast du deine Hörner verloren: im Verneinungs-
falle: also hast du noch Hörner; im Bejahungsfalle: also hast du sie gehabt)
und dgl.""). Solche Spielereien eines talmudischen Witzes wurden auch damals
vielfach ernsthaft behandelt, und namentlich von jungen Leuten viel Zeit damit
verschwendet. Alle Anfänger in der Philosophie, sagt Plutarch, legen sich am
liebsten auf das, was Ruhm bringt; die einen schwingen sich aus Leichtsinn
und Ehrgeiz wie Vögel zum Glanz und zur Höhe der naturphilosophischen
Spekulation auf, die andern gehen auf Disputationen, schwierige Fragen und
Sophismen aus, wie (nach Piatos Ausdruck) Hündchen am Zerren und Schleppen
ihre Freude haben; die meisten aber vertiefen sich in die Dialektik, um sich
mit der nötigen Ausrüstung für die Sophistik zu versorgen^). Diesen falschen
Richtungen der Schüler, die ihren Geist, nicht ihrpn Charakter bilden wollten,
kamen leider, wie Seneca sagt, die Lehrer entgegen, »die uns die Kunst des
Disputierens anstatt die des Lebens lehren«, und so sei die Philosophie zu einer
Wortwissenschaft (Philologie) geworden'^). Durch die Aufnahme dessen, was
in der Philologie und Mathematik entbehrlich ist, habe es die Philosophie da-
hin gebracht, daß sie besser zu reden als zu leben verstehe^). In der Klage,
daß zu viel Zeit und Kraft an Logik und Dialektik verwandt werde, die doch
nur Außenwerke der Weisheit seien, und daß die Ethik darunter leide, ver-
einigten sich Philosophen und Nichtphilosophen^). Gegenwärtig, sagt z. B.
Epictet, ist der größte Fleiß auf die Auflösung von Syllogismen verwandt
worden, und hierin werden Fortschritte gemacht; einst verwandte man den
größten Fleiß darauf, den besten Teil der Seele im naturgemäßen Zustande zu
erhalten, und es wurden darin Fortschritte gemacht^).
Besonders in der stoischen Schule war das Streben vieler Studierender mehr
oder minder ausschließlich auf Erwerbung der Virtuosität in dialektischer Tech-
nik und Gelehrsamkeit in der bezüglichen Literatur gerichtet. Die noch in
die Schule gehenden oder eben aus der Schule gekommenen Pedanten, die
heute schon lehren wollten, was sie gestern gelernt hatten, und »unverdaute
Brocken vomierten«^), alles besser wußten als andre und ihre Lehrer haupt-
sächlich in Tadelsucht und Rechthaberei kopierten, erscheinen bei den Schrift-
stellern des 2. Jahrhunderts nicht selten als die unerwünschten Störer der ge-
selligen Unterhaltungen in Griechenland. Gab es doch, wie Epictet sagt, Leute,
die zu keinem andern Zweck philosophische Vorträge besuchten und Lehr-
bücher studierten, als um die Bewunderung eines Senators zu erregen, den ihnen
das Glück etwa zum Tischnachbar geben würde, oder um die Gäste durch
i) Seneca ep. ill, 5. 2) Zeller II i'* S. 264 ff. Andere Beispiele Seneca de benef. VII 4, 7 f.
7, i; ep. 48, 6. 3) Plutarch. De prof. in virtute 7, 4) Seneca ep. 108, 23. 5) ebd. 88, 42.
6) Gell. II 8. 7) Epictet. D. III 6, 3. 8) ebd. I 26, 16. Plutarch. De prof. in virt. 8.
[IV. 328, 329] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 275
Aufzählung- sämtlicher Schriftsteller in Erstaunen zu setzen, die über eine ge-
wisse Schlußform geschrieben hatten"). Gellius^) fand bei einem Besuche des
Herodes Atticus auf seiner Villa am Kephissos einen sehr jugendlichen, sehr
redseligen und vorlauten Stoiker, der gewöhnlich in den Gesprächen nach der
Tafel das Wort ergriff, um überlange und geschmacklose Vorträge über Philo-
sophie zu halten, von der er mehr zu verstehen versicherte als alle übrigen
Griechen und Römer. Er warf mit unbekannten Ausdrücken, mit Syllogismen
und Fangschlüssen um sich, rühmte sich, daß niemand ihm im Auflösen dialek-
tischer Probleme gleich komme, daß niemand wie er in der ganzen Ethik zu
Hause sei, und fühlte sich im Besitz der wahren, die höchste Seligkeit verbür-
genden Weisheit so unerschütterlich sicher, daß er erklärte, kein Kummer oder
Schmerz vermöge über einen Stoiker auch nur so viel, um die Heiterkeit seines
Antlitzes zu umwölken. Herodes ließ darauf zu seiner Beschämung eine Stelle
aus Epictet vorlesen, worin dieser ehrwürdige Greis den jungen Leuten eine
gerechte Strafrede hält, die sich Stoiker nennen und sich keineswegs durch
sittlichen Wert und Gehalt auszeichnen, dagegen fortwährend läppische Lehr-
sätze und den Inhalt elementarer Schulbücher im Munde führen und bei dem
Dunst von Worten und Spitzfindigkeiten, den sie vor den Augen der Hörer
erregen, fälschlich den Namen jener erhabenen Lehre gebrauchen.
DieNaturphilosophie (Physik) stand inzu engem Zusammenhangemitder Ethik, Physik,
um nicht wenigstens bis auf einen gewissen Grad in dieser mit berücksichtigt
zu werden: schon die Frage nach der Vorsehung konnte eigentlich nur zugleich
mit der Frage nach dem Ursprung der Dinge und der Ordnung des Weltganzen
erledigt werden^). Je einseitiger und ausschließlicher aber die Konzentration
auf die sittliche Aufgabe der Philosophie war, desto geringere Beachtung wurde
auch dieser Disziplin geschenkt, und die Ansicht des Sokrates, daß die Unter-
suchung über die letzten Bestandteile und Gründe der Dinge unser Vermögen
übersteige und keinesfalls einen praktischen Wert habe, war vermutlich eine weit
verbreitete, wie sie denn auch von einer so hohen Autorität wie Epictet vertreten
wurde"*). Auch Seneca, der selbst für die naturwissenschaftliche Spekulation
Liebhaberei und Interesse batte^ will sie doch nur insoweit gelten lassen, als sie
zur sittlichen Vervollkommnung beitragen kann^). Der Geist bedarf der Natur-
betrachtung zu seiner Erholung, und sie teilt ihm die Erhabenheit der Gegen-
stände mit, mit denen sie sich beschäftigt. »In der Betrachtung der Welt und
ihres Urhebers erhebe man sich über die Bürde des Leibes, man lerne seine
höhere Abkunft und Bestimmung kennen, den Körper und das Körperliche
geringschätzen und sich von ihm frei machen. Doch freilich ist dabei die Ge-
fahr, daß der Geist sich gewöhnt, Heber sich zu vergnügen als gesund zu
werden, und die Philosophie zu einer bloßen Ergötzung zu machen, während
sie doch ein Heilmittel ist«^). Daß gerade die die Phantasie so sehr anregende
Naturphilosophie Dilettanten anzog, denen es um philosophische Bildung Ernst
war, deutet auch Plutarch an^). Properz wollte sich ihr dann zuwenden, wenn
das Alter ihn zwingen werde, der Liebe zu entsagen. Dann wollte er die Ge-
l) Oben I 263 f. 2) Gell. I 2. 3) Quintilian. XII 2, 20 f. 4) Zeller III i* S. 770. 5) ebd.
S. 725f. 6) Seneca ep. 117, 33; N. Qu. I prol. i — 3. 12. 17. II i. 59, 2 u. a. 7) Plut. de profect.
in virt. 8.
18*
276
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 330]
Ethik.
Pflicht und Recht
der Lehrer, den
ganzen Lebens-
wandel der Schü-
ler zu beaufsichti-
gen und zu leiten.
setze der Natur kennen lernen, sich über die Ursache des Mondwechsels, der
Luftveränderungen, des Regens, des Regenbogens, der Erdbeben, der Sonnen-
finsternisse, der Erscheinungen des Sternhimmels und des Meers, der Jahres-
zeiten belehren, forschen, welcher Gott dies Weltgebäude kunstvoll regiere, ob
der Welt ein Tag des Untergangs bevorstehe, ob es eine Unterwelt und Höllen-
strafen gebe oder mit dem Tode das Dasein ende').
Immer aber traten Physik und Logik neben der Ethik so sehr inden Hintergrund,
daß die letztere als der wesentliche, wenn nicht als der einzige Inhalt der Philo-
sophie erschien: sie wird geradezu die Kunst, die Wissenschaft, die Richtschnur
des Lebens genannt^). Wenn dies nach allem Gesagten kaum noch eines Nach-
weises bedarf, so ist es doch vielleicht nicht überflüssig, zu zeigen, wie auch
gerade die Erziehung der Jugend zur Sittlichkeit ganz allein von der Philosophie
erwartet wurde. Wie Gymnastik und Heilkunde für die Gesundheit und Kraft
des Körpers sorgen, sagt Plutarch in seiner Schrift über die Erziehung^), so
heilt die Schwäche und Krankheit der Seele allein die Philosophie. Durch sie
und mit ihr erkennt man, was edel, was schändlich, was gerecht, was ungerecht,
kurz, was zu erstreben, was zu vermeiden ist; wie wir uns gegen die Götter, die
Eltern, das Alter, die Gesetze, die Fremden, die Herrscher, die Freunde, die
Frauen, die Kinder, die Sklaven zu verhalten haben: daß wir die Götter fürchten,
die Eltern ehren, das Alter achten, den Gesetzen gehorchen, den Herrschern
willfahren, die Freunde lieben, gegen die Frauen züchtig sein, die Kinder mit
Zärtlichkeit, die Sklaven ohne Übermut behandeln sollen; hauptsächlich aber
daß wir weder im Glück zu sehr frohlocken noch im Unglück niedergeschlagen
sein, daß wir uns weder von der Lust überwältigen lassen noch im Zorn leiden-
schaftlich und brutal werden sollen. Dies halte ich von allen Gütern, die wir
durch die Philosophie gewinnen, für die vorzüglichsten. Törichte Eltern, heißt
es an einer andern Stelle'*), die es versäumt haben, ihren Kindern eine gute Er-
ziehung zu geben, bereuen diese Versäumnis gewöhnlich erst dann, wenn die
Söhne ins Jünglingsalter treten und nun, anstatt ein geregeltes und vernünftiges
Leben zu führen, sich in Ausschweifungen und niedrige Lüste stürzen, Schma-
rotzer und andre Jugendverderber an sich ziehen, Dirnen halten, mit Schlem-
merei, Würfelspiel, Gelagen das Ihrige verprassen, Ehebrüche und andre
Exzesse begehen, bei denen sie um ihrer Lust willen das Leben aufs Spiel
setzen: hätten sie den Unterricht eines Philosophen genossen, so würden sie
sich solchem Treiben nicht hingegeben haben. Wie der Landmann oder der
Gärtner das Unkraut aus dem Felde, so tilgt der Philosoph die bösen Triebe
des Neids, des Geizes, der Wollust, wenn es sein muß mit tiefen Schnitten, die
Narben zurücklassen, aus der jugendlichen Seele; in andern Fällen verfährt er
behutsam wie der Winzer beim Beschneiden der Reben, um nicht mit dem Un-
edeln zugleich das Edle auszurotten^).
Überall, wo der philosophische Unterricht so aufgefaßt, wo der Philosoph
nicht bloß als Lehrer, sondern ganz vorzugsweise als Erzieher, ja geradezu als
l) Prop. ni 5, 23 — 46. Ähnliche Gedanken kehren in der augusteischen Poesie häufig wieder,
vgl. Verg. Georg. II 475 ff. Horat. epist. I 12, 16 ff. Ovid. met. XV 67 ff. Aetna 228 ff. 2) V^endland.
Quaest. Musonianae (Diss. Eerol. 1886) S. 12, 2. 3) Plutarch. De educ. puer. 10; vgl. dazu F. Glae-
ser, Dissertat. philol. Vindobon. XII 1918 S. 51 ff. 4^ ebd. 7. 5) Plutarch. De vitioso pudore 2.
ilV. 33i] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 277
Seelsorger seiner Schüler betrachtet wurde, galt es notwendigerweise als seine
Pflicht, deren sittliches Wohl auch außerhalb des eigentlichen Unterrichts auf
jede Weise zu fördern, und folglich als sein Recht, eine Aufsicht über den
ganzen Lebenswandel zu führen, sie mit Rat und Ermahnung, Warnungen und
Vorwürfen, mit Milde und Strenge auf den rechten Weg zu leiten. Allem An-
scheine nach haben auch in jener Zeit zahlreiche hervorragende, von dem Be-
wußtsein der hohen Bedeutung ihres Amts erfüllte Männer, mit solchem An-
sehen ausgestattet, auf ganze Generationen die größten sitdichen Wirkungen
geübt, um so mehr, da zu den berühmten Lehrern namentlich in Rom und
Athen, die, wie Musonius, die Jugend »von allen Seiten wie der Magnet das
Eisen an sich zogen«'), die Schüler selbst aus weiter Ferne herbeiströmten.
Ein Teil derselben trat zu ihren Lehrern in ein näheres Verhältnis, das oft lange
über die eigentlichen Lehrjahre hinaus, ja durch das ganze Leben fortdauerte.
So blieb Persius seit seinem siebzehnten Jahre mit Cornutus in unzertrennlicher
Freundschaft verbunden und lernte auch dessen übrige Schüler kennen, darunter
den Dichter Lucan und zwei Griechen, den spartanischen Arzt Claudius Aga-
themerus und Petronius Aristocrates aus Magnesia, beides sehr gebildete Männer,
von größter Reinheit der Seele, die Persius sich zum Muster nahm. Cornutus
war sein Ratgeber auch bei seinen poetischen Arbeiten und ward von ihm in
seinem Testament mit einem bedeutenden Legat bedacht^). Persius hat seine
Dankbarkeit gegen den geliebten Lehrer, »dem ein so großer Teil seiner Seele
ganz gehörte <, in Worten voll inniger Empfindung ausgesprochen: mit ihm,
der seine zarten Jahre mit Sokratischer Liebe gehegt, seine Seele in der Zeit
ihrer Bildsamkeit wie ein Künstler den weichen Ton geformt hatte, glaubte er
sich durch die Bestimmung der Gestirne für immer verbunden, und gerne ge-
dachte er der in gemeinsamer Arbeit und Erholung verbrachten Tage und der
bis zum Anbruch der Nacht verlängerten, doch bescheidenen Mahlzeiten, welche
die ernsten Studien unterbrachen ^j. Der jüngere Plinius schloß sich in Syrien
als Militärtribun an den Stoiker Artemidorus an, der später eine Tochter des
Musonius Rufus heiratete, und bewahrte ihm eine anhängliche Ergebenheit,
die er auch in der Zeit der Gefahr bewährte: bei der Ausweisung der Philo-
sophen aus Rom im Jahre 93 lieh er ihm eine zur Bezahlung seiner aus den
edelsten Gründen gemachten Schulden erforderliche größere Summe, ohne
Zinsen zu verlangen. Noch als Konsular schaute er zu dem verehrten Lehrer
wie zu einem Vorbilde auf Unter allen, die sich jetzt Philosophen nennen,
schreibt er im Jahre loi, werde man kaum einen so echten, so wahrhaften
finden. Seine Standhaftigkeit im Ertragen von Hitze und Kälte, in Anstrengungen,
seine Beschränkung in Sinnengenüssen auf das Notwendige, seine strenge Selbst-
zucht — alles dieses erscheine klein, wenn man es mit seinen übrigen Tugenden
vergleiche, welche einen Musonius bewogen, ihn vor so vielen Schülern aus
allen Ständen als Schwiegersohn zu wählen'*;.
Ein anziehendes Bild von dem Verhältnis des Platonischen Philosophen Cal-
visius Taurus zu seinen Schülern hat Gellius gegeben. Taurus gestattete ihnen
i) Suid. s. MapKiavöc. 2) Vita Persii p. 64f. Leo. 3' Pers. 5, 22 ff. 36—51. 4) Plin. ep.
III II.
278 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 332, 333]
nicht bloß oft, nachdem täglichen Unterricht Fragen an ihn zu richten^), sondern
lud die sich enger an ihn schließenden häufig zu einer frugalen Abendmahl-
zeit, wobei ein Gericht von ägyptischen Linsen und gehacktem Kürbis mit Ol
bereitet die Hauptschüssel zu bilden pflegte^). Hier mußten die Schüler gleich-
sam als »Knabberwerk zum Nachtische" Fragen und Probleme vortragen, be-
sonders Spielereien, wie sie den von Wein belebten Geistern zusagten, z. B.
in welchem Augenblick ein Sterbender eigentlich sterbe, ein Aufstehender auf-
stehe, ein Lernender seine Kunst verstehe: dergleichen Fragen sollte man nicht
verachten, sagte Taurus, da die größten Philosophen sie erörtert hatten^). In
Krankheiten besuchte Taurus seine Schüler"*). Seine Mißbilligung alles dessen,
was ihm an ihrer Lebens- oder Studienweise mißfiel, sprach er je nach den
Umständen mit Freundlichkeit oder Strenge aus. Einem reichen jungen Manne,
der mit Flötenspielern und Tragöden umzugehen liebte, sandte er, um ihn von
dieser Genossenschaft abzuziehen, eine Stelle aus Aristoteles über den sittlichen
Unwert der meisten solcher Künstler zu, mit der Anweisung, sie täglich zu
lesen ^). Einen andern, der plötzlich vom Studium der Beredsamkeit zur Philo-
sophie überging, fuhr er mit harten Worten an und wurde vollends zornig, als
dieser sich mit dem Beispiel andrer verteidigte ; was ihm auch Veranlassung
gab, eine schöne hierauf bezügliche Stelle aus Demosthenes anzuführen. So.
sagt Gellius, bediente sich Taurus jeder Art von Ermahnungen und Unterwei-
sungen, um seine Schüler zum Guten und Rechten anzuleiten^]. Nicht weniger
wirkte er ohne Zweifel durch die erziehende Kraft seines Beispiels. Wie er im
Verkehr mit Vornehmen seine Würde zu wahren wußte, ohne die Schicklichkeit
zu verletzen, zeigt Gellius in der Erzählung von einem Besuche, welchen der
Statthalter von Kreta und dessen Vater dem berühmten Philosophen abstatte-
ten^). Der Stoiker Attalus, in dessen Schule zu Rom Seneca in seiner Jugend
stets als der erste kam und als der letzte blieb, ging auch auf Spaziergängen
gern auf die Fragen seiner Schüler ein: wer zu einem Philosophen komme,
sagte er, müsse täglich etwas Gutes nach Hause tragen, die Philosophie habe
die Kraft, nicht bloß durch das Studium, sondern auch im Gespräche Nutzen
zu schaffen^). Plutarch erörterte mit den jungen Männern, welche von nah und
fern behufs ihrer Ausbildung zu ihm nach Chäronea gesandt wurden, gesprächs-
weise die verschiedensten Themen aus dem Gebiete der allgemeinen Moral und
erteilte ihnen auf die Fragen, welche sie an ihn richteten, Bescheid. Einige der
von Plutarch später herausgegebnen und uns erhaltnen Vorträge zeigen, daß
die Gegenstände namentlich der praktischen Lebensweisheit in ihrem weitesten
Umfange entnommen waren, so z. B. > über die Beschäftigung mit der Poesie .
»über die Kunst des Hörens«, Gesundiieitsregeln'^ usw.^).
Wenn die Philosophen das Leben ihrer Schüler bis ins Kleinste regeln und
selbst über geringfügige und scheinbar gleichgültige Dinge (insofern auch diese
auf sittliche Grundsätze bezogen wurden) Vorschriften erteilen zu müssen
glaubten, so wurde ihre Berechtigung dazu offenbar ganz allgemein anerkannt,
und nicht selten überließen sich auch Männer, namentlich jüngere, ihrer Leitung
i) Gell. I 26, 2. 2) ebd. XVII 8, I f. 3) ebd. VII 13. 4) ebd. XVIII 10, 3. 5) ebd. XX 4.
6) ebd. X 19. 7) ebd. II 2. 8) Seneca ep. 108, 3 f. 9) Schöne Schilderung bei Hirzel, Plutarch
S.33ff.
[IV. 334] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 279
mit einer unbedingten Folgsamkeit, wie sie heute nur von Knaben ihren Er-
ziehern gegenüber bewiesen wird. Überhaupt wurde den Lehrern damals von
erwachsenen Schülern eine größere Autorität eingeräumt als gegenwärtig. So
erzählt Gellius, daß der Rhetor T. Castricius einigen Senatoren, die seine Schule
besuchten, einen Verweis erteilte, weil sie an einem Feiertage öffentlich in einer
nicht standesgemäßen Tracht erschienen waren ^). Daß aber den Philosophen
die am weitesten gehende Befugnis zugestanden wurde, Vorschriften über alles
und jedes zu erteilen, ist selbstverständlich. Attalus empfahl seinen Schülern,
auf einem harten Pfühl zu schlafen, und Seneca bediente sich noch im Alter
eines solchen, auf den der Körper keinen Eindruck machte'). Epictet ermahnte
seine Zuhörer, den Bart wachsen zu lassen, nicht nur als einen schönen und
würdigen Schmuck, sondern auch als ein von der Vorsehung zur Unterschei-
dung der Geschlechter bestimmtes Zeichen, das uns nicht wegzuwerfen erlaubt
sei^). Ein junger Mann, der mit zierlich geordnetem Haar und stutzerhafter
Kleidung in die Schule kam, hatte hierüber einen längeren Vortrag anzuhören.
Die Aussicht darauf, daß er sich vielleicht beleidigt fühlen, nicht wieder kommen
und den guten Rat nicht befolgen werde, konnte den Philosophen nicht von
der Erfüllung seiner Pflicht zurückhalten, deren Vernachlässigung jener ihm
später mit Recht hätte zum Vorwurf machen können"*). Aber noch weniger als
zu geschmückt wollte Epictet seine Schüler schmutzig und vernachlässigt sehen,
stets sollten sie sauber sein, damit die Mitschüler an ihnen Freude hätten, und
er hat nicht verschmäht, auf die Einzelheiten der Körperpflege einzugehen,
daß man sich schneuzen, die Füße waschen, sich vom Schweiße reinigen, die
Zähne putzen solle: »warum? damit du ein Mensch seiest und kein Tier, kein
Ferkel !'<^). Und diese das ganze leibliche wie geistige Wohl vom Größten bis
zum Kleinsten umfassende, sich in die privatesten Dinge mengende Fürsorge
erstreckten die Philosophen sogar auch auf die Angehörigen ihrer Schüler,
ohne, wie es scheint, sich den Vorwurf der Zudringlichkeit zuzuziehen. Favo-
rinus erhielt eines Tages die Nachricht, daß die Frau eines seiner Zuhörer, eines
Mannes von senatorischem Stande aus vornehmer Familie, von einem Sohne
entbunden sei: sogleich begab er sich, begleitet von seinen sämtlichen gerade
anwesenden Zuhörern, zu dem jungen Vater, beglückwünschte ihn und sprach
dann die Erwartung aus, daß die Wöchnerin das Kind selbst nähren würde. Als
deren Mutter sich dagegen erklärte, hielt Favorinus sofort eine große Rede
über diesen Gegenstand, die Gellius sich aufzeichnete und später seinen Attischen
Nächten einverleibte*'). Daß die Philosophen, die selbst in solchen Dingen Rat
spendeten, bei allen Gewissensskrupeln und in allen schwierigen Lagen des
Lebens von ihren Schülern um Rat gefragt wurden, ist selbstverständlich. Als
Gellius, sehr jung (doch nicht unter 25 Jahre alt) zum Richter ernannt, sich ein-
mal in einem Prozeß für keine Partei zu entscheiden vermochte, hob er den
Termin auf, begab sich stehenden Fußes zu Favorinus, an den er sich damals
vorzugsweise angeschlossen hatte, und bat ihn um sein Urteil in diesem Fall
und um Belehrung über das Richteramt überhaupt^]. Allem Anscheine nach
hatten die Philosophen eher darüber zu klagen, daß sie zu viel als daß sie zu
1) Gell. XIII 22, I. 2) Seneca ep. 108, 23. 3) Epictet. D. I 16, 9 ff. 4) ebd. III i. 5) ebd
IV II. 6) Gell. XII I (vgl. oben I 266). 7) Gell. XIV 2.
28o
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 335]
wenig um Rat gefragt wurden. Man verlangte von ihnen, wie Epictet sagt,
Verhaltungsmaßregeln in praktischen Angelegenheiten, wie von einem Schuh-
macher oder Gemüsehändler seine Ware, ohne durch eigne Arbeit die sittlichen
Prinzipien sich aneignen zu wollen, aus denen die Entscheidungen aller einzelnen
Fälle abgeleitet werden mußten^).
Dreierlei Stel-
lungen der
Philosophen
alä Lehrer.
Philosophen als
Erzieher und
Seelsorger in
vornehmen
Häusern.
In der Regel übten die Philosophen (abgesehen von gelegentlichen Einwir-
kungen) eine praktische Tätigkeit und damit einen unmittelbaren Einfluß auf
die sittliche Bildung ihrer Zeit in dreierlei Verhältnissen: als Erzieher und stete
Berater Einzelner, als Lehrer der Moral in öffentlichen Schulen, endlich als
Missionare und Volksprediger; dies letztere Feld blieb ausschließlich den Ky-
nikern, die es sich erwählt hatten, überlassen. Die sämtlichen Formen der
philosophischen Berufstätigkeit werden von Philosophen und Nichtphilosophen
häufig genug erwähnt, so daß sich wenigstens bis auf einen gewissen Grad von
ihnen eine Vorstellung gewinnen läßt. Freilich sind es hauptsächlich die Schatten-
seiten und Übelstände, die Mängel und Schwächen, Mißerfolge und Unzuläng-
lichkeiten der philosophischen Bemühungen und Leistungen, die zur Sprache
gebracht werden, und bei denen besonders die so zahlreichen prinzipiellen
Gegner der Philosophie mit Vorliebe verweilen. Aber auch aus solchen Aus-
stellungen und Angriffen ergeben sich die hohen Anforderungen, die man an
die Einwirkung der Philosophie auf die sittliche Hebung der Mitwelt stellte,
und wenn diese freilich von den meisten nur sehr unvollkommen erfüllt wurden,
so wird doch auch teils stillschweigend, teils ausdrücklich zugestanden, daß die
besten und reinsten Lehrer sie im höchsten Maße erfüllten und die allergrößte
Wirkung übten.
Während die große Mehrzahl sich damit begnügen mußte, die sittliche Bildung
durch einen philosophischen Unterricht von einer doch beschränkten Dauer zu er-
streben, suchten Vermögendere sehr häufig einen Philosophen ganz und gar in
ihr Haus zu ziehen, nicht bloß zur Erziehung der Kinder^), sondern auch um sich
für das ganze Leben eines zuverlässigen, steten Beraters, Führers und Seel-
sorgers zu versichern. Namentlich in großen römischen Häusern scheinen, wie
in der letzten Zeit der Republik, so auch in der Monarchie griechische Philo-
sophen diese Stellung oft eingenommen zu haben. In einem solchen Verhältnis
hatte allem Auschein nach auch der Stoiker P. Egnatius Celer zu Barea Soranus
gestanden, dessen Lehrer, Klient und Freund er genannt wird und dessen Ver-
urteilung im Jahre 66 er durch sein von den Anklägern erkauftes falsches Zeug-
nis herbeiführte^). Ein in der Nähe von Bonn gefundenes Monument ist dem
Philosophen Q. Aelius Egrilius Euaretus, »Freunde des Salvius Julianus« (des
Konsuls im Jahre 175, der wahrscheinlich nachher Legat im untern Gemanien
war), von seiner Frau errichtet; der Konsular wollte, wie man sieht, diesen Um-
gang auch in der Provinz nicht entbehren'*). Besonders aber erscheinen diese
l) Epictet. D. III 9, 10 f. 2) Ein auf der Begräbnisstätte der kaiserlichen Dienerschaft zu
Karthago begrabener T. 0\aouiO(; Md5i|U0(; Kpric; ropTUVioq qpiXoöoqpoq iCIL VIII 12924) kann
(als Erzieher) ebensogut zum Personal des Kaiserhauses gehört haben, wie die ebenfalls dort be-
grabenen/ßf^fb^g-^^i und medici. 3) Cass. Dio LXII 26, i f. Tac. A. XVI 32; H. IV 10. 40. Juvenal.
3, 116. Oben S. 261 f. 4) CIL XIII 8159. Das Bürgerrecht hatte Euaretus vielleicht durch Q.
Egrilius Plarianus (oben S. 271) erhalten. Vgl. Prosop. imp. Rom. III 166 nr. 104.
[IV. 336, 337] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 281
Hausphilosophen, wie die Philosophen überhaupt, als Begleiter und Tröster
bei der Vorbereitung zum Tode; auch ließ man es ohne Zweifel oft von ihrer
Entscheidung abhängen, ob man das Leben freiwillig enden solle. So ließ sich
Tullius Marcellinus, ein Bekannter Senecas, ein junger Mann, der an einer lang-
wierigen und beschwerlichen Krankheit litt, durch das Zureden eines Stoikers
bestimmen, sich durch Enthaltung von Speise den Tod zu geben'). Von T. Pe-
tronius berichtet Tacitus als etwas Ungewöhnliches, daß er bei der Hinzögerung
seines Todes durch Wiederverbinden der durchschnittenen Pulsadern sich leicht-
fertige Gedichte vortragen ließ, dagegen »nichts von der Unsterblichkeit der
Seele und den Lehren der Philosophen«^). Als Julius Canus, von Caligula zum
Tode verurteilt, den Gang zu jenem Hügel antrat, wo, wie Seneca sagt, »unserm
Cäsar tägliche Opfer gebracht wurden « , begleitete ihn » sein Philosoph « unter Ge-
sprächen über seine gegenwärtigen Gedanken und den Zustand seiner Seele ^).
Rubellius Plautus, der die Mörder Neros erwartete, ohne einen Fluchtversuch
zu machen, war, wie man erzählte, von den Philosophen Musonius Rufus und
Cöranus in dem Entschlüsse bestärkt worden, den Tod einem angstvollen und
ungewissen Leben vorzuziehen'*). Der Bote, der dem Thrasea das erwartete
Todesurteil überbrachte, fand ihn in ein Gespräch mit dem Kyniker Demetrius
vertieft: »wie man aus dem Ernst in ihren Gesichtern und aus den Worten, die
etwa lauter gesprochen wurden, schließen konnte, erörterten sie die Natur der
Seele und die Trennung von Geist und Körper < ^). Auch der auf den Tod ver-
wundete Kaiser Julianus erging sich mit den Philosophen Maximus und Priscus
in schwierigen Erörterungen über die Erhabenheit der menschlichen Seele, so-
lange sein Atem dazu ausreichte^).
Die Stellung, die griechische Philosophen durch die Eingehung dauernder
Verhältnisse in großen römischen Häusern übernahmen, konnte nur bei der
edelsten Auffassung von beiden Seiten auf der Höhe erhalten werden, die der
Würde der Philosophie angemessen war. Oft genug waren auch in diesen Ver-
hältnissen die Philosophen selbst nicht einmal imstande, sich die Achtung derer
zu bewahren, denen sie vor allem mit ihrem Beispiel vorangehen sollten. Auf
der andern Seite konnten die vornehmen Römer wohl selten ganz und gar
vergessen, daß die »Lehrer der Weisheit -^ doch nur ihre Klienten^) oder besol-
deten Hausbeamten waren. Die Schattenseiten dieser letzteren Stellung in Rom Behandlung dieser
hat Lucian in seiner Weise breit und grell in einer eignen, zur Warnung Hausphilosophen
eines Philosophen Timokles verfaßten Schrift geschildert, der in ein vornehmes Schilderung.
Haus einzutreten wünschte^). Sie mögen in jener Zeit besonders oft und
widrig in die Augen gefallen sein, wo das Beispiel Marc Aureis die Philosophie
zur Mode gemacht hatte, und viele, die für sie weder Verständnis noch Achtung
hegten, vor Sehnsucht nach der Erhabenheit des Platonischen Idealismus ver-
gehen zu müssen glaubten und in ihrem Gefolge womöglich einen griechischen
Philosophen haben wollten, den man an seinem ehrwürdigen Äußern, langen
Bart und dem guten Anstände, mit dem er den Mantel trug, auch sofort als
l) Seneca ep. 77, 5 ff., wo in § 6 bei amicus noster der Name ausgefallen ist. 2) Tac. A. XVI
19. 3) Seneca de tranq. an. 14, 9. 4) Tac. A. XIV 59. 5) ebd. XVI 34. 6) Ammian. XXV
3> 23. 7) Tac. A. XVI 32: P. Egmithis — cliens Soratii (oben S. 280). 8) Lucian. De merc.
cond. 2. 4.
282 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 338]
solchen erkennen konnte ^). Die Aussicht, in einem großen, reichen Hause eine
geehrte und einflußreiche Stellung einzunehmen, war für viele verlockend genug,
sich den Unannehmlichkeiten der Bewerbung und selbst einer Prüfung zu unter-
ziehen, bei der sie von ihrem Wissen und ihrer Leistungsfähigkeit Proben ab-
legen, sich ein Verhör über ihre Vergangenheit gefallen und sich zuweilen
sehr unwürdigen Mitbewerbern gegenüberstellen lassen mußten, von denen
manche die Philosophenmaske zur Empfehlung von Beschwörung, Zauberei
u. dgl. benutzten^). War diese Prüfung glücklich überstanden, so kam es, etwa
nach einer Einladung zu einer großen Tafel, bei der sich der Glanz des Hauses
für den Neuling ebenso blendend wie einschüchternd entfaltetete, zur Feststel-
lung der Bedingungen. Der Hausherr versicherte, alles mit seinem neuen Haus-
genossen teilen zu wollen; »denn es wäre ja lächerlich, wenn man den Mann,
dem man das Kostbarste, die eigne Seele oder die seiner Kinder, anvertraue,
nicht zugleich als Mitbesitzer alles übrigen betrachtete*. Trotzdem wurde ein
Jahresgehalt festgesetzt, das aber freilich mit Rücksicht auf die in Aussicht ge-
stellte freundliche und ehrenvolle Behandlung, auf die häufigen Geschenke an
Festtagen, namentlich aber auf die erhabne Denkart der Philosophen in Geld-
fragen überraschend winzig ausfieP). Und so verkauften Weltweise im reifen
Alter, uneingedenk aller Lobreden eines Plato, Chrysippus, Aristoteles auf
die Freiheit, sich selbst in eine niedrige und schmachvolle Dienstbarkeit; gleich
dem übrigen Troß der Hausbedienten, von denen sie durch ihren groben Mantel
und ihr kauderwelsches Latein abstachen, rief sie in jeder Frühe die Hausglocke
zu ihrem Figurantendienst, der bis zum späten Abend dauerte und Unannehm-
lichkeiten und Entwürdigungen aller Art mit sich brachte, deren man den ge-
duldigen Griechen nur zu viele bieten zu können meinte'*). Und waren sie ver-
braucht oder war man ihrer müde geworden, so wurden sie auf irgend eine aus
der Luft gegriffene Anschuldigung hin bei Nacht und Nebel in aller Stille hilflos
und von allem entblößt aus dem Hause gestoßen^).
Philosophen Noch viel mißlicher als in vornehmen Häusern und noch schwerer mit den
am Hofe. Idealen der Philosophie vereinbar war die Stellung ihrer Vertreter am Hofe, ja
nach der Ansicht vieler war ein Philosoph am Hofe ebensowenig an seinem Platz
wie in der Schenke*^). Plutarch hat in einer eignen Schrift zu beweisen gesucht,
daß aller Schwierigkeiten und Gefahren ungeachtet der Weise auch eine solche
Stellung unter Umständen nicht ablehnen könne, weil er in ihr unverhältnis-
mäßig mehr Gutes als in jeder andern zu wirken imstande sei. Der Philosoph
werde die Sorge für eine Seele, die für viele tätig sein, für viele Weisheit und
Gerechtigkeit üben müsse, um so bereitwilliger übernehmen ; denn so werde er
vielen durch den einen nützen, wie Anaxagoras als Freund und Ratgeber des
Perikles, Plato des Dio, Pythagoras der Staatsmänner Italiens. Die Philosophen,
die sich der sittlichen Bildung von Privatpersonen widmen, befreien eben nur
einzelne von Schwächen und Leidenschaften; der aber, welcher den Charakter
eines Regenten veredelt, fördert und bessert damit den ganzen Staat. Um sol-
cher Vorteile willen müsse man es ertragen, Höfling und bedientenhaft geschol-
i) Lucian. De merc. cond. 25. 2) ebd. il. 12. 40. 3) ebd. 19 f. 4) ebd. 24. 40. 5) ebd. 39.
6; Seneca ep. 29, 5.
[IV. 339. 34o] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
283
ten zu werden. Wenn selbst der aller praktischen Wirksamkeit grundsätzlich sich
enthaltende Philosoph gebildete und edle Fürsten nicht meiden werde, so werde
ein am Staatsleben teilnehmender sich ihrer annehmen, zwar ohne Zudringlich-
keit und ohne sie mit unzeitigen und sophistischen Belehrungen zu behelligen,
doch bereit, ihrem Verlangen nach seinem Rat und Beistande zu entsprechen^).
Nach den gelegentlichen Erwähnungen von Philosophen an denHöfen Augusts,
Neros, Trajans, Hadrians, der Julia Domna""), der » Scheinphilosophen « an dem
Elagabals^j scheint es, daß, wie andre Gelehrte, so auch die Lehrer der Welt-
weisheit, wenn nicht in der Regel, doch sehr häufig zu den Umgebungen der
Kaiser (als (TujuißiujTai) gehörten: und auch diese Stellungen waren zum Teil be-
soldef*). Von der Persönlichkeit der Kaiser und von dem an ihrem Hofe herr-
schenden Ton hing es natürlich ab, ob die Stellung der Philosophen eine wür-
dige oder unwürdige war. Während Arcus am Hofe des Augustus mit der
größten Auszeichnung behandelt wurde, bediente sich Nero seiner Philosophen
zur Belustigung, indem er die Vertreter der verschiedenen Schulen bei Tafe
zum Gezanke gegeneinander hetzte^).
Ohne Zweifel aber zogen die Philosophen, besonders die, welche ihren Wert
fühlten, größtenteils eine öffentliche Wirksamkeit auch der glänzendsten Stellung
am Hofe oder in einer vornehmen Familie vor. Der Stoiker Apollonius, von
Antoninus Pius als Lehrer des jungen Marc Aurel berufen, siedelte, gefolgt von
einer Anzahl seiner Schüler, von Chalcis nach Rom über; aber in den Tiberiani-
schen Palast zu ziehen, wo Marc Aurel wohnte, lehnte er ab: der Schüler müsse
zum Lehrer kommen; ein Verlangen, dem der Thronerbe wirklich entsprach^).
Die Eröffnung einer öffentlichen Schule stellte nicht nur eine würdigere Exi-
stenz, eine bedeutendere, unter Umständen großartige Wirksamkeit, die sich,
wie gesagt, an Zentralpunkten wie Athen und Rom auf die Blüte der Jugend
der verschiedensten Provinzen erstrecken konnte, sondern auch sehr glänzende
Einnahmen in Aussicht^). Denn allem Anscheine nach dachte nur die Minder-
zahl so streng, wie der Platoniker Nigrinus, der die Schulen der für Geld lehren-
den Philosophen Buden und Läden nannte, in denen als Ware die Tugend feil-
geboten werde ^).
Aber auch abgesehen hiervon gab das Verhalten der öffentlich lehrenden
Philosophen, namentlich ihre Vorträge und ihre Unterrichtsmethode, zu mancher-
lei Tadel Veranlassung. Und solchen Tadel sprechen denn auch die philosophi-
schen Schriftsteller dieser Zeit so reichlich, so eindringlich und wiederholt aus,
daß man leicht eine zu ungünstige Vorstellung von den damaligen Philosophen-
schulen gewinnen kann, wenn man sich nicht fortwährend erinnert, daß Männer
wie Musonius, Plutarch, Epictet, Taurus, Demonax in der Tat die höchsten
Forderungen, denen sie selbst entsprachen, auch den Leistungen andrer gegen-
über aufrecht erhalten durften, und daß sie unablässig Lehrer und Schüler mah-
i) Plutarch. Cum princip. philosoph. esse if. 2) Oben I 299. 3} Hist. aug. Elagab. 11, 7,
vgl. 10, 6. 4) s. oben I 85 f. 5) Tac. A. XIV 16. 6) Oben I 70. 7) Artemidor. Onirocr. V
83: eöoHe TIC, aprov dTToß(iTrTUJv eiq |ueXi eöGieiv em \oyouc; q)iXoöoq)iKouq 6p|UTi(Ja<; Kai Tr)v ev
auToi^ öoqp(av kixopiaaTO Kai TrepießdWeTO ypn^axa 'no\K6.. eör)iuaive yap t6 jueXi Tr)v eueireiav
Tfjq öoqpiaq, wc, eiKÖc;, xov iropKJiuöv 6e 6 äproc,. 8^ Lucian. Nigrln. 25.
Philosophen
als Vorsteher
öffentlicher
Schulen.
Übelstände des
Unterrichts in
den Philoso-
phenschulen.
284 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 341]
nen mußten, wie weit sie noch von dem wahren Ziele der Philosophie entfernt
seien, um sie ihm näher zu führen. So kommen denn in ihren Schriften immer
wieder die Schwächen, Kleinlichkeiten und Mängel zur Sprache, mit denen der
philosophische Unterricht behaftet war: Übelstände, die in dieser Schärfe nur
empfunden werden konnten, wenn sie mit den Beispielen edlen und großartigen
Wirkens und Strebens verglichen wurden, deren jene Zeit in der Tat nicht
wenige aufzuweisen hatte').
Vereitelung der Die Wirkungen des philosophischen Unterrichts wurden allerdings ohne Zweifel
Wirkungen des ^^^ genug sowohl durch die Schuld der Lehrer als der Schüler beeinträchtigt.
die Scliuld der Eitelkeit Und Ruhmsucht, wohl auch Gewinnsucht, verleitete die Lehrer oft,
Schüler — mehr den Beifall ihrer Zuhörer als ihr wahres Heil im Auge zu haben, und auch
unter diesen waren nicht wenige, die eine angenehme Unterhaltung, Übung des
Scharfsinns und Erwerbung einer zum Prunken geeigneten Gelehrsamkeit dem
ernsten Studium und dem schweren und schmerzlichen Ringen nach sittlicher
Veredelung vorzogen. Daher trugen viele, die jahrelang philosophische Vor-
lesungen mit unablässigem Fleiße besucht hatten, auch nicht einmal einen Anflug
philosophischer Bildung davon. Manche, sagt Seneca^), kamen nur um zu hören,
nichtum zu lernen, der Ergötzunghalber, wie man ins Theater geht: für einen gro-
ßen Teil der Zuhörer ist die Schule ein Ort des Zeitvertreibs. Siebezwecken nicht,
das Laster abzulegen, eine neue Lebensnorm zu gewinnen, sondern sich einen
Ohrenschmaus zu verschaffen. Andre kamen mit Schreibtafeln, nicht um den
Inhalt, sondern um die Worte aufzufassen, die sie mit ebensowenig Nutzen für
andre anwenden, als sie sie ohne Frucht für sich selbst hören. Auf manche
machen die erhabnen Stellen der Vorträge Eindruck, der sich auch auf ihren
Gesichtern spiegelt, aber nur wie nervenaufregende Musik, keinen bleibenden:
nur wenige sind imstande, was sie aufgenommen haben, festzuhalten. Die mei-
sten Schüler waren also nicht in der Gemütsverfassung, die Musonius für den
Erfolg des Unterrichts als unerläßlich betrachtete. Ein Zuhörer, der nicht ganz
verloren ist, sagte er, muß während der Rede des Philosophen schaudern, inner-
lich Scham, Reue, Freude, Bewunderung empfinden, und der Ausdruck seines
Gesichts muß wechseln, je nachdem die Behandlung des Philosophen, die bald
die kranken, bald die gesunden Teile seiner Seele berührt, ihn und sein Gewissen
ergreift^). In der Tat bezeugt Epictet, der Musonius gehört hatte, daß er so
eindringlich gesprochen, so anschaulich die sittlichen Schäden vor Augen ge-
halten habe^ daß jeder seiner Zuhörer die Rede auf sich bezog und bei dem
Lehrer persönlich angeklagt zu sein glaubte "*). Gerade dies aber war, wie auch
Plutarch klagt, den meisten zu viel, die den Vortrag eines Philosophen anhörten
wie den eines Tragöden oder eines Rhetors. Solange er sich im Allgemeinen
hielt, folgten sie gerne, sobald er aber freimütig und eindringlich ermahnte,
nahmen sie dies als Zudringlichkeit übel; und manche waren weichlich genug,
nach einer so verletzenden Rede aus der Schule fortzubleiben, wie Kranke, die
nach dem Schnitte des Arztes davonlaufen, ohne den Verband abzuwarten^).
Anfänger ließen sich auch durch die Schwierigkeiten des Studiums oder Vor-
i) Über die Art des Lehrbetriebes in der Schule des Epictet zu Nicopolis vgl. I. Bnins, De
schola Epicteti, 1897. K. Hartmann, N. Jahrb. f. klass. Altert. XV 1905 S. 255 ff. 2) Seneca ep.
108, 6f. 3) Gell. V I, 3. 4^ Epictet. D. III 23, 29. 5) Phitarch. De audiendo 9. 12. 16.
[IV. 342] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 285
trags abschrecken oder schämten sich, um Erklärung- zu bitten, oder taten, als
ob ihnen alles deutlich wäre, auch wenn sie nichts verstanden hatten'). Manche
hatten sogar die Dreistigkeit, dem Lehrer über die Art des Unterrichts Vor-
schriften machen zu wollen. Der eine«, sagte der Platoniker Taurus, »spricht:
lehre mich dies zuerst; ein andrer: dies will ich lernen, jenes nicht; einer will
mit dem Gastmahl des Plato wegen der dort vorkommenden Nachtschwärmerei
des Alcibiades beginnen, ein andrer mit dem Phädrus wegen der Rede des Ly-
sias. Es gibt wahrhaftig solche, die den Plato nicht lesen wollen, um ihr Leben
zu veredeln, sondern um ihren Ausdruck zu verfeinern, nicht um sittsamer, son-
dern um unterhaltender zu werden<'^). Und daß es Lehrer gab, die sich auch
den unberechtigten Wünschen ihrer Schüler fügten, geht aus der Klage des
Taurus hervor, daß manche der ersteren sich sogar unaufgefordert zu den Türen
reicher junger Leute drängten und dort geduldig bis zum Mittag warteten, bis
ihre Schüler den Rausch der Nacht völlig ausgeschlafen hatten^]. Epictet er-
mahnt seine Zuhörer, wenn sie Menschen in einer Weise reden hören, die eine
völlige Unklarheit über die ersten Grundsätze der Sittlichkeit verrate, sich ernst-
lich zu fragen: bin ich wie diese? »Habe ich das Bew^ußtsein, nichts zu wissen,
wie es dem ziemt, der in der Tat nichts weiß? Gehe ich zum Lehrer wie zu
einem Orakel, zu unbedingtem Gehorsam bereit? Oder komme ich voll Stumpf-
sinn in die Schule, bloß um das äußerliche Beiwerk der Philosophie zu lernen
und Bücher zu verstehen, die ich vorher nicht verstand, und sie, wenn es sich
so fügt, auch andern zu erklären? ^ Die Zuhörer, fährt er fort, kommen zwar in
Philosophentracht in die Schule, aber nicht mit einer von den Aufregungen und
Sorgen der Außenwelt befreiten und gestillten Seele. Der eine hat vielleicht
eben erst zu Hause mit einem Sklaven eine Schlägerei gehabt, die ganze Nach-
barschaft in Aufruhr versetzt; oder ein auswärtiger Studierender ist voll Ver-
druß, daß er keine Geldsendungen von Hause erhält, oder denkt daran, was
man dort wohl von ihm spricht, daß er gewiß Fortschritte mache und als ein
Mann zurückkehren werde, der alles wisse. »Das wollte ich auch gern, sagt er
bei sich selbst; aber man muß so viel arbeiten, und von Hause schickt mir
keiner etwas, und hier in Nicopolis sind die Bäder elend, es ist zu Hause schlecht
und hier auch.« »Und dann sagen sie: Niemand hat einen Nutzen von der
Schule. Aber wer besucht sie auch, um sich zu heilen und seine Ansichten
läutern zu lassen, um sich bewußt zu werden, was ihm not tut? Was ihr in der
Schule sucht, das tragt ihr auch davon. Ihr wollt über Lehrsätze schwatzen.
Gewähren sie euch etwa nicht Stoff genug, um mit eurem Wissen zu prahlen?
Löst ihr nicht Syllogismen auf, versteht ihr nicht Sophismen und Trugschlüsse
zu behandeln?«^).
Aber es lag nicht an den Schülern allein, daß der philosophische Unterricht durch die Schuld
oft nicht die erwünschte Frucht trug, sondern häufig genug natürlich auch an ^" i-ehrer.
den Lehrern, die, wie gesagt, nach Beifall, Ruhm und Geld strebten, und da
Äußerlichkeiten, vor allem ein glänzender Vortrag, auf die Mehrzal am meisten
wirkte, über der Form den Inhalt vernachlässigten. Das graue Haar des Red-
l) Plutarch. De audiendo 17. 2) Gell. I 9, 8 — 10. 3! ebd. MI 10, 5. 4) Epictet. D. II
2"!, 8 ff.
286 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 343, 344]
ners, sagt Plutarch'), die Modulation der Stimme, der Ernst des Gesichts und
die selbstbewußte Sicherheit, am meisten aber der Beifallslärm reißt die jungen
und unerfahrnen Zuhörer mit fort; auch der Ausdruck hat etwas Trügendes,
wenn er anmutsvoll und reich, gewichtig und wohlvorbereitet zu den Gegen-
ständen hinzutritt. Das Lob, das Plinius dem von ihm hochverehrten Stoiker
Euphrates erteilt, zeigt, wie wesentlich selbst für das Urteil gebildeter Zuhörer
die persönliche Erscheinung und die Redekunst eines Philosophen war, 'Er
trägt mit Schärfe, Würde und Geschmack vor, häufig erreicht er auch die Pla-
tonische Erhabenheit und Fülle. Seine Sprache ist reich und mannigfaltig, be-
sonders voll Lieblichkeit, so daß sie auch Widerstrebende mitzieht und hinreißt.
Dazu eine hohe Gestalt, ein schönes Gesicht, herabv/allendes Haar, ein sehr
langer, grauer Bart: welches alles, mag man es auch für zufällig und bedeutungs-
los halten, doch viel beiträgt, seine Ehrv/ürdigkeit zu erhöhen. Sein Anzug ist
von strenger Einfachheit, aber ohne Vernachlässigung, ohne asketische Rau-
heit: man naht ihm mit Ehrfurcht, aber ohne Furcht. Die Reinheit seines Le-
bens ist die fleckenloseste, ebenso groß seine Liebenswürdigkeit: er bekämpft
Laster, nicht Menschen, und straft nicht die Irrenden, sondern bessert sie. Man
folgt seinen Ermahnungen mit gespannter Aufmerksamkeit und wünscht sich
überzeugen zu lassen, auch wenn man schon überzeugt ist'"). Daß vollends
Rhetoren meistens nur die Form der philosophischen Vorträge beachteten, ist
natürlich. Wir wollen, läßt Epictet einen solchen sagen, im Vorbeigehen, be-
vor wir uns ein Schiff mieten, noch den Epictet besuchen und hören, was er
sagt. Dann beim Herausgehen heißt es: es war nichts an Epictet: er macht
Fehler gegen die Konstruktion und die Etymologie. Denn nur um dies zu kri-
tisieren, kommt ihr doch in die Schule^).
Schönrednerei Epictet, der den Wert der Beredsamkeit für die Wirkung des philosophischen
und Haschen Vortrags keineswegs leugnete'^), würde die prunkende Schönrednerei und das
Haschen nach Beifall bei Vorlesungen und Disputationen schwerlich zum Gegen-
stande einer ausführlichen Erörterung gemacht haben, wenn den damaligen
»Kathederphilosophen« ^) beides nicht häufig vorzuwerfen gewesen wäre. Die
kleinen aus dem Leben gegriffenen Szenen, die er seinen Ermahnungen ein-
flicht, sind ganz besonders geeignet, die selbstgefällige Eitelkeit dieser Klasse
von Lehrern und die ganze Äußerlichkeit ihres Treibens zu veranschaulichen.
Sie wünschten überall, wo sie sich zeigten, den Ruf zu vernehmen: >0 der
große Philosoph ! >■ und gingen einher, als ob sie einen Spieß verschluckt hätten « ^).
Fanden die Zuhörer sich spärlich ein und applaudierten nicht, so ging der Lehrer
niedergeschlagen fort; war der Beifall reichlich, so ging er umher und fragte
jeden: wie fandest du mich? — Bewunderungswürdig, Herr, so wahr es mir
wohl gehen möge! — Wie sprach ich jene Stelle? — Welche? — Wo ich den
Pan und die Nymphen beschrieb. — Ausgezeichnet. Weshalb, so fährt Epictet
in seiner Strafrede an diese philosophischen Rhetoren fort, lobtest du jenen
Senator? — Er ist ein talentvoller und strebsamer junger Mann. — Inwiefern?
— Er bewundert mich. — Dann hast du allerdings den Beweis geführt! —
l) Plutarch. De audiendo 7. 2] Plin. ep. I 10, 5 ff. 3) Epictet. D. UI 9, 14. 4) ebd. II 23.
5) Seneca de brev. vit. 10, i : (Fabianus) non ex Ms cathedraris philosophis, sed ex veris et antiquis.
6) Epictet. D. I 21.
[IV. 345] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 287
Sieh, sagt er dann weiter, er ist seit so langer Zeit dein Schüler, er hat deine
Disputationen, deine Vorlesungen gehört: ist er demütig geworden? Ist er in
sich gegangen? Ist er inne geworden, wie er im Bösen steckt? Hat er den
Dünkel von sich geworfen? Verlangt er nach Unterweisung? Ja, sagst du.
Nach Unterweisung, wie man leben soll? Nein, Tor, wie man reden soll; denn
darin bewundert er auch dich! Höre ihn, was er sagt: »der Mann schreibt wirk-
lich äußerst kunstvoll, viel schöner als Dio! - — Du also, der du dich in einer
so Übeln Gemütsverfassung befindest, so von Gier nach Beifall erfüllt bist und
deine Zuhörer zählst, willst andern nützen? — Heute hatte ich ein sehr viel zahl-
reicheres Auditorium. — Ja, sehr zahlreich, es mochten fünfhundert sein. —
Das ist viel zu wenig, vielleicht tausend. Dio hatte niemals so viel Zuhörer. Wie
sollte er auch? Es ist ein recht feines Verständnis für Vorträge vorhanden. Das
Schöne, Herr, kann auch einen Stein bewegen. — Da habt ihr die Rede eines
Philosophen, da habt ihr den Seelenzustand eines, der den Menschen nützen
will, da habt ihr auch einen Mann, der einen Vortrag gehört hat! — Hat etwa
Sokrates, indem er seine Schüler begleitete, gesagt: höre den Vortrag, den ich
heute im Hause des Quadratus halten werde? — Wozu? Du willst mir zeigen,
wie schön du die Worte setzen kannst? Meinetwegen, und was nützt es dir? —
Du sollst mir Beifall zollen. — Wie das? — Sage Oh! und Vortrefflich! — Des-
halb also sollen junge Leute auf Reisen gehen, ihre Eltern, Freunde, Verwandte,
ihr Hab und Gut verlassen, um bei deinen schönen Redeschlüssen Oh! zu .sagen?
Taten dergleichen Sokrates, Cleanthes, Zeno? — »Aber«, läßtEpictet sich ein-
wenden, igibt es nicht einen besondern Stil für ermahnende Vorträge? — Ge-
wiß! so gut wie für widerlegende und lehrende. Doch wer hat schon jemals
einen vierten, den Prunkstil, neben diesen genannt? Worin besteht denn das
Wesen eines ermahnenden Vortrags? Darin, daß man einem sowohl als vielen
klar machen kann, in welchem Kampfe sie umhergeworfen werden, und daß sie
mehr an alles andre denken, als an das, was sie wollen. Sie wollen das, was zur
Glückseligkeit führt, suchen es aber anderwärts. Ist es nun zu diesem Zweck
erforderlich, daß tausend Bänke aufgestellt, Zuhörer eingeladen werden, daß du
in eleganter Kleidung oder in schäbigem Philosophenmäntelchen auf das Ka-
theder trittst und den Tod des Achill beschreibst? Laßt doch endlich ab, ich
beschwöre euch bei den Göttern, schöne Worte und Gegenstände zu miß-
brauchen! Welcher Zuhörer deiner Vorträge und Disputationen ist von Seelen-
angst für sein eignes Heil erfüllt worden oder in sich gegangen? oder hat beim
Fortgehen gesagt: tief hat mich der Philosoph getroffen! So muß man ferner
nicht handeln! Sagt er nicht vielmehr, falls du großen Beifall hast, zu einem
andern: sehr artig hat er das von Xerxes ausgeführt, und ein dritter darauf:
nein, aber die Schlacht bei Thermopylä! Und das ist der Vortrag eines Philo-
sophen?« 'j.
Wenn sich nun die Philosophen in ihrer Vortragsweise den Sophisten näherten,
so äußerten auch die Zuhörer ihren Beifall in der Art, als wena sie die Bravour-
stücke jener Virtuosen, nicht die ernsten Ermahnungen von Sittenlehrern ver -
nähmen. Wenn der Philosoph, sagt Masonius, ermahnt, warnt, rät, schilt oder
I,' Epictet. D. III 23, II ff.
288
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 346, 347]
sonst in irgend einer Weise lehrt, die Hörer aber unbefangen und leichthin
triviale Lobeserhebungen herschwatzen ; wenn sie lärmen, gestikulieren, wenn
sie durch Zierlichkeiten des Ausdrucks, durch rhythmischen Tonfall der Worte
bewegt und aufgeregt werden, so wisse, daß Redner und Hörer gleich nichtig
sind, und daß da nicht ein Philosoph redet, sondern ein Flötenbläser spielt^).
Ebenso sagt Plutarch, daß der lärmende Beifall in den Philosophenschulen den
Außenstehenden glauben lasse, es werde einem Tänzer oder musikalischen
Virtuosen applaudiert""). Er rügt auch die Ausdrücke des Beifalls, die damals
aufgekommen waren. Als wenn die alten Zurufe: Schön! Weise! Wahr! nicht
mehr genügten, rief man: Göttlich! Inspiriert! Unerreichbar! und fügte dem
Ausruf einen Eid hinzu; man äußerte seine Zustimmung einem Philosophen
gegenüber mit: Schlau! einem alten Manne gegenüber mit: Geistreich! oder:
Glänzend! Aber freilich sollte nach Plutarchs Meinung der Zuhörer auch nicht
etwa stumm und teilnahmlos dasitzen und glauben, daß er wie bei einem Gast-
mahl gleichsam nur sich an die Tafel zu setzen habe, während andre sich ab-
mühten. Allgemein üblich war, auch in Vorlesungen, die sich gar keines Bet-
falls erfreuten, daß die Zuhörer in gerader, nicht in nachlässiger, übermütiger
Haltung dasaßen, den Redner ansahen, lebhafte Aufmerksamkeit zeigten und
einen heitern, wohlwollenden Gesichtsausdruck bewahrten, der nicht nur von
Verdrießlichkeit fern war, sondern auch eine gänzliche Freiheit von anderwei-
tigen zerstreuenden Gedanken bewies. Nicht bloß eine finstre Stirn, einen um-
herschweifenden Blick, eine gebeugte Haltung, ein unschickliches Übereinander-
schlagen der Beine, sondern auch ein Winken, ein Flüstern mit einem andern,
ein Lächeln, schläfriges Gähnen, den Ausdruck der Abspannung und dgl. —
alles dies hatte man sorgfältig zu vermeiden^).
Gerade diese bis ins Kleinliche gehende Genauigkeit der Vorschriften, durch
welche Männer von so hoher und anerkannter Bedeutung wie Plutarch, Epictet
u. a. zur Aufrechterhaltung der Würde des philosophischen Unterrichts bei-
tragen zu müssen glaubten, zeigt nicht am wenigsten, wie tief und weit verbreitet
das Interesse an den Vorlesungen und Schulen der Philosophen gewesen sein
muß. Und ebenso beweisen die Ansprüche, die von den bedeutendsten Schrift-
stellern an die Wirksamkeit dieser Schulen fort und fort erhoben wurden, daß
sie trotz aller Schwächen, Verirrungen und Mißerfolge vieler Lehrer doch als
die eigentlichen Stätten sittlicher Bildung galten, und, wie uns die Werke der
so zahlreichen bedeutenden philosophischen Schriftsteller dieser Zeit verbürgen,
in der Tat wenierstens teilweise mit Recht.
Philosophen
als Missionare
der Sittlichkeit
und Volkspre-
diger ^Kyaiker).
Während nun die Leiter öffentlicher Schulen ihre Wirksamkeit auf einen wenn
auch noch so großen Kreis von Schülern und Anhängern beschränkten, gab es
auch eine Klasse von Philosophen, die sich als wahre Missionare der Sittlichkeit
der ganzen Menschheit widmeten, die Kyniker. War auch die große Masse dieser
> Bettelmönche des Altertums <, wie sie oben geschildert worden ist, mit Recht
verrufen, so waren doch die wahrhaft edlen Persönlichkeiten unter ihnen, die
um jener hohen Aufgabe willen allen Gütern des Lebens entsagten, ebenso all-
1} Gell. V I, I. 2) Plutarch. De aud. 15. 3) ebd. 13 — 15.
[IV. 348] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 28g
gemein bewundert und verehrt; und auch Dio und Epictet, die g-eachtetsten
Lehrer des 2. Jahrhunderts, neigten zum Kynismus und stellten Diogenes neben
Sokrates. Epictet namentlich hat von der Mission der wahren Kyniker den aller-
höchsten Begriff') : niemand dürfe sie sich anmaßen ohne das Bewußtsein, durch
göttlichen Willen dazu erkoren zu sein. Alle Leidenschaft, alle Begierde muß
der Kyniker von sich tun. Die übrigen Menschen können sich hinter den Mauern
ihrer Häuser verbergen, die Hülle des Kynikers, der kein Haus hat und unter
dem freien Himmel wohnt, muß die Schamhaftigkeit sein: er muß nichts zu ver-
bergen haben, denn wo und wie sollte er es? Er, »der allgemeine Lehrer und
Erzieher«, darf nichts zu scheuen haben, wie sollte er sonst »das Amt eines Auf-
sehers der übrigen Menschen behaupten können« !
Aber es genügt nicht, daß er für sich selbst Erkenntnis und Freiheit gewinnt;
sondern er muß wissen, daß er von Zeus zu den Menschen als Bote gesandt ist,
um sie über das Gute und Böse zu belehren, daß sie in der Irre gehen und ander-
wärts das Wesen des Guten und Bösen suchen, wo es nicht ist, wo es aber ist,
es nicht beachten. Und nun läßt er seinen Kyniker dem Volke predigen: »O,
ihr Menschen, wohin laßt ihr euch fortreißen? Was tut ihr Unglücklichen? Ihr
sucht die Seligkeit, wo sie nicht ist. Warum sucht ihr sie außer euch? Im Leibe,
im Reichtum, in der Macht, in der Herrschaft ist sie nicht! Seht die Starken,
die Reichen, die Mächtigen an, hört ihre Klagen und Seufzer, blickt auf Nero
und Sardanapal, auf Agamemnon I^ — Und nachdem er dies alles, namentlich
die stete Angst und Not des letzteren, mit dramatischer Anschaulichkeit seinen
Zuhörern vorgeführt hat, läßt er diese, ebenfalls völlig wie in einer Kapuziner-
predigt, fragen: »Worin ist denn das Gute, wenn es in all diesem nicht ist?
Sage es uns, Herr Bote und Wächter !<; »Wo ihr es nicht glaubt noch suchen
wollt! Denn wenn ihr wolltet, hättet ihr es schon in euch selbst gefunden und
nicht nach Fremdem wie nach eurem Eigentum gestrebt. In euch, Unglück-
liche, sucht es! Da bildet es aus, da hegt und pflegt es! Wie es möglich sei,
ohne Hab und Gut, nackt, ohne Haus und Hof, ohne Pflege, ohne Knecht, ohne
Vaterland glücklich zu leben? Seht da, Gott hat euch den gesandt, der es euch
durch die Tat beweisen kann, daß es möglich ist! Alles jenes habe ich nicht,
ich liege auf der Erde, ich habe kein Weib, keine Kinder, kein Schlößchen,
sondern nur Erde und Himmel und ein einziges grobes Mäntelchen. Und doch,
was fehlt mir? Bin ich nicht ohne Trübsal? ohne Furcht? bin ich nicht frei?
— Wie begegne ich jenen, die ihr bewundert und ehrt? Nicht wie Sklaven?
Wer glaubt nicht, wenn er mich sieht, seinen König und Herrn zu sehen ? « —
Immer aufs neue wiederholt Epictet dann, daß der Kyniker ganz und unbe-
hindert im Dienste der Gottheit stehen, den Menschen beistehen können muß,
daß er durch keine Privatpflichten gebunden, in keine Verhältnisse verflochten
sein darf, bei deren Verletzung er die Gebote der Sittlichkeit übertreten, in deren
Bewahrung dagegen er das Amt des > Boten, Wächters und Herolds der Götter«
aufgeben müßte: wie namentlich die Ehe. Wo bliebe dabei jener König, der
sich dem allgemeinen Besten widmet, >dem sich zur Hut die Völker vertraut
und mancherlei obliegt«, der über die andern die Aufsicht führen muß, über die
Gatten und die Väter, wer seine Frau gut behandelt, wer schlecht, wer straf-
I) Epictet. D. III 22.
Friedlaender, Darstellungen, ni. 9. Aufl. ig
2QO XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 349]
fällig ist, wessen Haus wohl geordnet ist, wessen nicht: wie ein Arzt, der um-
hergeht und die Pulse fühlt! Du hast Fieber, du leidest am Kopf, du an den
Füßen; du faste, du nimm Speise, du bade nicht, du mußt geschnitten, du ge-
brannt werden. Wie hätte der dazu die Muße, der durch Privatpflichten ge-
bunden ist? — Wenn wir die Größe des wahren Kynikers begreifen, werden
wir uns nicht wundern, weshalb er kein Weib nimmt, keine Kinder zeugt. Er
ist der Vater aller Menschen, er hat alle Männer zu Söhnen, alle Frauen zu
Töchtern; er sorgt um sie, er schilt sie als Vater, als Bruder, als Diener des ge-
meinsamen Vaters Zeus.
Demetrius. In der Tat gab es in jener Zeit Männer, die dieses Ideal wenigstens annähernd
verwirklichten, und zwei von ihnen sind uns bekannt, Demetrius, der im ersten
Jahrhundert in Rom, und Demonax, der im zweiten in Athen lebte. Der erstere
führte die Forderungen der völligen Bedürfnislosigkeit und Rückkehr zum Natur-
zustande praktisch mitten in der Pracht, Üppigkeit und Überkultur der Welt-
stadt, des goldnen Rom, buchstäblich durch und verschaffte dem Kynismus bei
den Römern Achtung, den noch Cicero als »der Schamhaftigkeit zuwiderlaufend«
unbedingt verworfen hatte ^). Der zerlumpte Bettler, der ein Geschenk Cali-
gulas von 200000 Sest. mit Hohn zurückwies^), der Neros Drohungen ver-
achtete^), Vespasians Unwillen durch einen zur Schau getragenen Trotz heraus-
forderte, seine Verachtung Andersmeinender mit rücksichtsloser Derbheit äu-
ßerte"*), wurde von den bedeutendsten und höchstgestellten Männern jener Zeit
eifrig aufgesucht und mit Ehrfurcht behandelt. Thrasea widmete seine letzten
Stunden einem Gespräche mit ihm über die Unsterblichkeit und das Jenseits^),
und Seneca verehrte seine unbeugsame Seelenstärke um so aufrichtiger, je mehr
er ihm gegenüber seine eigne Schwäche fühlte: Demetrius war nach seinem
Urteil selbst mit den Größten verglichen noch ein großer Mann^). Seneca ver-
ließ die Gesellschaft der in Purpur Gekleideten, um das Gespräch dieses herr-
lichen Manns, den er so sehr bewunderte, stets genießen zu können. Wie sollte
er ihn nicht bewundern? Ihm fehlte in der Tat nichts: er lebte nicht, als ob er
alles verschmäht, sondern als ob er es andern überlassen habe^). Hörte man
ihn in seiner Blöße auf seinem Strohlager reden, so machte seine Rede doppelten
Eindruck, er erschien nicht bloß als Lehrer, sondern als Zeuge der Wahrheit^).
»Ihn«, meinte Seneca, »hat die Natur in unsrer Zeit erschaffen, um zu zeigen,
daß weder er durch uns verdorben noch wir durch ihn gebessert werden können.
Er ist der Mann von vollendeter Weisheit, wenn er es auch selbst in Abrede
stellt, und unerschütterlicher Festigkeit in der Ausführung seiner Grundsätze,
und von einer Beredsamkeit, wie sie den größten Gegenständen ziemt, die nicht
kunstvoll geordnet noch um Worte ängstlich bekümmert ist, sondern mit ge-
waltigem Schwünge ihren Gegenstand verfolgt, wie die Eingebung sie antreibt.
Ich zweifle nicht, daß ihm die Vorsehung ein sittliches Leben und eine solche
Macht der Rede verliehen hat, damit es unserem Zeitalter nicht an einem Bei-
spiel und an einem lebendigen Vorwurfe fehle« ^).
l) Cic. de off. I 148. Daß Kyniker im i. Jahrhundert in Rom gewöhnliche Erscheinungen
waren, zeigen Lucill. Anthol. Palat. XI 153 — 155. Martial. III 93, 13. IV 53. VII 64, 8. XI 84, 7.
2) Seneca de benef. VII ii. 3) Epictet. D. I 25, 22. 4) Suet. Vesp. 13. Cass. Dio LXVI 13.
5) Tac. A. XVI 34. 6) Seneca de benef. VII i, 3. 7) Seneca epist. 62, 3. 8) ebd. 20, 9.
9) Seneca de benef. VH 8. Zeller LU l"* S. 794 ff.
IIV. 35^, 35i] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 291
Als ein Beispiel und einen Vorwurf für seine Zeit, gleichsam ein in die Er- Demonax.
scheinung getretenes, unablässig mahnendes Gewissen seiner Mitbürger schil-
dert eine unter Lucians Namen überlieferte Schrift') auch jenen Demonax, der
den größten Teil seines Lebens in Athen verbrachte und es fast hundertjährig
durch freiwilligen Hungertod endete. Demonax war im Gegensatz zu Demetrius
und seinesgleichen, aber in Übereinstimmung mit dem ihm befreundet gewese-
nen Epictet bemüht, die Schroffheiten der kynischen Denkweise zu mildern
und namentlich seinen Ermahnungen und Strafreden durch Witz und geistige
Anmut die abstoßende Härte zu nehmen; seine ganze Philosophie trug den
Charakter der Milde, Freundlichkeit und Heiterkeit. Alle Menschen betrachtete
er als Angehörige. Seinen Freunden stand er mit der Tat bei, soweit es zu-
lässig war, die Glücklichen mahnte er an die Vergänglichkeit der Glücksgüter,
die durch Armut, Verbannung, Alter oder Krankheit Unglücklichen tröstete er.
Er bemühte sich, hadernde Brüder zu versöhnen, zwischen Gatten und Gattin-
nen Frieden zu stiften, auch bei Spaltungen in Gemeinden trat er öfters als Ver-
mittler auf und meistens mit Erfolg. So lebte er fast hundert Jahre ohne Krank-
heit, ohne Kummer, ohne jemandem zur Last zu fallen oder einen anzuklagen,
seinen Freunden nützlich, ohne je einen Feind zu haben, in Athen und ganz
Griechenland allgemein geliebt und verehrt; wo er erschien, stand man auf, auch
die höchsten Beamten, und alles wurde still. In seinem höchsten Alter ging er
ungeladen zum Essen und Schlafen in das erste beste Haus, und die Einwohner
betrachteten es wie eine Erscheinung eines Gottes oder eines guten Geistes.
Die Brotverkäuferinnen hängten sich wetteifernd an ihn, jede, von der er ein
Brot annahm, glaubte, daß er ihr Glück bringe; die Kinder brachten ihm Früchte
und nannten ihn Vater. Als einst in Athen ein Streit ausgebrochen war, reichte
seine bloße Erscheinung in der Versammlung hin, um die Ruhe wiederherzu-
stellen, und als er sich davon selbst überzeugt hatte, entfernte er sich, ohne ein
Wort zu sagen. Die Athener begruben ihn prachtvoll auf Kosten der Stadt und
betrauerten ihn lange; den steinernen Sitz, auf dem er auszuruhen pflegte, hielt
man heilig und bekränzte ihn ihm zu Ehren. Bei seinem Begräbnis fehlte nie-
mand, am wenigsten von den Philosophen, diese trugen die Bahre zu Grabe'').
Ein weniger deutliches Bild haben wir von Peregrinus, welcher später Proteus Peregrinus.
genannt wurde ^), da die Schilderung Lucians, aus der wir ihn allein kennen, ihn
ebensosehr als Narren wie als Schurken erscheinen läßt: doch daß diese Dar-
stellung unmöglich der Wahrheit entsprechen kann, ergibt sich nicht bloß aus
dem unverdächtigen Zeugnis eines andern Zeitgenossen, sondern zum Teil aus
Lucians eignen Angaben. Wir werden schwerlich irren, wenn wir die durch-
weg unlautern oder schändlichen Beweggründe, die Lucian dem Peregrinus bei
allen seinen Handlungen unterschiebt, auf gehässige Voraussetzungen und Er-
dichtungen leidenschaftlicher Gegner zurückführen, denen für die Natur eines
solchen Schwärmers alles Verständnis fehlte.
i) Für die u. a. von Bernays (Lukian u. die Kyniker S. 104 f.) angezweifelte Echtheit der Schrift
ist neuerdings mit guten Gründen K. Funk, Philologus Suppl. X 1907 S. 561 ff. eingetreten.
2) Zeller a. a. O. S. 798 ff. Funk a. a. O. S. 647 ff. 3) Zeller, Vorträge u. Abhandl. II 173 ff.
J. Bernays, Lukian und die Kyniker 1879 (wo S. 89 über den Namen Proteus gesprochen ist).
19*
292
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 352;
Verwandtschaft
zwischen Kynis-
mus und Chri-
stentum.
Peregrinus war als Sohn eines wohlhabenden Mannes in Parium am Helles-
pont geboren und kam auf jahrelangen Reisen auch nach Palästina, wo er sich
den Christen anschloß und eifrig (auch durch Schriftstellerei) für ihre Lehre
tätig war, so daß ihm das Amt eines Vorstehers der Gemeinde übertragen wurde.
Wegen seines christlichen Bekenntnisses ins Gefängnis geworfen, soll er sich
zum Märtyrertum gedrängt haben, doch von dem Statthalter von Syrien als für
eine auszeichnende Bestrafung zu unbedeutend freigelassen worden sein. Nach
Parium zurückgekehrt, schenkte er den Rest seines in seiner Abwesenheit stark
geplünderten Vermögens, das seine Verehrer sehr hoch angaben, während es
nach Lucian nur noch die immerhin nicht geringe Summe von 15 Talenten
(70725 Mark) betrug, seiner Vaterstadt und begann dann sein Wanderleben von
neuem. Mit den Christen zerfallen, trat er in Ägypten zum Kynismus über und
übte in Rom öffentlich eine so rücksichtslose Kritik der bestehenden Ordnung,
daß der Stadtpräfekt ihn von dort verwies. In Griechenland soll er dann den
törichten Versuch gemacht haben, einen Aufstand gegen die Römer zu er-
regen'). Im Jahre 167^) endete er sein Leben in Olympia nach dem Schluß
der Festspiele durch eine lange zuvor angekündigte Selbstverbrennung; in einer
mondhellen Mitternacht stürzte er sich in Gegenwart einer Schar von Kynikern,
die Geister seiner Eltern anrufend, auf einen in einer Grube errichteten Scheiter-
haufen und verschwand in dieser Flammengruft.
Die Bekehrung des Peregrinus zum Christentum sowie sein Abfall und Über-
tritt zum Kynismus ist keineswegs unverständlich. »Gerade eine Natur wie die
seinige konnte in dem unruhigen Suchen nach Wahrheit und innerer Befriedi-
gung dem Christentum ebenso leicht zugeführt, als in der Folge, wenn Unter-
ordnung unter den kirchlichen Glauben und die kirchliche Sitte von ihm ver-
langt wurde, wieder von ihm weggeführt werden« ^). Zwischen dem Christentum
und dem Kynismus bestand aber nicht bloß in dem unbedingten Gegensatze
gegen den Polytheismus die vollste Übereinstimmung, sondern die Lösung von
allen irdischen Banden und die Weltverachtung der Kyniker war auch jenem,
dem Christentum innewohnenden Elemente nahe verwandt, das später im
Einsiedler- und Mönchsleben seinen vollen Ausdruck gefunden hat. Diese Ver-
wandtschaft ist auch im Altertum nicht unbemerkt geblieben. Celsus hatte die
Verkünder der christlichen Lehre mit Marktschreiern verglichen, weil sie sich
vorzugsweise an die ungebildeten Massen wandten, und Origenes erwidert, die
kynischen Volksprediger täten genau dasselbe'^). Julian der Abtrünnige fand
zwischen »den der Welt Absagenden, wie sie die gottlosen Galiläer nennen«,
und den Kynikern eine große Ähnlichkeit, nur daß die letztern nicht so gute
Geschäfte machten wie die ersteren, die >auf weniges verzichtend viel oder
vielmehr alles zusammenscharrten«, da ihnen die Pflicht der Mildtätigkeit einen
anständigen Vorwand zum Erheben von Tributen bot. Dieser fehlte den Ky-
nikern, und außerdem waren die Heiden auch vernünftiger als »jene Toren«.
In allen übrigen Stücken waren beide Klassen einander gleich. Diese wie jene
i) Wohl, wie Bernays S. 30 vermutet, der Hist. aug. Antonin. P. 5, 5 {in Achaia atque etiam
Aegypto rebehiones repressit) erwähnte. 2) Nissen, Rhein. Mus. XLIII 1888 S. 254 f. 3) Zeller
S. 177 f. 4) Orig. c. Cels. III 50. Bernays, Lukian und die Kyniker S. 93 f.
[IV. 353] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 293
ließen sich für ihre angebliche Entsagung Ehre und Huldigungen erweisen;
diese wie jene ließen ihr Vaterland im Stiche, wanderten überall umher und
machten sich in den Lagern lästig, die Kyniker noch frecher und zudringlicher
als die Mönche')* Diesen und ähnlichen Vergleichungen des Kynismus mit
dem Christentum gegenüber haben es Johannes Chrysostomus und Gregor von
Nazianz für nötig gehalten, aufs nachdrücklichste zu betonen, wie sehr der
erstere dem letzteren nachstehe^).
Daß Peregrinus die finstre, schroffe und rauhe Seite des Kynismus besonders
stark hervorkehrte, geht unter anderm auch daraus hervor, daß Demonax, den
er wegen seiner Heiterkeit nicht für einen Kyniker gelten lassen wollte, ihm er-
widert haben soll: »Und du bist kein Mensch«^). Doch spricht Gellius, der ihn
nicht lange vor seinem Ende in seiner Hütte unweit Athen oft aufsuchte, von
ihm mit großer Achtung. Er hatte von diesem »würdigen und charakterfesten
Manne« manches treffliche und heilsame Wort gehört, unter anderm eine Er-
örteryng darüber, daß der Weise nichts Unrechtes tun werde, wenn auch kein
Gott und kein Mensch etwas davon erfahren könnte. Denn nicht aus Furcht
vor Strafe oder Schande, sondern aus Liebe zum Guten müsse man das Schlechte
unterlassen. Für diejenigen aber, denen es an dieser höhern sittlichen Kraft
fehle, sei der Gedanke, daß kein Unrecht verborgen bleibe, sondern die Zeit
alles am Ende ans Licht bringe, ein sehr wirksamer Beweggrund zur Vermeidung
des Unrechts"*).
Endlich sollte seine Selbstverbrennung ein Leben, in welchem er dem Herakles,
dem großen Vorbilde der Kyniker^), nachgeeifert, mit dem Ende dieses Helden
krönen, die Menschen Todesverachtung lehren und zugleich der Welt beweisen,
daß auch ein Kyniker des viel bewunderten Entschlusses des indischen Weisen
Kalanos fähig sei^). Die Hinausschiebung des Selbstmords bis nach dem
Schlüsse der olympischen Spiele, die Wahl der Nachtzeit zu seiner Vollziehung,
die Zulassung einer nur kleinen Zahl gleichgesinnter Zuschauer — alles dies
spricht nicht dafür, daß Peregrinus seinen höchsten Triumph in einem theatra-
lischen Effekt suchte. Ohne Zweifel war er ein Schwärmer, doch an dem Ernst
und der Aufrichtigkeit seiner Überzeugungen zu zweifeln, haben wir keinen
Grund, und außer der Schrift Lucians kein Zeugnis dafür, daß es damals oder
später im Altertum geschehen ist. Athenagoras sah in Parium etwa zehn Jahre
nach seinem Tode seine Statue^), und Ammianus Marcellinus nennt ihn bei der
Erwähnung seines Selbstmords (den auch die Chronisten verzeichnet haben)
einen berühmten Philosophen^).
Die kynische Schule hat bis in die letzten Zeiten des Altertums fortbestanden.
Auch außer den Reden des Kaisers Julian fehlt es nicht an Zeugnissen, welche
ihre Fortdauer verfolgen lassen, und ihre Anhänger sind offenbar noch im An-
fange des fünften Jahrhunderts zahlreich gewesen^).
l) Julian, orat. 7 p. 224 B. 2) Norden, Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 1892 S. 393—404, 459.
3) Lucian. Demonax 21. Vgl. auch die Anekdote bei Philostrat. Vit. soph. 11 i, 13. 4) Gell. XII ii;
vgl. VIII 3. 5) Vgl. E. Weber, De Diene Chrysostomo Cynicorum sectatore, Leipz. Studien XX
1887 S. 2368'. 6) Euseb. chron. II 170 Schoene (Syncell. p. 664, 17) eauxöv eveirpriöe )Lll^ou^€vo^
KaXavbv BpaxMOvöv töv KOTCt 'AXeEav6pov f vJMVOOoq)iaTriv. 7) Athenag. 26. 8) Ammian. XXIX
I, 39. Auch Tertullian ad mart. 4 erwähnt ihn. 9) Vgl. außer den von Bemays S. 99 f. ange-
294 XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN [IV. 35 4? 355]
.äuterungdersitt- Wenn CS in der Natur der Sache liegt, daß wir aus der damaligen Literatur
mo-en durch d^e ^^^^ mehr von den Bestrebungen zur Hebung der Sittlichkeit durch die Philo-
Sntwicklung der sophie als von deren Wirkungen erfahren, so wird sich doch aus allem Mitge-
'^irste°n Shun' ^^'^^^^ ergeben haben, daß die Philosophie in der Tat der damaligen gebildeten
derten. Welt als die wahre und höchste Erzieherin der Menschheit zur Sittlichkeit galt,
und selbst die Opposition gegen sie bestätigt nur die Allgemeinheit dieser Über-
zeugung. Daß die bisher geschilderten, umfassenden und eifrigen Bemühungen
tatsächlich bedeutende Wirkungen hervorbrachten, ergibt sich schon allein
daraus, daß eine so große Zahl der edelsten Männer dieser Jahrhunderte nach
eignem Geständnis oder dem Berichte andrer ihre Charakterbildung der Philo-
sophie verdankten; nicht minder aus der hohen Verehrung, die den hervor-
ragenden Philosophen von Mitwelt und Nachwelt gezollt wurde. In einer Welt,
die dem Sklaven die Menschenrechte absprach, gehörte der ehemalige Sklave
Epictet zu den am allgemeinsten verehrten Persönlichkeiten, und der Beherr-
scher dieser Welt, Hadrian, soll sich um seine Freundschaft beworben haben').
Die bedeutendsten Lehrer und Schriftsteller dieser Jahrhunderte, der Frei-
gelassene Epictet, der Ritter Musonius Rufus, der Konsular Seneca, der Kaiser
Marc Aurel, gingen aus den verschiedensten Ständen und Lebensstellungen
hervor. Die Wirkung der Philosophie erstreckte sich auf alle Schichten der
Gesellschaft, von den niedrigsten bis zu den höchsten ""). Die Philosophie, sagt
Seneca, sieht nicht auf den Stammbaum; der Ritterstand, der Senat, der Kriegs-
dienst bleibt vielen verschlossen ; die Erkenntnis steht allen ofifen, für diesen
Zweck sind wir alle edelgeboren^). Eine große Seele kann ebensowohl in einem
Sklaven oder Freigelassnen wie in einem römischen Ritter wohnen'*).
Aber nicht bloß die Scheidewände und Schranken der Stände und Klassen
durchbrach die Philosophie, sie hat auch die Ausschließlichkeit des Nationalitäts-
bewußtseins wenigstens sehr zu schwächen vermocht und in der teilweisen
Überwindung dieses in allen Völkern des Altertums, vor allem den Römern,
so stark entwickelten und mit so großer Härte geltend gemachten Gefühls sich
als eine der realsten bildenden und umgestaltenden Mächte der hier geschilder-
ten Kulturperiode erwiesen. Namentlich der Kynismus und der Stoizismus
haben die in ihnen von Anfang an liegende Richtung des Weltbürgertums und
der die ganze Menschheit umfassenden Bruderliebe auf dem so höchst günstigen
Boden des römischen Universalreichs in einer Weise entwickelt, daß ihre Lehren
über das Verhältnis des Einzelnen zur Menschheit ebensosehr einen christlichen
Geist atmen, wie sie den entschiedensten Bruch mit den spezifisch antiken Welt-
anschauungen bezeugen. Man hat diesen Entwicklungsgang der Philosophie
führten Stellen Macrob. Sat. I 7, 3. Prudent. Hamartig. 401 : hinc gerit Herculeam vilis sapientia
clavam ostentatque suos vicatim gytmtosophistas. Augustin. C. D. XIV 20 et nunc videmtis adhuc esse
philosophos Cynicos ; hi enim sunt, qui non solum amiciuntur pallio, verum etiam clavam ferunt.
Vgl. Zeller, Philos. d. Gr. III i'* S 803 f. Über den Kyniker Sallustius im 5. Jahrh. R. Asmus,
N. Jahrb. f. klass. Altert. XXV 1910 S. 504 ff. Auch bei dem Reskript über die colluvio der Pseudo-
philosophen vom J. 369 Cod. Theod. XIII 3, 7 (mit Gothofredus Kommentar) dürfte vorzugsweise
an Kyniker zu denken sein.
l) Hist. aug. Hadr. 16, 10. 2) Lehrreich dafür ist das Auftreten neupythagoreischer Anschau-
ungen auf einem Grabsteine aus Philadelphia in Lydien aus dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit.
A. Brinkmann, Rhein. Mus. LXVI 1911 S. 6i6ff. 3, Senea ep. 44, i f . 4) ebd. 31, li.
[IV. 356] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 295
von manchen Seiten nur durch direkte christliche Einflüsse erklären zu können
geglaubt, aber auch bei Seneca bedarf es ihrer zur Erklärung dieser Erschei-
nung keineswegs, und der Widerwille, den Epictet und Marc Aurel gegen »die
Galiläerc äußern, schließt die Annahme christlicher Einwirkungen auf beide
geradezu aus'). Auch haben die Christen jener Zeit ja (wie bemerkt) eine selb-
ständige Sittlichkeit der Heiden anerkannt, welche sie teils aus deren Bekannt-
schaft mit den heiligen Schriften der Juden, teils aus einer Vermittlung der dem
Christentum entgegenwirkenden Dämonen herzuleiten versuchten. Zu so selt-
samen Erklärungen würden sie gewiß nicht gegriffen haben, wenn sie geglaubt
hätten, die Tugenden der Heiden auf christliche Einflüsse zurückführen zu
können'^). In der Tat muß eine vorurteilsfreie Betrachtung zu dem Ergebnis
gelangen, daß der Stoizismus und Kynismus aus eigner Kraft sich in dieser Zeit
zu einer Höhe und Reinheit der sittlichen Auffassung von Menschenrechten
und Menschenpflichten erhoben haben, die im früheren Altertum nicht erreicht
worden ist^). Den stoischen Grundsatz von der Zusammengehörigkeit aller
Menschen, die, wie Epictet es ausdrückt, alle Gott zum Vater haben, also Brüder
sind, haben erst die Stoiker dieser Zeit in seiner ganzen Tragweite und bis in
seine letzten Konsequenzen verfolgt. Ausdrücklich und wiederholt lehren sie
die Feindesliebe, die ertragende Geduld und Nachsicht nicht bloß mit den Irren-
den, sondern auch Vergebung des uns getanen Bösen und dessen Vergeltung
mit Wohltaten"^). Doch den untrüglichsten Maßstab für den Fortschritt in der
Auffassung des Verhältnisses des Einzelnen gegenüber der Menschheit gibt die
Vergleichung der damaligen Ansichten über die Sklaverei mit denen der älteren
Philosophen. Während Plato an diesem »Krebsschaden der alten Welt« keinen
Anstoß nahm, den Gedanken einer künftigen völligen Aufhebung der Sklaverei
niemals faßte; während Aristoteles sogar den Beweis antrat, daß sie in der Natur
begründet sei, die Sklaven als »lebendiges Eigentum« und die Barbaren als
geborene Sklaven der Hellenen betrachtete, betont Seneca, daß wir die Sklaven
vor allem als Menschen, als niedriger stehende Freunde und, insofern sie mit
uns unter derselben höheren Macht stehen, als Mitsklaven ansehen sollen^).
Daß diese Lehren in der Tat zur Verbesserung des Zustands der Sklaven
wesentlich beigetragen haben, ist unbezweifelt^). Die von der damaligen Philo-
sophie geübten Wirkungen haben sich weit über ihre eigne Zeit hinaus erstreckt:
wir haben aus dem 3. Jahrhundert das ebenso merkwürdige wie unverdächtige
Zeugnis des Origenes, daß, während wenige noch Plato lasen, Epictet von
jedermann gelesen werde''). Ein interessantes Zeugnis für das Ansehen und die
Verbreitung der Lehre Epictets ist ein (etwa in der zweiten Hälfte des 2. Jahr-
hunderts) bei einem Apolloheiligtum in Pisidien in den Felsen gehauenes Ge-
dicht eines ebenfalls von Sklaven stammenden, stoisch gebildeten Manns.
i) Epictet. D. IV 7, 6. M. Aurel. comm. XI 3. Darüber ausführlich A. Bonhöffer, Epiktet und
das Neue Testament, 191 1. 2) Boissier, La religion rom. II 426. Oben S. 248 f. 3) Vgl. Zeller
a. a. O. S. 296. 4) ebd. S. 307 (Seneca). 765 (Musonius). 781 (Epictet). 790 (Marc Aurel). Nur an
diese konnte Goethe denken, wenn er die Stoiker »Christen unter den Heiden« nannte 'Riemer,
Briefe von und an Goethe S. 315). 5) Zeller 11 l* S. 890 f. (Plato). II 2^ S. 690 ff. (Aristoteles).
ni i-* S. 308, 5 (Stoiker). 6) Vgl. W. Soltau, N. Jahrb. f. klass. Altert. XXI 1908 S. 335 ff.
7) Orig. c. Gels. VI 2.
»gö
XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN
[IV. 357:
Zeit.
Wahre Freiheit werde nicht durch die Geburt bewirkt, sondern nur durch den
Charakter. Epictet, der göttliche Mann, war der Sohn einer Sklavin. Wenn
doch jetzt zum Frommen und zur Freude der Welt ein solcher Mann von einer
Sklavin geboren würde !^)
Unhaltbarkeit Eine Zeit, die aus eigener Kraft sich zu höheren und reineren sittlichen An-
der Annahme schauungen erhob als das ganze frühere Altertum, die nicht bloß einen Muso-
nenSittenver- 1^^^^, Epictet und Marc Aurel hervorbrachte, sondern in der diese Verkünder
falls in dieser einer milden, echt menschlichen Sittenlehre auch die allgemeinste Bewunde-
rung, ihre Lehren allgemeine Verbreitung fanden, kann nicht eine Zeit des
tiefsten Sittenverfalls gewesen sein, wie sie so oft genannt worden ist. Wenn
es überhaupt keinen Gradmesser für die Sittlichkeit einer auch noch so genau
bekannten Periode gibt, so am allerwenigsten für diese Jahrhunderte, aus denen
uns nur vereinzelte, teils auf bestimmte Gebiete beschränkte, teils gefärbte oder
einseitige Berichte vorliegen. Zu den letzteren gehören die rhetorischen De-
klamationen des altern Plinius und Seneca, zu den ersteren die Darstellung der
Greuel im Elaiserhause, der furchtbaren Folgen eines schrankenlosen Despotis-
mus, der furchtbaren Unterdrückung der Aristokratie durch das Cäsarentum
beiTacitusund den übrigen Geschichtschreibern, der Korruption, des Schmutzes
und der Sittenlosigkeit, deren Rom, wie jede Weltstadt, ein überreiches Maß
in sich barg, bei den Satirikern und Martial. Aus diesen Quellen allgemeine
Schlüsse auf die Sittlichkeit des ganzen Zeitalters zu ziehen, würde selbst dann
unstatthaft sein, wenn nicht selbst sie unter so viel widrigen, häßlichen und ab-
schreckenden auch gar manche wohltuende und erhebende Eindrücke böten,
Eindrücke, die in andern Quellen, wie in den Briefen des jüngeren Plinius, den
Werken des Quintilian, Plutarch, Gellius, sogar entschieden überwiegen. Und
wenn man von jenen rhetorischen Deklamationen über den Untergang der
guten alten Zeit absieht, wird man in der Literatur schwerlich Zeugnisse dafür
finden, daß die Menschen jener Zeit selbst in einer Periode des allgemeinen
Sittenverfalls zu leben glaubten, wohl aber für das Gegenteil. Selbst Seneca
schließt eine grelle Schilderung der herrschenden Unsittlichkeit mit der Er-
klärung, daß er die Schuld nicht an seiner Zeit haften lassen wolle. »Darüber
haben unsere Vorfahren geklagt, klagen wir und werden unsere Nachkommen
klagen, daß die Sitten in Verfall seien, die Schlechtigkeit herrsche, die Menschen
immer tiefer in Sündhaftigkeit versinken, die menschlichen Zustände sich ver-
schlimmern. In Wirklichkeit aber bleiben sie unverrückt und werden es bleiben,
nur mit geringen Verschiebungen nach der einen oder der andern Seite: gleich
Wassern, welche die steigende Flut weiter vorwärts trägt, die sinkende auf
einem zurückliegenden Raum des Ufers festhält.« »Die Laster sind nicht den
Zeiten eigentümlich, sondern den Menschen. Kein Zeitalter ist von Schuld frei
gewesen« ""j. Tacitus war überzeugt, daß nicht alles bei den Früheren besser
gewesen sei, sondern daß auch seine Zeit vieles für die Späteren Nachahmungs-
würdige hervorgebracht habe: vielleicht finde in den Sitten wie in den Dingen
überhaupt ein Kreislauf statt ^). Und Marc Aurel, dessen Weltanschauung ganz
I) Kaibel, Hermes XXIII 1888 S. 542flf. 2) Seneca de benef. I 10, i ; ep. 97, l. 3) Tac. A. III
55; H. I 3: non tarnen adeo virtuUtm sterile saecuhim, ut non et bona exempla prodiderit.
[IV. 358] XIV. DIE PHILOSOPHIE ALS ERZIEHERIN 297
vorzugsweise durch die stoische Lehre vom ewigen Kreislauf der Dinge be-
stimmt wurde, der in der Geschichte nur ein ewiges Einerlei sah, mußte auch
die menschliche Schlechtigkeit für etwas sich zu allen Zeiten gleich Bleibendes
halten. >Was ist Schlechtigkeit? fragt er. Was du oft gesehen hast! Wovon
die Häuser und die Städte jetzt voll sind, davon wird man auch die alte, mittlere
und neue Geschichte erfüllt finden, und nichts ist neu.« Aber nichts als
Schlechtigkeit in der Gegenwart zu sehen, davon war er weit entfernt. Nichts
stimmte ihn so froh, wie die Vorzüge der Zeitgenossen sich vor Augen zu
halten, und es gab für ihn keine größere Freude, als die Abbilder der Tugenden,
die sich in den Charakteren der Mitlebenden offenbarten, in ihrer Gesamtheit
zu überblicken'].
1' M. Aurel. Comm. VII i. VI 48.
Das Verhältnis
der Gebildeten
zum Unsterblicli-
l<eitsq[lauben.
Die Leugner.
Der ältere
Plinius.
XV. DER UNSTERBLICHKEITS-
GLAUBE
u;
berall und zu allen Zeiten hat da, wo der Unsterblichkeitsglaube nicht
durch Offenbarungsglauben bestimmt worden ist, neben seinen verschie-
denen Formen Zweifel, Unglaube und Leugnung der Unsterblichkeit be-
standen'); und vermutlich hat es immer Menschen gegeben, für die das Leben
nur als ein endliches erträglich war, die der Gedanke einer ewigen Fortdauer
sogar mit Schauder erfüllte. Es ist merkwürdig, daß gerade eine der tatkräftig-
sten Naturen, die wir aus der spätem römischen Welt kennen, der ältere Plinius,
den Unsterblichkeitsglauben in fast leidenschaftlicher Weise von sich weist: er,
dessen Existenz doch eine bevorzugte war, der mit unermüdlicher Ausdauer
jede Minute seines Lebens für den Staat, für die Menschheit, für die Erkenntnis
der Wahrheit nutzbar zu machen strebte und in diesem Streben einen edeln,
seines Lebens würdigen Tod fand.
»Für alle«, sagt er, »tritt mit der letzten Stunde dasselbe ein, was vor der
ersten war, und Gefühl und Bewußtsein gibt es für Seele und Körper nach dem
Tode so wenie wie vor der Geburt. Menschliche Eitelkeit setzt die Existenz in
die Zukunft fort und erlügt ein Leben in die Zeit des Tods hinein, indem sie der
Seele bald Unsterblichkeit, bald Umgestaltung, bald den Unterirdischen Be-
wußtsein beilegt und Manen verehrt und die zu Göttern macht, die sogar Men-
schen zu sein aufgehört haben: als ob unser Atem sich auf irgend eine Weise
von dem aller übrigen Geschöpfe unterschiede, oder als ob man nicht in der
Natur so viele länger währende Dinge fände, denen doch niemand Unsterblich-
keit prophezeit. Welchen Körper hätte denn aber die Seele an sich? Welchen
Stoff? Welches Denkvermögen? Wie Gesicht, Gehör und Tastsinn? Welchen
Gebrauch dieser Gaben oder welches Gut ohne sie? Wo ist der Aufenthalt und
wie groß in soviel Jahrhunderten die Menge der schattengleichen Seelen? Be-
schwichtigungsmittel für Kinder und Hirngespinste einer Sterblichkeit, die nie
aufzuhören trachtet! — Welcher verwünschte Wahnsinn, daß das Leben durch
den Tod erneuert werden soll! Und wo gäbe es jemals Ruhe für die Erschaffe-
nen, wenn in höheren Regionen das Bewußtsein der Seele fortdauerte, und
Schatten in der Unterwelt? Wahrlich, dieser angeblich süße Trost und diese
Glaubensseligkeit nimmt dem eigentlichsten Gute der Natur, dem Tode, seine
l) Vgl. Lehrs, Populäre Aufsätze'^ S. 303 — 362. Im allgemeinen C. Pascal, Le credenze d'oltra
toinba nelle opere letterarie dell'antichita classica, Catania 19 12.
[IV. 363] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE
29g
Kraft und verdoppelt den Schmerz des Sterbenden durch die Aussicht auf eine
fernere Zukunft. Denn wenn es süß ist zu leben, für wen kann es süß sein ge-
lebt zu haben? Aber wie viel leichter und sichrer wäre es, daß jeder sich selbst
glaubte und die Erfahrung über die der Geburt vorausgehende Zeit als Beweis
der Sicherheit für die Zukunft gelten ließe!« ').
Diese Äußerung einer an buddhistische Lebensanschauungen streifenden Die Epikureer.
Sehnsucht nach der Vernichtung steht vereinzelt. Aber die materialistische Auf- Materialistische
fassung der Seele und die darauf beruhende Leugnung der Unsterblichkeit war ^'■^^^'^^"ft^"-
mindestens ebenso verbreitet wie der Epikureismus, durch den auch die An-
schauung des Plinius ohne Zweifel mittelbar oder unmittelbar bestimmt wurde
und mit dem sein Materialismus auch in der Vorstellung einer himmlischen Her-
kunft der Seele und ihrer * Verwandtschaft mit den Gestirnen« übereinstimmt';.
Die Aussicht auf ein Ende des Daseins war für die überzeugten Bekenner dieser
Lehre keine traurige ^j. Es war ihnen ein tröstlicher Gedanke, in einen Hafen
zu gelangen, wo sie den Täuschungen der Hoffnung, den Launen des Schick-
sals für immer entrückt sein würden^} ; ihnen ziemte, als satte Gäste sich gelassen
von der Tafel des Lebens zu erheben, um sich dem traumlosen Schlafe zu über-
lassen ^j. Die »dem ewigen Schlafe«^) oder »der ewigen Ruhe« [Securitatiy)
geweihten Grabschriften deuten, streng genommen, eine Leugnung der Un-
sterblichkeit an, wenn auch bei all diesen Ausdrucksformen nie außer Acht ge-
lassen werden darf, daß sie bei häufiger Verwendung rasch abgegriffen wurden
und sich der einzelne ihrer ursprünglichen Tragweite nicht mehr bewußt war:
nicht überall ist der Ausdruck so unzweideutig wie in der selbstverfaßten Grab-
schrift eines Nicomedes auf Kos (der, wie es scheint, ein herumziehender Sänger
der Homerischen Gedichte war): »Nach Verhöhnung des Wahns liege ich hier
in unerwecklichem Schlaf« \ Eine griechische Grabschrift lautet: »Nicht ist ein
Kahn im Hades noch ein Charon dort, kein Äacus als Pförtner noch ein Cer-
i) Plin. n. h. VII 188—191 (über die ausgelassene Stelle vgl. Zeller P 905, 2). 2) Plin. n. h.
n 95- 3) So erklärte auch Cäsar bei der Frage über die Bestrafung der Catilinarier im Senat:
mortem — cuncfa mortalium mala dissolvere, ultra tieque curae neque gaudio locum esse (Sallust. Catil.
51, 20); mortem ab dis immortalibus non esse supplicii causa constitutam, sed aut neccssitatem naturae
aut laborum ac miseriarum quietem (Cic. Catil. IV 7). 4) Anthol. Palat. IX 49: 'EXm^ KOi ffu,
luxn, MeT« xaipexe- tov Xt^ev' eupov; ouöev e|Lioi x' u|uiv TraiteTe tou^ luex e^xe (vgl. 134. 172).
CIL VI 11743 = Buecheler, Carm. ep. 1498 evasi eßngi: Spes et Fortuna valcte: ml mihi vobiscum
est, hidificate alias. Vgl. CIL IX 4756 = Buecheler 409, 8 ff. actumst excessi, Spes et Fortuna valete:
ml tam plus in me vobis per saecla licebit. quod fuerat vestrum amisi, qtiod erat meum hie est. CIL
XI 6433 = Buecheler 434, 13 ff. Vgl. Lier, Philologus N. F. XVI 1903 S. 471 ff Freilich sind
diese Gedanken nicht notwendig epikureisch. 5) Lucret. III 938 f. (dazu Heinze) und häufig, z. B.
Horat. S. I i, 119. Das Gleichnis zuerst bei Bio von Borysthenes (Stob. III i, 98 p. 46, ii H.):
ujairep eK au^TTOffiou dTraWdTTO^ai oOeev öuaxepaivuuv, outuj köi ck toö ßi'ou, öxav Äpa fj.' HeinzV
De Horatio Bionis imitatore (Bonn 1889) S. 21 ; vgl. auch Pascal a. a. O. I 23 ff 6) Dessau 8021
bis 8024 mit der Anm. zu nr. 8024; vgl. Buecheler, Carm. ep. 481. 7) Die Zeugnisse bei Ilberg in
Roschers Mythol. Lexik. IV 597. Dessau 8027 ff. Doch war securi ein volkstümlicher Ausdruck
für die Toten überhaupt, CIL XIV 4276: secitra facta est V Mus Oc[t. sepulta usw.; vgl. CIL XIV
380 = Dessau 8149 amici, hoc {= huc) at securos. CIL VI 26227 fccerunt sibi post securitate{m)
(- post mortem). 10251a = Dessau 7348 v. v. v. aliquando securus sum, und Securitati [aeternae]
ist nicht bloß mit D. m. verbunden (z. B. CIL III 3654. V 2896), sondern dis securitatis CIL VI
2268 = Dessau 8026, dibus securis CIL VI 1 0217 = Dessau 6060 auch für dis manibus [securi
manes CIL lU 6414 = Buecheler 588, 8) gesagt worden. 8j IG III 1349 = Kaibel, Epigr. gr. loi.
300 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 364, 365]
berus. Wir alle aber, die der Tod hinabgeführt, sind morsche Knochen und
Asche, andres aber nichts« '); in einer andern heißt es von dem Toten, er sei
nun nach Durchmessung der Lebensbahn ein Grab, ein Stein, ein Bildnis ge-
worden^). Ein viel gebrauchtes Distichon lautet: >Ich war nicht und ward, ich
war und bin nicht mehr, so viel ist wahr. Wer anders sagt, der lügt : denn nicht
werde ich sein«^). Öfters wird noch hinzugesetzt, daß der Tod kein Übel sei,
da mit dem Leben auch das Bewußtsein aufhöre. Ein L. Mäcius Marcus, der
bei Lebzeiten für sich und die Seinen ein »ewiges Haus« erbaute, sägte in der
Inschrift (als noch lebender): >Ich war einst nicht und bin jetzt; ich werde einst
nicht sein: es grämt mich nicht«'*). Einer Verstorbenen sind auf einem Grab-
stein die Worte in den Mund gelegt: ^Ich war einst nicht und bin nicht mehr.
Ich weiß nichts davon: es trifft mich nicht« ^). »Der Tod«, heißt es auf einem
andern Stein, »ist das Letzte und auch das Heilsamste«^). Dies wurde auch in
scherzhafter Weise ausgeführt. Ein Freigelassener Ancarenus Nothus sagt in
seiner Grabschrift, er befürchte nicht mehr hungern zu müssen, habe kein Poda-
gra und brauche keine Wohnungsmiete zu bezahlen, da er ein ewiges Quartier
unentgeltlich bewohne'). Mit der Leugnung der Fortdauer wird auch die Auf-
forderung zum Genüsse des vergänglichen Lebens verbunden, z. B. : »Ich war
nichts, ich bin nichts. Und du, der du lebst, iß, trink, scherze, komm!«^). »Du,
der du dies liesest, Kamerad, freue dich deines Lebens; denn nach dem Tode
gibt es weder Scherz noch Lachen noch irgend eine Freude* ^). Ein Grabmonu-
ment, das im Jahre 1626 unter der Konfession der Peterskirche gefunden wurde,
eine liegende Statue eines Manns mit einer Trinkschale in der Hand, erregte
durch den verruchten Inhalt seiner Inschrift so großen Abscheu, daß die Statue
versteckt oder (nach andern) in den Tiber geworfen, die Inschrift mit Kalk über-
strichen wurde; doch ist eine Abschrift aufbewahrt. Der Verstorbene scheint
trotz seines krassen Materialismus ein bürgerlich geregeltes, anständiges Leben
geführt zu haben. Er war aus Tibur, hieß Flavius Agricola und hatte sich in
der Stellung abbilden lassen, in der er einst im Leben dem Wein zuzusprechen
liebte. Mit seiner Frau Flavia Primitiva hatte er dreißig Jahre aufs angenehmste
l) IG XIV i746 = Kaibel 646, 38". (Dessau 8156). 2) Kaibel 311, vgl. Buecheler 801. 3) IG
XIV 1201 = Kaibel 1117. Cumont, Festschr. f. Hirschfeld (1903) S. 273 f. 4) CIL VI 9258.
5) CIL V 1939 = Buecheler 1585. Vgl. den Zuruf an den Leser der Grabschrift CIL VIII 2885
= Buecheler 800 Nonfueras: nunc es, Herum nunc desines esse und als Formel in Abkürzungen
CIL V 1813 n[on)f'yui\ n[on) s[uni), n[on) c[tiro]. 2893 = Dessau 8164. IG XIV i879 = Kaibel 595:
euipuxiö NiK0|Liii6r]<;, öariq ouk tiiutiv koi eYev6)Lir|V, ouk eijui Kai ou A.UTToO|uai und mehr bei Dessau
8i62ff. Lier a. a. O. S. 59off. Vgl. Lucret. III 830 ff. Plutarch. consol. ad Apoll. 15. Epigramm,
dem Ausonius zugeschrieben, ex sepulcro latinae viae, Auson. ed. Peiper p. 419 Non notnen, non quo
genitus, non nnde, quid aevi: mutus in aeterniim sum cinis ossa nihil, non sunt, nee fueram genitus,
tarnen e nihilo sum. mitte, nee exprobres singula: talis eris. 6) CIL V 4654. 7) CIL VI 7193=» =
Buecheler 1247; ein zweites Fragment derselben (also öfters angewandten) Inschrift CIL VI 33241.
8) CIL II 1434. (Grabschrift eines 8jährigen Kinds), vgl. Buecheler, Carm. ep. 1500. Lier a. a. O.
XVII 1904 S. 56ff. Lebas-Waddington 977: "Aveo(; rote; TtapoÖeiTOi^ \o.\p^\v XoOaai irfe qpOYC
ßeivriöov TOÜTUJV yop lö&e kcctiü oubev exei?. CIL VI 19683 = Buecheler 1582 liegt den Schluß-
worten etwa folgendes Distichon zugrunde: ecee ?neo iaeeo tumulo neque sentio quiequam. tu, moneo,
fruere, dum tibi vita data est. XI 2547 a: dum vibes homo vibe, nam post mortem nihil est: omnia re-
mantnt, et hoc est homo, quodvides. 9) CIL IX 3473 = Buecheler 186. CIL VI 16169 = Bue-
cheler 85 ioeeris, ludas: hie summa est severitas.
[IV. 366] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 301
gelebt; sie, eine keusche, fleißige, schöne Frau, war eine Verehrerin der Isis
gewesen. Nach ihrem Tode hatte ihn sein Sohn Aurelius Primitivus durch seine
Liebe getröstet und in sein Haus aufgenommen. Zum Schluß ermahnt er die
Leser in Versen, die offenbar in allerlei Variationen oft angewandt wurden'),
sich des Weins und der Liebe zu erfreuen, denn alles übrige verzehre nach dem
Tode die Erde und das Feuer^j.
Es ist sehr glaublich, daß in der Bildungssphäre, welcher die Verfasser dieser
und mancher der früher erwähnten Grabschriften angehörten, für Ungläubige
der platteste Materialismus auch der einleuchtendste war, und sehr natürlich,
daß sie gern ihre starkgeistige Aufklärung und Erhabenheit über die Menge der
minder Fortgeschrittenen durch möglichst kräftig abgefaßte Bekenntnisse an
den Tag legten, deren Anbringung auf Grabsteinen damals weder die Sitte noch
ein Dogma ausschloß. Vielmehr schien dies gerade eine besonders passende
Gelegenheit, die Summe der Lebenserfahrungen zu ziehen : und so ist es kein
Wunder, daß gerade hier auch jene niedrigste Abart des Epikureismus sich breit
macht, die das einzige wahre Gut im gröbsten Sinnengenusse suchte. Öfters
wird auf eine in diesem Sinn abgefaßte Grabschrift des Königs Sardanapal hin-
gedeutet oder ihr Inhalt variiert, z. B. : »was ich gegessen und getrunken, habe
ich mit mir genommen, was ich zurückgelassen, habe ich verloren«^). Nicht
anders sind die Grabschriften zu verstehen, in denen Bäder, Wein und Liebe,
mäßig genossen, als die Quelle des wahren Lebensgenusses gepriesen werden
und von dem Toten gesagt wird, er habe alles mit sich ins Grab genommen,
d.h. alles, was das Leben an wirklichen Gütern bieten könne, sei" in seinen
Besitz übergegangen und damit gleichsam ein Teil seiner selbst geworden^].
Die Anzahl der materialistischen Grabschriften ^) ist nun gegenüber den vielen
l) Vgl. z. B. Buecheler 118. 190. 562, 8; sehr hübsch 243 dum vixi, bibi libenter^ bibite vos, qui
vivitis. 2) CIL VI 17985 a. 34112 = Buecheler 856. Vgl. H. Lietzmann, Petrus und Paulus in
Rom (1915) S. 148 ff. 3) CIL VI 18131 = Buecheler 244; vgl. CIL III 14524. G. W. van Bleek,
Quae de hominum post mortem condicione doceant carmina sepulcralia latina (Diss. von Amster-
dam), Roterodami 1907 S. 24 ff. Über die Grabschrift des Sardanapal vgl. Preger, Inscript. graec.
metr. S. 183 ff. Lier a. a. O. 59 ff. 4) CIL VI 15258 = Buecheler 1499 hie secttm habet omnia:
balnea, vina, Venus corrttvipunt corpora nostra, set vitam faciunt b[alnea), v[ina], V{em{s); vgl. cum
vives, benefac setnper, hoc tectim feres CIL VI 142 = Dessau 3961. CIL IX 2114= Buechelei 1S7
Dum vixi, vixi quo7nodo ingenuom decet, qnod comedi et ebibi, tanttim meum est. Petron. 43, 8 hoc
solum enim secum tulit. 5) Zu diesen muß man auch solche rechnen, die eine Auflösung in die
Elemente voraussetzen. CIL III 8003 = Buecheler 1207 (vgl. 1206. 5) aus Sirmium: D. m. Terra
tenet corpus, nomen lapis atque animam aer. IX 2042 = Buecheler 590 : Zoticus hie nomen nudum
vanumque reliquit. in einer es corpus et in aethera vita soluta est. XI 973 a = Buecheler 1108:
quoius ut est lenis patrium diffusus in aer (sie) Spiritus, hie maier (d. i. tellus) corpus operia tenet.
Gutes Gedicht aus Küstendsche (Tomi), in dem die Fortdauer des Bewußtseins nach dem Tode
geleugnet wird, Arch. ep. Mitt. aus Österr. VI 18S2 S. 30 nr. 60: e5 (jöaxoc; Kai ^x\c, Kai
irveuiuaTOe; r\(x TTdpoi6ev, oXlh. Gavüuv Kei|uai Träöi tcx ttoivt' äTTOÖoüc;. Tiäöiv toOto juever ti öe
TÖ irXeov; OTriroBev fjXeov ic; tout' [out'] eAuGr) au)|ua |uapaiv6|nevov. CIL VI 35887 = Buecheler
1532 (Dessau 8168): mortua heic ego sum et sum einis; is ci7iis terra est; si est terra dca, ego su?n
dea, mortua non sum, vgl. CIL VI 29609 =; Buecheler 974, 4. Ps. Epicharm. frg. 296 Kaib. Lier
a. a. O. XVI 1903 S. 586 ff. Inschriften, die Zweifel ausdrücken, z. B. Kaibel 700, 4 dW' ei' y' ev
(p6i|uevoiai Tiq ai'aBriaK;, TeKvov, eOTiv. 722, 5 ei öe riq eaxi vooq Trapot TdpTa0iv x\ napä ArjBri.
Buecheler 179 si quid sapiunt inferi. 1028. 5 si qua fides remantf Telluris amicae. van Bleek a. a. <3.
S. 29 ff. 128 f.
302 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 367 j
Tausenden, die keinen Zweifel an der Fortdauer verraten, verschwindend klein,
obwohl, wie gesagt, keins von den Hindernissen existierte, welche die Äußerung
solchen Unglaubens an dieser Stelle gegenwärtig auch dem rücksichtslosesten
Materialisten beinah unmöglich machen, da überhaupt die Empfindung der an-
tiken Welt von der der modernen in bezug auf Grab und Tod eben in mehr als
einer Beziehung wesentlich verschieden war: jene fand selbst scherzhafte Äuße-
rungen mit dem Ernste des Grabs nicht unvereinbar'). Aber daß der Materialis-
mus verbreitet war, würde man trotzdem annehmen dürfen, selbst wenn nicht
bestimmte Zeugnisse über die große Verbreitung des Epikureismus (besonders
unter den Ungebildeten*), und wir dürfen wohl nach heutiger Analogie ver-
muten, noch mehr unter den Halbgebildeten) vorhanden wären. Freilich fehlt
jede Möglichkeit, das zahlenmäßige Verhältnis der Materialisten zu den Un-
sterblichkeitsgläubigen für irgend eine Zeit zu bestimmen; daß sie aber auch
im spätem Altertum trotz ihrer relativ großen Zahl immer nur eine kleine Mino-
rität gebildet haben, dafür sprechen Gründe genug.
Leugnung der Wenn Übrigens auch die Leugnung der Unsterblichkeit nur in der materialisti-
Unsterblichkeit gehen Philosophie Epikurs ein Haupt- und Fundamentalsatz des Systems war,
ys^e- ^^ ^urde doch die Endlichkeit der Seele auch in andern philosophischen Sy-
stemen angenommen. Zwar der Glaube der Stoiker an eine begrenzte, doch
unbestimmt lange Fortdauer nach dem Tode hatte in der praktischen Anwen-
dung im wesentlichen denselben Wert und dieselbe Wirkung wie der Unsterb-
lichkeitsglaube. Doch Panätius, der um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. im
Kreise der Scipionen zu Rom, später zu Athen lebte, großes Ansehen genoß
und namentlich auf die Römer, die sich dem Stoizismus zuwandten, zu allen
Zeiten großen Einfluß übte, wich wie in andern Punkten so auch hier von der
Überlieferung der Schule ab. Er leugnete die Fortdauer gänzlich, und ebenso
bestimmt sprach unter den spätem Stoikern Cornutus (der Lehrer des Persius)
aus, daß die Einzelseele mit ihrem Leibe sterbe und vergehe, während Marc
Aurel zwischen den Vorstellungen eines Erlöschens der Seele im Tode und eines
Übergangs in ein andres Dasein schwankte^). Unter den peripatetischen Philo-
sophen, denen sich Panätius vorzugsweise anschloß, hatte auch Dicäarch, ein
unmittelbarer Schüler des Aristoteles, die Fortdauer der Seele geleugnet, die
ihm das Ergebnis aus der Mischung der körperlichen Stoffe, in ihrem Dasein
an den Körper gebunden und durch alle seine Teile verbreitet war. Aristoteles
hat zwar eine Fortdauer des denkenden Geistes gelehrt, aber keine persönliche
und individuelle, und hat die Vorstellung, als ob die Gestorbnen, die das Volk
in Griechenland >die Seligen« nannte"*), glücklich sein könnten, ausdrücklich
zurückgewiesen. Von den späteren Peripatetikern hat Strato aus Lampsacus,
l) Auch obszöne Vorstellungen nicht: Luxor. Anthol. lat. 319 R.' de sarcophago ubi turpia
sculpta fuerant Vgl. den Sarkophag bei Müller- Wieseler, Denkmäler d. alten Kunst II Taf. XLIV
Nr. 548. 2) Cic. Tusc. IV 7; de fin. I 25. 3) Rohde. Psyche IP 326ff. Über die abweichende
Stellung des Posidonius und seine an platonische und in letzter Linie orphisch-pythagoreische
Lehren anknüpfende Anschauung von der Präexistenz und dem Fortleben der Seele vgl. Schmekel,
Die Philosophie der mittleren Stoa S. 140 ff. 248 ff. W. Gerhaüßer, Der Protreptikos des Poseido-
nios (Diss. Heidelberg 1912) S. 55 ff.", über Nachwirkungen seiner Lehre bei den Christen K. Gro-
nau, Poseidonios u. die jüdisch-christliche Genesisexegese (1914) S. 258ff. 4) Lehrs, Pop. Aufs.^
S. 344 Anm.
CToreismus.
[IV. 368] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 305
der Schüler des Theophrast, allem Anschein nach den Unsterblichkeitsglauben
ganz aufgegeben; und der mit dem Namen eines zweiten Aristoteles geehrte
Alexander von Aphrodisias (in der Zeit der Severe) hat die Leugnung der Un-
sterblichkeit auch bei Aristoteles nachzuweisen gesucht.
Aber eine Philosophie gab es doch auch, welche die Unsterblichkeit mit ebenso Glaube und Be-
großem Nachdruck behauptete, wie der Epikureismus sie leugnete: die Pia- ^'^^?,.'^ff 3-^"
tonische, die einzige, die sie auch wissenschaftlich zu beweisen unternahm, da
für den Pythagoreismus die Lehre von der Unsterblichkeit und Seelenwanderung
vielmehr ein Dogma als ein philosophischer Satz war'). Wie überhaupt der
Piatonismus die dem Überirdischen zugewandten Geister unwiderstehlich anzog, Platonismus und
so war namentlich seine Seelenlehre ein Trost und eine Beruhigung für alle, die ^eupytha-
mit dem Bedürfnisse des Unsterblichkeitsglaubens das einer philosophischen
Begründung ihrer Überzeugungen verbanden: auch Cato von Utica, dieser
»vollendete Stoiker«, wie ihn Cicero nennt, der durch seinen Tod zu einer Ideal-
gestalt des späteren Stoizismus wurde, las, bevor er zum Selbstmorde schritt,
den Phädon Platos^j. Freilich konnte Piatos Beweis der Unsterblichkeit nie-
manden überzeugen, der nicht schon überzeugt war, auch war seine Unbündig-
keit durch die Kritik Stratos nachgewiesen worden : aber wie für Cicero, so ge-
nügte gewiß für die meisten das Ansehen und der Name Piatos als Bürgsch aft
für die Wahrheit seiner Lehre, und sie wollten lieber mit ihm irren, als mit
seinen Gegnern die Wahrheit erkennen^). »Es ist unberechenbar, wie viel seine
Dialoge zur Kräftigung, Verbreitung und bestimmenden Ausgestaltung des Un-
sterblichkeitsglaubens, wechselnd im Laufe der Jahrhunderte, aber ununter-
brochen bis in unsere Zeit gewirkt haben «"'). »Mit richtigem Verständnis hat
die Nachwelt sein Bild festgehalten, als das des priesterlichen Weisen, der mit
mahnender Hand dem unsterblichen Menschengeiste aufwärts den Weg weisen
will, von dieser armen Erde hinauf zum ewigen Lichte«^).
Wenn Plato glaubte, die Unvergänglichkeit der Seele wissenschaftlich be-
gründen zu können, so hat er sich dagegen in seinen Vorstellungen von ihren
Schicksalen vor und nach jedem Leben im Leibe je länger je mehr von den
mystischen Lehren der orphisch-pythagoreischen Sekten bestimmen lassen^.
Die orphischen Gemeinden verehrten vor andern Göttern den thracischen Gott
Bacchus (Dionysos), und in diesem Kult und in seinen Ekstasen wurzelte die
Überzeugung, »daß im Menschen ein Gott lebe, der erst nach der Sprengung
der Fesseln des Leibes frei werde. Im Zusammenhange mit dieser Überzeugung
entwickelte sich das Streben nach der Ablösung des Irdisch- Vergänglichen
durch Askese (das sogenannte orphische Leben), das dem Glauben und der
Seelenstimmung dieser mystischen Separatisten die Richtung gab; und auch
der Glaube an eine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits verdankt ihnen seine
Ausführung und Begründung. Diese Lehren, die ihren Weg aus Thracien über
Griechenland nach Unteritalien und Sizilien fanden, wurden hier mit denen der
i) Lehrs a. a. O. S. 336 ff. 2) Platonisches über die Fortdauer der Seele bei Stoikern, nament-
lich Seneca: Lehrs a. a. O. S. 339f. Der wichtigste Vermittler war Posidonius, vgl. u. a. E. Bad-
stübner, Beiträge zur Erklärung u. Kritik d. philosoph. Schriften Senecas (Progr. Hamburg 1901,'
S. iff. 3I Cic. Tusc. I 39. 49. 4) Rohde a. a. O. S. 265. 5) ebd. S. 295. 6) Zum Folgen-
den vgl. Rohde S. 103 ff.
304 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 369, 370]
pythagoreischen Gemeinden verschmolzen und gewannen in ihrer nunmehrigen
Gestalt, die sich durch Jahrhunderte unverändert erhielt, die größte Verbrei-
tung in der ganzen griechischen Welt. Das wichtigste unter den orphisch-pytha-
goreischen Dogmen war die Lehre von der Seelenwanderung, dem Kreislauf
immer neuer Geburten, den die Seele durchmessen muß, um die Buße für ihren
Sündenfall in das Körperliche zu vollenden und wieder göttlich zu werden wie einst.
Hier war also nicht der Tod der Sünde Sold, sondern das Leben. Nach dem
irdischen Leben erwartet die Seele im Hades ein Gericht, und nach dessen Aus-
spruch die Frommen ein seliges Dasein mit den Göttern der Tiefe, die Frevler
Strafen im Tartarus, die >in der Absicht zu schrecken, zu bekehren, zu er-
wecken« '), in den eschatologischen Dichtungen der Orphiker ins Fürchterliche
ausgemalt waren. Plato hat sich sowohl die Lehre von der Seelenwanderung
wie von den Strafen der Seelen angeeignet, die teils als läuternde — namentlich
durch Feuer, eine Lehre, die auch Origenes annahm, und die Gregor L zum
Dogma erhob ^) — gedacht waren, teils als ewige, und er hat großen Wert dar-
auf gelegt, sie mit allem Nachdruck zu verkünden^).
Auch Vergil hat die Hauptzüge seines Gemäldes der Unterwelt, namentlich
des Elysiums, des Tartarus und des Lethetals (wo die Seelen, die in neue Leiber
eintreten sollen, vorher Vergessenheit des Früheren trinken) einer orphischen
Dichtung entnommen'*). Ebenso hat Plutarch in seiner Schilderung des Jen-
seits aus einer orphischen Dichtung geschöpft; nach Piatos Vorgange gibt er
sie als Vision eines wieder zum Leben erwachten Toten, dessen Seele die Er-
innerung an die während der Trennung vom Körper empfangenen Eindrücke
bewahrt hat^). Der Ort der Seligen gleicht einer bacchischen, reich mit Grün
und Blumen aller Art geschmückten Grotte, die einen sanften, die Seelen wie
Wein berauschenden Duft aushaucht und ganz von bacchischer Lust, Lachen,
Scherz und Gesang erfüllt ist. Am Orte der Qual sind die Strafen für die Ver-
schuldungen dreifach abgestuft. Am gelindesten sind sie für jene, die schon auf
Erden gebüßt haben. Wer aber aus diesem Leben ungestraft und ungeläutert
kommt, wird so lange gepeinigt, bis jede Leidenschaft aus ihm durch Schmerzen
und Qualen getilgt ist, die an Heftigkeit und Stärke die fleischlichen soweit
übertreffen, wie die Wirklichkeit den Traum an Deutlichkeit. Narben und Strie-
men bleiben von den Leidenschaften bei den einen längere, bei den andern kür-
zere Zeit zurück, daher die Farben der Seelen bunt und mannigfach sind: die
blutrote Farbe verrät Grausamkeit, die bläuliche, daß hier die Wollust ausgerottet
ist usw. Die Farbe zeigt das Ende der Läuterung und Bestrafung an, nach ihrem
Verschwinden erscheinen die geläuterten Seelen gleichfarbig und glänzend. An
dem Orte der schwersten Strafen ertönt Jammergeheul der Seelen, die dort die
gräßlichsten Martern leiden. Der Erzähler sieht die Seele seines Vaters voll
von Malen und Narben aus einem Schlünde hervorkommen und die Hände nach
ihm ausstrecken, während sie von ihren Peinigern zu neuen Büßungen (für einen
im Leben unentdeckt gebliebenen Giftmord) geschleppt wird. Er sieht Seelen,
l) Dieterich, Nekyia S. l6i. 2) Gregor. M. Dial. IV 39. 43 f. Ebert, Gesch. d. christl. lat. Lite-
ratur r 548. 3) Dieterich a. a. O. S. 113 ff. 4) Norden, Hermes XXVIII 1893 S. 37iff.; Verg.
Aen. VP 5 ff. Dieterich a. a. O. S. l5off. L. Rademacher, Das Jenseits im Mythos der Hellenen
(1903) S. I3ff. 5J Plutarch. De sera num. vind. 22; vgl. Dieterich a. a. O. S. i4Sff.
[IV. 37i] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 305
die, gleich einem Knäuel von Schlangen umeinander geschlungen, sich gegen-
seitig fressen. Dort sind ferner drei Seen, von siedendem Golde, von kaltem
Blei und von rauhem Eisen, Dämonen, die Schmieden gleichen, tauchen mit
Werkzeugen die Seelen der Habsüchtigen darin unter und ziehen sie wieder
heraus. Nachdem sie in dem Goldsee glühend und durchsichtig geworden, er-
starren sie in dem Bleisee zu der Härte von Hagelkörnern, dann werden sie in
dem Eisensee schwarz und spröde, so daß sie durch Zerbrechung und Zer-
reibung neue Gestalten annehmen, hierauf kommen sie aufs neue in den Gold-
see und leiden bei diesen Veränderungen unsägliche Qualen. Manche, die schon
von Strafe befreit zu sein glaubten, werden auf die Klagen und Vorwürfe der
Seelen ihrer Nachkommen, die im Leben für ihre Verbrechen hatten büßen
müssen, zu neuen Martern geschleppt. Zuletzt sieht er die Seelen derer, die
behufs einer zweiten Geburt von ihren Peinigern mit Werkzeugen aufs gewalt-
samste umgestaltet werden. Unter ihnen ist auch die Seele des Nero, die außer
andern Qualen mit glühenden Nägeln durchschlagen ist. Sie sollte in einem
Vipernleibe leben, aber auf das Gebot einer Stimme, die plötzlich aus einem
gewaltigen Lichte erscholl, ward ihr der Leib eines zahmen Tiers zum Aufent-
halt angewiesen, das singend an Sümpfen und Seen lebt (etwa eine Unke); >denn
die Götter seien dem Nero auch eine Belohnung schuldig, da er das beste und
gottgeliebteste Volk unter seinen Untertanen in Freiheit gesetzt habe<^.
Auch in den Grabschriften fehlt es nicht an Spuren einer weiten Verbrei-
tung der orphischen Doktrin. Dazu gehört die an den LTnterweltsgott Aido-
neus oder Osiris, den ägyptischen Herrn der Seele, gerichtete Bitte, den Toten
das kalte Wasser zu gewähren^), womit ein Wasser des Lebens gemeint ist.
Wie die in den Gräbern von Thurii und Petelia (etwa aus dem 4. — 3. Jahrhun-
dert V. Chr.) und zu Eleuthernä auf Kreta (etwa aus dem 2. Jahrh. v. Chr ) sowie
bei Rom (2. Jahrh. n. Chr.) gefundenen Goldblättchen^) zeigen (die die Toten in
der Hand gehalten zu haben scheinen), wurden die Formeln, die der Geweihte
bei seinem Eintritt in den Hades kennen mußte, um des Wassers des Lebens
teilhaft zu werden, ihm ins Grab mitgegeben, viele Jahrhunderte lang in gleicher
Weise. Auch die Christen behielten jene Vorstellung bei, obwohl bald nicht
mehr in der ursprünglichen Bedeutung. »Kühlung [refrigerium] ist bei ihnen
eine für den Zustand der Seligen nach dem Tode typische Bezeichnung, und
die Bitte um diese Kühlung wird nicht nur an Christus, sondern auch an Mär-
tyrer gerichtet« ^).
Auch die Vorstellung von einer Erhebung der Seele in den Äther, zu den
Gestirnen, in die Nähe der Götter'*), die »sowohl in religiösen Ahnungen als in
l) Dieterich a. a. O. S. 95 ff. 2} Die reiche Literatur verzeichnet die Ausgabe von A. OHvieri,
Lanaellae aureae Orphicae (1915); vgl. auch Diels, Fragmente der Vorsokratiker ü^ ^75 ff-
3) V. Schultze, Die Katakomben (1882) S. 268. 4) Lehrs, Pop. Aufs." S. 34off. van Bleek a. a. O.
S. 1 12 ff. Pascal a. a. O. II 201 ff. P. Capelle, De luna, stellis, lacteo orbe animanim sedibus (Diss.
Halle 1917) S. iQff. S. z.B. Kaibel, Epigr. gr. 312, 6: Kai |ue BeOuv fiaKOtpujv KOTexei 66|uo<; Sööov
iövTo. 324, 3 f. vpuxn ö' dSavoTiuv ßouXalt; eTribtiiaioe; eaxiv äoTpoK; koi iepov xiJüpov exei noKci-
puuv. 650, II Tcipeaai ouv ai9epioiai xopeuei. 288, 2 ei'puaev dGavaroiv )Lie xopo<;- 1024 vuxri
ö' äSavdTUJv alGepa vaierdei. 340, 7 kc, öe Beoüc; dveAuaa xai dGavaroiai jueTeijai. Buecheler
1288, 4 haec abit ad superos. 1277 evocor ad superos. 1438 C sede beatorum recipit te lactais orbis.
Friedlaender, Darstelluagen. III. 9. AuS. 20
3o6 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 372]
philosophischen Spekulationen < wurzelte, war mit den orphisch-pythagoreischen
Lehren vereinbar ; sie scheint die Vorstellung von einem (meist als unterirdisch
gedachten) »Ort der Frommen« ^) je länger je mehr zurückgedrängt und unter
dem Einfluß stoischer Anschauung in der späteren Zeit die größte Verbreitung
gefunden zu haben. Statins läßt es unentschieden, ob die Seele seines Vaters
sich zur Höhe emporgeschwungen habe und in den lichten Regionen weilend
die Bahn der Gestirne verfolge, oder auf den lethäischen Gefilden bei den
Heroen der Vorzeit und den seligen Manen wohne ""). Doch in einigen Grab-
schriften wird die letztere Vorstellung ausdrücklich zurückgewiesen: nicht in
der Unterwelt und bei den Manen sei die Seele des Verstorbnen, sondern sie
habe sich zu den Gestirnen erhoben ^j. In diesem Sinne sagt auch der jüngere
Plinius von dem verstorbenen Vater Trajans: seine Wohnung sei entweder auf
den Sternen oder doch in ihrer Nähe, von dort schaue er auf seinen Sohn herab
und freue sich seines Ruhms und seiner Herrlichkeit*).
Doch unter den Gebildeten der römischen Welt war in den ersten nachchrist-
lichen Jahrhunderten wahrscheinlich die Zahl derer am größten, die teils keinem
philosophischen Systeme ganz und gar anhingen, sondern nach individuellem
Bedürfnis ihre Weltansicht durch Wahl aus verschiednen Systemen bildeten,
teils von der Philosophie überhaupt nur mittelbar und in geringem Maße be-
Die Zweifler, einflußt waren. Ein großer Teil von diesen wird das Bedürfnis nicht empfunden
oder darauf Verzicht geleistet haben, über die Unsterblichkeit zu einer festen
Überzeugung zu kommen. Die so ganz entgegengesetzten Resultate, zu denen
die verschiednen philosophischen Richtungen gelangt waren, die Bestreitung
der von den angesehensten Lehrern aufgestellten Sätze durch andre nicht min-
CIL VI 2160 = Dessau 4947 cuhts spii-iUis inter deos receptits est. Die Seele selber als Gott ge-
dacht (wie es scheint, erst im späteren Piatonismus) Lehrs, Pop. Aufs.^ S. 351 ff. Kaibel 314 (etwa
aus dem 3. Jahrhundert, zu Smyma) 06Oi(; riptuöiv die Eltern einem vierjährigen Kinde, xeKvuj
yAukutoItiu Kai 6eiJJ iöioi etTriKOO). Buecheler 975 corpore constimpto viva anima detis sum. Darstel-
lungen von Verstorbenen unter dem Bilde von Göttern s. oben S. 78.
l) Lehrs S. 344ff. So z.B. die Grabschrift des Freunds des Persius, des Arztes Claudius Agathe-
merus (Kaibel 554, 3': |ueT euoeßeujv 6' eajuev ev riXuatuj. Die Formeln eüoeßeuuv ei<; iepouq öaXa-
jaou^, ee; b6)uov euaeßeuuv, ee; euaeßeuuv \\h^ov, laex' euoeßeeaai, ev eüaeßeuuv u. dgl. Kaibel, Epigr.
gr. 215, 6. 218, 16. 222, 8. 222t, 12. 253, 6. 338, 6. 569, 12; Elysium 338, 2; Inseln der Seligen
648, 9. 649, 2. 473, 2; vgl. Arch. ep. Mitt. aus Österr. VI 1882 S. 32 f. nr. 63 (vfjaov exeic; )naKy-
puuv). CIL in 1759 = Buecheler 131 1, 5 — nam mens aeterna profecto pro 7iieritis potitiir sedibus
Elysiis. III i992 = Buecheler 1465: vivas, qui dixeris: vivit Elysiis. VI 12877 und häufig. Doch ge-
hören diese Ausdrücke so fest zum dichterischen Wortschatze der Grabschriften, daß man aus ihnen
Schlüsse auf die Anschauungen der Menge nicht ziehen kann. 2) Stat. S. V 3, 19 — 27, vgl. Voll-
mers Anm. 3) CIL VI 10764 = Buecheler 1535, 7 f. sed non hie Manis nee templa Acherusia visiti
ad caeli quoniam tollititr iste Pitts. VIII 8567 = Buecheler 569, 6 Non tarnen ad Maries, sed caeli
ad sidera pergis. XI 2839 = Buecheler 743, 3 ff, — corporeos nexus littqucns et vincu{la carnis]
aeternas sedes meruit complecti pio[ritm\ sublimes animas nullus putet ire sub\timbras\ occubat in ter-
ris sapiens, sed vivit in afjo]. 6963 = Buecheler 591 Terrenum corpus., caelestis Spiritus in me, quo
repetente suam sedtm nunc vivimus illic, et fruitur superis aeterna in luce Fabatus. VI 13528 =
Buecheler 1559, 13 ff. hie corpus vatis Labert, nam Spiritus ivit illuc, unde ortus: quaeriti fontem
animae. quodfueram, non sum, sed rursum ero, quod modo noji sum. ortus et occasus, vitaque morsque
itidem est, wo wohl an ein Wiederaufleben der Seele in anderer Gestalt zu denken ist. 4) Plin.
Paneg. 89, 2. Eine offizielle Apotheose hatte also damals noch nicht stattgefunden, Hirschfeld,
Kl. Schrift. S. 488, 2.
[IV. 373, 374] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 307
der angesehene, mußte namentlich skeptische Geister zu der Ansicht führen,
daß die wissenschaftliche Erforschung dieses Gegenstands zu den Aufgaben
gehöre, welche die menschliche Kraft übersteigen : eine Ansicht, bei der auch
ein Sokrates stehen geblieben war, wenn gleich seine Natur ihn zum Glauben
an die Fortdauer hinzog. Es ist sehr natürlich, daß namentlich den Forschern,
die den Körper zum Gegenstand ihrer Untersuchung machten, die schwersten
Zweifel an der Unkörperlichkeit der Seele aufstiegen. Der Arzt Galen, ob- Galeu.
gleich nichts weniger als ein Materialist und ein entschiedner Gegner Epikurs,
fand doch die Platonische Vorstellung von der Immaterialität der Seele sehr
bedenklich; denn wodurch sollten sich, fragt er, unkörperliche Substanzen von-
einander unterscheiden, wie kann ein unkörperliches Wesen über den Körper
verbreitet sein, wie kann ein solches vom Körper so affiziert werden, wie dies
bei der Seele im Wahnsinn, in der Trunkenheit und in ähnlichen Zuständen der
Fall ist? >Er getraut sich nicht, diesen Punkt zu entscheiden, und ebensowenig
beabsichtigt er, die Unsterblichkeit zu behaupten oder zu leugnen« 'j.
Doch auch Quintilian rechnet die Frage, ob die vom Leibe gelöste Seele un- Quintilian.
sterblich sei oder wenigstens eine gewisse Zeit fortdaure, unter die unentschie-
denen^), und ebensowenig war Tacitus hierüber zu einer festen Überzeugung Tacituo.
gekommen, als er im reifen Mannesalter das Leben des Agricola schrieb. Er
schließt es mit dem Wunsche, daß der Verstorbne sanft ruhen möge, »wenn es
eine Stätte für die Geister der Frommen gibt, wenn, wie die Weisen annehmen,
große Seelen nicht mit dem Körper erlöschen* — dies letztere im Hinblick auf
die Lehre des Chrysippus, daß nur die Seelen der Weisen bis zum Weltbrande
fortdauern^). Und selbst Cicero, für den der Unsterblichkeitsglaube so hohen
Wert hatte, fand es doch nicht überflüssig, die Todesfurcht auch für den Fall
zu beschwichtigen, daß die Seele im Tode untergehe'').
Aber wenn auch Cicero den Zweifel als berechtigt anerkannte, stand seine Cicero als Re-
eigne Überzeugung so fest, als es ohne Ofifenbarungsglauben möglich ist, und Präsentant der
seine Gründe für die Unsterblichkeit dürfen wir gerade darum als die Gründe ter^denfgebildc-
der Mehrzahl der Gläubigen unter den Gebildeten voraussetzen, weil sie nicht ten Eklektikern,
sowohl auf Dogmen oder wissenschaftlich bewiesenen Resultaten, als vielmehr
auf den Instinkten, Bedürfnissen und Empfindungen beruhen, die teils der
menschlichen Natur überhaupt eigen sind, teils sich durch die besondern Ein-
flüsse der römischen Kultur entwickelt hatten. Denn obwohl Cicero den Pla-
tonischen Beweis der Unsterblichkeit ausführlich mitteilt, sagt er doch, wie be-
merkt, ausdrücklich, daß für ihn die Überzeugung eines Plato auch ohne Gründe
bestimmend sei, und er führt diesen Beweis allem Anschein nach mehr zur Be-
friedigung der Ansprüche andrer als seiner eignen an. Sein Glaube wie der
aller verwandten Naturen beruhte vor allem auf einem hohen Begriff von der
Größe und Würde des Menschengeistes, auf der Bewunderung und Ehrfurcht
vor seinen Kräften und Leistungen. Der Geist, der Sprache und Schrift erfun-
den, den Menschen zum Menschen gesellt, die Bahnen der Gestirne gemessen,
die ganze Kultur, die Künste, Poesie und Philosophie geschaffen hatte, konnte
i) Zeller III i^ S. 860 f. Vgl. TertuUian. De anima 6: Soranus — corporalem animae substantiam
vindicat, etsi illam immortalitate fratidavit. 2) Quintilian. V 14, 13. 3' Tac. Agric. 46. Vgl.
Zeller a. a. O. S. 205, 4. 4) Cic. Tusc. I 82 ff., vgl. ad fam. V 16, 4.
3o8 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 375]
nach seiner Überzeugung unmöglich irdischer und vergänglicher Natur sein.
Seine Kraft, seine Weisheit, seine Erfindung, seine Erinnerung erschien ihm
cröttlich; sein Ursprung konnte nicht auf Erden sein, er mußte vom Himmel
stammen und darum ewig sein. Diese Überzeugung bestätigte ihm die Überein-
stimmung aller Völker, die hier ebenso vollständig war wie im Glauben an
Gottheiten, ferner der Glaube der größten Geister seiner eignen Nation und die
Anerkennung der Unsterblichkeit in dem seit so vielen Jahrhunderten unver-
ändert festgehaltenen religiösen Kultus der Toten. Auch in der Sorge der Men-
schen für die Zeit nach ihrem Tode, der Aufopferung der Besten für die Nach-
welt, in dem so allgemeinen und natürlichen Streben nach Anerkennung bei
spätem Geschlechtern und Nachruhm glaubte er einen Beweis für die Fortdauer
zu finden: überall und zu allen Zeiten hätten gerade die an Geist und Charakter
hervorragendsten Menschen so gehandelt, wie man eigentlich nur in der Aus-
sicht auf eine Fortdauer handeln könne; in dem Glauben aber der Edelsten und
Besten dürfe man eine Erkenntnis des Wahren erblicken. Einen fast poetischen
Ausdruck hat Cicero seinem Glauben an persönliche Fortdauer in dem »Traum
des Scipio« gegeben, in dem die Seligkeit der großen Toten der Vorzeit in
höheren Sphären geschildert wird, die aus dem Kerker des Leibes zum wahren
ewigen Leben emporgehoben sind').
Seneca. Aber freilich blieben alle Jenseitshoffnungen, die nicht auf religiöse Über-
zeugung gegründet waren, sehr schwankende, wie dies namentlich Senecas Bei-
spiel zeigt, der sich doch zu dem eine Fortdauer lehrenden Stoizismus bekannte
und überdies in hohem Grade zu platonischen Anschauungen neigte. Es gab
eine Zeit in seinem Leben, wo ihm eine Fortdauer ebensowenig denkbar und
ebensowenig wünschenswert erschien, wie dem von ihm stets hochgeschätzten
Epikur. In einer seiner Tragödien^) heißt es:
Wes Fuß
Berührt die Fluten des Todesstroms, der ist
Nirgends mehr fortan. Gleich wie vom Feuer der Rauch
Kaum aufgestiegen, trüb in die Luft verschwimmt,
Wie Wetterleuchten, kaum erst erschaut von uns,
Auch schon zerteilt des stürmischen Nords Gewalt,
So wird der Hauch, der jetzt uns belebt, entfliehn.
Nach dem Tod kommt nichts mehr, selber der Tod ist nichts.
Dem flüchtigen Laufe winkt er als letztes Ziel,
Nicht hofft ihr Gierigen, Furchtsame bebt nicht mehr!
Du fragst, wo nach dem Tode du weilen wirst?
Dort, wo das Nichtgeborene ist.
Die Zeit verschlingt, die gier'ge, das Chaos uns.
Auf jeglichen Leib hat einmal der Tod ein Recht
Und schont auch der Seelen nicht. Tänaron und das Reich
Des finstem Königs, und der die Schwelle wahrt
Als Hüter, Cerberus, dem man fürchtend naht.
Sind leeres Gerede, nichtige Worte nur,
Ein Spuk, der uns ängstigt, wie ein Fiebertraum.
i) Cic. Tusc. I 26 ff. ; de rep. VI 9 ff.; ad Attic. X 8, 8: Wnpus est nos de illa perpetua iam, non
de hoc exigua vita cogitare. Lehrs a. a. 0. S. 349 ff Über Ciceros Quelle (Posidonius) vgl. Schme-
kel, Die Philosophie der mittleren Stoa S. 132 ff. 2) Troad. 390 ff.
[IV. 376] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 309
Wenn auch Seneca an dieser unbedingten Leugnung der Fortdauer nicht
lange festgehalten hat, so ist er doch zu einem festen, alle Zweifel ausschließen-
den Unsterblichkeitsglauben niemals gelangt. An seinen Freund, den Epikureer
Lucilius, schreibt er einmal, dessen letzter Brief habe ihn aus einem angenehmen
Traum erweckt. Er sei im Begriff gewesen, sich dem tröstlichen Glauben an
die Ewigkeit der Seelen hinzugeben und sich die Meinungen großer Männer
anzueignen, die ja freilich mehr verheißen als beweisen: beim Empfange von
Lucilius Brief sei er erwacht, und der hübsche Traum war dahin, doch er wolle
ihn zurückgewinnen. In der Tat schließt er seinen Brief mit einem Ausblick
auf das längere und bessere Leben, zu dem das irdische nur ein Vorspiel sei.
Dann werden sich uns die Geheimnisse der Natur enthüllen, der Himmel, den
die an den Leib gefesselte Seele nur von ferne ertragen kann, von allen Seiten
mit gleichem Glänze leuchten, es wird keinen Wechsel von Tag und Nacht
mehr geben, und wir werden erkennen, daß wir in der Finsternis gelebt haben,
solange das göttliche Licht nur durch die so äußerst engen Wege der Augen
zu uns drang"). Vergleicht man diesen Schluß mit dem Anfang des Briefs, so
kann man kaum zweifeln, daß die Zuversicht, die er hier zur Schau trägt, eine
künstlich eingeredete war. In der Tat erklärt er es in seinen spätesten Schriften
oft genug als zweifelhaft, ob es ein andres Leben gebe, ob die Seele fortdauere,
ob der Tod nur ein Übergang sei oder das Ende. Über sein Wesen und seine
Wirkung würden wir Gewißheit nur dann erhalten, wenn ein Gestorbner wieder
auferstände. Aber Seneca wußte von keinem Auferstandenen^).
Eine Gewißheit der Fortdauer konnte die philosophische Spekulation nur in
Verbindung mit religiösem Glauben, wie im Piatonismus und Pythagoreismus,
geben. Gewiß war auch unter den Gebildeten die Zahl derer nicht gering, die
auf eine philosophische Begründung ihrer Jenseitshofifnungen ganz verzichteten
und Trost und Beruhigung über das andre Leben in der Religion allein suchten
und fanden.
Am vollkommensten wurde dies Verlangen durch die sehr zahlreichen Ge-
heimkulte befriedigt. Aus den orphisch-dionysischen Mysterien, die in der
ganzen griechischen Welt ungemein verbreitet waren und namentlich im 2. Jahr-
hundert n. Chr. blühten, schöpften Unzählige, wie Plutarchs Gattin Timoxena 3),
ihren festen Unsterblichkeitsglauben. Doch behaupteten unter den griechischen
Mysterien die eleusinischen das Ansehen des heiligsten Gnadenlestes, und der
Zudrang zu der dortigen Feier der heiligen Nacht ist vielleicht in den letzten
Zeiten des Altertums am größten gewesen. Im ganzen römischen Reich ge-
wannen ausländische (thracische, phrygische, ägyptische, syrische, persische)
Geheimkulte durch den Reiz des fremdartig Geheimnisvollen eine immer größere
Anziehungskraft: wohl alle verhießen ihren Gläubigen selige Unsterblichkeit.
»Wiedergeborene«, auf ewig Wiedergeborene« heißen diejenigen, die im Ge-
heimdienste der Großen Mutter die Bluttaufe des Taurobolium erhalten haben
und ebenso die Eingeweihten des Isis- und des Mithrasdienstes*): der Kern des
letzteren war vielleicht der altpersische Glaube an die Auferstehung der Toten ^).
i) Seneca epist. 102, i f . 28 ff. 2) Friedlaender, Hist. Zeitschr. LXXXV 1900 S. 247 — 249.
3) Plutarch. Cons. ad uxorem 10. 4) Dieterich, Eine Mithrasliturgie S. 157 ff. Reitzenstein, Die
hellenistischen Mysterienreligionen (1910) S. 31 ff. 5) Rohde, Psyche IV 399f.
3IO
XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE
[IV. 377]
kopbagen und
indem Grab-
denkmälern.
Die Malereien der von einem Priester des phrygischen Gottes Sabazius für sich
und seine Gattin errichteten Grabkammer im Bereiche der späteren Praetextatus-
Katakomben in Rom zeigen in eigenartiger Mischung heidnischer und jüdischer
Anschauungen, wie die verstorbene Vibia einerseits nach dem Vorbilde der
Proserpina vom Unterweltsfürsten entführt wird und dann in Begleitung von
Mercurius und Alcestis vor dem Throne der unterirdischen Götter erscheint,
andrerseits wie ein angeliis bonns sie in den Festsaal geleitet, in dem die Seligen
[bonorum iudicio iudicati) bekränzt beim frohen Mahle vereinigt sind'). Für ge-
meinsame Begräbnisstätten der Angehörigen solcher Mysteriendienste fehlt es
an Zeugnissen").
Andeutungen Zu den Zeugnissen des Unsterblichkeitsglaubens und der Hoffnung auf ein
des jenseitigen höheres Dasein gehören auch zahlreiche bildliche Darstellungen auf Graburnen
und -altären, Sarkophagen und sonstigen Grabdenkmälern, von denen die mit
künstlerischem Schmuck ausgestatteten vorzugsweise doch nur von Wohlhaben-
den, also in der Regel höher Gebildeten benutzt werden konnten^). Nicht immer
freilich ist die Sprache dieser Bildwerke verständlich; die damalige künstlerische
Produktion, die ja überhaupt die neuen Kunstbedürfnisse aus dem unermeßlichen
Vorrat der vorhandnen Schöpfungen zu befriedigen suchte, hat auch hier viel-
fach ältere Darstellungen in einem neuen Sinne verwandt. Zu diesen gehört
auch die große Masse der figurenreichen mythologischen Szenen, mit denen
die Vorderseiten der Sarkophage geschmückt sind: ihrer Arbeit nach rühren sie
in überwiegender Mehrzahl aus der Zeit vom 2. bis 4. Jahrhundert her und sind
vielfach, vielleicht in der Regel, nicht auf Bestellung geliefert, sondern zur Aus-
wahl für Käufer gearbeitet, also so wie sie der großen Mehrzahl zusagten und
gewöhnlich verlangt wurden'*). Wenn nun hier die Beziehung der dargestellten
Mythen auf Tod, Unsterblichkeit und Jenseits oft nicht mit Sicherheit nachweis-
bar, und vielleicht in der Tat zuweilen nichts andres bezweckt worden ist als
eine gefällige und bedeutende Ausfüllung des Raums durch allgemein beliebte
Darstellungen^), so ist doch bei einem großen Teile der Gegenstände der Sinn,
in welchem sie zur Verzierung dieser Steinsärge gewählt sind, nicht zweifelhaft^j.
Die Gestalten des Mythus sind hier gleichsam poetische Typen zum symboli-
i) Wilpert, Die Malereien der Katakomben Roms (1903) Taf. 132 f. Vgl. Wendland, Die helle-
nistisch-römische Kultur^ 8.4256". Maaß, Orpheus (1895) S. 207 ff. Cumont, Compt. rend. de
l'acad. d. inscript. 1906 S. 72ff. ; Die oriental. Religionen^ S. 77 f. 2) Denn die Erwähnung der
at religionem pertinejites meam auf einem Grabmal an der Via Nomentana (CIL VI 104 12 = Dessau
8337) ist christlich oder jüdisch; Mommsen, Ges. Schrift. III 213, i. 3) Vgl. z. B. den etwa aus
der Antoninenzeit stammenden schönen Unterweltssarkophag aus Ephesus, J. Keil, Österr. Jahresh.
XVII 1914 S. I35ff. 4) Vgl. oben S. 90. 5) Dabei werden oft mit ziemlicher Willkür einzelne
Personen der Darstellung mit den Porträtköpfen der Bestatteten versehen, so z. B. auf einem Sarko-
phag Hippolytus und die als Kupplerin auftretende Amme der Phaedra (Robert, Die antiken Sarko-
phagreliefs III 2 S. 201), auf einem andern die Personifikationen von Ostia und Portus (Robert,
Hermes XLVI 1911 S. 250). 6) Für das Folgende E. Petersen, Annali d. Inst. 1860 S. 358 ff.
(vgl. auch C. Fredrich, Nachr. d. Götting. Gesellsch. d. Wissensch. 1895, i ff.); im allgemeinen über
Hinweisungen auf ein Fortleben nach dem Tode im Bilderschmuck römischer Grabdenkmäler
A. Strong, Joum. of Rom. Stud. I 1911 S. i6ff. Die Untersuchung von V. Macchioro, il simbolismo
nelle figurazioni sepolcrali romane, Memorie d. accad. di archeol., lettere e belle arti Napoli I
1909 S. II ff. schießt in der Annahme symbolischer Bedeutung rein omamental gedachter Ele-
mente weit über das Ziel hinaus.
[IV. 378J XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 311
sehen Ausdruck abstrakter Ideen: und auch hier herrscht noch jene Tendenz
der griechischen Kunst und Poesie, das Menschendasein durch Erhebung in
ideale Gebiete zu verklären. Nur selten kommt (wie im Prometheusmythus) die
Vereinigung und Trennung von Seele und Körper geradezu zur Darstellung;
gewöhnlich wird der Übergang in ein andres Leben und dessen Seligkeit oder
Unseligkeit durch die Schicksale der Götter und Heroen versinnbildlicht. Be-
sonders gern wurde die Entführung der Proserpina ins Schattenreich und ihre
Wiederkehr zur Welt des Lichts zum Schmucke von Sarkophagen gewählt, des-
gleichen der Tod des Adonis, dem ja ebenfalls eine Auferstehung folgt; viel-
leicht ist auch die Entführung der Töchter des Leucippus durch die Dioskuren
zu einem höhern Dasein in ähnlichem Sinne zu verstehen. Die Geschichten von
Admet und Alcestis, von Protesilaus und Laodamia deuten die Hoffnung auf
ein Wiedersehen nach dem Tode, die Fortdauer der Gattenliebe im Jenseits an.
Herakles, der durch unablässiges Ringen sich von den Gebrechen der Sterblich-
keit befreiende und auch über die Mächte der Unterwelt siegreiche Held, er-
scheint in seinen Kämpfen und Arbeiten als der eigentliche Überwinder des
Todes ^). Achill auf Skyros, der ein kurzes, glückliches Leben einem langen,
tatenlosen vorzog und für diese Wahl mit der Versetzung ins Elysium belohnt
wurde, soll, wie es scheint, den Lohn verbürgen, der die Tugend erwartet, die
Geschichte des Aktäon, des Marsyas, der Klytämnestra, der Gigantenkampf
vielleicht die Strafen, die den Frevler treffen werden. Auf die Freuden der Se-
ligen deuten die mit besondrer Vorliebe dargestellten frohen Vereinigungen,
Tänze und Feste des Schwarms, der das Gefolge des Bacchus bildet, jenes bunte
Gewühl der Bacchanten, Mänaden, Satyrn, Pane und Kentauren, dessen Fülle
nach Goethe auf Sarkophagen und Urnen den Tod überwältigt: »die Asche da
drinnen scheint im stillen Bezirk noch sich des Lebens zu freun.« Auch der
Gott selbst verbürgte durch seine Wiedergeburt aus dem Tode nach orphischer
Lehre den Eingeweihten seiner Mysterien die Unsterblichkeit^); die von ihm
zum Himmel erhobne Ariadne erschien als ein Vorbild der aus der Endlichkeit
befreiten und in eine höhere Welt entrückten Seele, der Jubel und die festliche
Freude des bacchischen Kreises, wie gesagt, als ein Sinnbild der zu hoffenden
Seligkeit. Den Zustand der Seligen scheinen auch die Züge und Chöre der auf
den Wellen des Ozeans sich wiegenden Nereiden und Meergötter, die Spiele
von Liebesgöttern zu bedeuten. Zu beiden Seiten der Via Latina sind bei Rom
1857 und 1858 zwei einander gegenüberliegende, stattliche, zweistöckige Grab-
gebäude entdeckt worden, die der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. an-
gehören. Die Gewölbedecke des Hauptgemachs im Unterstocke des einen, das
drei Sarkophage enthielt, ist reich mit Stuckreliefs verziert: ein Medaillon in der
Mitte stellt die Seele des Verstorbenen als verhüllte Gestalt von einem Greifen
emporgetragen vor, umgeben von 24 Medaillons mit Bacchanten, Nereiden und
Liebesgöttern in kleinen viereckigen Feldern^). In einem bei Philippi gefunde-
i) Vgl. über die Benutzung der Heraklessage bei den Stoikern Bernays, Die Heraklitischen Briefe
(1869) S. 45 f. Zeller, Philos. d. Gr. III i"* S. 343, vgl. 276. 2) Plutarch. Cons. ad ux. 10. 3) Pe-
tersen a. a. O. 1860 S. 348 ff. 1861 S. 190 ff. Ein Deckengemälde, sicher aus einem Grabmal, wahr-
scheinlich bei Rom, aus dem Codex Pighianus herausgegeben von Jahn, Ben d. Sachs. Gesellsch.
1869 S. iff., ist verwandter Art. Das Hauptbild (Figur auf einem Viergespann, wohl der zum Him-
312 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 379]
nen lateinischen Gedieht auf den Tod eines Knaben heißt es, daß ihn nun die
dem Bacchus geweihten Frauen aufnehmen würden zum Genossen als Satyrn
auf blumiger Wiese, oder die Nymphen in ihren von Fackeln geführten Reigen '1.
Der Glaube der Wenn es also dahingestellt bleiben muß, ob selbst in der kleinen Minorität
Ungebildeten, ^^gj. Gebildeten der Unsterblichkeitsglaube mehr Gegner als Bekenner zählte,
so kann es keine Frage sein, daß in den Massen zu allen Zeiten eine ungeheure
Mehrzahl die seit der Urzeit von Jahrhundert zu Jahrhundert fortgepflanzten
Vorstellungen von der Fortdauer der Seilen im Jenseits, ungeachtet aller im
Laufe der Zeit eingetretenen Modifikationen, im wesentlichen festhielt. Der
Glaube an die eigne Fortdauer gehört zu den stärksten und verbreitetsten In-
stinkten und Bedürfnissen der menschlichen Seele, was ja auch das Studium
der Naturvölker"") sowie der ältesten Kulturvölker im allgemeinen bestätigt^),
wenngleich es an Ausnahmen nicht fehlt, zu denen u. a. die Araber vor Moham-
med"*) gehören; er reicht namentlich bei den indogermanischen Nationen weit
über die Anfänge aller Überlieferung hinaus. Der Unsterblichkeitsglaube ist
der menschlichen Natur ebenso gemäß wie der Glaube an das Walten höherer
Wesen; er entspringt aus dem Schauder vor der Vernichtung, der Selbsterhal-
tungstrieb greift hier instinktmäßig über den Tod hinaus. Der zum Bewußtsein
erwachte Mensch sucht im Jenseits die Lösung für die Rätsel des Lebens, den
Trost für seine Leiden und Täuschungen, »am Grabe noch pflanzt er die Hoff-
nung auf« 5). Der Reflexion, die zum Zweifel und zur Leugnung führt, kann
immer nur eine Minderheit fähig sein. Die Sehnsucht nach der Vernichtung,
die in Asien seit so vielen Jahrhunderten Millionen erfüllt, entspringt aus der
Angst nicht vor der Fortdauer an sich, sondern vor der Qual endloser Wieder-
geburten^).
Allerdings sind nun materialistische Strömungen wie zu allen Zeiten so auch
im spätem griechisch-römischen Altertum hier und da in die Massen gedrungen:
daß sie aber dort jemals sich verbreitet, dem positiven Glauben erheblichen Ab-
bruch getan haben, läßt weder die Analogie ähnlicher Erfahrungen in neuern
Zeiten annehmen, noch spricht dafür die, wie gesagt, verhältnismäßig geringe
Zahl materialistischer oder Zweifel ausdrückender Grabschriften von Personen
der untern Klassen. Auch äußern diesen gegenüber andre ein festes Vertrauen
auf eine Fortdauer und ein Wiedersehen nach dem Tode, wie z. B. jene Inschrift
auf dem gemeinsamen Grabmal eines Ehepaars, von welchem die Frau zuerst
mal getragne Verstorbene) ist umgeben von Bildern, die auf das jenseitige Leben Bezug haben: die
Danaiden, Herakles und Alkestis, Apoll und Marsyas, Eros und Pan (vor Dionysos und Ariadnej,
die alle mit Sarkophagreliefs übereinstimmen und wieder von kleineren Bildern umgeben sind,
worunter zahlreiche Erotenfiguren.
I) CIL III 686 = Buecheler 1233, 17 ff.; vgl. auch CIL VI 30122 = Buecheler 607 und über
den Ausdruck dionysischer Jenseitshoffnungen im Bilderschmuck der Grabsteine B. Schröder, Bon-
ner Jahrb. CVIII/IX 1902 S. 55 ff. 2I Peschel, Völkerkunde^ S. 270 ff. 3) Über Seelen- und Un-
sterblichkeitsglauben im Alten Testament vgl. J. Scheftelowitz, Arch. f. Religionswiss. XIX 1919
S. 210 ff. 4) Peschel a.a.O. S. 307f. 314. Die unter den Buddhistengemeinden zu Recht bestehende
Lehre verlangte von ihren Bekennern ausdrücklich den Verzicht auf das Wissen vom Sein oder
Nichtsein der vollendeten Seligen. Doch war eben dadurch die Hoffnung ewigen Heils nicht aus-
geschlossen. Oldenberg, Buddha' S. 299 f. 5) Grabschrift einer Frau aus Camuntum Dessau 9093
ijttae dum explesset faii sui laborem, meliora sibi sperans vitamfuncta est. 6) Peschel a. a. O. S. 285 ff.
[IV. 38o, 381] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE
313
gestorben war: »Ich erwarte meinen Mann» ') und die mehrfach auf den Grab-
schriften wiederkehrende Bitte des Verstorbenen an eine früher verstorbene
teure Person, ihm im Jenseits Quartier zu machen^). Namentlich aber bestätigen
zahlreiche unzweifelhafte Zeugnisse, daß der Volksglaube im großen und gan-
zen, soweit die römisch-griechische Kultur reichte, noch immer durch die ur-
alten römischen und griechischen Vorstellungen vom Jenseits bestimmt wurde,
die sich im Laufe der Jahrhunderte vielfach verschmolzen hatten, und mit denen
sich je länger desto mehr orientalische Anschauungen verbanden.
Zwar haben römische Autoren zu verschiedenen Zeiten versichert, daß an die
alten volkstümlichen Fabeln von der Unterwelt niemand glaube. Kein altes
Weib sei so schwachsinnig, sagt Cicero, daß es die »acherontischen tiefen Re-
gionen des Orcus, das bleiche, von Finsternis umhüllte Reich des Todes « fürchte ^].
Niemand, sagt Seneca, ist so kindisch, daß er sich vor dem Cerberus und der
Finsternis und den Gespenstergestalten der Totengerippe fürchtef*). Daß es
Manen gibt, sagt Juvenal, und unterirdische Reiche, einen Cocytus und schwarze
Frösche im stygischen Schlünde, und daß so viele Tausende in einem Nachen
über das Wasser setzen, das glauben selbst von den Kindern nur die kleinsten,
die noch kein Eintrittsgeld in den Bädern zahlen ^j. Allerdings ist nun wahr,
daß die griechischen Vorstellungen, von denen hier hauptsächlich die Rede ist,
in Italien und den westlichen Ländern überhaupt weniger verbreitet waren, ob-
wohl doch auch dort ihre durch die in der Schule allgemein gelesenen Dichter,
durch die Theater^), durch die bildende Kunst unaufhörlich und tausendfach
geförderte Verbreitung keine geringe gewesen sein kann und von den angeführ-
ten Autoren unzweifelhaft unterschätzt ward. Konnte doch Lucrez sagen, daß
die Furcht vor dem Acheron das menschliche Leben von seinen innersten Tiefen
aus aufregt, auf alles den schwarzen Schatten des Tods wirft und keine Freude
ungetrübt läßt^); allerdings mögen ihm bei seiner Ausmalung der allgemein ge-
fürchteten Qualen und »ewigen Strafen im Tartarus auch orphische Unter-
weltsbeschreibungen vorgeschwebt haben ^;. Die Fortdauer des römischen Volks-
glaubens an die Manen zu leugnen, konnte Juvenal im Ernste kaum einfallen-),
und er hat wohl nur die grobsinnlichen Vorstellungen von ihnen als gänzlich
aufgegeben bezeichnen wollen, auch dies freilich sehr mit Unrecht: wie denn
Aufgeklärte stets nur zu leicht geneigt sind, die in ihren Kreisen herrschenden
Ansichten als die vernünftigerweise einzig möglichen und folglich allgemeinen
vorauszusetzen. Am wenigsten konnte Juvenal aber den Unsterblichkeitsglau-
Fortdauer der
mythischen Vor-
stellungen von ,
der Unterwelt.
l) CIL XII 5193 (oben I 313). Vgl. CIL VIII 9691 (Cartena): Mi fil[i), mater rogat ut ine ad
te recipias, ebenso CIL VI 11252. XII 4938 (Buecheler l5of.). V 5279 = Dessau 6728 mater
rogat, quam primuni ducatis se advos. CIL VI 188 17 = Dessau 8806 ita peto vos, [Manes sanctis-
simae, commendat^tim] kabeatis tneu?n carum et vellitis huic indulgentissimi esse, horis nocturnis ut
ttim videam, et etiam mefato suader e velit, ut ego possim dulcius et celerius aput eum pervenire. van
Bleck a. a. O. S. 125 f. 2) CIL X 2641 = Dessau 8148 : Labeo Thyrso: rogo te, expedi ftii hospi-
tium; nam quod hie ad super os mi dedisti, eiectus sum. Thyrsus Labeoni: veni; omnia parata sunt ad
me (vgl. Dessaus Anm.). 3) Cic. Tusc. I 48. 4; Seneca ep. 24, 18; vgl. consol. ad Marc. 19, 4.
5) Juv. 2, 149 ff. [esse aliquos Manes mit Anklang an Prop. IV 7, i : sunt aliquid Manes). 6) Plaut.
Capt. 998. Cic. Tusc. I 37. 7; Lucret. III 37ff. 8) Lucret. III 976ff. I in. Dieterich S. i4of.
9) z. B. Sueton. Tiber. 75, i morte eius ita laetatus est populus, ut — pars Terram matrem deosqw
Manes orareftt, ne mortuo sedem ullam nisi inier impios darent, vgl. Aurel. Vict. Caes. 33, 31.
314 XV. DhR UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 382 ;
ben überhaupt leugnen wollen. Daß er von den Ansichten seiner gebildeten
Zeitgenossen mindestens soviel wissen mußte wie wir, wird wohl niemand in
Abrede stellen.
Der Glaube an Aber wenigstens von einer der von Juvenal verspotteten griechischen Fabeln
denTotenfähr- gjj^^ ^^jj. imstande nachzuweisen, daß sie damals und später im Volke sehr all-
gemein und fest geglaubt wurde, und zwar auch in den westlichen Ländern: es
ist die Fabel von dem »grausen Fergen des Kahns auf dem kotigen Schlünde«,
wie Juvenal selbst ihn ein andres Mal nennt, dem der Tote seinen Heller als
Fährgeld mit dem Munde reichen muß'). Daß das Volk in den griechischen
Ländern allgemein an die Wirklichkeit des Totenfährmanns glaubte ""), bezeugt
ausdrücklich Lucian: »In dieser Vorstellung ist die große Menge so sehr be-
fangen, daß, wenn einer ihrer Angehörigen stirbt, sie ihm zuerst einen Obol in
den Mund stecken, der für den Fährmann als Bezahlung für die Überfahrt be-
stimmt ist, ohne zu prüfen, welche Münze in der Unterwelt gangbar ist usw. « ^).
Noch heute findet sich diese Sitte in Griechenland'*), und auch Charon lebt,
wenngleich in veränderter Gestalt, im Glauben und in den Liedern des Volks
fort als Charontas oder Charos, ein Gott des Todes und der Unterwelt über-
haupt, der in den verschiedensten Gestalten erscheint, als Schütze, als Schnitter,
als ungeheurer, gespenstischer Reiter die Scharen der Verstorbnen entführend,
als Adler auf seine Opfer niederstoßend usw., doch hier und da auch noch
immer als Totenfährmann ^). Wie allgemein verbreitet, wie tief gewurzelt mußte
ein Glaube sein, dessen Lebenskraft sich als eine so unzerstörbare erweist, ob-
wohl seit anderthalb Jahrtausenden ihm scheinbar alle Bedingungen der Fort-
dauer entzogen sind. Ursprünglich ist vielleicht das dem Toten mitgegebene
Geldstück ein Symbol des Abkaufens der ihm unverkürzt mitzugebenden Ge-
samthabe gewesen^). Diese offenbar alte Sitte, die sich mit der merkwürdigsten
Zähigkeit in vielen Gegenden des römischen Reichs bis in späte Zeit, ja durch
das Mittelalter und bis in unsre Zeiten erhalten hat, brachte man mit der Vor-
stellung des Totenfährmanns in Verbindung, und diese Erklärung ist dann
ebenfalls zum Volksglauben geworden.
Zeutmisse für Wenn hiernach also wohl kein Zweifel sein kann, daß etwas, was nach Juve-
die Verbrei- ^al nur kleine Kinder glaubten, in der Tat von Tausenden und Abertausenden
tünüichenVor- ^"^ ganzen römischen Reiche geglaubt wurde, so werden wir ebensowenig an
Stellungen, der Fortdauer und Verbreitung der übrigen volkstümlichen Vorstellungen von
der Unterwelt zweifeln dürfen. Den Versicherungen des Gegenteils bei Cicero,
Seneca und Juvenal steht die ebenso bestimmte Versicherung Lucians gegen-
über. Er sagt, daß die große Menge der gemeinen Leute sich das Jenseits ganz
so vorstelle, wie es die Dichter schilderten^) : ein ungeheures, finstres, von Pluto
i) Juv. 3, 265. 2; CIL VIII 8992 deo Charoni lulius Atmhus voium solvif. 3) Lucian. De
luctu 10. Schol. Juven. 3, 267: et nunc apud Athenienses mortuis söhnt in ore nummum iinmittere
(wo das Folgende: ne opud inferos tamquatn inopes errent ein späterer Zusatz ist), unde nauluni
Charo accipere solebat. 4) Wachsmuth, Das alte Griechenland im neuen S. i lyf. K. Mendelssohn-
Bartholdy, Gesch. Griechenlands I46. Waser, Charon, Charun, Charos (1898) S. 36fiF. D. C. Hesse-
ling, Charos. ein Beitrag zur Kenntnis des neugriech. Volksglaubens, 1897. 5) Waser a. a. O.
S. 87 fF. 6; Rohde, Psyche I^ 306, 3. Vgl. über die verschiedenen Auffassungen dieses Brauches
P. Sartori, Arch. f. Religionswiss. II 1899 S. 205 fF. 7; Lucian. De luctu 2 — 10. Über die Fort-
[IV. 383 J XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 315
und Proserpina beherrschtes Totenreich mit dem Cocytus und Pyriphlegethon,
dem Acherusischen See, dem diamantenen Tor, das Äacus mit dem Cerberus
bewacht, der Asphodeloswiese mit dem Lethestrom, den Totenrichtern, welche
die Guten ins Elysium senden, die Schlechten den Furien zu Martern aller Art
überliefern, während die große Zahl derer, die weder gut noch böse waren, als
Schatten auf der Asphodeloswiese umherirren und sich von den Grabspenden
und Totenopfern nähren. Plutarch sagt'), daß diejenigen, die sich vor den
Bissen des Cerberus und dem Faß der Danaiden fürchteten, sich durch Weihen
und Reinigungen davor zu schützen suchten, durch welche sie die Gewähr zu
erhalten glaubten, im Hades an einem hellen Ort in reiner Luft unter Scherz
und Tanz fortzuleben. Er meinte allerdings, daß es »nicht sehr viele« waren,
die diese »Ammenmärchen' glaubten; natürlich war seine Schätzung ebenso
subjektiv und ebenso durch zufällige Eindrücke bestimmt wie die Lucians, dem
die Menge der Glaubenden sehr groß erschien, und hierin sind die Angaben
beider gleich unzuverlässig. Schwerlich kann man aber bei der großen Menge
geläutertere Ansichten vom Leben nach dem Tode voraussetzen als bei einem
Manne wie Aristides, der doch auch geglaubt zu haben scheint, daß die in die
Eleusinischen Mysterien nicht Eingeweihten in der Unterwelt in Schlamm und
Finsternis liegen würden^). In seiner Schrift »Vom Aberglauben« zählt Plutarch
die Vorstellungen auf von tiefen Pforten des Hades, von Feuerströmen und jähen
Abstürzen des Styx, von einer Finsternis voll von Gespenstern, wo Schreck-
gestalten erscheinen und klägliche Laute sich hören lassen, von Richtern und
Henkern, von Schlünden und Abgründen, die von tausend Qualen erfüllt sind
— alle solche Vorstellungen zählt er zu den Ausgeburten des Aberglaubens^):
daß er diesen aber selbst für ein weitverbreitetes Übel hielt, geht, wie gesagt,
aus dem Eifer hervor, mit dem er ihn bekämpft.
Daß nun von den griechischen Vorstellungen gar manches, wenn nicht das
meiste, auch in den Volksglauben des Westens übergegangen ist, darf man, wie
gesagt, namentlich mit Rücksicht auf die Wirkung, welche die römischen Dich-
ter durch die Schule übten, voraussetzen; seit Ennius waren ausführliche Be-
schreibungen der Unterwelt ein Lieblingsgegenstand der Epiker (vielleicht
auch der Tragiker) gewesen, und vor allem wird die so ausführliche Schilderung
Vergils mittelbar und unmittelbar die Vorstellungen von Unzähligen beeinflußt
haben'*).
Es bedarf nicht erst der Zeugnisse, daß die Vorstellungen einer mehr oder Die Existenz
minder materiellen Existenz der Abgeschiedenen, welche die alten, seit undenk- cier Seelen als
liehen Zeiten fort und fort überlieferten Fabeln voraussetzen, in den Massen le^Jedacht!^ '
ebenso verbreitet waren wie jene Fabeln selbst. Die ungeheure Mehrzahl der
Menschen konnte damals noch weniger als jetzt der Abstraktion fähig sein,
welche die Vorstellung einer rein geistigen Existenz erfordert. Bei jedem Ver-
such zu einem Bilde des unbekannten Lebens mußte und muß die sich selbst
dauer der antiken Vorstellungen von der Unterwelt im Glauben der Neugriechen B. Schmidt, Volks-
leben der Neugriechen S. 235 ff.
l) Plutarch. Non posse suaviter vivi 27. 2) Aristid. or. 22, 10 ;II 31 K.), vgl. or. 13, I 302
Dind. 3) Plutarch. De superstit. 4. 4) Vgl. C. Liedloff, De tempestatis, necyomantiae, infero-
rum descriptionibus, quae apud poetas Romanos primi p. Chr. saecuH leguntur, Diss. Lips. 18S4.
3i6 XV. DER UNSTERBLICH KEITSGLAUßE [IV. 384]
überlassene Phantasie, unwillkürlich und unbewußt, mit den Farben und Formen
arbeiten, die sie dem bekannten Leben entlehnt, und ihre zartesten und duftig-
sten Bilder sind ebensowenig unkörperlich wie ihre rohesten und gröbsten. Daß
diese letztern die einzigen waren, welche die große Menge fassen und festhalten
konnte, liegt in der Natur der Sache. Um so weniger dürfen wir an der Ver-
sicherung Lucians zweifeln, der Glaube vieler sei, daß die Toten sich von den
Spenden, Opfern und Mahlen wirklich nährten, welche die Überlebenden ihnen
darbrachten ; daß viele Geräte, Kleider, Schmuck in der Meinung mit sich ver-
brennen oder vergraben ließen, daß sie im andern Leben dieser Dinge bedürfen
oder davon Nutzen haben würden^). In der Tat stammt ein großer Teil von den
Gegenständen des häuslichen Lebens, die unsre Museen bewahren, aus Gräbern,
in welche man dem Krieger seine Waffen, dem Handwerker und Künstler sein
Handwerkszeug, der Frau ihre Toilettengegenstände, dem Kinde sein Spielzeug
mitgab^]. Der Redner Regulus ließ am Scheiterhaufen seines 14jährigen Sohns
dessen zahlreiche Ponygespanne und Reitponys, große und kleine Hunde,
Nachtigallen, Papageien und Amseln schlachten^]. Bei Lucian erzählt ein Mann,
er habe seine Liebe zu seiner seligen Frau nicht bloß während ihres Lebens,
sondern auch bei ihrem Tode bewiesen, indem er ihren ganzen Schmuck und
ihre Kleider mit ihr verbrannt habe; doch erschien sie ihm am siebenten Tage,
als er gerade Piatos Phädon las, beschwerte sich, daß eine ihrer vergoldeten
Sandalen nicht mit verbrannt war, und bezeichnete die Stelle, wo sie unter einem
Kasten liege; hier wurde sie gefunden und ihrem Wunsche gemäß nachträglich
verbrannt"*). Die den Toten mitzugebenden Gegenstände waren offenbar nicht
selten genau testamentarisch bestimmt. Das wiederholt erwähnte^) Testament
eines begüterten Manns von Langres verordnet (hier vielleicht nach altkeltischem
Gebrauch)^), daß all sein Gerät zur Jagd und Vogelstellerei mit ihm verbrannt
werden solle, wie Lanzen, Schwerter, Messer, Netze, Schlingen, Leimruten,
Vogelleim, Jagdzelte usw., Sänften und Tragsessel, ein aus Binsen geflochtner
Nachen, seine sämtlichen buntgewebten und gestickten Kleider und alle Sessel (?)
aus Elentiergeweihen ^). Dasselbe Testament verordnet die Anpflanzung von
Obstgärten bei dem Grabmal, die fort und fort durch drei Gärtner und deren
Lehrlinge instand gehalten werden sollen ; Gärten, Rebenpflanzungen und Parks
wurden besonders gern bei Gräbern angelegt^), damit die abgeschiedenen Seelen
sich an der schönen Natur erfreuen möchten. In einer Grabschrift von Cirta
heißt es: auf meinem Hügel werden Bienen von den Blüten des Thymians
nippen, die Vögel werden in grünenden Grotten mir lieblich singen, der Lor-
beer sproßt an meinem Hügel, und goldene Trauben hängen an den Reben^).
Man darf glauben, daß von den noch erhaltnen, auf Ausschmückung und Kul-
tus der Gräber bezüglichen testamentarischen Verfügungen gar manche in dem
Glauben an eine Teilnahme der Abgeschiednen an den Freuden und Genüssen
dieser Welt erlassen worden sind, sehr häufig gewiß in dem Glauben an ein
1) Lucian. De luctu 14. 2) Marquardt, Privatl.^ 366 f. 3) Plin. ep. IV 2, 3, vgl. oben 11 359.
4) Lucian. Philops. 27. 5) Oben 11 363. HI 77. 6) Caes. B. G. VI 19, 4. Mela III 19. 7) CIL
XIII 5708 = Dessau 8379. 8) Serv. Aen. V 760 nemora mim apiahant sep-ulcris: vgl. Lebas-
Waddington 2452; oben II 362. Samter, Real-Encykl. III 1966 f. Marquardt a. a. O. S, 369 f.
9) CIL VIII 7854 = Buecheler 468. Vgl. VI 13528 = Buecheler 1559, 6 ff.
[IV. 385, 386] XV. DER UNSTERBL1CHKEHSGLAUBE
317
materielles Fortleben der Abgeschiednen und zwar bei ihren Gräbern'), wo die
Familie, solange sie bestand, regelmäßigen Seelenkult darbrachte';.
Die große Verbreitung des Unsterblichkeitsglaubens auch im spätem Alter- Die Allgemcin-
tume bedarf nach allem bisher Gesagten keines Beweises mehr; sie ergibt sich teitdes Geister-
aber auch schon allein aus einer bisher noch nicht berücksichtigten Tatsache: f^eis für die au-
aus der großen Verbreitung des Glaubens an Geistererscheinungen, also an die gemeinheit des
Möglichkeit der Wiederkehr der Gestorbenen, überhaupt an einen innigen Zu- ^laubens'^'^'^*^^'^^'
sammenhang der Geisterwelt mit der Welt der Lebenden, an ein stetes Ein-
greifen der erstem in die letztre. Dieser Glaube war bei den Römern wie bei
den Griechen uralt; über seine Entwicklung und die Formen, die er bei beiden
Völkern annahm, sind wir nur unvollkommen unterrichtet. Die Vorstellung,
daß die guten Geister der Abgeschiedenen als Schutzgeister der Lebenden
walten, taucht schon in der ältesten griechischen Poesie auf: Hesiod sagt, die
Seelen der Menschen des goldnen Zeitalters seien nach dessen Ablauf gute
Dämonen geworden, die als Wächter der sterblichen Menschen in Nebel gehüllt
über die Erde wandeln, über Recht und Unrecht wachen und Reichtum geben.
Aber dann verschwindet sie wieder bis zu der Zeit, wo der spätere Piatonismus
sie mit seiner Dämonenlehre verschmolz^). Der diesem Glauben entsprechende
an die Geister der Bösen als spukende, »selber gequälte und andere quälende« ;
Larven und Lemuren läßt sich dagegen als allgemein und fest gewordner Volks-
glaube nur bei den Römern nachweisen. In andern Beziehungen stimmt der
Geisterglaube beider Völker völlig überein. Namentlich heftete er sich hier wie
dort an die Geister vor der Zeit oder gewaltsam Umgekommener^), deren un-
versöhnlicher Zorn auch Unschuldige verfolgt und verdirbt, und Unbegrabener.
Wenn übrigens auch in den spätem Jahrhunderten der römische und grie-
chische Geisterglaube durch hin und her übertragene Vorstellungen sich immer
mehr ausgeglichen haben wird, so fehlt doch dem letztern der feste Anhalt, die
bestimmte Form und Richtung, welches alles dem erstem der öffentliche Kultus
gab. Die Vorstellung eines ununterbrochenen Wechselverkehrs zwischen Unter-
und Oberwelt unterhielt und bestärkte im römischen Volksglauben namentlich
die Eröffnung des viundus, d. h. der tiefen Grube, die in jeder Stadt den Göttern
und Geistern der Tiefe zugleich als Göttern der Saat geweiht war, an drei Tagen
im Jahre (24. August, 5. Oktober, 8. November), wo dann die Scharen »der
Schweigenden« ungehindert ein- und ausfahren konnten; sodann das Allerseelen-
fest am 21. Februar (Feralia) und in der vorausgehenden Woche (13. — 20., Pa-
rentalia), dessen Vernachlässigung einst nach der Legende ein großes Sterben
zur Folge gehabt hatte; endlich die Gebräuche, mit denen man in den drei
Nächten derLemurien (9., 1 1. und 13. Mai) die spukenden Geister beschwichtigte
und versöhnte^).
l) über die Fortdauer dieses Glaubens bei den Neugriechen B. Schmidt a. a. O. S. 249 f.
2) Rohde a. a. O. S. 344. 362. Marquardt StV. III'' 312 f. 3) Lehrs a. a. O. S. 167 f. Auch He-
raklit scheint nach der freilich sehr verdorbenen Stelle Hippolyt. refut. IX 10, 6 (Diels, Vorsokrat.
I^ 90 frg. 63) diese Vorstellung gehegt zu haben. 4) Nissen, Das Templum S. 148. 5) Tertullian,
De anima 56f. Norden, Hermes XXVIII 1893 S.372ff.; Verg. Aen. VV S. loff. Dieterich, KI.
Schrift. S. 45, 2. S. Reinach, Archiv f. Religionswiss. IX 1906 S. 312 ff, 6 Wissowa, Relig. u.
Kultus d. Römer^ S. 232 ff.
3i8 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 387]
Daß nun Unsterblichkeits- und Geisterglaube nicht bloß in innigster Wechsel-
beziehung stand, sondern daß auch der erstere sich gern durch den letzteren
stärkte und befestigte, ist ebenso selbstverständlich, wie daß Zweifler durch Er-
scheinungen überzeugt wurden oder bereit waren, sich durch sie überzeugen
zu lassen. Der Verfasser der Homilien des sogenannten Clemens Romanus er-
zählt, von Zweifeln über die Unsterblichkeit gequält habe er sich eine unum-
stößliche Gewißheit durch das Erblicken einer abgeschiedenen Seele mit eignen
Augen verschaffen wollen: er gedachte nach Ägypten zu reisen und dort einen
Zauberer zu einer Totenbeschwörung zu bewegen; doch von einem Philosophen
erinnert, daß dies ein nicht bloß gesetzlich verbotenes, sondern auch gottver-
haßtes Tun sei, gab er seine Absicht auf']. Ein Monument, das ein Ti. Clau-
dius Panoptes und seine Frau Charmosyne ihren beiden gestorbnen Töchtern
*nach einem Gesicht« errichteten, trägt die Inschrift: ^Du, der du dies liesest
und zweifelst, daß es Manen gibt, gehe mit uns eine Wette ein und rufe uns an,
dann wirst du zur Einsicht gelangen«"]. Aber auch in gebildeten Kreisen fiel
Geisterglaube und Unsterblichkeitsglaube vielfach zusammen. Freilich spotteten
dort nicht bloß alle, die epikureische und materialistische Anschauungen hegten
oder zu ihnen neigten, über den Nachtspuk der Lemuren (so gut wie über
Träume, Wunder, Hexen und Zauberei) und behaupteten, daß nur Weiber, Kin-
der und delirierende Kranke Gespenster sähen^j, sondern auch ein großer Teil
der Unsterblichkeitsgläubigen verhielt sich in bezug auf Geistererscheinungen
zweifelnd oder ablehnend, wie z. B. Seneca.
Ob dies aber auch selbst in den Kreisen der philosophisch Gebildeten (nament-
lich seit dem 2. Jahrhundert) die Mehrzahl war, steht dahin. Die von Lucian im
s Lügenfreunde« geschilderte Gesellschaft des Eucrates, in der niemand zweifelt,
daß es »Dämonen und Gespenster gibt, und daß die Seelen der Toten auf der
Erde umherwandeln und erscheinen, so vielen sie wollen«: "*), besteht, außer einem
Arzte, aus einem Peripatetiker^], einem Stoiker, einem Platoniker und einem
heiligen Pythagoreer, und Eucrates selbst ist ein Mann, der sich gründlich mit
Philosophie beschäftigt hat. Am festesten hielten am Geisterglauben die Neu-
pythagoreer und pythagoreisierenden Platoniker, die in den Erscheinungen eine
Bürgschaft für die Wahrheit nicht bloß ihres Unsterblichkeitsglaubens, sondern
auch ihrer Dämonenlehre fanden. Der philosophierende Rhetor Maximus aus
Tyrus, der ganz auf dem Boden eines bereits zum Neuplatonismus hinneigenden
Piatonismus steht, betrachtet wie alle Gleichgesinnten die Dämonen, zu denen
auch die abgeschiedenen Seelen gehören, als das eigentliche Band zwischen der
sinnlichen und übersinnlichen Welt^]. Die zu Dämonen gewordnen Seelen, sagt
er, sind betrübt über ihr vergangenes Leben, beseligt über ihr jetziges; betrübt
aber auch über die verschwisterten Seelen, die noch auf der Erde weilen, und
in Menschenliebe zu dem Wunsche gestimmt, sich ihnen zuzugesellen und sie
aufzurichten, wenn sie gleiten. Und es ist ihr Auftrag von der Gottheit, die Erde
zu besuchen und sich zu beteiligen an aller Menschengeburt, an allem Menschen-
1) Clement. Roman. Homil. I 5 ; vgl. dazu F. Boll, Zschr. f. neutestam. VVissensch. XVII (191 6)
S. I39ff. 2) CIL VI 27365 = Dessau 8201=1. 3) Horat. ep. U 2, 2o8f. Plutarch. Dio 2, 2,
4; Lucian. Philops. 29. 5) Über den Peripatetiker Antisthenes, den Phlegon Mirab. 3 als Gewährs-
mann anführt, vgl. Ed. Schwartz, Real-Encykl. I 2537 f. 6) Zeller III 2'* S. 224.
nv. 388, 389] XV. DER UNSTERBLICHKLEITSGLAUBE 319
geschick, Menschendenken und Menschenhandeln und den Guten zu helfen, den
Unrecht Leidenden beizustehen, den Unrecht Tuenden aber die Strafe auf-
zuerlegen'). Er erzählt ohne den leisesten Zweifel, daß die Bewohner von Ilium
den Hektor oft in Sprüngen mit blitzenden Waffen über das Gefilde eilen sähen,
und daß Achilles auf der kleinen Insel im Schwarzen Meer vor der Donaumün-
dung, wo er als verklärter Heros ein Heiligtum hatte, oft den Schiffern erschie-
nen sei: einige sahen ihn in der Gestalt eines jugendlichen Manns mit blondem
Haar in goldner Rüstung einherspringen, andre hörten ihn einen Schlachtgesang
singen, noch andre hörten und sahen ihn; einen, der auf der Insel eingeschlafen
war, hatte Achill selbst aufgeweckt, in ein Zelt geführt und bewirtet; Patroclus
schenkte ein, Achill spielte die Kithara, auch Thetis und ein Chor von andern
Dämonen war zugegen"). Apulejus (der, wie bereits bemerkt, die Dämonen-
lehre mit besondrer Vorliebe behandelt hat) richtet in seiner Verteidigungsrede
wegen der ihm Schuld gegebenen Zauberei gegen seinen Ankläger (nach dessen
falscher Angabe er sich der Figur eines Skeletts zu magischen Zwecken bedient
haben sollte) folgende Verwünschung: »Dir wende für diese Lüge der Gott, der
zwischen der Ober- und Unterwelt hin und her wandelt (Merkur), die Ungunst
beider Götterkreise zu und lasse deinen Blick unaufhörlich Gestalten der Toten
begegnen, und soviel Schatten, Lemuren, Manen und Larven es irgend gibt,
alle Nachterscheinungen, alle Grabgespenster, alle Schrecknisse der Leichen-
brandstätten« 3). Eine Grabschrift zu Puteoli schließt: »Möge den, der diesen
Stein von der Stelle rückt, der Zorn der Schatten derer treffen, die hier begraben
sind«*). Plutarch beruft sich (in der Widmung der Biographien des Dio und
Brutus an Sossius Senecio) den Leugnern von Geistererscheinungen gegenüber
auf diejenigen, die diesen beiden so seelenstarken und philosophischen Männern
ihr Ende nach ihrer ei/nen Aussage vorher verkündeten. Daß es in einem
Bade zu Chäronea, wo zu Lucullus Zeit ein Mord vorgefallen war, gespukt hatte
und noch spukte, berichtet er nach den Angaben andrer, ohne, wie es scheint,
daran zu zweifeln^). Der Geister- und Dämonenglaube war aber auch mit an-
dern philosophischen Anschauungen als der platonischen sehr wohl vereinbar.
Der Kyniker Peregrinus Proteus, der sich nach Lucians Bericht mit dem Rufe :
»Mütterliche und väterliche Dämonen, nehmt mich gnädig auf!« in die Flam-
men stürzte, hatte verbreitet, ihm sei bestimmt, nach seinem Tode ein nacht-
hütender Dämon zu werden, und man konnte nicht zweifeln, daß Einfältige
genug behaupten würden, ihm nachts begegnet, durch ihn von Fieber befreit
worden zu sein^). Der jüngere Plinius, dessen Ansichten hauptsächlich durch
stoische Lehren bestimmt waren, erbittet sich die Ansicht seines Freunds Li-
cinius Sura (zum zweiten und dritten Male Konsul 102 und 107) darüber, ob es
Gespenster gebe, und ob sie eine eigne Form und ein übermenschliches Wesen
[numeti] haben, oder ob es eitle Einbildungen sind, die nur aus unsrer Furcht
ihre Gestalt empfangen''). Er glaubte das erstere und erzählt zum Beweise unter
anderm eine Gespenstergeschichte, die der des Pythagoreers Arignotus in Lu-
cians » Lügenfreund •i sehr ähnlich ist. Ein großes Haus zu Athen wurde durch
I) Maxim. Tyr. 9, 6. 2) ebd. 9, 7. y Apulei. Apol. 64. 4) CIL X 2487 = Dessau 8199
qui hoc titulum sustulerit, habeat iratas unibras, qui hie positi sunt u. ö. 5) Plutarch. Dio 2; Cimori
I, 8. 6) Lucian. Peregr. 27 f. 36. 7) Plin. ep. VII 27.
320 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 390]
einen allnächtlichen Spuk unbewohnbar; der Geist erschien in der Gestalt eines
abgezehrten, alten Mannes mit langem Bart und Ketten an Händen und Füßen,
mit denen er furchtbar rasselte. Endlich hatte ein Philosoph Athenodorus den
Mut, der Erscheinung standzuhalten, die ihm so lange winkte, bis er ihr mit
einem Lichte folgte ; im Hofe verschwand sie plötzlich. Am folgenden Tage
grub man an dieser Stelle nach und fand ein Gerippe in Ketten, nach dessen
regelmäßiger Bestattung der Spuk aufhörte. Diese Geschichte glaubte Plinius,
wie er sagt, auf die Versicherung andrer, einen noch kindischeren Spuk be-
richtet er ohne den leisesten Zweifel als selbst erlebt. Plinius Freund Sueton
sagt, es sei hinlänglich bekannt, daß vor dem Begräbnisse Caligulas die Wächter
der Lamianischen Gärten, wohin man seine Leiche gebracht hatte, von Ge-
spenstern erschreckt worden, und in dem Hause, in dem er gestorben, keine
Nacht ohne Spuk vorübergegangen sei, bis das Haus abbrannte"). Noch mehr
Beispiele eines krassen Geisterglaubens der Gebildeten im 2. Jahrhundert liefern
die Schriften des Pausanias, und doch wird auch seine Glaubensseligkeit, wenn
möglich, von der Gespenstersucht des Philostrat und Cassius Dio übertroffen.
* Was der erstere^) von den Erscheinungen und Machtbeweisen der Heroen des
trojanischen Krieges berichtet, wird man im wesentlichen als aus volkstümlicher
Überlieferung entlehnt betrachten dürfen. Nach dem Heroikos des Philostratus
erschienen den Hirten der troischen Ebene die Gestalten der homerischen Hel-
den riesengroß, in kriegerischer Rüstung, besonders Hektor, der auch Wunder
tat, und von den griechischen namentlich Protesilaus, der noch voll lebendig
war. Er war bald im Hades, bald in seiner Heimat Phylake in Phthia (wo er
auch Orakel erteilte), bald in Troas, erschien zur Mittagszeit, heilte Krankheiten
und half auch in Liebespein; einen Widersacher machte seine Erscheinung
blind^), Cassius Dio berichtet wiederholt ganz ernsthaft, wie bei großen Ereig-
nissen die Toten in Masse aus den Gräbern aufstanden, z. B. bei der Schlacht
von Actium und dem Versuche Neros den Korinthischen Isthmus zu durch-
graben "*). Er erzählt, daß im Jahre 220 ein Geist, der nach seiner eignen Aus-
sage der Geist Alexanders des Großen war, auch dessen wohlbekannte Gestalt,
Züge und Kleidung trug, mit einem Gefolge von 400 als Bacchanten gekleideten
Menschen von der Donau bis zum Bosporus zog, wo er verschwand : keine Be-
hörde wagte ihn aufzuhalten, vielmehr wurden ihm überall auf öffentliche Kosten
Nachtlager und Nahrung gegeben^).
Die Totenbe- Auch die häufige Erwähnung der Zaubereien, bei denen Geister beschworen
schwörung. wurden, läßt auf eine große Verbreitung eines unbedingten Geisterglaubens in
den höheren und gebildeten Kreisen schließen. Die Geisterbeschwörung wurde
allem Anscheine nach sehr häufig Veranlassung zu grauenhaften Verbrechen,
da der Zauber angeblich über Seelen von gewaltsam (besonders vor der Zeit)
Umgekommenen am meisten Macht haben sollte; daher Morde, namentlich
i) Sueton. Calig. 59. Antike Geister- und Gespenstergeschichten stellt P. Wendland in der
Festschrift der Schles. Gesellsch. f. Volkskunde zur Jahrhundertfeier der Univ. Breslau (1911)
S. 33 ff. zusammen. Über die von Goethe in der 'Braut von Korinth' verwertete Überlieferung vgl.
Wendland, De fabellis antiquis earumque ad christianos propagatione (Götting. 1911) S. 5 ff.
2) Paus. I 32, 4. VI 6, 8f. 20, 15. VIII 10, 9. 3) Rohde S. 350. 4) Cass. Dio LI 17, 5. LXIII
16,1. 5) ebd. LXXIX 18.
[IV. 391 ] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 321
Kindermorde, zu diesem Zweck offenbar nur zu oft verübt wurden'). Unter
den römischen Kaisern haben Nero, Caracalla, Didius Julianus und Elagabal
diese Art der Magie getrieben. Von den beiden letztern berichtet Cassius Dio
ausdrücklich, daß sie dabei Kinder schlachten ließen^]. Caracalla, der keine Art
der Zauberei und Wahrsagerei unversucht ließ, beschwor, um sich von den Er-
scheinungen seines Vaters und seines gemordeten Bruders zu befreien, die ihn
verfolgten, unter anderm den Geist des erstem und des Commodus, doch ver-
gebens; wie man in Rom flüsterte, war zugleich mit dem Schatten des Severus
auch der des Geta heraufgestiegen^). Aus demselben Grunde beschwor Nero
den Geist seiner Mutter Agrippina*). Er war am leidenschaftlichsten der Geister-
beschwörung ergeben, und da ihm »Menschen zu schlachten ja höchst erwünscht
war«, mag er ihr auch die meisten Opfer gebracht haben. Der Partherkönig
Tiridates, der im Jahre 66 mit einem Gefolge von Magiern nach Rom kam,
weihte ihn in die »magischen Mahlzeiten« und alle Geheimnisse der Magie ein^j ;
doch muß Nero dieser Zauberei schon früher gefrönt haben. Denn Lucan (f 65)
hat eine mit allem Luxus des Gräßlichen ausgemalte Episode der Totenbeschwö-
rung seinem Epos offenbar in keiner andern Absicht eingefügt, als um seiner
Verdammung dieser Leidenschaft des Kaisers, dem er damals feindlich gegen-
überstand, einen starken Ausdruck zu geben. Es ist Sextus, »der unwürdige
Sohn des -großen Pompejus«, der in der Pharsalia die Zukunft durch Toten-
beschwörung erfahren will; die heiligen und erlaubten Prophezeiungen ver-
schmähend, hat er sich zu »den abscheulichen Geheimnissen der grausamen
Magier« und zu den Schrecken der Unterwelt gewandt; »dem Elenden waren
die Himmelsgötter nicht allwissend genug! «^j. Die Hexe Erichtho, die seinem
Wunsch willfahrt, ist ein entmenschtes Wesen; ihren Anspruch, von den Unter-
weltsgöttern erhört zu werden, begründet sie durch die greuelvollsten und un-
natürlichsten Verbrechen, die sie in Masse begangen hat, und unter denen
Kindermord ausdrücklich angeführt wird^). Die Beschreibung der Totenbe-
schwörung selbst^) macht auch an und für sich betrachtet nicht den Eindruck
eines bloßen Phantasiegemäldes, der Dichter hat nicht nur Beschreibungen ähn-
licher Vorgänge in der früheren Dichtung, sondern sicher auch magische Bücher
von der Art der erhaltenen Zauberpapyri benutzt^). Beschwörungen von längst
abgeschiednen Geistern mögen wohl am besten ohne Zeugen gelungen sein.
So hatte der alexandrinische Gelehrte Apio den Schatten Homers zitiert, um
von ihm zu erfahren, in welcher der sieben Städte, die ihn den Ihrigen nannten,
er wirklich geboren sei: leider durfte er die ihm gewordene Antwort nicht mit-
teilen'"]; vielleicht gab der Geist denselben Grund an, wie der des Protesilaus
bei Philostrat: weil dann nämlich die übrigen Städte in ihrem Eifer in der Ver-
ehrung Homers nachlassen würden").
i) Marquardt StV. III" 113, i. F. Schwenn, Die Menschenopfer bei den Griechen und Römern
S. igoff. 2) Cass. Dio LXXIII 16, 5. LXXIX 11, 3. 3) ebd. LXXVU 15, 3. Herodian IV 12, 3.
4) Sueton. Nero 34, 4. 5) Plin. n. h. XXX 14 f. 17. 6) Lucan. Phars. VI 420—434. 7) ebd.
706 — 711; vgl. 529ff. 56off. 8) ebd. VI 624ff., andre Beispiele von Totenbeschwörungen bei
Apulei. Metam. II 28 f. Heliodor. Aethiop. VI 14. Quintilian. Decl. 10. Anthol. Lat. 406 R. ; vgl.
L. Fahz, De poetarum Romanorum doctrina magica (Religionsgesch. Vers. u. Vorarb. II 3, 1904)
S. 4ff. 9) Fahz a. a. O. S. 41 ff. 10) Plin. n. h. XXX 18. ii) Philostrat. Heroic. 18, 3. Rc-
sponsa umbrarum noch Augustin. conf. X 35, 56.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl. 21
322 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 392, 393]
Übrigens bedienten sich die Zauberer der beschworenen Geister sowie andrer
Dämonen auch, um ihre Feinde mit Erscheinungen zu quälen, ihnen Krank-
heiten und Schmerzen zu senden, ihre Zunge zu fesseln u. dgl. '). Solcher Zau-
ber wurde auch durch Beschwörungen geübt, die, auf Bleitafeln geschrieben, in
Gräber niedergelegt wurden und von denen eine Anzahl sich erhalten hat*).
Die Devotion. Dieser Zauber ist eine Art der sogenannten Devotion, durch die man Lebende
den Mächten der Unterwelt weihte, sie beruht auf dem ebenso alten wie ver-
breiteten Glauben, daß diese Mächte über das Leben Gewalt haben und es
hinabzuziehen streben^); die zu ihnen gehörenden Geister der Toten, die man
gleichsam beschwichtigend die Guten oder die Holden [Di Maries] nannte und
mit Opfern versöhnen zu müssen glaubte^), werden auch in der alten Devotions-
formel, durch die der römische Feldherr das feindliche Heer dem Tode weihte,
und bei Verwünschungen angerufen^). In einer Grabschrift, die ein Mann seiner
verstorbenen Frau errichtet hat, versichert er, daß er ihre Überreste angstvoll
wie eine Gottheit ehre. »Schone, Liebste, den Mann, ich flehe, schone, daß er
ferner noch viele, viele Jahre stets dir Opfer und Kränze bringen möge und mit
duftendem Öl die Lampe füllen«^). Eine Anrede an eine verstorbne »Herrin
oder Patronin« lautet: »Solange ich lebe, ehre ich dich, was nach meinem Tode
sein wird, weiß ich nicht. Schone deine Mutter und deinen Vater und deine
Schwester Marina, damit sie dir nach mir Ehre erweisen können^*). In dem-
selben Sinne werden vereinzelt Verstorbene angerufen, die Ihrigen zu erhalten^)
oder (bei den Unterweltsgöttern) für sie zu bitten^).
Kennen wir nun auch von dem damaligen Geisterglauben vorzüglich nur die
finstern und unheimlichen Seiten, so zeigt sich doch auch hier, wie weit ver-
breitet und unwiderstehlich der Hang war, sich in die Geheimnisse des Jenseits
und der Geisterwelt zu vertiefen; und wenn auf die Phantasie das Grauen immer-
hin die unwiderstehlichste Anziehungskraft geübt haben mag, so wird sie sicher-
lich auch geschäftig gewesen sein, gegenüber den Qualen und der Ruhelosig-
keit der Unseligen den Frieden und die Wonnen der Seligen auszumalen.
Unterschiede des Doch freilich war der Trost, den der Unsterblichkeitsglaube den Menschen
christlichen und jgnej- 2eit und dem Altertum überhaupt gab, sehr verschieden von dem, den
lichkeitsglau- die christliche Hoffnung auf eine ewige Seligkeit den Gläubigen bietet. Nicht
bens. Der letz- bloß, daß dem antiken Unsterblichkeitsglauben die unumstößliche Sicherheit
tere dem diessei- ^^^ Gewißheit eines Offenbarungssjlaubens und damit auch der feste Anhalt
tagen Leben zu- ° 0
gewandt.
i) A. Abt, Die Apologie des Apuleius (Religionsgesch. Versuche u. Vorarb. IV 2) S. 128 f. 231.
2) Gesammelt von Audollent, Defixionum tabellae, Paris 1904. 3) Vgl. dazu CIL II 2255 ^ Des-
sau 8007 (vom J. 19 v.Chr.) dei Manes ad se recepertmt Ahilliam. VI i9874 = Buecheler 1224,3/.
quem quoniam Manes ut alumnum dirapuertmt, ne calcare velis nee grabis esse loco. IX 175 : qtiem
di Manes properarunt eripere immaturum. 4) Der Brauch, das Grab den di Manes zu weihen,
bürgert sich erst seit der Zeit des Augustus ein (das älteste Beispiel CIL XIV 2464 = Dessau 880).
Schwarzlose, De titulis sepulcralibus latinis quaest. (Diss. Halle 19 13) S. i ff. 5) Wissowa a. a. O.
S. 239. 6) CIL VI 30099 =Buecheler 1508, 8ff. 7) CIL VI 13 loi. 8) CIL VIII 2803a =
Buecheler 576 [serua tuos omnes). 9) CIL VI 12072 = Buecheler 546, 9 f. funde preces subolum
ac votis utere nostris, ut longum vitae liceat transducert tempus (Empfehlung der Gebete der Über-
lebenden an die Götter durch die Verstorbene); vgl. van Bleek a. a. O. S. 135 ff. P. Dörfler, Die
Anfänge der Heiligenverehrung nach den röm. Inschriften u. Bildwerken (1913) S. 3 ff.
[IV. 394]
XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE
323
abging, den dieser für die Gestaltung der Bilder des andern Lebens gewährt:
er war auch keineswegs so ausschließlich wie der christliche Glaube auf die
Ewigkeit gerichtet, sondern wohl ebensosehr, wenn nicht in noch höherem
Grade, der Zeitlichkeit zugewandt. Nach dem römischen Volksglauben wie
nach der Platonischen Dämonenlehre war ja der Lohn der Guten nicht oder
nicht vorzugsweise, zu eigener Seligkeit in ein überirdisches Dasein entrückt zu
werden, sondern an den Leiden und Freuden der spätem Menschen schützend,
helfend und leitend teilzunehmen. Die Aufopferung der Besten aller Zeiten und
Völker konnte Cicero sich kaum anders erklären, als daß sie auch nach ihrem
Tode vermögen würden, Zeugen der von ihnen ausgegangnen Wirkungen wie
ihres Ruhms zu sein").
Der ganze Totenkultus der Griechen und Römer hatte die Tendenz, den Zu-
sammenhang zwischen den Lebenden und den Toten ununterbrochen zu er-
halten. Die Wohnungen der Toten waren nicht abgeschiedne, stille, selten be-
suchte Ruhestätten, wie unsre Kirchhöfe, sondern vor den Toren der Städte zu
beiden Seiten der Landstraße wurden sie angelegt, wo der Strom des lebendigen
Verkehrs gerade am stärksten vorbeiflutete'): sowohl, wie Varro sagt, zur steten
Mahnung für die Vorüberziehenden, daß auch sie einst zu dieser Ruhe gelangen
würden^), als zur unaufhörlichen Erhaltung und Erneuerung des Gedächtnisses
der Abgeschiednen, nicht bloß bei Angehörigen und Nachkommen, sondern
bei allen später Lebenden. Jene Mahnung las man auf Grabsteinen öfters in
dieser Form: »Du müder Wanderer, der an mir vorübergeht, nach langem
Wandern kommst du endlich doch hierher«'*). Um ein freundliches Andenken
wird für die Toten häufig in den Inschriften gebeten. »Titus LoUius Masculus«,
so lautet eine derselben, >ist hier neben den Weg gelegt, damit die Vorbei-
gehenden sagen: Lollius, sei gegrüßt«^). Ebenso werden auch sonst die Wan-
drer aufgefordert, dem Toten einen solchen ehrenden und freundlichen Nachruf
zu gönnen, und ihnen Segen gewünscht, wenn sie es tun würden, z. B. : »Mögest
du, der du dies durchlesen wirst, leben und gesund bleiben, lieben und geliebt
werden, bis deine Stunde kommt« ^). Ja es wird selbst dem Toten eine Erwi-
derung auf ihre Anrede in den Mund gelegt, so daß eine Art Dialog zwischen
ihm und dem Vorübergehenden durch den letztern vom Grabstein abgelesen
werden konnte'').
Wie der Glaube verbreitet war, daß die Toten sich an solchen Zeichen des
Anteils von selten aller Lebenden ohne Unterschied immerfort erfreuen würden,
so natürlich nicht minder, daß die Opfer, Spenden und Festmahlzeiten an ihren
Gräbern, der Blumenschmuck, in dem an den »Rosen- und Violentagen« die
Der Wunsch
einer Fort-
dauer im Ge-
dächtnis der
Nachwelt.
i) Cic. Tusc. I 35. 2) Arch. ep. Mitt. aus Österr. X 1886 S. 64 TTotVTac; 6001 örei'xouoiv Ott'
äareoc; r|&e izpoc, äaxu Xeuacfuj r|ö' eiöopoui. 3) Varro de 1. 1. VI 49. 4) CIL V 41 11 = Bue-
cheler 119 (Cremona): /letis tu viator lasse, qui me praetereis, cum dm ambular eis, tarnen hucvenmm-
dumst tibi. CIL XI 4010 = Buecheler 120 (Capena): Eus tu viator veni hoc et queiesce pusilu[m).
innuis et negitas. tatnett hoc redeti{n]dz(s (st. redeundumst) tibi. 5) CIL V 7464 = Dessau 6746.
6) CIL VI 13075; vgl. VI 2335 = Dessau 1967: Have Victor Fabiane. Di vos bene faciant amici,
et vos viator es habeatis dcos propitios, qui Victor em publicum Fabianutn a censibus p[opuli) R[omani)
non praeteritis. salvi eatis, salvi redeatis, et vos qui me coronatis vel flores iactatis, multis annis
facialis. 7) z.B. CIL XIV 439 = Dessau 6156. CIL VI 12652. 30 112 = Buecheler 995. 543.
van Bleek a. a. O. S. 97 f.
324
XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE
[IV. 395]
Der antike Un-
sterblichkeits-
glaube nicht
wie der christ-
liche ein un-
entbehrlicher
Trost.
Denkmäler prangten '), das Licht der frisch gefüllten Grabeslampe und der Duft
ihres wohlriechenden Öls ihnen mindestens als Beweise eines fortdauernden
Andenkens bei den Nachkommen wohltuend sein würden: so erfolgten alle
solche Darbringungen in der Voraussetzung, daß es der Wunsch der Abgeschie-
denen sei, mit den spätem Geschlechtern gleichsam fortzuleben. In demselben
Sinne sind auch auf den griechischen Grabdenkmälern vorzugsweise Szenen
aus dem vergangnen Leben der Gestorbnen dargestellt^ »ihre Existenz gleichsam
fortgesetzt und bleibend gemacht«. Die unmittelbare Gegenwart dieser einfach
rührenden, die menschliche Teilnahme in hohem Grade anregenden Darstellun-
gen berührten Goethes auch hier dem antiken verwandten Geist aufs wohl-
tuendste. Ihm sagte es besonders zu, daß die Menschen auf diesen Grabsteinen
nicht die Hände falten, nicht in den Himmel schauen, sondern beieinander
stehen, wie sie auf Erden beieinander gestanden, einander geliebt haben: >der
Wind, der von den Gräbern der Alten herweht, kommt mit Wohlgerüchen wie
über einen Rosenhügel« ^). Auf diese Fortdauer im Gedächtnis der Nachwelt
haben im ganzen Altertum auch solche Wert gelegt, die den Glauben an eine
persönliche Unsterblichkeit verwarfen oder dessen nicht bedurften^). Selbst
Epikur, in dessen Glückseligkeitslehre der Satz, daß Sein und Bewußtsein mit
dem Tode aufhöre, den eigentlichen Schlußstein bildet, verordnete in seinem
Testament, daß sein Geburtstag und der 20. jedes Monats zu seinem und seines
Freunds Metrodor Andenken fesUich begangen würde: und in der Tat ist dies
noch Jahrhunderte nach seinem Tode von seinen Anhängern geschehen"*).
Wenn der antike Unsterblichkeitsglaube aber auch an einer persönlichen Fort-
dauer in einem höheren, reineren, folglich seligeren Dasein festhielt, so setzte
er doch keineswegs das jenseitige Leben in einen so schroffen Gegensatz zum
irdischen wie der christliche und stand deshalb auch dem Unglauben und dem
Zweifel nicht so schroff gegenüber wie dieser. Wenn die griechische Volks-
sprache die Toten »Selige« nannte^), konnten sie ihr schon darum so heißen,
weil sie den Mühsalen, Leiden und Täuschungen des Lebens entrückt waren^).
Der Tod, der diese Erlösung brachte, erschien darum auch dann nicht als ein
Übel, wenn er das Ende des Seins war. Den Gegensatz der christlichen und
der antiken Auffassung drücken vielleicht am besten die Worte aus, die So-
krates in der Apologie des Plato nach seiner Verurteilung zum Tode zu seinen
Richtern spricht: der Tod sei entweder ein ewiger Schlaf oder der Übergang
zu einem neuen Leben, in keinem von beiden Fällen aber sei er ein ÜbeP).
Beide Aussichten erscheinen hier also als tröstliche, nur die eine in höherem,
die andre in geringerem Grade: während der christliche Glaube den Tod, dem
keine Auferstehung zur Seligkeit folgt, als das unseligste Los betrachtet. Ihm
ist das andre Leben das wahre, von dort empfängt das irdische Dasein sein
Licht, ohne dessen Strahlen es völlig düster sein würde. Nicht in der Weise,
i) Wissowa a. a. O. S. 434, 3; vgl. Lämmerhirt, N. Heidelb. Jahrb. VIII 1898 S. iff. Nilsson,
Beitr. z. Relig.Wissensch. herausg. von der religionswiss. Gesellsch. in Stockholm II 191 8 S. 133 ff-
Über Blumen- und Kränzeschmuck der Gräber J. Köchling, De coronarum apud antiquos vi atque
usu (Religionsgesch. Versuche u. Vorarb. XIV 2, 1914) S. 58ff. 2) Goethe, Werke XXX 63 d.
Weimar. Ausg. 3) Ebenso auch Diderot: Rosenkranz, Diderot II 192. 4) Zeller III l"* S. 391, 2.
5) Rohde S. 308, i. Oben S. 302. 6; z. B. CIL V 5278 = Buecheler 1274. 7) Plato Apol. 40 C.
[IV. 396, 397] XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE
325
sagt Lactantius, wie die Philosophen geglaubt haben, wird die Seligkeit dem
Menschen zuteil. Selig kann er nicht sein, solange er im Leibe lebt, der not-
wendig durch Verfall der Autlösung zugeführt werden muß, sondern erst dann,
wenn er nach Befreiung der Seele von der Gemeinschaft des Körpers im Geiste
allein lebt. In diesem einen allein können wir in diesem Leben selig sein, wenn
wir es auch noch so wenig zu sein scheinen: daß wir die Verlockungen der
Lüste fliehend und allein der Tugend dienend in allen Mühsalen und Kümmer-
nissen leben, welche Übungen und Stärkungen in der Tugend sind; daß wir
jenen rauhen und schweren Weg einhalten, der uns zur Seligkeit frei gegeben
ist. Also kann das höchste Gut, dessen Besitz selig macht, nur in der Religion
und Lehre enthalten sein, welche die Hoffnung der Unsterblichkeit in sich
schließt'). Augustinus nennt geradezu das ewige Leben das höchste Gut, sowie
den ewigen Tod das höchste Übel. Wohl kann auch hienieden der selig genannt
werden, dessen ganzes Sein auf jenes Ziel gerichtet ist, der es in glühender Liebe
und treuer Hoffnung festhält: doch mehr durch die Hoffnung als durch die Wirk-
lichkeit. Ohne diese Hoffnung gibt es nur falsches Glück, nur Leid und Elend^).
Es ist eine verbreitete Ansicht, daß für die Menschen des Altertums dieses Pessimismus
Leben deshalb einen höheren Wert gehabt habe, weil ihre Hoffnungen auf das ^^^ Welt-
Jenseits weder so felsenfeste, noch so hell leuchtende sein konnten wie die der Altertum.
Christen. Aber der Gesamteindruck der griechischen und römischen Literatur
bestätigt diese Ansicht keineswegs. Die angeborne, an der ewig neuen Herr-
lichkeit der Welt wie an der Größe und Schönheit des Menschenlebens genährte
Lust am Dasein ist allerdings echt antik. Aber sie ist nur der eine Pol der an-
tiken Weltanschauung, dem als der andre eine aus tiefster Empfindung mensch-
lichen Elends und menschlicher Hilflosigkeit entspringende Resignation gegen-
übersteht, deren bald schmerzliche, bald ergebungsvolle Äußerungen sich wie
ein roter Faden durch die ganze antike Literatur ziehen^). Schon Homer, dem
doch der Gedanke an das Jenseits so völlig trostlos erschien, läßt den höchsten
Gott sagen: Von allem, was auf der Erde atmet und kriecht, ist nichts jammer-
voller als der Mensch! Aber wenn er noch glaubte, daß im Saale des Zeus
zwei Fässer stehen, eines mit den guten, das andre mit den bösen Gaben, so
sind es bei den Spätem zwei Fässer des Bösen, nur eins des Guten'*). Als die
Mutter des Kleobis und Biton die Göttin bat, ihren Söhnen das zu gewähren,
was den Menschen zu gewinnen das beste wäre, gab ihnen die Göttin den Tod
und offenbarte so, wie Herodot sagt, daß der Tod für den Menschen besser sei
als das Leben^). Mehrmals war dies durch Offenbarungen andrer Gottheiten
bestätigt worden^). Es ist gerade die Zeit der Jugend- und Manneskraft des
griechischen Geistes, in welcher der schon von Theognis^), dann unter andern
auch von Sophokles ausgesprochene^), von Bacchylides^) dem Herakles in den
i) Lactant. Inst. div. III 12, 35 ft'., vgl. VII 8. 2) Augustin. C. D. XIX 4. 20. 3) E. v. La-
saulx, Stud. d. class. Altertums (1854) S. 459 ff. G. Benseier, Der Optimismus des Sokrates bei
Xenophon u. Piaton gegenüber den pessimistischen Stimmen in der älteren griech. Literatur. Progr.
Chemnitz 1882. J. Burckhardt, Griech. Kulturgeschichte II 373 ff. Vgl. J. L. Heiberg, Liv og Ded i
graesk Belysning, Kopenhagen 1915 (Referat darüber von Th. O. Achelis, Berlin, phil. Wochenschr.
1919 S. io57ff.). 4) Lehrs, Pop. Aufs.'' S. 43f. 5) Herodot. I 31. 6) Cic! Tuscul. I ii3ff. Plu-
tarch. Consol. ad Apoll. 14. 7) Theogn. 425 ff. (vgl. 1069 ff.), dazu Vahlen, Ges. philol. Schrift. I
I26f. 8) Soph. Oed. Col. I224ff. 9) Bacchylides 5, i6off.
326 XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE [IV. 398]
Mund gelegte Gedanke sich in mannigfachen Formen wiederholt: das beste Los
sei, gar nicht geboren zu werden, das nächstbeste, so bald wie möglich nach
der Geburt zu gehen, woher man kam']. Man sollte daher, heißt es in oft an-
geführten Versen des Euripides, die Gehörnen beklagen, die Gestorbnen froh
und beglückwünschend bestatten^). Auch wenn der Tod ein traumloser Schlaf
ist, sagt Sokrates in der Apologie des Plato, ist er dem Leben vorzuziehen; denn
jeder, selbst der Perserkönig, wird, wenn er sein Leben überdenkt, finden, daß
die Tage und Nächte, die er besser und glücklicher verbracht hat als eine ohne
Traum durchschlafene Nacht, sehr leicht zu zählen sind^). >Jung rufen die
Götter, wen sie lieben, aus der Welt«, heißt es bei Menander, dem geistvollsten
Dichter der alexandrinischen Epoche, aus dessen Fragmenten uns ganz vor-
zugsweise der gedämpfte Ton einer resignierenden Lebensauffassung entgegen-
klingf^); ihm erschien als »des Menschenlebens Zwillingsschwester Traurig-
keit« ^j, und der als der Glücklichste, »der ohne Kummer der Welt Erhabenheit
geschaut, und eilig dann zurückgekehrt, von wo er kam«^).
Auch in der römischen Literatur fehlt es an Äußerungen verwandter Natur
keineswegs. So hatte Cicero seinen »Hortensius« mit einer Betrachtung über die
Eitelkeit und Unseligkeit der Menschen geschlossen. Die Irrtümer und Müh-
sale des Lebens, hieß es dort, scheinen jenen alten Weisen recht zu geben, nach
deren Ausspruch wir geboren sind, um die in einem frühern Leben begangnen
Sünden zu büßen; sowie dem Aristoteles, der in der Verbindung der Seele mit
dem Körper eine Marter erkannte, wie sie die etruskischen Seeräuber an ihren
Gefangnen verübt haben sollen, die sie Gesicht auf Gesicht mit Leichen zu-
sammenbanden und so umkommen ließen''). Wie sich bei Plinius, nach dessen
Ansicht kein Sterblicher glücklich, und die Kürze des Lebens das beste ist, was
die Natur den Menschen gewährt hat^), wie sich bei ihm das Gefühl der Un-
seligkeit bis zur Sehnsucht nach der Vernichtung steigerte, und daß ihm der
Tod als das beste Geschenk der Natur erschien, ist bereits erwähnt^). Als größte
Wohltat preist den Tod auch Seneca, der sich darin gefällt, die Unseligkeit des
Lebens in immer neuen Wendungen zu schildern. Es ist durchaus beweinens-
wert^°); es bietet das Schauspiel einer mit Sturm genommenen Stadt"); es ist ein
stürmisches Meer, das uns immer umher und oft an Felsen schleudert, und sein
einziger Hafen der Tod'"); es ist eine Sklaverei, wenn die Kraft zum Sterben
fehlt '^); der »grausame Lebensdrang« ist die Kette, die uns gefesselt hält'''); der
Tod allein bewirkt, daß es nicht die schwerste Strafe ist, geboren zu werden '5).
Und wenn einem Marc Aurel die Übel des Lebens wesenlos waren, so waren
ihm auch dessen Güter »eitel, morsch und gering«, das Leben selbst »ein Krieg
l) Schon Euripides frg. 285 N." nennt dies Wort t6 TravTaxoO 9pu\ou)uevov; über das Epigramm
des Posidippus Anth. Pal. IX 359 vgl. Geffcken, Kynika u. Verwandtes (1909) S.yfT. M. Pohlenz,
Xapirec; F. Leo dargebracht (191 1) S. 95 f. 2) Eurip. frg. 449 N.', vgl. Herodot. V 4. 3) Plato
Apolog. 40 D. 4) Menand. frg. 125 Kock. Vgl. J. Horkel, Reden u. Abhandl. (1862^ S.346. 352 f.
CIL VI 19 716 = Dessau 8481 quem di amavertmt, haec moritur infa[tt'.s. 5) Ap' effxi öUYTEvec;
Ti XuttTi Kai ßi'oq Menander frg. 281, 8 K. 6) ebd. 481, 2 f. 7) Cic. Hertens, frg. 95 Müller.
8j Plin. n. h. VII 130. 167 f. 9) Oben S. 298 f. 10) Seneca Consol. ad Marc, il, i; vgl. Consol.
ad Polyb. 4, 2 f. 11) Seneca de benef. VII 27, i. 12) Seneca Consol. ad Polyb. 9, 7. 13) Seneca
epist. 77, 15. 14) ebd. 26, 10, vgl. Consol. ad Polyb. 9, 6 omnis vita supplicium est. 15) Seneca
Consol. ad Marc. 20, 2.
XV. DER UNSTERBLICHKEITSGLAUBE 327
und der Aufenthalt eines Gastes«, seine Zeitdauer ein Punkt, vor und hinter uns
der endlose, alles verschlingende Abgrund. Und doch sollte und konnte in dem
ewig fortrauschenden Strome der Vergänglichkeit der Mensch feststehen wie
ein Fels im Meer: wenn er, um die Außenwelt völlig unbekümmert, mit ver-
ehrungsvoller Ergebung gegen das Schicksal sich in die Stille seines Inneren
wie in eine feste Burg zurückzog; wenn er dem dort wohnenden Gotte treu blieb,
wenn er als Teilchen des großen Ganzen die Forderungen der Natur erfüllte.
Wenn er so mit heitrer Gelassenheit in jedem Augenblick das Ende erwartete,
mochte es Vernichtung oder Wandlung sein, dann schied er sanft aus dem
Leben, gleich der reifen Fracht, die in ihrem Falle die Natur als ihre Schöpferin
preist und dem Baume dankbar ist, der sie trug^).
i) M. Aurel. comm. II 17. III 5. 16. IV 3. 48. 49. V 23. 32.
REGISTER.
A.
Abascantus, Freigelassener I 46, 9. 47, g. 50.
56 f. II 242. 245, I. 358. III 78.
Abbruch von Gebäuden verboten III 4, 2.
Abdera (Adra) in Bätica, Juden III 210.
Aberglaube I 265; der Frauen I 305 ff. ; der
Zirkusleute II 43 ; medizinischer I 208 ff.
Abessinien, Juden III 202.
Abgabenfreiheit der Lehrer und Ärzte I 174.
190. II 231. 258f. III 253; der Athleten II
158.
Abgebrannte, Beisteuern für sie I 135.
Abgerichtete Tiere II 86.
Ablauf im Zirkus II 48, 4.
Abnoba, Diana III 143.
Abonuteichos III 163 ff.
Abraham a Sancta Clara über den Luxus II
279, 3-
Absteigequartiere I 345.
Acacia Farnesiana II 345.
Acastus, Freigelassener I 51.
accensus I 217.
Achat II 347.
Achill im Volksglauben III 127, 10. 319; auf
Skyros, Sarkophagdarstellungeii III 311.
Acilius Glabrio, Konsul 91 n.Chr. II 21. III
234 f.
Acme, Sklavin I 64.
Acratus, Freigelassener III 36.
Acta diurna I 254. II 27.
Actäonsarkophage III 311.
Acte, kaiserliche Konkubine I 64 f.
Actische Ära II 146, i; actische Spiele II 145 f.
Adägina, Göttin III 143. 179.
Adel I Il7ff., und Bürgertum I 236.
Aderlaß I 199.
adiutor I 54, 2. 55.
adkctio I 115. 138.
adniissio prima, secunda I 76; ab admissione
I 92.
Adonis, Kult in Griechenlartd III 135, i. 189;
Adonissarkophage III 311.
Adoration der Kaiser I 94, der Kaiserbildnisse
ni57f.
Adule I 372.
Advocatus fisci I 153.
Advokaten I 181 ff.
Ädepsus I 414.
Äginetische Kandelaber II 347.
Ägypten, Eigenart des Landes l426ff. ; Bevöl-
kerung III ig; Juden III 204 f.; Städte III 10;
Kunst III 85; Musik II 169 f.; Leinwand-
produktion II 312; Getreidelieferungen nach
Rom I 2 7 f.; Ausschlagskrankheiten I 189;
Reisen nach Ä. I 338. 42iff. ; Heilaufenthalt
für Schwindsüchtige I 386; Statuensteuer
III 62; Charakter der Ägypter I 38; mißach-
tet I 105. iii; im Senat Im; Ärzte I 189;
ägyptische Gottheiten III I36f. 140 f. 144 f.
189.
Ährenkranz als Preis II 228.
Älia Capitolina III 31.
Allan II 260. III 127. 129 ff.
Älius Severianus Maximas III 164, l.
Älius Verus, Kaiser II 291. 345. III 65.
Ämilia Lepida I 118.
Ämilianus Strabo III 67. 76.
Ämilische Straße I 32 1.
Aemilhis ludus II 65, 3.
L. Ämilius Paullus I 409 f. III 108.
Ämter, senatorische 1 135 ff.; ritterliche I I49ff. ;
Hof- und Hausämter I 34ff.; Subaltemämter
I2l6ff.
Ärzte I 189 ff.; kaiserliche I 70 ff, ; der Gladia-
toren II 68; machen Studien im Amphi-
theater II 81. 89; Ärztevereine I 190; Ärztin-
nen I 193.
aes tabulare III 77.
Äschylus, heroisiert III 149.
Äsculap s. Asklepios.
Aesculus hippocastanum II 345.
Äsop, Schauspieler II 276.
Ästhetische Naturbetrachtung I 483.
Äternus, Gott III 211, 6.
Äthiopien, Handel I 372.
Ätna, Berg I 408. 481 f.; Gedicht II 250.
Affektionspreise II 348 f.
Affen, abgerichtete II 86.
Afrika, Ostküste I 372; Westküste I 39of. ;
Inneres I 391 ff.; wilde Tiere II 78. 103, 5;
Pferde aus A. II 30 ; Römisches Afrika, Städte
III 8 ff. ; Straßennetz I 325 f.; Wasserleitun-
gen II 373 f.; Juden in 205 i. ; Afrikaner im
Senat l 108.
Agaclytus, Freigelassener I 44. 50.
Agathemerus (Claudius), Arzt III 277. 306, i.
Agbia in 9.
Agenten, provfozierende I 257 f.
Agilius Septentrio I 44, 7. 62.
REGISTER
329
Agisymba I 393.
agitatores 11 2 5 ff. 33.
Agonistik II 145 ff.; heilige Agone II 158 f.;
agottes iselastici II 159, i; Agon Actiacus II
145 f.; Albanus II 230; Capitolinus II 148.
218. 228 f.; Minervae II 148; Neroneus II
147. 217. 288; des Sonnengottes II 149; der
A0nvä TTpöiuaxot; II 148, 2; pythischer zu
Karthago II 230; zu Vienna II 152.
Agricola (Cn. Julius) I 95. 128. III 18.
Agrionien in Orchomenus III 188.
Agrippa (M. Vipsanius) III 35. 137.
Agrippa (Herodes) III 201. 204.
Agrippina, Kaiserin I 90. 295. II 313.
Aguontum III 20.
Ahnenbildnisse I 117!. II 357.
Ahorn II 310.
Aiguille zu Vienne II 363,
Akademie auf Ciceros Tusculanum III 38 f, in
der Villa Hadrians II 340.
Akazie, nordamerikanische II 346.
Akklamationen im Schauspiel II 4.
Akklimatisation von Tieren und Gewächsen
II 303 ff.
Alabaster, orientalischer II 332 f. 359.
Albanische Geschlechter I 119.
Albano I 404.
Albanus agon II 230.
Albiorix, Mars III 143.
Alcantara, Brücke III i. 23. 105 f.
Alcestissarkophage III 311.
Alcimus (Ti. Claudius) I 71.
Alcon, Chirurg I 194. 1915.
Alea, Dionysosfest III 188.
aleatores I 254.
Aletrium, Wasserleitung II 372, 4.
Alexamenos I 63 f.
Alexander der Große siedelt Juden in Alexan-
dria an III 204; persische Beute II 267, 9;
Standbilder III 78; Erinnerungen an ihn I
454!.; sein Grab I 455; als Gott verehrt III
150. I73f ; im Aberglauben II 43. III 320.
Alexander Severus, Kaiser, seine Freunde I 75.
77. 80; Empfänge I 89. 91. 92!. 97; Gast-
mähler I 97. 100. loi. II 286. 356; will
Beamtentracht einführen II 371; errichtet
Lehrerstellen I 210; unterhält Spione I 258;
dichtet II 219; malt III 108; musikliebend
II 185; gründet eine öffentliche Bibliothek
II 223, i; Heroenverehrung III 151. 155;
errichtet Kolossalstatuen III 60. 87 f.
Alexander (Ti. Julius) Im.
Alexander von Abonuteichos I 307. III 80. 129.
163 ff. 270, I.
Alexander von Aphrodisias III 271. 303.
Alexander von Cotyäum I 70. II 191, 6. III 26.
Alexander von Damascus III 271.
Alexander Peloplaton I 308.
Alexandra, jüdische Fürstin III 54.
Alexandria in Ägypten I 429 ff. ; Weltstadt III
10; Stadtbezirke III 205, 3; Turmhäuser I
6, 6; Wasserleitungen II 373; Charakter der
Bewohner I 38; Juden I 431. III 204 f.; Ver-
ehrung Alexanders d. Gr. III 173; Schiffe I
423; Handel und Industrie I 375. 377. 431 ff. ;
Perlenhandel II 323; Luxussklaven II 368;
Musik I434. 11169!. 172; Toreutik III 96 f. ;
Inkrustation II 329. 332; Gladiatorenschule
und Amphitheater II 65. 106; Studiensitz I
381. 436; Ärzte I436; Reise nach A. I 338.
Alexandria Troas III 26. 174.
Alimentarstiftungen I 2141.
Aliphera, Athenekult III 188.
Allegorische Mythendeutung III 123. 126.
Allia Potestas I 314.
Almanac des gourmands II 301.
Almaraz, Brücke III i.
Aloe II 346; Aloeholz II 327.
Alpen, im Urteile der Römer I 480; Alpen-
straßen I 322 ff.
Alsiura I 398.
Altarsieger III 188.
Alte Kunstwerke III 96. 109 ff.
Altertümelei in der Literatur KI 192 ff. 220;
in der bildenden Kunst III iio.
Altinum I 403 f. III 4.
• Alt-Ofen III 3.
Alupka, Schloß II 343.
Alypius II 99.
Amaltheum Ciceros III 38.
Amasea III 15.
Amastris III 23.
Ambra, Räucherweik II 327.
Ambrosius, Förderer der Kirchenmusik II 187 f.
Ambubaiae II 169.
a7nburbak III 240.
'Ameisen', indische I 448.
Amerika, große Vermögen II 272 f. ; Tafelluxus
II 301; Eishandel II 278.
Amethystpurpur II 315 f.
ainicus, Titel I 76 f ; a cura aiiiicorwn \11\ ami-
cus und comes I 73 f. 7 7 f.
Ammen I 266.
Amnion, Kult in Griechenland III 135, i. 189.
amocnitas I 471, 8. 478.
Amomum II 358.
Amphilochus, Traumorakel III 166.
Amphitheater, Flavisches II 335; des Curio
II 53 f.; hölzerne II 53. 92, 10; in Puteoli
und Capua II 90; in den Provinzen II 102 ff. ;
Ruinen II 107 ff. ; frühestes Vorkommen des
Wortes II 53; atnphitheatriim castrense II
58,1.
Amsaga, Quelle I 461, 3.
Amt der Briefe I 55 ff., der Bittschriften I 54 f.
Amtsantritt der Konsuln I 241.
Amulette I 265; der Zirkusleute II 43; christ-
liche in 240, I.
Amygdalum II 306.
Anaitis III 138.
Anakreontea, gesungen II 162,
dvaYKoqpaYia II 156, 6.
Anaxagoras, heroisiert III 149.
Anaxenor, Kitharöde II 179.
Anazarba III 16.
Ancharia, Göttin III 187.
330
REGISTER
Ancilia III 185.
Ancona III 5-
Andalusische Tänzerinnen II 173.
dvbpiä(; Tn<; Traibeia; III 73, i. 90, 5.
Androclus und der Löwe II 5. 6. 25. 58.
Andromachus, Arzt I 71. 205. 206.
Andron II 182.
Andros I 419. III 36.
Anio, Villen I 404. 470.
Anklagen, gemalte III 51; Anklagereden in der
Rhetorenschule II 204.
Anna Perenna, Fest I 167.
Annäus Mala I 154 f. II 240.
M. Annäus Paulus Petrus III 236.
L. Anneius Domitius Proculus I 50.
Annia Priscilla II 358. 360.
Annia Regula I 308.
Annianus, Dichter II 195.
Annona, Göttin III 147 f>
ävoaioi, die Juden UI 199, 4.
Anspielungen auf der Bühne II Il6ff.
a7itescholanus I 78, 7.
Anticyra I 387.
Antinoupolis I 428, 4. III 10. 31.
Antinous I 63, Kult III 151 f., Bildnisse III
56. 65.
Antiochia in Syrien, Großstadt III 10. 15; Lage
I 472. 479 f.; Umfang I 5, 6; Plöhe der Häu-
ser I 6, 6; Wasserversorgung II 372 f.; Erd-
beben I 359. III 29; Handel I 370. 377;
Juden III 202 f.; Zirkusspiele II 30; actische
Schauspiele II 146, 5; Studiensitz I 381.
Antiochia an Kragos III 16.
Antiochia in Pisidien III 21.
Antiochus d. Gr. siedelt Juden in Kleinasien
an III 203.
Antiochus Epiphanes, Gladiatorenspiele II 105.
Antiochus, Schauspieler II 120.
Antipater von Hierapolis I 58.
Antipathie I 204. 208 f.
Antisemitismus III 212 f., in Alexandria I 435.
Antistia PoUitta I 309.
Antium I 399. II 338. III 30; Fortunatempel
III 162. 192.
C. Antius A. Julius Quadratus I 109. III 25.
Antoninus Pias, Kaiser, Freunde I 75. 77. 80;
Freigelassene I 43; Geldgeschäfte I 129;
Bauten II 373. III 31; Glaube III 128 f.; Ver-
hältnis zur Philosophie III 253, zum Juden-
tum III 215.
Antoninus (Julius) Major I 413. III 27.
M. Antonius, Reisen I 341. 343; Gladiatoren
II 70.
Antonius Castor, Arzt I 202.
Antonius Musa I 71. 147. 190. III 73.
M. Antonius Primus II 242.
Antrittsgelder III 23. 3 7 f.
Antrittsmahlzeiten 11 286.
Anubis als Ehebrecher II 113.
Anwälte I 132. iSiff.
Anxur I 399 f.
Anzeigen von Gladiatorenspielen II 71 f.
Apamea am Orontes III il.
Apamea in Bithynien III 203.
Apamea Kibotos III 14. 203.
Apellas I 109.
Apellas (M. Julius) III 171.
Apelles, Maler III i to.
Apelles, Tragöde I 62. II 140. 141.
Apfelsine II 308.
Aphrodisias III 14.
Aphrodite, Tempel in Knidos I446; Orakel in
Paphos III 162; Bilder auf Cypern III 80;
phönizische A. auf Delus III 189; A. Bele-
sticha III 151. S. auch Venus.
Apicius II 274. 302, 6. 305.
Apio, Grammatiker I 380. 437. 440. II 274.
III 321.
Apis I 435. 443. III 162.
Apolaustus, Pantomime I 62. II 142.
Apollo, Tempel auf dem Palatin II 329, 10;
auf Monte Casino III 238; Orakel in Klaros
III 162 ; Kolossalstatue in Naxus III 88; didy-
mäischer A. III 195; Belenus III 177; Gran-
nus III 142. 143.
Apollodorus, Architekt III 105.
Apollonia in Epirus, Studiensitz I 381.
Apollonius vonTyana 1307!. 381. 438. III 72.
149. 151. I55f.
Apollonius, Stoiker I 70. III 283.
Apollonius, Christ III 235, i.
Apotheken I 200.
Apotheose III 149 ff.
Apparate zur Wegemessung, an Wagen I 343,
an Schiffen I 339.
Apparitores I 216 f.
Appendix Probi II 207, 8.
Appian, Geschichtschreiber I 150. 152, 9.
Appische Straße I 319. 320 f.; Reisen auf ihr
I 404 f.
Aprikose II 307.
Apulejus I 206. 260 f.; Statuen III 72. 76;
Reisen I 380. 458. 465; Beschreibung eines
Pantomimus II 134!.; Kunstbeschreibungen
III 116; Dämonenlehre III 125. 319.
Apulejus Diocles 11 26. 27 f.
Apulien, Juden III 209.
Apulum III 3. 21.
Aquae (Baden-Baden) III 19.
aquae ferventes III 178, 5-
Aquädukte II 372 f. III i. 105.
Aquileja I 375. III 5. 160. 177; Malereien im
kaiserlichen Palast 11145; Region Isis und
Sarapis III 21. 144.
Aquilinus (Julius) III 271.
C. Aquilius II 328.
M. Aquilius Regulus, Redner 1 122. 132, II 241.
337. 039. 76 f. 160. 316. 359.
Aquincum III 3.
Aquitanien, Gottheiten III 144.
Arabien, Handel I 372; Reise dahin I 367;
Juden III 202; römische Provinz III 12 f.;
Tafelluxus der Araber II 293; Luxus der
Wohlgeriiche II 326 f.
Aradus III 12.
Arae Flaviae III 19.
REGISTER
331
Araukarien II 346.
Arausio III 6.
Arbeitsteilung im Handwerk I löiff. ; in den
bildenden Künsten III 99.
Arcadius über die Juden III 204.
Arcesilaus, Bildhauer III loi. 103. iii.
Archaismus in der Literatur III 192 ff. 220; in
der bildenden Kunst III iio.
Archelaus, Sohn des Herodes III 210.
Archiatri I 71. 191.
Archibius (T. Flavius), Athlet II 146, 5. 148.
Archiereus synodi II 139,7; TOÖ EuöTOÖ II
Archimimus II 114, 12.
Archippus (Flavius) III 72.
äpXicTuvaYUJYOi; III 207.
Architektur III iff. 105 f.; Architekten I 172.
III 105 f.
Archonten der Juden III 207.
arcoleontes II 83, 9.
Ardaliones I 244 f.
Arduinna, Diana III 143.
Area Palatina I 91, 3.
Arelate I 377. II 108. III 6. 37. 144.
Arellius Fuscus II 205.
Arcus Didymus I 85. III 283.
Argeerprozession III 185.
Argentaria Polla, Witwe Lucans II 240. 242.
246.
Argentorate III 3.
Ariadne, Bild bei Mateleone III 196.
Aricia III 81. 192; Aricinus clivus I 159, 5.
Ariminum III i. 4. 5. 21.
Ariobarzanes II 268.
Aristänet aus Byzanz I 109, 15.
Aristarch von Tegea III 130.
Aristides (P. Älius), Reisen I 336 . 345. 443 f.;
Statuen III 72; Wunderkuren III 132 f. 169 ff.;
religiöse Schwärmerei III I3iff. ; gegen die
Philosophen III 259 f. 264 f.; über die Chri-
sten in 234, 3; Päane und Hymnen II 162;
Kunstsinn III 116 f.; Rede gegen die Tänzer
II 132.
Aristo (Titius) III 250.
Aristobulus, Judenfürst II 268.
Aristocrates (Petronius) III 277.
Aristomachos, Arztheros III 173.
Aristoteles über die Juden III 214, 2; über vor-
bedeutende Träume III 166.
armamentarium (in der Gladiatorenschule) II
65,8.
armatura II 24, 13; Thraecitm II 68.
Armenien, Juden III 203.
Armenzimmer (in Palästen) II 335.
Armut in Rom I I58f. ; im Senatorenstande I
133; im Ritterstande I 155 f.
Amuphis, Zauberer III 156.
Arrazzi II 349.
Arretium III 37.
Arrha III 12.
Arria, die ältere und die jüngere I 309 f.
Arria (bei Galen und Diogenes Laertius) I 299.
Arrianus (Flavius) I 109. III 137.
A. Arrius Antonlnus III 221.
C. Arrius Antoninus, Dichter 11 249, 6. 252, 3.
254-
Arruntius, Arzt I 71.
Arruntius Stella II 242, 246. 252. 254. III 39.
Arsinoe, Stadt III 10, 11. 21, 11.
Artemidor aus Knidos III 71.
Artemidor von Daldis, Traumdeuter I 21 1. 3S0.
III 128. 168 f.
Artemidor, Stoiker III 277.
Artemis, in Ephesus III 173. 195; Laphria in
Paträ III 187; Orthia in Sparta III 188; Bild
in Patmos III 239. S. auch Diana.
Artischocke II 309.
artocreas II 16, 9.
M. Artorius Asclepiades I 71, 14.
Arulenus Rusticus (Junius) III 252. 273, i.
Arvalbrüder I 120. III 185 f.
Arverner, ihre Stadt (Clermont) III 79. 91. loi.
Arztheros in Athen III 173.
asarotzitn III 96.
Aschenumen II 359.
Asclepiades, Arzt I 203. 208, 5.
Asculum III 1S7.
Asia (Provinz), Städte III 13 f.
Asiaticus (Valerius) I 106.
Asiaticus, Freigelassener I 42. 48.
Asinius Pollio II 223 f.
Asklepios, Heiland III 129 f. 132 f.; Traum-
orakel und Wunderheilungen III 169 ff.; Tem-
pel in Epidaurus III 171 ff. ; in Pergamum
III 106, 4. 169; in Titane III 188 f.; in Rom
III 172; A. Zimidrenus III 142.
Aspasius von Ravenna I 58. II 258, 3.
Aspendus II 379. III 15.
Assessoren I 188.
Astrologie I 72 f. III 160 f.; in der Medizin I
209 f.; Astrologen beim Zirkus II 23; Ge-
werbesteuer der Astrologen I 211.
Astronomie dichterisch behandelt II 190.
Astura I 39g.
Asyl bei Kaiserbildnissen III 58.
Atäcina, Göttin III 143. 179.
Atargatis, Göttin III 145. 189.
Atedius Melior II 242. 245, i. 8. 246.
Atellane II 1 1 2 f.
Atheismus III 183; angeblicher A. der Christen
III 199, 4. 218.
Athen unter den Römern I 410 ff.; Studiensitz
I381; Bauten des Hadrian III 31, des Herodes
Atticus III 26 f. ; Menge der Statuen III 36,
Statuen des Hadrian III 62 f.; Juden III 204;
Christen III 230; Mithrasdienstlll 189; Lehr-
stühle der Philosophen III 253; Bildhauer-
werkstätten III 91; Gladiatorenspicle II 105.
Athenäum in Rom III 204. 227.
Athene in Aliphera III 188; in Ilium III 195.
Athenodorus, Stoiker I 86. 299. III 149.
Athenodorus Vaballath III 202.
Athletik II 145 ff. ; Schätzung bei Griechen und
Römern II 150. I56ff.; Athleten im Zirkus
II 24. 147. 150; Athletenstatuen III 75 f.;
Athletenvereine II 155 f.
332
REGISTER
Atilia Pomptilla I 309.
Atina III 187.
Atlantisches Meer I 390 f.
Atlas, Gebirge I 391 f.
Attalia III 15.
Attalus, Arzt III 2 70 f.
Attalus, Stoiker III 278. 279.
Atticus, Gedichte II 250; Gladiatoren II 56;
Buchhandel II 221; 'AtTiKiavä omoYpaqpa
II 221, 2.
Attila III 45.
Attius Priscus, Maler III 104.
auctorati II 56. 59.
Audienzen der Kaiser I 88 flf.
Auditorium des-Mäcenas II 227, 6.
Auflösen von Perlen in Essig II 275 f.
Auftreten vornehmer Personen im Schauspiel
II 19 ff.
Aufzüge bei Handwerkerfesten I 166 f.
Augenärzte I 193; ihre Stempel I 206.
Augila, Oase III 173.
Augusta Vindelicorum (Augsburg) III 19.
Augustalien in Neapel II 228.
Augustinus, Dichterkrönung II 230; als Lehrer
der Beredsamkeit I 179 f.
Augustodunum I 381. III 7.
Augustus, Kaiser, Freunde 1 81 ff.; Freigelassene
I 39 f.; Gesellschafter I 85 f.; Gastmähler I
97. 99; Schauspiele II 2 f. 81. 93. 145; Bau-
ten I 2 f.; Villen I 395. III 38; Wiederher-
stellang der römischen Tempel III 192; Sta-
tuen III 63 f. 82; Stiftungen nach Jerusalem
III 138; Stellung zu den Juden III 212; Kult
in den Provinzen III 57; Verhältnis zur
Poesie II 215. 235; Kunstgeschmack III
iio; Glaube an Vorzeichen und Träume III
158. 167; Strenge gegen die Schauspieler II
137-
Auktionen I 171 f.; der Kaiser I 98. 100.
Aulisua, Gott III 143.
Aulos II 165 f. 167. 168 f. 171; Aulodik II
166, 6.
Aumu, Gott III 141. 241.
aurea Roma I 4, 5.
Aurelian, Kaiser I loi. II 52.
Aurelische Straße I 322.
Aurelius Helix II 148. 158.
ab auro potorib I loi, 2.
Aushängeschild eines Quadratarius II 192, 6;
eines Traumdeuters III 169, 2.
Aushebung I 360 f.
Ausländische Nahrungsmittel II 283 f. 303 ff.
auspices niiptiartan I 275, 4.
Ausschreibung öffentlicher Bauten III 22.
Aussichten, weite, beliebt I 468.
Ausstattung der Gastmähler II 287 ff. ; der Woh-
nungen 11 346 ff. III 38 ff. ; der Scheiterhaufen
II 358; der Plätze mit Statuen III 37 ff.; Aus-
stattungseffekte in der Tragödie II 121.
Ausstoßung aus dem Senat I 144 f.
Austernzucht II 304 f.
Ausweisung von Fremden I 28 f.; der Schau-
spieler II 144; der Philosophen III 252.
Auswerfen von Geschenken bei den Schau-
spielen 11 17.
Auszeichnungen der Schauspieler II 139 f.; der
Athleten II IsSf.
Außenpferde II 47; das linke A. der Vierge-
spanne II 32.
Auxumiten III 202.
Auzius, Gott III 143.
ave als Begrüßung des Siegers IE 32, 4.
Avennio III 6.
Aventicum II 375. III 8. 46, 6. 71.
Averni I 465.
Avidius Cassius I 58. III 250.
Avidius Heliodorus I 58. 222.
Avienus iRufius Festus) III 186.
Avillius Flaccus I 334. 336.
L. Avillius Planta II 33, 5.
Avitus (Lollianus) III 165.
Azara, Sammlung III 40.
Azizus, Gott von Edessa III 141.
B.
Ba'albek (Heliopolis) III il.
Ba'al Markod III 178, 3.
Babylon, Höhe der Häuser I 6, 6.
Babylonien, Juden III 202.
Bacax, Gott III 143.
Bacchanalienprozeß III 218.
Bacchus, Gott des Weinbaus III 180; Bacchi-
sche Sarkophage III 311.
Backwerk in obszöner Form I 290, 3.
Bad, tägliches II 376; des Abascantus I 46, 9;
des Claudius Etruscus I 46. III 333; des
Fronto II 332; Badeanstalten (öffentliche) II
375 f.; Posidianische Bäder I 47; Bäder mit
Meer- und Mineralwasser II 335; Bäderstif-
tungen II 375; Badeorte I 387 f. III 178;
Badeleben I 404 ff. 43 7 ff.
Baden bei Zürich I 387. III 8.
Baden weiler III 19.
Bäterrä III 6.
Bätica III 8.
Bajä I 405 ff.; ostriaria II 304, 5.
eiTi ßaXavei'uuv ZeßaöToO II 155, 3.
Balbilla I 297.
Baibus (L. Cornelius) I 46. 106. 392 f. II 332.
Balkone I 7. 12,
Ballspiel I 251; der Mädchen I 266; Ballspiel-
säle II 333.
Balsam II 326. 358.
bambilium II 17 1, 3.
Banditen I 355 ff.
Bankerotte I 20; betrügerische I 276.
Barbarengötter III 139 ff.
Barbarismen in der Sprache II 207.
Barbarus (Civica) III 271.
Barbillus I 73.
Barea Soranus III 262. 280. 281, 7.
Bartschur I 241.
Basilius und der Kirchengesang II 187.
M. Bassäus Rufus I 223. II 207. III 74.
Bassin des Orpheus, des Ganymedes III 35.
REGISTER
333
Batanäa, Kunstdenkmäler III 83.
Bath I 387. III 18. 143.
Barhyllus 11 124. 131. 132. 143.
Bäume, alte und heilige I 460. 462. III 241.
Bauemwirtschaft in Italien I 2 14 f.
Baumeister I 172. III 105 f.
Baumwolle II 312 f.
Bauten im Meer II 338; der Kaiser III 28ff. ;
gemeinnützige der Kommunen III 2ifF. 69;
einzelner III 24 ff.
Beamte, Reisen I 344 f. 358; Statuen III 66 f.
Begleiter der Kaiser I 77 ff.
Begraben und Verbrennen der Toten III 47 f.
Begräbnisplätze für Arme III 377; der Juden
in Rom III 207 f.; der Christen ebenda III
229. 231.
Begrüßungen der Kaiser im Schauspiel II 4.
Beifall, bezahlter II 141. 181; bei Rezitationen
II 226; in den Philosophenschulen U 286.
287 f.
Bekränzung der Zuschauer im Amphitheater
II 98.
Belatucader, Mars III 143.
Beleidigung von Kaiserbildnissen III 58.
Belenus, Apollo III 177.
Belesticha (Aphrodite) III 151.
Beleuchtungen, festliche 11 15 f.
Belgica, Kunst III 84.
Belohnungen der Wagenlenker II 25; der Gla-
diatoren II 60; der Schauspieler II 140 f.;
der Athleten II 158 f.
Bemalung von Tieren II 85; der Scheiterhaufen
II 358 f.
Benevent III 4. 21,
Berbernfürsten göttlich verehrt III 143.
Beredsamkeit, öffentliche Lehrstühle II 190.
204. 258; Ziel des Jugendunterrichts II i89f. ;
B. und Dichtkunst II 206, und Philosophie
257.
Berenice (Königin) II 321. III 112.
Berenice 'StadtJ I 367; Juden III 205.
Bergbesteigungen I 480 f.
Bergkristall 11 347.
Bergwerkstrafe für Christen II 221. 228.
Bernay, Silberfund II 356.
Bernsteinhandel I 370 f. 378; Bernsteinhals-
bänder II 325 f.
Beröa, Juden III 204.
Beryll II 321.
Berytus III 12. 96.
Beschneidung II 215.
Beschreibungen von Kunstwerken III 116.
Beschwörung von Toten III 320.
Bestattungsluxus 11 356 ff.
bestiarii 11 77.
Bettler I 159; Bettlerkolonie bei Aricia I 405.
Belyaren I 355.
Bevölkerung Roms I 16 ff. 233; Ägyptens
III IG.
Bewerbung um Ämter I 140 ff.
Bewirtungen, öffentliche I 97. II 378. III 69.
76; bei Schauspielen II i6ff. ; bei Leichen-
begängnissen II 361.
Bibliotheken II 222 f.; bei Tempeln I 446;
Ausschmückung III 55 f.; Bibliotheksstiftun-
gen II 378.
Biblische Geschichte, Erinnerungen aus ihr I
456f.
Bier in Ägypten I 433, 12; Bierländer 11 311.
bigae II 47.
Bignonia Catalpa II 346.
Bilder, mythologische III 43; historische III
43 f. 49 f.; obszöne 1 286 ; in Gräbern III 47 f. ;
für Triumphzüge III 49 f. ; für Schiffbrüchige
III 51; bei Gerichtsverhandlungen III 51;
von Gladiatorenspielen II 62. 74, i; Bilder-
dienst III 79; Bilderstreit III 195, 7.
Bildhauerwerkstätten III 88. 91.
Bildnisse, umgewandelt III 59.
BIthynien, Städte III 14 f. 22 f; Pyrrhiche II
133, 12-
Bittschriftenamt I 54 f.
Blasinstrumente II i65f. 167.
Blaue Partei im Zirkus II 34 ff.
Bleiröhren der Wasserleitungen I 29, 13.
Bleitafeln II 42 f. III 322.
Blesamus (Novius), Bildhauer III 91.
Blumenschmuck an Dächern und Fenstern 1 12.
II 376; auf Gräbern III 324, 1; bei Gast-
mählern II 288; Blumenluxus II 288. 345.
Bockblut, seine Kraft III 121, 3.
Böhmen, römische Kaufleute I 371.
Böser Blick I 265.
Boethus (Flavius) III 271.
bonibalium II 171, 3.
ßuL)|aovlKai III 188.
Bona dea III 172. 176.
Bononia III 5. 29; Juden III 209.
Boreum, Juden III 205.
Boscoreale, Villa II 339, 7. 356; Silberfund II
356. m 97-
Bostralll 12.
Botanische Gärten I 201 f.
Boten I 217.
Boter I 41.
bracteae II 86, i.
Brände in Rom I 23ff. ; in den Provinzen III
28 f.; neronischer Brand I 4. III 219.
Brahmanen I 394. 486 f.
Brautgaben I 274.
Breccia, ägyptische II 333.
Brechmittel II 29 1 f.
Breite der Straßen, in Rom I 3 19 f., in den
Alpen I 323.
Brettspiele I 251.
Briefamt I 55 ff.
Briefverkehr I 332 f. 338 f. 363.
Brigantaggio I 355 ff-
Brione, Villen III 32, 6.
Britanniens, musikalisch II 182.
Britannien I 394; Städte III 18; Villen III 34;
Juden III 211.
Brixia, Juden III 209.
Bronze, korinthische II 348. III 112; vergol-
dete III 49; Götterbilder aus Bronze III 49;
Zahl der Bronzestatuen in Rom III 82; Bronze-
334
REGISTER
waren I378; römische Bronzefunde im Nor-
den I 371.
Brot und Spiele I 434. II 2. 38.
Brücken III l.
Brundisium I 321. 334. 335 f.
Brunnen III 42.
Brustkranke I 386. 435.
Brutianus, Dichter 11 249, 7.
C. Bruttius Präsens III 195, 2.
Bryaxis III 1 10, 8.
Buchhandel II 220 ff. ; Bücherpreise 11 222;
Bücherversand I 363.
Bürgerrechtsverleihungen I 105 ; Bürgerliches
Standesgefühl I 236 f.
Büsten römischer Dichter in Schulen II 192;
in Bibliotheken II 223.
Bukolen I 351.
Bulla, Räuberhauptmann I 354.
Bulla regia 11 374. III 95, 2.
Burdigala II 108. 304. 312. 374. III 7.
Burgunderwein II 312.
Burnum III 17.
Byssus II 312. 319.
Byzanz III 1 7 ; Münzen III 198, 3 ; Juden III 204.
c.
Cabardiacum III 172.
Cäcilia, heilige I 303 f.
Cäcilius von Calacte III 209, 12.
Cäcilius Classicus I 130.
Q. Cäcilius Epirota II 192.
Q. Cäcilius Niger III 209.
M. Cäcilius Novatillianus, Dichter II 254, 5.
Cäcilius Secundus II 242, 4.
Cäionius Rufius Albinus III 272, 2.
caekstis = allerhöchst II 218, 5.
Cänis I 65.
Cärellia I 2985.
Caerwent III 18, 8.
Cäsar, gallische Beute II 268 f.; Reisen I 331.
341. 345; Gladiatoren 11 51. 57; Schauspiele
II 20. 52. 76. 78. 81. 93. 114. 145; Bauluxus
II 343; kauft alte Kunstwerke III 109; seine
Statuen III 57; vergöttert III 151; begünstigt
die Juden III 204. 212. 215.
Cäsarea in Kappadocien III 15.
Cäsarea in Mauretanien (Scherschell) III 10. 96.
11 374.
Cäsarea in Palästina III 12. 28. 86. 94 f.
Cäsarenwahnsinn U 266.
Cäsennius (Cäsonius) Maximus II 241. 243, 3.
Cagliari, Kapitol III 21 f.; Juden III 210.
Cajeta I 400.
Caiva dea III 192, 5.
Calabrien, Juden III 209.
Cales III 21, 8.
caliga I 220, 10.
Caligula, Kaiser, Freigelassene I 40; Freunde
I 82 ; Gastmähler I 97 f. ; Adoration I 94. 95 ;
Statuen III 57, in den Synagogen III 64 f., in
Jerusalem III 87; Statuenverbot III 73; grie-
chische Gesandtschaft an ihn III 62; .Spiele
II 146 f.; Vorliebe für den Rennsport II 29;
Begünstigung der Grünen II 35 ; Isisdienst
III 137; Orakelbefragung III 162; Prunk-
schiffe I 395 ; Regierungsantritt UI 191; Spuk
bei seinem Tode III 320.
Calleva Atrebatum (Silchester) III 18, 8.
Callinicum, Juden III 202, 4.
Callistus, Freigelassener I 40 f. 45. 46, 193.
203. II 269. 332.
Callistus, Papst I 278. 304. III 219. 227ff.
Calpurnia, Konkubine des Claudius I 64.
Calpumier, Abkunft I 119.
Calpurnius, bukolischer Dichter 11 91. 236.
240, I.
Calpurnius Piso, elegischer Dichter 11 254.
Calpurnius Piso, Adelshaupt 1 124; Lobgedicht
auf ihn I 232. 11 239 f.
Calvisius Sabinus II 191. 368.
Calvisius Taurus, Philosoph III 270. 277 f. 285.
Camorra I 355 f.
Campanien, Erdbeben III 29; Reiseziel I 405;
Fechterspiele II 50.
Camulodunum (Colchester) II 18. 87.
Camulus, Gott III 143.
Canabae I 373. III 2 f.
Canarische Inseln I 390.
Canatha III 12.
Caninius Rufus, Dichter II 249, 7. 255.
Canius Rufus, Dichter II 249.
Canopus auf Hadrians Villa II 340. III 41; s.
Kanobos.
Canus (Julius), Aulet II 167. 181.
Canusium, Wasserleitung III 26.
Capito, Cossutianus III 251.
Capito (Titinius) I 57.
Capitolinus, Spaßmacher I 88.
Capri I 40z f.
captatoriat scripturae I 248, 4.
Capua III 5 ; Fechterschule II 56 f. 65. 67; Am-
phitheater II 90; Juden III 208.
Caput Africae I 63.
Caracalla,Kaiser, in Alexandria 1 434. 436f.; Be-
günstigung der Blauen II 34. 39; Stellung zu
den Fremdkulten III 136. 142; zu den Juden
III 211 f.; Bildnisse III 54. 60. 64, 7; er-
richtet Statuen Alexanders d. Gr. III 61. 78;
sammelt Waffen berühmter Personen III 1 12 ;
als Kitharöde 11 184 f.; Konsekration III 60;
Geisterbeschwörungen III 321.
Caractacus III 19.
Caralis s. Cagliari.
carbasus, Baumwolle II 313.
cardui, Artischocke II 309.
Careme, Koch II 290. 301 f.
carissime als Anrede I 77.
Carmen contra paganos III 237, 8.
Carnuntum III 3. 20.
Carpophorus II 120, 6.
Carrara, Marmor II 329. 334. III 88.
Carrinas, Secundus II 201.
carruca dorniitoria I 343-
Carterius, Maler III 56.
Carystischer Marmor II 329. 333.
REGISTER
335
Casia II 306. 310.
Casinum III 27. 187.
Cassiodor, Naturgefühl I 470.
Cassius Dio I 1 10; Glaube an Träume III 167 f.,
und Gespenster III 320.
Cassius Maximus I 108, 7. in 168.
Castella (Reservoirs) III 35.
castimoniak garuni III 208.
Castor, Kammerdiener Severs I 61.
Castra vetera (Xanten) III 3.
T. Castricius III 279.
catadromarius II 15, 2.
catervarü pugiles 11 150, 11. 12.
Catina (Catania) III 5.
Cato (von Utica) Reisen I 344 f. ; Reichtum III
261; philosophische Stellung III 303.
Catonius Justus I 222.
Catull, Fortleben II 194. 252.
Q. Catulus, sein Haus II 328.
causidici 1 1 8 1 ff.
Celeja III 20.
Celer, Architekt Neros III 105.
Celer (P.^Egnatius) III 261 f. 280. 281, 7.
Celsus, Platoniker, Dämonenlehre III 126;
gegen das Christentum in 234. 236.
Celsus (Cornelius), Philosoph III 269.
Celsus Polemäanus (Ti. Julius) I 109; Biblio-
thek in Ephesus III 25.
cena libera II 72; centenaria II 289, i; a cena
centurionum 1 91, 14.
centenarii equi II 28. 31.
centonarii III 28.
Centumcellä I 398. III 5.
centum quadrantes 1 226, 2.
Centurionat I 116. 148. 152. 22off. 360.
Centuripä III 5.
Cerdo III 148.
Ceres III 180; Tempel des Plinius III 193;
Tempel in Ostia III 192; Statue durch Ver-
res entführt III 196.
Cemunnos, Gott III 144.
Ceroma II 152, 3. 4. 153, 4. 8.
Cerrinius, Dichter II 252, 3.
certamina iselastica II 159, i.
Cestiuspyramide II 360.
Chäremon, Stoiker III 250. 262.
Charicles, Arzt I 71. 87.
Charmis, Arzt 195. 207 f.
Charon, im Amphitheater II 50, 4. 75 ; im Volks-
glauben III 314.
Charybdis I 4635.
chelidonius pannus II 34, 5.
Chemie, in Alexandrien I 436, ri.
Chigi, Agostino II 270. 295 f.
Chilperich III 211.
China, Handelsverkehr I 369 f. II 321; Tafel-
luxus II 303; Juden III 203.
Chios, Erdbeben III 29.
Chirurgen I 194.
Chnodomar III 145.
Choragium summum II 90.
Chorgesang I 270. U 164. 176; ChorimPanto-
mimus II 126; Chordirigent II 164; Chor-
aules II 167. 175, 9; Chorkithara II 177.
Choricius II 116.
Chosroes III 239.
chrestiani III 200, 3.
Christentum, Verhältnis zum Heidentum III
199 f-; Rechtsstellung III 216 fr.; am Hofe
des Commodus I 67.304; Verbreitung III
200 f. 231 ff., unter den Frauen I 303 ff.; Auf-
fassung der Heidengötter als Dämonen III
153. 162. i66f.; Bekehrungseifer III 216;
Stellung zu den Schauspielen II 36; Verkehr
I359; Vorliebe für Vergil II 211, 5; Christen
gelten als Atheisten 111199,4.218; Christen-
haß III 217 fr.; Christenverfolgungen III
219 fr.
Christus-Chrestus III 200, 3.
chromata 11 187.
Chrysogonus II 173.
Chrysolith II 322.
Chrysopras II 322.
Chullu III 9.
Cicero, Haus auf dem Palatin 11329; Citrus-
tische II 348; Kunstverständnis III 38 f.;
Naturgefühl I 466. 470. 479; Villen l396f.;
Absteigequartiere I 345 ; Seereise 1 336; über
Gladiatorenspiele II 95 f.; über den Glauben
in 1 1 9 ; Unsterblichkeitsglaube III 303. 307 f.;
will seiner Tochter Tullia einen Tempel bauen
III 149; wird auch von den Altertümlern an-
erkannt II 199.
Cilicien, Leinwandexport II 312; Juden III
203.
Cinnamum 'ius cinnami] II 320, 6.
Cipollino II 329. 333. 340.
Circeji I 399.
Circius, Windgott III 142.
circuli I 251.
Cirta (Constantine) II 374. HI i. 9. 37. 68; Juden
III 206; Mosaik III 33.
cisiarii 1 330.
Citrone II 308.
Citrustlsche II 347 f.
Civica Barbarus III 271.
civitates mundi III 2, i.
Claque, im Theater II 141 f.; bei Musikauffüh-
rungen II 181; bei Rezitationen II 226.
clarissimus I I44.
Claudianus mons I 444. II ^t^-^. m 86.
Claudier I 120.
Claudiopolis III 23.
Claudische Straße I 322.
Claudius, Kaiser, Freigelassene I41; Benehmen
gegen Freunde 1 79. 82 ; Empfänge 1 92 ; Gast-
mähler I 97. 98; Rechtsprechung I 187;
Spionage I 257; Reisewagen I 343; Schau-
spiele II 5. 76. 93. 147; Bauten III 30. 35;
Verordnung über Statuenerrichtung III 73 ;
Rede I 107; Unterstützung der Dichter II
236; Interesse für Haruspicin III 159; Stel-
lung zu den Juden III 206. 215; Konsekration
III 60.
Claudius Agathemerus, Arzt III 277. 306, i.
336
REGISTER
Claudius Etruscus II 245, l. 8. 333; sein Vater
I 44. 46. 47, 9. 48. 53 f.; seine Mutter I 44,
10. 50- ,
Claudius Goticus, sein Bild III 54.
Claudius Maximus III 271.
Ti. Claudius Menecrates I 71. 199. 207.
Cn. Claudius Severus III 253. 271.
Clazomenä I 381,
Cleander I 44. 47. 60 f. Il6. III 27.
Clemens (Flavius) III 234.
Clemens von Alexandrien III 248 f.
Cleopatra, Konkubine des Claudius I 64.
Clermont, Juden III 211.
Clitumnus I 461.
Clive II 268. 315. 324.
P. Clodius, sein Haus II 329, 8.
Clodius Albinus II 250.
Clodius Quirinalis I 222.
Clutorius Priscus II 236.
Coactores I 171 f.
coccum (Scharlach) II 315.
cochlearia II 304, 5.
Cocidius, Gott III 143.
Cöranus, Philosoph III 281.
Coeur, Jacques II 270. 340.
Cognomina, ritterliche, von Freigelassenen I
48, I. 3..
Cohors amicorum I 77.
Cohortes praetoriae, urbanae, vigilum I 21 7 f.
Colchester III 18.
Collegia der Handwerker I 166 ff.; gladiatorum
II 70; venatorum II 77, 8; iumentariorum I
330; iuvenum II 143; symphoniacorum, tibi-
cinum et fidicinum II 170, 8; collegium
Dianae et Antinoi I 167 f.
Collinus, Sieger im kapitolinischen Agon II 229.
Colocasia II 307.
Coloni I 214.
Colosseum II 98. iioff.; Substruktionen II 90.
92, 12; Kosten des Materials II 3.
Columella II 250.
Comana in Kappadocien I 451.
Comana im Pontus I 386.
Comersee I 470.
Comites Augusti I 77 f.
Commodus, Kaiser, Freigelassene I 44. 60 f.;
Spaßmacher I 88; Vorliebe für Wagenrennen
II 29; Begünstigung der Grünen II 35; tötet
wilde Tiere II 78; tritt als Gladiator auf II
62. 69; als Tänzer und Sänger II 182; sein
Reisewagen I 343; Bildnisse III 591.; Kon-
sekration III 59 f.
Compiegne, Göttin von III 144.
Comum, Zuwendungen an die Stadt III 25. 27;
Schulgründung II 377 f.
conchae III 45.
Conde, Feste II 288. 297.
Condianus (S. Quintilius) I iio. III 53. 166.
Confessio S. Cypriani III 189, 3.
Congiarien II 379.
a consiliis I 55, 7.
consiliurn principis I 74. 152.
Consolationes des Statius und Martial II 244 f.
Constantin, Kaiser, Edikt gegen die Gladia-
torenspiele II 100; Zwaugsmaßregeln zur An-
nahme der Prätur II 12; über die Juden III
210; Privilegien für Künstler III 44. 91; Ge-
mälde in Aquileja III 45.
Constantine s. Cirta.
Constantinopel III 15; Höhe der Häuser 16, 6;
Bauten am Meere I 472; Statuen III 36;
Zirkusparteien II 36 f.; Juden III 204; Hei-
denverfolgungen III 238.
Constantius, Kaiser, seine Freunde I 82.
Consulares, kaiserliche Freunde I 76.
Contomiaten II 43.
Contubernium I 77, 11. 225, 12.
Conventus I 374; matronarum I 280.
Convictores der Kaiser I 85.
Convivium I 261.
Coponius, Bildhauer III 103.
Corax, im Mithrasdienst III 146.
Corbridge III 18, 8.
Corduba II 309. III 27.
Cornelia, Mutter der Gracchen II 336. III 49.
Comelianus, Rhetor I 58.
L. Cornelius Baibus I 46. 106. 392 f. II 332.
Cornelius Celsus, Philosoph III 269.
Cornelius Gallus I 82 f. III 85.
Cn. Cornelius Hispalus III 206.
Cornelius Pius, Maler III 104.
Cornelius Senecio I 156 f.
Comutus, Philosoph III 272. 277. 302.
Coronati III 45, 2.
Coronea, Statue Hadrians III 63.
Corsica I 360. III 5.
Corstopitum (Corbridge) III 18, 8.
Cortes II 324.
Cosconius, Dichter II 252, 3.
Cossutianus Capito III 251.
Costunius Rufus III 26, i. 106, 4.
Cotta Messalinus I 123.
Cotyäum III 26.
L. Crassicius, Grammatiker III 269.
Crassus jZensor) II 328. 347.
Crassus (Triumvir) II 268 f.
Crathis, Fluli UI 188.
Cremna III 16.
Cremona I 381. III 4 f. 25.
Cremutius Cordus II 213.
crepido (Trottoir) II 371, 5.
Crescens, Kyniker III 270.
Crescens, Wagenlenker II 27.
Crescentiis, Petrus de I 476. 487.
Crinas, Arzt I 195. 208. 210, i. III 25.
Crispinus, Günstling Domitians Im. II 241.
245, 10. 326. 358.
Crito, Arzt I 37.
Cryphius, im Mithrasdienst III 146.
Cubicularius I 37. 59 ff.
ctibilia viatoria II 323.
Cucinotta, Bandenführer I 356.
Cumä I 400.
Cupra III 187.
a cura amicorum I 77. 92, 8.
Curatores operum III 22; statuarum III 82.
REGISTER
337
Curia Hostilia, Ausstellungslokal von Gemälden
III 49.
Curia mulierum I 280; athletarum II 155.
Cursores I 342, 6. II 24. 33.
Curtius Rufus I 116.
Cydamus I 392.
Cypem I 421; Aphroditebilder III 80; Juden
III 204. 205.
Cypriani confessio III 189, 3.
Cyrene, Kunst III 85; Juden III 205.
Cyrillus von Alexandrien UI 238, 4.
Cytisus II 307.
Cyzicus III 14; kyzikenische Säle I 467.
D.
Dacien I 362 f. III 20 f.
Dämonenlehre III 123 ff. ; Dämouenaustreibung
I 209; Dämonenglaube allgemein verbreitet
III 3i7ff. ; Heidengötter gelten den Christen
als Dämonen III 153. 162; Märtyrer und
Heilige treten an Stelle der Dämonen III
240 f.; Dämonen Seelen Verstorbener UI
318 f.
Dalmatien III 17.
Dama, Koch II 290.
Damascus III 11; Juden III 203.
Damasippus III 109. 113.
Damianus von Ephesus I 109. 11 338. III 26.
Dasumius III 27.
Dasumius Tullus III 27.
Dauerläufe II 24.
DeaDialll 185 f.
Dea Syria HI 145.
Decäneus III 150.
Decianus, Freund Martials III 253 f.
Decius, Bildhauer III 103.
Decken, getäfelt und vergoldet II 335. 336.
339- 349-
Decrianus, Architekt III 105.
decus puellarum II 62.
Deklamationen II 200; über Gladiatoren II 59.
106; über den Luxus II 278 f.
Dekoration im Amphitheater II 90; bei Gast-
mählern II 287 ff. 298 f.; der Wohnungen II
346. 348. III 38 ff.; der öfifentlichen Plätze
III 37 f.
Dekorative Kunst III 34 ff.
Dekurien der Geschworenen I 105. 148; der
Subaltembeamten I 216.
Dekurionat eines Mimen II 140.
Delatoren I 132.
ddicati I 63.
Delos I4i4f.; Fremdkulte III 189; Juden III
204.
Delphi, Orakel III 162; Statuen III 36. 62;
Stadium III 26.
Delphine im Zirkus II 46.
Delta, jüdisches Quartier von Alexandria UI
205.
Delventinus III 187.
Demeter, Kolossalstatue in Eleusis III 196.
Demetrius von Phaleron, Statuen III 63.
Friedlaender, Darstellungen. 111. g. Aufl.
Demetrius, Freigelassener des Pompejus II 328.
Demetrius, Silberschmied zu Ephesus III 80.
Demetrius, Musiklehrer II 183.
Demetrius, Schauspieler II 120.
Demetrius, Kyniker III 252. 281. 290.
Demetrius, Leibarzt Marc Aureis I 71.
Demetrius von Alexandria, Philosoph III 271.
Demetrius von Skepsis I 418.
Demokrit, Glaube an Träume III 166.
Demonax, Philosoph II 106. III 72. 190. 291.
Demonstrationen, politische, im Schauspiel
II 7 f.
Denar, Reichsmünze I 364.
Denkmälerfürsorge III 82, 5.
Dertona III 5.
Desman II 313, 9.
Desultores 11 24, 2.
Deutschland, Tafelluxus II 299 f., Kleiderluxus
Il3i7f.
Deutz, römische Überreste III 7.
Devotion III 322; einer Frau für ihren Mann
I 309; von Zirkuspferden II 42 f.
Dezemberfest Domitians II 15. 16. 17.
Diät der Gladiatoren II 67 f.
Dialektik III 273 ff.
Diamant 11 321 f.; Diamantring der Berenice 11
321. III 112.
Diana von Aricia (NemiJ III 187. 192; Tempel
in Leon III 179; Göttin der kreißenden
Frauen und der Jäger HI 180,
Dicäarch III 302.
Dichtkunst, gering gewertet II 231 f.; Zusam-
menhang mit der Musik II 161 ff.; Armut der
Dichter II 230 ff. , ihr Verhältnis zu den
Großen und Reichen II 233 ff. ; Dichtemeid
II 248; Dichterwettkämpfe n 148; Dichter-
krönungen II 148. 228 ff. ; Dichterporträts
III 55, Statuen III 70; Dichtersprache II
208 ff. ; Dichtererklärung in der Schule II
190 ff.
dictata des Schulfechtens 11 69.
Diderot, Naturgefühl I 483.
Didymus (Arcus) I 85. EI 283.
ad digitum pugnare II 74, 6.
Dilettantismus im Wagenlenken II 29; mit
Gladiatorenwaffen II 61 f.; im Tanz II 136;
in der Athletik II 153 f.; in der Poesie II
212 ff. 254 ff., der Frauen I 296 ff. ; in der
Musik II 181 ff. ; in den bildenden Künsten
U 108.
Dio von Prusa I 87; Reisen I 341, i. 410; ver-
bannt und geehrt III 252; seine Vorfahren
III 25. 68 f.; rhodische Rede III 64 f.; gegen
die Philosophie lU 257. 263; über bildende
Künstln 116; religiöser Standpunkt III 127;
über die Gladiatorenspiele II 105 f.
Diocles, Wagenlenker II 26. 27 f.
Diocletian, Maximaltarif I 379. III 44. 100;
Bauleidenschaft III 31 f.; Palast in Salonä III
17; Thermen in Rom III 32; Aquädukte II
373; Aufträge zu Kunstarbeiten III 45. 89.
Diodorus, Kitharöde II 178.
Diogenes, Bildhauer III 103.
338
REGISTER
Diognetus, Lehrer Marc Aureis III io8.
Dionysische Künstler I 383 f.
Dionysische Verzücktheit III 189.
Dionysius, Porträtmaler III 55.
Dionysius, Sohn des Arcus I 85.
Dionysius, Sohn des Glaucus I 57.
Dionysius von Halikarnaß, über bildende Kunst
III 113. 115.
Dionysius von Milet, Rhetor I 181.
Dionysos, mit Dusares gleichgesetzt III 141;
Feste zu Paträ, Alea, Orchomenus III 187 f.
Dioscorus III 225.
Dioskorides I 209.
Dioskuren, Helfer der Seefahrer im Volks-
glauben III 126. 127, 11; als christliche Hei-
lige III 241.
diploma (Posterlaubnis) I 329.
Diptychen II 102.
Dispensatoren I 69.
Diversium II 38, 7.
Divona II 374. III 7.
Doberan II 376,
doctor gladiatorum II 68, 20; factionis II 33, 7.
Doliche III 141. I45f.
Dolmetscher I 92.
domina = Madame I 281.
do7nini factionum I 32. 33, 5.
Domitian, Kaiser, Freigelassene I 43; Freunde
I 74; Empfänge 1 96 ; Gastmähler I 98 ff. ; De-
zemberfest II 15. 16. 17. 53; Vorschriften für
die Schauspiele I 157. II 9; Parteinahme für
die Grünen II 35; Fechterspiele II 53. 76;
Naumachie II 92. 94; albanischer Wettkampf
II 230; kapitolinischer Agon II 148 f. 176 f.
218. 228 f.; Bauten III 30; Palast U 336. III
105; Triumphbogen III 35 f.; Reiterstatue II
245 ; Votivrelief III 52; Bildnisse III 58, ihre
Zerstörung III 5 8 f.; als Dichter II 218; trägt
öffentlich vor II 227; Verhältnis zu Martial
und Statins II 241. 242; Philosophenaustrei-
bung III 252; Adoration I 95; Götterver-
ehrung III 137; Ähnlichkeit mit Justinian
III 59.
Domitilla (Flavia) I 303. III 231. 234.
Domitius Ahenobarbus, Vater Neros II 29. 75.
Domitius Lucanus II 241,
Domitius Tullus II 241. III 39. 41. III.
domus divina I 56, 5.
Doppelaulos II 165, 4.
Doppelsieg im Ringen und Pankration II 158.
Dorion, Aulet II 168.
Doryphorus, Freigelassener I 42. 45.
Dracones sancti III 165, 10.
Drainage Roms I 29.
Drama, musikalische Bestandteile II 161.
Drogenhändler I 200 f.
Drusilla I 50.
Drusus-Schwerter II 73.
Dunaas III 202.
Durchsichtige Gewänder I 292.
Durocortorum III 7.
Durostorum III 20.
Dusares III 141.
E.
Eäcus, Gott III 144.
Earinus (Flavius) I 63. II 241. 242. 246.
Ebbe und Flut I 464 f.
Eber, ganz aufgetragen II 290 f.
Eclectus, Freigelassener I 44. 61.
Edelmetalle, Einfuhr II 351; Kapitalanlage II
354 f-
Edelsteine II 321 f.; Nachahmungen II 322 f.
Egnatische Straße I 321. 337.
P. Egnatius Celer III 261 f. 280. 281, 7.
egregius I 154.
Q. (Älius) Egrilius Euaretus III 280.
Q. Egrilius Plarianus III 271. 280, 4.
Ehe, freie I 276; mit Freigelassenen I 50.
278 f.; mit Christen I 304, 8; langdauernde
und mehrfache Ehen I 2841.; Alter bei der
Eheschließung I 270 ff. ; Ehescheidungen I
283 ff., wegen Glaubensverschiedenheit I
304 f.; Ehelosigkeit I 246 ff., der Soldaten
I 218.
Ehebruch, im Mimus II 114. 116; literarisch I
290; Ehebruchsprozesse I 283.
Ehrenbilder III 54,
Ehrenstatuen III 65 ff. 90 ; Massenhaftigkeit III
68; mehrere für dieselbe Person III 70 f.; auf
Kosten des Geehrten errichtet III 72; ge-
stohlen III 68. 72; für Statthalter III 66 f.,
Wagenlenker 11 27, Schauspieler II 139,
Athleten II 1551. 159, Musiker II 178, Ge-
sanglehrer II 177; für Dichter in Biblio-
theken II 223.
Ehrgeiz der Frauen I 293.
Ehrlosigkeit der Fechter II 63, und Fecht-
meister II 64; der Schauspieler II 137; trifft
nicht die Wagenlenker II 25, und Athleten
II I54f-
Eichenkranz als Preis II 228. 230.
Eid der Gladiatoren II 60.
Eiderdaunen II 278.
Eierausbrütung, künstliche I 428.
Eindeckung der römischen Chausseen I 320.
Einkünfte der Senatoren I 121 ff. ; der Renn-
fahrer II 26. 2 7 f.
Einquartierungen I 344 f.
Einsiedler Gedichte II 236, 4. 239, 3.
Einsturz von Häusern in Rom I 22 f., der Sitz-
reihen im Zirkus II 22.
Eis, Gefrorenes II 278.
Eisen, beim Gottesdienst verboten III 185.
Eisenhandel I 378.
Elagabal von Emesa, Gott III 141.
Elagabal, Kaiser, Freigelassene I 44; Gast-
mähler 1 100; Feste II 17; Zirkusleidenschaft
II 29; Begünstigung der Grünen II 35 ; Tafel-
luxus II 274. 285. 288; Kleiderluxus II 313;
malt III 108; musikliebend II 185; Schein-
philosophen an seinem Hofe III 283; Por-
trätbildnisse III 54; Totenbeschwörung III
321.
Elaia: auvayuJYn 'EXai'ac; III 207, 2.
Elazar UI 208.
REGISTER
339
Elefanten, gezähmt 11 87; Jagd kaiserliches
Reservatrecht II 83; in Nordafrika ausge-
rottet II 82 ; seziert II 81; Elefant Karls d. Gr.
II 78 f.; Elefantenzähne in Tempeln I 447.
Elegien gesungen II 162.
Elephantine I 443 ; Juden III 204.
Eleusis, Mysterien I 385; Kolossalstatue der
Demeter HI 196.
Eleusis bei Alexandria I 437.
Elfenbeinarbeiten II 349.
Elias = Helios- Aumu III 241.
Eliumberrum III 7.
Elysium III 306, i.
Embolium II 133. 135, 7.
Emerita Augusta III 8; Wasserleitung II 374;
Brücke III i; Statuen III 95, 2.
eminentissimus I 154.
(.\xvr\aQr\ I 441, 2.
Emona III 20.
Empfehlungsbriefe I 141.
Emporiä III 8, 8.
Encomiographi II 165, 2.
Endelechius III 225. 237.
Endovellicus, Gott III 144.
Engel und Dämonen III 126.
Engelsburg II 365.
England, große Vermögen II 272. 273; Tafel-
luxus II 294; Bauluxus II 341 f ; Wohnungs-
luxus II 350 f.; Luxus in Edelmetallen II
352f. 353f.; Schlösser II 341 f. 350 f; Gär-
ten und Parks II 345.
Ennianista II 195. 227, 6.
Ennius, Fortleben II 193. 195. 196; über Phi-
losophie III 249.
Entdeckungsreisen I 389 ff.
Entellus, Freigelassener I 47. 11 241.
Epaphroditus, Freigelassener Neros I 42. 45.
47- 49-
Epaphroditus, Grammatiker I 179.
Epaphroditus (L.Ansius), Fabrikant von Bronze-
waren I 370.
Ephemeris (Totenliste) I 30.
Ephesus I419. III 14. 26; Bibliothek 11378, 2;
Juden III 203.
Epictet, seine Schule III 284, i; Verehrung III
295 f.; als Erzieher III 279; Pantheismus III
127; über die Christen III 233; Lampe II
348. III 112.
Epidaurus I 413. III 27; Heilurkunden III 171.
Epigramme über Kunstwerke III 107; Epi-
grammendichter II 252,
Epikur, heroisiert III 149 ; Gedächtnisfeier HI
324; Einfachheit des Lebens 11 282; Porträt
in 55-
Epikureismus, Verbreitung bei den Römern III
269 f. 302; Götterlehre III 120; Leugnung
der Vorsehung III 166. 182, und der Un-
sterblichkeit III 299 ff.
Epikureischer Philosoph, Villa in Herculaneum
III 40. 93.
Epilimones, Villa des Pollius Felix I 402, 6.
Epiphanes, Sohn des Karpokration III 149,
Epirota (Q. Cäcilius) III 192.
ab epistulis I 5 5 ff.
Epona III 180.
Epos, mythologisches II 249 f. 251 f.
Eprius Marcellus I 81. 116. 121. 132. 182.
Equi Afri II 30; centenarii, ducenarii 11 28. 31;
s. Rennpferde.
Equites equo publico I 145, II. 146; illustres
I 154-
Erbschleicherei I 246 ff.
Erdbeben in Rom I 25 ; im Reiche III 29.
Erhabenen, Schrift vom, Kunsturteil III II 7) i;
Genesiszitat III 214.
Erkenntnis Grundlage der Glückseligkeit III
246 f.
Eros, Gott III 180; Erotenstatuen geweiht III
38,4.
Eros, Prokurator II 276.
Erpressungen in den Provinzen I l30fF.
Ersatzmittel, wohlfeile II 371 f
Erziehung durch die Philosophen III 276 ff.
280fr.; der Mädchen I 267 ff.
Essedarii II 73.
Essener, Bilderhaß III 86.
Ethicae II 204,
Ethik III 276 fr.; heidnische und christliche
III 248 f.
Ethnarch in Palästina III 212.
Ethnographische Merkwürdigkeiten in Tem-
peln I 448 f.
rieotTOiiai II 204.
Etiketten der Medikamente I 206.
Etrurien, Fechterspiele II 50.
Etruscus s. Claudius.
Euaretus (Q. Egrilius) III 280.
Euböa, Marmor II 330; Juden III 204.
Eudemus, Arzt I 72.
Eudemus, Peripatetiker III 271.
Eugenius, Prätendent III 237.
Euhodianus II 258, 3.
Euhodus, Freigelassener I 40. 50.
Eumolpus, Dichter II 230. 232.
Eunuchen als Oberkämmerer I 37-
Euphemus, Tafelaufseher II 241.
Euphrates, Freigelassener I 52.
Euphrates, Philosoph III 252. 286.
Eurhythmus, Freigelassener I 43.
Europa und der Stier im Amphitheater II 92.
Eusebia, Gemahlin des Constantius I 293.
Euthymius, christlicher Wagenlenker 11 36, l.
Eutychus, Wagenlenker II 29.
Exegeten I 45 1 f.
Exorzismus I 209.
Exotische Gewächse I 487.
Extravaganzen der Frauen I 292 f.
Exuviae der Götter in der Zirkusprozession
II 44 f.
F.
Fabianus (Papirius), Philosoph III 269.
Fabius Maximus I 82. 83. 88.
Fabius Pictor III 103.
fabri ocularii III 99, 3.
340
REGISTER
A. Fabricius Vejento I 84. lU 142.
Fabrikbetrieb I 129; für Herstellung von Grab-
denkmälern und Statuen lU 99 f.
Fabulae salticae II 125.
Fabullus, Maler, s. Famulus.
Fackeln bei Nachtreisen I 353 ; bei Hochzeiten
I 275; des Nero III 219.
Factionarius II 32, 9.
facundus, Prädikat der Dichter II 206.
Fadius II 55. 59. 71.
Fälschungen von Heilmitteln I 200 f.; von
Künstlernamen III 1 1 1 f.
Fahrbahnen II 332.
Fahrdämme der Straßen I 319 f. 323.
Fahrgeschwindigkeit der Schiffe I 339 f.
Faijüm, ägyptische Bildnisse III 56 f.
Faktionen im Zirkus II 32ff. ; im Amphitheater
II 75 f.; im Theater II 142 f,
Falerii III 21.
Falemer, in Bätica angepflanzt II 311; unechter
1379-
Familien von Gladiatoren II 5 6 f. 645.; von
Tierkämpfern II 77; von Schauspielern II
138; von bildenden Künstlern II 92.
Familienbegräbnisse II 362.
Famulus (Fabullus?), Maler II 335. III 104.
Fangschlüsse III 274.
Fannia, Gemahlin des Helvidius Priscus I 3 10 f.
Farben der Zirkusparteien II 34 ff.; außerhalb
Roms II 35, 8.
Farbenluxus II 3 15 f.
Farbige Steine an Bauten II 332 f. 344.
Fasan U 285 f. 305.
Fassadenbekleidung II 327 f.
Fatumsglaube III 161. 182 f.
Faustina d. J., Statue in Olympia III 61.
Faustinus, Dichter II 252, 3.
Faustkämpfer II 150.
Favor, Archimime II 117.
Favorinus, Sophist I 87; schreibt griechisch 11
252; Streit mit Polemo II 260; Verkehr mit
seinen Schülern III 271. 279; Statue III 72;
über die Gladiatorenspiele II 106, 6.
Febris, Göttin III 180.
Fechterspiele II 50 ff.; bei Leichenbegängnissen
n36i.
Fechtmeister [lanistae) 11 64.
Federkissen II 278.
Fegefeuer III 304.
Feigenkultur I 306.
Felderdecken, vergoldete II 330. 336; beweg-
liche II 335.
Feldhermstatuen III 37.
Feldzeichen mit Porträtmedaillons III 61.
Felicio I 68. m 148.
Felix, Prokiirator von Judäa I 41. 50. 51.
Felix Bulla, Räuberhauptmann I 354.
Feralia III 317.
Ferentinura III 37.
Feronia III 186.
Feste der Handwerker I 166 ff.
Festus (Rufius F. Avienus) III 186.
Festus, Kammerdiener Caracallas I 61.
Feuersbrünste in Rom I 23 ff. ; in den Provinzen
III 28 f.
Feuerwehr in Rom I 2 1. 23 f. ; in den Provinzen
III 28.
Feuerwerke II 297.
Fezzan I 392.
Fidel II 163.
Fieber in Rom I 29.
Figurengärtnerei I 474.
Finanzverwaltung durch Freigelassene I 52.
Fingeraufheben der verwundeten Gladiatoren
1174-
Firmicus Maternus I 210. 21 2 ff.
Cn. Flaccus, Prätor von Bithynien III 203. 206.
Flaccus (L. Norbanus) II 185.
Flächenraum der Begräbnisstätten II362.
Flamingo II 285. 305.
Flamininus (T. Quinctius), göttlich verehrt III
150- 173-
Flaminische Straße I 321.
Flavia Domitilla I 303. III 231. 234.
Flavier, Abkunft I 119.
Flavisches Amphitheater 11 90. iioff., s. Colos-
seum.
Flavius Boethus III 271.
Flavius Clemens I 303. III 234.
Flavius Earinus s. Earinus.
T. Flavius Maximus, Philosoph HI 280, 2.
Flavius Sabinus III 67.
Flavius Scorpus II 26. 27.
Flavius Terpnus, Kitharöde II 170, 4. 178. 186.
Flavius Ursus II 245, I.
Flöte s. Aulos,
Flora, Kurtisane III 54.
Florafest II 16. 78. 115.
Florenz, Kapitol III 21.
Florus (P. Aunius) I 395. U 198. 229.
Florus (Mestrius) III 270.
Flottenkomma.ndo I 52.
Flüsse, berühmte I 464; Flußufer I 469; Fluß-
götter in Triumphzügen III ^.
Flugmaschinen im Amphitheater II 134.
Focaria I 218.
foliatu7)i II 320, 9.
Folies II 341.
Formen für Tonwaren III 97.
Formiä I 400.
Fortuna III 122; Tempel in Ostia III 192;
Orakel in Antium III 162.
Forum, mit Statuen geschmückt III 49. 68. 74;
des August" III 74; des Trajan LH 36. 74.
Foucquet II 289. 297. 34I.
Fournieren II 372.
Frankreich, große Vermögen II 272 ; Tafel-
luxus II 293 f. 297 ff. 301 f.; Küche II 297 ff. ;
Kleiderluxus II 317 f.; Bauluxus II 340 f.;
Wohnungsluxus II 349 f.; Luxus in Edel-
metallen II 352f. 353 f.
Frascati, sog. Landhaus des Marius III 40.
frater als Anrede I 76 f.
Frauen an der kaiserlichen Tafel I 97 f. ; der
Sachwalter I 184; der Statthalter I 132; der
Geächteten I 282; im Zirkus II 23. 44; im
REGISTER
341
Aniphitheaterll95;fechteninder Arena 1153,
treiben gymnastische Übungenll 1 53 f., sowie
Fechtübungen II 62; Vorliebe für Gladiato-
ren II 62; Besitzerinnen von Gladiatoren-
banden II 57; Verhältnisse mit Pantomimen
II 139. 142, mit Musikern II 179; Frauen-
tugenden I 308 ff. ; Frauenerziehung I 267 ff.
298; Frauentracht 1 292; Frauenvereine I
280; Statuen III 49. 71; Christinnen I 303ff.
III 223; Kirchengesang der Frauen II 187.
Frauenschneider, moderne II 318.
Freigelassene I 233 ff. ; kaiserliche I 34 ff.; in
den Ritterstand erhoben I 48. 147; erhalten
das Schwert I 48 61, senatorische Abzeichen
I 48; Zulassung zum Senat I 116 f.; an der
kaiserlichen Tafel I 97; Namensänderung I
48, 3; Reichtum uud Hochmut I 45 ff. 50 f.
234 ff-; geringes Ansehen I 104 f.; F. der
Ärzte I 1S9, der Zirkusparteien II 33, 5; F.
als Handwerker I 161, als Subalternbeamte
I 2i6f., als Gladiatoren II 59, als Schau-
spieler II 138.
Frejus, Amphitheater II 108 f.
Fremdenführer I 45 1 f.
Fremdenhaß der Römer I 112.
Fremdenverkehr in Rom I 15 ff. ; in den Städten
und Provinzen I 357 ff.
Fremdkulte III 134 ff.
Freunde der Kaiser I 73 ff.
Friedenstempel Vespasians III 41; Vorträge
Frontinus (S. Julius) II 242.
Fronto I 70. 89. 96. II 194. 238. 332; Statue
III 74; Glaube an Träume III 127. 170; gegen
die Philosophie III 258; über die Christen
m 234.
Frontonis platani II 230, 5.
Frühpfirsich [casia] 11 310.
Frugifer (Saturnus) III 141.
Frumentarii I 257.
Frumentationen II 359.
Frumentius III 202.
Fucinersee, Emissar III 30; Naumachie II 93.
Fürsten, auswärtige, in Rom begraben I 18, 5.
Fugger, Vermögen II 270 f.
M. Fulvius Nobilior II 77. 145.
fumos vendere I 45 f.
Fundanus (Minicius) III 270.
Fundi, Juden III 209.
Fundstücke, römische, im Norden I 371.
Num. Furius II 181.
furor drei II 49.
Fußboden, erwärmt II 333.
Fußgängergeschwindigkeit I 333.
Fußspuren als Weihgaben I 387.
G.
Gabbai 87 f.
Gabeln II 279 f.
A. Gabinius II 268.
Gades I 395. 464f. III 8; Herculeskult III 195.
Gaditanae II 173.
Galanteriewarenhandel II 320.
Galba, Kaiser, Abkunft I 119; Freigelassene I
42; Bildnisse III 61; seine Fortuna III 194.
Galen, in Rom I 71. 192. III 271; Gladiatoren-
arzt II 68; Reisen I 337. 380; über Athleten
II 68; Kunstverständnis III 116; religiöser
Standpunkt III 127; über die Unsterblichkeit
HI 307; über die Christen III 226. 233. 234.
246; Glaube an Träume und Traumheilungen
III 167. 170.
Gallien, Handel I 372 f. 374; Reise nach Gal-
lien I 395. 464; Städte III 5 ff.; Goldreich-
tum II 268; Bierland II 311; Villen III 33 f.;
Juden III 2 10 f.; Gallier im Senat I 106 f.;
Gallische Götter III 143 f.; Gallische Kunst
III 84. 92, 5.
Gallienus, Kaiser, Vermählungsfest II 246; Palais
de Gallienne II io8.
Gamala (P. Lucilius) III 71. 192.
Garama, Garamanten I 392 f.
Garamantina factio 11 34, 9.
Gardasee I 470.
Garde (Prätorianer) I 218. 219 f.; Gardepräfekt
s. Präfekt des Prätorium.
Gartenbau der Römer I 473 ff. ; im Mittelalter
und der neueren Zeit 1 476 ff. ; Gartenanlagen
I II f. 467 f. II 345. 376. III 39; öffentliche
II 376; bei Gräbern II 362. III 316; Sta-
tuenschmuck III 38ff. ; Handelsgärtnerei II
309 f.; moderne Gartenflora II 345.
Gartenranunkel II 345.
garum castinioniale III 208 ; sociorum I 379.
Gasthäuser I 343 ff.
Gastmähler der Kaiser I 97 ff. ; priesterliche II
286. 288; bei Leichenbegängnissen II 361;
Kosten der Gastmähler II 287 f.; Unterhal-
tungen I 252 ff. 259 ff. ; Teilnahme der Frauen
I 290.
Gastronomie II 301 f.
Gastwirte I 349.
Gaukler II 14 f.
Gaza III 12; Pferderennen III 225.
Gebälk, vergoldet II 349.
Gebärdensprache II 129 f.
Gebet III 174 f.
Gebirgslandschaft I 478 ff.
Gebrauchsgegenstände den Toten mitgegeben
III 316.
Geburtshäuser berühmter Männer I 456.
Geburtsstunde vermerkt I 314.
Geburtstagsgratulationen I 243.
Gedichte getanzt II 133.
Gedränge in Rom I 16.
Gefäße, kostbare II 348.
Geflügelzucht II 305.
Gefrorenes II 278.
Gehälter der kaiserlichen Freigelassenen I 52;
der Subalternbeamten I 216, 5; der senato-
rischen Würdenträger I 130; der ritterlichen
Beamtenl 150; der Legionstribunen 1 130.149.
Geheimpolizei I 256 f.
Geisterglaube III 31 7 ff. ; Geisterbeschwörung
III 320 ff.
342
REGISTER
Geißelung im Gottesdienst III i88.
Geldgeschäfte I i6of.; der Senatoren I 129;
der Ritter I 156.
Geldgeschenke an Besucher I 244; an Dichter
n 235.
Geldverteilungen II 361. 378.
Geldwert, seine Verschiebung 11 270, 4. 271, I.
33i> 6. 341, I.
Gelasius L, Papst III 185.
Gelegenheitspoesie II 144 ff.
Gelehrsamkeit der Frauen I 297 f.
Gellius II 194. 260. III 127. 272; Schüler des
Calvisius Taurus III 270. 277 f., und des Fa-
vorinus III 271. 279.
Gelübde an Götterbilder geklebt III 196.
Gemäldegallerien III 109.
Gemengeessen der Gladiatoren II 68.
Geminus I 44.
Gemmen, Kopien III 97; Gemmensammlungen
in Tempeln I 447.
Gemüse- und Obstbau I 214.
Genava III 8.
Genesius, Mime II Il8.
Genienglaube III 148; Genien der Städte III 38.
Genua, Juden III 209.
Georginen II 346.
Gepäcksendungen I 363.
Gerasa III 13.
Gerichtssitzungen I 242.
Geringschätzung der Kunst III 106, und der
Künstler III 102.
Germani corpore custodes I 92.
Germanicus, Reise I 416 f. 419. 429. 439. 454;
Sieg in Olympia II 159; Dichtungen II 216.
228; befragt Orakel UI 162; Tod II 236. HI
197.
Gerusiarch der Juden III 207. 209.
Geryones, Losorakel III 162.
Gesandtschaften in Rom 1 18 ; im Amphitheater
II 98; Gesandtschaftsreisen I 358 f.
Gesanglehrer II 177.
Gesangszenen II 161.
Geschirr, goldenes und silbernes II 351 ff.
Geschorene Hecken II 371.
Geschworene I 105; Ritter I 148. 157.
Gesellschafter der Kaiser I 85 ff.
Gespenstergeschichten III 318 ff.
Gesta Romanorum II 203.
Gestirne Sitz der Seelen III 305 f.
Gesundheitsreisen I 386 ff.
Geta, Vorliebe für Wagenrennen U 29.
Getreideversorgung Roms I 27 f.
Gewerbe iii Rom I 160.
Gewichtsangaben auf Silbergefäßen II 355.
Giallo antico (numidischer Marmor) II 328.
.330- 339- .
Giftmischerei I 204 f. 207.
Gigthis III 9.
Gipsbüsten III 42.
Giraffe II 78. 79 f.
Glabrio, Bildhauer III 90, 4. 103, 4.
Gladiatoren II 54ff. ; bei den Frauen beliebt I
289; kaiserliche Gladiatorenschulen II 65 f.;
Gladiatorenkaserne in Pompeji II 67; Gla-
diatorenhandel II 64 f.; Gladiatorenwaffen
II 60 f. 69. 73; Gladiatorenspiele II 50 ff.;
bei Leichenbegängnissen II 361; im Bilde
dargestellt III 49 f.; Kosten II 52. 54; Dauer
n 103; Einschränkung II 3. 51 f. 65; Ab-
schaffung II 100 f.; in neueren Zeiten II
107, 5-
ad gladhim, Verurteilungen II 54.
Glaphyrus II 181.
Glas, Anwendung II 334; Glasfenster II 279, 3 ;
Glasflüsse II 322 f. III 97; farbige Glaswaren
II 321; Glasfabrikation in Ägypten I 432;
Glasmosaik II 333. 334; Glasgefäße von
Bajä und Puteoli I 406. 422.
Glaube und Erkenntnis III 246 f. ; Lebenskraft
des alten Glaubens III 133 ff.
Gleichförmigkeit der bildenden Kunst im römi-
schen Reiche III 92.
Gliedmaßen als Weihgeschenke HI 172.
Glocken als Amulette II 43.
Glückseligkeit als höchstes Gut III 246 f.
Glückspiele I 253 f.
GlyconIII8o. 164 f.
Gönner der Dichter II 233 ff.
Goethes Braut von Korinth III 320, l.
Götter, barbarische III 139 f.; ägyptische III
I36f. i4of. I44f. 189; maurische III 142.
143; zu Erben eingesetzt III 195 ; Vorbilder
der Unsittlichkeit 11 243 ff. ; zu Ämtern er-
nannt III 198; Götterglaube III 118 ff.; Göt-
termischung III 134 ff.; Götterliebschaften III
45; Götterbilder III 195 ff-, ihre Menge III
79. 89, aus Edelmetall III 193, mißhandelt
III 196 f.
Göttermutter vom Sipylus III 195.
Gold, Produktion II 319; in Gallien II 268; an
Zähnen II 357; Goldgeschirr I 10 1. II 351;
Goldgeschmeide der Schenkmädchen II 325 ;
Goldblech zur Wandbekleidung II 334 ; Gold-
stickerei II 313; Goldborten II 317.
Goldblättchen, orphische III 305.
Goldenes Haus II 335.
Gordian L, Kaiser, Gladiatorenspiele II 52 ; Ge-
dichte II 197. 219; Kenner der Philosophie
ni27i; Bilder III 61.
Gordian III., Kaiser, Tiergärten II 83; Villa II
339; Erneuerung der Neroneen I 148. 230.
Gorilla I 447 f.
Gosen I 471.
Gottesfürchtige (qpoßou|Lievoi TÖv 9e6v) III 215.
Gottesleugner III 183.
C. Gracchus, von den Altertümlern gepriesen
n 193. 199.
Gräber, an den Landstraßen III 323; an der
Via Latina III 311; der Märtyrer III 240;
übertünchte Gräber III 48, 2 ; ausgemalt UI
47 f.; Grabdenkmäler III 47 f. 77 f. 92; er-
haltene in Italien und den Provinzen II 361 ff.;
Kosten II 362. 365; Flächenraum II 362;
Darstellungen aus dem Leben des Verstor-
benen III 52 f.; Andeutungen des jenseitigen
Lebens II 3 10 ff.; Grabtempel II 362. 363;
REGISTER
343
Grabstatuen III 77fF. ; Grabschriften an die
Vorübergehenden gerichtet III 323; epiku-
reische III 299 flf.
Graffiti II 62.
Grammata, auf Syros I 441, 2. III 204, 8.
■fpamaaTeiq, Schriftgelehrte III 207.
Grammatiker II 173 ff.; bei Tisch I 263.
Granate II 306.
Granit II 333.
Granius Marcellus III 58.
Grannus II 142. 143.
Graptus, Freigelassener I 44.
Grausamkeit gegen Sklaven I 285 f.
gregarii (Gladiatoren] II 64.
Gregor d. Gr. III 46. 209. 239. 304.
Grenzen der bekannten Erde I 390 ff.
Grenzsteuerämter II 319.
Griechen in Rom mißachtet I 37 f. 108 ff. ; am
Hofe I 37 f. 85ff. ; griechische Sprache der
Frauen I 296, der Juden III 207; Römer
schreiben griechisch II 260; griechische
Bühnenaufführungen in Rom II 123 f.; grie-
chische Wettkämpfe II 147, l. 176; griechi-
sche Musik II 161; griechische Künstler in
Rom III 103.
Griechenland, Städte III 18; Verödung I 410;
Straßen I 326; Reisen I 409 ff. ; Fechterspiele
II 105 f.; Juden III 204.
Grimod de la Reyniere II 298. 301.
Großgrundbesitz I 122; in England II 345.
Groß-Leptis II 373. III 9.
Großstädte, antike III 9. 13. 15; italische III 5.
Grotten I 461 f.
Grüne Partei im Zirkus II 34 ff.
Grünsteinporphyr III 88 f.
Grundbesitz der Senatoren I 121 f. 129 f.
Güterankäufe der Senatoren II 337.
Guntram, König III 211.
Gusle II 163.
Gyaros I 414.
Gymnasium, von Nero erbaut II 147. 151.
Gymnastik II 157.
gymnici infantes II 1 54.
H.
Haarweihe I 241.
Hadad, Gottheit III 145. 189.
Hadrian, Kaiser, Hof I87; Gastmähler 1 98. 100;
Benehmen gegen Freunde I 77- 79- 80. 82,
gegen die kaiserlichen Sklaven I 68 ; unter-
stützt verarmte Senatoren I 134; Umgang
mit Philosophen III 253. 294; Barttracht I
34; Lieblingsgericht II 291; Ämterorganisa-
tion I 36. 152; Geheimpolizei I 257; Staats-
post I 329; Straßenbauten I 325. 326; Bau-
ten III 30 f., in Athen I 411. III 31; Statuen
III 60. 62 f. 87; Villa in Tivoli I 404. 428.
II 340. III 31. 40; Erneuerung des Pantheon
III 31; Reisen I 389. 415, 12. 454; in Ägyp-
ten I 429; Besuch des Memnonbildes I 440;
Bergbesteigungen I 482; Grabmal II 365 f.;
Sänger und Kitharaspieler II 184; dilettiert
in bildender Kunst III 108; Dichter II 218 f.;
Altertümler in der Literatur II 193; unter-
stützt Dichter II 237, und Sophisten II 258 f. ,
Religiosität III 128; Stellung zu den Fremd-
kulten III 138, zum Christentum III 220;
Verbot der Beschneidung III 215, der Men-
schenopfer III 188.
'Aöpiaveia II 149, 7.
Hadrianopolis III 17. 31.
Hadrianotherä III 31.
Hadrianus, Sophist II 207. 212. 258, 3. 260.
Hadrumetum III 9. 33.
Hämus, Schauspieler II 120.
Händesprache II 129 f.
Häuser berühmter Männer gezeigt I 453 f.
456-
Häuserspekulation I 19. 22 f.
Hafenzoll für wilde Tiere II 82.
Haine, heilige I 462.
Halbseide II 313.
Halikarnaß III 14.
Halityrus, Mime I 63.
Hallenstraßen III 16.
Halotus, Freigelassener I 42.
Hammada I 392.
Handel I 156. 160. 163; mit wilden Tieren II
81; mit Kunstwerken III 89; Handelsreisen
I 363 ff.; Handelsniederlassungen I 371 f,
Handkuß der Klienten I 230. 231.
Handschuhe II 314.
Handspiegel, silberne II 356.
Handwerk I 161 ff.; und Kunst III 97 f. 102.
Hannibal, Statuen III 78.
Hanno, Umsegelung Afrikas I 391.
Harfe II 163. 166. 169.
Harlekinstracht der Mimen II 115.
Harmodius in Athen verehrt III 149.
Harmonie II 164.
Harpocras, Freigelassener I 41. 49.
Haruspicin III 1591.
Haselmäuse gemästet 11 282.
Hasta pura I 49.
Haterius Nepos I 222.
Haurän lU 1 2 f.
Hauslehrer I 175. 177; Philosophen III 280 ff.
Hausrat, Ausschmückung III 46 f.
Hebammen I 193.
Hebraei III 207, 2.
Hebräisch nur Kirchensprache der Juden III
207 f.
Hecken, geschorene II 371.
Heidenverfolgungen III 237 ff.
Heilbäder I 387 f.
Heilige Agone II 158 f.
Heilige Straße in Rom I 163.
Heiligenverehrung im Verhältnis zum Heiden-
tum III 2401.; Heiligenbilder mißhandelt
III 196.
Heilmittelversand I 202.
Heilquellen III 178 f.
Heilurkunden in Epidaurus III 171.
Heilwunder III 169 ff.
Heimat der Prätorianer I 220.
344
REGISTER
Heiratsalter der Mädchen I 270; der Männer I
272 ff.
HeiratsvermitteluDg I 273.
Hejus von Messana I 458.
Hekate in Stratonicea III 173.
Hektor als Dämon III 319.
Helikon, Kammerdiener Caligulas I 59 f.
Heliodorus, Sophist I 181.
Heliodorus, Romanschriftsteller, sein Gottes-
glaube III 129, 6.
Heliodorus (Avidius) I 58.
Heliodromus, im Mithrasdienst III 146.
Heliopolis (Ba'albek) III 11. 141.
Helios-Aumu III 141; mit Elias gleichgesetzt
III 241.
Helius, Freigelassener I 41.
Helix (Aurelius) II 148. 158.
Helvidius Priscus I 3 10 f. III 250. 251 f.
Hendecasyllaben gesungen II 162.
Henna I 408. III 196.
Heraclitus von Rhodiapolis I 196. 199 f. III 73.
Herakles (Hercules) oft angerufen III 181; zu
Tibur III 192; zu Gades III 195; Vorbild
der Kyniker III 293; bei den Stoikern III
311,1; Heraklessarkophage III 3 11; Hercules-
bäder in Siebenbürgen III 178.
Herbergen I 343 ff.
Herculaneum III 5 ; Erdbeben III 29 ; Einwir-
kung seiner Funde auf die moderne Industrie
III 98; künstlerischer Schmuck III 81; Woh-
nungsdekoration III 42 f. ; Bronzen III 93 ;
Brunnenfiguren III 42; Villa des epikurei-
schen Philosophen (des Piso) III 40; 'Hercu-
lanefinnen' III 95.
Hermaphroditen II 369.
Hermes Trismegistos III 155.
Hermogenes, Arzt I 71.
Hero und Leander im Amphitheater II 92.
Herodes Agrippa I 84. II 87. 96. III 201. 204.
Herodes Antipas III 28. 86. 210.
Herodes Atticus I 70. 109. 119 f. II 235, i.
256.260; Bauten III 26 f.; Denkmäler III 77;
Villa in Kephisia I 471. HI 2.6. 33; Verkehr
mit Philosophen III 266.
Herodes d. Gr. von Judäa, Gesandtschaft III
206; Bauten III 12. 28. 86. 94 f.
Herodian, Grammatiker I 87.
Herodicus II 151, 3.
Pleroenverehrung III 149. 173 f.; Heroengräber
bei Ilium I 418; Reliquien I 450 f. ; Heroen
als Stammväter adliger Geschlechter I 119 f.
Heros, thrakischer Gott III 142.
Herrscherkult III 150 ff.
Hestiäa I 418.
Hexen I 306. 349.
Hiberus, Freigelassener I 40.
Hicelus, Freigelassener I 42. 48.
Hierapolis in Phrygien HI 14; Schlund I 465.
Hierapolis Castabala III 16.
Hieroglyphen I 428; auf den Pyramiden I 438.
Hieronymus, kennt Briefe Senecas an Paulus
m 236.
Hilarius von Poitiers III 210.
Hildesheimer Silberfund II 356. III 97.
Hilfslehrer I 178.
Himjariten III 202.
Himmlische Göttin von Karthago HI 141. 173.
Hinrichtungen durch Natterbiß I 436; im Am-
phitheater It 89. 91.
Hippalos I 367.
Hippodrome in Parks I 473.
Hippolyt, Papst HI 21.9. 227 ff. 242.
Hippolytos, Heros III 189.
Hipponium III 4.
Hippopotamus II 78. 80. 82.
Hirpinerpferde U 30.
Hirse 11 307.
Hispalus (Cn. Cornelius) HI 206.
Hispellum III 5.
Historische Bilder HI 49; Merkwürdigkeiten I
449 ff-
histrio, Pantomime H 135.
Hochzeitsfeier I 241. 274?.; Hochzeitsgedichte
des Statins und Martial II 246.
Hodometer I 343, 5.
Höhe der Häuser I 5 f. HI 12.
Höhlen (Grotten) I 461 f.; Höhleninschriften I
441, 2.
Hölle im Mith rasglauben III 147.
Homer (Musikinstrumente) II 165.
Hörnerträger I 283.
Hof und Gesellschaft I 32 ff. ; Hof- und Haus-
ämter I 34 ff. 149; Hofphilosophen III 282 f. ;
Hofastrologen I72; Hofschauspieler II 14 if;
Hofnarren I 87 f.
Homer in der Schule II 191.
Homeristen I 253.
Homeriten, im südwestlichen Arabien III 202.
Holz, kostbares als Brennmaterial II 276.
Honein ibn Ishäq III 55.
Honorare der Grammatiker I I78ff. ; der Ad-
vokaten I 182 ff.; der Ärzte I 195 f.; der
Astrologen I 212; der Rechtslehrer I 185 f. ;
der Lehrer der Beredsamkeit I 180; der Mu-
siker II 178 f.; der bildenden Künstler III
loi; der Schriftsteller II 231.
Honorius, Aufhebung der Fechterspiele II 100.
Horaz I 86. 105. 154; Verhältnis zu August II
236, zu Mäcenas II 2371.; Vorliebe für das
Landleben I 466; seine Villa I469; Oden
gesungen II 161 f.; in der Schule gelesen II
192; Verbreitung seiner Gedichte II 210;
Epikureer III 270, i; über die Juden III 2 14 f.
hordcarii II 68.
Hormus, Freigelassener I 43. 48.
Horoskop I 73. 211 f. 306.
hortatores im Zirkus II 31, 10.
Hostia, Göttin in Sutrium III 182.
Hostia, Geliebte des Properz I 297.
Hostilius, Philosoph III 252.
Hüteluxus II 314.
Humanismus II 262.
Hund im Mimus II 114; schottische und bri-
tannische Hunde II 88.
Hütten über den Luxus II 279, 3.
Hyazinthe II 345.
REGISTER
345
hydraules s. Wasserorgel.
Hydrotherapie I 207 f.
Hygiea in Sikyon III 189.
Hylas, Pantomime II 124. 130. 137.
Hymettischer Marmor II 328. 330.
Hymnen II 175 f.; hymnologi II 174.
Hypatia III 238.
Hypsistarier III 216,
Hyrkanien, reich an wilden Tieren II 82.
I(J).
Jader (Zara) III 1 7.
Jagden auf wilde Tiere II 81 f.; im Amphi-
theater II 88 f. ; Jagdfreiheit II 82 f.
Jahreseinkünfte, höchste, des Altertums II 270;
neuerer Zeiten II 270 fif.
Jaja (?), Malerin III 55.
lallia Clementina I 304.
Jaspis in der Medizin I 209; Jaspisring II 322.
lasura (Dea Syria) III 145.
latraliptik II 151.
iarpeia I 190.
latrosophisten I 194.
Iberische Götter III 143. 144.
Iconium, Juden III 203.
Jenseitsvorstellungen, orphisch-pythagoreische
III 303 f. ; auf Sarkophagen III 3iof.
Jerusalem I 421; Bevölkerung III 12; Opfer
Augusts III 138; Tempelsteuer I 359. III
203. 211. 214; Synagogen auswärtiger Juden-
gemeinden III 205. 207.
Igel, Grabmal der Secundinier 11 363. III 53,
Iglitza III 3.
Ignatius, Reise I 337.
Ilium I 417. III 195.
Illuminationen II 15 f.
illustris I 1 54.
Imitierte Edelsteine II 322 f.
Immunität der Lehrer und Ärzte I 174. 190. II
231. 258 f. III 253; der Athleten II 158.
Improvisationen, dichterische II 198; der So-
phisten II 256.
Indien, Fabelwelt I 393 f.; Handel I 36S; nur
von Kaufleuten besucht I 486; Import indi-
scher Waren II 319; Indienfahrt I 366 ff.
486 f. ; indische Gesandtschaften in Rom I 1 8,
Indifferenz, religiöse III 119.
Infibulation II 178, 2.
Ingenuität, fiktive I 147.
Inkrustation mit Marmortafeln II 329. 332.
339; mit Ebenholz und Elfenbein III 349.
Inkubation (Tempelschlaf) III 132. 169 ff.
Innungen I 162. 166 ff.
Inschriften von Reisenden in Ägypten und Nu-
bien I 439 ff. ; Bauinschriften III 24; religiöse
Inschriften III 175 ff. I9iff.; Grabschriften
III 299 ff.
Inselidole III 80, 5.
Inseln, künstliche II 338.
Inseln der Seligen I 390.
Insignien, amtliche I 138 f. 140; der Wagen-
lenker II 27.
Instrumentalmusik II 165 ff.
Instrumente, ärztliche I 194.
insula, Mietswohnung I 11, 2.
interpretatio Romana III 143.
interpretationes salubres III 123, 4.
inttis canere II 176, 5.
Jockeis II 28 f.
Johannes, Bischof von Asien III 238.
Johannes Chrysostomus gegen die Juden III
203.
Johannes, Athlet II 156.
Johannisbrotbaum II 308.
Jonathas, Aufstand III 205.
lonien I 419; ionische Pyrrhiche II 133.
lonopolis (Ineboli) III 165.
Joppe, Perseussage I 451.
Jotaba, Juden III 202.
Journalistik vertreten durch Gelegenheitspoesie
II 245.
Isaeus, Rhetor II 204. 259 f.
Ischia, Votivgaben III 178.
laXupoTTaiKxric; II 14, 9.
Isis und Sarapis III 136 f. 140 f. 144 f. 189;
Isisdienst der Frauen I 301; Isis Campensis
III 136; Isisregion in Aquileja III 144;
Traumheilungen in Isistempeln III 169, 2;
Isispriester als Kuppler I 301 f.; Isis, Last-
schiff I 423.
Ismenias, Aulet II 323.
Isthmus, Plan der Durchstechung I 336. III 26 ;
Isthmusstraße Hadrians III 31; Statuen des
Caligula III 62.
Italicus (Silius?!, Philosoph III 268, 10.
Italien, Städte IIl4f.; Räuberwesen l352ff.;
Juden III 208 f. ; Luxus im Italien der neueren
Zeit II 294 ff. 3 16 f.
MtoXikü 'Pai|Liaia Zeßaara II 228, 4.
Italiker und Römer I 112 f.; Italiker als Kauf-
leute in den Provinzen I 374.
Itinerarien I 320, 5. 327, 7. 456 f.
Juba IL von Mauretanien III 96.
Judentum, Verhältnis zum Heidentum III 199 ff.
211 ff.; Anziehungskraft III 2i4f., besonders
auf Frauen I 302 f. ; Zerstreuung der Juden
III 200 ff. ; nicht vorzugsweise Handel trei-
bend I 375 f. III 201 f. ; nicht Senatoren und
Ritter Im; Abgaben nach Jerusalem I 359,
III 203. 211. 214; Personalsteuer III 211;
Bilderhaß III 86; Luxus der Wohlgerüche
II 326; Judenhaß III 212 f.; ihnen wird
Menschenhaß vorgeworfen III 199.
Jünglingsvereine II 143.
Jugendunterricht I 173 ff. 11 189 ff.
itiglans (Kastanie) II 306.
Julia, Tochter des August I 295.
Julia Balbilla I 297.
Julia Domna, Empfänge 1 90; politischer Ein-
fluß I 293 ; philosophische Interessen I 299.
III 253. 283; regt den Apolloniusroman des
Philostratus an III 155; in Ägypten I 439.
Julian, Kaiser I 56. II 235. III 281.
Julianus (Salvius) III 280.
Julianus (Chaldäer) I 307.
346
REGISTER
Julier, Abkunft I 119; Denkmal der Julier in
St. Remy II 364. III 84.
Ti. Julius Alexander I III.
M. Julius Apellas III 171.
Ti. Julius Aquila III 25.
Julius Aquilinus, Platoniker III 271.
Julius Canus III 281.
Ti. Julius Celsus Polemaeanus III 25.
Julius Cerealis, Dichter II 250.
S. Julius Frontinus II 242.
Julius Julianus, Philosoph III 270, 3.
C. Julius Longianus III 70.
Julius (Major) Antoninus III 27.
Julius Menecrates II 245, i.
Julius Nicanor III 70.
Julius Obsequens III 157.
Julius PauUus, Dichter II 195.
Julius Priscus I 222.
A. Julius Quadratus III 25.
L. Julius Vestinus I 55.
Julius Vindex I 248.
himentarii I 330.
Jungfrauenprobe III 187, 4.
Junius Gallio II 240. III 235.
Junius Rusticus, der ältere III 252; der jüngere
III 253.
D. Junius Silanus I 82.
Juno von Lanuvium III 187, 4.
Juppiter auf dem Kapitol II 330. 336. III 195.
211 ; Latiaris III 188; Poeninus III 181; Sa-
bazius III 206; von Heliopolis III 178.
iuris studiostis I 185, 10. 188, 10.
Juristen, aus dem Senatorenstande I 132 f.; aus
dem Ritterstande I 152 f.; aus dem dritten
Stande I 185 ff.; als Konsuln I 132 f.
ius stolas habendi I 281.
Justinian , Konsularspiele II 11; Verordnung
über die Schauspiele II loi; Bautätigkeit III
32; Statuen III 78; Ähnlichkeit mit Domitian
III 59; Heiden Verfolgung III 238; gegen die
Juden III 203. 206.
luvavum (Salzburg) III 20.
Juvenal II 194; Verbannung I 62; bürgerliches
Standesgefühl I 108; religiöser Standpunkt
III 127; Unterweltsvorstellungen IIl3i3f.;
über die Juden III 213 f.
iuvenufn coUegia II 143.
Juv?elenluxus II 321 ff.
K.
Kaiser, Reisen nach Ägypten I 429; leutselig
bei den Schauspielen II 4ff. ; treten selbst
im Schauspiel auf II 20 f; Parteinahme im
Zirkus II 34 f. ; zu Erben eingesetzt I 80 f. ;
bauen Aquädukte II 372; Luxus II 266; di-
lettieren in Poesie II 2 14 ff. ; unterstützen
Dichter II 234 ff. ; ehren die Sophisten II
258 f.; religiöser Standpunkt III 128 f.;
Kaiserbildnisse III 54. 57 ff. 90, in Geschäfts-
lokalen I 166, im Lager III 57. 61; ihre Ver-
ehrung III 57 f.; in der Zirkusprozession auf-
geführt II 45, beim Thronwechsel zerstört
III 58 f., selten durch Umarbeitung hergestellt
III 64 f.; Beleidigung der Kaiserbildnisse III
58; Kaiserkult III 148 ff., der Juden III 212,
der Christen III 2i6f. 221; Statuen der ver-
götterten Kaiser III 571. 60 f. 88.
Kaiserinnen, Morgenempfang I 90.
Kaiserkrone (Blume) II 34^.
Kalender des Philocalus III 185.
Kalifenreich, Reichtümer III 270. 293; Tafel-
luxus II 293.
Kalksinter in den Wasserleitungen II 375.
Kampfer als Räucherwerk II 327.
Kanalnetze in den Hügeln Roms I 29.
Kandelaber, äginetische II 347 ; silberne II 353-
Kanobos in Ägypten I 4371. 453; nachgebildet
von Hadrian I 428; Kavuußia|u6^ I 437.
Kapitol in Rom, Gottesdienst III 198; Statuen
III 49. 58. 74; kapitolinischer Juppiter II
330' 336. III 195. 211; kapitolinischer Agon
II 148. 218. 228f.; Kapitole außerhalb Roms
III 21 f. 79.
Kappadocische Rennpferde II 30.
Karawanen von Palmyra I 372 ; nach Äthiopien
I 367; nach China I 369; Karawanenführer
durch Statuen geehrt III 75.
Karl der Große, sein Elefant II 78 f.
Karl der Kühne, Kleiderluxus II 313; Juwelen-
luxus II 325.
Karl von Württemberg II 267.
Karlsburg III 3. 21.
Karmel, Bergorakel III 162.
Karneol II 322.
Karpokratianer III 149.
Karthago III 9. 31; Höhe der Häuser I 6, 6;
Wasserleitung II 374; Arstischockenfelder
II 309; Studiensitz I 471; pythischer Agon
II 230; Himmlische Göttin III 173. 195;
Juden III 206; Christengemeinde III 230.
Kaschmirschals II 318.
Kastagnettentänze II 173.
Kastanie II 306. 345.
Katakomben in Rom, jüdische III 207, christ-
liche III 229. 231; in Syrakus III 209, 12; in
Venusia III 208 ; auf Kreta und Melos III
204.
Kaufleute, Reisen I 365 ff. ; römische in den
Provinzen I 373 f.; in Barbarenländem I
371 f-
Keltische Götter III 143 f.; keltische Kunst
in84.
Kephisia, Aufenthalt des Herodes Atticus III
26. 33.
Kibotos, Apamea III 14. 203.
Kinder, verstorbene, göttlich verehrt III 149, 10.
Kinderklappem I 265.
Kinderlosigkeit I 246 ff.
Kinderstube I 265.
Kirchengesang II 1871.
Kirsche II 306. 310.
Kirschlorbeer II 345.
Kithara II 162. 166.
Kitharöden I 173. II 175. 176, 5. 7.
Klarischer Apollo III 162.
REGISTER
347
Kleidung, ihre Natürlichkeit II 3 7 1 ; in den
Farben der Zirkusparteien II 36 f.; Kleider-
stoffe II 312 ff.; Kleiderwechsel II 315;
Kleiderluxus 11 312 ff.
Kleinasien, Juden III 203; Kleinasiaten im
Senat I 108 ff.
Kleinhandel I 161.
Kleinwirtschaft in Italien I 2 14 ff.
Kleombrotos, Reisen I 380.
Klienten I 223 ff.; Dichter als Klienten II 238 ff.
243-
Klöster, Tafelluxus II 293 ff.
Knaben als Offiziere I 148, 9.
Knidos I 458.
Knöchelspiel I 265.
Kochkunst II 296 ff. ; Köche II 282. 290, in
neuerer Zeit II 297 f. 301 f. ; Kochbücher II
302, 6.
Köln, Militärkolonie III 7; Kapitol III 21;
Wasserleitung II 375; Juden III 210.
Könige, Statuen III 37. 49; Königskult III 150;
Königsgräber in Theben I 439.
Kölsche Gewänder I 292.
Kokosnüsse in Tempeln I 448.
Kolonien I 362; Nachahmungen Roms III 20.
Kolophon III 162.
Kolossalstatuen in Rom III 82 ; der Kaiser, von
Alexander Severus errichtet III 60. 87 f.; Neros
II 335. 336. ni 82. 91. loi; Hadrians II 365,
11163; desMercur inClermont III 79.91. loi.
Kolosseros II 55.
Kolumbarien I 167. 11 359. III 48.
Kommagene III 145.
Kommunalbauten III 21 ff.
Kommunion im Mithrasdienst III 146.
Komödie II 119 f.
Konkubinat der Soldaten I 218; senatorischer
Frauen I 278. 304; kaiserliche Konkubinen
I64ff.
Konkurrenzausschreiben für künstlerische Ar-
beiten III 22. 98.
Konsekration der Kaiser III 59 f.
Konsulat vom Kaiser verliehen I 137. 139 f.;
Wertschätzung I 135 f. 141; halbjährig oder
kürzer I 137 f.; mehrfache Konsulate I 139;
Konsulate berühmter Juristen I 132 f.; Kon-
sularspiele II 11; konsularische Familien I
143; konsularischer Rang an Frauen ver-
liehen I 2791.
Kontroversien U 200 ff.
Konvenienzheiraten I 271 f.
Konvertiten, heidnische III 234.
Konzerte II 170 f. 174 ff.
Kopieren von Kunstwerken III 95ff. ; Betrug
damit III 1 1 1 f.
Korinth unter den Römern I 412 f. III 18;
Amphitheater und Gladiatorenspiele II 105 ;
Theater des Herodes Atticus III 26; Ther-
men III 31; fremde Götterdienste III 189;
Juden III 204; Christengemeinde III 223.
226. 230; Fahrt von Korinth nach Westen
und Osten I 336; korinthische Bronzen 11
348. III 112.
Kornschiffe, ägyptische I 423 f.
Korykische Grotte I 461 f.
Kos, Juden III 204.
Kostüm der Tragöden II I2i; der Pantomimen
II 128.
Kränze der Schauspieler II 140; Eichenkranz
im kapitolinischen Agon II 228. 230; Kränze
auf Gräbern III 324, i.
Kräuterbücher I 202.
Kragos-Sidyma III 16.
Kraniche, abgerichtet II 87.
Kreta, Überfahrt nach Ägypten I 340; Götter-
statuen III 239; Juden III 204; Christen-
gemeinde III 226.
Kretins II 369.
Kriegsgefangene als Gladiatoren II 56.
Krim, Juden III 204.
Krinagoras I 295.
Krokodile I 443. 447.
Krokus II 306.
Kronanwälte I 153.
Kronos, Menschenopfer I 188.
Krypten III 231.
Künstliche Inseln II 338.
Küstenfahrt bei Nacht I 355,
Kulte, uralte III 184 ff.; ägyptische III 136 f.
140 f. 144 f.; orientalische UI 145 f.
Kultus und Glaube III 184.
Kunst und Künstler: allgemeines Kunstbedürfnis
III 41 f. 81; Kunstinteresse I 45 7 ff.; Kunst-
sinn III 106 ff. Ii3ff. ; Kunstkennerschaft III
113; Kunstsammlungen III 109 ff. ; Kunst-
werke in Rom I 11, in Tempeln I 4461.;
fabrikmäßiger Kunstbetrieb III 98 ff. ; Kunst-
handwerk I 162 f. 173. III 34 f. 44. 91. 97 ff.
102; Kunstwerke als Geschenke III 47, in
Konkurrenz ausgeschrieben III 22. 98;
Kunstraub III 106 f. 109; Reisen der Künstler
I 382 f.; Künstlernamen wiederholt II 26, 4.
69. 133. 141; Künstlerfamilien II 92; soziale
Stellung der bildenden Künstler III 99 f.
102 f.; Privilegien III 44. 91; Statuen LH 75;
Honorare III loi f.
Kunstfeuer II 15.
Kunstgärtnerei I 474 f.
Kunstreiterstücke II 24.
Kuppelsaal, drehbarer II 335.
Kuppler, herumziehende I 385.
Kurien errichten Statuen III 71.
Kuriere I 3281. 332. 337.
Kuriositäten in Tempeln I 448.
Kurulische Ämter, Schätzung I 135 ff.
Kuß als Begrüßung bei Hofe I 93 ff.
Kutschenaristokratie II 371.
Kyniker III 265 f. 288 ff.; Verhältnis zum Chri-
stentum III 292 f.
L.
Labeo (Titedius), Maler III 108.
Laberier, Villa in Uthina III 33.
T. Labienus II 213.
Laburus, Gott III 143.
348
REGISTER
Labyrinth I 443 ; auf Severs Villa I 428. II 340.
Lacer, Baumeister III 105 f.
Lacerta, Wagenlenker II 26, 4.
lacus (Becken) III 35. 45.
Läden in Rom I 14 f. 163 f.; am großen Zirkus
n 23; Ladenschilder I 164.
Lärm in Rom I 20 f.
Läufer I 342. II 24. 33.
Lager, Luxus III 34; Kaiserbildnisse IH 57. 61;
Sejans Bild III 66.
Lagerstädte III 2 f.
Lakonische Pferde 11 30; lakonischer Stein
(Serpentin) II 333.
Lambäsis III 2 f. 9; Aquädukte II 373.
Lampen III 97; Lampe des Epictet II 348.
III 112.
Lampsacus I 381.
lances II 60.
Landschaftsmalerei I 483 ff. ; ägyptische Land-
schaftsbilder I 426 f. 487.
Landwirtschaft I 2i4ff.; Landleben I 465 f.;
Landhäuser II 336 ff.
Langres, Testament von II 363, III 77. 316.
lanista II 64; das Wort etruskisch II 50, 4.
Laodicea am Lycus III 14; Erdbeben III 29;
Laodicener (Mahlzeitlober) II 226.
Laphria, Artemis III 187.
Larenkult in christlicher Zeit III 148.
Lastschiffe, alexandrinische I 423 f.
Lateranus I 49. 80.
Latiaris Juppiter III 188.
Latinus, Mime I 63. II 141.
Latobius, Gott III 143.
Latrinen II 372, 2.
Laufbahn der Senatoren I 135 ff. ; der Ritter I
148 ff.; der Militärs I 22off.
Laureolus im Amphitheater II 91; im Mimus II
114.
Lauriacum III 20.
Laute II 163.
Lavinium I 399. HL 37.
Lebende als Heroen verehrt III 150.
Legate an Städte gestattet III 24.
Legenden I 452 f.
Legionen halten Gladiatoren II 57 f.
Leherennus, Mars III 143.
Lehrer: Grammatiker I 173 ff. 263; Rechts-
lehrer I 1851. ; Lehrer der Astrologie I 210;
öffentliche Lehrstühle der Beredsamkeit II
190. 204. 258; Abgabenfreiheit der Lehrer
I 174. III 253.
Lehrlinge I 169.
Leibärzte I 70 ff.
Leichenbegängnisse I 242. II 357; Leichen-
spiele II 50 f.
Leidenschaft für die Schauspiele II 18 f. 34 f.
38. 49; für die Gladiatoren II 62 f.
Leinwand II 312; Leinwandhandel I 379. 432.
Lemuren III 317.
Cn. Lentulus, Augur I 121. II 270.
ko im Mithrasdienst III 146.
Leontopolis, jüdischer Tempelstaat III 205.
Lepida, Gattin des Drusus I 277.
M. Lepidus, Konsul II 328.
Leptis s. Groß-Leptis.
Lesbos I 415; Erdbeben III 29.
Lesen und Hören von Literaturwerken II 223 f.
Leto in Lycien III 173.
Leuchtturm auf Pharos I 425 f.; Bajä I 406;
Capri I 401. 402; Ostia, Puteoli, Ravenna
III 30.
Leucippidensarkophage III 311.
Libanius als Lehrer I iSo.
libelli gladiatoriiH 72, 10.
a Hbellis I 54 f.
liherati [gladiatores] II 62, 10. 64.
libertinonun princeps III 208, 9.
Lichterscheinungen, ihre Beschreibung I 484f.
Lichtmeßprozession III 240.
L. Licinius Secundus, Statuen III 67. 76.
Licinius Sura I 81. II 242. III 319.
Licinus, Freigelassener I 44 f. 46. 48, 2.
Liebesroman, griechischer II 258.
Liebeszauber I 306.
Liegen der Frauen bei Tisch I 291.
Liktoren I 217.
Lilie II 306. 345.
Limone II 308.
Lindos, Atheneheiligtum I 446, 7.
Linkshändigkeit der Gladiatoren II 69.
Literatur, Beteiligung der Frauen I 294 ff.
Livia I 90. 293. 298.
Livius, Berühmtheit II 209.
Lob berühmter Männer in der Rhetorenschule
II 199; Lobgedichte auf die Kaiser II 234f.,
auf Nero II 197. 236, auf Messalla II 239,
auf Biso I 232. II 239 f.
loca, Gruben in den Steinbrüchen III 89.
Löwen im Zirkus und Amphitheater II 78; ge-
zähmt II 86 f.; Löwenjagd kaiserliches Re-
servatrecht 11 83.
Loge, kaiserliche, im Schauspiel II 5 ; im Zirkus
II 23.
Logik m 273 ff.
Lokalgottheiten III 142. 148. 172 ff. 176 ff.;
griechische Lokalkulte III 1870".
Lollia Paulina II 324.
Lollianus Avitus III 165.
Londinium III 18.
Longianus (C. lulius) III 70.
Lopodunum III 19.
Lorenzo de' Medici II 316.
loricata II 83, 10.
Lose bei Schauspielen ausgeworfen II 17.
Lotosbäume I 462 ; Lotosfrucht II 307.
Lots Weib als Salzsäule I 456. 457.
Lousanna III 8.
Lucan, Verhältnis zu Nero I 76. II 217; Schüler
des Cornutus III 277; Dichtungen 11 197; Im-
provisator II 198; Pantomimentexte U 125;
in der Schule gelesen II 192. 194; Beschrei-
bung einer Totenbeschwörung III 321; Schil-
derung von Troja I 419; Genethliacon Lu-
cani II 246, 6.
Lucian, Reisen I 3S2; Lehrer der Beredsam-
keit I 181: die Schrift über die Bilder I 66;
REGISTER
349
über die Klienten I 231 f.; über Alexander
von Abonuteichos III 163 ff.; Lügenfreund
in 318; über Theokrasie III 139. 189; Stel-
lung zur Religion III 128, zur Philosophie
in 258 f.; gegen die Kyniker III 2651.; über
die Christen III 226 f. 234; über bildende
Kunst III 102 ; Kunstsinn III 116.
P. Lucilius Gamala III 71. 192.
Lucilius Junior I 151. III 270, i. 309.
Lucilius Longus III 73.
Lucina III 180; Krypten der Lucina III 231.
Lucrez, Glaubenshaß III 120; Unterweltsvor-
stellungen III 313.
Lucrezia ßorgia U 317.
Lucrio III 148.
LucuUus II 267. 281. 2S8. 306. 336 f.; luculli-
scher Marmor 11 329.
ludi, Gladiatorenschulen II 65 f. ; ludi und mu-
nera II 96, 2; Indus matutiniis II 65, 7. 77;
ludus bestiariorum 11 77, 9; Verurteilungen
ad ludum 11 54.
Ludwig XIV., Bauluxus II 336, I. 341; göttlich
verehrt III 152, 5.
Lugdunum (Lyon) III 6; Brand III 28 f.; Was-
serversorgung II 374 f, ; Vatikan III 21; Sta-
tuen III 69; Export von Tongeschirr I 378 f.;
Märtyrer III 218. 220.
Lugdunum Convenarum III 210.
Luna (Carrara) I 398. II 329 f. III 88.
Lupanaria beim großen Zirkus II 23.
Luperkalienfest III 185.
lusiones II 96, 2.
Lusitanien II 310. 311.
Lutetia III 6 f.
Luther über den Luxus 11 279, 3.
Luxorius, Bilderbeschreibungen III 46.
Luxus II 263 ff. ; des Reisens I 341 ff.
XuxvdiTTpiai der Isis III 169, 2.
Lycien III 1 6 f.
Lycomedestöchter, sogen., Statuen III 40.
Lykaios Zeus, Menschenopfer III 185,
Lymfaini78.
Lyra 11 161. 166. 169. 171.
Lyrische Poesie gesungen II 161 f.
Lysander, bei Lebzeiten heroisiert III 150.
Lysistrate I 65 f.
Lystra, Apostelbesuch III 154.
Lyzeum auf Hadrians Villa 11 340.
Macedo HI 263.
Macedonien UI 17.
Madaura III 9.
Madeiragruppe I 390.
Mäcenas, Gedichte II 215; unterstützt Dichter
II 237; Verhältnis zu Horaz II 237 f.; sog.
Auditorium des Mäcenas II 227, 6.
Mäcius Geier II 242. 245.
Mädchenerziehung I 2678".; Musikunterricht
der Mädchen II 183.
Männertoga I 241.
Märchen I 267.
Märtyrer, heidnische III 238; christliche, Anzahl
III 222; Gräberkult III 240.
Maes Titianus I 369.
Mästen der Hühner 11 282. 294, l.
Mafia I 355 f.
Magazine und Läden in Rom I 14 f.
Magnolie II 346.
Mahlzeit, letzte, der Gladiatoren 11 72.
Maja-Rosmerta III 143.
Majestätsverbrechen der Christen III 217.
Mailand s. Mediolanium.
Mainz III 3; Wasserleitung II 375; Niederlas-
sung römischer Kauf leute I 373 f. ; Juppiter-
säule III 84.
Majolika II 349.
Mais II 307.
Makkabäus, Simon III 206.
Malabathrumöl II 320.
Malaria in Rom I 29.
Malea, Umschiffung I 337.
Malerei, von Römern getrieben III 103 f.; im
Dienste der christlichen Kirche III 46; Mal-
unterricht III 108; Malerei an Tempeln IQ
79; Privilegien der Maler III 44; Sklaven
in 100; Malerinnen ni 104. 108.
Mallos, Traumorakel III 53. 166.
Malta I 425. III 193.
Malviventi I 355.
Mamäa I 304. III 250.
Mamurra II 329.
Mandarine (Frucht] II 308.
Mandeln II 306.
Mandragora I 194.
Mandulis, Gott III 178.
Manen III 313. 322.
Manilius Vopiscus II 245, 8. 249. 339. III lio.
manipretium III 10 1.
Manöver, militärische, im Zirkus 11 24 f.
Mansiones I 328 f.
Manteltanz II 128.
manticularii negotiatores I 373-
Mantik III 157.
ad manum cantare II 122, 4.
Mappa II loi.
Maraschino II 308 f.
Marathon, Erinnerungen I 454; Gemeinplatz
der Sophisten II 257.
Marc Aurel, Freunde I 75. 77. 78. 80; Frei-
gelassene I 66; Gastmähler I 100; in Ägyp-
ten 1 429. 442 ; Beschäftigung mit Philosophie
I 33 f- 299- in 250. 253. 258. 263 f. 272;
Gedichte II 219; Unterricht in Musik und
Mathematik II 182; Malunterricht III 108;
Fürsorge für die Städte Italiens III 32; Sta-
tuen III 61; Pessimismus III 326 f.; Frömmig-
keit III 123. 127. 129. 164 f. 221; Glaube au
Träume III 167. 170; Regenwunder III 156;
Fremdkulte III 138; Stellung zum Christen-
tum lU 220 f. 233 f.; als Gott verehrt III 151.
Marcella, Gönnerin Martials II 243.
Marceller, Statuen III 67.
Marcellinus (Tullius) III 281.
350
REGISTER
Marcia, Maitresse des Commodus I 66 f. 304.
ni 56. 221. 228.
L. Marcius Philippus I 223 f.
Marderfell als Kleiderfutter II 314.
Maria, Sklavinnenname in Pompeji III 208.
Maria von Medici II 325.
Mariccus III 150.
Marin, Koch II 298.
Marion de Lormes II 326.
C. Marius, Villall 336; als Gott verehrt III 150.
S. Marius, Freund Tibers II 343.
M. Marius Gratldianus III 71.
Marius Priscus I 130 f.
Markt der Naturwunder II 369.
Marmelade I 379, 9.
Marmogius, Gott III 143.
Marmor als Baumaterial II 327 ff. ; seine ver-
schiedenen Arten II 328 ff. ; thasischer Mar-
mor III 88 f. ; prokonnesischer Marmor III
88 f. 90, 2; Marmor nkrustation II 329.
332; eingelegte Marmortafeln 11332.339;
Marmorlager am Aventin II 333 f. III 87.
88; Marmorbrüche von Luna (Carrara) II
329 f. III 88; von Naxos III 88; in Panno-
nien III 45. 88 f.
Mamas von Gaza, Gott III 141.
Mars III 180; Tempel und Statuen in Rom III
37. 195; in Gallien III 143. 176. 195.
Marsfeld I 6. 8 f.
Marsyasstatue III 21.
Martha, Sklavinnenname in Pompeji III 208.
Martial, Armut I 155 f.; Charakter II 243 f.;
Gönner II 240 flF.; Frömmigkeit III 190;
Weingut bei Nomentum II 243. III 190; Ver-
hältnis zu Statius n 247 f. ; Improvisationen
II 198; Naturgefühl I 466 ; gern gelesen 11
195-
Martres-Tolosanes, Funde III 33.
Marullus, Mimograph 11 117.
Maschinen im Amphitheater II 90 f.
Masken der Tragöden 11 121; der Pantomimen
II 130 f.
Massenkämpfe von Gladiatoren II 76.
Massenproduktion in der bildenden Kunst III
44 ff. 81. 99 f.
Massilia, Öl- und Weinbau 11 311; Studiensitz
I 381. III 268; Juden III 211.
Materialismus III 299 ff.
Maternus, Räuberhauptmann I 352.
Mathematik, in Alexandria I 436, 11; der Pla-
toniker III 273; von Frauen getrieben I 298.
Matres, Matronae III 143. 241.
Mattiacum, Vatikan III 21.
matutmus ludiis II 65, 7. 77.
Mauren im Amphitheater 11 88; maurische
Fürsten als Götter verehrt III 143; mauri-
sche Götter III 142. 143.
Mausoleen II 363.
Maximaltarif Diocietians I 379. III 44. 100.
Maximian, Kaiser 11 373. III 54.
Maximinus, Kaiser III 54. 59. 61; Belagerung
von Aquilejalll 160. 177; Christenverfolgung
III 221 f.
Maximus, Philosoph III 281.
Maximus, Freund des Aristides I 108.
Maximus von Apamea, Dichter III 70.
Maximus von Tyrus, Dämonenlehre III 125 f.;
Geisterglaube III 3 18 f.; Verhältnis zu Arte-
midor III 168.
Maximus (P. Alius Severianus) HI 164, i.
Maximus (Cassius) III 168.
Maximus (Claudius) III 271.
Maximus (T. Flavius), Philosoph III 280, 2.
Mazarin II 271. 289.
Medaillonbilder II 61.
Medaurus, Gott III 142.
viedica (Futterpflanze) II 307.
Medikamente von Ärzten bereitet I 200 f.
Mediolanium III 4: Studiensitz I 381; Synagoge
III 209.
Medizinische Schule in Alexandrien I 436.
Meeresufer I 471 f.
Mefitis m 180.
Megalopolis, Panstempel III 173.
Megarischer Stein (Muschelkalk) III 88.
Mehadialll 178.
Melanchthon über Poesie II 262.
Meleagris (numidisches Huhn) II 285, 6. 305.
Meles, Flußgott III 176.
C. Melissus II 197.
Melitene III 15.
Melodie und Text II 163 f.
Melos, Juden III 204.
Memmius Regulas II 240.
Memnon, Geschichtschreiber III 115.
Memnonsäule I 439 ff.
a memoria I 61.
Memphis in Ägypten I 438; Orakel HI 162;
auf der Villa Severs I 428. II 340; Stein von
Memphis III 86; memphitica signa III 86, 4.
Memphis, Pantomime II 142.
Menagerien II 79.
Menander, in der Schule gelesen II 191.
Menecles, Kitharöde II 177.
Menecrates, Kitharöde 11 177. 179. 184.
Menecrates (Ti. Claudius) I 71. 199. 207.
Menecrates (Julius) II 245, i.
Menophantos III 95.
Menschenfresserei I 349.
Menschenhaß der Juden III 200. 213, und Chri-
sten III 200. 218. 219.
Menschenopfer III 188.
Tklenschenraub I 353.
Menschenvergötterung III 148 ff.
Menschikow, Fürst II 271.
Mentor, Toreut III 1 11 f.
Mercurius III 188; und Rosmerta III 143; Ko-
loß in Clermont III 79. 91. loi.
Merida s. Emerita Augusta.
mcridiani II 77, 12. 96 f.
Merkwürdigkeiten in Tempeln aufbewahrt I
445 ff-
Meschag, Juden III 203.
laeai'xric, Mithras III 147.
Mesomedes II 177. 179. 184.
REGISTER
351
Mesopotamien, Juden III 202. 205 ; wilde Tiere
II 82.
Messalla, Lobgedicht auf ihn II 239.
Messer der Wagenlenker II 47, 9.
Messina, Juden III 20g.
L. Mestrius Florus III 270.
Metallausfuhr II 319.
Q. Metellus Pius II 288.
Metrodor, Philosoph II 282. III 324.
Metrodor, Maler III 49.
Metronax III 273.
Metz, Wasserleitung II 375.
Meutereien der Gladiatoren II 71.
St. Michael III 241, 9.
Michael Apostolius III 239.
Midrasch III 209.
Mieten von Kleidern II 318; Mietfuhrwerke I
330 f. ; Mietwohnungen in Rom I 22. 127.
Miguelisten I 357.
Milchkur I 387.
miles im Mithrasdienst III 146.
Milet III 14; Apollo III 195; heiliger Weg
nach Didyma III 30, 11.
Mileu III 9.
Militärärzte 1 190 f.; Militärgerichte I 218 ; Mili-
tärkolonien 1 362 ; Militärposteu bei Tempeln
III 195; Militärwache im Schauspiel II 9.
144.
militia equestris I 148 f.; militiae petitores I 149.
222; a fiiilitiis I 149, 2. 222.
Millionäre, moderne II 272 f.
Milo, Schauspiele II [o; Reise I 341.
Mimosa II 345.
Mimus II Ii3ff. ; Mimographen II 117 f.
Mineralwasser zu Bädern II 335; Versand I 363.
Minerva III 180; von Domitian verehrt II 230.
III 137; medica von Cabardiacum III 172;
Sulis von Bath III 143 ; Minervenfest auf dem
Albanum II 230.
Minicius Fundanus III 270.
L. Minicius Natalis II 159.
Minorca, Juden III 210.
Minturnä I 400.
Mischlingsbevölkerung Roms I 233.
missilia II 17, 5.
rnissio der Gladiatoren II 741.
Mißhandlungen der Götter- und Heiligenbilder
III 1961.
Mitgenuß der Armen am Vermögen der Rei-
chen II 377.
Mitgift I 293.
Mithras, Sol III 141; Mithrasdienst III 146 f.
189; Reliefs III 83. 89,3. 94.
Mittagspause im Schauspiel II 49. 96 f.
Mittelmeerfahrten I 335 f.
Mittler, Mithras III 147.
Mnasibulos, Athlet II 159.
Mnestcr I 62. 289. II 141.
Modelle, weibliche, der Bildhauer III 104.
Moderne in der Literatur II 192.
Mörissee I 443.
Mösien III 20.
Mohren als Gladiatoren II 53.
Moloch-Saturn III 141.
Monarchie und Literatur II 213 ff.
|uovri|uepiov II loi.
Monimus von Edessa, Gott III 141.
Monolithe II 329.
Mons lactarius I 387.
Monstrekonzerte II 171.
Montanismus III 221.
Monumente der Gladiatoren II 62. 74, i; des
Zirkus II 27.
Mopsuestia III 16.
Mopsus, Traumorakel III 163. 166.
Moralphilosophie III 246 fr. 266 fr. 276 fr.
Morgenbesuche der Klienten I 226 f.; der Ge-
sellschaft I 238 fr.; Morgenempfänge der
Kaiser 188 fr., der Vornehmen I 226 f. 238fr.;
Tierhetzen am Morgen II 77.
Mosaikfußböden II 330. 339. III 33. 34. 46;
Gleichheit der Gegenstände III 96; Gladia-
toren II 74, i; Athleten II 159, 11; Mosaik
von Palestrina I 427. 438.
Moschus, Freigelassener I 42.
Moschus, Räucherwerk II 327.
Moselgegend, Weinbau II 312; Villen III 34;
Grabdenkmäler II 363.
Moses III 155.
Motya, Höhe der Häuser I 6, 6.
Mucianus begünstigt die Juden III 212.
Münzen, römische, im Ausland gültig I 364;
Münzeinheit I 364; römische Münzfunde in
Indien l368f., in Norddeutschland I 371, in
China I 369; Schauspiele auf Münzen II 14;
Münzen für den Totenfährmann III 314;
Münzsammlungen III 109, 3; Münzver-
schlechterung II 355; Münzwerte der Re-
naissance II 270, 4. 271, I. 331, 6. 341, I.
Mütter (Matres, Matronae] III 143. 241.
viulieru7ii senatus I 2S0.
tnulio perpetiiaritis I 331.
mullus (Seebarbe) II 289.
Mumienporträts III 561.
P. Mummius Sisenna Rutilianus UI 164.
Mundschenken II 368.
mundus III 317.
viuncra I 13, 8; viunera und hidi I 96, 2.
Munizipien, Wohlfeilheit I 19; Sittenstrenge I
20; Schauspiele II 102 fr.; Munizipalpatrio-
tismus III 21. 241.; italische Munizipalkulte
111 186 f.; Munizipale in Rom mißachtet ;I
112 f.
Murdia, Lobrede auf sie I 311.
Murmillones II 73.
Murrhagefäße II 347. 348.
Mursa III 20.
Mus peregrinus II 313, 10.
Musäus (Aurelius) II 177.
Muscheln als Speise II 282.
Museen in Tempeln I 445.
Musik und Poesie II 161 fT. 177; heilige und
profane Musik II 174; bei Gastmählern I
253; in Alexandria I 434. II 169 f. 172; im
Amphitheater II 73 ; im Pantomimus II 1 26 f. ;
Musiker I 172 f., bei den Frauen beliebt I
352
REGISTER
289; Musikantinnen II 169. 176; Musikkorps
II 173; Musikliebhaberei IllSiff. ; Musik-
unterricht II 181 f. 190; der Mädchen I
289 f.
a niusio I 55) H-
Musonius Rufus I 298. III 250. 252. 268. 273.
277. 281. 2S4.
Musselin II 313.
Musterbücher der Künstler III 94, l.
Mustius, Architekt III 105.
mutationes I 328.
Mutina III 5.
MyiagrosIII 188.
Mykonos, Statuenraub III 36.
Myron III 110. 111,4.
Myrrhe II 306. 358.
Mystagogen I 452, 4. 6.
Mysterien, eleusinische und samothrakische I
385 f.; Unsterblichkeitslehre III 309.
Mysticus, Pantomime II 142, 6.
Mytilene I 415; Erdbeben III 29.
N.
Nabobs der römischen Republik II 267 ff.
Nachahmung von Edelsteinen II 322 f.
Nachbildungen von Architekturen und Land-
schaften II 340.
Nachtfeste IL 15 f.
Nachtreisen zur See I 335.
Nachttöpfe aus Edelmetall II 352. 354.
Nachtwachtdienst in Rom I 21 f.
Nacktheit der Schauspielerinnen II 115.
Namenwesen 1 103 ; ritterliche Namen der Frei-
gelassenen I 48; Sklavennamen I 65, l. 10.
67, 9. 103; Polyonymie der Adligen I 120 f.;
Künstlernamen II 26, 4. 69. 133. 141.
Nansberger Märtyrer III 145, 6.
Napoleon I., Bildnisse III 58, 8. 64; göttliche
Ehren III 152, 5.
Narbo III 6. 334; Brand III 31; Juden III 210 f.
Narcissus, Freigelassener I 41. 45. 48. 50. 55 f.
II 154. 269. 270.
Nardenessenz IE 320.
Namia III 187.
Naron, Synagoge III 206.
Narrensteuer der Astrologen I 211.
Nasidienus II 286.
Naturgefühl I 459 ff.; Naturgenuß I 465. 11 376;
Naturbeschreibung I 483 ff. ; Begriff der Na-
turschönheit I 469. 471. 478; Naturwunder I
499. II 369; Naturseltenheiten in Tempeln
I 447 f.; Naturphilosophie III 275 f.
Naukratis III 10.
Naumachien II 92 ff.
naves vagae I 329.
Naxos I 414.
Neapel I 40of. III 5. 25; Höhe der Häuser 1
6, 6; Erdbeben III 29; Augustalien II 228;
Juden III 208.
Neapolis in Niedermösien lU 21, II.
Nehalennia III 176.
Nehardea, Juden III 202.
Nemausus III 6. 65; Quelle I 461, 2; Wasser-
leitung II 374; Amphitheater II loS; Basilika
Hadrians III 31; Kapitol III 21; Lokalgott
III 177 f.
Nemea III 62.
Nemesianus, Dichter II 235. 250.
Nemesis II 58, l. III 195.
Nemetona III 142.
Nemisee I 405.
Nereidensarkophage III 311.
Nero, Kaiser, Freigelassene I 41 f.; Freunde und
Gesellschafter I 79. 80. 87; Empfänge I 93.
95; Reisen I 341 f.; Expedition nach den Nil-
quellen 1 393; Plan der Isthmusdurchstechung
I 336; Münzverschlechterung I 364; Schau-
spiele II xf. 2of. 52. 92. 144; begünstigt die
Grünen II 35. 37; Vorliebe für Athletik II
151; neronischer Agon II 147. 176. 217. 228;
Luxus II 266. 288. 323. 347; Goldenes Haus
II 335; Koloß II 335. 336. in 82. 91. loi;
Porträtbild III 54; Plünderung Griechen-
lands III 36; Bauten III 30; Dilettantismus
in bildender Kunst II 176; Musikunterricht
II 185; Auftreten als Komponist und Ki-
tharöde II 181. 185 f., als Tragöde II 123.
III 75; Dichter II 2i6ff. 227; 'IXi'ou äXuuöK;
II 217, 5; Nero und Lucan II 217; unter-
stützt Dichter II 236; Lobgedichte auf Nero
II 197. 236 ; Stellung zur Philosophie III 250.
283, und Rhetorik I 33; religiöse Stellung
III 145 ; Geisterbeschwörungen 111321; Chri-
stenverfolgung III 219; Bestattung II 359 f.;
neronischer Brand I 4. III 219.
Neroneen II 147 f. 176. 217. 228. 230.
NeruUinus III 174.
Nerva, Milde I 84; Anregung zu Bauten lU 28;
Gedichte II 2x8; Gönner Martials II 241.
Nervische Mäntel I 379.
Netzwerk I 23.
Neuattische Bildhauerschule III 94, 2.
Neujahrsgeschenke I 90.
Neuigkeitskrämer I 255.
Neukarthago, Silbergruben II 351.
Neumagen, Grabdenkmäler II 363. III 53.
Neupythagoreismus III 294, 2.
Nicäa III 14. 22 f. ; Erdbeben HI 29.
Nicanor (Julius) I 85 f. III 70.
Nicetes, Bauten III 25 f.
Nicolaus aus Damascus I 86.
Nicomachus Flavianus III 237.
Nicomedes (L. Aurelius) I 47, 9. 49.
Nicomedia III 15. 22; Brand III 28; Erdbeben
III 29.
Nicopolis II 145 f. III 18.
Nicostratus II 158.
Nigellus, Fabrikant von Bronzewaren I 378.
Nigrinus III 283.
Nikaaufruhr II 36.
Nikestatuen geweiht III 38, 4.
Nikolaiten in Pergamum III 226.
Nil I 426; Katarakten I 443 f.; Quellen I 393;
Nillandschaften in der bildenden Kunst I
426 f.; Nilzölle III 205.
REGISTER
353
Nilpferde, ausgerottet II 82.
Nimes s. Nemausus.
Nisibis, Juden III 202.
Noahs Arche auf Münzen III 203.
Nobilität I 115.
Nodon, Gott III 179.
Nomenklatoren I 239. 11 368.
Nomentum, Gut Martials II 243. III 190.
nomismaia II 16, 12. 17, 6.
Nomius, Freigelassener I 40.
Nomius, Pantomime II 124. 129.
Nonnus, Beschreibung eines Pantomimus II
128. 130. 131.
Nordische Länder, Reisen I 370 ff.; Fabeln
über sie I 394.
Noreja, Göttin lU 142.
Noricum III 19 f. 142.
L. Norbanus Appius Maximus II 242.
Nortia III 186.
Nova III 20.
Novius Blesamus, Bildhauer III 91.
Novius Vindex 11 245, 8. 246. 250, 4. in 1 10.
113;
Nuceria III 4. 29.
Nüsse als Spielzeug I 266.
numen, Gespenst III 319.
Numenius I 68.
Numidien, Steinbrüche II 333. 344; Bären 11
78; numidisches Huhn (Meleagris) 11 285, 6.
305; numidischer Marmor II 328. 330. 339.
Numitemus III 187.
Numonius Vala I 442.
nux calva II 306.
Nymphäen I 13. II 373.
Nympheninschriften III 178 f.
o.
Obelisken im Zirkus I 424. U 23.
Oberkämmerer I 37. 59 ff.
Obervestalinnen, Statuen III 74 f.
Obsequens (Julius) III 157.
Obstkultur II 305 ff.
Obszönität der ägyptischen Tänze I 438; des
Mimus II 1 13 ff. ; auf Sarkophagen III 302, i.
Occupo III 148.
Oclatinius Adventus I 116. 123. 11 207.
Ocriculum III 5. 187.
Octavia, Schwester des August I 295. 298. II
246.
P. Octavius n 289. III loi.
ocularii III 99, 3.
Odaenathus Im.
Odeum Domitians II 148. 176; der Regilla in
Athen III 27.
UJÖoi n 175, 12.
Odysseus in Barbarenländern I 451.
Odipodeische Verbindungen der Christen III
218 f.
Öffentlichkeit des geselligen Verkehrs I 25off.
Ölkultur II 306. 3 10 f.
Offenbarung Johannis III 217.
Friedlaender, Darstellungen. III. 9. Aufl.
Offenbarungsglaube fehlt im Altertum III 214.
224. 246. 322 f.
officia I 238. 274, II.
officinae der bildenden Künstler III 98, 4;
Distrikte in den Bergwerken III 89.
Offiziersdienst der Senatsaspiranten I 136 f.;
der Ritter I 148 f. 222.
Ohren als Weihgeschenke III 172; Ohrgehänge
II 323.
Oktoberroß III 185.
Olivenkranz, goldener, als Preis II 230.
Olympia, Reise dahin I385; Statuen 11136.
62; Wasserleitung III 26; Ehren der Sieger
n 158. in 149. 174; römische Olympiasieger
, III 153,1- 159-
iu|uoqpaYia III 189, 3.
öveipOKpiTri(; der Isis III 169, 2.
Onias, Hohepriester III 205.
onyx, orientalischer Alabaster II 333.
Opal II 321. 322.
Opellius Macrinus I 153.
Opfer III 190 f.; an Gräbern I 454; Verbrauch
an Opfertieren III 191; Opfersporteln HI
191; Opferkasten III 191; stellvertretender
Opfertod I 309.
ophites n 333.
Oppianus II 237.
Opuntienkaktus II 346.
Orakel, ihr Verfall und ihre Wiederherstellung
m 161 ff.; Orakelglaube III 156 f. 161.
Orbilius Pupillus III 69.
orbitas I 246 f.
Orchestermusik II 167. 170 f.
Orchideen II 346.
Orchomenos, Agrionien III 188.
Ordo salutationis I 96.
Orgeln II 165. 175. 185.
Oricum III 26.
Orient, Luxuswaren 11 319; Wohlgerüche II
326; Musik II 169; Metallausfuhr nach dem
Orient II 319 f.; Aufhören der Gladiatoren-
spiele im Orient II 100; Nachahmung der
orientalischen Höfe I 94; Orientalen in Rom
I 18.233; iii^ Hofdienst I 37 f.; in der Garde
I 220; orientalische Kulte I 300 ff. HI 135 ff.
144 ff. 189.
Origenes, Glaube an vorbedeutende Träume
m 166.
Originalpokale III lii.
Orleans, Juden III 211.
ornamenta I 138 f.
Orontes, Villen III 11. 32.
Orpheus im Amphitheater 11 91 f.; orphische
Goldblättchen II 305; orpbisch-pythagorei-
sche Jenseitsvorstellungen III 303 f.
Ort der Frommen III 306.
Orthia, Artemis III 188.
Orthodoxie, heidnische III 129 ff.
Osiris III 140. 189; spendet das Wasser des
Lebens III 305.
Ostia I 3981. 421. III 5; Leuchtturm III 30.
31; Statuen III 81.
Ostindien, Ziel von Handelsreisen I 366 ff.
354
REGISTER
Ostpreußen, römische Münzfunde I 371.
Otho, Freigelassene und Sklaven I 42. 64. 69;
Freunde I 72. 76. 84; Empfänge und Gast-
mähler I 93. 97; Schulden I 133; Gladiato-
ren II 66. 70; Bauten II 336.
Ouvertüre II 161.
Ovid, Abkunft I 55; Stieftochter Perilla I 295.
296 f.; Liebeskunst I 286; Reise nach Tomi
^ 334- 33Ö' 337 f-) Besuch von Sicilien I 408,
von Athen I411; Naturgefühl I485; seine
Berühmtheit II 209; rhetorisch beeinflußt II
205; seine Gedichte getanzt II i62f. ; über
den Götterglauben III 119.
Q. Ovidius, Freund Martials II 241. 243, 3.
P.
Paccius III 270, 10.
Paccius Antiochus I 206.
Pachtwirtschaft I 214.
Pacuvius, Maler III 103.
Pädagogium, kaiserliches I 63.
Paelignus, Julius I 88.
Paestum, Rosen II 345.
Paetus Thrasea 11 183. III 251. 281.
paganus, Heide III 237.
Pagen I 63.
irai&eia, dvbpicxc; tx\c, iraiöeiac; III 73, i. 90, 5.
Palaemon, Remmius I 178.
Paläste, römische II 331 ff.; der Senatoren I
123; der Parther und des Lateranus I 80;
Palastwache 1 91 f. ; moderne Paläste II 340 ff.
Palästina I 421; Kunst III 86 f.
palaestritae II 153, 9.
Palatinische Venus II 328.
Palatium, Statuen III 74.
Palermo, Statuen III 70 ; Juden III 209.
Palfurius Sura II 6. 147. III 262.
Paliken I 408 f.
Pallas, Freigelassener I 41. 45. 47. 48. 49. 5of.
53. 56. II 269.
Pailiata II 119 f.
Palma (Cornelius) III 74.
Palmen I 427.462.487; Siegespreis für Wagen-
lenker II 25 ; Erklettern der Palmen in Ägyp-
ten I 428.
Palmyra III il. 31; Statuen III 75; Kunst-
betrieb III 83; Juden III 202.
palus II 6g, primus und secutidus II 69, 10.
Pammenes, Astrolog I 211.
Pammenes, Tragöde III 75.
Pamphila I 298, 2.
Pamphylien, Städte III 1 5 f.
Pan III 173. 196; Tod des großen Pan I 87.
III 124.
Panätius III 161. 302.
Panamahüte II 314.
Panamaros, Zeus III 173.
-rravöoxeTa I 346, 3.
panem et circenses I 434. 11 2. 38.
Panias III 173.
Pannonien III 20; Juden III 211.
pannus = Zirkuspartei II 34, 5.
Panopeus I 410.
Panthea I 66. II 183.
Pantheon III 31.
Panther II 78.
Panticapäum, Juden III 204.
Pantoffelregiment I 278.
Pantomimus II 1 24 ff. ; im Amphitheater II 91 f. ;
in Privathäusern II 136. 138; Pantomimen
bei Hofe I6if.; bei den Frauen beliebt I
289 f.; ausgewiesen II 144; Musik im Panto-
mimus II 126. 170. 172.
Paphus III 29. 162.
Papinian I 153.
S. Papinius II 307.
Papirius Fabianus III 269.
Papyrushandel I 377. 432.
Paraderitt der Ritterschaft I 146. 147.
Paradiese der Vandalen bei Karthago I 471.
Paradoxoniken II 158.
Parasiti Apollinis II 139, 7.
parens als Anrede I 76 f.
Parentalien III 317.
Parentium III 5.
Parfümerien II 326.
Paris (Lutetia), Juden III 211.
Paris, Tänzer I 62. 289. II 125. 127. 131. 141.
142. 232.
Parisurteil als Pantomimus II 134 f.
Parium, Statue des Alexander von Abonutei-
chos III 165; des Peregrinus Proteus III 293.
Parkettboden von Rosenholz II 350.
Parks II 345. 376; bei Tempeln I 445 f.; Bild
eines Parks I 475; Parkomanie II 345.
Parma III 5.
pannularius II 75.
Pamy, Götterkrieg III 128.
partccta II 22, 2.
Parteien im Zirkus II 32 ff. ; im Amphitheater
II 75 f.; im Theater II 142 f.
Parthenius, Kämmerer I 45. 48. 60. 11 241.
254-
Partherreich , Beziehungen zu China I 369 f. ;
Juden III 22; Parther im Amphitheater II
53. 88.
Pasiphae im Amphitheater II 92. 134.
Pasiteles, Bildhauer III 52. iii,
Passennus Paulus II 249, 8. 252.
Passio SS. IV Coronatorum III 45. 88 f.
Patavium II 211. III 4. 162.
pater als Anrede I 77 ; im Mithrasdienst III
\\(i\ pattr patrtim III 146.
Patmos, Artemisbild III 239.
Paträ, Dionysoskulte III 187; Artemis Laphria
III 187.
Patriarch von Jerusalem III 212.
Patrizier, Sonderrechte I 137; Aussterben I
118, 10.
Patrobius, Freigelassener I 42. 47.
Patrone der Munizipien III 27; Statuen III 67
70. 75. 76.
Pauke II 165. 171,
Paulina I 302.
Paulina, Gattin Senccas I 309.
REGISTER
355
Paulus, Apostel, Seereise I 336. 424, i. 425;
Erlebnis zu Lystra III 154; in Korinth UI
223. 226. 230; geplante Reise nach Spanien
III 210; angebliche Beziehungen zu Seneca
III 235 f.
Paulus (Sergius) III 271.
Paulus Petrus (M. Annaeus) III 236.
Pausanias, Reisen I 380; Kunstverständnis III
116; Gläubigkeit III 128. 173; Geisterglaube
III 320.
Pausanias von Cäsarea II 258, 3.
Pausilypon bei Neapel I 52. 156. 401; am See
von iiracciano I 470.
Pavonazetto (phrygischer Marmor) II 330. 333.
340-
Pedanius Secundus U 367.
Q. Pedius, Maler III 104.
Peitan Elazar JII 208.
Pelago, Freigelassener I 41.
Pelzkleider II 313 f.
Penaten III 148.
Peregrinus Proteus 11 348. III 112. 226 f. 270.
291 ff. 319.
Perennis I 60 f.
perfectissivius I 154.
Pergamum III 14. 25; Gladiatorenschule I 66;
Asklepiostempel III 106, 4. 169; Nikolaiten
III 226; Christenverfolgung III 217.
Perge III 15.
Periegeten I451 f.
Perilla, Ovids Stieftochter I 295. 296 f.
Peripatetiker III 271,
Periplus maris Erythraei I 368.
Perlach III 19.
Perlenluxus II 317. 320. 323 f.; Perlen in Essig
aufgelöst II 275 f.
Perlhuhn (numidisches Huhn) II 285. 305.
Persa, im Mithrasdienst III 146.
Persische Einrichtungen als Vorbilder der römi-
schen I 329; Sitte des Kusses I 94; Geheim-
polizei I 256.
Persius, Schüler des Cornutus III 272. 277;
Vermögen I 156.
Personifikation der Naturerscheinungen I 459.
Pertinax, Kaiser, Laufbahn I 104. 129. 130.
132. 175 f. 222 f.; Charakter I 70. 219; Frei-
gelassene I 44; Empfänge und Gastmähler
i 97- 98.
Pescennius Niger I 21g. 223.
Pessimismus III 325 ff.
Pest unter Marc Aurel und Commodus I 31.
Petra III 13; Dusares III 141.
Petrarca, Glaube an heidnische Orakel III 162.
Petron, Lebensende III 281.
Petronius Aristocrates III 277.
T. Petronius Taurus I 223.
Pfau II 285, 6. 7. 294. 305.
Pfeffer II 308; Pfefferbaum II 346.
Pfeifen II 169.
Pferdezucht II 30 ; Pferdeversand 1 363 ; Pferde-
namen II 30, 10. 31, 2. 32, 4.
Pfirsich II 307. 310.
Pfirsichmandel II 307.
Pfirsichnußapfel II 307.
Pflasterung der römischen Straßen I 319 f.
Pflaume II 306.
Pförtner I 239.
Pfropfen U 309.
Phantasiemarmor II 332.
Pharisäer III 215.
Pharos I 425 f.
pkasianus (Fasan) JI 285 f. 305.
Phidias III HO. iii.
Philadelphia in Lydien II 378 f.
Philagrios II 258, 3.
Philippi, Juden III 204.
Philippopolis in Syrien III 13.
Philippopolis in Thracien III 17.
Philippus, Kaiser, Säkularspiele II 14. 15. 83.
149. III 222.
Philocalus, Kalender III 185. »
Philologen am Hofe I 87.
Philopömen, vergöttlicht III 149.
Philosophen in Rom III 268 ff. ; am Hofe I 85 ff.
III 282 f.; als Jugenderzieher III 276 ff. ; als
Vorsteher öffentlicher Schulen III 283 ff. ;
ihre soziale Herkunft III 294; aus Rom ver-
trieben III 252; die letzten Philosophen HI
238 f. ; Verbreitung der griechischen Philo-
sophie in Rom III 249 ff. ; Beschäftigung der
Frauen mit Philosophie I 298 ff. ; Philoso-
phie als Erzieherin zur Sittlichkeit III 243 ff. ;
Gegensatz zur Rhetorik III 256 ff. ; Angriffe
gegen die Philosophen lU 2 60 ff.; Philoso-
phentracht III 255. 262 ff. 265; Büsten und
Statuen III 42. 74.
philosophi, Leiter des Bergbaus III 89.
qpiXoöTopf i'a I 261 f.
Philostrat, Biograph der Sophisten II 2581. ;
Apolloniusroman III 155; Kunstbeschrei-
bungen III 116; Geisterglaube III 320.
Philumene, Amme des Aristides lU 133.
Philumenos, Athlet II 155 f.
Phlegon, erwähnt christliche Wunder HI 234, 7.
cpoßou|Lievoi Tov Oeov III 215.
Phocäa, Juden III 203.
phoenicoptcrus (Flamingo) II 285, 6. 305.
Phönix I 427.
Pholegandros I 414.
cpujvaaKÖ<; II 177.
Phylen, errichten Statuen HI 71.
Physik (Naturphilosophie) III 275 f.
Picenum III 187.
Pierus, Pantomime II 124,
Pigalle, Bildhauer III iio.
pilae II 87, 20.
Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande I 456 f.
Pinie, die schöne am Ida I 462.
Piräus, Heiligtümer III 135, i.
Piraten I 335; in der Rhetorenschule U 202.
Pisidien, Städte III 15 f.
Piso s. Calpurnius Piso.
Pistazie II 307.
Pizarro II 268.
Placentia III 4. 172.
Plancina I 294.
23"
356
REGISTER
Planetennamen der Wochentage I 263.
Plarianus (Q. Egrilius) III 271. 280, 4.
Plastik, von Griechen betrieben III 103.
Platane I 462 f. II 346.
Plato, heroisiert III 149; Beweis der Unsterb-
lichkeit III 303; Dialoge aufgeführt III 272 ;
Phädon viel gelesen III 303. 316; Republik
von Frauen gelesen I 299.
Piatonismus, Dämonenlehre III 124 ff. ; Geister-
glaube III 318.
Platonopolis I 300.
Platten, vergoldete, an den Wänden II 334.
Plautianus I 91. III 66. 253.
Plautus (Rubellius), Stoiker III 251. 281.
Plectrum II 166. 176.
Plinius, der ältere, Laufbahn I 151; Studien-
sklaven n 367; Äußerungen über den Luxus
II 277. 278. 279. 287. 290. 304. 356; Kunst-
urteile III 107; religiöser Standpunkt III
121 ff.; gegen den Unsterblichkeitsglauben
III 298 f.; Pessimismus III 320; Glaube an
vorbedeutende Träume III 166 f.; Judenhaß
III 212.
Plinius, der jüngere, Vennögensverhältnisse I
I24ff. ; Reise I 337; Stiftungen für gemein-
nützige Zwecke I 126. II 377 f. III 27. 193;
Kult der Kaiserstatuen III 60; seine Frau I
296; seine Villen I 468 f. 473 f. II 337. 338;
dichterischer Dilettant II 250 f. 252 ff. ; Gön-
ner Martials II 233 f. 242. 244; über Rezita-
tionen II 226 f. ; religiöser Standpunkt III
127; Glaube an Träume III 185; Gespenster-
glaube III 319; über die Christen III 191.
219 f. 225. 232 f.
Plotina I 293. 298.
Plotinus I 300. 486. m 56. 272.
Plotius Firmus I 222.
Plutarch, Vorträge in Rom III 270, in Chäronea
III 278; besucht historisch merkwürdige Orte
I 456; verehrt die ägyptischen Götter III
i4of.; Dämonenlehre III 124. 319; seine
Gläubigkeit III I27f. ; Schilderung des Jen-
seits III 304 f.; über bildende Kunst III 102.
MS-
Pöninus, Juppiter HI 18 1.
Poesie, in Rom gering gewertet II 23 1 f. ; Poesie
und Rhetorik II 205 f., und Musik II l6lff. ;
poetische FärbungderrömischenProsall 205.
poetae novelli 11 220, z\ poeta Ovidianus, Vergi-
lianus II 251; poetarum schola II 248; die
Humanisten als Poeten bezeichnet II 262.
Poetovio III 20.
Poikile auf Hadrians Villa II 340.
Poitiers, Amphitheater II 108.
Pola III 5 ; Juden III 209.
Polemius Silvius, Kalender III 185.
Polemo, Sophist I 342. 350. II 256. 2581. 260.
Polen, Tafelluxus II 300 f.; Bauluxus II 341;
Luxus in Edelmetallen II 353.
Politik, Beteiligung der Frauen I293; politische
Demonstrationen im Schauspiel II 7 f.
Polizei gegen Räuber I 350. 351, 5; geheime
I 256 f.
Polla Argentaria, Witwe Lucans II 240. 242.
246.
pollice verso II 74, 8.
PoUius Felix I 402. 473. II 245, 8. 249. 255.
337. 338 f. III HO.
Polybius, Freigelassener I 41. 50. 54 f.
Polybius (P. Cipius;, Fabrikant von Bronze-
waren I 378.
Polyclet, Freigelassener I 41.
Polyclet, Bildhauer III 95. HO. 112.
Polygnot, Maler III 1 10.
Polyonymie I 120 f.
Polyphthongon II 167.
Polytheismus III 134 ff.
Pomeranze II 308.
Pomerium III 136.
Pompa circensis II 44 f.; gladiatorum 11 72 f.
Pompeji, Erdbeben III 29; Juden und Christen
III 208; Gräberstraße III 47 f.; Gladiatoren-
schule II 67 ; Gladiatorenspiele II 103 ; Dich-
terverse auf Wänden II 211; Dekorationsstil
ni 99 ; Stuckmalerei U 42 f. ; künstlerischer
Schmuck III 81; Ornamentik des Hausrats
III 46 f. ; Wohnungsdekoration III 42 f. ; Bild-
nisstatuen III 68; Postamente von Königen
III 37 ; Büdhauerwerkstätten III 9 1 ; Brunnen-
verzierungen III 42; Silbergefäße 11 356.
Pompejopolis, Hallenstraßen III 16.
Q. Pompejus Capito III 70.
Pompejus Flaccus II 310.
M. Pompejus Macrinus III 149, 6.
Cn. Pompejus Magnus, Schauspiele II 78. 81.
87. 145; Murrhagefäße 11 347.
Pompejus Paullinus 11 356.
Pompejus Satuminus II 252.
Pomponia Gräcina I 303.
M. Pomponius Bassulus, Palliatendichter II
"9, 3- 195-
Pomponius Bassus, Tragödiendichter II 249, 8.
P. Pomponius Secundus, Tragödiendichter 11
118.
pons naumachiarius II 93. 4.
Pont du Gard II 374. III i, 106.
Pontianus (Ti. Julius Optatus) II 304.
Ponticus II 245.
Pontinische Sümpfe I 353.
Pontius, Architekt III 91.
Pontius Leontius, Villa Burgus III 44.
Poppäal 63. 83. 302; Reisen I342; Bestattung
II 358.
Porcius Latro II 205.
Porphyr, roter II 333. 340; Brüche am Roten
Meer I 444. II 333. III 86.
Porphyrius, Wagenlenker II 35, 7.
Porta Libitinensis II 75, 10.
Porträtbilder III 54ff. ; Porträtmalerei III 56 f. ;
Porträtköpfe auf Sarkophagen III 310, 5;
Porträtbilder in Büchern lU 55; in Biblio-
theken II 223. III 55 f.; Porträtmedaillons II
355- I'^I 55) auf Feldzeichen III 61, auf Sar-
kophagen III 90.
Portus, Hafen von Claudius erbaut III 30 (s.
Ostia); Juden III 20S.
REGISTER
357
Porzellan II 347.
Posides, Freigelassener I 41. 46. 47. 49.
Posidonius, Reisen I 380; religionsgeschicht-
liche Bedeutung III 123, i. 124, i; über das
Fortleben der Seele III 302. 3. 303. 2.
Possenreißer am Hofe I 87 f.
Postschiffe I 329.
Potamophylacia I 151, l. III 205.
Potemkin II 271. 290.
Pothinus, Bischof von Lyon III 218. 220.
praecones I 171 f. 217.
Präfekten I 76. 149; Gardepräfekten [praefecti
praetorid] I 74. 76. 95, ihre Machtstellung I
149 f; Stadtpräfekten I 132; Präfekt der
Nachtwachen [praefectus vigilum) I 76; des
Postwesens [praefecti vehiailorum) I 329;
Präfekten der Auxilia I 148; praefectus ca-
strorum I 148. 222.
praemia militiae I 221, 5.
Präneste III 5; Statuen III 69. 70; Gladia-
torenschule II 65; Tempelorakel II 211.
praepositus sacri cubictili I 37.
Prätexta der Kaiser I 93, 2.
Prätoria, Absteigequartiere für Beamte I 329.
346.
Prätorianer I 91. 218. 219.
Prätur, zwangsweise verliehen 11 12; prätori-
sche Spiele II 11.
Pragmatiker I 181. 187.
Praxiteles III lio.
Preise der Luxusmöbel und -gerate 11 347 f.;
seltener Blumen II 346; der Bauten II 332;
von Statuen III 38. 100; von Grabdenk-
mälern II 362. 365 ; der Bäder II 375.
Priestertümer bei den actischen Spielen II 146;
beim kapitolinischen Agon II 149; ritterliche
Priestertümer I 154; Versteigerung von Prie-
stertümem III 191; Zuwendungen an Priester
III 195.
Prima Porta, Villa I 475.
Primipilaren I 221.
Princeps, Flötenspieler U 179 f.
princeps iuventutis 1 148; äiertmortimUI 2oS.g.
principium, Vorspiel II 176, 7-
Prinzenlehrer I 70.
Prinzessinnen, Porträtsvon orientalischen III 54.
Priscilla, Gattin des Abascantus I 50. 56 f. II
245, I. III 78.
Priscillakatakomben III 231.
Priscus, Philosoph III 281.
Priscus (Helvidius) III 250. 251 f.
Privatdenkmäler III 75. 77; Privatsammlungen
von Kunstwerken III 109 f.; Privatbäder II
376.
Probus, Kaiser, Spiele 11 52; fördert den Wein-
bau II 312.
Processus consularis II loi.
Procop über Justinians Bauten III 32.
Proculus, Prätendent I 354.
Prodigienglaube III 157.
Professoren, Reisen I 380. 3S2; Professur der
Beredsamkeit I 1 79 ff.
Programmusik II 168.
prokonnesischer Marmor III 88 f. 90, 2.
Prokuratoren I 35. 51 ff. 149, der Gladiatoren-
familien II 66, der Frauen I 276 ff. ; procu-
rator ab actis urhis I 255, i; castrensis I 52;
summi choragii II 90; ad elephantos II 83, 8;
a loricata II 83, lo; ludi II 65.
Proletariat I 158 f.
Prometheussarkophage III 311.
Properz, Berühmtheit II 209; Naturgefühl I
466; nachgeahmt II 252.
Prosa, poetisch gefärbt II 205 ; verdrängt die
Poesie II 220. 255 ff.
Proselyten, jüdische III 2 14 f.
Proserpinasarkophage III 311.
Proskynemata I 441, 2.
Prostitution beim großen Zirkus 11 23 ; in Gast-
häusern I 348 f.
TrpujTau\T](; II 175, 9.
Protesilaus. Heros III 320. 321; Protesilaus-
sarkophage III 311.
Provinzen, Wohlfeilheit I 19; Sittenstrenge I
20; Obstkultur II 310 ff.; römische Kauf-
leute in den Provinzen I 373 ; Provinzialkunst
ITT 92; Provinzialen in Rom I 15, mißachtet
I 105 ft"; Provinzialstatthalter erhalten gött-
liche Ehren III 150, Statuen III 66 fr.; Pro-
vinzialpriester, Statuen III 69.
Provozierende Agenten I 25 7 f.
Prozession bei Zirkusspielen 11 44 f.
Prügelstrafe in der Schule I 177. 179, 9; gegen
Schauspieler II 137. 139.
Pnmkreden II 204.
Prunkschiffe I 397.
p7-utms aviwn II 306.
Prusa, Bauten III 22.
Prytaneum auf Hadrians Villa II 340.
Psalmen in der Kirche gesungen II 187.
Ptolemäer I 94; begünstigen die Juden III 202.
205.
Ptolemäus Auletes II 268.
Ptolemäus Mennäi II 268.
Ptolemais in Ägypten III 10.
Ptolemais in Palästina III 12.
A. Pudens II 242.
Pudicitia im Vatikan III 95.
pueri eminentes I 85.
a pugione I 61, i.
Punktierverfahren bei Statuenkopien III 95.
Puppen I 266.
Purpur der Senatoren I 144; Purpurgewänder
II 315 f.
Puteoli 1*335 f. 421 ff. ; Sommeraufenthalt 1 401;
Fahrt nach Alexandrien I 425 ; tyrische Han-
delsfaktorei I 375; palatinische Region III
21; Werften I 424; Prachtbauten III 5;
Amphitheater II 90; Eisenhandel I 378; pu-
teolanische Basis I 423. III 29; Puteolanus
pulvis I 163, 10.
Putzsucht der Frauen I 292.
Pygmäen I 427.
Pylades I 62. 290. II i. 124. 126. 130. 132.
I37._ 140. 142. 143. 170.
Pyramidalpappel II 346.
358
REGISTER
Pyramiden I 438 f.
Pyrrhiche 11 133 f. ; pyrrhicha ?niHtaris II 24, 13.
Pythagoras, Mundschenk Neros I 68.
Pythagoreismus, Unsterblichkeitsglaube III 303.
Pythische Weise II 168; pythischer Agon in
Karthago 11 230; pytkaules II 167. 168, 3.
I75> 9-
Q.
Quadenkrieg Marc Aureis III 156.
Quadratarii, Steinhauer in 89 ; Aushängeschild
II 192, 6.
Quadratilla (Ummidia) II 131. III 27.
Quadratus (A. Julius) EI 25.
Quartarum actor II 114, 12.
Quartierwechsel der Truppen I 360 f.
Quellenkult I 460 f. in 178.
T. Quinctius Flamininus, erhält göttliche Ehren
III 150. 173.
Quinquatrus I 166 f.
Quintilian I 70. 179 f.; religiöser Standpunkt
III 121; Unsterblichkeitsglaube III 307; über
Philosophie III 257; über bildende Kunst
in 115; Judenhaß III 212.
Quintilier I lio. 122, 4.
S. Quintilius Condianus I lio. IE 53. 166.
Quintilius (Varus\ Epikureer III 270, l.
Quirinustempel II 248.
Quitte II 306.
R.
Rabirius, Architekt III 105.
raeda I 329 f.
Räte, kaiserliche I 73 ff. 132.
Rätien III 19.
Räuber I 22. 350 ff. ; Räubergeschichten I 352.
354 f-
Ramses, Inschriften I 439.
Rangstufen I 13 f. 153 f.; Rang der Frauen I
279f.; Rangordnung bei Tisch I 243; beim
Untersiegeln I 243.
a rafionibits I 53 f-
Rauch, Bildhauer III 102.
Ravenna I 403. UI 4. 37, 3; Synagogen III
209.
Rechnungsrat I 53 f.
Rechtsgelehrte I 185 ff.; Rechtsunterricht I
185 f.
refrigerium in 305.
Regenwunder Marc .^urels in 156.
Regula (Annia), Gattin des Herodes Atticus in
27- 33- 77-
Regionenbuch von Rom I 10 f. III 82.
Regulus (M. Aquilius), Redner I 122. 132. II
241. 337. III 39. 76 f. 160. 316. 359.
Reichtum der Senatoren I 121 ff. ; der Ritter I
156 f.; der Freigelassenen l45ff. ; der Ge-
schäftsleute I 159 f.; der Advokaten I 182 f.
234 f.; der Ärzte I 195 f.
Reims III 7; Gott von Reims III 144.
Reinlichkeitsluxus 11 372 ff.
Reis U 307.
Reisen I 331 ff.; der bildenden Künstler I 382.
III 90 f.; der musikalischen Virtuosen I 3S3.
n 178; Reiseluxus I 341 f.; Reisewagen I 21.
3l9f. 330. 342f.; Reisehandbücher I 328;
Reiselektüre I 342 f.; Reisebegleitung der
Kaiser I 77 f.; Reisende beten zu den Göt-
tern des Landes III 176.
Reiterstatuen EI 67. 70; kolossale Domitians
E 245.
Rekrutenaushebung I 360 f.
Religiöse Zustände III Ii8ff. ; religiöse Musik
II 174; religiöse Kunst III 79 ff.
Reliquien aus der Heroenzeit I 450.
Remagen, Wasserleitung II 375.
St. Remy, Grabmal der Julier II 364. III 84.
Rennpferde II 3off. ; Zahl der Rennen im Zir-
kus II 46.
Reproduktion in der Poesie II 25 1 ff. ; in der
bildenden Kunst IE 94 ff.
Reservoirs [castella] III 35.
Resignation als Glückseligkeit IE 247.
Respondieren der Juristen I 186.
Restauration des Glaubens III 123 ff. 139 ff. ;
der Orakel ni 161 ff. ; der Tempel IE 192.
Retiarier II 73.
Rettich II 307.
Rezeptbücher I 203 ff.
Rezitationen E 223 ff.
Rhegium III 4.
Rheneia, jüdische Rachegebete IE 204, 4.
Rhetorik und Philosophie IE 256 ff. ; Rhetoren-
schule I 179. II 198 ff.; Reisen der Rhetoren
I 382; griechische Rhetoren im Amte ab
epistulis graecis I 5 7 f.; Vergleichung der
redenden und bildenden Künste bei den
Rhetoren IE 107.
Rhinozeros II 78. 80.
Rhodus 14151. IE 4; Studiensitz I 381; Reich-
tum an Statuen I 416. EI 36; Umarbeiten
und Umtaufen von Statuen IE 64; Fremd-
kulte IE 189; Menschenopfer an Kronos IE
188.
Riesen, Riesinnen II 369.
Rietschel, Bildhauer III loi.
Rimini, Brücke III l.
Ring, goldener, der Ritter I 146 f.; kaiserlichen
Freigelassenen verliehen I 48; von Unbefug-
ten angemaßt I 157; der Spielgeber I 157, 7;
Verlobungsring I 274; Ring des Polykrates
I449.
Ritterstand, der erste außerhalb Roms I 145;
Verhältnis zum Senatorenstand 1 1 13 ; Pflanz-
schule des Senats I 115; Freigelassenen ver-
liehen I 48. 147; ritterlicher Adel I 150;
Rhetoren von Ritterstand I 180 ff. ; Ritter als
kaiserliche Freunde I 73. 76; in Verwal-
tungsämtem I 51 ff. I49ff. ; Auftreten im
Schauspiel II I9f., im Zirkus II 24.
Ritual, altes, in Rom III i84ff. ; im Dienst der
kapitolinischen Gottheiten IE 197 f.; Ritual-
morde der Juden EI 213, und Christen IE
218 f.
REGISTER
359
Rohseide II 313.
Rom, bauliche Entwicklung I i; Umfang I 5 ;
Bevölkerung I 16 ff. 233; Besatzung I 21 7 ff. ;
Höhe der Häuser I 5 f.; Kunstwerke I 11. III
82; römische Straßennamen auf andre Städte
übertragen III 21; Vorbild der Kolonien III
21, der Provinzen in den Künsten III 93;
Bildhauerwerkstätten III 88; temphim totius
mundi III 136; Brände I 23 ff. 30; Brand
unter Nero I 4. III 219; Friedhöfe, jüdische
III 206, christliche III 229. 231; Reisen nach
Rom I 395 ; Roma aurea I 4, 5, urbs aeterna,
Sacra I 31, 11; Romakult III 150.
Rosen II 306; bei Gastmählern II 288. 345;
Rosen- und Violentage (Rosalia, Violaria)
ni 323 f. ; Rosenwasser 11 327 ; Parkettböden
aus Rosenholz II 350.
Rosmerta III 143.
Rote Partei im Zirkus II 34.
Rothschild, Baron Alfons n 342.
Rotta, Saiteninstrument II 163.
Rottenburg a. Neckar III 19.
Rottweil III 19.
Rotundus, Sklave des Claudius I 69. II 354.
Rubellius Plautus III 251. 281.
Rubin II 322.
rudiarii II 69, 10.
rudis summa und secunda II 68. 69, 10. 70.
Rufinus Costunius), Bauten III 26, l. 106, 4,
Ruflus Festus Avienus III 186.
Ruinenkult I 410.
RuUus Servilius) II 290.
Rusicade III 9.
Rußland, große Vermögen II 272 ; Kleiderluxus
II 280; Tafelluxus II 301; Perlenluxus 11 323;
Schlösser II 342 f. ; Verschw^endung der Ar-
beitskraft II 366.
Rusticus Junius) III 252 f.
Rutilianus (P. Mummius Sisenna) III 164.
C. Rutilius Gallicus I 115. 11 242. 245. 254.
Rutilius Namatianus, Judenhaß III 212, 14.
s.
Sabazius III 206.
Sabbat III 212. 213; von NichtJuden beobach-
tet III 2 14 f.
Sabina, Kaiserin I 440.
Sabinus (Flavius), Vater Vespasians III 67.
Sableurs II 299.
Sachsen als Gladiatoren II 53. 71,
Sachwalter I 181 f.
Sachwert des Geldes II 2731.
Sackpfeife, babylonische II 169.
Sacra certamina II 158.
Sacra urbs I 31, II.
Säkularfeier des August II 15; tausendjährige
11 14. 15. 83. 149. III 222.
Sänften I 144. 291. 343.
Sänger II 175 f.; Sängerinnen II 169. 176.
Saepta, Massenkämpfe II 76.
Säulenhallen in Rom I 9. 13. II 328 ff.
Safran II 358.
Sagalassus KI 16.
saghia der Gladiatoren II 68.
Saiteninstrumente II 166.
Sakramente der Mithrasverehrer III 146.
Sala in Mauretanien, Aquädukt II 374.
Saldä, Wasserleitung II 373.
Salejus Bassus II 237.
Salernum I 396.
Salier III 185.
Sallustius, Kyniker III 293, 9.
Salmakis I 407, 11.
Salodurum III 8.
Salomo, Tempel in Boreum lU 206; Urteil
Salomos auf einem pompejanischen Wand-
gemälde III 208.
Salonälll 17.
Salonina, Kaiserin I 300.
öaXTTiYKTnc; II 165, 2.
Salutati, Benedetto II 2941. 316 f.
Salutatio publica bei den Kaisern I 90; bei
Privatpersonen I 226 f.
Salvius Julianus III 280.
Salzfischhändler I 169.
Sambyke 11 167. 169.
Samiarium II 65, 8.
Samnites (Gladiatoren) II 73.
Samosata III 11.
Samothrake I 385 f. III 62. 198, 3.
Samt II 313.
Sancti IV Coronati III 45. 88.
Saoterus I 60.
Sappho, Dichterinnen mit ihr verglichen I
296 f.
Sarapis und Isis III 1361. I40f. 144 f. 189;
Lokalgott von Alexandria I 436. III 173; in
Kanobosl437; in Memphis I438; Traum-
heilungen III 169; Aushängeschild eines
Traumdeuters III 169; Sarapeum in Alexan-
dria III 145; Orakel III 162; Kolossalstatue
III 145; Region in Aquileja III 144.
Sardanapal, Grabschrift III 301.
Sardes III 14. 71.
Sardinien, Räuberunwesen I 352; Christen in
den Bergwerken III 221. 228; Juden LH
209 f.
Sardonyx II 322.
Sarkophage II 359. HI 47; fabrikmäßig ange-
fertigt III 90; Sarkophagreliefs III 87. 94;
Hinweise auf das jenseitige Leben III 3 10 ff. ;
obszöne Vorstellungen III 302, i.
Sarmentus I 87. 154. 157. II 7.
Sarmizcgetusa III 20 f. 31.
Satumalien I 232; Saturnaliengeschenke II
355. III 47; Satumalienpoesie II 244.
Saturninus (Pompejus) II 252. III 270, 10.
Satumus-Moloch, Kinderopfer III 141.
Savaria III 20.
Scabillum II 126 f. 170.
scaeva in Gladiatoreninschriften II 69, 8.
Scävolas Geschichte im Amphitheater II 91.
Scävus (Scävius?) Memor II 229.
Scarbantia III 20.
scartis II 285, 6. 304.
36o
REGISTER
Scaurus, Verschwendung II 267 f. 269. 328. III
35; Schauspiele II 78. 145.
Scaurus, unter Tiberius getötet II 214.
Schalotte II 307.
Scharlach (Stoff) II 315.
Scharlatane, ärztliche I 198 f.
Schatzgräber im Colosseum II 107.
Schauspiele, öffentliche II l ff. 378. III 69; bei
Totenfeiern II 361; außergewöhnliche II
1 4 f . ; Kosten I 1 2 7 f. ; Kleidungsvorschriften
II 9; Äußerungen der Volkswünsche im
Schauspiel II 5 f. ; Einfluß auf die Frauen I
287 f.; Gegenstand des allgemeinen Ge-
sprächs I 260; in Alexandrien I 434; Zahl
der Schauspieltage in Rom II 13; Schau-
spieler II 137 ff., am Hofe I 61 ff", bei den
Frauen beliebt I 288 f. ; Schauspielervereine
l3S2f.
Scheinehen I 278.
Scheingefechte im Zirkus II 24 f. ; der Gladia-
toren im Amphitheater II 73.
Scheiterhaufen der Kaiser III 51; Ausstattung
n 358 ff.
Schenkungen, häufig II 377 ff.; zwischen Mann
und Frau I 276.
Schiffbrüche I 334 f.; Schiffbrüchige I 335.
III 51.
Schiffskämpfe II 92 ff.
Schilde, heilige [ancilia] III 185.
Schimtu. Marmorbrüche 11 344.
Schlafgott III 194; Altar in Trözen III 189.
Schlafwagen I 343.
Schlange, Verkörperung des Genius 11 148.
Schlangenmarmor [ophites] II 333.
Schleppkleider II 314.
Schlesien, römische Kaufleute I 371.
Schlüpfrigkeit des Pantomimus II 131.
Schmucksachen an Götterbildern III 194.
Schmückung der Tiere des Amphitheaters II
85 f.
Schnabelschuhe II 314.
Schneckenzucht II 294, i. 304, 5.
Schnee zur Kühlung von Getränken 11 277 f.
Schnelläufer II 24.
Schnelligkeit des Reisens zu Lande II 331 ff.,
zur See II 339 f.
Schnüren der Mädchen I 265 f.
Schnupftücher II 312. 315.
von Schönberg, Meinhard II 315. 325.
Schönheitsmittel I 205.
Schola poetarum I 251. II 248.
scholastici, Juristen I 187, il.
Schreibtische II 350.
Schulen I 1766".; zu Alexandria I 436; Schul-
bildung, grammatische II 190 ff., rhetorische
II 198 ff., philosophische III 272 ff. 283 ff.;
Abnahme im 2. Jahrhundert II 206 f.; Schul-
stiftungen II 377 f.; Schulbesuch der Mäd-
chen I 268 f.; Schulgeld I 177; Schul witz
I 177; Schülerstreiche I 176 f.; Schullehrer
als Dichter II 1961.
Schutzmächte III 179; Schutzgottheit von Rom
ni 148.
Schwarzes Meer, Handel I 373.
Schweinefleisch, beliebt II 291; für die Juden
verboten III 213.
Schweiz, Äußerungen der Römer über sie I 4S0.
Schwimmen in Bajä I 408, 3.
Schwimmende Inseln bei Ameria I 464.
Scili, Märtyrer III 221.
Scipionenturm bei Tarraco II 364.
Scirtus, Wagenlenker II 26. 27.
Scorpus, Wagenlenker II 26. 27.
Scott, Walter, Glaube an Schutzgeister III
126, 2.
scribae I 154. 216 f.
C. Scribonius Curio, sein Amphitheater II 5,4.
Scribonius Largus I 203. 205. 206.
Scrinium memoriae I 55, 7.
scripta res II 72, l.
scrofa cum porcis triginta III 21, II.
Scuppi, Bartolomeo, Koch II 296.
scuta, Gladiatoren 11 75, 13.
Scylla und Charybdis I 463 f.
Scyllacium I 403.
scbaciaria I 21, 12.
aeßojuevou öeöv uh;i(Jtov III 216.
sechsstöckige Häuser I 6, 6. III 12.
Secundiniergrab in Igel 11 363. III 53.
Secundus doctus (Plinius ?) 11 242, 4.
Securitas III 299.
Secutores II 73.
Seehandel I 215 f.; Seereisen I 334ff., der
Kaufleute I 365 ff. ; Seeräuber I335; See-
ufer I 470; Seebäder II 376.
Seehunde, abgerichtete II 87 ; Seebarbe (»««///mj)
II 289.
Seelen, Existenz materiell gedacht HI 315 f.;
Seelenwanderung III 304.
Segovia. Wasserleitung U 374. III i.
Sejan I 139. 140. 239. 240; Denkmäler III 65 f.;
Schutzgottheit III 186.
Seide II 313. 3l9f.; Seidenhandel I 369. 379;
Seidenstraße I 369.
Seikilos II 162. 164.
Seiltänzer II 15.
Sekretariat, kaiserliches [ab epistulis) I 55 ff.
Sekten, christliche 11 227.
Selbstmord III 248; der Gladiatoren II 71.
Seleucia am Calycadnus, Hallenstraßen III 16.
Seleucia am Tigris, Juden III 202.
Seleuciden I 94.
Seleucus Nikator III 202 f.
Seleucus, Grammatiker I 87.
Selgelll 16.
Selige III 302. 3241.
Senat, Zulassung der Gallier I 106 f., der Afri-
kaner 1 108, der Griechen und Orientalen I
108 ff., der Ägypter Im; dekretiert Statuen
m 73; Senatorenstand I Ii4ff. ; belastet
durch die Schauspielgebung II 12 f.; senato-
rische Ritter I 147; Senatoren Pairs der
Kaiser I 114; bei kaiserlichen Empfängen
und Gastmählern I 89. 96. 97 f.; Beteiligung
an den Schauspielen II 19 f.; Einkommen I
121 ff.
REGISTER
361
Seneca, der ältere II 201 ft'.; Gegner der Philo-
sophie III 257; benutzt in den Gesta Roma-
norum U 203.
Seneca, der jüngere, Haupt der Modernen II
193; Familie I 107. 204. 298. II 240; Kon-
sulat III 235, 2; Reichtum I 80. 121; Geld-
geschäfte I 129; sein Nomentanum II 243, 3;
Citrustische II 348; Studiensklaven II 367;
Reisen I 341; über Indien I 368; über den
Luxus II 277. 279. 289. 291. 376; über die
Ehe I 278; Günner der Dichter II 240; über
Gladiatorenspiele II 96 f., und Athleten II
156; über bildende Kunst III 102; Pessimis-
mus III 326; Unsterblichkeitsglaube III 308 f.;
über die Juden III 213 f.; angebliches Ver-
hältnis zum Apostel Paulus III 235 f.
Senecio (Sossius) III 270. III 319.
Sentenzensammlungen in der Schule II 190.
195, 3-
Sentius Augurinus II 252.
Septentrio (Agilius;, Pantomime III 70.
Septimius Severus, Kaiser, Benehmen gegen
Freunde I 80; Schauspiele II 90 f.; in Ägyp-
ten I 427. 429. 436; Zerstörung von Byzanz
ni 17; Bauten III 31; Memphis und Laby-
rinth auf seiner Villa I 428. II 340; Dar-
stellungen seiner Taten III 53, seines Trau-
mes III 53; Statuen III 60; Interesse für
Philosophie III 253; Glaube an Träume III
167; begünstigt die Juden III 211 f.; Stellung
zu den Christen I 304. III 221. 233
Septimius Severus, Dichter II 242. 245, lo.
249, 8.
Septizonium in Rom I 13 ; in Lambäsis III 2 ;
in Karthago III 21, 10.
Serapio (Agenarich) III 145.
Serer I 369.
Seressita III 9.
Sergius Orata II 304.
Sergius Paullus III 271.
Serpentin, lakonischer II 330. 333.
Serranus, Dichter II 197.
Servianus I 68.
Servilia, Gemahlin des Annius Pollio I 309.
Q. Servilius Cäpio II 268.
P. Servilius RuUus II 290.
Servilius Vatia II 337.
Seuchen in Rom I 29 ff.
Severianus (P. Älius Maximus) III 164, i.
Severus, Architekt III 105.
Severus (Cn. Claudius^, Peripatetiker III 253.
Seviri equitum Romanorum I 148.
Sextier, Philosophenschule III 269.
Sextius Sulla III 270, 10.
Sextus, kaiserlicher Studienrat I 55. II 241.
Sicilien,Straßenl326f.; Reisen I408 f.; Pferde-
zucht II 30; Wagenlenker II 42; Juden 111209.
Sicyon, Erdbeben III 29.
Side III 15 ; Nymphäum II 373.
Sidon, Höhe der Häuser III 12.
Sidonius Apollinaris, Naturgefühl I 470; Im-
provisationen II 198; Statue in der Trajans-
bibliothek II 223.
Sidyma III 16.
Siegerstatuen III 76.
Sigerus I 43. 60.
sigilla III 42, I. 47; Sigillarstraße III 47.
Signa castrensia III 57, 2.
Signia II 376.
Silberluxus II347. 35iff.; Silbergeschirr, Ge-
wichtsangaben II 355; zu Geschenken ver-
wendet II 355; Sammlungen I 109 f. iiif. ;
Stammbäume III 112 f.; Silberschüsseln II
354; Silberstoffe II 313; Silberbleche als
Wandbekleidung II 334; silberne Götter-
bilder III 193; Silbergruben von Neukarthago
II 351; Silberfunde II 356. III 97.
Silchester III 18, 8.
Silius Italiens, Dichter II 231. 251. 254; Philo-
soph III 268, 10; Gönner Martials 11 241.
252; Villen und Statuen III 39. 109, 5.
Silius Proculus II 252, 3.
Sillyon III 16; Stiftungen II 379.
Silvanus III 176 f. 179. 180.
St. Silvester (Silvanus) III 241.
Simeon, Bischof von Metz III 210, 13.
Simon Makkabäus III 206.
Singidunum III 20.
Singschulen in Rom III 181; Singen und Sagen
II 162 f.; Umfang der Singstimme II 164;
Singen der Mädchen I 269 f.
Singvögel, gebraten II 275 f.
Sinnlicher Reiz des Pantomimus U 130 f.
Sinope, Aquädukt III 23.
Sipylus, Göttermutter III 195.
Sirmio, Villa Catulls I 469 f.
Sirmium III 23.
Siscia III 20.
Sisebut III 210.
Sitifi III 10; Juden III 206.
Sittenverfall, angeblicher, der Kaiserzeit III
296 f.
Sittlichkeit, heidnische und christliche 11 246.
Sitzen der Frauen bei Tisch I 291; Sitzplätze
im Zirkus II 22, im Theater II 112, im Am-
phitheater II 98.
Skeptizismus gegenüber der Existenz der Göt-
ter III 120.
Sklaven, Menge I 68; der Kaiser I 67 ff. ; Zwei-
namigkeitl 65, i. 10. 67, 9. 103; geschwätzig
und verräterisch I 259; von Frauen mißhan-
delt I 285 f. ; als Liebhaber I 285 ; als Sekre-
täre 11367; als Handwerker 1 161; als Wagen-
lenker II 25; als Gladiatoren II 56 ff. ; als
Schauspieler II 138; beteiligt an den Zirkus-
parteien II 34; als Musiker II 173; als bil-
dende Künstler III 99 f.; Kunstliebhaberei
der Sklaven III 113; Sklavenluxus II 366 ff.;
Beurteilung der Sklaverei durch die Philo-
sophie III 295 f.
Smaragd 11 322.
Smyrna I 4i9f. III 14. 25 f.; Studiensitz I 381;
Erdbeben III 29. 32; Wasserleitimgen II
373; Nemesis III 195; Juden III 203.
Sokrates, Zweifel an der Unsterblichkeit III
307- 324.
302
REGISTER
Sol, Mithras, Elagabal III 141.
Soldaten I 21 7 ff.; als Klienten I 231; als Spione
I 257 ft"; in den Provinzen I 360 f.
Solfatara bei Tivoli III 178.
Solfeggieren II 17S.
Sommeraufenthalte in Italien I 397 ff.
Sommerringe II 314.
Sommersonnenwende in Syene und Elephan-
tine I 443.
Sonnenhüte und Sonnenschirme im Schauspiel
II 9.
Sonnenläufer III 146.
Sophistik, griechische, sog. zweite II 255 ff. ;
ihr Einfluß auf die römische Literatur II 220.
255 ff ; Sophisten im Amte ab epistiilis grae-
cis I 5 7 f.; Reisen I 382; Bauten III 2 5 f.;
Statuen III 72; ärztliche Sophisten I 194.
Sophokles, heroische Ehren lU 149.
Sopolis, Porträtmaler III 55.
Soracte, Feronia III 186.
Soranus (Barea) III 262. 280. 281, 7.
Sorrent I 402.
Sortimentsbuchhandlungen II 221.
Sosia Falconilla III 71.
Sossius Senecio III 270. 319.
Spalato III 17.
Spangen, silberne II 356.
Spanien, Städte III 2. 8; Straßen I 327. 464;
Reisen I 395; Bierland II 311; Rennpferde
II 30. 41 f. ; Juden III 210; Luxus im neueren
Spanien II 280. 352 ; Spanier im Senat I 106.
107 f.; spanische Gottheiten III 144.
Spargel II 309.
Sparsus, Palast II 332.
Sparta, Artemis Orthia III 188.
Spaziergänge, öffentliche, in Rom I 8. Iif. ;
Erscheinen der Frauen I 291.
Speculatores I 328, 6.
Speisekarte II 287, 4.
Spelaea im Mithrasdienst III 146.
Spestempel zu Ostia III 192.
Spezia, Sommeraufenthalt I 398.
Spezialärzte I 192 f.
Sphärus, Freigelassener I 40.
Spiegel der Diana I 405.
Spiegelglas II 334.
Spiele, Kosten I 127 f.; Spieltage II 13 f.;
Spielstiftungen II li, 4.
Spieler I 253 f.
Spielzeug der Mädchen I 266.
Spießrutenlaufen der Gladiatoren II 73.
Spinnen und Weben der Frauen I 267 f.
Spione I 256 ff.
Spitzen II 31 7 f.
splendidjis I 154. 156.
Spoliarium II 65, 8.
Sportula der Klienten I 224.
Spottreden im Schauspiel II 7; Spottlust der
Alexandriner I 433 f.; Spottkruzifix vom Pa-
latin I 63 f.
Sprache, lateinische, schnelle Verbreitung in
den Provinzen II 209; Verfall II 207.
Springbrunnen II 330. 332. 33S; im Amphi-
theater II 99.
Spucknäpfe, silberne II 354.
Spukerscheinungen lU 318 ff.
Squillace I 403.
Ssi-ngan-fu I 369.
Staatspost I 328 ff.; Staatsrat I 73 f.
Stabiä, Milchkur I 387.
Stadium II 145 ff.
Stadtbezirke III 71; Stadtbeschreibung Roms I
lof. III 82; Stadtärzte I 190. 191; Stadt-
gespräche I 254 ff.; Stadtpräfekten I 132.
Städte, Menge im römischen Reiche III 2 ff. ;
dürfen Legate erhalten III 24.
Stallungen der Zirkusparteien II 33 f.
Stammbäume der Adelsfamilien I Il8ff. ; der
Rennpferde II 31, 8; des Silbergeschirrs III
112 f.
Standesunterschiede I 103 ff.
stans missus II 75, 3.
Statilia Messalina I 295 f. 298, l.
Statinalll 180.
Stationen der Juristen I 186; der cubicularii
I 59, 4; der Staatspost I 328 f.; Stationen-
verzeichnisse I 320, 5. 327; Stationennamen
I346.
Statins, der ältere, Vater des Dichters, Lehrer
II 191; Dichter II 197.
Statins, Dichter, Beliebtheit II 192. 194; Ge-
legenheitsdichtung II 244 ff.; Lobpreisung
Domitians II 234; schreibt Pantomimentexte
II 125. 232 f.; Schilderungen von Prunk-
villen II 338 f.; seine Gönner und Freunde
II 2421.; Verhältnis zu Martial II 2471.; be-
richtigt Martial II 333, 6; Chronologie seiner
Dichtungen II 247, i; erhält den Preis bei
den Augustalien in Neapel II 228, und im
albanischen Wettkampf II 230, unterliegt im
kapitolinischen Agon II 229.
Statins Sebosus I 390.
Statthalter, Erpressungen I 130 ff. ; ihre Frauen
1 132. 294; Statuen III 66 f.; ritterliche Statt-
halter I 149, 7.
Statuen (s. auch Ehrenstatuen) , wundertätige
III 174; von Verstorbenen als Göttern II 363.
III 78; Preise III 38. 100; eingesetzte Augen
III 99; zu Anschlägen benutzt I 255; Sta-
tuenverzeichnisse von Rom III 82; Statuen-
steuer III 62.
Steilheit der Alpenstraßen I 323.
Steinbauten im Haurän III 12 f.
Steinbrüche in Pannonien III 45. 88 f.; von
Naxos III 88, Megara III 88, Luna II 329.
III 88, Numidien II 333. 334.
Steinerne Turm I 369.
Steinhauer [quadratarii] III 89.
Steinomamentik III 45.
Stellenhandel I 142.
Stempel der Augenärzte I 206; für Tonwaren
III 97.
Stenographen II 367.
Stephanio, Pantomime II 125, 8. 137. 289.
Stephanus, Wunderheilungen III 224.
REGISTER
363
Sterbestatistik I 30, 5 ; Sterbekassenvereine I
167 ff.
Q. Stertinius I 71.
Stertinius Avitus II 242. 254.
C. Stertinius Xenophon I 71 f. 195. III 25.
Steuern der römischen Provinzen II 266. 267;
jüdische Steuerpächter in Ägypten III 205.
Stickerei I 267; an Kleidern II 317.
Stiefmütter in der Rhetorenschule II 203.
Stiere im Amphitheater II 85. 86. 88 f.; Stier-
hetzen und Stierkämpfe II 88 f., spanische
II 63 f. 77. 89,3. 99 f.
Stiftungen, gemeinnützige II 377 ff. III 69; re-
ligiöse III 192 ff.
Stock des Peregrinus Proteus II 348. III 112.
Stockwerke, Zahl I 6, 6. III 12.
Stoizismus, Verbreitung bei den Römern III
269; Theologie (Dämonenlehre) III 123. 126;
Glaube an vorbedeutende Träume III 166;
Glaube an die Fortdauer nach dem Tode III
302 f. 308 f. ; politische Opposition I II 25 1 f. ;
Mißliebigkeit III 251 f. 255; Stoiker über
Frauenerziehung I 298.
Stola, stolata feinina I 281.
Strabo, Reisen I 395; über Moses UI 214.
Strabo (Ämilianus) III 67. 76.
Strafrechtliche Privilegien I 113.
Strandgegenden I 471; Strandrecht I 334 f.
Straßburg III 3.
Straßennach Gewerben benannt 1 163; Straßen-
breit^ I 6. 3i9f-; Straßenpflasterung I i.
320, und Straßenbeleuchtung II 279, 3. III
10; Straßenbaukosten I 319; Straßennetz I
318 ff
Strato, gibt den Unsterblichkeitsglauben auf
m 302 f.
Stratocles, Schauspieler 11 120.
Stratonicea III 14; Erdbeben III 29; Zeus Pan-
amaros und Hekate III 173.
Strauße II 78; rotgefärbte II 86.
Strenae I 90.
Stuckarbeiten III 42 ; Stuckmalerei in Pompeji
III 43 f.
Studierende in Rom I 16, i; Studiensitze I
380 f.; Studienreisen I 379 ff. ; Sludiensklaven
II 367.
a studiis I 54, 8. 55.
Studiosi iuris I 185, 10. 188, lO.
Studius, Maler III 46. 104.
Stupid! im Mimus II 114.
Stymphalus, Aquädukt III 31.
Suasorien II 200.
subaediani III 80, I .
Subalternbeamte I 2 16 ff. ; Statuen III 67.
Subiaco I 404.
Subskriptionen, kaiserliche I 54.
Substruktionen der Amphitheater II 90.
Subura I 164.
Suchos, Krokodil zu Arsinoe I 443.
Süßkirsche II 306.
Sueton, kaiserlicher Sekretär I 57; besucht hi-
storisch merkwürdige Orte I456; Glaube an
Träume III 127. 167; Wunderglaube III 158;
Gespensterglaube III 320.
Suetonius Paulinus I 391 f.
Sufetula III 9.
M. Suillius Nerullinus III 174, 3.
Sulevien III 143.
Sulis (dea) Minerva III 143.
Sulla, gibt Athletenkämpfe II 145; Sänger II
182; Standbilder von Caracalla errichtet III
78; Aberglaube III 120; von Würmern auf-
gefressen III 131.
Sulpicia, Dichterin I 297. II 255.
Q. Sulpicius Maximus II 198. 229.
Sulpicius Slmilis I 151 f. 222.
Sumelocenna III 19.
Superstition III 137 f.
siippositicius II 75, 4.
Sura (Palfurius) II 6. 147. III 262.
siispiriuni puellarum II 62.
Sutrium, Kult der Hostia III 187.
Syene I 443; Juden III 204.
aujußiuüTai der Kaiser I 85; Philosophen HI
283.
Symmachus, Schauspiele II 11. 4off. ; Gladia-
toren II 71; Äußerungen über Gladiatoren
II 96; Paläste in Rom II 41; Villen I 122.
395-
Sympathetische Mittel I 208 f.
Symphonie, symphoniaci II 170.
Symphorus I 68.
Synagogen auswärtiger Juden in Jerusalem III
203. 205. 207; in Rom III 207; Synagogen-
vorsteher III 206 f. 208 f. ; Synagogenvater,
Synagogenmutter III 207. 209.
Synnadischer Marmor II 333.
Synodi, athletische II 155 f.; theatralische I
382 f.
öuvoöiai (Karawanen) 1 3 72; auvoöidpxai durch
Statuen geehrt III 75.
Synthesis, Wechsel II 315.
Syrakus III 5 ; Reisen dahin I 408 f. ; Verres-
statuen III 66; Juden III 209, 12.
Syrien, reiche Besiedelung III 11; Reise dahin
I 338; Leinwandexport II 312; Handel mit
China II 321; syrische Kaufleute l375f.;
Charakter der Syrer I 38; zahlreich in Rom
I 233; Syria dea III 145.
Syringen (Königsgräber) in Ägypten I 441 f.
Syringenstrauch II 345.
Syius, Statue Hadrians III 62.
System der griechischen Tonarten II 164.
Szenerie im Amphitheater II 90; szenische
Pracht in der Tragödie 11 121.
T.
Tabak, Ausgaben dafür in Deutschland II 310.
Tabernen I 9. 163; am großen Zirkus II 23;
erleuchtet I 166; an den Landstraßen I346;
Tabernenschilder I 164. 347.
Tacitus, Kaiser, Tafelgerichte II 286; Tempel
der vergötterten Kaiser III 60.
364
REGISTER
Tacitus, Geschichtschreiber, Standesgefübl I
112; über den Luxus II 281; über die Gla-
diatoren II 96; Stellung zur Kunst III 115;
religiöser Standpunkt III 121. 127. 307; über
die Wunder Vespasians III 154; Prodigien-
glaube III 1 58 ; Judenhaß III 2 1 2 f. ; über die
Christen III 219.
Täfelung der Decken aus Elfenbein II 335.
Tänarum, Marmor II 330 s. lakonischer Stein .
Tändeleien, poetische II 250 f.
Tafel, kaiserliche I 97 ff. ; Tafelgeschirr, kaiser-
liches I 100; Tafelluxus U 282 ff.; Tafel-
musik I 253. II 173 f.
Tagelöhne der Kunsthandwerker III 44. loo.
Tagesanzeiger I 254 f.; Tagesberichte aus
Alexandria I 15.
Taillerant II 295. 297.
Takttreten II 170.
Talmis, Gott von Mandulis III 178.
Tanais, Kultverein III 216.
Tanit von Karthago III 141.
Tanz der Pantomimen II 127 ff.; von Dilettan-
ten II 136 f.; der Mädchen I 269 f.; Tanz-
schulen II 181; Tanzlehrer II 136; Tanz-
musik II 171 f.
Tapeten, Goldleder II 349.
Tarent, Winteraufenthalt I 39S; Juden III 209.
Tarquinii, Thermen III 27.
Tarraco III 8; Augustustempel III 31; Aquä-
dukt II 374; Turm der Scipionen 11 364;
Statuen III 60. 62, 3.
Tarsatica (Fiume) III 5.
Tarsus, Studiensitz I 381; Juden III 203.
Taschendiebe I 20, 13.
Taschentücher, leinene II 312.
Ta-tsin (Syrien) I 369 f. II 321.
Taubenhäuser I 427. II 364.
Taufe der Mithrasgläubigen III 146.
TaupoKa9av|;ia II 88, 11. 15.
Taurus [Calvisius;, Philosoph III 270. 27 7 f.
285.^
Technitenverbände I 383 f.
tcctorium III 43. 3.
Tempel, reichste in Italien III 192; von Rei-
senden besucht I 445 ; Ansiedelungen von
Künstlern bei Tempeln III 80; Tempel für
Prokonsuln in den Provinzen HI 60; bei
Gräbern II 362. 363; Orte der Ver-
führung I 301 f.; Malerei an Tempeln III
79; Tempelstiftungen III 192 f.; Zuwen-
dungen für Tempeldiener III 195; Tempel-
schätze III 194 f.; Tempelschlaf III 132.
1 69 ff. ; Tempelsteuer nach Jerusalem III 203.
211. 214.
Tempetal I 463. 469 ; auf Hadrians Villa II 340.
Teppiche, attalische II 360; babylonische II
347-
Terentius Priscus II 243. III 270.
Tergeste (Triest) III 5.
Termessus in Pisidien III 15; Standbilder
m 68.
Terpnus (Flavius), Kitharöde II 170, 4. 178.
186.
Terracina I 399 f.; Feronia III 186; Juden III
209.
ttrtiarius II 75, 4.
Tesserä bei Schauspielen ausgeworfen 11 17;
sog. tesserae gladiatoriae II 59. 8.
Testaccio, Monte I 14, 8.
Testamente, durch Juristen abgefaßt I 18S;
Untersiegelungl 242 f. ; gemeinnützige Testa-
menten 377; zur Ausführung von Bauten III
24 f., und Errichtung von Statuen III 3S; Testa-
ment von Langres II 363. HI 77. 316; testa-
inentiim porcelli I 177'
Tetrastylum II 340.
Teuerungen in Rom I 26 ff.
Teurnia III 20.
Textbücher der Pantomimen II 124 ff.
Thagaste III 9. 25.
Thalamus, Barbier I 68.
Thallus, Freigelassener I 40.
Thamugadi III 9.
Thantia iThainata) III 12, 9.
Thaäus, Kult des Theagenes III 174; thasi-
scher Marmor II 333. III 88 f.
Theagenes, Olympiasieger III 149, 5. 174.
Theagenes, Kyniker III 270.
Gect.uata ctttci I 442, 2.
Theater II 112 ff.; zu Vorlesungen benützt II
227,6; Theatermusik Et 170. 174; theatricum
certamen II 230, 8.
Theben in Ägypten I 439.
Theben in Böotien I 410. III 62.
Themen der Rhetorenschulen II igiff.; der
griechischen Sophisten II 257.
Theocritus, Tänzer I 62. II 142.
Theoderich, Sorge für die Schauspiele 1140;
erlaubt die Herstellung von Synagogen III
209.
Theodorus von Gadara I 70.
Theodosius d. Gr., Ähnlichkeit mit Trajan III
54; Heidenverfolgung III 237 f.
Theodosius II., Stellung zu den Juden III 204.
Theokrasie III I34ff. 189.
Theophanes von Mytilene III 149.
Theophila, Dichterin I 297. 299.
Theophilus, Patriarch III 145.
Theopomp von Knidos I 86, 9.
Theorus, Pantomime II 124. 133, i. 9.
Thera, Mithrasdienst III 189.
Theriak I 34. 198. 204. 205.
Thermen in Rom I 16. II 336. III 32.
Thermopylä. Schwefelbäder III 26.
thesaurus. Opferkasten III 191.
Thespiä, Eros I 458. III 180; Mithrasdienst
III 189.
Thessaliens, Freigelassener I 41.
Thessalische Stierkämpfe II 88; Pferdezucht
II 30.
Thessalonice III 17; Juden III 204.
Thessalus, Arzt I 192, 208.
Theveste III 9.
öi'affoi in Alexandrien I 434.
Thibursicum Bure III 9.
Thignica lU 9.
REGISTER
365
Thracien, Städte III 1 7 ; Thraker (Gladiatoren)
II 73; thracische Gottheiten III 142 f.
Thrasea (Pätus) II 183. III 251. 281.
Thrasyllus, Astrolog I 73. 87.
Thronfolger, Statuen III 65.
Thubursicum III 9.
Thugga III 9.
Thusnelda, Statue III 94.
Thyatira, Erdbeben III 29.
Thyesteische Mahlzeiten der Christen III 218 f.
Thysdrus, Wasserleitung II 373; Bildhauer-
werkstätten III 91.
Tiberias III 27.
Tiberius, Kaiser, Freigelassene I 40; Verhalten
gegen seine Freunde und Gesellschafter I
78. 79. 82. 86; gegen die Sklaven I 69; bei
den Schauspieleu II 3. 4. 20; Gastmähler I
98. 100; Einschreiten gegen Erpressungen
der Statthalter I 131, gegen Schauspieler II
117; Aufenthalt in Rhodus I 416; Reise
nach Deutschland I 332; Sieg in Olympia
II 159; Villen I 402; Denkmal in Puteoli
(puteolanische Basis) III 29; Statuen III 57.
65; Gesichtsausschlag I 93 f.; Gedichte II
215 f.; belohnt Dichter II 236; gegen die
ägyptischen Kulte III 137, und die private
Befragung der Haruspizes III 1 59 ; der Astro-
logie ergeben ni 161; befragt Orakel III 162.
Tiberüberschwemmungen I 25!.; Tiberinus-
tempel zu. Ostia III 192; Villen am Tiber I
471.
Tibur (Tivoli) 1 404. 470 f. ; Herculestempel III
5. 192; Villa Hadrians I 404. 428. II 340.
III 31. 40; sog. Villa der Pisonen III 40.
Ticinum III 5.
Tiere, ihre Klugheit und Frömmigkeit III 131;
Tierzähmung II 86 f.; Tierbändiger II 86;
Tiergärten in Rom II 83 f., der persischen
Könige II 82; Tierhetzen II 77 ff., im Zirkus
II 25, ihr Fortbestehen II loi; Tierkämpfer
[bestiarii, venatores) II 77; Tiere dem Volke
preisgegeben II 17; Tierbilder auf Wirts-
hausschildern I 346; komische Tierszenen
auf Bildern III 44; Tierverehrung in Ägyp-
ten I 435. 442 f.
Tifernum Tiberinum III 27.
Tigellius, Sänger I 86. II 177. 179. 180. 367.
Tigellius Hermogenes 11 183.
Tiger II 78. 82.
Tigris, Absturz I 464.
Tilliboras I 352. 354.
Timagenes I 86.
Timoleon, heroisiert III 149.
Timosthenes II 168, 3.
Timotheus, Kitharöde II 168.
Timoxena, Gattin Plutarchs III 309.
Tiridates III 321.
tirones II 70.
Tischgespräche I 254 ff. 261 ff.
Titane, Asklepiostempel III 188 f.
Titedius Labeo, Maler III 108.
Tithorea III 18.
Titinius Capito I 57. II 254.
Titius Aristo III 250.
Titulatur der kaiserlichen Freunde I 76 f.;
Titulaiwürden I 1381. 140.
Titus, Kaiser, Gefährte des Britanniens I 84 ;
Freunde I 82; in Ägypten I 429. 443; in
Cypern I 421; Schauspiele II 17. 81. 92;
Naumachie II 92; Thermen II 336; Statuen
III 67; jüdischer Triumph III 50; Gedichte
II 218; Musikkenntnis II 182; Orakelbefra-
gung III 162.
Tivoli s. Tibur.
Tönen des Memnonbildes I 439 f.
Toga I 20. II 371; am Hofe I 93. loi f.; der
Klienten I 226 f.; der Advokaten I 181 f.;
im Schauspiel II 9; Toga virilis I 241.
Togata II 119.
Toleranzedikte Constantins III 237.
Tolosa III 6; Tempelschatz II 268.
Tonsystem, griechisches II 164.
Tonwaren I 378, III 43. 97; Tonornamente III
43; Tonlampen III 47.
Topiarii I 474, 15.
'Topographisches Bruchstück' I 5, 6.
Toreutik II 351. III liif.
Totenbestattung, Luxus II 356 ff.; Totenlisten
in Rom 1 30; Totenfährmann III 314; Toten-
beschwörung III 320 f.
Totilas Zirkusspiele II 40.
Tour, große, der Römer I 396.
Toxaris III 173.
Trabea I loi, 10. 155.
Tracht der Frauen I 292.
Tradition in der antiken Kunst II 130. III 92 f.
Träume, bildlich dargestellt III 53. 167 ; Glaube
an vorbedeutende Träume UI 166 ff. ; Traum-
deutung III 16S; Aushängeschild eines
Traumdeuters III 169, 2; Stiftungen auf
Grund von Traumgesichten III 172. 192;
Traumorakel III 163. 166; Traumbücher HI
168 f; Traumheilungen III 169 ff.
Tragödie II 120 ff.; Tragöden II 121 f. 175.
Tragsessel der Frauen I 280 f. 291; der Sena-
toren I 144.
Trajan, Kaiser, Freigelassene I 43 ; Freunde I
75. 79. 80; Empfänge und Mahlzeiten I 92.
95. 961. 99; Schauspiele II 3. 5. 52. 81; Aus-
bau des Zirkus II 22; Besuch von Babylon I
454; Bauten III 5. 22 f. 30; Thermen I 15,7;
Forum I 10. III 36. 74. 78; Donaubrücke III
30; Glaube III 128; Freund der Philosophie
III 252; Stellung zu den Christen III 2191.;
Ähnlichkeit mit Theodosius d. Gr. III 54;
Erinnerungen an Trajan l455i Trajansweg
I326.
Tralles, Erdbeben III 29.
Transport wilder Tiere II 85 ; Transportschiffe
für Steinlasten I 424.
Trapezophor III 47.
Trapezunt III 15.
Trastevere, orientalische Fremdkulte III 146;
Juden III 206 f.
Travertin II 327.
;66
REGISTER
Trennung von Vortrag und Aktion auf der
Bühne 11 122.
Tres Tabernae I 346.
Tribonian, Heidentum III 238, 6.
Tribunal der Legion I 148 f.
Trier III 7; Wasserleitung II 375; Kapitol III
79; Wandgemälde des Zoilus III 45.
trigariiim II 30, 4.
Trigonon II 1 70.
Trimalchio, Lebenslauf I 234; Testament und
Grabmal I 216. 11 362. III 52. 77!.; Luxus
II 276; Kunstbesitz III 52. 112. 113; musi-
kalische Neigungen II 174. 184; Gedichte IE
255; Genienglaube III 148.
Trinkgläser, kostbare II 347.
Triumphalstatuen III 74; Triumphbögen III
35 f. ; Bilder für Triumphzüge III 49 f.
Troesmis III 3. 20.
Trözen, Kulte III 189.
Troglodyten I 372. 392 f.
Troja, Ebene I 41 7 f.; Reliquien aus dem tro-
janischen Kriege l45of.; troische Abstam-
mung der Römer I417; troische Geschlech-
ter I 119; Trojaspiel II 25; Troja bei Lau-
rentum I 455.
Troitza, Kloster II 323.
Trompete s. Tuba.
Tropenländer wenig besucht I 487; tropische
Gewächse I 487 f.
Trostgedichte U 244 f.
Trottoirs II 371.
Trüffeln II 310.
Truppenaushebungen I 360 f.
Tuba(Trompete)Ii65. 167. 171; von Dilettanten
geblasen II 185; hibicen in Agonen II 165. 2.
Uibur II 307, 7.
Tullia, Ciceros Tochter III 149.
TuUius Marcellinus III 281.
Tulpe II 345 ; Tulpenbaum II 346.
Tumulte im Theater II 143 f.; in Alexandrien
l434f-
tunica mohsta II 91.
Turia, Lobrede I 267. 284. 311 f.
Turicum III 8 ; römische Villa II 334.
Türmen der Ritter I 147.
Turnus, Satirendichter II 229. 249, 8.
Turobriga III 143. 179.
Turpilier, Kult der Feronia III 186.
Turpilius, Maler III 104.
C. Turranius I 151.
Tusculum, Villen I 397. 404.
Tyche, in Arabien und Syrien III 17I) 4-
Tyrannen in der Rhetorenschule II 201 f.
Tyrus III 12; Höhe der Häuser I 6; tyrische
Wolle II 3 1 5 ; lyrischer Purpur II 3 1 5 f.
u.
übernachten in Zelten I 343.
Überproduktion in der Poesie II 249.
Überschwemmungen in Rom I 25 f-
Übertritt zum Judentum III 21 5; zum Christen-
tum III 234 f.
üferlandschaften I 469 ff.
Uhrensklaven II 367.
Umarbeitung und Umbenennung von Statuen
III 58. 59. 64!.; Umbildung älterer Kunst-
werke III 94 f.
Umfang der Singstimme II 164.
Ummidia Quadratilla II 131. III 27.
Unanständige Erwerbsarten I 165. 171.
Ungarwein II 312.
Ungezieferplage in Wirtshäusern I 348.
Unglaube III 118 ff.
Ungnade der Kaiser I 82 f.
Unicus, Dichter II 252.
Unisone Melodie II 164.
Universalität der bildenden Künste III 41.
univiriae I 312, 4.
Unsicherheit in Rom I 21 f.; der Landstraßen I
3 50 ff.
Unsittlichkeit der Frauen I 281 ff. ; der Panto-
mimen II 130 ff.
Unsterblichkeitsglaube III 298 ff. 3126"
Unterhaltungen bei Gastmählern I 252 ff. 259 ff.
Unterkunftshäuser I 329. 346.
Unternehmer im Kunstbetrieb III 98 f.
Unterricht, seine Ziele II 189 ff. ; privater und
öffentlicher I 173 ff.; philosophischer III
272 ff. 283 ff. ; Mädchenunterricht I 268 f.
298; Malunterricht III 108.
Unterstützung armer Senatoren I 133 ff.
Unterweltsvorstellungen III 3 13 ff.; Unterwelt
in Hadrians Villa II 340.
ürbanitas I 262.
iirbs Sacra I 3 1 , 1 1 .
Urkunden, Unterzeichnung I 242 f.
Urnen II 359. III 48.
ursarii II 84, 12.
Uthina III 9. 33.
Utica III 9.
utricularias II 169, 9.
V.
Vaballath (Athenodorus) III 202.
Vacuna, Göttin III 186.
vadefelix II 32, 4.
Vagdavercustis, Göttin III 142.
Vagodonnägus, Gott III 144.
Vala (Numonius) I 442.
Valentia, Göttin III 187.
Valentinian, Kaiser, Dilettant in Malerei und
Plastik III 108; Privilegien für Maler III 44.
Valerian, Rescript gegen die Christen III 233.
Valerius Asiaticus I 106.
Valerius Cato II 197.
C. Valerius Proculus I 1501.
L. Valerius Pudens II 198. 229.
Vandalen in Karthago I 471. III 33.
L. Varius, Thyestes II 235 ; Epikureer III 270, i.
Varro, Mimendichter und Lyriker II 249.
Varro (M. Terentius), über den Luxus II 277;
über ausländische Nahrungsmittel II 283.
304; über Musik II 182; Enzyklopädie III
107 f.; Imagines III 55. 107 f.
REGISTER
3^7
Varus aus Perge, Sophist 56.
Vasio (Vaison) III 6.
Vatel, Koch II 297.
Vatinius I 88.
Vedius Pollio I 52. 104. 156. 401. II 330.
Veilchenpurpur II 316.
Velarium im Colosseum II 99; velarii I 92, 8.
Velia I 396.
Velleja III 172.
Venationen 11 77 ff. loi; venatores II 77, 8.
Venedig, Luxus II 281. 295. 323; Paläste II
340- 349-
venetiani II 35, 9. 10.
Venta Silurum (Caerwent) III 18, 8.
Venus, Tempel in Ostia III 192; Statuen III
94 f.; 'palatinische Venus' II 32S.
Venusia III 4; Juden III 208.
Veranius, Architekt HI 106.
Verbrecher als Gladiatoren II 54 f.; als Schau-
spieler im Amphitheater II 91 f.
Verbrennungen im Amphitheater II 89 ; Ver-
brennen von Verbrauchsgegenständen bei
Bestattungen II 359.
Verecunda III 2. 9; Wasserleitung II 373.
Veredelung der Früchte II 308 f.
Vereine der Gladiatoren II 68; der Schauspie-
ler I 382 f. ; der Athleten II 1 5 5 f.
Verfluchungstafeln III 322; gegen Rennfahrer
II 42 f.
Vergebung städtischer Bauarbeiten III 22.
Vergil, in der Schule II igif. ; Popularität II
2lof.; im Schauspiel geehrt 114; Eclogen
gesungen II 162. 210; Einfluß auf die epi-
sche Dichtung II 250. 251 f.; Epikureer III
270, i; Naturgefühl I 466. 479; Unttrwelts-
schilderung UI 304; Vergil und das Christen-
tum II 211, 5.
Vergilius Romanus, Palliatendichter II 119, 3.
249, 8.
Vergoldungskunst II 372, i; an Bauwerken II
336; Vergolden und Versilbern der heiligen
BUder III 193.
Verherrlichung der Kaiser durch Dichter II
234f-
Verkauf von Sklaven in die Gladiatorenschule
n 58.
Verlobungsfeier I 241. 273; Verlobungsring I
274.
Verlosungen von Geschenken bei Gastmählern
II 288 f.
Vermächtnisse an die Kaiser I 80 f. 135; ge-
meinnützige II 377.
Vermögen, größte I 124. II 268 ff. ; der Frau
I 276.
vernae equiies I 157.
Verona III 4; Amphitheater II 109 f.
Verordnungen, medizinische, in Träumen III
170.
Verpfändung silberner Schüsseln II 355.
Verpflanzung von Gewächsen II 3 10 f.
Verres, Statuen III 66; Statuenraub III 196.
Verrius Flaccus I 70. 178.
Versailles, Schloß II 336, i. 341.
Versandgeschäft I 363,
Verschiedene Bewirtung der Gäste I 229.
Verschuldung der Senatoren I 133.
Versetzungen von Offizieren I 360 f.
Versinterung der Wasserröhren I 29, 13.
Versteigerung von Priestertümern III 191.
Verstorbene, verehrt III 149; Statuen III 73.
77 f.; in Gestalt von Gottheiten II 363.
III 78.
Verteidigungsreden in der Rhetorenschule II
204.
Verulamium III 18.
L. Veras, Kaiser, Gastmähler II 288; Vorliebe
für Wagenrennen II 29 ; Parteinahme für die
Grünen II 35. 38; Gedichte II 197. 219.
Verus (Älius), versgewandt II 219.
Vespasian, Kaiser, Charakter I 33. 89. 91. 119.
129. II 281; Freigelassene I43; Gastmähiler
I 100; Bauten II 336. III 30. 41. 82; Wun-
der in Alexandrien III 154 f.; Orakelbefra-
gung III 162; Ausweisung der Philosophen
III 252; Bestattungskosten II 360.
Vesta, Fest I 166; Tempel in Rom III 195;
Vestalinnen im Amphitheater II 98, bei den
Athletenkämpfen II 147; Statuen der Ober-
vestalinnen III 74 f.
Vestricius Spurinna II 249, 7. 254.
Vesuv I 401.
Veteranen in den Provinzen angesiedelt 1 361 f.;
veterani der Gladiatoren II 70.
Vettierhaus in Pompeji III 39.
Vettius Crispinus U 242. 245, 10.
Vettius Valens I 72.
Vetturlne I 330.
Via Aemilia I 321; Appia I 319. 320 f. 404 f.;
Aurelia I 322 ; Claudia I 322 ; Egnatia I 321 .
337; Flaminia I 321; Julia Augusta I 322.
Viatores I 217.
Vibia, Grabkammer III 310.
Vibius Crispus I 116. 121. 132. II 240.
Vibius Maximus II 245, i.
Vicarello, Becherfund I 327 f.
Vicarii I 69.
Vici, errichten Statuen III 71.
Ste. Victoire in Volx III 241, 8.
Victor, Bischof von Rom III 228. 239.
Vielnamigkeit I 120 f.
Vienna III 6. 210; Aiguille II 363 f.; Christen
III 220. 232.
Viergespanne II 47.
Vigintivirat I 136.
Villen I 122 f. 396 ff. 468 ff. II 336 ff. III 32 ff.;
Ausstattung mit Kunstwerken III 39ff. ; kai-
serliche Villa an der Via Labicana II 230, 5.
Viminacium III 20.
Vindelicien III 19.
Vindobona III 3. 20.
Vindonissa III 7.
Viole f Musikinstrument) II 163.
Violen II 306. 345; Violaria III 323 f.
Violentilla II 246. 332. 333.
viridis pannus II 38, 4.
Viroconium (Wroxeter) III 18.
368
REGISTER
Virtuosen, musikalische 11 175 f. 1 77 ff.; Reisen
1383-
Virunum III 20.
Visidianus, Gott III 187.
S. Vistilius I 82.
Vitalis, Mime II 118. 141.
Vitellier I 117. 119.
Vitellius, Kaiser, Freigelassene I 36. 42; Vor-
liebe für den Rennsport II 29; Parteinahme
für die Blauen II 34. 37 f; Geldverlegen-
heiten I 133; Gefräüigkeit II 292; Tafel-
luxus II 285; Umstürzen seiner Bilder III 61.
L. Vitellius, der Vater des Kaisers I 50. 94.
117. II 292.
Vitorius Marcellus 11 245, 10. 247, i.
Vitrasius Pollio III 86.
Vitn.iv, über Palastanlagen 11 330. III 109.
Vögelablichtung 1 170 f.; Einfuhr ausländischer
Vögel II 282. 2S5.
Vokalmusik, dem Texte untergeordnet II 163 f.
Volksglaube, seine Erhaltung III 133 f.; vom
Totenfährmann III 314.
Volkstribunat, Wertschätzung I 136.
Volsinii, Nortia III 186.
Voltejus Mena I 223.
Volubilis III 10.
Vomitive II 291.
Vorbauten der Häuser I 7. 23.
Vorbedeutungen, Glaube an sie III 156 ff.
Vorläufer I 342.
Vorlesungen, öffentliche I 16. 243. II 223 ff. ;
der Philosophen III 286 ff.; der Ärzte I 199.
Vorsänger II 164.
Vorsehungsglaube III 166. 182 f.
Vortragskunst II 225 f.
Voß, Idylle über ein Abendessen 11 300.
Votivbilder III 51 f.
Vulkantempel in Ostia III 192.
w.
Wache in den Schauspielen II 9. 144; bei
Tempeln III 195.
Wachsmasken II 357.
Wände mit Platten aus Gold- oder Silberblech
n 334-
Wagenverkehr in Rom I 21. II 371; Wagen-
rennen II 25. 45ff. ; Wagenlenker II 25 ff.,
ihre Tracht II 47, Statuen III 75.
Wahl der Beamten I 137. 142; Wahlumtriebe
I 141 f.
Walcheren III 176.
Wallfahrten I 3 84 ff.
Walnüsse II 306.
Wamba, König III 210.
Wanderungen der Bühnenkünstler I 383 f., der
bildenden Künster III 20 f., der Musiker 11
178; Wanderredner I 382.
Wandmalerei III 43 ff. 84. 92.
Waren, fremde in Rom I 14 f.; römische in
China eingeführt II 321.
Warwick Castle II 342. 3 50 f.
Wasser des Lebens III 305.
Wasser in der antiken Landschaft I 469; Was-
serwerke Roms I I2ff. ; Wasserleitungen
II 372 ff. ; Wasserschlösser II 373; Wasser-
bauten auf Villen II 338; Wasserbehälter in
Wannenform III 45 ; Wasserfall von Tibur I
470; Wasserorgel II 165. 171. 175. 185.
Weben und Spinnen I 267 f.
Wegemessung zu Lande I 343 ; zu Wasser I
339) Wegekarten I 327.
Weibliche Rollen im Mimus ETI 115.
Weihegrade der Mithrasverehrer III 146.
Weihgeschenke III 193 ff.
Weihnachtsfest III 240.
Weibrauch II 306; bei Begräbnissen II 358;
Weihrauchhandel von Alexandria I 3 77 f.
■ 433-
Weinbau I 215. II 306. 311 f.; griechischer
Wein in Rom II 282; wilder Wein II 346.
Weiß, Tracht der kaiserlichen Diener I loi;
weiße Partei im Zirkus II 34.
Weltbürgertum III 294 f. ; Welthandel, seine
Gewinne I 365; Weltfrieden I 316 f.; Welt-
wunder I 444 f.; Weltschmerz III 325 ff.
Wettkämpfe, musikalische II I76ff. ; poetische
II 217 f. 228flF.
Wien s. Vindobona.
Wiesbaden (Aquae Mattiacae) III 19.
Winde, Altar III 189.
Winterreisen zur See I 334; in den Alpen I
324; Winteraufenthalte I 398.
Wirtshäuser I 343 ff. ; Wirtshausschilder I 347 ;
Wirtshauspreise I 348.
Wissenschaftliche Reisen I 379 ff.
Witz, römischer I 262.
Wobum Abbey II 341 f.
Wochentage, Planetennamen I 263.
Wölfin, römische III 22, 11.
Wohlgerüche II 326 f.; bei Leichenbegäng-
nissen II 357 f.
Wohngebäude, Luxus 11 327 ff. ; Luxus der
Wohnungseinrichtung II 346 ff. ; Wohnungs-
mieten in Rom I 327. 329. 331; Wohnungs-
not in Rom I 19.
Wolle und Wollstoffe II 312; ägyptische I 432 ;
tyrische II 315; apulische II 315.
Wolsey, Kardinal II 349. 352.
Wroxeter III 18.
Wucherer I 129. 160 f.
Würfelspiel I 2531.
Wunder, die sieben der Welt I II. 444 f.
Wunderglaube III 129 ff. 154 f.; Wunderhei-
luDgen III 171 f.; christliche Wunder III
224f. ; Wundererzählungen von entfernten
Ländern I 390 ff.
X.
Xanten (Castra vetera) III 3.
Xenarch, Peripatetiker I 86.
Xenien Martials II 244.
Xenophon (C. Stertinius) I 71 f. 195. III 25.
Xystos, HuatiKV] Omoboc,, Xystarchen II 155.
REGISTER
369
Z.
Zahl der Gladiatoren 11 5 1 f. ; der wilden Tiere
U 80; Zahlzeichen auf Denkmälern III 109,3;
Zahlenmystik in der Medizin I 209.
Zahnheilkunde II 357.
Zauberei l3o6f. ; von Ärzten geübt I 209; in
der Rhetorenschule II 203; bei Wettrennen
n 42 f. ; Zauberei im 2. Jahrhundert I 307 ;
christliche Zauberformeln III 240, i.
Zbeltbiurdos, Gott III 143.
Zebaoth III 206.
Zehngespanne II 47.
Zehntland, Städte III 19; Villen III 34.
Zeltdach des Amphitheaters II 99.
Zeno aus Aphrodisias, Bildhauer I 383.
III 91.
Zenobia, Gönnerin der Juden III 202.
Zenodorus, Bildgießer III 91. 96. loi.
Zensus der Senatoren I 126.
Zephyrinus, Bischof III 228.
Zerstörung von Kaiserbildnissen III 58 f.
Zeus. Menschenopfer auf Cypem III 188; Ly-
kaios III 188; Panamaros III 173.
Zibet, Parfüm II 327.
Ziegeleien I 12g f.
Zielsäulen im Zirkus II 45 f.
Zimbel II 165. 171.
Zimidrenus, Asklepios III 142.
Zimmerleute als Feuerwehr III 28.
Zimt als Parfüm II 326; Zimtsaft II 320.
Zinnhandel I 378.
Zinsfuß I 129. II 270; Zinswucher der Sena-
toren I 129.
Zirkus n 21 ff. 43 ff.; Abbild des Weltganzen
II 39, 9; auf Denkmälern II 45, 6; Schlacht
im Zirkus II 76; Zirkusspielc II 23 fr., außer-
halb Roms II 24, 7; Zirkusparteien II 32 ff.
Zither s. Kithara.
Zitronenbaum II 30S.
Zivildienst der Ritter I i49ff. 152 f,
Ziziphum II 307, 7.
Zobelfelle II 314. 318.
Ziuj&ioYÄucpuuv (XYuJv I 252.
Zoilus bei Martial I 235.
Zoilus in Trier III 45.
Zollfreiheit I 350; Zoll auf wilde Tiere II 82;
Zöllner I 349; Zollplackereicn I 349 f. ; Zoll-
pächter I 156 f.
Zoticus (Aurelius) I 46. 48. 61.
Zucht in der Gladiatorenschulc II 67; Züchti-
gungen in der Schule I 177. 179, 9.
Zudrang zu den Schauspielen II 18.
Zünfte [colkgia] I 162. 166 ff.
Zürich s. Turicum.
Zurufe an Wagenlenker II 26; gesungene im
Schauspiel 11 4. 7. 8.
Zusammenarbeiten von Künstlern III 99.
Zusammenspiel verschiedener Instrumente II
169. 170 f.
Zuwendungen an Priester und Tempeldiener
m 195. ^ ■
Zweigespanne 11 47; mit Statuen III 70.
Zweinamigkcit kaiserlicher Sklaven 165, i. 10.
67, 9-
Zwerge II 369; als Gladiatoren II 53; Zwerg-
gestalt künstlich herbeigeführt II 369; Zwerg-
völker Afrikas I 427, 1 1; Zwergbäume I 474.
Zwinger (Tiergärten) II 82. 83 f.
Friedlaend er, Darstellungeu. III. 9. Aufl.
24
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Ä 000 677 601 7
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